Der Jakobuskult in »Kunst« und »Literatur«
Zeugnisse in Bild, Monument, Schrift und Ton
1210
1997
978-3-8233-5009-5
978-3-8233-4009-6
Gunter Narr Verlag
Klaus Herbers
Robert Plötz
Seit J. Bédier, E. Mâle und A. K. Porter gehören Literatur und Kunst zu den bevorzugten Gebieten der Jakobus- und Pilterwegforschung. Der vorliegende Sammelband, der auf den Ergebnissen zweier Tagungen basiert, erweitert diese Tradition und greift die Thematik auch auf der Ebene der vielfältigen "kleineren", zunächst unscheinbaren Zeugnisse des Kultes auf, die ebenso individuelle Äußerung wie kollektive Einordnung darstellen.
So werden z.B. adelige Selbstdarstellungen in Wappen und Zeichnungen an Gnadenorten, Pilgerzeichen, Spuren und Bezüge in der modernen Literatur oder in den skandinavischen Liedern erstmals mit Blick auf Jakobus den Älteren vorgestellt. Dabei entsteht ein weitgestreutes Spektrum, das die Verbreitung des Kultes auf den unterschiedlichsten Ebenen verdeutlicht und für die verschiedensten wissenschaftlichen Diziplinen sowie für interessierte Laien erschließt. Die beigegebenen Abbildungen veranschaulichen inhaltlich und methodisch wichtige Ergebnisse.
<?page no="1"?> Titelscan.indd 1 Titelscan.indd 1 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Der Jakobuskult in »Kunst « und »Literatur « <?page no="2"?> Titelscan.indd 2 Titelscan.indd 2 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Jakobus-Studien 9 im Auftrag der Deutschen St.Jakobus-Gesellschaft herausgegeben von Klaus Herbers und Robert Plötz <?page no="3"?> Titelscan.indd 3 Titelscan.indd 3 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Der Jakobuskult in »Kunst« und »Literatur« Zeugnisse in Bild, Monument, Schrift und Ton herausgegeben von Klaus Herbers und Robert Plötz ~ Gunter Narr VerlagTübingen <?page no="4"?> Titelscan.indd 4 Titelscan.indd 4 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Der Jakobuskult in »Kunst« und »Literatur«: Zeugnissein Bild, Monument , Schrift und Ton/ hrsg. von KlausHerbers und Robert Plötz. - Tübingen : Narr, 1998 (Jakobus-Studien; 9) ISBN 3-8233-4009-3 © 1998 • Gunter Narr Verlag Tübingen Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Satz: CompArt, Mössingen Druck: Müller+ Bass, Tübingen Verarbeitung : Gogl, Reutlingen Printed in Germany ISSN 0934-8611 ISBN 3-8233-4009-3 <?page no="5"?> Titelscan.indd 5 Titelscan.indd 5 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Inhalt KLAUS HERBERS, ROBERT PLöTZ Von Pilgerkirchen und epischer Dichtung zu Zeugnissen in Schrift, Bild und weiteren Monumenten: Eine Einführung ............................ VII I Bilder - Monumente - Zeugnisse THOMAS ! GOR C. BECKER ,Building Boards': Bemerkungen zur Bildprogrammatik einiger romanischer Portale und Portalfassaden in Navarra ..... ........... ...... ... 3 R YSZARD KNAPINSKI Ikonographie des Apostels Jakobus im Kontext der Darstellungen des Credo Apostolorum ......... .............................. ........................ 15 CHRISTOPH KüHN Heilige und Bürger - Die Skulpturenfassade der Trierer Steipe ....... .... 51 ROBERT PLöTZ Der Jacobus der Reformation - Ein nachgereichter Beitrag zum Lutherjahr .......................... .... .... .. ...... ...... ...... .......... .. .. .. ..... 67 JüRGEN WITTSTOCK Der Bremer Pilgerzeichen-Fund .. .. .. .. ... ......... ..... ....... .. . .. .. .. .. ...... .... 85 DETLEV KRAACK Monumentale Zeugnisse der spätmittelalterlichen Adelsreise auf den Wegen nach Santiago de Compostela .... ........... ... 109 II Schrift und Ton VOLKER HONEMANN Santiago de Compostela in deutschen Pilgerberichten des 15.Jahrhunderts ....................... ....... ............................. .. ... ...... .. .. . 129 ]AN VAN HERWAARDEN Der Apostel Jakobus in der mittelniederländischen Literatur .... ... .. ..... 141 GAELE DE LA BROSSE Le theme jacquaire dans l'univers claudelien 187 <?page no="6"?> Titelscan.indd 6 Titelscan.indd 6 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 VI Inhalt HEINZ KLÜPPELHOLZ Die Stellung des „Camino de Santiago" in Alejo Carpent iers Novellenzyklus Guerra de! tiempo .. ....... .. ....... .... ... ... ..... .... .. .... ..... . 201 ANNEGRET LANGENHORST Santiago, Heiliger zweier Welten. Eine literarische Spurensuche in Europa und Hispanoamerika ...... .. ...... ..... ... .... .... ... .. .... .. ....... ... .. . 225 ERIK SODER VON GüLDENSTUBBE Jakobus in der fränkischen Literatur .. ...... ..... .. .. ... .. .. ...... .... .... ... .. . .. . 239 VICENTE ALMAZAN SanktJakobus in den skandinavischen Volksliedern .......... ............ ..... 259 III Berichte aus der Region JOHANNA VON HERZOGENBERG Die Jakobuskirche in Leutschau/ Levoca, Zips/ Spis (Slowakei), eine gotische Schatzkammer ......... ....... ..... ... .... ... ..... .... . ..... .. .. ....... .. 271 Register der Orts- und Personennamen ........ ..... .. .... ......... .. .......... .. . 285 <?page no="7"?> Titelscan.indd 7 Titelscan.indd 7 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Von Pilgerkirchen und epischer Dichtung zu Zeugnissen in Schrift, Bild und weiteren Monumenten: Eine Einführung KLAUS HERBERS, ROBERT PLöTZ Bedeutet das Thema des vorliegenden Bandes nicht eine Rückkehr zu den Anfängen der Jakobusforschung? Als kaum noch ein Pilger die nur noch wenig bekannten, alten Wege in Richtung Compostela benutzte, geschweige denn pilgerte, entdeckten Philologen und Kunsthistoriker sie neu, übertrieben gesagt: "erfanden" sie regelrecht. "Im Anfang war die Straße" formulierte zu Beginn des Jahrhunderts Joseph Bedier in seinem Hauptwerk „Les legendes epiques"; mit diesem geläufigen, fast „geflügelten Wort" meinte er vor allem die Pilgerwege nach Compostela, denen für die Entstehung der zahlreichen epischen Dichtungen besondere Bedeutung zukomme 1• Nicht nur der Ursprung, sondern auch Wirkung und Verbreitung der epischen Dichtungen seien durch Pilger und Pilgerstraßen maßgeblich gefördert worden. Bediers Thesen wirkten über sein Fachgebiet hinaus, befruchteten insbesondere weitere kunsthistorische Forschungen. Bekannt sind die Thesen vom angeblichen Einfluß der Pilgerstraßen auf die Architektur romanischer Kirchen, auf Skulpturen und auf die Verbreitung ikonographischer Themengruppen. Als Hauptvertreter dieser vom Weg gesprägten kunsthistorischen Erklärungen gelten Emil Male und der Amerikaner Kingsley Porter 2 • Sie sahen je nach Herkunft maßgebliche Einflüsse französischer Baukunst in Vgl. zum Werk K. KLOOKE, J. Bediers Thesen über den Ursprung der Chansons de geste und die daran anschließende Diskussion zwischen 1908 und 1968 (Göppingen 1972). 2 E. MALE, L' Art religieux du X! Ie siede en France (Paris 1922) und A. K. PORTER, Romanesque Sculpture of the Pilgrimage Roads 10 Bande (Boston 1923). Zur neueren Diskussion vgl. J. WILLIAMS, La arquitectura de! camino de Santiago, Compostellanum 29 (1984) S. 267-290. Vgl. auch S. MoRALEJO, The Tomb of Alfonso Ansurez (t 1093): Its Place and the Role of Sahagun in the Beginnings of Spanisch Romanesque Sculpture, in: Santiago, Saint-Denis and Saint Peter. The Reception of the Roman Liturgy in Le6n-Castile in 1080, hg. von B. F.REILLY(New York 1985) S. 64-100 (Auseinandersetzung mit Porters These zur romanischen Skulptur) und zuletzt M. DuR- LIAT,La sculpture romane de la raute de Saint-Jacques de Conques a Compostelle (Mont-de-Marsan 1990). <?page no="8"?> Titelscan.indd 8 Titelscan.indd 8 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 VIII Klaus Herbers & Robert Plötz Spanien entlang der „Pilgerwege" (Male), oder sie erblickten in der Compostelaner Kathedrale das Vorbild für zahlreiche romanische Bauten in Frankreich an den sogenannten „Pilgerwegen" (Kingsley Porter). Und bis heute erstaunt ja jeden Pilger und Kunstbetrachter, daß entlang dieser, die Landschaft markierenden Routen künstlerisches Schaffen überdurchschnittlich reich anzutreffen ist, das in seinen verschiedenen Facetten auch dem durch die zeitweilig besonders intensive Pilgerbewegung geförderten Austausch zwischen verschiedenen Kultstätten zuzuschreiben ist. Aber Austauschprozesse sind vielfältig, kompliziert und auf vielen Ebenen anzutreffen. Das Rahmenthema ist deshalb nur scheinbar ein klassisches Thema der Jakobusforschung . In verschiedenen früheren Bänden dieser Reihe ist schon daran erinnert worden, wie sehr spezielle ikonographische Themen oder kurze, prägnante Texte der Jakobus-Traditionen den Jakobuskult zuweilen schubweise europaweit verbreiteten 3• Bis heute gilt: Nicht nur Berichte und Erzählungen der Pilger, sondern auch Bilder und Vorstellungen förderten und fördern maßgeblich Kenntnisse und Ahnungen des vielfältig verflochtenen J akobuskultes. Die großangelegten wissenschaftlichen Erklärungsversuche des beginnenden 20. Jahrhunderts müssen auf bescheideneren Ebenen überprüft und gewürdigt werden. Die Wahl des Untertitels verdeutlicht, daß nicht nur Kunst und Literatur im klassischen Sinne als Zeugnisse des Jakobuskultes wahrzunehmen sind . Auch die bisher nicht oder nur flüchtig gewürdigten unscheinbaren Ausdrucksformen der Pilgerzeichen und Ablaßzettel bieten lohnende Spuren . Ob für sie die anspruchsvollen Titel „Kunst" oder „Literatur" verwendet werden dürfen, bleibt zunächst zweitrangig. Wesentlich erscheint es, die „Zeugnisse" des J akobuskultes umfassender zu sehen und den bisherigen Bestand sinnvoll zu ergänzen. Die Referentinnen und Referenten der Tagungen der Deutschen St.Jakobus-Gesellschaft in Coesfeld (1995) und in Würzburg (1996) sowie die weiteren hinzugewonnenen Autorinnen und Autoren4, deren überarbeitete Beiträge hier gedruckt vorgelegt werden, nutzten diesem Konzept entsprechend weniger die klassischen Straßen der Wissenschaft, die Joseph Bedier und Emile Male angelegt hatten; sie folgten eher Pfaden durch noch unwegsames Gestrüpp _. Unter dem weitgespannten Rahmen „Kunst und Literatur" interpretierten sie verschiedene Aspekte der Kultgeschichte des Apostels Jakobus des Älteren sowie ihrer Rezeption in den Bild-, Schrift- und Tonmedien. Begriffe wie Bild, Zeugnisse, Schrift und Ton erschließen neue Themenbereiche. Dem Bild kommt in dem hier gegebenen Rahmen eine Sonderstellung zu, da zwei- und dreidimensionale Darstellungen in der Kunst, in Sprachbildern 3 Vgl. z.B . die Bände 6-8 der Reihe Jakobus-Studien. 4 Nicht vorgetragen wurden die Beiträge von Gaele de La Brosse, Robert Plötz und von Heinz Klüppelholz; ein Beitrag konnte leider nicht in den Sammelband integriert werden. <?page no="9"?> Titelscan.indd 9 Titelscan.indd 9 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Zeugnisse in Schrift, Bild und weiteren Monumenten IX in der Literatur, in Eindrücken in der Memoria und in Tongemälden in verschiedener Weise präsent sind. Bilder vermitteln Eindrücke und Aussagen aus vergangenen Zeiten . Sie berichten von Natur und Kultur, von uns und anderen Menschen. Bildbotschaften können suggerieren, manipulieren, den Wirklichkeitssinn beeinflussen und das Rollenspiel verändern. Leider wissen wir immer noch zu wenig darüber, wie Bilder auf Jugendliche, Kinder und Erwachsene wirken, wie sie in den unterschiedlichen sozialen Gruppen rezipiert werden, und damit zum Beispiel auch Tradition/ Beharren, Innovation/ Wandel in bewußten und unbewußten Prozessen Einzelne und gesellschaftliche Gruppen beeinflussen. Fragen, die uns die folgenden Beiträge aufgeben, die aber bisher als nicht hinreichend gelöst anzusehen sind. Der vorliegende Band stößt insofern in Neuland der Jakobus-Forschung, weil sowohl die Region und das Einzelzeugnis als auch der internationale Kontext und die Wirkungen auf kollektiver Ebene in offiziellen „Bildern" (Liturgie und Ikonographie), in individuellen „Bildern" (Literatur) in kollektiver Form (Lied) in Gesellschaft (Heilige und Bürger, Memoria) und Individuum (Pilgerberichte und Monumentalzeugnisse) berücksichtigt werden. Thomas Igor C. BECKERbehandelt die Bildprogramme des europäischen Stils der Romanik in der Region Navarra und ihren Bezug zur Pilgerfahrt und dabei auch die didaktische und funktionale Bedeutung dieser Bilder als sogenannte „Building-boards" 5 • Riszard KNAPINSKI stellt die Frage nach dem Kontext und verdeutlicht, daß Jakobus nie isoliert gesehen werden darf, sondern oft nur als Mitglied im Apostelkollegium angemessen zu würdigen ist. Er verfolgt im Zusammenhang mit den bildlichen Interpretationen von theologischen Inhalten der Glaubenswahrheiten (Katechese) die Motiventwicklung vom 3. Jahrhundert bis in die Neuzeit . Wichtiger Beleg für das christliche, alte Europa ist die Plocker Bronzetür von Nowgorod, die um 1153 in Magdeburg gegossen wurde und Einflüsse lombardischer Künstler erkennen läßt, mithin ein Zeichen europaweiter Kontakte bedeutet . Christoph KüHN hebt in seinem Beitrag die Genese der Trierer Steipe und den Bezug ihrer Heiligenbilder zur Bürgerwelt des späten 15. Jahrhunderts hervor, wobei die Mischung bürgerlichen Selbstverständnisses und der Bedeutung sozialer Strukturen (Spital- und Bruderschaftswesen) zum Ausdruck kommt. Robert PLö1Zverfolgt, wie sich ein Sondertypus der J akobusikonographie in der Zeit um 1500 entwickelte, die den Apostel in einer Luther-Bibel als angeblichen Verfasser der kanonischen J akobus-Epistel zeigt. Jürgen WITTSTOCKwidmet sich einem Thema der „Kleinkunst", denn die Frage, ob die von ihm vorgestellten Pilgerzeichen der Kunst zugehören, ist kaum eindeutig zu beantworten. Jedenfalls wird mit diesem Beitrag seit den Forschungen des 1986 verstorbenen Kurt Köster das zunehmend durch ständig neue Funde an Gewicht gewinnende Thema weitergeführt. Zahlrei- 5 Vgl. zum Begriff S. MoRALEJO, Arte de! Camino de Santiago y arte de peregrinaci6n (ss. XI-XIII), in: EI Camino de Santiago (Santiago de Compostela 1990), S. 20 f. <?page no="10"?> Titelscan.indd 10 Titelscan.indd 10 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 X Klaus Herbers & Robert Plätz ehe Gnaden- und Kultstätten dokumentieren mit den Pilgerzeichen ihre Bedeutung für die kollektive Suche des individuellen Seelenheils. Ebenfalls kaum der Kunst im herkömmlichen Verständnis zugehörig sind die monumentalen Zeugnisse entlang der Pilgerwege und an Orten, die von Pilgern und Reisenden frequentiert wurden: Die von Detlev KRAACKgebotene Zusammenschau der Belege verdeutlicht, wie wichtig besonders Adelige im ausgehenden Mittelalter ihre Selbstdarstellung und ihre Memoria im Bild nahmen. Auf viele der eingeritzten oder gemalten Wappenschilde oder Namen machen bereits die Pilger- und Reiseberichte des ausgehenden Mittelalters aufmerksam, so daß der Beitrag als Bindeglied zwischen Bild und Text 6 gelten kann. Den Abschnitt zu den Schriftzeugnissen mit den vergleichenden Untersuchungen Volker HüNEMANNsüber die Darstellung Santiagos in den Pil gerberichten von Adeligen und Bürgern im 15. Jahrhundert beginnen zu lassen, trug der Bedeutung dieser Texte aus einer anderen Perspektive Rechnung. Beim Vergleich der Berichte ist nicht nur das Verhältnis von Erlebnis, Aufzeichnung und Rezipienten interessant, sondern auch von Abweichungen oder von Aspekten, die in allen vier vorgestellten Berichten fehlen. So wird die Verehrung des hl. Jakobus und seines Grabes in allen Texten auffallend zurückhaltend, teilweise sogar kritisch, gewürdigt . 7 Jan van HERWAARDEN (Rotterdam) richtet sein besonderes Augenmerk auf den niederländischen Sprachraum des Mittelalters und der frühen Neuzeit, er gibt eine umfassende „tour d'horizon" durch die mittelniederländische Literatur, die von liturgischen Texten bis hin zum Volksklied reicht. Gaele DELABROSSE rückt die Beziehungen des Apostels J akobus zur Ideenwelt des Paul Claude! in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung und stellt anhand verschiedener literarischer Bezüge die thematische Entwicklung vom Donnersohn Jakobus bis hin zum privilegierten Interzessor Jakobus ins Zentrum ihrer Ausführungen . Die Entwicklung des literarischen Oeuvres Claudels wird so auch an der Figur des Jakobus ablesbar. Heinz KLüPPELHOLZ setzt sich eingehend mit der thematischen Rezeption des „Camino de Santiago" in den Werken des kubanischen Dichters Alejo Carpentier auseinander, der in einer denk- und merkwürdigen Verschmelzung mehrerer historischer Ebenen und geographischer Bezüge aussagekräftige Literatur verfaßt hat. Annegret LANGENH0RST schlägt ebenfalls einen großen thematischen Bogen nach Lateinamerika. Santiago als Heiliger zweier 6 Vgl. zu einer naheliegenden Problematik neuerdings auch : A. BETSCHART, Zwischen zwei Welten . Illustrationen in Berichten westeuropäischer Jerusalemreisender des 15. und 16. Jahrhunderts (1996) 7 Vielleicht lag hier ein Grund dafür, daß in Toulouse im 15. Jahrhundert ein umfassendes Apostelprogramm aufgebaut wurde, das unter anderen auch Martin Luther an der Echtheit der Compostelaner Reliquien zweifeln ließ, vgl. K. HERBERS, Der Jakobsweg (Tübingen 1985, 5 1995) S. l lf . Eine umfassende Würdigung des Programms in Toulouse ist in einer Studie von Andreas MEYERzu erwarten. <?page no="11"?> Titelscan.indd 11 Titelscan.indd 11 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Zeugnisse in Schrift, Bild und weiteren Monumenten XI Welten wird hier als Spiegelbild seiner Vermittler, der spanischen Eroberer, gesehen; er trägt eindeutig martialische Züge, welche die Wahrnehmung des anscheinend unter den Indios gar nicht so populären Heiligen bis in die jüngste Vergangenheit zu prägen scheinen. Erik SoDERVONGüLDENSTUBBE vermittelt das „literarische Bild" einer komplexen Region, wie sie der Großraum Franken in seinen vielfältigen Verflechtungen mit Jakobus-Kult und -pilgerfahrt darstellt. Die Bedeutung von Liedern, um Pilger- und Kulterfahrung weiterzugeben, ist ja mit den bekannten Gesängen Dum pater familias aus dem 12.Jahrhundert oder Wer das elent bawen will aus dem 15. Jahrhundert, schon oft unterstrichen worden. Nach Jan van Herwaarden widmet sich Vicente AL- MAZANden skandinavischen Volksliedern des 18. Jahrhunderts bis heute, die einen speziellen Bezug zumJakobus-Kult besitzen und offensichtlich gewisse Traditionen der frühen lateinischen Apostelakten aufgreifen. In der Sparte „Berichte" gibt Johanna von HERZOGENBERG (Prag und München) einen ersten Einblick in die reichhaltige Ausstattung der Jakobus- Kirche in Leutschau/ Levoca in der Slowakei. Die Verbindung der vermögenden Handelshäuser Fugger und Thurzo führte zu einem großen wirtschaftlichen Aufschwung des „slowakischen Erzgebirges" im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit, der sich u . a. in Form von reichhaltigen Stiftungen in verschiedenen Kirchen niederschlug, wobei Jakobus als Namenspatron von Jakob Fugger besonders bedacht wurde. Der Bericht sollte als Ausgangspunkt für weitere Forschungen angesehen werden. Es kann nicht Ziel einer Einführung sein, den wissenschaftlichen Ertrag zweier Tagungen oder des Sammelbandes zu benennen, der ja auch an den seit 1988 üblichen „Resumenes" abgelesen werden kann. Zum erweiterten Blick gehören unzweifelhaft auch neue Fragen und Perspektiven, die sich eröffnen. Hierzu wurden bei den Tagungen folgende Thesen formuliert: 1. Die bisherigen Hypothesen, daß sich der Jakobuskult in Europa während des Mittelalters besonders intensiv im 12. und dann im 15. Jahrhundert verbreitet hat, scheinen sich mit gewissen Vorbehalten auch durch die hier vorgestellten Beiträge zu bestätigen und sind weiter zu konkretisieren. 2. Die ikonographischen Motive sind weiter zu differenzieren. Dies betrifft die gerade im Blick auf Lateinamerika so wichtige Konzeption des Heiligen als Maurentöter, die häufige Gleichsetzung mit dem jüngerenJakobus sowie die Frage, iri welchen Kontexten der Apostel anzutreffen ist; sein Platz und sein Rang in der Apostelgruppe war nur ein wenn auch wichtiger - Aspekt dieser übergeordneten Probleme. 3. Damit zusammen hängt die Frage nach den Funktionen der Zeugnisse, in denen der Apostel in der Vordergrund gerückt wird: Pilgerzeichen, Reiseliteratur und monumentale Selbstdarstellung spiegeln häufig adeliges Selbstverständnis, jedoch sind weitere Funktionen in jedem einzelnen Fall zu erschließen . <?page no="12"?> Titelscan.indd 12 Titelscan.indd 12 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 XII Klaus Herbers & Robert Plätz 4. Unter methodischem Aspekt bleibt deshalb wichtig, wie einige der in diesem Band für die Jakobusforschung neu erschlossenen Zeugnisse (wie Pilgerzeichen oder Graffitti) zum Sprechen zu bringen sind. In welchem Maße müssen wir uns hier stärker auf die jeweiligen Überlieferungs- und Wirkungszusammenhänge einlassen? 