Die Wunder der Bettlerinnen
Krankheits- und Heilungsgeschichten in Burgos und Santo Domingo de la Calzada (1554–1559)
0818
2000
978-3-8233-0328-2
978-3-8233-4011-9
Gunter Narr Verlag
Luís M. Calvo Salgado
Wunderheilungen gehörten zum Alltagsleben im Spanien des 16. Jahrhunderts. Wunder wurden erzählt, aufgezeichnet, gedruckt, gelesen und vorgelesen. Calvo Salgados Studie befaßt sich im ersten Teil mit den Wundererzählungen aus einem 1554 gedruckten Buch, die dem Kruzifix des Burgaleser Augustinerklosters zugeschrieben wurden. Den zweiten Teil bildet eine Mikrogeschichte von fünf Wunderheilungen aus Santo Domingo de la Calzada, die über Alltagsgespräche, Körpervorstellungen, soziale Probleme und das Verständnis von den Wallfahrten Auskunft gibt.
<?page no="1"?> Die Wunder der Bettlerinnen <?page no="2"?> Jakobus-Studien 11 im Auftrag der Deutschen St.Jakobus-Gesellschaft herausgegeben von Klaus Herbers und Robert Plötz <?page no="3"?> Luis M. Calvo Salgado Die Wunder der Bettlerinnen Krankheits- und Heilungsgeschichten in Burgos und Santo Domingo de la Calzada (1554-1559) ~ Gunter NarrVerlagTübingen <?page no="4"?> Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Calvo Salgado, Luis M.: Die Wunder der Bettlerinnen : Krankheits- und Heilungsgeschichten in Burgos und Santo Domingo de Ia Calzada (1554 -1559) I Luis M. Calvo Salgado. - Tübingen: Narr, 2000 Oakobus-Studien; 11) ISBN 3-8233-4011-5 Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät I der Universität Zürich im Sommersemester 1998 auf Antrag von Prof. Dr. Rudolf Schenda als Dissertation angenommen. Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. © 2000 · Gunter Narr Verlag Tübingen Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Satz: Wiest, Tübingen Druck: Laupp&Göbel, Nehren Verarbeitung: Nädele, Nehren Printed in Germany ISSN 0934-8611 ISBN 3-8233-4011-5 <?page no="5"?> Inhalt 1 Einführung .......................... .. .......... .. ... .. ..... .. .... .. ........ .. ...... .. .... .. . 1 2 Burgos und die Kruzifixwunder ................................................ 9 2.1 Die Mächtigen im Mirakelbuch ................................................. 10 2.2 Die Verteidigung des Glaubens und das Ende der Revolution .................................................................................... 31 2.3 Das Frauenbild .......... .. ......................... .. .................................. ... 42 2.4 Das Männerbild .... .... ... ................................................................ 58 2.5 Ländliche Witwen und Bauern in den Mirakeln...................... 69 3 Das Mirakelbuch zwischen Kloster und Welt.......................... 82 3.1 Die Autoren ................................................................................. 82 3.2 Die Lizenz und das Privileg ....................................................... 84 3.3 Der Drucker des Mirakelbuches: Juan de Junta..................... .. 86 3.4 Der Preis und die Leser .............................................................. 88 4 Rezeption ....... .. ..... .. ..................................................................... 95 4.1 Glauben, Lesen und Wallfahren................................................. 95 4.2 Das Kruzifix und seine Darstellungen ...................... .. . .. ......... .. 108 4.3 Lazarillo und der Ablassverkäufer .......... .................................. 113 5 Das Wunder des Lautsprachunterrichts ............................... ..... 126 5.1 Ein Wunder? .................... ... .. .. ..... .. . .. ......... .. . .. ............................. 126 5.2 Die Rechte des redenden Taubstummen.. .. ............................... 133 6 Santo Domingo de la Calzada: ..... .. ......... .. .............. .............. .. ... 136 6.1 Der Heilige.................................................. .. ............................... 136 6.2 Das Hühnerwunder ........ .. ...... .................................................... 139 6.2.1 Das Mirakel in den hagiographischen Quellen .... .. .................. 140 6.2.2 Das Mirakel in den Pilgerberichten ........................................... 152 6.3 Die Stadt .................................................. .. ............................... .. .. 173 6.4 Der Bischof. ... .. .. .......... . .. ........................... .. .......................... .. ... . 175 7 Catalina de Foncea .................................... ................................ .. 179 7.1 Der Prozess von Catalina de Foncea ......................................... 179 7.1.1 Bernardino de Sesma und die Richter .................... .. .......... .. ..... 179 7.1.2 Catalina de Foncea ...................................................................... 191 7.1 .3 Die Zeugen . ... .. .... ......... .. ....................... .. .... ... ........................... ... 199 7.2 Die Krankheit und ihre sozialen Folgen........ ..... .. ........... .... ..... 203 7.2.1 Die Krankheit: der Verlust der Sprache................................. . .. 204 <?page no="6"?> VI Inhalt 7.2.2 Die Folgen: Erfahrung des sozialen Abstiegs und der Gewalt................................... .. ............................................. .. 206 7.2.2.1 Die Schläge ................................................................................... 206 7.2.2.2 Exkurs über die Bettelei und die Caritaslehre .......................... 210 7.2.2.3 Catalina im Wirtshaus... .. .............. ... ... ... ......................... .. .......... 226 7.3 Die Heilung ......... .. . .. .... .... ............ .. .............................................. 231 7.3.1 Die Wege zu den Heilern ............................................................ 231 7.3.2 Die Wallfahrt . .. ...................................... .. ..................................... 243 7.3 .3 Vorstellungen von einer kranken Zunge und ihrer Heilung... 253 8 Der Prozess von Catalina de Grafion ........................................ 255 8.1 Die Aussagen................................................................. .. ............ 255 8.1.1 Catalina de Grafion ..................................................................... 255 8.1.2 DieZeugen ................................................................................... 256 8.2 Alonso de Cabredo, Bernardino und die Richter .. .................. 259 8.3 Catalina und Pedro ...................................................................... 264 8.4 Catalina auf dem Sterbebett ............................. .. ...... .. ................ 268 8.5 Selbstdarstellung und Pflichterfüllung ...................................... 270 8.6 Heilsgeschichte unter der Haut................................................. 274 9 Das Spital ......................................... .. . .. ................ .. .......... .. ........ .. 277 9.1 Das Spital und die Alltagsgespräche .......................................... 277 9.2 Das Heiligengrab und das Spital............. ................................... 280 9.3 Die Finanzierung: eine Idealisierung der Vergangenheit ........ 284 9.4 Die Dienstleistungen des Spitals................................................ 288 10 Catalina de Flores ........ ... ........ .. ................................................... 295 10.1 Der Prozess ...... .... .......... .. ..... .... ................................................... 295 10.2 Die schwierige Zulassung zum Spital...... .. .... .. .. ................ .. .. .... 299 10.3 Das Vorbild Catalina de Fonceas ... .. ....................................... : . . 309 11 Casilda del Rio ....................... ................ .. .................................... 313 11.1 Der Prozess .................... .. .................... .. ...................................... 313 11.1.1 Der Bischof Mendoza ................................................................. 316 11.2 Burgos oder die Fremde ............................................................. 319 11.3 Die unvollendete Reise zu den Bädern .. ... .. ................. .. ........... · 326 11.4 Von Spital zu Spital.. ... ......... .... . .. ............. ............................... .. .. 331 11.5 Die Familie und die Nachbarn . .. ..................... .. ......................... 335 11.6 Die Entscheidung für die Wallfahrt.... .. ... .. .... .. .......................... 339 11.7 DieWallfahrt .. .. ............................................................................ 342 11.8 Beziehungen und Gespräche .............. ... ......... .. . .. ....................... 344 12 Mariade Aperriguis Vision.. ... ...... .... ......................................... 351 12.1 Maria und die Pflegerinnen .. .. ........ .. .......................................... 353 12.2 Der Besuch des Jakobspilgers ........ .. .. ... ..................................... 358 <?page no="7"?> Inhalt VII 12.2.1 Die Bilder in der Kathedrale ................... .. .......................... .. ..... 363 12 .3 Leiden und nicht schwören.. .. .......... .. . .... ..... ...... . .. ....... .. ................ 365 12.4 Das Brot und der Wein ................................ .. ................................. 366 12.5 Andere Versionen des Ereignisses .............. .. . .. . .. .......... ......... .. ...... 371 12.6 Die Heilung und die Eucharistie ............... .. ........................ .. ........ 373 12.7 Der falsche Pilger ........... .. ......................... .. .... .. .............................. 379 13 Der Heilige und die Wunder in Luis de Ia Vegas Hagiographie ...................... .. .. .................................................. .. . 385 14 Schlussfolgerung.. .. ....................... .. .... .. . .. . .... . .. ................ .. ... .... .. . 395 Literaturverzeichnis .. .. .... .. ......... .. .... .... ......... .. .... .. ... .. .. ... .. ................... .... 397 Anhang (Texte) .. .. ............. .. ............................... .. .......... .. ..... .. ........ .......... 431 Resurnen .................. .... .... .. ........... .. ... .. .... .. .......... .. .. ..... ............... .. ............ 492 P ersonen- und O rtsr egister ....... ..... ...... . .. ..... .. . .... ................ .. . .. ......... .. .. .. 495 <?page no="9"?> Vorwort Zur Entstehung dieser Arbeit haben viele in der Ferne und in der Nähe beigetragen. Es bleibt mir die angenehme Aufgabe, ihnen für ihre Unterstützung zu danken. An erster Stelle sei Professor Rudolf Schenda genannt, der mein Interesse an der Europäischen Volksliteratur geweckt und meine Suche nach Verknüpfungen zwischen seinem Fach und der Geschichtswissenschaft (meinem Hauptfach) angeregt hat. Herzlich danken möchte ich auch Professor Ludwig Schmugge, der mir die aktuelle Forschungsdiskussion über das Pilgerwesen näher gebracht hat. Wichtige Anstösse zur Wahl meines Forschungsthemas empfing ich bereits während meiner Studienzeit in Santiago de Compostela. Die Vorlesungen, Seminarien und Übungen in Galicien lehrten mich vieles. 1994 hatte ich die Gelegenheit, an einem Seminar über Geschlechtergeschichte von Professor N atalie Zernon Davis an der Universität Basel teilzunehmen. All den Freunden und Kollegen, die mich in diesen Jahren unterstützt haben, danke ich herzlich. Erwähnen möchte ich an erster Stelle Ruth Geiser und Hermann Krähenbühl, die mir mit ihren Anmerkungen zu einzelnen Kapiteln wichtige Anregungen gaben. Wertvoll und spannend waren auch die Gespräche mit Raquel Behringer, Andres Betschart, Susanna Burghartz, Brigitte Frizzoni, Ursula Ganz-Blättler, Alfred Messerli, Peter Niederhäuser, Araceli Rico, Regula Ringger, Regula Schmid, Wilhelm Schoch, Konrad Stokar, Ofelia Toler, Moritz Vögeli, Yvonne Waldboth und Carlo Wolfisberg in der Schweiz; mit James Amelang, Josemi Lorenzo Arribas, Jose Manuel Pedrosa und Maria Jose del Rio Barredo in Madrid; mit Maria Jesus Baz Vicente, Manuel A. Castineiras Gonzalez und Xose M. Castro Carballeira in Santiago de Compostela; und besonders ermutigend diejenigen mit Stefano Arata und Cristina Aragon in Rom. William Christian und Professor Honorio Velasco bin ich dankbar für die Artikel, die sie mir geschickt haben, und den Herausgebern, Professor Klaus Herbers und Roben Plötz, für die Aufnahme in ihre Reihe J akobus- Studien. Voraussetzung für dieses Buch war die Arbeit in mehreren Archiven, insbesondere im Kathedralarchiv von Santo Domingo de la Calzada. Ohne die freundliche Hilfe von Pfarrer Tomas Ramirez und Archivar Ciriaco L6pez de Silanes wäre diese Untersuchung kaum möglich gewesen. Besonders danken möchte ich meiner Frau, Johanna Wirth. Zusammen legten wir 1989 mit dem Fahrrad und zu Fuss den Jakobsweg von der Schweiz aus zurück. Ihre vielfältige alltägliche Unterstützung begleitete <?page no="10"?> X Vorwort mich auch auf dem manchmal mühseligen Weg zur Vollendung der Arbeit. Dank gebührt schliesslich meiner Mutter und meinem Bruder in Galicien. Ihnen und dem Andenken meines Vaters und meiner Grassmutter sei diese Arbeit gewidmet. <?page no="11"?> 1 Einführung In seinem Werk Vom Gottesstaat ( Kap. 22, 8) schreibt Augustinus (354- 430): Also auch jetzt noch geschehen viel Wunder. Durch wen er will pnd wie er will, wirkt Gott sie, der auch die, von denen wir in der heiligen Schrift lesen, gewirkt hat. Aber die heutigen Wunder werden nicht in gleicher Weise bekannt, werden auch nicht so, um dem Gedächtnis nicht wie Sand, der durch die Finger rinnt, zu entgleiten, durch häufige Verlesung eingeprägt. Denn auch wo man, wie jetzt seit kurzem bei uns, dafür Sorge trägt, dass die Aufzeichnungen derer, die Gnadenhilfen erfahren, öffentlich verlesen werden, hören es manche ein einziges Mal, aber noch mehr sind nicht anwesend. Und auch die, welche da waren, behalten es nur einige Tage in Erinnerung, und kaum einer ist, der von dem, was er gehört, einem Nichterschienenen Mitteilung macht. Doch ein Wunder geschah bei uns, nicht grösser als die schon erwähnten, aber weit und breit so bekannt geworden, dass wohl kein Bewohner Hippos ist, der es nicht gesehen oder davon gehört hätte, keiner, der es je vergessen könnte. 1 Ein von Gott bewirktes Wunder muss, so Augustinus, aufgezeichnet und vorgelesen werden, um den Glauben der Christen zu stärken. Das Wunder bedarf des Gedächtnisses, der Erinnerung, aber vor allem der Schrift, um jederzeit hervorgeholt und reaktualisiert werden zu können. Die Kleriker entscheiden also, ob ein Wunder erhalten und reproduziert wird. Die Produktion des Wunderberichtes bleibt jedoch ein kollektiver Akt, an dem die Betroffenen oder Miracuh! s, das heisst, diejenigen, die das Wunder erlebt haben, als erste teilhaben. Die Rezeption der Wundererzählungen geschieht unter anderem durch semiliterarische Prozesse wie dasVorlesen. Der Erfolg dieser Rezeption lässt sich an dem vom jeweiligen Wallfahrtsort erreichten Bekanntheitsgrad ablesen: Je mehr Pilger an einen solchen heiligen Ort gehen, desto breiter ist die Wirkung der Wunder, und desto erfolgreicher ist die damit einhergehende Werbung einzuschätzen. Ein solcher Prozess der Entstehung, Verbreitung und Rezeption von Wunderberichten wird in dieser Arbeit behandelt. Die Wundererzählungen aus Burgos im nördlichen Altkastilien und aus Santo Domingo de la Calzada in der Rioja 2 um die Mitte des 16. Jahrhunderts bilden das Thema der 1 Augustin, Vom Gottesstaat, S. 775-776. Für den Text auf Lateinisch vgl. Anhang 1. Augustin, De civitate Dei, Bd. Il, S. 579. 2 Beide Städte gehörten zum Königreich Kastilien, das im 16. Jahrhundert immer noch eigene Institutionen Q'u stizwesen, Ständevertretungen, Verwaltungen, Gesetze und so weiter) bes ass. Seit dem Ende des 15 . Jahrhunderts wurden Kastilien und Aragon gemeinsam re- <?page no="12"?> 2 Einführung vorliegenden Untersuchung. Es geht hiermit um einen Beitrag zur Geschichte der Volksfrömmigkeit aus interdisziplinärer Sicht. Angestrebt wird eine Verbindung der Forschungsansätze der historischen Erzählforschung einerseits und der Geschichte, insbesondere der historischen Anthropologie, andererseits. Die Beschränkung auf einen kleinen geographischen Raum sowie auf eine kurze Zeitperiode hängt mit der mikrohistorischen Perspektive der Untersuchung über eine Reihe von Wunderheilungen in Santo Domingo de Ia Calzada zusammen, welche das Hauptstück der Arbeit bildet. Im Fall von Burgos wird versucht, Mikro- und Makroebene zusammenzuführen; dabei werden allgemeinere Fragen anhand eines Mirakelbuches aus dieser Stadt analysiert. 3 Beide Städte sind für die Erforschung des frühneuzeitlichen Wallfahrtswesens besonders aufschlussreich, weil sie einerseits am Jakobsweg liegen und andererseits selbständige Nahwallfahrtszentren waren. Sie gehörten also zu dem von der Fernpilgerfahrt nach Santiaga de Compostela geprägten Kulturbereich und teilten die damit verbundenen historischen Traditionen. Diese Traditionen erlebten gerade im 16. Jahrhundert eine tiefgreifende Krise. Während die Jakobuswallfahrt unter anderem aufgrundder konfessionellen Spaltung in Europa an Bedeutung verlor, erfuhren dieNahwallfahrten in manchen Gebieten Spaniens sowie in anderen katholischen Regionen Europas eine punktuelle Belebung. 4 Das 16 . Jahrhundert bildet ausserdem eine entscheidende Epoche für die Entwicklung der Volkskultur wie auch der Volksfrömmigkeit. In der Debatte über die Zurückdrängung der Volkskultur und dieUnterdrückungder Volksfrömmigkeit ist jedoch sehr umstritten, inwieweit es der Elite gelang, bestimmte traditionelle Praktiken zu beseitigen oder mindestens grundsätzlich zu verändern. Es herrscht zwar Einigkeit darüber, dass die posttridentinische katholische Kirche weniger radikale Reformen als die protestantischen Kirchen verlangte, aber es bleibt unklar, wie sich die Bemühungen katholischer Bischöfe auf das Alltagsleben der meisten Katholiken konkret auswirkten. Hinzu kommt, dass die Begrifflichkeit nicht einheitlich ist. Dem Begriff "Volksfrömmigkeit" haftet eine Grundsatzproblematik an, die in der Forschung kontrovers diskutiert wird. 5 Zwei der bedeutendsten giert. Zur damaligen Geographie der Reiche und Provinzen in Spanien sowie zu den Städten als Verwaltungseinheiten vgi.Johansen, Bevölkerung Kastiliens, S. 65-80, 171-239. 3 Zur Mikrogeschichte vgl. Ginzburg, Mikro-Historie, S. 169-192; Medick, Mikro-Historie, S. 40-53. 4 Zum Strukturwandel der J akobuspilgerfahrt im 16. Jahrhundert vgl. Mieck, Zur Wallfahrt nach Santiago, S. 483-534; Cremoux, Peregrinaciones y romerlas [Vortrag am 19. 1. 98). 5 Zu dieser Debatte vgl. Brown, Heiligenverehrung, passim; Delumeau, EI catolicismo, passim; Burke, Helden, Schurken, passim; Bossy, The Counter-Reformation, S. 51-70; Dülmen, Volksfrömmigkeit, S. 14-30; Dinzelbacher, Geschichte der Voksreligion, 5.9-27; Schmitt, Der Mediävist, S. 29-40; Hold, Angstliches Transzendieren, S. 117-141; Daxelmüller, Volksfrömmigkeit, S. 21-48; Gilomen, Volkskultur, S. 165-208; Schreiner, Laienfrömmigkeit, S. 1-78; Harline, Official Religion, S. 239-262 . <?page no="13"?> Einführung 3 Autoren, die sich mit dem religiösen Leben in Spanien des 16. Jahrhunderts befasst haben, vertreten zwei entgegengesetzte Meinungen über die zu gebrauchende Terminologie. W. Christian bevorzugt den Begriff "lokale Frömmigkeit" und setzt den Akzent auf die vertikalen sozialen Bindungen und auf die schichtübergreifenden Momente der spanischen Religiosität im 16. Jahrhundert. 6 A. Redondo betont hingegen den Gegensatz zwischen Volks- und Elitenfrömmigkeit und unterstreicht die schichtspezifischen Merkmale der Volksfrömmigkeit.l Der Begriff Volksfrömmigkeit bleibt unseres Erachtens brauchbar und für unsere Fragestellung nützlich, wenn man nicht nur auf dem Unterschied zwischen Volk und Elite aufbaut. Zu beachten ist, dass das Volk keine geschlossene Einheit bildete und dass es eine plurale Volksfrömmigkeit gab, in der unterschiedliche soziale Gruppen ihre eigenen Ausdrucksformen fanden. Neben der Unterscheidung zwischen Volk und Elite ist die gesellschaftliche und kulturelle Trennung zwischen Frauen und Männern die wichtigste für unser Thema. In der Forschung über Volksfrömmigkeit stehen meistens Fragen nach Armut und Reichtum, nach Ständen und sozialen Schichten im Vordergrund. Die analytische Kategorie des Geschlechts wird jedoch immer noch häufig vernachlässigt. Für die Behandlung der Wallfahrten und Wunder sind die Geschlechtsbilder und -rollen der historischen Akteure sowie die geschlechtsspezifischen Aspekte des klerikalen Diskurses von erstrangiger Bedeutung. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen prägte den Umgang der Kleriker mit Wallfahrerinnen und Wallfahrern und umgekehrt. So müssen wir uns zum Beispiel fragen, weshalb die gebildeten Kleriker aus Santo Domingo de la Calzada den Frauen viel mehr Aufmerksamkeit schenkten als den Männern oder welche Frauen- und Männerbilder das Burgaleser Mirakelbuch vermittelt. Die Arbeit ist in drei Hauptteile gegliedert, die jeweils mehrere Kapitel umfassen. Im ersten Teil (Kapitel 2, 3 und 4) liegt das Schwergewicht auf einem 1554 in Bur gos gedruckten Mirakelbuch aus einem städtischen Augustinerkloster. In dieser Fallstudie werden einerseits die Mirakel als populärer Lesestoff 8 , andererseits die möglichen Aneignungsweisen durch 6 Christian, Religiosidad local, passim. 7 Redondo, La religion populaire espagnole, S. 329-369. Zur Volksfrömmigkeit und zur Begriffsproblematik in der spanischen Anthropologie und Geschichtsschreibung vgl. Saavedra, La vida cotidiana, S. 275-367; N all e, Inquisitors, Priests, S. 557-587; Garcfa Garcfa, EI contexto, S. 19-29; Maldonado, Religiosidad popular, S. 30-43; Mandianes Castro, Caracterizaci6n, S. 44-54; Lombardi, Derrotade Dios, S. 55-69; C6rdoba Montoya, Religiosidad popular, S. 70-81; Velasco, Las leyendas, S. 401-410; Driessen, The Politics of Religion, S. 82-104; Sanchez Herrero, Religiosidad cristiana popular, S. 105-114; Muftoz Fernandez, EI milagro, S. 164-185; Garcfa Garcfa, Religiosidad popular, S. 231-245; Estrada Dfaz, EIretode Ia religiosidad, S. 257-267; L6pez, Religiosidad popular en Galicia, 5.97- 118; Gelabert6 Vilagran, Culto de los santos, S. 3-20; Dubert, Iglesia y sociabilidad campesina, S. 237-261. 8 Zur Definition der "populären Lesestoffe" vgl. Schenda, Volk ohne Buch, S. 32-36. <?page no="14"?> 4 Einführung die Rezipienten untersucht. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die Autoren des Mirakelbuches Bedeutungen produzieren und wie sie die Realität interpretieren. Bei den meisten Wundererzählungen muss berücksichtigt werden, dass die Augustinermönche Aufzeichnungen mündlicher Erzählungen der Miracules und zum Teil der Zeugen der Wunder bearbeiteten, gestalteten und umformten. Durch diesen kollektiven und vielschichtigen Akt der Deutung der Wirklichkeit wurde die Realität der beschriebenen Ereignisse erst denkbar und lesbar. In den verschiedenen Schritten des Umsetzungsprozesses verarbeiteten sie das Erzählmaterial aus Handschriften und nahmen Textveränderungen vor, so dass der Sinn jeder einzelnen Geschichte auf komplexe Art und Weise von ihnen neu aufgezeigt wurde. Verschiedene Beispiele aus diesem Buch sollen die Wesensmerkmale der damaligen Wundergeschichten und das breite Wunderspektrum zeigen, das von Rettungen in Notsituationen über Strafwunder wegen Blasphemie bis zu Heilungen physischer und psychischer Krankheiten reicht. Die im Mirakelbuch enthaltenen Repräsentationen der sozialen Welt von Burgas und Umgebung standen in Konkurrenz zu denjenigen der fiktionalen, unterhaltsamen und profanen Erzählwelt, die in derselben Stadt zu dieser Zeit rezipiert wurde. Die Autoren des Mirakelbuches übten Kritik an dieser Literatur, die sie für reine Lüge hielten und im Gegensatz zu den eigenen "wahren" Erzählungen sahen. Die Kämpfe im Bereich der Repräsentationen zeigen, wie eine Gruppe von Klerikern ihre Sicht der Welt, ihre Werte und schliesslich ihre Herrsch aft verteidigte und durchzusetzen versuchte. 9 Wichtig ist zu erklären, wie die Autoren die Verwendung der gleichen traditionellen Erzählformen der ihnen anvertrauten Mirakel begründeten, obwohl der Buchdruck ihnen neue Darstellungsmöglichkeiten anbot. Ferner gilt es, die für die Leser möglichen Formen der Aneignung dieser Lesestoffe zu betrachten. Im Zentrum der Arbeit steht die Untersuchung von fünf Wunderheilungen zwischen 1556 und 1559 in Santo Domingo de la Calzada. Dieser zweite Teil umfasst die Kapitel6 bis 12 und behandelt eine kurze Phase der Reaktivierung des Wunderglaubens an einem bestimmten Wallfahrtsort, ein Phänomen, das oft innerhalb des Systems der spanischen Kultorte in der Frühen Neuzeit festzustellen ist. 10 Dieses System erneuerte sich ständig dadurch, dass spezifische Wallfahrtsorte eine Zeit lang an Bedeutung verloren, während andere einen steigenden Zuspruch erlebten und manche sich 9 Zu den "Repräsentationen" und den Kämpfen in diesem Bereich vgl. Chartier, Die unvollendete Vergangenheit, S. 7-19; ders., Historia, lenguaje, percepci6n, S. 93-107. Zu einer Untersuchung von Deutungsmustern frühneuzeitlicher Mirakelbücher vgl. Habermas, Wunder, Wunderliches, S. 38-66. IO Zu diesem System von Sakralorten vgl. Christian, Gracia nu eva, (Vortrag am 19.1.98]. Zu einer ähnlichen Studie im Fürstbistum Münster vgl. Freitag, Volks- und Elitenfrömmigkeit, S. 238-275. <?page no="15"?> Einführung 5 sogar auf einem hohen Niveau lange Zeit stabilisieren konnten. Die Kultdynamik jedes Wallfahrtszentrums hatte eine eigene Logik, die von verschiedenen Faktoren abhängig war, wie etwa der Haltung der kirchlichen Hierarchie oder den Konkurrenzverhältnissen zu anderen Pilgerorten. Innerhalb des Systems entstanden sogar neue Wallfahrtszentren, aber diese neuen Sakralorte folgten immer traditionsverbundenen Modellen, wie die Entstehungslegenden zeigen. Die traditionelle Beharrung kennzeichnet auch die Wundererzählungen in den alten regionalen und überregionalen Pilgerzentren, die plötzlich an Anziehungskraft gewannen und dadurch andere Wallfahrtsorte in den Schatten stellten. Die Akzentsetzung variierte jedoch von Ort zu Ort und hing vor allem mit den jeweiligen Erwartungen der Gläubigen zusammen. Im ganzen System wurden also Modelle propagiert, welche das Interesse der Laien und Kleriker an der göttlichen Gnadenhilfe aufrechterhielten: Visionen, Inventionen und Überführungen von Reliquien sowie Wunder gehörten zu den wichtigsten Mustern. Die Gläubigen konnten dadurch zu einem bestimmten Zeitpunkt wissen, an welchem Ort und dank welchem Heiligen Gott am meisten Wunder bewirkte. Zu fragen bleibt in jedem Fall von Wiederbelebung des Wunderglaubens an einem bestimmten Ort, wie eine solche Phase der religiösen Hochstimmung entstand, sich entwickelte und zu Ende ging. In Santo Domingo de Ia Calzada muss das Burgaleser Modell des Augustinerklosters aufgrund der geographischen Nähe und der Erscheinung des Mirakelbuches 1554 eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Kleriker aus Santo Domingo müssen das Mirakelbuch gekannt haben, und es ist anzunehmen, dass die Wundererzählungen aus der Grassstadt Burgos auf demJakobsweg mündlich überliefert wurden, so dass sie auch zahlreichen Laien in Santo Domingo und Umgebung bekannt waren. Zur Akzeptanz neuer Wunder des Lokalheiligen durch die Laien trug ebenso die eigene Tradition über den Heiligen Domingo und seine Wunder bei. Zum gemeinsamen Erzählgut der Bewohner der riojanischen Stadt gehörte zum Beispiel die in ganzEuropasehr verbreitete Erzählung über das Hühnerwunder. Dieses Mirakel wurde in Santo Domingo dem eigenen Lokalheiligen zugeschrieben (Kapitel6). Im Zentrum der Kapitel 6 bis 12 stehen die Beschreibung der inneren Kultdynamik dieser Phase, die durch mehrere zu Protokoll gebrachte Wunderheilungen charakterisiert ist, sowie die Faktoren, die zu dieser Entwicklung beitrugen. Die Durchführung von fünf Prozessen durch ein kirchliches Gericht (also kein Inquisitionstribunal) 11 mit einem Vertreter der staatlichen Verwaltung prägte diese Dynamik auf entscheidende Weise. Das Ziel der klerikalen Untersuchung bestand darin, den Wahrheitsgehalt der Wunderheilungen zu überprüfen. Es ging den Klerikern der Kathedrale von 11 Wenn wir also von Verhörprotokollen reden, heisst dies nicht, dass die protokollierten Befragungen ähnlich wie die inquisitorialen Verhöre abliefen. Vgl. dazu Kapitell. <?page no="16"?> 6 Einführung Santo Domingo nicht darum, möglichst viele kurze Berichte über Wunderheilungen zu verfassen. Sie beschäftigten sich damals nur mit wenigen Wallfahrerinnen und schenkten ihren Krankheits- und Heilungsgeschichten eine grosse Aufmerksamkeit. Die zum Teil aufwendigen klerikalen Untersuchungen einzelner Fälle zeugen von einem anderenUmgangmit der Schrift und mit der mündlichen Erzählung als die kurzen Mirakelberichte aus anderen Wallfahrtsorten. Die kommunikative Situation der Befragung durch die Richter gibt den Rahmen ab, in dem die Aussagen der Betroffenen und der Zeugen zu betrachten sind. Das Kapitell geht der Frage nach, wie man sich die für die Befragung typische Gesprächsform anband des Prozesses betreffend Catalina de Fonceas vorzustellen hat. In den weiteren Kapiteln über einzelne Wunderheilungen (8, 10, 11 und 12) werden die Spuren der konkreten Interaktion zwischen Fragern und Befragten in den Prozessakten verfolgt, um die jeweilige Kommunkationspraxis zu rekonstruieren. Vor dem Hintergrund des Zusammenspiels und der Wechselbeziehung von Mündlichkeit und Schriftlichkeit bekommen Wiederholungen, aber auch voneinander abweichende Aussagen eine eigene Bedeutung. Die unterschiedlichen Versionen derselben Ereignisse spiegeln die persönlichen Sinngebungen der Befragten wider.U Die subjektive Dimension der von ihnen beschriebenen Erfahrungen lässt sich durch den Vergleich mit anderen Varianten erfassen. Die Hauptpersonen der fünf Prozesse sind Frauen: Catalina de Foncea (Kapitel 7), Catalina de Graii6n (Kapitel 8), Catalina de Flores (Kapitell 0), Casilda del Rio (Kapitelll) und Mariade Aperrigui (Kapitel12). Die beiden ersten waren eine Zeit lang stumm und konnten erst nach der Heilung wieder sprechen. Zwei wei'tere (Catalina de Flores und Casilda del Rio) waren gelähmt und gehbehindert, konnten aber später wieder gehen. Die letzte Frau, Mariade Aperrigui, war ebenfalls gelähmt; sie wurde nicht nur geheilt, sondern erlebte auch eine Vision, in der sie den Heiligen Domingo de la Calzada sah. Wichtig ist festzuhalten, dass fast alle Frauen aus der Unterschicht stammten. Drei (Catalina de Foncea, Catalina de Flores und Casilda del Rio) arbeiteten vor ihrer Erkrankung als Dienstmägde, und danach bettelten sie, um zu überleben. Die letzte, Maria de Aperrigui, war eine arme Witwe. Nur Catalina de Graii6n, eine der stummen Frauen, gehörte zur Oberschicht einer Kleinstadt in der Nähe von Santo Domingo de la Calzada. 12 Zur Problematik der Quellengattung der Ego-Dokumente vgl. Schulze, Ego-Dokumente, S. 417-450; ders., Zur Ergiebigkeit, S. 319-325; Behringer, Gegenreformation, S. 275- 293; Schnabel-Schüle, Ego-Dokumente, 5.295-317. Zu den Besonderheiten autobiographischer Quellen im Vergleich zu anderen Ego-Dokumenten vgl. Amelang, Spanish Autobiography, S. 59-71. <?page no="17"?> Einführung 7 Den Kontext, in dem sich die ersten zwei Wunderprozesse abspielen, kann man nur verstehen, wenn man den damaligen Bischof der Diözese und seine Ideen über Armut und Frömmigkeit kennt. Deshalb werden die wichtigsten Etappen seines Lebens und einige seiner Schriften im Kapitel6 aufgezeigt. Nach seinem Tod fanden die drei anderen Prozesse statt. Aber die neuen Bischöfe waren in jenem späteren Zeitraum nur kurze Zeit im Amt und beeinflussten den Verlauf dieser Verfahren nicht wesentlich. Die Verhältnisse im von den Kanonikern der Kathedrale von Santo Domingo de la Calzada abhängigen Spital sind für die letzten Prozesse von grosser Bedeutung, weil dort mehrere der Miracules aufgenommen wurden. Dem Spital ist Kapitel 9 gewidmet. Die Kleriker, aber vor allem die durch Wunder beglückten Wallfahrerinnen und andere fromme Laien, trugen zur eigenartigen Kultdynamik des Wallfahrtsortes bei. In den Prozessakten kommen ausser den Betroffenen mehrere Personen zu Wort: die Zeugen, die Richter, der Schreiber, der Notar und weitere Kleriker. Die Erzählungen der Wallfahrerinnen über ihre Krankheiten sowie über ihren Umgang mit dem Wallfahrtsritual am Grab des Heiligen stehen bei der Behandlung der Prozesse im Vordergrund. Sowohl in Bezug auf ihre eigenen Aussagen wie auch auf die der Zeugen interessieren die Beschreibungen ihrer Beweggründe und Handlungen, aber auch ihre Alltagserzählungen, ihre Deutungs- und Wahrnehmungsmuster. Damit soll eine "dichte" Darstellung der Lebensumstände jeder einzelnen Frau während der Kran kheit entworfen werden. Bei den ersten zwei Frauen gehen wir auf die Erfahrungen mit derzeitlich beschränkten Sprach- und Hörbehinderung ein, bei den drei letzten auf diejenigen mit der vorübergehenden Gehbehinderung. 13 Die kulturell und gesellschaftlich konstruierte körperliche Andersartigkeit hängt in allen Fällen mit den damaligen Wahrnehmungsmustern und insbesondere mit d en Kriterien der körperlichen Leistungs- und Arbeitsfähigkeit zusammen. Denn die meisten an der theologischen Debatte über die Armut und die Bettelei beteiligten Autoren im Spanien des 16. Jahrhunderts betonten die Wichtigkeit der Krankheit als Bedingung und Rechtfertigung für den Empfang privater Almosen und Hilfe der öffentlichen Fürsorge. In dieser Epoche liegen zudem die Wurzeln für die in ganz Westeuropa zu findenden konfessionsspezifischen Einstellungen zum Körper, die eng mit den Idealvorstellungen der Arbeitsmoral gekoppelt sind. So wurden damals die Wunderheilungen dank der Fürsprache eines Heiligen eine katholische Deutungsform von Heilung, die in protestantischen Gebieten nicht mehr akzeptiert wurde. Obwohl die mittelalterlichen Armutsvorstellungen auch 13 Hier wird die eng gefasste Bedeutung von "körperlicher Behinderung" als nicht vorübergehender Beeinträchtigung von Fähigkeiten auf die vorübergehenden Gebrechen erweitert. Denn die Betroffenen werden geheilt, ihre Erfahrungen entsprachen aber während der Krankheit denjenigen der Behinderten im engen Sinn des Wortes. <?page no="18"?> 8 Einführung in Spanien und anderen katholischen Ländern zunehmend in Frage gestellt wurden, konnten die Bettlerinnen und Bettler immer noch von gewissen Toleranzbereichen im Alltag profitieren. Schliesslich geht der dritte und letzte Teil (Kapitel 13) der Frage nach, welche Darstellung diese Fälle aus Santo Domingo de la Calzada in der Hagiographie des Heiligen Domingo von Luis de la Vega finden. Er schrieb sein Werkam Anfang des 17. Jahrhunderts aus einer anderen Perspektive und mit anderen Interessen und Ideen als die Kleriker um die Mitte des Jahrhunderts, welche die Prozesse durchgeführt hatten, auch wenn er ebenfalls darauf bedacht war, den Ruhm des Wallfahrtsortes zu verbreiten. <?page no="19"?> 2 Burgos und die Kruzifixwunder Burgos war die grösste Stadt in der Nähe von Santo Domingo de la Calzada (etwa 65 km davon entfernt) und zugleich die Hauptstadt der Verwaltungsprovinz mit dem gleichen Namen, zu der Santo Domingo gehörte. 1 In Burgos wurde 1554 eine .Sammlung von Mirakelerzählungen veröffentlicht, welche Unfälle und Rettungen, Gefangenschaftell und Befreiungen sowie Krankheits- und Heilungsgeschichten der Städter und Bewohner der ländlichen Umgebung von Burgos enthielt: die Hystoria de como fue hallada Ia ymagen del sancto Crucifixo que esta en el monesterio de sancto Augustin de Burgas con algunos de sus miraglos. Dirigida al muy alto y muy poderoso principe de Espaiia don Phelipe (Die Geschichte von der Art, wie das Bild des heiligen Gekreuzigten 2 gefunden wurde, das in dem Kloster San Agustin de Burgas ist, mit einigen seiner Wunder... ). Die anonymen Autoren waren Mönche aus dem städtischen Kloster. Sie schrieben über die Wunder des Kruzifixes, weil sie dadurch den Ruhm ihres Klosters verbreiten wollten. Ihre Versionen der Mirakelerzählungen sind bezeichnend für das klösterliche Milieu und sein Verhältnis zur kastilischen Geschichte, aber auch zum städtischen und ländlichen Alltagsleben sowie zu den Alltagserzählungen von Laien und Klerikern. 3 Die Hystoria muss manchen Klerikern aus Santo Domingo de la Calzada bekannt gewesen sein, denn die spanischen Kanoniker aus dem 16. J ahrhundert interessierten sich meistens sehr für Hagiographie und Wundersammlungen4. Auf welche Art und Weise die Burgaleser Mirakelsammlung auf die Schreiber in den Prozessen zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Wunder von Santo Domingo wirkte, ist jedoch eine andere Frage. Da formale Ähnlichkeiten in der Erzählstruktur bei fast jeder zeitgenössischen Wundererzählung auszumachen sind, lässt sich kein direkter Einfluss dieses spezifischen Mirakelbuches nachweisen. Wichtig ist hingegen festzuhalten, dass klare Unterschiede zwischen der Burgaleser Mirakelsammlung und den klerikalen Versionen der Erzählungen über Wunderheiiungen aus Santo Domingo de la Calzada bestehen. Diese Unterschiede betreffen unter anderem die Rolle der weiblichen Unterschichtsangehörigen als Protagoni- 1 Martinez Diez, Administraci6n, S. 329-340. 2 Das Wort "Crucifixo" wird von den Autoren mal mit der Bedeutung "Kruzifix", mal mit der Bedeutung" Gekreuzigter" verwendet. Bei der Übersetzung wird im Folgenden je nach Kontext die eine oder andere Möglichkeit gewählt. Wenn nicht anders erwähnt, handelt es sich um meine eigene Übersetzung. 3 Für die Wechselbeziehungen zwischen mündlichen und schriftlichen Erzählungen im Europa der Frühen Neuzeit vgl. Schenda, Von Mund zu Ohr, passim. 4 Nalle, God, S. 78-79. <?page no="20"?> 10 Burgos und die Kruzifixwunder stinnen in den Wundergeschichten. Sie hängen aber ebenfalls mit den verschiedenen theologischen und ideologischen Auffassungen der Kleriker des grassstädtischen Klosters einerseits und des Bischofs und der Domkapitelmitglieder der Kleinstadt andererseits zusammen. Um die besonderen Eigenschaften der Calceatenser Wunderprozesse besser erkennen und einordnen zu können, beginnen wir mit einer Analyse der Burgaleser Kruzifixwunder als Erzählungen vor ihrem sozialhistorischen Hintergrund. Dabei sollen die Erzähltechniken der Autoren berücksichtigt und die in den Erzählungen vermittelten Werte und Vorstellungen in Zusammenhang mit den moralischen Normen und Idealbildern der Augustinermönche und der katholischen Kirche im Spanien des 16. Jahrhunderts gebracht werden. Eine weitere wichtige Funktion dieses Teils der Arbeit besteht darin, in die damaligen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Burgos und der Rioja einzuführen. Die darauffolgenden Kapitel behandeln Fragen der Produktion, Diffusion und Rezeption des Burgaleser Mirakelbuches. Zunächst wird anband seines Vorwortes auf die Arbeitstechnik und auf die Schritte der Autoren eingegangen, die diese bis zur Veröffentlichung unternehmen mussten. Danach wird die Bedeutung des Druckers, Juan de Junta, im damaligen Burgaleser und im spanischen Kontext zu beleuchten sein. Schliesslich geht es um die möglichen Adressaten, sowohl um Leser wie um Hörer. Ihre Aneignung dieser Lesestoffe durch das Mirakelbuch steht dabei im Mittelpunkt. 2.1 Die Mächtigen im Mirakelbuch Der venezianische Botschafter Andrea Navagero schreibt 1526 über seine positiven Eindrücke von Burgos: La Citta e ben abitata tutta, ed ha molte arti di ogni sorte. Vi son de i Gentiluomini, e qualehe Signore: vi hanno buoni Palazzi, come il Contestabile, ed il Conte de Salinez. Ma il piu pero di quelli ehe vi abitano sono mereatanti, e rieehi, ehe vanno non solo per tutta Spagna, ma pertuttele parti del Mondo eon sue faeeende, i quali hanno di buone ease, e vivono molto aecomodatamente: e sono i piu cortesi uomini, e da bene, eh'io abbia trovati in Ispagna, ed amieissimi de' forasteri . Vi son belle donne universalmente, e ehe vestono onoratamente. 5 Seine Beschreibung der Stadtbewohner, ihrer Häuser, Sitten, Kleider und ihres Verhaltens beschränkt sich auf die wichtigsten Vertreter des Grossadels, die Kleinadligen und die Bürger. SeineMassstäbe bei der Beurteilung des bürgerlichen Lebensstils der Kaufleute spiegeln Konventionen über die 5 Nauagerius, Opera omnia, S. 388 . <?page no="21"?> Die Mächtigen im Mirakelbuch 11 von der höfischen Kultur verlangte Verfeinerung der Sitten wider. 6 Die Sittenfrage war von zentraler Bedeutung in der Gesellschaft des 16. Jahrhunderts. In dieser Zeit war die Spannung zwischen dem Adel, der seine Gruppenidentität durch seine Herkunft begründete, und dem aufsteigenden Bürgertum, welches sein soziales Bewusstsein auf wirtschaftliche Macht stützte, nicht in allen spanischen Städten so ausgeprägt wie in Burgos.7 Diese Stadt bildete eine gewisse Ausnahme in diesem Bereich, denn die Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs durch persönliche Leistungen erweiterten sich dort in der ersten Hälfte des Jahrhunderts massgeblich. 8 Keuschheit und Schönheit kennzeichnen für den venezianischen Botschafter das Bild der Burgales er Frauen. Diese beiden Merkmale sollten aus seiner patriarchalen Sicht in ausgewogenem Verhältnis stehen. Das schichtspezifische Verständnis von Weiblichkeit fordert von den Frauen der Oberschicht den schwierigen Balanceakt zwischen Tugend und ästhetischem Anspruch, was nach A. Navageros Ansicht den Burgaleser Frauen gelingt. Seine Wahrnehmung von Weiblichkeit konzentriert sich allerdings auf die Frauen der Burgaleser Oberschicht. Die in der Beschreibung erwähnten sozialen Gruppen beherrschten die Stadtregierung ("Regimiento"), deren Macht und Gewalt sich in zahlreichen Bereichen des städtischen Alltagslebens bemerkbar machte: zum Beispiel bei den polizeilichen Aufgaben im weitesten Sinne, welche vor allem die Sicherheit und die Versorgung betrafen, oder bei der Verteilung und Verwaltung der städtischen Steuereinkünfte, in der die Führungsschichten gewissen Einschränkungen seitens der Krone unterworfen waren. In dem "Regimiento" sassenVertreterdes Adels (sowohl solche, die hauptsächlich Grundrentenempfänger waren, als auch die Amtsträger der städtischen und lokalen Verwaltung) und der Kaufleute. Letztere bildeten die soziale Gruppe mit dem grössten politischen Einfluss in der Stadt und dominierten die Stadtregierung. Dies nicht zuletzt wegen der Käuflichkeit einiger Ämter des "Regimiento", was den Kaufleuten angesichts ihrer finanziellen Kraft zugute kam. 9 Neben den Mitgliedern der städtischen Führungsschichten lebten drei besonders mächtige Personen in Burgos: Sie waren Grossadlige. Zwei davon werden von Andrea N avagero erwähnt: der Konnetabel von Kastilien, einer der grössten Landbesitzer Altkastiliens, und der weniger bedeutende 6 Elias, Zivilisationsprozess, insbesonders Bd. 1, S. 89-301. 7 Hiltpold, Noble Status, S. 21-44. Über die soziale Verhältnisse in Burgos in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vgl. ders., Burgos, passim. 8 Über die Rolle der Burgaleser Kaufleute vgl. Mathers, Burgos, passim. 9 Der "Regimiento" war in den" Ayuntamiento" (wörtlich übersetzt: "Zusammentreffen" oder "Versammlung") eingegliedert, eine dreiteilige Institution, zu der die königlichen Justizbeamten gehörten (die "Justicia") und der weniger mächtige R.at ("Consejo") mit zweiundzwanzig Vertretern der Stadtbürger, zwei pro Stadtbezirk. Uber diese Gremien und die politische Macht der Kaufleute vgl. Mathers, Burgos, S. 17-177. <?page no="22"?> 12 Burgos und die Kruzifixwunder Graf von Salinas. Hinzu kam der Marquis von Poza. 10 Die Angehörigen dieser Schicht galten als die militärische und administrative Elite des Königreichs. Sie genossen zahlreiche Privilegien und trugen ihre soziale Stellung durch einen vornehmen und standesgernässen Lebensstil zur Schau. Doch die Mehrheit der Burgaleser gehörte den mittleren und unteren Schichten an, die zum Teil eine starke Binnendifferenzierung innerhalb der städtischen Gesellschaft aufwiesen. Nach der Volkszählung aus dem Jahr 1561 gab es in der Stadt 4.347 Haushalte, was auf eine Bevölkerungvon rund 20.000 Einwohnern schliessen lässt. 11 In Burgos lebten zahlreiche Handwerker, Kleinhändler und Lohnarbeiter. Im Ledergewerbe, einem der wichtigsten Erwerbszweige der Stadt, arbeiteten 287 Menschen. 227 waren im Textilgewerbe tätig, 74 im Kunstgewerbe (Goldschmiede, Bildhauer und Maler), 62 im Baugewerbe, 51 in der Metallverarbeitung und in der Buch- und Papierproduktion. 147 Personen waren Lebensmitteldetailhändler. Weiter unten in der sozialen und wirtschaftlichen Hierarchie befanden sich 169 Lohnarbeiter ("jornaleros"). Zwischen 160 und 200 von diesen arbeiteten zudem in der königlichen Münzstätte. Schliesslich lebte eine beträchtliche Zahl von Dienern in den Haushalten ihrer Herren. Eine kleine Gruppe innerhalb der Mittelschicht bildeten die 13 Barbiere, 5 Chirurgen, 6 Apotheker und 7 Ärzte. Daneben verdiente eine weitere Gruppe ihrenUnterhalt als Notare (26) und Anwälte (16). Die Zählung von 1561 enthält keine Angaben über den Anteil der Geistlichen an der Gesamtbevölkerung. Aus ähnlichen Quellen aus dem Ende des Jahrhunderts geht allerdings hervor, dass die Zahl der Geistlichen in Burgos sehr beträchtlich war. Man muss jedenfalls in Rechnung stellen, dass sich diese soziale Gruppe in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Spanien stark vergrösserte. Diese Ausführungen bringen uns in den Bereich des religiösen Stadtlebens, welcher für den venezianischen Botschafter von grösster Bedeutung war: Ha dentro [innerhalb der Stadtmauer] Ia Chiesa Maggiore, ehe e assai grande, e bella, ma oscura, e fredda, nella qua! sono molte belle Capelle, ma quella del Contestabile principalmente, ehe e dietro I'Altar grande, molto ornata. Sopra Ia Terra pur dentro nell'alto del monte vi e il Castello, ehe ad altri tempi si s'o! eva tenere per fortissimo; ora ehe le artiglierie han fatto ogni casa debole, ·non e giudicato di tanta fortezza. Sotto del Castello e una Chiesa, detta nuestra Senora Ia Blanca, alla qua! concorre gente assai per devozione. Sono sopra il fiume dell'Arlanzon due ponti di pietra. Fuora della Terra nella valle vi sono piu Monasteri, e Chiese, e tra Je altre un Monastero detto las Huelgas di Monache molto rieche; ed il Monastero e molto grande, e bello, ed adornato di varie gentilezze. Hanno giunto al Monastero un gran borgo di case, e quasi un Castello, nel quale Ia Citta non ha giurisdizione alcuna; ma ein tutto delle Monache. Dall'altra parte lontan dalla Terra una lega nell'alto vi e un Monastero de' Frati Certosini, detto Miraflores, molto bello, e con 10 Ebd., S. 16. 11 Im Folgenden beziehe ich mich auf Bennassar, Valladolid, S. 96- 101. <?page no="23"?> Die Mächtigen im Mirakelbuch 13 bella Chiesa, e tutto moltoben fabbricato [...]. A due leghe della Citta e un altro Monastero [ .. .]. Appresso Ia Citta allaparte ehe esce al monte, subito fuor della porta, vi son anche due belle Chiese, una della Mercede e l'altra di S. Francesco, con assai buoni Monasteri. Fuora del ponte poi ehe va nel borgo, vi e un bei Monastero di S. Paulo, se non m'inganno, a man manca: ed un pezzo piu lungi S. Agostino, dove e una lmmagine di un Crocifisso, molto devota, alla quale ogni Venerdi concorre tutto Burgos. Dalla parte de las Huelgas vi e anehe uno Spedale, detto l'Ospital del Rey, ehe e bella cosa. 12 In seiner knappen Beschreibung der Kirchen und Klöster kommt dem erst am Schluss erwähnten Augustinerkloster aufgrund des dort aufgehängten Kruzifixes eine besondere Bedeutung zu: Ganz Burgossoll sich jeden Freitag, dem Tag der Passion, dorthin begeben haben. Anderen Besuchern der Stadt war dieses Kruzifix schon im 15. Jahrhundert stark aufgefallen: In den Jahren 1465 bis 1467 unternahm der böhmische Adlige Leo von Rozmital (1426-1480) mit seinem Gefolge von rund fünfzig Männern eine Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela. 13 Mit dieser Reise verfolgte er sowohl religiöse als auch diplomatische Ziele. Zwei Berichte von Begleitern sind erhalten: der eine vom Tschechen Schaschek, dem offiziellen Berichterstatter der Reise, der andere vom Nürnberger Patrizier Gabriel Tetzel (gest. 1479), der auffallend oft über die Merkwürdigkeiten der Reise berichtet. 14 In Burgos interessierte er sich so sehr für das Kruzifix und seine Geschichte, dass er eine der damals kursierenden legendären Erzählungen in seinen Bericht aufnahm. Die folgende Legende, auf die wir anhand einer anderen Version später zurückkommen werden, trägt judenfeindliche Züge und erinnert zum Teil an Translationsberichte von Reliquien und an den Raub derselben: 15 Das crucifix ist also an die stat kumen und niemant weiss, von wann es ist. Nach xpi unsers herrngeburtvierhundert und zwelf jar do ist ein naffen mit 12 Nauagerius, Opera omnia, S. 387-388. 13 Zu den Augustinerklöstern auf dem Jakobsweg vgl. Campo del Pozo, Los augustinos, S. 285 -301. 14 I. A. SehrneUer hat beide Berichte veröffentlicht. Für Tetzels Bericht vgl. S.143-196. Über diesen Bericht vgl. Stolz, Reise des Leo von Rozmital, S. 97-121; Ganz-Blättler, And acht, s. 68-69, 416-417. 15 Zu islam- und judenfeindlichen Legenden und spätmittelalterlichen Wunderberichten von Jerusalem- und Jakobspilgern vgl. Ganz-Blättle r, Andacht, S. 155-156. Zum Raub von Reliquien durch Bewohner verschiedener Städte im Mittelalter vgl. Geary, Furta sacra, S.106-131 . Für d as in Erzählungen aus d em Mittelmeerraum häufig anzutreffenden Motiv der Auffindung von Kruzifixen, Kreuzen oder Gekreuzigten auf dem Meer vgl. Delehaye, Les legendes hagiographiques, S. 29-30. Man kann dieses Motiv als Beispiel für die Sakralisierung des Meeres sehen, ein ähnliches Verfahren wie bei den Visionen der Jungfrau in unbewohnten Gebieten ausserhalb der Dörfer im 16. Jahrhundert in Spanien. Vgl. Christian, Apariciones, S. 198. Die Legenden über Kreuze und Kruzifixe enthalten freilich ganz unterschiedliche Motive. Vgl. Drascek, Kruzifix, Sp. 511-515; ders., Kreuzholzlegende, Sp. 398-401; Tüskes, Kruzifix bestraft, Sp. 515-517; ders., Kruzifix gefüttert, Sp. 517-521; Marzolph, Kruzifix: Lebendes Kruzifix, Sp. 521-524; Schneider, Kreuz, Sp. 387-398; D auven-van Knipp enberg, Kreuzigung, Sp. 401 -407. <?page no="24"?> 14 Burgos und die Kruzifixwunder aufgeworfen segel auf dem mer hergangen. Do haben die rauberschiff die naHen ersehen und hinzu geeilt in meinung, das si 's wolten berauben. Do sie zu dem schiffund hinein kumen sein, do haben sie keinen menschen darinnen gesehen, auch nicht darin gefunden dann gar ein grosse truhen, und wenn sie es haben wollen aufbrechen, so sein sie hingefallen und gelegen als die toten, also das sie der truhen nit haben mugen aufthuon, und haben das scheff mit jn genummen. Do ist ein gross fortun an siekummenund hat's mit gewalt gen Burges geschlagen, und haben do von dannen nit mugen kumen. Do haben sie sich erkant das es ein zeichenund verhengnus von Got gewest ist, und haben nit thürren offenlieh sich sehen lassen, wann sie haben die von Burges oft genötet und gefangen, und sein zu einem einsidel kumen, den haben sie in das schiff gefüert und die truhen geweist und seines rats begert. Der hat jn geraten, das sie mit jn gen, es sey ein heiliger bischof zu Burges, geboren von jüdischem stammen, dem woll er dise geschieht fürlegen, der wiss wo! darein zu raten. Also do sie kamen zu dem bischof, der schlief. Do het jm getraumt, wie ein crucifix läg in einem schiff in einer truhen und schwämm auf dem mer, und wär die gestalt und furm, wie Ih's am creutz gestorben waer. Und do der einsidel und die schiffleut zumbischofkamen und jm von demschiffwurden sagen und von der truhen, die darinne stünd, und das sie niemand auf dem gesehen hetten, do gedacht der bischof an das das jm getraurot het und er gebut, das all geistlich und weltlich muosten beichten und gots leichnahm enphahen und iederman in einer process mit allem heilturn heraus zu dem schiff geen. Do gieng derbischofmit etlichen priestern in das schiff, und fielen nider und knieten für die truhen. Darnach thet sich die truhen selbs auf, dosachder bischofdas crucifix darin Iigen. Das nam er mit grosser wirdikeit, und brachten's an diestat und in die kirchen do es noch heut's tag ist. Do wolten die von Burges das crucifix in der stat haben, und namens mitgewaltund füertens in diestat in die pfarkirchen. Als oft sie das hinein mit grosser process trugen, so kam es beinacht almal herwider auss in die kirchen und an sein stat. ltem der heilig bischof, der das heilig creutz auss der truhen nam (sunst mochts niemand herauss nemen), der het vier brüeder, und waren all vier Juden zu den zeiten das geschach, und lebten darnach nit lang in judischem leben. Die wurden al vier bekert zu christlichem glauben und wurden auch darnach vier erzbisehoff in Ispanien und losten vil cristen mit irem gut aus der gefängnuss derheidenund bauten vil kostlieher kirchen, und füerten ein heiligs leben. 16 Die missionarische Botschaft der Legende passt in die judenfeindliche Situation Spaniens im 15. Jahrhundert und entspricht dem christlichen Eifer des deutschen Pilgers Tetzel. Der Abschnitt ist ausserdem nur einer der im Bericht enthaltenen narrativen Abschnitte über verschiedene Kultstätten und Pilgerzentren mit Legenden und Wundererzählungen. Diesen räumt Tetzel einengrossen Stellenwert in seinem Pilgerbericht ein, wie auch seine genauenAngaben zu Kirchen und Klöstern und die präzisen Aufzählungen einzelner Reliquien zeigen. 17 . 16 Tetzel, Ritter-, Hof- und Pilger-Reise, S. 168-170. 17 Stolz, Reise des Leo von Rozmital, S. 104-107. <?page no="25"?> Die Mächtigen im Mirakelbuch 15 Die Kultstätten bekamen im 16. Jahrhundert aufgrund der konfessionellen Konflikte eine neue Bedeutung. Die Santiago-Wallfahrt erlebte eine tiefe Krise: Die verschärften Massnahmen gegen die Bettler gingen mit einem grösseren Misstrauen gegenüber aus- und inländischen Jakobspilgern einher. Weiter stellten die Kriege zwischen den von den Habsburgern dominierten Ländern und Frankreich grosse Hindernisse für den internationalen Verkehr dar; ausserdem fielen die protestantisch gewordenen Gebiete als Einzugsgebiete für die Santiago-Pilgerfahrt weg.1 8 In diesem Kontext muss der Pilgerbericht eines weiteren Venezianers betrachtet werden: des Jakobspilgers Bartolomeo de Fontana, der im 16. Jahrhundert, einige Jahre nach Andrea Navagero, in Burgos war. Für ihn gehörte das Augustinerkloster mit dem Kruzifix zu den wichtigsten und deshalb einzigen nennenswerten Burgaleser Kultstätten. Er schreibt nur kurz über die Stadt in seinem Pilgerführer: In Burgus e una bellissima chiesa deS. Maria e al monastero deS. Agostino, nella chiesa, vedessimo uno delli tre crucifixi, ehe fecce Nicodemo. 19 Er konzentrierte sich ausschliesslich auf die Kirchen und Klöster der Stadt, und das Kruzifix des Augustinerklosters beeindruckte ihn auf besondere Art und Weise, weil es angeblich von Nikodemus gemacht war. Aufgrund seiner Lektüren und seiner Neigung, wenn möglich in Klöstern statt in Wirtshäusern Unterkunft zu suchen, vermutet Antonietta Fucelli, dass es sich bei ihm um einen Kleriker handelt. 20 Ausserdem widmet Bartolomeo Fontana einem geistlichen Würdenträger aus Venedig sein I tinerario: "Al Magnifico M. Vicentio Quirino. " 21 Seine Pilgerfahrt dauerte von Februar 1538 bis September 1539 und führte zu damals wichtigen Pilgerzentren: Loreto, Rom, Montserrat und Santiaga de Compostela, alten und neuen religiösen Stätten, die durch die protestantisch-katholische Auseinanderstetzung eine neue religiöse und politische Bedeutung bekommen hatten.ZZ Sein Werk wurde 1550 veröffentlicht, welches, soweit bekannt, die einzige Ausgabe blieb. Bartolomeo Fontana war sich der religiösen Wandlung durch die Reformation so bewusst, dass er zum Beispiel die positive Haltung der Basler den katholischen Pilgern gegenüber bemerkenswert fand: Basilea e gran citta de Lutherani e e strada de dense selve e boschi e monti e lochi assai de Lutheri, ma non pero danno noia a peregrini, anzi Ii sovengono e albergano in casa loro e in buoni hospitali. 23 18 Mieck, Wallfahrt nach Santiago, S. 499-533. 19 Fontana, Itinerario, S. 120. 20 Fucelli, Einführung, S. 46. 21 Fontana, Itinerario, S. 71. 22 Fucelli, a. a. 0., S. 21. 23 Fontana, a. a. 0., S. 99. Fontana begründet diesen Umweg durch die Schweiz hindurch <?page no="26"?> 16 Burgas und die Kruzifixwunder Santiago de Compostela galt für ihn als Hauptziel seiner von Anfang an als religiös erklärten Pilgerfahrt 24 , obwohl sich seine Route, zumindest auf dem Hinweg, in Spanien oft weit von der alten Pilgerstrasse entfernte. 25 Auf dem Rückweg folgte er ihr ziemlich getreu, weil er unter anderem nach Santo Domingo de Ia Calzada gehen wollte, von dessen Hühnerwunder er in Santiago gehört hatte. 26 Während sich der Einfluss der Berichte über fremde Länder, die die venezianischen Botschafter dem Dogen und dem Senat vorlasen, an anderen Stellen seines Pilgerführers erkennen lässt, 27 prägt sein eigenes Interesse für Reliquien und Kultorte seine kurze Beschreibung von Burgos genauso wie diejenigen von Santiaga de Campostela oder von SantaMariade Muxia. 28 Aus der einheimischen Hystoria de como fue hallada Ia ymagen del sancto Crucifixo erfahren wir viel mehr über das vielseitige religiöse Leben der Stadt Burgos und seiner ländlichen Umgebung, denn daher stammten die meisten Pilger, die das Kloster besuchten, um das Kruzifix zu sehen und vor ihm zu beten. Diese hofften häufig auf ein Wunder, das ihr Leben verändern sollte. Wer ein solches Wunder erlebte, teilte es meistens den Klosterbrüdern mit und bereicherte dadurch das klösterliche Erzählgut. Deshalb kann man die Hystoria als Gemeinschaftsprodukt betrachten: Die geistlichen Berufsschreiber passten diese Geschichten an ihre eigenen literarischen Modelle an. 29 Wie beschreiben die Augustine rm önche diese st ädtische und ländlich e Welt, aus der die Wunderberichte kamen und in der die Mönchetrotz der Trennung durch die Klostermauern lebten? Wie werden Menschen aus verschiedenen Schichten in ihrem Mirakelbuch dargestellt, und welche Rollen werden dabei Männern und Frauen zugewiesen? Welches Bild von ihrem Kruzifix vermitteln sie? Und wie erzählen sie die Ereignisgeschichte der Stadt und des Klosters im Spätmittelalter und insbesonders in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ? 30 damit, das der direkte Weg von Mailand nach Avignon wegen der Pest und der Räuber zu gdährlich sei. 24 Uber die Reisemotivationen der Pilger vgl. Schmugge, Motivkomplex e, S. 263-289; Ganz- Blättler, Andacht, S. 221-247. 25 Zum seit d em 12. J ahrhundert belegten Verlauf des Jakobsweg es vgl. Herbers, Via peregrinalis, S. 1-25; L6pez Alsina, Entwicklung des Camino, S. 59- 68 . 26 Vgl. Kapitel5.2.3. 27 Fucelli, a. a. 0., S. 31. 28 Fontana, a. a. 0., S. 115-117. 29 Über den Verschriftlichun gs - und Umsetzungsprozess ins Gedruckte durch die Augustinermönche vgl. das Kapitel über die Autoren des Mirakelbuches und ihre Arbeitsweise. 30 Die Hystoria beschränkt sich nicht auf die Wunder, sie nimmt weitere Erzählungen in sich auf, etwa wichtige Ereignisse der Klostergeschichte, insbesonders die Schenkungen von Mitgliedern der königlichen Familie im Spätmittelalter. Hy storia, f. XXv-XXVIIv. <?page no="27"?> Die Mächtigen im Mirakelbuch 17 Die Autoren der Hystoria zielten in erster Linie darauf ab, ein bestimmtes, überaus mächtiges Bild von ihrem wundertätigen Kruzifix zu vermitteln. Um das Weiterleben der Pilgerfahrt zu ihrem Kloster zu garantieren, mussten sie Werbung dafür machen. Das Mirakelbuch zeigt eine besondere und enge Verbindung zwischen dem Kruzifix und den Stadtbewohnern. Es wird eine ähnliche Beziehung der Gläubigen zum Kruzifix geschildert wie diejenige, welche die Burgaleser zu ihrem Stadtpatron haben konnten. Die Rivalität mit diesem, dem Heiligen Lesmes, und mit den übrigen Fürbittern aus den anderen städtischen Klöstern und Kirchen erklärt das Interesse der Mönche am Ruhm ihres eigenen KruzifixesY Diese Rolle des Kruzifixes als Helfer und Wundertäter entsprach den Bedürfnissen der Burgaleser Gläubigen nach übernatürlichen schützenden Machtinstanzen. Die Autoren des Mirakelbuches favorisierten die Anpassung des Kruzifixes als eines universellen Christussymbols an die lokale Geschichte, indem sie mehrere nur für Burgos geltende Bedeutungen mit dieser ursprünglich nicht ortsgebundenen kirchlichen Darstellung assoziierten. Daraus leitete sich die Besonderheit des Kruzifixes als eines Burgaleser Stadthelfers ab. 32 Durch ihre Erzählungen im ersten Teil des Buches 33 über die lnventio des Gekreuzigten (die Geschichte, die dem Buch seinen Titel gibt), über .die Klostergeschichte und über die Beziehung von Isabella der Katholischen (1474-1504) zum Kruzifix beziehen die klösterlichen Autoren Stellung zu staatlichen Institutionen wie der Monarchie oder zu den Bischöfen als kirchlichen Würdenträgern. Es wird ferner schon am Anfang des Werkes deutlich, welche Haltung die Augustinermönche den Kaufleuten und Adligen gegenüber einnehmen, sozialen Gruppen also, denen sie im ersten Teil des Buches eine besondere Aufmerksamkeit schenken. Deshalb sei hier zunächst das Bild der politisch, wirtschaftlich und kirchlich Mächtigen im Mirakelbuch nachgezeichnet. Die Geschichte über die Inventio des Gekreuzigten ist eine andere als die vom Nürnberger Pilger G . Tetzel wiedergegebene Version. Es handelt sich um eine im Vergleich zu den Wunderberichten im zweiten Teil des Werkes stark literarisierte Erzählung. Sie enthält zahlreiche Motive, die durch einen spannenden Handlungsfaden miteinander verknüpft werden. Wie bei den übrigen Erzählungen des Mirakelbuches lassen sich die einzelnen Motive zum grössten Teil auf den spätmittelalterlichen kirchlichen Erzählschatz beziehen; sie sind keineswegs autochthon. 34 Für unsere Fragestellung ist es 31 Über die Rolle der Heiligen bei Katastrophen, Dürreperioden und politischen Ereignissen im Burgos des 16. Jahrhunderts vgl. Ibaiiez, Burgos, S. 370-390. 3l Die lokalen Formen von Christusverehrung waren im frühneuzeitlichen Spanien sehr zahlreich, und sie gewannen eine grosse Bedeutung im Zuge der Gegenreformation. Christian, Religiosidad, S. 219-249. Den Anpassungsprozess von Symbolen und Darstellungen an bestimmte Pilgerzentren behandelt Turner, Image, S. 140-171. 33 Hystoria, f. VIIr-XXVIIr. 34 Auf eine Motivgeschichte von jeder im Mirakelbuch enthaltenen Erzählung muss hier <?page no="28"?> 18 Burgas und die Kruzifixwunder wichtig festzuhalten, dass die Schichtzugehörigkeit der Hauptfigur eine wesentliche Rolle in der Inventio-Erzählung spielt, denn die ganze Geschichte dreht sich um einen Kaufmann, seinen Beruf und die mit den Reisen verbundenen Gefahren und Risiken: Als einige Eremiten des Ordens des glorreichen Vaters, des Heiligen Augustinus, in diesem Kloster lebten, das damals Kloster vom Heiligen Andreas hiess, gab es einen Kaufmann in Burgos, der ihnengrosse Verehrung zeigte. Und dieser, so wie Don Rodrigo, Bischof von Sebastia berichtet, nahm sich eine Reise nach Flandern vor. Er bat diese Ordensbrüder, ihn dem Schutz Gottes zu empfehlen, und versprach, ihnen manches gute Juwel aus Flandern zu bringen. Und die Eremiten nahmen seine Bitte und sein Versprechen an. Und der Kaufmann verliess sie, um nach Flandern zu reisen. Da er mit seinem Handel beschäftigt war, vergass er das Versprechen an die Ordensbrüder. Und als er auf dem Seeweg nach Spanien zurückkam, kämpfte sein Schiff zwei Tage lang gegen einen grossen Sturm. Und als der Sturm am dritten Tag vorüber war, sahen sie eine Kiste in Form von einem Sarg nicht weit von ihnen. Und einige Männer stiegen aus dem Schiff auf eine Barke oder ein Boot, das sie auf dem Schiff mit sich brachten. Und sie gingen auf die Kiste zu und brachten sie aufs Schiff. Und da siegrosse Lust hatten zu sehen, was sie drinnen hatte, öffneten sie sie. Und in der Kiste fanden sie ein weiteres Behältnis aus Glas, in dem sich das heilige Kruzifix befand, das jetzt im Kloster von San Agustfn in Burgas ist. Hier verzichten wir darauf, einige Wunder und erstaunliche Ereignisse zu erzählen, welche unser Herr bei dieser lnventio sowie auf dem Weg zum Kloster bewirkte (nach dem, was viele alte Menschen sagen, bei denen sich die Erinnerung an diese Sachen bis heute bewahrt hat, da sie von Ohr zu Ohr kam), und wir finden sie auch geschrieben, aber da sie nicht die geeignete Autorität besitzen, schweigen wir darüber, wie oben gesagt. Zurück also zu der Erzählung über die Kiste. Der Kaufmann spürte bei der Betrachtung des heiligen Bildes die Freude, welche die Frau nach dem Evangelium erfasste, die das Juwel wiederfand, das sie verloren hatte. Und es ist zu bemerken, dass der heilige Gekreuzigte nicht so aufgefunden wurde, wie er jetzt auf dem Kreuz ist, sondern mit den Armen auf der Brust, wie ein toter Körper. Und niemand darf sich darüber wundern, denn es ist wahr, dass die Arme, die Beine und die Finger sich wie bei den Knochengelenken eines organischen Körpers bewegen können. Schliesslich schloss der Kaufmann die Kiste, so gut wie er konnte, beendete seine Seereise, und nach der Landung nahm er diese heilige Statue des Gekreuzigten und übergab sie den oben erwähnten Eremiten des Heiligen Augustinus, die damals im Kloster von San Andres waren. Diese stellten sie auf den Hauptaltar, der damals in einer kleinen Kapelle war, wo das heilige Kruzifix auch jetzt ist. Und es ist zu bemerken, dass der ehrenvolle Nikodemus (nach dem, was wir in alten Pergamentschriften finden), der den Körper unseres Herrn Jesu Christi in d as Grab legte, die Statue dies es heiligen Gekreuzigten gemacht hatte. 35 verzichtet werden. In den Fussnoten wird im Folgenden häufig auf Werke der Sekundärliteratur zu einzelnen sehr verbreiteten Erzähltypen Bezug genommen, die ihrerseits auf die entsprechenden Nummern in Tubachs Motivindex verweisen. 35 H ystoria, f. XIv-XIIIv. Für die spanische Originalfassung vgl. Anhang 2. Die Neigung zum Eremitenturn war ein unter den spanischen Augustinern noch im 15 . Jahrhundert verbreitetes Phänomen. Gutierrez, Augustiner, 1. Bd, Teil2, 5.73 - 74. <?page no="29"?> Die Mächtigen im Mirakelbuch 19 Und die Autoren fahren mit weiteren Erläuterungen darüber fort, dass Nikodemus die Statue geschaffen habe. Mehrere Autoritäten werden als zusätzliche Beweise dafür angeführt. Die Mönche kommen zum Schluss, dass eine so grosse Übereinstimmung zwischen verschiedenen Quellen auf eine ursprüngliche Inschrift auf der Kiste schliessen lasse. Bei der Inventio-Erzählung handelt es sich also um eine lobende Geschichte über die Kaufleute von Burgos, die stolz darauf sein konnten, dass einer von ihnen diese Darstellung des Gekreuzigten ins Kloster gebracht hatte. Sein Name wird nicht einmal erwähnt, was die Ehre für die ganze soziale Gruppe der Kaufleute und nicht nur für eine einzelne bekannte Familie unterstreicht. Zu den Adressaten des Mirakelbuches dürften nicht zuletzt die Angehörigen des Burgaleser Bürgertums gezählt haben, die sich aufgrund ihrer Bildung und ihrer finanziellen Ressourcen Bücher von diesem Umfang und Preis leisten konnten. 36 Die Botschaft der Augustinermönche wurde unter anderem auf die Präferenzen der bürgerlichen Leser zurechtgeschnitten, denen die Geschichte Identifikationsmöglichkeiten anbot. Der Kaufmann, die Hauptfigur der Erzählung, besitzt gute Eigenschaften: Er wird als ein frommer Mann dargestellt, der vor seiner Reise an Gott denkt und die Augustinereremiten besucht, um sie darum zu bitten, für ihn zu beten. Dass er sein Versprechen, ein Geschenk aus Flandern mitzubringen, nicht einhält, wird nicht mit seiner Boshaftigkeit erklärt, sondern mit seiner Vergesslichkeit. Und diese erscheint umso verständlicher, als sie mit seiner Geschäftstüchtigkeit in Verbindung gebracht wird: "Da er mit seinem Handel beschäftigt war( ...]". Trotzdem genügt dieser Umstand nicht, um sein Verhalten vollständig zu entschuldigen, und so bleibt sein schwaches Gedächtnis ein Fehler, allerdings eher ein Leistungsfehler als ein moralisches Vergehen. Dem Aufenthalt in Flandern folgt die Szene, in welcher der Sturm losbricht und die den Leser ein trauriges Ende der Seereise befürchten lässt. Es handelt sich jedoch nicht um ein Strafwunder, in dem die göttliche Bestrafung eines sündigen Menschen exemplarisch dargestellt wird. 37 Der Kaufmann kann für seine Vergesslichkeit nicht auf dieselbe Art Busse tun wie für eine Sünde. Die Funktion des Sturmes lässt sich besser im Zusammenhang mit seiner Rolle innerhalb der Handlungsstruktur erklären: Er dient vor allem dazu, Spannung aufzubauen. Der Sturm war eines der unkalkulierbarsten Risiken, welche die damaligen Leser mit Seereisen assoziierten. Die Gefahren des Kaufmannsberufes stehen im Mittelpunkt des Geschehens, denn gerade diese Gefahren bildeten in den Augen der Kleriker eine der wichtigsten Rechtfertigungen für den Handelsgewinn. 38 36 Auf dieses Thema wird im Unterkapitel über den Buchpreis und die Leser eingegangen. 37 Scheibelreiter, Wunder als Mittel der Konfliktbereinigung, S. 257-276; Giraldo, Volkskundliches, S. 195-200. 38 Über die Seerei se n von Kaufleuten in der mittelalterlichen G eschichte sowie über ihre literarischen Darstellungsweisen und häufigsten Motive vgl. Brennig, Kaufmann, S. 93- 97, 103-106,165-192. <?page no="30"?> 20 Burgas und die Kruzifixwunder Wie gut das Herz des katholischen Kaufmanns ist, kommt ferner bei seiner Betrachtung des gefundenen Gekreuzigten zum Ausdruck, wenn seine Freude mit derjenigen einer biblischen Figur nach dem Wiederauffinden eines Juwels gleichgesetzt wird. Er hegt dabei keine Hoffnung auf materielle Bereicherung, sondern denkt sofort an die Wiedergutmachung seines Fehlers und übergibt die Darstellung des Gekreuzigten so rasch als möglich den Mönchen des Burgaleser Klosters. Weil Nikodemus, der Jesu Leiche ins Grab legte, als Urheber derbeweglichen Statue angesehen wird, erhält sie den Charakter einer Reliquie. Die übernatürliche Kraft der Darstellung wird damit hervorgehoben, und ihre Wundertätigkeit lässt sich von Anfang an feststellen. Die Hystoria liefert damit ein positives Bild der Burgaleser Kaufleute. Die Modelle für negativ gefärbte Darstellungen hätten nicht gefehlt in der spanischen religiösen und moralischen Literatur der Zeit, in der sogar die Angst vor dem Meer zu den Argumenten gegen die Kaufleute zählte. 39 Die Predigten richteten sich häufig gegen die Wucherer und verteidigten das Verbot, Geld gegen Zinsen zu verleihen, mit grosser Vehemenz. Zu diesen Kritikern gehörte der Franziskanermönch Luis de Maluenda, der selber aus einer Familie von konvertierten jüdischen Kaufleuten aus Burgos stammte. Maluenda schreibt über den Wucherzins in seinem in dieser Stadt veröffentlichten Werk Glaubensmilch zugunsten des christlichen Fürsten (Leche de Ia Je en favor del principe cristiano) (1545), es sei unnatürlich, "dass der Dukaten einen anderen Dukaten zeugt und als ein Kind gebiert" (" que el ducado engendre y para otro ducado como hijo"). 40 Die positive Einstellung der Autoren des Mirakelbuches gegenüber den Kaufleuten ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Die kaufmannsfeindlichen Tendenzen verloren innerhalb der spanischen Kirche und insbesondere unter den Kanonisten im Laufe des 16. Jahrhunderts klar an BedeutungY Zudem gehörten die Autoren als Augustinermönche zwar zu einem Bettelorden wie die Franziskaner, aber sie waren sich der besonderen Stellung der Kaufleute in Burgos bewusst und passten sich deshalb an die Erfordernisse ihrer sozialen Umgebung ohne grosse Mühe an. Die wirtschaftliche Macht des Burgaleser Kaufmannsstandes und seine aktive Rolle im Kunsthandel mit Flandern 42 kam ihnen zugute und war eine Tatsache, der sie in ihrem Mirakelbuch Rechnung tragen mussten. Burgos und die Messestadt Medina del Campo waren die wichtigsten Handels- und Finanzzentren Spaniens. Der Wollhandel, die Banken und die Versicherungen aus Nordspanien lagen zum grössten Teil in den Händen von Burgaleser KaufleutenY 39 Caro, Las formas complejas, S. 377-390. 40 Zitiert bei Aviles Fermi ndez, Maluenda, S. 300-301. 41 Caro, Las formas complejas, S. 401-426. 42 Martfn Gonzalez, EI arte flamenc o, S. 95-100. 43 Vgl. das klassische Werk über das spanische Handels- und Bankenwesen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts: Carande, Banqueros, Bd. 1, S. 255-349. <?page no="31"?> Die Mächtigen im Mirakelbuch 21 Die Leser, die Handelserfahrungen auf dem Meer und im Ausland gesammelt oder mit den Familien und Firmen Kontakt hatten, welche Aussenhandel trieben, muss die Geschichte der Seereise an mündliche und schriftliche Alltagserzählungen erinnert haben. Eine besonders interessante Quelle für die Alltagserfahrungen der Kaufleute sind die Briefe der Familie Ruiz aus Medina del Campo. Diese Familie mit ihrem wirtschaftlichen Erfolg, ihren engen Verbindungen zum Burgaleser Bank- und Versicherungswesen, ihrem strengen Katholizismus und ihrer religiösen Intoleranz gegenüber dem Protestantismus ist typisch für die kaufmännische Oberschicht Spaniens. 44 In den Briefen tauchen sehr häufig Erzählungen über schwierige und mühsame Seereisen auf. 45 Der wechselnde Wind und das Unwetter zwangen die Schiffe manchmal zur Rückkehr zum Ursprungshafen, verursachten wochenlange Verspätungen bei der Ankunft oder führten die Schiffe in einen nicht geplanten Hafen. Trotz der Fortschritte der Seefahrt und der Schifffahrtskunde im 16. Jahrhundert fühlten sich die Kaufleute äusserst unsicher auf dem Meer, wie sich aus den überdurchschnittlich häufigen frommen Formeln in ihren Urkunden über Schifffahrten schliessen lässt. Die kalkulierende und rationale Haltung gegenüber dem Leben liess sich durchaus mit der Suche nach übernatürlicher Hilfe in schwierigen Momenten vereinbaren. Es ist kein Zufall, dass die Hauptfigur der Erzählung auf dem Seeweg nach Flandern fuhr. Mitglieder der wohlhabenden Burgaleser Familien waren in London, Brügge, Antwerpen, N antes, Toulouse und Florenz etablierte Kaufleute. 46 Die Grundlage der wirtschaftlichen Macht der Burgaleser Kaufmannsschicht bildete der Wollhandel mit anderen europäischen Ländern, insbesonders mit Frankreich und FlandernY Sie kauften die von der aus- und inländischen Textilindustrie hochgeschätzte Wolle der Merinoschafe aus der Meseta, dem spanischen Hochplateau im Zentrum der Iberischen Halbinsel, und konkurrierten mit den spanischen Textilproduzenten aus Toledo, Segovia und anderen Städten, nicht zuletzt aber auch diejenigen aus der eigenen Stadt, die über keine vergleichbare politische Macht verfügten. Da die Burgaleser Kaufleute ein grosses Interesse an der königlichen Unterstützung für die Art von Viehwirtschaft hatten, die sich in den Händen aristokratischer Viehzüchter befand, war ihre wirtschaftliche Existenz mit derjenigen des kastilischen Hochadels eng verflochten. 48 44 Lapeyre, Ruiz, 5.126-137. 45 Ebd., S. 183-217. 46 Mathers, Merchants from Burgas in England and France, 5.367-397; Caunedo, Estado de Ia cuesti6n, S. 809-826. 47 Zur wirtschaftlichen und sozialen Stellung der Burgaleser Kaufleute und ihren internationalen Beziehungen vgl. Caunedo, Comercio, S. 149-192. Eine Fallstudie über einen einzelnen Kaufmann findet man bei Huxley, Bernuy, S. 195-229. 48 Die Vereinigung dieser Viehzüchter, die "Mesta", genoss zahlreiche königliche Privilegien, die sehr umstritten waren, weil sie Nachteile für die Landwirte der von den Wanderherden betretenen Gebiete verursachten. <?page no="32"?> 22 Burgas und die Kruzifixwunder Als das Mirakelbuch erschien, erlebten die kastilische Wirtschaft im allgemeinen und der Burgaleser Handel im besonderen immer noch eine Wachstumsphase; die Wirtschaftskrise des ausgehenden 16. Jahrhunderts und ihre schweren Folgen für Burgas waren noch nicht absehbar. Es war die Revolte der zum Protestantismus bekehrten Niederländer, die den Burgales er Handel mit Flandern einigeJahrespäter stark beeinträchtigen sollte. Die flämische Textilindustrie erlebte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts keine Hochkonjunktur mehr, und die durch den Krieg entstandenen Gefahren für die Schifffahrt schadeten den wirtschaftlichen Beziehungen in einem früher unbekannten Mass. Die gewaltigsten Rückschläge für die Burgales er Handelswirtschaft kamen um die Mitte der 1560er Jahre. 49 Die Pestepidemien begleiteten den ökonomischen Niedergang der Stadt in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts und verstärkten seine schlimmen Folgen für die Bevölkerung. 50 Die intolerante Glaubens- und Aussenpolitik der von den Kaufleuten unterstützten Monarchie beschleunigte das Ende der Wachstumsperiode am Ende des Jahrhunderts . 51 Die spanische Monarchie entfaltete seit dem 15. Jahrhundert eine Form von religiös begründeter Propaganda, die das Mirakelbuch prägte. Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, dass das Werk dem Prinzen Felipe gewidmet ist, dem zukünftigen König Philipp II., der zu dieser Zeit bereits wichtige Regierungsaufgaben von seinem Vater Karl V. übernommen hatte: 52 Da die Frömmigkeit und Religiosität sowie die besondere Liebe Eurer Hoheit für alle frommen und andächtigen Sachen, welche den grösseren Kult und Dienst von Gott unserem Herrn betreffen, dank der Güte Gottes, des Gebers alles Guten, allgemein bekannt ist, haben wir, seine bescheidenen und standhaften Kaplane, es gewagt, Eurer Hoheit dieses kleine Buch zu widmen und Euch in seinem Titel zu erwähnen. 53 Die Autoren erinnern den Prinzen ausserdem daran, dass viele seiner Vorfahren das Kruzifix besucht hatten, um sich seinem Schutz zu empfehlen. 49 Hiltpold, Burgos, S. 50-57, 182-389. Über den Niedergang Spaniens am Ende des 16. Jahrhunderts und im 17. Jahrhundert vgl. Elliot, Decline of Spain, S. 52-75; ders., Self- Perception and Decline, S. 41-61; Kamen, Decline of Spain, S. 24-50; ders., A Rejoinder, S. 181-185; Israel, A Historical Myth? , S. 170-180. SO Brumont, Peste d e 1599, S. 335- 342. 51 Über das Ende d er spanischen Herrs chaft in den Niederlanden vgl. Parker, Aufstand , pass1m. 52 Kar! I. (1500 -1558) regierte zwischen 1516 und 1556. Sein Sohn Philipp Il. (1527 -1598) herrschte zwischen 1556- 1598. 53 "Corno sea tan notoria Ia piedad, religion y particular affection que vuestra alteza por Ia bondad de Dios dador de todos los bienes tiene a todas las cosas pias y deuotas y que conciernan als mayor culto y seruicio de dios nuestro seiior, sus humildes y continuos capellanes tuuimos atreuimiento a dedicar e intitular este pequeiio libro a vuestra alteza [... ]" . Hystoria, f. Ilr -v. <?page no="33"?> Die Mächtigen im Mirakelbuch 23 Diese Könige pflegten dabei dem Kloster grasszügige Schenkungen zu machen und ihm Privilegien zu verleihen. 54 Philipp li. erfüllte tatsächlich den hier geäusserten Wunsch der Augustinermönche nach einem Besuch 1592. Entgegen der bisherigen Tradition, nach der die Könige bei ihren Aufenthalten in der Stadt in dem Palast des Konnetabels residierten, wählte Philipp li. während seines Besuches das Kloster als Wohnsitz. Die Augustinermönche bekamen eine Schenkung von 5.000 Dukaten für die Erweiterung der Kirche und für ein neues Chorgestühi.S5 Die Haltung der Autoren der Hystoria gegenüber dem König war charakteristisch für zeitgenössische spanische Kleriker. Die Treue zur Monarchie, die Loyalität zur Krone und die ideologische Untermauerung der Souveränitätsansprüche der Könige prägten den offiziellen Diskurs der kastilischen Kirche des 15. und 16. Jahrhunderts. Theologen, Juristen, Geschichtsschreiber und Dichter aus den Reihen der Kirche profitierten von einer privilegierten Stellung im Staatsgefüge und arbeiteten als Ideologieproduzenten für den Staat. 56 Die Kirche ordnete sich im Laufe des 16. Jahrhunderts der Monarchie so sehr unter, dass man von einem cäsaropapistischen Staat im Sinne Max Webers reden kann, 57 der jedoch einen starken "hierokratischen Einschlag" aufwies. 58 Eine Erzählung über einen Besuch der Königin Isabella der Katholischen59 im Kloster illustriert das Verständnis der Mönche von dieser Wechselbeziehung zwischen der Königsgewalt und der eigenen hierokratischen Gewalt. Die Autoren präsentieren zunächst ein sehr lebendiges Bild von dem Gekreuzigten, um die Handlungsmotivation der Königin und ihre Reaktionen darauf zu erklären: 60 Der heilige Gekreuzigte ist eine sehr bemerkenswerte Sache für diejenigen, die ihn mit frommer Seele und mit aufmerksamen Augen anschauen, weil es den gekreuzigten und toten Christus unseren Herren zweifelsohne so darstellt, wie ein Toter einen anderen, denn man sieht die wegen der Geissel offenen Wunden, die Wundränder sehr erhoben, das Blut sehr lebendig; es scheint, dass man ihm die Qualen vor einer Stunde zugefügt hätte, die man Christus unserem Herrn zufügte. Der Kopf des heiligen Gekreuzigten ist auf die rechte Seite geneigt, und man kann ihn auf die Seite drehen, wie man will, so wie den eines toten Mannes. Die Knochengelenke der Arme und der Beine und der Finger lassen sich bewegen wie bei einem organischen Körper. Eine sehr bemerkenswerte Sache ist, was man über das liest, was der sehr 54 E bd., f. IIIr. 55 Ib: iiiez, Burgos, S. 340-341. 56 Nieto Soria, Iglesia, S. 183-222. 57 Caro, Las formas complejas, S. 175-182. 58 Weber, Wirtschaft, S. 688-693. 59 lsabella (1451-1504) regierte zwischen 1474 und 1504. Ihr Ehemann, Fernando (1452- 1516) war König von Aragon (1479-1516) und wurde durch seine Heirat König von Kastilien (1474-1504). N ach Is abellas Tod wurde er eine Zeit lang Regent (1507-1516). 60 Zu Isabels Frömmigkeitspraktiken vgl. Muiioz Fern: indez, Isabel, S. 415-434; und Alvarez Palenzuela, Isabel, S. 397-413. <?page no="34"?> 24 Burgas und die Kruzifixwunder katholischen Königin Doiia Isabel geschah, der Frau von König Fernando V. [Ferdinand Il. von Aragon (1479-1516)] von Kastilien, welche wegen ihrer Ruhmestaten den Namen "die Katholische" verdiente. Als sie sich einmal wünschte, den heiligen Gekreuzigten von nahe zu sehen, befahl sie, dass man ihr eine Leiter bringen solle, um die besonderen Sachen, die man sich merken sollte, von nahe zu betrachten. Und bald nachdem sie eine kurze Zeit lang einige Sachen betrachtet hatte, obwohl sie es auf eine gewisse Distanz tat, befahl sie, dem heiligen Kruzifix einen Nagel wegzunehmen, um ihn als Reliquie zu besitzen. Und als man ihn wegnahm, fiel der Arm des heiligen Gekreuzigten hinunter, wie wenn es derjenige eines Toten wäre. Und dies verursachte eine so grosse Angst und Schrecken im Geist jener Herrin, dass sie viele Stunden ohnmächtig blieb, so dass sogar viele Anwesende fürchteten, sie sei tot gewesen. Und als diese wieder zu sich kam, befahl sie, den Nagel wieder an den Ort zu bringen, wo sie ihn weggenommen hatten. Und in Erinnerung an das Ereignis schenkte sie eine sehr reiche Verzierung, und von da an war sie der Verehrung der heiligen Statue des Königs der Könige,Jesu Christi, unseres Gottes, sehr ergeben und hatte eine grosse Achtung davor, so dass sie sich bei jedem Kummer dem heiligen Kruzifix empfahl. 61 Die Erzählung dreht sich um Isabellas Mühe, den Willen Gottes von Anfang an zu erkennen, der sich eigentlich durch äussere unmissverständliche Zeichen verdeutlichen muss. Die Realitätsnähe der dreidimensionalen Darstellung des Gekreuzigten spielt eine wesentliche Rolle in der Handlung, denn ihre realistischen Züge verursachen dieNeugierder Zuschauerirr und erklären ihren Wunsch, die geheimnisvolle Distanz zum Gekreuzigten zu über- · brücken. Wie b ei der Inventio des Gekreuzigten mit dem Kaufmann als Protagonisten verzichten die Autoren auch in diesem Fall darauf, ein Strafwunder zu erzählen, obwohl die wohldurchdachte Gliederung der Geschichte Ähnlichkeiten mit einem solchen Erzählmuster aufweist. Der Unterschied liegt einmal mehr darin, dass die Haupfigur keine Sünde begehen will, sondern nur einen frommen Wunsch nach einer Reliquie ausdrückt. Das glückliche Ende gipfelt in der königlichen Schenkung für die Verzierung der beweglichen Statue 62 und lässt lsabella schliesslich in einem vorteilhaften Licht erscheinen. Obwohl das Herunterfallen des Armes nicht ausdrücklich als göttliches Zeichen definiert wird, liegt diese Deutung nahe, weil die Königin selbst diese Armbewegung am Schluss so versteht. Nach der grossen Angst, die sie bei der Wegnahme des Nagels ergreift, und nach der mehrere Stunden dauernden Ohnmacht kommt sie wieder zu Verstand und widerruft ihren frü heren Befehl. Damit zeigt sie, dessen Unrichtigkeit erkannt zu haben. Die aus der Sicht der Anwesenden als todesnahe Erfahrung zu beurteilende 61 Hystoria, f. XVIv-XVIIr. Anhang 3. 62 Zum Motiv des handelnden und sprechenden Heiligenbildes in der europäischen Volkserzählung vgl. Uther, Heiligenbild, S. 187-200. Da d as Augustinerkloster nicht mehr besteht, befindet sich das Kru zifix seit dem 19. Jahrhundert in einer Seitenkapelle der Burgaleser Kathedral e. <?page no="35"?> Die Mächtigen im Mirakelbuch 25 Ohnmacht bewirkt Isabellas Meinungswechsel und erlaubt ihr, den Willen Gottes zu verstehen. Sie kann das göttliche Zeichen durch ihre Nähe zum Kruzifix entschlüsseln. Die Erzählung soll zeigen, dass alle Teile des Kruzifixes unentbehrlich sind, dass seine Integrität unantastbar ist und dass der Nagel deshalb beim Gekreuzigten bleiben muss. Mit dieser Geschichte geben die Autoren zu verstehen, wo die Grenzen der königlichen Gewalt über die kirchliche beziehungsweise klösterliche Macht zu finden sind. Sie schildern einen Extremfall der Enteignung von viel mehr als nur materiellem Klosterbesitz durch die Königin, denn kein Augustinermönch käme von sich aus auf die Idee, ihr eine solche Reliquie zu schenken. Was Isabella will, stellt die grundlegende Funktion der Mönche als Hüter des Gekreuzigten in Frage. Ihre Haltung Isabella gegenüber ist jedoch von der Gehorsamspflicht gekennzeichnet. Wie die zeitgenössischen Theorien über das Verhältnis des Klerus zum Königtum es verlangten,63 verstanden sich die Mönche als Untertanen der Königin und führten deshalb ihre Befehle aus, ohne irgendwelchen Widerstand zu leisten. Was die Geschichte sagen will, ist, dass nur Gott allein über dem königlichen Willen steht, dass Christus der "König der Könige" ist. Sie zeigt auf exemplarische Art, wie dieser Wille die königlichen Befehle in manchen Fällen zugunsten eines Klosters korrigieren kann. Die Erzählung muss deshalb vor dem Hintergrund der unter den Katholischen Königen durchgeführten Reform des Regularklerus betrachtet werden. Sie ist als Beispiel für die Tendenz zur Mythifizierung des königlichen Paares nach seinem Tod zu verstehen. 64 Wie frühere Könige im 15. Jahrhundert unterstützten die Katholischen Könige die Reformbewegung der Observanten in verschiedenen Orden. 65 Auch unter den Augustinern bildete sich eine Observantenkongregation, die in den 1490er Jahren an Bedeutung gewann. 66 Die Krone steuerte diesen Reformprozess zunehmend, und die Reform wurde vorangetrieben und vertieft unter dem Regenten Kardinal Cisneros (1436-1517), der selber Franziskaner war und sich schon unter Isabella und Ferdinand im Einvernehmen mit der Königin dafür eingesetzt hatte. Vergleicht man diese Geschichte von Isabella mit anderen im Mirakelbuch enthaltenen Erzählungen, die sie und die wichtigsten Persönlichkeiten aus der Umgebung betreffen, so lässt sich das von den Autoren entworfene Image der Königin Isabella besser erfassen. Es wird deutlich, wie Isabellas Herrschaftsstil mit geschlechtsspezifischen Merkmalen charakterisiert 63 Nieto Soria, Clercs du roi, S. 297-318. 64 Zur Reform im spanischen Augustinerorden vgl. Gutierrez, Augustiner, 1. Bd., 2. Teil, S. 98-104. 65 Nieto Soria, Iglesia, S. 380-412; Garcia Oro, La reformadelas 6rdenes religiosas, S. 211- 290. 66 Nieto Soria, a. a. 0., S. 406. <?page no="36"?> 26 Burgas und die Kruzifixwunder wird, aber auch wie die Autoren auf die Nuancen achten müssenY Durch die Beschreibung ihrer zum Bewusstseinsverlust führenden Angst entstand die Gefahr, dass Ängstlichkeit für eine ihrer Charaktereigenschaften gehalten wurde. Um diesem Eindruck entgegenzutreten oder ihn mindestens zu mildern, fügen die Autoren gleich nach dieser Geschichte eine ähnliche über den Besuch eines damals zum Militäridol stilisierten Grassadligen hin zu, der als sehr mutig und im Kriegshandwerk geübt galt. Gonzalo Fernandez de C6rdoba war unter dem glorreichen Übernamen "Gran Capitan" bekannt. Seine Popularität war so gross, dass sogar mancher aufrührerische Prediger ihn mit dem Cid kurz vor dem Anfang der Revolution der Comunidades 1518 verglich, um seinen Lebenswandel demjenigen anderer Grassadligen entgegenzusetzen und diese dadurch zu disqualifizieren. 68 Im Mirakelbuch tritt er auch als militärischer Held auf: Ein weiterer Kasus ereignete sich mit dem Herren Gonzalo Fernandez, der den Ehrennamen Gran Capitan hatte; er verlief ähnlich wie derjenige, welcher der Kö nigin Isabella geschehen war. Und zwar kam er sehr häufig, um sich dem Schutz des heiligen Kruzifixes von San Agustin zu empfehlen, und einmal fragte er mit grosser Hartnäckigkeit danach, etwas zu bekommen, um den heiligen Gekreuzigten von nahem genauer zu sehen. Und man brachte ihm eine Leiter, und als er einige Stufen emporgestiegen war, schaute er den heiligen Gekreuzigten an, und es schien ihm, dass er so viel Majestät und Würde darstellte, dass es seinem Geist Furcht einjagte und er den Mut verlor, den er bei den so vielen undsogrossen von ihm gewonnenen Schlachten sonst nie verlor. Schliesslich beschloss er, nicht w eiter zu steigen und sagte: "Bringen wir Gott nicht in Versuchung und steigen wir herab". 69 Während die Realitätsnähe der Darstellung des Gekreuzigten und die Bewegung seines Armes Isabella zutiefst erschrecken, beeindrucken den Gran Capitan hier seine "Majestät" und seine "Würde", zugleich königliche und göttliche Eigenschaften.l 0 Es wird dadurch klar, dass der Vorwurf der Ängstlichkeit nicht gegen die Königin erhoben werden durfte und dass beide aufeinanderfolgenden Geschichten die bei nahem Anblick unh eimliche Wirkung des Gekreuzigten und seine enorme, alle menschlichen Gewalten übertreffende Macht zum Ausdruck bringen sollten. In diese Richtung gehen weitere Erläuterungen der Autoren, etwa der Hinweis auf die sogar für gebildete Pilger zuweilen erforderlichen Erklärungen darüber, dass es sich nur um eine Statue handle, bei der Gott nicht jederzeit Wunder bewirke: 67 Grundsätzlich zur Frage nach der geschlechtsspezifischen Profilierung des Regierungsstils von Königinnen in der Frühen Neuzeit, vgl. Davis, Frauen, Politik, 5.189-196. Isabella setzte alle Mittel der Propaganda und des rituellen Zeremoniells von Beginn ihrer Regierungszeit an ein. Vgl. Mac Kay, Ritual, S. 23-25. Über ihre Regierungszeit: Perez, Isabel, passim. 68 Perez, Moines frondeurs, S. 11-12. 69 H ystoria, f. XVIIr-XVIIv. Anhang 4. 70 Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, dass das auf der Titelseite des Mirakelbuches dargestellte Kruzifix auf einer Krone steht. <?page no="37"?> Die Mächtigen im Mirakelbuch 27 Der heilige Gekreuzigte hat die Fingernägel so gestellt, dass es scheint, sie seien dort gewachsen wie bei einem menschlichen Körper, und man schneidet sie ihm nicht ab, wie manche einfache Leute denken, so wie die Haare auch nicht, denn die Haare und die Nägel wachsen im menschlichen Körper wegen der körperlichen Humore. Sie sind niemals bei einer vom einem Künstler geschaffenen Statue gewachsen. Denn Gott bewirkt keine Wunder ohne Grund, wie zum Beispiel die Nägel und die Haare einer Statue wachsen zu lassen. Dies schreiben wir hier, weil nicht nur einfache Leute, sondern auch manche, die weise sind, danach fragen. Und so werden diejenigen, die es hier lesen, nicht fragen müssen, denn man hat ihre Fragen diesbezüglich beantwortet. 71 Die schwer erkennbare Grenze zwischen den berechtigten Fragen nach den übernatürlichen und wundertätigen Kräften des Kruzifixes und denjenigen, die nur einen Mangel an religiöser und medizinischer Kultur verraten, wird dem nicht zu den einfachen Leuten zu rechnenden Leser gezeigt. Es ist aber nicht einfach zu wissen, welche Fragen und Wissbegierden die Kleriker für korrekt halten. Denn sie zügeln die Neugier der Leser und potentiellen Pilger mit Beschreibungen, welche ja dieselbe Lust zur Berührung und zur nahen Betrachtung der Statue wecken, die die Königin oder der Gran Capitan verspürten: Das heilige Kruzifix hat weiche Teile dort, wo ein menschlicher Körper weich ist, so dass der Druck eines Fingers eine Vertiefung und Konkavität verursacht, und es drückt sich ein, wie das Fleisch eines menschlichen Körpers es tun würde, und wenn man den Finger wegnimmt, verschwindet die Konkavität, und es ist wahrhaftig eine merkwürdige Sache. 72 Im Mirakelbuch wird die Königin von einer weiteren Seite präsentiert. Sie tritt im zweiten nummerierten Wunderbericht auf, kurz nach dem Anfang des den Wundern gewidmeten zweiten Teils des Werkes. Getrieben von der Sorge um ihren kranken Sohn Juan (1478-1497), pilgert Isabella mit dem Kind zum Kloster, um ein Gelübde abzulegen, und schenkt dem Kloster nach Juans Heilung eine Votivgabe: Als der Prinz Juan, Sohn der Katholischen Könige Ferdinand V. und Isabella, klein war, litt er an einer so schweren Krankheit, dass alle Ärzte ihn aufgegeben hatten. Die sehr christliche Königin, seine Mutter, hielt das Gelübde an das heilige Kruzifix für das einzige Heilmittel und bat unseren Erlöser darum, ihr bei so grosser Not zu helfen, indem sie ihn auf diese heilige Statue verlobte, deren Verehrung sie besonders ergeben war. Und als der Herr der Welt ihr bescheidenes Gebet hörte, heilte er den Prinzen auf wunderbare Weise, so wie unser allerheiligster Erlöser den Sohn des Regulus, der sich in Todesgefahr befand, wegen dessen Glauben geheilt hatte. Und da die katholische Königin diesesogrosse Gnade erkannte, die Gott nicht nur ihr erwiesen hatte, sondern dem ganzen Königreich, dankte sie unserem Erlöser sehr 71 Hystoria, f. XVIIIr. Anhang 5. 72 Ebd. Anhang 5. <?page no="38"?> 28 Burgas und die Kruzifixwunder dafür. Und als Dankeszeichen erteilte sie dem Kloster Almosen. Und als Votivgabe für das Wunder schickte sie das Hemdehen des Prinzen selbst, das heutzutage an der Tür der Kapelle des heiligen Kruzifixes aufgehängt ist. Ausserdem schenkte der Prinz Juan der Kapelle des heiligen Kruzifixes eine sehr reiche Kleidung, die er am Hochzeitstag trug und aus der eine sehr reiche Verzierung gemacht wurde.7 3 Die Mütterlichkeit wird zum wichtigen Bestandteil der Persönlichkeit der Königin gemacht, weil lsabella diesen Aspekt ihrer öffentlichen Selbstdarstellung hervorheben will. Sie war die Mutter des Thronerben Juan, der erster Monarch beider Königreiche, Kastilien und Aragon, hätte werden sollen. Sie gebar mehrere Töchter, dank denen Kastilien eine erfolgreiche Heiratspolitik einschlagen konnte. In der Wundererzählung erkennt deshalb Isabella die grosse Gnade, "die Gott nicht nur ihr sondern dem ganzen Königreich" erwiesen hat. Man braucht jedoch nicht nach Widersprüchen zwischen ihrem Image und der Realität ihrer Liebe und ihrer Sorge um ihren kranken Sohn zu suchen. Das Gefühl der Elternliebe war der Frühen Neuzeit nicht fremd. 74 Die Eltern drückten ihre affektive Zuneigung und Emotion in Notsituationen mit religiösen Mitteln aus, wie z. B. Gelübden an Wallfahrtsorten. 75 Für die Leser, die das Schicksal des Thronfolgers Juan kannten, erhielt die Geschichte eine zusätzliche dramatische Bedeutung. Am Ende der Erzählung wird auf die Schenkung seiner Hochzeitskleidung hingewiesen. Der Leser musste spätestens an dieser Stelle an die unglückliche Lebensgeschichte des Prinzen in den darauf folgenden Jahren denken, an seine vielversprechende Heirat mit Margarete von Österreich (1491) und vor allem an seinen Tod sechs Jahre später, als er erst neunzehn Jahre alt war. Nach seinem Tod begann die unruhige politische Phase, die erst nach der Revolution der Comunidades (1520 - 1521) ein Ende finden sollte. Juans Schwester, Juana "la Loca" ("die Wahnsinnige"), heiratete Felipe "el Hermoso" (Philipp "den Schönen"), den Bruder von Margarete von Österreich, und aus dieser Ehe stammte der tatsächliche Thronfolger: Karl V. Die spanische Königsdynastie der Trastamara ging zu Ende, als das Haus Habsburg den spanischen Thron in Besitz nahm. Neben den wirtschaftlich und politisch Mächtigen ist im Mirakelbuch auch die Rede von kirchlichen Würdenträgern, insbesonders von einem idealisierten, aus Burgos stammenden mittelalterlichen Bischof von Cuenca. Angesichts der Rivalität zwischen den Bettelorden und dem Pfarrklerus im 73 H ystoria, f. XXXVr-XXXVIr. Anhang 6. 74 Die Existenz dieser Gefühlswelt wird für diese Periode von P. Aries bestritten. Aries, Kindheit, passim. 75 Habermas, Sorge, S. 165- 183; Opitz, Frauenalltag, S. 199-213. <?page no="39"?> Die Mächtigen im Mirakelbuch 29 16. J ahrhundert 76 kann man diese Betonung der Tugenden eines mittelalterlichen Bischofs als indirekte und halb versteckte Kritik an den in zahlreichen Diözesen herrschenden Missständen verstehen. Die Bettelmönche übernahmen seelsorgerliehe Funktionen wie das Predigen und die Beichtabnahme und bekamen Almosen dafür. Mit diesen Tätigkeiten traten sie in Konkurrenz mit den Pfarrherren, die meistens weniger gut ausgebildet waren als sie, was sich auf die Qualität ihrer Predigten deutlich auswirkte. 77 Sowohl über den Lebenswandel der Mönche wie über denjenigen der Pfarrer wurden schon vor dem Tridentiner Konzil unter den Katholiken Stimmen laut, die eine Reform forderten. So wurden die Bettelorden in Kastilien, wie oben erwähnt, vor allem am Ende des 15. Jahrhunderts einer Reform unterzogen. Modelle für ein besseres und tugendhafteres Verhalten von Bischöfen, Kanonikern und Pfarrern wurden schon in der ersten H älfte des 16. Jahrhunderts vorgeschlagen, auch wenn sich diese Disziplinierungsbestrebungen und die Verbesserung ihrer Ausbildung erst nach dem tridentinischen Konzil zu verwirklichen begannen. 78 In der vortridentinischen Periode wurden insbesonders dem Bischofsideal Schriften gewidmet, die sowohl die Erfüllung administrativer Pflichten wie auch die anzustrebende Vorbildfunktion der Bischöfe betonten/ 9 Im Mirakelbuch wird das Vorbild eines solchen Bischofs am Beispiel des Heiligen Julian (1128 - 1208) vorgeführt. Dieser verkörpert zahlreiche mit dem kirchlichen Ideal verbundene Tugenden schon vor seiner Ernennung zum Würdenträger, w elche in der folgenden hagiographischen Erzählung den Höhepunkt seines Lebens darstellt. Julians Beziehung zum Kruzifix wird bereits im Titel erwähnt: "Wie der Heilige Julian, Bischof von Cuenca, der Verehrung des heiligen Kruzifixes von San Augustfn von Burgos besonders ergeben war" . Der Heilige verehrt nicht nur das Kruzifix, sondern er sucht auch den Kontakt mit den Augustinermönchen: In der Zeit des Königs Don Alfonso, 80 der in manchen Historienbüchern der Achte mit diesem Namen und Kaiser Spaniens genannt wird, und in anderen Chroniken der Neunte Kastiliens, gab es in Burgos einen Herrn namens Julian, der aus dieser Stadt stammte und sowohl in den menschlichen wie in den göttlichen Schriften ein Gelehrter war. Und erst als er Vollwaise und schon fast im mittleren Alter war, erkannte er, dass das weltliche Gespräch für alle, aber insbesonders für die Jungen, schädlich ist, und beschloss deshalb, sich in eine kleine Hütte zurückzuziehen, die sich zwischen der Kapelle d es heiligen Kruzifix es von San Agustin in Burgos und der Einsiedelei befand, in der der selige Heilige Domingo de Silos (wie oben er- 76 Christian, Religiosidad local, S. 30-33. 77 Das Verhältnis der Augustiner zum Weltklerus und speziell zu den Bischöfen wird von D . Gutierrez behandelt. Gutierrez, Augustiner, Bd. 1, Teil2, S. 217-220. 78 N alle, God, 3-103. 79 Tellechea, Obispo idea l, S. 45-6 5. 80 Alfonso VIII. (1158-1214) regierte von 11 69 an. <?page no="40"?> 30 Burgas und die Kruzifixw under wähnt) gelebt hatte. Als der selige Herr namens Juli: in in jener Hütte war, unterhielt er sich nur mit den Ordensbrüdern des besagten Klosters. Und am Morgen betete er und hielt eine Messe, die er immer mit so grosser Verehrung und Gemütsruhe am Altar des heiligen Kruzifixes zelebrierte, dass alle darüber erstaunt waren. Am Nachmittag beschäftigte er sich meistens mit der Lektüre der Heiligen Schriften. Er predigte sehr häufig, vor allem vor den Mauren; die es damals in Burgos gab. Mit diesen Übungen war der Heilige Juli: in die ganze Zeit, als er in dieser Hütte war, beschäftigt. Und da kein Prediger zu lange Zeit in seiner Heimat gut behandelt wird, ging dieser heilige Herr an mehrere Orte, um zu predigen, und verliess seinen Heimatort. Da der oben genannte König Alfonso damals die Stadt Cuenca von den Mauren eroberte, ernannte er einen heiligen Herrn namens Juan als ihren Bischof. Und als dieser starb, befahl der König Alfonso, dass man den einundvierzigjährigen Juli: in hole, um ihn als Bischof in der Zeit des Papstes Alexander III. [1159-1181] zu ernennen, der einundzwanzig Jahre lang Papst war. Und der heilige Juli: in lebte siebenunddreissig Jahre in dem Bistum, wobei er durch sein grassartiges Leben und viele Wunder glänzte. Und als Belohnung für seine zahlreichen Mühen wurde er in den Himmel aufgenommen, al s er achtundsiebzig Jahre alt war. 8 1 Sara T. Nalle hat mehrere hagiographischeWerke über das Leben des Heiligen Julian verglichen und bei ihrer Analyse nicht nur auf die Zeit der geschilderten Ereignisse geachtet, sondern vor allem auf die Entstehungsperiode der jeweiligen Werke. Sie hat auf die Projektion der Tugenden des tridentinischen Bischofsideals auf das Leben des Heiligen hingewiesen, die sich in den seit dem Ende der 1560er und insbesonders in den 1580er Jahren geschrieb enen Hagiographien feststellen lässt, die in Cuenca er schienen.82 Sie ist der Meinung, dass diese Ausgestaltung der Figur des HeiligenJulian als eines idealen gegenreformatorischen Bischofs erst in diesen späten Jahren des 16. Jahrhunderts geschah. In den vortridentinischen Heiligenviten findet S. T. Nalle nur kurze hagiographische Erzählungen, in denen sie kaum klare Entwicklungslinien in diese Richtung erkennt. Sie kennt zwar die Fassung aus der Hystoria, schenkt ihr aber wenig Aufmerksamkeit.83 Obwohl das tugendhafte Leben des Heiligen im Sinne des Bischofsideals in den posttridentinischen Hagiographien hochstilisiert wurde, darf man die ersten vortridentinischen Schritte in diese Richtung nicht übersehen, wie die Version aus der Hystoria zeigt. Denn der HeiligeJulianträgt hier bereits manche für die katholische Propaganda charakteristischen Züge. In Burgos lebt er als G elehrter, der das weltliche Gesprä ch m eidet; er z ieht sich in eine Hütte zurück und verehrt das Kruzifix, vor dem er jeden Morgen die Messe hält, ein deutlicher Hinweis auf die Bedeutung der Eucharistie aus katholischer Sicht; er unterhält sich gerne mit den Augustinermönchen, was 81 H ystori a, f. XIVr- XVv. Anhang 7. 82 Nalle, Julian, S. 25-38. 83 E bd., S. 45, Fussnote 5. <?page no="41"?> Die Verteidigung des Glaubens und das Ende der Revolution 31 der Selbstdarstellung der Autoren des Buches und der von ihnen vertretenen klösterlichen Institution dient; er predigt, was vor dem Tridentinum eine nicht zu unterschätzende Leistung war; und er bemüht sich zudem um die Bekehrung der Muslime, ein in der spanischen Gegenreformation sehr beliebtes Motiv. Als er schliesslich Bischof von Cuenca wird, hält er sich siebenunddreissig Jahre lang in seinem Bistum auf, eine letzte grassartige Lektion für die Bischöfe des 16. Jahrhunderts, welche dazu neigten, die Residenzpflicht äusserst unregelmässig zu erfüllen. Die von den Autoren des Mirakelbuches intendierte Bedeutung der Erzählungen über die Inventio, die Beziehung der Königin und des Bischofs Julian zum Kruzifix konnte von den zeitgenössischen Rezipienten des Werkes unterschiedlich interpretiert werden. Ihre eigene Lebenssituation, ihre Berufe, ihre politischen Ideen müssen die Deutung dieser Erzählungen beeinflusst haben. Doch die Erzählungen selbst boten wichtige Anhaltspunkte für eine Auslegung, welche die geschilderten Verhältnisse aus vergangenen Zeiten auf die Gegenwart bezog: Die soziale Realität der Vormachtstellung der Kaufleute in der Stadt, die zunehmende Präsenz der königlichen Propaganda im Alltag oder die innerkirchlichen Streitigkeiten liessen sich besonders für die Burgales er Zeitgenossen leicht in Beziehung zu den Darstellungen der Mächtigen im Mirakelbuch setzen. 2.2 Die Verteidigung des Glaubens und das Ende der Revolution Bisher haben wir uns hauptsächlich mit den Erzählungen aus dem ersten Teil des Mirakelbuches beschäftigt. In diesem und den folgenden Unterkapiteln sollen die 77 Wunderberichte aus dem zweiten Teil des Werkes und dessen einleitende Ausführungen im Mittelpunkt stehen. Zunächst werden wir auf die Reaktionen der Autoren auf die Kritik am Wunderglauben, ihre Einstellung zu den anderen Religionen und Konfessionen sowie auf die in den Wundergeschichten reflektierte Stimmung nach dem Ende der Revolution der Comunidades eingehen. Der zweite Teil des Mirakelbuches beginnt mit einer Einleitung, die den Titel trägt: "Über den Grund, weshalb keine Wunder vor der Regierungszeit des Königs Juan II. 84 mit der Autorität eines Richters aufgezeichnet wurden" ("De la razon porque antes del rey don Juan el segundo no se escriuieron milagros con autoridad del juez"). Die Autoren beschreiben den Beginn der Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Wunder in einer Zeit, in der sich mangelnde Glaubensbereitschaft in Bezug auf solche zeitgenössischen Wunder ausbreitete. Sie idealisieren die Zeit vor diesem Umbruch, so 84 Juan II. (1405- 1454) wurde als Kind (1406) zum König erhoben . <?page no="42"?> 32 Burgas und die Kruzifixwunder dass diese Epoche wie das goldene Zeitalter des Wunderglaubens und der populären Frömmigkeit erscheint: 85 diese [Wunder] wurden in der alten Zeit nicht mit Autorität aufgezeichnet, und zwar bis zu der Zeit des katholischen Königs Juan li. Einerseits weil sie ständig geschahen und die Leute ohne Boshaftigkeit daran glaubten. Andererseits weil es den Mönchen dieses Klosters eine weitschweifige Sache schien, mit Bischöfen, Richtern und Schreibern zu tun zu haben, denn der Glaube der Leute wurde dadurch gestärkt, dass man sie mit Einfachheit und ohne einen gezierten Stil erzählte. Aber mit der Zeit fehlte es nicht an Leuten, die [die Wunder] verleugnen und die erstaunlichen Ereignisse verdächtig machen wollten, die Gott dank der Anrufung der heiligen Statue bewirkte. Und sie sagten, dass die Wunder, die man über sie erzählte, falsch und erdichtet seien, statt wahr und heilig. Darüber gab es grossen Klatsch, der zu den Ohren des grossen Prälaten Don Alfonso de Cartagena, Bischof von Burgos 86 , gelangte. Und da un.ser Herr (nach der Meinung unseres Vaters, des heiligen Augustinus) kein Ubel duldet, ausserumetwas Gutes zu bewirken, bildete dieser Klatsch den Grund dafür, dass die Wunder des heiligen Kruzifixes für die Leute bekannter wurden als früherP Der Bischof Don Alonso de Cartagena schrieb an den König, und dieser befahl, dass die Wunder untersucht werden sollten. Apostolische Notare und ein königlicher Schreiber sollten die Wundererzählungen aufzeichnen. Die von den Wundern Beglückten und mehrere Zeugen sollten bei jedem Prozess aussagen. Zum Schluss musste der Bischof einen Bericht an den König schicken. 88 Eine andere Kopie blieb im Kloster, und so konnte m an diese handschriftliche Überlieferung der Wunderberichte zur Zeit der Verfassung des Mirakelbuches finden: "wie es in dem Buch aus Pergament steht, das dieses Haus besitzt". 89 Wie diese Prozesse genau aussahen und wie genau der Wahrheitsgehalt der Wunder im 15. Jahrhundert untersucht wurde, kann man in diesem Fall nicht mehr sagen, weil die Quellen nicht vorhanden sind. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass man alle im Mirakelbuch enthaltenen Wunder einer sorgfältigen Prüfung unterzog. Beigenauerem Hinsehen stellt man fest, dass nur einige Wunderberichte am Schluss auf Zeugenaussagen hinweisen, die den Wahrheitscharakter der Erzählungen bekräftigen. Explizit geben die Auto- 85 Dass die Leichtgläubigkeit weder bei den Gelehrten noch beim Volk immer vorhanden war, zeigen zahlreiche Zeugnisse von Kritik an der Reliquienverehrung und der Wundertätigkeit der Heiligenreliquien vom Frühbis zum Spätmittelalter. Schreiner, Discrimen, S. 1-53; Goodich, Mirades and Disbelief, S. 23-38. Zur Wallfahrtskritik im 11. und 12. Jahrhundert vgl. Constable, Opposition, S. 125-145. 86 Alfonso de Cartagena (1385/ 86- 1456) wurde 1435 Bischof von Burgos. 87 Hystoria, f. XXVIIIr-XXIXr. Anhang 8. 88 Ebd., f. XXIXr-XXXr. 89 Ebd., f. XXXIIIr. Vereinzelte Beispiele für Untersuchungen des Wahrheits ge halts einzelner Wunder finden sich bereits im 11. und 12. Jahrhundert in Frankreich. Sigal, L'homme et le miracle, S. 149- 155. <?page no="43"?> Die Verteidigung des Glaubens und das Ende der Revolution 33 ren einzig zu, dass die letzten beiden Wundererzählungen des Werkes nicht überprüft wurden. 90 Die Jahre der Abfassung des Mirakelbuches um 1550 fallen in eine spätere Zeit, welcher die Reformation bekannt war und in welcher sich die Gegenreformation abzeichnete. Die Schreibgründe der klösterlichen Autoren hingen mit ihren Ansichten über die zeitgenössischen religiösen Konflikte zusammen. Da ihre Haltung gegenüber anderen Glaubensrichtungen grundsätzlich intolerant war, betrachteten sie die Wunder als göttliches Mittel zur Bekämpfung der Häresie: Da unser Herr J esus Christus zahlreiche Häuser des Gebets auf der Erde zum Trost der Gläubigen gewählt hat, zeigt er ständig grosse erstaunliche und wunderbare Ereignisse, um den Glauben der katholischen Christen zu ermuntern und zu verstärken, welche ihn mit einfachen Herzen verehren und ihm dienen, sowie um die Häretiker einzuschüchtern, welche die heiligen Normen und Zeremonien der heiligen katholischen Kirche mit so viel Hartnäckigkeit zugrunde richten wollen, mit denen diese unsere Mutter unserem HerrnJesus Christus in seinen Bildern und in denjenigen seiner Heiligen dient, ihn ehrt und anbetet. 91 Alles deutet darauf hin, dass die hier gemeinten Häretiker und Ikonoklasten die nicht beim Namen genannten Protestanten im Allgemeinen sind. 92 Auf Spanisch hiessen sie "luteranos", wobei man darunter sowohl calvinistische Hugenotten wie auch Lutheraner im engen Sinn des Wortes verstand. Für die Autoren der Hystoria bestätigten die Wunder die katholischen Ansichten über Wallfahrten und Heiligenkult sowie den religiösen Gebrauch von Bildern und Statuen in diesen Zusammenhängen. 93 Man muss diese Äusserungen als Vorausdeutungen auf die letzten 1550er und den Anfang der 1560er Jahre sehen, die blutigste Periode der Unterdrückung des spanischen Protestantismus. Die Inquisition behandelte relativ wenige Fälle (neununddreissig) in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, wenn man sie mit der Zahl der Verfolgungen in Frankreich und in den Niederlanden im selben Zeitraum vergleicht, wo Hunderte von Menschen von der Chambre Ardente und der niederländischen Inquisition umgebracht wurden. Nach 1562 verloren die öffentlichen Hinrichtungen spanischer Protestanten insgesamt an Bedeutung: Zwölf Menschen wurden in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts aus diesem Grund Opfer der spani- 90 Hystoria, f. CXXIXv-CXXXr. 91 Ebd., f. XXVIIv-XXVIIIr. Anhang 9. 92 Auf die damalige antiprotestantische Haltung der spanischen Augustiner verweist D. Gutierrez, selber auch Spanier und Augustiner, der sich als Historiker leider noch nah an dieser konfessionell geprägten Einstellung seiner Vorgänger befindet. Gutierrez, Augustiner, Bd. II, S. 102-104. 93 Diese Fragen wurden vor und vor allem nach dem Tridentinischen Konzil in theologischen Abhandlungen mit polemischen Absichten behandelt. Dazu vgl. Reiter, Heiligenverehrung, S. 5- 88 . In der protestantisch-katholischen Legendenpolemik lässt sich diese Auseinandersetzung ebenfalls verfolgen. Schenda, Rauscher, S. 178-259. <?page no="44"?> 34 Burgas und die Kruzifixwunder sehen Inquisition. 94 Der Höhepunkt der Verfolgungen war 1559 erreicht worden, als "Autos de fe" in Sevilla und Valladolid zelebriert wurden, bei denen unter anderem bedeutende Staatsbeamte und kirchliche Würdenträger verbrannt wurden. 95 Diese schlimmste Zeit zwischen 1558 und 1562 ist für unser Thema nicht nur in Hinsicht auf das Burgaleser Mirakelbuch, sondern auch auf die Calceatenser Prozesse von Bedeutung, weil diese auch in den 1550er Jahren stattfanden. Die Protestantenfeindlichkeit wurde sowohl in den städtischen Mittelschichten, die in anderen Ländern die reformatorischen Ideen bereitwillig aufnahmen, wie auch in grossen Teilen der ländlichen Bevölkerung der nordkastilischen und baskischen Gebiete erfolgreich geschürt. Die Nähe zu den südfranzösischen calvinistischen Gegenden, die eine Ausbreitung der Reformation befürchten liess, veranlasste die Kirche zu heftiger antiprotestantischer Reaktion. Man kann die These aufstellen, dass die Förderung des Wunderglaubens und der Wallfahrten schon um die Mitte des Jahrhunderts dazu beitrug, eine feindliche Einstellung zum Protestantismus zu verbreiten. Wunderberichte und Mirakelbücher wurden auch später in anderen europäischen Gebieten zu ähnlichen Zwecken in den Auseinandersetzungen der katholischen Gegenreformation mit dem Protestantismus verwendet, zum Beispiel in Belgien oder in Bayern in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 96 Diese Form katholischer Propaganda kann einer der Faktoren sein, welche die geringe Verbreitung des Protestantismus im 16. Jahrhundert in Spanien erklären würde. Allerdings herrscht in der Forschung nur Übereinstimmung über den kleinen Einfluss des Protestantismus in Spanien; die Meinungen der Historiker gehen hingegen weit auseinander, wenn es um die Gründe für diesen Mangel an einer eigenen protestantischen spanischen Bewegung geht. Ein befriedigendes Erklärungsmodell dafür fehlt in der Geschichtsschreibung immer noch. 97 Die Autoren des Mirakelbuches wollen nicht nur den Protestantismus, sondern auch den Islam bekämpfen. Obwohl die meisten Wunder Not- und Krankheitssituationen aus dem städtischen und ländlichen Alltag beschreiben, stehen einige davon in engem Zusammenhang mit bestimmten historischen Ereignissen wie dem Krieg gegen das Emirat von Granada, 94 Kamen, Spain, S. 204-205 . 95 Über die protestantischen Gruppen beider Städte und die entsprechenden Inquisitionsprozesse vgl. Schäfer, Valladolid, S. 1-119; Alonso, Luteranismo, S. 54-117. 96 Reiter, Heiligenverehrung, S. 88-171; Soergel, Spiritual Medicine, S. 125-149; ders., Wondrous, passim. 97 Es kann hier nicht auf die unterschiedlichen Auffassungen eingegangen werden. Eine kritische Übersicht bietet Kamen, Spain, S. 205-212. Alle Erklärungsmodelle (auch dasjenige Kamens) konzentrieren sich auf die Rolle der Inquisition und vernachlässigen den Einfluss der kirchlichen und staatlichen Propaganda ausserhalb des institutionellen Rahmens der Inquisition und ihrer gesellschaftlichen Wirkung. <?page no="45"?> Die Verteidigung des Glaubens und das Ende der Revolution 35 dem letzten muslimischen Königreich auf der Iberischen Halbinsel, das 1492 von den Katholischen Königen erobert oder, nach ihrem Verständnis der Geschichte und des kriegerischen Geschehens, "wiedererobert" wurde. Zwei Wundererzählungen handeln von der Befreiung von durch die Mauren gefangengenommenen Christen, und eine dritte dreht sich um einen osmanischen Angriff auf ein baskisches Schiff. 98 Die Art und Weise, wie die kriegerischen Auseinandersetzungen in den Wundern festgehalten sind, sagt einiges über die von der spanischen Kirche verbreiteten Vorstellungen vom fernen Krieg gegen die Mauren und die Türken. Drei der Wundergeschichten bauen ein Feindbild auf, indem Muslime, Nordafrikaner und Türken als Angreifer hingestellt werden. Das Klischee vom Widerstreit zwischen Gut und Böse wird ohne jegliche Nuancen vermittelt: Der gefährliche"Andere" ist der Fremde, während die Opfer der kriegerischen Gewalt immer die Christen sind. Im Fall der Eroberung Granadas sah die Realität gerade umgekehrt aus: Die Katholischen Könige führten einen zehnjährigen kostspieligen Krieg gegen das Emirat, während die Emire vergeblich versuchten, die muslimischen Gebiete gegen die christlichen Feldzüge zu verteidigen. 99 Aufgrund der finanziellen Anstrengungen der Krone und der zusätzlichen Finanzierung durch den Verkauf von Kreuzzugsablässen sowie durch Zuschüsse aus den kirchlichen Renten 100 entstand auf christlicher Seite ein riesiges Bedürfnis nach Rechtfertigung des Krieges in der damaligen Öffentlichkeit durch leicht verständliche Erzählungen über die Gegner und über die von ihnen ausgehende Bedrohung für die Christen. Das erste Mirakel trägt den Titel: "Über zwei Gefangene, die dank einem Wunder des heiligen Kruzifixes aus Oran flohen": Als Oran von den Mauren beherrscht war, bevor die Christen die Stadt eroberten, geschah eine sehr erstaunliche Sache. Und zwar waren Juan de Rujeran und Pedro Sanchez Medrano mit schweren Ketten und Eisen anfangs September 1483 in Oran gefangen, so dass sie sich dem Schutz des Heiligen Kruzifixes von San Agustfn in Burgos empfahlen. Und in der ersten Nacht fielen die Ketten und Eisen auf wunderbare Weise von ihnen ab, und sie gingen ohne Mühe aus dem Gefängnis weg. Und so kamen sie zum Hafen, wo ein Schiff für sie bereit lag, denn Gott ist in seinen Werken vollkommen und bewundernswert, und damit konnten sie sich retten, weil es wenig genützt hätte, aus der Gefahr des Kerkers zu fliehen, wenn es kein Mittel für die Seereise gegeben hätte. Sie brachten die Eisen mit, mit denen sie gefangengehalten wurden, als Beweis und aus Dankbarkeit für das Wunder, das Gott dank dem heili ge n Kruzifix bewirkt hatte. Und sie Iie ssen sie 98 Auf die Analyse dieses dritten Wunders wird hier verzichtet, denn es geht den Autoren des Mirakelbuches grundsätzlich um dieselbe Konstruktion eines Feindbildes wie bei den beiden anderen. 99 Für eine detaillierte Beschreibung d es Kriegsverlaufs vgl. Ladero Quesada, Castilla y Ia conquista, S. 11-68. 100 E bd., S. 201 -224. <?page no="46"?> 36 Burgas und die Kruzifixwunder dort, damit sie in der Kapelle aufgehängt blieben und dadurch als ewige Erinnerung an das Wunder galten.101 Dieser Erzähltyp der wunderbaren Befreiung aus der Gefangenschaft hat eine lange Überlieferungsgeschichte mit zahlreichen Varianten in mittelalterlichen Mirakelsammlungen. 102 Spaniens Landespatron, der Heilige Jakobus, galt als einer der bedeutendsten himmlischen Helfer gegen die Muslime sowohl als Beschützer der Christen wie auch als Verleiher des Sieges in entscheidenden Schlachten der "Reconquista" (Wiedereroberung). 103 In den Jakobuswundern aus dem Liber Sancti Jacobi, einem Werk aus dem 12. Jahrhundert, fungiert der Heilige als Ritterpatron und befreit gleich im ersten Mirakel der in diesem Werk enthaltenen Sammlung ebenfalls christliche Gefangene aus den Händen ihrer muslimischen Gegner. Im neunzehnten Mirakel greift er als Helfer in eine Schlacht ein. 104 Das Kruzifix spielt in dem hier behandelten Mirakel eine ähnliche Rolle wie der Heilige. Die Reihenfolge der Ereignisse ist für diesen Erzähltyp charakteristisch. Es sind dies: die Gefangenschaft, die Befreiung, die Rück kehr nach Hause und die Schenkung von Votivgaben bei der Dankwallfahrt. Die nordafrikanische Küste erscheint nur als ein feindliches und heidnisches Gebiet, was der offiziellen Selbstdarstellung der Monarchie sowohl zur Zeit des Geschehens als auch bei der Verfassung des Mirakelbuches entsprach. Diese ging so weit, die Eroberung Nordafrikas nur als einen ersten Schritt in Richtung auf Jerusalem darzustellen, welches das eigentliche Ziel allihrer Bemühungen sein sollte. Oran galt vor d er Eroberung als ein besonders feindliches Gebiet. Aber auch im 16. Jahrhundert blieb die Thematik der christlichen Gefangenen in den Händen nordafrikanischer Muslime ganz aktuell, so dass solche Wunderberichte für die Leser des Mirakelbuches keineswegs der Vergangenheit angehörten. Das Burgaleser Augustinerkloster verwaltete seit 1597 eine fromme Stiftung von D. Pedro Garcia de Orense für die Befreiung christlicher Gefangener durch Bezahlung,105 und es ist möglich, d ass ähnliche Stiftungen v orh er im seihen Kloster existierten. Diese institutionalisierte Hilfe stand also im Einklang mit den Absichten der Autoren des Mirakelbuches, die darauf abzielten, die Gemüter der Burgaleser Rezipienten mit Erzählungen zu bewegen. Diese sollten sich durch die Betonung der Religionszugehörigkeit, der Frömmig- 101 H ystoria, f. LXXVIIIv-LXXIXr. Anhang 10. 102 Brednich, Gefangenschaft, Sp. 838-840. 103 Wie verbreitet das Motiv der Heiligen als Schlachtenhelfer in mittelalterlichen Hagiographien und Chroniken war, zeigt F. Graus: Schlachtenhelfer, S.330-348. 104 Whitehill (Hg.), Liber Sancti Jacobi, S. 261-262; 283-284. Zum Jakobskult und seinen Bezug zum Rittertum in diesem Werk vgl. Herbers, Jakobskult, S. 108-124. Herbers/ Santos Noia (Hg.), Liber SanctiJacobi, S. 164-165. Das 19. Mirakel wird von M. C. Dfaz behandelt. Diaz, Santiago caballero, S. 123-143. 10 5 Ibaii.ez, Burgos, S. 341. <?page no="47"?> Die Verteidigung des Glaubens und das Ende der Revolution 37 keit und nicht zuletzt durch die geographische Herkunft der Hauptfiguren angesprochen fühlen. Im zweiten Mirakel über muslimischeGefahren aus Nordafrika wechselt der Schauplatz des Geschehens: Statt an der nordafrikanischen Küste finden die Auseinandersetzungen am andalusischen Ufer statt. Denhistorisehen Hintergrund dieser und ähnlicher Geschichten über Angriffe von muslimischen Piraten bildete die grosse Auswanderungsbewegung der iberischen Muslime nach Nordafrika und die von dort aus betriebene Piraterie nach der Eroberung Granadas durch die Katholischen Könige. Diese kann man zum Teil als Folge der Aufhebung der christlich-muslimischenGrenze als Ort des kulturellen Austausches erklären. 106 Immer mehr litten deshalb die südliche Mittelmeerküste Spaniens und diejenige Nordafrikas unter den gegenseitigen Angriffen und Überfällen, bei denen Beute und Gefangene gemacht wurden. 107 Diese gespannte Lage und ihre Widerspiegelung in der populären Literatur der Zeit (und späterer Jahrhunderte! ) begünstigte die Aufrechterhaltung einer fremdenfeindlichen Haltung auch in der Bevölkerung weit entfernter Gebiete, zum Beispiel von Burgos. Sie ermöglichte ferner die Weiterentwicklung einer aus dem Spätmittelalter stammenden komplexen Infrastruktur von religiösen Orden (vor allem der "Mercedarier", des Ordens von unserer Jungfrau der "Merced", und desjenigen der "Trinitarier"), welche die Gefangenen dank Spenden loskauften. 108 Der Titel der folgenden Wundererzählung erklärt im Voraus das Ende der Geschichte und verspricht starke Emotionen: "Über einige Christen, die von der Gewalt mancher Mauren befreit wurden, welche sie gefangengenommen hatten. Es ist ein sehr schreckliches Wunder": Anfangs Mai 1493 kamen zwei kleine Wachtschiffe von Mauren in die Nähe von Malaga. Und nachdem sie ans Land gestiegen waren, um zu rauben, nahmen sie einen Mann, seine Frau und seine drei Kinder in ihrem Haus gefangen; und als sie sie aus dem Haus herausbrachten, begann die Frau, welche Marfa Sanchez hiess und aus Burgas stammte, unter vielen Tränen zu sagen: "Oh, heiliges Kruzifix von San Agustfn, habt Erbarmen mit mir, meinem Mann und meinen Kindern; helft mir bitte in dieser grossen Drangsal". Merkwürdige und wunderbare Sache Gottes war, dass zwei von den sechs Mauren, die sie gefangengenommen hatten, plötzlich starben, als sie diese Worte zu Ende sagte. Und die übrigen vier flohen erschrocken ans Meer. Die Anrufung des heiligen Kruzifix es hatte so viel Macht über sie gehabt, wie der Befehl des Heiligen Petrus an Ananias und Saphiria, als er ihnen zu sterben befahl und diese gleich starben [Apg. 5, 1- 11].1 09 Die Mauren erscheinen als unmenschliche, raubsüchtige Piraten mit anonymem Charakter. Die christliche Familie bietet hingegen Identifikations- 106 Friedmann, Spanish captives, S. XXIV-XXV. 107 Ebd., S. 3-51. 108 Ebd., S. 105-164. 109 H ystoria, f. LXXXv-LXXXIv. Anhang 11. <?page no="48"?> 38 Burgas und die Kruzifixwunder möglichkeiten, besonders wenn sie aus einem Ort oder einer Umgebung stammt, die der Leser kennt. Die Erwähnung des Namens der Frau ("Marfa Sanchez") soll nicht nur die Wirklichkeit der Erzählung bezeugen, sondern auch dem Leser die Hauptfigur näher bringen. Marfas Angst ist angesichts der dramatischen Lage durchaus gerechtfertigt und drückt sich in ihren Tränen und in ihrer Gebetserhöhung aus. 110 Es ist auch diese lähmende Angst, welche das Adjektiv "schrecklich" im Titel vorausnimmt.U 1 Im Gegensatz zum Krieg gegen Granada, der seinen Niederschlag in solch tendenziösen Darstellungen von gefährlichen Situationen für die Christen in einzelnen Wundern findet, wird die Revolution der Comunidades im Mirakelbuch verschwiegen, obwohl sie die Stadt 1520 -1521 erschütterte. 112 Ihr Einfluss auf den Inhalt des Werkes ist trotzdem unverkennbar : Die Erleichterung der Augustinermönche über das Ende der Unruhen und ihre Treue zur Monarchie führen zu einer impliziten Kommentierung der Ereignisse durch eine ausserordentliche Anhäufung von Wiedererweckungswundern nach 1522. Solche Wunder werden für das 15. Jahrhundert und für die Anfangsjahre des 16. Jahrhunderts vor der Revolution im Mirakelbuch selten verzeichnet, was sehr wahrscheinlich den Verhältnissen in den handschriftlichen Aufzeichnungen des Klosters in etwa entsprach. 113 Nur die Nummern 11, 17, 25, 31 und 46 berichten über Wiedererweckungen zwischen 1444 und 1513. 114 Ab 1523 fällt auf, dass die Augustinermönche, um Heilungen nach Unf ällen und Kr ankheiten zu erzählen und zu erklären, gerne das Deutungsmuster der Wiedererweckung heranziehen: 1523 sind es drei Fälle (die Wunder Nummer 54, 55 und 56); 1524 nur ein Fall (Nummer 58); 1525 fünf (die Nummern 60, 61, 62,63 und 66); und wiederum nur ein Fall im Jahr 1526 (Num: mer 69). Für die späteren Jahre bis 1553 werden nur noch zwei Wiedererweckungen beschrieben. Die Autoren des Mirakelbuches sehen sich sogar veranlasst, die merkwürdige Intensivierung dies er Art von Wundertätigkeit ihres Kruzifixes nach dem Wunderbericht vom Jahr 1532 (Nummer 72) zu kommentieren: 110 Eine andere Art von aktiver und starker Frauenrolle in populären Kriegserzählungen findet sich im Erzähltyp des Soldatenmädchens oder der Soldatenfrau. Schenda, Volk ohne Buch, S. 391-395; Delpech, De l'herolsme feminin, S. 13-31. 111 Im Zusammenhang mit dem eroberten und erst später christianisierten Gebiet des früheren Königreichs G ranada ist der Umstand zu bemerken, dass die do rtige Kirche den christozentrischen Kult mit besondere mN achdruck verbreitete. D ie C hristusd arstellungen sind im Granada des 16. Jahrhunderts äusserst zahlreich. Martfnez Medina, Cultura religiosa, S. 98-106; 224-231. 112 Vgl. unten in diesem Kapitel. 113 Z ahlreiche Varianten des M otivs der Totenerweckungen waren in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Mirakelsammlungen und Legenden verbreitet. Schenda, Rauscher, s. 219-230. 114 Wiedererweckungswunder sind in mittelalterlichen Wundersammlungen häufig anzutreffen. Krötzl, Si gna mortis, S. 766-777. <?page no="49"?> Die Verteidigung des Glaubens und das Ende der Revolution 39 Diese Wunder werden im originalen Mirakelbuch des heiligen Kruzifixes bewiesen. Der Nachweis von so vielen auf wunderbare Weise wiedererweckten Toten in wenigen Jahren ist eine wunderbare Sache, denn es wird niemanden auf der Welt geben, der über so grosse Taten Gottes, welche zu seinem Ruhm, zur Ehre des heiligen Kruzifixes, zum Trost durch unseren heiligen Glauben und zur Verehrung durch die gläubigen Christen geschahen, nicht staunt, denn das Wiedererwecken der Toten ist eines der grössten Werke der Macht Gottes, etwas, das sehr weit von jeglicher menschlichen Macht steht, aber nicht von derjenigen Gottes. 115 Weshalb die Augustinermönche eine so ausgeprägte Bereitschaft zeigten, Wunder in so grosser Zahl für gültig zu erklären, die besonders schwierig zu beweisen waren, hängt sicherlich mit ihrer Stellung in der wieder beruhigten sozialen und politischen Situation des damaligen Kastilien zusammen. Auch wenn manche Mönche (hauptsächlich aus den Reihen der Franziskaner) in Burgos und anderen Städten am Anfang der Unruhen der Comunidades zu der revolutionären Stimmung beigetragen hatten, 116 war die Niederlage der Revolution (1522) so eindeutig, dass sich kaum jemand und schon gar nicht die Burgaleser Augustinermönche in einem gedruckten Werk dazu bekannt hätten. Die Teilnahme und Betroffenheit zahlreicher potentieller Rezipienten (Leser oder Hörer) 117 des Mirakelbuches an den Ereignissen liessenden Autoren jedoch wenig Spielraum für eine explizite Verurteilung der revolutionären Bewegung. Die Anspielung auf ihr Ende durch die Wiedererweckungswunder war allerdings deutlich genug für diejenigen, die sie so verstehen und politisch deuten wollten. 118 Die Themen der Wundererzählungen lenkten die Aufmerksamkeit der Rezipienten auf alltägliche Probleme des familiären Lebens, der Gesundheit und des Leidens, die kaum etwas mit Politik zu tun hatten. Es war den Autoren deshalb wichtig, ein so brisantes und heikles Thema beiseite lassen zu können und auf diese Art zu tabuisieren. Nach den Aussagen des Franziskaners Luis de Maluenda gehörte die Erinnerung an die Comunidades um die Mitte des Jahrhunderts immer noch zu den alltäglichen Gesprächen im Volk von Burgos.U 9 Man muss sich vorstellen, wie tief die Risse in Burgos zwischen den unteren und mittleren Schichten einerseits und den oberen Schichten andererseits während der Revolution wurden. Die Revolution der Comunidades begann 1520 aus Protest gegen die Steuer- und Verwaltungspolitik von Kai- 115 Hystoria, f. CXXIIIv. Anhang 12. Beispiele für solche Wiedererweckungswunder aus dem Mirakelbuch werden in den folgenden Kapiteln behandelt. 11 6 Perez, Moines frondeurs, S. 5-24. 117 Vgl. das Unterkapitel über den Buchpreis und die Leser. 118 Zu den Zusammenhängen und expliziten Beziehungen zwischen Wundern und politischen Ereignissen der französischen Religionskriege in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vgl. Yardeni, Guerre de propagande, S. 103-113. 119 Aviles, Maluenda, S. 304. <?page no="50"?> 40 Burgas und die Kruzifixwunder ser Karl V. 120 Seine Vergabe von Staatsämtern an niederländische Adlige und die Verwendung kastilischer Steuergelder für die Finanzierung seiner Wahl zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (1519) führten zu einer gespannten Lage in den kastilischen Städten. So begannen sich diese als politisch autonom regierte Gemeinschaften ("comunidades") zu verstehen, die Widerstand gegen die königlichen Steuererhöhungen leisten wollten. Als Karl I. das Landverliessund Adrian von Utrecht als sein Stellvertreter regierte, brach in Toledo der Aufstand aus. Toledo hatte damals eine sehr wichtige Textilindustrie mit stark protektionistischer Prägung. In der Anfangsphase der Revolution nahmen immer noch Mitglieder der Burgales er Führungsschicht an den Treffen teil, in denen Forderungen nach einer Steuersenkung und einer strengen Kontrolle des Königs durch die Ständeversammlung ("Cortes") gestellt wurden. Der "Corregidor", ein königlicher Aufsichtsbeamter, der dank seinen exekutiven und richterlichen Funktionen in die Angelegenheiten der städtischen Regierung eingreifen konnte, versuchte vergeblich, den Aufstand zu verhindern. Er musste schliesslich den aufständischen Handwerkern und Kleinhändlern die Insignien der städtischen Gewalt übergeben und suchte seinerseits Zuflucht im Kloster San Pablo. Mehrere Häuser von königstreuen Bürgern wurden angegriffen, das Haus eines Steuereinnehmers wurde sogar angezündet und ein französischer Stadtbewohner ermordet. Angesichts dieser schweren Unruhen distanzierte sich die Führungsschicht zunehmend von den Trägern der nun radikalisierten Bewegung. Sie hoffte auf die Ankunft des Heerführers und Konnetabels Iiiigo Fernandez de Velasco. Diesem gelang es, die Stadt unter seine Kontrolle zu bringen, ohne zunächst die Aufständischen offen zu bekämpfen, indem er Verständnis für einige ihrer Anliegen und Forderungen zeigte. Im August 1520 trafen sich deshalb Vertreter der meisten wichtigen kastilischen Städte in Toledo, aber ohne die Burgaleser Gesandten. Die Adeligen, der hohe Klerus und die Kaufleute von Burgos hatten sich früher als die übrigen städtischen Führungsschichten für eine gemässigte Haltung entschieden und wechselten bald darauf zum königlichen Lager. Für die Kaufleute waren die Verbindungen mit der Monarchie von höchster Bedeutung. Ihre Rivalität mit anderen Städten aufgrund der exportorientierten Wirtschaft von Burgos trug ausserdem zu dieser unsolidarischen Haltung gegenüber den Zentren der Textilproduktion bei. Einzig gewisse Episoden des revolutionären Krieges veränderten die Position der Burgaleser Kaufleute zeitweilig, zum Beispiel das brutale Vorgehen der königlichen Truppen im August 1520 in Medina del Campo: Die Messestadt 120 Zum Begriff "Revolution der Comunidades" und zu ihrem Verlauf in den verschiedenen Gebieten Kastiliens vgl. Perez, Revoluci6n, passim; Haliczer, Comuneros, passim; Maravall, Comunidades, passim. Zu den Ereignissen sowie den politischen und sozialen Umwälzungen in Burgas vgl. Mathers, Burgos, S. 484-684; Gutierrez Alonso, Burgos, S. 43-71. <?page no="51"?> Die Verteidigung des Glaubens und das Ende der Revolution 41 wurde verwüstet, was wegen der dort gelagerten Waren den Burgalesern grosse Verluste brachte. Es kam hinzu, dass der Bruder des damaligen Burgaleser Bischofs, der Adlige D . Antonio de Fonseca, für diese militärische Aktion verantwortlich war, was die Beziehungen zwischen den Kaufleuten und dem Bischof eine Zeit lang schwer belastete. Zwischen September und November 1520 verstärkte sich die Spaltung innerhalb der aus dreizehn Städten bestehenden revolutionären "Junta" (der gemeinsamen Regierung der Comuneros), in der Burgos immer an der Spitze der Gemässigten stand, sofern ihre Vertreter überhaupt daran teilnahmen, während Toledo, Segovia und Salamanca als die Radikalen galten. Im Dezember 1520 scheiterte ein letzter Versuch der revolutionären Burgaleser Kräfte gegen den Konnetabel, der von der Führungsschicht unmissverständlich unterstützt wurde. Ein grosser Teil des am Anfang zögernden kastilischen Hochadels wechselte seine Gesinnung, denn der König hatte ihm inzwischen Zugeständnisse gemacht und die von der Revolution ausgehenden Gefahren für ihre Privilegien traten immer deutlicher hervor. Die Comuneros bekannten sich mittlerweile eindeutig zu gesellschaftsverändernden Massnahmen, und manche Kleinstädte wie Najera in der Rioja verkündeten die Aufhebung der adligen Gerichtsbarkeit. Nach der Niederlage der Truppen der Comunidades in Villalar im April 1521 blieb Toledo als einziger Stützpunkt der Revolution unter der Führung von Doiia Maria Pacheco, der Witwe eines der kleinadligen Führer der Comuneros. Toledo wurde schliesslich eingenommen, Maria nach Portugal vertrieben und die königliche Gewalt in ganz Kastilien wieder hergestellt. EinigeJahre später favorisierte die Burgaleser Führungsschicht den Aufbau eines Stadttors mit symbolischem und repräsentativem Charakter. Das heute noch stehende Stadttor Santa Maria, nicht weit vom Augustinerkloster entfernt, repräsentiert Kaiser Karl V. als Held unter Lokalhelden. Ihm zur Seite stehen El Cid und Fernan Gonzalez 121 , die seine Macht verstärken sollen. Die Fassade des Tores zwischen zwei Türmen erinnert an ein Schloss, obwohl das Stadttor zu dieser Zeit von jeglicher Verteidigungsfunktion frei war. Das Stadttor war ein Symbol für die Göttlichkeit, das Königtum, den Eingang, die Gerechtigkeit und die Ordnung. 122 1Z1 Der 1099 gestorbene Rodrigo Diaz de Vivar wurde "Cid" oder "Cid Campeador" (Campi-doctor) genannt. Zu seiner Berühmheit trug das Ritterepos Poema del Mio Cid aus dem 12. oder 13. Jahrhundert entscheidend bei. Wie bekannt dieser Kriegsheld in allen Schichten in der Frühen Neuzeit in Spanien war, zeigen die zahlreichen Fassungen seiner Heldentaten, die von den Romanzen bis zu Theaterstücken reichen. Vgl. Arata, Vorwort zu Las mocedades del Cid, S. XXXI-LXXII. Der Graf Fernan Gonzalez (931-970) gründete die Grafschaft Kastilien, deren Hauptort Burgas war, und entzog diese der direkten Verfügungsgewalt der leonesischen Könige. Über die Helden in der populären Kultur der Frühen Neuzeit vgl. Burke, Helden, S. 162-182. Über das Image der Habsburger Könige in Spanien aus historisch-anthropologischer Sicht vgl. Lis6n, La imagen del rey, passim. 122 Die ersten Entwürfe entstanden 1536. Das Tor wurde in den 1550er Jahren fertiggestellt. Gabel, City Gates, S. 1-42, 102-139. <?page no="52"?> 42 Burgas und die Kruzifixwunder Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Autoren drei unterschiedliche Erzählstrategien anwenden, um damit einzelne Gruppen oder Religionsgemeinschaften als Feinde hinzustellen. Gegen Zweifler und Kritiker am Wunderglauben sowie gegen die Protestanten argumentieren sie in nicht-narrativen Textabschnitten. Gegen den Islam verwenden sie auf traditionellen Mustern beharrende Erzählungen. Die revolutionären Gruppen, die sogar in der eigenen Stadt zahlenmässig gut vertreten gewesen waren, werden wiederum anders behandelt. Durch das Verschweigen ihrer Revolution sollen sie aus dem kollektiven Geschichtsbewusstsein verdrängt werden. 123 Die Erleichterung über das Ende der Comunidades und die nach der Wiederherstellung der Ordnung geweckten Hoffnungen finden ihren Ausdruck in den genannten Wiedererweckungswundern. Innerhalb des weiten Spektrums des Wundergeschehens sorgten diese für die grösste Aufmerksamkeit. 2.3 Das Frauenbild Wenden wir uns den Wundern des Mirakelbuches zu, um sie nach ihren Aussagen über das Alltagsleben der Burgaleser zu befragen, so stellen wir fest, dass Geschlechtsunterschiede beim Verhalten während der Krankheit und bei denN otsituationen in den Vordergrund treten. Die Mirakelberichte übe r Frauen haben andere Schwerpunkte als diejenigen über Männer, was nicht zuletzt auf den Einfluss der Erzählerinnen auf die von den Mönchen zusammengefassten und bearbeiteten Fassungen ihrer mündlichen Erzählungen zurückzuführen ist. 124 Am entscheidendsten prägen jedoch die Ansichten der Autoren des Mirakelbuches das in den Wunderberichten präsentierte Frauen- und Männerbild. 125 ! 23 Über die jüdische Gemeinschaft und ihre Vertreibung (1492) wird ebenfalls kein Wort verloren. Nur ein im Mirakelbuch wiedergegebenes königliches Privileg für das Kloster (1305) enthält eine Angabe über einen Mannnamens Don Habraen el Baraylo, "dem die Christen [eine Liegenschaft] weder kaufen noch verkaufen wollen". Hystoria, f. XXIIIr- XXIIIv. Zur sozialen Organisation des Vergessens und zur Geschichte als kollektivem Gedächtnis vgl. Burke, Social Memory, S. 97-113. 124 Seit den historisch-kritischen Studien über Hagiographie aus dem Anfang des Jahrhunderts wird der Einfluss der Stimme der mündlichen Erzählertrotz den Verarbeitungen der Hagiographen hervorgehoben. Vgl. Delehaye, Leg~ndes, S. 12-100. Doch unser Ansatz bei der Analyse des Mirakelbuches verfolgt keine Uberprüfung der historischen Glaubwürdigkeit dieser Quelle im positivistischen Sinne. Wir stellen geschlechtsspezifische Fragen in den Vordergrund. Der Hinweis auf die Rolle der Miracules bei der Gestaltung der Wundererzählungen soll vielmehr auf die Bedeutung ihrer mündlichen Erzählstrategienvon Männern und Frauen sowie auf die Wechselbeziehungen von Schriftlichkeit und Oralität in diesem Bereich aufmerksam machen. Zu einer methodologisch nützlichen Studie in Hinsicht auf die Geschlechtsspezifik und über diesen wechselseitigen Einfluss anhand von französischen Gnadengesuchen aus dem 16. Jahrhundert vg l. Davis, Kopf, S. 22-54,103- 138. 125 Aus der Reihe der Augustinermönche stammen einige bekannte moralische und ehedi- <?page no="53"?> Das Frauenbild 43 Zunächst einige Angaben über den jeweiligen Anteil von weiblichen und männlichen Hauptfiguren in den Wundererzählungen. Von den Erzählungen, die einzelne Personen und nicht etwa die ganze Stadt betreffen (zum Beispielaufgrund der Pest), handeln 50 von Männern und 24 von Frauen. Es wird nicht immer auf den sozialen Status der durch die Wunder Beglückten verwiesen, aber ausser der Geschlechtszugehörigkeit wird in jedem Fall erklärt, ob sie Kleriker oder Laien sind. Der Klerus ist überdurchschnittlich gut repräsentiert, denn man findet 8 Wunder von männlichen Klerikern und 7 von Nonnen. Kinder stehen auch relativ häufig im Mittelpunkt des Geschehens: Es sind 8 Knaben und 3 Mädchen insgesamt. Diese Zahlen beanspruchen keinen statistischen Wert. Sie zeigen lediglich die wichtigsten Tendenzen bei den Interessen der Autoren des Mirakelbuches auf. 126 Es liegt nicht in unserer Absicht, alle Wunderberichte im einzelnen zu behandeln. Auch in diesem und in den nächsten Kapiteln wird es deshalb nötig sein, eine Auswahl zu treffen, um repräsentative Beispiele zu geben. Die Kriterien dafür sind nur zum Teil objektiv. Da die Wunderprozesse von Santo Domingo de Ia Calzada im Zentrum der Arbeit stehen, wählen wir in der Regel Wunder aus, die diesen zeitlich nahe, das heisst gegen Ende des 15. Jahrhunderts und im 16. Jahrhundert, angesiedelt sind. Jedenfalls widerspiegeln auch die früheren Wundererzählungen ähnliche Aspekte des Alltagslebens wie die noch zu behandelnden. Da unsere Fragestellung die geschlechts-und schichtsspezifischen Aspekte der Erzählungen betrifft, konzentrieren wir uns auf die Fälle, welche die Haupttendenzen des Werkes in dieser Hinsicht gut illustrieren. Die Wundererzählungen, in denen städtische Frauen eine wichtige Rolle spielen, die zu keinem religiösen Orden gehören, handeln von Krankheiten und Notsituationen im familiären Bereich, häufig im Zusammenhang mit den Sorgen um das körperliche Wohlbefinden der Kinder. Die Handlung der Erzählungen wird demnach meistens im häuslichen Raum angesiedelt. daktische Schriften, die ein ideales Bild der Frau als Mutter und Ehefrau entwerfen. Die meisten wurden in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts verfasst. Der bekannteste Autor aus diesem Orden ist der Salmantiner Theologieprofessor Fray Luis de Le6n (1528-1591) mit seinem Werk La perfecta casada (1583). Fitzmaurice-Kelly, Women, S. 557-632; Bornli, La femme, S. 217-230; Castilla, Arquetipo, S.l35-170; Lobato, Augustinos, S.725-736; Bergmann, Exclusion of the Feminine, S. 133-136. 126 Statistisch aussagekräftige Angaben über Wunder in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Mirakelsammlungen findet man bei: Si gal, L'homme et le mir acle, S. 227- 310; Finucane, Miracles, S. 59-218; Tüskes, Mirakelliteratur, S. 79-103 ; ders., Krisensituationen, S. 340-359; Krötzl, Pilger, S. 54-98. In Bezug auf die Wunder von einer skandinavischen wunderwirkenden Skulptur der Kreuzabnahme Christi aus dem 15. Jahrhundert statt von körperlichen Reliquien eines Lokalheiligen vor allem S. 93-96. Der Autor liefert folgende Angaben für diesen Kultort: "Von den 87 Mirakeln sind 54 Personen männlichen (62%) sowie 33 Personen weiblichen Geschlechts (38%) betroffen, darunter 13 Knaben und 11 M ädchen (d . h. 28 % Kinder und Jugendliche)." Besonders berücksichtigt wird die Frage d er Geschlechtsspezifik bei der Analyse der Daten portugiesischer Wallfahrer aus Coimbra im 1 6. Jahrhundert durch A . Mui\. oz Fernandez, Mujer y experiencia, S. 62-89. <?page no="54"?> 44 Burgas und die Kruzifixwunder Die Geschlechtsrolle der Frauen begründet ihre soziale Stellung: Die erwachsenen Frauen treten als Mütter, Ehefrauen, Hausfrauen und Witwen auf, ganz im Gegensatz zu den Männern, die über ihren Stand und gegebenfalls über ihren Beruf sozial definiert und charakterisiert werden. Das auf diese Weise vermittelte Frauenbild ist stark vom zeitgenössichen Hausmutterideal geprägt und entspricht weitgehend den für dieses Ideal typischen Rollen- und Funktionszuweisungen. 127 Die religiösen und medizinischen Vorstellungen über den Frauenkörper stehen dabei in enger Beziehung zu den geschlechtsspezifischen Aspekten der weiblichen Verhaltensweisen während der Krankheit und in Notsituationen. Die Vermittlung von Verhaltensnormen geschieht jedoch in den Mirakeln auf eine andere Art als in den präskriptiven und normativen Quellen wie etwa den ehedidaktischen Schriften der Moralisten oder den medizinischen Werken, die Ratschläge für ein breiteres Publikum enthielten. Die Wundergeschichten waren in Bezug auf die Aussagen über das Alltagsleben weniger realitätsfern als die Verhaltensvorschriften von Moralisten und Medizinern, in denen ein ideales Frauenbild entworfen wurde. Die Mirakel vermitteln zum Teil dasselbe Frauenideal, aber sie lassen in höherem Masse Deutungen der für einzelne Fälle beschriebenen Verhaltensmuster zu als die klar und explizit formulierten Verhaltensmassregeln der präskriptiven Werke mit ihrem typischen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit. Eine gattungstypische Eigenschaft der Wundererzählungen ist ihre fast ausschliessliche Darstellung von positiven weiblichen Gestalten. Sie steht in einem gewissen Gegensatz zu anderen mit den Mirakeln verwandten Gattungen wie den Predigten, welche eher Huren, Ehebrecherinnen, Kupplerinnen, Schwätzerinnen oder herrschsüchtige Frauen als Gegenfiguren zur tugendhaften Idealfrau präsentieren, um die Zuhörer zu warnen. 128 Das Ziel war in beiden Fällen die Verbreitung desselben Frauenbildes mit Hilfe von Geschichten, die eine Wirkung auf das Bewusstsein der Rezipienten bezweckten. 129 127 Zu diesem Ideal vgl. Vigil, La vida de las mujeres, S.92-194; Perry, Niespada rota, S. 60- 80; Simon, Heilige, S. 136-173; Barbazza, L'epouse chretienne, S. 99-137; Sanchez Ortega, La muj er y Ia sexualidad, S. 88-96, 107-126; Perez, La femme et l'amour, S. 19-29; Cacho, Los moldes de Pygmali6n, S. 177-213; Martfnez Crespo, Einführung zu Manual de mugeres, S. 11-27; Hemandez Bermejo, Laimagende Ia mujer, S. 175-188; Ratcliffe,Jimena, s. 63-128 . 128 Dallapiazza, minne, S. 81-88; Moser-Rath, Familienleben, S. 207-225; dies ., Frau, Sp. 121- 128 . Zum negativ gefärbten Frauenbild in der zeitgenössischen spanischen Literatur: Sims, Resurnen de Ia imagen, S. 433-449 . Zur Misogynie in den Sprichwörtern und in Sebastian de Covarrubias' (1539- 1613) Wörterbuch (1611) vgl. : Barbazza, Refranes, S. 429-444; Geal, Image traditionelle, S. 145-166. 129 Auf diese Zielsetzung und auf die entsprechende Verwendung der Affektrhetorik in der spanischen religiösen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts verweist Tietz, Uberlegungen, S. 69-91. <?page no="55"?> Das Frauenbild 45 Wenn man konkret nach der Darstellung der Frau als Mutter und Ehefrau im Mirakelbuch fragt, stellt man fest, dass diese Rollen mit tugendhaften Verhaltensweisen assoziiert werden, welche den zeitgenössischen Lehren männlicher Moraltheologen und Mediziner im allgemeinen entsprechen. Das weibliche Leben ausserhalb der Klöster war demnach auf Fruchtbarkeit und Mütterlichkeit ausgerichtet. 130 Da das Ziel der Ehe in der Fortpflanzung bestand, wurde die Frau zunehmend als Mutter funktionalisiert und ihr Körper immer weniger als Fehlentwicklung des männlichen Körpers betrachtet. Stattdessen betonte man im 16. Jahrhundert häufiger die vollkommene Angemessenheit der weiblichen Anatomie für die Fortpflanzung. Im Mirakelbuch werden medizinische und religiöse Körpervorstellungen eng miteinander verknüpft. Vor deren Hintergrund können die geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen der Protagonisten gedeutet werden. Diese Verknüpfung zeigt unter anderem die oben erwähnte Erläuterung über die Merkmale der Statue des Gekreuzigten: "die Haare und die Nägel wachsen im menschlichen Körper wegen der körperlichen Humore. Sie sind niemals bei einer von einem Künstler gemachten Statue gewachsen"Y1 An dieser Stelle wird ausdrücklich mit der Humoralpathologie oder Lehre von den vier Körpersäften (Blut, Phlegma, gelbe und schwarze Galle) argumentiert, um die Eigenschaften des menschlichen Körpers von denjenigen der Statue zu unterscheiden, weil diese Lehre das theoretische Grundgerüst für das Körperverständnis sowohl der Kleriker wie der meisten Mediziner bildete. Die Humoralpathologie hob die Andersartigkeit de~ weiblichen Körpers hervor, indem sie die Konstitution der Frau als kalt und feucht beschrieb und den männlichen Körper mit Wärme, Trockenheit und Stärke verband. Ein Überfluss an Blut und anderen Körperflüssigkeiten bedingte einerseits die weibliche Unterlegenheit gegenüber dem Mann und ermöglichte andererseits die Fortpflanzung und die Ernährung des Säuglings. Gleich wie die Autoren der ehedidaktischen Schriften und der medizinischen Ratgeber 132 unterstreichen diejenigen des Mirakelbuches die Gefahren und Risiken der Geburt für die Frauen. Die präskriptiven Werke versuchen, den Gebärenden mit Gebeten und Trostsprüchen Mut zu ma- 130 Für die folgenden Ausführungen über die Wechselwirkung zwischen Verhaltensnormen und Vorstellungen über den Frauenkörper beziehe ich mich auf Arquiola, Bases biol6gicas, S. 297-315; Mac Lean, Notion of Woman, passim; Simon, Heilige; S. 74-135. Die spanischen ehedidaktischen Schriften werden von Vigil analysiert: Vigil, La vida de las mujeres, S. 92-139. Diese Autorin findet jedoch weniger Belege zugunsten einer Aufwertung der Mutterrolle bei den spanischen Moralisten des 16. und 17.Jahrhunderts als Barbazza, L'epouse, S. 100-137. 131 Hystoria, f. XVIIIr-v. ! 32 Granje! , La medicina espafiola, S. 230-236; Perry, Niespada rota, S. 35; Ortiz G6mez, La educaci6n de las matronas, S. 157-162; Sirnon Palmer, La higiene, S. 82 . <?page no="56"?> 46 Burgas und die Kruzifixwunder chen, 133 und die katholischen Kanonisten empfehlen ihnen, sich vor ihrer Niederkunft für den Tod vorzubereiten, indem sie beichten und ihr Testament machen. 134 Die Wunderberichte schildern schwierige Fälle von Geburten mit grossen Komplikationen und führen Leiden und Schmerzen deutlich vor Augen. So lassen sie das glückliche Ende der Entbindung wirklich wunderbar erscheinen. Die Moralisten ermahnen die Ehemänner dazu, Rücksicht auf ihre Frauen sowohl während der Schwangerschaft als auch bei der Geburt zu nehmen und Verständnis für ihre Wünsche aufzubringen.135 In ihren Schriften passt das männliche Verhalten zu der schutzbedürftigen Rolle d er Frau, doch die schwangeren Frauen konnten in der Tat von ihrem Recht auf Schutz in alltäglichen Konfliktsituationen Gebrauch machen, wie mehrere Zeugnisse aus Gerichtsakten im frühneuzeitlichen deutschen Sprachraum beweisen. 136 Beide Aspekte spiegeln sich in den Mirakeln. Eine Wundererzählung über die schwierige Geburt einer adligen Burgaleser Dame illustriert den von den Moralisten verlangten Schutz und Beistand des Ehemannes: Am Tag des Heiligen Valentin im Februar 1525 war die sehr grassartige Person und Dame Doiia Juana de Zuiiiga, Frau des hochwohlgeborenen Herrn Gutierre del Gadillo, in grosser Lebensgefahr wegen einer Geburt. Da der besagte Herr, ihr Ehemann, sie in so grosser Gefahr sah, empfahl er sie mit grossem Glauben dem Schutz des heiligen Kruzifixes und legte das Gelübde ab, mit ihr und mit der Leibesfrucht, die ihr Gott geben würde, zu dem heiligen Kruzifix zu kommen. Und nachdem der besagte Herr das Gelübde abgelegt hatte, gebar die besagte Dame ein gesundes und gutes Kind. Und die Mutter blieb ohne jegliche Schädigung, obwohl man natürlich keine geringere Schädigung erwartet hatte als ihren Tod . Und das geborene Kind tauften sie Valentin, da er am Tag des Heiligen Valentin dank so grosser Gnade und so grossem Wunder des heiligen Kruzifixes geboren wurde. 137 Der Ehemann ist um seine Frau so besorgt, dass er ein Gelübde ablegt, welches sie und ihr Kind schliesslich rettet. Der Mann leistet d a durch seiner Ehefrau Hilfe bei der Gefahr, und Gott bewirkt ein Wunder, das die Richtigkeit des männlichen Verhaltens bestätigt. Die Frau erscheint in einer in Bezug auf die Ausübung des frommen Aktes durchaus passiven Rolle. Sie leidet, während ihr Mann für sie und für das Kind betet. Beide ergänzen sich, indem jeder von ihnen seinen Beitrag zum glücklichen Verlauf der Geburt beiträgt. Sie muss das körperliche Leiden ertragen, während er die fromm e geistige Leistung erbringt. In einem gewissen Sinn erinnern diese Gegensätze zwischen Materie und Geist einerseits und zwischen Passivität und 133 Simon, Heilige, S. 124-125. 134 Martinez Gil, Muerte y sociedad, S. 586-589. 135 Vigil, La vida de las mujeres, S. 129 . 136 Rublack, Pregnancy, S. 84-110. 137 Hystoria, f. CXVIIIv-CXIXv. Anhang 13 . <?page no="57"?> Das Frauenbild 47 Aktivität andererseits an die geschlechtsspezifische Rollenverteilung bei der im 16. Jahrhundert immer noch verbreiteten aristotelischen Lehre über den weiblichen und männlichen Beitrag zur Zeugung. Demnach bildete das Menstrualblut nur das Rohmaterial, der männliche Samen hingegen war mit der formativen Kraft ausgestattet. 138 Nach Meinung der Moralisten mussten die Frauen gleich nach der Geburt beginnen, ihre Mutterpflichten sorgfältig zu erfüllen. Die so gedachte Mutterrolle verlangte von ihnen, dass sie sich besonders um das körperliche Wohlbefinden der Kinder kümmerten, auf diese aufpassten und sie erzogen. Diese Tätigkeiten bildeten nur einen Teil der von den Moralisten beschriebenen weiblichen Hausarbeit. Wichtig war für diese Autoren, die Anhindung der Frauen an das Haus als soziales Gebilde und als Gebäudekomplex zu untermauern, um dadurch ihre Bewegungsfreiheit und ihre Selbständigkeit einzuschränken. Sie richteten sich hauptsächlich an die Frauen der städtischen Oberschichten und vermittelten in ihren Werken ein Frauenleitbild, das nur der Erfahrungswelt dieser kleinen Bevölkerungsgruppe entsprach. Die ausführlichsten Wundererzählungen des Mirakelbuches über Frauen oder mit Frauen unter den Hauptfiguren beziehen sich häufig auf die bürgerlichen Lebensverhältnisse in Burgos und stehen zum Teil im Einklang mit dem Frauenideal der Moralisten. Die darin beschriebenen Beziehungen innerhalb der Familie sowohl zwischen den Elternteilen wie auch zwischen einem einzelnen Elternteil und einem Kind zeugen von engen affektiven Bindungen und von ausgeprägten Formen von Emotionalität. Aber die Frauen sind wegen der ihnen zugewiesenen Mutterrolle in einem viel stärkeren Mass für den emotionalen Bereich zuständig als die Männer und haben eine engere Beziehung zum Kind als die Vaterfiguren der Mirakel. 139 Das folgende Wunder bietet ein Beispiel für diese geschlechtsspezifische Rollenverteilung nach dem Tode eines Sohnes eines begüterten Ehepaares: Im Jahre 1523 fühlte sich ein Kindnamens Juan, Sohn von Juan Fontanel, Bürger von Burgos, und von Catalina de Teza, seiner Frau, sehr schlecht wegen einer sehr schweren Krankheit. Es kam zum Punkt des Todes, und der Doktor Castro, der Lizentiat Castro und viele andere Ärzte hielten ihn für tot. Und da er die Sprachfähigkeit verloren und die Augen geschlossen hatte, wollten sie ihn ins Leichentuch hüllen. Juan Fontanel, sein Vater, nahm ihm einen silbernen Ring weg, den er am Hals trug, weil sie ihn einkleiden wollten. Und die Ehefrau tröstete den Ehemann über den verstorbe- 138 Im Laufe des 16. Jahrhunderts setzte sich die schon in der Antike formulierte Auffassung durch, welche der Frau einen eigenen Samen mit formativer Kraft zuerkannte. Simon, Heilige, S. 97-104; Arquiola, Bases biol6gicas, S. 306-315. 139 R . Habermas vertritt hingegen die Meinung, Männern und Frauen würden in den von ihr analysierten Wunderberichten keine solchen geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen zugeschrieben. Habermas, Sorge, S. 169-183. <?page no="58"?> 48 Burgas und die Kruzifixwunder nen Sohn, und umgekehrt. Aber die um das Leben ihres Sohnes (wie Martha um ihren Bruder Lazarus) besorgte Frau verliess ihren Mann, und der Mann ging zu [der Kirche] San Pablo, um ein Grab machen zu lassen. Und sie ging ins Zimmer hinein, in dem ihr verstorbener Sohn lag, und indem sie mit grosser Devotion auf dem Boden kniend weinte, erhob sie ein Gebet ans heilige Kruzifix und bat darum, dem Vater [des Kindes] und ihr seine Gnade zu erweisen und den besagtenJuan, ihren Sohn, wiederzuerwecken. Und sie versprach ihm, dem heiligen Kruzifix, so viel Wachs zu schenken, wie das Kind wog, damit man für ihn zwei Messen lesen würde. Und das Kind öffnete darauf die Augen und begann, die Mutter anzuschauen, die darüber erstaunt war, wie ihn Gott dank dem heiligen Kruzifix wiedererweckt hatte. Und danach war das Kind gesund. Und eines Tages stand es vom Bett auf, womit das Wunder und die durch seine Macht gezeigte Glorie Gottes für alle deutlicher .wurden. Als der Vater und ein Dominikanermönch das Grab auswählten, erfuhr er, dass sein Sohn erweckt worden und gesund war. Dieses Wunder war in ganz Burgos sehr bekannt, und man muss es für einen Beweis halten. 140 Der silberne Ring am Hals des Sohns und die grasszügige Votivgabe deuten auf eine hohe wirtschaftliche und soziale Stellung innerhalb der städtischen Gesellschaft hin. 141 Am Verhalten des Vaters zeigt sich die männliche Zuständigkeit für den ausserhäuslichen Bereich: Juan Fontanel kümmert sich um die Vorbereitung der Beerdigung, während seine Frau, Catalina de Teza, beim verstorbenen Sohn zu Hause bleibt. Durch den Vergleich mit Marthas Sorge um ihren verstorbenen Bruder Lazarus wird Catalinas Hoffnung auf die Wiedererweckung ihres Sohnes erklärt. Da sie diese Hoffnung nicht so schnell wie ihr Ehemann aufgibt, geht sie in das Zimmer und beschliesst, ihren Sohn dem Kruzifix anzuvertrauen. Diese Szene veranschaulicht die auch nach dem Tod aufrechterhaltene enge affektive Bindung zwischen Mutter und Kind sowie ihre grössere räumliche Nähe als Ausdruck dieser besonderen Beziehung. Das Mirakel verbindet dadurch Häuslichkeit und Mütterlichkeit und stellt sie als Hauptmerkmale der weiblichen Gestalt dar. Trotzdem lassen sich Unterschiede zwischen der von den Moralisten postul i erten strengen Mutter-Kind-Bindung und ihrer Darstellung im Burgales er Mirakelbuch feststellen. Im Mirakelbuch sind es eher die Frauen im allgemeinen, die sich um die Kinder kümmern, und nicht nur die Mütter der jeweiligen Kinder, wie die Moralisten es wollten. Dies lässt sich bei Wundererzählungen feststellen, in denen die elterliche Pflicht thematisiert wird, sich um eine würdige Beerdigung für das verstorbene Kind zu kümmern.142 Ein solches Wunder soll einem Mädchen in Las Huelgas, einem Aussenviertel der Stadt, widerfahren sein: 140 Hystoria, f. CIVv-CVv. Anhang 14. 141 Über den Gebrauch von Wachs bei den Votivgaben vgl. Brückner, Konstrukten, S. 215- 221; Schuh, Votivgaben, S. 747-763; Giraldo, Volkskundliches, S. 211-214. Zu den Votivgaben im allgemeinen vgl. Velasco, Sobre ofrendas, S. 19-116. Danken ist ein Handlungsvorbild, das in den Mirakeln stark betont wird. 14 2 Die exemplarischen Erzählungen waren nur ein klerikales Mittel unter anderen, um die <?page no="59"?> Das Frauenbild 49 Am Tag des Heiligen Bernardo 1525 wurde ein anderthalbjähriges Mädchen krank, Tochter von Martin de Frias und von Agueda de Salamanca, seiner Ehefrau, Nachbarin von Las Huelgas von Burgos, und ihre Krankheit war so schwer, dass das Mädchen daran starb. Sie war nach eineinhalb Stunden tot und ohne Verstand, mit geschlossenen Augen und schwarzen Lippen. Als ihr Vater sie tot sah, ging er hinaus, um seine Ehefrau zu trösten, und sie nahmen ein Leinentuch hervor, um sie darin einzuhüllen. Während der Vater das Grab ausheben liess, um sie zu beerdigen, bat eine beim verstorbenen Mädchen gebliebenen Frau, auf dem Boden kniend und mit grosser Devotion, das heilige Kruzifix weinend darum, gnädig mit dem Vater und der Mutter des Mädchens zu sein und dieses wiederzuerwecken. Und sobald sie mit ihrem Gebet fertig war, öffnete das Mädchen seine Augen und wurde wiedererweckt. Und die gute Frau ["duefia"] 143 ging hinaus, um den Eltern zu sagen, dass sie Gott und dem heiligen Kruzifix für das bei ihrer Tochter bewirkte Wunder danken sollten. Und das Mädchen wurde gesund und heil. Dafür dankten die Eltern Gott und dem heiligen Kruzifix sehr. Dieses Wunder wird in dem originalen Mirakelbuch des heiligen Kruzifixes nachgewiesen.144 Es wird nicht beschrieben, was die Mutter nach dem Tod des Mädchens tut, sondern wieder einmal nur, wie der Vater die für das Begräbnis notwendigen ausserhäuslichen Vorbereitungen trifft, nachdem er den Todeseintritt aufgrund von Zeichen wie der geschlossenen Augen oder der schwarzen Lippen des Mädchens festgestellt hat. 145 Die weibliche handelnde Person ist also nicht die Mutter, sondern eine andere Frau, deren unerschüttertes Gottvertrauen und frommes Gebet geschildert werden. Erst am Schluss werden beide Eltern wieder in die Handlung einbezogen, denn es geht wie üblich darum, die Leser zur Dankespflicht anhand eines erbaulichen Beispiels zu ermahnen. Auch am Beispiel des Ammenwesens lassen sich Unterschiede zu den rigorosen Vorschriften von Moraltheologen und Medizinern feststellen. 146 Diese kritisierten die Anstellung von Ammen in den oberen Schichten und wollten die Mütter dazu verpflichten, die Säuglinge bis zu ihrem zweiten Lebensjahr selbst zu stillen. Die Muttermilch galt für sie als Mittel zur Beerdigungsforderung von kleinen Kindern durchzusetzen. Zu den kanonischen Vorschriften und ihrer Umsetzung vgl. Martinez Gil, Muerte y sociedad, S. 595-596. Zu den Mirakeln, in denen zwecks Taufe eine kurze Rückkehr der Säuglinge zum Leben geschildert wird, vgl. Gelis, Mirade et medicine, S. 85-101. 143 Das Wort "Duefia" bezeichnete meistens verwitwete Frauen oder wichtige Dienerinnen in einem Haushalt. 144 Hystoria, f. CXv-CXIv. Anhang 15. 145 Zu derartigen Todeszeichen und der Todesfeststellung in spätmittelalterlichen skandinavischen Mirakeln vgl. Krötzl, Signa mortis, S. 765-775. 146 Die Vorschriften waren in dieser Beziehung ziemlich realitätsfern. Vigil, Vida de las mujeres, S. 132-139; Barbazza, L'epouse, S. 132-133; Simon, Heilige, S. 91-97; King, Frauen in der Renaissance, S. 23-30. Christiaue Klapisch-Zuber beschreibt die realen Verhältnisse des Ammenwesens in Florenz im 15 . Jahrhundert und am Anfang des 16. Jahrhunderts. Klapisch-Zuber, Blood Parents, S. 132-162. Zum spätmittelalterlichen Ammenwesen in Spanien vgl. Dillard, Daughters, S. 156. <?page no="60"?> 50 Burgos und die Kruzifixwunder Weitergabe von Charaktereigenschaften und enthielt eine ähnliche Substanz wie ihr Blut. Dadurch banden sie einmal mehr die Frauen an ihre häuslichen und mütterlichen Pflichten und verwiesen sie ins Innere des Hauses. Nur in Ausnahmefällen, wie etwa bei schlechter Gesundheit der Mutter, durfte der Säugling an eine Amme weitergegeben werden, deren moralischen Lebenswandel die Eltern jedenfalls überprüfen sollten. In Wirklichkeit blieben diese hohen Ansprüche unberücksichtigt. Die Ammen wurden in der Tat häufig angestellt, und die Eltern hatten andere Kriterien bei der Auswahl als die Moralisten. So wurden Mütter, die ihre eigenen Kinder gerade verloren hatten, besonders geschätzt. 147 Eine Wundererzählung über die Wiedererweckung eines Kindes aus einem bürgerlichen Haus gibt Aufschluss über die Bereitschaft der Autoren des Mirakelbuches, das Ammenwesen nicht von vorneherein zu verurteilen, und zeigt, dass sie nicht grundsätzlich Geschichten dieser Berufsgruppe unterdrücken wollten, um in Übereinstimmung mit den moralischen Schriften der Zeit zu stehen. Die Erzählung ist insofern offen für mehrere Interpretationen und Urteile über den Vorteil der Anstellung von Nährammen, als es unklar bleibt, warum die Mutter das Kind nicht selber stillt und ob die Mutter zur Zeit des Geschehens überhaupt noch lebt. Die schützende Rolle der Mutter wird eindeutig von der Amme übernommen: Am 23. April des Jahres unseres Herrn 1525 worfelte eine Frau namens Juana de Santo Domingo, Dienerin und Am.me beim Kaufmann Francisco de Salinas, den Weizen. Ein Knabe, den die besagte Juana de Santo Domingo stillte, der Sohn des besagten Francisco de Salinas, der zweieinhalb Jahre alt war und immer noch an den Brüsten der Amme saugte, spielte mit anderen Kindern im Haus des besagten Francisco de Salinas im alten Silberschmiedquartier der Stadt Burgos, und er fiel durch die Falltür in einen sehr tiefen Keller von mehr als fünfzig Fuss Höhe hinunter. Und da die besagte Amme ihn fallen sah und den starken Schlag hörte, den es unten gab, schrie sie und sagte: " Oh, heiliges Kruzifix von San Agustfn von Burgos, zeige doch Barmherzigkeit mit diesem Knaben! " Und sie ging sehr bestürzt und sehr schnell in den Keller hinunter und fand den Knaben unter einigen Bausteinen, wie tot mit verdrehtem und geneigtem Kopf, und sein Hals war äusserst heiss. Und die Amme sagte: "Oh, heiliges Kruzifix von San Agustfn von Burgos, wecke diesen Knaben auf! " Und weinend empfahl sie den Knaben dem Schutz des heiligen Kruzifixes. Der Knabe kam zu sich gesund und heil, ohne jegliche Wunde, indem er sagte: "Amme, gib mir die Brust." Und so brachte sie ihn hinauf, wo viele weinten und ihn tot erwarteten, da er von so weit oben hinuntergefallen war, dass sogar ein Mann gestorben wäre. Und als sie ihn gesund sahen, waren sie über ein so grossesWunder erstaunt und sagten, dass sie nach dem Tod von Lazarus niemals ein so grosses Wunder gesehen oder gehört hatten. Und sie dankten Gott und dem heiligen Kruzifix sehr. Und obwohl es so bekannt war, wurde es beglaubigt. 148 147 Klapisch-Zuber, Blood Parents, S. 140-143. 148 Hystoria, f. CXIv-CXIIr. Anhang16. <?page no="61"?> Das Frauenbild 51 Die Erzählung greift wahrscheinlich zurück auf zahlreiche Elemente der eigenen, auf eine positive Selbstdarstellung bedachten Geschichte der Amme Juana de Santo Domingo bei ihrer Einvernahme für die Überprüfung des Wunders und stellt diese in ein günstiges Licht. Ihre fleissige Arbeit als Dienerin im Haus ihres Herrn, des Kaufmanns Francisco de Salinas, wird in der einleitenden Szene durch das Worfeln des Weizens veranschaulicht. Dieser Umstand erklärt, weshalb der Unfall geschehen konnte, obwohl sie auf das Kind eigentlich aufgepasst hatte. Damit ihr niemand Unachtsamkeit vorwerfe, wird neben ihrer Tätigkeit angemerkt: "Und da die besagte Amme ihn fallen sah und den starken Schlag hörte." Ihre Sorge um den verunfallten Knaben zeigt sich ferner in ihrem vorbildlichen Verhalten: Sie eilt herbei, um sofort zu prüfen, ob der Knabe noch lebt, und ruft das Kruzifix an. Die Glaubwürdigkeit des Wunders stützt sich nur auf die Aussage der Amme über die Wiedererweckung. Nur sie stellt den Tod des Kindes fest. Um ihre Todesfeststellung allerdings nicht unsicher erscheinen zu lassen, wird durch eine Raumangabe der Sturz genau geschildert: "er fiel durch die Falltür in einen sehr tiefen Keller von mehr als fünfzig Fuss Höhe hinunter". Die Todesauffassung, die sich an den spätmittelalterlichen Mirakeln ablesen lässt, weist jedoch besondere Merkmale auf, die auch diesen Wunderbericht prägen. Das Kind ist "wie tot" ("como muerto"), sein Kopf ist verdreht und geneigt und sein Hals heiss. Der Ausdruck "quasi mortuus" zusammen mit derartigen Todeszeichen taucht in zahlreichen spätmittelalterlichen Wundergeschichten auf und weist auf einen Zustand des "Fast- Todes" hin, der als eine prozesshafte Entwicklung zwischen Leben und Tod verstanden wurde und nicht als punktuelles Ereignis. 149 Die besonders enge Amme-Kind-Beziehung wird äusserst vorteilhaft dargestellt. Einerseits rettet sie sein Leben, indem sie das Kruzifix anruft, und andererseits stillt sie das Kind, sobald di eses wiedererwe ckt wird. Ihre Milch spie lt eine wichtige Rolle in der Erzählung, sie steht für die gegen seitige Liebe von Amme und Kind. Am Anfang dient sie dazu, Juanas Ammenfunktion zu charakterisieren, denn es wird betont, dass das zweieinhalbjährige Kind immer noch saugt. Nach der Wiedererweckung verlangt der Knabe sofort die Brust; seine Forderung wird in Form von direkter Rede wiedergegeben, um ihr eine grössere Glaubwürdigkeit zu verleihen. Die Reaktion des Kindes e ntbehrt nicht einer gewissen Komik. Auch w e nn die Frau nicht als Mutter auftritt, h ängt ihr Verhalten mit den religiösen und medizinischen Körpervorstellungen der Autoren des Mirakelbuches zusammen. Im ärztlichen Diskurs über den weiblichen Körper wurde der Gebärmutter (griech. "hyster") eine grosse Aufmerksamkeit 149 Krötzl, Signa mortis, S. 76 7-769, 7 75. <?page no="62"?> 52 Burgas und die Kruzifixwunder geschenkt. 150 Ihre Erkrankung sollte die Ursache für die Hysterie sein. Die Vorstellungen von den Geschlechtsorganen der Frau stammten zum Teil aus der Antike. Platon schrieb der Gebärmutter ein eigenes Leben im Körperinnern zu, da er sie für ein kleines Tier hielt. Aber auch Ärzte, die andere Ansichten vertraten als die antiken Autoren, hielten den Uterus für den wichtigsten anatomischen Unterschied zum männlichen Körper und kamen zum Teil zu ähnlichen Schlussfolgerungen über die damit einhergehende Schwäche der Frau. 151 Die folgende Wundergeschichte über eine Ehe- und Hausfrau schildert Verhaltensweisen, welche von zeitgenössischen medizinischen Schriften als Symptome von Hysterie pathologisiert wurden. Der Titel lautet: "Über eine Frau, die von einer schweren Krankheit geheilt wurde": An einem Morgen Mitte Februar 1552 zwischen sieben und acht Uhr bekam eine mit einem gewissenJuan de Valdivielso, Nachbarn von Burgos, verheiratete Fraunamens Marfa so starke Herzbeschwerden, als sie Wolle an einem Spindelschlitten in ihrem Haus im Quartier San Pedro spann, dass sie die Sprechfähigkeit verlor. Und sie war ohnmächtig vom Morgen um acht Uhr bis zum nächsten Tag um zwölf Uhr nachts, das heisst vierzig Stunden lang. Und als man ihr brennendes Brot auf die Brüste legte, das diese verbrannte und Blasen verursachte, spürte sie nichts. Und sie zitterte am unteren Körperteil, und man konnte sie an den Armen nicht halten. Nach zwölf Uhr gab man ihr zwei Schüsseln Suppe, da sie bis dahin nichts gegessen hatte. Und so asssie wie eine kopflose Person, indem sie in die Schüssel biss. Und indem sie die Augen schloss, breitete sie die Arme aus in der Form eines Kreuzes, um zu zeigen, dass sie zum heiligen Kruzifix gebracht werden sollte. Und so hob man sie vom Bett auf und brachte sie am Donnerstag auf einem MauJeselchen vor das Kruzifix (denn sie war am Donnerstag morgen krank geworden), und als sie in der Kapelle war, sprach sie nur mit Zeichen, und sie seufzte und weinte, kroch auf den Knien, und manchmallegte sie sich mit dem Gesicht auf den Boden. Und am Freitag nach der Messe zog man die Vorhänge vor dem heiligen Kruzifix auf. Und als die besagte Marfa das Kru zifix sah, begann sie zu seufzen. Und als sie das Kruzifix verdeckten, wurde sie sehr traurig. So war die traurige Frau in den Tagen ihrer Novenen. Und jeden Tag liess ihr Mann eine Messe für sie lesen. Am darauffolgenden Freitag, dem neunten Tag, den sie dort verbrachte, war die besagte Kranke in der Kapelle neben dem Altar des heiligen Kruzifixes, und als man die Vorhänge zurückschob und das heilige Kruzifix unbedeckt liess, begann sie mit erhobenen Händen sehr laut zu sagen: "Jesus, Mutter Gottes; Jesus, Mutter Gottes", und sie wischte sich den Schweiss von der Stirn ab, in den sie geriet. Und als man das heilige Kruzifix bedeckte, sagte sie leise weiter: "Mutter Gottes, Mutter Gottes, Jesus." Und sie schwor, sie hätte den Eindruck gehabt, dass der heilige Gekreuzigte beide Hände heruntergebracht und ihr damit einen Stoss an den Kopf an beiden Ohren gegeben hätte. Und mit dem Schlag wurde sie mit Wasser bedeckt und senkte den Kopf. Und sie blieb etwas schwach, aber nicht ohnmächtig. Und sie blieb dort bis zum darauf- 150 Berriot-Salvadore, Diskurse, S. 379-381. I SI Simon, Heilige, S. 104-110. <?page no="63"?> Das Frauenbild 53 folgenden Sonntag. Und darauf ging sie gesund nach Hause, indem sie Gott und dem heiligen Kruzifix für ein sogrossesWunder dankte. 152 Marias Symptome werden aufgezählt, ohne ihrer Krankheit einen Namen zu geben. Sie wird nicht als Hysterikerin betrachtet, obwohl sie stumm und ohnmächtig wird, zittert, nicht mehr isst und in die Schüssel beisst: eine rasche und abrupte Veränderung einer sittsamen und fleissigen Ehefrau, die zu Hause spinnt, in eine kopflose Frau, die sich nicht mehr beherrschen kann und die Anstandsregeln und Tischsitten missachtet. Das vorbildliche Verhalten verwandelt sich plötzlich in sein Gegenteil. Die Übereinstimmung mit den zeitgenössischen Beschreibungen von Hysterieanfällen sind auffallend. Die Herzbeschwerden gehörten auch dazu, denn sie wurden von manchen Ärzten als eine Folge der erkrankten Gebärmutter gedeutet, die aufgrundihrer Verbindung mit anderen Organen diese mit beeinträchtigen konnte. Die Schädigung des Herzens verursachte unter anderem Schmerzunempfindlichkeit und Bewusstlosigkeit. 153 Mit ihrer Bitte, vor das Kruzifix des Augustinerklosters gebracht zu werden, beginnt ein neuer Teil der Erzählung. Marias Zustand hindert sie nicht daran, diesen frommen Wunsch mit Körperzeichen auszudrücken und damit als leidende Frau aufzutreten, die sich nach der Verehrung des leidenden Christus am Kreuz sehnt. Von da an lassen sich ihre körperlichen Ausdrucksformen als Bestreben deuten, die Nähe zu Gott in der Anwesenheit der göttlichen Darstellung zu suchen. Sie seufzt und weint, vor allem wenn sie das Kruzifix anschauen darf, aber diese Reaktionen sind keine Zeichen von Traurigkeit. Hingegen wird sie traurig, wenn die Vorhänge das Kruzifix verdecken. Erst wenn diese Vorhänge am Ende ihrer Novene zurückgeschoben werden, beginnt sie, wieder zu sprechen. An diesem neunten Tag, dem Freitag, erlebt sie die wichtigsten körperlichen Veränderungen als Ausdruck religiöser Erfahrungen. Ihre Körperflüssigkeiten geraten erneut in Bewegung, und deshalb muss sie sich den Schweiss von der Stirn abwischen. Ihre Sinnesorgane werden fähig, besondere Erfahrungen wahrzunehmen: An ihren Ohren spürt sie die schlagenden Hände des Gekreuzigten, und das Wasser, ein Element mit heilender Kraft, bedeckt ihren Kopf . In manchen Wundergeschichten sind die Nonnen die Hauptfiguren. Sie führen darin immer ein vorbildliches Leben. Als überzeugte Nonnen zweifeln sie nicht an ihrer Berufung, ziehen das Weglaufen vom Kloster nicht in Betracht und halten das Klosterleben keineswegs für eine Gefangenschaft. Klagen von unfreiwilligen Nonnen, die von ihren Eltern ins Kloster ge- 152 H ystoria, f. CXXVIIIr-CXXIXv. Anhang 17. 153 Simon, H eilige, S. 64 . <?page no="64"?> 54 Burgas und die Kruzifixwunder steckt wurden, sind im Mirakelbuch nicht überliefert. 154 Die Wundererzählungen handeln nur von denjenigen, die das Leben hinter den Klostermauern freiwillig wählten und die von dieser Institution angebotenen Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten durchaus nützten, auch wenn sie gesundheitliche Probleme hatten oder manchmal Versuchungen widerstehen mussten. Unter diesen Mirakeln über das Leben der Nonnen in ihren Klöstern findet man ein typisches Beispiel für die Tendenz der Mystikerinnen zur inneren Nachempfindung der Passion. Dazu im Gegensatz steht das letzte wiedergegebene Mirakel, wo die körperlichen Aspekte der Kruzifixverehrung betont werden. Eine Wundergeschichte aus dem Nonnenkloster des Ordens der Heiligen Klara berichtet über diese Welt der intellektuellen religiösen Frauen aus der Oberschicht und bezieht in ihre Handlung eine sonst in dem Mirakelbuch kaum anzutreffende Figur ein: den hier explizit erwähnten Teufel. Die Erzählung stammt aus einer Zeit, (Anfang des 16. Jahrhunderts) und aus einem Milieu (demjenigen der Klarissinnen und Franziskanerinnen), wo die spanische Frauenmystik in der Blüte stand, nicht zuletzt dank einer geziehen Politik der Übersetzung frauenmystischer Werke ins Spanische und aufgrundder Bewunderung einflussreicher kirchlicher Würdenträger für solche Erfahrungen: 155 Im Jahr 1508. Eine Damenamens Doiia Aldonza de Maluenda, Äbtissin in dem Kloster Santa Clara in Burgos, war sehr fromm und der Verehrung der Passion unseres Erlösers Jesu Christi so sehr ergeben, dass sie begann, aufgrund der ständigen Lektüre, Andacht und Kontemplation der Passion des Herrn eine Abhandlung darüber zu schreiben, indem sie die verschiedenen von ihr gelesenen Stellen zusammentrug und indem sie auch die frommen Gefühle aufschrieb, die Gott ihr für ihren eigenen Unterricht und Nutzen sowie für denjenigen der Schwestern ihres Klosters gab. Der Teufel, der auf die guten Menschen und ihre guten Werke neidisch ist, vor allem aber auf den Ruhm Gottes und der Passion und Kreuzigung Christi, durch die der Sohn Gottes ihn besiegte und ihn aus der von ihm tyrannisierten Welt hinauswarf, begann den heiligen Zweck und das gute Werk dieser Dame zu beneiden und sie dabei zu stören, denn er konnte ihre Güte nicht leiden. Um sie zu stören, erschien er ihr sehr häufig in fürchterlichen und schrecklichen Gestalten eine Woche lang, wie bei dem Heiligen Antonius in der Wüste, um ihr teuflische Ängste einzujagen und sie durch Schrecken oder Verzweiflung wenn möglich zu töten. Aber die gute und von der Tugend Gottes angeregte Dame empfahl sich mit grosser Devotion dem Schutz des heiligen Kruzifixes von Burgos und schickte ihm eine Wachsfigur. Und sie hatte nie mehr die 154 Wie unterschiedlich die Erfahrungen unfreiwilliger und überzeugter Nonnen in der Renaissance waren, zeigt M. L. King, Frauen in der Renaissance, S. 104-128, 143-158. Zum Alltagsleben in spanischen Frauenklöstern des 16. und 17. Jahrhunderts vgl. Bomli, Femme, S. 270-280; Vigil, La vida de las mujeres, S. 208-261; dies., Conventos femeninos, S. 165- 185; Perry, Niespada rota, S. 81-101; Bilinkoff, Avila, S. 108- 151. 