Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache
0202
1999
978-3-8233-3019-6
978-3-8233-5146-7
Gunter Narr Verlag
Leslaw Cirko
Für künftige Philologen und ihre Ausbilder stelt der Band ein didaktisch orientiertes analytisches Verfahren vor, mit dessen Hilfe die Konfigurationalität von Signalen erfasst werden kann, die in den Texten der deutschen Sprachen in regulären Koinzidenzrelationen (Kookkurenzen) auftreten. Die Kookkurrenzanalyse gestattet es, die verschiedenen Phrasentypen differenziert und exakt aufzufächern. Eine detaillierte Darstellung des terminologischen Apparats, zahlreiche Diagramme und Beispiele sowie exemplarische Analysen erleichtern den Einstieg in das Diskutierte Modell.
<?page no="0"?> Studien zur deutschen Sprache FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Leslaw Cirko Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache gl Gunter Narr Verlag Tübingen <?page no="1"?> STUDIEN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE 16 <?page no="2"?> Studien zur deutschen Sprache FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Herausgegeben von Bruno Strecker, Reinhard Fiehler und Hartmut Schmidt Band 16 • 1999 <?page no="3"?> Leskw Cirko Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache gnW Gunter Narr Verlag Tübingen <?page no="4"?> Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Cirko, Leslaw: Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache / Leslaw Cirko. - Tübingen: Narr, 1999 (Studien zur deutschen Sprache; Bd. 16) ISBN 3-8233-5146-X © 1999 • Gunter Narr Verlag Tübingen Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teüe ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfälügungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Satz: Volz, Mannheim Gesamtherstellung: Huberts Co., Göttingen Printed in Germany ISSN 0949-409X ISBN 3-8233-5146-X <?page no="5"?> Inhalt Dankwort 9 1. Standortbestimmung 11 11 Vorverständigung 11 1.2 Zielsetzung und Gegenstand der Arbeit 12 1.3 Vorüberlegungen zur Kookkurrenzanalyse 21 1.3.1 Grundbegriffe 21 1.3.2 Katalyse mentaler Prozesse durch den Text 29 1.3.3 Sprachusus als Faktor der Kommunikation 33 1.4 I Untergrund der Kookkurrenzanalyse 36 1.4.1 Grammatik 36 1.4.2 Sprachbeschreibungsmodell 39 1.4.3 Anhaltspunkte der Kookkurrenzanalyse 41 2. Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 56 2.1 Modell der Konfigurationalität 56 2.2 Textwörter 63 2.2.1 Einteilungsprinzipien 63 2.2.2 Funktionen der Textwörter 66 2.2.2.1 Organisatoren 66 2.2.2 2 Akkommodanten 67 2.2.2.3 Spezifikatoren 68 2.2.3 Phrasen 69 2.2.4 Verb 72 2.2.5 Nomen 73 2.2.6 Pronomen 74 2.2.7 Flektiv im engeren Sinne 75 2.2.8 Infinitiv 76 2.2.9 Partizip 77 2.2 10 Prä- und Postposition 78 2.2 11 Verbzusatz 81 2.2.12 Aflektiv im engeren Sinne 81 <?page no="6"?> 6 2.3 Topologie der Phrase 83 2.4 Resümee 85 3. Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 87 3.1 Verbalphrase 87 3 11 Allgemeines 87 3 1 2 Grundstrukturen 90 3.13 Vorderglieder 91 3.1.4 Nester 91 3.2 Nominalphrase 107 3 2.1 Allgemeines 107 3.2.2 Grundstrukturen 110 3.2.3 Vorderglieder 111 3.2.4 Nester 111 3.2.5 Kommentierungsbereich 115 3.3 Pronominalphrase 119 3.3.1 Allgemeines 119 3.3.2 Grundstrukturen 119 3 3 3 Ankündigungsbereich 120 3.3.4 Kommentierungsbereich 120 3.4 Flektivphrase 122 3.4.1 Allgemeines 122 3.4.2 Grundstrukturen 123 3.4.3 Vorderglieder 124 3.4.4 Nester 124 3.4.5 Kommentierungsbereich der Flektive 129 3.5 Infinitiv- und Partizipialphrase 130 3.6 Präpositional- und Postpositionalphrase 131 3.6.1 Allgemeines 131 3.6 2 Grundstrukturen 132 3.6.3 Vorderglieder 132 3.6.4 Nester 133 3.7 Aflektivphrase 135 3.7.1 Allgemeines 135 3.7.2 Grundstruktruren 136 <?page no="7"?> 7 3 7 3 Vorderglieder 137 3.7.4 Nester 138 4. Phrasenkombinatorik 140 4.1 Formale Phrasenkonfigurationen 140 4.1.1 Satz, Teilsatz, averbale Phrase(nkonfiguration) 140 4.1.2 Anschlusswörter, Einbettungswörter, Korrelate 142 4 1.3 Funktorenregel 151 4.1.4 Initialsignal, Initialphrase, Postinitialstellung 153 4.2 Semantische Relationen im Text 157 4 2 1 Aussageachse 158 4.2.2 Komplementarität 159 4.2.3 Lokation 160 4.2.4 Attribution 161 4.3 Phrasen in der Folge 163 4.3.1 Zum Problem der kanonischen Wortfolge 163 4.3.2 Initialbereich 165 4.3.3 Postinitialbereich 175 4.3.4 Zur Spannung im Text 180 5. Schlussbemerkungen 186 5.1 Zur Tragfähigkeit des Modells 186 5.2 Didaktischelmplikationen 187 5.3 Ausblick 190 6. Literatur 192 7. Schlüsselkategorien im Überblick 206 8. Anhang: Auswertung des Modells 213 <?page no="9"?> 9 Dankwort Viele Personen und Institutionen haben mir geholfen, mein Vorhaben abzuschließen. Mein herzlicher Dank geht vor allem an die Alexander von Humboldt-Stiftung, die mein Forschungsprojekt mit einem Stipendium gefördert hat. Ohne die in jeder Hinsicht professionelle Betreuung von seiten der Stiftung wäre die vorliegende Arbeit nicht realisierbar gewesen. Herrn Prof. Dr. Norbert Morciniec, der mir die Grundlagen des linguistischen Handwerks beigebracht hat, verdanke ich ständige Aufmunterung und wertvolle Anregungen für die in der Arbeit vorgetragenen Thesen. Den wichtigsten Teil meiner Arbeit habe ich als Gast des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim geschrieben. Herrn Prof. Dr. Gerhard Stickel, dem Direktor des IDS, bin ich für sein freundliches Entgegenkommen aufrichtig verbunden. Für die fachliche Beratung sei in besonderer Weise Herrn Prof. Dr. Joachim Ballweg und Herrn Prof. Dr. Bruno Strecker gedankt. Sie haben den Entstehungsprozess meiner Arbeit mitverfolgt und sie durch freundliche Kritik und Verbesserungsvorschläge bereichert. Ich möchte meinen Dank Herrn Prof. Dr. Ulrich Engel aussprechen, der vor Antritt meines Stipendiums viel Organisatorisches auf sich nahm und von dem ich wertvolle Denkanstöße für meine Arbeit bekommen habe. Frau Eva Teubert, Leiterin der Bibliothek des IDS in Mannheim, danke ich für ihre unermüdliche Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit und Freundlichkeit. Ohne ihre professionelle Auseinandersetzung mit der Sprache meines Manuskripts, unschätzbaren Tips und schließlich mühsames Korrekturlesen hätte ich mein Vorhaben nie in so kurzer Zeit abschließen können. Ich danke meiner Mutter, dass sie nie den Glauben an mich verloren hat. Mit Liebe denke ich an Malgorzata und Agnieszka, die meine Launen mit Engelsgeduld über die Jahre hinweg ertragen haben. Meinen Institutskollegen Elzbieta Kucharska und Wojciech Kunicki danke ich für ihre Freundschaft, aus der ich jedes Mal Kraft für die Weiterarbeit geschöpft habe, wenn mir zu Mute war, aufzugeben. <?page no="11"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 11 1. Standortbestimmung 1.1 Vorverständigung „Wir machen ja alltäglich die Erfahrung, daß man als Hörer in einem Kommunikationsprozeß zu Beginn eines Textes nur eine sehr undeutliche Erwartung hat und daß diese Erwartung sich dann im Maße, wie der Text seinen Fortgang nimmt, verdeutlicht und verschärft, so daß man bisweilen dem Sprecher mit einem „weiß schon“ ins Wort fallen möchte.“ (Weinrich 1976, S. 13 lf.) „Der erste Satz beginnt mit dem Wörtchen ‘An’. Sofort erhebt sich die Frage: Wie geht es weiter? Das nächste Wörtchen ‘einem’ bringt uns nicht viel vorwärts, hebt die Erwartung, in die wir versetzt worden sind, in keiner Weise auf, steigert sie vielmehr und lenkt sie bereits in gewissem Sinne. Es folgt das ‘unfreundlichen’. Damit erfolgt die Charakterisierung einer noch weiterhin verborgenen Sache, ohne daß eine Befriedigung erfolgt. Die Lenkung wird weitergeführt: schon wissen wir, daß ein Maskulinum oder Neutrum folgen muß, im Dativ Sing, übrigens, und daß es sich um etwas handeln wird, auf das ‘unfreundlich’ paßt. Endlich noch einmal verzögert, aber auch weiter gelenkt und beschränkt durch ‘November-’ erfolgt mit dem Setzen von ‘-tage’ eine erste Befriedigung unserer Neugier. Jetzt wissen wir endlich, um was es sich bis dahin gehandelt hat. Die ersten drei Wörtchen beziehen sich alle auf den ‘Novembertag’, die erzeugte Spannung ist gelöst, es ist eine in sich spannungsfreie Einheit hergestellt, eine Sinneinheit ist gewonnen.“ (Boost 1964, S. 12f.) „Was im konkreten Sprachereignis geschieht, ist sozusagen die in die Realität gehobene Vorderseite eines die Struktur unserer Sprache durchziehenden Netzes von Möglichkeiten, von Wahrscheinlichkeiten. Dieses Netz bestimmt unser Erkennen und Verhalten in ebenso hohem Maße, wie diese durch die von außen einlaufende Stimulation geschieht. Daß wir ein solches Wahrscheinlichkeitsnetz gelernt haben, daß wir etwas wissen über die Aufeinanderfolge der Ereignisse A und B, bedeutet, daß wir aus der ständigen Abfolge konkreter Ereignisse gewisse empirische Regeln abstrahiert haben (...). Der Mensch steht einer Welt gegenüber, in der nicht der beziehungslose Zufall waltet, sondern die nach Wahrscheinlichkeiten profiliert wird. Er ist nicht darauf eingestellt, alles Mögliche zu erwarten, sondern er erwartet einige Möglichkeiten eher als andere.“ (Hörmann 1977, S. 63) „Abschließend möchte ich nur darauf hinweisen, dass auch ganz andere, bisher noch nicht formulierte Textmodelle denkbar sind, so ein Textfortsetzungsmodell, das angibt, wie nach jedem Satzende ein Text fortgesetzt werden kann. Dies würde allerdings in die Nähe von Markovketten führen.“ (Dressier 1970, S. 70) <?page no="12"?> 12 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 1.2 Zielsetzung und Gegenstand der Arbeit In der vorliegenden Studie wird ein sprachanalytisches Verfahren zur Diskussion gestellt, mit dessen Hilfe eine Bestandsaufnahme von Sprachsignalen durchgefuhrt wird, die an der Oberfläche geschriebener Texte der deutschen Gegenwartssprache in regulären Koinzidenzrelationen auftreten. Es wird ein Formalismus entwickelt, in dem kookkurrierende Signale als zu definierbaren Strukturen gehörig ausgewiesen und für eine funktionale Analyse erschlossen werden. Durch die Anwendung des kookkurrenziellen Rasters kann ferner überprüft werden, inwieweit es möglich ist, die Struktur von Textgliederungseinheiten und ihren Stellenwert im Gefüge anderer Einheiten auf Grund nicht vollständiger Information über den Signalbestand in der Folge zu rekonstruieren. Der erhoffte Ertrag der Untersuchung liegt darin, 1. eine neue Plattform für die Gestaltung von didaktisch verwertbaren Erklärungen zur Theorie und Praxis des Grammatikunterrichts zu schaffen und 2. einige immer noch bestehende Lücken in der Erforschung der deutschen Morphosyntax durch die Anwendung einer analytischen Prozedur zu schließen, die in vielerlei Hinsicht alternativ zu etablierten linguistischen Modellen ist. Das Untersuchungsfeld der Kookkurrenzanalyse bildet die Morphosyntaktik der deutschen Sprache. Der Begriff Morphosyntaktik geht insofern über die Grenzen der traditionell verstandenen Morphosyntax hinaus, als dass er die Möglichkeiten der Phrasenkombinatorik gezielt hervorhebt, also die Taktik der Handhabung von Phrasen, die den Kommunikationspartnem vorausgesetzte kommunikative Ziele erreichen lässt. Der Textproduzent muss nämlich entscheiden, welche Phrasenaufstellung im gegebenen Fall zur Realisierung seiner kommunikativen Pläne am besten geeignet ist. Es wird freizügig seiner Invention überlassen, mit Hilfe welcher systemhaften Optionen die zu vermittelnde Botschaft vertextet, d.h. in eine Signalfolge überführt wird. Ausgeschlossen wird lediglich, über die Schranken des im immanenten Regelwerk der Sprache Zugelassenen zu treten. Eine Kommunikation kommt nur dann zu Stande, wenn der Textrezipient fähig ist, die jeweilige Signalfolge zu deuten. Die Entschlüsselung der Texte erfolgt nach einem morphosyntaktischen Plan, dessen Kenntnis eine Conditio sine qua non der sprachlichen Verständigung ist. Der Textrezipient muss ständig überprüfen, welcher gemeinsame Erfahrungsbereich als die notwendige Verständigungsbasis für die Kommunikation gelten kann und wendet dabei gewisse Überbrückungsstrategien an, die ihn ein unverständliches Signal auf Grund der Redundanz anderer Elemente im Text überspringen lassen. Die Toleranz für Nichteindeutiges und die Bereitschaft des Textrezipienten, durch seine ergänzenden Schlussfolgerungen alle Lücken zu schließen und so den gesamten Textsinn wiederherzustellen, ermöglicht es, viele vom Sprachstandard abweichende Texte zu verstehen. <?page no="13"?> Standortbestimmung 13 Den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bilden sprachspezifische Signalkonfigurationen und nicht, was man nachdrücklich betonen muss, Rekonstruktionsversuche der tatsächlich stattfindenden Textverarbeitungsprozesse. Zugespitzt gesagt: In der angenommenen modellspezifischen Perspektive erscheint als irrelevant, wie die Signale im Kommunikationsakt verarbeitet werden. Wichtig ist zu ermitteln, was als Sprachsignal zu gelten hat und wie Sprachsignale in inhaltliche und morphosyntaktische Muster der deutschen Sprache eingeordnet werden müssen. Die Arbeit versteht sich als Beitrag zur Grammatiktheorie im herkömmlichen Sinn des Wortes und greift in die Domäne der Psycholinguistik oder der Kognitionswissenschaft nur dann ein, wenn dies Grammatisches zu erhellen vermag. Die Grammatikalität der zu untersuchenden sprachspezifischen Konfigurationen wird vorausgesetzt. Die Arbeit enthält weder normative Anweisungen noch Hinweise zur Bildung einzelner Konstruktionen (vgl. Eisenberg 1994, S. 397f.). Sie registriert und erläutert Vorgefundene Sprachzustände. Diese Entscheidung hat wichtige Konsequenzen. Die Studie distanziert sich somit von den Arbeiten, in denen dafür plädiert wird, den Einfluss des Kontextes und der Konsituation auf den Text auszuschalten (vgl. Admoni 1986, S. 228) und auf Präsuppositionen, Implikationen und Konnotationen zu verzichten (Sommerfeldt 1993, S. 24). Statt dessen behauptet man, dass durch die Transformation von „Grundstrukturen“ (bei Sommerfeldt sind es einfache Sätze im Aktiv, vgl. 1993, S. 21) mit Hilfe der sog. „Basisoperationen“ tiefer in das Wesen der Sätze eingedrungen werden kann. Solche operationalen Prozeduren, in durchdachter Weise eingeführt, tragen mit Sicherheit vieles zum Einblick ins Sprachliche bei. Das Problem liegt aber darin, dass die zu untersuchenden Texte in Wirklichkeit nicht aus solchen einfachen Sätzen im Aktiv bestehen, dass die Texte kontextuell und konsituativ geprägt sind und dass jede Transformation ein Eingriff ist, durch den etwas früher nicht Vorhandenes in den Text eingeführt wird. Daher wird in der vorliegenden Arbeit nach Möglichkeit vermieden, mit „Basistransformationen“ als Erklärungsmittel vorgefündener Texte zu arbeiten. Das Korpus bilden vor allem in Schrift fixierte Texte der deutschen Sprache, die verschiedenen Textsorten angehören und die verschiedene Stilschichten repräsentieren. 1 Die Orientierung an schriftlich fixierte Texte erlaubt, eine langwierige Diskussion um den Wortbegriff zu umgehen (vgl. dazu Engel 1 Korpusuntersuchungen haben ihre entschlossenen Gegner und Befürworter (vgl. dazu Brinker 1977, S. 29ff.) Die ersteren wenden mit Recht ein, dass die gewonnenen Erkenntnisse generell nur für das Belegmaterial im Korpus gelten. Kritisiert wird auch, dass die gefundenen Belege nicht immer der Sprachnorm entsprechen. Die Befürworter unterstreichen, dass die Vorkommenshäufigkeit und nicht normative Gebote und Verbote darüber entscheiden, was zur Sprache gehört. <?page no="14"?> 14 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 1988, S. 15f; Miodunka 1989). Dies ermöglicht, eine zwischen zwei Spatien eingeschlossene Buchstabenfolge als „Wort“ zu betrachten. Diese Entscheidung hat bestimmte Konsequenzen: als ein Wort werden auch solche Konstruktionen angesehen wie Zieh-dich-gut-an-Tag, Halte-den-Dieb-Methode, Frauen-helfen-Frauen-Verein (Beispiele nach Vater 1985, S. 27). Dies entspricht übrigens der Intention, die solchen Konstrukten zu Grunde liegt: sie sollen als ein Wort verstanden werden. Schriftlich fixierte Texte, verfasst unter stilistischer Forderung, mit Berücksichtigung ästhetischer und rhetorischer Faktoren (Schwitalla 1988, S. 75), weisen Eigentümlichkeiten auf, die in gesprochener Sprache nicht auftreten. Und vice versa. In der vorliegenden Studie wird nicht auf Erscheinungen eingegangen, die für gesprochenes Deutsch charakteristisch sind. Die Belegtexte werden immer in nicht veränderter Form angeführt. Durch die Einbeziehung von qualitativ stark differierenden Texten sollte verhindert werden, dass autorenspezifische Stilzüge die Resultate allzu sehr beeinflussen. Das gesamte Korpus wird nach rekurrenten Textmustern (siehe Lemnitzer 1996) durchsucht, deren Strukturen durch Schemata und Tabellen erfasst und kommentiert werden. Als Adressaten der Studie werden in erster Linie künftige Philologen im In- und Ausland angesehen, die am qualifizierten Grammatikunterricht teilnehmen (siehe auch Cirko 1995a). Die Zielgruppe bilden also künftige Spezialisten im Bereich der deutschen Sprache, Dolmetscher, Übersetzer oder Sprachlehrer, deren Sprachbewußtsein über den Horizont einer korrekten Sprachbeherrschung hinausgehen muss. Im Falle von Auslandsgermanisten handelt es sich um Personen, die sprachlich fortgeschritten genug sind, um die zu analysierenden Texte zu verstehen. Die Adressaten verfügen auch bereits über gewisse Erfahrungen im Bereich elementarer mentaler Operationen: sie können Daten sammeln, vergleichen, ordnen und systematisieren (vgl. Rampillon 1995, S. 86). Dies ist eine Grundlage, auf der man ihre Fähigkeit aufbauen kann, Daten zu synthetisieren und in ihren Wechselbeziehungen zu erkennen. Was ihnen allen oft fehlt, ist ein eingeübtes analytisches Verfahren, dank dessen sie die Zusammenhänge im untersuchten Text orten und auslegen können. Eines der Ziele dieser Arbeit liegt darin, dem Dozenten und dem Studenten ein Analysewerkzeug zu geben, mit dessen Hilfe sie viele der interpretatorischen Herausforderungen im grammatischen Bereich bewältigen können. <?page no="15"?> Standortbestimmung 15 Die beschreibende Grammatik ist Element der mutter- und der fremdsprachlichen Ausbildung an Gymnasien und an philologischen Fakultäten. 2 In ihrer klassischen Form betrieben, schenkt sie all den Erscheinungen wenig Beachtung, die jenseits der Grenzen eines aus dem Kontext herausgelösten Satzes liegen. Der Satz wird einer sog. „grammatischen“ (= morphologischen) und einer „logischen“ (= syntaktischen) Analyse unterzogen. Die morphologische Analyse erschöpft sich meist darin, dass die Lemer die Wortartzugehörigkeit einzelner Wörter bestimmen. Bei der syntaktischen Analyse geht es vorwiegend darum, die Satzglieder in das kanonische System der fünf „Basiskategorien“ Subjekt, Prädikat, Objekt, Adverbiale und Attribut einzuordnen. Beinahe stereotype Fragen, die den Lernern in Bezug auf ein Wort oder auf ein Syntagma im Text gestellt werden, sind etwa „Was ist das? “ und „Was weißt du darüber? “ Die Lemer werden damit aufgefordert, der betreffenden Einheit einen Platz im Rahmen der geltenden Taxonomie zuzuweisen und ihre Definition, so wie sie im Grammatikhandbuch steht, zu reproduzieren. Äußern sie Zutreffendes, werden sie gelobt, für einen falschen Terminusgebrauch dagegen getadelt. Dass dies herzlich wenig mit einer kreativen Sprachuntersuchung zu tun hat, liegt auf der Hand: Zusammenhängendes wird auseinandergerissen und separat behandelt, der formale Apparat wird überbetont, Routinen, deren Ziel für den Lernenden nicht ganz klar ist, werden eingeführt und geübt: das alles läßt beim Lernenden oft den Eindruck entstehen, dass der Grammatikunterricht einem Ritual für Eingeweihte ähnelt. Dies prägt die Einstellung der Lemer zur Linguistik als Element der philologischen Ausbildung. Der Grammatikunterricht wird zu einer lästigen Pflicht, deren Erfüllung zur katechismusartigen Beherrschung der terminologischen Systeme führen soll, jegliche Freude an der philologischen Auseinandersetzung mit dem Text im Keim abtötet und, zugespitzt gesagt, nicht selten den Wert eines Gedächtnistrainings hat, zur Einsicht in die Sprachregularitäten aber kaum beiträgt. Auch der Versuch, Elemente neuerer linguistischer Theorien, etwa der Dependenz- oder der Generativen Grammatik, in den Grammatikunterricht zu integrieren, kann fehlschlagen, wenn er unreflektiert, ohne didaktische Aufbereitung, vorgenommen wird. Abgesehen vom üblichen Fehler, dass der Grammatikunterricht meist „kapitelweise“ erfolgt, d.h. in der Reihenfolge, die der Gliederung des Handbuchs entspricht („Heute behandeln wir Verben, morgen - Substantive! “), verlagert sich der Schwerpunkt des Unterrichts oft allzu sehr von der Textanalyse (sprich: „Satzzerlegung“ im oben angedeuteten Sinn) auf die linguistische Theorie, worauf die Lemer, überschüttet mit Fragen, die im Prinzip modellspezifische Einzelheiten betreffen, missmutig reagieren. Zu Recht, denn oft werden Ziele und Mittel im Grammatikunterricht mit- 2 Ich beziehe mich im Folgenden auf die Verhältnisse in den polnischen Allgemeinbildenden Oberschulen, Fremdsprachenkollegs und insbesondere die der neophilologischen Fakultäten, die ich aus eigener Erfahrung kenne. Die Probleme des Grammatikunterrichts für künftige Philologen werden in Cirko (1994, 1995a und 1995b) behandelt. <?page no="16"?> 16 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache einander verwechselt: die Kenntnis der Struktur des Textes wird beim Studenten vorausgesetzt, um ihn dann mit den Prinzipien der linguistischen Theorie vertraut zu machen. Ein Teufelskreis? Didaktische Schwerpunkte des Grammatikunterrichts müssen von einer routinemäßig verlaufenden Spracheinheitenerkennung zu Gunsten einer mehr kreativen Auseinandersetzung mit dem Text verschoben werden. Diese setzt voraus, dass der Lernende aus dem Prokrustesbett vorgegebener Taxonomien herauskommen muss, die ihm die traditionelle, auf die Bedürfnisse des elementaren Grammatikunterrichts zugeschnittene Wort-im-Paradigma-Grammatik zur Verfügung stellt. Man muss aber gleichzeitig betonen, dass die bereits etablierten linguistischen Modelle als Instrument der Sprachanalyse in der Einstiegsphase in den qualifizierten Grammatikunterricht im Hinblick auf ihre Kompliziertheit didaktisch unangemessen sind. Der an der Lösung konkreter interpretatorischer Schwierigkeiten im Text interessierte Adept der Grammatik wird meist durch hochformalisierte Theorien und deren Termini abgelenkt oder sogar abgeschreckt, zumal er sie in der Regel, zumindest in der Einstiegsphase, nur halbwegs versteht. Er verliert das eigentliche Ziel der grammatischen Analyse aus den Augen, das darin liegt, die Bezüge zwischen den Textelementen aufzudecken und zu interpretieren und plagt sich damit ab, die jeweilige Einheit dem theoretischen Apparat zuzuordnen. Die Erforschung der Sprache setzt eine Taxonomie voraus. Segmentierung, Klassifizierung und Distribution sind Vorstufe jeder Sprachtheorie (siehe Bungarten 1976, S. 23). Diese Formulierung mag heutzutage als überholt wirken. Der prinzipiell richtige Einwand, der besonders oft aus dem Lager der Generativisten zu vernehmen war, die Ziele der Linguistik dürften sich nicht in der Aufstellung immer neuer Gliederungen erschöpfen, muss jedoch ergänzend kommentiert werden. Nicht der Hang zum Klassifizieren an sich soll getadelt werden. Jeder generative Formalismus dient letzten Endes auch dazu, die Ordnung und Hierarchie sprachlicher Strukturen mit vordefinierten Beschreibungskategorien zu explizieren. Eine berechtigte Kritik soll dort ansetzen, wo man das Unvermögen gewisser Herangehensweisen in der Linguistik nachweisen kann, etwas Neues zu entdecken. Grammatische Modelle gelangen im Laufe der Zeit an die Grenze ihrer klassifikatorischen Möglichkeiten. Die altvertrauten Abgrenzungskriterien für Einheiten, Strukturen, Kategorien und dergl. erweisen sich als zu eng, um den für den gegenwärtigen Wissensstand erforderlichen Präzisionsgrad zu gewährleisten. Viele Linguisten postulieren (meist ohne den Rahmen der alten Beschreibungsmodelle ernstlich verlassen zu wollen) eine immer größere Beschreibungsadäquatheit, die man dadurch zu erreichen glaubt, dass man in die <?page no="17"?> Standortbestimmung 17 bestehenden terminologischen Systeme immer neue Kriterien einfuhrt. Dies hat nicht selten scheinbare Präzisierungen zur Folge, die das jeweilige System noch undurchsichtiger machen. Die vorliegende Arbeit stellt keine Ansprüche, als pädagogische oder didaktische Grammatik angesehen zu werden, die den Spracherwerb zu optimalisieren hat. 3 Das Anliegen der Studie ist, Texte nach angenommener Axiomatik zu beschreiben und auf didaktische Aspekte dieser Beschreibung im Sinne einer philologischen Grammatik hinzuweisen. 4 Das in der vorliegenden Arbeit vorgeschlagene Verfahren zur Textanalyse kann in der Didaktik des qualifizierten Grammatikunterrichts als Zwischenstadium auf dem Weg zur kreativen Beherrschung anderer analytischer Prozeduren gute Dienste leisten. Es stellt sich nun die berechtigte Frage, ob beim Überangebot an dependentiellen und generativen Axiomatiken tatsächlich noch für ein weiteres analytisches Verfahren Bedarf besteht. Die bejahende Antwort ist durch didaktische Gründe motiviert: Es mangelt m.E. an einer Prozedur, die beim Übergang vom schulmäßigen zum qualifizierten Grammatikunterricht eingesetzt werden könnte (s. Cirko 1998). Sollte solch eine Prozedur den Lernerwartungen Rechnung tragen, sollte sie die Beziehungen zwischen Textelementen nicht durch eine generative „Algebra textbezogener Symbole“, sondern durch einen direkten Verweis auf den Text erklären. 5 Als Grundlage einer Interim- Grammatik sollte sie m.E. zwei Komponenten vereinigen: erstens soll sie dem Lerner eine gewisse Denkdisziplin auferlegen (was sich durch eine nicht überzogene Formalisierung erreichen lässt) und ihn so auf die Aufnahme komple- 3 Aspekte solch einer Grammatik werden in einer interessanten Studie von Boettcher/ Sitta (1981) und im Sammelband von Gnutzmann/ Königs (1995) besprochen. 4 Denn, wie Watzlawick (u.a.) (1974, S. 36f.) dazu sagt: „Eine Sprache zu beherrschen und über diese Sprache zu wissen sind zwei Wissensformen von sehr verschiedener Art. So ist durchaus möglich, daß jemand seine Muttersprache fehlerfrei und fließend beherrscht, ohne irgend etwas von ihrer Grammatik und Syntax zu wissen, d.h. von den Regeln, die er beim Sprechen richtig anwendet. Wenn diese Person aber eine andere Sprache lernen müßte außer durch denselben empirischen Lemvorgang wie bei der Muttersprache -, so müßte sie nicht nur die Sprache, sondern auch vieles über die Sprache lernen.“ 5 Die Lemerwartungen sind ernst zu nehmen. So lehnen viele Studenten generative Textanalysen ab, mit der Begründung, sie erführen nur das, was sie ohnehin auf Grund ihrer Kenntnisse der traditionell orientierten Schulgrammatik gewusst hätten. Demzufolge wird oft gefragt, ob man nicht auf die „verkomplizierte Darstellung“, die oft nach der Ansicht der Lernenden in ein „reines Spiel mit Symbolen“ im Rahmen generativer Modelle ausartet, nicht doch verzichten könne. Sicher lassen sich viele derartige Argumente durch den Verweis auf die mangelnde Einsicht in die Sache entkräften. Auf der anderen Seite sei auf die Schwierigkeiten verwiesen, komplexe Texte (wie die im Anhang) zu analysieren. Der Dozent hat das Gefühl, kostbare Seminarzeit für die Einweihung in die Analyseprinzipien verloren zu haben, seine Studenten üben etwas, was sie in Bezug auf einfache Sätze für überflüssig und in Bezug auf komplizierte Texte für nicht applizierbar halten. <?page no="18"?> 18 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache xer axiomatischer Systeme dependentieller oder generativer Art vorbereiten; zweitens muss sie benutzerfreundlich sein, indem sie mit wohldefinierten terminologischen Systemen arbeitet, deren Einheiten direkt in der Textoberfläche identifiziert werden können und nicht einem vorausgehenden Kalkül entspringen. So scheint es im Hinblick auf die postulierte Leserffeundlichkeit geradezu unzumutbar, dass sich der Grammatikleser zunächst beispielsweise durch die Symbolfolge PHON SYN: LOC DTRS HEAD-DTR COMP-DTR PHON SYN: LOC DTRS HEAD-DTR COMP-DTR 5 die Katze haust im Garten HEAD SUBCAT PHON SYNUOC DTRS 2 PHON SYNUOC DTRS 1 MAJOR V VFORM EIN <> haust im Garten HEAD 1 SUBCAT <2> PHON SYNUOC HEAD SUBCAT die Katze HEAD SUBCAT haust HEAD SUBCAT <5, 2> im Garten MAJOR SYN- MOD: SYN: LOC: HEAD : MAJOR P V die Katze MAJOR N CASE NOM <> (wiedergegeben in der Ordnung der Klammerungen) durcharbeiten muss, um die Struktur des Satzes die Katze haust im Garten vor Augen geführt zu bekommen. (Beispiel aus Renz 1993, S. 89). 6 Das Gros der gegenwärtigen linguistischen Modelle schenkt hierarchischen Beziehungen im Text mehr Aufmerksamkeit als der linearen Anordnung der Textelemente. Die Kookurrenzanalyse kehrt diese Sichtweise um und beschreibt den Text als Resultat stochastischer Prozesse. Das Resultat ist dem Analytiker bekannt: der Text liegt vor, ein volles Verständnis seines Inhalts wird als Bedingung einer erfolgreichen grammatischen Analyse vorausgesetzt. Der Text wird jedoch - und hier liegt das Novum der vorgeschlagenen Prozedur durch das Prisma der Zwänge und Beschränkungen gesehen, denen der Textproduzent bei der Formulierung des Textes unterliegt. Der Textproduzent ist bekanntlich nur in der Konzeptualisierungsphase seiner Äußerung frei. Er kann uneingeschränkt das Thema seines Textes wählen und über dessen Gliederung, rhetorischen Aufbau und stilistische Register im Voraus bestimmen. Aber in dem Moment, in dem er zur Vertextung seiner Vorannahmen durch die Signalsetzung übergeht, „verpflichtet“ er sich, die sprachinternen Prinzipien der Morphosyntaktik zu befolgen. 7 Indem er das erste Wort, das erste Syntagma, den ersten Satz schreibt, trifft er eine schwerwiegende Entscheidung für die Wahl der nächsten Wörter, Syntagmen oder Sätze in der Folge. Jede Einheit deutet einen gewissen Erwartungshorizont an 6 Die Wichtigkeit derartiger Einträge für die theoretische Reflexion über die Sprache oder für die Sprachanalyse mit Hilfe von Computerparsem steht jedoch außer Frage. Wie die Untersuchungen zur Neurolinguistik gezeigt haben, erfolgt der Übergangsprozess von der präsprachlichen Konzeptualisationsphase zur Vertextung in einigen Etappen. In der Zeit von 0 bis 200 Millisekunden erfolgt der Zugriff auf die syntaktischen Regeln. Die formale Kontur der Aussage wird sozusagen vorausgeplant. In der nächsten Phase (200 - 400 Millisekunden) erfolgt der Zugriff auf die Lexikonregeln. Danach werden die beiden Regelsysteme zueinander in Beziehung gesetzt. Vgl. Friederici (1996 S. 594). <?page no="19"?> Standortbestimmung 19 und erzwingt die weitere Vorgehensweise bei der Vertextung der zu vermittelnden Botschaft. Der morphosyntaktische Zwang ist größer als man gewöhnlich denkt: der Textproduzent entscheidet zwar, was er sagt, das System seiner Sprache schreibt ihm jedoch vor, wie er das zu sagen hat. Von einem bestimmten Zeitpunkt an kann er in seiner Äußerung nichts mehr ändern: das „Wie“ gewinnt die Oberhand über das „Was“. 8 Die Kenntnis der intersubjektiven Regeln der Morphosyntaktik ermöglicht dem Textrezipienten, die kommunikative Absicht des Textproduzenten nachzuvollziehen. Das Interesse der Kookkurrenzanalyse gilt in erster Linie für Klassen sprachlicher Signale. Dies darf jedoch die Tatsache nicht verstellen, dass nicht nur Klassen von Elementen in regulären Kookkurenzrelationen Vorkommen, sondern auch einzelne Wörter ihre spezifischen Erwartungsmuster eröffnen, die im Rahmen der jeweiligen Klasse weitere Subklassifizierungen ermöglichen. Die Reichweite einzelner Signale kann grundverschieden sein. Aus der Perspektive eines einzelnen Signals erfährt man mehr über die zu erwartende Struktur eines umfangreichen Textffagments als über die morphosyntaktischen und semantischen Eigenschaften des Nachbarsignals. Eine fortschreitende Analyse des Textes in seiner linearen Ausdehnung lässt neue Facetten sprachlicher Tatsachen ans Licht treten, die bisher in der einschlägigen Fachliteratur als ausreichend ausdiskutiert und als theoretisch abgesichert betrachtet wurden. Die vorgeschlagene Prozedur ist für jeden Text anwendbar. Die besprochenen Muster erschöpfen bei Weitem nicht die konfigurationelle Vielfalt der deutschen Sprache. Es war aber auch nicht das Ziel der vorliegenden Studie, in dieser Hinsicht Vollständigkeit zu erzielen. Dies könnte die Aufgabe einer noch zu erarbeitenden Kookkurrenzgrammatik sein. Die Anwendung des kookkurrenziellen Analyseverfahrens kann den Stoff für eine solche Grammatik aufbereiten, in der die Strukturbeschreibung um Angaben zur Vorkommenshäufigkeit ermittelter Muster und um eine Auswertung dieser Daten im Hinblick auf die Typizität bestimmter Textmuster ausgebaut wird. Die Daten einer Kookkurrenzgrammatik könnten systemhaft, fünktional, und pragmatisch interpretiert werden. Es wäre sicher auch eine lohnende Aufgabe, ein „Lexikon der Erwartungsmuster“ zu erarbeiten, in dem die aus der Perspektive einzelner Wörter gesehenen Textentfaltungsmöglichkeiten beschrieben werden. Die vorliegende Arbeit kann als Grundsteinlegung für solch ein Lexikon dienen. Die Ermittlung jener Grenze, jenseits derer die Äußerung kaum noch variiert werden kann, könnte ein interessantes Thema linguistischer Untersuchungen sein. <?page no="20"?> 20 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Die Kookkurrenzanalyse kann auch zu neuen Erkenntnissen bei kontrastiven Untersuchungen fuhren. Die Konfigurationalität von Signalfolgen ist sprachspezifisch und die Fixierung von Abläufen, wie die zu vermittelnde Botschaft auf die Signalfolgen verglichener Sprachen projiziert wird, wo Ähnlichkeiten und wo Unterschiede in dieser Hinsicht bestehen, ist von großer didaktischer Relevanz. Die Arbeit wird folgendermaßen gegliedert: In den nachstehenden Fragmenten des Kapitels 1 wird der Hintergrund der Kookkurrenzanalyse Umrissen. Es wird im Folgenden kursorisch auf einige grammatische, psycholinguistische und probabilistische Theorien eingegangen, die die zu diskutierende Konzeption am stärksten beeinflusst haben. Kapitel 2 ist terminologischen Fragen gewidmet. Eine neue Sprachbetrachtungsperspektive benötigt neue Termini, die der Zielsetzung der Arbeit besser genügen als die altvertrauten mit bestimmten Konnotationen behafteten Fachausdrücke. Ein terminologisches System ist dann effektiv, wenn es mit einem beschränkten Inventar der Kategorien denselben Präzisionsgrad der Beschreibung sichert wie die weiter ausgebauten Systeme. Im Kapitel 2 wird ein solches effektives System vorgeschlagen. Im Kapitel 3 werden Phrasen der deutschen Sprache unter modellspezifischem Blickwinkel analysiert. Erläutert werden jeweils die Strukturen, die Prinzipien der linearen Anordnung und die Distribution der Phrasen. Anschließend werden allgemeine Gesetzmäßigkeiten formuliert, die aus der Perspektive der Kookkurrenzanalyse für die jeweilige Phrase von Belang sind. Im Kapitel 4 werden Prinzipien der Phrasenkombinatorik diskutiert. Ein besonderer Nachdruck wird auf die Konfigurationalität der Phrasenkonstellationen und auf interphrasale Übergänge gelegt. Da der Text als Resultat stochastischer Prozesse aufgefasst wird, erfährt der Anfangsbereich der Äußerungen besondere Beachtung, zumal er nachweislich eine der wichtigsten Textweichen ist, mit denen der Kommunikationsablauf gesteuert wird. Es wird auf phrasenübergreifende Prinzipien eingegangen, die die Textkonnexität sichern und gewisse Textentwicklungen voraussehen lassen. Es wird ein 4-Schichten- Textmodell entworfen und als Analysewerkzeug zur Diskussion gestellt. Kapitel 5 fasst Möglichkeiten und Begrenzungen zusammen, das kookkurrentielle Analysemodell anzuwenden. Es wird auf didaktische Vorteile des Verfahrens hingewiesen (u.a. seine Einfachheit, Reduktion des traditionellen terminologischen Apparats, Modularität, kurze Einstiegsphase in die Analyseprinzipien). <?page no="21"?> Standortbestimmung 21 Im Anhang wird eine exemplarische Kookkurrenzanalyse ausgewählter Textfragmente durchgeföhrt. Die meisten Belege wurden den Corpora des Mannheimer Instituts für deutsche Sprache entnommen. Bei diesen Belegen wird immer auf die Quelle verwiesen (Autor und Seite im Originaltext). Die Grundlagen der Kookkurrenzanalyse wurden auch mit eigenen Beispielen erläutert. Alle Beispiele wurden mit deutschen Muttersprachlern mit philologischer Ausbildung besprochen. Der Text wurde nach den Regeln der neuen Rechtschreibung geschrieben. In den Belegen wurde die Schreibweise des Originals beibehalten. 1.3 Vorüberlegungen zur Kookkurrenzanalyse 1.3.1 Grundbegriffe Die Prinzipien, nach denen sinnvolle, intentional fundierte Sprachsignalfolgen (Texte) entstehen, nennt man die Sprache. Die Formulierung Jch kann die Sprache A“ hat den Sinn Jch weiß, wie die Code-Signale der Sprache X beim Vollzug der Kommunikation zu handhaben sind.“ 9 Die obige Charakteristik der Sprache ist eine Kompromisslösung, an der sicherlich Kritik geübt werden kann. Trotz aller möglichen Einwände gegen eine allgemein gültige Sprachdefinition erscheint es jedoch angebracht, nicht den üblichen Weg zu gehen, den Sprachbegriff als vorgegeben zu betrachten. 10 Die hier vertretene Sprachauffassung ermöglicht, eine terminologische Klarheit im Vorfeld der eigentlichen Diskussion über die Prinzipien der Kookkurrenzanalyse zu schaffen. Vor allem wird von den Versuchen Abstand genommen, die Sprache als kommunikatives Handeln zu definieren. 11 Sie ist kein Handeln, sondern vielmehr 9 Der Code wird hier im üblichen Sinne als Sprachcode, als ‘System der Informationsübertragung mittels Sprache’ verstanden. 10 Auf die Unbestimmtheit des Begriffs Sprache macht Lyons (1983) aufmerksam. Siehe dort einen umfangreichen Überblick über die Versuche, die Sprache als solche zu definieren. Die meisten Linguisten setzen offensichtlich voraus, daß der Leser „irgendwie“ weiß, was mit „Sprache“ gemeint ist. Ins andere Extrem fallen die Versuche, die Sprache auf Grund ausgebauter Distinktionssysteme zu definieren. Der berühmteste Versuch ist wohl der von Hockett, der ein System von vielen synchron auftretenden Merkmalen als Grundlage seiner Sprachdefinition angenommen hat, vgl. Hockett (1958). 11 Die Formulierung „kommunikatives Handeln“ hat sich unter dem Einfluß der Arbeiten von Austin, Searle und Habermas in der Linguistik eingebürgert und trotz seiner begrifflichen Unbestimmtheit eine erstaunliche Karriere gemacht. Diese Formulierung bezieht sich, in gröbster Vereinfachung gesagt, auf die Funktion der Texte, einmal die Intention des Textproduzenten kenntlich zu machen, zum anderen eine bestimmte Reakti- <?page no="22"?> 22 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache etwas, was erst (mit obligatorischer Vermittlung der Texte! ) das kommunikative Handeln denkbar macht. 12 Das kommunikative Handeln wird im Folgenden als Aufgabe der Texte betrachtet. Die Sprache stellt nur die möglichen Pläne für die Erfüllung dieser Aufgabe bereit. Der Versuch, etwas, was eine Aufgabe zu erfüllen hat, mit der Aufgabe selbst gleichzustellen, widerspricht der elementaren Denkdisziplin. 13 Teleologische Aspekte, etwa warum der Text entsteht und was mit dem Text zu erreichen ist, werden als zum Hintergrund der Sprache gehörig angesehen. Hier liegen viele Mechanismen zu Grunde, die die Selektion aus dem System virtueller Muster steuern. 14 Um jedoch nicht in ein gedankliches Chaos zu geraten (Sprache = Sprachanwendung), müssen beide Bereiche streng auseinander gehalten werden. Dieser Standpunkt wird in der vorliegenden Arbeit konsequent vertreten. Getrennt werden Code-Elemente, deren Konfiguration, nach einem in der Sprache angelegten Plan organisiert und in den Handlungsrahmen eingeflochten, einen Text ausmacht, und die Sprachumfeld-Elemente, die die Anwendung der Texte erst sinnvoll machen. Damit werden einerseits die Grenzen zwischen Sprachlichem und jenen Abstraktionen abgesteckt, die der Linguist auf die Sprache appliziert, weil er hofft, durch die Anwendung solcher Denkkonstrukte in das Wesen seines Untersuchungsobjekts tiefer einzudringen (vgl. Chomsky 1981, S. 17f). Zum anderen werden sämtliche nonverbalen Pendants der verbalen Kommunikation, die kein Korrelat im Text haben, aus dem Bereich linguistischer Untersuchungen ausgeschlossen. 15 on beim Textrezipienten zu bewirken. Mit dem Begriff Handlung wird „interdisziplinär“ Unfug getrieben (siehe dazu Busse 1994, S. 55). Man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, daß die meisten Linguisten glauben, durch ihre Beteuerung des Handlungscharakters von Sprache eine Art Tribut an die Schöpfer der ordinary language theory zahlen zu müssen, wonach sie analytisch genau in unserem Sinne verfahren: die Sprache ist etwas, womit gehandelt werden kann. 12 Damit korrespondiert die Auffassung von Dik (1992, S. 74), „die Sprache sei ein Mittel der menschlichen Verständigung; ein Instrument, mit dem Sprecher und Zuhörer einander informieren, befragen und anderweitig beeinflussen können, d.h., allerlei Veränderungen in dem jeweiligen Informationszustand des Konununikationspartners zustandebringen können.“ 13 Per analogiam: die „Aufgabe“ des Autos ist die Beförderung von Personen od. Gütern auf bestimmten Strecken. Niemand käme jedoch auf die Idee, das Auto als 'Beförderung von Personen od. Gütern mit dem Auto’ zu bestimmen. 14 Die sprachgebrauchsorientierten Untersuchungen, betrieben im Rahmen einiger linguistischer Denkrichtungen, die ich unter „Pragmalinguistik“ zusammenfasse, erhellen diesen Aspekt der Äußerungen, wobei ein besonderer Nachdruck auf außersprachliche Umstände der Aussageformulierung gelegt wird. Die pragmalinguistischen Untersuchungen beleuchten also das Umfeld der Sprache, welches das Verdienst der Pragmalinguistik liegt eben darin, dies bewiesen zu haben als Faktor der Kommunikation nicht wegzudenken ist. 15 Dazu ein Beispiel. Die Formulierung Auf Wiedersehen! gilt als unhöflich, wenn man sich so an die Person wendet, die gerade das Zimmer verläßt (üblicherweise ist es der Verlassende, der Auf Wiedersehen sagt! ). Allerdings ergibt sich diese spezifische Ver- <?page no="23"?> Standortbestimmung 23 Als Begleiterscheinungen der verbalen Kommunikation werden verschiedene Formen der nonverbalen Informationsübertragung angesehen. Die Menschen bringen Informationen über ihre geistige Verfassung, Emotionen und Gefühle nicht nur durch Texte zum Ausdruck, sondern auch durch Gestik, Körperhaltung, Gesichtsausdruck, Sprechtempo, Tonfuhrung u.a. 16 Die angesprochene Sphäre der Informationsübertragung umfasst Phänomene, die sich außerhalb der Sprache befinden und die für die Linguistik von geringerem Interesse sind. Das Untersuchungsfeld dieser Studie ist Kommunikation über Texte, verstanden als Gegensatz für alle anderen Kommunikationsformen. Wenn man die obigen Bemerkungen beachtet, verringert sich die Gefahr, Außersprachliches, Theoretisches und Real-Sprachliches in der Analyse zu verwechseln. Dies ist besonders wichtig, zumal sich in der linguistischen Reflexion alle drei Bereiche in komplizierter Weise durchdringen. Die Kookkurrenzanalyse erfolgt im Text. Dieser Begriff wird in der Fachliteratur dermaßen unterschiedlich ausgelegt, dass es angebracht erscheint, einige Bemerkungen dazu vorauszuschicken: erstens, weil in der vorliegenden Arbeit dem Terminus Text ein spezieller Sinn verliehen wird; zweitens, weil die textorientierte Sprachwissenschaft viele Tatsachen im Umfeld der Codeanwendung aufgedeckt und erhellt hat, die aus der Perspektive der Kookkurrenzanalyse besonders wichtig sind. Die Systemlinguistik betrachtete den Text (wenn sie ihn überhaupt als einen linguistischen Terminus und nicht als einen umgangssprachlichen Ausdruck verstand! ) entweder als eine mehr oder weniger komplexe Konfiguration von Sätzen oder führte ihn auf Zeichenkomplexe zurück, die mit Mitteln und Methoden der traditionellen Grammatik oder der klassischen Semantik beschrieben werden konnten. Der Text wurde als Oberflächenerscheinung aufgefasst, stehensweise nicht aus der Bedeutung der Formulierung selbst, sondern aus dem außersprachlichen Kontext. Dies weiß man auf Grund der Kenntnis geltender Umgangsnormen. Somit gehört die Interpretation der genannten Situation zum pragmatischen Hintergrund der Äußerung. Sie selbst hat aber kein formales Korrelat im Text. Das anvisierte Phänomen ist somit keine sprachliche Erscheinung, sondern vielmehr eine soziokulturelle. 16 Auf einige Kontraste in der nonverbalen Kommunikation verschiedener Völkerschaften macht Jakobson (1989, S. 85) aufmerksam. Interessante Bemerkungen zur nonverbalen Kommunikation siehe Watzlawick (u.a.) (1974), Boettcher und Sitta (1981). Nonverbales Verhalten schafft oft Voraussetzungen für eine erfolgreiche verbale Kommunikation (Grimm/ Engelkamp 1981, S. 93). Bis zu einem gewissen Grad kann der Textproduzent die Form und den Charakter der paralinguistischen Signale bestimmen (z.B. bewußt betonte Gestik und Mimik). Er kann aber auch Fehler begehen, die in der Psycholinguistik „Kanaldiskrepanzen“ genannt werden (Grimm/ Engelkamp 1981, S. 25f). Ihr Wesen liegt darin, daß im Kommunikationsakt solche verbalen und nonverbalen Mittel zusammengefuhrt werden, die sich ausschließen. Ein Beispiel dafür wäre etwa ein Liebesschwur, ausgesprochen mit wutentstelltem Gesicht. <?page no="24"?> 24 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache deren Untersuchung sich darin erschöpfte, Verbindungselemente, fortschreitende Thematisierung und Rhematisierung, Möglichkeiten der Pronominalisierung, Bildung von Isotopieketten u.ä. Vertextungsmittel zu beschreiben (vgl. dazu Agricola 1979, S. 32; siehe auch Oomen 1974). Die Textanalyse war zunächst ausgesprochen formal ausgerichtet, die Kenntnis außersprachlicher Bedingungen für die Textbildung wurde stillschweigend als selbstverständlich angenommen. Die neuere Textwissenschaft, deren Anfang auf die 70er Jahre fiel 17 , sieht im Text, in gröbster Vereinfachung gesagt, einen spezifischen Bewusstseinszustand der Kommunikationspartner: Er gewinnt seinen Sinn erst dann, wenn er mit ihrem Weltwissen korreliert wird. Die Textwissenschaft erörtert z.B. allgemeine Bedingungen für das Zustandekommen der Kommunikation. Sie versucht den Textgebrauch aus der Sicht der Semantik, der Stilistik, der kommunikativen Absicht u.ä. zu erklären. In diesem Zusammenhang werden allgemeine Prinzipien formuliert, die ein rationales Verhalten der Kommunikationspartner vor dem Textgebrauch bestimmen (z.B. Grices konversatorische Maximen; Grice 1979) oder textsortenspezifische Bedingungen abgehandelt, unter denen Sprechakte ihre Wirkung erzielen können. Das Schwergewicht der Untersuchung verlagert sich daher in das Sprachumfeld, wo universelle, übereinzelsprachliche, kontext- und situationsabhängige Faktoren ohne direkten Bezug auf das Sprachsystem erörtert werden (vgl. Zifonun 1987, S. 26). Viele Linguisten neigen heutzutage zur Ansicht, dass die Textlinguistik nur auf sprechakttheoretischer Basis effektiv betrieben werden kann. Der Text soll aus der Sicht der kommunikativen Absicht der Partner im Kommunikationsprozeß und nicht aus der Perspektive materieller Spracheinheiten und -muster betrachtet werden, in denen sich die kommunikativen Intentionen der Kommunikationspartner manifestieren. Man kann sogar manchmal den Eindruck gewinnen, dass die Sprechakttheorie als eine „natürliche“ Ausgangsposition der Textwissenschaft betrachtet wird. Solch eine Annahme führt wiederum zur Verabsolutierung teleologischer Aspekte der Textproduktion bei einer weitgehenden Diskriminierung formaler Textorganisation. 17 Meilensteine in den „Gründerjahren“ der Textwissenschaft waren u.a. die Veröffentlichungen von MaasAVunderlich (1972), Gülich/ Raible (1977) und van Dijk (1978). Zur Entwicklung der Textwissenschaft in der ersten Periode siehe Wawrzyniak (1980), Viehweger (1980), Beaugrande/ Dressler (1981). Zu den verschiedenen Textauffassungen vgl. Petöfi (1987); Rosengren (1987a und 1987b, S. 179). Siehe auch die Diskussion über eine allgemein akzeptierte Textdefinition bei Brinker (1973, S. 9). Zum Textbegriff in der Literaturwissenschaft siehe Plett (1975) und Molting (1982). Die Zahl der gegenwärtigen Veröffentlichungen zur Textlinguistik ist Legion. Ein sogar kursorischer Überblick über die Stand- und Streitpunkte würde den Rahmen der Untersuchung sprengen. <?page no="25"?> Standortbestimmung 25 Die TextaufFassung, die in der vorliegenden Arbeit vertreten wird, knüpft an den dank Weinrich (1976) in der Linguistik heimisch gewordenen Topos Text-in-Situation an. Der Text ist eine sinnvolle Verknüpfung der Sprachsignale in linearer Abfolge (vgl. Weinrich 1993. S. 17), vorausgesetzt, dass der Textproduzent beim Textrezipienten mit Hilfe der jeweiligen Signalverknüpfung einen beabsichtigten kommunikativen Effekt zu erreichen sucht. Die Intention entscheidet über die Textualität der Signalfolge. 18 Die Texte werden situationskonform formuliert, die Situation selbst ist jedoch kein Element des Textes, obwohl sie seinen Charakter mitbestimmt. Der Text hat seine Autonomie der Intention und der Wirkung gegenüber, die wohlgemerkt sein obligatorisches Umfeld ausmachen. Der Text kann auf seiner allgemeinsten Ebene als System narrativer Strukturen verstanden werden, die nach einem Ablaufprogramm ineinandergreifen. Man darfjedoch nicht aus den Augen verlieren, dass Strukturen nichts anderes als Elemente in definierbaren Relationen zueinander sind. Die Texte dürfen nicht von ihrer materiellen Komponente abgekoppelt werden, denn ohne Relationsträger kann es keine Relation geben. 19 Die Kookkurrenzanalyse ermittelt Sprachsignale, verstanden als materielle Zeichen mit einer durch den Sprachusus der jeweiligen Sprachgemeinschaft sanktionierten Bedeutung, 20 die in Texten gemeinsam Vorkommen. Die Koinzidenz der Sprachsignale wird im Folgenden Kookkurrenz genannt. 21 Lassen 18 Beaugrande/ Dressler (1981) bestimmen als Text jede kommunikative Okkurrenz, der die Merkmale ‘Kohäsion’, ‘Kohärenz’, ‘Intentionalität’, ‘Akzeptabilität’, Tnformativität’, ‘Situativität’ und Tntertextualität’ eigen sind. U.E. dienen die genannten Parameter einer vollständigen Charakteristik der Texte. Sie sind allerdings in unterschiedlichem Maße für den Textbegriff konstitutiv. Wenn jemand von einem Ausländer angesprochen wird, dessen Sprache er nicht kann, ist er kaum in der Lage, ein Urteil über Kohäsion, Kohärenz, Akzeptabilität, Informativität und Intertextualität des von dem Ausländer produzierten Textes abzugeben. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass der Ausländer einen Text formuliert hat: eine Signalfolge wurde mit einer ihm bekannten kommunikativen Absicht ausgesprochen. Der Umstand, dass man manche Texte nicht versteht, hebt ihre Textualität nicht im geringsten auf. 19 Die Rückkehr zur formal fundierten Textauffassung bedeutet keineswegs, dass die Errungenschaften der primär pragmatisch orientierten Textwissenschaft negiert werden. Sie ermöglicht lediglich, die linguistische Einheit „Text“ von der außersprachlichen Betrachtungsperspektive „was man mit den Texten macht“ zu trennen. Der Text lässt sich mit linguistischen Mitteln erfassen, seine Anwendung nicht mehr. 20 Der Umfang des Sprachsignals kann selbstverständlich variieren, vom Morphem zu einem komplexen Satz. In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff etwa so ausgelegt, wie Pollard/ Sag (1994) den Begriff sign interpretieren. Mit „Bedeutung“ wird im Folgenden die unten erklärte Fähigkeit zur Katalyse mentaler Prozesse verstanden. In diese Richtung weist die Definition der Wortbedeutung bei Ajdukiewicz (1974, S. 23) als Art und Weise, wie der Ausdruck verstanden wird. 21 In der vorliegenden Arbeit wird dieses Lehnwort aus dem Englischen in seiner ursprünglichen Bedeutung (co-occurrence = ‘Miteinandervorkommen’) verstanden. Der <?page no="26"?> 26 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache sich in den Signalfolgen wiederkehrende, nicht okkasionelle Signalkonstellationen feststellen, heißt es, dass die Signale in einer regulären Kookkurrenzbeziehung (Koinzidenzrelation) zueinander stehen. Sprachsignale gruppieren sich im Text in bestimmten, jedem Muttersprachler gut vertrauten Konfigurationen. Sie fugen sich in reguläre semantische und formale Muster, die sobald erkannt die „Virtuosität des Dekodierend'' (so Weinrich 1976, S. 78) gewährleisten. Eine willkürliche Positionierung der Signale würde den Textverarbeitungsprozess erschweren oder gar unmöglich machen. Sogar sprachlich fortgeschrittene Ausländer, deren deutschsprachige Kompetenz beinahe vollkommen ist, sprechen deutlich langsamer als ihre deutschen Gesprächspartner und stoßen auf größere Probleme, wenn es darum geht, Störungen im Verständigungsprozess zu überbrücken. Beides geht u.a. darauf zurück, dass sie die Signale bei der Textaufhahme an anderer Stelle als der gegebenen vermuten und bei der Textproduktion anders zu platzieren versuchen als dies deutsche Muttersprachler tun würden. Der Muttersprachler braucht nicht nach kommunikationsrelevanten Stellen im Text zu suchen, solange er ein ungestörtes Ineinandergehen vertrauter Muster verfolgen kann. 22 Der Begriff des Musters bedarf einer Erklärung. Darunter werden im Folgenden prototypische Cluster von Sprachsignalen verstanden, die phonetisch, semantisch und syntaktisch wohlgeformt sind. 23 Die Sprachsignale treten in stabilen sprachspezifischen Konfigurationen auf, die auf Grund gemeinsamer Merkmale erkannt werden können. 24 Die Prinzipien, die das Miteinandervorkommen von Signalen bestimmen, sind jedem native speaker bekannt; sie bilden einen notwendigen Bestandteil seines Kookkurrenzbegriff wurzelt im begrifflichen Apparat der Glossematik Hjelmslevs. Einen besonderen Status erhielt er jedoch bei Harris, der ihn als Terminus in das linguistische Schrifttum einfuhrte (vgl. Harris 1957). Im Hinblick auf die spezifische Interpretation des Begriffs ‘Kookkurrenz’ als ‘gemeinsames Vorkommen von Sprachelementen schlechthin’, die nicht unbedingt Einheiten derselben Sprachebene oder sogar desselben Plans sein müssen, wird in der vorliegenden Studie auf sein Pendant ‘Transformation’ verzichtet. 22 Weinrich (1993, S. 25) bemerkt richtig: „Es erleichtert das Verständnis eines Textes, wenn der Hörer seine Aufmerksamkeit nicht auf alle Sprachzeichen gleichmäßig zu verteilen braucht.“ Vgl. auch Busse (1994, S. 53). 23 Zum Konzept der Prototype als einer wertvollen Alternative zur traditionellen Semantik siehe Kleiber (1993). Eine kritische Bewertung der Prototypensemantik findet man bei Blütner (1995). Zur Begründung der Zwei-Ebenen-Repräsentation vgl. Pollard/ Sag (1994). 24 Wie Blütner (1995, S. 234) schreibt: „Eine Kategorie ist durch ein bestimmtes Muster (Prototyp) bestimmt, das die Struktur der Kategorie quasi als Ganzes reflektiert. Elemente einer gegebenen Domäne werden der Kategorie aufgrund von Ähnlichkeitsbeziehungen zugeordnet, die den Grad der Übereinstimmung mit dem Prototypen reflektieren.“ <?page no="27"?> Standortbestimmung 27 Sprachkönnens. In der Spracherwerbsphase verinnerlicht, dienen sie den Kommunikationspartnem als Maßstab zur Textproduktion und Textaufhahme. 25 Sie werden nämlich als prototypische Kontexte gelernt, die, den momentanen Kommunikationsbedürfhissen durch meist geringfügige Abwandlung angepasst, immer wieder in neuen Texten auftauchen. Solche prototypischen Cluster werden zum festen Besitz jedes Sprachbenutzers. 26 Mit einer gewissen Vereinfachung kann behauptet werden, dass der Spracherwerbsprozess dann als abgeschlossen gilt, wenn das Clusterinventar der jeweiligen Sprache beherrscht und wenn die Prinzipien einer situationsgerechten Clusterverwendung gemeistert werden. Das Wissen darum wird ununterbrochen neuen Generationen in Folge einer kulturellen Transmission überliefert. 27 Die Sprachgemeinschaftsmitglieder wachsen in einer Tradition heran, in der ihre kommunikativen Verhaltensmuster vorgeformt sind (Strecker 1987, S. 12; siehe auch Schmidt 1995, S. 129; 14lf). Die Sprache wird durch Nachahmung des kommunikativen Verhaltens der Älteren und ohne Reflexion über Regeln, Muster und normative Maßstäbe erworben (Strecker 1987, S. 55; 190). Der Sprachforscher muss sich jedoch dem Problem stellen, die Prinzipien der Textbildung zu erhellen und intersubjektiv überprüfbar zu machen. Dazu bedarf er eines Instrumentariums, dessen Kategorien ihm diese Aufgabe erleichtern. In der vorliegenden Arbeit wird u.a. versucht, kookkurrierende Signale in ihren typischen Konfigurationen zu systematisieren. Auf dieser Grundlage kann gezeigt werden, wie sie in der Signalfolge nach sprachspezifischen Prinzipien verteilt werden müssen, um einen ungestörten Kommunikationsablauf zu gewährleisten. 