5. Schließlich ist auch die räumliche Erweiterung der Untersuchungen bis zu den Grenzen Europas und darüber hinaus mit neuen Ergebnissen, aber auch mit Fragen verbunden . Dies verdeutlichte die Einbeziehung des östlichen Mittelmeerraumes, Islands oder Lateinamerikas. Auch die zeitliche Erweiterung bis in die Gegenwartsliteratur hinein läßt fragen , wie Funktionen und Bedeutung der Kultspuren angemessen vergleichend gewürdigt werden können. Die Herausgeber bedanken sich abschließend bei den Autorinnen und Autoren für ihre Bemühungen, auf vielfältige Art und Weise zum „Bild" des Apostels Jakobus in Geschichte und Gegenwart beigetragen zu haben. <?page no="13"?> Titelscan.indd 13 Titelscan.indd 13 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 I BILDER MONUMENTE ZEUGNISSE <?page no="14"?> Titelscan.indd 14 Titelscan.indd 14 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 <?page no="15"?> Titelscan.indd 15 Titelscan.indd 15 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 ,Building Boards': Bemerkungen zur Bildprogrammatik einiger romanischer Portale und Portalfassaden in Navarra THOMAS lGOR C. BECKER Längst gehört es zum Selbstverständlichen, von einer ,Kunst des Jakobswegs' zu sprechen, dabei in allererster Linie die große Zahl romanischer Denkmäler meinend 1• Bautypologische Besonderheiten wurden postuliert2, das Phänomen Pilger-programmatischer, auf den Weg des Herankommenden zugerichteter Schauwände, der „building boards" oder, wie PLöTZ übertragen hat, "Wegfassaden" 3, wird diskutiert. Immer wieder werden thematische Vorlieben benannt, die auf die besonderen Gegebenheiten der Santiago-Wallfahrt zugeschnitten scheinen4. Eine systematische Untersuchung ikonographisch-programmatischer Spezifika ist dabei bis heute ein Desiderat. Erschwert durch die Problematik des Begriffs ,Jakobsweg ' bzw. ,Jakobswege' 5 und bedingt durch das Fehlen gesamte Vgl. die alle falsche Euphorie relativierende Darstellung bei Klaus HERBERS, Via peregrinalis, in: Robert PLöTZ(Hg.), Europäische Wege der Santiago-Wallfahrt (Jakobus- Studien 2, Tübingen 1990), S. 1-25, hier S. 21. Vgl. zusammenfassend z.B . Andre von MANDACH, Neues zum Pilgerführer der Jakobswege, in: PLöTZ(wie Anm. 1) S. 41-59, hier S. 54-56. Vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Robert PLöTZ,Jacobus Maior. Geistige Grundlagen und materielle Zeugnisse eines Kultes, in: Klaus HERBERS / Dieter R . BAUER (Hgg.) , Der Jakobuskult in Süddeutschland (Jakobus-Studien 7, Tübingen 1995), S. 171-232, hier S. 178-180. - Der von Plötz vorgeschlagene Begriff ,Wegfassade' betont zwar die Zielrichtung dieses Phänomens, unterschlägt dabei aber die Funktion des ,Aushängeschilds'. Zwar könnte man einwenden, daß wiederum der Begriff ,building board' diese Funktion zwar anzeige, aber die Ausrichtung nicht anspreche . Doch: Wer hängt schon sein Aushängeschild ins Verborgene? Vgl. u . a. Seraffn MORALEJO, Arte de! Camino de Santiago y arte de peregrinaci6n (ss. XI-XIII), in : EI Camino de Santiago (Universidad Internacional de! Atlant ico, Curso de Verano 1987, Santiago de Compostela 1990), v. a. S. 10-21, oder Mercedes J0VER HERNANDO, Los ciclos de Pasi6n y Pascua en la escultura monumental romanica en Navarra, Principe de Viana 48 (1987) S. 7-40. Vgl. z.B. HERBERS(wie Anm. 1) S. 3-20 oder Arturo S0RIA Y Pure, Der Jakobsweg und die Jakobswege in Spanien, in: Paolo C AUCCI vON SAUCKEN(Hg .), Santiago de Compostela - Pilgerwege (Augsburg 1995, 1996), S. 195-232, hier v. a. S. 214f. <?page no="16"?> Titelscan.indd 16 Titelscan.indd 16 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 4 Thomas ! gor C. Becker Regionen erfassender ikonographischer Kataloge 6 müssen Ergebnisse von Arbeiten wie jenen MüRALEJOs 7 oder DURLIATs 8 in der wissenschaftlichen Diskussion relativiert werden. Zudem werden im Rahmen eingehenderer Untersuchungen ausnahmslos Teilaspekte der bauplastischen Ausstattung in den Blick genommen9, während umfassendere Darstellungen dazu tendieren, ohne einigermaßen verläßliche Basis Schlußfolgerungen zu ziehen, zu verallgemeinern. 10 Dabei böte das systematische Herausarbeiten bildprogrammatischer Spezifika an Kirchen der Jakobswege die Chance, eben solche Besonderheiten als hilfreiche Indizien heranzuziehen, wenn es gilt, der Frage nachzugehen, ob und wie einzelne Baudenkmäler im Zusammenhang stehen mit dem Phänomen der Santiago-Wallfahrt . Erforderlich wären also - und dies keineswegs ausschließlich für unseren Zweck vollständige 11, sinnvolle zeitliche Abschnitte berücksichtigende ikonographische Kataloge für die einzelnen Regionen . In der Darstellung sollte der jeweilige Grad der ,Öffentlichkeit' einzelner bauplastischer Komplexe, also der Grad der Hinwendung zum bzw. Ausrichtung auf den besuchenden Gläubigen, berücksichtigt werden, wie es die pointierten Hypothesen PASSINis 12 und vor allem MüRALEJOs 13 nahelegen. Im Folgenden soll versucht werden, an einer kleinen Gruppe von relativ eng benachbarten Bauten in Navarra -der dichtest mit Denkmälern der Romanik ausgestatteten Trichterregion des spanischen camino -, deren Entstehung bzw. Existenz ohne Zweifel dem Phänomen Santiago-Wallfahrt wesentlich verpflichtet ist, die Bildprogrammatik der mehr oder minder ,öffentlichen' bauplastischen Ausstattung aufzuzeigen und ihre Rolle als ,building board' kurz zu erläutern. Eine ganze Reihe von romanischen Portalfassaden erlebte im Laufe des 12. Jahrhunderts eine repräsentative dekorative und bildprogrammatische 6 Auch neuere Regionalinventare verzichten meist sogar im Ansatz schon auf entsprechende Mühen, vgl. z. B. Maria Concepci6n GARC! AGAINZA(Dir .), Catalogo Monumental de Navarra (Pamplona 1980ff.; bisher 6 Bände erschienen). 7 Wie Anm. 4. 8 Marcel DuRLIAT,La sculpture romane de la route de Saint-Jacques de Conques a Compostelle (Mont-de-Marsan 1990). 9 Vgl. u. a.: ebd.; Maria Jose QUINTANADE UNA, Los ciclos de Infancia en la escultura monumental romanica en Navarra, Prfncipe de Viana 48 (1987) S. 269-297. 10 Vgl. z. B. DuRLIAT(wie Anm . 8) S. 40f; neuerlich: Uwe GEESE, Romanische Skulptur, in: Rolf ToMAN(Hg .), Die Kunst der Romanik (Köln 1996), S. 256-375, hier S. 344. 11 Daß beispielsweise Erhaltungszustand, Schwierigkeiten bei der ,Lesung' einzelner Darstellungen oder Unklarheiten hinsichtlich der Zeitstellung Unsicherheitsfaktoren bleiben müssen, ist eine beinahe müßige Feststellung. Daß die Verläßlichkeit bei Regionen mit besonders hoher Denkmälerdichte dennoch weit diesseits der Grenze des Zufälligen angesiedelt sein muß, ist ebenso unbestreitbar. 12 Jean PASSINI, Essai de typologie des eglises du chemin de St-Jacques-de-Compostelle, Storia della Citta 23 (1982) S. 5-16. 13 Wie Anm. 4. <?page no="17"?> Titelscan.indd 17 Titelscan.indd 17 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Bildprogrammatik romanischer Portale und Portalfassaden in Navarra 5 Ausweitung. Dies mag zwar gelegentlich im Zusammenhang stehen mit tatsächlich notwendigen Erneuerungsarbeiten, erscheint aber insgesamt doch als ein Phänomen, dem übergeordnete Bedeutung eignet. Daß zumindest die meisten Beispiele dafür m. E. am camino zu finden sind, ist wohl kein Zufall. In diese Gruppe gehört auch die Kirche San Salvador des Pyrenäenklosters Leyre, deren Westportalfassade sich als einzige öffentlich dem Pilgerstrom darbot, damit ,building-board-verdächtig' ist. Während wesentliche bauplastische Bestandteile dieser Fassade wohl dem frühen 12. Jahrhundert zuzurechnen sind, ist ihre Ergänzung und Zusammen- Abb. 1: Leyre, San Salvador stellung zum heute sichtbaren Zustand wohl frühestens ein Werk vom Ende desselbenJahrhunderts 14• Leider ist der Erhaltungszustand relativ schlecht, so daß auch die Einzelfiguren des Tympanons nur teilweise eindeutig zu benennen sind. Sechs Figuren sind zu sehen, von denen sich die Positionen 2 bis 4 von links als Petrus, Maria und Christus zu erkennen geben. Letzterer ist dabei nicht eigentlich als Pantokrator oder gar Weltenrichter dargestellt, sondern wohl im Sinne des Kirchenpatroziniums allgemeiner als der segnende Auferstandene. Maria, trauernd-ohnmächtig beide Hände vor die Brust haltend, bestimmt damit auch den rechts neben Christus stehenden jugendlichen Apostel eindeutig als Johannes den Evangelisten. Damit gelingt es diesem Tympanon wohl durchdacht und leicht verständlich, sowohl auf das Opfer Christi zu verweisen als auch die erst dadurch mögliche Erlösung durch die Auferstehung präsentativ zu verbildlichen . Als paarig-symmetrische Ergänzung zu Petrus sollte man dann Paulus auf Position 6 annehmen. Die mutmaßliche Apostelfigur ganz links, ursprünglich mit einem Pendant ganz rechts im Tympanon, bietet keine Iden- 14 Vgl. Luis Maria de LOJENDIO, Navarre romane (La Pierre-qui-vire 1967) S. 80-118. <?page no="18"?> Titelscan.indd 18 Titelscan.indd 18 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 6 Thomas ! gor C. Becker tifikationsmerkmale. Ebensowenig lassen sich die beiden das Portalgewände flankierenden Apostel näher bestimmen. Jedenfalls wird damit im Kontext das Zeugnis von Opfer und Auferstehung zum Kern des apostolischen Auftrags. Daß die beiden letztgenannten Apostel angebracht sind über je einem Löwen, der einen Menschen unter sich begräbt 15, und zudem von Löwen überkrönt werden, verweist auf die Macht des christlichen Glaubens gerade in Zeiten des Glaubenskampfes; Christus als Löwe ist das Fundament des auch aktuellen apostolischen Wirkens und zugleich sein Schutz. Die Kapitelle der Gewändesäulen und der Mittelstütze des Portals weisen ein relativ indifferentes Spektrum zeittypischer Bildmuster auf: löwenartige Vierfüßer, Vögel, sitzende oder kauernde Figuren, Kantenfratzen, Flechtwerk und Vegetabiles, sie scheinen dem Gläubigen noch relativ allgemein die Gefahr des sich Verstrickens im sündigen Dickicht des Diesseits 16 anzudeuten und damit die Gefahr, des Erlösungswerks Christi nicht teilhaftig werden zu können. Die figurale Vielfalt des Archivoltendekors läßt sichin Fortführung des Angedeuteten ohne größere Schwierigkeiten als facettenreiche Präsentation von konkreten Sünden und Lastern lesen, die allerdings keiner Systematik zu folgen scheint 17• Es begegnen beispielsweise Schlangen und weibliche Figuren, die sich an den Haaren reißen: Fleischeslust, Habgier und Zorn stehen wohl im Vordergrund. Über den Archivolten entfaltet sich schließlich ein ,buntes' Programm. Von links nach rechts lesend, folgten über einem heiligen Bischof der Heilige Michael als Triumphator über den Drachen sowie Christus als Pantokrator zwischen Petrus und Paulus: Hier also wird das im Tympanon noch ausgesparte Thema des Weltgerichts dargeboten, das darüberhinaus noch durch ein auf Abstand gegenständiges Paar von Posaunenengeln über die äußere Archivolte gezwängt angespielt wird, zumal der rechte Engel von einem Skelett ,begleitet' wird. Einern weiteren Apostel folgen, als lokal wichtige Nachfolger Christi und Vorbilder für die sich mit ihrer Pilgerfahrt in die Nachfolge Christi begeben habenden Gläubigen, die das Martyrium erleidenden Heiligen Nunilus und Alodias, deren Reliquien seit dem 11. Jahrhundert in der Kirche verehrt wurden. Nach wegen der starken Erosion nicht mehr zu identifizierenden Szenen bzw . Figuren wird eine Maske erkennbar, aus deren Maul fünf Bänder entspringen, dann eine Totentanz-artige Darstellung und Jonas mit dem Wal. Darunter stehen nach einem nicht zu bestimmenden Heiligen Verkündigung und Heimsuchung Mariä als Vorausdeutung auf das im Tympanon Präsente . 15 Vom rechten Löwen existiert nur noch ein Fragment. 16 Vgl. z . B. GEESE (wie Anm. 10) S. 334-345. 17 Mangelnde Systematik spricht zeittypisch keineswegs gegen eine solche Interpretation, vgl. u. a. ebd. <?page no="19"?> Titelscan.indd 19 Titelscan.indd 19 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Bildprogrammatik romanischer Portale und Portalfassaden in Navarra 7 Die Westportalfassade von Leyre illustriert also eindrucksvoll das Phänomen ,building board'. Gerichtet auf die Öffentlichkeit der heranströmenden Pilger ist sie ein programmatisches Aushängeschild, das die Besonderheiten dieser Kirche so zu präsentieren vermag, daß sie geradezu zur Rechtfertigung der Beschwernisse des Pyrenäenwegs im Sinne der Nachfolge Christi auf dem Kreuzesweg dienen konnte. Leyre ähnliche Umstände der Erneuerung, Neugruppierung und Ergänzung bestimmen wohl 18 die dem camino zugekehrte Portalfassade an der Südseite der 1131 durch königliche Schenkung an die Johanniter gekommenen Kirche Santa Maria la Real in Sangüesa, die bereits Abb. 2: Sangüesa, Santa Marfa la Real von MoRALEJ0 19 dem Phänomen ,building board' zugeordnet wurde . Ob hier tatsächlich nur zwei direkt aufeinander folgende Phasen die des v. a. das eigentliche Portal schaffenden Meisters Leodegarius ab etwa 1175 und jene eines u. a. mit der Bauhütte von San Juan de la Pefia verbundenen und um 1200 mit der oberen Fassadenzone beschäftigten Meisters 20 -vorliegen oder die Entstehung noch komplexer anzunehmen ist, sei dahingestellt . Das Tympanon zeigt in einer sturzartigen unteren Zone die Patronin der Kirche, die gekrönt thronende Muttergottes, im Kreise der Apostel. Darüber entfaltet sich eine Weltgerichtsdarstellung, deren zentrale Christusfigur von vier Posaunenengeln umgeben ist. Rechts, auf der Seite der Verdammten, erscheint im unteren Register der Erzengel Michael als Seelenwäger. Daß diese Muttergottes-Weltenrichter-Achse im Tympanon auch das Angebot einer in jener Zeit zunehmend verehrten wundertätigen Fürbitterin ist, läßt sich erahnen . 18 Vgl. u. a. LOJENDIO (wie Anm . 14) S. 195. 19 MoRALEJO (wie Anm. 4) S. 20. 20 Vgl. Isidro G. BANGO TORVISO, EI romanico en Espafia (Madrid 1992), S. 186f. <?page no="20"?> Titelscan.indd 20 Titelscan.indd 20 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 8 Thomas ! gor C. Becker Der Portalbogen wird getragen von einem Säulengewände, in dem karyatidenartig vor die Säulen gestellt links die drei Marien auf die Auferstehung Christi verweisen. Ihre Kapitelle bauen mit der Verkündigung an Maria und der Darbringung im Tempel als einzige Szenen des christologischen Zyklus die marianische Thematik weiter aus. Im rechten Gewände erscheinen das zentrale Apostelpaar Petrus und Paulus sowie der viel kleiner dargestellte Judas, womit die Santiago-Pilger auf die wahre Nachfolge Christi verpflichtet und zugleich vor dem Verrat daran gewarnt werden. Daß auf dieser Seite das einzige erzählende Kapitell dem Urteil Salomos gewidmet ist, unterstreicht mit alttestamentlicher Autoritätden Gegensatz Petrus und Paulus contra Judas geradezu mit dem Weltgericht verbindend die apokalypti sche Richterschaft Christi. Diese außergewöhnliche Darstellung des Judas mag, immerhin den Drei Marien und dem Apostelpaar Petrus und Paulus an-, ja beinahe eingegliedert, auf Bußwallfahrer zugeschnitten sein - oder ist sie eine pragmatische Warnung vor den und an die betrügerischen Händler vor Ort? Jedenfalls folgt den Propheten, Aposteln und Mönchen der inneren Archivolte an der nächsten geradezu ein Bilderbogen der zeitgenössischen Handwerksberufe, was in der mit Händlern, Handwerkern und Siedlern ab 1131 neu ausstaffierten Königsstadt Sangüesa durchaus sinnvoll erscheint, zumal die Stadt mit ihrer gewerblichen Vielfalt durchreisenden Pilgern eine wichtige Station sein mußte. Die übrigen drei Archivolten aber entfalten in überbordender Vielgestaltigkeit ein Panoptikum von Sünden und Lastern, worunter diversen Spielarten der verdammenswerten Fleischeslust und der Habgier ein besonderes Augenmerk gilt. Daß damit die Handwerker eingespannt sind zwischen Vertretern des wahren Glaubens und den Sündigkeiten dieser Welt, wirkt angesichts der besonderen Gerichts- und Judas-Ikonographie keineswegs zufällig. Über dem Portal schließen zwei Arkadenregister die Fassade ab. Im unteren sind acht Apostel aufgereiht, im oberen nehmen die übrigen vier je zwei rechts und links außen den von zwei Engeln flankierten Pantokrator im Tetramorphos in die Mitte, fügen dem Ganzen also die vielleicht ubiquitärste Christusaussage der Romanik bei. Ausgesprochen disparat ist die vom horror vacui beseelte Ausfüllung der Zwickelflächen zwischen Portal und letztgenannten Arkadenregistern, wobei zum Teil noch die die Portalfassade einfassenden Wandpfeiler unregelmäßig miteinbezogen sind. Meist werden einige der Reliefszenen so beispielsweise der Schmied rechts sowie Jagd- und Ritterthemen als Episoden der Sigurdsaga gedeutet, was, ohne nun Gralsspekulationen notwendig zu machen, den höfischen Kontext der Kirche ersichtlich macht. Dazu kommen u. a. Monster, Harpyien, Reptilien und Greifen, als verstreute Bestandteile eines weiteren Tetramorphs geflügelter Löwe, geflügelter Stier und Adler, eine ,Bilderbuch-Luxuria', die Vertreibung aus dem Paradies und wohl der alttestamentliche Brudermord, u . a. Themen also, die sich als leicht eingän- <?page no="21"?> Titelscan.indd 21 Titelscan.indd 21 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Bildprogrammatik romanischer Portale und Portalfassaden in Navarra 9 gige Verbildlichungen und Konkretisierungen der Kernaussagen der Portalfassade verstehen lassen. Auch dieses ,building board' funktioniert geradezu modellhaft, theologisch-programmatisch, wie auch konkret in Bezug auf den besonderen Ort und die von Pilgern anzutreffenden Verhältnisse. Auch die in den siebziger Jahren des 12. Jahrhunderts errichtete sonderbare Anlage von Nuestra Sefiora de Eunate 21 bietet, obwohl gleichsam ,auf Sparflamme', eine Art bauplastisches Aushängeschild, das auf der Seite des vorbeiführenden „camino" den Pilgern programmatisch vor Augen gestellt wird. Im umlaufenden Arkadenportikus direkt am Durchgang zum Hauptportal bzw. in dessen Nähe präsentieren die einzigen szenischen Kapitelle der Arkaden 22zum einen Reise und Anbetung der Heiligen Drei Könige - Patrone für Pilger und Reisende in auf den Jakobsweg hin aktualisierter Fassung, erweitert um die Anbetung der Hirten. Zum anderen werden verkürzt-synthetisierend am zweiten szenischen Kapitell die zentralen Elemente, oder besser: Aussagen, von Oster- und Pfingstgeschehen vergegenwärtigt, verknüpft mit dem Deesis-Motiv. Das tympanonlose Portal selbst in einer nur in wenigen Details divergierenden Kopie an der Pfarrkirche im nahen Olcoz ebenfalls dem camino zugewandt 23betonte mit einem gemalten Chrismon an der Stirnseite des inneren Bogens die Dreifaltigkeit 2 4, um dann in den Kapitellen und Archivolten in unterschiedlicher Umsetzung einen konzentrierten, Habgier und Fleischeslust besonders betonenden Kanon von Sünden und Lastern vorzuführen25. Daß auch bei kleineren Bauten eine mit dem Begriff ,building board' bzw. ,Aushängeschild/ Wegfassade' beschriebene Idee eine wichtige Rolle gespielt haben wird, lassen die beiden letztgenannten Bauten, vor allem Eunate, deutlich werden. Die Portalfassade der Pfarrkirche San Miguel in Estella, relativ sicher in die Jahre zwischen 1187 und 1196 zu datieren 26, präsentiert an der Nordseite des Gebäudes und damit dem Strom der Santiago-Pilger zugewandt 27im Zentrum des Tympanons den Pantokrator in einer Mandorla, umgeben vom Tetramorphos. Wohl ist dieses Thema an einem Tympanon an sich geradezu eine Alltäglichkeit der Romanik. Interessant ist jedoch, daß in der Mandorleninschrift betont wird, Christus sei Gott und Mensch, daß zudem 21 Thomas Igor C . BECKER, Eunate (Navarra): Zwischen Santiago und Jerusalem. Eine spätromanische Marienkirche am J akobsweg O akobus-Studien 6, Tübingen 1995). 22 Ebd. S. 67-73 . 23 Ebd. v. a. S. 46-50. 24 Ebd. S. 46. 25 Ebd. v. a. S. 50-53. 26 So BANGO TORVISO(wie Anm . 20) S. 192; vgl. auch LOJENDIO (wie Anm . 14) S. 306f., 320. 27 Vgl. ebd. S. 318. <?page no="22"?