155 Zur Blütezeit der spanisch en Mystik in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vgl. Sainz Rodriguez, La siembra mfstica, S. 9-56; Graii.a Cid, Mujeres perfectas, S. 135, 144-149. <?page no="65"?> Das Frauenbild 55 besagten Visionen. So arbeitete sie weiter an ihrem Werk und beendete es. Und es ist sehr andächtig. 156 Die weibliche Gestalt der Wundergeschichte gehört eindeutig zu der Gruppe tugendhafter und erfolgreicher religiöser Frauen. Der Äbtissin Aldonza de Maluenda, die aus einer der vornehmsten Burgaleser Kaufmannsfamilien stammte, muss das kontemplative Leben zahlreiche Vorteile gebracht haben.157 Als Äbtissin stand sie einer grossen Gemeinschaft von Nonnen vor und übte deshalb mehr Macht aus als die meisten Frauen aus ihrer sozialen Schicht. Da sie nicht nur schreib- und lesekundig war, sondern auch Werke religiösen Charakters selber verfasste, muss sie die dafür nötige Ruhe des Klosters geschätzt haben. 158 Zudem erlaubten ihr ihre Vorrangstellung und ihre Kenntnisse, sich mit den mystischen Erfahrungen, die sie so brennend interessierten, auf einer intellektuellen Ebene zu befassen. Diese Wundererzählung entstand also in einem kulturell und sozial privilegierten Milieu und berichtet dementsprechend über die Ängste und Schwierigkeiten einer gebildeten Mystikerin, ohne einen direkten Bezug auf ihre Körperlichkeit oder auf ihre somatischen Krankheiten zu nehmen, wie das sonst im Mirakelbuch üblich ist. Das Hauptthema bildet Aldonzas Schwierigkeit, ihr Andachtsbuch trotz ihrer teuflischen Visionen zu beenden. Es ist die Schilderung eines unterbrochenen, später wieder aufgenommenen und schliesslich zu Ende geführten Schreibprozesses, bei dem der Passionskult die Schreibmotivation darstellt. Im Allgemeinen erhält die Äbtissin bei ihrem Schreibvorhaben Unterstützung, einzig der Teufel will sie dabei stören, indem er ihr in Visionen erscheint, fürchterliche Gestalten annimmt und sie in Verzweiflung zu bringen versucht. 159 Dank ihrer Tugend und der Hilfe des Kruzifixes gelingt es ihr, ihre Ängste zu überwinden und ihr Werk fertig zu schreiben. Es handelt sich also um eine für die patriarchale kirchliche Kultur des Spätmittelalters und des 16. Jahrhunderts typische Erzählung, insofern diese den schreibenden Frauen beträchtliche Schranken auferlegte. Derartige Geschlechtsschranken zu überschreiten erforderte eine grosse Anstrengung auch für privilegierte Frauen wie die Äbtissin Aldonza. Es war deshalb nicht ungewöhnlich, dass die religiösen Schriftstellerinnen die göttliche Hilfe als entscheidend für ihre Schreibtätigkeit in ihren Werken darstellten.160 Die Wundergeschichte gibt in dieser Beziehung die von den schreibenden Nonnen selbst gesuchte Schreiblegitimation wieder. 156 Hystoria, f. LXXXVIIIr-LXXXIVv. Anhang 18. 157 Zur Arbeitsteilung in Frauenklöstern vgl. Gil Ambrona, Entre Ia oraci6n y el trabajo, s. 91-105. 158 Sie kompilierte aus anderen Werken. Sie hatte also eine Bibliothek zur Verfügung. 159 Zur Teufelsfigur und -visionen im damaligen Spanien vgl. Lis6n, Demonios, passim; Caro, Las formas complejas, S. 69-89; Mackay, Mujeres diab6licas, S.187-196. 160 Rivera Garretas, Orte und Worte, S. 15-26. <?page no="66"?> 56 Burgas und die Kruzifixw under Sie schrieb ihre Abhandlung, "indem sie die verschiedenen von ihr gelesenen Stellen zusammentrug sowie indem sie die frommen Gefühle aufschrieb, die Gott ihr[ ...] gab". Dieser Abschnitt gibt Aufschluss über Aldonzas Arbeitsweise als Autorin. Es wird kein Widerspruch zwischen der Verwendung anderer Autoren und dem Ausdruck persönlicher Gefühle gesehen. 161 Anders als in der heutigen Forschungsdiskussion über den Aussagewert der frauenmystischen Schriften, in der textbezogene Analysen der Suche nach autobiographischen und persönlichen Inhalten anhand von solchen Schriften entgegengesetzt werden, akzeptieren die Autoren des Mirakelbuches, dass Aldonzas kompilatorische Arbeit und ihre eigenen Erfahrungen in ihrem Werk verschmelzen konnten. 162 Der Teufel tritt im Mirakelbuch selten auf. Daneben fällt dem Leser auf, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen den Sünden und den Krankheiten der durch die Wunder beglückten Menschen hergestellt wird. Dies erinnert an die humanistischen Tendenzen der Renaissance, auf solche Erklärungsmuster so weit wie möglich zu verzichten, auch wenn die Burgales er Augustiner keine Humanisten waren. 163 Es schien grundsätzlich möglich, beide Auffassungen mit der Bibel zu begründen: Sowohl die Verknüpfung von Krankheit und Sünde wie die Verneinung dieser Verknüpfung wurden von verschiedenen christlichen Autoren vertreten. 164 Es muss hervorgehoben werden, dass die Genesung durch übernatürliche Mittel nicht nur möglich war, wenn die Krankheit ihren Ursprung in der Sünde hatte. Wenn wir der Logik der Autoren des Mirakelbuches folgen, stellen wir fest, dass die Anrufung des Kruzifixes viel mehr davon abhing, ob die menschlichen Heilmittel reichten oder nicht, um eine Krankheit zu heilen. Wenn der Kranke manchmal als Sünder in dem Mirakelbuch erscheint, bedeutet dies nicht notwendigerweise, dass seine Krankheit die Folge seiner Sünden ist. Es geht den Autoren vielmehr darum, dieNotwendigkeitder Bussleistung aufjeden Fall hervorzuheben. Ein Beispiel dafür liefert die folgende Wundergeschichte, in der das kranke und verschlossene Auge einer Frau ("dueiia") geheilt wird. Am Anfang der Erzählung werden nur die natürlichen Vorgänge ausführlich behandelt, die zu der Krankheit führen, während die Heilung am Schluss eng an die eucharistische Verehrung gekoppelt wird: 16 1 Zur Verwendun g von Topoi in der mittelalterlichen Literatur vgl. Curtius, Europäische Literatur, passim. 16 2 Die Suche nach autobiographischen Erfahrungen und eigenen Deutungen der Autorinnen betonen: Opitz, Frauenalltag, passim; Bynum, Fernale lmagery, S. 151-179. 163 Auf diese Tendenzen verweist Christian, Religiosidad local, S. 248 . 164 Für die erste Auffassung führt Siebenthal viele Belege aus der patristischen Literatur an und meint, dass diese Ansicht im Mittelalter vorherrschte. Siebenthal, Krankheit, S. 47- 58 . Eine andere Meinung vertritt Lain Entralgo; er begründet seine Aussagen mit Beispielen aus christlicher Schriften aus mehreren Zeitaltern. Lain, Enfermedad, S. 45-84. <?page no="67"?> Das Frauenbild 57 Am 26. Mai 1522 kamJuana G6mez, Nachbarin von Burgos, um sich dem Schutz des heiligen Kruzifixes zu empfehlen und darum zu bitten, ihr ein Auge zu heilen, das wegen einer Geschwulst, die sie an ihm hatte, in einem sehr schlechten Zustand war. Und auf der ganzen rechten Seite war sie sehr krank und rot, so dass ihr Auge geschlossen blieb, ohne dass irgendetwas es öffnen konnte. Und die besagteJuana G6mez sagte, dass sie das Auge nicht mehr spürte, das eines Nachts krank geworden war. Und sie hatte es so geschlossen, dass sie damit nichts sah und dass man bei ihr drinnen nichts sah. Und im Tränenwinkel, in der Nähe der Nase, hatte sie eine Fleischgeschwulst, die höher gewachsen war als eine Haselnuss, so gros~ wie eine halbe Walnuss. Die Frau ("duefia") war sehr betrübt, als die Arzte und Chirurgen sie darauf aufmerksam gemacht hatten, dass nur ein Wunder Gottes sie heilen konnte, da es kein anderes Heilmittel gab, und so ging sie weinend an einem Montag morgen zum heiligen Kruzifix. Und sie fragte einen Pater, der gerade hineinkam, um eine Messe zu lesen, danach, Gott und das heilige Kruzifix im heiligen Moment darum zu bitten, ein Wunder für sie zu bewirken. Und während die Messe gehalten wurde, weinte die gute Frau und bat Gott unseren Herrn und das heilige Kruzifix mit der vollkommensten Reue, die sie hatte, darum, Erbarmen mit ihr zu haben. Und Gott wollte mit seiner unendlichen Güte, dass ihr Auge sich auf wunderbare Weise öffnete, und sie erhielt wieder ihre ganze natürliche Sehfähigkeit, wie wenn sie nie krank gewesen wäre, als der Priester die Kommunion beendete. 165 Die Erklärung für die Erkrankung ist keineswegs übernatürlich, nirgends wird die Sünde als ihre Ursache angegeben. Am Anfang dreht sich die Erzählung um die Geschwulst "im Tränenwinkel, in der Nähe der Nase". Die Krankheit hat ihre Genese in dieser Geschwulst, weil diese das kranke und geschlossene Auge verursacht, das Juana G6mez "nicht mehr spürte". Erst während der Messe, als sie Gott weinend um eine Wunderheilung bittet, ist die Rede von ihrer "vollkommensten Reue". Diese Bemerkung stellt sie als Sünderin hin, welche ein tiefes Bedauern für ihre moralischen Fehler empfindet, ohne auf die Erkrankung als Folge der Sünde zu verweisen. Die übernatürliche Bedeutung der vor ihren Augen zelebrierten Messe wird durch ihre Heilung hervorgehoben, und ihre Reue steht eindeutig in Verbindung mit dem Ritual der Messe. Die hier angeführten Beispiele für die Burgaleser Wundererzählungen zeigen die Hauptrollen der erwachsenen Frauen im Mirakelbuch. Sie sind Ehefrauen, Hausfrauen, Mütter, Ammen, Nonnen und Witwen. Meistens handelt es sich um Frauen aus adeligem, bürgerlichem und handwerklichem Milieu, sofern sie aus Burgos selbst stammen. Auffallend ist, dass keine der HauptoderNebenfigurensich mit ausserhäuslichen Arbeiten beschäftigen oder selbstständig erwerbende Frauen sind, obwohl solche Tätigkeiten von grosser Bedeutung für das Auskommen breiter Bevölkerungsschichten ! 65 H ystoria, f. Clr -Cilr. Anhang 19. <?page no="68"?> 58 Burgos und die Kruzifixwunder waren. 166 Der Grund für diese Ausblendung liegt darin, dass derartige Arbeitsszenen nicht in das im Mirakelbuch zu vermittelnde Frauenbild passten. Deshalb können freilich die für die arbeitendenFrauendurch die Krankheiten entstandenen Probleme ausgeklammert werden. Kein Wunder von einer durch die Arbeitsunfähigkeit verarmten Frau kommt zum Vorschein. Keine Frau wird aufgrund ihrer Krankheit arbeitslos und somit ausgegrenzt. Es wird nirgends erkennbar, wie die Bezugspersonen auf eine aus dem Arbeitsprozess herausgefallene Frau reagieren, wie sie Wohltätigkeit ausüben und ihr helfen. Die Autoren des Mirakelbuches gehen niemals auf die Lebenssituation weiblicher Randgruppen ein: Weder Bettlerinnen noch Prostituierte erfahren aufzeichnungswürdige Wunder dank dem Kruzifix des Augustinerklosters.167 2.4 Das Männerbild Wenn die männlichen Figuren der Wundergeschichten deutlich charakterisiert werden, werden sie über ihren Stand oder ihren Beruf definiert, so dass ihre Krankheiten meistens als Unterbrechung ihres Arbeitslebens oder als Einschnitt in ihre alltäglichen sozialen Beziehungen dargestellt werden. Bei den Männern, die in Not geraten, handelt es sich normalerweise um Gefahrensituationen, denen sie sich bei der Erfüllung ihrer beruflichen oder ständischen Pflichten aussetzen. Ihre Geschichten drehen sich um die Bedrohung ihres sozialen Status, die aus dem Kranksein hervorgeht. Die Verarmung wird jedoch sehr selten eindeutig beschrieben und niemals ausführlich thematisiert. 166 Zur Definition und zu zahlreichen Bereichen der Frauenarbeit im Hoch- und Spätmittelalter sowie in der Frühen Neuzeit vgl. Wunder, 'Er ist die Sonn', S. 89-154; Kin g, Frauen in der Renaissance, S. 77-101; Hufton, Arbeit und Familie, S. 27-59; Davis, Women in the Crafts, S. 47-80; Herlihy, Opera muliebria, passim; Rippmann, Weibliche Lebensformen, S. 63-98. Für Spanien vgl.: Dillard, Daughters, S. 148-167; Segura Graiiio, Posibilidades juridicas, S. 15-26; Garcfa Aranc6n, EI personal femenino, S. 27-41; Quintanilla Raso, Capacidad de gesti6n, S. 49-67; Borrero Fernandez, La mujer en Ia gesti6n, S. 69-82; Serra i Clota, EI trabajo de Ia mujer, S. 83-98; Contreras, La mujer trabajadora, S. 99-112; Rabade, Ordenamientos de Cortes, S. 113-140; Rojo Alboreca, EI trabajo femenino en Extremadura, S. 163-178; Sanchez Vicente, Fueros municipales de Santiago, S. 179-190; Orcastegui, Actividades ! aborales, S. 191 -200; Batlle, Mujer catalana, S. 201-221; Asenjo, Participaci6n de las mujeres, S. 223-234; C6rdoba, EI papel de Ia mujer, S. 235-254; Equip Broida, Industria del vestir, S. 255-273; Garcfa Herrero, Mozas sirvientas, S. 275-285; Franeo Silva, La mujer esclava, S. 287-301; Nieto Soria, Vida cotidiana de las pastoras, S. 303-319; Cantera Montenegro, Mujer judia, S. 321-345; Vinyoles i Vidal, Treball i lleure, S. 73-89; Carbonell i Esteller, Treball de ! es dones, S. 113-128; Perry, Niespada rota, S. 24- 30, 136-140; Palacios, Formas marginales, S. 23-44. 167 Der Fall einer Bettlerio aus Burgos, die in Santo Domingo de Ia Calz ada ein Wunder erlebt, wird im Kapitel über Casilda del Rio behandelt. <?page no="69"?> Das M ännerbild 59 Die fortgeschrittene Arbeitsteilung in einer Handelsstadt wie Burgos bedingte in der Tat eine so grosse soziale Differenzierung, dass die Krankheiten der Stadtbewohner (bei Frauengenauso sehr wie bei Männern) deutliche schiebt- und berufsspezifische Merkmale trugen. Die frühkapitalistische Nutzung von Kapital und die effiziente Nutzung des menschlichen Körpers waren in der Frühen Neuzeit eng miteinander verbundene Prozesse.168 Die arbeits- und leistungsorientierte Auffassung des Körpers ist den Mirakeln nicht so fremd, wie man zunächst vermuten würde. Aber obwohl sie beide Geschlechter betraf, zeigt sie sich am besten in den Wundergeschichten über Männ e r. Die Krankheits- und Heilungsgeschichten von Männern sind je nach der gesellschaftlichen Stellung der Hauptfigur unterschiedlich: Wie sich in den folgenden Wunderberichten zeigen wird, stand der Kleriker vor anderen Schwierigkeiten als der Kaufmann oder der Spitalangestellte, wenn er gelähmt, stumm oder "schwer krank" wurde. Je nach Arbeitsbedingungen machten sich die verschiedenen körperlichen Beeinträchtig ungen mehr oder weniger stark bemerkbar 169 und führten dementsprechend zu der Ein ordnung des Betroffenen als Kranken, der eine Wunderheilung benötigte. Die Arbeit des Bischofssekretärs, dessen Selbstmordversuch später behandelt wird, verlangte weniger physische Kraft als die Schwerarbeit eines Spitalangestellten im Hospital del Rey, einem der grössten in Burgos, für den das Tragen von schweren Gegenständen und Menschen zum Alltag gehörte. Wenn dieser nicht m e hr gehfähig war, musste er mit seiner Arbeit aufhören, wie seine weiter unten wiedergegebene Wundergeschichte berichtet. Auch wenn die Wundererzählungen die beruflichen Folgen der Krankheiten und Unfälle bei den Männern deutlicher vorführen als bei den Frauen, dürfen sie nicht für getreue Abbildungen der Realität gehalten werden. Sie widerspiegeln die sozialen Verhältnisse der männlichen Stadtbevölkerung nur bis zu einem gewissen Grad . Wie bei den weiblichen Figuren des Mir akelbuches vermitteln die Wunderberichte in Bezug auf die männlichen Figuren Werte und Leitbilder, schildern tugendhafte Verhaltensweisen und präsentieren nur sehr selten negativ bewertete Rollen oder moralisch verwerfliche Handlungen. Das Ideal des fleissigen Mannes, des tüchtigen und pflichtbewussten Klerikers, des verantwortungsvollen Vaters steht fast imm er im Vordergrund; die Haupt- und Nebenfiguren erhalten eine Vorbildfunktion für den Les er w egen ihres Verhaltens vor und während der Krank h eit. 168 R. Braun hat die Verquickung beider Prozesse am Ende des Ancien Regime analysiert. Braun, Der "gelehrige" Körper, S. 201-226. 169 D ass die mit mehr oder weniger schwerwiegenden Folgen einhergehende Wahrnehmung von Behinderungen als Krankheiten mit der Beschäftigung des Einzelnen zu sammenhängt und je n ach sozialhistorischem Kontext variiert, zeigt W. F andrey: Krüppel, S. 10- 14. <?page no="70"?> 60 Burgas und die Kruzifixwunder Die einzige Wundererzählung, in der ein Verarmungsprozess deutlich gezeigt wird, ist eine der ersten aus dem zweiten Teil des Mirakelbuches. Obwohl sie undatiert ist, kann man vermuten, dass es sich um eine Geschichte aus dem 15. Jahrhundert handelt, weil die Autoren die Mirakel chronologisch einordnen, auch wenn sie diese Einordnung nicht immer strikt einhalten. Da die ersten zwei von Königen oder Prinzen berichten, muss das dritte Mirakel von einem Armen handeln, damit der Leser den Eindruck bekommt, dass die Wunderkraft des Kruzifixes alle Menschen erreichen kann, ungeachtet der Frage, welcher sozialen Schicht sie angehören: Juan de Segovia, Nachbar der Stadt Burgas aus dem Quartier von San Martfn neben der gleichnamigen Kirche, stand eines Morgens aus dem Bett auf, und als er die Kniehosen am rechten Bein anziehen wollte, wurde er von den Lenden bis unten gelähmt, so dass er sich nicht bewegen konnte und während acht Monaten grosse Schmerzen und Schwierigkeiten hatt e. Das eine, weil er Schmerzen an vielen Gliedern spürte, und das andere, weil er nicht genügend für seinen Unterhalt besass, was die Leute meistens betrübt. Da er von seinem Beruf lebte und damals keine Kräfte hatte, um ihn auszuüben, geriet er in drückende Armut. Und da ihm kein Mensch helfen konnte (denn die Ärzte kannten kein Heilmittel für seine Krankheit), legte er das Gelübde ab, in die Kapelle des heiligen Kruzifixes von San Agustfn zu gehen und dort Nachtwache zu halten. Und so bemühte er sich darum, dorthin gebracht zu werden. Vier seiner Nachbarn brachten ihn mit grosser Anstrengung zum Kloster San Agustfn aus Wohltätigkeit und Iiessen ihn in die Kapelle des heiligen Kruzifixes, wo er an einem Donnerstag in der Nacht Wache hielt. Und unter vielen Tränen bat er Gott um Barmherzigkeit, indem er ihn darum anflehte, dank der Anrufung seines heiligen Bildes, das seine heilige Passion darstellte, von dieser grossen Krankheit geheilt zu werden. Am Freitag morgen, dem Tag des heiligen Kreuzes im Mai war er geheilt und ohne jegliche Schmerzen. Und er dankte Gott sehr dafür, dass er ihm so viele Gnaden erwiesen habe. Und er kam sehr fröhlich nach Hause zurück. Und als er auf den Weg ging, fand er einige von denjenigen, die ihn gelähmt auf ihren Armen dorthin gebracht hatten, und diese waren erstaunt und priesen Gott für seine Wunder und Barmherzigkeit mit den Menschen. Und da der besagte Juan deSegovia der göttlichen Majestät seinen Dank zeigen wollte, die ihm seine Gesundheit auf so wunderbare Weise gegeben hatte, kam er zum Kloster zurück und bat inständig darum, das Ordenskleid zu bekommen, weil er sein Leben im Dienst unseres HerrnJesus Christus beenden wollte. Und als die Ordensbrüder von San Agustfn seinen guten Wunsch sahen, nahmen sie ihn auf, so dass dieser fromme Junge den Rest seines Lebens in besagtem Kloster als Diener Gottes verbrachte. 170 Der junge Mann ist arm und in vielfacher Hinsicht vorbildlich. Er verdient seinen Unterhalt, versucht alles, um geheilt zu werden, legt ein Gelübde ab und wird sogar zu guter Letzt Augustinermönch. Die Nebenfiguren handeln aus katholischer Sicht nicht weniger musterhaft, weil sie gute Werke 170 Hystoria, f. XXXVIr-XXXVIIIr. Anhang 20. <?page no="71"?> Das Männerbild 61 tun. Sie helfen Juan, indem sie ihn zum Kloster bringen, und vollbringen damit eine Wohltat. Als sie erfahren, dass Juan wieder gesund ist, loben sie Gott für seine Barmherzigkeit. Die harten Lebensbedingungen der Hauptfigur während der Lähmung und vor allem seine Armut stehen im Zusammenhang mit dem Ende der Geschichte. Es wird damit gezeigt, dass eine niedere soziale Herkunft kein Hindernis für den Eintritt ins Augustinerkloster darstellt. Eine weitere Wundererzählung berichtet über das Schicksal eines gelähmten Spitalangestellten. Bei dem etwa sieben Monate lang gehunfähigen und auf familiäre Hilfe angewiesenen Mann wird die Verarmung nicht hervorgehoben: Im September 1521 wurdeJuan Benito, Diener des Hospital del Rey, an den Armen und den Beinen gelähmt, so dass er sich nicht bewegen konnte. Und mit grosser Mühe konnte er auch mit zwei Krücken kaum gehen. Und da man ihn mit keinem menschlichen Heilmittel im Hospital del Rey heilen konnte, wo man die Kranken mit grösster Sorgfalt und Nächstenliebe sowie sehr aufmerksam mit allem Nötigen pflegt, ging er zu der Ortschaft Ausin, wo er bei seiner verheirateten Schwester bis März blieb. Als er so gelähmt war, beschloss er, sich dem Schutz des heiligen Kruzifixes zu empfehlen, und mit den Krücken brauchte er mit grosser Mühe und Strapazen zwei Tage, um drei Meilen von Ausin bis zum heiligen Kruzifix von San Agustin zurückzulegen. Und am Donnerstag, dem 27. März, kam er an. Und in dieser Nacht empfahl er sich mit grosser Andacht dem Schutz des heiligen Kruzifixes, und als eine Messe vor dem heiligen Kruzifix am Morgen des darauf folgenden Freitag gehalten wurde, empfahl sich der besagte Juan Benito mit sehr grosser Devotion dem Schutz des allerheiligsten Kruzifixes. Und plötzlich erwachten seine Beine und Arme aus der Lähmung auf wunderbare Weise vor vielen Leuten, welche die Kapelle des heiligen Kruzifixes jeden Freitag füllen. Und er hatte keine Krankheit mehr und liess die Krücken beiseite und begann, ohne Schwierigkeit zu gehen und zu rennen, wie wenn er niemals krank gewesen wäre. Und er sah sich ohne jegliche Mühe, ohne irgendwelche Lähmung, so gesund und heil, dass er rannte und sprang. Da er so erstaunt über ein sogrossesWunder war, wusste er nicht, was er aus Freude und Zufriedenheit tun sollte. Das wurde beglaubigt und es wird als Beweis angeführt. 171 Der Aufbau der Handlung ist dem Grundschema der Wundergeschichten unterworfen: Juan Benito erleidet eine Lähmung, wird gepflegt, aber nicht geheilt, bis er das Kruzifix anfleht und auf wunderbare Weise wieder gehen kann. Bei jedem Wendepunkt der Handlung erscheinen die Nächstenliebe und die Frömmigkeit als treibende Kräfte, die das Geschehen beeinflussen und unangenehme Lücken und Auslassungen überdecken. Er muss das Spital verlassen, weil seine Krankheit unheilbar ist. Die Qualität der Einrichtung des bedeutenden Spitals wird gelobt, um klar zu machen, dass 171 Ebd., f. XCIXr-Cv. Anhang 21. <?page no="72"?> 62 Burgas und die Kruzifixwunder es bei seiner Behandlung nicht an Sorgfalt und Nächstenliebe mangelte. 172 Die Aufnahme des behinderten Bruders im Haus der Schwester wirkt selbstverständlich und wird nicht weiter erläutert. Wenn er dieses Haus verlässt, tut er das, um die Wallfahrt zum Kruzifix zu unternehmen, dem er andächtige Verehrung erweist. Alles in allem handelt es sich um eine idealisierte Darstellung der Beziehungen zwischen gesunden Menschen und Menschen mit einer Behinderung sowohl im Spital als auch im familiären Rahmen. Wenn man an die Lebensverhältnisse behinderter Menschen aus der Unterschicht im 16. Jahrhundert denkt, soweit uns diese bekannt sind, dann stellen sich mehrere Fragen, welche die Schilderung unbeantwortet lässt. 173 Weshalb musste Juan Benito das Spital verlassen? War das nicht eine Folge der Regelungen vieler Spitäler, nach denen die offenbar unheilbaren, aber trotzdem irgendwie bewegungsfähigen Kranken kein Recht mehr auf pflege in diesen Einrichtungen hatten? Wie konnten Juans Schwester und ihre Familie mit der Belastung eines zusätzlichen Familienmitglieds umgehen? War diese Situation auf Dauer nicht gerrau so schwierig für sie, wie sie finanziell für die meisten Spitäler untragbar war? Und welche anderen Gründe als der Wunsch nach Heilung brachten Juan dazu, das Haus seiner Schwester zu verlassen? Was die Krankheit als solche angeht, ist es in diesem Fall wie auch in anderen Fällen von Lähmungen schwierig, eine rückwärtsbezogene Diagnose zu stellen. Barbara R. Wendel-Widmer hat eine breite Palette von Krankheiten in den Wunderberichten am Grab der Heiligen Elisabeth von Thüringen (1207-1231) aus moderner medizinischer Sicht identifiziert, deren Heilungen heute durchaus erklärbar sind. 174 Sie schickt voraus, dass die Bedeutung von "lahm" ("claudus" auf Lateinisch) breiter aufgefasst wurde als heute, weil man darunter eine "ungenügende Leistung und Schwächung des Bewegungsapparates" verstand. Die Gehunfähigkeit konnte aufgrund einer Entwicklungsverzögerung bei Kindern auftreten, dann findet man aber auch bei Erwachsenen Lähmungen mit Atrophie (Gewebeschwund), mit Haltungsanomalien, die mit Kontrakturen, Fehlstellungen, neurogenen 172 Luis Martfnez Garcia hat die administrativen, wirtschaftlichen und pflegerischen Verhältnisse am Hospital del Rey oder Hospital de Santa Maria La Real von Burgas im 15. Jahrhundert behandelt. Der Schwerpunkt der Leistungen lag damals nicht bei der Krankenpflege, sondern bei der Aufnahme von Pilgern und bei der Verteilung von Lebensmitteln an die Armen. Ein grosser Teil des Budgets ging nach einer Restrukturierung 1436 an die Kapläne und Verwalter des Spitals, was zu einer Verringerung der Mittel zu Wohltätigkeitszwecken führte. Die konkrete Lage im 16. Jahrhundert wurde für Burgas noch nicht so eingehend studiert. Martfnez Garcia, Hospital de Santa Marfa La Real, S. 116-127. Zur Lage der Spitäler in der Umgebung von Burgas und in der Rioja im 16. Jahrhundert vgl. das Kapitel über das Spital von Santo Domingo de Ia Calzada. 173 Diese Fragen werden anband der Prozessakten über die Wunderheilung von Catalina de Flores und Casilda del Rio behandelt. 174 Wendel-Widmer, Wunderheilungen, S. 39-50. <?page no="73"?> Das Männerbild 63 Erkrankungen, Infektionen des Skelettes sowie degenerierenden Prozessen der Gelenke und der Wirbelsäule einhergingen. Die Lähmungen mit Haltungsanomalien waren häufig ausserdem mit Schwellungen verknüpft, und in anderen Fällen erscheinen sie mit Infektionszeichen, die darauf hindeuten, dass die Bewegungsorgane der Kranken von Fisteln und Geschwüren geplagt wurden. In den Mirakeln, die den Verlust der Sprechfähigkeit bei Männern schildern, kommt die Bedeutung der Sprache für die Bewältigung alltäglicher Aufgaben zum Ausdruck. Die stummen Männer können sich nicht mehr verständigen wie früher, sie müssen alles mit den Händen mitteilen oder, wenn sie schreiben können, zur Feder greifen. Die gesellschaftliche Stellung eines jeden Menschen wurde in der Tat durch das Verstummen in Frage gestellt, weil er nicht mehr über eines der Hauptinstrumente des Handeins und der Macht in Sozialbeziehungen verfügte. Der unmöglich gewordene sprachliche Austausch führte zu einer Stigmatisierung der Betroffenen, weil die mit dem Mund produzierte Sprache sich nicht genug durch andere aus damaliger Sicht gleichwertige Kommunikationstechniken des Körpers ersetzen liess. 175 Das folgende Mirakel berichtet über einen jungen Mann, der seinen alltäglichen Geschäften in einer fremden Ortschaft nachgeht. Er ist möglicherweise ein Händler oder ein Kaufmann. Die Eingangsszene dient insbesondere dazu, die Hauptperson in ihrem gesunden Zustand zu präsentieren, als aktiven und fähigen Berufsmann: Im Jahr 1537 am 14. April bewirkte Gott ein sehr grossesWunder dank dem heiligen Kruzifix bei Antonio de Herrera, Sohn von Ant6n Hemandez und lnes G6mez, Nachbarn von Alcocer, Bewohner der Stadt Burgos, auf folgende Weise: Der besagte Antonio de Herrera verlor die Sprechfähigkeit in der Ortschaft Alentis, die sich bei Almazan befindet, als er sich dort für gewisse Geschäfte aufhielt. Und er blieb eineinhalb Jahre ohne zu sprechen, denn er konnte nicht sprechen, obwohl er es wollte, weil es ihm schien, dass er ein Hindernis im Magen und in der Kehle hatte. Und als er sich so sah, ging er zu dem heiligen Kruzifix, um Novenen zu halten. Und er beichtete schriftlich bei einem Pater, der hiess Antonio de Ia Mota. Und er bekam das heilige Sakrament. Und nach den neun Tagen betete er zu Gott und dem heiligen Kruzifix mit grosser Devotion in seiner Brust. Und als er auf diese Art betete, ergriff ihn eine grosse Beklemmung und Zittern und Schweissausbrüche und Haaresträuben, und es kamen ihm viele Tränen in die Augen; und er bat den Sakristan schriftlich um eine Leiter, um die Füsse des heiligen Gekreuzigkten zu küssen. Der Sakristan gab sie ihm. Und als er die Füsse des heiligen Gekreuzigten küsste, sagte er ein Gebet in seiner Brust, indem er das Kruzifix anschaute, und bat um die Güte Gottes, so dass er dann auf wunderbare Weise deutlich sprach, wie vor dem Verlust der Sprechfähigkeit. Und er rief dreimal den Bruder Sakristan, und so ging er 175 Vgl. das Kapitel über das Wunder des Lautsprachunterrichts sowie dasjenige über Catalina de Foncea. <?page no="74"?> 64 Burgas und die Kruzifixwunder hinunter gesund und in gutem Zustand, indem er Gott und dem heiligen Kruzifix für das grosse Geschenk und Wunder dankte. 176 Dass Antonio de Herrera die Füsse des Gekreuzigten küsst, um geheilt zu werden und wieder sprechen zu können, deutet darauf, dass das Verstummen im allgemeinen auf Krankheiten der Sprachorgane und damit des Mundraumes zurückgeführt wurde, obwohl es sich meistens um einen Mutismus handelte, das heisst "ein Schweigentrotz intaktem Sprachvermögen"177. Eine nähere Bestimmung der Gründe für die Sprachlosigkeit ist aufgrundder kargen Hinweise in den Wunderberichten normalerweise unmöglich.178 Wenn die Mirakel von Augustinermönchen handeln, sind die Autoren in diesen kurzen Erzählungen des Mirakelbuches darauf bedacht, ein günstiges Bild ihres eigenen Ordens hervorzubringen. Die kranken Mönche sorgen sich als Protagonisten in den Wunderberichten um ihre Unfähigkeit, ihre von den Regeln, Konstitutionen und Statuten des Augustinerordens festgelegten Pflichten zu erfüllen. Dadurch sollte das Lesepublikum von der Aufrichtigkeit der Augustinermönche überzeugt werden. 179 In der folgen den Wundergeschichte werden die Auswirkungen einer Armlähmung hervorgehoben, an der ein Abt des Augustinerklosters leidet. Diese Behinderung betrifft seine wichtigsten Aufgaben: Einerseits kann er die Messe nicht mehr zelebrieren, die kultische Handlung, die den Höhepunkt des klösterlichen Tagesablaufs bildet, und andererseits ist der Abt auch nicht mehr schreibfähig: In der spanischen Provinz der Observanz der augustinischen Ordensregel gab es einen grassartigen Mann namens Bruder Hernando de Toledo, der wegen seines Mutes und seiner Heiligkeit lange Zeit Abt in den wichtigsten Klöstern der Provinz gewesen war. Als dieser hervorragende Mann, der damals acht Jahre Abt dieses Augustinerklosters von Burgos war, im Sommer von einem Provinzkapitel zurückkam, wurde einer seiner Arme beim Mittagsschlaf so gelähmt, dass er viele Tage lang weder Messe halten noch die Schreibfeder gebrauchen konnte. Als dieser glückselige Mann sah, das s er kein menschliches Heilmittel fand, hielt er eine Nacht Wache und empfahl sich dem Schutz Gottes und des heiligen Kruzifixes . Und so wurde er auf wunderbare Weise geheilt, und danach fühlte er sich so wohl und gesund wie heutzutage, das heisst im Jahr 1553 . Es gibt Zeugen davon im besagten Kloster von San Agustin von Burgos, welche das besagte Wunder mit ihren 176 Hystoria, f. CXXVr-CXXVIr . Anhang 22. 177 Wendel-Widmer, Wunderheilungen, S. 38-39. Die Autorin zeigt leider, wie anachronistisch ihre Urteile als Medizinhistorikerirr manchmal wirken können, wenn sie behauptet: "Ein Beispiel dafür, dass das mittelalterliche Volk zwar richtig beobachtete, aber gleichzeitig falsch deutete, ist Wunder 24/ 1" . Zu einem Fall, in dem auch die Sprachorgane beeinträchtigt waren, vgl. den Prozess von Catalina de Foncea. Dass Antonio die Füsse küsst, ist ein Zeichen völliger Unterwerfung und Bussfertigkeit. 17 8 Jansen, Kasuistik, S. 36-37. 179 Zu den Pflichten vgl. Alvarez, La "observancia" agustina, S. 84-105; Andres, Agustinos reformados, S. 439-462; Gutierrez, Augustiner, 2. Band, S. 48-50 . <?page no="75"?> Das Männerbild 65 Augen sahen. Der eine ist der Abt des besagten Klosters, Bruder Gonzalo Ortiz; die anderen: Bruder Juan de Santiago und Bruder Alonso de Encina. Und es gibt sicherlich noch andere. Dieses Wunder geschah vor vier- oder fünfunddreissig Jahren. 18° Der Hinweis darauf, dass der Abt "von einem Provinzkapitel zurückkam", als sein Arm gelähmt wurde, muss vor dem Hintergrund der Vorschriften des Augustinerordens betrachtet werden. Die Erwähnung des offiziellen Reisezieles machte deutlich, dass sich der Abt an die Norm hielt, nach der Besuche bei Verwandten und Freunden streng verboten waren. 181 Da die Reisen der Mönche Anlass zur Missachtung der klösterlichen Lebensmassregeln geben konnten, waren die Vorschriften, welche unter anderem die Kleidung und die Begleitung auf Reisen regelten, besonders genau. Der Abt, Bruder Hernando de Toledo, musste im Mirakel vorbildlich erscheinen, und er wird denn auch als ein" grassartiger Mann" beschrieben, der "wegen seines Mutes und seiner Heiligkeit lange Zeit Abt in den wichtigsten Klöstern der Provinz war". Die Schilderung der Erkrankung des Abtes auf der Reise zeigt ausserdem, welche Ängste und Vorstellungen die Augustinermönche mit dem Reisen assoziierten. Vor einer langen Reise eines oder mehrerer Klostermitglieder waren Gebete "pro itinerantibus" vorgeschrieben, um sie vor den mannigfaltigen Gefährdungen zu schützen. Wenn der Abt abreisen musste oder das Reiseziel ein gemeinsames Geschäft war, wurde zudem für den R eise nden auch während der klösterlichen Messe gebetet. 182 Solche rituellen Handlungen stärkten den Zusammenhalt der Klosterbrüder, indem sie die Sorgen der Gemeinschaft um die Gesundheit der reisenden Mönche artikulierten. Ein anderes Wunder lässt diese Sorgen und Ängste ebenfalls erkennen, obwohl es in diesem Fall nicht ganz klar wird, ob es sich um einen Augustinermönch handelt oder um einen Angehörigen eines anderen Ordens, etwa einen Franziskaner: Am 5. Februar 1544, einem Freitag, gegen vier Uhr nachmittags kam ein heute noch lebender sehr frommer Mönchnamens Bruder Juan de Santiago zum Kloster San Agustfn von Burgos. Er war in Begleitung einiger Herren und Franziskanermönche sowie Klerikern aus Roa, welche aus Extremadura kamen, um den Leichnam von Don Pedro de Ia Cueva, dem höchsten Komtur des Calatravaordens 183 , in Roa zu beerdigen. Da der besagte Bruder Juan de Santiago auf einem Maultier ritt, wollte er sich etwa eine halbe Meile vor Peii.afiel auf dem Reitsattel des Maultiers [anders] setzen, weil er Beschwerden an einem Bein hatte und nicht weiter reiten konnte. Als er sich drehen wollte, um sich [anders] zu setzen, begann das Maultier hinten so ---- 180 Hystoria, f. XCVIIIr-XCIXr. Anhang 23. 18 1 Alvarez, La "observancia agustiniana", S. 89-93. 182 Ebd., S. 89. 183 Der Orden von Calatrava war ein geistlicher Ritterorden und wurde 1155 (bzw. 1164) gegründet. Wie andere solche Orden erlangte er im Spätmittelalter einen grossen Eigenbesitz, aber seit der Zeit der Katholischen Könige unterstand er direkt der königlichen Macht. <?page no="76"?> 66 Burgas und die Kruzifixwunder sehr auszuschlagen, dass es den Pater nach hinten abwarf. Und da er breite Schuhe trug, blieb sein rechter Fuss am Steigbügel hängen, so dass er ihn nicht wegnehmen konnte. Und da ein Knecht, den er mit sich brachte, die Trense des Maultiers losliess, um ihm zu helfen, begann das Maultier zu rennen, indem es den Mönch eine lange Strecke fortschleppte und ihm starke Schläge und Tritte gab. Der so geschlagene Mönch, der fast ohnmächtig war, erinnerte sich an das heilige Kruzifix und an ein Wunder, das es bei einem von einem Pferd fortgeschleppten Mann bewirkt hatte, und mit diesen Erinnerungen sagte er: "0 heiliges Kruzifix, helfe mir; o heiliges Kruzifix, helfe mir". Und sobald er diese Worte sagte, brachen die Eisenstangen des Reitsattels sowie die Sattelgurten. Und das Maultier rannte weiter ungesattelt und liess ihn frei und gesund, ausser dem Fuss, der als Zeichen für das Wunder Gottes dank dem heiligen Kruzifix ein wenig geschunden blieb, aber ohne jegliche Schmerzen oder Spur von den Schlägen und dem Fortschleppen. 184 Ausser der ausführlichen Erklärung über das Reiseziel am Anfang fällt die Genauigkeit der Beschreibung der Reise des auf dem Maultier reitenden Mönchs auf, die zu einer grossen Strapaze gerät und mit einem fast tödlichen Unfall endet: Die Beschwerden am Bein, die Schwierigkeiten beim Reiten, die breiten Schuhe, der Steigbügel sowie die Handlungen des Knechtes und die Erinnerung an ein ähnliches Wunder als Anlass zur Gebetserhöung fügen sich zu einer der detailreichsten Darstellungen eines Unfalls im ganzen Mirakelbuch zusammen. Es liegt die Vermutung nahe, dass es für die Autoren des Buches einfacher und spannender gewesen sein muss, die mündliche Erzählweise eines anderen Mönchs nachzubilden als diejenige von Erzählern aus anderen sozialen Milieus. Vielleicht vermittelt diese Erzählung deshalb im Vergleich zu anderen Wundergeschichten einen stärkeren Eindruck der Unmittelbarkeit. Im Wunderbericht über den Selbstmordversuch des Sekretärs des Bischofs von Sigüenza stellten sich den Autoren des Mirakelbuches andere Probleme als in den übrigen Mirakeln. Diese Probleme standen im direkten Zusammenhang mit der Lehre der Kirche über die unwiderrufliche Verurteilung der Selbsttötung: Wie konnte mantrotzder Verurteilung des Suizids die Hauptfiguren derartiger Erzählungenvorbildhaft erscheinen lassen? 185 Die Gattung der Wunderberichte bot eine Reihe von Lösungen für diese Probleme. Die übliche Erzählstrategie bestand darin, eine Rettung im letzten Augenblick zu schildern und das damit einhergehende Aufgeben der selbstzerstörerischen Wünsche durch den Protagonisten. 186 Dieses Erzähl- 184 Hystoria, f. CXXVIr-CXXVIIv. Anhang 24. 185 Martinez Gil, Muerte y sociedad, S. 149-152. Zur Entwicklung der Lehre der Kirche im Mittelalter und in der Renaissance vgl. Minois, Geschichte, S. 19-69, 91-131. 186 J. C. Schmitt verweist auf diese Erzählstrategien in Wundererzählungen. Schmitt, Le suicide, S. 14. G. Signori zeigt mehrere Möglichkeiten auf, mit dem Selbstmord in den Erzählungen der mittelalterlichen Erbauungsliteratur umzugehen. Sie betont die seit dem 11. Jahrhundert bestehende Tendenz zum Gnadenoptimismus. So konnte jeder Sünder Gnade finden, "vorausgesetzt, er empfand Reue, beichtete und tat Busse". Signori, Rechtskonstruktionen, S. 9-54. <?page no="77"?> Das Männerbild 67 schemasollte die Wiedereingliederung des Betroffenen in eine auf normativer Ebene gegen Selbstmörder intolerante Gesellschaft ermöglichen. Das folgende Wunder entspricht diesem Muster: Ein Mann namens Antonio del Campo, Diener und Sekretär des Bischofs von Sigüenza, der aus Valbases stammte, litt 1524 an Schlafsucht, und in der Nacht vom Samstag vor der Fastnachtszeit stand er vom Bett auf, ohne bei Verstand zu sein und phrenetisch. Und er fand ein Rasiermesser, das er zu Hause hatte, und berührte damit den Hals und schnitt sich in einen grossen Teil der Kehle. Man kam ihm dann zu Hilfe, und er bekam acht Operationsnähte, welche auseinanderbrachen. Die Ärzte und Chirurgen gaben ihn auf und sagten, dass er nicht länger als eine Stunde leben würde, obwohl sie ihm manche Binden und Puder auflegten und sonst nichts, denn sie waren sich seines Todes sicher. Der besagte Antonio del Campo kam dann zu sich, und als er verstand, in welcher Gefahr er sich befand, empfahl er sich dem Schutz des heiligen Kruzifixes von San Agustfn von Burgos. Und er versprach, Novenen zu halten. Und die göttliche Majestät gab seine Gnade dazu, dass seine Wunde zusammenheilte. Und er blieb gesund ohne irgendwelche Hässlichkeit dank dem Wunder des heiligen Kruzifixes . Er erfüllte sein Versprechen und schwor und unterschrieb das oben Gesagte mit seinem Namen.t87 Damit die Tat entschuldbar erscheint, werden für das zivile und das kanonische Recht akzeptable Gründe angeführt, die sich von der in den Exempla häufig auftretenden Sünde der Verzweiflung unterscheiden. 188 Die Autoren begnügen sich nicht damit, den Selbstmordversuch als eine Wahnsinnstat aufgrundeiner einzelnen geistigen Krankheit auszugeben, sondern sie bringen zwei nach dem damaligen Verständnis unterschiedliche Krankheiten in Einklang, die mit dem breiten Wahnsinnsbegriff verbunden waren: die "modorra" und die Phrenesie. Die erste lässt sich als Schlafsucht übersetzen. Sie ist nach Covarrubias' Wörterbuch mit Niedergeschlagenheit und Traurigkeit gekoppelt und bildet zudem einen Ausdruck geistiger Verwirrung. Bei der Phrenesie ("frenesia") handelt es sich nach demselben Autor um eine Form von Wahnsinn, die durch ein hohes Fieber gekennzeichnet und nach der humoralpathologischen Lehre auf eine Entzündung der Gehirnhäute zurückzuführen ist. In manchen Fällen und je nachdem, welche Art von Galle sie verursache, könne sie zu gewalttätigen Handlungen führen. Hinzu kommt, dass die Tat während der Fastnachtszeit begangen wird, eine Zeit der Umkehrung der Werte, mit der man unter anderem Gewalt 187 Hystoria, f. CVIr-CVIIr. Anhang 25. ! 88 Auf das Thema der Verzweiflung in Mittelalter und Renaissance geht S. Snyder ein. Snyder, Despair, S. 18-59. Zum Wahnsinn als Entschuldigung vgl. Minois, Geschichte, S. 64- 66. In den spätmittelalterlichen Mirakeln über Selbstmordversuche werden oft mehrere Ursachen für den Wahnsinn angeführt: Hirndefekte, physische Schwäche oder übermässige körperlichen Schmerzen und heftige Gemütsbewegungen. Bei den Frauen werden nicht selten Fälle beschrieben, die man heute postnatale Depression nennen würde. Signori, Aggression, S. 134-148. <?page no="78"?> 68 Burgas und die Kruzifixwunder und Narrheit assoziierte. 189 Dieser zeitliche Rahmen liefert eine zusätzliche Erklärung für die Neigung zu wahnsinnigen Handlungen, ohne jedoch den Teufel ausdrücklich einzubeziehen. Durch alle diese Hinweise wird klar, dass der Selbstmordversuch nicht bei Verstand geschah, was einer bewussten Entscheidung für die Verdammung der Seele gleichkäme. Was die Requisiten anbelangt, wirkt Antonio del Campos' Selbsttötungsversuch nicht wie eine entehrende Geste, sondern gewissermassen edel und männlich. Denn die Verwendung einer "navaja", worunter man sowohl ein Rasiermesser wie einen Dolch verstand, trägt im damaligen Kontext schicht- und geschlechtsspezifische Züge. Sie passte eher zu den Darstellungen von Selbstmördern aus der Oberschicht, die vornehmlich mit einem Schwert Hand an sich legten. Das Erhängen hingegen galt als typisch für die U nterschicht. 190 Nach der Beschreibung der Wahnsinnstat findet man eine wortreiche Version des Topos vom Versagen der Ärzte. Wie in anderen Mirakeln wird die Unzulänglichkeit der menschlichen Heilmittel hervorgehoben und die Überlegenheit der Heilkraft des Kruzifixes gegenüber der ärztlichen Heilkunst exemplifiziert. Man darf jedoch nicht verallgemeinernd behaupten, dass dieser Topos immer einen Ausdruck der Konkurrenz zwischen geistlicher und weltlicher Heilkunst war. 191 Es handelt sich vielmehr oft um eine lnstrumentalisierung der ärztlichen Meinung und des medizinischen Wissens zum Beweis der Wunder eines Wallfahrtsortes, ohne damit Kritik an der Medizin als Wissenschaft ausüben zu wollen. 192 Die Grenze zwischen medizinischem und religiösem Diskurs ist für das 16. Jahrhundert nicht so deutlich zu ziehen, wie manchmal angenommen wird; die Interessen von Ärzten und Klerikern stehen nicht in jedem Fall in Konkurrenz zueinander, wie das Beispiel der Spitäler an Wallfahrtsorten zeigt, in denen Ärzte angestellt werden. Das in den Mirakeln vermittelte Bild der erwachsenen Männer unterscheidet sich grundsätzlich von demjenigen der Frauen. So zum Beispiel in den Hinweisen auf ihre Berufe oder in der Erwähnungen alltäglicher ausserhäuslicher Tätigkeiten, wie sie sich jeweils am Anfang der Wundererzählungen zeigen. Die Mönche werden gerne auf Reisen präsentiert statt, wie man 189 Burke, Helden, S. 196-218. 190 Minois, Geschichte, S. 101. 191 Diese Ansicht vertritt P. Assion: Heilkunst, S. 7-23. Finucane zeigt auf, wie sehr dieses Konkurrenzverhältnis zwischen Klerikern und Ärzten die englischen hochmittelalterlichen Mirakel prägte. Er überträgt jedoch die Ergebnisse seiner Forschung nicht auf spätere Zeiten. Die Entwicklung ging in diesem Bereich dahin, die Funktionen von Klerikern und Ärzten voneinander zu unterscheiden. Diese Tendenz und das damit einhergehende Verschwinden der Konkurrenz werden bereits in den bayerischen Mirakeln aus dem 15 . Jahrhundert deutlich. Moody, Healing Power, S. 75-77. Im 16. Jahrhundert wurde diese Trennung der Funktionen von der spanischen Kirche anerkannt und offiziell unterstützt. Satrustegui, La medicin a, S. 65-88. 192 Vgl. Kapitel6. <?page no="79"?> Ländliche Witw en und Bauern in den Mirakeln 69 mindestens bei den Augustinern annehmen würde, im Kloster. 193 In diesen Fällen geht es meistens um die damit verbundenen Gefahren und Risiken. Der Ausgang der Geschichten besteht immer in einer Heilung oder Rettung dank dem Kruzifix und impliziert eine Dank- oder Bittwallfahrt zum Kloster. Die Verehrung des Kruzifixes steht im Vordergrund. Aus den kurzen Beschreibungen der Wundererzählungen sind bei den Frömmigkeitspraktiken geschlechtsspezifische Merkmale insofern zu erkennen, als wir wissen, dass die oft damit einhergehenden Messen und insbesonders die Eucharistie eine andere Bedeutung für Männer und Frauen haben musste, weil ja nur die männlichen Priester diese rituellen Handlungen zelebrieren durften. C. Bynums Betonung der frauenspezifischen Gebrauchsweisen und alltäglichen Zubereitungsformen des Essens im Zusammenhang mit deren Deutung vom Ritual der Messe lässt sich zum Teil auf die Wallfahrerinnen übertragen. Die kurzen Mirakel liefern jedoch nicht viele Anhaltspunkte für eine Analyse der geschlechtsspezifischen Deutungsformen der Eucharistie, und die Wallfahrerinnen wünschten sich eine Heilung, im Gegensatz zu den von C. Bynum behandelten spätmittelalterlichen mystischen Autorinnen, die durch ihr Leiden oder ihr Hungern eine Annäherung an Gott suchten. 194 Was den Wunsch nach körperlicher Heilung betrifft, unterscheiden sich die Wallfahrerinnen nicht sehr von den männlichen Wallfahrern. 2.5 Ländliche Witwen und Bauern in den Mirakeln Das Bild der ländlichen Frau im Mirakelbuch unterscheidet sich nicht wesentlich von demjenigen der Städterin, weil die Rollen der Ehefrau, Mutter, Hausfrau und Witwe vorherrschend bleiben. Nur dieser letzte Frauentyp, die Witwe, wird ein wenig deutlicher umrissen als in den Wundererzählungen mit städtischem Hintergrund. Zu den Eigenschaften des christlichen Witwenideals des 16. Jahrhunderts gehörten eine besonders intensive Frömmigkeit, Häuslichkeit, Keuschheit und, wenn die Witwe wohlhabend war, karitative Tätigkeiten. Dieser Tugendkatalog führte bei den spanischen Moralisten zu manchen widersprüchlichen Anforderungen: Einerseits verlangten sie eine strikte Einhaltung des Verbots, sich häufig ausserhalb des Hauses zu bewegen, andererseits empfahlen sie den Witwen eine sehr aktive Anteilnahme am religiösen Leben mit unterschiedlichen Frömmigkeitspraktiken in den Kirchen. 195 193 Die Franziskaner waren durch ihre Mobilität und ihre Tätigkeit als Wanderprediger gekennzeichnet. Zu dieser Mobilität in Spätmittelalter und im 16. Jahrhundert in Madrid und Umgebung vgl. Grafia Cid, Frailes, predicaci6n y caminos, S. 281-321. 194 Bynum, Holy Feast, passim. Dazu vgl. auch das Kapitel über Mariade Aperrigui. 195 Vigil, La vida de las mujeres, S. 195-207. <?page no="80"?> 70 Burgas und die Kruzifixwunder Die Wallfahrten boten den ländlichen Witwen eine kirchenkonforme Aktivität, um sich sowohl von ihrem Haus als auch von ihrer Ortschaft zu entfernen und in die Grassstadt Burgos zu gehen. Das allgemeine Misstrauen gegenüber jeder Form ausserhäuslicher Betätigung seitens der Witwen machte diese Art von Pilgerinnen besonders verdächtig, und die Autoren des Mirakelbuches scheinen sich dieser möglichen Vorwürfe bewusst gewesen zu sein. So wird im folgenden Wunder betont, dass die verwitwete Frau der Erfüllung der täglichen Pflichten immer den Vorrang vor der Wallfahrt gab, bis sie selber sehr krank wurde. Erst dann und in einem todesnahen Zustand wird sie nach Burgas gefahren: Als Catalina Alonso, Witwe, Nachbarin von San Cebrian de Mayuela, von den zahlreichen und grossenWundern hörte, die Gott unser Herr dank der Anrufung dieses heiligen Kruzifixes von Burgas bewirkte, hatte sie den grossen frommen Wunsch, dorthin zu pilgern, um seine andächtige Kapelle zu besuchen und ihre Almosen dorthin zu bringen. Aber sie hatte immer Beschäftigungen, die sie an der Erfüllung ihres Wunsches hinderten, denn sie war eine Witwe und hatte niemanden, der sich um ihr Haus und ihre Familie gekümmert hätte, wie es sich eigentlich gehört. Und da sie einmal schwer krank wurde, so dass sie weder reden noch sehen konnte und ohnmächtig wurde, und da die Leute in ihrem Haus von der grossen Verehrung wussten, welche diese fromme Frau ("dueiia") für das heilige Kruzifix von San Agustfn von Burgas empfand, und da sie Vertrauen in Gott hatten, der dank diesem heiligen Bild so viele Wunder bewirkt, legten sie sie in einen Karren mit zwei Maultieren, ohne dass sie etwas gespürt oder gesehen hätte, so dass man sie schon für tot hielt. Und als man sie nach Burgas brachte und schon eine halbe Meile gegangen war, kam die gute Frau zu sich und fragte, wohin man sie bringe: Und ein Nachbar anrwortete ihr, dass man sie zum heiligen Kruzifix von Burgos bringen wollte. Und als die fromme Frau dies hörte, erhob sie die Hände zum Himmel und dankte Gott sehr. Aber ihre Augen sahen nichts. Und sie gingen weiter auf ihrem Weg, kamen ins Kloster von San Agustfn in Burgas und gingen in die Kapelle des heiligen Kruzifixes hinein. Und nach einer Stunde konnten ihre Augen wieder sehen, und sie wurde von ihrer Krankheit auf wunderbare Weise ganz geheilt, mit der Schnelligkeit, die nur Gott mit seiner eigenen Macht zeigen kann, um eine so schwere Krankheit und Blindheit zu heilen. Man überprüfte dieses Wunder mit der königlichen Gewalt vor dem Schreiber Pedro Alonso Delantadilla.196 Da die Witwe eine Bittwallfahrt aufgrundihrer schweren Krankheit unternimmt, kann der Vorwurf des missbräuchlichen Wallfahrens nicht gegen sie erhoben werden. Auch eine weitere Wundererzählung über eine ausserhalb von Burgas lebende Witwe ist so aufgebaut, dass man nicht gegen diese Figur mit den üblichen misogynen Sittennormen argumentieren kann. Es handelt sich dabei um die Beschreibung einer Krankheit, in deren Verlauf die Hauptfigur ein Gelübde ablegt, um die Hilfe Gottes zu erlangen. Erst 196 Hystoria, f. LXIXr-LXXv. Anhang 26. <?page no="81"?> Ländliche Witwen und Bauern in den Mirakeln 71 nach der Heilung unternimmt sie eine Dankwallfahrt zum Kruzifix, um ihr Gelübde zu erfüllen: Im August 1524 war eine verwitwete Fraunamens Marfa Saenz, Nachbarin von Aranda de Duero, die im Viertel auf dem anderen Dueroufer lebte, ein ganzes Jahr sehr krank im Bett, weil sie manche Pulver zum Purgieren genommen hatte. Sie geriet in so grosse Lebensnot, dass sie beim Essen nicht schlucken konnte, ausser eine Suppe, die man ihr unter Zwang eingab. Und sie konnte nicht reden. Als sie sich so krank sah (wie Anna, die Mutter von Samuel) (1. Sam. 1; 2], empfahl sie sich dem Schutz des heiligen Kruzifixes von San Agustfn von Burgos in ihrer Brust. Und gleich daraufhin sprach sie. Und sie wurde dank einem so grassartigen und so schnellwirkenden Heilmittel gesund, und ohne jegliche menschliche Hilfe, dass niemand daran zweifeln konnte, dass dies mit der Macht und mit der rechten Hand Gottes dank der Anrufung des heiligen Kruzifixes geschah. Diese Frau besuchte das heilige Kruzifix und dankte Gott für die Gnade, die er gehabt hatte, am 6. September 1525. 197 In den beiden Erzählungen wird ein Witwenbild vermittelt, das den N ormen und Regeln der christlichen Witwenschaft entspricht: Ihre Frömmigkeit kommt durch ihren Glauben und ihre Hoffnung auf Heilung dank der Anrufung des Kruzifixes zum Ausdruck, während ihre Haushaltsaufgaben nicht unter dem Vorwand der Wallfahrt vernachlässigt werden, sondern nur vorübergehend in den Hintergrund treten. Frömmigkeit und Häuslichkeit waren die besten Garantien für eine keusche Lebensführung, eines der wichtigsten Anliegen der Moralisten und eine der Hauptgründe für die Ausübung einer strengen sozialen Kontrolle über die Witwen in den dörflichen Gemeinschaften. 198 Es scheint an dieser Stelle angebracht, einen Exkurs über die soziale Lage der ländlichen Witwen in Spanien im 16. J ahrhundert zu machen, um diese zwei Wundergeschichten vor ihrem sozialen Hintergrund zu betrachten. 199 Das klerikale Interesse an der Verbreitung eines solchen Witwenideals in Mirakeln mit ländlicher Thematik rührte daher, dass die bäuerlichen Witwen sehr zahlreich, meistens äusserst arm waren und nicht selten Anlass zu sozialen Spannungen gaben. Im ländlichen Kastilien des 16. Jahrhunderts waren die Witwen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in derselben Periode überdurchschnittlich repräsentiert. 15 %der Haushalte in den Dörfern der Provinz Burgos hatten eine Witwe als Familienvorstand. Die Erklärungen für diesen Unterschied zu anderen Ländern sind zum Teil unbefriedigend. Man kann einerseits auf das relativ frühe Heiratsalter der Frauen und andererseits auf die hohe männliche Sterblichkeit verweisen. 197 Ebd., f. CVIIIr-CIXr. Anhang 27. 198 Die Jungfrau wurde unter anderem als Keuschheitsmuster für die Witwen angepriesen. Civil, Iconographie mariale, S. 54-59. 199 Auf das soziale Umfeld und die Vision einer armen Witwe, in derder Heilige Domingo de Ia Calzada erscheint, wird im Kapitel über Marfa de Aperrigui ausführlich eingegangen. <?page no="82"?> 72 Burgas und die Kruzifixwunder Diese ist nicht nur auf die Todesfälle während der Arbeit zurückzuführen, sondern spiegelt auch die kriegerische spanische Aussenpolitik und die beginnende Auswanderung in die amerikanischen Kolonien wider. 200 Die eigenartige soziale Stellungder Witwen hatte ihre Ursache in ihrer Rolle als erwachsene Frauen, die nicht unter der Obhut eines männlichen Erwachsenen lebten. Die rechtliche Stellung der Witwe vergrösserte ihren Handlungsspielraum im Vergleich zu ihrer früheren Situation als Ehefrau, denn sie gewann an Verfügungsgewalt über ihr Vermögen, und ihre Autorität als Familienvorstand wurde gefestigt. Solange sie nicht wieder heiratete, hatte sie das alleinige Verfügungsrecht über ihre Aussteuer ("dote"), das heisst ihr in die Ehe eingebrachtes Vermögen; über die "arras", die Gabe, die sie von ihrem Mann bei der Hochzeit bekommen hatte und die man für eine Art Witwenversicherung hielt; über ihre Erbschaft sowie über ihren Anteil an den in der Ehe erwirtschafteten Gütern. Nach dem spanischen Gesetz blieb der Besitz, den jeder Ehegatte in die Ehe einbrachte, getrennt, aber nur der Ehemann durfte ihn bis zu seinem Tod verwalten. Nach dem Tod des Mannes musste die Witwe Steuern bezahlen. In den ländlichen Gegenden Kastiliens profitierte die Witwe von den Kollektivrechten weiter, welche eine wichtige Lebensgrundlage für die ländliche Bevölkerung bildeten, wenn ihr Mann "vecino", das heisst "Nachbar" des Dorfes war und über das Bürgerrecht verfügte. 201 Doch nur eine sehr kleine Schicht wohlhabender Witwen konnte diese rechtlichen Vorteile ausnützen. 202 Für die meisten Witwen aus dem bäuer lichen Milieu begann nach der Erbteilung ein Verarmungs-und Ausgrenzungsprozess. Für die Erbteilung gab es je nach gewohnheitsrechtliehen Bestimmungen unterschiedliche Fristen nach der Verwitwung. Je früher die Erbteilung stattfand, desto schneller begannen die materiellen Schwierigkeiten der Witwen. 203 Aus den Volkszählungen zu steuerlichen Zwecken geht hervor, dass der grösste Teil der Witwenaufgrund ihres geringen Besitzes an Vieh und ihrer kleinen Kornvorräte in die Kategorie der Armen eingeteilt werden muss. 204 Zahlreiche verwitwete Frauen sahen sich ferner gezwungen, ihren reicheren Verwandten ihre Kinder anzuvertrauen, in deren Haushalte diese dann unbezahlte Arbeit leisteten und eine Zwischenstellung zwischen den eigenen Kindern und den Dienern einnahmen. In anderen Fällen stellten die Witwen ihre Kinder reicheren Haushalten als Di ener oder Dien e rinnen zur Verfügung, ohne mit ihnen durch verwandtschaftliche Beziehungen verbunden zu sein. Auf jeden Fall ergab sich daraus eine zunehmende Verkleinerung 200 Vassberg, Widows, S. 183-184. 201 Vassberg, Widows, S. 180-182. 202 Dillard, Daughters, S. 114-126; Brumont, campo, S. 223. 203 Dillard, D aughters, S. 101-103. 20 4 Vassberg, Widows, S. 185-192. <?page no="83"?> Ländliche Witwen und Bauern in den Mirakeln 73 der ärmeren Haushalte der Witwen und eine Vergrösserung der reicheren.2os Wenn wir auf die Wundererzählungen im Burgaleser Mirakelbuch zurückkommen und sie vor diesem sozialhistorischen Hintergrund analysieren, stellen wir fest, dass die materiellen Verhältnisse der Witwen beider Mirakel sehr schwer zu erkennen sind. Nur bei der ersten Frau, Catalina, kann man zwischen den Zeilen eine relativ gesicherte ökonomische Stellung ablesen, da sie die Verantwortung für eine ganze Familie trägt und ihre Pflichten erfüllt, "wie es sich gehört". Sie kann es sich ausserdem leisten, Almosen für das Kloster zu geben. Beim zweiten Wunderbericht ist die wirtschaftliche Lage der Witwe noch schwieriger zu bestimmen. Sie wirkt relativ isoliert, man erfährt jedoch von jemandem, der ihr während der Krankheit zu essen gibt. In beiden Fällen resultiert ihre Abhängigkeit von den anderen nur aus ihren Krankheiten; das in der spätmittelalterlichen Hagiographie beliebte Bild der armen, ja verhungernden Witwe wird im Mirakelbuch nicht nachgezeichnet. 206 Das Bild bäuerlicher Männlichkeit wird unter anderen Prämissen entworfen. Es kommt kein einziger Witwer in einer Wundergeschichte vor, weil die Männer weder vor noch nach dem Tod ihrer Frau über ihre eheliche Beziehung definiert werden. Die Autoren des Mirakelbuches verweisen bei den Bauern genauso gern wie bei den Städtern auf deren Status als "Nachbar" oder Bürger ("vecino") einer Ortschaft und verwenden den Beruf als definitorisches Merkmal, wenn sie die Hauptfiguren der Wundererzählun gen sozial einordnen wollen. Man findet jedoch nur zwei Wundererzählungen im ganzen Buch, welche bäuerliche Arbeiten ins Zentrum stellen und diese relativ ausführlich schildern. Das Bauernbild, das dadurch entsteht, ist durchaus dualistisch: Eine der Wundererzählungen führt eine positive Bauernfigur vor: einen Vater, der sich um seinen Sohn, einen jungen Mann, sorgt; der andere Wunderbericht handelt hingegen von einem am Anfang bösen Bauern, der auch in der Vaterrolle präsentiert wird, aber seinen Sohn, ein Kind, auf die aus religiöser Sicht denkbar übelste Weise behandelt, nämlich indem er ihn dem Teufel verlobt. Dieses dualistische Bauernbild widerspiegelt die Meinungen der Autoren des Mirakelbuches über das religiöse Verhalten der Bauern und deckt sich nur zum Teil mit a nderen dichotomischen Bauernbildern der spanischen Literatur des 16. Jahrhunderts. In anderen literarischen Gattungen 205 Zwei Fällevon Wundern bei jungen Frauen, die ihreverwitweten Mütter verlassen, um als Dienstmädchen in fremden Haushalten zu arbeiten, werden in den Kapiteln über Catalina de Flores und Casilda del Rio behandelt. 206 Zu diesem Witwenbild vgl. Opitz, Frauenalltag, S. 223-226. In den Prozessakten von Santo Domingo de Ia Calzada über die Vision von Maria de Aperrigui findet sich au ch dieses Bild. Vgl. das Kapitel über Maria de Aperriguis Vision und Wunderheilung. <?page no="84"?> 74 Burgas und die Kruzifixw under und Werken wurden Klischees und Stereotypen über die Landbewohner tradiert, die weit über das religiöse Verhalten hinausgingen, auch wenn di e Frömmigkeit nicht unberücksichtigt blieb. Die üblichen Darstellungsschemata und Erscheinungsbilder schrieben den Bauern gewisse Tugenden wie Fleiss, Wehrtüchtigkeit, Unschuld, Einfachheit und Frömmigkeit zu oder aber wiesen ihnen eine Reihe von Lastern (Ängstlichkeit vor der Fremde, Schlauheit, Starrköpfigkeit, Ignoranz, Einfältigkeit und Aberglaube) zu. 207 Die erste Wundergeschichte ist eine langatmige Erzählung über die schlimmen Folgen eines im Zorn ausgesprochenen Unheilwunsches. Die üblen Wörter werden bezeichnenderweise von einem Pächter vorgebracht, nicht von einem besitzenden oder reichen Landwirt, wie man einer Bemerkung über den Ort der Handlung am Anfang der Geschichte entnehmen kann. Sowohl inhaltlich wie formal weist dieses Mirakel eine eindeutige Verwandtschaft auf mit einem in Europa im 16. Jahrhundert weit verbreiteten Exempeltypus vom Fluch der Eltern, der an den Kindern dadurch in Erfüllung geht, dass diese vom Teufel geholt werden. 208 Die moralisierende und belehrende Absicht der Autoren des Mirakelbuches tritt in diesem Wunderbericht mit den Eigenschaften eines Exempels am eindeutigsten zutage. 209 Ausser den üblichen genauen Zeit- und Ortsangaben wird am Schluss betont, dass eine grosse Untersuchung über die geschilderten Ereignisse geführt wurde. Diese Aussage darf auch in diesem Fall nicht von vornherein als rein rhetorisches Mittel zum Wahrheitsbeweis abget an werden, denn ähnliche Geschichten über das Fluchen tauchten auch in den Zeugenaussagen zeitgenössischer Exorzismusprozesse in Frankreich auf. 210 Um die Verwendung solcher Deutungsmuster durch Kleriker und fromme Laien zu verstehen, deren Wahrnehmung durch solche Exempel geprägt waren, muss von einer Wechselbeziehung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit ausgegangen werden. Wie wir sehen werden, sta nd zud em das hier behandelte Exempel im engen Zusamme nh ang mit den damals in Spanien häufig durchgeführten Inquisitionsverfahren gegen Blasphemie und andere Wort sünden. Die überragende Bedeutung der Wortsünden in den klerikalen und inquisitorialen Disziplinierungskampagnen spätestens seit der Mitte des Jahrhunderts erklärt die Tatsache, dass das G eschehen umfassender dargestellt 207 Caro Baroj a, L as formas complejas, S. 341-346, 364-376; Chevalier, Tipos c6micos, S. 126- 141. Durchaus idealisiert und als gesittete und tugendhafteFrauenerscheinen die meisten Bäuerinnen in den Theaterstücken aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Bomli, La femme, S. 214-215. 208 Belgrader, Fluch, Sp. 1322; Alsheimer, Katalog, S. 470, Nr. 413. 209 Mirakelbücher und Exempelsammlungen weisen zahlreiche Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten auf, die eine genaue Gattungsbestimmung von Grenzfällen unmöglich macht. Bach, Mirakelbücher, S. 166-180. 2! 0 Delumeau, Cocagne, S. 165-170. <?page no="85"?> Ländliche Witwen und Bauern in den Mirakeln 75 wird als in den meisten Wundererzählungen des Buches. Man muss bedenken, dass das Verfluchen aus der Sicht der Kirche als schwere Sünde galt, die nicht immer leicht von der Blasphemie oder Gotteslästerung, der schwersten Sünde überhaupt, zu unterscheiden war. Die Begriffe "blasphemia" und "maledictum" waren relativ dehnbar, so dass in ihre Definitionen je nach theologischem Autor mehr oder weniger üble Wörter hineinpassten. 211 Das Mirakel wird im Titel kurz zusammengefasst: "Über .einen Knaben, den sein Vater dem Schutz des Teufels empfahl und der von diesem weggenommen wurde. Und daraufhin erschien er wieder dank einem Wunder des heiligen Kruzifixes". Die Begebenheit wird folgendermassen geschildert: Im Jahr 1516, als Pedro Gutierrez de Ia Fuente, Bürger aus der Ortschaft Padilla de Suso in der Gerichtsbarkeit von Castrojeriz, mit fünf Winzern und fünf Kindern drei Stunden vor der Abenddämmerung am Tag nach dem Michaelstag in einem gepachteten Grundstück in der besagten Ortschaft, die man Lazar6n nennt, Weinlese hielt, kam der besagte Pedro Gutierrez mit einem Karren zu dem Weinberg, um ihn mit Trauben zu beladen. Und als sein Sohn, der damals schon zu gehen begann und Martinico hiess, seinen Vater sah, fragte er ihn nach Brot. Und der wütende Vater behandelte ihn schlimmer als einen Skorpion, denn er verlobte ihn dem Teufel. Eine wunderbare Sache war, dass der Knabe vor allen Leuten in dem Augenblick verschwand, als er dem Teufel verlobt wurde. Als der Vater sah, wie der Knabe so plötzlich verschwand, fragte er diejenigen erschrocken, die mit ihm waren: "Habt ihr desgleichen gesehen, dass der Teufel meinen Sohn Martinico geholt hat, als ich ihn verlobt habe? " Alle hörten erschrocken auf, Weinlese zu halten, und sie begannen, den besagten Knaben zu suchen. Und das Ereignis wurde in der ganzen Ortschaft bekannt, und viele derjenigen, die in den naheliegenden Weinbergen Weinlese hielten, kamen erschrocken, um den Knaben zu suchen. Und sie suchten ihn die ganze Nacht in dem ganzen Gebiet, ohne ihn zu finden. Maria Martfnez, Ehefrau des besagten Pedro Gutierrez, welche die Nachricht vom Verlust ihres vom Teufel weggenommenen Sohnes in Angst und Schrecken versetzte, sagte dann besagtem Pedro Gutierrez mit grosser Unzufriedenheit: "Geht doch weg, mein Mann, der Heilige, dem Ihr Euren Sohn verlobt habt, hat ihn doch weggenommen". Der besagte Pedro Gutierrez empfahl dann seinen Sohn mit Glauben und Devotion dem Schutz des heiligen Kruzifixes von Burgos, damit er vom Teufel befreit werde. Gleich wie ein kniender Vater Christus vor der Transfiguration für seinen verrückten Sohn bat, den der Teufel plagte, indem er ihn manchmal ins Feuer und manchmal ins Wasser warf. Der Vater von Martinico blieb die ganze Nacht mit dieser Devotion und Zerknirschung, indem er seinen Sohn dem Schutz des heiligen Kruzifixes empfahl, und mehr als zwanzig Leute suchten seinen Sohn die ganze Nacht weiter. Gott wollte, dass ein Sohn vonJuan Nieto, dem Jüngeren, und ein Hirt den Knaben in der Morgendämmerung anderthalb Meilen vom Ort entfernt fanden, an dem der Teufel ihn geholt hatte, und zwar zwischen den Flecken von Villa Yzan 211 Zu den theologischen Auffassungen von "blasphemia" und "maledictum" vgl. Casagrande, I peccati della lingua, S. 229-240, 305-315. Zur Blasphemie in populären Erzählungen vgl. Lüthy, Blasphemie, Sp. 434-441. <?page no="86"?> 76 Burgas und die Kruzifixwunder und Villa Mayor. Dorthin hätte der Knabe nicht gehen können, auch wenn es nicht so klar gewesen wäre, dass der Teufel ihn weggenommen hatte, denn er war zweijährig, und es gab viele Wasserkanäle und so tiefe Bäche, dass nicht einmal ein Pferd von dem Ort, wo der Teufel ihn weggenommen hatte, bis zu dem Ort, an dem er gefunden wurde, hätte springen können, und der Knabe konnte noch nicht gehen, weil er erst damals zu laufen begann. Man brachte den Knaben ins Haus seines Vaters: Er war so verblüfft, erschrocken und bleich, dass er niemanden kannte. Und er sagte: "Das Maultier warf mich zu Boden, das Maultier warf mich zu Boden." Und er konnte nichts weiteres über sich erzählen. Er blieb drei Tage lang so erschrocken, dass er nichts anderes als geriebenes Brot und noch etwas ass, um sich zu stärken. Und nach den drei Tagen wurde das Kind ganz gesund, womit das Wunder noch deutlicher wurde. Man führte eine grosse Untersuchung über dieses Wunder durch. 212 Die Verlobung oder Verdammung zum Teufel, deren genauen Wortlaut der Leser nicht erfährt, ist hier der Motor der Handlung, weil sie den Eingriff des Teufels in das Geschehen auslöst. Vort Anfang an steht also die übernatürliche Wirkkraft des Wortes im Mittelpunkt: zunächst der Fluch, der das Übel verursacht, und am Schluss der Wundergeschichte das Beten und das Gelübde, die noch mehr übernatürliche Macht besitzen, weil sie sich an Gott richten und dadurch das teuflische Übel bekämpfen können. Fluch und Gelübde werden entgegengesetzt, um den Sieg Gottes über seinen Gegenspieler, den Teufel, zu veranschaulichen. Ein Kampf ! : wischen Gut und Böse, der auf dem Feld der Sprache ausgefochten wird. Im Gegensatz zur nicht wörtlich wiedergegebenen Verfluchung verwenden die Verfasser des Buches die direkte Rede an anderen Stellen, um die Hauptfigur treffend in ihrer Eigenart zu beschreiben. Der Vater Pedro scheint sich erst im nachhinein der Folgen einer derartigen Verfluchung bewusst zu werden und wirkt dadurch etwas einfältig, weil er die übernatürliche Logik des Geschehens nicht zu begreifen vermag. Alle anderen zeigen sich hingegen erschrocken darüber, aber nicht erstaunt wie er. Sie glauben es sofort. Die Mutter Maria macht ihrem Ehemann Vorwürfe in einem ironischen Ton. Sie nennt den Teufel ironisch einen Heiligen, um dem Mann die schrecklichen Konsequenzen seiner Verfluchung eindeutig vor Augen zu führen, und verjagt Pedro. Schliesslich redet Martinico, dessen Name durch den Diminutiv seine Unschuld unterstreichen soll und ihn dadurch liebenswürdig erscheinen lässt, über ein Maultier, das ihn auf den Boden warf. Mit diesem Hinweis umschreibt er wahrscheinlich die vom Teufel angenommene tierische Form und dessen Tätlichkeiten. Neben den Hauptfiguren treten die hilfsbereiten Nachbarn als geschlossene und solidarisch handelnde Gruppe auf. 213 Ihre Bemühungen bei 212 H ystoria, f. XCIIIr-XCVr. Anhang 28. 213 Eine individualisiertere Erscheinung der nachbarschaftliehen Gruppen auf dem Land sowie differenziertere Beschreibungen der Hilfsbereitschaft in der Gemeinschaft liefern die <?page no="87"?> Ländliche Witwen und Bauern in den Mirakeln 77 der Suche nach Martinico werden hervorgehoben. Einige von ihnen finden das Kind schliesslich und handeln dabei als Werkzeug Gottes, denn dieser will, dass dies so geschieht, wie die Autoren es an dieser Stelle ausdrücken. Das glückliche Ende kann allerdings nur nach der Hinwendung des Vaters zum Kruzifix eintreten. Als Erfahrungsmassstab seiner Handlung wird eine frühere Teufelsbefreiung herangezogen, in der ein Vater seinen besessenen Sohn kurz vor der Transfiguration anbietet. Die nur sehr vorsichtig und auf indirekte Weise geschilderte Figur des Teufels soll beim Leser Erschauern hervorrufen. Die teuflische Peinigung des unschuldigen Knaben wird mit dem Vorfall des besessenen Kindes angedeutet, das vom Teufel ins Feuer und ins Wasser geworfen worden war. Martinico selbst redet davon, vom Maultier auf den Boden geworfen worden zu sein, ohne dabei Näheres dazu zu erläutern. Falls das Maultier den Teufel verkörpert, bleibt das jedenfalls nur für ihn sichtbar, wie es häufig in Mirakeln über Teufel und Dämonen vorkommt. 214 Zwischen der Wundererzählung über den Teufelsrufer und den Inquisitionsprozessen gegen Wortsünder, den häufigsten inquisitorialen Verfahren im 16. Jahrhundert in Spanien, 215 bestehen manche formale und inhaltliche Zusammenhänge. Der Handlungsablauf des Mirakels erinnert in einem gewissen Sinn an die sich wiederholende Erzählstruktur der Zusammenfassungen von solchen Verfahren, welche die Inquisitoren der jeweiligen provinziellen Tribunale an das Zentralorgan der Inquisition lieferten. Zunächst wird die Sünde geschildert, ohne den Fluch, die Blasphemie oder die sonstigen Aussagen über Gott und die Religion genau wiederzugeben. Danach gehen die Inquisitoren auf ihr Eingreifen ein und erwähnen, wie der Angeklagte bereuen und Busse tun musste. Der Unterschied besteht selbstverständlich darin, dass die Angeklagten diese Entwicklung nicht freiwillig durchmachten, wie die Hauptfigur der Wundererzählung, sondern unter dem Druck der Bedrohung eines härteren Inquisitionsverfahrens wegen Häresie, falls sie auf ihren Aussagen bestehen sollten. 216 Ein typisches Beiverschiedenen Wunderprozesse von Santo Domingo de Ia Calzada, vor allem derjenige über Casilda del Rio. 214 Krötzl, Pilger, S. 247-256. 215 Dedieu, EI modelo religioso, S. 208-217. Diese Disziplinierungsvorgänge beeinflussten die Einstellung der Miracules aus dem Einzugsgebiet von Santo Domingo d e Ia Calzada zur Sprache, wie das Beispiel von Mariade Aperriguis Erzählung über ihre Vision zeigt. Vgl. Kapitel10. 21 6 Ich habe zahlreiche Beispiele für solche Zusammenfassungen aus dem AHN, Aktenbündel833 gelesen und miteinander verglichen. Die darin erwähnte Fälle stammten aus dem Inquisitionstribunal von Calahorra, dessen Gerichtsbarkeit unter anderem die Gegend der Rioja einschloss. Zu diesem Inquisitionstribunal vgl. Reguera, Inquisici6n, S. 13-129. Am Ende des 16. Jahrhunderts und im 17. Jahrhundert befand sich sein Sitz in Logroiio. Zum schlimmsten und bekanntesten Kapitel dieser zweiten Periode, der Hexenverfolgung im Baskenland, vgl. Hennigsen, EI abogado, passim. Auf das konkrete Thema der Wortsünden in diesem Tribunal im 16. J ahrhundert geht Reguera in seinem Werk auf <?page no="88"?> 78 Burgos und die Kruzifixwunder spiel für eine solche Zusammenfassung bietet der folgende kurze Bericht der Inquisitoren von Calahorra um die Mitte des 16. Jahrhunderts: Item wurde Pedro de Mediola, Nachbar von Santo Domingo, wegen unanständiger, derber, dreister und schmutziger Wörter bestraft, welche er gegen Gott unseren Herrn sagte, sowie für die anderen Unehrerbietigkeiten, die er gegen das Santo Oficio [die Inquisition] und seine Minister machte. Er tat Busse und bezahlte eine Geldstrafe von dreissig Tagen. 217 Ferner zeigen die Aussagen und Reaktionen der Hauptfigur der Wundererzählung, Pedro Gutierrez, Ähnlichkeiten mit den Verteidigungsstrategien der Angeklagten in derartigen lnquisitionsverfahren. Nach der Meinung von Maureen Flynn bemühten sich die Angeklagten darum, ihre Sprechakte als unbewusste Handlungen zu präsentieren. Im Moment des Fluchens oder der Gotteslästerung seien sich die Angeklagten ihrer Worte nicht bewusst gewesen, weil sie diese meistens in einem Zornausbruch ausgestossen hätten. Ihre Sprache wirkt in ihren Verteidigungen äusserst selbständig. Ihren Aussagen nach hatte die Sprache keine direkte Beziehung zu ihrem Denken in dem Augenblick der Blasphemie. Die Inquisitoren hingegen gingen davon aus, dass immer eine direkte Verbindung zwischen Denken und Sprechen vorhanden war und dass die Worte der Angeklagten ihr Denken verrieten. Ob und wann der Zorn als mildernder Umstand gelten sollte, war unter den lnquisito.ren umstritten. Uneinigkeit herrscht in der Forschung darüber, ob solche religionsfeindlichen Aussagen Ausdruck von religiöser Skepsis oder materialistischem Denken waren. M. Flynn vertritt die Auffassung, dass atheistische Ideen im 16. Jahrhundert noch nicht vorhanden waren, 218 während J. Edwards diese breite Palette von Aussagen zur Religion in den Inquisitionsquellen als Hinweise auf tatsächliche Einstellungen der Angeklagten betrachtet. Diese Einstellungen reichten seiner Meinung nach von religiösem Universalismus oder Toleranz gegenüber dem Islam und dem Judentum bis zu materialistischen Ideen. 219 Dieses Bild des Bauern, das den Verstoss gegen die religiöse Norm in Bezug auf die korrekte Sprache veranschaulicht, kontrastiert mit der Figur eines tugendhaften Bauern in der anderen Wundererzählung über die ländliche Arbeitswelt: S. 167-185 ein. Die besondere Einstellung der Bauern in solchen Inquisitionsverfahren berücksichtigt M. A. Crist6bal Medin, Agro riojano, S. 83-90. 217 "ltem fue penitenciado pedro de mediola, vezino de santo domingo por palabras malsonantes y escandalosas y temerarias y suzias que dixo contra dios nuestro seii.or, e por los otros desacatos que dixo contra el santo officio y sus ministros hizo. Hizo penitencia y treinta dias de pena pecuniaria". AHN, Buch 833, f. 72r. 21 8 Flynn, Blasphemy, S. 29-56; dies., Betrayals, S. 30-44. L. Febvrevertritt dieselbe Meinung. Febvre, Le problerne de l'incroyance, 5.361-490. 2 19 Edwards, Religious faith, S. 3-25. <?page no="89"?> Ländliche Witwen und Bauern in den Mirakeln 79 Am Tag des Heiligen Augustinus, am 28. August 1526 holte ein Mann namens Pedro del Olmo, Nachbar aus der Ortschaft Marmellar de Yuso, Weizen auf einem Karren mit zwei Paar Ochsen von dem Bezirk der Ortschaft Paramo in der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Stadt Burgos. Er brachte seinen SohnJuan del Olmo mit sich, einen fünfzehn- oder sechzehnjährigen Jungen, damit dieser ihm beim Aufladen helfe. Und er lud einen grossenKarren mit mehr als hundert grossen Garben Weizen auf. Und als er mit dem so beladenen Karren in besagtem Bezirk bergabwärts fuhr, kippte der Wagen mit dem Weizen auf den besagten Juan del Olmo um, Sohn des besagten Pedro del Olmo. Und als der Vater ihn so sah, ging er im Bezirksgebiet herum, indem er nach den Leuten schrie, die im besagten Bezirk beim Mähen waren, damit sie mit ihm kamen, um seinen Sohn wegzunehmen, der tot unter dem Karren lag. Und wegen der Schreie kamen viele ihm zu helfen. Darunter zwei verheiratete Frauen, Bürgerinnen aus der besagten Ortschaft Marmellar. Und beim Ausladen des Karrens fanden sie den besagtenJuan del Olmo tot mit dem Gesicht auf dem Boden und ohne zu atmen. Und seine Augen waren kraftlos, und die Sprossen des Karrens durchstachen den Körper, so dass man mit solchen Wunden nicht mehr auf natürliche Weise leben konnte. Und alle begannen zu schreien, als sie ihn so sahen. Die zwei guten verheirateten Frauen erinnerten sich an Gott, knieten nieder und, da es der Tag des Heiligen Augustinus war, sagten sie mit grossem Glauben und Andacht, dass sie das heilige Kruzifix von San Agustin aus Burgos darum baten, ein Wunder zu bewirken und den besagten Juan del Olmo vom Tod wiederzuerwecken, und die beiden versprachen, ihn barfuss zum heiligen Kruzifix zu begleiten. Und daraufhin wurde er auf wunderbare Weise wiedererweckt, indem er seufzte. Und er begann, zu atmen und ein bisscheu zu sprechen. Und danach stand er gesund und heil auf, ohne die Wunden der Sprossen, welche seinen Körper durchstochen hatten, oder irgendwelche andere Verletzung. Ein Wunder, das eindeutig nur der Allmacht Gottes dank der Anrufung des heiligen Kruzifixes angemessen war. Die Frauen und der Junge erfüllten ihr Gelübde und Versprechen. 220 Schon bei der ersten Szene stellt die Wundergeschichte die arbeitsintensive landwirtschaftliche Tätigkeit im August dar. Der mit den Monatsdarstellungen vertraute Leser konnte auf die in der Text- und Bildtradition verbreiteten Abbildungen vom anstrengenden Getreidetransport zurückgreifen 221 und so diese Zeitangabe mit der geschilderten Arbeitssituation ebenso gut identifizieren wie durch eigene Kenntnisse über landwirtschaftliche Arbeiten im Verlauf des Jahres. Die Präzisierung des Datums hat eine eigene erklärende Funktion innerhalb des Handlungsablaufs, da der Unfall ausgerechnet am 28. August geschah, dem Tag des heiligen Augustinus; wenn die "zwei guten verheirateten Frauen" sich an eine übernatürliche Instanz richten wollen, denken sie unter diesen Umständen natürlich sofort an das Kruzifix des Klosters San Agustin. Der positiv dargestellte Bauer ist kein Pächter, sondern ein Mittelbauer oder vielleicht auch ein etablierter Landwirt, weil es um einen Karren mit 220 Hystoria, f. CXIXv-CXXIv. Anhang 29. 22 1 Castineiras, EI ca lendario, S. 186-187. <?page no="90"?> 80 Burgas und die Kruzifixwunder zwei Paar Ochsen geht, von dem man annehmen darf, dass er ihm gehört, und den der Bauer und sein Sohn mit mehr als "hundert Garben Weizen" beladen. Francis Brumont hat die soziale Gliederung der Landbewohner in der Umgegend von Burgos und in der Rioja im 16. und 17. Jahrhundert analysiert und kommt zum Schluss, dass die soziale Polarisierung nicht so gross war wie in Neukastilien oder gar im weiter südlich gelegenen Andalusien.222 Während die Tagelöhner mehr als die Hälfte der ländlichen Bevölkerung Neukastiliens ausmachten, bildeten die Klein- und Mittelbauern die Mehrheit der altkastilischen Landbewohner. Die Burgaleser und Riojanischen Kleinbauern besassen durchschnittlich 8, die Mittelbauern 12 Hektar Land, und die Grossbauern (etwa ein Viertel der bäuerlichen Bevölkerung) verfügten über noch grössere Landflächen. Im Zusammenhang mit dem Wunderbericht ist wichtig festzuhalten, dass nur die Grossbauern sich Maultiere für landwirtschaftliche Arbeiten leisten konnten, während die Angehörigen der kleinen und mittleren Bauernschicht normalerweise Och sen verwendeten. In einem normalen Jahr produzierte etwa die Hälfte der Familien genügend, um zu überleben, in guten Jahren waren es zwei Drittel der Familien. 223 Erst nach den 1560erJahren begann sich die Agrarkonjunktur in eine dauerhafte Krise zu wandeln. 224 Der Landwirt gerät in der Wundererzählung nicht in Konflikt mit den Menschen aus seiner Umgebung wie im vorherigen Mirakel. Seine Probleme ergeben sich aus den schweren Aufgaben der landwirtschaftlichen Tätigkeit, die er mit seinem Sohn teilt. Dass die Kinder und Jugendlichen den Eltern bei der Arbeit auf den Feldern halfen, war sehr üblich, sowohl bei Knaben wie bei Mädchen. Die Jugendlichen beteiligten sich an den meisten Beschäftigungen. Diese reichten vom Holzsammeln über das Hüten der Viehherden bis zu Hilfeleistung bei den härtesten Arbeiten der Erwachsenen, etwa beim Pflügen. 225 Die lobende Schilderung der Zusammenarbeit von Vater und Sohn im Mirakelbuch hängt wahrscheinlich mit dem patrilinearen Erbsystem zusammen, das zu einer Bevorzugung der väterlichen Beziehungen zum männlichen Nachwuchs führte. Es kommt nicht von ungefähr, dass die idealisierten Bauernfiguren in der spanischen Literatur am Ende des 16. und des 17. Jahrhunderts wohlhabende Landwirte und Familienväter sind, welche ökonomische und moralische Tugenden zugleich verkörpern. 226 Den "verheirateten Frauen" wird die Geistesgegenwart zugeschrieben, sich im entscheidenden Moment an die himmlischen Helfer zu erinnern und 222 Brumont, Paysans, S. 171-208. Für Neukastilien vgl. Salomon, La vida rural, s. 259-301. 22 3 Brumont, a. a. 0 ., S. 190-204. 224 Ebd., S. 302-314; Torras, La economia castellana, S. 73-81. 225 Vassberg, Juveniles, S. 62-73 . 226 Salomon, Recherehes sur le theme paysan, S. 250-307, 743- 779. <?page no="91"?> Ländliche Witwen und Bauern in den Mirakeln 81 sich an diese zu wenden. Der Vater, der sonst Liebe und Sorge um das Leben seines verunglückten Sohnes mit deutlichen Zeichen und Handlungen wie dem Schreien und der Suche nach Hilfe zum Ausdruck bringt, überlässt es den Frauen, das Kruzifix anzurufen, die dadurch eine stereotype mütterliche und fürsorgliche Rolle spielen. Die Frauen ihrerseits scheuen es nicht, ein Gelübde abzulegen und die Dankwallfahrt später barfuss 227 mit dem geheilten Sohn zu unternehmen. Zahlreiche Varianten derartiger Unfälle von Kindern und Jugendlichen auf dem Feld kommen in den spätmittelalterlichen Wundergeschichten vor. 228 Auffallend ist im Burgaleser Mirakelbuch, dass die Vater-Sohn-Beziehung bei der Arbeit im Mittelpunkt der Geschichte steht, während die besondere Fähigkeit, in Kontakt mit der göttlichen Instanz zu treten, um den jungen Bauersohn ins Leben zurückzuführen, den Frauen zukommt. 227 Dies galt als erschwertes Opfer. 22 8 Krötzl, Pilger, S. 268-270. <?page no="92"?> 3 Das Mirakelbuch zwischen Kloster und Welt 3.1 Die Autoren Die Autoren, "der Abt und die Mönche des Klosters" (" el prior y frayles del monasterio"), 1 richten sich im Vorwort an den Prinzen und zukünftigen König Philipp IJ.2 und bezeichnen sich als "seine [Gottes] demütigen und standhaften Kapläne" ("sus humildes y continuos capellanes"). 3 Sie bleiben eine anonyme Gruppe, die ihren kollektiven und institutionellen Charakter betont, weil sie sich in erster Linie als kirchliche Vertreter verstehen, deren Hauptziel in der Verbreitung des Glaubens liegt. So schreiben sie über ihr Buch, es sei ein "Werk (so wie wir auf die Gunst seiner Gnade hoffen), das eine grosse Frömmigkeit und einen neuen Glaubenseifer bei allen Christen, die es lesen, wecken wird" ("obra [segun confiamos en el fauor de su gracia] que despertara gran deuocion y nueuo heruor de fe en todos los christianos que la leyeren"). 4 Die Anonymität der Autoren bildete in der frühneuzeitlichen Andachtsliteratur kein aussergewöhnliches Merkmal.S Sie darf allerdings nicht allzu schnell als Regel unter den damaligen spanischen Mirakelbuchautoren genommen werden. So verbarg zum Beispiel Pedro Alfonso d e Burgos, der kompilatorisch arbeitende Verfasser einer damals sehr bekannten Mirakelsammlung, seinenN amen keineswegs. Der Titel seines Werkes lautet Libro de la historia y milagros hechos a inuocacion de nuestra senora deM ontserrat (Buch der Geschichte und Wunder, die auf Anrufung unsererJungfrau von Montserrat geschahen). 6 Die Augustinerautoren beziehen sich auf die handschriftliche Überlieferung der Wunder "wie es in dem Buch aus Pergament steht, das dieses Haus 1 Hystoria, f. Ilr. 2 Zu Philipps II. Frömmigkeitspraktiken und insbesondere zu seiner leidenschaftlichen Reliquienverehrung vgl. Christian, Religiosidad local, S. 168-171, 188-195; Bouza, Religiosidad, S. 34-38; Eire, Madrid, S. 255-368. Zur politischen Instrumentalisierung der Kruzifixverehrung im 19. Jahrhundert in Spanien vgl. Christian, Moving Crucifixes, passim. 3 Ebd., f. IIv. Dies ist nicht nur ein Topos affektierter Bescheidenheit w ie bei den antiken Autoren, sondern auch ein Ausdruck der Kluft zwischen der Vollkommenheit Gottes und der Heiligen einerseits und der Sündhaftigkeit der Autoren andererseits. Diese Kluft wird in den meisten Prologen von Hagiographien festgestellt. Strunk, Kunst und Glaube, S. 80- 84. Zu der Demutsformel vgl. auch Curtius, Europäische Literatur, S. 411-416. 4 Ebd .. 5 Eybl, Barockpredigt, S. 237. 6 Wenn man die Übersetzungen in andere Sprachen zählt, gibt es neunzehn Ausgaben dieses Mirakelbuche s. Die erste bekannte Ausgabe stammt von 1536. Baraut, U n ejemplar desconocido, S. 139-142. Ich habe eine Ausgabe aus dem Jahr 1550 verwendet. <?page no="93"?> Die Autoren 83 besitzt" ("como paresce en ellibro de pergamino que esta casa tiene"f und heben, wie oben erwähnt, die Existenz von Prozessen zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts der jeweiligen Wunder hervor. Sowohl im ersten kürzeren Teil über die Inventio des Kruzifixes und die Geschichte des Klosters wie im langen zweiten über die Wunder wollen die Autoren wie Historiker ans Werk gehen: Sie verstehen sich als Nachschreiber, denen die Urkunden als Quellen dienen. So können sie diese manchmal in den Text integrieren, um den wahren Charakter ihrer Aussagen zu bekräftigen. 8 Dabei ist ihr Vorgehen nur in ihrem Verständnis historiographisch und entstpricht den Wertungen der Humanisten oder gar der zeitgenössischen humanistisch geprägten Hagiographen nicht. Letzteren kam es nicht weniger als den mittelalterlichen Hagiographen und Mirakelbuchautoren darauf an, die moralische Erziehung und die Erbauung des Publikums zu fördern, aber diese Ziele sollten ihrer Meinung nach mit einer stärkeren Bemühung um Historizität einhergehen, ohne dabei die Wunder in den Vordergrund zu stellen. 9 Das Mirakelbuch ist trotzdem aus der Sicht der Autoren gleichzeitig ein Geschichtsbuch, in dem es um die Wahrheit geht. Die Wunder sind glaubwürdig, weil sie gut beglaubigt sind: Und so versuchen wir vor allem in dieser Erzählung das mit festen Zeugnissen und glaubwürdigen Beweisen zu bestätigen und zu bekräftigen, was über die von uns berichteten Wunder erzählt wird. 10 Wie d er Umsetzun gsprozess von Erzählmaterial aus den Handschriften ins Mirakelbuch genau geschah, können wir aufgrund der fehlenden Quellen nicht mehr nachvollziehen. 11 Sicher ist jedoch, dass eine andere Art von Textveränderung vorgenommen wurde als bei den von Hermann Bach mit grosser Akribie untersuchten bayerischen Handschriften und Mirakelbüchern.12 Während die von H . Bach untersuchten bayerischen Mirakelbücher die kurzen handschriftlichen Berichte erweitern und an vielen Stellen mit der gattungsspezifischen Topik ergänzen, fassen die Burgaleser Autoren zum Hystoria, f. XXXIIIr. Zwei königliche Privilegien für das Kloster von Sancho IV. (1284-1295) werden im Mirakelbuch wiedergegeben. Hystoria, f. XXIIv-XXIIIv, XXIVv-XXVIr. Zu der Selbstdarstellung mittelalterlicher Erzähler als Historiker vgl. Nelson, Fact, S. 21-28. 9 Zum Umgang mittelalterlicher Hagiographen mit der historischen Realität und zur Rolle der Wunder als Kriterium der Heiligkeit vgl. Scheibelreiter, Verfälschung, S.283-319; Demm, Rolle des Wunders, S. 300-344; Weinstein, Saints, S. 141 - 150; Lotter, Methodisches, S. 309-356. Zu den humanistischen Hagiographen: Weiss, Hagiography, S. 299-316. 10 "Y ansi principalmente procuramos en esta relacion confirmar y corroborar lo que se cuenta con muy firmes testimonios y fiel prouanc; : ade los milagros que referimos". Hystoria, f. IIIv-IVr. 11 Der Umsetzungsprozess der Wunderprozesse ins Mirakelbuch wird für die Fälle aus Santo Domingo de Ia Calzada in den folgenden Kapiteln über Catalina de Foncea, Catalina de Graii6n, Catalina de Flores, Casilda del Rio und Mariade Aperrigui behandelt. 12 Bach, Mirakelbücher, S. 42-57. <?page no="94"?> 84 Das Mirakelbuch zwischen Kloster und Welt Teillängere Prozesse zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Wunder zusammen. Da die bayerischen Handschriften nur kurze und flüchtige Eintragungen enthielten, die durch einen "ungefügen Hauptsatzstil" gekennzeichnet waren und zahlreiche sprachliche Nachlässigkeiten aufwiesen, bestand die Arbeit der Mirakelbuchautoren darin, einerseits grammatikalische Verbesserungen vorzunehmen, damit der Sachverhalt deutlicher ausgedrückt wurde, und andererseits Ergänzungen einzubringen und die Vorgänge psychologisch durchzugestalten, so dass die Wunderberichte an Lebendigkeit gewannen und die Leser sich sogar die seelische Situation der Hauptfiguren vergegenwärtigen konnten. Dadurch erweiterten sie die ursprünglichen Berichte massgeblich. Diese enthielten nämlich meistens nur die Hauptinformationen über die Miracules: "Name und Herkunft, Anlass des Gelübdes, Anrufung des Heiligen und Nennung des Opfers, [sowie] Bestätigung der gewährten Hilfe"Y Die Burgaleser Autoren mussten hingegen die Urkunden der Prozesse zusammenfassen, um sich an ein breiteres Publikum zu wenden. 14 Diese andere Form eines Umsetzungsprozesses bedingte die Auslassung zahlreicher Informationen und Stellen und bedeutete eine sinnverändernde Mirakelbearbeitung, die in der Auswahl der Mirakel, der Titelgebung und der Veränderung inhaltlicher und formaler Aspekte der Schilderungen aus den handschriftlichen Quellen bestand. Die Kürze dieser Mirakelgeschichten hing nicht mit der Eile der Aufzeichnung der Aussagen der durch die Wunder beglückten mündlichen Erzähler zusammen. Sie war vielmehr das Resultat einer zusammenfassenden Textarbeit, bei der die Autoren die Erzäh lungen bewusst gestalten und umformen konnten. 3.2 Die Lizenz und das Privileg Bevor das Mirakelbuch die halböffentliche Sphäre des Klosters verlassen durfte, um vermarktet und in den Leseverkehr gebracht zu werden, 15 musste dessen Inhalt von den zivilen Zensurinstanzen überprüft werden. Mit der Vergabe von Lizenzen für den Druck und mit der damit verbundenen Kontrolle über die zu veröffentlichenden Schriften waren nach einem von den Katholischen Königen 1502 erlassenen Gesetz verschiedene staatliche und kirchliche Institutionen beauftragt. 16 Mehrere Bischöfe, darunter 13 Ebd., S. 43. 14 Wie oben bereits erwähnt, stützen sich nicht alle Mirakelgeschichten auf solch umfangreiche Prozesse. Bachs Aussagen über die Arbeitsweise der bayerischen Mirakelbuchautoren lassen sich auf die auf kurzen Berichten basierenden Burgaleser Wundergeschichten übertragen. 15 Zu den Folgen dieses Schrittes aus kommunikationstheoretischer Sicht vgl. Schend a, Folklor e, S. 23-38. 16 Pinto Crespo, lnquisici6n, S. 87-89. <?page no="95"?> Die Lizenz und das Privileg 85 derjenige von Burgos, konnten innerhalb ihrer Gerichtsbarkeit die für den Druck erforderliche Lizenz erteilen. Seit 1554 übernahm der Königliche Rat im Zuge der zunehmenden staatlichen Zentralisierung diese Aufgabe allein. Diesem Umstand trugen die Autoren und zugleich Verleger des Mirakelbuches gerade in jenem Jahr Rechnung. Doch sie beschränkten sich nicht darauf, die nötige Lizenz zu beantragen, sondern wollten auch ein Druckprivileg erlangen. 17 Wie die nach dem Vorwort wiedergegebene Antwort des Königlichen Rates im Namen des Prinzen Philipp (später Philipp II.) zeigt, nahmen die Autoren die damals einzige mögliche Gelegenheit wahr, ihre U rheberrechte zu schützen, 18 indem sie ein zehnjähriges Druckprivileg für das kastilische Königreich allein (nicht also für Aragon gleichzeitig) kauften: Da ein an uns gerichtetes Buch von Eurer Seite, dem Abt und den Mönchen [...] von einigen Mitgliedern des Königlichen Rates vorgelegt wurde, [...] indem Ihr uns darum ersucht und als Gunstbezeugung gebeten habt, [...] Euch eine Lizenz zu erteilen, damit Ihr, der besagte Abt und die Klostermitglieder, oderwer Eure Vollmacht hätte (und nicht jemand anders) das besagte Buch für die Zeitspanne drucken und verkaufen dürftet, welche wir bestimmen können oder wie unsere Gnade in diesen Königreichen und Herrschaftsgebieten von Kastilien wäre. Und da Unser Beauftragter das besagte Buch gesehen hat und es schien, dass es gedruckt werden sollte, erteilen wir Euch mit diesem Brief die Lizenz und befehlen, dass Ihr [...] das besagte Buch druckt und verkauft, und dass niemand anders das besagte Buch während zehn Jahren in den besagten Königreichen und Herrschaftsgebieten Kastiliens drucken oder verkaufen dürfe[...], und auch nicht von ausserhalb derselben hierher bringe, um es zu verkaufen. 19 In der Tat konnten sich solche Einschränkungen der freien Zirkulation von Lesestoffen nur sehr schwer durchsetzen, und so war der illegale Nachdruck von Büchern im 16. und 17. Jahrhundert kaum erfolgreich zu unterbinden.20 Es kommt hinzu, dass die Zünfte der Drucker, die zu einer gegenseitigen Kontrolle hätten beitragen können, sich in den europäischen Grassstädten erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu bilden begannen.21 Die folgende Erläuterung der auf dieses Delikt stehenden hohen Strafen zeigt die im 16. Jahrhundert zwischen den Druckern herrschenden harten Konkurrenzverhältnisse 22 und das Interesse des Staates an der Existenz eines Denunziantensystems: 17 Die ältesten bekannten Druckprivilegien aus Kastilien stammen vom Ende des 15 . Jahrhunderts (das erste 1498). 18 Cruickshank, Book-production, S. 2-3. 19 Hystoria, f. IVv-Vv. Anhang 30. 2 ° Cruickshank, Book-production, S. 3-4; Giesecke, Buchdruck, S. 447-457. 21 Febvre, L'apparition du Iivre, S. 212-215. 22 Zur Konkurrenzstimmung unter den Druckern der Stadt Granada und zu den Arbeitsvorgängen und -platzsituationen in den dortigen Druckereibetrieben vgl. Martinez Ruiz , Visita, S. 75-110. <?page no="96"?> 86 Das Mirakelbuch zwischen Kloster und Welt Sie sollen die ganze Auflage verlieren, die sie drucken oder verkaufen würden, sowie die Matrizen und Gerätschaften, mit denen sie es machten. Und ferner sollen sie für jeden Gesetzesverstoss mit einer Geldstrafe von dreissigtausend Maravedis bestraft werden. Das Geld aus dieser Strafe soll folgendermassen verteilt werden: Ein Drittel für die anklagende Person; ein anderes Drittel für den Richter, der das Urteil darüber sprechen würde; das übrige Drittel für die königliche Staatskasse. 23 3.3 Der Drucker des Mirakelbuches: Juan de Junta Wie andere Gewerbezweige erlebte das spanische Druckerwesen eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs bis etwa 1570. Die Qualität ihrer damaligen Druck-Erzeugnisse lässt sich mit derjenigen der zeitgenössischen Veröffentlichungen aus anderen europäischen Ländern vergleichen. 24 Die Politik der Katholischen Könige trug am Ende des 15. Jahrhunderts zu dieser Entwicklung bei, indem sie die Einwanderung der mit der innovativen Technik der Buchdruckerkunst vertrauten ausländischen Fachleute unterstützte.25 1521 zählten 29 Städte mindestens eine eigene Druckerei, wobei die Produktion der Grassstädte sowie der kulturellen Zentren hervorragte. Es waren dies: Sevilla, Salamanca, Toledo, Burgos, Valladolid, Zaragoza, Valencia und Barcelona. 26 Einer der bedeutendsten in Spanien arbeitenden Drucker aus der frühen Zeit stammte aus Basel: der 1517 verstorbene Fadrique de Basilea, möglicherweise Friedrich BielY Er gründete die noch im ganzen 16. Jahrhundert wichtigste Druckerei der Stadt, deren Geschichte bis zur Übernahme durch Juan de Junta die familiären und intergenerationalen Übertragungsmechanismen sowie die Form von Geschäftsführung eines solchen Betriebs gut illustriert. 1518 übernahm der Burgaleser Alonso de Melgar die Druckerei . seines früheren Meisters, dessen Tochter, Isabel de Basilea, er geheiratet hatte. Nach dem Tod ihres ersten Ehemannes 1525leitete Isabel den Betrieb selber bis zu ihrer zweiten Heirat mit dem Drucker Juan de Junta. Dieser gehörte zu einer bekannten und international vernetzten Verleger- und Druckerfamilie aus Florenz: den Giunta. 28 Isabel undJuan liessensich zusammen mit ihren Kindern in der Universitätsstadt Salamanca nieder, wo sie eine neue Druckerei einrichteten. Die 23 Hystoria, f. Vv- Vlr . Anhang 30. 24 Cruickshank, Literature, S. 816. Auf Lateinisch verfasste Bücher mit internationaler Diffusion wurden jedoch kaum in Spanien veröffentlicht. Sie wurden meistens aus Frankreich und Italien importiert. Norton, Printing, S. 134-137. 25 Norton, Printing, S. 117-118. 26 Ebd ., S. 8-32,49-116,158. 27 Seine ersten bekannten Burgaleser Drucke erschienen 1485. Zu den folgenden Ausführungen vgl. Norton, Printing, S. 56-61; Ibane i, Burgos, S. 412-418. 28 Febvre, L'apparition du Iivre, S. 184-185,286-287. <?page no="97"?> Der Drucker des Mirakelbuches: Juan de Junta 87 Familie blieb jedoch nicht lange Zeit zusammen. Von 1545 bis zu seinem Tod 1560 lebte Juan de Junta in Lyon, wo er und seine italienischen Verwandten eine weitere Filiale besassen und wichtige Geschäfte an den Messen abwickeln konnten, während Isabel sich um die Geschäftsleitung des Salmantiner Druckereibetriebs kümmerte. Ihre Tätigkeit als Geschäftsfrau war nicht ganz ungewöhnlich, denn auch andere Frauen aus den gehobenen Schichten des Handwerkermilieus und aus der Kaufmannsschicht waren in den Geschäften ihrer Familien aktiv. Vor allem wenn ihre Ehemänner abwesend oder verstorben waren, wurden sie zu aktiven juristischen Personen und hinterliessen Spuren in Verträgen und anderen Dokumenten, zum Beispiel Gerichtsprotokollen. 29 Die Druckereien aus diesen Jahren sind den Hispanisten wohl bekannt, weil die erste bekannte Ausgabe des anonymen Schelmenromans La vida de Lazarillo de Tormes, y de sus fortunas y adversidades in derselben Druckerei und in demselben Jahr gedruckt wurde wie das hier behandelte Mirakelbuch: 1554. 30 In der Zeit von 1545 bis 1560 verwalteten andere Drucker die Burgaleser Druckerei der Junta, was nicht selten zu Interessenkonflikten mit der Besitzerfamilie führte. Isabel musste gegen Rodrigo de la Torre 1553 mit rechtlichen Mitteln vorgehen und die Verantwortung für die Leitung des Betriebes in Burgos vorübergehend übernehmen. Im selbenJahr schloss ihr Schwiegersohn Matfas Gast einen Jahresvertrag mit dem Drucker Alonso de Medina ab. Nach A. Ibaiiez wurde dieser Vertrag bis 1557 jedes Jahr erneuertY W. Pettas zeigt jedoch, dass ein anderer Drucker, der aus Burgund stammende Alexandro de Canova, die Druckerei vor 1557 übernahm. Wie dem auch sei, es entstand 1555 ein neuer Konflikt, und die Besitzerfamilie fand einen neuen Verwalter der Druckerei, Juan de Valdivielso, erst 1557. Der Vertrag zwischen diesem und Matfas Gast enthält ein Inventar mit einem Katalog der damals in der Druckerei und Buchhandlung von Juan de Junta vorhandenen Bücher. In der von der Druckerei schwer zu trennenden Buchhandlung befanden sich zahlreiche Bücher aus anderen spanischen und ausländischen Druckereien: 15 817 Bände, von denen 15 214 (96 %) ungebunden und 6261 (4 %) gebunden waren. Die gebundenen Bände waren 55 772 Maravedfs wert, also 6 % des Wertes aller Bücher. Die meisten Werke waren auf Lateinisch geschrieben (1037 Titel). Die zweite Sprache 29 Asenjo, Participaci6n de las mujeres, S. 223-234; Ibaiiez, Burgos, S. 150-151,413. 30 Rico, Introducci6n, S. 13-16. Andere Erstausgaben erschienen in Antwerpen und Alcala de Henares. Das Mirakelbuch wurde " en casa deJuan deJunta. Aiio de 1554" veröffentlicht. Vgl. Hystoria , letzte und nicht nummerierte Seite des Buches. Zu italienischen Druckereien des 16. Jahrhunderts, die sowohl anspruchvolle Texte von Humanisten wie Volksbücher druckten, vgl. Burke, Mündliche Kultur, S. 64-66. Über die Zusammenhänge zwischen diesem Schelmenroman und dem Wunderprozess von Casilda del Rio vgl. das Kapitel über ihren Fall. 31 Matias Gast und seine Brüder waren um die Mitte des Jahrhunderts bei der Einfuhr von Erasmus' Werken nach Spanien äusserst aktiv. Bataillon, Erasmo, S. 503. <?page no="98"?> 88 Das Mirakelbuch zwischen Kloster und Welt war das Spanische mit 527 Titeln. Griechisch, Italienisch, Hebräisch und Arabisch zählten nur wenige Titel.3 2 Die Druckerei war damals bestens ausgerüstet, wie man einem Inventar aus dem Jahr 1557 entnehmen kann. 33 Im Betrieb arbeitete man mit fünfzehn Druckerpressen; in einer Zeit, in der jede Druckerei aufgrund der hohen Preise nur einen begrenzten Vorrat an Lettern auf Lager halten konnte und mit möglichst wenig Lettern "möglichst viel gedruckt werden" sollte, 34 wog das Letternmaterial der Burgaleser Druckerei 2058 kg. Die Schrifttypen, auf welche die Setzer zurückgreifen konnten, waren sehr unterschiedlich, und deren Bezeichnungen entsprachen zum Teil den Namen einiger populärer Lesestoffe: Die Letter der neuen Romanzen, die der alten Romanzen, die der neuen Fibel, die der neuen Lesart, die des Rohres [sie], die der Bulle, die der Glosse der Fibel, die der kursiven Lesart, die der alten Fibel, die des alten Breviers, die des neuen Breviers, die der kleinen Romanzen, die des Messbuches, die der "conteros" [Geschichtensammlung? ]-3 5 Angesichts dieser technischen Möglichkeiten kann es nicht verwundern, dass das mit gotischen Typen gedruckte Mirakelbuch sehr sorgfältig ediert werden konnte: mit prachtvollen Initialen im ersten Teil des Werkes, mit Zierleisten auf jeder Seite und mit einem sehr wahrscheinlich eigens für das Titelblatt hergestellten Holzschnitt, auf dem das Kruzifix des Augustinerklosters zwischen den Heiligen Andreas und Augustin dargestellt ist. 36 3.4 Der Preis und die Leser Auf den ersten Blick scheint das potentielle Lesepublikum eines solchen Buches aufgrund der im 16. Jahrhundert niedrigen Alphabetisierungsrate der spanischen Bevölkerung und des für die Minderbemittelten nicht bezahlbaren Preises relativ klein. Bei genauem Hinsehen stellt man jedoch fest, dass die soziale Zusammensetzung der Käuferschaft nicht genau dieselbe war wie diejenige des Rezipientenkreises des Mirakelbuches, zu dem nicht nur Leser, sondern auch Zuhörer gehörten. 32 Vom Burgaleser Mirakelbuch blieben drei J ahre nach der ersten Veröffentlichung des Werkes nur drei Exemplare. Pettas, Juan de Junta, S. 9, 132. 33 Ibafiez, Burgos, S. 420, 426; Pettas, Juan de Junta, S. 4,15, 104 -107. 34 Giesecke, Buchdruck, S. 92-98. 35 "Ia letra del romance nuebo, Ia del romance viejo, Ia de Ia cartilla nueba, Ia de Ia lectura nueba, Ia del cafio, Ia de Ia nomina, Ia de Ia glosa de Ia cartilla, Ia de lectura cursiva, Ia de Ia cartilla vieja, Ia del breviario antiguo, Ia del breviario nuevo, Ia letra del romance pequefio, Ia del misal, Ia letradelos conteros". Zitiert nach Ibafiez, Burgos, S. 420. 36 Zu einer Faksimile-Ausgabe mit detaillierter Studie der typographischen Eigenschaften vom " pliego suelto" Roman~e de Amadis (ca. 1515-1519) aus dieser Druckerei vgl. Norton, Chap-books, S. 2-3, 71-80. <?page no="99"?> Der Preis und die Leser 89 Die aus verschiedenen Studien über die damalige Alphabetisierung stammenden Daten lassen sich nicht einfach auf einen Nenner bringen. R. Kagan schätzt, dass der Anteil der Lese- und Schreibfähigen an der damaligen spanischen Gesamtbevölkerung zwischen 10% und 15% betrug. 37 Er erklärt, dass die Alphabetisierungsquoten unter den Bauern niedriger lagen als unter den Stadtbewohnern und gibt ein Beispiel aus Burgos als repräsentativ für die Lage in den urbanen Zonen an, indem er sich der Register für Hochzeiten und Taufen einer Pfarrei (1587-1589) bedient. Da in derselben die Väter der Kinder und der Eheleute unterschreiben mussten, kommt er zum Schluss, dass die Alphabetisierungsquote unter den städtischen Männern, zum Teil gelernten und ungelernten Handwerkern, bei etwa 30 % lag. Seine Schätzungen fussen leider auf einer sehr dürftigen statistischen Basis. Dabei geht Kagan von einem engen Zusammenhang zwischen der Fähigkeit, seinen Namen zu schreiben, und der allgemeinen Lesefähigkeit aus. Trotzdem handelt es sich um wertvolle Angaben über den Burgaleser Alphabetisierungsgrad zu dieser Zeit. Zugleich stellt Kagan im Spanien des 16. Jahrhunderts wichtige Fortschritte im erzieherischen Bereich fest und hebt die zahlreichen Gründungen von Elementarschulen durch die Kirche hervor. 38 Aus dem im Vergleich zu anderen europäischen Ländern prozentual hohen Anteil von Studenten schliesst er ferner auf eine breitere Schicht von Kindern und Jugendlichen mit Schulerfahrung. 39 Sara T. Nalle kommt anhand von Inquisitionsquellen aus der Diözese von Cuenca zu höheren Alphabetisierungsquoten bei den Männern und sieht kein so grosses Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land wie R. Kagan. 40 Sie stellt einen Lesefortschritt im Laufe des 16. Jahrhunderts fest, einen Prozess, der im 17. Jahrhundert jedoch stagniert oder sich sogar umkehrt. So sagten 54 % der von der Inquisition angeklagten Männer aus der Diözese von Cuenca am Ende des 16. Jahrhunderts aus, dass sie lesen konnten. Aber auch wenn die Autorin die Quelle für ziemlich repräsentativ hält, lässt sich eine gewisse soziale Verzerrung in den Inquisitionsprotokollen nicht vermeiden. Die so gewonnenen Daten verleiten deshalb zur Überbewertung des Lesefortschritts in diesem Jahrhundert. 37 Der Autor weist ferner auf die hohe Anzahl von Studenten an den spanischen Universitäten am Ende des 16. Jahrhunderts hin, etwa 3,2 % der männlichen Jugend im Alter zwischen 15 und 24 Jahren, und 5,2 %, wenn man nur die Studienanfänger zählt. Kagan, Students, S. 23-26, 195-202. 38 Ebd., S. 5-23. Zur Verbreitung der Lesefähigkeit unter den Laien der Oberschicht vor der Etablierung der Buchdruckerkunst in Spanien im 15. Jahrhundert vgl. Lawrence, Spread of Literacy, S. 79-94. 39 Burgos war im 16 . Jahrhundert keine Universitätsstadt; das Interesse der Burgaleser Ober- und Mittelschicht an einer universitären Ausbildung für die jungen Männer aus diesem sozialen Milieu zeigt sich aber an der Anwesenheit Burgaleser Studenten in Bologna und Salamanca. Mathers, Students, S. 545-556; Carabias, Estudiantes, S. 343-360. 40 Nalle, Literacy, S. 65-70. <?page no="100"?> 90 Das Mirakelbuch zwischen Kloster und Welt J. E. Gelabert verwendet in seiner Studie über Alphabetisierung Steuerverzeichnisse und stellt fest, dass 52 % dieser Männer ihren Namen schreiben konnten. Bei den Frauen waren es nur 3,4 %. Die Aussagekraft seiner Angaben beschränkt sich jedoch auf die Universitätsstadt Santiago de Compostela.41 Trotz der Korrekturen und Nuancierungen späterer Untersuchungen über einzelne Gebiete bleiben R. Kagans Schätzungen über den Anteil der Alphabetisierten an der Gesamtbevölkerung durchaus wertvoll, weil das Bildungsgefälle zwischen Männern und Frauen sowie dasjenige zwischen Stadt- und Landbewohnern zu einer starken Relativierung der optimistischen Alphabetisierungsquoten einzelner Untersuchungen zwingen. Zudem bestätigen die Forschungen über das damalige Bildungsangebot, dass nur eine aus der heutigen Sicht kleine Schicht der Bevölkerung Zugang zu Elementarschulen oder zu häuslichem Privatunterricht hatte, der ihnen einen vertrauten Umgang mit der Welt der Schriftlichkeit erlaubte. 42 Neben der Frage nach der Alphabetisierung stellt sich diejenige nach dem Preis des Mirakelbuches und nach dem damaligen Bücherbesitz im Allgemeinen. Das für diese Untersuchung verwendete Exemplar des Mirakelbuches befindet sich heute in der Madrider Biblioteca Nacional und ist mit einem anderen Werk zusammengebunden: Vida, canonizacion y milagros del bienaventurado sant Nicolas de Tolentino, frayle professo de la orden del bienaventurado y famoso doctor de la yglesia sant Agustin (Leben, Kanonisation und Wunder des seligenHeiligen Nicolds de Tolentino, Mönch und Profess des Ordens des seligen und bekannten Doktors der Kirche des Heiligen Augustinus). Dessen Umfang ist eindeutig geringer als derjenige des hier behandelten Werkes: Es beginnt auf f. CXXXIIIr und endet auf f. CLIX r. Der Preis des ganzen Buches im handlichen Oktavformat 43 betrug 50 Maravedfs, während der durchschnittliche Tageslohn eines gelernten Arbeiters in Neukastilien 1551 34 maravedfs war. Von diesem Lohn- Preis-Verhältnis ausgehend hält S. T. Nalle die Andachtsbücher im Preis von 25 maravedfs für leicht erschwinglich für alle Schichten. 44 Doch die Frage, wie viele Unterschichtsangehörige bereit waren, sich Bücher zu derartigen Preisen zu leisten, muss offen bleiben. Die Untersuchungen über Bücherbesitz anhand von Nachlassinventaren zeigen, dass in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die bücherbesitzenden Haushalte eine kleine Minderheit bildeten. Erst in der zweiten Hälfte lassen sich mehr Buchbesitzer finden, aber diese gehören hauptsächlich zu den höheren städtischen Vermögensgruppen: Kleriker, Adlige, Juristen, Kaufleute und weni- 41 Gelabert, Lectura, S. 264-269. 42 Gimeno, Aprender a escribir, S. 125-144; Viiiao, Alfabetizaci6n, s. 45-51. 43 Das von uns gekannte Exemplar ist 14,5 cm breitund 10 cm. hoch. Diese Vita ist nach dem Mirakelbuch angebunden. 44 Nalle, Literacy, S. 82 . <?page no="101"?> Der Preis und die Leser 91 gerhäufig Handwerker. 45 Im ländlichen Milieu war die Buchlosigkeit noch viel verbreiteter als in der Stadt. 46 Sara T. Nalle nuanciert diese aufgrund von Nachlassinventaren gemachten Aussagen über Bücherbesitz und verweist zu Recht auf die Notwendigkeit, soziale Gruppen in der historischen Leseforschung nicht ausschliesslich durch sozio-ökonomische Kriterien zu definieren. Dank den Aussagen der Angeklagten vor den Inquisitionsvertretern gelingt es ihr, den Umgang mit Büchern unter der bücherbesitzenden Landbevölkerung von Cuenca zu charakterisieren. Sie kann sogar die Präferenzen der Leser aus einer bestimmten Altersgruppe für manche literarischen Gattungen präzisieren: So werden zum Beispiel die Ritterromane vornehmlich von immer noch bei der Familie lebenden jungen Männern konsumiertY Wie bei der anhand derselben Quellensorte von ihr betriebenen Leseforschung kann man soziale Verzerrungen nicht ausschliessen. Trotzdem lässt sich behaupten, dass der potentielle Rezipientenkreis eines solchen Mirakelbuches grösser war als die soziale Gruppe der Alphabetisierten, die genügend finanzielle Mittel für den Bücherkonsum aufwiesen. Mehrere Gründe sprechen für eine solche Hypothese: erstens die damals verbreitete Aneignungsform von Lesestoffen durch Vorleseakte; weiter die grosse Beliebtheit, welcher sich die verschiedenen Gattungen der religiösen Literatur erfreuten, und nicht zuletzt die Existenz eines florierenden Büchermarktes aus zweiter Hand. Ein Buch zu benutzen hiess nicht notwendigerweise, ein Buch still zu lesen. Es konnte auch bedeuten, dieses vorzulesen oder beim Vorlesen zuzuhören. Es gibt sehr viele Zeugnisse für die Praxis des lauten Lesens vor einem Publikum im 16. Jahrhundert in Spanien so wie im übrigenEuropa. 48 Insbesonders die Heiligenviten und die Mirakel standen in einer langen Tradition von mündlicher Vermittlung durch semiliterarische und semiorale Aneignungsformen in den Kirchen und Klöstern. 49 Diese Aneignungsformen übten ihrerseits eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf die Struktur und den Aufbau der Erzählungen aus. Denn ihre Autoren dachten beim Schreiben an die mündliche Vermittlungsform und passten die Länge und die Sprache der Lesestoffe an die Bedürfnisse der Vorleseakte an: Die Mirakel durften nicht zu lang sein, wie die oben wiedergegebenen Beispiele aus dem Burgaleser Mirakelbuch zeigen, und ihre festen Grundschemata erlaubten dem Leser oder Zuhörer eine einfache Orientierung . 45 Gelabert, Lectura, S. 274-288; ders., La cultura libresca, S. 147-163; Ibaiiez, Burgos, S. 428-432; Gil Vicent, Castell6 de Ia Plana, S. 309-320. 46 Brumont, Paysans, S. 194,198; Diez, Soria, S. 240-241. 47 Nalle, Literacy, S. 82-90. 48 Frenk, Leetores y oidores, S. 101-123; dies., Ver, oir, S. 235-240; Nalle, Literacy, S. 89; Walker, Oral Delivery, S. 36-42; Schenda, Vorlesen, S. 5-14; ders ., VonMund zu Ohr, S. 44, 223-224; Schwegler, Or al Tradition, S. 435-441; Coleman, Public reading, p assim. 49 Philippart, Les legendiers latins, S. 112-121; Nahmer, Lateinische Heiligenvita, S. 170-178. <?page no="102"?> 92 Das Mirakelbuch zwischen Kloster und Welt Die Vorworte der Mirakelbücher liefern manchmal Belege für die von den Autoren beabsichtigte Gebrauchsform des Buches. Der erfolgreiche Pedro de Burgos schreibt in seinem Vorwort vom Mirakelbuch über die Jungfrau von Montserrat und ihre Wunder: "den Seelen derjenigen, die sie lesen und hören sollten". 5° Die Autoren des Burgaleser Mirakelbuches sind in Bezug auf den Wunsch nach lautem Lesen des Werkes nicht so explizit, aber es lässt sich trotzdem vermuten, dass die Burgaleser Wunder auch mit dieser Absicht verfasst wurden. Die Autoren schreiben nur von den "Christen, die es [das Werk] lesen" 51 oder von denjenigen, "die es mit ehrlicher und christlicher Absicht lesen werden". 52 Wichtig ist ausserdem festzuhalten, dass Vorlesestoffe von den im Zuhören geübten Rezipienten nicht nur verstanden, sondern auch häufig memoriert wurden, wenn sich die abgelauschten Geschichten gut nacherzählen liessen. Spätestens seit Augustinus 53 wiederholten sich die Forderungen, die Mirakel weiterzuerzählen, damit möglichst viele Menschen davon Kenntnis nahmen. Pedro de Burgos schrieb in dieser Tradition: so ist es nötig, dass [diejenigen, die] solch erstaunliche und wunderbare Sachen wissen, diese nicht verbergen, sondern für die Glorie Gottes und seiner Heiligen öffentlich bekannt machen, und auch für das Wohl und den Vorteil der Seelen derjenigen, die sie hören. Denn es geschieht nicht selten, dass manche sich durch das Zusehen oder das Lesen eines Wunders zu Gott bekehren, welche sich aber durch das Lesen oder Hören einer anderen Ermahnung nicht bekehren würden. 54 Es stellt sich die Frage nach der Beliebtheit religiöser Lesestoffe in der damaligen spanischen Gesellschaft. Was die Präferenzen des Lesepublikums anbelangt, herrscht in der Forschung Einigkeit darüber, dass die verschiedenen Gattungen des religiösen Schrifttums insgesamt zu den beliebtesten in allen Bevölkerungsschichten mit Zugang zu Lesestoffen gehörten und dass diese Vormachtsstellung d er religiösen Buchkultur mit der gesellschaftlichen Rolle der Kirche bei der Vermittlung von Kulturgütern zusammenhing.55 50 "las animas de los que Ia leyeren y oyeren". Burgos, Montserrat, Proemio, nicht nummerierte Seite. 51 Hystoria, f. Ilv . 52 Ebd ., f. IVr. 53 Augustinus, De civitate Dei, 22, 8. Zu diesem Topos in den Prolo gen von Hagiographien vgl. Strunk, Kunst und Glaube, S. 57-58. 54· "assi conuiene que [sie ]las tales marauillas y milagros saben no las ascondan, antes las publiquen a gloria de dios y de los sanctos y para bien y prouecho de las animas de los que las oyeren. Porque no pocas vezes acaesce que algunos se conuierten a dios viendo o leyendo algun milagro que por ventura leyendo o oyendo alguna otra exortacion no se convertieran". Burgos, Montserrat, Proemio, nicht nummerierte Seite. 55 Sara T. Nalle zeigt die enge Verbindung zwisc hen den erzieherischen, disziplinierenden und kulturvermittelnden Funktionen der Kirche einerseits und der dominierenden Rolle <?page no="103"?> Der Preis und die Leser 93 Die Belege dafür lassen sich vermehren: In den Bibliographien finden sich am häufigsten Titel religiöser Werke; 56 sie sind äusserst zahlreich in den Nachlassinventaren 57, in den Inventaren von Buchhandlungen 58 und bei den Aussagen der von der Inquisition Angeklagten 59 • Ausser den für den beruflichen Gebrauch der Kleriker bestimmten Büchern wie Liturgika 60 , theologischen Traktaten, Werken über kanonisches Recht oder der Bibel selbst wurden zahlreiche Werke der Andachts- und Erbauungsliteratur von Laien konsumiert. Begehrte Lesestoffe waren vor allem die mystischen und asketischen Werke, aber auch Hagiographien mit ihren Wundererzählungen sowie Gebetbücher. 61 Das Burgaleser Mirakelbuch gehörte eindeutig in die vorletzte Gruppe der populären religiösen Lesestoffe. Nachdem die Bücher in den Buchhandlungen 62 von ihren ersten Besitzern angeschafft und wahrscheinlich nicht immer rezipiert wurden, weil sie zum Teil als reine Objekte mit repräsentativem Wert betrachtet werden konnten, gelangten sie nicht selten in späteren Zeiten wieder auf den Büchermarkt, dieses Mal aber zu einem geringeren Preis als vorher. Mehrere Studien zeigen, dass Bücher aus zweiter Hand eine weitere Möglichkeit für viele Leser darstellten, sich Zugang zu den sonst für sie unerschwinglich teuren Büchern zu verschaffen. 63 Wer jedoch das Mirakelbuch zu umfangreich oder zu teuer für seine Lesebedürfnisse fand, konnte wahrscheinlich dank den "pliegos sueltos" od er "pliegos de cordel" 64 auf einem Jahrmarkt oder im Kloster selbst mit den gedruckten Wundergeschichten des Kruzifixes in Kontakt kommen. Es gibt Belege für den Verkauf solcher Lesestoffe in diesem populären Medium der religiösen Leses toffe andererseits auf. Sie betont die Bedeutung der G egenreformati on für die Verstärkung dieser Tendenz in der zweiten H älfte des 16. J ahrhund erts. N alle, God, S. 104-133. 56 K. Whinnom verweist auf die enorme Produktion religiöser Bücher in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts, führt aber auch zahlreiche Beispiele von religiösen "Bestsellern" aus der ersten Hälfte an. Whinnom, "Best-seller", S. 189-198. 57 J . E. Gelabert unterstreicht zwar die Berufsbezogenheit bei den Präferenzen der Besitzer von Privatbiblio theken, stellt aber die Präsenz religiöser Bücher bei den meisten Bibliotheken fest. Gelabert, Lectur a, S. 279-288; ders., La cultura, S. 150-163. 58 G elabert, Lectura, S. 275-279; ders ., La cultura, S. 150-154; Berge r, Un libraire, S. 372- 375. 59 Nalle, Literacy, S. 84-87. 60 Odriozola, Libros liturgicos, S. 1326-1330. 61 Nalle, Literacy, S. 86-87. 62 A. C. Ib: iii.ez erwähnt die Namen mehrerer spanischer, französischer und flämischer Buchhändler in Burgos. Ib: iii. ez, Burgos, S. 421-424. 63 Gelabert, Lectura, S. 273; Nalle, Literacy, S. 79 . 64 "Pliegos de cordel" sind Büchlein von wenigen Seiten (zwischen 8 und 32) aus zweifach gefalteten Papierbogen, manchmal auch nur Flugblätter. <?page no="104"?> 94 Das Mirakelbuch zwischen Kloster und Welt an anderen Orten in Spanien, 65 und es istangesichtsder im Vergleich zum komplexen Buchdruck einfachen Herstellung durchaus vorstellbar, dass solche billigeren Druckerzeugnisse auch vom Burgales er Kloster in Auftrag gegeben wurden. 66 65 Christian, Religiosidad local, S. 129. Zu den "pliegos sueltos" vgl. Caro Baroja, Literatura de cordel, passim; Botrel, La Iitterature de cordel, S. 271-281; Infantes, Lospliegos sueltos, S. 283-298; Behringer, Pliegos sueltos, passim. 66 A. C. Ibaiiez verweist auf eine Angabe in einem Inventar der Druckerei vonJuan de Junta aus dem Jahr 1587, aus der aber nicht klar hervorgeht, ob es sich um Bücher oder Heftehen handelt: "3 Milagros del Santo Crucifixo de Burgos a 34 maravedis". Es kann sich sowohl um drei Exemplare des Mirakelbuches wie um "pliegos sueltos" von drei verschiedenen Wundergeschichten handeln. Zur Analyse einer auf Französisch verfassten Flugschrift über die auch in Santo Domingo de Ia Calzada und auf demJakobsweg bekannten Wundergeschichte des erretteten Gehenkten vgl. Chartier, Gehenkte, S. 83-119. Vgl. Kapitel6. Zu den Mirakeln als Lesestoff im 17. Jahrhundert vgl. Carrasco, Milagrero, S. 401 -422. <?page no="105"?> 4 Rezeption 4.1 Glauben, Lesen und Wallfahren Der Inhalt des Mirakelbuches und insbesondere des Vorworts gewährt einen indirekten Einblick in die Rezeptionsweise der Wundererzählung, die Exigenzen, Gebrauchs- und Aneignungsformen der Rezipienten, sowie deren Einstellung zu den Mirakeln als Lesestoff. Zu untersuchen sind auch die soziokulturellen Praktiken der Wallfahrt, in denen diese Formen des Lesens eingebettet waren. Die Aussagen der Autoren im Vorwort lassen erkennen, dass die frommen und wundergläubigen Leser die idealen Rezipienten des Mirakelbuches darstellen. Die Bereitschaft zum Glauben erscheint in diesem wie in anderen Prologen von Mirakelbüchern und hagiographischen Werken als das wichtigste Kriterium, um den guten vom schlechten Leser unterscheiden zu können. Leser und Autoren müssen eine ähnliche Einstellung zum Lesestoff haben: Die Verfasser müssen die Wahrheit erzählen, und die Leser sollen an den Wahrheitsgehalt der Erzählung glauben. Doch eine gewisse Spannung beim Erzählen und Rezipieren der Wunderberichte entstand trotzdem dadurch, dass sowohl die Verfasser als auch die Rezipienten von Zweiflern und Kritikern wussten, die ihre auf dem Wunderglauben basierende Kommunikationsweise von aussen stören konnten. Diese Spannung kommt in den Prologen der Mirakelbücher zum Ausdruck. Es lohnt sich, die Argumentationsweisen der Prologe vom Mirakelbuch der Jungfrau von Montserrat 1 mit demjenigen des Burgaleser Werkes zu vergleichen, um die besondere Bedeutung des Wahrheitsanspruches besser zu verstehen. Es handelt sich dabei um ein Buch aus dem Anfang und um eines aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Exemplarisch kann damit gezeigt werden, wie verschieden sich der Anspruch auf Wahrheit mit ähnlichen Topoi äussern kann. Seit der Spätantike sind Gemeinplätze über den Wahrheitsanspruch in den Prologen der hagiographischenWerke und Wundersammlungen überliefert. 2 Im Vorwort zum Mirakelbuch der Jungfrau von Montserrat 3 erklärt sein Verfasser Pedro de Burgos, dass Gott gewisse Orte auswählt, an denen sein Kult und die Marienverehrung auf eine spezielle Art und Weise gepflegt I Dieses Buch wurde auch in Burgos verkauft, wie das In ventar der Druckerei und Buchhandlung von Juan de Junta aus dem Ja hr 1557 zeigt. Pettas, Ju an d e Junta, S. 132. 2 Zu di esen Topoi vgl. Strunk, Kunst und Glaube, passim. 3 Burgos, Mont ser rat , Proemio. Nicht nummerierte Seiten. <?page no="106"?> 96 Rezeption werden. Er will damit die Wichtigkeit des Wallfahrtortes von Montserrat in Vergleich zu anderen WalHahnszentren hervorheben: Und obwohl sie [die Jungfrau] überall bereit ist, denjenigen, die sie anrufen, zu helfen und sie zu begünstigen, und sie deshalb von allen Christen überall verehrt und gepriesen werden soll, sehen wir, dass Gott einige Orte gewählt hat, wo sein Kult und derjenige seiner glückseligen Mutter auf besondere Art gepflegt wird, nicht weil wir sagen, dass diese Orte etwas haben, um gewählt zu werden, sondern weil dies Gottes Wille gewesen ist, [...] und obwohl es sehr wunderbare Orte gibt, die insbesonders dem Kult und der Verehrung der heiligen Mutter Gottes gewidmet sind und an denen Gott dank ihr grosse Wunder bewirkt, lassen wir jetzt alle anderen Orte trotz ihrer Wunderkraft beiseite und beschäftigen uns nur mit dem wunderbaren Berg von Montserrat, denn wir sehen, das sein Ruhm so gross ist, dass viele mehr über seine Besonderheiten erfahren wollen, sowohl diejenigen, die ihn schon gesehen haben, wie diejenigen, die niemals dort gewesen sind. 4 Pedro de Burgos ist ferner der Meinung, dass die Leser gegenüber den Mirakelerzählungen spezifische Erwartungen haben. Sie stellen vor allem eine Forderung an die klerikalen Erzähler: die Wahrheitstreue. Und er zeigt sich davon überzeugt, diese Wünsche der Rezipienten erfüllen zu können. Er betont, dass nicht alle zirkulierenden Wundererzählungen über die Jungfrau von Montserrat glaubwürdig seien. Er will der unkontrollierten mündlichen Verbreitung der Wundergeschichten orthodoxe und fixierte Texte entgegensetzen und hofft darauf, seine Versionen durchzusetzen und diejenigen der Nacherzähler und Nacherzählerinnen zu beeinflussen: Und um sowohl die einen [diejenigen, die am Wallfahrtsort gewesen sind] wie die anderen [diejenigen, die noch nicht dort waren] zu befriedigen, werden wir die Sachen [von Montserrats Berg] so erzählen, dass diejenigen, die ihn gesehen haben, sich freuen, sich diese ins Gedächtnis zu rufen, und diejenigen, die niemals dort waren, diese auf wahrhaftigere Art und Weise erfahren, als wenn sie diese von anderen erfahren würden. 5 Der Verfasser präzisiert, dass sein Buch eine grosse Autorität besitzt, weil alle Wunder aus alten Büchern stammen und gut beglaubigt sind. Die darin enthaltenen Wundergeschichten seien deshalb völlig druck- und glaubwürdig. Die Existenz von Zweiflern und Skeptikern lässt sich nach Pedro de Burgos mit den Wundererzählungen über den Wallfahrtsort erklären, die von Lügnern absichtlich verbreitet werden: Es hat uns auch [zum Schreiben] motiviert, viele einfache Leute zu sehen, denen manche Betrüger viele Lügen über jenes Haus und den Berg mitteilen, und wenn diese sehen, dass sie nicht stimmen, beginnen sie an den darüber erzählten Wahrheiten zu zweifeln. Diese Betrüger üben eindeutig den Beruf des Teufels aus, der als Vater der Lüge immer versucht, Lügen mit Wahrheiten zu vermischen, damit diejenigen, die eine Lüge erfahren, glauben; dass 4 Anhang 31. 5 Burgos, Montserrat, Proemio. Nicht nummerierte Seiten. Anhang 31 . <?page no="107"?> Glauben, Lesen und Wallfahren 97 alles falsch ist, und so nicht mehr an die Wahrheit glauben. So erzählen manche einige falsche Wunder, damit die Zuhörer gar kein Wunder mehr glauben, wenn sie herausfinden, dass jene nicht wahr sind. Deshalb versuchen wir, hier alles Authentische zu schreiben [... ].6 Die Lügner üben seiner Meinung nach den "Beruf des Teufels" aus, weil sie Lügen und Wahrheiten in ihren Wundererzählungen vermischen. Was nicht ganz wahr ist, muss sich also als falsch erweisen. Diese falschen Wunder sind sehr gefährlich, weil sie denselben Wahrheitsanspruch erheben wie die wahren Wunder. Pedro de Burgas geht jedoch davon aus, dass die Zuhörer herausfinden können, dass sie betrogen worden sind. Er neigt dazu, gedruckte Wundererzählungen mit glaubwürdigen Wundern gleichzusetzen, und spricht von den Betrügern als mündlichen Erzählern, aber nicht als Verfasser von Mirakelbüchern. Um den wahren Charakter seines Mirakelbuches zu bekräftigen, argumentiert er ferner mit seinem Stil. Es soll vor allem klar werden, dass er keine literarischen Ambitionen hat. Er hält sich bei der Beschreibung seines eigenen Stilideals an das seit der Spätantike in hagiographischenWerken oft wiederholte Bekenntnis zum "sermo humilis". Die Hagiographen zeigen sich in den Prologen häufig davon überzeugt, dass man die Christen nicht mehr mit rhetorischer Kunst ansprechen kann und dass sie nur durch den Verzicht auf solche Überredungsmittel zu überzeugen sind. Eine gemässigte Verwendung der antik-heidnischen Stilmittel, wie sie etwa Hieronymus und Augustinus vertreten/ wird von zahlreichen mittelalterlichen Hagiographen abgelehnt. Die schöne Form zählt für sie viel weniger als der wahre Inhalt: die ästhetische Wertung tritt gegenüber de~ moralischen Forderungen zurück. Die Heilige Schrift gelte als Vorbild für den Stil, nicht der Wortkult der Rhetoren. 8 Pedro de Burgos übernimmt wie viele andere Autoren im Zeitalter des Buchdruckes diese überlieferten Topoi und aktualisiert sie: Dabei werden wir uns nicht um einen gehobenen Stil bemühen, sondern um die schlichte Wahrheit, welche die Herzen der frommen Christen mehr bewegen soll, als alle Schönheiten und Blumen der Sprache, deren sich die Redner zu bedienen pflegen. 9 Sein Vorwort beendet Pedro de Burgas mit einer Bitte an die Jungfrau um Inspiration und Beistand. Zur Betonung der Wahrhaftigkeit der Wunder dient ebenfalls die Anrufung an Maria. Der Wahrheitsanspruch der Erzählungen wird eng mit der übernatürlichen Hilfe verknüpft, welche in einem Gegensatz zu der oben erwähnten Ausübung vom "Beruf des Teufels" durch die Lügner stehen, die falsche Wunder erzählen. Nach der Meinung 6 Anhang 31. 7 Mandrou, Augustin, S. 331-540. 8 Strunk, Kunst und G laube, S. 16-17, 47-53; Auerba ch, Mimesis, S. 67-77. 9 Anhang 31. <?page no="108"?> 98 Rezeption der Hagiographen und Mirakelbuchautoren lag der Darstellung der Offenbarung Gottes, die sie in ihren Werken anstrebten, eine grundsätzliche Schwierigkeit zugrunde: Mit den unzulänglichen menschlichen Sprachmitteln konnte man solchen vollkommenen Themen nicht gerecht werden. 10 Um diese Schwierigkeit zu überwinden, mussten sie Gott um Inspiration und Beistand bitten. Pedro de Burgos richtet sich in seiner Bitte an die Jungfrau: Ich bitte unsere Jungfrau darum, dass sie dieses Werk so ausrichtet und führt, dass es der Glorie und dem Ruhm Gottes und ihrer selbst diene sowie den Seelen derjenigen, die sie lesen und hören werden. 11 Das Vorwort des Burgaleser Mirakelbuches ist anders strukturiert. Es wendet sich an die weltliche Autorität des Prinzen, den zukünftigen König Philipp II. In dessen Namen antwortet der hohe Beamte Juan Vazquez im ansebliessenden einleitenden Text über die Erteilung der Lizenz. Die Leser erfahren dadurch den Inhalt von Briefen, die nicht an sie gerichtet sind. Sie sind die Adressaten des Werkes, die zu Beginn dieses Briefwechsels nicht direkt angesprochen werden. Im ersten Teil dieses schriftlichen Dialogs, dem Vorwort, erklären die Verfasser unter anderem, welche Rolle die Leserschaft spielen soll. Der Prinz wird ihnen als vorbildlicher Leser und Pilger präsentiert, und so erfahren sie, welche Leseeinstellung sie gegenüber den Mirakeln haben sollten, und dass auch sie als Pilger im Kloster erwartet werden. Manchmal ist sogar direkt die Rede von der Leserschaft, den Lesern aus dem Volk, von ihren Erwartungen und ihrem idealen Leseverhalten. Nach der Meinung der Autoren soll der Leser des Mirakelbuches bereit sein, die Wunder "ehrlich und christlich" zu lesen. Sein Leseakt erhält aber eine zusätzliche politische Dimension. Er soll sich wie die Augustinermönche verpflichten, für den Prinzen zu beten. Am Schluss des Vorworts vermischen sich religiöse und politische Anliegen auf eine Art, die für einen cäsaropapistischen Staat typisch ist. Die an dieser Stelle des Prologs üblichen besten Wünsche für die Gesundheit des Prinzen verbinden sich aufs engste mit der Sinngebung und Deutung der Lektüre des Mirakelbuches: Was (wie oben gesagt) dank der Hilfe Gottes ein grosser Gewinn für diese Leser sein wird, und so werden all diejenigen, die es lesen, eine neue Verpflichtung haben, Gott unseren Herren um das lange Leben und die Gesundheit Eurer H oheit zu bitten. Denn dieses Werk wurde für [Gottes] Verehrung und Dienst veröffentlicht, und wir hören nicht auf, diesen Beruf auszuüben, indem wir unseren Herrn immer darum bitten, er möge Eurer Hoheit grosse Erfolge in allen Sachen gewähren, für das grössere Wohl Eurer Seele und die Vergrösserung Eurer Reiche. Amen. 12 10 Strunk, a. a. 0 ., S. 50, 74, 82-111. 11 Anhang 31. 12 Hystoria, f. IVr. Anhang 32. <?page no="109"?> Glauben, Lesen und Wallfahren 99 Das Buch wird dem Prinzen Philipp gewidmet, weil seine Frömmigkeit und sein Interesse für alles, was die Verehrung Gottes betrifft, allgemein bekannt sind. Es wird vorausgesetzt, dass er an die Wunder glaubt. Zudem wünschen sich die Verfasser, wie oben erwähnt, dass ihr Werk "eine grosse Frömmigkeit und einen neuen Glaubenseifer bei allen Christen, die es lesen, wecken wird". Die Autoren wissen von der grossen Frömmigkeit des Prinzen, doch können sie eine so musterhafte Haltung nicht bei allen übrigen Lesern als gegeben annehmen. Für die Masse der Leserschaft erhoffen sie die Stärkung des Glaubens durch die Lektüre des Mirakelbuches. Die Bedeutung der berichteten Wunder für die Gegenwart gebe genügend Grund, Hoffnungen zu wecken. Dabei sollen die Leser genauso andächtig an die Wahrheit der Mirakel glauben wie der Prinz: denn sie [die Leser] werden die Wunder und die grossen erstaunlichen Sachen sozusagen erneuert sehen, welche die Majestät Christi, unseres Erlösers, in der Zeit bewirkte, in der er in diesem sterblichen Leben war, wodurch er der Welt seine Göttlichkeit zeigte. 13 Das Wort "sozusagen" ("casi") ist von entscheidender Bedeutung für ein nuanciertes Verständnis der von den Rezipienten erwartete Glaubensbereitschaft. Die Burgaleser Mirakel werden dadurch mit den Wundern des N euen Testaments, den wahrsten Wundern überhaupt, eng verknüpft, aber nicht gleichgesetzt. Die Wunder des Kruzifixes sind "sozusagen" eine Erneuerung der neutestamentarischen Wunder. Das typologische Denken der Verfasser erlaubt ihnen, eine Verbindung zwischen den Wundern Christi und den zeitgenössischen Wundern aus Burgos herzustellen, ein Verfahren, das der typologischen oder präfiguralen Inbezugsetzung von Textstellen des Alten und Neuen Testaments ähnelt. Aber die biblischen Wunder Christi stellen einen Archetypus dar, den die gegenwärtigen Geschehnisse in Burgos und Umgebung nur annährend wiederholen. Es handelt sich also hier um eine mit der Typologie verwandte Denkform, die sich jedoch von dieser insofern unterscheidet, als "die Wiederholung nie ganz an den Archetypus heranreicht". 14 DieseUnterscheidung entspricht einer Trennung von zwei Statusbereichen in Bezug auf die Wahrhaftigkeit der Erzählungen: "wirklich wie die Bibel" und "wirklich wie ein zeitgenössisches Wunder". Die zeitgenössischen Wunder konnten nicht denselben absoluten Anspruch auf geschichtliche Wahrheit erheben wie die biblischen, sondern nur einen eingeschränkten. Wer von der Heiligen Schrift im Spanien des 16. Jahrhunderts erzählte, hatte es nicht nötig, mit derartigen Beteuerungen von Autorität und Beglaubigung auf die Wahrheit seiner Erzählung zu pochen wie die Autoren des Mirakelbuches. Wenn es um die Bibel ging, musste 13 Hystoria, f. IIIr. Anhang 32. 14 Michel, Typologie, S. 57. <?page no="110"?> 100 Rezeption man nicht auf diese beharrliche Art um die Glaubensbereitschaft des Publikums werben, da die Ungläubigen der H äresie bezichtigt werden konnten. Die Hagiographen und die Mirakelbuchautoren mussten hingegen Beweise für die Historizität ihrer Erzählungen erbringen. Ihre Glaubwürdigkeit hing zum Teil von den Autoritäten ab, denen sie zugeschrieben wurden. Wie die Erzählungen aus den Apokryphen und wie überhaupt ein grosser Teil des mittelalterlichen Erzählgutes wurden die Mirakel als dokumentierte Geschichte präsentiert und in einem "sozusagen" historischen Erzählmodus verfasst. Ihre Einordnung in den Rahmen der Heilsgeschichte und die damit einhergehende Eingliederung in die biblische Erzählwelt tragen dazu bei, ihren Wahrheitsgehalt und ihre Historizität zu unterstreichen. Dennoch war eine gewisse Skepsis an den Wundern wie auch an den Apokryphen und Hagiographie nicht völlig untersagt. 15 Zweifel an einzelnen Wundererzählungen wurden durchaus akzeptiert. Die Präferenzen der Pilger für den einen oder den anderen Wallfahrtsort gründeten schliesslich auf ihrem Glauben an die Wunderkraft der jeweiligen Heiligen und Reliquien. Nur die verallgemeinernde Negierung der Möglichkeit zeitgenössischer Wunder bedeutete eine Annäherung an den Protestantismus oder an die radikale Kritik einiger katholischer Humanisten wie zum Beispiel Erasmus. Um die Mitte des Jahrhunderts war die katholische Kirche in Spanien sehr intolerant gegenüber solchen Auffassungen geworden. Zu beachten ist zudem, dass die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge bei hagiographischen Erzählungen und in Mirakelbüchern nicht an den von uns erwarteten Orten verlaufen. Sie waren durchlässig und wurden nach Massstäben interpretiert, die weniger mit Historizität im heutigen Sinne als mit der moralischen Botschaft der Erzählungen zu tun hatten. Die dahinterliegende Geschiehtsauffassung ist exemplarisch. Auch wenn diese Geschichten nicht denselben Wahrheitsstatus wie die Bibel besassen, wurden sie weiter erzählt und schriftlich tradiert, weil sie einen erbaulichen Charakter hatten. Viele Erzählungen aus den Apokryphen, d er Hagiographie und den Wundersammlungen konnten in den Augen der Rezipientengenauso gut wahr oder falsch sein. 16 Wichtig war jedoch, dass sie moralisch ungefährlich waren und dass sie meistens sogar gute Vorbilder für die Gläubigen lieferten. Ausschlaggebend war der Umstand, dass ihre Verfasser sie immer als wahre Geschichten erzählten. Das Selbstverständnis der Autoren des Burgaleser Mirakelbuches als religiöse Erzähler erlaubt ihnen deshalb nicht zuzugeben, dass sie bei dem Umsetzungsprozess der handschriftlichen Quellen ins gedruckte Buch 15 Nelson, Fact, S. 19-29. Zu der Frage nach der Wahrhaftigkeit der Prodigienliteratur in Frankreich im 16. Jahrhundert vgl. Schenda, Prodigienliteratur, S. 89-107. 16 Nelson, Fact, S. 30- 35 ; Dietz- Rüdiger, Verit as und fictio, S. 181-200. <?page no="111"?> Glauben, Lesen und Wallfahren 101 etwas dazu erfunden hätten, obwohl sie vieles bewusst veränderten. 17 Ihre Argumentation unterscheidet sich jedoch von derjenigen von Pedro de Burgas in seinem Vorwort zu der Wundersammlung der Jungfrau von Montserrat, weil sie andere Wunderfeinde bekämpfen als er. Pedro de Burgas warnt die Leser vor den teuflischen Lügnern, welche falsche Wunder erzählen, in denen das Wahre und das Erfundene vermischt werden. Ihn kümmert vor allem die mündliche Vermittlung falscher Mirakelfassungen. Die Burgaleser Autoren halten die Werke der heidnischen Antike für gefährlich aufgrundihres Stils und der Leseeinstellung, die sie vom Rezipienten verlangen. Die Augustinermönche scheinen sich somit bewusst zu sein, dass jene profanen Werke von den zeitgenössischen Lesern rezipiert und von manchen spanischen Humanisten sogar eifrig übersetzt 18 und nachgeahmt wurden. Es sind also die äusseren Feinde, und insbesondere die Autoren einer fiktionalen, unterhaltsamen und profanen Erzählwelt, die sie beunruhigen, nicht die inneren Feinde, die Erzähler falscher Wunder. Gegenüber den profanen Schriftstellern zeigen die Augustinermönche deshalb ein seit der Spätantike für zahlreiche christliche Autoren typisches ÜberlegenheitsgefühL Sie betonen bezüglich der Wunder im zweiten Teil des Werkes, dass ihr Stil sich am biblischen Vorbild orientiert und dass die Wahrhaftigkeit derselben viel wichtiger ist als jede ästhetische Erwägung: Es wurde in diesem Traktat sehr darauf geachtet, diese Wunder in aller Kürze zusammenzutragen, damit sie Eure Hoheit ohne Weitschweifigkeit und mit weniger Mühe lesen kann, und wir berichten sie mit sehrtreuerund einfacher Erzählweise. In diesem Teil [des Werkes] nehmen wir uns die heiligen Evangelien zum Vorbild, die zwar sehr viele grassartige Taten und Wunder der Welt mitteilen, aber über diese so schreiben, wie wenn sie alltägliche und gewöhnliche Sachen erzählen würden. Sie heben diese weder mit eitlen Worten noch mit subtiler Beredsamkeit hervor, wie dies bei den profanen Schriftstellern der Fall war, welche die Niederträchtigkeit und den geringen Wahrheitsgehalt der von ihnen behandelten Sachverhalte durch die Schönheit der Wörter wiedergutmachen wollten, denn die grassartigen Sachen heben sich selbst hervor und brauchen keine weitschweifigen Übertreibungen. Und so versuchen wir vor allem in dieser Erzählung das alles mit festen Zeugnissen und glaubwürdigen Beweisen zu bestätigen und zu bekräftigen, was über die von uns berichteten Wundern erzählt wird, wie diejenigen es von da an verstehen werden, welche sie mit ehrlicher und christlicher Absicht lesen werden. 19 Die Verfasser des Mirakelbuches stellen den Leser vor ein binäres Klassifizierungssystem von Lesestoffen. Die zwei existierenden Kategorien sind: die wahren und die falschen. Die Fiktion wird nicht als eine dritte, unter- 17 Wenn wir über die Fiktionalisierung oder Literarisierung der Wundererzählungen bei diesen Umsetzungsprozessen reden, verwenden wir Begriffe, welche die Autoren des Mirakelbuches für die Beschreibung der Abfassung ihrer Werke nicht akzeptierten. 18 Beardsley, Classics, S. 2-9. 19 Hystoria, f. III v-! Vr. Anhang 32. <?page no="112"?> 102 Rezeption scheidbare und legitimierte Kategorie definiert, die weder einen Wahrheits anspruch erhebt noch eine nur für den Autor bewusste Lüge erzählt. Dass die Eigenart fiktionaler Texte gerade darin besteht, erfunden zu sein, worum sowohl der Leser wie der Autor wissen, wird nicht erläutert. 20 Dadurch wird jede profane Fiktion zur Lüge und sinnloser Unterhaltung degradiert, während die Andachtsliteratur im allgemeinen und die Wundererzählungen im besonderen solchen Lesestoffen gegenüber überlegen wirken. Die Autoren haben Angst vor einer Leseeinstellung, welche die Wunder in Frage stellen könnte. Sie wissen, wie zerbrechlich die Konventionen des Wunderglaubens in ihrer Gesellschaft geworden sind. Die Möglichkeit, einen Text fiktional zu lesen, wollen sie deshalb vor ihren Lesern nicht in Betracht ziehen. Der seit Platon gegen die Dichter erhobene Vorwurf der Lüge verbindet sich bereits in der frühmittelalterlichen Hagiographie mit der Forderung nach einer religiösen Zielsetzung der Lektüre. 21 Auch nach der Ansicht der Augustinermönche verlangen die christlichen Leser keineswegs "eitle ", "schöne" Worte, "subtile Beredsamkeit" oder "weitschweifende Übertreibungen". Die Logik dieser Poetik ist eindeutig moralisierend. Wenn die Leser bereit sind, die Wunder als wahre Erzählungen zu betrachten, können sie leichter zur Nachahmung ermutigt werden. Der fromme und wundergläubige Rezipient wünscht sich nicht, die Kunst des Verfassers mit ästhetischem Genuss zu betrachten, sondern Geschichten mit vorbildlichen Verhaltensmustern und Handlungsanweisungen in Notsituationen und Krankheiten zu erfahren. Nur diese Leseerwartung wird von den Autoren des Mirakelbuches verlangt und propagiert. Die Einstellung der Leser soll nach der Meinung der Verfasser auch Folgen auf ihre Auffassung von profanen fiktionalen Lesestoffen haben. So wie sich die religiösen Autoren von den profanen Schriftstellern abgrenzen, so sollen sich die Leser auch gegenüber den Lesern unterhaltsamer fiktionaler Werke distanzieren, weil diese nur Lügen lesen und ihre Lektüre keinem transzendenten Zweck dient. Die christlichen Leser dürfen sich nicht durch derartige Lesestoffe von Gott entfernen. Das christliche Lesevolk braucht die Konventionen der fiktionalen Literatur nicht zu kennen. Die Fähigkeit, Texte fiktional zu lesen, darf sich nicht verbreiten. Ein Volk ohne Zugang zur Fiktion bleibt das Ideal der Augustinermönche, und mit dieser Ansicht stehen sie nicht allein. Die Konzeption der Fiktion als Lügewurde im Spanien des 16.Jahrhunderts von zahlreichen neoplatonischen Literaturkritikern und -theoretikern vertreten. Viele von ihnen waren Kleriker, doch nicht alle. In dieser Beziehung bildete der Klerus keinen Sonderfall. Bedeutende Humanisten 20 Zur Abgrenzung der Kategorie der Fiktion in der Renaissance vgl. Nelson, Fact, S. 38-53. 21 Strunk, Kunst und Glaube, S. 16-17. <?page no="113"?> Glauben, Lesen und Wallfahren 103 wie Luis Vives (1492-1539) gehörten zu den vehementesten Gegnern der Fiktion und verwendeten ähnliche Argumente wie die neoplatonischen Kleriker. Auch Luis Vives nimmt sich der Frage der Wahrhaftigkeit der Erzählungen in seinen theoretischen Schriften an, um der Wahrheit den Vorrang zu geben und scharfe Kritik gegen die Unterhaltungsliteratur zu üben, die er insbesonders für Frauen mit ihrer vermeintlichen Schwäche sehr schädlich findet. So verurteilt er Ritter- und Liebesromane, Facetien und die milesischen Fabeln wie etwa diejenigen von Apuleius. 22 Im Zusammenhang mit der Kritik gegen die profane Fiktions- und Unterhaltungsliteratur ist die Frage, welche philosophischen Lehren dieser Kritik zugrundelagen, von grosser Relevanz. Aus diesem Grund sollen im Folgenden die wichtigsten Ideen der zwei Gruppen in dieser Kontroverse erläutert werden. B. W. He hat die wichtigsten Argumente der spanischen Neoplatoniker des 16. Jahrhunderts zusammengetragen und sie denjenigen der damaligen neoaristotelischen Verteidiger der Fiktion gegenübergestellt.23 Die Diskussion um verderbliche Lesestoffe wurde damals sehr brisant, weil der Buchdruck die Verbreitung sowohl profaner als auch religiöser Lesestoffe in einem bisher unbekannten Mass ermöglichte. Die Vorstellungen der Gegner der Fiktion über die Folgen des leisen Lesens im privaten Rahmen trugen ausserdem dazu bei, grosse Gefahren in der Lesetätigkeit zu sehen und Ängste vor seinen Folgen zu verbreiten. Die Neoplatoniker warnen den Leser vor schlechten, unmoralischen und sündhaften Vorbildern in fiktionalen Werken. Die beim Lesen solcher Lesestoffe hervorgerufenen Gefühle seien gefährlich, weil der Leser diese besonders intensiv miterlebe. Durch eine derartige Schwächung der Vernunft können die Leser von einer emotionaler Züggellosigkeit ergriffen werden. Die neoplatonischen Literaturkritiker sind davon überzeugt, dass die Fiktion an und für sich schlecht und moralisch verwerflich ist, weil sie prinzipiell bestreiten, dass profane Kunst im Sinne von dargestellter Wirklichkeit etwas anderes sein kann als eine unnütze Lüge. Ausserdem denken sie, dass fiktionale Lesestoffe autoritätsgefährdend wirken. Das Buch als Medium verliere an Glaubwürdigkeit, wenn die Schriftsteller Geschichten erfinden, und diese für druckwürdig halten, ohne ihren erdichteten Charakter zu verheimlichen. 22 Luis Vives äussert sich dazu in verschiedenen Werken: Institutio feminae christianae (1523), Obr as completas, Bd. 1, S. 1001 - 1006; De ratione dicendi (1532), S. 753-754, 780- 797. Zu den Wundern Christi im Unterschied zu den teuflischen Wundern vgl. De veritate fidei christianae (1543), Bd. 2, S. 1477-1481. Zu Vives' Vorschriften für Schriftsteller im Umgang mit der Wahrheit vgl. Nelson, Fact, S. 43-48. Zum Einfluss der Vives'schen Meinungen auf spätere Moralisten vgl. Schenda, Volk ohne Buch, S. 93-107. Zur Kritik am Ritter- und Schäferroman vgl. Krauss, Kritik, S. 152-176; Bataillon, Erasmo, S. 615-622; Glaser, Nuevos datos, S. 393-410. Zu einer geschlechtsspezifischen Analyse vgl. Rhodes, Skirting the men, S. 131-149. 23 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Ife, Reading, S. 1-64. <?page no="114"?> 104 Rezeption Wenn man die Fiktion akzeptiere und legitimiere, bestehe die Gefahr, dass die Wahrheit in vielen Lebensbereichen nicht mehr als höchster Wert angestrebt werde. Andere Werte wie Unterhaltung können ihrer Ansicht nach an ihre Stelle treten. Die Legitimierung der Fiktion gewähre ausserdem den Autoren eine zu grosse Freiheit, um Meinungen zu äussern oder Behauptungen zu machen, die sie weder rechtfertigen noch begründen müssen. Ein weiteres Argument der Neoplatoniker bildet die Angst davor, dass der Leser Realität und Fiktion nicht auseinanderhalten kann, dass die Grenzen zwischen den beiden Bereichen verwischt werden. Für viele Leser sei die Fiktion nicht erkennbar. Lange vor der Erscheinung von Don Quijote am Anfang des 17. Jahrhunderts behandeln die neoplatonischen Literaturtheoretiker Fälle von Lesern, die alles glauben, was sie in Büchern finden. B. W. Ife gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass der zunehmende Gebrauch der vulgärsprachlichen Prosa in fiktionalen Werken die alte Ordnung der Erzählkonventionen im 16. Jahrhundert durchbrach und möglicherweise zu Irritationen bei den Lesern führte. Die sprachlichen Muster der Gedichtform bildeten eine Schutzbarriere zwischen Erzähler und Publikum und erinnerten den Rezipienten an die Besonderheit der erzählten Realität, die eine andere war als diejenige seiner alltäglichen Erfahrungswelt. Die Verwendung der Prosa bei der Erzählung der erdichteten Geschichten brachte hingegen diese dem Rezipienten näher und konnte ihn verwirren, zumal die Prosa für viele mit der Autorität der Geschichte asso ziiert wurde. Hinzu kam, dass das leise Lesen, welches sich im 16. J ahrhundert dank der grösseren Verbreitung gedruckter Lesestoffe immer mehr durchsetzte, von den Neoplatonikern für schädlich gehalten wurde. Sie glaubten, dass diese Aneignungsform des Geschriebenen in den Köpfen der Leser zu lebendige Vorstellungen und überschäumende Fantasien verursachte. Mit ihrer Verteidigung der Fiktion trugen die Neoaristoteliker zum Teil dazu bei, die Vorurteile der Gegner zu untermauern. Sie verlangen von den fiktionalen Erzählungen Glaubwürdigkeit und Plausibilität. Diese sollten sich nach gewissen Regeln richten, wie etwa Unwahrscheinliches und in der Realität Unmögliches völlig auszuschliessen. Während der Lektüre soll der Leser an die Erzähluhg glauben können. Dieser Glaube sei ästhetischer Natur . Doch seine Definition und Eingrenzung bereiten den Theoretikern grosse Schwierigkeiten. Die Neoaristoteliker behaupten, dass der im Alltag verwendete rationale Glaube einen wesentlichen Bestandteil des ästhetischen Glaubens des Lesers bildet, aber es gelingt ihnen nicht, zu erklären, wo die Grenzen zwischen den beiden verlaufen. Unklar bleibt auch, wie der Leser dazu bewegt werden kann, an die fiktionale Erzählung zu glauben, oder anders formuliert, wie der Autor den Leser fesseln kann . Die Überzeugungsstrategien der Schriftsteller stehen im Mittelpunkt ihrer theoretischen Überlegungen. <?page no="115"?> Glauben, Lesen und Wallfahren 105 Aus der Sicht der Neoplatoniker liefern die Bemühungen der Verfasser fiktionaler und unterhaltsamer Werke um die Überredung der Leser zusätzliche Beweise für die Irrationalität einer solchen Lesetätigkeit. Die Selbstvergessenheit des Lesers während des Leseaktes wird von ihnen in Verbindung mit dem Wahnsinn gebracht. Die Leser können der Verzauberung der Erzählung nicht widerstehen und verlieren dabei zeitweilig die Kontrolle über ihre Vernunft. Die Poetik der Wundererzählungen ist weit von den Forderungen der neoaristotelischen Literaturtheoretiker entfernt. Das Vorbild für ihren Stil und ihren Erzählmodus ist, wie die Autoren selber sagen, die Bibel. Sie betonen die Bedeutung der Glaubensbereitschaft der Leser für das richtige Verständnis der Wunder, sind aber nicht darauf bedacht, ihre Erzählungen glaubwürdig im ästhetischen Sinne zu gestalten. 24 Erweiterte Beschreibungen der Umstände und gleichmässige Beleuchtung der Geschehnisse scheinen ihnen überflüssig, weil sich vieles in den Erzählungen durch Gottes Willen allein erklärt und einiges im Dunkeln bleiben darf. Eine zu lange Beschreibung einer Person oder eines Objekts wäre eine Ablenkung, welche die Konzentration des Lesers auf die im Wunder geschilderte Krise und ihre Lösung verhindern würde. Die moralische Bedeutung der Wunder hängt nicht von der Fähigkeit der Mirakelbuchautoren ab, die Leser dank formellen Leistungen in diese Erzählwelt hineinzuzaubern. 25 Für den wundergläubigen Leser muss diese Welt und seine Gesetze mit seiner eigenen Welt und ihren Gesetzen übereinstimmen. Die Mirakel sollen deshalb den Rezipienten direkt und ohne komplizierte formale Erzähltechniken ansprechen. Wie sehr die Verfasser des Mirakelbuches an die starke Wirkung dieses einfachen Stils glauben, wird klar, wenn man an ihre Warnungen im Titel einzelner Wundererzählungen denkt, die "schreckliche" Geschehnisse enthalten. So wird zum Beispiel nach dem eigentlichen Titel der Erzählung über die von den Mauren gefangene Familie von den Verfassern vermerkt: "Es ist ein sehr schreckliches Wunder." Die neoaristotelischen ästhetischen Prinzipien kümmern die Augustinermönche nicht. Erst in den 1570er Jahren beschäftigt sich ein katholischer Schriftsteller der Gegenreformation, der italienische Dichter und Literaturtheoretiker Torquato Tasso (1544-1595), in seinen theoretischen Schriften und in seinen literarischen Werken mit der Frage der Verträglichkeit des Wunders mit den neoaristotelischen Forderungen. Sein Interesse gilt jedoch nicht den Wunderzählungen der populären Mirakelbücher, sondern dem stilistisch "Wunderbaren" in der epischen Dichtung, das heisst, dem "Stau- 24 Zur Unterscheidung des Erzählmodus der Bibel und der antiken profanen Dichtung vgl. Auerbach, Mimesis, S. 5-27, 65-77. Zur positiven Bewertung der Neoplatoniker von der Wiederholung im Gegensatz zu der Originalität vgl. Haidu, Repetition, S. 875-887. 25 Zu einer anderen Haltung bei einem Hagiographen am Anfang des 17. Jahrhunderts vgl. das Kapitel üb er Luis d e Ia Vegas Hagiographie vom Heiligen Domingo de Ia Calzada. <?page no="116"?> 106 Rezeption nenmachenden" und "Bewundernswerten" in der Literatur. Tasso bemüht sich darum, das Wunderbare mit den neoaristotelischen Prinzipien des "verosimile" und des "credibile" im Rahmen der gegenreformatorischen Rechtgläubigkeit zu vereinbaren, indem er das "maraviglioso credibile" mit dem "maraviglioso cristiano" identifiziert. Seiner Ansicht nach dürfen Leser nur durch christliche Wunder mit stilistischen Mitteln erschüttert und verblüfft werden. Neu in seiner literarischen Theorie ist die Behauptung, dass die Reaktion des Rezipienten für das ästhetische Phänomen des Staunens entscheidender ist als die literarischen Mittel des Autors. 26 Diese Konzeption der Leserrolle beeinflusste die spanischen Literaturkritiker und führte bei ihnen zu weiteren Überlegungen über das Wunderbare und die Möglichkeit, den Leser zu verwundern. In ihren Schriften wird das Lesen literarischer Fiktion deshalb nicht selten mit "maravillar", "embelesar" oder" encantar" bezeichnet. Sie beziehen sich auch auf die staunenmachende Stilfunktion und nicht auf die Wunder als Erzählstoff, die ohne die geringste Kunstfertigkeit den Leser beeindruckenY Im Vorwort des Burgaleser Mirakelbuches wird der Prinz nicht nur als Leser angesprochen, sondern auch als zukünftiger Pilger. Wie seine königlichen Vorgänger wird er im Kloster erwartet. Die Verfasser erinnern ihn an die zahlreichen Besuche früherer Könige im Kloster, an ihre Verehrung für das Burgaleser Kruzifix und an ihre grasszügigen Schenkungen. Indirekt suggerieren sie den Lesern, dass sie auch zum Kloster wallfahren und ihren Ressourcen e ntspr echende Opf ergaben bringen sollten : Ein weiterer Grund dafür, Euch unser Werklein zu widmen, war die besondere und grosse Verehrung, welche alle vergangenen Könige und Prinzen, Eure Vorfahren, diesem Kruzifix entgegenbrachten, wie die Inbrunst zeigt, mit der sie es häufig besuchten und zu ihm gingen, indem sie sich seinem Schutz mit grossemGlauben und mit grosser Frömmigkeit empfahlen und ihm immer zahlreiche Opfergaben brachten und das Kloster mit Privilegien und vielen anderen ihrer Gros szügigkeit und Verehrung entsprechenden Almos en begünstigten. 28 Der Prinz und die Leser sollen nicht nur lesen, sondern auch wallfahren. Ihr Interesse für die Wunder soll sie nicht in erster Linie dazu verleiten, weitere Mirakelbücher zu lesen, 29 sondern ihre Bereitschaft steigern, das Kruzifix zu besuchen und vor ihm zu beten. Der Wunderglaube ist nicht ästhetischer, sondern religiöser Natur, und umfasst deshalb alle Lebensbereiche. Das intellektuelle Vorgeh en b e im Lesen des Mirakelbuches war weniger abstrakt als beim Lesen fiktionaler Werke. Der Rezipient brauchte kein 26 Leo, Tasse, S. 101-118. 27 For cione, Cervantes, S. 11-48, 91-130; Ife, Reading, S. 57-5 8. 2 8 H ystoria, f. Illr. Anhan g 32. 29 Zu d en Vo rstellung en üb er die immer wieder a uf sich selbst ve r we ise nd e L ese welt d er Gelehrten in der Ren aissance vgl. Charti er, Litteratures popul a ir es, S. 145-162. <?page no="117"?> Glauben, Lesen und Wallfahren 107 Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass er das Gelesene nur in Gedanken erleben konnte und dass dieses indirekte Erlebnis und diese indirekte Erfahrung mit dem Leseakt so eng verbunden waren, dass keine unmittelbare Projizierung auf das eigene Leben möglich war. Der Leser eines fiktionalen und unterhaltsamen Werkes musste sich dessen bewusst sein, dass die von ihm erfahrene Erzählwelt gerade dann aufhörte, wenn er das Buch schloss und nicht mehr las oder über das Gelesene nachdachte. Diejenigen, die sich nicht so verhielten, wären mit den Problemen Don Quijotes konfrontiert . Man würde sie für Verrückte halten und nicht für fromme Pilger. Die Autoren richten sich insbesondere an die Leser und Zuhörer aus dem Einzugsgebiet der Wallfahrt, das nach der Herkunft der in den Mirakeln erwähnten Pilger regional beschränkt war. Für diese Leser, die als Pilger im Kloster erwartet wurden, galten ausserhalb des Mirakelbuches dieselben Gesetze wie in ihrer eigenen Umgebung. Die Figuren der Wundererzählungen waren für sie nicht in einer entfernten oder phantastischen Erzählwelt angesiedelt. Sie stammten aus ihrer Gegend oder aus ihrer Stadt, Burgos. Der grosse Eindruck, den die Mirakel bei ihnen erwecken konnten, beruhte unter anderem darauf, dass sie sich bei der Lektüre auf ihr Alltagswissen über ihre eigene Umgebung stützen konnten: die Familien der Stadt, dieNamender Ortschaften, dieJahreszeitenund ihre feste Verbindung mit bestimmten Ritualen, alldas war ihnen zum grössten Teil bekannt und gehörte zu ihrem Erfahrungshorizont. Keine grosse Vorstellungskraft war gefragt, um die Wundererzählungen zu verstehen. Man konnte hingehen und schauen, wo sich ein altes oder ein vor kurzem geschehenes Wunder ereignet hatte, man konnte sogar Ähnliches erleben, wenn man an die Wunderkraft des Kruzifixes glaubte und vor oder nach dem Wunder bereit war, zum Kloster zu pilgern. Viele sahen die eigene Umgebung im Mirakelbuch gespiegelt. Bestimmte kirchliche Institutionen, wie zum Beispiel das Augustinerkloster, förderten sogar dieses Verständnis der eigenen Stadt und der eigenen Landschaft; diese gerieten dadurch in die Nähe des Sakralen. 30 Die Verfasser des Mirakelbuches trachteten danach, den Wahrheitsbegriff der Rezipienten durch ihre Erzählungen zu beeinflussen. Die Förderung der Wallfahrt zu ihrem Kloster stand dabei im Vordergrund. Mit ihrem Werk gestalteten sie das kollektive Gedächtnis der Burgaleser Bürgerschaft und der Bewohner der Burgaleser Landschaft mit glücklich verlaufenden und wunderbaren Alltagsgeschichten mit . Alle konnten im Prinzip e in Wunder erleben, das Gott dank der Anrufung des klösterlichen Kruzifixes bewirkte, und dieses weiter erzählen. Dadurch trugen sie zu der Geschichte und der Identität der eigenen Gemeinschaft bei. 30 Zur bayerischen Sakrallandschaft im 16. Jahrhundert vgl. Soergel, Wondrous, S. 227-229. <?page no="118"?> 108 Rezeption 4.2 Das Kruzifix und seine Darstellungen Im Kloster begegneten die Pilger dem Bild des Gekreuzigten, von dem sie gelesen oder gehört hatten. Die Auseinandersetzung mit dem Kruzifix erforderte wieder eine wundergläubige Einstellung und das enstprechende Wahrheitsverständnis. Das Verhältnis der Pilger zum Kruzifix als Bild war jedoch komplex und vielseitig. Die Andachtsbilder innerhalb und ausserhalb der Kirchen leisteten im Mittelalter ihre Funktion als Erziehungsmittel oder als Form zur Anregung der Andacht oder als Gedächtnishilfe. 31 Bei dem Burgales er Kruzifix kam die reliquienähnliche Funktion jedes wunderkräftigen Bildes hinzu. Der Bildgebrauch der Pilger war durch ihre Wundererwartung geprägt. Die Wirkung auf ihren Körper durch das Eingreifen Gottes dank der Anrufung des Kruzifixes war die wichtigste Bildwirkung, die man sich vorstellen konnte und die relevanteste Erwartung für zahlreiche Wallfahrer. Diese Auffassung entsprach den philosophischen und theologischen Ansichten der Augustinermönche. C. W. Bynum hat gezeigt, dass die spätmittelalterlichen Neoplatoniker sowie die Anhänger der Lehren von Augustin und von Franziskus von Assisi keinen Dualismus von Körper und Seele vertreten, nach dem der Körper als irreal und übel betrachtet werden sollte. Nach der Meinung der Neoplatoniker sind Materie und Körper reich an Potentialität, das Göttliche zu offenbaren. Sie sind zugleich durchaus real. Dies e Ansichten stimmen mit den Vorstellungen der populären Frömmigkeit überein, insbesondere mit dem Heiligen- und Reliquienkult und dem damit einhergehenden Wunderglauben und nicht zuletzt mit der Lehre der Wiederaufer; tehung des Körpers. In der frommen Praxis der Pilger konnte der Körper der Versuchung unterliegen, aber er ermöglichte vor allem die Begegnung mit Gott . Diese Meinungen stehen im G egensatz zum scholastischen N eoaristotelismus. Dieser d efiniert die Seele als die Form des Körpers, so dass alles Körperliche auf reine primäre Materie reduziert wird. DieNeoaristoteliker übersehen dabei das Bedürfnis nach materieller Kontinuität, welche von der Lehre des Reliquienkults und der Wiederauferstehung verlangt wird. In der Tat wurde die neoaristotelische Theorie im Spätmittelalter niemals ganz konsequent angewendet. Seine Vertreter behaupten in ihren Schriften, dass Gott den Körper bei der Wiederauferstehung aus den verstreuten Stücken im Universum wieder zusammensetzen werde. 32 Viele Heilungs- und Wiedererweckungswunder dienten dazu, die abstrakten Lehren der neoplatonischen Theologen über die Seele, den Körper 31 Scribner, Vi suelle, S. 10. Zum "Wirklichkeitseffekt" in der religiösen Malerei d es 16. J ahrhunderts in Spanien vgl. Stoichita, Vision und Malerei, S. 65 - 79 . 32 Bynum, Material C ontinuity, S. 239-297; dies., Theater mit d em Körper, S. 1-31. <?page no="119"?> Das Kruzifix und seine Darstellungen 109 und ihre Beziehung zu Gott plastisch und auf eine verständliche Art für ein breites Publikum darzustellen. Der tiefer liegende Sinn dieser populären Erzählungen liegt darin, den göttlichen Sieg über den biologischen Krankheits- und Verwesungsprozess zu demonstrieren, welche den Körper bedrohen. Die spätmittelalterlichen Theologen beschäftigen sich dabei eigentlich mit den Fragen, wie die menschliche Identität definiert werden soll und welche Rolle der Körper bei der Definition des menschlichen Selbst spielt. Die orthodoxen Theologen betrachten den Körper als Bestandteil der Identität. Nur Häretiker widersprechen dieser Ansicht. In jedem Heilungswunder wiederspiegelt sich die orthodoxe Auffassung. 33 Die Leser des Mirakelbuches, die an den Wahrheitsgehalt der Wundererzählung glaubten, mussten als Pilger auch an die Echtheit des Kruzifixes glauben und den Gekreuzigten für eine Skulptur des biblischen Nikodemus halten. Die Augustinermönche erwarteten von ihnen eine ähnlich gläubige Haltung gegenüber Text und Bild. Dieses sollten die Pilger wie eine Reliquie verehren und nicht etwa nach ästhetischen Kriterien beurteilen oder nur mit ästhetischem Genuss betrachten. Die Wunderliteratur sowie die wunderkräftigen Bilder und Reliquien profitierten von einer ähnlichen Einstellung der Rezipienten und Pilger zu den von der Kirche für die Andacht bestimmten textuellen und visuellen Zeichensystemen. Es muss daran erinnert werden, dass ein Bild, ebenso wie ein Text, ein schwer zu entzifferndes Zeichensystem ist, bei dem die Rezipienten denotative Zeichen erkennen müssen, aber auch die Konnotationen dieser Zeichen, das heisst die tieferliegenden Bedeutungen, verstehen sollten. 34 Das Verständnis der Darstellung des Gekreuzigten setzte beim Wallfahrer eine minimale Kenntnis der Passions-und Kreuzigungsgeschichte voraus. Doch nur wenige verfügten über eine theologische Ausbildung oder hatten Zugang zu den Theorien der Mystiker über den symbolischen Gehalt der Kreuzigungsdarstellung. Es ist unmöglich zu bestimmen, wie viele Stadt- und Landbewohner den Karfreitagsritus kannten und wie sie das Kruzifix in seiner liturgischen Funktion wahrnahmen. Man kann freilich annehmen, dass ausserliturgische Passionsspiele in Burgos inszeniert wurden, wie dies an anderen Orten seit dem Spätmittelalter üblich war. 35 Aber es lässt sich nicht festhalten, wie das Burgales er Kruzifix in diese dramatischen Ausführungen einbezogen wur- 33 Bynum, Resurrection, S. 220-225. Dass diese Fragen die katholischen Theologen im frühneuzeitlichen Spanien weiterhin beschäftigten, zeigen die Belege von Martinez Gil, Muerte y sociedad, S. 483-495. 34 Zu den Schwierigkeiten, Bilder zu lesen, so wie zu dem zum Teil parallel verlaufenden Ikonisierungs- und Alphabetisierungsprozess vgl. Schenda, Bild, S. 90-95. Zu den spezifischen Problemen beim Verständnis von Andachtsbildern vgl. Scribner, Visuelle, S. 12- 13. Ein Beispiel für die Verwechslung von einem Flugblatt mit profanem Inhalt mit einem Andachtsbild liefert Nalle, God, S. 148-154. 35 Belting, Bild, S. 234-251; Scribner, Visuelle, S. 14-16. <?page no="120"?> 110 Rezeption de und inwiefern das Laienpublikum direkt daran teilnehmen durfte. Für einen grossen Teil der Bevölkerung müssen die Mirakel die bekanntesten Erzählungen über das Burgaleser Kruzifix des Augustinerklosters gewesen sein. Das Mirakelbuch informierte die Leser im Übrigen auch nicht über theologische oder mystische Bedeutungen, sondern hauptsächlich über die Wunderkraft des Kruzifixes und deren Folgen. Die visuellen Erfahrungen der Pilger bildeten jedoch nur einen Teil ihres Erlebnisses im Kloster, das in Wirklichkeit alle Sinne mit einbezog. Die sinnliche Wahrnehmung als Ganzes nahm eine zentrale Stellung beim Aufenthalt im Kloster ein. Die Wallfahrer sahen das Kruzifix erst, nachdem die Vorhänge zurückgezogen worden waren; sie hörten die Gebete und Gesänge der Kleriker; sie küssten das Kreuz oder berührten das wunderkräftige Wasser, mit dem die Mönche die Füsse des Gekreuzigten wuschen. 36 Am Schluss einer Wundererzählung aus dem Jahr 1450 sahen sich die Verfasser des Mirakelbuches veranlasst, diesen letzten Brauch zu rechtfertigen, der in ihrer Zeit auf Kritik stiess: Dieses Wasser des heiligen Kruzifixes[...] tut den Kranken immer gut. Denn zahlreiche Kranke wurden noch in diesem Jahr 1553 dadurch geheilt. Niemand soll darüber erschrecken, dass die Berührung des heiligen Kruzifixes heilsam wirkt, denn ein blosses Holzstück, das der Prophet Moses in salziges Gewässer warf, verwandelte es in Süsswasser. [...] denn die gegenwärtigen Zeiten erhalten nicht weniger göttliche Gnaden als jene und auch nicht weniger Wunder, und das heilige Kruzifix ist mehr als nur ein HolzstückY Die Wunder mussten, wie wir gesehen haben, nicht immer im Kloster geschehen. Sie konnten auch weit davon entfernt stattfinden. In vielen Fällen beschränkte sich also die sinnliche Wahrnehmung des Kruzifixes vor dem Wunder auf ein Objekt aus dem Kloster oder auf die Erinnerung an einen früheren Aufenthalt im Kloster. Wenn man sich in einer ähnlichen Situation befand, genügte es, sich an das Kruzifix od er an eines seiner Wunder zu erinnern. 38 Das Wasser fungierte manchmal in solchen Distanzmirakeln wi e eine Kontaktreliquie. Aber auch Abzeichen mit Darstellungen des Kruzifixes waren im Kloster erhältlich und erfüllten dieselbe heilende Funktion wie das Wasser. Eine Wundererzählung aus dem 15. Jahrhundert berichtet über einen solchen Fall, und die Autoren fühlen sich hier nicht einmal gezwungen, diese Art von Bildgebrauch zu rechtfertigen, weil d as Abzeichen des klösterlichen Kruzifixes im Unterschied zum Wasser selbst als Kruzifix wahrgenommen wurde. Auf jedem Fall ersparte der Besitz des Abzeichens die Dankwallfahrt zum Kloster nach dem Wunder keineswegs: 36 Zu diesen und ähnlichen Bräuchen in Burgos und an anderen WalHahnszentren des 16. Jahrhunderts vgl. Christian, Religiosidad local, S. 126-127. 3l H ystoria, f. XLVIIr-v. Moses' Verwandlung des Wassers in Blut ist das nächste uns bekannte biblische Motiv in 2 Mo, 7. Anhang 33. 38 Zu dem Paradigmengebet vgl. Michel, Typologie, S. 57 - 58. <?page no="121"?> Das Kruzifix und seine Darstellungen 111 Eine Frau, die unter den Schmerzen der Geburt mehr als sechsunddreissig Stunden litt, war so gequält, dass sie wirklich den Eindruck hatte, bald zu sterben, und dasselbe behauptete ihr Ehemann, Pedro de Marroqufn, der anwesend war. Da dieser die grosse Gefahr sah, in der sich seine Frau befand, legte er ihr ein Bild des heiligen Kruzifixes an, das man ihm im Kloster San Agustfn gegeben hatte, mit grosser Andacht und Ehrfurcht. Und er legte es ihr um den Hals an, während er betete, und versprach, seine Frau mit der Frucht, die ihm Gott geben würde, mit seinen Opfergaben in die Kapelle des heiligen Kruzifixes zu bringen. Und danach half Gott ihr auf wunderbare Weise, und sie gebar einen Sohn und wurde gesund und wohl. Und danach hielt diese so christliche Frau (wie sie versprochen hatten [sie]) Wache in der Kapelle dieses heiligen Bildes, wo sie allen von der eigenartigen Gefahr berichtete, in der sie sich befunden hatte, und von der Gunst, die sie von unserem Erlöser Jesus Christus empfangen hatte dank der Anrufung dieses heiligen Bildes und dank der Devotion, die sie für das Abzeichen dieses Kruzifixes empfand, das ihr von Gott inspirierter Ehemann ihr angelegt hatte, als er so betrübt gewesen war. Dieses Wunder wurde von dem Schreiber Pedro de Cantadilla mit zahlreichen Zeugen nachgewiesen. 39 Die Gläubigen suchten Heilung vor dem Kruzifix, sei es mit dem Wasser, sei es mit Hilfe des Abzeichens. Das Mirakelbuch hatte sicherlich auch einen gewissen sakralen Wert für seine Leser, wie alle Werke der Andachtsliteratur zu dieser Zeit, aber seine intendierte Bedeutung und Funktion hatte nach Ansicht der Autoren nichts mit denjenigen einer Kontaktreliquie zu tun. Der Gebrauch des Buches für Heilungen durch Berührung mit dem Körper des Kranken kann nicht von vorneherein ausgeschlossen werden. Er wurde jedoch nicht von den Augustinermönchen beabsichtigt, denn keine Erzählung weist auf einen Umgang hin, der eine derartige heilende Wirkung zum Ziel gehabt hätte. Die Leser des Mirakelbuches suchten den Kontakt mit Gott bei der Lektüre und Überliessen dem klösterlichen Kruzifix die hauptsächliche Vermittlungsfunktion bei der Anrufung. Im Buch fanden sie den Kontakt mit Gott sowohl im Text wie im Bild auf der intellektuellen Ebene des Lesens, nicht durch die blosse Berührung. Die Illustrationen im Mirakelbuch hatten eine andere Funktion als etwa diejenigen in Pilgerführern und -berichten von Fernwallfahrten. In den Führern für die Jerusalemwallfahrt konnten die Leser imaginäre und reale Sehenswürdigkeiten der Reise betrachten. 40 In dem für die Nahwallfahrer konzipierten Burgaleser Mirakelbuch steht einzig das Kruzifix im Mittelpunkt der Illustrationen. Die Holzschnitte ergänzen den Text und begleiten die Lektüre insbesonders im zweiten Teil des Werkes, dem Teil über die Wunder. Auf dem Titelblatt ist das klösterliche Kruzifix abgebildet. Dieses wird in einer perspektivischen Darstellung vor eine Porticus gestellt. Rechts da- 39 Hystoria, f. LXII. Anhang 34. 40 Betschart, Zwischen zwei Welten, S. 63 - 149. <?page no="122"?> 112 Rezeption von steht der Kirchenvater Augustinus mit seinen Attributen, dem Bischofsstab und der Bischofsmütze. In den Händen hält er ein schachtelartiges und zweistöckiges Kirchenmodell mit einfachem Glockenstuhl. Über ihm kann man seinen Namen auf einer Inschrift lesen. Links steht der Heilige Andreas mit dem schrägen Kreuz als Kennzeichen, und eine weitere Inschrift gibt auch seinen Namen wieder. Die Porticus öffnet sich auf eine gebirgige Felslandschaft, hinter der die Sonne halb erscheint. Das Kruzifix erhebt sich über einer Krone. Der Gekreuzigte wird als ein leidender Christus mit angewinkelten und überkreuzten Beinen, mit hängendem Gesicht und in einer verkrampften Stellung dargestellt. Diese Abbildung entspricht nicht den Darstellungen, die im zweiten Teil des Buches erscheinen. Am Anfang von fast jedem Wunderbericht findet sich ein Holzschnitt mit einer vereinfachten und schematisierten Darstellung eines Kruzifixes, das der Leser mit demjenigen des Klosters nur aufgrund des Bezugs der Illustration zum Text identifizieren kann. Das Bild dient unter anderem zur Orientierung des Lesers. Zusammen mit der Titelüberschrift strukturieren diese Holzschnitte den zweiten Teil des Werkes. Beim Aufschlagen des Buches kann man es jederzeit erkennen und somit den Anfang einer Wundergeschichte suchen. Vor, während und nach der Lektüre der einzelnen Mirakel konnte der Leser das Bild betrachten. Diese Holzschnitte bilden das klösterliche Kruzifix nicht ab, denn es handelt sich dabei nicht um einen leidenden, sondern majestätischen Christus, der am Kreuz aufrecht steht, seine Beine sind parallel zueinander gestreckt. Es handelt sich um eine schematische Darstellung, die sich ausser auf f. XLVIII mehrfach wiederholt. Dort erscheinen drei Begleitfiguren: zwei stehende und eine kniende, die nicht leicht zu identifizieren sind. Nur eine der stehenden Figuren ist eindeutig weiblich und könnte Maria sein. Bei der anderen stehenden Figur ist die Kopfbedeckung in Umrissen dargestellt. Die kniende Person erinnert an die in den illuminierten Handschriften häufig vorkommenden Stifter- oder Adorantenfiguren. 41 Es darf nicht vergessen werden, dass die gedruckten Bücher zum Teil ein billiger Ersatz für prunkvolle Handschriften waren, die nur für eine Elite erschwinglich waren. Die kniende Figur könnte ausserdem als Identifikationsfigur für den Rezipienten fungieren. Die verbreitete und vielseitige Präsenz des Kruzifixes sowie seine besondere lokale Bedeutung in der visuellen Kultur der Stadt Burgas im 16. Jahrhundert muss vor dem Hintergrund der Bilder-Dispute dieser Zeit betrachtet werden. In Spanien durfte der Streit zwischen Bilderfeinden und Bilderfreunden nur in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts mit relativ grosser Freiheit ausgetragen werden. Später wurde die Diskussion um 41 Es könnte sich bei diesem Holzschnitt um die Wiederverwendung eines Druckstocks für ein anderes Werk handeln. <?page no="123"?> Lazarillo und der Ablassverkäufer 113 die Idolatrie immer mehr in Verbindung mit dem Protestantismus gebracht und deshalb unterdrückt. Vor allem nach dem Entschluss des tridentinischen Konzils in seiner letzten Sitzung vom 3. Dezember 1563 wurde der Gebrauch von Andachtsbildern für die Gläubigen gebilligt. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts verstummten die Kritiker an der Bilderverehrung dank der Kontrolle der Inquisition. Die Kunsttheoretiker und Theologen beschäftigten sich nun mit der Frage der Normierung und der Zensur der religiösen Bilder. Die Debatte konzentrierte sich auf einzelne Aspekte der kirchlichen Kunst wie die Legitimierung oder das Verbot der Darstellungen nackter KörperY Bezeichnenderweise stammen die grundsätzlichsten Angriffe gegen die Bilderverehrung, die am Anfang des 17. Jahrhunderts auf Spanisch veröffentlicht wurden, von einem Augustiner, der aus dem Burgaleser Kloster ausgetreten war und sich zum Protestantismus bekehrte: Tomas Carrasco oder Carrasc6n (möglicherweise nur ein Übername). Er schreibt in seinem Werk Traktat über die Heilige Schrift, insbesonders über die Irrtümer der Vulgata und gegen gewisse barbarische Doktrinen der Römischen Kirche. Er ist weder Futter für Schweine noch Früchte, sondern Perlen, und obwohl ich wie eine Steineiche aussehe, bin ich mehr, denn ich heisse grosse Steineiche (Tratado de las Santas Escrituras, especialmente de los errores de Ia Vulgata y contra ciertas doctrinas de Ia Iglesia Romana. No es comida para puercos ni fruto porque perlas son, y aunque parezco Carrasco soy mas, pues soy Carrasc6n). Er schreibt über die katholischen Andachtsbilder, die er kannte, und über die Einstellung der Gläubigen: sie waren blind, weil sie an ein Kreuz aus Holz und an ein Bild glaubten, das sie UnsereJungfrau nannten, und welches bloss eine Skulpturaus Holz war, und indem sie daran glaubten, Unterliessen sie es, an Gott zu glauben. 43 4.3 Lazarillo und der Ablassverkäufer Um der schwierigen Frage der Rezeption des Mirakelbuches weiter nachzugehen, müssen die unterschiedlichen Haltungen der Rezipienten zu den Wundern als Lese- und Erzählstoff berücksichtigt werden, die damals in Spanien möglich waren. Ein Vergleich des Burgaleser Mirakelbuches mit dem Schelmenroman Lazarillo de Torm es (1554) gewährt einen indirekten Einblick in diese möglichen Leseeinstellungen und zeigt, inwiefern Glau- 42 Martinez-Burgos, ! dolos, passim. Zu den unterschiedlichen Auffassungen vom rechten Gebrauch der Bilder aus der Sicht der protestanti s chen Reform vgl. Eire, Agairrst the Idols, passim. 