25 Zur Kritik des Begriffs Analogie siehe bei Chomsky (1996, S. 24f.). In seiner Polemik geht er jedoch von einer trivialen Analogie-Auffassung aus, die wohl nirgends ernsthaft vertreten ist. Dann kommt er zum Schluss, dass der Analogiebegriff, sollte er anwendbar sein, eine gewisse Musterhaftigkeit hätte voraussetzen müssen. Man kann wohl sagen: Analogie ohne Musterhaftigkeit der Vorgabe gibt es nicht. Eine detaillierte Abrechnung mit Chomskys Argumenten gegen die Analogie siehe in Itkonen/ Haukioja (1997). 26 Vielleicht kann man Zweifel daran haben, ob es möglich ist, „so viele“ Cluster zu beherrschen. Es sind jedoch nicht so viele, wie man gewöhnlich annimmt. Prototypische Cluster (der Prototyp ist das Exemplar, das von den Sprechern als bestes anerkannt wird, zur theoretischen Begründung vgl. Kleiber 1993, S. 31) lassen weitgehende strukturelle Abwandlungen zu. Bei Glinz (1978) findet man einen Ansatz zur theoretischen Erklärung dieser Problematik. 21 Glinz (1973, S. 22) sagt in diesem Zusammenhang: „Keine Generation schafft sich ihre Sprache selber, sondern sie übernimmt sie von ihren Vorfahren und baut sie nur langsam und bruchstückweise um.“ <?page no="28"?> 28 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Der Text bildet die einzige intersubjektive Erscheinungsform der Sprache. Er ist die Drehscheibe sprachlicher Kommunikation: was für den Textproduzenten output seiner Sprachproduktion ist, gilt für den Textrezipienten als input für die Bewältigung kommunikativer Aufgaben. 28 Man muss jedoch immer produktive und rezeptive Kommunikationsabläufe unterscheiden, die keine einfache Umkehrung voneinander sind. Die Texte als Manifestationsform der Sprache können daher in doppelter Perspektive interpretiert werden: einmal aus der Sicht des Produzenten, zum anderen aus der Sicht des Rezipienten. Zu einer vollen Charakteristik der Sprache gehören beide Gesichtspunkte. So darf man nicht bestehende Unterschiede verwischen oder so tun, als wäre nur einer der Blickwinkel der einzig richtige. 29 Man sollte vielmehr integrativ vergehen und zugleich immer kenntlich machen, welche Betrachtungsperspektive gewählt wird. Diese Problematik wird im Kap. 1.4.1 besprochen. Der Textproduzent hat immer das kommunikative Ziel vor Augen, das er durch die Anwendung sprachtypischer Prozeduren verwirklicht. Die Prozeduren ermöglichen ihm, die zu vermittelnde Botschaft in eine Signalfolge umzuwandeln. Die Vertextung der Botschaft verläuft nicht spontan und willkürlich. Im Gegenteil: bei aller Freiheit in der Wahl einer als situationsangemessenen kommunikativen Strategie erfolgt sie nach rigorosen grammatischen Plänen, nach denen die Botschaft in sprachliche Strukturen gefasst und somit für den Textrezipienten dekodierbar gemacht wird. Das strategische Ziel der Kommunikation liegt darin, jemandem etwas mitzuteilen. Jede Strategie muss jedoch letzten Endes auch taktische Realisierbarkeit angenommener Ziele berücksichtigen. Die Kooperation kleiner Verbände trägt zum Gelingen des strategischen Plans bei, oder macht ihn beim Versagen auf taktischer Ebene zunichte. Die Perspektive des Sprachspiels (siehe Strecker 1987) ist die Perspektive des Strategen. Der Aufbau des Textsinns ist die Aufgabe der Morphosyntaktik (siehe Kap. 1.2). Die Morphosyntaktik erklärt die Vertextungsmodelle als „Strukturen von kommunikativ relevanten Strukturen“. Der Text tritt seinem Rezipienten als eine linear angeordnete Folge von Wortformen entgegen. 30 Sie ist kein bloßes Neben- oder Nacheinander, son- 28 Kritisch zum A/ ac^-Aox-Kommunikationsmodell und zur Erklärung des Textverstehens als „Sprachteilhabe“ s. Busse (1994). Der strukturalistisch fundierten Verstehenstheorie werden dort Beschränkungen angekreidet, die sie selbst gesehen und vor denen sie gewarnt hat. Als „Replik“ sei auf Glinz (1977) und insbesondere (1978) verwiesen. 29 Diesen Fehler begehen viele Verfechter der Pragmalinguistik, die den Aspekt der Verwendung der Texte verabsolutieren, ohne grammatische Textbildungsprinzipien ausreichend zu beachten. 30 Die Linearität des Textes wird hier in usuellem, alltagssprachlichem Sinne des Wortes verstanden als geordnete, spatiotemporale Aufeinanderfolge von Wortformen in der Oberflächenstruktur. Siehe dazu Baumgärtner (1970, S. 53, Anm. 2.), wo die Möglichkeit einer doppelten Interpretation der Linearität, einmal im Sinne der Markovschen Ketten, zum anderen im Sinne „der klassischen Konstituenten-Analyse“ erwähnt wird. <?page no="29"?> Standortbestimmung 29 dem ein komplexes, nach den internen Regeln der jeweiligen Sprache organisiertes Gebilde, in dem jeder Bestandteil zur endgültigen Ausgestaltung des Gesamttextes beiträgt. Eine regelwidrige Modifizierung der Folge verändert den kommunikativen Wert der Aussage oder fuhrt im Grenzfall zu dessen Aufhebung. 1.3.2 Katalyse mentaler Prozesse durch den Text Der Text ist bildlich gesagt Katalysator mentaler Prozesse, die das Zustandekommen der Kommunikation steuern. Er aktiviert beim Textrezipienten bestimmte Wissensbereiche (mit Wissen sind im Folgenden 'know how’ und 'know that’, prozedurales und deklaratives Wissen gemeint) 31 und leitet somit Interpretationsprozeduren ein, die die als Signalfolge verschlüsselte Nachricht dekodieren, im Hinblick auf die ihr zu Grunde liegende Intention interpretieren und in einen Zusammenhang einordnen lassen. 32 Zum Begriff der Linearität des Textverstehens siehe Blütner (1986, S. 209). Zur Auffassung der Linearität von Sprache siehe auch Sichelschmidt (1989). Vater (1985, S. 5) schreibt: „Sätze einer natürlichen Sprache sind nicht lineare Folgen von Wörtern. Die Wörter sind nicht aneinandergereiht wie Perlen in einer Perlenkette (...), sondern hierarchisch angeordnet nach bestimmten Mustern (...).“ Dann bekräftigt er seine Meinung durch Beispiele, die die beschränkte Permutierbarkeit einiger Wortsequenzen zeigen. Die Annahme hierarchischer Beziehungen ist eine Projektion des Linguistenwissens. Mit demselben Recht kann man die Beschränkungen in der Permutierbarkeit dadurch begründen, dass Sätze „nach bestimmten Mustern angeordnete lineare Folgen sind“, wenn mit Mustern Prinzipien zulässiger Anordnung gemeint sind. Ähnlich argumentiert Hörmann (1976, S. 430), indem er sagt, dass „hierarchische Beziehungen (Dominanzstrukturen) entstehen, weil (Herv. L.C) Sprachelemente aufeinander folgen.“ 31 Vgl. Kurcz (1987, S. 41; 86). Eine umfangreiche Typologie der zu aktivierenden „Wissensarten“ stellt Busse (1994) dar. Unter dem Einfluss der Kogniüonswissenschaft scheint der traditionelle Semantikbegriff in Zwielicht zu geraten: allmählich setzt sich die Tendenz durch, den „Inhaltsplan“ der Äußerung nicht mehr als „semantisch“ und „pragmatisch“ fundiert, nicht mehr durch den Bezug auf das vage definierte oder gar apriorisch und unreflektiv angenommene „Sprachwissen“, sondern vielmehr durch den Verweis auf das globale Weltwissen zu betrachten, das von jedem Sprachbenutzer im Sozialisierungsprozess erworben wird. Diese Tendenz setzt unter Linguisten etwa bei Glinz (1977) und (1978) ein und erreicht ihren expliziten Ausdruck bei Busse (1994). In der Psychologie ist sie um einige Jahre älter (vgl. Bartlett 1932; Miller/ Galanter/ Pribram 1973; Rumelhart/ Ortony 1976; Rumelhart 1978). 32 Bartlett (1932) hat gezeigt, dass die kognitive Tätigkeit des Menschen dem Prinzip effort after meaning (‘Streben nach einer Bedeutung’) untergeordnet ist. Die Bartlettsche Feststellung spiegelt die Erkenntnis wider, dass Erscheinungen immer im Hinblick auf ein bereits vorhandenes Wissenspotential interpretiert werden (vgl. Hörmann 1977, S. 16). Es ist in diesem Zusammenhang Glinz (1977, S. 50f.) zuzustimmen, der in seinen Bemerkungen zur Textstruktur „ein zentrales Prinzip aller Textanalyse“, ein „Textprinzip“ formuliert: „Es lautet, knapp formuliert: beim Verstehen fassen wir eine Teileinheit nach der anderen auf, und wir sehen jede neue Teileinheit im Licht der schon gelesenen, gehörten Texteinheiten, der daraus sich ergebenden Einstellungen, <?page no="30"?> 30 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Das Misslingen beim Kommunikationsversuch kann zwei Ursachen haben: entweder kennt der Textrezipient den Code nicht, dessen sich der Textproduzent bedient oder der Texproduzent hat die Codesignale so konfiguriert, dass ihre Verknüpfung ungeeignet ist, den beabsichtigten Effekt hervorzurufen. Wie bereits erwähnt wurde, stellt die Sprache die Pläne für eine zweckmäßige Handhabung von Signalfolgen bereit. Sie ist ein System virtueller Optionen, deren regelgeleitete Aktualisierung der Verständigung dient. In Folge der Selektion von Systemoptionen und ihrer Überführung in eine intersubjektiv wahrnehmbare Form entstehen Texte. Sprachlich kommunizieren heißt daher, eine der kommunikativen Absicht des Textproduzenten entsprechende, für andere Kommunikationspartner verständliche, in der gegebenen Situation subjektiv als angemessen bewertete Botschaft in Form einer Signalfolge zu verkünden. Ausgehend von der Vorstellung, dass der Text eine lineare Folge von Signalen ist, die zweckgerichtet aus dem Repertoire der in der Sprache bestehenden Möglichkeiten gewählt werden, muss auf Präferenzen bei der Textaufnahme hingewiesen werden, deren Kenntnis die Selektion des wahrscheinlichsten Interpretationspfades möglich macht. Die Mannigfaltigkeit der Kommunikationsanlässe und -formen verstellt häufig die Einsicht, dass die Bahnen sprachlicher Kommunikation durch das Sprachsystem, worunter die inhärente Ordnung der Sprache, sprich: ihr zu Grunde liegendes Regelwerk verstanden wird, streng restringiert sind. 33 Die Musterhaftigkeit der Kommunikationsgrundlagen hat ihre Quellen in der Typizität außersprachlicher Situationen, in die der Mensch verwickelt ist und auf die er folglich sprachlich Bezug nimmt, und in der Konventionalität dieser Stellungnahmen, die zuweilen bis ins Rituelle reicht (vgl. Szulc 1982, S. 405f). Im Erwartungen usw.“ (ebd, S. 51) Damit korrespondiert die Feststellung von MaasAVunderlich (1972, S. 809): „Jede einzelne Kommunikation ist in einen fortlaufenden Kommunikationszusammenhang (einen Rede- und Situationszusammenhang) eingebettet. Auf der Basis dieses Zusammenhangs stellt sich für die Kommunizierenden ein Kontexthorizont her, der über die momentane Wahrnehmung einer Situation weit hinausgeht.“ Zur Informationsverarbeitung siehe auch Miller/ Galanter/ Pribram (1973), Sichelschmidt (1989). Einprägsame Beispiele für interpretative, inferentielle Überschüsse führt Sichelschmidt (1989, S. 50ff.) an. 33 Die hier erwähnte, eher „umgangssprachliche“ Auslegung des Systemhaftigkeit der Sprache, die noch unten präzisiert wird, muss von der Auffassung der Systemhaftigkeit unterschieden werden, von der der europäische Strukturalismus ausgeht. Dort ist die Systemhaftigkeit als ein analytisches Forschungsprinzip anzusehen, von dem es keinen direkten, unvermittelten Übergang zur Performanz gibt. Wer also dem klassischen Strukturalismus ankreidet, er erkläre die Performanzprozesse nicht, beweist, dass er von den Forschungsprioritäten und -methoden des Strukturalismus wenig weiß. Genauso ungerecht wäre auch der Vorwurf, die Hydrologie leiste keinen Beitrag zur Entwicklung der Schifffahrt. <?page no="31"?> Standortbestimmung 31 Rahmen wiederkehrender Verhaltensmuster vollziehen sich regelgeleitete Kommunikationsakte, deren Wesen in der stark konventionalisierten Vertextung der zu vermittelnden Botschaft liegt. Die Verschlüsselung erfolgt mit Hilfe sprachtypischer Codesignale, deren systemkonforme lineare Anordnung Texte ergibt. Die Leistung des Textes liegt, es sei daran erinnert, in der Katalyse mentaler Prozesse, die zum Verstehen fuhren. Einen der populärsten Topoi, auf den man sich bei der Erörterung von Auswirkungen des systemhaften Charakters der Sprache beim Vollzug kommunikativer Handlungen beruft, bildet die Formulierung Wilhelm von Humboldts, dass der Mensch „einen unendlichen Gebrauch von endlichen Mitteln“ macht (Humboldt 1863, §13, CXXII.) und solche Texte bildet oder versteht, die er früher noch nie gehört hat. Die erwähnte Formulierung muss nicht unbedingt „generativ“ ausgelegt werden, etwa in dem Sinn, dass man „endliche“ Lexikon-Einheiten mit Hilfe des „endlichen“ Regelwerkes zu unendlich vielen Sätzen kompiliert. Der „unendliche Gebrauch von endlichen Mitteln“ bedeutet aber auch, wenn man die Formulierung mehr „formbezogen“ verstehen will, dass kommunikationsnotwendige Sprachmuster, deren Zahl geschlossen ist (sonst wären die Sprachen nicht erlernbar! ), unendlich, d.h. ‘immer wieder’ verwendet werden. Die sprachliche Kommunikation bewegt sich größtenteils in eingefahrenen „Rillen“, in denen fertige Denkschemata in fertigen Sprachmustem schlicht reproduziert werden. 34 Zweifelsohne entsteht die überwiegende Mehrheit der Äußerungen durch einen impliziten Rückgriff auf erwähnte Regularitäten. Das Prinzip der Analogie formt das Sprachmaterial im entstehenden Text (vgl. Itkonen/ Haukioja 1997; vgl. auch Herrmann 1997, S. 22f). Im System der jeweiligen Sprache sind Regeln der Bildung und Regeln der Anwendung von Sprachkonstruktionen enthalten. 35 Grammatische Regeln sind nicht mit Merkformeln im Nachschlagewerk zur Grammatik gleichzustellen. Mit grammatischem Gesetz ist ein sprachimmanentes Prinzip gemeint, das den Gebrauch der gegebenen Spracheinheit in den für sie repräsentativen, prototypischen Kontexten steuert. 36 Das grammatische Gesetz ist, synchron gesehen, eine starke überindividuelle Gebrauchspräferenz für die jeweilige Gruppe von 34 Man bedenke, dass diese Einsicht eine der grundlegenden Annahmen der klassischen Rhetorik bildet: der Redner hätte nicht nach Topoi zu suchen; die sind nämlich ‘vorgegeben’, bekannt und können daher aufgelistet werden. Seine Rednerkunst äußert sich darin, wie er diese vorgefertigten Schemata handhabt, vgl. Ziomek (1990, S. 99). 35 Zifonun (1987, S. 174) nennt sie entsprechend Operations- und Handlungsregeln. Die Beispiele machen den Unterschied plausibel: Um x zu bilden, verfahre nach y (Operationsregel), Um zu A-en, verwende x (Handlungsregel). Nach meiner Auffassung umfasst das System formale Elemente und pragmatische und semantische Regeln, nach denen diese Elemente gebraucht werden (vgl. dazu auch Sommerfeldt 1993, S. 15). 36 Zur Problematik zentraler und peripherer Verwendungen siehe Cirko (1985). Zur Theorie der Prototype siehe Kleiber (1993). <?page no="32"?> 32 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Sprachmitteln bei gleichzeitiger Diskriminierung anderer Verwendungsweisen. Die Präferenz hat ihren zentralen Bereich, in dem die Regularität akzeptiert wird und periphere Bereiche, in denen die normativen Urteile nicht eindeutig sind. Es gibt in der Sprache neben dem Regulären auch Unregelmäßigkeiten. Dies können Einheiten sein, die, obwohl im Einklang mit sprachintemen Regeln formuliert, durch den Usus des Sprachgebrauchs als nicht korrekt ausgewiesen werden. Sie werden üblicherweise (pauschal und nicht immer korrekt) als ‘Ausnahmen’ oder ‘Abweichungen’ bezeichnet. Beide Termini haben einen relativen Charakter: sie implizieren nämlich das Bestehen einer stabilen Regel, von der abgewichen wird. Die Termini beziehen sich auf Texte, die außerhalb des akzeptierten Geltungsbereichs eines grammatischen Gesetzes bleiben. Es gibt auch Einheiten, die zwar mit der Norm, kaum aber mit den sprachintemen Regeln vereinbar sind. Damit sind in erster Linie ‘Rudimente’ der Sprachgesetze gemeint, die im Laufe der Sprachentwicklung ihre kommunikative Verbindlichkeit eingebüßt haben. Infolgedessen funktionieren in der Gegenwartssprache neben den system- und normgerechten Wortformen oder syntaktischen Mustern auch solche, die allein durch die Tradition der Sprachverwendung sanktioniert werden. 37 Die zentralen Bereiche grammatischer Gesetze verlagern sich ständig. Die Verschiebungen modifizieren die Bereiche anderer Gesetze und hinterlassen Rudimente. 38 Grammatische Gesetze werden von Grammatikern erforscht und für andere zugänglich und nachprüfbar gemacht, indem ihnen eine Lehrsatzform gegeben wird. Die Lehrsätze einer Grammatik sind in Bezug auf den Sprachstandard formulierbar. 39 Die Unüblichkeit eines Ausdrucks, seine Abweichung vom Geltenden, ist kein Gegenstand der Grammatiktheorie (siehe dazu Seyfert 1979, S. 337). Die Grammatik muss Gesetzmäßigkeiten aufzeigen, die für die ganze Sprachgemeinschaft verbindlich sind. Die grammatischen Lehrsätze sollten dabei einen permissiven Charakter haben, insbesondere dann, wenn Sprachgesetze als Tendenzen aufgefasst werden (vgl. auch Heringer 1996, S. 13). 37 Siehe dazu den lehrreichen Aufsatz von Schmidt (1995). Schmidt stellt u.a. fest (S. 129): „Erst die Betrachtung der Wortgruppe gestattet den systematischen Blick auf die lexikalischen Partner, auf Syntagmen, auf Formulierungskeme und damit auf Traditionen des Formulierens. Die Aussagefahigkeit der historischen Wortforschung muß von der Darbietung des lexikalischen Materials in Richtung auf die Erfassung der Gebrauchstraditionen ausgeweitet werden.“ 38 Vgl. die Rudimente des dualis, die noch im Bayrischen erhalten geblieben sind (ös, enk ‘ihr’, ‘euch’), des instrumentalis (heuer ‘hiu jam’), sowie morphologische und syntaktische Besonderheiten zwei -> zweier/ zweien, drei -> dreier/ dreien, Röslein rot. 39 Wobei hier mit einem intuitiven Standard-Begriff gearbeitet werden muss, weil er sich im Prinzip einer stichhaltigen Bestimmung entzieht. Auf viele dabei entstehenden Probleme macht Zifonun (1987, S. 104) aufmerksam. <?page no="33"?> Standortbestimmung 33 1.3.3 Sprachusus als Faktor der Kommunikation Grammatische Gesetze werden von jedem Sprachgemeinschaftsmitglied auf Grund der wahrgenommenen Äußerungen abstrahiert und durch die ständige Anwendung im Kontakt mit anderen Sprachgemeinschaftsmitgliedern auf ihre kommunikativen Bedürfnisse hin abgestimmt. 40 Die Notwendigkeit einer ununterbrochenen Bestätigung grammatischer Gesetze gewährleistet, dass sie weitgehend konvergent werden. Das Sprachbewusstsein einzelner Sprachgemeinschaftsmitglieder kann wesentlich differieren. Die Sprache weist nämlich dermaßen viele historisch, sozial und regional geprägte Varianten auf, die sich in der Kommunikationspraxis in komplizierter, unüberschaubarer Weise durchdringen, dass der Durchschnittssprachbenutzer sie in ihrer Totalität kaum erfassen kann (siehe dazu auch Glinz (1978, S. 41f; 131). Die Sprache gilt als überindividueller, gemeinsamer Besitz einer Sprachgemeinschaft vielmehr darum, weil sie, wie es Glinz treffend formuliert hat, „ein Deckungsbereich von und Bezugssystem für die verschiedenen Idiolekte ist“ (Glinz 1978, S. 41). Je größer der Deckungsbereich des individuellen Sprachbewußtseins mit dem Usuellen ist, desto größer ist der Anteil des Sprachbenutzers an der Sprache, desto auffälliger ist seine Fähigkeit, die Potenz der Sprache in der Kommunikation auszunützen. Die Sprachverwendung gründet jedoch in allgemein herrschenden Prinzipien, von denen jeder Sprachbenutzer individuell Gebrauch macht. 41 In der individuellen Sprachverwendung konkurrieren zwei Tendenzen: die Tendenz, auf dem Boden der geltenden kommunikativen Konventionen zu bleiben und die Tendenz, die Aussageweise zu individualisieren. Die erste 40 Die Verschiedenheit von Bewusstseinsinhalten des Textproduzenten und des Textrezipienten im Kommunikationsprozess unterstreicht Glinz (1978, S. 47f). Der Textproduzent weiß selbstverständlich mehr als er sagt: bei der mentalen Aufbereitung des noch zu vermittelnden Inhalts spielen seine Assoziationen, frühere Erfahrungen, eingeprägte Denkschemata mit. Diese „innere Bezugsgröße“ des Textproduzenten ist für den Textrezipienten kaum nachvollziehbar. 41 Dies scheint z.B. Busse (1994, S. 51) in seiner Kritik an der Konzeption der Teilhabe am gemeinsamen Kode zu verkennen. Sein Hinweis: „Zwei Menschen wachsen niemals unter vollständig identischen Sozialisationsbedingungen auf, d.h. jeder Mensch verfügt wenigstens z.T. über spezifische Kommunikationserfahrungen, die er in diesem Zusammenhang mit keinem anderen Sprachteilhaber teilt. Damit verfügt er (wenigstens z.T.) über Sprachregeln (oder Teilregeln), über die andere nicht verfügen.“ ist richtig, wenn man ihn auf Idiolekte beschränkt. Die individuellen Sprachregeln sind jedoch keine Kommunikationsgrundlage. Sie bewirken vielmehr, dass Kommunikationspartner manchmal aneinander vorbeireden. Subjektives in der Kommunikation, worauf Busse aufmerksam macht, ist unbestreitbar: Nicht jeder deutsche Muttersprachler hat die Sprachperfektion eines Thomas Mann. Es gibt allerdings keinen Zweifel daran, dass er dieselbe Sprache wie Thomas Mann spricht. Ähnlich sieht das Problem Chomsky (1981, S. 8f.) <?page no="34"?> 34 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Tendenz gewährleistet das Zustandekommen der Kommunikation, die andere verleiht der Aussage einen individuellen Charakter und bewirkt, dass die Sprachverwendung nicht auf einer sklavenhaften Nachahmung und Wiedergabe der bereits existierenden Kommunikationsschemata beruht. Individuelle Gewohnheiten jedes einzelnen heben die Konvention nicht auf, es sei denn, dass sie unter anderen Mitgliedern der jeweiligen Sprachgemeinschaft Nachahmer finden und somit zum Rang eines neuen Kommunikationsmusters erhoben werden. Die Konvention in der Sprache stabilisiert und ermöglicht per se die Kommunikation, die Individualisierung destabilisiert und belebt und erneuert somit die sprachliche Konvention. 42 Auf die denkbaren Konstruktionen, die sich aus reiner Musterkombinatorik ergeben, appliziert die Sprachgemeinschaft das Kriterium der Usualität, nach dem Akzeptables von Unüblichem und Falschem getrennt wird. Nicht jede systemgerechte, nach den geltenden Sprachgesetzen formulierte Äußerung wird einhellig als normgerecht bewertet. Die Normkenntnis schützt die Mitglieder einer Sprachgemeinschaft davor, „unnatürliche“ Sprachkonstruktionen zu gebrauchen. 43 Werden diese dennoch gebraucht, etwa als bewusst eingesetzte Stilmittel, so werden sie meistens auch sofort in dieser besonderen Funktion erkannt. Man kann voraussetzen, dass das Akzeptable dem Inakzeptablen unter normalen Kommunikationsbedingungen vorgezogen wird. Die Kommunikation verlässt selten die Schranken des Usuellen. Der Sprachbenutzer kann nur unter spezifischen Bedingungen über das Systemhafte treten, wenn er z.B. poetische Texte bildet (Umwandlung der System-Potenz) oder wenn er der jeweiligen Sprache nicht mächtig ist (Unkenntnis des Systems) (vgl. Engelen 1984, S. 8). Die Kenntnis der usuell anerkannten Sprach- 42 Gauger/ Oesterreicher (1982b, S. 38) stellen fest: „Man muß in gewissem Sinn immer so sprechen, wie die anderen der Gruppe sprechen, zu der man gehört. Wer anders spricht, fällt auf, wird Gegenstand gesellschaftlicher „Sanktionen“ durch die anderen (...).“ Es sei am Rande auf eine Erscheinung hingewiesen, die einer soziolinguistischen Untersuchung bedarf. Texte mit vielen konventionellen Syntagmen, die von einem deutschen Muttersprachler produziert werden, werden gewöhnlich abgelehnt. Derselbe Text mit lauter abgedroschenen Phrasen, von einem Ausländer produziert, wird als Beweis seiner hervorragenden Sprachkenntnisse bewertet. 43 Ich schließe mich der Meinung von Hartung (1987, S. 317) an, dass Jeder Sprecher zumindest ein intuitives Normverständnis besitzt, das sein sprachliches Handeln wirklich zu steuern vermag, auch dann, wenn er nicht über einen Normbegriff verfugt, (...).“ Auf der anderen Seite betont Hartung, daß mit Normen „(...) präskriptive Handlungsanweisungen gemeint (sind), die als Angebote von kommunikationsrelevanten Orientierungspunkten im menschlichen Bewußtsein existieren, und die nicht mit dem in den Nachschlagewerken dargestellten Gesetzen identifizieibar sind.“ (ebd., S. 321f). Zwischen ‘Norm’ und ‘Usus’ besteht u.E. eine nicht ins Gewicht fallende Opposition: der Usus bezieht sich in erster Linie auf die kommunikativen Gewohnheiten einer Sprachgemeinschaft, während die Norm, dem Usus generisch sekundär, die gebräuchlichsten Muster zum Korrektheitsmaßstab erklärt. Durch den Usus wird die Korrektheit quantitativ bestimmt, durch die Norm qualitativ. <?page no="35"?> Standortbestimmung 35 gebrauchsmuster schafft Voraussetzungen für die sprachliche Kommunikation. Die kommunikativen Maßstäbe unterliegen zwar im Laufe der Zeit evolutionären Veränderungen, aber das der sprachlichen Kommunikation zu Grunde liegende Regelwerk behält seine Gültigkeit für mehrere Generationen. Das Schwanken zwischen Tradition und Innovation 44 erschwert die Aufgabe, den Standardbereich der Sprache nachprüfbar zu umreißen. Er ist jedoch intuitiv erfassbar. Die Sprachbenutzer entwickeln nämlich eine Instanz zur Beurteilung sprachlicher Äußerungen hinsichtlich ihrer Richtigkeit. Normative Anweisungen der Erwachsenen zum korrekten Sprachgebrauch, die man im Kindesalter hört, verbunden mit der Teilnahme an der täglichen Kommunikationspraxis der Sprachgemeinschaft, führen zur Herausbildung des sog. „Sprachgefühls“. Hinter diesem ein wenig umgangssprachlich anmutenden Terminus verbirgt sich der linguistisch relevante Umstand, dass das Sprachgemeinschaftsmitglied die Prinzipien der jeweiligen Sprache verinnerlicht hat. Von nun an bildet er formal und inhaltlich akzeptable Aussagen, die in den Kommunikationszusammenhang richtig eingesetzt werden. Das Sprachgefühl „spricht ihm vor“, welche Sprachkonstruktionen in der gegebenen Situation korrekt, halbwegs korrekt oder inkorrekt erscheinen. Die genannte Kontrollinstanz ist keine zusätzliche Fähigkeit eines kompetenten Sprachbenutzers, sondern eine bloße Manifestation des ,JCönnens“ einer Sprache, des Sprachbesitzes (Gauger/ Oesterreicher 1982b, S. 28). Wenn man davon ausgeht, dass das Akzeptable dem Inakzeptablen in normalen Kommunikationsbedingungen vorgezogen wird, so kann man den standardsprachlichen Bereich als Sprachbereich definieren, in dem Sprachkonstruktionen normativ einhellig anerkannt werden. Allerdings kann die Beurteilung des Korrekten und des Abweichenden unter spezifischen Bedingungen relativiert werden. 45 44 de Beaugrande/ Dressler (1981, S. 36) stellen fest: „Man beachte, daß Effizienz und Effektivität dazu tendieren, gegeneinander zu arbeiten. Einfache Sprache und abgedroschener Inhalt sind sehr leicht zu produzieren und zu rezipieren, verursachen aber Langeweile und beeindrucken uns nur wenig. Im Gegensatz dazu üben schöpferische Sprache und ungewöhnlicher Inhalt eine starke Wirkung aus, können jedoch unverhältnismäßig schwierig zu produzieren und zu rezipieren sein.“ Koschmieder (1965, S. 178) bemerkt dazu: „Das Zumutbare steckt also die Grenzen ab, in denen der Sprecher sein Sprechen variiert und reduziert. Wird diese Grenze überschritten, so hört die Verständlichkeit auf und der Sinn des Sprechens wird nicht mehr erfüllt. Diese Grenze ist also in Wirklichkeit nicht fest, sondern verschiebbar, da man dem einen Hörer mehr, dem anderen weniger zumuten darf. Sie ist natürlich auch von Sprache zu Sprache, und innerhalb einer und derselben Sprache von Stil zu Stil verschieden. Es ist für uns ganz selbstverständlich: ich spreche anders zu einem Kinde als zu einem Erwachsenen, anders zu einem Berufsgenossen als zu einem Laien.“ 45 Sie kann beispielsweise auf eine subjektive Barriere auf seiten des Sprachkritikers stoßen. Gauger/ Oesterreicher (1982b) bemerken dazu: „Man übersieht (oder überhört) <?page no="36"?> 36 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 1.4 Hintergrund der Kookkurrenzanalyse 1.4.1 Grammatik Der gemeinsame Nenner grammatischer Theorien ist ihr globales Fernziel, die Züge der Sprachregularität und der Sprachstabilität zu erkennen und analytisch klarzulegen. Die Grammatik, begrifTen als Sprachtheorie (Engel 1994, S. 17; siehe auch Chomsky 1996, S. 59) richtet ihr Augenmerk darauf auch wenn sie ihre Nahziele anders formuliert -, was in der Sprache konstitutiv, immanent, regulär und somit auch nachprüfbar ist. Ungeordnete Mengen sprachlicher Einheiten haben keine Grammatik. Die meisten Grammatiken 46 beschreiben die Mittel, die die jeweilige Sprache zum Ausdruck der kommunikativen Intention zur Verfügung stellt, die Selektionsmechanismen dieser Mittel bei der Äußerungsproduktion und/ oder die Hierarchien und Strukturen dieser Mittel. Die Verschiedenheit theoretischer Ansatzpunkte und die damit verbundene Nichtidentität der erzielten Forschungsresultate wird oft zum Anlass genommen, andere Modelle modellintern und -extern 47 kritisch zu beleuchten oder was epistemologisch falsch ist — unreflektiert, allein auf Grund von festgestellten Differenzen, gegen andere Konzepte auszuspielen. Man hat schon lange die Notwendigkeit erkannt, die sprachwissenschaftliche Reflexion in langue- und parole-, tiefen- und Oberflächen-, kompetenz- und performanzbezogene Modelle einzuordnen. Die Schwerpunkte der linguistischen Untersuchung werden ferner in Abhängigkeit davon bestimmt, ob das zu Grunde liegende Modell in erster Linie der Spracherkenntnis dient, indem sprachlich Kritisierbares, weil einem das Gesagte sympathisch ist oder deijenige, von dem die Äußerung kommt. Hier lassen gerade radikale Sprachkritiker die Radikalität der Selbstprüfung oft vermissen: sie sehen den sprachlichen Splitter im Auge ihrer Gegner und werden des sprachlichen Balkens im Auge ihrer Freunde nicht gewahr “ (1982 S. 33f.) 46 Die Problematik der Grammatikdefmierung, der Bestimmung ihres Gegenstandes, die Fragen ihrer Einteilung und Kritik wurde in der Fachliteratur verschieden abgehandelt. Es sei auf Helbig (1981), Engel (1994) sowie auf einen kritischen Kommentar bei Sommerfeldt (1993) hingewiesen, wo u.E. wichtige Diskussionsetappen festgehalten wurden. 47 Die Kritik, sollte sie als begründet gelten, muss entweder modellintem sein, d.h., sie muss zeigen, dass das Modell nicht in der Lage ist, das zu beweisen, was es verspricht, oder modellextem sein, d.h., der Kritiker muss zeigen, dass das kritisierte Modell für die aktuellen Forschungsziele, die sich der Kritiker stellt, unbrauchbar ist (vgl. Helbig 1986, S. 80). Modellinteme Kritik deckt die Widersprüchlichkeit des Modells auf, die modellexteme dessen Untauglichkeit zur Bewältigung anderer Aufgaben als der modellspezifischen. Ohne den Standpunkt zu markieren, von dem man an linguistischen Erkenntnissen Kritik übt, erscheint eine wissenschaftliche Auseinandersetzung epistemologisch fragwürdig. Die Klarheit darüber schützt einerseits davor, unüberlegte Argumente ins Feld zu führen und ermöglicht andererseits, unsachliche Kritik zu umgehen. <?page no="37"?> Standortbestimmung 37 es konstitutive Sprachmerkmale Festhalten lässt oder ob es den Sprachgebrauch erklärt. Die zuletzt genannte Opposition liegt der verbreiteten Gliederung in theoretische und angewandte Linguistik zu Grunde. 48 Die Sprachtheorie kann prinzipiell auf einer allgemein-theoretischen Ebene betrieben werden. Bei dieser Ausrichtung entstehen grammatische Modelle, die immer feinere Mittel der Sprachexegese bereitstellen. Anvisiert werden dabei meist übereinzelsprachliche Phänomene. Der Grammatiker kann aber sein Augenmerk auch auf die Spezifik einer natürlichen Sprache richten (siehe auch Engel 1994, S. 13). Im Falle pädagogisch fundierter Anwendergrammatiken rückt der Aspekt der Veranschaulichung und Erklärung in den Vordergrund. Der Kompromisslosigkeit der wissenschaftlichen Grammatiken im Streben nach Wahrheit bei der Aufdeckung und Fixierung sprachlicher Tatsachen wird in den pädagogischen Grammatiken oft eine zweckmäßige Vereinfachung der Darstellung gegenübergestellt. 49 Die Akzente einer didaktisch angemessenen analytischen Prozedur werden von der Universalienforschung auf einzelsprachliche Phänomene verschoben: von der Vollständigkeit der Paradigmen und Kategorien auf Präferenzen hinsichtlich der Form-Inhalt-Zusammenhänge im Text, und von Tiefenstrukturen auf Oberflächenerscheinungen. Im Hinblick auf Tiefe und Qualität der Sprachexploration können Prä-Textgrammatik und Textgrammatik unterschieden werden Das Interesse der Prä-Textgrammatik gilt für die sprachinternen Gesetzmäßigkeiten. Sie ermittelt, fixiert und erklärt latente Sprachgesetze, die durch die Annahme abstrakter Kategorien, deren Korrelate in der Textoberfläche zuweilen nur durch das geschulte Auge des Linguisten ortbar sind, erklärt werden 50 Die Prä-Textgrammatiken kommen in zwei Formen vor: als systembezogene und als kompetenzbezogene Grammatiken. Die systembezogenen Untersuchungen erklären meist die Sprache durch abstrakte Vermittlungseinheiten, mit denen auf Textelemente zugegriffen wird. 48 Siehe auch einen interessanten Aufsatz von Ägel (1997), in dem viele Aspekte der Gegenstandsbestimmung in der Linguistik unter die Lupe genommen werden, auf die in der vorliegenden Studie nicht eingegangen werden kann. 49 Die in dieser Hinsicht gemachten Konzessionen zugunsten der Anschaulichkeit und Einfachheit und zuungunsten der Wahrheit der Beschreibung werden oft als Anlass zur Kritik an grammatischen Modellen genommen. (Vgl. Cirko 1995a). 50 So hat beispielsweise die strukturalistische Linguistik die Kategorie der „Nullzeichen“ („Nullmorpheme“) eingefiihrt, deren Korrelate in den Texten erst dann feststellbar sind, wenn das ganze Paradigma überblickt wird, in dem das jeweilige Nullzeichen in Opposition zu anderen (präsenten) Zeichen steht. Zur paradigmatischen Verflochtenheit der Elemente siehe Fourquet (1973, S. 16). Über diskrete und präsente Kategorien siehe Whorf (1982, S. 136ff.). Zur Kritik (am Beispiel des Nullartikels) siehe Löbner (1986, S. 64). <?page no="38"?> 38 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Sie konstmieren Systeme von Oppositionen, mit denen virtuelle Muster des Sprachsystems gegliedert und geordnet werden. Die gewonnenen abstrakten Vermittlungseinheiten haben ihre Korrelate im Text (vgl. Heidolph/ Flämig/ Mötsch 1981, S. 28f). Die kompetenzbezogenen Untersuchungen konzentrieren sich auf die Erklärung von Mechanismen, dank derer die Sprachbenutzer ihr interiorisiertes Wissen über das Systemhafte bei der Sprachanwendung in Texte umwandeln. Die Identifizierung klassenspezifischer Merkmale und die Kombinatorik der Textelemente werden durch die Bezugnahme auf Modelle erklärt, die die Organisation jenen Wissens rekonstruieren. Das Interesse der Textgrammatik gilt den Gesetzmäßigkeiten der Sprachanwendung. Ihre terminalen Einheiten sind jedoch in erster Linie Sprachelemente, die man direkt, ohne Vermittlung abstrakter Kategorien, im Text feststellen kann. Sie ist eine Textformen-Grammatik, die bestimmt, welche Einheiten in welcher Weise miteinander kombiniert werden können oder gar müssen, wenn man Texte in der jeweiligen Sprache formulieren will. Bei der Modellbildung gehen die Textgrammatiken meist induktiv vor. Die Textgrammatiken werden im Folgenden in sprachinterne und in sprachexterne Grammatiken eingeteilt. Sprachinterne Textgrammatiken zeigen die Sprachtatsachen durch das Prisma ihrer Verflochtenheit in Textfolgen. Die Begründung für den Gebrauch der Textelemente wird in den sprachinternen Regularitäten (z.B. direkt in der Textform feststellbare Kookkurrenzen, mögliche Transformationen, u.ä.) gesucht. Eben dadurch unterscheiden sie sich von den sprachexternen Textgrammatiken, die die Anwendung von Texteinheiten aus pragmalinguistischen oder psychologischen Standpunkten zu erklären versuchen. 51 Prä-Textgrammatiken und Textgrammatiken kommen in reiner Form nicht vor. Die Annahme einer vollkommen latenten, zum anderen einer nur oberflächenbezogenen Grammatik markiert lediglich zwei Pole, zwischen denen das Verhältnis der beiden Ausrichtungen abgewogen werden muss. Anders gesagt dient jede Art Grammatik in bestimmter Weise der Spracherkenntnis und erklärt zugleich die Sprachanwendung. Zwischen Prä-Textgrammatiken und Textgrammatiken liegt daher ein gradueller Unterschied. In dieser Perspektive ist das Postulat, theoretische und angewandte Linguistik lupenrein voneinander zu trennen, nicht durchführbar. 51 Eine einleuchtende Charakteristik des Untersuchungsfeldes solcher Grammatiken findet man bei van de Velde (1981, S. 91; u.ö.) <?page no="39"?> Standortbestimmung 39 Die Nachschlagewerke zur Sprachtheorie, die umgangssprachlich ebenfalls „Grammatiken“ genannt werden dies wird sogar als die Grundbedeutung des Wortes angenommen und zwar mit so großer Selbstverständlichkeit, dass es sich nicht lohnt, dagegen anzukämpfen tendieren zur Textgrammatik: sie erklären die Wortformenfolgen, die unter spezifischen Bedingungen als Texte der jeweiligen Sprache gelten. Sie unterscheiden sich meist voneinander durch den Anteil des latenten Erklärungsapparats an der Exegese sprachlicher Regularitäten. Die Kookkurrenzanalyse versteht sich als Beitrag zur sprachinternen Textgrammatik im oben umschriebenen Sinne 1.4.2 Sprachbeschreibungsmodell Eine Textanalyse setzt ein Modell voraus, das den morphosyntaktischen Plan des Textes und seine kommunikativen Aspekte erforschen lässt. Mit Sprachbeschreibungsmodell ist eine Reihe von Annahmen gemeint, die der Grammatiker bei der Sprachanalyse für relevant hält. Dadurch wird auf die Mannigfaltigkeit der Erscheinungsformen der Sprache ein mehr oder weniger grobmaschiges Netz fester Orientierungspunkte gelegt, ein Raster, der eine gewisse Ordnung ins Chaos der Einzelfakten bringt. Die Axiome der jeweiligen grammatischen Theorie erleichtern, das Immanente, Reguläre und Charakteristische im untersuchten Bereich zu erkennen und gegebenenfalls einen Erklärungsmodus dafür zu finden (Cirko 1995b). Zunehmend wird in der Linguistik die Modellbildung als Formalismenbildung verstanden, die von den logischen oder mathematischen Theorien ausgeht und den zu untersuchenden Bereich als Graphen, Algorithmen, Netze u.a. modelliert, deren Elemente (Knoten, Kanten, Ebenen, Symbole u.dergl.) nachweisbare Korrelate im analysierten Objekt haben. Die Vorteile einer streng formalisierten, generativen Sprachbeschreibung (vgl. Ruwet 1982, S. 32) erscheinen auf den ersten Blick einleuchtend. Durch den logischen Aufbau des Bezugssystems und die regelgeleitete Handhabung der einzusetzenden Daten innerhalb des jeweiligen Formalismus erhofft man sich, eine größere Präzision in der Sprachbeschreibung zu erreichen. Wenn es nämlich gelingen würde, einen holistischen generativen Formalismus zu entwickeln, wäre es auch möglich, durch die Eintragung der untersuchten Einheit in das Bezugsystem von vornherein zu bestimmen, welches Umformungspotential ihr eigen ist und mit welchen anderen Einheiten sie sinnvoll kombiniert werden kann. 52 52 Affirmative Argumente zur Formalisierung der linguistischen Beschreibung siehe bei Engel (1994, S. 38ff ). Die Formalisierung wurde jedoch nicht immer einhellig akzeptiert. Den ersten generativen Versuchen wurde (zumeist im Lager der Strukturalisten) u.a. vorgeworfen, dass sie bloß Notationen entwickeln, die mit der Spracherforschung <?page no="40"?> 40 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Auf eine Gefahrenquelle, die in einer Überbewertung der formalisierten Sprachbeschreibung liegt, hat Givon (1979, S. 5f; passim) hingewiesen: der Formalismus darf nicht als Theorie oder als Alternative für eine Theorie angesehen werden. Die formalen Modelle sind bestenfalls Hilfswerkzeuge für den Sprachforscher. Sie bilden die Sprachrealität ab, sie können daher auch keine Sprachfakten voraussehen lassen. Der unter dem Einfluss von Chomsky 53 entstandene „myth of the »explanatory power« of the formalism“ (so Givon 1979, S. 6) muss daher grundsätzlich revidiert werden. In der vorliegenden Arbeit wird dem Postulat von Givon, man müsse Theorie und Modell als Element der Theorie in ihrer Eigenart unterscheiden, Rechnung getragen. Die Kookkurrenzanalyse will ein System formaler Muster entwickeln, die die Kookkurrenzverhältnisse innerhalb der Phrasen und Phrasenkonfigurationen für die weitere Interpretation aufzeigen. Die Muster gleichen einem Raster, dessen Anwendung auf die laufenden Texte der deutschen Sprache eine diagnostische Rolle im Hinblick auf die mögliche Textentwicklung haben kann. 54 Die Exegese der Texte unter diesem Blickwinkel wird prognostische Kookkurrenzanalyse genannt. Sie strebt eine fortschreitende Segmentierung der Texte an, so dass aus Bruchteilen des ermittelten Segments auf das ganze Segment oder sogar auf die Segmentkonfiguration geschlossen werden kann. 55 (Dies wird im Kap. 2 theoretisch begründet und im Anhang an Hand praktischer Textanalysen ausgewertet.) selbst gleichgestellt werden. Die Überbetonung der Formalisierung sollte den Anschein einer größeren Genauigkeit im Vergleich zu den Tatsachen erwecken, die die traditionelle Grammatik schon beschrieben hat (Koch 1981, S. 134ff.). Sogar entschlossene Kritiker gaben jedoch zu, dass die Notationssysteme der Generativen Grammatik „ein ausgezeichnetes Mittel (sind), die syntaktischen Strukturen von Sätzen darzustellen“ (so Seyfert (1979, S. 130). Heringer (1996, S. 35) warnt jedoch vor einem übertriebenen Vertrauen auf die Präzision einer formalisierten Beschreibung: „Die Entwicklung der letzten 30 Jahre hat gezeigt, daß formale Beschreibungen äußerst attraktiv sind. Sie bringen Präzision, Allgemeinheit, Einfachheit und Klarheit. Aber sie verführen auch, Fakten zu übersehen oder die Fakten den Regeln anzupassen. Auch darum ist eine gewisse Vorsicht und Offenheit angebracht.“ Chomsky (1965, S. 5): „I think that some of those linguists who have questioned the value of precise and technical development of linguistic theory have failed to recognize the productive potential in the method of rigorously stating a proposed theory and applying it strictly to linguistic material with no attempt to avoid unacceptable conclusions by ad hoc adjustments of loose formulation.“ Die Voraussagbarkeit des Textes soll im grammatischen Sinne als ‘Folgerichtigkeit des Auftretens textbildender Signale’, frei von psycholinguistischen Konnexionen und Konzessionen, verstanden werden. Es wird nämlich nie behauptet, dass die formulierten Regeln gerade die Regeln sind, nach denen der Text wirklich verarbeitet wird. 55 Eine ähnliche Prozedur expliziert Lemnitzer (1996). In der vorliegenden Arbeit, sollte sie didaktisch verwertbar sein, muss mit einfacheren Untersuchungsschritten gearbeitet werden. <?page no="41"?> Standortbestimmung 41 Sowohl die angestrebte Theorie als auch ihr Formalismus, begriffen als Hilfsprogramm zur Vorsortierung und Veranschaulichung der noch zu analysierenden Daten, betreffen die Fragestellung, welche Entscheidungen im sprachlichen Bereich ein kompetenter Sprachbenutzer üblicherweise macht. Es muss darüber hinaus eine Antwort darauf gesucht werden, warum er solche Entscheidungen trifft. Es wird im Folgenden davon ausgegangen, dass dort, wo man es mit einem regelmäßig wiederkehrenden Muster sprachlicher Signale zu tun hat, Hypothesen darüber formuliert werden können, wie das Muster in Textform zu aktualisieren ist, sobald eine Signalsequenz als zum betreffenden Muster gehörig erkannt wird. Wenn ein Cluster manchmal bereits auf Grund eines einzigen erkannten Signals und wenn ein Clustergefuge manchmal auf Grund des gegebenen Clusters identifiziert werden kann, so kann geschlossen werden, dass zuweilen ein Signal genügt, um auf Form und Inhalt einer Signalfolge zu schließen, die mehrere Cluster umfasst. Angesichts der prodidaktischen Orientierung der Kookkurrenzanalyse muss der angestrebte formale Apparat bestimmten Bedingungen entsprechen. Seine Anwendung darf zu nicht widersprüchlichen, linguistisch vertretbaren Resultaten fuhren. Er selbst aber ist nicht als Mittel einer theoretischen Spracherklärung gedacht. Sein Ziel besteht vielmehr darin, eine kommentierte Taxonomie von Elementen aufzustellen, die auf Grund ihrer regulären Kookkurrenzrelationen formale Muster erkennen lassen, die kommunikationsrelevanten Clustern zu Grunde liegen. Die Darstellung muss einfach sein. Die Kookkurrenzanalyse beschränkt sich deshalb auf die Textoberfläche, von der sie induktiv ihre formalen Schemata herleitet. Hier liegt der Hauptunterschied zu den bereits bestehenden formalisierten Notationen, deren Symbole Korrelate in einer Metasprache und nicht direkt im Text haben. 1.4.3 Anhaltspunkte der Kookkurrenzanalyse Die Grundsätze der Kookkurrenzanalyse sind nicht im erkenntnistheoretischen Vakuum entstanden. Die Methode verdankt viele Einsichten insbesondere denjenigen Modellen, die an die Idee der generativen, sprich: in exakte Regeln fassbaren Formalismen anknüpfen (dazu gehören u.a. Konnexions- und Dependenzmodelle, GB, GPSG und HPSG), sowie Forschungen zur linguistischen Probabilistik, zur Prototypentheorie und zu Netzmodellen, die im Rahmen der Kybernetik, der Semantik, der Psycholinguistik, der Computerlinguistik oder der Kognitionswissenschaft betrieben werden. In der traditionellen Grammatik wurden drei grundlegende syntaktische Relationen im Satz unterschieden: Kongruenz, Rektion und Zugehörigkeit (To- <?page no="42"?> 42 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache karski 1973, S. 39ff ). Die ersten zwei beruhen auf dem Prinzip der Akkommodation: ein Element zwingt einem anderen eine bestimmte morphologische Repräsentation auf (= Rektion), infolgedessen sich das untergeordnete Glied dem übergeordneten formal anpassen muss (= daran ‘akkommodieren’) (siehe dazu Karolak 1972, Saloni/ &widzihski 1985. Die Missachtung der Akkommodationsprinzipien fiihrt zur Verletzung der Kongruenz, wonach grammatisch inkorrekte Sprachkonstruktionen entstehen (Salom/ Swidzihski 1985, S. 234f). Die Kongruenzrelation wird hergestellt, indem das akkommodierte Glied grammatische Kategorien des dominierenden Gliedes wiederholt. Die Wiederholung erfolgt durch Exponenten grammatischer Kategorien (grammatische Morpheme). Der semantische Zusammenhang aller Elemente im Syntagma wurde als Relation der Zugehörigkeit bezeichnet: die Elemente passen sich sinngemäß an und ergänzen sich inhaltlich. Ein anderes ordnendes Prinzip im Satz stellt die Konnotation eines Elements durch ein anderes dar. Unter Konnotation versteht man Vorankündigung einer (meist genau bestimmten) syntaktischen Einheit durch eine Wortform. 56 Die konnotierende Wortform muss durch die konnotierte Phrase ergänzt werden, sonst entsteht eine elliptische Äußerung (Saloni/ Swidzihski 1985, S. 210; siehe auch S. 235). Konnotiert werden untergeordnete oder auch übergeordnete Elemente (ebd., S. 212; S. 219). Das Wirkungsfeld der Konnotation erstreckt sich, wie aus dem Obigen hervorgeht, auf den Bereich der Kongruenz, der Rektion und der Zugehörigkeit. Im Unterschied zur Akkommodation, die die grammatische Korrektheit des Textes regelt, entscheidet die Vorankündigung über die inhaltliche Vollständigkeit der Äußerung. Die Interpretation syntaktischer Beziehungen im Text mit Hilfe der Kategorien Akkommodation und Konnotation greift in den Bereich ein, der einst zentripetale und zentrifugale Valenz genannt wurde. Gemeint ist damit die Fähigkeit, dem übergeordneten Element angefugt zu werden oder selbst untergeordnete Elemente an sich zu binden (vgl. Abramov 1971, S. 52). M Bühler fuhrt den Begriff „Konnotation“ auf den scholastischen Temtinus connotatio zurück, in dem durch die Okkurrenz eines Wortes eine andere Bedeutung samt ihrem Träger mit-notiert wird (Bühler 1965, S. 173, 226f.). Diese semantisch-syntaktische Auslegung des Konnotationsbegriffs droht in der germanistischen Forschung in Vergessenheit zu geraten, verdrängt durch die in der traditionellen Semantik popularisierte Deutung als ‘Nebenbedeutung’ oder ‘Mitgedachtes’. In der Slawistik hat die Konnotation dagegen ihren ursprünglichen Sinn behalten. Die oben angeführte Deutung von Saloni/ Swidzinski (1985, S. 209) entspricht ihr genau. Im alten KonnotationsbegrifF ist der Gedanke enthalten, dass die Sprachgebrauchsregeln generell in den Wortarten angelegt sind (siehe dazu auch Rolland 1994, S. 40; 47). <?page no="43"?> Standortbestimmung 43 Es stellt sich nun die Frage, weshalb die Idee, den einheitlichen und theoretisch abgesicherten Valenzbegriff in Konnotation und Akkommodation zu spalten, immer noch Interesse weckt? Wäre es nicht doch einfacher, diese atomisierende Auffassung durch den Verweis auf eine neuere Interpretation des Begriffs Valenz zu vereinheitlichen und zu präzisieren? Viele linguistische Modelle gehen von der Annahme aus, dass die Elemente der Textstruktur, die in der äußersten Schicht als linear angeordnet erscheinen, in hierarchischen Relationen stehen. Zwischen den Sprachelementen, die im Rahmen einer Struktur gemeinsam Vorkommen, besteht die Relation der Konnexion. Konnexionen sind geregelte Vorkommensrelationen a) von ganzen Klassen und b) Elementen der Klassen (Engel 1994, S. 21f). Sie ergeben sich aus der zu Grunde liegenden Dependenz zwischen den Spracheinheiten, also aus der kontextbedingten Anwesenheit in linearer Kontiguität (Baumgärtner 1970, S. 54). Das Verhältnis zwischen dependentieller Staffelung des Satzes und seiner linearen Anordnung bedarf eines Kommentars. Die lineare Anordnung, fuhren Gladkij/ MeTcuk in ihrer mathematischen Interpretation generativer Sprachmodelle aus, muß nicht der Struktur, sondern dem Satz selbst zugewiesen werden. Natürlich hängt die Wortfolge von der syntaktischen Struktur ab, sie wird in Beziehung zu ihr festgelegt und ist der syntaktischen Struktur gegenüber abgeleitet, sekundär. (1973, S. 89) Ähnlich argumentiert Engel: Es scheint mir praktischer zu sein, durch die Grammatik zuerst positionsneutrale Vorkommensstrukturen erzeugen zu lassen, die dann später „linearisiert“ werden. Unter dieser Voraussetzung und wenn man das beliebte Bild akzeptiert, daß der Spracherzeugungsprozeß von unten nach oben verlaufe, aus der Tiefe des Gemeinten zur Oberfläche der physikalisch wahrnehmbaren Rede, ist es gerechtfertigt, der Konnexion eine tiefere Ebene zuzuordnen als der Position. (1994, S. 22f.) Im Unterschied zu den so verstandenen Konnexionsgrammatiken, die eine Art Kalkül für syntaktische Strukturen und nicht für Sätze einer Sprache sind (vgl. Gladkij/ MeTcuk 1973, S. 90), will die Kookkurrenzanalyse mutatis mutandis „von der Oberfläche der physikalisch wahrnehmbaren Rede zur Tiefe des Gemeinten“ analytisch vergehen. 57 Die Kookkurrenzanalyse berücksichtigt, ähnlich wie die Konnexionsgrammatik, das gemeinsame Vorkommen von Elementen. Alle Elemente, zwischen denen Konnexionen festgestellt werden können, sind als zu einer Folge im Kookkurrenzparadigma gehörig interpretierbar. 57 Heringer (1996, S. 242) sagt: „Die Struktur wird dem String mental unterlegt.“ <?page no="44"?> 44 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Während die Konnexionsgrammatiken die Bestandteile einer Sprachkonstruktion auf der jeweiligen Hierarchieebene festlegen, ohne der Position von ermittelten Elementen große Beachtung zu schenken, werden sie in der Kookkurrenzanalyse in linearer Folge untersucht. Seitdem als gesichert gilt, dass Textverarbeitungsprozesse inkrementeil verlaufen, muss man die kommunikative Relevanz linearer Ordnungen in den Signalfolgen anerkennen. 58 Die Orientierung auf die linear geordnete Folge sprachlicher Signale ist ein gemeinsamer Zug der Kookkurrenzanalyse und der Positionsgrammatik. Im Unterschied zu den Positionsgrammatiken wird aber die paradigmatische Dimension der Äußerung in die Analyse eingeschlossen: aus der Perspektive des ersten Elements einer Kookurrenzrelation wird das Paradigma der möglichen Elemente anvisiert, die mit dem ersten Element ein Kookkurrenzpaar bilden können. Die kanonische Konstituenzregel X = Y + Z (mit der Lesart Ein Konstitut X konstituiert sich aus den Konstituenten Y und Z) wird in der Kookkurrenzanalyse durch eine neue, „dynamische“ Formel ersetzt und zwar Y + ... = Xa/ Xb/ Xc... Die entsprechende Lesart wäre in diesem Fall Die Konstituente Y muss in sprachspezifischer Weise ergänzt werden, um ein mögliches Konstitut X zu bilden. Die hierarchische Staffelung des Textes nach Dominanten und ihren untergeordneten Elementen (anders: Regentien und Dependentien, Valenzträgern und Aktanten), die Gegenstand dependentieller Modelle ist, erscheint aus der Sicht der Kookkurrenzanalyse von großer Bedeutung. Viele Kookkurrenzbeziehungen gehen darauf zurück, dass die Textelemente akkommodieren und einander konnotieren. Die Analyse dependentieller Verhältnisse, üblicherweise geführt aus der Sicht der jeweils übergeordneten Elemente (nur so lässt sich das Postulat von Engel (1994) realisieren, „positionsneutrale Vorkommensstrukturen“ zu erzeugen), ist jedoch für die Kookkurrenzanalyse durch ihre „vertikale“ Ausrichtung zu einseitig. 59 Die dependentielle Betrachtungsweise bietet mit 58 Vgl. Beispiele von Sichelschmidt (1989, S. 13): Der Polizist hat den Lastwagen nicht angehalten. - Der Polizist hat nicht den Lastwagen angehalten. - Nicht der Polizist hat den Lastwagen angehalten., in denen die Verschiebung des Negationswortes jeweils einen anderen Interpretationsmodus impliziert. Einen trefflichen, wenn auch allzu „normativ“ anmutenden Kommentar gibt in diesem Zusammenhang Engel: „Kein Text kommt zustande und was stärker zählt kein Text kann funktionieren, wenn die Ordnung kleinerer Einheiten nicht berücksichtigt wird. Es kommt eben nicht nur darauf an, daß der Sprecher etwas sinnvolles meint, er muß es auch auf die rechte Art sagen. Es kann keiner darauflos reden, weil es ihm gerade zumute ist, er muß die Ordnung der kleineren Einheiten vor allem: Satz, Wortgruppe, Wort, auch Wortbildungselemente ernst nehmen.“ (1988, S. 13) 59 Dieses Defizit wird immer deutlicher von Anhängern dependentieller Modelle gesehen. Ein beredtes Beispiel ist Heringer (1996), der Möglichkeiten zeigt, Position und Dependenz in einem kohärenten Modell zu vereinigen. Der Versuch Heringers (1996), in dem Konnexionen mit der hpsg und Konzessionen zu Gunsten der hpsg deutlich sichtbar <?page no="45"?> Standortbestimmung 45 Sicherheit ein einleuchtendes ordnendes Prinzip für viele Erscheinungen im Text an. Sie ist wohlgemerkt eine von vielen möglichen Betrachtungsweisen. Die Texte erscheinen nicht nach hierarchischen Schichten gestaffelt, sondern eben in einer linearen Anordnung. Die Kookkurrenzanalyse betrachtet hierarchische Relationen als einen Reflex der Bezüge zwischen Einheiten. Daher versucht sie, die textinternen Relationen durch die Bezüglichkeit der Signale in der Kontiguität aufzuzeigen. Alternative Wege für die „deduktiven“, auf die Entwicklung und Vervollkommnung von Formalismen ausgerichteten Denkrichtungen generativer Provenienz markieren einerseits Versuche zur probabilistischen Linguistik, zum anderen Netztheorien, die vor allem im Rahmen der Kognitionswissenschaft entwickelt werden. 60 Das Interesse an der Voraussagbarkeit der Textelemente entwickelte sich in zwei Richtungen. Erstens wurde ihre Möglichkeit in verschiedenen common- .veme-Interpretationen erprobt, die unterschiedlichen methodischen Grundsätzen folgten, Einzelfakten erhellten und sich zuweilen allzu sehr einer vulgärpsychologischen Interpretation näherten (Boost 1964, Jung 1980; Zjus’kin 1982; u.a.). Zweitens (und dies ist wohl der dominierende Zweig der Sprachprobabilistik) wurden die Untersuchungen, insbesondere in den 50er und 60er Jahren, zum Übungsfeld und danach zur Zielscheibe kybernetischer, statistischer, mathematischer und psycholinguistischer Sprachmodelle. Diese verloren sich wiederum in komplizierten Berechnungen, um zunächst die Wahrscheinlichkeitsstruktur der Sprache in mathematischen Modellen zu fixieren und dann nach den evidenten Misserfolgen dieses Forschungsvorhabens sind, bestätigt die Beobachtung von Schmidt (1993), der zeigt, dass der Unifikationsprozess der generativen und dependenüellen Modelle, begonnen in den 80er Jahren, immer noch im Gang ist. 60 Zu Stand und Perspektiven der kognitiv ausgerichteten Forschungen siehe in Schwarz (1994; 1997) und Habel u.a. (1996b). Die Kognitionslinguistik befindet sich u.E. noch immer in der Phase allgemeiner Diskussionen über Analyseprinzipien, in der zwar brilliante, wegweisende Postulate entworfen werden, denen aber kaum „handwerkliche“ Untersuchungen an umfangreichen Sprachkorpora folgen. Es gilt auch die Worte G. Kleibers ernst zu nehmen: „Wir erleben gegenwärtig eine ziemlich spektakuläre Interessenverschiebung: Der Trend zu den kognitiven Wissenschaften bewirkt bei vielen Linguisten eine Abkehr von linguistischen Zielen zugunsten von allgemeineren Betrachtungen über den menschlichen Geist und menschliches Denken. Dieses Unterfangen ist lobenswert und bringt das muß man unterstreichen einen unbestreitbaren Nutzen für sprachwissenschaftliche Analysen. Es besteht jedoch die Gefahr, daß man die sprachliche(n) Funktion(en) zugunsten von kognitiven Prinzipien aus den Augen verliert, deren Allgemeinheitsgrad so gewaltig ist, daß sie durch sprachliche Phänomene nicht falsifiziert werden können was darauf hinausläuft, daß sie in linguistischer Hinsicht kein wirkliches Erklärungspotential mehr haben.