> Titelscan.indd 22 Titelscan.indd 22 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 10 Thomas ! gor C. Becker Abb. 3: Estella, San Miguel der Pantokrator anstelle des Buchs eine Reliefplatte mit dem die Dreifaltigkeit betonenden Chrismon vorzeigt. Eine weibliche Figur links und eine relativ jugendlich wirkende männliche rechts, beide mit Kopfwendung und Hand dem Pantokrator zugewandt, sind sicherlich als Maria und Johannes unter dem Kreuz zu bestimmen 28, womit im Tympanon konzentriert der Bogen vom Opfertod Christi über die Auferstehung bis zum Jüngsten Gericht gespannt wird. Die Archivolten präsentieren von innen nach außen - Weihrauchgefäße schwenkende Engel, die musizierenden Ältesten der Apokalypse, Patriarchen und Propheten, die Hauptszenen der Evangelien sowie Szenen aus dem Leben verschiedener Heiliger, darunter eindeutig zu erkennen Petrus- und Laurentius-Martyrium sowie die Mantelteilung des Heiligen Martin. Die vorkragende äußerste Archivolte scheint mit ihren oft paarig präsentierten, zum Teil nackten menschlichen Wesen und häufig monsterartigen Tier- und Mischwesendarstellungen dem Themenkreis von Sünden und Lastern zuzurechnen zu sein, wobei ein gewisses Schwergewicht wieder auf den Spielarten der Luxuria liegen dürfte. Die Gewändekapitelle erzählen, zum Teil in Wiederholung der Themen der evangelischen Archivolte, zentrale Ereignisse des neutestamentlichen Ge- 28 Eine gelegentlich geäußerte Interpretation als Stifterpaar vgl. ebd. S. 319 entbehrt jeglicher Grundlage . <?page no="23"?> Titelscan.indd 23 Titelscan.indd 23 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Bildprogrammatik romanischer Portale und Portalfassaden in Navarra 11 schehens: Verkündigung an Maria, Heimsuchung, Geburt Christi, Anbetung der Magier, Darbringung im Tempel, Flucht nach Ägypten mit dem Traum Josephs, Kindermord . Zwei auch stilistisch sich stark abhebende Kapitelle mit Jagdszenen haben möglicherweise mit dem ursprünglichen Zustand nichts zu tun . Die Reliefszenen links und rechts des Gewändes erläutern die theologische Summe des Tympanons. So erscheint links der Erzengel Michael- Patron der Kirche in zwei Szenen, als Sieger über den Drachen links und rechts als mit dem Teufel streitender Seelenwäger, dem zur Linken Abraham mit drei Seelen im Schoß beigeordnet ist. Das rechte Gewände flankierend begegnet die Auferstehung Christi, durch Zweigliederung der Michaelsszenerie strukturell angeglichen: links hebt der Engel die Deckplatte des leeren Sarkophags an, rechts daneben empfängt er die drei Frauen. Auch bei dieser Portalfassade entspricht die überkommene Gruppierung keinem in sich geschlossenen U/ sprungskonzept. Weder Michaels- und Auferstehungsszenerie, noch die die Archivolten flankierenden, karyatidenartig gestalteten und damit an Sangüesa gemahnenden Gruppen von je vier Aposteln befinden sich allem Anschein nach am ursprünglich ihnen zugedachten Platz. Ob die wesentlichen Eingriffe und Verlusteschließlich würde man eine vollständige Apostelreihe erwarten auf den Bau der Vorhalle im 17. Jahrhundert zurückzuführen sind 2 9, wird am Bau nicht deutlich. Unter den kleineren Überbleibseln weiteren plastischen Schmucks ragt der Verrat Petri mit dem Hahn links oben heraus. Zweifellos bietet dieses letzte hier betrachtete Beispiel für das Phänomen ,building board' am camino in Navarra insgesamt den allgemeintheologisch kohärentesten und damit geradezu unspezifischsten Fall. ,Aushängeschild' der Kirche ist es nichtsdestoweniger par excellence in seiner zur großen, auf die Pilger gerichteten Bildwand gesteigerten architektonisch-bauplastischen Struktur. Die strukturellen, funktionalen und bildprogrammatischen Gemeinsamkeiten der hier ausgebreiteten Fälle sind so evident und zugleich überschaubar, daß sich eine wortreiche Zusammenfassung im knappen Rahmen dieser Bemerkungen erübrigt . Verlockend jedenfalls ist es, sie als eine Art Charakteristikum von Kirchen am camino zu nehmen und als Indiz zu übertragen auf Bauten, bei denen ein Kontext ,Jakobswege' fraglich ist . Ein solcher Bau ist die Pfarrkirche San Martin von Artaiz 30 wohl aus dem zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts, für die ein direkterer Zusammenhang mit den Jakobswegen in Navarra nicht überliefert ist, einige Indizien für einen solchen Zusammenhang aber ins Feld geführt werden konnten 31• 29 Vgl. u . a. BAN G O TORVISO (wie Anm. 20) S. 192. 30 Ebd . S. 188f.; LOJENDI O (wie Anm . 14) S. 214-218. 31 BE C KER (wie Anm . 22) S. 15 mit Abb . 1, S. 35, S. 72. <?page no="24"?> Titelscan.indd 24 Titelscan.indd 24 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 12 Thomas ! gor C. Becker Und tatsächlich haben wir es hier mit einem Portalvorbau auf der Wegseite der Kirche zu tun, der durch die Aufnahme von Relief szenen zwischen den Kragsteinen des Vorbaudachs und die Verteilung eines Löwenpaars in den Zwickelzonen zum strukturellen ,Aushängeschild' gemacht ist. Ähnlich wie die Kapitelle des Westportals von Leyre bieten die Portalkapitelle an San Martin ein indifferentes zeittypisches Spektrum, wie auch das Chrismon am Tympanon nicht mehr als regionaltypisch ist. Die beiden Löwen erinnern ein Menschlein unter den Pranken, ein weiteres verschlingend an die Portallöwen von Leyre, wobei hier ein siegreich kämpfendes Chri- Abb. 4: Artafz, San Martfn stentum recht konkret und aktuell gemeint sein dürfte. Und schließlich bietet die Reihe von Reliefs zwischen den Kragsteinen des Vordachs - Michael mit der Waage mit einem Teufel um eine Seele streitend, eine Meßfeier, Christus in der Vorhölle, Isaak-Opfer, das Epulonsmahl, ein Ritterkampf in Verbindung mit Musikern, unzüchtiger Weiblichkeit und dem Drachentäter Georg an den Kragsteinen ein leicht lesbares exemplifizierendes Spektrum, das, in ländlicher Sprache vorgetragen, den Vorbeikommenden ähnlich gegenübertritt wie die Bildprogramme von Leyre, Sangüesa oder Estella. Szenen wie die Meßfeier - ,Meßfaulheit' gerade bei Pilgern - oder das Epulonsmahl praktische Konfrontationen mit Völlerei und Geiz scheinen darüberhinaus als konkret-aktuelle Bezüge bestens auf die Erfahrungen von Pilgern zugeschnitten, der Ritterkampf mag auf eine herrschaftliche Förderung der Kirche oder die Aktualität des Glaubenskampfes verweisen. Zusammen mit den übrigen Indizien scheinen die strukturellen und bildprogrammatischen Gemeinsamkeiten im Falle von Artafz tatsächlich die These zu stützen, die Kirche stehe im Zusammenhang mit einem zu rekonstruierenden Nebenweg der Jakobuspilger von Roncesvalles via Arce nach Puente la Reina . <?page no="25"?> Titelscan.indd 25 Titelscan.indd 25 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Bildprogrammatik romanischer Portale und Portalfassaden in Navarra 13 Solche Überlegungen, auch wenn ihnen meines Erachtens eine gewisse Wahrscheinlichkeit innewohnt, müssen allerdings so lange methodisch als unzulänglich gelten, solange die grundlegenden, in der Einleitung angesprochenen Desiderata nicht vorliegen. Resumen: Navarra como regi6n genuina del Camino de Santiago posee una verdadera serie de „buildings boards", mucho mayor que la que resefi6 Seraffn M0RA- LEJ0. Este artfculo presenta como ejemplos San Salvador de Leyre, Santa Marfa la Real de Sangüesa, Nuestra Sefiora de Eunate, la iglesia parroquial de Olcoz y San Miguel de Estella. Ademas de analogfas tipol6gicas arquitect6nicas (no indispensables; vease Eunate) y estructurales en relaci6n a la acogida del peregrino destacan como elementos tfpicos: la insistencia en la imitaci6n de Cristo, la frecuente representaci6n de los pecados de lujuria y avaricia, la presencia de temas locales que expresamente conciernen a los peregrinos. Estas observaciones posiblemente podrfan servir de indicadores para identificar caminos de peregrinos hasta ahora desconocidos o por lo menos inciertos, por ejemplo en el caso de San Miguel de Artafz que podrfa marcar un hito de una ruta jacobea desde Roncesvalles vfa Arce, Aofz y Artafz hacia Puente la Reina. Sin embargo, la falta de catalogos iconograficos y tipol6gicos regionales limita el valor testimonial de tales observaciones. <?page no="26"?> Titelscan.indd 26 Titelscan.indd 26 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 <?page no="27"?> Titelscan.indd 27 Titelscan.indd 27 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostels Jakobus im Kontext der Darstellungen des Credo Apostolorum R YSZARD KNAPINSKI Einführung Die zwölf Apostel, die Jesus aus der Schar seiner Jünger erwählte, haben in der Kunst eine unterschiedliche Ikonographie. Außer individuellen Darstellungen treten Gruppendarstellungen unter dem Namen Kollegium der Apo stel auf. Von der Wichtigkeit solcher Darstellungen zeugt die große Zahl der erhaltenen Werke in verschiedensten Bereichen der Kunst, dabei tauchen die Apostelfiguren als Ziermotive in verschiedenen Kirchenräumen und an liturgischen Geräten auf. Die Bilder der Apostel sowohl in der Skulptur als auch in der Malerei findet man in den kirchlichen Räumen an fast allen möglichen Plätzen. Sie sind an Fassaden und Portalen vorhanden, innen tauchen sie an Gewölben, Wänden und Pfeilern auf. An die Konsekration der Kirche erinnern sie an Stellen, an denen die Apostelleuchter angebracht sind. Zahlreiche Aposteldarstellungen sind sowohl in den Glasfenstern der Gotik, als auch in denen des 19. Jahrhunderts zu sehen . Die Apostel mit dem Credo oder mit ihren Attributen zeigen die Schlußsteine der Gewölbe (z.B. in der Kollegiatskirche St. Anna in Antwerpen; ähnlich in der Kunsthalle in Karlsruhe). Ebenso sind sie auf den sogenannten Apostelbalken und auf den Lettnern, auf Taufsteinen, an den Lehnen des Chorgestühls, auf den Orgelemporen, an den Beichtstühlen und selbst in der Sarkophagplastik dargestellt. Alle künstlerischen Umsetzungen auf den verschiedenartigen Plätzen und mit unterschiedlichen Medien verbindet der gleiche Leitfaden und die gleiche Vorstellung, der Kontext der Stelle weist auf verschiedene Aspekte des reichen Inhaltes hin. Das Kollegium der Apostel versinnbildlicht das Glaubensbekenntnis. Als eine Synthese der christlichen Dogmen wurde es in bildliche Darstellungen umgewandelt . Es wurde zu einer Art visueller Erscheinung von Glaubenswahrheiten, um die Gläubigen an die Fundamente des Glaubens und des apostolischen Charakters der Kirche zu erinnern und immer wieder neu zu binden. An verschiedenen Stellen des Neuen Testaments (Mt 10, 2; Mk 6, 30; Lk 6, 13; Apg 1, 26; 6, 2) werden „Die Zwölf" als einfacher Begriff im Unterschied zu den anderen 72 Jüngern Jesu verwendet. Im biblisch-typologischen Sinn <?page no="28"?> Titelscan.indd 28 Titelscan.indd 28 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 16 Ryszard Knapinski bezieht sich die Bezeichnung „Die Zwölf" auf die zwölf Stämme Israels und die Zahl der Kleinen Propheten. Sie sind der „neue Sauerteig Israels", um die ursprüngliche Mission des Volkes des Alten Bundes zu erfüllen (Gal 6, 16). Die Apostel sollten als eschatologische Richter die Schuld des untreuen Israel zeigen (Mt 19, 27 f.; Lk 22, 30; Apg 20, 4). Dieser eschatologische Aspekt zeigt sich in der Vision des Himmlischen Jerusalems, wo die Namen der Apostel auf den Fundamenten geschrieben sind (Offb 21, 14). Die Urkirche hat die Lehre Christi von den Aposteln übernommen und bis in unsere Zeit weitergegeben . Als Hauptautoren des Neuen Testamentes haben die Apostel das Fundament der christlichen Lehre (doctrina christiana) begründet. Deshalb galt die ganze damals bekannte Welt als Missionsgebiet unter der Führung Petri (Mt 28, 19; Mk 16, 15-19). Durch die Delegierung auserwählter Männer zum Dienst der Verkündigung des Wortes, zur Spendung der Sakramente und zur Leitung der Kirche hat sich der Übergang vom persönlichen, apostolischen Charisma zum bischöflichen, kirchlichen Amt entwickelt. Das Kollegium der Apostel verbindet das Alte Testament mit der Kirche und ist zugleich Urform des Kollegiums der Bischöfe. Darin liegt die einmalige und unwiderrufliche Rolle der Apostel. Die ersten Darstellungen finden sich in der Kunst des dritten Jahrhunderts, die Christen in den Katakomben als Zeugnis ihres Glaubens hinterlassen haben (ein Kunstwerk zu erstellen, lag nicht in ihrer Absicht) . Die ersten Apostelbilder waren an die Illustrierung des Lebens und Heilswerkes J esu gebunden. Außerdem dienten sie zur bildlichen Interpretation von theologischen Inhalten der Glaubenswahrheiten. Die Typologie der Darstellungen des Apostelkollegiums habe ich in einem anderen Aufsatz publiziert, deswegen werde ich mich mit diesem Thema hier nicht befassen 1• In der ikonographischen Tradition der Kirche des Mittelalters haben außer christologischer Ikonographie die Bilder, die zur Katechese gehört haben, eine große Rolle gespielt. Es sind damals die Illustrationen zum Gebet des Herrn - Oratio Dominica, zum Engelsgruß - Salutatio Angelica, zum Dekalog und zuletzt zum Credo Apostolorum (Symbolum Apostolicum) entstanden. Im 14. Jahrhundert hat man die Verbildlichung des Glaubens durch die enzyklopädischen Summen bereichert, in denen sich Wort und Bild ergänzten. Bis heute sind zahlreiche Beispiele von Speculum Humanae Salvationis (Heilsspiegel) oder in der Biblia Pauperum, die dem Speculum verwandt war, erhalten. Die Ikonographie der Apostel mit den Credoartikeln hat ihren Ursprung in der Lehre der Kirchenväter. Als erster hat der hl. Ambrosius, Bischof von Mailand (um 337-397), die Meinung vertreten, allein die Apostel seien die Diese Thematik habe ich im folgenden Aufsatz besprochen: R. KNAPINSKI, Typologia przedstawieii Collegium Apostolorum w sztuce pierwszego tysiaclecia (Typologie der Darstellungen des Credo Apostolorum in der Kunst des 1. Jahrtausends), Vox Patrum 11-12 (1991-1992), H . 20-23, S. 49-79. Dort ist auch die aktuelle Literatur angegeben. <?page no="29"?> Titelscan.indd 29 Titelscan.indd 29 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostels J akobus 17 Verfasser des Glaubenssymbolums: "Credatur Symbolo Apostolorum, quod EcclesiaRomana intemeratum semper custodit et servat" 2• Kurze Zeit später hat Rufin von Aquilea (t 410) die Abfassung des Bekenntnisses den Aposteln zugeschrieben, welches seither Apostolisches Glaubensbekenntnis - Symbolum Apostolorum genannt wurde 3• Im 6. Jahrhundert wurden in der Rede des Pseudo-Augustinus die Glaubensartikel den einzelnen Aposteln zugeordnet. Aus späteren Forschungen hat sich ergeben, daß nicht immer die gleichen Artikel demselben Apostel beigefügt wurden4. Die Ikonographie des Credo steht im Zusammenhang mit der Legende über die Herkunft des Apostolicums, wo erzählt wird, daß die Apostel, bevor sie von Jerusalem aus in die Missionsgebiete gegangen sind, das Glaubensbekenntnis zusammengestellt haben. Jeder einzelne der Apostel soll einen der Artikel aufgeschrieben haben. Es werden zwei Versionen des Symbolum unterschieden: eine römische (traditio romana) und eine andere, die sich außerhalb Roms ausgebreitet hat (textus receptus). Beide Versionen zeigt die nachstehende Tafel. In der Kunst wird in der Regel die Fassung des textus receptus verwendet. Dabei werden einige Artikel zusammengesetzt, um auf die Zahl der Zwölf zu kommen (1 und 2; 6 und 7; 12 und 13). Bislang hat man in der Literatur zwei Arten der Ikonographie des Symbolums der Apostel unterschieden 5 • Im ersten Fall wird das ganze Credo als Ambrosius, Epistola 52,5, MIGNE,PL 16, 1174 A. Rufinus, Expositio Symboli 2, CSL 20, 134-135; MIGNE,PL 21,337. Ps.-Augustinus, Sermo 240, 1, MIGNE,PL 39, 2189; Die betreffende Literatur ist sehr umfangreich, wir nennen nur ausgewählte Beispiele: F. KATIENBUSCH, Das Apostolische Symbol (Darmstadt 1894, 1900, 1992); J. N . D. KELLY, Early Christian Creeds (London 61967); DERS., Apostolisches Glaubensbekenntnis, LThK I (21957), Sp. 760-762; C. F.BüHLER,The Apostles and the Creed, Speculum 28 (1953), S. 335-339; J. D. GORDON,The Articles of the Creed and the Apostles, Speculum 40 (1965), S. 634-640; H. de LUBAC,Credo. Gestalt und Lebendigkeit unseres Glaubensbekenntnisses (Leipzig 1976) S. 1331; La foi chretienne . Essai sur structure du Symbole des Apötres (Paris 1970); F.E. VOKES, Apostolisches Glaubensbekenntnis 1.Alte Kirche und Mittelalter, in: Theologische Realenzyklopädie III (Berlin - New York 1978) S. 528-554; A. ADAM/ R.BERGER, Credo, in : Pastoralliturgisches Handlexikon (Leipzig 1982) S. 103, 176 und 477; M. LURKER, Credo. Wörterbuch der Symbole (Stuttgart 1985) S. 42-43 und 674-675; G. LANGGÄRTNER, Credo, in: LdM 3 (1986) , S. 337f.; J. RATZINGER, Einführung in das Christentum (München 1990) S. 54-60 . E. WERNICKE, Die bildliche Darstellung des apostolischen Glaubensbekenntnisses in der Kunst des Mittelalters. Christliches Kunstblatt für Kirche Schule und Haus 1887, 1888, 1889, 1893; W. MüLSDORF,Christliche Symbolik der mittelalterlichen Kunst (Leipzig 1926, Reprint Graz 1984); K. KüNSTLE, Ikonographie der christlichen Kunst (Freiburg im Breisgau 1928) Bd .1, S. 181f.; R. LIGTENBERG, Het Symbolum Apostolicum in de iconografie de Middeleeuwen, Het Gildeboek 12 (1929) S. 9-34; H. W. van Os, Credo, in: Lexikon für Christliche Ikonographie I (1968), Sp. 461-464; H. SActts/ E. BADSTÜBNERIH. NEUMANN,Credo, in: Christliche Ikonographie in Stichworten (Leipzig 1973) S. 87-88; G. SCHILLER, Ikonographie der christlichen Kunst (Gütersloh 1988), Bd. 4, 1, S. 134-147. <?page no="30"?> Titelscan.indd 30 Titelscan.indd 30 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 18 Ryszard Knapinski Tafel1: Zwei Versionen des Credo Apostolorum TRADITIO ROMANA TEXTUS RECEPTUS 1. Credo in Deum Patrem omnipotentem 1. Credo in Deum Patrem omnipotentem 2. Et in Iesum Christum Filium eius 2. Creatorem caeli et terrae Dominum nostrum 3. Qui natus est de Spiritu Sancto ex Maria Virgine 4. Qui sub Pontio Pilato crucifixus est et sepultus 5. Tertia die resurrexit a mortuis 6. Ascendit ad caelos 7. Sedet ad dexteram Patris 8. Unde venturus est iudicare vivos et mortuos 9. Et in Spiritum Sanctum 10. Sanctam ecclesiam 11. Remissionem peccatorum 12. Carnis resurrectionem 3. Et in lesum Christum Filium eius unicum Dominum nostrum 4. Qui conceptus est de Spiritu Sancto, natus ex Maria Virgine 5. Passus sub Pontio Pilato crucifixus mortuus et sepultus 6. Descendit ad inferna 7. Tertia die resurrexit a mortuis 8. Sedet ad dexteram Dei Patris omnipotentis ascendit ad caelos 9. lnde venturus est iudicare vivos et mortuos 10. Credo in Spiritum Sanctum 11. Sanctam ecclesiam catholicam 12. Sanctorum communionem 13. Remissionem peccatorum 14. Carnis resurrectionem 15. Vitam aeternam eigenständiges Thema genommen, die Illustrierung der Glaubensartikel geschah unter Verwendung von biblischen Bildern, Szenen des alltäglichen Lebens oder durch verschiedenartige Kompositionen (1). Die zweite Gruppe der Ikonographie bilden Darstellungen der Apostel mit den Credosätzen (II). Aufgrund des gesammelten Materials komme ich zu dem Ergebnis, daß diese Aufteilung um zwei weitere Gruppen erweitert werden sollte. In diesem Fall sollte man für die dritte Gruppe (III) eine typologische Anordnung der Apostel mit den Propheten des Alten Testamentes vornehmen. Eine vierte Gruppe entsteht durch die Zusammensetzung verschiedener Elemente aus den vorgenannten Gruppen. In diesem Fall wird das Credo auch in einem breiteren Kontext eingesetzt (IV). Die Ikonographie des hl. Jakobus des Älteren wurde schon in zahlreichen Publikationen beschrieben 6• Außer einer kurzen Erwähnung von Eli- P. ToscHI, Giacomo, in: Enciclopedia Cattolica 6 (1951), Sp. 317f.; J. F. ALONSO, Giacomo il Magiore. IV.Iconografia, in: Bibliotheca Sanctorum 6 (1965), spez. S. 381-388; S. KIMPEL, Jakobus der Ältere (Major), Zebedäus, Bruder des Johannes (SANTIAGO), <?page no="31"?> Titelscan.indd 31 Titelscan.indd 31 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostels Jakobus 19 sabeth Petersen haben sich die Autoren mit dem Aspekt der Ikonographie im Verhältnis zu den Abbildungen des Credo Apostolorum nicht befaßt7. Die von uns unternommene Probe zeigt den spezifischen Charakter dieser Ikonographie in verschiedenen Kontexten im Rahmen der Ikonographie des Credo Apostolorum. I. Szenische Illustrationen des Credo In dieser Art der Illustration des Credo tauchen die Szenen sowohl mit als auch ohne Apostel auf. Der Franziskaner Gangolf Diener hat versucht, die Illustration des Credo Apostolorum unter Verwendung biblischer Bilder zu zeigen. Er hat sich die Ergebnisse der Forschungen von Josef Wilpert zunutze gemacht und mit 170 Beispielen aus dem Bereich der paleochristlichen Kunst einzelne Credoartikel illustriert 8• In den Kommentaren hat Diener Inhalte aus den Schriften der Apologeten des Glaubens und der ältesten kirchlichen Schriftsteller verwendet. Dadurch wurde der Prozeß der Entstehung und Entwicklung der doktrinarischen Darstellungen innerhalb der christlichen Kunst gezeigt . Die älteste Illustration des ganzen Textes des Credo Apostolorum stammt aus karolingischer Zeit und befindet sich im sogenannten Utrechter Psalter. Auf Fol. 90r zwischen dem Gebet Oratio Dominica Secundum Matheum und dem Text des Symbolum Apostolorum hat man die Zeichnungen plaziert9. Das bedeutet, daß für den Zeichner das Apostolicum so zu behandeln wäre wie die Psalmen, die er ad verbum illustriert hat. Die Plazierung des Glaubensbekenntnisses an den Schluß des Psalters neben dem Paternoster in: Lexikon für Christliche Ikonographie 7 (1974), Sp. 23-39; R . PLöTZ,Imago Beati lacobi. Beiträge zur Ikonographie des HI. Jacobus Maior im Hochmittelalter, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen. Themen zu einer Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums und des Adalbert Stifter Vereins (München-Zürich 1984) S. 248-264; J. K. STEPPE, L'lconographie de Saint Jacques Le Majeur (Santiago), in: Santiago de Compostela. 