43 "[ . •• ] e staban ciegos en creer en una cruz de palo y en una imagen que llaman de Nue s tra Seii.o ra, que siendo un bulto de palo compues to c rei an en ella y p or cr eer en ella, dexaban d e cr eer en Dios" . Zitiert na ch Martinez-Burgos, ! dolos, S. 32. <?page no="124"?> 114 Rezeption bensbereitschaft und Präferenzen der Leser in dieser Hinsicht variieren konnten. Der Lazarillo bietet sich für diesen Vergleich an, weil sein anonymer Autor aus einer kritischen Perspektive auf das Thema des Wunderglaubens eingeht und weil dieses Werk gleichzeitig auf demselben lokalen Büchermarkt wie das Mirakelbuch erhältlich war. Der Vergleich kann in zwei Schritten vorgenommen werden. In einem ersten Schritt sollen die Eigenart des Lazarillo als ganzes Werk betrachtet werden, insbesondere jene, die im Gegensatz zur Andachtsliteratur und konkret zum Burgaleser Mirakelbuch stehen. In einem zweiten Schritt soll das fünfte Kapitel ("tratado") des Schelmenromans mit dem 24. Kapitel des Mirakelbuches verglichen werden, weil beide eine ähnliche Thematik mit verschiedenen Zielen behandeln und weil die Struktur beider Erzählungen eine grosse Übereinstimmung aufweist. Eines der wichtigsten Themen im Lazarillo ist der falsche und unkorrekte Gebrauch religiöser Symbole im weitesten Sinn des Wortes: von den betrügerischen Gebetskünsten über die alltagssprachliche sinnentleerte Erwähnungen des Namens Gottes bis zu dem Verkauf wunderkräftiger Ablassbriefe. Der Missbrauch kirchlicher Ämter ist ein weiteres Thema, das sich über fast alle Kapitel des Buches hinzieht. Dass der anonyme Verfasser damit Kritik an der Gesellschaft und an der Kirche übt, ist eine von den Literaturwissenschaftlern allgemein anerkannte Tatsache. Ihre Meinungen ·gehen jedoch weit auseinander, wenn es darum geht, seine religiösen Überzeugungen mit einer bestimmten religiösen Tendenz zu identifizieren, w eil der Verfasser es ständig vermeidet, eine moralisch akzeptable Lösung für die von ihm angeschnittenen Probleme zu liefern. So sind manche Literaturwissenschaftler der Meinung, der Autor wolle lediglich eine antiklerikale Satire im mittelalterlichen Stil schreiben; 44 andere vertreten die Auffassung, dass die Ideen von Erasmus das ganze Werk pr ägen; 45 und schliesslich halten es wieder andere für wahrscheinlich, dass der Verfasser ein konvertierter Jude 46 oder ein überzeugter Protestant gewesen seiY Für unsere Fragestellung ist es nur wichtig festzuhalten, dass seine Kritik sich gegen eine Art von Gebrauch religiöser Symbole richtet, die in der damaligen spanischen Gesellschaft alltäglich geworden war und die er für falsch, amoralisch und unvereinbar mit seiner Vorstellung vom Christentum hielt. 44 Bataillon, Er as mo, S. 609-611. 4S Marquez Villanueva, Actitud espiritual, S. 71-110; Notting-Hauff, Erasmische Satire, S. 83-104. 46 Ferrer-Chivite, Sustratos conversos, S. 352-379; Lizaro, Lazarillo, S. 184-185. Zur Thematik der Marginalisierung konvertierter Juden durch kirchliche Würdenträger vgl. Shipley, Conspiratorial Reading, S. 216-241. 47 Hanrahan, Protestant Reform, S. 333-339. Manche Forscher geben sogar konkrete Namen möglicher Autoren an. Asensio,Juan de Valdes, S. 78-102; Brenes, Quien es V. M ., s. 73-88 . <?page no="125"?> Lazarillo und der Ablassverkäufer 115 Eines der Vorbilder für den Verfasser des Lazarillo ist der damals in spanischer Übersetzung vorliegende Goldene Esel von Apuleius, eines der fiktionalen Werke der Antike, das denN eoplatonikern des 16. Jahrhunderts am stärksten missfällt und das diese sehr gerne als Beispiel für die schädlichen Lügen der Unterhaltungsliteratur nehmen. In diesem Werk werden die Erfahrungen eines in einen Esel verwandelten Menschen mit verschiedenen Herren berichtet. 48 Da der anonyme Verfasser des Schelmenromans die neoaristotelischen Prinzipien der Plausibilität, der Wahrscheinlichkeit und der Glaubwürdigkeit der Erzählung respektieren will, muss er sich in zahlreichen Beziehungen von diesem Modell entfernen und originelle Erzähllösungen für sein Werk suchen. 49 Der Autor ist sich der Polemik zwischen Befürwortern und Gegnern der Fiktion so sehr bewusst, dass er bereits im Vorwort mit den Konventionen der Fiktion spielt, indem er die Erzählperspektive der Hauptfigur Lizaro einnimmt, der über sein eigenes Leben berichtet. Dadurch, dass der Verfasser die Form der Ich-Erzählung bis zum Schluss beibehält, versteckt er sich immer hinter dem Erzähler und spricht ständig mit dessen Stimme. So baut er eine durchaus konsequente autobiographische Fiktion auf, die das Vorwort auf dieselbe fiktionale Ebene stellt wie den Rest des Romans. 5° Mit diesem spielerischen Beginn zeigt der Autor dem Leser implizit, wie aufmerksam dieser das Werk lesen muss, um Wahrheit und Lüge wirklich zu erkennen, um die Fiktion als solche zu lesen und sich nicht täuschen zu lassen. Die ironische Perspektive des rückblickenden Ichs d es erwachsenen Lizaro distanziert sich ausserdem von der naiven Einstellung des dargestellten und handelnden Ichs des jungen Lazarillo, eine Brechung, die der Leser auch nicht vergessen darf. Die Ich-Erzählung vermittelt ferner den Eindruck der Unmittelbarkeit und der autobiographischen Echtheit. Aber diese Erzählung des ungebildeten Schelmen und seine Betrachtung der Gesellschaft aus der Perspektive von unten entpuppt sich als reine Fiktion, wenn der Rezipient im Laufe der Lektüre bemerkt, dass die literarische Leistung des Autors nur dank einer humanistischen Bildung möglich sein kannY Der autobiographische Bericht ist als Brief gehalten, den Lizaro an einen anonymen hohen Gönner richtet, der sich für seine Situation interessiert. Dieser Herr wird immer wieder im Brief mit der Anredeform "Euer Gnaden" ("Vuestra Merced") angesprochenY Dadurch, dass der Adressat des 48 Kruse, Elemente, S. 302-304; Hernandez-Stevens, Lazarillo, passim. 49 Zu den volksliterarischen Motiven vgl. König, Lazarillo, Sp . 804-807; Cross, Folklore, S. 9-24; Camarena, cuento, S. 67-73. 50 Ife, Reading, S. 92-117; Allen, World View, S. 35-43. Zu der Erzählperspektive vgl. Rico, Punto de vista, S. 15-55; Bell, Self-defence, S. 84-93. 51 J auss , Ich-Fo rm, S. 290-297; Baader, Zur Ich-Form, S. 437-446. 52 Guillen, Disposici6n temp or al, S. 264-279; Lazaro, Lazarillo, S. 41 -46; Iffland, Imprenta, s. 495-506. <?page no="126"?> 116 Rezeption Briefes einzig dieser Herr ist, erhält der tatsächliche Leser des gedruckten Werkes eine Rolle in der Fiktion. Und so kann ein realer Leser aus der adeligen oder bürgerlichen Schicht, der in seinem Haus das Buch sitzend liest, die Abenteuer eines wandernden Schelmen erfahren und miterleben. 53 Das Spiel mit der Wahrheit und der Lüge wird ferner auch auf inhaltlicher Ebene getrieben, und zwar mit der Ehre von Lizaro als Ehemann. Der Brief benachrichtigt den Gönner über Uzaros "Fall" ("caso"). Es handelt sich dabei um die Gerüchte über die Frau von Lizaro, von der "böse Stimmen" behaupten, sie sei die Geliebte des Erzpriesters, dem sie dient, und sie habe den Lizaro in seiner Funktion als königlichen Ausrufer kennen gelernt. 54 Lizaro ist nicht bereit, solche Gerüchte über seine Frau zu glauben oder gelten zu lassen. Nach der Meinung einiger Forscher bildet der Brief einen Teil der Verteidigung seines Falles vor Gericht und folgt deshalb dem Muster der juristischen "narratio". 55 Demnach beginnt Lizaro mit der Angabe des Namens seiner Eltern, seines Geburtortes, des Berufs des Vaters und seiner Mutter, bevor er auf die einzelnen Ereignisse seines Lebens eingeht. Der Inhalt und die Form des Werkes sind jedoch zu komplex, als dass man es auf ein solches Erklärungsmuster reduzieren könnte. Es ist leicht, Züge zu entdecken, die auf eine Parodie der Hagiographien und anderer Gattungen der Andachtsliteratur hindeuten. 56 Das Spiel mit der angeblichen Wahrhaftigkeit der autobiographischen Fiktion kann man auch in diesem Zusammenhang verstehen. Lazaro behauptet im Vorwort, er sei nicht heiliger als die anderen, und seine Erzählung ist in der Tat alles andere als ein Bericht über erbauliche Begebenheiten. Sein Wortschatz erinnert jedoch häufig an denjenigen der Mystiker und der Autoren der Andachtsliteratur im Allgemeinen, wie die-zahlreichen biblischen Anklänge erkennen lassen, aber immer mit einem ironischen Unterton. 57 Es ist gerade dieser Unterton, der dem Leser zeigt, wie Lizaro und die anderen Figuren die religiösen Symbole im Alltag verwenden, sie dadurch in ihrer Bedeutung vereinfachen und falsch gebrauchen. Diese unkorrekte Verwendung lernt Lazaro im Laufe seines Lebens bei einigen seiner Herren. Der junge Lazarillo ist ein Bettler und Diener, der sich mit List und Trug durchschlagen muss, um überhaupt überleben zu 53 Zu der sozialen Schicht der Leser des Laz arillo vgl. Chevalier, Lectura, S. 166-172; zu den Gebrauchsformen der Leser von Schelmenromanen vgl. Chartier, Cultural uses, S. 266. 54 Zu den Frauenrollen vgl. Alegre, Las mujeres, S. 3-21. 55 Artaza, Ars narrandi, S. 277-303; G6mez-Moriana deutet das Werk als eine Verteidigung vor einem InquisitionstribunaL G6mez-Moriana, lntertextualidad, S.134-144. 56 R. J auss ' Meinung, das Werk sei eine "Travestie" der Bekenntnisse von Augustinus, wurde zu Recht zurückgewiesen. Seine Analyse trifft jedoch zu, wenn er die Parodie der And achtsliteratur zeigt. Jauss, Ich- Form, S. 298-311. Zu der Kritik vgl. Kruse, Elemente, S. 292-304; Baumann, Lazarillo, S. 285-291. 5? Gilman, Death, S. 149-166; Perry, Biblical Sy mbolism, S.139-146. <?page no="127"?> Lazarillo und der Ablassverkäufer 117 können. 58 Seinen sozialen Aufstieg als Erwachsener verdankt er nicht seinem tugendhaften Verhalten. Lizaros Behauptung, er habe den "Gipfel allen Glücks" erreicht, wirkt deshalb wie eine ironische Aussage über seine Fortuna-Bewältigung. 59 Seine Herren sind ein blinder Bettler, ein Dorfpriester, ein verarmter niedriger Adliger, ein Mönch, ein Ablassverkäufer, ein Kaplan und ein Erzpriester. Seine drei ersten Herren lassen ihn hungern, wobei es die ersten zwei aus reiner Habgier tun. Der dritte, der heruntergekommene Adlige, ist so verarmt, dass Lazarillo ihm sogar von seinem erbettelten Brot geben muss. Der Hunger und die mangelnde Caritas stehen im Zentrum der drei ersten Kapitel.60 In diesem Kontext geschehen Verdrehungen des Sinnes der Gebete und des Sakraments der Eucharistie. Der blinde Bettler, der Gebete auf den Strassen herunterleiert, um seinen Unterhalt zu verdienen, ist ein zorniger Mann, der Lazarillo sehr gerne körperlich bestraft. 61 Als der Blinde herausfindet, dass der Junge heimlich aus seinem Weinkrug trinkt, wirft er ihm den Krug mit voller Kraft ins Gesicht. Der verletzte Lazarillo hasst ihn von da an: Von dieser Stunde an wurde mir der Blinde verhasst, und obwohl er mir schöntat und gute Worte gab, merkte ich doch, dass er sich über die grausame Rache freute. Denn indem er mir die Wunden von den Scherben mit Wein wusch, lachte er dazu und sagte: "Was meinst du, Lazarillo, der Wein, der dich krank gemacht, wird dich wohl wieder heilen". Mit solchen und ähnlichen Stichelreden kränkte er mich. 62 Die Wortspiele mit Anspielungen auf die sakramentale Bedeutung des Weins in der Liturgie gehen nach einer weiteren körperlichen Strafe des Blinden weiter. Als andere Leute Lazarillos Wunden wieder mit Wein waschen, sagt der Blinde: "Lazarillo, Lazarillo, du hast dem Wein mehr zu danken als deinem Vater, denn, gesetzt der Fall, dass dir dieser einmal das Leben gegeben, so hat es dir doch der Wein tausendmal erhalten" [...] "Gewiss Lazarillo", sprach er, "wenn je ein Mensch durch den Wein zu Glück und Wohlstand kommen kann, so wirst du es sein". 63 Letzteres ist eine Parodie der biblischen Vordeutung, denn Lizaro wird als Erwachsener in seinem königlichen Amt unter anderem Weine ausrufen. 64 ss Zu Lazarillo als Diener vgl. Lida, Oficio de servir, S. 975-985. Zu den sozialgeschichtlichen Aspekten des Werkes vgl. Herrero, Renaissance, S. 876-886; Lomax, Re-Reading, S. 371-381; Woodward, Author-Reader, S. 43-53; Cross, Estructuras sociales, S. 79-84. 59 König, Lazarillo de Tormes, S. 33-42. 60 Marquez, La actitud espiritual, S. 115-128, Silvermann, Hunger, S. 283-290. 61 Zum Zorn im ersten Kapitel vgl. Nowak, Anger, S. 900-905. 62 Wir verwenden Huben Rausses Übersetzung. Von da an: Rausse, Lazarillo, S. 73 . Anhang 35. 63 Rauss e, Lazarillo, S. 80. Anhang 35. 64 Jauss, Ich-Form, S. 305; Nowak, Structural Prophecy, S. 324-331. <?page no="128"?> 118 Rezeption Diese Entsakramentalisierung, umS. Gilmans Begriff zu verwenden, 65 setzt sich beim Dorfpriester fort, der Lazarillo verbietet, Brot aus seiner Truhe zu nehmen, dem "a rcaz", ein Wort also, das an "a ltar" erinnert. 66 Durch eine List gelingt es dem Jungen, einen Schlüssel zu bekommen. Als der Priester merkt, dass Brote fehlen, wagt Lazarillo es nicht mehr, ganze Brote zu nehmen: so hatte ich keinen anderen Genuss davon, als dass ich die Brote wohl tausendmal küsste, und zuletzt schnitt ich von dem angeschnittenen Brot ein Schnittlein so dünn herunter, wie nur möglich und verbrachte so den ganzen Tag,[. .. ] so fiel ich vor Hunger fast um, so dass ich, sooft ich allein war, nichts anderes tat als die Truhe öffnen und schliessen und in den Broten das Angesicht Gottes, wie die Kinder sagen, betrachten. 67 An der Verwendung von Formeln der Kommunion erkennt man nicht nur eine Parodie mystischer Erfahrungen, sondern auch eine Kritik an dem seit dem Spätmittelalter bei den Laien üblichen Verwischungen der Grenzen zwischen dem sakramentalen Brot (der Hostie), dem gesegneten Brot, das den Gemeindemitgliedern häufig nach der Messe verteilt wurde, und dem normalen Brot ohne irgendwelche religiöse Nebenbedeutung. 68 An dieser wie an anderen Stellen werden die heilende Wirkung des Brots und des Weins ironisiert. Häufig deutet Lazarillo seine Ohnmacht und sein Erwachen als Wiedererweckungen, was auch durch seinen Namen angedeutet wird: Lazarus ist der Name sowohl des von Christus wiedererweckten Mann es (J oh. 11 , 1-44) als auch des Bettlers in der Parabel Christi (Luk. 16, 19-31). 69 Im fünften Kapitel rückt Lizaro als Hauptfigur in den Hintergrund, um die Rolle des Zuschauers zu übernehmen, der über die Tricks und Kniffe seines Herrn, des Ablassverkäufers, erzählt. Lazarillo merkt jedoch nichts im Augenblick des Betrugs, von dem das ganze Kapitel handelt, sondern entdeckt die Wahrheit erst am Schluss. 70 Bei der Charakterisierung des Ablassverkäufers am Anfang des Kapitels unterstreicht Lizaro, dass es sich um einen äusserst schlauen Prediger handelt. Die Begründung seiner Begabungen lautet: "denn er kannte tausenderlei Kniffe und Listen und erfand noch tausend neue dazu". Die ersten 65 Gilman, Death, S. 162-164. 66 Zu der symbolischen Bedeutung d es Brotes in diesem Kapitel vgl. Piper, Breadly Paradise, S. 269-271; ders., Lazarillo's arcaz, S. 119-122; Nowak, lma gery, S. 47-55. 67 Rausse, Lazarillo, S. 91. Anhang 35. 68 Zu den Vorstellungen der Laien über die Messe und die Eucharistie vgl. Reinburg, Liturgy and the Laity, S. 526-546; Horns, Gracias de la misa, S. 71-78. 69 Wardropper, Strange Case, S. 202-212; Woodward, Author-Reader, S. 47. 70 Zum Aufbau dieses Kapitels und zu seiner Rolle im gesamten Werk vgl. Willis, Pardonner, S. 267-279; Sieber, Language, S. 59-73; O'Reilly, Di scontinuity, S. 141-149; Minguet, Recherches, S. 111-121. Zum Ablassverkäufer vo n Chaucers Canterbury Tales im Zusammenhang mit dem spätmittelalterlichen englischen Kontext vgl. Brown, Age of Saturn, S. 114 - 156. <?page no="129"?> Lazarillo und der Ablassverkäufer 119 Leute, die er an jedem neuen Ort betrügt, sind die Ortspfarrer, was ihm nicht sehr schwer fällt, weil sich diese leicht durch Geschenke gewinnen lassen: Wollte er in einem Dorf Ablasszettel verkaufen, so machte er zunächst den Geistlichen seinen Besuch und schenkte ihnen einige Kleinigkeiten von unbedeutendem Werte: mal einen Salatkopf aus Murcia, wenn gerade die Salatzeit war, mal ein paar Apfelsinnen, Pfirsiche, Aprikosen oder Birnen; so errang er ihre Gunst, so da ss sie seine Geschäfte begünstigten und die Gläubigen zum Kaufen der Ablasszettel ermunterten.7 1 Unter den Pfarrern weiss er jedoch zwischen zwei Gruppen zu unterscheiden, die je einen besonderen Umgang erfordern. Seine Sprachgewandtheit und seine Schlauheit dienen ihm dazu, die richtige Sprache zu wählen und die passende Ausdrucksform für die einen und die anderen zu finden: Schon beim ersten Besuch hatte er heraus, welch Geistes Kinder sie waren. Merkte er, dass sie Lateinisch verstanden, so hütete er sich, lateinisch zu sprechen, um nicht Fehler zu sprechen, sondern wartete mit einigen kurzweiligen und lächerlichen oder gepfefferten Historien auf; merkte er aber, dass die Geistlichen zu jenen hochwürdigen Herren gehörten, die sich mehr um Geld als um Wissen und Amtswürden kümmerten, so spielte er den heiligen Thomas unter ihnen und schwätzte zwei Stunden Latein oder wenigstens etwas, was wie Lateinisch klang. 72 Im fünften Kapitel folgt der Verfasser der von Quintilian vorgeschriebenen Reihenfolge der Bestandteile einer Rede vor Gericht: "exordium", "narratio", "probatio", "refutatio" und "peroratio". 73 Nach dem "exordium", aus dem die oben erwähnten Stellen stammen, beginnt die "narratio", in der von einem"der geriebenstell Streiche" des Ablassverkäufers berichtet wird, um "seine Schlauheit zu beweisen". Die Manipulation durch den Ablassverkäufer beginnt ausserhalb der Kirche und setzt sich in der Predigt fort. 74 Bei dieser Machenschaft hilft ihm ein Gerichtsdiener. Obwohl das Wort "buldero" mit dem Begriff "Ablassverkäufer" übersetzt wird, ist dieser streng genommen nur der Ablassprediger, der in Begleitung des Gerichtsdieners von Ort zu Ort zieht. Letzterer stellt gegen Bezahlung die Ablassbriefe aus, mit denen die Gläubigen ihren Beichtvater aufsuchen können. In Lizaros Erzählung nimmt der Gerichtsdiener aktiv an der Täuschung der Gemeinde teil. Die Inszenierung der beiden Männer wird vom Ablassprediger ausgedacht, weil die Bewohner von Sagra de Toledo, einem nordwestlich von Toledo gelegenen Gebiet/ 5 keine Kauflust zeigen. Der Betrug beginnt in der Nacht vor der Ablassverkündigung in einem Wirtshaus. Bei einem Karten- 71 Rausse, Lazarillo, S. 128-129. Anhang 35. 72 Ebd. Anhang 35. Zu den "latines macarr6nicos" vgl. Pedrosa, Las dos sirenas, S. 67-102. 73 Sieber, Langua ge , S. 68-73 . 74 Sieber, Langua ge, S. 62. 75 Zu Lazarillos Weg von Salamanca bis Toledo vgl. Bourret, Trajets, S. 19-31. <?page no="130"?> 120 Rezeption spiel inszenieren die beiden Männereinen Steit um Geld. Die Vorwürfe, die sie sich gegenseitig machen, betreffen ihre Glaubwürdigkeit und die Echtheit der Ablässe . Der Verfasser des Werkes stellt damit die Frage nach dem Wert eines Ablassbriefes, der meistens aus einem Text und einem Bild be stand: Der Gerichtsdiener nannte ihn Fälscher und er den Gerichtsdiener einen Dieb; schliesslich nahm mein Herr einen kräftigen Spiess, der an der Tür lehnte, und der Gerichtsdiener zog seinen Degen, den er an der Seite trug. Durch unser Lärmen und Schreien liefen die Wirtsleute und die Nachbarn herbei und warfen sich zwischen die Streitenden. [...] und der Gerichtsdiener schimpfte meinen Herrn einen Fälscher, dessen Bullen, über die er predige, unecht seien. 76 Am darauf folgenden Morgen erscheint der Gerichtsdiener während der Predigt in der Kirche, um seine Anschuldigungen zu wiederholen. Der Prediger hindert einige Leute daran, ihn hinauszuwerfen, und lässt ihn ausreden. Lizaro beschreibt die Szene folgendermassen: Und mein Herr und Ablasskrämer fiel auf der Kanzel in die Knie, faltete seine Hände und begann, den Blick zum Himmel gewandt, also: "Grosser Gott im Himmel, dem nichts verborgen bleibt, vor dessen Auge vielmehr alles klar und deutlich darliegt, dem nichts unmöglich ist und der allein die Wahrheit weiss, bringe an den Tag, wie ungerecht ich hier beschimpft werde, [...] mein Herr und Gott, kniefällig bitte und erflehe [ich], nicht zu dieser Greueltat zu schweigen, sondern lass ein Wunder geschehen und gib uns fol ge ndes Zeichen: Wenn es Wahrheit ist, was dieser Mensch da sagt, und Bosheit und Falschheit in mir wohnt, so möge die Erde diese Kanzel verschlingen und ich sieben Klafter in die Hölle hinabfallen und nie wieder zum Vorschein kommen. Aber wenn meine Worte die Wahrheit sind und dieser, ein Werkzeug des Teufels, Lügen spricht, um die Anwesenden grossen Segens zu berauben, so züchtige ihn und lass uns allen offen werden seine Schlechtigkeit! 77 Diese Bitte um ein falsches Wunder wird erfüllt, nicht von Gott, sondern von dem Gerichtsdiener, der seine Rolle so glaubwürdig spielt, dass alle Zuschauer meinen, er sei tatsächlich krank geworden. Das Strafwunder wird auf eine Art beschrieben, die der ausdrucksvollen Haltung der kranken Pilger der damaligen Wallfahrtszentren ähnelt: da brach der sündige Gerichtsdiener, wie vom Schlage getroffen, so heftig zu Boden, dass die Kirche davon widerhallte, und er fing an zu brüllen, und der Schaum trat ihm vor den Mund, und er verzerrte und zerriss sein Gesicht und schlug mit Händen und Füssen um sich und krümmte und wälzte sich am Boden. 78 76 Rausse, Lazarillo, 5.130. Anhang 35. 77 Ebd., S. 132 - 133. Anhang 35. 78 E bd .. Anhang 35. <?page no="131"?> Lazarillo und der Ablassverkäufer 121 Die verängstigten Leute bitten Gott um Hilfe, halten die Strafe für richtig, versuchen vergeblich, ihn zu halten, und fragen schliesslich den sich inzwischen auf der Kanzel "in gottähnlicher Verzücktheit" befindenden Prediger danach, den Gerichtsdiener von seinem Leiden zu befreien. Der Prediger betet für ihn zunächst von der Kanzel aus, und die Gemeinde begleitet ihn mit seinem Gebet: dann eilte mein Herr mit Kreuz und Weihwasser herbei, und nachdem er über ihn fromme Worte gesungen, hob er Hände und Augen zum Himmel empor, so da ss nur noch das Weisse zu sehen war, und begann ein ebenso langes wie inbrünstiges Gebet, wobei er alle zu Tränen rührte, wie es bei den Fastenpredigten dem Prediger und den andächtigen Zuhörern zu geschehen pflegt. [ .. .) Dann liess er sich die Ablassbulle bringen, legte sie ihm auf den Kopf, und sofort begann der sündige Gerichtsdiener sich zu bessern und sich zu erholen/ 9 Dank dem Kreuz, dem Weihwasser und dem Ablass bewirkt der Prediger ein falsches Heilungswunder, für das der Gerichtsdiener sich dann bedankt, indem er ihn um Verzeihung bittet. Der Gebrauch des Ablassbriefes zu diesem Heilungszweck bildet eine gravierende Verdrehung seiner ursprünglichen Funktion. Die Bedeutung des Ablasses war komplex und seine Funktion jenseitsgerichtet. Sein Erwerb diente dem Erlass oder der Kürzung der zeitlichen Strafen im Fegefeuer für die in der Beichte vergebenen Sünden. Die Reserve an guten Taten, die Christus zusammen mit dem Heiligen bereitstellte, wurd e von der Kirche auf folgende Weise verwaltet: Die Kirche ermöglichte den Gläubigen, sich dank dem Ablass von der Schuld dadurch loszukaufen, dass sie beichteten, gute Werke und fromme Leistungen erbrachten, wie zum Beispiel Wallfahrten oder die Almosenvergabe. 80 Dem Ablassverkäufer in Lizaros Erzählung gelingt es nicht, seine Ablassbriefe mit solchen theologischen Argumenten zu verkaufen, und er greift zum Trick des Strafwunders zurück, der die jenseitsgerichtete Funktion des Ablasses in den Hintergrund rückt. In der Tat lassen sich die Leute erst durch die Wunderheilung überzeugen. Die Wirkung des Ablassbriefes konzentriert sich dabei auf den Körper, nicht auf die Seele: auf das Diesseitige, statt auf das Jenseitige. Der Ablass wird in eine Reliquie verwandelt, die den Kranken dank der Berührung am Kopf heilt. Die im Spätmittelalter vertretene neoplatonische Auffassung, dass der Körper Gott offenbaren kann, wird damit vom Verfasser als Aberglaube disqualifiziert. Der Gerichtsdiener und d er Ablassverkäufer befreunden sich nach dem Wunder wieder. Alle Bewohner von Sagra de Toledo kaufen AblasszetteL 79 Ebd., S. 135. Anhang 35. 80 Zu dem Ablass im Mittelalter vgl. das dreibändige Werk: Paulus, Ablass, passim. Zu den Kreuzzugsablässen im 16 . Jahrhundert in Spanien und insbesonders zu dem wirtschaftlichen Gewinn einiger Burgaleser Kaufleute mit den Vorauszahlungen an die Krone für d en Ablassverkauf vgl. C arande, Banqueros, S. 435-464. <?page no="132"?> 122 Rezeption Ihr Ruhm verbreitet sich so sehr in den umliegenden Ortschaften, dass der Ablassverkäufer an diesen Orten nicht mehr zu predigen braucht. Lizaro lässt seine Entdeckung der Wahrheit nicht unkommentiert und fordert den Leser indirekt dazu auf, bei solchen Predigern aufzupassen und nicht leichtgläubig zu sein: Als ich dann aber später das Gelächter und Gespötte hörte, das mein Herr und der Gerichtsdienerwegen des vorzüglichen Geschäftes machten, merkte ich, dass die Geschichte von meinem schlauen und geriebenen Herrn in Szene gesetzt worden war, und obwohl ich noch im Knabenalter stand, fand ich die Geschichte zu toll und dachte bei mir: "Wieviel ähnliche Streiche mögen dem gutmütigen und gläubigen Volk von solchen Spassmachern gespielt werden! ". 81 Der Verfasser beschränkt sich nicht darauf, ein Exempel über Betrüger zu erzählen, oder die Leser vor derartigen Fälschern von Wundern zu warnen, wie dies sogar in den Vorworten der Mirakelbücher üblich war. Er baut die aus früheren Quellen stammenden Motive in die autobiographische Fiktion ein und lehrt den Leser dadurch einen neuen Umgang mit dem Wunder als Lesestoff. Er zeigt, wie eine Wundergeschichte auch fiktional gelesen werden kann und wie sich innerhalb der Fiktion ein Wunder als Fälschung entlarven lässt. Die Gefahr, die aus der Sicht der neoplatonischen Kleriker und der Mirakelbuchautoren auf diese Weise entstehen konnte, war doppelt so gross wie bei einer kritischen Exempelerzählung. Die Inquisition verstand es auch so. Obwohl sich diese Institution niemals erlaubte, mit ihren Zensurmitteln zugunsten der Gegner der Fiktion einzugreifen, bekämpfte sie alles, was sie für antiklerikal hielt. 82 Der Lazarillo erschien deshalb 1559 auf dem Index und wurde erst 1574 wieder erlaubt, aber nur in einer zensurierten Version, von der unter anderen das Kapitel über den Ablassverkäufer gestrichen wurde. 83 Ähnliche Erzählungen, die schon vor der Veröffentlichung des Schelmenromans zirkulierten, sind mehrfach belegt und werden häufig als Vorläufer des fünften Kapitels angegeben. 84 Es geht im Folgenden nicht darum, das XXIV. Kapitel des Mirakelbuches als möglichen Ursprung des V. Kapitels von Lazarillo zu postulieren, zumal beide Werke im selbenJahr erschienen. Es kommt vielmehr darauf an, der antiklerikalen Fiktion den klerikalen Wunderbericht mit seinem Wahrheitsanspruch entgegenzusetzen, ihre ähnliche Erzählstruktur zu erkennen und die Erzählstrategien der Augustinermönche vor diesem Hintergrund aufzuzeigen. 81 Rausse, Lazarillo, S. 137. Anhang 35. 82 Russe! , Literatura profana, S. 443-478. 83 Alfaro, lnquisici6n, S. 11-13. 84 Foulet, Massuccio's Fourth Novella, S. 305-311. Zur Bezeichnung der Ablassverkäufer als "echacuervos" vg l. Gillet, echacuervos, S. 148-155. <?page no="133"?> Lazarillo und der Ablassverkäufer 123 Zunächst wollen die Autoren des Mirakelbuches die Leser von der Echtheit der Ablässe überzeugen. Ihr Erwerb bringt zugleich einen Beitritt zur Bruderschaft des Burgaleser Kruzifixes mit sich. Der Echtheitsanspruch wird durch den Hinweis auf die päpstliche Autorität abgesichert, weil der Papst die Bulle gewährte. Dieser erste Teil des Kapitels bildet das "exordium": Als Papst Nikolas V. [1447-1455] über die grossenWunder informiert wurde, die Gott bei denjenigen bewirkte, die dieses heilige Kruzifix anriefen, publizierte er eine Bulle mit vielen und grossen Ablässen für den Gewinn der Seelen und damit diese heilige Andacht zunahm, dank der die Mönche des Klosters San Agustfn in allen Königreichen Spaniens predigen und Bruderschaften gründen durften. Ihre Bruderschaft und Konfraternität wird "vom heiligen Kruzifix" genannt. Die Bruderschaftsmitglieder konnten von den Gaben und Ablässen profitieren, die in dieser Bulle gewährt worden waren.85 In der "narratio" wird gerade ansebliessend vom Einzelfall eines skeptischen Mann berichtet, 86 der erst durch ein Wunder von Wert und Echtheit der Ablässe überzeugt wird. Dabei tabuisieren die Autoren den Erwerb der Abzeichen, indem sie auf Wörter verzichten, die mit Kauf oder Verkauf zu tun haben, und verwenden nur das Verb "nehmen", wenn sie die Handlung der Gläubigen beschreiben: Als ein Mönch des Klosters S. Agustfn über diese Gnade, welche der Papst vergab, in der Kleinstadt Grisaleiia predigte, die sich im Bistum Burgos befindet, nahmen alle das Abzeichen des heiligen Kruzifixes und Iiessen sich als Bruderschaftsmitglieder einschreiben. Ein Nachbar der besagten Kleinstadt namens Juan Ruyz de Para wollte der Bruderschaft nicht beitreten. Und als er nach der Messe nach Hause ging, fragte seine Frau ihn, ob er sich als Mitglied der Bruderschaft des heiligen Kruzifixes hatte einschreiben lassen, weil ihr Sohn und ihre Schwiegertochter es so getan hatten, da antwortete er, dass er es nicht getan hätte. Die Frau begann, ihn auf eindringliche Art und Weise dazu aufzufordern, das Abzeichen zu nehmen und der Bruderschaft beizutreten. Er antwortete mit der Ausrede, er könne es nicht tun.87 Bei der Beschreibung des Strafwunders, das Juan Ruyz widerfährt, wird hervorgehoben, dass er selbst dieses göttliche Zeichen richtig deutete, denn niemand anders konnte ihn beeinflussen. Weder seineNachbarnnoch seine Familie und am wenigsten seine Frau haben mit ihren Versuchen, ihn zu überzeugen, Erfolg: Und als dieser Mann am Montag aufstand, um einen gewissen Weizen zu bezahlen, den er als Rente noch schuldete, und versuchte, einen Weizenmehlsack aufzuheben, wurde sein rechter Arm gelähmt, so dass er keine --- - 8S Hystoria, f. LXIIIv. Anhang 36. 86 Zur Beweisfunktion der Exempel im Kontext der Predigten vgl. Gilomen, Exempla-Forschung,S. 184-196. 87 Hystoria, f. LXIVr-v. Anhang 36. <?page no="134"?> 124 Rezeption Kraft oder Stärke mehr spürte. Da er erstaunt darüber war, sich so gelähmt zu sehen, verstand er, dass diese Mühe von der mangelnden Andacht oder von der Verachtung her rührte, die er dadurch gezeigt hatte, dass er der Bruderschaft nicht beitreten wollte. Und da er seine Nachlässigkeit bereute, versprach er mit grosser Andacht, das Kreuzlein oder Abzeichen zu nehmen, um Mitglied der Bruderschaft des heiligen Kruzifixes zu werden. 88 Die Ablassprediger wirken in der Erzählung äusserst tolerant. Sie zwingen ihn nicht dazu, das Abzeichen zu kaufen. Der zweite Prediger, der in die Ortschaft kommt, braucht sich auch nicht darum zu bemühen, weil Juan Ruyz selbst zu diesem Schluss gekommen ist. Als er sein Gelübde erfüllt, erlebt er ein Heilungswunder: Als jemand wieder über die Bulle in der Kleinstadt predigte, und da er dieses Gelübde abgelegt hatte, streckte er wieder den Arm und bewegte ihn wie vor der Lähmung vor zahlreichen Zeugen, denN achbarn derselben Ortschaft. 89 Nach der "narratio" werden zusätzliche Beweise für die Authentizität der Bullen erbracht, dank denen das Kloster Ablässe verkaufen und Mitglieder in die Bruderschaft aufnehmen darf. Die Echtheit des Wunders wird schliesslich wieder betont: Papst Paulll. [1464-1471] genehmigte dieselbe Bruderschaft und gewährte nochmals zahlreiche Ablässe für all diejenigen, die der besagten Bruderschaft beitreten wollten oder schon Mitglieder waren. Diese Bestätigung geschah 1469, im fünften Jahr seines Pontifikats. Und der Ordensgeneral der Augustiner, Bruder Giraldo de Arimino, ernannte alle Laienbrüder des Heiligen Kruzifixes zu Ordensbrüdern, so dass sie an allen Messen, Opfergaben, Fasten und guten Werken teilnehmen konnten, die in unserem Orden zelebriert werden. Die Information über das erwähnte Wunder wurde vom königlichen Schreiber Lope Garcfa aufgezeichnet sowie vom Pfarrer derselben Kleinstadtnamens Juan Perez. Vor ihnen schworen die Augenzeugen des Wunders. Und selbstJuan Ruyz der Para schwor am Sonntag, dem 8. September 1454. 90 Im Vergleich zum anonymen Verfasser des Lazarillo legen die Autoren der Hystoria viel Wert darauf, einen Eindruck von Objektivität zu erwecken, der im Einklang mit dem Wahrheitsanspruch des Wunders steht. Dabei verfügen sie über mehrere Erzählmittel, die die Historizität der Geschichte unterstreichen. 91 Auch wenn Augustinermönche die Ablässe predigen und deshalb als Zeugen erscheinen könnten, verwenden die Verfasser die distanzierte Perspektive der nicht direkt am Geschehen Beteiligten, indem sie immer in der dritten Person berichten. Ihre Erzählung wird von den kirchlichen und staatlichen Instanzen beglaubigt, die daraus eine gesellschaftlich anerkannte Wahrheit machen können. So wird die Vergangenheit zur kol- 88 Ebd. Anhang 36. 89 Ebd., f. LXIVv-LXVr. Anhang 36. 90 Ebd. Anhang 36. 91 Zu diesen Erzählmitteln in Hoch- und Spätmittelalter vgl. Fleischmann, History and fiction, S. 278-310. Zu ihrer Entwicklung in einer längerfristigen historischen Perspektive vgl. Lozano, EI di sc urso hist6rico, passim. <?page no="135"?> Lazarillo und der Ablassverkäufer 125 lektiven Geschichte, nicht zu subjektiver Erinnerung wie im Schelmenroman.92 Die Erzähler müssen dabei in den Hintergrund treten, ganz im Gegenteil zur Ich-Erzählung der Autobiographie. Sie zeigen völliges Vertrauen in ihre Quellen und erwägen die Möglichkeit der Täuschung nicht. Dieselbe Wahrheit, nämlich der jenseitsbezogene Wert der Ablässe und der Zugehörigkeit zur Bruderschaft des Kruzifixes, wird schliesslich von allen Gläubigen erkannt. Der einzige Skeptiker wird von Gott selbst dank einem Wunder überzeugt. Sein Körper dient zur Offenbarung Gottes. Juan Ruyz ist deshalb die zuverlässigste Quelle für die Wundererzählung, während seine Familie und seine Nachbarn zum Chor der Zeugen gehören, die seine Geschichte bestätigen. Das fünfte Kapitel des Lazarillo und dieses Kapitel des Mirakelbuches handeln von ähnlichen Geschichten, die mit unterschiedlichen Erzählstrategien berichtet werden. Ohne eine direkte Abhängigkeit zwischen den beiden postulieren zu wollen, kann man sie als Ausdruck gegensätzlicher philosophischer, literarischer und religiöser Diskursgemeinschaften sehen. Aus der Sicht der Sozialgeschichte ist es wichtig festzuhalten, dass die Leser beider Werke zum Teil aus derselben bürgerlichen Schicht der Stadt Burgos stammten und dass die Autoren sich unter anderem an diese Adressaten richteten. Die Verteidiger der Fiktion versuchen, wie der anonyme Autor des Lazarillo zeigt, immer "bessere" Geschichten in der Vulgärsprache zu erfinden, die den neoaristotelischen Stilprinzipien entsprechen. Sie wehren sich gegen den neoplatonischen Vorwurf der Lüge, indem sie die Leser auf die Problematik der Täuschung aufmerksam machen. Das Thema des Wunderglaubens lässt die Schwächen der Autoren dieser Gattung zu Tage treten. Der Schelmenroman will den Leser dazu bringen, dieses Problem zu reflektieren. Eine andere Frage ist, ob es ihm gelang, diese Wirkung auf die Leser zu erzielen, denn sogar die gelehrten Leser des Werkes, die über ihre Meinung schrieben, heben das Komische und Lustige hervor. 93 Die Antwort auf diese Frage ist jedoch nicht so leicht, wie der Gegensatz zwischen Ernst und Humor auf den ersten Blick glauben lässt. 94 Der literarische Humor erfüllte im 16. Jahrhundert eine wertvolle Funktion. Lachen beim Lesen war keine sinnlose Handlung: Im Zusammenhang mit komischen literarischen Werken argumentierte man seit dem Spätmittelalter mit der medizinischen Meinung, das Lachen könne nicht nur eine therapeutische Wirkung haben, sondern auch Schmerzen verbannen; vor allem lasse sich mit seiner Hilfe die Melancholie bekämpfen. 95 92 Zur Subjektivität im Lazarillo vgl. Smith, Writing, S. 89-99. 93 Chevalier, Lectura, S. 172-197. 94 Roloff präzisiert, dass der anonyme Autor die Komik problematisiert, um dem Leser die Reflexion über die Geschehnisse zu überlassen. Roloff, Farcekomik, S. 62-67. Zu den sexuellen Konnotationen von Humor im dritten Kapitel vgl. Lefkowitz, Squire, S. 211-221. Zur spanischen Schwänkeliteratur im 16. Jahrhundert vgl. Guarino,Joan Timoneda, passim. 9S Olson, Reading, S. 39-89, 164-204; Morris, Geschichte des Schmerzes, S. 132-136. <?page no="136"?> 5 Das Wunder des Lautsprachunterrichts 5.1 Ein Wunder? Der Wunderbegriff hatte unscharfe Grenzen im 16. Jahrhundert. Manche Autoren fassten ihn sehr breit, während andere eine Einschränkung des Wunders auf die Ereignisse bevorzugten, die ausschliesslich auf ein direktes Eingreifen Gottes zurückgeführt werden konnten. 1 Die Vertreter beider Auffassungen konnten zahlreiche mittelalterliche Autoritäten heranziehen, um ihre Meinungen zu begründen. Augustinus verstand unter Wunder ("miraculum") nicht nur ungewöhnliche Zeichen der Macht Gottes, wie etwa die Heilung eines Kranken dank der Fürbitte eines Heiligen, sondern auch viele andere Ereignisse. Nur die Schöpfung und die Auferstehung Christi sind seiner Meinung nach Wunder an und für sich, aber die Ereignisse in der Natur wie der Regen oder das Wachsen der Pflanzen hält er auch für Wunder. Diese sollten als Folge von in der Welt angelegten "semina" verstanden werden. Gott handle jedoch ebenso durch direkte Eingriffe, weil die Menschen sich an die alltäglichen Wunder gewöhnt haben. Da diese alltäglichen Ereignisse die Menschen nicht mehr zur Verehrung Gottes bewegen, bewegt Gott die Menschen zur Verehrung durch das unerwartete Eintreten aussergewöhlicher Ereignisse. Solche Geschehnisse erscheinen den Menschen übernatürlich oder wunderbar, aber sie verstossen in der Tat nur gegen die uns bekannte Natur, nicht gegen die Natur selbst. Unter den göttlichen Aspekt haben sie einen natürlich-en Charakter.lm Laufe des Mittelalters veränderte sich dieses Wunderverständnis. Die Theologen neigten dazu, nur die durch die unmittelbare Wirkung Gottes verursachten Ereignisse als Wunder zu definieren. Diejenigen, die sich als Folge natürlicher Ursachen oder des menschlichen Willens ereignen, gehörten nach ihnen nicht mehr in diese Kategorie. Aber dieses differenzierte Wunderverständnis findet man in den mittelalterlichen Mirakelsammlungen und der Hagiographie nicht. Die Autoren solcher Werke stellten sich selten die Frage, wie so etwas geschehen konnte. Für sie war es wichtiger, die hinter den mirakulösen Ereignissen verborgene Moral zu zeigen. Wie diffus die Grenzen zwischen unmittelbar und mittelbar von Gott bewirkten Ereignissen im 16. Jahrhundert waren, lässt sich an einem der ersten bekannten Beispiele für den Lautsprachunterricht bei gehörlosen 1 Für die folgenden Ausführungen vgl. Ward, Miracles, S. 3-32; Bron, Das Wunder, S. 14-28; Daston, Marvelous Facts, S. 93 - 124 . <?page no="137"?> Ein Wunder? 127 Kindern veranschaulichen. 2 Die vom Benediktinermönch Pedro Ponce de Le6n (ca. 1510-1584) entwickelte Lerntechnik wurde damals häufig dem Bereich des Wunderbaren zugeschrieben. Gleichzeitig bestand ein Bewusstsein dafür, dass es sich um die Folge einer menschlichen Tätigkeit handelte. An diesem Falllässt sich exemplarisch zeigen, wie die Begriffe und die damit einhergehenden Wahrnehmungen von "Wunder", "Krankheit" und "Behinderung" kulturell und gesellschaftlich konstruiert waren. Pedro Ponce de Le6n war Mönch in einem der mächtigsten Klöster in der Nähe von Burgos: San Salvador de Ofia. 3 Er wurde wahrscheinlich am Anfang des 16. Jahrhunderts geboren, denn er legte das Mönchsgelübde 1526 in der Benediktinerabtei Sahagun ab. Einige Zeit vor 1550 gab der Marquis von Berlanga D. Juan de Tovar, der zur bedeutenden Adelsfamilie Velasco gehörte, 4 zwei seiner Kinder dem Kloster in Obhut, weil sie gehörlos waren: Francisco und Pedro. In der Velasco-Familie häuften sich damals die Fälle vererbter Gehörlosigkeit: nicht nur Pedro und Francisco waren geburtstaub, sondern auch ihre Schwester Catalina und Bernardina. Die Hör- und Sprachbehinderung bestimmte ihre Schicksale. Beide Mädchen wurden Nonnen in zwei unterschiedlichen Klöstern, aber leider ist ihre Geschichte kaum dokumentiert. Der erstgeborene Ifiigo war nicht hörbehindert und wurde Konnetabel zwischen 1560 und 1585. Die zwei übrigen Schwestern, Ines und Isabel, konnten auch hören und heirateten Adlige aus anderen wichtigen kastilischen Geschlechtern. 5 Für die Gewährung von erblichen Rechten waren die Geschlechtszugehörigkeit 6 und die Beeinträchtigung der Hör- und Sprachfähigkeit bestimmend: Die Frauen erbten nur, wenn kein Mann erbberechtigt war; die Geburtsgehörlosen blieben von der Erbfolge ausgeschlossen. Ponce de Le6n wurden die zwei Knaben, Francisco und Pedro, zur Obhut anvertraut. Er entwickelte eine gemischte Methode, die lautsprachliche, gebärdensprachliche sowie schriftliche Elemente beinhaltete. Er vermittelte den Kindern zunächst die geschriebene Sprache und ein Handalphabet, damit sie ohne Schreibwerkzeuge kommunizieren konnten. Obwohl er sie die Lautsprache zu sprechen lehrte, ahnte er nicht, dass man durch Beobachten der Sprechenden von den Lippen ablesen könnte. 2 Im 16. Jahrhundert nannte man diese Kinder nicht gehörlos, sondern "Taubstumme". Da eine hochgradige Schädigung der Gehörorgane früh auftritt, können die Betroffenen nur mit Schwierigkeiten sprechen lernen. Aber bis ins 19. Jahrhundert konnte man nicht bestätigen, dass diese sogenannte Stummheit mit dem Schaden des Gehörs zusammenhängt. . 3 Werner, Geschichte, S. 141-143. Zu Oiia und zum Kloster im Spätmittelalter vgl. Ruiz G6mez, Oiia, passim. Es ist umstritten, ob Pedro Ponce der Erfinder des Lautsprachunterrichts war. Moll, Historia, S. 162-220; Plann, Pedro Ponce, S. 421-427. 4 In dieser Familie war die Würde des Konnetabels von Kastilien erblich. Zur Rolle des Konnetabels beim Niederschlag der Revolution der Comunidades vgl. Kapitel2. 5 Werner, Geschichte, S. 135. 6 Zur Benachteiligung adeliger Frauen in Bezug auf ihre Erbberechtigung vgl. Quintanilla Raso, Capacidad de gesti6n, S. 49-53. <?page no="138"?> 128 Das Wunder des Lautsprachunterrichts Daraus ergab sich eine neue Situation bezüglich der Erbfolge, die juristisch geklärt werden musste: Wer würde das Majoratsgut der Familie erben, wenn der erstgeborene lö.igo sterben würde? Francisco war der ältere der zwei gehörlosen Brüder, aber aufgrundseiner Behinderung kam er nicht in Betracht für die Erbfolge. Niemand hatte damit gerechnet, dass er sprechen lernen könnte. Man war davon ausgegangen, dass kein Gehörloser sprachfähig wäre, denn man dachte, bei Geburtsgehörlosen seien nicht nur das Gehör, sondern auch die Stimmorgane geschädigt. Man vermutete damals immer eine Zungenlähmung, weil man eine Verbindung des Hörnervs mit dem sogenannten Gesichtsnerv annahm. 7 Ein Jurist, der Lizentiat Lasso, wurde zu Rat gezogen, um diese Erbfolgefrage zu klären. Dieser Autor, von dem nichts Weiteres bekannt ist, besuchte Pedro Ponce kurz vor 1550 im Kloster Oö.a, um seine Arbeit mit den zwei Knaben selbst zu beobachten, und schrieb ein Traktat über die rechtliche Stellung der Stummen (Tratado legal sobre los mudos), in dem er für eine neue Interpretation des Gesetzes plädiert. Seine Argumentation ist nicht vom Einzelfall losgelöst, denn es geht ihm hauptsächlich um die juristische Frage des Erbrechts des "sprechenden Taubstummen" aus der Familie Velasco. Bezeichnenderweise ist das Werk dem älteren Bruder, Francisco, gewidmet. 8 In seinen Ausführungen bewegt er sich bei der Einschätzung des von ihm beobachteten Phänomens zwischen zwei Polen: Einerseits hält er es fast für eine Wunderheilung, welche die Gnade Gottes bewirkt hatte, andererseits bezeichnet er Pedro Ponces Technik oder Methode als "industria ",das heisst menschliche Geschicklichkeit oder Kunstfertigkeit. 9 Lasso verwendet sogar den widersprüchlichen Ausdruck der "industria sobrenatural".10 In seinem Vorwort schreibt er: [. .. ]weder Aristoteles noch Platon noch Seneca noch irgendein anderer Philosoph oder Jurist, die es auf der Welt gegeben hat, dachte, glaubte oder hielt es für möglich, dass die von Natur aus Stummen allein dank der Geschicklichkeit, der Vernunft und der Wissbegierde der Menschen sprechen können, wie es nun in meinem Traktat und Werklein betrachtet und behandelt wird. Es ist also ein so unbekannter, erstaunlicher[" marabilloso"] und neuer Fall in bezugauf seinen Scharfsinn, Geschicklichkeit und Merkwürdigkeit, dass es wunderbar und übernatürlich erscheint. 11 Werner, Geschichte, S. 84-128 . Lasso, Tratado, S. 6. 9 Covarrubias definiert " industria" in seinem Wörterbuch folgendermassen : "Es ist die Geschicklichkeit, Bemühung und Kunstfertigkeit, mit der einer irgendetwas mit weniger Mühe macht als jemand anders. "Hacer una cosa de industria" heisst, eine Sache wissentlich und absichtlich tun [... ]" .(" Es Ia maiia, diligencia y solercia con que alguno hace cualqui er cosa con menos trabajo que otro . "H acer una cosa de industria", hacerla a sabiendas y adrede [... ]"). 10 Lasso, Tratado, S. 25 . II Ebd., S. 10. Vgl. Anhang 37. <?page no="139"?> Ein Wunder? 129 Die menschlichen Fähigkeiten reichen seiner Meinung nach nicht aus, um Pedro Pances Erfolge zu erklären. Lasso wünscht sich, dass der Benediktinermönch sein Schweigen überwindet und über seine Technik schreibt, um diese bekannt zu machen, denn nur er kennt sie. Lasso will sich seinerseits auf die juristischen Fragen beschränken: Ich darf mir nicht die Keckheit und Kühnheit herausnehmen, mich zu erdreisten, über den Gegenstand zu schreiben, von dem bis heute noch kein Gelehrter gelesen oder eine Probe gehabt hat. Denn die Neuheit dieser Sache mit diesem so unbekannten, neuen und wunderbaren Fallleidet keine Verheimlichung, sondern muss beschrieben und veröffentlicht werden. Ich aber kann darüber nicht schreiben und den Fleiss, die Aufmerksamkeit und den Forschungstrieb erklären, die nötig sind, um Stumme zum Sprechen zu bringen. Denn diese hat der Erfinder ganz allein für sich erschaffen, bewahrt und bei sich behalten. Es sollte ihm aber unser Papst Julius III. [1550-1555] als Priester und die hl. kaiserliche Majestät unseres unbesiegten Kaisers Karl V. als spanischen Untertanen und Vasallen befehlen, dass er seine Methode veröffentlichte und ans Licht gebe, damit sie allen bekannt würde, da sie eine erhabene und allgemein nützliche Erfindung darstellt.U Die Deutung der Ursachen von Hör- und Sprachbehinderung, zu der Lasso neigte, hinderte ihn jedoch daran, einen rein menschlichen Vorgang in Pances Tätigkeit zu sehen. Trotz der Entdeckung der Möglichkeit des Lautsprachunterrichts hält Lasso an der mittelalterlichen Anschauung fest, dass bei den Geburtsgehörlosen auch eine Schädigung der Sprachorgane vorliege: Daraus geht klar und deutlich hervor, dass die Läsion des Gehörorgans allein nicht genügt als Grund, wie dies Aristoteles behauptete, dass diese Leute nicht sprechen können, sondern dass gleichzetig, wenn ihnen durch eine Krankheit das Organ des Gehörs verschlossen wird, auch die feinen und empfindlichen Teile des Sprachorgans verschlossen und verstopft werden. 13 Für Lasso gibt es k eine Hörbehinderung ohne Sprachbehinderung. Es bleibt deshalb für ihn unerklärlich, wie ein Stummer, der ein beschädigtes Sprachorgan besitze, reden könne. So bestreitet er, dass die Sprache eine angelernte Geschicklichkeit sei, wie Aristoteles meint. Seine Argumentation gründet sich auf dem Glauben, dass jedem Menschen eine Sprache angeboren sei: Aristoteles versichert, dass j eg liches Lebewesen stumm und taub geboren wird, weil die Organe dieser Sinne nicht so tüchtig und geeignet in derjenigen Vollkommenheit entstehen, welche von Natur aus zum Reden und 12 Ebd. , S. 10-11 . Hier übernehme ich die Übersetzung von Hans Werner nur streckenweise. Werner, Geschichte, S. 161-162. Wenn kein Hinweis auf eine andere Übersetzung gemacht wird, handelt sic hum meine eigenen Übersetzungen. Vgl. Anhang 1. 13 Lasso, Tratado, S. 35. Hier Ubersetzung von Hans Werner. Werne r, G eschichte, S. 79. Vg l. Anhang 37. <?page no="140"?> 130 Das Wunder des Lautsprachunterrichts Hören benötigt wird. Ferner verloren durch irgendwelche Krankheit gewisse Leute das Gehör, bevor sie zu sprechen angefangen haben, und diese würden deshalb auch stumm, denn, wie sie nicht hören können, vermögen sie auch nicht das Organ der Stimme zu beherrschen, um vollkommen sprechen zu können. Und da sie nicht sprechen, stossen sie unartikulierte Laute aus und bleiben stumm. Die gleiche Meinung scheint auch Plinius zu haben im ersten Buch seiner Naturgeschichte. Jedoch ist es nach meinem Dafürhalten ein grosser Irrtum von den beiden, die doch ausgezeichnete Philosophen und hervorragende Gelehrte waren, dass sie behaupten und sagen, dass Menschen vom Niemalshören oder Gehörthaben durch Krankheiten, welche ihnen im Kindesalter zustossen, das Gehör verlieren und stumm werden und nicht sprechen können. Wenn dem so wäre, so würden wir die Meinung einiger Philosophen für richtig halten, die Sprache sei eine erworbene und angelernte Geschicklichkeit wie die übrigen Künste, und wenn man nichts höre, könne man auch nichts lernen und darum bleiben die Menschen stumm. Dies ist jedoch ein Fehler und Irrtum. Die Sprache ist ja doch etwas Natürliches in den Menschen nach der gemeinsamen Lehre aller Philosophen. So versichert und bezeugt mit scharfsinnigen und unwiderleglichen Gründen Quintilian im dritten Buch, und Aristoteles selbst sagt es im ersten Buch seines Staates im zweiten Kapitel. Wenn dem nicht so wäre, bestünde ja eine Ähnlichkeit zwischen den Menschen und den Elstern, Drosseln, Papageien und andern Vögeln, welche einige Worte sprechen, die die Menschen ihnen zeigen und lehren. 14 Diese Ursprache sei etwas Natürliches und werde jedem von Gott gegeben. Mit verschiedenen Autoritäten belegt er, dass diese Ursprache das Hebräische sei: 15 [ ... ]und dass die Sprache der Menschen etwas Natürliches ist und weder eine Geschicklichkeit noch eine angelernte Wissenschaft, lässt sich durch das beweisen, was Herodot in seinem zweiten Buch erzählt, in dem er sagt: Wenn zwei Kinder von ihrer Geburt an an einen Ort gebracht und dort erzogen wären, wo niemand mit ihnen reden würde und sie kein Wort von irgendeinem Lebewesen hören würden, würden sie die Sprache sprechen, die unsere Ureltern redeten, das heisst das Hebräische nach der allgemeinen Auffassung von Philosophen und Historikern, denn Gott sprach in dieser Sprache mit Adam und mit den Propheten, wie der Heilige Augustinus im sechzehnten Buch seines Werkes Vom Gottesstat [... ].1 6 Ein anderer Gelehrter, der Historiker und Humanist AmbrosiadeMorales (1513-1591 ), interessierte sich einige Jahre später für den Lautsprachunterricht im Kloster Oiia. 17 Auch er ging dorthin, um Pedro Ponce und seine 14 Lasso, Tratado, S. 32-33. Hier Übersetzung von Hans Werner. Werner, Geschichte, S. 79- 80. Anhang 38. 15 Zum Stellenwert des Hebräischen als Ursprache in den Sprachtheorien der Renaissance sowie zu den von Aristoteles beeinflussten Autoren des 16. Jahrhunderts vgl. Demonet, Les voix du signe, passim. 16 Lasso, Tratado, S. 34. Vgl. Anhang 38 . 17 Werner, Geschichte, S. 145-146. Zu Ambros ia de Morales als Historiker vgl. Cape! Margarito, Ambrosia de Morales, S. 443-450; Martinez-Burgos, ! dolos e im: igenes, $.212-214. <?page no="141"?> Ein Wunder? 131 Schüler kennenzulernen. Nur Francisco, einer der beiden Brüder, lebte noch, als Ambrosio de Morales darüber schrieb. Ambrosio deMorales verwendet das Wort "maravilla" in seiner Schilderung, um Pedro Ponces Erfindung des Lautsprachunterrischts zu würdigen. Er distanziert sich eindeutig von der Auffassung, dies hätte etwas mit einer Wunderheilung zu tun. Seine Haltung gegenüber den Wundern im engen Sinne des Wortes war sehr kritisch, wie es auch aus seinen Empfehlungen für die Verfasservon Hagiographien hervorgeht: "[... ]und es geht nicht so sehr darum, schreckliche Sachen mit Wundern ["milagros"] zu erzählen, sondern fromme und nützliche mit Exempla". 18 Er brauchte nicht auf eine übernatürliche Ursache zu verweisen, denn seine Erklärung für die Sprachbehinderung scheint sich an die aristotelische Meinung anzulehnen: Er hält die Hörbehinderung für die Ursache der Sprachbehinderung. Am Schluss seiner Beschreibung der Begegnung mit Pedro Ponce und seinem Schüler fügt er die Abschrift eines Selbstzeugnisses19 von D. Pedro ein, in dem der Betroffene seine eigene Lebensgeschichte in Hinblick auf seinen Lernprozess der Lautsprache zusammenfasst. Dabei betont er, dass alles auf die Gnade Gottes zurückzuführen sei, auch wenn er das Wort Wunder nicht verwendet: Ein anderer berühmter Spanier von seltenem Genie und -wenn wir es nicht selbst gesehen hättenvon unglaublichem Erfolg, ist der, welcher die Stummen reden lehrte, mit seiner vollkommenen Kunst, die er selbst erfunden hat. Dies ist der Mönch Pedro Porree, vom Benediktinerorden, der zwei Brüder und eine Schwester des Condestable, die taubstumm waren, im Sprechen unterwies und der jetzt noch einen Sohn des obersten Richters von Aragonien unterrichtet. Um das Wunder ["maravilla"] noch grösser zu machen, sind diese Personen auch vollkommen taub, wodurch sie erst stumm sind. So redet man mit ihnen durch Zeichen, oder man schreibt ihnen und sie antworten sogleich mit Worten und schreiben ebenso entsprechend auf ein Papier oder sonst etwas. Einer dieser Brüder des Condestable hiess Don Pedro de Velasco, der wenig mehr als zwanzig Jahre alt wurde; in diesem Alter erlosch mit seinem Tode alles, was er gelernt hatte. Ausser dem Kastilischen sprach und schrieb er Latein fast ohne Solözismen, zuweilen sogar in elegantem Stil, und konnte ebenso mit griechischen Buchstaben schreiben. Damit man im einzelnen dieses Wunder ["maravilla"] geniessenkann und damit man einen Begriff bekomme von der Kunst, die an seine Erziehung verwendet wurde, und damit es dem Andenken erhalten bleibe, will ich ein Schriftstück zitieren, das ich von seiner Hand besitze. Es fragte nämlich jemand in seiner Gegenwart den Bruder Pedro Ponce, wie er es angefangen habe, ihm die Sprache zu lehren. Bruder Pedro Porree teilte Don Pedro mit, was man gefragt habe und dieser antwortete zuerst mündlich und schrieb nachher folgendes auf: ! 8 Zitiert nach Martinez-Burgos, ! dolos e imagenes, S. 214. 19 Zu den frühneuzeitlichen Selbstzeugnissen vgl. Krusenstjern, Was sind Selbstzeugnisse? , S. 462-471. <?page no="142"?> 132 Das Wunder des Lautsprachunterrichts "Wissen Sie, als ich noch klein und ganz unwissend wie ein Stein war, da begann ich schreiben zu lernen, und zwar zuerst die Namen der Gegenstände, welche mein Lehrer mir zeigte. Dann schrieb ich alle kastilischen Wörter in ein Buch, das man mir zu diesem Zweck hergestellt hatte. Dann begann ich mit Hilfe Gottes zu buchstabieren und auszusprechen, mit aller mir zur Verfügung stehenden Kraft, obgleich mir eine Unmasse Speichel aus dem Mund floss . Nachher fing ich an Geschichten zu lesen, so dass ich in zehn Jahren die Geschichte der ganzen Welt gelesen hatte. Später lernte ich noch Latein. Dies alles geschah durch die grosse Gnade Gottes, ohne die nichts vor sich geht". 20 Auch ein Selbstzeugnis von Pedro Ponce wird überliefert, und zwar in einem von Benito Feijoo abgeschriebenen Dokument zur Stiftung einer Kapellenpfründe am 24. August 1578. Seine Beurteilung der eigenen Tätigkeit zeigt, dass er sich seiner "industria" bewusst ist, auch wenn er auf Gott zurückgreift, um seine Begabung zu erklären. Er redet nicht von einem Wunder und sagt implizit, weshalb er kein Interesse an der Verbreitung seiner Kentnisse hat: Er befüchtet die Konkurrenz und den Verlust seiner wichtigsten Einnahmequelle: Das Geld dafür habe ich, Bruder Pedro Ponce aus diesem Kloster zu Oiia, erworben, indem ich meine Ausgaben kürzte und einschränkte und durch die Gunst von Adeligen, sowie durch Almosen von vornehmen Leuten, die mich in ihrem Testament bedachten, und durch Gaben von Schülern, die ich hatte. Dank dem Talent, das der Herr mir zu verleihen beliebte, hatte ich nämlich durch die Gnade von S. Juan Bautista und unseres Vaters San Iiiigo Schüler, die von Geburt taubstumm waren. Es waren Söhne von hohen Adeligen und hervorragenden Persönlichkeiten, die ich sprechen, lesen, schreiben, rechnen, beten, bei der Messe helfen, die Glaubenslehre kennen und mit Worten beichten lehrte. Einige lehrte ich Latein, einige Latein und Griechisch und einige Italienisch verstehen. Einer davon wurde zum Priester geweiht und hielt das Hochamt ab und sang die Horae canonicae. Einige andere gelangten dazu, die Naturphilosophie zu verstehen und die Astrologie. Ein weiterer trat in ein Mayarat und Marquisat ein und war als Soldat ausser dem, was er, wie hier beschrieben ist, wusste, auch unterrichtet in allen Waffenspielen und besonders gut als Reiter in allen Sätteln. Ausserdem waren meine Schüler grosse Kenner von spanischer und fremder Geschichte und besassen die Bildung und Schulung, die Aristoteles ihnen abgesprochen hatte. 21 20 Hier Übersetzung von Hans Werner. Werner, Geschichte, S. 144-146. Vgl. Anhang 39. 21 Hier Übersetzung von Hans Werner. Werner, Geschichte, S. 156-157. Vgl. Anhang 40. <?page no="143"?> Ein Wunder? 133 5.2 Die Rechte des redenden Taubstummen Lassos Traktat verdient unsere Aufmerksamkeit als Quelle für die Sozialgeschichte der Sprache und der Sprachbehinderung. 22 Die Entdeckung des Lautsprachunterrichts stellte neue Fragen, welche Lasso mit einer juristischen Konstruktion zu lösen versuchte: die Figur des "redenden Taubstummen". Das Ziel seines Traktats besteht nicht darin, das für Taubstumme aufgestellte Gesetz aufzuheben, sondern nur zu beweisen, dass ein Taubstummer, der sprechen gelernt hat, nicht mehr taubstumm im eigentlichen Sinn heissen und vom Gesetz nicht mehr als solcher behandelt werden darf. An seinen Ausführungen lässt sich veranschaulichen, wie die Sprache als Instrument der Macht in der damaligen Gesellschaft fungierte und dass die Sprachbehinderung Grund für den Machtverlust und für die Marginalisierung innerhalb der eigenen sozialen Schicht bildete, in diesem Fall innerhalb des hohen Adels. 23 Der Sprachbehinderte musste sich deshalb um "Korrektheit" bemühen. Er brauchte die normale Sprachkompetenz der Lautsprache, um seine Stigmatisierung zu vermindern. Lasso machtNormen für die Produktion der Sprache explizit, die für gewöhnlich nur implizit waren. Es wird deutlich, dass Sozial- und Herrschaftsbeziehungen Kommunikationsbeziehungen waren, welche die Beherrschung der Lautsprache voraussetzten. Nur wer die Fähigkeit zur mündlichen Erzeugung der richtigen Mitteilungen hatte, durfte Macht ausüben, auch wenn diese Person aus dem höchsten Adel stammte und gerade dadurch ihre Herrschaft legitimieren konnte. Die Macht über die Sprache war Voraussetzung für die Ausübung der politischen, sozialen und ökonomischen Macht in einer adeligen Familie mit politischen Funktionen. Die gesellschaftlichen Zwänge der höfischen Kultur zur Kontrolle und Beherrschung der Sprache im Alltag nahmen im 16. Jahrhundert zu. 24 Der erste Teil des Traktats enthält Lassos Hauptargumente . Er beruft sich am Anfang auf Aristoteles, um die im römischen Recht verankerten Unterscheidung zwischen "mutos a natura" und "mutos ex accidente" zu kritisieren. An dieser Stelle umgeht Lasso die Aspekte der aristotelischen Lehre, die er an anderen Orten kritisiert. Lasso argumentiert, dass alle Menschen in Wirklichkeit taub und stumm geboren sind, aber einige von ihnen bleiben es, weil eine Krankheit sie am Erwerben des Gehörs und der Stimme hindert . Deshalb sollte man auch die angeborenen Taubstummen als "mutos ex accidente" betrachten. Es gebe also keinen Grund, die "mutos a natura" 22 Zur Sozialgeschichte der Sprache vgl. Burke, Art of Conversation, S. 1-33. Zur Geschichte der Sprachbehinderung vgl. Möbius, "Deaf-history"-Forschung, S.388- 401. 23 Zur Sprache als Instrument der Macht und des Handeins in der heutigen Gesellschaft vgl. Bourdieu, Was heisst sprechen? , S.7-113. 24 Burke, Art of Conversation, S. 98-102. <?page no="144"?> 134 Das Wunder des Lautsprachunterrichts von der Erbfolge auszuschliessen, wenn sie sprechen gelernt haben. Denn die "mutos ex accidente" werden auch nicht ausgeschlossen, weil sie vielleicht wieder sprechen und schreiben können. 25 Lasso will ferner zeigen, dass sich die "sprechenden Taubstummen " nicht in derselben Lage befinden wie die Frauen. Diese müssen durch die männliche Vormundschaft geschützt werden. Es ist für ihn selbstverständlich, dass die Frauen als rechtlich nicht voll verantwortlich gelten. Im Unterschied zu den Frauen könne sich die rechtliche Position der Taubstummen verändern, weil sie reden lernen. 26 Auch das "argumentum ab etymologia" falle dahin, nach dem D. Francisco auch in diese Kategorie nach dem Gesetz gehöre, weil er im Testament taubstumm genannt wurde. Hier unterscheidet Lasso zwischen "bramar" (dem Schreien der Taubstummen) und "hablar" (Reden). Dadurch unterstreicht er, dass das Testament nur die Taubstummen meinen kann, die sprachunfähig bleiben. 27 Lasso argumentiert ferner, dass die Taubstummen im allgemeinen nicht mit den Kleinkindern ("infames") gleichgesetzt werden dürfen, weil diese weder verstehen noch sprechen können. Die Taubstummen hingegen hätten Vernunft, und deshalb dürfen sie etwa heiraten, wenn sie ihren Willen durch Gebärden oder schriftlich ausdrücken. Noch mehr sei der Vergleich zwischen den "infantes" und" redenden Taubstummen" falsch, weil diese nicht nur verstehen, sondern auch sprechen. 28 Es folgen dann Ausführungen über die ausdrückliche Ausschliessung Don Franciscos im Testament, in denen einmal mehr hervorgehoben wird, dass seine "Natur" nun eine andere sei als zum Zeitpunkt der Aufstellung des Testaments. 29 Schliesslich geht es um das Argument der Funktionstüchtigkeit des Betroffenen für die Machtausübung, die der Besitz eines Lehens verlangt. Das "Verwalten" und "Regieren" des Majoratsguts sei von der Sprachfähigkeit abhängig. 30 Der zweite Teil des Werkes behandelt mehrere Fragen, die den "spr echenden Stummen" betreffen: ob er die Messe zelebrieren dürfe; wie gut er sprechen solle, dass man sagen dürfe, er spreche; ob er Aussagen vor Gericht ablegen dürfe; und schliesslich einige Überlegungen über den Spruch: "Entfernt euch von denjenigen, die von der Natur gezeichnet sind" . Bei der Behandlung der ersten Frage kann man die symbolische Macht der Sprache erkennen, wenn sie in einem Ritual verwendet wird, denn die Sprache reprä- 25 Lasso, Tratado, S. 36-39. 26 Ebd., S. 45-50. 27 Ebd., S. 50-56. 28 Ebd., S. 56-62. 29 Ebd., S. 63-73. 30 E bd., S. 74-77. <?page no="145"?> Ein Wunder? 135 sentiert in diesem Zusammenhang die priesterliche Autorität. 31 Form und Inhalt der Sprache sind von substantieller Bedeutung für den Vollzug des Rituals. Nur wer über die legitimen sprachlichen Ausdrucksmittel verfügte, durfte (und darf) an der Autorität der kirchlichen Institution teilhaben. Nur die Sprachfähigen konnten das symbolische Kapital der Sprache ausnützen und weitergeben. Die formalen Bedingungen durften nicht übersehen werden, sie waren von zentraler Bedeutung für die Legitimation des Pfarrers bei der Zelebrierung der Messe. Im Zentrum von Lassos Überlegungen steht die Frage der Transsubstantiation und die Rolle derWÖrterdes Zelebranten bei der Konsekration der Hostie. Nur wenn sie "richtig" ausgesprochen wurden, sollten sie das Brot und den Wein in Fleisch und Blut Christi verwandeln.32 3\ Bourdieu, Was heisst sprechen? , S. 73-83 . 32 Lasso, Tratado, S. 78- 82. <?page no="146"?> 6 Santo Domingo de Ia Calzada 6.1 Der Heilige Der Heilige Domingo de la Calzada ist ein historischer Heiliger, einer der vielen Eremiten aus dem Hochmittelalter, die später spanische Lokal-Heilige geworden sind. 1 Er starb 1109. Er liess sich in einem seit dem 11. Jahrhundert von mehreren Königen begehrten Grenzgebiet nieder: Kastilien, Navarra und Aragon erhoben Ansprüche auf diese Gegend in der Rioja. Alfonso VI. (1065-1109), König von Kastilien-Le6n, besetzte das Gebiet 1076 und unterstützte die Bauarbeiten des Heiligen. Nach dem Tod des Heiligen Domingo wurde die kleine Stadt "Burgo de Santo Domingo" genannt. Ihre Lage am Jakobsweg begünstigte die Entwicklung der Stadt im Spätmittelalter. 2 Was dachte und wusste man über den Heiligen Domingo de la Calzada im 16. Jahrhundert? Wie bei anderen Heiligen konnte ein gebildeter Spanier aus dieser Zeit in einer Legendensammlung seinen Namen suchen, um etwas über ihn zu erfahren. 3 In derjenigen von Pedro de la Vega, einer der am frühesten gedruckten Legendensammlungen, stand viel mehr über das Leben des H eiligen Domingo als nur historisch belegte Angaben. 4 Die Erzählung über sein Leben und seine Wunder gibt Aufschluss über die von ihm verkörperten Werte und über seinen Charakter als Held der Stadt. 5 "Der Heilige Domingo war ein Laie und ungebildet und stammte aus einer Ortschaft in Italien, die Villoria heisst, und er kam nach Spanien in das 1 Über die Eremiten und ihre Verehrung im 16. Jahrhundert in Spanien vgl. Christian, Religiosidad, S. 136-140. 2 Vazquez de Parga, Bd. II, S. 162-168. Die Bevölkerung der "merindad" (Gerichtssprengels eines " merino") von Santo Domingo de Ia Calzada entwickelte sich am Ende des 16. Jahrhunderts folgendermassen: 4542 Nachbarn (1561), 4366 (1586) und 3517 (1597), wobei ein Nachbar durchschnittlich vier Einwohnern entspricht. Vgl. Brumont, Campo, S. 76, 81; ders., Rioja, S.248-249. 3 Die Legendensammlungen gehörten damals in Spanien zu den meist verbreiteten Lesestoffen. Caro Baroja, Las formas complejas, S. 95-97; Martinez Gil, Muerte y sociedad, S. 73 - 75. 4 Pedro de Ia Vega, La vida y passion de nuestro seiior ]esucristo. Las historias de las festiuidades de su santissima madre con las de los santos apostoles, martires, confessores e virgenes. Das hier zitierte Exemplar ist eine der ältesten Ausgaben, möglicherweise von 1516. Es handelt sich leider um ein unvollständiges Buch, dessen letzter Teil nicht erhalten ist. Es befindet sich in der Biblioteca Nacional de Madrid. Spätere Ausgaben des Werkes sind seit 15 21 bekannt und tru gen den Titel von Flos sanctorum. 5 Burke, Helden, S. 168- 170, 194-195. <?page no="147"?> Der Heilige 137 Gebiet der Rioja". 6 So begann seine Lebensgeschichte, wie sie Pedro de la Vega erzählte. Der Heilige wollte in ein Benediktinerkloster eintreten, aber er wurde zweimal von den Äbten zurückgewiesen. Weder in Valvanera noch in San MilLin, zwei riojanischen Klöstern, wurde er aufgenommen. Eine bessere Erfahrung machte er bei einem Eremiten, der ihm sogar das wenige schenken wollte, was er besass. Der Heilige Domingo antwortete ihm: "Ich möchte nicht auf eine Weise aus deinen Arbeiten Nutzen ziehen, dass du dabei von dem verlieren würdest, was du in langer Zeit zusammengetragen hast. " 7 Auch bei einem Bischof namens Gregorio blieb er lange Zeit. Seine "heilsame und heilige Doktrin" ("doctrina saludable y sancta") hatte den Heiligen Domingo angezogen. Als der Bischof starb, "beschloss er, an einen Ort zu gehen, an dem er mit den Armen Christi alles teilen konnte, was er hatte". 8 Der Ort war die zukünftige Stadt mit seinem Namen. Dort war es damals noch wild und gefährlich, und der Heilige zeigte sich sehr unternehmungslustig. "Er baute zunächst ein Haus und eine kleine Kirche zu Ehren der Jungfrau, wo er betete". 9 Da ein Fluss (der "rio Oja", nach dem das Gebiet genannt wird) ein Hindernis für den Verkehr bildete, beschloss er, mit Hilfe der Bewohner der Umgebung eine Brücke zu bauen. Damals fing er an, Wunder zu wirken, die ihn sehr bekannt machten und die Besucher aus anderen Gegenden anzogen. In der Reihe von Wundern, die sowohl aus Strafwie Heilungswundern bestanden, erschien der Heilige als ein Mann, der sich nicht scheute, mit den Händen zu arbeiten, und der seine Wohltätigkeit nicht nur bei den einheimischen Armen, sondern auch bei Fremden zeigte. Er baute ein Spital für Pilger und bebaute einen Garten, um diese zu ernähren. Manche Vorbeiziehende wollten nur von seiner Verpflegung profitieren und behandelten ihn schlecht. Zwei sehr arme Gauner ("truanes con gran pobreza") beherbergte er einmal in seinem Spital, wobei ihn einer von ihnen ins Feuer warf. Der Heilige ertrug es, ohne sich zu wehren. Als die G a uner weggingen, bekamen sie Streit miteinander und töteten sich gegenseitig, "und ein Hund kam und nahm die Hand des Gauners, die den Heiligen Herrn ins Feuer geworfen hatte, und brachte sie dem Heiligen, als er eben aus der Kirche kam". 10 6 "Santo domingo fu e lego e sin letras, e natural d e vn Iugar de ytalia que es llamado villoria, e vinose a spaiia a tierra de rioja". Pedro de Ia Vega, f. CXCVIr. 7 "No quiero ser yo assi socorrido de tus trabajos, que seas tu priuado de lo que has luengo tiempo aparejado". Ebd. 8 "[ ... ]e escogio de yr a morar a vn Iugar a do pudiesse partir con los pobres de jesu cristo todo lo que tenia". Ebd . 9 "E hizo primeramente para si vna casa evna yglesia pequeiia a honrra de Ia virgen bienauenturada a do oraua". Ebd. 10 "[ .. . ]e vino vn can e tomo Ia mano del truhan que d er ribara en el fuego al varon sancto, e traxo Ia delante de su presencia, saliendo el de Ia yglesia". f. CXCVIIr . <?page no="148"?> 138 Santo Domingo de La Calzada Seine Wohltätigkeit zeigte er bis zum Schluss seines Lebens: "Und der Heilige Domingo machte ein Grab aus Stein für sich sieben}ahre vor seinem Scheiden aus diesem Leben, und er füllte es jedes Jahr mit Gerste, und gab diese den Armen". 11 Am 12. Mai 1109 starb er. Seine Wunder härten jedoch auch nach seinem Tod nicht auf. Der Heilige Domingo erschien in diesen Erzählungen als ein fleissiger, wohltätiger und natürlich frommer Laie. Er trug wesentlich zu der Bildung der lokalen Identität der Stadt bei: sein Name, die nach der Legende zu seiner Zeit gegründete Bruderschaft und seine Bauarbeiten verbanden ihn aufs engste mit den Stadtbewohnern. 12 Seine Tugenden und Werte bestimmten das Selbstbewusstsein der Stadt in mehreren Beziehungen. Die Wohltätigkeit erkannte man zum Beispiel an den öffentlichen Veranstaltungen der Bruderschaft und an den Leistungen des Spitals. Aber das konkrete Verständnis und die spezifische Ausübung dieser Wohltätigkeit veränderten sich mit der Zeit, weil sie von historischen Faktoren abhängig waren . Die Zahl der Wunder des Heiligen Domingo war viel grösser als die von Pedro de la Vega erwähnten. Nach Luis de la Vega, dem Autor der ersten gedruckten Hagiographie des Heiligen Domingo, besass die Kathedrale Handschriften mit den zahlreichen Wunderberichten, die er in seinem Werk zusammenfasste. 13 Die Kleriker aus Santo Domingo müssen im 16. Jahrhundert diese Wunder aus den Handschriften gekannt haben. Vielleicht waren viele Mirakel immer noch in weiteren Kreisen der Stadtbevölkerung populär, weil man sie in der Kirche erfahren konnte. 14 Sie können also die Krankheits- und Heilungsgeschichten aus dem Jahr 1556 beeinflusst und den Klerikern bei der Abfassung der neuen Wunderberichte aus dieser Zeit als literarische Muster gedient haben. Zwei aufeinanderfolgende Wunder aus den Handschriften handelten von stummen Menschen, die wieder gesprochen hatten. Sie ereigneten sich im 14. Jahrhundert: Ein Bursche aus Villalobar namens Sancho war wegen irgendeiner Krank heit stumm geworden. Er blieb so zwei Jahre, ohne in dieser Zeit je ein Wort aussprechen zu können. Nach den zwei Jahren beschloss er, von der Fürbitte des Heiligen Gebrauch zu machen, und als er an einem Samstag Nacht das 11 "E sancto domingo hizo para si vn a sepultura de piedra, siete afios antes que saliesse de aquesta vida, e inchia Ia cada afio con ceuada, e daua Ia a los pobres". Ebd. 12 H. C. Peyer erläutert, wie sich diese Beziehungen in den italienischen Städten im Laufe des Mittelalters veränderten. Peyer, passim. Für die Ausdrucksformen dieser Beziehungen der kastilischen Dörfer und Städte im 16. Jahrhundert vgl. Christian, Religiosidad, s. 39-91. 13 Luis de Ia Vega, S. 112v. Über das Werk vgl. 13 . Die erwähnte Handschrift ist leider verloren gegangen. Nur ein einzelner Wunderbericht aus der Zeit vor 1556 ist erhalten, nämlich aus dem Jahr 1493. Der Archivar der Kathedrale C . L6pez de Silanes hat ihn transkribiert. Vgl. L6pez de Silanes, S. 170-171. 14 Luis de Ia Vega, S. 120. Vgl. auch Kap. 9. <?page no="149"?> Das Hühnerwunder 139 Grab besuchte, hielt er Wache die ganze Nacht mit vielen Tränen und Inbrunst; und dies war offenbar richtig, weil Gott aufgrund der Bitten seines Heiligen die angebundene Zunge aufschnürte, und der Mann begann, klar und deutlich zu sprechen, indem er die Barmherzigkeit Gottes und die gnädige Fürbitte des Heiligen pries. Und das nächste Mirakel: Dasselbe geschah einer Frau namens Mari Perez de Valluercanos, die nach dem Verlust der Sprache in Folge einer schweren Krankheit, an der sie gelitten hatte, und nachdem sie ohne [die Sprechfähigkeit] viele Tage verbracht hatte, zu dem Grab des glorreichen H eiligen ging, um Wache zu halten, und dort bekam sie sie wieder aufgrundseiner heiligen Fürbitte. 15 6.2 Das Hühnerwunder Das bekannteste Wunder des Heiligen Domingo war das Galgen- oder Hühnerwunder. Verschiedene Fassungen dieser Mirakelerzählung sind seit dem Hochmittelalter bekannt, und manche Versionen wurden in die frühneuzeitlichen hagiographischenTexte zum Heiligen Domingo aufgenommen. Aber auch in mehreren Berichten von Jakobspilgern aus dem 15. und 16. Jahrhundert findet man dieses Wunder. Die Pilger bemerken es, wenn sie an Santo Domingo de la Calzada vorbeiziehen, denn dort soll sich dieses Wunder zugetragen haben. Die Pilger schreiben das Mirakel dem Heiligen Jakobus zu, und nicht dem Heiligen Domingo. Die Wundergeschichte gehörte auf jeden Fall zum lokalen Erzählgut und hatte eine identitätsstiftende Funktion für die Stadtbewohner, die sie den Fremden mit Vorliebe erzählten. Das Mirakel hob die Stellung von Santode la Calzada auf dem Jakobsweg hervor und zeigte das besondere Verhältnis der Stadt zum Heiligen Jakobus oder zum Heiligen Domingo. 16 Wenn man sich fragt, ob die Pilger die Mirakelerzählung dort gehört oder ob sie diese gelesen haben, was sie davon hielten, warum sie diese und nicht eine andere aufgeschrieben haben, muss man sich zunächst mit der literarischen und ikonographischen Tradition des Mirakels befassenY Die Verbreitung der Wundererzählung ist aber so gross, dass eine Einschränkung der Quellen unvermeidlich scheint; deshalb beschränken wir uns im ersten Teil dieses Kapitels vor allem auf die Mirakelfassungen, die in Legen- 15 Luis de Ia Vega, S. 126v-r. Der Text auf Spanisch befindet sich im Anhang 41. 16 Zum lokalen Erzählgut und zu ihrer identitätsstiftenden Funktion aus der Sicht der Anthropologie vgl. Velasco, Textos sociocentricos, S. 85-106; Caro Baroja, Razas, pueblos, S. 277-306. Zur "mentalen Karte" der Jakobspilger im Mittelalter und zu ihren Vorstellungen über den Jakobsweg v gl. Hassauer, Santiago, S. 106-127. 1l Zur Darstellung aller Gattungen vgl. Plötz, Zur Motivgeschichte, S. 119-170; Fradejas Lebrero, Leyenda del gallo, S. 7-60. Zu einer Fallstudie über mehrere Versionen in Flugschriften vg l. Chartie r, G ehenkte, S. 83-119. <?page no="150"?> 140 Santo Domingo de la Calzada den- und Mirakelsammlungen enthalten sind, und berücksichtigen andere literarische Gattungen wie Novellen, Dramen und Lieder oder die ikonographischen Belege des Mirakels im Allgemeinen nicht, obwohl sie nicht weniger wichtig sind, um die Kanäle zu kennen, durch die man ein solches Wunder erfahren konnte. Im ersten Teil soll also die Überlieferungsgeschichte des Mirakels hauptsächlich in den hagiographischenWerken behandelt werden. Die Mirakelerzählung in den verschiedenen mittelalterlichen Versionen bezeugt die Spannung zwischen Erzählmotiven, die aus der Überlieferung stammen, und den lokalen Gegebenheiten. So sind die Fassungen einerseits neue Variationen eines alten Erzähltyps, und anderererseits illustrieren sie die Möglichkeiten der Anpassung einer in ganz Europa verbreiteten Erzählung an lokale Besonderheiten. Das Mirakel wird schliesslich so stark von der Ortsangabe dominiert, dass es zu einem Ausdruck der lokalen Identität von Santo Domingo de la Calzada wird. Vor allem die Kleriker hatten ein besonderes Interesse an dieser Form von Selbstdarstellung der Stadt, weil sie in dieser Erzählung kirchliche moralische Vorstellungen vermittelten. Bei der Behandlung der Überlieferungsgeschichte gehen wir auf folgende Fragen ein, die sich auf den Ursprung des Mirakels, sein Nachleben und seine Verbreitung beziehen: 1. Wie entsteht die erste Fassung des Mirakels? In welchem historischen Kontext ist sie zu verstehen, und aus welchen literarischen Motiven besteht sie? 2. Welche neuen Motive werden in spätere Versionen eingefügt? In welchen Werken befinden sich diese Versionen, und woher könnten die neuen Motive stammen? Welche sind für die Aufnahme der Mirakelerzählung in die Pilgerberichte von Bedeutung? 3. Welche Mirakelformen (die ursprünglichen oder die späteren) finden sich in den Legenden- und Mirakelsammlungen aus dem 15. und 16. Jahrhundert? 6.2.1 Das Mirakel in den hagiographischen Quellen Die erste schriftliche Fassung des Mirakels findet sich im Codex Calixtinus, der ältesten und wichtigsten Handschrift des Liber Sancti ]acobi, eines fünfteiligen zum Ruhm des Apostels verfassten Sammelwerkes, das zwischen 1140 und 1150 zusammengestellt wurde. Sein Autor ist nicht Papst Calixt II. (1119-1124), wie es im Werk steht; sein Kompilator war möglicherweise Aimericus Picaudus, ein Priester aus dem Poitou. Jedenfalls war es ein einigermassengebildeter Kleriker, der wahrscheinlich aus dem Milieu der reformierten Kanoniker stammte. Das Mirakel ist einer der zweiundzwanzig Mirakelberichte aus Buch II, einer Mirakelsammlung, die zusammen mit Buch I (das aus Predigten, liturgischen Texten und Messformularen <?page no="151"?> Das Hühnerwunder 141 besteht) die für den liturgischen Gebrauch bestimmten Teile der Kompilation bildet. 18 Die Mirakelgeschichten werden in Buch II abwechslungsweise "miraculum" oder "exemplum" genannt, ohne dass die beiden Begriffe voneinander unterschieden werden. Dies ist die ursprüngliche Mirakelfassung: Es muss daran erinnert werden, dass irgendwelche Deutsche, die als Pilger gekleidet, anno 1090 der Menschwerdung Christi zum Jakobusgrab gingen, mit zahlreichen Reichtümern in der Stadt Toulouse ankamen und dort gastliche Aufnahme bei einem gewissen Reichen fanden. Dieser Gauner nahm sie mit sorgfältiger Behandlung auf, indem er sich unter dem Schafpelz den Anschein von Zahmheit eines Schafes gab, und brachte sie auf betrügerische Weise mit verschiedenen Getränken, die er ihnen als Gunst seiner Gastfreun4shaft gab, dazu, sich zu berauschen. 0 blinde Habgier, o liederliche, zum Ubel neigende Absicht des Menschen! Als die Pilger endlich wegen der Müdigkeit und des Weinrausches tiefer als üblich schliefen, versteckte der trügerische, durch den Geist der Habgier bewegte Gastgeber heimlich einen silbernen Becher in einem Quersack der Schlafenden, um sie des Diebstahls zu überführen und sich ihres Geldes zu bemächtigen. Nach dem Hahnenschrei folgte ihnen der feindliche Gastgeber mit bewaffneten Leuten und schrie: "Gebt es mir zurück, gebt mir das gestohlene Geld zurück! " Worauf sie antworteten: "Wenn du es bei einem von uns finden würdest, dann dürftest du ihn nach deinem Willen verurteilen." Nachdem die Untersuchung gemacht war, brachte er beide, in deren Quersack er den Becher fand, d. h. den Vater und den Sohn, vor das öffentliche Gericht und entriss ungerechterweise ihre Güter. Aber der durch die Barmherzigkeit bewegte Richter befahl, dass einer freigelassen und der andere zur Hinrichtung gebracht würde. 0 gnädiges Herz [Ausdruck des Mitleids wegen des zerreissenden Dilemmas]! Der Vater, der seinen Sohn befreien wollte, bot sich zur Hinrichtung an. Der Sohn sagte dagegen: "Es ist nicht gerecht, dass sein Vater sich für einen Sohn dem Tod hingibt, sondern dass der Sohn die in der Strafe vorgesehene Hinrichtung auf sich nimmt." 0 ehrwürdiger Streit um der Milde willen! Schliesslich wurde der Sohn nach seinem Willen, um seinen geliebten Vater zu befreien, aufgehängt. Der traurige und weinende Vater aber ging nach Santiago weiter. Nachdem er den ehrwürdigen Altar des Apostels besucht hatte, kam er nach sechsunddreissig Tagen zurück und machte einen kleinen Umweg, um den bis dahin aufgehängten Körper seines Sohnes zu sehen, und schrie mit tränenden Seufzern und Mitleid erregenden Wehklagen: "Ach ich Armer, mein Sohn, wozu habe ich dich erzeugt! Wie konnte ich leben, als ich dich aufgehängt sah! " Wie grassartig sind deine Werke, Herr! Der aufgehängte Sohn tröstete den Vater und sagte: "Trauere nicht, sehr lieber Vater, wegen meiner Strafe, denn sie ist keine; du musst dich im Gegenteil freuen, weil es mir angenehmer ist als je zuvor in meinem Leben. Denn in Wirklichkeit hat mich der Hl. Jakobus, der mich mit seinen Händen emporhält, mit aller Art Wohlgefälligkeiten wieder erquickt." Wie der Vater das hörte, rannte er in die Stadt und rief das Volk wegen des so grossen göttlichen Wunders zusammen. Als sie kamen und den so lange Zeit Aufgehängten immer noch lebendig sahen, ver- 18 Herbers, Jakobsweg, S. 19-31, 38, 113. <?page no="152"?> 142 Santo Domingo de la Calzada standen sie, dass er wegen der unersättlichen Habgier des Gastgebers angeklagt und durch die Barmherzigkeit Gottes gerettet worden war. Dies wurde von Gott gemacht und scheint uns wunderbar! [Psalm 117, 23) Danach brachten sie ihn mit grosser Ehre vom Galgen herunter. Der Gastgeber aber, wie er es auf schlechte Weise verdient hatte, wurde in einem öffentlichen Prozess an diesem Ort verurteilt und dort aufgehängt. Deswegen muss derjenige, der sich für einen Christen hält, sorgfältig darauf achten, keinen solchen oder ähnlichen Betrug gegen einen Gast oder irgendeinen Nächsten zu begehen, sondern man soll versuchen, an den Pilgern Barmherzigkeit und Mitleid auszuüben, damit man die ewige Glückseligkeit von Gott zu bekommen verdient. 19 Verschiedene Eigenschaften (Lokalisierung, Datierung, Hauptpersonen, allgemeines Thema und Rolle des Heiligen) verbinden dieses Mirakel, das fünfte, mit den übrigen einundzwanzig und lassen es in diese Sammlung klar einordnen. 20 Das Wunder ereignet sich auf dem Weg nach Santiago, wie sechs andere Mirakel, und das Herkunftsgebiet der Pilger ist Deutschland, wie auch im siebten Mirakel. Die Ereignisse der meisten Mirakel sind zwischen 1090 und 1110 datiert, vor 1090 gibt es nur sechs. Wichtiger aber für den Vergleich mit den späteren Versionen ist die personelle Aufschlüsselung nach Geschlecht und Alter sowie die soziale Zugehörigkeit der durch die Wunder Beglückten. Es sind, wie in fast allen anderen Fällen des Buches, nur Männer, keine Kinder oder Frauen. Ihre soziale Zugehörigkeit wird in unserem Mirakel zwar nicht klar bestimmt, aber wir wissen, dass sie in Toulouse mit zahlreichen Reichtümern ankommen (" cum divitiarum suarum copiis") und dass der Gastgeber ihr Geld bekommen will ("convictorumque pecunias"). Dass die Reise zu Pferd gemacht wird, kann man aus den sechsunddreissig Tagen der Pilgerfahrt des Vaters nicht schliessen, weil es sich hier wahrscheinlich um eine symbolische Zahl handelt, doch darf dies nicht ausgeschlossen werden. In den übrigen Mirakeln erfahren meistens Ritter die Wunderkraft des Hl. Jakobus, und Santiaga fungiert ausserdem als Ritterpatron in nicht wenigen Fällen, im Mirakel neunzehn wird er sogar als Ritter dargestellt. Ein wichtiger Anteil der Santiaga-Pilger im 12. Jahrhundert waren sehr wahrscheinlich Ritter, die sich an der Wiedereroberung (Reconquista) der seit 711 von Muslimen "besetzten" Gebiete der Iberischen Halbinsel beteiligtenY Das allgemeine Thema der Mirakelberichte ist der Widerstreit zwischen Gut und Böse, und die Wunder sind oft eine Reaktion auf die Gefahren, die die Menschen im Krieg oder auf einer Pilgerreise bedrohen. Von den dreizehn Fällen, in denen diese Gefahren durch persönliche Gegner eintreten, 19 Anhang 42. Die lateinische Fassung wird nach Herbers/ Noia, Liber Sancti Jacobi, S. 164- 165 zitiert. Siehe auch Acta Sanctorum, Juli VI, S. 50. 20 Wir stützen uns bei dem Vergleich mit den übrigen Mirakeln auf die Inhalts- und Strukturanalyse derselben bei Herbers, Jakobskult, S. 109-124. 21 Herbers, Jakobsweg, S. 16- 17. <?page no="153"?> Das Hühnerwunder 143 wird in fünf die Sündhaftigkeit dieser Gegner hervorgehoben, womit versucht wird, sie in ein theologisches Argumentationssytem einzubeziehen. 22 Ein Beispiel dafür ist unser Fall: Der Wirt oder Gastgeber ist betrügerisch, habgierig, neigt zum Bösen und wird am Schluss verurteilt, wie er es verdient hat. Betrug durch Wirte, aber auch Krämer und Händler, werden in der Predigt Veneranda dies, dem längsten Abschnitt des liturgischen Teils des Liber Sancti] acobi (Buch I), kritisiert, denn die Auswüchse des Pilgergewerbes schadeten der Pilgerbewegung und damit indirekt den Interessen der Kathedrale. 23 Der Autor der Predigt beschreibt und verurteilt so viele Betrügereien durch Wirte, dass manche an das Mirakel erinnern: "Der schlechte Wirt gibt seinen Gästen besten Wein, um sie betrunken zu machen und um dann, während ihres Schlafes ihnen Geldbeutel, Tasche oder etwas anderes zu stehlen". 24 Oder: Ebenso müssen sich die Pilger vor den schlechten Wirten hüten, die ihren Ring oder ihren silbernen Spiegel nachts in den Pilgertaschen und Beuteln ihrer schlafenden Gäste verstecken; wenn dann die Pilger von der Herberge weggehen und etwa eine Meile aus dem Ort hinausgegangen sind, verfolgen sie diese und rauben sie mit dieser betrügerischen Beschuldigung aus. 25 Eine klare Verbindung oder Beeinflussung dieser Stellen und dem Mirakel herzustellen, scheint jedenfalls sehr schwierig, weil Autor und Abfassungszeit der beiden Texte nicht festgestellt werden können und z. T. umstritten sind. 26 Wie in den übrigen Mirakeln hilft in unserem Mirakel der Hl. Jakobus allein (nur in einem Fall kommt die Hl. Maria hinzu), und nur das Zitat des Psalmes 117,23 ("A Dominofactum est istud et est mirabile in occulis nostris") weist darauf hin, dass der Heilige nach dem Dogma eine Mittlerrolle zwischen Gott und dem Menschen hat und kein Wunder allein bewirktP Nicht immer schliessen die Mirakel mit einer Moral wie hier. Motivgeschichtlich betrachtet enthält die Mirakelerzählung zwei wichtige Elemente, die in früheren Texten zu finden sind. Das erste ist das Becherverstecken, das grosse Ähnlichkeiten mit der Episode aus dem Alten Testament (Genesis, 44, 1-13) aufweist, in der Joseph seinem Haushälter befiehlt, einen silbernen Becher ("scyphum argenteum") im Sack von Benjamin zu verstekken. Als die Brüder weg sind, schickt er den Haushälter hinter ihnen her, der dann ihr Gepäck durchsucht und den Becher beim Jüngsten findet. 22 Herbers,Jakobskult, S. 118-119. 23 Herbers, Jakobsweg, S. 45-46. 24 Ebd ., 72. 25 Ebd., 76. 26 Dfaz y Dfaz, Santiaga caballero, S. 49, 53-55. 27 Herbers, Jakobskult, S. 121. <?page no="154"?> 144 Santo Domingo de Ia Calzada Das zweite Element ist die wunderbare Erhaltung des Erhängten am Leben. Den Ursprung dieses Motivs herauszufinden, ist problematischer als beim ersten, denn ein ähnliches Galgenmotiv wird in anderen Quellen auch anderen Heiligen, der Hl. Maria oder sogar Jesus zugeschrieben. Baudouin de Gaiffier hat in einem Katalog diese etwa dreissig Fälle in Mirakelerzählungen nach demNamender Heiligen alphabetisch geordnet und hält eine Klassifizierung der gegenseitigen Abhängigkeiten für unmöglich. 28 Bei einer genauen Betrachtung der Abfassungszeit der von ihm herangezogenen Quellen stellt man jedoch fest, dass viele (mindestens elf) später als im 12. Jahrhundert abgefasst wurden. 29 Darüber hinaus lassen sich zwei Sorten von Galgenmotiven thematisch unterscheiden: solche, in denen der Erhängte wiederbelebt wird, und andere, in denen er am Leben erhalten wird. So beschränken sich die früheren Beispiele dieses Motivs hauptsächlich auf die dem Hl. Martinus von Tours zugeschriebenen Wunder in den Werken von Gregor von Tours (etwa 538 bis etwa 594). Was die Verbreitung des Wunders anbelangt, muss man darauf hinweisen, dass diese Form ohne das später hinzugekommene Hühnermotiv eine grosse Verbreitung in europäischen Klöstern und Kirchen dadurch fand, dass sie in sehr bekannte Legenden- und Mirakelsammlungen aufgenommen wurde. Hier muss nicht auf jede Abänderung der Erzählung in diesen meistens gekürzten Fassungen eingegangen werden. Der erste Kompilator ist der Kölner Zisterzienser Caesarius von H eisterbach (um 1180 bis 1240) in seinem Dialogus miraculorum, einer für die jungen Mönche gedachten Mirakelsammlung, die in Form eines Dialogs zwischen einem alten und einem jungen Mönch verfasst ist. Die Abweichungen von der Version des Codex Calixtinus kommen wahrscheinlich daher, dass Caesarius von Heisterbach das Mirakel durch einen anderen Mönch erfahren hat ("sicut nobis retulit Wilhelmus monachus noster"). 30 Sowohl Vinzenz von Beauvais (gestorben 1264) im Speculum historiale 31 als auchJacobus de Voragine (ca. 1226-1298) in der Legenda aurea 32 , beide Dominikanermönche, fassen die Version des Codex Calixtinus ohne grosse Abweichungen zusammen. Dieses Vorgehen entspricht dem Ziel dieser Werke: der Popularisierung zahlreicher Legenden und Mirakel. Die Legenda aurea z.B. soll ursprünglich als Predigthandbuch gedient haben. 33 28 Gaiffier, Un theme, 5.192-222; weitere Beispiele findet man bei Tubach unter den Nummern 2234 bis 2236, vor allem unter 2235 werden mehr Hinweise auf Marienmirakel gegeben als bei Gaiffier. 29 Gaiffier gibt die Entstehungszeit seiner Quellen nicht an. 30 Caesarius, Dialogus, 5.131. 31 Vicentius, 5peculum, 5. 1066. 32 Voragine, Legenda, 5. 426-427. 33 Bourreau, La Legende, 5. 21 -25. <?page no="155"?> Das Hühnerwunder 145 Spätere Versionen mit neuen Motiven sind bereits im 12. und 13. Jahrhundert belegt. Die erste Version, in die das Hühnermotiv eingefügt ist, taucht im Passional auf, einem Legendar aus dem Ende des 13. Jahrhunderts. Dieses Werk war für den Deutschen Orden gedacht, den dritten der grossen palästinensischen Ritterorden (nach Templern und Johannitern), der 1198/ 99 gegründet wurde, 34 und von seinem Autor weiss man nur, dass er ein Priester war. Dieser hat die Legenda aurea als Quelle benutzt, die Abweichungen, etwa das Hühnermotiv, lassen sich durch Nebenquellen oder durch die Benutzung anderer Versionen der Legenda aurea erklären. Das Werk erfuhr durch den Deutschen Orden eine rasche Verbreitung in Preussen, wo der Orden vom frühen 14. Jahrhundert sein Zentrum hatte, und in seinen Besitzungen im Reich und z.T. am Mittelmeer. Das neue Motiv wird nach der Entdeckung des lebendigen Sohnes durch den Vater eingeführt: daz er zv dem richtere quam als der dit mere vernam ez nam in michel wunder do sprach er albesurrder get saget is deme der in hienc vnde an im den mort begienc secht dem wart ouch gesaget daz nv saz er uber tische vnde az in harte schonen phlagen zwei hunre vor im lagen gebraten vnde gamachet wol allez zwiuels waz er vol daz iener noch icht lebete der an dem seile strebete als man im sagete mere wie er noch lebende were gesurrt unde wol gevar do sprach er daz ist also war als die zwei hunre leben die hunre machte sich hin abe vnde beten wize vederen gar man wart al offentliehe gewar daz sie lebeten vnde vluge vnde in ein munster hin sich zvge. 35 Dass gebratene Hühner lebendig werden und auffliegen, um die Wahrheit einer Aussage zu beweisen, bildet ein seit dem 11. Jahrhundert in Europa bekanntes Motiv. 36 Damals gelangt es in eine französische "chanson de geste" sowie in englische und skandinavische Stephanslegenden und -balla- 34 Boockmann, Deutscher Orden, S. 768-777; Richert, Passional, S. 332-340. Williams, Jakobslegenden, S. 233-249. 35 Zitiert nach Gribl, Legende, S. 37. 36 Wimmer, Bratenwunder, S. 648. <?page no="156"?> 146 Santo Domingo de la Calzada den. Das Motiv stammt aus den Apokryphen, in denen dieses Wunder an verschiedenen Stellen vorkommt. 37 Ein Beispiel dafür ist die Geschichte des Hahnes im Kochtopf der Mutter von Judas Ischarioth. Als die Mutter dessen Verrat erfährt, wirft sie ihm sein Tun vor und behauptet, dass Jesus auferstehen werde. Darauf erwidert der zornige Judas, dass so wenig der "gerupfte schon halbgekochte" Hahn wieder lebendig würde, so wenig jener auferstehen könne. Das passiert aber, und der Hahn verkündet die Auferstehung.38 Nicht nur das Hühnermotiv, sondern auch die Verortung in Santo Domingo de la Calzada enthält die Version aus dem Heiligen/ eben, einem zwischen 1343 und 1349 verfassten Werk, das man vielleicht in die Pilgerberichte einordnen sollte, denn sein Autor, Hermann von Fritzlar, will das Apostelgrab in Galizien besucht haben. In der Kathedrale von Santiago will er in einer Predigt die Mirakelerzählung gehört haben. In dieser Fassung erleben eine "groz schar pilgerime von Beheimer lande" (Böhmen) das Wunder an einem jungen Teilnehmer. 39 Manche Abänderungen nehmen schon einige der wichtigsten Elemente vorweg, die sich in den Pilgerberichten aus dem 15. und 16. Jahrhundert finden können. Als die böhmischen Pilger mit dem Vater zum Galgen zurückkommen: Dö sprach der sun von dem galgen: <Vater, du ensalt nicht heim gen ane mich; alleine ich töt schlne, idoch sö bin ich gesunt unde vrisch. Sente Jacob hat mich enthalden und understanden, und di muter gotis hat mich gespiset, undeich bin mit uch geweset zu sante Jacobe in slner kirchen.> Unde sagete in alle di wort di si gesaget haten. Dö gingen die pilgerlme zu den richtern und sageten in daz her noch lebite. Dö quamen di richterund lösten in abe und gaben in slme vatcrc. Dö gingen di richtere in des bösen wirtis hus und sageten ime daz der jungelinc noch lebite den man gehangen hate. Dö hate der bösewirtzwei gebratene hunre an slner hant an slme spizze und sprach: <alsö war alse dise hunre an diseme spizze lebin also lebit her.> Do vlugen di hunre von deme spizze und vederslaheten und wurden gesunt. Dö namen di richtere den bosen menschenund hingen in an distat dö der pilgerln gehangen hate. Dise hunre gingen manic jar zu deme Gelferate; aber nu sint si in einer andern stat, di heizit zu sancte Domine und ist vir mlle von deme Gelferate, und ist ein han und einhenneund hant snewlze vederen al zu male und sten wo! vormachit hinder unser vrowen altere mit lsene. Und alle morgen singet man eine messe uber dem altere von unser vrowen unde lezit di pilgerlme di hunre sehen. Dise hunre di ezzen und trinken, und der hane krewit alsö wole alsö kein ander hane. 40 Die erste wichtigeN euheit an dieser Stelle ist, dass nicht nur der Hl. Jakobus dem Pilger hilft, sondern auch die Hl. Maria ("die muter gotis hat mich 37 Pfand! , Beiträge, S. 13; Kretzenbacher, Zeugnis, S. 443-445. 38 Kretzenbacher, Hahn, S. 204-205. 39 Gribl, Legende, S. 37. 40 Ebd. <?page no="157"?> Das Hühnerwunder 147 gespiset"). Die Hilfe der Hl. Maria und ihr Patronat des Altars lassen sich durch die zunehmende Bedeutung des Marienkultes im Spätmittelalter erklären. 41 Man darf in diesem Fall eine Vermischung mit dem Marienmirakel von Berceo vermuten, in dem die Hl. Maria einen Verehrer am Galgen erhältY Die zweite Abänderung betrifft die Verortung des Mirakels und hat zwei Aspekte. Einerseits geschieht das Wunder in "Gelferate" 43 und noch nicht in Santo Domingo . Andererseits, und das ist wichtig für den Kontakt der späteren Pilger mit dem Mirakel, gibt der Autor den Standort der Hühner an: sie sind" hinder unser vrowen altere mit isene", und während der Messe dürfen die Pilger diese besonderen Hühner beobachten. Wenn man jetzt die Schritte dieser Mirakelüberlieferung im 15. Jahrhundert nachvollziehen will, kann man nicht auf die Fassung eines Pilgerberichtes verzichten, obwohl sie aus methodischen Gründen im zweiten Teil des Kapitels wiedergegeben und behandelt wird. So erfährt die Geschichte eine neue Motiverweiterung im Bericht von N ompar de Caumont (nach 1390- 1428), der wegen seiner Überlieferung in Manuskripten bis ins 19. Jahrhundert ziemlich unbekannt blieb. 44 Das neue Motiv besteht darin, dass der Becher nicht mehr vom Wirt selbst in den Sack des Pilgers versteckt wird, sondern von seiner Magd aus Rache für die vom Sohn verschmähte Liebe. Ausserdem sind die Pilger nicht mehr allein, auch die Mutter wird jetzt in die Erzählung eingeführt. Das Motiv der verschmähten Liebe und der falschen Beschuldigung wird von Ludwig Pfandlauf die Geschichte von Joseph und der Frau von Potiphar zurückgeführt (Genesis 39, 7-18). 45 Die Unterschiede zur biblischen Stelle dürfen jedoch nicht vergessen werden: Joseph weigert sich mehrmals, Kontakt mit der Frau Potiphars zu haben, und sie beschuldigt ihn nicht des Diebstahls, sondern fälschlicherweise, er habe mit ihr schlafen wollen. In der Mirakelerzählung verknüpft sich das neue Motiv der verschmähten Liebe mit dem alten des Becherversteckens, indem die Magd den Pilgern die Schuld am Diebstahl gibt. Aus vier Beispielen aus dem 15. Jahrhundert geht hervor, dass die frühere Mirakelform ohne Hühnermotiv in den hagiographischen Werken immer noch verbreitet war, mindestens bis in die Mitte des Jahrhund erts. Zwei dieser Texte stammen aus katalanischen Handschriften. Einer ist eine Übersetzung der Version der Legenda aurea auf Katalanisch und befindet sich 41 Christian, Apariciones, S. 27. 42 Berceo, Los milagros, S. 42-44. 43 Wahrscheinlich ist es Belorado, ein Ort auf dem Pilgerweg, der sechs Kilometer von Santo Domingo entfernt ist. Plötz, Zur Motivgeschichte, S. 130. 44 G anz-Blättler, Andacht, S. 59. 45 Pfand! , Beiträg e, S. 14. D azu auch C as tro, A lenda, S. 46-48. <?page no="158"?> 148 Santo Domingo de la Calzada in einem Sautoral aus dem Beginn des Jahrhunderts, der auch für viele andere Legenden und Mirakel auf demselben Werk fusst. Nur eine kleine Abänderung bei der Herkunft der Pilger ist anzumerken: Sie stammen aus England. 46 Der andere Text steht im katalanischen Recull de eximplis e miracles, gestes e faules e altres ligendes ordenades per A-B-C und folgt auch der Legenda aurea. Im spanischen Sprachraum der Iberischen Halbinsel muss das von Clemente Sanchez de Vercial zwischen 1400 und 1420 zusammengestellte Werk Ellibro de los enxemplos por a. b. c. ziemlich bekannt gewesen sein, 47 und auch in diesem Buch kann man die frühere Mirakelform finden. 48 Schliesslich sei auf denselben Fall im Magnum Speculum Exemplorum (1481) verwiesen. 49 Erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde in europäischen Ländern die spätere Version mit dem Hühnermotiv bekannt. Dazu haben wahrscheinlich andere literarische Gattungen und die ikonographischen Darstellungen mehr beigetragen als die hagiographischen Werke. Das Motiv der gebratenen Tiere wurde in geistliche Spiele eingebaut, die das Galgenwunder darstellten, 50 und sowohl in der Wandmalerei wie auf Altartafeln51 oder in der Druckgraphik 52 dargestellt. So konnte Nicolaus Bertrandus in seiner Gesta Tolosanorum (1515) seine verkürzte Fassung des Mirakels mit der folgenden Bemerkung einführen: "Unum miraculum, quod legimus ac pieturn etiam videmus in singulis beati Jacobi ecclesiis aut capellis. " 53 Die Etablierung des Buchdrucks seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert bewirkt einen Wandel der Kommunikationsmittel, die auch die Überlieferung dieses Mirakels im 16. Jahrhundert betrifft. Während die Erzählung in den früheren hagiographischen Werken vor allem als schriftliche Vorlage für die Predigt diente, konnte sie jetzt als reiner Lesestoff tradiert werden, und seine Expansionsmöglichkeiten vergrösserten sich wesentlich. Um die weitere Entwicklung dieses Stoffes in den Legenden- und Mirakelsammlungen aus dem 16. Jahrhundert besser zu erfassen, scheint es angebracht, die in einem sehr verbreiteten Werk über spanische Geschichte enthaltene Fassung zu behandeln, das zum Teil auch solche hagiographischen 46 Llorens i Jordana, Sobre una llegenda, S. 203. 47 Christian, Apariciones, S. 18 . 48 Garcia Mercadal, Viajes, S. 1433. 49 Alsheimer, Das Magnum, S. 184-185. 50 Plötz, Zur Motivgeschichte, S. 137-138. Jedoch bleibt manchmal in solchen Spielen wegen der szenischen Schwierigkeit der Darstellung das Motiv weg. Vgl. Pfand! , Beiträge, S. 16. 51 Plötz, Zur Motivgeschichte, S.144-147, 153-158. Plötz verallgemeinert die Verbreitung auf das ganze 15 . Jahrhundert, wasangesichtsder Entstehungszeit dieser Werke zu früh scheint. 52 Ebd., S. 165-168. 53 Zitiert nach Acta Sanctorum, Juli VI, S. 47. <?page no="159"?> Das Hühnerwunder 149 Werke beeinflusst hat. Es handelt sich um De rebus Hispaniae memorabilibus (1530) des Sizilianers Lucius Marineus (1460-1533), dem offiziellen Historiker am spanischen Hof unter den Katholischen Königen und am Anfang des Königreichs von Karl V. bis 1524. 54 Diese ist seine Fassung: In der sehr alten Stadt, die das Volk Santo Domingo de Ia Calzada nennt, sahen wir den Hahn und die Henne. Wir wissen nicht, von welcher Farbe sie waren, als sie lebten. Aber da man ihnen nachher den Hals umdrehte und da sie gebraten wurden, lebten sie wieder und waren ganz weiss, um die grosse Macht Gottes und ein grossesWunder zu zeigen, dessen Wahrheit und Beweis so waren. Ein gewisser tugendhafter und frommer Mann und seine sehr gute Frau, die mit ihrem Sohn, einem sehr braven Jungen, nach Santiago de Compostela gingen, kamen erschöpft durch die Mühsal des Weges in der Stadt an und blieben bei jemandem, der eine erwachsene Tochter hatte, um sich zu erholen. Als diese den schönenJungen sah, war sie in ihn verliebt. Da er der Hochzeit widerstand, als sie ihn gefragt und belästigt hatte, wandelte sich ihre Liebe in Hass, und sie wollte ihm schaden. Als die Pilger weggehen wollten, versorgte sie heimlich einen Kelch ihres Vaters in seinem Mantel. Als die Pilger am Morgen weggingen, schrie die junge Frau vor den Eltern, dass ihnen der Kelch gestohlen worden war. Der Richter, der das hörte, schickte sofort seine Helfer, um die Pilger zurückzuführen. Als sie zu diesen kamen, näherte sich die sich ihres Verbrechens bewusste junge Frau dem Jungen und riss den Kelch aus dem Mantel. Deswegen, nachdem der Fehler nachgewiesen war, wurde der Junge auf ein Feld hingeführt und wurde durch ein ungerechtes Urteil und ohne Schuld mit einer Schlinge aufgehängt. Indem die unglücklichen Eltern ihren Sohn beweinten, gingen sie darauf weiter und kamen in Santiago an. Nachdem sie dort ihre Gelübde eingelöst hatten, dankten sie Gott und kamen zurück. Sie erreichten den Ort, an dem ihr Sohn aufgehängt war, und die Mutter, die viel geweint hatte, näherte sich dem, obwohl ihr Mann ihr davon abriet. Da der Sohn sie hochachtete, sagte er zu ihr: "Mutter, weine nicht meinetwegen, denn ich bin lebendig, weil die Mutter Gottes und der Hl. Jakobus mich halten und·bewahren. Geh doch, sehr liebe Mutter, zum Richter, der mich verurteilt hat, und sage ihm, dass ich wegen meiner Unschuld immer noch lebe, damit er meine Befreiung befiehlt und ich dir wiedergegeben werde." Die aufgeregte Mutter beeilte sich, indem sie wegen der grossen Freude noch mehr weinte, kam zu dem am Tisch sitzenden Richter, der einen gebratenen Hahn und eine gebratene Henne zerteilen wollte. "Richter, sagte sie, mein Sohn lebt, befiehl um Gotteswillen seine Befreiung! " Als der Richter das hörte, glaubte er, dass sie aus Mutterliebe davon geträumt habe, und er antwortete lächelnd: "Was heisst das, gute Frau? Täusch dich nicht: Dein Sohn ist so lebendigwie diese Vögel." Und kaum hatte er es gesagt, als der Hahn und die Henne auf den Tisch sprangen, und sogleich krähte der Hahn. Da der verblüffte Richter dies sah, ging er gleich darauf hinaus, rief die Priester und die Bürger herbei, alle gingen zu dem aufgehängten Jungen, fanden ihn lebendig und sehr zufrieden, gaben ihn den Eltern wieder, und wie sie nach Hause zurückkamen, nahmen sie den Hahn und die Henne und brachten sie mit grosser Feierlichkeit in die Kirche. Dort eingeschlossen, werden sie als wun- 54 Fueter, Geschicht e, S. 224. <?page no="160"?> 150 Santo Domingo de la Calzada derbare Sache und Zeichen der Macht Gottes beobachtet. An diesem Ort leben sie sieben Jahre, die Zeit, die Gott für sie beschlossen hat, und nach diesen sieben Jahren, bevor sie sterben, hinterlassen sie einen jungen Hahn und eine junge Henne von ihrer Farbe und Grösse. Das geschieht in dieser Kirche alle sieben Jahre. Es wird auch sehr bewundert, dass alle an diese Stadt vorbeigehenden Pilger, die unzählig sind, eine Feder dieses Hahnes und dieser Henne mitnehmen und dass ihnen die Federn nie fehlen. Ich bin Zeuge davon, weil ich es gesehen habe und dabei war und auch eine Feder mitnahm. 55 Aus einem Vergleich zwischen dieser Fassung und der ersten werden auch die in vier Jahrhunderten durchgemachten Wandlungen des Stoffes klar; sie hängen einerseits mit der neuen Realität des Pilgerwesens zusammen, die sich gewissermassenindem Mirakel widerspiegelt, und andererseits mit den Zwecken des Autors, die anders geworden sind als im Codex Calixtinus. Im Gegensatz zur ersten Fassung werden die Herkunft der Pilger und das Ereignisjahr nicht mehr erwähnt, nur dem Wunderort kommt eine grosse Bedeutung zu, weil gerade sein Besuch die Erzählung der Geschichte veranlasst. Jetzt sind nicht nur Vater und Sohn auf der Pilgerfahrt, die Mutter spielt sogar eine wichtigere Rolle als der Vater. Die soziale Zugehörigkeit der Pilger wird nicht explizit erklärt, und man kann keinen Schluss aus dem Vergleich mit andern Mirakeln ziehen, weil dieses hier isoliert steht, aber der Autor spricht in demselben Werk in einem anderen Zusammenhang über die grosse Zahl und die Verschiedenheit der Herkunft der Pilger, die nach Santiaga kommen. 56 Tatsächlich erfuhr die Pilgerschaft in 15. und 16. Jahr hundert eine starke soziale Differenzierung. Das allgemeine Thema des Mirakels bleibt der Widerstreit zwischen Gut und Böse, jedoch nicht auf die Gastfreundschaft bezogen; vielmehr handelt es sich hier um die Bewahrung der Keuschheit des jungen Pilgers. Die Moral am Schluss über die Gastfreundschaft verschwindet völlig. Schliesslich wirkt die Wunderkraft des Hl. Jakobus nicht allein, sondern zusammen mit derjenigen der Hl. Maria. Der gebildete Lucius Marin e us bemerkt ausserdem am Schluss dem Dogma entsprechend, dass die Hühner als Zeichen der Macht Gottes in der Kirche beobachtet werden ("Dei potentiam testificantes obseruantur"). In die Legenden- und Mirakelsammlungen aus dem 16. Jahrhundert, die das Mirakel enthalten, wird die Fassung mit dem Hühnermotiv nicht immer aufgenommen. Wer im Flos sanetarum (1521) von Pedro de la Vega, einem Mönch des Hieronymusordens , die Mirakel des Hl. Jakobus nachschlägt, findet noch einmal eine spanische Übersetzung der Version des Codex Calixtinus. 57 Wenn man aber unter dem Hl. Domingo sucht, findet man das 55 Anhang 43 . Lucius Marineus, De rebus, Buch V., f. XXXII-XXXIII. 56 Lucius Marineus, Cosas memorables, Buch V., f. XLI. 57 Vega, Flos sanctorum, f. CXCV. <?page no="161"?> Das Hühnerwunder 151 Hühnerwunder in eine andere Erzählung eingebaut: Der Hl. Domingo befreit einen von Muslimen gefangenen Christen, und das Auffliegen eines gebratenen Hahnes beweist an einem anderen Ort, dass die Befreiung stattgefunden hat. 58 Diese letzte Suche will Luis de Ia Vega gemacht haben, bevor er seine Historia de la vida y milagros de Santo Domingo de la Calzada (1606) schrieb. 59 Er war auch ein Mönch und lebte in einem Kloster in der Nähe von Santo Domingo (Nuestra Seiiora de Ia Estrella). In seinem Buch über das Leben, die früheren und die zeitgenössischen Wunder des Heiligen nimmt er die letzte Wundererzählung über den befreiten Christen aus dem Flos sanetarum auf, aber auch die Version von Lucius Marineus, indem er den Hl. Domingo an Stelle des Hl. Jakobus setzt. Ausserdem verweist er darauf, dass die in der Kirche aufbewahrten Tiere Nachfahren der Wunderhühner des zweiten Mirakels sind. 60 Er schreibt also für ein Publikum, das immer noch an solche Wunder glaubt. An ein ganz anderes Publikum dachte der protestantische Hofprediger Hieronymus Rauscher (1515-1564), als er die Version aus der Legenda aurea (also ohne Hühnermotiv) auf Deutsch übersetzte, mit ironischen Randglossen ("Er solte sich nicht dauon nemen lassen I weil so wol daran gewest") ergänzte und am Schluss kritische Bemerkungen und Witze in seinen "Erinnerungen" hinzufügte: Wenn bey uns einer ein viertel stund am Galgen henckt I so verzahlet er I und hieng darnach mit einem umb die wette daran I so lang er w olt I 36 tag zu hangen ist ein kunst und Mirackel der Heiligen I welcher Papist Lust darzu hat der mag sich auff die hülf S. Jacobs hencken lassen Iwan er so lang am Galgen erhalten I so wil ich auch etwas in disem fall von S. Jacob halten I Es wurde aber einem Mönich oder pfaffen so sölchs im Bapsthum und die einfeltigen betriegen am besten anstehen. 61 Er schreibt sein Werk Hundert außerweite Papistische Lügen für ein protestantisches bürgerliches Publikum, das an solche "Lügend e n" nicht mehr glaubt, aber sie mit Vergnügen liest. Die Erzählung wird auf diese Art zum Stoff der unterhaltsamen Spottliteratur, die im Kontext der protestantischkatholischen Diskussion über die Rolle der Heiligen als Vermittler zwischen dem Menschen und Gott und über ihre Legenden entsteht. Diese Litera tur bewegt sich in dieser Diskussion auf einem niederen Niveau der theologischen Argumentation und erlebt ihre grösse Zeit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 62 58 Ebd., f. CXXIV. 59 Vgl. Kapitel13. 60 Vega, Historia, S. 107-111. Zu dieser Hagiographie vgl. Kapitel13. 61 Rauscher, Buch I, Lüge 79. 62 Wir stützen uns fü r die protestantischen Autoren, Rauscher und Finck auf Schenda, Rausch e r, S. 179-229, 252-254. <?page no="162"?> 152 Santo Domingo de la Calzada 1614 erweitert der Theologieprofessor Caspar Finck das Werk von Rauscher und gibt es mit dem Titel Noch ein Hundert Papistischer Lügen heraus. Seine Fassung des Hühnermirakels erinnert an diejenige von Hermann von Fritzlar, denn nur Vater und Sohn pilgern, das Hühnerwunder geschieht in "Gelffenacht" (bei Hermann von Fritzlar hiess die Stadt "GeHerate"), und erst danach fliegen die Tiere in die Stadt "Dominius". Wie Rauscher schreibt Finck auch nach jeder Erzählung eine "Erinnerung"; seine Kritik ist jedoch theologischer und sein Humor freizügiger und phantasievoller als bei dem nachgeahmten Autor. Er erkennt sogar den Ursprung des Bechermotivs in der alttestamentarischen Geschichte von Joseph und seinen Brüdern. Nach dem Galgen- und Hühnermirakel schreibt er unter anderem: Diese Historien muß war sein umb folgender Ursachen willen. I. Weil sie im gedruckten Papistischen Lügendenbuch stehet. li. Weil sie von den Erzlügnern den Münche darumb erdacht ist I daß wir häuffig sollen nach S. Jacob gehen I ein Stab nehmen unnd ziehen darvon. III. Weil Hüner und Hanen nicht fliehen können wann sie auß der Schalen gekrochen unnd noch blödt sein: aber es weit ein ander gelegenheit mit ihnen hat I wann sie von der Köchin geropffet unnd an bratspieß gestecket worden seyn. IV. Weil sie nachgeäffet ist der Historien Josephs der, den Silbern Credentz Becher in seines jüngsten Bruders Sack stecken ließ. V. Weil die gebratene Vögel wo! wissen wo ungerechte Richter wohnen, und daß bey ihnen nit wo! zu verbleiben sey. VI. Weil S. Jacob sensten nichts hat zuthun gehabt, als daß er den aufgehenckten Sohn auff seinen Schultern hat h alten müssen. 63 6.2.2 Das Mirakel in den Pilgerberichten In diesem zweiten Teil des Kapitels gehen wir auf Berichte von Santiago- Pilgern des 15. und 16. Jahrhunderts und auf die Aufnahme des Mirakels in solche Berichte ein, indem wir anband von achtzehn Berichten die Faktoren für diese Aufnahme analysieren. Zunächst müssen diejenigen, in denen das Hühnermirakel aufgenommen wird, von den übrigen unterschieden und die Gründe für die Nicht-Aufnahme des Mirakels erklärt werden. Danach behandeln wir folgende Gesichtspunkte und Fragen in Bezug auf jeden Bericht, in dem das Mirakel oder ein Hinweis darauf vorkommt: a) Kurze Erläuterung über den Pilger, seine Pilgerfahrt und seinen Pilgerbericht. b) Stelle, an der das Mirakel erzählt oder erwähnt wird. c) In welchem Verhältnis steht die Erzählung oder die Erwähnung des Mirakels zum schriftlich überlieferten Mirakelstoff? d) Welche Bedeutung kommt dieser Erzählung in diesem Bericht im Vergleich zu anderen solchen Erzählungen (Legenden, Mirakeln, Sagen) zu? 63 Finck, Buch VI, Lüge 81. <?page no="163"?> Das Hühnerwunder 153 e) Was erfährt man über die Kommunikationssituation, in welcher der Pilger auf das Wunder aufmerksam gemacht wird? Kann man aus dem Bericht schliessen, dass der Pilger eine schriftliche Fassung des Mirakels kennt? Zuerst beschäftigt uns die Frage, ob das Mirakel in den Pilgerberichten vorkommt oder nicht und warum. 64 Wir fragen uns, ob sich diese Mirakelerzählung wegen ihrer Verbreitung sowohl in schriftlichen als auch in ikonographischen Quellen der allgemeinen Regel entzieht, nach der die Reisenden Erzählungen in ihren Berichten nur dann aufnehmen, wenn diese im Zusammenhang mit dem jeweils beschriebenen Ort stehen. Es könnte z. B. sein, dass ein Pilger das bekannte Mirakel an einem anderen Ort als in Sto. Domingo de la Calzada hört und es aufschreibt, wie es Hermann von Fritzlar passiert sein soll, als er es in einer Predigt in Santiago hörte. Für die Beantwortungdieser Fragen beschränken wiruns auf zwölf Texte aus dem 15. und sieben aus dem 16.Jahrhundert, was die Entwicklung der Pilgerfahrt in diesen zwei Jahrhunderten einigermassen widerspiegelt. Im Folgenden werden das Jahr des Santiago-Besuches, der Name und das Herkunftsgebiet dieser Pilger angegeben. In drei Fällen muss man zwischen Auftraggeber und Verfasser des Berichtes unterscheiden. Es gibt auch einmal zwei Verfasser und einen einzigen Auftraggeber. 65 Unterstrichen werden dieNamenvon den Pilgern, die in ihren Berichten auf das Hühnerwunder verweisen. Neben dem Herkunftsgebiet von denjenigen, die in Santo Domingo de la Calzada waren, steht das Wort "Besuch". 1407/ 1435 1417 1446 1456 1465 1479 1484 1491 Ghillebert de Lannoy (Flandern). 66 Nompar de Caumont (Frankreich). Besuch. 67 Sebastian Ilsung (Deutschland). Besuch. 68 William Wey (England). 69 Leo von Rozmittal (Auftrag) und Schaschek (Verfasser) und Gabriel Tetzel (Verfasser) (Böhmen).7° Eustache de la Posse (Flandern). 71 Nicolaus von Popplau (Schlesien). 72 Martyr d'Arzendjan (Armenien). 73 64 Zu den Pilgerberichten vgl. Mieck, Les temoignages, S. 202-232; Ganz-Blättler, Andacht, passim; Herbers/ Plötz, Nach Santiago, passim. 65 Mieck, Les temoignages, S. 211-223. 66 Potvin, Ghillebert, passim. 67 Vielliard, Le guide, 5.132-140. Herbers/ Plötz, Nach Santiago, S. 55-67. 68 Honemann, Sebastian, S. 61-95. Herbers/ Plötz, Nach Santiago, S. 78-90. 69 Badinel, William, passim. 70 Garcfa Mercadal, Viajes, S. 259-295, 295-305. Herbers/ Plötz, Nach Santiago, S.. 99-128. 71 Foulche-Delbosc, Eustache, S. 174-201. 72 Garcfa Mercadal, Viajes, S. 307-325. 73 Ebd., S. 919-927. Herbers/ Plötz, Nach Santiago, S. 129-134. <?page no="164"?> 154 1494 1495 1498 1501 1508 1521 1531 1539 1594 Santo Domingo de Ia Calzada Hieronymus Münzer (Deutschland). 74 Hermann Künig von Vach (Deutschland). Besuch. 75 Arnold von Harff (Deutschland). Besuch. 76 Philipp der Schöne (Auftrag) und Antoine de Lalaing (Verfasser) (Niederlande). 77 Lucas Rem (Deutschland). 78 Sebald Oertel (Deutschland). Besuch. 79 Heinrich Schönbrunner (Schweiz). 80 Bartalarneo Fontana (Italien). BesuchY Giovanni Battista Confalonieri (ltalien). 82 Alle Pilger, die auf das Wunder verweisen, besuchten Sto. Domingo de Ia Calzada, und die anderen, in deren Berichte das Wunder keine Erwähnung findet, waren nicht dort. Nur Sebald Oertel zog an dem Ort vorbei, ohne etwas darüber zu schreiben. 83 So stellt man fest, dass im allgemeinen der Besuch des Wunderortes die Aufnahme des Mirakels in die Berichte bestimmt. Bartolomeo Fontana ist der einzige, der in anderen Ortschaften Hinweise darauf findet und es aufschreibt, aber er war dann auch in Santo Domingo. Die Annahme, dass das bekannte Mirakel nicht nur im Zusammenhang mit dem Wunderort aufgezeichnet werden könnte, erweist sich als falsch. Wenn man bedenkt, dass Santo Domingo de Ia Calzada auf dem traditio nellen Jakobsweg in Spanien liegt, der schon im Pilgerführer, dem V. Buch des Codex Calixtinus, beschrieben wird, 84 erhebt sich die Frage, warum so viele Pilger in 15. und 16. Jahrhundert nicht an diesem Ort vorbeikamen. Dabei darf die Bedeutung des Seeweges vor allem für das 15. Jahrhundert nicht vergessen werden: Viele Pilger reisten auf Schiffen, die meistens in den Hafenstädten A Coruna und Ribadeo (beide nördlich von Santiago) anlegten. 85 William Wey, Nicolaus von Popplau, Heinrich Schönenbrunnen und Eustache de Ia Fosse (dieser aber unter besonderen Umständen auf dem Hinweg, denn er wurde als Sklavenhändler von Portugiesen gefangegenommen)86 sind auf dem Hin- und Rückweg so gefahren. Die unterschiedlichen 74 Ebd., S. 327-417. Herbers/ Plötz, Nach Santiago, S. 135-150. 75 Häbler, Künig, passim. Herbers/ Plötz, Nach Santiago, S. 164-209. 76 Groote, Arnold, passim. Herbers/ Plötz, Nach Santiago, S. 210-228 . 77 Garcfa Mercadal, Viajes, 5.429-548. 78 Greiff, Lucas, passim. Herbers/ Plötz, N ach Santiago, S. 229-234. 79 Hampe, Sebald, S. 61-82. Herbers/ Plötz, Nach Santiago, S. 235-247. 80 Staub, Heinrich, S. 205-225. Herbers/ Plötz, Nach Santiago, S. 248-254. 81 Fucelli, Bartolomeo Fontana, passim. 82 Guerra, Confalonieri, S. 185-250. 83 Hampe, Sebald, S. 81. 84 Herbers, J akobsweg, S. 88, 131. 85 Mieck, Wallfahrt nach Santiago, S. 489-490. 86 Foulche-Delbos c, Eustache, S. 181. <?page no="165"?> Das Hühnerwunder 155 Interessen anderer Pilger erklären, dass sie nicht dem alten Weg folgten: Der humanistisch gebildete Hieronymus Münzer fuhr z.B. auf seiner langen Bildungsreise durch Ost- und Südspanien sowie Portugal, bevor er Madrid und Zaragoza besuchte, aber er war eben nicht in der Rioja. Diejenigen, die den traditionellen Weg einschlugen, hatten gerade für die Strecke, auf der Sto. Domingo liegt, eine Alternative, die im 15 . Jahrhundert der alten Strecke durch die Rioja gleichwertig wurde: die Küstenstrecke von Bayonne nach BurgosY Diese oder eine sehr ähnliche Strecke legten Schaschek und Gabriel Tetzel als Begleiter im Gefolge Rozmitals und Antoine de Lalaing zurück. Schliesslich beschränkt sich die Aufzeichnung der Pilgerreise manchmal auf eine so kurze Bemerkung, dass nicht einmal die Route erkennbar ist: z. B. die zwei Reisen des burgundischen Ritters Ghillebert de Lannoy. 88 Eine weitere Lokalisierungsmöglichkeit war in Barcelos. Bis dahin wurde die nordportugiesische Ortschaft Barcelos nicht erwähnt, weil sie in den hagiographischenWerken nicht erschien. Es gilt sie jedoch als eine weitere Lokalisierungsmöglichkeit des Mirakels auf der Iberischen Halbinsel zu überprüfen, denn der portugiesische Volkskundler Fernando Castro Pires de Lima hat auf eine solche Verortung in Barcelos hingewiesen. Er beruft sich einerseits auf mündlich überlieferte Versionen, die von verschiedenen Autoren aus dem 19. Jahrhundert in dieser Gegend "gehört" wurden, in denen das Galgen- und Hühnerwunder einem Santiago-Pilger in Barcelos geschieht. Andererseits verweist er auf ein steinernes Wegkreuz ("cruzeiro") aus dem 14. Jahrhundert, auf dem sich eine Darstellung derselben befindet. 89 In vier Berichten steht Barcelos als Reiseetappe (Nicolaus von Popplau 90 , Hieronymus Münzer, 91 Sebald Oertel 92 und Giovanni Battista Confalonieri 93 , der eine kurze Beschreibung der Stadt liefert), ohne dass das Wegkreuz oder das Wunder von den Pilgern erwähnt werden. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass das Wegkreuz allein nicht genügte, um den Ruhm dieser Lokalisierung des Mirakels bei den Pilgern zu verbreiten, oder dass diese erst im 19. Jahrhundert belegte Version von Barcelos im 15 . und 16. Jahrhundert noch nicht bekannt war. Die Pilgerberichte aus dem 15. Jahrhundert, in denen das Mirakel vorkommt, sind diejenigen von Nompar de Caumont, Sebastian Ilsung, Hermann Künig von Vach und Arnold von Harff. Im Folgenden gehen wir 87 Herbers, Pilgerführer, S. 41. 88 Potvin, Ghillebert, S. 14, 173-174. 89 Castro, A lenda, S. 37-41. 90 Garcia Mercadal, Viajes, S. 309. 91 Garcia Mercadal, Viajes, S. 383. 92 H ampe, Sebald, S. 72 . 93 G uerra, C onfalonieri, S. 206. <?page no="166"?> 156 Santo Domingo de Ia Calzada auf diese Berichte und auf denjenigen von Bartolomeo Fontana aus dem 16. Jahrhundert ein. 1) Nompar de Caumont a) Der erste Pilgerberichterstatter aus dem 15. Jahrhundert, der dem Hühnerwunder seine Aufmerksamkeit schenkt, ist der aus der Gascogne stammende Adelige Nompar de Caumont (nach 1390-1428). Wie es sein Vater vor ihm gemacht hatte, pilgerte er 1419-20 nachJerusalem; aber schon früher (1417) unternahm er seine Santiago-Pilgerreise. In seinem Bericht ist die Schilderung dieser ersten Pilgerfahrt viel kürzer als diejenige der Jerusalemreise; sie besteht hauptsächlich aus einem Verzeichnis von Etappenorten und Distanzen. N ompar de Caumont bildet unter den schreibenden Pilgern aus dem 15. Jahrhundert eine Ausnahme, denn er folgt immer noch einem Lebensideal, 94 das zwischen Mönchs- und Rittertum angesiedelt ist. b) So nimmt er die Mirakelerzählung in seinen Bericht auf: De Nagere a Sainto Dominguo de le Calssade... III Iieues auquel lieu avint une foix jadis ung grant miracle e'est assavoir que ung pelerin et sa femme aloient a Saint Jaques et menoient avee eulx ung filz qu'ilz avoient moult bei enfant et en l'ostelerie ou ilz logerent Ia nuyt, avoit une servente qui se eointa dudit enfant moult granderneut et pour ee qu'il n'eut eure d'elle si fut grandemaut indignee eontre luy et le nuyt quant dormoit, eile entra en sa ehambre et mist une tasse d'argent de eellez de l'ouste en son eehirpe et lendemain matin quant le pere et mere et filz se leverent, tindrent leur ehemin ayant et quant furent passes Ia ville le [sie] servente dist asson mestre que une tasse estoit perdue et que lez pelerins qui leans avoient eouehie Ia devoient avoir emble et tantost l'ouste fist aler apres eulx savoir s'il estoit ainssi et lez aperseurent ben une Iieue loing et distrent s'ilz avoient eu une tasse et ils distrent que non ne pleust a Dieu, ear ils estoient bons vrais pelerins et james ne feroient teile malvestie et eeux ne ! es voloient eroire, ains serehierent premiererneut le pere et Ia mere et ne trouverent riens et puis vont serehier l'enfant et trouvarent le taee en l'esehirpe ou le [sie] servente l'avoit mis; de quoy les pelerins furent moult esbays et alerent tourner I'enfant en le ville et l'amenerent a le justiee et fut jutgie estre pendu, de quoy le pere et mere eurent grand deul, mez pourtant ne demourereut aler leur pelerinage a Saint Jaques et puis s'en tournarent en leur pais et vont passer audit lieu de Sainto Dominguo et alerentau gibet pour veoir leur enfant pour prier Dieu par (sie) son ame et quant ilz furent bien pres, se prindrent forment a plourer et l'enfant fut tout vif et leur vayt dire que ne menassent deul ear il estoit vif, tout sain, ear despuis qu'ilz partirent ung preudome l'avoit tout dis sostenu par les pies que n'avoit eu nul malet eneontinent il s 'en alerentau jutge disant qu'illuy pleust fere deseendre du gibet leur enfant ear il estoit vif et le jutge ne le vouloit james eroire pour ee que estoit impossible et tout jourplus fort le pere et mere afermer qu'il estoit ainxi et le jutge avoit fait aprester son disner ou il avoit en I'aste au feu un eok et une geline que rosti estoient et le juge vayt dire qu'il ereyroit ainxi tos que eelle poulaille de -- --- 94 Ganz-Blättler, Andacht, S. 58-59, 245-246. <?page no="167"?> Das Hühnerwunder 157 ! 'aste que estoit pres cuyte chantessent comme que celluy enfant fusse vif et encontinent le cok et le jaline sordirent [sie] de ! 'aste et chantereutet lors le jutge fut moult merevilles et assembla gens pour aler au gibet et trouverent qu'il estoit voir et le mirent a bas sain et vif et il ala compter comme il ne savoit riens de le tace et come le chambrier l'avoit prie et ycelle fust prise et comfessa Ia verite qu'elle l'avoit fait pour ce qu'il n'avoit voulu fere sa voulente et fu pendue et encores ha en l'eglize un cok et unegelirre de le nature de ceulx qui chantereuten ! 'aste davant le jutge et je ! es ay veuz et sont toux blancs. 95 c) Diese Version enthält alle uns schon bekannten Motive: das Verstekken eines wertvollen Objektes ("tasse d'argent"); die zurückgewiesene Liebe, wobei sich hier die Magd und nicht die Tochter des Wirtes in den jungen Pilger verliebt; die Erhaltung des Erhängten am Leben, aber nicht durch den Hl. Jakobus; und schliesslich das Hühnerwunder, das die Erzählung veranlasst, weil Nompar de Caumont "cok" und "geline" in der Kirche sah. Was die Hauptfiguren betrifft, spielen Vater und Mutter eine gleichwertige Rolle, also wird keiner von ihnen in den Vordergrund gerückt. Ihre soziale Zugehörigkeit und Herkunft bleibt im Dunkeln. Das Thema und die daraus zu ziehende Moral der Geschichte bezieht sich nicht auf die Gastfreundschaft, sondern auf die Bewahrung der Keuschheit. Abgesehen von kleinen Änderungen erinnern viele dieser Eigenschaften an spätere aus Sto. Domingo de la Calzada stammende Versionen, wie z.B. diejenige von Lucius Marineus. Die Vermutung liegt daher nahe, dass damals diese Fassung mit diesen Motiven und dieser Moral die an diesem Ort verbreitetste war. Nompar de Caumont oder jener, der ihm die Geschichte erzählte, scheint jedoch die Handlung nach seinem Geschmack in kleinen Details angepasst zu haben: Sein ständisches Denken bewirkt wahrscheinlich, dass die Magd und nicht die Tochter des Wirtes den Fehler begeht und dafür bestraft wird. Ausserdem wird kein Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Wunder geäussert. d) Diese Erzählung ist die mit Abstand wichtigste in diesem Santiago- Pilgerbericht: Allein durch ihre Länge fällt sie in diesem Etappenverzeichnis auf; bis auf eine kurze historische Bemerkung über eine Schlacht in Najera 96 bleiben nur die Erwähnung von Wundern in Fisterra 97 und von der Translatio des Hl. Jakobus aus Palästina in Padr6n übrig: C'est ung lieu auquel Monseigneur saint Jaques arriba d 'o utre mer ou lez Sarrazins l'avoient couppe le [sie] teste et vint en une nef de pierre le chief et le corps separes l'un de l'autre, tout seul sans autre chouse et jay veu Ia nef a le rive de le mer. 98 95 Vielliard, Le guide, $.135-136; Herbers/ Plötz, Nach Santiago, S. 55-67. 96 Ebd., S. 134. 97 Ebd., S. 138. 98 Ebd. <?page no="168"?> 158 Santo Domingo de la Calzada Dass er über Santiago nichts berichtet und die Stadt nur als Etappenort nennt, kannangesichtsder Tatsache, dass auch in anderen Santiago-Pilgerberichten dem Pilgerziel nur geringe Bedeutung beigemessen wird, nicht allzu sehr erstaunen. 99 e) Weder bei der Mirakelerzählung noch in den zwei anderen Fällen erfährt man irgendetwas über die Quelle, aus der Nompar de Caumont geschöpft hat. Dennoch lassen die Ähnlichkeiten der Mirakelfassung mit anderen angeblich am selben Ort gehörten Versionen, die kleinen Abänderungen und die Unbestimmheiten vermuten, dass er die Geschichte dort gehört hat. Dass ein Adeliger aus der Gascogne die Sprache in Nordspanien verstand und sich selber verständigen konnte, scheint jedenfalls möglich. 2) Sebastian Ilsung a) Auch ein Ritter war der Augsburger Patrizier Sebastian Ilsung, der 1446 nach Santiago wallfahrte und erst einige Zeit nach seiner Heimkehr seinen Bericht schreiben sollte. 100 Aus diesem lässt sich schliessen, dass Sebastian Ilsung neben der religiösen Absicht des Santiago-Besuches, auf die er schon am Anfang des Berichtes hinweist, auch eine weltliche hatte: Er war eine Art Botschafter des (Gegen-)Papstes Felix V. (1439-1449), des früheren Herzogs Amadeus VIII. von Savoyen, und seines Sohnes, des Herzogs Ludwig I. von Savoyen; da die Anerkennung dieses Papstes umstritten war, muss er für ihn bei den geistlichen und weltlichen Herrschern Spaniens und Südfrankreichs geworben haben. 101 Dementsprechend besteht sein Bericht hauptsächlich aus seinen Erfahrungen an diesen Höfen und aus der Beschreibung von Heiltumsstätten. Vermutlich schrieb er den Bericht für seine Familie, damit ihn seine Nachfahren nachahmen. 102 Einige Textabschnitte des Berichtes werden in der Handschrift von kolorierten Federzeichnungen begleitet, die wichtige Momente der Pilgerschaft darstellen. 103 b) In seinem Bericht findet man den folgenden Hinweis auf das Hühnermirakel: Dar nach zoch ich in daz kinrich von kaastillia durch vil stet und kam da in die habstat, genant Leywo. Ist ain grose guote stat, ist koreilen und agstain wolfail. Dar nach kamm ich in die stat, da daz zaichen ist beschenn, da die bratenn hener lebetig wordenn. Da sagt man noch, daz die hener, die sa send, die seiend von den gebraten hener komenn. Die han ich ach gesehen, in der 99 Ganz-Blättler, Andacht, S. 145- 151. 10° Honemann, Sebastian, S. 61-63, 72. 101 Ebd., S. 63-64, 74-75 . 102 E bd., S. 71. 103 E bd., S. 81. <?page no="169"?> Das Hühnerwunder 159 kirchenn send sy enbor, und ist ain bisttumm da. Dar nach kam ich in daz land Galycia. 104 c) Der Besuch in Sto. Domingo de la Calzada wird nach Le6n und vor Galizien angesiedelt, obwohl die Ortschaft östlich von Le6n liegt. Solche Irrtümer bei der Beschreibung der Reiseroute finden sich an verschiedenen Stellen und sind wohl darauf zurückzuführen, dass sich Sebastian Ilsung bei der Berichtabfassung einige Zeit nach der Reise falsch erinnerte. 105 . Das Mirakel wird, ausgehend vom Besuch in der Kirche, nur erwähnt, aber nicht erzählt, so dass das einzige noch erkennbare Motiv der Geschichte das Hühnerwunder bleibt. Obwohl das Wunder zum ersten Mal im Bericht auftaucht, verwendet Sebastian Ilsung den bestimmten Artikel für" die stat" und "die bratenn hener", als ob er von der Kenntnis des Mirakels beim Leser ausgehen würde. 106 Zweifel an dem Wunder lassen Formulierungen erkennen wie: " da sagt man[ ...] die seiend". d) Neben diesem Hinweis auf das Hühnermirakel enthält der Bericht vier weitere Erzählungen: - Eine Sage über eine Schlacht Karls des Grossen in Nlmes: Das römische Theater, das Sebastian Ilsung für einen heidnischen Tempel hält, soll der König zerstört und das "lannd" christianisiert haben. Das Ereignis wird ausführlich beschrieben, so dass die Erzählung eine narrative Sequenz im Bericht bildet. Aber der Autor nimmt die Vorkenntnis beim Leser nicht an, wie der Gebrauch des unbestimmten Artikels zeigt: "Da was ain grosser tempel ... Da kam kaiser Karel von Frankhreich unnd erstoert den tempel".107 - Dasselbe gilt für die daran anschliessende Beschreibung der Marmorsarkophage, in denen die christlichen Kämpfer begraben worden sein sollen, mit weiteren Bemerkungen über die Schlacht. 108 - Bei der Schilderung seines Besuches in Finisterre (Galicien) tauchen mirakulöse Elemente auf: [...] Da sieht man unser heren fus tritt in den herten fellsennund ain brunen, den er gemacht hat. Und derfelshat sich genaiget, gelich als ain sessell. Dez gelich unserfrauhat ach ain seseil und sant Johans und Jacob und sant Peter. 109 104 Ebd., S. 90, Abschnitt XIV, Zeile 1-7. 105 Ebd., S. 72. 106 Bestimmtem Artikel und Substantiv folgt kein darauf bezogener Relativsatz, der die Ver w endung des bestimmten Artikels erklärt. 10 7 Honemann, Sebastian, S. 84, Abschnitt VII, Zeile 2, 5-11. 108 Ebd., Abschnitt VIII, Zeile 1-12. 1 09 Ebd., S. 92, Abschnitt XVI, Zeile 13-17. <?page no="170"?> 160 Santo Domingo de la Calzada Die Bedeutung dieses Besuches wird in der Handschrift durch seine Darstellung in einer Federzeichnung unterstrichen. Während Finisterre in seiner damaligen deutschen Bezeichnung bekannt gewesen zu sein scheint ("Da kam ich zuo dem Finster Steren, aber zuo latein haisset es affinnis terra"), 110 steht auch hier der unbestimmte Artikel vor "brunen" und "sessei". - Wieder durch eine Federzeichnung und eine detaillierte Beschreibung räumt Sebastian Ilsung dem Besuch in Sta. Marfa da Barca in Muxfa (an der galicischen Küste) einengrossen Stellenwert im Bericht ein. Dort befinden sich heute noch zweigrosse bewegliche granitene Steine, die als Rumpf und Mastbaum eines legendären Schiffes gelten: Seit dem 16. Jahrhundert wird es in verschiedenen Quellen als ein Schiff erwähnt, auf dem die Hl. Maria erschienen sein soll. 111 Dieses Schiff bezeichnet Sabastian Ilsung als "daz grestwonder, daz ich uf der rais hey [sie] gesehen hann", 112 denn nur jemandem ohne Todsünde gelinge es, den Mastbaum mit einem Finger zu bewegen, wie er es tat. Die vier Erzählungen werden also ausführlicher behandelt als das HühnermirakeL Man kann die Auffassung vertreten, dass er von dessen Vorkenntnis beim Leser ausgeht und dass sich die Erläuterungen der anderen durch ihre geringere Popularität erklären. e) "Da sagt man noch" notiert Sebastian Ilsung bei der Aufnahme des Hühnerwunders, indem er dadurch auf eine populäre Legende hinw eist. Der Diplomat konnte es sich leisten, mit einem Dolm etscher in Spanien umherzureisen, wie man aus verschiedenen Stellen des Berichtes entnehmen kann: "da sagt ich ims durch mein dulmecz". 113 So dürfte die Sprache keine Barriere für die Verständigung zum Kennenlernen der Geschichte bilden. 3) Hermann Künig a) Auf eine viel weniger bequeme Art pilgerte Hermann Künig, ein Mönch des in der Mitte des 13 Jahrhunderts in Italien entstandenen Bettelordens der Serviten("servi beatae Mariae"). Vor seiner Santiago-Pilgerfahrt, die zwischen 1486 und 1495 stattgefunden haben könnte, lebte er im Servitenkloster in Vacha, an der Werra, nordöstlich von Fulda. Im Kloster war er einer der Mönche, die die Aufgabe hatten, an bestimmten Ort en Almosen für den Orden zu erbitten, eine T ätigkeit, b ei der er wahrsch einlich nützli- 11 0 Ebd., Abschnitt XV, Zeile 8-9. 111 Bouza-Brey, EI santuario, S. 204-207. Obwohl es auch Sebastian Ilsung " unser liebe frauen schiff" nennt, interpretiert es V. Honemann als das Schiff, auf dem der Leichnam des Hl. Jakobus auf wunderbare Weise nach Galicien gekommen sein soll. H onemann, Sebastian, S. 70 . 11 2 Honemann, Seb as tian, S. 93 , Abschnitt XVII, Zeile 1-2. 113 Ebd., S. 91, Abschnitt X V, Zeile 8. <?page no="171"?> Das Hühnerwunder 161 ehe Erfahrungen für seine zu Fuss zurückgelegte Wallfahrt sammeln konnte. "Römisch gnad und ablaß zu verdienen" war dabei sein Ziel. 114 Hermann Künigs Büchlein, das seit 1495 mehrmals herausgegeben wurde, besteht aus ca. 640 Zeilen in Paarreimen. Das im Text immer wieder auftauchende "du sollst" sowie seine präzisen Angaben über die Route, das Essen, die Hospize, die Zollabgaben usw. verweisen auf seine Pilgerführerfunktion. Über die Ortschaften am Weg finden sich nur knappe Bemerkungen, und sogar die Reliquien werden selten erwähnt.U 5 Der Text könnte aber insofern als Bericht betrachtet werden, als der Autor seine Erfahrungen auf seiner eigenen Reise erzählt. b) Über Santo Domingo de Ia Calzada schreibt er: Ghe iiij myl zu sant Dominicus ist myn rat Im spital findestü zu drincken vnd zu essen der hunlr hinder dem altar sa! tu nicht vergessen Vnd sah sie recht schawen an Gedeck das got alle dinck wenderlieh gemacht hat Das sye von dem bratspyß synt geflogen Ich weiß furwar das es nicht ist erlogen dan ich selber hab gesehen das loch dar uß eyns dem anderen nach flach Vnd den hert dar uff sye synt gebraten. 11 6 c) Wie Nompar de Caumont und Sebastian Ilsung weist Hermann Künig anlässlich d er Kirchenbesichtigung auf das Hühnermirakel hin. Er begnügt sich dabei mit der Erwähnung des Hühnermotivs und verzichtet auf Hinweise zu den übrigen Motiven. Besonders deutlich hebt er auf zwei Weisen die Glaubwürdigkeit der Geschichte hervor: erstens durch eine allgemeine Aussage über die Wunderkraft Gotttes (der Hl. Jakobus wird auch hier nicht genannt), und zweitens, indem er betont, verschiedene mit dem Hühnerwunder in Zusammenhang stehende Objekte selber gesehen zu haben. Der Verzicht auf die Erläuterung der Erzählung lässt sich durch die nötige Kürze eines solchen Führers erklären, während die Betonung der Wahrheit dem normalen erbaulichen Charakter des Werkes eines Mönches entspricht. Ob Hermann Künig die Kenntnis des Mirakels beim Leser voraussetzt, geht aus dem Text nicht deutlich hervor, denn die Rede ist zunächst von den Hühnern in der Kirche, und nicht direkt vom Wunder; an anderen Stellen 114 Häbler, Künig, S. 1, Vers 25, und S. 32-33, 42. Die Ausgabe von Konrad Häbler besteht seit S. 88 aus einem unpaginierten Facsimile der Druckausgabe von 1495. Ich habe die Seiten und Verse dieser Aufgabe durchgezählt. Die Nummer des Verses stimmt aber seit etwaS. 8 nicht mit der Nummer überein, die Klaus Herbers angibt. Vgl. Herbers, Pilgerführer, S. 32, Anm. 4. Vgl. jetzt auch Herbers/ Plötz, Nach Santiago, S. 164-209. 115 Häbler, Künig, S. 34-36,48. 11 6 Ebd., S. 13, Vers 386-395. <?page no="172"?> 162 Santo Domingo de la Calzada bezieht sich der bestimmte Artikel auf Wörter, die nur auf dem Pilgerweg erkennbare Objekte bezeichnen, z.B.: In eyn stat die heist Lucetia 117 darinne ist ein bysschoff gesessen da saltü des spitals nicht vergessen. 118 Was damit signalisiert wird, bleibt unklar. War das das einzige Hospiz in der Stadt? Jedenfalls kann Hermann Künig die Vorkenntnis des "spitals" nicht voraussetzen. d) Noch zwei weiteren Geschichten schenkt Hermann Künig seine Aufmerksamkeit: - Der Pilatussage, die sich auf den Namen des Berges Pilatus in der Nähe von Luzern bezieht. Sie wird etwas länger erklärt (nicht nur erwähnt) als das Hühnerwunder: Vierzehn Verse werden ihr gewidmet. 119 - Der Schreckensgeschichte von einem mörderischen Spitalmeister, der in Burgos wegen Vergiftung von 350 Pilgern an einer Säule hingerichtet wurde: Vnd welcher bruder die sull [Säule] sehen will daran man den spitelmeister erschossen hat Der vyrthalbhondert brudern vergeben hat Wan dü ghest vber die brucken zu der rechten hant Nah by des künigs spitalist sye zu ham. 120 Sie wird in die Stadtbeschreibung von Burgos eingefügt. Ihr Stellenwert ist in Bezug auf die Zahl von Versen kleiner als derjenige des Hühnerwunders. Die drei Geschichten (Hühnerwunder, Pilatussage und Spitalmeistergeschichte) fallen im Vergleich zu den sonst trockenen Bemerkungen über andere Städte im Bericht auf. Von ihnen wird aber nur die Pilatussage gewissermassenlange erklärt, während die beiden anderen wahrscheinlich wegen der Kürze des Werkes nur Erwähnungen verdienen. e) Hermann Künig gibt die Quelle der Hühnergeschichte nicht an, und man kann aus dem Text allein nicht erschliessen, woher er die Erzählung kennt 121 oder wie er sie in Sto. Domingo de Ia Calzada erfährt. Auch die Quelle der Pilatussage bleibt unklar, obwohl er mindestens bemerkt: "Vnd als ich von vyl gelerten hab gehört" . 122 117 Uzes bei Nlmes. 118 Häbler, Künig, S. 6, Vers 172-174. 119 Ebd., S. 2, Vers 51-65. Vgl auch Herbers, Pilgerführer, S. 37, 43-44. 120 Ebd., S. 14, Vers 428-432. 121 K. Herbers glaubt jedoch an die "vorherige Kenntnis der Geschichte" bei Hermann Künig. Herbers, Pilgerführer, S. 44. ! 22 Häbler, Künig, S. 2, Vers 51. Herbers weist auf Aehnlichkeiten mit der Fassung, die J akobus de Voragine in der Legenda aurea wiedergibt. Herbers, Pilgerführer, S. 39. <?page no="173"?> Das Hühnerwunder 163 Auf die Frage, ob er genug Spanisch verstand, um die Geschichte zu verstehen, oder ob er sie an den Hühnern oder an Darstellungen des Mirakels erkannte, kann man auch keine genaue Antwort geben. 4) Arnold von Harff a) Der niederrheinische Ritter Arnold von Harff (1471-1505) studierte in Köln vor seiner Pilgerreise (1496-1498) und starb wenige Jahre nach seiner Heimkehr und ein Jahr nach seiner Hochzeit. Auf seiner Pilgerreise besuchte er auf der Suche nach Ablässen und Rittertiteln Rom, das Heilige Land, Ägypten, Santiago, Mont Saint-Michel und schliesslich Paris. Während sein Bericht über die Jerusalem- und Ägyptenreise literarische Züge annimmt und fabulierte Abenteuer enthält, beschränkt sich der Teil über die Santiago-Wallfahrt im Wesentlichen auf eine Auflistung von Etappenorten und Distanzen. Zudem ist Arnold von Harffs Gesamturteil über Spanien und die J akobuspilgerfahrt sehr negativ. 123 Nachdem er die U nannehmlichkeiten und Gefahren der spanischen Wallfahrt beschrieben hat, schreibt er darüber: "dar umb gehoert dese pylgrymmacie den bedeler [Bettler] zoe, die in vnsen landen gestoellen doit geslagen yere heren verztzoirt ind verraeden hauen". 124 Er erklärt ausserdem, dass sein Buch als Reiseführer für seinen Auftraggeber (Herzog Wilhelm IV. von Jülich und Berg) dienen sollte. b) Eingeflochten in die Stadt- und Kirchenbeschreibung von Santo Domingo de la Calzada steht folgender Hinweis: item in deser seluiger kirchen vff die lyncke hant des hoigen altaers sijnt gesatzt in die locht eyn wischer haen ind hen in eyn geremtz [von Rahmen oder Stäben gefertigte Einfriedigung]. dat wylt man vns pylgerymen sagen dat die dar miraculose komen sulden sijn. 125 c) Zwischen dieser kurzen Erwähnung und der ganzen Wundererzählung besteht nur ein vages Verhältnis, das wie üblich auf dem Hühnerwunder beruht . Was jedoch diese Stelle von den schon behandelten unterscheidet, ist eine gewisse Skepsis gegenüber dem Wunder. Diese Skepsis taucht oftmals in diesem Bericht auf, z.B. wenn Arnold von Harff feststellt, dass sich dieselben Reliquien an verschiedenen Orten befinden. 126 Er darf trotzdem nicht für einen ungläubigen oder allgemein kritischen Pilger gehalten werden, wie seine Aussagen über heilende Brunnen oder seine Bewunderung der zahlreichen Pariser Reliquien zeigen. 127 123 Ganz-Blättler, Andacht, S. 85-87, 150-151,235,254. 124 Groote, Arnold, S. 234. 125 Ebd., S. 228. 126 Ganz-Blättler zählt vier solche Bespiele. S. 158. 127 Groote, Arnold, S. 215-216, 245. <?page no="174"?> 164 Santo Domingo de la Calzada d) Ausser der Beglaubigung von Reliquien (oder manchmal den schon erwähnten Zweifeln daran) und einer kurzen Bemerkung über Roland in Roncesvalles (" in deme cloister wa e rt vns gewijst gar eyn groiss lanck horn. dat saicht man were Roelantz des resen jheger horn geweest") 128 handelt es sich bei der Schilderung der Santiago-Pilgerfahrt vor allem um die Reiseumstände, die Sitten und die Sprache des Landes. 129 Eine Erzählung, die eine narrative Sequenz innerhalb des Berichtes bildet, wird erst wieder beim Besuch von Mont Saint-Michel aufgenommen, also im Zusammenhang mit der ansebliessenden Pilgerfahrt dorthin und nicht mit der eigentlichen] akobuspilgerfahrt.130 Die kurze Erwähnung des Hühnerwunders hat also keine grosse Bedeutung im gesamten Bericht, aber sie bildet keine Ausnahme in der kaum mit Geschichten ausgeschmückten Beschreibung der Santiago-Walfahrt. e) Arnold von Harff wird das Hühnerwunder in der Kirche erzählt, kurz nach einer Diskussion mit den Priestern über die Reliquien des Hl. Domingo, über die er schreibt: "ich laesse aber der paffen irrunge got scheyden. die en moissen ind wyllent nyet onrecht hauen". 131 Er interessiert sich für die Sprachen in den von ihm besuchten Ländern: In mehreren Glossaren liefert er Fragen und Antworten in fremden Sprachen, wie er die Worte gehört haben will. Wie z. B. seine Übersetzungen ins Baskische zeigen, reichen dabei seine Bedürfnisse und Interessen von " broyt, wijn, wass er, fleysch" bis hin zu "schoin junfrau kumpt bij mich slaeffen" . 132 Er konnte also die Wundererzählung auf Spanisch vielleicht verstehen. Wenn er aber eine ähnliche Fassung wie diejenige von N ompar de Caumont gehört hat, d.h. mit der Keuschheit als Hauptthema, verwundert es nicht, dass er sie nicht spannend genug fand, um sie in seinen Bericht aufzunehmen. 5) Bartolomeo Fontana a) Sehr wenig weiss man über Bartolomeo Fontana und auch wenig lässt sich über ihn aus seinem Werk schliessen. Aus Albericis Catalogo breve de gl'illustri et famosi scrittori venetiani entnimmt man, dass er ein "huomo di buone lettere e cosmografo intelligentissimo" war. 133 Über seinen Vater schreibt Bartolomeo Fontana selber anlässlich seines Besuches in der Hafenstadt Aigues Mortes (in der Nähe von Montpellier): 128 Ebd., S. 226. 129 In Venedig nimmt sich Arnold von Harff nach seiner Rückkehr vonJerusalem diese neue Pilgerfahrt vor. Ebd., S. 214. 130 Ebd., S. 242. 131 Ebd., S. 228. 132 Ebd., S. 227. 133 Alberici, Catalogo breve de gl'illustri et famosi scrittori ven etiani, Bologna 1605, S. 14; zitiert bei Fucelli, S. 12 . <?page no="175"?> Das Hühnerwunder 165 io poteva restar di andarvi, ma mi sovenne ehe Aloigio Fontana, ehe fu mio padre, mi disse esservi stato gia molti anni con galeazze di mercantia, onde per zelo paterno andai in quella. 134 Aufgrund seiner Lektüre und seiner Neigung dazu, wenn möglich in den Klöstern statt in den Wirtshäusern Unterkunft zu suchen, vermutet Antonietta Fucelli, dass es sich bei ihm um einen Kleriker handelt. 135 Aussecdem widmet Bartolomeo Fontana einem geistlichen Würdenträger aus Venedig, seiner Stadt, sein Itinerario : "Al Magnifico M . Vicentio Quirino " Y 6 Seine Pilgerfahrt dauerte vom 19.2.1538 bis zum 18.9.1539 und führte zu jeweiligen wichtigen Pilgerzentren: Loreto, Rom, Montserrat und Santiago, alten und neuen religiösen Stätten, die durch die protestantisch-katholische Auseinandersetzung eine neue religiöse und politische Bedeutung bekommen hatten. Bartolomeo Fonatana war sich dieser religiösen Wandlung so bewusst, dass er z.B. die positive Haltung der Basler den Pilgern gegenüber merkwürdig fand: Basilea e gran citta de Lutherani e e strada de dense selve e boschi e monti e lochi assai de Lutheri, ma non pero danno noia a peregrini, anzi li sovengono e albergano in casa loro ein boni hospitali. 137 Santiago galt für ihn als Hauptziel seiner von Anfang an als religiös erklärten Pilgerfahrt, obwohl sich seine Route zumindest auf dem Hinweg in Spanien oft weit von der alten Pilgerstasse entfernte. Auf dem Rückweg dagegen folgte er ihr ziemlich getreu, und so zog er an Santo Domingo de la Calzada vorbei. Der Text kann sowohl der Gattung der Pilgerberichte wie derjenigen der Pilgerführer zugeschrieben werden, denn er ist zugleich be- und vorschreibend: Einerseits berichtet der Autor oft über seine eigenen Erfahrungen auf dem Weg und tritt als reisendes Individuum in Erscheinung, andererseits stellt er sich die Aufgabe, mit seinem Werk den zukünftigen Pilgern zu helfe n,138 was in den h äufigen Empfehlungen über die Route zum Ausdruck kommt: "La qual strada consiglio e eshorto ogni peregrino andarvi e per null'altra lasciarla". 139 Der ! tinerario wurde erst 1550, elf Jahre nach der Beendigung der Pilgerreise, veröffentlicht, und diese blieb die einzige Ausgabe. 140 134 Fucelli, Bartolomeo Fontana, S. 105. 135 Vgl. Fucellis Einführung, S. 46. 136 Ebd., S. 71. 13l Ebd., S. 99. B. Fontana begründet diesen Umweg durch die Schweiz hindurch damit, dass de_r direkte Weg von Mailand nach Avignon wegen der Pest und der Räuber zu gefährlich se1 . 138 Ebd., S. 71. 139 Ebd., S. 93. 140 Vgl. Fucellis Einführung S. 21. <?page no="176"?> 166 Santo Domingo de la Calzada b) Dies ist seine Version des Mirakels mit der Beschreibung der Ortschaft: Piecola terra e San Dominico, nella quale ripossa il corpo di S. Dominico Episcopo, in una bella chiesa ehe, entrandosi dentro, vedesi a mano sinistra ad alto in uno gabbione de ferro accolorato un gallo e una gallina di piume bianche, ehe (per quanto dicono aleuni) suscitarono essendo cotti. Aleuni altri vogliono ehe non quellestesse siano, ma uscite dell'ova de quelli suscitati e ehe vi nascano se non dui per volta, maschio e femina, e subito Ii vecchi muoiano, di modo ehe mai piu ehe duoi se ne ritrovino. Li clerici Ii delloco donano una piuma de ditti polli a tutti gli visitanti, Ia qual cadaun peregrino si appica al capello, fra ! 'altre devotione per lui visitate, ehe per fede si usa pigliarne l'imagine eil capello adornarne. Il miracolo del gallo e della gallina suscitate (per quanto uno chierico Ii delloco mi conto) fu ehe uno peregrino con Ia moglie e un loro figliuolo, andando a S. lacobo, capitorono in questa terra e, all'hosteria alloggiati, Ia figlia dell'hoste nel giovane s'innamoro e chiestolo d'amore e essendo recusata da lui, indignata, gli ascose una coppa d'argento nella saccozza e, fingendosi accorta del furto, ne fece cauto il padre di Iei ehe, alla corte andato, fatti aggiungere Ii romei e trovata Ia coppa, il giovane fu impiccato fuor d'una porta verso S. lacobo, dove ora e uno bei capitello. Il padre e Ia madre dell'innocente morto, andati e ritornati di Compostella, per miracolo del nostro Signor Dio edel beato Apostolo S. lacobo, vivo ritrovarono il figliuolo alla forca appeso e da! signor della terra corsi a manifestarlo, quello beffando Ii peregrini, disse: cosi vive vostro figliuolo, come vivono questi polli cotti (impercio ehe lui sedeva a tavola mangiando) Ii quali suscitorno all'hora eil gallo canto, e una campana nella terra (ehe hoggidi in Compostella si trova) per se sola sonava, il ehe vedendo il Rettore (spiccato il giovane) fece impiccare Ia figlia dell'hoste. Aleuni dicono ehe ancho l'hoste fusse impiccato con Ia figliuola; dil ehe mi riporto al vero; Vedessimo questa devotione alli 22 Ottobrio 1539. 141 c) Diese Fassung heinhaltet alle uns schon bekannten Motive und sogar ein neues am Schluss. Bei dem Motiv der verschmähten Liebe handelt es sich um die Tochter des Wirtes, nicht um seine Magd; das versteckte Objekt ist ein silberner Becher oder Kelch ("coppa d'argento"), auf dessen Suche und Auffindung beim Jungen nur ganz knapp verwiesen wird; Gott und der Hl. Jakobus bewirken das Wunder, den Jüngling lebend zu erhalten, wobei der Galgenort durch ein schönes Kapitel markiert ist; schliesslich findet die Wiederbelebung der Hühner gleichzeitig mit einem neuen Wunder statt, das das neue Motiv bildet: eine Glocke läutet von selbst, die sich in Santiago befindet. Bemerkenswert ist dabei, dass nicht nur die Mirakelerzählung ausgehend von den Hühnern in der Kirche erzählt wird, sondern auch, dass sich weitere Motive auf sichtbare Objekte beziehen (das Kapitell und die Glocke), was zur Bekräftigung der Wahrheit der Wundererzählung in ihren einzelnen Elementen beiträgt. Ausserdem weist Bartolomeo Fontana am Anfang der Erzählung auf zwei mögliche Erklärungen für den Ursprung 141 Fucelli, Barcolorneo Fontana, S. 121 - 122. <?page no="177"?> Das Hühnerwunder 167 der Hühner, die sich in der Kathedrale befinden: nach einigen Versionen sind sie die zwei wiederbelebten Hühner, nach anderen hingegen handelt es sich um die Nachfahren dieser Hühner. Er fügt hinzu, dass die Kleriker von Santo Domingo den Pilgern Feder geben, mit denen sich diese den Hut schmücken. Diese Erklärungen über die Hühner und den Brauch der Schenkung von Federn bilden ein Motiv, das sich schon in De rebus Hispaniae memorabilibus (1530) befindet, dem Werk über spanische Geschichte des Sizilianers Lucius Marineus. Über die Pilger als Hauptpersonen (die Familie) erfährt man wie bei Nompar de Caumont nichts Genaues: Woher sie kommen oder was sie für Leute waren, scheint, unwichtig zu sein. Hingegen wird die Moral durch die Bestrafung der Tochter stark betont: Ihre Rache wendet sich am Schluss gegen sie. In anderen ihm bekannten Fassungen wird auch der Wirt aufgehängt, aber Bartolomeo Fontana beruft sich auf die wahre Geschichte: "dil ehe mi riporto al vero". 142 d) Da es sich um den längsten von den hier behandelten Santiago-Pilgerberichten handelt, ist die Zahl und Vielfalt der in ihn eingebauten Erzählungen grösser als in den übrigen. 143 Deshalb scheint es angebracht, einen Exkurs über diese Erzählungen und ihre Typen zu machen, bevor wir auf die Bedeutung unserer Mirakelerzählung im Vergleich zu den anderen Geschichten eingehen. Man kann ihrem Ursprung nach zwei Sorten von Geschichten in diesem Bericht unterscheiden: diejenigen, die deutlich zum gelehrten Wissen des Autors gehören, d. h. die mit grosser Wahrscheinlichkeit nur aus seiner Lektüre stammen, und diejenigen, die ihm auf dem Pilgerweg als mündliche Erzählungen überliefert werden, abgesehen davon, ob er sie auch dargestellt gesehen hat oder sie irgendwann lesen konnte. Bei den ersten stellt Bartolomeo Fontana seine Belesenheit in Geographie, Geschichte und Literatur gerne zur Schau. Je nachdem gibt er die Quelle ziemlich genau an 144 oder weist nur auf unbestimmte Art auf Bücher und Autoren hin 145 oder aber verschweigt sie völlig. Im letzten Fall deutet der Aufbau des Textes auf die Benutzung schriftlicher Vorlagen hin. Dies geschieht bei einigen seiner 142 A. Fucelli will in diesem Satz eine skeptische Haltung von Barcolorneo Fontana gegenüber der Mirakelerzählung erkennen. Dies scheint uns eine Interpretation, die die übrigen Bemerkungen zur Glaubwürdigkeit dieser und anderer Erzählungen nicht berücksichtigt. Vgl. Fucelli, S. 43-44. 143 Aus den Berichten von Nompar de Caumont und Arnold von Harff haben wir nur den Teil über die Santiago-Wallfahrt betrachtet. 144 Eine Geschichte berichtet über Kar! den Grossen folgendermassen: "Quivi venne Carlo tirrato da! suono e da un montio (per quanto si ! egge nel Catalogo deSanti nellib. Val cap. 121) e trovo Orlando ch'era morco nelle brazze di un suo amico, Tiberio detto". Fucelli, Barcolorneo Fontana, S. 122. 145 So leitet erz. B. eine mythologische Erzählung ein: "Dissero gli antici Greci" . Ebd., S. 75. <?page no="178"?> 168 Santo Domingo de Ia Calzada Länder- oder Völkerbeschreibungen: Italien 146 , Deutschland 147 (die Durchreise durch die Schweiz dient als Anlass für diese Beschreibung) und Spanien14 8. A . Fucelli verweist bei der Spanienbeschreibung auf den Einfluss der Berichte über fremde Länder, die die venezianischen Botschafter dem Dogen und dem Senat vorlasen. 149 Auch seine Stadtbeschreibungen, insbesonders in Italien, sind von seiner Lektüre stark geprägt. In derjenigen über Padua heisst es: Questo anticamente fu Ducato e hebbe tal potere ehe, quando Tito e Vespasiano andorono all'ispeditione di Hierusalem, il Duca del detto loco Ii sovenne di buon numero di huomini a piedie a cavallo, e cio fu nell'anno del nosto Signore 73. 150 Die zweite Gruppe von Geschichten bilden die mündlich überlieferten, die sich zum Teil nur mit Schwierigkeiten von den ersten unterscheiden lassen, denn sowohl die einen wie die anderen führt der Autor mit Ausdrücken wie "si dice" ein. Bartolomeo Fontana ist jedenfalls ein schreibender Pilger, der sich Notizen auf der Reise macht, um sich später an das Wichtigste davon zu erinnern: "E veduto e tolto per nota quello ehe piu di memoria degno a me parve". 151 Aufgeschrieben werden religiöse Erzählungen, die an bestimmten Kultstätten zu hören sind; Nachrichten über Ereignisse (meistens Katastrophen), die an irgendeinem besuchten Ort passiert sind, von denen er selbst in manchen Fällen Augenzeuge ist; 152 und auch Sprüche und Lieder über die Pilgerfahrt, für die er auch Interesse zeigt. 153 Dabei schlägt er einen weniger gehobenen Ton an als bei den direkt aus seinen Lektüren stammenden Erzählungen. Unter den wahrscheinlich gehörten Geschichten kommt dem Hühnermirakel wegen seiner Länge eine besondere Stellung zu . Auch wenn seine Motive nur knapp entwickelt sind, erhält es im Vergleich zu den übrigen mündlich überlieferten Geschichten eine lange Erläuterung. Andere Beispiele solcher kürzerer Erzählungen sind: 146 Ebd ., S. 78-79. 147 Ebd., S. 97. 148 Ebd., S.106 . 1 49 Ebd., S. 31. In der Frankreichbeschreibung stützt er sich auf "Battista Mantuano nel suo Dionysio". Vgl. Fu cellis Einführung S. 10. I SO Fucelli, Bartolomeo Fontana, S. 75. 151 Ebd., S. 88. IS2 "e, per quanto vedessimo Ia mattina e intendessimo, Ii sotto il monte si affogo una barca con alquanti huomini, ehe gli erano dentro, e due altre anchora per quanto fu detto, una in un fiume detto fiumicino, l'altra appresso Ancona". Ebd., S. 78 IS3 "e per bellissimo paese andai ehe parea proprio il paradiso deliciano e chiamasi Asturia, sopra il quale i peregrini francesi, in una sua canzone, composta sopra il viaggio de Galitia, dicono aleuni versi, ehe in nostra lingua suonano: '0 Asturi a, bella Asturia, tu se i pur bella e sei pur dura'." Ebd. S. 112 - 113. AufS. 111-112 befindet sich ein Spruch, den die Pilger über dieselbe Strecke in Nordspani en sagen. <?page no="179"?> Das Hühnerwunder 169 Eine aus La Verna (in der Nähe von Florenz), in die Beschreibung dieser Ortschaft eingefügt: e vedesi un loco, nel qua! S. Francesco molte volte orava a Dio e un giorno, mentre faceva oratione, venne (per quanto mi fu detto) il demonio e lo spinse per traboccarlo nella valle e il santo, lasciandosi andar nel fianco del colle, vi rimase impronta Ia sua imagine concava nel sasso, ehe hoggi si vede cosl genochioni, come egli orava. 154 Die Beschreibung von Sta. Marfa da Barca in Muxfa mit wunderbaren Zügen und Riten in Verbindung mit den Steinen an der Küste. Auf eine ähnliche Beschreibung haben wir schon in Sebastian Ilsungs Bericht hingewtesen: ein quella [Kirche] de nostra Signora una imagine de intaglio longa circa un brazzo e sta in piedi, chiamata S. Maria dalla Barca, perehe venne ll (per quanto dice gli habitanti) in una barca di pietra viva, Ia qua! hoggi si vede ll sul mare, e chinonein peccato mortale, con unoditto crolla il grande arbore petrone, ehe e sullido, cosa quasi incredibile, vedendola, e pur io Ii feci. [...]; vi e uno gran sasso piano, tirato tra il tondo e ,I quadro e concavo alquanto con il curvo in su, questo si dice essere Ia barca, sotto ,I quale si passa in croce, e chiein peccato mortale non po passarvi, io feci tal cerimonie in giovedl, alli 11 de Settembre 1539. E vidi in questa terra uno cane ehe era hermafrodito.155 Die Erzählung anderer Pilger über die in den Pyrenäen noch zu beobachtenden Knochen der Ritter von Karl dem Grossen, bei der man einen Beleg für die Glaubensbereitschaft von Bartolomneo Fontana findet: Referiscono aleuni peregrini havervi veduto appresso ossi smesurati de giganti einfinite reliquie de corpi morti in quella rotta, il ehe io non ho veduto: impero ehe, quando passai per quelloco, ero incauto di tal cosa. 156 e) Bartolomeo Fontana ist der einzige der hier behandelten Pilgerberichterstatter, der auf einen konkreten Erzähler, einen Kleriker aus Sto. Domingo de la Calzada, verweist: "(per quanto uno chierico li delloco mi conto)". Jedoch ist dieser offenbar nicht seine einzige Quelle, denn kurz vorher und am Schluss der Geschichte spricht er von anderen ihm bekannten Fassungen: "(per quanto dicono alcuni)", "Aleuni altri vogliono" und "Aleuni dicono". Dass er dabei Verben wie "sagen" oder "wollen" verwendet, ist kein eindeutiger Beweis dafür, dass es sich um eine mündliche Überlieferung handelt, weil Bartolomeo Fontana manchmal mit den gleichen Verben Erzählstoffe aus schriflichen Quellen einführt. Man darf also die Benutzung schriftlicher Quellen nicht ausschliessen, aber angesichts des 154 Ebd., S. 90. 155 Ebd., S. 115. Der Hinweis auf den zweigeschlechtliehen Hund am Schluss der Beschreibung unterstreicht den exotischen und wunderbaren Charakter der Gegend. 156 Fucelli, Bartolomeo Fontana, S. 123. <?page no="180"?> 170 Santo Domingo de La Calzada Erzählstoffes des Mirakels und des Anlasses für die Erzählung, der Besichtigung der Kirche, scheint ein Kleriker ein sehr glaubwürdiger Erzähler. Ein solcher Hinweis auf einen konkreten Erzähler bildet ausserdem keine Ausnahme in diesem ltinerario. Oft kommen Gewährspersonen vor, deren Namen zwar nicht erwähnt werden, von denen man aber das Herkunftsgebiet oder etwas über ihre Beschäftigung (Pilger, Mönche) erfährt. In den oben zitierten Stellen findet man Beispiele dafür; in Muxia sind es die Einwohner: "(per quanto dice gli habitanti)"; in den Pyrenäen andere Pilger: "Referiscono aleuni peregrini". In den wichtisten religiösen Stätten erzählen die Mönche oder die Priester, und meistens handelt es sich dabei um die Beglaubigung von Reliquien. Dies geschieht z. B. in Santiaga bei einer Führung für Pilger in der Kathedrale: le quale [Reliquien und andere fromme Objekte] ogni mattina, alla elevationedel corpo de Christo, alla messa grande, si mostrano a peregrini e quando lo voleno mostrare, danno segno sonando un campanello nella chiesa e, redutti Ii peregrini in camera santa, uno prete Ii fa cauti de cio ehe Ii mostra, toccando le reliquie a una per una, con una verzella, parlando in lingua hispana, francesca, allemana e italiana: accio Ii circonstanti intendano cio ehe sia quello, ehe vedono. 157 Der Erzähler spielt also eine wichtige Rolle bei der Überlieferung des Mirakels: Er war ein Kleriker, ein belesener Mann, der die schriftlichen Fassungen kennen konnte, und er lebte in Sto. Domingo de la Calzada, was die Betonung bestimmter Motive erklärt, die mit den dortigen Traditionen eng verbunden waren. Wichtig für die Aufnahme des Mirakels in den Bericht sind die Interessen von Bartalarneo Fontana. Nicht zufälligerweise erfährt er die Mirakelerzählung in Sto. Domingo de la Calzada, denn als er dort ankam, wusste er schon, dass dort ein Wunder geschehen war, und konnte also danach fragen. Vorher war ihm zweimal diese Mirakelerzählung auf seiner Pilgerfahrt in Spanien begegnet. Das erste Mal in Santiago, als ihm die von sich selbst läutende Glocke gezeigt wurde. Damals war jedoch die Rede nur vom Galgenwunder und noch nicht vom Hühnerwunder: in altraparte [der Kathedrale], super certa scalla, e [ ... ] una campana ehe sono da se sola, al miracolo ehe fece S. Iacobo, quando suscito lo impiccato a torto in San Dominico della Calzada, citta della Vecchia Castiglia, Ia qua! campana fu poi trasferita in Compostella. 158 Das Fehlen des Hühnermotivs und die hervorgehobene Wunderkraft des Hl. J akobus, der hier den Erhängten sogar wiederbelebt hat, statt ihn nur am Leben zu erhalten, unterscheiden diese Version von der geläufigen in Santo 157 Ebd., S. 116-117. 158 Ebd. Der Begriff "Vecchia Castiglia" (Altkastilien) umfasst nicht nur d as heutige Kastilien, sondern auch die Rioja. <?page no="181"?> Das Hühnerwunder 171 Domingo de la Calzada und lassen erkennen, dass verschiedene Fassungen gleichzeitig an verschiedenen Orten (Santiago und Santo Domingo de la Calzada) je nach Ortsinteressen verbreitet wurden. Von Bedeutung für die Aufnahme der Fassung aus Santo Domingo de la Calzada in den Bericht ist vor allem, dass dieser Ort schon in der Fassung aus Santiaga genannt wird, so dass ein Grund für die Reise dorthin entstand. Das zweite Mal war es in Padr6n (nicht weit entfernt von Santiaga). Dort betrachtete er in einer Kirche eine Darstellung des Wunders, das wieder als Galgenwunder bezeichnet wird: sopra un monte, si trova ua chiesiola e in quella l'imagine de S. Iacobo, di marmo intagliata e a dritta e a sinistra dell'altare, e historiato, in pittura da! tempoquasi spinta, il miracolo dell'impiccato in Castiglia e poi suscitato. 159 Diese Vorkenntnis beeinflusst seine Interessen auf dem Rückweg. Im Gegensatz zu der langen Erläuterung der Mirakelerzählung aus der kleinen Stadt in der Rioja stehen die übrigen Städte auf der alten Pilgerstasse nur als Etappenorte: Nicht einmal Le6n verdient mehr als seine Erwähnung als Etappenort, und in Burgas verweist Bartolomeo Fontana nur kurz auf eine Kirche und ein Kloster. Was den Inhalt der Fassung aus Sto. Domingo de la Calzada betrifft, darf man sich fragen, inwieweit Bartalarneo Fontana (ein Santiago-Pilger, der schon eine Fassung kennt, in der der Hl. Jakobus das Wunder vollbringt) durch seine Fragen und damit einhergehende Erwartungen die Antwort des Erzählers in Bezug auf den Heiligen bestimmt. Diese Erwartungen stimmten wahrscheinlich zu dieser Zeit nicht mehr mit denjenigen der Ortsbewohner überein, denen der Hl. Domingo näher stand als der hl. Jakobus. Die verschiedenen schriftlichen Versionen aus dieser Zeit mit dem einen oder dem anderen als wunderwirkendem Heiligen sprechen dafür, dass im selben Raum beide Fassungen vermittelt wurden, je nachdem welcher Heilige dem Erzähler näher stand oder was für ein Publikum er hatte. Zusammenfassung Von der ersten schriftlichen Version aus dem 12. Jahrhundert bis zu den Fassungen aus dem 16. Jahrhundert erfährt das ursprüngliche Galgenwunder so wichtige inhaltliche Abänderungen, dass am Schluss eher die Rede vom Hühnerwunder als vom Galgenwunder ist. Der seit der Etablierung des Buchdruckes im ausgehenden 15. Jahrhundert bewirkte Wandel der Kommunikationsmittel vergrössert zudem die Expansionsmöglichkeiten einer solchen Mirakelerzählung, die schon vor dieser Zeit in Mirakel- und Legendensammlungen verbreitet war. Die inhaltliche Enwicklung und der 159 Ebd., S. 118. <?page no="182"?> 172 Santo Domingo de Ia Calzada Wandel der Kommunikationsmittel führen dazu, dass die Erzählung im neuen religiösen Kontest des 16. Jahrhunderts neue Funktionen erhält. Der Inhalt der ersten schriftlichen Fassung bildet die Basis, auf der sich die späteren Erzählungen stützen. Sie enthält zwei Motive, die immer wieder auftauchen, und weitere Angabe~ und Eigenschaften, die in späteren Versionen verloren gehen sollten. Während das Motiv des Becherverstekkens aus der Bibel (Genesis 44, 1-13) stammt, lässt sichdasjenige der Erhaltung eines Erhängten am Leben erst in Mir akelerzählungen seit dem 6. Jahrhundert nachweisen. Angaben wie die Lokalisierung des Wunders in Tou- ·· louse, die deutsche Herkunft der zwei männlichen Pilger oder ihr e Reichtümer gehen in späteren Versionen verloren. Dasselbe geschieht mit der Moral des Mirakels, welche anfänglich die Liebe zwischen Vater und Sohn und vor allem die Gastfreundschaft fordert . In späteren Versionen tauchen neue Motive auf, die zum Teil eine wichtigere Rolle bei der Aufnahme des Mirakels in die Pilgerberichte spielen als die schon erwähnten. Im 13. Jahrhundert wird das Hühnerwunder in die Erzählung eingefügt. Ähnliche Episoden mit dem Auffliegen gebratener Hühner als Beweis für die Wahrheit einer Aussage befinden sich an verschiedenen Stellen in den Apokryphen. Im 15. Jahrhundert kommt das Motiv der verschmähten Liebe der Magd oder der Wirtstochter hinzu, das aus der Bibel (Genesis 39, 7-18) stammt. Andere Abänderungen bestehen darin, dass nicht nur Vater und Sohn, sondern auch die Mutter pilgert oder dass die Hl. Maria mit dem Hl. Jakobus zusammen den Sohn lebendig erhalten. Seit dem 14. Jahrhundert lässt sich eine Lokalisierung des Mirakels in Sto. Domingo de la Calzada statt in Toulouse feststellen. Diese Lokalisierung nimmt mit der Zeit an Bedeutung zu und erklärt, dass die Pilger im 15. und 16. Jahrhundert das Wunder in ihren Berichten verzeichnen, wenn sie an diesem Ort vorbeiziehen. Die ursprüngliche Mirakelform ohne Hühnermotiv findet sich immer noch in Mirakel- und Legendensammlungen aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Sie wird nicht überall durch die neuen Fassungen ersetzt; beide Fassungen verbreiten sich unabhängig weiter. Seit der Etablierung des Buchdruckes aber werden Erzählstoffe wie dieses Mirakel, die früher als schriftliche Vorlage für die Liturgie dienten, auch als reine Lesestoffe vermittelt, so dass sie neue Funktionen annehmen. Während das Hühnermirakel z.B. in einem Mirakelbuch aus Santo Domingo de la Calzada dem Hl. Domingo zugeschrieben wird, dient eine deutsche Übersetzung der ursprünglichen Fassung des Galgenwunders zusammen mit vielen anderen Legenden und Mirakeln als unterhaltsame Spottliteratur für ein protestantisches Publikum . Die Nicht-Aufnahme in einige Pilgerberichte ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das Hühnerwunder ausgehend von der Besichtigung der Kirche von Sto. Domingo de la Calzada und von der Betrachtung der <?page no="183"?> Die Stadt 173 dort aufbewahrten lebendigen Wunderhühner erwähnt oder erzählt wird und dass nur einige Pilger dort vorbeiziehen. In ihre Berichte über die Santiago-Wallfahrt (zwei von ihnen berichten ausserdem auch über ihre J erusalem-Wallfahrt) nehmen die Pilger nur wenige Erzählungen auf. Meistens hadelt es sich bei ihnen um die Etappenorte, die Distanzen, die Reiseumstände oder bestimmte Erlebnisse auf dem Weg. In den zwei Fällen (Nompar de Caumont im 15. Jahrhundert und Bartolomeo Fontana im 16. Jahrhundert), die eine Fassung des Hühnermirakels wiedergeben, kommt dieser Mirakelerzählung eine grosse Bedeutung zu . In den übrigen Pilgerberichten findet sich nur ein Hinweis auf das Hühnerwunder. Die zwei Mirakelfassungen stimmen im allgemein überein: Die Hauptmotive der Erzählung, die wir aus den hagiographischen Quellen kennen, finden sich in beiden Versionen. Nur in derjenigen von Bartolomeo Fontana kommt noch ein neues Motiv über eine von sich selbst läutende Glocke hinzu. Er weist ausserdem auf zwei mögliche Erklärungen für den Ursprung der Hühner und auf den Brauch der Verteilung von Federn an die Pilger, was schon Lucius Marineus erwähnt hatte. Die Motive werden literarisch nicht weiter entwickelt, und die Erzählungen sind nicht mit vielen Details ausgeschmückt. In beiden Fällen bezieht sich die Moral eher auf die Bewahrung der Keuschheit beim jungen Pilger als auf die ursprüngliche Hervorhebung der Gastfreundschaft, wobei beide Gesichtspunkte vorhanden sind. Über die Quelle, aus der die Pilger schöpfen, lässt sich wenig sagen. Ob sie die Mirakelerzählung aus ihren Lektüren kennen, kann man aus Berichten allein nicht erschliessen. Die Form der Aufnahme des Erzählstoffes in die Berichte und die Aussagen der Pilger über dessen Vermittlung deuten darauf hin, dass sie die Geschichte bei der Besichtigung der Kirche in Santo Domingo de la Calzada erfahren: Die Wunderhühner in der Kirche erwekken die Neugier der meisten Pilger, und seit dem 16. Jahrhundert dürfen diese ausserdem eine Feder der Hühner als Souvenir mitnehmen. Nur Bartolomeo Fontana weist auf einen konkreten Erzähler hin: einen Kleriker aus Sto. Domingo de la Calzada. 6.3 Die Stadt Die Hagiographen des Heiligen Domingo stellen die Schwierigkeiten des Baus von der Steinbrücke über den Fluss Oja westlich der Stadt ausführlich dar. 160 Die vom Heiligen während der Entstehungszeit der Brücke vollbrachten Wunder gehören zu den wichtigsten Erzählungen über sein Lel6 0 Ve ga, Historia, f. 35r-54v; Gonzalez Tejada, Historia, S. 74-86. Zu Vegas Hagiographie vgl. Kapitel13. Zum Heiligen Domingo und zur Brücke vgl. Martinez O cio, Santo Domingo, S. 301-308. <?page no="184"?> 174 Santo Domingo de la Calzada ben. Der technische Aufwand, der eine so teure Brücke erforderte, macht verständlich, weshalb die Hagiographen dem Bau der Brücke so viel Aufmerksamkeit schenken. Luis de la Vega schreibt in seinem Werk, dass es sich um ein "sehr schwieriges Unterfangen" ("negocio dificultosisimo") handelte, 161 das der Heilige dank der Hilfe Gottes und der Mitarbeit der Bewohner der Umgebung von Santo Domingo vollenden konnte. Ausserdem sollen andere Heilige aus dem Gebiet dem Heiligen Domingo geholfen haben, wie etwa der Heilige Juan de Ortega. 162 Die Steinbrücke muss tatsächlich im Zusammenhang mit der Intensivierung von Handel und Verkehr auf dem Jakobsweg betrachtet werden. 163 Das 12. Jahrhundert, in dem der Heilige Domingo lebte, 164 war die grosse Zeit des Brückenbaus im Mittelalter gewesen. Die für die Wirtschaft bedeutende Brücke war zugleich ein Symbol der Stadtmacht. Die Bewohner von Santo Domingo de la Calzada genossen seit dem späten 15. Jahrhundert Steuererleichterungen, weil die Stadt sich gegenüber der Krone verpflichtete, Unterhalt und Reparatur der Brücke zu übernehmen. 165 In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts betrafen diese Steuerprivilegien jedoch die "alcabala" nicht, die ursprünglich eine zehnprozentige Verkaufssteuer war und meistens an private Steuerpächter vergeben wurde. 166 1590 bezahlten die 527 Haushalte (etwa 2635 Einwohner) 167 von Santo Domingo 115 000 Maravedis für die Alcabala. Die drei in Abhängigkeit zur Stadt stehenden Ortschaften ohne eigene Gerichts - und Gemeindebezirke bezahlten auch diese Steuer: Manzarrares 22 500 Maravedis, Corporales 12 500 und Gallinero 8000. 168 In der Tat war die Alcabala damals eine Repartitionssteuer geworden und betraf das Einkommen der Steuerfähigen. Ihr Gesamtaufkommen wurde von der Krone festgelegt und auf Steuerbezirke verteilt. Die weitere Verteilung nahmen die Städte selbst vor. Die Händler und das Gewerbe übernahmen dabei einen beträchtlichen Teil. 169 Die Textilprodukte, das Brot, der frische Fisch, das Fleisch und der Wein gehörten zu den wichtigsten Produkten, die in Santo Domingo de la Calzada verkauft wurden. 161 Vega, Historia, f. 35r-36r. 162 Ebd., f. 39r-44v. 163 Zum Brücken- und Spitalbau an Pilgerstrassen vgl. Schmugge, Anfänge, S. 46-51. 164 Der Heilige Domingo starb wahrscheinlich 1109. 165 L6pez de Silanes, Colecci6n, S. 197-204; Gonzalez Tejada, Historia, S. 245-246. 166 Eine Untersuchung über die Wirtschafts- und Sozialstruktur von Santo Domingo de Ia Calzada im 16. Jahrhundert liegt nicht vor. Eine derartige Studie würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Zu den sozialen Konflikten in anderen riojanischen und kastilischen Städten im 16. und 17. Jahrhundert vgl. Lorenzo Cadarso, Los conflictos, passim. 167 Diese Einwohnerzahl ergibt sich, wenn man den Koeffizienten 5 verwendet. Dieser ist der höchste, den man in der Sekundärliteratur über die Bevölkerung Spaniens gebraucht. Der niedrigste Koeffizient ist 4 (2008 Einwohner in diesem Fall). Zu den Koeffizienten vgl. Johansen, Bevölkerung, S. 353 -384. 168 AHS, Aktenbündel138, Expediente 38. 169 Zur Alcabala vgl. Artola, Hacienda, S. 37-52, 91 - 98. <?page no="185"?> Der Bischof 175 Die Stadtanlage entsprach einem etwas unregelmässigen Rechteck. 170 Die längsten und wichtigsten Strassen durchquerten die Stadt von Osten nach Westen, die Richtung des Jakobswegs. In der topographischen Situation der Kathedrale spiegelt sich die Stellung ihrer Geistlichkeit in der städtischen Gesellschaft von Santo Domingo. Die Kathedrale lag im Zentrum der Stadt, nördlich von einer der Hauptachsen. Der Kathedralbau ist von romanischen und gotischen Formen geprägt. 171 Neben der Kathedrale befand sich das Spital. Im 16. Jahrhundert wurden einige Kapellen der Kathedrale umgebaut. Die Kapelle der Familie Valencia enthält zum Beispiel zwei Gräber von Kanonikern dieser Familie, welche zur lokalen Führungsschicht gehörte. Beide bezeugen den Einfluss der Renaissance in der Rioja und illustrieren die Rolle der Bücher und der Schriftkultur für die Selbstdarstellung der klerikalen Oberschicht. Am Fuss der Darstellung von DonJuan Rodrigo de Valencia, der 1560 starb, tritt ein junger Mann (möglicherweise ein Messdiener) auf, der ihm aus einem Buch vorliest. 172 6.4 Der Bischof Juan Bernardo Dfaz de Luco (1495-1556) 173 kam 1554 aus Trento in die Rioja zurück und begann sofort, seine Macht als Bischof auf neue Weise auszuüben. Das Kapitel von Calahorra bekam kurz darauf zu spüren, dass sich das alte Bischof-Kapitel-Verhältnis verändern würde. 174 Als erstes versuchte Luco, wie andere gerade aus Trento zurückgekehrte Bischöfe, 175 seine Reformideen gegen den Willen der Kapitelmitglieder durchzusetzen. Die ersten Erfahrungen zeigten ihm bald, wie weit die Theorie von der Praxis entfernt war. Mit seiner / nstruction para perlados (Unterweisung für Prälate) (1530) plädierte er für eine Verstärkung der bischöflichen Gewalt in der Diözese und entwarf ein ideales Bischofsbild: Der Bischof sollte in seiner Diözese residieren 176 und sich um alle alltäglichen Geschäfte mit Sorgfalt kümmern. 177 Er musste ausserdem besonders genau auf die Leistungen seiner engsten Mitarbeiter, der Vikare, aufpassen und sie ständig überprü- 170 Soria y Puig, Camino a Santiago, S. 131; Passini, EI camino, S. 121-133. 171 Maya Valgaii6n, Etapas, passim. 172 Zum Alltagsleben der spanischen Kanoniker im 16. Jahrhundert vgl. N alle, God, S. 70-79. 173 Über sein Leben vgl. Marin, Diaz de Luco, S. 750-753. 174 Seit dem 13. Jahrhundert gab es zwei Kathedralen mit ihren entsprechenden Kapiteln in der Diözese. Dieseheisst deshalb Diözese von Calahorra und Ia Calzada. Santo Domingo de Ia Calzada war unter königlicher Gerichtsbarkeit seit der Mitte desselben Jahrhunderts. Die Stadt verfügte deshalb über einen königlichen Stadtrichter: "corregidor". Madoz, S. 305-310. 