“ (1993, S. 5f.). Siehe auch kritische Bemerkungen zur Prototypensemantik und Kognitionswissenschaft bei Danes (1988), Abramov (1988), Blütner (1995) und bei Rieger (1996). <?page no="46"?> 46 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache auf dieser Grundlage zu zeigen, dass natürliche Sprachen mit mathematischen Methoden nicht zureichend beschrieben werden können. Diese Erkenntnis, verbunden mit der sich synchron vollziehenden progenerativen und dann auch der pragmalinguistischen Umorientierung der Linguistik, verdrängte die antizipierenden Ansätze für einige Jahrzehnte in periphere Bereiche der sprachwissenschaftlichen Forschung. Karl Boost war der erste Grammatiker, der die Textbildung als ein fortschreitendes Setzen kommunikationsrelevanter Sprachsignale verstand, von denen einige eine gewisse Textspannung hervorzurufen und andere diese Spannung zu tilgen haben. Boost verstand unter Spannung eine Erwartung des Textrezipienten, „seine befriedigungsbedürftige Neugier“ (1964, S. 12), wie sich der Text, vom ersten Wort ausgehend und durch jedes nächste präzisiert und ausgebaut, entwickeln würde. Die Untersuchungen von Boost sind exemplarisch für die probabilistisch orientierten common-sense-Andysen und haben auch viele Nachahmer gefünden. Sie gründen in der Vorstellung, dass im Kommunikationsakt zwischen den Kommunikationspartnern ein Spannungsverhältnis entsteht: der Textproduzent weiß, was er sagen will und plant dementsprechend seine kommunikative Strategie, während der Textrezipient über den Inhalt und die formale Organisation des nächsten Kommunikationsschrittes höchstens mutmaßen kann (Boost 1964, S. 18; Agricola 1968, S. 9, siehe dazu auch in Cirko 1991). Die Verständigung kommt zustande, wenn die Spannung aufgehoben wird, indem es den Kommunikationspartnern gelingt, eine weitgehende Einigkeit über den Sinn der Äußerung zu erzielen. 61 Boost sah im Satz die grundlegende Kommunikationseinheit, die im Kommunikationsprozess Ordnung zu schaffen hat (1964, S. 21). Diese Einheit geht von einer für die Kommunikationspartner gemeinsamen Basis aus, schafft eine thematisch-rhematische Spannung, löst sie und bildet dadurch eine neue Basis für die Fortführung der Kommunikation. Boost richtete sein Augenmerk in erster Linie auf die Verhältnisse im Inhaltsplan, auf die Gewinnung der Sinneinheiten im Kommunikationsprozess. Die Kommunikation wird bei Boost als ein kontinuierliches Lösen von Spannungen in Sprachstrukturen unterschiedlichen Umfangs, ein Ablösen der alten gemeinsamen Kommunikationsbasis durch eine neue (= fortschreitende Thematisierung) und als ein Wechsel der Kommunikationsrollen des Sprechers und Textrezipienten aufgefasst. 62 61 Eine Parallele für Boosts „Textspannung“ bildet der „Informationszustand“ bei de Beaugrande/ Dressler (1981), in dem Prozesse der Wiederherstellung der Verbindung zwischen Textbotschaft und Weltwissen erfolgen. Siehe dazu auch bei DaneS (1970, S. 72; 74; 76). 62 <?page no="47"?> Standortbestimmung 47 Schon das erste Wort im Satz eröffnet eine Satzspannung, die durch weitere Satzelemente kontinuierlich gelöst wird. Die endgültige Lösung erfolgt an der Satzgrenze. 63 Die sich dort vollziehende Aufhebung der Spannung betrachtet Boost als ein defmitorisches Merkmal des deutschen Satzes (vgl. den in der traditionellen Satzlehre noch gelegentlich auftauchenden Begriff „Spannsatz“! ). Im „Ersten Grundgesetz für den deutschen Sprachbau“ so Boost liest man: Der deutsche Satz hält die mit dem Setzen des ersten Wortes erzeugte Spannung nach Möglichkeit bis zuletzt aufrecht und löst sie am Schluß. Jedes vorherige Lösen wird als sprachwidrig empfunden und daher nach Möglichkeit vermieden (Boost 1964, S. 17). Boost hat nicht immer konsequent psychologische und grammatische Momente des Kommunikationsprozesses unterschieden. So wurde das räumlichzeitliche Nacheinander der Wortformen mit der Reihenfolge der Textverarbeitungsschritte gleichgestellt. 64 Den Versuchen von Boost und seinen Nachfolgern lagen einige gemeinsame Annahmen zu Grunde, die auch für die Kookkurrenzanalyse von Bedeutung sind: 1) Der Textrezipient wird bei der Aufnahme des Textes gelenkt. 2) Jedes neu auftauchende Element schränkt das Register von Textentfaltungsvarianten ein. 3) Auf Grund bestimmter Signale, die der Textrezipient als kompetenter Sprachbenutzer registriert, schließt er auf den weiteren Textverlauf. Gewisse Sprachbereiche werden von ihm von vornherein ausgeschlossen und andere als möglich in Betracht gezogen. Einen wesentlichen Schritt voran im Vergleich zur von Boost eingeschlagenen Interpretationsrichtung des Textverstehens bildet eine wichtige Studie von van 63 Denselben Weg wie Boost geht Weinrich (1993, S. 30), der den Verlauf der Textdekodierung am Beispiel der Verbalklammer folgendermaßen erklärt: „Das klammereröffnende Element ist für den Hörer ein Signal, in seinem Kontextgedächtnis für eine kürzere oder längere Folge von Sprachzeichen einen Speicher zu öffnen. Mit dem klammerschließenden Element erhält der Hörer nach kurzer Verweildauer der Gedächtnisinhalte das Gegensignal, den betreffenden Speicher wieder zu schließen und gewissen Erwartungen entsprechend, die sich wahrscheinlich in der Sukzession der Sprachzeichen zwischen Anfang und Ende der Klammer aufgebaut haben die ganze Sprachzeichenfolge in einem gedanklichen Zugriff zu dekodieren.“ 64 Siehe das Zitat von Boost in der Vorverständigung. <?page no="48"?> 48 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache de Velde (1981). Während Boost an die Texte als traditionell denkender Grammatiker herangeht, analysiert sie van de Velde durch das bewusst gewählte Prisma psychologischer, logischer und pragmalinguistischer Faktoren. Er geht von der grundlegenden Voraussetzung aus, dass das Verstehen von Texten vor allem durch inferentiell verlaufende mentale Prozesse bedingt ist, die darauf abzielen, die Kohärenz, d.h. den inhaltlichen Zusammenhalt des Textes herzustellen (van de Velde 1981, S. 2; llff.). 65 Die prinzipiell richtige These vom Primat des Inhaltlichen über das Formale in der Sprache, die heutzutage wohl kaum noch bestritten wird, ergänzt van de Velde (1981, S. 27) durch Hinweise auf einen engen Zusammenhang zwischen Kohärenz und Kohäsion. Ausgerechnet die formale Sphäre kann bei der Interpretation der Textverarbeitungsprozesse unter keinen Umständen vernachlässigt werden. In diesem Kontext muss man van de Velde zustimmen, wenn er schreibt: Syntaktische Inferenzen erfolgen im Rahmen von Makro-Sprachgebilden auf der Basis der textkonstitutiven Regularitäten der Kohäsion und aufgrund der Informationen, die im Vor- und Nachtext verfügbar sind. (1981, S. 57) Van de Velde entwirft ein universelles Erwartungsschema im Text, das in der Annahme einer progressiven Textrezeption gründet, deren Hintergrund Bekanntes bildet und auf deren Grundlage induktiv aufgebaute Bedeutungshypothesen formuliert werden können (1981, S. 62; 65). In diesem Punkt sind die Ansichten von Boost und van de Velde gleich. Auch die Untersuchungen von Glinz (1977) und (1978) sind eine gelungene Verbindung von soziologischen, psychologischen und linguistischen Beobachtungen zur Problematik des Textverstehens. Bei der Analyse sprachlicher und außersprachlicher Bedingungen für das Textverstehen betont Glinz die Rolle des Weltwissens der kommunizierenden Partner beim Gedankenaustausch und der Verflochtenheit der Texte im kontextuellen Hintergrund. Die bereits verarbeitete Information markiert den „roten Faden“ der Verständigung und bildet eine Bezugsgröße, dank der die neue Information bewältigt werden kann. Unterstrichen wurde auch, dass die Wissensregister des Textproduzenten und des Textrezipienten bei der Textverarbeitung in unterschiedlicher Weise aktiviert werden. Das Textverstehen hat immer einen relativen, skalaren Charakter: wenn man die Sprache X nur rudimentär beherrscht, versteht man ihre Texte direkt proportional zur Menge und zum informativen Wert der Signale, die man zu deuten weiß oder glaubt deuten zu können. Wie Busse (1994, S. 71) richtig bemerkt, wird der Text immer unwillkürlich „irgendwie“ verstanden. Der Verstehensvorgang stellt sich automatisch ein und man kann willentlich nicht auf 65 Kritisch zu inferentiell fundierten Textverstehenskonzeptionen äußert sich Busse (1994). <?page no="49"?> Standortbestimmung 49 ihn verzichten. Manchmal reicht es aus, zwei bis drei Schlüsselwörter zu registrieren, um die informative Achse der Äußerung auf Grund des Weltwissens problemlos zu rekonstruieren, und manchmal macht ein einziges ausgelassenes Schlüsselwort die Rekonstruktion des Zusammenhangs nicht möglich. Hartung et al. (1974, S. 372) haben zu Recht darauf hingewiesen, dass das Textverstehen in praxi verschiedene Stufen hat: In Wirklichkeit gibt es keinen Idealfall der Verständigung, in dem die Werte am Eingang und am Ausgang identisch sind. In Wirklichkeit gibt es graduelle Übergänge von dem Stadium, in dem der Dekodierer höchstens mutmaßen kann, was der Textproduzent mit seiner Aussage hat sagen wollen bis zum Voraus- Verstehen, wo nur ein Fragment genügt, um den Rest der Aussage vorauszusa- 66 gen. Eine wichtige Vorarbeit für die linguistische Probabilistik haben mathematische Linguistik und Linguostatistik geleistet, 67 insbesondere dann, wenn sie zu begründen versuchten, daß im Sprachbewußtsein eines jeden Menschen nicht nur Einheiten seiner Muttersprache und ihre strukturellen Beziehungen, sondern auch statistische Wahrscheinlichkeitscharakteristika für diese Einheiten angelegt sind (Petrowa 1973, S. 21). Die Resultate, die von der Linguostatistik erzielt wurden, lassen sich nicht eindeutig positiv oder eindeutig negativ bewerten. Ein „klassischer“ Linguist fühlt sich zuweilen ratlos, wenn er eine reale Sprache hinter Formeln und Tabellen mit statistischen Daten zur Bestimmung der Entropie der Buchstaben- oder Wortfolgen (Petrowa 1973, Boguslawskaja 1973, Kalinina 1973) kaum noch erkennt oder wenn er auf aufwändige Berechnungsverfahren stößt, die zur Konklusion führen, dass fremdsprachliche Wörter dann im Kontext leichter und effektiver behalten werden können, wenn man fremdsprachliche Texte intensiv liest (vgl. Kalinin 1973), eine Erkenntnis also, von der jeder Dorfleh- 66 Im Hinblick auf diese Abstufung muss die Hypothese von van de Velde (1981, S. 32), eine vollkommene Erfüllung der Kohärenzbedingungen wäre notwendig, um eine Äußerungssequenz zu verstehen, relativiert werden. 67 Mathematische Linguistik ist nach Gladkijs und Mel’cuks Charakteristik (1973, S. 135) „eine mathematische Disziplin, die sich auf natürliche Sprachen und die Linguistik bezieht.“ Sie umfasst statistisch orientierte Untersuchungen zur Häufigkeit und Streuung von Sprachsignalen in Texten und dient ferner den linguistischen Untersuchungen 2. Ordnung (vgl. ebd., S. 97): sie überprüft linguistische Modelle, nach denen die Sprache analysiert wird. Die Linguostatistik, von vielen irrtümlich mit der mathematischen Linguistik gleichgesetzt (siehe dazu polemische Argumente bei Gladkij/ Mel’cuk 1973) hat immer andere Ziele verfolgt. In der Vorrede zur deutschen Fassung von Alexejew u.a. (1973, S. 10) liest man: „Zuweilen diente die Anwendung statistischer Methoden bei der Untersuchung der Sprache gar nicht linguistischen Zwecken, sondern der Verifizierung mathematischer Gesetzmäßigkeiten oder der Befriedigung praktischer Bedürfnisse der Stenographie, der Dechiffrierung, des Nachrichtenwesens, der Polygraphie u.a.“ <?page no="50"?> 50 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache rer weiß, ohne in die statistischen Forschungsprozeduren eingefuhrt zu werden. Andererseits hat die Linguostatistik viele Sprachregularitäten, die einen Tendenzcharakter haben, hieb- und stichfest fixiert. Unbestreitbar sind die Verdienste der Sprachstatistik und der Forschungen zur Type-Token Ratio (Guiraud 1966; Herdan 1960) für die Stilistik und zur Identifizierung individueller Züge beim Sprachgebrauch. Die Sprachstatistik hat auch zur Optimierung der Fremdsprachendidaktik wesentlich beigetragen. 68 Der Anstoß zur Entwicklung der probabilistischen Linguistik ging von der Informationstheorie Claude Shannons und Warren Weavers aus. 69 Ihre in den 40er Jahren entstandene Theorie der statistischen Wahrscheinlichkeit (statistical probability) besagt, dass jedes Signal in der Folge einen mathematisch bestimmbaren informativen Wert hat. Er ist um so größer, je mehr Fortfuhrungsmöglichkeiten des Textes die Okkurrenz des gegebenen Elements anzeigt. Der Quotient, der das Potential der zu erwartenden Signale charakterisiert, bestimmt die Übergangswahrscheinlichkeit zum nächsten Element. Eine Kette, in der alle Wahrscheinlichkeitswerte beim Übergang von einem Element zum anderen Schritt für Schritt berechnet werden, wird „Markovsche Kette“ (,JvIarkov chain“) genannt. Die Markovschen Ketten lagen als Modellprinzip den ersten Versuchen zu Grunde, probabilistische Grammatiken natürlicher Sprachen zu erarbeiten. 70 Sie fielen zeitlich mit ihrem psychologischen Pen- Dem Amerikaner G. K. Zipf gebührt das Verdienst, die Forschungen des französischen Stenographen Estoup aufgegriffen und sie für die Sprachwissenschaft aufbereitet zu haben. Das Zipfsche Gesetz (auch Estoup-Zipf-Gleichung, zuweilen auch Estoup-Zipf- Mandelbrot-Gleichung genannt, vgl. Guiraud 1966, S. 22; Subow u.a. 1973, S. 144; Kurcz 1987, S. 210f.) besagt, dass das Produkt der Mulüplikation des Wortranges und der Worthäufigkeit konstant ist. Die entdeckte Gesetzmäßigkeit war der Anlass zur Erarbeitung von Häufigkeitslisten des Wortschatzes und auf dieser Grundlage wiederum lexikalischer Minima (Grundwortschätze), die vor allem in der Fremdsprachendidaktik bei der Optimierung der Lehrwerke Verwendung fanden. 69 Zu den Anfängen und Grundsätzen der Informationstheorie und deren Anwendung in der Kybernetik siehe Flechtner (1966). Klein (1969) bringt eine Bibliografie von Veröffentlichungen zur maschinellen syntaktischen Analyse (bis 1968). Zur Computeranalyse des Englischen (Methodenübersicht und Bibliografie) siehe bei Johansson/ Stenström (1991). Siehe auch Habel/ Kanngießer/ Rickheit (1996). 70 Exemplarisch für ein solches Vorhaben erscheint das Analysebeispiel, mit dem Gladkij/ MePcuk (1973, S. 109) die Anwendung der sog. Kellerspeicherautomaten illustrieren. „Das Grundprinzip der Vorhersageanalyse besteht, vereinfacht ausgedrückt, in folgendem,“ stellen die Autoren fest, „der Satz wird Wort für Wort in einer Richtung bearbeitet von links nach rechts. Für jedes nächstfolgende Wort wird eine „syntaktische Vorhersage“ (sv) formuliert, die prädiziert, welche Konstruktion (welcher Konstituent) dem Wort im gegebenen Satz folgen kann. Falls das folgende Wort dieser sv genügt, läuft die Analyse weiter, andernfalls wird sie unterbrochen. Da ein Wort viele unterschiedliche Konstituenten Vorhersagen kann, entstehen viele „Wege“ der Analyse, wobei diese im Falle eines syntaktisch eindeutigen Satzes nur auf einem Wege zu Ende geführt <?page no="51"?> Standortbestimmung 51 dant, der Theorie des Wahrscheinlichkeitslernens, zusammen. Die auf der Assoziationsmethode basierende Theorie des Wahrscheinlichkeitslernens ging davon aus, dass das Kind die bedingten Auftretenswahrscheinlichkeiten der Wörter oder Wörtersequenzen lernt, die es mit aufeinander folgenden Ereignissen assoziiert (Wettler 1970, S. 9f; Engelkamp 1974, S. 19). Beide Modelle, das mathematische und das psychologische, wurden massiv kritisiert. 71 Die Kritik an der Probabilistik kam vor allem aus dem Lager der Psychologie und nahm mit der Verbreitung der Konzeption Chomskys an Intensität zu. 72 Die Schwäche der Probabilistik als Methode einer effektiven Sprachbeschreibung sah man darin, dass sich dieses Modell lediglich auf Systeme mit einer geschlossenen Menge von Zuständen (damit sind die Schritte eines Verarbeitungsalgorithmus gemeint) wirksam anwenden lässt. Keine natürliche Sprache, argumentierte Chomsky, lässt sich in Form einerfinite state- Grammatik explizit beschreiben. wird.“ Kellerspeicherautomaten stellen die sog. Vorhersageananlysatoren her, d.h. Algorithmen zur automatischen syntaktischen Analyse, vgl. Gladkij/ Mel’cuk (1973, S. 108). 71 Die Argumentation gegen die probabilistischen Grundlagen der Grammatik natürlicher Sprachen hatte drei Schwerpunkte: 1. Die Kritik ging vom plastischen Bild einer „Unmenge von Altemativlösungen“ aus, die die Anwendbarkeit der probabilistischen Modelle in Frage stellen sollte. 2. Es wurde der Vorwurf einer linearen Einseitigkeit in der Darstellung der Spracherscheinungen erhoben. Die auf stochastischen Prozessen aufbauenden Grammatiken setzten eine von links nach rechts in endlich vielen Schritten verlaufende Verarbeitung der Textelemente voraus, dessen ungeachtet, „daß auch nachfolgende Informationen die Verarbeitung vorangehender Informationen beeinflussen und die Verarbeitung sprachlicher Informationen auf verschiedenen miteinander interagierenden Ebenen gleichzeitig abläuft.“ (Grimm/ Engelkamp 1981, S. 179). 72 Die Konzeption der Generativen Grammatik wurde von Psychologen nach den misslungenen Versuchen, den Hintergrund der Sprache als behavioristisches S-R-Modell darzustellen und nach der Ablehnung des Psychologismus durch den „orthodoxen“ Strukturalismus, nahezu enthusiastisch aufgenommen. Siehe dazu Engelkamp (1974, S. 24). Engelkamp unterstreicht, dass Chomsky kein Psychologe sondern Linguist ist. Die übermäßig positive Rezeption des Generativismus unter Psychologen hatte zur Folge, dass diese Theorie bei vielen Linguisten als psychologisches Modell wahrgenommen wurde. Siehe dazu Engelkamp (1974, S. 66). Es gab wohlgemerkt auch kritische Stimmen. Siehe dazu Leont’ev (1975, S. 90; u ö.), wo auf die Einschränkungen der Methode in Sprachen mit ausgebautem Flexionssystem (z.B. in den slawischen Sprachen) verwiesen wird. Dasselbe Argument benutzen übrigens Gladkij/ Mel’cuk (1973, S. 107f.) in ihrer mathematischen Charakteristik generativer Modelle. Über die Gründe für die Popularität generativer Modelle unter Psychologen und über ihre wachsende Enttäuschung siehe Kurcz (1987, S. 42f; 68). Zur Kritik Chomskys aus der Sicht der Psychologie siehe Wettler (1974, S. If; 5). Bei Herrmann (1997) wird auf „einige notorische und offenbar unausrottbare Mißverständnisse zum Verhältnis zwischen chomskyanisch arbeitender Linguistik und erfahrungswissenschaftlicher Sprachpsychologie“ (so Herrmann 1997, S. 1) eingegangen. <?page no="52"?> 52 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Die Gründe, weshalb die Psychologie der probabilistischen Textanalyse mit Skepsis begegnete, sind einleuchtend. Die Probabilistik bot keinen Erklärungsmodus für die psychischen Prozesse, die im Kommunikationssakt auftraten. 73 Statt dessen verlor sie sich in mathematischen Formeln, die für den Durchschnittsleser der Grammatik kaum nachvollziehbar waren. Der probabilistische Ansatz wurde als Erklärung für den Spracherwerb abgelehnt mit der Begründung, der Lernende hätte letzten Endes nur Matrizen von Übergangswahrscheinlichkeiten zu lernen (vgl. List 1973, S. 48) und solche Sätze zu produzieren, die er schon früher einmal gehört hätte (Grimm/ Engelkamp 1981, S. 179). 74 Die oft berechtigte Kritik am Assoziations- und Wahrscheinlichkeitslernenskonzept darf nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Wörter zu sog. Gedächtnisklumpen {„chunks) organisiert werden, zwischen denen tatsächlich mathematisch feststellbare Wahrscheinlichkeitsrelationen auftreten. 75 Die 73 Die Probabilistik hatte aber unter Linguisten und Psychologen entschlossene Befürworter. Hocken (1958) verteidigte die Markovschen Modelle als Sprachbeschreibungsmittel mit dem Argument, dass sich der Hörer gegenüber der wahrgenommenen Äußerung aktiv verhält, indem er die sog. „offene syntaktische Analyse“ (openended parsing) vollzieht. Er stellt Hypothesen über die weitere Textentwicklung auf. Jedes neue Wort soll ein bestimmtes „Erwartungsschema“ (pattern ofexpectation) eröffnen und das Potential der in Betracht zu ziehenden Textentfaltungsmöglichkeiten einschränken. Auf die wichtige Rolle der antizipierenden Textrezeption hat auch R. Jakobson hingewiesen. Auf Grund der Vonvegnahme der Textentfaltung - Jakobson spricht in diesem Zusammenhang von der „statistischen Einstellung“ dem Text gegenüber nimmt der Dekodierende die Textfolge phonematisch und dann auch grammatisch wahr (Jakobson 1989, S. 434). 74 Miller/ Galanter/ Pribram (1973) versuchten den probabilistischen Ansatz auf diese Weise ad absurdum zu führen. Wollte man Sätze je 20 Wörter nach dem Links-rechts- Prinzip bilden, müsste man wurde argumentiert ca.10 30 Sätze hören, um ihre Aufbauprinzipien zu erkennen. Und das würde mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen, vorausgesetzt, dass der Sprachbenutzer sich ausschließlich der Satzverarbeitung widmet. Die „finite state“-Modelle bestimmen zwar unmissverständlich die Übergangswahrscheinlichkeiten von einem Element zum anderen, sind aber kaum in der Lage zu erklären, wieso der Mensch nach Engelkamp (1974, S. 36) immer neue Sätze produzieren kann (siehe dazu auch ebd., S. 21f.). Dieses erkenntnistheoretische Defizit versprach wie es damals vielen schien die Theorie von Chomsky auszugleichen. 75 So Wettler (1970, S. 16). Im Kommentar zum c/ iw«Lv-Konzept von Miller sagt Wettler: „Die maximale Gedächtnisspanne wird nicht durch die Informationsmenge bestimmt, sondern durch die Zahl von einheitlichen Konglumeraten (sic! ). Die Bildung solcher Einheiten kann durch die Art des Reizmaterials erleichtert oder erschwert werden. Sie benötigt für jedes Element einer sequentiell unabhängigen Reihe einen eigenen Speicherplatz, während abhängige Elemente zu einer größeren Einheit verbunden werden können, die nur einen Speicherplatz benötigt.“ Die Kritiker von probabilistischen Modellen verkennen oft, dass Wörter ihre Fügungspotenzen haben. Die Dependenzmodelle haben gezeigt, dass sich die astronomische Zahl der Kombinationen auf eine überschaubare Menge von kookkurrierenden Signalen verringern lässt, wenn nur alle „valenzfremden“ Komponenten aus der Betrachtung ausgeschlossen werden. Man kann theore- <?page no="53"?> Standortbestimmung 53 Okkurrenz eines Signals in der Signalreihe lässt auf nachfolgende Signale schließen, wenn auch die Entscheidung in dieser Beziehung mit unterschiedlicher Sicherheit getroffen wird. 76 Daran knüpft eine interessante Probe von Charniak (1996), das abgeflaute Interesse an der probabilistischen Sprachanalyse wiederzubeleben. Er zeigt an Hand einer exemplarischen chart-parsing- Analyse (ebd., S. 9 ff.) sowie an Hand statistischer Untersuchungen Wege einer probabilistisch fundierten Sprachuntersuchung und einer Validierung ihrer Ergebnisse. Die Kookkurrenzanalyse interessiert sich weniger dafür, mit welchem Koeffizienten die Übergangswahrscheinlichkeit von einem Signal zum anderen charakterisiert wird. 77 Wichtiger ist für sie die Frage, ob und unter welchen Bedingungen zwei Einheiten A und B gemeinsam Vorkommen können, Vorkommen müssen oder einander ausschließen. Die Textanalyse, soll sie sinnvoll sein, muss Faktoren identifizieren, die die Weichen für das Textverstehen richtig stellen. Die Kookkurrenzanalyse sieht sie in der konfigurationellen Stabilität prototypischer Signalfolgen. Der Mensch verfügt über Prototypen von Gegenständen, Situationen, Vorgängen, Prozessen u.ä., nach denen er die kontinuierlich eingehende Information bewertet und neue Elemente mit großer Sicherheit antizipiert, de Beaugrande/ Dressier (1981, S. 151) sprechen in diesem Zusammenhang von Standards, d.h. von Optionen, die routinegemäß gewählt werden, soweit kein deutlicher Gegengrund dafür feststellbar ist. Solche Präferenzen wurden durch die Psycholinguistik empirisch nachgewiesen (vgl. Rumelhart/ Ortony 1977; de Beaugrande/ Dressler 1981, passim). Die Kenntnis der „besten Repräsentanten“ organisiert in gewissem Sinne die Aufnahme der zu verarbeitenden Informatitisch eine beliebige Konfiguration von Wortformen erstellen, aber nur wenige erweisen sich dann als fähig, eine kommunikative Rolle zu spielen. Auch in der Teilmenge der kommunikativ relevanten Konfigurationen werden manche deutlich bevorzugt und andere seltener verwendet. Viele Argumente gegen die Probabilistik, die ihr Scheitern an der astronomischen Zahl von Altemativlösungen prophezeihen, hat Glinz (1971a, S. 37ff.) in seiner Analyse der linearen Anordnung der Satzelemente entschärft. Er hat nämlich gezeigt, dass im untersuchten Korpus von 5040 „algebraisch“ gewonnenen Konfigurationen nur 76, also etwa 1,5%, als kommunikationsfahig akzeptabel sind. Nach Heringer (1996, S. 245) kann man 95% aller möglichen Konfigurationen als kommunikativ irrelevant ausschließen. 76 Es gilt als bewiesen, dass Hypothesen über die Gesamtstruktur des Satzes bereits vor dem Satzende formuliert werden (siehe dazu in Kurcz/ Polkowska 1990, S. lOlfi). Dies haben auch die Forschungen Marschalls empirisch nachgewiesen. Aus den durchgefiihrten Tests geht beispielsweise hervor, dass deutsche Muttersprachler mit etwa 70%iger „Treffsicherheit“ die letzten Elemente der Verbalklammer voraussehen können (Marschall 1994, S. 310). Das Ergebnis der Untersuchung von Marschall korrespondiert mit den Ergebnissen von Stevens und Rumelhart (1975), bei denen die Werte für die Voraussagbarkeit syntaktischer Strukturen bei 75% - 80% liegen. 77 Ein Beispiel solcher Analysen findet man bei Feldweg (1996). <?page no="54"?> 54 Kookkurrenzcmalyse der deutschen Gegenwartssprache on: Auf die kontinuierlich perzipierte Aussage wird ein Netz von Orientierungspunkten gelegt, das in der Signalfolge eine nach einem morphosyntaktischen Plan strukturierte Einheit erkennen lässt und somit ein Muster für die sinnvolle Verteilung eingehender Information vorbereitet. 78 Es besteht heutzutage in der Kognitiven Linguistik ein Konsens darüber, dass der Textzusammenhang infolge adaptiver, inkrementeller Realzeitprozesse verarbeitet wird (vgl. Habel/ Kanngießer/ Rickheit 1996b, S. 21ff ). Der Textrezipient bildet und verifiziert Hypothesen über die Struktur des Begriffsnetzes, das modellhaft durch als aus Knoten und Übergängen („Kanten“) bestehend aufgefasst wird. 79 Die Textverarbeitung wird als kontinuierlicher Übergang von Knoten zu Knoten aufgefaßt. Die „konfigurationeile“ Kenntnis der Sprache bewirkt, dass alle Defizite im fehlerhaften „ist-Zustand“ des Textes durch antizipierendes „soll-sein“-Muster beglichen werden. Größere Abweichungen von den morphosyntaktischen Mustern können jedoch die Bedeutung der übergeordneten Sprachkonstruktion ändern, manchmal die Kohärenz zerstören oder sogar zur Aufhebung des Sinns des gesamten Textfragments fuhren. 80 Treten Schwierigkeiten auf, die Übergänge zu lokalisieren, wendet der Textrezipient Optimalisierungsstrategien an, mit denen er die Hindernisse überbrückt. Dazu gehören u.a. die Heranziehung des erworbenen Weltwissens, Anpassung der Information an die verfügbaren Muster, 81 Überprüfung der bereits aufgestellten Hypothesen in den „Kontrollzentren“ des Netzes (vgl. de Beaugrande/ Dressler 1981, S. 154), von wo aus man die bereits durchgelaufenen Knoten überblicken, die gewählte Verarbeitungsstrategie ändern und die Knoten im antizipierten Datennetz neu anordnen kann. Die Netze grammatischer Relationen haben eine vergleichbare Struktur von Knoten und Übergängen wie die begrifflichen Netze. Es gibt allerdings auch Unterschiede zwischen ihnen, die vor allem quantitativer Natur sind: während die begrifflichen Netze sogar für den gesamten Text gebildet werden können, übersteigen die grammatischen Netze an Umfang kaum die Texte, die man im Operationsgedächtnis („Kontextgedächtnis“ bei Weinrich 1993) aufbewahren kann (vgl. de Beaugrande/ Dressler 1981, S. 106). Daraus erklärt sich die Tat- 78 Siehe dazu Weinrich (1976, S. 78); Weinrich (1977, S. 30); Hermann (1977, S. 142); Busse (1994, S. 73ff.). de Beaugrande/ Dressler (1981, S. 56) stellen fest: „Die Rolle eines solchen Netzes besteht darin, die Oberflächenstruktur gemäß den möglichst direkten Zugangswegen so zu organisieren, daß der lineare Text während der Produktion daraus abgelesen werden kann.“ 79 Vgl. dazu de Beaugrande/ Dressler (1981, S. 61, 69, 75, u.ö.). Zum Begriff des semantischen Netzes siehe Leinfellner (1992), Muhr/ Seibt (1994, S. 291). 80 Beispiele dafür bringt Glinz (1978, S. 112ff). 81 Zur Liste hypothetischer Primär- und Sekundärkonzepte siehe de Beaugrande/ Dressler (1981, S. lOOff.). Die Prototypensemantik wird, so Kleiber (1993, S. 1), als „Abhilfe gegen alle Übel der klassischen lexikalischen Semantik angesehen.“ <?page no="55"?> Standortbestimmung 55 sache, dass der Sinn der Äußerung im Bewusstsein des Textrezipienten stets präsent ist, so dass man immer sagen kann, wovon das Textfragment handelt (Ickler 1980, S. 53; Busse 1994, S. 56f). Eine Frage nach der formalen Struktur des Textes, etwa aus welchen Einheiten sich das analysierte Textfragment zusammensetzt und welche Beziehungen zwischen diesen Einheiten bestehen, bedarf dagegen erst einer retrospektiven Überlegung. Diese retrospektive Überlegung liegt jedem grammatischen Ansatz zu Grunde. Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass psycholinguistische, kognitionswissenschaftliche und grammatische Modelle verschiedenen erkenntnistheoretischen Bedürfnissen entspringen und unterschiedliche Formen der Reflexion über die Sprache sind. Die Unterschiede zwischen ihnen dürfen nicht übersehen werden. Folgenschwer kann insbesondere der Versuch sein, die genannten Modelle als direkt ineinander überfuhrbar zu betrachten. Die Problemstellung der Kookkurrenzanalyse ist prinzipiell anders als die der mathematisch fundierten Probabilistik, der Psycholinguistik oder der Kognitionswissenschaft. Die Kookkurrenzanalyse berechnet weder die Übergangswahrscheinlichkeit von einem Netzknoten zum anderen noch interessiert sie sich für die Mechanismen, mit Flilfe derer die Signale wahrgenommen, ins Netz eingeordnet und verarbeitet werden. Das Interesse der Kookkurrenzanalyse gilt den Elementen, die in nachprüfbaren semantischen und grammatischen Kookkurrenzrelationen zueinander auftreten. <?page no="56"?> 56 Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 2. Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 2.1 Modell der Konfigurationalität Der Text ist eine Signalfolge, die pragmatischen, inhaltlichen und formalen Bedingungen genügt (vgl. Kap. 1.3.1). Ein inhärentes Merkmal des Textes ist seine Konfigurationalität. Damit ist die lineare Anordnung der Textelemente nach einem sprachspezifischen Aufbauplan gemeint, die, nach gewissen Interpretationsprogrammen verfolgt, die thematisch-rhematische Progression der vermittelten Botschaft zum Ausdruck bringt. Die Konfiguration der Signale im Text kann richtig oder inkorrekt, üblich oder nicht üblich, in der jeweiligen Situation kommunikativ angemessen oder unangemessen sein aber sie ist nicht wegzudenken. Der Text in praesentia besteht aus endlichen Segmenten und ist selbst endlich. Er entsteht in Folge stochastischer Prozesse. Seine Kontiguität wird durch das Ineinandergreifen kommunikativ relevanter Strukturen bei der Abwicklung intentional fundierter, übereinzelsprachlicher Verständigungspläne gesichert. Die Konfigurationalität ist sprachspezifisch. Der Text kann für analytische Zwecke in kleinere Segmente gegliedert werden, diese meist wiederum in noch kleinere; der Zerlegungsprozess kann so lange wiederholt werden, bis die Ebene der nicht mehr teilbaren Texteinheiten erreicht wird. Text Segment A Segment B Segment C B1 B2 B1 B2- B2- Schema 1 Einzelne Einheiten tragen unterschiedlich zur Ausformung des nächsthöheren formalen Segments bei. Zwischen den ermittelten Einheiten bestehen definierbare strukturelle Relationen. Relationen, die direkt in der Signalfolge festge- <?page no="57"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 57 stellt werden können, nennt man intertextuell. Durch die Analyse des pragmatisch-inhaltlichen Beitrags zur Ausformung des gesamten Textes wird die extratextuelle Funktion einzelner Segmente ermittelt. In der vorliegenden Arbeit wurde entschieden, die Analyse von inter- und extratextuellen Bezügen in der Signalfolge auf der Ebene der Wortformen anzusetzen (vgl. Kap. 2.2.1). Das hat zur Folge, dass immer die morphosyntaktische Kontur der Folge gesehen wird. Aus dem Blickfeld verschwindet dagegen die Problematik der Wortbildung und der Flexion. 82 Im Licht der obigen Annahme erscheint der Text in seiner untersten Schicht als eine kontinuierliche Wortformenfolge. Wortform 1 Wortform 2 Wortform 3 Wortform 4 Wortform 5 Schema 2 Die Wortformen werden nach sprachspezifischen Plänen zu immer komplexeren Texteinheiten kombiniert. Aufjeder der angenommenen Ebenen kann man eine gewisse konfigurationeile Freiheit feststellen, die darin liegt, die Wortformenfolge je nach den Bedürfnissen der jeweiligen Kommunikationssituation zu variieren. Die Flexibilität darf aber nur in einem bestimmten Spielraum ausgenützt werden, den die Grenzen der Morphosyntaktik abstecken. Die Kookkurrenzanalyse will die kombinatorischen Prinzipien überschaubar machen, indem sie Wortformen durch das Prisma einiger unten angeführter Schemata betrachtet, denen eine diagnostische Rolle zugeschrieben wird (vgl. Kap. 1.4.2). Zwei kookkurrierende Signale bilden jeweils ein Kookkurrenzpaar. Das Kookkurrenzpaar stellt die elementare Masche im Netz sprachlicher Signale dar. Streng genommen stehen alle Signale im Text in Kookkurrenzrelationen zueinander (‘sie kommen gemeinsam vor’). Dementsprechend könnten zwei beliebige Signale als Kookkurrenzpaar angesehen werden. Für die Kookkurrenzanalyse gilt jedoch die Einschränkung, dass sie systembedingt wiederkehrende Signalfolgen untersucht, die einen nicht okkasionellen Charakter haben. Von 82 Nichts steht jedoch dem im Wege, eine kookkurrentielle Analyse dieser Erscheinungen nach den in der vorliegenden Arbeit diskutierten Prinzipien durchzufiihren. <?page no="58"?> 58 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache nun an wird der Terminus Kookkurrenzpaar nur auf strukturell relevante, rekurrente Signalpaare bezogen. 83 Das erste Glied im Kookkurrenzpaar heißt Vorderglied (Vo) und das zweite Hinterglied (Hi), vgl. Schema 3 Die Analyse des Kookkurrenzpaares geht vom Vorderglied aus und orientiert sich am Hinterglied. 84 Das Vorderglied kann mehrere Hinterglieder haben. Diese bilden ein Kookkurrenzparadigma im Hinblick auf das jeweilige Vorderglied. Das Kookkurrenzparadigma ist ein Set von Kookkurrenzpaaren, die von einem Vorderglied ausgehen. Das Vorderglied bildet dann samt seinem Kookkurrenzparadigma ein Nest, vgl. 83 Es ist klar, dass im Satz Und das soll ein braver Junge sein? eine andere Relation zwischen beispielsweise und und ein, das und sein, soll und Junge besteht als zwischen soll und sein, ein und braver, braver und Junge, das und soll, und und (das soll ein braver Junge sein). Die zuletzt genannten Signale können als Kookkurrenzpaare betrachtet werden. 84 Die Kookkurrenzanalyse steht durch diese Annahme in Opposition zu der von Eisenberg (1994, S. 405) vertretenen These, „daß aus der Relation Vorgänger nicht auf die Relation Nachfolger geschlossen werden kann. Ein Finitum ist nicht Nachfolger einer Konjunktion, es kann auch unabhängig von ihr stehen.“ In der von mir vertretenen Auffassung ist das Finitum im gegebenen Satz, um bei Eisenbergs Beispiel zu bleiben, ein fakultatives Hinterglied der Konjunktion, vgl. dazu unten. <?page no="59"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 59 Die Kookkurrenzpaare bilden meist Signalfolgen („Ketten“, „Strings“): Ein Hinterglied kann zugleich Vorderglied eines anderen Kookkurrenzparadigmas sein, vgl. Schema 5 Ein Kookkurrenzpaar kann selbst den Status eines Vorder- oder eines Hintergliedes für ein anderes Kookkurrenzparadigma haben, vgl. Das Vorderglied und das Hinterglied eines Kookkurrenzpaares können direkt aufeinander folgen (adjazent sein) oder diskontinuierlichen Charakter haben. Den zuletzt genannten Fall zeigt das folgende Schema. <?page no="60"?> 60 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Die erstellten Schemata bilden die Beziehungen innerhalb der Phrasen und zwischen den Phrasen ab und stellen die so vorsortierten Daten für die weitere Analyse bereit. Kann zwischen aufeinander folgenden (adjazenten) Phrasen eine Kookkurrenzrelation festgestellt werden, so lässt sie sich grammatisch interpretieren. Kann keine solche Beziehung ermittelt werden, so muss in der Folge oder manchmal auch im gesamten Kontext so lange gesucht werden, bis ein Element höheren Grades gefunden wird, aus dessen Perspektive die Beziehung interpretierbar ist. Gibt es weder eine direkt interpretierbare Beziehung noch einen Textintegrator im obigen Sinne, so kann auf eine nicht typische Anordnung der Signalfolge in der jeweiligen Äußerung geschlossen werden, die möglicherweise sogar als inkorrekt zu bewerten ist. Die obigen Schemata sind universell und können Konfigurationen von Einheiten beliebiger Ebene repräsentieren. Je nach den momentan angestrebten Untersuchungszielen kann dasselbe schematische Rastemetz auf das zu analysierende Textfragment gelegt und die Analyse auf die Einheiten der gewünschten Ebene scharf eingestellt werden. <?page no="61"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 61 Schema 8 Die Textproduktion ist eine ununterbrochene Auswahl aus den Paradigmen. Es sind wohlgemerkt keine Paradigmen, die im Hinblick auf grammatische Kategorien konstruiert werden (man denke in diesem Kontext an Tempus-, Modus- oder Genusoppositionen, die in den meisten Grammatiken als Untersuchungsobjekt gelten). Gewählt wird im Hinblick auf die Kookkurrenzrelation zwischen Vorder- und Hinterglied. Die Struktur einer Folge kookkurrierender Signale wird 1. durch den Nachweis der Koinzidenz zwischen Signalen in der Signalfolge und 2. durch die Charakteristik der Kookkurrenzbeziehungen im Hinblick auf den Bindungsgrad und auf den Charakter der Bindung näher erläutert. In der Signalfolge können zwei grundlegende Arten von hierarchischen Beziehungen unterschieden werden: 1. die Interdependenz von Vorderglied und Hinterglied, wo sich die Konstruktion weder auf das Vorderglied noch auf das Hinterglied reduzieren lässt und 2. die Dependenz von Vorderglied und Hinterglied, wo die betreffende Konstruktion entweder auf das Vorderglied oder das Hinterglied reduziert werden kann. Als dependent gilt dann das reduzierte Glied. Es erweist sich aus praktischen Gründen als nützlich, die in der Dependenzrelation stehenden Einheiten mit Hilfe der Dichotomie „optional“ vs. „fakultativ“ weiter zu gliedern. Dadurch gewinnt die prognostizierende Kookkurrenzanalyse an Exaktheit. Mutatis mutandis wird in der vorliegenden Arbeit eine dreistufige Skala obligatorisch optional fakultativ angenommen. Von einem obligatorischen Hinterglied ist dann die Rede, wenn Vorderglied und Hinterglied immer gemeinsam im Rahmen einer interdependenten Einheit verkommen. Ein Vorderglied ist ohne Hinterglied kaum denkbar und umgekehrt. Das jeweilige Hinterglied muss in einer korrekten Konstruktion gewählt <?page no="62"?> 62 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache werden. Die obligatorischen Hinterglieder bilden einoptionale Klassen im Hinblick auf ihr Vorderglied, sind vorhersagbar und nicht weglassbar. Eine solche Kookkurrenzbeziehung kommt u.a. in vielen Redewendungen (Idiomen) (Ende gut, —» alles gut! ), in den diskontinuierlichen Prädikatsteilen (Er wacht täglich um 6 Uhr -> auf) oder in manchen Phrasenteilen vor (z.B. zwischen zu und Infinitiv in Kookkurrenzbeziehung mit bestimmten Verben). Optionale Hinterglieder sind solche, die aus einem bestimmbaren, vollständig aufzählbaren Paradigma gewählt werden. Wenn das Vorderglied das Auftreten eines Hinterglieds verlangt, gilt das Hinterglied als sein optionaler Kookkurrenzpartner. Er muss zwingend aus einem Paradigma gewählt werden. Die optionalen Signale lassen sich also im Rahmen des jeweiligen Paradigmas Vorhersagen. So steht beispielsweise ein Modalverb meist entweder ohne weitere verbale Komponenten (dann zeigt es aber eine deutliche Tendenz, mit Direktivergänzungen 85 zu kookkurrieren, vgl. Ich muss noch in die Stadt) oder was eine starke Systemtendenz ist mit einem Infinitiv. Die meisten Signale im Ausdrucksplan der Äußerung, die miteinander reguläre Kongruenzreihen bilden, fallen unter die Kategorie optionaler Kookkurrenzpartner. 86 Ein fakultatives Hinterglied liegt dann vor, wenn es als akzeptabler Kookkurrenzpartner des Vorderglieds aus keinem im voraus bestimmbaren Paradigma ausgewählt wird. Es ist aus der Perspektive des Vordergliedes kaum vorhersagbar, es lässt sich aber auch von vornherein nicht ausschließen und muss daher als potenzielle Textentwicklungsmöglichkeit in Betracht gezogen werden. Als Beispiel einer fakultativen Beziehung zwischen Vorderglied und Hinterglied kann das Verhältnis zwischen und und möchtest hingehen im Satz Und du möchtest wirklich hingehen? dienen. Die Relation innerhalb des Kookkurrenzpaares kann als formbezogen, inhaltbezogen und form- und inhaltbezogen charakterisiert werden. Die Relation wird dann als formbezogen interpretiert, wenn man von Vordergliedem auf ihre formalen Partner im Kookkurrenzparadigma schließen kann. Als Indikatoren formaler Relationen können beispielsweise dass oder ob betrachtet werden, die unmissverständlich auf die Kookkurrenz des Verbs in der letzten Position im Rahmen des jeweiligen Teilsatzes verweisen, ohne zugleich Informationen über seinen semantischen Charakter zu geben. Der Hinweis auf die syntaktische Satzcharakteristik (etwa „Subjekt-“ oder „Objektsatz“ u.a ), Satzart („Aussage-“, „Fragesatz“ u.a.) oder Satzform („Haupt-“ bzw. „Nebensatz“) hat keinen semantischen Charakter. 85 86 Zum Begriff der Direktivergänzung siehe Engel (1988, S. 195f.). Vgl. dazu Jaeger (1992). <?page no="63"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 63 Die Relation ist dann als inhaltbezogen interpretierbar, wenn auf Grund der Vorderglieder auf ihre inhaltlichen Kookkurrenzpartner gefolgert werden kann. So ist im Textffagment Er wachte um 6 Uhr ... die Erwartung von auf geradewegs selbstverständlich, weil nur dann der Satz - „von hinten“ aufgerollt sinnvoll erscheint. Die Satzfolge Er hat viel Geld gewonnen, und Er hat sich ein Häuschen gekauft, kann rückblickend kausal interpretiert werden, im Unterschied zu Er hat sich ein Häuschen gekauft, und Er hat viel Geld gewonnen., wo solch eine Schlussfolgerung zwar ebenfalls möglich ist, aber eines besonderen Kontextes bedarf. In form- und inhaltbezogene Relationen treten Signale, die kookkurrierende formale Elemente andeuten und zugleich Informationen über den Sinn der Äußerung vermitteln. Als Beispiel werden nun Relativpronomina genannt, die formal mit dem Verb kookkurrieren, ihm die letzte Position im Rahmen des jeweiligen Teilsatzes zuweisen und inhaltlich zugleich einen Anschluss an das vorangehende Fragment herstellen, vgl. Die Mädchen, denen wir gestern nachmittag in der Stadt begegnet waren, wirkten irgendwie komisch. In den o.g. Relationen stehen auch solche Elemente im Kookkurrenzparadigma, in dem die Semantik eines Elements sich auf die Gestaltung des Ausdrucksplans auswirkt. Als Beispiel kann hier die Präposition zwischen angeführt werden, deren Hinterglied optional entweder ein Nomen im Plural oder eine koordinative Verbindung zweier Nomina ist, vgl. Er saß zwischen den Männern. Er saß zwischen dem Vater und dem Onkel. *Er saß zwischen dem Vater. 2.2 Textwörter 2.2.1 Einteilungsprinzipien Der Status der Sprachsignale wird in der vorliegenden Arbeit arbiträr den Wortformen zugeschrieben. Die Wortformen werden im Folgenden Textwörter genannt. Die Textwörter sind Erscheinungsformen der Grammatik- Wörter (siehe Grzegorczykowa u.a. 1984, S. 18f). Die ersten sind Textoberflächeneinheiten, die in der Folge anderer Textwörter gesehen werden, die letzten sind dagegen Abstraktionen, in denen paradigmatische, distributioneile <?page no="64"?> 64 Kookkunenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache und semantische Klasseneigenschaften von Textwörtern kumulieren. 87 Der Text wird folgerichtig als Konfiguration von Textwörtern beschrieben. Die ermittelten Gesetzmäßigkeiten innerhalb der erwähnten Konfiguration können wohlgemerkt zur Charakterisierung der Grammatik-Wörter benutzt werden. Eine rationale Basis, Textwörter zu untergliedern, bildet der fimktionale Ansatz: man registriert die Wortformen und fragt, wozu sie im Text gebraucht werden, welche Inhalte sie mit sich tragen und warum sie im gegebenen Textfragment so und nicht anders konfiguriert worden sind. Die Textwörter beziehen sich aufeinander. Mit dieser Formulierung ist gemeint, dass die Wortformen in der Folge füreinander Kontext schaffen, indem sie ihre Geltungsbereiche einschränken und präzisieren. Den formalen Textstrukturen fällt die Aufgabe zu, Textverarbeitungsprozesse in bestimmter Weise zu kanalisieren. Die grammatische Analyse ist eine Analyse inhaltlicher Bezüge im Text, die materielle Korrelate in der Wortformenfolge haben. Das Wort als Signal in der Folge hat nur eine Form: dies ist die Form, dank deren das betreffende Wort im Kontext anderer Wortformen kongruent erscheint. Diese Gründe sind entscheidend dafür, dass die Abgrenzungskriterien von Textwörtern in drei Bereichen gesucht werden: 1) in der Bezüglichkeit der Textwörter aufeinander, 2) in ihren direkt im Text feststellbaren Flexionsmerkmalen und 3) in der verallgemeinerten Klassenbedeutung des jeweiligen Grammatik-Wortes. Die genannten Punkte stellen eine Hierarchie dar: Was sich nicht auf Grund des Bezugs in der Signalfolge abgrenzen lässt, wird nach der Wortform definiert; führt auch dieser Schritt zu keinem befriedigenden Resultat, wird zur Charakteristik im Hinblick auf Grammatik-Wörter gegriffen, deren Oberflächenmanifestationsformen die betreffenden Textwörter sind. 88 87 Nagörko (1997, S. 71f.) unterscheidet Textwörter (= Textsegmente, die weder einen Einschub noch eine Permutation der Elemente zulassen und eine Leerstelle für nur eine Reihe von Flexionsendungen zulassen), Grammatikwörter (Textwörter in Funktion) und Lexikonwörter (= Lexeme; Grammatikwörter im Paradigma). In meiner Klassifizierung entsprechen Textwörter annähernd den Grammatikwörtem bei Nagörko, und Grammatik-Wörter den Lexikonwörtem. 88 Wie Feldweg (1996, S. 217) dargelegt hat, ist es nicht möglich, eine Wortartendisambiguierung allein auf Grund syntaktischer Merkmale durchzufuhren. Oft muss auf Bedeutung und auf epistemisches Wissen zurückgegriffen werden, um eine korrekte Entscheidung zu treffen. Guenther/ Maier (1996, S. 75) geben den distributioneilen Kriterien Vorrang vor den morphologischen Kriterien, zumal diese eine größere Anzahl von sprachlichen Einheiten abzugrenzen ermöglichen. Sie warnen jedoch vor unumgängli- <?page no="65"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 65 Die Anwendung dieser Kriterien fuhrt zur Textwortklassifizierung, die sich in vielen Punkten von etablierten terminologischen Systemen unterscheidet (siehe dazu Cirko 1995a; 1996). Das Festhalten an den bereits bestehenden Termini kann jedoch die Gefahr heraufbeschwören, dass die Untersuchungsergebnisse durch die an den Termini haftenden Konnotationen in bestimmter Weise präformiert werden. Eine unkritische Übernahme eines bereits bestehenden terminologischen Systems (welches ist denn das beste? ) in ein „axiomatisch fremdes Modell“ kann zuweilen zu Aporien fuhren. Die Textwörter werden im Folgenden in Flektive und Aflektive gegliedert. Unter Flektiven werden sämtliche Textwörter verstanden, die sich durch die Flexion an andere Elemente anpassen. Sie gelten in der Folge nur dann als korrekt, wenn sie in ihrer Oberflächenform grammatische Morpheme aufweisen, die zur Herstellung einer kongruenten Signalreihe notwendig sind. In praxi sind es Kasus-, Genus-, Numerus- und Personalmopheme: -e, -(e)n, -em, -er, -(e)s, -{s)t. 89 Das komplementäre Gegenstück der Flektive stellen Aflektive dar, d.h. Textwörter, die in der gegebenen Folge nicht fähig sind, sich durch die Flexionsmorpheme an andere Textwörter anzupassen. Auf Grund der oben formulierten Kriterien werden folgende Textwortklassen unterschieden: Flektive Aflektive Verben Partizipien Nomina Infinitive Pronomina Präpositionen und Postpositionen Flektive im engeren Sinne Verbzusätze Aflektive im engeren Sinne chen Mehrfachklassifikationen, die bei der Anwendung distributioneller Kriterien entstehen. Um dieser Gefahr auszuweichen, werden in der vorliegenden Studie (siehe unten) einige Sammelkategorien eingeführt, die größtenteils keine direkte Entsprechung in den gängigen terminologischen Systemen haben. 89 Zu unterscheiden sind -er in lauter Knall (Kasus-, Genus- und Numerusmorphem, das zur Bildung einer kongmenten Reihe notwendig ist, vgl. *laut Knall), x knallt lauter (Komparationsmorphem, das zur Bildung einer kongmenten Reihe nicht notwendig ist, vgl. x knallt laut) und lauter Menschen (lauter als Gmndmorphem, das nicht teilbar ist). Als Flektiv wird nur der erste Fall eingestuft, die zwei übrigen Verwendungen des Wortes lauter sind Aflektive. <?page no="66"?> 66 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 2.2.2 Funktionen der Textwörter Die Textwörter üben in der Signalfolge verschiedene Rollen in Bezug aufeinander aus. Diese Rollen werden im Folgenden in der Triade festgehalten: 1) Organisatoren (O) 2) Akkommodanten (A) 3) Spezifikatoren (Sp) Der Abschnitt in der Signalfolge, in dem die Textwörter diese Funktionen erfüllen, wird im Folgenden Phrase genannt. 90 Einige flektivische und aflektivische Subklassen, die darauf ausgerichtet sind, ihre Funktionen nicht in der Phrase, sondern in der Phrasenkonfiguration zu erfüllen, werden im Kap. 4.1 behandelt. 2.2.2.1 Organisatoren Organisatoren sind Wörter, die andere Wörter zu einer höheren Texteinheit zusammenfugen. Der Organisator bildet dann eine Phrasendominante; alle übrigen Textwörter haben eine untergeordnete, spezifierende Funktion im Hinblick auf den Organisator. Sie sind relativ, d.h. sie werden durch den Bezug auf den Organisator definiert. Der Organisator ist das einzige absolute Element in der jeweiligen Phrase. Die Organisatoren beeinflussen die untergeordneten Phrasenelemente 1. hinsichtlich ihrer morphosyntaktischen Repräsentation, 2. ihrer Position zueinander sowie 3. im Hinblick auf ihre semantische Verträglichkeit. Vaters Hoffnung auf baldige Genesung * Vater Hoffnung über baldiger Genesung * auf baldige Genesung Hoffnung Vaters * Genesungs Hoffnung auf baldige Väter Es gilt das Prinzip, dass die gegebene Phrase nur einen Organisator hat. Organisatoren innerhalb einer Phrasenkonfiguration können allerdings in hierarchi- 90 Somit wird die traditionelle Phrasenauffassung „distributionell“ umgedeutet und erweitert. <?page no="67"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 67 sehen Beziehungen zueinander stehen. Derjenige Organisator, der andere Phrasen zu einer Phrasenkonfiguration zusammenfugt, wird Hauptorganisator genannt. Die Rolle des Hauptorganisators übernimmt kraft ihrer Valenz vor allem, doch nicht zwingend, die Verbalphrase (vgl. Engel 1994, S. 105). Besuchst du mich morgen? *Du mich morgen? Die textorganisierende Rolle der Valenz wird im Kap. 4.2.2 ausführlich besprochen. 2.2.2.2 Akkommodanten Akkommodanten sind Wörter, die inhaltlich auf den Organisator bezogen sind und die sich ihm formal anpassen. Die formale Anpassung (= Akkommodation) erfolgt mit Hilfe von Flexionsmitteln. ferne, exotische Länder, infernen, exotischen Ländern *fernes, exotisches Länder Die semantische Leistung des Akkommodanten liegt darin, den BegrifFsumfang des Organisators (und somit der gesamten Phrase) einzuschränken: es gibt viele ‘Länder’, nicht alle sind aber ‘fern’ und ‘exotisch’! Das Kookkurrenzverhältnis zwischen Organisator und Akkommodanten ist form- und inhaltbezogen. Wörter, die als Akkommodanten gelten, werden Flektive im weiteren Sinne genannt. Dazu gehören Verben, Nomina, Pronomina und Flektive im engeren Sinne (siehe Kap. 2.2.10). Manche Flektive im weiteren Sinne können selbst Phrasenorganisatoren und zugleich Akkommodanten eines übergeordneten Organisators sein (z.B. Nomen als Organisator der Nominalphrase, das zugleich Akkommodant eines verbalen Organisators sein kann). Einige Flektive, die selbst Akkommodanten eines höheren Organisators sind, sind fähig, dem nachfolgenden Akkommodanten eine bestimmte morphosyntaktische Form aufzuzwingen. <?page no="68"?> 68 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache eines alten Mantels *eines alte Mantels Sie können die Flexion mehrerer Akkommodanten festlegen. diese alten, schmutzigen Mäntel * diese alte schmutzigen Mäntel Andere flektivische Akkommodanten haben keinen Einfluss auf die Flexion anderer Akkommodanten: alte schmutzige Mäntel Die flektivischen Akkommodanten der ersten Gruppe stehen nie nach den Akkommodanten der zweiten Gruppe: alle diese alten schmutzigen Mäntel * alten alle diese schmutzigen Mäntel Die Kookkurrenzrelation zwischen dem Akkommodanten und dem Organisator ist form- und inhaltbezogen. Als Akkommodanten können nur Flektive (im weiteren Sinne) auftreten. 2.2.2.3 Spezifikatoren Spezifikatoren sind formal nicht anpassungsfähige Wörter, die im gegebenen Kontext den Organisator (und ggf. seinen Akkommodanten, falls dieser vorhanden ist) ankündigen oder kommentieren (zu den Begriffen Ankündigung und Kommentar siehe Kap. 2.3). Sie schränken den Geltungsbereich des nachfolgenden Organisators, des Akkommodanten bzw. eines anderen Spezifikators ein. Einschränkung des Organisators Du sollst nichtfalsch Zeugnis reden Einschränkung des Flektivs eine zufriedenstellend gelöste Aufgabe <?page no="69"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 69 Einschränkung des Aflektivs eine sogar zufriedenstellend gelöste Aufgabe Spezifikatoren gehen meist den Akkommodanten voran. Sie drücken dann die Qualität oder die Quantität (beides im weitesten Sinne des Wortes) des Akkommodanten aus. Sie haben jedoch keinen Einfluss auf die Flexion der Akkommodanten. Manchmal kann der Spezifikator direkt vor dem Organisator erscheinen: In ganz Mannheim, durch halb Europa, die drei Söhne Müller Einige Subklassen von Spezifikatoren können ebenfalls nach dem Organisator stehen, wodurch sie sich von Akkommodanten unterscheiden. Unser Treffen heute, die Frau dort In solchen Fällen wird gesagt, dass sie den Organisator kommentieren. In der zuletzt genannten Position stehen sie nie vor Akkommodanten. Sie können dagegen vor anderen Spezifikatoren stehen. Unser Treffen ausgerechnet heute, die Frau gerade dort Daraus folgt, dass Spezifikatoren Reihen bilden können. Eine nachgestellte Spezifikatorenreihe bezieht sich als Block auf den vorangehenden Organisator. In der Reihe gilt dagegen eine gewisse Hierarchie: der erste Spezifikator bestimmt den zweiten, der erste und der zweite den dritten, usw. O <— (Sp —^ sp) Das Kookkurrenzverhältnis zwischen dem Organisator und dem Spezifikator ist form- und inhaltbezogen. Die Relation zwischen dem Spezifikator und dem Akkommodanten ist inhaltbezogen. 2.2.3 Phrasen Die Textwörter können Phrasenorganisatoren sein. Die Phrasen werden nach ihren Organisatoren benannt. Je nach der Fähigkeit bzw. Unfähigkeit des Organisators, sich formal anderen Elementen in der gegebenen Signalreihe anzupassen, werden im Folgenden Flektivphrasen und Aflektivphrasen unterschieden. <?page no="70"?