1000 ans de Pelerinage Europeen (Gent 1985) S. 129-153; M. ZENTGRAF, Zur Ikonographie des Apostels Jakobus des Älteren, Erdkreis 9 (1988) S. 432f.; R. PLöTZ,Jacobus Maior. Geistige Grundlagen und materielle Zeugnisse eines Kultes, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland. Kultgeschichte in regionaler und europäischer Perspektive Qakobus-Studien 7, 1995) S. 171-232; S. MoRALEJO, Der Heilige Jakobus und die Wege seiner Ikonographie . in: P. Caucci von SAUCKEN(Hg.), Santiago de Compostela . Pilgerwege (Augsburg 1993) S. 75-90. 7 E. PETERSEN, Jakobus- und Pilgerdarstellungen in Franken, in: K.-D . KNIFFKI(Hg.), Jakobus in Franken . Unterwegs im Zeichen der Muschel (Würzburg 1992) S. 56. 8 J. WrLPERT, La fede della Chiesa nascente secondo i monumenti dell' arte funeraria antica (Roma 1938); G . DIENER, Credo der Urkirche. Das Apostolische Glaubensbekenntnis dargestellt in Bilder der altchristlichen Zeit (Bamberg 1957). Die von Diener verwendete Methode unterstre icht nicht das Credo als selbständiges Thema, sondern ordnet die Kunstwerke den entsprechende Glaubensartikeln zu. E.T. DE WALD,The Illustrations of ehe Utrecht Psalter (Princeton 1932) S. 71f. <?page no="32"?> Titelscan.indd 32 Titelscan.indd 32 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 20 Ryszard Knapinski Abb. 1a undb: Das Kollegium der Apostel mit Credosätzen, die Plocker Bronzetür 1152-54 (Nowogroddas Original und Plockdie Kopie). bestätigte allmählich den Glauben an die in den Psalmen enthaltene Offenbarung. Hieraus entstand die Gewohnheit, das Credo nach der Rezitierung der Psalmen ' zu sprechen 10• Die Illustration der Credoartikel in der szenischen Version ist am reichsten in den Reliefs der Bronzetür von Plock- Nowgorod (um 1152-1154 in Magdeburg gegossen) vertreten. Sie sind mit der lombardischen Kunst des Wilhelm von Modena und mit den Werken aus der Werkstatt aus Verona verwandt. Leider wurde im Laufe der Jahrhunderte die Anordnung der Tafeln verändert. Deswegen muß für die genauere Illustration des Credo eine Rekonstruktion durchgeführt werden. In meiner Monographie der Plocker Tür befindet sich eine Fotomontage, die zeigt, wie die ursprüngliche Anordnung der Tafeln nach den Glaubensartikeln gewesen sein könnte (Abb.1) 11• Ein weiteres Beispiel der szenischen Illustration des Symbolum Apostolicum ist die Wiegendrucke-Serie aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, 10 Die Darstellungen des Utrechter Psalters zeichnen sich durch große Dynamik und Expression aus, vgl. 0. PÄCHT,La miniatura medievale. Una introduzione (Torino 1987) S. 177, passim. 11 R. KNAPINSKI Die romanische Tür von Plock in Nowgorod. Neue ikonographischikonologische Überlegungen, Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 30 (1991) S. 29-66; DERS.,Credo Apostolorum w romanskich Drzwiach Plockich (Das Credo Apostolorum in der romanischen Tür von Plock), Plock 1992. <?page no="33"?> Titelscan.indd 33 Titelscan.indd 33 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 IkonographiedesApostelsJakobus 21 ein sogenanntes Unikat der Nationalbibliothek in Wien (Inkunabel II D 42) 12• Dominierend sind die ganzseitigen Bilder, die die Glaubensinhalte illustrieren. Dagegen befindet sich die figürliche Darstellung der Apostel unten in der linken Ecke mit Angabe des jeweiligen Namens in Deutsch, daneben am unteren Bildrand stehen die Credosätze in Latein. Der hl. Jakobus der Ältere (S. Jacub der Grosser) hält als sein Attribut eine Muschel in der linken Hand und verkündet: QUI CONCEPTUS EST DE SPIRITU SANCTO NATUS EX MARIA VIRGINE. In der polnischen mittelalterlichen Kunst ist diese Ikonographie des Credo zweifach anzutreffen: einmal in Schlesien, ein weiteres Mal in dem Gebiet in und um Kielce 13• In Schlesien sind Fragmente der Illustrationen des Credo in Kalk6w und Pogorzela erhalten. Die älteste dieser Art befindet sich in der St. Georgs-Kirche zu Kalk6w. Die Bilder in Pogorzela sind gemeinsam mit dem christologischen Zyklus um die 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden 14 • Bei Restaurierungsarbeiten in den Jahren 1986-1988 in Dzialoszyce bei Kielce in der Dreifaltigkeitskirche wurden die Fresken mit den Szenen aus dem Glaubensbekenntnis freigelegt. Zu datieren ist in das zweite Viertel des 15. Jahrhunderts. Aufgrund des fragmentarischen Charakters des Befundes ist es unmöglich, den hl. Jakobus richtig einzuordnen 15• II. Kollegium der Apostel mit den Credosätzen Die zweite Version der Ikonographie zeigt eine ganz andere Methode, um das Credo zu illustrieren. Hier wird das Kollegium der Apostel zusammen mit den Credosätzen dargestellt. Die Ikonographie dieser Gruppe besteht aus Darstellungen Christi als Erlöser .der Welt- Salvator mundi-, zusammen mit den Aposteln, die Christus in die Welt zur Verkündigung des Evangeliums aussendet. Es sind auch Darstellungen des Apostelkollegiums ohne Christus bekannt. Die Apostel halten in ihren Händen die Schriftrollen oder geöffnete Bücher, auf denen sich die Credoartikel befinden, z. B. Petrus dixit : Credo in Deum Patrem Omnipotentem, ...; Andreas dixit ... etc. Weil dem hl. Jakobus dem Älteren der Artikel gehört : QUI CONCEPTUS EST DE SPIRITU SANCTO NATUS EX MARIA VIRGINE, werde ich die Worte nur in außergewöhnlichen Fällen erwähnen. 12 0. SMITAL, Symbolum apostolicum. Farbige Blockbuch-Wiedergabe nach dem Unikat in der Wiener National-Bibliothek (München 1924). 13 Vgl. A. KARL0WSKA-KAMZOWA, Malarstwo sl<fskie1250--1450 (Schlesische Malerei 1250--1450), Wroclaw 1979, S. 119, Tafel 39. 14 Die älteste Notiz über die Kirche von Pogorzela stammt aus dem Jahr 1273 (ebd., s. 118). 15 Ein Bericht über diese Entdeckungen wird erscheinen. <?page no="34"?> Titelscan.indd 34 Titelscan.indd 34 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 22 Ryszard Knapinski In einer früheren Periode der ikonographischen Entwicklung (12. Jahrhundert) sind die Apostel noch ohne individuelle Attribute dargestellt. Sie werden nur als Aposteltypus mit den allgemeinen Attributen gezeigt. In der Regel werden sie barfuß, in einer langen Tunika, mit darüberhängendem Mantel und mit einem Buch oder einer Spruchrolle abgebildet. Oft sind sie mit ihren jeweiligen Namen versehen, der auf dem Hintergrund oder innerhalb der Aureole, auf einer Arkarde, auf dem Sockel oder auf dem Kapitell der Säule angebracht ist. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts beginnen die Abbildungen sich durch individuelle Eigenarten, sowohl durch physiognomische Bezüge, wie auch durch zugefügte individuelle Attribute, die auf das Martyrium hinweisen, zu unterscheiden. Ab dem 15. Jahrhundert wurden in Mitteleuropa die Holzschnitte des Martin Schongauer allgemein als Muster übernommen. Die vollständige Version zeigt jeden Apostel mit seinem Namen, in der Hand einen Credosatz und mit einem Attribut. In der Neuzeit wurden den Apostelfiguren noch gelegentlich heraldische Zeichen mit Epitaphtafeln des Stifters sowie Datum und Siegel des Herstellers beigefügt. Alle diese Elemente finden wir zum Beispiel in den aus Stein gehauenen Figuren im Dom zu Paderborn, die Heinrich Gröninger (1578-1631) in den Jahren 1608-1609 geschaffen hat . Hier repräsentieren die über dem Hauptschiff erhöhten Apostel „ecclesiam spritualem", und wie in einer Prozession verkünden sie den Triumph des katholischen Glaubens der nachtridentinischen Zeit 16• Es sind auch Beispiele bekannt, wo anstelle der figürlichen Darstellungen allein die Attribute oder sinnbildliche Zeichen zu finden sind, wie es bei den Apostelleuchtern der Fall sein kann. In der Ursulinenkirche zu Landsberg am Lech (um die Mitte des 18. Jahrhunderts) sind zusammen mit den Apostelleuchtern die Attribute in Stuck ausgeführt. Darüber befinden sich in den Rokoko-Kartuschen Freskoszenen aus dem Martyrium der Apostel. Ausschließlich symbolische Kompositionen stellen die nach dem 2 . Weltkrieg gefertigten Glasfenster in der Jakobus-Kirche zu Coesfeld dar. Anstelle der Apostelleuchter, die es in dieser Kirche nicht gibt, versinnbildlichen die zwölf Fenster im Altarraum (je sechs auf jeder Seite) die Apostel. Sie werden durch Säulen symbolisch dargestellt, daneben befinden sich die Tafeln mit ihren Namen. In der rechten Ecke sind in mittelalterlicher Fassung die Credosätze geschrieben . Gegenüber sind ihre Attribute zu finden. Die Fenster sind mit den Arkarden gekrönt, unter denen sich die Namen der zwölf Stämme Israels in hebräischer Schrift befinden. Das Ganze entspricht der Vorstellung des Himmlischen Jerusalems aus der Geheimen Offenbarung (Offb 21, 14) 17• 16 Ch. STIEGEMANN, Le cycle des Ap6tres au Credo de la cathedrale de Paderborn, in: Pensee, Image & Communication en Europe Medievale. Apropos des stalles de Saint- Claude (Besan\on 1993) S. 155f. 17 Die Fragmente des Glasfensters mit dem Jakobus dem Älteren zugehörigen Credosatz sind falsch zusammengesetzt. Es ergibt eine sinnlose Fassung: QUI/ CON/ EST./ DE SS/ CEPTUS/ NEX/ M .V.Der Stifter der Glasfenster war Dr . Franz Middendorf, die <?page no="35"?> Titelscan.indd 35 Titelscan.indd 35 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostels]akobus 23 Die vorgenannten ikonographischen Elemente wurden frei zusammengestellt. Den Künstlern genügte ausschließlich die Darstellung der Apostel, um die Inhalte des Credo mitzuteilen. Die ikonographische Änderung erfaßte alle Elemente. Es verschwinden die Glaubensartikel auf den Schriftrollen, und an ihrer Stelle erscheinen teilweise nur die Namen der Apostel. Ein anderes Mal läßt man beide Elemente weg oder nur ein einziges Attribut als Identifikationszeichen übrig. Unvollständige Darstellungen lassen sich in einigen Fällen durch altersbedingte Schädigungen erklären, sie sind allerdings auch auf eine unzureichende Ausbildung der Künstler zurückzuführen. Selbst Figuren ohne Namen, Schriften, Credosätze, nicht zuletzt auch ohne Attribute, aber mit einem Buch oder der Schriftrolle, bilden das Kollegium der Apostel. Die Zeitspanne all dieser Veränderungen umfaßt eigentlich ein Jahrtausend . Welche Bedeutung hat nun diese unvollständige Version der Ikonographie der Apostel? Aufgrund des gesammelten Materials kann die These aufgestellt werden, daß in solchen Fällen eine reduzierte Form des Credo Apostolorum anzunehmen ist: als pars pro toto . Es kann demnach behauptet werden, daß jede Darstellung des Apostelkollegiums gleichzeitig das Credo Apostolorum versinnbildlicht. Außerdem sollte man berücksichtigen, daß ebenso vollständige wie reduzierte Bilder der Apostel als Allegorie des Glaubens auftreten. In der mittelalterlichen Katechese war der Glaube als Haupttugend erforderlich, um das Heil zu erlangen . In der polnischen mittelalterlichen Kunst befanden sich die Figuren der Apostel auf dem Fronton (Fassade) der Zisterzienserinnen-Basilika in Trebnitz, im Portal der Basilika der Lateran- Kanoniker in Czerwinsk und in der Malerei in der westlichen Apsis der Stiftskirche der Benediktiner in Thum bei Leczyca. Leider sind alle diese Werke bis in unsere Zeit nur fragmentarisch erhalten . Die bislang charakterisierte Ikonographie des Credo in der Kunst ist in zahlreichen Werken belegt. Deswegen werden hier nur ausgewählte Beispiele genannt. Die Fülle des vorhandenen Materials ermöglicht die Anordnung nach unterschiedlichen ikonographischen Aspekten (möglichst chronologisch geordnet), nach Kunstgattungen in folgender Reihe: Monumentalmalerei, Miniaturen, Goldschmiedekunst und Skulpturen. Die Beispiele aus dem Bereich der monumentalen Malerei bespreche ich vorrangig noch vor den Miniaturen, obwohl die Mehrzahl der Fresken ein späteres Datum als die der Miniaturen ausweist. Entwürfe stammen von dem Maler Albert Bocklage (Vechta), gefertigt wurden sie im Atelier der Firma Wilhelm Derix aus Düsseldorf . <?page no="36"?> Titelscan.indd 36 Titelscan.indd 36 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 24 Ryszard Knapinski Il.1 Monumentale Malerei II.1.1. Ständige Anwesenheit der Apostel in der Kirche Die Apostolizität der Ikonographie bedeutet die Einheit im Glauben und hebt die zentrale Stelle des Apostolischen Glaubensbekenntnisses hervor. Die Gläubigen waren durch die Betrachtung der Apostelbilder so beeindruckt, daß es ihnen schien, als ob die Apostel selbst die Katechese verkündeten. Hierdurch ergab sich gleichzeitig die Gelegenheit, die auswendig gelernten Glaubensartikel zu wiederholen und einzuprägen. Die Auslegung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses fand während der Taufkatechese statt (traditio Symboli). Erst später wurde es während der Taufe vor den Gläubigen der Gemeinde abgelegt (redditio Symboli). Die Katechumenen lernten das Symbolum auswendig, durften es aber nicht schriftlich niederlegen, damit es nicht in die unwürdigen Hände der Heiden oder Häretiker gelangen konnte (tessera). Einen Beweis solchen Glaubens finden wir im Brief der Synode von Arles (314) an den Papst Sylvester, in dem die Bischöfe den Primat des Petrus anerkennen und die Verehrung des Apostelkollegiums zum Ausdruck bringen. Die Hierarchie förderte das Bewußtsein der Gläubigen über die ständige Anwesenheit der Apostel in den lokalen Kirchen. Dies entnehmen wir folgender Formulierung: in quibus et apostoli quotidie sedent et cruor ipsorum sine intermissione Dei gloriam testatur 18• Demzufolge haben nicht nur die Patrone der Ortskirche, sondern alle Apostel die Patronatsrolle übernommen . Ihre Bilder, die an allen Plätzen der Kirche zu sehen waren, haben die ununterbrochene Evangelisation der Kirche sichtbar gemacht. Das oben genannte Zitat kann als synthetischer Kommentar zu allen Bildern der Apostel verstanden werden. Die Formulierung der Synode von Arles haben die nachkommenden Päpste verbindlich weitergegeben und anerkannt. Gregor der Große (590-604) soll sie in einer liturgischen Form in der Präfation zum Fest der Apostel Petrus und Paulus mit folgenden Worten aufgewertet haben: per beatos apostolos tuos continua protectione custodias, ut iisdem rectoribus gubemetur ... 19• Wahrscheinlich finden wir das älteste Beispiel der monumentalen Malerei, das den ikonologischen Voraussetzungen des Credo Apostolorum entspricht, in der St. Georg-Kirche auf der Reichenau (Oberzell). Leider machen eine unsachgemäße Restaurierung und Übermalung der Fresken am Ende des 19. Jahrhunderts eine genaue Datierung unmöglich (auf Spruchbändern wurden die Credosätze mit stilisierter karolingischer Schrift in deutscher Sprache überschrieben). Allgemein wird behauptet, es seien Kopien 18 Concilium episcoporum Arelatense ad Silvestrum papam, CSEL 26,207, S. 14-15 . 19 Liber Sacramentorum. Praefatio Missae in die natali Petri et Pauli, MIGNE, PL 78, 124 D; vgl. auch die Ed. von J. DESHUSSES (1971-1982). <?page no="37"?> Titelscan.indd 37 Titelscan.indd 37 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostels Jakobus 25 • Jrit9tu -ii.· Abb. 2: Die Apostel Johannes und Jakobus d. Ä . mit Credosätzen ; Mosbach (Odenwald) 15. Jh. karolingischer Malereien aus der Mitte des 10 . Jahrhunderts 20• Jakobus der Ältere erscheint in Bewegung, barfuß auf einem mit Blättern bedeckten Boden; in der Hand hält er ein ausgerolltes Schriftband mit dem ihm zugehörigen Satz. Durch die Zeit beschädigte, aber trotzdem noch gut lesbare Fresken mit dem Credo Apostolorum beherrschen die nördliche Wand der heute evangelischen Kirche in Mosbach (Odenwald) aus dem 16. Jahrhundert. Hier treten die Apostel als Gefährten Christi in seiner Majestät in der Szene des Jüngsten Gerichts auf. Die Credosätze füllen den Hintergrund, auf dem sich die Gestalten der Apostel befinden. Dem hl. Jakobus dem Älteren wird der übliche Satz zugefügt. Andere Beispiele der Apostel mit den Credosätzen innerhalb der monumentalen Wandmalerei befinden sich an folgenden Orten : Estavayer-le-Lac, Ottmarsheim, Goslar Qakobus-Kirche am Markt). In der polnischen Kunst treffen wir die Apostel mit den Credosätzen in einigen Beispielen. Aus dem 17. Jahrhundert stammt der Apostelzyklus mit Gemälden auf der Decke einer Holzkirche in Klepsk bei Grünberg . Diese Bilder sind protestantischer Herkunft, die Kirche selbst hat in ihrer Zugehörigkeit zur katholischen und evangelischen Konfession mehrfach gewech- 20 T. FEHRENBACH/ A . WEISSER, Die Reichenau und ihre drei Kirchen (Reichenau - Mittelzell 1992) S. 17. <?page no="38"?> Titelscan.indd 38 Titelscan.indd 38 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 26 Ryszard Knapiriski selt. Aus der ursprünglich katholischen Ausstattung stammt ein gotischer Altar aus dem 15. Jahrhundert mit den Apostelfiguren, die die Apokalyptische Madonna umrahmen. Ein anderes Beispiel finden wir in den fragmentarisch erhaltenen Fresken aus dem 15. Jahrhundert in zwei Kirchen Ermlands, nämlich in Morag und Szabruk (Schönbruck). Es sind Darstellungen repräsentativen Charakters. In Kirchen des Ermlandes hängen oft große Ölbilder auf Leinwand mit den Aposteln, die aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts stammen (zum Beispiel Allenstein und Gutstadt). Im Jahr 1610 hat die ermländische Synode ein Dekret erlassen, wonach sich in allen neu gebauten Kirchen Aposteldarstellungen zu befinden haben 21. Ein ähnliches Beispiel gibt es im Nachbarland Litauen in Wilna in der Kathedrale aus dem zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts . Lebensgroße, gemalte Apostelbilder hängen dort an den Pfeilern und Wänden der Kirche . Aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts stammt eine Serie von auf Verputz gemalten Ölbildern in der Kirche der Lateran-Kanoniker (Chorherren) zu Getrzwald (Getschwald, Marienwallfahrtsort). Die Apostel mit den Credosätzen befinden sich in den neugotischen Nischen im Ambitus des Altarraumes. Dieses Beispiel zeugt von einer langen Tradition des Credo in der Kunst. Eine Version des Credo Apostolorum in der Kunst ist die Illustration der Aussendung der Apostel. Ein interessantes Beispiel finden wir in der protestantischen Pfarrkiche zu Muttenz in der Schweiz Qura) aus dem 16. Jahrhundert22. Die Apostel, mit fließenden Spruchbändern, bewegt und dynamisch, werden von Christus als den Erlöser der Welt - Salvator mundi ausgesandt. Die Spruchbänder mit den Credosätzen gleichen wehenden Fahnen im Wind. Charakteristisch ist, daß diese Bilder sich auf gleicher Höhe der betenden Gläubigen befinden. Dadurch versinnbildlicht sich die Einheit der Apostel mit dem Kirchenvolk. In der mittelalterlichen Kunst deuten wirbelnde Faltenwürfe der Kleidung und kompliziert drapierte Vorhänge auf ein dramatisches Zusammentreffen zweier Welten, nämlich der materiellen und der übernatürlichen hin. Hier können die Spruchbänder mit dem Glaubensbekenntnis als ein Bild des Kampfes zwischen Christen-und Heidentum interpretiert werden (dynami- 21 Es waren die „statuta synodalia" des Krakauer Bischofs Bernhard Maciejowski (1600-1606), welche der Apostolische Stuhl im Jahre 1608 für das ganze Polen anerkannt hat . Vgl. Ordinationes D .D . Visitatorum circa Ecclesias Parochiales hinc inde fecien. in Dioecesi Varmiensis de anno 1609, im Archiv der Diözese Ermland in Allenstein (Abteilung B Nr. 6), ed. F. HIPLER, in: Constitutiones synodales, S. 314; F. DIETIRICH, Beiträge zur Baugeschichte der ermländischen Kirchen, Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermland (X) 8 (1886) S. 600; S. RYLKO, Dzieje parafii Gietrzwald na Warmii po rok 1877 (Geschichte der Pfarrei Getschwald bis zum Jahr 1877, Krakow 1992) S. 60. 