175 Clereceda, S. 215-234. 176 Luco, Instruction, f. Xlr-XIIIr. 177 Ebd., passim. <?page no="186"?> 176 Santo Domingo de la Calzada fen. 178 Es war der erste Schritt für die umfassende Reform des Weltklerus, die er anstrebte. In Trento hatte er sich konsequent für dasselbe Bischofsmodell eingesetzt. 179 Die Realität seiner Diözese erwies sich jedoch als besonders weit entfernt von seinem absolutistischen Machtanspruch. Niemand war in Calahorra bereit, sich ihm zu unterwerfen. Das Kapitel erinnerte ihn sogar daran, dass er sich nicht in Calahorra aufhalten sollte, weil er dort über keinen Bischofspalast verfügte. 180 Luco stützte sich auf die staatliche Gewalt, um das Kapitel zu zähmen . Philipp II. unterstützte seine Bischöfe in diesem Vorhaben. Der Stadtrichter und seine Ordnungsleute begleiteten den Bischof am 6. Mai 1554 bei seinem ersten Auftritt zwecks einer Visitation in die Kathedrale von Calahorra. Vorher hatte er den Kapitelmitgliedern seine Absicht mitgeteilt und sie dazu aufgefordert, auf ihn in der Kathedrale von Calahorra zu warten. Er musste trotzdem bei seiner Ankunft in der Kathedrale am Sonntag morgen um sieben Uhr die Flucht des ganzen Kapitels hinnehmen. Nur der Prozessvertreter und der Notar des Kapitels blieben dort, um alle Bewegungen des Bischofs und des Stadtrichters zu protokollieren. Zunächst protestierte der Prozessvertreter gegen die Anwesenheit der zivilen Gewaltvertreter in der Kathedrale. Als der Bischof auf solche Klagen nicht einging und die Schlüssel verschiedener Türen forderte, weigerten sich die Vertreter des Kapitels, Auskunft darüber zu erteilen. Luco liess die Türe mit Gewalt öffnen. Währenddessen zeichneten die Vertreter des Kapitels alles auf, um die spätere Klage des Kapitels vor dem Papst zu begründen. Später führte Luco die Visitation durch. Es soll nicht weiter auf die Einzelheiten dieser ersten Begegnungen nach der bischöflichen Ankunft eingegangen werden. Es sei nur darauf hingewiesen, dass der spanische König Philipp II. seinen Bischof unterstützte und dass Rom dem Kapitel bei seinem Protest gegen Lucos gewaltsames Vorgehen Recht gab. Das Kapitel hatte jedoch die Ansprüche einer bis dahin selten so stark aufgetretenen Gewalt hinnehmen müssen. Der Historiker T. Marin unterschätzt die Wirkung dieser ersten Visitation auf die Kapitelmitglieder. Seiner Meinung nach siegte der Bischof nicht vollständig, und die Kapitelmitglieder seien nicht genug eingeschüchtert worden. 181 178 Marin, Visitadores, S. 519-535 . 179 Marin, Trento, S. 8-31. 180 Die folgenden Au s führunge ~ über den bischöflichen Streit mit dem Kapitel beruhen auf Marin, Repercusiones, S. 325-349. 181 T. Marin untersucht das ganze Geschehen in Calahorra sehr sorgfältig. Er wirkt jedoch parteiisch bei der Beurteilung des Widerstandes des Kapitels. Marin ist ein bedeutender Vertreter der konfessionellen und nationalistischen Geschichtsschreibung der Francodiktatur. Bei der Lektüre seiner Studien über Luco darf man nicht vergessen, dass er stark dazu neigt, die spanische Monarchie und seine Bischöfe zu verteidigen. Über die Interessengegensätze zwischen Philipp II. und dem Papsttum in Bezu g auf die Kirchenpolitik vgl. Lynch, Espaiia, S. 347-364. <?page no="187"?> Der Bischof 177 Die Nachrichten aus Calahorra müssen in dem Kapitel von Santo Domingo de la Calzada aufmerksam verfolgt worden sein. Leider ist die Einstellung seiner Kapitelmitglieder zu ihrem Bischof nicht bekannt. 182 Beide Kapitel mussten auf jeden Fall die neuen Ansprüche des Bischofs wahrnehmen und mit ihm verhandeln. Es kam also zu einem offenen Machtkampf zwischen dem Bischof, der die zentralistischen Ziele des spanischen frühmodernen Absolutismus verfolgte, und den Kapiteln, die eine lokale kirchliche Führungschicht bildeten. Der Schluss liegt nahe, dass die Prozesse über die Wunder im Jahr 1556 den Ausdruck eines Kompromisses zwischen beiden Kräften darstellten. Die damit einhergehende Werbung für den Heiligen Domingo lag im Interesse des Kapitels der Kathedrale von Santo Domingo de la Calzada, aber das rechtliche Verfahren der Überprüfung entsprach den Ansprüchen eines Kanonisten wie Dfaz de Luco . Luco war ein von Erasmus beeinflusster Kirchenreformer; der Erasmismus bildete unter den höchsten kirchlichen Würdenträgern in Spanien der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine verbreitete intellektuelle Strömung. Die "Erasmisten" ein Ausdruck, den der Forscher Marcel Bataillon geprägt hatwaren eine wichtige Gruppe innerhalb der spanischen Machtelite unter Karl I. Innerhalb dieser von Erasmus beeinflussten Gruppe liessen sich jedoch mehrere Richtungen ausmachen: von denjenigen, die sehr nahe am Protestantismus waren und seit den 1540er Jahren von der Inquisition zunehmend aus den Machtstellen in Staat und Kirche verdrängt und schliesslich verfolgt wurden, bis zu den Gemässigten, den "orthodoxen Erasmisten". Luco gehörte eindeutig zu der letzten Richtung. 183 Die Orthodoxen, wie Luco, zeigten ein grösseres Verständnis für die religiösen Bräuche des Volkes als Erasmus. Sie wollten nuancieren, welche akzeptabel und welche inakzeptabel für die katholische Kirche erschienen, sie lehnten sie nicht grundsätzlich ab. Wallfahrten, Reliquienverehrung, Wunder konnten akzeptiert werden, nur nicht alle kritiklos. 184 Desh alb war man an der Überprüfung der Wunder interessiert. Lucos Teilnahme am Tridentiner Konzil bewies das Vertrauen von Karl V. in seine theologischen Ansichten und in ihn als Kirchenpolitiker. Lucos Bereitschaft, mit den Protestanten zu sprechen, ihnen zuzuhören und über ihre Meinungen mit ihnen zu debattieren, entsprach der kaiserlichen Politik am Anfang des Konzils, weil Karl V. imm er noch Hoffnungen auf Versöhnung h egte. 185 Als Luco nach Spanien zurückkehrte, bestanden diese Hoff- 182 Marin nimmt an, dass das Kapitel von Santo Domingo de Ia Calzada dasjenige von Calahorra unterstützte. Er lässt das traditionelle Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden beiseite. Er kennt die Wunderprozesse von Santo Domingo de Ia Calzada nicht. Ebd., S. 348-349. 183 Marin, Einführung zu den Soliloquios, S. 60-65. 184 Bataillon, Erasmo, S. 582-587. 185 Marin, Trento, S. 41 -43. <?page no="188"?> 178 Santo Domingo de Ia Calzada nungen nicht mehr. Luco stand auf der Seite der Gegenreformation. Der protestantischen Kritik gegen religiöse Praktiken, wie Heiligenanrufung und Wallfahrten, konnte man eine rational begründete Untersuchung mit den intellektuellen Mitteln der Zeit dem Recht entgegensetzen. Luco muss auch aus diesem Grund seinem Vikar erlaubt haben, die vom Kapitel verlangten Untersuchungen über die Wunder zum Ruhm des Heiligen Domingo durchzuführen. Der höchste kirchliche Vertreter beim Prozess, sein Vikar, handelte in Lucos Namen. Bevor Luco im September 1556 starb, waren die beiden ersten Verfahrendiejenigen von Catalina de Foncea und von Catalina de Graii6nabgeschlossen. <?page no="189"?> 7 Catalina de Foncea 7.1 Der Prozess von Catalina de Foncea Im 7. Kapitel folgen wir der narrativen Struktur des in den Akten festgehalte nen Verfahrens. Zunächst geht es um die administrativen Schritte vor dem Verhör, dann um das eigentliche Verhör selber, dem die durch das Wunder beglückte Frau, Catalina de Foncea, und die Zeugen unterzogen werden. Das ganze Verfahren besteht aus einer Reihe von Vorlese- und Erzählakten sowie Gesprächen; also aus sozialen Akten, bei deren Analyse die Identitäten, Rollen, Interessen und Strategien der Teilnehmer verfolgt werden können. Die Wundererzählung verändert sich bei jedem dieser Akte. Deshalb stellt sich die Frage, wi e die unterschiedlichen Rahmenbeding ungen und die damit einhergehenden Regeln und Zwänge den Aufbau und Inhalt der Erzählung jeweils beeinflussen. 7.1.1 Bernardino de Sesma und die Richter Sehr hochherzige und sehr ehrwürdige Herren, ich, Bernardino de Sesma, Kostpfründner in dieser Mutterkirche, Kathedrale des Herren H eiligen Domingo de Ia Calzada, Versorgerund Verwalter des heiligen in dieser Stadt befindlichen Hospitals des Herren Heiligen Domingo, das der glorreiche Vater Herr Heiliger Domingo begründete, Patron dieser Kirche und dieser Stadt und des ganzen Bistums von Calahorra und Ia Calzada, dessen glorreicher Körper und heilige Reliquien in dieser Kirche sind, tue Euren Gnaden kund, wie ich die Nachricht erhalten habe, dass ich vor sechs oder sieben T ag en erfahren habe [sie], dass Catalina de Foncea, aus der Ortschaft Foncea stammend, Tochter des Pedro de Foncea, Nachbar der besagten Ortschaft, die sich in der Diözese und im Bistum von Burgos befindet, stumm und ohne irgendein Wort sprechen oder aussprechen zu können, in diese Stadt gekommen war, denn sie war vor sieben oder achtJahrenverstummt und sie war die ganze Zeit stumm, wie gesagt wurde, und sie hatte einen Teil dieser Zeit um Almosen gebeten, um sich zu beköstigen, und hatte mit Mari Gomez, Valencianerin, eine Zeit in Casa de Ia Reyna gelebt und gewohnt, und von dort aus war sie, durch eine grosse Inbrunst bewegt, gekommen, um diese heilige Kirche und den glorreichen heiligen Körper des Herren H eiligen Domingo zu besuchen, wo sie dank der Barmherzigkeit unseres Herren und durch die Fürsprache dieser glorreichen Heiligen, wie man es frommerweise für wahr halten darf, am dritten Tag deutlich und auf offene Art gesprochen hatte, wie es gegenwärtig feststeht und scheint, obwohl die Zunge am Mundboden geklebt hatte, als ob sie so geboren worden wäre, und obwohl sie für die Wiedererlangung ihrer Gesundheit viele Ärzte und Chirurgen gefragt und gesucht hatte, von denen keiner s ie heilen konnte, nachdem sie sie gesehen hatten, und nicht einmal der Doktor Cartajena, der Arzt der Herzogin von <?page no="190"?> 180 Catalina de Foncea Frfas, und ein gewisser Chirurg der Kleinstadt Haro und von Zarrat6n konnten sie besonders gut heilen, und so, als ob sie in Ermangelung ihrer Gunst wäre, kam sie, wie gesagt wurde, in diese heilige Kirche und zum Grab des Herren Heiligen Domingo und bekam und erlangte wieder die Sprechfähigkeit, wofür wir alle unserem Herrn unendlich dankbar sein und für ihn eine grosse Inbrunst haben müssen; und das alles tue ich Euren Gnaden, als Herren und Patronen dieses heiligen Hospitals, kund, damit Ihr die Wahrheit darüber finden lasst, damit, da dies so geschehen ist, dieses Wunder zu den anderen hinzugefügt wird, die unser Herr [Gott] durch die Fürsprache dieses glorreichen Heiligen in verschiedenen Zeiten bewirkt hat, und damit eine genügende "Informaci6n" von allem oben Gesagten formell sowohl durch die kirchliche wie auch durch die weltliche Justiz vor glaubwürdigen Notaren bearbeitet und gefunden wird, welche ihre Autorität und Dekret dafür einsetzen sollen, und [ich tue dies Euren Gnaden kund] damit, wenn die Wahrheit darüber gefunden wird, ihr es in ihrem Archiv [der Kathedrale] für die Ehre und Glorie unseres Herren und für die Verstärkung dieses glorreichen Heiligen aufbewahren lasst, und darüber sollen Eure Gnaden das entscheiden, was am besten für den Dienst unseres Herren und die Ehre dieses glorreichen Heiligen ist 1. Mit dieser Bitte oder Supplik erschien Bernardino de Sesma am 21. Februar 1556 vor dem Kapitel der Kathedrale von Santo Domingo de Ia Calzada, in dem er selbst Mitglied war. Als Verwalter des Hospitals war er in einer besonders günstigen Position, um Krankheits- und Heilungsgeschichten zu erfahren. Der apostolische Notar und zugleich Sekretär des Kapitels, der die Akten des Pozesses beglaubigte, schrieb, dass Bernardino "bat und ersuchte" ("pidio y suplico") um das, was in der Supplik enthalten war: Die Wunderheilung sollte von Richtern untersucht, die Akten von Notaren beglaubigt und die durch das Wunder beglückte Frau sowie mehrere Zeugen verhört werden. 2 Noch niemand war je mit einer solchen Bitte vor dieses Kapitel getreten. Die früheren Wunder des Heiligen Domingo, denen dieses neue hinzugefügt werden sollte, waren zwar aufgeschrieben worden, aber niemand war auf den Gedanken gekommen, sie so gründlich zu untersuchen, wie dies nun Bernardino vorschlug. Solche Untersuchungen waren schon an anderen Orten in Spanien durchgeführt worden und betrafen Wunder anderer Heiliger. Das Tridentiner Konzil forderte sie auch für andere europäische Länder. 3 Der institutionelle Rahmen des Kapitels, des wichtigsten Regierungs- und Verwaltungsorgans der Kathedrale, bedingte den Stil und die Form, in I Im Folgenden werden die Zitate aus der transkribierten Handschrift des Aktenbündels 7. 3. des Archivs der Kathedrale von Santo Domingo de Ia Calzada mit der Abkürzung f. (folio) in den Fussnoten aufgeführt, um auf das jeweilige Blatt zu verweisen. Nur wenn eine Angabe aus der anderen Handschrift stammt, nämlich aus dem Aktenbündel 7.2., wird speziell darauf hingewiesen und nicht nur auf das Blatt. Hier handelt es sich um f. 1r-v. Für die Transkription vgl. Anhang 44. Ebd. Christian, Religio sidad, S. 128-131. <?page no="191"?> Der Prozess von Catalina de Foncea 181 der die Supplik verfasst war. In dieser erkennt man die wichtigsten formalen Bestandteile einer solchen Urkunde: 4 die Inscriptio mit dem Namen und Titel des Empfängers; die Intitulatio, die den Namen und Titel des Ausstellers enthält und in der Bernardino die Gründung des Hospitals durch den Heiligen betont; die Promulgatio ("tue Euren Gnaden kund"); die Narratio oder Erzählung, welche die Gründe für die Anfertigung der Urkunde angibt und die damit verbundenen Einzelumstände schildert; schliesslich die Dispositio, die mit den Worten "damit Ihr die Wahrheit darüber finden lasst" die Willenserklärung des Ausstellers und den materiellen Inhalt der Rechtshandlung ausdrückt. Der hochachtungsvolle Ton, in dem sich Bernardino gegenüber dem Kapitel äusserte, ist nicht nur auf den institutionellen Rahmen an und für sich zurückzuführen, sondern auch auf seinen Rang als Kostpfründner. Er richtete sich an andere, in der Hierarchie höhergestellte, Kleriker: den Dekan und zehn Kanoniker. Anwesend waren zudem sechs weitere Kostpfründner, derNotarund vier Zeugen (drei Kaplane und ein Domküster). 5 Die Einhaltung der Regeln der kirchlichen Verwaltungssprache bei der Verfassung der Supplik liess jedoch dem Verfasser bei der Narratio besonders viel Spielraum. Auch diese Erzählung war zwar durch formale Zwänge eingeschränkt, doch die Möglichkeiten, sie unterschiedlich zu verfassen, waren sehr viel breiter als bei den übrigen Teilen der Urkunde. Da es sich in vorliegendem Fall um die Heilung einer Frau durch den Heiligen handelte, war der Gebrauch einer besonderen Erzählstruktur erforderlich, mit der die Kleriker, sowohl Bernardino als Erzähler wie auch die Mitglieder des Kapitels als Zuhörer und Leser, sehr vertraut waren: der gewissermassen flexiblen Struktur einer Mirakelerzählung. Die Schilderung der Krankheit, die Wallfahrt und das Beten in der Nähe der Reliquien, sowie das Wunder gehörten als Hauptteile dazu. Bernardino erwähnt die Krankheit und die Wunderheilung zweimal, das heisst, er erzählt die Geschichte eigentlich zweimal mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Während das erste Mal die Krankheit im Allgemeinen und ihre Folgen im Mittelpunkt standen, geht es ihm das zweite Mal darum, zu unterstreichen, wie schwer und unheilbar jene war. Am Schluss erwähnt Bernardino die Heilung noch einmal, um den Wunderbericht zu beenden, bevor er den Faden der Urkunde wieder aufnimmt und zu ihrem nächsten Teil, der Dispositio ("und das alles tue ich Euren Gnaden[...] kund"), übergeht. Bei der Charakterisierung der Figuren darf Bernardinos gestaltende Kraft nicht unterschätzt werden. Er hebt hervor, dass Catalina de Foncea eine arme Frau war, die während einer gewissen Zeit betteln musste, um sich 4 Über die Urkundenteile vgl. Brandt, Werkzeug, S. 90-96; Marin, Paleografia, S. 287-349. 5 f. l r. <?page no="192"?> 182 Catalina de Foncea zu ernähren. Wie sie sonst ihren Lebensunterhalt verdiente, verschweigt er. Von ihrem Aufenthalt bei Mari G6mez z. B. erfährt man nur, dass sie dort "gelebt und gewohnt", aber nicht was sie bei ihr getan hat. Bernardino erweckt ausserdem den Eindruck, dass Catalina betteln musste, weil sie stumm war, indem er beide Tatsachen gerade nacheinander erzählt: "denn sie war vor sieben oder acht Jahren verstummt, und sie war die ganze Zeit stumm( ...], und sie hatte einen Teil dieserZeitum Almosen gebeten". 6 Doch man muss sich fragen, ob ihre Stummheit sie tatsächlich daran hinderte, irgendeine Arbeit zu verrichten. Durch die Verknüpfung von Betteln und Stummheit betonte Bernardino, dass Catalina keine faule Frau war, sondern eine echte Bettlerin, der nichts anderes übrig blieb, um zu überleben. Indem er zeigt, dass sie wirklich stumm war und sehr darunter litt, beweist er zudem nicht nur die Realität des Wunders, sondern entkräftet auch den damals verbreiteten Vorwurf, viele Bettler täuschten Krankheiten vor, seien aber in Wahrheit kerngesund. Catalina erscheint in Bernardinos Erzählung als ein Mensch, der dem Schicksal, ihrer Krankheit und den daraus entstandenen Folgen ausgeliefert war und kaum etwas dagegen unternehmen konnte. Sie litt nur. Und nicht einmal den Ärzten und Chirurgen gelang es, sie zu heilen. Dem Bild der Menschen, sowohl von Catalina wie von den Medizinern, als nicht besonders handlungsfähigen Figuren setzt Bernardino die Darstellung des glorreichen Heiligen und des mächtigen Gottes entgegen: Nur Gott vermochte dank der Fürsprache des Heiligen, Catalina die Sprechfähigkeit wieder zu geben. Wie die Theologie es verlangte, konnte er allein Wunder bewirken. Um diese Gnade zu erlangen, musste der Mensch beten, und zwar am besten in der Kirche, in der sich die Reliquien eines Heiligen befanden, wie die "durch eine grosse Inbrunst bewegt(e]" Catalina es getan hatte. Sie war also nach Bernardinos Ansicht eine gute und fromme Bettlerin. Damit ist keineswegs gemeint, diese Aussagen über Catalina seien völlig falsch oder erfunden, noch, Bernardino selber habe den Inhalt seiner Erzäh lung nicht geglaubt. Im Gegenteil. Er muss davon überzeugt gewesen sein, dass der Wunderbericht im Grossen und Ganzen der Realität entsprach, weil er sonst keine so gründliche Untersuchung über dieses Wunder verlangt hätte. Aber er formulierte mit seiner Kunstfertigkeit bewusst oder unbewusst viele Elemente der Erzählung um. Allein beim Aufschreiben der ihm mündlich überlieferten Version musste er Veränderungen vornehmen, die mit dem Wechsel des Mediums einhergingen, so zum Beispiel die Umsetzung der Sprechsyntax in die Schreibsyntax. Damit begann die Adaptation des Wunderberichtes, die in die Narratio der Urkunde münden sollte. 6 Dank der Verwendung dieser Erzählstrategie wird das in der Erzählung Nachfolgende als eine logische Folge des gerade Erzählten verstanden. Über den Gebrauch dieser Strategie durch die französischen Bittsteller in ihren "lettr es de n! miss ion " an den französischen König im 16. Jahrhundert vgl. Davis, Kopf, S. 60, 149. <?page no="193"?> Der Prozess von Catalina de Foncea 183 Aus dem Text geht nicht hervor, ob Bernardino die Geschichte direkt von Catalina erfahren oder ob jemand anders sie ihm erzählt hatte: "wie ich die Nachricht erhalten habe, dass ich vor sechs oder sieben Tagen erfahren habe" ("como a mi notic; : ia ha venido que puede haber seis o siete dias que vino a mi notic; : ia"). Er konnte nicht von Anfang an alles wissen, was im Laufe der Untersuchung bekannt werden sollte. Wenn er jedoch jeweils Zweifel an irgendeinem Punkt des Berichts hegte, drückt er sie nicht aus: er verwendet kein "wahrscheinlich", kein "vielleicht". Seine Ausformulierung der Erzählung zielte nicht darauf ab, einen Wunderbericht zu erfinden, sondern ihn so zu verfassen, dass er die "moralische Wahrheit" ausdrückte, die eine Wundergeschichte enthalten musste, so wie er und die anderen Kapitelmitglieder solche Geschichten verstanden. 7 Wie sehr sich Bernardinos durch dieses Verständnis geprägte Version von derjenigen Catalinas und von den Zeugenaussagen unterschieden, wird noch zu zeigen sein. Jetzt genügt es festzustellen, dass mehrere fiktionale Elemente Eingang in diese erste schriftliche Version fanden, die sich im Zusammenhang mit dem Erzähler, den Zuhörern, dem Erzählrahmen und der Gattung des Mirakels erklären lassen. Bernardino erhielt vom Dekan und vom Kapitel eine Vollmacht dafür, sich in ihrem Namen an die städtische und an die kirchliche Justiz zu richten und beide um die Durchführung der Untersuchung des Wunders zu bitten. Auch Alonso de Cabredo, Kanzler und Verantwortlicher für die finanziellen Mittel für Erhaltung, Bau und Kultus der Kathedrale, wurde Bevollmächtigter in dieser Angelegenheit, aber, wie es sich bald herausstellen sollte, hinderten ihn seine zahlreichen Aufgaben in diesen Ämtern daran, dieses Geschäft mit Bernardino zu erledigen. Das Kapitel sah ferner einen Rechtsgelehrten als Fachmann vor, den Bernardino bei den nächsten Schritten zu Rate ziehen musste. Dies war für Bernardino zugleich Hilfe und Einschränkung, zum Beispiel bei der Verfassung weiterer Schriften für die Richter. Er b esass weiterhin die Initiative, durfte aber nicht ganz allein handeln. 8 Als kirchlicher Richter wurde ein anderer Kostpfründner der Kathedrale ernannt, Francisco de Verganzo, der gleichzeitig, und das ist sehr wichtig für den weiteren Verlauf des Prozesses, als Vikar des Bischofs von Calahorra und la Calzada in Santo Domingos Kathedrale fungierte. 9 Er nahm an dieser Sitzung des Kapitels teil und erfuhr dabei bereits den Inhalt von Bernardinos Bitte. Auf dem Hintergrund der Ereignisse von Calahorra zwei Jahre zuvor bekommt die Wahl des Vikars des Bischofs zum Richter eine besondere Bedeutung. Sie zeigt, dass das Kapitel von Santo Domingo darauf bedacht war, den Frieden mit dem Bischof aufrechtzuerhalten. Wahrschein- 7 Für die Begriffe "Fiktion" und "moralische Wahrheit" in nicht rein literarischen Erzählungen vg l. Davis, Kopf, S. 15-16. Dazu auch Cressy, De Ia fiction, S. 1309-1329. 8 f. 1v. 9 E bd. <?page no="194"?> 184 Catalina de Foncea lieh war die Ernennung seines Vikars sogar der Ausdruck eines Kompromisses mit J. B. Dfaz de Luco, denn sowohl das Kapitel wie der Bischof müssen ein grosses Interesse an der Überprüfung des Wunders geteilt haben: Ein solcher Prozess konnte die Bekanntheit des Wunders und dadurch den Ruhm der Kirche fördern, was der Kathedrale nicht schaden würde, und die sorgfältige Untersuchung des Geschehens sollte die hohen Ansprüche des erfahrenen Kanonisten Dfaz de Luco an die Glaubwürdigkeit eines Wunders erfüllen und seine Kenntnisse über das religiöse Leben seiner Diözese erweitern. Auch wenn solche Kenntnisse nicht dieselben waren wie diejenigen, die der Bischof durch eine Visitation hätte erhalten können, bezogen sie sich auch auf das religiöse Leben des Volkes und auf die Handlungen der Priester in seinem Sprengel. Die Stadtjustiz in Santo Domingo verkörperte der "corregidor" oder Stadtrichter und Vertreter der königlichen Macht in der Stadtverwaltung. Er hiess Diego de Bazan und war ein Lizentiat der Rechte. 10 Bereitsam darauf folgenden Montag, dem 24. Februar, erschien Bernardino vor beiden Richtern und übergab dem Stadtrichter eine Bittschrift, die er zusammen mit dem Rechtsgelehrten der Kathedrale, Oiiez, verfasst hatte, sowie einen Fragebogen mit den Fragen an die Zeugen: Sehr hochherziger Herr, ich, Bernardino de Sesma, Kostpfründner, im Namen dieser Mutterkirche vom Herrn Heiligen Domingo de Ia Calzada und auf die beste Art, die ich kenne, erscheine vor Eurer Gnade und sage, dass folgendes Wunder am Montag vor einer Woche, dem 17. des jetzigen Monats, Februar, 1556, in dieser Mutterkirche und Kapelle des heiligen Körpers des Herren Heiligen Domingo geschah, und dieses ist, dass eine junge Frau namens Catalina de Foncea, die seit fünf Jahren ständig stumm war und die Sprechfähigkeit verloren hatte, wie es aus den Aussagen und Angaben der Personen hervorgehen wird, die von dem besagten Zeitpunkt an bis jetzt mit ihr ständig oder mit Unterbrüchen Kontakt gehabt haben, am besagten Montag zwischen fünf und sechs am Morgen, als sie in der besagten Kapelle war, in die sie am Samstag vor dem besagten Montag aus der Ortschaft von Casalarreina gekommen war, zu der besagten Zeit oder kurz vorher auf wunderbare Weise und dank der Fürsprache des Herrn Heiligen Domingo, Patrons dieser Stadt, wie man es auf fromme Weise glaubt, in dessen Schutz sie sich empfohlen hatte, sprach und jetzt deutlich und korrekt spricht, und es wurde ihr ihre ursprüngliche Sprechfähigkeit zurückgegeben, die vor diesen fünf Jahren weggenommen worden war und die ihr weder durch die Kunst der Chirurgie noch durch eine andere zurückgegeben werden konnte, weil ihre Zunge mit einer Seite des Mundes völlig verklebt und verwachsen war; deshalb, für die Lobeserhebung unseres heiligen Glaubens und für das Lob unseres Herrgottes und für den seligen Herrn Heiligen Domingo und damit die Leute, die sich in Not sehen, vom Patrozinium des glorreichen Heiligen hören und auch davon, dass das, was er für die besagte junge Frau mit seiner göttlichen Erhabenheit erreichte, für diejenige erreichen wird, die 10 f. 2r <?page no="195"?> Der Prozess von Catalina de Foncea 185 sich seinem Schutz mit Ehrlichkeit und Reinheit des Herzens empfehlen, wie man annehmen kann, dass sie sie besass, bitte ich Eure Gnade darum, den Befehl zu erteilen, die Zeugen, die ich für den Fall anführen werde, insgeheim und voneinander getrennt zu empfangen und zu befragen und das, was sie unter Eid aussagen, mir in öffentlicher Form unterschrieben zu geben, und zwar indem Ihr Eure Autorität und Dekret dafür einsetzt, wozu ich für das Nötige Euch um den Dienst Eurer Gnade anflehe und um dessen Beurkundung bitte. 11 Wie bei der ersten Bitte scheint ein Widerspruch in der Formulierung der Dispositio ("bitte ich Eure Gnade darum ... ") zum Vorschein zu kommen: Einerseits bat Bernardino den Richter darum, die Wahrheit mittels eines Verhörs zu finden, andererseits behauptete er bereits, dass das Wunder tatsächlich geschehen war. Das Ziel der Untersuchung bestand seiner Meinung nach nicht in der Wahrheitsfindung allein, sondern vor allem in der durch die Justiz anerkannten Bestätigung des Wunders zum Lob Gottes und für die Verbreitung der Verehrung des Heiligen Domingo . Dieser Widerspruch besteht nicht mehr, wenn man Bernardino als Vertreter einer der in den Prozess verwickelten Parteien betrachtet. Wenn ein Kläger sich an einen Richter wandte, um einen Prozess gegen einen mutmasslichen Verbrecher zu verlangen, musste er, sein Prozessvertreter ("procurador") oder sein Anwalt ("abogado") 12 beim Tatbericht so argumentieren, als ob der Angeklagte schuldig wäre. Bernardino war der Bevollmächtigte eines Kapitels, dessen Patron angeblich ein Wunder bewirkt hatte, und musste so argumentieren, als ob dieses Wunder schon bewiesen wäre, weil er von seiner Existenz überzeugt war und den Richter davon überzeugen wollte. Statt um einen Verbrecher handelte es sich in diesem Prozess um einen Heiligen, statt um eine Verletzung der Norm ging es um eine Ausnahme von der Norm: ein Wunder. Eine solche Umkehrung der Verhältnisse in einem Prozess kannte man seit dem 12. Jahrhundert, als die Päpste zum ersten Mal Kanonisationsprozesse forderten, die ähnliche Beweisführungen von Wundern mit sich brachten. Nicht die durch Wunder beglückten Personen standen in den Augen der Kleriker im Zentrum der Untersuchungen, sondern der Heilige und seine Wunderkraft bildeten das eigentliche Ziel. 13 Trotz der Legitimierung seiner Aussagen über das Wunder durch seine Rolle als Bevollmächtigter des Kapitels äusserte sich Bernardino an einigen 11 f. 2r- 2v. Vgl. Anhang 45. 12 Kagan geht auf die Aufgabenverteilung zwischen "procurador" und "abogado" im 16. Jahrhundert ein. Kagan, Pleitos, S. 75-79. 13 Vauchez beschreibt die Entwicklung des Kanonisationsprozesses mit ausführlichem Quellenmaterial bis ins 15. Jahrhundert. Er unterstreicht die Bedeutung der Phase zwischen dem Ende des 12. Jahrhunderts bis 1270 für die Herausbildung einer klassischen Form dieser Prozesse. Mit den Kanonisationsprozessen weist das Verfahren in Santo Domingo grosse formelle Ähnlichkeiten auf, obwohl es sich nur um einzelne Wunder handelte. Bernardinos Rolle entsprach derjenigen der "procuratores", "promotores" oder "prosecutores " in einem Kanonisationsprozess. Vauchez, La saintete, S. 40 - 67. <?page no="196"?> 186 Catalina de Foncea Stellen vorsichtiger als in der ersten Bitte, wenn er über das Wunder sprach. Es kann sein, dass der Rechtsgelehrte, der ihn beriet, einen Einflusss auf die neue Fassung der Narratio und auf bestimmte juristische Formulierungen in den übrigen Teilen der Urkunde ausübte oder dass Bernardino selber sich dessen bewusst war, dass der gebotene Stil bei einer Bitte für einen Stadtrichter sich ein bisschen von demjenigen einer Supplik an das Kapitel der Kathedrale unterscheiden musste. Wie dem auch sei, man stelltjedenfalls bei der hier zusammengefassten Erzählung der Wunderheilung ein grösseres Mühen um Sachlichkeit fest als bei der ersten Bitte und auch eine Verschiebung der Schwerpunkte. Gleich nach der Erwähnung von Catalinas Stummheit, bemerken die Autoren: "wie es aus den Aussagen und Angaben der Personen hervorgehen wird, die[ ...) mit ihr[ ...) Kontakt gehabt haben", um ihre Anerkennung des Verhörs als geeigneten Mittels zur Wahrheitsfindung hervorzuheben. Von Catalinas Betteln ist gar nicht die Rede. Die langen Titel und die ehrenvollen Adjektive für den Heiligen werden verkürzt. Über die Heilung selber durch den Heiligen Domingo steht "wie man es auf fromme Weise glaubt", statt "wie man es frommerweise für wahr halten darf". Schliesslich werden die Bemühungen der Ärzte und Chirurgen darauf reduziert: "die Sprechfähigkeit, die ihrweder durch die Kunst der Chirurgie noch durch eine andere zurückgegeben werden konnte, weil ihre Zunge mit einer Seite des Mundes völlig verklebt und verwachsen war". Der zweite Antrag der Bitte betraf die Aufgabenverteilung der Vertreter der kirchlichen und weltlichen Justi zen : Überdies, da der Fall folgenschwer und gewichtig ist, denn es handelt sich dabei um ein Wunder und deshalb muss man ihn mit allem Gewicht und Vorsicht betrachten, so dass die Nachfahren kein Bedenken haben werden, es zuglau ben, und da der besagte Fall an und für sich kirchlich scheint, bitte ich Euer Gnaden darum, sich zwecks des besagten Verhörs mit Herrn Francisco de Verganzo, Kostpfründner dieser Mutterkirche und Vikar des hochwohlgeborenen Bischofs dieses Bistums, zusammenzutun, so dass vor Euch, damit es überzeugender wird, und vor einem weltlichen Schreiber und vo r einem kirchlichen Notar, zunächst die besagte junge Frau unter Eid verhört wird und dann die Zeugenaussagen persönlich aufgeschrieben werden, damit es noch deutlicher feststeht, dass sie stumm war und dass sie jetzt spricht, und ich bitte Euch darum, dass den von mir angeführten Zeugen folgende Fragen beim Verhör gestellt werden. 14 Indem sich Bernardino in seiner Supplik an den Stadtrichter wandte, anerkannte er dessen Macht als höchste Justizinstanz der Stadt. Hinter dieser Wertschätzung steckten jedoch der Konkurrenzkampf und das gegenseitige Misstrauen zwischen den Vertretern der kirchlichen und der weltlichen Justiz. 15 In der Tat akzeptierte Bernardino im Namen des Kapitels nur 14 f. 2v. Vgl. Anhang 45. 15 Kagan weist auf die h äufigen Kompetenzstreitigkeiten zw ischen beiden Justizen hin. Kagan, Pleitos, S. 54-57. <?page no="197"?> Der Prozess von Catalina de Foncea 187 formell die Kompetenz des Stadtrichters in einer "an und für sich kirchlich[en]" Angelegenheit, aber er sicherte die kirchlichen Interessen durch die Bitte um die Zusammenarbeit mit dem kirchlichen Richter. Ausserdem präzisierte er, der Schreiber solle ein weltlicher sein und der Notar ein kirchlicher, das heisst, dass die mechanische Tätigkeit des Schreibens seiner Meinung nach durch einen der Kirche fremden Schreiber ausgeübt werden durfte, aber die Überprüfung des Inhalts und der Form des Geschriebenen durch einen kirchlichen Vertreter erfolgen musste. Beide Richter waren gewillt, das Verhör durchzuführen. Zu diesem Zweck wurde ein Mandat ausgefertigt, in dem die Zeugen geladen wurden. Das Mandat war in Form eines Briefes an die Zeugen und an die Verkünder und Vollstrecker desselben redigiert und lautete: Wir, Francisco de Verganzo, Kostpfründner in dieser Mutterkirche Kathedrale von Santo Domingo de Ia Calzada und Generalvikar in dieser und im ganzen Bistum von Calahorra und Ia Calzada im Namen des daruntergeschriebenen hochwohlgeborenen und sehr ehrwürdigen HerrnJuan Bemal de Luco, Bischof des besagten Bistums, zusammen mit dem hochherzigen HerrnDiegode Bazan, Stadtrichter in dieser Stadt von Santo Domingo de Ia Calzada im Namen seiner Majestät, an alle und irgendwelche sowohl kirchliche wie weltliche Personen, denen dieses mein Mandat vorgelesen und bekannt gemacht wird, Heil in unserem Herren Jesus Christus. Wisst, dass Herr Alonso de Cabredo, Kanzler und Kanoniker der besagten Mutterkirche sowie Verantwortlicher für die finanziellen Mittel für die Erhaltung, den Bau und den Kultus der Kathedrale, und Bernardino de Sesma, [Kostpfründner und Versarger des heiligen Hospitals von unserem Herren Heiligen Domingo der besagten Kirche,] mich danach gefragt haben, ein Mandat an die unten erwähnten Personen zu erteilen, damit sie persönlich innerhalb einer gewissen Frist vor mir und vor dem besagten Herrn Lizenziaten Diego de Bazan, Stadtrichter, erscheinen, um ihre Aussagen und Angaben zu machen und zu sagen und um gewisse von den oben Erwähnten gestellte Fragen zu beantworten, über und hinsichtlich darauf, dass Gott, unser Herr, die Güte gehabt hat, Catalina von Pedro de Foncea, N achbarn der Ortschaft Foncea, die Sprechfähigkeit wieder zu geben, die sie vor ungefähr fünf J ahren verloren hatte, und dass sie jene bei den Novenen in der Kapelle des glorreichen heiligen Körpers des Herrn Heiligen Domingo de Ia Calzada wieder erlangt hat, dank dessen Fürsprache unser Herr sie anscheinend erhört hat, und dass ich mein besagtes Mandat erteile, damit so ein heiliges Werk in Erinnerung bleibe und damit die daruntergeschriebenen Personen unter Eid das sagen und angeben, was sie darüber wissen; deshalb beauftrage ich Euch, den besagten kirchlichen Personen bei Strafe der Amtsenthebung, [Auflistung der Namen der Zeugen. Vgl. Kap. 7.1.3] zu befehlen, bei Strafe der Amtsenthebung für die kirchlichen Personen und der Exkommunikation für die Laien innerhalb von fünf Tagen, nachdem ihnen dieses Mandat streng erklärt und mitgeteilt wird und nachdem jeder von ihnen es erfahren, in dieser Stadt von Santo Domingo de Ia Calzada oder in der besagten Mutterkirche vor mir zu erscheinen, um zu sagen, was sie über den oben genannten Fall wissen und auf das zu antworten, was sie nach den besagten Artikeln und Fragen gefragt werden, damit ihre Aussagen und Angaben aufgeschrie- <?page no="198"?> 188 Catalina de Foncea ben werden; und es wird ihnen ihre Arbeit bezahlt werden; wenn sie das Gegenteil tun würden, werde ich gegen alle und jeden Einzelnen gerichtlich vorgehen, und zwar nach den besagten kanonischen und nach anderen durch die Strenge des Rechtes verschärften Strafen, da es der Dienst unseres Herren und die Verehrung dieses glorreichen Heiligen so verlangen. Erstattet uns Bericht davon, wie Ihr es vollstreckt und mitgeteilt habt, ohne dafür bezahlt zu werden, denn es ist eine Sache im Dienst unseren Herren. Gegeben am 24. Februar 1556 in Santo Domingo de Ia Calzada. 16 Es ist bezeichnend, dass der kirchliche Richter, und nicht der Stadtrichter, das Mandat in der ersten Person verfasste und somit die Hauptrolle im Prozess übernahm: Bernardinos Ansicht, nach der der Fall "an und für sich kirchlich" war, hatte sich durchgesetzt, und die Aufgabenverteilung zwischen beiden Richtern entsprach seinem Wunsch, das heisst auch dem Wunsch des Kapitels. Der Stadtrichter liess sich auf einen Kompromiss ein, der seit dem 15. Jahrhundert in Spanien nicht ungewöhnlich war: 17 Seine Gerichtsbarkeit wurde anerkannt, aber seine richterliche Autorität diente hauptsächlich dazu, der Überprüfung des Wunders Glaubwürdigkeit zu verleihen, ohne eigenständig und unabhängig von den kirchlichen Vertretern darüber zu urteilen. Durch diese Zusammenarbeit profitierte der kirchliche Richter zunächst einmal von seiner eigenen Autorität als Vertreter der Kirche und zusätzlich von derjenigen des Stadtrichters als Vertreters des Staates, um die Vorladung wirkungsvoll zu machen. So konnte er den Zeugen kanonische und andere rechtliche Strafen bei Zuwiderlegung des Mandates androhen. Ausserdem räumte er ihnen das Recht darauf ein, "für ihre Arbeit" bezahlt zu werden. Gemeint wird hier wahrscheinlich die Arbeit, die sie in der Zeit des Verhörs und der dafür nötigen Reise nach Santo Domingo hätten verrichten können, denn alle stammten aus Ortschaften in der Nähe. Anders gesagt: Um die Zeugen vorzuladen und den Anspruch zu erheben, Aussagen von ihnen zu verlangen, bediente sich der kirchliche Richter zweier Herrschaftsinstrumente: des Rechts und der Entlohnung. Dies zeigt sein doppeltes Verhältnis zu den Zeugen: Einerseits wurden sie als Mitglieder der Kirche und des Staates behandelt, über die er und der Stadtrichter ihre Gewalt ausüben durften, sofern sie zu ihrer Jurisdiktion gehörten, andererseits als Individuen, für deren Leistungen und für deren Zeit in solchen Fällen bezahlt werden musste. Wer sie dafür bezahlte, geht aus den Quellen nicht hervor, aber man kann annehmen, dass das Kapitel dafür zuständig war, denn es ging um den Patron der Kathedrale und sein Wunder. Die Verbreitung seines Ruhl6 f. 4r-4v. Vgl. Anhang 46. Die Ergänzung zwischen eckigen Klammern stammt aus 7.2., f. 6r. 17 Seit 1454 wurden die durch den Christus des Klosters San Agustin von Burgos bewirkte Wunder vom Bischof der Stadt untersucht, der seinen Bericht an d en König schicken musste. Apostolische Notare und ein königlicher Schreiber zeichneten die Wunderberichte auf. Zur Mirakelsammlung vgl. Kap. 3. Hier Historia, f. XXVIIv- XXXIIIr. <?page no="199"?> Der Prozess von Catalina de Foncea 189 mes und die ökonomischen Folgen davon sollten schliesslich dem Kapitel zugute kommen, weil die Kathedrale als Pilgerzentrum in Konkurrenz zu anderen Kirchen stand. 18 Der Ort des Verhörs war die Stadt, möglicherweise irgendein Raum der Kathedrale. Die Richter Iiessen sich nicht einmal herab, sich nach Castafiares zu begeben, der Ortschaft, in der die meisten Zeugen lebten und die nicht sehr weit von Santo Domingo entfernt lag. Die Gründe dafür müssen nicht allein praktischer Natur gewesen sein, wie etwa die Schwierigkeiten, einen geeigneten Platz für die Durchführung des Verhörs zu finden. Vielmehr hatten sie mit der Betonung der priviligierten sozialen Stellung der Richter in der Gesellschaft zu tun. Wer die Dörfer betreten musste, um den Zeugen das Mandat mitzuteilen, war auch eine Frage der Macht und der Aufgabenverteilung innerhalb der kirchlichen Hierarchie. Beauftragt wurde ein Notar, der die unterste hierarchische Stufe des Kapitels einnahm, der Kaplan Juan Carrillo. Er las den Zeugen das Mandat vor und erstattete den Richtern Bericht davon, wie. es im Mandat selbst verlangt wurde. 19 In seinen Berichterstattungen verwendete er meistens das Begriffspaar "erklärte ich streng und teilte mit" ("intime y notifique") und einmal ausdrücklich "las ich vor und teilte mit" ("lei y notifique"), um seine Handlung zu beschreiben. Ausser dem Vorleseakt fand ein kurzes Gespräch mit jedem Zeugen statt, denn jeder von ihnen musste sich bereit erklären, im Verhör auszusagen, damit dies auch in der Berichterstattung festgehalten wurde. Man muss sich fragen, ob die Zeugen beim Zuhören alles verstanden, was die ineinander verschachtelten Nebensätze sie wissen lassen sollten. Man darf annehmen, dass der Verständnisgrad je nach Schicht und Vertrautheit mit der Verwaltungssprache unterschiedlich war, so dass die Bauern zum Beispiel im allgemeinen weniger verstanden als die Geistlichen. Vermutlich konnten jedoch alle den Kaplan Juan Carrillo oder andere anwesende Kleriker ihres Dorfes, die m eistens als Zeugen der Mitteilung fungierten, fragen, w e nn sie meinten, etwas inhaltlich Wichtiges verpasst zu haben. 20 Bei dieser Mitteilung hatten die Zeugen die erste Gelegenheit, die Version über Catalinas Heilung zu erfahren, die der kirchliche Richter verfasst und der Stadtrichter unterzeichnet hatte. Diese kurze Version bildete eine Erzählvorlage für die Zeugen, die später über Catalinas Fall vor ihnen aussagen sollten. Sie war kurz, weil ein Mandat keine zu lange Narr a tio zuliess und weil sie eigentlich nur eine Zusammenfassung der Narratio der Bitte 18 Die Konkurrenz zwischen Wallfahrtsorten bildete eine allgemeine Erscheinung seit dem Hochmittelalter. Krötzl behandelt den Ausdruck dieser Konkurrenz in den skandinavischen Mirakelberichten bis ins Spätmittelalter: Pilger, S. 200-202, 297-306. 19 Die " notificacion del mandamiento" wurde in jeder Ortschaft schriftlich festgehalten. Vg l. f. Sr. 20 E bd. <?page no="200"?> 190 Catalina de Foncea von Bernardino innerhalb der Wiedergabe dieser Urkunde enthielt. Der kirchliche Richter, Francisco de Verganzo, berichtete jedoch in seiner zusammengefassten Version über die Hauptteile der Wundererzählung und setzte mehr oder weniger deutlich voraus, dass es sich tatsächlich um ein Wunder gehandelt hatte. Er deutete die Heilung als göttliches Wunder, indem er behauptete: "dass Gott [...] die Güte gehabt hat, Catalina [...] die Sprechfähigkeit wieder zu geben". Nur hinsichtlich der Fürsprache des Heiligen Domingo drückte er sich vorsichtiger aus: "dank dessen Fürsprache unser Herr sie anscheinend erhört hat". Ob eine solche Feinheit von allen Zuhörern erkannt wurde, sei dahingestellt. Den Richtern kam es nicht auf die Meinung der Zeugen über die Wirklichkeit des Wunders oder über ihre Interpretation der Heilung als Wunder an. Die Zeugen mussten vor ihnen erscheinen, "um zu sagen, was sie über den obengenannten Fall wissen" und um die ihnen gestellten Fragen zu beantworten. Den Richtern ging es um das, was die Zeugen wissen sollten, nicht um das, was sie dachten. Die Richter hatten die Absicht, Fragen nach konkreten Aspekten des Ereignisses zu stellen, und nicht etwa eine Meinungsumfrage über die Glaubwürdigkeit der Wunder durchzuführen. Deshalb darf man die Quelle nicht so lesen, als ob sie ein repräsentatives Bild der Glaubensinhalte der Bevölkerung der Gegend bieten würde. Ein Zeuge zum Beispiel, der einen "bäuerlichen Rationalismus" vertreten hätte wie denjenigen des friaulischen Müllers Menocchio, 21 oder einer, der solchen zeitgenössischen (nicht biblischen) Heilungswundern kein en Glaub en schenken wollte, (ein Mangel an Glaubensbereitschaft, der schon im 15. Jahrhundert mit ähnlichen Prozessen bekämpft wurde), 22 musste bei der Mitteilung des Mandats verstehen, dass das Verhör keinen geeigneten Rahmen für grundsätzlich kritische Äusserungen über die Glaubwürdigkeit des Wunders von Catalina bot. Nach dem Verwaltungsverfahren konnte das Verhör anfangen. In diesem nächsten Teil des Prozesses kann der Austausch zwischen den Richtern auf der einen Seite und Catalina und den Zeugen auf der anderen, zwischen Klerikern und Laien, zwischen Elite und Volk näher betrachtet werden. Man kann die Stimmen der Betroffenen deutlicher vernehmen als bis dahin, angefangen mit derjenigen von Catalina de Foncea. 21 Ginz burg, Käse, S. 48, 96, 190. 22 Christian, Religiosidad, $. 130. <?page no="201"?> Der Prozess von Catalina de Foncea 191 7.1.2 Catalina de Foncea Die besagte Catalina de Foncea, die stumm zu sein pflegte und die jetzt dank der göttlichen Gnade und mittels der Fürsprache und Fürbitte unseres glorreichen Patrons Herrn Heiligen Domingo de Ia Calzada die Sprechfähigkeit wieder erlangt hat, nachdem sie, wie schon gesagt, geschworen hatte, und als sie von den besagten Herren Richtern, dem oben genannten Vikar und dem Stadtrichter, gefragt wurde, sie möge sagen und angeben, woher sie gebürtig sei, wie ihr Vater und ihre Mutter hiessen und ob sie Geschwister habe und wie und auf welche Art sie verstummte und das Übrige, was nötig sei, sagte sie, dass sie aus einer Ortschaft gebürtig ist, die Foncea genannt wird, die ungefähr fünf Meilen von der Stadt Burgos entfernt ist, und dass ihr Vater Pedro de Foncea hiess, und dass sie nicht weiss, wie ihre Mutter hiess, weil sie sie nicht gekannt hat, und dass es in der besagten Ortschaft Foncea nicht mehr als zwei Nachbarn gab, und der eine sei der Vater derjenigen gewesen, die aussagt, der, wie schon gesagt wurde, Pedro de Foncea hiess, und der andere hiess Pedro de Contreras, und seine Frau hiess Maria; und dass diejenige, die aussagt, Catalina de Foncea heisst; und sie habe keine Geschwister, und ihrer Meinung nach muss sie ungefähr zwanzigJahrealt sein, denn sie hörte ihren Vater vor etwa fünf oder sechs Jahren sagen, die Aussagende sei vierzehn oder fünfzehn Jahre alt; und dass sie es im Gedächtnis hat und sich sehr gut daran erinnert, dass es vor etwa fünf oder sechs Jahren während der Weizenernte, als die Aussagende mit einigen Arbeitern mähte, die der besagte Vater auf ein Grundstück zu bringen pflegte, geschah, dass ein kalter Wind mit Hagel kam und ein grosses Unglück machte, so dass diejenige, die aussagt, gelähmt wurde und ihre Zunge stumm blieb, so dass sie nicht sprechen konnte, und drei Arbeiter, die mit ihr auf dem besagten Grundstück mähten, an den Armen gelähmt wurden; so dass die Aussagende wegen der Behinderung, ihre Zunge gelähmt zu haben, nicht sprechen konnte, und die besagten Arbeiter seien gelähmt und ihre Arme verkrampft gewesen; und es könne etwa am Mittag gewesen sein; und dass diejenige, die aussagt, nachher nie mehr bis jetzt, da unser Herr die Güte gehabt hat, ihr die Sprechfähigkeit w ieder zu geben, gesprochen hat; und ebenso sei es mit ihrem Gehörsinn gewesen, und s ie habe nie bis vor etwa einem Jahr gehört, als sie begann zu hören; und dass sie in der besagten Zeit von den besagten fünf oder sechs Jahren einen Teil davon in der Kleinstadt Castaii.ares de Rioja und in Casalarreina, sowie in den Ortschaften Caii.as und Canillas und Cirueii.a und Ciriii.uela gewesen ist; und dass ihr Vater sie einen Teil von dieser Zeit zum Betteln um Gottes Willen geschickt hat; und dass ihr in dieser Zeit manche Eingebungen und Absichten kamen, in diese Mutterkirche von Ia Calzada zu kommen, um Novenen zu halten und den glorreichen heiligen Körper 23 des Herrn Heiligen Domingo zu besuchen, und so ist es, dass diejenige, die aussagt, ohne irgendeine Sprechfähigkeit am Samstag dem fünfzehnten des 23 Die deutschen Wörter "Leichnam" und "Leiche" bezeichnen einen toten menschlichen Körper, aber hier muss man "cuerpo" mit dem Wort "Körper" übersetzen. Es handelt sich in diesem Fall um den Körper eines Heiligen, der nach dem damaligen katholischen Verständnis mit einer besonderen "virtu s" gekennzeichnet war. Diese heilige Kraft erkannte man unter anderem darin, dass der Körper eines Heiligen nicht in Verwesung überging und gut duft ete. Über diese Auffassung in spätmittelalterlichen Kanonisationsprozessen vgl. Vauchez, La saintete, S. 499-507. Für die Beschlüsse des Tridentiner Konzils über die Reliquienverehrung vgl. Boiron, La co ntr overse, S. 57-63. <?page no="202"?> 192 Catalina de Foncea jetzigen Monats Februar 1556 in diese Stadt kam und in ihre Kirche [und] Kathedrale mit der Absicht kam, sich dem Schutz unseres Herrren und des glorreichen heiligen Körpers des Herrn Heiligen Domingo zu empfehlen, und sie kniete vor der Kapelle der sehr Heiligen Dreieinigkeit und von dort aus sei sie gekommen und kniete sie vor der Kapelle des Grabes des Herrn Heiligen Domingo, und sie legte in ihren Gedanken ein Gelübde für unseren Herrn und für den Herrn Heiligen Domingo ab; und sie sei in der besagten Kirche am besagten Samstag von fünf oder sechs Uhr am Morgen bis zur selben Zeit am folgenden Montag gewesen; dass sie aus der Kirche nicht hinausging; und, da sie allein gewesen sei und Angst gehabt habe, schlief sie unter einer Bank des Kirchengestühls der Kapelle der Dreinigkeit; und d ass sie, wie gesagt, zu der besagten Zeit zwischen fünf und sechs am Morgen am besagten folgenden Montag von dort aus aufstand, vor der Kapelle der sehr heiligen Dreieinigkeit kniete und ungefähr eine Stunde lang kniend blieb, und in der besagten Kirche herumging, indem sie bestimmte Altäre besuchte und, als sie die Altäre und die Kapelle des glorreichen heiligen Körpers besuchte, spürte sie, dass ihr die Sprechfähigkeit wieder gegeben wurde und sagte: " Gott des Himmels steh' mir bei! Was war das jetzt? "; und diese Worte habe sie so gesagt, dass man sie deutlich hätte hören können, wenn jemand dort neben ihr gewesen w äre, und damals habe diejenige, die aussagt, wirklich gemerkt, dass ihr die Sprechfähigkeit wieder gegeben wurde; und dass sie in den zwei Tagen und zwei Nächten bis ambesagten Montagmorgen (wenn man die Stunden zählt, war es der dritte Tag, nachdem sie sie in die besagte Kirche hineingegangen war) in diesen drei Tagen nichts ass, ausser ein klein wenig Brot, das sie mit sich aus Casa de Ia Reina gebracht hatte, wo sie lebte; und dass sie sich daran erinnert und es im Gedächtnis hat, das s sie früher, bevor sie verstummte, nicht gelispelt hatte, wie sie jetzt lispelt; und dass die Aussagende in die Kleinstadt Castaiiares zurückkehrte, nachdem sie gesehen hatte, dass sie ihre Sprechfähigkeit wieder erlangt hatte und erfahren und deutlich sprach; und dass sie ins Haus von Lope Saenz de Corral, Nachbarn der besagten Kleinstadt, ging und ihnen nichts sagte; und von dort aus sei sie Richtung Casalarreina und ins Haus des Koches der Gräfin von Frfas gegangen, der Meister Francisco hiess, und habe zu Mari Martfn, seiner Frau, gesagt: "Frau Mari Martfn, ist meine Herrin hier? ", indem sie nach Mari G6mez, der Valencianerin, der Gebieterin d e rj enigen, die aussagt, gefragt habe; und da die besagte Mari Martfn sie sprechen und nach ihrer G ebieterin fragen ge sehen habe, habe sie sich bekreuzigend gesagt: "Jesus! Catalina! Was ist das ? Wie sprichst du? ", und diejenige, die aussagt, habe ihr gesagt, sie sei vom glorreichen heiligen Körper in Santo Domingo gekommen; und die besagte Mari Martfn habe einer ihrer Mägde, die Mariquita heisse, gesagt: "Geh Frau Mari G6mez, die Valencianerin, rufen; sie solle kommen, um zu sehen, wie ihre Dienerin Catalina spricht", und die Magd sei mit der Antwort gekommen und h abe gesagt, d as s diese nicht kommen konnte, und als die besagte Mari Martfn ge sehen habe, wie die besagte Mari G6mez nicht gekommen sei, sei [Mari Martfn] selber sie rufen gegangen, und kurz danach sei sie ins Haus einer Nachbarin von ihr gekommen, die Osana hiess, wo diejenige, die aussagt, zu ihr sprechen gegangen sei und ihr gesagt habe: "Oh! Frau Mari G6mez, ich kann wieder sprechen, ich komme vom glorreichen heiligen Körper des Herrn Heiligen Domingo", und die oben Genannten und andere seien über das oben Gesagte verwundert, und dies s ei geschehen und andere Sachen; und am darauf folgenden Tag kam <?page no="203"?> Der Prozess von Catalina de Foncea 193 diejenige, die aussagt, mit demambesagten Ort wohnhaften Kleriker Gonzalo Davalos in diese Stadt von Santo Domingo de Ia Calzada, und sie haben auf dem Weg miteinander gesprochen, und er habe sie gefragt, wie es ihr gehe und andere Sachen, und vom besagten Montag an bis jetzt habe sie gesprochen und spreche und höre wie vor der Verstummung, ausser dass sie, wie gesagt, damals nicht gelispelt habe, und jetzt lisple sie, gesegnet sei der Namen unseres Herrn! ; und in der Zeit, in der sie stumm und taub gewesen sei und seitdem sie höre und in dieses Gebiet gekommen sei, habe sie ständig eine grosse Inbrunst für den glorreichen heiligen Körper des Herrn Heiligen Domingo gehabt, und insbesonders seit einem Jahr bis jetzt, und deshalb sei sie dazu bewegt, ihn besuchen zu kommen und sich seinem Schutz zu empfehlen, damit unser Herr dank seiner Fürsprache die Güte habe, ihr die Sprechfähigkeit wieder zu geben, und so bedanke sie sich seitdem ständig für die Gnade, die ihr zu erweisen unser Herr dank seiner Fürsprache die Güte gehabt habe und ihr erwiesen habe, und als sie stumm gewesen sei, habe sie in ihren Gedanken versprochen, ein Jahr im heiligen Hospital des glorreichen heiligen Körpers zu dienen, das sich in dieser Stadt befindet, und, nachdem ihr die Sprechfähigkeit wieder gegeben worden war, habe sie versprochen, noch ein Jahr zu dienen, was zwei Jahre ausmache; und dass diejenige, die aussagt, beichtete und in der besagten Mutterkirche die Kommunion empfing, nachdem sie gesehen hatte, wie ihr die Sprechfähigkeit und das Gehörwiedergegeben worden waren; und damit dies feststeht und damit die Barmherzigkeit und dieses grosse Wunder, das unser Herr die Güte gehabt hat, dank den Fürbitten und der Fürsprache des glorreichen Herrn Heiligen Domingo, unseres Patrons, zu bewirken, allen gläubigen Christen.offenkundig wird, sagt sie dies und gibt sie es unter dem von ihr geleisteten Eid an; was ihr de verba [sie] ad verbumvorgelesen wurde, und sie bestätigte es, sie bezog sich darauf, und sie bekräftigte es, und sie sagte, es sei alles wahr, was oben enthalten ist, und sie unterschrieb es nicht, weil sie sagte, dass sie nicht konnte, der Herr Vikar und der Stadtrichter unterschrieben, sowie wir, die unten unterzeichnenden Notare. 24 Am 27. Februar wurde Catalina de Foncea verhört, zehn Tage nach ihrer Wunderheilung. Wie sie erzählte, war sie mit vierzehn oder fünfzehn Jahren taubstumm geworden, blieb taub während vier oder fünf Jahren und ein Jahr länger stumm. Dass sie wieder hören konnte, wurde von ihr nicht als Wunder aufgefasst, sie behauptete, nur die Sprechfähigkeit dank der Fürbitte des Heiligen Domingo erlangt zu haben. Nunmehr konnte sie ihre Krankheit und ihre Heilung erzählen. Diese Erzählung wurde von einem Schreiber aufgezeichnet. Während Catalina sprach, machte er sich wahrscheinlich Notizen, mit deren Hilfe er kurz darauf eine Reinschrift anfertigte, die der kirchliche Notar überprüfte und welche die Richter und alle am Verhör Beteiligten unterschreiben sollten. Der Schreiber war bemüht, die Fragen der Richter und vor allein die Antworten von Catalina getreulich aufzuschreiben, aber bei der Verschriftlichung der gesprochenen Sprache musste er zahlreiche Veränderungen vor- 24 f. 6v-8r. Vgl. Anhan g 47. <?page no="204"?> 194 Catalina de Foncea nehmen. 25 Jedes Wort, das sie nicht richtig aussprach, musste er korrekt schreiben; wenn sie einen Satz nicht glatt hintereinander vorzubringen vermochte, musste er ihn regelmässig aufbauen; wenn die Grenzen zwischen den Sätzen verschwanden, musste er sie deutlich ziehen. Da sie aus dem Norden der Diözese von Burgas stammte, sprach sie einen Dialekt, der ganz nahe der Koine des Kastilischen war, doch ihr sozialer Ursprung und ihr Geschlecht muss an vielen kleinenUnterschieden zu der Sprache der gelehrten befragenden Männer erkennbar gewesen sein. 26 Mit der Übernahme des Gesprochenen in die geschriebene Sprache ging ein interpretativer Prozess einher, bei dem der Schreiber viele Entscheidungen über Form und Inhalt des Gesprächs und der darin enthaltenen Erzählungen treffen musste. Spätestens bei der Anfertigung der Reinschrift wandelte der Schreiber die direkte Rede in die indirekte Rede und fügte die genauen Bezeichnungen der Sprecherin ("diejenige, die aussagt") hinzu, um sie von den übrigen erwähnten Personen zu unterscheiden. Fünf durch die Richter gestellte Fragen stehen am Anfang, und gleich danach findet man die Antworten darauf.2 7 Es ist leicht, diese auf die jeweiligen Fragen zu beziehen. Auf die erste: "woher sie gebürtig sei", antwortete Catalina: "dass sie aus einer Ortschaft gebürtig ist, die Foncea genannt wird, die ungefähr fünf Meilen von der Stadt Burgas entfernt ist". Die Antwort auf die zweite Frage wird durch "und dass" eingeleitet. Die übrigen Antworten werden auf dieselbe Art oder nur durch Konjunktion "und" eingeführt. Immer kurze Antworten also, die Catalina manchmal mit einer zusätzlichen Information ergänzte. Erst bei der Antwort auf die Frage: "wie und auf welche Art sie verstummte und das Übrige, was nötig sei", entwikkelte Catalina eine kleine Erzählung. Man muss jedoch annehmen, dass die Verknüpfung verschiedener Nebensätze mit "so Jass" auf die Verschriftlichung durch den Schreiber zurückgeht, der einen langen und relativ komplexen Satz aufbauen wollte. 25 Ehlich macht auf die mit jeder Art von Verschriftlichung gesprochener Sprache verbundenen Probleme aufmerksam. Ehlich, Alltag, S. 23. 26 Burke, Art of conversation, S. 9-10. 27 Für die Analyse der Erzähl- und Gesprächssituation beim Verhör wird im Folgenden ein Begriffsinstrumentarium verwendet, das aus der modernen soziolinguistischen Gesprächsanalyse stammt. Besonders hilfreich sind dabei Forschungen über die Gesprächssituationen vor Gericht und mit dem Arzt gewesen: Hoffmann, Pragmatik; ders., Kommunikation; der s. , Verstehensprobleme; Muth, Jugendgerichtsverhandlung, 38- 11 0; Seibert, Aktenanlysen, passim; Löning, Arzt-Patienten-Gespräch, S. 95-123; Fisher, Ärzte, S. 143-162. Über die Merkmale der Gerichtsverfahren im Allgemeinen in Spanien im 16. Jahrhundert vgl. Kagan, Pleitos, S. 54-70. Beispiele für formell ähnliche Prozessakten wie diejenigen aus Santo Domingo finden sich bei Christian, Apariciones, S. 201-228. Die Unterschiede in Bezug auf den Inhalt (Visionen) und die Art der Einvernahme durch Inquisitoren sind jedoch sehr gross. Als Alltagserfahrung ist mir meine Arbeit als Dolmetscher für einen Pflichtanwalt bei seinen Gesprächen mit seinem Klienten eine Hilfe für das Verständnis der Gesprächssituationen beim Verhör gewesen. <?page no="205"?> Der Prozess von Catalina de Foncea 195 Im Folgenden präzisierte Catalina unter anderem weitere Details über den Zeitpunkt des Unwetters, das die Verstummung und Lähmung verursachte, sowie über die Ortschaften, in denen sie sich aufhielt. Diese Aussagen sind äusserst genau und betreffen Spezifierungen, die für ein Verhör charakteristisch sind, in welchem die Richter versuchen, ein vergangenes Geschehen zu rekonstruieren. Diese Angaben müssen als Antworten auf die Fragen aufgefasst werden, die die Richter stellten, um die für ihre institutionellen Zwecke notwendigen zeitlichen und räumlichen Orientierungen zu erhalten. Solche Orientierungen erlaubten ihnen die Faktizität von Catalinas Erzählung zu überprüfen. Diese Fragen wurden jedoch vom Schreiber nicht verzeichnet, vielleicht weil sie im Unterschied zu den fünf ersten nicht im voraus geplant waren, sondern im Laufe des Verhörs entstanden, als es für den Schreiber wesentlicher war, Catalinas Antworten aufzuschreiben. 28 Die direkte Rede wird vom Schreiber verwendet, wenn Catalina es auch machte, sei es um eine Szene darzustellen, die ihr besonders wichtig schien, wie zum Beispiel den Moment, in dem sie wieder sprechen konnte ("Gott des Himmels, steh' mir bei! Was war das jetzt? "), sei es, um einen Dialog in die Erzählung einzubauen, bei dem sie jeden Protagonisten durch seine Äusserungen charakterisieren wollte. So entwickelte sie zum Beispiel wieder eine kurze und von ihr selber strukturierte Geschichte, als sie das Gespräch bei Mari Martfn, der Frau des Kochs der Herzogin von Frfas, wiedergab. Im Verhör kamen also hauptsächlich zwei Verfahrensweisen des Gesprächs vor: einerseits die häufigen Fragen der Richter mit den kurzen Antworten der Befragten und andererseits deren einleitende Fragen, die Catalina zu kleinen Erzählungen motivierten. Beide Verfahrensweisen tauchen auch bei heutigen Verhören auf.2 9 Hinter dieser Ähnlichkeit versteckt sich trotzdem eine ganz andere Art von Verhör als die Verhörformen heutiger Strafprozesse oder anderer Verhandlungen aus dem 16. Jahrhundert, wie zum Beispiel derjenigen der Inquisition. 3 ° Catalina wurde nicht angeklagt, ihr wurde kein Verbrechen vorgeworfen, und niemand bedrohte sie mit der Folter. Sie konnte kurz antworten oder etwas erzählen, ohne den starken psychischen Druck zu verspüren, der über einen Angeklagten in jedem Prozess ausgeübt wurde. Das Verhör kann folgendermassenrekonstruiert werden. Es begann mit Catalinas Eidesleistung: 28 Hoffmann, Verstehensprobleme, S. 171-172. 29 Für ähnliche Fälle bei anderen Verhörprotokollen der kirchlichen Justiz vgl. Christian, Apariciones, S. 250. 30 Henningsen, Abogado, S. 36-72, 147-175. <?page no="206"?> 196 Catalina de Foncea die besagten Herren Richter nahmen der besagten Catalina de Foncea den Eid im Namen unseres Herren [Gottes) und auf ein Zeichen des Kreuzes+ und auf die Worte der Heiligen Evangelien ab und Iiessen ihn [den Eid] von ihr in der geeigneten rechtmässigen Form erklären, damit sie die Wahrheit über das sagt, was sie weiss, und wonach sie gefragt wird; und als sie es so versprach und sagte, dass sie schwärte, wurde ihr gesagt: wenn sie es so tue, soll Gott unser Herr ihren Körper auf dieser Welt und ihrer Seele auf der anderen helfen, wenn sie das Gegenteil tue, soll [Gott) es ihr übel und teuer nehmen; und sie antwortete: "Amen". 31 So war Catalinas erster Kontakt mit den Richtern, so fing die Interaktion bei diesem Verhör an, 32 eine Interaktion, bei der auch die nonverbalen Elemente der Kommunikation im Verhör Catalinas Einstellung beeinflussen mussten. Die formellen und ritualisierten Handlungen, mit denen das Verhör begann, gleichen denjenigen eines Verhörs vor einem anderen Gericht und lassen vermuten, dass die wesentlichen Aspekte des Rahmens und der Atmosphäre in diesem Raum denjenigen eines Gerichts entsprechen mussten. Catalina war die einzige Frau mitten in dieser Gruppe von Männern (Richtern, Notaren, Zeugen), die als Kleriker oder Richter gekleidet, ihr ihren sozialen Status und ihren Beruf signalisierten, schon bevor sie zu ihr sprachen. 33 Die räumliche Anordnung, insbesonders die Plätze, an denen die Beteiligten sassen oder standen, war von Anfang an festgelegt. Catalina durfte wahrscheinlich nicht ganz frei auswählen, wo sie sein und sprechen wollte, und ihre Bewegungsfreiheit muss in diesem Raum so eingeschränkt gewesen sein, dass sie kaum etwas durch ihr en körperlichen Abstand zu den anderen Anwesenden ausdrücken durfte. Die bei einem solchen Anlass räumlich repräsentierte soziale Distanz muss von den Institutionsvertretern bestimmt worden sein, und Catalina konnte sie wahrnehmen oder interpretieren, aber nicht wesentlich verändern. Als Erstes verlangten die Richter von ihr, den Eid abzulegen. Damit machten sie ihr deutlich, dass sie die Wahrheit sagen musste und vor allem, dass sie als Richter diejenigen waren, die das Gespräch während des Verhörs leiteten, die Rede erteilten und ihr Fragen stellten. Diese Hauptregeln des in allen Beziehungen asymmetrischen Gesprächs (mehrere Männer auf der einen Seite, eine einzige Frau auf der anderen; Gelehrte gegenüber einer Analphabetin; Privilegierte gegenüber einer Unterprivilegierten; Institutionsvertreter gegenüber einer Aussenstehenden) wurden ihr auf diese 31 f. Sv. 32 Es geht aus der Quelle nicht deutlich hervor, ob die Einvernahme anschliessend an die Eidesleistung stattfand. Es ist möglich, dass zunächst alle Aussagenden ihren Eid leisteten, um dann verhört zu werden. Die Eidesleistungen befinden sich in f. 5v-6v. 33 Die Darstellung der Szene des Hühnerwunders beim Richter lässt diese Unterschiede erkennen. Das Bild wurde von dem Maler aus Santo Domingo de Ia Calzada Andres de Melgar 1530-1532 gemalt und befindet sich auf der Aussenseite des Chors der Kathedrale. Fernandez San Millan, Santo Domingo, S. 31 -32, 58, 69-71. Über das Hühnerwunder vgl. Kap. 6. <?page no="207"?> Der Prozess von Catalina de Foncea 197 Weise am Anfang erklärt und vielleicht ausserhalb des Prozesses weiter erläutert, denn Bernardino de Sesma kann Catalina über das gewünschte Verhalten einer Aussagenden im Verhör informiert haben, als er sie nach ihren Erlebnissen fragte, um den Fragebogen für die Zeugen aufzustellen. Catalina lernte auf jeden Fall kurz darauf, wie das Verhör praktisch vor sich ging, als die Richter ihr die ersten kurzen Fragen stellten. Insbesondere musste sie die Regel für den Sprecherwechsel beachten, nach der die Richter immer die Initiative hatten. 34 Langsam schien sie sich an diese Gesprächsform und an die Situation zu gewöhnen, und irgendwann getraute sie sich, ihre Erlebnisse in kurzen Erzählungen zu beschreiben, die über die kurzen anfänglichen Antworten hinausgingen und deren Strukturierung die Richter ihr bewusst überliessen, wie zum Beispiel bei der Schilderung der Erkrankung und der Mitteilung des Wunders in ihrem Bekanntenkreis. Nachdem die Richter Catalina ihre Rolle und die Hauptnormen des Verhörs klar gemacht hatten, wollten sie sie sprechen lassen. Obwohl niemand von ihnen an der Deutung der Heilung als Wunder zu zweifeln schien, war es ihnen ein Anliegen, viele Details durch Catalina zu erfahren, um andere Punkte zu klären, zum Beispiel um zu beurteilen, ob die Wunderheilung dem Heiligen Domingo zuzuschreiben war. 35 Anders als bei einem Kanonisationsprozess entstammten die Fragen keinem festgelegten Fragebogen mit einem normierten Fragenschema für unterschiedliche Fälle. 36 Und anders als bei einem Hexenprozess hatte keiner der Richter Gründe dafür, ihr gegenüber feindlich gesinnt zu sein und Fangfragen zu stellen. 37 Ausserdem waren sie vorsichtig genug, um Catalina nicht offensichtlich zu beeinflussen. Sie fragten sie nicht etwa danach, wie das "Wunder" geschehen war. Sie verzichteten darauf, dieses Wort zu erwähnen, mindestens in den vom Schreiber aufgezeichneten Fragen, und stattdessen erkundigten sie sich nur nach dem, was nach der Erkrankung geschehen war ("und das Übrige, was nötig sei"). Mit den Fragen wollten sie ihr auch nicht nahelegen, welcher Heilige das Wunder bewirkt hatte. Dass am Anfang des Textes vom Wunder und vom Heiligen ohne weiteres die Rede ist, lässt sich dadurch erklären, dass sich der Schreiber an 34 Sogar der mutige Menocchio getraute sich selten, diese Regel zu missachten. Ginzburg, Käse, S. 82-83 . 35 Vgl. 7.3.2. 36 Während die Zeugen nach einem einheitlichen Fragebogen gefragt wurden, wurden Catalina de Foncea und Catalina de Graii6n (vgl. Kapitel 8) weniger gleichlautende F ragen gestellt, wie z. B. nach den Personalien. Der Fragebogen für die Wunder, den man in Kanonisationsprozessen gebrauchte, würde dem Fragebogen an die Zeugen im Prozess von Catalina de Foncea entsprechen. In den Kanonisationsprozessen im 13. Jahrhundert hiessen die Frageschemata "articuli interrogatorii" oder "capitula generalia", wenn es ums Leben des Heiligen ging, und "forma interrogatorii", wenn sie Wunder betrafen. Vauchez, La saintete, S. 54-60. 37 Dülmen erklärt die Wirkungen solcher Frageschemata der Inquisition auf den Verlauf des Verhörs bei Hexenprozessen. Dülmen, Theater, S. 28-29. <?page no="208"?> 198 Catalina de Foncea dieser Stelle an die Leser des Verhörprotokolls richtet, im vorliegenden Fall wahrscheinlich sowohl an die Richter selber wie an das Kapitel der Kathedrale und an den Bischof der Diözese, weil sie die nächsten obersten Instanzen waren und auch darüber urteilen mussten. Ein weiterer Faktor trug dazu bei, dass das Verhör weniger befremdend auf Catalina wirkte, nämlich dass der Prozess in spanischer statt in lateinischer Sprache geführt wurde. 38 Catalina selber hatte Gründe dafür, sich wohl zu fühlen und gern zu sprechen. Sie erzählte aus der Perspektive einer geheilten Person über ihre überstandene Krankheit. Sie nahm die Gelegenheit wahr, sich selber vor einer Gruppe prominenter Männer darzustellen und über das Verhalten ihrer Bekannten ihr gegenüber vor und nach der Wunderheilung zu berichten. Sie genoss es, eine Weile im Mittelpunkt stehen zu dürfen und gehört zu werden. Die Schlussphase des Verhörs wurde jedoch wieder vom formellen Charakter des institutionellen Rahmens geprägt. Di e Richter wussten schon, was sie erfahren wollten, und brauchten sich nicht weiter darum zu kümmern, die anfängliche Distanz und den durch die Ähnlichkeit mit dem Gericht entstandenen psychischen Druck auf Catalina abzubauen. Das Ende des Verhörs war so ritualisiert wie der Anfang und diente dazu, von Catalina wiederum eine respektvolle Haltung gegenüber den Richtern zu verlangen und ihr zu zeigen, dass ihre zentrale Rolle als befragte Erzählerin zu Ende war. Ihr wurden ihre Aussagen verlesen, die sie vermutlich nicht verstand, aber bestätigen musste. Schliesslich kam der demütigende Moment der Unterzeichnung derselben, die sie selber nicht vollziehen konnte, weil sie nicht schreibkundig war. Catalinas Krankheits- und Heilungsgeschichte bildete die Grundlage für den weiteren Verlauf des Prozesses. Die Fragen, die an die Zeugen gestellt wurden, fussten auf der Version des Wunders, die Bernardino de Sesma von C atalina möglicherweise am Wochenende vom 22. und 23 . Febru ar erfahren hatte. Nachdem er am Freitag dem 21. mit seiner Bitte vor dem Kapitel erschienen war, hatte er Zeit gehabt, Catalina nach mehr Einzelheiten zu fragen, die seine erste Fassung des Wunders in der Bittschrift ergänzten. So kann man sich erklären, dass neue Angaben in dem Fragebogen enthalten waren, den er den Richtern am Montag dem 24. Februar übergab und die er sonst erst während des Verhörs von Catalina am 27. Februar hätte erfahren können. 38 Menocchio deutete d en Gebrauch des Lateins durch Kirc he und G e ri c hte als ein Unter drückungsmitteL G in z burg, Käse, S. 34, 194-195. <?page no="209"?> Der Prozess von Catalina de Foncea 199 7.1.3 Die Zeugen 1) Zunächst sollen sie danach gefragt werden, ob sie die be sag te Catalina de Foncea kenneii, und ich verlange, dass sie jedem Zeugen persönlich gezeigt wird; und, ob sie die Mutterkirche Kathedrale dieser Stadt von Santo Domingo de Ia Calzada und die Kapelle kennen, in der der heilige Körper des Herrn Heiligen Domingo liegt, und die sich in der besagten Kirche am Eingang der Haupttüre rechts befindet. 2) ltem, ob sie wissen und warum, dass die besagte Catalina de Foncea seit ungefähr fünf Jahren, seitdem die Zeugen sie kennen und mit ihr ständig oder mit Unterbrechungen verkehren, stumm gewesen ist und den Sinn und das Organ des Sprechens verloren hatte, so dass sie in der ganzen besagten Zeit nicht auf artikulierte Art irgendetwas gesagt hat, was man verstehen konnte, ausser in der Art und Weise, in der die Stummen zu lallen pflegen, und ob noch etwas wäre, was die Zeugen wüssten, und in dem besagten Kontakt und Verkehr, die sie mit ihr hatten, nicht [unleserliches Wort] werden konnte; sie sollen sagen, was sie wissen und gesehen haben. 3) ltem, ob sie wissen und warum, dass die besagte Catalina de Foncea in einem so hohen Mass die ganze Zeit stumm war und nicht sprechen konnte, obwohl es in dieser Zeit geschah, dass ein Knabe sie vermutlich mit einem Messer am Oberschenkel in der Ortschaft von Casa de Ia Reina stark verletzteund die besagte Catalina de Foncea trotzallem nicht sprechen konnte ; sie sollen sagen, was sie wissen. 4) ltem, ob sie wissen und warum, dass die ganze Zeit, in der sie stumm war, ihre Zunge an einem Teil des Mundes völlig klebte und dass es unmöglich schien, sie zu trennen oder zu heilen, obwohl Chirurgen und andere Leute sie sahen und es versuchten, da sie so stark klebte; und die Art, in der sie sie hatt e; sie sollen sagen, was sie wissen. 5) ltem, ob sie wissen und warum, dass die besagte Catalina de Foncea vor den besagten ungefähr fünf Jahren verstummte, als sie auf einem gewissen Stoppelfeld [sie] mähte, und dass die anderen, die mit ihr mähten auch durch verschieden~ Kr~nkheiten geplagt wurden und unter ihnen litten; sie sollen sagen, was sie wissen. 6) ltem, ob sie wissen und warum, dass die besagte Catalina de Foncea vor ungefähr vier Jahren in dieses Gebiet kam, um [hier] zu leben, und sie bei Dienstherren, die ihr be za hlten, in den Ortschaften von Castaiiares und Casa de Ia Reina lebte, die zwei beziehungsweise eine Meile einhalb von dieser Stadt entfernt sind, und [ob sie] wissen, dass sie am letzten Samstag von diesem Monat Februar 1556, als sie mit Mari G6mez, Valencianerin, Wirtin in der besagten Ortschaft von Casa de Ia Reina im besagten Jahr in der besagten Ortschaft lebte, am Morgen in die besagte Kirche und Kapelle des Herrn H eiligen Domingo in dieser Stadt kam und gebracht wurde, wo sie an diesem Tag und am darauf folgenden Sonntag war, bis am Montag zwischen fünf und sechs Uhr, Zeit, zu der sie die Sprechfähigkeit wieder erlangte und sprach, als sie in der besagten Kapelle beim Beten war, und dass sie jetzt deutlich und korrekt spricht; sie sollen sagen, was sie wissen. 7) ltem, ob sie wissen, dass die besagte Catalina de Foncea, als sie in der besagten Kapelle des glorreichen heiligen Körpers des Herrn Heiligen Domingo durch Gesten und Zeichen zu verstehen gab, dass sie sich dem Schutz des glorreichen Herrn Heiligen Domingo empfohlen hatte und so [hierher] kam; sie sollen sagen, was sie wissen. <?page no="210"?> 200 Catalina de Foncea 8) ltem, ob sie wissen, dass das oben Gesagte öffentlich und bekannt und öffentliche Stimme und Ruhm in dieser Stadt und in den Ortschaften ist, in denen sie gelebt hat, sowie unter den Leuten, die es erfahren haben. 39 Auch in Form von Fragebogen kann man eine Geschichte erzählen. Bernardino de Sesma und der Lizentiat Oiiez teilten sie in acht Fragen, die in ungefähr chronologischer Reihenfolge verschiedene Szenen aus der Krankheits- und Heilungserzählung von Catalina wiedergaben, um ihre Angaben in dieser Form von den Zeugen bestätigen oder durch deren Aussagen ergänzen zu lassen. 40 Dabei tauchten bisher unbekannte Aspekte des Geschehens auf: Catalina war von einem Knaben dem Sohn der Wirtin Mari G6mez mit einem Messer am Oberschenkel verletzt worden und hatte dabei nicht gesprochen; nicht allein Chirurgen, sondern auch "andere Leute"gemeint war hier einer der Zeugen, der Bader von Beruf warhatten versucht, sie zu heilen; und seitdem sie in das Gebiet von Santo Domingo gekommen war, hatte sie für Dienstherren gearbeitet, die auch als Zeugen aussagen sollten. Rein chronologisch gesehen, waren die Fragen ein bisschen verstellt. Nach der zweiten Frage, in der Catalinas Stummheit seit fünf Jahren erwähnt wurde, sollte eigentlich die fünfte kommen, die auf die Erkrankung beim Mähen einging, und dann der erste Teil der sechsten Frage über Catalinas Arbeit bei Dienstherren in der Nähe von Santo Domingo seit vier Jahren. Bei den übrigen Fragen stimmte die Zeitabfolge: die dritte, die vierte, der zweite Teil der sechsten über den Besuch der Kapelle und das Wunder, die siebte und schliesslich die achte. Nicht alle Zeugen konnten etwas auf jede Frage antworten ("sie sollen sagen, was sie wissen", wurde ihnen am Ende jeder Frage wiederholt), aber alle Fragen wurden an alle Zeugen gestellt. 41 Einige Fragen waren sehr eindeutig an bestimmte Zeugen gerichtet, wie zum Beispiel die dritte, auf die nur Mari G6mez, die Mutter des Knaben, eine Antwort mit näheren Angaben über die Tat ihres Sohnes geben konnte. 42 Wenn die Zeugen nichts über das Gefragte wussten, erklärten sie ihre Unkenntnis ohne weiteres. In anderen Fällen reichten ihre Kenntnisse nicht weit über die in der jeweiligen Frage enthaltenen Informationen, und sie beschränkten sich darauf, diese zu bestätigen, ohne N eues hinzuzufügen. 39 f. 2v-3v. Vgl. Anhang 45. 40 Der Fragebogen entsprach wie oben erwähnt der "forma interrogatorii" von den Kanonisationsprozessen, aber war im Unterschied zu dieser auf den Fall von Catalina de Foncea zugeschnitten. Ein Beispiel für eine für zahlreiche Fälle anwendbare "forma interrogatorii" wird von Vauchez wiedergegeben. Vauchez, La saintete, S. 59, Anm. 70. 41 f. 8r-15v. Für den speziellen Fall des Chirurgen Pedro de Llodio (f. 14r-15r), der nur vier Fragen beantworten musste, vgl. 7.3.1. 42 f. 12v. <?page no="211"?> Der Prozess von Catalina de Foncea 201 Trotzdem erfährt man durch die Antworten der Befragten einiges über ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten, und man erkennt auch häufig ihre soziale Stellung anhand ihrer Bemerkungen. Obwohl solche informationsreichen Fragen das für die Richter Relevante sehr stark einschränkten und den Aussagenden wenig Spielraum liessen, um Erzählungen selber zu entwickeln und sie in ihre Antworten einzubauen, waren die Aussagen des geschwätzigen P{arrers aus Castaiiares 43 deutlich länger als diejenigen der wortkargen Nachbarn von Villaro (Vizcaya) 4 4, und diejenigen der direkt Betroffenen wie Mari G6mez, die sich und ihren Sohn gewissermassen verteidigen musste, ausführlicher als diejenigen der Zeugen, die wenig mit Catalina zu tun gehabt hatten. Es waren ursprünglich elf Zeugen, dann zehn und schliesslich acht. Bernardino de Sesma und die Richter erwähnten elf Personen, darunter den ungefähr acht- oder neunjährigen Sohn von Mari G6mez, Francisco G6mez . 45 Dieser erscheint aber in den Akten, in denen die Eidesleistungen von den Zeugen stehen, nicht mehr. 46 Diese Akten enthalten dieNamenvon zwei Pfarrern, Juanes de Castaiiares und Gonzalo Davalos, deren Aussagen jedoch nicht erhalten sindY Sagten sie vor den Richtern aus und gingen dann ihre Verhörprotokolle verloren oder fanden die Richter es unnötig, noch mehr Zeugen zu verhören, nachdem sie festgestellt hatten, dass sie das Wunder mit genügend Aussagen nachweisen konnten? Man kann es nicht wissen. Immerhin scheint es nicht verdächtig zu sein, dass gerade die verloren gegangenen Verhörprotokolle diejenigen mit den Antworten der Pfarrer sind. Sonst sagten folgende Zeugen aus: der dreiundvierzig- oder vierundvierzigjährige Lope Saenz de Corral 48 und der siebenundzwanzigjährige Francisco de Salazar 49, beide Nachbarn von Castaiiares -und wahrscheinlich besitzende Bauern-, für die Catalina gearbeitet und bei denen sie eine Zeit lang gelebt hatte; der dreissigjährige Bartolome, Hidalgo, und N a chbar von Castaiiares, für den sie auch gearbeitet hatte und der im Verhör versuchte, sich von ihr zu distanzieren, indem er mehrmals sagte, dass er sie nur vom Sehen kannte ("ha conoc; ido y conoc; e de vista"), obwohl er zugab, mit ihr gesprochen zu haben, ohne verständliche Antworten von ihr erhalten zu haben ("y avn hablaba algunas veces con ella y no le rrespondia cosa quese entendiese") 50; der sechzigjährige Diego Gonzalez de lreta, Pfarrer von 43 f. 11r-12r. 44 f. 13r-13v. 45 f .4v. 46 f. 5v-6v. 47 f. 8r-15v. 48 f. Sr- 9r . 49 f.lOr llr . 50 f. 9v- 10r. <?page no="212"?> 202 Catalina de Foncea Castaiiares; 51 der vierundvierzigjährige Juan Ruiz de Ecerfn, Bürger aus der Kleinstadt Villaro der Gerichtsbarkeit ("merindad") de Arratia in Vizcaya, also schon im Baskenland, aber wohnhaft in Casalarreina, der Catalina in den Mund geschaut hatte, obwohl er weder ihr Arbeitgeber noch ein Mediziner war; 52 die ungefähr sechs- oder siebenundzwanzigjährige Mari G6mez , die Wirtin von Casalarreina; der sechsunddreissigjährige Juan Crespo, Bader; 53 und schliesslich der Fachmann, der vierzigjährige Meister Pedro de Llodio, Chirurg der Herzogin von Frfas, der auch gehörlos aber nicht stumm war. D a er lese- und schreibkundig war, las er die Fragen selber. 54 Von den anderen waren nur Lope Saenz de Corral und Mari G6mez unfähig, ihre Aussagen zu upterschreiben. Alle anderen hingegen konnten es mit mehr oder weniger Erfolg; Francisco de Salazar 55 und Juan Ruiz de Ecerfn 56 mit weniger sicherer Hand als der Hidalgo, 57 der Pfarrer, 58 der Bader 59 und der Chirurg 60 • Die Zeugen waren fast alle Männer, älter als fünfundzwanzig Jahre, keine armen Menschen. Bernardino de Sesma hatte vertrauenswürdige Leute für den Nachweis des Wunders gesucht. 61 Nicht "die Frauen, mit denen sie [Catalina] normalerweise schlief" ("las mugeres con quien dormia"), die sie nie sprechen gehört hatten, 62 wurden verhört, sondern die Dienstherren, für die Catalina gearbeitet hatte, die Mediziner, die versucht hatten, sie zu heilen, oder der Pfarrer eines der Dörfer, in denen sie gebettelt hatte. Nur zweimal, nämlich bei Lope Saenz de Corral und bei Juan Crespo, dem Bader, zeichnete der Schreiber die sogenannten "allgemeinen Gesetzesfragen" ("preguntas generales de Ia ley") auf, das heisst die nach dem Gesetz erforderlichen Fragen an die Zeugen. Bei den anderen begnügte man sich mit dem Festhalten des Alters des Zeugen im Protokoll, auch wenn diese allgemeinen Fragen möglicherweise an alle Zeugen gestellt wurden. So antwortete Lope Saenz de Corral darauf: Er wurde nach den allgemeinen Gesetzesfragen gefragt; er sagte, er sei ungefähr drei- oder vierundvierzig Jahre alt und er sei weder mit der besagten Catalina de Foncea noch mit irgendeinem Kanoniker oder Kostpfründner der besagten Mutterkirche verwandt noch komme er bestochen, beschenkt, 51 f. llr-12r . 52 f. 13r - 13v. 53 f.l3v-14r. 54 f.14r-15r. 55 7.2., f. 14r. 56 7.2., f. 17v. 57 7.2., f. 13r. 58 7.2., f. I Sr. 59 7.2., f. 18r. 60 7.2., f. 19v. 61 Diese Anforderungen wurden häufig an die Zeugen vor anderen Gerichten gestellt. Dülmen, The ater, S. 24. 62 f. llv. <?page no="213"?> Die Krankheit und ihre sozialen Folgen 203 mit einem Versprechen, verleitet oder beängstigt, und dass er aus keinem Grund darauf verzichten wird, die Wahrheit über das zu sagen, was er weiss. 63 Eine solche Strenge legten die Richter bei der Überprüfung des Wunders von Catalina de Graii6n nicht an den Tag. 64 7.2 Die Krankheit und ihre sozialen Folgen Es gilt im 7. Kapitel, Catalinas Lebensumstände vor ihrer Wallfahrt und vor ihrer Begegnung mit den Heilern zu rekonstruieren. Aus dem Vergleich zwischen ihrer Erzählung vor den Richtern und den von den Zeugen gelieferten Informationen über ihr Leben entsteht ein Bild von ihrer Krankheit und ihren Folgen, insbesondere von ihrer Armut, ihrem Bettlerinnendasein und ihrer Arbeit als Magd. Die aus der Sekundärliteratur gewonnenen Erkenntnisse über d en historischen Kontext sowie ergänzende Quellen ermöglichen diese interpretative Rekonstruktion der historischen Wirklichkeit. Die Richter untersuchten manchmal sehr genau, unter welchen Umständen gewisse Dinge Catalina geschehen waren und schenkten bei anderen Situationen den begleitenden Gegebenheiten kaum Aufmerksamkeit. Die richterliche Relevanzsetzung stimmte häufig mit den Kriterien und Interessen von Bernardino de Sesma überein. Sowohl die Richter der Vikar des Bischofs spielte dabei die wichtigste Rollewie Bernardino und andere Kleriker teilten gewisse Vorstellungen über die Armut, die Bettler und das Almosengeben. Sie vertraten ausserdem eine katholische Sexualmoral und verurteilten Gewaltakte ausserhalb eines von der Obrigkeit kontrollierten Rahmens. Solche moralischen Normen prägten Bernardinos Fassungen der Wunder, seinen Fragebogen an die Zeugen und die Haltung d er Richter beim Verhör. Alle Kleriker von Santo Domingo standen in der Hierarchie unter halb des aktiven Bischofs Luco, der über diese und andere Themen einen Ratgeber für Ffarrer geschrieben hatte, so dass man verfolgen kann, inwiefern seine Ansichten mit den Vorstellungen der Kleriker und der Laien übereinstimmten oder wie sehr sie deren Selbstdarstellunsstrategien prägten. Besonders spannend wirken manche Nebenbemerkungen der Zeugen und zum Teil einige ihrer langen Aussagen, wenn sie auf erhebliche Diskrepanzen zwischen den kirchlichen Meinungen und ihrer Wahrnehmung der Realität hindeuten. 63 f. 8v. 64 Vgl. Kapitel 8.2. <?page no="214"?> 204 Catalina de Foncea 7.2.1 Die Krankheit: der Verlust der Sprache Catalina stammte aus einem kleinen Weiler in der G egend von Montes de Oca. 65 Er lag ziemlich weit entfernt von der Pilgerstrasse und gehörte zur Diözese von Burgas (Kastilien). Er profitierte nicht von der günstigen Transitlage der Dörfer im Tal. Der bäuerliche Besitz war in solchen Ortschaften verbreiteter als in der Nähe der grösseren Dörfer oder der Städte, wo der Adel, die Kirche und die Bürger das Land am liebsten kauften. 66 Obwohl es schwierig scheint, nur aus Catalinas Angaben auf die soziale Stellung ihres Vaters, Pedro, zu schliessen, kann man annehmen, dass er zu der mittleren Schicht von Landwirten gehörte, die in diesem Gebiet den überwiegenden Teil der bäuerlichen Bevölkerung vertrat. Siebesassen meistens wenig Land, sie bauten vozugsweise Weizen und Gerste an. Sie verfügten über einen geringen Bestand an Zugtieren. Viele von ihnen unterschieden sich nicht stark von den ländlichen Lohnarbeitern und mussten manchmal ihre Arbeitskraft auch verkaufen. 67 Es ist jedoch durchaus vorstellbar, dass Pedro einige Lohnarbeiter für bestimmte Arbeiten auf ein eigenes Feld brachte, weil er dort lebte, wo die geringe Bodenqualität einen flächenmässig grösseren Besitz ermöglichte als den durchschnittlichen eines kleinen Bauern aus der Gegend. 68 Catalinas Mutter muss vor ihrem dritten Lebensjahr gestorben sein, denn sie kannte sie nicht. Catalina hatte keine Geschwister. Mit fünfzehn Jahren musste sie bei der Ernte im Juli 69 helfen, ein weiterer Hinweis auf die relativ bescheidene soziale Stellung ihrer Familie. An dem Tag, von dem Catalina erzählte, wurde die Weizenernte verhagelt; es geschah damals "ein grosses Unglück", sagte sie. Wegen einer Missernte mussten kleine Bauern ihre Grundstücke häufig verkaufen oder eine Hypothek aufnehmen. Der Hagel war nicht selten die Ursache solch individueller Verarmungsprozesse. Wenn die Not ein ganzes Dorf betraf, was gegen Ende des 16. Jahrhun- 65 Catalina sagte aus, dass an ihrem Geburtsort nur zwei Bürger oder Nachbarn (mit zwei steuerpflichtigen Haushalten) lebten. Dies bedeutet, dass es sich nicht um Foncea nordwestlich von Santo Domingo handeln kann. Dieses Foncea im Norden der heutigen Provinz Burgos liegt sehr nahe bei der heutigen baskischen Provinz Alava. Die heutige Kirche stammt aus dem 15.Jahrhundert, das Retabel derselben wurde gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts aufgebaut. In der Sakristei der Kirche findet man Dokumente, die erst aus dem 17. Jahrhundert sind. Über das Gebäude und den Retabel vgl. Moya, Inventario, S. 127. Es muss sich vielmehr um einen Weiler in der Gegend von Montes de Oca gehandelt haben, der am Anfang des 16. Jahrhunderts tatsächlich nur zwei steuerpflichtige Haushalte hatte. Dieses Foncea liegt in der Nähe von Villanasur. AHS Aktenbündel768, f. 71v. 66 Brumont, Campo, S. 10-12, 96-104. 67 Ebd., S. 219-221. 68 In der oben erwähnten Steuerquelle wird darauf verwiesen, dass beide Nachbarn eine Rente für ein Kloster bezahlten, aber es bleibt unklar, wie die Besitzverhältnisse genau waren. AHS Aktenbündel768, f. 71v. 69 Brumont, Campo, S. 70. <?page no="215"?> Die Krankheit und ihre sozialen Folgen 205 derts immer häufiger vorkam, konnte ein Teil der Bevölkerung von der Pauperisierung betroffen werden, wie zum Beispiel1557 in Rioseras, einem Dorf in der Nähe von Burgos: "dieses Jahr verkauften die Bewohner der besagten Ortschaft wegen der extremen Not, die es unter ihnen gab, alle oder den grössten Teil ihrer Grundstücke, denn es war ein unfruchtbares Jahr, und es hagelte, und sie hatten nichts zu essen, und deshalb verkaufte man in einem so hohen Mass" / 0 Catalina konnte sich beim Verhör an ihre körperliche Befindlichkeit am Tag des Gewitters erinnern, zum Beispiel daran, dass sie den Wind an jenem Mittag kalt gefunden hatte. Als der Hagel zu prasseln begann, konnten sich Catalina und die Lohnarbeiter nicht schützen. Danach verkrampften sich die Muskeln ihrer Arme und blieben eine Weile gelähmt. Catalina deutete diese Verkrampfung als Ursache ihrer Verstummung. Vier Jahre lang blieb sie gehörlos und fünf Jahre lang stumm. Das Einzige, was sie nach den Aussagen mehrerer Zeugen damals zu sagen vermochte, war "babo", wofür sie nur die Lippen, nicht die Zunge benötigte. 71 Meister Pedro de Llodio, der Chirurg der Herzogin von Frias, untersuchte zusammen mit ihrem Arzt Catalinas Zunge. Im Verhör begründete Pedro, warum sie sich nicht getraut hatten, einen Schnitt unterhalb der Zunge zu machen, um sie zu heilen, was schon vorher der Bader Catalina umsonst vorgeschlagen hatte. Aus Pedros de Llodio detaillierter Beschreibung von Catalinas Mund lässt sich schliessen, dass eine Entzündung unterhalb der Zunge vorhanden gewesen war, die Catalina daran hinderte, jene ohne Schmerzen zu bewegen. 72 Auch nachdem die Entzündung vorüber gewesen war , könnte Catalina Angst vor dem Sprechen gehabt haben, denn die Schmerzen bleiben in solchen Fällen häufig noch lange. 73 In der Kirche brachte sie es fertig, ihre Zunge wieder zu bewegen. Gleichwohl blieb ihr Zung endbändchen beschädigt, und deshalb lispelte sie, was sie vor der Verstummung nicht tat. Um den Laut "s" auf Spanisch auszusprechen musste sie ihre Zunge mit dem Zungenbändchen anheben, und dies gelang ihr nach der Krankheit nicht mehr. 70 Ebd., S. 12. 71 f. 9v, 1 Or. 72 f. 14v-15r. Für die Übersetzung des Textes vgl. 7.7. 3. 73 Ich danke Dr. med. Rainer Siegenthaler dafür, mit mir die Aussage des Chirurgen Pedro de Llodio gelesen und in Hinsicht auf Catalinas Krankheit interpretiert zu haben. <?page no="216"?> 206 Catalina de Foncea 7.2.2 Die Folgen: Erfahrung des sozialen Abstiegs und der Gewalt 7.2.2.1 Die Schläge Als Catalina verstummte, schickte sie ihr Vater zum Betteln. Sie entfernte sich immer mehr von Foncea Richtung Osten und erreichte das Tal, in dem Santo Domingo de la Calzada liegt, ohne jedoch in die Stadt zu gehen. Sie blieb lieber in den Kleinstädten ("villas") und Dörfern der Umgebung und wanderte sogar ein bisschen weiter südlich von Santo Domingo. Ihr Weg war nicht zielgerichtet, und sie kam häufig zu denselben Ortschaften zurück; sie zog im Gebiet herum. Sie musste sich immer wieder nach einer neuen Bleibe umsehen. Manchmal fand sie Unterkunft und eine Gelegenheitsarbeit, wie zum Beispiel in Castaiiares, wo sie schon zweieinhalb Jahre vor ihrer Heilung angekommen war. Dort lebte sie vier Monate bei Lope Saenz de Corral/ 4 zwei oder drei Monate bei Bartolome, dem Hidalgo/ 5 und drei Monate bei Francisco de Salazar. 76 Später arbeitete sie sechs Mo nate lang bei Mari G6mez in Casalarreina. 77 Das geschah, kurz bevor sie wieder sprechen konnte. In Castaiiares war sie nicht mehr allein: sie verbrachte die Nacht mit anderen armen Frauen zusammen. 78 Auf der Strasse bettelte sie, indem sie Zeichen mit den Händen machte. 79 Eine Bettlerin musste ihre Krankheit oder ihre Schwäche in der Öffentlichkeit der Dörfer zeigen, um Mitleid zu erregen, Almosen zu bekommen und ihre Arbeitsunfähigkeit zu rechtfertigen. Catalina konnte nur mit beschränkten Mitteln auf sich aufmerksam machen. Sie war auf das Hinschau en der Dorfbewohner angewiesen, um Almosen zu bekommen. In Bezug auf ihre Gelegenheitsarbeiten stellte ihre Taubstummheit kein unüberwindbares Hindernis dar, aber eine relativ grosse Einschränkung. Ausserdem war sie sehr wahrscheinlich unterernährt, was ihre Arbeitsfähigkeit zusätzlich einschränkte. 80 Da weder ihre Familie noch die Nachbarschaft ihren sozialen und wirtschaftlichen Niedergang hatten verhinde rn können, befand sie sich ausserhalb ihrer ursprünglichen sozialen Organisation. Als fremde ungelernte Arbeiterin verfügte sie in den Ortschaften, in denen sie ankam, über keine sichere soziale Unterstützung. Wenn sie ihre Arbeitskraft verdingte, verrichtete sie nur untergeordnete Arbeiten wie zum Beispiel diejenigen einer Magd. 81 Ihre Dienstherren von Castaiiares zeigten ein 74 f. Sv 75 f. 9v. 76 f. 10 v. Zur geographischen Mobilität von Bediensteten im Spanien des 16. Jahrhunderts vgl. Vassberg, Village, S. 86-97. 77 f. 12r. 78 f. llv. 79 Ebd. 8 ° Fischer betrachtet die Einstellung der Armen im 15 . und 16. Jahrhundert zur Arbeit unter anderem im Zusammenhang mit ihren Ernährungsmängeln. Fischer, Armut, S. 252-260. 81 f. 12r. <?page no="217"?> Die Krankheit und ihre sozialen Folgen 207 unterschiedliches Interesse für sie. Während Lope Saenz de Corral den Bader gerufen hatte, um sie zu heilen, und sich Catalinas Wunde am Oberschenkel nach dem Angriff des Knaben Francisco G6mez in Casalarreina selber angeschaut hatte, 82 behauptete Bartolome, der Hidalgo, Catalina nur vom Sehen zu kennen und nur durch den Kleriker von Casalarreina von der Verletzung etwas erfahren zu haben. 83 Wie schutzlos Catalina war, wenn sie auf der Strasse an einem neuen Ort bettelte, erkennt man am besten an der Art, wie sie durch eine Gruppe männlicher Jugendlicher in Castaii.ares verprügelt wurde. Auf die zweite Frage, in der die Zeugen gefragt wurden, ob Catalina früher etwas "auf artikulierte Art" hatte sagen können, erwähnte Lope Saenz de Corral die Angriffe der Jugendlichen gegen Catalina. Lope sagte, dass "[er] sah, dass die Jugendlichen sie manchmal bestraften, indem sie sie mit Stöcken schlugen, und dass er nie sah, dass Catalina de Foncea gesprochen hätte" . 84 Diego de Ireta, der pfarrer von Castaii.ares, und Francisco de Salazar gingen in ihren Antworten auf die dritte Frage auf die Angriffe ein. Diego behauptete: "falls einige Jungen ihr etwas Übles taten, sprach sie nicht, ausser dass sie schrie, als ob sie weinen würde". 85 Francisco de Salazar entschärfte die Angriffe ein wenig: "einige Jungen machten ihr Unannehmlichkeiten und ärgerliche Sachen, und er sah nie, dass sie ihnen etwas gesagt hätte, was man hätte verstehen können" . 86 Bernardinos Fragen, die über andere Aspekte so viele Informationen enthielten, verloren kein Wort über dieses Ereignis. Die Zeugen kamen selber bei ihren Antworten auf zwei unterschiedliche Fragen darauf, diese Angriffe als Beweise für Catalinas Stummheit zu nennen. Die Richter fragten ihrerseits nicht weiter nach mehr Angaben über die Angreifer oder nach den Umständen der Angriffe. Ihnen genügte, zu wissen, dass Catalina bei den Prügeleien nicht gesprochen hatte. Alles andere schien ihnen nicht besonders relevant. Leider findet man in den Prozessakten kein juristisch begründetes Urteil der Richter oder des Bischofs als zuständiger Instanz, aus dem ihre Meinung üb er die in d en Aussagen erwähnten Ereignissen und Gesetzesbrüche hervorgehen würdeY Man muss deshalb ihre 82 f. 8v-9r. 83 f. 9v. 84 "este testigo vio que algunas ve«es los mo«os Ia castigaban dandole de palos y nunca vio que Ia dicha catalina de foncea habIase ". f. 8v. 85 "si algunos mo«os le hazian algun mal no hablaba cosa alguna, sino dar un grito a manera de llorar y no hablar". f. 11 v. 86 "algunos mo~os le ha~ian algunos sinsabores y enojos, y nunca le vio que les hablase cosa ninguna que se pudiese entender". f. 1 Ov. 87 Der Vikar des Bischofs handelte im Namen des Bischofs (vgl. das Mandat des Vikars in 7.1. 1.), wie es für die rein kirchlichen Gerichte üblich war. Dazu vgl. Kagan, Pleitos, S. 233 . Angesichts der theoretischen Schriften Lucos über die Kontrollaufgaben des Bischofs über seinen Vertreter oder Vikar ist es durchaus denkbar, dass er über den Verlauf des Prozesses genau informiert wurde. Marin behandelt Lucos Ideen über diese Aufgaben. Marin, Einführung zu Soliloquio, S. 29-31. <?page no="218"?> 208 Catalina de Foncea Haltungen anhand ihrer Fragen interpretieren. Die Richter zeigten indirekt, welchen Taten sie auf den Grund gehen wollten, indem sie weitere Orientierungs- oder Ergänzungsfragen nach relevanten Gegebenheiten stellten, und Bernardino seinerseits auf eine deutlichere Art: durch die Formulierung des Fragebogens. Wie soll man anhand dieser Angaben einerseits die Handlung der Jugendlichen (ihre Ziele, ihre Legitimationsquellen, ihre Auswahl des Opfers und den Stil ihrer Gewaltaktion) interpretieren und andererseits die Haltung der Richter verstehen? 88 Lope Saenz de Corral wies auf das Ziel der Prügelei hin, als er sie als Strafe bezeichnete. Catalina konnte von den Jugendlichen von Castaiiares nur dafür bestraft werden, dass sie auf den Strassen bettelte. Hinzu kommt, dass die drei Zeugen einen Zusammenhang zwischen dem Gewaltakt und der Wahrheitsfindung über Catalinas Stummheit selber herstellten, wenn sie in ihren Antworten auf die zweite und dritte Frage Beweise dafür liefern mussten. Es scheint deshalb möglich, dass diese Verknüpfung von Gewaltakt und Wahrheitsfindung auf die durch die Jugendlichen angegebenen Absichten zurückging, das heisst, dass die Jugendlichen auch darauf bedacht waren, durch die Verprügelung herauszufinden, ob Catalina eine betrügerische Bettlerirr war, die eigentlich sprechen und arbeiten konnte. Sie leiteten die Legitimation ihrer Handlung allem Anschein nach davon ab, dass ihre Gruppe anstelle der Obrigkeit handeln durfte, wenn diese es versäumte, faule Bettler aus ihrer kleinen Stadt zu jagen. Seit den zwanzigerJahrengab ihnen sogar die Gesetzgebung zum Teil Anlass dazu, weil die Cortes mehrmals den 13ettlern verboten hatten, ausserhalb ihrer Herkunftsorte zu betteln, 89 und das Verbot sogar für ausländische Pilger geltend machen wollten, wobei sie es vier Meilen nördlich und südlich des Jakobsweges ausnahmsweise erlaubt hatten. Seit 1540 wurde das Bettelverbot in der staatlichen Gesetzgebung verschärft, aber es wurde auch meistens in der Praxis missachtet. 90 Wichtig ist, dass die Jugendlichen bis zu einem gewissen Grad den Eindruck haben konnten, rechtmässig zu handeln. Auch die Form der Gewaltanwendung deutet darauf hin, dass die Burschen ihre Handlung für legitim hielten. Die Art ihrer Gewaltaktionen lassen vermuten, dass sie sich am Muster der Vertreibung von Bettlern durch die Büttel in Krisenzeiten in den grossen Städten orientierten. Die Jugendlichen versteckten sich nicht, um Catalina anzugreifen. Ihre Prügeleien fanden in der Öffentlichkeit statt; vielleicht hatten sie sogar einen gewissen 88 Diese Fragestellung lehnt sich an diejenige von N. Z. Davis für andere Gewaltakte in Frankreich im 16. Jahrhundert. Davis, Riten der Gewalt, S. 171-209. 89 Domingo de Soto (1459-1560) zählt diese Verbote seit den Cortes de Valladolid 1523 auf. Soto, Deliueracion, Kap. II. Uber Sotos Werk vg l. unten. 90 Valina, Santiago, S. 74 -75. <?page no="219"?> Die Krankheit und ihre sozialen Folgen 209 exemplarischen Charakter für andere Bettler. Die Zeugen konnten die Szene mindestens so lange beobachten, bis Catalina weinte oder ihre Schmerzen wortlos zum Ausdruck brachte. Die Tatsache, dass Catalina verprügelt wurde, dass sie mit Stöcken geschlagen wurde, statt mit den Fäusten, erinnert auch an den Stil der Stadtbüttel.9 1 Durch diese öffentliche Demütigung wurde Catalina deutlich zur fremden Bettlerio gestempelt und degradiert. Die männlichen Jugendlichen behandelten sie nicht als eine junge Frau, die sich im Heiratsalter befand. Arm und ohne Mitgift stand sie ausserhalb des ständischen Heiratsmarktes. Ihre äusserst unterprivilegierte soziale Stellung machte sie zu einem leichten Opfer für die Burschen. Diese waren wahrscheinlich gerade darauf erpicht, eine Bettlerio statt einen Bettler zu misshandeln. Denn in Spanien heirateten die Frauen im 16. Jahrhundert meistens vor dem zwanzigsten Lebensjahr und die Männer erst vor dem vierundzwanzigsten, beide Geschlechter auf jeden Fall früher als die Mittel- und Nordeuropäer zu dieser Zeit. 92 Catalina war im Heiratsalter, aber die "mozos" waren männliche Heranwachsende, die sich in einer besonderen Lage befanden: sie mussten bis zur Heirat warten und blieben bis dahin ohne Zugang zur Macht und zum Eigentum der älteren Herren . Sie bildeten eine Altersgruppe, die sich vor allem in den Dörfern und Kleinstädten durch ihre gemeinschaftliche Aggressivität auszeichnete. Sie besassen eine Gruppenidentität, die ihre Verhaltensweise in der Gesellschaft legitimierte. 93 Dass die Angriffe sich nach den Zeugenaussagen mehrmals wiederholten, ist ein Zeichen dafür, dass die Gewalttätigkeit von den Älter en nicht allzu stark kritisiert wurde. In Spanien wie in Frankreich übte die Obrigkeit im 16. Jahrhundert eine gewisse Nachsicht mit den Gewaltakten dieser sozialen Gruppe. Die Verhaltensweise der männlichen Jugendlichen von Castaii.ares war leider nichts Aussergewöhnliches zu dieser Zeit. Obwohl die männlichen Erwachsenen die Prügelei nicht negativ sanktionierten, fanden sie die Gewalttätigkeiten moralisch verwerflich, und deshalb erw ä hnten sie es in ihren Aussagen vor den Richtern. Für den Pfarrer müssen sie ausserdem ein Verstoss gegen das Gebot der Nächstenliebe dargestellt haben. Aber die Jugendlichen wussten, wen und wie sie angreifen durften, ohne selber stark bestraft zu werden. So genossen sie ein gewisses Verständnis sogar seitens der Richter, wenn sie die soziale Kontrolle der Gemeinschaft gegen fremde Bettler in aller Öffentlichkeit ausübten. 91 Geremek gibt Beispiele für den Einsatz der Stadtbüttel und für andereMassnahmen gegen die Bettler in verschiedenen europäischen Städten im 16. Jahrhundert. Geremek, Armut, S. 150- 171. 92 Kagan, Lucrecia, S. 38-39. 93 Muchembled, Les jeunes, S. 563-579; Christian, Religiosidad, S. 147-148. <?page no="220"?> 210 Catalina de Foncea 7.2.2.2 Exkurs über die Bettelei und die Caritaslehre In Castafiares bekam Catalina als Bettlerio nicht nur Schläge, sondern auch Almosen, jedoch nicht von jedermann. Der einzige Zeuge, der während des Verhörs behauptete, ihr Almosen gegeben zu haben, war der Pfarrer Diego de Ireta: "und da er gesehen habe, wie sie in der Kleinstadt herumgegangen sei, und sie habe ihn um Almosen gebeten, und er habe sie ihr gegeben". 94 Die übrigen Zeugen hatten ihr Arbeit gegeben, aber keiner erwähnte Almosen. Es muss zudem daran erinnert werden, dass der Kostpfründner Ber nardino de Sesma in seiner ersten Bitte vor dem Kapitel Catalina als gute Bettlerio beschrieb, um erst im Fragebogen an die Zeugen auch von ihren Gelegenheitsarbeiten zu reden, so dass er sie also als kranke Bettlerio darstellte, die arbeitete, wenn sie Arbeit fand . Weshalb interessierten sich die Kleriker von Santo Domingo auf diese Weise für das Schicksal einer armen Frau? Wie kamen sie dazu, das Almosengeben als relevant für den Prozess zu halten? Weshalb stellte sich gerade der Pfarrer Diego de Ireta als Almosengeber dar, während die Laien als Arbeitgeber auftraten? Warum waren der Vikar Francisco de Verganze und der Kostpfründner Bernardino de Sesma überhaupt bereit, einen so langen Prozess bei Catalina de Fonceamindestens im Vergleich zu dem von Catalina de Grafion zu führen und widmeten sogar nach dem Tod des Bischofs (1556) den Wunderheilungen der ärmsten Leute eine viel grössere Aufmerksamkeit als denen von Angehörigen anderer Schichten ? 95 Um diese zentralen Fragen zu beantworten, um diese Probleme mindestens teilweise zu erklären, wollen wir folgende Thesen aufstellen: - Sowohl die Mittelwie die Oberschicht der spanischen Standesgesellschaft nahmen die Armut seit den 1520er Jahren als ein besonders akutes und brisantes Problem wahr. - Die Theologen schlugen verschiedene Lösungen zur Linderung des Problems vor. Entsprechend wurden unterschiedliche Verhaltensweisen bei der Almosenvergabe empfohlen. - Diese klerikale Auseinandersetzung mit der Armut widerspiegelt sich in den Wunderprozessen von Santo Domingo de la Calzada. Besonders prägend waren dabei Lucos Auffassungen von Arbeitsethos und der Tugend der Caritas. Im Folgenden möchten wir zunächst auf die Armutsdebatt e unter spanischen Theologen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eingehen, die zum Teil Lucos Ideen über Fleiss und Barmherzigkeit beeinflussten. 96 Danach behandeln wir Lucos Meinung über diese Themen, weil er sich mehr- 94 "y porque Ia vio andar en Ia dicha villa todo este tiempo y le pidio y dio limosna". f. 11r. 95 f. 19v-61 v. 96 Zur spanischen Armutsd ebatte vgl. Martz, Poverty, S. 7-34; Fly nn, Sacred Charity, S. 75- 114. <?page no="221"?> Die Krankheit und ihre sozialen Folgen 211 mals in seinen Schriften damit befasste und sich auch in seiner Diözese um praktische Lösungen dafür kümmerte. Weiter soll der Einfluss von Lucos Lehren auf Handlungsformen und Selbstdarstellungsstrategien der am Prozess Beteiligten erläutert werden. Schliesslich wollen wir die theologische Armutsdebatte, Lucos Stellungnahme dazu und die Interessen der Kleriker von Santo Domingo auf dem Hintergrund der wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen der Zeit betrachten. 1526 schrieb der aus Valencia stammende Humanist und Pädagoge J. Luis Vives seine Abhandlung De subuentione pauperum, in der er unter anderem ein Programm für die Reform der Armenfürsorge vorlegte. Indem er sich an den Erfahrungen niederländischer und süddeutscher Städte orientierteer lebte damals in Brügge -,schlug er die Übernahme der Verantwortung für die Sozialfürsorge durch die Städte oder den Staat vor. Hauptpunkte seines Programms bildeten ein Bettelverbot mit Zwangsarbeit für arbeitsfähige Bettler und die Reorganisation und Zentralisierung des Spitalwesens in jeder Stadt. Er hütete sich davor, die Bettelorden zu kritisieren oder seine Meinung über die Rolle der Kirche bei der Armenhilfe konkret zu formulieren, so dass sein Werk unter den katholischen Gelehrten populär wurde, aber auch sehr umstritten war. 97 Die spätscholastischen Theologen befassten sich auch mit der von Vives aufgeworfenen Armutsfrage. Von 1526 bis 1546 dozierte der Theologe und Jurist Francisco de Vitoria (1483-1546) an der Universität Salamanca. 98 Er übte dadurch einen grossen Einfluss auf die jungen spanischen Theologen seiner Zeit aus. Er veröffentlichte kein Werk zu seinen Lebzeiten. Die meisten Kenntnisse über seine Lehre stammen aus den handschriftlichen Notizen seiner Schüler in den Vorlesungen. Er beschäftigte sich hauptsächtlich mit Sozialethik und kommentierte während seiner Lehrtätigkeit die Summa Theologica von Thomas von Aquin. In seiner Lehre der Caritas entwickelte er zum Teil die Ideen eines anderen Spätscholastikers weiter, des späteren Kardinals Cajetans (1469-1534), der seine Kommentare über das thomistische Werk schon vor 1522 in Italien veröffentlicht hatte. Vitorias Einstellung zur Almosenvergabe war nicht zuletzt durch seine Zugehörigkeit zum Dominikanerorden einem Bettelorden geprägt. Seiner Meinung nach war der Christ verpflichtet, seinen eigenen Standesaufwand einzuschränken, um denjenigen Almosen zu geben, die äusserste Not ("extrema necessitas") litten. Dies hielt er für eine Rechtspflicht. Aufgrund einer Liebespflicht war aber der reiche Christ verpflichtet, auch im Fall schwerer Not ("necessitas gravis") von dem, was für ihn überflüssig war, Almosen zu geben. Weiterhin versuchte Vitoria, beide Notbegriffe zu erklären und voneinander abzugrenzen: 97 Vives, Obra, S. 1335-1411. Dazu vgl. Geremek, S. 222-228; Bennassar,Siecle, S. 195-198. 98 Die folgenden Ausführungen über F. de Vitoria beruhen auf Deuringer, Probleme, S. 26- 40. <?page no="222"?> 212 Catalina de Foncea Dieser Satz von der extrema necessitas muss in weitem Sinn verstanden werden. Man darf dabei nicht die Reichen begünstigen und die Armen schlecht wegkommen lassen. Man darf den Reichen nicht zuviel zugestehen, nämlich dass sie die alleräusserste Not abwarten bzw. warten, bis es sich bereits um den letzten Atemzug handelt[ .. .]. Es ist bereits genug, wenn man einen Armen mit Wunden bedeckt auf seinem Bett liegen sieht oder wenn eine lang andauernde Hungersnot kommt, so dass er dem Tod verfallen ist, wenn man ihm nicht zu Hilfe kommt. 99 In diesem Fall dürfe der Arme sogar stehlen, wenn der Reiche ihm nichts geben wolle. Theoretisch erkannte Vitoria dem Staat ein Interventionsrecht zu, wenn die Reichen ihre Pflichten gegenüber den Armen grob vernachlässigten. Aber er hielt es in der Praxis für unmöglich, dass jemand in der Gemeinschaft diese Aufgabe der Verteilung von Gütern übernehmen würde. Deshalb überliess er die Armutsfürsorge statt dem Staat der Privatinitiative. Was die Kirche betraf, vertrat er die Ansicht, dass die Bischöfe, die über die Kirchenabgaben verfügten, und die übrigen Kleriker bei gutem Einkommen noch strenger als die Laien zur Austeilung von Almosen verpflichtet waren. Vitorias Lehre über die Caritas wurde durch Theologen wie Dfaz de Luco, der während Vitorias Lehrtätigkeit in Salamanca studierte, 100 oder durch Domingo de Soto, der Vitoria in seinem Lehrstuhl ersetzte, auf unterschiedliche Weise rezipiert. Vives' Meinungen "Wurden jedoch in Spanien auch schnell bekannt. Der von Erasmus beinHusste Theologe aus Toledo Alejo de Venegas (1498-1562) übte 1537 unter Vives' Einfluss scharfe Kritik gegen die faulen und betrügerischen Bettler. Er setzte bei seiner Definition des Faulheitsbegriffs den Akzent zum ersten Mal in der katholischen Arbeitsethik auf dessen Aspekt von weltlichem Müssiggang, statt wie bis dahin die geistliche Trägheit zu betonen. 101 Er hielt die Arbeitsunlust für eine schwere Sünde. In seinem Werk, Diferencias de libros (Unterscheidung zwischen Büchern), das er Dfaz de Luco widmete, schrieb er: Kommen wir jetzt zu der Arbeit, welche die dritte Gabe Gottes ist [neben der Not und der Strafe], wenn Gott die Menschen nicht dazu zwingen würde, zu arbeiten und sich von ihrer Arbeit und ihrem Schweisse zu ernähren, wer würde sie daran hindern, ihr Leben mit vulgären Streitigkeiten zu verbringen und Gruppen [zu bilden], die sich gegenseitig übertreffen wollten? Wenn es stimmt, dass der Müssiggang die Mutter und Quelle aller Laster ist, welche Sünden, welche Bösartigkeiten, welche Listen, welche Fallen, welche Zwistigkeiten, welche Schmähungen, welche Aufgeblasenheiten, welche eigenartigen Hochachtungen könnte die regellose Begierde herausfinden, welche die müssigen Menschen nicht gern verwirklichen würden? Und da die Menschen nicht müssig sein können, ohne etwas zu unternehmen, wie- 99 Übersetzung von K. Deuringer. Deuringer, S. 34-35, Anm. 41 . Die übrigen Übersetzungen: Luis M. Calvo Salgado. Anhang 48 . lOO Marin, Diaz de Luco, S. 750. 101 Cavillac, Herrera, S. XLV-XCVI. <?page no="223"?> Die Krankheit und ihre sozialen Folgen 213 viel besser wäre es, dass sie tugendhafte Arbeiten verrichten würden, um sich zu ernähren, als ihr Leben mit entfremdetem Leben zu verschwenden.102 So versteht sich, dass Venegas einerseits die faulen Bettler moralisch zutiefst verurteilte und den nur zum Teil arbeitsfähigen Armendenn die Möglichkeit einer völligen Arbeitsunfähigkeit zog er nicht in Betrachtden legitimen Armen also, um jeden Preis zur Arbeit riet: Die legitimen Armen sind die notleidenden Menschen, die über keine natürlichen Kräfte verfügen, sei es wegen Krankheit oder wegen mangelnder Glieder oder mangelnden Verstandes, um sich ihrenUnterhalt zu verdienen. Aber bei diesen gibt es Unterschiede, denn sie werden nicht immer krank sein, es werden ihnen nicht alle Glieder fehlen, sie werden nicht immer verrückt sein. Solange sie gesund sind, können sie sich ihren Unterhalt verdienen, und wenn ihnen ein oder zwei Glieder fehlen, können sie die anderen gebrauchen; wenn sie mondsüchtig sind, können sie in lichten Augenblicken arbeiten. Denn alle sind verpflichtet, das ihnen Mögliche zu leisten und nicht im Müssiggang zu leben. 103 Zunehmende soziale Spannungen in einigen kastilischen Städten trugen ausserdem 1540 zu der oben erwähnten Verschärfung der Gesetzgebung gegen die Bettler bei, die an Vives' Reformen erinnerte. In diesem Jahr verkündete Karl V. ein Gesetz, das eine strenge Kontrolle der Bettler vorsah, indem diese ausser bei Pest oder Hungersnöten nur an ihren Herkunftsorten und mit einer von einem Pfarrer (nach der Beichte) oder einem Beamten erteilten Erlaubnis betteln durften. Das Gesetz empfahl weiter, wenn möglich das Betteln zu verbieten und die "echten" oder, wie Venegas sie nannte, legitimen Armen mittels eines reorganisierten Spitalwesens zu versorgen. 104 Zamora, Salamanca und Valladolid ergriffen ihrerseits besondere Massnahmen gegen die aus dem Land stammenden Armen und versuchten, das Betteln zu reglementieren. 105 Die staatliche und städtische Gesetzgebung veranlasste einen offenen und heftigen Streit unter spanischen Theologen über die Armut und die Bettelei, indem die einen die christliche Caritaslehre unterstrichen, während die anderen die Bedeutung des katholischen Arbeitsethos betonten. In dieser gespannten Atmosphäre veröffentlichte Diaz de Luco 1543 die erste Ausgabe von Auiso de curas (Ratgeber für Pfarrer), die zwei Kapitel über die Armutsfrage enthielt, in denen er beide Aspekte auf einen Nenner zu bringen versuchte. 106 Um Lucos Meinungen über die 102 Venegas , Primera, f. CLXIVv-CLXVr. Anhang 48. 103 Ebd., f. CLVr. Anhang 48. 104 Domingo de Soto fasst das Gesetz im Kap. 2 seiner Deliueracion zusammen. Da die Seiten der von uns verwendeten ersten Auflage des Werkes nicht numeriert sind, werden im folgenden die Kapitel angegeben. 1 05 Cavillac, Herrera, S. XCVII. 106 1536 wurde eine erste Fassung des Werkes mit nur 9 Kapiteln über allgemeine Aspekte veröffentlicht. 1543 und 1545 erschienen die zwei nächsten Auflagen. Aus 1565 und 1569 <?page no="224"?> 214 Catalina de Foncea Armut und die Arbeit besser einzuordnen, scheint ein Exkurs über die zwei bekanntesten Autoren angebracht, die damals dazu Stellung nahmen. 1545 erschienen in Salamanca zwei Werke kurz nacheinander, die zwei extrem entgegengesetzte Meinungen über die Gesetzgebung gegen das Betteln und ihre moralischen Verwicklungen ausdrückten: das erste Werk vertrat die traditionellste Auffassung und das zweite die neueste. Keiner der Autoren war jedoch darauf bedacht, die Standesgesellschaft grundsätzlich zu verändern oder ihre Prinzipien in Frage zu stellen, um das Armutsproblem zu lösen. Der Dominikaner Theologe Domingo de Soto einer der bedeutendsten Theologen des Tridentiner Konzilswar der Autor von Deliberacion en Ia causa de los pobres (Überlegung über die Sache der Armen), einer vehementen Verteidigung des Rechts der Armen auf Almosen und der Almosenpflicht der Christen und Juan Medinas Antwort darauf. 107 Sotos lange Argumentation lässt sich auf einige Grundideen reduzieren. Er gab zu, dass die Bekämpfung der Landstreicherei rechtmässig war, jedoch nicht das Bettelverbot. 108 Er führte aus, dass man Landstreicher von "echten" Bettlern in der Praxis leider nicht unterscheiden könne, 109 und schloss daraus, dass man als Christ beide dulden müsse, weil die ungerechte Bestrafung der echten Bettler aufgrund des Gebots der Caritas und des Naturrechts moralisch viel gefährlicher sei, als einigen Landstreichern und "falschen" Bettlern Unterstützung zu gewähren. 110 Ausserdem war die Kirche für das Spitalwesen verantwortlich und nicht die städtische Obrigkeit . Soto, der sich an den König richtete, 111 übte grössere Vorsicht bei der kritischen Beurteilung des königlichen Edikts nicht direkt vom König, sondern vom Rat erlassen, wie er betonteals bei der Begründung seiner scharfen Verurteilung der städtischen Verordnungen. 112 Seine Ansichten fussten nur zum Teil auf jenen seines Vorgängers im Salmantiner Lehrstuhl für Theologie, Francisco de Vitoria, und sie entfernten sich von seiner Lehre in wesentlichen Aspekten. Dabei muss man zum einen berücksichtigen, dass beide Dominikaner waren, und zum anderen, dass sich Soto nicht an seine Zuhörer im Vorlesungssal richtete, sondern in polemischer Absicht an die Öffentlichkeit. An Sotos Ausführungen erkennt man ausserdem seinen Willen, sich gegen die Kritik der spanischenNachfolgervon Erasmus an den Bettelorden zu verteidigen. Soto übte in diesem Bereich keine Selbstkritik, er stammen zwei Auflagen der italienischen Übersetzung des ganzen Werkes. Marin, Einführung zu Soliloquio, S. 71 - 72. 107 Über Soto und seine Schriften über die Caritaslehre im Allgemeinen vgl. Deuringer, S. 41- 84. Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die für den Vergleich mit Lucos Auffassungen relevanten Bereiche seiner Deliueracion . 108 Soto, Kap. III-VII. 109 Ebd., Kap. VIII. 11 0 Ebd., Kap. IX. 111 Ebd., Kap. I. 112 Ebd., Kap. II, XII. <?page no="225"?> Die Krankheit und ihre sozialen Folgen 215 prangerte vielmehr die städtischen Kontrollinstanzen gegen Bettler und Arme an. Eine Besonderheit seines Werkes besteht darin, seinem Leser eine oft vergessene Perspektive des Armutsproblems zu eröffnen: diejenige des Bettlers. Das Bild der Grausamkeit gegenüber den Armen in Krisenzeiten wurde von ihm mit realistischen Farben gemalt. 113 Es fehlte bei seinen Beobachtungen zu den Verhaltensweisen der Büttel gegenüber den Landstreichern und zu den verschiedenen Kategorien von Armen nicht an Scharfsinn und Genauigkeit, obwohl sein Ziel schlussendlich die Verteidigung der rückwärtsbezogenen individuellen Almosenvergabe war und er jede Neuerung oder Reform der Armenfürsorge prinzipiell ablehnte. 114 Sotos Arbeitsethos wird in Kapitel drei seiner Abhandlung sehr vage formuliert. Er beschränkte sich darauf, den Müssiggang der Landstreicher für unmoralisch und gefährlich zu halten. Er rechtfertigte ihre Arbeitsunlust gar nicht. Gleichwohl zeigte er Verständnis für die heruntergekommenen Hidalgos, die lieber bettelten als Handarbeiten verrichteten. Hinter dieser Art von Toleranz steckte eine aristokratische Weltanschauung: Die fünfte Erwägung ist, dass es auch viele mit gutem Blut gibt, die in Armut leben, sei es, weil sie ihren Besitz verloren, sei es, weil sie "escuderos" [eine Kategorie innerhalb der Hidalgos] sind, die keinen Beruf lernten und keinen Unterhalt finden können. Und diese sollen sich nicht aus diesem Grund erniedrigen, beschämende und mühsame Berufe auszuüben, um sich zu ~rhalten, sondern sie dürfen rechtmässig betteln, und man muss ihnen mehr Almosen geben, als anderen Armen niedrigeren Standes. 115 Soto berücksichtigte ferner so wenige Voraussetzungen wie möglich, um die Almosenpflicht gelten zu lassen, die seiner Meinung nach alle Christen ausser den ganz Armen betraf, denn fast alle sollen einem Armen etwas geben können. Seine Ausführungen erinnern an dieser Stelle an Vitoria, auch wenn Soto ihn nicht erwähnt: Die Theologen zählen zahlreiche Umstände auf, bevor sie die Reichen dazu zwingen, Almosen zu geben, weil sie Angst davor haben, diese zu erschrekken. Man müsse wissen, dass die Armen in höchster Not sein müssen und dass es den Reichen übrig bleiben solle. Und diese Überflüsse wollen die Weisen nicht erklären und die Reichen nicht verstehen.[...] Jedoch wenn ich aufmerksam darüber bei den Heiligen [Kirchenvätern] lese, bleibt mir der grosse Verdacht, dass ! .hrer Meinung nach weder ein grosser Mangel bei den Armen noch grosse Uberflüsse bei den Reichen vorhanden sein müssen, damit [die Reichen] bei Strafe von Todsünde zum Almosengeben gezwungen sind. 116 113 Ebd., Kap. IX-X. 114 Geremek unterstreicht diese Beobachtungsfähigkeit von Soto, während Cavillac seinen aristokratischen und antibürgerlichen Charakter betont. Das Werk weist eigentlich beide Merkmale auf. Geremek, Armut, S. 234-236; Cavillac, Herrera, S. XCVIII-CI. 11 5 Soto, Deliueracion, Kap. IX. Anhang 48. 116 Ebd., Kap. IX. Anhang 49. <?page no="226"?> 216 Catalina de Foncea Da Soto ständig für die individuelle Wohltätigkeit plädierte, fand er es nicht nötig, in seinem Werk ein zentralisiertes und von Pfarrern oder Beamten kontrolliertes System für das Almosensammeln und -verteilen zu skizzieren, das die direkte Almosenvergabe an die Bettler ersetzen würde . Denn niemand könne auf gerechte Weise nach Kriterien wie Krankheit oder physischer Arbeitsunfähigkeit zwischen echten und falschen Bettlern unterscheiden und dann nur den ersteren helfen. Man müsse bedenken, dass ein Mensch aus unzähligen Gründen daran gehindert sein könne, eine Arbeit zu verrichten, und dass es nicht nur von seinem Willen abhänge: es gibt viele, die nur ein wenig arbeiten können und nicht viel, und solche, die nur an einem Tag arbeiten können und nicht an einem anderen: in einer Stunde und nicht in der anderen, je nach ihrer Schwäche. Und die Menschen dürfen nicht mit solcher Strenge [zur Arbeit] gezwungen werden. Und es wäre eine äusserst mühsame Sache, dass die Beamten jedes Mal kommen würden, wenn [den Menschen) die Kräfte fehlen würden. Ausserdem auch wenn ein Mann gesund und kräftig ist, findet er manchmal keinen Herrn oder keine Arbeit oder keine Beschäftigung. Und wenn er sie in seinem Land nicht findet, hat er das Recht, im ganzen Reich zu suchen. Und ferner muss man solchen Leuten in jeder Stadt erlauben zu betteln, solange man ihnen keine Arbeit anbietet. 117 Soto stellte keine Überlegungen über die mit der traditionellen Austeilung von Almosen einhergehenden Ungerechtigkeiten an. Ihm kam es darauf an, alle Fehler der reformierten Sozialfürsorge aufzuzeigen. Deshalb stellte er hohe Ansprüche an das Funktionieren des neuen Systems und an ihre Vertreter. Ein weiterer Nachteil desselben gegenüber der individuellen Almosenvergabe sei, dass die Armen insgesamt weniger Hilfe bekommen würden: Die Reichen, die aufgrundihrer Autorität und Würde für die Armen bitten, da sie zu Hause ein gesichertes Essen haben, finden, dass sie schon genug tun, indem sie fragen, und sie bemühen sich nicht so sehr, auch wenn man ihnen nichts gibt. Dem erbärmlichen Armen, dem es ums Essen und ums Leben geht, genügte es nicht zu bitten, vielmehr stört er, bis das Herz weich wird, woher er eine "blanca" [billigste Kupfermünze] auspressen kann. Es reicht ihm nicht aus, eine Stunde zu gehen oder nur in einem Viertel, sondern den ganzen Tag und überall in der Stadt. 118 Soto ging davon aus, dass nur freiwillige Abgaben rechtmässig waren, weil nur diese einen mildtätigen Charakter hatten. Damit schloss er jede M ö glichkeit aus, eine sichere Grundlage für die Armenfürsorge durch Steuern zu schaffen. 119 Er sprach sich ausserdem entschieden gegen die Laisierung der Sozialfürsorge aus, etwa die Leitung der Spitäler durch Laien, ohne die 117 Ebd., Kap. IX. Anhang 49. 118 Ebd., Kap. XL Anhang 49. 119 Seit den 1520er Jahren griffen einige europäische Städte zu solchen Massnahmen. Geremek, Armut, S. 157- 158, 162. <?page no="227"?> Die Krankheit und ihre sozialen Folgen 217 Aufsicht der Kirche. Auch wenn die Kirche diese Aufgabe nicht richtig erfülle, dürfe man eine bessere Hilfeleistung durch die städtische Institutionen nicht erwarten. 120 Die Antwort auf Soto liess nicht lange auf sich warten . Der Abt des Benediktinerklosters San Vicente in Salamanca, Juan de Medina, der als Juan de Robles unterschrieb, veröffentlichte im März 1545 De Ia orden que en algunos pueblos de Espaiia se ha puesto en Ia limosna para remedio de los verdaderos pobres (Über die Regelung der Armenhilfe, die in einigen spanischen Städten praktiziert wird, um den wahrhaft Armen zu helfen). 121 Er meinte im Gegensatz zu Soto, er wolle nicht von einem theoretischen Standpunkt ausgehen. Er gründe seine Aussagen auf empirische Beobachtungen, zumal er an der Ausarbeitung der städtischen Verordnungen von Zamora beteiligt gewesen war. Robles verteidigte die städtische Reform der Sozialhilfe gegen Sotos Einwände und Kritik. Robles' Lob der Arbeit und seine Verurteilung des Müssiggangs erinnerten an Vives' Ansichten. Da zwischen echten und falschen Bettlern tatsächlich unterschieden werden könne, sei die Zwangsarbeit für arbeitsfähige Bettler gerechtfertigt. Für die nicht pflegebedürftigen Armen hielt er das Einsperren in Spitälern für unangebracht und zog es vor, ihnen die Sozialhilfe ins Haus zu bringen, denn das Ziel sei nicht die Einschränkung ihrer Freiheit, sondern die Gründe für das Betteln zu eliminieren. Die öffentliche Gewalt und nicht die Kirche solle sich um die Armenhilfe kümmern. Seine Begründung dafür war: [Gott) weckt seinen Geist dort, wo es ihm gefällt und macht, dass diejenigen, die die letzten sein sollten, die ersten seien, und die ersten die letzten. Und da der Eifer und die Beflissenheit, die dieses Geschäft erfordert, weder aus den Kutten, noch aus den Orden oder aus der Krone entspringen, sondern aus dem Geiste Gottes, der allein Christen von Nichtchristen unterscheidet[...], kann Gott (und wir sehen, dass Er es alltäglich tut) [bewirken], dass die Zöllner [im biblischen Sinne) und Sünder diejenigen, die sich im Vollkommenheitszustand befinden und Väter und Lehrer des Volkes sind, in Sachen des Gottesreiches übertreffen. 122 Obwohl sich Dfaz de Luco im Unterschied zu Domingo de Soto und zu Juan de Robles nicht ausdrücklich mit der Gesetzgebung von 1540 befasste, kreisten seine Ratschläge an die Pfarrer in Bezug auf die Armenfürsorge um dieselben kontroversen Fragen. Lucos Auffassung hatte den Vorteil der Mitt e, er war nicht so rückwärtsbezogen wie der Dominikaner Soto, aber auch nicht so fortschrittlich wie der Benediktiner Robles in Bezug auf die Laizisierung der Sozialfürsorge, nicht so verständnisvoll mit allen Sorten 120 Soto, Deliueracion, Kap. XI. 121 Vgl. Cavillac, Herrera, S. CI-CV; Bennassar, Siede, S. 198-199; Geremek, Armut, S. 236- 237. 122 D as Werk besteht aus zwei Teilen mit verschiedenen Kapiteln. Die Seiten sind nicht numm eriert. Das Zitat befindet sich im Kapitel 7. des ersten Teiles. Anhang 49. <?page no="228"?> 218 Catalina de Foncea von Bettlern, aber auch nicht so prinzipiell gegen jede Form von Bettelei. Wenn er seine Ratschläge nach 1545 veröffentlicht hätte, hätte man von einem Kompromisscharakter seiner Ansichten zwischen den zwei erwähnten Polen der an der Diskussion Beteiligten sprechen können. Das von Luco geförderte Arbeitsethos war viel strenger als dasjenige Sotos. Luco befasste sich mehrmals in seinen Schriften mit dem Armutsproblem und kümmerte sich auch um praktische Lösungen dafür in seinem Sprengel. In seinem WerkAuiso de curas (Ratgeberfür Pfarrer), dessen dritte Auflage (1545) ein Vorwort für diepfarrerseiner Diözese enthielt, widmete er zwei Kapitel den Ratschlägen an die Geistlichen in Bezug auf die ökonomischen Verhältnisse ihrer Pfarrkinder. 123 Das Kapitel XXVII trug den Titel: "Wie derpfarrerseinen Pfarrkindern raten muss, dass sie so leben und mit ihren Händen arbeiten, dass sie nicht verarmen." 124 Luco ging davon aus, dass ein Pfarrer sich nicht nur um die Seele, sondern auch um die körperlichen Bedürfnisse seiner pfarrkinderkümmern solle, insbesonders darum, dass keines schwereNot leidet. 125 Luco unterschied in der Tat zwischen zwei sozialen Gruppen unter den Pfarrkindern und zugleich zwischen zwei Adressaten der religiösen Botschaft über den Fleiss: den Reichen und den übrigen, die den Gefahren der Not möglicherweise ausgesetzt sein können. Wenn Luco von der zweiten Gruppe redete, sprach er von den Pfarrkindern im allgemeinen, und die erste nannte er immer "die Reichen". Für jede Gruppe von Adressaten empfahl er denpfarrerneinen bestimmten Diskurs. Der pf arrer, schrieb er, müsse zunächst einmal der Not sein er pfarrkinder dadurch vorbeugen, dass er die Männer zur Arbeit in ihren Berufen und die Frauen zur Hausarbeit ermahne. Dabei solle der pfarrer mehrere Argumente geltend machen. Die Reichen werden einem Fleissigen lieber helfen, falls er in Not gerate, als einem, der faul gewesen sei. Die Arbeit sei "nützlich und nötig für die Erlösung, denn wer sich mit guten Arbeiten beschäftigt, vermeidet den Müssiggang, der die Ursache aller Laster ist". Wer arbeite und spare, werde sich heilen und ernähren können, wenn eine Krankheit oder schwere Zeiten kommen. 126 Ein besonderes Argument müsse derpfarrerfür eine spezielle Gruppe der pfarrkinder anführen: denn einige entschuldigen ihre Faulheit und Trägheit mit der Aussage, es sei eine Schande, dass Leute ihres Ranges mit ihren H änden arbeiten müssen; sie soll man darauf aufmerksam machen, dass sie sich eigentlich dafür schämen 123 Die Seiten des Vorworts dieser Ausgabe sind nicht nummeriert. Luco ri~htet sich "an alle Ffarrer unseres Bistums" ("a todos los curas de nuestro obispado") . Im Ubrigen beziehen sich die Seitenangaben auf die Ausgabe von 1543. Die Kapitelnummern si nd jedenfalls dieselben in beiden Ausgaben (1543 und 1545). 124 "como deue el cura aconsejar a sus parrochianos que viuan de manera y traba jen de sus mano s como no vengan a pobreza". Luco, Auiso, f. CXIIv. 12s Luco, Auiso, f. CXIIv , CXIIIr. 126 Ebd ., f. CXIIv-CXIIIv . <?page no="229"?> Die Krankheit und ihre sozialen Folgen 219 sollten, [um Geld] zu bitten und danach zu fragen, indem sie ihre Verwandten und Freunde betrüben und ihren Feinden eine Freude bereiten. 127 Für die breite Masse der Christen bildete also die Arbeit nach Lucos Auffassung aus religiösen und sozioökonomischen Gründen eine Pflicht. Sein Freund, der von Erasmus beeinflusste Theologe aus Toledo, Alejo de Venegas128, hatte Luco sein Buch nicht umsonst gewidmet. Es ist auch bezeichnend, dass Luco Leute wie die verarmten Hidalgos, die nach der idealen Aufgabenverteilung der ständischen Gesellschaft zu den Privilegierten gehörten, zu der Masse der zur Arbeit verpflichteten Christen zählte. Sie müssten mit den Händen arbeiten, wie die anderen, wenn sie nicht mehr reich seien, denn die Handarbeit sei keine Schande- Luco empfahl sie sogar den pfarrern selber, damit sie ihr Ansehen in der Gemeinde erhöhen . 129 Lucos Auffassung über die Aufwertung der Handarbeit entsprach den Ideen, die einige Jahre später der Ökonorne Luis Ortiz formulierte. Ortiz begründete den wirtschaftlichen Wert der produktiven Arbeit damit, dass sie und nicht die Anhäufung von Edelmetallen die Basis für den Reichtum des Landes bildete. 130 Luco und Luis Ortiz standen nicht allein mit ihren Ideen über die Aufwertung der Handarbeit im damaligen Spanien. Man muss sie im Kontext der wirtschaftlichen Überlegungen von Wirtschaftstheoretikern der Schule von Salamanca betrachten. 131 Salmantiner Kanonisten und Ökonomen wie Lucos Bekannter Martfn de Azpilicueta 132 formulierten Thesen über das Verhältnis zwischen der zunehmenden Geldmenge und den steigenden Preis en, die den Gelehrten erlaubten, sich nicht durch die wirtschaftlichen Folgen der aus Amerika einströmenden Edelmetalle verblenden zu lassen. 133 Wie beim Arbeitsethos ermahnte Luco die Pfarrer in einfachen Worten, den Wert der Handarbeit zu propagieren, statt sie theoretisch zu untermauern. Bei den Reichen setzte Luco den Pieiss voraus, jedoch nicht die Bereitschaft, ein Unternehmerrisiko auf sich zu nehmen. Die Botschaft, die die Pfarrer an die Reichen richten sollten, war nach Lucos Ansicht eine andere. Der Pfarrer solle mit den Reichen der Gemeinde darüber reden, wie das Handwerk und die Landwirtschaft angesichts der Bodenqualität der Ortschaft und anderer Faktoren gefördert werden könnten, um Arbeitsplätze zu schaffen. Argumente dafür seien einerseits die Pflicht der Reichen als 127 Ebd., f. CXIIIv-CXIVr. Anhang 49. 128 Marin, Einführung zu Soliloquios, S. 60, Anm. 131. 129 Luco, Auiso, f. CVv-CVIr. 130 Vilar, Los primitivos, S. 151-155; Vazquez de Prada, Historia, S. 326-327; Cavillac, Herrera, S. CX-CXII. 131 Über die Schule von Salamanca und ihre unterschiedlichen Tendenzen und Autoren vgl. Grice-Hutchinson, Thought, S. 91-107. 132 Marin, Einführung zu Soliloquios, S. 60, Anm. 131. 133 Grice-Hutchins on,Thought, S. 104-105; Vilar, Los primitivos, S. 141-144. <?page no="230"?> 220 Catalina de Foncea Christen, den Bedürftigen zu helfen, anderseits der Gewinn, den sie daraus ziehen würden: Vor allem müssen die Reichen bei genauerer Betrachtung merken, dass es weder einen handwerklichen noch einen landwirtschaftlichen Betrieb gibt, bei dem der grösste Profit nicht ihnen [den Reichen] zukommt, denn, da sie das Kapital besitzen, kommt ihnen [auch] der grösste Ertrag der Arbeit der Armen zugute. 134 Während Domingo de Soto den mildtätigen und barmherzigen Charakter der individuellen Wohltätigkeit sowie ihre Vorteile in allen Fällen betonte, empfahl Luco nicht ohne weiteres die individuelle Almosenvergabe und setzte viel Wert auf die Unterscheidung zwischen echten und falschen Bettlern. Auf der anderen Seite zeigte sich Luco jedoch nicht bereit, die traditionelle Vermittlerrolle der Kirche zwischen Armen und Reichen so schnell wie Juan de Robles aufzugeben, und beharrte darauf, die herkömmliche Unterstützung für Arme in den Pfarreien nicht anzutasten, sondern sogar zu fördern. Er bevorzugte aussecdem kein allgemeines Bettelverbot. Im Kapitel (XXVII) behandelte Luco, "was der pfarrer tun muss, um den Armen seiner Pfarrei zu helfen" . 135 Da die Gefahr der Verarmungtrotz der erwähnten präventiven Massnahmen immer noch bestand, betrachtete er mehrere mögliche wirtschaftliche Szenarien in der Gemeinde: von der guten Wirtschaftslage, in der es kaum Arme gibt, bis zur schlimmen Situation, in der die Zahl der Hilfsuchenden die Möglichkeiten der lokalen Armenfürsorge übersteigt. Für jede Stufe des Verarmungsprozesses riet er den pfarrern, unterschiedlicheMassnahmen zu treffen. Zunächst erklärte Luco seinen Lesern, dass die Menschen sowohl aus eigener Schuld wie in Folge "göttlicher Urteile" verarmen können. 136 Der Pfarrer müsse immer wissen, wer in seinerPfarreiNot leide, welchen gesellschaftlichen Rang er habe und wie arm er sei. Wenn die Zahl der Bedürftigen es erfordere, solle der pfarrer eine Liste von ihnen aufstellen. Denjenigen, die aus eigenem Antrieb den Armen Almosen austeilen wollen, solle er die Liste zur Verfügung stellen. Derpfarrer sei selber der Erste, der die Unterstützung der Armen mit seinen eigenen Mitteln als seine Pflicht ansehen müsse. Diese Pflicht betreffe an zweiter Stelle die Kirche als Institution und die karitativen Einrichtungen der Pfarrei. Deshalb trage der pfarrer auch die Verantwortung dafür, dass die für Arme gestifteten Güter, wenn es in seiner Pfarrei solche gebe, "richtig ausgegeben werden". 137 Schon hier beginnen die Anklänge an Francisco Vitorias Lehre der Caritas, die die Verpflichtung der Kleriker zur Al- 134 Luco, Auiso, f. CXVr-v. Anhang 50. ! 35 "de lo que a de hazer el cura para el remedio de los pobres de su parrochia". Luco, Auiso, f. CXVIr. 136 Ebd. 137 Ebd., f. CXVIv. <?page no="231"?> Die Krankheit und ihre sozialen Folgen 221 mosenvergabe betonte. Doch im Unterschied zu dem Theologieprofessor bemühte sich Luco ständig um konkrete Ratschläge. Nur wenn die Mittel der Pfarrei nicht genügten, um den Armen zu helfen, schrieb Luco dem Geistlichen das Almosensammeln vor . Indem Luco im Laufe des Kapitels mehrere Beispiele für den Überfluss bei den Reichen und für den Mangel bei den Armen anführte, versuchte er näher zu umreissen, unter welchen Voraussetzungen die Reichen zum Almosengeben für die Armen verpflichtet waren. Hier folgte er wieder den spätscholastischen Unterscheidungen, die Vitoria in seinen Vorlesungen zu präzisieren trachtete und denen Domingo de Soto wenig Bedeutung zumass. Wenn die Mittel der Pfarrei nicht ausreichen, solle der Pfarrer nach Lucos Meinung zunächst "diejenige, die können" an Sonn- und Feiertagen in der Kirche verwarnen, damit sie den Armen Unterstützung gewähren, bevor es zu spät ist, "denn sie begehen eine Todsünde, wenn einige höchste Not kennen und sie ihnen nicht helfen" . 138 Der Pfarrer solle die Reichen davor warnen, bei der Verschlechterung der Notlage der Bedürftigen zu lange zu warten. Damit die Reichen frühzeitig genug handeln, solle er das Argument anführen, dass Almosen für "Kleidung und Bett" sogerechfertigt seien, wie die fürs Essen. Ferner solle er sie daran erinnern, dass das Almosengeben ein gutes Werk sei, das zu ihrer Erlösung beitrage, wie Augustinus in De misericordia Dei einmal sagte, "wie das Wasser das Feuer löscht, so das Almosen die Sünde". Ausserdem gab Luco dem Pfarrer genaue Anweisungen, wie er unter solchen Umständen die Sozialfürsorge in seiner Pfarrei organisieren sollte. Wenn die in der Kirche eingenommenen Spenden nicht ausreichten, "muss er in Begleitung einiger guter Nachbarn zu den Häusern der Reichen gehen, um [um Geld] für [die Armen) zu bitten". Und bei der Verteilung müsse er darauf achten, "dass kein Almosen dort gegeben wird, wo man nicht muss, und es dort weggenommen wird, wo es nötig ist" . 139 Diaz de Luco zitierte mit Vorliebe die Bibel und die Kirchenväter, um seine Aussagen in diesem ersten Teil des Kapitels zu begründen. Bei seinen Ausführungen erkennt man jedoch einmal mehr den Einfluss der Theorien scholastischer Theologen wie Francisco de Vitoria und die Nuancen eines nur indirekt von Vives beeinflussten Denkers. Man bekommt den Eindruck, dass Luco in seinem Ratgeber für Pfarrer die an der Universität von Salamanca erworbenen und durch seinen persönlichen ideologischen Raster filtrierten theologischen Kenntnisse über das göttliche Gebot der Caritas weitergab. Wie die spätscholastischen Autoren erwähnte Luco den Überfluss bei den Reichen und den Mangel bei den Armen als Bedingungen für die Almosenpflicht der Ersteren. Denn nur dann galt die naturrechtliche 138 "[ ... )pues peccan mortalmente quando ay necessidad extrema en algunos, y no Ia remedian ".Ebd . 139 Ebd., F. CXVIIr. <?page no="232"?> 222 Catalina de Foncea und ursprüngliche Gütergemeinschaft statt das sekundäre und auf menschlicher Konvention basierende Recht des Privateigentums. Wie Francisco Vitoria betonte auch Luco, dass die Reichen nicht auf die unmittelbare Todesbedrohung der Armen warten dürften, um ihnen zu helfen. In seiner Auslegung der von den Thomisten formulierten Lehre des Mangels und des Überflusses als Voraussetzungen für die Almosenpflicht war Luco bemüht, den Pfarrern möglichst klare Richtlinien zu geben, statt sie mit theoretisch brillanten Formulierungen zu beeindrucken. Wichtig war ihm unter anderem, seinen Lesern zu zeigen, dass Almosen nicht jederzeit und für jeden Bettler verteilt werden sollten. Luco ging mit seinen Ratschlägen in diesem Kapitel über die Stufen der Verarmung weiter. Die nächste Stufe bildete die extremste Verelendung der armen P{arrkinder bei ungenügender Hilfeleistung der Reichen. Die äusserst bittere Not müsse der Pfarrer mit aussergewöhnlichen Mitteln bekämpfen. Er solle den Bischof über die Lage in der Pfarrei informieren, der "als universeller Vater der Armen seiner Diözese" verpflichtet sei, ihnen mit seinen Renten Unterstützung zu gewährenhier beruft er sich auf den Klassiker der Kanonistik, Gratian. Luco war sich bewusst, dass er einen gewagten Rat erteilte, als er schrieb: wenn der Pfarrer sieht, dass trotz aller dieser Massnahmen immer noch bei einigen Pfarrkindern Lebensgefahr besteht und dass die Kirche einige Objekte aus Silber besitzt, durch deren Verpfändung man das Leben der Armen oder einigen von ihnen retten könnte, soll er den Prälaten oder seinen Vikar benachrichtigen, um die Erlaubnis dafür zu bekommen, und wenn er sieht, dass [darauf zu warten] gefährlich ist, soll er es tun und den Armen helfen. 140 Das solle er auch in der Kirche verkünden, damit sich die Reichen schämen und deshalb helfen. Sie sollen den ArmenUnterstützung gewähren, wenn es nötig ist, statt zu ostentativen Zwecken, wenn sie wollen. 141 Nach diesem Exkurs über Lucos Soziallehre kann man die Frage beantworten, inwiefern seine Meinungen über den moralischen Wert der Arbeit und über die Almosenvergabe den in den Zeugenaussagen beschriebenen Haltungen gegenüber Catalina de Foncea entsprachen. Die Verhaltensweise der Laien aus Castaiiares, die in einer nicht besonders kritischen Wirtschaftslage Catalina de Foncea Gelegenheitsarbeiten anboten, musste nach dem von Luco geförderten Arbeitsethos als moralisch richtig angesehen werden, denn die reichen P{arrkinder sollten Arbeitsplätze schaffen und durften daraus Gewinn ziehen. Dass der PfarrerDiegode lreta hingegen als einziger Zeuge betonte, Catalina Almosen gegeben zu haben, ohne jedoch besondere sozialfürsorgliche Massnahmen getroffen zu haben, stimmte 140 Ebd., f. CXIXr-CXIXv, CXXr. Luco stützt sich hier auf den Kirchenvater Ambrosius von Mailand. Anhang SO . 141 Ebd. <?page no="233"?> Die Krankheit und ihre sozialen Folgen 223 auch mit Lucos Vorschriften für pfarrer in einer nicht besonders dramatischen sozialen Lage überein. 142 Und wenn Diego oder seine Kollegen diese Kapitel des bischöflichen Ratgebers aufmerksam gelesen hatten, muss ihnen Lucos Anliegen aufgefallen sein, dass die Kleriker eine besondere Verantwortung für die Armen und die Bettler trugen. Die Kontrolle der Bettler und die Almosenvergabe sollte nach Lucos Auffassung dem Pfarrer zustehen, und dieser sollte sich immer um die Armen kümmern. Hingegen wäre es ein falscher Schritt von Diego de Ireta gewesen, Catalina eine Arbeit als Dienerin anzubieten, denn Luco empfahl den Pfarrern eine äusserst grosse Vorsicht, um Gerüchte über ihre Beziehungen zu Frauen zu vermeiden und selbstverständlich, um das priesterliche Zölibat einzuhalten. 143 Nach der Veröffentlichung vonAuiso de curas 1543liess Lucos Interesse an der Armutsfrage nicht nach. Er kaufte beide Werke, sowohl dasjenige von Soto wie dasjenige von Robles. 144 Er veröffentlichte eine kurze Abhandlung mit dem langen Titel: Karitative Doktrin und Ermahnung, in der gezeigt wird, dass es nicht zulässig ist, dass die reichen Christen mit dem, was ihnen übrig bleibt, den jetzt vor ihnen lebenden Armen nicht helfen, um es zu behalten, um den zukünftigen [Armen} zu helfen. (Doctrina y amonestacion charitativa por Ia qua! se demuestra no ser cosa licita que los christianos ricos dexen de socorrer a los que tienen presentes por guardarla para remediar a los venideros)1 45 • Luco richtete sich hier an die Laien statt an die Kleriker. Die Doctrina stand im Einklang mit seinen Ausführungen für die pfarrer über die Wohltätigkeit in Zeiten der Not. Er plädierte für eine rationalisierte und sorgfältige Verwaltung von Spitälern und anderen karitativen Einrichtungen. Luco übte ferner eine scharfe Kritik an den ostentativen Wohltätigkeitsformen, die nicht darauf gerichtet seien, den Armen in schwierigen Zeiten zu helfen, wenn die Not sehr verbreitet sei, sondern von anderen Faktoren abhingen. Besonders unangebracht fand er die in den Testamenten ve rordneten Schenkungen anBettler-eine seit dem Spätmittelalter zunehmend verbreitete Sitte. 146 Den Reichen legte er besonders nachdrücklich ans Herz, grosszügig und mildtätig mit den Armen in Notzeiten zu sein. Einmal mehr zeigte er seineNeigungzum Kompromiss zwischen der traditionellen Doktrin der Nächstenliebe und ihrer Revision. 142 Darüber zu urteilen, wie schlimm dies e war und welcheMassnahmen zu treffen waren, blieb schliesslich der Einschätzung des Pfarrers überlassen. 143 Luco, Auiso, f. Lv- Lir. 144 Marin, Einführung zu Soliloquio, S. 123, Anm. 262; Ders., Biblioteca, Nr. 240, 265. I4S Ich habe eine handschriftliche Kopie aus dem 18. Jahrhundert mit der Signatur 6371 in der Biblioteca Nacional de Madrid gelesen, die nach Marin mit der veröffentlichten Ausgabe vo n 1553 übereinstimmt. Die erste (und verlorengegangene) Ausgabe erschien 1547. Marin, Einführung zu Soliloquio, S. 114. 146 G eremek, Armut, S. 222. <?page no="234"?> 224 Catalina de Foncea 1554 unternahm Luco einen Schritt, um der Armenfürsorge eine feste Grundlage in seiner Diözese zu schaffen. Er verkündete eine Unterweisung für die Armenkästen der Barmherzigkeit dieses Bistums von Calahorra. (Instrucci6n para las Arcas de Misericordia de este Obispada de Calahorra) Lucos Absicht bestand darin, das Funktionieren einer schon bestehenden Einrichtung zu reglementieren und sie zugleich zu fördern. Die Truhen der Barmherzigkeit waren von Mitgliedern der Obrigkeit gestiftete Truhen mit Weizen, "mit denen man den bedürftigen Leuten in schwierigen Jahren helfen kann". 147 Die Armutsdebatte lässt erkennen, dass sich die Wahrnehmung der Bettelei im 16. Jahrhundert verändert hatte. Sie wurde als ein gefährliches Phänomen empfunden; der Müssiggang wurde von den Verfechtern der Reformen der Sozialfürsorge als sündhaft betrachtet. Die Caritaslehre musste sich an eine neue gesellschaftliche Situation anpassen, in der von beunruhigten Bürgern eine stärkere Kontrolle der Bettler durch die Kirche oder durch den Staat verlangt wurde. Aber auch das Phänomen selbst und die Verarmungsprozesse, die dazu führten, waren im Wandel begriffen. Spanien nahm am Entstehungsprozess der frühkapitalistischen Gesellschaft teil. Der Handel mit Amerika und nicht nur der Zustrom von Edelmetallen aus den Kolonien hatten erhebliche Auswirkungen in dieser Hinsicht auf die wirtschaftliche Situation. 148 In der älteren Historiographie wurd e d er Beginn des wirtschaftlichen Niedergangs Spaniens schon in der ersten Hälfte des Jahrhunderts angesetzt, und man sprach von einer sehr früh verbreiteten Verelendung auf dem Land, die zur Auswanderung in die Städte führte. Cavillac 149 und Geremek 150 sind immer noch von dieser Interpretation der wirtschaftlichen -Lage ausgegangen, um die Entstehung der Gesetzgebung und die besondere Zuspitzung der Debatte unter den spanischen Gelehrten nach 1540 zu erklären. Sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Monographien über einzelne Städte und Ge biete Kastiliens haben jedoch seit den 1960er Jahren gezeigt, dass die schwere Wirtschaftskrise und der wirkliche Niedergang je nach Gebiet erst in den 1570er oder 1580er Jahren anfing und sich gegen Ende des Jahrhunderts noch verschärfte. 151 Auch periphere Gebiete wie Galicien weisen ebenfalls diese wirtschaftliche Entwicklung im 16. Jahrhundert auf, obwohl sie weni- 147 "[ . .. ]con que las personas necesitadas en los aii.os trabajosos se pudiesen remediar[ .. .]". Zitiert nach Marin, Einführung zu Soliloquio, S. 124. 148 Bennassar, Siede, S. 103-130, 180-183. Die Folgen der tiefgreifenden Krise vom Ende des 16. Jahrhunderts und des 17. Jahrhunderts auf die ganze Gesellschaft und insbesonders auf die zeitgenössische Literatur wird von E. Geisler am Beispiel des Werkes von Francisco de Quevedo (1580-1645) dargelegt. 149 Cavillac, Herrera, S. LXXIX-CXXIX. ISO Geremek, Armut, S. 110, 117, 133, 149-150, 183-186, 227. 151 Bennassar, Si ed e, S. 103-114, 123-137. <?page no="235"?> Die Krankheit und ihre sozialen Folgen 225 ger stark von den Vorteilen des Siglo de Oro profitieren konnte, als der Süden und das Zentrum der Iberischen Halbinsel. 1 s 2 Was die ländlichen Gebiete der Rioja betrifft, kann man von derselben Tendenz sprechen. Im besser erforschten, aber naheliegenden und in Hinsicht auf die Wirtschaft und die Gesellschaft vergleichbaren Gebiet der Bureba (in der heutigen Provinz Burgos) hat Francis Brumont die allgemein positive Entwicklung bis in die 1570er Jahre nachgewiesen. Santo Domingo und seine Umgebung entzogen sich ihr nicht. 1S3 Vorher wiederholten sich in unterschiedlichen Zeitabständen konjunkturelle Krisen (1504-1506, 1527-30, 1540-41, 1551-58 und 1575-78 sind die bedeutendsten in Spanien) wie in den übrigen westeuropäischen Ländern. In diesen Krisenjahren fandengrosse Abwanderungsbewegungen hungernder Bauern in die Städte statt. Von einer allgemeinen Verarmung der Landbevölkerung und von einem Trend zur Entvölkerung der ländlichen Gegenden kann trotzdem noch nicht die Rede sein, noch weniger von einer Krise der städtischen Wirtschaft. Die Gesetzgebung von 1540 ist vielmehr auf den Druck der Städte zurückzuführen, in denen die Arbeitgeber der Textilmanufakturen ein grosses Interesse an niedrigen Löhnen hatten (Avila, Segovia, Cuenca oder Toledo) und die öffentliche Meinung dieser Städte massgeblich beeinflussten sowie auf deren Unterstützung durch Vertreter der grossen Handelszentren wie Sevilla und Burgos in den Cortes . Die Arbeitgeber hofften, durch ein Bettelverbot und weniger Ausgaben für die Sozialfürsorge über mehr Arbeitskräfte zu verfügen, was die Löhne drücken würde. 1 s 4 Es ist kein Zufall, dass der Erasmist aus Toledo, Alejo de Venegas , die Ideen von Vives so schnell rezipierte und verbreitete. Bei Luco darf man nicht vergessen, dass er lange Zeit in dieser Stadt lebte 1 ss und auch bis zu seiner Ernennung als Bischof unter dem Einfluss dieses Arbeitgebermilieus stand. Hingegen zeigte sich die Obrigkeit anderer Städte wie Valladolid, die ihren Reichtum hauptsächlich ihrer Rolle als Hauptstadt Spaniens verdankte, weniger geneigt zu repressiven Massnahmen gegen Bettler. 1 s 6 Valladolid, eine Stadt, die Luco wegen seiner Aufgaben in der Staatsverwaltung häufig besuchte, konnte sich zahlreiche karitative Institutionen leisten, und man war stolz darauf, wie der Dichter Damaso de Frias zu verstehen gab. Domingo de Sotos Haltung erinnert an manchen Stellen an dieses Verständnis der Obrigkeit, die bei gewissen öffentlichen Anlässen die Armen sogar als einen Luxus empfand und sie vermissen konnte: Und wer bezweifelt sonst, dass das Aussehen und das Geschrei der Armen an den hohen Festen, insbesondere in der Karwoche, die Herzen weich 1S2 Gelabert, Santiago,S. 115-184, 270-317. 1S3 Brumont, Campo, S. 80-90, 142-150; ders., Rioja, S. 245 . 154 Bennassar, Siede, S. 195-202. 1SS Marin, Diaz de Luco, S. 750-751. 156 Bennassar, Valladolid, S. 435-451. <?page no="236"?> 226 Catalina de Foncea macht, um das Leiden Christi mitzufühlen. Letztes Jahr [als die Armenverordnungen durchgeführt wurden] hörteich von vielen, dass die Karwoche ohne Arme nicht anders als wie ein Fest ohne Musik aussah. 157 Nach der Behandlung der am Anfang formulierten Thesen lässt sich feststellen, dass die klerikale Wahrnehmung von Catalinas Fall den Verlauf des Prozesses wesentlich beeinflusste. Aus Catalinas Sicht war ihre Tätigkeit als Bettlerirr nur einer der Versuche, ihre existentiellen Probleme zu lösen. 7.2.2.3 Catalina im Wirtshaus "Mari G6mez, valenciana": Mari G6mez wird in den Quellen immer vom Schreiber so genannt. Nicht Marfa, sondern nur Mari. Und danach "Valencianerin".158 Sie war eine fremde Wirtin aus dem Südosten, wo die maurische Bevölkerung am stärksten in Spanien vertreten war und wo andere kulturelle Werte galten als im Norden. 159 Man erkannte ihr in Casalarreina eine eigen~ öffentliche Identität als Frau zu, denn ihrNamewurde meistens mit ihrem Herkunftsort und mit ihrem Beruf ("mesonera") in Verbindung gebracht, statt mit dem Namen ihres Mannes wie bei den meisten verheirateten Frauen. Von ihrem Ehemann erfuhr man im Verhör nur, dass er Alonso Garcfa hiess und abwesend war. 160 Mari stellte als Wirtin auf dem Land keine Seltenheit dar. In der Bureba fand man an mehreren Orten Witwen, die etwas Land bebauten und einen Nebenverdienst mit der Führung eines Wirtshauses erwarben. Auch unter den Bauern gab es zahlreiche Wirte, für die das Wirtshaus nur eine zusätzliche Einnahmequelle bedeutete. Wenige besassen eine grosse Gaststätte, und nur ganz wenige von ihnen galten für die Steuerbeamten als vermögende Bauern. Die wichtigen Wirtshäuser lagen meistens an den Hauptverkehrsachsen. 161 Casalarreina lag jedoch nicht am Pilgerweg nach Santiago de Compostela, und Maris Wirtshaus war wahrscheinlich nicht so gross wie diejenigen an der Hauptstrasse der Gegend. Aber sie kann nicht unter den Ärmsten und Unterprivilegiertesten gewesen sein, weil sie es sich dank ihrem Vermögen oder dank ihren Beziehungen leisten konnte, den Arzt und den Chirurgen der Herzogin von Frfas zu rufen, um Catalinas Wunde pflegen zu lassen. Ihre Nachbarin, Mari Martfn, die Frau, die Catalina de Foncea als Erste getroffen hatte, als sie nach ihrer Heilung nach Casalarreina zurückkehrte, war mit dem Koch der Herzogin verheiratet. Maris Sohn Francisco zu erziehen, muss keine leichte Aufgabe für Mari G6mez gewesen sein. Er hatte Catalina ernsthaft verletzt. Wie die Richter 157 Soto, Deliueracion, Kap. XI. Anhang 50. 158 Riojanische Bauern arbeiteten im Winter in Valencia. Brumont, Rioja en el siglo, S. 34. Der Mann von Mari scheint aber nicht mehr mit ihr gelebt zu haben. 159 Vazquez de Prada, Historia, S. 268-281. 160 f. 12r. 161 Brumont, Campo, S. 164-165; Vassberg, Village, S. 129- 137. <?page no="237"?> Die Krankheit und ihre sozialen Folgen 227 vom Chirurgen Pedro de Llodio später erfuhren: "Diese Verletzung wurde ihr mit der Spitze eines Messers beigefügt, das die Haut und das Fleisch durchstach, und diese Verletzung war am linken Bein". 162 Mari musste bei der Antwort auf die dritte Frage über den Angriff berichten: Auf die dritte Frage antwortete sie, dass das, was sie über diese Frage weiss, ist, dass wie sie gesagt hat, als Catalina stumm war, der Sohn derjenigen, die aussagt, der Francisco heisst, derungefähr acht oder neun Jahre alt sein kann [der Satz fängt hier wieder an] die besagte Catalina und der besagte Fraucisco stritten und der besagte Francisco sie aus Wut mit einem Messer am Oberschenkel verletzte, das er ihr mit der Spitze nach vorne warf, so dass es ein starker Schlag war, in dessen Folge Catalina weinte, indem sie sich als Stumme beklagte, ohne ein Wort zu sprechen. 163 Mari G6mez wollte die Tat ihres Sohnes als entschuldbar darstellen, indem sie bei ihrer Beschreibung der Umstände bestimmte Gegebenheiten betonte und andere beiseite liess. So sagte sie, dass Francisco nur acht oder neun Jahre alt warstatt ein höheres Alter wie elf oder zwölf anzugeben und ihn nicht mehr als Kind darzustellen -vielleicht um seine Zurechnungsfähigkeit herunterzuspielen. 164 Und sie hob hervor, dass ein Streit zwischen den beiden stattgefunden hatte, um einen Teil der Schuld auf Catalina zu schieben. Dass Francisco das Messer "aus Wut" geworfen hatte, muss Mari auch als einen weiteren Entschuldigungsgrund aufgefasst haben, obwohl der Zorn auch in Form des plötzlichen Wutausbruches nach dem kanonischen Recht eine der sieben Todsünden war. 165 Weshalb musste Mari G6mez ihren Sohn und in einem gewissen Sinn auch sich selber verteidigen? Weshalb wollte Bernardino de Sesma diese Frage mit so vielen Einzelheiten über die Verletzung an alle Zeugen und insbesonders an sie stellen? Auf den ersten Blick handelte es sich einfach um eine weitere Situation von Schmerzen, Leid und Qual für Catalina, die ihre Stummheit noch einmal beweisen sollte, weil sie trotz allem nicht gesprochen hatte. Dasselbe hätte man aber von der Szene der Verprügelung von Castaii.ares sagen können, nur stellte Bernardino in jenem Fall keine so eindeutige Frage wie über Franciscos Angriff, und die Richter fragten auch nicht weiter, wenn die Zeugen über die Tat der Burschen redeten. Hinzu kommt, dass die P{arrer über den Angriff gegen Catalina mit den Pfarrkindern redeten, kurz nachdem es geschehen war, wie die Aussage von Barto- 162 "La qua! herida le fue hecha con vna punta de vn cuchillo que penetro cuero y carne, Ia qua! herida fue en Ia pierna yzquierda". f. 14v. ! 63 f. 12v. Die Wörter zwischen eckigen Klammern befinden sich nur in der Handsch.rift des Aktenbündels 7.2., das heisst im Original, aber nicht in der Kopie in originaler Uberlieferung des Aktenbündels 7.3. Anhang 50. 164 Die übrigen Zeugen, die die Geschichte kannten, sprachen von einem "muchacho", was sowohl Kind wie junger Bursche bedeuten konnte. f. 8v, 9v . 165 Davis, Kopf, S. 51. <?page no="238"?> 228 Catalina de Foncea lome, dem Hidalgo, bewies: Gonzalo Davalos hätte es ihm erzählt, sagte er. 166 Der Grund für dieses besondere Interesse am Streit bei Mari G6mez muss auch in der Haltung der Kleriker gegenüber einer eigenständigen Frau, die ohne ihren Ehemann lebte, aber vor allem gegenüber den Wirtshäusern gesucht werden, weil sie kommunikationstiftende Institutionen bildeten, die häufig mit den Kirchen in Konkurrenz standen. 167 Die Kleriker sahen sie seit dem 15. Jahrhundert mit vermehrtem Missfallen, 168 und diejenigen aus Santo Domingo de la Calzada bieten eines der besten Beispiele für die insbesondere im 16. Jahrhundert verschärfte klerikale Kritik gegen solche Treffpunkte, welche nach klerikaler Meinung die Zügellosigkeit begünstigen und Unruhe stiften. Am liebsten erzählten die Kleriker von Santo Domingo denJakobspilgern eine Version des seit dem Hochmittelalter entlang des Jakobsweges bekannten Galgen- und Hühnerwunders. Sie war ein Bestandteil der Identität der Stadt geworden und wurde manchmal dem HeiligenJakobus und manchmal dem Heiligen Domingo zugeschrieben. 169 Man darf sich durch ihre moralischen Vorurteile nicht täuschen lassen. Mehrere Tatsachen sprachen dafür, dass Mari die Catalina nicht so schlecht behandelt hatte, wie Bernardino de Sesma es durch seinen Fragebogen durchblicken liess . Catalina war bei Mari sechs Monate geblieben, länger als bei den früheren Dienstherren, die sie nach drei oder vier Monaten entlassen hatten. Catalina kam nach ihrer Heilung an Castaiiares vorbei, wo sie "ins Haus von Lope Saenz de Corral ging und ihnen nichts sagte", und ging weiter nach C asalarreina, um Mari das Ereignis zu erzählen. Sie suchte sie bei Mari Martfn ("Frau Mari Martin, ist meine Herrin hier? ") und fand sie schliesslich bei einer anderen Nachbarin (Osana). Da freute sie sich, ihrüber ihre Heilung zu berichten: "Oh, Frau Mari G6mez, ich spreche, ich komme vom glorreichen heiligen Körper des Herrn Heiligen Domingo"Y 0 Beide Frauen hatten sich schon früher verstanden, zumal Mari die einzige Zeugin war, die sich da rum bemüht hatte, Catalinas Zeichensprache zu entziffern. So hatte Catalina ihr ihre Krankheitsgeschichte erzählen können: Auf die fünfte Frage antwortete sie, dass die besagte Catalina de Foncea, während sie mit dieser Zeugin die besagte Zeit lebte, ihr mit Zeichen alles erzählte, was die Frage erwähnt, indem sie Zeichen machte, als ob sie mähen würde, und wie die Arme der anderen Leute, die mit ihr auf dem Stoppelfeld waren, gelähmt wurden; und alles, was sie damals mit Zeichen erklärte, sagt sie jetzt und spricht darüber. 171 166 f. 9v. 167 Schenda, Mund, S. 90-102. 16 8 Delumeau, EI catolicismo, S. 179; Vigarello, Wasser, S. 43-46. 169 Vgl. Kapitel6. 170 Vgl. 7.1.2. 171 f. 12v. Mari beschränkte sich bei ihrer Antwort nicht darauf, die in der Fra ge enthaltenen Informationen zu wiederholen. Sie präzisierte z. B., dass die Arme der Arbeiter gelähmt waren, wie C atalina ausgesagt hatt e. Anhang 50. <?page no="239"?> Die Krankheit und ihre sozialen Folgen 229 Catalina hatte Mari darüber hinaus ihren Wunsch mit Zeichen erklärt, eine Novene in der Kirche des Heiligen Domingo zu halten. 172 Ausserdem gab sich Mari nicht damit zufrieden, den Arzt und den Chirurgen zu rufen. Sie pflegte Catalina nach ihrer Verletzung mehrmals ("la [...] euro muchas veces"). 173 Aus verschiedenen Gründen muss sich also Catalina im Wirtshaus integrierter gefühlt haben als vorher, obwohl sie nicht immer dieselbe Ansicht vertrat wie Mari gerade in Bezug auf die Mediziner - und ihre Beziehung zu Francisco nach dem Angriff schlecht war . Während der Einvernahmen blieb unklar, welche Arbeiten Catalina für Mari G6mez verrichtete. Die Wirtin gab nur an, Catalina habe ihr als Magd gedient ("la seruia de criada"). 174 Man kann sich vorstellen, dass Catalina auch Gästen aufwarten musste. Dass Mari G6mez jedoch dies nicht erläuterte, hing vielleicht damit zusammen, dass die Anstellung junger Frauen zu diesem Zeck in einem Wirtshaus durch die Obrigkeit missbilligt wurde . Die Gesetzgeber verboten solche Anstellungen ab 1604 ausdrücklich, um den sexuellen Missbrauch junger Frauen zu verhindern: " dass die Frauen, die sie haben und anstellen mögen, mindestens vierzig Jahre alt sein sollen; diese sollen sie als Mägde haben, und sie sollen ihnen ihren Lohn und das Essen bezahlen; und die anderen Frauen dürfen keinen (Wein] verkaufen". 175 Catalinas Sexualleben wird in den Prozessakten völlig ausgeblendet. Wie wurde sie von ihrem Vater behandelt, als sie mit ihm zusammen lebte, als sie wahrscheinlich im selben Raum schlief, bis sie fünfzehn Jahre alt war? Wie verhielt sie sich beim damals üblichen Zusammenschlafen mit den anderen armen Frauen in Castaiiares? Hatte Lope Saenz de Corral eine Beziehung zu ihr, und fand er es deshalb völlig normal, dass sie ihm ihre Wunde am Oberschenkel zeigte ? 176 Muss man ein Bewusstsein für Verstösse gegen die kirchliche Sexualmoral bei allen Laien in einer Gesellschaft vermuten, in der noch vielen ziemlich unklar war, welche Normen die katholische Kirche in diesem Bereich vertrat, wie die Aussagen mehrerer Zeugen aus dem Norden der Diözese dem Baskenland und angrenzenden Gebieten -vor dem Inquisitionstribunal von Calahorra in den 1540er Jahren bewiesen? 177 Worin bestand genau Catalinas Arbeit bei Mari G6mez? Es ist anzunehmen, dass sie verschiedene sexuelle Erfahrungen gemacht hatte. Es wäre jedoch verfehlt, nach dem damals verbreiteten männlichen Vorurteil gegen Spitalange- 172 f. 13r. Vgl. 7.3.2. 173 f. 12v. 174 f. 12r. 175 "[ ...] que las mujeres que tuvieren y recibieren hayan deserde edad de cuarenta aiios y de ahi arriba, los [sie] cuales tengan por criadas, dandoles su salario y comida, y las otras mujeres no lo puedan vender[...]". Zitiert bei Herrero, S. 107. 176 f. 8v. 177 Redondo, Les empechements, S. 51-55. <?page no="240"?> 230 Catalina de Foncea stellte Catalina der Hurerei zu verdächtigen. Die "coplas de comadres" widerspiegelten diese Betrachtung der Spitalangestellten als Sexualobjekt: Oder: "Denn da trabt sie Konvente dahin/ Sancha, die Spitalangestellte,/ Kerzenträgerinnach Hure,/ die bereits nach·allen Richtungen hingeht,/ verkuppelt/ mit falscher und geheimer Sprache/ und ist eine sehr gute Kupplerin. 178 "Sie war Strassendirne/ dann war sie Hure/ Verkäuferin undBäckerin/ und Spitalangestellte war sie auch" 179 Die Richter gingen im Wunderprozess nicht darauf ein. Sie wollten diese Fragen nicht stellen. Bernardino de Sesma, der Vikar des Bischofs und der Stadtrichter verfuhren ganz anders als das Inquisitionstribunal von Calahorra in den 1540er Jahren, weil sie andere Ziele verfolgten. Schliesslich waren die in dieser Beziehung sehr eifrigen Inquisitoren aus Calahorra von den zentralen Verwaltungsgremien der Inquisition 1548 mehr oder weniger deutlich dazu aufgefordert worden, sich nicht mehr um die Sitten der ländlichen Bevölkerung in den entfernten Gegenden des Baskenlands zu kümmern und ihre Forschungen auf jeden Fall einzustellen, bis sie einen Gegenbefehl bekommen würden: Was Euer Schreiben, Herren, betrifft, über das, was man im Zusammenhang mit den Inzesten für den Dienst unseres Herren seitens des Heiligen Offiziums [Inquisition] zu tun wäre, weil in diesem Distrikt eine grosse sittliche Zerrütung herrscht, insbesondere in den Bergen in sehr nahen Graden [Inzest], sowie über das Verlangen von Breven [päpstlichen Sendschreiben], um gegen das unaussprechliche Verbrechen [die Homosexualität] vorzugehen, wie es die Inquisition des Königreichs von Aragon tut, hat man aus diesem Rat gesch_rieben, dass man darüber beraten wird und dass man darauf aufpassen wird, das Geeignetste für diese Situation zu entscheiden, und Ihr werdet, Herren, über das informiert werden, was beraten wird, und bis dahin sollt Ihr nichts mehr darüber berichten. 180 178 "Pues alla trota conventos/ Sancha Ia hospitalera/ despues de puta, cand elera,/ que ya sale a todos los vientos/ anda a traer casamientos I con falsa habla secreta/ y es muy fina alcahueta". "Trotaconventos" bedeutet ausserdem Kupplerin. "Candelera" ist auch die Bezeichnung für die "candelaria" oder Mariä Reinigungsfest (Mariä Lichtmess), an dem Prozessionen mit Kerzen stattfanden. E. Perry analysiert die Beziehungen zwischen dem symbolischen Ideal der Jungfräulichkeit und der Realität der Prostitution in der religiösen Welt von Sevilla im 16. Jahrhundert. Perry, Ni espada, S. 41-59. 179 "Ha andado al partido/ despues ha sido ramera/ vendedora y hornera/ y hospitalera ha sido". Zitiert bei Rojo, Enfermos, S. 91. 18° Zitiert bei Redondo, Les empechements, S. 53, Anm. 119. Anhang 50. <?page no="241"?> Die Heilung 231 7.3 Die Heilung 7.3.1 Die Wege zu den Heilern Bis anhin wurde unter anderem gezeigt, welches Bild Bernardino de Sesma von Catalina de Foncea vermittelte, sei es in seiner Bitte vor dem Kapitel der Kathedrale oder in seinem Fragebogen für die Zeugen: Catalina wurde als eine ehrliche, kranke Bettlerin dargestellt, die Gelegenheitsarbeiten akzeptierte, wenn sie ihr angeboten wurden. Ich habe auch betont, welche Erfahrungen Catalinas vor ihrer Heilung die Richter näher untersuchten wie zum Beispiel den Angriff im Wirtshaus - und welche sie weniger genau berücksichtigten wie die Prügelei durch die Burschen von Castaiiares. Bernardinos Versionen von Catalinas Vorgeschichte und die dadurch geprägten Auffassungen der Richter entfernten sich an gewissen Punkten von der an den Zeugenaussagen erkennbaren Realität: am deutlichsten in Bezug auf Catalinas Beziehung zur Wirtin Mari G6mez, bei der sich Catalina nicht so unwohl fühlen konnte, wie die Kleriker vermuteten. Im Folgenden geht es einerseits darum, die fiktionalen Elemente herauszufinden, die Bernardino mehr oder weniger bewusst und mit mehr oder weniger Kenntnis des Sachverhaltes in seine Erzählung über Catalinas Begegnung mit den Medizinern und über ihre Wallfahrt zum Heiligen Domingo einbaute. Andererseits werde ich verschiedene Zeugenaussagen vergleichen, um der historischen Wirklichkeit näher zu kommen, die hinter diesen Aussagen steckt, auch um zu zeigen, an welchen Punkten Bernardinos Version davon abweicht. Dabei wird berücksichtigt, in welchen Fällen die Richter nach mehr Informationen fragen und bei welchen sie kein Interesse an den von den Zeugen angeschnittenen Themen zeigen. Catalinas Handlungsweisen und die Reaktionen der Zeugen stehen also im Mittelpunkt der zu erforschenden historischen Wirklichkeit. Bernardino behauptete in seiner Bitte vor dem Kapitel der Kathedrale: und obwohl s ie für die Wiedererlangung ihrer Gesundheit viele Aerzte gefragt und aufgesucht hatte, von denen keiner sie heilen konnte[...] Er unterstrich damit Catalinas Wunsch, gesund zu werden, und ihre Bemühungen darum, Heiler aufzusuchen. Dann erzählte er weiter: und nicht einmal der Doktor Cartajena, der Arzt der Herzogin von Frias, und ein gewisser Chirurg der Kleinstadt Haro und [ein anderer] von Zarraton konnten sie besonders gut heilen, und so, als ob sie in Ermangelung ihrer Gunst wäre, kam sie zum Grab des Herren Heiligen Domingo. 181 181 Vgl. Bernardino s Bitte in 7.1.1. <?page no="242"?> 232 Catalina de Foncea Anders ausgedrückt: Erst nachdem der Arzt oder Physicus (" medico", "ffsico", "doctor"), der Chirurg und der Bader festgestellt hatten, dass sie Catalina nicht h eilen konnten, kam sie in die Kirche. Bernardino gab damit zu verstehen, dass die Heiler alles getan hatten, was sie tun konnten, aber dass sich Catalinas Heilung für Menschen immer als unmöglich erwies. Er erläuterte jedoch nicht, ob die Heiler nur eine Diagnose gestellt oder ob sie Catalina behandelt hatten. Bernardino schien davon auszugehen, dass die drei Mediziner je nach Ausbildung und Erfahrung genug qualifiziert waren, um Catalina zu behandeln, denn "nicht einmal" sie hatten Catalina heilen können. 182 Bernardino erwähnte zunächst den Arzt, dann die zwei Chirurgen. 183 Der Schreiber präzisierte noch mehr: Den ersten Chirurgen, Pedro de Llodio, nannte er "Meister" ("maestre") oder "Chirurg" ("cirujano"), 184 während er den zweiten, Juan Crespo, niedriger einstufte: "Barbier" ("varbero") genügte für ihn, obwohl sichJuan selber als Chirurg bezeichnete. 185 Bernardino und der Schreiber beachteten eine Rangordnung von legitimen Heilem, die bei der Kirche, dem Staat- und natürlich den Ärztensehr beliebt war. Ärzte, Chirurgen und Barbiere waren einige der Kategorien, mit denen der frühneuzeitliche Staat versuchte, eine Heilerhierarchie aufzubauen 186, nach der man Legitime und Illegitime, Gebildete und Ungebildete, Professionelle und Laien voneinander unterscheiden sollte 187• So verzeichneten die Steuerbeamten von Philipp II. in der Bureba nur einen Arzt und einen Chirurgen in der Stadt Pancorbo, aber zwölf Barbiere in kleine ren Ortschaften.188 Der Unterscheidung von Bernardino und dem Schreiber zwischen Arzt, Chirurg und Barbier lagen ähnliche Kriterien wie denen der Beamten zugrunde: Universitäre Ausbildung, Abschluss einer Lehre oder Zunftzugehörigkeit verliehen in ihren Augen den Zeugen den Status von Fachleuten. Was erfährt man in den Zeugenaussagen über Catalinas Weg zu den Heilern und über ihre Begegnungen mit ihnen? Catalina begegnete dem ersten Heiler erst nach ihrem kleinen sozialen Aufstieg von der Bettlerio zur 182 Dasselbe gilt für seine vierte Frage im Fragebogen: "Item, ob sie wissen und warum, dass die lange Zeit, in der sie stumm war, ihre Zunge an einem Teil des Mundes völlig klebte. Und dass es unmöglich schien, sie zu trennen oder zu heilen, obwohl Chirurgen und andere Leute sie sahen und es versuchten, da sie so stark klebte" . Vgl. 7.1.3. 183 Weshalb der Doktor Cartajena nicht einvernommen wurde, kann man den Quellen nicht entnehmen. Schon als die Richter die Zeugen vorluden, stand sein Name nicht unter ihnen. f. 4v. 184 f. 14v. 185 f. 13v-14r. 186 Die katholischen Könige machten die ersten Schritte in dieser Richtung und stiessen zum Teil auf den Widerstand der Zünfte in verschiedenen Städten. 18? Zu diesen Begrenzungen und ihrer beschränkten Gültigkeit in der Gesellschaft des Ancien Regimes vgl. Duden, H aut, S. 90-99. 188 Brumont, Campo, S. 178-180, 308-311. <?page no="243"?> Die Heilung 233 Magd. 189 Als sie Lope Saenz diente, rief er (der Dienstherr und nicht sie die Magd! ) den Barbier Juan Crespo zu sich nach Hause, damit dieser Catalinas Zunge untersuchte. Lope selber sah dabei ihre Zunge: Auf die vierte Frage [nach dem Zustand von Catalinas Zunge] antwortete dieser Zeuge, das, was er über die Frage wisse, sei dies: Er sah, dass ihre Zunge festgeklebt war, so wie die Frage es sagt, als die besagte Catalina de Foncea bei ihm gelebt habe und stumm gewesen sei, wie gesagt wurde, das habe er selbst gesehen, und der Zeuge habe, als die oben Erwähnte bei ihm gelebt habe, einen Chirurgen geholt, um zu sehen, ob man ihre Zunge lösen könnte, und so habe er dann Juan Crespo geholt. 190 Es ist bezeichnend, dass Lope Saenz den Barbier zu sich nach Hause kommen liess und dass Catalina ihn nicht selbst aufsuchte, wie Bernardino verallgemeinernd zu verstehen gab. Als Dienstherr durfte Lope darüber entscheiden, obwohl es Catalinas Körper betraf. Lope verfügte einerseits über die ökonomischen Mittel dafür, und er war andererseits daran interressiert, von einer der Sprache mächtigen Magd bedient zu werden, denn die Sprechfähigkeit bedeutete in diesem Fall eine bessere Arbeitsfähigkeit ihrerseits. Bei der Begegnung zwischen Catalina und dem Barbier Juan wird ersichtlich, dass sie nur ein begrenztes Vertrauen in dessen Fähigkeiten hegte. Von dieser Begegnung erfährt man einerseits durch Lope Saenz und andererseits von Juan Crespo. Lope Saenz war dabei anwesend und er sagte aus: und so hatte er Juan Crespo geholt, [...] welcher die Zunge der besagten Catalina de Foncea angeschaut habe, und der besagte Chirurg habe ihr das Zungenbändchen unterhalb der Zunge einschneiden wollen, und die besagte Catalina habe es nicht erlaubt, indem sie gezeigt habe, es würde ihr übel tun, weil ihre Zunge sehr geklebt und verkrampft gewesen sei, denn dieser Zeuge und der besagte Chirurg hätten es wirklich gesehen, zumal er anwesend gewesen sei. 191 Der Barbier Juan Crespo seinerseits schilderte seine eigene Vergehensweise und Catalinas Haltung ihm gegenüber: Auf die vierte Frage antwortete dieser Zeuge, dass er die besagte Catalina so sah, wie die Frage es sagt, denn dieser Zeuge wollte als Chirurg wissen, ob die besagte Catalina de Foncea an der Zunge behindert gewesen sei oder warum sie nicht habe sprechen können, und er habe ihr den Mund geöffnet und sie [die Zunge] angeschaut und habe gesehen, dass sie am Mundboden geklebt habe, und dass sie gebogen und sehr dick gewesen sei, so dass sie [Catalina] auf keine Weise habe sprechen können, und so habe sie Zeichen wie eine Stumme gemacht, und dieser Zeuge habe der besagten Catalina mit 189 Aus den Quellen geht nicht hervor, ob Catalina illegitime Heiler wie zum Beispiel einen Schäfer oder einen Schmied oder eine weise Frau aufsuchte. Der Bader war zwar verfemt, aber schliesslich zugelassen. Zu den legitimen und den illegitimen Heilern vgl. Campagne, Cultura popular, S. 195-240. 190 f. 9r. Anhang 51. 191 Ebd. Anhang 51. <?page no="244"?> 234 Catalina de Foncea Zeichen gesagt, er würde, wenn sie einverstanden sei, ihr die besagte Zunge unten, wo sie geklebt gewesen sei, lösen, wobei dieser Zeuge ihr gesagt habe, er glaube, das s sie nach dem Lösen sprechen würde; und die besagte Catalina habe mit Zeichen gesagt und habe zu verstehen gegeben, sie wolle nicht berührt werden, und so habe sie dieser Zeuge gelassen. 192 Catalinas Verhalten und ihr Verständnis von ihrer Patientenrolle lässt sich aus diesen Beschreibungen ablesen. Catalina liess sich den Mund mit der Hand öffnen 193 , die Berührung des Barbiers störte sie nicht, solange es nur um dieUntersuchungihrer Zunge ging. Juan Crespo erzählte dies mit grosser Selbstverständlichkeit; man bekommt den Eindruck, die Distanz zwischen ihm und seinen Patientinnen habe normalerweise bei der Untersuchung gering sein dürfen und die Berührung sei nicht tabuisiert gewesen. 194 Nachdem Juan Crespo und Lope Saenz Catalinas Zunge gesehen hatten, begannJuan ihr mit Zeichen zu erklären, dass er das Einschneiden unterhalb der Zunge für die beste Lösung hielt. Er ging also davon aus, dass die Entscheidung darüber der Patientin zustand. Als Catalina aber den Vorschlag erfuhr, gab sie mit Zeichen zu verstehen, dass sie nicht berührt werden wollte, oder, wie Lope Saenz ausdrückte, sie "erlaubte" das Einschneiden nicht und begründete ihre Meinung mit der Angst vor den Schmerzen. Trotz ihrer äusserst unterprivilegierten sozialen Stellung bestimmte Catalina, wie nahe ihr der Barbier Crespo kommen durfte und ob die vorgeschlagene Behandlung für sie akzeptabel war. Der Barbier und der Dienstherr respektierten ihre Meinung, obwohl Juan glaubte, "dass sie nach dem Lösen sprechen würde". Alle drei teilten ein ähnliches Verständnis des Heiler-Patienten-Verhältnisses, gernäss dem die Kranke mehr Rechte hatte, als man heute vielleicht annehmen würde . Dieses Verständnis und Catalinas Haltung unterschieden sich wesentlich von Bernardinos Version der Begegnungen mit den Heilem . Denn seiner Auffassung nach waren die legitimen Heiler aufgrund ihres Wissens dazu befugt, eine Diagnose zu stellen und die entsprechende Behandlung anzuwenden. In Wirklichkeit war es jedoch nicht so, dass Barbier Juan Crespo Catalina nicht heilen "konnte", sondern dass er den operativen Eingriff nicht vornehmen durfte, weil sie es ihm nicht erlaubte. 195 192 f. 14r. Anhang 51. 193 Dass dies mit der Hand geschehen sei, wird nicht ausdrücklich erwähnt, aber nach dem Ausdruck des Schreibers "habe ihr den Mund geöffnet" ist d arauf zu schliessen. Ihre spätere Reaktion auf den Chirurgen bestätigt diese Annahme. 194 Zur Rolle der Berührung zwischen Arzt und Patientinnen im 18. Jh. vgl. Duden, Haut, s. 102-104. 195 Barbara Duden weist auf den grossen Spielraum der Frauen in Bezug auf die Bestimmungen über die Diagnose und Behandlung ihrer Krankeiten hin. Auch wenn es sich in ihrer Untersuchung um Eisenacher Frauen des 18. Jh. handelt, stellt man in Spaniei1 des 16. Jahrhunderts eine ähnliche Haltung fest. Jütte verweist auf die Bemühungen der Arzte in Köln des 16 . Jh, das s ihre Anweisungen von den Patientinnen und Patienten befolgt wurden. Duden, Haut, S. 111 - 120; Jütte, Ärzte, S. 209-211. <?page no="245"?> Die Heilung 235 Bevor wir auf die weiteren Zeugenaussagen eingehen, um Catalinas Handlungen und Haltungen bei ihrer Begegnung mit dem Arzt und mit dem Chirurgen zu rekonstruieren, müssen wir uns vergegenwärtigen, wie wenig erfreulich für die Richter Juan Crespos Antwort auf die vierte Frage nach dem Zustand von Catalinas Zunge war. Juan war immer noch beim Verhör davon überzeugt, dass er Catalina hätte heilen können. Den Richtern blieb nachJuans Einvernahme nur ein letzter Zeuge übrig, der Chirurg Pedro de Llodio, um die Meinung des selbstsicheren und seines Erfolgs gewissen Barbiers zu widerlegen, das heisst, um nachzuweisen, dass Catalina nur dank einem Wunder hatte sprechen können. Wie später zu zeigen sein wird, bestimmte dieser Faktor den Verlauf des Verhörs des Chirurgen Pedro de Llodio auf entscheidende Weise. Der Arzt und der Chirurg der Herzogin von Frfas kamen nach Casalarreina, weil die Wirtin Mari G6mez sie rufen liess. Wie konnte sie ein solches soziales Gefälle überwinden und sich solche Mediziner für die Magd leisten? Einerseits muss man annehmen, dass sie über genügend finanzielle Ressourcen verfügte, um Arzt und Chirurgen zu bezahlen. 196 Andererseits darf man die Bedeutung der persönlichen Beziehung bei der Vermittlung von Heilern in der Frühen Neuzeit nicht unterschätzen. Mari G6mez besass ein Wirtshaus, und es ist möglich, dass sie dadurch Kontakte zu Männern anderer sozialer Schichten knüpfte, wie zum Beispiel zu den auf dem Land raren Ärzten und Chirurgen. Ausserdem kannte Mari G6mez, wie schon erwähnt wurde, Mari Martfn, die mit dem Koch der Herzogin verheiratet war. Der Koch seinerseits war eine der Personen in der Dienerschaft eines Adeligen, mit dem die Ärzte wegen der Diät relativ häufig reden mussten. 