> 70 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Zu den Flektivphrasen werden gerechnet: - Verbalphrasen - Nominalphrasen - Pronominalphrasen - Flektivphrasen im engeren Sinn Zu den Aflektivphrasen werden gerechnet: - Partizipialphrasen - Infinitivphrasen - Aflektivphrasen im engeren Sinn. Ein besonderer Status kommt der Präpositional- und der Postpositionalphrase zu, was noch im Kap. 2.2.10 erläutert wird. Da die obige Klassifizierung quer durch viele stillschweigend als kanonisch angesehene „Wortarten-“ bzw. „Wortklasseneinteilungen“ geht, kann dem Leser nicht zugemutet werden, dass er sofort die ihm besser vertrauten Interpretationsschemata aufgibt. Daher muss erklärt werden, wo die Unterschiede liegen und was die Vorteile der Innovation sind. Der auffallendste Unterschied liegt, um es vorwegzunehmen, im Verbbereich: das Grammatik-Wort Verb wird in der angenommenen Perspektive in vier Wortformen gespalten (Verb, Partizip, Infinitiv, Verbzusatz). Zum Verb und seinen Kookkurrenzpartnern siehe Kap. 3.1. Der Leser wird zunächst sicherlich „unentbehrliche“ Wortarten wie Adjektiv, Adverb, Determinativ oder Partikel (im engeren Sinne) vermissen, die als Textwörter anders gegliedert werden. Attributiv gebrauchte Adjektive sowie die meisten Determinative werden als Flektive angesehen, adverbial und prädikativ gebrauchte Adjektive, Adverbien, Konjunktionen und Partikeln fallen dagegen unter Aflektive (ausführlich dazu Kap. 2.2.12) Zumindest drei Vorteile dieser terminologischen Innovationen sind evident. Erstens lässt die Einführung der durch die Einbettung in bereits bestehende terminologische Systeme nicht vorbelastete Fachausdrücke einen unnötigen terminologischen Streit 91 umgehen; zweitens - und dies ist entscheidend - 91 Als Beispiel sei hier ein immer noch lebhafter Streit um die Abgrenzung der Adjektive gegen die Adverbien angeführt. Der Stein des Anstoßes sind hier „adverbial gebrauchte Adjektive“, die zuweilen „Adjektivadverbien“ genannt werden (vgl. Helbig/ Buscha 1993). In manchen Grammatiken werden sie als Adjektive aufgefasst (vgl. Engel 1988), in anderen als Adverbien (bei Weinrich 1976 zunächst ausgesprochen affirmativ, dann <?page no="71"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 71 erscheint das vorgeschlagene System ökonomischer als andere. Die neun grundlegenden Textwortklassen (siehe Tabelle oben) können theoretisch in je drei Funktionen (Organisator, Akkommodant, Spezifikator) auftreten. Das ergibt rein kombinatorisch - 27 Schnittstellen in der Matrix (siehe Kap. 2.4). 92 Einzelne Textwörter sind in unterschiedlichem Maße prädestiniert, die genannten Rollen zu spielen. Manche von ihnen sind monofunktional (z.B. Verbzusätze sind nur Spezifikatoren des Verbs als selbstständigen Phrasenorganisators), andere wiederum sind polyfunktional (z.B. Nomina, die in praxi alle Funktionen spielen können). Drittens sind die Abgrenzungskriterien zwar nicht homogen, aber in ihrer Heterogenität überschaubar, was bei vergleichbaren klassifikatorischen Versuchen nicht immer der Fall ist. 93 Darüber hinaus erlauben sie, einzelne Textwortklassen sauber in ihrer morphosyntaktischen Funktion zu erfassen. 94 abschwächend als applikative Adjektive bezeichnet, vgl. Chakroun 1991, S. 2). In Engel (1994) sehen wir eine bemerkenswerte Verschärfung im Streit gegen den Terminus „Adjektivadverb“. Gestritten wird ebenfalls um die innere Gliederung der Klasse Adjektiv („nur prädikativ gebrauchte Adjektive“ vs. „Kopulapartikeln“? ) (Engel 1988; bei Engel 1994 siehe eine abschwächende Bemerkung zu der ursprünglich ablehnenden Haltung den „nur prädikativ gebrauchten Adjektiven“ gegenüber; Helbig/ Buscha 1993, Götze/ Hess-Lüttich 1989, S. 240). Eine Identität der Wortlisten, die mit jeweils unterschiedlichen Kriterien ausgegrenzt werden, zeugt davon, dass hier vor allem um die Durchsetzung eigener Axiomatik gegen andere und weniger um das Wesen der Erscheinung an sich gekämpft wird. Der Energieaufwand ist auf jeden Fall überproportional groß im Vergleich zu den erzielten theoretischen Profiten. 92 Bewertet man die Beschreibungsökonomie mit Hilfe eines Modells nach der so gewonnenen Schnittstellenzahl, die man deduktiv in Betracht zieht, so fällt das hier vorgeschlagene System im Vergleich mit anderen verheißungsvoll aus: Bei Engel (1988) sind es beispielsweise 15 Wortklassen, die insgesamt 11 Ergänzungs- und 4 Angabenfunktionen (mit Subklassen - 18! ) haben. Bei Helbig/ Buscha (1993) sind es dagegen 12 Wortklassen mit weit über 20 syntaktischen Funktionen. (In beiden Fällen werden Attribute nicht mitgerechnet.) 93 So entwerfen beispielsweise Guenther/ Maier (1996, S. 75ff.) ein Wortartensystem, in dem Nomina und Präpositionen nach dependentiellen und kombinatorischen Kriterien ermittelt werden, Adjektive nach ihrer Distribution und Kongruenz, Verben nach morphologischen Kriterien, Determinative und Pronomina nach distributioneilen und semantischen Merkmalen, Adverbien nach ihren syntaktischen Eigenschaften (Satzgliedschaft und Vorfeldfähigkeit), Präpositionen und Konjunktionen nach ihrer intertextuellen Funktion in Bezug auf andere Elemente und Interjektionen nach ihrer „Satzfunktion“. Partikeln werden negativ definiert, indem sie in Opposition zu anderen Wortarten gebracht werden und durch den Hinweis auf Merkmale, die ihnen nicht zukommen, charakterisiert. 94 Weinrich (1993, S. 625) schreibt: „Die Präposition auf, die auch bei vielen zweiteiligen Verben als Nachverb vorkommt (stehe auf, passe auf), regiert als Wechsel-Präposition bald den Dativ (Ich bleibe aufmeinem Zimmer; Frage: wo? ), bald den Akkusativ (du kommst auf mein Zimmer, Frage: wohin? )“. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass au/ bei zweiteiligen Verben eine semantisch, morphosyntaktisch und distributionell an- <?page no="72"?> 72 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Nicht ohne Bedeutung ist die Möglichkeit, Angaben zur Form und Funktion durch die Operatoren {als, zu) in einem Terminus zu verknüpfen, indem jeweils der Kookkurrenzpartner des betreffenden Signals genannt wird (als Operator gilt zu, z.B. Aflektiv zum Nomen) oder auf die Funktion des betreffenden Elements innerhalb der Phrase verwiesen wird (als Operator gilt als, z.B. Nomen als Phrasenorganisator). Dies ermöglicht, das terminologische System den aktuellen Beschreibungsbedürfnissen flexibel anzupassen. 2.2.4 Verb Unter Verben werden in der vorliegenden Arbeit Textwörter verstanden, die man ausgehend von ihrer Form als Präsens, Präteritum, Konjunktiv I, Konjunktiv II oder als Imperativ einstufen kann. Es wird vorausgesetzt, dass der Leser dieser Studie die genannten Charakteristika in der Textoberfläche erkennen und deuten kann. Maßgebend sind jeweils die Formen, die den Kategorien entsprechen. Ihnen wird in dieser Arbeit eine diagnostische Rolle zugeschrieben. Bei der Bestimmung der Textwortklasse Verb wird nicht auf die Inhalte dieser Kategorien eingegangen. Verben sind die einzige Textwortklasse, die sich kaum nach dem Kriterium der Bezüglichkeit unterscheiden lässt (vgl. Guenther/ Maier 1996, S. 76). Verben sind Organisatoren verbaler Phrasen (siehe dazu 3.1). Ihre Kookkurrenzpartner innerhalb der Verbalphrasen sind a) Verbzusätze (vgl. Kap. 2.2.11), b) Infinitive (vgl. Kap. 2.2.8) oder c) Partizipien (vgl. Kap. 2.2.9). 95 a) Zieh die Jacke an! b) Wolltest du nicht die Jacke anziehen? c) .... dass er endlich die Jacke angezogen hat. Die genannten Kookkurrenzpartner können innerhalb der Phrase verschiedenartig konfiguriert werden, während das Verb nur einmal Vorkommen darf. Er hat vor, die Jacke anzuziehen. Er hat die Jacke anziehen müssen. ..., dass die Jacke hat angezogen werden müssen. Diese Eigenschaft der Verbalphrase entscheidet darüber, dass das Verb, obwohl es oft inhaltsarm im Vergleich zu den übrigen Kookkurrenzpartnern innerhalb der Verbalphrase ist, als Phrasenorganisator angesehen wird. 95 dere Textwortklasse repräsentiert als auf im Rahmen einer Konstruktion mit Nomen/ Pronomen. Vgl. dazu Bech (1983, S. 12ff.) <?page no="73"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 73 Einige Verben erhalten in der Struktur der Verbalphrase einen besonderen Status. Das sind hat, ist, wird und Modalverben (einschließlich lassen), die als Organisatoren der meisten mehrgliedrigen Phrasen (siehe Kap. 3.1) gelten. Die genannten Verben spielen auch eine diagnostische Rolle bei der Bestimmung der Infinitive (vgl. Kap. 2.2.8) und der Partizipien (vgl. Kap. 2.2.9). 2.2.5 Nomen Nomina sind Flektive (im weiteren Sinn), die innerhalb einer Phrase den vorangehenden Akkommodanten die Genuskongruenz aufzwingen können. der <- Tisch, die <- Couch, das <- Sofa; *die Tisch, *das Couch, *der Sofa Mutatis mutandis kann gesagt werden, dass der Akkommodant das Genus des rechts in der Folge zu erwartenden Nomens mehr oder weniger genau voraussehen lässt. Die Fähigkeit, die Genuskongruenz anderen Flektiven aufzuzwingen, besitzen in beschränkterem Maße auch einige Pronomina (zum Pronomen siehe Kap. 2.2.6). Sie kam mit ihrem Mann. Er kam mit seiner Frau. *Sie kam mit seiner Frau. *Er kam mit ihrem Mann. 96 Sie dürfen jedoch nicht mit den Nomina verwechselt werden, denn die Elemente, die mit dem Pronomen in der Genuskongruenz auftreten, sind keine Akkommodanten des Pronomens, sondern sie gehören strukturell zur Nominalphrase. Auch in den Phrasen vom Typ Ich Armer (er über sich); ich Arme (sie über sich) ist ich kein Nomen, denn sein Akkommodant hinsichtlich des Genus ist immer ein nachgestelltes Flektiv im engeren Sinn (vgl. Kap. 2.2.7). *Armer ich, Arme ich 96 Es sei denn, dass es sich da nicht um den Mann oder die Frau der/ des als sie und er bezeichneten Personen handelt. <?page no="74"?> 74 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Formale Exponenten der Genuskongruenz mit dem Nomen sind grammatische Morpheme, die der Akkommodant in der jeweiligen Signalfolge hat. Die Morpheme haben die Aufgabe, die Kategorien Kasus, Genus und Numerus des zu erwartenden Nomens eindeutig zu machen. dem Tisch, einer weichen Couch, altes Sofa Nomina sind meist Akkommodanten der Verbalphrasen. alte Freunde getroffen haben *alten Freunden getroffen alten Freunden begegnen *alter Freunde begegnen alter Freunde gedenken *alte Freunde gedenken Oft sind Nomina Akkommodanten der Flektive im engeren Sinn oder Aflektive im engeren Sinn (zum Flektiv siehe Kap. 2.2.7; zum Aflektiv - Kap. 2.2.12). ein seinen Prinzipien treuer Mann *ein seine Prinzipien treuer Mann seinen Prinzipien treu geblieben ist *seine Prinzipien treu geblieben ist Nomina können auch Akkommodanten eines nominalen oder pronominalen Organisators sein. Vaters Reisepläne, dir Armem 2.2.6 Pronomen Pronomina sind Flektive, die nicht als Akkommodant zum Nomen treten können. Sie sind Akkommodanten des Verbs, des Infinitivs, des Partizips, des Flektivs im engeren Sinn oder des Aflektivs in denselben Positionen, die auch durch Nomina als Akkommodanten der genannten Organisatoren besetzt werden können. Damit ist, was nachdrücklich betont werden muss, die Fähigkeit gemeint, dieselbe Leerstelle zu besetzen, und nicht eine transformationeil nachweisbare syntaktische Verwandtschaft, die sich darin äußert, als Anapher verwendet zu werden (vgl. Engel 1988, S. 82f; 185; Flämig 1991, S. 183ff). sie getroffen haben *ihnen getroffen hat ihnen begegnen *sie begegnen ihrer gedenken *sie gedenken <?page no="75"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 75 ein ihnen treuer Mann ihnen treu geblieben ist *ein sie treuer Mann *sie treu geblieben ist Im Unterschied zu den Nomina sind Pronomina nie Akkommodanten des nominalen oder pronominalen Organisators. 2.2.1 Flektiv im engeren Sinn Flektive im engeren Sinn sind Wörter, die als Akkommodanten zum Nomen treten können. Die Klasse der Textwörter Flektiv im engeren Sinn umfasst zwei Subklassen: 1) Flektive mit Flexionsforderung bezüglich nachfolgender Akkommodanten {die, der, das, ein, eine, mein, dein, dieser, jener, alle u.a ); (weiter: Flektivei) 2) Flektive ohne Flexionsforderung bezüglich nachfolgender Akkommodanten {mehrere, viele, gutes, schöne, hohem, freundlichen, u.a.). (weiter: Flektive2). Die Flektive der Klasse (1) stehen vor den Flektiven der Klasse (2). Die Kombinatorik der Flektive (1) und (2) sowie innerhalb der Klassen unterliegt verschiedenen Einschränkungen, die nicht an dieser Stelle erörtert werden (zu dieser Problematik siehe Grimm 1987, Engel 1994, S. 65). In kommunikativer Hinsicht verhalten sich die Flektive unterschiedlich. Die unter (1) verzeichneten Flektive wirken wie ein Schalter, der die Interpretationsrichtung des Textes auf „kataphorisch“ {ein) oder „anaphorisch“ {der, die, das, dieser, u.a.) umstellt (siehe Weinrich 1993, S. 410ff.). Die Flektive (2), die zahlenmäßig größte flektivische Subklasse, schränken auf Grund ihrer lexikalischen Bedeutung den Begriffsumfang des nachfolgenden Organisators ein, dem sie sich formal anpassen. Es gibt im deutschen Flektive 2 , die von partizipialen Basen abgeleitet werden. der springende Punkt laufende Kinder dem betreffenden Beispiel Herr Krause Herrn Krause ich Armer *er Krause *ihn/ ihm Krause *ich er <?page no="76"?> 76 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache eingemachte Gurken übersehene Verkehrszeichen Für die genannten Flektive gilt derselbe semantische Interpretationsrahmen wie für averbale (= außerhalb der Verbalphrase stehende) Infinitiv- und Partizipialphrasen: ‘Die Bezugsgröße fuhrt die durch die Ableitungsbasis des jeweiligen Flektivs bezeichnete Tätigkeit aus oder befindet sich in der durch die Ableitungsbasis bezeichneten Lage.’ meinfrisch gestrichenes Zimmer (—> ‘das Zimmer ist gestrichen worden’) mit einem herangewinkten Taxi (—» ‘das Taxi ist herangewinkt worden’) wegen mangelnder Beweise (—> ‘Beweise fehlen’) Als partizipiale Derivate behalten sie die Satzbaupläne ihrer Ableitungsbasen (mit obligatorisch getilgter Subjektposition) und können ähnlich wie die ihnen zu Grunde liegenden verbalen Prädikate um temporale, kausale, modale und/ oder lokale Komponenten ergänzt werden. 2.2.8 Infinitiv Infinitive sind -(e)«-Aflektive, die mit den Verben muss, soll, mag, kann, darf, will (und ihren Konjugationsformen), kaum aber mit der Präteritalform wurde eine Verbalphrase bilden können. 97 Johanna musslsolllmaglkannldarflwillfür die ganze Familie kochen. * Johanna wurde für die ganze Familie kochen. Die Verbform wurde hat eine diagnostische Rolle. Die Anwendung der Präteritalform lässt korrekte Phrasen vom Typ Johanna wirdlwürde für die Familie kochen ausgliedern. In semantischer Hinsicht gilt für Infinitive: ‘Es wird die durch das betreffende Textwort bezeichnete Tätigkeit ausgefuhrt bzw. der dadurch bezeichnete Zustand tritt ein’. 97 Infinitive können selbstverständlich auch mit anderen Verben auftreten (vgl. Sie geht baden. Er ist angeln. Er hat Kartoffeln im Keller liegen, u.a.), die jedoch keine Testverben zur Abgrenzung der Infinitive sind. <?page no="77"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 77 2.2.9 Partizip Partizipien gliedern sich in zwei Subklassen, die im Hinblick auf verschiedene verbale Kookkurenzpartner voneinander getrennt werden. Partizipient sind wü? -Aflektive, die manchmal kontextbedingt mit ist/ war und wird/ wurde, kaum aber mit hat/ hatte und muss, soll, mag, kam, darf, will eine Verbalphrase konstituieren können. 98 Und sogleich wurde er sehend undfolgte ihm nach dem Wege. (MK, 10, 52) Dies ist wohlgemerkt eine schwache definitorische Grundlage, zumal solche Verbalphrasen selten und nur in als gehoben oder gekünstelt wirkenden Texten verkommen. Maßgebend als Abgrenzungskriterium ist vielmehr eine semantische Bedingung: ‘Die Bezugsgröße (Nomen/ Pronomen) ist Agens der durch das untersuchte Element bezeichneten Tätigkeit oder Zustandsträger der dadurch bezeichneten Lage’, vgl. Er wurde sehend (‘er sah anschließend’) Das genannte Kriterium trennt Partizipiem von den meisten Aflektiven (vgl. Kap. 2.2.12), vgl.: Er hat die Zeit spielend verbracht. (Partizipi: ‘Er spielte. So hat er die Zeit verbracht.’) Er hat die Sache spielend erledigt. (Aflektiv zur Verbalphrase, vgl. Kap. 2.2.12); *Er spielte. So hat er die Sache erledigt.) Partizipien 2 sind -t/ -e«-Aflektive, die optional mit hat/ hatte, ist/ war, wird! wurde, kaum aber (ohne Infinitiv) mit muss, soll, mag, kann, darf, will eine Verbalphrase bilden können. Der Mann hatte michtwar/ wurde schwer verletzt. *Der Mann muss, soll, mag, kann, darf, will schwer verletzt. Der Mann muss, soll, mag, kann, darf, will schwer verletzt werden. In semantischer Hinsicht gilt für Partizipien 2 : ‘Es wird die durch das betreffende Textwort bezeichnete Tätigkeit ausgefuhrt oder der dadurch bezeichnete Zustand tritt ein’. 98 Zu Partizipien] ausführlich Bungarten (1976, S. 58, 92, u.ö.) <?page no="78"?> 78 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Partizipien und Infinitive kommen entweder als Organisatoren von Partizipialphrasen (la, 1b) oder als (2a, 2b) interdependente Bestandteile (funktional: Spezifikatoren) von Verbalphrasen vor. la) Davon ausgehend, möchte ich betonen, dass... lb) Nach Hause zurückgekommen, legte er sich ins Bett. 2a) Das bedeutet eine reale Gefahr, das wichtigste Spiel glatt zu verlieren. 2b) Ich lernte ein entzückendes Mädchen kennen. 2.2.10 Prä- und Postposition Unter Präpositionen werden Aflektive zusammengefasst, die mit Nomina, Pronomina, (seltener) Aflektiven und (sporadisch) Flektiven eine interdependente Struktureinheit bilden: die Phrase kann weder auf Präposition noch auf Nomen, Pronomen, Aflektiv bzw. Flektiv reduziert werden. die Hoffnung auf den Sieg/ ihn; *die Hoffnung auf den; *die Hoffnung den Sieg/ ihn Wirfreuen uns über die neuen Aufträge/ sie.; *Wir freuen uns über.; *Wirfreuen uns die neuen Aufträge/ sie. Der Professor hielt das Mädchen für intelligent. *Der Professor hielt das Mädchen für. *Der Professor hielt das Mädchen intelligent. Was hast du für heute vorbereitet? ; *Was hast du für vorbereitet? ; ± Was hast du heute vorbereitet? Die obligatorische Zweigliedrigkeit unterscheidet Präpositionalphrasen von Aflektivphrasen, die meist auf aflektivische Organisatoren reduziert werden können oder von Nominalphrasen mit nachgestelltem Aflektiv zum Nomen, das immer weggelassen werden kann. Präposition: Nach seiner Auffassung ist der Plan kaum durchführbar. -* *Nach ist der Plan kaum durchführbar. *Seiner Auffassung ist der Plan kaum durchführbar. Aflektiv zum Aflektiv: Sehr geschickt hat sie die Lösung gefunden. -» Geschickt hat sie die Lösung gefunden. Aflektiv zum Nomen: Der Fluss dort hat steile Ufer. —» Der Fluss hat steile Ufer. <?page no="79"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 79 Es gibt eine Reihe von Homoformen, die je nach dem Kontext als Präpositionen, Aflektive zur Verbalphrase oder als Aflektive zum Nomen/ Pronomen gelten. Zu der erwähnten Gruppe gehören u.a.: abseits, anfangs, ausgangs, außerhalb, beiderseits, diesseits, eingangs, entsprechend, fern, fernab, gegenüber, inmitten, innerhalb, jenseits, längsseits, links, oberhalb, rechts, seitlich, unbeschadet, unfern, unterhalb, unweit, vis-ä-vis. Vgl.: Diesseits gibt es keine Häuser. Er hatte anfangs große Probleme. Er wurde entsprechend behandelt. Das Klinikum muss vis-ä-vis liegen. Die Aflektive als und wie werden dann als Präpositionen betrachtet, wenn sie in den interdependenten Konstruktionen mit anderen Phrasen Vorkommen. Wie im Alptraum sah sie ihren Ring in den Abfluss rollen. ^ Im Alptraum sah sie ihren Ring in den Abfluss rollen. *Wie sah sie ihren Ring in den Abfluss rollen. Er wird als ein hervorragender Staatsmann angesehen. *Er wird ein hervorragender Staatsmann angesehen. *Er wird als angesehen. Als und wie als Präpositionen dürfen nicht mit ihren Homoformen als und wie verwechselt werden, die als Anschlusswörter (siehe Kap. 4.1.2) gelten: Immerfort zupfte sie ihn dabei am Ohrläppchen, und Ken gab dem leichten Zuge übertrieben nach, tat, als sei die Strafe wunder wie schmerzhaft und bog sich recht kläglich grimassierend unter ihrer Hand, wobei er seine hübschen, blanken Zähne entblößte. (Mann, S. 78) Eines Sommers, schon nach der Jahrhundertwende, kam sie für ein paar Wochen zu Besuch, um, wie sie sagte, noch einmal ihr Geburtshaus zu sehen und unter dem alten Dache zu schlafen. (Bergengruen, S. 7) <?page no="80"?> 80 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Zur Klasse Präposition werden am, aufs, im, ins, zum, zur u. Ä. gerechnet." ... im fünften Stock, wo alle Verkleidunsen rotfarben sind, wohne ich. (Böll, S. 20) ... und belauschte ich, Oskar, einen Nachtfalter, der sich ins Zimmer verflogen hatte. (Grass, S. 38) ... wo meine unselige Veranlagung zur Monogamie mir Grenzen gesetzt hat. (Böll, S. 25) Unter Postpositionen werden Elemente interdependenter Konstruktionen verstanden, die dem Nomen/ Pronomen nachgestellt werden {halber, zuliebe, zuwider). Der Vollständigkeit halber sei hier noch die dritte unsinnige Fabel erwähnt... (Grass, S. 27) Es sah nicht gut aus unter ihren Augen, bläulich-müde, und das Wangenrot, das sie dem jungen Mann zuliebe und zu Ehren ihrer wiedergewonnenen Vollweiblichkeit auflegte... (Mann, S. 102) Die aufwendige, vielfach hypertrophierte Religiosität der keltischen Wanderapostel war ihm zuwider. (Poertner, S. 218) Manche Präpositionen können im Kontext zu Postpositionen wechseln. Das betrifft u.a. bar, eingedenk, entlang, gegenüber, gemäß, nach, über, wegen, zu. Ich antwortete, in Makarewskoje, beschrieb ihm die Lage und gab im Auskunft über den Fluß... (Bergengruen, S. 17) Sie müssen heute den Tag über im Tempelchen bleiben, es wird bestimmt niemand kommen. (Bergengruen, S. 22) Eine kleine Gruppe der Präpositionen wird durch Postpositionen ergänzt, und zwar so, dass sie ein Nomen/ Pronomen einschließen. Das betrifft u.a. um ... willen, von ... an, von ... auf, von ... aus, von ... wegen. Funktional dienen solche präpositional-postpositionalen Konstruktionen oft zum Ausdruck räumlicher bzw. zeitlicher Beziehungen. ... undfühlte mich selbst nicht so erwachsen, wie ich mich von jetzt an würde verhalten müssen. (Böll, S. 66) Zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf. (Grass, S. 115) 99 Es wird nicht auf die „transformationelle Verwandtschaft“ von beispielsweise am und an dem oder daran eingegangen. <?page no="81"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 81 Wie die Tatsache, daß ich damals von Köln aus zu Maries Jugendgruppe fuhr... (Böll, S. 221) 2.2.11 Verbzusatz Verbzusätze sind diskontinuierlich auftretende Bestandteile des Verbs, die nicht als selbständiger Organisator gelten können und die in Konfiguration mit muss, soll, mag, kann, darf will, hat/ hatte, wird/ wurde oder istlwar meist als Bestandteile des Infinitivs oder des Partizips erscheinen. Sie brach alle Kontakte mit uns ab. Sie will alle Kontakte mit uns abbrechen. Sie hatte alle Kontakte mit uns abgebrochen. Verbzusätze bilden die einzige Textwortklasse, deren Repräsentanten keine Phrasen bilden können. 2.2.12 Aflektiv im engeren Sinne Aflektive gliedern sich in drei Subklassen: 1) Aflektiv zur Verbalphrase 2) Aflektiv zum Vorderglied (Nomen, Pronomen, Flektiv, Aflektiv, Präpositionalphrase) 3) Aflektiv zum Hinterglied (Nomen, Pronomen, Flektiv, Aflektiv, Präpositionalphrasen) Aflektive zur Verbalphrase sind Spezifikatoren in Bezug auf die Verbalphrase, verstanden als Minimalform (Verb) oder als Konfiguration von Verb und Partizip, Infinitiv und/ oder Verbzusatz. Da Infinitive und Partizipien durch ihre Kookkurrenzbeziehungen innerhalb der Verbalphrase definiert werden (vgl. Kap. 2.2.8 und 2.2.9), wird der Terminus Aflektiv zur Verbalphrase auch auf Spezifikatoren der Infinitive oder Partizipien ausgedehnt. Sie platzieren die Verbalphrase in den temporalen, kausalen, modalen oder lokalen Rahmen der Äußerung (vgl. Kap. 4.2.3) oder vervollständigen die Aussageachse der gesamten Aussage (= sind ihre Komponente; vgl. Kap. 4.2.2ff). Das hat er heute gemacht. Deswegen hat er das gemacht. Dort hat er das gemacht. <?page no="82"?> 82 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Das hat er gut gemacht. Vielleicht hat er das gemacht. Zweifelsohne hat er das gemacht. Was ist denn los? Das hat er vermutlich gemacht. Wir besuchen einander. Nichts bleibt verborgen. Die Klasse Aflektiv zur Verbalphrase entspricht annähernd den Adverbien (im weiteren Sinne) und „adverbial gebrauchten Adjektiven“ der traditionellen Grammatik. Sie schließt aber auch einige „Indefinitpronomina“ (a) und Partikeln im engeren Sinne (b, c) ein, die den Inhalt der Verbalphrase modal abtönen. a) Hat er dir etwas gesagt? Nein, er hat mir nichts geantwortet. b) Das ist eine Schande! - Das istja eine Schande! c) Du bist ein Schurke. - Du bist aber ein Schurke! Aflektive zum Vorderglied sind Aflektive, die sich als Spezifikatoren auf das vorangehende Element (Nomen, Pronomen, Flektiv, Aflektiv, Präpositionalphrase) beziehen. Er wird krank. Er) Peter blieb seinen Ansichten treu. (-> Peter) Kennst du die Frau dort? (—» die Frau) Die Regel ist doch völlig anders. (—» die Regel) der ganze Zirkus heute...(-» Zirkus) Von der Schule sogar haben wir Unterstützung bekommen (—» von der Schule) Aflektive zum Hinterglied sind Aflektive, die sich als Spezifikatoren auf das nachfolgende Element (Nomen, Pronomen, Flektiv, Aflektiv, Präpositionalphrase) beziehen. Ganz -» Breslau wurde überschwemmt. Hervorragend war die Idee. (-> die Idee) <?page no="83"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 83 Ausgerechnet -> sie wurde befördert, eine linguistisch -» relevante Frage Steffi heute —» unschlagbar Aflektive zum Vorder- und zum Hinterglied dürfen nicht mit Aflektiven zur Verbalphrase verwechselt werden, zumal der Bezug beider Subklassen verschieden ist. Die Analyse der Bezüge in den Sätzen Doch die Tricks der literarischen Figur in Nabokovs Roman sind, alles in allem, kaum weniger diabolisch. (FAZ 21.1.1997, S. 35) Denn natürlich braucht man von Nabokovs Roman kaum zu abstrahieren, um neben dem raffinierten Humbert Humbert, der auf „Nymphchen“ spezialisiert ist, die belgische Kinderschänder-Mafia zu erkennen, (ebd.) fuhrt zum Schluss, dass kaum im ersten Beispiel als (umständlich, aber präzise) Aflektiv zum Aflektiv zum Aflektiv zum Nomen Tricks umschrieben werden kann und im zweiten Beispiel Aflektiv zur Verbalphrase braucht zu abstrahieren ist. Die erste der genannten Formeln mag auf den ersten Blick vielleicht kompliziert erscheinen, sie beschreibt aber exakt die Relationen zwischen mehreren Elementen innerhalb der analysierten Konstruktion. Die Formel besagt etwa folgendes: es gibt ein Nomen, das durch ein Aflektiv charakterisiert wird. Das Aflektiv wird wiederum durch ein anderes Aflektiv präzisiert. 2.3 Topologie der Phrase Ausgehend von der linearen Anordnung der Signale im Text kann man generell alle Phrasen in drei topologische Bereiche gliedern: 1) Ankündigungsbereich 2) Organisatorsbereich 3) Kommentierungsbereich und Schema 9 <?page no="84"?> 84 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Der Ankündigungsbereich liegt links vor dem Organisator. Alle Elemente in der genannten Phrasenzone kündigen den Organisator an. Die rechts vom Organisator befindlichen Elemente kommentieren ihn. 100 Daher wird der erwähnte Phrasenbereich Kommentierungsbereich genannt. Peters alte Freunde die alten Freunde Peters {kommen zu Besuch). In beiden Phrasen gilt als Organisator Freunde, vgl. {Die alten) Freunde kommen heute zu Besuch. *Peters alte kommen heute zu Besuch. *Die alten Peters kommen heute zu Besuch. Die Phrasenteile die alten bzw. Peters alte erscheinen im Ankündigungsbereich in der mit der Phrasendominante kongruierenden Form und deuten auf Grund der die Kongruenz sichernden morphosyntaktischen Merkmale unmissverständlich auf sie hin. Die Elemente im Ankündigungsbereich enthalten mehr oder weniger explizite Hinweise auf den Typ der jeweiligen Phrasendominante. Der Phrasenteil Peters, der im Kommentierungsbereich erscheint, gibt keinen Aufschluss über den links gelegenen Organisator. Seine Aufgabe besteht primär darin, den Geltungsbereich des Phrasenorganisators nachträglich semantisch zu präzisieren: nicht alle ‘alten Freunde’ sind ‘Peters’ Freunde! Die modellhaft angenommene Dreiteiligkeit der Phrase mit dem Organisator als zentralem Element bedeutet keineswegs, dass damit eine prinzipielle Symmetrie aller Phrasen unterstellt wird. Ausgehend von der von Heringer (1996, S. 54) getroffenen Klassifikation werden drei Ausbaustufen der Phrase unterschieden: Minimal-, Normal- und Maximalstufe. Die Minimalstufe einer Phrase kann durch den Organisator repräsentiert werden. Die Normalstufe, als nach Vorkommens-Frequenz die häufigste Realisierungsform definiert, umfasst neben dem Organisator Elemente im Ankündigungsund/ oder Kommentierungsbereich. Die Maximalstufe sollte nach Heringer die äußerste Anzahl der von der jeweiligen Dominante abhängigen Elemente umfassen. Sie lässt sich kaum im voraus bestimmen, weil sie rekursiv gebaut sein kann (ebd ). 100 Viele Grammatiker wenden beispielsweise auf die Nominalphrase die satztopologische Einteilung in Vor- und Nachfeld (eventuell Vorderstellung und Nachstellung, Links- und Rechtserweiterung des nominalen Kerns) an; einen Überblick der Standpunkte siehe bei Schmidt (1993, S. 91, Anm. 57). Alle diese Einteilungen sind „zentrifugal“: sie beschreiben die Nominalphrase vom Kern ausgehend „nach außen“. Dies erfordert im Voraus eine vollständige Klarheit über die hierarchischen Verhältnisse in der Phrase. In der vorliegenden Studie wird statt dessen ein „zentripetales“ Beschreibungsverfahren vorgeschlagen, das die Rollenverteilung ausgehend vom Initialwort schrittweise klärt. <?page no="85"?> Grundlagen der Kookkurrenzanalyse 85 2.4 Resümee Im vorliegenden Kapitel wurde auf Prinzipien einer Phrasenanalyse hingewiesen, die auf folgende kookurrenzielle Anbhängigkeiten abzielen: 1) Zugehörigkeit zu(m) bestimmten Strukturmuster(n) 2) intra- und extratextuelle Relationen zwischen Phrasenelementen 3) Verteilung der Funktionen in der Phrase 4) Besetzung topologischer Gliederung innerhalb der Phrase. Auf Grund der vorgestellten Kriterien können alle Phrasen erfasst und charaktierisiert werden. Die Textwörter spielen in der Phrase verschiedene Rollen. Den Zusammenhang zwischen Zugehörigkeit zu einer Textwortklasse und Funktion illustriert die Tabelle: Organisator Spezifikator Akkommodant Verb ja nein nein Nomen ja nein ja Pronomen ja nein ja Flektiv im engeren Sinn ja nein ja Infinitiv ja ja nein Partizip ja ja nein Präposition/ Postposition ja nein nein Verbzusatz nein ja nein Aflektiv im engeren Sinn 101 ja ja nein Die Aufgabe der formalen Muster besteht darin, die realen Texte kontinuierlich, Wort für Wort, Phrase für Phrase, so wie sich diese ununterbrochen in die Signalfolgen einordnen, auf einfache Weise abzubilden. Dadurch gewinnt 101 Aflektive zum Hinterglied ausgenommen. <?page no="86"?> 86 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache man einen tieferen Einblick in die Mechanismen, die für das Ineinandergreifen der kommunikativ relevanten Strukturen und für ihren Zusammenhalt im fortlaufenden Text verantwortlich sind, als wenn man die Wörter mit postlateinischen Termini etikettiert oder sie in hierarchische Stemmata platziert. 102 Die Einfachheit der diagnostischen Schemata der Kookkurrenzanalyse ergibt sich aus mehreren Faktoren, von denen zwei aus der Perspektive des angehenden Philologen von Vorteil sind. Der Benutzer kann die im Modell abgebildeten Signale ins Netz der im Text bestehenden Bezüge leichter eingliedem. Realer Text wird abgebildet als 1 L l ~' L ' i i i Eine Analyse dieser Bezüge kommt einer erfolgreichen grammatischen Textanalyse gleich. Das Modell der Kookkurrenzanalyse bietet ein einfaches, nicht fiktionales, rational begründetes und in dem Sprachlichen fest verankertes Instrumentarium dazu an. Die Kookkurrenzanalyse kommt dabei mit einem wesentlich kleineren terminologischen Vokabular als die meisten Grammatiken 102 Die Grundlagen der Kookkurrenzanalyse wurden mit guten Resultaten im Grammatikunterricht für Germanistikstudenten am Germanistischen Institut der Universität Breslau und am Fremdsprachenkolleg in Liegnitz (Polen) erprobt. 103 Will jemand der traditionellen Terminologie treu bleiben, kann er statt der von mir gewählten Termini die ihm geläufigeren Termini für Textwörter verwenden, was ihm jedoch die Analyse wesentlich erschweren wird. <?page no="87"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 87 3. Kookkurrenzielle Phrasenanalyse Im folgenden Kapitel werden Kookkurrenzbeziehungen innerhalb einzelner Phrasen der deutschen Sprache in Form einfacher Schemata und Tabellen mit Belegen festgehalten und anschließend auf ihre Besonderheiten hin charakterisiert. Vollständigkeit des Strukturinventars des jeweiligen Phrasentyps wird nicht angestrebt, zumal der Schwerpunkt der Kookkurrenzanalyse in der Explikation des interpretativen Verfahrens liegt. Berücksichtigt wurden vor allem hochfrequente Strukturmuster, die für die jeweilige Phrase repräsentativ sind. Sollte der Leser dennoch diese oder jene ihm geläufige Phrase 104 vermissen, kann er nach der vorgegebenen Analyseprozedur die Zusammenhänge zwischen ihren Bestandteilen erfassen, schematisch abbilden und die Phrase in die bereits bestehenden Strukturtypen eingliedern. 3.1 Verbalphrase 3.1.1 Allgemeines Die Verbalphrase ist eine Texteinheit, deren Organisator ein Verb ist. Diese Formel umfasst Verbalphrasen im engeren Sinn, deren Elemente (neben dem Verb) Partizipien, Infinitive (mit oder ohne zu), Verbzusätze und/ oder mit den oben genannten Phrasenelementen, obligatorisch auftretende Pronomina (sich und dessen Deklinationsformen 105 ) sind, und Verbalphrasen im weiteren Sinn (= Sätze und Teilsätze). Kapitel 3 befasst sich ausschließlich mit Verbalphrasen im engeren Sinn. Die sonstigen Verbalphrasen werden im Kap. 4.1.1 besprochen. 106 Die Kookkurrenzpartner des Verbs innerhalb der Verbalphrasen im engeren Sinn werden, falls vorhanden, als seine Spezifikatoren betrachtet. Die Spezifikatoren in den Verbalphrasen im engeren Sinn (außer den obligatorischen Pronomina) sind oft Haupt- oder Sekundärträger der gesamten Phrasenbedeutung (vgl. Belege 4 und 5). 104 Die meisten Grammatiken bedienen sich speziell für explikatorische Zwecke konstruierter Beispiele. In vielen von ihnen tauchen nur potenziell mögliche Strukturen auf, die zwar im System der jeweiligen Sprache angelegt sind, aber die in den laufenden Texten äußerst selten oder gar nicht Vorkommen. So ist auch in der vorliegenden Arbeit mancher Versuch gescheitert, Belege im Korpus von zig Millionen Einträgen mit Hilfe derzeit modernster Suchmaschinen zu finden (siehe dazu al-Wadi 1994). 105 So lässt sich die Phrase beeilt sich weder auf beeilen noch auf sich reduzieren. Zu obligatorischen Komponenten siehe im Kapitel 2.1. 106 Zur Struktur der Verbalphrase vgl. Redder (1992). <?page no="88"?> 88 Kookkurenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 1) Wer spricht? (Wolf, S. 4) 2) Das Fräulein am Fenster verstellt mir den Blick auf die Landschaft. (Wolf, S. 5) 3) Ihre Forderungen, ihre Gesetze und Zwecke kommen mir allesamt so verkehrt vor. (Wolf, S. 6) 4) Es juckt mich, den Doktor zu fragen, wo dies Organ sitzt, das nachwächst, und ob er es mir herausnimmt, die Geier zu ärgern. (Wolf, S. 5) 5) Daß sie sich getroffen hätten: erwünschte Legende. (Wolf, S. 4) Die Verbalphrase zeichnet sich durch einen großen Formenreichtum aus. Ausgehend von der Phrasenkomplexität werden eingliedrige und mehrgliedrige Verbalphrasen unterschieden. Eingliedrige Verbalphrasen sind durch Verben repräsentiert, deren Ankündigungs- und Kommentierungsbereich leer ist (Belege 1 und 2). Mehrgliedrige Phrasen entstehen, wenn der Ankündigungsund/ oder Kommentierungsbereich besetzt ist (Belege 3, 4, 5). Der Begriff mehrgliedrige Verbalphrase erstreckt sich auf grammatische Erscheinungen wie „Perfekt“, „Plusquamperfekt“, „Futur I“, „Futur 11“, „Vorgangs-“ und „Zustandspassiv“, „Zustandsreflexiv“ sowie sämtliche Konfigurationen von Modal- und Modalitätsverben (vgl. Engel 1988, S. 406; 477) mit Infinitiven. Die Erkennung und gegenseitige Abgrenzung solcher Phrasen macht jeweils einen beträchtlichen Teil der traditionellen Wort-im-Paradigma- Grammatik aus. Die erwähnten Phrasen werden gewöhnlich im Hinblick auf ihre hierarchische Struktur und ihre Semantik analysiert und je nach dem axiomatischen System in verschiedene Paradigmen platziert. Die Wort-im- Paradigma-Grammatiken streben Vollständigkeit an, dessen ungeachtet, dass mit der wachsenden Komplexität der Phrase ihre Colloquialität abnimmt: man muss länger nach passenden Kontexten suchen, in denen sie ihre kommunikative Rolle erfüllen können. Manchmal werden, um der Vollständigkeit der Paradigmen willen, Beispiele wie etwa... dass ich werde besucht worden sein können konstruiert, die zwar den Systemprinzipien des Deutschen entsprechen und somit durch Muttersprachler interpretierbar sind, aber kaum in laufenden Texten deutscher Sprache gebraucht werden. 107 Im folgenden werden die Verbalphrasen dargestellt, die in einem geschlossenen Korpus ermittelt wurden. 108 Somit wurde auf den üblichen Weg verzich- 107 Im Mannheimer Corpus wurde kein vergleichbarer Beleg gefunden. 108 Recherchiert wurde im Korpus, dessen Bestandteile bilden: Fragment aus Horst Bieneks Roman „Die erste Polka“ (Kapitel 1-4); Fragment von Christa Wolfs Roman „Kein Ort. Nirgends“ (79 Seiten); Belege aus der Presse, darunter 2 populärwissenschaftliche Berichte („Spiegel“, 1997/ 2); Feuilleton („Spiegel“, 1997/ 2); Buchbesprechung („faz“ vom 25. Jan. 1997). <?page no="89"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 89 tet, im Korpus gezielt nach Belegen für im voraus angenommene Optionen zu suchen. Solch ein Verfahren wirft immer die Frage auf, woher diese Optionen dem Forscher bekannt sind. Für die vorliegende Arbeit wurden umfangreiche geschlossene Textfragmente zunächst nach Verben und Elementen durchsucht, die Spezifikatoren der Verben sind Die Frage, ob in Folge des gewählten Verfahrens alle in der deutschen Sprache möglichen Verbalphrasen ermittelt wurden, bleibt offen. Es wird angenommen, dass das Korpus umfangreich genug ist, um für die signifikantesten grammatischen Erscheinungsformen der Verbalphrase im Deutschen repräsentativ zu sein. Allen nicht belegten Verbalphrasen kann eine Randbedeutung beigemessen werden. 109 Die einzelnen Phrasenkomponenten werden jeweils in der Reihenfolge präsentiert, in der sie im Beleg Vorkommen. So wird den Folgen Er hat das gemacht. und dass er das gemacht hat. jeweils ein anderer Strukturtyp zugewiesen, zumal sie verschiedene Vorderglieder haben und mit unterschiedlicher Häufigkeit in verschiedenen Kontexten auftreten. Als zur Verbalphrase gehörig werden die Konfigurationen ,/ m + Infinitiv“, „Partizip + zu + haben“, „Partizip + zu + werden“, „Partizip + zu + sein“ oder „Infinitiv + zu + ■ mod“ angesehen, die durch ein Komma mit dem vorangehenden Teilsatz verbunden werden, vgl. . Es juckt mich, den Doktor zu fragen, wo dies Organ sitzt, das nachwächst, und ob er es mir herausnimmt, die Geier zu ärgern. (Wolf, S. 5) Die besprochenen Komponenten bilden mit den Organisatoren eine inhaltliche Klammer, deren Reduktion auf den Organisator den Sinn des gesamten Fragments entstellt oder aufhebt, vgl.: *Esjuckt mich, wo dies Organ sitzt, ... Nicht zu den Bestandteilen der Verbalphrasen werden zu + Infinitiv-Konfigurationen gerechnet, die durch Anschlusswörter wie um, statt, ohne angeschlossen werden 110 , vgl.: Wenn es stimmt, was der spöttische junge Wieland oft behauptete: daß allein die Frauen ihren Wert untereinander ausmachen und das Urteil der Männer nur herausfordern, um deren Selbstgefälligkeit 109 So sind z.B. im untersuchten Korpus keine Belege für Verb + Partizipi gefunden worden. Zur Vorkommenshäufigkeit einzelner Verbalphrasen siehe Cirko (1997). 110 Zum Anschlusswort siehe Kap. 4.1.2. <?page no="90"?> 90 Kookkurenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache zu schmeicheln dann nimmt das Fräulein am Fenster unter den andern reizvollen jungen Frauen einen Ausnahmeplatz ein, den keine ihr streitig macht. (Wolf, S. 9) In diesem Fall gilt das Anschlusswort als Vorderglied der Infinitivphrase. Einen besonderen Status erhalten in der Strukturdarstellung die Verben hat, ist, wird, und die Modalverben (mod) einschließlich lässt 11 ' Sie sind nämlich wichtige Strukturwörter, die viele Verbalphrasen einleiten oder abschließen. 3.1.2 Grundstrukturen Die ermittelten Verbalphrasen verteilen sich auf 98 Strukturtypen (davon 5 einfache und 93 zusammengesetzte). An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass die Vielfalt der besprochenen Phrasentypen zum Teil durch die angewandte Notation erklärbar ist, in der die Strukturverben hat, ist, wird, mod gesondert behandelt werden. So werden beispielsweise die Phrasen will arbeiten und will sein verschiedenen Strukturtypen zugeordnet. Die erste Phrase wird als mod Verb beschrieben und die zweite als mod sein. Dadurch wird eine größere Beschreibungspräzision erreicht. Die Komponenten mehrgliedriger Verbalphrasen kommen in zwei Anordnungen vor: 1) Verb + Spezifikator(en) (weiter: VSp) 2) Spezifikator(en) + Verb (weiter: SpV) Die VSp-Verbalphrasen können diskontinuierlich sein und sich auf größere Textabschnitte erstrecken als die adjazenten, fast immer als Block verbaler Komponenten auftretenden SpV-Verbalphrasen. Das Verb als Organisator (V) einer VSp-Verbalphrase schafft eine Spannung, die durch den Spezifikator (Sp) aufgehoben wird. Die SpV-Verbalphrasen entladen meist eine Textspannung, wenn sie als hinterer Teil der Verbalklammer stehen. Als spannungsauslösender Faktor gilt dann das nicht verbale Vorderglied einer Verbalklammer. 111 Und deren Konjugationsformen im Präsens und im Konjunktiv. <?page no="91"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 91 3.1.3 Vorderglieder Als Vorderglieder von Verbalphrasen gelten folgende Textwörter: 1) Verben (einschließlich der Strukturverben hat, ist, wird, mod) 2) Infinitive 3) Partizipien 4) zu + Infinitiv 5) Strukturwörter geworden, gewesen, werden, sein, haben Verbzusätze sind nie Vorderglieder einer Verbalphrase. 112 3.1.4 Nester Die Verbalphrasen differieren im Hinblick auf ihre Struktur. Manche Vorderglieder sind dazu besonders prädestiniert, verzweigte Strukturen zu bilden, während andere eher einfache Strukturen einleiten. Die Schemata zeigen die möglichen Verzweigungen des jeweiligen Strukturtyps. Das Schema Initialwort Folgeelement 1 Folgeelement 2 Schema 11 hat die folgende Lesart: ‘nach dem Vorderglied kann das Folgeelement stehen, auf das mit dem Pfeil hingewiesen wurde’; ‘nach der Phrasenachse Vorderglied - Folgeelement 1 kann das Folgeelement 2 stehen, auf das mit dem Pfeil hingewiesen wurde’, usw. 112 Dem scheinen zwar einige Gegenbeispiele zu widersprechen, etwa Auf schlitzte Fritz die Wurst (Beispiel aus Huber/ Kummer 1974, S. 111), Ab geht die Post! Auf zum Warenhaus! Ich interpretiere Auf und ab in diesem Fall als Aflektive zur Verbalphrase mit modaler bzw. lokaler (direktiver) Bedeutung. <?page no="92"?> 92 Kookkurenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Verb als Vorderglied der Verbalphrase Mögliche Konfigurationen im Nest sind: Strukturtyp Verb Verb Verbzusatz Verb zu Infinitiv Verb, zu Infinitiv Verb Infinitiv Belege Und der Verdacht, nichts kommt mehr als dieser Widerhall. (Wolf, S. 3) Kleist, so übermäßig er sich anstrengt, dringt in das innere Leben der Wörter nicht ein. (Wolf, S. 13) Er sah: Marianne, des Pfarrers Tochter, ein naives Kind, wagte nicht einmal zu denken, was andre für erwiesen nahmen. (Wolf, S. 58) Schon wag ich es nicht mehr, ein Wort wie Wahrheit überhaupt noch in den Mund zu nehmen. (Wolf, S. 71) Sie spürt ihre Gesichtshaut sich spannen, um undurchlässig gegen seine Blicke zu sein, die ihr Mund, Stirn, Wangen abtasten. (Wolf, S. 22) Verb Verbzusatz, zu Infinitiv Ihre Vorstellungskraft reicht nicht aus, die richtigen Fragen zu stellen. (Wolf, S. 67) <?page no="93"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 93 Verb Partizip Verb, Partizip zu haben Verb, Partizip zu werden Verb, zu sein Verb Partizip zu haben Verb Verbzusatz, Infinitiv zu mod Verb Verbzusatz, Partizip zu haben Verb werden Verb, zu mod Verb, Infinitiv Verb, Infinitiv zu mod Dann endlich erhielt er die ersehnte Botschaft: Das Virus schien aus seinem Blut verschwunden. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 119) Merten endlich, der frei heraus bekennt, Kleists Drama »Die Familie Schroffensteine gelesen zu haben, ... (Wolf, S. 35) Die Günderrode haßt es, von so vielem abzuhängen, dem sie gar keinen Einfluß zugestehen will, und mehr als alles andre haßt sie es, darauf ertappt zu werden. (Wolf, S. 46) Sie glaubte, schon darüber hinweg zu sein, aber sie wußte, daß es nicht so war. (Bienek, S. 341) Vor kurzem erst hat der Hofrat seinem Gast zu verstehn gegeben, er meine die Benennung für seine Krankheit in der Literatur gefunden zu haben, zugleich ... (Wolf, S. 40) Er gab es auf, seinen Patienten begreifen zu wollen. (Wolf, S. 58) Drei Viertel der befragten homosexuellen Männer gaben an, im letzten Jahr ungeschützten Analverkehr gehabt zu haben dreimal mehr als in den Jahren zuvor. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 122) Er fühlt sich bleich werden; wieder die Schwäche in den Beinen. (Wolf, S. 31) Gebietet sie eher, ihm seine Ruhe zu lassen, aufdie er wohl Wert legt? (Wolf, S. 38) Hieße das nicht, den Respekt vor der Literatur übertreiben? (Wolf, S 12) Kleist weiß seitdem, daß Worte die Seele nicht malen können, und glaubt, niemals mehr schreiben zu dürfen. (Wolf, S 40) <?page no="94"?> 94 Kookkurenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Bei einer genaueren Betrachtung der Tabelle fallen gewisse Parallelformen auf, wie etwa Verb Infinitiv : Verb, Infinitiv oder Verb zu Infinitiv : Verb, zu Infinitiv. Das Komma ist in diesem Fall nicht nur ein Zeichen, das bloß einer Interpunktionsregel zu Folge gesetzt wird. Ihm kommt die kommunikativ wichtige Rolle zu, eine größere Ausweitung des durch die Verbalphrase zu organisierenden Satzbereichs zu kennzeichnen. Die genannte Gesetzmäßigkeit gilt auch für andere Verbalphrasen. ist als Vorderglied der Verbalphrase worden , zu Infinitiv gewesen, zu Infinitiv Mögliche Konfigurationen im Nest sind: Strukturtyp ist ist Partizip ist gewesen Belege Wo ich nicht bin, da ist das Glück. (Wolf, S 4) Ein unsichtbarer Kreis ist um sie gezogen, den zu übertreten man sich scheut. (Wolf, S. 9) Natürlich ist sie es gewesen, die den Bruder bestimmte, von Offenbach mit herüberzukommen. (Wolf, S. 24) <?page no="95"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 95 ist geworden ist zu Infinitiv ist Partizip worden ist Partizip, zu Infinitiv ist Infinitiv Partizip ist Partizip gewesen, zu nitiv ist Verbzusatz 113 ist zu Infinitiv gewesen Denn ,JLolita“ hat sich von ihrem Autor gelöst; wie kein anderer Name in der Literatur dieses Jahrhunderts, alle Castorps und Blooms eingeschlossen, ist er zu einer Chiffre geworden. (FAZ 21.1.1997, S. 35) Für 1900 Mark pro 100 Milliliter war ,flovomycellin“ zu haben, das, wie sich später herausstellte, aus Batterieflüssigkeit und Roßkastanien gewonnen wurde. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 121) Man spreche viel von den Leiden des jungen Werther, aber andere Leute hätten auch ihre Leiden gehabt, sie seien nur nicht gedruckt worden. (Wolf, S. 49) Waren sie nicht übereingekommen, über diesen Punkt Stillschweigen zu bewahren? (Wolf, S. 37) Sie waren spät schlafen gegangen, es war weit nach zwölf, ... (Bienek, S. 369) Infi- Mehr als einmal, sagt er, sei er schon fest entschlossen gewesen, nie in sein Vaterland Preußen zurückzukehren. (Wolf, S. 67) Mit einer Hand den Schlaf und das Licht aus seinem Gesicht reibend, sagte er: Du bistfrüh auf, Mamuscha. (Bienek, S. 340) ... , aber nur kurze Zeit vorher, als sie ihn suchte, war nicht aufzufinden gewesen. (Bienek, S. 342) Aufim Beispiel daneben wird als Ellipse von aufgestanden aufgefasst. <?page no="96"?> 96 Kookkurenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache mod als Vorderglied der Verbalphrase Schema 14 Mögliche Konfigurationen im Nest sind: Strukturtyp Belege m °d Können Sie sich einen Menschen vorstellen, Doktor, der hautlos unter die Leute muß; den jeder Laut quält, jeder Schimmer blendet, dem die leiseste Berührung der Luft weh tut. (Wolf, S. 40) mod Infinitiv Mit Hilfe dieser Proteasehemmer, so das vielversprechende Ergebnis, lasse sich das Virus langfristig erfolgreich bekämpfen. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 119) mod Partizip werden Damit würde sie sich niemals abfinden können, denn die Ehe ist ein Sakrament und kann nur von der Kirche beglaubigt werden, es wäre eine Sünde, mit einem Mann zusammenzuleben, ohne von Gott getraut zu sein .... (Bienek, S. 337) mod Infinitiv mod 114 Es warfür ihn zwar ein glatter Verlust von fünf bis zehn Mark, doch darauf mußte er es wohl ankommen lassen. (Bienek, S. 349) 114 mod2 = lassen. <?page no="97"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 97 mod Partizip haben mod Infinitiv, zu Infinitiv mod Partizip sein mod Partizip Infinitiv mod Partizip worden sein mod gewesen sein mod haben mod Infinitiv Infinitiv mod Infinitiv werden mod werden Es wunderte sie, daß Josel sich dafür interessierte, das konnte er doch nur von Ulla Ossadnik gehört haben ... (Bienek, S. 344) Er konnte sich nicht enthalten, drei Ausrufezeichen dahinter zu machen. (Bienek, S. 360) Josel dachte, vielleicht muß man richtig erwachsen sein, um hinter den Geschmack zu kommen; vorläufig mußte er jedenfalls noch zwei volle Löffel Zucker nehmen, damit der Tee ihm schmeckte. (Bienek, S. 350) Im Hirn könnte sich das Virus theoretisch sogar jahre- oder jahrzehntelang versteckt halten. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 122) Er strich den zweiten Teil des Satzes aus und schrieb statt dessen soll auch er in die Dunkelzellen gebracht und dort geschlagen worden sein“. (Bienek, S. 360) Ihr Shakespeare kann der lebenslustigste Mensch gewesen sein, meinen Sie nicht? (Wolf, S. 13) Sie tat dies absichtlich etwas energisch, denn sie wollte jetzt energisch auf ihre Fragen eine Antwort haben. (Bienek, S. 343) An jedem Ort kann sie, ohne zu zucken, ihren Leichnam liegen sehn, auch da unten am Fluß, auf der Landzunge unter den Weiden, auf denen ihr Blick ruht. (Wolf, S. 8) Und wie sollen jene 20 Prozent der Patienten behandelt werden, die auf die neuen Medikamente kaum oder gar nicht ansprechen? (Der Spiegel 2/ 1997, S. 122) Wer dagegen aufsteht, muß zum Verbrecher werden. (Wolf, S. 51) <?page no="98"?> 98 Kookkurenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache hat als Vorderglied der Initialphrase zu Infinitiv Partizip Schema 15 Mögliche Konfigurationen im Nest sind: Strukturtyp Belege hat hat Partizip hat Infinitiv mod Zu wünschen bliebe, ein Fremder möge ihn finden, der sich fest in der Hand hat und der schnell vergißt. (Wolf, S. 8) Jenes Fräulein Günderrode hat sich ihm nur genähert, um sich wieder zu entfernen. (Wolf, S. 14) Wenn er jetzt an den Feldwebel dachte, so fielen ihm zuerst dessen Geräusche ein, {die er beim Gehen, beim Essen, beim Autofahren machte), er hatte sie genauer beschreiben können als etwa dessen Gesichtszüge. (Bienek, S. 350) hat Partizip, zu Infinitiv Leo Maria war niemals auf einen Fußballplatz gegangen, auch nicht zu Vorwärts Rasensport; erst als er im Bett lag, hatte er begonnen, sich für Fußball zu interessieren und die Berichte darüber in den Zeitungen zu lesen. (Bienek, S. 357) <?page no="99"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 99 hat zu Infinitiv hat werden mod hat zu Infinitiv Partizip Daß er ihn gerettet hat wohl möglich; aber wo steht geschrieben, der Gerettete habe seinem Retter zu folgen, wohin der ihn zieht? (Wolf, S. 38) Erleichtert beobachtet Kleist, wie der Anfall vorübergeht, die Unruhe sich zurückzieht, ehe sie zur Angst, zur Beklemmung hat werden können. (Wolf, S. 31) Noch keine Menschenseele hat er recht mit allem Apparat zu lieben gewagt. (Wolf, S. 26) hat Infinitiv Partizip Da ich mich auf List und Verschmitztheit schlecht verstehe, habe ich schweigen gelernt. (Wolf, S. 72) hat Partizip, Infinitiv zu mod Sie hatte schon daran gedacht, den Arzt kommen zu lassen, aber Leo Maria wollte davon nichts wissen, ... (Bienek, S. 348) hat Partizip, Partizip zu ha- So sagt sie: Sie habe es nie bereut, ihre Geben dichte herausgelassen zu haben, leicht und unwissend, was sie tat, die Schranke überwunden zu haben, die ihr innerstes Gemüt von der Welt schied. (Wolf, S. 22) Partizip als Vorderglied der Verbalphrase Schema 16 <?page no="100"?> 100 Kookkurenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Mögliche Konfigurationen im Nest sind: Strukturtyp Beleg Partizip hat Korfanty hielt durch, schon hier die Willenskraft und Zähigkeit zeigend, die ihn im späteren Leben zu seinen Erfolgen geführt hat. (Bienek, S. 364) Partizip ist Partizip wird Partizip Verb Partizip ist, zu Infinitiv Partizip haben mod Seinen Blick, dem die Günderrode schon einige Male begegnet ist, weiß sie sich nicht zu deuten. (Wolf, S. 38) Für 1900 Mark pro 100 Milliliter war „Novomycellin“ zu haben, das, wie sich später herausstellte, aus Batterieflüssigkeit und Roßkastanien gewonnen wurde. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 121) ... daß es wohltätig eingerichtet ist, wenn das Reich der Gedanken von dem Reich der Taten fein säuberlich getrennt bleibt. (Wolf, S. 51) Wenn ich derart heruntergekommen wäre, den Trost zu brauchen, das milde Urteil anzunehmen. (Wolf, S. 13) ... gibt mit Kleists Erlaubnis eine originelle Beobachtung zum besten, die Kleist an seinem, Wedekinds, Hund gemacht haben will ... (Wolf, S. 63) Partizip hat, zu Infinitiv Zu viele neue Geräusche auf einmal konnten ihn ganz durcheinanderbringen, wie etwa jüngst, als die Soldaten zur Einquartierung in das Haus kamen, und er brauchte ein paar Stunden, bis er gelernt hatte, sie nach ihren Geräuschen zu unterscheiden. (Bienek, S. 350) Partizip sein mod ... und dabei fiel ihr ein kleines geschnitztes Schiffchen aus Baumrinde in die Hände, und sie überlegte, woher sie das hatte und wie es hier in den Wäschekasten geraten sein konnte, die Erinnerung kam langsam ... (Bienek, S. 338) <?page no="101"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 101 Partizip werden mod Fehlt noch, daß Sterbenden die Krankensalbung verwehrt werden muß, weil das nötige Öl als gesundheitsschädlich gilt. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 17) Partizip worden ist Ihn hatte ein Brecht-Prosaband aus Frankfurt überrascht, der ausgerechnet vom Dissidenten Uwe Johnson bearbeitet worden war ohne daß Frau Weigel und Suhrkamp das zuvor „auch nur angedeutet hätten. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 151) Partizip hat, Partizip zu sein Daß ich mich lange noch nicht dazu erzogen habe, aufalles gefaßt zu sein. (Wolf, S. 36) Partizip ist, Partizip zu wer- ... da sie es gewohnt sind, in wechselnden den Grenzen zu leben, von wechselnden Souveräns regiert zu werden, ... (Wolf, S. 67) Partizip Partizip hat Vielleicht wollte sie nur rasch etwas sagen, aus Verlegenheit, weil sie sich von Josel beobachtet gefühlt hatte, wie sie den Landgerichtsrat beobachtete. (Bienek, S. 358) Infinitiv als Vorderglied der Verbalphrase Schema 17 <?page no="102"?> 102 Kookkurenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Mögliche Konfigurationen im Nest sind: Strukturtyp Infinitiv mod Infinitiv wird Infinitiv Verb Beleg Daß ich mich nicht unter sie mischen kann. (Wolf, S. 5) Allein die Zeit wird entscheiden, welche der beiden Koryphäen recht behalten wird. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 124) Der Schreckenslaut, den sie sich ausstoßen hörte, kam wie immer zu spät, der Bolzen holte ihn ein. (Wolf, S. 6) Infinitiv mod, zu Infinitiv Gefährlich wird es, wenn sie sich hinreißen ließe, die Zügel zu lockern, loszugehn, und wenn sie dann, in heftigstem Lauf, gegen jenen Widerstand stieße, den... (Wolf, S. 8) Infinitiv mod mod Valeska überlegte einen Moment, ob sie nicht doch zum Friseur gehen und sich den Zopf abschneiden lassen sollte, die Hochzeit heute von Irma, die wäre doch ein Anlaß dafür. (Bienek, S. 348) Infinitiv mod, Partizip zu wer- Daß wir nicht darauf rechnen können, geden kannt zu werden. (Wolf, S. 28) Infinitiv Partizip hat Der Hofrat, der den Stolz dieses Menschen fürchten gelernt hat, mag hoffen, Kleist habe die erniedrigenden Szenen der ersten Tage vergessen ... (Wolf, S. 41) <?page no="103"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 103 wird als Vorderglied der Verbalphrase haben Schema 18 Mögliche Konfigurationen im Nest sind: Strukturtyp wird wird Infinitiv wird Partizip wird Infinitiv mod Beleg Vom Ansehn wird sie schöner, das ist wahr, in der Bewegung, im Mienenspiel. (Wolf, S. 9) Bettine, so gut sie ihr ist nie wird auch nur eine Ahnung sie streifen, welchen Schmerz, welche Entsagung die Freundin fest in sich verschließt. (Wolf, S. 16) Allzu oft wird dabei der Befund „kein Virus nachweisbar“ mit der ersehnten Botschaft ,fleilung‘ verwechselt. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 122) Das beste wird sein, sich diese Formel zu eigen zu machen, man wird sie brauchen müssen. (Wolf, S. 44) wird sein Es wird leicht sein und sicher, sie muß nur achten, daß sie die Waffe immer bei sich hat. (Wolf, S. 7) wird Partizip haben Ihn werden Sie doch bemerkt Aafcen ? (Wolf, S. 32) <?page no="104"?