22 Es ist anzunehmen, daß das ursprüngliche Patrozinium der Kir che den Titel „Aussendung der Apostel " hatte . <?page no="39"?> Titelscan.indd 39 Titelscan.indd 39 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostels Jakobus 27 Abb. 3: Der pilgernde Apostel Jakobus d. Ä. mit dem Credoartikel; Muttenz Qura - CH) Pfarrkirche, 1507. scher Charakter der apostolischen Mission). DemJakobus ist wieder die für ihn typische Glaubensaussage zugedacht. Aus dem Ende des 18. Jahrhunderts stammt ein Fresken-Zyklus in der Kirche in Chelm Lubelski, die den Namen „Aussendung der Apostel" trägt. II.1.2. Die Apostel als Fundament und Säulen der Kirche Die Berufung der Apostel zur Verkündigung des Glaubens durch Christus war einmalig. In diesem Zusammenhang spricht man von einer besonderen "Zeit der Apostel". Im metaphorischen Sinne wurden die Zwölf zu Fundamenten der Kirche (Eph 2, 20). Durch die Lehre der Kirchenväter wurde diese Metapher in das liturgische Gebet der ursprünglichen Sakramentare aufgenommen, z. B. im Gregorianischen Sakramentar: in quibus ecclesiae tuae fundamenta constituis 23• Die Analogie zu einem kirchlichen Bau hat in der mittelalterlichen Lehre noch einen anderen Ausdruck gefunden . Die Apostel wurden mit Säulen verglichen, auf denen der ganze Bau ruht, oder mit der Wirbelsäule des menschlichen Körpers: Qui designantur nomine columnarum; quia per eos Ecclesia sustentatur [..] quia Petrus,]acobus et]oannes videbantur columnae esse [...] Sed Dominus confirmavit columnas ejus. Pro hac confirmatione 23 Sanctus Gregorius Magnus , Liber Sacramentorum, MIGNE,PL 78, 50 B (vgl. Anm. 19). <?page no="40"?> Titelscan.indd 40 Titelscan.indd 40 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 28 Ryszard Knapiriski orant ipsae columnae dicentes... 24• Daher stammt die mittelalterliche Praxis der Verzierung von kirchlichen Pfeilern mit den Apostelbildern oder Skulpturen. Floms von Lyon (t 860) hat in der Abhandlung De expositione missae die Apostel als praedicatores et doctores fidei beschrieben. Sie haben durch den persönlichen Kontakt mit dem Fleisch gewordenen Wort Gottes die Wahrheit empfangen, wer ihre Lehre annimmt, wird ebenfalls das Heil der Seele erlangen: Quicumque societatem cum Deo habere desiderant, prima Ecclesiae societati debent adunari, illamque fidem addiscere et eius sacramentis imbui, quam apostoli ab ipsapraesente in carne Veritate perceperunt 25• Diese Symbolik der Apostel wird besonders deutlich, wenn ihre Bilder auf den Pfeilern der Kirche angebracht sind. Dies entspricht der vorgenannten Lehre der Kirchenväter, die die Apostel als Fundament und Säulen der Kirche bezeichnet haben . Aufgrund der ikonologischen Analyse ist diese Lehre im Grundriß und Baukörper sehr gut in der Liebfrauen-Basilika zu Trier zu erkennen. Auf den zwölf Pfeilern der Kirche sind innerhalb von gemalten gotischen, baldachinartigen Nischen die Apostel in Lebensgröße individuell dargestellt. Über ihren Köpfen befinden sich die Namen, auf den Sockeln darunter die Credosätze in Latein. Diese Bilder wurden von einem unbekannten Meister um 1500 geschaffen. Auf dem Bildnis des Judas Thaddäus sind die Stifter, der Bürgermeister Clas von Zerf und seine Gemahlin Adelheid von Besselich, namentlich festgehalten 26• In der gleichen Basilika gibt es eine zweite Apostelreihe, nämlich in den medaillonartigen Apostelleuchtern, aber ohne Credosätze . In der Barockkirche in Söl in Tirol sind die Apostelköpfe innerhalb von Medaillons mit Attributen und Credosätzen in deutscher Fassung in den Apostelleuchtern integriert. Ein analoges Beispiel befindet sich in Polen in der ehemaligen Zisterzienser-Basilika in Paradies (bei Grünberg). Die Apostelleuchter bestehen aus einem von schwarzem Marmor umrahmten Spiegel, darunter die Kerze und oben eine plastische Apostelbüste. Dem Barockmaler Szymon Czechowicz (1689-1775) wird die Serie der Bilder mit den Szenen des Martyriums der Apostel zugeschrieben, die an den Pfeiler der Pfarrkirche in Jan6w Podlaski hängen . In den Kirchen Bayerns und Schwabens können sehr oft die Attribute der Apostel als Verzierung an Apostelleuchtern beobachtet werden . Eine 24 Innocentius III papa, Sermo XXIII in solemnitate Sanctae Pemecostes, MrGNE, PL 217,416 C; J. SAUER, Die Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters (Freiburg 1924); G. BANDMANN, Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger (Berlin 91990). 25 Florus Diaconus Lugdunensis, De expositione Missae 54, MIGNE,PL 119, 49 D; siehe auch M. ZAHAJKIEWICZ, Florus z Lyonu. EK V, S. 349. 26 F. RoNIG, Trier. Liebfrauen - Basilika (Passau 1996) S. 27f. <?page no="41"?> Titelscan.indd 41 Titelscan.indd 41 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostels Jakobus 29 originelle Ausführung stellen die bereits erwähnten Fresken in Rokoko- Kartuschen in der ehemaligen Ursulinen-Kirche in Landsberg am Lech dar. Sie haben zwar keine Credosätze, aber die ikonographische Allusion ist klar zu erkennen. Ebenso unmittelbar verständlich sind die Apostelleuchter in der Basilika von Ottobeuren. Der hl. Jakobus der Ältere ist durch seine Pilgerattribute vertreten, also als ]acobus Peregrinus und zugleich als Patron der Pilger. II.1.3. Apostel als Wächter über den Toren des Himmlischen Jerusalems Das Kollegium der Apostel wurde auch im eschatologischen Kontext dargestellt. Sie erscheinen zum einen als Gefolge Christi des Richters, zum anderen als Anteilnehmer seines himmlischen Ruhmes in der Vision der Parusie . Eine besondere Rolle haben sie als Adoranten des Göttlichen Lammes und Wächter über den Toren des Himmlischen Jerusalem. Aus der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert stammt ein großes Fresko in der Kuppel des Transeptes in der ehemaligen Kollegiatsstiftskirche St. Blasius zu Braunschweig 27 • Das Fresko wurde in der Grabeskapelle Heinrich des Löwen, des welfischen Herzogs von Sachsen und Bayern, nach seiner Heimkehr von der Pilgerreise ins Heilige Land nach dem Jahre 1173 gefertigt 28 • Es stellt das Himmlische Jerusalem dar 29 • Innerhalb der Mauer der Apokalyptischen Stadt hat man in sechs Feldern die wichtigsten Ereignisse des Erlösungswerkes Christi abgebildet (Geburt, Darbringung im Tempel, das Leere Grab, Weg nach Emmaus und Erkennen des Auferstandenen beim Brotbrechen, Aussendung des Heiligen Geistes). In den Pendentiven sind acht Propheten mit Spruchbändern, die auf die Erfüllung der Voraussagungen hinweisen. Im Zentrum des Fresko ist das triumphierende Apokalyptische Lamm 27 S. SIMOR,Le Credo dans son contexte: un appui pour d'autres themes, in: Pensee, image (wie Anm. 16) 207, Nr. II. 1. 28 0. DEMUS, Romanische Wandmalerei (München 1992) S. 193-195, Abb. 220. Heinrich der Löwe muß ein besonderer Verehrer des Kollegium der Apostel gewesen sein, weil er das Thema Credo Apostolorum gleich in mehreren Werken darstellen ließ: Gemälde in der Kirche zu Gandersheim, von Eilbert signierter Tragaltar, der zu dem Welfenschatz gehörte und zuletzt noch sieben emmalierte Blättchen, die sich jetzt in verschiedenen Museen befinden. Vgl. D. KÄTZSCHE , Der Welfenschatz im Berliner Kunstgewerbemuseum (Berlin 1973) S. 30ff.; 0. von FALKE/ R. ScHMIDT/ G. SwARZENSKI, Der Welfenschatz: Der Reliquienschatz des Braunschweiger Doms aus dem Besitze des herzoglichen Hauses Braunschweig-Lüneburg (Frankfurt/ Main 1930), Nr 17. Die Plättchen befinden sich im British Museum, im Städtisches Museum in Bamberg und auch im Kestner-Museum zu Hannover, siehe N. STRATFORD, Apropos de trois emaux du British Museum : le theme des Apotres au Credo au Xlle siede, in : Pensee, image (wie Anm. 16) S. lllf. 29 Andere Beispiele mit diesem Thema in der Kunst werden in folgenden Publikationen vorgestellt: M.L. Gatti PERRER(Hg .), La dimora di Dio con gli uomini (Ap. 21, 3). Immagini della Gerusalemme celeste da! III al XIV secolo . Catalogo della exposizione Milano 1983 (Mailand 1983), Nr . 134f. <?page no="42"?> Titelscan.indd 42 Titelscan.indd 42 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 30 Ryszard Knapinski dargestellt. Die Apostel mit den Credosätzen sind in den Büsten innerhalb der Arkardennischen der zwölf Tore der Stadtmauer des Himmlischen Jerusalem - Hierusalem urbs quadrata nach der Geheimen Offenbarung des Johannes zu finden (Offb 21, 12) 30 • Der hl. Jakobus der Ältere nimmt den dritten Platz nach Petrus und Andreas ein, steht also noch vor Johannes. Die Apostel halten die Spruchbänder nicht in den Händen, sondern diese schweben vor dem Hintergrund von Toren und Mauern der symbolischen Stadt in der Luft. Dem Jakobus gehört der übliche Credosatz. Die Idee, daß eine irdische Kirche ein Symbol des Himmlischen Jerusalem ist, belegen die Fresken auf den Pfeilern der Universitätskirche St. Anna in Krakau (Karl Dankwart, 1703). Die Namen der Apostel werden durch Nennung der Edelsteine ersetzt, die die Fundamente des Himmlischen Jerusalem andeuten. Im Bereich der romanischen Tafelmalerei haben sich nur auf zehn Tafeln Bildnisse der Apostel mit ihren Attributen und Namen erhalten. Diese Bilder wurden ursprünglich zur Verzierung der Rückenlehnen des Chorgestühls der Kirche St. Ursula in Köln hergestellt (1225) 31 • Ein außergewöhnliches Beispiel zur Illustration des Glaubensbekenntnisses stellt eine Tafelmalerei des 14. Jahrhunderts aus der ehemaligen Benediktinerinnen-Klosterkirche zu Wormel (Westfalen) dar (heute in der Gemäldegalerie der Staatl. Museen, Preuß. Kulturbesitz, zu Berlin). In diesem Bild werden die Apostel durch zwölf Löwen mit Spruchbändern ersetzt 32 • Abschließend wollen wir noch einmal unterstreichen, daß sich Apostelbilder mit Credosätzen an allen möglichen Plätzen der Innenräume in vielen katholischen und manchmal auch evangelischen Kirchen befinden. ll.2. Miniaturmalerei und Grafik Die Ikonographie des Apostelkollegiums wurde, wenn wir die symbolischen Darstellungen außer acht lassen, durch zweifache 'lendenzen geprägt. Eine Richtung zielt auf die Einheit des Kollegiums, während die andere ein Auseinandergehen der Apostel in die Welt sortes apostolorum zeigt, um den Missionsauftrag Christi zu erfüllen (Mt 28, 19). Gerade durch die Erfüllung dieses Auftrages drückt sich besonders der Sinn des Begriffes Apostel - Gesandter aus (apostolos missus). Isidor von Sevilla (t 636) hat im Traktat De ortu et obitu Patrum mit folgenden Worten die Apostel beschrieben: "Hi fuerunt Christi discipuli, praedicatores fidei et doctores gentium, qui cum omnes unum sint, singuli 30 W MüLLER,Die heilige Stadt: Roma quadrata, himmlisches Jerusalem und die Mythen vom Weltnabel (Stuttgart 1961). 31 J.-H. BAUMGARTEN, Apostelzyklus in St. Ursula, in: A. LEGNER(Hrg .), Ornamenta Ecclesiae. Kunst und Künstler der Romanik in Köln, Bd. 2 (Köln 1985) S. 352. 32 MOLSD0RF, Christliche Symbolik (wie Anm . 5) S. 139 und 187-188. <?page no="43"?> Titelscan.indd 43 Titelscan.indd 43 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostelsjakobus 31 tarnen eorum propriis certisque locis in mundo ad praedicandum sortes proprias acceperunt" 33 • Gegen Ende der karolingischen Periode hat sich die Synode in Aachen im Jahre 817, unter der Leitung von Benedikt von Aniane, auf diese Formulierung bezogen. Außer mit disziplinarischen Problemen hat sich die Synode vor allem mit der Reform der Liturgie befaßt. Wir finden dort das Fest der Aussendung der Apostel (Divisio Apostolorum) erwähnt, welches am 15.Juli gefeiert wurde 34• Mit diesem Fest der Aussendung der Apostel begann zugleich eine neue Ikonographie, die sich auf die Legende von der Verfassung des Credo durch die Apostel bezieht 35• Ungefähr aus dieser Zeit stammt die älteste Illustration des Symbolum Apostolicum im Utrecht-Psalter (Reims, um 830). Beatus (t 798), der Benediktinermönch aus dem Kloster Liebana in den kantabrischen Bergen bei Santander, geht im Kommentar zur Apokalypse des hl. Johannes, der eine Kathene von verschiedenen Texten ist, und im Prologus de Ecclesia et Synagoga auf das Auseinandergehen der Apostel ein und gibt dabei die Namen der Orte ihrer Mission an: Qui cum omnes unum sint, singuli tarnen eorum ad praedicandum in mundo sortes acceperunt. Petrus Romam, Andreas Acajam, Thomas Indiam, Jacobus Hispaniam, Johannes Asiam, Mataeus Macedoniam, Philippus Galias, Bartholomeus Licaoniam, Simon Zelotes Aegyptum, Mathias Judeam, Jacobus, frater Domini, Jerusalem. Paulo vero cum ceteris apostolis nulla sorspropria traditur, quia in omnibus gentibus magister et praedicator eligitur. Nam sicut Petra et reliquis circumcisionis apostolatus est datus ita Paula praeputii in gentibus . Hie autem 33 De ortu et obitu Patrum, MIGNE,PL 83, 154. 34 Dieses Fest wurde in den deutschsprachigen Gebieten sehr populär . Es wurde auch in Skandinavien bekannt. Dagegen wurde es selten in England und Italien gefeiert. Kaum bekannt ist es in Spanien und in den östlichen Ländern. In Polen wurde es nach dem Sieg von Grünwald (1410) zum Nationalfest . Vgl. J. F! JALEK, Historia swieta Rozeslania Apostol6w (Geschichte des Festes der Aussendung der Apostel), Sprawozdania Polskiej Akademi Umiejetnosci (PAU) 6 (1920), 3; T. LALIK, 0 patriotycznym swiecie Rozeslania Apostol6w w Malopolsce XV wieku (Über das patriotische Fest der Aussendung der Apostel), Studia Zr6dloznawcze 26 (1981) S. 23-32 . Vgl. auch: Y. CoN- GAR,Apostel, Lexikon des Mittelalters, Bd. 1. München 1980, Sp. 781-782, hier Sp. 782; A. KuRZEJA, Der älteste Liber Ordinarius der Trierer Domkirche (London, Brit . Mus ., Harley 2958, Anfang des 14.Jhd.). Ein Beitrag zur Liturgiegeschichte der deutschen Ortskirchen (Münster 1970) S. 23, 60, 192f., 432 und 532. 35 Die sogenannte „Erste Aussendung der Apostel" fand noch zu Lebzeiten Jesu statt, damals hat er seine Schüler zu Zweit ausgesandt (Mt 10, 5-42 ; Mk 6, 7-13; Lk 9,1-6). Dies wurde bereits als ikonographisches Thema beschrieben: A . KATZENELLENBOGEN, The separation of the Apostels, Gazette des Beaux-Arts 91 (1949), 81-98; DERS. in Französisch: Ebd ., S. 143-148. Die Apostelpaare und die Missionsgebiete nennt in seinem Traktat : J. J . HESS,Geschichte und Schriften der Apostel Jesu (Zürich 1778). Zum Thema die „Zweite Aussendung der Apostel" vgl. die Monographie von R. KNA- PINSKI Credo Apostolorum w romanskich Drzwiach Plockich (Das Credo der Apostel in der romanischen Bronzetür aus Plock), Plock 1992, S. 56f. <?page no="44"?> Titelscan.indd 44 Titelscan.indd 44 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 32 Ryszard Knapinski Abb. 4: JESUS CHRISTUS DOMINUS NOSTER sendet die Apostel aus: SICUT MISIT ME PATER, ET EGO MITTO VOS. Darstellung auf einer der siebzehn Kanontafeln des Evangeliars Heinrichs des Löwen, Helmarshausen um 1188; Wolfenbüttel, Herzog-August Bibliothek. et septem ecclesiis et tribus evangelizat discipulis 36• In einer Kurzversion beschreibt auch Hartmann Schedel in der Inkunabel seiner Weltchronik aus dem Jahr 1493 die Aussendung der Apostel (f. 101). Die reich illustrierten Kommentare zu Beatus in den Handschriften der Klöster Kastiliens und Le6ns zeigen eine sehr interessante Ikonographie zu diesem Thema. Sie zeigen nicht nur das Apostelkollegium, sondern auch eine Weltkarte (Mappa mundi), wie sie den damaligen Vorstellungen ent- 36 Beatus von Liebana, Commentarius in Apocalypsin, MIGNE, PL 96, 887-890; Sancti Beati Presbiteri Hispani Liebanensis in Apocalipsin ac plurimos in utriusque foederis paginas Commentaria, ex veteribus, nonnullisque desideratis Patribus mille retro annis collecta, nunc primum edita. Opera et studio R.P. Doct. Henrici FLÖREZ(Matriti 1770), 97; A. H. SANDERS (Hg.), Beati in Apocalipsin libri duodecim, Papers and Monographs of the American Academy in Rom 7 (1930), 117. Die von Kaiser Karl dem Großen einberufenen Synoden von Regensburg (792) und Frankfurt am Main (794) benutzen die Kommentare des Beatus, siehe: W.NEUSS, Die Apokalypse des hl. Johannes in der altspanischen und altchristlichen Bibel-Illustration. (Das Problem der Beatus-Handschriften), Bd. 1 (Münster 1931), S. 5-8, 62 ff; Bd. 2, II. S. 69 und 71; F. STEG- MÜLLER, Beatus v. Liebana, in: LThK II {21958)S. 86f. <?page no="45"?> Titelscan.indd 45 Titelscan.indd 45 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostels ]akobus 33 Abb. 5: Christus - Salvator und zwölf Apostel mit Credosätzen; Hartmann Schedel, Weltchronik, 1493; Fol. 101v. <?page no="46"?> Titelscan.indd 46 Titelscan.indd 46 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 34 Ryszard Knapinski sprach. Auf dieser Karte sind die Apostel als Büstenreliquiare ihren jeweils eigenen Missionsgebieten zugeordnet 37. Es fehlen dabei jedoch die Credosätze38. Die erste Illustration des Symbolum Apostolicum in Miniaturen erscheint, wie bereits erwähnt, im Utrecht-Psalter. Erst im 12. Jahrhundert entstanden die illuminierten Handschriften zum Credo. Sehr oft wurden die Kompositionen noch durch die Darstellungen der Propheten und Allegorien aus der Psychomachie des Prudentius angereichert. Das beste Beispiel dafür ist das Evangeliar Heinrichs des Löwen (1156-1180). Innerhalb der reichen Illuminationen dieses Kodex befinden sich 17 Kanontafeln . Auf ihnen erscheinen Bildnisse Christi, der Apostel mit Credosätzen, der Evangelisten und Paulus und Johannes des Täufers. Der Zyklus beginnt mit der medaillonartigen Darstellung Christi im Typus „Salvator mundi" (es fehlt der Reichsapfel) vor sternenverziertem Hintergrund. Auf dem Ring steht die Überschrift : JESUS XRISTUS DOMI- NUS NOSTER. Christus wird dynamisch dargestellt. Mit der rechten Hand segnet er, während er mit seiner linken die Geste der Aussendung andeutet. Quer durch die Arkade läuft ein Spruchband mit den Worten der Aussendung: SICUT MISIT ME PATER, ET EGO MITTO VOS. Diese Überschrift macht deutlich, daß es sich hier um eine Illustration der Aussendung der Apostel - Divisio Apostolorum handelt . In den Arkaden der Kanontafeln sind zusätzlich noch Personifikationen der Tugenden und deren Kampf mit den Lastern nach der Psychomachie zu sehen 39. Das Ganze bildet eine vielfältige Komposition, in der jeder Teil auf eigene Art inhaltsreich zum Ausdruck kommt 40• Der hl. Jakobus ist frontal porträtartig im Medaillon dargestellt (ähnlich wie in der Basilika St. Vitale in Ravenna) . Zu dieser Gruppe der Ikonographie gehört auch ein Holzschnitt auf Fol. 101v aus der Weltchronik Hartmann Schedels, gedruckt in Nürnberg im Jahre 1493. Er wird der Beschreibung der sechsten Epoche der Geschichte der Weltsexta etas mundizugeordnet. Im Zentrum der Komposition, auf 37 Eine Weltkarte, die auf das Jahr 1086 datiert ist, befindet sich im Beatus Kommentar zur Offenbarung des hl. Johannes : Beatus, Commentaria in Apocalipsin (Burgo de Osma, Archivo de la Catedral, Cod .1 a. 1086, f. 35v-36); sieheJ.-G . ARENTZEN, Imago mundi cartographica. Studien zur Bildlichkeit mittelalterlicher Welt- und Ökumenekarten unter besonderer Berücksichtigung des Zusammenwirkens von Text und Bild (München 1984) S. ssf., 138, Tafel 16. 38 Ebd. 39 Mit dem Thema der Ikonographie der Tugenden und Laster in der Kunst hat sich befaßt: A. KATZENELLENBOGEN, Die Psychomachie in der Kunst des Mittelalters von den Anfängen bis zum 13.Jahrhundert . Ms.-Diss. (Hamburg 1933); DERS., Allegories of the Virtues and Vices in Medieval Art From Early Christian Tim es to the Thirteenth Century (Toronto - Buffalo - London 1989). 40 R. KROOS,Die Kanontafel. Kommentar, in: Das Evangeliar Heinrichs des Löwen . Kommentar zum Faksimile (Frankfurt/ Main 1989) S. 99f. <?page no="47"?> Titelscan.indd 47 Titelscan.indd 47 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des ApostelsJakobus 35 dem oberen Rand der Mandorla, erscheint Christus als Richter und Erlöser mit der Überschrift: SALVATOR: DATA EST MIHI POTESTAS IN CELO ET IN TERRA. Die Apostel sitzen ohne Attribute auf einer ovalen Bankals Richter dargestellt - und gestikulieren lebhaft. Ihre Namen sind in den Aureolen geschrieben, dagegen erscheinen die Credosätze auf den spiralartigen Spruchbändern und füllen den ganzen Hintergrund. Das Ganze wird in vier Ecken durch die Evangelistensymbole ergänzt. Der hl. Jakobus der Ältere wird bartlos mit dem ihm eigenen Credosatz dargestellt . Einen inhaltsähnlichen Kupferstich in barocker Fassung von Luca Bertelli aus der Zeit um 1560 besitzt das Nationalmuseum in Warschau (Inv.