197 Wichtig ist auf jeden Fall festzustellen, dass es Mari G6mez als Dienstherrin zukam, die Heiler kommen zu lassen, wenn es um die Gesundheit ihrer Magd ging. Leider kann man anhand ihrer Aussagen nicht eindeutig feststellen, ob sie sich erst nach Catalinas Verletzung durch ihren Sohn an den Arzt und den Chirurgen wandte, oder ob sie darüber hinaus den Chirurgen und den Arzt eigens für die Untersuchung von Catalinas Zunge kommen liess. Wenn man das erste annimmt, fällt ihre Verantwortung für die Verletzung ins Gewicht. Inwieweit stimmten Bernardinos Behauptungen über Catalinas Bemühungen um ärztliche Behandlung in diesem Fall? Catalina liess sich gern die Wunde pflegen, und insofern entsprach die Begegnung mit den Medizinern 196 Die Preise für die Leistungen von Ärzten und Chirurgen waren in Kastilien ziemlich hoch. Das Teuerste war gerade der Arztbesuch, wenn dieser ausserhalb des Wohnorts des Arztes stattfand. Rojo, Enfermos, S. 20-26. ! 97 Die Diät spielte eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Patienten aus der Oberschicht. Rojo, Enfermos, S. 99. Die Komakte der Ärzte mit dem Dienstpersonal eines reichen Patienten, insbesonders mit dem Koch, werden in dem Roman Viajede Turquia (Reise in die Türkei) (1557) an mehreren Stellen erwähnt oder angedeutet. S. 173, 216, 218-219. Über den Autor vgl. Kapitel12. <?page no="246"?> 236 Catalina de Foncea ihrem Wunsch und ihren Bedürfnissen. Was die Untersuchung ihrer Zunge anging, war sie wiederum anderer Meinung. Mari G6mez entwickelte in ihrer Antwort auf die vierte Frage eine kurze Erzählung, in der Catalinas Begegnung mit dem Chirurgen im Vordergrund stand und auch die Vorgeschichte ihrer eigenen Beobachtungen der Zunge enthalten waren. Zwei Aspekte fallen dabei ins Auge: Erstens, wie das Magd- Dieostherrin-Verhältnis Maris Umgang mit Catalina bei den Begegnungen mit den Heilern prägte; zweitens, dass Catalina dem Chirurgen bei der Untersuchung ihrer Zunge zeigte, welche Art von Körperkontakt sie bevorzugte, und noch einmal vom Recht als Kranke Gebrauch machte, über ihren Körper zu entscheiden: Auf die vierte Frage antwortete diese Zeugin, dass sie weiss, dass sie die ganze besagte Zeit, seitdem sie die besagte Catalina de Foncea kenne und diese bei ihr gewesen sei, sie [Catalina] häufig dazu aufgefordert habe, den Mund zu öffnen, und sie habe gesehen, dass ihre Zunge am linken Teil des Mundbodens geklebt habe und verdreht gewesen sei, und dass diejenige, die aussagt, den oben erwähnten Chirurgen habe rufen lassen, damit er sehen würde, ob man sie heilen und ihre Zunge lösen könnte; und der besagte Chirurg sei gekommen und habe den Mund der besagten Catalina angeschaut, und sie hätten ihr ein Eisen in den Mund reichen wollen, um die besagte Zunge zu sehen, und [um zu wissen] ob man sie heilen könnte, und die besagte Catalina habe nicht erlaubt, dass man ihr das besagte Eisen in den Mund gereicht habe, indem sie Zeichen gemacht habe, dass sie Angst davor hätte, misshandelt zu werden, und dass man sie töten würde, indem sie Zeichen gemacht habe, dass viel Blut aus dem Mund herausströmen würde, und dass man sie begraben und nach dem Tod mit den Füssen treten würde, indem sie Fusstritte auf den Boden gegeben habe; und sie wisse es, weil sie dabei zugegen gewesen sei, und sie habe es gesehen, und es sei im Haus dieser Zeugin geschehen. 198 Catalina de Foncea erlaubte dem Chirurgen nicht, ihr ein Eisen in den Mund zu stecken, weil sie nach der Meinung von Mari G6mez eine unbegründete Angst davor hatte, gleich operiert zu werden. Man kann sich zusätzliche Gründe für die Ablehnung vorstellen, wie zum Beispiel das unangenehme Gefühl, welches das aus Eisen hergestellte Werkzeug des Chirurgen im Mund der Patientin verursachte, 199 und vor allem den ungewöhnlichen Charakter einer solchen Untersuchung für Catalina. Während der Bader Catalina den Mund mit der Hand ohne Schwierigkeiten öffnen durfte, kam es ihr wahrscheinlich völlig fremd vor, mit einem Werkzeug aus Eisen untersucht zu werden. Sie hätte sich gernäss Maris Aussage deshalb nur vorstellen können, dass es sich um eine Lanzette han- 198 f.12v. Anhang 51. 199 Rojo erklärt die Anwendung der gebräuchlichsten Werkzeuge der kastilischen Chirurgen. Die Chirurgen nannten diese Werkzeuge auch "hierros" (Eisen). Rojo, Enfermos, s. 30-31. <?page no="247"?> Die Heilung 237 delte, mit der der Chirurg sie unterhalb der Zunge schneiden würde. Wenn man jedoch berücksichtigt, dass der Chirurg, wie er im Verhör aussagte, 200 am Anfang bereit war, den operativen Eingriff vorzunehmen, stellt man fest, dass Catalinas Befürchtung nicht völlig unbegründet war. Catalina rechtfertigte ihre Haltung vor den Anwesenden mit einer durch Zeichen mitgeteilten Geschichte, die ihre Befürchtungen hinsichtlich des Todes und ihre Verachtung durch andere Menschen an ihrem Grab ausdrückte. Auch wenn Maris Deutung von Catalinas Zeichen ihrer eigenen Fantasie entspringen, scheint es angesichtsvon Catalinas schlimmen Erfahrung als Bettlerin durchaus vorstellbar, dass Maris Interpretation mit der von Catalina beabsichtigten Botschaft im Wesentlichen übereinstimmte. Die Angst davor, dass andere den Boden ihres Grabes "mit den Füssen treten würden", zeigt eine grosse Sorge um eine entehrende Geste seitens ihrer Umwelt. Diese Sorge bezeugte umgekehrt, dass Catalina auf eine bessere Situation in ihrem Leben hoffte, vielleicht auf eine festere Einbeziehung in die Standesgesellschaft, als dies die zeitweilige Beschäftigung als Magd bot . Jedenfalls hoffte sie auf eine ehrenhaftere Stellung, in der sie sich nicht mehr verachtet fühlen würde und ein respektvolles Begräbnis erwarten könnte . Dass Catalina sich dazu veranlasst fühlte, ihre Ängste preiszugeben, um dem Einschneiden vorzubeugen, lässt auf den Druck schliessen, den Arzt, Chirurg und Dienstherrin in diesem Moment auf sie ausübten. Dieser Druck mag objektiv vorhanden oder subjektiv von Catalina empfunden worden sein. Ihre Zeichen-Erzählung diente dazu, ihre Rechte als Patientin zu verteidigen und ihre Meinung über die schlimmen Folgen des operativen Eingriffes durchzusetzen. Sie muss den Eindruck gehabt haben, dass diese Mediziner weniger bereit waren als der Bader, ihre Einstellung zu dem chirurgischen Eingriff zu akzeptieren. Pedro de Llodios Antwort auf die zweite Frage liess jedoch Catalinas Befürchtungen darüber, dass die Heiler sie am Anfang operieren wollten, nicht so realitätsfern erscheinen, wie Mari G6mez gemeint hatte: 201 [ .. . ]und dieser Zeuge sprach mit ihr durch Zeichen, und sie antwortete mit Zeichen; und dass der Doktor Cartajena, Arzt der besagten Frau Herzogin, und dieser Zeuge als Chirurg ihr jenen Fleischwulst hätten abschneiden wollen, durch den ihre Zunge am Mundboden geklebt habe; und dass die besagte Stumme nicht erlaubte, dass man sie dort berühren würde. 202 Wie die Untersuchung weiter ging, lässt sich aus den Aussagen des Chirurgen Pedro de Llodio schliessen. Er muss Catalinas Mund ohne den Ge- 200 f. 14v. 201 Rojo verweist auf die Bereitschaft der Chirurgen in den Spitälern, bei den armen Patienten Glieder mit weniger Bedenken abzunehmen als bei den Angehörigen der Oberschicht. Rojo, Enfermos, S. 32, 89-91. 202 f. 14v. Anhang 52 . <?page no="248"?> 238 Catalina de Foncea brauch seines eisernen Werkzeuges untersucht haben, denn er gab eine genaue und gründliche Beschreibung des Zustandes ihrer Zunge in seiner Antwort auf die vierte Frage wieder. 203 An diesem Punkt muss man die Rekonstruktion der Begegnung zwischen Catalina und den Heilern einen Moment beiseite lassen und sich überlegen, wie unruhig die Richter und Bernardino de Sesma geworden sein müssen, als sie diese Antwort des Chirurgen bekamen, welche die Meinung des Baders über die Möglichkeit eines erfolgreichen Einschneidens bestätigte. Auf die vierte Frage hörten die Richterzum Glück für Bernardino eine Antwort in die entgegengesetzte Richtung: Auf die vierte Frage antwortete er, dass er, wie schon gesagt, die Zunge der besagten Catalina de Foncea sah und sah, wie sie verdreht war und am Mundboden klebte, wie schon bei der zweiten Frage gesagt, und er habe gewollt und versucht, sie zu heilen, was unmöglich gewesen sei, es sei denn, man hätte sich einer Gefahr ausgesetzt. 204 Änderte Pedro de Llodio seine Meinung im Laufe der Untersuchung der Zunge oder im Laufe des Verhörs? Das Zweite anzunehmen, würde bedeuten, dass die darauf folgende und gründliche anatomische Erklärung über den kranken Zustand von Catalinas Zunge, mit der Pedro de Llodio seine Meinung begründete, erdichtet war. Vielmehr scheint mir möglich, dass der Chirurg seine Untersuchung nach den anfänglichen Schwierigkeiten tatsächlich durchführte und die Gefahr einer Hämorrhagie feststellte, wie er selber bei der Einvernahme aussagte. Ganz am Schluss seiner Antwort auf die vierte Frage fügte Pedro de Llodio hinzu: und das alles [unter der Zunge] war paralysiert und zusammengezogen und unheilbar, ohne dass irgendeine Rettung möglich gewesen wäre, ausser einer wunderbaren, wie derjenigen, die Gott, unser Herr, zu bewirken die Güte gehabt habe. 205 Man darf bei dieser letzten Bemerkung eine vom Schreiber nicht aufgezeichnete Frage 206 der Richter nach der Meinung des Chirurgen über die Möglichkeit einer Heilung mit rein menschlichen Mitteln nicht ausschliessen. Denn die Richter hielten diese Antwort auf die vierte Frage und vor allem diesen Satz für besonders ausschlaggebend. Anders als bei den übrigen Zeugen stellten sie keine Frage mehr an Pedro de Llodio, obwohl der Fragebogen vier weitere enthielt. Nicht nur seine Aussagen, sondern das ganze Verhör kam mit dem letzten Sa tz von Pedro de Llodio zu Ende. Es erleichterte Bernardino de Sesma sicherlich- und wahrscheinlich den Vikar des Bischofs auchdie Meinung des Baders mit einer in ihren Augen noch 203 f. 14v-15r. Dazu vgl. 7.7.3. 204 Ebd. Anhang 52. 205 Ebd. Anhang 52. 206 Vgl. 7.1 .2. <?page no="249"?> Die Heilung 239 qualifizierteren Aussage widerlegen zu können. Der Chirurg konnte das Wunder bestätigen. Um die Unterschiede zwischen Bernardinos Version des Geschehens und der aus den Zeugenaussagen rekonstruierbaren Realität zu ergänzen, muss man schliesslich auf die Bedeutung der Heilerhierarchie für die Zeugen und auf das Verständnis eingehen, das die Heiler der untersten Stufen davon hatten . Es wurde schon auf Juan Crespos Selbstbezeichnung als Chirurgen statt als Barbier hingewiesen, wie der Schreiber ihn nannte. Man muss ferner beachten, dass Mari G6mez die Anwesenheit und Tätigkeit des Arztes bei der Untersuchung kaum bemerkte (sie sprach lediglich einmal davon, "sie hätten ihr ein Eisen in den Mund reichen wollen") und Pedro de Llodio ins Zentrum ihrer Beschreibung stellte. Pedro de Llodio selber wies nur einmal auf seine Beratung mit dem Arzt hin, nämlich als beide am Anfang die Ansicht teilten, dass man einschneiden sollte. Des weiteren handelte er seiner Aussage nach ziemlich eigenständig: dass er [...] die Zunge der besagten Catalina de Foncea sah und sah, wie sie verdreht war und am Mundboden klebte, [...]; und er habe gewollt und versucht, sie zu heilen, was unmöglich gewesen sei. 207 Er "sah", er "versuchte", er entschied während der Untersuchung, und er stellte sein Fachwissen während des Verhörs gern zur Schau. Die Autorität des Arztes spielte in seiner langen Antwort auf die vierte Frage keine so wichtige Rolle wie Bernardinos Reihenfolge der Heiler und seine ausdrückliche Erwähnung des Namens und des Titels von "Doktor Cartajena" vermuten liessen. Bernardino ging dabei von einem obrigkeitlichen Verständnis der Rollenaufteilung zwischen Arzt und Chirurgen aus. Dass der Arzt ein solches Verständnis teilen würde, kann man anhand des Protokolls nicht beweisen, weil dieser nicht einvernommen wurde . Man kann jedoch dank einer literarischen Quell e eruieren, wie die gelehrten Ärzte darüber dachten. Ein Arzt aus dieser Zeit, der die Gegend des Jakobsweges in d er Nähe von Burgos als einen der Schauplätze der Handlung seines wichtigsten literarischen Werkes, des Viajede Turquia (1557) 208 , wählte und der sogar Santo Domingo de la Calzada erwähnteum sich über die Verteilung von Federn der Hühner der Kathedrale an die Pilger lustig zu machen -,2° 9 beschrieb auf karikierende Weise das Arzt-Chirurg-Verhältnis aus seiner Sicht, indem er die Hauptfigur, Pedro de Urdemalas (Peter Ränkeschmied), einem seiner G esprächspartner (Matalas Callando, was auf Deutsch "T ö te sie schweigend" heissen würde), die Bedeutung des Wortes "Chirurg" erklären liess: 207 f.14v. Die Unterstreichung stammt von mir. 208 Die Autorschaft des Werkes ist umstritten. Vgl. die Einführung von Garcfa Salinero zu dem Werk, S. 54-73. Bataillons These, nach der der Autor ein Arzt (wahrs cheinlich Andr es de Laguna) war, ist jedoch noch nicht klar widerlegt. Bataillon, Erasmo, S. 669- 692. Vgl. Kapitel12. 209 Viaje, S. 101. <?page no="250"?> 240 Catalina de Foncea Pedro: [Der Beruf des Chirurgen ist) Derselbe, wie der des Henkers. Mata: So will ich kein Chirurg sein. Pedro: Arzt und Chirurg verhalten sich wie der Stadtrichter und der Henker, denn jener entscheidet: Diesem sollen hundert Schläge ausgeteilt werden, diesen soll man an den Schandpfahl stellen, jenem sollen die Ohren abgeschnitten werden; will er es nicht eigenhändig tun, befiehlt er es dem Henker, welcher es ausführt, und dieser wird es besser machen als er, weil er es nie versucht hat; aber ist es nicht klar, dass der Henker, der nicht studiert hat, nicht wissen kann, welches Urteil über jeden gefällt werden muss? Mata: Wie Kristall. Pedro: So muss der Arzt also den Chirurgen führen: Schneide diesen Arm, schröpfe diesen anderen, erneuere dieses Pflaster, putze diese offene Wunde, lasst [sie] ihm Blut ab, damit die Materie dort nicht fliesst, streicht diese Salbe, verdicke diese Schnur, 210 gebt ihm dies und jenes zu essen, je nachdem worin die Behandlung besteht. 211 Diese Darstellung entsprach in vielen Fällen der Realität: Der Arzt bestimmte, was man tun musste, und der Chirurg führte es aus . Aber nach den Aussagen von Mari G6mez und Pedro de Llodio nicht in diesem Fall. Der taube Chirurg Pedro de Llodio verstand sich nicht als Henker eines befehlenden Stadtrichters. Er hätte sicherlich eine andere Metapher gewählt, um seine Zusammenarbeit mit dem Arzt zu charakterisieren. Bernardino vertrat eine Auffassung, die den sozialdisziplinierenden Bestrebungen von Staat und Kirche entsprach. Zum einen setzte er voraus und propagierte zugleich das Verhaltensmuster einer folgsamen und gehorchenden Patientin gegenüber den legitimen Heilem, vor allem dem Arzt und dem Chirurgen. Zum anderen war er darauf bedacht, ein Bild der Eintracht, statt der Konkurrenz zwischen Medizinern und Klerikern zu vermitteln, die um die heilbringende Wunderkraft des Heiligen Domingo warben. In seiner Erzählung ging Bernardino davon aus, dass die Kranke sich ihres Mangels an Fachwissen bewusst war und deshalb die Heiler in der Hoffnung auf eine Heilung aufgesucht hatte. Diese Logik hatte Catalinas Handlungen keineswegs geleitet. Denn einerseits waren sowohl der Barbier wie der Chirurg und der Arzt von Catalinas jeweiligen Dienstherren gerufen worden, und andererseits hatte sie kein Vertrauen in deren Können und entschied selbständig gegen ihre Meinung. Bernardinos Darstellung von Catalinas Verhalten stimmte mit den medizinischen und kirchlichen Vorstellungen einer disziplinierten Patientin überein. Er propagierte dadurch ein Vorbild von Anerkennung der Autorität der Mediziner als Wissensträger. Die Schwierigkeit bestand in der Frühen Neuzeit nicht nur darin, die Menschen daran zu gewöhnen, die Verordnungen der Ärzte zu befolgen, sondern ihnen beizubringen, dass sie nicht zu einem Heiler gehen sollten, 21 0 Mehrere gebundene Zw irnstücke, die man vor dem Gebrauch d er Wundwatte anwendet e. 2 11 Viajede Turqufa, S. 227-228. Anh a ng 52. <?page no="251"?> Die Heilung 241 um sich die von ihnen gewünschte Behandlung bestätigen zu lassen. 212 Der Theologe und Mathematiker Pedro Ciruelo (1475-nach 1554? ) verwendete in seinem Werk Reprouacion de las supersticiones y hechizerias (Verwerfung der Aberglaubensformen und Zaubereien)dessen Lektüre Luco den Pfarrern empfahl - 213 die Metapher des guten Arztes und des guten Patienten, um zu erklären, wieviel Vertrauen der kranke Gläubige in Gott haben musste. Man erkennt das von der Kirche damals gewünschte Verhaltensmuster des Patienten bei seinem Kontakt mit dem Arzt: der Diener Gottes muss sich dessen sicher sein, dass Gott mit Mitleid und Barmherzigkeit handelt, wenn Er ihm nicht das gibt, worum er Ihn in seinem Gebet bittet, so wie der gute Arzt manchmal dem Notleidenden nicht das verordnen will, was dieser von ihm verlangt, weil es ihm schlecht tun würde. Denn der Arzt weiss besser Bescheid über das, was der Kranke braucht, als derjenige, der es verlangt. Und so sieht Gott, dass nicht immer gut für seinen Dienst ist, worum jener in seinem Gebet bittet. Ich meine, dass weder der Arme es immer nötig hat, Reichtümer zu erlangen, noch der Kranke, von seinem Leiden geheilt zu werden. 214 Auch Luco betonte die fachliche Autorität des Arztes in seinem Bereich, als er die Metapher des Ffarrers als Arzt der Seele in seinem Auiso de curas gebrauchte: Der Pfarrer (der sich selber dazu zwang, Arzt der Seele zu werden, als er den Beruf des Priesters annahm) muss auch bedenken, wie er die Kranken heilen wird, wenn er weder dieUrsachender Krankheiten kennt, noch die geeignete Behandlung, noch die Kraft und Eigenschaften der Medikamente, noch die Leibesbeschaffenheit und den Lebenswandel von jedem seiner Patienten, nach deren Verschiedenartigkeit auch bei den gleichen Krankheiten unterschiedliche Behandlungen angebracht sein werden. 215 Dass die Heiler die Rolle der Wissensträger in Bernardinos Fassung spielten, war ausserdem seinem Ziel angepasst, das Wunder zu beweisen. Dank ihrem Fachurteil konnte man die Unmöglichkeit von Catalinas Heilung beweisen und das Wunder als einzige Erklärung für ihre Genesung vertreten. 216 Die Wunder waren nur denjenigen anzuraten, die die Mediziner aufgegeben hatten- und diese Fälle waren zahlreich. 217 Nur in solchen Fällen sollte man sich an den Heiligen wenden. Solche Wunderheilungen genüg- 212 Duden zeigt dieses Verhalten bei den Eisenacher Frauen im 18. Jahrhundert: Haut, S. 111- 114. 213 Luco, Auiso, f. LXXIIv. Dazu vgl. auch Kap. 8.4. 21 4 Ciruelo, S. 132-133. Pedro Ciruelos Buch fand eine für die damalige Zeit grosse Verbreitung. Für 1538, 1540, 1541, 1547, 1548, 1551 und 1556 sind Ausgaben bekannt. Vgl. die Einführung zu dem Werk von A. E. Ebersole, S. 9-11. Anhang 52. 215 Luco, Auiso, f. XXVIv-XXVIIr. Anhang 53. 216 Seit dem 14. Jahrhundert wurde den Aussagen von Ärzten in Kanonisationsprozessen aus diesem Grund eine grosse Bedeutung zugemessen. Vauchez, La saintete, S. 549. 217 Zahlreiche Fälle ärztlich aufgegebener Patienten finden sich in frühneuzeitlichen Marienwundern. Habermas, Aufruhr, S. 58, 73-74. <?page no="252"?> 242 Catalina de Foncea ten, um die Überlegenheit der übernatürlichen Macht des Heiligen dank seiner Fürbitte und auch der Macht Gottes gegenüber der menschlichen Medizin nachzuweisen. Bernardinos Version des Wunderberichtes zielte deshalb darauf ab, die Funktion des Heiligen nur als eine Ergänzung derjenigen der Mediziner darzustellen, statt die möglichen Kompetenzstreitigkeiten zwischen Heilern und Klerikern hervorzuheben. Catalina gab in ihrer Aussage an, "dass ihr in dieser Zeit manche Eingebungen und Absichten kamen, in diese Mutterkirche von la Calzada zu kommen", und sie schien sich dabei auf die Zeit zu beziehen, in der sie schon in der Nähe von Santo Domingo gebettelt hatte und zunehmend in Kontakt mit den Klerikern der Ortschaften in der Gegend von Santo Domingo gekommen war. 218 Sie hatte also vor ihrer Wallfahrt begonnen, Hoffnungen auf eine wundersame Heilung dank der Fürbitte des Heiligen zu setzen. Bernardino bemühte sich hingegen darum, eine klare Abfolge zu beschreiben: Da "nicht einmal" die Heiler Catalina hätten heilen können, sei sie in die Kirche gegangen, womit er implizierte, dass Catalina auf das fachliche Urteil gewartet hatte, bevor sie an eine Wallfahrt und an ein mögliches Wunder dachte. Bernardinos Darstellung enstprach auch in dieser Beziehung der von den Theologen des 16. Jahrhunderts bevorzugten Verhaltensnorm. Pedro Ciruelo kritisierte in seiner Reprouacion denjenigen, der nur mit Gebeten (und ohne die Betreuung eines Pfarrers) genesen wollte, ohne vorher zum Arzt zu gehen: denn er will Gott in Versuchung bringen, indem er ohne Not um ein Wunder bittet. Ich sage "ohne Not" bei jenen Krankheiten, die man auf natürliche Weise mit Medikamenten heilen kann; und jener will ohne Hilfe natürlicher Mittel, dass Gott ein Wunder bei ihm bewirkt. Es gibt ein weiteres Argument gegen ihn, denn obwohl er sagt und denkt, dass er seine Gesundheit dank Gott erhalten kann, stimmt es nicht, zumal Gott nicht jeden Tag und jede Stunde Wunder vollbringt. 219 Ciruelo empfahl dem Leidenden, neben den Konsultationen beim Arzt auch während der Krankheit Messen halten zu lassen, zu beten oder gute Werke zu tun . Aber er vermied es dabei, das Wort "Wunder" zu verwenden, damit ein solches Ziel nicht so schnell angestrebt wurde. Nur durch diese religiöse Praktiken konnte man Hilfe bei der Krankheit ("remedio en sus tr abajos") und Trost ("sera consolado") erlangen. 220 Der dritte Teil von Ciruelos We rk war darauf gerichtet, die guten Christen davon abzubringen, die Hilfe von illegitimen Heilern bei Krankheiten in Anspruch zu nehmen und die Funktionen der legitimen Heiler und 21 8 Vg l. 7.3.2. 219 Ciruelo, Reprou acion, S. 86-87. Anhang 53 . 220 Ebd. S. 79 - 80. <?page no="253"?> Die Heilung 243 Heiligen zu unterscheiden, sowie die Zuständigkeit der Letzteren für unterschiedliche Leiden zu erläutern. 221 Ciruelos Ansichten können als repräsentativ für diejenigen von Theologen und Kanonisten zu dieser Zeit in Spanien gelten. Es war ihnen ein Anliegen, dass die Interessen der sozialen Gruppe der legitimen Heiler mit denjenigen der Kleriker in Einklang gebracht werden konnten. Beide sollten ihre unterschiedlichen Aufgaben in der ständisch verfassten Gesellschaft bewältigen, ohne ihre Kompetenzen zu überschreiten. Die Kranken mussten deshalb lernen, diese Kompetenzen zu unterscheiden, das heisst, sie mussten warten, bis sie von den Heilern aufgegeben wurden, um an eine Wunderheilung zu denken und um sie zu bitten. 7.3.2 Die Wallfahrt Weshalb hatte Catalina de Foncea fünf Jahre lang gewartet, bevor sie ihre Bittwallfahrt unternahm, obwohl ihr schon früher "manche Eingebungen und Absichten kamen, um Novenen zu halten und den glorreichen heiligen K örper des Herrn Heiligen Domingo zu besuchen"? Wann hatte sie genau begonnen, solche Absichten zu haben? Catalina scheint nicht von Anfang an religiös geprägt gewesen zu sein. Ihre Herkunft aus einem entfernten hügeligen Gebiet begünstigte dies nicht, wie die Untersuchungen der Inquisition über die Kenntnisse von Gebeten und Riten zeigen. 222 Es ist bezeichnend, dass Catalina auf die Frage nach der Ursache ihrer Kranheit mit einer völlig unreligiösen Erklärung antwortete, ohne die Macht Gottes in irgendeiner Weise zu erwähnen. Die Verkrampfung nach dem Gewitter geschah sehr wahrscheinlich zu einer Zeit, als sie noch kaum an übernatürliche Ursachen dachte, um alltägliche Vorgänge zu deuten. Man braucht keinen Aberglauben in ihrer Aussage zu entdecken, wenn diese keinen klaren Anlass dazu gibt. Die Vorstellung, dass Catalina das Gewitter mit einer von aussen in ihren Körper eindringenden bösen Macht oder mit einem Dämon identifizierte, ginge in diese Richtung. Man k a nn Catalina zumuten, dass sie tatsächlich an eine natürliche Erklärung dachte, als sie diese Antwor t gab, statt zu vermuten, dass die Kleriker die Antwort verfälschten, damit sie ins thomistische Schema der möglichen natürlichen Ursachen einer Krankeit passte, weil diese Interpretation in der Theologie der Zeit anerkannt war. Wie Pedro Ciruelo sagte, brauchte man keine Dämonen, um jedes Gewitter und jede Krankheit zu erklären, auch wenn diese sie manchmal verursachen konnten. 223 Catalinas Annäherung an die religiöse Kultur und an die Kirche sowie ihre zunehmende Teilnahme an religiösen Praktiken im Alltagsleben 221 Ebd., S. 73-147. 222 Die Kenntnisse über die christliche Doktrin in der von S. T. Nalle untersuchten Provinz von Cuenca waren nach den Erhebungen und Forschungen der Inquisition deutlich geringer in den peripheren ländlichen Gegenden als in den reicheren und grösseren Dörfern und Kleinstädten: God, S. 125-126. 22 3 Ciruelo, Reprouacion, S. 100- 101 , 118 - 120. <?page no="254"?> 244 Catalina de Foncea der dörflichen und kleinstädtischen Gemeinschaften, an denen sie vorbeikam, muss sich als relativ langsamer Prozess in den fünf Jahren nach ihrer Erkrankung vollzogen haben. Zwei Barrieren musste Catalina bei dieser Annäherung überwinden: zum einen ihre Einschränkung als taubstumme Person und zum anderen die Abwehrreaktionen und die Ausschliessung aus dem sozialen Gefüge der Pfarreien durch die sesshafte Bevölkerung. Zwei Kräfte zogen sie jedoch umso stärker zu den religiösen Praktiken hin, je näher sie an das regionale Wallfahrtszentrum von Santo Domingo und an den Jakobsweg kam: die sich in dieser Gegend vermehrenden Zeichen der gesellschaftlichen Macht der Kirche sowie der häufige Kontakt vieler Kleriker mit den Bettlern. Die Aufnahme der religiösen Botschaft und die Internalisierung kirchlicherNormen ging nach ihrer Erkrankung mit dem Lernen und Entwickeln einer neuen Kommunikationsform einher, in der die Informationen statt von Mund zu Ohr nur von den Händen zu den Augen gingen. Sie musste aufmerksamer auf die zahlreichen Symbole ihrer Umgebung werden, sie musste Zeichen nur mit ihren Augen aufnehmen und sich selber mit Gestik und Mimik ausdrücken. Wenn sie auf ein grosses Dorf oder eine kleine Stadt zukam, sah sie wahrscheinlich immer zunächst von weitem den Turm der Kirche, das erste auffällige Zeichen der göttlichen Macht auf der Landschaft.224 Wenn sie dort ankam, konnte sie an den Kleidern erkennen, welchem Stand die Leute angehörten: Bettler und Jakobspilger zeigten dies manchmal besonders deutlich. 225 Sie verständigte sich mit den anderen durch Zeichen, wie die Zeugen bemerkten, die sie beim Betteln gesehen hatten. Spätestens als sie zu hören begann, etwa ein Jahr vor ihrer vollständigen Heilung, musste sie von Santo Domingo de la Calzada, der dortigen Kathedrale, und den Wallfahrten zum Grab des Heiligen gehört haben. Während ihrer Bettelzeit befand sich Catalina ausserhalb der Standesgesellschaft, und nur dank ihrer Gelegenheitsarbeiten als Magd bewegte sie sich in der Grauzone zwischen den ständigen Mitgliedern der Dorfgemeinschaft oder Kleinstadt und den herumziehenden Vagabunden. Seitdem sie etwa fünfzehn Jahre alt war, hatte sie also eine ganz andere Art von Soziali'sation unter den Bettlern durchgemacht als diejenige, die sie unter besitzenden Bauern oder unter Handwerkern erlebt hätte. Zu dieser Sozialisation der etablierten Gruppen gehörte in einem starken Mass eine Ausbildung, die damals in Spanien in erster Linie religiös war: Alphabetisierten und nicht alphabetisierten Laien wurden im Laufe des Jahrhunderts in zunehmendem 224 Vgl. z. B. die Zeichnung der neukastilischen Kleinstadt Belmonte (1565) von Anton van den Wyngaerde. Nalle, God, S. 12. Heute noch werden die Kirchtürme in zahlreichen Dörfern von der Rioja und Altkastilien als erstes von weitem sichtbar. 225 Für die Kleider der Landbevölkerung vgl. das reichlich illustriertes Kapitel 7 von Vazquez de Pradas Werk: Historia, S. 213-236. Über die Pilgerkleidung vgl. Valiiia Sampedro, Santiago, S. 75. <?page no="255"?> Die Heilung 245 Mass Gebete beigebracht, und zwar auf Spanisch statt auf Lateinisch wie früher, um eine grössere Wirkung bei der Indoktrinierung zu erzielen. 226 Die untersten Schichten nahmen in einem viel geringeren Grad an dieser Indoktrinierung teil als die Angehörigen etablierterer gesellschaftlichen Gruppen. 227 Über das "unkorrekte" Verhalten der Bettler bei religiösen Anlässen beklagten sich vor allem bürgerliche Autoren, wie zum Beispiel die Theologen und Humanisten, die an der Armutsdebatte teilnahmen und die Bettelei kritisierten. Der von J. Luis Vives beeinflusste Humanist Alonso de Venegas ging hart mit den arbeitsfähigen und faulen Bettlern ins Gericht. Er prangerte ihr Benehmen und ihre Unkenntnis der religiösen Lehren an: Nach der Prüfung durch die säkulare Justiz sollten die Vikare sie [die Bettler] gefangen nehmen lassen und sie danach fragen, seit wievielen Fastenzeiten sie nicht gebeichtet haben. Man ist geneigt zu glauben, dass sie, sobald sie diese Bettler, die von Haus zu Haus gehen, geprüft hätten, Folgendes herausfinden würden: Erstens dass die meisten von ihnen weder ihren Pfarrer noch ihren Bischof kennen, zweitens sich nicht darum kümmern, ihrem Papst zu gehorchen, er befehle, was er wolle; drittens, und das ist das Schlimmste, dass sie Gott nicht kennen. Sie hören selber die Messe nicht und lassen die anderen nicht zuhören, denn sie sprechen zu ihnen mit ihrer verrenkten Stimme und in ihrer natürlichen Redeweise, indem sie sie so sehr stören, dass man nicht hören kann und dass ein Mann sich nicht getraut, sich zu kratzen, damit sie nicht denken, dass er eine blanca [billige Münze] herausnimmt und sie sich vor ihn seufzend und verschnaufend so demonstrativ hinstellen, dass er nicht nur den Faden von dem, was er hört, verliert und seine Devotion beim Zuhören verhindert wird, sondern sie ihm den Magen umdrehen und ihm Ekel einflössen. 228 Bei der Sozialisation der Bettler und bei ihrer Indoktrination musste der Pfarrer eine besondere Rolle spielen. Wie schon erwähnt, sah der Bischof Diaz de Luco in seinen Schriften vor, dass die Pfarrer die Almosen verteilen sollten und sich um die Kontrolle der Armen ihrer Pfarrei kümmern mussten. Auch die Streitigkeiten um die Verwaltung der Spitäler durch Laien oder durch Kleriker hingen nicht zuletzt mit dieser Betonung religiöser Sozialisation zusammen. Die Organisation der Sozialfürsorge lag in der Gegend, in der sich Catalina bewegte, sowohl in Bezug auf die karitativen Tätigkeiten in den einzelnen Pfarreien wie hinsichtlich der Spitäler in den Händen der Kleriker. Von Catalinas Kontakten zu den Pfarrern von Castafiares und Casalarreina erfuhr man in ihren Aussagen und in denjenigen von Diego de Ireta, der ihr Almosen gegeben hatte. Gonzalo Davalos aus Castafiares muss sie vor der Heilung gekannt haben, denn als beide am 226 Nalle, God, S. 122. 227 Nalle betont die Bedeutung dieser Kluft zwischen beiden Schichten vor allem bis zur Mitte des Jahrhunderts. S. 123-124. 228 Venegas, Primera, f. CLVv-CLVIr. Anhang 53. <?page no="256"?> 246 Catalina de Foncea Tag nach dem Wunder nach Santo Domingo gingen, fragte er sie, "wie es ihr gehe und andere Sachen". 229 Diegode lreta erzählte den Richtern von seiner letzten Begegnung mit Catalina vor dem Verhör: er kam in diese Stadt vor zwei oder drei Tagen und sah die besagte Catalina im Spital dieser Stadt und er rief sie mit ihrem Namen: "Catalina! "; und sie antwortete: "Herr"; und dieser Zeuge verwunderte sich, als er sie sprechen sah. 230 Diese kurze Szene sollte nicht nur zeigen, dass er Catalina kannte, sondern auch, dass sie gut erzogen war. Der Pfarrer durfte die pfarrkinder duz en, diese jedoch mussten ihn mit "Ihr" anreden, was Catalina selbstverständlich tat . In den Augen der Kleriker war Catalina zur Zeit ihrer Bittwallfahrt nicht nur indoktriniert, sondern auch in genügendem Mass sozialisiert. Und nach dem Wunder konnte sie nicht nur sprechen, sondern sogar höflich antworten. Catalina erklärte Mari G6mez in Februar 1556 ihren Wunsch, nach Santo Domingo zu wallfahren. So beschrieb Mari G6mez Catalinas Mitteilung: Auf die siebte Frage antwortete sie, dass die besagte Catalina der Zeugin, bevor sie [Catalina] in die besagte Mutterkirche von Ia Calzada kam, mit Zeichen zu verstehen gab, dass sie vor dem glorreichen heiligen Körper des Herrn Heiligen Domingo Wache halten wollte, indem sie Zeichen mit den Fingern machte, dass sie neun Tage mit ihren Nächten Wache halten würde, indem sie das Zeichen von neun mit den Fingern machte und indem sie ihre gestreckte Hand an das 0 hr und den Kopf auf die Hand legte, wie wenn man Wache hält oder schläft; und das alles mit Zeichen, wie sie gesagt hat, und nicht etwa weil sie hätte sprechen können oder gar gesprochen hätte". 231 Maris Kenntnisse über die Wallfahrt, die Novenen, die Sitte, am Grab des Heiligen die Nacht zu verbringen, ermöglichten ihr, Catalinas Zeichen zu entschlüsseln. Beide wussten, worin eine Novene bestand, was die Leute meistens dabei taten und welchem Zweck die Bittwallfahrt diente, weil sie es irgendwann in ihrem Leben gelernt hatten. Catalinas Wallfahrt markierte einen Höhepunkt in ihrem Annährungsprozess an die Kirche und drückte ihre Bereitschaft aus, an den religiösen Praktiken der städtischen Gemeinschaft von Santo Domingo de Ia Calzada teilzunehmen. Catalina merkte wahrscheinlich, welche Privilegien und Freiheiten eine Wallfahrt mit sich brachte. 232 Angesichts der gespannten Atmosphäre, die zwischen ihr und Francisco G6mez, Maris Sohn, herrschte, muss sie die Wallfahrt als eine Gelegenheit wahrgenommen hab en, aus dem Alltag in Casalarreina für neun Tage auszubrechen, etwas Neues zu erleben, in die 229 Vgl. Catalinas Aussage in 7.1.2. 230 f. llv. Anhang 53 . 231 f. 13r. Anhang 53 . 232 Über die hochmittelalterlichen Ursprünge dieser Privilegien vgl. Schmugge, Pilgerfahrt macht frei, S. 16-31. <?page no="257"?> Die Heilung 247 Stadt Santo Domingo zu gehen und trotzdem zum Wirtshaus zurückkehren zu dürfen und nicht wieder betteln zu müssen. Bemerkenswert ist vor allem, dass Catalina selber den Entschluss selbständig gefasst hatte, zum Grab des Heiligen Domingo zu gehen, ohne von irgend jemandem dorthin gebracht oder geschickt worden zu sein. 233 Ihr Entscheid muss allen eingeleuchtet haben, die sie kannten und an die heilende Wirkung dieses Grabes glaubten. Sich an einen Heiligen zu wenden, schien ihnen, den Gläubigen, eine so anerkannte und legitime Heilsmethode wie die Behandlungen der Mediziner.234 Catalinas Verhältnis zum Heiligen Domingo während ihres Aufenthaltes in der Kirche wies in einigen Beziehungen Parallelen zu ihrem Verhältnis zu den Heilern auf: Ihrer Selbstbestimmung bei der Gestaltung der Heilungsriten muss sie eine so grosse Bedeutung zugemessen haben wie bei ihrer Ablehnung der chirurgischen und ärztlichen Behandlungen. Die Hinwendung an den Heiligen hatte den Vorteil, dass ihr die kirchlichen Vorschriften für diese Art der Heiligenverehrung mehr Freiraum und Selbstständigkeit gewährten als die Interaktion mit den Heilern und den Dienstherren. Während Catalina sich nicht gern in der Art, die der Chirurg und der Arzt bevorzugten, untersuchen liess und dem Bader Juan Crespo nur erlaubte, ihr in den Mund zu schauen, brauchte sie sich in der Kathedrale nicht mehr gegen die in ihrem Verständnis bedrohlichen untersuchenden Mediziner zu wehren. Am Heiligengrab stand sie statt einem Heiler und ihrem Dienstherrn einer übernatürlichen Person gegenüber. Statt mit Zeichen erklären zu müssen, weshalb sie die vorgeschlagenen Behandlungen ablehnte und weshalb sie sich fürchtete, durfte sie in der Kathedrale zum grössten Teil die konkreten Formen der Riten gestalten, durch die sie die Sprechfähigkeit wieder zu erlangen hoffte. Nur wenige und relativ flexible Regeln wurden durch die Kleriker für die Wallfahrten festgelegt. Die wichtigsten betrafen einerseits das Gelübde und andererseits die Dauer des Aufenthaltes in der Kathedrale. Vor oder während den drei Tagen, die sie auf ihre Heilung wartete, beschloss Catalina die Form ihres Gelübdes, dessen genauen Wortlaut sie nicht wiedergab. Sie versprach dem Heiligen, ein Jahr lang im Spital zu arbeiten, und erst nach dem Wunder fügte sie noch ein zusätzliches Jahr hinzu. Sie beachtete also die erste Regel, nach der sie sich verloben musste, und 233 Maris Aussage über Catalinas Mitteilung durch Zeichen beweist diesen Willen. In dem Fragebogen benützten Bernardino de Sesma und der Lizentiat Oiiez eine undeutliche juristische Formel: "in die besagte Kirche[...] kam und gebracht wurde" (6. Frage). In der siebten Frage betonen sie jedoch Catalinas Willen beim Ablegen des Gelübdes. Vgl. 7.1.3. Habermas verweist auf die Selbständigkeit bei solchen Entscheidungen in den von ihr untersuchten Marienmirakelberichten. Habermas, Aufruhr, S. 59-60. Die Selbständigkeit muss jedoch insofern relativiert werden, als es sich bei den Wallfahrten um ein soziales Lernen handelte, denn die Wallfahrerinnen kannten Frauen, die vorher das Grab eines Heiligen besucht hatten. 234 Burke, Rituals, S. 208-211. <?page no="258"?> 248 Catalina de Foncea sie tat es so, dass das Resultat der Verlobung für sie günstig und nützlich werden konnte. Als Wallfahrerin, die auf eine Heilung hoffte, musste sie eine do-ut-des-Beziehung mit dem Heiligen eingehen, indem sie sich verpflichtete, eine bestimmte Leistung zu erbringen, wenn ihr Wunsch in Erfüllung ginge. Wie man aus ihren Aussagen im Verhör schliessen kann, formulierte sie den Wunsch, wieder sprechen zu können . Im Gegensatz zu den durch ihre Dienstherren mit den Heilern ausgehandelten Preisen- und zu dem, was jene von ihr später dafür verlangen würdendurfte sie auch selbständig ihre gelobte Leistung festlegen, ja sie sogar verändern, wenn sie mit der Heilung zufrieden war, wie ihre Erhöhung auf zwei Jahre nach dem Wunder zeigte. Man kann nicht wissen, ob und inwiefern Bernardino de Sesma, der als Verwalter des Spitals Arbeitskräfte für diese Institution anheuern musste, Catalina dabei beeinflusste. Man muss jedoch bedenken, dass ihr die Arbeit im Spital angesichts ihrer bisherigen Erfahrungen als Bettlerio und ihrer Verletzung durch Francisco G6mez Vorteile brachte, nicht zuletzt in Bezug auf ihr soziales Ansehen und ihre Intergration in Santo Domingo, einer Stadt, nicht nur einer Kleinstadt wie Casalarreina. Die Arbeit im Spital bedeutete ausserdem keinen grossen Bruch mit ihrer Beschäftigung als Magd und mit dem Bettlermilieu. Es kommt hinzu, dass diese Art von Verpflichtung zu einer kurzfristigen Fronarbeit im 16. Jahrhundert üblich geworden war. Während die lebenslängliche Fronarbeit die übliche Leistungsform für das Spital von Santo Domingo bis ins 13. Jahrhundert bildete, verschwand sie langsam seit dem 14. Jahrhundert. 235 Diese Entwicklung entsprach der allgemeinen Tendenz in Westeuropa zur Lockerung der feudalen Abhängigkeitsverhältnisse im Spätmittelalter. Zu dieser Zeit verbreiteten sich in den südeuropäischen Wunderberichten Gelübde, die ähnliche Verpflichtungen enthielten wie diejenigen Catalinas. 236 Im Unterschied zu den Sprechfähigen hatte Catalina vor ihrer Wallfahrt anderen Leuten nicht erklären können, wozu sie sich verpflichten wollte. Nur der Heilige, Gott und sie wussten es. Falls sie ihr Versprechen nach der Heilung nicht einhalten würde, musste sie den göttlichen oder heiligen Zorn befürchten, aber niemand anders konnte ihr Vorwürfe machen. Der Schreiber fasste Catalinas Aussage über ihr Gelübde in Worten, die an eine seit dem Mittelalter übliche Formulierung erinnerten, um den Akt der Verlobung stummer Menschen zu beschreiben: 237 "und sie legte in ihren Gedan- 235 Saenz-Terreros, EI hospital, S. 7-9. 236 Krötzl, Pilger, S. 316-320. 237 In einem Mirakel aus der Stockholmer Defixio-Domini-Sammlung des 15 . Jahrhunderts kann man z. B. lesen: "er konnte nicht sprechen und gelobte sich geistig mit Votivschenkungen an das Bild der Kreuzabnahme Christi" ("[. .. ]loqui ! lon valeret [ ... ] mentaliter se cum oblacionibus suis ad defixionem domini vovit [...]"). (Ubersetzung von C. Krötzl). Krötzl, Pilger, S. 312, Anm. 330. <?page no="259"?> Die Heilung 249 ken ein Gelübde für unseren Herrn und für den Herrn Heiligen Domingo ab" ("y en su pensamiento se ofrec; io a nuestro seiiory a seiior santo domingo"). Falls die Genesung während der Wallfahrt nicht eintreten würde, konnte sie sich an einen anderen Heiligen wenden. 238 Die zweite von den Klerikern aufgestellte Norm betraf deshalb die Dauer des Aufenthaltes in der Kirche. Eine Novene zu halten, bedeutete damals, neun Tage in der Kirche zu beten. Manche Wallfahrer blieben in der Nacht in der Kirche und manche nicht. 239 Catalina wollte Wache halten, wie sie Mari G6mez erklärt hatte. Sie hatte also vor, in der Kirche zu schlafen, statt die Nacht im Spital zu verbringen, wofür sie wahrscheinlich etwas hätte bezahlen müssen. 240 Im Übrigen galten für den gerraueren Verlauf der Novene keine streng verbindlichen Regeln. Sicherlich merkte Catalina, welche Sitten dabei herrschten, und orientierte sich gewissermassen daran. Vielleicht hatten sie die ihr bekannten Pfarrer auf allgemeine Bräuche hingewiesen, wie das Knien beim Beten, das im Gegensatz zu anderen damals üblichen Körperhaltungen als korrekt galt. 241 Es lässt sich hingegen nirgends im Verhör erkennen, dass Aufseher in der Kirche sie zu einem bestimmten Verhalten aufgefordert hätten. Aber die Kleriker waren selber neugierig darauf, wie das Wunder gerrau geschehen war, denn innerhalb der erlaubten möglichen Gebetsriten konnten sich einige als wirksamer erweisen als andere. 242 Diese Neugier erklärte unter anderen das besondere Interesse man könnte es fast theologisches Interesse nennender späteren Autoren hagiographischer Werke über den Heiligen Domingo an diesem Aspekt der Wunder. 243 Wenn man Catalinas Aussagen über ihr Verhalten während ihres Aufenthaltes in der Kathedrale liest, darf man nicht vergessen, dass Catalina auch auf solche Fragen der Richter antwortete, die nicht aufgezeichnet wurden. Was den Richtern relevant schien, kann man sich anhand ihrer Aussagen folgendermassen vorstellen: - Von wann bis wann Catalina sich in der Kathedrale aufhielt, vor welchen Kapellen sie gebetet hatte, und insbesondere vor welcher sie sich gerrau befand, als sie wieder zu sprechen begann, ob sie gefastet oder gegessen hatte. 238 Ebd., S. 322. 239 Christian, Religiosidad, S. 149; ders., Apariciones, S. 121. 240 Ebd. 241 Ciruelo uterschied zwischen korrekten und unkorrekten Körperhaltungen beim Beten in der Kirche und gab Beispiele für die einen und die anderen. Ciruelo, Reprouacion, S. 131. 242 Vgl. Kap. 13. 243 Christian verweist auch auf eine ähnlich begründete Neugier der Kleriker bei ihren Befragungen von Visionären. Die Kleriker fragten nach dem Aussehen der Heiligen, um sie dementsprechend darzustellen. Christian, Apariciones, S. 250-251. <?page no="260"?> 250 Catalina de Foncea Die Zeit, die Catalina angab, erwies sich als eine für Wunder übliche Zeit. Die Wunder bei Bittpilgerfahrten geschahen meistens in der Nacht von Samstag auf Sonntag in der Nähe der Reliquien. 244 Während der "vigilia" im Allgemeinen ereigneten sich seit dem 15. Jahrhundert in Burgos zahlreiche Wunderheilungen, wie wir gesehen haben. Die Sammlung dieser Mirakelgeschichten aus Burgos kann die Meinung der Kleriker über korrekte Gebetsriten sowie die Verhaltensweisen der Wallfahrer von Santo Domingo direkt beeinflusst haben. Für die Richter war ferner von Bedeutung zu wissen, vor welcher Kapelle sich Catalina während des Wunders befand, weil man sich von der Nähe zum Grab eines Heiligen eine stärkere heilbringende Wirkung versprach. 245 Catalinas Aussage bezeugte, dass ihr die Fürbitte des Heiligen Domingo und nicht eines anderen Heiligen geholfen hatte: "als sie die Alt äre und die Kapelle des glorreichen heiligen Körpers besuchte, spürte sie, dass ihr die Sprechfähigkeit wieder gegeben wurde". In Burgos geschah dies meistens vor dem Kreuz des Christus von Burgos. Catalina sagte weiter aus, dass sie "in diesen drei Tagen nichts ass, ausser ein klein wenig Brot, das sie mit sich aus Casalarreina mitgenommen hatte". Und sie behauptete," da sie allein gewesen sei und Angst gehabt habe, schlief sie unter einer Bank des Kirchengestühls der Kapelle der Dreieinigkeit". Sowohl das Fasten wie das Schlafen auf dem Boden kann man als Formen der körperlichen Selbstkasteiung interpretieren, die zu den Wallfahrtsriten gehörte. 246 Dazu lässt sich auch das lange Knien beim Beten zählen. Wie ging Catalina mit diesen Riten um? Das Schlafen auf dem Boden war überhaupt nicht geplant, es ergab sich aus ihrem Gefühlszustand in einer bestimmten Situation. Sie wies auf die Angst hin, die sie in der einsamen Kathedrale nachts ergriffwobei die Kathedrale nicht nur die Reliquien des angebeteten Heiligen beherbergte, sondern auch andere Gr äber - und sie dazu brachte, sich unter die Bank zu verkriechen, unter ihr zu schlafen und sich dadurch symbolisch zu schützen. Es ging ihr in diesem Moment nicht darum, sich einer harten und bewussten Selbstkasteiung zu unterziehen. Das Fasten beachtete sie nur zum Teil, denn sie gab zu, ein bisschen Brot mitgenommen zu haben. Catalina handelte in Bezug auf die Riten, die ihren Körper anbelangten, nach einer eigenen Logik, indem sie die bestehenden und bei einer auf Heilung hoffenden Wallfahrerin während einer Novene üblichen rituellen Handlungen an ihre Fähigkeiten und Bedürfnisse anpasste. Ihr Umgang mit dem G ebet und insbesondere mit d er Verlobung muss zu ihrer Heilung am deutlichsten beigetragen haben. 247 Der Versuch, die ihr 244 Krötzl, Pilger, S. 213. 245 Krötzl, Pilger, S. 227- 228. 246 Burke, Rituals, S. 210. 247 Die folgende Erklärung beruht auf derjenigen von P. Burke für H eilungen in Italien im 16. Jahrhund ert. Burke, Rituals, S. 211. <?page no="261"?> Die Heilung 251 bekannten Gebete beim Knien vor den Kapellen zu sprechen oder das Gelübde abzulegen, führte dazu, ihre Aufmerksamkeit auf die aktive Verwendung der Sprache zu lenken, statt ihr das Ausweichen auf die seit der Verstummung alltäglich gewordenen Zeichen zu ermöglichen. 248 Sie sah sich gezwungen, zu einem verbalen Ausdruck zurückzukehren. Die vom Schreiber gewählte stereotype Formulierung von dem Verlobungsakt "in Gedanken" konnte diese Anstrengung um Versprachlichung der eigenen Wünsche nur schlecht wiedergeben. Diesen Schritt zu tun brauchte ausserdem viel Mut ihrerseits, weil Catalina die Zunge beim Bewegen geschmerzt haben muss, auch nachdem die Entzündung am Zungenbändchen vorüber gewesen war. Ihr Lispeln nach der Heilung deutet auf diese Schmerzen hin und auf den hinterlassenen Schaden, unter dem sie vor ihrer Erkrankung nicht gelitten hatte. Das Ritual half ihr wahrscheinlich, mit Worten zu kommunizieren, indem sie wieder merkte, dass sie diese aussprechen konnte, was ihr überraschend vorkam. Dass die Heilung so erfolgen konnte, setzte zum einen die Besserung des Zustands der Zunge voraus und zum anderen eine positive Haltung und aktive Teilnahme am Ritual ihrerseits. Da Catalinas Wallfahrt und ihre Hinwendung zum Heiligen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit basierten, war es ihr möglich, eine Vertrauensbeziehung zum Heiligen Domingo aufzubauen und zu unterhalten, die ihren Ausdruck im Gelübde fand. In Catalinas Augen musste der Heilige den idealen Heiler darstellen, einen Heiler, wie sie ihn sich wünschte . Er verlangte zwar eine Behandllung oder Therapie, die unter anderem darin bestand, zu fasten und lange auf den Knien zu liegen, aber er würde nie ein Einschneiden unterhalb der Zunge mit einer Lanzette vornehmen. Das Wunder wurde dank dieser emotional besetzten Bindung zum Heiligen Domingo eingeleitet und zeugt deshalb nicht nur vom damaligen medizinischen Notstand , sondern auch von d en sozialen Schranken und Schwierigkeiten, die den Umgang der Patientin mit den Heilern prägten und ihre Kommunikation miteinander erschwerten. Nach dieser Analyse und Interpretation von Catalinas Aussagen über ihr Verhalten während der Wallfahrt lohnt es sich, Bernardinos Bericht darüber noch einmal zu lesen: 248 Ciruelo setzte zwei Bedingungen für die Wirkung der Gebete in der Nähe der Reliquien von Heiligen: die Inbrunst beim Beten und das Sprechen des Gebets mit dem Mund. Ciruelo, Reprouacion, S. 90-93. Bataillon behandelt die Polemik zwischen Befürwortern des mündlichen Gebets und denjenigen des geistigen Gebets an zahlreichen Stellen in seinem Werk und über den Einfluss von Erasmus auf die spanischen Intellektuellen im 16. Jahrhundert. Die extremsten G egner des mündlichen Gebets wurden gegen die Mitte des Jahrhunderts von "Lutheranismus" verdächtigt, wie die Inquisition d en Protestantismus nannte. Bataillon, Erasmo, passim. <?page no="262"?> 252 Catalina de Foncea und von dort [Casalarreina] aus war sie, durch eine grosse Inbrunst bewegt, gekommen, um diese heilige Kirche und den glorreichen heiligen Körper des Herren Heiligen Domingo zu besuchen, wo sie dank der Barmherzigkeit unseres Herren und durch die Fürsprache dieses glorreichen Heiligen, wie man es auf fromme Weise für wahr halten darf, am dritten Tag deutlich und auf offene Art gesprochen hatte. Später wies er nochmals darauf hin: kam sie, wie gesagt wurde, in diese heilige Kirche und zum Grab des Herren Heiligen Domingo und bekam und erlangte wieder die Sprechfähigkeit, wofür wir alle unserem Herrn unendlich dankbar sein und für ihn eine grosse Inbrunst haben müssen. Anders als bei seiner Behauptung über Catalinas Aufsuchen der Mediziner sah sich Bernardino bei der Zusammenfassung ihrer Wallfahrt nicht genötigt, ihr eine Absicht zuzuschreilien, die in Wirklichtkeit nicht existiert hatte. Bernardino erfand dieses Element seiner Erzählung nicht, aber er beschrieb den Moment der Heilung so, dass Catalinas eigenständige Handlungen in den Hintergrund gerieten und die Fürsprache des Heiligen in den Vordergrund rückte. Catalinas Figur trat in Bernardinos Erzählung hauptsächlich als Mittel einer positiven Darstellung des Heiligen sowie der heilbringenden Wirkung seines Grabes auf und damit einer positiven Selbstdarstellung des Kapitels. Im Wunderbericht verkörperte der Heilige nämlich die Identität der Kathedrale und ihres Kapitels gegenüber anderen Kirchen. Er fungierte als ihr Patron, der Fürsprache bei Gott für Catalina eingele gt hatte. Ihm galt die allgemeine Dankbarkeit und die grosse Inbrunst, während Catalinas Rolle sich daruf beschränkte, ihre" devocion" zu zeigen, ihre Fähigkeit, dem Heiligen eine Leistung zu versprechen und sich daran zu halten. Diese Betonung der Handlungsfähigkeit der Figur des Heiligen in der Erzählung und des gehorsamen Verhaltens der Miraculee zielte darauf ab, die Wallfahrten zur Kathedrale des Heiligen Domingo zu fördern, und dadurch ihr Ansehen und ihre Einkünfte zu erhöhen. Dieses Ziel verlangte eine andere Perspektive in der Erzählung als diejenige Catalinas. Diese begann selber ihre Erlebnisse beim Wunder aus einer anderen Sicht zu erzählen, als sie Mari G6mez zum ersten Mal nach der Heilung traf: "Oh, Frau Mari G6mez, ich kann wieder sprechen, ich komme vom glorreichen heiligen Körper des Herrn Heiligen Domingo." Sie sprach, und das war gerade das erste und wichtigste, was sie mitt eilen wollte. Das Evidente musste zunächst ausgedrückt werden und erst dann kam der Schauplatz der Handlung, der Ort, an dem das Wunder geschehen war. Catalina war das beschreibende und handelnde Subjekt ihrer eigenen Erzählung, nicht das Objekt wie bei Bernardinos Bericht. <?page no="263"?> Die Heilung 253 7.3.3 Vorstellungen von einer kranken Zunge und ihrer Heilung Pedro de Llodio, der Chirurg, beschrieb Catalinas Zunge, als er erklärte, warum ein Einschnitt zu gefährlich gewesen wäre: und die Ursache seien vier von einem kleinen Knochen entspringende Muskel gewesen; dieser Knochen befinde sich in der Kehle, sehr nahe vom Adamsapfel, wie man gewöhnlich sage, und dieses Knöchelchen nenne man Hyoides; es gebe einen anderen Muskel, der von unterhalb der Zunge selber entspringe, dort, wo das Zungenbändchen sei; zwei andere entspringen [auch dort], die sich neben dem Zäpfchen befinden, das wir Uvula nennen; und diese beiden Muskel nenne man Fledermausflügel wegen der Ähnlichkeit, die sie mit ihnen haben; zwei andere entspringen von den Seiten des Unterkieferknochens, den wir Mandibel nennen, so dass sie die neun Muskel sind, aus denen sich die Zunge aufbaut; ausserdem gebe es unter ihr zwei Adern, die man [llonicas] nenne, welche von den äusseren Drosseladern entspringen, dererwegen es Todesgefahr gäbe, wenn man einen solchen Einschnitt machen würde, und dies wegen der Hämorrhagie des Blutes, welches dann mit Wucht hervorströmen würde, und ausserdem würde ein Krampf stattfinden wegen der besagten die Zunge aufbauenden Muskeln, sowie wegen der Nerven, die aus dem dritten [unleserlich] dorthin gehen, und die Nerven, die vom Gehirn entspringen, wären [auch] Ursache für den Krampf; und ausserdem, sagte er, die Zunge sei von zwei Tuniken bedeckt: die eine ist ihre eigene, die andere nicht; man sagt von der zweiten, dass sie "nicht eigen" ist, weil sie den ganzen Mund und die Zunge bedeckt; man sagt von der ersten, dass sie eigen ist, weil sie nur die Zunge bedeckt; das Zungenbändchen ist "penicular" und nervlich und entspringt der Schicht, welche die ganze Zunge und den Mund bedeckt, und in diesem [dem Zungenbändchen) war die Krankheit sowie in den fünf Muskeln und in einem Teil der obengenannten Nerven, und das alles war paralysiert und zusammengezogen und unheilbar [... ]2 49 Pedro de Llodio hatte einen sezierenden Blick, der die verschiedenen anatomischen Teile eines Organs, der Zunge, zerlegen konnte. 250 Auf diese sezierende Weise beschrieb er den Zustand der kranken Zunge, aber gab keine Erklärung für die Ursache der Krankheit. Er besass also keinen klinischen Blick im Sinne Foucaults, weil das erst im 19. Jahrhundert möglich gewesen wäre. 251 Pedro de Llodios theoretisches Wissen stammte wahrscheinlich aus 249 Der Schreiber wechselt manchmal von der indirekten zur direkten Rede, ohne speziell darauf hinzuweisen. Die Übersetzung gibt diese Abwechslung auch wieder. f. 14v-15r. Anhang 53. 250 Um die Mitte des 16. Jahrhunderts bekamen die Anatomie und die Chirurgie neue Impulse, die mit einem Drängen nach Empirie verbunden waren. Andre Vesal wies 1543 nach, dass viele Einzelheiten der galenischen Anatomie auf Irrtümern basierten. Ambroise Pare (1510- 1590) erneuerte die Wundbehandlung dank seinem Vertrauen in die eigene Beobachtung und wurde anfangs der 1560er Jahre sehr bekannt. Vgl. Rothschuh, Konzepte, S. 165, 211; Schipperges, Chirurgie, S. 49-55. Über die frühe Rezeption Vesals im Spanien des 16. Jahrhunderts vgl. Granjel, La medicina, S. 49-52 . 25! Erst im 19. Jahrhundert setzte man die Analyse der Anatomie mit der Erklärung der Krankheiten in Beziehung, was die Entstehung der pathologischen Anatomie bedeutete. <?page no="264"?> 254 Catalina de Foncea den Anatomiebüchern der Zeit. Er setzte seine Kenntnisse in Verbindung mit seinen Beobachtungen. So konnte er voraussehen, dass sich ein Krampf und eine Hämorrhagie durch das Einschneiden unterhalb der Zunge einstellen würden . Catalina konnte ihre Zunge vielleicht nicht selber beobachten, denn sie erwähnt es selber nicht, und das Verfügen über Spiegel darf nicht bei allen Schichten vorausgesetzt werden. Sie hörte auch eine Zeit lang nicht, wie die anderen ihre Zunge beschrieben. Sie spürte nur Schmerzen, sie berührte wahrscheinlich ihre Zunge auch, und vor allem dachte sie und interpretierte ihre Wahrnehmungen nach einer eigenen Rationalität, die wenig mit derjenigen von Pedro de Llodio zu tun hatte, obwohl beide zum selben Schluss kamen. Catalina erklärte die Ursache ihrer Krankheit als Folge der Verkrampfung während des Gewitters auf dem Feld. Sie setzte beides in Verbindung, und auch wenn sie nicht wusste, wie ihre kranke Zunge genau aussah, sagte sie dennoch voraus, dass das Blut hervorströmen würde . Dafür brauchte sie nur ihr Alltagswissen über die Körper der Tiere und ihre Erfahrung mit ihrem eigenen Körper: Schliesslich hatte sie schon bei der Verletzung am Oberschenkel Blut verloren. Beide, Catalina und Pedro, stimmten während des Verhörs trotz ihrer unterschiedlichen Denkmuster und Körpervorstellungen darin überein, dass die Heilung nur ein Wunder gewesen sein konnte. In der religiös en Deutung der Heilung bestand der einzige Berührungspunkt zwischen ihren beiden Versionen der Krankheits- und Heilungsgeschichte von Catalinas Zunge. Den Klerikern von Santo Domingo kam es hauptsächlich auf diesen Teil der Geschichte an. Es hand elte sich um eine Folge der Vereinigung der inner en Medizin mit der Chirurgie. Foucault, Geburt, S. 137-161. <?page no="265"?> 8 Der Prozess von Catalina de Grafion 8.1 Die Aussagen Im Unterschied zu Catalina de Fonceas Prozess wirkt der nächste übersichtlich. Er besteht nur aus drei Aussagen. Der ständige Wechsel zwischen direkter und indirekter Rede behindert den Lesefluss. Diesen Widerstand habe ich nicht zu beseitigen versucht, damit der Stil des Schreibers erhalten bleibt. 8.1.1 Catalina de Grafi.6n 1 Die besagte Catalina, Frau von Pedro Garcfa del Oyo, Nachbarin der Kleinstadt von Graii6n, die sagte, sie sei ungefähr fünfunddreissigJahre alt, als sie ihre Aussagen für die "informaci6n" über die Krankheit machte, an der sie am vergangeneu Samstag von Lazarus, dem 22. März dieses Jahres 1556litt, sagte, dass Gott unser Herr die Güte hatte, derjenigen, die aussagt, eine Krankheit mit starken Kopfschmerzen und einem grossen Fieber am letzten 16. des bes agten Monats März des besagten Jahres zu geben, und a ls sie auf diese Art krank gewesen sei, habe sie der Doktor Santo Domingo, Arzt, Nachbar der Stadt Santo Domingo, wegen dieser Krankheit behandelt, und er habe sie purgiert und ihr Blut abgelassen, und als sie auf diese Art krank gewesen sei, am siebten Tag ihrer Krankheit, und als sie völlig am Ende ihres Lebens gewesen sei und weder sie noch ihr Ehemann noch Martfn del Oyo, Kleriker, Hoffnung auf [ihr] Leben gehabt hätten, und als sie [ihr Ehemann und sein Bruder Martfn del Oyo] miteinander darüber geredet hätten, wie diej enige, die aussagt, sehr am Ende, ohne irgendeine Hoffnung auf die Rettung ihr es Lebens gewesen wäre, habe diejenige, die aussagt, Pedro Garcfa del Oyo, ihren Ehemann, zu diesem Zeitpunkt rufen lassen und so sei er gegangen und habe sie gefragt, was sie befehle, und diejenige, die aussagt, habe ihm gesagt, er solle ihr dort helfen, und der besagte, ihr Ehemann, habe ihr geantwortet, dass Gott ihr helfen sollte und dass sie sagen sollte, was sie ihm befehle; und diejenige, die aussagt, habe nochmals gesagt, dass er ihr dort helfen sollte, da sie sehr gesund gewesen wäre, und der besagte ihr Ehemann habe ihr gesagt: "wie gesund? "; und sie habe ihm gesagt: "Ja, ich bin sehr gesund, und der gi .orreiche heilige Körper des Herrn Heiligen Domingo hat mir das ganze Ubel abgenommen", denn, als sie so gewesen sei und sich so am Ende gesehen habe, habe sie sich an das Wunder erinnert, das unser Herr dank dem glorreichen Herrn Heiligen Domingo bei einer stummen jungen Frau bewirkt hätte, welches wenige Tage vorher geschehen war, und so habe sie sich seinem Schutz empfohlen und habe ein Gelübde für den Herrn Heiligen Domingo abgelegt, und indem sie sich seinem Schutz mit viel Hingabe empfohlen und ein Gelübde abgelegt habe, habe sie ihn darum 1 f. 17r- 18r. Fü r die Transkription der drei Aussagen vgl. Anhang 48. <?page no="266"?> 256 Der Prozess von Catalina de Grafion gebeten und erfleht, ihr auf dieselbe Weise die Krankheit, an der sie litt, abzunehmen und sie von ihr zu befreien, wie er jener stummen jungen Frau die Speechfähigkeit gegeben hätte; und in diesem Moment und zu diesem Zeitpunkt habe sich ihre Zunge entwirrt, die vorher verwirrt gewesen sei, und ihre Kehle, die vorher verschlossen gewesen sei, habe sich geklärt; und dass der Schmerz am Herzen, den sie gehabt habe, verschwunden sei; und dass es ihr schien, als ob ihre Füsse und Hände sehr viellänger geworden wären, und dass sie sich von der Krankheit völlig befreit fühlte; und von dem Moment an habe sie begonnen, in ihrer Person zu genesen und sich von der Krankheit zu erholen, indem sie sich dem Schutz unseres Herrn Gottes und des glorreichen Heiligen Herrn Heiligen Domingo empfohlen habe, und seitdem hätten diejenige, die aussagt, und ihr Ehemann das Gelübde abgelegt, Novenen zu halten, und sie hätten sie in der Kirche von Ia Calzada gehalten, in der der glorreiche Körper des Herrn Heiligen Domingo begraben sei, von wo aus sie jetzt geheilt und mit Gesundheit weggehe, indem sie Gott und dem Herrn Heiligen Domingo dafür danke; und das sei wahr; und dass sie für die Bestätigung des oben Gesagten Martfn del Oyo, Kleriker, Bruder des Ehemannes derjenigen, die aussagt, hätten rufen lassen, der gesagt habe, dass eine solche Sache nicht ohne Erinnerung bleiben durfte und dass man dem glorreichen Heiligen Herrn Heiligen Domingo einige Opfergaben bringen sollte, nachdem ihm erzählt worden war, wie der Fall geschehen und passiert sei; und dass der besagte Martfn del Oyo angesichts der Besserung, die sie erlebte, fortging, um den glorreichen heiligen Körper mit Wachs (Kerzen] zu umgeben; und er habe ihn umgeben und habe einige Messen lesen lassen, und dank diesen guten Werken und der Inbrunst, die sie gehabt habe, sei die Gesundheit zu ihrer Person gekommen; und dies sagt sie; und es sei wahr; und sie unterschrieb nicht, weil sie sagte, dass sie nicht konnte. Der Lizentiat Don Diego de Bazan, Francisco de Verganzo, Vikar, Bartolome de Castro, Notar. 8.1.2 Die Zeugen Pedro Garcfa del Oyo 2 Der besagte P edro Garcfa del Oyo, Nachbar der besagten Kleinstadt von Graii6n, Ehemann der besagten Catalina, der sagte, er sei ungefähr einundvierzig oder zweiundvierzig Jahre alt, als er seine Aussagen für die "informaci6n" über die Krankheit machte, an der Catalina, Ehefrau desjenigen, der aussagt, litt, sagte, dass die besagte Catalina, Ehefrau desjenigen, der aussagt, am Sonntag von [unleserliches Wort] vor dem Sonntag von Lazarus der vergangenen Fastenzeit, dem 16. des Monats März des jetzigen]ahres 1556, sehr krank wurde mit Kopfschmerzen und Fieber und völlig ans Ende kam; und die besagte C atalina sei völlig am Ende ihres Lebens am Morgen vom Samstag von Lazarus, dem 22. des besagten Monats März d es besagten]ahres; und dass derjenige, der aussagt, und diejenigen, die die besagte Catalina sahen, redeten und über sie sprachen, als ob sie tot wäre; und da derjenige, der aussagt, sie schon für tot und ohne Hoffnung auf die Rettung ihres Lebens gehalten habe, habe er nicht sprechen können und sei aus diesem Grund sehr beklemmt aus dem Raum, wo die besagte Catalina, seine Ehefrau gewesen 2 f. 18r - 18v. <?page no="267"?> Die Aussagen 257 sei, weggegangen und habe mit Martfn del Oyo, Kleriker, Bruder desjenigen, der aussagt, gesprochen und habe ihm mit grossenSchmerzen gesagt: "Meine Frau geht mit Gott"; und der besagte Martfn del Oyo habe ihm gesagt, dass er sich bemühen und Gott dafür danken sollte; und als sie die besagte Catalina für tot gehalten hätten, hätten derjenige, der aussagt, und der besagte Martfn del Oyo, über die Art geredet, wie sie ihr Leben weiter führen sollten, weil beide zusammen gelebt hätten, und als sie so gesprochen hätten, sei eine Frau, die mit der besagten Catalina gewesen wäre, in den Raum hereingekommen, in dem derjenige, der aussagt, und Martfn del Oyo, sein Bruder gewesen seien, und sie habe demjenigen, der aussagt, gesagt, dass er dorthin gehen müsste, da seine Ehefrau ihn gerufen habe, und so sei derjenige, der aussagt, dort hineingegangen, wo die besagte Catalina, seine Ehefrau, sehr krank und am Ende gewesen sei, und derjenige, der aussagt, habe sie sofort gefragt, was sie befehlen würde, und die besagte Catalina habe ihm geantwortet, dass er ihr dort helfen sollte, und derjenige, der aussagt, habe ihr gesagt, dass Gott unser Herr ihr helfen sollte und dass sie sagen sollte, was sie befehlen würde, dass er es tun würde, und die besagte Catalina habe ihm nochmals gesagt: "Hilf mir hier, ich bin völlig gesund, weil der glorreiche heilige.Körper des Herrn Heiligen Domingo mir geholfen hat und mir das ganze Ubel, das ich habe, abgenommen hat"; und derjenige, der aussagt, sei verwundert gewesen und habe ihr gesagt, was das sei, was sie gesagt hätte, und die besagte Catalina habe ihm gesagt, dass sie sich für sich selber an das Wunder erinnert habe, das Gott unser Herr dank der Fürsprache des glorreichen heiligen Körpers des Herren Heiligen Domingo bei einer stummen jungen Frau bewirkt hätte, als sie am Ende ihrer Tage und krank gewesen sei, und als sie so gelegen sei und daran gedacht habe, habe sie sich an den glorreichen Heiligen erinnert und habe ihn darum gebeten, dass er ihr auf dieselbe Weise jenes Übel und die Krankheit, an der sie gelitten habe, abnehmen würde, wie er jener stummen jungen Frau die Sprechfähigkeit wieder gegeben hätte, und nachdem sie sich seinem Schutz so empfohlen hätte, habe sie sofort eine grosse Besserung in ihrer Person gefühlt und das ganze Übel, das sie gehabt habe, sei abgenommen worden, sowohl an der Zunge wie an der Kehle, denn sie habe weder deutlich sprechen noch irgendetwas schlucken können, und sie habe nur mit grosser Mühe etwas einnehmen können; und dass ihr der grosse Schmerz am Herzen, an dem sie gelitten habe, abgenommen worden sei, und dass es ihr geschienen habe, als ob ein klein wenig Wasser neben ihrem Herzen geplatzt wäre, und dass ihre Beine und Arme sich im grossen Mass ausgedehnt hätten, und so habe sie sich dann sehr gesund gefühlt; und so hätten derjenige, der aussagt, und die besagte Catalina, seine Ehefrau, versprochen, zu dem glorreichen heiligen Körper zu kommen, um Novenen zu halten, wo sie neun Tage mit den Novenen gewesen seien, die heute Montag den 18. Mai 1556 zu Ende seien, von wo aus die besagte Catalina geheilt und mit Gesundheit weggehe; und das sei die Wahrheit; und Don Diego de Baz an, Francisco de Verganzo, Vikar, Pedro del Oyo, Bartolome de Castro, Notar, Pedro de Gayangos unterschrieben mit ihren Namen. <?page no="268"?> 258 Der Prozess von Catalina de Graii6n Martin del Oyo 3 Der besagte Martin del Oyo, Kleriker, Pfründenbesitzer in der Kirche des Herrn HeiligenJohannes der Kleinstadt von Graii6n, der sagte, er sei ungefähr achtunddreissig Jahre alt, als er [seine Aussagen] für die "informaci6n" über die Krankheit von Catalina, Ehefrau von Pedro Garcia del Oyo, Nachbarin der besagten Kleinstadt, machte, sagte, dass er weiss, dass die besagte Catalina, Ehefrau des besagten Pedro Garcia del Oyo, Schwägerin desjenigen, der aussagt, krank mit Kopfschmerzen und einem starken Fieber seit acht Tagen am Samstag vor dem Sonntag von Lazarus der Fastenzeit des gegenwärtigen Jahres 1556, de~ 22. des Monats März des besagten Jahres, gewesen war; und nachdem sie Arzte zu der besagten Krankheit konsultiert hätte, hätten sie der besagten Catalina wenig Hoffnung auf Leben gemacht, insbesondere der Doktor Santo Domingo, Arzt; und dass derjenige, der aussagt, sie völlig am Endeambesagten Samstag von Lazarus sah und sie fast kein Wort artikulieren konnte, wobei die besagte Catalina gesagt habe, dass sie nichts von dem, was sie gegessen und getrunken habe, durch ihre Kehle bringen konnte, und dass sie dachte, sie würde nicht bis zur Nacht leben, indem sie demjenigen, der aussagt, ihre Seele und, als ihrem Schwager, ihre Kinder anvertraut habe; und derjenige, der aussagt, habe auch für wahr gehalten, dass es nach dem Aussehen der besagten Catalina so sein würde, welche eher für den Tod bereit und vorbereitet gewesen sei als fürs Leben, und als derjenige, der aussagt, und Pedro Garcia del Oyo, Ehemann der besagten Catalina, ausserhalb des Hauses gewesen seien, in dem die besagte Catalina gewesen sei, hätten sie sie für tot gehalten, so dass sie geregelt hätten, wie sie ihrer Seele auf geziemende Weise helfen könnten, und als sie gesprochen hätten, sei eine Frau gekommen, die bei der besagten Catalina gewesen sei, um ihren Ehemann zu rufen; und derjenige, der aussagt, und der besagte Pedro Garcia del Oyo seien zu dem Bett gegangen, in dem die besagte Catalina, seine Ehefrau, gewesen sei, und als sie drinnen gewesen seien, wo sie gewesen sei, habe sie ihnen, demjenigen, der aussagt, und dem besagten Ehemann, erzählt und gesagt, wie sie sehr erschöpft und mit Todesschmerzen gewesen wäre und sie sich daran erinnert hätte, wie der glorreiche heilige Körper des Herrn Heiligen Domingo einer stummen jungen Frau die Sprechfähigkeit wiedergegeben hätte, und als sie sich an dieses Wunder erinnert habe, habe sie mit grosser Inbrunst den besagten glorreichen heiligen Körper darum gebeten, dass unser Herr Gott mittels des glorreichen heiligen Körpers des Herrn Heiligen Domingo sie von dieser Krankheit befreien würde und sie heilen würde, wie er jener stummen jungen Frau die Sprechfähigkeit wiedergegeben hätte; und dass sie dann zu diesem Zeitpunkt eine bemerkenswerte Besserung in ihrer Person gespürt hatte, insbesonders dass sie vorher die Zunge und die Kehle sehr belegt hatte und jetzt viel besser sprechen konnte und es ihr schien, als ob die [ihre] Füsse und Hände in grossem Mass ausgedehnt hätten; und dann habe derjenige, der aussagt, gesagt, dass eine solche Sache erwähnt und in Erinnerung bleiben sollte, und derjenige, der aussagt, habe sie ermahnt und dazu veranlasst, für eine grössere Inbrunst zu dem glorreichen heiligen Körper des Herrn Heiligen Domingo zu kommen, um Novenen zu halten, und so habe die besagte Catalina versprochen, es zu tun, und so habe sie Novenen neun Tage 3 f. 18v-19v. <?page no="269"?> Alonso de Cabredo, Bernardino und die Richter 259 lang, die heute zu Ende seien, beim heiligen Körper gehalten, wo er sie gesehen habe, dass sie geheilt und mit Gesundheit weggehe; und dass derjenige, der aussagt, aus der Kleinstadt Grafion zu dem heiligen Körper des Herrn Heiligen Domingo weggefahren sei, als die besagte Catalina ihm gesagt habe, was ihr geschehen sei, und dass er ihn [den heiligen Körper] mit Wachs umgab und einige Messen für die besagte Catalina lesen liess; und wie er gesagt habe, sei die besagte Catalina geheilt und gesund; und Don Diego de Bazan, Francisco de Verganzo, Vikar, Martfn del Oyo, Bartolome de Castro Notar, Pedro de Gayangos unterschrieben mit ihren Namen. 8.2 Alonso de Cabredo, Bernardino und die Richter Alonso de Cabredo, der Kanzler und Verantwortliche für die finanziellen Mittel für Erhaltung, Bau und Kultus der Kathedrale, und Bernardino de Sesma erschienen am 18. Mai 1556 noch einmal mit einer Bitte vor denselben Richtern. Sie baten die Richter darum, den Notaren Bartolome de Castro und Juan Marin mehr als vier Kopien(" quatro treslados y mas") der Akten und Verhörprotokolle über das Wunder von Catalina de Foncea für das Archiv der Kathedrale und für die Leute, die sie verlangen würden, anzufertigen, damit sich der Ruhm vom Heiligen Domingo mehrte. 4 Ausserdem teilten sie ihnen ein neues Wunder des Heiligen bei einer verheirateten Frau aus Grafion mit: kurz nachdem das oben erwähnte Wunder der Stummen [von Catalina de Foncea] geschehen war, erfuhr es diese krap.ke Frau aus Graii6n, die seit vielen Tagen krank im Bett war und von den Arzten aufgegeben worden war, so dass man erwartete, dass sie innerhalb einiger Stunden sterben würde; sie sagt, dass sie sich mit grosser Inbrunst dem Schutz des glorreichen Heiligen Bekenners Domingo empfahl und versprach, in diese heilige Kirche zu kommen, in der das Grab und der beerdigte Körper des besagten glorreichen Bekenners sind, um eine Novene zu halten, wenn Gott ihr das Leben geben würde; und sie sagt, dass sie, als sie dies gesagt und versprochen hatte, plötzlich drinnen in ihrem Körper und ihren Gliedern ein merkwürdiges Gefühl spürte, als ob ihr ein Geschwür ["postema"] drinnen geplatzt wäre, und andere Sachen, die sie sagt und aussagt, so dass sie sich dann in Bezug auf ihre Gesundheit besser fühlte; und so kam sie, um die besagte Novene zu halten, und sie ist gegenwärtig hier. 5 Als nächstes übergaben sie den Richtern eine formelle Bitte um Durchführung einer "informaci6n" (Prüfung) über dieses zweite Wunder und legten ihnen nahe, dass sie sich beeilen müssten, die Frau und ihren Ehemann zu verhören, "bevor sie von der Kirche weggehen, in der sie die besagte Novene halten " ("antes que se bayan desta yglesia donde estan cumpliendo la dicha novena"). 6 f. 15v-16r. f. 16r. 6 f. 16v. <?page no="270"?> 260 Der Prozess von Catalina de Graii6n Und die Richter beeilten sich tatsächlich sehr. Am selben Tag (dem 18. Mai) erklärten sie sich bereit, die Untersuchung durchzuführen. Sie fertigten ein Mandat an mit der Vorladung an das Ehepaar, Catalina de Grafion und Pedro Garcia del Oyo sowie an Catalinas Schwager, den Pfarrer von Grafion, Martin del Oyo. Die drei leisteten ihren Eid. 7 An diesem Tag wurden sie verhört. Die Richter suchten dieses Mal nicht so lange nach Beweisen für das Wunder wie bei Catalina de Foncea. Das Auffälligste ist dabei, wie wenige Zeugen sie einvernahmen und dass diese mit Catalina de Grafion verwandt waren. Niemand stellte dem Ehemann und dem Schwager die "allgemeinen Gesetzesfragen", auf welche die Zeugen des ersten Prozesses antworten mussten. Die soziale Stellung der Familie des Pfarrers von Grafion machte sie im Gegensatz zu einer Bettlerirr und Magd wie Catalina de Foncea in den Augen der Richter vertrauenswürdig. 8 Ähnlich wie vor den gewöhnlichen weltlichen Gerichten erfuhren die sozial besser gestellten Zeugen eine bevorzugte Behandlung. 9 Die Eile beim Verhör steht im Kontrast zu der langen Wartezeit der Familie bis zur Wallfahrt. Das Wunder war am 22. März bei Catalina zu Hause geschehen, und das Ehepaar und Martin del Oyo hatten bis am 9. Mai, einem Sonntag, gewartet, um die Novenen in der Kirche zu halten. Sie kamen bestimmt für das Fest des Heiligen Domingo am 12. Mai, 10 obwohl dies in den Quellen nicht erwähnt wird, weil das Datum allen bekannt sein musste. Der Tag, an dem der Heilige Domingo starb, bildet heute noch den Höhepunkt der Feste von Santo Domingo de la Calzada anfangs Mai. 11 Das Fest beginnt an diesem Tag schon am Morgen mit der Verteilung von Essen durch die Bruderschaft ("cofradfa") und geht mit der Zelebration einer Messe am Mittag weiter, nach der die Heiligenstatue aus der Kathedrale in einer feierlichen Prozession herausgetragen und herumgeführt wird. Die verschiedenen Maifeste von Santo Domingo beginnen aber schon am 25. April. An diesem Tag malen Mitglieder der immer noch existierenden Bruderschaft die Gesichter einiger Mädchen auf der Strasse mit einer in blaue Tinte getauchten Feder und wählen so die Mädchen aus für eine Prozession am 11. Mai, welche dann in weissen Gewändern und mit dem "Brot des Heiligen" in einem Korb auf dem Kopf teilnehmen müssen. 7 f. 16v-17r. 8 Die meisten Pfarrer stammten, wie zum Beispiel in der neukastilischen Provinz Cuenca, aus dem niedrigen Adel und aus der Schicht der besitzenden Landwirte. Nalle, God, S. 82- 84. 9 Dülmen, Theater, S. 15. Ausnahmen zu dieser Regellassen sich finden, wenn die Richter besonders gerecht sein wollen. Brucker, Giovanni, S. 24-27. 10 Seit dem Spätmittelalter wurden die Dankwallfahrten häufig am Festtag des Heiligen unternommen. Die Wunder wurden bei diesem Anlass öffentlich verkündet. Krötzl, Pilger, S. 355-356. 11 Die folgenden Ausführungen über das heutige Fest beruhen auf Muntion, Santo Domingo, S. 55-65. <?page no="271"?> Alonso de Cabredo, Bernardino und die Richter 261 Vom 1. bis am 12. Mai geht täglich, jeweils morgens, ein Mann mit einer Trommel auf der Strasse herum. Sein Rundgang ("vueltas") beginnt und endet auf dem Platz vor der Kathedrale. Am 1. Mai werden mürbe Brote mit dem Bildnis des Heiligen verteilt. Am 10. Mai lassen einige Schäfer Schafböcke durch die Stadt spazieren, bevor sie diese für ein gemeinschaftliches Essen am 11. Mai schlachten. Am Nachmittag tragen zwei Ochsen einen Karren mit grossen Steineichenästen zur Kathedrale, wo einige davon um das Grab des Heiligen gestellt werden, während andere vor dem Haus der Bruderschaft gelassen werden. Danach findet eine Prozession der "Prioras", des weiblichen Pendants der Bruderschaft statt, deren Mitglieder auch Brot in Körben auf dem Kopf tragen. An der Prozession des "Brots des Heiligen" vom 11. Mai nehmen nicht nur die ausgewählten Mädchen teil, sondern auch die Bruderschaft und andere Einwohner der Stadt. Vorne geht ein Kind mit der Darstellung eines Galgens, an dem in Erinnerung an das Galgenwunder eine Figur aus Brot hängt. Im 16. Jahrhundert muss das Fest des Heiligen Domingo anders ausgesehen haben als das heutige, aber zahlreiche Elemente der modernen Feierlichkeiten weisen Merkmale der Frühligsfeste auf, die schon bei solchen Anlässen im 16. Jahrhundert an anderen Ortenvor allem in grossen Dörfern oder Kleinstädtenin Spanien zu erkennen waren. Die Frühlingsfeste von Neukastilien in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind dank den Relaciones von Philipp II. am besten bekannt. 12 Auch die Wochen zwischen dem 25. April und dem 9. Mai waren dort die beliebteste Zeit für solche religiösen Feierlichkeiten. Man organisierte meistens Prozessionen zu den Einsiedeleien in der Nähe der Dörfer. An verschiedenen Orten wurden der 1. Mai, Tag der Heiligen Philipp und Jakobus, der 3. Mai, Fest der Inventio des Heiligen Kreuzes, der 6. Mai, Tag des Heiligen Johannes Ante Portam Latinam, der 8. Mai, Erscheinung der Erzengels Michael und der 9. Mai, Tag des heiligen Gregorius Naciancenus, gefeiert. Einerseits bat man Gott mittels der Heiligen in den Prozessionen um den Schutz für die Ernte, denn der Anfang des Frühlings war entscheidend für die Landwirtschaft: man brauchte genug Wasser für das Spriessen der Weizenkörner, und man fürchtete den verspäteten Frost, den Hagel oder dass die Raupen die ersten Schösslinge der Weinstöcke schädigen könnten. Andererseits feierte man, indem man ass, 12 Philipp Il. liess zwischen 1575 und 1580 statistische Erhebungen durchführen, die ausser Angaben über die Bevölkerung und die wirtschaftliche Lage jeder spanischen Ortschaft -wobei nur diejenigen aus Neukastilien erhalten sindzahlreiche Informationen über die religiösen Praktiken enthalten. Diese Erhebungen sind die Relaciones hist6rico-geogrdficas o topogrdficas. Darauf stützt sich W. A. Christians Studie über die lokale Frömmigkeit in Spanien. Über die Quellen und die Feste vgl. Christian, Religiosidad, S. 17-23, 76 -81. Mehr Beispiele von Feierlichkeiten aus derselben Quelle, zwar kaum analysiert, sondern nur wiedergegeben, findet man bei Campos, Castilla, S. 70-89. <?page no="272"?> 262 Der Prozess von Catalina de Grafion trank und tanzte. 13 Beide Aspekte gehören heute noch zum Fest von Santo Domingo, die Angst um die Ernte sowie die Freude an der Wärme des Frühlings. Das Brot auf den Köpfen der Mädchen und Frauen und das von der Bruderschaft verteilte Brot haben mit beiden Gefühlen zu tun. An Prozessionen wie derjenigen zum regionalen Heiligtum der heiligen Ana, einer Einsiedelei bei Carcasona del Campo (Cuenca), wurde im 16. Jahrhundert zum Teil ähnlich gefeiert wie im heutigen Santo Domingo. Die Prozession wurde von Musikanten (manchmal unter anderen von Flöten- und Kornettspielern) und Tänzern begleitet. In der Einsiedelei wurde eine Messe gehalten, man hörte eine Predigt, und dann gab es eine Stierhetze. Da es sich um ein regionales Heiligtum handelte, kamen auch Einwohner anderer benachbarten Dörfer. 14 Der Festtag des Heiligen am 12. Mai erklärt, weshalb Catalina, ihr Ehemann und ihr Schwager so lange warteten. Aber warum Iiessen Alonso de Cabredo und Bernardino de Sesma die Zeit bis zum 18. Mai verstreichen, dem letzten Tag von Catalinas Novene, gerade bevor sie abreisen musste? Sie scheinen es absichtlich gemacht zu haben, denn sie mussten wahrscheinlich viel früher davon gewusst haben. Martin del Oyo hatte im März einige Messen aus Dankbarkeit für die Heilung seiner Schwägerin in der Kathedrale von Santo Domingo lesen lassen und muss bei dieser Gelegenheit einen Grund dafür angegeben haben. 15 Zudem war er nicht irgendein Pfarrer eines kleinen Dorfes in der Umgebung, sondern der Pfründenbesitzer der Pfarrkirche des benachbarten Graii6n, der nächsten wichtigen Ortschaft auf demJakobsweg nach Santo Domingo de Ia Calzada. Mindestens einige Kapitelmitglieder müssen ihn gekannt haben, weil beide Kirchen eng miteinander verbunden waren. 16 Auch wenn man annimmt, dass kein Kapitelmitglied seit März etwas davon gewusst hatte, ist es schwer vorstellbar, dass keiner von ihnen während derNovenedie Anwesenheit der Familie aus Graii6n bemerkte. Bisam 13. Mai müssen Alonso und Bernardino mit den Vorbereitungen für die Festtage und mit der Teilnahme an den religiösen Anlässen sehr beschäftigt 13 Christian, Religiosidad, S. 140-146. 14 Ebd., 147-150. 15 Wenn die Angaben aus den Aussagen Catalina de Grafions und der Zeugen stammen, wird im Folgenden nicht auf das jeweilige Blatt aus dem Aktenbündel hingewiesen, weil diese Aussagen oben vollständig wiedergegeben wurden. ! 6 Da s Retabel der Kirche von S. Juan Bautista, Grafions Pfarrkir ch e, wurde 1546 angefangen und in demselben Stil wie dasjenige der Kathedrale von Santo Domingo de Ia Calzada angefertigt. Beide sind gute Beispiele für Renaissance-Retabel, wobei dasjenige aus Santo Domingo ein Meisterstück des Bildhauers Damian Forment (1480-1540) ist. Gerade 1556, dem Jahr von Catalinas Wunder, wurde das Retabel von Francisco Lubiano mehrfarbig gemalt. Dies deutet auf die günstige ökonomische Lage dieser Kirche zu dieser Zeit hin . Eine der Statuen des Retabels stellt den Heiligen Domingo de Ia Calzada dar, was die enge Ver: bindung zwischen der Kathedrale und der Kirche im benachbarten Grafion bestätigt. Uber das Retabel vgl. Maya, lnv entario, S. 166. <?page no="273"?> Alonso de Cabredo, Bernardino und die Richter 263 gewesen seinY Danach blieben sie untätig vom Donnerstag dem 14. bis am Sonntag dem 17. Auf jeden Fall trugen diese lange Wartezeit und das Vertrauen und Wohlwollen der Richter gegenüber der Familie des Pfarrers Martfn del Oyo dazu bei, einen im Vergleich zum ersten Fall vereinfachten Prozess zu führen. Ausser an der beschränkten Zahl von Zeugen und an ihrer bervorzugten Behandlung wird diese Vereinfachung des Prozesses an der Arbeitsweise des Schreibers beim Verfassen des Protokolls und am Vorgehen der Richter während des Verhörs erkennbar. Der Schreiber zeichnete die Fragen der Richter an Catalina de Graii6n nicht auf, sondern nur ihre Antworten. Trotzdem kann man sich einen ungefähren Begriff von den Fragen machen, wenn man Catalina de Graii6ns Aussagen liest und sich an die richterlichen Fragen an Catalina de Foncea erinnert. Die Richter scheinen sich zunächst nach Catalina de Graii6ns Personalien erkundigt und sie anschliessend nach ihrer Krankheit und Heilung gefragt zu haben, denn nur deren Rekonstruktion war für sie von Belang. Man bekommt den Eindruck, dass die Richter ihr sonst weniger zusätzlicheFragen stellten als Catalina de Foncea, weil Catalina de Graii6ns Erzählung weniger Spezifizierungen von Orten und Zeitpunkten verlangte: Ihre Krankheit dauerte nur eine Woche, und sie lag immer im Bett zu Hause. Ausserdem konzentrierte sich ihre Erzählung auf die Beschreibung einer Szene am 22. März: Das Gespräch zwischen ihrem Mann und ihrem Schwager wurde unterbrochen, als sie ihr en Ehemann rufen liess, um ihm das eben erlebte Wunder zu erzählen. Am Schluss der Einvernahme stellten ihr die Richter wahrscheinlich Fragen nach dem von ihr abgelegten Gelübde und seiner Erfüllung. Auch wenn man annimmt, dass alle dieseFragen gestellt wurden, scheint Catalina de Graii6n die richterliche Motivierung zum Erzählen durch Fragen weniger gebraucht zu haben als Catalina de Foncea. Dafür spricht zum Beispiel die Tatsache, dass sie selber den Hauptteil ihrer Erzählung, die Mitteilung des Wunders an ihren Mann, auf eine sehr persönliche Art gestaltete. Auch die Erzählsituation muss ihre Lust am Erzählen begünstigt haben. Es bestanden weniger sozial bedingte Kommunikationsbarrieren zwischen ihr und den Richtern als beim Verhör von Catalina de Foncea, denn Catalina de Graii6n lebte mit ihrem Mann und ihrem Schwager, dem Pfarrer, im selben Haus. Sie muss also die Welt der Kleriker viel besser gekannt haben als Catalina de Foncea und sich im Vergleich zu ihr in einer fast vertrauten Umgebung gefühlt haben. Was sie am stärksten von den Richtern, dem Notar und dem Schreiber trennte, war ihr Geschlecht und die damit einhergehende Diskriminierung, die unter anderem in ihrer Unfähigkeit, ihre Aussagen zu unterschreiben, Ausdruck fand. 17 Für die Aufgaben von Kapitelmitgliedern vgl. Nalle, God, S. 74-76. <?page no="274"?> 264 Der Prozess von Catalina de Gran6n Bei den Zeugenaussagen bemühte sich der Schreiber darum, beide Texte einheitlich zu gestalten, ihnen eine gemeinsame Form zu geben, die in gewissen Beziehungen mehr an einen traditionellen Wunderbericht erinnerte als an ein Verhörprotokoll mit Fragen und Anwerten. Er verzichtete auch dieses Mal darauf, die Fragen an die Zeugen aufzuzeichnen, obwohl Alonso de Cabredo und Bernardino de Sesma vermutlich einen Fragebogen wie im ersten Prozess aufgestellt hatten. Der Gebrauch eines solchen Fragebogens durch die Richter bei der Zeugeneinvernahme würde unter anderen die auffällig ähnliche Struktur der drei Aussagen (von Catalina, von ihrem Ehemann und von ihrem Schwager) erklären. Der Schreiber reinigte ferner seine Reinschrift von Wiederholungen von "und dass", den zwei Wörtern, mit denen er sonst jede Antwort einleitete, wenn er in Eile war. Dadurch wirkt der Text weniger schwerfällig. Sonst verwendete er die indirekte Rede wie im ersten VerhörprotokolL Bei der Erzählsituation und der Interaktion zwischen Zeugen und Richtern während des Verhörs muss eine entspannte Atmosphäre geherrscht haben. Niemand zweifelte an dem Wunder von Catalina de Graii6n. Und trotz der kulturellen und bildungsmässigen Unterschiede zwischen dem Pfarrer und seinem Bruder schien dieser kein ungebildeter Mann zu sein. Beide hinterliessen äusserst gepflegte Unterschriften. 18 8.3 Catalina und Pedro "La villa de Graii6n", die Kleinstadt Graii6n, ähnelte in mehreren Beziehungen der Stadt Santo Domingo de la Calzada: Sie hatte einen ähnlichen Grundriss, einen entsprechenden Retabel in der Hauptkirche und lag ebenfalls am Jakobsweg. Die geradlinigen, zur Hauptstrasse parallel verlaufenden Strassen waren charakteristisch für eine Ortschaft dieser Gegend am Pilgerweg. Die günstige Transitlage erlaubte einem Teil der Bevölkerung über andere finanzielle Quellen als die Landwirschaft zu verfügen. Die kleinstädtische Bevölkerung und insbesonders ihre Oberschicht konnte es sich leisten, in den 1540er und 1550er Jahren ein prunkvolles Altarbild in ihrer Hauptkirche anfertigen zu lassen. Das Haus, in dem Catalina und ihre Familie lebten, befand sich in Grafion selber, vielleicht nicht zu weit von der Hauptkirche entfernt, 19 und sicher in einer der von Pilgern, Maultiertreibern und Einheimischen belebten Strassen der Kleinstadt. Catalina, ihr Ehemann und ihr Schwager bildeten nur einen Teil der Familie: Das Ehepaar hatte Kinder und verfügte sehr wahrscheinlich über 18 7.2. f. 25r, 26r. 19 Dies gilt für die Pfarrhäuser in Graii6n in späteren Zeiten. Luco empfahl, dass das Pfarrhaus nicht weit von der Kirche liegen sollte. Luco, Auiso, f. XLVIIIr. <?page no="275"?> Catalina und Pedro 265 Gesinde. Die Kinder wurden vom Pfarrer erwähnt: Catalina hatte sie ihm anvertraut. Die Frau, die Pedro geholt hatte, war wahrscheinlich eine Magd. Der Beruf des Schwagers, das sofortige Aufsuchen eines Arztes für die Behandlung von Catalinas Krankheit und die gepflegten Unterschriften beider Brüder lassen auf Zugehörigkeit zur kleinstädtischen Führungsschicht schliessen. Es scheint zudem, dass die Richter schon einiges über diese Familie wussten und deshalb nicht zu viel nach Einzelheiten und Begleitumständen fragten. Der Arztbesuch im Haus Catalinas de Gran6n geschah gleich nach ihrer Erkrankung. Der Doktor kam aus Santo Domingo de la Calzada. Die starken Kopfschmerzen und das hohe Fieber bildeten die Symptome der Krankheit in ihren Anfängen. Leider lieferte kein Zeuge eine so genaue Schilderung von Catalinas Begegnung mit dem Arzt wie diejenigen im ersten Prozess von der Begegnung Catalina de Fonceas mit den Heilem. Nur Martin del Oyo redete von Konsultationen mit mehreren Ärzten, wobei auch er die Meinung des Arztes aus Santo Domingo für die zuverlässigste hielt. Die verordnete Behandlung war die üblichste für zahlreiche Krankheiten: "er habe sie purgiert und ihr Blut abgelassen". Die medizinischen Vorstellungen der Zeit waren durch die Humoralpathologie geprägt. Der Körperinnenraum erschien in den wissenschaftlichen Abhandlungen als ein Ort der Harmonie zwischen den Säften, wenn die Person gesund war; und man vermutete ein Ungleichgewicht dieser Säfte, wenn die Krankheit auftauchte.20 Die Behandlung zielte meistens darauf ab, diese Harmonie durch das Abfliessenlassen der Flüssigkeiten aus dem Körper wiederherzustellen. Dafür boten sich Purgantien und Aderlass an. In vielen Fällen verursachten solche Therapien eine Schwächung des Kranken, 21 was bei Catalina de Gran6n der Fall gewesen sein muss. Während des Verhörs Iiessen Catalina und Pedro gern merken, wie eng sie miteinander verbunden waren. Eheliche Zwistigkeiten aufgrund spannungsgeladener Situationen in den schwierigen Momenten von Catalinas Leiden wurden nicht erwähnt. Im Gegenteil, es sollte nach ihren Aussagen eine Atmosphäre von Liebe und gemeinsamer Sorge um die Zukunft geherrscht haben. Pedro soll Catalinas Zimmer verlassen haben, als er nicht 20 Die Humoralpathologie verband sich schon in der Antike mit der Lehre von den vier Elementen und den vier Qualitäten (warm, feucht, kalt und trocken) in zahlreichen Variationen. Rothschuh, S. 185-199. Lucos Krankheitsverständnis war auch von der Humoralpathologie und der Lehre der Qualitäten geprägt. Luco, Auiso, f. XXIXr, XLI v. Über den Absinkprozess dieses Wissensgutes in der Frühen Neuzeit und die Adressaten der medizinischen Schriften in Vulgärsprachen vgl. Schenda, Volksmedizin, S. 192-199; ders., gem einer Mann, S. 9-10. 21 Jütte, Ärzte, S. 131 - 133. <?page no="276"?> 266 Der Prozess von Catalina de Graii6n mehr sprechen konnte und sehr beklemmt war. Zu seinem Bruder hatte er "mit grossem Schmerzen"wohl einem Euphemismus, um das Bild eines weinenden Mannes zu vermeidengesagt: "Meine Frau geht mit Gott" . Viele Moralistenmassen in ihren Abhandlungen über die ehelichen Beziehungen der Liebe zwischen den Ehepartnern eine grosse Bedeutung zu . Insbesonders die Erasmisten betrachteten die Ehe als bestes Mittel für die Erhaltung der Keuschheit. 22 Die nächste Szene in Catalinas und Pedros Erzählungen gibt Aufschluss über die Zeit vor ihrem Gespräch über die Wunderheilung. Catalina schickte eine Frau zu ihrem Mann, um ihn zu rufen. Das Gespräch der Brüder wurde dadurch unterbrochen und Pedro nach Martfns Aussage war er auch dabei kehrte ins Zimmer zurück. Als erstes fragte Pedro Catalina, was sie befehle. Erwartete er eine Antwort, obwohl sie angeblich stumm war? Scheinbar war Catalina nicht ganz stumm: Martln del Oyo präzisierte, dass sie "fast kein Wort" artikulieren konnte. Das Gespräch zwischen beiden Ehepartnern kann analysiert werden, um ihrem eigenen Rollenverständnis und ihren Selbstdartellungsstrategien vor den Richtern näher zu kommen. 23 Man darf bei der Analyse nicht vergessen, dass es sich um das Endprodukt der Schreiberarbeit handelt und dass beide Ehepartner ihr Gespräch in ihre Erzählungen einbauten, um von sich selber ein positives Bild zu vermitteln. Von den drei zur Makrostruktur eines Gesprächs gehörenden Teilen - Anfang, Mitte und Ende wurden nur die zwei ersten wiedergegeben. Wie das Gespräch zu Ende ging, kann man den Aussagen nicht entnehmen. Umarmten sie sich aus Freude? Nahmen andere Leuteam Gespräch teil, und hörten Catalina und Pedro auf zu sprechen? Das Gespräch begann mit einem Missverständnis zwischen Catalina und Pedro, weil sie ihn zur Hilfe aufforderte, ohne ihm vorher ihre Heilung erklärt zu haben. Daher musste sie die Anweisung nachdoppeln, als Pedro sie nicht befolgte. Dieser Teil des Gesprächsverlaufs war eng mit der Raumordnung verknüpft: Catalina lag im Bett, während Pedro von ihr entfernt stand. Sie bat ihn darum, sich ihr zu nähern ("er solle ihr dort helfen ... und diejenige, die aussagt, habe nochmals gesagt, dass er ihr dort helfen solte"). Pedro verwendete seinerseits die direkte Rede bei der Wiedergabe dieser Nachdoppelung: "Hilf mir hier", soll Catalina gesagt haben. Aber Pedro wollte sich nicht sofort in ihre N ähe begeben. Fürchtete er sich etwa vor 22 Perry, Ni espada, S. 66-67; Bataillon, Erasmo, S. 335-336. 23 Da es sich um die Wiedergabe eines Alltagsgesprächs zwischen Catalina und ihrem Mann handelt, können bei seiner Analyse Begriffe verwendet werden, die in der modernen soziolinguistischen Forschung über Alltagsgespräche gebräuchlich sind. P. Burke weist auf die Wichtigkeit eines solchen Ansatzes für die Untersuchung historischer Quellen hin. Burke, conversation, S. 90-92. Für die hier benutzten Begriffe vgl. Linke, Studienbuch, S. 261-292. <?page no="277"?> Catalina und Pedro 267 einer Ansteckung? Er begründete seine Haltung mit einer frommen Antwort(" dass Gott ihr helfen sollte") und fragte sie nochmals, was sie befehle. Erst dann löste sich das Missverständnis auf. Catalinas Erzählung von ihrer wunderbaren Genesung bildete die Gesprächsmitte. Pedro konnte es am Anfang noch nicht glauben: "wie gesund? ". Catalina übernahm von diesem Moment an die Sprecherrolle und ihr Mann die Hörerrolle. Sie schilderte ihre Erlebnisse, ihr Gelübde, ihr Gespräch mit dem männlichen Heiligen. Auf der Mikroebene dieser Gesprächsanalyse lassen sich die Bezüge zwischen benachbarten Gesprächsbeiträgen beider Ehepartner betrachten, etwa zwischen ihren Fragen und ihren Antworten oder ihren Vorwürfen und ihren Rechtfertigungen innerhalb einer kurzen Gesprächsphase. Es ist bezeichnend, dass Pedro von Anfang an die initiierende Rolle beim Gespräch übernahm, indem er die Fragen stellte. Sobald er im Zimmer ankam, fragte er Catalina nach ihrem Befehl. Nach ihrer Antwort wiederholte er die Frage noch einmal. Catalina durfte ihm nicht gleich Befehle erteilen, als sie ihn sah; sie musste warten, bis Pedro es ihr erlaubte. Pedros bestätigende Frage "wie gesund? " leitete zudem ihre Heilungsgeschichte ein. Seine Fragen bildeten also immer den ersten Teil innerhalb einer Gesprächsphase mit zwei Gesprächsbeiträgenwas die Linguisten ein Initiierungs-Respondierungs-Paar nennen. Das Recht, Fragen zu stellen kam immer Pedro zu. Trotzdem waren Catalinas Gesprächsbeiträge nicht ausschliesslich respondierend. Mit ihren Befehlen verpflichtete sie Pedro auch zu einer Reaktion. Ihre Antworten auf seine Fragen stellten zugleich initiierende und respondierende Akte dar. Deshalb fühlte sich Pedro gezwungen, sich zu rechtfertigen, wenn er nicht gehorchen wollte. Es bestand zwischen beiden Ehepartnern eine Wechselbeziehung, in der Pedro zwar die Initiative im Gespräch besass, aber Catalina diese auch mit seiner Erlaubnis ergriff. Das Verhältnis ihrer Gesprächsbeiträge widerspiegelte ihr Machtverhältnis in dieser Situation, so wie sie es vor den Richtern schildern wollten. Beide pochten auf ihre Rechte, und beide anerkannten bis zu einem gewissen Grad die Befugnisse des anderen. Eine ihrem Ehemann Befehle erteilende Frau bedeutete nicht dasselbe wie ein höflicher und hilfsbereiter Ehemann, der seine kranke Frau fragte, "was sie befehle". Pedro stellte sich dadurch vor den Richtern keineswegs als einen schwachen Hausvater dar. Vielmehr zeigte er sich von seiner besten Seite: Er hatte seine wegen der Krankheit geschwächte, ja fast im Sterben liegende Frau , geschützt, ohne auf seine Machtstellung zu verzichten. Sowohl die Verhaltensweisen wie die Selbstdarstellungsstrategien des Ehepaares waren durch die Lehren der Moralisten geprägt. Die Unterschiede zwischen Befürwortern der starken männlichen Autorität und des weiblichen Gehorsams einerseits und den Vertretern einer toleranten Haltung andererseits, die der Ehefrau fast so viele Rechte zusprachen wie dem Ehemann, waren erheblich. Alle Moralisten stimmten jedoch in der Unterord- <?page no="278"?> 268 Der Prozess von Catalina de Grafion nung der Frau überein. 24 Sie musste gehorchen und durfte im Gegensatz zu ihrem Mannn normalerweise nicht befehlen, während dieser sie achten und schützen sollte. Der toleranteste Moralist, Vicente Mexfa, schrieb in seiner Abhandlung Saludable instruccion des estado del matrimonio (Empfehlenswerte Unterweisung über den Ehestand), dass sie keine Sklavin des Mannes sein sollte, sondern Herrin ihres Hauses, ihrer Güter und ihrer Familie. 25 Dem Ehemann legte er ans Herz, zu ihr höflich zu sein. Der eher frauenfeindliche Antonio de Guevara riet den Männern, den Wünschen ihrer Ehefrau entgegenzukommen. 26 Pedro und Catalina lieferten in ihrer Wiedergabe des Gesprächs beim Verhör ein Beispiel für die männliche Machtposition und das weibliche Verlangen nach Schutz. Pedros Machtstellung verbot ihm nicht, sich seiner Frau in ihrer durch Krankheit bedingten Lage zum Teil unterzuordnen. Das gehörte in diesem Fall zum Habitus des wohlerzogenen Ehemannes. 8.4 Catalina auf dem Sterbebett Am Anfang des Gesprächs zwischen Catalina und Pedro schien dieser kurz davor zu sein, zu resignieren und ihren baldigen Tod zu akzeptieren. Catalina selber hatte angeblich seit einigen Tagen alle Hoffnungen aufgegeben. Nach dem Arztbesuch hatte sich ihr Gesundheitszustand nicht gebessert. So sagte sie aus: "und als sie auf diese Art krank gewesen sei, am siebten Tag ihrer Krankheit, und als sie sehr am Ende ihres Lebens gewesen sei und weder sie noch ihr Ehemann noch Martfn del Oyo, Kleriker, Hoffnung auf ihr Leben gehabt hätten ..." Beim Gespräch mit ihrem Schwager soll sie sogar geglaubt haben, dass sie an diesem Tag sterben würde: "sie würde nicht bis zur Nacht leben". Und der Schwager "habe auch für wahr gehalten, dass es nach dem Aussehen der besagten Catalina so sein würde, welche eher für den Tod bereit und vorbereitet gewesen sei als fürs Leben". Niemand dachte daran, ihre Krankheit zu unterschätzen. In ihrer Umgebung hatte keiner Hemmungen, den pessimistischen Aussichten Ausdruck zu geben. Pedro erklärte: "und diejenigen, die die besagte Catalina sahen, redeten und sprachen über sie, als ob sie tot wäre". Waren alle drei Erzähler so sehr darauf bedacht, Spannung in ihren Versionen der Krankheits- und Heilungsgeschichte aufzubauen, dass sie Catalinas Todesgefahr als sicher und allgemein bekannt darstellten, um das Ausmass und die Intensität ihrer Heilung hervorzuheben? Fand es niemand beim Verhör unmenschlich, dass keiner der Anwesenden Catalina Hoffnung auf Besserung 24 Vigil, La vida de las mujeres, S. 92-105; Perry, Ni espada, S. 61-73. 25 Das Buch wurde 1566 veröffentlicht. 26 Vigil, La vida de las mujeres, S. 93-94. <?page no="279"?> Catalina auf dem Sterbebett 269 hatte wecken wollen? Offenbar nicht. Alle Beteiligten hatten es als ihre Pflicht verstanden, der kranken Catalina bewusst zu machen, dass sie bald sterben würde, damit sie sich auf das Jenseits vorbereiten konnte. Catalina selber schien bereit, ihr gottgewolltes Schicksal zu ertragen. Obwohl sie sich an den Heiligen gewandt hatte, wollte sie bei der Einvernahme auf keinen Fall den Eindruck erwecken, sich gegen den göttlichen Willen aufgebäumt zu haben, als sie ihren Tod mit Sicherheit befürchtet hatte. Schon die "ars moriendi" des 15. Jahrhunderts verlangte eine solche jenseitsgerichtete Haltung vom Sterbenden und von seiner Umgebung beim Herannahen des Todes. 27 Der Bischof Luco widmete den Vorbereitungen auf den Tod mehrere Kapitel seines Ratgebers für Pfarrer (XXI, XXIII, XXIV, XXV). Das Kapitel XXII handelt vom "grossen Eifer, den der Pfarrer zeigen muss, um seine Kranken zu besuchen und zu beraten, insbesondere die Schwerkranken, damit sie gut sterben" ("del gran cuydado que deue tener el cura de visitar y consejar sus enfermos, especialmente los peligrosos , para que mueran bien"). 28 Der Pfarrer sollte dem Schwerkranken empfehlen, sich sobald wie möglich um seine Seele zu kümmern und seine Gedanken auf den Tod zu richten: Man soll ihm empfehlen, seinen Glauben mit Werken zu zeigen, wenn er als guter Christ an [die katholische Vorstellung jenseitigen Lebens] glaubt, und sich nicht darauf zu verlassen, dass die Krankheit ihm Zeit lassen wird, denn er wird wohl häufig gesehen haben, wie sich andere von derselben Zuversicht haben täuschen lassen, und dass er ein so wichtiges Geschäft nicht aufs Spiel setzen darf, weil er in Bezug auf die Sachen seines Hauses und seines Besitzes nicht unbesonnen handelt. Man soll ihm sagen, dass er mit der Beichte und der Reue seiner Sünden nicht warten darf, bis er nicht mehr bei vollem Verstand ist und sein Gedächtnis nachlässt, wenn die Beichte eher aufgezwungen als freiwillig scheint. 29 Der Leidende konnte nicht frei wählen, ob er über seine Sünden mit dem Pfarrer sprechen wollte, um sich diese von der Seele zu reden und gleich an den bevorstehenden Tod zu denken, oder eben nicht. Wer aus eigenem Antrieb nichts erzählen wollte, dem musste der P{arrer die Erzählbereitschaft mit zahlreichen Argumenten wecken, nicht zuletzt mit dem Hinweis auf die Gefährlichkeit seiner Krankheit: Aber wenn [der Pfarrer] sehen würde, dass der unter einer gefährlichen Krankheit leidende Kranke Gott vergisst, nur den Verlust der körperlichen Gesundheit befürchtet, die er im Leben genoss, und [dass er] Besitz anhäufte, ohne an den Tod zu denken ohne [sich dessen bewusst zu sein], dass er Gott Rechenschaft von seinem Leben ablegen würde, ohne sein Gewissen zu prüfen, ohne Angst davor zu haben, vielleicht schon in sieben oder vierzehn Tagen eine Bleibe für immer in der Hölle zu haben, soll [der pfarrer] 27 Martfnez Gil, Muerte y sociedad, S. 119. 28 Luco, Auiso, f. XCIIIr-v. 29 Ebd., f. XCVv. Anhang 54. <?page no="280"?> 270 Der Prozess von Catalina de Graii6n Mitleid mit ihm haben[ ... ] Und man soll ihm mit christlicher Freiheit und mit dem bestmöglichen Geist sagen, in welcher Gefahr er sich befindet, und wie an denselben Krankheits gründen, die er aufweist, viele gestorben sind, wie er unter seinen Freunden und Nachbarn wohl beobachtet haben muss. 30 Solche Anstrengungen, um die Kranke von ihrer Schwäche zu überzeugen, erwiesen sich bei Catalina als unnötig, weil sie sich sofort dessen bewusst geworden war und niemand in ihrer Umgebung versuchte, Zuversicht zu verbreiten. Die Familie Garcfa del Oyo bewies im Verhör ihren vorbildlichen Charakter in so schwierigen Momenten. Nichts weniger erwartete Luco von der Familie eines Pfarrers: Denn von den Leuten, die eine solche Stelle [als Ffarrer] innehaben, wird nicht nur persönliche Güte und Rechtschaffenheit verlangt, sondern [er darf] mit seiner Begleitung [von Frauen] keinen Verdacht [wecken] -wie oben erwähnt-, und es ist nötig, dass alle in seinem Haus so viel Zurückgezogenheit und Rechtschaffenheit haben, dass ihr gutes Leben und ihr Vorbild die Autorität jener mehren, in deren Begleitung und Dienst sie leben. Deshalb sollen die Pfarrer besonders darauf achten, dass alle in ihrem Haus gut und sittsam leben, so dass weder in der Pfarrei noch an ihrem Wohnort Streitigkeit, Skandal oder schlechtes Beispiel besteht. 31 Martfn del Oyo schilderte jedoch seine Handlungen, die Sitten und die religiösen Praktiken der Familie am vorbildlichsten von allen drei Beteiligten. Zwischen seinen Behauptungen und denjenigen des Ehepaares bestanden in einigen Einzelheiten Unterschiede. Daher lässt sich der Verlauf des Geschehens nur in sehr groben Zügen rekonstruieren und skizzieren. Aber gerade diese Unstimmigkeiten ermöglichen, die jeweiligen Selbstdarstellungsstrategien von Catalina, Pedro und Martfn im Einzelnen zu betrachten. 8.5 Selbstdarstellung und Pflichterfüllung Wie gab Martfn del Oyo die Krankheits- und Heilungsgeschichte seiner Schwägerin wieder? Er erzählte diese Ereignisse in einer etwas anderen Reihenfolge als Catalina und Pedro und liess ausserdem die Seelsorge als sein Hauptanliegen erscheinen. Catalina soll ihm ihre Seele anvertraut haben. Kurz danach ging er mit seinem Bruder aus dem Zimmer hinaus, "so dass sie geregelt hätten, wie sie ihrer Seele auf geziemende Weise würden helfen können"Y Inzwischen passierte das Wunder, nachdem sie sich an Catalina de Fonceas Heilung erinnert hatte. Als Catalina ihren Ehemann 30 Ebd., f. XCIVr-v. Anhang 54. 31 Ebd., f. Llv. Anhang 54. 32 Luco widmete den Messen für die Seelen der Verstorbenen ein ganzes Kapitel in seinem Ratgeber für Pfarrer. Er riet davon ab, eine übertriebene Anzahl von Messen lesen zu lassen. Luco, Auiso, f. Clllr-CVIIr. <?page no="281"?> Selbstdarstellung und Pflichterfüllung 271 herbeirufen liess, war Martfn auch ins Zimmer zurückgekehrt und hatte von der Wunderheilung erfahren. Seine erste Reaktion darauf war, Catalina und Pedro zu einer Dankwallfahrt nach Santo Domingo aufzufordern, damit "eine solche Sache erwähnt und in Erinnerung bleiben" würde. Aus Dankbarkeit umgab er seinerseits die Reliquien des Heiligen mit Wachs [Kerzen] und liess einige Messen lesen. Im Mittelpunkt von Martfns Erzählung stand seine seelsorgerische Tätigkeit. Er spielte dabei eine zentrale Rolle: Mit seiner Abnahme von Catalinas Beichte nahm die Geschichte einen Wendepunkt; das Drama ihrer bedrohlichen Krankheit schien zu Ende zu gehen, aber in der Tat begann in diesem Moment das Vorspiel ihrer Wunderheilung. Es ist auffallend, dass er nicht behauptete, Catalina zu einem Gelübde ermahnt zu haben. Seit dem Spätmittelalter gehörte zur formellen oder moralischen Verpflichtung des Pfarrers, seine Gemeindemitglieder zur Votumsabgabe aufzufordern. In den Mirakelberichten wurden häufig Kleriker als Anstifter des Gelübdes angeführt. 33 Martin nahm die Gelegenheit nicht wahr, sich in dieser Rolle darzustellen, weil er darauf bedacht war, seine seelsorgerische Hilfe in den Vordergrund zu stellen statt seine Sorge um die Gesundheit seiner Schwägerin. So sagte er auch aus, er sei erst nach dem Wunder auf die Idee der gemeinsamen Dankwallfahrt gekommen. Seine Opfergaben in der Kathedrale schilderte er als eine Folge von Catalinas glücklichem Erlebnis. Sie standen im Zeichen der Dankbarkeit. Anders als die spätmittelalterlichen Gemeindepriester, die das Votum für die kranken Gemeindemitglieder abgaben, wenn diese es nicht selber aussprechen konnten,34 wollte sich Martfn nicht als Vorbringer des Votums präsentieren oder hatte tatsächlich die Darbringungen nicht mit dieser Absicht gemacht. Catalina vergass ihrerseits, von ihrer Beichte vor dem Wunder zu erzählen. Von ihrem Gelübde erwähnte sie nur ihre Bitte, aber nicht ihr Versprechen. Erst als sie ihrem Ehemann das Wunder mitgeteilt hatte, hatten beide zusammen gelobt, No venen in der Kathedrale von Santo Domingo zu halten, um sich beim Heiligen zu bedanken. Erst dann hatte Catalina ihren Schwager "für die Bestätigung des oben Gesagten" rufen lassen. Martfn hatte dem Heiligen Wachsopfergaben dargebracht und Messen lesen lassen. Catalina unterschied dabei nicht ganz klar zwischen dem Dank- und dem Bittcharakter dieser "guten Werke" ihres Schwagers. Denn diese Werke hatten ihrer Meinung nach zu ihrer Genesung beigetragen. Pedro wi ederholte Catalinas Reihenfolge der Ereignisse. Von seinem Gespräch mit seinem Bruder Martfn blieben ihm zudem zwei Themen in Erinnerung . Als er sich so traurig fühlte, tröstete ihn Martfn mit der Ermahnung, "dass er sich bemühen und Gott dafür danken sollte", dass Catalina 33 Krötz l, Pilger, S. 281 -285. 34 Ebd. <?page no="282"?> 272 Der Prozess von Catalina de Graii6n mit Gott gehen würde. Er hätte darüber hinaus mit ihm über "die Art geredet, wie sie [beide] ihr Leben weiter führen sollten, weil beide zusammen gelebt hätten". Catalinas Gedanken waren von ihrer Sorge um ihren Körper und um ihren Gesundheitszustand geleitet. Die Beichte spielte dabei keine Rolle, ihre Geschichte kulminierte in ihrem Gelübde und der daran ansebliessenden Genesung. Sie hatte sich dem Schutz des Heiligen "mit viel Hingabe empfohlen" und "ihn darum gebeten und erfleht, auf dieselbe Weise die Krankheit, an der sie litt, abzunehmen und sie von ihr zu befreien". Ihr Ehemann Pedro befand sich zwischen den beiden Polen: einerseits hatte Catalinas Leiden ihn zutiefst erschüttert, andererseits hörte er ihrem Bruder aufmerksam zu, als dieser ihm riet, sich zu bemühen "und Gott dafür zu danken", dass seine Frau mit Gott gehen würde. Die Situation war für keinen von ihnen einfach. Martfn del Oyo stand vor einem Dilemma: Sollte ein Pfarrer sich ausschliesslich um die Seele seiner Pfarrkinder kümmern und dem Arzt allein den Bereich der körperlichen Gesundheit überlassen, oder sollte er versuchen, Gottes Willen anzuflehen, um die Genesung der Kranken herbeizuführen? Vor demselben Dilemma standen Luco und Ciruelo, als sie sich mit dieser Frage befassten. Luco entwarf in seinem Ratgeber ein Programm, nach dem der P{arrer sich hauptsächlich um die Seele der Kranken kümmern sollte. Er stellte die Pflege der Kranken der Pflege der kranken Seele entgegen. Für die erste war der Arzt zuständig, während der Pfarrer die Verantwortung für die zweite trug. Jedoch gestand er zu, dass zwischen Seele und Körper mehrere Berührungspunkte bestanden. 35 Eine klare Trennlinie zwischen den Zuständigkeitsbereichen des Pfarrers und des Arztes zu ziehen erwies sich bei der Bekämpfung abergläubischer Heilungsmethoden als besonders heikel und schwierig. Den Pfarrer verwies er dabei auf Ciruelos einschlägiges Werk über diese Themen. 36 Der Mathematiker Ciruelo definierte die abergläubischen Therapien so präzis wie möglich und riet den Christen, sich bei einer Krankheit immer an die legitimen Heiler und an die P{arrer zu wenden. Die Grenzen zwischen Körper und Seele und zwischen den ärztlichen und seelsorgerischen Bereichen konnte er jedoch auch nicht immer konsequent und streng ziehen. Er unterstützte eine Zusammenarbeit zwischen Pfarrer und Arzt anstelle eines Konkurrenzverhältnisses. Viele, wenn auch nicht alle Krankheiten hatten seiner Meinung nach natürliche Ursachen und konnten meistens mit menschlichen Mitteln oder auf natürliche Weise geheilt werden. 37 Wenn die Genesung nach ärztlicher Meinung unmöglich war, durfte man um ein Wunder bitten, schrieb Ciruelo. Bei weniger gefährlichen 35 Luco, Auiso, f. XXVIv-XXIXv. 36 Ebd., f. LXXIIv. 37 Ciruelo, Reprouacion, S. 100-101. <?page no="283"?> Selbstdarstellung und Pflichterfüllung 273 Krankheiten durfte man für eine schnellere Genesung dank Gottes Hilfe beten. Dies sollte dem Kranken helfen, das Leiden besser zu ertragen. 38 Sowohl Ciruelo wie Luco empfahlen dem Pfarrer auf jeden Fall, der Seelsorge den Vorrang zu geben: Sich zunächst um die Seele des Leidenden zu kümmern, war ihre Pflicht. Sie legten dem Pfarrer nahe, beim Kranken keine Hoffnung auf eine leichte Wunderheilung durch Gebete zu erwecken. Dementsprechend hatte Martfn sein Verhalten geschildert. Er wollte sein Pflichtbewusstsein und seine Pflichterfüllung anhand seiner vorbildlichen Haltung exemplifizieren. Abgesehen davon, durch welche Vermittlungswege er auch immer vom neuen Leitbild des katholischen Pfarrers erfahren hatte 39, lässt sich feststellen, dass Martfn sich der neuen Anforderungen an die Pfarrer bewusst war. Luco hatte in seinem Ratgeber eine an die neuen Gegebenheiten des 16. Jahrhunderts angepasste Berufsethik für katholische Pfarrer entworfen. Die Herausforderung der protestantischen Reformation und der Wandel der Werte am Beginn der Frühen Neuzeit verlangten eine Neuformulierung zahlreicher Regeln, die bis dahin noch nicht so deutlich und explizit gemacht werden mussten. Es handelte sich um eine sehr umfassende Normierung, die unter anderem die Umgangsformen der Vertreter des Weltklerus mit den Laien betraf, von der Kleidung bis zum Verhalten beim Gespräch. 40 Eine Normierung, die in einigen Bereichen der Frömmigkeit, wie zum Beispiel demjenigen des Wunderglaubens, viel Vorsicht verlangte. In diesem Zusammenhang kann man die Meinung vertreten, dass dieses zweite Wunder den Hauptinteressen an der Reform des Weltklerus seitens des Bischofs und seines Vikars in Santo Domingo entsprach. Im Vergleich zum Wunder von Catalina de Foncea war die einwöchige und nicht vollständige Stummheit von Catalina de Grafion weniger Aufsehen erregend. Aber ihre Geschichte demonstrierte den Umgang mit der Krankheit auf eine Art, die sowohl dem Beweis der Wundertätigkeit des Heiligen Domingoeinem Anspruch des Kapitels von Santo Domingo de la Calzada -, wie der Betonung der Sorge um die Seele der Kranken als Hauptpflicht des Pfarrers einem Anliegen des Bischofs -Rechnung trug. 38 Ebd., S. 86-87. 39 Diaz de Luco begnügte sich nämlich nicht mit der Verfassung von Ratgebern oder Briefen an die Bewohner seiner Diözese während seines Aufenthaltes in Trient, er hatte seine Reform des Weltklerus seit seiner Rückkehr aus Italien sogar intensiviert. Vgl. 3. 40 Dies war das Ziel des zweiten Teils des Buches. Luco, Auiso, f. XXXVIIr-CXXXv. Aber es bot zu dieser Zeit eben nur ein Leitbild, an dem sich Martin del Oyo bei seiner Selbstdarstellung orientierte. Es ist aber keine Wiederspiegelung der durchschnittlichen Ausbildung und Sitten des spanischen Weltklerus in vortridentinischer Zeit. Vgl. dazu Nalle, s. 74-89. <?page no="284"?> 274 Der Prozess von Catalina de Grafion 8.6 Heilsgeschichte unter der Haut4 1 Wie stellte sich Catalina die Vorgänge in ihrem Körperinnern vor? Welche Metapher verwendete sie, um ihre Wahrnehmungen auszudrücken? 42 Catalina sah ihre Krankheit als Folge eines göttlichen Willens: Sie bemerkte, "dass Gott unser Herr die Güte hatte, derjenigen, die aussagt, eine Krankheit mit starken Kopfschmerzen und einem grossen Fieber[ ...] zu geben". Dementsprechend verstand sie auch ihre Heilung als die Folge übernatürlichen Eingreifens. Das Wunder stellte eine zeitliche Trennung zwischen Krankheit und Gesundheit dar. Am Anfang ihrer Erzählung über das Wunder hob sie hervor, dass die Genesung nur einen Augenblick dauerte: "und in diesem Moment und zu diesem Zeitpunkt" geschah die Heilung. Später beschrieb sie diesen Moment als den Beginn des Heilungsprozesses, "und von dem Moment an habe sie begonnen, in ihrer Person zu genesen und sich von der Krankheit zu erholen". Die innere Landschaft ihres Leibes verwandelte sich während des Wunders durch das Eingreifen Gottes und des Heiligen. Als Catalina das Geschehen für ihren Ehemann kurz zusammenfasste, sagte sie ihm: "der glorreiche heilige Körper des Herrn Heiligen Domingo hat mir das ganze Übel abgenommen". Beim Verhör präzisierte sie, dass sie von der Krankheit befreit worden war, "indem sie sich dem Schutz unseres Herrn Gottes und des glorreichen Herrn Heiligen Domingo empfohlen habe" . Das erste entsprach einer verbreiteten Vorstellung unter Laien, das zweite bedeutete eine theologisch relevante Unterscheidung. Bei der Einvernahme schilderte sie den verborgenen Vorgang ihrer Heilung in ihren einzelnen Körperteilen, vielleicht weil sie danach gefragt wurde. Ihre Zunge war vor dem Wunder verwirrt ("turbada") und ihre Kehle verschlossen ("cerrada") gewesen. Das erste Adjektiv signalisierte das Chaos, mit dem sie ihr Leiden verknüpfte, und das zweite war nur eine Beschreibung der Verstockung beim Schlucken. Die Genesung von Zunge und Kehle bestanden in ihrer "Klärung". Das Wort "aclarar" umfasste ein breites Bedeutungsfeld. Covarrubias Wörterbuch (1611), das erste spanische Wörterbuch, gibt drei Beispiele für seine Verwendung: das getrübte Wasser "klärte", die unschlüssige Vernunft und der Tag mit bedeckten Himmeln konnten auch "klären" 43 • Catalina dürfte also das Wort im übertragenen Sinn gebraucht haben. Von der Störung der Krankheit kam sie zur 41 Das Wort "Heilsgeschichte" wird hier in einem sehr weiten Sinn verwendet, nämlich als Geschichte Gottes mit dem Menschen. Der übrige Teil des Titels ist eine Andeutung an den Titel von B. Dudens Buch Geschichte unter der Haut. Die "Heilsgeschichte unter der Haut" bezeichnet Catalina de Graii.6ns Deutung ihrer Heilung als Wunder und ihre Vorstellungen über Gottes Eingreifen bei den Veränderungen, die in ihrem Körperinnenraum geschahen. 42 Für eine ähnliche Fragestellung vgl. Duden, Haut, S. 53-57, 123-125. 43 Covarrubias, Tesoro, S. 14 . <?page no="285"?> Heilsgeschichte unter der Haut 275 Ordnung des gesunden Zustandes. Ihre Wortwahllässt diese Konnotationen erkennen. Pedro ergänzte in seinen Aussagen einige von Catalinas Eindrücken mit zusätzlichen und nur wenig von ihrenAussagen abweichenden Informationen. Er stützte sich auf ihre Mitteilungen. Pedro erläuterte den Vorgang auf folgende Weise: "das ganze Übel, das sie gehabt habe, sei ihr abgenommen worden, sowohl an der Zunge wie an der Kehle, denn sie habe weder deutlich ["claro"] sprechen noch irgendetwas schlucken können, und sie habe [nur] mit grosser Mühe [etwas] einnehmen können". Man bekommt den Eindruck, dass er auf Anfrage der Richter die Beschreibung Catalinas erklären musste. Er hob hervor, wie Catalinas Aussprache an Klarheit zugenommen und wie sich ihre Kehle geöffnet hatte. Catalina sprach ferner von einem Schmerz am Herzen, der weggenommen worden war. Sie meinte vermutlich von Gott oder direkt vom Heiligen abgenommen, wie sie ihrem Ehemann gesagt hatte, als er ins Zimmer gekommen war. Pedros Erläuterung ist in diesem Fall besonders aufschlussreich: "und dass es ihr geschienen habe, als ob ein klein bissehern Wasser neben ihrem Herzen geplatzt wäre". Catalina verband den Innenraum ihres Körpers mit Wasser, mit Flüssigkeiten. Ihren Schmerz stellte sie sich als Verstockung des Wassers neben ihrem Herzen vor. Diese Wahrnehmung erinnert an diejenigen der Eisenacher Frauen im 18. Jahrhundert bei ihren Krankheiten 44 und hat wahrscheilich eine gemeinsame Wurzel in den Vorstellungen der Säftelehre, welche die medizinische Literatur seit dem 16. Jahrhundert propagierte. 45 Beim Wunder platzte dieses Bissehen Wasser, das heisst, das Fliessen im Leibesinnern wurde wieder hergestellt. Schliesslich verband Catalinas kulturell geprägter Blick ihre Heilung mit einer Ausdehnung ihrer Glieder. Abgesehen davon, dass ihre Augen diesen Eindruck durch eine Entkrampfung ihrer Glieder oder eine andere wahrnehmbare Veränderung erfahren haben, lässt sich eine Verknüpfung des gesunden Zustands mit der Idee der Grösse, mit einer Vorstellung von mehr Platz für den eigenen Körper, feststellen. Ein weiterer Aspekt der Erzählung betrifft ihren zeitlichen Rahmen. Alle drei Familienmitglieder betonten, die Wunderheilung sei am Samstag von Lazarus geschehen, als Catalina sich an der Schwelle des Todes befunden habe. Das grosse Wunder, das J esus an Lazarus bewirkte, ist ein Sinnbild für die Auferstehung. Augustin verstand überhaupt die Wunder seiner Zeit auch als einen Hinweis auf die Auferstehung der Leiber der Erwählten 46 • In diesem Sinn kann man diese Zeitangabe deuten, an die sich die ganze Familie klammerte, denn sie verknüpften so die Wunderheilung auch mit der Auf- 44 Duden, Haut, S. 125-162. 45 Schenda, Volksmedizin, S. 194-195; Granjel, La medicina, S. 136. 46 Brown, Augustine, S. 413-418. Vgl. auch Kapitel12. <?page no="286"?> 276 Der Prozess von Catalina de Grafion erweckungvon den Toten. Die Betonung des zeitlichen Rahmens war der Ausdruck dieser Verbindung. Alle drei Familienmitglieder waren sich darüber einig, dass Catalinas Krankheit lebensgefährlich gewesen war und dass sie durch ein Wunder geheilt worden war. Angesichts der angeblichen Diagnose des Arztes 47 ist es verständlich, dass sie sich grosse Sorgen um Catalinas Leben machten. Aber eine zusätzliche Deutung für ihre Darstellung der Vorgänge muss in Betracht gezogen werden: Die Familie del Oyo neigte dazu, sowohl die Gefährlichkeit der Krankheit wie auch die Schwierigkeit einer natürlichen Genesung zu überschätzen. Ihre Tendenz zur Übertreibung wird vor allem deutlich, wenn man bedenkt, dass alle von Catalinas Stummheit redeten, obwohl sie eigentlich fast immer etwas sagen konnte. Man kann der Auffassung sein, dass ihre Bereitschaft, die Krankheit als gefährlich einzuschätzen, von ihren religiösen Lektüren und Kenntnisseninsbesondere von denjenigen Manins über die Vorbereitung für den Tod geprägt war und dass ihre Deutung der Heilung als Wunder von ihrer Kenntnis von Catalina de Fonceas Wunder beeinflusst wurde. Wegen ihrer Denkmuster schienen alle drei Familienmitglieder besonders anfällig für übernatürliche Interpretationen ihrer alltäglichen Realität zu sein. Catalina ging in ihrer Darstellung so weit, dass sie den Wahrnehmungen von ihrem Körperinneren während der Heilung einen konkreten Ausdruck gab: die Flüssigkeit im Innern und die Ausdehnung ihrer Glieder. Schliesslich lohnt es sich, Alonsos und Bernardinos anfänglichen Bericht zu lesen und mit den Aussagen zu vergleichen. In ihrer kurzen Zusammenfassung des Geschehens betonten sie zunächst, dass Catalina von den Ärzten aufgegeben worden war. Erst berichteten sie über ihr Gelübde, ohne auf Manins möglichen Einfluss hinzuweisen. Ausserdem gaben sie Catalinas Körperwahrnehmungen mit einem gehobenen Ausdruck wieder: "als ob ihr ein Geschwür geplatzt wäre". Das Wort "postema" klang wissenschaftlich.48 Wie bei Catalina de Fonceas Bericht hielten sich Bernardino und Alvaro an die ideale und von Pedro Ciruelo empfohlene Reihenfolge: zunächst die Konsultationen mit den Ärzten, dann das Gelübde, damit kein unnötiges Wunder verlangt wurde. Durch das Ausblenden des Pfarrers konnte seine Rolle nicht in Frage gestellt werden. Die Inbrunst war bei Catalina schon vorhanden, so dass sie sich selber an das Wunder von Catalina de Foncea erinnerte und ein Gelübde ablegte. 47 Warum er nicht einvernommen wurde, obwohl er in Santo Domingo lebte, bleibt ein Rätsel. 48 Granjel, La medicina, S. 224-225; Rojo, Enfermos, S.SS; Covarrubias, Tesoro, S. 107. Ein Apostern ist eigentlich ein äusseres, eiterndes Geschwür. <?page no="287"?> 9 Das Spital 9.1 Das Spital und die Alltagsgespräche Das Spital von Santo Domingo de la Calzada war für das Personal eine Wohn- und Arbeitsstätte, in der sie kein abgeschlossenes Leben führen konnten, weil die Armen, die Kranken und die Pilger ständig ein- und ausgingen.1 Jede Gruppe von Bedürftigen beanspruchte die Zeit der Bediensteten auf ihre besondere Art: Die Armen bekamen meistens nur ein Essen, die Kranken mussten gepflegt und die Pilger beherbergt werden . Die Spitalangestellten waren Frauen und Männer, deren Gespräche über ihren Alltag stark von der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in der Institution geprägt waren, wie die Prozesse von Catalina de Flores und Casilda del Rio in einigen Bereichen zeigen werden. Das Spital funktionierte wie ein wirtschaftlicher Betrieb, in dem nicht nur Leistungen für die Bedürftigen, die Kranken und die Pilger erbracht, sondern auch landwirtschaftliche Arbeiten verrichtet wurden. 2 Die Männer übernahmen die mei- E . Goffman hat die "totalen Institutionen" der Gegenwart analysiert, insbesondere die psychiatrischen Kliniken, und liefert in seiner Studie ein gutes theoretisches Gerüst für die Betrachtung der Interaktionen und der Alltagserzählungen in solchen Anstalten. Der Vergleich mit dem Spital aus dem 16. Jahrhundert erlaubt, die grossenUnterschiede zu den totalen Institutionen des 20.Jahrhunderts darzulegen, da heute das Personal nicht mehr in diesen Institutionen lebt und arbeitet. Nur die Insassen oder Patienten leben und arbeiten an diesen Orten. Goffman, Asyle, passim. Zur Debatte über die Spitäler und die Armenfürsorge im Zusammenhang mit der frühneuzeitlichen Sozialdisziplinierung vgl. Jütte, Disziplin zu predigen, S. 92-101; ders., Disziplinierungsmechanismen, S. 101-118; Dinges, Früneuzeit! iche Armenfürsorge, S. 5-29; Foucau! t, Uberwachen, passim; Kinzelbach, Gesundbleiben, Krankwerden, S. 319-389. Formen sehr strenger Disziplinierung von Frauen sind in den frühneuzeilichen Institutionen zur Fraueninternierung und zur Bekämpfung der Bettelei zu finden. Bock, Frauenräume, S. 25-49; Meijide Pardo, La mujer de Ia orilla, S. 69-195; Cohen, Asylums for Women, S. 166-188. Zur Wirtschaft und Verwaltung spanischer Spitäler im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit vgl. Lindgren, Bedürftigkeit, passim; Jimenez Salas, Historia de Ia asistencia, S. 157-194; Rojo Vega, Enfermos y sanadores, S. 83-91, 105-150; Carasa Soto, Pauperismo, S. 373-457; Casado Alonso, Seiiores, S. 535-557. Zu den Spitälern amJakobsweg vgl. Vazquez de Parga, Las peregrinaciones, Bd. 1, S. 281 - 399; Schmugge, Anfänge, S. 27-30, 51; Garcia Guerra, EI Hospital Real de Santiago, passim; lbaiiez Rodriguez, Hospitales del camino de Santiago, S. 309-321; Gonzalez Vazquez, Las mujeres de Ia Edad Media, S. 81-98; Martfnez Garcia, EI Hospital de Santa Marfa Ia Real, passim; Martfn L6pez, La hospitalidad de San lsidro de Le6n, S. 63-72; Domfnguez Sanchez, San lsidro y Ia hospitalidad, S. 73-1 06; Quintana Prieto, Acogida en Astorga, S. 107-126; Palacio Sanchez-Izquierdo, Hospitales de peregrinos, S. 127-133; Cavero Domfnguez, Fundaciones hospitalarias, S. 135-148; Valdivielso Ansfn, Burgos, S. 264-277; Garcia Garcia, La hospitalidad, S. 211-246; Caucci, La as istencia hospitalaria, S. 83 -97; Castro Vazquez, EI camino de Santiago, S. 91-107. Die besten Studien über die Spitäler und die Armenfürsorge von ganzen Städten in 16. Jahrhun- <?page no="288"?> 278 Das Spital sten Arbeiten auf den Feldern und mit dem Vieh (hauptsächlich als Schafhirten),3 während sich die Frauen um die Krankenpflege und um die damit einhergehenden Beschäftigungen wie Kochen, Waschen, Bettenrichten und so weiter kümmern mussten. Auch wenn die Arbeit in den Räumen nicht immer nach Geschlechtern getrennt waren, wurden das Innere des Gebäudes am Tag tendenziell den Frauen zugeschrieben, und die Felder und die Wege auf dem Land stellten den Bereich der Männer dar. Das Spital kann als eine Brutstätte für Krankheitsgeschichten gesehen werden, die manchmal als Heilungsgeschichten endeten. Es war auf jeden Fall eine kommunikationsstiftende Institution, in der zahlreiche Erzählungen von Fremden und Ortsansässigen über ihre Gesundheit gehört werden konnten. Die Aufnahmeprozeduren boten den Eintrittswilligen die erste Gelegenheit, ihre Krankheitsgeschichte zu erzählen. Wenn sie länger als einige Tage im Spital bleiben wollten, mussten sie oder ihre Verwandten mit dem Verwalter des Spitals reden, der im Falle von Santo Domingo de Ia Calzada nicht im Spital selbst lebte und meistens ein Kostpfründer der Kathedrale war. 4 Indem die Aufzunehmenden den Spitalleiter besuchten und ihre Geschichte erzählten, vollzogen sie eine Demutsgeste, welche unter anderem ihre Bereitschaft zum Gehorsam während des Spitalaufenthaltes zum Ausdruck bringen sollte. Die soziale Distanz zwischen Kranken oder Pilgern und dem Spitalverwalter war sehr grossundwurde dabei umso deutlicher. Aber wenn die Kranken aufgenommen wurden, war die Trennung zwischen ihnen als Insassen und dem Personal relativ gering. Die direkten und nicht immer konfliktfreien Kontakte zwischen dem Personal und den Besuchern des Spitals charakterisierten die Struktur der Interaktion im Spital. So waren die Erzählakte, in denen die Kranken ihren Schicksalsgenossen und den Bediensteten des Spitals von ihren Krankheiten berichteten, durchaus informelJ.S Man muss sich also das Spital als einen komplexen Gesprächs- und Erzählort vorstellen, an dem nicht nur die Kontakte zwischen den Bediensteten und den Besuchern des Spitals häufige Erzählgelegenheiten boten, sondern auch unter dem Personal enge Erzähl-Beziehungen bestanden, weil sie zusammen lebten und arbeiteten, ja manchmal sogar zur selben Familie gehörten. Die Demut war jedoch nicht immer das Hauptmerkmal der Haltung der Kranken, die ins Spital aufgenommen werden wollten. Der Prozess von Catalina de Flores gibt Einblick in die Konflikte, die bei der Zurückweisung einer eintrittswilligen gehbehinderten Frau entstehen konnten. Der Prozess dert wurden über Toledo und Zamora geschrieben. Zu Toledo: Martz, Poverty and Welfare, passim. Zu Zamora: Flynn, Sacred Charity, passim. 3 Ruiz Capelhin, Hospital de peregrinos, S. 54-57. Vgl. das Kapitel über Catalina de Flores. Vgl. das Kapitel über Casilda del Rfo. <?page no="289"?> Das Spital und die Alltagsgespräche 279 von Casilda del Rio, einer weiteren gehbehinderten jungen Frau, gibt unter anderem Aufschluss über die Art von Krankheitsgeschichten, welche die Betroffenen immer wieder erzählten, bevor sie geheilt wurden. Durch ihre traurigen Geschichten erklärten sie den anderen Insassen und dem Personal ihren damaligen niedrigen sozialen Status. Es bestand jedoch die Möglichkeit, innerhalb der Spitalhierarchie aufzusteigen. Dies geschah etwa mit denjenigen, die eine Wunderheilung während ihres Spitalaufenthaltes erlebten. Danach konnten sie dort arbeiten und leben. Die Tatsache, dass die damaligen Wunderprozesse von Santo Domingo nur Frauen betrafen, hängt wahrscheinlich mit der Rolle der Frauen als Pflegerinnen im Spital zusammen, 6 wie der Fall von Catalina de Foncea vermuten lässt und die Fälle von Catalina de Flores und Casilda del Rio bestätigen werden. Diese Erklärung wäre jedoch nur für die hier behandelten Prozesse gültig, denn in den 1580er Jahre finden wir einen Prozess zur Überprüfung der Wunderheilung eines Mannes, der eine eigene Studie verlangen würde.? Die als Wunder gedeuteten Heilungen hatten eine besondere Bedeutung für das Spital, weil sie dazu beitrugen, den Ruhm des Heiligen Domingo, seines Grabes und nicht zuletzt den des Spitals selbst zu verbreiten. Die Mirakelerzählungen gehörten zu den wichtigsten Erzähl-Ereignissen im Alltagsleben der Institution. Sie besassen eine grosse Relevanz für das gemeinsame Leben des Personals, zu dem die Miraculees häufig eine Zeit lang gehörten, wenn sie bei ihrer Verheissung versprachen, im Spital zu arbeiten. Für die neuen Spitalinsassen bildeten diese Erzählungen wichtige Vorbilder. Die im Spital gebliebenen Miraculees bekamen durch ihre Wundererlebnisse eine neue Identität. In den 1570er Jahren notierten die Verwalter des Spitals den Übernamen einer dieser Frauen: "Ana la del milagro": Ana, die ein Wunder erlebt hatte. 8 Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass die meisten Prozess e zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts von Wunderheilungen mehrerer gehbehinderter Frauen auch vom jeweiligen Spitalverwalter eingeleitet wurden. Welche wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse herrschten im Spital von Santo Domingo de la Calzada in den 1550er und 1560er Jahren, als die hier behandelten Prozesse über Wunderheilungen geführt wurden? Um diese Frage zu beantworten, stützen wir uns im Folgenden auf eine besonders aufschlussreiche Quelle: einen Informativprozess über die Finanzierung des Spitals, der Ende der 1560er Jahre geführt wurde. 9 Wir werden die daraus entnommenen Aussagen mit weiteren Angaben aus der Sekundärli- 6 Zur geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in den Spitälern am Jakobsweg vgl. Gonzalez Vazquez, Las mujeres de Ia Edad Media, S. 81-98. Zu dem entsprechenden Vorbild weiblicher Heiligen aus dem Spätmittelalter vgl. Bynum, Mystik und Askese, S. 355-382. Aktenbündel7.6. Prozess aus dem Jahr 1585. Ruiz Capellan, Hospital de peregrinos, S. 75 -76. Aktenbündel7.5. <?page no="290"?> 280 Das Spital teratur und aus anderen Quellen ergänzen und vergleichen, da die Zeugenbefragung des Informativprozesses ein einseitiges Bild des Spitals vermittelt. Es muss jedoch klar gemacht werden, dass es sich nicht um eine eingehende Untersuchung über die Verwaltungs- und Wirtschaftsquellen des Spitals handelt. Eine solche Studie liegt noch nicht vor, obwohl Ansätze dazu gemacht worden sind. 10 Sie würde aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen. 11 9.2 Das Heiligengrab und das Spital Der Informativprozess über die Finanzierung des Spitals hat sich leider nicht vollständig erhalten. Es fehlen unter anderem die Fragen, die an die Zeugen gestellt wurden . Diese lassen sich jedoch leicht aus den wiederholten Anfängen der Antworten der Zeugen schliessen. In den Zeugenaussagen kommen Wiederholungen sehr häufig vor, aber niemals namhafte Widersprüche zu den Absichten der Kleriker, die den Prozess führten . Es ist aufschlussreich, die Argumentation des Fragebogens und der darauf gegebenen Antworten zu verfolgen. Dafür eignet sich die erste erhaltene Zeugenaussage in hohem Masse, diejenige des Kaplans Juan de Villalba, eines Angehörigen der klerikalen Führungschicht von Santo Domingo (sein Onkel war Kanoniker gewesen), für den der Zugang zur Schrift eine Selbstverständlichkeit darstellte. Er war einer der am besten informierten Zeugen und wollte genau dasselbe erreichen wie diejenigen, die ihm die Fragen stellten: eine Verbesserung der finanziellen Lage der Kathedrale und des vom Kapitel verwalteten Spitals. Dem Informativprozess lag eine Argumentation zugrunde, die man folgendermassen zusammenfassen kann. Zunächst betonte man den symbolischen und sakralen Wert des Grabes. Die Fragen begannen also nicht mit den Finanzierungsschwierigkeiten der Institution, sondern mit der Bedeutung der Reliquien des Heiligen und mit ihrer Wunderkraft. Die Wunder sollten die Wichtigkeit des Pilgerortes und die Heilkraft des Heiligen beweisen, zwei für das Spital bedeutende Aspekte, weil sie seine Existenz an 10 M. V. Saenz Terreros bietet einen Überblick über mehr als sieben Jahrhunderte der Geschichte des Spitals. Saenz Terreros, Hospital de peregrinos, passim. A. Ruiz Capellan und J. C. L as tres Mendiola beschäftigen sich auch mit einem langen Z eitraum (vom 11. bis zum 19. Jahrhundert) und transkribieren nur einzelne Quellen über die Spitalverwaltung aus dem Archiv der Kathedrale. Sie interessieren sich vor allem für medizinische Aspekte wie etwa die im Spital verwendeten Medikamente, die erst für spätere Zeiten sehr gut belegt sind. Ruiz, Hospital de peregrinos, passim. Zur Finanzlage der Spitäler in der Diözese von Calahorra und Ia Calzada vgl. Ibaiiez Rodrfguez, Hospitales del camino de Santiago, S. 309-321. 11 Eine Uberlieferungslücke für die Rechnungshefte besteht zwischen den Jahren 1547- 1569, was eine solche Studie zusätzlich schwierig macht. Zu der Überlieferungslücke vgl. Ruiz Capellan, Hospital de peregrinos, S. 58. <?page no="291"?> Das Heiligengrab und das Spital 281 diesem bestimmten Ort begründeten. Sie wurden als Mythen gebraucht, welche das Spital als Institution stützten. Erst danach ging man auf die schlechte Finanzlage der Institution ein. Diese umfasste das Bedürfnis für mehr ökonomische Ressourcen und die vollbrachten Leistungen des Spitals für die Gesellschaft in Santo Domingo de Ia Calzada und der Umgebung. Damit endete die Verteidigung des Spitals. Die Legitimation der Ansprüche des Kapitels auf einen wichtigen Teil der Geldeinnahmen, die aus dem Verkauf verschiedener Bullen stammten, stand im Zentrum des Prozesses. Zu diesem Zweck wurde auf ein Wissen über die früheren rechtlichen Verhältnisse zurückgegriffen. Aber auch die Erinnerung an die Wunder bildete einen entscheidenden Bestandteil dieses legitimierenden Wissens. Die Begründung war nicht nur rechtlich fundiert sondern vor allem religiös und symbolisch. Dafür stützten sich die Kleriker von Santo Domingo auf Zeugenaussagen, eine Form von mündlich bezeugtem Wissen, in dem das Gehörte auch häufig hervorgehoben wurde. Ihre Legitimität wurde durch Hinweise auf die Tradition und auf das alte Recht zusätzlich gestärkt. 12 Angesichts der damaligen Kritik mancher Autoren an der schlechten Verwaltung von Spitälern, insbesondere der kleinen und mittleren, versteht man besser, dass die Notwendigkeit des Weiterbestehens dieses Spitals betont und seine Leistungen hervorgehoben wurden. Die Debatte über die Caritaslehre um die Mitte des 16. Jahrhunderts stellte die Verteidiger der einzelnen Spitäler vor die Schwierigkeit, die Existenzberechtigung einzelner Institutionen zu begründen. Die Argumentation der Kleriker der Kathedrale von Santo Domingo musste also die Besonderheiten ihrer Anstalt unterstreichen und verwendete dafür an erster Stelle Argumente der Heiligenverehrung und der Wallfahrt. Juan de Villalba, der Kaplan, der über 60 Jahre alt war, unterstützte diese Argumentation mit seinen Antworten, wie die übrigen Zeugen auch. Er sprach zunächst über die Wunder, von denen er gelesen hatte. Dazu gehörten einige der damals in Spanien verbreitetsten Wundertypen, die in Santo Domingo de Ia Calzada wie an anderen Orten dem Lokalheiligen zugeschrieben wurden. Eine besondere Erwähnung verdiente selbstverständlich das Hühnerwunder, das bekannteste Wunder des Heiligen Domingo überhaupt: Auf die dritte Frage antwortete dieser Zeuge, dass es eine sehr bekannte und öffentliche Sache sei, dass Gott unser Herr dank der Fürsprache des glorreichen Heiligen Domingo de Ia Calzada viele Wunder in früheren Zeiten bewirkte, wie etwa Gefangene aus den von Mauren beherrschten Gebieten 12 Zu den Zusammenhängen zwischen Herrschaftswissen, Schrift und Gedächtnis aus theoretischer Sicht sowie für Beispiele aus dem 15. und 16. Jahrhundert vgl. Hildbrand, Herrschaft, S. 21-97, 286-381. Zu den Formen der lnstrumentalisierung des kollektiven Gedächtnisses in der Frühen Neuzeit vgl. Burke, History as Social Memory, S. 97-113. <?page no="292"?> 282 Das Spital hierher zu bringen; und dieser Zeuge sah viele Ketten und Fussschellen, in die sie gelegt wurden, die rund um das Grab des besagten Heiligen herum gelegt und aufgehängt wurden; und er sah, wie man sie schmolz, um daraus das prunkvolle Eisengitter zu machen, das sich heute um das Grab des besagten Heiligen befindet; und das Wunder des Hahnes und der Henne ist bekannt, welche in einem Käfig sind, der so hoch liegt wie etwa drei Menschen, gerade gegenüber dem heiligen Körper [Grab]; und es sind auch viele andere bekannt, wie etwa vom Teufel Besessene, die befreit wurden, Kranke, die gesund wurden, und Leute, die sich in grosser Not befanden und Hilfe bekamen, was dieser Zeuge über den Heiligen in den alten Texten gelesen hat, in denen noch mehr Details seiner Lebensgeschichte und seiner Wunder geschildert werden. 13 Die Wunder, welche er von seinen Verwandten erfahren hatte, erzählte er nicht. Aber er wies immerhin auf deren zur mündlichen Überlieferung gehörigen Erzählungen hin: 14 und ausserdem hat dieser Zeuge von seinem Onkel, der Kanoniker in dieser Kirche war, und von seinem Vater und anderen älteren Leuten gehört, dass sie viele Wunder zu ihrer Zeit gesehen hatten, die unser Herr dank der Fürsprache des glorreichen Heiligen bewirkt hatte. 15 Schliesslich sprach er über die Wunder aus seiner eigenen Zeit, die er selber gesehen hatte: all das weiss dieser Zeuge, weil er es miterlebte, inderm er die Kranken mit seinen Augen sah, die dann geheilt worden sind[...], und er hat noch andere Wunder in seiner Zeit gesehen, an die er sich jetzt nicht mehr genug gut erinnert, um sie zu erzählen. 16 Juan de Villalba hatte trotzdem ein ziemlich gutes Gedächtnis im Vergleich zu den übrigen Zeugen, denn er konnte über mehr Einzelheiten berichten als die meisten von ihnen. Seine kurzen Berichte reichen, um einige Wunder zu identifizieren, über welche Prozesse geführt worden war en. Auch wenn er die Namen der Miraculees nicht erwähnt und zahlreiche Details verändert, sind einige von ihnen leicht erkennbar. So zum Beispiel die Mirakelerzählung von Catalina de Foncea: denn man brachte eine stumme junge Frau aus Casalarreina in die besagte Kirche, wo sie blieb; von ihr erzählte man, dass sie stumm und sehr krank geworden war, als sie auf einem Stoppelfeld gegangen war; und sie blieb so drei oder vier Jahre lang; und viele Arzte und Chirurgen halfen ihr, aber sie blieb stumm und sehr krank; und sie empfahl sich dem Schutz des Herrn Heiligen Domingo, wie sie selber später erzählte; und als sie Novenen am Grab des besagten glorreichen Heiligen hielt, (während der besagten Nove- 13 7.5. f. 1v-2r. Anhang 55. ! 4 Zum Topos der Alten als Quelle der Überlieferung populärer Erzählungen vgl. Schenda, Von Mund, S. 147-152. 15 7.5. f. 1v-2r. Anhang 55. 16 7.5. f. 2 v. Anhang 55. <?page no="293"?> Das Heiligengrab und das Spital 283 ne selbst) wurde sie geheilt, und sie sprach wie früher; und aus Dankbarkeit für diese Gnade diente sie eine Zeit lang im besagten Spital von Santo Domingo. 17 Die Geschichte von der aus Briones stammenden Catalina de Flores hatte Juan de Villalba ebenfalls von anderen Leuten gehört. Wie bei Catalina de Foncea behauptete er jedoch, Catalina de Flores selber gesehen zu haben, um die Wahrhaftigkeit der Erzählung zu bekräftigen: und so sah dieser Zeuge auch eine junge Frau aus der Kleinstadt Briones, die völlig gelähmt zum Heiligen pilgerte und von der man sagte, sie sei seit drei oder vier Jahren im Bett gewesen; und sie hielt Novenen beim glorreichen Herrn, und am selben Tag war sie gesund und wohl. 18 Eine weitere Erzählung betraf die Vision von Maria de Aperrigui, wie die Angaben am Anfang der Beschreibung vermuten lassen. Die Geschichte wird jedoch vonJuan de Villalba in verschiedener Hinsicht stark verändert. Die wichtigste Veränderung bestand darin, eine Bittwallfahrt statt einer Dankwallfahrt zu beschreiben. Maria de Aperrigui sah ihrer Aussage nach den Heiligen und wurde daraufhin geheilt. Später soll sie eine Dankwallfahrt nach Santo Domingo unternommen haben. 19 Juan de Villalba vermittelte zudem ein anderes Bild vom Heiligen als Maria, die angab, ihn als Jakobspilger gesehen zu haben: und eine andere Frau aus Briones war lange Zeit im Bett gelähmt und hatte grosse Mühe und Schmerzen; und sie, so wie man später sagte und öffentlich bekannt machte und es dieser Zeuge hörte, empfahl sich häufig dem Schutz des glorreichen Heiligen Domingo de Ia Calzada, indem sie ihn darum bat, Fürsprache für sie bei Gott einzulegen; und sie sagte, dass siegrosse Schmerzen hatte, als sie einen Mann mit einem Kleid aus Burieltuch und mit einem Rosenkranz in der Hand sah, der sie getröstet und ihr gesagt hatte, sie solle sein Haus besuchen, und so würde sie Gott heilen; und so brachte man sie zum heiligen Grab auf einem Maultier zwischen zwei Strohsäcken; und während der N ovene, die sie in der besagten Kirche hielt, wurde sie gesund, und sie kam gesund und wohl heim. 20 Über andere vonJuan de Villalba erwähnte Wunder finden sich weder Prozessakten noch irgendwelche Belege in der späteren Hagiographie vom Heiligen Domingo. Der Kaplan berichtete zum Beispiel über einen Unfall mit einem Karren, von welchem er auch Zeuge gewesen sein soll: und dieser Zeuge hat selbst ein zehn- oder elfjähriges Mädchen gesehen, das von einem mit acht Zubern voll Trauben beladenen Karren des Spitals des Heiligen Domingo auf der Strasse überfahren wurde, und ein Rad des besagten Karrens ging über die Brust des besagten Mädchens; und das Mädchen 17 7.5. f. 2 r. Anhang 56. 18 Ebd. Anhang 56 . 19 Vg l. das Kapitel über Maria de Aperrigui. 20 7.5. f. 2 r. Anhang 56. <?page no="294"?> 284 Das Spital blieb wohl und gesund, ohne jegliche Verletzung, obwohl die Leute glaubten, dass sie wegen der schweren Last auf der flachen Strasse entzweigebrochen worden wäre. 21 Er fügte andere Wunder hinzu, die zeitlich nur wenig zurücklagen. Die Wundererzählungen betrafen zwei gelähmte Menschen: eine Frau und einen der wenigen Männer, die damals Wunderheilungen in Santo Domingo erlebten: und im letzten Sommer des jetzigenJahres kam eine völlig gelähmteFrauaus Herramelluri, um eine Novene am Grab des besagten glorreichen Heiligen zu halten; und während der Novene wurde sie gesund und befreit; und im jetzigen Monat September kam ein gelähmter Mann aus Villoria hierher, um Novenen zu halten; und dieser stützte sich auf zwei Krücken, um zu stehen und sich fortzubewegen; und er hielt Novenen am Grab des glorreichen Heiligen Domingo; und während der Novene wurde er gesund und befreit. 22 9.3 Die Finanzierung: eine Idealisierung der Vergangenheit Eine einzige Verwaltungsinstanz, die "fabrica" der Kathedrale, war für die Mittel zur Erhaltung von Bau und Kultus in der Kathedrale sowie für die Finanzierung des Spitals zuständig. Da das Spital der Kathedrale administrativ angegliedert war, trug die Kathedralgeistlichkeit die Verantwortung für die Wahrung der Rechte und des Besitzstandes d es Spitals. Die wirt schaftliche Lage der Kathedrale und des Spitals waren aus diesem Grund eng miteinander verknüpft, so dass die guten oder schlechten Ertragsjahre der einen mit der anderen Institution zusammenfielen. NachJuan de Villalbas Aussage steckten die beiden geistlichen Einrichtungen in den 1560er Jahren in einer tiefen Krise. Diese war eine Folge der mangelnden Geldressourcen aufgrund des von höheren kirchlichen und politischen Instanzen seit einigen Jahren verbotenen Rückgriffs auf den Verkauf mehrerer Bullen und Ablassbriefe. Mit diesem Verkauf hätten sich nachJuan de Villalba früher die Kathedrale und das Spital zum grössten Teil finanziert. Juan de Villalba begann mit der Schilderung der Verhältnisse in Bezug auf die Finanzquellen der Kathedrale. Er unterschied dabei zwischen dem Viertel der Einnahmen für den Verkauf der Kreuzzugsbullen und anderer Ablässe im Bistum und dem Fünftel der Einnahmen für Geldsammlungen für wichtige Pilgerorte ausserhalb des Bistums wie Guadalupe, Montserrat oder das Augustinerkloster von Burgos: Auf die vierte Frage antwortete dieser Zeuge, er wisse, dass die besagte Kathedrale von Santo Domingo ein Viertel der Ablässe und Indulgenzen 21 Ebd. Anhang 56. 22 7.5. f. 2 v. Anhang 56. <?page no="295"?> Die Finanzierung: eineIdealisierungder Vergangenheit 285 zu bekommen pflegte, welche in diesem Bistum von Calahorra und Ia Calzada gepredigt wurden; und zwar wurden sie mit dem für die Kirchenmittel für Bau und Kultus zuständigen Kanoniker derselben festgesetzt, bevor sie gepredigt wurden; und ausserdem bekam diese [die Kathedrale] das Fünftel und die Kollekten, welche in dem besagten Bistum für unsere Jungfrau von Guadalupe und für Montserrat sowie für San Agustfn in Burgos unter anderem gesammelt wurden; und dies weiss der Zeuge, weil er gehört hat, dass man eine apostolische Bulle besass, die dieser Zeuge gesehen hat; [...] und er hat selber von seinen Ahnen gehört, dass man dasselbe zu ihrer Zeit machte; und nur seit einigen Jahren gibt man das Viertel der besagten Bullen nicht mehr [der Kathedrale]; und er hat gehört, dass der Papst diese [Bullen] unserem Herrn, dem Kaiser, Gott habe ihn selig, für den Kreuzzug gewährt hat, so dass man weder das Viertel noch andere Rechte verlangen dürfe, weil sie für die Ausgaben gegen dieUngläubigen und die Türken bestimmt seien, so wie der königliche Befehl behauptet, den dieser Zeuge sah und hörte; und ferner weiss er, dass die besagten Geldsammlungen und Kollekten aufgrund eines Entscheids und eines Mandats des Bischofs von Cuenca, Kommissar des Heiligen Kreuzzugs [unleserlich]; und man darf deshalb keine Gnaden und Sündenvergebungen verkünden; und da man dieses Viertel und die Kollekte nicht mehr sammelt, ist es klar, dass man kein Viertel davon bekommt; und dies antwortet er auf diese FrageP Juan de Villalba verwies in seiner Aussage auf eine päpstliche Bulle für Karl V. sowie auf einen Entscheid seines Sohnes, des Königs Philipp II., und des Bischofs von Cuenca, Bernardo de Fresnedas, der damals Kommissar für die Kreuzzugsbulle war. Diese Angabe ermöglicht eine Datierung des Prozesses auf die Jahre zwischen 1562 und 1571, denn Fresneda bekleidete dieses Amt in diesen Jahren. 24 Der Kaplan stellte also eine Verbindung her zwischen den Entscheidungen auf höchster politischer Ebene und den wirtschaftlichen Folgen im lokalen Bereich. Fresneda muss Juan de Villalba ausserdem aus anderen Gründen gut bekannt sein, denn der Bischof von Cuenca war eine der bedeutendsten Figuren der Kirchenpolitik im damaligen Spanien: Er war der Beichtvater Königs Philipps II. Zudem war er mit Santo Domingo de la Calzada besonders verbunden, weil er in den 1560er Jahren ein riesiges Kloster für seinen Orden, die Franziskaner, in dieser Stadt bauen liess, wo er dann auch begraben wurde. 25 Man kann tatsächlich annehmen, dass die Verbote, die Kreuzzugsbulle zu verkaufen, schwere Folgen für die wirtschaftliche Lage der Kathedrale 23 7. 5. f. 2 v.-3 r. Anhang 57. 24 Goiii, Comisarios generales de Cruzada, S. 169. 25 Das Kloster war vorher viel bescheidener gewesen. Die Arbeiten für den Neubau dauerten bis zum Ende des Jahrhunderts. Zu diesem imposanten Franziskanerkloster am Rande von Santo Domingo de Ia Calzada, das einen ähnlichen architektonischen Stil aufweist, wie EI Escorial von Philipp li., vgl. Alvarez Pinedo, Fray Bernardo de Fresneda, S. 7-34. Zu der Rolle von Bernardo de Fresneda in der Kirchenpolitik und insbesondere zu seinen Bemühungen um die Verurteilung des Erzbischofs von Toledo Bartolome Carranza durch die Inquisition vgl. Tellechea, EI arzobispo Carranza, Bd. 1, S. 72-74; Bd. 2, S. 27- 30, 138, 157. <?page no="296"?> 286 Das Spital und des Spitals hatten. Seit den 1550er Jahren tauchtengrosse Schwierigkeiten bei dem Verkauf dieser Bulle auf, und die Verteilung ihrer enormen Einkünften wurde zunehmend umstritten. Diese Probleme wurden in den 1560er Jahren zunehmend schwieriger. 26 Aber die Fragen des Informativprozesses und die Antworten der Zeugen erwähnten nur das, was ihnen förderlich für ihre Anliegen schien und verschwiegen unter anderem, dass das Kapitel der Kathedrale auch andere sehr wichtige Einnahmequellen besassY In Juan de Villalbas Antwort auf die fünfte Frage beklagte er sich ferner über den angeblich schlechten Zustand der Einrichtungen der Kathedrale, um dadurch ihre wirtschaftliche Misere noch dramatischer zu schildern. Dabei liess er jeden Hinweis auf die beeindruckende Renovation der lnnenaustattung der Kathedrale der 1530er und 1540er Jahren, und insbesondere auf das neue Retabel, weg: Auf die fünfte Frage antwortete dieser Zeuge, er wisse, dass die besagte Kathedrale von Ia Calzada keine Geldrente für Erhaltung, Bau und Kultus besitzt, wenn man dieser das besagte Viertel wegnimmt, denn er hat gesehen, wie die Herren der besagten Kirche und die Herren Kanoniker und der Zuständige für die Kirchenmittel darüber berieten und sich darüber beklagten, dass sie nichts haben, um Reparaturen vorzunehmen, nicht einmal um das Dach neu zu decken; und wenn diese [die Kathedrale] irgendwelche Geldrente hätte, würde es dieser Zeuge als Kaplan wissen; aber er weiss, dass man ihr das Fünftel von den besagten Bullen und Indulgenzen nicht mehr gibt, wie man es früher tat, und dass die besagten ·Geldsammlungen und Kollekten aufgehört haben, wie er in der Antwort auf die vierte F rage sagte; und er weiss, da ss man aufgrund ihrer Armut keine Ornamente mehr neu macht, sondern die vorherigen durch den ständigen Gebrauch abnutzt und abträgt, denn sie sind alt und übel zugerichtet, wie jeder mit seinen Augen sehen kann, und so sind sie defekt für den Gebrauch im Gottesdienst, so wie es sich für eine Kathedrale nicht gehört; und es fehlt auch an vielen anderen Sachen; und je länger man wartet, umso deutlicher wird man es sehen, ausser wenn man hilft und repariert, wie man es tat, als man die Renten des besagten Viertels bekam. 28 26 Zu der Kreuzzugsbulle im Spanien des 16. Jahrhunderts vgl. Goiii Gaz tambide, Histara de Ia Bula de Ia Cruzada, S. 462-631; Rouco Varela, Staat und Kirche, S. 201-219, 297-321; Carande, Carlos V, Bd. 2, S. 435-464; Artola, La Hacienda, S. 57-67. A. M. Rouco Varela weist zurecht auf die Bedeutung des Ertrags der Kreuzzugsbulle für die Finanzierung der Krie ge der spanischen Könige gegen die Türken und gegen die Protestanten. Leider findet dieser Autor (und heutiger Erzbischof von Madrid) diese Verwendung gerechtfertigt: "Die Zweckgebundenheit solcher Steuern [gemeint ist u. a. die Kreuzzugsbulle als eine Form von Steuer] war insofern kein Hindernis, als einerseits gerade die aussenpolitischen Unternehmungen Span ie ns mindestens 80 Prozent der staatlichen Ausgaben verursachten und andererseits diese Unternehmungen fast ausnahmslos im Dienst der katholischen Religion standen". S. 211. 27 Ruiz Capellan, Hospital de peregrinos, S. 51-52; Saenz Rip a, La catedral de Santo Domingo, S. 39-41. 28 7.5. f. 3 r. Anhang 58. <?page no="297"?> Die Finanzierung: eine Idealisierung der Vergangenheit 287 Die Ausführungen des Kaplans scheinen angesichts des üppigen Retabels von Damian Forment deutlich übertrieben: "übel zugerichtet" und "ab- [ge]nutzt" waren die Ornamente sicherlich nicht. Die Bildhauer, welche für den Meister Damian Forment arbeiteten, fertigten eines der wichtigsten Retabel der spanischen Renaissance an. Was für grosse kirchliche Zentren wie Zaragoza, wo Formentauch gearbeitet hatte, bezahlbar war, überschritt für die Kathedralgeistlichkeit von Santo Domingo die Grenzen der Finanzierbarkeit und trug zur schwierigen wirtschaftlichen Lage in den folgenden Jahren bei. 29 In der neunten Frage wurde Juan de Villalba nach der finanziellen Lage des Spitals gefragt. Das Spital hatte eine eigene Bilanz, so dass man wissen konnte, wie es um seine ökonomische Lage, unabhängig von derjenigen der Kathedrale, stand. Der Kaplan beurteilte die Situation auch als ziemlich schlecht. Der von ihm angeführte Hauptgrund war derselbe: der Mangel an Geldressourcen. Er gab zwar zu, dass das Spital Land besass, betonte aber die Bedeutung der Kollekten und Geldsammlungen für seine Finanzierung: Auf die neunte Frage antwortete dieser Zeuge, dass das besagte Spital sich früher und bis vor einigen Jahren in einer sehr angenehmen finanziellen Lage befand, was die Ausgaben und Almosen betrifft, weil die mit der Geldsammlung und Kollekte Beauftragten an viele Orte in diesen Königreichen gingen, und man durfte die dort bestrittenen Ausgaben und die Wunder bekannt machen, welche Herr Heiliger Domingo de Ia Calzada bei allen Menschen bewirkte, die sich seinem Schutz empfahlen; und diejenigen, die mit ihren Almosen halfen, erreichten dadurch die Sündenvergebung; und so erhielt man die Wohltätigkeitsspenden und Almosen, um die Ausgaben und Almosen des Spitals zu finanzieren; und da die besagten Geldsammlungen und Kollekten aufgehört haben und da die Wunder und Sündenvergebungen nicht mehr bekannt gemacht werden dürfen, und es auch nicht mehr erlaubt ist, um die besagten Almosen zu betteln, hat das besagte Spital nicht genügend (Ressourcen), um die Fremdenaufnahme weiter zu übernehmen, wie bis anhin, denn es hat keine anderen Geldrenten ausser den besagten Almosen, um welche man zu betteln pflegte, sowie einige Landstücke mit Getreideanbau, die zum Teil von den Dienern des besagten Spitals mit Hilfe von Ochsen bebaut werden, welche Holz aus den Wäldern für die Armen brin- 2? Zu den Kosten und zu der Bezahlung des Retabels vgl. Ramirez Pascual, La construcci6n del r etablo, S. 49-71. Die ikonographische Analyse des Retabels zeigt auf, wie gross d as Interesse des Kapitels als Auftraggebers an den Themen der Wiederauferstehung und der Eucharistie war, zumal der Hauptaltar der Kathedrale dem "Salvador" (Erlöser) gewidmet war (und heute noch ist). Dieses Interesse drückte sich unter anderem in der christlich zu deutenden mythologischen Metaphorik, die Damian Foment verwenden durfte, aus. Diese Metaphorik ist geprägt von der vortridentinischen Freiheit im Umgang mit den antiken Motiven in der Kunst. Der Kontrast mit der im Kapitel über Mariade Aperriguis Vision zu behandelnden populären Symbolik der Eucharistie ist auffallend, zumal das Kapitel diesen Prozess genehmigte. Zu dem Retabel aus kunsthistorischer Sicht vgl. Ramirez Pascual, La iconogr afia cristiana, S.73-81; Ochagavia Ramirez, EI mundo mitol6gico, S. 83-96; Morte Garcia, Damian Forment, S. 174- 175; Fernandez Prado, EI foco calceatense, S. 195-214; Echevarria Gofti, La policromia, S. 215-230. <?page no="298"?> 288 Das Spital gen; und ein Teil der besagten Landstücke wird für etwa dreihundert Farregas [Fanega: fünfunddreissigeinhalb Liter] Brot verpachtet; und dieser Zeuge weiss als Kaplan der besagten Kirche, dass alles elend wird, wenn die guten Leute mit ihren Almosen nicht helfen und der barmherzige Gott dank der Fürsprache des glorreichen Heiligen Domingo, Gründers des Spitals, nicht dafür sorgt, wie dieser Zeuge glaubt, dass er es früher getan hat; es ist wahr, dass das besagte Spital diese Ausgaben und Almosen nicht mehr wird bestreiten können, wenn die Almosen und die Gunst der guten Menschen fehlt, und zwar aus den von ihm angeführten Gründen. 30 Angesichts der Quellenlage ist es unmöglich herauszufinden, wann diese finanziellen Schwierigkeiten des Spitals genau anfingen und ob ein kausaler Zusammenhang zwischen dieser Situation und der Durchführung der Prozesse über die Wunderheilungen bestand. Wichtig ist festzuhalten, dass Juan de Villalba die frühere Lage des Spitals der gegenwärtigen entgegensetzte. Dadurch entstand der Eindruck, dass solche Finanzierungsprobleme aufgrund von Konflikten über die Rechte auf die oben erwähnten Einnahmequellen früher niemals bestanden hatten. Mehrere Belege für das 15. Jahr hundert und ein ganzer im Kathedralarchiv aufbewahrter Prozess für den Anfang des 16. Jahrhunderts beweisen jedoch das Gegenteil. 31 Das Ringen zwischen dem Kapitel der Kathedrale von Santo Domingo und dem Bischof sowie zwischen jenem und dem Kapitel der Kathedrale von Calahorra (der anderen Kathedrale der Diözese) zeichnet sich in den Urkunden aus früheren Zeiten mehrmals ab. 9.4 Die Dienstleistungen des Spitals Das Spital war die Keimzelle des frühneuzeitlichen Medikalisierungsprozesses, in dem die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen und die ärztliche Medizin langsam an Bedeutung gewannen. Das medikale Verhalten breiter Schichten d er Bevölkerung änderte sich nur allmählich und blieb von der Selbstversorgung sowie von der Selbsthilfe oder der gegenseitigen Hilfe im Krankheitsfall beherrscht, welche innerhalb der Familie oder im Rahmen der Nachbarschaftsbeziehungen stattfand. Nur wenn Selbsthilfe und Selbstmedikation versagten, kam die öffentliche Fürsorge in Frage. 32 30 7.5. f. 4 v.-5 r. Anhang 59. 3! Senz Ripa, Sedes episcopales, S. 541-543; ders., La catedral, S. 37-47. 32 Der Medikalisierungsprozess erreichte erst am Ende des 18. Jahrhunderts breite Bevölkerungsschichten. Frevert, Krankheit, S. 15-16, 45-83,144-145; Brändli, Die Retter, S. 31-73. F. Loetz betont die Wichtigkeit der Nachfrage nach medizinischer Versorgung in diesem Prozess. Loetz, Vom Kranken zum Patienten, passim. Zu der Veränderung des Spitalsystems und der Armenfürsorge in Burgas und Umgebung am Ende des Ancien Regimes vgl. Carasa Soto, Pauperismo, S. 403-653 . Zu der Ausgrenzung von Frauen aus der Medizin und ihrer Reduktion auf Gehilfinnen im Laufe des Medikalisierungsprozesses vg l. Frevert, Frau en und Arzte, S. 177-210. <?page no="299"?> Die Dienstleistungen des Spitals 289 Im Spanien des 16. Jahrhunderts waren die Spitäler meistens religiöse Fürsorgeeinrichtungen, die sich auf das kirchliche Gebot der Armen- und Krankenfürsorge beriefen. Die Diskussion über die Caritas-Lehre handelte unter anderem, wie wir gesehen haben, 33 von der Rolle des Staates im Gesundheitsbereich. Die Bestrebungen einiger Gemeinden, die Hauptverantwortung für die Armen- und Krankenfürsorge zu übernehmen, tangierte die Standesinteressen des Klerus und stiess auf den Widerstand namhafter Theologen. In Wirklichkeit blieben jedoch die Gesundheitspolitik und die Fürsorgeinstitutionen zum grössten Teil in den Händen der Kirche oder von religiös geprägten Laienorganisationen wie zum Beispiel die Bruderschaften im 16. Jahrhundert. Zu den Promotoren der Medikalisierung in Spanien gehörten also nicht nur die Stadtregierungen, sondern auch die Kirche. 34 In den kirchlichen Spitälern wurden gut ausgebildete Ärzte angestellt, welche die Aufgabe der Armenpraxis übernahmen und dank derer der Medikalisierungsprozess voranschritt. D as Bemühen, die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, stand nicht im Gegensatz zu den Idealen der christlichen Wohltätigkeit, so wie diese damals verstanden wurde. Es ist wichtig, die späteren Entwicklungen und die damit einhergehenden Auseinandersetzungen zwischen Medizinern und Klerikern nicht auf diese Epoche zu projizieren.35 Es sollte auch vermieden werden, verallgemeinernd von einer Konkurrenz zwischen Klerus und Ärzten zu sprechen, nur weil sich die geistliche und weltliche Heilkunst auf theoretischer Ebene gegenüberstanden. Die Grenzen zwischen beiden Heilkünsten waren in der Praxis ziemlich undeutlich und verschwommen. Nur wenn wir von diesen Prämissen ausgehen, können wir den klerikalen Diskurs verstehen, welcher der Verteidigung des Spitals von Santo Domingo inJuan de Villalbas Aussage zugrundeliegt. Die Heilkraft des Grabes wirkte seiner Meinung nach auf eine positive Art und Weise auf die Gesundheit der Kranken im Spital. Gerade deshalb mussten sie dort medizinisch gut betreut sein und sorgfältig gepflegt werden. Der Heilige Domingo war der Patron des Spitals, und auch wenn seine Anwesenheit und seine Aura dort nicht so intensiv zu spüren waren wie am naheliegenden Grab, wiesen zahlreiche Rituale und Symbole auf seine karitative Tätigkeit hin. Diese ermöglichten den einzelnen Insassen und Pilgern, eine persönliche Beziehung zum Heiligen herzustellen. 33 Vgl. das Kapitel über die Caritas-Lehre. .. 34 Gewiss waren die Interessen der Kirche mit denen der Arzte nicht immer deckungsgleich, aber diese Unterschiede dürfen nicht überbewertet werden. Zur Rolle der pfarrer im Medikalisierungsprozess des späten 18 . und des ganzen 19. Jahrhunderts in deutschsprachigen Raum vgl. Frevert, Krankheit, S. 55-57. 35 Ein gutes Beispiel für die ärztliche Kritik gegen die von der Kirche akzeptierten und zum Teil unterstützten H eilpraktiken im Spanien d es 19. Jahrhunderts und am Anfang des 20. Jahrhunderts bietet Lafora, Milagros curativo s, S. 45-77. <?page no="300"?> 290 Das Spital InJuan de Villalbas Antwort auf die sechste Frage finden wir ein Beispiel für die Ausdrucksformen des Patronats des Heiligen Domingo im Spital, welche den Pilgern und übrigen Spitalbesuchern Möglichkeiten für rituelle Handlungen am Grab und im Spital selbst boten. Er begann seine Ausführungen vor den Richtern mit einer Begründung für seine genauen Kenntnisse über das Spital: Seine Herkunft und seine Stelle als Kaplan führten dazu. Daraufhin ging er kurz auf die Spitalgründung ein, die dem Heiligen zugeschrieben wurde. Schliesslich sprach er von einer Art von Kontaktreliquie, welche die Pilger im Spital dermassen schätzten, dass keine Überreste mehr vorhanden waren. Alle diese Aspekte hängen eng zusammen und zeigen in der Form von Legitimierung der Ansprüche und Rechte des Spitals eine eigenartige Logik sowohl der Fragenden wie der Zeugen: Auf die sechste Frage antwortete dieser Zeuge, dass er, wie gesagt, das Spital des Herrn Heiligen Domingo kenne, seitdem er als Kind vernünftig wurde, denn er wurde in dieser Stadt geboren und ist hier aufgewachsen, wie gesagt; und al s Kleriker und Kaplan der besagten Kirche hielt er sich häufig im besagten Spital auf; und dieser Zeuge weiss, dass es ein altes und prächtiges Gebäude ist; und da es von den Vorfahren weiter erzählt wurde, sagt man, und es wird für öffentlich und bekannt gehalten, dass der glorreiche Heilige Domingo es gründete und aufbaute; und das ist in dieser Stadt und Umgebung sowie im ganzen Königreich vielen Menschen bekannt, die wie dieser Zeuge davon wissen; und dieser Zeuge hat es gewusst und weiss es seit mehr als sechzig Jahren, und dasselbe hat er von seinem Vater und seinem Onkel, dem b es agten Kanoniker, gehört, sowie von vielen alten Menschen, die es schon zu ihrer Zeit so glaubten und es ihrerseits von ihrem Eltern und Ahnen gehört hatten; und man hält es für eine nachgewiesene Wahrheit, dass der Heilige Domingo selbst mit einer Sichel dicke Bäume für das besagte alte Gebäude des besagten Spitals abholzte; und diese Sichel, die wie diejenigen ist, die man zum Mähen brauchtund etwa ihre Grösse hat, ist heutzutage mit grosser Verehrung vor seinem Grab an einer Eisenkette aufgehängt; und dieser Zeuge erinnert sich noch daran, ein so grosses Stück Holz wie ein Mann im besagten Spital gesehen zu haben, obwohl diesem viel von seiner [ursprünglichen] Dicke fehlte, weil die Pilger, Wallfahrer und andere Leute aus Devotion Splitter davon nahmen; und sie haben so viele Splitter weggenommen, dass es nicht mehr besteht; und man erzählte, dass das besagte Holz zu demjenigen gehörte, das Herr Heiliger Domingo mit der besagten Sichel abgeholzt hatte; und dies erzählten die Ahnen und die Altesten, denn es wurde von einem zum anderen bis zu den Zeiten dieses Zeugen weitergetragen, wie er gesagt hat.36 Die Geschichte vom verschwundenen Stamm, den der Heilige auf wunderbare Weise mit einer Sichel abgeholzt hatte, sollte die grosse Zahl von Pilgern versinnbildlichen, welche in das Spital aufgenommen wurden. In derselben Antwort gab Juan de Villalba die Anzahl der Betten an und beschrieb das Gebäude in groben Zügen. Das geistige Zentrum desselben war 36 7.5. f. 3 r-v. Anhang 60. <?page no="301"?> Die Dienstleistungen des Spitals 291 eine Kapelle mit einem der Heiligen Anna gewidmeten Altar: und er weiss, dass sechsundzwanzig mit ihrem Bettzeug ausgerüstete Betten für die Aufnahme der besagten Armen im Spital vorhanden sind; zwölf befinden sich in der Nähe des Altars unserer Herrin Heiligen Anna, wo Messen für die Gesunden gehalten werden, die sie hören wollen, weitere vierzehn Betten befinden sich im ersten Stock des besagten Spitals; und wenn viele Arme kommen, bereitet man weitere Betten vor, je nach Bedürfnis . 37 Hinzu kamen die von Spital verteilten Almosen: und dieser Zeuge weiss, dass man andere kranke Arme im besagten Spital gepflegt hat und pflegt, die dorthin gehen, ungeachtet ihrer Herkunft; und er hat gesehen, dass man armen jungen Frauen und anderen geholfen hat; und dass man auch andere Almosen verteilt und gute Werke getan hat, wie es in der Frage heisst, denn so hat es dieser Zeuge seit mehr als sechzig Jahren gesehen, und so hat er es von seinen Ahnen und Vorfahren gehört. 38 Diese Argumente sollten jeden Vorwurf von Unbarmherzigkeit zurückweisen. Juan de Villalba erweckte den Eindruck, dass das Spital und vor allem sein Verwalter im Namen des Domkapitels alles darauf setzten, jedem armen Kranken oder Pilger zu helfen. Ihre Hilfsbereitschaft war jedoch nicht so uneingeschränkt. In Wirklichkeit entstanden Konflikte wegen der Zulassungsbedingungen und der Aufnahmekapazität des Spitals, wie das Beispiel von Catalina de Flores zeigen wird. Die Färbung der Aussagen des Kaplans lässt sich gerade vor diesem Hintergrund erklären. Wie die anderen Befragten unterstützte er die Förderung nach mehr finanziellen Mitteln für das Spital. Seine Antwort auf die sechste Frage endete deshalb mit einem Plädoyer für mehr Geldressourcen: und dieser Zeuge hat sich häufig darüber gewundert und hat sich mit anderen darüber unterhalten und hat gesehen, wie sich andere darüber unterhielten, wie es überhaupt möglich sei, so viele Ausgaben zu finanzieren, wenn man bedenke, dass das besagte Spital keine Geldrente beziehe, sondern nur ein wenig Land besitze; und das antwortet er auf diese Frage. 39 Diese lange und aufschlussreiche Antwort auf die sechste Frage zielte darauf ab, die vielfältige Ausübung der Barmherzigkeitswerke im Spital aufzuzeigen. Das Spital war in der Tat eine polyfunktionale Institution, in der unterschiedliche Bedürfnisse der Armen und Pilger gedeckt wurden. Das Wichtigste war für Juan de Villalba der Beweggrund für alle diese Tätigkeiten, nämlich die Nächstenliebe, die seiner Aussage nach im Spital von Santo Domingo täglich geübt wurde. Diese Motivation unterschied das Spital von 37 7.5. f. 4 r. Anhang 60.Das Gebäude wurde im 18. Jahrhundert umgebaut. Saenz Terreros, EI hospital de peregrinos, S. 77-79. Zu der Geschichte des Gebäudes vgl. auch Jetter, Geschichte des Spitals, S. 84-86. 38 Ebd. Anhang 60. 39 Ebd. Anhang 60. <?page no="302"?> 292 Das Spital den Wirtshäusern, welche auch Trinken, Essen und Betten für die Reisenden anboten, aber nur gegen Bezahlung. In seiner Aussage verglich er implizit das Spital mit den Wirtshäusern; indem er für die fürsorgliche Institution argumentierte: und das besagte Spital liegt, wie dieser Zeuge zu berichten weiss, neben der besagten Kathedrale, in einer Strasse, in der man etwa sechs Wirtshäuser findet, wie jeder sehen kann; und im besagten Spital hat dieser Zeuge immer seit mehr als sechzig Jahren gesehen, dass man allen Pilgern und Wallfahrern zu essen gegeben hat, die das Grab des glorreichen Heiligen Domingo de Ia Calzada und sein Spital besuchten; und die an dieser Stadt vorbei aus Frömmigkeit nach Santiago in Galicien gehen, sowie in andere Richtungen, oder diejenigen, die [aus Santiago] in ihre Heimat zurückkehren; und man stellt ihnen Betten zur Verfügung, damit sie schlafen können; und man hat diejenigen gepflegt und pflegt sie immer noch, die krank werden, indem man ihnen alle nötige Medikamente und Sachen nach dem Rat der Ärzte gibt, die man zu diesem Zweck bezahlt; und man achtet auch darauf, dass sie beichten und die heiligen Sakramente empfangen; und das besagte Spital untersteht einem Leiter, der immer ein Pfründner der besagten Kathedrale und des Kapitels war und ist; und dieser Zeuge hat gesehen, wie manchmal zwanzig oder dreissig Pilger im besagten Spital aufgenommen wurden, manchmal fünfzig und sechzig und manchmal achtzig und hundert; und dies weiss dieser Zeuge, weil er als Kaplan der besagten Kirche häufig anwesend und daran beteiligt war. 40 Für die grosse Nachfrage, die das Spital von Santo Domingo zu decken hatte, gab es zwei Hauptgründe nach Juan de Villalbas Ansicht: einerseits die Lage der Stadt am Pilgerweg nach Santiago de Compostela und die eigene Anziehungskraft von Santo Domingo als Pilgerzentrum, andererseits die Armut in den umliegenden Gebieten. Damit nahm Juan de Villalba einmal mehr Partei für das Spital. Die Jakobuswallfahrt wurde nicht mehr von so vielen Pilgern aus anderen europäischen Ländern unternommen wie früher. Die Aufzählung der Herkunftsländer der Pilger im folgenden Abschnitt seiner Aussage wirkt zum Teil stereotyp, auch wenn die Jakobuspilgerfahrt nördlich der Pyrenäen im 16. Jahrhundert niemals ganz aufhörte: 41 Auf die siebte Frage der besagten Befragung antwortete dieser Zeuge, dass er, wie gesagt, gesehen hat, dass das besagte Spital einengrossen Zulauf von Pilgern und Wallfahrern aus verschiedenen Nationen immer in der besagten Zeit [mehr als sechzig Jahren] habe, wie er bei der Antwort auf die sechste Frage sagte; einige sagen, dass sie aus Frankreich stammen, andere aus Italien, andere sind Deutsche, andere wiederum Armenier und auch aus anderen Orten, Königreichen und Provinzen; und da dieser Zeuge ihre Sprachen nicht spricht und auch nicht versteht, sieht er sie nur, wie er gesagt hat; und so viele und aus so vielen Orten kommen und gehen vorbei, dass es verwunderlich ist; und dass man sie unabhängig von ihrer Herkunft aufnimmt und ihnen zu essen und zu trinken gibt, und man stellt ihnen auch Betten zur - --- 40 7.5. f. 3v.-4r. Anhang 60. 41 Mieck, Wallfahrt, 499-533. <?page no="303"?> Die Dienstleistungen des Spitals 293 Verfügung; und wenn sie krank werden, pflegt man sie, wie er gesagt hat; und dieser Zeuge glaubt, dass so viele wegen der grossen Devotion für den Heiligen Domingo de Ia Calzada aufgrund der zahlreichen Wunder kommen, die unser Herr dank seiner Fürsprache ständig bei denjenigen bewirkt hat und bewirkt, die sich seinem Schutz empfehlen; und zwar haben sich die Leute aus Girona und Umgebung ihm bei einer gewissen Not empfohlen, indem sie ihn als Fürsprecher genommen haben, und unser Herr hat ihre Bitte erfüllt, und sie schicken Almosen und Opfer aus Dankbarkeit alle so und so vielenJahrefür den glorreichen Heiligen; und es kommen auch viele Pilger, weil diese [die Stadt] am französischen Weg [demJakobsweg in Spanien] liegt und zwar dem We g, der direkt nach Santiaga und zu anderen Orten führt; und man nimmt sie auch auf, was im ganzen Christentum bekannt ist; und dieser Zeuge hat es mit seinen eigenen Augen gesehen, wie er in den Antworten auf die früheren Fragen gesagt hat. 42 Die Armut in der Umgebung von Santo Domingo war durchaus relativ. Gewiss lagen nicht sehr weit von der Stadt gebirgige Gegenden, die ziemlich stark unter den Hungerkrisen litten. Aber wie die Studien von F. Brumont zeigen, gehörte dies e Gegend nicht zu den ärmsten der Rioja oder Kastiliens.43 Juan de Villalba schilderte sie mit fast dramatischen Zügen, wie die Frage es wahrscheinlich suggerierte: Auf die achte Frage antwortete dieser Zeuge, es sei wahr, dass sich diese Stadt und das Spital von Santo Domingo de Ia Calzada in einem Gebiet zwischen steinigen und sehr armen Ländereien und Gebirgsketten befinden, weshalb viele Arme und Notbedürftige zum besagten Spital kommen, die aus diesem Gebiet stammen, aber auch aus anderen, wie die Frage sagt, was eine sehr bekannte und öffentliche Sache ist; und dieser Zeuge hat es gesehen. 44 Schliesslich betonte der Kaplan, dass das Netz von Spitälern zwischen Zaragoza, Pamplona und Burgas äusserst schwach war, was auch nicht ganz stimmte, weil kleine Spitäler fast überall zu finden waren. 45 Seine Aussage zählt jedoch die wichtigsten Spitäler auf und setzt damit einen M assstab für die relevanten Fürsorgeeinrichtungen in diesem Gebiet. Nur Santo Domingo de la Calzada und das auch amJakobsweg gelegene Spital von Villafranca de Montes de Oca ragten hervor: Auf die zehnte Frage sagte dieser Zeuge, dass es öffentlich und bekannt sei, dass es zwischen Zaragoza in Aragon und dieser Stadt Santo Domingo de Ia Calzada vierzig oder sogar einundvierzig Meilen gibt; und dass es zwischen Pamplona in Navarra und der besagten Stadt Santo Domingo dreiundzwanzig Meilen gibt; alles auf dem französischen Weg und geradeaus; und von da 42 7.5. f. 4 v. Anhang 61. 43 Brumont, La Rioja en el siglo XVI, S. 11-69; Guerrero Navarrete, EI papel de Ia Rioja, S. 257-263. 44 7.5. f. 4 v. Anhang 61. 45 Ib: iiiez Rodrfguez, Hospitales del camino, S. 309-321; Casado Alonso, Seiiores, S. 535- 557; Heras y Nuiiez, Los hospitales rioj anos, S. 37-49; Ruiz Carcedo, Burgos. Rutas y caminos, S. 57- 74. <?page no="304"?> 294 Das Spital aus führt der französische Weg nach Burgas und Santiaga de Compostela; und es ist öffentlich und bekannt, wie diejenigen wissen, die auf dem besagten Weg zwischen den Städten Zaragoza und Pamplona und dieser Stadt Santo Domingo gegangen sind, dass es kein Spital gibt, wo Pilger und Wallfahrer aufgenommen werden, so dass sie Nahrung bekommen und die Kranken Medikamente erhalten und gepflegt werden, bis sie im Spital von Santo Domingo ankommen; und es ist öffentlich und bekannt, dass es zwischen der besagten Stadt Santo Domingo de Ia Calzada und der Stadt Burgas vierzehn Meilen gibt; und es gibt weder ein Spital noch ein Kloster, in dem die Fremden aufgenommen werden, ausser in Villafranca de Montes de Oca, was sehr öffentlich und bekannt ist. 46 46 7.5. f. 5 r-v. Anhang 62 . <?page no="305"?> 10 Catalina de Flores 10.1 Der Prozess Das Verfahren für die Überprüfung des Wunders von Catalina de Flores aus der Ortschaft Briones fand in Mai 1558 statt und verlief auf eine ähnliche Art wie dasjenige von Catalina de Foncea. Die administrativen Schritte vor der Einvernahme der Zeugen waren praktisch identisch. Die Akten berichten auch über eine Reihe von Vorlese- und Erzählakten, bei denen sich die Wundererzählung veränderte. Die erste Person, die vor den Richtern aussagte, war die Betroffene selbst: Catalina de Flores, 1 dann folgten die Zeugen, die auf mehrere Fragen zur Krankheits- und Heilungsgeschichte antworten mussten. 