> 104 Kookkurenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache wird Infinitiv, zu Infinitiv wird haben wird zu Infinitiv Infinitiv wird Partizip sein wird Partizip, zu Infinitiv wird sein, zu Infinitiv Sie werde es fertigbringen, die Günderrode zu hindern an ihrer systematischen Beschäftigung mit den Wissenschaften ... (Wolf, S. 76) Er würde dann wohl seine Baracke zumachen müssen, schließlich heiratete seine Schwester Irma nur einmal, und er würde ja auch seinen Spaß dran haben im Hotel Haus Oberschlesien. (Bienek, S. 342) Sie hat das Mittel dagegen und wird es zu gebrauchen wissen. (Wolf, S. 24) Ohne ein Vaterunser gebetet zu haben, würde sie für all das nicht gerüstet sein, und wahrscheinlich gehörten auch zwei Gegrüßetseistdumaria dazu. (Bienek, S. 334) Also wurden zwei der Diskutanten, Kulturminister Klaus Gysi {der Vater des jetzigen PDS-Gruppenchefs im Bundestag) und sein Amtsvorgänger Alexander Abusch, abgeordnet, ein ernstes Gespräch mit der Theaterleiterin zu führen und „alles zu tun, um sie zum Fortgang zu bewegen“. (Der Spiegel 1997, S. 151) Das beste wird sein, sich diese Formel zu eigen zu machen, man wird sie brauchen müssen. (Wolf, S. 44) <?page no="105"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 105 zu als Vorderglied der Verbalphrase Schema 19 Mögliche Konfigurationen im Nest sind: Strukturtyp zu Infinitiv Verb zu Infinitiv hat zu Infinitiv ist Beleg Bisweilen auch schon am Tag, wenn Mama mit den Räucherkerzen zu kokeln anfing und die grünen Schwaden Gesichter und Fratzen bildeten, wenn man lange hinsah. (Bienek, S. 355) Bei derjungen Gmyrek, deren Vater in der Partei war, würde sie in Zukunft eben ein bißchen aufpassen, damit sie zu Haus nichts zu erzählen hatte. (Bienek, S. 345) Denn das hätte zu einem „SkandaD führen können, „dessen Folgen nicht abzusehen sind\ (Der Spiegel 2/ 1997, S. 151) zu Infinitiv, Verb Es recht mit allem Apparat zu lieben, wage ich nicht. (Wolf, S. 26) zu Infinitiv Partizip ist Er der Liebende, der, weiß Gott, nicht zu betrachten, sondern zu handeln aufgefordert war, und Wilhelmine, das arme Mädchen, kein Phantasiegebilde nach der Miniatur. (Wolf, S. 28) <?page no="106"?> 106 Kookkurenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache zu Infinitiv Partizip hat Und andere werden in den nächsten Jahren aus den Labors kommen ein Triumph der pharmakologischen Forschung, an den kaum einer mehr zu hoffen gewagt hätte. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 119) zu Infinitiv, Verb Verbzu- Ihre Gunst zu verdienen, Savigny, reicht es satz nicht aus, vortrefflich zu sein. (Wolf, S. 59) zu werden hat ... das doch allen dem Bauern, dem Kaufmann, dem Höfling wie dem Dichter gerecht zu werden habe? (Wolf, S. 69) Restliche Nester haben wird mod gewesen ist geworden ist Qr werden mod Qf ^Qi sein mod Qr Schema 20 Mögliche Konfigurationen im Nest sind: Strukturtyp Beleg gewesen ist ... daß er in dieser Woche nur zweimal, und das jeweils nachmittags, im HJ-Dienst gewesen war. (Bienek, S. 349) geworden ist Daß die Bettine sogar, das quirlige Mädchen, ruhig, beinah sanft geworden ist, nachdem Savigny sie bei der Hand genommen und eindringlich, doch freundlich mit ihr gesprochen hat? (Wolf, S. 33) haben mod Das ist es, was ich von ihm haben kann: den Schatten eines Traums. (Wolf, S. 6) <?page no="107"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 107 haben wird ... denn Irma weigerte sich, mit ihr darüber zu sprechen, und ging ihr, wo sie konnte, aus dem Wege, und sie war sich sicher, daß sie bei entsprechender Hartnäckigkeit auch Erfolg haben würde... (Bienek, S 337) sein mod Seine märkischen Fräuleins haben diesen Blick nicht, auch die Dresdnerinnen nicht, so lieb sie ihm sein mögen, nicht zu reden von den Schweizer Mädchen ... (Wolf, S. 9) werden mod ... daß man, wenn man ein berühmter Pianist werden will, in die Kreuzkirche nach Warschau gehen müsse, um dort das Herz von Chopin anzubeten ... (Bienek, S. 344) 3.2 Nominalphrase 3.2.1 Allgemeines Die Nominalphrase ist eine Texteinheit, deren zentrales Element ein Nomen (siehe dazu Kap. 2.2.5) ist. Alle übrigen Phrasenelemente, falls vorhanden, sind Akkommodanten oder Spezifikatoren zum nominalen Kern. 115 Viele Nominalphrasen können als additive Strukturen dargestellt werden. Mit additiven Strukturen sind Konstruktionen gemeint, die durch Aneinanderreihung von Komponenten an den Organisator entstehen. Die Frage, welche der additiven Komponenten valenzgebunden oder nicht valenzgebunden sind, wird im Folgenden nicht erörtert. Die Komponenten additiver Strukturen können wiederum selbst als Phrasen interpretiert werden. So besteht die komplexe Nominalphrase der Druck einer selbstauferlegten, doch uneinlösbaren Verpflichtung gegen dieses Land (Wolf, S. 68) aus dem Kernelement Druck und weiteren Bestandteilen, die ihm angefugt wurden: der Druck -> einer selbstauferlegten Verpflichtung -» einer doch uneinlösbaren Verpflichtung —» gegen dieses Land 115 Zur Nominalphrase aus generativer Sicht siehe interessante Aufsätze von Haider (1992) und Knobloch (1992). <?page no="108"?> 108 Kookkurenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Aufzählungen, in denen gleich geartete Einheiten aneinander gereiht werden, etwa die Spröde, Zimperliche, Unweibliche (Wolf, S. 22) Darkrooms, Saunen und Schwulenclubs (Der Spiegel 2/ 1997, S. 122) sind ebenfalls als additive Strukturen zu betrachten. Mehrgliedrige nicht additive Nominalphrasen enthalten eingebettete Strukturen. Nominalphrasen mit eingebetteten Bestandteilen sind kontaminierte (in der Terminologie von Heringer (1996, S. 51) „aufgeplättete“) Konstruktionen: in die Struktur einer Phrase wird eine andere eingebaut, so dass die erste Phrase gestreckt wird. So werden in der komplexen Nominalphrase das 1949 auf Politbüro-Beschluß vom Ehepaar Brecht-Weigel gegründete Berliner Ensemble (Der Spiegel 2/ 1997, S. 150) die Komponenten: gegründet -> 1949 aufPolitbüro-Beschluß vom Ehepaar Brecht-Weigel, in die Klammerkonstruktion das Berliner Ensemble eingegliedert. Addition und Einbettung sind komplementäre Phrasenbildungsmodi. Unterschiede zwischen ihnen dürfen nicht übersehen werden. Während die additiven Komponenten in der Regel weggelassen werden können, vgl. der Druck einer selbstauferlegten, doch uneinlösbaren Verpflichtung gegen dieses Land —» der Druck einer selbstauferlegten Verpflichtung gegen dieses Land der Druck einer uneinlösbaren Verpflichtung gegen dieses Land der Druck einer Verpflichtung, scheint die Restriktion in dieser Hinsicht bei den eingebetteten Phrasenkomponenten viel rigoroser zu sein. Das ist besonders dann sichtbar, wenn der in der Klammer eingeschlossene untergeordnete Organisator eigene Akkommodanten und Spezifikatoren hat. Diese dürfen prinzipiell weggelassen werden, wenn dies die Valenz des betreffenden Organisators zulässt. Untergeordnete Organisatoren selbst sind aber oft nicht mehr reduzierbar, vgl. <?page no="109"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 109 das 1949 auf Politbüro-Beschluß vom Ehepaar Brecht-Weigel gegründete Berliner Ensemble —» *das 1949 auf Politbüro-Beschluß vom Ehepaar Brecht-Weigel Berliner Ensemble; ? das gegründete Berliner Ensemble das 1949 gegründete Berliner Ensemble Additive und eingebettete Strukturen können im Rahmen einer komplexen Phrase verkommen. Die Prinzipien der Addition und Einbettung spielen eine wichtige Rolle als Mittel der Phrasenkombinatorik. Es gibt im Prinzip keine systemgegebenen Grenzen beim Ausbau von Nominalphrasen. Die Grenzen liegen vielmehr im normativen Bereich und/ oder sie sind durch die Gedächtniskapazität bedingt. Es ist in praxi kaum möglich, alle komplexen Strukturen von Nominalphrasen in Form einfacher Schemata aufzulisten, denn die Zahl der zu berücksichtigenden Optionen geht ins Uferlose. Im Hinblick auf die Beschreibungsökonomie wird im Folgenden ein Verfahren angewandt, mit dem man alle Nominalphrasen widerspruchsfrei und anschaulich darstellen kann. Analysiert wird jeweils der Ankündigungsbereich des obersten Organisators innerhalb der Phrase. Eingebettete Phrasen, die im Ankündigungsbereich stehen, werden ähnlich wie die Elemente im Kommentierungsbereich des jeweiligen Organisators als separate Phrasen behandelt. So erscheint z.B. die komplexe Nominalphrase einige mit Eiweißnoppen besetzte Kügelchen mit kegelförmigem Kern (Der Spiegel 2/ 1997, S. 119) im Licht der obigen Annahme als eine Konfiguration zweier Phrasen, einer Nominalphrase einige mit Eiweißnoppen besetzte Kügelchen und einer Präpositionalphrase mit kegelförmigem Kern. Die Nominalphrase einige mit Eiweißnoppen besetzte Kügelchen enthält eine Flektivphrase mit Eiweißnoppen besetzte, in deren Ankündigungsbereich eine Präpositionalphrase mit Eiweißnoppen steht. Die im Kommentierungbereich stehende Präpositionalphrase mit kegelförmigem Kern ist wiederum als Konfiguration von Präposition + Nominalphrase zu betrachten. (Zur Flektivphrase siehe Kap. 3.4, zur Präpositionalphrase siehe Kap. 3.6). Als eine untrennbare Phrase werden Konstruktionen betrachtet, die einen einheitlichen Begriff ausdrücken, so dass eine Reduktion des Elements im Kommentierungsbereich die Phrase zerstört oder ihre Bedeutung diametral ändert. <?page no="110"?> 110 Kookkurenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Dazu gehören z.B. 1) Vor- und Zunamen Wojciech {Adalbert) Korfanty, Aleksander Dqbski, Zarah Leander, Valeska Piontek 2) Titel, Beinamen, Verwandtschaftsbezeichnungen Onkel Willi, Chefredakteur Wilhelm Girnus, Ministerpräsident Witos, Ehepaar Brecht-Weigel 3) Namen von Institutionen Berliner Ensemble, das Deutsche Rote Kreuz, Mozart-Schule 4) Mehrgliedrige geographische Begriffe {an der) Wilden Klodnitz, die DDR {Deutsche Demokratische Republik) 5) Konstruktionen vom Typ die Wissenschaftszeitschrift SCIENCE, einige Groschen Geld, drei Gläser Bier Alle „Bindestrich-Bildungen“ vom Typ Virus-Mutanten, die Don-Bosco-Stunden, Don-Bosco-Bund, werden im Folgenden ebenfalls als eine Phrase im oben erwähnten Sinn angesehen. 3.2.2 Grundstrukturen Die Nominalphrase ist eingliedrig oder mehrgliedrig. Als eingliedrige Nominalphrasen werden, im Einklang mit der oben genannten Annahme zur interpretatorischen Vorgehensweise, diejenigen Konstruktionen mit nominalem Organisator angesehen, deren Ankündigungsbereich leer ist. Die Nominalphrasen sind mehrgliedrig, wenn ihr Ankündigungsbereich mindestens ein Element enthält. Phrasen mit besetztem Kommentierungsbereich sind Phrasenkonfigurationen mit nominalem Hauptorganisator, die zum Zweck ihrer Beschreibung in separate Phrasen gegliedert werden. Eingliedrige Nominalphrasen bestehen nur aus dem nominalen Organisator. Nomen Wie sie da steht, sich nicht aufdrängt, sich nicht ausdrücklich entzieht. Dame. Mädchen. Weib. Frau. Alle Benennungen gleiten von ihr ab. Jungfrau: lächerlich, beleidigend sogar; später will ich darüber nachdenken, wieso. Jünglingin. Kurioser Einfall, weg damit. (Wolf, S. 20) <?page no="111"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 111 Mehrgliedrige Nominalphrasen bilden eine breite Palette von Strukturtypen, die in den Kapiteln 3.2.3 und 3.2.4 besprochen werden. 3.2.3 Vorderglieder Vorderglieder deutscher Nominalphrasen sind: 1) Flektivei 2) Flektive 2 116 3) Aflektive 4) Nomina im Genitiv Darüber hinaus erscheinen als Vorderglieder komplexer Nominalphrasen Präpositional-, Nominal- oder Pronominalphrasen, deren Organisator Flektiv 2 ist. Die Flektivphrasen werden dann als inhaltlich-formale Ganzheiten in den Ankündigungsbereich des nominalen Organisators eingebettet. 3.2.4 Nester Zur Notation: Die Klammer bedeutet, dass das jeweilige Element für eine Reihe gleichartiger Elemente steht, die hier nicht ausgefuhrt werden. So wird die Phrase 117 leider oft nur schwach (vier Aflektive! ) besuchte Ausstellung als (Aflektiv) Flektiv Nomen notiert. Es wird im Folgenden auf die Angabe von vollständigen Belegsätzen verzichtet, in denen die jeweilige Phrase auftritt. Zur Lesart der Schemata siehe Kap. 3.1.4. Flektivi als Vorderglied der Nominalphrase Die am meisten verzweigte Struktur bildet das Nest des Flektivsi. 116 Zur Abgrenzung der Flektivei und der Flektive 2 siehe Kapitel 2.2.7. 117 Es sei an dieser Stelle an die spezifische Interpretation des Begriffs ‘Phrase’ in der vorliegenden Arbeit erinnert, vgl. Kap. 2.2.2. <?page no="112"?> 112 Kookkurenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Nomen Schema 21 Mögliche Konfigurationen im Nest sind: Strukturtyp Flektivi Nomen Flektivi Flektiv 2 Nomen Flektivi (Flektiva) Nomen Flektivi Aflektiv Nomen Beleg alle Kassandrarufe eine Hand der Hofrat alle möglichen Krankheiten das einzige Mittel dem quälenden Klavierunterricht einen starken männlichen Geist dem schmalen harten Bett einem grünen schweren Samtstoff ein dumm Günderrödchen keinfalsch Zeugnis ein treu Gedenken <?page no="113"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 113 Flektivi Aflektiv Flektiv 2 Nomen die wohl berühmteste Figur diese niemals abreißenden Monologe eine antiviral wirkende Substanz Flektivi (Aflektiv) Flektiv 2 Nodas oft schwer geschädigte Immunsystem men ein viel zu großes Wort ihre früh schon scharfen Züge Flektivi Nomen g en Nomen der Zeiten Spott und Geißel des Knaben Wunderhorn Flektivi Nomengc Flektiv 2 men Noder Bettine weißes Tuch des Hofratsjüngstes Töchterchen des Hofrats närrischer Hund Flektiv 2 als Vorderglied der Nominalphrase Nomen Schema 22 Strukturtyp Beleg Flektiv 2 (Flektiv 2 ) Nomen grauer ovaler Schemen bunte japanische Papierblumen erwachsene gesittete Menschen <?page no="114"?> 114 Kookkurenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Aflektiv als Vorderglied der Nominalphrase Nomen Nomen Strukturtyp (Aflektiv) Nomen Aflektiv Flektivi Nomen Aflektiv Flektiv 2 Nomen (Aflektiv) Flektiv2 Nomen Aflektiv Flektivi Flektiv 2 Nomen Beleg beinahe sieben Stunden doppelt soviel Luft etwas ganz Besonderes all die Jahre all die Zeit all ihre Träume derart tiefsinnige Gespräche eigenartig schöne Darstellung etwas alberne Anpreisung noch mehr polnische Stimmen schon beinahe dreißig Jahre so viel lächelnde Münder all die zahllosen Tage manch ein dösiges Mädchen solch ein verrückter Tag <?page no="115"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 115 Nomengen als Vorderglied der Nominalphrase Schema 24 Strukturtyp Beleg Nomen gen Nomen Josels Seite Mamuschas Haar Wedekinds Haus Nomengen Flektiv 2 Nomen Polens zweitgrößter Sohn Mariasjüngere Schwester Vaters stinkende Pfeife Mit Hilfe der oben dargestellten Schemata können die Strukturen der Ankündigungsbereiche der meisten Nominalphrasen der deutschen Sprache abgebildet werden. Die Schemata geben über die hierarchische Struktur und die lineare Anordnung Aufschluss. 3.2.5 Kommentierungsbereich Jeder nominale Organisator kann um kommentierende Elemente ausgebaut werden, unabhängig davon, welches Vorderglied ihm vorangeht. Im Kommentierungsbereich des nominalen Organisators können erscheinen: 1) Infinitivphrasen mit zu: all ihre Bemühungen, dem Virus Einhalt zu gebieten (Der Spiegel 2/ 1997, S. 119) das Recht, siefür anmaßend zu erklären (Wolf, S 54) <?page no="116"?> 116 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache den Mut, mit ihm über die Baracke zu reden (Bienek, S. 349) der richtige Zeitpunkt, mit der Therapie zu beginnen (Der Spiegel 2/ 1997, S. 122) die Versuchung, sich fallen zu lassen (Wolf, S. 23) 2) Sätze, die durch Flektive als Anschlusswörter (vgl. Kap. 4.1.2) eingeleitet werden: an den Ereignissen der letzten Tage, die ihn aufgeregt und anfällig gemacht hatten (Bienek, S. 348) an die Pflichten des neuen Tages, die ihr wichtiger waren (Bienek, S. 334) an die Grenze, die zwischen Philosophie und Leben gesetzt ist (Wolf, S. 49) der Abgeordnete Adam Pragier, welcher im Marschallgericht über Korfanty gesessen hatte (Bienek, S. 359) 3) Flektive: für Regungen anderer (Wolf, S. 53) Herr dessen, was in ihm denkt (Wolf, S. 11) 4) Partizipialphrasen: 118 der Mann, von seiner Eigenliebe getrieben, sichfür unwiderstehlich zu halten (Wolf, S. 28) Holz, schön geschwungen (Wolf, S. 4) Menschen zwanglos über den Raum verteilt, wie ein Gestühl, in schöner Anordnung (Wolf, S. 4) 5) Sätze, die durch Präpositionalphrasen eingeleitet werden: auf der Landzunge unter den Weiden, auf denen ihr Blick ruht (Wolf, S. 8) 118 Zu den Partizipialphrasen werden auch Ellipsen vom Typ ... ging ich in die Gudenaugasse, den Schlüssel schon in der Hand, aber die Ladentür war noch auf... (Böll, S. 53) gerechnet, die durch die Reduktion der unüblichen Partizipien] habend oder seiend entstehen. Es ist mir nicht gelungen, im Mannheimer Korpus 1 + 2 einen Beleg für einen nominalen Organisator zu finden, daher wird hier ein Beispielsatz mit einem pronominalen Organisator angeführt. Die reduzierten Partizipialphrasen dieser Art spielen eine marginale Rolle, wovon ihre niedrige Vorkommenshäufigkeit zeugt. <?page no="117"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 117 auf die weißgestrichene Holzdecke, von der ein zerrissenes staubiges Spinngewebe herunterhing (Bienek, S. 366) von dem Tisch, an dem er jetzt beinahe sieben Stunden gesessen hatte (Bienek, S. 366) bei offenen Fenstern, durch die, als die letzten Vögel verstummt waren, eine Stille hereindrang (Wolf, S. 16) der schönste Landstrich von Deutschland, an welchem unser großer Gärtner sichtbar con amore gearbeitet hat (Wolf, S. 53) 6) Präpositionalphrasen: Berichte aus deutschen, aus polnischen Zeitungen (Bienek, S. 362) dasfeine Arom von Enttäuschung (Wolf, S. 28) das Ungenügen mit sich selbst (Wolf, S. 24) das Vorurteil gegen einen Mann (Wolf, S. 33) den Ton zwischen Begrüßung, Frage, Bitte (Wolf, S . 14) einjunges Ding von kaum zwanzig (Wolf, S. 20) zu viele neue Geräusche auf einmal (Bienek, S. 350) 7) Aflektivphrasen zum Nomen (mit oder ohne Komma): das Echo, ungeheuer, vielfach gebrochen (Wolf, S. 3) das Tier sich aufbäumend, stürzend, zuckend verendend (Wolf, S. 30) der Hund, entsetztlich unschlüssig (Wolf, S 64) in das Zimmer nebenan (Bienek, S. 334) in der Festung selbst (Bienek, S. 360) jene Frau da drüben (Wolf, S. 19) 8) Nominalphrasen mit dem Organisator im Genitiv: das Geheimnis der Baracke an der Wilden Klodnitz (Bienek, S. 349) das Gesetz der Gesetze (Wolf, S. 51) das Bild eines Verzweifelten (Wolf, S. 42) der Grad der Anteilnahme (Wolf, S. 48) für den Erwerb Oberschlesiens (Bienek, S. 359) <?page no="118"?> 118 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 9) Sätze, die durch Aflektive zur Verbalphrase eingeleitet werden: das letzte, unauffindbare Versteck, wo keiner sie ausstöbern kann (Wolf, S. 23) nach Richtersdorf, wo sie niemand kannte (Bienek, S 336) 10) Sätze, die mit Satzverbindungswörtern (vgl. 4.1.2) eingeleitet werden: das Wissen, daß er zu den wenigen gehöre (Der Spiegel 2/ 1997, S. 124) der richtige Moment, daß die Flügeltür sich öffnet und ein Bedienter Wein bringt (Wolf, S. 46) die dankbare Freude, daß ich vielleicht leben werde (Der Spiegel 2/ 1997, S. 124) 11) Uneingeleitete Sätze: den Eindruck, er täte es ausfreien Stücken (Wolf, S. 43) der Verdacht, nichts kommt mehr als dieser Widerhall (Wolf, S 3) sein Kinderglaube, ein jedes Übel trage seine Heilung in sich selbst (Wolf, S. 41) 12) Appositionen: die Frau, Günderrode, in den engen Zirkel gebannt, nachdenklich, hellsichtig (Wolf S. 4) der Mann, Savigny, kaum älter als er (Wolf, S . 14) Marianne, des Pfarrers Tochter, ein naives Kind (Wolf, S. 58) 13) Phrasenverbindungswörter (vgl. Kap. 4.1.2): doppelt soviel Luft wie andere Menschen (Wolf, S . 21) dem Höfling wie dem Dichter (Wolf, S. 69) tausend Jahre und länger (Wolf, S. 5) Das Vorkommen mancher Phrasen im Kommentierungsbereich des Nomens wird durch dessen Valenz geregelt. Es überwiegt jedoch die Tendenz, dass die kommentierenden Elemente fakultativ sind. Das Nest des Nomens im Kommentierungsbereich kann schematisch wie folgt dargestellt werden: <?page no="119"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 119 Nomen Infinitivphrasen mit zu Satz, durch Rektiv eingeleitet Rektive im Genitiv Rarlizipialphrase Satz, durch Räpositionalphrasen eingeleitet Präpositionalphrase ohne Anschlusslunklion ■► Ql ^flektivphrase zum Nomen (mt oder ohne Komma) Norrinalphrase nrit dem Organisator im Genitiv Satz, durch / Mlektivphrase zur Verbalphrase eingeleitet Satz, durch Satzverbindungswort eingeleitet uneingeleiteter Satz / Opposition Phrasenverbindungswort Schema 25 Besondere Formen sind verschränkte Phrasen vom Typ sterblich sein, frommer Wunsch oder daß sie sich getroffen hatten: eine erwünschte Legende, wo der Kommentar vor dem zentralen Nomen steht. 3.3 Pronominalphrase 3.3.1 Allgemeines Pronominalphrasen sind Texteinheiten, deren strukturelle Zentren Pronomina sind. Die Ausbaumöglichkeiten von Pronominalphrasen sind beschränkt. Sie kommen meist in ihrer Minimalform vor. Elemente mehrgliedriger Phrasen sind meist nachgestellte Spezifikatoren. 3.3.2 Grundstrukturen Pronominalphrasen kommen als einfache oder als mehrgliedrige Phrasen vor. Einfache Phrasen sind beispielsweise: Pronomen ich, du, wir, Sie, mich, uns, dich, euch, mir, dir, sie, es, ihn, ihm, ihnen, man <?page no="120"?> 120 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Der Ankündigungsbereich von Pronominalphrasen ist im Regelfall leer. Er kann aber zuweilen durch restriktive Aflektive zum Hinterglied, z.B. allein, selbst, sogar u.Ä. besetzt werden. Seit der Verkündigung des Kriegszustands 1914 hatten allein -> sie das „Sagen“. (Die Zeit 8.2.1985, S. 28). Diese strukturelle Möglichkeit wird selten realisiert. Viel häufiger erscheint das restriktive Aflektiv als Hinterglied des Pronomens: Aber was ich <— allein und ohne bemüßigten Begleiter beobachtet habe und dann, um sicherer zu gehen, gegenfragte, darf vielleicht eine gewisse Objektivität beanspruchen und so den Erfolg von Pairignano erklären helfen. (Die Zeit 14.11.86, S. 99) Das Pronomen man ist nicht fähig, mehrgliedrige Phrasen zu bilden. з . 3.3 Ankündigungsbereich Im Ankündigungsbereich der Pronominalphrasen stehen Aflektive zum Vorderglied (vgl. Kap. 2.2.12), die eine restriktive {nur, allein, lediglich, selbst, и . Ä), graduierende {besonders), distanzierende {sozusagen, ausgerechnet, u.Ä.) oder inkorporierende Bedeutung {auch, ebenfalls, u.Ä.) haben. Aflektiv Pronomen Schema 26 Strukturtyp Beleg Aflektiv Pronomen Allein sie Ausgerechnet ich Lediglich euch 3.3.4 Kommentierungsbereich Mehrgliedrige Pronominalphrasen entstehen, indem der Kommentierungsbereich des pronominalen Organisators durch additiv angefiigte Komponenten <?page no="121"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 121 ausgebaut wird. Das Pronomen hat keine Valenz und die Elemente in seinem Kommentierungsbereich sind immer fakultativ (vgl. Kap. 2.1). Das Pronomen bildet in seinem Kommentierungsbereich folgendes Nest: Satz, durch Flektiv eingeleitet Partizipialphrase Satz, eingeleitet durch Präpositionalphrase Präpositionalphrase Aflektivphrase zum Pronomen Nominal- und Flektivphrasen Apposition Phrasenverbindungswort Schema 27 Die Zahl der in Betracht zu ziehenden Optionen im Kommentierungsbereich des Pronomens ist wesenlich kleiner als beim Nomen (vgl. Kap. 3.2.5). Im Kommentierungsbereich des pronominalen Organisators können erscheinen: 1) Sätze, die durch Flektive als Anschlusswörter eingeleitet werden: ... undjetzt ist es so, daß ich, dem das Organ für Metaphysik fehlt, mir Sorgen um Maries Seele mache. (Böll, S. 114) Ich, der ich fest daran glaube, daß er unter dem Floß seinen Tod schaffte (...) (Grass, S. 27) 2) Partizipialphrasen: Und Merkur, der Gott der Diebe und des Handels, segnete uns, weil ich, im Zeichen der Jungfrau geboren, seinen Stempel besaß (...) (Grass, S. 149) ... schwanke ich, auf Schiller und Konsorten pfeifend, zwischen Goethe und Rasputin ... (Grass, S. 72) 3) Sätze, die durch Präpositionalphrasen eingeleitet werden: ... von ihr, auf die ohnehin niemand gerechnet hat ... (Beispiel L.C.) <?page no="122"?> 122 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 4) Präpositionalphrasen: Ich, mit letzter Kraft: „Oskar hat gebüßt, erlaßt ihm die Trommel, alles will ich halten, nur das Blech nicht.“ (Grass, S. 392) 5) Aflektivphrasen zum Pronomen: ... legte ich mich, schwindlich vor Hitze, irgendwo in den Schatten eines sogenannten Palastes... (Frisch, S. 50) 6) Nominal- und Flektivphrasen: “ 9 Ihnen allen, die Sie außerhalb meiner Heil- und Pflegeanstalt ein verworrenes Leben führen müssen, Euch Freunden und allwöchentlichen Besuchern ... (Grass, S. 11) Uns allen, Mutter Truczinski, Gusta, Fritz und Maria Truczinski... (Grass, S. 160) 7) Appositionen: ... da ich, der Besitzer dieses Albums, verpflichtet gewesen wäre, das Niveau zu wahren. (Grass, S. 61) Bin ich, der Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt, deshalb ein Widerstandskämpfer? (Grass, S. 100) 8) Phrasenverbindungswörter: Wer, wie ich etwa, in manchen Versammlungen die SA nicht nur als einen geschulten Gesangverein erfahren durfte, ... (Heuss, S. 433) Es überwiegt deutlich die Tendenz, Pronomina ohne Spezifikatoren zu verwenden. 3.4 Flektivphrase 3.4.1 Allgemeines Flektivphrasen sind Texteinheiten, deren strukturelle Zentren Flektive im engeren Sinne (Flektivei oder Flektive 2 ) bilden. (Zur Unterscheidung der Flektivei und Flektive2 siehe Kap. 2.2.7) Die restlichen Phrasenelemente, falls vorhanden, sind Akkommodanten oder Spezifikatoren in Bezug auf die Phrasendominante. 119 Nicht möglich sind Nominalphrasen, die dem Nest Nom gen angehören (vgl. Engel 1988, S. 653). <?page no="123"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 123 3.4.2 Grundstrukturen Die Flektivphrasen kommen in zwei Formen vor, die jeweils zwei Subklassen enthalten. Zu unterscheiden sind: 1. einfache oder mehrgliedrige Flektivphrasen, die vom verbalen Valenzträger direkt abhängig sind, vgl. Einer wollte doch kommen! Einer von euch wollte doch kommen! 2. einfache bzw. mehrgliedrige Flektivphrasen, deren zentrales Element Akkommodant eines nominalen Phrasenorganisators ist, vgl. ein gutes Beispiel, ein guter Beleg, eine gute Vorlage ein sehr gutes Beispiel, ein guter Beleg, eine gute Vorlage Die Flektivphrasen als Akkommodanten der Verbalphrase (= valenzgebundene Flektivphrasen) erscheinen in der Tendenz mit unbesetztem Ankündigungsbereich und können nur Spezifikatoren im Kommentierungsbereich haben. Durchaus möglich sind aber Aflektive zum Vorderglied (vgl. Kap. 2.2.12) mit einer restriktiven (nur, allein, lediglich, selbst, u.Ä ), graduierenden (besonders), distanzierenden (sozusagen, ausgerechnet, u.Ä.) oder inkorporierenden Bedeutung (auch, ebenfalls, u.Ä.). Flektive als Akkommodanten des nominalen Organisators stehen nie mit besetztem Kommentierungsbereich und ihre Kookkurrenzpartner können nur im Ankündigungsbereich erscheinen. Der flektivische Organisator steht direkt vor dem übergeordneten nominalen Organisator. Flektivphrasen treten im Kommentierungsbereich der nominalen Organisatoren nur selten auf (vgl. Kap. 3 .2.5). In dieser Position sind prinzipiell einfache Flektivphrasen möglich. Folgen zwei Flektivei als Akkommodanten des nominalen Organisators unmittelbar aufeinander, so bestimmt der erste den Kasus des weiter entfernten Nomens und der zweite den Kasus des ersten Nomens in der Folge, vgl. das dem Nomen untergeordnete Wort die die Kirschen pflückenden Kinder (Siehe dazu ausführlich Kap. 4.1.3) <?page no="124"?> 124 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Flektivphrasen, deren Organisatoren Flektive 2 sind, stehen unmittelbar vor übergeordneten nominalen Organisatoren. Der Kommentierungsbereich flektivischer Phrasen besprochenen Typs bleibt unbesetzt. Im Ankündigungsbereich der Flektive2 können dagegen verschiedene Typen von Akkommodanten und Spezifikatoren stehen. 1 “ 3.4.3 Vorderglieder Als Vorderglieder der Flektivphrasen, deren Organisator Flektive 2 sind, gelten: 1) Aflektive zum Flektiv 2) Präpositionen (diese leiten wiederum Präpositionalphrasen ein, siehe Kap. 3.6) 3) Vorderglieder der Aflektivphrasen (siehe Kap. 3.7.3) 4) Vorderglieder der Nominalphrasen (siehe Kap. 3.2.3) 5) Vorderglieder der Pronominalphrasen (siehe Kap. 3.3.3) Die Besetzung des Kommentierungsbereichs in den Phrasen, deren Organisatoren Flektive 2 sind, ist durch die Adjazenz mit dem Organisator einer übergeordneten Nominalphrase blockiert. Die Flektiv 2 -Phrasen werden in den Ankündigungsbereich der Nominalphrasen eingebettet (vgl. Kap. 3.2.3). 3.4.4 Nester Um die oben genannten Vorderglieder entstehen folgende Nester: Aflektiv als Vorderglied der Flektivi-Phrase Aflektiv Flektivt Schema 28 120 Als terminales Element der jeweiligen Struktur wird das Nomen als übergeordnetes Element genannt, das zwar nicht zur Flektivphrase gehört, aber die Voraussetzung für den Gebrauch der Aflektivphrase schafft: die Fleküv 2 -Phrase ist in die Nominalphrase eingebettet. <?page no="125"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 125 Strukturtyp Beleg Aflektiv Flektivi Gar keiner (ist gekommen). Ausgerechet diesem (hat man ...) Lediglich meiner (ging kaputt). Flektivi als Vorderglied der Flektivphrase (Flektiv 2 als Phrasenorganisator) (Flektiv 2) Schema 29 Strukturtyp Flektivi Flektiva -» Nomen Beleg alle möglichen Krankheiten 121 alle trüben Ströme die erste Seite Flektivi (Flektiv 2 ) —» Nomen Flektivi Aflektiv Flektiv 2 —> Nomen dem schmalen harten Bett einem entfernten gleichgültigen Gebiet einem grünen schweren Samtstoff die wohl berühmteste Figur diese niemals abreißenden Monologe ein paar alte Schuhe 121 Die Phrase dieses eine Wort fällt laut Definition der Flektive im Kap. 2.2.7 ebenfalls unter das genannte Phrasenmuster. <?page no="126"?> 126 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Flektivi (Aflektiv) Flektiv 2 -> Nomen das oft schwer geschädigte Immunsystem ein viel zu großes Wort ihre früh schon scharfen Züge Flektiv 2 als Vorderglied der Flektivphrase (Flektiv 2 als Phrasenorganisator) Flektiv 2 -^Ck FleWiv 2 (Flektiv 2) Schema 30 Strukturtyp Beleg Flektiv 2 (Flektiv 2 ) Nomen grauer ovaler Schemen, bunte japanische Papierblumen, erwachsene gesittete Menschen Aflektiv als Vorderglied der Flektivphrase (Flektiv 2 als Phrasenorganisator) Flektiv 2 Aflektiv Aflektiv Schema 31 Strukturtyp Beleg Aflektiv Flektiv 2 -» Nomen derlei ästhetische Feinheiten eigenartig schöne Darstellung etwas alberne Anpreisung (Aflektiv) Flektiv 2 —> Nomen meist gut informierte Manöverkritik noch mehr polnische Stimmen schon beinahe dreißig Jahre <?page no="127"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 127 Aflektiv Flektivi Flektiv 2 -> Nomen all die zahllosen Tage manch ein dösiges Mädchen sogar der beste Freund Nominalphrase als Vorderglied der Flektivphrase (Flektiv 2 als Phrasenorganisator) Präpc Qr— Flektiv 2 Präpositionalphrase W k >r A Flektiv 2 Nominalphrase Schema 32 Strukturtyp Beleg Nominalphrase Flektiv 2 -> Nomen seinen Prinzipien treuer Staatsmann Gott lobende Chöre des Diebstahls beschuldigte Männer Nominalphradem Professor für die Bretreuung dankst Präpositionalphrase Flektiv 2 —> bare Magistrantin Nomen ihrem Gönner zu Dank verpflichtete Jungen dem Kind zum Andenken geschenktes Album Pronomen als Vorderglied der Flektivphrase (Flektiv 2 als Phrasenorganisator) Flektiv 2 Flektiv 2 Pronominalphrase Schema 33 <?page no="128"?> 128 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Strukturtyp Beleg Pronominalphrase Flektiv 2 —> Nomen ihm zugeschriebene Worte ihnfürchtende Kinder uns zugängliche Belege Pronominalphraihm für seine Hilfe dankbare Frauen se Präpositionalphrase Flektiv, ^ unsfür diese Aufgabe zugeteilte Mittel Präpositionalphrase als Vorderglied der Flektivphrase (Flektiv2 als Phrasenorganisator) Flektiv 2 P rä positio n a Iph rase Schema 34 Beleg an der Problemlösung interessierte Gelehrte in die Augen springende Flecken wegen des Betrugs aufgebrachte Leute Durch die Überschwemmung völlig zerstörte Altstadt für die Problemlösung nicht erforderlicher Aufwand auf die Mutter vergeblich wartende Kinder Mit Hilfe der oben dargestellten Schemata können die Strukturen der Ankündigungsbereiche der meisten Flektivphrasen der deutschen Sprache abgebildet werden. Die Schemata geben über die hierarchische Struktur und die lineare Anordnung Aufschluss. Strukturtyp Präpositionalphrase Flektiv 2 —> Nomen Präpositionalphrase Aflektiv Flektiv 2 -» Nomen <?page no="129"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 129 3.4.5 Kommentierungsbereich der Flektivei Das Flektivi bildet in seinem Kommentierungsbereich folgendes Nest: Schema 35 Im Kommentierungsbereich der Flektivphrasen besprochenen Typs können erscheinen: 1) Sätze, die durch Aflektive als Anschlusswörter eingeleitet werden: Das einzige, was ich wirklich verkaufen könnte, wäre das Fahrrad gewesen ... (Böll, S. 27) 2) Sätze, die durch Flektive als Anschlusswörter eingeleitet werden: ... und als Nachricht verkauft wurde an den, der das meiste bot. (Johnson, S. 214) Einer, der Kasperlepuppen an den Fingern hatte... (Grass, S. 164) 3) Partizipialphrasen: Dieser, mit der Problematik nicht vertraut, ... (Beispiel L C.) 4) Sätze, die durch Präpositionalphrasen eingeleitet werden: ... das war ich, und war doch derselbe, vor dem ich Angst hatte. (Böll, S. 175) <?page no="130"?> 130 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 5) Präpositionalphrasen: Alle, außer Herbert und mir, standen draußen in der brütenden Sonne (Frisch, S. 32) 6) Appositionen: Der eine, Graf Reventlov, war ein schlechter Sprecher ... (Heuss, S. 345) Alles, Fahrkarten nach Stutgart, Quartier werde besorgt weden. (Heuss, S. 230) 7) Phrasenverbindungswörter: Dieser oderjener mag daran Kritik üben. (Beispiel L.C.) 3.5 Infinitiv- und Partizipialphrase Infinitivphrasen und Partizipialphrasen sind Texteinheiten, deren strukturelle Zentren entsprechend Infinitive oder Partizipien sind. (Zum Infinitiv siehe Kap. 2.2.8, zum Partizip siehe Kap. 2.2.9). Infinitiv- und Partizipialphrasen kommen entweder als (a) Bestandteile der Verbalphrasen oder (b) als averbale Phrasen vor, die im Satz Aktantenstellen der Verbalphrasen einnehmen. Sie können auch als Kommentare anderer Textwörter auftreten (c) oder außerhalb des Satzverbandes stehen (d). a) Sie liebte, ihm bei der Arbeit zuzusehen Wann bist du gestern nach Hause zurückgekommen? b) Ihm bei der Arbeit zuzusehen war ihre Lieblingsbeschäftigung. Nach Hause zurückgekommen, legte sie sich sofort ins Bett. c) ... der Wunsch, nach Heidelberg zu fahren ... die Angst, entlassen zu werden d) Setzen! Abgemacht? Infinitive und Partizipien sind als Bestandteile der Verbalphrasen funktional Spezifikatoren zum Verb. Auf Kookkurrenzen innerhalb der Verbalphrase wurde im Kap. 3.1.4 verwiesen. <?page no="131"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 131 Als selbständige Infinitiv- 1 “ und Partizipialphrasen treten auf: Partizip Infinitiv zu Infinitiv Infinitiv zu Infinitiv Partizip Infinitiv Nachricht dankend erhalten Aufmachen! die Angst, zu erfrieren der Traum, ausreisen zu dürfen Geliebt werden bedeutet Glück. Partizip zu Infinitiv das Bedürfnis, geliebt zu werden Selbstständige Inifinitiv- und Partizipialphrasen organisieren ihren Ankündigungsund/ oder Kommentierungsbereich ähnlich (nicht identisch! ) wie Verbalphrasen. Zugleich bestehen zwischen selbstständigen Infinitiv- und Partizipialphrasen gravierende Unterschiede, wenn es um ihre Vorkommenshäufigkeit in bestimmten Positionen und ihre funktionale Belastung geht. 123 3 .6 Präpositional- und Postpositionalphrase 3.6.1 Allgemeines Präpositionalphrasen sind obligatorisch zweigliedrige Texteinheiten, deren Zentren Präpositionen und optional Nominal-, Pronominal-, Flektiv- oder Aflektivphrasen sind. (Zum Begriff der Obligatheit und Optionalität siehe Kap. 2.1) 1) bei Leipzig 2) zu dir 3) an alle 4) durch dick und dünn Postpositionalphrasen sind obligatorisch zweigliedrige Texteinheiten, deren Zentren optional Nominal-, Pronominal- oder Flektivphrasen und Postpositionen sind. 5) der Mutter zuliebe 6) dir zuwider 7) einem gegenüber 122 Einschließlich haben, sein, werden, wollen, sollen, müssen, dürfen, mögen, können, 123 Zu dieser Problematik siehe Rath (1971), Bungarten (1976), Filipovic (1976). lassen. <?page no="132"?> 132 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Möglich sind auch präpositional-postpositionale Phrasen, obligatorisch dreigliedrige Texteinheiten, deren Zentren Präpostionen, optional Nominal-, Pronominal-, Flektiv- oder Aflektivphrasen und Postpositionen sind. 8) um der heiligen Ruhe willen 9) von Kindesbeinen an 10) von dort aus 3.6.2 Grundstrukturen Die Präpositional- und Postpositionalphrasen sind obligatorisch zweigliedrig, die Präpositional-Postpositionalphrasen sind obligatorisch dreigliedrig (vgl. Kap. 2.2.10). Das bedeutet, dass sie in keinem Kontext auf das erste oder auf das zweite oder ggf. auf das dritte Glied reduziert werden können. Die Präpositionalphrase repräsentiert eine besondere Art formal-inhaltlicher Kookkurrenzbeziehungen. Nomina, Pronomina und Flektive fugen sich formal der Präposition, sie verhalten sich also wie ihre Akkommodanten. In semantischer Hinsicht verlagert sich das Zentrum auf kookkurrierende Nomina, Pronomina, Flektive oder Aflektive. Die meisten Präpositionen sind inhaltsleer und ihre Bedeutung kommt oft erst im Kookkurrenzpaar zum Ausdruck, im Einklang mit dem übergreifenden morphosyntaktischen Plan der gesamten Äußerung, in den die gesamte Präpositionalphrase eingesetzt wird, vgl. für Harald {bestimmt sein) für die Mikrobiologie {sich interessieren) für gescheit {halten) Den Präpositionalphrasen können gelegentlich Aflektive zum Vorderglied (vgl. Kap. 2.2.12) mit einer restriktiven {nur, allein, lediglich, selbst, u.Ä ), graduierenden {besonders), distanzierenden {sozusagen, ausgerechnet, u.Ä.) oder inkorporierenden Bedeutung {auch, ebenfalls, u.Ä.) vorangehen: ... sogar von der vertrauten Tochter, besonders aber von ihm, dem Geliebten, der nichts ahnte und nichts ahnen durfte... (Mann, S. 50) 3.6.3 Vorderglieder Als Initialwörter bzw. Vorderglieder von Präpositional-, Präpositional- Postpositional- und Postpositionalphrasen können auftreten: <?page no="133"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 133 1) Aflektive 2) Präpositionen 3) Nominalphrasen 4) Pronominalphrasen 3.6.4 Nester Um die oben genannten Vorderglieder entstehen folgende Nester: Aflektiv als Vorderglied der Präpositionalphrasen Aflektiv Präpositionalphrase Schema 36 Strukturtyp Beleg Präposition + Nominalphrase sogar von uns ausgerechnetfür heute ausschließlich aus Polen Präposition als Vorderglied der Präpositional-, und der Präpositional- Postpositionalphrasen Schema 37 Die Präposition kann folgende Hinterglieder haben: <?page no="134"?> 134 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Strukturtyp Beleg Präposition + Nominalphrase aus dieser Partei in der Gegend wegen Überschwemmung Präposition + Pronominalphrase bei uns für dich auf uns Präposition + Flektivphrase vor allem zu denjenigen von einem Präposition + Aflektivphrase auf einmal bis dahin ab heute Präposition + Nominalphrase + Postposition von Kindesbeinen an um Gottes willen aufden Berg zu Präposition + Pronominalphrase + von mir aus Postposition aufdich zu Präposition + Aflektivphrase + von heute an Post P ositlon von dort aus von da ab Nominalphrase als Vorderglied der Postpositionalphrase Nominalphrase ► Ck Postposition Schema 38 <?page no="135"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 135 Strukturtyp Beleg Nominalphrase + Postposition der Vollständigkeit halber meiner Meinung nach die ganze Nacht über Pronominalphrase als Vorderglied der Postpostionalphrase Pronominalphrase Postposition Schema 39 Strukturtyp Beleg Pronominalphrase + Postposition ihm zuwider ihr entgegen dir gegenüber Die Strukturmuster mit Präposition als Vorderglied sind die häufigsten Erscheinungsformen der Präpositionalphrase. Im Vergleich zum Nest des präpositionalen Initialwortes sind die Strukturtypen mit Postpositionen als Hinterglied der nominalen, pronominalen oder flektivischen Ko-Organisatoren seltener. Du selbst sagst oft, der junge Mann ein solcher ist er nachgerade ja schon, habe viel von unserem Vater, dem Oberstleutnant. (Mann, S. 89) Die Nominal-, Pronominal- und Flektivi-Phrasen, deren Organisatoren im Akkusativ, Dativ oder Genitiv stehen, müssen jedoch als potenzielle Vorderglieder einer Postpositionalphrase in Betracht gezogen werden, solange kontextuelle Merkmale diese Option nicht ausschließen. 3.7 Aflektivphrase 3.7.1 Allgemeines Aflektivphrasen sind Texteinheiten, deren strukturelle Zentren Aflektive (im engeren Sinne) sind. Die restlichen Elemente in der Phrase, falls vorhanden, <?page no="136"?> 136 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache sind Akkommodanten oder Spezifikatoren in Bezug auf die aflektivische Phrasendominante. 3.7.2 Grundstrukturen Aflektive werden in Abhängigkeit davon, worauf sie sich beziehen, in Aflektive zur Verbalphrase, Aflektive zum Vorderglied und Aflektive zum Hinterglied eingeteilt (vgl. Kap. 2.2.12). Aflektive zur Verbalphrase und Aflektive zum Vorderglied sind fähig, Phrasen zu bilden. Aflektive zum Hinterglied sind meist nichtphrasenbildende Spezifikatoren. Aflektive zur Verbalphrase und Aflektive zum Vorderglied kommen als einfache oder als mehrgliedrige Phrasen vor. Aflektive zur Verbalphrase sind Organisatoren von meist einfachen Aflektivphrasen. Ihre semantischen Subklassen zeichnen sich durch zum Teil unterschiedliche Eigenschaften hinsichtlich der Ausbaumöglichkeiten aus. Aflektivphrasen mit lokaler oder temporaler Bedeutung können zuweilen spezifische Kookkurrenzstrukturen mit Präpositionalphrasen (1,2) oder anderen Aflektiven bilden (3,4). 1) heute in zwei Jahren 2) links neben der Treppe 3) dort drüben 4) hoch oben Ihre Spezifik liegt darin, dass sie entweder interdependent sind (siehe 1 und 2), so dass ihre Reduktion um ein Element die Bedeutung des Syntagmas ändert. Heute in zwei Jahren sind wir über den Berg. * Heute sind wir über den Berg. * In zwei Jahren sind wir über den Berg. Links neben der Treppe steht ein Eimer. ~ Links steht ein Eimer. « Neben der Treppe steht ein Eimer., oder dass sie um ein beliebiges Element ohne Bedeutungsverlust reduzierbar sind (Belege 3 und 4, wo jedes Aflektiv im jeweiligen Paar die Bedeutung des anderen dupliziert 124 ). Die grammatische Korrektheit der genannten Äußerungen wird durch die Reduktion ihrer Komponenten nicht beeinträchtigt. 124 Beide Aflektive können jeweils mit derselben Zeigegeste unterstützt werden. <?page no="137"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 137 Modale Aflektive zur Verbalphrase können aflektivische Spezifikatoren im Ankündigungsbereich haben, die das rechts stehende Element graduieren. sehr gut außerordentlich geschickt Im Kommentierungsbereich der modalen Aflektivphrasen können Elemente auftreten, die mit wie oder als angeschlossen werden und die durch den Vergleich das jeweilige Aflektiv spezifizieren. gut wie noch nie gescheiter als vorgestern Aflektive zur Verbalphrase als Organisatoren der Aflektivphrase kommen überwiegend als einfache Phrasen vor. Im Vergleich zu Aflektiven zur Verbalphrase kommen Aflektive zum Vorderglied viel häufiger mit besetztem Ankündigungsund/ oder Kommentierungsbereich vor. Je nach der kontextuellen Einbettung können die Elemente, die im Ankündigungsbereich der genannten Aflektive stehen, auch die Position rechts des Organisators einnehmen. Der Staatsmann, seinen Prinzipien treu, ... Der Staatsmann, treu seinen Prinzipien, ... Die Spezifikatoren der Aflektive zur Verbalphrase lassen keine solche Umstellung zu. ziemlich schlau *schlau ziemlich 3.7.3 Vorderglieder Als Vorderglieder von Aflektivphrasen gelten: 1) Aflektive zum Hinterglied 2) Präpositionen (diese leiten wiederum Präpositionalphrasen ein, siehe Kap. 3.6) 3) Vorderglieder der Nominalphrasen (siehe Kap. 3.2.3) 4) Vorderglieder der Pronominalphrasen (siehe Kap. 3.3.3). <?page no="138"?> 138 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 3.7.4 Nester Um die oben genannten Vorderglieder entstehen folgende Nester: Aflektiv als Vorderglied der Aflektivphrase Aflektiv & Aflektiv Aflektiv Aflektiv Schema 40 Strukturtyp Beleg Aflektiv Aflektiv ausgerechnet heute prinzipiell richtig nicht schlecht Aflektiv Aflektiv Aflektiv fast sehr gut sogar ziemlich einleuchtend gar nicht schlau Nominalphrase als Vorderglied der Aflektivphrase Aflektiv Nominalphrase Schema 41 Strukturtyp Beleg Nominalphrase Aflektiv seiner Frau treu großen Worten abhold keinen Pfifferling wert <?page no="139"?> Kookkurrenzielle Phrasenanalyse 139 Pronominalphrase als Vorderglied der Aflektivphrase Qp K^ Aflektiv Pronominalphrase Schema 42 Strukturtyp Beleg Pronominalphrase Aflektiv ihn los (sein) ihm gram sie ledig (z.B. Sorgen) Präpositionalphrase als Vorderglied der Aflektivphrase Qf K# Aflektiv Präpositionalphrase Schema 43 Strukturtyp Beleg Präpositionalphrase Aflektiv auf der Böschung gelegen zum Start bereit gegen Cholera gefeit Die oben angeführten Schemata bilden die Strukturen der meisten Ankündigungsbereiche deutscher Aflektivphrasen ab. <?page no="140"?> 140 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 4. Phrasenkombinatorik 4.1 Formale Phrasenkonfigurationen 4.1.1 Satz, Teilsatz, averbale Phrase(nkonfiguration) Der Terminus Phrasenkonfiguration steht für sprachliche Konstruktionen, die sich aus mehreren Phrasen zusammensetzen und die durch Addition oder Einbettung (vgl. Kap. 3.2.1) im Einflussbereich eines Hauptorganisators entstehen. Eine wichtige Rolle, Phrasen zu Phrasenkonfigurationen zu verbinden, fällt darüber hinaus Anschlusswörtern, Einbettungswörtern sowie Korrelaten zu. Die Kooperation der genannten Elemente schafft flexible Formen für die im Kommunikationsprozess entstehenden Texte. Phrasenkonfigurationen mit einem verbalen Hauptorganisator werden im Folgenden Sätze genannt. Präziser gesagt, wird unter Satz eine Texteinheit verstanden, die synchron die Bedingungen 1 und 2 oder 1 und 3 erfüllt: 1) sie enthält mindestens eine Verbalphrase; 2) sie fängt einen Absatz an und endet mit einem der Interpunktionszeichen (.), (! ) oder (? ); 3) sie steht zwischen (.), (! ) oder (? ) des vorangehenden Textffagments und endet selbst mit (.), (! ) oder (? ) (siehe auch Kap. 4.1.4). 125 Somit ist das Textflagment Niedergefahren gen Himmel, getrennt in entfernten Gräbern, wiederauferstanden von den Toten, immer noch vergebend unsern Schuldigem, traurige Engelsgeduld. (Wolf, S. 3) kein Satz, weil die Bedingung 1 nicht realisiert wird. Als ein unteilbarer Satz gilt Kleist! hört er den Doktor sagen. (Wolf, S. 11) Er eröffnet einen neuen Absatz und enthält eine Verbalphrase (hört sagen). Das Initialwort Kleist! kann jedoch allein nicht als Satz interpretiert werden, weil es keine Verbalphrase ist. 125 Zur Gliederungs- und Steuerungsfunktion der Interpunktion siehe Behrens (1989). Siehe auch Boost (1964, S. 79). <?page no="141"?> Phrasenkombinatorik 141 Gibt es in einem Textabschnitt, der nach den Kriterien 2 und 3 identifiziert wird, mehrere Verbalphrasen, so nennt man jeden der von der Verbalphrase organisierten Bereiche einen Teilsatz. Der Satz kann mehrere Teilsätze enthalten, vgl.: Weder gelang es mir, mit unermüdlichem Schrei das Tapetenmuster zu löschen, noch mit zwei langgezogenen, auf und ab schwellenden, sich steinzeitlich mühsam aneinander reibenden Tönen Wärme bis Hitze zu erzeugen, endlich den Funken springen zu lassen, der nötig gewesen wäre, die zundertrockenen, tabakrauchgewürzten Gardinen vor den beiden Fenstern des Wohnzimmers zu dekorativen Flammen werden zu lassen. (Grass, S. 51) Der Satz enthält 4 Teilsätze, deren Organisatoren die Verbalphrasen, vgl.: gelang —» zu löschen (1) —» zu erzeugen (2) —» springen zu lassen (3) gewesen wäre -» werden zu lassen (4) sind. Auf die Rolle der „Textweichen“ weder ... noch und der (..., der nötig gewesen wäre, ...) beim Aufbau der erwähnten Phrasenkonfigurationen wird im Kap. 4.1.2 eingegangen. In einem Teilsatz darf nur eine Verbalphrase stehen. In Befehlen kann der Satz wohlgemerkt nur aus einem Verb bestehen. 126 Gehl Komm! Phrasenkonfigurationen, die nicht um einen verbalen Hauptorganisator entstehen, werden im Folgenden averbale Phrasenkonfigurationen genannt, vgl.: Regenschirm nicht vergessen! Im fortlaufenden Text ist mit mehr oder weniger regulären Abfolgen von Sätzen und averbalen Phrasen(konfigurationen) zu rechnen. Ihr Verhältnis zueinander kann je nach der Textsorte und dem individuellen Stil des Textproduzenten gravierend verschieden sein. Während in einem wissenschaftlichen Text fast ausschließlich Satzfolgen auftreten, können in literarischen Texten averbale Phrasenkonfigurationen, als stilistisches Mittel eingesetzt, gehäuft vor- 126 Man spricht zuweilen von „Einwortsätzen“ wie Achtung! , Feuer! Ruhe! u.a. In meiner Terminologie sind das minimale Nominalphrasen. Der Ausdruck „Einwortsatz“ könnte m.E. nur auf minimale Verbalphrasen anwendet werden, die im jeweiligen Kontext keine anderen Phrasen regieren, vgl. weiter unten im Text. <?page no="142"?> 142 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache kommen. Als Beispiel diene das Anfangsfragment des Romans von Christa Wolf „Kein Ort. Nirgends“ (das Symbol „|“ markiert jeweils ein Absatzende im Originaltext): Die arge Spur, in der die Zeit von uns wegläuft. \ Vorgänger ihr, Blut im Schuh. Blicke aus keinem Auge, Worte aus keinem Mund. Gestalten, körperlos. Niedergefahren gen Himmel, getrennt in entfernten Gräbern, wiederauferstanden von den Toten, immer noch vergebend unsern Schuldigem, traurige Engelsgeduld. \ Und wir, immer noch gierig auf den Aschegeschmack der Worte. \ Immer noch nicht, was uns anstünde, stumm. (Wolf, S. 3) Auf Grund der Kriterien 1, 2 und 3 sind die Konstruktionen, in denen die Verben wegläuft und anstünde stehen, keine Sätze. 4.1.2 Anschlusswörter, Einbettungswörter, Korrelate Nicht phrasenbildende Wörter mit der Funktion, Phrasenkonfigurationen, Phrasen oder Phrasenelemente zu verbinden, werden im Folgenden Anschlusswörter genannt. Als Anschlusswörter können Flektive oder Aflektive auftreten. Flektive als Anschlusswörter sind Flektive, die 1. eine Verbindung mit dem vorangehenden Textfragment hersteilen (durch den Hinweis auf ein meist nominales Element) und 2. im Hinblick auf das nachfolgende Verb bzw. den Infinitiv oder das Partizip akkommodieren. ... einer der Schmarotzer, die während des Krieges bei uns lebten, ... (Böll, S. 40) (Bezug auf Schmarotzer, Akkommodation an lebten) Wir gingen im Park spazieren und sahen eine Weile zu, wie das Tempelchen abgebrochen wurde, das doch für mich eine so große Bedeutung gehabt hatte. (Bergengruen, S. 9) (Bezug auf Tempelchen, Akkommodation an gehabt hatte) ...daß es einen Maurer in dieser Stadt gab, den das Hochbauamt in Verbindung mit dem Amt für Denkmalschutz beschäftigte und bezahlte, ... (Grass, S. 81) (Bezug miMaurer, Akkommodation an beschäftigte und bezahlte) Der Bezug der Flektive als Anschlusswörter lässt sich wie folgt im Schema darstellen: <?page no="143"?> Phrasenkombinatorik 143 Anschluss Flektiv als Anschlusswort Akkommodation Schema 44 Als Flektive als Anschlusswörter gelten die folgenden Textwörter: der, dessen, deren, dem, den, die, das, denen welcher, welche, welches, welchem, welchen wer, wessen, wem, wen, was Die genannten Textwörter sind in unterschiedlichem Maße funktional belastet, was bei der Herstellung des anaphorischen Bezugs deutlich zum Vorschein kommt: während beispielsweise den oder denen monooptional sind, weil sie nur mit Nomina kongruieren, die entsprechend als Maskulinum Singular Akkusativ oder Plural Dativ charakterisiert werden, ist der bioptional, zumal es mit Maskulina im Singular Nominativ oder mit Feminina im Singular Dativ kongruiert, vgl. ... auch etwas Spöttisches war dabei, weißt du, von der Art jenes Spotts, den der Spötter auch gegen sich selbst richten kann. (Bergengruen, S. 15) Nicht viele Leute, denen ich den sogenannten Maxwell’sehen Dämon erläuterte, begreifen so schnell wie dieses junge Mädchen ... (Frisch, S. 90) ... und außerdem sorgt mein Agent, der meine Eigenheiten kennt, für eine gewisse Reibungslosigkeit. (Böll, S. 12) Tatsächlich war sie einfach eine liebe, hübsche, nicht wahnsinnig intelligente Sängerin, der er nicht einmal zusätzliche Engagements oder Konzerte verschaffte. (Böll, S. 64) Wer und was (für) können zuweilen eine Unregelmäßigkeit hinsichtlich der Kongruenz im Numerus mit dem nachfolgenden Verb aufweisen, wenn dieses Kopulaverb ist: Ich hatte auch nach einer Stunde noch keine Ahnung, wer diese Leute waren. (Frisch, S. 81) ... was ist die Zeit, und was sind wir, lieber Freund, wenn nicht unsere Werke ... (Grass, S. 278) <?page no="144"?> 144 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Flektive als Anschlusswörter dürfen nicht mit Pronomina und Flektiven als Phrasenorganisatoren verwechselt werden, die nicht positionellen Restriktionen unterliegen (zum Pronomen siehe Kap. 2.2.6, zum Flektiv siehe Kap. 2.2.7), vgl. Wer auf Hängen baut, kann ansteigende oder abfallende Gärten wählen. (Böll, S. 248) (Pronomen) Ich glaube, er brachte das Stichwort Reaktion auf und hatte damit Kinkel an der Angel. Der biß sofort an ... (Böll, S. 24) (Flektiv) Zur Gruppe der Aflektive als Anschlusswörter gehören Aflektive, die Phrasenkonfigurationen, Phrasen oder Phrasenelemente miteinander verbinden. Dementsprechend werden im Folgenden Satzverbindungswörter, Phrasenverbindungswörter und Phrasenteilverbindungswörter unterschieden. Aflektive als Anschlusswörter eröffnen meist das Erwartungsmuster Anschlusswort Ull y c%- Schema 45 oder Anschlusswort Schema 46 In der Initialstellung kommen Satzverbindungswörter vor, kaum aber Phrasen- und Phrasenteilverbindungwörter. Daneben sind auch mehrgliedrige Strukturen möglich: Anschlusswort 1 Anschlusswort 2 Schema 47 <?page no="145"?> Phrasenkombinatorik 145 Satzverbindungswörter verbinden a) Hauptsätze Ja, er hatte wohl eine bezaubernde Art, zu sprechen, aber eigentlich hat er mir doch von sich selberfast nichts erzählt, das er nicht schon an jenem ersten Morgen ausgesprochen hätte, außer daß er auf ausländischen Universitäten gewesen war und Glucksche Opern liebte. (Bergengruen, S. 28) Der Eid ist ein religiöser Akt, oder er ist sinnlos. (Andersch, S. 103) Die Polizei muß den Verbrecher auffrischer Tat ertappt oder nach vorausgegangener Verfolgung gestellt haben, bzw. es muß ersichtlich sein, daß der Verbrecher flüchten oder sich der Feststellung seines Namens und seines Wohnortes entziehen will. (Ullrich, S. 28) b) Nebensätze Wie es um sie selber stand, und welche qualvolle Beglückung er ihr durch die Verspottung anderer Frauen bereitete,... (Mann, S. 13) Ich würde natürlich sofort ein Taxi nehmen, wenn ich abends frei hätte und erführe, daß irgendwo Beckett gespielt wird ... (Böll, S. 118) c) Haupt- und Nebensätze; Ich wollte ihm vortragen, was ich ausgeheckt hatte, aber ich möchte das nicht zu geradwegig tun, und so fragte ich ihn, nachdem ich seine Dankesworte abgewehrt hatte, wie ich ihn anreden sollte. (Bergengruen, S. 20) Merkwürdigerweise entzog mir die Raguna plötzlich und schreckhaft die Hand, kaum daß sie angefangen hatte, mich zu durchschauen und mit somnambulem Blick zu durchleuchten. (Grass, S. 139) Mit der Realität beschäftigen sie sich überhaupt nur, insoweit als sie diese in mathematische Formelnfangen. (Bamm, S. 216) d) Haupt-/ Nebensätze und Infinitivbzw. Partizipialphrasen; Die Nächte verbrachte man in der Kabine, schlotternd in Mantel und Wolldecken; die Besatzung kochte Tee, solange Wässer vorhanden. (Frisch, S. 30) Seitdem Marie mich verlassen hat, um Zupfner, diesen Katholiken, zu heiraten, ist der Ablauf noch mechanischer geworden, ohne an Lässigkeit zu verlieren. (Böll, S. 11) <?page no="146"?> 146 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Dann sagte er mit einer kleinen Verlegenheit, die viel Anmut hatte, ohne mich anzublicken und mit halblauter Stimme ... (Bergengmen, S. 19) e) Phrasen und Nebensätze; Solange ich nüchtern bin, steigert sich die Angst vor dem Auftritt bis zu dem Augenblick, wo ich die Bühne betrete ... (Böll, S. 13) Meine Frage, ob Juana an eine Todsünde glaubt, beziehungsweise an Götter... (Frisch, S. 224) Ein winziges Gasthaus am Rande, worin lauter Schlipse von der Zimmerdecke baumelten. (Grzimek, S. 14) Manche mehrgliedrigen Anschlusswörter (damnter werden obligatorische Kookkurrenzpaare von Aflektiven verstanden, die gemeinsam die Anschlussfunktion ausüben) stehen in demselben Teilsatz (z.B. ohne dass), während andere obligatorisch voneinander entfernt werden müssen (so..., so...), vgl.: Ihn hatte ein Brecht-Prosaband aus Frankfurt überrascht, der ausgerechnet vom Dissidenten Uwe Johnson bearbeitet worden war ohne daß Frau Weigel und Suhrkamp das zuvor „auch nur angedeutet 1 hätten. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 151) Die Genossen steckten tief im Dilemma: So sehr ihnen daran lag, die Widerspenstige kaltzustellen, so ängstlich schreckten sie doch davor zurück, das Monument öffentlich zu demontieren. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 151) Anschlusswörter, die Phrasen verbinden, werden Phrasenverbindungswörter genannt. Sie hat vielmehr nur eine rechtliche Möglichkeit, freiwillig gegebene Auskunft entgegenzunehmen bzw. um sie zu bitten. (Ullrich, S. 62) Ich dachte an die unzähligen hübschen jungen Mädchen, deren Schicksal es war, entweder gegen Geld mit Typen wie Kalick oder ohne Bezahlung mit einem Ehemann die Sache zu tun, ohne daß sie Lust dazu hatten. (Böll, S. 231) Aberfür mein Gesicht kann ich einiges tun, nicht nur durch Massage, sondern auch durch die Verwendung von etwas Rouge. (Mann, S. 85) Anschlusswörter, die Phrasenteile innerhalb einer Phrase verbinden, heißen Phrasenteilverbindungswörter, vgl.: <?page no="147"?> Phrasenkombinatorik 147 Hier war eben kein rechter Boden für diese Geschichten, in unserem Kreise gab es damals nur zwei oder drei polnische Gutsbesitzer, die Bauern waren meistens Rechtsgläubige, und katholische Leute fand man selten (Bergengruen, S. 11) Wo die beiden miteinander in Berührung kommen, stimmt die Sache nie: die Kunst ist entweder unter- oder überbezahlt. (Böll, S. 45) Seit einem Monat erschienen manche Sturmzeichen vor dem Hintergrund großer Auseinandersetzungen, für welche der 16. April, der 28. Mai und der 9. bzw. 11. Juni die entscheidenden Daten sind. (Heimpel, S. 15) Wie oben angedeutet, können Anschlusswörter entweder eine einfache Einwortstruktur oder eine komplexe Mehrwortstruktur haben. Im zuletzt genannten Fall übernimmt ein Kookkurrenzpaar die Funktion eines Anschlusswortes (vgl. Schema 6). Man hat ,folita“ früher anders gelesen als heute, gewissermaßen robuster. (FAZ 21.1.1997, S. 35) Der Umschlag der Penguin-Ausgabe von 1980 sieht aus, als wäre er von Humbert Humbert persönlich entworfen, (ebd .) In beiden Fällen bringen die Anschlusswörter nicht nur die formbezogene Anweisung zum Ausdruck, eine zumindest zweiteilige Konstruktion anzunehmen. Sie enthalten jeweils auch die inhaltbezogene Information, dass in der vorgegebenen Form ein Vergleich ausgedrückt wird. Im ersten Beispiel kann man jedoch die Konstruktion nach „...gelesen“ abbrechen, im zweiten Beispiel ist der Abbruch nicht möglich. Das Verb „sieht aus“ verlangt eine Ergänzung, die, wenn nicht durch eine Phrase mit modalem Charakter ausgedrückt (etwa gut, schön, schlecht, miserabel ...), satzförmig sein muss. 127 Die Okkurrenz von als wäre ist ein Indiz für die Satzförmigkeit und ein Hinweis auf den spezifischen Inhalt (‘irrealer Vergleich’). Manchmal erhält der Textrezipient bereits am Anfang des zu analysierenden Textffagments ein eindeutiges Signal, dass im gegebenen Beispiel ein komplexer Anschluss vorliegt, vgl.: Zwar habe der Roman einen „höchst schockierenden Gegenstand, nämlich die erotische Leidenschaft eines reifen Mannes zu einem zwölfjährigen Mädchen“, aber er sei „ein literarisches Kunstwerk von hoher Qualität 1 . (FAZ 21.1.1997, S. 35) 127 Es wird hier von den vor allem in der gesprochenen Umgangssprache üblichen Äußerungen vom Typ Die sieht aus! Wie die aussieht! Sieht die aus! abgesehen. <?page no="148"?> 148 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Zwar impliziert optional aber, doch, u.Ä. Ein Textfragment, in dem auf zwar kein kontrastierendes Anschlusswort folgt, ist kaum möglich. Oft passiert es aber auch, dass im gegebenen Textfragment ein zusammengesetzter Anschluss auftritt, der erst aus der Semantik des gesamten Teilsatzes zu erkennen ist, vgl.: Doch so problematisch diese Experimentalkuren auf eigene Faust auch sein mögen, es ist nicht zuletzt diesen Patienten zu danken, daß schon heute die hochwirksamen Proteasehemmer auf dem Markt sind. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 121) Der konzessive Charakter des ersten Teilsatzes resultiert weder aus doch noch aus so, sondern vielmehr aus dem Zusammenspiel dieser Elemente mit der Verbalphrase „auch sein mögen“. Das nächste Beispiel zeigt, dass Anschlusswörter ein wichtiges Textfortfuhrungsmittel sind: Sie suchte danach im Wäschekasten undfand nicht gleich den richtigen, sie probierte andere vor dem Fenster aus, sie kramte neue hervor, und dabei fiel ihr ein kleines geschnitztes Schiffchen aus Baumrinde in die Hände, und sie überlegte, woher sie das hatte und wie es hier in den Wäschekasten geraten sein konnte, die Erinnerung kam langsam und von weither und erzählte ihr eine Geschichte, die sie zum Kichern und einmal zum Erröten brachte, während sie weiter in den Kästen suchte und vor der Fensterscheibe immer neue Kragen anprobierte. (Bienek, S. 338) Einbettungswörter stehen immer am Anfang einer mehrgliedrigen averbalen Phrasenkonfiguration oder am Anfang eines Satzes und beziehen sich immer auf das vorangehende Fragment. Sie sind niemals Aktanten des rechts stehenden Organisators. Sie dürfen nicht mit Anschlusswörtern verwechselt werden, die ana- und kataphorisch (Flektive als Anschlusswörter) bzw. kataphorisch (Aflektive als Anschlusswörter) verweisen, vgl.: Weil ich aber lief, blicken mir alle nach, die zuvor mit den Augen noch im Kochtopf gefischt. (Grass, S. 78) {weil = Anschlusswort; kataphorisch auf den nachfolgenden Satz bezogen) Ob ich traurig sei, wollte sie wissen. Weil ich nicht tanze. (Frisch, S. 109) {weil = Einbettungswort, anaphorisch auf das vorangehende Fragment bezogen.) <?page no="149"?> Phrasenkombinatorik 149 ~*r Einbettungswort Schema 48 Einbettungswörter platzieren die jeweilige Konstruktion in den inhaltlichen Zusammenhang mit dem bereits Geäußerten. So könnte der Satz Aber steht ihm ein Urteil über Frauenschönheit zu? (Wolf, S. 9) sicherlich mit steht anfangen; aber legt nahe, dass im Vortext Voraussetzungen zu einer entgegengesetzten Behauptung enthalten sind. Möglich sind auch die Folgen „Einbettungswort vor Anschlusswort“, vgl.: Man würde, wenn man ihn so sieht, erwarten, daß er Zigarren raucht, keine dicken, sondern leichte, schlanke Zigarren, aber daß er Zigaretten raucht, wirkt bei einem fast siebzigjährigen Kapitalisten überraschendflott undfortschrittlich. (Böll, S. 171) Einbettungswort ► Anschiusswort Schema 49 Konfigurationen von Einbettungswort + Anschlusswort sind eine besondere Art, eine Aussage zu organisieren: Denn während in den USA bereits die ersten Nachrufe auf die Seuche geschrieben werden, erklärt die Weltgesundheitsorganisation WHO in ihrer jüngsten Bilanz Aids zu einer „erst beginnenden Epidemie“. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 124) Denn schafft hier eine inhaltliche Beziehung zum vorangehenden Fragment, während organisiert dagegen den restlichen Satz. Es sei dabei auf den „Wortfolgekonflikt“ zwischen denn und während hingewiesen, in dem das Verb sich dem Anschlusswort während fiigt. Vgl. ähnlich in: <?page no="150"?> 150 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Denn auch wenn der Erreger vollständig aus dem Blut verschwunden ist, hält er sich noch im Körper versteckt. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 123) Und wenn er sie zum Schweigen brächte? (Wolf, S. 10) Zu den Einbettungswörtem gehören neben den Wörtern mit deutlicher Verbindungsfunktion auch emphatische Ausdrücke, soweit sie in der Initialstellung auftreten und Kontaktsignale sind: Obwohl er, Wedekind, nicht in den Verdacht kommen wolle, die Tugenden geringzuschätzen, die man, wie sonst nirgendwo, bei den Preußen lernen könne: Strenge, Pflichterfiillung, Selbstzucht. Kleist hört seinen Vater, seinen Onkel reden. -> Ach, sagt er, höflich bis zur Albernheit, im Ausland mache man sich übertriebene Vorstellungen davon. (Wolf, S. 32) Korrelate sind inhaltsarme Wörter, die mit einem anderen Element (Wort, Phrase, Phrasenkonfiguration) in einer wechselseitigen Beziehung stehen, in der sie erst ihren Sinn erhalten. 1 “ Die Korrelate deuten kataphorisch oder (seltener) anaphorisch auf vollbedeutende Elemente hin, mit denen sie eine Spannungsklammer bilden. Die kontextuelle Einflechtung des Korrelats kann schematisch wie folgt dargestellt werden: si Korrelat Korrelat Schema 50 Nicht ohne Rührung denke ich daran, daß er mich 1906 für einige Tage zu dem Kongreß über evangelischen Kirchenbau nach Dresden sandte ... (Heuss, S. 106) ... sie haben einfach Rampen erstellt, dann ihre Quader geschleift mit einem idiotischen Verschleiß an Menschenkraft, das ist ja das Primitive daran. (Frisch, S. 53) 128 Dieser Definition zu Folge wird beispielsweise es beim Verb gibt oder sich beim Verb beeilen ebenfalls zu den formalen Korrelaten gerechnet. <?page no="151"?> Phrasenkombinatorik 151 Korrelate unterscheiden sich von Anschlusswörtern dadurch, dass sie allein keine Elemente verbinden. Von Einbettungswörtern unterscheiden sie sich durch eine größere Positionsfreiheit und durch die Möglichkeit, auch kataphorisch auf die Elemente in der Signalfolge hinzuweisen. Zwischen Korrelat und Aflektiv können zuweilen andere Elemente stehen. Ich mache Küchenarbeit nur dann gern, wenn sie die einzige Chance ist, bestimmten Formen der Erwachsenengesprächigkeit zu entfliehen. (Böll, S. 163) Eine Luft weht herein, so leicht, daß die Günderrode sie fast nicht atmen kann. (Wolf, S. 21) Solch eine gestreckte Korrelat-Anschlusswort-Konstellation weist eine spezifische Funktionsverteilung auf: das Korrelat wirkt fokussieren, das Anschlusswort signalisiert dagegen den Anfang der Signalfolge, in der die Textspanung, die durch das fukussierende Element vergrößert wurde, wieder vermindert wird (zum Begriff Spannung siehe Kap. 4.3.4). 4.1.3 Funktorenregel Mit Funktoren sind Textwörter gemeint, die, obwohl sie keine selbständigen Organisatoren sind, die Anordnung und/ oder die morphosyntaktische Form anderer Textwörter beeinflussen. Damit wird eine Sammelkategorie für Flektivei als Akkommodanten des nominalen Organisators, die sich wiederum auf die Form der nachfolgenden Flektive2 auswirken, weiterhin für Präpositionen (sie sind Ko-Organisatoren obligatorisch mehrgliedriger Phrasen, vgl. Kap. 3.7.1) und schließlich für Aflektive als Anschlusswörter eingeführt, die die Anordnung der Elemente im Satz modifizieren. K orrelat Anschlusswort Schema 51 Für die Kombinatorik der Funktoren gilt eine kookkurrenzielle Gesetzmäßigkeit, von nun an Funktorenregel genannt, die wie folgt expliziert werden kann: <?page no="152"?> 152 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Folgen zwei Funktoren adjazent aufeinander, so bildet der erste Funktor mit seinem Kookkurrenzpartner einen Rahmen, in den der zweite Funktor mit seinem Kookkurrenzpartner eingebettet ist. Funktor 1 Kookkurrenzpartner 1 Funktor 2 Kookkurrenzpartner 2 Schema 52 Das weiße Federbett türmte sich gewaltig vor ihm auf, und wenn er es mit beiden Händen runterdrückte, blähte es ich gleich wieder hoch er konnte nicht darüber hinwegsehen. (Bienek, S. 369) Die Funktorenregel gilt für folgende Funktorenkonstellationen: Flektivi + Flektivi Verstand ist überall die Kunst des begrifflichen Durchkonstruierens und der darauf aufgebauten technischen Bewältigung der dem Menschen im Leben gestellten Aufgaben. (Bollnow, S. 29) Flektivi + Präposition ...setzt sich vorsichtig auf die Bettkante, streichelte der auf dem Bauch liegenden Mama Rücken und Gesäß... (Grass, S. 128) Präposition + Flektivi ... immer rollen die Bälle auf des Anliegers Hecke zu ... (Böll, S. 248) Präposition + Präposition Die Allgemeinheit wird im wesentlichen nur durch von ihr aufzubringende Fürsorgeleistungen belastet, ... (Ullrich, S. 120) Anschlusswort + Anschluss- Sabine hatte mir gesagt, ich solle um zehn die wort Milch aufzuwärmen, in die Flasche tun und Gregor geben, und weil der Junge mir so blaß und mickrig vorkam {er weinte nicht einmal, sondern quengelte auf eine mitleiderregende Weise vor sich hin), dachte ich, ein rohes Ei in die Milch geschlagen könnte ihm gut tun. (Böll, S. 205) <?page no="153"?> Phrasenkombinatorik 153 Dank der Funktorenregel lassen sich viele eingebettete Strukturen leichter erkennen. 129 Ausnahmen von der Funktorenregel bilden Häufungen von Präpositionen, die zuweilen im Rahmen einer Struktur präzisierend wirken: bis zu 10 Mann, eine Geldsumme von über 1000 Mark. Die genannten Syntagmen stellen eine besondere Form der Einbettung dar: zu 10 und über 1000 verweisen auf die Grenzmarkierungen: ‘nicht mehr als’ und ‘nicht weniger als’. Sie werden als untrennbare Einheiten betrachtet, die in die Struktur der iw-Phrase und der vow-Phrase eingebettet wurden. 4.1.4 Initialsignal, Initialphrase, Postinitialstellung Das Initialsignal ist das erste Signal in der Folge anderer Signale die Initialphrase die erste Phrase in der Folge anderer Phrasen. Zu unterscheiden ist das Auftreten der Initialsignale/ -phrasen am absoluten Anfang und am Zwischenanfang. 130 Unter absolutem Anfang wird das erste Signal oder die erste Signalsequenz eines Textfragments verstanden. Jeder nicht absolute Anfang zählt als Zwischenanfang, vgl. die Schemata 53 und 54: Absoluter Anfang Die Person ist Kleist nicht geheuer. Seine märkischen Fräuleins haben diesen Blick nicht, auch die Dresdnerinnen nicht, so lieb sie ihm sein mögen, nicht zu reden von den Schweizer Mädchen soweit es ihm erlaubt ist, von dem anderen, das er kennt, auf die andern zu schließen. Und die Pariserin, die die Natur verleugnet ... (Wolf, S. 8f.) 129 Zwischen den Funktoren dürfen wohlgemerkt keine Kommata stehen, vgl. Auf neben, unter, hinter und vor dem Tisch lagen Bücher. (Beispiel aus Boost 1964, S. 75; Anm.l) 130 Vgl. Texteröffnungssatz und Textfortfuhrungssatz bei Broms (1986, S. 23). Schema 53 <?page no="154"?> 154 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Zwischenanfang {m r s Schema 54 Die Person ist Kleist nicht geheuer. Seine märkischen Fräuleins haben diesen Blick nicht, auch die Dresdnerinnen nicht, so lieb sie ihm sein mögen, nicht zu reden von den Schweizer Mädchen soweit es ihm erlaubt ist, von dem anderen, das er kennt, auf die andern zu schließen. Und die Pariserin, die die Natur verleugnet ... (Wolf, S. 8f.) Die Anfangstypen können bei manchen Phrasen unterschiedlich funktional belastet sein. Jede Phrase schränkt die Auswahl der möglichen nachfolgenden Phrasen ein. Der Text wird von der Perspektive des Initialwortes aus entrollt und der Textproduzent hat von einem gewissen Moment an gar keine Möglichkeit mehr, vom bereits eingeschlagenen Weg abzuweichen (vgl. Flechtner 1966, S. 92fF.; 113; Polkowska 1986, S. 294). Die vollzogene Wahl eines Sprachmittels stellt Weichen für die weitere Textgestaltung. Von nun an wird der Text nach internen Sprachprinzipien konstruiert. In formaler Hinsicht signalisiert das Initialwort immer eine Alternative: das eingeleitete Textfragment ist entweder eine Phrasenkonfiguration mit Verb (Satz) oder eine Phrase(nkonfiguration) ohne Verb (averbale Phrase(nkonfiguration)). Die einzelnen Textwortklassen als Initialwörter differieren deutlich im Hinblick darauf, mit welcher Treffsicherheit eine der beiden Textentwicklungstendenzen angenommen werden kann. Die verbalen Initialwörter leiten immer einen Satz ein. Die übrigen Initialwörter tun dies in der Regel, aber nicht zwingend (siehe Cirko 1996). Daher ist die Satzförmigkeit der Äußerung aus ihrer Perspektive nicht voraussagbar, auch wenn sie wahrscheinlich ist. In der Tendenz erwartet man einen Satz (Seyfert 1979, S. 238f). Erst auf dem Hintergrund des Satzes sind viele nicht-satzförmige Äußerungen analysierbar. Das folgende Schema zeigt die in Betracht zu ziehenden Textentfaltungsmöglichkeiten, die von der Initialphrase aus gesehen werden. <?page no="155"?> Phrasenkombinatorik 155 Kommentar Phrase x Schema 55 In kommunikativer Hinsicht ist das Initialwort bzw. die Initialphrase eine meist wenig ins Gewicht fallende Einheit, zumindest nach einer verbreiteten Ansicht, deren Wurzeln im Konzept der Thema-Rhema-Gliederung des Satzes zu finden sind. Der Aussageanfang stellt einen Anschluss an den vorangehenden Kontext her und bezieht sich auf Bekanntes und Erwartetes, während das Ende meist Informativ-Neues mit sich bringt. Weil das Ende der Äußerung als Hort neuer Information angesehen wird, ist es nur in beschränktem Maß voraussagbar. In der kookkurrenziellen Perspektive muss die Initialphrase aufgewertet werden, sowohl strukturell als auch inhaltlich. Im Initialbereich werden meist Elemente platziert, die einen reibungslosen Übergang von einem Textfragment zum anderen garantieren und somit den Zusammenhang der aufeinander folgenden Textsegmente sichern. Dies geschieht jedoch nicht im Sinne einer linearen Progression, in der das Rhema des ersten Satzes beinahe automatisch zum Thema des nachfolgenden Satzes wird (vgl. Danes 1970, S.74ff.). Der Text ist zwar im Ausdrucksplan linear angeordnet, aber inhaltlich ist eine solche Linearität nicht gegeben. Durch den Hinweis auf die Thema-Rhema- Abfolge wird lediglich ein wichtiger Aspekt der Textbildung auf den Punkt gebracht, andere Aspekte werden jedoch entweder nicht gesehen oder geradezu verstellt. Der Textaufbau, hier als Prozess begriffen, erinnert vielmehr an die Arbeitsweise einer Kamera, die bei den Dreharbeiten bekanntlich nicht ununterbrochen läuft, sondern für jede Aufhahmesequenz neu eingeschaltet wird. Inzwischen aber wechselt der Kameramann seine Position und ändert den Darstellungsplan für die nächste zu verfilmende Szene. Ähnlich entscheidet der Textproduzent nicht nur über den Textstoff („das zu Kommunizierende“). Er legt auch die Einstellungsperspektive fest, in der die Vertextung der Botschaft erfolgt. In jedem Textbaustein, ob Satz oder averbiale Phrasenkonfiguration, sind neben dem ununterbrochenen Nach-Links-Dahinfließen der neuen Information, die kontinuierlich „thematisiert wird“, jeweils die Topik (Sequenzanfang) und ihre Perspektive relevant. Von der angenommenen Stellung aus wird die Szene dargestellt, in der eine inhaltliche Dominante (Fo- <?page no="156"?> 156 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache kus) markiert wird, auf die die Aufmerksamkeit des Rezipienten gelenkt wird. Die spatiotemporale, additive Folge solcher sprachlichen Sequenzen ergibt den Gesamttext, dessen Kohärenz davon abhängt, ob der Textrezipient in der Lage ist, die Intention des Textproduzenten beim Textaufbau gedanklich nachzuvollziehen. Die in der Lehre von der Funktionalen Satzperspektive über Gebühr betonte thematisch-rhematisch Abfolge ist ein Reflex einer allgemeinen, übereinzelsprachlich gültigen und im Hinblick auf ihre Selbstverständlichkeit prätheoretische Erkenntnis, dass im Text „etwas“ „über etwas“ ausgesagt wird. Es sei an dieser Stelle an den Grundsatz der Informationstheorie erinnert, dass diejenigen Elemente informativ wichtig sind, die die größte Zahl der weiter in Betracht zu ziehenden Altenativlösungen signalisieren. Davon ausgehend lässt sich die Initialphrase nicht als im Vergleich zum überwiegend rechts liegenden rhematischen Bereich uninteressant abtun. Die Topik bildet per se das informative Zentrum der jeweiligen Äußerung; der Fokus, falls er sich nicht mit der Initialphrase deckt, bildet dann einen Kontrapunkt. Eine Initialphrase kann mit dem Initialwort zusammenfallen, wenn dieses funktional gesehen Organisator einer minimalen Phrase ist (siehe Kap. 2.3). Die Initialphrase kann aber auch weitere Elemente enthalten. Wie jede Phrase hat sie ihr Vorderglied, aus dessen Sicht ein Nest von möglichen Kookkurrenzbeziehungen anvisiert werden kann (vgl. Kap. 2.1). Initialwörter, die ein verbales Hinterglied haben, sind Organisatoren. Initialwörter mit nicht verbalem Hinterglied sind Organisatoren, Akkommodanten oder Spezifikatoren des Akkommodanten oder des Organisators. Sie können aber auch Wörter mit Anschlussfunktion sein, die selbst nicht phrasenbildend, aber meist für den Zusammenhalt mehrerer Phrasen verantwortlich sind. Steht die Phrase nicht am absoluten Anfang oder im Zwischenanfangsbereich, so steht sie automatisch in der Postinitialstellung. Formale, inhaltliche und formal-inhaltliche Implikationen, die die Phrase dann mit sich bringt (siehe dazu Kap. 2.1), sind zum Teil anders als die Implikationen der Initialphrasen. Die Phrasen in der Postinitialstellung verlieren allmählich ihren Wert als Anschluss- und Wiederaufhahmewörter und werden Träger neuer Inhalte, die Bezugsgröße für die nächsten und wiederum nächsten Phrasen sind. Die fortschreitende Thema-Rhema-Abfolge, gestützt durch Wiederaufhahmesignale (Pronomina, Einbettungswörter, Korrelate) und Fortführungssignale (Anschlusswörter), sichert die Konnexität der entstehenden Textfolge. <?page no="157"?> Phrasenkombinatorik 157 4.2 Semantische Relationen im Text Auf die Wechselbeziehung des Inhaltlichen und des Formalen bei der Bewältigung kommunikativer Aufgaben wurde in der vorliegenden Arbeit mehrmals Bezug genommen. Es wird konsequent die Argumentationslinie verfolgt, dass ohne Texte (und diese sind formal fundiert, vgl. Kap. 1.3.1) keine sprachliche Kommunikation zu Stande kommt, ebensowenig wie sie ohne außersprachliche Prämissen (Rekurs auf Außenwelt, Intentionalität, präsprachliche Typisierung von Situationen) möglich ist. 131 Was in der Kommunikation untrennbar ist, kann für analytische Zwecke gespalten werden. Es ist sinnvoller, unter analytischem Blickwinkel von direkt Beobachtbarem und Nachprüfbarem auszugehen und Ermitteltes funktional zu untersuchen statt für in der Schwebe Bleibendes erst passende Ausdrucksformen zu suchen. Psycholinguistik und Kognitionswissenschaft unterscheiden verschiedene Arten von globalen Mustern, die reale Situationen „typisieren“ und hierarchisieren. Dies sind z.B. Rahmen, Schemata, Pläne und Skripten. ™ Die Einordnung einer neuen Situation in eines der globalen Muster lässt Zusammenhängendes erkennen und somit die Situation vorinterpretieren. 133 Die Erforschung von Prinzipien, nach denen übereinzelsprachliche kognitive Strukturen in einzelsprachliche Vertextungsmuster überfuhrt werden, ist aus grammatischer Sicht wichtig. Sobald vage, zahlenmäßig unbegrenzte kognitive Strukturen eine sprachliche, intersubjektiv nachprüfbare Dimension erhalten, können sie im 131 Die Tatsache, dass alles in der Sprache funktional darauf ausgerichtet ist, Inhalte auszudrücken, darf den Leser nicht verleiten, unbekümmert von der Dominanz des Inhalts über die Form, in der sich der Inhalt äußert, zu sprechen. Dies wäre eine unzulässige Verallgemeinerung. 132 Rahmen stellen ein Datennetz dar, in dem das übliche Wissen über einen zentralen Begriff enthalten ist. Sie bestimmen all die Elemente, die in irgendeiner Weise zusammengehören (vgl. Minsky 1974, S. 1; Schank/ Abelson 1977; Beaugrande/ Dressler 1981, S. 95). Schemata sind globale Muster, die auf die einzelnen Etappen im Prozessverlauf hinweisen sowie ihre zeiüichen und kausalen Verbindungen enthalten. Pläne sind globale Muster von Handlungen, die zu einem bestimmten Ziel führen. Alle Elemente des Plans werden auf ihre Nützlichkeit bei der Erreichung des Ziels hin bewertet. Skripten enthalten Bewertungsschemata der Aktanten (der Handelnden) und ihrer Handlungen, die routinemäßig verlaufen. Zu der o.g. Charakteristik globaler Muster vgl. bei Kurcz (1987, S. 86f; lölfif.; 178f); Beaugrande/ Dressler (1981, S. 95); kritisch Danes (1988, S. 17). Zum Versuch, die Rolle einer antizipierenden Aufnahme der Information empirisch nachzuweisen, siehe Sommer/ Graumann (1989). 133 Rumelhart (1978, S. 3): „A schema theory is basically a theory about knowledge. It is a theory about how knowledge is represented and about how that representation facilitates the use of the knowledge in particular ways. According to ‘schema theories’, all knowledge is packaged into units. These units are the schemata. Embedded in these packets of knowledge is, in addition to the knowledge itself, information about how this knowledge is to be used.“ Über die Variabilität der „Szenen“ schreibt er (ebd., S. 7): „A schema is not so rigidly applied that no variation is allowed. The schema only provides the skeleton around which the situation is interpreted.“ <?page no="158"?> 158 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Rahmen einer grammatischen Untersuchung erschlossen werden (vgl. Danes 1988, S. 16ff; Abramov 1988, S. 89). Für analytische Zwecke kann auf den Text ein semantisches Raster aufgelegt werden, das ermöglicht, inhaltliche Beziehungen in der Signalfolge überschaubar zu machen. Es wird angenommen, dass in jedem kohärenten Textabschnitt das gleiche allgemeine Muster auftaucht, nach dem die zu vermittelnde Botschaft organisiert wird. Das Muster umfasst vier grundlegende Schichten im Text: 1) die Schicht der Aussageachse 2) die Schicht der Komplementierung 3) die Schicht der Lokation 4) die Schicht der Attribution 4.2.1 Aussageachse Die Aussageachse des Textabschnitts markieren „Textweichen“: Signale, die eine Isotopiekette konstituieren und Signale, die funktional darauf ausgerichtet sind, die Grundinformation über den Inhaltsplan der Äußerung zu geben. Den wichtigsten Teil dieser Grundinformation bildet die Bestimmung, welcher Prozess initiiert wird bzw. vor sich geht oder welcher Zustand vorliegt. Einer von euch muss doch deswegen gelegentlich diese alte Uhr aufziehen. In einem Zustand befinden sich bzw. an einem Prozess nehmen bestimmte Größen teil. Diese Größen werden entsprechend Zustandsträger oder Aktanten des Prozesses genannt. Die Aktanten und/ oder Zustandsträger vervollständigen das Szenario, das in der Aussageachse angedeutet wird. Sie werden deshalb Komplemente der Aussageachse genannt und die Relation, die zwischen den Aktanten und der Aussageachse entsteht, wird als Relation der Komplementarität zur Aussageachse bezeichnet. Einer von euch muss doch deswegen gelegentlich diese alte Uhr aufziehen. Die Aussageachse mit ihren Komplementen bildet eine versprachlichte Sinneinheit, in der ein Sachverhalt abgebildet wird. <?page no="159"?> Phrasenkombinatorik 159 4.2.2 Komplementarität Eine besondere Rolle, die Aussageachse im (Teil-) Satz zu markieren, kommt der Verbalphrase zu. Sie organisiert andere Phrasen zu einer Phrasenkonfiguration, indem sie kraft ihrer Bedeutung ein Szenario festsetzt, in dem den anderen Phrasen Rollen bei der Vertextung eines Sachverhalts zugewiesen werden. Manchen Phrasenorganisatoren wird dabei ihre morphosyntaktische Form aufgezwungen, an der die erwähnten Rollen identifiziert werden können. In Folge der Vertextung des Sachverhalts entsteht der sog. „einfache Satz“, der erweitert wird, indem lokale, temporale, kausale und/ oder modale Informationen hinzugefugt werden. Die erwähnte Eigenschaft der Verbalphrase, einfache Sätze semantisch und formal zu organisieren, wird gewöhnlich als Valenz bezeichnet. Die grammatikalisierten Szenarien (Valenzstrukturen) weisen eine gewisse Stabilität auf, was ihre Wiedererkennbarkeit in den Texten möglich macht.' 34 Die Kenntnis der Satzbaupläne ist ein wichtiges Element des impliziten Sprachwissens jedes kompetenten Sprachbenutzers. 135 Manche Satzbaumuster sind nur für kleine verbale Gruppen repräsentativ oder nur für bestimmte Sprachregister charakteristisch 136 , während andere eine hohe Vorkommenshäufigkeit aufweisen. 134 Die Zahl solcher Strukturen ist in jeder Sprache begrenzt. Für das Deutsche werden, je nach dem Inventar der Beschreibungskategorien (Ergänzungen, Aktanten) und der gewählten Explikationsform etwa 49 (Engel 1988), ca. 60 (Flämig 1991), 97 (Helbig/ Buscha 1993), ca. 120 (Griesbach 1986) Satzbaupläne angenommen. Wie Flämig (1991, S. 200) sagt, sind die von ihm angeführten Satzbaupläne für ca. 95% aller Sätze der deutschen Sprache repräsentativ. Griesbach behauptet, dass seine Liste sämtliche Satzbauplände des Deutschen enthält. Differenzen ergeben sich u.a. daraus, dass bei Flämig und Helbig/ Buscha viele Satzbaupläne einfach wiederholt werden, weil die Autoren sie als separate Muster betrachten, je nachdem, ob ihre Komponenten obligatorisch oder fakultativ sind. Einige Satzbaupläne sind hochfrequent, während andere viel seltener im Text erscheinen. 135 Die Wörter werden ja nicht listenartig, sondern eben als zusammenhängende Einheiten einer Signalkonstellation gelernt und aufbewahrt. Weil die aktuellen Konstellationen eben auf wohlgeformte Muster zurückgehen, können sie leichter beherrscht werden. Vgl. dazu Seyfert (1979, S. 293): „Nicht die Bedeutung von „küssen“ wird gelernt, sondern die Bedeutung „x küßt y““. Ähnlich argumentiert auch Glinz (1986, S. 16): „... ich bin nun durch alle bisherigen Erfahrungen zur Überzeugung gekommen, daß beim Sprachlemen nicht lauter einzelne Verben und getrennt davon die mit ihnen kombinierbaren Wörter gelernt werden, sondern daß man sich sogleich ganze verbale Wortketten einprägt und daß die meisten Verben im Gehirn schon in solchen Zusammenhängen gespeichert sind (...).“ 136 Unproduktiv ist z.B. das Muster acc - Verbalphrase: mich friert, mich hungert. Zu Restriktionen, die textsortenspezifisch sind siehe Weinrich (1993, S. 714ff). <?page no="160"?> 160 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache In die Relation der Komplementierung treten Elemente verschiedener Komplexität, die valenzbedingte Positionen beziehen können. Die auf diese Weise entstehenden Satzbauschemata bilden immer einen Musterfall ab, der üblicherweise an Hand abgeschlossener, kontextunabhängiger Sätze expliziert wird. Im Text aber findet man auf Schritt und Tritt Einheiten, die zwar Komponenten eines Satzbauplans sind, aber im aktuellen Text auf mehrere Sätze oder averbale Phrasen verteilt werden. Kontextbedingt können praktisch alle Komplemente der jeweiligen Aussageachse getilgt werden, was eine Textentwicklungsprognose erschwert. Dennoch kann auf Grund des erkannten Valenzträgers in den meisten Fällen doch auf die Mitspielerkonstellation geschlossen werden. Auch die Mitspieler, sobald in ihrer Mitspielerrolle identifiziert, selegieren eine Klasse der Valenzträger, indem sie die Skala der in Betracht zu ziehenden Elemente einschränken. Von der Perspektive des ersten Elements aus kann man nicht entscheiden, ob die Initialphrase Element der Komplementierung oder Lokation ist. Es erscheint trotzdem durchaus möglich, in einem geschlossenen Korpus präzise und volle Konfigurationsmuster zu erarbeiten. Solch eine Beschreibung muss auch Elemente der Lokation mitberücksichtigen. 137 4.2.3 Lokation Die Schicht der Lokation umfasst all die Sprachmittel, die den Prozess oder den Zustand in einen temporalen, lokalen, modalen bzw. kausalen Zusammenhang platzieren. Einer von euch muss doch deswegen gelegentlich diese alte Uhr aufziehen. 137 Meine didaktischen Erfahrungen veranlassen mich zur Annahme, dass die Sprachbenutzer über eine gesunde Intuition im Hinblick auf die Satzstrukturen verfugen, die sie bei der Erfassung des Textes benutzen. Die erwähnten Strukturen schließen jedoch Elemente ein, die als freie Angaben ausgewiesen und folglich in Valenzlexika stiefmütterlich behandelt werden. Die Informanten (Germanistikstudenten mit 2-4 Semester langer Erfahrung im Umgang mit valenzfundierten Grammatiken) neigen deutlich dazu, die Satzbaupläne um Angaben zu vervollständigen, die mit dem jeweiligen Valenzträger am häufigsten kookkurrieren. Die Musterbeispiele, die in den Valenzlexika angegeben werden, werden dagegen oft als „unnatürlich“ oder „nicht komplett“ bezeichnet. Die von ihnen konstruierten Satzbaupläne erinnern vielmehr an Strukturexplikationen im Sinne „starker“ und „schwacher“ Valenz bei Apresjan (1980). Das Beispiel zeigt, dass sich das Sprachgefühl der Durchschnittssprecher und die nach exakten Kriterien gewonnenen grammatischen Muster nicht immer entsprechen. <?page no="161"?> Phrasenkombinatorik 161 Es sei an dieser Stelle auf Kontexte verwiesen, in denen Komplemente der Aussageachse mit temporalen, lokalen, seltener auch kausalen und modalen Phrasen zusammenfallen. Bleib zu Hause! Die Kundgebung dauert voraussichtlich noch drei Stunden. Er ist ohne Geld. In der vorliegenden Arbeit werden die Elemente, die die Schichten der Komplementierung und der Lokation konstituieren, nach ihrem semantischen Beitrag zum Aufbau der jeweiligen Textfolge und nicht nach dem Grad ihrer syntaktischen Abhängigkeit von der Aussageachse bewertet. Wenn eine Einheit in der Signalfolge steht, so gehört sie zum Bestand dieser Folge, und muss durch den Nachweis ihrer Rolle im kookkurrenziellen Relationsgefuge erfasst werden. 4.2.4 Attribution In der attributiven Schicht treten Elemente in Kookkurrenzpaaren auf, in denen ein Element als Bezugsgröße fungiert und ein anderes den Umfang dieser Bezugsgröße einschränkt oder (selten) erweitert. Einer von euch muss doch gelegentlich diese alte Uhr aufziehen. Das Wort Uhr bezieht sich auf eine Klasse von Gegenständen, von denen nicht alle das Merkmal alt aufweisen. Nicht alle alten Uhren sind automatisch diese alten Uhren. Im nächsten Beispiel dehnt der Quantifikator alle die Extension des Begriffs alte Uhren maximal aus: keine ‘alte Uhr’ bleibt außerhalb des Betrachtungsbereichs. a) die Uhr eine alte Uhr diese alte Uhr b) alte Uhren alle alten Uhren <?page no="162"?> 162 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Schema 56 Die Relation der Attribution ist wohl die im Text am häufigsten anzutreffende Relation. In diese Relation treten alle Einheiten, die Akkommodanten oder Spezifikatoren eines Organisators sind. Den Zusammenhang der Schichten in einem „Stück Text“ zeigt das Schema 57. Hintergrundinformation: f f f Vordergrundinformation: Aussageachse und ihre Komplemente Attribuierung: Modifizierung der Extension der Organisatoren Lokation Schema 57 <?page no="163"?> Phrasenkombinatorik 163 Als materielle Träger der genannten Relationen gelten Signalfolgen unterschiedlichen Umfangs mit unterschiedlicher Komplexität, beginnend mit einem einfachen Signal bis zu mehrfach zusammengesetzten Sätzen. Die Kenntnis der genannten Relationen bildet eine „prototypische Texteinstellung“ des Textrezipienten. Auf Grund seiner Spracherfahrung weiß er, dass im Kommunikationsakt über einen Sachverhalt gesprochen wird, der in ein temporal-kausal-modal-lokales Bezugssystem platziert wird, ferner dass die Aktanten des mitgeteilten Prozesses oder Zustandsträgers durch Attribute präzisiert werden, bis sie einen in der jeweiligen Kommunikationssituation erforderlichen Genauigkeitsgrad erreichen. Die Kenntnis der semantischen Bezüge lässt die kontinuierlich einfließende Information in den weiteren Zusammenhang einordnen. 4.3 Phrasen in der Folge Es gibt in der Sprache Muster, nach denen einfache Sätze organisiert werden. Es gibt auch Sprachmittel, die funktional darauf ausgerichtet sind, diese Muster additiv zu verbinden oder ineinander einzubetten. Die Wirkungsbereiche einzelner Signale überlagern sich, wodurch ein Informationsüberschuss entsteht, der im Kommunikationsprozess die Rolle einer Sicherung übernimmt: wenn ein Signal in der Folge überhört oder überlesen wird, kann die Verständigung trotzdem zu Stande kommen, weil andere Signale dieselbe kommunikative Aufgabe erfüllen. Die Signale werden in der Textfolge auf die für sie im morphosyntaktischen Plan der Äußerung vorgesehenen Stellen verteilt. An diesen Stellen müssen sie auch in ihrer Funktion erkannt und interpretiert werden. Sollte die Interpretation intersubjektiv verbindlich sein (andernfalls ist die Verständigung nicht möglich), muss sie regelgeleitet sein. Dann ist sie auch grammatisch interpretierbar. Die schematisch fixierten Phrasenmuster sind eine Art von momentanen Aufnahmen von Signalfolgen, die in wirklichen Texten unter dem Einfluss verschiedener Faktoren in systemgegebenen Grenzen differieren können. 4.3.1 Zum Problem der kanonischen Wortfolge Jede Sprache stellt Mechanismen bereit, die die Überschaubarkeit der entstehenden Konstruktionen vergrößern. Eines dieser Instrumente ist die kanonische Folge der Signale (Wörter in der Phrase, Phrasen in der Phrasenkonfiguration). Darunter werden bestimmte Präferenzen im Bereich der Signalanordnung verstanden, deren Kenntnis ein notwendiger Bestandteil der Spracherfahrung jedes kompetenten Sprachbenutzers ist. <?page no="164"?> 164 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Die Versuche, die Prinzipien einer neutralen, nicht emphatischen Anordnung sprachlicher Einheiten grammatisch zu beschreiben, gehen meist von den Verhältnissen im isolierten Hauptsatz aus und berücksichtigen morphologische, syntaktische, semantische, kommunikative und/ oder pragmatische Faktoren. 138 Die Analyse literarischer Texte legt den Schluss nahe, dass im Kontext beinahe alle denkbaren Phrasenkonfigurationen möglich, ja völlig natürlich sein können. Die Signalanordnung kann nur dann überzeugend beschrieben werden, wenn die Untersuchung aus der Perspektive des Textes und nicht aus der Sicht einer einfachen Phrasenkonfiguration vorgenommen wird. Ohne die satzübergreifenden Prinzipien der Topikalisierung, der Ellipsenbildung oder der Spannungsmodifizierung zu berücksichtigen, ist es kaum möglich, die erwähnte Erscheinung effizient zu erfassen. Man muss sich also darüber im Klaren sein, dass die Positionsregeln lediglich Präferenzen und keine Gebote sind, und somit durchbrochen werden können. Die Nichtübereinstimmung bedeutet also keineswegs automatisch einen sprachlichen Fehler. Solange die Motivation für die Veränderung der kanonischen Wortfolgeregeln nachvollziehbar und kontextuell als angemessen angesehen wird, kann von einer Fehlleistung nicht die Rede sein. Die Angaben zur mustergültigen Anordnung der Phrasen haben jedoch eine theoretische Relevanz: wenn man überhaupt von Abweichungen oder gar Fehlem im besagten Bereich spricht, so muss man einen Maßstab haben für die Art und den Grad der Abweichung bzw. Sprachverletzung. Von der kanonischen Phrasenabfolge muss oft abgewichen werden, was durch kommunikative (z.B. Emphase; Manipulation der Textspannung), syntaktische (z.B. Topikalisiemng, Anschluss an die vorangehende Konstruktion), oder stilistische (z.B. Vermeidung von Wiederholungen) Faktoren erzwungen wird. Die Grundfolge wird in der Regel beachtet, solange keine besondere Motivation vorliegt, ein Element aus irgendeinem Grund durch seine Versetzung nach rechts oder in die Initialstellung hervorzuheben. Wird ein Element hervorgehoben, konsolidiert sich das verbleibende Äußerungsgerüst: die restlichen Elemente bleiben auf ihren Stammpositionen stehen. Dadurch lässt sich die Konstruktion ohne besonderen interpretatorischen Aufwand überblicken. 139 138 Helbig/ Buscha (1993, S. 564, u.ö.) schlagen ein vielschichtiges Beschreibungsmodell vor, in dem syntaktische, morphosyntaktische und intentionale Faktoren zusammengeführt werden, die sich auf die lineare Anordnung der Elemente auswirken. Engel (1988, S. 303, u.ö.) und Heringer (1996, S. 246, u.ö.) formulieren dagegen allumfassende „integrative“ Formeln, in denen die Vielfalt von Faktoren festgehalten wird. Griesbach (1986, S. 49, u.ö.) schreibt jeder der von ihm ermittelten 120 Satzstrukturen eine kanonische Satzgliedfolge zu. Unter didaktischem Gesichtspunkt sind die Kommentare von Griesbach und von Engel empfehlenswert. 139 Engel (1988, S. 332) behauptet: „Es muß noch darauf hingewiesen werden, daß Rechtsversetzung bestimmter Elemente nicht nur deren Hervorhebung bewirkt, sondern auch <?page no="165"?> Phrasenkombinatorik 165 Veränderungen werden geduldet, solange sie den Verstehensprozess nicht beeinträchtigen. Ohne eine relativ stabile Positionszuweisung würde die Aussage ein Chaos von Segmenten sein, deren Zusammenhang unklar bliebe. 4.3.2 Initialbereich Alle im Kapitel 3 besprochenen Phrasen können als Initialphrasen auftreten. Manche von ihnen erhalten im Initialbereich besondere Funktionen zugewiesen, für andere wiederum ist die Besetzung die Initialposition völlig neutral. Die Phrasen befinden sich meist unter dem Einfluss eines verbalen Organisators, der sie zu einer Phrasenkonfiguration verbindet. Sie können aber auch als averbale Phrasen außerhalb dieses Einflussbereichs stehen (vgl. Kap. 4.1.1). Sätze und averbale Phrasen erfüllen beim Aufbau des Textes zum Teil unterschiedliche Rollen. Einer einst verbreiteten Auffassung gemäß, die zuweilen sogar im Sinne einer normativen Anweisung ausgelegt wurde, soll der Satz ein grammatisch und inhaltlich korrekter Ausdruck eines abgeschlossenen Gedankens sein. 140 Die Textwissenschaft und die Pragmalinguistik haben diese Ansicht zu Recht relativiert. Allerdings wird der propositionale Gehalt in den meisten Satzauffassungen, von der oben angeführten Satzinterpretation beginnend über logische, generative, sprechaktheoretische bis zu den psycholinguistischen und kognitionswissenschaftlichen hin als konstitutiv angesehen. Sätze als sprachliche Reflexe der außersprachlichen Sachverhalte zeigen Elemente in ihrem dynamischen Aspekt: sie reflektieren Prozesse, Handlungen und/ oder Zustände (vgl. dazu 4.2). Averbale Phrasen sind dagegen Mittel einer Synthese; sie wirken fokussierend, bringen Sachverhalte auf den Punkt, das kommunikative Gewicht der nicht nach rechts verschobenen Elemente vermindert. Die Summe der kommunikativen Gewichte aller Elemente im Satz bleibt im ganzen konstant: Wird das kommunikative Gewicht an einigen Stellen erhöht, so erfolgt eine Verminderung an anderen Stellen.“ 140 Der Topos der mustergültigen Sätze hat in der Schulgrammatik eine lange Tradition. Er wird auch in linguistischen Arbeiten reflektiert, bedauerlicherweise nur deklarativ, ohne Hinweise auf wirksame Testverfahren. Bierwisch (1970, S. 280) hat z.B. eine Bedingung für die „Normalität der Sätze“ formuliert: „Ein Satz ist umso weniger normal, je mehr Voraussetzungen gegeben sein müssen, um ihn akzeptierbar zu machen.“ Damit korrespondiert die Bemerkung von Welke (1992, S. 51): „Je leichter und unvermittelter es möglich ist, einen Kontext zu konstruieren, um so normaler erscheint dem potentiellen Hörer (dem beobachtenden Linguisten) der Satz.“ Beide Autoren folgen, wie es scheint, der Auffassung von Chomsky (1965 5 , S. 22): „Die akzeptableren Sätze sind diejenigen, die mir höherer Wahrscheinlichkeit hervorgebracht werden, die leichter verstanden werden, weniger schwerfällig sind und in bestimmter Weise natürlicher klingen. Die nichtakzeptablen Sätze würde man im aktuellen Text, wo immer das möglich ist, vermeiden und durch akzeptablere Varianten ersetzen wollen.“ <?page no="166"?> 166 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache u. Ä. Sie können eine bestimmte Vision, ein Bild, eine Vorstellung evozieren, die in Satzform kaum hätten ausgedrückt werden können. Sätze sind Verbalphrasen im weiteren Sinn (vgl. Kap. 3.1.2). Daher erscheint es sinnvoll, mit „verbalen Gerüsten“ anzufangen. Die Verbalphrase kann im Initialbereich in einem der drei Grundmuster realisiert werden (zu den VSp- und SpV-Phrasen siehe Kap. 3.1.2): Das Verb als Initialwort, Sp diskontinuierlich Schema 58 Verbalphrase vom Typ SpV als Initialphrase SpV Schema 59 Verbalphrase vom Typ VSp als Initialphrase VSp (.)/ (,) Schema 60 Das Verb als Vorderglied der Verbalphrase kann am absoluten Anfang und am Zwischenanfang stehen. Die Verben (einschließlich der Verben hat, ist, wird und der Modalverben (mod) einschließlich lässt) sind funktional gekennzeichnet und deuten verschiedene Inhalte an. 1) Sie signalisieren einenya-wein-Fragesatz: Ist diese Frau schön? (Wolf, S. 9) Kennt sie nichts Besseres, sich die Langeweile zu vertreiben? (Wolf, S. 20) Lässt sich das oft schwer geschädigte Immunsystem der genesenen Patienten gleich wieder stabilisieren? (Der Spiegel 2/ 1997, S. 122) <?page no="167"?> Phrasenkombinatorik 167 2) Verben in Initialstellung signalisieren einen Konditionalsatz: Werde von Anfang an die Vermehrung des Virus medikamentös unterbunden, so könnten sich auch keine resistenten Virusstämme bilden. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 123) Versucht er es zuerst mit Chinin und ist es Diphtherie, ist der mögliche Schaden für den Knaben größer,.... (Bamm, S. 47) Macht man einen Flugplan und kommt dann zu der angegebenen Zeit nicht auf demjenigen Flughafen an, den man als Ziel angegeben hat, so wird bald darauf eine Suchaktion gestartet. (Grzimek, S . 57) 3) Verben in Initialstellung signalisieren einen Konzessivsatz: Muß einer auch ins Gras beißen, muß manch ein Mutterleib noch reißen, trägt auch der Tod noch Fallschirmseide, knüpft er doch Rüschlein seinem Kleide, zupft Federn sich vom Pfau und Reiher: wir nähern uns dem Biedermeier! (Grass, S. 280) 4) Verben in Initialstellung signalisieren eine Art Kommentar bzw. Pointe oder sie bereiten den Grund für die nächste Phrase vor. Da die Trennungslinie zwischen „Anknüpfung“ und „Vorbereitung“ nicht immer eindeutig gezogen werden kann, werden sie als eine Gruppe behandelt, die sich von den anderen Strukturen unterscheidet. 141 Das ist Gallapfel, daraus machen sie die Tinte. Riecht aber gar nicht so. (Johnson, S. 86) Der Mann bleibt dem Arzt in vielem ein Rätsel, er zog sich auch, da seine Gesundheit sich festigte, wieder ganz auf sich selbst zurück. Erweckt den Eindruck, wenn er spricht, er täte es aus freien Stükken. (Wolf, S. 43) 5) Verben in Initialstellung signalisieren Befehle, Anweisungen und Exklamationen: 142 Den letzten Brief des Vaters las sie erst viel später. ,JMbcht unsere Märtke nie erfahren, was der Krieg aus den Menschen macht ...“ (Strittmatter, S. 230). Tu die andern weg, sagte er zu seinem Sohn. (Bienek, S. 352) 141 Um der besseren Lesbarkeit willen werden Kontexte für die betreffenden Einheiten angegeben. 142 Es sei daran erinnert, dass die vorliegende Arbeit die geschriebene Variante der deutschen Gegenwartssprache zum Gegenstand hat. So werden viele Erscheinungen nicht erörtert, die für die gesprochene Sprache charakteristisch sind. Beispielsweise wird die Textsorte ‘Witz’ mit ihrem konventionellen verbalen Anfang („Kommt ein Mann ...“) den Hinweis darauf verdanke ich J. Ballweg nicht berücksichtigt. <?page no="168"?> 168 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Seht die fröhlich keifende Emma, ein Hühnchen, das sich nichtfortscheuchen läßt, wo es scharrt! Seht Wilm Holten, der lieber die Braut verließ als Oie und seinen Kolchos! (Strittmatter, S. 180) Mehrgliedrige VSp-Verbalphrasen (vgl. Kap. 3.1.2) als Initialphrasen kommen selten vor. Sie sind prinzipiell nur dann möglich, wenn die Phrase mit dem ganzen (Teil-)Satz identisch ist. Nichts ekelt ihn so wie diese literarischen Wendungen, die sich niemals auf dem Höhepunkt unsrer Leiden einstellen da sind wir stumm wie irgendein Tier sondern danach, und die niemals frei sind von Falschheit und Eitelkeit. Würde gewilligt haben! Als hätte er...) (Wolf, S. 55) Eine geschwätzige Freude, lieber Clemens, warf die Sophie ein. Mag sein, erwiderte der, leicht verstimmt. (Wolf, S. 26) SpV-Verbalphrasen (vgl. Kap. 3.1.2) kommen in Initialposition viel häufiger als VSp-Verbalphrasen vor. Dies wird durch ihre spezifische Funktion in der erwähnten Position bedingt, den aktuellen Satz mit dem vorangehenden zu kontrastieren und/ oder den inhaltlichen Schwerpunkt der Aussage auf die Verbalphrase zu verschieben. SpV-Verbalphrasen kommen in Initialstellung fast immer als adjazente Phrasen vor. So stimmte es auch nicht, daß die Nadel des Parteiabzeichens schon offen war, als ich mir den Bonbon vom Betonfußboden klaubte. Aufgemacht wurde die Nadel erst in meiner geschlossenen Hand. (Grass, S. 86) Es kam kaum noch Bargeld zur Zahlung. Getauscht wurde, weitergetauscht und der Kunsthonig, die Haferflocken, auch die letzten Beutelchen Dr. Oetkers Backpulver, Zucker, Mehl und Margarine verwandelten sich in Fahrräder... (Grass, S. 344) Auf diese Grenze hin bewegt sich die Technisierung des Kampfes schon längst. Erreicht ist sie aber erst mit der Superbombe. (Jaspers, S. 82) Elemente der SpV-Verbalphrase können zuweilen voneinander getrennt stehen. Verfälscht dagegen wird Wahrheit und Überzeugung durch Schlagworte und Suggestion, die das Verstehen des Einfachgewordenen ersetzen. (Jaspers, S. 486) <?page no="169"?> Phrasenkombinatorik 169 Hier lebt er in der Offenheit einer noch nicht vollendeten Arbeit. Nachholen aber kann man nur, wo etwas in der Vergangenheit schon abgeschlossen war (...) (Bollnow, S. 221) Zwischen Sp und V treten wohlgemerkt die Signale, die die kontrastierende und fokussierende Rolle der SpV-Verbalphrase unterstützen. Die Infinitivphrase in Initialstellung ist meist entweder Bestandteil einer mehrgliedrigen Verbalphrase, besetzt eine Position im Einflussbereich der jeweiligen Verbalphrase (a), oder sie kann auch eine averbale Phrase sein (b; zum Begriff vgl. 4.1.1). ai) Zuzusehn wie das Papier langsam aufweichte und sich öffnete, wie die Blume sich entfaltete und aufrichtete, das hieße dem Wunder das Geheimnis nehmen, das würde Unglück bringen. (Bienek, S. 352) a 2 ) Dem Kranken seinen sicheren Tod verkünden bedeutet noch heute, ihn auf eine Insel ohne Hoffnung zu verbannen. (Bamm, S. 53) as) Glaubhaft und konstruktiv zur Überwindung einer Krise beitragen zu wollen heißt für mich, alles zu unterlassen, was zusätzlich destabilisiert, was unser Land unregierbar macht. (BZ 5.1.1990, S . 1) Oft werden die infinitivischen Initialphrasen durch Aftektive als Anschlusswörter eingeleitet: a 4 ) Ohne die Augen zu öffnen, tastete ich mich um den Sessel herum ... (Böll, S. 183) Als averbale Phrasen drücken die Infinitivphrasen Befehl, Anweisung (explizit artikulierte oder innere) oder Exklamation aus. bi) Der Flüssigkeitsspiegel muß 1cm über den Platten stehen. Nachfüllen nur mit destilliertem Wasser. (Anweisung, S. 25) b 2 ) Sehr stark fühlt sie die Versuchung, sich fallen zu lassen. Wegzugehn, sich zu verkriechen, das letzte, unauffindbare Versteck aufzusuchen, wo keiner sie aufstöbern kann, nicht Freund, nicht Feind. (Wolf, S. 23f.) b 3 ) Nurjetzt nicht lachen müssen, erfände kein Ende. (Wolf, S. 32) (ai) (bi) und (b 2 ) zeigen, dass der Infinitiv als Initialwort der Phrase fungieren kann. (a 3 ) und (b 3 ) weisen auf die Möglichkeit hin, mehrgliedrige Organisatoren von Infinitivphrasen im Initialbereich einzusetzen (vgl. auch Kap. 3.5). Averbale Infinitivphrasen können als abschließende Kommentare gebraucht werden. <?page no="170"?> 170 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Was die Frankfurter Gesellschaft ihm nachredet, kann er sich denken, bis in die einzelne Wendung hinein. Die Braut hinhalten, dann sitzenlassen. (Wolf, S. 18) Partizipialphrasen als Initialphrasen kommen als Bestandteile von Verbalphrasen (vgl. dazu oben im Text) oder als averbale Phrasen vor. Ich würde Kalick den Orden von der Brust reißen und ihn ohrfeigen. Verglichen mit ihm, kam mir sogar meine Mutter menschlich vor. (Böll, S. 231) Ihr schiebt die Natur auf ein Gleis, das ihr Ehebruch nennt wenn die Natur in die Ehe einbricht, bekommt ihr es mit der Angst zu tun. Gebeichtet, verziehen, gesündigt — und so weiter. (Böll, S. 158) Die Stute trägt Bienkopp um den Platz. Vergessen das Fest, vergessen Krüger und Märtke. (Strittmatter, S. 322) Als Initialphrasen sind auch Partizipi-Phrasen möglich. Beiläufiges fragend, mischte ich mich ins Gespräch ... (Heuss, S. 305) Seufzend resignierend, Kopfschmerzen vortäuschend, doch ohne Oskar zu grollen, gab er es auf... (Grass, S. 386) Im Unterschied zu den Partizip 2 -Phrasen, die zuweilen außerhalb des Satzes Vorkommen können, erscheinen Partizip r Phrasen in der Tendenz im Satzverband. Sie haben meist ein verbales Hinterglied. Partizip i- und Partizip 2 -Phrasen wirken im Initialbereich in der Regel präzisierend: sie lenken die Aufmerksamkeit auf die Ausgangssituation, von der aus die im Folgesatz ausgedrückte Handlung interpretiert wird. Alle Sinne und Seelenkräfte zusammennehmend, soll er sich in ein Mitglied des Kreises versenken, in dem er sich gerade befindet. (Wolf, S. 32) Es lag im Bereich der Möglichkeit, theoretisch, aber ich dachte nicht daran. Genauer gesagt, ich glaube es nicht (Frisch, S. 145) Die meisten Nominalphrasen in der Initialposition sind mehrgliedrige Phrasen. Ihre Vorderglieder sind dann Wörter, die die Nester der Nominalphrase einleiten (vgl. Kap. 3.2.3). Nominalphrasen, je nach dem Kasus des Organisators, treten mit unterschiedlicher Häufigkeit am absoluten Anfang und am Zwischenanfang auf. Während <?page no="171"?> Phrasenkombinatorik 171 beispielsweise eine Nominalphrase mit nominativischem Organisator als Initialphrase mit größter Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, 143 erscheint eine Nominalphrase mit genitivischem Organisator am seltensten (vgl. Weinrich (1993, S. 714ff ). Ihr Gebrauch muss auch durch kontextuelle Faktoren entsprechend motiviert werden. Die Nominalphrasen mit dem Organisator im Akkusativ als Initialphrasen sind viel häufiger als nominale Initialphrasen mit einem dativischen Organisator (vgl. Engel 1988, S. 331). Minimale Nominalphrasen unterliegen im Initialbereich einigen Restriktionen. Das Nomen repräsentiert dann bestimmte Subklassen der Nomina (Nomina propria, Toponymika, StofFnamen), oder es müssen spezielle Kontextbedingungen vorliegen, die das Auftreten der Nomina (z.B. der „reinen Plurale“) in der genannten Position begünstigen. Die Restriktionen resultieren daraus, dass Nomina nur unter gewissen Voraussetzungen ohne dazugehörende Flektive Vorkommen können (vgl. Grimm 1987). Während Eigennamen eine (wohlgemerkt oft durchbrochene) Tendenz haben, ohne „Artikel“ zu erscheinen, treten die restlichen Nomina in der Tendenz nach einem Flektivi auf. Weitere kookurrenzielle Unterschiede werden im Folgenden angedeutet. Minimale Nominalphrasen als Initialwörter kommen vor: 1) im Einflussbereich einer Verbalphrase, gefolgt durch ein Verb: Clemens zieht eine Grimasse, er mag das leicht sentimentale Wesen dieser Schwester nicht. (Wolf, S. 35) Girnus „mutmaßte 11 , Helene Weigel wünsche die Veröffentlichung besonders wegen zahlreicher Jnvektiven gegen Stalin“. (Der Spiegel 2/ 1997, S. 151) Liebe bindet stärker als Freundschaft, wer sollte es wissen, wenn nicht sie. (Wolf, S. 35) Zuckergebäck wird herumgereicht, in durchbrochenen Porzellankörbchen. (Wolf, S. 34) 2) im Einflussbereich einer Verbalphrase, gefolgt durch eine Apposition, Parenthese oder durch einen Relativsatz: Wilhelmine, den Kopf geneigt, weich gestimmt, erlaubt ihm, ihr Haar zu lösen, dessen Beschaffenheit seine Fingerspitzen nicht vergessen haben; wie er noch weiß und immer wissen wird, was er empfand: Verlegenheit und Schuld. (Wolf, S. 28) Valeska, die ihr Gesicht gerade den Blättern der Begonie nähern wollte, zuckte zurück, als hätte sie einen Schlag erhalten. (Bienek, S. 346) 143 Schätzungsweise 2/ 3 aller Nominalphrasen im Initialbereich, vgl. Engel (1988, S. 331). <?page no="172"?> 172 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Neid, das müsse sie wissen, sei eine unglaubliche Triebkraft. (Wolf, S. 23) Würde, auch Abweisung gehn von ihr aus, die zu ihrer Jugend im Widerspruch stehn, wie ihre blauen Augen zu dem glänzenden schwarzen Haar. (Wolf, S. 9) 3) in averbalen Phrasen, gefolgt durch andere Elemente aus dem klassenspezifischen Kommentierungsbereich: Brentano, bestürzt. (Wolf, S. 72) Clemens, blutrot, bittet sie um Verzeihung, endlich unverstellt er selbst. (Wolf, S. 78) Menschen zwanglos über den Raum verteilt, wie das Gestühl, in schöner Anordnung. (Wolf, S. 4) Berufung zum Rechtsgelehrten, warum denn nicht. (Wolf, S. 33) 4) als minimale averbale Phrasen: Savigny! (Wolf, S. 61) Paris? (Wolf, S. 46) Beschämung, (ebd.) Eifersucht? Tränen? Lisette! (Wolf, S. 74) Im Unterschied zu den Eigennamen, die im Kommentierungsbereich prinzipiell nur Appositionen, Parenthesen oder Relativsätze bei sich haben, umfasst die Skala von Möglichkeiten bei den restlichen Nomina neben den genannten Optionen noch weitere Spezifikatoren, z.B. Nominalphrasen mit dem Organisator im Genitiv, im Akkusativ 1 * 1 oder Präpositionalphrasen, die an den Organisator additiv angefugt werden: Ende der achtziger Jahre waren Hundertausende an der Seuche gestorben, Millionen hatten sich infiziert. (Der Spiegel, 2/ 1997, S. 119) Tausende von Affen waren in der Aidsforschung verschlissen. Tausende von Substanzen erprobt — alles ohne vorzeigbares Resultat. (ebd.) 144 Es handelt sich hier um die Phrasen vom Typ der Mann, die Zeitung unterm Arm, ... Es ist mir nicht gelungen, dafür einen Beleg im Mannheimer Korpus zu finden. Zur Illustration des Gemeinten eine Phrase vgl. mit pronominalem Organisator ... ging ich in die Gudenaugasse, den Schlüssel schon in der Hand, aber die Ladentür war noch auf... (Böll, S. 53) <?page no="173"?