-Nr. 174951). Hier sitzen die Apostel mit ihren Attributen auf den Wolken, darunter stehen die Credosätze. Um den Nimbus Christi läuft die Inschrift: EGO SUM VIA; VERITAS ET VITA. Die ganze Komposition ist typisch für die Szene des Jüngsten Gerichtes. Aus dem Bereich der Graphik sind noch zwei Beispiele zu nennen. Beide stellen eine Merkhand dar. Das ältere Blatt ist eine Wappenhand (Merkhand) mit Darstellung der zwölf Apostel und der zwölf Glaubensartikel. Es gehört zu dem Schatzbehalter des Stephan Fridolin (Nürnberg 1491). Das jüngere Beispiel ist eine sogenannte Katechismus-Merkhand des Bischofs Johannes Nas aus Eltmann, der Weihbischof von Brixen war. Sie schmückt das Titelblatt zum: Handbüchlein des klein Christianismi / vom rechten Glauben/ tun und lassen I hoffen und förchten I kurz und gut I leicht und nutzlich, der Katechismus wurde im Jahre 1571 in Ingolstadt gedruckt 41 • III.Typologische Darstellungen der Apostel und Propheten Gegen Ende des ersten Jahrtausends tritt in der Ikonographie des Kollegiums der Apostel eine wichtige exegetische Innovation auf. Man begann, die Apostel gemeinsam mit den Propheten darzustellen. Auf diese bildliche Weise wurde die exegetische Regel der Konkordanz des Alten und Neuen Testaments (Concordantia Veteris et Novi Testamenti), die Origenes und Tertullian verfaßten und später Augustinus vertiefte, illustriert. Die Anwendung dieser Regel war im Mittelalter in solchen typologischen Bildern sehr populär, in denen Personen und Geschehen aus beiden Testamenten gegenübergestellt wurden. Es gab keinen festen Kanon für solche Kompositionen. In der Kunst sind solche typologischen Darstellungen früher entstanden als allegorisch-symbolische Kompositionen der später entstandenen Traktate wie dem Hortus Delitiarum von Herrad aus Landsberg (nach 1175), dem Speculum Humanae Salvationis (40er Jahre des 14. Jahrhunderts) und der 41 G. KocH/ J. PRETSCHER (Hg.), Fränkisches Credo. Glauben in Franken seit Kilians Zeiten (Würzburg 1989) S. 35; Fränkisches Credo. Glauben in Franken seit Kilians Zeiten, Ausstellungskatalog (Würzburg 1989) S. 8. <?page no="48"?> Titelscan.indd 48 Titelscan.indd 48 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 36 Ryszard Knapiriski zeitgenössischen Biblia Pauperum 42• Kompositionen dieser Art sind in fast allen Gattungen der Kunst vorhanden, aber vorrangig in den Kirchenglasfenstern43. Zum ersten Mal erscheint eine solche Zuordnung der Apostel und der Propheten in Mosaiken und in Reliefs im Baptisterium der Orthodoxen in Ravenna. Es war Bischof Neone (451-475), der sie anfertigen ließ 44. Erst später, im 10. Jahrhundert, stößt man wieder in der Kirche St. Maria in Pallara in Rom auf eine ähnliche Darstellung.Jetzt tragen jedoch die Propheten die Apostel auf ihren Schultern 45• Aus dem 11. Jahrhundert stammen die Fresken in der Stiftskirche St. Peter und Paul in Niederzell auf der Insel Reichenau . Die uns interessierenden Bilder der Apostel und Propheten sind in der Ostapsis angebracht, leider sind die Spruchbänder nicht mehr lesbar. Ein bekanntes Beispiel dieser Art sind die Reliefs in den arkadenartigen Nischen des Taufsteines in Merseburg (vor 1177) 46. Wir finden sie auch in den Arkaden des Ostchores im Bamberger Dom und ebenfalls im nördlichen Portal, wo die Propheten wie oben die Apostel auf ihren Schultern tragen. In der monumentalen Malerei der Kirche St. Petri in Feletto in der Provinz Tarvisio (Veneto) sind 12 Bilder aus dem 15. Jahrhundert erhalten, die die fidem catholicam illustrieren (szenische Illustration des Credo). Zus ätz- 42 K. KÜNSTLE, Ikonographie (wie Anm . 5) Bd. 1, S. 99 und 182; E. MALE,L'art religieux de la fin du moyen age en France . (Paris 1922), Bd . 3, S. 246-253 . 43 Den Zusammenhang des Textes vom Credo Apostolorum mit Aussagen der Propheten haben mehrere Autoren während des Kolloquiums im Jura zu Saint-Claude und in Lons-le-Saunier behandelt, welches im September 1990 stattgefunden hat. Das gesamte Material wurde publiziert in: P. LACROIXI A. RENON(Red.) Pensee, image et communication en Europe Medievale. A propos des Stalles de Saint-Claude (Besan1,on 1993); seconde partie: Credo des Apötres et des prophetes. Temoignages textuels: leur evolution, S. 159-198. Vgl. Anm. 16. 44 Ein Hinweis auf den Zusammenhang von den Darstellungen auf den Mosaiken mit den Plastiken im orthodoxen Baptisterium in Ravenna fehlt in der Literatur. In den Fachschriften verweist man nicht auf diesen ikonologischen Zusammenhang innerhalb des biblischen Kontextes. Vgl. G. BOVINI,Ravenna. Mosaici e monumenti (Ravenna 1996) S. 111-116. Das gesamte ikonographische Bildprogramm des Baptisteriums umfaßt die beiden Zyklen, den oberen mit den Aposteln und den unteren mit den plastischen Darstellungen der Propheten. Dies erscheint mir als Hinweis doch wichtig. 45 Aggiornamento scientifico all'opera di G. Mathiae, in: Pittura romana del Medioevo, I, a cura di M. ANDALORO(Roma 1987) S. 289; Ein ikonographischer Präzedenzfall war das verloren gegangene Mosaik in der San Prisco presso Santa Maria Capua Vetere, wo den acht Propheten acht Apostel zugeordnet waren . Vgl.: T. IAZEOLLA, Apostoli, in: Enciclopedia dell'arte medievale (Roma 1991) S. 177-188, hier besonders s. 186. 46 Stifter des Taufsteines ist der Abt aus der Abtei Sankt Peter und Paul in Merseburg, welcher die Unterstützung von Erzbischof Wichman aus Magdeburg bekommen hat, dessen Bildnis sich auf der Plocker Tür befindet. Den Taufstein publiziert u. a. R . Buo- DE,Deutsche romanische Skulptur 1050-1250 (München 1979) S. 54f., Tafel 87. <?page no="49"?> Titelscan.indd 49 Titelscan.indd 49 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostels Jakobus 37 Abb. 6: Göttinger Barfüßeraltar, linker Außenflügel innen, Petrus, Johannes, Jacobus d . Ä. (Photo: Niedersächsisches Landesmuseum, Landesgalerie, Hannover) <?page no="50"?> Titelscan.indd 50 Titelscan.indd 50 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 38 Ryszard Knapiriski lieh wurden in den unteren Ecken die Figuren der Apostel und der Propheten gegenübergestellt 47• Der Prophet Jesaja gilt als Typus für den hl. Jakobus den Älteren (Antitypus). Als Ergänzung dazu gelten die Bilder von der Verkündigung und der Geburt in Bethlehem. Aus dem Jahre 1424 stammt der Altar der Barfüßer-Karmeliten aus Göttingen (heute Niedersächsisches Landesmuseum Hannover) auf dessen Flügel das Credo Apostolorum abgebildet ist. Der hl. Jakobus der Ältere, bezeichnet als Jakobus Sebedei, erscheint mit eigenem Spruch, über ihm ist der Prophet Jesaja im Maßwerk des Baldachins zu sehen. Dieses Thema treffen wir auch in der Goldschmiedekunst an. Ein frühes Beispiel zeigt ein dem Evangeliar Heinrich des Löwen zeitgleicher (1150-1160) Tragaltar, der von Eilbertus von Köln signiert ist. Auf der Platte des Altars ist in der Mitte Christus als Majestas dargestellt, ihn umgeben die Email-Bilder der Zwölf Apostel mit den Credosätzen . Der hl. Jakobus der Ältere erscheint hier ohne Attribut in allgemeiner Form einer Aposteldarstellung mit dem ihm eigenen Credosatz. Auf beiden Seiten finden wir jeweils vier Szenen : links - Verkündigung, Heimsuchung, Geburt in Bethlehem und Darstellung im Tempel; rechts - Kreuzigung, die Frauen am Grab, Spendung des Heiligen Geistes, Höllenfahrt und Himmelfahrt Christi. Dies bezeugt, daß die Apostelmission im göttlichen Plan des Erlösungswerkes festgeschrieben ist. Diesen Gedanken definieren synthetisch zwei Schriftbänder, eines am oberen Rand des Altars und eines am Sockel 48• Eine andere Form des in der Kunst angewandten Credo zeigt das Reliquiar des Heiligen Heribertus (1021), Erzbischof von Köln und Freund Ottos III. Das Reliquiar wurde in den Jahren 1160-1170 gefertigt und wird bis heute in der Schatzkammer der Benediktiner-Abtei Köln-Deutz aufbewahrt, die der Heilige auch gegründet hatte 49• Dieser architektonische Schrein hat die Gestalten der Propheten mit ihren Aussagen auf den Pilastern. Die Apostel sind auf getriebenen Tafeln angebracht, sitzen zwischen den Pilastern und unterhalten sich miteinander. Auf ihren Knien ruhen aufgeschlagene Bücher mit den Credosätzen. Ausnahmsweise erscheint Jakobus der Ältere hier auf einem nachrangigen Platz neben dem hl. Paulus, und es wird 47 D. RIGAUX, Un Credo Venitien: Les Peintures murales de San Pietro di Feletto (XVe siede), in: Pensee, image (wie Anm. 16) S. 119-128 . 48 Die obere Inschrift lautet: [DOCTRINA PLENI FIDEI PATRES DVODENI TE- STANTVR FICTA NON ESSE PROPHET/ CA DICTA; die untere dagegen sagt: CELITVS AFFLATI DE CRISTO VATICINATI HI PREDIXERVNT QVE POSTVENTVRA FVERVNT.] 49 E. G . GRIMME, Europäische Goldschmiedekunst des Mittelalters. Reliquiare (Köln 1972) S. 130-132; M. SEIDLER, Schrein des hl. Heribert, in: A. LEGNER(Hrsg.), Ornamenta Ecclesiae (wie Anm. 31) Bd. 2 (Köln 1985) S. 314-323; DERS.,Reliquien in Kunst und Kult zwischen Antike und Aufklärung (Darmstadt 1995) S. 137. <?page no="51"?> Titelscan.indd 51 Titelscan.indd 51 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostels Jakobus 39 Abb. 7: Maiestas Domini, Szenen aus Kindheit- und Passions-Zyklus und zwölf Apostel mit den Credoartikeln; Eilbertus-Tragaltar, Köln, 1150-1160; Berlin, Kunstgewerbe-Museum, Preußischer Kulturbesitz. ihm sogar der siebente Glaubensartikel zugeschrieben: DESCENDIT AD INFERNA. Ihn begleiten die Propheten Daniel (12, 3) und Jeremia (3, 15) 50• Die unterschiedliche Darstellungsweise der Propheten als Greise und der Apostel als junge Männer hat Ernst Gunter Grimme als allegorische Interpretation des Vita contemplativa und des Vita activa interpretiert 51• Die Schriften, die unter den Verzierungen aus Edelsteinen, Email und Filigran, angebracht sind, bezeichnen die Apostel typologisch als Teilnehmer des Festmahles im Himmlischen Jerusalem, während die Propheten als Vorgänger der an Christus Glaubenden benannt werden. Zu berücksichtigen ist die Tatsache, daß die typologischen Darstellungen der Apostel mit dem Credo und den Propheten früher in der Goldschmiedekunst als in den Miniaturen der Handschriften vertreten sind 52• Nach Anne Ritz-Guilbert befindet sich die erste bekannte typologische Illustration des Credo in Form eines Diagramms im Verger des Soulas und stammt aus der Zeit gegen Ende des 13. Jahrhunderts (Paris, B.N. ms. fr. 9220, fol. 13v) 53 . Der hl. Jakobus der Ältere wird analog zu den übrigen Aposteln sitzend dargestellt, als Attribut hat er ein Schwert, mit dem auf seine Enthauptung 50 F. GAY,Le choix des Textes des Prophetes face aux Apötres au Credo, in: Pensee, image (wie Anm . 16) Tafel auf S. 190f. 51 E. G. GRIMME, Europäische Goldschmiedekunst (wie Anm. 49) S. 132. 52 A. Ritz-GUILBERT, Aspects de l'Iconographie du Credo des Apötres dans l'enluminure medievale, in: Pensee, image (wie Anm . 16) S. 101f. 53 Ebd., S. 101, Tafel 3. <?page no="52"?> Titelscan.indd 52 Titelscan.indd 52 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 40 Ryszard Knapinski Abb. 8: Typologisches Credo -Tafelartig in Verger de Soulas (ein Detail), der Apostel Jakobus trägt das Schwert als Attribut, um 1300 (Paris, B.N., ms. fr. 9220). angespielt wird, dem Haupt gegenüber ist das Spruchband mit dem üblichen Glaubensartikel. Dazu gehört ein Medaillon mit der Verkündigungsszene. Der typologisch zugeordnete Prophet ist J esaija (7, 14). Die Apostel, die mit Credosätzen im Zusammenhang mit alttestamentlicher Symbolik dargestellt werden, finden wir in den mittelalterlichen Gebetbüchern - Stundenbücher (Livres d'Heures) aus dem 14. und 15. Jahrhundert . Als Vorlage dafür gilt allgemein das Credo von J oinville, welches in der Champagne etwa von 1287 bis 1297 entstanden ist 5 4. Aus der Zeit um 1323/ 1326 stammt ein außergewöhnlich typologisches Credo. Seine theologische Aussage basiert auf der scholastischen Exegese, wonach die Inhalte der Glaubensartikel in den Voraussagungen der Propheten des Alten Testaments verwurzelt sind. Dieses Credo befindet sich in den Illuminationen des Kalenders im ersten Band des Breviers von Belleville (Paris, B.N. ms. lat. 10483). Die Miniaturen haben aufgrund der Anregungen der Pariser Dominikaner Jean Pucelle und seine Gehilfen gemalt. Der Miniaturist selbst hat die symbolische Bedeutung der Bilder mit folgenden Worten erklärt: exposition des images des figures qui sont au calendier, et au psautier [...} / es Apostres qui sont executeurs du Nouvel Testament, qui cueillent / es 54 L. J. FRIEDMANN, Text and lconography for Joinville's Credo (Cambridge - Massachusetts 1958); Ritz-GUILBERT, Aspects (wie Anm. 52) S. 101. <?page no="53"?> Titelscan.indd 53 Titelscan.indd 53 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostels Jakobus 41 clauses du Vieil oscurement baillies, et les descuevrent et declairent et en font ! es articles de la foy ... (ms. lat. 10483, fol. 2-4). Leider gibt es heute nur noch zwei Blätter zu den Monaten November und Dezember. Von den nicht mehr erhaltenen Miniaturen existieren Repliken aus dem 14. Jahrhundert. Sie befinden sich in zahlreichen Handschriften, die auf Wunsch verschiedener Fürsten hergestellt wurden. Die besten originalgetreuen Kopien sind in dem Stundenbuch der Johanna von Navarra enthalten. Sie sind unter der Leitung des Jean le Noir in den Jahren 1336-1340 entstanden (Heures Jeanne de Navarre. Paris, B.N. ms. n. a. lat. 3145). Die theologische Basis für die Ikonographie war die allgemein bekannte Übereinstimmung der beiden Testamente: Concordantia Veteris et Novi Testamenti. Um dies zu veranschaulichen, hat Pucelle auf dem unteren Rand der Kalenderseite jeweils einem Propheten mit dem Spruchband einen Apostel mit dem Credosatz gegenübergestellt 55 • Die symbolische Aussage der Miniaturen verfügt noch über andere Mittel. Auf jedem Blatt wird vorgeführt, wie die Synagoge durch die Propheten abgebaut wird. Ein jeder Prophet entnimmt der Synagoge die Bausteine und übergibt sie einem Apostel, der mit dem Bau der neuen Kirche beginnt. Auf dem Januarblatt ist die Synagoge noch vollständig, während sie auf der Dezemberseite abgebaut und aus dem Baumaterial eine neue, gotische Kirche entstanden ist. Vor der Kirche ist der hl. Paulus dargestellt, der die Völker belehrt, denen er Briefe gesandt hatte. Im Eingangstor zur Kirche steht eine allegorische Gestalt, die in der Hand eine Fahne trägt, die mit einem Symbol versehen ist, das sich auf die entsprechenden Glaubensartikel bezieht . Fran~ois Avril hat diese weibliche Gestalt als Maria interpretiert, durch die das östliche Tor geöffnet wurde, welches wiederum als Symbol des Himmlischen Jerusalem gelte 56 • Es scheint, daß in diesem Fall die Symbolik der allegorischen Frau ambivalent ist. Diese Frau versinnbildlicht nicht nur Maria, sondern auch die Kirche, die den Glaubenden den Weg zum Erlöser zeigt (Maria - Ecclesia). Es gibt noch andere Handschriften mit Miniaturen zum Credo. Von drei liturgischen Büchern, die zur Seligsprechung des hl. Ludwigs IX., König von Frankreich, angefertigt wurden, ist das sogenannte Credo von J oinville das bekannteste. Es ist im zweiten Teil des Breviers enthalten (2. Hälfte des 13. Jahrhunderts; St. Petersburg, Gosudarstviennaja Publienaja Bibliotieka im. M.E. Saltykova-Sedrina, Lat. Q . v. I, 78)57.Eine ähnliche, wenn nicht sogar gleiche Version des Credo Apostolorum befindet sich auf einigen Blät- 55 Die Neuerung Pucelles liegt darin, daß er das Hauptthema unter zwei Miniaturen an dem oberen und dem unteren der Ränder verteilt hat. 56 F.AVRIL,Buchmalerei am Hofe Frankreichs 1310-1380 (München 1978) S. 61, T. 11. (= Die großen Handschriften der Welt). 57 Vgl. SCHILLER, Ikonographie (wie Anm . 5) Tafel 230, S. 328-331. Die Autorin hat bei der Beschreibung der Abbildungen (230, S. 190) eine falsche Signatur der Handschrift angegeben: MS. lat. G. v. I 78. <?page no="54"?> Titelscan.indd 54 Titelscan.indd 54 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 42 Ryszard Knapinski Abb. 9: Der hl. Apostel Jakobus d . Ä. im Rahmen der szenischen Illustration des Credoartikels: QUI CONCEPTUS EST DE SPIRITU SANCTO, NATUS EX MARIA VIRGINE (Missale a l'usage de Saint Nicaise = Missale Remense, Paris um 1285; St. Petersburg, Lat.Q . v. I. 78, Fol. 22). tern, die getrennt an verschiedenen Stellen in das Messbuch von Reims eingebunden worden sind [Missale Remense "Breviarium Romanum") = Misse! ... l'usage de Saint-Nicaise de Reims; Paris (? ), 1285-1297; St. Petersburg, Gosudarstviennaja Publienaja Bibliotieka im . M.E. Sa! tykova-Sedrina, Lat . Q.v. 1. 78] (59) 58 • Das in der Literatur bekannte Credo von Joinville ist 58 I. P. MoKRETSOVAN.L. RoMANOVA, Les manuscrits enlumines fran1,aisdu XIIIe siede dans ! es collections sovietiques 1270---1300 (Moskva 1984)S. 194- 231. Es ist anzunehmen, daß diese Publikation die richtige Signatur des Codex angibt und Schiller korrigiert (siehe <?page no="55"?> Titelscan.indd 55 Titelscan.indd 55 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 IkonographiedesApostels J akobus 43 eine sehr originelle Fassung, mit gutem Verständnis der theologischen Inhalte. Es stellt eine sehr ausgeweitete Komposition dar 59 • Die Apostel, auf dem Rand mit Überschriften versehen, spielen hier eine zweitrangige Rolle. Ihre Bilder, zu fragmentarischen Büsten reduziert, sind an den äußeren Rand der Bordüren geschoben worden. Die ihnen zugehörigen Credosätze befinden sich innerhalb anderer Schriftbänder ohne ein direktes Verhältnis zu den Aposteln. Ganz anders und deutlich werden die Prophetengestalten gezeigt . Sie tragen in einer Hand lange, aufgewickelte Rollen mit ihren Prophezeiungen, während die andere Hand auf eine oder mehrere Szenen mit der Illustrierung der Voraussagungen hinweist. Gerade dieses, der Bibel entnommene Geschehen ist charakteristisch für das Credo von Joinville. Hier hat man sehr deutliche Akzente gesetzt, die die Erfüllung des Alten Testamentes zeigen. Im 14. und 15. Jahrhundert sind solche Abbildungen oft anzutreffen . Manchmal erscheint noch eine dritte Reihe, nämlich mit den Patriarchen, die den Segen aussprechen, wie wir sie etwa in der Klosterkiche zu Blaubeuren (1490) finden können. Eine andere Fassung zeigen die Fresken in der St. Martin-Kirche zu Billigheim (Pfalz) . Dort werden die Propheten, die die Credosätze präsentieren (sie! ), kniend dargestellt . Über ihnen stehen in einer auf ein Dreiviertelmaß reduzierten Ausführung ihrer natürlichen Größe die Apostel mit Medaillons, auf denen sich Illustrationen der Credosätze befinden. Darüber schweben die Engel. Die Reihe der Apostel beginnt mit dem hl. Andreas. Die Darstellung des hl. Jakobus fehlt. Die folgenden Wiegendrucke zeigen eine unterschiedliche Ikonographie dieses Themas: Das Symbolum der heiligen Apostel: Darin der grund unsers Christlichen Glaubens gelegt ist / Ausgelegt durch D. Mart. Luth. Mit schönen lieblichen Figuren (Wittenberg 1550); Hortulus Animae: Lustgarten der Seelen: Mit schönen lieblichen Figuren (Wittenberg 1550); lcones Symboli Apostolici, cum brevi et utili earundem explanatione ex Sacris Literis congesta per quendam Sacrae Scripturae candidatum. His adiecimus Catechismum, id est, Symboli Apostolorum, Decalogi praeceptorum, et Orationis dominicae explanationem, per Des. Erasmum Roterodamum (Coloniae Agrippinae 1556); Die Zwelff Artickel unsers Christlichen glaubens / sampt der heiligen Aposteln ankufft / beruffl glauben / Lere / Leben und seliges Absterben I etc. Aus heiliger Schrifft I und glaubwirdigen Historien / auffs allerkurtzest in deudsche Reime verfasset I Für die Leien und Einfeltigen / Durch Iohan[nes} : Agric: [ola] Spremb[ergensis], Wittenberg 1562. oben) . Leider waren alle meine Bemühungen um einen Microfilm der Miniaturen aus St. Petersburg erfolglos . Deswegen kann ich denJakobus nicht genau beschreiben. Es stehen mir nur die der Literatur entnommenen Bilder der anderen Apostel zur Verfügung. 59 Es ist nachzuprüfen, ob die Miniaturen mit dem sogenanntem Credo von Joinville nicht getrennt worden sind und sich in verschiedenen Handschriften befinden. Einen Hinweis dazu zeigen die unterschiedlichen Angaben der Autoren (Schiller,Mokretsova i Romanova) über die Namen der Codices, in welchen diese Miniaturen sich befinden sollen . <?page no="56"?