2 Die Richter hatten wieder mehr Zeit, die Untersuchung durchzuführen. Sie waren nicht mehr so sehr in Eile wie beim Prozess von Catalina de Graii6n. Ungefähr zwei Jahre waren seit dem Tod des Bischofs Dfaz de Luco (am 14. April1556) vergangen. N a ch der Vakanzzeit war 1557 Diego Fernandez de C6rdoba zum Bischof der Diözese von Calahorra und Ia C alzada ernannt worden . 3 Sein Vikar in Santo Domingo de Ia Calzada blieb derselbe wie unter Dfaz de Luco: der Kostpfründer der Kathedrale Francisco de Verganzo. Dieser fungierte wieder als kirchlicher Richter bei der Durchführung der "informaci6n" über die neuen Wunder. Bernardino de Sesma war nicht mehr Verwalter des Spitals, denn diese Aufgabe war turnusgernäss von einem anderen Kostpfründer der Kathedrale übernommen worden: Alonso Fern andez, der auch eine entscheidende Rolle bei der Einleitung der weiteren Prozesse über die Wunder am Grab des Heiligen Domin go de Ia Calzada spielte. Alonso Fernandez schrieb nun eine Bitte an das Kapitel der Kathedrale, die in ihrer Formelhaftigkeit stark an diejenige von Bernardino de Sesma im Wunderprozess von Catalina de Foncea erinnert. Sein Ziel war, den Fall von einem kirchlichen und einem weltlichen Richter untersuchen zu lassen. Diese sollten ausserdem die Akten der Notare beglaubigen. D er weltliche 1 Im Folgenden werden die Zitate aus der transkribierten Handschrift des Aktenbündels 7.3. des Archivs der Kathedrale von Santo Domingo de Ia Calzada mit der Abkürzung f. (folio) in den Fussnoten aufgeführt, um auf das jeweilige Blatt zu verweisen. Nur wenn eine Angabe aus einer anderen Handschrift stammt, nämlich aus dem Aktenbündel7.2., wird speziell darauf hingewiesen und nicht nur auf das Blatt. f. 23r- 23v. 2 f. 23 v-29v. 3 Seine Amtszeit war sehr kurz denn er starb am 15. September 1558. Marfn, Calahorra, S. 313 . <?page no="306"?> 296 Catalina de Flores Richter hätte der "corregidor" oder Stadtrichter sein sollen, aber dieser delegierte seine Kompetenz an seinen Stellvertreter Francisco de Valencia: eine Praxis, die in der spanischen Lokalverwaltung des 15. und 16. Jahrhunderts durchaus üblich war. 4 In der Narratio der Urkunde mit der Bitte an das Kapitel, die Alonso am 24. Mai 1558 vor dem Kapitel vorlas, befindet sich die erste Version des Wunders von Catalina de Flores: 5 Als Catalina de Flores (die Tochter von Pedro de Flores und Catalina, ihrer Mutter, Bürger der Kleinstadt Briones) in dieser Stadt war, war sie an beiden Beinen acht Monate lang gelähmt gewesen, so dass sie weder sich selbst hatte erheben können, noch auf ihren Füssen hätte stehen können, und sie war an zwei Krücken gegangen; damals erfuhr sie, die besagte Catalina de Flores, die Wohltat unseres Herren, die Catalina de Foncea für ihre Gesundheit dank der Fürsprache des glorreichen Herrn Heiligen Domingo vor etwa zwei Jahren in dieser heiligen Kirche bekommen hatte, denn deren Zunge hatte an dem Mundboden geklebt, und sie war sechsJahrelang völlig stumm gewesen, und hatte viele Heilmittel gesucht und Arzten wie Chirurgen ihre Krankheit mitgeteilt, von denen keiner ihr hatte helfen können, ausser indem sie sie auf die besagte Gunst und Hilfe unseres Herren hingewiesen hatten. Und sie war in diese heilige Kirche gekommen und hatte sich dem Schutz unseres Herrn und des Herrn Heiligen Domingo empfohlen, um von dieser Krankheit geheilt zu werden, und so war sie mit ihrer guten Absicht und dem heiligen Wunsch in diese heilige Kirche gekommen, und hatte Novenen in der Kapelle dieses glorreichen Heiligen gehalten und wurde dank seiner Fürsprache durch den Willen unseres Herren geheilt; und als Catalina de Flores das alles vernahm, empfahl sie sich dem Schutz Gottes und des glorreichen Heiligen und beschloss, achtzehn Tage lang Novenen in seiner Kapelle zu halten, und so kann man für wahr halten, dass sie dank der Fürsprache dieses glorreichen Heiligen und weil unser Herr Gott mit ihr seine grosse Barmherzigkeit gezeigt hat, von der Krankheit und Behinderung, an der sie an den Beinen litt, nach der ersten Novene befreit und geheilt wurde, und wir sehen heute, wie sie ohne Krücken geht, was sie früher ohne die besagten Krücken nicht tun konnte, ausser wenn ihr jemand geholfen hat, um sie zu erheben und sie zu tragen, wie es vielen Leuten bekannt ist, die sie in dieser Stadt gesehen haben. 6 Alonso erzählte den Kapitelmitgliedern wenig Konkretes über Catalina de Flores, schon gar nicht über ihre Erlebnisse vor der Genesung. Er konzentrierte sich zu Beginn des Berichtes auf ihre Gehbehinderung, um dann am Schluss der Wundererzählung ihre Heilung hervorzuheben. Über Catalina de Foncea hingegen berichtete er vieles und manches davon leicht verändert: So sollen die Ärzte und Chirurgen nicht nur unfähig gewesen sein, sie zu heilen, sondern sie hätten ihr sogar selber empfohlen, Gottes Hilfe zu suchen, ein Element der Erzählung, das in keiner der früheren Fassungen die- Lunenfeld, corregidores, S. 52-54, 114-115. Zu den Volkserzählungen über Lahme vgl. Uther, Lahme, S. 720-727. 6 f. 20r-v. Anhang 63. <?page no="307"?> Der Prozess 297 sesWunders vorkam. Ausserdem betonte er den Vorbildcharakter von Catalina de Fonceas Wunder für Catalina de Flores. Alonso war darauf bedacht, die ersteUntersuchungals Präzedenzfall für eine neue Zeugeneinvernahme vor der Kathedralgeistlichkeit darzustellen. Der Dekan und die Kapitelmitglieder erteilten ihm und dem bedeutenden Kanoniker Rodrigo de Valencia eine Vollmacht dafür, die beiden Richter um die Durchführung des Prozesses zu bitten. 7 Ihre Bitte sollten sie zusammen mit einem Rechtsgelehrten der Kathedrale verfassen, dem Lizentiaten Padilla. In der Tat musste sich Alonso Fernandez um die weiteren Schritte kümmern, ohne die Hilfe von Rodrigo de Valencia zu beanspruchen. Die Bittschrift enthält in ihrer N arratio genauere Angaben über Catalina de Flores' Handlungen: da sie an ihren Gliedern so gelähmt war, dass sie ausser mit zwei Krücken keineswegs gehen konnte, kam sie am Tag des besagten glorreichen Heiligen, der am 12. Mai sowohl in der besagten Mutterkirche wie im ganzen Bistum gefeiert wird, in die besagte Mutterkirche, um Novenen vor dem Grab ihres besagten glorreichen Heiligen zu halten, und die besagte Catalina war seit acht oder neun Monaten sowie am ersten Tag der Novene in ihren .Gliedern gelähmt, verkrüppelt und behindert, so dass sie sich auf keine Art und Weise im Bett umdrehen oder bewegen konnte, ausser wenn man sie umdrehte und bewegte, und sie konnte ohne die Krücken nicht gehen, wie gesagt wurde. 8 Bei der Schilderung der Heilung erwähnte Alonso den Präzedenzfall von Catalina de Foncea nicht mehr ausdrücklich. Stattdessen argumentierte er, dass die im Archiv der Kathedrale aufbewahrten Zeugenaussagen über frühere Wunder zum Lob des Heiligen dienten, sowie zum Lob Gottes und der "Lobeserhebung seines heiligen katholischen Glaubens" ("ensalzamiento de su santa fe catolica"), eine Bemerkung, welche Alonso kurz darauf wiederholte. 9 Die gegenreformatorischen Ziele der Wunderprozesse reichten bis in diese kleinen Details der Prozessakten. Sein Fragenkatalog war folgendermassen konzipiert: 1) Zunächst sollen sie danach gefragt werden, ob sie die besagte Catalina kennen und seit wann sie sie kennen und ob sie ihren besagten Vater und ihre Mutter kannten und wie diese hiessen und wo sie Nachbarn waren, und sie sollen sagen, wie alt die besagte Catalina ist. 2) Item sollen sie danach gefragt werden, seit wann sie die besagte Catalina gelähmt gesehen haben, oder wie sie sahen, dass sie gelähmt und behindert war, und ob sie gehen und sich ihrer Glieder bedienen konnte und ob sie an 7 f. 20v. Auch Bernardino de Sesma musste sich im ersten Prozess um die Einleitung und . Durchführung des Verfahrens allein bemühen, obwohl es vorgesehen war, dass ein Kanoniker die Verantwortung mit ihm zusammen übernehmen sollt e. 8 f. 21r. Anhang 63. 9 f. 2 l r-v. <?page no="308"?> 298 Catalina de Flores zwei Krücken ging oder wie sie sie behindert und gelähmt sahen, und alle Zeugen sollen sagen, was sie darüber wissen. 3) ltem ob sie wissen, dass die besagte Catalina ambesagten Tag des Herrn Heiligen Domingo während der Nachtwache, die am 12. Mai war, vor dem Grab des glorreichen heiligen Körpers die besagteN ovene hielt und dass sie sehr gelähmt war und keineswegs gehen konnte, ausser ganz wenig mit den Krücken, als sie die besagte Novene anfing. 4) Item ob sie wissen, dass die besagte Catalina während der Novene in der besagten Mutterkirche und vor dem besagten Grab war, indem sie betete und erflehte und sich dem Schutz von unserem Herrn Gott und von besagtem glorreichen Bekenner Heiligen Domingo und dass sie sogar die christlichen Gläubigen um Almosen bat und dass dies öffentlich und bekannt ist, die Zeugen sollen sagen, was sie wissen. 5) Item ob sie wissen, dass die besagte Catalina nach der besagten Novene und bevor sie aus der Kirche hinausging, geheilt wurde und jetzt ist, so dass sie ohne Krücken geht und ihre Füsse und Arme wie jede andere junge gesunde Frau benutzt, und dass dies klar und offenbar ist, und dass man es mit den Augen sieht; die Zeugen sollen sagen, was sie sehen und wissen. 6) ltem ob sie wissen, dass die besagte Krankheit der besagten so gelähmten und verkrüppelten Catalina nach der allgemeinen Meinung der Leute weder dank einem Arzt noch dank einem Chirurgen genesen oder heilen konnte, ausser durch die spezielle Gnade, die Gunst und das spirituelle Geschenk unseres Herrgottes und dank der Fürsprache seines glorreichen Heiligen und Bekenners, des Heiligen Domingo, sowohl aufgrund der Qualität und Dauer der Krankheit wie wegen der Armut und geringen Fähigkeit, die Catalina hatte, und dass einige Ärzte und Chirurgen dies so sahen, sowie viele andere Leute; die Zeugen sollen sagen, was sie darüber wissen und was sie über die besagte Krankheit gesehen und gehört haben. 7) ltem ob sie wissen, dass viele andere Leute, die ähnliche Novenen gehalten und solche Gebete vor dem Grab des glorreichen heiligen Körpers gebetet haben, von mehreren Krankheiten, an denen sie litten, geheilt wurden, sowohl Blinde wie Stumme, Krüppel und Gelähmte; die Zeugen sollen sagen, was sie darüber wissen, damit unser Herr Gott, der dies tut, gerühmt sei. 10 Diese Fragen zeigen, was Alfonso und dem Rechtsgelehrten Padilla an der Krankheits- und Heilungsgeschichte von Catalina de Flores für die Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Wundererzählung relevant schien: die Behinderung, dieNoveneund die Wunderheilung, das heisst, was sie als das Problem, das Mittel und die Lösung betrachteten. Die Behinderung stellten sie als physisches Problem dar, bei dem die Ärzte und Chirurgen nicht helfen konnten. Di e Novene war das einzige erfolgreiche Mittel gegen die Krankheit gewesen . Das Wunder bildete ein sichtbares Zeichen, das allen Zeugen bekannt sein sollte. Im Vergleich zum Fragebogen aus dem ersten Verfahren fällt auf, wie wenig Aufmerksamkeit den Lebensumständen von Catalina de Flores während ihrer Gehbehinderung geschenkt wurde. Bei Catalina de Foncea wur- 10 f. 21v-22r. Anhang 64. <?page no="309"?> Die schwierige Zulassung zum Spital 299 de auf die Verletzung mit dem Messer im Wirtshaus in der dritten Frage eingegangen und in der sechsten auf ihre Arbeit als Magd hingewiesen. Dieses mangelnde Interesse an den Einzelheiten in Bezug auf die Erlebnisse von Catalina de Flores während ihrer Krankheit wurde nicht von allen Zeugen geteilt. Manche sagten gerne darüber aus, obwohl viele Details relativ unbedeutend für die Richter waren. Bei den Zeugen handelte es sich um Kleriker und Laien, um Frauen und Männer, die mit Catalina zu tun hatten: Lizaro Martfnez del Campo, Juan Rubio und Pedro Martfnez, alle Kapläne in der Kathedrale von Santo Domingo; Francisco de Villegas, Kantor ("sochantre") in derselben Kathedrale; Juan Garcfa Marr6n, "mayordomo" oder Verwalter des Spitals von Briones; Pedro de Laguna und seine Frau Marfa de Laguna, beide Angestellte in demselben Spital; sowie Marina de Laguna, die möglicherweise mit Pedro verwandt war und ebenfalls im Spital von Briones angestellt war; Juana, Witwe von Miguel de Arnedo, und Catalina de Belorado, beide Bewohnerinnen von Santo Domingo. Aus mehreren Gründen waren aber folgende drei Zeugen sehr wichtig, um die Geschichte von Catalina de Flores zu verstehen: Alonso Fernandez selbst, der den Prozess einleitete; Mari Saenz, die Kusine von Catalina de Flores und schliesslich Catalina de Foncea. Der vorsichtige Umgang der Autoren des Fragebogens mit dem Teil der Geschichte, welcher Catalinas Erlebnisse vor der Heilung betraf, hing wahrscheinlich mit Alonsos Rolle als Spitalverwalter zusammen: Er hatte verhindert, dass die kranke Catalina ins Spital aufgenommen wurde. Erst später, als sie geheilt war, fand sie aufgrund ihrer Armut und ihrer Wunderheilung den Zugang dazu . Alonso war deshalb nicht bereit, seine Weigerung als wichtiges Problem im Fragebogen zu thematisieren. Das heisst jedoch nicht, dass er Gewissensbisse gehabt hätte oder sich dafür geschämt hätte, wie wir später sehen werden. Für Catalina de Flores 11 und für ihre Kusine, Mari Saenz, war dieser Teil der Geschichte hingegen durchaus erzählwürdig. Dass Alonso selbst als Zeuge aussagte, lässt sich vielleicht durch diese Meinungsverschiedenheit erklären. Anders als Bernardino de Sesma beschränkte sich Alonso nicht darauf, den Richtern die Zeugen anzugeben, weil er seine Sicht der Geschehnisse vor ihnen erläutern wollte . 10.2 Die schwierige Zulassung zum Spital Ein Vergleich zwischen den in Catalinas Erzählung beschriebenen Lebensumständen und den dazu passenden Ausschnitten aus den Zeugenaussagen erlaubt eine Rekonstruktion des Zerfalls von Catalinas familiärer Lebens- 11 f. 23 r. <?page no="310"?> 300 Catalina de Flores welt in Briones und ihrer Erfahrungen im dortigen Spital und in Santo Domingo de la Calzada. Die unterschiedlichen Aussagen über die Erfahrungen der kranken Catalina lassen die Interessenkonflikte erkennen, die im Zusammenhang mit ihrer Behinderung entstanden. Diese begannen in Briones, setzten sich bei der Kusine fort und gipfelten in Alonsos Weigerung, Catalina eine institutionelle Pflege und Betreuung im Spital anzubieten. Catalinas Erzählung ging von ihrer familiären Umgebung aus, weil sie zunächst danach gefragt wurde. Nachdem sie den Richtern erzählt hatte, dass sowohl ihr Vater, Pedro de Flores, wie ihre Mutter, Catalina, gestorben waren, begann sie ihre Krankheitsgeschichte zu erzählen: als sie in der Kleinstadt Haro lebte, kam sie in die Kleinstadt Briones, um ihre besagte Mutter zu pflegen, die krank war. Und als sie diese pflegte, wurde diejenige, die aussagt, krank, indem sie Fieber bekam. Und als sie an der besagten Krankheit im Bett litt, wurden ihre Beine gelähmt [... ]1 2 Der Anfang ihrer Erzählung gibt Aufschluss über ihre Erkrankung, insbesondere über die Ursache ihrer Krankheit, und zeigt ihre Mittel zur Selbstdarstellung vor den Richtern. Catalina stellte sich als vorbildliche Tochter dar, die ihren Wohnort verliess, um nach Hause zurückzukehren und ihre kranke Mutter zu pflegen. Marfa, eine der Spitalangestellten von Briones, bestätigte diese Aussage und präzisierte, dass Catalinas Lähmung nach dem Tod ihrer Mutter begonnen hatte.D Wie Catalina de Foncea in ihrem Prozess verzichtete auch Catalina de Flores darauf, ihre Krankheit mit einer übernatürlichen Ursache zu erklären. Sie sagte nicht etwa, dass Gott die Güte gehabt hatte, ihr das Fieber zu geben, wie es etwa Catalina de Graii6n getan hatte. Gleichzeitig schloss Catalina de Flores die Vorstellung oder den Verdacht aus, ihre Erkrankung sei die Folge eines moralisch fehlerhaften Verhaltens gewesen, indem sie ihre helfende Liebe gegenüber ihrer Mutter betonte, sie wies vielmehr auf eine natürlich begründete ätiologische Erklärung des Fiebers hin: Der Kontakt mit der kranken Mutter oder ihre Anstrengung bei ihrer Pflege standen im engen Zusammenhang mit ihrer eigenen Erkrankung. Ferner schilderte Catalina ihren Spitalaufenthalt in Briones. Als erstes ging sie dabei auf die ärztliche Untersuchung ein: Die medizinische Deutung ihrer Lähmung wurde ihr vom Arzt sehr kapp mitgeteilt, oder sie verstand diese jedenfalls nur in ihren groben Zügen: 14 und als sie gelähmt war, rief und brachte der "mayordomo" des Spitals von Briones, der Marr6n heisst, den Bakkalaureus [niedrigstes universitäres Diplom] Velez, einen Arzt, und er sah diejenige, die aussagt, krank in einem 12 Ebd. Anhang 65. 13 f. 28v. 14 Zu dem schwer verständlichen Jargon der Ärzte in der Frühen Neuzeit vgl. Porter, Medical Jargon, 42-63. <?page no="311"?> Die schwierige Zulassung zum Spital 301 Bett des besagten Spitals. Und nachdem er sie untersucht hatte, sagte er ihr, dass jene Krankheit von den Humoren herkam und dass er sie nicht heilen konnte. Und so war diejenige, die aussagt, mehr als drei Monate lang im Bett gelähmt, ohne sich selbst bewegen zu können, und jede fünfzehn Tage hoben sie zwei oder drei Leute auf. 15 Über die ärztliche Untersuchung erzählte der "mayordomo" des Spitals Juan Garda den Richtern überhaupt nichts. Der Spitalangestellte Pedro de Laguna wusste seinerseits nicht viel mehr darüber: und dass dieser Zeuge manchmal sah, dass der Bakkalaureus Velez, Arzt der besagten Kleinstadt Briones, sie im besagten Spital besuchte und sagte, dass die besagte Krankheit der Lähmung, an der die besagte Catalina litt, mit Medikamenten nicht zu heilen war. 16 Die Kommunikation zwischen Arzt und Personal schien also nicht intensiver zu sein als diejenige zwischen Arzt und Patientin. Die Spitalangestellten hoben ihrerseits ihren häufigen Kontakt zu Catalina hervor . Pedro de Laguna sprach sogar von seiner früheren Bekanntschaft mit Catalinas Familie, was diesen Kontakt zum Teil favorisierte: und er kennt die besagte Catalina de Flores, Tochter der Besagten, und zwar kennt er sie, seitdem sie ganz klein war, und er hatte sie gesund und frei gehen gesehen, und er sah, wie sie mit dem Kleriker Juanes de Aperrigui in der Kleinstadt Briones und danach in der Kleinstadt Haro lebteY Pedro fügte hinzu, dass er sie während ihres Aufenthaltes im Spital besuchen konnte, da er dort lebte und arbeitete: "und er sah und besuchte die besagte Catalina, die im Bett war, täglich. " 18 Die drei Spitalangestellten und vor allem die zwei Frauen berichteten über ihre persönlichen Kontakte mit Catalina und über ihre körperlichen Berührungen bei der Verrichtung von Routinearbeiten, die hygienischen Zwecken dienten: Das Bettenrichten wurde dabei deutlich angesprochen, während die elementaren physischen Bedürfnisse verschwiegen wurden. So erzählte Marinade Laguna über Catalinas Unfähigkeit, sich im Bett zu bewegen oder aufzustehen, und erklärte: "dass sie [die Pflegerinnen] sie [Catalina] in die Arme nehmen mussten, um ihr das Bett zu richten oder sie vom Bett aufzuheben". 19 Marfa, die Frau von Pedro de Laguna, erinnerte sich ihrerseits an die Momente, in denen nicht genügend Leute Catalina helfen konnten aufzustehen und sich vom Bett zu entfernen, ohne den Grund für ihr Bedürfnis zu erklären: 15 f. 23r. Anhang 65 . 16 f. 27v. Anhang 65. 17 f. 27v. Anhang 65. Das ist der einzige Hinweis in den Zeugenaussagen auf Catalinas Aufenthalt bei einem Kleriker von Briones namens Juanes de Aperrigui. 18 f. 27v. 19 f. 28v. <?page no="312"?> 302 Catalina de Flores sie konnte nicht gehen, und wenn manchmal niemand da war, um dieser Zeugin zu helfen, sie zu erheben, erhob sich die besagte Catalina mit grosser Mühe, indem sie sich über den Schmerz beklagte, den sie an den Beinen spürte, und indem sie sich mit den Händen auf dem Boden stützte, und sie ging, aber nur ganz wenig. 20 Der Spitalverwalter Juan Garcfa Marr6n beteiligte sich nicht an solchen Arbeiten. Er beobachtete bloss, wie die Bediensteten oder Spitalangestellten ihre pflegerischen Leistungen erbrachten: "da er manchmal sah, wie sie [die Spitalangestellten] sie mit den Armen aufhoben und sie zu der Feuerstelle brachten, weil es Winter war." Im Unterschied zum Pflegepersonal durfte er aufgrund der institutionsspezifischen Rollenfestlegung die unmittelbare Nähe zu der Kranken in solchen Fällen vermeiden. Aus den Aussagen von Pedro, Marina und Maria könnte man schliessen, dass sie sich im Kontakt mit Catalina immer entgegenkommend zeigten. Es war ihnen ein Anliegen, über ihre bewusste Pflichterfüllung als Pflegepersonal vor den Richtern zu berichten. Manche Behauptungen des Spitalverwalters Juan Garcfa Marr6n gingen jedoch in eine andere Richtung. Er wies auf Spannungen zwischen dem Pflegepersonal und Catalina hin, um die Bedeutung seiner eigenen Tätigkeit als sorgsamer Verwalter zu unterstreichen. Er zeigte dadurch, dass sein Engagement über seine Pflichten hinausging und dass er sich um die Oberaufsicht im Spital kümmerte: "und als die besagte Catalina so krank war, sagte man diesem Zeugen, dass sie das nötige Essen nicht bekam, und deshalb brachte er es ihr manchmal selber." 2 1 Seine positive Selbstdarstellung als aufmerksamer Spitalverwalter, der sich sogar um das Wohlbefinden einzelner Kranken sorgte, wenn es Klagen über die pflege gab, erklärten seine persönlichen Kontakte mit Catalina. Diese wären jedoch weiter gegangen, wäre Catalina in einem besseren gesundheitlichen Zustand gewesen. Da Juan Garcfa Marr6n einen zusätzlichen Beweis für Catalinas Gehunfähigkeit liefe rn wollte, erzählte er den Richtern eine Kurzgeschichte, in der er ein damals in den kleinen Spitälern verbreiteten Brauch schilderte: und dieser Zeuge sagte ihr, dass sie aufstehen und zu dem Zeugen nach Hause gehen sollte, wenn sie es könnte, und dass er ihr dort alles geben würde, was ehrlicherweise nötig wäre, worauf die besagte Catalina sagte, dass sie weder aufstehen noch auf den Heinen stehen konnte, und dieser Zeuge hielt es deshalb für wahr. 22 Das Gespräch zwischen den beiden muss vor dem Hintergrund der Bittbesuche beim Spitalverwalter betrachtet werden, eine Sitte, die auch im Spital von Santo Domingo de Ia Calzada dokumentiert ist, wie wir bei Casilda del 20 f. 28r. Anhang 65. 21 f. 26v. 22 f. 27r. Anhang 65. <?page no="313"?> Die schwierige Zulassung zum Spital 303 Rio sehen werden. Der Spitalverwalter schien Catalina prüfen zu wollen, um herauszufinden, wie schlecht sie tatsächlich gehen konnte. Catalinas Aufenthalt im Spital von Briones dauerte ihrer Aussage nach drei Monate, der Spitalverwalter bezifferte die Anzahl der Tage mit vierundfünfzig, Pedro de Laguna sprach von "mehr als fünfzig Tagen", und seine Frau, Maria, schätzte die Dauer auf ungefähr zwei Monate. 23 Umstrittener war, weshalb Catalina das Spital von Briones verliess und zu ihrer Kusine Mari Saenz in Santo Domingo zog. Catalina neigte dazu, andere Menschen für diese Entscheidung verantwortlich zu m a chen : und so verfügte der Bürgermeister der besagten Kleinstadt Briones, der Alonso de Arevalo war, dass man diejenige, die aussagt, wegbrachte, und zwar auf ein Maultier gebunden, damit sie nicht herunterfiel, dazu verwendete man einige Bretter, die lang genug waren, um bis zu den Füssen zu reichen, weil sie ihre Beine nicht strecken konnte, und so hat man sie in diese Stadt gebracht, zu dem Haus von Mari Saenz, der Witwe, die mit dem verstorbenen Martin de Arnedo verheiratet war, und dort brachten sie sie in ein Bett, in dem sie mehr als vier Monate lang gelähmt lag. 24 Alle drei Spitalangestellte sagten aus, dass Catalina sich gewünscht hatte, nach Santo Domingo de Ia Calzada gefahren zu werden. Pedro de Laguna hob Catalinas Willen hervor und schilderte die Reisevorbereitungen: und dass sich die besagte Catalina, die schon so lange krank war, sehr wünschte, in diese Stadt zu kommen, zu dem Haus einer Tante [sie] von ihr, und so hat sie diesem Zeugen gesagt, dass man sie in diese Stadt bringen sollte, und so wurde ein Maultier gesucht, und ein Mann brachte sie in die Stadt, und dieser Zeuge war anwesend, als sie auf das Maultier gesetzt und festgebunden wurde, weil sie sich aufgrund ihrer Krankheit, nämlich der Lähmung an den Beinen, nicht halten konnte, und dann erzählte der Mann, der sie hingebracht hatte, dass er sie in dieser Stadt zurückgelassen hatte. 25 Ausschlaggebend für Cat alinas Entscheidung war seiner Meinung nach die lange Dauer ihres Spitalaufenthaltes. Catalinas Wunsch begründeten Maria und Marina ihrerseits mit ihrer Frömmigkeit. So behauptete Maria: die besagte Catalina empfahl sich dem Schutz des Herrn Heiligen Domingo, indem sie sagte, dass sie es für sehrwahr hielte, da ss sie durch das Halten von Novenen in seiner Kapelle bald von ihrer Krankheit befreitwerden würde. 26 Dabei unterstrich Marina ihr persönliches Verhältnis zu Catalina, indem sie er z ählte, dass diese sich insbesondere an sie wandte und um Hilfe bat: und dass die besagte Catalina diese Zeugin viele Male darum bat, dass sie sich einsetzte, damit man sie in die Stadt Santo Domingo bringen würde, da sie 23 f. 27v-28v. 24 f. 23r . Anhang 66. 25 f. 27v. Anh a ng 66. 26 f. 28r . Anhang 66. <?page no="314"?> 304 Catalina de Flores die Hoffnung hegte, dass unser Herr Gott dank dem glorreichen Herrn Heiligen Domingo ihr die Gesundheit geben und sie von dieser Krankheit heilen würde_27 Auch nach der Aussage des Spitalverwalters Juan Garcfa Marr6n traf Catalina selbst diese Entscheidung. In seiner Aussage wird zudem deutlich, dass die Kommunikationskanäle in solchen Fällen im Spital hierarchischen Strukturen unterworfen waren, welche gleichzeitig die Machtverhältnisse in der Institution widerspiegeln: erhörte Pedro de Laguna, Spitalangestellte, [...] und seine Frau, die Marfa heisst, sagen, dass die besagte Catalina danach fragte, in diese Stadt gebracht zu werden, da sie hier Verwandte hatte, die versuchen würden, sie zu heilen und nach ihrer Gesundheit zu schauen, und dieser Zeuge sprach mit der besagten Catalina und sagte ihr, dass er sich darum kümmern würde, dass sie in diese Stadt gebracht werde, falls sie es sich wünschen würde, und so suchte dieser Zeuge ein Maultier und einen Mann, der mit ihr in diese Stadt kommen würde. 28 Diese Entscheidung scheint umstritten gewesen zu sein, da sie heikel war. Catalina stammte aus Briones, und die Armen sollten nach der Ansicht der Obrigkeit in ihren Heimatgemeinden gepflegt werden. 29 Vielleicht wollten sich die Bfleger und der Spitalverwalter dafür rechtfertigen, oder vielleicht hatte Catalina vermeiden wollen, diese Ents~heidung als ihre eigene vor den Richtern darzustellen. Wie dem auch sei, die Bewältigung der alltäglichen Probleme wurde für sie in Santo Domingo nicht viel einfacher als in Briones. Die Schwierigkeiten zeigten sich zunächst im Haus von Mari Saenz, die sie aufnahm: "weil sie ihre Kusine war". 30 Wegen der familiären Bindung fühlte sich Mari verpflichtet, die Verantwortung für Catalinas Pflege zu übernehmen. Catalina war aufgrunddes Todes ihrer Eltern auf die Unterstützung des weiteren familiären Netzwerkes angewiesen. Wie bei der Pflege ihrer kranken Mutter war dieses familiäre Netz ein intrafamiliäres weibliches Beziehungsnetz, das unter anderem zur gegenseitigen Hilfe in Notsituationen diente. 31 Auf die Dauer erwies sich Catalinas Pflege als eine untragbare Belastung für Mari. Aus der Beschreibung der Szene von Catalinas Ankunft durch Juana, einer Nachbarin aus Santo Domingo, die ihre Eltern gekannt hatte, zeichnen sich bereits einige dieser Schwierigkeiten ab: 27 f. 28v. Anhang 66. 28 f. 27v. Anhang 66. 29 Zu dem Kriterium der Ortsansässigkeit im Spanien des 16. Jahrhunderts vgl. das Unterkapitel über die Caritaslehre 7.2.2.2. 30 f. 26r. 31 Zum eingeschränkten Handlungsraum weiblicher Netzwerke in der patriarchalen Gesellschaft des 16. Jahrhunderts und zu ihren kulturellen Merkmalen vgl. Roper, Gendered Exchanges, S. 199-217. <?page no="315"?> Die schwierige Zulassung zum Spital 305 als sie ihr vom Maultier halfen, kroch sie auf ihren Händen, da sie weder auf ihren Beinen stehen noch die Treppe hinaufgehen konnte, ausser wenn man ihr half, und sie hatten sie viele Tage in einem Bett [...), und wenn sie ohne Hilfe aufstehen musste, musste sie kriechen. 32 Nach einer gewissen Zeit begann Catalina aufzustehen und sich mit den ihr von Mari gegebenen Krücken zu bewegen. Die Treppe erwies sich als eine nicht leicht zu überwindende architektonische Barriere. 33 Deshalb konnten sie die Nachbarn nicht selten vor dem Haus sehen. Der Kantor ("sochantre") der Kathedrale, Francisco de Villegas, sagte aus: "und er hat die besagte Catalina de Flores häufig vor der Tür des besagten Hauses ausgestreckt und liegend gesehen, und zwar sehr krank und ohne auf den Beinen stehen zu können". 34 Vier Monate nach Catalinas Ankunft in Santo Domingo wandte sich Mari an Alonso Fernandez, den Spitalverwalter. 35 Sie brauchte dringend eine Entlastung, weil sie Catalina keine angemessene Hauspflege mehr gewährleisten konnte. Sie erzählte den Richtern, wie sich ihre Begegnung mit dem Verwalter abgespielt hatte: diese Zeugin richtete sich an Alonso Fernandez, Kostpfründerund Verwalter des Spitals, um ihn zu bitten, die besagte Catalina aufzunehmen, und sie im besagten Spital zu pflegen, und so sagte sie es ihm, und sie bat den besagten Alonso Fernandez darum, indem sie ihm die Krankheit sagte, an der sie litt, und der besagte Alonso Fernandez, Verwalter, antwortete ihr, dass die besagte Krankheit eine lange Zeit brauche, um geheilt zu werden, und dass sie in einem Bett allein sein sollte und dass sie die Leute, die im besagten Spital sind, mit Arbeit belasten würde, und so wollte er sie nicht aufnehmen. 36 Alonso seinerseits gab das Gespräch mit Mari vor den Richtern folgendermassen wieder: es kann vor etwa drei Monaten gewesen sein. Da er das Amt des Verwalters des Spitals innehatte, wie jetzt auch, kam Mari Saenz, Witwe, die mit dem verstorbenen Martfn de Arnedo verheiratet gewesen war, und Kusine der besagten Catalina de Flores, zu diesem Zeugen und bat diesen Zeugen darum, eine sehr kranke junge Frau, die bei ihr lebte, um Gottes Willen einige Tage im besagten Spital aufzunehmen, damit sie dort gepflegt und geheilt werden könnte, und dieser Zeuge fragte sie, ail welcher Krankheit sie litt, und die besagte Mari Saenz antwortete ihm, dass sie an der unteren Hälfte 32 f. 29r. Anhang 66 . 33 f. 23r. Es liegt leider keine stadtarchäologische Untersuchung zu dieser Epoche in der Rioja vor. Zu den prächtigen Häusern in der Rioja in 16. Jahrhundert vgl. Martfnez de Salinas, La evoluci6n de Ia casa, S. 219-235; Peciiia Ruiz, Las transformaciones arquitect6nicas, S. 243-253. Man darf vermuten, dass Mari S: ienz im ersten Stock eines Hauses ihre Wohnung hatte. 34 f. 25vr. 35 Diese Zeitangabe stammt aus Catalinas Aussage. f. 23r. 36 f. 26v. Anhang 67. <?page no="316"?> 306 Catalina de Flores des Körpers gelähmt war und dass sie sich weder [im Bett] drehen noch aufstehen konnte, ausser wenn man sie umkehrte oder aufhob, und dieser Zeuge antwortete, dass diese Krankheit sehr lange dauerte und dass sie sie dort [im Spital] weder haben noch heilen könnten, und dass es für sie zuviel Arbeit und Ausgaben bedeuten würde und sie ihr nicht so gut dienen würden, wie sie [Mari] es in ihrem Haus tun konnte, und so verabschiedete er sich von ihr, indem er ihr sagte, dass er sie aufgenommen hätte, wenn es darum ginge, sie zu purgieren oder sie zur Ader zu lassen, wie sie es mit anderen Kranken im besagten Spital tun, die dadurch geheilt werden. 37 Beide Versionen des Gesprächs geben Auskunft über die Spielregeln, welch e die Kommunikation zwischen einer nicht gebildeten Frau aus der Unterschicht und einem Kleriker aus der Oberschicht bei einer derartigen Angelegenheit beherrschten. Mari durfte sich persönlich an ihn wenden, um ihre Bitte um Hilfe vorzubringen. Sie muss sich bewusst sein, wie wichtig das Schön-Bitten- Können gegenüber der Obrigkeit war, um persönliche Ziele in zahlreichen Lebensbereichen zu erreichen. 38 Ihre Argumentation fusste auf der Tatsache, dass Catalina sehr krank war und gepflegt werden sollte. Ihr schien, dass das Spital der geeignetste Ort dafür war. Zugleich appellierte sie an die karitative Nächstenliebe als religiösen Wert, indem sie Alonso "por el amor de Dios" bat. Dieser Ausdruck bedeutete zudem, dass sie nichts an ihren Unterhalt im Spital bezahlen konnte. Alonsos Aussage enthält eine detaillierte Beschreibung seiner Vergehensweise beim Treffen, so wie er sich daran erinnerte. Seine Gesprächsstrategie kann dadurch in ihren allgem einen Zügen analy siert werden. Alons o liess sich nicht durch Mari bewegen. Er steuerte das Gespräch mit einer Frage nach der Art von Catalinas Krankheit. Mit dieser allgemeinen medizinischen Umschreibung der Krankheit sprach er einen Punkt an, der für die Begründung seiner Weigerung, sie im Spital aufzunehmen, bestimmend war. Er konnte sich dabei nämlich auf eine Regel berufen, nach der nur bestimmte Krankheiten im Spital behandelt werden durften. Mari wurde durch die Frage neu angespornt, Catalinas Krankheitsgeschichte konkr et er zu erzählen. Alonso bestätigte sie also in ihrer Erzählrolle, so dass Mari die Folgen der Lähmung im Alltag sowie die Pflege- und Hilfeleistungen präzisierte, welche durch Catalinas Zustand erforderlich geworden waren . Mit dieser Beschreibung der Krankheit lieferte Mari d em Verwalter Alonso genügend Argumente dafür, ihre Bitte zurückzuweisen: Da einerseits keine Heilung in kurzer Zeit absehbar und anderers eits die Pflege für das Spital nur mit einem zu hohen Aufwand und grosser finanzi eller Bürd e verbunden wäre. Alonso begründete also seine Meinung unter anderem mit Catalinas Wohl und Gesundheit. Er profitierte von seiner privilegierten Stellung als Verwalter des Spitals und dem daraus resultierenden Vorsprung 37 f. 24r. Anhang 67. 38 Davis, Kopf, S. 22 -54, 66-74. <?page no="317"?> Die schwierige Zulassung zum Spital 307 an Wissen über die im Spital geltenden Aufnahmeregeln, und wies so die Verantwortung für die Pflege mit dem Argument zurück, dass die Kranke bei Mari besser aufgehoben sei. In seiner Aussage verschwieg der Spitalverwalter ein Argument, das Mari durchaus anfechtbar fand. Sie betonte Alonsos Behauptung: "und dass sie [Catalina] in einem Bett allein sein sollte", und wollte damit den Richtern zeigen, dass Alonso zum Teil willkürliche Gründe angeführt hatte. Mari teilte seine Meinung nicht, dass Catalina ein Bett für sich alleine beanspruchen würde. An vielen Orten schliefen mehrere Menschen in einem einzelnen Bett, auch im Spital von Santo Domingo. 39 Als Mari Catalina über ihre frustrierende Begegnung mit dem Spitalverwalter Alonso erzählte, muss sie gerade dieses Argument hervorgehoben haben, denn Catalina verwies in ihrer Aussage ausdrücklich darauf: und der besagte Alonso Fernandez sagte ihr [Mari], dass er sie [Catalina] nicht im Spital haben konnte, wenn sie an dieser Krankheit litt, von der die Rede war, denn es würde sehr viel Zeit bis zur Heilung vergehen, und sie würde ein Bett ständig besetzen. 40 Angesichts des Erzählrahmens der Einvernahme durch die Richter und der Absicht des Verfahrens, das auf die Überprüfung des Wunders zielte und nicht etwa auf die Bestrafung von Alonso wegen Amtsmissbrauchs, fallen die Aussagen der beiden Frauen in Bezug auf ihren Unmut über Alonsos verweigerte Spitalaufnahme auf. So wie der Schreiber ihre Aussagen festhielt, drückten sie ihre Gefühle nicht unmittelbar aus, aber sie konnten die Ereignisse für sich sprechen lassen. Das Verhalten von Mari und Catalina zeigt, wie ein weibliches Netzwerk funktionierte, das innerhalb der Familie Hilfe leistete und Informationen vermittelte, aber auch wie dieses an die Grenzen kam, wenn eine grosse Belastung den Alltag zusätzlich erschwerte. Maris Versuch, mit dem Spitalverwalter zu verhandeln, scheiterte an ihrem Mangel an Einfluss. Sie war 39 Vgl. das Kapitel über Casilda del Rio, in deren Prozess mehrere Zeugen aussagen, dass drei Frauen in einem Bett schliefen. Eine von diesen Frauen war Catalina de Flores. U. Lindgren beschreibt die Betten in den spätmittelalterlichen Barceloneser Spitälern folgendermassen: "Ein Bett konnte aus einem mit Stroh gefüllten Kasten oder- und das war die Regel aus einem vier-, fünf- oder sechsfüssigen Gestell mit einem Strohsack als Auflage bestehen. Auf das Stroh kam eine Wollmatratze. Zur vollständigen Ausstattung eines Bettes gehörten weiterhin ein Kissen, meist mit Wolle gefüllt (nur der Administrator scheint ein Federkissen gehabt zu haben), ein oder mehrere gewebte Wolldecken, zwei Leintücher und eine Überdecke." Lindgren, Bedürftigkeit, S. 43 . L. Martz weist auf die im Wörterbuch von Covarrubias zu findenden Beschreibung der Lager, auf denen die Armen meistens schliefen, um die Wichtigkeit der Betten in den Spitälern zu unterstreichen. Covarrubias weist darauf hin, wenn er das Wort "frazada" (wollene Bettdecke) definiert. Martz, Poverty and Welfare, S. 28,43. Ein Inventar der Güter von Santo I)omingos Spital aus den Jahren 1574-1575 weist auf Matratzen, Kissen, Bettwäsche und Uberdecken hin. Ruiz Capellan, Hospital de peregrinos, S. 66. 40 f. 23r. Anhang 67. <?page no="318"?> 308 Catalina de Flores arm und konnte nicht für Catalina bezahlen, war auf Hilfe und Wohltätigkeit angewiesen und hatte keinen Zugang zu schriftlich festgehaltenen Regeln über die Aufnahme von Kranken im Spital. Ihre Gesprächsstrategie war durch ihre frauenspezifische Rolle und durch ihre soziale Stellung bedingt. Da Mari verwitwet war, darf man annehmen, dass sie als Ehefrau Gespräche mit ihrem Ehemann geführt hatte, in denen es häufig darauf angekommen war, mit ihm zu verhandeln. Das Argumentieren im öffentlichen Bereich hatte sie aber nicht gelernt. Die Anthropologin Susan Harding hat aufgezeigt, welche Strategien spanische Ehefrauen aus einem kleinen Dorf in Nordostspanien bei ihren Gesprächen mit ihren Ehemännern verwenden. So lernen sie etwa indirekte Fragen zu stellen, welche Einblick in die von Männern geheimgehaltenen Informationen gewähren, statt sie mit direkten Fragen darüber zu konfrontierenY Nach Alonsos negativer Antwort blieb Mari nur übrig, Catalina darüber zu benachrichtigen. Sie tat dies bestimmt nicht ohne kritische Kommentare über Alonsos Haltung, wie die Betonung des Bettenmangels, seines für sie schwächsten Arguments, durchblicken lässtY Alonso hatte wenig zu befürchten. Er hatte beim Gespräch kraft seiner Amtsbefugnisse gehandelt und zeigte in seiner Aussage vor den Richtern keineswegs Reue oder Gewissensbisse. Für ihn hatte es sich um ein Gespräch mit distanziertem Arbeitscharakter gehandelt. Es war ihm hauptsächtlich darauf angekommen, die Kosten einzuschätzen, die Catalinas Aufenthalt mit sich gebracht hätte. Er hatte den aus seiner Sicht objektiven Kriterien den Vorrang gegeben, um diese Entscheidung zu treffen, statt sich durch persönliche Bitten beeinflussen zu lassen. Mit der Zeit schleppte sich Catalina durch die Strassen und bettelte, "indem sie ihre Füsse auf dem Boden halb nachschleifte" ("medio arrastrando los pies por el suelo"), wie Juana, die oben erwähnte Nachbarin aus Santo Domingo, aussagte. 43 Mari hatte ihr" die zwei Krücken gemacht, mit denen sietrotzder grosse nMühe begann, durch die Stadt zu gehen und um Almosen zu bitten". 44 Und Alonso wurde sie nicht ganz los, denn sie wusste, dass man Almosen im Spital vergab: "und danach [nach der Begegnung mit Mari] hat dieser Zeuge sie gesehen, und sie kam sehr häufig zum besagten Spital, und bat um Almosen". 45 41 Harding, Women and Words, S. 292-293. Zur Frage der sprachlichen Sozialisierung von Frauen aus anthropologischer Sicht vgl. Bux6, Antropologfa de Ia mujer, passim. 42 Zu der frauenspezifischen Formen von Machtausübung in sogenannten Klatschgesprächen vgl. Harding, Women and Words, S. 297-303. 43 f. 29r. 44 f. 23r. 45 f. 24r. <?page no="319"?> Das Vorbild Catalina de Fonceas 309 10.3 Das Vorbild Catalina de Fonceas Catalina de Flores übernachtete weiter bei Mari, aber sie verliess tagsüber das Haus, um zu betteln. Ihre Tätigkeit als Bettlerin brachte sie in die Nähe des Spitals und der Kathedrale. In diesem Stadtteillernte sie andere Leute kennen, so zum Beispiel Catalina de Foncea, die sie bei der Almosenvergabe im Spital häufig sah. 46 Catalina de Foncea war nach ihrer Wunderheilung in Santo Domingo de la Calzada bekannt geworden. Zahlreiche Zeugen sagten in der "informaci6n" über das Spital, die in den 1560er Jahren durchgeführt wurde, dass sie manche Wundergeschichten erfahren hatten, die sich in den letzten Jahren in der Kathedrale ereignet hatten. Darunter befand sich diejenige von Catalina de FonceaY Kurz vor dem Fest des Heiligen Domingo entstand eine engere Beziehung zwischen den beiden Frauen. Catalina de Flores beschrieb ihren Anfang und ihre Entwicklung vor den Richtern: und als sie sich eines Tages in der besagten heiligen Kirche mit der Absicht befand, Novenen zu halten, kurz vor dem Fest des Heiligen Domingo, sprach Catalina de Foncea, wohnhaft im besagten Spital, zu ihr und erzählte ihr von der Wohltat der Gesundheit, die sie in dieser heiligen Kirche bekommen hatte, weil sie sich dem Schutz unseres Herren und dieses glorreichen Heiligen empfohlen hatte und weil sie Novenen in seiner Kapelle gehalten hatte; und dass diejenige, die aussagt, Novenen in dieser Kapelle halten sollte und dass sie dank dem Willen unseres Herren Gesundheit bekommen würde, wie sie [Catalina de Foncea) sie bekommen hatte; und so hielten diejenige, die aussagt, und die besagte Catalina de Foncea die ganzen Novenen des Festes vom Herrn Heiligen Domingo in dieser Kapelle zusammen. 48 Bei der Niederschrift von Catalina de Fonceas Aussage über die Begegnung in der Kathedrale sah sich der Schreiber veranlasst, eine neue zusammengefasste Version ihrer Krankheits- und Heilungsgeschichte in einem langen direkten Zitat aufzuzeichnen: und als diese Zeugin während des letzten achttägigen Gebets ["otabario") vom Herrn Heiligen Domingo die Novene in dieser Mutterkirche hielt, und zwar in der Kapelle des glorreichen heiligen Körpers, kam die besagte Cata~ lina de Flores mit ihren Krücken, wie sie früher zu gehen pflegte, in die besagte Kapelle und nahm Platz neben dieser Zeugin, und diese Zeugin sagte der besagten Catalina de Flores: "Schwester, Ihr sollt grosse Devotion zu unserem Herrn und zu diesem glorreichen Heiligen haben und hier N ovenen halten, weil Ihr dank unserem Herrn werdet geheilt werden, denn ich habe mir mit meiner ganzen Willenskraft versprochen, hier für diesen Heiligen Novenen zu halten, als ich stumm ~ar, und mehr als sieben oder acht Jahre ohne Sprache war, und da weder Arzte noch Chirurgen mich heilen konnten, kam ich hierher und war da, und nach drei Tagen konnte ich reden 46 f. 25v. 47 Vgl. z. B. die oben erwähnten Aussagen von Juan de Villalba. 48 f. 23r. Anhang 68. <?page no="320"?> 310 Catalina de Flo r es wie jetzt dank unserem Herrn, dem ich sehr dankbar bin." Und so begann die besagte Catalina de Flores die besagten Novenen zu halten. 49 Zwar darf man bei dieser wie bei den anderen Aussagen nicht vergessen, dass der Schreiber bei der Verschriftlichung der gesprochenen Sprache Veränderungen vornehmen musste, doch die Hauptmerkmale dieser Fassung dürfen der Erzählung von Catalina de Foncea zugeschrieben werden. Sie hatte zwei Jahre früher ihre Geschichte anders gestaltet. Damals ging es darum, den Richtern möglichst viele Einzelheiten mitzuteilen. Ihre neue kurze Version muss den Klerikern aus mehreren Gründen gut gefallen haben . Sie entsprach der offiziellen Fassung von Bernardino de Sesma, dem früheren Spitalverwalter, weil sie das Motiv der Überprüfung der Krankheit durch Ärzte und Chirurgen ins Zentrum rückte. Dieses fiktionale Element erwähnte Catalina in der ersten langen Aussage ihres Verfahrens nicht . Manche Zeugenaussagen aus dem Prozess Iiessen erkennen, dass Catalinas Haltung bei den medizinischen Untersuchungen gar nicht kooperativ war, weil sie wenig Vertrauen in die Fähigkeiten der Ärzte und Chirurgen hatte. An der Sprache der neuen Fassung müssen die Kleriker die Höflichkeit und Korrektheit geschätzt haben, mit denen sich Catalina de Foncea nun ausdrückte. Sie duzte Catalina de Flores nicht auf Anhieb und äusserte ihre Dankbarkeit für ihre Heilung mit Ausdrücken, die an die von den Klerikern in den Wunderberichten häufig verwendeten Floskeln e rinnern . Catalina de Foncea hatte gute Gründe dafür, C at alina d e Flores eine solche Fassung ihrer eigenen Krankheits- und Heilungsgeschichte zu erzählen. Da Catalina de Funcea in Santo Domingo berühmt geworden war, konnten andere Leute ihre neue Version bestätigen. Die Kleriker hatten eine ähnliche Fassung nach der Heilung verbreitet. Die Geschichte diente ferner dazu, ihre eigene Stellung im Spital zu erklären und sie vor Catalina de Flores zu rechtfertigen. Sie war nicht krank, aber sie lebte im Spital und war am Grab des Heiligen häufig zu sehen. Die allgemein anerkannte Tatsache, dass sie eine Wunderheilung erlebt hatte, verlieh ihr zudem eine gewisse heilige Aura, die sie von den übrigen Spitalangestellten abhob. Es ist deshalb verständlich, dass Catalina de Foncea nicht versuchte, sich von ihrer Zuhörerin zu distanzieren, denn sie hatte keinen Grund, sich vor Konkurrenz zu fürchten. Sie konnte nur an Ansehen gewinnen, wenn sie noch weitere Frauen dazu bewegte, um Wunder zu bitten. Das Gespräch zwischen den b eiden Frauen fand am dafür geeignetsten Ort statt. Sie befanden sich in der Kapelle des Heiligen, einem Raum innerhalb der Kathedrale, der den Frauen und den männlichen Laien einen Rahmen für Gebete und Gespräche bot. Andere Räume, wie etwa der Chor, waren ihnen nicht zu gänglich, weil sie für die Kleriker reserviert waren. 49 f. 25v-26r. Anhan g 68. <?page no="321"?> Das Vorbild Catalina de Fonceas 311 Indem Catalina de Foncea Catalina de Flores als "Schwester" ansprach, reduzierte sie die soziale Distanz zwischen den beiden und verlieh dem Gespräch einen symmetrischen Charakter mit egalitärer Tendenz. Diese Anredeform war unter den weiblichen Spitalangestellten des 16. Jahrhunderts üblich, auch wenn sie keine Nonnen waren. 50 Sie ist in diesem Fall jedoch bemerkenswert, da Catalina de Flores noch nicht angestellt war und vom Spitalverwalter nicht einmal als Kranke aufgenommen worden war. Mit ihrem missionarischen Eifer schlug Catalina de Foncea für Catalina de Flores eine Brücke, die im Kontrast zur Ablehnungserfahrung stand. So bindet sie Catalina de Flores wieder in ein weibliches Netzwerk ein, dieses Mal ein ausserfamiliäres. In diesem Netzwerk konnten Mitteilungen gemacht, Beziehungen geknüpft und Handlungen gemeinsam geplant werden. Es ermöglichte vor allem eine informelle Art der Solidarität, welche die männlich dirigierte Institution des Spitals nicht zuliess. Die Erzählung besass einen exemplarischen Charakter, denn Catalina de Foncea erklärte Catalina de Flores, wie sie geheilt werden könnte . Sie machte den Sinn der Gebete und Rituale explizit, welche die Neue am Grab des Heiligen beobachten konnte. Die Handlung von Catalina de Fonceas Erzählung ist durch die Rituale der Novenen während der Wallfahrt stnikturiert. DieNovene bot ein Verhaltensmuster für diejenigenGläubigen an, die sich dem Schutz Gottes und des Heiligen empfahlen, und sollten in der Kapelle des Heiligen Domingo gehalten werden. Dies bedeutete, dass das Patrozinium des Heiligen anerkannt wurde. Da er der Lokalheilige war, konnten sich Fremde wie Catalina de Flores in die Gemeinschaft der Stadt durch Gebete und Bussübungen eingliedern. Deshalb betonte Catalina de Foncea, dass sie "hier" beten solle und nicht anderswo. Sie war auch als fremde Bettlerin in Santo Domingo de la Calzada angekommen und hatte erfahren, wie wichtig der Ort des Gebets sogar innerhalb der Kathedrale war, um aufgenommen und akzeptiert zu werden. Schliesslich lieferte Catalina de Fonceas Wundererzählung ein Deutungsschema für jede Krankheit und ihre mögliche Entwicklung bis zu der Heilung. 51 Es bestand keine unmittelbare Verknüpfung zwischen Sünde und Erkrankung in Catalinas Erzählung, weder in den alten noch in der neueren Version. Das ätiologische Muster, das sich dahinter verbarg, war nicht negativ moralisch konnotiert. Die Krankheit erschien vielmehr als ein Zustand im Leben, der keinen Aufschluss über die Eigenschaften der Person zuliess. Dabei machte es keinen Unterschied, ob es sich um ihre Stummheit handelte oder um Catalina de Flores' Lähmung. Catalina de Fonceas Einstellung gegenüber diesem Zustand war nicht fatalistisch geprägt. Sei wie 50 Davis, Hotel Dieu, S. 95, 103. 51 Zu der Analyse von Deutungsschemata auf individueller Ebene aus volkskundlicher Sicht <?page no="322"?> 312 Catalina de Flores sie dank Gott und dem Heiligen Domingo wieder hatte sprechen können, so hielt sie es möglich, dass Catalina de Flores wieder gehen könnte, wenn sie die Novenen dort halten würde. Aus der Erzählung konnte Catalina de Flores Hoffnung auf eine Besserung schöpfen, da Catalina de Foncea als lebendiges Beispiel vor ihr stand. Sie konnte reden, ja ihr sogar ihre eigene Wunderheilung selber erzählen. Diese Erfolgsgeschichte lässt wie jede andere Wundererzählung nicht auf grosse Akzeptanz der Krankenrolle in der Gesellschaft schliessen. Die Wundergeschichten festigten die Gesundheit und Funktionstüchtigkeit als absolute Norm, statt zu einem grösseren Verständnis gegenüber Kranken beizutragen, insbesondere wenn diese lange Zeit krank blieben oder überhaupt an unheilbaren Krankheiten litten. Wie wirkten solche Erzählungen wohl auf diejenigen, die sich an diese Hoffnung auf Heilung klammerten, ohne sie je zu erleben? Wie hätte Catalina de Flores diese Geschichte verarbeitet, wenn sie gelähmt geblieben wäre? Ein tiefes Gefühl von Frustration musste solche unheilbar Kranke ergreifen. Aber Catalina de Flores hatte schon vor der Novene begonnen, Fortschritte zu machen. Sie lag nicht mehr unbeweglich im Bett wie in Briones oder bei ihrer Ankunft in Santo Domingo de Ia Calzada. Sie war nun fähig, sichtrotz der Mühe zu bewegen, auch wenn sie dabei die Krücken benutzen musste, die ihr Mari gegeben hatte. In diesem Licht betrachtet, hatte Catalina de Foncea einen langen Entwickungsprozess erlebt: Sie war jahrelang taubstumm gewesen, dann nur stumm und schliesslich dank dem Wunder völlig gesund. Dass Catalina de Flores ihren sich anbahnenden Heilungsprozess als Wunder begreifen konnte, war nach diesem Deutungsmuster sehr gut möglich. Catalina de Flores erzählte schliesslich ihre Heilung so: und nach der Novene begann sie zu gehen und zu sehen, dass ein Bein gesund wurde, und sie ging mit nur einer der zwei Krücken, und das geschah am letzten Samstag morgen, dem 21. von diesem Monat Mai, und am darauf folgenden Sonntag gefiel es Gott, dass sie sich an beiden Beinen gesund und frei fand, und seitdem ging sie und geht sie ohne jegliche KrückeY vgl. Dornheim, Krankheit im dörflichen Alltag, S. 95 - 131 . Ein Beispiel für die Bedeutung <?page no="323"?> 11 Casilda del Rio 11.1 Der Prozess Alonso Fernandez, der Spitalverwalter, stand 1559 wiederum im Zentrum der Bemühungen um die Durchführung eines Prozesses zur Überprüfung einer Wunderheilung. Er hatte zum Teil mit denselben Leuten zu tun wie bei seinem ersten Prozess: mit dem kirchlichen Richter Francisco de Verganzo sowie mit Juan de Valencia, dem Stellvertreter des Kanonikers Rodrigo de Valencia, der Alonso, den Spitalverwalter, noch einmal bevollmächtigte, das Verfahren allein voranzutreiben. Weiter unten in der Hierarchie sollte er zum Beispiel mit dem Notar Juan Morua zusammenarbeiten. Doch dieses Mal stand Alonso eine komplexere Aufgabe bevor: Da die durch das neue Wunder beglückte Frau, die achtzehnjährige Casilda del Rio, in Burgos gelebt hatte und erst nach einer schwierigen Reise nach Santo Domingo de la Calzada gekommen war, musste er gegenüber dem früheren Verfahren zusätzliche administrative Schritte tun, da er Zeugen ausserhalb der Diözese von Calahorra und la Calzada befragen musste, denn viele von ihnen lebten in der benachbarten Diözese von Burgos. Alonso nahm sich vor, nach Burgos zu reisen, um von dort Casildas Reise Ort für Ort nachzuvollziehen und dabei mehr als fünfzig Zeugen einzuvernehmen. Es muss ihm sehr schnell klar geworden sein, dass der Umfang dieses Prozesses denjenigen der vorherigen Verfahren bei weitem übertreffen würde. Deshalb bereitete er alles minutiös vor: In der Grassstadt Burgos mussten die richtigen Leute kontaktiert und die Reise genau geplant werden, und der kirchliche Richter Francisco de Verganzo musste von Anfang an ausführlich informiert werden, denn sein Einverständnis war nötig. Verganzo war damals Vikar und Richter in Santo Domingo de la Calzada, in einer Zeit, in der der Bischofsstuhl von Calahorra vakant war. 1 Dadurch hatte der Vikar in der Tat noch mehr Macht als vorher . Zunächst wandte sich Alonso während einer Sitzung des Kapitels vom 8. Februar an den Richter Francisco de Verganzo mit der Bitte, um einen "ersuchenden Brief" ("carta requisitoria") für die bischöflichen Vikariatsrichter ("provisores") der Diözese von Burgos sowie um die Durchführung des Prozesses im Allgemeinen, welcher der "Bekanntmachung und Ausbreitung" ("manifestacion y debulga~ion") des Wunders dienen sollte. Francisco de Verganzo erklärte sich sofort bereit, die Untersuchung zu leiten, und gab Alonso später den gewünschten Brief. Darin schilderte er das 1 Der Bischofsstuhl wurde erst im August 1559 wieder besetzt. Marfn, Calahorra, S. 313. <?page no="324"?> 314 Casilda del Rio Vorbringen der Bitte und gab sie vollständig wieder. Diese enthielt einen ersten Bericht über Casildas Krankheit und wunderbare Heilung, den Alonso Fernandez und Juan de Valencia verfasst hatten: und wir sagen, dass wir erfahren haben, dass Casilda, Tochter von Alonso del Rio und Catalina de Galbarriz, seiner Frau, Bürger und Bewohner der Ortschaft Piernagas, die sich in der Bureba befindet, Diözese von Burgos, achtzehn Jahre alt ist, und da sie an den Beinen unterhalb des Knies gelähmt war, so dass sie weder gehen noch auf den Füssen stehen konnte, ausser mit zwei Krücken, wie es bekannt ist, und viele Leute sahen sie so gelähmt, und sie war ungefähr dreiJahrelang gelähmt, wie sie sagt; dank der Inbrunst, die sie für den glorreichen Bekenner und Patron dieses Bistums, den Herrn Heiligen Domingo de Ia Calzada, und für sein heiliges Grab habe; wegen des Ruhms und des Wissens über andere Leute, die wenige Tage zuvor Novenen am besagten heiligen Grab des Herrn Heiligen Domingo gehalten hatten und von ihren Krankheiten geheilt worden waren: Die einen waren stumm und konnten wieder sprechen, die anderen, die wie sie auch gelähmt gewesen waren, wurden wieder gesund, denn dafür gibt es in der besagten Mutterkir ~ ehe genügend Zeugnisse. Sie ging am achtundzwanzigsten Januar ins Spital, und dort gaben sie ihr Almosen und eine kleine Mahlzeit, und dort nahm sie sich vor, eineNovenebeim glorreichen heiligen Körper zu halten; und nachdem sie bei einem Kaplan der besagten Mutterkirche gebeichtet hatte, begann sie die besagten Novenen am Dienstag, dem letzten Tag des besagten Monats Januar 1559, und sie setzte sie Tag und Nacht fort; am darauf folgenden Montag, dem 6. Februar, zwischen vier und fünf Uhr morgens, als sie auf ihren Kleidern neben dem Gitter des besagten heiligen Körpers lag, spürte sie einen grossen Schmerz, wie sie sagt und schwört, an den Beinen, die gelähmt waren, und danach war dieser Schmerz vorbei, und sie fühlte, dass sie geheilt waren, so dass sie ihre ursprüngliche Gesundheit wieder erlangte und gut und gesund gehen kann, wie wir alle sehen. 2 Alonso behauptete, dass Casilda ihre Wallfahrt unternommen hatte, weil sie vom Ruhm des Grabes erfahren hatte, aber er liess die Leser und Zuhörer im Unklaren über den Zeitpunkt dieser Entscheidung. Diese Unklarheit war von entscheidender Bedeutung, so blieb ein Teil des Geschehens unerwähnt, der nicht gut zum Muster der frommen Pilgerin passte, wie wir später sehen werden. Die Unklarheit in der sprachlichen Formulierung verstärkt sich durch den langen unvollständigen Satz über Casildas Motivation. Nach der Angabe von Casildas Beweggründen für die Wallfahrt mit den Hinweisen auf ihre Inbrunst und auf die Bekanntheit der Heilskraft vom Heiligen Domingo ("movida a ello con Ia fama") erwartet der Leser oder Zuhörer den Hauptteil des Satzes, der nicht vorhanden ist. Erst im nächsten Satz führt Alonso aus, dass Casilda sich im Spital vorgenommen hatte, Novenen in der Kathedrale zu halten. Damit trennt er auf eine etwas undeutliche Art Casildas Absicht, die Wallfahrt zu unternehmen, von ihrem Vorsatz, Novenen zu halten, was bei den früheren Wunderberichten und -prozessen zusammengehörte. 2 f. 30r-v. Anhang 69. <?page no="325"?> Der Prozess 315 Man kann nicht völlig ausschliessen, dass diese unklare Formulierung aus Versehen zustande kam. Es fällt jedoch auf, dass sie nicht nur in Alonsos Bitte in diesem Wortlaut stand, sondern dass sie auch in den Brief von Francisco de Verganzo an den bischöflichen Vikariatsrichtervon Burgos einging. Dieser Brief gibt Alonsos Bitte wörtlich mit dem undeutlichen Satz und mit der sonst seltenen Trennung vom nächsten Satz durch einen Punkt wieder. Das kann mindestens als Zeichen einer gewissen Unsicherheit bei Alonso in diesem Zusammenhang gedeutet werden. Im Laufe des Verfahrens hörten die Richter unterschiedliche Versionen über den Zeitpunkt von Casildas Entscheidung und über ihre Motivation. Es ist möglich, dass Alonso bereits bei seiner ersten Kontaktaufnahme mit Casilda gemerkt hatte, dass dieser Teil ihrer Erzählung manche heikle Frage aufwarf oder relativ unklar war. Alonsos Ausführungen über Casildas Aufenthalt in Santo Domingo waren hingegen sehr deutlich. Seine Erzählung berichtete chronologisch über die caritativen Leistungen des Spitals sowie über Casildas Handlungen in der Kathedrale: die Beichte, den Anfang der Novene mit dem genauen Datum, den Ort, an dem sie gebetet hatte, und schliesslich ihre Heilung. Da er das Spital leitete, hob er bewusst die Leistungen desselben und die Heilkraft des Lokalheiligen hervor. Seine Erfahrungen im Prozess von Catalina de Flores müssen sein Bewusstsein für die Bedeutung des gut funktionierenden Spitals geschärft haben. Mit Casilda del Rio durften sich solche mehr oder weniger deutlichen Vorwürfe gegen ihn nicht wiederholen. Zusammen mit Casilda reiste Alonso nach Burgos. Ein Notar und zwei Diener Alonsos begleiteten sie. Im Burgaleser bischöflichen Palast übergab Alonso dem Doktor Ramiro, dem bischöflichen Vikariatsrichter im Dienst des Kardinals und Bischofs Francisco de Mendoza y Bobadilla, am 13. Februar den Brief.3 Doktor Ramiro befahl in seiner Antwort allen Christen, die zum Burgaleser Diözesansprengel gehörten, im Fall von Casilda del Rio auszusagen. 4 Jeder von ihnen sollte es vor dem Pfarrer seiner Gemeinde tun, und wenn dieser nicht anwesend w äre, sollte die Aussage vor einem anderen Kleriker derselben Ortschaft stattfinden. 5 Doktor Ramiro verlangte ausserdem von Alonso, dass er ihm die Akten der in der Burgaleser Diözese durchgeführten Befragung zeige. 6 In mehrfacher Hinsicht war das Verfahren mit den Erzählungen über Casildas Krankheit und Wunder für die bischöflichen Vikariatsrichter von Interesse. Diese, und insbesondere Doktor Ramiro, nahmen nämlich an der tiefgreifenden Reform der Diözese mit vollem Engagement teil, die der Bischof und Kardinal Mendoza nach seiner Rückkehr aus Trient 1557 mit grosser Kraft begonnen hatte. 3 f. 31r-v. 4 f. 32v. 5 f. 33r. 6 f. 33r. <?page no="326"?> 316 Casilda del Rio Diese Reform führte wie an anderen Orten zu Auseinandersetzungen zwischen dem Bischof und dem Kapitel der Kathedrale. Einer der Hauptpunkte dieser Streitigkeiten betraf die Kompetenzen der jeweiligen Gerichtsbarkeiten.7 Hier war also einer der Gründe für Ramiros Interesse an der Befragung in der Burgaleser Diözese. So wie Doktor Ramiro es formulierte, sollte die Untersuchung nicht nur Auskunft über Casildas Erfahrungen in den Spitälern der Diözese geben, sondern auch Hinweise auf die Präsenz der Pfarrer in ihren Gemeinden liefern. Beide Aspekte standen in engem Zusammenhang mit der oben erwähnten Reform. Es scheint deshalb notwendig, die Verhältnisse in der Burgaleser Diözese zu dieser Zeit näher auszuleuchten. 11.1.1 Der Bischof Mendoza Der Bischof Francisco de Mendoza stammte aus einem bekannten adeligen Geschlecht und hatte an den Universitäten von Alcala und Salamanca studiert.8 Desiderius Erasmus hielt ihn, als er etwa zwanzig Jahre alt war, für eine seiner wichtigsten Stützen in Spanien. Luis Vives widmete Mendoza sein Rhetorikbuch De ratione dicendi, nachdem sich beide 1531 in Brüssel kennengelernt hatten. Der spanische Erasmismus erlebte eine Blütezeit in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts, aber später liess sein Einfluss auf die Akademiker und die kirchlichen Würdenträger nach. Mendoza selbst machte diese Entwicklung auch durch. So unterstützte er die gegenreformatorische Bewegung um die Mitte des Jahrhunderts, unter anderem durch seine guten Beziehungen zu den Jcsuiten. 9 Seine kirchliche Karriere war brillant und erfolgreich. Mit 25 Jahren wurde Mendoza Bischof von Coria, wo er sich mit seinen "Constituciones" für die Reform des Bistums einsetzte. 10 1544 wurde der Bischof auf Ersuchen Karls V. von Papst Paul III. (1534-1549) zum Kardinal kreiert. Papst Julius III . ernannte ihn 1550 zum Bischof von Burgos. Mendoza nahm am Tridentiner Konzil teil und erwies sich als ein treuer Vertreter der kaiserlichen Interessen. 11 L6pez Martfnez, Cardenal, S. 67-90, 102-113. Bataillon hält ihn für einen bedeutenden Anhänger der Lehren von Erasmus bis zu seinem Tod, während L6p ez Martfnez, der die letzte Etappe seiner Karriere als Kardinal und Bischof von Burgos untersucht, diesen Einfluss von Erasmus verneint. Bataillon, Erasmo, S. 338-339, 616-617; L6pez Martfnez, Cardenal, S. 61-63. Zu Mendozas Lehre von der Eucharistie und zu seinen Gegnern in Burgos vgl. Muiioz, Antonio de Maluenda, S. 558- 568 . Zur Debatte über Realpräsenz und Transsubstantiation auf dem Tridentiner Konzil vgl. Wohlmuth, Realpräsenz, passim. 9 L6pez Martfnez, Cardenal, S. 62-65. 10 Bataillon, Erasmo, S. 338-339; L6pez Martfnez, Cardenal, S. 67. 11 Es gab jed och Rivalitäten mit Diplomaten wie d em spanischen Botschafter, die zu vorübergehenden Problemen mit Kar! V. führten . Vgl. L6pez Martfnez, Cardenal, S. 67-70. <?page no="327"?> Der Prozess 317 Bereits während seines Aufenthaltes in Italien begannen seine Auseinandersetzungen mit dem Kapitel der Burgaleser Kathedrale. Der Vertreter aller spanischen Kapitel an der Kurie war der Burgaleser Kanoniker Castrillo.12 Mendoza setzte sich in Rom und Trient für die Anerkennung des bischöflichen Visitationsrechts bei den Kapiteln ein, während der Kanoniker Castrillo auf die Immunitätsrechte der Kathedralgeistlichkeit pochte. Die bischöflichen Vikariatsrichter informierten in ihrer Korrespondenz mit Mendoza über die Notwendigkeit, gewisse Kapitelmitglieder wegen ihres unmoralischen Lebenswandels zu massregeln. Der Bruder des Kardinals, Fernando de Mendoza, fungierte vor dessen Rückkehr aus Italien als Stellvertreter und bemühte sich trotz allem um gute Beziehungen zu den Kanonikern. 1557 kehrte der Kardinal Mendoza aus Italien zurück und wurde von den Kapitelmitgliedern pompös empfangen. Bald darauf begannen aber die Streitigkeiten um die bischöfliche Gerichtsbarkeit und um das bischöfliche Visitationsrecht. Das Kapitel verteidigte seine Befugnisse und Kompetenzen nicht nur über die Kathedralgeistlichkeit, sondern auch über einen grossen Teil des pfarrklerusder Diözese. Es stützte sich dabei auf frühere Urteilssprüche über ähnliche Streitfälle zwischen Bischöfen und dem Kapitel. Nur unter bischöflichem Druck unternahm das Kapitel milde Disziplinierungsversuche in den eigenen Reihen. Doch dies genügte nach Mendozas Meinung nicht. Am 30. Oktober 1558 forderte er die Kapitelmitglieder ausdrücklich dazu auf, seine Gerichtsbarkeit und sein Visitationsrecht anzuerkennen. Da sich der Konflikt zwischen Bischof und Kapitel bedrohlich zuspitzte, versuchte der städtische Gemeinderat zu vermitteln, aber der Konflikt konnte nicht so leicht überwunden werden. Anfangs November versuchten die bischöflichen Vikariatsrichter vergeblich, Untersuchungen über einzelne Kapitelmitglieder durchzuführen. Am 18. November hielten die Kapitelakten fest, dass der Bischof an das Kapitel gelangte, um die Mitglieder an die bischöflichen Rechte zu erinnern. Er liess ferner einen apostolischen Notar ein Mandat verlesen. Schliesslich befahl er seinem Vikariatsrichter, Doktor Ramiro, den Kanoniker Alonso de Lerma ins bischöfliche Gefängnis zu bringen. Dieser hatte die Visitationsakte des Bischofs in einer Kirche der Diözese zerrissen und befand sich nun im Gefängnis des Kapitels. Dadurch versuchte er sich der bischöflichen Justiz zu entziehen. Nach dem Bericht der Kapitelakte wäre es zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung gekommen, wenn der Stadtrichter ("corregidor") von Burgos und seine Ordnungsleute nicht eingegriffen hätten. Diese Episode zeigt einen Höhepunkt der Streitigkeiten zwischen Mendoza und den Kanonikern kurz vor der Ankunft der kleinen Gruppe aus 12 Für die folgenden Ausführungen beziehe ich mich auf L6pez Martinez, Cardenal, S. 70-90. <?page no="328"?> 318 Casilda del Rio Santo Domingo de la Calzada im bischöflichen Palast an. Die Auseinandersetzungen gingen auf juristischem Weg weiter, bis der Bischof 1565 sein Visitationsrecht durchsetzte, während das Kapitel gewisse Immunitätsrechte anerkennen liess. Im Zusammenhang mit dem Verfahren über Casildas Wunder ist es wichtig festzuhalten, dass die im Brief verlangte Erlaubnis für eine Zeugenbefragung in der Diözese die bischöflichen Rechtsansprüche anerkannte und damit den bischöflichen Bemühungen entgegenkam. Doktor Ramiro, an den sich Alonso mit seinem Brief richtete, war einer der Hauptakteure im Streit zwischen der bischöflichen Kurie und dem Kapitel drei Monate früher gewesen. Sein Engagement war nicht nur Ausdruck seiner institutionellen Rolle als bischöflicher Vikariatsrichter, sondern auch von seiner persönlichen Bindung mit Mendoza geprägt. Alle diese Umstände müssen unter den Klerikern von Santo Domingo bis zu einem gewissen Grad bekannt gewesen sein, denn die Kontakte zur Kathedralgeistlichkeit von Burgos waren intensiv. Indem die Zeugenbefragung im Namen des Burgaleser Bischofs geschah, wie es Doktor Ramiro verlangte, erinnerte Mendoza den Klerus seiner Diözese an die bischöflichen Rechtsansprüche. Dies entsprach der tridentinischen Tendenz, den Bischof und seine Vertreter mit genügend gesetzlicher Autorität auszustatten, vor allem wenn es sich um richterliche Gewalt handelte. Dank diesen Befugnissen kam den bischöflichen Vikariatsrichtern mehr Autorität zu. Dadurch sollte die Disziplinierung des Ffarrklerus erleichtert werden. Das grösste Problem der bischöflichen Kurie als sesshaftes Gericht bestand meistens darin, Kontakte mit den Pfarreien der ganzen Diözese zu etablieren. 13 Die unerlaubte Abwesenheit der pfründenbesitzenden Ffarrer schwächte vor allem auf dem Land den kirchlichen Einfluss. Viele Ffarrer setzten Stellvertreter ("tenientes de cura") ein. 14 Alonso und seine Begleiter trafen solche Stellvertreter in mehreren Dörfern, wenn sie die Zeugen einvernehmen wollten. DieUntersuchung des Wunders warf insofern auch Licht auf die Verhältnisse der Burgaleser Diözese auf dem Land und zeigte, wie weit manche Pfarrer auf dem Lande ihre geistlichen Pflichten erfüllten. Zudem gab die Untersuchung Aufschluss über den Zustand zahlreicher Spitäler, in denen sich Casilda aufgehalten hatte. Dies betraf auch den für den Bischof besonders wichtigen Zuständigkeitsbereich d er Armenfürsorge. 15 13 Zu dieser Entwicklung und ihren Folgen am Beispiel der Diözese von Cuenca vgl. Nalie, God, S. 49-50. 14 Ebd., S. 80-81. 15 Mendoza zeigte schon in Coria Interesse für die Probleme der Armenfürsorge. Bataillon, Erasmo, S. 338-33 9. Zu seinen R efo rmplänen in di es em Bereich in Burgos vg l. L6pez Martfnez, Cardenal, S. 110-112, 127. <?page no="329"?> Burgas oder die Fremde 319 Die sozialen Probleme der Armenfürsorge und die alltäglichen Probleme der Armen wurden von den Burgaleser Klerikern nicht nur als administrative Fragen wahrgenommen. Die Gebildetsten unter ihnen müssen von Lazarillo gewusst haben, weil das Werk 1554 in Burgos veröffentlicht wurde. Es ist auch nicht auszuschliessen, dass Alonso oder andere Kleriker aus Santo Domingo das Werk kannten. Es sei daran erinnert, dass das Werk im Sommer 1559, kurz nach der Untersuchung über Casildas Wunder, durch die Inquisition verboten wurde. Dies muss viele Kleriker nochmals an das Werk erinnert haben. Gewisse Ähnlichkeiten zwischen dem Schelmenroman und Casildas Geschichte in Bezug auf die Problematik der Tugend in den unteren sozialen Schichten sind genau so auffallend wie die grossen Unterschiede, welche die Moralvorstellungen des anonymen Autors von denen der Kleriker aus Santo Domingo und Burgos trennten. Man kann jedoch die Hypothese aufstellen, dass einige Kleriker den Schelmenroman im Hinterkopf hatten, die sich mit Casildas Fall befassten. Auf jeden Fall lässt sich die damalige Armutsdebatte sowohl im literarischen Werk wie auch in den Prozessen über die Wunderheilungen von Bettlerinnen durch den Heiligen Domingo erkennen. Was die Diskussion über die Wunder und andere Formen populärer Frömmigkeit anbelangt, zeigt der anonyme Autor, wie wir gesehen haben, eine kritische Haltung, die weit entfernt war von dem in Santo Domingo und Burgos von der Kirche geforderten Wunderglauben. Man muss auch bedenken, dass der Kardinal und Bischof Mendoza, der in seinen jungen] ahren mit Luis Vives über Fragen bezüglich der Legitimierung von fiktionaler und unterhaltender Literatur diskutiert hatte, 16 möglicherweise eine ähnliche Haltung gegenüber kritischen und fiktionalen Werken wie dem Lazarillo vertrat wie der spanische Humanist. 11.2 Burgos oder die Fremde Bis jetzt haben wir gesehen, wie der Prozess anfing, das heisst, wie und wem Alonso Casildas Geschichte mitteilte und in welchem Verhältnis diese Erzählung zu den Interessen der Geistlichkeit der beiden Kathedralen in Burgos und Santo Domingo stand. Im Folgenden stehen Casildas Erzählung und Erfahrung im Vordergrund. Dabei sollen ihre Sicht der Ereignisse und diejenige der zahlreichen Zeugen aufgezeigt werden. Der ausführliche Prozess lässt viele Perspektiven verschiedener Personen unterscheiden und vergleichen. Eine genaue Rekonstruktion des Geschehens kann in diesem Kapitel jedoch nicht das erste Ziel der Untersuchung sein, auch wenn der Prozess eine einzigartige 16 Bataillon, Erasmo, S. 616-617. <?page no="330"?> 320 Casilda del Rio Annäherung an die historische Wirklichkeit des Alltags einer behinderten Frau aus der Unterschicht ermöglicht. Die Quelle weist zu viele Informationslücken auf, die nicht mit der Heranziehung anderer Quellen zu beseitigen sind. Die Frage nachdem Umgang mit den Lücken stellt sich in diesem Fall auf noch eindringlichere Art und Weise als in den anderen Verfahren, weil unzählige widersprüchliche Details aus den Zeugenaussagen hervorgehen. Diese Widersprüche bieten aber Gelegenheit, eine facettenreiche Rekonstruktion geschlechts- und schichtspezifischer Perspektiven anzustreben, ohne die persönliche Färbung der einzelnen Aussagen zu übersehen. Die verschiedenen Vorstellungen und Wahrnehmungen der kranken Casilda und der Zeugen von gemeinsamen Erlebnissen erfordern eine Auswertung der Quelle, welche die Kontrastwirkung einzelner Aussagen nicht versteckt, sondern offenlegt. Die Kontrastanalyse der Erzählungen gibt Aufschluss über verschiedene Einstellungen zur Gehbehinderung, je nachdem, ob sie eigener Erfahrung entsprach oder als Krankheit einer fremden Person wahrgenommen wird. Es muss berücksichtigt werden, dass die meisten Zeugen ihre Aussagen vor Casildas Einvernahme machten. Casilda wurde erst nach ihrer Reise mit Alonso und seinen Begleitern befragt, als die Zeugen in Santo Domingo einvernommen wurden. Während sie von Ort zu Ort gereist war, konnte sie viel erfahren und ihre eigene Aussage vorbereiten. Im Prozess über Casildas Wunderheilung lässt sich noch deutlicher als im Fall von Catalina de Flores feststellen, wie sehr Behinderung ein sozial konstruiertes Phänomen war, das von gesellschaftlichem Mobilitätszwang und von unterschiedlichen Hindernissen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit abhingY Casilda sah sich im Unterschied zu Catalina de Flores fast ständig allein mit ihrer Behinderung konfrontiert, weil sie meistens nicht auf die Unterstützung ihrer Familie zurückgreifen konnte . 18 Sie musste Bewegungshindernisse in den Wohnungen, auf der Strasse und in den Spitälern überwinden und war deswegen häufig auf Hilfeleistungen anderer Menschen angewiesen. Trotz ihrer geringen Mobilität sah sie sich gezwungen, eine lange Reise zu unternehmen. Und, wie wir sehen werden, bestimmte sie dennoch selber bis zu einem gewissen Grad das Reiseziel. Ihre gesellschaftliche Marginalisierung und die ausgrenzenden gesellschaftlichen Bedingungen schränkten also ihre Autonomie stark ein, dennoch behielt ihr Leben auch während der Zeit der Behinderung eine von ihr selbst bestimmte Dynamik. Den anderen Menschen fiel bei Casilda als wichtigstes Merkmal ihre Körperbehinderung auf, die zahlreiche Formen der sozialen Ausgrenzung 17 Vgl. das Kapitel über den Lautsprachumerricht. Zur sozialen Konstruktion von Behinderung in der Gegenwart vgl. Pieper, Behinderung, passim. 18 Zur Bedeutung d er Familie für das eigene Selbstverständnis im 16.Jahrhundertvgl. Davis, Bindung und Freiheit, S. 7-18. <?page no="331"?> Burgas oder die Fremde 321 zur Folge hatte. Ihre Identität als Kranke überschattete ihre anderen Identiräten als Frau, Fremde und Bettlerin. Zugleich waren aber diese eng miteinander verwoben. 19 Die körperlichen Merkmale und die damit verbundenen gesellschaftlichen Zuschreibungen bestimmten den Umgang der Nicht-Behinderten mit ihr so sehr, dass Interaktionen immer auf der Grundlage der Wahrnehmungsform ihrer Person abliefen. Die Caritaslehre und die Bedeutung von guten Werken prägten die Verhaltensnormen und beeinflussten die Ansichten wohltätiger Menschen. Auch die Spitalangestellten handelten zum Teil als caritative Helfer, aber die institutionellen Verpflichtungen spielten dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Gespräche mit Casilda drehten sich häufig um ihre Behinderung. Ihr Körper wurde dabei sowohl von ihr wie von ihren Gesprächspartnern in den Vordergrund gerückt. Sie musste ihre Krankheitsgeschichte immer wieder erzählen, um sich vorzustellen. Diese Geschichte begann in Burgos. Casilda war, wie so viele andere Mädchen und junge Frauen aus ländlichen Verhältnissen, in die nächste Grassstadt ausgewandert, um ihren Unterhalt als Magd zu verdienen. 20 Ihre ersten Erfahrungen waren sehr hart und hatten schwere Folgen für ihre Gesundheit. Alonso begann seine Untersuchung mit den Bewohnern der Strasse von Burgos, in der Casilda damals gelebt hatte. Eine der ersten Frauen, die vor ihm aussagen mussten, war Casildas erste Herrin. In ihrem Haus verschlechterte sich ihr gesundheitlicher Zustand aufgrund schwerer Lebens- und Arbeitsbedingungen. Unterschiedliche Versionen der Ereignisse finden sich in den verschiedenen Aussagen. Obwohl das Geschehen nicht lange zuri.j,cklag, wollte sich die Burgaleser Herrin Casildas nicht mehr richtig an deren Arbeit in ihrem Haushalt erinnern: Die besagte Mari Rodrfguez, Witwe, die mit dem verstorbenen Juan Rodrfguez, Bürger der Stadt Burgos, verheiratet war, [...] sagt, dass sie die besagte Casilda del Rfo kennt,[...] und sie weiss, dass die besagte Casilda del Rfo vor etwa zweieinhalb Jahren sich auf manchen Strassen der besagten Stadt Burgos aufhielt, indem sie ihre Füsse auf dem Boden nachschleifte, und zwar mit zwei Stöcken, wobei sie sich nicht sicher ist, ob es sich um Krücken handelte; und sie sah, dass sie nicht auf den Füssen stehen konnte, ausser mit den besagten Stöcken, und sie kennt sie und weiss sehr genau, dass sie diejenige Casilda del Rfo ist, die gelähmt war. 21 ! 9 Zur historischen Entwicklung des Ich-Begriffs vgl. Mauss, Soziologie, Bd. 2, S. 223-252. Zur Pluralität der Identität einzelner Frauen in der Frühen Neuzeit vgl. Davis, Warnenon the Margins, passim. Für das Verständnis des Begriffs Identität aus der Sicht der Volkskunde vgl. Bausinger, Grundzüge, S. 204-263. 20 Zu dieser Form altersspezifischer Auswanderung und zur Arbeit als Dienerin oder Magd vgl. Vassberg, Viilage and the Outside World, S. 86-97; Klapisch-Zuber, Fernale Celibacy, S. 165-177. 21 f. 36v. Anhang 70. <?page no="332"?> 322 Casilda del Rio Für die Bestätigung von Casildas Krankheit und späterer Heilung war Maris Aussage nützlich, weil sie ihre Lähmung für wahr hielt. Sie war jedoch nicht bereit, auf Casildas Tätigkeit in ihrem Haushalt einzugehen. Sie gab lediglich zu, sie auf den Strassen gesehen zu haben. Andere Nachbarn wie Alonso Fernandez und seine Frau Mari Alonso de Cisneros unterstrichen hingegen in ihren Aussagen, dass Casilda bei Mari gedient hatte und dass damals ihre Lähmung begann. Mari Alonso wollte jeden Zweifel über diesen Punkt beseitigen: es kann vor etwa zweieinhalb Jahren gewesen sein, dass diese Zeugin, die in der Strasse Cantarranas Ia menor der besagten Stadt in der Nähe der Häuser vonJuan Rodriguez lebte, sah, dass die besagte Casilda del Rfo bei der besagten Witwe von Juan Rodriguez wohnte und als Dienstmädchen arbeitete und dass die besagte Casilda zu der Zeit, in der sie bei der besagten Witwe von Juan Rodriguez wohnte, sehr krank wurde und ihre Beine gelähmt wurden, so dass sie weder gehen noch auf ihnen stehen konnte, ausser mit einem Stock, und diese Zeugin gab ihr manchmal Almosen. 22 Martfn de Mata, der als Schlauchmacher in Mari Rodrfguez ' Werkstatt arbeitete, wurde am Schluss der Befragung in Burgos ebenso gefragt. Der Spitalverwalter Alonso wollte offensichtlich die Frage nach Casildas Aufenthalt bei Mari eindeutig klären. Martfn antwortete, dass er Casilda "sehr gut kannte, weil sie einige Tage im Haus seiner Herrin verbrachte". Ausserdem hatte er Casilda "sehr krank und gelähmt" auf den Strassen gesehen. Damit bestätigte er die Aussagen der Nachbarn aus derselben Strasse, des Ehepaars Alonso Fernandez und Mari Alonso. Zwischen Mari Rodrfguez und Mari Alonso stiftete Casildas Lähmung Zwietracht. Beidc Frauen definierten ihren sozialen Status über denjenigen ihrer Ehemänner, die zu zwei sehr verschiedenen beruflichen Schichten gehörten . Dies musste nicht notwendigerweise zu Streitigkeiten führen, da die Frauen derselben Strassen häufig informelle Netzwerke schufen. 23 In die sem Fall jedoch bestand eindeutig keine freundschaftliche Beziehung zwischen ihnen, wie die Denunziantenhaltung des Ehepaars und vor allem von Mari Alonso zeigt. Beide Frauen grenzten sich durch ihre Haltungen und Ansichten über Casildas Erkrankung stark voneinander ab. Mari Alonso war mit einem Prozessvertreter verheiratet, einem Juristen also , der nicht zu den obersten Rängen des Berufes gehörte. 24 Mari Rodrfguez war eine Handwerk erwitwe, die als selbständige Meisterin fungierte. 25 Mari Alonso gab bei ihren Angaben über ihren Wohnort zu verstehen, dass die Witw e Mari Rodrfguez so nahe von ihr lebte, dass es ihr leicht fiel, über die Verhält- 22 f. 37r-v. Anhang 70. 23 Davis, Glaube und nachbarschaftliehe Beziehungen, S. 51-63. 24 Kagan, Pleitos, S. 74-77. 25 In den Steuerverzeichnissen wird ihr Name unter den Besitzern und Besitzerinnen von Werkstätten aus diesem Handwerk erwähnt. AHS, Aktenbündel62, Expediente 11, f. 98- 99r. <?page no="333"?> Burgas oder die Fremde 323 nissein ihrem Haushalt Bescheid zu wissen. Sie deutete zudem an, dass Mari Rodrfguez keine arme Frau, sondern eine etablierte Witwe war, die ausser der Werkstatt mehrere Häuser in derselben Strasse besass. Somit liess sie Mari Rodrfguez' Haltung gegenüber Casilda in einem schlechten Licht erscheinen, weil sie diese nach ihrer Erkrankung entlassen hatte, wie wir sehen werden. Eine gewisse Konkurrenz um soziales Prestige zwischen den beiden Nachbarinnen schimmert in den Aussagen durch. Obwohl die Handwerker nicht so viel soziale Anerkennung genossen wie die Juristen, konnten sie diese manchmal an wirtschaftlichen Ressourcen bei weitem übertreffen. Es kam hinzu, dass Mari Rodrfguez verwitwet und unabhängig von einem Mann war. Sie muss weniger Wert auf die mit der karitativen Tätigkeit einhergehenden sozialen Anerkennung gelegt haben als Mari Alonso. Casilda del Rfo scheute sich nicht, die harten Arbeitsbedingungen zu schildern, unter denen sie bei Mari Rodrfguez gelitten hatte. Die Kleriker zeigten wiederum ein ähnliches Interesse für die Kritik an einer selbständigen Frau wie schon bei der Wirtin Mari G6mez im Prozess von Catalina de Foncea. 26 Die schlechte Behandlung durch die Handwerkerwitwe wurde bei Casildas Aussage deshalb ausführlich festgehalten: und von dort aus ging diejenige, die aussagt, in die Stadt Burgos, um dort zu leben, wo sie als Dienstmädchen für Mari Rodrfguez arbeitete, eine Witwe, die mitJuan Rodrfguez, einem Schlauchmacher, Bürger der besagten Stadt, verheiratet gewesen war und an der Ecke der Strasse Cantarranas Ia menor lebt, die auf den Platz hinausgeht und zu dem Schlauchmachergeschäft; und sie verbrachte manche Tage in besagtem Haus, in dem ein Sohn der besagten Mari Rodrfguez, namens Domingo Rodrfguez, krank war, und da diejenige, die aussagt, nicht im Bett schlief, weil sie bei ihm in der Nacht wachte und sie vor dem Bett des besagten Domingo Rodrfguez war und sich auf den Boden vor dem besagten Bett legte, und nichts bei sich hatte ausser der Kleidung, die sie trug, wurden ihre Beine von den Knien nach unten gelähmt, und sie konnte weder gehen noch auf den Beinen stehen, ausser mit einem Stock in der Hand, indem sie die Brust auf dem besagten Stock stützte; und da die besagte [Witwe] von Juan Rodrfguez diejenige, die aussagt, in besagtem Zustand sah, krank und gelähmt, entliess sie sie aus ihrem Haus, und, wie sie gesagt hat, ging sie einige Tage in der besagten Stadt Burgos herum, indem sie um Almosen bat, um zu überleben; und als sie sich so gelähmt herumschleppte, wie sie gesagt hat, nahm sie die Frau von Alonso Fern: indez, Prozessvertreter, Bürger der besagten Stadt Burgos, in ihr Haus auf, wo sie ungefähr zwanzig Tage verbrachteP Danach musste Casilda wieder auf den Burgaleser Strassen betteln, nachdem sie von mehreren angeblich überfüllten Spitälern abgelehnt worden war: 26 Casilda del Rio erzählte manchmal eine andere Version über ihre Erkrankung, wie die Zeugenaussagen erkennen lassen. Vgl. Kapitel11.8. 27 f. 53v. Anhang 70. <?page no="334"?> 324 Casilda del Rio und von dort aus liess die besagte Frau des besagten Alonso Fernandez diejenige, die aussagt, auf einem Maultier reitend zum Spital SanJuan der besagten Stadt Burgos bringen, um zu sehen, ob die besagte Krankheit geheilt werden könnte, und damals gab es keinen Platz, um sie im besagten Spital aufzunehmen, und von dort aus brachten sie sie ins Spital del Rey der besagten Stadt, und es gab auch keinen Platz, um sie im besagten Spital aufzunehmen, und so kam sie in die besagte Stadt Burgos zurück [sie], wo sie gelähmt auf den Strassen herumging, indem sie sich auf besagten Stock stützte und indem sie auf dem Boden kroch, weil sie nicht anders gehen konnte. 28 Dort traf sie eine andere wohltätige Witwe, die sie eine Zeit lang in ihrem Hause aufnahm. Diese hiess Clara Pardo und gehörte zu der städtischen oberen Mittelschicht, aber nicht zum Adel. Ihr verstorbener Ehemann hatte Juan de Borgoiia geheissen, und sein Beruf war"rey de armas ". 29 Sie war die einzige Frau im ganzen Prozess, die fähig war, ihre Unterschrift unter ihre Aussage zu setzen. Nach Casildas Aussage hatte sie genügend Einfluss, um ihre Aufnahme im Spital ihrer Strasse für eine Nacht durchzusetzen . Am darauf folgenden Tag beherbergte Clara Casilda in ihrem eigenen Haus: und in dieser Zeit, die etwa ein Monat gewesen sein kann, und als sie eine Nacht zwischen neun und zehn Uhr vor lauter Schmerzen in den Beinen Schreie ausstiess, fand eine verwitwete Herrin, die in der besagten Strasse lebt, sie auf der Strasse Comparada der besagten Stadt Burgos, und diese heisst Clara Pardo; sie brachte sie in ihr Haus und gab ihr ein Abendessen, und danach liess sie sie in das Spital von Comparada bringen, das sich in der besagten Strasse befindet, damit sie dort schlafe, und die besagte Clara Pardo liess sie am darauffolgenden Tag in ihr Haus bringen, und dort stellte sie ein Bett für sie zur Verfügung und licss sie purgieren und zur Ader lassen und leistete weitere Wohltaten, um sie von dieser Krankheit zu heilen, und sie [Clara] hatte sie einige Zeit in ihrem Haus untergebracht, sie weiss nicht mehr wie lange, und da sie ihr die besagten Wohltaten erwiesen hatte und es derjenigen, die aussagt, mit ihrer Krankheit nicht besser ging und sie wie vorher gelähmt blieb, sagte die besagte Clara Pardo zu ihr, sie solle mit Gott 28 f. 53v-54r. Anhang 70. 29 Diese Bezeichnung ist nicht ganz eindeutig. Man kann den Begriff mit "Heroldoberste" ("Roi des armes") übersetzen. Covarrubias schreibt darüber: "Manche Autoren, wie etwa Diego Montes in seinem Buch lnstrucci6n y regimiento de Ia guera, berichten darüber, dass Julius Cäsar manche Ehrenämter gründete, die wir heute Waffenkönige [Herolde] nennen, und diese wurden zwölf alten Rittern vergeben, die lange Zeit im Krieg gedient und an zahlreichen Schlachten und Kämpfen teilgenommen hatten. Sie trugen gewisse Insignien vom Wappen und Blason d es Kaisers und keine Angriffswaffen, weil sie nicht kämpften, sondern sich um die mutigen Taten der Ritter und Edelleute kümmerten, um darüber zu berichten, damit diese dafür geehrt und bezahlt wurden; [...] Diese Ämter wurden durch Kar! den Grossen wieder errichtet und sie bestanden in Frankreich, Deutschland und Spanien weiter, hier in der Zeit der Goten und bis zur Ankunft der Mauren und danach wurden die Waffenkönige wieder gewählt, und zwar mit den Privilegien und Bestimmungen, die sei heute wegen der Ausübung ihres Berufes geniessen, und sie nehmen an gewissen öffentlichen und feierlichen Anlässen in ihren Waffenröcken teil. Sie verkündigen ferner manche Mandate und Befehle Seiner Majestät; die Bewahrung der Blasons und Wappen der Adelsgeschlechter gehört zu ihren Aufgaben." <?page no="335"?> Burgas oder die Fremde 325 gehen, und so verliess sie das besagte Haus und hielt sich einige Tage auf den Strassen der besagten Stadt Burgos auf, und zwar gelähmt, wie sie gesagt hat. 30 Clara Pardo erinnerte sich nicht ganz genau an Casilda. Sie gab eine andere Strasse im Zusammenhang mit ihrer ersten Begegnung an als Casilda selbst: die Strasse San Juan. Sie sagte ferner aus, dass es ihr" schien, es sei die besagte Casilda del Rio gewesen". Sie scheint dieser Begegnung keine so grosse Bedeutung beigemessen zu haben wie Casilda und erweckt den Eindruck, eine wolhltätige Witwe gewesen zu sein, die nicht nur Casilda in ihrem Haus aufnahm, und dass sie sie dort pflegen und verpflegen "liess". Damit zeigt sich, dass sie sich nicht persönlich um sie kümmerte, sondern ihre Bediensteten dafür einsetzte. Die Art des Abschieds und die Dauer der Pflege waren einige der alltäglichen Probleme, die sich den privaten Wohltätern aus der Mittel- und Oberschicht stellten. Wie sollte man eine kranke Arme von zu Haus e wegschicken, wenn ihre Krankheit noch nicht geheilt war? Wie lange sollte man eine nicht in absehbarer Zeit heilbare Person pflegen? Wie die Diskussion über die Caritaslehre zeigt, waren die praktischen Lösungen derartiger alltäglicher Schwierigkeiten bei der Interaktion zwischen Wohltätern und Bedürftigen sehr umstritten. Aus Casildas Aussagen geht hervor, dass Clara Pardo einen frommen Ausdruck verwendete, um sie wegzuschicken: "sie solle mit Gott gehen". Clara war davon überzeugt, dass sie ein gutes Werk vollbracht hatte, indem sie der Kranken eine medizinische Behandlung ermöglicht hatte. Alonso Fernandez schien es genau wissen zu wollen. So gab Estefania Tosantos, eine zweiundzwanzigjährige Frau aus Burgos, deren Beruf nicht erwähnt wird, an, dass sie Casilda in Clara Pardos Haus kennen lernte. Als sie über die Art des Abschieds gefragt wurde, antwortete sie unverbindlich: " entweder ging sie aus dem besagten Haus weg, oder man gab ihr die Erlaubnis wegzugehen". Mari Alonso ihrerseits war für Casilda nicht nur eine der vermögenden Unterstützungspersonen, mit denen sie zu tun gehabt hatte, sie wurde für sie auch zu einer wichtigen Bezugsperson. Casilda kehrte nämlich in ihre alte Strasse zurück. Das erste Mal gelang es Mari Alonso nicht, Casilda in ein Spital zu schicken. Da die Plätze so begehrt waren, musste man sich persönlich für die Aufzunehmenden einsetzen. Mari Alonso bezahlte damals einen Mann nur dafür, die Kranke dorthin zu bringen, eine sanftere Art von Abschied als diejenige von Clara Pardo, die ihr die Möglichkeit der Rückkehr offen liess. Casilda nahm diese Gelegenheit wahr. Schliesslich war sie bei Mari Alonso am längsten gepflegt worden: nämlich zwanzig Tage. Das 30 f. 54r. Anhang 70. <?page no="336"?> 326 Casilda del Rio zweite Mal wählte Mari Alonso nun eine eindeutigere Abschiedsform. Sie empfahl Casilda, in ihren Heimatort zurückzukehren, und bezahlte einmal mehr dafür. In Maris Verständnis handelte es sich auch dabei um ein gutes Werk. Sie beschrieb es folgendermassen: und da sie sie so krank und gelähmt[...) sah, empfahl sie ihr, sie solle irgendein Heilmittel suchen, um geheilt zu werden, oder an ihren Heimatort zu dem Haus ihrer Eltern gehen, und sie gab ihr sogar als Almosen einige "maravedfs", welche sie einem Mann geben sollte, der sie von dieser Stadt an ihren Heimatort bringen würde. 31 Mari stellte sich als wohltätige Frau dar, die volles Vertrauen in Casilda hatte, denn sie gab ihr das Geld für die Reise, statt den Maultreiber selber zu bezahlen. 32 Sie meinte, dass dieses Geld reichen würde, um Casilda an ihren Heimatort zu bringen, aber es war viel zu wenig für die ganze Reise. Casilda schilderte den Vorgang ein bisschen anders. Ihrer Aussage nach gab Mari dem Mann das Geld persönlich, damit er sie "in die Richtung der Ortschaft fahren würde": und die besagte Frau des besagten Alonso Fern: indez, in deren Haus sie zuerst gewesen war, sagte ihr, dass sie in ihre Heimat zurückkehren sollte, um zu versuchen, dort geheilt zu werden, und so gab sie einem Mann ein halbes Real [Münzeinheit], damit er sie in die Richtung des Dorfes derjenigen, die aussagt, bringen und fahren würde. 33 Spätestens da muss sich Casilda bewusst geworden sein, dass sie von den meisten Bürgern der Grassstadt Burgos als fremde Bettlerin wahrgenommen wurde. 34 11.3 Die unvollendete Reise zu den Bädern Casildas Erzählung über ihre Krankheit nahm im Verlauf ihrer Einvernahme immer mehr die Züge einer Reisebeschreibung an. Dazu trugen wahrscheinlich die zum grössten Teil nicht aufgezeichnten, aber leicht vermutbaren Detailfragen der Richter bei. In ihrer Aussage schilderte sie mit Genauigkeit die verschiedenen Reiseetappen und erläuterte manche Szenen an bestimmten Orten, wenn die Richter ihr Interesse daran zeigten. Da 31 f. 37v. Anhang 71. 32 Zu den Transportmitteln für Gehbehinderte im Spätmittelaltervgl. Wolfisberg, Behinderte, S. 43-45. Zu den Transportmitteln im Kastilien des 16 . Jahrhunderts vgl. Vassberg, Viilage and the Outside World, S. 37-45. Zu den Lasttieren der Spitäler vgl. Lindgren, Bedürftigkeit, S. 37-39. 33 f. 54r. Anhang 71. 34 Die Frage der fremd en Bettler und ihrer Berechtigung, ausserhalb ihres Heimatortes um Almosen zu bitten, stand im Zentrum der theologischen Debatte über die Caritaslehre. Vgl. das Unterkapitel über die Caritaslehre. <?page no="337"?> Die unvollendete Reise zu den Bädern 327 Alonso die ganze Reise mit Casilda zwecks der Zeugenbefragung wiederholt hatte, verfügten die Richter zur Zeit der Einvernahme über seine präzisen Angaben zu den von Casilda zurückgelegten Strecken. Dies ermöglichte ihnen, ihr sehr genaue Detailfragen zu stellen. Nur so kann man sich erklären, dass Casilda so zahlreiche Angaben zu ihrer Reise zu Protokoll gab. 35 Aus den richterlichen Fragen und aus Casildas Antworten ergab sich eine Erzählung, die der Schreiberfolgendermassen festhielt: und der besagte Mann führte die Aussagende nach Villimar, das eine Meile von der besagten Stadt Burgos entfernt ist, und sie ging dorthin in der Absicht, zu den Bädern von Arnedillo zu gehen; und von Vellimar aus wurde sie nach der Ortschaft Briones geführt, und von der besagten Ortschaft Briones aus wurde sie nach der Ortschaft Riocerezo gefahren, wo sie fünf Tage im Spital verbrachte, und dort wurde ihr Leiden an der Milz, an dem sie ausser der Lähmung litt, wie sie gesagt hat, von einem Mannnamens Juan Campillo, Nachbar der besagten Ortschaft, geheilt, und von der besagten Ortschaft Riocerezo aus wurde sie nach der Ortschaft Robledo in der Nähe der Gebietsgrenze gefahren, wo sie vier oder fünf Tage im Spital verbrachte, und von der besagten Ortschaft Robledo aus wurde sie nach der Ortschaft Tobes gebracht, wo eine Frau sie auf dem Rücken von der Tür des Spitals bis zu ihrem Haus trug, weil diejenige, die aussagt, weder gehen noch auf ihren Füssen stehen konnte, wie sie gesagt hat, denn sie war gelähmt, und von der besagten Ortschaft Tobes wurde sie nach der Ortschaft Melgosa gefahren, und von dort aus wurde sie nach der Ortschaft Rublacedo gefahren, und von dort aus nach der Ortschaft Roxas, von wo aus die Mutter derjenigen, die aussagt, sie auf einem Lasttier nach der Ortschaft Piernigas fuhr, woher sie stammt, wo sie etwa zwei Monate verbrachte, und zwar indem sie an den Beinen von den Knien nach unten gelähmt war; und sie konnte weder gehen noch stehen, ausser mit einem Stock, und von dort aus kam sie ins Gebiet von Burgos zurück, weil ihre Mutter arm war und ist und sie nicht unterhalten konnte, wobei es mit ihrer Krankheit immer schlechter ging, und sie wurde noch mehr gelähmt als am Anfang, und sie konnte nur mit den Knien auf dem Boden gehen und mit Hilfe zweier Krücken, die man ihr gemacht hatte, die eine in Rublacedo de Arriba, die andere in der Ortschaft Rioseras, und danach [ging sie] von einer Ortschaft zu der anderen, bis man siegelähmt, wie sie gesagt hat, und mit den besagten zwei Krücken wieder in die Ortschaft Piernagas zurückbrachte, wo sie vor der letzten Weihnacht etwa zwei Monate verbrachte, indem sie auf den Knien und auf dem Boden mit den zwei besagten Krücken ging, wenn sie nicht mit den Händen und Knien auf dem Boden kroch, weil sie so gelähmt war, wie sie gesagt hat, und damals hatte sie auch vor, zu den Bädern von Arnedillo zu gehen, um von dieser Krankheit geheilt zu werden; und so wurde sie von der besagten Ortschaft Piernagas bis zu der Ortschaft Camero gefahren, und von dort aus wurde sie nach der Ortschaft Grisaleiia gebracht, und von dort aus wurde sie nach der Ortschaft Vallarta gefahren und von dort aus nach Quintanillade San Garda, und dort war sie am Nachmittag, an dem sie ankam, im oberen Spital, 35 Man findet dennoch keine genauen Auskünfte über die Zeit, welche C asilda in ihrem Heimatort verbrachte. Das Interesse der Richter konzentrierte sich eher auf den Reisew eg. Dem zeitlichen Verlauf der Reise widmeten sie viel weniger Aufmerksamkeit. <?page no="338"?> 328 Casilda del Rio und sie schlief [dort] diese Nacht, und sie verbrachte noch einen Tag und schlief in der Nacht wieder bis zum nächsten Tag, an dem sie wegging, und als sie gelähmt mit den Knien auf dem Boden und mit den besagten Krücken in der besagten Ortschaft herumging, indem sie um Almosen bat, fragte der Spitalangestellte sie nach der besagten Krankheit und wohin sie ginge, und sie antwortete: zu den Bädern von Arnedillo, und der besagte Spitalangestellte sagte derjenigen, die aussagt, sie solle Novenen beim heiligen Körper des Herrn Heiligen Domingo de Ia Calzada halten, und dass sie dank Gott von der besagten Krankheit geheilt werden könnte, weil andere Leute gelähmt und stumm gewesen waren, und dank den besagten Novenen beim besagten glorreichen heiligen Körper von ihren Krankheiten geheilt worden waren, und so nahm es sich diejenige, die aussagt, vor und hatte die Inbrunst, um die besagten Novenen bei besagtem glorreichen heiligen Körper zu halten. 36 Erst in Quintanilla de San Garcia, einer Ortschaft in der Nähe von Santo Domingo de la Calzada, erfuhr Casilda von der Möglichkeit, am Grab des Heiligen Domingo geheilt zu werden. Zweieinhalb Jahre nach ihrer Erkrankung in Burgos kam sie also in Kontakt mit einem Spitalangestellten, der sie auf diesen Wallfahrtsort aufmerksam machte. Bis dahin kann man also nicht von einer Wallfahrt reden, sondern nur von einer Reise, welche unterschiedliche Motivationen aufwies. Von Anfang an wünschte sich Casilda einen Aufenthalt in den Bädern von Arnedillo, weil sie dort auf eine mögliche Heilung hoffte. Zwischen ihrem ersten und zweiten Aufenthalt in Piernagas schlug sie trotzdem eine andere Richtung ein und fuhr wieder Richtung Burgos, so dass sie das Gebiet der Bureba eine Zeit lang verliess. Nach ihrem zweiten Aufenthalt zu Hause begann sie einmal mehr, sich von einem Ort zum anderen zu bewegen, wobei sie die Bäder wieder als Reiseziel vor Augen hatte. Die Richtung der Reise wurde aber nicht allein von Casilda bestimmt. Für die meisten Menschen, die ihr begegneten, war es selbstverständlich, dass sie an ihren Heimatort zurückgebracht werden sollte. Angesichts der prekären Ressourcen ihrer Mutter konnte Casilda sich jedoch nicht viel von einer solchen Heimkehr versprechen. Nach Casildas Aussage verschlechterte sich ihre Lähmung im Laufe ihrer Reise. Dieser Zustand bewirkte eine noch erheblichere Gehbehinderung als am Anfang: während sie sich in der ersten Zeit auf einen Stock stützen konnte, um zu gehen, konnte sie sich nach ihrem ersten Besuch bei ihrer Mutter nur noch kniend und mit Hilfe zweierKrückenunter den Achselhöhlen fortbewegen. Die einzige Besserung, von der sie berichtete, fand in Riocerezo statt. Sie verdankte diese einem Mann, den Alonso auf seiner Reise nicht befragte: Juan Campillo. Dieser heilte ihr Leiden an der Milz, und es ist anzunehmen, dass es sich um einen illegitimen Heiler handelte, der nicht in die von Kirche und Staat anerkannte Heilerhierarchie von Ärzten, Chirurgen und Barbierern passte. Der Schreiber hätte sonst auf seinen 36 f. 54r-v. Anhang 71 . <?page no="339"?> Die unvollendete Reise zu den Bädern 329 Status hingewiesen wie in den früheren Prozessen, wenn es um legitime Heiler ging. Denn die Kleriker waren darauf bedacht, Casildas Krankheit so gut wie möglich nachzuweisen, und ein Arzt, ein Chirurg oder ein Barbier wären zu diesem Zweck höchst willkommen gewesen. Der Meinung von Fachleuten wie der des Chirurgen, der Catalina de Foncea behandelt hatte, massen sie eine grosse Bedeutung zu. Die Verschlechterung von Casildas gesundheitlichem Zustand wurde von den z ·eugen ebenso wahrgenommen. Diejenigen, die sie zu Beginn ihrer Reise beobachtet hatten, schilderten sie in ihren Aussagen mit einem Stock. Isabel, die wie ihr Mann Ant6n Rodriguez im Spital von Villimar arbeitete, sagte aus: sie kam sehr krank und an den Beinen gelähmt, so dass sie nicht auf ihnen stehen konnte, wenn sie sich nicht auf einen Stock stützen würde, den sie in den Händen hielt, undtrotzdem Stock ging sie mit grosser Mühe. 37 Diese negative Entwicklung ihres Zustands kam vor allem in den Aussagen von Zeugen zum Ausdruck, die sie im frühen und im späten Stadium ihrer Lähmung getroffen hatten, denn Casilda kehrte in einige Ortschaften zurück, in denen sie sich schon früher aufgehalten hatte. Das Verhältnis zu Casilda veränderte sich zum Teil deshalb, weil Mitmenschen diese Verschlechterung ihrer Gesundheit feststellten. In Rublacedos Spital zum Beispiel sah Isabel, die Frau von Alonso Lucas, Casilda zum ersten Mal, als diese schon zwei Krücken benötigte: und ohne die besagten Krücken kroch sie auf den Knien mit den Händen auf dem Boden, [und sie weiss es], weil diese Zeugin im Spital der besagten Ortschaft lebt und im besagten Spital war, und wenn sie [Casilda] irgendeine Treppe hinaufgehen musste, kroch sie auf den Knien hinauf, indem sie sich mit den Händen half. 38 Isabel betrachtete Casilda damals eindeutig als Gehbehinderte, hielt sie jedoch nicht bei jeder Angelegenheit für hilfsbedürftig: Solange sich Casilda kriechend fortbewegen konnte, schien es ihr nicht nötig, sie zu tragen, nicht einmal wenn bauliche Barrieren wie die Treppe im Spitalgebäude eine zusätzliche Schwierigkeit für Casilda bildeten. Man muss bedenken, dass das Kriechen auf den Händen und Knien zu den alltäglichen Mobilitätsformen gehbehinderter Menschen aus der Unterschicht im 16. Jahrhundert gehörten.39 Bei ihrem zweiten Aufenthalt in Rublacedos Spital war Casilda nicht mehr in der Lage, dieselbe Treppe hinaufzugehen: 37 f. 38 v. Anhang 72 . 3S f. 43r. Anhang 72. 39 Zu den Darstellungen von G ehbehinderten mit Krücken und anderen Hilfsmitteln bei Malern wie Hieronymus Bosch (um 1450-1560) und Pieter Brueghel (um 1528- 1596) vgl. Dustmann, Das Bildnis, S. 66- 75 . <?page no="340"?> 330 Casilda del Rio und als sie das letzte Mal kam, half ihr diese Zeugin, die Treppe hinaufzugehen, weil die besagte Casilda die Treppe nicht steigen konnte. 40 Erst diese extreme Situation veranlasste Isabel zu fürsorglichem Handeln aus einem verinnerlichten Pflichtgefühl heraus. Isabel hätte Casilda Bewegungs- und Handlungsmöglichkeiten durch ihr Eingreifen sonst nicht abgenommen. Nur in diesem Rahmen kann ihr Bedürfnis verstanden werden, eine Wohltat zu vollbringen. Und dieser Rahmen war durch die räumliche Struktur des Spitals bestimmt, die Casilda dazu zwang, in den ersten Stock des Gebäudes zu kriechen, ohne dass auf ihre Bedürfnisse oder diejenigen anderer Gehbehinderten durch eine bauliche Anpassung Rücksicht genommen worden wäre. Noch deutlicher als bei den Schwierigkeiten mit den Treppen zeigen Casildas Probleme beim Zu-Bett-Gehen, wie sehr die Behinderung als ein sozial hergestelltes Phänomen begriffen werden muss, das haupsächlich ein "Mehr an sozialer Abhängigkeit" bedeutete.41 Aus den Zeugenaussagen gehen zahlreiche Beschreibungen von solchen Szenen hervor. Insbesondere in den letzten Reiseetappen mussten die Spitalangestellten Casilda ins Bett bringen, weil sie nicht allein auf das Bett steigen konnte. Je nach räumlicher Lage und Ausgestaltung des Spitals ergaben sich unterschiedliche Formen der Hilfeleistung. Über Casildas Erfahrung in Cameiios Spital sagte Elvira Perez aus : und als sie [Casilda] eine Nacht im besagten Spital schlief, in dem diese Zeugin lebt, sah sie, dass sie nicht auf das Bett steigen konnte, um sich hinzulegen, und diese Zeugin nahm sie auf den Rücken, um sie auf das Bett zu bringen, und auch am darauffolgenden Morgen nahm sie sie herunter. 42 In Vallarta berichtete Marfa del Rio: "sie half ihr und hob sie auf eine Steinbank [an der Mauer) hinauf, die sich vor dem Bett befand" 43 • In Grisalena erzählte Marfa de Poza: und sie schlief zwei Nächte im Spital, in dem diese Zeugin lebt, und da die besagte Casilda so gelähmt war, musste man ihr helfen, sich ins Bett zu legen, und sie setzten sie auf ein Tischlein, und von dort aus trugen sie sie auf das Bett hinauf, und beim Aufstehen brauchte sie auch Hilfe. 44 Nur Juan Cubo und seine Frau Marfa fanden eine praktische Lösung für dieses Problem. Sie bauten ein niedriges Bett für Casilda, so dass diese keine Hilfe mehr brauchte, um sich hinzulegen. Er war Schreiner von Beruf und leitete das Spital von Quintanillade San Garcfa. Diese Erfindung erweiterte Casildas Autonomiespielraum deutlich: 40 f. 43r. Anhang 72 . 41 Zu dieser Definition von Behinderung vgl. Pieper, Behinderung, S. 299. 42 f. 45v. Anhang 72. 43 f. 47v. "esta testigo le ayudo y subio en vn poyo que esta delante de Ia cama". 44 f. 46v. Anhang 72. <?page no="341"?> Von Spital zu Spital 331 dass er sie etwa drei Wochen in der besagten Ortschaft [Quintanilla de San Garda] im Spital de Nuestra Seiiora gesehen hat, wo dieser Zeuge lebt,[...] und sie verbrachte zwei Tage und zwei Nächte im besagten Spital, und da sie nicht auf ein hohes Bett steigen konnte, machten dieser Zeuge und seine Frau ein Bett für sie vor ihrem Bett, so dass sie auf dem Boden schlafen konnte, und sie kroch kniend in dieses Bett, um sich hinzulegen. 45 Dank dieser Lösung verschwand vorübergehend ein guter Teil von diesem "Mehr an sozialer Abhängigkeit", das jede Behinderung ausmachte. Casildas Umgebung "behinderte" sie beim Zu-Bett-gehen nicht mehr. Juan Cubo und seine Frau schufen eine wichtige alltägliche Barriere ab. Dadurch konnte Casilda selbst bestimmen, wann und wie sie ins Bett ging oder sich davon entfernte. Das Prinzip der Anpassung alltäglicher Gebrauchsgegenstände an die Bedürfnisse einer körperbehinderten Person fand dabei eine praktische Umsetzung. Für Juan Cubo und seine Frau handelte es sich um ein erzählenswertes Beispiel für ihre wohltätige Hilfe an Casilda, und die Richter fanden dieses auch relevant genug, um es aufzuzeichnen. Aus heutiger Sicht ist es etwas mehr als nur ein weiteres gutes Werk, denn es entspricht unserem Ideal von Eliminierung der Hindernisse, die zur sozialen Konstruktion von Behinderungen beitragen. 11.4 Von Spital zu Spital Wie wir in dem Kapitel über Catalina de Flores gesehen haben, bildeten die Krankenüberführungen in andere Spitäler eine der typischen Männerarbeiten in diesen Institutionen. Junge Männer brachten Casilda meistens bis in die nächste Ortschaft mit einem Spital. Zunächst gingen sie mit ihr in Richtung Piernigas, später in die Umgebung von Burgos, dann auf dem Weg zu den Bädern von Arnedillo und schliesslich nach Santo Domingo de la Calzada. Die Reiseetappen waren immer klein, weil diese Transportleistungen bezahlt werden mussten, und weder die Gemeinden noch die Leiter ihrer meist kleinen Spitäler waren bereit, mehr Geld dafür auszugeben, um Casilda in die Nähe ihres Reiseziels zu bringen, als das unbedingt Nötige. Es kam hinzu, dass jede Reise in eine andere Ortschaft eine Entfernung von der eigenen bedeutete und damit eine Überschreitung der symbolischen Grenze zwischen den beiden Gemeinschaften voraussetzte. 46 So waren es immer Männer, die Casilda helfen mussten, diesen Raum zu durchqueren, um in den Raum einer fremden Gemeinde einzutreten. Denn diese Räume waren 45 f. 48r-v. Anhang 72. 46 Zu den symbolischen Grenzen zwischen Nachbargemeinden in der frühen Neuzeit vgl. Scribner, Symbolising Boundaries, S. 821-826, 831-853 . Zu diesem Fragekomplex mit besonderer Berücksichtigung geschlechtspezifischer Aspekte in ländlichen Gebieten des heutigen Andalusiens vgl. Sanchez Perez, Liturgia del espacio, S. 177-197. <?page no="342"?> 332 Casilda del Rio sozial gegliedert und sowohl juristisch wie symbolisch getrennt, und die Wege zwischen ihnen waren männlich konnotierte Bereiche. Diese Wege galten als Zwischenräume, in denen die Bewegungsfreiheit eher den allein reisenden oder begleitenden Männern als den allein reisenden Frauen zugeschrieben wurden. In seinem gesellschaftskritischen und humorvollen Ton beschreibt der anonyme Autor des RomansViajede Turquia (1557) die Spitäler von Burgas und Umgebung als Gebäude mit luxuriösen Fassaden und schlechten Inneneinrichtungen. Er erwähnt in diesem Zusammenhang die üblichen Krankenüberführungen: und dann, am Morgen, falls er [der arme Spitalbesucher] gesund ist, macht man ihm ein Zeichen auf dem Stock, den er mitbringt, damit man erkennt, dass er diese Nacht dort schon zu Abend gegessen hat; und für die Kranken haben sie ein Eselchen, mit dem man sie in ein anderes Spital bringt, um sie loszuwerden, was ich auf der Wallfahrt, die ich unternehme, in einem der prunkvollsten Spitäler Spaniens gesehen habe, das ich zwar nicht erwähnen will, aber von dem ich weiss, dass es Real [Königlich, aber auch Wahrhaftig] ist. 47 Auch wenn der Autor den Bemühungen zahlreicher Gemeinden und Spitäler um die Kranken nicht gerecht wird, spricht er einen Aspekt der damaligen Alltagswelt der Bettler und der Kranken in den kastilischen Spitälern an. Denn die rechtlich verankerte Gleichsetzung von Geburts- und Unterstützungsortder Bettler verbreitete sich im Laufe der Frühen Neuzeit und führte immer mehr dazU, kranke, aber auch gesunde Bettler in die Nachbargebiete abzuschieben. 48 Casilda wurde jeweils geholfen, bei ihrer Abreise vor den Spitalgebäuden auf einen Maulesel zu steigen, auf dem sie weiter transportiert wurde, und von ihm hinabzusteigen, wenn sie an einem neuen Ort ankam. Alonso Gonzalez, Spitalleiter in Cameiio, erzählte: "es war ein Maulesel dieses Zeu gen, und es war nötig, dass vier Leute ihr halfen, und sie auf den Maulesel setzten". 49 In Grisaleiia benutzte man ein Tischlein, wie beim Zu-Bett-Gehen. Marfa de Poza sagte darüber aus: und so war sie im besagten Spital, und danach fuhr man sie auf einem Maulesel reitend von dieser Ortschaft aus nach Zuiieda, und da sie nicht auf den Maulesel steigen konnte, stellte man sie auf ein Tischlein kniend, und drei Leute hoben danach das besagte Tischlein hinauf, wobei Casilda sich darauf befand, und sie setzten sie richtig auf den MauleseJ.S 0 47 Das hier gemeinte Spital ist aller Wahrscheinlichkeit nach das Hospital del Rey in Burgos, in dem Casilda übrigens keinen Platz fand. Vgl. Viajede Turqufa, S. 114. Anhang 73. 48 Endres, Armenproblem im Zeitalter des Absolutismus, S. 230-232. 49 f. 45 r. Anhang 73 . SO f. 46 v. Anhang 73 . <?page no="343"?> Von Spital zu Spital 333 Wie der siebzehnjährige Franciso de Valmaseda berichtete, gebrauchten er und eine Spitalangestellte eine Bank zu diesem Zweck in Herramelluri: dieser Zeuge und Marfa de Angulo, Spitalangestellte im Spital der besagten Ortschaft, halfen ihr, auf den Knien auf eine Bank zu steigen, die sich im besagten Spital befand, und als sie auf der besagten Bank auf den Knien war, hielt sich die besagte Casilda am Saumsattel, welchen das besagte Tier trug, und, so gehalten, hoben dieser Zeuge und die besagte Marfa die besagte Casilda auf der besagten Bank auf, und, einmal aufgehoben, setzten sie sie auf das besagte Tier, und als sie darauf sass, brachte sie dieser Zeuge in diese Stadt [Santo D o mingo de Ia Calzada] und nahm sie in den Armen vom besagten Tier herabY Es ist auffallend, dass die körperlichen Berührungen zwischen den jungen Fuhrmännern und Casilda nicht verschwiegen, sondern sogar hervorgehoben werden, weil sie als Ausdruck von Wohltätigkeit betrachtet wurden. Niemand deutete sie als sexuell konnotierte Handlungen in diesem Kontext. Der achtzigjährige Francisco Garcia, Spitalleiter in Riocerezo, sagte aus: und dieser Zeuge sagte zu seinem Enkel, der sie fuhr, er solle sie halten, damit sie nicht vom Tier hinunterfalle, weil sie sich selbst nicht halten konnte. 52 Der Enkel, der achtzehnjährige Juan de Rusaenz, bestätigte die Behauptung seines Grassvaters und unterstrich: "er hielt sie auf dem Weg von der besagten Ortschaft Riocerezo bis zu der Ortschaft Robledo". 53 Bis anhin haben wir gesehen, wie die Reise verlief, wenn alles bei der Aufnahme im jeweiligen neuen Spital klappte. Doch die Kette institutioneller Fürsorge wurde an manchen Orten abgebrochen, was Casilda mit zusätzlichen Schwierigkeiten konfrontierte. Es ist ausserdem anzunehmen, dass sie mehrmals auf der Strasse blieb, ohne dass sich alle ihre Erfahrungen als Obdachlose in den Zeugenaussagen widerspiegelten. Vor allem über die Z eit ihres Umherziehens in der Nähe ihres Heimatorts, das heisst, bevor sie ihre Reise zu den Bädern von Arnedillo fortsetzte, gibt die Zeugenbefragung wenig Aufschluss. Zudem wurden nicht alle Ortschaften, in denen sich Casilda aufgehalten hatte, von Alonso und seinen Begleitern besucht. Ein Beispiel für eine misslungene Krankenüberführung bietet die Strekke zwischen Robledo und Tobes, gerade nach der Gebietsgrenze zwischen Burgos und der Bureba. Catalina Martinez aus Robledo erzählte: "und von dort aus wurde sie auf einem Reittier reitend zu der Ortschaft Tobes gebracht".54 Auch Aldonza Gallo und Isabel Soto bestätigten diese Aussage, aber keine von ihnen gab an, wer Casilda dorhin gebracht hatte.55 51 f. 56 r-v. Anhang 73. 52 f. 39 r. Anhang 73. 53 Ebd. Anhang 73. 54 f. 40 V. 55 f.4lr; 41r -v. <?page no="344"?> 334 Casilda del Rio In Tobes wurde Casilda von Isabel, der Frau vonJuan Martfnez, vor der Tür eines Nachbarn gefunden, dem Ort, wo Casilda meistens lag, wenn sie um Behausung bat, denn die Tür als Ein- und Ausgang der Häuser war die symbolische Grenze zwischen der Strasse und dem häuslichen Raum . 56 Isabel schilderte ihre Begegnung mit Casilda und ihre Hilfeleistungen sowie diejenigen ihres Mannes: und dass diese Zeugin sehr viel Mitleid mit ihr hatte, weil sie sie so gelähmt sah; und wie sie gesagt hat, fand sie sie vor der H austür von Hernando de Mena, Nachbar der besagten Ortschaft, und sie trug sie auf dem Rücken aus Gottes Liebe und brachte sie in ihr Haus, wo sie sie in ein Bett legte, und sie gab ihr ein Abendessen; und von dort aus brachte sie ihr Mann auf einem Maultier reitend zu der Ortschaft Melgosa, die eine Meile von der besagten Ortschaft entfernt ist; und er setzte sie darauf, weil die besagte Casilda es selber nicht konnteY Ihr Mann, Juan Martinez, erläuterte seine Vergehensweise in Melgosa: und er nahm sie in die Arme, um ihr vom Maultier in der besagten Ortschaft Melgosa herabsteigen zu helfen, und dort liess er sie vor der Haustür von Juan Saenz, der damals "regidor" in der besagten Ortschaft Melgosa war. 58 Die von Juan gewählte Haustür war diejenige eines Ratsherrn. Als Folge einer wenig entwickelten Spezialisierung der Fürsorgeeinrichtungen bestand in den kleinen Dörfern kein Spital, und man erwartete von einflussreichen Dorfpersönlichkeiten, dass sie die Verantwortung für die fremden kranken Bettler übernahmen. Die Ortschaft Melgosa wurde von Alonso auf seiner Reise zwecks der Zeugenbefragung übersprungen, so dass die Quellen nichts darüher enthalten, wie Casilda dort behandelt wurde. Aber an anderen Orten handelten die Nachbarn und Ratsherren auch nach diesem Brauch. In San Millan de Yecora sagte Maria de Ruesga aus: "dass sie sie [Casilda] beiJuan Ruiz de Cerca, Ratsherr der besagten Ortschaft, in dieser Ortschaft sah". 59 Und Catalina, die Frau des Ratsherrn, schilderte ihrerseits, wie sie Casilda bei sich aufgenommen hatte: und so gab man ihr etwas zu essen bei dieser Zeugin, und an dem Tag, an dem sie ankam, brachte sie der Sohn dieser Zeugin, Juan, auf einem Maultier reitend von der besagten Ortschaft zu der Ortschaft Herramelluri. 60 Die Ähnlichkeit der Behandlung, welche Casilda in den kleinen Spitälern und in den Pri vathäusern der Ratsherren kleiner Ortschaften erfuhr, ist 56 Van Gennep, Übergangsriten, S. 28-29; Scribner, Symbolising Boundaries, S. 827-830. Nach Casilda handelte es sich um die Tür eines Spitals. Die Verwechslung zeigt, dass viele kleine Spitäler kaum von anderen Häusern zu unterscheiden waren. 57 f. 42r. Anhang 73. 58 Ebd. Anhang 73. 59 f. 49v. 60 f. 49v. Anhang 73 . <?page no="345"?> Die Familie und die Nachbarn 335 beachtlich. Im Grunde genommen bestand eine vergleichbare geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, denn die ländlichen Spitäler wurden häufig von einem Ehepaar geleitet. Die Frau des jeweiligen Ratsherrn übergab die Pflegearbeiten und die Nahrungszubereitung ihren Bediensteten, während ein männliches Haushalts- oder Familienmitglied sich um die Krankenüberführung kümmerte. Auch die Aufnahme- und Abschiedsprozeduren ähnelten denjenigen der Spitäler: Frauen und Männer aus der Nachbarschaft halfen Casilda beim Aufsteigen auf das Maultier und beim Absteigen. 61 Nur die soziale Rechtfertigung war bei Spitalleitern und Ratsherren unterschiedlich: Für die ersten war die Pflege einer kranken Bettlerin wie Casilda eine berufliche Pflicht, während die zweiten es aufgrundihrer sozialen Stellung in der Gemeinschaft taten. Für das Misslingen der Aufnahme Casildas an einem neuen Ort gab es weitere Gründe. Die Weigerung der Spitalangestellten, Casilda Zugang zum jeweiligen Spital zu gewähren, kam auch vor. Juan Vallestero, Nachbar von Grisaleiia, beschrieb eine solche Ablehnung in Cameiios Spital: und sie ging schleppend und ging mit zwei Krücken unter den Achselhöhlen und auf dem Boden kniend und mit viel Mühe, wie er gesagt hat; und dieser Zeuge brachte sie von der besagten Ortschaft Grisaleiia zu der Ortschaft Zuiieda, und da sie so gelähmt und krank war, wollte die Spitalangestellte der besagten Ortschaft Zuiieda sie nicht aufnehmen; und da sie so ging, wie gesagt wurde, führte dieser Zeuge das Reittier, auf dem sie reiste, immer am Halfter. 62 Marfa de Cameiio, Tochter des Spitalmeisters, wollte sich den Vorwurf der Umbarmherzigkeit nicht gefallen lassen. Sie konnte nicht leugnen, dass Casilda im Spital gewesen war, aber sie betonte nur die für die kranke Bettlerin dort erbrachten Leistungen: dass sie im Spital der besagten Ortschaft war, dessen Leiterder Vater dieser Zeugin ist, und dass diese Zeugin die besagte Casilda sehr gelähmt an den Beinen sah, und sie konnte weder gehen noch auf den Beinen stehen, und sie ging kniend auf dem Boden mit zwei Krücken, und diese Zeugin und andere Leute legten sie mit Hilfe eines Stuhls auf einen Maulessel, um sie zu der Ortschaft Vallarta zu bringen. 63 11.5 Die Familie und die Nachbarn Casildas Schwester und Mutter wurden nicht befragt. Es ist zu vermuten, dass dies aufgrund ihrer Verwandschaft mit der Miraculee geschah. Aber die Richter waren in dieser Beziehung nicht immer gleich streng. Sowohl 61 Vgl. auch f. SOr . 62 f. 46 r. Anhang 73 . 63 f. 47r. Anhang 73 . <?page no="346"?> 336 Casilda del Rio Casilda wie die Zeugen gaben jedoch Auskunft über diese Begegnungen mit Familienangehörigen. Trotz der Abschwächung familiärer Bindungen wegen ihrer Auswanderung nach Burgos scheint sie den Kontakt zu Mutter und Schwester durch Mittelleute behalten zu haben. Ihre Schwester arbeitete als Dienstmädchen bei der Witwe Marfa de Ia Cuesta in Rublacedo. 64 Diese schilderte Casildas Besuch kurz und ohne irgendwelche Hinweise auf eigene Wohltaten ihr gegenüber: "und so sah sie, wie sie manchmal zu ihr [der Schwester] kam, gelähmt, wie sie gesagt hat". 65 In Rublacedo übemachtete Casilda im Spital und wurde vom pfarrerund von den Bewohnern auf den Strassen gesehen. 66 Casildas Schwester muss ihre Mutter, Catalina de Galbarriz, über Casildas Lage erzählt haben, so dass diese nach Rojas ging, um Casilda mit einem Lasttier abzuholen und sie auf der letzten Strecke nach Piernigas zu begleiten. Es war das einzige Mal, dass eine Frau Casilda von einer Ortschaft zu einer anderen mit einem Tier transportierte. Sonst waren es immer Fuhrmänner. Da Catalina de Galbarriz arm war, konnte sie sich die Bezahlung der Überführung nicht leisten, und so tat sie es selber und allein. Die unzureichenden Mittel der Mutter zwangen Casilda dazu, in Piernigas zu betteln, um zu überleben. Obwohl ihre Mutter auch in bittererNot lebte, gingen sie nicht zusammen betteln, 67 wie es andere Mütter mit ihren Töchtern in der Frühen Neuzeit taten. 68 Juan de Ortega, ein Bewohner von Piernigas, kannte Casilda und ihre Familie, was in einem kleinen Dorf sehr normal war. Er bemerkte, d a ss man C asilda auf den Strassen helfen musste: "sie stand nicht vom Platz auf, wo sie sich hinlegte, ausser wenn man ihr half". 69 Casilda sagte aus, dass man sie ein zweites Mal nach Piernigas zurückbrachte, "wo sie vor den letzten Weihnachten etwa zwei Monate verbrachte". Es schien ihr wichtig, die zweite Rückkehr in ihr Heitmatdorf mit diesem zeitlichen Referenzpunkt in Verbindung zu bringen. Denn Weihnachten war eine besondere Zeit im Jahr mit einem liminalen Charakter 70 • Diese Zeit wurde durch Neujahrs- und Mittwinterbräuche wie das Familientreffen, das gemeinsame Essen und manche Riten am Herdfeuer gefeiert.71 64 f. 43v. 65 Ebd. Anhang 74 . 66 f. 42v, 43r. 67 Casilda w urde immer auf d er Strass e beim Betteln allein ges eh en, wie zum Beispiel vor der Haustür des Ffarrers. Vgl. f. 45r. 68 Hufton, Arbeit und Familie, S. 53. 69 f. 44 r. Anhang 74. 70 Scribner, Symbolising Boundaries, S. 834. 71 Die spanischen Kalenderdarstellungen in den spätmittelalterlichen Kirchen gehören zu den ersten in Europ a, welche d as Motiv des Weihnachtsessens aufnahmen. Castiiieira s, C alend ario medieval, S. 138- 143. Es ist umstritten, ob diese Riten Folge einer Folklorisierung christlicher Feste sind oder o b es sich um ein Überbleibsel d er vorchristlichen Ve r- <?page no="347"?> Die Familie und die Nachbarn 337 Casilda erwähnte sogar, wo sie die zwei Krücken vor ihrer Rückkehr bekommen hatte, auf die sie sich stützte: "die eine in Rublacedo de Arriba, die andere in der Ortschaft Rioseras". Es war ihr ein Anliegen, zu klären, dass sie kein solches Geschenk von ihren Nachbarn aus Piernigas erhalten hatte. Die Aussage von Sancho Fernandez, Nachbar von Piernigas, scheint hingegen ein solches Geschenk von den Bewohnern aus Piernigas anzudeuten: dass dieser Zeuge die besagte Casilda an den letzten Weihnachten in dieser Ortschaft, Piernigas, sah, welche sehr krank und gelähmt war, so dass sie nicht auf ihren Beinen stehen konnte, sondern sich auf den Händen und den Knien auf dem Boden bewegte; und danach sah er, dass man ihr zwei Krükken machte, mit denen sie ging, indem sie die besagten Krücken unter den Achselhöhlen trug, und mit den Knien auf den BodenP Ausser der Familie und den Nachbarn traf Casilda auch alte Bekannte auf ihrem Weg, denen es auffiel, wie krank sie war und wieviel Mühe sie hatte, sich zu bewegen. Der vierunddreissigjährige Martin Quintano hatte Casilda in Sotragero kennengelernt, weil er im selben Haus gelebt hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach arbeitete er dort als Knecht. Wie es damals bei zahlreichen jungen Männern und Frauen üblich war, kehrte er nach einiger Zeit in sein Heimatdorf zurück. Nach ihrer Heimkehr versuchten Knechte und Mägde oft, einen Haushalt mit ihren Ersparnissen in ihrem Dorf zu gründen. Dabei heirateten sie häufig eine Magd oder eine Bäuerin. 73 Martin beschrieb Casilda, wie er sie vor ihrer Krankheit in Erinnerung hatte, und erzählte dann von seiner Begegnung mit ihr in Robledo, wo er damals lebte: und dass er die besagte Casilda del Rfo kennt [...] dass sie vor etwa drei Jahren in der Ortschaft Sotragero, eine Meile von Burgos entfernt, lebte, und er weiss, dass sie dort bei Andres Garcfa, Nachbarn der besagten Ortschaft, lebte, denn dieser Zeuge wohnte damals im seihen Haus, und er kannte sie gesund und gut, und er sah, dass sie gut arbeitete, und danach, als dieser Zeuge in der besagten Ortschaft Robledo lebte, wo er auch jetzt lebt, und zwar vor etwa zwei Jahren, sah er die besagte Casilda sehr gelähmt in der besagten Ortschaft, und sie ging mit einem Stock in den Händen, auf den sie sich stützte, und als er sie sah, sprach dieser Zeuge mit ihr, und sie begann mit ihm zu reden, und er hatte Mitleid mit ihr, weil er sie gesund gesehen hatte und sie nun gelähmt sah, und er gab ihr Almosen. 74 Martin stellte einen starken Kontrast zwischen Casildas körperlichem Zustand und ihrem Aussehen vor und während ihrer Krankheit fest. Er pries gangenheit, insbesondere der Sommerkulte, handelt. Vgl. Delumeau, Catolicismo, S. 203- 204. Zu den Feuerriten vgl. Fern: indez Conde, Religiosidad popular, S. 325. Die Funktionen des Familientreffens an Weihnachten im aragonesischen Königshaus des 14.Jahrhunderts werden von R. Sahionier behandelt. Sablonier, Aragonesische Königsfamilie, S. 294. 72 f. 43 v. Anhang 74 . 73 Hufton, Arbeit und Familie, S. 31-35. 74 f. 40 v. Anhang 74. <?page no="348"?> 338 Casilda del Rio ihren gesunden Körper und ihren Fleiss bei ihrer Arbeit in Sotragero. Beide Eigenschaften gehörten sowohl für Frauen wie für Männer zu den meist erwähnten, wenn es um die Bewertung anderer junger Menschen auf dem Heiratsmarkt ging. 75 Das Wort "Mitleid" kam ferner nur selten in den Zeugenaussagen vor, und diejenigen, die es verwendeten, hatten meistens eine persönlichere Beziehung zu Casilda als etwa die Spitalangestelten, für welche die Pflege der Kranken zu ihren beruflichen Pflichten gehörte. 76 Eine gewisse affektive Zuneigung zwischen Casilda und Martin ist also nicht auszuschliessen. Darauf deutet zudem die Tatsache, dass Casilda ihn als Zeugen angab, obwohl er auf den ersten Blick weniger für sie geleistet hatte als die meisten übrigen Zeugen. Er sprach mit ihr, interessierte sich für sie und gab ihr Almosen. Aber er fuhr sie weder weiter, noch pflegte er sie zu Hause . Martins Aussage war eine der wenigen, in der nicht die wohltätige Leistung, sondern der persönliche Kontakt und das freundschaftliche Gespräch im Vordergrund standen. Im übrigen wurden die Almosen von den Zeugen nur zweimal erwähnt . In beiden Fällen unterstrichen die Aussagenden, dass die Almosen von einer karitativen oder fürsorglichen Institution wie einer Bruderschaft oder einem Spital stammten. Elvira Perez, die im Spital der Bruderschaft von San Miguel aus Camefio angestellt war, erklärte: " und so bat man um Almosen für sie in der besagten Ortschaft an dem Tag, an dem sie ankam". 77 Mariade Poza aus Grisaleiia wollte sich in ihrer Aussage nicht mit fremden Federn schmücken: und diese Zeugin gab ihr [Casilda] ein halbes Real, das man ihr gegeben hatte, in der Absicht, dass sie es ihr [Casilda] als Almosen geben würde, damit diese weiter gehen würde.7 8 Die Interaktion zwischen Casilda und den Nicht-Behinderten, die als Zeugen aussagten, war bei den meisten beschriebenen Szenen von Aufnahme- und Abschiedsprozeduren in Spitälern und Privathäusern durch die Angliederungs-und Trennungsriten geprägt, die im Umgang mit Fremden üblich waren. 79 In Casildas Fall kamen die geschlechts- und schichtsspezifischen Merkmale hinzu, die sich aus ihrem Status als kranker Bettlerin ergaben. Die Situationen gestalteten sich jedoch auf ziemlich unterschiedliche Art und 75 Ausser der Mitgift, der Ehre und den freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Familien galt die positive Einschätzung von Eigenschaften der Person, wie körperliche Stärke und Fleiss, zu den wichtigsten Voraussetzungen für eine Heirat unter den g~licischen Bauern in der Frühen Neuzeit. Saavedra, Vida cotidiana, S. 228. Auf diese Art von körperbezogenen Kriterien bei der Partnerwahl in der heutigen Gesellschaft weist Goffman hin. Goffman, Stigma, S. 171. 76 Das Wort "Mitleid" taucht ebenfalls bei Isabel, der Frau aus Tobes, auf, welche Casilda auf ihrem Rücken trug und bei sich pflegte. Vgl. f. 42 r. 77 f. 45 v. Anhang 74. 78 f. 46 v. Anhang 74 . 79 Van Gennep, Ubergangsriten, S. 34-46. Vgl. auch das Kapitel über Mariade Aperrigui. <?page no="349"?> Die Entscheidung für die Wallfahrt 339 Weise. Zu diesen Riten der Gastfreundschaft gehörte etwa die Nahrungszubereitung für die fremde Bettlerin, wenn sie als Gast aufgenommen wurde. Bei der Suche nach Unterkunft machte Casilda aber bittere Erfahrungen an den Türen mancher Häuser und Spitäler. Bei der Abreise verliefen manche Trennungen auf abrupte Weise, während andere allmählich geschahen und zum Teil eine Rückkehr ermöglichten. Diese Situationen lieferten Stoff nicht nur für die Aussagen vor den fragenden Klerikern und Richtern, sondern auch für Alltagsgespräche und -erz ählungen. Der Austausch von Erfahrungen im Umgang mit einer fremden kranken Bettlerin wie Casilda ging mit dem Nachdenken über interpersonale Beziehungen und über gesellschaftlich oder kirchlich anerkannte Regeln der Barmherzigkeit einher. Vor allem in den Spitälern kursierten Krankheitsgeschichten und Erzählungen über besondere Leistungen der Angestellten. Der fünfzehnjährige Juan de Angulo erzählte über seine Gespräche mit seiner Mutter, der Spitalangestellten von Herramelluri, Marina de Angulo: und danach erzählte ihm die besagte Marinade Angulo, Mutter des Zeugen, wie sie der besagten Casilda geholfen hatten, auf ein Tier zu steigen, um sie in die besagte Stadt [Santo Domingo de Ia Calzada] zu bringen. 80 11.6 Die Entscheidung für die Wallfahrt Nach Casildas Aussage verwandelte sich ihre Reise erst nach ihrem Aufenthalt in Quintanilla de San Garda und einem Gespräch mit dem Schreiner Juan de Cubo und seiner Frau in eine Wallfahrt. Casilda berichtete in ihrer Erzählung über ihre Entscheidung, nach Santo Domingo de la Calzada zu pilgern. Demnach folgte sie Juans Empfehlung, am Grab des Heiligen Novenen zu halten, "w eil andere Leute gelähmt und stumm gew esen waren, und dank den besagten Nov e nen[ ...] geheilt worden waren". Damit berief sich Casilda auf ihre Frömmigkeit und auf ihren gesundheitlichen Zustand, um die Beweggründe für die Wallfahrt anzugeben. Juan Cubo erwähnte einen weiteren Gesichtspunkt, den seine Frau bestätigte: und dass dieser Zeuge der besagten Casilda empfahl, Novenen beim besagten heiligen Körper zu halten, a ls sie in besagtem Spital war, denn dieser Zeuge hatte von anderen Wundern gehört, die bei diesem heiligen Körper bewirkt wurden, und dass sie dank Gott geheilt werden könnte; und die besagte Casilda sagte, dass sie dort niemanden finden würde, der ihr etwas zum Essen gäbe; und dieser Zeuge sagte, dass sie schon [Leute] finden würde, weil es reiche Leute und ehrwürdige Kanoniker dort gebe, und sie würden ihr etwas zu essen geben; und dann sagte die besagte Casilda, sie würde zum besagten heiligen Körper gehen; und dieser Zeuge sagte ihr, sie solle mit 80 f. 57 r. Anhang 74. <?page no="350"?> 340 Casilda del Rio Gott bleiben [Abschiedsform] und ihm versprechen, zu diesem Ort zurückzukommen, um ihn zu sehen, falls sie geheilt werden würde. 81 Maria bestätigte, dass Casilda ihre Angst ums Überleben beim Gespräch gezeigt hatte. Sie fügte hinzu: und dass die besagte Casilda sagte, dass sie niemanden finden würde, der ihr etwas zu essen gäbe, obwohl sie dort Verwandte hatte. 82 Doch wenn man den Aussagen anderer Zeugen Glauben schenkt, vollzog sich die Verwandlung der Reise in eine Wallfahrt nicht so plötzlich, denn es gab keine radikale Abkehr vom früheren Reiseziel. Auch im Rahmen eines Gesprächs über ihre Krankheit erzählte Casilda der Spitalangestellten von Herramelluri (einer von ihr später besuchten Ortschaft als Quintanillade San Garcia) Marinade Angulo ihre Krankheitsgeschichte und ihre Absichten: und als sie im besagten Spital war, fragte sie die besagte Casilda nach der besagten Krankheit und wie sie gelähmt wurde, und sie sagte dieser Zeugin, dass sie im Wasser gewesen war und seit drei Jahren so gelähmt war, und aufgrund ihrer Devotion für den glorreichen Herrn Heiligen Domingo de Ia Calzada Novenen in seiner Kapelle halten wollte, bevor sie zu den Bädern von Arnedillo gehen würde, wohin sie gehen wollte, um von ihrer Krankheit geheilt zu werden, wenn es möglich wäre. 83 Casilda berichtete auch über dieses Gespräch in ihrer Aussage auf eine etwas andere Art: und so wurde sie von der besagten Ortschaft Quintanillade San Gardanach San Millan de Yecora gebracht, urid von dort aus wurde sie nach der Ortschaft Herramelluri gefahren, und sie verbrachte eine Nacht im Spital, und nachdem sie der Spitalangestellten von ihrer Krankheit erzählt hatte, sagte sie ihr, dass sie Inbrunst dafür verspürte, die besagten Novenen beim besagten glorreichen heiligen Körper zu halten, und die besagte Spitalangestellte sagte ihr, sie solle es so tun, und es könnte sein, dass sie dank unserem Herrn von der besagten Krankheit geheilt würde, und so wurde sie am Samstag, dem 28. Januar dieses Jahres, von der besagten Ortschaft Herramelluri in die Stadt Santo Domingo de Ia Calzada gefahren. 84 Wenn man den Aussagen der Zeugen glaubt, muss man sich fragen, weshalb Casilda eine leicht veränderte Geschichte über ihre Entscheidung für die Wallfahrt nach Santo Domingo erzählte. Casilda muss auf ihrer Reise mit Alonso nach Burgas sowie im Kontakt mit anderen Klerikern aus Santo Domingo de la Calzada ein Gespür dafür entwickelt haben, welche Beweg- 81 f. 48v. Anhang 75. 82 f. 49r. Anhang 75. 83 f. 55 v. Anhang 75. Zu der Erklärung der Erkrankung in Folge des kalten Wassers vgl. nächstes UnterkapiteL 84 f. 54 v. Anhang 75 . <?page no="351"?> Die Entscheidung für die Wallfahrt 341 gründe für die Wa.llfahrt bei ihnen besonders gut ankamen und welche nicht. Es ist anzunehmen, dass sie deshalb dem Hunger nicht den Vorrang geben wollte, als sie über ihre Entscheidung aussagte. Dies würde auch erklären, dass sie bei der Wiedergabe des Gesprächs im Spital von Herramelluri den Hinweis auf ihr ursprüngliches Reiseziel (die Bäder von Arnedillo) ausliess. Denn der Weg der Wallfahrt war für die Kleriker bestimmt der Weg zum Guten, während der Weg zu den Bädern aus klerikaler Sicht den Weg zum Bösen darstellen konnte. In der Tat war es schwierig, die komplexen individuellen Motivstrukturen der Wallfahrt getreulich wiederzugeben. Wie bei anderen WalHarten vermischten sich religiöse und nicht religiöse Gründe und Motivationen: vom Bedürfnis nach Sündenvergebung über den Wunsch nach körperlicher Heilung bis zu der Flucht vor der Not. 85 Alonso liess diese komplexen Motivstrukturen in seinen zusammenfassenden Berichten nur zum Teil durchblicken. Es bereitete ihm keine Schwierigkeit, Casildas religiöse Inbrunst mit ihrem Wunsch nach Heilung zu verbinden, weil diese Ziele aus katholischer Sicht nicht im Gegensatz zueinander standen. Aber er schenkte der Reise nach Arnedillo keine Beachtung und fand ihren Hunger als Beweggrund nicht relevant. Seine in den Prozessakten enthaltenen Berichte weisen niemals darauf hin. Die Ziele seiner Untersuchung konzentrierten sich auf den Beweis ihrer Gehbehinderung vor der Heilung: 86 Bei Casilda del Rio, Tochter von Alonso del Rio und von Catalina de Galbarriz, seiner Frau, Bürger der Ortschaft Piernigas, die sich in der Diözese von Burgos und in der Merindad [administrativer Einheit] von Bureba befindet, hat unser Herr die Güte gehabt, dank der Fürbitte des Herrn Heiligen Domingo am 6. Februar, ein Wunder bei ihr zu bewirken, nachdem sie begonnen hatte, Novenen beim glorreichen heiligen Körper des Herrn Heiligen Domingo zu halten; und während sie vorher gelähmt war und nicht gehen konnte, ausser kniend und mit zwei Krücken, wurde sie plötzlich geheilt, als sie die Novenen hielt, die sie am letzten Dienstag vom letzten Januar begonnen hatte. Er sprach weiter von der "Informaci6n" oder dem Informativprozess, der den Wahrheitsgehalt ("realidad de la verdad") beweisen sollte, und fügte hinzu: die ganze Zeit war sie gelähmt, so dass sie sich ohne die Krücken nur mit grosser Mühe bewegte, wie in den Aussagen von etwa vierzig Zeugen feststehtY 85 Schmugge, Kollektive und individuelle Motivstrukturen, S. 270-279. 86 Nach den Befragungen auf seiner Reise im Bistum von Burgas schickte er dem Doktor Ramiro, dem Vikariatsrichter von Burgos, eine Kopie der Protokolle. f. 50 r- 51 v. Anhang 21. In Santo Domingo de Ia Calzada wurden die Zeugen aus dieser Stadt und aus Herramelluri gefragt. 87 f. 51 r-v. Anhang 75. <?page no="352"?> 342 Casilda del Rio 11.7 Die Wallfahrt Die Schauplätze des Geschehens in Casildas Erzählung über ihre Wallfahrt waren hauptsächlich das Spital und das Grab, während das Haus des Spitalverwalters und andere Plätze innerhalb der Kathedrale weniger bedeutend erschienen. Casildas Beziehungen zu anderen Menschen am Wallfahrtsort begannen mit Gesprächen, in denen sie immer wieder ihre Krankheitsgeschichte in verkürzter Form erzählte. Für Casilda bildete Alonso, der Spitalverwalter, eine mächtige und zugleich eine barmherzige Figur. Casilda schilderte ihre Wallfahrt nach Santo Domingo in ihrer Aussage: und sie kam im Spital der besagten Stadt an, so dass man ihr Almosen und eine kleine Mahlzeit gab, und da diejenige, die aussagt, so gelähmt war, wie sie gesagt hat, konnte sie nicht die Treppe hinaufgehen, und die Bediensteten des besagten Spitals brachten sie hinauf, und sie schlief mit zwei jungen Frauen des besagten Spitals und mit einem Mädchen, und damals erzählte sie ihnen über ihre Krankheit und wie gern sie Novenen halten würde, und so ging diejenige, die aussagt, am darauf folgenden Montag nach dem besagten Samstag aus dem Spital weg, und sie ging kniend und mit ihren Krücken zum Haus des besagten Herrn Spitalverwalters, um ihn um Gottes Willen zu bitten, ihr etwas Kleidung geben zu lassen, damit sie sie während der besagten Novenen in der Kapelle des glorreichen heiligen Körpers vom Herrn Heiligen Domingo anziehen konnte, und dieser befahl, dass man ihr Kleider gebe, und so ging diejenige, die aussagt, kniend und mit den zwei Krücken an einem anderen Tag am Morgen in die Mutterkirche dieser Stadt mit der Absicht, die besagte Novene anzufangen, und sie begann sie am Diensta g, dem letzten Tag im Januar, und am Mittwoch, dem ersten Tag im Februar, beichtete sie bei einem Kaplan der besagten Mutterkirche, von dem sie glaubt, dass er Vlctor Martinez de Peraiia heisst, und setzte danach die besagte Novene ständig fort, und in der Nacht des darauf folgenden Montags, der der sechste Februar war, als sie auf der besagten Kleidung neben dem Gitter der Kapelle des besagten glorreichen Heiligen lag, spürte sie vor Mitternacht einengrossen Schmerz in den beiden Beinen, obwohl sie den besagten Schmerz schon die ganze Nacht gespürt hatte, aber nicht so stark wie ab Mitternacht, und als sie mit diesem Schmerz war und laute Schreie ausstiess, indem sie sich dem Schutz unseres Herrn Gottes und unserer Herrin und des glorreichen Herrn Heiligen Domingo empfahl, erstarb die Flamme der Lampe des Allerheiligsten Sakraments, die sich in der besagten Kapelle befindet, und zwischen vier und fünf Uhr morgens des darauffolgenden Dienstags fragte sie ein Mädchen, das mit derjenigen war, die aussagt, aus Briones stammt und Maria heisst, danach, sich zu erheben und die b esagte Lampe anzuzünden, und dies e tat es, und als die besagte Lampe angezündet wurde, setzte sich diejenige, die aussagt, auf die besagte Kleidung, auf der sie lag, 88 und es schien ihr, dass sie keine Schmerzen spürte, und sie erhob sich und stand auf ihren Füssen ohne jegliche Schmerzen, und sie begann, in der besagten Mutterkirche frei ohne Krücken auf ihren Füssen herumzugehen, indem sie sich nur auf einer Krücke ein bisschen stützteund sich bei unserem 88 Nach Covarrubias bedeutete "ropa" (Kleidung) in einem allgemeinen Sinn das Vermögen oder die Habe und konkreter die Kleidung allein. <?page no="353"?> Die Wallfahrt 343 Herrn Gott für eine so grosse Gabe bedankte, die er ihr dank der Fürsprache des besagten glorreichen Heiligen gemacht hatte, und danach verzichtete sie auf die besagte Krücke und ging auf ihren Füssen, wie alle sie öffentlich sahen und sehen, und sie hatte und hat die Absicht, so viel Zeit in diesem Heiligen Spital zu dienen, wie der Herr Verwalter des besagten Spitals befiehlt.89 Casilda stellte eine Verbindung zwischen der Beichte und der Novene einerseits und dem U mziehungsakt andererseits in ihrer Erzählung her. Sie wollte die neue Kleidung, um sie bei der Novene anzuziehen. Diese bildete für sie ein wichtiges Selbstdarstellungsmittel vor Gott, vor dem Heiligen und vor den Mitmenschen. Sie wünschte sich, schön am Grab zu erscheinen, um Gott und dem Heiligen zu gefallen. Ihre Bitte bot Alonso die Gelegenheit, einen Wohltätigkeitsakt im Namen des Spitals zu vollziehen. Wie bei den übrigen in den Prozessakten verzeichneten Werken der Barmherzigkeit klingen die Verse des Neuen Testaments (Mt 25, 31-46) an . Hier natürlich Christi Behauptung: " Ich war nackt, und ihr habt mich bekleidet". Medel de Nieva, ein fünfundzwanzigjähriger Spitalangestellter aus Santo Domingo, wurde von Alonso beauftragt, ihr die Kleider zu geben. Er betonte ebenso Casildas frommen Zweck und erklärte, woher die Kleider kamen: und als sie in besagtem Spital war, sagte die besagte Casilda, dass sie Devotion hatte, um Novenen zu halten in der Kapelle des glorreichen Herrn Heiligen Domingo de Ia Calzada, dessen Reliquien sich in dieser Mutterkirche von Ia Calzada befinden; und so bat die besagte Casilda zu diesem Zweck den Spitalverwalter darum, ihr etwas Kleidung aus dem besagten Spital geben zu lassen, um in der besagten Kapelle zu sein und die besagte Novene zu halten; und so gab er ihr die besagte Kleidungaufgrund der Gnade des besagten Spitalverwalters. 90 Das Spital erhielt Schenkungen von Kleidern, und die weiblichen Spitalangestellten fertigten selber Kleider an. Casilda bekam vielleicht alte, schon gebrauchte Kleider des Spitals. Alles deutet darauf hin, dass es sich nicht um besondere Kleider wie die rituellen weissen Gewänder, welche die Miracules an den Prozessionen trugen, sondern um ganz gewöhnliche Alltagskleider, die Casildas soziale Stellung nicht ganz verhüllen konnten. Trotzdem darf man die symbolische Dimension der neuen Kleidung nicht übersehen. Zumindest für einen Kleriker wie Alonso muss dieser Aspekt klar gewesen sein. Denn das Ablegen alter Kleider und das Anziehen neuer Kleider geschah vor dem Beginn derNoveneund vor der Beichte. Die neue Kleidung diente wahrscheinlich auch dazu, die geistige Reinigung von den Sünden offenbar zu machen. Diese Art von Kleidersymbolik ist in zahlreichen spätmittelalterlichen geistlichen Erzählungen zu finden, welche auf biblische Bilder zurückgriffen. 91 89 f. 55 r. Anhang 76. 90 f. 58 v. Anhang 77. 9! H orn, Kleidung, S. 1431-1441; Brunner, G an z zerschnitten, S. 86-88. <?page no="354"?> 344 Casilda del Rio Es muss berücksichtigt werden, dass die Beichte für die meisten Laien während der Frühen Neuzeit ein sozialer Akt blieb. Nur die Oberschicht hielt sie seit dem 15. Jahrhundert zunehmend für eine private Angelegenheit, bei der die Überprüfung des Gewissens im inneren Dialog an Bedeutung gewann.92 11.8 Beziehungen und Gespräche Casilda wies in ihrer Aussage auf ihre Begegnungen im Spital und in der Kathedrale hin. Sie redete über die Frauen, mit denen sie im Spital schlief, sowie über ihren Beichtvater. Die Zeugen erzählten den Richtern einiges davon. Auch wenn sie diese Gespräche und die damit einhergehenden Erzählungen nicht wörtlich oder sehr getreulich wiedergaben, erlauben ihre schriftlichen Aufzeichnungen Einblick in die Merkmale des Gesprächsverhaltens in verschiedenen Alltagssituationen. Die Erzählstrategien, der soziale Status der Zeugen und die Rollenverteilung im Gespräch beeinflussten diese Alltagsgespräche und -erzählungen. Das zentrale Gesprächsthema bei diesen Begegnungen war Casildas Krankheit und ihre mögliche Heilung. Darüber unterhielt sich Casilda mit zwei Frauen gerade nach ihrer Ankunft und in der ersten Nacht im Spital. Die erste hiess Doiia Maria Magdalena, eine Frau aus dem niederen Adel, einer Hidalga, wie ihre Anredeform "doiia" zeigt. 93 Sie war fünfunddreissig Jahre alt und lebte im Spital, aber aus den Quellen geht nicht hervor, ob sie eine der Pflegerinnen oder-lnsassinnen war. Früher hatte sie bei der Herzogin von Frias gedient. Die andere Frau, der Casilda am ersten Tag begegnete, ist uns gut bekannt: Catalina de Flores, die nach ihrer Wunderheilung als Spitalangestellte in Santo Domingos Spital arbeitete. Beide Zeuginnen berichteten über Casildas Ankunft, ihren Empfang, die Gespräche mit ihr sowie spätere Kontakte. Doiia Maria Magdalena sagte aus: dass diese Zeugin sah, dass die besagte Casilda an einem Samstag, es kann vor etwa einem Monat gewesen sein, in dem besagten Spital ankam; und diese Zeugin ging zum Tor des besagten Spitals hinunter, wo sie sie sah, und diese Zeugin fragte die besagte Casilda, was sie habe, und diese sagte, dass sie seit drei Jahren an den Beinen gelähmt sei, und sie fragte sie, wie ihr das geschehen sei, und sie sagte, sie sei in einen Fluss hineingegangen, um Rohrkolben -- -- 92 Bossy, Christianity, S. 45-49, 126-128. Wie naheliegend die Verbindung zwischen äusserer Erscheinung und seelischer Erneuerung dank dem Sakrament der Beichte war, zeigt sich in dem Artikel des 1611 veröffentlichten Wörterbuchs von Covarrubias. Das Stichwort "ropa" gibt dem Autor Anlass zu einem Exkurs über die für ein Bankett unangebrachte Kleidung eines Gastes. Der Exkurs endet folgendermassen: "So ist der Sünder, der, ohne die Gewissensprüfung gemacht, seine Sünden bereut und sie beim P{arrer gebeichtet zu haben, sich zusammen mit den anderen dem himmlischen Tisch der Kommunion nähert". 93 Zu anderen Beispielen von Hidalgas in Spitälern vgl. Martz, Poverty and Welfare, S. 202- 206. <?page no="355"?> Beziehungen und Gespräche 345 zu ernten; und diese Zeugin sah, wie sie mit zwei Krücken und kniend am Boden kroch, und die besagte Casilda erzählte dieser Zeugin, dass sie eine grosse Devotion für den glorreichen Herrn Heiligen Domingo de Ia Calzada hatte und dass sie Novenen in seiner Kapelle halten wollte und dass sie es für wahr hielt und die Hoffnung darauf hegte, dass Gott sie dank seiner Fürsprache heilen würde; und diese Zeugin sagte ihr, dass dies eine sehr gute und sehr fromme Sache sei und dass sie hoffte, Gott würde sie dank denN ovenen heilen; und so sah diese Zeugin, dass sie in der besagten Kirche und in der Kapelle des besagten glorreichen Heiligen war und dort einige Tage die Novene hielt, in denen diese Zeugin in die besagte Kirche ging und mit ihr spach und sie besuchte.9 4 Catalina de Flores schilderte Casildas Aufnahme im Spital aus ihrer Sicht und setzte dabei andere Schwerpunkte in ihrer Beschreibung als Doiia Marfa Magdalena. Wenn man bedenkt, dass die Richter ähnliche Fragen an beide Zeuginnen stellten, fällt es auf, wie unterschiedlich ihre Aussagen sind. Vor allem weist das Gespräch zwischen Casilda und Catalina eigene Züge aus: und dass diese Zeugin an einem Samstag vor etwa einem Monat sah, dass die besagte Casilda auf einem Esel reitend in dieses Spital gebracht wurde, und dass sie damals sah, dass sie an den Beinen sehr gelähmt war; und deshalb halfen ihr einige im Spital anwesende Leute vom Tier herunter, auf dem sie kam; und einmal unten, da sie, wie sie gesagt hat, gelähmt war, und die Treppe hinauf im Spital nicht gehen konnte, sah sie, dass drei Bedienstete des besagten Spitals sie in die Arme nahmen und sie hinauf zum besagten Spital brachten, und zwar in die obere Küche zum Herdfeuer, wo man ihr ein Abendessen gab; und danach legte man sie ins Bett mit dieser Zeugin und mit einer anderen jungen Frau, die im besagten Spitallebte und Marfa de Cortaza heisst, und als sie im Bett lagen, fragten sie diese Zeugin und die andere junge Frau, wie ihr diese Krankheit zugestossen war, derentwegen sie so gelähmt war, und jene [Casilda] sagte ihnen, dass die Lähmung in Burgos begann, weil sie ins Wasser eines Flusses hineingegangen war, und dass sie seit etwa drei Jahren gelähmt war, und dass sie aus ihrem Heimatort mit Devotion gekommen war, um Novenen zu halten in der Kapelle des heiligen Körpers des Herrn Heiligen Domingo, die sich in der Mutterkirche dieser Stadt befindet, und sie sagte dieser Zeugin, dass sie gehört habe, dass diese Zeugin gelähmt gewesen sei und während der Novenen, die sie in der besagten Kapelle gehalten hatte, geheilt worden wäre, und ob es so war; und diese Zeugin sagte ihr, es stimme, dass sie an den Beinen gelähmt war und dass sie während der besagten Novene geheilt und befreit wurde, und dazu sagte die besagte Casilda, dass sie die besagten Novenen in der besagten Kapelle halten wollte. 95 Man kann beide Aussagen vergleichen, um Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen den Darstellungen von Casildas Empfang sowie zwischen den zwei Gesprächsmustern festzustellen. Die Eigenschaften ihrer Erzählungen 94 f. 57 v. Anhang 77. 95 f. 58v-59r. Anhang 77. <?page no="356"?> 346 Casilda del Rio und der wiedergegebenen Gespräche können in Beziehung zum sozialen Status und zur Stellung im Spital von Casildas Gesprächspartnerinnen gesetzt werden. Doiia Marfa Magdalena beschrieb die Umstände, welche die Gesprächssituation bei Casildas Ankunft begleiteten, ohne auf die Hilfeleistungen des Fuhrmanns oder der Bediensteten des Spitals hinzuweisen. Sie hob nur ihre eigenen Handlungen hervor: ihren Weg vom oberen Stock des Gebäudes zum Tor und das Gespräch mit Casilda selbst. Catalina de Flores hingegen ging ausführlich auf die von den anderen Bediensteten erbrachte Hilfe ein: Wie Casilda vom Tier herunterstieg, auf dem sie reitend ankam; wie sie in den Armen hinaufgetragen wurde und dass man ihr ein Abendessen gab. Diese unterschiedlichen Schwerpunkte der beiden Erzählungen entsprechen den verschiedenen Haltungen der zwei Zeuginnen gegenüber der Arbeit von Spitalangestellten und hängen mit ihrem sozialen Rang zusammen. Die Gesprächssituationen, in denen Casilda ihre Krankheitsgeschichte erzählte, waren auch sehr verschieden. Während Doiia Marfa Casilda vor dem Tor des Spitalgebäudes traf, lag Catalina de Flores mit Casilda und mit Marfa de Cortaza am Abend im Bett. 96 Die erste Situation war charakteristisch für die Aufnahmeprozedur einer solchen Institution und Doiia Marfa verhielt sich dementsprechend, indem sie die Anfangsfragen stellte. Das zweite Gespräch war durch seinen situativen Rahmen geprägt. Der körperliche Abstand zwischen den Gesprächspartnerinnen musste sehr gering sein und gewissermassen intim. Das Gespräch war tatsächlich viel weniger asymmetrisch als im ersten Fall, weil die soziale Distanz zwischen Casilda und ihren Bettgenossinnen geringer war. Zudem waren sie alle in ähnlichem Alter. Nur ihre institutionellen Rollen trennten sie voneinander: Casilda war Neuankömmling, während die beiden anderen bereits im Spital lebten, und von Catalina de Flores wissen wir sogar mit Sicherheit, dass sie dort arbeitete. Diese Rollenverteilung erklärt, weshalb Catalina de Flores und Marfa de Cortaza die Fragen, die Casildas Lähmung betrafen, als erste stellten. Der Gesprächsort hatte für Catalina de Flores eine besondere Bedeutung, weil sie und ihre Kusine während Catalinas Lähmung vergeblich um einen Platz im Spital gekämpft hatten. Die Ausrede des Spitalleiters Alonso war damals gewesen, dass Catalina de Flores ein Bett für sich allein beanspruchen würde. In ihrer Aussage im Prozess über Casildas Wunderheilung unterstrich sie nun gern, dass das Gespräch mit Casilda in einem Bett stattgefunden hatte, in dem noch eine weitere junge Frau schlief. 97 Das Bettgespräch zeigt ferner, wie die institutionelle Lenkung der Beziehungen im 96 Nach Casilda waren sie vier Personen im Bett: "und sie schlief mit zwei jungen Frauen des besagten Spitals und mit einem Mädchen" . 97 Die nachtridentinische Kirche verbat den Nonnen, zu zweit zu schlafen, was für sie als Verlust erfahren wurde. Schulte van Kessel, Jungfrauen und Mütter, S. 173 . <?page no="357"?> Beziehungen und Gespräche 347 Spital funktionierte. Es war kein Zufall, dass Casilda in dieses Bett gelegt wurde. Denn man hatte ihr vorher die Wundergeschichte ihrer Bettgenossin Catalina de Flores erzählt. Dies erlaubte Casilda, bei Catalina nachzufragen, um mehr über ihre Erlebnisse zu erfahren und sich dadurch für ihre Novenen vorzubereiten. Beim Gespräch zwischen Doiia Maria Magdalena und Casilda stand der Austausch von Erfahrungen hingegen nicht im Vordergrund. Doiia Maria Magdalena stellte Fragen über die Krankheit und liess Casilda darüber hinaus über ihre Erlebnisse und Wünsche nach Heilung erzählen. Angesichts der sozialenUnterschiede zwischen ihnen muss es Casilda durchaus normal erschienen sein, dass Doiia Maria die initiierenden Gesprächsbeiträge leistete. Es ist bezeichnend, dass Casilda bei diesen wie bei früheren Gesprächen in anderen Spitälern nur eine verkürzte Version ihrer Krankheitsgeschichte erzählte. Sie beschränkte sich auf ihre Erkrankung im kalten Wasser und liess die schlechten Arbeitsbedingungen bei Mari Rodriguez aus, über welche sie den Richtern erst während der Einvernahmen genau berichtete. Casilda entwickelte diese Erzählstrategie bei den routinierten Befragungen nach ihrer Krankheit in den Spitälern und Privathäusern, in denen sie aufgenommen worden war. Ihre Erklärung für die Lähmung muss den Zuhörern eingeleuchtet haben, und sie hatte ausserdem einen Vorteil gegenüber der anderen Version: Sie brauchte weniger Erläuterungen über ihre Lebensumstände als die Beschreibung ihrer Stellung als Dienerin im Haus einer Witwe mit einem kranken Sohn. Durch diese Erzählstrategie entstand eine Alltagsfiktion, welche Wirklichkeit durch Wahrscheinlichkeit ersetzte, 98 denn ihre Erkrankung begann vielleicht in Sotragero, aber ihre kontinuierliche Gehunfähigkeit fing nach den Zeugenaussagen erst in Burgos an. Weitere Begegnungen ergaben sich in der Kathedrale. Casilda sprach zunächst mit dem Kaplan Pedro L6pez, der in diesem Augenblick keine Z e it hatte, ihr die Beichte abzunehmen, und sie zu einem anderen Kaplan schickte: Victor Martinez. Die Richter befragten Pedro L6pez als Zeugen, aber sie Unterliessen es, Casildas tatsächlichen Beichtvater einzuvernehmen. Sie wollten vielleicht vermeiden, dass der geringste Verdacht auf den Beichtvater fallen würde, er hätte das Beichtgeheimnis in seiner Aussage verletzt. Auf Grund der protestantischen Angriffe gegen die katholische Sakramentenlehre, insbesonders gegen die Beichte in ihrer bisherigen Form, wurden solche Fragen äusserst brisant. Die spanischen Theologen hatten sich 1551 in Trient stark dafür eingesetzt, dass die Beichte entgegen der protestantischen Meinung individuell und geheim blieb. 99 98 Zu dem Begriff"Alltagsfiktion" in konversationeilen Erzählungen vgl. Stempel, Alltagsfiktion, S. 395-398. 99 Llorca, Participaci6n de Espafia, S. 439-443. Zu den Veränderungen der Beichte nach dem Tridentinum vgl. Prosperi, Tribunali della coscienza, S. 213-548. DieUmstände der ersten <?page no="358"?> 348 Casilda del Rio Während der Novene besuchten mehrere Dienerinnen des Spitals Casilda am Grab, wo sie die Nächte verbrachte, sprachen mit ihr und pflegten sie sogar dort. Dadurch knüpfte Casilda weitere Kontakte mit Frauen, die ihr halfen und sich für sie interessierten. Die einundzwanzigjährige Spitalangestellte Catalina de Camprohirr schilderte ihre Beziehung zu Casilda während der Novene am ausführlichsten. In ihrer Aussage erscheint das Grab als ein Ort weiblicher Heiltätigkeit, an dem der Einfluss der im Spital arbeitenden Frauen auf die Krankenbehandlung noch grösser war als im Spital selbst. Am Grab verliess sich Casilda zum Beispiel auf Catalina de Camprobfn. Diese salbte die Kranke mit einem Öl, dem sie eine heilende Wirkung zuschrieb: 100 und diese Zeugi! : l besuchte sie in der besagten Kapelle; und diese Zeugin rieb ihre Beine mit 01 von der Lampe ein, welche das Allerheiligste Sakrament beleuchtete und sich in der besagten Kapelle befand; und wenn sie die besagte Casilda so einrieb, schrie sie sehr laut aus Schmerz an den Beinen, denn diese Zeugin hiess sie diese strecken; und sie sah, dass sie zweimal auf den Boden fiel, weil sie nicht auf den Beinen stehen konnte. 101 Catalina de Camprohirr verstand ihre therapeutische Tätigkeit als ein Barmherzigkeitswerk, das von den Klerikern erwähnt werden sollte. An diese Erzählung knüpfte sie deshalb eine andere an, in der es um ein weiteres Beispiel für Wohltätigkeit im Rahmen der Arbeit im Spital ging: die Sorge um ein vor der Tür der Kathedrale ausgesetztes Kind, eine Aufgabe, die zu den Frauenpflichten im Spital gehörten. Diese Erzählung war für die Richter insofern relevant, als Catalina dabei Casilda am Grab wieder hatte beobachten können: und eine Nacht, als die besagte Casilda die besagte Novene hielt, ging diese Zeugin zwischen neun und zehn Uhr in die besagte Mutterkirche, weil man ihr sagte, ein neugeborenes Kind sei vor der Tür verlassen worden; und sie wollte das Kind in das besagte Spital bringen, um ihm etwas zu geben und es dadurch zu retten; und als diese Zeugin mit Catalina de Flores, Dienerirr des besagten Spitals, in die Kirche ging, sahen sie, dass Casilda auf der besagten Kleidung in der besagten Kapelle lag und dass sie ein sehr rotes Gesicht hatte und schrie: "Glorreicher heiliger Körper, helft mir, denn ich sterbe"; und so gingen sie aus der besagten Kirche hinaus und brachten das neugeborene Kind ins besagte Spital. 102 Mitteilung und Niederschrift der Wundererzählungen konnten je nach Ort und Epoche sehr unterschiedlich sein. In den Österreichischen Pilgerzentren des 18. Jahrhundert war die Mitteilung an den Beichtvater die häufigste Form der ersten Bekanntgabe eines Mirakels. Der Beichtvater spielte deshalb in solchen Fällen eine entscheidende Rolle bei der Verfassung der ersten Version. Schneider, Weltbild barocker Mirakelerzählungen, S. 186-188.. 100 Zu den Heilpraktiken an Wallfahrtsorten vgl. Krötzl, Pilger, S. 221-230; Signori, Maria zwischen Kathedrale, Kloster und Welt, S. 36-42; Jimenez Monteserin, Notas de sociabilidad religiosa, S. 35-51. 101 f. 60 r. Anhang 78. 102 f. 60 r. Anhang 78 . <?page no="359"?> Beziehungen und Gespräche 349 Casilda soll sich also um ihr Leben gefürchtet und aus Angst geschrien haben, als sie sich an den Heiligen Domingo wandte. Die Szene beeindruckte sowohl Catalina de Camprobin als auch Catalina de Flores, die in ihrer Aussage ebenfalls darüber berichtete. 103 Als Catalina de Camprobin erfuhr, dass Casilda wieder gehen konnte, freute sie sich besonders: und am darauf folgenden Tag am Morgen kam die Frau von Andres de Vesga, dem Glockenläuter, Bürger der besagten Stadt, ins Spital, und sie sagte dieser Zeugin: "Gib mir einen Botenlohn, Catalina"; und diese Zeugin fragte sie, was los sei; und die besagte de Vesga erzählte, dass die besagte Casilda ohne Krücken auf ihren eigenen Füssen gut und ohne Hilfe gehen konnte, wofür diese Zeugin Gott dankte; und sie ging in die besagte Mutterkirche, in der die besagte Casilda war, und sie sah, dass sie die Messe stehend hörte und eine Krücke in den Händen hielt; und diese Zeugin hiess sie die Krücke beiseite zu lassen und ging mit der besagten Casilda von dem Platz, wo sie die Messe hörte, bis vor dem Altar des heiligen Körpers, und sie sah, wie sie gesund und auf ihren Füssen ging.104 Ihre Beschreibung der Mitteilung der erfreulichen Nachricht gibt uns den Schlüssel, um die Funktion dieser Erzählung über die Heilung in ihrem Kontext zu verstehen. Die Frau von Andres de Vesga, deren Vorname Catalina de Camprobin nicht erwähnte, hatte ihr gesagt, sie solle ihr einen Botenlohn(" albricias ")geben. Diese Gesprächseröffnung machte Casilda neugierig, und sie fragte sofort nach mehr Information. Der Wunsch nach einem Botenlohn gibt ausserdem Aufschluss über die Auffassung der beiden Frauen über die Wundererzählung. Sie verstanden die erzählte Geschichte aus erster Hand als ein Geschenk oder eine Gabe, für die ein Botenlohn gerechtfertigt war. "Albricias" ist ein Wort arabischer Herkunft, deren ursprüngliche Bedeutung nach Covarrubias im 17. Jahrhundert noch aktuell war: Pater Guadix sagt, es sei ein arabischer Name, vom "albaxara", das heisst Verkündigung. [...]was man demjenigen gibt, der uns eine gute Nachricht überbringt. Manche meinen, dass "albricias" von "albicias" komme, weil jeder, der erfreuliche Nachrichten mitteilte, im weissen Anzug ankam, so wie derjenige, der das Beileid ausspricht, eine schwarze Trauerkappe trägt. 105 Die Sitte war also immer noch bekannt und bestand darin, den Überbringern guter Nachrichten etwas zu bezahlen. Die dahinter stehende Logik entsprach derjenigen der Erwiderung einer Gabe oder eines Geschenkes durch eine Gegengabe. 106 Diese Form des sozialen Umgangs betraf nicht nur den Austausch von materiellen Gütern, sondern auch unterschiedlicher Dienste und Leistungen. Man kann deshalb die These aufstellen, dass die 103 f. 59 r-v. 104 f. 60 r-v. Anhang 78. 105 Anhang 78. 106 Zur Gabe als Form des sozialen Austausches vgl. Mauss, Die Gabe, S. 9-144. <?page no="360"?> 350 Casilda del Rio Erzählung über die Heilung für beide Frauen als ein Geschenk galt, welches ähnlichen Regeln unterworfen war wie die Geschenke materieller Art. Eine dieser Regel war: Jede Gabe schafft Verpflichtungen. Die frohe Botschaft des erzählten Wunders und seine Konsequenzen für die Betroffene wurde mit einer symbolischen Gegengabe erwidert, die wichtiger war als der materielle Wert der "albricia". Die Erzählerin und Botin der Nachricht erwartete von Catalina de Camprobfn, dass sie die Geschichte glaubte und Gott für Casildas Heilung dankte, wie sie selbst es tat. <?page no="361"?> 12 Marfa de Aperriguis Vision Der Kostpfründner und Leiter des Spitals von Santo Domingo de la Calzada, Alonso Fernandez, und der Kanoniker Juan de Valencia unternahmen die ersten administrativen Schritte vor dem K apitel der Kathedrale, um am 19. April1559 einen neuen Prozess einzuleiten. 1 Sie richteten sich daraufhin in einer Bitte an den kirchlichen Richter, den Kostpfründer Francisco de Verganzo, und an den weltlichen Richter, den neuen Corregidor der Stadt: den Doktor Torres. 2 Im Mittelpunkt des Prozesses stand dieses Mal eine Vision oder Erscheinung und Wunderheilung zugleich. 3 In der Bitte der beiden Kleriker sind die Fragen leider nicht enthalten, welche den Zeugen gestellt wurden. Nur eine erste Zusammenfassung des Geschehens ist in der Supplik zu lesen. 4 Es ist jedoch anzunehmen, dass die Kleriker sich auf ihre erste Zusammenfassung stützten, um die Fragen an die Zeugen und an Maria selbst zu formulieren, diese vierzigjährige arme Witwe, die ihrer Aussage nach zusammen mit anderen Frauen den Heiligen Domingo gesehen hatte und von ihm geheilt worden war. Wie in den vorherigen Prozessen muss sich der Leiter des Spitals mit der Betroffenen über ihre Erlebnisse unterhalten haben, bevor er die erste schriftliche Version der Vision für die Bitte an die Richter verfasste. Diese erste den Prozess einleitende Zusammenfassung der Kleriker entspricht im Wesentlichen der Fassung von Mariade Aperrigui während der Einvernahme. Ihre lange Erzählung lässt sich in drei thematische Einheiten gliedern: Zunächst berichtet Maria über ihre Krankheit und über die Hilfe ihrer Tochter undNachbarinnenwährend derselben; danach geht sie auf die Vision des Heiligen Domingo ein; schliesslich schildert sie ihre Heilung und eine Reihe von zum Teil wunderbaren Ereigniss en, die nach ihrer Genesung in ihrem Haus geschahen. 1 Der Prozess endete am 27. April1559. 2 f. 65 r-v. Für den weiteren Verlauf des Prozesses war Alonso Fernandez allein verantwortlich. Er bekam dafür eine Vollmacht des Kanonikers . 3 Im F olgenden wird keine Unterscheidung zwischen "Vision" und "Erscheinung" gemacht, wie dies etw a von P. Dinzelbacher vertreten wird. Dinzelbacher, Vision, S. 29-56. Die hier erwähnte Vision entspricht dem von W A. Christian beschriebenen Typ übernatürlicher Erfahrung von Laien in ihrem eigenen Lebensraum und nicht im jenseitigen Bereich (Himmel, Hölle oder Fegefeuer). Christian, Apariciones, S. 13-21. Zu dem Begriff Vision vgl. au ch Haas, Begriff, S. 172-220. Zur Mystik in den spanischen Frauenklöstern des 16. und 17. Jahrhunderts vgl. Poutrin, Le voile et Ia plume, passim. Zum Lebensraum einer armen alleinstehenden Frau im d amaligen Toledo sowie zu ihren Kleidern und Möbeln vgl. M artz, Poverty and Welfar e, S. 201. 4 f. 65 r. <?page no="362"?> 352 Maria de Aperriguis Vision Jeder Teil verdient im Folgenden eine besondere Aufmerksamkeit und gibt Aufschluss über unterschiedliche Aspekte ihres Krankheits- und Heilungserlebnisses. Im ersten Teil erfahren wir einiges über Marias Lebensbedingungen während der Krankheit. Die Hinweise auf die Hilfe anderer Frauen erlauben uns, ihr Beziehungsgeflecht zu rekonstruieren und die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Helferinnen je nach ihrer sozialen Stellung und aufgrund ihrer verwandschaftliehen oder nachbarschaftliehen Beziehung zu den Kranken zu charakterisieren. Im zweiten Teil ihrer Geschichte berichtete Maria über den Besuch des Heiligen, den sie nicht auf Anhieb erkannt hatte, in ihrem Haus. Erst nachdem er weggegangen war, merkte sie, dass der Pilger, mit dem sie gesprochen hatte, der Heilige Domingo sein musste. Dadurch kennzeichnete sie selbst ihr Erlebnis als eine Visionsedahrung. Wie die meisten visionären Laien im damaligen Spanien sprach Maria nicht von einem Zustand der Ekstase oder der Entrückung während der Vision. 5 Sie war ganz wach, und das Gesehene schien ihr so real wie die Wirklichkeit zu sein. Wir können nicht überprüfen, ob es sich bei dieser Visionserfahrung um ein neurologisches oder psychiatrisches Phänomen handelt. Es ist unmöglich zu wissen, ob Maria Halluzinationen aufgrund ihrer mangelnden Ernährung erlebte, 6 ob sie ein "oneiroides" (traumartiges) Erleben während ihrer langen Krankheit hatte 7 oder ob sie Brot mit halluzinogenen Kräutern konsumierte 8, um nur einige der möglichen Erklärungen derartiger Visionen von Laien zu erwähnen, die man in der Sekundärliteratur zu diesem Thema finden kann. Es wäre aber viel zu einfach anzunehmen, Maria hätte tatsächlich den Besuch eines Pilgers kurz vor ihrer Heilung empfangen und ihn später für den Heiligen gehalten. Auch in diesem Fall müsste man erklären, warum ihre Geschichte anderen Visionserzählungen dermassen stark ähnelt. Unser Erkenntnisinteresse besteht vielmehr darin, Marias Vorstellungs- und Erzählwelt zu rekonstruieren, um ihre eigene Deutung ihrer Krankheit und der Heilung zu verstehen. Ihre Erzählung gibt Einblick in den frauenspezifischen Gebrauch religiöser Symbole aus dem Bereich der Eucharistiefrömmigkeit, der Wohltätigkeit und des Wallfahrtswesens. Sie sagt darüber hinaus vieles über den geschlechtsspezifischen Umgang mit einem fremden Mann, einem Pilger, im Haus einer Witwe sowie über die Binde-Riten, welche die Gastfreundschaft kennzeichneten. Doch mehr noch: Es handelt sich hier um eine Kollektivvision, an der Marias Tochter und eine Nachbarin teilnahmen. Und Maria erzählte zudem ihre Erlebnisse ihren Freunden und Bekannten weiter. Dadurch entstanden 5 Christian, Apariciones, S. 235-236. 6 Camporesi, Brot der Träume, S. 155-169. Schmidt-D ag enhard, Oneiroide Erlebnisform, passim. Camporesi, Brot der Träume, S. 179- 198. <?page no="363"?> Maria und ihre Pflegerinnen 353 mehrere Versionen, die sich in den verschiedenen Zeugenaussagen niederschlugen und sich miteinander vergleichen lassen. Die Vergleiche sind insofern reizvoll, als sie zeigen, wie die einzelnen Stimmen gleiche oder ähnliche Erzählmotive unterschiedlich kombinieren, verändern, ausführen und erweitern konnten, so dass sie immer neue Wirkungen erzeugten. Auch wenn die strukturellen Vorgaben durch die richterliche Befragung bestimmt wurden, weisen die Aussagen in verschiedene Richtungen. So ergibt sich aus der Vielzahl der Blickpunkte von den Zeugen eine kommplexe kollektive Darstellung des Heiligen Domingo als Pilger. Schliesslich schilderte Marfa, wie die Heilung verlaufen war und welche Reaktionen ihr gesunder Zustand in ihrer Umgebung hervorgerufen hatte. Dabei lassen sich das Verhältnis der Geschlechter und die Bedeutung schichtspezifischer Handlungsweisen in einer ländlichen Kleinstadt wie Briones betrachten. Marfas letzte Hinweise auf ein weiteres Wunder in ihrem Haus, das jedoch dem ersten und wichtigeren Wunder unterzuordnen ist, zeigen, wie sie ihre Mutterrolle verstand und wie sie Wörter aus dem religiösen Bereich verwendete, um ihre Lebenssituationen zu beschreiben und ihre Sehnsüchte nach Nahrung, Begleitung und Bewegungsfähigkeit auszudrücken. Maria de Aperriguis lange Erzählung bildete also den Erzählkern des ganzen Verfahrens. Die Richter fahndeten aufgrunddes von den zwei oben erwähnten Klerikern verfassten Fragebogens nach Einzelheiten der Vision und des Heilungswunders, um diese so detailgetreu zu rekonstruieren wie möglich. Sie befragten fünf Männer aus Briones: den pfarrer Juan L6pez Herrera, Juan Ortiz de Aperrigui, Francisco Ortiz de Aperrigui, Pedro de Ventrosa und Jer6nimo Domfnguez; sowie vier Frauen: Marfa de Zuiieda, Marfa de Ventrosa, Marfa de Gayangos und Catalina de Anguiano. 12.1 Maria und ihre Pflegerinnen Catalina de Foncea, Catalina de Flores und Casilda del Rio waren junge Frauen, deren Beziehungen aus Haushalt, Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft und in Arbeitsverhältnissen nicht genügend dicht waren, um ihr Absinken in die Bedürftigkeit zu verhindern. Alle drei mussten betteln, um zu überleben. Ihr Sozialkapital war so gering und ihre Integration in die Beziehungsnetze ihrer Ortschaften und der Stadt Santo Domingo dermassen schwach, dass sie der öffentlichen Fürsorgeeinrichtungen bedurften. 9 Marfa de Aperrigui befand sich in einer etwas besseren sozialen Lage als die drei jungen Frauen, auch wenn sie zu den Armen ihrer Ortschaft Briones 9 Junge Frauen und Männer bildeten die wichtigsten Altersgruppen in den Spitälern. Martz, Poverty and Welfare, S. 211 -213. <?page no="364"?> 354 Mariade Aperriguis Vision zählte. Um den schwierigen Alltag zu bewältigen, konnte sie sich um Hilfe an ihre Familie werden und sich auf einige Nachbarinnen stützen. Sie bekam sogar manche Unterstützung von einem Pfarrer, der ihr Almosen gab. Wie die meisten Armen in der Frühen Neuzeit war sie also, statt auf fürsorgliche Institutionen zählen zu können, hauptsächlich auf die Selbsthilfe angewiesen. Unter Selbsthilfe versteht man die Hilfe, welche sich Unterschichtsangehörige gegenseitig leisteten. Für alle Angehörigen dieser sozialen Schicht war das Absinken in die Armut ein reales Risiko . 10 Mariagelang es, sich dank ihrem Sozialkapital, ihren menschlichen Beziehungen in Haushalt, Familie und Freundeskreis während ihrer neunmonatigen Lähmung durchzuschlagen, ohne auf der Strasse betteln zu müssen. 11 Die Krankenhilfe, die Marfa bekommen hatte, interessierte die Richter, weil sie über die guten Werke informiert sein wollten, welche die Leute aus ihrer Umgebung an ihr vor dem Wunder vollbracht hatten. Die Pflegeleistungen standen deshalb nicht nur in Marfa de Aperriguis Aussage, sondern auch in den Erzählungen der Zeugen im Mittelpunkt. Maria schilderte zuerst ihre Erkrankung, erklärte dann die Dauer ihrer Krankheit und beschrieb schliesslich, wie "manche Leute" sie pflegten: dass diejenige, die aussagt, in der Woche des Heiligen Petrus, und zwar am 29. Juni des letzten Jahres, 1558, an einem "pujamiento de sangre" [Blutfluss] erkrankte, und sie wurde deshalb zweimal zur Ader gelassen, und sie blieb etwa fünfzehn Tage auf diese Weise krank, und die besagte Krankheit verschlechterte sich dermassen, dass sie an Füssen und Händen gelähmt wurde, und sogar an fast dem ganzen Körper; und so war sie krank und gelähmt und litt an starken Schmerzen und verspürte Müdigkeit wegen dieser Krankheit; und so war sie im Bett, ohne sich bewegen zu können, ausser wenn man ihr half und sie bewegte; sie konnte weder essen noch etwas zum Mund nehmen, ausser wenn andere Leute es ihr mit ihren Händen gaben; und so war sie krank und gelähmt neun Monate lang im besagten Bett; und in den ersten sechs Monaten wurde sie aus dem besagten Bett hinausgebracht, in dem sie lag, und sie konnte selbst nicht aufstehen, sich auch nicht bewegen, wie sie gesagt hat, ausser wenn sie bewegt wurde; und manche Leute hoben sie in den übrigen drei Monaten auf einer Decke manchmal auf und brachten sie vom Bett an die Sonne und legten sie draussen, um ein gutes Werk zu vollbringen, bis diese und andere Leute kamen, um sie wieder ins Bett zurückzubringen, in dem sie krank lag; und so war sie neun Monate lang gelähmt, wie sie gesagt hat, so dass sie weder die Hände noch andere Körpert eile benutzen konnte, ausser wenn sie die Betttücher mit dem Mund und mit den Zähnen biss, um sie heraufzuziehen und sich dadurch zu deckenY IO Dinges, Armenfürsorge, S. 20-26; Jütte, Poverty, 5.83-99. 11 Die damaligen Theologen verwendeten den Begriff "verschämte Arme" für diese Art von Armen, die nicht bettelten, zu Hause blieben und soziale Unterstützung bekamen. Vgl. das Kapitel über die Caritaslehre. 12 f. 67 r. Anhang 79. <?page no="365"?> Maria und ihre Pflegerinnen 355 Die "Leute" waren vor allem drei Frauen: ihre Tochter, Marfa de Gayangos und eine Nachbarin aus ihrem Viertel, Marfa de Zuiieda, sowie die Tochter eines sozial besser gestellten Mannes aus Briones, Marfa de Ventrosa, die in einem anderen Viertellebte als Marfa de Aperrigui. Hinzu kamen einige Männer: insbesondere der pfarrer, Diegode An! valo, 13 und Francisco Ortiz de Aperrigui. 14 Die Hauptlast der Pflegearbeiten wurde jedoch von den drei Frauen getragen, zu denen Marfa unterschiedliche Beziehungen unterhielt. Es ist aufschlussreich, die Aussagen der drei Frauen im einzelnen zu betrachten, denn sie offenbaren manche Spannungen im Zusammenhang mit der Pflege von Marfa de Aperrigui. Dabei muss hervorgehoben werden, dass der grösste Teil der Pflegearbeiten auf der Tochter, Maria de Gayangos, lastete, wie es aus ihrer Aussage hervorgeht: denn diese Zeugin musste als Tochter auf sie aufpassen und ihr bei der besagten Krankheit helfen; und diese Zeugin war deshalb sehr häufig in dem besagten Bett vor der besagten Krankheit [sie], und sie bewegte sie in dem Bett, wo sie lag, weil die besagte Marfa de Aperrigui sich weder erheben noch auf ihren Füssen stehen konnte [ ... ] und die besagte Zeugin gab ihr mit ihren Händen zu essen und zu trinken, weil sie es mit ihren Händen nicht tun konnte, und andere Leute taten dies auch manchma! .l 5 Marfa de Gayangos scheint gerne weg von ihrem Haus gegangen zu sein, um nicht immer bei der kranken Mutter bleiben zu müssen. Am liebsten leistete sie der Nachbarin Marfa de Zuiieda Gesellschaft. Diese trat als erwachsene verheiratete Frau auf, wenn sie mit ihr zusammen sprach, obwohl sie nicht viel älter war. Die Nachbarin war keine gleichgestellte Freundin, sondern eine Frau aus derselben Schicht, deren Zivilstand einen Rangunterschied verkörperte. Dies wird vor allem bei den Beschreibungen der Ankunft des Pilgers und Heiligen in Briones deutlich. Nach den Aussagen beider Zeuginnen sprach Marfa de Gayangos mit Marfa de Zuiieda vor deren Haus, als der Pilger ankam. Sobald dieser Mann ein Gespräch mit den beiden anfing und ihnen mehrere Fragen stellte, benahm sich Marfa de Zuiieda gegenüber Marfa de Gayangos als Autoritätsperson: als diese Zeugin zusammen mit der besagten Tochter von Marfa de Aperrigui in der Sonne vor ihrer Haustür in dem Viertel von Cuartango der besagten Kleinstadt sass, kam ein Pilger an, der als solcher gekleidet war [...] und fragte diese Zeugin, ob es jemanden in Not in der besagten Kleinstadt gebe; und die besagte Maria, Tochter der besagten Mariade Aperrigui, sagte, dass es viele Bedürftige in der besagten Kleinstadt gebe; und diese Zeugin fragte den besagten Pilger: "Warum fragt Ihr es? ", worauf er antwortete: "Sagt es mir, keine Angst! " Und diese Zeugin sagte: "Es gibt da eine Frau, die seit langem krank im Bett liegt und sich sehr in Not befindet." Und der besagte 13 f. 72 r. 14 Der Verwandtschaftsgrad dieses Zeugen mit Mariade Aperrigui lässt sich aus den Quellen nicht erschliessen. f. 74 r. 15 f. 78 r. Anhang 79. <?page no="366"?> 356 Maria de Aperriguis Vision Pilger sagte dieser Zeugin, dass sie sie ihm zeigen sollte; und so sagte diese Zeugin der besagten Marfa, Tochter der besagten Marfa de Aperrigui, die mit der Zeugin zusammen war: "Stehe auf und gehe mit ihm zu deiner Mutter"; und die besagte Marfa stand ihrer Meinung nach nur widerwillig auf und zeigte eine gewisse Angst vor dem besagten Mann; und so sagte diese Zeugin einer Schwester, dass sie auf ein Kind aufpassen sollte, das sie im Bett hatte, während diese Zeugin mit dem besagten Pilger und mit der besagten Marfa zu der besagten Marfa de Aperrigui ging. 16 Mariade Ventrosas besondere soziale Stellung prägte ihre Beziehung zu den anderen Frauen. Ihr Vater beauftragte sie damit, der gelähmten Witwe Almosen zu bringen und sie zu pflegen. Das vom Vater geforderte gute Handeln an der armen Frau war vornehmlich religiös motiviert. Ein solches Werk der Barmherzigkeit sollte der gebenden Familie Vorteile aus heilsökonomischer Sicht bringen. Man erwartete Gegenleistungen von Gott im Jenseits in Bezug auf die spirituelle Heilung der Familienmitglieder. Man war sich ferner dessen bewusst, dass gute Werke der irdischen Ehre der Familie dienten. Mariad e Ventrosa trat also als Wohltäterin im Namen der Familie auf, während Maria de Aperrigui das Objekt ihrer Fürsorge darstellte. In einer derartigen Beziehung konnten die Frauen den Regeln der sozialen Hierarchie nicht völlig entkommen. Die Almosen und die Hilfeleistungen drückten die Solidarität aus, aber sie festigten zugleich die gesellschaftliche RangordnungY Der Vater, Pedro de Ventrosa, sagte aus, dass er nicht nur seine Tochter Maria zu Maria de Aperrigui schickte, sondern auch andere Leute aus seinem Haushalt, um Wohltätigkeit auszuüben: und dieser Zeuge schickte Leute aus seinem Haus zu ihr, um ihr Almosen zu bringen und dadurch zu dem Unterhalt von Marfa de Aperrigui beizutragen; und die Leute von ihrem Haus, die dies taten, erzählten ihm von ihrem schlechten Zustand. 