> Phrasenkombinatorik 173 Eine geringere Ausbaufähigkeit der Nominalphrasen, deren Organisatoren Eigennamen sind, geht darauf zurück, dass sie funktional auf Identifizierung eingestellt sind. Das reduziert die Skala der Elemente im Kommentierungsbereich: was identifiziert wird, braucht prinzipiell nicht mehr durch Attribute präzisiert zu werden. Die restlichen Nomina sind semantisch nicht so eindeutig und können Attribute viel freier aufnehmen. Alle Nominalphrasen können, unabhängig vom Kasus ihres Organisators, um einen Kommentarbereich erweitert werden, was die Textspannung vergrößert (vgl. Kap. 4.3.4). Pronomina und Flektive als selbständige Organisatoren können sowohl am absoluten oder am Zwischenanfang auftreten. Die Position am Zwischenanfang wird häufiger besetzt, was auf die intratextuelle Funktion der erwähnten Elemente zurückgeht, in Beziehung mit Vorerwähntem zu stehen. Am absoluten Anfang ist die Motivierung des Pronomens bzw. des Flektivs nicht immer eindeutig. Als das Boot dann kenterte, fiel meine Badetasche ins Wasser, darin warmein Talisman, und den fand der Spanier. (Larsen, S. 60) (hier: Flektiv am Zwischenanfang, direkt nach dem Anschlusswort und, zum Vergleich: *Und den fand der Spanier, als das Boot dann kenterte, fiel meine Badetasche ins Wasser, darin war mein Talisman) Bei der Herausstellung sind aber Pronomina und Flektive auch am Zwischenanfang durchaus möglich, vgl.: Einer hat 's sicher, der hat ’s gefressen, das Vielbegehrte, so heftig Gesuchte. (Böll, S. 167) Pronomina und Flektive als Organisatoren können ein verbales Hinterglied haben oder, was viel seltener vorkommt, ein Element aus dem textwortklassenspezifischen Kommentierungsbereich (vgl. Kap. 3.3.4 und 3.4). Beide wendeten sich jetzt um und sahen in die Wasserschüssel. (Bienek, S. 352) Einer der zügellosen Wünsche, die Savigny ihr verweisen würde. (Wolf, S. 47) Aflektivphrasen, deren Organisatoren Aflektive zur Verbalphrase sind, kommen im Initialbereich uneingeschänkt vor, ohne besondere Funktionen zugewiesen zu bekommen. Da brach der Hofrat das Gespräch ab. (Wolf, S. 58) <?page no="174"?> 174 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Damit steht den Ärzten nun ein reichhaltiges Arsenal wirksamer Waffen gegen das Virus zur Verfügung. (Der Spiegel, 2/ 1997, S. 121) Als Initialwörter von Aflektivphrasen zur Verbalphrase stehen oft Aflektive zum Aflektiv. Das Aflektiv zum Aflektiv, funktional Spezifikator, und das Aflektiv als Organisator bilden dann eine Initialphrase. Besonders beunruhigend sei die Entwicklung bei Frauen und Kindern: Fast jede zweite HIV-Positive ist inzwischen weiblich ... (sic! Der Spiegel, 2/ 1997, S. 124) Selbst heute, da ich Gottvater, den eingeborenen Sohn und, was noch wichtiger ist, den Geist höchstpersönlich mit einem einzigen Daumensprung erreiche oder gar überspringe ... (Grass, S. 289) Auf die Aflektive zur Verbalphrase, die als Organisatoren gelten, folgen verbale oder nicht verbale Hinterglieder. Einmal muß es nachlassen oder mich töten. (Wolf, S. 40) Nichts hilft es, Wasser auf Wunden zu gießen. (Der Spiegel, 2/ 1997, S. 17) Einmal in meinem Leben, Herr Hofrat, macht ich dem Menschen begegnen, der mir ohne versteckten Vorwurf erlaubt zu sein, der ich bin. (Wolf, S. 57) Frei von Verpflichtungen, die man sich womöglich bloß eingeredet hat. (Wolf, S. 44) Aflektivphrasen zur Verbalphrase sind in der Tendenz einfache Phrasen. Es ist aber durchaus möglich, dass auf ein Aflektiv mit lokalem oder temporalem Charakter eine andere, nicht selten kompexe Phrase folgt, die ebenfalls lokale oder temporale Bedeutungsnuancen zum Ausdruck bringt. Sie wird vom Aflektiv durch ein Komma abgetrennt. Unten, auf dem Hof rauchte er Derbyzigaretten und zimmerte die Kiste zusammen. (Grass, S. 331) Anfangs, das ganze Jahr hindurch, versuchte sie es noch mit ihrer gelernten Religion... (Grass, S. 292) Das Aflektiv zur Verbalphrase wirkt dann fokussierend und die nachfolgende Phrase expliziert den lokalen oder temporalen Bezug der aflektivischen Phrase. <?page no="175"?> Phrasenkombinatohk 175 Aflektive zum Nomen/ Pronomen erscheinen selten in der Initialposition. Sie kommen meist als hervorgehobene Phrasen im Einflussbereich von Verbalphrasen vor mit ist, bleibt, wird, heißt, nennt als Organisatoren. Also zufrieden konnte ich schon sein, und wenn man zum Beispiel sich gewöhnte, statt von einer ewigen Glückseligkeit lieber von ewiger Zufriedenheit zu sprechen ... (Bergengruen, S. 45) Also fungiert im obigen Beispiel als Einbettungswort. Bei emphatischer Verlagerung des Akzents auf das Verb kann ein Aflektiv als Einbettungswort ein verbales Hinterglied haben. Dadurch wird jedoch das Prinzip nicht aufgehoben, dass Einbettungswörter selbst keine Phrasen bilden. Und hätte das eine Bedeutung? (Wolf, S . 11) Aber hob dir doch gesagt, Mama, daß es nicht so ist. (Bienek, S. 343) Die Präpositionalphrasen in der Initialstellung sind nicht in besonderer Weise funktional gekennzeichnet. Das Initialwort einer Präpositionalphrase ist eine Präposition. Sie leitet eine zwei- oder dreigliedrige Phrase ein (vgl. Kap. 3.6.2). Sporadisch können im Ankündigungsbereich der Präpositionalphrase Aflektive wie allein, selbst, sogar u.Ä. auftreten (vgl. Engel 1988, S. 338fF). 4.3.3 Postinitialbereich Im Postinitialbereich stehen Phrasen, die die Aussageachse präzisieren, für die in der Initialphrase die Weichen gestellt worden sind. Die meisten Verbalphrasen erscheinen in der Postinitialstellung in einer der vier möglichen Anordnungen: V in der Zweitstellung, Sp diskontinuierlich Initialphrase V (Sp) Schema 61 Die SpV-Verbalphrase am Ende des Teilsatzes Schema 62 (Sp)v <?page no="176"?> 176 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Die VSp-Verbalphrase am Ende des Teilsatzes VSp Schema 63 Die Verbalphrase inmitten des Teilsatzes (Sp)V Schema 64 Die Postinitialstellung ist eine neutrale, nicht emphatische Position für V-, VSp- und SpV-Verbalphrasen. VSp-Verbalphrasen sind meist klammerbildend (vgl. Schema 61). Sie können adjazent sein, wenn keine Elemente das Mittelfeld besetzen oder wenn sie dem Aar-Nest angehören und ein Modalverb in ihrem Bestand haben (vgl. Schema 63, siehe auch Helbig/ Buscha 1993, S. 109; Buscha/ Zoch 1988, S. 16). ... und mein Bartwuchs war nie so stark, daß ein Tag ohne Rasur mich zu einer „unglaublichen“ Erscheinung hätte machen können. (Böll, S. 68) Nur die deutsche Geschichte läßt der menschlichen Frage und dem Grübeln darüber, wie es „nicht hätte kommen müssen“, die sinnvolle Frage an die Seite stellen: wie es gekommen ist. (Heimpel, S. 6) Die zuletzt genannten Phrasen können auch diskontinuierlich sein. ... daß er nicht hat Bürgermeister werden wollen. ... daß ich ihn hätte herauf hören sollen. (Beispiele aus Mrazovic (1982, S. 64); im Korpus kein vergleichbarer Beleg gefunden) Die Korrektheit solcher Phrasen wird jedoch oft in Zweifel gezogen. SpV-Verbalphrasen kommen in der Postinitialstellung als adjazente Signalfolgen vor, meist am Ende des Teilsatzes oder vor der ausgeklammerten Phrase (vgl. die Schemata 62 und 64). Was ich gedacht habe in diesen zehn Minuten, bis das Mädchen zurückkam, weiß ich nicht. (Frisch, S. 145) <?page no="177"?> Phrasenkombinatorik 177 Inifinitvphrasen sind in der Postinitialstellung viel häufiger als im Anfangsbereich der Äußerung. Hier können sie entweder als Element des Kommentierungsbereichs von Nominalphrasen stehen, oder als Element mehrgliedriger Verbalphrasen 145 , oder schließlich als Phrasen in definierbarer Relation zur Aussageachse (vgl. Kap. 4.2). Ich sah keinen Anlaß, mein Schweigen zu brechen. (Böll, S. 16) Natürlich habe ich die Gefahr, geschnappt zu werden, erwogen, als ich den Plan zur Fluchtfaßte. (Andersch, S. 82) Eine Bauernmagd stellte jetzt leere Töpfe her, anstatt sie mit Milch und Sahne zu füllen. (Strittmatter, S. 306) Die Passagiere, alle schon angeschnallt, drehen ihre Köpfe, ohne ein Wort zu sagen ... (Frisch, S. 16) Partizipiali-Phrasen tendieren zur Postinitialstellung. Der Organisator nimmt dabei meist die letzte Position innerhalb der Teilkonstruktion ein. Die Konstruktionen besprochener Art werden immer durch Kommata von anderen Fragmenten abgetrennt. Partizipiali-Phrasen kommen nie in Gruppen innerhalb desselben Teilsatzes vor, es sei denn, dass sie durch Phrasenverbindungswörter verbunden werden. Sie können wohlgemerkt, vor allem in stilistisch gekennzeichneten Texten, additiv aneinandergereiht werden: Kinkel merkte nicht einmal, was er anrichtete: er quatschte, seine dicke Zigarre rauchend, das Weinglas an den Mund hebend, Käsestangenfressend, ... (Böll, S. 23) Mama am Klavier aus dem Zigeunerbaron intonierend, Jan hinter ihr und dem Schemelchen stehend, ihre Schulter berührend, die Noten studieren wollend. (Grass, S. 48) Als Tendenz gilt, dass Partizipiali-Phrasen immer am Ende ihrer Teilkonstruktion stehen, wenn sie im präverbalen Bereich auftreten. Stehen sie im postverbalen Bereich, entfällt die Restriktion (vgl. Bungarten 1976, S. 58). 145 Auf diese Option wird im Folgenden nicht mehr eingegangen, weil sie im Kap. 3.1 bereits charakterisiert wurde. <?page no="178"?> 178 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Partizip Verb Qi’ Qi Verb Partizip Q ( —> ’ Q Verb Partizip Q ( — Q Schema 65 Partizipiali-Phrasen stehen nicht im Kommentierungsbereich anderer Aflektive, wenn diese im präverbalen Bereich auftreten: *Jetzt, scharf bremsend, hielt dort ein Taxi. Dort hielt jetzt, scharf bremsend, ein Taxi. (Beispiele: Bungarten 1976, S. 56) Zum averbalen Phrasengebrauch kann zusammenfassend folgendes gesagt werden. Die Häufung von averbalen Phrasen wirkt immer punktualisierend. Die verbale Handlung bleibt aus; der Blick richtet sich auf potenzielle Mitspieler von etwas, was geahnt, jedoch noch nicht ausgesprochen wurde: Die Frau, Günderrode, in den engen Zirkel gebannt, nachdenklich, hellsichtig, unangefochten, durch Vergänglichkeit entschlossen, der Unsterblichkeit zu leben, das Sichtbare dem Unsichtbaren zu opfern. (Wolf, S. 4) Durch das Reden in Bildern wird eine Vision als statisch, gegliedert, ohne prozessuale Interpretation eingefuhrt, vgl.: Die Wand hinter mir, gut. Diese Helligkeit. Linkerhand die Fensterreihe, weite Aussicht. Ein paar Dorfhäuser im Vordergrund, an abfallender Straße. Baumbestandenes Wiesengelände. Der Rhein dann, träger Fluß. Undfern, scharf Umrissen, derflach schwingende Höhenzug. Darüber, unwissendes Blau, der Himmel. (Wolf, S. 5) Danach folgt ein abschließender, kontextbildender Kommentar: Das Fräulein am Fenster verstellt mir den Blick auf die Landschaft. (Wolf, ebd.) Averbale Phrasen lassen jedoch immer eine „verbale Entladung“ der entstandenen Textspannung vermuten: <?page no="179"?> Phrasenkombinatorik 179 Drücken, prügeln, schießen, Verrechnungschecks unterschreiben das ist alles, was Männerhände können, und natürlich: arbeiten. (Böll, S. 242) Averbale Phrasen sind ein Mittel, einen lapidaren Kommentar abzugeben: Kein Grund, aufeinmal derart trostlos zu sein. (Wolf, S. 21) Savigny, der Mann, der sich sein Schicksal selber macht. (Wolf, S. 33) Generell sind averbale Phrasen als Mittel der Inhaltskumulation zu betrachten: Averbale Phrasen können im Satzverband, aber zugleich außerhalb des verbalen Einflusses stehen. Solche Phrasen deuten einen Punkt an, von dem aus ein Gedanke formuliert wird oder sie bilden eine Art abschließenden Kommentar, vgl.: Putzige Idee: Ein zweiter Maler, falls er anwesend wäre, könnte sich hinstellen (...) (Wolf, S. 16f.) Sie drücken einen zusammenfassenden Kommentar zum früher geschilderten Geschehen aus: Ihr schiebt die Natur auf ein Gleis, das ihr Ehebruch nennt wenn die Natur in die Ehe einbricht, bekommt ihr es mit der Angst zu tun. Gebeichtet, verziehen, gesündigt - und so weiter. (Böll, S. 158) Sie markieren den Ausgangspunkt, von dem aus die Situation erfasst wird: Zugegeben, ihm sind Frauen lieber, die im Rahmen bleiben, wie diese Gunda, diese Lisette, Savignys und Esenbecks Frauen... (Wolf, S. 16) Ausgeschlossen, ihn nicht zu bemerken; ausgeschlossen, es nicht gewahr zu werden, wenn das eigne Gegenbild einem gegenübertritt. (Wolf, S. 33) Unbestritten, dem schuldet er Dank. (Wolf, S. 38) Sie können auch eine Pointe ausdrücken, vgl.: ... griff er doch wieder nach der Muskete, die sein allgegenwärtiger unbekannter Feind ihm reichte, legte an, zielte, schoß. Das Tier sich aufbäumend, stürzend, zuckend verendend. (Wolf, S. 30) Sie verweisen zugleich auf Aspekte des im nachfolgenden Teilsatz geschilderten Geschehens: <?page no="180"?> 180 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Ich würde Kalick den Orden von der Brust reißen und ihn ohrfeigen. Verglichen mit ihm, kam mir sogar meine Mutter menschlich vor. (Böll, S. 231) Averbale Nominalphrasen oder Pronominalphrasen können die Valenzpositionen eines früher genannten verbalen Organisators besetzen: Was meint er? Die Landschaft? Die Leute? (Wolf, S. 17) Darüber hinaus können averbale Phrasen in Aufzählungen auftreten: Vernunft, Mäßigung, Ökonomie der Kräfte ja und nochmals ja! , (Wolf, S. 39) und sie können interrogativ verwendet werden: Ihr Kind? (Wolf, S. 25) oder als Ausrufe gelten: Gütiger Himmel! (Wolf, S. 44) 4.3.4 Zur Spannung im Text Der Psycholinguistik ist die Erkenntnis zu verdanken, dass mehrere Elemente synchron wahrgenommen und eine Zeitlang bis zur Interpretation im Gedächtnis bewahrt werden können. Angenommen wird ein Mechanismus, dessen integrale Bestandteile „sensorisches Gedächtnis“, „Kurzzeitgedächtnis“ (shorttime-memory) und „Langzeitgedächtnis“ (long-time-memory) sind. Die genannten Termini werden auf die Verarbeitungsebenen der Information und zugleich auf die Organisationsformen des menschlichen Gedächtnisses bezogen (vgl. Grimm/ Engelkamp 1981, S. 81; Kurcz 1987, S. 72fF). Die Information fließt durch alle Segmente des Gedächtnisses, in denen sie unterschiedlich analysiert wird. Der Block des sensorischen Gedächtnisses ist für Registrierung und Präselektion der Signale verantwortlich. Die Rolle des Kurzzeit-Gedächtnisses beruht darauf, den Strom der ununterbrochen auf unterschiedlichen Kanälen einfließenden Information eine Zeitlang zu behalten. Die Signale werden hier von den Nicht-Signalen abgeschieden und nach ihrer kommunikativen Wichtigkeit selektiert. Das Relevante wird zur weiteren Analyse ffeigegeben. Die so gewonnenen „Rohdaten“ werden kontinuierlich durch neue Daten ersetzt, weil freie Speicherkapazität kontinuierlich für neue Signale gesichert werden muss. <?page no="181"?> Phrasenkombinatorik 181 Das Langzeit-Gedächtnis enthält Anweisungen für alle Operationen während der Informationsverarbeitung. Dort werden jegliche Interpretationsmuster nach Rohrer (1990, S. 16) zeitlich und zahlenmäßig unbegrenzt aufbewahrt, die man sich durch eine direkte Beobachtung und eine gedankliche Synthese des Beobachteten angeeignet hat. Daher reicht die Identifizierung nur einiger relevanter Signale, um den Rest zu einem sinnvollen Ganzen zu rekonstruieren. Deshalb können die im Langzeitspeicher befindlichen Daten bei der Textanalyse so effektiv mit der momentanen Information im Kurzzeitspeicher verglichen werden, wo die Signale zur Informationserschließung aufbereitet werden. Manche neuen Konfigurationen von Muster und Information können in den Langzeitspeicher als neue Muster aufgenommen werden. Die Speicherkapazität ist beschränkt und kann nicht über eine zumutbare Grenze hinaus überzogen werden. Üblicherweise übersteigt der Einflussbereich der Organisators jene Grenze nicht. Nähert er sich ihr aber, wächst die Textspannung. Darunter wird im Folgenden der Grad verstanden, in dem das Kontextgedächtnis 146 bei der Lösung interpretatorischer Probleme im Text beansprucht wird. 147 Durch eine gezielte Zeichensetzung kann die Spannung im Text variiert werden. Das erste Glied im Satz (bei Boost mit Thema gleichbedeutend, 148 vgl. Boost 1964, S. 26) markiert den Ausgang der Spannung, die durch die nachfolgenden Elemente „im Prozess der Gestaltgewinnung“ durch das Verb so Boost (1964, S. 43) behoben wird, so dass die Harmonie (= keine Spannung im Text) wiederhergestellt ist (ebd., S. 18). Im Deutschen erfolgt die Aufhebung der Spannung tendenziell am Ende des Satzes (ebd., S. 58). 149 146 Zur Klammembildung als Organisationsform des Kontextgedächntisses vgl. Weinrich (1993, S. 23; insb. S. 30; 356f.). Über die Verarbeitung langer Sätze siehe explizit ebd. (S. 80). 147 Somit geht meine Auffassung dieser Erscheinung über die manchmal anzutreffende Interpretation hinaus, nach der Rahmenbildung und Spannung gleichgestellt werden (vgl. Flämig 1991, S. 109). Man darf nicht vergessen, dass die Spannung bei Boost (der diese Kategorie in die Linguistik eingeflihrt hat) im Prinzip nichts Anderes als Erwartung ist, die die Textverarbeitung begleitet. Gleichmäßig verteilt ermöglicht sie „einen glatten Ablauf 1 der Kommunikation oder kann kumuliert werden, was wiederum zum Spannungsstau führt (1964, S. 75). Die Domäne der Spannung ist der Text, der Satz ist einfach nur „ein handliches Maß für die Spannung“ (ebd., S. 15). 148 Boosts Theorie wird oft unzulässig als Beitrag zur Thema-Rhema-Theorie ausgelegt. Eine genauere Lektüre zeigt jedoch, dass die Opposition Thema/ Rhema bei Boost lediglich als ein Terminus technicus zur Begründung der zentralen Kategorie ‘Spannung’ benutzt wird. 149 Für Boost ist jede frühere Lösung der Spannung prinzipiell sprachwidrig. Vgl. seine Polemik mit Behaghel in Boost (1964, S. 61). Zum Nachtrag und zur Apposition und ihren Einfluss auf die Spannungsverhältnisse vgl. ebd. (S. 63; 73; 78). <?page no="182"?> 182 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Alle Prozeduren, die die Spannung im Text vergrößern oder vermindern, gelten als wichtige Textgestaltungsmittel. Zwischen dem Textproduzenten und dem Textrezipienten entsteht eine besondere Interaktion: Der Textproduzent versucht den Textrezipienten länger im Ungewissen über die Aussageachse zu lassen; der Textrezipient versucht dagegen seine Ungewissheit so schnell wie möglich zu beseitigen. Je leichter es dem Textrezipienten fällt, interpretatorische Probleme zu beseitigen, desto kleiner ist die Textspannung im augenblicklich verarbeiteten Fragment. Die maximale Spannung kann so groß sein, wie dies das Kontextgedächtnis der Textrezipienten erlaubt. Es gibt zumindest drei Ursachen, die Textspannung zu vergrößern: 1) Der Autor verteilt die Signale im Text bewusst so, dass die Aufmerksamkeit der Textrezipienten länger gefesselt wird. 2) Die Spannung vergrößert sich als unbeabsichtigter Effekt einer falsch gewählten Vertextungsstrategie. 150 3) Die Spannungvergrößerung ist Resultat einer zweckbestimmten Inhaltskumulation. Man denke beispielsweise an das erweiterte Attribut im Deutschen, wodurch die Information in den nominalen Bereich verschoben wird, was die Valenzstellen des verbalen Organisators voll auslastet. Kleine Modifizierungen der Textspannung haben oft ein stilistisches Motiv und bilden mit Sicherheit kein Hindernis für die Kommunikation. Die Sprache stellt Mittel zur Verfügung, mit deren Hilfe die Textspannung variiert werden kann. Die wichtigsten sind: 1) Häufüng der Teilsätze vor dem Teilsatz, in dem der Hauptorganisator steht, 150 Viele Grammatiker postulieren in ihren normativen Anweisungen zum korrekten Gebrauch der deutschen Sprache, die Aufnahmefähigkeit der Textrezipienten nicht überzustrapazieren und nach Möglichkeit die Signalfolge zu verkürzen, deren Verarbeitung notwendig ist, um die Zusammenhänge zu verstehen. So stellt beispielsweise Jung (1980, S. 412) fest: „Bei umfangreichen Sätzen sollte man statt unfest zusammengesetzter Verben besser synonyme abgeleitete oder einfache wählen: Ich bevorzuge statt ich ziehe ... vor, sie beteiligten sich statt sie nahmen ... teil, er startet statt er fährt ... los. usw.“ Ähnliches postuliert Engel (vgl. 1988, S. 341): „Solche Sätze (L.C.: d.h. lange Sätze) sind vor allem deshalb schwer verständlich, weil während des Sprechbzw. Lesevorgangs nicht völlig klar ist, welches Verb den Satz regiert (...). Die Folgeregel, nach der der Verbzusatz im rechten Klammerteil steht, erschwert das Verständnis um so mehr, je mehr Elemente im Mittelfeld stehen. In solchen Fällen wird häufig die Satzklammer zusammengezogen; nachfeldfähige Elemente, besonders Angaben, rücken dann ins Nachfeld (...).“ <?page no="183"?> Phrasenkombinatorik 183 Obwohl Nabokovs ,£ohta“ in Amerika zuerst nicht erscheinen konnte, weil vier Verleger der Mut verließ, obwohl das Buch in Frankreich auf Wunsch der englischen Behörden zeitweise verboten und in England erst nach einer heftigen Kontroverse veröffentlicht wurde, die den Verleger und konservativen Abgeordneten Nigel Nicolson seinen Parlamentsitz kostete, enttäuschte es die Erwartungen des Literaturkritikers auf beeindruckende Weise: Wer Pornografie suchte, war an der falschen Adresse. (FAZ 21.1.1997, S. 35) Wenn es stimmt, was der spöttische junge Wieland oft behauptete: daß allein die Frauen ihren Wert untereinander ausmachen und das Urteil der Männer nur herausfordern, um deren Selbstgefälligkeit zu schmeicheln dann nimmt das Fräulein am Fenster unter den andern reizvollen jungen Frauen einen Ausnahmeplatz ein, den keine ihr streitig macht. (Wolf, S. 9) 2) Verlängerung der Signalfolge, deren Verarbeitung zum Verständnis der Zusammenhänge notwendig ist. Dies kann mit Hilfe von Anschlusswörtern geschehen, die das Ende des komplexen Satzes hinausschieben (man erwartet auf Grund seiner Spracherfahrung, dass jeder Satz „endlich“ ist). Daß er nach eignem Gefallen kommen und gehen konnte und keiner Ansprüche an ihn hatte, tat ihm wohl. (Wolf, S. 58) Die Anschlusswörter können aber auch die Spannung im Text gleichmäßig verteilen: Als sie am Hausaltar vorbeikam, berührte sie zuerst mit zwei Fingern den vergoldeten Rahmen des Madonna-Bildes und führte sie dann zurück an ihre Lippen, dann machte sie das Kreuzzeichen, von links nach rechts, und begann lautlos das Vaterunser zu beten. (Bienek, S. 335) Die genannten Anschlusswörter implizieren eine gewisse Symmetrie der Konstruktion links und rechts des jeweiligen Anschlusswortes.' 51 Die Symmetrie liegt in der Gleichwertigkeit (nicht Gleichartigkeit! ) der Elemente im Wirkungsfeld des jeweiligen Anschlusswortes begründet. Der Textproduzent setzt voraus, dass der Textrezipient fähig ist, die Voraussetzungen gedanklich nachzuvollziehen, die zur Herstellung der Symmetrie erforderlich sind. Eindeutige Situationen sind z.B.: 151 Siehe auch Überlegungen zur Symmetrie bei Heringer (1996, S. 194 f). <?page no="184"?> 184 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Die Nachrichten erzählen Tagfür Tag von entführten, mißbrauchten und ermordeten Kindern, von bösen Onkels und bösen Tanten, die aus der menschlichen Gemeinschaft heraustreten, um sich ganz ihrer Leidenschaft hingeben zu können. (FAZ 21.1.1997, S. 35) In ,folita“, schreibt Sieburg, besitzen wir „einen reinen Liebesroman von einer Ausschließlichkeit und Unbedingtheit, wie er in der heutigen Literatur nicht mehr vorkommt, (ebd.) In den obigen Beispielen sind Phrasen links und rechts des Anschlusswortes und ohne weiteres als inhaltlich konvergent zu betrachten. Es gibt wohlgemerkt Situationen, die eine gewisse Denkarbeit vom Textrezipienten fordern; Situationen, in denen die Symmetrie ohne Bezug auf Weltwissen schwer zu erkennen ist, wie etwa im folgenden Satz: Eine halbe Stunde ist sie hier, und schon möchte sie fort, fühlt die Kälte aufsteigen, die diesem Zwang gewöhnlichfolgt. (Wolf, S. 21) ‘Eine halbe Stunde’ ist im Vergleich zur konventionellen Dauer eines Treffens ein kurzer Zeitabschnitt. Dadurch wird ein Kontrast signalisiert und das Anschlusswort und erhält die Bedeutungsnuance zwar... aber. Symmetrische Beziehungen können sich über relativ umfassende Textpassagen erstrecken, vgl. das folgende Beispiel, in dem und zwei weraw-Sätze verbindet: Gefährlich wird es, wenn sie sich hinreißen ließe, die Zügel zu lokkern, loszugehn, und wenn sie dann, in heftigstem Lauf, gegen jenen Widerstand stieße, den die andern Wirklichkeit nennen und von dem sie sich, man wird es ihr vorwerfen, nicht den rechten Begriff macht. (Wolf, S. 8) Im nächsten Beispiel organisiert und den ganzen Nebensatzbereich, indem es eine symmetrische Relation einfuhrt: Sie muß ihm ja nicht erzählen, daß es ausgerechnet Merten war, der ihr das Drama gegeben hat, enttäuscht übrigens, da er sich nach dem Titel »Die Familie Schroffenstein«, eins der üblichen Ritterstücke erhofft hatte, und daß sie es las, weil von Main herüber merkwürdige Gerüchte über den jungen Menschen kamen, der in desolater Verfassung den Winter über bei Hofrat Wedekind untergekrochen war. (Wolf, S. 21) Manchmal ist die Beziehung zwischen einzelnen Teilsätzen locker, insbesondere dann, wenn sie additiv gesetzt werden, vgl.: <?page no="185"?> Phrasenkombinatorik 185 Das Fräulein, dessen Name Kleist übrigens nach derflüchtigen Vorstellung durch Wedekind wieder vergessen hat, soll nicht in den glücklichsten Verhältnissen leben, Kleist erinnert sich der unverheirateten Tochter mittelloser märkischer Adelsfamilien, ihres hilflosen Aufputzes, wenn sie in Gesellschaft gehn, ihrer huschenden hungrigen Augen, ihrerfrüh schon scharfen Züge. (Wolf, S. 10) Die Einbettung eines Satzes in einen anderen erschwert insofern die Interpretation, als sie ein größeres „Operationsgedächtnis“ verlangt: Er begreift, daß ich treu bin, wenn ich liebe, und selbstlos, und er nützt es aus, und ich muß ihn dafür um so mehr lieben. (Wolf, S. 15) An beinahe jedem Punkt der Aussage kann eine Parenthese eingefuhrt werden. Sie bedeutet immer, trotz ihres kommentierenden Charakters, eine zusätzliche interpretatorische Aufgabe für den Textrezipienten. In jedem Fall muss eine größere Spannung bewältigt werden. Nach dem, wie ich mich heute noch erinnere, schmackhaften Essen - Matzerath kochte selbst als Witwer leidenschaftlich und vorzüglich legte sich der müde Sammler auf die Chaislongue, um ein Nickerchen zu machen. (Grass, S. 170) Jeder Organisator kann um seinen textwortklassenspezifischen Kommentierungsbereich erweitert werden. Hier muss man aber verschiedene Stufen der interpretatorischen Schwierigkeit unterscheiden. So kann man annehmen, dass Nomina im Genitiv, die den Kommentierungsbereich besetzen, kaum als Störung betrachtet werden (dies ist wohl die typischste Form der Attribuierung des Nomens im Kommentierungsbereich), während Appositionen, Partizipial-, Infinitivphrasen oder Teilsätze oft die gesamte Konstruktion unüberschaubar machen. Nicht jede lange Signalfolge verbindet sich automatisch mit interpretatorischen Problemen. Es kommt nicht auf die Länge an, sondern vielmehr auf die Art und Weise, wie sich die Textweichen verteilen. <?page no="186"?> 186 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 5. Schlussbemerkungen 5.1 Zur Tragfähigkeit des Modells Das Anliegen dieser Arbeit lag darin, Möglichkeiten und Begrenzungen einer analytischen Untersuchungsprozedur aufzuzeigen, nach der schriftsprachliche Texte der deutschen Gegenwartssprache unter einem neuen Aspekt im qualifizierten Grammatikunterricht morphosyntaktisch und funktional analysiert werden können. Es wurde gezeigt, dass der Text, analytisch gesehen, ein vielschichtiges Gebilde ist. Seine Schichten wirken beim Kommunikationsvollzug zusammen, indem sie sich systemkonform durchdringen, ergänzen und unterstützen. In der Kookkurrenzanalyse wird dem Postulat Rechnung getragen, dass eine linguistische Analyse den Beitrag jeder Schicht zur endgültigen Ausgestaltung des Textes erklären soll. Die Kookkurrenzanalyse ging von der Beschreibung formaler Signalkonfigurationen aus, die materielle, intersubjektiv wahrnehmbare Träger der zu vermittelnden Botschaft sind. Ermittelt wurden charakteristische Signalgruppen, deren Zusammengehörigkeit nach dem Kriterium des gemeinsamen regulären Vorkommens bewiesen werden konnte. Die fortlaufenden Texte werden vom ersten Signal beginnend kontinuierlich auf empirisch gewonnene formale Muster projiziert, in denen sprachtypische Konstellationen von Sprachsignalen abgebildet werden. In den Schemata spiegeln sich die Prinzipien der Organisation, Akkommodation und Spezifizierung von Einheiten unterschiedlichen Umfangs und unterschiedlicher Komplexität wider. Markiert werden die Stellen, in denen diese Einheiten additiv oder durch Einbettung zu immer komplexeren Einheiten ausgebaut werden. Verwiesen wird auf Anschlüsse und andere Textweichen, die für den Zusammenhalt von phrasenübergreifenden Strukturen verantwortlich sind. Die Schwierigkeiten oder sogar die Unmöglichkeit, die jeweils analysierte Textpassage den ineinander gehenden formalen Mustern zuzuordnen, die in der Arbeit einen Rastercharakter haben, kann prinzipiell zwei Ursachen haben. Entweder liegt im gegebenen Fall ein seltenes Muster vor, das im Beschreibungsinstrumentarium nicht berücksichtigt worden ist, oder das jeweilige Textflagment weist Besonderheiten auf, die noch zusätzlich interpretiert werden müssen. Im ersten Fall muss der Analytiker entscheiden, ob das im Hinblick auf die darin bestehenden Zusammenhänge zu interpretierende Textfragment in den Bestand repräsentativer Muster der deutschen Sprache aufgenommen werden soll. Wird dies bejaht, stößt der Grammatiker auf keine <?page no="187"?> Schlussbemerkungen 187 Schwierigkeiten, das fehlende Muster in Anlehnung an die bereits vorhandenen zu bearbeiten. Im zweiten Fall liegen dem Unvermögen, den Text auf Musterdarstellungen zu projizieren, meist besondere stilistische Merkmale, oder eine Fehlleistung des Autors zu Grunde. Im Unterschied zu den Formalismen generativer Modelle, die prinzipiell Verhältnisse zwischen Einheiten in geschlossenen Strukturen (meist: einfacher Satz, Nominalphrase) veranschaulichen, kann die Kookkurrenzanalyse mit ihrem Apparat alle konfigurationellen Varietäten der deutschen Sprache beschreiben. Interpretierbar sind sogar aus dem breiteren Kontext herausgelöste Textpassagen, wie etwa und als er darauf die das Interesse „hierarchisierender“ (generativer und dependentieller) Modelle kaum noch wecken. Die am Anfang gemachte Voraussetzung, jeweils ein fertiges, in Schrift fixiertes „Stück Text“ zu analysieren, bringt viele Vorteile mit sich. In einer „Grammatik Vorgefundener Sprachzustände“ entfallen viele Fragestellungen, die in den „Grammatiken möglicher Strukturen“ immer eine wichtige Rolle gespielt haben. So dürfen beispielsweise die Fragen nach der Obligatheit oder Fakultativität bestimmter Spracherscheinungen (Ergänzungen, Korrelate), nach der Übereinstimmung der jeweiligen Folge mit der kanonischen Wortfolge, nach dem Transformationspotential der untersuchten Texteinheit oder nach ihren Ersatzmöglichkeiten durch Prowörter schlicht übergangen werden. Der Analytiker bezieht sich auf direkt Nachprüfbares und muss nicht über potenzielle Strukturen nachdenken. Dies darf selbstverständlich nicht so verstanden werden, als wollte man diesen traditionellen Fragestellungen ihren erkenntnis-theoretischen Wert absprechen. Es wird jedoch gezeigt, dass neue linguistisch relevante Daten gewonnen werden können, wenn man die Schranken des traditionellen Interpretationskanons verlässt. 5.2 Didaktische Implikationen Der künftige Philologe muss lernen, Elemente der Makro- und der Mikrostruktur des Textes zu erkennen und zu interpretieren. Er muss lernen, von der Ebene des übergreifenden Textablaufschemas über die Gliederung und Anordnung der Textfragmente, Vor- und Rückverweise, Ankündigungen von Haupt- und Teilthemen (vgl. Gläser 1993, S. 22) zur morphosyntaktischen Ebene analytisch herabzusteigen, in der einzelne Signale zu kommunikationsrelevanten Signalfolgen nach sprachintemen Plänen konfiguriert werden. <?page no="188"?> 188 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Die Analyse der Zusammenhänge im Text kann „von oben nach unten“ oder „von unten nach oben“ geführt werden. Beide Richtungen sind, didaktisch gesehen, gleich wichtig, denn sie erhellen verschiedene Aspekte der Sprachanwendung. Bei der Analyse „von oben nach unten“ wird von der Ermittlung der inhaltlichen Relationen im Text ausgegangen. Es werden Fragen gestellt, die die Aussageachse, ihre Komplementierung, Lokation und Attribution betreffen. In Textabschnitten mit absteigender Komplexität wird nach ihren Organisatoren und deren Akkommodanten und Spezifikatoren gesucht. In der Analyse „von unten nach oben“ wird von einer linearen Anordnung von Textwörtem ausgegangen, in denen Hypothesen möglich sind, was auf die bereits ermittelte Signalsequenz folgt. In den Vordergrund rücken die Fragen der Vorhersage wahrscheinlicher Textentwicklungen und ihrer Verlässlichkeit. Ermittelt werden Indikatoren der inter- und extratextualen Bezüge. Die Kookkurrenzanalyse will ihren Anwender zu einer vertieften Reflexion über die Sprache anhalten, die bei den Konfigurationen von Sprachsignalen ansetzt, zwischen denen Kookkurrenzbeziehungen auftreten. Je nach den aktuellen Analysezielen können Heuristiken, verstanden als Mengen von Regeln, konstruiert werden, die dem Analytiker erlauben, Problemdomänen nach Problemlösungen zu durchsuchen (vgl. Kertesz 1995, S. 61). Der Analysebereich kann in Abhängigkeit davon differenziert werden, wie weit die Anwender in der grammatischen Analyse bewandert sind. Für Fortgeschrittene empfiehlt sich die Untersuchung fortlaufender Texte. Dies erfordert die Kenntnis des gesamten terminologischen Apparats und des ihm zu Grunde liegenden Regelwerks. Die Anfänger (aber auch die an speziellen Fragen interessierten Analytiker) können einzelne Bereiche als Untersuchungsgegenstand wählen und darin forschen. Die Kookkurrenzanalyse ist gut geeignet, die Übergänge zwischen einzelnen Bereichen zu erhellen. Ein (beschränkter) Katalog der Problemstellungen, auf die man im Grammatikunterricht eingehen kann, könnte (in lockerer Anordnung) etwa so aussehen: - Wodurch ist die Wahl des Initialwortes bedingt? Anschluss an die rechts zu erwartende Konstruktion? Einbettung in den inhaltlichen Rahmen des vorigen Fragments? Gibt es vielleicht andere Gründe? Welche? Pragmatische? Semantische? Formale? Noch andere? Kann das Initialwort auch am absoluten Anfang stehen? <?page no="189"?> Schlussbemerkungen 189 Was wird an was angeschlossen? Was zählt als Verbindungswort? Ist die Verbindung semantisch interpretierbar? Wie? Ist sie symmetrisch? Was organisiert die Signale zu einer kohärenten Texteinheit? Was wird organisiert? Wo liegen die Grenzen der Texteinheit? Gibt es in der Konstruktion eingebettete Einheiten, die nicht zum Einflussbereich des Organisators gehören? Welche Rolle spielen sie im Hinblick auf die gesamte Konstruktion? Was akkommodiert? Was erzwingt die Akkommodation? Mit welchen morphologischen Mitteln kommt die Akkommodation zu Stande? Ist die Struktur der Folge aus der Perspektive der bisher analysierten Einheiten rekonstruierbar? Wie verlässlich? Mit welchen Verzweigungen muss man noch rechnen? Welche Elemente sind noch notwendig, um die Struktur der Folge zu rekonstruieren. Welche Elemente stehen im Verhältnis der Komplementierung zur Aussageachse? Welche im Verhältnis der Lokation? Welche im Verhältnis der Attribuierung zu den früher genannten Elementen? Auf welcher Ebene sind die Partner einer Kookkurrenzbeziehung verbunden? Formal? Inhaltlich? Formal und inhaltlich? Was kann in der gegebenen Folge eliminiert werden? Was geht dabei verloren (Inhaltlich? Grammatisch? ) Was gehört zum unantastbaren Gerüst der gesamten Konstruktion? Wie sind die Spannungsverhältnisse in der analysierten Folge? Neutral? Gibt es übermäßig lange Antizipationslinien? Wie kann man in der gegebenen Konstruktion die Spannung vergrößern? Wie kann man sie vermindern? Was wird dadurch erreicht? Welche Einheiten in der analysierten Folge können um einen Kommentar ausgebaut werden? Inwiefern erschwert der Kommentar die Interpretierbarkeit des Fragments? Wo bewirkt er keine Interpretationsprobleme? Wohin kann in der analysierten Folge eine Parenthese einsetzt werden, um den Kommunikationsablauf nicht zu stören? Wo bewirkt eine Parenthese die größten Interpretationsprobleme? <?page no="190"?> 190 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache - Wo kann das Aflektiv nicht stehen? In welcher Funktion tritt es dann auf? Aflektiv zur Verbalphrase? Zum Aflektiv? Zum Nomen/ Pronomen? Das Frageninventar kann selbstverständlich den aktuellen Analysebedürfhissen angepasst werden, indem es ausgebaut, umformuliert oder reduziert wird. Ein Vorteil der vorgeschlagenen analytischen Prozedur liegt in ihrer Modularität. Sie ist ein Analyseprogramm, dessen Schritte auch ohne feste Abfolge durchgefuhrt werden können. Die Kookkurrenzanalyse hat sich nie als Ersatz für formal-logische Modelle begriffen, vielmehr als deren Einführung und Pendant. Zu interessanten Erkenntnissen führt eben eine Zusammenstellung der Daten, die durch die Kookkurrenzanalyse vorsortiert wurden, mit den Beschreibungskategorien der traditionellen Modelle. In solch einer Zusammenstellung offenbaren sich Vorteile der Kookkurrenzanalyse: ihre Einfachheit und Übersichtlichkeit und schließlich die Erkenntnis, dass viele neue Tatsachen genauer erkannt werden, dass es zuweilen notwendig ist, den Rahmen etablierter Modelle zu verlassen, um im Vertrauten Neues wahrzunehmen. 5.3 Ausblick Der Wert wissenschaftlicher Theorien wird daran gemessen, in welchem Grad sie Regularitäten entdecken und Zusammenhänge offen legen sowie mit welcher Verlässlichkeit sie bestimmte Entwicklungen im untersuchten Bereich vorauszusehen vermögen. Die Kookkurrenzanalyse versteht sich als Untersuchungsverfahren, das den Grund für eine Kookkurrenzgrammatik des Deutschen vorbereitet, indem es empirische Daten sammelt und mit Hilfe handwerklicher Analysen deutscher Texte sein Instrumentarium schärft. In dieser Phase erweist sich eine Verkopplung der vorgeschlagenen Prozedur mit den Fragestellungen, die für die Didaktik des philologischen Grammatikunterrichts für Auslandsgermanisten von großer Relevanz sind, in vielerlei Hinsicht als gelungen. Die Profite davon hat der Sprachtheoretiker, der sofort eine Rückkopplung zwischen seinem im Entstehen begriffenen Modell und dessen praktischer Umsetzung beobachtet. Auch der künftige Philologe kann davon profitieren, weil er anders als bisher gefordert wird. An Stelle einer „benennenden Rekonstruktion der Hierarchien“, die sich zugespitzt gesagt in der Erörterung der Frage erschöpft, wie das jeweilige Wort „heißt“ und ob es „einen Strich höher“ oder „einen tiefer“ im Strukturbaum zu platzieren ist, wird der Adept der Linguistik aufgefordert, die Signalfolgen im Hinblick auf die dort bestehenden, definierbaren Bezüge <?page no="191"?> Schlussbemerkungen 191 unter einem neuen Blickwinkel zu analysieren. Ohne das untersuchte Textfragment zu verlassen, kann er dabei von der Perspektive des Textproduzenten zur Perspektive des Textrezipienten und umgekehrt wechseln. Die hier gewonnenen Einsichten und Erkenntnisse sind ein Fundament, auf dem bei der späteren Auseinandersetzung mit sprachwissenschaftlichen Theorien aufgebaut werden kann. Die Erkenntnis der Regularitäten in der Linguistik hat wohlgemerkt eine andere Dimension als in der Didaktik. In der Didaktik geht es in erster Linie darum, intuitiv gewusste oder geahnte „so-ist-es! “-Tatsachen durch die Auseinandersetzung mit dem Text zu bestätigen und die mentalen Zugangswege zu solchen Erkenntnissen zu ebnen. Den Linguisten interessiert vielmehr die Frage nach dem Warum für „so-ist-es! “-Sprachfakten. Hinterfragt werden Mechanismen in der Sprache, die bestimmte Sprachprozesse steuern. Die Kookkurrenzanalyse verlagert ihren Schwerpunkt bewusst in den didaktischen Bereich. Solch ein Schritt wirft einige Entscheidungen auf und hat einige Konsequenzen zur Folge. So geht es weniger darum, die Textentwicklung vom ersten bis zum Endsignal vorauszusehen, um den besten von den möglichen Pfaden beim Übergang von einem Knoten zum anderen zu finden. Solch eine Aufgabe kann heutzutage in wenigen Millisekunden mit Hilfe von Computerparsern gelöst werden. Es geht hier vielmehr um das Gedankengut, das in einer philologisch vertieften Reflexion über die einzelnen Entscheidungen involviert wird. Indem über Alternativen und über ihre Usualität in der angenommenen Textentwicklung diskutiert wird, um durch eine systematische Untersuchung Texte als Resultate der Sprachhandlungen zu erklären, gelangt man zu linguistisch relevanten Verallgemeinerungen, die, nicht mehr auf Einzelbeispiele, sondern auf Klassen bezogen, Bausteine einer sprachwissenschaftlichen Theorie werden können. <?page no="192"?> 192 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 6. Literatur Das Verzeichnis enthält nur die im Text und in den Fußnoten erwähnten bzw. zitierten Werke. Abramov, Boris (1971): Zur Paradigmatik und Syntagmatik der syntaktischen Potenzen. In: Helbig (Hg.), S. 51-66. Abramov, Boris (1988): Zu einigen Problemen der Valenztheorie. In: Helbig (Hg.), S. 85- 104. Ägel, Vilmos (1997): Ist der Gegenstand der Sprachwissenschaft die Sprache? 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Schlüsselkategorien im Überblick Addition Aflektiv Aflektiv als Anschlusswort Aflektiv zum Vorderglied Aflektiv zum Hinterglied Aflektiv zur Verbalphrase Prozedur, die zum Phrasenausbau fuhrt. Im -» Kommentierungsbereich des jeweiligen Phrasenorganisators werden neue Elemente eingefugt: Organisator + Elementi + ... Element" (siehe dazu 3.2.1). Vgl. auch -» Einbettung. Unveränderliches Textwort, Oberbegriff für -> Aflektiv für Verbalphrase, —» Aflektive zum Vorderglied, —» Aflektive zum Hinterglied (siehe 2.2.12) und —> Aflektive als Anschlusswort (siehe 4.1.2). Nicht phrasenbildendes Aflektiv mit der Funktion, Phrasenkonfigurationen, Phrasen oder Phrasenelemente zu verbinden (4.1.2). Oberbegriff für —» Satzverbindungswörter, —» Phrasenverbindungswörter und —> Phrasenteilverbindungswörter (siehe 4.1.2). Aflektiv, das sich als -> Spezifikator auf das vorangehende Element (-> Nomen, -» Pronomen, —> Flektiv, —> Aflektiv, —> Präpositionalphrase) bezieht (siehe 2.2.12). Aflektiv, das sich als -» Spezifikator auf das nachfolgende Element (-» Nomen, -> Pronomen, —» Flektiv, -> Aflektiv, —> Präpositionalphrase) bezieht (siehe 2.2.12). Spezifikator der -> Verbalphrase, ggf. auch -> Inifinitiv oder -» Partizipialphrase; platziert die genannten Phrasen in den temporalen, kausalen, modalen oder lokalen Rahmen der Äußerung (siehe 2.2.12). Aflektivphrase -» Phrase, deren ist (siehe 3.7). Organisator ein -» Aflektiv Akkommodant —» Flektiv, das inhaltlich auf den -» Organisator bezogen ist und das sich ihm formal anpasst (siehe 2.22.2). <?page no="207"?> Schlüsselkategorien im Überblick 207 Ankündigungsbereich Anfang, absoluter Einbettung Einbettungswort Flektiv Flektivi Flektiv 2 Flektiv als Anschlusswort Topologischer Bereich der —» Phrase, der links vor dem —> Organisator liegt (siehe 2.3). Das erste Signal oder die erste Signalsequenz des Gesamttextes oder des Absatzes (siehe 4.1.4). Prozedur, die zum Phrasenausbau fuhrt. In den -> Ankündigungsbereich eines Organisators wird eine andere Phrase eingebaut, (siehe 3.2.1). Vgl. auch Addition. Aflektiv; steht immer am Anfang einer mehrgliedrigen -> averbalen Phrasenkonfiguration oder am —» Zwischenanfang eines Satzes und bezieht sich immer auf das vorangehende Fragment (siehe 4.1.2). Veränderliches Textwort; Oberbegriff für —» Flektivei, —» Flektive 2 (siehe 2.2.7) und —> Flektive als Anschlusswort (siehe 4.1.2). Subklasse der Flektive im engeren Sinne; mit Flexionsforderung bezüglich nachfolgender —> Akkommodanten. Flektivei sind z.B. der, die, das, ein, eine, mein, dem, dieser, jener, alle u.a. (siehe 2.2.7). Subklasse der Flektive im engeren Sinne; ohne Flexionsforderung bezüglich nachfolgender —» Akkommodanten. Flektive 2 sind z.B. mehrere, viele, gutes, schöne, hohem, freundlichen (siehe 2.2.7). -» Flektiv, das eine Verbindung mit dem vorangehenden Textfragment herstellt und im Hinblick auf das nachfolgende -» Verb bzw. den —> Infinitiv oder das —» Partizip akkommodiert (siehe 4.1.2). <?page no="208"?> 208 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Funktor Funktorenregel Grammatikwort Hauptorganisator Infinitiv Infinitivphrase Initialphrase Initialwort Kommentierungsbereich Kookkurrenz —» Textwort, das, obwohl kein selbstständiger Organisator, die Anordnung und/ oder die morphosyntaktische Form anderer Textwörter beeinflusst. Oberbegriff für -» Flektivei als —» Akkommodanten des nominalen —» Organisators, für -» Präpositionen und für Aflektive als Anschlusswörter (siehe 4.1.3). Folgen zwei Funktoren adjazent aufeinander, so bildet der erste Funktor mit seinem Kookkurrenzpartner einen Rahmen, in den der zweite Funktor mit seinem Kookkurrenzpartner eingebettet ist (siehe 4.1.3). Gedankliches Konstrukt, Verallgemeinerung paradigmatischer, distributioneller und semantischer Klasseneigenschaften von -> Textwörtern (siehe 2.2). -> Organisator, der mehrere Phrasen zu einer -> Phrasenkonfiguration verbindet (siehe 4.1.1). Aflektiv, das auf -(e)n endet und mit den Verben muss, soll, mag, kann, darf, will (und ihren anderen Konjugationsformen), kaum aber mit der Präteritalform wurde eine Verbalphrase bilden kann (siehe 2.2.8). -> Phrase, deren —) ■ Organisator ein -> Infinitiv ist (siehe 3.5). Die erste -» Phrase in der Folge (siehe 4.1.4). Das erste Signal in der Folge (siehe 4.1.4). Topologischer Bereich der -> Phrase, der rechts vom —» Organisator liegt (siehe 2.3). Im allgemeinen Sinne: Koinzidenz sprachlicher Signale im Text; in der vorliegenden Arbeit wird der Terminus „Kookkurrenz“ auf regulär wiederkehrende Konfigurationen von Signalen bezogen (siehe 2.1). <?page no="209"?> Schlüsselkategorien im Überblick 209 Kookkurrenzanalyse Kookkurrenzpaar Kookkurrenzparadigma Korrelat Nomen Nominalphrase Organisator Partizip Analytisches Verfahren, in dem der Text im Hinblick auf die dort auftretenden -> Kookkurrenzen untersucht wird. Zwei Signale (-» Vorderglied und —» Hinterglied), zwischen denen eine -> Kookkurrenz feststellbar ist; eine der möglichen Optionen im -» Kookkurrenzparadigma (siehe 2.1). Menge der aus der Perspektive des -> Vordergliedes zu erwartenden Optionen (—» Kookkurrenzpaare) (siehe 2.1). Inhaltsarmes Wort, das mit einem anderen Element (Wort, Phrase, Phrasenkonfiguration) in einer wechselseitigen Beziehung steht, in der sie erst ihren Sinn erhält. Das Korrelat deutet kataphorisch oder (seltener) anaphorisch auf vollbedeutende Elemente hin, mit denen es eine Spannungsklammer bildet (siehe 4.1.2). -* Flektiv (im weiteren Sinn), das dem/ den vorangehenden —> Akkommodanten (-» Flektivi oder -» Flektiv 2 ) die Genuskongruenz aufzwingt. (siehe 2.2.5). -> Phrase, deren -» Organisator ein -» Nomen ist (siehe 3.2). -» Textwort mit der Funktion, andere Textwörter zu einer höheren Texteinheit (—» Phrase, —» Phrasenkonfiguration) zusammenzufugen. Der Organisator bildet dann eine Dominante, die durch die übrigen Textwörter präzisiert wird. Der Organisator ist das einzige absolute Element in der jeweiligen Phrase, die anderen Elemente (—>• Akkommodanten, —» Spezifikatoren) sind relativ, d.h. sie werden durch den Bezug auf ihren jeweiligen Organisator definiert (siehe 2.2.2.1). Oberbegriff für —> Partizip i und -» Partizip 2 (siehe 2.2.9). <?page no="210"?> 210 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Partizip i Partizip 2 Partizipialphrase Phrase Phrasenkonfiguration Phrasenkonfiguration, averbale -» Aflektiv, das auf -nd endet und das kontextbedingt mit ist/ war und wirdAvurde, kaum aber mit hat/ hatte und muss, soll, mag, kann, darf, will eine Verbalphrase konstituieren kann. Es erfüllt die sematische Bedingung: ‘Die Bezugsgröße (Nomen/ Pronomen) ist Agens der durch das untersuchte Element bezeichneten Tätigkeit oder Zustandsträger der dadurch bezeichneten Lage’ (siehe 2.2.9). Aflektiv, das auf -t/ -en endet und das optional mit hat/ hatte, ist/ war, wirdAvurde, kaum aber (ohne Infinitiv) mit muss, soll, mag, kann, darf, will eine Verbalphrase bilden kann. Die semantische Bedingung für das Partizip 2 lautet: ‘Es wird die durch das betreffende Textwort bezeichnete Tätigkeit ausgefuhrt oder der dadurch bezeichnete Zustand tritt ein’ (siehe 2.2.9). —> Phrase, deren Organisator ein —» Partizip ist (siehe 3.5). Abschnitt in der Signalfolge, in dem einem —> Textwort der Status des -» Organisators zuerkannt werden kann (siehe 2.2.3). Konstruktion, die sich aus mehreren Phrasen zusammensetzt, die durch -» Addition oder -* Einbettung im Einflussbereich des -» Hauptorganisators entsteht (siehe 4 1.1). -» Phrasenkonfiguration, deren —> Hauptorganisator kein -> Verb ist (siehe 4.1.1). Phrasenteilverbindungswort -» Aflektiv als Anschlusswort, das Elemente innerhalb einer Phrase verbindet (siehe 4.1.2). Phrasenverbindungwort -> Aflektiv als Anschlusswort, das Phrasen verbindet (siehe 4.1.2). Präposition Aflektiv, das mit einem -> Nomen, -> Pronomen, (seltener) -> Aflektiv und (sporadisch) -» Flektiv eine interdependente Struktureinheit bilden: die Phrase kann weder auf Präposition noch auf —» Nomen, —> Pronomen, —» Aflektiv bzw. —» Flektiv reduziert werden (siehe 2.2.10). <?page no="211"?> Schlüsselkategorien im Überblick 211 Präpositionalphrase Postposition Postpositionalphrase Pronomen Pronominalphrase Satz Satzverbindungwort Spannung Spezifikator Teilsatz -> Phrase, deren -> Organisator eine Präposition ist (siehe 3.6). —» Aflektiv, Bestandteil einer interdependenten Konstruktion, in der es dem Nomen/ Pronomen nachgestellt wird. Postpositionen sind u.a. halber, zuliebe, zuwider (siehe 2.2.10). —» Phrase, deren -» Organisator eine —» Postposition ist (siehe 3.6). -» Flektiv, das nicht als -» Akkommodant zum -> Nomen treten kann (siehe 2.2.6). —» Phrase, deren —» Organisator ein —> Pronomen ist (siehe 3.3). In der vorliegenden Arbeit: Phrasenkonfiguration, die 1) mindestens eine Verbalphrase enthält, 2) einen Absatz beginnt und mit einem der Interpunktionszeichen (.), (! ) oder (? ) endet bzw. 3) zwischen (.), (! ) oder (? ) des vorangehenden Textffagments steht und selbst mit (.), (! ) oder (? ) (siehe 4.1.1) endet. —> Aflektiv als Anschlusswort, das Sätze verbindet (siehe 4.1.2). Maß dafür, wie das Kontextgedächtnis bei der Textinterpretation beansprucht wird (4.3.4). Formal nicht anpassungsfähiges Wort, das im gegebenen Kontext den -> Organisator (und ggf. seinen —> Akkommodanten, falls dieser vorhanden ist) ankündigt oder kommentiert (siehe 2.2.2.3). Jeder Satzabschnitt (-» Satz), dessen Organisator eine Verbalphrase ist (siehe 4.1.1). <?page no="212"?> 212 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Text Textwort Verb Verbalphrase Verbzusatz System narrativer Strukturen, die nach einem sprachspezifischen Ablaufprogramm ineinander greifen; eine sinnvolle Verknüpfung der Sprachsignale in linearer Abfolge; die einzige intersubjektive Erscheinungsform der Sprache (siehe 1.3.1; 1.3.2). Wortform, so wie sie im —> Text erscheint (im Gegensatz zum -> Grammatikwort) (siehe 2.2). —» Textwort, das man ausgehend von seiner Form als Präsens, Präteritum, Konjunktiv I, Konjunktiv II oder als Imperativ einstufen kann (siehe 2.2.4). -» Phrase, deren -» Organisator ein —» Verb ist (siehe 3.1). Textwort, diskontinuierlich auftretender Bestandteil des —» Verbs, der nicht als selbstständiger -» Organisator gelten kann und der in Konfiguration mit muss, soll, mag, kann, darf, will, hat/ hatte, wird/ wurde oder ist/ war meist als Bestandteil des -» Infinitivs oder des —> Partizips erscheint (siehe 2.2.11). Zwischenanfang Jeder nicht -> absolute Anfang einer Signalsequenz (siehe 4.1.4). <?page no="213"?> Schlüsselkategorien im Überblick 213 8. Anhang: Auswertung des Modells Im Folgenden wird ein Versuch unternommen, die Prinzipien der Kookkurrenzanalyse mit Hilfe von ausgewählten Textfragmenten auszuwerten. Es wird gezeigt, dass man zu linguistisch relevanten Erkenntnissen auch dann kommen kann, wenn man mit einem wesentlich reduzierten terminologischen Apparat arbeitet und dass manche altvertrauten Erscheinungen im neuen Zusammenhang gesehen werden, sobald man nur die traditionellen Interpretationsformen und -formein verlässt. Diese können so im Nachhinein auf den kookkurrenziell interpretierten Text effektiver angewendet werden. Als Untersuchungsobjekte wurden das Anfangsfragment des Dramas „Davor“ von Günter Grass und ein Textauschnitt aus Noam Chomskys Buch „Regeln und Repräsentationen“ (in der Übersetzung von Helen Leuninger) gewählt. Der Grass-Text enthält zwei deutlich abgrenzbare Teilbereiche: Regieanweisungen, die aus sieben einfachen und para- und hypotaktisch zusammengesetzten Sätzen bestehen, und einer dialogischen Textpassage mit achtmaligem Sprecher-Hörer-Rollenwechsel. Der Chomsky-Text besteht aus zwei aufeinander folgenden Satzperioden, deren Entschlüsselung in einem Arbeitsgang wegen der Länge und nicht immer klarer Zusammenhänge nicht möglich ist. Die Interpretation erfordert mehrere Zugriffe auf bereits Gelesenes, wonach dann das nächste Textstück verarbeitet werden kann. Durch die Kontrastierung der Textfragmente, die thematisch, stilistisch und im Hinblick auf die innere Textspannung deutlich differieren, können die Prinzipien der Kookkurrenzanalyse in praxi exemplifiziert und ihr Wert unter Beweis gestellt werden. Die beiden zu untersuchenden Texte werden im Folgenden in extenso angeführt. Textausschnitt 1: Die offene Bühne zeigt alle Schauplätze gleichzeitig. Niveauunterschiede grenzen die Schauplätze voneinander ab. Stellwände ermöglichen Auftritte und Abgänge. Auf Wunsch des Autors verzichten alle Regisseure auf Filmeinblendungen, kabarettistische Einlagen und zusätzliche Massenszenen, die etwas demonstrieren sollen, das der Autor nicht demonstrieren will. Das Requisit wird sparsam verwendet und macht dem Spiel Platz. Die Stillage des Dialoges wech- <?page no="214"?> 214 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache seit; er ist direkt, indirekt, trotz Partner partnerlos, er wird nahbei oder über Distanzen geführt. Die Wirklichkeit ist die Wirklichkeit der Bühne. Starusch Im Zahnarztstuhl: Sagen Sie, Dokter, was halten Sie eigentlich vom Rätesystem? Zahnarzt neben dem Stuhl: Uns fehlt eine weltweite und sozial integrierende Krankenfürsorge. - Bitte, noch einmal spülen. Starusch nimmt das Glas: Aber in welchem System soll ihre Krankenfürsorge ... Zahnarzt Sie soll anstelle aller bisherigen Systeme ... Starusch Aber ist Ihre Krankenfürsorge nicht auch ein System. Er spült. Zahnarzt Die globale Krankenfürsorge ist, abseits jeder Ideologie, Basis und Überbau unserer menschlichen Gesellschaft. Starusch Aber eine Krankenfürsorge ist nurfür kranke Menschen. Zahnarzt Bitte, zwischendurch spülen. - Alle sind krank, waren krank, werden krank, sterben. (G. Grass: Davor, S. 325. In: Grass: Theaterspiele) Textauschnitt 2: Können wir hoffen, unter die Oberfläche zu gelangen, wenn wir uns bereit erklären, vielleicht weitreichende Idealisierungen vorzunehmen und abstrakte Modelle zu erstellen, die als aufschlußreicher angesehen werden als die alltägliche Welt unserer Sinneseindrücke, und wenn wir entsprechend bereit sind, unerklärte Phänomene oder sogar bislang unerklärte Evidenz gegen theoretische Konstruktionen zu tolerieren, die für einen begrenzten Bereich einen gewissen Grad an Erklärungsstärke erreicht haben, ganz ähnlich, wie Galilei sein Unternehmen nicht abgebrochen hat, weil er keine kohärente Erklärungfür die Tatsache liefern konnte, daß Gegenstände nicht einfach von der Erdoberfläche wegfliegen. Möglicherweise stellt sich ein solcher Zugang als zu begrenzt heraus, entweder wegen der Beschaffenheit seines Gegenstandes oder wegen der Beschaffenheit jener Komponenten der menschlichen Intelligenz, die dem zugrundeliegenden, was manchmal irreführend „die wissenschaftliche Methode“ genannt wird <?page no="215"?