> Titelscan.indd 56 Titelscan.indd 56 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 44 Ryszard Knapiriski Aus der Zeit der Auseinandersetzungen während der Reformation stammt die Serie der Holzschnitte, die mit dichterischen Strophen geschmückt sind und die folgendermaßen betitelt wurde: SYMBOLUM NO- STRAE HOC EST CHRISTIANAE FIDEi PER DIVOS APOSTOLOS CONGESTUM PROPHETIS VETERIS TESTAMENT! CORRESPON- DENS, IDQUE NON SOLUM ORATIONE PROSA VERUM ETIAM CARMINE ELEGIACO. Autor dieser Serie ist Georg Thym, gedruckt wurde sie in Erfurt im Jahre 1552. Gewidmet wurde sie dem Caspar Cannegiser und dem Martin Sideman. Der hl. Jakobus der Ältere illustriert den dritten Glaubensartikel. Er ist als Pilger in einer Landschaft am Meer dargestellt, hält in der Hand ein Buch mit einer Muschel darauf. Der Text des Glaubensartikels wird mit folgendem Kommentar erläutert: Qui non humano conceptus semine ab ullo: Sed de divino flamine prodieris. Editus in mundum Maria de virgine matre, Per Christum fieret salvus ut omnis homo. J akobus wird typologisch die Aussage des Propheten Jesaja zugefügt: ESAIAS VII. CAPITE. ECCE VIRGO CONCIPIET, ET PARIET FI- LIUM ET VOCABITUR NOMEN EIUS EMANUEL. Ecce deum virgo paritura puerpera natum N ata Deo gravido corpore concipiet. Nil minus a partu castissima virgo manebit, Infanti nato nomen Jesus erit. Die Ikonographie des Credo Apostolorum hat sich auch die Evangelische Kirche zu eigen gemacht. Die Übernahme dieses Glaubensbekenntnisses sollte die Verwurzelung in der Lehre der Apostel bezeugen. Die protestantische Ikonographie ist in der Regel in Form von Holzschnitten oder Kupferstichen in verschiedenen Gebetbüchern, Katechismen und auf losen Blättern zu finden. Das von mir aus verschiedenen Bereichen der Kunst gesammelte Material bringt neue Forschungsimpulse und muß noch bearbeitet werden. Resumen: EI autor estudia la iconografia de Santiago en el contexto de la iconografia de! conjunto apost6lico y pone de relieve que no se debe tratar a la figura de Santiago aisladamente, sino que hay que valorar su rango e importancia como miembro de! gremio de los ap6stoles. Desarrolla el tema desde e1 siglo III hasta la Edad Moderna a partir de las interpretaciones pict6ricas de determinados contenidos teol6gicos (artfculos de! Credo Ap6stolico, cada uno de los cuales segun la leyenda fue formulado por uno de los ap6stoles). Un testimonio singular lo constituye el portal de bronce de Plock quese encuentra en Nowgorod y que fue fundido en Magdeburgo, mostrando evidentes influencias artisticas de la Lombardia siendo, por lo tanto, un reflejo de contactos europeos a esca.launiversal. <?page no="57"?> Titelscan.indd 57 Titelscan.indd 57 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostels Jakobus 45 Abb. 10: Die ApostelJakobus d. Ä. und Johannes mit Credo-Artikel; ein Detail der Fresken am Grab des Bischofs Adrien de Hanencourt (t 1533) Amiens (Frankreich). Abb. 11: Der Apostel Jakobus d. Ä. im Gipfel des Chorgestühls in der Basilika der Bernhardiner zu Lezajsk (Polen), 18. Jh. <?page no="58"?> Titelscan.indd 58 Titelscan.indd 58 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 46 Ryszard Knapinski Abb. 12: Chorgestühl in der Saint-Nicolas-Kirche, Fribourg in der Schweiz, 1464, mit Propheten und Apostel mit Credosätzen in Reliefs. Abb. 13: Der hl. J akobus d. Ä. mit dem Credoartikel: QUI CONCEPTUS EST DE SPIRITU SANCTO NATUS EX MARIA VIRGINE; Fribourg, Saint- Nicolas, 1464. Abb. 14: Das Grab des Bischofs Adrien de Hanencourt (t 1533) in der Kathedrale zu Amiens (Frankreich); in der Nische die Apostelreihe mit Credo. <?page no="59"?> Titelscan.indd 59 Titelscan.indd 59 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostels jakobus ,s,. irm; · .111101e __ ".,..: J)tctO)' Cf) faint efprtit, ta 9rnunto bes faiefa: temiff10 beape,~e; 47 Abb. 15: Credo Apostolorum, Holzschnitt: "Calendier des bergers", hrsg . von Jean Belot, Geneve, 1498. Abb. 16: Wilhelm Kerickx, 1718. Der hl. Jakobus d . Ä . im Medaillon (erster von rechts) als Schmuck eines Beichtstuhls in der ehern. Abteikirche der Prämonstratenser in Grimbergen (Belgien). <?page no="60"?> Titelscan.indd 60 Titelscan.indd 60 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 48 Ryszard Knapinski Abb. 17: Der hl. Apostel Jakobus d. Ä. im Chorgestühl der Kathedrale in Saint- Claude, 1449-1465. Abb. 19: Das Medaillon mit dem hl. Apostel Jakobus d. Ä. und ihm zugehörigen Credoartikel. Das Reliquiar aus Santo Domingo de Silos (Kastilien), Bistum Burgos. )," ~- .. \ -- · f"'--- 1, Abb. 18: Der hl. Jakobus d. Ä. in der Komposition des Apostelleuchters m der Pfarrkirche in Söll (Tirol), 18. Jh. 1 diuifionc ppoftolomm c. luci.rx. ,Uo.t. Conro : l._c: it, usduodcd .tppf,s ; ._1: f crlir illi! "cuti rt potcf utc fupcronii.l dm~onfa : et~ L'lnßUOTCS cur.uct .etmifit ,cll~prcdiortr rcsnü dci: « f..1u.urinfitflno&~a~t .td illos. N icbil tu&titis in 'l"ia: nccp" r2; 1-: 11\? cp pc: r.; 1111 : nn-pp: mc: nccppccu: ni.un: napdu.1stunios b.1bc.1tis. (: t in quioitp domti inn ·.: .u,critisibi nu, Abb. 20: Perikope von Luk. IX, zum Fest „In Divisione Apostolorum"; Evangelistar des Bischofs Piotr Tomicki, Krakau, 1533. <?page no="61"?> Titelscan.indd 61 Titelscan.indd 61 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Ikonographie des Apostels Jakobus 49 . r . ·: .·lh'1\ e "· ~..-..iu•• "~ Abb. 21: Der hl. Jakobus d . Ä. (den Attributen nach), auf versehentliche Weise als Jacobus Minor bezeichnet, mit dem Propheten Micheas. Auf typologischem Grund sind die Aussagen des Propheten dem Credo-Artikel gegenüber gestellt. (Milano, Biblioteca Trivulziana, Cod. N. 2164; Horae Beatae Mariae Virginis, fol. 9-September .) Abb. 22: Der hl. ApostelJakobus d. Ä. im Ziergiebel des HI. Grabes , Konstanz (Baden-Württemberg), als Attribute die Pilgerstäbe und Taschen haltend (13. Jh.) . Der entsprechende Credoartikel ist auf dem Bild nicht sichtbar. <?page no="62"?> Titelscan.indd 62 Titelscan.indd 62 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 <?page no="63"?> Titelscan.indd 63 Titelscan.indd 63 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Heilige und Bürger - Die Skulpturenfassade der Trierer Steipe CHRISTOPH KüHN Eine der ältesten Bruderschaften der Stadt Trier war die dem heiligen Jakobus geweihte. Wohl gegen Ende des 12. Jahrhunderts als Träger des gleichnamigen, 1239 erstmals erwähnten Hospitals gegründet, entwickelte sie sich in den beiden darauffolgenden Jahrhunderten zu einen wichtigen gesellschaftlichen und politischen Faktor im öffentlichen Leben der Stadt . Aus ihrer ursprünglichen Rolle heraus erwuchs sie aufgrund ihrer personellen Struktur die Mehrzahl ihrer Mitglieder waren Schöffen und Ratsherren zu politischem Einfluß, der im Jahr 1364 durch ihre Vereinigung mit der ähnlich wichtigen Bürgerbruderschaft zu den Brüdern des St. Jakobs-Spitales "bruder sente Jacobs spidails") eine Steigerung erfuhr, wogegen der damalige Erzbischof Kuno von Falkenstein heftige Klage bei Kaiser Karl IV. führte 1• Das von der Bruderschaft betriebene Jakobsspital ist heute weitgehend ein Bau aus den Jahren 1751-1753. In seinem Kern enthält es noch die alte, 1332 geweihte Hospitalkapelle 2 • Wie für ein mittelalterliches Stadtspital üblich, stellte es eine multifunktionale Einrichtung dar: es diente zur Pflege von Kranken, als Pfründnerhaus für Alte, als Ort des Almosengebens für Arme und auch zur Berherbergung von Pilgern. Noch 1668 heißt es zitiert nach einem späteren Regest in einem Visitationsbericht des Spitals: "Den Pilgern, besonders von Rom und St. Jakob und andern bedürftigen Reisenden soll man drei Tage und Nächte ,benebens Brodt und Trunk eine Suppe und Gemüse zum wenigsten, da man denselbigen sonsten nichts weiteres zu geben vermag, reichen lassen"' 3• 1 JOHANNCHRISTIANLAGER, Regesten der Urkunden des ehemaligen St. Jakobshospitals in Trier bis zum Jahr 1769, Trierisches Archiv, Ergänzungsheft XIV (1914)-PETER NEU, Jakobusbrot und Martinswein . Ein Beitrag zu den Formen der frühneuzeitlichen Jakobusverehrung in der Stadt Trier, Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde XXIII (1977) S. 211-225 - PETERNm, Das St. Jakobshospital in Trier, Kurtrier isches Jahrbuch 13 (1983) S. 39-49 - BERNHARDSCHNEIDER , Bruderschaften im Trierer Land. Ihr e Geschichte und ihr Gottesdienst zwischen Tridentinum und Säkularisation (Trierer Theologische Studien 48, 1989) S. 91 (in Anm. 215). 2 Die kirchlichen Denkmäler der Stadt Trier mit Ausnahme des Domes, bearb . von HERMANNBUNJESu.a.,Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 13.3 (1938), S. 414f. Zit. n . LAGER(wie Anm. 1) S. 10. <?page no="64"?> Titelscan.indd 64 Titelscan.indd 64 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 52 Christoph Kühn Neben Rathäusern, Spitälern oder Kornhäusern gehörten auch Gebäude der Geselligkeit zu den kommunalen Bauaufgaben des Spätmittelalters. Zu den bekanntesten Bauten zählen das Fleisch- und Tanzhaus in Rothenburg o. d. T., das Tanzhaus in Nördlingen (1442-1444) oder der Gürzenich in Köln (1441-1447). Auch wenn sie keinen eigenen Bautyp verkörpern, ist das wichtigste Merkmal dieser Häuser das Vorhandensein einer aufwendigen Stube oder eines Festsaales4. In den Jahren 1437 und 1443-1444 taucht in den Rechnungsbüchern des Trierer Jakobsspitales ein am Hauptmarkt gelegenes städtisches Trinkstuben-, Fest- und Gerichtsgebäude auf. Für seine Errichtung war der Rat der Stadt verantwortlich, bestritten wurde sie jedoch aus den Mitteln des Spitales. Aufgrund seiner auf vier Stützen ruhenden Erdgeschoßarkatur erhielt das Gebäude den Namen Steipe. Es scheint kaum vor 1430 entstanden zu sein, sondern erst kurz nach der Mansfeldischen Fehde . 1481-1482 erfolgte ein tiefgreifender Umbau mit einer Erneuerung der oberen Geschosse, zu dessen Maßnahmen auch die Ausstattung der Fassade mit einem Skulpturenprogramm gehörte 5• Finanziert wurde der Umbau gleichfalls aus den Mitteln des Jakobsspitales, dessen Rechnungsbücher Aufschluß über das Baugeschehen wie die Anfertigung und Aufstellung der Skulpturen geben 6 • Als Meister wird ein Bildhauer Stefan (Steffan Bildeheuwer) genannt, der zuerst zwei sogenannte Riesen angefertigt und dafür 20 Gulden erhalten hat . Im Rechnungsjahr 1482/ 1483, in der Woche nach dem Michae lstag (1482) wurden die beiden Riesen durch den Steinmetz Bernhard an der Fassade angebracht. Anschließend entstanden vier Heiligenfiguren. Auch sie waren im R echnungsjahr 1482/ 1483 vollendet, kamen aber erst im darauffolgenden Rechnungsjahr 1483/ 1484 an die Fassade. Für sie erhielt Stefan einen Lohn von 16 Gulden. Zumindest die vier Heiligenskulpturen wurden im Haus des jungen Johann Blomen hergestellt7. Blomen scheint einer Trierer Bildhauerfamilie zu entstammen, denn bereits 15 Jahre zuvor, 1467/ 1468, wird in den Rechnungen für den Michaelsaltar in St. Gangolf ein Blomen/ Blomgin erwähnt, der mit Steinmetzarbeiten beschäftigt war 8• Johann Blomen wohl der Sohn des Blomen/ Blomgin, er wird auch als Blomen son genannthatte das Material, Kalksteinb löck e d er CORD MECKSEPER, Kleine Kunstgeschichte der deutschen Stadt im Mittelalter (1982) s. 197f. Die weltlichen Denkmäler der Stadt Trier, ungedrucktes Ms. (ca. 1941) S. 208f . - Unsere Steipe. Unvergängliches Erbe Triers , hrsg . vom Verein Trierisch (1954 )- Die Steipe Trier . Eine Dokumentation, zusammengestellt von WALTERQuECK (1972) . 6 Stadtarchiv Trier, DVH Al, 1481-84. 7 Nach Spoo an der Ecke Palaststraße/ Brotstraße . HERMANNSroo, Beiträge zur Geschichte der Steipe, Trier. Chronik 17 (1921) S. 77. NORBERTZIMMER, Peter von Wederath, ein trierischer Bildhauer der Spätgotik, Trier. Chronik 6 (1910) S. 153-160- WOLFGANGSCHMID, Der Michaelsaltar in der Pfarrkirche St. Gangolf . Ein spätgotisches Kunstwerk in seinem historischen Zusammenhang , Kurtrierisches Jahrbuch 28 (1988) S. 23-98. <?page no="65"?> Titelscan.indd 65 Titelscan.indd 65 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Heilige und Bürger-Die Skulpturenfassade der Trierer Steipe 53 Metzer Gegend, in einem Ort namens Ranckeldaill gekauft 9 • Außerdem hat er die Baldachine der vier Heiligenfiguren gefertigt und drei davon wie auch die Konsolen, auf denen die Figuren stehen, an der Steipe angebracht. Nachdem die vier Heiligen in seinem Haus fertiggestellt waren, wu~den sie zu einem Meister Heinrich in die Simeonstraße gebracht, der sie farbig faßte . Heinrich erhielt hierfür 10 Gulden. Ob die beiden Riesen ebenfalls von Meister Heinrich gefaßt wurden, geht aus den Rechnungen nicht hervor, doch könnte in diesem Zusammenhang ein Vermerk in den Rechnungen von Interesse sein, daß sie sich bei einem Hans Wirt befunden haben 1°. 1699 erfolgte eine Ausbesserung der Skulpturen, die von einigen armen Handwerkern gegen Abgabefreiheit umsonst ausgeführt wurde. Auf der ältesten, nach 1787 entstandenen Zeichnung, die die Steipenfassade mit dem Skulpturenschmuck zeigt, sind noch alle vier Baldachine zu sehen, ebenso auf einer 1830 entstandenen Zeichnung von Ramboux. Alle anderen Abbildungen des 19. Jahrhunderts, von Clarkson Stanfields Steindruck aus dem Jahr 1840 bis zu den ersten Fotografien seit den 1870er Jahren zeigen indessen nur noch die beiden äußeren Baldachine, und diese mit Beschädigungen. Möglicherweise waren diese Schäden eine Folge der Revolutionskämpfe von 1793/ 1794 11• Gegen Ende des ersten Weltkrieges wurden die Skulpturen abgenommen, um sie vor erneuten Kriegsschäden zu bewahren. Die städtische Denkmalpflege unter Friedrich Kutzbach und Carl Delhougne nahm diese Gelegenheit wahr, zwischen 1921 und 1930 Untersuchungen auf Beschädigungen, Bearbeitungen und Reste der Fassung vorzunehmen. Bei Kriegsbeginn 1939 wurden die Skulpturen im Simeonstift eingelagert. Durch die Zerstörung der Steipe 1942 ihres ursprünglichen Standortes beraubt, brachte man sie 1948 an der Ostwand des hinter dem Steipengrundstück liegenden Hauses zum Hahnen an. Im Zuge des Wiederaufbaus der Steipe 1969-1972 wurden die Figuren durch Abgüsse aus der Hand des Bildhauers Toni Christmann ersetzt; die Originale gelangten nach eingehender Restaurierung 1970 in das Städtische Museum Simeonstift 12• Insbesondere H. Spoo hat auf die stadtpolitische Note des Skulpturenprogrammes hingewiesen 13• Am direktesten lassen sich bei den vier Heiligen Bezüge zu Trier herstellen. Jakobus der Ältere verweist auf die Bruderschaft 9 Nach SCHMID(wie Anm. 8), S. 70 möglicherweise das luxemburgische Reckange. SPOO (wie Anm. 7) S. 77 vermutet den Ort im lothringischen, Jungandreas in der Nähe von Trier. Vgl. WOLFGANGJUNGANDREAS, Historisches Lexikon der Siedlungs- und Flurnamen des Mosellandes (1962) S. 848. 10 Wie Anm. 6 - SPOO(wie Anm . 7) S. 80. 11 Die Steipe Trier (wie Anm. 5) S. 54, 60f. 12 EBERHARDZAHN,Tunlichst in urprünglicher Gestalt. Bericht über eine wissenschaftlich fundierte Rekonstruktion, in: Die Steipe Trier (wie Anm . 5) S. 119-148. 13 SPOO (wie Anm. 7) S. 77-79 - HERMANNSPOO,Der geistige Gehalt der Steipe, in: Unvergängliches Erbe Triers (wie Anm. 5) S. 35-42- HERMANNSpoo, Das Haus der Bürger in Trier, in: Die Steipe Trier (wie Anm. 5) S. 41-60. <?page no="66"?> Titelscan.indd 66 Titelscan.indd 66 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 54 Christoph Kühn des Jakobsspitales, aus dessen Mitteln Bau und Umbau der Steipe bestritten wurden. An der südöstlichen Ecke der Steipe steht er genau dort, wo die Fleischstraße, an der das Jakobusspital lag, vom Hauptmarkt abzweigt. Womöglich hatte er am wichtigsten Platz der Stadt die Funktion eines Wegweisers. Helena ist der Legende nach in Trier geboren und hat der ersten Christengemeinde ihren Palast überlassen sowie wertvolle Reliquien wie den Heiligen Rock und die Überreste des Apostels Matthias geschenkt. Petrus ist nicht nur Patron des Domes, sondern der ganzen Stadt, die den Heiligen in ihrem Wappen führt. Der Legende nach waren seine drei Schüler Eucharius, Valerius und Maternus die drei ersten Bischöfe Triers. Paulus schließlich ist der Patron der wenige Jahre zuvor (1473) eröffneten Universität . Es mag verwundern, an einem öffentlichen Fest- und Trinkstubengebäude Heilige dargestellt zu finden. Offensichtlich erschienen dem Trierer Rat diese Darstellungen für sich genommen doch als etwas zu fromm. So wurden die Heiligen durch das mitunter frivole Bildprogramm der Konsolen ergänzt: unter Jakobus ein hockender Mann, der mit beiden Händen den Mund zu einer Grimasse verzieht und dabei die Zunge herausstreckt, unter Helena gar einer, der seine Hose herunterläßt, und unter Petrus jemand, der sich unter merkwürdigen Verrenkungen von Kopf und Armen zur Seite streckt. Nur unter Paulus ist keine dieser grotesken Darstellungen zu sehen, sondern eine Blattmaske mit einem steil nach unten gerichteten Frauengesicht. Mehr noch als in den Heiligenfiguren kommt in den beiden Skulpturen der Riesen das städtische Selbstbewußtsein zum Ausdruck. H. Spoo hat sie in einen Zusammenhang mit Riesen- und Gigantendarstellungen in Festumzügen oder an öffentlichen Gebäuden in brabantisch-flandrischen und englischen Städten gestellt: Antigones in Antwerpen, Gayant in Douai oder Gog und Magog in London. Im Unterschied zu den Trierer Riesen sind die von Spoo genannten Darstellungen jedoch weitaus größer. Lediglich vier Standbilder von geharnischten Kriegern, die 1338 am Genter Belfried an den vier Ecken des Glockengeschosses aufgestellt wurden, stimmen in der Größe von ca. zwei Metern mit den Riesen an der Steipe überein 14• Wie sie sind auch die Trierer Riesen bewaffnet und geharnischt dargestellt. Der linke trägt einen Helm ohne Visier und überblickt die Südseite des Marktes, der rechte hat sein Gesicht bedeckt und schaut über die Nordseite. Spoo schlußfolgert daraus, die Riesen sollten die Herrschaft der Stadt über den Markt versinnbildlichen. Hingegen scheint die verbreitete Meinung, der Riese mit dem geschlossenen Visier schaue drohend zur Domstadt hinüber, keine Grundlage zu haben, da das Verhältnis der Trierer Bürgerschaft zu Erzbischof Johann von Baden (1456-1503) relativ gut gewesen war 15• Doch galten die Riesen, wenngleich in einem allgemeineren Sinn, auch als Symbole gegen 14 HENRI HYMANS, Gent und Tournai, Berühmte Kunststätten 14 (1902) S. 55, Abb . 53 u. S. 58. 15 SPOO (wie Anm. 7) S. 79. <?page no="67"?> Titelscan.indd 67 Titelscan.indd 67 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 H eilige und Bürger - Die Skulpturenfassade der Trierer Steipe 55 die Herrschaftsansprüche des Erzbischofs über den Markt. Aus diesem Grund waren unter ihnen zwei eiserne Schilde mit dem Trierer Stadtwappen angebracht 16• Ergänzt wurde das Programm der Steipe durch eine Inschrift, die sich über dem zweiten Obergeschoß zwischen den Lanzenspitzen der Ritter befand. Wahrscheinlich handelte es sich um denselben Text, der jetzt am benachbarten Roten Haus zu lesen ist und in dem der gesamte Stolz der Trierer Bürger auf ihre Stadt zum Ausdruck kommt: "Ante Romam Treveris stetit annis mille trecentis". Dieser Hexameter ist erstmals in einer 1482 in Basel gedruckten Ausgabe des Fasciculus temporum nachweisbar und nimmt auf die sagenhafte Gründung Triers durch Trebeta, den Sohn des Assyrerkönigs Ninus, 1300 Jahre vor der Gründung Roms Bezug 17. Allen vier Heiligenskulpturen gemeinsam sind die schweren und wellig herabfallenden Stoffmassen mit den großflächigen geknickten Falten. Das Standmotiv ist beinahe übertrieben ausgedrückt, indem sich das Knie des Spielbeins weit durch den Mantel- und Gewandstoff drückt. Dadurch wird bei den drei männlichen Heiligen der Stoff in die Höhe gezogen, so daß er den Boden nicht berührt und den Fuß des Spielbeines freiläßt. In den Gesichtszügen haben alle Skulpturen die schmale gratige Nase (allerdings in den Ergänzungen von 1699) und einen kurzen Mund gemeinsam. Die Hände sind schmal mit schlanken Fingern ausgeführt, die Gelenke nicht sonderlich ausgearbeitet (Helenas linke Hand und die beiden Hände des Paulus sind ebenfalls ergänzt) . Die Haargestaltung ist beiJakobus, Paulus und Petrus ähnlich eine Ansammlung von kurzen Locken. Schließlich ist ein hohes Maß von Genauigkeit in der Ausführung von Details festzustellen, in den Attributen von Schlüssel, Pilgerstab und Buch ebenso wie in dem Gürtel von Petrus oder dem Mantelsaum und dem Diadem der Helena. Deutlich fallen neben diesen Gemeinsamkeiten auch Unterschiede hinsichtlich der Qualität auf. Manteldrapierung und Haltung sind bei den Skulpturen von Petrus und Helena überzeugender als beiJakobus und Paulus. Ihr Körperaufbau ist wesentlich bewegter, Jakobus und Paulus stehen steifer da. Die Manteldrapierung wirkt natürlicher und unterstreicht die Körperhaltung bei Petrus durch eine ungezwungen wirkende Verhängung des Standmotives, bei Helena durch die Öffnung des Mantels zu einer tiefen Höhle rechts von der Taille, wodurch der Schwung des Körperaufbaus hervorgehoben wird. Bei Paulus ist der Mantel ähnlich wie bei Petrus drapiert, doch wird hier eine gekünstelt wirkende Spannung durch das in seltsamer Weise nach rechts durchgedrückte Knie des Spielbeins aufgebaut. Die Faltengebung ist bei Petrus differenzierter als bei Paulus, wo in der Diagonalfalte Faltenmotive der Helenaskulptur aufgegriffen werden. Die sparsame Verwendung von Falten bei Helena und Petrus unterstützt überzeugender die Gesamthaltung als die etwas laue Faltenführung bei Paulus oder die gar un- 16 Sroo (wie Anm. 13) S. 59. 