18 Maria de Ventrosa betonte ihrerseits auch, dass sie den Auftrag von ihrem Vater bekommen hatte: "und sie besuchte sie manchmal und gab ihr Almosen im Auftrag ihres Vaters". 19 Mariade Ventrosa legte in ihrer Aussage viel Wert auf ihren eigenständigen Vollzug der Wohltätigkeit. Sie wollte zeigen, dass sie solche Hilfeleistungen nicht dem Gesinde überliess. Ihre Aussagen und diejenigen der anderen Zeuginnen erwecken trotzdem den Eindruck, dass sie weder mit Mariade Aperrigui noch mit ihrer Tochter sehr vertraut war. Ihre Art, mit der kranken Mariade Aperrigui umzugehen, wirkt etwas zudringlich. Die Quellen liefern ausserdem keine Beschreibung von Gesprächsszenen zwischen ihr und Maria de Aperriguis Tochter, Maria de 16 f. 76 v. Anhang 80. 17 Zu dem Almosen als soziale Transaktion vgl. Gondar, Romarias e mendigos, S. 149-153. 18 f. 75 r. Anhang 80. 19 f. 77 r. Anhang 80. <?page no="367"?> Maria und ihre Pflegerinnen 357 Gayangos, wie diejenigen, die von dieser und Maria de Zuiieda berichten. Maria de Ventrosa erzählte über den Tag, an dem die Vision stattfand: am ersten Sonntag vor dem besagten Osterfest, dem 26. März des besagten Jahres ging diese Zeugin nach dem Essen aus dem Haus in die Einsiedlerkapelle von unserer Jungfrau del Remedia in der Nähe der besagten Kleinstadt, um dort zu beten; und danach, als diese Zeugin mit einer anderen jungen Frau, ihrer Nachbarin, nach Hause zurückkam, sagte sie ihr, sie solle mit Gott gehen [Abschiedsformel], weil diese Zeugin die besagte Mariade Aperrigui besuchen wollte, die krank in ihrem Haus war; und diese Zeugin ging zu dem Bett, wo die besagte Maria de Aperrigui lag, wo diese Zeugin sie schon früher besucht hatte, wie sie gesagt hat; und sie besuchte sie und sprach mit ihr; und diese Zeugin fragte sie, ob sie aufstehen wollte und wie es ihr ging; und sie sagte ihr, dass sie so bleiben wollte, weil sie Angst davor hatte aufzustehen und dann umzufallen und sich wehzutun; und dass ihre Tochter ihr gesagt hätte, es sei schlechtes Wetter, um aufzustehen; und diese Zeugin sagte ihr, dass sie gehen und ihre Tochter Marfa suchen würde; und wenn sie diese finden würde, würde sie mit ihr zurückkommen, um sie ein bisschen aufzuheben; und diese Zeugin suchte die besagte Maria, Tochter der besagten Mariade Aperrigui; und diese Zeugin kam nicht mehr dorthin zurück. 20 Dieser Ausschnitt aus der Aussage zeigt einen Mangel an Vertraulichkeit, der wahrscheinlich eine Folge der sozialen Distanz zwischen Mariade Ventrosa und den Frauen aus armen Verhältnissen in Briones darstellte. Dies muss auch der Grund dafür gewesen sein, dass sie vom gemeinsamen Erlebnis der Vision ausgeschlossen blieb, währ e nd die Nachbarin, Mariade Zuiieda, und die Tochter, Mariade Gayangos, zusammen mit Mariade Aperrigui daran teilnahmen. Mariade Ventrosa erfuhr erst später durch andere Frauen davon. Sie wollte aber sofort mehr darüber wissen und begab sich zu Maria de Aperriguis Haus in Begleitung eines Dieners ihres Vaters: und am Nachmittag des besagten Tages, als es dunkel wurde, erfuhr diese Zeugin von manchen Frauen, welche die besagte Marfa de Aperrigui gerade besucht und gesehen hatten, dass sie Gott sei Dank gesund war; und diese Zeugin ging deshalb mit einem Diener ihres Vaters zu der besagten Marfa de Aperrigui. 21 Aus den Aussagen der drei Helferinnen lassen sich drei Faktoren herauslesen, welche die Qualität der Hilfeleistungen bestimmten und die Intensität dieser Hilfe entscheidend beeinflussten: die soziale und die physische Distanz sowie der Altersunterschied. Die soziale Distanz ist der erste Faktor. Maria de Aperrigui stand als Witwe ihrem eigenen Haushalt vor. Als Haushaltsvorsteherio übte sie eine unmittelbare Macht über ihre Tochter aus und vertrat den Haushalt nach 20 f. 77 v. Anhang 81. 21 Ebd. Anhang 81. <?page no="368"?> 358 Mariade Aperriguis Vision aussenY Ihre Tochter lebte immer noch bei ihr, und die soziale Distanz zwischen den beiden war minimal. Aber Maria war arm, und ihr Haus lag nicht im Zentrum der Kleinstadt, sondern am Rande. Das soziale Gefälle zwischen der jungen Marfa de Ventrosa und ihr war eindeutig. Maria stammte aus einer höheren sozialen Schicht, in der die Wohltätigkeit wichtig war. Ihre Familie lebte im Zentrum von Briones. Auch wenn die Quellen sich über den Beruf des Vaters ausschweigen, bleibt seine höhere soziale Stellung und die soziale Distanz zu Mariade Aperrigui klar. Zu bemerken ist schliesslich, dass der soziale Unterschied zwischen Mariade Aperrigui und ihrer Nachbarin, Maria de Zuiieda, sehr viel geringer war. Die physische Distanz zwischen Maria und ihren Pflegerinnen spiegelt die soziale Distanz wider. Die Tochter lebte bei der Mutter und befand sich meistens am nächsten bei ihr. Die Nachbarin konnte schnell vorbeigehen, wenn ihre Hilfe dringend benötigt wurde. 23 Für Marfa de Ventrosa bedeutete der Weg bis zu Mariade Aperriguis Haus, insbesondere am Abend oder in der Nacht, eine umständliche und unübliche Angelegenheit, bei der sie sich von einem Diener ihres Vaters begleiten lassen musste. Der Altersunterschied darf schliesslich nicht übersehen werden. Maria de Zuiieda war eineeinundzwanzigjährige verheiratete Frau mit mindestens einem Kind. Mariade Ventrosa war siebzehn Jahre alt, lebte bei ihrem Vater und war ledig. Sie war nur ein Jahr älter als Marfa de Gayangos, die Tochter von Maria de Aperrigui. 12.2 Der Besuch des Jakobspilgers Maria de Aperrigui glaubte, den Heiligen Domingo de la Calzada gesehen zu haben. Mehrere Zeugen bestätigten vor den Richtern, dass Maria diese Begegnung tatsächlich erlebt hatte. Für diese Gruppe von Zeugen, welche Maria zum Teil sehr nahe standen, handelte es sich ihrer Aussage nach bei ihrer Vision und Wunderheilung um eine durchaus wahre Geschichte und um die einzige mögliche Erklärung für ihre Genesung. Zunächst muss man sich in diesem Fall fragen, welche Eigenschaften den Heiligen Domingo in der Vision kennzeichneten. 24 Die Attribute, der Charakter und das Aussehen des Heiligen sind hier merkwürdig und drücken d as Verständnis von Heiligkeit der Visionärinnen aus. In ihren Erzählungen beschrieben sie den Heiligen mit anderen Attributen als die in der Ikone- 22 Unklar ist, inwiefern Marfa de Aperriguis Sohn in ihrem Haushalt integriert war. Er wird nur im Zusammenhang mit einem gemeinsamen Festessen in ihrem Haus nach Marfas Heilung erwähnt. ZJ f. 76 V. 24 Zu den Eigenschaften der Jungfrau in spanischen Visionen aus dieser Zeit vgl. Christian, Apariciones, S. 110-113. <?page no="369"?> Der Besuch des Jakobspilgers 359 graphieund in den Legenden üblichen: Der Heilige Domingo erschien ihnen nicht als Mönch oder Eremit, sondern als Jakobspilger. In Marfas Beschreibung von der Begegnung mit diesem Pilger kumulieren sich ausserdem Elemente aus der Eucharistie-, Caritas- und Pilgerfahrtssymbolik: Der als Pilger gekleidete Heilige besuchte die arme Maria in ihrem Haus und erzählte ihr, dass auch er viel gelitten hatte. Er warnte ihre Tochter vor jeder Form von Gotteslästerung. Danach schenkte er Maria Brot und trank von ihrem Wein. Schliesslich las er ihr aus dem Johannes- Evangelium vor und segnete sie. Kurz nachdem er gegangen war, war sie geheilt. Im Folgenden sollen die einzelnen Erzählmotive sowie die Bedeutung und der Gebrauch dieser religiösen Symbole näher betrachtet werden. Maria de Aperrigui schilderte den Pilger bei seiner Ankunft in ihrem Haus mit zahlreichen Details. In ihrer Erzählung wies sie zunächst darauf hin, dass sie sich gerade vor seinem Besuch dem Schutz Gottes, der Jungfrau Maria und des Heiligen Domingo empfohlen hatte. Als sie den Pilger sah, wusste sie jedoch noch nicht, wer er war. Bewusst oder unbewusst baute Maria die Spannung in ihrer Erzählung dadurch auf, dass sie die Entdekkung des übernatürlichen Charakters des Pilgers erst am Schluss erzählte. Sie beschrieb also zwei Wahrnehmungsweisen, die nahtlos ineinander übergingen: Zunächst schien der Pilger ein gewöhnlicher Mensch zu sein, und keine der anwesenden Frauen merkte, dass er der Heilige Domingo war . Erst nach seinem Weggang entdeckte Maria seine wahre Identität, wie wir später sehen werden: und so war sie bis am Sonntag, dem ersten Tag der Osterwoche, dem 16. März 1559, um elf oderzwölf Uhr am Mittag; als sie im besagten Bett lagund ihre Gebete betete, empfahl sie sich dem Schutz unseres Herrn, seiner glorreichen Mutter, der Heiligen Jungfrau, und des glorreichen Herrn Heiligen Domingo de Ia Calzada, dessen Körper in der Mutterkirche und Kathedrale der Stadt Santo Domingo de Ia Calzada begraben ist, und als sie allein um die besagte Zeit am besagten Tag mit Andacht betete, wie sie gesagt hat, kam Marfa, Tochter derjenigen, die aussagt, und von Juan de Gayangos, ihrem Ehemann, in das besagte Haus, in dem diejenige, die aussagt, krank und gelähmt war; und sie sagte: "Mutter, seid Ihr zugedeckt? "; und diejenige, die aussagt, sagte, dass sie nicht wusste, ob sie bedeckt oder unbedeckt war, und warum sie es frage; und die besagte Maria, ihre Tochter, sagte ihr, dass ein Pilger mit ihr reden wollte; und diejenige, die aussagt, sagte ihr, er solle bitte hereinkommen; und so kam ein als Pilger gekleideter Mann herein, der mittelgross war; und er schien ihr etwa fünfzig Jahre alt zu sein, und sein Bart begann, graue Haare zu bekommen, und er war ein brauner und schlanker Mann mit einem mageren Gesicht und einem kleinen Bart; und er trug einen Hut mit mehreren Pilgerstäbchen darauf unter anderem, wie andere Pilger sie auch tragen, die aus Santiago kommen; und er trug ein Kleid unter dem Pilgermantel, das ihr aus braunem Tuch schien; und da es etwas dunkel war, erkannte sie keine weiteren Einzelheiten; und zusammen mit dem besagten Mann kamen die besagte Marfa, ihre Tochter, und Marfa, die Frau vonJuan de Ia Fuente, Tochter von Juan de Zuiieda, die in den Viertel von Cuartango <?page no="370"?> 360 M aria de Aperriguis Vision der besagten Kleinstadt Briones lebt, die sich in der Nähe des Flusses Ebro befindet. 25 Weshalb akzeptierten die Kleriker von Santo Domingo eine solche Beschreibung ihres Heiligen, die nicht mit dem bis dahin von ihnen verbreiteten Bild übereinstimmte ? 26 Marlas eigentümliche Vorstellung vom Heiligen Domingo und vor allem ihre positive Aufnahme durch die Kleriker muss vor dem Hintergrund der kritischen Lage der Fernpilgerfahrten im 16. Jahrhundert betrachtet werden. Die katholische Kirche verteidigte damals die Nahsowie die Fernpilgerfahrten (nach Rom, Jerusalem und Santiago) gegen die Angriffe der Protestanten. Die Kleriker von Santo Domingo de Ia Calzada waren besonders interessiert an der Förderung der Jakobuswallfahrt, weil die Bekanntheit ihrer Stadt und ihrer Kathedrale seit dem Hochmittelalter eng mit dieser Fernpilgerfahrt verbunden war . Aber sie waren sich auch der Krise der Fernpilgerfahrt auf europäischer Ebene bewusst und schienen deshalb bereit, eine Anpassung der äusseren Erscheinung der Lokalheiligen an die charakteristischen Züge der Darstellung des Heiligen Jakobus als Pilger anzunehmen. Die Wirkung der Veränderung beschränkte sich jedoch nur auf die volkstümlichen Vorstellungen über den Heiligen, denn seine offizielle Darstellung blieb unverändert. Warum stellte sich Marla den Heiligen Domingo als Jakobspilger vor? Die Antwort auf diese Frage muss in der populären Erzähl- und Bilderwelt gesucht werden, mit der eine fromme Frau wie Marla vertraut war. Die Erzählungen über unbekannte Reisende und Pilger, die um Almosen bettelten und sich manchmal später als Christus entpuppten, waren im Spätmittelalter sehr verbreitet. 27 Marla de Aperriguis Beschreibung ihrer Vision weist grosse Ähnlichkeiten mit solchen populären Geschichten auf, aber sie trägt eigene Züge, die etwas mehr sind als nur reine Requisitenverschiebungen. 28 Dies wird deutlicher, wenn man ihre Erzählung mit einer der früheren Versionen dieser legendenhaften Geschichte vergleicht. Ein Beispiel dafür bietet die Vita der angelsächsischen Heiligen Christina von Markyate (c. 1096-c. 1166), welche ein anonymer Mönch aus ihrer Zeit verfasste. 29 Die Heilige war auch eine Zeit lang gelähmt gewesen und wurde dann geheilt, aber die Erzählung über den unbekannten Pilger steht nicht im direkten Zusammenhang mit dieser ersten Heilung, sondern mit einer späteren: 25 f. 67 r-v. Anhang 82. 26 Zur traditionellen Ikonographie des Heiligen Domingo de Ia Calzada vgl. Rinc6n, Iconograffa de los santos, S. 221-226. 2? Zu dem Motiv der Erdenwanderung Christi in der Volkserzählung vgl. Moser, Christus, S. 1421-1422. 28 Zu den Zusammenhängen zwischen den persönlichenFassungenpopulärer Erzählungen und den Lebensgeschichten der Erzählerinnen vgl. Davis, Women on the margins, S. 5- 139; Behar, Translated women, passim. 29 Talbot, Einführung zur Vita von Christina of Markyate, S. 1-33. <?page no="371"?> Der Besuch des Jakobspilgers 361 Es geschah einmal, dass ein gewisser Pilger, der unbekannt war, aber ein ehrwürdiges Gesicht hatte, zu der Zelle der Jungfrau Christina kam. Sie empfing ihn gastfreundlich, wie sie es bei jedem tat, ohne ihn zu fragen, wer er sei, und ohne es von ihm damals zu erfahren. So ging er auf seinem Weg weiter, indem er einen tiefen Eindruck in ihrem Gedächtnis hinterliess. Einige Zeit später kam er ein zweites Mal zurück. Zunächst betete er zu Gott. Danach unterhielt er sich mit Vergnügen mit Christina. Während sie miteinander redeten, spürte sie eine göttliche Leidenschaft, so dass sie ihn als Mann mit ungewöhnlichen Verdiensten erkannte. Sie war deshalb sehr erfreut und bat ihn aus Gastfreundlichkeit darum, Essen anzunehmen. Er sass, während sie und ihre Schwester Margaret das Essen zubereiteten. Christina widmete ihm mehr Aufmerksamkeit, während Margaret sich herumbewegte und sich mit der Zubereitung des Essens beschäftigte, so dass man eine andere Maria und eine andera Martha hätte erkennen können, wenn es möglich gewesen wäre, Jesus dort sitzend zu sehen. Und als der Tisch gedeckt war, nahm er das Brot zu seinem Mund und schien es zu essen. Aber wenn man dort anwesend gewesen wäre, hätte man gemerkt, dass er nur davon probierte, statt es zu essen. Und als er dazu eingeladen wurde, ein bisschen Fisch zu probieren, dervor ihm lag, antwortete er, dass es für den unwürdigen Körper nicht nötig war, mehr zu essen als das Nötigste zum Unterhalt. Während beide Schwester sein schönes Gesicht, seinen gepflegten Bart, seine vollendete Erscheinung und seine wohl abgewogenen Worte bewunderten, wurden sie mit so einer geistigen Freude erfüllt, dass sie spürten, dass sie vor sich einen Engel statt einem Menschen hatten. Wenn ihre jungfräuliche Ehrenhaftigkeit es ihnen erlaubt hätte, hätten sie ihn danach gefragt, dort zu bleiben. Aber er ging weiter, nachdem er sie gesegnet und sich von ihnen verabschiedet hatte, wobei die Schwestern immer noch nur sein Gesicht kannten. Jedenfalls hinterliess sein Benehmen einen so tiefen Eindruck in ihren Herzen, so viel Süsse flösste er in sie ein, dass sie sich häufig mit Seufzern, die ihre Gefühle zeigten, sagten: "Wenn unser Pilger nur nochmals käme! Wenn wir nur noch einmal sein Gespräch geniessen würden! Wenn wir ihn nur nochmals sehen und mehr von seinem Vorbild für Vollendung und Schönheit lernen könnten! ". 30 Kurz danach, als sich Christina für die Feier von Weihnachten vorbereitete, wurde sie krank. Zwei Mönche besuchten sie und sangen für sie. Dabei verstand sie, dass Gott sie besuchen würdeY Als die Geburt Christi gefeiert wurde, wurde sie geheilt. Danach sah sie Christus in einer Vision. Bei einer Prozession und in der Messe am Weihnachtstag sah sie den Pilger wieder und verstand, dass er nur Christus sein konnte. 32 Die Ähnlichkeiten zwischen dieser Erzählung und der Vision von Marfa de Aperrigui betreffen die allgemeine Erzählstruktur und einzelne Motive. Beide Erzählungen beginnen mit der Begegnung mit dem Pilger, ohne dass die Visionärinnen seine Identität kennen. Sie erkennen ihn erst am Schluss. Wenn er weggeht, sehnen sie sich nach ihm. Der grösste Unterschied zwi- 30 Talbot, Christina of Markyate, S. 183-185. Anhang 83 . 3! In anderen Visionen von Mystikerinnen erscheint Gott als Pilger, der in der Seele der Visionärinnen aufgenommen wird. Pike, Mystic Union, S. 22-26. 32 Talbot, Christina of Markyate, S. 181-189. <?page no="372"?> 362 Maria de Aperriguis Vision sehen den beiden Geschichten liegt in der Bedeutung des Essens. DieN onneu zeigen ihre karitative Einstellung dem Pilger gegenüber, indem sie ihn aufnehmen und verköstigenY Wie wir sehen werden, kommen in Marfa de Aperriguis Vision weitere Bedeutungen dazu, die mit der Symbolik der Eucharistie zu tun haben, weil sie Brot vom Pilger bekommt und er Wein von ihr. Im Gegensatz dazu sind die Elemente der Eucharistiesymbolik von der Szene der Fremdenaufnahme in der Vita von Christina von Markyate eindeutig getrennt. Zudem ist der zeitliche Rahmen verschieden: Christina erlebte eine Vision an Weihnachten und sah den Pilger dann bei der Prozession und in der Messe, während Marfa de Aperrigui an Ostern wieder gesund wird. Man darf ferner nicht übersehen, wie Marfa de Aperrigui den Pilger charakterisierte und welche spezifische Bedeutung diese Art von Pilger im damaligen Kontext besass. Sie beschrieb nicht irgendeinen Pilger oder Wallfahrer, sondern konkret einen Jakobspilger. Die mittelalterliche Tradition der Jakobuswallfahrt war so vielen Menschen aus dem Gebiet in der Nähe des Jakobsweges bekannt, dass man sich gerne andere Heilige mit denselben Eigenschaften vorstellte wie der pilgernde Heilige Jakobus. Auch ausserhalb der Umgebung des Pilgerweges nach Santiaga geschah ein ähnlicher Angleichungsprozess mit dem für die Pest zuständigen Heiligen Rochus. Dieser wurde häufig als Jakobspilger neben einem Hund dargestellt, der ihm Brot bringt, wobei der Heilige die Pestwunde am Bein zeigt. 34 Dass der Heilige Domingo auch dem Heiligen Jakobus angeglichen wurde, lag auf der Hand, zumal jener als Helfer der Jakobuspilger galt. Dazu dürften Darstellungen des Heiligen Domingo beigetragen habe, wie diejenigen der Maler Andres de Melgar und Alonso Gallego aus den 1530er Jahren in der Kathedrale. Marfa konnte sie vor ihrer Aussage vor den Richtern sehen, denn sie unternahm eine Dankwallfahrt nach Santo Domingo nach ihrer Heilung. Man muss jedoch bedenken, dass solche Bilder für sie nicht leicht zu entziffern waren, weil das Lesen von Bildern eine Dekodierung von Zeichen erfordert und diese Lesefähigkeit einem komplizierten Lesevorgang gleichkommt. 35 Auch wenn Marfa die wichtigsten Wundererzählungen über den Heiligen Domingo schon lange bekannt gewesen wären, musste sie die Geschichten in ihrer Darstellung erkennen können. Es ist deshalb möglich, dass Marfa die auf den Bildern neben dem Heiligen auftretenden Jakobspilger mit dem Heiligen selbst verwechselte. Die Annahme, sie schöpfte aus ihrer Alltagserfahrung, als sie die Pilgerkleidung 33 Zu der Behandlung der Werke der Barmherzigkeit und insbesondere zur Fremdenaufnahme in der Patristik vgl. Puzicha, Christus peregrinus, passim. 34 Zum Heiligen Rocchus vgl. Mansau, Saint Roch, S. 265-27 1. Zu den Angleichungsprozessen von Heiligen und Helden in populären Erzählungen der Frühen Neuzeit vgl. Burke, Helden, S. 162-182. 3S Schenda, Bilder, S. 90- 95 . <?page no="373"?> Der Besuch des Jakobspilgers 363 beschrieb, scheint nur zum Teil gerechtfertigt. Denn einerseits zeigen andere Quellen aus dem 16. Jahrhundert, wie etwa die Wunderberichte aus dem Kloster Guadalupe, dass die meisten Pilger die Pilgerinsignien nur selten trugen, 36 und andererseits sind die von Maria beschriebenen Details auffällig ähnlich wie die etwas idealisierten Darstellungen von Pilgern in Literatur und Kunst. 37 Es lohnt sich deshalb, den Bilderzyklus der Kathedrale genauer zu analysieren. 12.2.1 Die Bilder in der Kathedrale Die riojanischen Maler Andres de Melgar und Alonso Gallego fertigten den Bilderzyklus im Renaissancestil für eine der Kapellen der Kathedrale in den 1530er Jahren an. 38 Die neun Bilder stellen Wunder und Szenen aus dem Leben des Heiligen Domingo dar, in denen seine guten Werke auf vorbildliche Art erscheinen: Die Wohltätigkeit der Heiligen erkennt man unter anderem an Geschichten über die Fremdenaufnahme, die Sorge um den Zustand des Jakobsweges in der Rioja und die Almosenverteilung. Wichtig für unsere Fragestellung ist vor allem, dass die Maler die Kleider der guten und echten Jakobspilger mit den charakteristischen Abzeichen darstellten, die das Bild des Pilgers seit dem 12. Jahrhundert prägten, während die schlechten Pilger sie nicht tragen. Besonders deutlich sieht man die Jakobsmuschel und die Pilgerstäbchen an den Hüten der guten]akobspilger angeheftet. Da auf einigen Bildern nur die Köpfe der Pilger zu sehen sind, benutzen die Maler ihre Hüte, um sie von den anderen Figuren unterscheidbar zu machen, und so werden die Pilgerstäbchen zu Emblemen der Jakobuspilgerfahrt. Diese sind wie die Insignien auf dem Hut des Pilgers in Mariade Aperriguis Vision. Wenn der ganze Körper der Pilger auf den Bildern sichtbar wird, halten diese einen Pilgerstab in der Hand und tragen eine Tasche oder einen Quersack, was der Pilger in der Vision auch tut, um dort das Brot aufzubewahren. Zwei undankbare Pilger, welche den Heiligen schlagen und sich später gegenseitig umbringen, werden hingegen nicht mit Pilgerinsignien dargestellt: Sie tragen weder den Stab noch die Pilgertasche. Ohne das Vorwis- 36 Cn ! moux, Realite et representation, S. 227-228. 37 Zum Pilgerbild, d as Literatur und Kunst verbreiteten, vgl. Polo de Beaulieu, Mo deles et contre-modeles, S. 143-157; Rigaux, Fresques de Cellio, S. 183-199; Lasperas, Figures de pelerins, S. 253-264; Bazalgues, L'image du pelerin, S. 303-313; Goicoechea, Pelerins jacquaire, S. 315-330; Jacomet, Saint-Jacques, S. 331-381. 38 Heute befindet sich der ganze Bilderzyklus auf der rechten Seite des Chors. Die Bilder wurden im 17. Jahrhundert dorthin gebracht. Zu den Malern und ihrem Werk vgl. Saenz Terreros, pinturas y pintores, S. 397-402. Zu den wechselseitigen Beziehungen zwischen den Visionen und den Bildern vgl. Frugoni, Frauenbilder, S. 400-401; Stoichita, Vision und Malerei, S. 47-79. <?page no="374"?> 364 Maria de Aperriguis Vision senüber diese in zwei Bildern dargestellte Mirakelerzählung kann man die Figuren nicht als Jakobspilger oder überhaupt als Wallfahrer identifizieren. Die Kleider von einem der bösen Männer weisen auf seine Böswilligkeit hin : ein modisches und feuerrotes Mi-parti, ein Kleid, das in der damaligen religiösen Malerei böse Figuren kennzeichnete. Mit solchen Mustern stellen die Maler gute und böse Pilger im seihen Bilderzyklus gegenüber. Maria de Aperrigui muss diese typisierende und dualistische Charakterisierung erkannt und die positive Konnotation der Pilgerinsignien wahrgenommen haben . Ein weiteres Element der religiösen Symbolik muss in Mariade Aperriguis Erzählung über ihre Vision berücksichtigt werden: die Bedeutung der Räume, in welchen sich die von Maria beschriebenen Szenen abspielen, und die Rolle des nackten Körpers der Visionärin in ihrem Bett. Der Pilger kam aus der Fremde und ging in die Kleinstadt hinein. Er traf die Tochter und die Nachbarin vor deren Haustür, also auf der Strasse. Später liess er sich durch die Tochter in Marias Haus anmelden. Schliesslich ging er in ihr Zimmer hinein. Man muss bedenken, dass die Räume (Strasse, Haus oder Zimmer) in einer frühneuzeitlichen Kleinstadt wie Briones geschlechtsspezifischen Zuschreibungen unterworfen waren. 39 Das Zimmer einer Witwe war ein weiblicher Bereich, zu dem im Prinzip kein Unbekannter Zugang haben sollte. Nur die Ausnahmesituation ihrer Krankheit und der Pilgerstatus des Besuchers ermöglichten, dass sein Besuch bei Maria nicht moralisch verwerflich erschien. Ausserdem betonten Maria und die Zeuginnen , dass sie dort anwesend waren und Maria während des Besuchs begleiteten. Ihre Ehre war dadurch geschützt. Maria sprach von ihrem nackten Körper im Bett, das heisst im inneren Raum des Hauses . 40 In diesem Raum durfte der Körper sich freier bewegen und zeigen als draussen auf der Strasse. 41 Maria brauchte dort auch nicht ganz bedeckt zu sein, denn sie war drinnen und lag krank im Bett. Als die Tochter sie fragte, ob sie bedeckt sei, schien Maria die Frage deshalb irrelevant zu finden und antwortete: "dass sie nicht wusste, ob sie bedeckt oder unbedeckt war, und warum sie es frage". Sie konnte sich in diesem Moment nicht vorstellen, dass ein fremder Mann sie dort besuchen würde. Sie antwortete also mit einer ironischen Bemerkung. Erst als ihre Tochter den Grund für die Frage erklärte, erschien ihr das Verstecken des eigenen Körpers selbstverständlich. Der Pilger durfte dann hereinkommen, um mit ihr zu sprechen. 42 39 Zu den geschlechtsspezifischen Zuschreibungen der Räume im ländlichen Andalusien in der Gegenwart vgl. Sanchez Perez, liturgia del espacio, passim. 40 Es ist unklar, ob es sich überhaupt um ein Schlafzimmer im eigentlichen Sinn handelt. 41 Zu den mit der Körpers cham verbundenen Situationen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit vgl. Jütte, Der anstössige Körper, S. 109-129. 42 Von der symbolischen Bedeutung d er Nacktheit in Visionen von Klerikern und N onnen <?page no="375"?> Leiden und nicht schwören 365 12.3 Leiden und nicht schwören Das Gespräch zwischen Maria de Aperrigui und dem Heiligen, in das sich die Tochter einmal einmischte, kreiste zunächst um zwei Themen: die Verurteilung der Blasphemie und das Leiden. Maria de Aperrigui erzählte den Richtern: und als der besagte Mann dort war, wo diejenige, die aussagt, krank und gelähmt wa r, sagte er ihr: "Glücklich seid Ihr, Schwester" [Begrüssungsform]; und diejenige, die aussagt, sagte ihm: "Gott gebe Euch Gesundheit, Herr"; und der besagte Mann sagte derjenigen, die aussagt: "Wie geht es Euch? ". Und diejenige, die aussagt, sagte, dass sie eine grosse Müdigkeit verspürte und Mühe hatte; und der besagte Mann fragte sie, wie sehr sie in ihrer Krankheit gelitten hatte; und diejenige, die aussagt, sagte, dass sie sehr gelitten hatte; und die besagte Marfa, Tochter derjenigen, die aussagt, wollte beim Glauben schwören, dass sie während der Krankheit sehr gelitten hatte; und der besagte Mann schimpfte mit ihr und sagte ihr, dass sie nicht beim Glauben schwören durfte; und diejenige, die aussagt, sagte ihr: "Tochter, schwöre nicht, denn ich ha be wahrhaftig viel gelitten"; und der besagte Mann sagte: "Glaubst du so sehr gelitten zu haben? Ich habe noch mehr gelitten"; und diejenige, die aussagt, sagte, es mag sein. 43 Maria stellte sich selbst auf eine positive Art dar , um einen günstigen Eindruck vor den Richtern zu machen, aber sie setzte ihre Tochter nicht immer ins rechte Licht. Der Anfang des Gesprächs zwischen dem Pilger und Marfa zeigt, wie höflich beide miteinander umgingen und wieviel Respekt sich beide gegenseitig zollten. Nach der Begrüssung interessierte sich der Pilger dafür, wie sehr Maria an ihrer Krankheit gelitten hatte. Die Tochter mischte sich ins Gespräch auf unkorrekte Art und wurde dafür von den beiden getadelt. Sie spielte keine günstige Rolle in diesem Teil der Erzählung ihrer Mutter . In den meisten Visionen von Laien vermittelten die Heiligen eine oder mehrere moralische Botschaften. 44 Mariade Gayangos gab dem Heiligen in diesem Fall Anlass dazu, seine ernste Warnung vor der Blasphemie auszusprechen. Da sie die Aussage ihrer Mutter bestätigen wollte, beging sie diese Sprechsünde, indem sie "beim Glauben schwören" ("jurar la fee") wollte, dass ihre Mutter sehr gelitten hatte. Mariade Aperrigui sagte dabei nicht ganz klar, ob ihre Tochter den Satz ganz aussprach und damit tatsächlich sündigte. Mariade Aperrigui unterstrich ihre eigene moralische Autorität und ihre Rolle als Erzieherin, indem sie mit ihrer Tochter schimpfte, nachdem der Pilger dasselbe getan hatte. Sie zeigte dadur ch ihrer Tochter, wie sie sich sprachlich korrekt verhalten sollte, 45 und legte dieselbe Einstelist hier nichts zu spüren. In diesen Visionen galt die Nacktheit häufig als Attribut des Göttlichen oder des Heiligen. Vgl. Stoichita, Vision und Malerei, S. 78, 161. 43 f. 67 v. Anhang 84. 44 Christian, Ap ariciones, S. 193-198, 206. 4S Zu d er Rolle der Mutter bei der sprachlichen Sozialisierung der T öchter aus anthropologischer Sicht vgl. Bux6, Antropologia de Ia mujer, S. 108- 117. <?page no="376"?> 366 Mariade Aperriguis Vision lung zur Blasphemie an den Tag wie der Heilige. Dadurch bewies sie, dass sie die übernatürliche Wirkkraft der Wörter erkannte und sie darin die Tochter belehren wollte. In ihrer Aussage erwähnte Marfa de Gayangos hingegen keine dieser für sie peinlichen Szenen. Sie beschrieb den Heiligen auch als J akobspilger, genauso wie ihre Mutter, und schilderte ihre erste Begegnung mit ihm auf der Strasse, als sie mit Marfa de Zuii.eda sprach. Sie verschwieg aber die Frage an ihre Mutter bezüglich deren Bedecktheit vor dem Eintritt des Pilgers, und verzichtete auch darauf, von der Beschimpfung wegen Gotteslästerung zu sprechen. Diesen Teil der Vision fasste sie viel kürzer zusammen als ihre Mutter: er sagte, sie sollen sie [Marfa de Aperrigui] ihm zeigen; und sie zeigten sie ihm im Bett, in dem die besagte Marfa de Aperrigui, Mutter dieser Zeugin, lag; und als der besagte Pilger ankam, sagte er: "Glücklich seid Ihr, Schwester"; und sie antwortete: "Glücklich seid Ihr angekommen, Herr"; und er fragte sie, wie es ihr ging; und diese antwortete, dass sie grosse Mühe hatte, und der besagte Pilger sagte ihr, dass er auch viel gelitten hatte. 46 Sowohl nach der Aussage der Mutter wie nach derjenigen der Tochter wies der Heilige auf sein eigenes Leiden hin. Diese Hinweise stehen im Einklang mit dem Ideal der Imitatio Christi und insbesondere mit der Erinnerung an die Passion. Demnach soll das Leben Jesu und vor allem sein Leiden als Vorbild für das eigene Leben verstanden und umgesetzt werden. Der Heilige Domingo näherte sich diesem Ideal in der Vision, weil er viel gelitten hatte. Sein Leiden scheint sich nach diesen Aussagen auf das Leiden auf dem Pilgerweg zu beziehen, weil er als Pilger erscheint und als solcher auf dem Weg bettelt. Diese Stelle der Visionserzählung erinnert einmal mehr an die damals verbreiteten Geschichten über Christi Erdenwanderung, in denen dieser sich als Pilger oder Bettler präsentierte. Der Heilige wird so Christus angeglichen. 12.4 Das Brot und der Wein Die wichtigsten Figuren in Marfa de Aperriguis Erzählung waren der Pilger und sie selbst, während die Tochter und die Nachbarin untergeordnete Rollen spielten. Di e Eigenschaften des Pilgers deuteten auf seine moralische Autorität und auf seine Heiligkeit hin. Beim Gespräch standen Marfas Worte im Einklang mit denjenigen des Pilgers. Auch ihre Handlungen er gänzten sich im weiteren Verlauf des Besuches: Was Marfa fehlte, hatte der Pilger für sie, und was er nicht dabei hatte, konnte sie ihm anbieten. Er brachte ihr Brot, und sie gab ihm Wein: 46 f. 78 rv. Anhang 84. <?page no="377"?> Das Brot und der Wein 367 und so nahm der besagte Mann Brot aus dem Sack, den er in der Hand trug, was etwa drei oder vier Rationen Brot entsprechen würde, und danach schüttelte er die Krümchen aus dem Sack für einige Hühner; und er sagte derjenigen, die aussagt, sie soll von diesem Brot essen; und diejenige, die aussagt, sagte ihm, er solle es mitnehmen, weil sie ihm nichts dafür geben konnte, denn sie dachte, dass er es ihr verkaufen wollte; und der besagte Mann sagte ihr, dass sie es nehmen sollte, weil er es an jeder Tür bekommen würde; und so befahl diejenige, die aussagt, der besagten Tochter, Marfa, sie solle das besagte Brot vom besagten Mann nehmen; und so tat sie es; und der besagte Mann holte noch einen Sack und nahm daraus ein halbes Viertel von zwei maravedfs [Münzeinheit] und legte es auf das Bett derjenigen, die aussagt, auf dem sie gelähmt lag, und er sagte dem Mädchen, sie solle derjenigen, die aussagt, so viel Wein bringen; und diejenige, die aussagt, antwortete: "Wein? Es genügt, dass Ihr uns Brot gebt, weil Ihr es an der Tür bekommt. Ihr braucht uns kein Geld zu geben"; und der besagte Mann sagte ihr: "Bitte nehmt es, denn ich bekomme es an jeder Tür"; und diejenige, die aussagt, sagte ihm: "Um Gottes Willen, keinen Wein! Wir können Euch Wein geben"; und so sagte diejenige, die aussagt, der besagten Marfa, ihrer Tochter, sie solle ihm einen Krug aus der Speisekammer bringen; und sie sagten ihm, dass es sehr heiss war und dass sie ihm sonst keinen anderen Wein geben konnten; und der besagte Mann antwortete, dass er ihn nicht brauchte; und diejenige, die aussagt, sagte ihm: "Um Gottes Willen, es wird Euch schmekken, denn er kommt aus der Speisekammer, und Ihr werdet ihn gut ertragen"; und der Mann sagte: "Da du bei Gott geschworen hast [sie], muss ich ihn nehmen"; und er nahm ihn und brachte ihn zum Mund und gab ihn der besagten Marfa, ihrer Tochter, zurück, und diese nahm ihn. Und nach all dem sagte der besagte Mann zu der besagten Marfa, ihrer Tochter, und zu der besagten Marfa vonJuan de Zuiieda und zu den kleinen Kindern, die es dort gab, sie sollen sich entfernen, und so taten sie es, und sie entfernten sich ein bisschen vom besagten Bett, ohne jedoch das Zimmer zu verlassen, in dem diejenige, die aussagt, krank war, und als sie sich entfernt hatten, näherte sich der besagte Mann ihr und machte das Kreuz dreimal an ihrer Stirn, und jedes Mal sagte er "Jesus". Danach begann er, sofern diejenige, die aussagt, es verstanden hat, das Evangelium des HeiligenJohannes zu lesen, das so beginnt: "In principio erat verbum"; und deshalb dachte sie, es handle sich um das Johannes-Evangelium; und nachdem er gebetet hatte, kreuzigte er sich und sagte: "Die Gnade Gottes sei mit Euch"; und diejenige, die aussagt, sagte ihm: "Der Heilige Geist begleite Euch, Herr, dorthin, wo Ihr hingeht"; und so ging der Mann hinaus, und die besagte Marfa, ihre Tochter, die besagte Marfa de Zuiieda und die besagten Kinder des besagten Zimmers, in dem diejenige, die aussagt, im Bett gelähmt lag, folgten ihm und Iiessen sie allein.47 Die hier beschriebenen Szenen bringen uns zur Frage nach dem polysemen oder mehrdeutigen Wert von Symbolen wie Brot und Wein in der Vision. Zwei Bedeutungsebenen lassen sich dabei unterscheiden. Ihre offensichtliche Bedeutung steht im Zusammenhang mit dem Ideal der Wohltätigkeit. Das Brot war ein Almosen des Pilgers für die arme bettlägerige Marfa, 47 f. 67v. - 68r. Anhang 85 . <?page no="378"?> 368 Mariade Aperriguis Vision während der Wein ihr Almosen für den bettelnden Pilger bildete. Eine zweite Bedeutungsebene hängt mit der Symbolik der Eucharistie zusammen: Das Brot symbolisiert den Körper Christi und der Wein sein Blut. Was die Wohltätigkeit anbelangt, muss man daran erinnern, dass der Heilige Domingo als ein karitativer Heiliger galt, dessen Nächstenliebe sich unter anderem in der Almosenvergabe ausdrückte. Er wurde bei der Brotverteilung an Arme, Kranke und Pilger in den bereits erwähnten Bildern der Kathedrale dargestellt. Auch die Predella des Retabels der Kathedrale steht in der ikonographischen Tradition der mittelalterlichen Darstellungen wohltätiger Heiligen, die Brot an Bedürftige verteilen. Die im Renaissancestil abgebildeten Figuren werden nach einem alten Schema geordnet: Auf der einen Seite sieht man den Heiligen mit dem Brot und auf der anderen die auf ihn zugehenden Armen, Behinderten, Frauen und Kinder. 48 Die mit der Vision verwandten Erzählungen über einen mysteriösen Fremden oder Pilger, welcher einem Heiligen begegnet und sich später als Christus entpuppt, dienten auch dazu, die Barmherzigkeit als vorbildlich darzustellen. In der Hagiographie geben diese Heiligen den Fremden zu essen, bevor diese ihre wahre Identität erkennen. 49 Die Heiligen bekommen jedoch keine Nahrung vom armen Pilger. Das Besondere an der Vision von Marfa de Aperrigui liegt gerade in der Reziprozität der Almosenverteilung. Nicht nur der Pilger schenkt ihr Brot, sondern auch sie gibt ihm Wein. Sie lehnt sogar sein Angebot ab, Wein mit seinem Geld einzukaufen. Beide Figuren treten als Geber und Empfänger auf, beide sind Objekt und Subjekt der Wohltätigkeit des anderen. Schicht- und geschlechtsspezifische Verhaltensmuster prägten Marfas Selbstdarstellung in ihrer Erzählung. Ihre Haltung gegenüber dem Heiligen lässt sich durch ihr Selbstverständnis als Gastgeberio erklären. Sie zeigt, dass sie die Regel der Gastfreundlichkeit gegenüber dem Fremden oder Pilger achtet, und ihre Antworten spiegeln dies wider, wenn sie sagt: "Wein? Es genügt, dass Ihr uns Brot gebt, weil Ihr es an der Tür bekommt. Ihr braucht uns kein Geld zu geben". Wenn man dem Fremden gestattete, ins eigene Haus hineinzukommen, bedurfte es ritueller Handlungen, um seine Fremdheit zu akzeptieren. 5° Die Riten der Gastfreundlichkeit waren Übergangsriten, die die Überschreitung der Schwelle, einer echten Grenze zwischen dem Haus und der Strasse, möglich machten. 51 Dazu gehörten die Begrüssung und in diesem Fall auch der Austausch von Brot und Wein. Beide Riten ermöglichten die Integration des Pilgers in Marfas Haushalt. Durch diese Binderiten machte sie dem Fremden jedoch klar, dass seine Anwesenheit 48 Zu dieser ikonographischen Tradition und ihrer Entwicklung im 16. Jahrhundert vgl. Wandel, Always among us, S. 77-123. 49 By num, Holy Feast, S. 2, 308-309. 50 Zu diesen Riten vgl. Lenzen, Multikulturalität, S. 148-150. 51 Gennep, Übergan gs riten, passim. <?page no="379"?> Das Brot und der Wein 369 nur für eine beschränkte Zeit geduldet wurde ·und verpflichtete ihn dazu, keinen Schaden in ihrem Haus anzurichten. Die Vorstellung, ein Jakobspilger oder ein Bettler könnte ein Heiliger oder Christus selbst sein, lag dem Prinzip und den Regeln der Gastfreundlichkeit gegenüber jedem unbekannten Fremden zugrunde. Solange man nicht sicher sein konnte, dass es sich um einen Feind handelte, musste man ihn als Gast gut behandeln. Die Symbolik der Eucharistie nimmt einen besonderen Stellenwert in diesem Abschnitt von Marfas Erzählung ein. Denn sie deutete ihre Heilung als eine Folge der Begegnung mit dem Heiligen, der ihr Brot gab und den Anfang des Johannes-Evangeliums vorlas. Die lange Beschreibung der Begegnung erinnert an Szenen aus der spätmittelalterlichen Literatur der Frauenmystik, in denen die eucharistische Devotion der Heiligen und Nonnen dargestellt wird. 52 Auch viele ihrer Visionen behandeln das Thema der Nahrung ausführlich und betrachten die himmlische Speise, das konsekrierte Brot, als die einzige, die wahrhaftig nährt und sogar heilen kann. Aber die Einstellung zur Krankheit ist bei den Mystikerinnen grundsätzlich anders als bei Maria de Aperrigui und bei den übrigen Miraculees. Die Mystikerinnen verstanden ihren Körper als ein Instrument zur Annäherung an Gott und waren in ihren asketischen Frömmigkeitspraktiken wie zum Beispiel dem Fasten darauf bedacht, das Leiden Christi nachzuempfinden. Sie nahmen keine ablehnende Haltung zu körperlichen Schmerzen und Leiden ein, sondern legten viel Wert auf Schmerzensbereitschaft und auf die Fähigkeit, Krankheiten und körperliche Leiden im allgemeinen zu akzeptieren sowie diese mit Andacht zu erdulden. 53 Im Gegensatz zum asketischen Fasten sehnte sich Maria nach Brot, weil sie hungerte. Und wie alle anderen Miraculees wünschte sie sich, von ihrer Krankheit geheilt zu werden, um nicht mehr zu leiden. Deshalb bedankte sie sich ausdrücklich für das von ihr erlebte Wunder. Damit zeigt sich gerade das Wesensmerkmal der Wunderheilungen: der Wunsch nach körperlicher Heilung als Hauptziel der Bitt- und Dankwallfahrer, was den zeitgenössischen Kritikern der Wallfahrtspraktiken wie Erasmus und Luther zutiefst missfiel. Nach Erasmus setzte die Verehrung Christi die Bereitschaft der Gläubigen voraus, sich selbst im Hinblick auf das Kreuz zu vergessen, statt auf sich selbst zu schauen. Luther hielt es für einen grundsätzlichen Fehler 52 Zu der Bedeutung der Nahrungsaufnahme und -Verweigerung sowie der Eucharistie in der spätmittelalterlichen Frauenmystik vgl. Bynum, Holy Feast, passim. Zu der Eucharistiesymbolik in der frühneuzeitlichen Mystik vgl. Certeau, Fable mystique, S. 107-127. 53 Nach C. W. Bynum war diese Haltung ausgeprägter bei den Mystikerinnen als bei den Mystikern. Bynum, Warnen Mystics, S.119-150; dies ., Fernale Body, S. 181-238; Hubrath, Schreiben, S. 106-116. Zu der Geschichte des Schmerzes vgl. Morris, Geschichte des Schmerzes, passim; Schenda, Leidensbewältigung, 388-402; Tanner, Körpererfahrung, S. 489-502. Zur Körperwahrnehmung in der spanischen religiösen Frauenliteratur im 16. Jahrhundert vgl. Perry, Subversion and Seduction, S. 67-78. <?page no="380"?> 370 Mariade Aperriguis Vision der Wallfahrer, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und vor oder nach der Fahrt die Erfüllung ihrer eigenen irdischen Wünsche zu erflehen. Seiner Meinung nach gebrauchten die Wallfahrer dadurch Gott und die Heiligen für ihre eigenen Zwecke. 54 Die Wirkungen des konsekrierten Brotes auf dieMystikerinnen und diejenigen des vom Heiligen Domingo verschenkten Brotes weisen grundsätzliche Unterschiede auf. Marfa beschrieb mehrere rituelle Handlungen des Heiligen, welche die Vergabe des Brots und die Schenkung des Weins zusammen mit der Lectio des Evangeliums und den Segnungen in einen messeähnlichen Kontext stellten. Dadurch kennzeichnete sie die Rolle des Heiligen als Vermittler zwischen ihr und Gott. Das Brot, das Kreuz, die Bibel und das Gebet deuten auf die Präsenz des Göttlichen in der Visionserfahrung hin. Gott selbst trat nur in diesen Formen in der Erzählung auf. Er war hinter den Kulissen, und seine Anwesenheit wurde bloss an den religiösen Symbolen erkennbar. 55 Der Heilige vermittelte zwischen Marfa und Gott, indem er eine priesterähnliche Funktion erfüllte. Nach Marfas Aussage sagte er ihr: "sie soll von diesem Brot essen". Am Anfang verstand sie ihn falsch, weil sie dachte, er wolle ihr das Brot verkaufen. Schliesslich verstand sie ihn richtig und befahl der Tochter: "sie solle das besagte Brot vom besagten Mann nehmen" . Marfa spielte sogar selber die Rolle der Konzelebrantin, indem sie ihm Wein anbot. 56 Der als Pilger gekleidete Heilige erschien vor allem in seiner priesterähnlichen Funktion, als er alle darum b at, sich vom Bett zu entfernen, um das Kreuz dreimal auf ihrer Stirn zu machen und jedes Mal "Jesus" zu sagen. Die Anlehnung an die Eucharistie wurde durch den Vorleseaktdes Johannes-Evangeliums in lateinischer Sprache verstärkt, in welchem die Schöpfung und die Fleischwerdung Christi thematisiert werden. Schliesslich betete er, bekreuzigte sich und sagte: "Die Gnade Gottes sei mit Euch" . Marfas Selbstdeutung ihrer Krankheit bestand darin, diese als eine Vergegenwärtigung des Leidens Christi zu sehen. Mehrere Elemente der Erzählung verweisen darauf, dass Maria Parallelen sah zwischen der Passion und der eigenen Krankheit einerseits und zwischen der Auferstehung und der Heilung andererseits. Bestimmend ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Osterzeit den zeitlichen Rahmen der Visionserzählung abgab, so dass die Zeit ihrer Begegnung mit dem Heiligen und ihrer Heilung mit der Zeit der Passion und der Auferstehung zusammenfielen. 54 Reiter, Heiligenverehrung, S. 14-15, 22-23. 55 Zur Rolle Gottes in den populären Visionen im Spanien des 16. Jahrhunderts vgl. Christian, Apariciones, S. 262-263. Zu der grundsätzlichen Schwierigkeit der Darstellung Gottes in der Malerei über Visionen vgl. Stoichita, Vision und Malere i, S. 80-104. 56 M. E. Perry w ei st auf eine spanische Visionärin aus dem 16. J ahrhundert hin, welche sich selbst eindeutig als Zelebrantin präsentierte. Perry, Espada rota, S. 96. <?page no="381"?> Andere Versionen des Ereignisses 371 12.5 Andere Versionen des Ereignisses Maria de Aperrigui erzählte ihren Verwandten und Nachbarn ihre Geschichte über den Besuch des Heiligen. Die Erzählung wurde sehr rasch bekannt, denn diejenigen, die Zeit für das Zuhören hatten, fanden auch ihrerseits Zeit dafür, die Geschichte selbst weiterzutragen. Marias Erzähl- Beziehungen umfassten die Leute, die etwas für sie während der Krankheit getan hatten. Die ersten Rezipienten gehörten zum familiären und nachbarschaftlichen Kreis und waren sowohl Männer wie Frauen. Bemerkenswert ist, dass die Versionen der Visionserzählung in den Zeugenaussagen gewisse geschlechtsspezifische Merkmale aufweisen. Die Männer neigten dazu, die Bedeutung von Marias fast priesterlicher Rolle auf irgendeine Art herunterzuspielen, während die Versionen der Frauen in dieser Beziehung auffällig ähnlich wie diejenigen von Maria waren. Einer derMänneraus Marias Verwandtschaft, der über ihre Vision detailliert berichtete, war der zwanzigjährige Francisco Ortiz de Aperrigui. Kurz nach ihrer Heilung ging er zu ihr und hörte ihr zu: 57 und sie erzählte diesem Zeugen: als sie an jenem Tag in ihrem Bett im besagten Haus krank und gelähmt gelegen hätte, sei ein mit dem Pilgerkleid angezogener Wallfahrer zum Bett gegangen, in dem sie gelegen hätte, und er habe sie begrüsst und ihr gesagt: "Was macht Ihr, Herrin? "; und sie habe geantwortet: "Schaut, Herr, ich warte krank auf die Barmherzigkeit Gottes"; und der besagte Pilger habe ihr gesagt, sie solle Vertrauen in Gott haben; und Marfa, Tochter von Juan de Zuiieda, verheiratet, sei anwesend gewesen, als der Pilger dort gewesen sei; sowie Marfa, Tochter der besagten Marfa de Aperrigui, und einige Kinder; und als der Pilger und die oben Erwähnten dort waren, sagte der besagte Pilger zu denjenigen, die dort waren, dass sie sich etwas entfernen sollten; und diese entfernten sich, und der besagte Pilger las das Johannes-Evangelium vor und machte ihr das Zeichen des Kreuzes über dem Gesicht und den Brüsten; und dass er ihr sagte, sie solle die WÖrter wiederholen, die er ihr sage; und dass sie es so tat und dass der Pilger ihr danach einige Rationen Brot und ein halbes Viertel von zwei maravedfs [Münzeinheit] gab und sie aufs Bett legte; und dass die besagte Marfa de Aperrigui dem besagten Pilger sagte, er solle es mitnehmen, weil er es brauchen würde; und der besagte Pilger sagte ihr, sie solle es nehmen, denn er bekomme überall Almosen, und der besagte Pilger verliess das Haus, indem er sagte, sie solle mit Gott bleiben; und sie antwortete: "Bleibt mit ihm, Herr". 58 Franciscos Version entspricht Marias Erzählung in Bezug auf die allgemeine Erzählstruktur, was nicht zuletzt auf die Fragen der Richter zurückzuführen sein dürfte. Aber seine Veränderungen der Handlungsvorgänge und vor allem der Gewichtung der handelnden Figuren sind nicht ohne Bedeutung. Er erzählte eine andere Version als Maria de Aperrigui, auch wenn die 57 Zu den Aussagen der übrigen Männer vgl. das nächste UnterkapiteL 58 f. 74 v. Anhang 86. <?page no="382"?> 372 Mariade Aperriguis Vision meisten Motive gleich blieben. Francisco erzählte von einem Pilger, der Marfa Brot verschenkte, aber keinen Wein von ihr genommen hatte. Damit verschwand eine der wichtigsten Eigenschaften von Marfas Erzählung: die Reziprozität bei der Almosenverteilung, das heisst, die gegenseitige Ausübung der Wohltätigkeit. Und durch das Weglassen der Episode von der Weinschenkung schrieb Francisco die priesterliche Rolle ausschliesslich dem Pilger zu, der die rituellen Handlungen allein vollzog: das Vorlesen des Evangeliums und die Segnung. Bedeutsam wird Franciscos Version, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass der Pilger die Zeichen des Kreuzes "über dem Gesicht und den Brüsten" machte, statt dreimal auf der Stirn, wie Marfa sagte. 59 Sie bemühte sich in ihren Aussagen darum, ihr Scham- und Peinlichkeitsgefühl hervorzuheben, indem sie zwar erklärte, dass sie nackt im Bett lag, aber sich vor dem Eintritt des Pilgers in ihr Zimmer zudeckte. Francisco berichtete nichts darüber, und er schien weniger Rücksicht auf Marfas Schamverhalten während des Pilgerbesuches zu nehmen als die übrigen Zeugen. Er zeigte so eine gewisse Unbefangenheit im Reden über den körperlichen Kontakt zwischen Marfa und dem Heiligen. Marfa de Zuiieda war ihrer Aussage nach anwesend und sprach sogar selber mit dem Pilger. Ihre Version war der von Marfa de Aperrigui sehr ähnlich. Nach Marfa de Zuiieda hatte Marfa de Aperrigui dem Pilger Wein angeboten, nachdem sie Brot von ihm bekommen hatte. Sie sagte jedoch nicht aus, dass der Pilger den Wein getrunken hatte, sondern nur dass er ihn probierte. Dieses Motiv stammte aus den Erzählungen über Christi Erdenwanderung, in denen der unbekannte Pilger seine Göttlichkeit unter anderem dadurch zum Ausdruck brachte, dass er nicht ass, was man ihm anbot, sondern es nur probierte. 60 In Marfa de Zuiiedas Version begründete der Pilger sein Verhalten auf eine originelle Art und Weise, was andere populäre Erzählungen mit diesem Motiv nicht tun: und der besagte Pilgerwollte hinausgehen, und diese Zeugin sagte der besagten Maria [der Tochter], sie solle dem besagten Pilger ein bisschen Wein aus der Speisekammer bringen; und dieser sagte, dass er keine Lust hatte zu trinken; und die besagte Maria de Aperrigui sagte ihm, er solle ihn doch trinken, er solle ihn doch trinken, er solle ihn doch trinken [sie], denn es würde ihm nicht schlecht tun, weil es Wein aus Jer Speisekammer sei; und als er ihn probierte, sagte er, dass er ihn nicht trinken wollte, weil er gerade gegessen hatte; und so ging der besagte Pilger weg, nachdem er sie gesegnet und ihnen gesagt hatte, sie sollen mit Gott bleiben. 61 59 Keine andere Zeugenaussage enthält solche Hinweise auf die Berührung der Brüste. 60 Bynum, Holy Feast, S. 308-309. 61 f. 67 v. Anhang 86. <?page no="383"?> Die Heilung und die Eucharistie 373 12.6 Die Heilung und die Eucharistie Mariade Aperrigui war sich der Unterschiede zwischen dem vom Heiligen verschenkten Brot und dem sakramentalen Brot, der Hostie, nicht sehr bewusst. Wie wir gesehen haben, 62 verwischten die Laien häufig die Grenzen zwischen der Hostie, dem gesegneten Brot, das den Gemeindegliedern gewöhnlich nach der Messe verteilt wurde, und dem normalen Brot ohne die religiöse Nebenbedeutung . 63 Die Kleriker, die Maria zuhörten, erwarteten wahrscheinlich, dass sie sich spätestens nach der Heilung danach sehnen würde, zur Kirche zu gehen, um die Messe zu besuchen und an der Kommunion teilzunehmen. Dies wäre jedenfalls ein Beweis für eine orthodoxe Eucharistiefrömmigkeit gewesen. 64 Denn bereits vor dem Tridentinum war es üblich, dass man vor Ostern fastete und an Ostern die Eucharistie empfing. In ihrer Erzählung erwähnte Maria jedoch nichts davon . Sie schilderte hingegen sehr genau, wie sie sich plötzlich bewegen konnte, wie sie sich bewusst wurde, dass sie ein Wunder erlebt hatte, wie sie aufstand und sich kleidete, um den Pilger zu suchen. Sie erklärte den Richtern auch, dass sie ihn nicht mehr fand und es ihr endlich klar wurde, dass dieser Mann der Heilige Domingo gewesen sein musste: nach etwa der Hälfte einer Viertelstunde, als die Aussagende allein war, und nachdem der besagte Mann sich von ihr verabschiedet hatte, spürte sie eine Besserung in ihrem Schoss ["seno"]; und als sie es spürte, erhob sie die Arme, die vorher gelähmt waren, und indem sie unserem Herrgott für die Gnaden dankte, die er ihr erwiesen hatte, als sie sich in jenem Zustand befand, begann sie zu versuchen, aus dem Bett aufzustehen, in dem sie gelähmt lag, und sie stand auf gesund und wohl, ohne dass irgendjemand mit ihr gewesen wäre; und sie holte ein Hemd, das etwas entfernt vom Bett war, aus einer Holzkiste, um sich anzuziehen; und sie nahm das besagte Hemd in die Hände und zog es an; und sie ging weiter, um einen Rock zu suchen, und sie zog ihn mit ihren eigenen Händen an; und als sie gekleidet war, ging sie aus dem Haus, in dem sie sich befand, auf die Stras se; und draussen begann sie, unserem Herrgott für eine so grosse Besserung und Gnade zu danken, die er wegen seiner göttlichen Güte ihr erwiesen hatte, indem sie von der besagten Krankheit befreit worden war; und als sie auf der besagten Strasse war, kamen die besagte Marfa, die Tochter derjenigen, die aussagt, und die besagte Marfa de Zuiieda, die sie dort auf der Strasse trafen; und es wunderte sie, diese so zu sehen; und sie fragten sie, wer sie dorthin gebracht hätte; und diejenige, die aussagt, antwortete ihnen, dass unser Herr Gott wegen seiner Güte [es getan hatte]; und diejenige, die aussagt, hattewährend ihrer Krankheit eine grosse Devotion für die Heilige Dreieinigkeit, für die glorreiche Jungfrau, unsere Herrin und Mutter Gottes, und für den seligen und glor- 62 Vgl. Kapitel4.3. 63 Reinburg, Liturgy and the Laity, S. 526-546; Casas, Gracias de Ia misa, S. 71-78. 64 Vor allem nach dem Tridentiner Konzil gehörte die Ermahnung der Laien zur Beichte und zu r Kommunion an Ostern zu den wichtigsten Anliegen der spanischen Bischöfe. Nalle, G od, 25,43,129- 130. <?page no="384"?> 374 M aria de Aperriguis Vision reichen Herrn Heiligen Domingo de la Calzada; und diejenige, die aussagt, hatte dem glorreichen Heiligen versprochen, einen Fuss aus Wachs als Votivgabe zu bringen, wenn Gott ihr das Nötige dafür geben würde, da sie damals nichts besass; und aufgrund dessen, was sie aussagte, kam es ihr in den Sinn und sie dachte, dass der besagte Mann, der Pilger, den sie oben erwähnte, der glorreiche und selige Herr Heilige Domingo de la Calzada war, denn diejenige, die aussagt, hatte, wie gesagt, immer eine grosse Devotion für ihn empfunden und empfindet sie heute noch; und sie sah sich gesund und wohl, ohne jegliche Lähmung aufgrund der besagten Krankheit, auf der Strasse aus Freude und Lust, weil sie gesund war; und als die besagte Maria, ihre Tochter, und Maria de Zuiieda, wie gesagt, kamen, sagte sie ihnen: "Habt ihr gesehen, wohin dieser Mann gegangen ist? "; und sie antwortete ihr, dass er etwa in die Richtung von Estrella gegangen war, einem Hieronymitenkloster, das sich in der Nähe der besagten Kleinstadt befindet; und dass sie ihn dann nicht mehr gesehen hatten; und manche Leute wunderte es, diejenige, die aussagt, gesund und wohl zu sehen, ohne die besagte Krankheit, und sie dankten unserem Herrn; und die Heilung begann in der Kleinstadt bekannt zu werden, und Catalina de Cirate, die Frau von Pedro de Cirate, Bürger der besagten Kleinstadt, kam am selben Tag kurz darauf in das Haus derjenigen, die aussagt, um ihr ein bisschen Suppe und Brot zu bringen; und diejenige, die aussagt, erzählte ihr alles, was mit dem besagten Mann geschehen war und wie sie gesund worden war, und nachdem sie es ihr erzählt hatte, sagte ihr die besagte Catalina de Cirate: Wenn sie gewusst hätte, wohin jener Pilger gegangen sei, hätte sie ihn gerufen, damit er ihren Mann gekreuzigt hätte, der krank im Bett lag. 65 Marfas Erzählung vermittelt den Eindruck, dass sie erstaunt und sehr dankbar darüber war, als sie sich wieder gesund fühlte . Sie wusste gleich, dass sie Gott für die Besserung danken musste. Erst jedoch als sie über die Opfergabe aus Wachs nachdachte, die sie dem Heiligen Domingo während der Krankheit für die Heilung versprochen hatte, entdeckte sie die wahre Identität des J akobspilgers. Sie sehnte sich danach, ihn wieder zu sehen, und fragte die anderen, ihre Tochter und ihre Nachbarin, ob sie ihn gesehen hätten. Alle diese Details trugen nur dazu bei, ihre Überzeugung zu verdeutlichen, dass sie einen direkten Kontakt mit dem Heiligen während der Vision erlebt hatte. Damit schwächte sie gleichzeitig die Autorität der Priester, die nach der katholischen Lehre als Vermittler zwischen den Laien und Gott galten. Durch das Sakrament der Eucharistie konnten die Laien Gott empfangen, da dieser nach der Transubstantiationslehre in der Hostie real präsent war. Ihr Hinweis auf den Besuch von Catalina de Cirate, die "ihr ein bisschen Suppe und Brot" brachte, zeigt, dass Marfa nicht daran dachte, sofort in die Kirche zu gehen, denn das hätte bedeutet, dass sie nüchtern zur Eucharistie ging. Das Wichtigste war für Marfa nur ihre Vision und ihre Wunderheilung weiterzuerzählen. 65 f. 68 r-v. Anhang 87. <?page no="385"?> Die Heilung und die Eucharistie 375 Irgendjemand muss gemerkt haben, dass es sehr wichtig war, Marias Messbesuch hervorzuheben, damit niemand Zweifel an der Orthodoxie ihrer Vision hätte. Dieser Umstand könnte erklären, weshalb die Richter diesem Punkt so viel Aufmerksamkeit während Pedro de Ventrosas Erhörung widmeten. In dessen Aussage nahm die Beschreibung von Maria de Aperriguis Bemühungen, die Eucharistie nach der Heilung zu empfangen, einen auffällig bedeutenden Platz ein. Pedro stellte sich gerne als die Verbindungsperson zwischen Maria de Aperrigui und dem Pfarrer von Briones Juan L6pez de Herrera dar: nachdem sie ihm [Pedro] das oben Erwähnte erzählt hatte, sagte die besagte Mariade Aperrigui diesem Zeugen, sie würde sehr gerne zu der Einsiedlerkapelle unserer Jungfrau del Remedio in der besagten Kleinstadt gehen, um zu beichten und das heilige Sakrament zu empfangen; und dieser Zeuge fragte sie, ob sie sich getrauen würde, dorthin zu Fuss zu gehen, und sie antwortete ihm, dass sie es mit der Hilfe Gottes tun würde; und der besagte Zeuge ging deshalb in die Kirche der besagten Stadt, um mit dem P{arrer zu sprechen, damit dieser oder ein anderer Kleriker in die besagte Einsiedlerkapelle gehen würde, um der besagten Marfa de Aperrigui die Beichte abzunehmen und ihr das allerheiligste Sakrament zu reichen; und der besagte P{arrer antwortete ihm, dass es schon spät war und dass er es an diesem Tag nicht mehr tun konnte, aber dass er es an einem anderen Tag tun würde, oder, wenn sie bis zu der besagten Kleinstadt und bis zur besagten Kirche hinauf gehen konnte, würde er es dort tun; und so ging der besagte Zeuge zu der besagten Maria de Aperrigui und traf sie, als sie sich kleidete und bereitmachte, während zwei weitere Frauen bei ihr waren; und er sah, wie sie die Arme hinaufstreckte, ohne an der besagten Krankheit zu leiden, und sie ging auf eigenen Füssen in die besagte Kleinstadt und in die besagte Kirche, die ziemlich weit entfernt und auf der Anhöhe ist, denn sie lebt in dem Viertel von Cuartangos . 66 Der Pfarrer Juan L6pez de Herrero scheint von derNachrichtnicht gerade allzu begeistert gewesen zu sein, eine Visionärin in Briones zu haben. 67 Nach Pedro de Ventrosas Aussage hatte der Pfarrer es nicht eilig, für Maria die Messe zu halten. Warum er sie lieber in der Kirche als in der Kapelle halten wollte, geht nicht deutlich aus Pedros Aussage hervor, weil er den Grund vielleicht auch nicht ganz klar verstand. Die Bischöfe setzten sehr viel Wert darauf, dass für die Messen die Kirchen den Kapellen vorgezogen wurden, obwohl die Laien es häufig anders lieber hatten. 68 Die Aussagen des Pfarrers sind aus mehreren Gründen aufschlussreich. Was Marias Beichte und die Teilnahme an der Kommunion anbelangt, wies er nur darauf hin, dass sie bei ihm gebeichtet und er ihr die Hostie gegeben 66 f. 75 v. Anhang 87. 67 Zu dem Misstrauen der Männer im allgemeinen gegenüber prophetischen Frauen im Spätmittelalter vgl. Bynum, Holy Feast, S. 23 . Zu der skeptischen Haltung der Priester gegenüber Visionen vgl. Christian, Apariciones, S. 230. 68 Nalle, God, S. 154-155. <?page no="386"?> 376 Mariade Aperriguis Vision hatte. 69 In seiner Version der Geschichte von der Heilung und Vision stellt er sich selbst und seinen Kollegen Diego de An! valo, den anderen Pfarrer und Pfründenbesitzer von Briones, als wohltätige Priester dar, die ihre Pflichten gewissenhaft erfüllten. Seine zusammenfassende Erzählung von der Vision lässt den Austausch von Wein und Brot eindeutig beiseite: und so besuchte Diego de An! valo, Pfarrer in der Kirche der besagten Kleinstadt, Kollege und auch Pfründenbesitzer des Zeugen, die besagte Maria de Aperrigui und half ihr, indem er ihr Almosen gab; und als sie so gelähmt war, hörte dieser Zeuge immer von den Marfa de Aperrigui Nahestehenden, dass sie sehr krank und gelähmt war; und deshalb unterstützte er seinen Kollegen, damit dieser ihr mit Almosen aus dem Opferstock derbesagten Kirche und von den übrigen [Almosen] aus der besagten Kirche und aus dem Spital der besagten Kleinstadt helfen würde, da sie eine arbeitsunfähige Person war, die ihre Hände nicht gebrauchen konnte, um ihren Unterhalt zu verdienen; [...) und er fragte sie, auf welche Art sie geheilt worden war; und diese sagte diesem Zeugen, dass sie eine grosse Verehrung für unsere Herrin und für den glorreichen Heiligen Domingo de Ia Calzada während der ganzen Dauer ihrer Krankheit und dass sie Vertrauen in ihre Heilung gehabt habe, da sie die Hoffnung gehegt hatte, dass unser Herr sie dank der Fürsprache des Heiligen Domingo heilen und von dieser Krankheit befreien würde; und so erzählte sie, wie ein Pilger in ihr Haus gekommen sei, der das Johannes-Evangelium vorgelesen und dreimal den Namen Jesu gesagt hatte; und dass der besagte Pilger sich dann von ihr verabschiedet hätte.7° Maria de Zuii.eda, die Nachbarin, berichtete jedoch nicht über Maria de Aperriguis Sehnsucht nach der Eucharistie. Ihr schien von Bedeutung, dass sie nicht nur für den Heiligen Domingo eine grosse Devotion zeigte, sondern auch für die Jungfrau von Toloii.o, Schutzherrin der Kirche der Ortschaft: und diese Zeugin ging nach Hause zurück, und die besagte Marfa de Aperrigui blieb in ihrem Haus; und etwa eine Stunde später ging diese Zeugin an Marfa de Aperriguis Haus vorbei; und sie sah sie kniend in Richtung zu der Kirche unserer Jungfrau von Toloiio, die man vor der Haustür der besagten Marfa de Aperrigui aus sieht; und da diese Zeugin sie so sah, war sie sehr verwundert darüber, denn sie war ganz krank gewesen, als der besagte Pilger mit ins Haus hineingegangen war; und nun war sie gesund und wohl, und sie fragte sie, wer sie dorthin gebracht habe und was sie dort tue; und diese antwortete, dass sie zur Jungfrau von Toloiio betete, um sich für die Gnaden zu bedanken, die unser Herr ihr erwiesen hatte, indem er sie von jener Krankheit geheilt hatte, an der sie gelitten hatte. 71 AlsMariade Aperrigui ihrenNachbarinnenund Nachbarn ihre Geschichte erzählte, stiess sie auf deren wohlwollende Glaubensbereitschaft. Manche 69 "Ia confeso y comulgo en Ia yglesia de Ia dicha villa". f. 73 r. 70 f. 73 r. Anhang 88. 71 f. 76 r. - 77 r. Anhang 88. <?page no="387"?> Die Heilung und die Eucharistie 377 waren nicht nur bereit, ihr alles zu glauben, sondern bestätigten sogar ihrerseits, dass der Pilger, von dem sie redete, tatsächlich in Briones gewesen war. Nach der Beschreibung ihrer Heilung und von Catalina de Cirates Besuch fuhr Marfa in ihrer Aussage mit einem Beispiel für eine solche Bestätigung fort. Und als sie nach Santo Domingo de la Calzada pilgerte, traf sie Leute, die ihr von weiteren Wundern des Lokalheiligen erzählten. Alle bestärkten sie in ihrer Meinung, der Pilger sei der Heilige Domingo gewesen: und man erzählte, dass ein Sohn von Vanuelos, Bürger der besagten Kleinstadt, der Vfctor heisst, den besagten Mann ausserhalb der Kleinstadt getroffen hatte, und dass der besagteJunge dem besagten Mann gesagt hatte: Wenn er schnell nach Estrella [zum Kloster] gehen würde, würde er dort zu essen bekommen; und der besagte Mann antwortete ihm, dass dieser mit Gott gehen sollte und dass er nicht so weit gehen wollte; und der besagte Mann erschien niemals mehr; und so ist sie dank der Gnade unseres Herrn und dank der Fürsprache des Herrn Heiligen Domingo gesund und von derbesagten Krankheit befreit worden; und deshalb lobt sie Gott ständig und dankt ihm, seiner heiligen Mutter und dem glorreichen Herrn Heiligen Domingo de Ia Calzada; und sie hat Novenen in der besagten Mutterkirche, in der dieser [Heilige] begraben ist, gehalten und hält sie immer noch mit so viel Devotion, wie sie kann; und als diejenige, die aussagt, in der Kirche war, in der der Körper des Heiligen begraben ist, hat sie ausserdem in aller Öffentlichkeit gehört, dass andere Leute von anderen Krankheiten geheilt worden waren; und dies bewegte sie zu einer noch grösseren Devotion für den besagten glorreichen Heiligen, die sie gehabt hat und jetzt auch hat. 72 Der vierzigjährige Jer6nimo Domfnguez berichtete vor den Richtern ausführlich über seine eigene Begegnung mit dem mysteriösen Pilger ausserhalb von Briones, an der Grenze zwischen der Kleinstadt und den Gebieten anderer Gemeinden, dort, wo sich die Einsiedlerkapelle der Jungfrau del Remedio befand: dass dieser Zeuge am Samstag, dem 25. vom letzten März 1559, von der besagten Kleinstadt Briones zu der Einsiedlerkapelle unserer Jungfrau del Remedio in der besagten Kleinstadt ging, die etwa eine viertel Meile von der besagten Kleinstadt entfernt ist; und als er dorthin ging, traf dieser Zeuge einen Pilger im Pilgerkleid mit braunem Pilgermantel aus Burieltuch und mit einem mit Pilgerstäbchen und Jakobsmuscheln verzierten Hut, wie es bei den Pilgern üblich ist; und es schien ihm, dass dieser etwa fünfzig Jahre alt war, und er hatte einen kurzen, schwarzen Bart und ein sehr braunes Gesicht; und er hatte die Unterschenkel unbedeckt, die von der Sonne und der Luft etwas braun waren, und er war ein schlanker, mittelgrosser Mann; und als dieser Zeuge ihn sah, war er ein bisschen erschrocken, weil es schon so spät war; und dieser Zeuge nahm den Hut, und der besagte Pilger senkte den Kopf zum Gruss, und dieser Zeuge betete kniend in der besagten Einsiedlerkapelle; und er sah, dass der besagte Pilger auf dem Anstieg zwischen der Einsiedlerkapelle und der Kleinstadt Briones hinaufgegangen ist; und kurz danach, als dieser Zeuge in sein Haus in der besagten Kleinstadt zu- ---- 72 f. 68 v. Anhang 89. <?page no="388"?> 378 Mariade Aperriguis Vision rückkehrte, traf er den besagten Pilger wieder, der unter den Mandelbäumen lag, die, wie man sagt, Gaspar de Villodas gehören, Bürger der besagten Kleinstadt, die sich in einem Landstück befinden, das neben dem Weg zwischen der Kleinstadt und der Einsiedlerkapelle liegt; und dort nahm der Zeuge den Hut wieder, um den besagten Pilger zu begrüssen, und er sagte ihm: "Deo gra'<ias padre"; und der besagte Pilger senkte den Kopf, um diesen Zeugen zu begrüssen, und blieb dort; und dieser Zeuge kam nach Hause in die Kleinstadt; und der besagte Pilger sagte niemals etwas zu dem Zeugen, und dieser hörte nichts von ihm. 73 Dass die Bewohner von Briones oder mindestens die Leute aus Maria de Aperriguis Bekanntenkreis, die im Prozess aussagten, so positiv reagierten, bedeutete tatsächlich eine grosse Unterstützung für die Ansprüche, von den Klerikern aus Santo Domingo de la Calzada ernst genommen zu werden. Andere Visionäre und insbesondere Visionärinnen aus dem Volk im Spanien des 16. Jahrhunderts machten in dieser Beziehung viel schlechtere Erfahrungen, wenn sie ihre Visionen erzählten. Ihnen wurden häufig nicht geglaubt, weil man sie der Ruhmsucht verdächtigte. Die Männer beklagten sich meistens darüber, dass die Visionärinnen lögen, um mehr Geltung zu erlangen. Wenn die Laien, die ihre Visionen erzählten, keine Unterstützung von ihren Bekannten und von den Pfarrern ihrer Ortschaften bekamen, bestand die grosse Gefahr, dass die Inquisition sich für ihre Fälle interessierte. Wenn aber die Inquisitionsgerichte die Visionen für falsch erklärten, wurden die Betroffenen auf den Strassen gepeitscht. William A. Christian hat gezeigt, dass die Mitwirkung der Nachbarschaft von zentraler Bedeutung war und dass die Meinung der Leute aus derUmgebungder Visionäre und die Tätigkeit der Inquisition ineinandergriffen. 74 Die gefährlichsten Visionen waren damals jedoch diejenigen, in denen Themen angesprochen wurden, die eine öffentliche Relevanz besassen, wie etwa das oft vorkommende Verlangen der Jungfrau über den Aufbau einer Kapelle zu ihrer Verehrung am Ort der Vision. Eine solche Entscheidung war mit grossen Kosten für die Gemein den verbunden, und die Männer Iiessen sie nicht gerne in den Händen der Visionärinnen. So wie einige Nachbarn und vor allem manche Nachbarinnen von Marfa de Aperrigui während ihrer Krankheit Hilfe leisteten, so drückte sich ihre Solidarität mit ihr nach der Heilung unter anderem darin aus, dass sie ihr ihre Erzählung über ihre Vision glaubten und zum Teil sogar die Anwesen heit des Pilgers in Briones bestätigten. Am Schluss ihrer Aussage berichtete Maria über ein letztes Wunder: die Vermehrung des Brotes, das der Heilige ihr geschenkt hatte. Dank dieser Vermehrung konnten sie und ihre Familie genügend essen, und sie hatten 73 f. 75 v. Anhang 89. 74 Christian, Apariciones, S. 199-236. <?page no="389"?> Der falsche Pilger 379 sogar Reste für weitere Mahlzeiten. Sie stellte sich dadurch selber als nährende Mutter dar, die das Essen für die Tochter und den von ihr bis dahin noch nicht erwähnten Sohn vorbereitete. Dieses Motiv ist eine seit dem Spätmittelalter charakteristische Erzählung für die Frauenfrömmigkeit, denn Frauen wurden sehr oft in religiösen Erzählungen mit der Nahrung assoziiert. DieNahrungszubereitung gehörte zu den Aufgaben der Frauen, und das Essen bildete ein mächtiges und polysemes Symbol des Leidens und der Fruchtbarkeit im Christentum. 75 Die weibliche Kontrolle über die Nahrung im Alltag entsprach dem bewussten Gebrauch religiöser Symbole wie Brot und Wein durch die Frauen. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wirkte auf die religiösen Ausdrucksformen der Frauen, auf ihre Geschichten über ihren Körper und ihre Esspraktiken. Nahrungswunder waren deshalb meistens weibliche Wundererzählungen. Maria definierte sich selbst in ihrer Aussage über ihre Mutterrolle und über ihre Funktion als Ernährerin. Durch dieses letzte Wunder betonte sie wieder ihren direkten Kontakt mit dem Heiligen und die besondere göttliche Gnade, die ihr erwiesen worden war. Sie unterstrich ausserdem einmal mehr, dass das verschenkte Brot kein gewöhnliches Brot war: nachdem der besagte Pilger das Haus verlassen hatte und sie wieder gesund geworden war, wie sie gesagt hat, gingen diejenige, die aussagt, und die besagte Marfa, ihre Tochter, und Martfn, ihr Sohn, zu ihrem besagten Haus hinauf; und sie assen dort zusammen eine der besagten Rationen von Brot, die der besagte Pilger ihnen gegeben hatte; und als sie es gegessen hatten, nachdem sie eine Suppe daraus gemacht hatten, fragte diejenige, die aussagt, ihre besagten Kinder, ob sie mehr Brot wollten, und diese antworteten ihr, dass sie kein Brot mehr wollten, weil sie das gegessen hatten, was sie brauchten; und dasselbe dachte diejenige, die aussagt; und die besagte Ration Brot könnte etwa ein halbes Viertel von einem Viertellaib Brot gewesen sein; und es war ungesäuertes Brot; und obwohl diejenige, die aussagt, und ihre besagte Tochter und ihr Sohn von der besagten Ration Brot gegessen haben, haben sie es nicht aufgegessen, und sie waren sehr zufrieden und satt, wie sie gesagt hat. 76 12.7 Der falsche Pilger Mariade Aperrigui sah einen echten Jakobspilger in ihrer Vision, welcher ihrer Aussage nach der Heilige Domingo selbst war. Si e beschrieb seine Kleidung und seinen Körper, sie erinnerte sich an das mit ihm geführte Gespräch, an sein Brot und vor allem war sie glücklich über ihre Heilung, die sie ihm verdankte. In ihrer Vision erkennt man eine weiblich geprägte religiöse Praxis und eine frauenspezifische Verwendung der religiösen 75 Zu diesem breiten Themenbereich vgl. Bynum, Holy Feast, passim. 76 f. 68 v. - 69 r. Anhang 89. <?page no="390"?> 380 Mariade Aperriguis Vision Symbole, insbesondere derjenigen, die sich auf das Essen und die Körperlichkeit bezogen. Ihr Bild des Heiligen war menschennah, freundlich und karitativ.l 7 Die Kleriker aus Santo Domingo teilten ihr Symbolverständnis nur bis zu einem gewissen Grad. Der Glauben an den sakramentalen Charakter der Eucharistie erlaubte ihnen, keine Verwischung der Grenzen zwischen dem konsekrierten und dem gewöhnlichen Brot zu akzeptieren, auch wenn ein Heiliger es geschenkt hätte. Für Maria de Aperriguis Vorstellungen gab es bestimmt in Bezug auf die Beschreibung des Heiligen als Jakobspilger mehr Verständnis, weil ihnen die Wallfahrten ein wichtiges Anliegen waren. Doch andere spanische Zeitgenossen teilten diese Auffassung über die Wallfahrten nicht. Für viele gab die Pilgertracht Anlass zu Verdacht auf Vagabundentum. Gegen den Missbrauch der Pilgertracht wurden am Ende des 16. Jahrhunderts sogar Gesetze erlassen.l 8 Auch die Inquisition trug zum zunehmenden Misstrauen gegen die Pilger im allgemeinen bei, vor allem wenn diese Ausländer waren.7 9 Das traditionelle Erscheinungsbild des Pilgers wich bei den Inquisitoren von dem der Kleriker aus Santo Domingo oder dem von Marfa de Aperrigui und den frommen Laien in der Nähe der Pilgerwege ab. Verdeutlichen lässt sich der Einfluss der Inquisition auf die allgemeine Einstellung gegenüber Pilgern anband der Prozesse gegen "falsche Pilger" in manchen Gebieten Spaniens, die zwischen 1530 und 1570 durchgeführt wurden. Leider sind die riojanischen Fälle nicht überliefert, aber es bestehen immerhin Hinweise auf ihre Existenz. 80 Ein solches Inquisitionsverfahren aus dem Jahr 1547 ist für die Gegend um Toledo überliefert, 81 und man kann annehmen, dass die Ereignisse in der Rioja Ähnlichkeiten damit aufweisen. Ein zwanzigjähriger armer Mann, Antonio Ruiz (oder Rodriguez) aus Medina del Campo, welcher in mehreren kastilischen Dörfern und Städten gearbeitet hatte und zu der Jungfrau von Guadalupe gepilgert war, traf dort einen Franzosen, Pierre, mit dem er zahlreiche Bauern aus der Gegend der Montes de Toledo betrog, bis er schliesslich festgenommen wurde. Pierre konnte fliehen, vielleicht hatte er sogar Antonio schon vor der Verhaftung verlassen. Antonio wurde zu einer öffentlichen Auspeitschung verurteilt. Mehrere Zeugen bestätigten vor dem lnquisitionstribunal, dass Antonio ihnen erzählt hatte, er sei Juan de Espera en Dios, der spanische Name der 77 Zu der Verehrung männlicher Gottheiten und Heiligen durch Frauen vgl. Bynum, Complexity of Symbols, S. 1-20. 78 Zu der Pragmatica von Philipp I I. aus demJahr 1590 vgl. Vazquez de Parga, Peregrinaciones, Bd. 3, S. 115-117. I. Mieck zweifelt jedoch zurecht an der Wirkung dieser Gesetzgebung. Mieck, Wallfahrt nach Santiago, S. 522-527. 79 Mieck, a. a. 0., S. 518-520. 80 Redondo, Devoci6n tradicional, S. 408; ders., Folklore, S. 77, 83 . Dazu vgl. auch Caro Baroja, Vidas magicas, Bd. 1, S. 390-393 . 81 Zu diesem Prozess vgl. Bataillon, Varia lecci6n, S. 109-124. <?page no="391"?> Der falsche Pilger 381 in Volkserzählungen bekannten Gestalt des ewigen Juden. 82 Eine der Zeugenaussagen belegt Antonios Vorgehensweise auf deutliche Art und erlaubt uns einen Vergleich mit Marfa de Aperriguis Vorstellungen vom Heiligen Domingo als Jakobspilger zu ziehen: 83 Nachdem Mari Garcfa, die Witwe, in der rechtlich korrekten Form geschworen hatte, sagte sie, dass ein junger Mann, der mit einem schwarzen langen Leibrock und braunen Kniehosen gekleidet war, etwa acht Tage vor dem letzten Tag des Heiligen Michaels in die Ortschaft Aleova kam, und die Aussagende war krank im Bett und sie hörte sagen, dass jener junger Mann Juan de Espera en Dios hiess; und sie schickte ihre Tochter zu ihm, und er kam, und als sie mit ihm sprach, sagte er ihr, dass sie als Mädchen eine gewisse Sünde begangen habe und dass sie verantwortlich für die Seele ihres zweiten Mannes sei und dass Feuerflammen aus dem Mund [der Seele] herkämen und dass diese Gott um eine Strafe gegen sie gebeten habe und dass es für ihre Befreiung nötig sei, dass sie drei neuntägige Gebete oder Novenen für diese Seele sollte halten lassen, und zwar die eine an Christi Grab in Jerusalem, die andere in Rom und die dritte in Santiago. Und diese Aussagende fragte ihn, wie sie dies in so kurzer Zeit erfüllen könne. Und er antwortete ihr, dass er bereits die Verantwortung für die Last des Gewissens von sechs Menschen übernommen habe und dass er sich auch um sie kümmern würde, womit es dann sieben wären; und die Aussagende ging zu ihrer Mutter und bat sie um zwölf "reales" [Münzeinheit] für den jungen Mann. Und solange sie diese nicht zurückbezahlen könne, dürfe sie ihren Ochsen haben. Und wenn die Mutter ihr diese nicht geben würde, würde sie sie anderswo suchen. Und sie hätte es getan, wenn ihre Mutter nicht gesagt hätte, es sei ein Betrug; und sie brauche dieses Geld mehr als derjenige, dem sie es geben wolle. Und deshalb gab sie ihm das Geld nicht. Die Aussagende sagte ferner, dass sie ihn fragte, wer er sei, und dass er antwortete, er sei Juan de Espera en Dios. Und als manJesus zur Kreuzigung führte, war jener Uuan de Espera en Dios] in der Strasse der Kummer im Laden eines Schuhmachers . Und er ging mit einem Leisten in der Hand hinaus, indem er sich selber mit diesem in der Hand schlug. Und er sagte: "So, so, der Zauberer, Sohn der Zauberin"; und Christus antwortete ihm: "Ich werde gehen, und du wirst für immer hier bleiben! " Und danach zeigte er dieser Aussagenden einen auf seiner Hand markierten Leisten, und sie glaubt, es sei die linke Hand gewesen, und das Zeichen gingvom unteren Knochengelenk des Daumens bis zur Linie, welche die Hand durchkreuzt. Sie wurde gefragt, ob er sie gefragt habe, sie solle bei ihm beichten oder ob er ihr die Absolution erteilt habe. Sie antwortete nein, aber sagte, dass er sie im Zusammenhang mit der von ihr als Mädchen begangenen Sünde gefragt habe, ob sie Gott um Verzeihung gebeten habe und ihn um Busse; und die Aussagende antwortete ihm mit ja; und er sagte ihr: "Gott verzeihe dir dank seiner Barmherzigkeit". Aber er auferlegte ihr keine Busse und erteilte ihr auch keine Absolution. Beänstigende Szenen aus dem Fegefeuer dienten Antonio dazu, seinen Opfern Angst einzujagen, um sie danach um Geld für seine Leistungen zu 82 Zum ewigen Juden in populären Erzählungen vgl. Schnitzler, Ewiger Jude, S. 577-588. 8J Es kann hier nicht auf den ganzen Prozess eingegangen werden. M. Bataillon gibt Teile der hier vollständig zitierten Aussage wider. AHN , Aktenbündel222, Nr. 10. Anhang 90. <?page no="392"?> 382 Mariade Aperriguis Vision bitten. So versprach er ihnen, Pilgerfahrten in ihrem Auftrag nach Jerusalem, Rom und Santiago zu unternehmen. 84 Um seine Kenntnis über die Verhältnisse im Jenseits zu begründen, benutzte er seine erfundene Identität als Juan de Espera en Dios. Da seine Zuhörer mit der Geschichte dieser Figur nicht vertraut waren, musste er ihnen zusätzlich erklären, warum er zur ewigen Erdenwanderung verurteilt wurde . Die auf diese Weise gespielte Gestalt unterschied sich deutlich vom guten und echten Pilger der Vision von Marfa de Aperrigui. Juan de Espera en Dios wusste alles über die Menschen, während der Heilige fragen musste; Juan fragte nach Geld, während der Heilige Geschenke machte; Juan erklärte seine Identität mit seiner Lebensgeschichte, während der Heilige wenig von sich erzählte. In Crist6bal de Villal6ns Werk El Cr6talon wird ein solcher Betrüger in einer Weise beschrieben, die stark an Marfas Bild des Heiligen Domingo erinnert: ein Eremit mit langem Bart, in einem langen Mantel aus braunen Burieltuch, mit einem grossen Stock und mit einem riesigen Rosenkranz. Der Autor macht sich in seinem Werk ausserdem lustig über die abergläubischen Verehrer eines solchen Mannes, der angibt, Krankheiten zu heilen. 85 Die beste literarische Beschreibung eines falschen Pilgers aus dieser Zeit findet sich im Viajede Turquia und zeigt in seinen drei ersten Kapiteln, wie tief und vielseitig der Wandel in der Wahrnehmung des Jakobspilgers und des Pilgers im allgemeinen im 16. Jahrhundert war. Der anonyme Autor, ein von Erasmus beeinflusster Humanist, verfasste den Roman in Dialogform.86 Drei Fi g ur en kommen dabei zu Wort: Pedro d e Urdemalas, Juan d e Voto a Dios und Matalascallando. Die Namen stammen aus zeitgenössischen populären Erzählungen, aber ihre Persönlichkeiten und Identitäten sinJ sehr viel komplexer als diejenigen der populären Figuren. Die Namen, mit denen der Autor überkommene Muster der Folklore verwendet, dienen nur dazu falsche Erwartungen beim Leser zu erwecken, von denen sich dieser dann befreien mussY Pedro, der als Jakobspilger im M önchgewand erscheint, entpuppt sich als Verfechter des von Erasmus geprägten Devotionsstils. Juan de Voto a Dios behauptet, nach Jerusalem gepilgert zu sein, 84 Zu den im Auftrag unternommenen Pilgerfahrten im Spätmittelalter vgl. Mieck, Zur Wallfahrt, S. 505-507. 8S Villal6n, Cr6talon, S. 142-147. Vgl. dazu Bataillon, Varia lecci6n, S. 105-109. 86 Zum Viaje als Dialog vgl. Savoye de Ferreras, Dialogo, S. 7-25; Sanchez Garcia, Viaje, S. 453-460. 87 Zu den Namen und den Identitäten der Figuren vg l. Redond o, D evo ci6n tradicional, S. 405-418; ders., Folklore, S. 65- 78; OrtoLi., Un estudio, S. 48-74. Zu Pedro de Urdemal as in der Volkserzählung vgl. Pedrosa, Rey Fernando, S.21-27; Rodriguez Garcia, Cuentos de Pedro, S. 239-257. In dem hier behandelten Werk arbeitet Pedro de Urdemalas als Arzt am Hof des türkischen Herrschers Simi.n Baja. M. Bataillon hat die These aufgestellt, dass der Arzt Andres Laguna der Autor des Werkes war. Bataillon, Le Docteur Laguna, passim; ders., Politica y literatura, S. 42-52. Gegen diese These vgl. Garcia Salinero, Einführung zu dem Werk, S. 54-73. Kritik an Garcia Salineras Argumenten übt Allaigre, Contribution, S. 5- 13. Zu dem Arztbild in diesem Werk vgl. Del ga do- G6m ez, La medicina y el Viaje, S. 115 - 184. <?page no="393"?> Der falsche Pilger 383 ist aber in Wirklichkeit ein Betrüger, der falsche Reliquien verkauft. Obwohl Matalascallando sein Helfer ist, will er von Pedro lernen und kritisiert seinen Chef häufig. Pedro wirkt wie ein Lehrer mit seinen zwei Schülern, die ihm Fragen stellen. 88 Die Titel der drei ersten Kapitel weisen auf die drei Haupthemen zu Beginn des Werkes: "Der Jakobspilger", "Die Spitäler von Juan de Voto a Dios" und "Die Pilgerfahrten". Die von Friederike Hassauer aufgezeigte Tendenz der Ablehnung des mittelalterlichen Symbolsystems der Pilgerfahrt in der Frühen Neuzeit 89 lässt sich an diesem Werk exemplarisch darstellen, denn ihr religiöser Wert wird mit den Mitteln einer humorvoll konstruierten Fiktion eindeutig in Frage gestellt. So versteht sich Pedro de Urdemalas als ehrlicher Katholik, der die Devotionsformen der Innerlichkeit bevorzugt. An seiner Kritik der Pilgerfahrt lässt sich veranschaulichen, wie leer und sinnlos der Autor die damit verbundenen Symbole und Rituale findet. Die Pilgerfahrt als religiöse und rituelle Bewegung des Körpers in fremden Räumen verliert für ihn jedwelche Bedeutung, weil der Körper nicht mehr Träger und Quelle von Sinn ist. Die Pilgerfahrten diskreditiert er als ein äusserliches Ritual. Das mittelalterliche symbolische Erbe der drei grossen Pilgerfahrten ist ihm nicht mehr wichtig. Hinzu kommt eine gesellschafts-und moralkritische Haltung, welche sich vor allem gegen den Missbrauch der Pilgerfahrten durch die Bettler richtet. Pedro de Urdemalas urteilt im Namen des Autors sehr hart über die Angehörigen der Unterschicht, die nach Santiago ziehen und von den karitativen Einrichtungen auf dem Weg profitieren. Er plädiert sogar dafür, diese abzuschaffen. Pedros Antwort auf eine der Fragen vonJuan enthält eine Zusammenfassung seiner Argumente: Juan. - Mir kommt etwas in den Sinn, was ich Euch heute habe entgegnen wollen, al s wir über die Spitäler sprachen, und ich hatte es vergessen, und es ist folgende s: W as würden die vielen armen Pilger tun, die dorthin gehen, wohin Ihr jetzt geht, und die aus Frankreich, Flandern, Italien oder Deutschland kommen, wenn es keine Spitäler mehr gäbe? Wo würden sie Unterkunft finden? Pedro.- Die beste Lösung der Welt: Diejenigen, die genügend Geld hätten, in den Wirtshäusern, und diejenigen, die keines haben, sollten in ihren Häusern und Ländern bleiben, denn dies wäre eine gute Wallfahrt, und dort können sie den Heiligen Jakobus verehren. Was gewinnen wir oder sie selbst, je n ac h Absicht, mit ihren Wallfahrten? Kein Armer kann den Weg nach J erusalem antreten, denn er gibt vierzig Dukaten oder noch mehr aus, und es nutzt ihm nicht das geringste, dort zu betteln und zu stören. 90 88 Zu Pedros lehrerähnlichen Rolle vg l. Allaigre, Contribution, S. 14-34. 89 H assaue r, Santiago, S. 230-245 . Zur Ablehnung des Rituals und zur massiven Kritik am Symbolsystem der katholischen Kirche in der Frühen Neuzeit vg l. Burke, Repudiation of Ritual, S. 223-238; ders ., Historiker, Anthropologen und Symbole, S. 28-31. 90 Viaje, S. 119. Anhang 91. <?page no="394"?> 384 Mariade Aperriguis Vision Die Sinnlosigkeit der religiösen Mobilität begründet Pedro an anderen Stellen damit, dass die Präsenz an einem Pilgerort keinen Heilsgewinn garantiert. In diesem Werk bilden die Wallfahrtsorte keine religiösen Alteritäts- oder Sakralräume für den Vollzug ritueller Bewegungen des Körpers und für Gebete. Gleichzeitig bezweifelt Pedro die Echtheit zahlreicher Reliquien und Gräber. Die rituelle Ortsveränderung des Körpers ist keine wertvolle Leistung, mit der man einem Heiligen oder Gott Reverenz erweist. Riten und Gesten, Votivgaben und Vigilriten dienen nicht zur Annäherung an Gott. Auch wenn er die Heiligenverehrung nicht explizit angreift, bevorzugt er eine christozentrische Frömmigkeit: Denn wenn es so viele Städte Jerusalem, so viele Kreuze und Lanzen und Reliquien gäbe wie es Sterne im Himmel und Sand im Meer gibt, wären sie alle nicht so viel wert wie der geringste Teil der konsekrierten Hostie, in der derjenige enthalten ist, der Himmel und Erde erschuf sowie J erusalem und die Reliquien, und ich sehe die wertvollere Hostie jeden Tag, wenn ich will. Wovon bekomme ich zu wenig? Denn Gott weiss genau, wie wenig Geduld die Pilger auf dem Weg haben und wie häufig sie es bereuen und denjenigen verfluchen, der niemals ein Gelübde ablegt, damit er nicht einmal hinausgehen kann. Dasselbe denke ich von Santiago und von den übrigen Pilgerfahrten.91 Im Einklang damit steht seine Einstellung gegenüber der Pilgertracht und den Pilgerinsignien. Der dadurch symbolisch ausgestattete Körper des Pilgers steht im Gegensatz zu den Absichten seines Bewusstseins. 92 Die Pilgertracht kann auch von falschen Pilgern getragen werden, und jeder ist dem Verdacht von Unglaubwürdigkeit ausgesetzt. Pilgertasche, Stab, Muscheln auf dem Hut waren Insignien, welche durch Segnungsrituale zu ihrer Bedeutungsfülle gelangten. 93 Für Pedro sind sie keine Embleme der Frömmigkeit. Matalascallando teilt diese Ansicht und nimmt als Beispiel die in Erinnerung an das Hühnerwunder in Santo Domingo de la Calzada verteilten Feder: Seht Ihr die vielen Pilgerstäbe und Kürbisse? Und wie die Federn auf den Hüten flattern? Ich glaube, dass man ein grosses Kissen mit den Federn des Hahnes des Herrn Heiligen Domingo füllen könnte. Schön, dass ein Hahn so gute Erträge liefert. Wenn er ein Schaf wäre, statt ein Hahn, bin ich sicher, dass der Preis der Tücher sinken würde. Wenn der Kleriker, der den Auftrag hat, die Federn zu verteilen, damit hätte handeln wollen, glaubt Ihr nicht, dass er zahlreiche grosse Säcke nach Flandern hätte schicken können ? 94 9! Ebd., S. 120. Anhang 91. 92 Hassauer, Santiago, S. 243-245. 9J Vazquez de Parga, Peregrinaciones, Bd. 1, S. 139-141. 94 Viaje, S. 101. Anhang 91. <?page no="395"?> 13 Der Heilige und die Wunder in Luis de Ia Vegas Hagiographie Um 1600 war Spanien abgeschlossener und ärmer geworden als um die Mitte des Jahrhunderts. Die Regierungszeit von Philipp li. hatte ausserordentlich lange gedauert, nämlich von 1556 bis 1598. Durch seine Politik waren die Ressourcen des Landes und die Edelmetalle aus Amerika ausgebeutet worden, um kostspielige Kriege in Europa zu führen, die zu mehreren staatlichen Bankrotten führten. Die zunehmende Steuerbelastung ging insbesondere in Kastillien seit 1580 mit einer tiefen ökonomischen Krise einher. Die Gegenreformation prägte das religiöse Leben in vielen Bereichen. Der König, der eine Sammlung von 7422 Reliquien im Escorial besass,1 bekämpfte den Protestantismus innerhalb und ausserhalb des Landes gewaltsam. Der Übergang von der Renaissance-Kultur, die eine Blüte in der ersten Hälfte des Jahrhunderts erlebt hatte, zu einer barocken Kultur, welche die herkömmliche Strukturen von Staat und Kirche zu festigen versuchte, hatte sich vollzogen. 2 1603 veröffentlichte Luis de la Vega, ein Mönch aus dem Hieronymusorden und Prediger, seine Hagiographie des Heiligen Domingo . Der Bischof von Calahorra und La Calzada, Pedro Mansode Zuiiiga (1594-1612), hatte ihn damit beauftragt. 3 Luis de la Vega schrieb über die Lebensgeschichte und die Wunder des Heiligen für ein frommes Lesepublikum, das sich für einen Lokal-Heiligen interessierte. Er stützte sich dabei im Wesentlichen auf die Legendensammlung von Pedro de la Vega 4 sowie auf eine unvollendete handschriftliche Hagiographie eines Kanonikers der Kathedrale von Santo Domingo namens Carrillo. Aber in dieser und anderen Quellen fand er meistens nur sehr spärliche Angaben, was er häufig bedauerte.5 Den Stil und die Ziele seines Werkes beschreibt Luis de la Vega in seinem Vorwort an den Leser: Ich wollte beim Erzählen der Geschichte [im Sinne von Historie] nicht zu anderen möglichen Sachen abweichen, um die von ihr verlangten Regeln einzuhalten und um keine Schreiblust zu zeigen ausser derjenigen der Ge- 1 Estal, Felipe Il, S. 193-332. 2 Über die Regierungszeit von Philipp II. vgl. Lynch, S. 231-_468. Für ein anderes Urteil über die Politik dieses Königs vgl. Domfnguez Ortiz, S. 24-56. Uber seine geringe Beliebtheit in der Bevölkerung vgl. Kagan, Lucrecia, S. 107-135. Für eine eingehende Analyse der politischen Lage in der Zeit von 1551 bis 1559 vgl. Rodrfguez-Salgado, passim. 3 Luis de Ia Vega, Historia, Vorwort für den Leser, nicht nummeriert. 4 Vgl. Kap. 6. 5 Luis d e Ia Vega, Historia, f.10 v. <?page no="396"?> 386 Der Heilige und die Wunder in Luis de la Vegas Hagiographie schichtsschreibung; aber ich lasse sie [die Geschichte] nicht so trocken und nackt, dass sie ohne die meiner Meinung nach zu ihr passenden Blumen und Kleidung verziert und angezogen ist. Das sind die Ordnung und der Wunsch, der bei mir nicht nur eins sondern zwei waren: der eine, einen Heiligen in der Welt bekannt zu machen, der im Himmel sehr berühmt ist; der zweite, das zu tun, was man mir befohlen hat. 6 Luis de la Vega verstand sich als Historiker. Er wollte eine "historia" schreiben. "Historiar", das von ihm gewählte Verb, sollte seine Tätigkeit als Autor definieren. Seine Geschichtsschreibung zielte jedoch nicht darauf ab, allein über die historisch nachweisbare Wahrheit "trocken und nackt" zu berichten. An welche "Blumen" und welche "Kleidung" dachte er wohl bei der Abfassung des Vorworts an seinen Leser? Er meintediejenigen der Rhetorik seiner Zeit. Am deutlichsten zeigt sich die rhetorische Gestaltung der Lebensgeschichte des Heiligen bei der Wiedergabe seiner Reden und seiner inneren Monologe. 7 Als der Heilige Domingo seine erste Einsiedelei gebaut hatte, hielt er einen seiner längsten Monologe: [... ]der Heilige predigte für sich selber, weil er dort keinen anderen Prediger hatte, und er sprach zu sich selber auf diese Art: "Wohlan, Domingo, Ihr seid schon Eremit, und Ihr habt den Zustand erreicht, den Ihr so sehr begehrtet; dabei ist es nötig, das Leben zu wandeln und ein neu es [Leben] zu beginnen, ein sehr anderes als dasjenige, das man bis dahin geführt hat. Das Vergangene soll vergangen sein, denn es reicht, was Ihr bis jetzt verschlafen habt und für den Dienst Gottes verfault habt. Es ist nötig, alle Eure Triebe und üblen Angewohnheiten zu bremsen; es ist nötig, mit Kraft und Mut mit Euch selber zu kämpfen, bis zum Tod Eurer Laster und Missgeschicke; [es ist nötig,] für die Welt zu sterben und nur für Gott zu leben. Versucht, das gut zu tun, was Jhr tun müsst, und nicht das, was viele tun; der Weg, den Ihr eingeschlagen habt, ist der enge, der nicht zum [weltlichen] Leben führt, es ist nötig, dass Ihr Euch einengt und männlich voranschreitet, auch wenn jeder Schritt das Leben tausendmal kostet. Bedenkt, dass der Himmel nicht für Faulenzer und Müssiggänger ist, mutige und tapfere Leute sind diejenigen, die ihn erreichen werden; bemüht Euch darum, einer von ihnen zu werden, weil Ihr nur eine Seele habt, und wenn diese verloren geht, seid Ihr verloren." 8 Wozu die Ausformung der Erzählung dient, erklärt Luis de la Vega in einem seiner zahlreichen Exkurse. Er reflektiert über den Zweck der Hagiographie, über die erhoffte moralisierende Wirkung des Lesestoffs auf den I .eser. Eine Schwierigkeit bei der Bestimmung der Chronologie des Aufbaus der Brücke durch den Heiligen verleitet ihn zu folgenden Ausführungen: 6 Anhang 92. 7 Ueber diese Verwendung der direkten Rede nach den Normen der Rhetorik in der spanischen Literatur des 16. Jahrhunderts und im Zusammenhang mit den antiken rhetorischen Theoretikern, die damals in Spanien rezipiert wurden vgl. Artaza, EI ars narrandi, f. 284- 296. 8 Luis de Ia Vega, f. 22 v- 23 r. Anhang 92 . <?page no="397"?> Der Heilige und die Wunder in Luis de la Vegas Hagiographie 387 wie dem auch sei, ist uns diese [chronologische Ungenauigkeit] nicht so wichtig, obwohl es wichtig gewesen wäre, dass andere sich Mühe gegeben hätten, damit die Wahrheit dieser heiligen Ereignisse sich nicht so stark verdunkelt hätte, so dass wir jetzt nicht Mutmassungen über so viele Sachen anstellen müssten, vor allem weil man davon so viel Nutzen ziehen kann. Es ist nicht wenig Nutzen, den die Kirche erhält, wenn man seinen Gläubigen die Heiligengeschichten erzählt und man ihnen die raren Beispiele von Tugend jener vor Augen führt, die, obwohl sie aus demselben Stoff waren wie wir, aus Fleisch und Blut, und denselben Elenden unterworfen, sich solche Mühe bei der Sache des Heils gaben und merkten, wie wichtig es ihnen war, [...] dies ist der Kirche sehr wichtig, wie ich gesagt habe, weil damit ihre Kinder Lust bekommen, so viel zu tun, wie die [Heiligen] machten. 9 Luis de la Vega lieferte also dem christlichen Leser ein Vorbild. Er vermittelte ihm moralische Werte anhand von konkreten Beispielen aus dem Leben des Heiligen Domingo. Deshalb war er darauf bedacht, unzählige Details seines Wirkens zu schildern und seine Eigenschaften im Einzelnen darzustellen. Um diese zu ordnen, brauchte er rhetorische Regeln und Prinzipien. Die damals in Spanien rezipierte ciceronianisehe Rhetorik unterschied drei Sorten von guten und schlechten Eigenschaften einer Figur: Die äusseren betrafen die Geburt, die Erziehung und die Ausbildung; unter den körperlichen kam der Schönheit eine grosse Bedeutung zu; die seelischen, das heisst die Tugenden und Laster, fanden ihren Ausdruck in den Werken der Figur. Luis de la Vega bemüht sichtrotz der mangelnden Informationen aus den Quellen darum, alle diese Aspekte zu behandeln. Dabei verändert er manche Angaben von Pedro de la Vega und gestaltet die Figur seines Helden mit neuen Mitteln. Luis de la Vega widmet dem Beweis für die spanische Herkunft des Heiligen sein ganzes zweites Kapitel. 10 Der Heilige Domingo konnte nach seiner Meinung kein Italiener gewesen sei, obwohl einige Autorendarunter Pedro de la Vega dies behaupten. Villoria in der Rioja war seine Heimat. Villoria in Cantabria (N ordspanien) wurde wahrscheinlich von irgendeinem unsorgfältigen und lügnerischen Schreiber als Herkunftsort angegeben und noch dazu mit "Calabria" verwechselt. So entstand der Irrtum, meint er. Auch wenn Luis de la Vega an manchen Stellen zugibt, dass man die spanische Herkunft des Heiligen nicht mit Sicherheit nachweisen konnte, fragt er sich: warum soll ich denken, dass derjenige, den ich in diesem Land leben und sterben sehe, den ich hier seit immer kennen lernte, aus einem anderen Land stammte? 11 9 Ebd., f.37rv. Anhang 92. 10 Ebd ., f.8 v- 11 v. II Ebd. , S. 1 Ov. Anh ang 92. <?page no="398"?> 388 Der Heilige und die Wunder in Luis de la Vegas Hagiographie Die nationale und regionale Identität des Heiligen wird von Luis de la Vega auf eine ihm passende Art rekonstruiert. Zu diesem Zweck zieht er andere Quellen heran als Pedro de la Vega. In seiner Hierarchie von Identitäten 12 stand die nationale Identität am höchsten, und dann kam die regionale: "Aber ohne Zweifel[...] war er ein Spanier aus der Rioja." 13 Dank einer identitätsbildenden Figur, wie der Heilige Domingo sie war, vermittelt Luis de la Vega ein Nationalbewusstsein, das der frühmoderne vereinheitlichende spanische Staat zu fördern begann. Luis de la Vega betont ausserdem, dass der Heilige Domingo adliger Abstammung war. Die Namen seiner Eltern wurden nirgends überliefert, aber verschiedene Quellen, die er nicht erwähnt, wiesen auf ihren Stand hin. Im dritten Kapitellobt Luis de la Vega die Eigenschaften des Adels. Zwar konnte jeder Christ ein Heiliger werden, aber die Kirche betonte immer die adlige Herkunft der Heiligen, wenn dies der Fall war. Er fügte hinzu: "und so sagt sie immer von den adligen Heiligen: <Nobili generatus>: aus adligem Blut geboren." 14 Dieses Kapitel ist von der Ideologie der Standesgesellschaft stark geprägt, die das Modell der drei Stände als gottgewollt und natürlich darstellte. Das Blut verkörperte den sozialen Unterschied. Pedro de la Vega verurteilt die Ablehnung vom Heiligen Domingo durch die zwei Äbte der riojanischen Benediktinerklöster als unmoralisch. Für die Haltung desjenigen aus San Millan gegenüber dem Heiligen gibt er folgende Erklärung: "[ .. .] da er sein schlechtes Leben verdecken wollte, denn jeder Liebhaber der Güte missfällt demjenigen, welcher der Bosheit folgen will. " 15 Der Mönch Luis de la Vega sucht eine ganz andere Begründung für das Verhalten der Äbte und nimmt sogar die Gelegenheit wahr, im vierten Kapitel die Tugenden und Vorteile des klösterlichen Lebens zu rühmen, 16 die den Heiligen Domingo angezogen hatten. Gott hatte nur seinen Versuch gewünscht, ins Kloster einzutreten: "aber Gott wollte nur, dass er es versuchte, und dass die Welt den Gehorsam seines Dieners erfuhr." 17 Und Gott bestimmte auch die Entscheidung der Äbte: "weil der Geist ihnen [den 12 Zur nationalen, ethnischen und lokalen Identität der Italiener in d er frühen Neu zeit, Burke, conversation, f .6 5-74. 13 "Pero sin duda no lo fue sino Espaiiol, natural de Rioja". Ebd. f. llv. 14 "[ •..] y assi de los santos nobles dize siempre: Nobili generatus, nacido de noble sangre". Ebd., f. 12r. 15 "[ . ..] queriendo encobrir su mala vida, porque mucho aborresce a todo amador de bondad el que dessea seguir Ia maldad". Pedro de Ia Vega, f. CXCVI. 16 Luis de Ia Vega, f. 14 v-18 r. 17 "[ ...] pero no queria Dios del mas de que hiziesse este ensayo y que el mundo conciesse Ia obediencia de su sieruo". Ebd., f. 17v. <?page no="399"?> Der Heilige und die Wunder in Luis de la Vegas Hagiographie 389 Äbten] wahrscheinlich sagte, dass Gott jenen Mann für höhere Aufgaben bestimmte. " 18 Diese Aufgaben bestanden darin, zunächst einmal als Eremit zu lebenetwas, was auch Hieronymus gemacht hatte, zu dessen Orden Luis de la Vega gehörte-, und sich später um die Armen und Pilger in der Rioja zu kümmern . Das Ideal des einsiedlerischen Lebens stehr im Mittelpunkt von Kapitel V und VI.1 9 Erst im Kapitel VIF 0 geht er auf die Versuche des Bischofs Gregor von Ostia ein, dem Heiligen ein literarisches Wissen beizubringen: Er wollte ihn bilden, damit er sich mit dem Studium beschäftigen würde, aber Gott, der sein Lehrer in allem sein wollte, erlaubte nicht, dass er [der Heilige Domingo] von einem andern ausgebildet wurde. 21 Nach dem Tod des Bischofs liess sich der Heilige Domingo in dem Gebiet seiner zukünftigen Stadt nieder. Dort vollbrachte er eine Reihe von guten Werken und bewirkte Wunder. Der Bau der Brücke 22 , des Spitals 23 sowie die damit einhergehenden Wunder 24 werden von Luis de la Vega im Einzelnen geschildert. Die Barmherzigkeit und Liebe zu den Armen brachte der Heilige besonders deutlich zum Ausdruck, als er sein Grab mit Weizen (statt Gerste wie bei Pedro de la Vega) füllte. 25 Schliesslich berichtet Luis de la Vega über die Krankheit und den Tod des Heiligen im XXIV. Kapitel. Einmal mehr bedauert er den Mangel an Auskünften über die Lebensumstände des Heiligen in den Quellen . Trotzdem schildert er das Geschehen auf lebendige Art: und so möchte ich nur sagen, dass das wenige, was uns die Alten schriftlich überlieferten, so wenig ist, dass sie sich nicht einmal daran erinnerten, uns zu sagen, welche seine letzte Krankheit war. Was man übrigens denkt, ist, dass es sich um ein hohes Fieber handelte, welches (da der Heilige wegen der Jahre, des Fastensund der Härte [seines Lebens] so gealtert war) ihn nur wenig aufzehren konnte, und so tötete es ihn rasch. 26 Der Heilige freute sich darauf zu sterben, weil er hoffte, in den Himmel zu kommen, wie er bei einer Rede erklärte 27• Im Einklang mit den Geboten der Rhetorik vergisst Luis de la Vega auch nicht, die Schönheit zu erwähnen, die körperliche Eigenschaft, die am meisten mit der Tugend zu tun hatte: 18 " [ .. .] por dezirles por ventura el espiritu, que Dias guardaua aquel hombre para mayores cosas". Ebd., f. 18v. 19 Ebd., f. 18r-24r. 20 Ebd., f. 24r-28r. 21 Ebd., f. 27v. Anhang 93. 22 Ebd., f. 35r-38v. 23 Ebd., f. 54 v-60 v. 24 Ebd., f. 45r.-48r. 25 Ebd., f. 79 r.-82r. 26 Ebd., f. 85v. Anhang 93 . <?page no="400"?> 390 Der Heilige und die Wunder in Luis de La Vegas Hagiographie Er war von seiner natürlichen Beschaffenheit her ein verehrungswürdiger Mann, von schönem Antlitz und Gesichtszügen, ein bisschen rötlich und sehrwohlgebaut. Die Grösse seines Grabes und viele andere Porträts zeigen, dass er etwa acht Fuss gross war, und nach dieser Rechnung war er ein grosser Mann, und so musste es sein, damit er in allem gross war. 28 An der Kleidung, die der Heilige nach Luis de la Vegas Beschreibung trug, erkennt man deutlich, wie sehr sich der Autor mit dem Heiligen identifizierte, oder umgekehrt, inwieweit er bereit ist, seinen Helden mit seinen eigenen Wertvorstellungen zu verknüpfen: Die Kutte, die er trug, [ ... ] war fast, und sogar ohne fast, diejenige, die der heilige Orden meines glorreichen Heiligen Hieronymus jetzt trägt. Vielleicht sah dieser Heilige mit dem Prophezeiungslicht die glänzende und schöne Gesellschaft, die Gott aus den Eremiten des Hieronymus in unserem Spanien machen würde,[ ... ]. Diese [Kutte] schien unserem Heiligen so gut, dass er sich damit kleiden wollte, zweihundertJahre bevor die Hieronymusmönche in Spanien erscheinen würden. 29 Im zweiten Teil seines Werkes behandelt Luis de la Vega die Geschichte der Kirche und der Stadt bis ins 13. Jahrhundert, als die Kirche zur Kathedrale wurde. 30 Vom VII. bis zum XI. Kapitel schreibt er über die in den Handschriften der Kathedrale überlieferten WunderY Das Hühner- und Galgenwunder erhielt ein eigenes, langes Kapitel.3 2 Darin verwies Luis de la Vega auf mehrere ihm bekannte Fassungen des Wunders, wie zum Beispiel diejenige von Lucio Marineo Siculo und diejenige von Pedro de la Vega. Das Kapitel XII, das letzte, trägt den Titel: "Über die letzten Wunder, die der Heilige in unseren Zeiten bewirkt hat." 33 Luis de la Vega bedauert auch hier, dass niemand sich während mehr als zweihundert Jahren seit der Mitte des 14. Jahrhunderts- "daran erinnert hätte, die Feder in die Hand zu nehmen, um die grossenWunder zu erzählen, die unser Heiliger in einer so langen Zeit bewirkt hat". 34 Das erste Wunder war dasjenige von Catalina de Foncea: Eine junge Fraunamens Catalina de Foncea, aus Casalarreina, das sich zwei Meilen von der Stadt Santo Domingo entfernt befindet, wurde wegen einer 27 Ebd., f. 86-87r. 28 Ebd., f. 87v. Anhang 93 . 29 Ebd., f. 87v-88r. Anhang 93 . 30 Ebd., f. 88v-1 Olr. 31 Ebd., f. 101v-131r. 32 Ebd., f. 106r-111 v. 33 Ebd., f. 131v-144v. Im Folgenden beschränken wir uns auf die Versionen, welche bei Luis de Ia Vega über die zwei ersten Fälle zu finden sind. Seine Darstellung der Heilungen von Catalina de Foncea und Catalina de Graii6n geben Einblick in seinen Umgang mit den Prozessquellen. 34 " [ ...] no vuo hombre quese acordase de tomar Ia pluma en Ia mano para dezirnos los milagros graudes que en tanto tiempo hizo nuestro santo". Durch solche Beteuerungen wertete Luis de Ia Vega seine eigene Arbeit auf. <?page no="401"?> Der Heilige und die Wunder in Luis de la Vegas Hagiographie 391 gewissen Krankheit, an der sie gelitten hatte, stumm und taub. So blieb sie fünf Jahre lang, ohne in dieser Zeit weder ein Wort aussprechen zu können noch irgendetwas zu hören. Danach kam sie in die Stadt des Heiligen Domingo mit der Absicht, den Körper des glorreichen Heiligen zu besuchen und ihn um Hilfe für ihre Leiden zu bitten. So machte sie es, und sie ging in die Kirche hinein, besuchte die Hauptkapelle der Heiligen Dreieinigkeit und ging danach zum Grab des Heiligen, wo sie kniete und dort von einem Samstag um fünf Uhr am Morgen bis zur selben Zeit am darauf kommenden Montag blieb. Darauf besuchte sie den Altar der Heiligen Dreieinigkeit noch einmal und ging an andere Orten und Altäre jener heiligen Kirche. Als sie an die Kapelle des Heiligen gelangte, fühlte sie, dass sich ihre Zunge löste, und, indem sie anfing, sie zu bewegen, sagte sie: "Gott des Himmels steh' mir bei! was war das jetzt? " Danach begann sie, fliessend zu sprechen, als ob mit ihr nichts geschehen wäre. Sie kehrte nach Casalarreina zurück, wo ihre Dienstherren und die übrigen, die sie kannten, über einesogrosse Neuigkeit erstaunten, und alle erkannten die Barmherzigkeit Gottes und ihres Heiligen. Die junge Frau verabschiedete sich von ihren Dienstherren, kehrte nach Santo Domingo zurück, und dort erfüllte sie ein von ihr abgelegtes Gelübde, nämlich zwei Jahre im Spital des Heiligen zu dienen, um die grosse Hilfe dankbar anzuerkennen, die sie wegen seiner Fürsprache bekommen hatte. Dieses Wunder geschah am 15. Februar 1556, wie es nach den "informaciones" [Prüfung der Wunder durch den Prozess] feststeht, die von dem Lizentiaten Bazan, Stadtrichter der Stadt des Heiligen und durch den Lizentiaten Francisco de Vergan<; : o, Vikar dieses Bistums, geführt wurden. Die "informaciones" wurden von dem Notar Bartolome de Castro und Francisco del Castillo, königlichem Schreiber und einem von denjenigen, die in der Stadt offiziell arbeiten, bewilligt. 35 Zwei Fragen stellen sich bei der Lektüre dieser Fassung: Wie geht Luis de la Vega mit der Quelle um? Und welche Wirkung erzielt er auf den Leser? Luis de la Vega fasst das Wunder zusammen, um es auf dieselbe Länge zu bringen wie die übrigen nicht literarisch überlieferten Wunderberichte in seinem Werk. Sie sind alle viel kürzer als das Galgen- und Hühnerwunder, dem Luis de la Vega eine viel grössere Bedeutung zumisst. Was den Inhalt betrifft, beruht seine Version auf Catalina de Fonceas Aussage vor den Richtern. Luis de la Vega begnügt sich nicht mit Bernardino de Sesmas Zusammenfassung, die er am Anfang der Prozessakten finden konnte. Er blätterte weiter und suchte mehr Details über die genaue Abfolge der rituellen Handlungen Catalinas in der Kirche, die den Hauptteil seiner Erzählung bilden. Schliesslich verändert er zahlreiche Details oder lässt einiges weg, was ihm nicht passt. Die Sätze vom Anfang gleichen denjenigen anderer Wunder von Stummen in seinem Buch. Sie gehören zu den üblichen Formeln für solche Fälle. Luis de la Vega verzichtet darauf, Catalina als Bettlerin zu bezeichnen, weil er das Betteln für eine verderbliche Tätigkeit hält. 36 35 Ebd., f. 133v-r. Vgl. Anhang 94. 36 E bd., f. 23v. <?page no="402"?> 392 Der Heilige und die Wunder in Luis de Ia Vegas Hagiographie Bei der Beschreibung von ihrem Aufenthalt in der Kirche erwähnt er zweimal Catalinas Besuche in der Kapelle der Dreieinigkeit und des Heiligen. In Catalinas Aussagen wird dreimal die Kapelle der Dreifaltigkeit erwähnt: die zwei Besuche und das Schlafen unter der Bank. Diese Betonung entsprach den theologischen Lehren, nach denen Gott die Wunder bewirkte und der jeweilige Heilige nur eine Vermittlerrolle spielte. Dass Catalina das Wunder am Grab des Heiligen Domingo erlebte, war ein Beweis für seine Fürsprache. Für den Leser war dieses Wunder eines unter vielen anderen des Heiligen Domingo. Es kam Luis de la Vega nicht in erster Linie auf die persönliche Geschichte Catalinas an, sondern viel mehr auf die Leistung des Heiligen. Bei der Lektüre der von ihm erzählten Wunder konnte man sich darüber informieren, wie man mit dem Heiligen in Kontakt kommen konnte. Es handelt sich beinahe um ein Rezeptbuch ritueller Handlungen: wo diejenigen, die ein Wunder erlebt hatten, beteten, wie ihre Körperhaltung dabei war oder welche Gelübde sie ablegten, standen im Zentrum der meisten Wunderberichte. Die darin dargestellte Welt enthält kein soziales Chaos, keine unüberwindbare Krankheit. Die männliche Herrschaft der Dienstherren, der Ärzte, der Kleriker und natürlich des Heiligen selbst wurde nirgends in Frage gestellt. Die Frauen erscheinen viel mehr in untergeordneten Rollen, ohne sich dagegen zu wehren. Ihre Abhängigkeit von männlichen Elitemitgliedern wurde durch solche Erzählungen verstärkt. Nur in Bezug auf ihre Inbrunst und ihr e Hingabe z eigen sie sich selbständig. So zum Beispiel im zweiten Wunder, demjenigen von Catalina de Graii6n: Im selben Jahr geschah, dass eine Frau namens Catalina, Nachbarin von Graii6n, die mit Pedro Garcfa del Oyo verheiratet war, von den Ärzten aufgegeben worden war und kaum Hoffnung auf Leben hatte. Sie konnte nicht sprechen und litt unter starken Schmerzen am Herzen. Jedoch konnte sie es [das Herz] zum Himmel erheben, und, indem sie sich an das Wunder erinnerte, das der Heilige bei Catalina de Foncea bewirkt hatte und von dem wir im letzten Mirakelbericht gesprochen haben, begann sie sich ganz ehrlich und mit Inbrunst dem Heiligen zu empfehlen. Sie hat einige Gelübde abgelegt sowie einige Versprechen für seinen Dienst gemacht, und gerade nachdem sie sie ausgesprochen hatte, fing sie an zu sprechen, und, indem sie wieder vollständig zu sich kam, wurde sie auf wunderbare Weise gesund. 37 Obwohl es sich um einen kürzeren Bericht handelt als den ersten, besteht zwischen den beiden eine grosse Ähnlichkeit in Bezug auf ihre Erzählstruktur : die Krankheit, das Gelübde, die Heilung und die Erfüllung des Gelübdes. Auch hier verzichtete Luis de la Vega auf die Informationen über die sozialen Umstände von Catalina. Die Betonung der Gefährlichtkeit ihrer Krankheit entspricht der Hervorhebung der langen Krankenzeit in Catalina de Fonceas Bericht. Eine neue, immateriellere Metapher wurde von Luis de 37 Ebd., f. 134v. Vgl. Anhang 94. <?page no="403"?> Der Heilige und die Wunder in Luis de la Vegas Hagiographie 393 la Vega im Zusammenhang mit dem Herzen verwendet: Statt vom Platzen des Wassers neben dem Herzen schreibt er darüber, wie Catalina ihr Herz zum Himmel erhob. Wichtig sind ausserdem das Gelübe und ihre Erfüllung. Während Catalina de Foncea tatsächlich im Spital dem Heiligen gedient hatte, beschränkte sich Catalina de Graii6n darauf, die Novenen zu halten. Durch den Hinweis auf Catalina de Graii6ns Versprechen, dem Heiligen zu dienen, passt Luis de la Vega das zweite Wunder an das erste an, so dass beide Leistungen gleich wichtig wirken. Luis de la Vega ist sich der Bedeutung der Opfergaben und der Dienste für den Heiligen an die Kathedrale sehr bewusst. Über die Epoche, in der die Kirche noch keine Kathedrale war, schreibt er: "in diesen Uahren] wuchsen immer die Renten, wie vorher, weil der Ruhm der Wunder des Heiligen ständig zunahm und damit die Almosen, die man für die Kirche gab". 38 Dank den Versionen von Luis de la Vega erreichten die Erzählungen von Catalina de Foncea und Catalina de Graii6n eine grössere Diffusion als bis anhin. Die ursprünglich mündliche Tradierung der Krankheits- und Heilungsgeschichten beider Frauen wurde bald mit der schriftlichen und literarischen Kultur verknüpft. Ihre Diffusionswege liefen zunächst in einem lokalen und regionalen Umfeld: Catalina de Foncea erzählte ihren Freundinnen, ihren Nachbarinnen und ihrer Dienstherrin die Geschichte. Das Wirtshaus von Mari G6mez muss ihre weitere Verbreitung begünstigt haben. Das Spital, in dem Catalina nach dem Wunder arbeitete, war der geeignete Ort dafür, Catalina als lebendige Werbung für die Wunderkraft des Heiligen zu gebrauchen und den Propagandaeffekt der Erzählung zu verstärken. Die mündliche Tradierung erfolgte kurz vor dem Beginn des Gerichtsverfahrens für die Prüfung der Wunder. In den Aufzeichnungen beim Verhör und in den zusammenfassenden Berichten verwandelten die Kleriker Catalinas Geschichte in eine Mirakelerzählung, so wie sie diese verstanden. Ihnen dienten die schriftlich überlieferten Mirakelberichte als literarische Muster. Catalina muss auch von Wunderberichten gehört haben, bevor sie ihre Heilung erlebte. Sie konnte seit etwa einem Jahr hören und kannte mehrere pfarrer in den umliegenden Dörfern. Das Gelesene, das Gehörte und das Erlebte vermischten sich in den Akten und im VerhörprotokolL Die Nacherzählung der Geschichte wurde immer stärker von moralischen Lehren geprägt, über die man in den Schriften des Bischofs der Diözese lesen konnte. Innerhalb kurzer Zeit wurde Catalina de Fonceas Geschichte ausserhalb von Santo Domingo de la Calzada bekannt. Catalina de Graii6n konnte sich 38 "[ •..] en los quales fue siempre crecieno en renta, como antes, por yr siempre creciendo Ia fama de los milagros del santo, y con esto las lymosnas que hazian a su yglesia".Ebd., f. 99v. <?page no="404"?> 394 Der Heilige und die Wunder in Luis de La Vegas Hagiographie daran erinnern, als sie krank im Bett lag. Sie identifizierte sich mit Catalina de Foncea, weil sie auch nicht richtig sprechen konnte, und sie hoffte, geheilt zu werden. Ihr Schwager, der Pfarrer von Graii6n, bestätigte ihr, dass es sich bei ihrer Heilung um ein Wunder handelte. Ein halbes Jahrhundert später lebten die Hauptakteure wahrscheinlich nicht mehr, aber ihre Wundergeschichten gehörten zum klerikalen Erzählwissen der Kathedrale von Santo Domingo. Die Erzählungen wurden durch Luis de la Vega überarbeitet und in die Hagiographie des Heiligen integriert. Sie wurden reproduzierbarer Lesestoff für eine kleine Schicht von Lesern und dadurch zugänglich für ein Publikum ausserhalb der Umgebung von Santo Domingo de la Calzada. <?page no="405"?> 14 Schlussfolgerung Es ist einfacher zu begründen, weshalb 1556 eine Phase von Wunderheilungen in Santo Domingo de Ia Calzada anfing, als zu erklären, warum diese Periode 1559 zu Ende ging. Eine Soziologie des Enthusiasmus kann uns vielleicht in Zukunft Aufschluss über die Mechanismen des Niedergangs einer religiösen Hochstimmung geben. 1 1556 war der Boden für den Beginn einer solchen Kultdynamik in der riojanischen Stadt vorbereitet. Kurz vorher (1554) war das Mirakelbuch des Burgaleser Augustinerklosters erschienen, in dem mirakulöse Deutungsmuster sehr unterschiedlicher Ereignisse und die Wallfahrtspraxis eindeutig legitimiert und propagiert wurden. Der intellektuelle Hintergrund des damaligen Bischofs der Diözese von Calahorra und la Calzada favorisierte zudem die Versuche des Kapitels der Kathedrale von Santo Domingo, Wunder mittels objektiver Kriterien nachzuweisen. Das Kapitel verwaltete das Spital der Stadt und hatte ein klares Interesse an der Förderung der Wallfahrt nach Santo Domingo. Im Spital arbeiteten vor allem Frauen, und drei der fünf Miraculees dienten und lebten in dieser Institution nach ihrer Heilung. Dass die Betroffenen in vier Fällen arm waren, steht im Zusammenhang mit der theologischen Debatte der Zeit über die Berechtigung der Almosenvergabe und der traditionellen Formen von Fürsorge sowie mit ihrem Einfluss auf die Kleriker von Santo Domingo. Die Frauen schilderten ihre Krankheits- und Heilungserfahrungen vor den Richtern, welche ihrerseits den Wahrheitsgehalt der Wunder untersuchten. Die Zeugen bestätigten meistens die Aussagen der Miraculees, fügten aber zahlreiche Details hinzu. Dadurch entstanden mehrere Versionen derselben Ereignisse, die sich miteinander vergleichen lassen. Dies lässt erkennen, dass die klerikalen Versionen der Wunderheilungen fiktionale Momente in die Geschichten einfügen und gewisse Aspekte der Zeugenaussagen auslassen, um die Mirakel an vorgegebene Muster anzupassen. Die Vision einer armen Witwe, in welcher der Heilige Domingo ihr erscheint und sie selbst eine ähnliche Rolle spielt wie ein Konzelebrant bei der Eucharistie, muss das Misstrauen der Kleriker geweckt haben. Denn eine derartige Anmassung barg die Gefahr in sich, den von Wundern beglückten Frauen eine quasikultische Rolle zuzuschreiben. Der religiöse Status der früheren Miraculees war relativ begrenzt, während derjenige der Visionärin diesen Rahmen sprengte. 1 Zu dieser Schwierigkeit vgl. Christian, Gracia nueva, [Vortrag am 19. 1. 98]. <?page no="406"?> 396 Schlussfolgerung Diese Entwicklung der Kultdynamik von den Wundern zu den Visionen war ein wichtiger Grund für den Niedergang der religiösen Hochstimmung in Santo Domingo de la Calzada. Die Bereitschaft laikaler Frauen, über ihre religiöse und körperliche Erfahrungen zu berichten, war dermassen gestiegen, dass die Kleriker der Kathedrale vorsichtiger wurden und den weiblichen Gebrauch religiöser Symbole nicht mehr so stark unterstützten wie am Anfang. Das Ende dieser Phase war weder abrupt noch dramatisch. Die Versuche, das Schweigen der frommen Pilgerinnen durchzusetzen, vollzogen sich ohne Gewalt. Es bestand keine so grosse Bedrohung für die Kleriker und auch keine so grosse kulturelle Distanz zwischen ihnen und den Laien wie in späteren Zeiten. 2 Die Kleriker aus Santo Domingo führten Jahre lang keinen Prozess zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts von Wunderheilungen mehr. Nur ihre Kollegen aus Logrofio taten dies 1560. Ein gehbehinderter Knabe wurde von einer Frau aus der städtischen Oberschicht, bei der er lebte, in die Kirche gebracht, nachdem sie eine Predigt über die Wunderheilungen in Santo Domingo gehört hatte. Das Kind wurde in Logrofio geheilt. Die Frau behauptete, dass die Heilung dank der Fürsprache des Heiligen Domingo geschehen war. Die Mutter des Kindes, eine Marktverkäuferin, lieferte eine andere Version der Ereignisse, ohne jedoch die Fürsprache des Heiligen Domingo in Frage zu stellen. 3 Wichtig ist in diesem Fall, der eine eigene Studie verlangen würde, festzuhalten, dass die Mutterrolle der Frauen im Vordergrund steht, von keiner Vision mehr die Rede ist und die Kleriker aus Logrofio danach auch keinen weiteren Prozess führten. Das Ende dieser Phase bedeutete kein definitives Ende der Wundertätigkeit des Heiligen Domingo. Es gab sporadische Prozesse in den Jahren 1585 und 1588, aber keine derartige Welle wie in den 1550er Jahren mehr. Einige Jahre nach der Erscheinung der Hagiographie von Luis de la Vega am Anfang des 17. Jahrhunderts begann jedoch eine weitere kurze Phase von Wunderheilungen, die in den 1630er Jahren untersucht wurden. 4 Der Beginn, die Entwicklung und das Ende dieser neuen Phase standen unter einem anderen Zeichen. 2 Zur Einsetzung militärischer Gewalt im Preussen des 19. Jahrhunderts, um eine Welle von Visionen zu beenden, vgl. Blackbourn, Marienerscheinungen in Marpingen, S. 324-480. 3 Aktenbündel7.6 und 7. 7. 4 Aktenbündel7.8. und 7.10. <?page no="407"?> Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Archivo Catedral de Santo Domingo de Ia Calzada Aktenbündel 7.2, 7.3, 7.5, 7.6, 7.7, 7. 8, 7.10. Archivo Hist6rico Nacional Se cci6n de Inquisici6n Buch 833. Archivo Hist6rico de Simancas Expedientes de Hacienda Aktenbündel 62, 138. Biblioteca Nacional de Madrid: Diaz de Luco, Juan Bernardo: Doctrina y amonestaci6n charitativa, por Ia cual se demustra no ser cosa licita que los cristianos ricos dexen de socorrer allos pobres que tienen presentes, por guardarla para remedio de los venideros. Handschrift 63 71. Gedruckte Quellen Acta Sanctorum, quotquot toto orbe coluntur. Begründet von J . Bolland, fortgesetzt von der Societe des B~pandistes. Antwerpen 1643 bis heute. Augustinus: Vom Gottesstaat. Ubersetzt von W. Thimme. 2 Bde. 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Anhang2 Uiuiendo pues en este monasterio, que entonces se dezia sant Andres, algunos religiosos hermitaiios del glorioso padre santo Augustin, auia en Burgas vn mercader que ! es tenia deuocion al qua! (segun cuenta don Rodrigo, obispo de Sebastia) se le offrescio un camiuo [sie] para Flandes. Fue a rogoar a estos religiosos que le encomendassen a Dios y que prometia traerles alguna buena joya de flandes. Y los hermitaiios aceptaron su peticion y promessa. Y partiendose deilos el mercader se fue para flandes.Y, ocupado en sus negocios, no se acordo de Ia promessa que a los religiosos auia hecho. Y boluiendose para Espaiia por Ia mar, padescio con los de su nao gran tempestad por espacio de dos dia. Y al tercero dia, como pasasse Ia tempestad, vieron no lexos de si vna caxa a manera de ataud. Y baxando vnos hombres de Ia nao pusieronse en vn vatelico o varco que en Ia nao trayan. Y fueronse para Ia caxa. Y traxeronla para Ia nao. Y con gran desseo de ver lo que venia dentro Ia abrieron. Y dentro de ella hallaron otra caxa de vidrio en Ia qua! venia el sancto Crucifixo que agora esta en el monasterio de sancto Augustin de Burgos. Aqui dexamos de contar algunos milagros y marauillas que ansi en esta inuencion como despues, hastallegar al dicho monasterio, nuestro seiior obro (segun dizen muchas personas antiguas en quien dura hasta oy Ia memoria destas cosas, auiendo venido de oreja en oreja) y aun tambien las hallamos escriptas, y por no estar con autoridad conuenible, segun propusimos, las callamos. Boluiendo, pues, a lo que de Ia caxa contauamos, el mercader como vio Ia sancta ymagen, recibio el gozo que el Euangelio cuenta auer recebido Ia muger que hallo Ia joya que auia perdido. Y es de notar que el sancto Crucifixo no venia como agora esta puesto en Ia cruz, sino puestos los brac,: os sobre el pecho como cuerpo muerto. Y desto no se marauille nadie, pues es cierto que los brac,: os y piernas y dedos se se andan como vn cuerpo organico por sus coyunturas. En fin el mercader, tornando a cerrar Ia caxa como mejor pudo, vino su viage por Ia mar, y dessembarcando, traxo esta sancta ymagen del crucifixo y diola a los sobredichos hermitaiios de sancto Augustin, que entonces estauan en el monasterio de sancto Andres. Los quales Ia pusieron en el altar mayor, que entonces era <?page no="442"?> 432 Anhang vna capilla pequefia, como agora paresce donde esta el sancto Crucifixo. Y es de notar que (segun hallamos en escripturas de pergamino antiguas) el honrrado Nicodemus, que puso en el sepulchro el cuerpo de nuestro sefior J esu Christo, hizo Ia ymagen deste sancto Crucifixo. Anhang 3 Cosa es que admira mucho el sancto Crucifixo a los que con anima deuota y con ojos atentos le miran, porque sin du da assi representa a Christo.nuestro sefior crucificado y muerto, como vn muerto a otro, porque si se miran las llagas de los a~otes, los ateros de las heridas tan leuantados, Ia sangre tan viua, no paresce sino que a Ia hora le acabaron de dar los termentos que a Christo nuestro redemptor le dieron. Tiene el sancto Crucifixo Ia cabe~a inclinada sobre ellado derecho, y puedese le boluer a qualquier parte que quisieren, como Ia de vn hombre muerto. Las coyunturas de los bra~os y de las piernas y de los dedos se le andan a como a vn cuerpo organico. Cosa es mucho de notar lo quese Iee auer acaecido a Ia muy catholica reyna dofia Ysabel muger del rey don Fernando el quinto de Castilla, que por sus hazafias merescieron sobrenombre de catholicos . Desseando, pues, vna vez ver el sancto Crucifixo de cerca, mando le pusiessen vna escalera para considerar de cerca las cosas particulares que auia que notar. Y como por algun poco de espacio huuiesse considerado algunas cosas, aunque algo de lexos, mando le quitassen vn clauo de vno de los bra~os del sancto Crucifixo para le tener por reliquia. Y como quitaron, el bra~o del sancto Crucifixo se cayo, como si cayera vno de vn muerto, y causo tan grande temor y espanto en el animo de aquella sefiora, que etuuo muchas horas desmayada. Y aun puso sospecha a muchos de los circunstantes que estaua muerta . La qua! , como torno en si, mando tornar el clauo allugar donde le auian quitado. Yen memoria del acaescimiento dio vn ornamento muy rico, y dende en adelante tuuo tan gran deuocion y reuerencia a Ia sancta ymagen del rey de los reyes Jesu Christo, nuestro Dios, que en qualquiera aflicion luego se encomendaua al sancto Crucifixo. Anhang4 Otra cosa le acaescio al sefior Gon~alo Hernandez, que tuuo por renombre el gran Capitan, assi semejante a Ia que a Ia reyna dofia Ysabel acaescio. Y fue que, como muchas vezes viniesse a encomendarse al sancto Crucifixo de sancto Augustin, vna vez rogo con mucha importunidad que le pusiessen alguna cosa con que de cerca pudiesse ver mas en particular el sancto Crucifixo. Y pusieronle vna escalerita, y fue que subiendo algunos peldafios della, miro al sancto Crucifixo. Y paresciale cosa que representaua tanta magestad y reuerencia, que le dio vn pauor end animo que perdio el esfuer~o, el que nunca le perdio en presencia de tantas y tan grandes batallas como vencio. En fin, determino de no subir mas, diziendo : "No queramos tentar a Dios, baxemonos". AnhangS Tiene el sancto Crucifixo las vfias puestas de talarte que paresce auersele alli nascido como a cuerpo humano, y no se ! es cortan c omo algunas gentes simples piensan, ni los cabellos tampoco, porque los cabellos y vfias crescen en el cuerpo humano por <?page no="443"?> Anhang 433 virtud de los humores corporales, los quales en ninguna ymagen hecha de artifice jamas crescieron. Pu es Dios nunca haze milagros tan sin porque, como seria crescerle viias ni cabellos a ninguna ymagen. Esto ponemos aqui porque no solo personas simples, per aun muchas que son sabias lo preguntan, y ansi no ternan que preguntar los que aqui esto leyeren, pues se ! es ha respondido a lo que cerca desto podrian preguntar. Tiene el sancto Crucifixo blando en las partes que vn cuerpo humano lo tiene, de arte que poniendole el dedo haze assiento y concauidad, y se abaxa como lo haria si lo pusiessen en Ia carne de vn cuerpo humano, y quitando el dedo, se torna a leuantar Ia concauidad. Y, cierto, esta es cosa muy notable Anhang 6 EI principeJuan, hijo de los reyes catholicos, don Fernando el quinto y doiia Ysabel, siendo pequeiio estaua enfermo de vna enfermedad graue que por todos los medicos estaua dessauciado. La christianissima reyna su madre, tomando por remedio vnico offrescerle al sancto Crucifixo, suplico a nuestro redemptor que Ia remediasse en tan grande trabajo, prometiendole a esta sancta ymagen, en Ia qua! tenia especial deuocion. Y el seiior del mundo, oyendo su oracion humilde, milagrosamente dio salud al Principe, assi como por Ia fe del Regulo nuestro redemptor sacratissimo sano a su hijo que estaua en el agonia de Ia muerte. Y Ia reyna catholica, conosciendo Ia merced tan grande, que no solamente a ella nuestro redemptor Ia auia hecho, mas aun a todo el reyno, dio muchas gracias a nuestro redemptor. Y para en seiial de agradescimiento ernbio limosna al monasterio. Y para muestra del milagro tambien ernbio Ia mesma camesita del Principe, Ia qua! oy dia esta colgada a Ia puerta de Ia capilla deste sancto Crucifixo. Demas desto, quando el dicho Principe don Juan se caso en esta ciudad de Burgos, offrescio en esta capilla del sancto Crucifixo vna ropa muy rica que saco el dia de las bodas, de Ia qua! se hizo vn ornamento muy rico. Anhang 7 En tiempo del rey don Alonso, que en uvnas historias es llamado el octauo deste nombre y emperador de las Espaiias, y en otras chronicas es llamado el nono de Castilla, auia en Burgos vn varon llamado Julian, natural de Ia misma ciudad, instruydo bastantemente en las escripturas no solo humanas, pero diuinas. Y como se viesse huerfano de padre y madre, y fuesse casi de mediana edad, considerando quan daiiosa es a todos, principalmente a los mancebos, Ia conuersacion del siglo, acordo de retraerse o [sie] vna casita pequeiia que estaua junto de Ia capilla del sancto Crucifixo de sancto Augustin de Burgos, y junto tambien de Ia hermita, donde viuio el bienauenturado sancto Domingo de Silos (como arriba deximos). Estando, pues, en aquella casita deste bien auenturado varon llamado Julian, su conuersacion era solamente con los religiosos del dicho monasterio. Y las maiianas expendia en oracion en dezir missa, Ia qua! siempre dezia en el altar del sancto Crucifixo con tanta deuocion y sossiego que a todos ponia en admiracion. Las tardes communmente se occupaua en Ia licion de las sanctas escripturas. Predicaua muy continuo, principalmente a los moros, que entonces auia en Burgos. En es tos exercicios se ocupaua sant Julian todo el tiempo que viuio en Ia sobredicha casilla. Y porque (como dixo Christo nuestro seiior) ningun predicador esta mucho tiempo acepto en su tierra, fuesse este <?page no="444"?> 434 Anhang sancto varon a predicar por diuersas partes y dexo a su propria tierra. En este tiempo, como el sobredicho rey don Alonso garrase de los moros Ia ciudad de Cuenca, hizo obispo della a vn sancto varon llamado Juan . Y como este muriesse, mando el rey don Alonso buscar a sant Julian que era de quarenta y vn aii.os e hizolo obispo de Cuenca en tiempo del Papa Alexandro tercero deste nombre, que fue Papa veynte y vn aii.os. Y sant Julian viuio en el obispado treynta y siete aii.os, resplandeciendo con gran vida y muchos milagros. Y fue recebido en el cielo para ser premiado de sus muchos trabajos, aii.o de mil y dozientos y seis aii.os siendo de edad de setenta y ocho aii.os. Anhang 8 [...] los qua! es [milagros] en el tiempo antiguo no se escriuieron con autoridad hasta el tiempo del catholico rey donJuan el segundo. Lo vno porque eran muy continuos y Ia gente sin malicia ! es daua fe. Lo otro porque a los religiosos deste monasterio ! es parescia ser cosa prolixa tener cuenta con obispos, juezes y escriuanos, pues a Ia gente hazia fe el recontarselos con senzilleza y llaneza. Pero andando el tiempo no falto quien quiso calumniar y poner sospecha en las marauillas que Dios hazia por Ia inuocacion desta sancta ymagen. Y dezian que los milagros que della se contauan eran falsos y fingidos, y no verdaderos y sanctos. De lo qua! andauan muy graudes murmuraciones y llegaron a las orejas del gran perlado don Alonso de Cartagena, obispo de Burgos. Y como nuestro seii.or (segun nota nuestro padre sancto Augustin) no permite ningun mal sino para sacar del algun bien, estas murmuraciones fueron causa que los milagros del sancto Crucifixo fuessen mas publicos a las gentes que lo eran primero. Anhang 9 Corno nuestro seii.or Jesu Christo por consuelo de sus fieles aya elegido en Ia tierra muchas casas de oracion, de continuo muestra graudes marauillas y milagros para animar y auiuar Ia feenlos christianos catholicos que con cora<; : on senzillo le adoran y siruen. Y para confundir a los hereges, que con tanta pertinacia quieren desbarat ar las sanctas obseruancias y cerimonias de Ia sancta yglesia romana, con las quales esta nu estra madre sirue, honrra y adora aJesu Christo nuestro seii.or en sus ymagines y de sus sanctos. Anhang 10 Siendo Oran enseii.oreado de moros antes que los christianos Ia ganassen, acaescio una gran marauilla. Y es que en el aii.o del mil y quatrocientos y ochenta y tres en el principio de Setiembre, Juan de Rujeran y Pero Sanchez de Medrano, estando en Oran en cadenas y graudes hierros, encomendaronse a sancto Crucifixo de sancto Augustirr de Burgos . Y a Ia prima noche marauillosamente se les cayeron las cadenas y hierros, y salieron sin ningun estoruo de Ia carcel. Y ansi se vinieron hasta el puerto, donde porque Dios es perfecto y admirable en sus obras, les estaua aparejado vn varco, en que se saluaron, que poco valiera escapar del peligro de Ia carcel, si faltara remedio para passar el mar. Traxeron los hierros con que estauan pre sos en testimonio y agradescimiento del milagro, que Dios por el sanc to crucifixo ! es hizo. <?page no="445"?> Anhang 435 Y dexaronlos para que, colgados en su capilla, hiziessen perpetua memoria del milagro. Anhang 11 En el afio de mil y quatrocientos y nouenta y tres, en principo de Mayo, junto a Malaga, venieron dos fustas de moros y, saliendo en tierra a robar, captiuaron vn hombre y a su muger y tres hijos. Corno los sacassen presos de su casa, Ia muger, que se llamaua Maria Sanchez y era natural de Burgos, comen~o con muchas lagrimas a dezir: "0 crucifixo sancto de sancto Augustin, aued piedad de mi y de mi marido y hijos, socorredme en esta tan gran tribulacion. Cosa estrafia y marauillosa de Dios, que en acabando estas palabras, de seys moros que eran los que los lleuauan presos, los dos cayeron muertos subitamente y los otros quatro, espantados, huyeron a meterse en el agua. Pudo tanto Ia inuocacion del sancto crucifixo con ellos como el mandamiento de sant Pedro con Ananias y Saphira que los mando morir y murieron luego. Anhang 12 Estan prouados estos milagros en ellibro original de los milagros del sancto crucifixo. Cosa es milagrosa vna proban~a de tantos muertos tan marauillosamente resuscitados en tan pocos afios que no aura nadie en el mundo que no se admire de tan grandes hazafias de dios, hechas para su gloria y honrr del sancto crucifixo y consuelo de nuestra sancta fe y deuocion de los fieles Christianos, que el resuscitar los muertos es de las mayores obras del poder de Dios, cosa muy lexos de todo poder humano y angelico y no del de Dios. Anhang 13 En el afio de mil y quinientos y veynte y cinco en el mes de Hebrero, dia de sant Valentin, Ia muy magnifica persona y sefiora doiiaJuana de <; ufiiga, muger del muy magnifico cauallero Gutierre del Gadillo, estuuo en muy gran peligro de Ia vida de vn parto. EI dicho cauallero su marido viendola en tan gran peligro, Ia encomendo con muy gran fe al sancto crucifixo y hizo voto de venir con ella y con el fructo que Dios le diesse a visitar el sancto Crucifixo. Y luego que hizo el dicho cauallero el voto, pario Ia dicha sefiora vn nifio sano y bueno. Y Ia madre quedo sin lision [sie] alguna, esperandose naturalmente no menos lesion que de Ia vida. Y al nifio que nascio le pusieron Valemin por nombre por auer nascido dia de sant Valentin con tan gran fauor y milagro del sancto Crucifixo. Anhang 14 En el afio de mil y quinientos y XXIII afios, un nifio quese dezia Juan, hijo de Juan Fontanel, vezino de burgos, y de Catalina de Teza, su muger, estando malo de vna muy rezia enfermedad, llega al puncto de Ia muerte y el doctor Castro y ellicenciado Castro y otros muchos medicos le desauziaron por muerto. Y perdida Ia habla y bueltos los ojos, queriendolo amortajar, Juan Fontanel, su padre, le quito vn argolla <?page no="446"?> 436 Anhang de plata que tenia a Ia garganta porque lo querian amortajar. Y Ia muger consolaua al marido y el marido a Ia muger de su hjo muerto. Mas Ia muger, solicita de Ia vida de su hijo (como Martha de su hermano Lazaro) dexo a su marido y el marido se fue a sant Pablo a mandar hazer Ia sepultura) y entrose en Ia camara donde estaua su hijo muerto y, llorando con gran deuocion, puestas las rodillas en el suelo, hizo oracion al sancto crucifixo, supplicandole vuiesse merced de su padre y della, y le resuscitasse al dicho Juan su hijo. Y que le prometia de lo pesar a cera y embiarlo al sancto Crucifixo a que le dixessen dos missas. Y luego, el nifio abrio los ojos y comenc; o a mirar a su madre, que estaua espantada de como Diaspor el sancto Crucifixo le auia resuscitado. Y luego estuuo bueno el nifio. Y otro dia se levanto de Ia cama porque fuesse mas evidente el milagro a todos. Y Ia gloria de Dias mostrada en su poder. Estando el padre y vn religioso de sancto domingo seiialando Ia sepultura, le lleuaron Ia nueua que su hijo era resuscitado y estaua bueno. Este milagro sono mucho en toda burgos y tomese por testimonio. Anhang 15 En el afio de mil y quinientos y veynte y cinco afios, el dia de sant Bernardo, enfermo vna nifia de afio y medio, hija de Martin de Frias y de Agueda de Salamanca, su muger, vezina de las Huelgas de Burgos, y fue tan rezia Ia enfermedad que Ia niiia murio de ella. Estuuo hora y media muerta sin sentido alguno, cerrados los ojos, los labios negros. Viendola ansi muerta, su padre saliose fuera a consolar a su muger y sacaron lienc; o para Ia amortajar. Estando el padre a mandar hazer Ia sepultura donde Ia auian de enterrar, vna muger que auia quedado con Ia nifia muerta, puestas las rodillas en tierra, llorando con gran deuocion, suplico al sancto crucifixo vuiesse piedad del padre y madre de Ia nifia y se Ia resuscitasse. Y al momento que acabo su oracion, abrio Ia nifia los ojos y resuscito. Y Ia buena duefia salio a dezir a sus padres que diessen gracias a Dias y al sancto Crucifixo por el milagro que en su hija auia hecho. Y Ia nifia quedo sana y buena. De lo qua! sus padres dierun muchas gracias a Dias y al sancto Crucifixo. Este milagro esta prouado en ellibro original de los milagros del sancto crucifixo. Anhang 16 En el afio del Seiior mil y quinientos y veynte y cinco aiios, a veynte y tres de abril, estando ahechando trigo vna muger quese dezia Juana de Santo Domingo, criada y ama de Francisco de Salinas, mercader, en casa del dicho Francisco de Salinas a Ia plateria vieja de Ia ciudad de Burgos, vn nifio que Ia dicha Juana de sancto Domingo criaua, hijo del dicho Francisco de Salinas, que era de dos afios y medio, y atin se criaua entonces a los pechos del ama. Corno anduuiesse jugando con otros nifios, cayo por vna trampa en vna bodega muy honda de mas de cinquenta pies en alto. Y como Ia dicha su ama lo vio caer y oyo vn gran golpe que dio abaxo, dio vna gran voz y dixo: "0 sancto Crucifixo de sancto Augustin de Burgos, aued misericordia deste nifio." Y abaxo muy turbada a muy gran priessa a Ia bodegay hallo al niiio entre vnos cantos como muerto, Ia cabec; a torcida y cayda, y Ia garganta le estaua heruiendo. Y el ama dixo: "0 sancto Crucifixo de sancto Augustin de Burgos, resuscita este nifio." Y ansi llorando y encomendando el nifio al sancto Crucifixo, el nifio bolui en si sano y bueno, sin herida ninguna, diziendo: "Ama, dadme Ia teta." Y ansi lo subio arriba donde es tauan muchos llorando y esperando que lo sacassen muerto segun Ia <?page no="447"?> Anhang 437 gran altura donde auia caydo, que bastaua para morir vn hombre. Y eomo le vieron sano, quedaron espantados de tan gran milagro, diziendo que despues de Ia muerte de sanct Lazaro nunea auian visto ni oydo tan gran milagro. Y dieron muehas graeias a Dios y el saneto Crueifixo. Y aunque fue tan publico se tomo por testimonio. Anhang 17 En el aiio de mil y quinientos y einquenta y dos, mediado Hebrero, vna muger que se dezia Maria, easada eon vnJuan de Valdiuielso, vezino de Burgos, estando hilando lana a vn earro en su easa al arrabal de sant Pedro vna maiiana entre las siete y oeho, le dio vn malen el eorar,: on tan rezio que perdio Ia habla. Y estuuo sin sentido desde vna maiia [sie] a las oeho hasta otro dia a las de Ia noehe, que fueron quarenta horas. Y eomo le pusiessen en los peehos pan ardiendo que le quemo los peehos y le leuanto empollas, no sintio eosa ninguna. Y temblaua del medio euerpo abaxo y no Ia podian tener de los brar,: os. De las doze adelante dierone dos eseudillas de ealdo, que hasta alli ninguna eosa auia eomido, y tragelas eomo desatinada, mordiendo Ia eseudilla. Y eerrando los ojos estendia los brar,: os en eruz haziendo seiias que Ia lleuassen al saneto Crucifixo. Y assi Ia leuantaron de Ia eama y Ia lleuaron el jueues adelante al saneto Crueifixo en vn maehuelo (que el martes en Ia maiia [sie] le dio Ia enfermedad). Y estando en Ia eapilla no hablaua sino por seiias y gemia y lloraua, andaua de rodillas y otras vezes se prostraua de ojos. Y otro dia viernes acabaron vna missa, quitaron las eortinas del saneto Crueifixo y eomo Ia dieha Maria lo vio, eomenr,: o a dar gemidos. Y eomo lo eubrieron quedo muy triste. Assi estuuo Ia triste muger los dias de sus nouenas. Y eada dia su marido Ia mandaua dezir vna missa. EI viernes adelante que fue el noueno dia que alli estaua, estaua Ia dieha enferma dentro de Ia eapilla junto al altar del saneto Crueifixo, y eomo abrieron las eortinas y deseubrieron el saneto Crueifixo, eomenr,: o ella a dezir a bozes leuantadas las manos: "Jesus, madre de Dios; Jesus, madre de Dios", y limpiauase el rostrode sudor que le vino. Y eomo eubrieron el saneto Crueifixo quedo diziendo baxito: "Madre de Dios, madre de Dios, Jesus." Y juro que le pareseio que auia abaxado las manos ambas el saneto Crueifixo, y eon ellas le auia dado vn golpe en Ia eaber,: a . Y se quedo vn poeo desflaqueseida mas eon su juyzio. Y estuuo alli hasta el domingo adelante. Y ansi se fue sana a su easa, dando gracias a Dios y al saneto Crueifixo por tan gran milagro. Anhang 18 Aiio de mil y quinientos y oeho, vna seiiora quese dezia doiia Aldonr,: a de Maluenda, abadessa en el monasterio de saneta Clara de Burgos, era muy religiosa y muy deuota de Ia passion de nuestro redemptor Jesu Christo, tanto que de Ia eontinua leetion, meditaeion y eontemplaeion que de Ia p assion del seiior tenia eomenr,: o a es ereuir vn traetado della, eomponiendole de los diuersos Iugares que leya. Y poniendo deuotos sentimientos que Dios le daua para su eleeion y proueeho y de las religiosas de su monesterio. EI demonio, inuidioso de buenas gentes y buenas obras, y mas de Ia gloria de Dios y de Ia passion y eruz de Christo en que el hijo de Dios gano del vietoria y lo lanr,: o del mundo que tiranizaua, eomenr,: o a inuidiar y a estoruar el saneto proposito y buena obra desta seiiora, no sufriendo bien su bondad. Para estoruarla le apareeio muehas vezes toda Ia semana en figuras horribles y espantosas, eomo a sant Antonio en el desierto, para ponerle miedos diabolieos, si por ventura de espanto o de desesperaeion Ia matara. Mas Ia buena seiiora, animada de Ia virtud <?page no="448"?> 438 Anhang de Dios, encomendose con mucha deuocion al sancto Crucifixo de Burgos y ernbio- Je vna figura de cera y nunca vio mas las dichas visiones. De esta manera prosiguio su obra, y Ia acabo, y es muy deuota. Anhang 19 En el aiio de mil y quinientos y XXII aiios, a veynte y seys dia del mes de mayo, Juana Gomez, vezina de Burgos, vino a encomendarse al sancto Crucifixo y a supliearle le diesse salud de vn ojo que tenia perdido de vn hinchazon que tuuo en el. Y en todo ellado derecho muy mala y muy bermejadequese le cerro el ojo sin poderlo abrir cosa alguna. Y dezia Ia dichaJuana Gomez que ya no sentia el ojo quese le auia quebrado vna noche. Y assi le tenia tan cerrado que ninguna eosa veya con el ni se le podia ver dentro cosa alguna. Y tenia en ellagrimal hazia Ia nariz vna earnosidad leuantada mayor que vna gran auellana, tan grande eomo media nuez. Viendose desta manera Ia buena dueiia afligida, auisada de los medicos y cirujanos que solo Dios por milagro Ia podia sanar, que otro remedio no lo tenia, fuese llorando lunes de maiiana al sancto Crucifixo y rogo a vn padre que entraua a dezir missa que en el sancto momento rogasse a Dios y al sancto Crueifixo que hiziessen milagro por ella. Yen tanto quese dezia Ia missa, Ia buena dueiia, llorando con toda Ia contrieion que pudo, rogo a nuestro seiior Dios al sancto Crucifixo tuuiesse misericordia della. Y quiso Dios por su infinita bondad que, al tiempo que el preste aeabo Ia communion, se le abrio marauillosamente el ojo y se le torno Ia vista tan entera y tan natural eomo si nunca tuuiera mal alguno. Anhang 20 luan de Segouia, vezino de Ia ciudad de Burgos, al barrio de sant Martin junto a Ia misma iglesia, leuantanJuse Je Ia cama vna maiiana, como se fuesse a cal~ar vna cal~a en Ia pierna derecha, se tollecio de Ia cintura abaxo sin se poder menear, de arte que por espaeio de ocho meses estuuo con grandes dolores y trabajo. Lo vno porque en muchos miembros del cuerpo padescia muchos dolores, y lo otro que comunmente suele deseonsolar a las gentes era Ia falta de lo neeessario para su substentacion. Porque eomo viuia de su oficio y entonces le fa! tauan las fuer~as para le exercitar, padescia grah pobre za. Y viendose ansi tan sin fauor humano (porque ningun remedio le dauan los medicos para su enfermedad) hizo voto de yr a Ia capilla del saneto Cruifixo de saneto Augustirr y de velaren ella. Y ansi proeuro de hazerse lleuar alla y quatro hombres vezinos suyos, por le hazer charidad, le lleuaron a sancto Augustin, aunque con muy gran trabajo, y le metieron en Ia capilla del sancto Crucifixo, a donde eomo velase vn jueues en Ia noche y eon muchas lagrimas pidiesse a Dios misericordia, suplicando le sanasse de aquella tan grande enfermedad por Ia inuoeaeion de aquella su saneta ymagen que se representaua su saneta passion. Otro dia, viernes, en Ia maiiana, que fue dia de sancta Cruz de Mayo, se hallo sano y sin dolor alguno. Y dando muehas graeias a Dios, que tantas mereedes le auia heeho, y se boluio a su easa con mueha alegria. E yendo por el eamino, eneontro algunos de los que le auian traydo tollido en sus bra~os, los quales eon admira~ion de verle tan sano alabauan a Dios en sus marauillas y miserieordia que con los hombres vsaua. Y este dieho Juan de Segouia, queriendo ser grato a Ia magestad diuina que le auia dado aquella salud tan milagrosamente, tornose al dieho monasterio donde pidio con mueha instaneia que le diessen el habito en el qua! desseaua aeabar su vida en seruieio <?page no="449"?> Anhang 439 de Jesu Christo nuestro sefior. Y como los religiosos de sant Augustirr viessen su buen desseo, le recibieron en su compafiia, en Ia qua! este deuoto mancebo gasto todo lo restante de su vida, siruiendo a Dias y aquel dicho monasterio. Anhang 21 En el afio de mil y quinientos y veynte y vno por el mes de Setiembre, Juan Benito, criado del Hospital del Rey, se tollescio de los bra.,: os y de las piernas que no podia menearse y a penas y con mucho trabajo con vnas muletas andaua. Y no podiendo con a lgun remedio humano sanar en el Hospital del Rey, donde con grandissimo cuydado y charidad, muy cumplidamente con todo lo necessario curan los enfermos, fuese allugar de Ausin, donde estuuo en casa de vna su hermana casada hasta el mes de mar.,: o. Estando assi tollido, determino de yrse a encomendar al sancto Crucifixo y con mucho trabajo y pena, en dos muletas tardo dos dias en venir tres leguas desde Ausin al sancto Crucifixo de sancto Augustin. Y llego jueues a veynte y siete dias del mes de Mar.,: o, y en aquella noche se encomendo con mucha deuocion al sancto Crucifixo. Y el viernes luego siguiente, en Ia mafiana, estando diziendo vna miss aal sancto Crucif i xo el dicho Juan Benito se encomendo con grandissima deuocion al sanctissimo Crucifixo. Y adesora marauillosamente se le destollescieron las piernas y bra.,: os en presencia de mucha gente, que todos los viernes hinchen Ia capilla del sancto Crucifixo. Y no le quedo mal ninguno, y dexo las muletas y encomen.,: o a andar y correr sin pena alguna, como si nunca por el huuiera passado mal alguno. Y como assi se vio acabado de tanto trabajo y tollimiento, tan sano y bueno que corria y saltaua. Espantado de tan gran milagro, no sabia que se hazer de gozo y plazer. Hizose prouan.,: a deste milagro y tomose por testimonio. Anhang 22 En el afio de mil y quinientos y treynta y siete, a catorze dias del mes de abril, hizo Dias vn grandissimo milagro por el santo crucifixo en Antonio de Herrera, hijo de Anton Hemandez y de Ynes Gomez, vezinos de Alcocer, residente y moradar en Ia ciudad de Burgasen esta manera. EI dicho Antonio de Herrera perdio Ia habla en el Iugar de Alentis, que es tierra de Alma.,: an, estando alli en eiertos negocios, y estuuo sin hablar afio y medio, porque aunque queria hablar no podia, porque le parescia que tenia impedimento en el estomago y en Ia garganta. Y viendo se assi fue se a tener nouenas al sancto Crucifixo, y confessose por escrito con vn padre, que se dezia fray Antonio de l'a Mota, y recibio el santo sacramento, y al finde los nueue dias con gran deuocion hizo grandes oraciones en su pecho a Dias y al sancto Crucifixo. Y estando ansi orando, le tomo vna gran angustia, y temblores, y sudores, y espeluzamiento de los cabellos, y vinieronle muchas lagrimas a los ojos, y pedio al sacristan por escri pto, que le diesse vna escalera para be sar los pies al sancto Crucifixo, dio se Ia el sacristan. Y como besasse los pies da! sancto crucifixo, dixo vna oracion en su pecho mirando el sancto Crucifixo, y plugo a Ia bondad de dios, que luego milagrosamente hablo claramente como antes que perdiesse Ia habla, y llamo tres vezes al padre sacristan, y assi se abaxo sano y bueno, dando gracias a dios, y al sancto crucifixo por tan gran merced y milagro. <?page no="450"?> 440 Anhang 23 Anhang En Ia prouincia de Hespaiia de Ia obseruancia de Ia orden de sancto Augustin huuo vn gran varon quese dezia fray Hernando de Toledo que por su valor y sanctidad fue prior mucho tiempo de las mas principales casas de Ia prouincia. Este excelente varon, viniendo vn verano de vn capitulo prouincial por prior desta casa de sancto Augustin de Burgos, de donde fue ocho aiios prior, en vna siesta se le tollescio vn bra~o tanto que estuuo muchos dias sin poder dezir missa ni poder tomar vna pluma. Este bendito varon, viendose tal que no hallaua remedio humano alguno, fuese vna noche a velar y encomendarse a Dios y al sancto Crucifixo. Y ansi marauillosamente sano y estuuo luego tan bueno y sano como antes oy dia que es aiio de mil y quinientos y cinquenta y tres aiios . Ay desto testigos en el dicho monasterio de sancto Augustin de Burgos que vieron por sus ojos el dicho milagro. EI vno es el prior del dicho monesterio, fray Gon~alo Ortiz, y fray Juan de Santiago y fray Alonso de Enzinas, y otros aura, que ha que acaescio este milagro treynta y quatro o treynta y cinco aiios. Anhang 24 En el aiio de mil y quinientos y quarenta y quatro, vn viernes a cinco de Setiembre, a las quatro, poco mas o menos, de Ia tarde, veniendo vn muy deuoto religioso al monesterio de sancto Augustin de Burgos, que se dezia fray Juan de Santiago, que oy dia es viuo, en compaiiia de algunos caualleros y frayles franciscos y clerigos de Roa que trayan de Extremadura a enterrar a Roa el cuerpo de don Pedro de Ia Cueua, comendador de Calatraua, como viniesse el dicho fray Juan de Santiago cauallero en vna mula, poco mas de media legua de llegar a Peiiafiel quisose sentar en Ia silla de Ia mula porque traya mala vna pierna y no podia venir caualgando, al tiempo que quiso boluerse para sentarse, Ia mula comen~o a dar tantas coces que echo de si al padre por las ancas y, como traya vnos ~apatos anchos, quedosele embocado el pie derechoen el estribo, de tal manera que no lo pudo sacar. Y como vn mo~o que traya so! tase el freno a Ia mula para socorrerle, Ia mula dio a correr con el frayle arrastrando gran trecho, dandole muy grandes coces y pernadas. EI frayle, yendo ansi fatigado y quasi sin sintido, acordose del sancto Crucifixo y de vn milagro que auia hecho con vn hombre que arrastrara vn cauallo, y con este acuerdo dixo: "0 sancto Crucifixo, valme; o sancto Crucifixo, valme". Y dichas estas palabras, al momento se quebraron las barras de hierro de Ia silla y las cinchas. Y Ia mula passo adelante en pelo y dexo el frayle libre y sano, saluo que el pie le quedo vn poco dessollado, para seiial del milagro que Dios por el sancto Crucifixo auia hecho, mas sin ningun dolor ni sentimiento de las coces y del arrastramiento. Anhang 25 En el aiio de mil y quinientos y veynte y quatro vn hombre quese dezia Antonio del Campo, criado y secretario del obispo Ciguen~a, natural de los Valbases, estando enfermo de modorra y fuera de su acuerdo, vn sabado en Ia noche antes de Carnestolendas, leuantose de Ia cama con frenesia y, hallando vna nauaja que en su casa tenia, diose por Ia garganta con ella, y corto mucha parte del gaznate. Socorriendole luego, dieronle ocho punctos, los quales se le tornaron a quebrar . Los medicos y cirujanos lo desauziaron y dixeron que no podia viuir vna hora, aunque le pusieron <?page no="451"?> Anhang 441 vnas vendas y vnos poluos, y no otra cosa, que tenian por muy cierta su muerte. El dicho Antonio del Campo torno a la sazon en si y, entendiendo el peligro en que estaua, encomendose al sancto Augustin de Burgos y prometio de yr a tener nouenas. Y plugo a la diuina magestad que luego se le soldo la herida y quedo sano sin ninguna fealdad por milagro del sancto Crucifixo. Fue a cumplir su promesa y juro y dexo firmado de su nombre lo susodicho. Anhang 26 Catalina Alonso, viuda, vezina de sant Cebrian de Mayuela, como oyesse dezir los muchos y grandes milagros que Dios nuestro seii.or hazia por la inuocacion deste sancto Crucifixo de Burgos, tenia gran deuocion de yr alla en romeria a visitar su deuota capilla y lleuar sus limosnas. Pero ofresciansele ocupaciones que le eran impedimento de su buen desseo porque, como fuesse viuda, no tenia quien mirasse por su casa y familia, como era menester. Y como vna vez cayesse en vna graue enfermedad de la qual perdio la habla y la vista y el sentido. Y los de su casa, como supiessen la gran deuocion que esta deuota dueii.a tenia al sancto Crucifixo de sancto Augustin de Burgos, confiando en Dios, que tantas marauillas haze por aquella su sancta ymagen, pusieronla en vn carro con dos mulas sin que ella sintiese cosa alguna ni viesse, en tanto grado que ya la contauan por muerta. Y como la lleuassen asi hazia Burgos, ya que auian andado media legua, torno en si la buena dueii.a y pregunto que donde la lleuauan. Y respondiole vn vezino suyo que la lleuauan al sancto Crucifixo de Burgos. Y la deuota dueii.a, como esto oyo, alc; : o las manos al cielo y dio muchas garcias a dios. Perode los ojos ninguna cosa veya. Y continuando su camino, llegaron al monesterio de sancto Augustin de Burgos, y entraron a la capilla del sancto Crucifixo, y luego a la hora y momento cobro la vista de los ojos y sano de toda su enfermedad marauillosamente, con la presteza que solo Dios de poderio propio le pudo dar, con tanta velocidad salud en tangraue enfermedad y ceguedad. Hizose la prouanc; : a deste milagro por authoridad real, ante Pero Alonso Delantadilla, escriuano. Anhang 27 En el aii.o de mil y quinientos y XXIIII por el mes de agosto, vna muger viuda que se dezia Maria Saenz, vezina de Aranda de Duero, que moraua en el arrabal de la otra parte de Duero, estuuo vn aii.o entero en la cama muy enferma a causa de vnos poluos que auia tomado para purgar. Llego a tanto estrecho de la vida, que no podia passar nada comiendo, sino algun caldo que le echauan por fuerc; : a dentro, y no podia hablar. Viendose tan fatigada, dentro de su pecho (como Anna, madre de Samuel) con muy gran fe y deuocion se encomendo al sancto Crucifixo de sancto Augustin de Burgos, y luego al mo mento hablo y estuuo buena con remedio tan grande y tan presto y tan sin medio humano que a nadie pudo dexar duda auer sido hecho del poder y diestra de Dios por la inuocacion del sancto Crucifixo. Esta muger vino a visitar el sancto Crucifixo y a dar gracias a Dios de la merced que le auia hecho a seis de Setiembre del aii.o de mil y quinientos y veynte y cinco. <?page no="452"?> 442 Anhang Anhang28 En ellugar de Padilla de Suso, que es jurisdiccion de Castroxeriz, en el aiio de mil y quinientos y diez y seys, andando otro dia despues de sant Miguel, vendimiando Pero Gutierrez de Ia Fuente, vezino del dicho lugar, en el pago que llaman La'<aron con cinco vendimiadores y cinco niiios tres horas antes de que anochesciesse, llego el dicho Pero Gutierrez a Ia viiia con vn carro para cargarlo de vua. Y vn niiio hijo suyo que entonces comen'<aua ya an dar y se llamaua Martinico, y como vio al padre, pidiole pan, y el padre con enojo le dio peor que escurpion, que le ofrecio al diablo. Cosa marauillosa, que al momento que le ofrecio al diablo, desaparescio el niiio delante todos . EI padre como vio tan subitamente desaparescido el niiio, espantado dixo a los que con el estauan: "( Vistes tal cosa, que ofresciendo a Martinico mi hijo ad [sie] diablo, me lo ha lleuado? " Todes espantados dexaron de vendimiar y comen- '<aron a buscar el dicho niiio. Y vino el hecho a noticia de todo ellugar y de los que en el torno andauan en otras viilas vendimiando. Vino mucha gente espantada en busca del dicho niiio y anduuieron toda Ia noche por todos los terminos dellugar buscandolo y nunca lo hallaron. Entonces, Maria Martinez, muger del dicho Pero Gutierrez, con ansia de ver tan perdido su hijo y lleuado del demonio, dixo con grande sentimiento al dicho Pero Gutierrez: "Andad, marido, que al sancto que ofrecistes vuestro hijo, esse le ha lleuado." Entonces, el dicho Pero Gutierrez, con fe y deuocion, encomendando su hijo al sancto Crucifixo de Burgos quese lo Iibrasse del diablo, como de rodillas suplico antes de Ia transfiguracion vn padre a Christo por su hijo lunatico que el demonie lo atormentaua, y a vezes lo echaua en el fuego y a vezes en agua. EI padre del dicho Martinico anduuo ansi toda Ia noche con aquella deuocion y contricion, encomendando a su hijo al sancto Crucifixo. Y andauan a buscar el niiio mas de otras veynte personas toda Ia noche. Quiso Dies que a Ia maiiana al quebrar del alua, vn hijo de vnJuan Niete, el Mo'<o, y vn pastor suyo, hallaron el niiio a legua y media dellugar donde lo IIeue el demonio, entre el termino de Villa Yzan y Villa Mayor, donde, aunque tan a ojos vistas no le lleuara el demonio, el niiio no pudiera yr porque era de dos aiios y auia muchas acequias y arroyos tan hondos que vn cauallo no los podia passar desde ellugar de donde le IIeue el demonie hasta donde le hallaron. Y el niiio no sabia andar, que entonces comen'<aua. Traxeron el niiio en casa de su padre tan atonito y tan espantado y tan sin color, que no conoscia a nadie y dezia: "Derribome Ia mula, derribome Ia mula", y no sabia dar mas razon de si. Estuuo ansi tres dias espantado, que no comia sino pan rallado y algun conorte. Y al cabo de los tres dias que consto mas del milagro, quedo del tod o bueno el niiio. Hizose gran prouan'<a en este milagro. Anhang29 En el aiio de mil y quinientos y veynte y seys, el dia de sancto Augustin, a veynte y ocho de Agosto, yendo vn hombre quese dezia Pedro del 0 lmo, vezino dellugar de Marmellar de Yuso, a acarrear trigo con vn carro y dos pares de bueyes al termino dellugar de Paramo, jurisdiccion de Ia ciudad de Burgos, IIeue consigo a Juan del Olme, su hijo, mo'<o de quinze o diez y seys aiios, para que le ayudase a cargar. Y cargo vn gran carro de trigo de mas de cient grandes hazes . Y, viniendo por vna cuesta del dicho termino de Paramo, con el carro ansi cargado,trastornose el carro y trigo sobre el dicho Juan del Olme, hijo del dicho Pedro del Olme . Y como el padre lo vio assi, fuese por el termino dando vozes a los que andauan segando en el dicho termino, que viniessen a ayudarle a sacar a su hijo que estaua muerto deba xo <?page no="453"?> Anhang 443 del carro. Y a las vozes vinieron muchas personas a le socorrer. Entre otros vinieron dos mugeres casadas, vezinas del dicho Iugar de Marmellar. Y descargando el carro, hallaron al dicho Juan del Olmo Ia boca con Ia tierra, muerto, sin resollar, y los ojos quebrados, y las teleras del carro atrauessadas por el cuerpo, que con tales heridas era impossible viuir naturalmente; comen'<aron todos a dar gritos como lo vieron tal. Las dos buenas dueiias, acordadas de Dios, pusieron las rodillas en tierra, y con gran fe y deuocion dixeron que pues era dia de sancto Augustin, que suplicauan al sancto Crucifixo de sancto Augustin de Burgos que hiziesse milagro y resuscitasse al dicho Juan del Olmo. Y prometian de lo lleuar a visitar el sancto Crucifixo. Y ellas con el a pies descalsos. Y luego, marauillosamente, resuscito el mo'<o dando vn gemido y comen'<o a resollar y hablar poco a poco, y Ieuantose luego sano y bueno, sin las heridas de las teleras, que le ataruesauan el cuerpo, ni otra mal alguno. Milagro euidentemente digno de sola Ia omnipotencia de dios por Ia inuocacion del sancto Crucifixo hecho. Cumplieron las dueiias y el mo'<o su voto y promessa. Anhang 30 Por quanto por parte de vos, el Prior, frayles y conuento del monesterio [...] ha sido presentado ante algunos del Consejo de su Magestad vn libro dirigido a nos, [...] suplicandonos y pidiendonos por merced que [...] os diessemos licencia para que vos, el dicho prior y conuento o quien vuestro poder huuiere (y no otra persona alguna) podays imprimir e vender el dicho libro por el tiempo que fuessemos seruidos o como Ia nuestra merced fuesse en estos reynos y seiiorios de Castilla. Y porque auiendose visto el dicho libro por nuestro mandado, parescio quese deuia imprimir, por Ia presente vos damos licencia y mandamos que vos [...] imprimays y vendays el dicho libro y otras algunas personas no puedan imprimir ni vender, ni impriman ni vendan el dicho libro en los dichos reynos y seiiorios de Castillil por tiempo de diez aiios [...] ni traerlo a vender de fuera deilos [...] [...] pierdan toda Ia impression que hizieren o vendieren y los moldes y aparejos con que lo hizieren, y mas incurran en pena de treynta mil maravedis por cada vez que lo contrario hizieren. La qua! dicha pena se reparta en esta manera: Ia tercia parte para Ia persona que lo acusare, y Ia otra tercia parte para el juez que lo sentenciare y Ia otra tercia parte p ara Ia camara y fisco de su Magestad . Anhang 31 Y avnque en todas partes ella este prompta y aparejada para socorrer y fauorescer a los que Ia inuocaren, y assi por consiguiente en todas partes deua ser venerada y alabada de todos los fieles Christianos, empero con todo esto algunos Iugares vemos que ha querido Dios escoger donde mas particularmente se haga el su seruicio y de su bendita madre, no porque digamos que aquellos Iugares tengan algo porque hayan de ser escogidos, sino porque assi ha sido Ia vountad de Dios [...]. Y avnque hay muchos muy marauilosos [sie] dedicados especialmente al culto y honra de Ia sanctissima madre de Dios y donde Dios por ella obra muy grandes marauillas, dexando agora aparte los otros avnque muy marauillosos, solamente nos occurre aqui tratar algo de aquella marauillosa montaiia de Montserrat por quanto vemos que siendo tan grande Ia fama della muchos dessean de sabes sus particularidades, assi los que Ia han visto como los que nunca han es tado en ella. <?page no="454"?> 444 Anhang Y assi, para satisfazer a los vnos y a los otros, contaremos de tal manera las cosas della que los que las han visto se huelguen de reduzirlas a Ia memoria y los que no han alli estado las vengan a conoscer mas verdaderamente que si las hoyessen de otros. Hanos mouido tanbien porque hauemos visto muchos simples que algunos engaiiadores ! es dan a entender muchas mentiras de aquella casa y montaiia, los quales quando veen no ser ansi, vienen tanbien a dudar las verdades que della se cuentan. Hazen ciertamente aquellos mentirosos el officio del demonio, el qua! como sea padre de Ia mentira siempre procura de mezdar mentiras con las verdades par que quando vinieran a conoscer alguna mentira, crean que todo es falso, y assi vengan a no creer Ia verdad. Desta manera algunos cuentan algunos milagros falsos para que quando los oyentes hallaren aquellos no ser verdaderos, vengan a no dar credito a ningunos. Por ende procuraremos aqui de poner todo lo que autenticamente [...] En todo esto no curaremos de alto estilo, sino de Ia simple verdad, Ia qua! deue mouer mas los cora'<ones de los deuotos Christianos que todas las hermosuras y flores de hablar de que suelen vsar los oradores. Solamente ruego a nuestra Seiiora que de tal manera enderece y encamine esta su obra, que toda ella sirua a gloria y honra de Dios y suya, y para bien de las animas de los que Ia leyeren y oyeren. Amen. Anhang 32 Lo qua! (como arriba diximos) no sera, mediante nuestro seiior, sin grande fructo de los semejantes lectores, y ansi todos los que los leyeren ternan nueua obligacion de suplicar a nuestro Seiior por Ia larga vida y salud de Vuestra Alteza. Pues por su contemplacion y seruicio salio a luz esta obra y no cessamos nosotros de hazer este officio suplicando siempre o [sie] nuestro seiior de Vuestra Alteza prosperos successos en todas sus cosas para mayor bien de su anima y acrecentamiento destos sus reynos . Amen. [...] pues veran en ella [los que Ia leyeren] casi renouados los milagros y grandes marauillas que Ia magestad de Jesu Christo nuestro saluador fue seruido de obraren el tiempo que estuuo en esta vida mortal, prouando con ellas su diuinidad al mundo. Tuuose gran consideracion en este tratado a summarse con toda breuedad estos milagros porque sin prolixidad y menor fastidio los pudiesse leer Vuestra Alteza, refiriendolos con muy y senzilla relacion. Ymitando en esla parte a los sagrados euangelistas, los quales con notificar al mundo tantas y tan grandes hazaiias y marauillas, las escriuieron como si contaran cosas communes y vulgares. No encaresciendolas con vanas palabras ni subtiles eloquencias, como lo vsaron los escriptores profanos queriendo suplir con hermosura de palabras Ia baxeza y poca verdad de las cosas que escriuian porque las cosas grandes, ellas, estan de suyo encarecidas y no tienen necessidad de prolixas ponderaciones. Y ansi principalmente procuramos en esta relacion confirmar y corroborar lo que se cuenta con muy firmes testimonios y fiel prouan'<a de los milagros que referimos, como lo entenderan adelante los que con sincera y christiana intencion los leyeren. <?page no="455"?> Anhang 445 Tarnbien nos dio ocasion a offrescer esta obrezilla a Vuestra Alteza Ia particular y gran deuocion que todos los reyes y principes passados, vuestros progenitores, tuuieron a este sancto Crucifixo como paresce del feruor con que muchas vezes se visitauan y frequentauan, encomendandose a el con grande fe y religion, offresciendole siempre muchos dones y fauoresciendo su casa con priuilegios y otras muchas limosnas dignas de su largueza y deuocion. Anhang 33 Esta agua del sancto crucifixo [...] haze siempre bien a los enfermos que aun en este afio de mil y quinientos y cinquenta y tres han hallado remedio enfermos en ella para sus enfermedades. Nadie se espante quese saludable por el tocamiento del sancto Crucifixo pues por vn desnudo madero que el propheta Moyses echo en aguas amargas, salobres, las hizo dulces [...] que estos tiempos no son de menos misericordias de Dios que aquellos ni de menos milagros y es mas el sancto Crucifixo que vn desnudo madero [ .. .]. Anhang 34 Una muger estando con dolores de parto por mas de treynta y seys horas, tan afligida que con verdad a ella le parescia quese finaua, y lo mismo afirmaua su marido, Pedro de Marroquin, que alli estaua presente, el qua! , como viesse el gran peligro en que su muger estaua, con toda deuocion y reuerencia le puso vna ymagen del sancto crucifixo que le auian dado en el monasterio de sancto Augustin. Y, colagandosela al cuello, hizo oracion y prometio de lleuar a su muger con el fructo que Dios le diesse a Ia capilla del sancto Crucifixo con sus ofrendas. Y luego, marauillosamente, fue fauorescida de Dios y pario vn hijo quedando ella sana y buena. Y luego, esta dueiia tan christiana (segun auian prometido) vino a velar a Ia capilla de esta sancta ymagen, adonde daua cuenta y razon a todos del estrafio peligro en que se auia visto y de Ia singular merced que auia recebido de nuestro redemptor Jesu Christo por Ia inuocacion desta sancta ymagen y por Ia deuocion que auia tenido con Ia insignia deste Crucifixo que su marido, inspirado por Dios, le auia puesto estando en tan gran afliction. Fue prouado este milagro delante Pedro Delantadilla, escriuano y con bastantes testigos . Anhang 35 Desde aquella hora quise mal al mal ciego, y, aunque me querfa y regalaba y me curaba, bien vi que se habfa holgado del cruel castigo. Lav6me con vino las roturas que con los pedazos del jarro me habfa hecho, y, sonriendose, deda: - ,: Que te parece, Lazaro? Lo que te enferm6 te sana y da salud. Y otros donaires, que a mi gusto no lo eran. A lo menos, Lazaro, eres en mas cargo al vino que a tu padre, porque el una vez te engendr6, mas el vino mil te ha dado Ia vida. [...] - Yo te digodijoque si un hombre en el mundo ha de ser bienaventurado con vino, que seras tu. <?page no="456"?> 446 Anhang Lo mas que yo pude hacer fue dar en ellos mil besos, y, lo mas delicado que yo pude, del partido partf un poco al pelo que el estaba, y con aquel pase aquel dia, no tan alegre como el pasado. [...] morfa de mala muerte; tanto que otra cosa no hacfa, en viendome solo, sino abrir y cerrar el arca y contemplar en aquella cara de Dios, que ansf dicen los niiios. En entrando en los Iugares do habfan de presentar Ia bula, primero presentaba a los clerigos o curas algunas cosillas, no tampoco de mucho valor ni substancia: una lechuga murciana, sie era por el tiempo, un par de limas o naranjas, un melocot6n, un par de duraznos, cada sendas peras verdiniales. Ansf procuraba teuerlos propicios, porque favoresciesen su negocio y llamasen sus feligreses a tomar Ia bula. Ofresciendosele a ellas gracias, informabase de Ia suficiencia dellos. Si decian que entendfan, no hablaba palabra en latfn, pornodar tropez6n, mas aprovechabase de un gentil y bien cortado romance y desenvo! tfsima lengua. Y si sabfa que los dichos clerigos eran de los reverendos, digo que mas con dineros que con letras y con reverendas se ordenan, hacfase entre ellos un Sancto Tomas y hablaba dos horas en latfna lo menos que lo parescfa, aunque no lo era. Elllam6 al alguacilladr6n, y el otro a el falsario. Sobre esto, el seiior comisario, mi seiior, tom6 un lanz6n que en el portal do jugaban estaba; el alguacil puso mano a su espada, que en Ia cinta tenfa. Al ruido y voces que todos dimos, acuden los huespedes y vecinos y metense en medio. [...] el alguacil dijo a mi amo que era un falsario y las bulas que predicaba eran falsas. EI seiior comisario se hinc6 de rodillas en el pulpito y, puestas las manos y mirando al cielo, dijo ansf: - Seiior Dios, a quien ninguna cosa es escondida, antes todas manifiestas, y a quien nada es imposible, antes todo posible: Tu sabes Ia verdad y cuan injustamente yo soy afrentado. [... ]Te suplico yo, Seiior, no lo disimules; mas luego muestra aquf milagro, y sea desta manera: que, si es verdad lo que aquel dice y que yo traigo maldad y falsedad, este pulpito se hunda conmigo y meta siete estados debajo de tierra, do el ni yo jamas parezcamos; y si es verdad lo que yo digo y aquel, persuadido del demonio, por quitar y privar a los que estan presentes de tan gran bien, dice maldad, tambien sea castigado y de todos conoscida su malicia. [...] cuando el negro alguacil cae de su estado y da tan gran golpe en el suelo, que Ia iglesia toda hizo resonar, y comenz6 a bramar y echar espumajos por Ia boca y torcella y hacer visajes con el gesto, dando de pie y de mano, revolviendose por aquel suelo a una parte y a otra. Y viniendo el con Ia cruz y agua bendita, despues de hab er sobre el cantado, el seiior mi amo, puestas las manos al cielo y los ojos que casi nada se le parescfa, sino un poco blanco, comienza una oraci6n no menos larga que devota, con Ia cual hizo llorar a toda Ia gente, como suelen hacer en los sermones de Pasion de predicador y auditorio devoto [...]. Y esto hecho, mand6 traer Ia bula y pusosela en Ia cabeza, y luego el pecador del alguacil comenz6 poco a poco a estar mejor y tornar en sf. [...] mas con ver despues Ia risa y burla que mi amo y el alguacilllevaban y hacfan del negocio, conoscf c6mo habfa sido industriado por el industrioso e inventivo de mi <?page no="457"?> Anhang 447 amo. Y, aunque mochacho, cay6me mucho en gracia, y dije entre mi: "jCuantas destas deben hacer estos burladores entre Ia inocente gente! " Anhang 36 Siendo informado el Sumo Pontifice Nicolao quinto de las grandes marauillas que Dios obraua con los que inuocauan este sancto Crucifixo, con zelo del aprouechamiento de las animas, y que esta sancta deuocion cresciesse, otorgo vna bula con muchas y grandes indulgencias, con Ia qua! pudiessen los dichos religiosos de sant Agustin predicar portodoslos reynos de Espaiia y recebir confrades, cuya hermandad y confradia llama del sancto Crucifixo, los quales fauoresciendo con limosna a aquel monasterio gozassen de las facultades e indulgencias que en aquella bula eran concedidas. Predicando pues vn religioso de sancto Augustin estas gracias que Su Sanctidad otorgaua en Ia villa de Grisaleiia, que es en el obispado de Burgos, como todos tornassen Ia insignia del sancto Crucifixo y se escriuiessen por confrades, un vezino de Ia dicha villa, llamado Juan Ruyz de Para, no quiso entrar en la confradia. Y acabada Ia missa, como viniesse a su casa y le preguntasse su muger si se auia escripto por confrade de Ia hermandad del Crucifixo, pues su hijo y su nuera lo auian hecho assi, y el respondio que no. La muger le torno a dezir importunandole que tornasse Ia insignia y fuesse confrade en Ia confradia. Torno a responder excusandose que no lo podia hazer. Y leuantandose este hombre ellunes para pagar cierto trigo que deuia de renta y, queriendo leuantar vn costal que tenia trigo, hailose del bra'ro derecho tollido, sin hallar en el alguna fuer'ra o virtud. Admirado de verse ansi tollido, entendio que le auia venido aquel trabajo de Ia indeuocion o menosprecio que tuuo no queriendo ser confrade del sancto Crucifixo. Y doliendose de su negligencia, prometio con gran deuocion de recebir Ia cruzeta o insignia para assentarse por confrade de Ia confradia del sancto Crucifixo en veniendo por aquella villa quien Ia predicasse. Luego, como hizo este voto, estando delante de muchos testigos vezinos del mesmo pueblo, estendio el bra'ro y le mando ansi como antes que estuuiese tollido. Aprouo esta mesma confradia el Papa Paulo segundo y concedio de nueuo muchas indulgencias a todos los que quisiessen ser confrades o lo fuessen de Ia dicha confradia. Hizose esta confirmac ion en el aiio de mil y quatrocientos y sesenta y nueue, en el aiio quinto de su pontificado. Y el general fray Giraldo de Arimino, que fue de Ia orden de nues tro padre sancto Augustin, hizo hermanos de Ia orden a todos los confrades del sancto Crucifixo haziendolos participantes en todas las missas, sacrificios, ayunos y buenas ob ras que en toda nuestra religion se hazen. La informacion deste milagro aqui dicho fue tomada ante Lope Garcia, escriuano del Rey, ante el cura de Ia dicha villa, llamado Juan Perez. Delante de los quales juraron los testigos que con sus ojos vieron esta marauilla. Y el mesmo Juan Ruyz de Para tambien lo juro, domingo a ocho dias del mes de Setiembre de mil y quatro aiios. Anhang 37 Ni aristotiles ni platon ni seneca ni todos otros quantos filosophos ni aun juristas a abido en el mundo alcan'raron ni entendieron ni tubieron en naturapor posibleque pudiesen los mudos a natura ablar con sola industria, juicio y curiosidad de los hombr es como de presente en aqueste mi tratado y hobrecilla se discide y nota. E pues el caso es tan yncognito y marabilloso e tan nuebo en su subtile'ra e industria e curiosidad que parece miraculoso e sobrenatural. <?page no="458"?