> Anhang: Auswertung des Modells 215 es gibt nämlich in keinem brauchbaren Sinne dieses Ausdrucks eine bekannte Methode der Forschung doch gibt es keinen Grund, hier unnötig pessimistisch zu sein. (N. Chomsky: Regeln und Repräsentationen, S. 17) Der Analytiker kann bei der Suche nach der optimalen Methode, den Text zu untersuchen, zwischen mehreren Optionen wählen. Um die Skala der Möglichkeiten zumindest anzudeuten, wird jeder Text unter einem jeweils etwas anderen Blickwinkel analysiert. Die Regieanweisungen von Grass werden in erster Linie formal, „von unten nach oben“ untersucht. Der dialogische Textausschnitt aus seinem Drama wird zunächst in der Perspektive „von oben nach unten“ im Hinblick auf die Aussageachsen und Elemente analysiert, die den Schichten der Komplementierung, der Lokation und der Attribution angehören. Bei der Analyse des Textes von Chomsky werden beide Prozeduren, „von oben nach unten“ und „von unten nach oben“, bei der Untersuchung abwechselnd eingesetzt. Die Kookkurrenzanalyse fuhrt zu positiven Resultaten, wenn folgende Bedingungen erfüllt werden: 1) dass die Prinzipien der Textwortabgrenzung bekannt sind; 2) dass eine terminologische Klarheit über die grundlegenden Einheiten erzielt wird 3) dass der Text für den Analytiker verständlich ist. Es sei dabei an drei Vorannahmen der Kookkurrenzanalyse erinnert: 1) dass der Adressat ein Auslandsgermanist ist, der sprachlich ausreichend fortgeschritten ist, um die zu analysierenden Texte zu verstehen, 2) dass man ihm eine gewisse Geläufigkeit in der Anwendung gewisser mentaler Prozeduren (Synthese, Analyse, Schlussfolgern) sowie im Umgang mit Lexika, Grammatiken und sonstigen Nachschlagewerken zumuten kann, 3) dass die Kookkurrenzanalyse ein analytisches Verfahren und keine Grammatik ist und demzufolge keine exhaustive Sprachbeschreibung liefert. Ihre Einsichten vervollständigen jedoch die Erkenntnisse traditioneller grammatischer Modelle. <?page no="216"?> 216 Kookkurrenzcmalyse der deutschen Gegenwartssprache Die Beschreibung wird aus der Perspektive eines erfahrenen Analytikers durchgefuhrt. Die einzelnen Analyseschritte werden nummeriert. So kann auf diejenigen Daten, die sich wiederholen oder ergänzen, leichter verwiesen werden. Schritt I: Initialbereich In den Initialbereichen einzelner Äußerungen im analysierten Textfragment stehen folgende Phrasen (Initialphrasen) a) Die offene Bühne ... (absoluter Anfang) b) Stellwände... c) Niveau-Unterschiede ... d) Auf Wunsch ... e) Das Requisit... f) Die Stillage ... g) Die Wirklichkeit... Initialphrasen sind einfache (vgl. b, c) oder mehrgliedrige (vgl. a, e, f, g) Nominalphrasen mit wenig differenzierter Struktur Flektivi + Nomen (vgl. e, f, g) oder Flektivz + Nomen (vgl. a). d ist eine Präpositional-Nominalphrase. Mögliche Nachfolgeelemente sind Verben, Kommentare oder Parenthesen. Schritt II: Postinitialbereich Die Äußerungen werden wie folgt fortgesetzt: a) zeigt b) grenzen c) ermöglichen d) des Autors e) wird f) des Dialogs g) ist In a, b, c, e, und g wird durch die Okkurrenz des Verbs die Grenze der Initialphrase eindeutig markiert. In d und f sind die beiden zweigliedrigen Nominal- <?page no="217"?> Anhang: Auswertung des Modells 217 phrasen mit der Struktur Flektivi + Nomen als Kommentare der vorangehenden Nomina zu verstehen. Das nachfolgende Element kann in diesen Fällen ein Verb oder ein weiteres, additiv angeschlossenes Element im Kommentierungsbereich der Nomina Autors und Dialogs sein. Die Verbalphrasen in a, b und c können im Einklang mit den Optionen ausgebaut werden, die für das Nest „Verb“ (Schema 12) beschrieben wurden. Die Verben in e und g sind Vorderglieder der Nester, die als ist und wird (Schema 13, Schema 18) dargestellt wurden. In c, e und g kann schon jetzt die Kookkurrenzmöglichkeit mit einem Verbzusatz ausgeschlossen werden: die meisten mit erpräfigierten Verben, daher auch ermöglichen, können nicht mehr weiter präfigiert werden, 152 ähnlich wie wird und ist. Schritt III: a) alle Schauplätze b) die Schauplätze c) Auftritte d) verzichten e) sparsam f) wechselt; g) die Wirklichkeit In a, b, c und g vereindeutigen die Nominalphrasen, die als Hinterglieder in Kookkurrenzpaaren mit Verben auftreten, die Aussageachse, indem sie die Skala der noch zu erwartenden Textentwicklungsmöglichkeiten einschränken. Für d und f gelten dieselben Bemerkungen, die im Schritt II ftr alle Vorderglieder der Verbalphrasen gemacht worden sind. In fist kein Verbzusatz mehr möglich. In e erscheint ein Aflektiv, das eine doppelte Interpretation selbstverständlich aus der Perspektive der bisher verarbeiteten Signalfolge erlaubt. In Frage kommen Aflektiv zum (rechts zu erwartenden) Aflektiv oder Aflektiv zum Nomen in der Initialphrase. Das Semikolon bei wechselt (vgl. f) ist ein wichtiges Textgliederungszeichen. Es weist darauf hin, dass der Satz fortgefuhrt wird, ohne jedoch formal mit dem abgeschlossenen Teilsatz zusammenzuhängen. 152 Aber: aberkennen, anerkennen. Es ist ratsam, solche Fälle in einschlägiger Literatur, beispielsweise bei Mater (1967), zu überprüfen. <?page no="218"?> 218 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Schritt IV: a) gleichzeitig. b) voneinander c) und d) alle Regisseure e) verwendet f) er g) die Bühne . Die Punktzeichen in a und g sind abschließende Signale. Sie entspannen die Sätze, die wenn nötig jetzt rückblickend semantisch (re)interpretiert werden können (siehe Polkowska 1986, S. 294). Gleichzeitig ist auf Grund seines Bezugs als Aflektiv zur Verbalphrase identifizierbar. Die Nominalphrase die Bühne ist Kommentar des vorangehenden Nomens. voneinander (vgl. b) ist Aflektiv zur Verbalphrase, Element der Lokation mit modalem Charakter. und (vgl. c) ist ein Aflektiv zum Anschlusswort, mit dem symmetrische Beziehungen zwischen den Äußerungsteilen geschaffen werden könne. Zu erwägen sind hier zwei Optionen: und als Satzverbindungswort oder Phrasenverbindungswort. Die Studenten werden gebeten, alle Möglichkeiten zu überprüfen und mit eigenen Beispielen zu belegen. er (vgl. f) ist ein Pronomen, das einen Teilsatz einleitet. Es steht in der Regel mit unbesetztem Kommentierungsbereich, kann aber auch durch weitere Elemente aus dem wortklassenspezifischen Kommentar erweitert werden. In e kommt es zur Vereindeutigung der Verbalphrase {wird... verwendet). Schritt V: b) ab . c) Abgänge. d) aufFilmeinblendungen, e) und f) ist In b erfolgt durch den Satzabschluss eine Vereindeutigung der Aussageachse. <?page no="219"?> Anhang: Auswertung des Modells 219 In c wird das vorangehende und (vgl. IV c) als Phrasenverbindungswort ausgewiesen. Das symmetrische Glied rechts ist die Nominalphrase Abgänge. Durch den Punkt wird das Satzende markiert. In d vereindeutigt die Präpositonal-Nominalphrase aufFilmeinblendungen die Aussageachse ‘jemand verzichtet auf etwas’. Die Initialphrase des Satzes (vgl. I d) wird als Lokationselement mit kausalem Charakter ausgewiesen. Auf das Nomen Filmeinblendungen können Elemente des textwortklassenspezifischen Kommentars folgen. Das Komma ist ein wichtiges Textgliederungssignal, dessen Bedeutung annähernd durch die Formel ‘Achtung, mit der syntaktischen Analyse rechts neu anfangen’ umschrieben werden kann. Und eröffnet dieselbe Textentfaltungsperspektive wie in IV c (siehe dort den Kommentar). Die Implikationen des Verbs ist wurden in II g angedeutet (siehe dort). Schritt VI: d) kabarettische Einlagen, e) macht f) direkt, In d entsteht eine interpretatorische Schwierigkeit: die Nominalphrase kann unterschiedlich gedeutet werden. Sie kann als eine zusammengezogene Präpositionalphrase (auf) kabarettische Einlagen (Präposition - Nominalphrase: Flektiv 2 + Nomen), sie kann aber auch als Apposition (Element des Kommentars der Nominalphrase Filmeinblendungen) angesehen werden. Die Okkurrenz des Verbs macht hat dieselben Implikationen für die Entwicklung der Verbalphrasen wie die in II a, b und c besprochenen Verben. Das Verb ist zugleich ein Signal, das einen symmetrischen Satz rechts des Anschlusswortes und vermuten lässt. Dies kann aber auch ein Signal einer additiven Verbindung zweier Teilsätze sein, in denen die Symmetrie eine geringe Rolle spielt. Direkt in f ist Aflektiv zum Pronomen. Das Komma ist ein Indiz dafür, dass der Teilsatz abgeschlossen ist. Dies kann wohlgemerkt auch ein Signal für den Anfang einer Parenthese sein. <?page no="220"?> 220 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Schritt VII: d) und e) dem Spiel f) indirekt, Zum Anschlusswort und (vgl. d) siehe IV c. Die Nominalphrase dem Spiel (vgl. e) vervollständigt als Komplement die Aussageachse und lässt zugleich auf Grund der Strukturkenntnis der Sätze, deren Organisatoren dem Verb-Nest angehören, zumindest noch eine Phrase mit nominalem oder pronominalem Organisator im Akkusativ weiter rechts vermuten. Auf Grund der Stellungspräferenzen ist die Okkurrenz eines pronominalen Organisators wenig wahrscheinlich. 153 Indirekt in f kann schwerlich auf Grund seiner Semantik als Apposition des vorangehenden Aflektivs interpretiert werden. Das legt den Schluss nahe, dass das analysierte Element ein Glied in der Aufzählung ist. Schritt VIII: d) zusätzliche Massenszenen, e) Platz . f) trotz Partner Die Nominalphrase zusätzliche Massenszenen , (vgl. d) wird als symmetrisches Element zu kabarettische Einlagen betrachtet. Sie steht in einer Kookkurrenzbeziehung mit der Präposition auf. Die Phrase Platz . (vgl. e) schließt den Satz ab. Bestätigt wird die Annahme, dass eine Phrase im Akkusativ beim Verb macht erscheinen muss (vgl. VII e). Die Präpositional-Nominalphrase trotz Partner wird auf Grund ihrer Semantik als Element der Lokation angesehen. Da in der früher verarbeiteten Signalfolge kein Hinweis enthalten ist, die als Begründung für eine konzessive Formulierung gedeutet werden kann, ist die Okkurrenz solch einer begründenden Passage im Text rechts zu erwarten. 153 Zur Stellung nominaler und pronominaler Ergänzungen im Akkusativ siehe Engel (1988, S. 322f). <?page no="221"?> Anhang: Auswertung des Modells 221 Schritt IX: d) die e) partnerlos Das Flektiv die (vgl. d) ist ein Flektiv als Anschlusswort, das mit dem Verb einer SV-Verbalphrase kongruiert. Andere Interpretationsoptionen, etwa die als Flektivi als Akkommodant eines Nomens oder die als selbständiger flektivischer Organisator können schon jetzt ausgeschlossen werden. Der Ausschluss erfolgt auf Grund der Tatsachen, dass kein Nomen im nachfolgenden Teilsatz vorhanden ist, mit dem das Flektiv die eine Nominalphrase bilden könnte, und dass es kein direkt nachfolgendes verbales Hinterglied hat, was wiederum die als einen flektivischen Organisator ausgewiesen hätte. Partnerlos in f schließt die Reihe der Aflektive zum Pronomen ab. Es bildet inhaltlich die Begründung für die konzessive Relation, die früher im Punkt VIII f gemacht wurde. Schritt X: Die verbleibenden Satzreste d und f werden von nun an in jeweils einem Analyseschritt analysiert. etwas demonstrieren sollen, das der Autor nicht demonstrieren will. Das Aflektiv zur Verbalphrase etwas ist eines der wenigen Aflektive in seiner Klasse, die funktional darauf ausgerichtet sind, die Aussageachse zu vervollständigen (hier: Komplementierung der Aussageachse demonstrieren sollen). Die meisten Aflektive zur Verbalphrase stehen nämlich in der Relation der Lokation zur Aussageachse. Die Verbalphrase demonstrieren sollen ist Organisator des Teilsatzes. Ihr Spezifikator repräsentiert hier, ähnlich wie auch im nachfolgenden Teilsatz, dessen Organisator demonstrieren will ist, das Netz der Infinitive. Zur Abgrenzung und zu den Implikationen des Flektivs das siehe IX d (per analogiam zu die). Die Nominalphrase der Autor vervollständigt als Komplement die Aussageachse. <?page no="222"?> 222 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Nicht ist Aflektiv zur Verbalphrase. Es negiert alle Implikationen im Teilsatz, f) er wird nahbei oder über Distanzen geführt. Zu den Implikationen des Pronomens er siehe IV f. Zu den Implikationen des Verbs wird siehe II e. Nahbei ist Aflektiv zur Verbalphrase, das in symmetrisch-disjunktiver Relation zur Präpositional-Nominalphrase über Distanzen steht: von zwei inhaltlich gleichwertigen Elementen gilt im gegebenen Moment nur eines. geführt, schließt die Verbalphrase und beendet zugleich den Satz. Im Folgenden werden Möglichkeiten gezeigt, die Kookkurrenzanalyse dialogischer Passagen im Text durchzufuhren. Es wird auf die Erörterung äußerer Kommunikationsumstände verzichtet, obwohl sich diese selbstverständlich auf Aufnahme und Interpretierbarkeit gewisser Formulierungen auswirken. So lässt die Klarheit darüber, dass sich die erste Szene des Dramas von Grass beim Zahnarzt abspielt, die im Text stehenden Äußerungen Bitte, noch einmal/ zwischendurch spülen, und Er spült, richtig verstehen. Es wird weder auf sprechakttheoretische Überlegungen noch auf die Auslegung von Satzmodalitäten im Sinne der traditionellen Grammatik eingegangen. Dies kann entweder vor oder nach der Kookkurrenzanalyse geschehen. Die Analyse setzt diesmal im Inhaltlichen an. i. Sagen Sie, Dokter, was halten Sie eigentlich vom Rätesystem? Die Initialphrase Sagen ... ist eine einfache Verbalphrase. Sie signalisiert eine Kontaktaufnahme, die in Aufforderungsform (inhaltlich gesehen ist sie aber keine! ) zum Ausdruck gebracht wird. Die Aussageachse der Verbalphrase wird durch das Pronomen Sie ergänzt, das in seinem Kommentarbereich das Nomen Dokter (einfache Nominalphrase) hat. An die erste Phrasenkonfiguration {Sagen Sie, Dokter, ...) schließt der nächste Teilsatz an, dessen Organisator die einfache Verbalphrase halten ist. Die Komplemente der hier entstehenden Aussageachse sind das Pronomen was, das Pronomen Sie und die Präpositional-Nominalphrase vom Rätesystem. Sie im ersten und im zweiten Teilsatz beziehen sich auf dieselbe Person und markieren den Anfang einer Isotopiekette. Der zweite Teilsatz enthält eine modale Komponente eigentlich, die in Relation der Lokation zur Aussageachse steht. Die Relationen zwischen Elementen werden in tabellarischer Form dargestellt. <?page no="223"?> Anhang: Auswertung des Modells 223 (Zur Notation: Organisatoren eingliedriger (minimaler) Phrasen werden nicht markiert. Diskontinuierliche Bestandteile mehrgliedriger Phrasen werden mit „+“ verbunden.) Wort Bezüge Textwortklasse 01 Sagen Hauptorganisator von 02 und 03 Verb 02 Ö3 ~Ö4 05 Sie, Komplement von 01; kommentiert durch 03 Pronomen Dokter, Kommentar von 02 Nomen was Komplement von 05 Pronomen hallen Hauptorganisator von 04 + 06 + 08 bis 09 Verb 06 ~Ö7 Sie Komplement von 05 Pronomen eigentlich Lokationselement (modal) von 04 + 06 + 08 bis 09 Aflektiv zur Verbalphrase 08 vom Bestandteil des Komplements von 05; Ko-Organisator der Präpositional- Nominalphrase mit 09 Präposition 09 Rätesystem? Bestandteil des Komplements von 05; Ko-Organisator der Präpositional- Nominalphrase mit 08 Nomen ii. Unsfehlt eine weltweite und sozial integrierende Krankenfürsorge. Die Initialphrase des ersten Antwortsatzes ist eine minimale Pronominalphrase uns, auf die die einfache Verbalphrase fehlt folgt. Durch die Initialstellung der Pronominalphrase wird keine besondere Modalität signalisiert. Die Aussageachse wird durch die mehrgliedrige Nominalphrase eine weltweite und sozial integrierende Krankenfürsorge ergänzt. Die Phrase ist durch additive Verbindung von Nominalphrasen entstanden, deren Ankündigungsbereiche durch das Phrasenverbindungswort und verbunden wurden. <?page no="224"?> 224 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Wort Bezüge Textwortklasse 01 Uns Komplement von 02 Pronomen 02 Ö3 04 "Ö5 fehlt Hauptorganisator von 01 + 03 + 04 bis 08 Verb eine Akkommodant von 08 Flektivi weltweite Akkommodant von 08 Flektivi und Phrasenteilverbindungswort für 03 bis 04 und 06 bis 07 Aflektiv als Anschlusswort 06 sozial Spezifikator von 07 Aflektiv zum Flektiv 07 integrierende Akkommodant von 08 Flektiv 2 08 Krankenfürsorge. Organisator von 03 bis 07; Akkommodant von 02 Nomen hi. Bitte, noch einmal spülen. Auf das Einbettungswort Bitte, ... folgt eine averbale Infinitivphrase, die eine Aufforderung zum Ausdruck bringt. Der Infinitiv als Organisator der Phrase hat in seinem Ankündigungsbereich eine Aflektivphrase, die als Element der Lokation eine modale Bedeutungsnuance ausdrückt. Wort Bezüge Textwortklasse 01 Bitte, Einbettungswort, außerhalb der Aussageachse Aflektiv zur Verbalphrase 02 noch Spezifikator von 03 Aflektiv zum Aflektiv 03 einmal Lokationselement (modal); Organisator von 02 Aflektiv zur Verbalphrase 04 spülen Hauptorganisator von 02 bis 03 Infinitiv <?page no="225"?> Anhang: Auswertung des Modells 225 iv. Aber in welchem System soll ihre Krankenfürsorge... Auch dieser Satz beginnt mit einem Einbettungswort. Die Aussageachse wird durch eine mehrgliedrige Verbalphrase bestimmt, die dem mod-Nest angehört. Der Spezifikator der Verbalphrase wird jedoch nicht genannt. Ein Blick auf die Struktur von Verbalphrasen dieser Art schränkt die Skala der Möglichkeiten wesentlich ein. Semantisch ist die Präpositional-Nominalphrase in welchem System als Element der Lokation (lokale Bedeutung) interpretierbar. Die Aussageachse bleibt immer noch unklar, man kann jedoch schon jetzt mit absoluter Sicherheit annehmen, dass die Nominalphrase Ihre Krankenfürsorge als Komplement der Aussageachse fungiert, unabhängig davon, ob die Spezifikatoren dem Partizip-Infinitiv-Ast („Passiv“) oder „Infinitiv-Zweig“ („Aktiv“) angehört (vgl. Schema 14). Wort Bezüge Textwortklasse 01 Aber Einbettungswort Aflektiv zur Verbalphrase 02 in Bestandteil des Lokationselements (lokal) zu 05 bis 08, Ko-Organisator von 03 bis 04 Präposition 03 welchem Bestandteil des Lokationselements (lokal) zu 05 bis 08, Akkommodant von 04 Flektivi 04 System Bestandteil des Lokationselements (lokal) zu 05 bis 08, Ko-Organisator von 02 bis 04; Akkommodant von 02, Organisator von 03 Nomen 05 soll Hauptorganisator von 02 bis 04 + 06 bis 07; Kookkurrenzpartner von 08 Verb (mod) 06 ~Ö7 "öi" ihre Akkommodant von 07 Flektivi Krankenfürsorge Komplement von 05 + 08 Nomen nicht realisiertes Hinterglied von 05 Infinitiv <?page no="226"?> 226 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache v. Sie soll anstelle aller bisherigen Systeme ... Die Aussageachse des Satzes wird, ähnlich wie im obigen Beispiel, durch das Verb soll (mod-Nest) bestimmt, dessen rechts zu erwartender Spezifikator nicht ausgedrückt wurde. Das Pronomen Sie wird als Komplement und die Präpositional-Nominalphrase anstelle aller bisherigen Systeme als Lokationselement interpretiert. Am Rande sei auf die Tatsache hingewiesen, dass in einem spontanen Gespräch die Kenntnis der vollständigen Verbalphrase nicht immer notwendig ist, um sich verständigen zu können, wovon die Beispiele v. und vi. zeugen. Wort Bezüge Textwortklasse 01 Sie Komplement von 02 + 07 Pronomen 02 "ÖJ soll Hauptorganisator von 01 Verb anstelle Bestandteil des Lokationselements zu 01 bis 02 + 07, Ko-Organisator von 03 bis 06 Präposition 04 aller Bestandteil des Lokationselements zu 01 bis 02 + 07, Akkommodant von 06 Flektivi 05 bisherigen Bestandteil des Lokationselements zu 01 bis 02 + 07, Akkommodant von 06 Flektiv 2 06 Systeme Bestandteil des Lokationselements zu 01 bis 02 + 07, Organisator von 05 bis 06 Nomen 07 nicht realisiertes Hinterglied von 02 Infinitiv v/ . Aber ist ihre Krankenfürsorge nicht auch ein System? Der Satz beginnt mit dem Einbettungswort aber, das mit dem Einbettunswort des vorigen Fragesatzes eine isotopische Kette bildet. Die Aussageachse bestimmt das Verb ist (einfache Verbalphrase). Die Komplemente der Aussageachse sind die Nominalphrasen Ihre Krankenfürsorge und ein System. Als Lokationselement zählt das Aflektiv zur Verbalphrase auch. Nicht ist Aflektiv zum Aflektiv zur Verbalphrase. Es negiert die Implikationen, die durch auch entstehen. <?page no="227"?> Anhang: Auswertung des Modells 227 Wort Bezüge Textwortklasse 01 Aber Einbettungswort Aflektiv zur Verbalphrase 02 ist Hauptorganisator von 03 bis 04 + 07 bis 08 Verb 03 04" ihre Akkommodant von 04 Flektivi Krankenfursorge Komplement von 02, Organisator von 03 Nomen 05 nicht Bestandteil des Lokationselements von 02 (modal), Spezifikator von 06 Aflektiv zum Aflektiv 06 auch Lokationselement (modal) von 02, Organisator von 05 Aflektiv zur Verbalphrase 07 "ös" ein Akkommodant von 08 Flektivi System? Komplement von 02, Organisator von 07 Nomen vii. Die globale Krankenfürsorge ist, abseits jeder Ideologie, Basis und Überbau unserer menschlichen Gesellschaft. Die Aussageachse wird durch das Verb ist bestimmt. Die Komplemente der Aussageachse sind die Nominalphrasen die globale Krankenfürsorge und Basis und Überbau unserer menschlichen Gesellschaft. Die zuletzt genannte Signalfolge weist einen komplexen Bau auf. Als Organisator der Phrase gilt das Nomen Basis und das daran durch und angeschlossene Nomen Überbau Und zählt hier als Phrasenverbindungswort. Die Nomina stehen in einer symmetrischen Relation zueinander. Für beide gilt im gleichen Maße der Kommentar (Nominalphrase) unserer menschlichen Gesellschaft. Gemeint sind: ‘Basis unserer menschlichen Gesellschaft’ und ‘Überbau unserer menschlichen Gesellschaft’. Das Nomen Gesellschaft hat zwei vorangehende Attribute menschlichen und unserer. Unserer bezieht sich inhaltlich auf Gesellschaft und wirkt sich formal auf menschlichen aus. In Relation der Lokation zur Aussageachse steht die Parenthese abseitsjeder Ideologie. <?page no="228"?> 228 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Wort Bezüge Textwortklasse 01 Die Akkommodant von 03 Flektivi 02 03 globale Akkommodant von 03 Flektiv 2 Krankenfilrsorge Komplement von 04, Organisator von 01 bis 03 Nomen 04 ist. Hauptorganisator von 01 bis 03 + 09 bis 13 Verb 05 abseits Bestandteil einer Parenthese 05 bis 07 von 01 bis 03 + 08 bis 13, Ko-Organisator von 05 bis 07 Präposition 06 jeder Bestandteil einer Parenthese 05 bis 07 von 01 bis 03 + 08 bis 13, Akkommodant von 07 Flektivi 07 Ideologie, Bestandteil einer Parenthese 05 bis 07 von 01 bis 03 + 08 bis 13, Ko-Organisator von 05 bis 07 Nomen 08 Ö9 Basis Komplement von 04 Nomen und Phrasenverbindungswort von 08 und 10 Aflektiv als Anschlusswort 10 TT Überbau Komplement von 04 Nomen unserer Bestandteil des Kommentars von 10, Akkommodant von 13 Flektivi 12 menschlichen Bestandteil des Kommentars von 10, Akkommodant von 13 Flektiv 2 13 Gesellschaft Bestandteil des Kommentars von 10, Organisator von 11 bis 13 Nomen <?page no="229"?> Anhang: Auswertung des Modells 229 viii. Aber die Krankenfürsorge ist nurfür kranke Menschen. Die Aussageachse wird durch das Verb ist bestimmt. Sie wird durch zwei Komplemente vervollständigt: die Nominalphrase die Krankenfürsorge und die Präpositional-Nominalphrase für kranke Menschen. Das Aflektiv nur ist Spezifikator für die Präpositional-Nominalphrase. Der Anschluss an die vorangehenden Fragmente wird durch das Einbettungswort aber betont, das zum dritten Mal als Element in der Isotopiekette auftritt. Der Präpositional- Nominalphrase geht das restriktive Aflektiv nur voran. Das Nomen Menschen wird durch kranke eingeschränkt (attribuiert). Wort Bezüge Textwortklasse 01 Aber Einbettungswort Aflektiv zur Verbalphrase 02 die Akkommodant von 03 Flektivi 03 Krankenfürsorge Komplement von 04, Organisator von 02 Nomen 04 ist Hauptorganisator von 02 bis 03 + 05 bis 08 Verb 05 nur Spezifikator von 06 bis 08 Aflektiv zum Flinterglied 06 für Bestandteil des Komplements 06 bis 08 von 04, Ko-Organisator von 06 bis 08 Präposition 07 kranke Bestandteil des Komplements 06 bis 08 von 04, Akkommodant von 08 Flektiv 2 08 Menschen. Bestandteil des Komplements 06 bis 08 von 04, Ko-Organisator von 06 bis 08 Nomen <?page no="230"?> 230 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache ix. Bitte, zwischendurch spülen. Im Initialbereich der averbalen Infinitivphrase steht das Einbettungswort Bitte. Im Ankündigungsbereich des Infinitivs als Organisator der Phrase steht eine einfache Aflektivphrase. Sie drückt als Element der Lokation eine modale Bedeutungsnuance aus. Wort Bezüge Textwortklasse 01 Bitte, Einbettungswort, außerhalb der Aussageachse Aflektiv zur Verbalphrase 02 zwischendurch Lokationselement (temporal) Aflektiv zur Verbalphrase 03 spülen. Hauptorganisator von 02 Infinitiv x. Alle sind krank, waren krank, werden krank, sterben. Die letzte Äußerung ist eine additive Folge von mehreren Phrasen, deren Okkurrenz jeweils durch einfache Verbalphrasen sind, waren, werden, sterben bestimmt wird. Als verbindendes Element zählt die einfache Flektivphrase alle, die die Aussageachsen als Komplement vervollständigt. Als zweites Komplement gilt das Aflektiv zum Flektiv krank, das in drei der Phrasenkonfigurationen auftritt. Wort Bezüge Textwortklasse 01 Alle Komplement von 02, 04, 06, 08 Flektivi 02 sind Hauptorganisator von 01 und 03 Verb 03 krank, Komplement von 02 Aflektiv zum Vorderglied (Flektivi) 04 waren Hauptorganisator von 01 und 05 Verb <?page no="231"?> Anhang: Auswertung des Modells 231 05 krank, Komplement von 04 Aflektiv zum Vorderglied (Flektivi) 06 werden Hauptorganisator von 01 und 07 Verb 07 krank, Komplement von 06 Aflektiv zum Vorderglied (Flektivi) 08 sterben Hauptorganisator von 01 Verb Textausschnitt II: Die zu analysierende Satzperiode zählt 91 Textwörter und kann kaum in einem Analyseschritt verarbeitet werden. Die Analyse solcher Sätze bedarf einiger Vorbereitungen. Der Analytiker erleichtert sich die Aufgabe, wenn zuvor alle Hauptorganisatoren sowie Textweichen (Anschlusswörter, Einbettungswörter und Korrelate) gefunden sowie deren Einflussbereiche bestimmt werden. Dadurch gelangt man zu einer Grobgliederung, die einen ersten Einblick in die Struktur des zu untersuchenden Textes gewährt. Im Initialbereich des Satzes steht das Verb können, auf das das Pronomen wir und der Infinitiv hoffen + (,) folgen. Das Verb (mod) in der Initialstellung deutet eine rhetorische Frage an (vgl. Kap. 4.3.2). Der Spezifikatorenbereich {hoffen, zu gelangen) bestimmt die Aussageachse des ersten Teilsatzes mit, dessen Grenze das Komma nach dem Infinitiv zu gelangen markiert. Die Aussageachse wird durch das Pronomen wir vervollständigt (Komplementierung). Als Lokationselement steht die Präpositional-Nominalphrase unter die Oberfläche, die eine direktive Bedeutung hat. Das Aflektiv als Anschlusswort wenn deutet ein konditionales Verhältnis zum vorangehenden Satz an. Schema 66 Die links stehende Passage ist die Grundlage für die im Folgenden formulierten Bedingungen. Wenn, gestützt durch die Verbalphrase erklären, vorzuneh- <?page no="232"?> 232 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache men/ zu erstellen, organisiert den nächsten Teilsatz. Die Aussageachse vervollständigen folgende Komplemente (sie stehen im Rahmen einer phraseologischen Redewendung sich zu etwas bereit erklären, in obligatorischen Kookkurrenzbeziehungen): Pronomina wir, uns, Aflektiv zum Vorderglied (Pronomen) bereit, Nominalphrasen weitreichende Idealisierungen und abstrakte Modelle. Die Flektive weitreichende und abstrakte attribuieren ihre rechts stehenden nominalen Bezugswörter. Beide Nominalphrasen sind symmetrische Elemente links und rechts des Phrasenverbindungswortes und. Das Aflektiv zur Verbalphrase vielleicht ist ein modales Lokationselement. Das Pronomen wir gilt als Bezugsgröße für das Aflektiv zum Vorderglied (Pronomen) bereit (‘wir sind bereit’). Das erwähnte Pronomen und das erwähnte Aflektiv markieren durch ihre Wiederholung den Anfang einer Isotopiekette. Die Aussageachse des nächsten Fragments wird durch das Flektiv als Anschlusswort die und die Verbalphrase angesehen werden bestimmt. Sie erscheint in der SV-Anordnung inmitten des Teilsatzes, eingeschlossen durch das Aflektiv aufschlußreicher und sein Hinterglied als die alltägliche Welt der Sinneseindrücke. Das erwähnte Aflektiv ist samt seinem diskontinuierlichen Hinterglied Komplement der durch die Verbalphrase bestimmten Aussageachse. Das Flektiv alltägliche ist Attribut für das Nomen Welt. Das Flektiv als Anschlusswort die verweist auf die Bezugsgrößen (Nominalphrasen weitreichende Idealisierungen und abstrakte Modelle), die im früher geäußerten Text liegen 154 und kongruiert mit dem Organisator der Verbalphrase (werden). Durch seine bidirektionale Ausrichtung (siehe unten) gilt es als wichtige Textweiche, die Konnexionen zwischen weit entlegenen Signalen über die Teilsatzgrenzen hinweg herstellt. Schema 67 Der Kommentar des Aflektivs aufschlußreicher, der durch ein Aflektiv als Phrasenverbindungswort als angeschlossen wird, enthält zwei additiv verbundene Nominalphrasen: alltägliche Welt und im Kommentar dazu der Sinneseindrücke. Die erste der zwei zentralen Weichen im Text bildet das Aflektiv als Anschlusswort und, wonach unmittelbar wenn folgt. Nach der Funktorenregel 154 Möglich erscheint auch die Interpretation, dass in den Skopus von die nur die Nominalphrase abstrakte Modelle fallt. <?page no="233"?> Anhang: Auswertung des Modells 233 verweist und auf einen Satzbereich, in den der mit wenn eingeleitete Bereich eingebettet ist (vgl. Kap. 4.1.3). Zugleich schafft und eine symmetrische Relation, die den Einflussbereich von wenn übergreift. Dies ist ein wichtiger Hinweis für die (Re)Interpretation der Bezüge im Text: die zu erwartenden Signale rechts müssen einen vergleichbaren Wert haben wie die Phrasen, die mit dem Aflektiv wenn im Einflussbereich der Verbalphrase {bereit) erklären eingeleitet werden (siehe oben im Text). Die Grenzmarke des Einflussbereiches von und wenn liegt bei ganz ähnlich (die zweite Haupttextweiche). Man kann auffallende Ähnlichkeiten in der Gestaltung beider Textfragmente links und rechts von und feststellen: das gleiche Anschlusswort leitet sie ein {wenn), die gleiche Verbalphrase gilt als Hauptorganisator im Satz sich bereit erklären, worauf, ähnlich wie im verglichenen Fragment links, ein mit dem Flektiv als Anschlusswort die eingeleiteter Teilsatz folgt. Die formale Symmetrie, die durch und signalisiert wird, erhöht den kommunikativen Wert der Signalfolge links und wird zum Maßstab für die Organisation des Fragments rechts. Die Aussageachse des Teilsatzes ... wenn wir entsprechend bereit sind, unerklärte Phänomene oder sogar bislang unerklärte Evidenz gegen theoretische Konstruktionen zu tolerieren,... wird durch die Verbalphrase {bereit) sind, zu tolerieren bestimmt. In der Relation der Komplementierung steht das Aflektiv zum Vorderglied (Pronomen) bereit, weiterhin die Nominalphrasen unerklärte Phänomene und bislang unerklärte Evidenz, verbunden durch das Phrasenverbindungswort oder. Die Nominalphrase bislang unerklärte Evidenz ist Bezugsgröße für den Kommentar gegen theoretische Konstruktionen.'* Das Aflektiv zum Hinterglied sogar bezieht sich als Spezifikator auf die ganze Nominalphrase. Die Flektiv unerklärte attribuiert die Nomina Phänomene und Evidenz. Bislang attribuiert das Flektiv unerklärte. Die Aussageachse des nächsten Fragments markiert das Flektiv als Anschlusswort die und die Verbalphrase erreicht haben (,). Das erwähnte Flektiv knüpft an die im Einflussbereich der vorigen Verbalphrase befindliche Nominalphrase theoretische Konstruktionen an und kongruiert mit dem Organisator der Verbalphrase erreicht haben. 156 Die Aussageachse wird durch die Nominalphrase einen gewissen Grad samt ihrem Kommentar an Erklärungsstärke (Präpositional-Nominalphrase) ergänzt. Als Lokationselement (lokale Bedeu- 155 Diese Interpretation scheint am wahscheinlichsten zu sein. Darauf deutet die Passage im Originialtext hin: „... to tolerate unexplained phenomena or even as yet unexplained counterevidence to theoreücal constructions ...“ (Chomsky 1980, S. 9). 156 Vgl. dazu das Schema 67 und den Kommentar dazu. <?page no="234"?> 234 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache tung) fungiert die Präpositional-Nominalphrase für einen begrenzten Bereich. Die Flektive theoretische, gewissen, begrenzten sind Attribute für ihre jeweils rechts stehenden nominalen Bezugsgrößen Konstruktionen, Grad und Bereich. Ganz ähnlich, wie fungiert als zweite Hauptweiche in der analysierten Satzperiode. Die genannte Signalfolge ist ein Appell an den Leser, durch einen gedanklichen Rücksprung einen Teilbereich auszugliedern, der als Basis für den Vergleich im noch zu erwartenden Textfragment dienen kann. Ganz spezifiziert seinen Organisator ähnlich. Das Aflektiv ähnlich gilt als Korrelat (zum Begriff siehe Kap. 4.1.2) für den Teilsatz wie Galilei sein Unternehmen nicht abgebrochen hat (,). Schema 68 Die Konfiguration des Aflektivs als Korrelat ähnlich (,) und des Aflektivs als Anschlusswort (Satzverbindungswort) wie signalisiert kraft ihrer Semantik einen Bezug auf die Signalfolge unerklärte Phänomene oder sogar bislang unerklärte Evidenz gegen theoretische Konstruktionen zu tolerieren, die für einen begrenzten Bereich einen gewissen Grad an Erklärungsstärke erreicht haben (,)... Das genannte Textffagment wird inhaltlich aufgewertet, indem es zum notwendigen, im gedanklichen Intergrationsrücksprung wachzurufenden Hintergrund für das Verständnis des Vergleichsrests direkt erklärt wurde. Die Nominalphrasen Galilei und sein Unternehmen vervollständigen die Aussageachse, die im mit dem Aflektiv als Anschlusswort wie eingeleiteten Teilsatz durch die Verbalphrase abgebrochen hat bestimmt wird. Das Aflektiv nicht negiert die Verbalphrase. Das Flektiv sein ist ein Attribut (Bezugswort: Unternehmen). Der Einflussbereich der Verbalphrase abgebrochen hat ist eine inhaltliche Voraussetzung für den Kausalsatz, der durch das Aflektiv als Anschlusswort weil angeschlossen wird (vgl. Schema 66). Die Aussageachse im genannten Textffagment wird durch die Verbalphrase liefern konnte bestimmt. Sie wird durch das Pronomen er und die Nominalphrase keine kohärente Erklärung vervollständigt. Das nominale Komplement hat im Ankündigungsbereich die Attribute keine kohärente und im Kommentierungsbereich eine Präpositional- Nominalphrase für die Tatsache. Diese wiederum ist Bezugsgröße für den satzförmigen Kommentar daß Gegenstände nicht einfach von der Erdoberfläche wegfliegen. Die Aussageachse des zuletzt genannten Teilsatzes bestimmt <?page no="235"?> Anhang: Auswertung des Modells 235 das Verb wegfliegen. Sie wird durch die Nominalphrase Gegenstände ergänzt. Als Lokationselement zur Aussageachse fungiert die Präpositional-Nominalphrase von der Erdoberfläche. Das Nomen Tatsache (siehe oben im Text) und der durch das Aflektiv als Anschlusswort daß eingeleitete Teilsatz stehen in einer korrelativen Relation zueinander: die für das Verstehen des gesamten Textffagments erforderliche Information wird durch den Teilsatz ausgedrückt. Die angesprochenen Relationen werden in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Wort Bezüge Textwortklasse 01 Können Vorderglied der Verbalphrase 01 + 03 + 07 bis 08 (Organisator von 01); Hauptorganisator des Bereichs 01 bis 08 Verb (mod) 02 wir Komplement der Aussageachse 01 + 03 + 07 bis 08 Pronomen 03 hoffen, Hinterglied von 01, (Spezifikator von 01), Bestandteil des Hauptorganisators der Aussageachse 01 + 03 + 07 bis 08 Infinitiv 04 unter Bestandteil des Komplements der Aussageachse 01 bis 08, Ko-Organisator der Pronominal-Nominalphrase 04 bis 06 Präposition 05 die Akkommodant von 06 Flektivi Oberfläche Bestandteil des Komplements der Aussageachse 01 bis 08; Ko- Organisator der Pronominal- Nominalphrase 04 bis 06; Akkommodant von 04 Nomen 07 zu Spezifikator von 08 Aflektiv zur Verbalphrase <?page no="236"?> 236 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache OB gelangen, Hinterglied (Spezifikator) von 01 bis 03, Bestandteil des Hauptorganisators der Aussageachse 01+03 + 07 bis 08, Hinterglied von 07 Infinitiv 09 wenn Satzverbindungswort; verbindet 01 bis 08 und 10 bis 22 Aflektiv als Anschlusswort 10 wir Komplement der Aussageachse 10 bis 22 Pronomen 11 uns Komplement der Aussageachse 10 bis 22; obligatorischer Bestandteil des Phraseologismus 11 bis 13 Pronomen 12 bereit Komplement der Aussageachse 10 bis 22; obligatorischer Bestandteil des Phraseologismus 11 bis 13 Aflektiv zum Vorderglied (Pronomen 10) 13 erklären. Vorderglied der Verbalphrase 13 + 17 und 21 bis 22 (Organisator); Hauptorganisator des Bereichs 10 bis 22; obligatorischer Kookkurrenzpartner von 11 bis 12 (Phraseologische Redewendung) Verb 14 vielleicht Lokationselement (modal) von 14 bis 22 Aflektiv zur Verbalphrase 15 TeT weitreichende Akkommodant (Attribut) von 16 Flektiv 2 Idealisierungen Komplement von 13 + 17; Organisator von 15 Nomen 17 vorzunehmen Hinterglied (Spezifikator) von 13; Bestandteil des Hauptorganisators des Bereichs 10 bis 22; Hauptorganisator des Bereichs 13 bis 17 Infinitiv 18 und Phrasenverbindungswort; verbindet 14 bis 17 und 19 bis 22 Aflektiv als Anschlusswort <?page no="237"?> Anhang: Auswertung des Modells 237 19 20 abstrakte Modelle 21 zu 22 erstellen, 23 die 24 25 26 a/ .y aufschlußreicher angesehen 27 werden 28 Akkommodant von 20 Komplement von 13 + 17 und 22; Organisator von 19 Spezifikator von 22 Hinterglied (Spezifikator) von 13; Bestandteil des Hauptorganisators des Bereichs 10 bis 22; Hauptorganisator des Bereichs 19 bis 22; Anschlusswort, rekurriert auf 15 bis 16 + 19 bis 20 bzw. nur 19 bis 20 und schließt den Bereich 23 bis 33 an; Kongruenzverhältnis mit 27 Bestandteil des Komplements von 26 bis 27; Ko-Organisator der Präpositional-Aflektivphrase 24 bis 25 Bestandteil des Komplements von 26 bis 27; Ko-Organisator der Präpositional-Aflektivphrase 24 bis 25 Vorderglied der Verbalphrase (Spezifikator) 26 bis 27); Bestandteil des Hauptorganisators des Bereichs 24 bis 33 Hinterglied der Verbalphrase (Organisator) 26 bis 27; Bestandteil des Hauptorganisators des Bereichs 24 bis 33 Phrasenverbindungswort; verbindet 24 bis 25 mit dem Kommentar 29 bis Flektiv 2 Nomen Aflektiv zur Verbalphrase Infinitiv Flektiv als Anschlusswort Präposition Aflektiv zum Vorderglied (Nomen) Partizip 2 Verb Aflektiv als Anschlusswort 29 die 33 Akkommodant von 31 Flektivi <?page no="238"?> 238 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 30 IT alltägliche Akkommodant (Attribut) von 31 Flektiv? Welt Organisator des Kommentars von 24 bis 25; organisiert 28 bis 33 Nomen 32 TT der Akkommodant von 33 Flektivi Sinneseindrücke, Organisator des Kommentars von 31; organisiert 32 Nomen 34 und Satzverbindungswort, signalisiert eine symmetrische Relation zwischen 09 bis 33 und 35 bis 63 Aflektiv als Anschlusswort 35 wenn Satzverbindungswort, signalisiert den Anfang des symmetrischen Bereichs 35 bis 63 (vgl. 34); umfasst 35 bis 51 (vgl. Funktorenregel) Aflektiv als Anschlusswort 36 IT wir Komplement von 39 + 50 bis 51 Pronomen entsprechend Lokationselement (modal) von 39 + 50 bis 51 Aflektiv zur Verbalphrase 38 bereit Komplement von 39 + 50 bis 51 Aflektiv zum Vorderglied (Pronomen 36) 39 sind, Vorderglied (Organisator) der Verbalphrase 39 + 50 bis 51; Bestandteil des Hauptorganisators des Bereichs 36 bis 51; Verb 40 TT unerklärte Akkommodant (Attribut) von 41 Flektiv? Phänomene Bestandteil des Komplements 40 bis 46 der Aussageachse 39 + 50 bis 51, Organisator von 40 Nomen 42 oder Phrasenverbindungswort; verbindet 40 bis 41 und 43 bis 49 Aflektiv als Anschlusswort <?page no="239"?> Anhang: Auswertung des Modells 239 43 sogar Spezifikator von 44 bis 49 Aflektiv zum Hinterglied (Nominalphrase) 44 bislang Spezifikator (Attribut) von 45 Aflektiv zum Flektiv 45 46" unerklärte Akkommodant (Attribut) von 46 Flektiv2 Evidenz Bestandteil des Komplements 40 bis 46 von 39 + 50 bis 51; Organisator von 44 bis 45 Nomen 47 gegen Ko-Organisator des Kommentars 47 bis 49 von 46 Präposition 48 ~49 theoretische Akkommodant (Attribut) von 49 Flektiv 2 Konstruktionen Ko-Organisator des Kommentars 47 bis 49 von 46; Akkommodant von 47 Nomen 50 zu Spezifikator von 51 Aflektiv zur Verbalphrase 51 tolerieren, Hinterglied (Spezifikator) der Verbalphrase 39 + 50 bis 51; Bestandteil des Hauptorganisators des Bereichs 36 bis 51 Inifinitiv 52 die Anschlusswort, rekurriert auf 48 bis 49 und schließt den Bereich 52 bis 63 an; Kongruenzverhältnis mit 63 Flektiv als Anschlusswort 53 für Bestandteil des Lokalelements 53 bis 56; Ko-Organisator der Präpositional-Nominalphrase 53 bis 56 Präposition 54 vT einen Akkommodant von 56 Flektiv i begrenzten Akkommodant (Attribut) von 56 Flektiv? <?page no="240"?> 240 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 56 Bereich Bestandteil des Lokalelements 53 bis 56; Ko-Organisator der Präpositional-Nominalphrase 53 bis 56; Akkommodant von 53 Nomen 57 Is” ~59 einen Akkommodant von 59 Flektivi gewissen Akkommodant (Attribut) von 59 Flektiv 2 Grad Komplement von 62 bis 63; Organisator von 57 bis 58 Nomen 60 an Ko-Organisator des Kommentars 60 bis 61 von 59 Präposition 61 Erklärungsstärke Ko-Organisator des Kommentars 60 bis 61 von 59; Akkommodant von 60 Nomen 62 erreicht Vorderglied (Spezifikator) der Verbalphrase 62 bis 63; Bestandteil des Hauptorganisators des Bereichs 52 bis 63 Partizip 2 63 haben. Hinterglied (Organisator) der Verbalphrase 62 bis 63; Bestandteil des Hauptorganisators des Bereichs 52 bis 63 Verb 64 ganz Spezifikator von 65 Aflektiv zum Aflektiv 65 ähnlich, Korrelat von 66; 65 bis 66 signalisieren kraft ihrer Semantik eine symmetrische Relation von 40 bis 63 und 66 bis 90 Aflektiv als Korrelat 66 wie Satzverbindungswort; verbindet (mit seinem Vorderglied 67) 40 bis 63 und 66 bis 90 Aflektiv als Anschlusswort 67 Galilei Komplement von 71 bis 72 Nomen <?page no="241"?> Anhang: Auswertung des Modells 241 68 sein Akkommodant von 69 Flektivi 69 Unternehmen Komplement von 71 bis 72; Organisator von 68 Nomen 70 nicht Lokationselement zu 71 bis 72 (modal) Aflektiv zur Verbalphrase 71 abgebrochen Vorderglied (Spezifikator) der Verbalphrase 71 bis 72; Bestandteil des Hauptorganisators des Bereichs 67 bis 70 Partizip2 72 hat, Hinterglied (Organisator) der Verbalphrase 71 bis 72; Bestandteil des Hauptorganisators des Bereichs 67 bis 70 Verb 73 weil Satzverbindungswort; verbindet 67 bis 70 und 74 bis 82 Aflektiv als Anschlusswort 74 ^75~ 76~ ~tT 1% er Komplement von 81 bis 82 Pronomen keine Akkommodant von 77 Flektivi kohärente Akkommodant (Attribut) von 77 Flektiv? Erklärung Komplement von 81 bis 82 Nomen für Ko-Organisator des Kommentars 78 bis 80 von 77 Präposition 79 "so* die Akkommodant von 80 Flektivi Tatsache Ko-Organisator des Kommentars 78 bis 80 von 77; Akkommodant von 78 Nomen 81 liefern Vorderglied (Spezifikator) der Verbalphrase 81 bis 82; Bestandteil des Hauptorganisators des Bereichs 74 bis 80 Infinitiv <?page no="242"?> 242 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 82 konnte, Hinterglied (Organisator) der Verbalphrase 81 bis 82; Bestandteil des Hauptorganisators des Bereichs 74 bis 80 Verb (modal) 83 daß Satzverbindungswort; verbindet 78 bis 80 und 84 bis 90 Aflektiv als Anschlusswort 84 "IfT Gegenstände Komplement von 90 Nomen nicht Spezifikator von 86 Aflektiv zum Aflektiv 86 einfach Lokationselement (modal) der Aussageachse 90 Aflektiv zur Verbalphrase 87 von Ko-Organisator des Komplements 87 bis 89 von 90 Präposition 88 ^9" der Akkommodant von 89 Flektivi Erdoberfläche Ko-Organisator des Komplements 87 bis 89 von 90; Organisator von 88; Akkommodant von 87 Nomen 90 wegfliegen. Hauptorganisator von 84 bis 89 Verb Nach dem vorgegebenen Muster kann die nächste Satzperiode im Hinblick auf die dort bestehenden kookkurrenziellen Bezüge untersucht werden. Diese sind zum Teil anders als die im ersten Chomsky-Textfragment. Die Aussageachse des ersten Teilsatzes wird durch die Verbalphrase stellt sich heraus markiert. Sie besteht aus drei Textwörtem: Verb (als Organisator), Pronomen (obligatorisches Korrelat der Verbalphrase) und Verbzusatz (unselbstständiger Bestandteil der Verbalphrase). Die Aussageachse wird durch die Nominalphrase ein solcher Zugang und die Präpositional-Aflektivphrase als zu begrenzt vervollständigt. Als modales Lokationselement ist das Aflektiv möglicherweise aufzufassen. Das Flektiv solcher ist Attribut des Nomens. 157 157 Entgegen einer gängigen Auffassung, das Syntagma ein solcher als Determinativ (Artikelwort) zu interpretieren, betrachte ich die genannte Signalfolge als Flektivi + Flektiv 2 . <?page no="243"?> Anhang: Auswertung des Modells 243 Die Päpositional-Aflektivphrase als zu begrenzt hat in ihrem Kommentar mehrere Elemente, die durch die Aflektive als Anschlusswörter entweder ... oder zu einer Phrasenkonfiguration verbunden werden: ... entweder wegen der Beschaffenheit seines Gegenstandes oder wegen der Beschaffenheit jener Komponenten der menschlichen Intelligenz (,) Die Phrase wegen der Beschaffenheit seines Gegenstandes ist eine Präpositional-Nominalphrase, deren Ko-Organisator Beschaffenheit im Kommentierungsbereich die Nominalphrase seines Gegenstandes hat. Eine ähnliche Struktur hat auch die nächste Päpositional-Nominalphrase: wegen der Beschaffenheit jener Komponenten der menschlichen Intelligenz. Der Ko- Organisator Beschaffenheit wird durch die Nominalphrase jener Komponenten kommentiert, und diese wiederum durch die Nominalphrase der menschlichen Intelligenz. Das Flektiv menschlichen ist Attribut des Nomens Intelligenz. Den nächsten Teilsatz eröffnet das Flektiv als Anschlusswort die. Es bezieht den Teilsatz auf das Nomen Komponenten im Kommentierungsbereich von Beschaffenheit (siehe oben im Text) und kongruiert mit dem Verb zugrundeliegen (vgl. Schema 67). Das Flektiv dem vervollständigt die Aussageachse, die durch das zuletzt genannte Verb bestimmt wird. Dem ist ein Korrelat für den Teilsatz was manchmal irreführend „die wissenschaftliche Methode“ genanntwird..., vgl. Schema 69: Schema 69 Die Verbalphrase genannt wird konstituiert die Aussageachse des oben erwähnten Teilsatzes. Ihre Komplemente sind die Nominalphrase die wissenschaftliche Methode und der korrelative Anschlussbereich dem ..., was.... Die Aussageachse hat zwei Lokationselemente: ein temporales (Aflektiv manchmal) und ein modales (Aflektiv irreführend). Das Flektiv wissenschaftliche ist Attribut des Nomens Methode. Auf den erwähnten Teilsatz folgt eine satzformige Parenthese, deren Hauptorganisator die Verbalphrase es gibt ist {es fungiert als obligatorisches Korrelat des Verbs). Die Aussageachse der Parenthese wird durch die Nominalphrase <?page no="244"?> 244 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache eine bekannte Methode“ vervollständigt, in deren Kommentierungsbereich die Nominalphrase der Forschung steht. Als Lokationselemente gelten das Aflektiv zur Verbalphrase nämlich (modal) und eine (ebenfalls modale) Präpositional-Nominalphrase in keinem brauchbaren Sinne, deren nominaler Ko- Organisator Sinne durch die Nominalphrase dieses Ausdrucks kommentiert wird. Beide Phrasen, die Aflektivphrase und die Präpositional-Nominalphrase, reflektieren unterschiedliche Aspekte der Modalität: während nämlich sich stärker restriktiv auf den Inhalt des vorangehenden Teilsatzes orientiert und somit eine Art Begründung für die Parenthese darstellt, schränkt die Phrase in keinem brauchbaren Sinne dieses Ausdrucks den Gültigkeitsbereich der Parenthese ein. Eine wichtige Textweiche bildet das Aflektiv doch, das den abschließenden Teilsatz einleitet. Es signalisiert auf Grund seiner Semantik, dass die rechts stehende Signalfolge im Gegensatz zu dem früher Geäußerten steht. Die Aussageachse der gesamten Satzperiode wird durch zwei Aflektivphrasen markiert Möglicherweise x, (aber) doch y“. Die Aussageachse des letzten Teilsatzes bildet die Verbalphrase es gibt (siehe ihre Charakteristik oben im Text). Sie wird durch die Nominalphrase keinen Grund vervollständigt. Im Kommentierungsbereich des Nomens Grund steht die Infinitivphrase hier unnötig pessimistisch zu sein. Die angesprochenen Relationen werden in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Wort Bezüge Textwortklasse 01 Möglicherweise Lokationselement von 02 bis 10 (modal) Aflektiv zur Verbalphrase 02 stellt Vorderglied (Organisator) der Verbalphrase 02 bis 10; Bestandteil des Hauptorganisators im Bereich 01 bis 10 Verb 03 ~Ö4 "ös sich Korrelat von 02 bis 10 Pronomen ein Akkommodant von 06 Flektivi solcher Akkommodant (Attribut) von 06 Flektiv 2 <?page no="245"?> Anhang: Auswertung des Modells 245 06 Zugang Komplement von 02 bis 10; Organisator von 04 bis 05 Nomen 07 als Ko-Organisator des Komplements 07 bis 09 (Präpositional-Aflektivphrase) von 02 bis 10 Präposition 08 zu Spezifikator von 09 Aflektiv zum Hinterglied (Aflektiv) 09 begrenzt Ko-Organisator des Komplements 07 bis 09 (Präpositional-Aflektivphrase von 02 bis 10) Aflektiv zum Vorderglied (Nomen) 10 heraus. Hinterglied (Spezifikator) der Verbalphrase 02 bis 10; Bestandteil des Hauptorganisators im Bereich 01 bis 10 Verbzusatz 11 entweder Vorderglied eines komplexen Phrasenverbindungselements; verbindet (zusammen mit 17) nachträgliche kausale Lokationselemente 12 bis 16 + 18 bis 25 Aflektiv als Anschlusswort; obligatorischer Kookkurrenzpartner von 17 12 wegen Ko-Organisator der Pronominal- Nominalphrase 12 bis 14 Präposition 13 TT der Akkommodant von 14 Flektivi Beschaffenheit Ko-Organisator der Pronominal- Nominalphrase 12 bis 14; Akkommodant von 12 Nomen 15 seines Akkommodant von 16 Flektivi 16 Gegenstandes Organisator des Kommentars 15 bis 16 von 14 Nomen <?page no="246"?> 246 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 17 oder Phrasenverbindungswort; verbindet die Bereiche 12 bis 16 und 18 bis 25 Aflektiv als Anschlusswort; obligatorischer Kookkurrenzpartner von 17 18 wegen Ko-Organisator der Pronominal- Nominalphrase 18 bis 20 Präposition 19 ~2CT der Akkommodant von 20 Flektivi Beschaffenheit Ko-Organisator der Pronominal- Nominalphrase 18 bis 20; Akkommodant von 18 Nomen 21 22" jener Akkommodant von 22 Flektivi Komponenten Organisator des Kommentars 21 bis 22 von 20 Nomen 23 24" 25" der Akkommodant von 25 Flektivi menschlichen Akkommodant (Attribut) von 25 Flektiv 2 Intelligenz, Organisator des Kommentars 23 bis 25 von 22 Nomen 26 die Anschlusswort, rekurriert auf 16 und 22 und schließt den Bereich 27 bis 28 an; Kongruenzverhältnis mit 28 Flektiv als Anschlusswort 27 dem Korrelat von 29; Bestandteil des Komplements von 28 Flektiv als Korrelat 28 29" zugrundeliegen, Hauptorganisator von 27 Verb was Satzverbindungswort, schließt (mit 27) den Bereich 30 bis 36 ab. Aflektiv als Anschlusswort <?page no="247"?> Anhang: Auswertung des Modells 247 30 manchmal Lokationselement (temporal) von 35 bis 36 Aflektiv zur Verbalphrase 31 irreführend Lokationselement (modal) von 35 bis 36 Aflektiv zur Verbalphrase 32 ~33~ die Akkommodant von 34 Flektivi wissenschaftliche Akkommodant (Attribut) von 34 Flektivj 34 Methode“ Komplement von 35 bis 36; Organisator von 32 bis 33 Nomen 35 genannt Vorderglied (Spezifikator) der Verbalphrase 35 bis 36; Bestandteil des Hauptorganisators des Bereichs 30 bis 34 Partizip 2 36 wird Hinterglied (Organisator) der Verbalphrase 35 bis 36; Bestandteil des Hauptorganisators des Bereichs 30 bis 34 Verb 37 es Initialsignal einer Parenthese 37 bis 50; Korrelat von 38 Aflektiv als Korrelat 38 gibt Hauptorganisator des Bereichs 37 bis 50; obligatorischer Kookkurrenzpartner von 37 Verb 39 nämlich Lokationselement (modal) von 38 Aflektiv zur Verbalphrase 40 in Ko-Organisator des modalen Lokationselements 40 bis 43 von 38 Präposition 41 42" keinem Akkommodant von 43 Flektivi brauchbaren Akkommodant (Attribut) von 43 Flektivi <?page no="248"?> 248 Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache 43 Sinne Ko-Organisator des modalen Lokationselements 40 bis 43 von 38; Akkommodant von 40 Nomen 44 dieses Akkommodant von 45 Flektivi 45 Ausdrucks Organisator des Kommentars 44 bis 45 von 43 Nomen 46 ~ÄT~ ^8~ eine Akkommodant von 48 Flektivi bekannte Akkommodant (Attribut) von 48 Flektiv 2 ^Jvlethode Komplement von 38; Organisator von 46 bis 47 Nomen 49 5Ö~ der Akkommodant von 50 Flektivi Forschung Organisator des Kommentars 49 bis 50 von 48 Nomen 51 doch Satzverbindungswort; verbindet die Bereiche 01 bis 50 und 52 bis 60 Aflektiv als Anschlusswort 52 gibt Hauptorganisator des Bereichs 52 bis 60; obligatorischer Kookkurrenzpartner von 53 Verb 53 es Korrelat von 52 Aflektiv als Korrelat 54 "55"" keinen Akkommodant von 55 Flektivi Grund, Komplement von 52, Organisator von 54 Nomen 56 hier Lokationselement (lokal) von 60 Aflektiv zur Verbalphrase 57 ~58~ unnötig Spezifikator von 58 Aflektiv zum Aflektiv pessimistisch Lokationselement (modal) von 60 Aflektiv zur Verbalphrase <?page no="249"?> Anhang: Auswertung des Modells 249 59 zu Spezifikator von 60 Aflektiv zur Verbalphrase 60 sein. Hauptorganisator des Kommentars von 55 Infinitiv Die kookkurrenziell ermittelten Einheiten und Einheitenkonfigurationen können weiter einer funktionalen Analyse unterzogen werden, die sie in Kategoriensysteme anderer linguistischer Modelle platziert. <?page no="251"?> Studien zur deutschen Sprache FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Weitere Bände der Reihe: Daniel Bresson / Jacqueline Kubczak (Hrsg.) Abstrakte Nomina Vorarbeiten zu ihrer Erfassung in einem zweisprachigen syntagmatischen Wörterbuch Band 10, 1997, 300 Seiten, DM 120,-/ / ÖS 876,-/ SFr 108,- ISBN 3-8233-5140-0 In diesem Band werden die Ergebnisse eines deutsch-französischen Kooperationsprojekts vorgestellt. Im Zentrum steht ein Konzept für die Behandlung abstrakter Nomina in einem zweisprachigen syntagmatischen Wörterbuch deutsch-französisch/ französisch-deutsch. Die Nomina werden als Prädikate mit Argumentstrukturen betrachtet, die zusammen mit Stützverben (verbes supports) den Kern eines Satzes bilden. Neben der ausführlichen syntaktischen und semantischen Charakterisierung der Argumente wird besonders auf die angemessene Behandlung von Kollokationen, idiomatischen Phrasemen und Komposita Wert gelegt. Wolfgang Teubert (Hrsg.) Neologie und Korpus Band 11, 1998, 170 Seiten, DM 68,-/ ÖS 496,-/ SFr 65,- ISBN 3-8233-5141-9 Der Sammelband enthält ausgewählte und umfassend überarbeitete Beiträge eines Kolloquiums über Möglichkeiten und Probleme einer korpusbasierten Neologismenlexikographie. Das in der Germanistik lange vernachlässigte Thema der Neologie und des lexikalischen Wandels wird in theoretischen, methodologischen und praktischen Aspekten beleuchtet. Angelika Storrer / Bettina Harriehausen (Hrsg.) Hypermedia fur Lexikon und Grammatik Band 12, 1998, 275 Seiten, DM 96,-/ ÖS 701,-/ SFr 86- ISBN 3-8233-5142-7 Die Beiträge des interdisziplinär ausgerichteten Sammelbandes behandeln aus theoretischer und aus anwendungsbezogener Perspektive die neuartigen Gestaltungsmöglichkeiten, die Hypermedia in den Bereichen Lexikographie, Terminographie und Grammatikschreibung eröffnet. Textlinguistische, informationswissenschaftliche und mediendidaktische Fragestellungen werden am Beispiel konkreter Anwendungen diskutiert. <?page no="252"?> Studien zur deutschen Sprache FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Ulrike Haß-Zumkehr “Wie glaubwürdige Nachrichten versichert haben” Formulierungstraditionen in Zeitungsnachrichten des 17. bis 20. Jahrhunderts Band 13, 1998, 226 Seiten, DM 96,-/ ÖS 701,-/ SFr 86,- ISBN 3-8233-5143-5 Von Beginn der Mediengeschichte an verwenden Journalisten mehr oder weniger feste Fügungen, meist um Angaben über die Quellen einer Nachricht, ihre Hintergründe und Übermittlung zu machen. Die Arbeit untersucht die kommunikativen, syntaktischen und lexikalischen Formen der Versprachlichung im Hinblick aufdie Herausbildung und Tradierung fester Fügungen. Dabei wird unveröffentlichtes Material umfangreich dokumentiert und über ein Wortregister aufgeschlüsselt. Nina Berend Sprachliche Anpassung Eine soziolinguistisch-dialektologische Untersuchung zum Rußlanddeutschen Band 14, 1998, X, 253 Seiten, DM 68,-/ ÖS 496,-/ SFr 65,- ISBN 3-8233-5144-3 Die Untersuchung behandelt die sprachliche Anpassung und Integration von rußlanddeutschen Aussiedlern, die seit Mitte der 80er Jahre nach Deutschland gekommen sind. Ihre sprachlich-soziale Situation in Deutschland ist durch eine charakteristische Mehrsprachigkeit gekennzeichnet. Die unterschiedlichen sprachlichen Formen werden anschaulich an Textbeispielen demonstriert. Es werden dialektologische und soziolinguistische Untersuchungen durchgeführt, die zeigen, wie sich die Sprechweisen einzelner Gruppen von Aussiedlern im Verlauf des Anpassungs- und Integrationsprozesses verändern, und es werden Konsequenzen für den die Integration unterstützenden Sprachunterricht aufgezeigt. Jarochna Dabrowska Stereotype und ihr sprachlicher Ausdruck im Polenbild der deutschen Presse Band 17, 1999, 346 Seiten, DM 138,-/ ÖS 1007,-/ SFr 124,- ISBN 3-8233-5147-8 Gegenstand des Buches sind konkrete sprachliche Realisierungen von Stereotypen im öffentlichen Diskurs in Deutschland über Polen, die eine Rekonstruktion von Ausschnitten des deutsch-polnischen Dialogs darstellen. <?page no="253"?> Für künftige Philologen und ihre Ausbilder stellt der Band ein didaktisch orientiertes analytisches Verfahren vor, mit dessen Hilfe die Konfigurationalität von Signalen erfaßt werden kann, die in den Texten der deutschen Sprache in regulären Koinzidenzrelationen (Kookkurrenzen) auftreten. Die Kookkurrenzanalyse gestattet es, die verschiedenen Phrasentypen differenziert und exakt aufzufächern. Eine detaillierte Darstellung des terminologischen Apparats, zahlreiche Diagramme und Beispiele sowie exemplarische Analysen erleichtern den Einstieg in das diskutierte Modell. ISBN 3-8233-5146-X