> 448 Anhang No me es de ymputar de osadia y atrebimiento de querer osar y abenturarme a escrebir lo que por ningun doctor asta oi en dia a sido leido ni tocado, pues Ia nobedad de Ia materia con el caso tan yncognito nuebo y miraculoso no sufre disimulacion para que deje de escrebirse y publicarse. Yo no quiero escrebir ni tratar Ia industria, solicitud y curiosidad que basta a que los mudos a natura ablen, poque aquesta el solo ynbentor della Ia tiene esculpida, guardada e reserbada para si, aunque para que Ia publicase y sacase a luz y a todos fuese notorio por ser el bien tan encumbrado e unibersal nro. padre Julio ter~io como a rreligioso, e Ia sacra ~esarea y catholica mag. de ntro. inbictissimo cesar charolo quinto como a subdito natural espaiiol y basallo lo debian mandar para que el maestro lo ficiese. Donde queda claro, pobado y purificado que sola Ia enfermedad del oir no es bastante causa como dice aristotiles para que no ablasen los hombres, sino que juntamente quando con enfermedad se les tapalos sentidos del oir se les viene a tapar y a cerrar las partes subtiles y organi~adas de Ia boz. Anhang 38 Aristotiles dice que toda criatura nasce mudo y sordo porque los horganos de aquestos sentidos no salen en aquella perficion tan abiles y dispuestos como para el ablar y el oir es menester de natura, e que por causa de alguna enfermedad vienen aperder el oir antes que comiencen a ablar. E por esta ra~on algunas personas son mudos porque como no pueden oir no pueden concebir el organo de Ia boz para poder perfetamente ablar. Y ansi como no ablan, braman e quedan mudos. Y Ia misma sentencia y parecer tiene plinio en ellibro 1 o de su historia natural aunque a mi parecer y juicio es gran error de aristotiles y de plinio, siendo tan excelentes filoso phos e tan eminentes y doctos en todas las artes y sciencias, testeficar y de~ir que de nunca oir ni aber oido los hombres de enfermedades que cobrasen siendo niiios perdiendo el oir bienen a ser mudos y no ablar, porque si esto ansi fuese, dariamos verdadera Ia oppinion de algunos filosophos que han tenido que el hablar es artificio adquerida y apremdida como las otras artes e que no pudiendo oir no podia deprenderse y que ansi quedaban los hombres mudos. Porque aquesto es error y falso, pues el ablar es cosa natural en los hombres segun Ia comun escuela de todos los filosophos y ansi lo tiene, affirma y tetefica con subtiles e inconbencibles ra~ones quintiliano en su libro 3° y aun el mismo aristotiles lo tiene en ellibro 1 o de su politica en el capitulo 2, porque si ansi no fuese dariamos ygualdad en los hombres con las pica~as, tordos y papagayos y otras abes que ablan y pronuncian algunas cosas que los hombres les muestran y enseiian. E que aquesto sea ansi berdad que Ia abla en los hombres es natural y no arteficio ni sciencia quese deprende, se prueba bastantemente por lo que dice y cuenta erodoto en el su libro 2°. Diciendo que si dos niiios desde su nacimiento fuesen criados y puestos donde Ia criatura no les ablase palabra alguna ni ellos pudiesen oirla, que aquella lengua ablarian que ablaron nros. primeros padres, que fue Ia ebrea segun Ia comun oppinion de los filosophos e historiadores, poque en aquesta ablaba dios a adan y a los profestas como dice sant agustin en ellibro 16 de Ia ciudad de dios [...]. <?page no="459"?> Anhang 449 Anhang 39 Otro insigne espaiiol, de ingenio peregrino y de industria increyble (si no Ia huvieramos visto) es el que ha enseiiado a hablar los mudos con arte perfecta, que el ha inventado y es el padre fray Pedro Ponce, mange de Ia orden de San Benito, que ha mostrado hablar a dos hermanos y una hermana del Condestable mudos, y aora muestra un hijo de! Justicia de Arag6n. Y para que Ia maravilla sea mayor, quedanse con Ia sordedad profundissima, que ! es causa el no hablar, assi se ! es habla por seiias o se ! es escrive, y ellos respanden luego de palabra y tambien escriven muy concertadamente una carta y qualquiera cosa. Uno de los hermanos del Condestable se llam6 Don Pedro de Velasco, que aya gloria, vivi6 poco mas de veynte aiios, y en esta edad fue espanto lo que aprendi6; pues de mas del castellano hablava y escrivfa en latfn casi sin solecismo y algunas veces con elegancia y escrivi6 tambien con caracteres griegos. Y para que se goze mas particularmente esta maravilla y se entienda algo del artequese ha usado en ella y quede por memoria, pondre aqui un papel que yo tengo de su mano. Pregunt6 uno delante del al padre fray Pedro Ponce, c6mo le avfa comen~ado a enseiiar Ia habla, fray Pedro Ponce dixo al seiior don Pedro lo quese le preguntava, y el respondi6 de palabra primero y despues escrivi6 assi: "Sepa v. m. que quando yo era niiio, que no sabfa nada, ut Iapis, comence a aprender a escrivir, primero las materias que mi maestro me enseii6, y despues escrivir todos los vocablos castellanos en un libro mfo que para esto se avfa hecho. Despues, adjuvante Deo, comence a deletrear y despues pronunciar, con toda Ia fuen; a que podfa, aunque se me sali6 mucha abundancia de saliva. Comence despues a leer historias, que en diez aiios he leydo historias de todo el mundo, y despues aprendf ellatfn, y todo era por Ia gran misericordia de Dios, que sin ella ningun modo lo podfa passar." Anhang 40 Los quales dichos maravedis, yo, el dicho Fray Pedro Ponce, monge de esta casa de Oiia, he adquirido cortando y cercenando de mis gastos e por mercedes de seiiores y limosnas e buenas voluntades de seiiores, de quienes he sido testamentario, e bien es de discipulos que he tenido; a los qua! es con Ia industria que Dias fue servido de me dar en esta Santa Casa, por meritos del Seiior San Juan Bautista y de nuestro padre San liiigo, tuve discipulos que eran sordos y mudos a Nativitate, hijos de grandes seiiores e de personas principales, a quienes mostre hablar y leer y escribir y contar y a rezar y ayudar a Missa y saber Ia doctrina cristiana y saberse per palabra confessar, e algunos latin y griego y entender Ia lengua italiana. Y este vino a ser ordenado e tener oficio y beneficio por Ia iglesia y rezar las horas canonicas. Y ansi este y algunos otros vinieron a saber y entender Ia philosophia natural y astrologia, y otro que sucedia en un mayorazgo e marquesado, y havia de seguir Ia milicia, allende de lo que sabia segun es dicho, fu e instruido en jugar de todas armas e muy especial hombre de caballo de todas sillas. Sin todo esto fueron grandes historiadores de historias espaiiolas y estrangeras, e sobre todo usaron de Ia doctrina politica y disciplina que ! es privo Aristoteles. <?page no="460"?> 450 Anhang Anhang 41 Vn mo\o, natural de Villalobar, llamado, Sancho, de cierta enfermedad auia enmudecido, estuuolo por espacio de dos afios, sin que en todos ellos pudiesse hablar palabra. Al finde los dos afios determino fauorecerse de la intercession del santo, y viniendo a visitar su sepulcro, vn Sabado en la noche estuuola velando toda con muchas lagrymas, y deuocion, y bien se echo de ver, porque a media noche desato Dios por los ruegos de su santo aquella lengua trabada, y comen\O el hombre a hablar clara y distinctamente, celebrando la misericordia de Dios, y la piadosa intercession de su santo. Milagro IX . Lo mismo le succedio a vna muger llamada Mari Perez de Valluercanos, que auiendo perdido la habla por vna graue enfermedad que auia tenido, despues de auer estado sin ella muchos dias, al cabo deilos se fue a velar al sepulcro del glorioso santo, y alli la cobro luego por su santa intercession. Anhang 42 Memorie tradendum est, quosdam Theotonicos sub peregrinacionis habitu anno incarnacionis Dominice millesimo nonagesimo ad beati Iacobi limina euntes Tolosam urbem cum diviciarum suarum copiis devenisse, ibique apud quendam divitem hospicium habuisse. Qui nequam sub pelle ovina mansuetudinem ovis simulans, accurate eos suscepit, variisque potibus, quasi s ub hospitalitatis gratia, debriatos esse fraudulenter compulit. Proh ceca avaricia, proh hominis mens nequam in malum prona! Tandem peregrinis somno et crapula plus solito gravatis, hospes dolosus spiritu avaricie exagitatus, quo eos furti reos convinceret, con v ictorumqu e peccunias sibi adquireret, scyphum argenteum clam in quadam mantica dormiencium abscondidit. Quos post galli ca ntum cum manu armata subsequutus est iniquus huspes, inclamitans: Reddite, reddite subseractarn mihi peccuniam . Cui et illi: Super quem, inquiunt, illam inveneris, pro velle tuo illum condempnaveris. Facta igitur inquisicione, duos, in mantica quorum cyphum invenit, patrem videlicet et filium, inius te eorum bona rapiens, ad publicum iudicium traxit. Iudex vero pietatis gratia motus, alterum dimitti, alterum ad supplic ium iubet adduci. 0 misericordie viscera! Pater, volens liberari filium addicat se ad supplicium. Filius econtra: Non est, inquit, equum patrem pro filio tradi in mortis periculum, sed pro patre filius indicte pene subeat excidium. 0 venerabile certarnen clemencie! Denique proprio voto filius pro liberacione patris dilecti sibi suspenditur; pater, vero flens et merens, ad sanctum Iacobum progreditur . Visitato autem apostolico altari venerabili, pater revertens inde, transhactis iam XXXVI diebus, ad corpus filii sui adhuc pendentis facit diverticulum, exclamans lacrimosis gemitibus et miserandis eiulatibus: Heu me, fili, ut quid te genui! Ut quid videns te suspensum vivere sustinui! Quam magnificata s unt opera tua, Domine! Filius suspensus, consolans p a tr em, ait: Noli, amantissime pater, de pena mea, cum nulla sit, lugere, sed I pocius gaudeas, quia suavius est nunc michi, quam fuisset antea in tota vita preterita. Enimvero beatissimus Iacobus manibus suis me sustentans, omnimoda dulcedine me refocillat. Quod pater audiens, cucurrit in urbem, convocans populum ad tantum Dei miraculum. Qui venientes et hunc sus pensum tarn longo tempore adhuc vivere vide nt es, int ellexe run t, ex insaciabili hospitis avaricia hun c esse accu satum, sed D ei misericordia salvatum. A Dominofactum est istut et est mir abile in oculis no stris. <?page no="461"?> Anhang 451 Igitur eum magna gloria a patibulo illum sustulerunt : hospitem vero, sieuti male promeruerat, ibidem eommuni examine morti addieatum ilieo suspenderunt. Quapropter quieumque Christiano nomine eensentur eum magna sollieitudine debent adtendere, nein hospites vel in quoslibet proximos huiusmodi fraudem vel eonsimilem moliantur faeere, sed miserieordiam et benignam pietatem peregrinis studeant impendere, quatinus inde premia eternae glorie mereantur ab eo aeeipere. Anhang43 In antiquissima eiuitate, quam Saneti Dominiei Calciatensis vulgus appellat, gallum vidimus et gallinam: Qui dum vixerunt euius eoloris fuissent ignoramus. Postea vero eum iugulati fuissent et assi eandidissimi reuixerunt, magnam Dei potentiam summumque miraeulum referentes. Cuius rei veritas et ratio sie se habet. Vir quidam probus et amieus Dei et vxor eius optima mulier eum filio aduleseentulo magnae probitatis ad sanetum laeobum Compostellam profieiseentes, in hane vrbem itineris Iabore defessi ingrediuntur, et quiseendi gratia restiterunt in domo euiusdam, qui adultam filiam habebat. Quae eum adoleseetem pulchra faeie vidisset eius amore eapta est. Et eum iuuenis ab ea requisitus atque vexatus eius, voto repugriasset, amorem eonuertit in odium, et ei noeere eupiens, tempore quo diseedere volebant eius eueullo erateram sui patris clam reposuit. Cumque peregrini mane diseessissent exclamauit puella eoram parentibus erateram sibi fuisse subreptam. Quod audiens Praetor satellites eonfestim misit vt peregrinos redueerent. Qui eum venissent puella eonseia sui seeleris aeeesit ad iuuene et erateram eruit e eueullo. Quapropter eomperto delieto, iuuenis in eampum produetus iniqua sententia et sine eulpa laqueo suspensus est, miserique parentes eum filium deplorassent, postea diseedentes Compostellam peruenerunt.Vbi solutis votis et Deogratias agentes subinde, redeuntes ad loeum peruenerunt, vbi filius erat suspensus, et mater multis perfusa laehrymis ad filium aeeessit multum desuadente marito. Cumque filium suspieeret dixit ei filius, mater mea noli fiere super me, ego enim vivus sum quoniam virgo Dei genitrix et sanctus Iaeobus me sustinent et seruant ineolumem. Vade eharissima mater ad iudieem, qui me falso eondemnauit, et die ei me vinere propter innoeentiam meam, vt me liberati iubeat, tibique restituat. Properat sollieita mater, et prae nimio gaudio flens vberius, praetorem conuenit in mensa sedentem, qui Gallum, et gallinam assos seindere volebat. Praetor inquit filius meus viuit, iube solui obseero. Quod eum audisset praetor existimans eam quod dieebat propter amorem maternum somniasse, respondit subrridens, quid hoe est bona mulier? Ne falaris, sie enim viuit filius tuus, vt viuunt, hae aues. Et vix hoe dixerat, eum gallus et gallina saltauerunt in mensa, statique gallus eantauit. Quod eum pretor vidisset attonitus eotinuo egreditur, voeat saeerdotes, et eiues profieiseuntur ad iuuenem suspensum, et inuenerunt ineolumem valdeque laetantem, et parentibus restituunt, domumque reversi gallum eapiunt et gallinam, et in eeclesiam transserunt magna solennitate. Quae ibi clausae, res admirabiles et Dei potentiam testifieantes obseruantur. Vbi septennie viuunt, hune enim terminum Deus illis instituit, et in fine septennii antequam moriantur pullum relinquunt et pullam sui eoloris et magnitudinis et hoe fit in ea eeclesia quolibet septennio. Magnae quoque admirationis est quod omnes per hane vrbem transeuntes peregrini, qui sunt innumerabiles, galli huius et gallinae plumam eapiunt et nunquam illis plumae defieiunt, hoe ego testor propterea que vidi et interfui, plumamque meeum fero. <?page no="462"?> 452 Anhang44 Anhang Vorbemerkung: Bei der Transkription der Handschriften wurden nur die Interpunktion verändert und die Abkürzungen ausgeschrieben. Der Zweck der Übersetzungen bestand darin, den Inhalt so getreu und verständlich wie möglich wiederzugeben, ohne den Text zu schönen. Muy magnificos e muy reverendos seiiores, bernardino de sesma rracionero en esta madre yglesia catedral de seiior santo domingo de Ia califada, prouisor y administrador del santo ospital de seiior santo domingo sito en esta ifibdad, el qua! fundo el glorioso padre seiior santo domingo, patron desta yglesia y lfibdad y de todo este obispado de Calahorra y Ia califada, cuyo glorioso cuerpo y santas rreliqias estan en esta santa yglesia, hago saber a vuesas mercedes como a mi noti~fia ha benido que puede haber seis o siete dias que vino a mi notiifia que catalina de fonifea, natural del Iugar de fonifea, hija de Pedro de fonifea, vezino del dicho Iugar que es de Ia diocesis e obispado de burgos, habia benido a esta cibdad muda sin poder hablar palabra ninguna ni Ia pronunciar, porque habia siete o ocho aiios que habia enmudeifido y todo el dicho tiempo habia estado muda, como dicho esta, qua! habia andado parte de este tiempo pidiendo limosna para se substentar y habia bibido y morado en la casa de Ia Reyna con mari gomez, valenifiana, ~fierto tiempo, y de alli habia benido, mobida con gran deboifion, a visitar esta santa yglesia y glorioso cuerpo santo de seiior santo domingo, donde, por Ia misericordia de Nuestro seiior, a ynterifesion de este glorioso santo, que piadosamente se puede tener por ifierto, al terifero dia habia hablado clara y abiertamente como consta y pareife al presente, habiendo tenido Ia lengua pegada con el paladar baxero tan encarnada con el como si ansi hubiera nascido y para el rremedio de Ia sanidad habia rrequerido y buscado muchos medicos y cirujanos y por todos vista Ia dicha enfermedad de ninguno tubo rremedio, ni que le pudiese dar sanidad espeifial con el doctor cartajena, medico de Ia seiiora duquesa de frias, y de cierto cirujano de la villa de haro y ifarraton, y ansi, como destituyda del fabor dcllos, benida, como dicho es, a esta santa yglesia y sepulcro de seiior santo domingo, rrecibio y fue rrestituyda en Ia habla, de que todos debemos dar ynfinitas gracias a nuestro seiior y tener gran deboifion con este glorioso santo, lo qua! todo hago saber a vuesas mercedes como seiiores y patrones de este santo ospital para que, pasando como pasa esto ansi, y acomulado este milagro con los otros que nuestro seiior a yntercesion deste glorioso santo en dibersos tiempos ha hobrado, hecha y hallada bastanta ynformacion por las justicias eclesiastica y seglar de todo lo suso dicho en forma por ante notarios fidedignos, ynterpuesta su autoridad y decreto en ello, lo manden aberiguar y, aberiguado, guardar en su archibo para honra y gloria de nuestro seiior y aumento de Ia deboifion deste glorioso santo y sobre ello sus mercedes probean lo que mas fuere en seruiifio de nuestro seiior y honra deste glorioso santo. Anhang45 Muy magnifico seiior, Bernardino de Sesma, rracionero, en nonbre desta madre yglesia de seiior santo domingo de Ia califada y por aquella via que mejor puedo, parezco ante vuesa merced y digo que en esta dicha madre yglesia y capilla del cuerpo santo de seiior santo domingo ellunes primero proximo pasado quese contaron diez y siete deste presente mes de hebrero deste aiio de myll e quinientos e cinquenta y seis aiios acaesifio el milagro que se sigue; y es que una moifa, llamada <?page no="463"?> Anhang 453 catalina de Fon~ea, que de cinco afios continuos a esta parte a estado muda y perdido el sentido de Ia habla, como constara por dichos y depusicones de las personas que del dicho tiempo aca han contratado con ella continua y enterpolladamente, el dicho lunes a Ia hora de entre cinco y seis de Ia mafiana, estando en Ia dicha capilla donde se hauia venido dellugar de Ia casa de Ia rreyna el sabado que ynmediate pre~edio al dicho lunes, a Ia dicha ora o poco antes, milagrosamente, por yntercesion, como piadosamente se cree, del vien abenturado sefior santo domingo, patron desta ~ibdad, a quien se hauia encomendado, hablo, y al presente habla clara y expertamente, y se le rrestituyo su pristina facultad de hablar que ante de los dichos cinco afios se le hauia quitado y no pudido restituyr con arte de ciruxia ni otra vmana por tener como tenia Ia lengua del todo pegada y adherente al vn lado de Ia voca, por tanto, para mayor ensal~amiento de nuestra santa fee y loor de dios nuestro sefior y del bien abenturado sefior santo domingo y para que las gentesquese bieren en ne~esidad tengan entendido el patro~inio del glorioso santo y que lo que alcan~o con su diuina magestad para Ia dicha mo~a lo alcan~ara para aquellos que con sinceridad y pure~a de cora~on se le encomendasen, como es de presumir ella Ia tubo, pido a vuesa merced mande rrecibir y examinar secreta y apartadamente los testigos que para el efeto yo presentare, y lo que ansi jurados dixeren me lo manden dar signado en publica forma ynterponiendo a ello su avtoridad y decreto, par a lo qua! y en lo ne~esario el oficio de vuestra merced ynploro e pidolo por testimonio. Otrosi, por que Ia cavsa es grabe y ponderosa, por se tratar en ella de milagros y por el consiguiente se debe examinar con todo peso e cavtela, de manera que no quede escrupulo a los mas tardios en creer, y por que tanbien Ia dicha cavsa de suyo pare~e eclesiatica pido a vuesa merced se mande juntar, para hazer el dicho examen, con el sefior francisco de Vergan~o, ra~ionero en esta madre yglesia e vicario de su sefioria del obispo deste obispado, ante quienes, para m as conbencimiento, e ante vn escriuano seglar y otro notario eclesiastico se tome Ia dicha ynforma~ion comen~ando de Ia dicha mo~a sobre juramento que primero haga y exsibiendola personalmente a los testigos que dixeren, para que mas claro conste, ser ella Ia que estaba muda y aora habla y, para hazer Ia dicha ynforma~ion, pido los testigos que yo presentare sean examinados por las preguntas siguientes: Primeramente sean preguntados si cono~en a Ia dicha catalina de fon~ea, que pido se exsiba personalmente a cada vno de los testigos e si tienen noti~ia de Ia madre yglesia catedral desta ~ibdad de santo domingo de Ia cal~ada y de Ia capilla donde esta el cuerpo santo de sefior santo domingo que es en Ia dicha yglesia a Ia entrada de Ia puerta prin~ipal a Ia m a no derecha. Yten si sahen e porque Ia dicha catalina de fon~ea de ~inco afios a esta parte, poco mas o menos, que ha que los testigos Ia cono~en y an tratado con ella continua y enterpoladamente, ha estado muda y tenido perdido el sentido y horgano del hablar, de tal manera que en todo el dicho tiempo no ha hablado articuladamente cosa alguna quese entendiese salbo solamente de Ia manera y forma que suelen tartamudear los mudos y si otra cosa fuera los testigos lo supieran y no pudiera ser [unleserlich] por Ia dicha comunica~ion y contr ata~ion que con ella han tenido, digan lo que sahen y han visto. lten si sahen e por que en tanto grado Ia dicha catalina de fon~ea todo el dicho tiempo ha estado muda y no podia hablar aunque en este tiempo acaescio que en el lugar de Ia casa de Ia reyna, que es a dos leguas desta ~ibdad, Ia hirio acaso vn muchacho con vn cuchillo malamente en el muslo, ni con todo eso Ia dicha catalina de fon~ea pudo hablar, digan lo que sahen. lten si sahen e por que todo el dicho tiempo que estubo muda tubo Ia lengua del todo pegada a vna parte de Ia voca y que avnque cirujanos y otras personas se Ia vieron y <?page no="464"?> 454 Anhang procuraron de despegar o curar paw; : io ser ynposible por tenerla tan pegada y de Ia manera que Ia tenia, digan lo que saben. Iten si saben e por que Ia dicha catalina de fon~ea puede haberlos dichos cinco afios que perdio Ia habla estando en cierto rrastroxo segando y que otros que con ella segaban ansi mesmo fueron bexados e oprimidos de dibersas enfermedades, digan lo que saben. Iten si saben e porque puede haber quatro afios que Ia dicha catalina de fon~ea vino a bibir a esta tierra y los ha morado con amos a soldada en los Iugares de castanares y Ia casa de Ia Reyna, que son a dos leguas y a legua y media desta ~ibdad, y saben que bibiendo este presente afio de mill e quinientos e cinquenta e seis en el dicho lugar de Ia casa de Ia Reina con mari gomez, valen~iana, mesonera en el dicho lugar, el sabado proximo pasado deste mes de hebrero del dicho afio quese contaron quin~e, se vino y Ia traxeron a esta ~ibdad a Ia dicha yglesia donde estubo ese dia y el domingo siguiente fasta ellunes a ora de entre cinco y seis a Ia qua! hora, estando en Ia dicha capilla haziendo ora~ion, cobro su habla y habloyal presente habla clara y expeditamente, digan lo que saben. 7)Iten si sahen que quando vino a Ia dicha capilla del glorioso cuerpo santo de sefior santo domingo, Ia dicha catalina de fon~ea por seilas y endi~ios dio a entender que benia encomendada al glorioso sefior santo domingo, digan lo que saben. Iten si saben que lo susodicho es publico e notorio y publica voz y fama en Ia ~ibdad y en los Iugares donde ha vibido y entre las personas que dello tienen noti~ia. bernandino de sesma, racionero, ellicenciado onez . Anhang46 Nos, francisco De Vergan~o, rra~ionero en esta madre yglesia catedral de santo domingo de Ia cal~ada y vicario general en ella y en todo este obispado de calahorra y Ia cal~ada, por lo ynfraescripto, por el yllustre y rreverendisimo sefior don Juan Vernal de luco, obispo de didw obispado. Juntamente con el muy magnifico sefior don diego de ba~an, corregidor en esta ~ibdad de santo domingo de Ia cal~ada por su magestad. A todas y qua! es quier personas ansi eclesiasticas como seglares a quienes este mi mandamiento fuere leydo y notificado, salud en nuestro sefior ihesu christo, sabed que por parte de los sefiores alonso de cabredo, maestre escuela y canonigo de Ia dicha madre yglesia como hobrero de Ia fabrica y hobra de Ia dicha madre yglesia [y de bernardino de sesma, rra~ionero y prouisor del santo ospital de sefior santo domingo de Ia dicha madre yglesia], me fue pedido mi mandamiento paralas personas ynfraescriptas para que dentro de ~ierto termino pareciesen personalmente ante mi y ante dicho sefior licenciado diego de Va~an, corregidor, a decir y deponer sus dichos y deposi~iones y a rresponder a ~iertas preguntas por los suso dichos presentadas de y sobre rra~on de que Dios nuestro sefior fue seruido de rrestituyr a catalina de pedro de fon~ea, vezino dellugar de fon~ea, de Ia habla que tenia perdida por ~inco afios poco mas o menos y aberla rrecuperado estando en nobenas en Ia capilla del glorioso cuerpo sa nt o de sefior santo domingo de Ia cal~ada, a cuya ynter~esion pare~e hauerla oydo nuestro sefior, y por que tan santa obra quede por memoria le mandase dar el dicho mi mandamiento paralas personas ynfraescriptas que digan y depongan lo que sobre ello mediante su juramento supieren; por tanto, so pena de suspension, mando vos, las dichas personas eclesiaticas , yntimeis a lope de corral, y francisco de sala~ar, y vartolome, ydalgo, y diego de yreta, cura, y juanes de Castanares, clerigos veneficiados en Ia yglesia de castanares, vezinos de Ia dicha villa de castanares y a gon~alo de abalos, clerigo, Juan rruyz de e~erin y marigomez, va - <?page no="465"?> Anhang 455 lenc; : iana, y frncisco gomez, su hijo, vezinos de Ia casa de Ia reyna y auitantes en ella, y a Juan crespo, barbero, vezino de Ia villa de carraton de rrioja, y a maestre pedro de Llodio, cirujano, vezino de Ia villa de haro que dentro de cinco dias primeras siguientes despues que este dicho mandamiento ! es fuere yntimado y notificado y a sus notic; : ias y de cada vno deilos viniere, so pena de suspension a las personas eclesiasticas y de excominion a los legos, parezcan ante mi en esta c; : ibdad de santo domingo de Ia calc; : ada o en Ia dicha madrey glesia a dezir lo que supieres cerca del caso suso dicho y ! es fuere preguntado por los dichos articulos y preguntas, que, benidos, ! es sean rrec; : ibidos sus dichos y depusic; : iones y ! es sera pagado su trabaxo; lo contrario haziendo, por que ansi cumple al seruicio de nuestro seiior y honor a este glorioso santo, procedere contra ellos y cada vno de ellos. A declarac; : ion delas dichas censuras y otras mas agrauadas por todo rigor de derecho, y de como Ia cunplierdes y notificardes, hazednos dello c; : ierta y verdadera Relac; : ion sin llebar por ello ningunos derechos por ser cosa del seruicio de nuestro seiior; dada en santo domingo de Ia calc; : ada a veynte y quatro dias del mes de hebrero, aiio del nacimiento de nuestro seiior ihesuchristo de mill e quinientos e cinquenta y seis, ellicendiado don diego bac; : an, francisco de Verganc; : o, vicario, por mandado de los dichos seiiores jueces, vartolome de castro, notario, francisco del castillo. Anhang 47 La dicha catalina de fonc; : ea, muda que solia ser y al presente por la grac; : ia diuina mediante Ia ynterc; : esion y rruego del glorioso nuestro patron seiior santo domingo de Ia calc; : ada rrestituyda en Ia habla, hauiendo jurado segun de suso y siendo preguntada por los dichos seiiores juec; : es, vicario y corregidor suso dichos, diga y declare donde es natural, y como se llamaba su padre y madre, y si tienen algunos hermanos, y como y de que manera enmudec; : io, y lo demas que fue nec; : esario, dixo que es natural de un Iugar que se dize fonc; : ea, que es c; : inco leguas poco mas o menos de Ia c; : ibdad de Vurgos, y que su padre se llamaba pedro de fonc; : ea, y que su madre no sabe como se llamaba por que no Ia conoc; : io, y que en el dicho Iugar de fonc; : ea no hauia mas de dos vezinos, y era el vno su padre desta que declara, que se llamaba, como viene dicho, pedro de fonc; : ea, y el otro se llamaba pedro de contreras y su muger se llamaba maria, y que esta que declara se llama catalina de fonc; : ea y no tiene ningunos hermanos; y que, a su parec; : er, sera de hedad de veinte aiios, poco mas o menos, por que puede hauer c; : inco o seis aiios que oyo dec; : ir al dicho su padre que esta que declara seria de hedad de catorc; : e o quinc; : e aiios; y que tiene memoria y se acuerda muy bien que puede hauer c; : inco o seis aiios que por el tiempo de la siega del pan, estando esta que depone segando con vnos hobreros que el dicho su padre traya en vna heredad, acaesc; : io venir un ayre frio y a pedrio y hizo muy gran fortuna, por manera que esta que depone se tullesc; : io y quedo muda de Ia lengua de manera que no pudo hablar, y tres hobreros que andaban con ella segando en Ia dicha heredad se tullescieron de los brac; : os; por manera que esta declarante no pudo hablar por el ympedimiento de que se le tullo Ia lengua y los dichos obreros quedaron tullidos y encoxidos los brac; : os, y esto podia ser a hora de medio dia; y que esta que depone nunca ha hablado despues aca fasta agora, que a seido nuestro seiior seruido de Ia rrestituyr la habla; y ansi mesmo estubo del sentido del oyr y nunca a oydo hasta de vn aiio a esta parte, poco mas o menos, que enpec; : o a oyr; y que en el dicho tiempo de los dichos c; : inco o seis aiios ha estado partedeilosen Ia villa de castanares de rrioja y en Ia casa de la Reyna y en los Iugares de caiias y canillas y cirueiia y c; : irinuela; y que en parte deste tiempo su padre Ia traya a pedir por dios; y que en este tiempo le <?page no="466"?> 456 Anhang benian algunas ynspira~iones y proposito de venir a tener nobenas en esta madre yglesia de Ia cal~ada y a uisitar el glorioso cuerpo santo de seiior santo domingo, y ansi es que vn dia de sabado, que se contaron quince dias deste presente mes de febrero e aiio de mill e quinientos cinquenta y seis aiios, esta que declara vino a esta ~ibdad sin habla ninguna y entro en Ia yglesia catredal della con proposito de encomendarse a Nuestro seiior y al glorioso cuerpo santo de seiior santo domingo, y se puso de rrodillas delante de Ia capilla de Ia santisima trinidad, y de alli vino y se puso de rrodillas delante de Ia capilla del sepulcro de seiior santo domingo, y en supensamiento se ofre~io a nuestro seiior y a seiior santo domingo, y estubo en Ia dicha yglesia el dicho sabado desde las ~inco o seis de Ia maiiana fasta ellunes siguiente de Ia mesma hora por Ia maiiana, que no salio de Ia dicha yglesia, y por estar sola y con miedo dormia debaxo de vn banco de los asentamientos de Ia capilla de Ia trinidad y que lebantandose de alli el dicho lunes siguiente adelante, como dicho es, a Ia dicha ora de ~inco o seis de Ia maiiana se puso de Rodillas delante de Ia capilla de Ia santisima trinidad y estubo de rrodillas espa~io de vna ora poco mas o menos y andubo por Ia dicha yglesia visitando ~iertos altares y visitando los altares y capilla del glorioso cuerpo santo, sintio en si serle rrestituyda Ia habla e dixo: " iVala me dios del ~ielo! (Que a seido aora esto? "; y estas palabras las dixo quese pudieran oyr claramente si estubiera alguna persona alli junto con ella, donde verdaderemente cono~io esta que declara serle rrestituyda Ia habla; y queenlos dos dias y dosnoch es fasta el dicho lunes por Ia maiiana, (contando las oras, fue el ter~ero dia despues que hubo entrado en Ia dicha yglesia) en estos dichos tres dias no comio sino vn poquito de pan que ella se hauia traydo del de Ia casa de Ia rreyna, donde vibia; y que se acuerda y tiene memoria que antes que enmude~iese no ~a~eaba como agora ~a~ea; y que, despues que esta declarante se vido rrestituyda Ia habla y hablar experta y claramente, se volbio luego a Ia villa de castaiiares y fue a casa de lope saenz de corral, vezino de Ia dicha villa, y no Ies hablo ninguna cosa, y desde alli se partio luego a Ia casa de Ia rreyna y fue en casa del co~inero de Ia duquesa de frias, que se llamaba maestre francisco, y dixo a mari martin, su mu jer: "Seiiora mari martin, ( esta aqui mi seiiora ? ", prcguntando por mari gomez, valen~iana, su ama desta que declara; Ia qua! dicha mari martin, como Ia vio hablar y preguntar por su ama, santiguandose, dixo: "jlhesus! Catalina! ( Que es esto? (Como hablas ? "; y esta que declara le dixo como venia de santo domingo del glorioso cuerpo santo, y Ia dicha mari martin dixo a una mochacha suya que se llama mariquita: "Vete llamar a Ia seiiora mari gomez, valen~iana, que benga a ver como habla su criada catalina"; y Ia mochacha vino con Ia rrespuesta y dixo que no podia benir, y visto Ia dicha mari martin como Ia dicha mari gomez no venia, fue ella misma a llamarla e vino dende a vn poco a casa de vna vezina suya quese llamaba osana, donde esta que depone Je fue a hablar y Je dixo: "0, seiiora mari gomez, jque ya hablo! , jque bengo del glorioso cuerpo santo de seiior santo dommingo! "; y los susodichos y otros se maravillaron de lo suso dicho, y esto paso y otras cosas; y otro dia siguiente esta que depone se vino a esta ~ibdad de santo domingo de Ia cal~ada con Gon~alo davalos, clerigo rresidente en el dicho lugar, y benian hablando en el camino y preguntandole que como benia y otras cosas, y desde el dicho lunes en adelaute fasta agora ha hablado y habla e oye como antes que enmud~iese eceto que, como dicho tiene, entonces, no ~a~eaba y agora ~a~ea. jBendito el nombre de nuestro seiior! ; y dentro del tiempo que estubo muda y sorda y despues aca que oye e vino a esta tierra, continuamente ha tenido muy gran debo~ion con el glorioso cuerpo santo de seiior santo domingo y espe~ialmente de vn aiio a esta parte y por esto se mouio a Je venir a Je visitar y encomendarse a el para que, mediante su yntercesion, nuestro seiior fuese seruido de Je rrestituyr Ia habla; y ansi despues aca continuamente Je da muchas gra~ias por Ia mer~ed que nuestro <?page no="467"?> Anhang 457 seiior a su ynten; : esion fue seruido de le hazer y a hecho; y , estando muda, en su pensamiento prometio de seruir vn aiio en el santo ospital del glorioso cuerpo santo que esta en esta s; ibdad, y, despues de rrestituyda Ia habla, ha prometido de seruir otro aiio, que son dos aiios, y que como se vio rrestituyda Ia habla y oyr, esta que depone se confeso y comulgo esta que depone, en Ia dicha madre yglesia; y asi para que esto conste y sea notorio a todos los fieles cristianos este tan gran milagro y misericordia, que nuestro seiior a seido seruido de vsar mediantelos rruegos e ynters; esion del glorioso seiior santo domingo, nuestro patron, esto dize y declara de parte del juramento que hecho tiene , lo qua! se le leyo de berba ad berbum y en ello se afirmo, rrefirio y rratifico y dixo ser berdad todo lo de suso contenido, y no lo firmo por que dixo que no sauia, firmolo el dicho seiior vicario y corregidor y nos, los ynfraescriptos notarios. Anhang 48 Haec conclusio de extrema necessitate est ! arge intelligenda. Non est favendum divitibus et male tractare pauperibus. Non tanta licentia est danda divitibus, ut scilicet exspectat extremam necessitatem, quand o iam est extremus ahnelitus vitae [...]. Sufficit enim videre egenum lecto iacentem vulneribus sauciatum vel quando venit fames, quam diu tollerat taliter quod ad mortem properat, nisi ei subveniatur. Yengarnos al trabajo, que es el tercero don, si no obligara Dios a los hombres a trabajar y ganar de comer por su trabajo y sudor, quien se valiera con ellos, que no gastaran Ia vida en ordinarias contiendas, y vandos que se alcans; aran vnos a otros? Si es verdad, que Ia occiosidad es madre y fuente manantial de los vicios, que peccados, que malicias, que ardides, que celadas, que repuntas, que injurias, que engreymientos, que singularidades de estima pudiera el desordenado appetito inuentar, que los hombres ociosos no presumieran poner lasen obra? Y ya que los hombres no pueden estar ociosos sin que entiendan en algo, quanto mejor es emplearse los hombres en trabajos virtuosos, para mantenerse con ellos, que gastar Ia vida en vidas agenas . Los pobres legitimos son los hombres necessitados, que no tienen fuers; as naturales, por enfermedad o p or falta de miembros o seso para ganar de comer . Avnque en estos ay diferencia, porque no estaran siempre enfermos, ni ! es faltaran todos los miembros, ni estaran siempre locos. Mientras estuuieren sanos pueden ganar de comer, y si ! es falta vn miembro o dos, pueden vsar de los otros, si estan locos a lunas, pueden trabajar en los interualos, en que estan cuerdos. Entonces todos estos son obligados a hazer lo que es en si y no biuir en ociosidad. La quinta consideracion es que ay tambien muchos de buena sangre que estan en pobr eza o porque perdieron sus haziendas o por que son escuderos, los quales no aprendieron officio ni tienen arte de biuir, y estos no por esso son obligados ha abatirse a officios viles y trabajosos para mantenerse, sino que justamente pueden pedir limosna y se ! es deue hazer en mayor cantidad que a otros pobres de menor condicion. <?page no="468"?> 458 Anhang Anhang49 Los teologos, por miedo de no espantar a los ricos demasiadamente, juntan muchas causas antes que ! es obliguen ha hazer limosna, conuiene saber que aya grandes necessidades de pobres y que ! es sobre a los ricos, y estas sobras, ni los sabios las quieren explicar, ni los ricos entender. [...] Empero quando estoy atento a lo que desta razon leo en los sanctos, quedame gran sospecha que segun ellos nies menester tan grandes faltas en los pobres, ni tan grandes sobras en los ricos para que san so pena de peccado mortal obligados ha hazer limosna. [...] que ay muchos que pueden trabajarvn poco y no pueden trabajar mucho y quien puede trabajar vn dia y no otro, vna hora y no otra, segun su flaqueza. Y no deuen los hombres ser compelidos tan al rigor. Y seria cosa molestissima que cada vez que ! es faltassen las fuer'<as ouiessen de acudir a los diputados. De mas de esto aunque sea vn hombre sano y de fuer'<as por ventura no halla amo o no halla lauor o officio, y si en su tierra no lo halla tiene derecho de yrlo a buscar por todo el Reyno. Y por ende en qualquier ciudad son obligados a permitir los tales que pidan por Dios, en tanto que no ! es proueyeren de officio donde lo ganen . Los ricos que por manera de autoridad y honrra andan a pedir paralos pobres, como dexan en casa Ia comida segura, paresce ! es que hazen harto en demandar y no se matan mucho aunque no ! es den. Empero el miserable del pobre que le va Ia comida y Ia vida, no le basta pedir, sino importunar hasta ablandar el cora'<on de donde pueda esprimir vna blanca. Ni le basta andar vna hora ni vn barrio, sino todo el dia y por toda Ia ciudad. [Dios] despierta su espiritu donde le plaze, y haze que los que deuieran ser postreros sean primeros, y los primeros postreros. Y pues el feruor y diligencia que este negocio ha menester, no nace de los habitos ni de las ordenes ni corona, sino del espiritu de dios, el qua! solo discierne a los christianos de los no christianos [. .. ] Puede Dios (y ansi vemos que lo haze cada dia) que los publicanos y pecadores passen adelante en las cosas del Reyno de Dios a los que estan en estado de pefecion [sie] y de padres y maestros del pueblo. Y porque algunos escusan su pereza y floxedad con dezir que es cosa vergon'<osa que personas de su qualidad viuan trabajando con sus manos, aduiertan ! es que Ia verdadera verguen'<a que deuian temer era de andar lo a pedir y buscar afligiendo a sus deudos y amigos, y dando plazer a sus enemigos. Anhang 50 Mayormente que si bien lo miran los ricos, nunca ay industria ni granjeria que no sea suyo el principal prouecho, porque como esta en ellos el caudal, el mayor fructo del trabajo de los pobres es para ellos. Y cuando el cura viere que con todas estas diligencias aun estan en peligro de muerte algunos parrochianos, y que Ia yglesia tiene algunas pie'<as de plata que enpeiiadas podrian remediar Ia vida de los pobres o de algunos dellos, deue luego auisar al prelado o a su prouisor que le de authoridad para ello, y aun si viere que ay peligro en esperar Ia, haga lo y socorra a los pobres. <?page no="469"?> Anhang 459 Y quien dubda si no queenlas fiestas solemnes sefialadamente, en Ia semana sancta el aspecto y bozeria de los pobres ablanda los cora'<ones a sentir Ia passion de J esu Christo. Este afio passado oy ha muchos que no parescia Ia semana sancta sin pobres, si no fiesta sin musica. A Ia tercera pregunta dixo que lo que sabe desta pregunta es que, como dicho tiene, estando Ia dicha catalina muda, vn su hijo desta que depone quese llama francisco, que puede ser de hedad de ocho o nueve afios, Ia dicha catalina y el dicho francisco rrefiian y de enojo el dicho francisco [le dio] con [vn] cuchillo en el muslo, que lan'fO el dicho cuchillo de punta, que fue gran golpe de que Ia dicha catalina lloraba quexandose como muda sin hablar palabra ninguna. A Ia quinta pregunta dixo que bibiende Ia dicha catalina de fon'fea con esta testigo el tiempo que ha dicho le de'.<ia por sefias todo lo questionado en Ia pregunta, haziendo seilas como quien siega y de las otras personas que estaba con ella en el rrastroxo, como se ! es hauian tullido los bra'fOS, y todo lo que enton'feS de'.<ia por sefias al presente lo habla y dize [...]. Quanto a lo que, sefiores, escrivfs en lodelos incestos que convendrfa al servicio de Nuestro Seiior que se procediesse por esse Santo Officio, por Ia gran dissoluci6n que hay en esse districto, especialmente en las montafias, en grados muy propincos, y que tambien se obtengan breves para proceder contra el crimen nefando como se haze en Ia lnquisici6n del reyno de Arag6n, por otra se ha escrito deste Consejo que se platicara sobre ello y aquf se tendra cuydado de proveher en esto como mas convenga y sereys, sefiores, advertidos de lo que paresciere, que hasta estonces no se deve por vuestra parte hazer novedad. Anhang 51 A la quarta pregunta dixo que lo que sabe de Ia pregunta es que, biuiendo la dicha catalina de fon'fea, estando muda , como dicho tiene, con este testigo le bio que tenia Ia lengua pegada segun y como Ia pregunta dize, por que asi lo vio y por que este testigo, biuiendo Ia suso dicha con el, truxo vn '<irujano para si pudieran hazerle despegar Ia dicha lengua y ansi truxo a juan crespo [...]. y ansi truxo a juan crespo [...] el qualle miro Ia lengua a Ia dicha catalina de fon'<ea y el dicho 'firujano le queria cortar el frenillo debaxo Ia lengua y Ia dicha catalina no consintio en ello, seiialando que le harian mal por que tenia pegada y encoxida Ia lengua, por que este testigo y el dicho '.<irujano lo vieron rrealmente y con efeto, por haber estado como estubo presente en ello [...]. A la quarta pregunta dixo que este testigo vio a Ia dicha catalina de Ia manera que Ia pregunta dize por que este testigo como cirujano quiso saber si Ia le ngua tenia ynpedida Ia dicha catalina de fon'fea o por que dexaba de hablar, y le abrio Ia voca y Ia miro y vio que Ia tenia pegada al paladar baxero, doblada y muy gruesa, por manera que por ninguna via podia hablar, y asi hazia sefias como muda, y este testigo le dixo a Ia dicha catalina por sefias que, si queria, que le despegase la dicha lengua por baxo de como Ia tenia pegada, diziendole este testigo que creya que hablaria despegandosela, y Ia dicha catalina por sefias decia y daba a entender que no queria qu e Ia tocasen en ella y asi este testigo Ia dexo. <?page no="470"?> 460 Anhang A Ia quarta pregunta dixo que saue que todo el tiempo que esta testigo ha dicho que conoc; : e a Ia dicha catalina de fonc; : ea y estubo en su casa le hizo abrir muchas vec; : es Ia voca y le vio que tenia Ia lengua pegada hac; : ia el paladar yzquierdo y torc; : ida, y que esta que depone ynbio a llamar al cirujano suso dicho para que Ia mirase si le podrian sanar, y el dicho c; : irujano vino y le miro Ia voca a Ia dicha catalina, y le querian meter vn yerro en Ia voca paraver Ia dicha lengua y si se podria curar, y Ia dicha catalina no consintio que le metiesen el dicho yerro, hiziendo seilas que hauia temor que Ia maltratasen y que Ia matarian, haziendo seilas que saldria mucha sangre por Ia voca y Ia enterrarian y pisarian despues de muerta dando patadas en el suelo, y lo sabe por que se hallo presente a todo ello y lo vio y paso en casa desta testigo. Anhang 52 [...] y este testigo por seilas Ia hablaba y ella rrespondia por seilas, y que el doctor cartajena, medico de Ia dicha seilora duquesa, y este testigo, como c; : irujano, le querian cortar aquella carnosidad donde tenia pegada Ia lengua con el paladar vaxero, y que Ia dicha muda no consintio que le tocasen en ella [ .. .]. A Ia quarta pregunta dixo que, como dicho tiene, vio Ia lengua a Ia dicha catalina de fonc; : ea y vio como Ia tenia torc; : ida y pegada al paladar vaxero, como dicho tiene en Ia segunda pregunta, y proeuro y quiso curarsela, Ia qua! cura hera ynposible salbo abenturarse. [. .. ] lo qua! estaba todo paralitico y contrahecho y yncurable sin hauer ningun rremedio sino fuese milagrosamente hecho, como dios nuestro seilor ha seido seruido de hac; : erlo [... ]. PEDRO.-El mesmo del verdugo. MATA.-No soy yo c; : irujano desa manera. PEDRO.-Hanse el medico y el c; : irujano como el corregidor y el verdugo, quesentenc; : ia: a esteden c; : ient ac; : otes, a este traigan a Ia vergüenza, al otro corten las orejas; no lo quiere por sus manos el hazer, mandalo al verdugo, que lo exerc; : ita y lo harä mejor que el por nunca lohaber probado, pero ~claro no esta que el verdugo, pues no ha estudiado, no sabrä que sentenc; : ia se ha de dar a cada uno? MATA.-Como el christal. PEDRO.-Pues ansi el medico ha de guiar al c; : irujano: corta este brac; : o , saxa este otro, muda esta vizma, limpia esta llaga, sangradle porque no corra alli Ia materia, poned este ungüento, engrosa esta mecha, dalde de comer esto y esto, en lo que mucho consiste Ia cura. [...] que tenga por cierto el sieruo de dios: que quando dios no le da lo que pide en su oracion: que lo haze con piedad, y misericordia: porque vee que aquello no le conuiene ni le estaria bien alc anc; : arlo: ansi como el buen medico algunas vez es no quiere dar al dolente lo que le demanda: porque le haria mal. Y sabe mejor el medico lo que conuiene al enfermo que no el que lo demanda. Y ansi dios vee que no siempre es bueno para su seruicio lo que el pide en su oracion. Quiero dezir que no siempre conuiene al pobre alcanc; : ar riquezas: ni al enfermo sanar de su dolencia [...]. <?page no="471"?> Anhang 461 Anhang 53 Deue tambien considerar el sacerdote ( que aceptando officio de cura se obligo a ser medico de animas) como curara los enfermos sino sabe conoscer las causas de las enfermedades ni las sefiales dellas, ni como se an de curar, ni Ia virtud y propriedad de las medicinas, ni Ia complexion y costumbre de viuir de cada vno de los enfermos, segun Ia diuersidad de las quales, aun en yguales enfermedades a de ser muchas vezes differente Ia cura [...]. [...] por querer tentar a dios demandando milagro sin necessidad. Digo sin necessidad en las enfermedades que se pueden curar por curso natural de . las medicinas: y este dexados los remedios naturales quiere que dios haga milagro con el. Ay otra razon contra el: que avnque dize y pienssa que procura su sanidad por mano de dios: mas no es ansi Ia verdad: porque dios no haze sus milagros ansi cadaldia y hora [...). Despues del examen de Ia justicia seglar los auian de mandar prender los vicarios, y examinallos que tantas quaresmas ha que no se confiessan. De creer es que de que bien los ayan examinado, hallaran que los mas destos pobres caseros que andan de casa en casa. Primeramente ellos no conoscen su cura ni a su perlado. Lo segundo no tienen cuenta con obedescer a su pappa, mande lo que mandare. Lo tercero es lo peor, que no conoscen a dios. Ellos ni oyen missa ni Ia dexan oyr alos otros, que alli ! es estan planteando con su boz desquiciada de su natural habla, estoruando ! es que no oygan, que no ha de ser el hombre osado a rascarse, que pensando que saca Ia blanca no esten sobre el sospirando y ressollande tan de en frente, que demas que le hazen perder el hilo delo que oye, y le tron'<an Ia deuocion con que oye, le enrristran el ressuello por Ia boca y le hazen reboluer el estomago. [...] este testigo vino a esta '<ibdad desde a dos o tres dias y vio Ia dicha catalina en el ospital desta '<ibdad y Ia llamo por su nombre: "catalina"; y le respondio : "sefior"; y este testigo se marauillo como Ia vio hablar [...). A Ia setima pregunta dixo que por sefias Ia dicha catalina daba a entender a esta testigo, antes que biniese a Ia dicha madre yglesia de Ia calcada, como queria benir a velar al glorioso cuerpo santo de sefior santo domingo haziendo sefias con los dedos que hauia de velar nueve dias con sus noches, haziendo sefia de nueve con los dedos y pu s iendo Ia mano teridida en Ia oreja, pusiendo Ia cave'<a sobre Ia mano a manera de velar y dormir, y todo por sefias, como dicho tiene y no por que supiese hablar ni hablase, y esto rresponde a esta pregunta. (...) y era Ia cavsa por quatro musculus nas'<ientes de vn hueso pequefio, el qua! hueso esta situado en Ia garganta, muy cercano a Ia nuez, que bulgarmente se dize, y este hue se'<i to se llama yoydes, hay otro musculo que na'<e debaxo de Ia mesma lengua, en ellugar donde esta el frenillo, otros dos na'<en que estan a los lados de Ia campanilla qu e nosotros llamamos ybulla y estos dos musculus se dizen alas de mur'<ielago por Ia semejan'<a que tienen con ellas, otros dos na'<en de los lados de Ia quijada baxera que nosotros llamamos mandibulla, de manera que son los nuebe musculus los quales componen Ia lengua; ansi mesmo tienen debaxo della dos benas que se llaman llonicas, las quales na'<en de las venas yugulares exteriores por las qua! es seria peligro de muerte haziendo Ia tal yn'<ision y esto por Ia morsegie de Ia sangre, Ia qua! con ynpetu saldria, y ansi mesmo por los musculus dichos componientes Ia lengua pro'<ederia spasmo juntamente con los nerbios que alli vienen del ter'<er (unlesbar] <?page no="472"?> 462 Anhang para de los nerbios que nascen del celebro seria causa del spasmo, y a dicho asi mesmo, Ia lengua esta cubierta con dos tunicas, Ia vna es propia y Ia otra es ynpropia; dizese Ia ynpropia por cavsa que cubre toda Ia voca y Ia lengua, dizese Ia propia por que no cubre mas de sola Ia lengua, el frenillo es penicular y nerbioso y nace de Ia tunica que cubre toda Ia lengua y voca en el qua! estaba Ia enfermedad juntamente con los ~inco musculus y parte de los nerbios que dicho tiene arriba, lo qua! estaba todo paralitico y contrahecho y yncurable[...]. Anhang 54 La dicha catalina Muger de pedro Garcia del oyo, vecina de Ia villa de granon, que dixo ser de hedad de treynta y cinco afios, poco mas o menos, rrecibido su dicho para ynforma~ion de Ia enfermedad que tubo el sabado de la~aro proximo pasado, que fue a veinte y dos dias del mes de mar~o deste presente afio de mill e quinientos e cinquenta y seis afios, dixo que en diez y seis dias del dicho mes de mar~o, proximo pasado del dicho afio a esta que depone fue dios nuestro sefior seruido de darle vna enfermedad de vn gran dolor de cave~a e vna gran calentura, y estando ansi enferma Ia curaba de Ia dicha enfermedad el doctor santo domingo, medico vezino de Ia ~ibdad de santo domingo, e Ia hizo purgar y sangrar y, estando ansi enferma, al setimo dia de su enfermedad y estando muy al cavo de su vida sin esperan~a de vida ansi ella como el dicho su marido y de martyn del oyo, clerigo, y estando platicando entre ellos de como esta que depone estaba muy al cavo sin ningun Remedio de su vida, y en este punto esta que depone ynbio a llamar al dicho pedro gar~ia del oyo, su marido, y ansi fue y le dixo que mandaba, y esta que depone le dixo que le fauoresciese alli y el dicho su marido le rrespondio que dios Ia favoreciese y que viese lo que le mandaba y que ello haria, y esta que depone torno a de~ir que le fauores~iese alli que estaba muy buena y el dicho su marido le dixo: "< como buena ? "; y ella le dixo: "si, que estoy muy buena y el glorioso cuerpo santo de sefior santo Domingo me ha quitado todo el mal"; por que estando ansi y biendose tan al vltimo, se acordo del milagro que nuestro sefior hauia hecho mediante el glorioso sefior santo domingo en una mo~a muda, que pocos dias hauia que hauia pasado, y asi se encomendo y ofre~io a sefior santo domingo, encomendandose con mucha mucha voluntad e ofreciendo e rrogandole que asi como hauia dado Ia habla aquella mo~a muda que ansi le suplicava le quitase y librase de aquella enfermedad que tenia, y en este ynstante y punto se le aclaro Ia lengua, y antes tenia turbada, y se le aclaro la garganta que antes tenia muy ~errada y que se le hauia quitado el dolor del cora~on que tenia y que le hauia pares~ido quese le hauian alargado los pies y manos en gran cantidad y se hauia hallado muy libre de Ia enfermedad y de alli adelante, encomendandose a dios nuestro sefior y al glorioso santo sefior santo domingo, comen~o a tener salud en su persona c a conbalcs~cr y desde alli se ofre~ieron esta que depone y su marido a tener nobenas y han tenido en la yglesia de Ia cal~ada donde esta sepultado el glorioso cuerpo de sefior santo domingo, donde al presente se va sana y con salud, dando gra~ias a dios y a sefior santo domingo por ello, y esto es Ia verdad, y que para la confirmacion de lo suso dicho ynbiaron a llamar a martin del oyo, clerigo, hermano de su marido desta que depone, el qual despues de lo hauer dicho el caso como hauia pasado e acontescido, dixo que vna cosa semejante no hera rra~on quedase sin memoria e hazer algunas ofertas al glorioso santo seiior santo domingo e que ansi el dicho martin del oyo, visto Ia mexoria que tenia, se partio luego a ~ercar de ~era al glorioso curepo santo y lo ~erco e mando de~ir ciertas misas, mediantelas quales vuenas obrase debo~ion que tubo, le vino Ia salud en su persona, <?page no="473"?> Anhang 463 y esto dize y es verdad y no lo firmo por que dixo que no sabia. Ellicenciado don diego de va<; : an, francisco de vergan<; : o, vicario, vartolome de castro, notario. dicho de Pero garcia del oyo EI dicho pero gar<; : ia del oyo, vezino de Ia dicha villa de granon, marido de Ia dicha catalina, que dixo ser de hedad de quarenta y vno o quarenta y dos aiios, poco mas o menos, Rezibido su dicho para ynformacion de Ia enfermedad que tubo catalina, muger deste que depone, dixo que el domingo de semana antes del domingo de la<; : aro de Ia quaresma proxima pasada, que fue a diez y seis dias del mes de mar<; : o deste presente ano de myll e quinientos e cinquenta y seis aiios, Ia dicha catalina, muger deste que depone, cayo muy enferma de dolor de cave<; : a y calentura y llego muy al cavo, y el sabado de la<; : aro por Ia mafiana que conto a veynte y dos dias del dicho mes de mar<; : o edel dicho aiio, estubo Ia dicha catalina muy al cavo de su vida, e que este que depone e los que veyan a Ia dicha catalina [trataban] y ablaban della dandola por muerta, y este que depone, tubiendo ya por muerta y sin rremedio de vida, quese acortaba Ia habla, se salio de donde estaba Ia dicha catalina su muger muy congojado dello y fue a hablar a martyn del oyo, clerigo, hermano de este que depone y le dixo con mucho dolor: "Mi muger se va con dios"; y el dicho martyn del oyo le dixo quese esfor<; : ase y diese gra<; : ias a dios por ello y ansi, juzgandola muerta a Ia dicha catalina, trataban este que depone y el dicho martyn del oyo Ia manera que hauian de tener de su vida porque se vibian juntos y estando hablando en esto entro vna muger que estaba con Ia dicha catalina a donde estaban este que depone y martyn del hoyo, su hermano, y le dixo a este que depone que entrase alla, que lo llamaba su muger, y asi este que depone entro a donde estaba Ia dicha catalina su muger muy enferma y al cavo, y este que depone fue y le dixo que que mandaba y Ia dicha catalina le rrespondio que le fabores<; : iese alli y este que depone le dixo que dios nuestro sefior Ia faboresciese e que viese lo que manda, que lo haria, y Ia dicha catalina le torno a de<; : ir: "Que me faborezes aqui, que estoy muy buena, porque el glorioso cuerpo santo de seiior santo domingo me ha fabores<; : ido y quitado todo el mal que tengo"; y este que depone se maravillo y le dixo que que hera aquello que de<; : ia y Ia dicha catalina le dixo que, estando muy al cavo y enferma de sus dias, se acordo entre si del mylagro que hauia fecho dios nuestro sefior por ynter<; : esion del glorioso cuerpo santo de sefior santo domingo a vna mo<; : a muda, y ansi, estando pensando en ello, se acordo del glorioso santo y le suplico que ansi como hauia dado habla aquella mo<; : a muda que ansi le quitase aquel mal y enfermedad que ella tenia, y ansi encomendada, luego, yncontinente hauia sentido mucha mejoria en su persona y se le hauia quitado todo el mal que tenia, ansi dela lengua como de Ia garganta porque no podia hablar claro ni tragar cosa ni lo podia pasar sino con mucha pena, y quese hauia quitado el dolor del cora<; : on que tenia y que le hauia pares<; : ido quese le hauia rrebentado vna poquita de agua de en par del caora<; : on, y que se le hauian estendisecido las piernas e bra<; : os mucha cantidad y ansi se sintio luego muy buena e ansi este que depone e Ia dicha catalina su muger prometieron de benir a tener nobenas en el glorioso cuerpo santo, donde han estado nueve dias en nobenas quese acavan oy lunes a diez y ocho de mayo de myll e quinientos y <; : inquenta y seis aiios, de donde va buena y con salud Ia dicha catalina, y esto es Ia verdad y firmolo de su nonbre. don diego de va<; : an, francisco de vergan<; : o, vicario, pedro del Oyo, vartolome de castro, notario, pedro de gayangos dicho de Martin del oyo <?page no="474"?> 464 Anhang EI dicho martin del oyo, clerigo, veneficiado en Ia yglesia de sefior san J uan de Ia villa de grafion, que dixo ser de hedad de treynta y ocho afios, poco mas o menos, rre~ibido para ynformacion de Ia enfermedad de catalina, muger de pedro garcia del oyo, vezina de Ia dicha villa, dixo que sabe que el sabado vispera de domingo de la~aro de Ia quaresma deste presente afio de myll e quinientos e ~inquenta y seis aös que fue a veynte y dos dias del mes de mar~o del dicho afio, Ia dicha catalina, muger del dicho pero garcia del oyo, cunada deste que depone, habia estado enferma ocho dias habia de dolor de cabe~a y gran calentura, y, habiendo consultado Ia dicha enfermedad con medicos, le daban poca esperan~a de vida a Ia dicha catalina, espe~ialmente, el doctor santo domingo, medico y que, el dicho sabado de la~aro este que depone Ia vio muy al cavo y casi no podia formar palabra, diciendo Ia dicha catalina que no le pasaba cosa alguna de Ia que comia ni vebia de Ia garganta avaxo y que no pensaba llegar a Ia noche, encomendando su anima y sus hijos a este que depone como su cunado, y este que depone tenia por ~ierto que hauia de ser ansi segun las aparen~ias que tenia Ia dicha catalina que estaba mas pronta y aparejada a Ia muerte que no para vibir y, estando fuera de Ia casa donde estaba Ia dicha catalina, este que depone y pedro gar~ia del oyo, marido de Ia dicha catalina, Ia juzgaban por muerta, de tal manera que estaban dando horden en como cumplirian su anima honrradamente y, estando hablande, ene sto vino vna muger que estaba con Ia dicha catalina a llamar a su marido y fue este que depone y el dicho pedro gar~ia del oyo a Ia cama donde estaba Ia dicha catalina, su muger, y entrados a donde estaba, ! es conto e dixo Ia dicha catalina a este que depone e al dicho su marido, como estando muy fatigada con dolores de muerte se hauia acordado como el gloriose cuerpo santo de sefior santo domingo hauia rrestituydo Ia habla a vna mo~a muda e que ansi ella, acordadose de aquel milagro, hauia rrogado con mucha debo~ion al dicho glorioso cerpo santo que, como le hauia rrestituydo aquella mo~a muda Ia habla, Ia librase a ella y Ia sanase de aquella enfermedad nuestro seiior dios mediante el glorioso cuerpo santo de seiior santo domingo e que luego en aquel punto hauia conocido en su persona notable mejoria, espe~ialmente que teniendo Ia lengua y Ia garganta muy ocupada hablo muy mejor e le parescio que los pies e manos se hauian estendido en gran cantidad y luego este que depone dixo que vna cosa semejante no hera rra~on quedase sin hazer men~ion e memoria dello, y este que depone Ia hauia probocado y endu~ido a que a mayor debo~ion viniesen a tener nobenas en el glorioso santo de seiior santo domingo e ansi lo prometio Ia dicha catalina de lo hazer, e ansi ha tenido novenas en el cuerpo santo nueve dias, quese cumplen oy dicho dia, dondeIaha visto que ba buena y con salud e que quando le dixo Ia dicha catalina a este que depone lo que le hauia acaes~ido, este que depone se partio de Ia villa de graiion para el cuerpo santo de seiior santo domingo y lo ~erco de ~era y hizo de~ir ~iertas misas por Ia dicha catalina, e ansi como dicho tiene, esta buena y sana, Ia dicha catalina, y firmolo de su nombre. el licenciado don diego de va~an, francisco de vergan~o, vicario, martin del oyo, vartolome de castro, notario, pedro de gayangos. Aconseje le que, si como buen christiano lo cree, que lo muestre con las ob ras, y no se descuyde con que Ia enfermedad le dara espacio, pues aura visto muchas vezes como se an burlado otros con aquella mesma confian~a, y que no deue poner en auentura vn negocio de tanta importancia, pues en las cosas de su casa y hazienda no suele viuir tan descuydado. Diga le que no se aguarde a confessar y doler se de sus peccados quando ya mas paresce confession hecha por fuer~a que por voluntad. Pero si viere al enfermo que tiene enfermedad peligrosa oluidado de dios, solo congoxado por que pierde Ia salud corporal con que gozaua de Ia vida, y allegaua ha- <?page no="475"?> Anhang 465 zienda sin pensamiento de que puede morir della e yr a dar cuenta a dios de su vida, sin examinar su consciencia y sin sobresalto de que por ventura al septeno o catorzeno dia estara ya aposentado en el infierno para siempre, tenga de esto gran lastima [...]. Y diga le, con libertad christiana y con el mejor espiritu que pudiere, el peligro en que esta, y como de aquellos mesmos principios de enfermedad que el tiene an venido muchos a morir como el aura visto entre sus amigos y vezinos [...]. Y porque en las personas que tienen semejante lugar, no solo se requiere bondad de su persona y honestidad y poca sospecha en su compaiiia (como dicho es) pero aun es menester que todos los de su casa tengan tanto recogimiento y honestidad que su buena vida y exemplo acresciente Ia authoridad de aquellos en cuya compaiiia y seruicio viuen. Por esto conuiene mucho que los curas tengan special cuydado que todos los de su casa viuan bien y honestamente sin que en Ia parrochia o Iu gar donde residen aya deilos querella ni escandalo ni mal exemplo. Anhang 55 A Ia terzera pregunta dixo este testigo que es cosa muy publica y notoria que nuestro seiior por ynter~esion del glorioso santo domingo de Ia cal~ada hi~o en tiempos pasados muchos milagros, como el traer cautivos de tierra de moros, y este testigo vio muchas cadenas e prisiones donde los tenian cerrojados puestas e colgadas alderredor del sepulcro del dicho santo y las vio despues deshechas para hazer Ia reja de yerro quese le hizo muy fautuoso, como oy esta echa en el sepulcro del dicho santo; y es notorio el milagro del gallo y de Ia gallina que estan puestos en vna rreja, tres estados de a! ta, en frente del mismo cuerpo santo, y son publicos e notarios otros muchos milagros de algunos que vieron endemoniados que fueron libres, enfermos que sanaron y gentes puestas en grandes peligros que fueron librados, lo qua! este testigo a leido re~ando del dicho santo e mas copiosamente leyendo su byda e milagros en las le~iones antiguas que lo ponen mas estensamente. y demas de aquello oyo dezir este testigo al dicho su tio, canonigo que fue de Ia dicha yglesia, e a su padre deste testigo e a otros viejos e an~ianos que en sus tiempos avian visto muchos milagros que nuestro seiior avia hecho a ruego del dicho glorioso santo. todo lo qua! sabe este testigo por lo que ansy bibio, por bista de ojos e aver visto a los dichos enfermos despues sanos [ ... ] e a visto otros milagros en su tiempo de los quales al presente no se acuerda ni tiene memoria para los declarar. Anhang 56 que traxeron y estuvo en Ia dicha yglesia vna mo~a muda de Ia casa de Ia reina que de~ian que, andando en vn rrastroxo, quedo muda y muy enferma y estuvo ansy tres o quatro aiios y se le hi~ieron por medicos y ~irujanos muchos benefi~ios y se quedo muda y muy mala y, encomendadose ella a seiior santo domingo, a lo que despues de~ia, e abiendo entrado a bisytar e a tener novena ante el sepulcro del dicho gloriose santo, dentro de Ia dicha novena, sano de Ia dicha enfermedad y hablo como de antes, y en agrade~imiento de Ia mer~ed sirvio ~ierto tiempo en el dicho ospital de santo do mingo. <?page no="476"?> 466 Anhang ansy mesmo vio este testigo vna moc; ; a de Ia villa de briones que bino a bisytar este glorioso santo tollida del todo y se dec; ; ia que estaba ansy tres o quatro aiios avia y estado en Ia cama, teniendo novenas delante del glorioso seiior al seteno dia se allo sana e libre. otra muger de briones estuvo tullida mucho tiempo en Ia cama con grandes trabajos y dolores, Ia qua! , segun despues dec; ; ia y publicaba, y este testigo se lo oyo, se encomendaba muchas bezes al glorioso santo domingo de Ia calc; ; ada suplicandole Ia faboresciese acerca de nuestro seiior, e dec; ; ia que, estando ansy con grandes dolores, avia visto vn honbre con vn avito de buriel e vn rosario en Ia mano, el qua! Ia abia consolado y le avia dicho que biniese a bisitar su casa, que dios Ia sanaria luego; e ansy Ia traxeron delante su santo sepulcro en vna bestia entre dos costales de paja y dentro de Ia novena que tuvo en Ia dicha yglesia sano y se bolbio libre e sana. este testigo a visto que vna niiia de asta diez u onze aiios, estando en Ia calle, Ia tomo debaxo vna carreta del ospital de seiior santo domingo que benia cargada con ocho conportas de vba y paso por encima del pecho d e Ia dicha niiia Ia vna rueda de Ia dicha carreta, e Ia dicha niiia quedo libre y sana s yn detrimento ninguno, creyendo Ia gente que Ia avia partido por medio por Ia gran carga que tra y a y Ia llaneza de Ia dicha calle. y en este berano pasado del presente aiio bino vna muger de herramelluri tollida de todo a bysitar y estar en novena antel sepulcro del dicho glorioso santo y, dentro de Ia novena, sano y quedo libre, y en este presente mes de setiembre bino a bisitar e a tener novenas vn honbre de villoria tollido, que para se tener o mober se substentaba con dos muletas, a bisytar e tener novena antel sepulcro del glorioso santo domingo, y dentro de Ia no vena sano y quedo libre. Anhang 57 A Ia quarta pregunta dixo este testigo que save que Ia dicha yglesia catedral de santo domingo soliallebar y llebaba Ia quartadelas bulas e yndulgenc; ; ias que se predicaban en este obispado de calahorra y Ia calc; ; ada, e primero se concertaban con el canonigo obrero della que no se predicasen; e ansy mesmo, solia llebar y llebaba las quintas e demandas qu e se pedian e demandaban en es te dicho obispado p a ra nu e str a seiiora de guadalupe o monserrate o san agustin de burgos, y para otras qualesquier partes y Iugares [...] e lo mismo oyo dec; ; ir a sus mayores quese hacia en sus tiempos asta que de algunos aiios a esta parte no se le da Ia quartadelas dichas bulas porque a oydo dec; ; ir que su santidad Ia conc; ; edio ansi por Ia cruzada al enperador nuestro seiio r, que sea en gloria, que no se pidiese quarta ni derechos algunos de las dichas bulas, dic; ; iendo que por ser para gastos contra ynfieles y turcos, como constaria por Ia ord en rreal so bre ello dada que este testigo vio e oyo cerca qu e se refiere, e qu e ansy mesmo save que por probisyon de su magestad e por m andamiento del seiior obispo de cuenca, comisario de Ia santa cruzada [unleserlich] estan bedadas las dichas questas y demandas, y no se pueden declarar grac; ; ias ni perdones, e ansi no andan a pedirse y demandarse y cesanlas dichas quartas y demandas, esta claro que no llebaron quinta dellas; e que esto responde e save de lo contenido en esta pregunta. <?page no="477"?> Anhang 467 Anhang 58 A Ia quinta pregunta dixo este testigo que tiene por ~ierto que Ia dicha yglesia catedral de Ia cal~ada no tiene renta de fabrica quitandose y no le dando Ia dicha quarta porque lo a visto ansy de~ir e tratar entre los seiiores Ia dicha yglesia, e los seiiores canonigos y obrero della se quexan que no tienen con que Ia poder remediar ni aun retejar e sy alguna renta tubiera, este testigo cre que lo supiera como capellan della, mas de que saue que dicha quinta de las dichas bulas e yndulgen~ias no se le dan como solian e que las dichas questas y demandas an ~esado, como lo tiene dicho en Ia qu a rt a pregunta antes desta, e que save que, a cavsa de su pobre~a, no se hazen hornamentos de nuevo, antes se ban gastando y acabando los que ya viejos e malparados los que ay, como se ve por vista de ojos e ansy estan defetuosos para el servicio de culto dibino, e como se requiere en vna yglesia catedral, e ay otras faltas de otras muchas cosas, e quando mas vaya, se vera mas claro; no se proveyendo e remediando como se remediaba e probeya quando llebaba las rentas de Ia dicha quarta. Anhang 59 A Ia novena pregunta dixo este testigo que el dicho ospital en tiempos pasados asta de algunos aiios a esta parte a tenido buena comodidad e apararejo para los dichos gastos y limosna porque andaba su demanda y questionario por muchas partes destos reinos y se podian publicar y publicaban los gastos que en el se ha~ian e los milagros que seiior santo domingo de Ia cal~ada avia hecho e ha~ia a todos los que a el se encomendaban e los que ayudaban con sus limosnas, lo s perdones que ganaban; e ansy allegaba alguna carydad e limosna, con lo qua! se probeyan e remediabau las limosnas e gastos del dicho ospital; e como las dichas questas y demandas an ~esado y no se pueden dibulgar los milagros y perdones, ni pedir Ia dicha limosna, el dicho ospital no tiene con que poder hazer Ia dicha ospitalidad como asta aqui, porque no a tenido ni tiene otra renta sino Ia dicha limosna quese solia pedir y algunas heredades de pan llebar, parte de las quales syembran los criados del dicho ospital con los bueyes que traen leiia de los montes para los pobres y parte de las dichas tierras se dan a renta por tre~ientas hanegas de pan, poco mas o menos; e lo save este testigo como capellan de Ia dicha yg lesia, que todo es miseria si las buenas gentes no socorren con sus limosnas e sy dios misericordiosamente no lo probe a ynte r~esion del glorioso santo domingo, fundador del dicho ospital, como asta aqui este testigo cre lo a echo, es ~ierto que el dicho ospital no podra cumplir los dichos gastose limosnas faltando las limosnas e fabor de las buenas gentes, por las ra~ones que dicho tiene. Anhang 60 A Ia sesta pregunta dixo este testigo que, como dicho tiene, tiene noti~ia del ospital de seiior santo domingo desde que tiene vso de razon a esta parte porque nas~io y se crio en esta ~iudad e a estado residiendo en ella, como dicho tiene; e como clerigo e capellan de Ia dicha yglesia a tratado mucho en el dicho ospital, el qua! save este testigo que es suntuoso de hedefi~io a Ia antigualla; y se dize y se tiene por publico y notorio de oydas de los antiguos vnos tras otros qu e lo fundo y hedefico el glorioso santo domingo y dello a seydo y es Ia tal publica boz y fama en esta ~iudad y su tierra e comarca y en todo este reyno entre las p ersonas que dello an t enido o tienen noti~ia como este testigo; y este testigo por tallo ha tenido e tiene desde sesenta aiios <?page no="478"?> 468 Anhang a esta parte de su tardan(\: a y mas tiempo, e lo mismo oyo de(\: ir a su padre e al dicho canonigo su tio e a otros muchos e an(\: ianos que ellos en sus tiempos ansy lo abian tenido por cosa averiguada y noti(\: ia e lo abian oydo de(\: ir a sus mayores e mas an(\: ianos, e avn se a tenido por verdad averiguada que el mesmo santo domingo con vna oz como de segar y de su tamaiio, que oy dia esta en gran venera(\: ion delante de su sepulcro colgada en vna cadena de yerro, corto los arboles gruesos para el dicho hedefi(\: io antiguo del dicho ospital; e avn este testigo se acuerda aver visto en el dicho ospital vna madera tan gruesa como vn honbre, avnque le faltaha mucho mas de su gorder por llebar los peregrinos y romeros rajas della y otras personas, por devocion; e tanto an llebado e rajado della que la an acabado, la qual dicha madera de(\: ian se vna de las que corto el dicho seiior santo domingo con la dicha oz; y esta dicha fama de(\: ian sus mayores e mas an(\: ianos, que abia benido de vnos en otros, como este testigo tiene dicho, asta los tiempos deste testigo. y save que estan aderezadas con su ropa en el dicho ospital veynte e seis camas para el recogimiento de los dichos pobres, las doze ~erca del altar de seiiora santa ana, donde se les dize misa a los enfermos e sanos que Ia quieren oyr, y otras catorze camas estan en los entresuelos del dicho ospital; e quando concurren muchos pobres, adre(\: an mas camas conforme a Ia ne(\: esydad. e save este testigo que tanbien se an curado y curan en el dicho ospital otros pobres enfermos que a el bienen donde quier que sean; e a visto casar algunas donzellas pobres e fabores(\: er a otras e hazer limosnas y obras pias, como Ia pregunta lo dize, porque ansi lo a visto este testigo hazerse y pasar desde los dichos sesenta aiios y mas tiempo a esta parte e lo oyo de(\: ir a sus mas viejos e an(\: ianos. y este testigo se a maravillado muchas y diversas vezes e lo a platicado e visto platicar a otros como hera po sible conplir tantos gastos no teniendo el dicho ospital renta, sino vna poca de labran(\: a, y esto responde a esta pregunta. e1 qual dicho ospital, save este testigo, que esta junto a Ia dicha yglesia catedral, vna calle en medio de asta seis posadas, como paresze por vista de ojos, en el qua! dicho ospital este testigo a visto desde los dichos sesenta aiios e mas tiempo a esta parte syenpre e continuamente que an dado y dan de comer a todos los pelegrinos y romeros que bienen a bysitar el sepulcro del gloriose santo domingo de Ia cal(\: ada y su ospital e que pasan por esta (\: iudad a santiago de gali(\: ia e a otras partes y Iugares de devo(\: ion, o que buelben o bienen de alla para sus tierras, y ! es an dado y dan sus camas en que dormir e an curado y curan a los que enferman dandoles todas las medi(\: inas e cosas nes(\: esarias a consejo de los medicos e (\: irujanos que para ello tiene salariados, teniendo quenta dello y de los hazer confesar y res(\: ibir los santisymos sacramentos, y del dicho ospital e cosas del probisor del dicho ospital, que siempre a seydo y es vn prebendado de Ia dicha yglesia catedral y su cabildo; e a visto este testigo allegarse e recogerse en el dicho ospital vnas bezes veinte o treynta pelegrinos y otras (\: inquenta e sesenta y otras ochenta e (\: iento, por lo qua! save este testigo porque como capellan de Ia dicha yglesia se a hallado presente muchas e diversas vezes a hazer y entender en lo susodicho. Anhang 61 A Ia setima pregunta del dicho ynterrogatorio dixo este t estigo que, como dicho tiene, a visto en el dicho ospital continuamente desde dicho tiempo a esta parte gran <?page no="479"?> Anhang 469 concurso de pelegrinos y romeros de diversas na'<iones, como lo tiene dicho en la sesta pregunta antes desta; vnos dizen que son de fran'<ia, otros que de ytalia, otros alemanes, otros armenios y de otras diversas partes, reinos e provin'<ias e, como este testigo no save sus lenguas no les hablaba por no los entender, mas de verlos, como dicho tiene, y que vienen y pasan tantos de tantas partes que es maravilla, e que qualquier parte que sean los acogen y les dan de comer y beb er e camas, e sy enferman, los curan como tiene dicho; y cree este testigo que concurren tantos por la gran devo'<ion que se a tenido e tiene al glorioso santo domingo de la cal'<ada por los muchos milagros que nuestro sefior por su ynter'<esion a echoe haze continuamente a los que a el se encomiendan, tanto que los de girona y su tierrase encomendaron a el en '<ierta nes'<esydad tomandolo por ynter'<esor e nuestro sefior les con'<edio su peti'<ion y en agrade'<imiento dello ynbian a este glorioso santo '<ierta limosna y ofrenda de tantos en tantos afios; y tanbien concurren tantos pelegrinos por ser camino franzes e camino derecho para santiago e para otras partes e hazerseles la dicha ospitalidad, lo qual es muy publico e notorio en toda la cristiandad, y este testigo ansy lo a visto ser y pasar por vista de ojos, como lo tiene dicho en las preguntas antes desta. A la otaba pregunta dixo este testigo que es verdad que esta dicha '< iudad y ospital de santo domingo de la cal'<ada estan asentados entre tierras e sierras fraguosas y de gran pobre'<a, por la qual concurren al dicho ospital muchos pobres y personas nes'<esytadas de las tierras que la pregunta dize y otras partes, a los quales se les a echo e haze la ospitalidad e recogimiento que dize la pregunta, la qual es cosa muy publica y notoria y este testigo ansy lo a visto ser y pasar. Anhang 62 A la de'<ima pregunta dixo este testigo que es publico e notorio y verdad que desde '<arago'<a de aragon a esta '<iudad de santo domingo de la cal'<ada ay quarenta leguas e avn quarenta y vna, e que desde panplona de nabarra a esta dicha '<iudad de santo domingo ay veinte y tres leguas, todo ello camino derecho y fran'<es a esta dicha '<iudad, y no ay otro, y desde aqui camino derecho fran'<es a burgos e santiago de conpostela, y es publico e notorio los que saven e an andado el dicho camino que entre las dos '<iudades de '<arago'<a e panplona y esta '<iudad de santo domingo no ay ospital adonde los per egrinos y rromeros sean acogidos y se les haga la dicha ospitalidad de les dar de comer a todos y mede'<inas a los enfermos y curar los astallegar al ospital de sefior santo domingo; y es publico y notorio que desde esta dicha '<iudad de santo domingo asta la '<iudad de burgos ay catorze leguas y no ay ospital e monasterio donde se les haga la dicha ospitalidad, mas de solo el de villafranca de montes de oca, lo qual es cosa muy publica e notoria . Anhang 63 estando en esta '<ibdad catalina de flores, hija de pedro de flores y catalina, su muger, vezinos de la villa de Briones, ocho meses tullida de ambas piernas sin que por si sola se pudiese tener en pies ni lebantar, andando con dos muletas, hauiendo oy do la dicha catalina de flores el veneficio de sanidad que catalina de foncea tubo recibido de nuestro sefior en esta santa y glesia a ynter'<esion del glorioso sefior santo domingo dos afios ha, poco mas o menos, la qu al teniendo la lengua pegada con el paladar <?page no="480"?> 470 Anhang y auiendo estado muda del todo por espa~io de seis aiios y auiendo buscado para su salud muchos remedios y comunicado su enfermedad con medicos y cirujanos, los qua! es ninguno remedio dieron a su salud, salbo remitirla al dicho fabor y auxilio de nuestro seiior, se hauia venido a esta santa yglesia y encomendado a nuestro seiior y a este glorioso santo Ia remediase de aquella enfermedad y ansi con su vuen proposito y santo deseo, se hauia venido a esta santa yglesia y tenido en ella novenas en Ia capilla de este glorioso santo y auia recibido sanidad por su ynter~esion mediante Ia voluntad de nuestro seiior, a lo qua! , sabido por Ia dicha catalina de flores, se encomendo a dios y a este glorioso santo y acordo de venir a tener novenas de diez y ocho dias en su capilla, y ansi se puede tener por ~ierto que por Ia ynter~esion de este glorioso santo, u sando con ella nuestro seiior dios de su gran mysericordia, acabada Ia primera nobena ha quedado y esta libre y sana de Ia enfermedad y manque dad que pade~ian sus piernas y Ia bemos oy andar sin muletas ni sin otra ayuda ninguna vmana, lo qua! antes no podia hazer sin las dichas muletas o sin que alguna otra persona Ia lebantase y truxese, como consta a muchas personas que en esta ~ibdad Ia han visto. estando tollida de sus miembros que en ninguna manera podia andar sino con dos muletas, el dia del dicho glorioso santo, que se celebra en Ia dich a madre yglesia y obispado a doce dias de mayo, bino a tener novenas a esta dicha madre yglesia delante el sepulcro del dicho glorioso su santo, Ia qua! dicha catalina ocho o nueve meses antes que entrase en Ia dicha novena y el mismo dia que entro estubo tollida, manca y enpedida de sus miembros que en ninguna manera se podia rebolber ni menear en Ia cama sino Ia rebolbian y meneaban, ni podia an dar sino con dos muletas, como dicho es. Anhang 64 I Primeramente sean preguntados si cunu'<en a Ia dicha catalina y quanto ha que Ia cono~en y si conot; ieron al dicho su padre y madre, y como se llamaban y de donde heran vezinos, y digan que edad tiene Ia dicha catalina. II lten sean preguntados quanto ha que cono~en tollida a Ia dicha catalina e de que manera Ia bieron tollida e ynpedida, y si podia andar e aprobecharse de sus mienbros, e si andaba con dos muletas o de que manera Ia vieron estar asi ynpedida y tollida y digan los testigos todo lo que cerca desto saben. III lten si saben que el dicho dia de seiior santo domingo o su vixilia, que fue a do~e de mayo, Ia dicha catalina entro a tener Ia dicha nobena delante el sepulcro del glorioso cuerpo santo y que quando entro en Ia dicha nobena estaba ansi tollida, y que en ninguna manera podia andar sino sobre las muletas e andaba muy poquito. IV Iten si saben que Ia dicha catalina estubo Ia dicha nobcna cn Ia dicha madre yglesia y delante el dicho sepulcro re~ando y orando y encomendandose a dios nuestro seiior e al dicho glorioso confesor santo domin go y avn pidia mas limosna a los fieles cristianos que a Ia dicha madre yglesia concurrian, y que es to es ansi publico y notorio, digan los testigos lo que saben. V lten si saben que despues de tener y hauer tenido Ia dicha nobena, Ia dicha catalina y antes que de Ia dicha madre yglesia saliese, estubo y esta sana y buena, que an da sin muletas y se aprobecha de sus pies y brazos como otra cualquier mo~a sana y que esto es ansi claro y patente y se bee por vista de ojos, digan los testigos que ven y sab en. VI Iten si saben qu e Ia dicha enfermedad de esta ansi tollida y manca, Ia dicha <?page no="481"?> Anhang 471 catalina, a comun reputa'rion de gentes no se podia sanar y curar por medico ni cirujano, si no fuese por espe'rial gra'ria, mer'<ed y don espiritual de nuestro sefior dios e por yntercesion de su glorioso santo y confesor santo domingo, ansi por la calidad y antiguedad de la enfermedad como por la probe'<a y poca facultad que la dicha catalina tenia, y que esto ansi lo vieron algunos medicos y cirujanos e otras muchas personas, digan los testigos lo que cerca de esto sahen y han visto y entendido de la dicha enfermedad. VII Iten si sahen que otras muchas personas que han venido ha tener semejantes nobenas y debo'riones ante el dicho sepulcro del glorioso cuerpo santo han sanado de dibersas enfermedades que tenian, ansi ciegos como mudos, mancos, paraliticos; digan los testigos lo que cerca de esto sahen para que de todo se de gloria a nuestro sefior que lo haze. Anhang 65 viviendo en la villa de haro, vino a la villa de briones a regir a la dicha su madre que estaba enferma y estandola rigiendo, cayo enferma esta que depone, de vnas calenturas que le dieron; y estando en la cama enferma de la dicha enfermedad se tullo de las piernas . y tullida, el mayordomo del ospital de briones, que se llama marron, llamo y truxo al vachiller velez, medico, y bio a esta que depone enferma en vna cama en el dicho hospital y, vista, le dixo que aquella enfermedad hera de humores y que el no la podia curar; y ansi esta que depone estubo mas de tres meses tullida en la cama sin poderse menear por si sola, y quando de quin'<e en quin'<e dias la lebantaban dos o tres personas. que vio ansi mesmo este testigo como yba algunas ve'<es a la visitar al dicho ospital el vachiller velez, medico de la dicha villa de briones, y de'ria que la dicha enfermedad de tullida que tenia la dicha catalina no se podia curar con medi'rina. y cono'<e a la dicha catalina de flores, hija de los suso dichos, a la qual cono'<e desde muy pequefia fasta agora, y la vio sana y libre e andar libremente, y la vio bibir en la dicha villa de briones con juanes de aperrigui, clerigo, y despues en la villa de haro. no podia andar y si alguna vez no hauia quien le ayudase a esta testigo a la lebantar, con gran trabaxo la dicha catalina, quexandonse con el dolor que tenia en las piernas, arrimando las manos por el suelo, se lebantaba e andaba, avnque muy poco. y este testigo le de'ria que se lebantase y fuese a su casa de este testigo si pudiese, y que alli le daria lo que onestamente fuese menester; la qual dicha catalina de'ria que no se podia lebantar ni tener en las piernas, y este testigo lo tenia ansi por 'rierto. Anhang66 y ansi el alcalde de la dicha villa de briones, que hera alonso de arevalo proveyo que ha esta que depone la traxesen en vna mula atada, porque no se cayese, con vnas tablas debaxo de los pies, altas hasta donde los pies llegaban, porque no podia desencoxer las piernas; y ansi la traxeron a esta '<ibdad a casa de mari saenz, viuda, <?page no="482"?> 472 Anhang muger que fue de martin de arnedo, defunto, y alli Ia pusieron en vna cama donde estubo mas de quatro meses tul! ida. y que, como yba tan a Ia larga Ia dicha enfermedad, Ia dicha catalina tenia gran deseo de se venir a esta ~ibdad, casa de vna tia suya, y ansi se lo dixo a este testigo que Ia truxesen a esta dicha ~ibdad, e ansi se busco vna mula e vn honbre que Ia truxo a esta dicha ~ibdad, y este testigo se hallo presente al tiempo que Ia pusieron en~ima de Ia dicha mula y Ia ataron porque no se podia tener por ra~on de Ia dicha enfermedad de estar tullida de las piernas y ansi despues de~ia el dicho honbre que Ia hauia traydo como Ia hauia dexado en esta ~ibdad. Ia dicha catalina se encomendaba a seiior santo domingo diziendo que tenia por muy ~ierto que biniendo a tener nobenas en su capilla seria luego ! ihre de Ia dicha enfermedad. e que muchas ve~es le de~ia Ia dicha catalina a esta testigo que hiziese que Ia truxesen a esta ~ibdad de santo domingo que tenia esperan~a en nuestro seiior que mediante el gloriose seiior santo domingo le hauia de dar salud y sanar de Ia dicha enfermedad. oyo de~ir a pedro de laguna, ospitalero [...] y a su muger, quese llama maria, que Ia dicha catalina de~ia que Ia truxesen a esta ~ibdad, y que aqui tenia vnos parientes, donde le procurarian de remediar y buscar su salud, y este testigo hablo con Ia dicha catalina y le dixo que si ella queria venir a esta ~ibdad de santo domingo, que el buscaria en que Ia traer, y ansi fue este testigo, busco vna mula y vn honbre que biniese con ella a esta ~ibdad. quando Ia apearon de Ia dicha mula yba por el suelo sobre las manos, que no se podia tener en piernas ni podia subir las escaleras si no Ia subieran, y Ia tubieron muchos dias tul! ida en vna cama [. .. ) e que si se hauia de lebantar sin ayuda hera yendo arrimando las manos por el suelo. Anhang 67 esta testigo fue a rogar al seiior alonso fernandez, ra~ionero y prouisor del ospital, a que re~ibiese a Ia dicha catalina para Ia curar en el dicho ospita! y ansi se lo dixo y rrogo al dicho alonso fernandez, diziendole Ia enfermedad que tenia, y el dicho alonso fenandez, prouisor, le respondio que Ia dicha enfermedad hera larga de curarse e que hauia de estar en vna cama sola y pondria en trabaxo las personas que estaban en el dicho ospital, e ansi no Ia quiso re~ibir. puede hauer tres meses poco mas o menos, teniendo el cargo de prouisor del dicho hospita! , como agora tiene, vino a este testigo mari saenz, viuda, muger que fue de martin de arnedo, defunto, prima de Ia dicha catalina de flores, y le dixo a este testigo rogandole como tenia vna muchacha muy enferma en su casa y por amor de dios Ia re~ibiese en el dicho ospital por algunos dias para que alli se rrigiese y curase, y este testigo le pregunto de que enfermedad estaba mala, y Ia dicha mari saenz le respondio que estaba tul! ida de Ia mitad del cuerpo abaxo y que no se podia rrevolber ni levantar si no Ia rebolbian o levantaban, y este testigo le respondio que aquella enfermedad fuera muy larga e que alli no podian tenerla ni se podia curar y tendrian mucho trabaxo y costa con ella, ni Ia seruirian como ella en su casa Ia podia seruir y <?page no="483"?> Anhang 473 ansi Ia despidio de si diziendo que si fuera para curarla de otra enfermedad hasta purgarla o sangrarla, que Ia re~ibiera como re~iben otros enfermos en el dicho ospital y se curan. y el dicho alonso fernandez le dixo que si de aquella enfermedad que de~ian estaba mala, no Ia podia tener en el hospital porque pasaria mucho tiempo sin curarse y que tendria ocupada vna cama continuamente. Anhang 68 estando vn dia en Ia dicha santa yglesia von voluntad de tener nobenas, acercandose Ia festibidad de sefior santo domingo Ia hablo catalina de foncea, residente en el dicho ospital, y le dixo el veneficio de sanidad que hauia re~ibido en esta santa yglesia encomendadose a nuestro sefior y a este glorioso santo y teniendo novenas en su capilla, quese viniese esta que depone a tener nobenas en Ia dicha capilla y que mediante Ia voluntad de nuestro sefior seria seruido de le dar salud como ella re~ibio y auia re~ibido, y ansi, esta que depone y Ia dicha catalina de fon~ea tubieron todo el nobenario de Ia festibidad de sefior santo domingo en Ia capilla. y que, estando esta testigo en novena en el otabario de sefior santo domingo proximo pasado en esta madre yglesia y en Ia capilla del glorioso cuerpo santo, vino a Ia dicha capilla Ia dicha catalina de flores con sus muletas como antes solia andar y se puso junto con esta testigo, y esta testigo le dixo a Ia dicha catalina de flores: "hermana, tened gran devo~ion en nuestro sefior y en este glorioso santo y tened aqui novenas que mediante nuestro sefior saldreis buena de aque, porque, estando yo muda sin poder hablar mas de siete o ocho afios, me prometi en mi voluntad de venir a tener aqui nobenas a este glorioso santo, visto que ningunos medicos ni cirujanos me daban remedio para ello, y ansi vine y estube aqui y al ter~er dia hable como al presente mediante nuestro sefior de que le doy tantas gra~ias." Y ansi, Ia dicha catalina de flores vino a tener las dichas nobenas. y acabado el novenario, comen~o a andar y a ver sanidad en Ia vna pierna y andaba con sola vna de las dos muletas, y esto fue el sabado de mafiana proximo pasado que se conto a veinte y vn dias de este presente mes de mayo, y el domingo siguiente adelante plugo a nuestro sefior se hallo libre y sana de entranbas piernas y andaba y anda despues aca sin ninguna muleta. Anhang 69 y de~imos que a nuestra noti~ia ha venido que casilda, hija de alonso del rio y catalina de galbarriz, su muge r, vezinos y moradores que son dellugar de piernagas que es en bureba, diocesis de burgos, siendo de hedad de diez y ocho afios y estando como estaba tullida de las rodillas abaxo que no podia andar ni tenerse en pies sino con dos muletas, como es notorio y muchas personas Ia vieron ansi tullida, y avnque estaba tullida tres afios poco mas o menos, segun ella dize, con debo~ion que tubo al glorioso confesor y patron de este obispado, sefior santo domingo de Ia cal~ada y con su santo sepulcro y, mouida a ello con Ia fama y con saber que otras personas poco dias hauia hauian tenido novenas en el dicho santo sepulcro de sefior santo domingo y auian sanado de sus enfermedades, vnos que hauian estado mudos co- <?page no="484"?> 474 Anhang brando Ia habla y otros que hauian estado ansi tollidos como ella hauian cobrado sanidad, como de esto ay vastante testimonio en Ia dicha madre yglesia. Ella entro en el dicho ospital sabado, a veinte e ocho de enero, y alli le dieron limosna y refe'<ion, y de alli propuso de venir a tener Ia dicha novena al dicho glorioso cuerpo santo abiendose confesado primero con vn capellan de Ia dicha madre yglesia, martes postrero dia del dicho mes de henero de mill e quinientos e cinquenta y nueve, entro en Ia dicha su novena y prosiguiendola de noche y de dia, lunes despues siguiente a seis dias del mes de febrero, entre las quatro y las '<inco de Ia maiiana del martes siguiente, estando hechada en su rropa cave Ia rreja del dicho cuerpo santo, sintio muy grand dolor, como ella dize y jura, en las piernas que tenia tullidas, y luego se le paso este dolor y sintio sanidad en ellas, de manera que fue restaurada en su prestina salud, que anda sana y bien. Anhang 70 La dicha mari rodriguez, viuda, muger que fue de juan rodriguez, difunto, vezino de Ia dicha 'ribdad de burgos [...] dixo que cono'<e a Ia dicha casilda del rio [...] y sabe que puede hab er dos aiios y medio, poco mas o menos tiempo, que Ia dicha casilda del rio andaba en esta '<ibdad de burgos por algunas calles de Ia dicha '<ibdad arrastrando los pies por el suelo, con dos palos que no se certifica si heran muletas, y bio que no se podia tener sobre los pies si no hera con los dichos palos, y Ia cono'<e y sabe muy bien ser Ia que agora ha visto Ia dicha casilda del rio que solia estar tullida. que puede haber dos aiios e medio, poco mas o menos tiempo, que, bibiendo en Ia calle de cantarranas Ia menor de esta dicha '<ibdad, cerca de las casas de Ia de juan rodriguez, vio esta testigo que Ia dicha casilda del rio vibia con Ia dicha viuda de juan rodriguez por mo'<a de seruicio e que al tiempo y sa'<on que ansi vivia con Ia dicha de juan rodriguez, Ia dicha casilda del rio cayo muy mala y estaba tollida de las piernas de suerte que no podia andar ni tenerse sobre ellas, si no hera con vn palo y esta testigo le dio algunas ve'<es limosna. e desde alli, esta que declara se fue a bibir a Ia cibdad de burgos, donde entro por mo'<a de serui'rio con mari rodriguez, viuda, muger que fue de juan rodriguez, [odrero] (7.2], vezino de Ia dicha cibdad, que bibe al canton de Ia calle de cantarranas Ia menor, que sale a Ia pla'<a y a Ia odreria, donde estubo '<iertos dias en Ia dicha casa, donde estaba vn hijo de Ia dicha mari rrodriguez enfermo, que se llama domingo rodriguez, y como esta que declara no dormia en cama porque belaha de noche y estaba delante de Ia cama del dicho domingo rodriguez y se hechaba en el suelo delante de Ia dicha cama sin rropa alguna mas que Ia que traya vestida, se vino a tullyr dc las picrnas dc las rodillas abaxo y no podia andar ni tcncrsc sobre ellas si no hera con vn palo en las manos, hechada de pechos sobre el dicho palo, y como Ia dicha de juan rodriguez viese esta que declara estar de Ia manera que dicho tiene, enferma y tollida, Ia despidio de su casa y de Ia manera que dicho tiene, andubo algunos dias por Ia dicha cibdad de burgos pidiendo limosna para se sustentar, y, andando ansi tollida, como dicho tiene, Ia recibio en su casa la muger de alonso fernandez, procurador de cavsas, vezino de Ia dicha cibdad de vurgos, donde estubo fasta veinte dias, poco mas o menos. y de alli Ia dicha muger del dicho alonso fernandez Ia hizo llebar a esta que declara a cavallo en vna mula al ospital de san juan de Ia dicha '<ibdad de burgos para que <?page no="485"?> Anhang 475 estubiese en el dicho ospital, para beer si se podia curar de Ia dicha enfermedad, y por eston~es no hubo Iu gar de Ia re~ibir en el dicho ospital, y de alli Ia llebaron al ospital del rey de Ia dicha cibdad y tampoco hubo Iugar de Ia recibir en el dicho ospital y ansi se volbio a Ia dicha cibdad de burgos, donde andubo por las calles tollida y andando con el palo que dicho tiene y arrastrando por el suelo porque no podia andar de otra manera ni tenerse sobre sus pies. y en este tiempo, que pudo ser fasta vn mes, poco mas o menos, y andando vna noche entre las nueve o diez de Ia noche, dando gritos de dolor que pade~ia en las dichas piernas en Ia calle de conparada de Ia dicha ~ibdad de burgos Ia encontro vna seiiora viuda de Ia dicha ~ibdad que bibe en Ia dicha calle y se llama clara pardo, Ia llevo a su casa y le dio de ~enar y despues Ia hizo llebar al ospital de conparada, que esta en Ia dicha calle, a dormir, y otro dia siguiente, Ia dicha clara pardo Ia hizo llebar a su casa y alli le puso vna cama y Ia hizo purgar y sangrar y otros venefi~ios para Ia curar de Ia dicha enfermedad, y Ia tubo en Ia dicha su casa cierto tiempo, que no sabe que tanto fue, y como le hubiese hecho los dichos benefi~ios y esta que declara no mejorase y se estubiese tullida como de antes, Ia dicha clara pardo le dixo que se fuese con dios, y ansi se salio de Ia dicha casa y andubo algunos dias por las calles de Ia dicha ~ibdad de burgos tullida, como dicho tiene. Anhang 71 y le aconsejo, viendola tan mala y tullida [...] que buscase algun remedio para se curar o se fuese a su tierra a casa de sus padres y avn le dio en limosna ~iertos maravedis para que diese a vn honbre que Ia llevase desta ~ibdad a Ia dicha su tierra. y Ia dicha mujer del dicho alonso fernandez, en cuya casa primero habia estado esta que declara, le dixo que se biniese a su tierraadar alguna horden de curarse, y ansi dio a vn honbre que Ia truxese y IIebase an~ia ellugar de esta que declara, medio real. el qua! dicho honbre llevo a esta confesante allugar de vellimar, que es vna legua de Ia dicha ~ibdad de burgos, y benia con ynten~ion de benir a los vaiios de arnedillo y de bellimar, Ia llevaron allugar de briones, y del dicho Iu gar de briones Ia llevaron allugar de ru~ere~o, donde estubo en el ospital ~inco dias y alli le corto el mal de ba~o que tanbien tenia juntamente con estar tullida, como dicho tiene, vn honbre quese dize juan de canpillo, vezino del dicho lugar, y del dicho lugar de ru~ere~o Ia llevaron allugar de robredo cabe termino, donde estubo en el ospital quatro o ~inco dias, y del dicho Iu gar de rrobledo Ia llevaron allugar de tobes, adonde vna muger Ia llevo a questas desde Ia puerta del ospital a su casa porque esta que declara no podia yr ni andar sobre sus pies, como dicho tiene, por estar tollida, y del dicho Iu gar de tobes Ia llevaron allugar de rula~edo, y de alli allugar de roxas, adonde vino su madre de esta que declara y Ia llevo en vna bestia al lugar de piernegas donde es natural, adonde estuvo fasta dos meses, poco mas o menos, tullida de las piernas de las rodillas abaxo y no podia andar ni tenerse sobre ellas, si no heran con vn palo y de alli se bolbio ha~ia tierra de burgos, porque su madre hera y es pobre y no Ia podia substentar, donde sienpre le fue peor de Ia dicha enfermedad e bino a tullirse mas que de primero y no podia andar si no hera de rodillas por el suelo y con dos muletas que le hizieron, Ia vna en rula~edo de arriba y Ia otra en ellugar de ruseras, y despues de lugar en lugar Ia tornaron a llebar tollida, como dicho tiene, con las dichas dos muletas al dicho lugar de piernegas, donde por antes de Ia nabidad proxima pasada <?page no="486"?> 476 Anhang estubo fasta dos meses, poco mas o menos, andando de rodillas por el suelo con las dichas muletas e sin ellas a gatas con las manos y rodillas por el suelo, por estar tan tullida como dicho tiene, donde ansi mesmo propuso de benir a los baiios de arnedillo para se curar de Ia dicha enfermedad, y ansi Ia truxeron del dicho lugar de piernegas fasta ellugar de camero y de alli Ia llebaron allugar de grisaleiia y de alli Ia llebaron allugar de ballarta, y de alli a quintanillade san gar~ia y alli estubo en el ospital de arriba Ia tarde que llego, y durmio aquella noche y estubo otro dia y durmio Ia noche fasta otro dia que se partio andando por el dicho lugar tullida de rodillas por el suelo y con las dichas muletas, pidiendo limosna, y alli el ospitalero le pregunto de Ia dicha su enfermedad e que adonde yba y ella le dixo que a los baiios de arnedillo, y el dicho ospitalero le dixo a esta que declara que se biniese a tener nobenas en el cuerpo santo de seiior santo domingo de Ia cal~ada, y que mediante dios podria yr libre de Ia dicha enfermedad porque otras personas habian estado tullidos y mudos y, teniendo las dichas nobenas en el dicho glorioso cuerpo santo, habian sanado de sus enfermedades, y ansi, esta que declara propuso y tubo debo~ion de benir a tener las dichas nobenas al dicho glorioso cuerpo santo. Anhang 72 benia muy enferma y tollida de las piernas, que no se podia tener en ellas si no hera que andaba con vn palo que traya en las manos, y avn con el dicho palo andaba con mucho trabaxo. y sin las dichas muletas andaba de rodillas con las manos por el suelo, porque esta testigo vibe en el ospital del dicho Iu gar y estubo en el dicho ospital del dicho lugar y, si habia de subir alguna escalera, subia de rodillas con las manos, ayudandose con ellas. y quando vino esta vez postrera esta testigo le ayudaba a suvir las escaleras del dicho hospital porque Ia dicha casilda no podia subir las dichas escaleras. y vna noche que durmio en el dicho ospital donde esta testigo bibe vio que no pudo subir a acostarse en Ia cama y esta testigo Ia tomo a questas para subir a Ia dicha cama a Ia maiiana Ia ayudo. y durmio dos noches en el ospital de este dicho Iugar de grisaleiia, en el qua! bibe esta testigo, e para haber de acostarse en Ia cama, Ia dicha casilda, por estar tan tollida, Ia habian de ayudar y Ia subian en~ima de vna mesilla y de alli a Ia cama, y para haberla de lebantar tanbien Ia habian de ayudar. y puede haber tres semanas, poco mas o menos, que Ia vio en este dicho Iugare en el ospital de nuestra seii.ora, donde este testigo vibe al presente [...] y en el dicho ospital estubo dos dias y dos noches, y porque no podia subir en cama alta, este testigo y su muger, le hizieron delante de su cama vna cama en que dormirse en el suelo, y en ella yba a echarse de rodillas. Anhang 73 (...] y a Ia maiiana, luego, si est: i sano, le hazen una seii.al en el palo que trae, de como y a cen6 allf aquella noche; y para los enfermos tienen un asnillo en que los llevan a <?page no="487"?> Anhang 477 otro ospital para descartarse del, lo qua! , paralos pasos de romerfa en que voy, que lohe visto en un ospital de los sumptuosos d'Espaiia que no le quiero nombrar; pero se que es Real. que hera vn macho de este testigo, fue menester que Ia ayudasen y pusiesen en\=ima el dicho macho quatro personas. y ansi estubo en el dicho ospital, y despues Ia llevaron a cavallo en vn macho desde este Iu gar allugar de \=Uiieda, y para Ia poner en el dicho macho, porque ella no podia subir, Ia subieron en\=ima de vna mesilla de rodillas y despues tres personas al\=aron Ia dicha mesa, estando Ia dicha casilda en\=ima della y Ia pusieron bien en el dicho macho. este testigo y maria de angulo, ospitalera en el ospital del dicho Iugar, Ia ayudaron a subir de rodillas en vna banca que estaba en el dicho ospital y, puesta ansi sobre Ia dicha vanca de rodillas, Ia dicha casilda se asio de Ia albarda que tenia dicha vestia e, asida, este testigo y Ia dicha maria al\=aron a Ia dicha casilda en Ia dicha vanca e, al\=ada, Ia pusieron en\=ima de Ia dicha vestia, y, puesta en\=ima della, este testigo Ia traxo a esta \=ibdad y Ia abaxo en los bra\=OS de Ia dicha vestia. y avn mando este testigo a vn su nieto que Ia llevaba, que Ia tubiese porque no se cayese del dicho ganado porque no se podia tener. Ia yba teniendo en el camino desde este dicho lugar de ru\=ere\=O al dicho lugar de robledo. y despues de alli Ia llevaron a caballo en vna cabalgadura allugar de tobes. e que quando Ia vio ansi esta testigo andar tan tullida y de Ia manera que dicho tiene le hubo mucha lastima y Ia topo donde Ia puerta de Ia casa de hernando de mena, vezino del dicho lugar, y Ia tomo por amor de dios a questas y Ia llevo a su casa de esta testigo, donde Ia acosto en vna cama y dio de \=enar, y desde alli Ia llevo su marido de esta testigo en vna mula a cavallo, y Ia subio en ella porque Ia dicha casilda no podia subir, fasta ellugar de melgosa, vna legua del dicho lugar. y Ia tomo en bra\=OS para Ia apear de Ia dicha mula en el dicho Iugar de melgosa y alli Ia dexo en casa de juan saenz, regidor que a Ia sa\=on hera, a Ia puerta de su casa, en el dicho lugar de melgosa. y ansi le dieron de comer en casa de esta testigo, y el dia que llego Ia llevo Juan, su hijo de esta testigo, desde este dicho lugar allugar de herramelluri a cavallo en vna mula de alabarda. y andaba a rastras y andaba con dos muletas en los sobacos y de rodillas por el suelo y con mucho trabaxo por estar tan tollida como dicho tiene, y este testigo Ia llevo desde el dicho Iugar de grisaleiia allugar de \=Uiieda, y por yr tan tullida y enferma Ia ospitalera no Ia quiso recibir en el dicho Iu gar de \=Uiieda, y por yr de Ia manera que dicho tiene, este testigo Ia llevaba siempre de cabresto Ia cabalgadura en que Ia llevaba. que Ia vio en el ospital del dicho Iu gar del qua! es el alcalde el dicho su padre de esta testigo, e que al dicho tiempo Ia vio esta testigo a Ia dicha casilda que estaba muy tullida de las piernas y no podia andar ni tenerse sobre ellas e andaba de rodillas por <?page no="488"?> 478 Anhang el suelo con dos muletas, y, para Ia llevar de este dicho lugar allugar de vallarta, Ia subio esta testigo y otras personas sobre vn macho con vna silla. Anhang 74 y ansi Ia vio yr a su casa algunas vetres tullida como dicho tiene. ni lebantarse de donde se hechaba, si no Ia ayudaban. dixo que por Ia navidad proxima pasada este testigo vio a Ia dicha casilda en este dicho lugar de piernegas que estaba muy enferma y tullida, de manera que no se podia tener sobre las piernas sino que andaba de rodillas por el suelo y de manos tanvien, y despues vio que le hizieron dos muletas, con las quales despues andaba traendo las dichas muletas en los sobacos y de rodillas por el suelo. e que conotre a Ia dicha casilda [...] porque Ia conotrio vibir en ellugar de Sotragero, vna legua de burgos, puede haver tres aiios poco mas o menos, y alli Ia conotrio vibir con andres gartria, vezino del dicho lugar, porque este testigo a Ia satron vibia en Ia misma casa, y Ia conotrio sana y buena, y Ia vio trabajar bien y despues, bibiendo este testigo como vibe en el dicho lugar de Robledo, puede haber dos aiios, poco mas o menos, que bio en el dicho Iu gar a Ia dicha casilda muy tullida e andaba con vn palo en las manos sobre el qua! se tenia y, como Ia vio, este testigo Ia hablo y ella vino a le hablar y tubo lastima della de como Ia habia visto sana y Ia beya tullida y le dio limosna. y ansi, el dia que llego, andubieron por el dicho Iugar pidiendo limosna para ella. y le dio esta testigo medio real que le dieron que le diese en limosna para pasar adelante. y despues de esto le dixo a este testigo Ia dicha marina de angulo, su madre, como habian ayudado a Ia dicha casilda a subir en vna bestia para Ia traer a Ia dicha tribdad. Anhang 75 y que este testigo le aconsejo a Ia dicha casilda fuese a tener novenas al dicho cuerpo santo, habiendo este testigo oydo detrir de otros milagros que se habian hecho en el dicho cuerpo santo, y que mediante dios podia ser que saliese sana, e la dicha casilda detrir que no hallaria quien le diese de comer alli, y este testigo le dixo que si hallaria porque habia gente rica y canonigos muy honrados, y le darian de comer, y, con esto, la dicha casilda dixo que ella yria al dicho cuerpo santo y le dixo este testigo que se quedase con dios; que le prometia, si sanase, de venir por este dicho lugar a berle. y que la dicha casilda detria que alli no hallaria quien le diese de comer avnque alli tenia parientes. y estando en el dicho ospital, pregunto a Ia dicha casilda de Ia dicha su enfermedad y de quese habia tollido, y le dixo a esta testigo que de aber estado en vna agua y que habia que estaba ansi tollida tres aiios, e que por la debotrion que tenia con el glorioso seiior santo domingo de la caltrada habia de venir a tener nobenas en su capilla antes <?page no="489"?> Anhang 479 que fuese a los vaiios de arnedillo, donde ella de~ia que queria yr para curarse si pudiese de la dicha enfermedad. y asi, del dicho Iugar de Quintanillade san garcia la truxeron a san millan de yecora, y deallila truxeron allugar de herramelluri y estubo en el ospital [una noche] [7.2] y le dixo a Ia ospitalera, despues de le haber dicho de su enfermedad, como traya debo~ion de benir a tener las dichas nobenas al dicho glorioso cuerpo santo, la qual dicha ospitalera le dixo que lo hiziese ansi y que podia ser mediante nuestro seiior que sanase de Ia dicha enfermedad, y ansi, del dicho lugar de herramelluri la truxeron a esta ~ibdad de santo domingo de la cal~ada, sabado en veinte y ocho dias del mes de henero proximo pasado de este presente aiio. casilda del rio, hija de alonso del rio y de catalina de galbarriz, su muger, vezinos del lugar de piernegas, que es en Ia diocesis de burgos y merindad de bureba, nuestro seiior habia seydo seruido de hobraren ella tan gran milagro que donde antes estaba tullida y no podia andar sino de rodillas y con dos muletas, subitamente sanase estando continuando las nobenas que habia comen~ado martes vltimo dia del mes de henero proximo pasado. continuamente estuuo tullida sin se poder menear sin muletas y con gran pena, como consta por dichos y deposiciones de ~erca de quarenta testigos. Anhang 76 y entro en el ospital de Ia dicha ~ibdad donde le dieron limosna y refa~ion y porque esta que declara, por benir tan tullida, como dicho tiene, no podia subir la escalera del dicho ospital, la subieron los criados del dicho ospital, y durmio con dos mo~as del dicho ospital y vna mochacha, donde les dixo de la dicha su enfermedad e como queria tener las dichas nobenas, y ansi esta que declara salio del dicho sabado y fue en casa del seiior prouisor del dicho ospital de rodillas y con sus muletas a pedirle que por amor de dios le hiziese dar vn poco de ropa para estar en las dichas novenas en Ia capilla del glorioso cuerpo santo de seiior santo domingo, el qual se la mando dar, e ansi, otro dia por la maiia na de rodillas y con dos muletas, esta que declara se fue a Ia madre yglesia de esta ~ibdad con proposito de comen~ar Ia dicha novena y Ia comen~o a tener desde alli adelante, que fue martes apostrero di a del dicho me s de henero e otro dia miercoles, primero dia del mes de hebrero se confeso con vn capellan de la dicha madre yglesia, que cree se llama victor martinez de [peraiia] [7 .2], y despues siempre estubo prosiguiendo la dicha nobena; y ellunes a la noche siguiente, que se conto a seis dias del dicho mes de hebrero, estando hechada en la dicha rropa cabe Ia rexa de la capilla del dicho glorioso santo, sintio muy gran dolor en las piernas, en todas ellas, desde ora de medianoche adelante, avnque tanbien lo habia tenido el dicho dolor toda Ia noche, pero no tanto como desde media noche adelante, y, estando con este dolor, dando mu y grandes gritos, encomendandose a dios nuestro seiior y a nuestra seiiora y al glorioso seiior santo domingo, se murio Ia lampara del santisimo sacramento que esta en la dicha capilla, y entre las quatro y las ~inco de Ia maiiana del martes siguiente rrogo a vna muchacha que estaba con esta que declara, que es de Briones y se llama maria, se lebantase a encender la dicha lampara, Ia quallo hizo, y en encendiendo Ia dicha lampara, esta que declara se sento en Ia dicha rropa que estaba hec hada y le pare~io que no tenia dolor ninguno y ansi se lebanto en pies y se tubo sobre ellos sin dolor ninguno y comen~o a a ndar por la dicha madre yglesia libremente sobre sus pies sin muletas, mas de que yrmaba con <?page no="490"?> 480 Anhang Ia vna muleta dando muchas gra~ias a nuestro seiior por tan gran mer~ed como a ynter~esion del dicho glorioso santo le habia hecho, y despues dexo Ia dicha muleta e a andado e anda libremente sobre sus pies como Ia been y hab visto todos publicamente y ha tenido y tiene proposito de seruir en este santo ospital todo el tiempo que mandare el seiior prouisor del dicho ospital. Anhang 77 y estando en el dicho ospital, dixo Ia dicha casilda que tenia debo~ion de tener nobenas en Ia capilla del glorioso seiior santo domingo de Ia cal~ada, cuyas reliquias estan en esta madre yglesia de Ia cal~ada, y ansi, con este proposito, Ia dicha casilda pidio al prouisor del dicho ospital que le mandase dar vn poco de ropa del dicho ospital para estar en Ia dicha capilla y en Ia dicha nobena, y ansi se Ia dio la dicha ropa por mer~ed del dicho prouisor. e que vio esta testigo que Ia dicha casilda vino al dicho opital vn dia sabado, puede haber vn mes poco m as o menos, y esta testigo baxo del dicho ospital al portal donde Ia vio y le pregunto esta testigo a Ia dicha casilda que que habia, Ia qualle dixo que estaba tollida de las piernas habia tres aiios, y le pregunto que de que le habia sub~edido, y le dixo que de entrar a segar vnas espadaiias en vn rrio, y Ia vio esta testigo a Ia dicha casilda andar con dos muletas y de rrodillas por el suelo, y Ia dicha casilda le dixo a esta testigo que tenia muy grand debo~ion con el glorioso seiior santo domingo de Ia cal~ada y que queria tener nobenas en su capilla y que tenia por ~ierto y confiaba en dios que a su ynter~esion le daria salud, y esta testigo le dixo que hera cosa muy buena y de mucha debo~ion que esperaba en dios que, teniendo las dichas nobenas, le daria salud; y ansi, Ia dicha casilda vio esta testigo que estubo en Ia dicha yglesia y en Ia capilla del dicho glorioso santo, teniendo vna nobena ~iertos dias, en los quales esta testigo, biniendo a Ia yglesia Ia hablaba y visitaba. que bio esta testigo que traxeron al dicho ospital a Ia dicha casilda a cavallo en vna vestia de albarda, e que al dicho tienpo que ansi Ia traxeron vio que benia muy tullida, Ia baxaron de Ia vestia donde benia ~iertas personas que se hallaron en el dicho ospital y, baxada, como estaba tullida, como dicho tiene, porque no podia subir por las escaleras arriba al dicho ospital, vio que Ia tomaron tres criados del dicho ospital en los bra~os y Ia subieron arriba, al dicho ospital, y Ia llevaron a Ia co~ina de arriba, al fuego, donde le dieron de ~enar, y despues, Ia llebaron acostar con esta testigo y otra muchacha que bibia en el dicho ospital, quese llama maria de corta~a, y, estando acostadas en Ia cama, le preguntaron en Ia cama esta testigo y Ia otra mo~a que de que le habia sub~edido aquella enfermedad de estar ansi tollida, Ia qualies dixo quese habia tullido en burgos por haber entrado en ~iertas aguas cn vn rrio, que podia hab er que estaba tollida tres aiios, e que habia benido de su tierra con devo~ion que tenia de tener novenas en Ia capilla del cuerpo santo de seiior santo domingo, que esta en Ia madre yglesia de esta ~ibdad, y le dixo a esta testigo que habia oydo de~ir que, estando esta testigo tullida estando en nobenas en Ia dicha capilla, habia sanado, que si hera ansi, y esta testigo le dixo que si que hera verdad por ~ierto que habia estado tullida de sus piernas y que estando en las dichas nobenas sano y salio libre, y a esto, Ia dicha casilda dixo que queria entrar a tener las dichas nobenas en Ia dicha capilla. <?page no="491"?> Anhang 481 Anhang 78 y esta testigo Ia bisitaba en Ia dicha capilla, y algunas noches esta testigo le vnto con ac; eite de Ia lampara que se alumbra el santisimo sacramento que esta en Ia dicha capilla, las piernas, y quando ansi Ia vntaba daba Ia dicha casilda grandes gritos del dolor que dec; ia que tenia en las dichas piernas porque esta testigo se las hazia tender; y esta testigo vn dia le probo que se pusiese en pies y, teniendose con las dichas muletas que traya, bio que se cayo en el suelo dos veyes porque no se podia tener sobre las dichas piernas. e que vna noche, estando en Ia dicha novena Ia dicha casilda, vino esta testigo entre las nueve e diez de Ia noche a Ia dicha madre yglesia porque le dixeron que estaba vna criatura a Ia puerta de Ia yglesia de muy pocos dias nac; ida, para efecto de Ia llebar al dicho ospital y darle alguna cosa porque no muriese, y que quando vino esta testigo con catalina de flores, criada del dicho ospital, vieron que Ia dicha casilda estaba hechada en Ia dicha rropa en Ia dicha capilla, muy enc; endido el rostro, dando voc; es, discendo: "cuerpo santo gloriose, valedme que me muero"; y ansi se salieron de Ia dicha yglesia Ilevaron Ia dicha criatura al dicho ospital. y despues otro dia siguiente por Ia maiiana, fue al dicho ospital Ia muger de andres de vesga, campanero, vezino de Ia dicha c; ibdad, y dixo a esta testigo: "Alberic; ias me dad, catalina"; y esta testigo le dixo que que hera, y Ia dicha de vesga Ia dixo como Ia dicha casilda andaba buena libremente sobre sus pies e sin muletas, por lo qua! esta testigo [dio grac; ias a] dios nuestro seiior e vino a Ia dicha madre yglesia donde estaba Ia dicha casilda y Ia hallo que estaba en pie oyendo misa e que tenia vna muleta en las manos, Ia qua! esta testigo le hizo dexar e dio vna buelta con Ia dicha casilda desde donde estaba oyendo misa fasta delante del altar del cuerpo santo e vio que andaba sana y sobre sus pies Iibremente. EI padre Guadix dice ser nombre arabigo, del nombre albaxara, que vale anunciaci6n. [...] Io quese da al que nos trae buenas nuevas. Quieren algunos se haya dicho albricias de albicias, porque cualquiera que venia a traer nuevas de alegria entraba vestido de vestidura blanca; como el que va a dar pesame con capa negra de ! uto. Anhang 79 que Ia semana de seiior sant pedro, que fue a veint e nuebe dia del mes de junio del aiio proximo pasado de mill e quinientos e c; inquenta e ocho aiios, esta que depone cayo enferma en Ia cama de pujamiento de sangre, de Ia qua! enfermedad Ia sangraren dos bezes de los brac; os, y ansi estubo con esta enfermedad fasta quinze dias, poco mas o menos, y de Ia dicha enfermedad se le recresc; io que se tullio de los pies y manos y avn casi de todo el cuerpo, y ansi estubo enferma y tullida con mucho dolor y fatiga de su persona de Ia dicha enfermedad, y ansi estubo en Ia cama, no pudiendo rebolberse en ella si no Ia rebolbian e ayudaban para ello; ni avn podia comer ni llebar a Ia boca cosa ninguna, si no se lo daban otras personas con sus manos, y ansi estubo de Ia dicha enfermedad y tullimiento nuebe meses en Ia dicha cama, yenlos seis meses primeros no Ia sacaron ni podia salir de Ia dicha cama donde estaba, ni avn rebolberse, como dicho tiene, si no Ia rebolbian, y en los otros meses algunas bezes c; iertas personas, por le hazer buena obra, Ia lebantaban de Ia dicha cama en vna manta y Ia hechaban y sacaban also! fasta que venian aquellas personas <?page no="492"?> 482 Anhang e otras y Ia tornaban a Ia dicha cama, donde estaba en Ia dicha enfermedad; y ansi estubo en todos los dichos nuebe meses tullida, como dicho tiene, de manera que con las manos ni con otra cosa de su persona no se podia ayudar ni aprovechar mas de que algunas bezes con Ia boca y dientes tomaha Ia ropa de Ia dicha cama para Ia subir a~ia arriba y se cubria con ella. porque esta testigo tenia cargo, como su hija, deIamirar y regir en Ia dicha enfermedad, y ansi, esta testigo muchas bezes, estando en Ia dicha cama de Ia dicha enfermedad [sie], Ia rebolbia en Ia cama donde estaba porque no se podia tener ni lebantar en sus pier Ia dicha maria de aperrigui [...] dandole esta testigo con sus manos de comer y beber porque ella no lo podia tomar con las suyas, y otras bezes otras personas. Anhang 80 estandose esta testigo en las puertas de Ia casa donde bibe y mora sentada also! , que son en el rabal de quartango de Ia dicha villa con maria, hija de Ia dicha maria de aperrigui, llego alli vn romero a manera de peregrino [...] y pregunto a esta testigo si avia alguna persona neszesitada en Ia dicha villa, y esta Ia dicha maria, hija de Ia dicha maria de aperrigui, [dixo] que avia muchas personas neszesitadas en Ia dicha villa, y esta testigo dixo al dicho peregrino: ",: Por que lo pregunta? "; el qua! dixo a esta testigo: "Dezidmelo, no tengais cuidado"; y esta testigo le dixo: "Ay esta vna muger que a mucho tiempo que esta enferma en Ia cama y muy neszesitada"; y el dicho peregrino le dixo a esta testigo quese Ia mostrase, y ansi, esta testigo le dixo a la dicha maria, hija de la dicha maria de aperrigui, que estaba con esta testigo: "Lebantate y bete con el a mostrarle a tu madre"; y Ia dicha maria se lebantaba, a lo que le pares~io, de mala gana e que mostraba algun temor del dicho honbre. Y ansi, esta testigo dixo a vna hermana suya que le fuese amirar vna criatura que tenia en Ia cama entretanto que esta testigo yba con el dicho peregrino y con la dicha maria a casa de la dicha maria de aperrigui. y ansi este testigo como a persona que estaba ynpedida y enferma, como dicho tiene, mandaba a los de su casa que le IIebasen algunas cosas de su casa por via de limosna para substentar a la dicha maria de aperrigui; y las personas de su casa que este testigo mandaba hiziesen lo suso dicho le dezian Ia mala disposi~ion en que estaba Ia dicha maria de aperrigui. y la vio visitandola algunas bezes y llevandole algunas limosnas por mandado de su padre. Anhang 81 esta testigo, el domingo primero dia de la dicha pascua de resure~ion, que se conto a veinte e seis dias del mes de mar~o deste dicho aiio, en saliendo de comer, esta testigo se fue a su debo~ion a la hermita de nuestra seiiora del remedio, que esta ~erca de la dicha villa y, despues, a Ia buelta, que bolbia a su casa, esta testigo venia con otra donzella, su vezina, y le dixo quese fuese con dios porque esta testigo queria entrar a bisitar a Ia dicha maria de aperrigui que estaba enferma en su casa, y ansi esta testigo entro a Ia ver a su cama, donde estaba la dic ha maria de aperrigui, donde antes la avia visitado otras bezes, como tiene dicho; y la hablo y visito, y le dixo esta testigo si se <?page no="493"?> Anhang 483 queria lebantar y que como estaba, la qualle dixo quese estaba ansi y le dixo que avia miedo, si se lebantaba, de caerse y hazerse algun mal; y que le avia dicho su hija que hazia mal dia para lebantarse de la cama; y esta testigo le dixo que se yba y que miraria por su hija, maria, y si la topaba, bolberia a ver si la podrian lebantar vn poco, y esta testigo fue a buscar a la dicha maria, hija de la dicha maria de aperrigui, y esta testigo no volvio mas alli. y el dicho dia, a la tarde, en anochec; : iendo, le dixeron a esta testigo c; : iertas mugeres que venian de ver y bisitar a la dicha maria de aperrigui y que, loores a nuestro sefior, estaba muybuena; y con esto, esta testigo con vn criado de su padre desta testigo fue a ver a la dicha maria de aperrigui a su casa. Anhang 82 y estubo ansi fasta el domingo, primero dia de la pascua de la resurec; : ion de nuestro sefior J esuchristo, que fue a veynte y seis dias del mes de marc; : o de mill e quinientos e c; : inquenta e nuebe afios, e que en el dicho dia e ora de las onze o doze e de medio dia; estandose en la dicha cama esta que depone sola y rezando sus deboc; : iones y encomendandose a nuestro sefior y a su gloriosa madre, la virgen santa y al glorioso sefior santo domingo de la calc; : ada, cuyo cuerpo esta sepultado en la madre yglesia cathedral de la c; : ibdad de santo domingo de la calc; : ada, y estando entre si con esta deboc; : ion y rezando, como dicho tiene, a la dicha ora del dicho dia, vino a la dicha casa donde esta que depone estaba enferma y tullida, como dicho tiene, maria, hija desta que depone y del dicho juan de gayangos, su marido, y le dixo: "Madre, ~ estays cubierta"; y esta que depone le dixo que no sabia si estaba cubierta o descubierta, que por que lo dezia, y la dicha maria, su hija, le dixo a esta que declara que porque le queria hablar vn romero, y esta que declara le dixo que entrase en ora buena el dicho romero, y ansi entro vn honbre en abito de peregrino de mediana estatura de cuerpo, y le paresc; : io de hedad de fasta c; : inquenta afios y le comenzaba la barba a canazer y hera vn honbre moreno y delgado, juto de rostro y vna barba pequefia; y traya vn sonbrero y en el c; : iertos bordonzillos y otras cosas, como otros peregrinos que vienen de santiago suelen traer, y traya vna ropa cubierta con vna esclabina que le paresc; : io ser de pafio pardo, y que por estar en parte algo oscura no le miro otras particularidades, y juntamente con el dicho honbre tornaron a estar la dicha maria, su hija, y maria, muger de juan de la fuente, hija de juan de c; : uiieda, que bibe en el arrabal de quartango de la dicha villa de briones anc; : ia el rio de hebro. Anhang 83 Contingit aliquando peregrinum quemdam. ignotum quidem. sed reverendi admodum vultus venisse ad cellam virginis Cristine. Quem illa sicut omnes dulce suscipiens. nec percunctata est. nec illi tune quis esset innotuit. Recessit itaque habitus sui qualecumque memorie ipsius [in]signe relinquens. Posttempus secundo revertitur. primum Domino precum fundit libamina. Cristine de hinc grato fruitur colloquio. lnterque loquendum fervorem illa senciens divinum aut homines aut hominum commune meritum. ipsum sentit excedere. unde plurimum delectata. humanitatis officio cibum eciam illum cogit sumere. Discumbit ipse illa cum sorore. M. dulce parat edulium. Cristina tarnen attencius assidet viro. Margareta laboriosius circa necessaria discurrit, ita ut aliam Mariam. aliam videres et Martham. si Ihesum dis- <?page no="494"?> 484 Anhang cumbentem daretur conspicere. Itaque mensa parata. ori panis apponitur et quasi cibum sumere videbatur. Sed si adessesplus gustantem eum adverteres quam edentem. Cumque moneretur ut de apposito pisce vel modicum gustaret non esse opus respondit misero corpori. nisi de quo tantum sustentetur. Inter que soror utraque vultus venustatem. decorem barbe. maturitatem habitus. nec sine podere verba mirantes . tanto spirituali affecte sunt gaudio. ut angelum non hornirrem se pre se sentirent habere. commorandique si virginalis permisisset pudor expetivissent assensum. Ille vero cum benediccione. suscepta licencia. sororibus non nisi facie notus discessit. Tantam autem in earum cordibus sui moris impressit memoriam. tantam infudit dulcedinem. ut sepe in conferendo suspiriis affectum monstrantibus dicerent: 0 si noster redibit peregrinus. 0 si amplius eius dignabimur colloquio. 0 si maturitatis eius. et venustatis exempla ipsum intuendo amodo percipiemus. Anhang 84 y ansi, estando el dicho honbre adonde esta que declara estaba enferma y tullida, le dixo a esta que declara: "en ora buena esteis, hermana"; y esta que declara le dixo: "dios le de salud, seiior"; y el dicho honbre le dixo a esta que declara: "(COrno estas"; y esta que declara le dixo que con mucha fatiga y trabaxo; y el dicho honbre le dixo que que tanta pena avia pasado esta que declara en su enfermedad, y esta que declara le dixo que harta pena avia pasado, y Ia dicha maria, hija desta que declara yba a jurar Ia fee que avia pasado mucha pena en Ia dicha enfermedad esta que declara, y el dicho honbre le reprehendio e dixo que no jurase Ia fee, y esta que declara le dixo: "hija, no jures, que en verdad que he pasado harto"; y, en esto, el dicho honbre dixo: "(tanta piensas que as pasado? pues mas e pasado yo"; y esta que declara le dixo que podria ser. dixo quese Ia mostrasen y se Ia mostraron en Ia cama donde estaba Ia dicha maria de aperrigui, madre desta tcstigo, y, en llegando, le dixo el dicho pc: rc: grino: " en ora buena esteis, hermana"; y ella le dixo: "en ora buena venga, seiior"; y le pregunto que como estaba, Ia qualle respondio que con harto trabajo, y el dicho peregrino le dixo que tanto avia pasado el. Anhang 85 y ansi, el dicho honbre saco de vn <; : urron que llevaba con Ia mano <; : ierto pan, que serian tres o quatro ra<; : iones de pan y, sacado, sacudio el <; : urron de las migas que quedaban a vnos pollos y le dixo a esta que declara que tomase de aquel pan, y esta que declara le dixo quc sc lo Hebase porque no tenia que le dar, pc: nsando esta que declara quese lo queria vender; y el dicho honbre dixo que lo tomase que a el en cada puerta le darian; y ansi mando esta que declara a Ia dicha maria, su hija, que tomase el dicho pan al dicho honbre, y ansi lo tomo, y el dicho honbre hecho mano y saco vna bolsa y della saco vn medio quarto de dos maravedis y se lo puso a esta que declara en<; : ima de Ia cama donde estaba tullida y dixo a Ia mochacha quese lo traxese de vino para esta que declara, y esta que declara le respondio: "(Yino? basta que nos da el pan pues lo pide de puerta en puerta, sin darnos dinero"; y a esto el dicho honbre le torno a dezir: "anda, que a mi en cada puerta me lo dan"; y esta que declara le dixo: "por dios, vino no, tenemos que le dar"; y ansi esta que declara le dixo a Ia dicha maria, su hija, que le diese vna jarra despensa poque le dezian que hazia gran <?page no="495"?> Anhang 485 calor y que en pies que no tenia que le dar. Y el dicho honbre respondio que no tenia nes'<esidad, y esta que declara le dixo: "por dios, que lo a de gustar, que spensa es, que no le hara mal"; y el dicho honbre dixo: "porque juras por dios lo tengo de tomar"; y lo tomo y lo llego a la boca y lo torno a dar a la dicha maria, su hija desta que declara, y lo tomo y, pasado todo lo susodicho, el dicho honbre dixo a la dicha maria, su hija, y a la dicha maria de juan de 'ruiieda y otros niiios que estaban alli de poca hedad, que se apartasende alli, y ansi lo hizieron y se apartaron vn poco de la dicha cama, avnque no salieron fuera de la camara donde estaba esta que declara enferma y, apartados, el dicho honbre se llego a ella y le hizo tres bezes la seiial de la cruz + en la frente, y cada bez deziaJhesus y, hecho esto, a lo que esta que declara entendio del dicho honbre, comenzo a dezir y rezar el ebangelio de san juan, que comienza que "in principio erat verbum" y por esto entendio que hera el dicho ebangelio de sant juan y, acabado de rezar, la santiguo e dixo: "quedate con la gra'<ia de dios''; y esta que declara le dixo: "el espiritu santo vaya por las tierras donde el andubiere, seiior"; y ansi se salio el dicho honbre y tras ella dicha maria, su hija, y la dicha maria de 'ruiieda y los dichos niiios de la dicha camara donde esta que depone estaba tullida en su cama y la dexaron sola en ella. Anhang 86 y le conto a este testigo como aquel dia, estandose en su cama en la dicha su casa y tullida de la dicha enfermedad, avia ydo vn romero a manera de peregrino y a la cama donde ella estaba y la avia saludado y le avia dicho: "(que hazeis, seiiora? " y ella le habia respondido: "vea aqui, seiior, estoy esperando la misericordia de dios con esta enfermedad"; y que ansi le avia dicho el dicho peregrino que tu biese buena esperanza en dios nuestro seiior y que a la sazon con el dicho peregrino avia estado maria, hija de juan de 'ruiieda, casada, e maria, hija de la dicha maria de aperrigui e otros mochachos, y que, estando alli el dicho peregrino y los que dicho tiene, les avia dicho el dicho peregrino a los que alli estaban que se apartasen vn poco de alli e que ansi se avian apartado, y el dicho peregrino le avia leydo el evangelio de sant juan y le avia hecho el signo de la cruz + en el rostro yenlos pechos, y que le avia dicho que ella le respondiese a las palabras que elle dixese y que ansi ella lo avia hecho y que, hecho esto, el dicho peregrino le avia dado '<iertas ra'<iones de pan e vn medio quarto de dos maravedis y se lo avia puesto en'<ima de la cama y que la dicha maria de aperrigui le avia dicho al dicho peregrino que se lo llevase porque lo avia menester para si; y el dicho peregrino le avia dicho que lo tomase, que a el donde quiera le daban limosna, e ansi, el dicho peregrino se avia salido de la dicha casa diziendole que se quedase con dios, y ella le avia dicho: "con el se vaya, seiior". y el dicho peregrino se queria salir, y esta testigo dixo a la dicha maria que le diese vn poco despensa al dicho peregrino, el qual dixo que no tenia gana de beber, y la dicha maria de aperrigui le dixo que lo bebiese, que lo bebiese, que no le haria mal poque hera despensa, y como lo gusto, dixo que el no lo avia de beber pues avia poco que avia acabado de comer. Anhang 87 y desde a espa'<io de medio quartos de ora, poco mas o menos, estandose esta que declara sola en la dicha cama, despues de averse espedido el dicho honbre della, <?page no="496"?> 486 Anhang sintio en si mejoria, esta que declara, en su seno y, como lo sintio, al~o los bra~os arriba que antes tenia tullidos y, loando y dando gra~ias a nuestro seiior dios por las mer~edes que le avia hecho e averse hallado en tal dispusi~ion; y comen~o a probar a lebantarse de Ia cama donde estaba tullida y se lebanto de Ia dicha cama sana e libre sin que ninguna persona estubiese con ella; y fue por vna camisa para se bestir algo aparte de Ia dicha cama, donde estaba Ia dicha camisa en vna lata y tomo Ia dicha camisa en las manos y se Ia bistio; y fue mas adelante, donde tenia su saya y se bistio y calzo con sus propias manos y, bestida y calzada salio de Ia dicha casa donde estaba a Ia calle, y salida, comen~o a dar gra~ias a nuestro seiior dios por tan gran benefi~io e mer~ed como le avia hecho e obrado por su bondad dibina en averla librado de Ia dicha enfermedad; y estando en Ia dicha calle, vinieron Ia dicha maria, su hija desta que declara, y Ia dicha maria de ~uiieda, y Ia hallaron alli, en Ia dicha calle, y se maravillaron como Ia beian; y le dixeron que quien avia llebado a alli a esta que declara, y esta que declara ! es dixo que dios nuestro seiior por su bondad; y esta que declara, en todo el tiempo de Ia dicha su enfermedad tubo mucha debo~ion con Ia Santisima trinidad y con Ia gloriosa virgen, nuestra seiiora, madre de dios, y con el bien aventurado y gloriose seiior santo domingo de Ia cal~ada; y como esta que declara le prometio de le ofrezer vn pie de zeraal gloriose santo dandole el seiior con que, porque no lo tenia a Ia sazon; y ansi, por esto que tiene declarado le a pasado por su espiritu y pensado que el dicho honbre peregrino que tiene dicho y declarado de suso, hera el gloriose y bien aventurado seiior santo domingo de Ia cal~ada porque, como dicho tiene, sienpre esta que declara le fue muy debota y lo es al presente; e que quando se vio libre y sana de toda lesion a Ia dicha calle de Ia dicha enfermedad, esta que declara, llorando de gozo y plazer de verse sana; e vinieron las dichas maria, su hija, e maria de ~uiieda, como dicho tiene; ! es dixo: "(Visteis por donde fue aquel honbre? "; y le dixeron quese avia ydo como an~ia Ia estrella, que es vn monasterio de Jheronimos ~erca de Ia dicha villa, e que no lo avian visto mas. E que, como viesen sana e libre a esta que declara de Ia dicha enfermedad, algunas personas se maravillaban dello y daban gra~ias a nuestro seiior y se comenzo a dibulgar por Ia dicha villa y dende a poco rato el dicho dia vino a casa desta que declara catalina de '<irate, muger de pedro de ~irate, vezino de Ia dicha villa, a traerle vn poco de caldo y pan a esta que declara, y le conto todo lo que auia pasado con el dicho honbre y como avia sanado y, como se lo conto, dixo Ia dicha catalina de ~irate que si supiera por donde yba aquel romero, que lo hubiera llamado para que santiguara a su marido que estaba enfermo en Ia cama. aviendole contado lo susodicho, Ia dicha maria de aperrigui le dixo a este testigo que quisiera mucho yr a nuestra seiiora del remedio, que es vna hermita de Ia dicha villa, a confesarse y res~ibir el santo sacramento; y que este testigo le dixo si se atreberia a yr por su pie alli, y le respondio que si, con ayuda de dios; y ansi este testigo fue a Ia dicha villa a Ia yglesia a hablar al cura para que tubiese por vien de yr a Ia dicha ermita el o otro clerigo a confesar a Ia dicha maria de aperrigui y darle el santisimo sacramento, y que el dicho cura respondio que hera tarde e que aquel dia no lo podia hazer, que otro dia lo hiziera, o si podia subir a Ia dicha villa e a Ia dicha yglesia, que alli se hiziera; e que ansi este testigo fue a casa de Ia dicha maria de aperrigui y Ia hallo que estaba bistiendose y tocandose y con ella otras dos mugeres, y Ia vio alzar los bra~os y libre de Ia dicha enfermedad, y subio por su pie a Ia dicha villa e a Ia dicha yglesia, donde ay buena distan~ia y cuesta arriba porque bibe en vn rabal y al cabo del, que es el rabal de quartango. <?page no="497"?> Anhang 487 Anhang 88 y ansi diego de arebalo, cura en Ia yglesia de Ia dicha villa, conpaii.ero y conbenefi<; : iado deste testigo a ydo a bisitar y socorrer con limosnas a Ia dicha maria de aperrigui, e sienpre en el dicho tienpo que estaba ansi tullida oyo dezir este testigo a los <; : ercanos de Ia dicha maria de aperrigui que estaba muy enferma y tullida; y ansi, este testigo, como a tal tullida y enferma, hazia al dicho su conpaii.ero que de las limosnas del zepo de Ia dicha yglesia e de las quese allegaban en Ia dicha yglesia y del ospital de Ia dicha villa Ia socorriese y faboresziese con las dichas limosnas, como a persona ynpedida que no se podia aprobechar ni ganarlo por sus manos [...) e inquirio della que como le avia venido Ia salud; Ia qualle dixo a este testigo que como ella tenia e avia tenido en todo el tienpo de su enfermedad muy grand debo<; : ion con nuestra seii.ora y el glorioso santo domingo de Ia cal<; : ada y confianza de su salud, que sienpre tubo esperanza que nuestro seii.or, por ynter<; : esion del glorioso santo domingo le avia de dar salud y quitarle aquella enfermedad, e ansi dixo como avia benido vn peregrino a su casa y Ia avia santiguado y saludado y que le avia dicho el ebangelio de sant juan y tres bezes el nonbre de Jesus y que despues quese avia despedido. y ansi se fue a su casa esta testigo, y Ia dicha maria de aperrigui se quedo en su casa y desde a espa<; : io de vna ora, poco mas o menos, que paso lo susodicho, esta testigo paso por delante de Ia casa de Ia dicha maria de aperrigui y, pasando, Ia vio de rodillas puestas en suelo an<; : ia Ia yglesia de nuestra seii.ora de toloii.o que se bee desde Ia puerta de Ia casa de Ia dicha maria de aperrigui; y, como esta testigo Ia vio, se maravillo dello de averla visto quando entro con el dicho peregrino, tan enferma como antes Ia avia visto y estaba, y al dicho tienpo verla sana y con salud; y le dixo que quien Ia avia sacado alli y que que hazia, Ia qualle respondio que estaba rezando a nuestra seii.ora de toloii.o por las mer<; : edes que nuestro seii.or le avia hecho en averla librado de aquella enfermedad que tenia. Anhang 89 E se dixo alli que vn hijo de vaii.uelos, vezino de Ia dicha villa, quese llama vitor, que lo avia topado al dicho honbre fuera de Ia dicha villa e que el dicho mochacho le avia dicho al dicho honbre que si yba presto a Ia estrella, que alli le darian ra<; : ion, y el dicho honbre le avia respondido que se fuese con dios, que no yba tan alla e que nunca mas parescio el dicho honbre; y ansi por Ia gra<; : ia de nuestro seii.or a ynter<; : esion del glorioso seii.or santo domingo esta libre y sana de Ia dicha enfermedad; y continuamente por ello da loores y gra<; : ias a dios nuestro seii.or y a su vendita madre y al glorioso seii.or santo domingo de Ia cal<; : ada; y a estado y esta al presente en novenas en Ia dicha madre yglesia donde esta sepultado con Ia debo<; : ion que puede; y que porque esta que declara demas de lo que declarado tiene, oyo de<; : ir muy publicamente que, estando en Ia dicha madre yglesia de Ia cal<; : ada donde esta el dicho cuerpo santo de seii.or santo domingo, avian sanado de otras enfermedades otras personas, se movio a mayor debo<; : ion con el dicho glorioso santo, como Ia a tenido y al presente Ia tiene. que sabado, dia de nuestro seii.or de mar<; : o proximo pasado que se conto a veynte e <; : inco dias de mar<; : o proximo pasado deste presente aii.o de mill e quinientos e <; : inquenta e nuebe aii.os, este testigo yba de Ia dicha de briones a Ia hermita de nuestra seiiora del remedio de Ia dicha villa que puede se distan<; : ia de Ia dicha villa de vn <?page no="498"?> 488 Anhang quarto de legua, poco mas o menos, y siendo que yba junto a Ia dicha hermita topo este testigo a vn romero en avito de peregrino que traya cubierta vna esclabina como color pardo o buriel y traya en Ia cabeza vn sonbrero con ~iertos bordones y beneras en el como los peregrinos suelen traer, y le pares~io seria de hedad de ~inquenta aiios poco mas o menos, y tenia Ia barba negra, corta redonda, y el rostro muy tostado, e iba las medias piernas descubiertas, algo tostadas del so! e ayre, y hera vn honbre juto y de mediana estatura; y este testigo, como lo vio, le pares~io en si averse alterado algo porque hera ya tarde, y se le quito este testigo el sonbrero, y el dicho peregrino baxo Ia caueza a manera de hazer Ia obedien~ia con ella a este testigo, y este testigo, llegado a Ia dicha hermita, yncado de rodillas, hizo ora~ion, y el dicho peregrino vio que yba Ia cuesta arriba de donde esta Ia dicha hermita an~ia Ia dicha villa de briones; y dende a poco, volbiendo este testigo para su casa a Ia dicha villa tono otra bez a topar con el dicho peregrino, el qua! estaba hechado debaxo de vnos almendros, que dizen que son de gaspar de villodas, vezino de Ia dicha villa, que estan en vna heredad que esta junto al camino que biene de Ia dicha villa a Ia dicha hermita; y alli el testigo se le torno a quitar el sonbrero al dicho peregrino y le dixo: "deo gra~ias, padre"; y el dicho peregrino baxo Ia cabeza y hizo Ia obedien~ia a este testigo, y ansi se quedo alli, y este testigo se vino a su casa a Ia dicha villa; y que en todo esto el dicho peregrino no hablo cosa ninguna ni este testigo le entendio cosa ninguna. despues de salido de Ia dicha casa el dicho peregrino y despues de aver sentido Ia salud en su persona que dicho y declarado tiene, esta que declara y Ia dicha maria, su hija, y martin, su hijo, subieron arriba a Ia dicha su casa y comieron entre si vna de las dichas ra~iones del pan que ! es avia dado el dicho peregrino, y estandolo comiendo y aviendo hecho sopas dello, esta que declara ! es dixo a los dichos sus hijos si querian mas pan y ellos dixeron que no querian mas pan porque avian comido lo que ! es cumplia, y ansi mismo esta que declara; e que Ia dicha ra~ion de pan podia ser fasta medio quarto de vn quartal de pan y hera de torta; y avnque, como dicho tiene, comieron esta que declara y los dichos su hija e hijo de Ia dicha ra~ion de pan, no Ia pudieron acahar y quedaron muy contentos y satisfechos. Anhang 90 Mari garcia, Ia biuda, abiendo jurado en forma devida de derecho, dixo que ocho dias, poco mas o menos, antes de sant miguel que agora paso, vino a este lugar de alcova vn man~ebo vestido con vn sayo negro y vna ropa xada y vnos cal~ones pardos; y esta confesante estava mala en Ia cama y oyo dezir que aquel mancebo se llamabaJuan despera en dios y enton~es le ynbio [unleserlich] con vna hija suya que IIegase y el fue en esto y que, hablando con ella, le dixo que abia cometido vn ~ierto pecado syendo muchacha y le dixo mas que tenia cargo de vn anima que hera su segundo marido y que aquel anima estava penando en penas de purgatorio. Y que las llamas del fuego le salian por Ia boca, y que estava pediendo justi~ia a dios contra ella, y que hera ne~esario, para que ella quedase libre, que hiziese dezir por aquella anima tres novenarios de nueve dias, el vno en el sepulcro de jesu cristo en jerusalem, el otro en roma y el otro en santiago. Y esta confesante le dixo que como podia ella cumplir aquello en tan brebe tiempo. Y que le respondio que eillebaha cargo de contra seis personas y que se encargaria della, que fuese syete; y esta confesante fue a su madre y le rogo que le prestase doze reales para dar aquel man~ebo. Y que en tanto que no se los pagara se aprobechase de vn buey suyo. Y sy no se los daba, que los buscaria en otra parte, y dize que lo hiziera syno que su madre le dixo que hera <?page no="499"?> Anhang 489 cosa de burla, que mas ne'<esidad tenia ella de los dineros que no aquel a quien los queria dar y que por este respeto no se los dio; mas esta confesante que pregunto deste man'<ebo que quien hera y el respondio que hera juan despera en dios . Y que al tiempo que llevaban a cru'<ificar a jesu cristo el estaba en Ia calle de Ia amargura en vna tienda de vn zapatero. Y que salio con vna horma dandose golpes en Ia mano. Y diziendo: "jvaya, vaya, el encantador, hijo de Ia encantadora! " Y que respondio cristo: "yo yre, iY tu quedaras para syempre jamas! " Y que luego mostro a esta confesante vna horma seiialada en Ia vna mano e que cree que hera Ia yzquierda y Ia seiial estaba desde Ia coyuntura baxa del dedo pulgar hasta Ia raya que traviesa Ia mano. Fue preguntada si le avia dicho quese confesase con el o Ia avia asuelto. Dixo que no, pero que deziendole del pecado que avia cometido syendo muchacha, le dixo sy pedia perdon a dios y a el penitencia, y esta confesante dixo que sy. Y entonces elle dixo: "dios os perclone por su misericordia", pero que no le puso penitencia ni Ia absolbio. Anhang 91 Juan. - Una cosa se me acuerda que os quise hoy replicar quando hablabamos de los ospitales, y habiaseme olvidado, y es: si fuese ansi que no hubiese ospitales, ~que harian tantos pobres peregrinos que van donde vos agora de Francia, Flandes, ltalia y Alemaiia? ~d6nde se podrian aposentar? Pedro.- EI mejor remedio del mundo: los que tu biesen que gastar, en los mesones, y los que no, que se estubiesen en sus tierras y casas, que aquella era buena romeria, y que de alli tubiesen todas las devociones que quisiesen con Santiago. ~ Que ganamos nosotros con sus romerias, ni ellos tampoco, segun Ia intenci6n? que el camino de Hierusalern ningun pobre le puede ir, porque al menos gasta quarenta escudos y mas, y por alla maldita Ia cosa les aprobecha pedir ni importunar. Luego si hubiese tantas Hierusalemes, y tantas cruzes, y lanzas y reliquias como estrellas en el cielo, y arenas en el mar, todas ellas no valdrian tanto como una minima parte de Ia hostia consagrada, en Ia qua! se enzierra el que hizo los eielos y Ia tierra, y a Hierusalem, y sus reliquias, y esta veo cada dia que quiero, que es mas: ~quese me da de lo menos~ quanto mas que Dios sabe quan poca pa'<ien'<ia lieban en el camino y quantas vezes se arrepienten y reniegan de quien haze jamas voto que no se pueda salir afuera. Lo mesmo siento de Santiago y las demas romerias. [ .. .] ~no mirais quanto bord6n y calabaza? ~c6mo campeanlas plumas de los chapeos? Para mi tengo que se podria hazer un buen cabezal de las plumas del gallo de seiior Sancto Domingo. Bien haya gallo que tanto fructo de si da. Si como es gallo fuera oveja, yo fiador que los paiios vaxaran de su pre'<io. ~ Pensais que si el clerigo que tiene cargo de rrepartirlas hubiera querido tratar en ellas, que no pudiera haber embiado muchas sacas a Flandes? Anhang 92 No quise diuertirme en el discurso de Ia historia a cosas que pudiera, por no salir de las reglas que ella pide, y no mostrar mas desseo de escreuir que de historiar; ni tampoco Ia dexo tan seca y tan desnuda, que no vaya vestida y adornada delas flores y ropage que me parecio le venian bien. Esteeselorden y el intento, en mi no fue vno <?page no="500"?> 490 Anhang solo, sino dos: el vno, es dar a conocer al mundo vn santo, que en el cielo es tan conocido; el otro, hazer lo que me mandaron. [...] predicauase el santo a si mismo, porque alli no tenia otro predicador, y a si mismo se dezia desta suerte: "Ora bien Domingo, ya soys ermitaiio, y aueys alcan~ado el estado que tanto desseauades, con el es menester mudar Ia vida, y comen~ar otra de nueuo, muy diferente de Ia que hasta aqui se ha tenido: lo passado sea passado, que basta lo que hasta aqui aueys dormido y empereceado en el seruicio de Dias; menester es poner freno a todos vuestros impetus y resabios, es menester pelear con animo y valentia con vos mismo hasta matar vuestros vicios y reueses, morir al mundo y viuir a solo Dias. Procurad hazer bien lo que deueys y no lo que hazen muchos, el camino que aueys tomado es el estrecho que no lleua a Ia vida, es necessario estrecharos y caminar varonilmente, aunque cueste mil vezes Ia vida a cada passo, mirad que el Cielo no se hizo para follones y araganes, gente valiente y esfor~ada es Ia que lo ha de alcan~ar, procurad ser vno dellos, porque no teneys mas de vna alma, y si ella se pierde soys perdido . [..] sea lo que fuere, que esto no nos importa mucho, aunque importara que otros huuieran trabajado algo, en que no se esureciesse tanto Ia verdad destos successos santos, para que ahora no anduuieramos tan a tino en muchas cosas, particularmente auiendo de resultar de aqui tanto prouecho. No es poco el que Ia yglesia recibe, de quese de noticia a sus fieles de las vidas de los santos y seles pongan delante de los ojos los exemplos raros de virtud de aquellos que siendo de nuestra misma massa, hombres de carne y sangre como nosotros, sugetos a las mimas miserias que nosotros, trataron con tanto cuydado el negocio de su saluacion y cayeron en Ia cuenta de lo mucho que ! es importaua, [...] importa (como digo) esto mucho a Ia yglesia, para que con esto se animen sus hijos a hazer otro tanto como estos hizieron. [... ](porque he de pensar yo que el que veo viuir y morir en esta tierra y aqui le conoci toda Ia vida, es natural de otra? Anhang 93 Quiso enseiiarle letras y que tratasse de cosas de estudio, pero Dios, que queria ser su maestro en todo, no quiso que las aprendiesse de otro[ ...]. [...] y asi, solo quiero dezir lo poco que della nos dexaron escripto los antiguos fue tan poco que aun no se acordaron de dezirnos que enfermedad fue Ia vltima que le dio. Lo quese piensa, por cierto, es que fue vna fiebre aguda, Ia qua! (como el santo estaua tan gastado con los aiios, ayunos y asperezas) tuuo poco que gastar en el, y assi lo acabo muy presto. Era de su natural disposicion, hombr e venerable, de lindo rostro y facciones, algo roxo y muy dispuesto. EI bu! to de su sepulchro y otros muchos retratos deste santo muestran auer tenido cerca de ocho pies de estatura, que a esta cuenta era grande hombre, y assi auia ello de ser para que en todo fuesse grande. EI habito que traya era [...] casi, y aun sin casi, y era el mismo que vsa ahora Ia sagrada Religion de mi glorioso san Hieronymo. [...] Esta le parecio tan bien a nu e stro santo, que dozientos aiios antes que en Espaiia naciessen los Monges de san Hieronymo, quiso el vestirse della [...]. <?page no="501"?> Anhang 491 Anhang 94 Milagro I Vna mo~a llamada Catalina de Foncea, natural de Ia casa de Ia Reyna, que es dos leguas de Ia Ciudad de santo Domingo, de cierta enfermedad que tuuo, quedo muda y sorda. Estuuolo por espacio de cinco aiios, sin que en todos ellos jamas pudiesse hablar pabra, ni oyr cosa alguna. Al cabo deste tiempo vino a Ia Ciudad de santo Domingo,con intencion de visitar el cuerpo del glorioso santo y pedirle remedio de sus males. Hizolo assi, que entrando en su yglesia, y visitando primero Ia capilla mayor de Ia santissima Trinidad, luego se fue al sepulchro del santo, a donde se hinco de rodillas, y se estuuo desde vn Sabbado a las cinco de Ia maiiana, hasta Ia misma hora del Lunes siguiente. Entonces, boluiendo a visitar el Altar de Ia santissima Trinidad, y andando otras estaciones y Altares de aquella santa yglesia, quando llego a Ia Capilla del santo, sintio que Ia lengua se le soltaua y, comen~ando a menearla, hablo dizindeo: "ValgameDios del Cielo, ~que ha sido ahoraesto? " Luego tras esto, comen~o a hablar tan sueltamente, como si tal por ella no huuiera passado. Boluiose a Ia Casa de Ia Reyna, donde sus amos, y los demas que alli Ia conocian, quedaron admirados de nouedad tan grande, y todos reconocieron Ia misericordia de Dios y de su santo. La mo~a, despidiendose de sus amos, boluiose a Ia Ciudad de santo Domingo, y alli cumplio vn voto que hauia hecho de seruir dos aiios en el Hospital del santo, en reconocimiento del beneficio grande que por su santa intencion hauia recibido. Succedio este milagro el aiio de mil y quinientos y cinquenta y seys, a quinze de Febrero, como consta por las informaciones que del se hizieron, ante el Licencicado Francisco de Bergan~o, Prouissor de este Obispado, y ante el Licenciado Bazan, Corregidor de Ia ciudad del santo. Passaron las informaciones ante Bartolome de Castro Notario y Francisco del Castillo, escriuano Real, y de los del numero de aquella Ciudad. Milagro II Este mismo aiio succedio que vna muger llamada Catalina, vezina de Graiion, muger de Pedro Grarca del Oyo, estaua deshauziada ya de los Medicos y muy sin esperan~a de vida. Tenia ya perdidad Ia habla y grandes dolores del cora~on, con todo esso pudo leuantarle al Cielo y, acordando se del milagro que el santo hauia hecho con Catalina de Foncea, de quien hablamos en el milagro passado, com e n~o a ecomendarse al santo com muchas veras y deuocion. Hizo algunos votos, y promessas en su seruicio, y al punto que esto hizo, comen~o a hablar y, boluiendo en si del todo, quedo luego sana milagrosamente. <?page no="502"?> Resurnen Los milagros de las mendigas. Relatos de enfermedades y curaciones en Burgas y Santo Domingo de Ia Calzada (1554-1559) Esta tesis doctoral trata el tema de los relatos de milagros en la Espafia de mediades del siglo XVI adoptando un enfoque interdisciplinar que auna Ia historia social y econ6mica, Ia etnografla (sobre todo, la literatura popular europea) y Ia historia de Ia religi6n. La investigaci6n se centra en el area geografica situada entre Burgos y Santo Domingo de Ia Calzada, y se ocupa del periodo que va de 1554 a 1559, un momento de especial importancia para el catolicismo, en general, y paralas peregrinaciones, en particular, por los cambios que acompafiaron al Concilio de Trento . EI trabajo esta dividido en tres partes. En Ia primera, se estudia un libro de milagros publicado en Burgasen 1554. En Ia segunda, se analizan cinco procesos ("informaciones") llevados a cabo por un tribunal eclesiastico (no inquisitorial) en Santo Domingo de Ia Calzada con el finde averiguar si las curaciones milagrosas que varias mujeres pretendian haber vivido eran ciertas o no. En Ia tercera, se contrastau las descripciones de algunos de estos casos con las versiones que de ellos ofrece una hagiografla de santo Domingo de Ia Calzada publicada a principios del siglo XVII. Ellibro analizado en Ia primeraparte (capitulos 2,3 y 4) es Ia Hystoria de como fue hallada la ymagen del sancto Crucifixo que esta en el monesterio de sancto Augustin de Burgos. En el capitulo 2 se dedica singular atenci6n a las representaeiones del mundo soeial eontenidas en esta obra, y en espeeial a los diferentes papeles atribuidos a los hombres y a las mujeres. La categoria analitica del genero permite profundizar en el estudio de los personajes de los relatos de milagros, y estudiar, al mismo tiempo, las imagenes que estas narraeiones transmiten de Ia riqueza o de Ia pobreza, de las difereneias estamentales o soeiales. Los autores del libro eran monjes agustinos que, partiendo de relatos orales reeogidos en los manuscritos de su monasterio, redactabau nuevas versiones de los milagros ereando asi narraeiones aptas para Ia publieaei6n (eapitulo 3). Su obra es un ejemplo de uno de los tipos de leeturas mas populares del siglo XVI en Espafia. EI publico Ieetor era un publieo minoritario por tratarse de una soeiedad eon redueidos Indices de alfabetizaei6n, pero debe reeordarse que esta clase de obras llegaba a otros gupos sociales graeias a Ia gran importaneia que entonees tenian proeesos semiliterarios eomo la leetura en voz alta. El problema de Ia ereencia en los milagros es abordado en relaei6n eon el tema del reehazo de Ia literatura de ficci6n por parte de los autores religiosos. En el siglo XVI, los te6rieos neoplat6nieos y neoaristotelicos se enfrentaron en una polemica que giraba en torno a la literatura de ficc i6n (capitulo 4). Los monjes burgaleses eritieaban este tipo de literatura por eonsiderar que solo contaba mentiras a los leetores, mientras que su obra se ocupaba de heehos verdaderos. La eomparaci6n de los relatos de milagros eon algunos episodios del Lazarillo de Tormes (que fue publieado en el mismo afio y por el mismo editor que ellibro aqui estudiado) permite mostrar hasta que punto podian diferir las prefereneias y Ia eredulidad de los Ieetores en una misma epoca y en un mismo lugar. Al estudio sobre ellibro de milagros se aiiade al final de esta primera parte un eapitulo sobre el coneepto de milagro en aquel tiempo (eapitulo 5). Paramatizar este <?page no="503"?> Resurnen 493 concepto, se toma el ejemplo de un caso concreto: los primeras irrtentos de ensefiar a los sordos el lenguaje oralllevados a cabo en el monasterio benedictino de San Salvador de Oiia, un aprendizaje que fue considerado por algunos como un milagro. La segunda parte de Ia tesis doctoral se ocupa de los procesos celebrados en Santo Domingo de Ia Calzada entre 1556 y 1559, adoptando, por lo tanto, una perspectiva microhist6rica. Esta perspectiva permite definir con cierta nitidez las relaciones de interdependencia existentes entre los aspectos materiales e irrmateriales de Ia vida cotidiana sin perder de vista el caracter heterogeneo de Ia realidad del pasado y sin caer en generalizaciones sobre tendencias culturales aisladas del contexto social. La tradici6n local sobre santo Domingo incluia entre sus milagros el de Ia gallina y el gallo, una de las narraciones de este tipo mas difundidas por toda Europa y atribuida a diferentes santos en otros Iugares (capitulo 6). Los peregrinos jacobeos Ia recogian en sus relatos de peregrinaci6n, pero considerando a Santiaga como el santo intercesor. A mediadas del siglo XVI se produce un cambio importante. EI entonces obispo de Calahorra y Ia Calzada, Juan Bemal Diaz de Luco, destacado reformador eclesi: istico que particip6 en en Concilio tridentino, tenia interes en que se llevasen a cabo investigaciones sobre los milagros del santo partiendo de comprobaciones hasta cierto punto racionales. Aunque muri6 en 1556, sus sucesores continuaron en Ia misma linea. EI cabildo de Ia catedral calceatense, por su parte, deseaba que se demostrase Ia veracidad de los milagros, por lo que sus representantes aceptaron participar activamente en el desarrollo de los procesos quese celebraron con este fin. La primera curaci6n milagrosa investigada fue Ia de Catalina de Foncea en 1556, una joven que durante Iargo tiempo no pudo hablar (capitulo 7). Se analiza primero el contexto comunicativo del interrogatorio viendo c6mo Ia interacci6n entre los declarantes, por un lado, y los jueces y los notarios, por el otro, expresa simb6licamente Ia desigualdad social existente entre ellos. A continuaci6n se pasa a recons truir Ia vida de Catalina como criada y como mendiga durante su enfermedad, es decir, su experiencia personal de Ia pobreza. La influencia de Ia doctrina de Ia caridad de los te6logos espaiioles de Ia epoca en las ideas de los clerigos del cabildo que se interesaban por Catalina es abordada en un excurso que juzga, ademas, las opiniones del obispo Juan B. Diaz de Luco sobre Ia donaci6n de limosnas. Los puntos de vista y las explicaciones que Catalina da sobre su enfermedad durante el proceso son contrastados con los de los testigos y, en particular, con los del cirujano que Ia atendi6. Queda asi claro que las versiones de Ia curaci6n que los clerigos aportan, difieren de las de Ia "miraculada". Catalina no acudi6 al sepulcro del santotras haber intentado ser curada por otros medios y no percibir perspectivas de mejoria, tal y como los clerigos sostenian, sino porque temia ser operada por el cirujano y creia que se curaria en Ia catedral. Los clerigos, jueces y notarios pretendian demostrar fehacientemente que solo Ia intercesi6n del santo habia podido lograr el milagro de Ia restituci6n del habla y que Ia curaci6n no hubiese sido posible por ningun otro medio. Poco despues del final de este proceso, los clerigos calceatenses dieron credito a otra mujer, Catalina de Graii6n, que tambien afirm6 haberse curado de una enfermedad de garganta acompaiiada de fiebres que le impedia hablar (capitulo 8). Dado quese trataha de una mujer perteneciente a Ia elite local de Graii6n, casada y emparentada con un clerigo, los unicos testigos interrogados fueron ella, su marido y el hermano de este, el clerigo. Todos coincidieron en considerar milagrosa Ia curaci6n y fruto de Ia intercesi6n del santo. Las historias y curaciones de las dos mujeres siguientes, Catalina de Flores y Casilda del Rio, estan Intimameute relacionadas con Ia vida de cada dia en los peque- <?page no="504"?> 494 Resurnen iios hospitales locales y, en concreto, en el hospital de Santo Domingo de Ia Calzada. EI capitulo 9 se ocupa de este hospital y de algunas de sus funciones sociales. EI hospital era una instituci6n favorecedora de Ia comunicaci6n y, en especial, de las narraciones y conversaciones cotidianas sobre Ia salud. Los milagros constitufan verdaderos acontecimientos narrativos paralos que allf trabajaban o residfan, por lo que no es de extraiiar que los testigos prestasen gran atenci6n a todo lo relacionado con las miraculadas. Catalina de Flores, de Ia localidad de Briones, no pudo ingresar en el hospital de Santo Domingo cuando lleg6 con las piernas tullidas a Ia ciudad (capftulo 10). La negativa del administrador del hospital gener6 un conflicto que solo se resolvi6 al curarse Catalina. Tras haber participado en una novena ante el sepulcro del santo, logr6 volver a andar. Al igual que otras mujeres cuyas curaciones eran consideradas fruto de un milagro, pas6 entonces a servir en el hospital. Casilda del Rfo, que trabajaba en Burgos como criada en 1559, cay6 enferma y fue despedida (capftulo 11). Con las piernas tullidas comenz6 a vagar por Ia ciudad y zonas vecinas. Vivi6 de Ia mendicidad y fue acogida en casas particulares y hospitales de Ia ciudad y de regiones rurales cercanas durante cortos perfodos de tiempo, hasta que logr6 curarse en Ia catedral de Santo Domingo. En las declaraciones de su proceso queda reflejado el tipo de relatos cotidianos que los enfermos contaban mas frecuentemente sobre sf mismos: historias tristes en las que aclaraban a sus interlocutores c6mo habfan llegado aperder su anterior estatus social como consecuencia de Ia enfermedad que sufrfan. Finalmente, se trata el caso de Marfa de Aperrigui, una viuda de cuarenta aiios de Ia localidad de Briones, que estuvo nueve meses paralizada en Ia cama y que tuvo una visi6n en Ia quese le apareci6 el santo vestido de peregrino de Santiago en su habitaci6n (capftulo12). Su descripci6n de Ia visi6n recuerda a eiertos modelos hagiograficos anteriores. En su declaraci6n aparece una mezcla de dementos pertenecientes al simbolismo propio de Ia eucaristfa y de Ia caridad. Los testigos, por su parte, hacen hincapie en los problemas derivados del cuidado de Ia enferma en el ambito privado. Se percibe asf Ia importancia de las redes sociales de ayuda mutua tanto familiares como vecinales para sobrellevar Ia enfermedad. La tercera y ultima parte del estudio compara las historias de las curaciones de las dosprimeras mujeres con los textos que sobre estas se encuentran en Ia hagiograffade santo Domingo de Ia Calzada. Escrita a principios del siglo XVII por Luis de Ia Vega, un monje jer6nimo, esta obra busca tambien aumentar Ia fama del santo, pero su autor defiende ideas distintas a las de los clerigos calceatenses de mediados del siglo XVI en algunos aspectos concretos, como por ejemplo en los relacionados con Ia pobreza y Ia caridad. Asf, los relatos de los milagros, repensados y convertidos de nuevo en lectura, se divulgaban con un significado revisado y renovado, un significado siempre inmerso en un proceso de transformaci6n. <?page no="505"?> Personen- und Ortsregister Das Register erfasst neben dem Haupttext auch Namen aus den Anmerkungen, sofern sie nicht in bibliographischen Angaben auftauchen. Da alle im Anhang in der Originalsprache wiedergegebenen Quellen im Haupttext auf Deutsch übersetzt sind, werden die Anhänge nicht erfasst. Abweichend vorn streng wissenschaftlichen Gebrauch sind nicht alle mittelalterlichen Personennamen (bis Anfang 16. J ahrhundert) unter dem Vornamen angeführt, da sich in zahlreichen Fällen aus dem 15. Jahrhundert ein dynastischer Gebrauch der Geschlechternamen entwickelt hat (z. B. Ilsung, Örtel). Die Namen der spanischen Herrscher werden auf Spanisch angeführt ausser die Katholischen Könige lsabella und Ferdinand, Karl V. und Philipp II. Nur bei den Namen, die mit anderen verwechselt werden könnten, werden die Berufe (z. B. Drucker) oder der in den Quellen erwähnte Titel (z.B. D oktor) zwischen Klammern angegeben. Datenangaben werden nicht angeführt, da diese im Text vorhanden sind. Es werden allenfalls allgernein übliche Abkürzungen verwendet (z. B. Hl. für Heilige). A Coruiia 154 Aigues Mortes 164 Airnericus Picaudus 140 Afrika 37 Alcala de Henares 316 Alcocer 63 Aleova 381 Alexander 111. 30 Alfonso VI. 136 Alfonso VIII. 29, 30 Alonso, Catalina 70, 73 Alonso de Cisneros, Mari 322-326 Arnadeus VIII. von Saboyen 158 Amerika 385 Anguiano, Catalina de 353 Angulo, Juan de 339 Angulo, Mariade 333 Angulo, Marinade 339, 340 Anna, Hl. 291 Antwerpen 21 Aperrigui, Juanes 301 Aperrigui, Mariade 6, 77, 83,283,351- 384 Apuleius 103, 115 Aragon 136, 239 Aranda del Duero 71 An! valo, Alonso de 303 An! valo, Diegode 355, 376 Aristoteles 128-130, 13 2-133 Arnedillo 327-328, 340 Arnedo, Juana 299 Arratia 202 Arzendjan, Martyr von 153 Ausin 61 Azpilicueta, Martfn de 219 Baraylo, Hebraen el 42 Barcelona 86 Barcelos 155 Basel15, 165 Basilea, Isabel de 86-87 Basilea, Fadrique de 86 Baskenland 202, 228, 230 Bayern 34 Bazan, Diegode 184, 187,255,257,259 Belorado, Catalina 299 Benito, Juan 61, 62 Bernardo, Hl. 49 Bertrandus, Nicolaus 148 Böhmen 146 Borgoiia, Juan de 324 Briones 283, 296, 300-304, 327, 353, 355,357-358,364,375,377,378 Brügge 21 Brüssel316 Bureba 225, 314, 328, 334 Burgos, 3, 5, 9,10-22,35, 37,39-41,47, 49-50, 54, 59-60, 64, 70-71, 79, 80, 85 - 86,93,95,99,109- 110,112,123, 127, 155, 162, 179, 191, 194, 204- <?page no="506"?> 496 Personen- und Ortsregister 205, 225, 250, 285, 288, 293, 294, 313, 315-317, 319, 321-324, 327, 331, 332-334 Burgos, Pedro Alonso de 82, 92, 95-98, 101 Burgund 87 Cabredo, Alonso de 183, 187, 259, 262, 264,275 Caesarius von Heisterbach 144 Calahorra 77, 78, 175, 176, 177, 179, 183, 187, 224, 228, 230, 285, 288, 295, 313 Calixt II. 140 Cameiio 335, 338 Cameiio, Marfa de 334 Camero 327 Campillo, Juan de 327, 328 Campo, Antonio del67-68 Camprobfn, Catalina de 348 Cantabria 387 Cantadilla, Pedro de 111 C.inova, Alexandro de 87 Caiias 191 Caiiillas 191 Carcasona del Campo 262 Carrasco, Tomas 113 Carrillo, Juan 189 Cartagena, Alonso de 32 Cartajena (Doktor) 179, 231, 234, 239 Casalarreina 179, 191-192, 199, 202, 204-205,226,246,250,252,282 Castaiiares 189, 191-192,201,204,207- 209,222,228-229,245 Castaiiares, Juana de 201 Castro, Bartolome de 256-257, 259 Castrojeriz 75 Coria 316 Castrillo 317 Christina von Markyate, Hl. 360-362 Cid 26,41 Cirate, Catalina de 374, 377 Cirate, Pedro de 374 Ciruelo, Pedro 241-243,251,272-275 Cirueiia 191 Cisneros, siehe Jimenez de Cisneros, Francisco Clemente Sanchez de Vercial148 Confalonieri, Giovanni Battista 154- 155 Contreras, Pedro de 191 Corporales 174 Cortaza, Marfa de 345-346 Covarrubias, Sebastian de 67, 128, 274, 349 Crespo, Juan 202, 233-235, 239, 247 Cubo, Juan 330-331, 339 Cuenca 89, 91, 285 Cuesta, Marfa de Ia 336 Cueva, Pedro de Ia 65 Davalos, Gonzalo 193, 201, 245 Deutschland 142, 168 Dfaz de Luco, Juan Bernardo 175-178, 183, 187, 210, 211-213, 217-225, 241,245,269,273,295 Domfnguez, Jer6nimo 353, 377 Domingo de Ia Calzada, Hl. 6, 8, 9, 105, 136-139, 150- 151, 164, 171-173, 177, 179-180, 184-187, 190-193, 199, 228, 231, 243, 246-247, 249- 252, 255-261, 273-274, 279, 281- 282, 287-290, 292-296, 308, 311, 314, 328, 340, 342-343, 345, 348, 351-352, 358-359, 362, 373-374, 377, 379, 384-396 Elisabeth von Thüringen, Hl. 62 Encina, Alonso de 65 Erasmus 114, 177,211,251, 316, 369 Escorial385 Estrella 374 Eustache de Ia Fosse 153 Feij6o, Benito 132 Felipe el Hermoso (Philipp der Schöne) 28 Felix V. 158 Ferdinand Il. der Katholische (Fernando II el Cat6lico) 24 Fernan Gonzalez 41 Fernandez, Alonso 322-324, 326 Fernandez, Alonso (Kostpfründncr) 295-299, 305-308, 313, 315, 317, 319,327,334,340,343,351 Fernandez, Sancho 337 Fernandez de C6rdoba, Diego 295 Fernandez de C6rdoba, Gonzalo 26 Fernandez de Velasco, liiigo 40 Finck, Caspar 152 Fisterra 157 Flandern 18-22 Florenz 21, 169 Flores, Catalina de 6, 73, 83, 277-279, <?page no="507"?> Personen- und Ortsregister 497 291, 295-312, 320, 331, 344-346, 348, 353 Flores, Pedro de 296, 300 Foncea 191, 204 Foncea, Catalina de 6, 183, 178-255, 259-260, 263, 273, 275, 279, 282, 295-300, 308, 310-312, 323, 329, 353, 390, 392-394 Foncea, Pedro de 179, 187, 191 , 204 Fontana, Bartolomeo 15, 154, 156, 164, 166, 168-169, 171 Fontanel, Juan 47-48 Fonseca, Antonio de 41 Forment, Damian 262, 287 Frankreich 21 Fresneda, Bernardo de 285 Frfas, Damaso de 225 Frfas 179, 192, 195,202, 204, 226, 231, 235 Fuente, Juan de Ia 359 Fulda 160 Gadillo, Gutierre del 46 Galbarriz, Catalina de 319, 336, 340 Galicien 159, 224, 292 Gallego, Alonso 362-363 Gallinero 174 Gallo, Aldonza 333 Garcfa, Alonso 226 Garcfa, Andres 337 Garcfa, Francisco 333 Garcfa, Juan 301 Garcfa, Lope 124 Garda, Mari 3 81 Garcfa del Oyo, Pedro 255, 256, 258, 260,265-268,270-272,275,392 Garcfa de Orense, Pedro 36 Garcfa Marr6n, Juan 299, 302-303 Gayangos, Juan de 359 Gayangos, Marfa de 353, 355-357, 359, 365-367, 371, 374 Gayangos, Pedro de 257, 259 Ghillebert de Lannoy 153, 155 G6mez, Francisco 201, 207, 246, 247 G6mez, Ines 63 G6mez, Juana 57 G6mez, Mari 179, 182, 192, 199-202, 204, 226, 228-229, 231, 235-237, 239-240,246,249,252,323,393 Gonzalo de Berceo 147 Granada 34-35, 37-38 Graii6n 255-256, 258-259, 262, 264, 394 Graii6n, Catalina de 6, 83, 178, 210, 255-276,295,300,392-393 Gratian 222 Grisaleiia 327, 332, 334 Guadalupe 380 Guevara, Antonio de 268 Gutierrez de Ia Fuente, Pedro 75-76, 78 Harff, Arnold von 154-155, 163-164 Haro 180, 231, 300-301 Hermann von Fritzlar 146 Hermann Künig von Vach 154, 155, 160-162 Hernandez, Ant6n 63 Herramelluri 284, 334 Herrera, Antonio de 63-64 Ilsung, Sebastian 153, 155, 158-161 Isabella I. die Katholische (Isabel I Ia Cat6lica)17, 23, 24-28 Italien 168, 317 Jakobus, Hl. 36, 139, 141-143, 146, 149- 151, 157, 160-161, 166, 171-172, 228,261 Jakobus von Voragine 144 Jerusalem 36, 360, 381 Jimenez de Cisneros, Francisco 25 Johannes ante portam Latinam, Hl. 261 Juan Il. 31 Juan (Infant von Kastilien) 27-28 Juan de Ortega, Hl. 174 Julian, Hl. 29-30 Julius III. 129, 316 Junta, Juan de 10, 86-87, 94 Kar! V. (Carlos V.) 22, 28, 40-41, 149, 177, 213 Kar! der Grosse 159, 169 Kastilien 1, 11, 38, 71, 136, 293 Klara, Hl. 54 Laguna, Marfa 299, 302-304 Laguna, Marinade 299, 301-303 Laguna, Pedro 299, 301-304 Lalaing, Antoine de 154 Lasso (Lizenziat) 128-129, 133-134 Leo von Rozmital13, 153 Le6n 159, 171 Le6n, Fray Luis de 43 Lerma, Alonso de 317 Lesmes, Hl. 17 <?page no="508"?> 498 Personen- und Ortsregister London 21 L6pez, Pedro 347 L6pez de Herrera, Juan 353, 375 Loreto 15, 165 Lubiano, Francisco 262 Lucas, Alonso 329 Ludwig von Savoyen 158 Luther 369 Malaga 37 Maluenda, Aldonza de 54-55 Maluenda, Luis de 20, 39 Manso de Zuiiiga, Pedro 385 Manzanares 174 Margarete von Österreich 28 Marfa Magdalena 344, 345, 347 Marfn, Juan 259 Marineus, Lucius 149, 151, 167 Marmellar de Yuso 79 Marroqufn, Pedro de 111 Martfn, Francisco 226-227 Martfn, Mari 192, 194, 226-228, 235 Martfnez, Catalina 333 Martfnez, Juan 334 Martfnez, Pedro 299 Martfnez, Vfctor 342, 347 Martfnez del Campo, Lizaro 299 Martinus von Tours, Hl. 144 Mata, Martfn de 322 Medina, Alonso dc 87 Medina del Campo 20-21, 40, 380 Medina, Juan 214,217 Mediola, Pedro de 78 Melgar, Andres 362-363 Melgosa 327, 334 Mena, Hernando de 334 Mendoza, Fernando de 317 Mendoza y Bobadilla, Francisco de 315-316,319 Menocchio 190 Mexfa, Vicente 268 Michael, Hl. 381 Montpellier 164 Mont Saint-Michel164 Montes de Oca 204, 293-294 Montserrat 15, 95-96, 101, 165 Morua,Juan 313 Mota, Antonio de Ia 63 Murcia119 Muxfa 16, 160, 168, 170 Nantes 21 Navagero, Andrea 10-11, 15 Navarra 136, 293 Nicolas de Tolentino, Hl. 90 Nikolas V. 123 Nikolas von Popplau 153, 155 Nompar de Caumont 147, 153, 155- 158, 161, 167 Olmo, Juan del 79 Olmo, Pedro del79 Oiia 127-128, 130, 132 Oran 35-36 Ortega, Juan de 336 Örtel, Sebald 154, 155 Ortiz, Gonzalo 65 Ortiz, Luis 219 Ortiz de Aperrigui, Francisco 353, 355, 371-372 Ortiz de Aperrigui, Juan 353 Oyo, Martfn del255-260, 262-268, 270- 273,275 Pacheco, Marfa 41 Padilla de Suso 75 Padr6n 157, 171 Pamplona 293 Pancorbo 232 Pardo, Clara 324-325 Pare, Ambroise 253 Paul II. 124 Pau! III. 316 Perez, Elvira 330, 338 Perez, Juan 124 Perez de Valluercanos, Mari 139 Petrus, Hl. 37 Philipp Il. (Felipe II.) 9, 22-23, 82, 85, 98-99,176,232,261,285 Philipp, Hl. 261 Piernigas 327, 336 Platon 102, 128 Portugal41, 155 Poza, Marfa 330, 332 Ponce de Le6n, Pedro 127-132 Poitou 140 Quintanillade San Garcfa 327-328, 330, 339 Quintilian 119 Quintano, Martfn 337, 338 Quirino, Vicentio 15 <?page no="509"?> Personen- und Ortsregister 499 Ramiro, Diego (Doktor) 315-317 Rauscher, Hieronymus 151 Rem, Lucas 154 Rfo, Alonso del314, 340 Rfo, Casilda del 6, 73, 77, 83 , 87, 277, 279,307,313-350,353 Rfo, Marfa del 330 Rfocerezo 327, 333 Rioja 10, 80, 136-137, 155,225,293,363, 380 Rioseras 205, 327, 337 Robledo 327, 333, 337 Rochus, Hl. 362 Rodrigo de Valencia, Juan 175 Rodrfguez, Ant6n 329 Rodrfguez, Domingo 323 Rodrfguez, Juan 322-323 Rodrfguez, Mari 322-323, 347 Rojas 327, 336 Rom 115, 165, 360, 381 Ru bio, Juan 299 Rublacedo 327, 329, 337 Ruesga, Marfa de 334 Ruiz, Antonio 380 Ruiz de Cerca, Juan 334 Ruiz de Ecerfn, Juan 202 Ruyz de Para, Juan 202 Rujeran, Juan de 35 Rusaenz, Juan 333 Saenz, Mari 299, 303-308 Saenz, Marfa 71 Saenz de Corral, Lope 192, 201-202, 204,207-208,229,233-234 Saenz, Juan 334 Sahagun 127 Sagra de Toledo 119 Salamanca41, 86,211,213-214,217,316 Salamanca, Agueda de 49 Salazar, Francisco de 201-202, 204, 207 Salinas, Francisco de 50 San Cebrian de Mayuela 70 San Millan de Yecora 340 Sanchez, Marfa 37-38 Sanchez de Medrano, Pedro 35 Sanchez de Vercial, Clemente 148 Sancho IV 83 Santiago, Juan de 65 Santiago de Compostela 2, 13-16, 142, 149, 153, 155, 157-158, 160, 163, 165, 167, 170-171, 173, 191, 226, 292,294,360,381, Santo Domingo, Juana de 50, 51 Santo Domingo (Doktor) 255, 258 Santo Domingo de Ia Calzada passim Schaschek von Birkow, Wenzeslaus 13, 165 Schönbrunnen, Heinrich 154 Segovia 21, 41,60 Seneca 128 Sesma, Bernardino 179-187, 193, 197, 202-203, 207, 227-228, 231-232, 235, 238-240, 242, 247, 252, 262, 264,295,299,391 Sevilla 34, 86 Soto, Domingo de 212, 214, 215-218, 220,221,225 Soto, Isabel 333 Sotragero 337, 338 Spanien 2, 7-8, 10, 14, 16, 18, 37, 71, 77, 86, 89, 91, 93, 99, 102, 112, 123, 136, 158, 160, 163, 168, 188, 209, 219, 224,225,226,293,380,386 Tasso, Torquato 105, 106 Tetzel, Gabriel13, 14, 17, 153, 155 Teza, Catalina de 47, 48 Tobes 327, 333 Toledo 21, 40-41, 86, 119, 212,219,225, 380 Toledo, Hernando de 64-65 Tolofio 376 Toulouse 21, 141 Tomas von Aquin 221 Tosantos, Estefanfa 325 Torre, Rodrigo de Ia 87 Torres (Doktor) 351 Tovar, Juan de 127 Trento 175 Utrecht, Adrian von 40 Vacha 160 Valdivielso, Juan de (Drucker) 87 Valdivielso, Juan de 52, 53 Valdivielso, Marfa de 52 Valencia 86, 211 Valencia, Francisco de 296 Valencia,Juan de 313,314,357 Valencia, Rodrigo de 297, 313 Valentin, Hl. 46 Valladolid 34, 86, 213, 225 Vallarta 327, 334 Vallestero, Juan 334 <?page no="510"?> 500 Personen- und Ortsregister Valmaseda, Francisco 333 Valvanera 137 Vazquez, Juan 98 Vega, Luis de la 8, 105,138,151,385-396 Vega, Pedro de la 136-138, 150,386,388, 390 Venegas, Alejo de 225 Venegas, Alonso de 212,213,219,245 Ventrosa, Mariade 353, 355-356, 358 Ventrosa, Pedro de 353, 356, 375 Verganzo, Francisco de 183, 186-187, 190,210,255,257,259,295,313,391 Vesga, Andres 349 Vesal, Andre 253 Villalba, Juan de 280-287, 289-293 Villalobar 138 Villal6n, Crist6bal de 382 Villanasur204 Villaro 201, 202 Villegas, Francisco de 299, 304 Villimar 327, 329 Villoria 136, 387 Vitoria, Francisco de 211,212,214-215, 220-222 Vives, Luis 103, 211-212, 217,245, 316, 319 Vizcaya 202 Wey, William 153 Wilhelm IV. von Jülich und Berg 163 Zamora213, 217 Zaragoza 86, 293 Zarrat6n 180 Zufieda 332 Zufieda, Juan de 359 Zufieda, Marfa de 353, 355, 357-358, 366-367,371-372,374,376 <?page no="512"?> Weitere Bände aus der Reihe ]akobus-Studien: Klaus Berbers (Brsg.) 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