17 WOLFGANG BINSFELD, Ante Romam Treveris, Trierer Zeitschrift 55 (1992) S. 299-301. <?page no="68"?> Titelscan.indd 68 Titelscan.indd 68 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 56 Christoph Kühn entschlossene bei Jakobus, wo die rechte Seite bewegter als die linke erscheint. Große Unterschiede lassen sich auch in den Gesichtszügen feststellen, insbesondere in der Gestaltung der Augenpartie und der Brauen. Die Züge bei Petrus und Helena sind hier scharfkantiger, zudem sind bei Petrus Wangenknochen angedeutet. Einzelheiten in der Kleidung sind bei beiden detaillierter ausgeführt, so der Gürtel und die Gürtelschnalle bei Petrus oder die Krone und der Mantelsaum bei Helena. Helena fällt auch durch ihre antikisierende Frisur auf, deren Form durch das unter dem Kinn hergezogene Schleiertuch spiegelbildlich aufgenommen wird. Diese Beobachtungen führen zu dem Schluß, daß die vier Heiligen von zwei verschiedenen Handwerkern geschaffen worden sind und nur Petrus und Helena als eigenhändige Arbeiten Stefans angesehen werden können. Jakobus und Paulus bleiben deutlich hinter dieser Qualität zurück; es handelt sich bei ihnen um Stücke eines Mitarbeiters. Bezüglich der beiden Riesen wirkt der nördliche eleganter, was am ehesten an der seitlich herausgeschobenen Hüfte und der Stellung des Spielbeines sichtbar wird. Seine Rüstung ist zudem mit mehr Details versehen. Das Gesicht des südlichen Riesen erscheint sehr grob, jedoch fehlt durch das heruntergezogene Visier seines Gegenüber hier der Vergleich. Immerhin wird aus den genannten Merkmalen deutlich, daß nur der nördliche Riese eine eigenhändige Arbeit Stefans sein kann, der südliche hingegen wiederum die Werkstattarbeit eines Mitarbeiters. Hierfür sprechen auch die Rechnungen des Jakobsspitales. Danach wurden die Heiligen erst in Angriff genommen, als die Riesen bereits fertig und schon an der Fassade angebracht waren. Der Umstand, daß Stefan nicht über eigene Werkstatträume in Trier verfügte, sondern in Blomens Werkstatt seine Arbeiten ausführte, läßt vermuten, daß er kein Trierer Meister war, sondern von auswärts verpflichtet worden ist. Aus dem von D . Ahrens an der Skulptur der Helena festgestellten Maß von einem trierischen Drittelfuß, welches ein Jahrhundert später auch bei Hans Rupprecht Hoffmanns Marktbrunnenfiguren wiederkehrt, kann sicher nicht auf eine Trierer Herkunft Stefans geschlossen werden 18. Als Auftragnehmer des Rates wird Stefan das Trierer Maßsystem übernommen haben. Nach H . Eichler könnten die beiden Riesen über Nikolaus Gerhaert aus flandrischen Städten vermittelt worden sein; er erwähnt in diesen Zusammenhang die geharnischten Männer an Gerhaerts Straßburger Kanzleiportal von 1464 19• N . Mayers vermutet ebenfalls Einflüsse, die von Gerhaerts Straßburger Arbeiten herrühren, indem er in dem Realismus der Antlitzgestaltung, der bewegten Komposition und dem „grobschlächtigen" Gewandstil Anklänge an die Straßburger Nachwirkungen von Gerhaerts Werkstatt 18 DIETER AHRENS, Trierische Skulpturen und ihre Maßverhältnisse, Neues Trierisches Jahrbuch 20 (1980) S. 9-18 . 19 HANS EICHLER, Ein Wappenrelief aus dem Kreis des Nicolaus Gerhaert von Leyden, Münchener Jahrbuch der bildenden Kunst N.F. III/ IV (1952/ 53) S. 181-190. <?page no="69"?> Titelscan.indd 69 Titelscan.indd 69 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 H eilige und Bürger - Die Skulpturenfassade der Trierer Steipe 57 sieht 20• In Trier befindet sich ein eigenhändiges Werk Gerhaerts, die Grabplatte für den Erzbischof Jakob von Sierck von 1462 21• Ob sie allerdings in Trier angefertigt wurde, erscheint fraglich, da Gerhaert, wie A . Schädler nachgewiesen hat, bereits vor ihrer Entstehung in Straßburg anwesend war 22• Möglicherweise sind sie und eine zweite verlorene - Grabplatte, die den Erzbischof in bereits verwestem Zustand gezeigt hat, in Straßburg entstanden und wurden über Rhein und Mosel nach Trier geliefert. Darüber hinaus existiert in Trier ein Werk des Gerhaert-Umkreises, die Malberg-Madonna aus dem Trierer Domkreuzgang. Sie muß als Werk eines Straßburger Nachfolgemeisters Gerhaerts zwischen 1467 und 1478 entstanden sein 23 • Ein Vergleich mit Helena zeigt jedoch bedeutende Unterschiede: die aufrechtere Haltung oder die scharfkantig gefalteten und sich über dem Boden stauenden Gewand- und Mantelpartien der Madonna ganz im Gegensatz zu den weich herabfließenden, ungestauten Gewändern bei Helena. Ebensowenig lassen sich an anderen Arbeiten der Straßburger Gerhaert-Nachfolge Parallelen zu dem schweren und kaum knittrigen Gewandstil der Steipenskulpturen erkennen. Immerhin bestehen Verbindungen zu einer zweiten in Trier befindlichen, wie die Malberg-Madonna oberrheinisch geprägten Bildhauerarbeit aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, dem 1467-1468 unter der Leitung von Peter von Wederath geschaffenen Michaelsaltar in St. Gangolf2 4 • An ihm hat ein Bildhauer Blomen/ Blomgin, offensichtlich Johann Blomens Vater, mitgearbeitet. Wie E. Hessig aufgezeigt hat, übernimmt der Altar deutlich Vorlagen des oberrheinischen Kupferstechers E.S. 25 • Auch hier erscheinen die Steipenheiligen in Haltung und Faltenwurf ruhiger als die Figuren des Altarretabels. Die einzige Verbindung besteht in den von Johann Blomen angefertigten Baldachinen. Erhalten geblieben sind die Baldachine über Jakobus und Paulus, die zwei unterschiedliche Typen verkörpern: einen mit einer breiteren und einen mit einer schmäleren Arkatur. Beide Formen kommen auch an dem Altar sowie in einer Serie von sechs Stichen des Meisters E.S. vor, auf denen jeweils zwei Apostel dargestellt sind (L. 94- L. 99) 26 • 20 NORBERTMAYERS, Gotische Skulpturen des 14. und 15. Jahrhunderts, Unterrichtseinheit für die Sekundarstufe II (1977) S. 14. 21 Das neue Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum Trier. Bildband zur Wiedereröffnung (1988) S. 52f.-ANETTE SCHOMMERS, Das Grabmal des Trierer Erzbischofs Jakob von Sierck (t 1456). Deutungs- und Rekonstruktionsversuch von Inschrift und Grabaufbau, Trierer Zeitschrift 53 (1990) S. 311-333. 22 ALFREDScHÄDLER,Studien zu Nicolaus Gerhaert von Leiden . Die Nördlinger Hochaltarfiguren und die Dangolsheimer Muttergottes in Berlin, Jahrbuch der Berliner Museen 16 (1974) S. 46-82 . 23 Dom- und Diözesanmuseum (wie Anm. 21) S. 54f. - JOSEFADOLFSCHMOLLgen. EI- SENWERTH, Madonnen Niklaus Gerhaerts von Leyden, seines Kreises und seiner Nachfolge, Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 3 (1958) S. 52-102. 24 Wie Anm . 8. 25 EDITHHESSIG, Die Kunst des Meisters E .S. und die Plastik der Spätgotik, Forschungen zur deutschen Kunstgeschichte 1 (1935) S. 27-29, Taf. 19-20 . 26 HORSTAPPUHN,Meister E.S. Alle 320 Kupferstiche (1989) Taf. 126-131. <?page no="70"?> Titelscan.indd 70 Titelscan.indd 70 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 58 Christoph Kühn Von dieser Serie wurde der Stich L. 94 auch als Vorlage für die Darstellung von Andreas und Petrus am Michaelsaltar verwendet. In den Baldachinen der Steipenheiligen erweist sich Johann Blomen als in der Tradition der nach Vorlagen von E. S.-Stichen arbeitenden Werkstatt des Peter von Wederath stehend, für die schon sein Vater tätig war. Die Werkstatt Stefans ist hingegen außerhalb dieser Entwicklung angesiedelt, auch wenn sie in den Räumen Blomens arbeitete und die verwendeten, von Blomen besorgten Steinblöcke dem Material entsprechen, aus dem der Michaelsaltar gefertigt ist. Künstlerische Zusammenhänge zwischen der Wederath/ Blomen- und der Stefan- Werkstatt sind nicht siehtbzw. feststellbar. Die beiden Riesen verweisen auf eine ikonographische Herkunft aus dem flämisch-brabantischen Raum. Eben hier, in Gent, befindet sich ein Werk, das enge stilistische Beziehungen zu den Steipenheiligen aufweist. Es handelt sich um eine Balkenschwelle aus Eichenholz in den Maßen 130 X 39 cm aus dem Saal des Gerberzunfthauses Het Toreken, die dort mit neun weiteren Schwellen die Deckenbalken stützte. Datiert wird sie in die Zeit der Erbauung des Zunfthauses um 1451/ 1452. Auf ihr ist Petrus in einer Baldachinarchitektur dargestellt, während auf den neun verlorenen Schwellen offensichtlich weitere Apostel zu sehen waren 27• Im Vergleich zu den Steipenheiligen ist bei Petrus das ebenfalls geneigte Haupt mit dem etwas eingezogenen Hals ähnlich. Die Manteldrapierung entspricht weitgehend der von Helena, Petrus und Paulus, wobei allerdings der Saum unterhalb des Gürtels umgeschlagen ist . Insbesondere bestehen in den diagonalen Falten auf der vorgezogenen Mantelfläche Parallelen zu der Faltengebung bei Helena und Paulus, während die Falten in dem umgeschlagenen Mantelsaum Ähnlichkeit zu den Mantelfalten des Steipenpetrus besitzen, auch wenn sie ein wenig kleinteiliger sind. Der Stoff von Gewand und Mantel erscheint ähnlich schwer. Schließlich finden sich Übereinstimmungen in den Gesichtszügen, in den hohen Wangenknochen, der schmalen Nase und den ausgeprägten, ein wenig höher gebogenen Brauen. Die Haare wirken indessen strähniger und weniger lockig. Ähnlich erscheint wiederum die Ausgestaltung des Schlüssels; der Schlüsselbart ist gar völlig gleich. Ansonsten sind an den Steipenheiligen die Details genauer ausgeführt, wo auch die Ausarbeitung der durch den Gürtel verursachten Gewandfalten sparsamer durchgeführt ist. Als Vollplastiken besitzen die Trierer Heiligen mehr Tiefenwirkung als die als Relief ausgeführte Petrusdarstellung in Gent. Doch in der Haltung der oberen Körperpartien, der Schwere der Stoffe und der Faltengebung schließen sich die Steipenheiligen der Genter Darstellung an. Zwar sind die übrigen neun Balkenschwellen nicht erhalten, wie auch der Bestand an Genter spätgotischer Skulptur generell stark dezimiert ist. Doch sprechen dafür, die künstlerischen Quellen Stefans in Gent zu suchen, auch die erwähnten Standbilder 27 Gent, Bijlokemuseum, Inv.-Nr. 855 - JOHN W STEYAERT, Laat-Gotische Beeldhouwkunst in de Bourgondische Nederlanden (1994) S. 218f. <?page no="71"?> Titelscan.indd 71 Titelscan.indd 71 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Heilige und Bürger-Die Skulpturenfassade der Trierer Steipe 59 geharnischter Männer an den Kanten des dortigen Belfriedes. Es scheint, daß es sich bei diesen Skulpturen des 14. Jahrhunderts um die ikonographischen Vorbilder der Steipenriesen gehandelt hat. Während das Programm der vier Heiligen-skulpturen offensichtlich durch den Rat der Stadt und was die Figur des Jakobus anbelangt durch die Jakobusbruderschaft vorgegeben war, könnten die Riesen über den offensichtlich niederländisch geschulten Stefan aus dem flandrischen Raum übermittelt worden sein. Von der Werkstatt eines Peter von Wederath oder eines Johann Blomen, deren Möglichkeiten sich in dem Arbeiten nach Vorlagen erschöpfte, hätte die Aufgabe einer figuralen Ausgestaltung der Steipenfassade sicher nicht bewerkstelligt werden können. Demgegenüber standen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gerade in den Städten, die an den Grenzen des Herzogtums Burgund lagen, Bildhauer aus den burgundischen Niederlanden in hohem Ansehen: ein Nikolaus Gerhaert in Straßburg oder ein Jan Crocq in Bar-le-Duc und Nancy 28 • Im Vergleich zu den zeitgleichen Arbeiten der Straßburger Gerhaert-Nachfolge wirken die Steipenfiguren allerdings in ihrem Gewandstil antiquiert . Durch eine größere Räumlichkeit in der Ausarbeitung eines Hülle-Kern-Motives wie auch durch eine stärkere Bewegtheit entsprechen sie jedoch nicht mehr einer für die Mitte des 15. Jahrhunderts typischen Stilstufe. Jedenfalls bekundete der Rat der Stadt Trier durch die Berufung Stefans den Wunsch zu einer qualitätvollen, über den Standart der in Trier ansässigen Werkstätten hinausgehenden Ausschmückung seines in exponierter Lage am Hauptmarkt errichteten Trinkstubengebäudes. Den Brüdern des Sankt Jakobus-Spitales kam bei der Planung und Umsetzung des Steipenumbaus und seines Figurenprogrammes eine besondere Bedeutung zu: durch die personelle Überschneidung von Angehörigen des Rates und der Bruderschaft, durch die Finanzierung aus den Mitteln des von der Bruderschaft unterhaltenen Spitales und sicherlich auch durch die Mitwirkung der Bruderschaft an der Festlegung des Programmes. Resumen: Con motivo de la ampliaci6n de! edificio destinado a funciones de representaci6n y de encuentros sociales en la plaza de! mercado central de Treveris, la asf llamada „Steipe", el consejo de la ciudad encarg6 en los afios 1482-1484 un ciclo de esculturas, que deberfan documentar en un lugar centrico los ideales y la conciencia que de si misma tenfa la ciudadanfa: en la zona inferior de la fachada fueron colocadas las estatuas de cuatro santos que tenfan una relaci6n fundamental con la historia y las instituciones de la ciudad, y en la parte superior dos gigantes como energicos guardianes de las libertades ciudadanas. De los libros de cuentas consta que la financiaci6n 28 WALTER PAATZ, Nicolaus Gerhaert von Leyden, Heidelberger Jahrbücher III (1959) S. 68-94 - HELGAD . HOFMANN, Der Niederländer Jan Crocq, Hofbildhauer in Barle-Duc und Nancy. SeinlothringischesOeuvre, AachenerKunstblätter XXXII (1966) S. 106-125 - WALTER PAATZ, Verflechtungenin der Kunst der Spätgotik zwischen 1360 und 1530, Abh. Heidelberg, 1967/ 1, insbes. S. 33-61. <?page no="72"?> Titelscan.indd 72 Titelscan.indd 72 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 60 Christoph Kühn de las reformas y de las esculturas la realiz6 lo mismo que medio siglo antes la construcci6n de la „Steipe" el Hospital de Santiago. Esta instituci6n, que estaba bajo el control del Consejo de la ciudad, era gestionada por una cofradfa de Santiago, fundada a finales del siglo XII. Los miembros de esta cofradfa se reclutaban en la Edad Media Tardfa sobre todo entre el drculo de los concejales y otras dignidades. La influencia directa de la cofradfa en el programa de la fachada tiene su expresi6n en la estatua de Santiago colocada en la esquina del edificio, exactamente allf donde nace la calle que lleva al Hospital de Santiago . El santo podrfa haber tenido la funci6n de una especie de indicador de camino. Los dos gigantes tienen sus orfgenes iconograficos en la regi6n flamenca-brabantica, en los alrededores de Gante, donde, unos 150 afios antes, se habfan colocado en los bordes del „Belfort", cuatro esculturas, que corresponden en altura y tema iconografico a las de Treveris . El analisis esti! fstico de las figuras de los cuatro santos nos conduce igualmente a Gante : la imagen de San Pedro en la casa gremial de los curtidores „Het Toreken", construida en 1451/ 1452, es muy parecida a la de Treveris, como lo muestra el notable paralelismo en postura, moda de vestido, facciones y elaboraci6n de detalles. Si bien hay que tener en cuenta que en cuanto a calidad artfstica las estatuas de la „Steipe" no llegan a la altura de los trabajos de Nikolaus Gerhaert en Estrasburgo o de Jan Crocq en Bar-Je-Duc y en Nancy, hay que reconocer que el consejo de la ciudad y la cofradfa de Santiago se esforzaron en realizar su programa artfstico y para ello encargaron a un taller foraneo, muy probablemente de formaci6n neerlandesa, la realizaci6n de una fachada tan representativa como lo es de la „Steipe". <?page no="73"?> Titelscan.indd 73 Titelscan.indd 73 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 H eilige und Bürger- Die Skulpturenfassade der Trierer Steipe 61 Abb. 1: Trier, St. Jakobs-Hospital, Spitalhäuser von 1751-53. Abb. 2 (rechts): Trier, Steipe Abb. 3: Anordnung der Steipenskulpturen <?page no="74"?> Titelscan.indd 74 Titelscan.indd 74 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 62 Christoph Kühn Abb. 4: HI. J akobus (Steipenheilige, Städtisches Museum Simeonstift, Trier) Abb. 5: Konsole zur Jakobus-Statue (Konsolen unter den Steipenheiligen) Abb. 6: HI. Helena (Steipenheilige, Städtisches Museum Simeonstift, Trier) Abb. 7: Konsole zur Helena-Statue (Konsolen unter den Steipenheiligen) <?page no="75"?> Titelscan.indd 75 Titelscan.indd 75 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Heilige und Bürger - Die Skulpturenfassade der Trierer Steipe 63 Abb. 8: HI. Petrus (Steipenheilige, Städtisches Museum Simeonstift, Trier) Abb. 9: Konsole zur Petrus-Statue (Konsolen unter den Steipenheiligen) Abb. 10: HI. Paulus (Steipenheilige, Städtisches Museum Simeonstift, Trier) Abb. 11: Konsole zur Paulus-Statue (Konsolen unter den Steipenheiligen) <?page no="76"?> Titelscan.indd 76 Titelscan.indd 76 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 64 Christoph Kühn Abb. 12, 13: Steipenriesen Abb. 14: Gent, Innenstadt. In der Mitte der Belfried, an dessen vier Kanten die geharnischten Männer angebracht sind. (Harksheider Verlagsgesellschaft mbH , Fabersweg 1, Norderstedt.) <?page no="77"?> Titelscan.indd 77 Titelscan.indd 77 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 H eilige und Bürger - Die Skulpturenfassade der Trierer Steipe 65 Abb. 15: Nikolaus Gerhaert: Grabmal des Jakob von Sierck, Trier, Bischöfliches Museum Trier Abb. 16: Michaelsaltar,Trier, St. Gangolf <?page no="78"?> Titelscan.indd 78 Titelscan.indd 78 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 66 Christoph Kühn Abb. 17: Madonna Maiberg (Bischöfliches Museum Trier) Abb. 18: Meister E . S.: HI. Petrus und HI. Andreas, aus: Zwölf Apostel in Arkaden. (Harenberg Kommunikation, Dortmund) Abb. 19: Petrusrelief von einer Balkenschwelle des Gerberzunfthauses Het Toreken in Gent, Gent, Bijloke-Museum . (Museum voor Schone Kunsten, Gent) <?page no="79"?> Titelscan.indd 79 Titelscan.indd 79 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Der Jacobus der Reformation - Ein nachgereichter Beitrag zum Lutherjahr ROBERT PLöTZ I Nachdem ich vor einiger Zeit die mir bislang als einzige Darstellung des Apostels J akobus Maior als Schreiber des kanonischen J acobus-Briefes vorstellen konnte 1, fiel mir kürzlich ein graphisches Blatt in die Hände, das das gleiche Thema eindrucksvoll bearbeitet. Zum besseren Verständnis sei nochmals auf die bereits bekannte Darstellung eingegangen: In der katholischen Pfarrkirche St. Dionys und Valentin in Kiedrich in der Nähe von Mainz, deren gotische Bausubstanz aus dem 14. Jahrhundert stammt 2, befindet sich im nördlichen Seitenschiff eine Sitzfigur des Jacobus Maior, dessen Attribute eine Schriftrolle, die auf seinem Schoß liegt, sowie ein Tintenfaß in der rechten und eine Schreibfeder in der linken Hand sind . Die Darstellung ist auf 1530 datiert 3, das Gehäuse soll im letzten Jahrhundert hinzugekommen sein . Der Apostel selbst sitzt vor einer Kulissenmalerei, die eine befestigte Kleinstadt zeigt . Bezüge zur Michaelskirche am gleichen Ort, die zugleich der Heiltumsweisung der Valentinsreliquien und als Totenkapelle dient, sind nicht von der Hand zu weisen4. Die Figur wird dem Umkreis der Werkstatt des Meisters mit dem Brustlatz zugeschrieben5. Da die Attribute eines Heiligen fast ausschließlich in der Darstellung seines Lebens oder Martyriums zu finden sind, habe ich seinerzeit bei der In- R. PLöTZ,Jacobus Maior . Geistige Grundlagen und materielle Zeugnisse eines Kultes, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland . Kultgeschichte in regionaler und europäischer Perspektive, hg. von K. HERBERS und D. R . BAUERQakobus-Studien 7, 1995), S. 230. W. EINSINGBACH, Kiedrich im Rheingau, überarbeitet und ergänzt von J . STAB,Rheinische Kunststätten 152 (Neuss, 6. veränderte Aufl . 1989), S. 4 f. Ebd., S. 20. Die Plastik hat eine Höhe von 92 cm. EINSINGBACH, Kiedr ich (wie Anm. 2), S. 20 f. Vgl. W RIEDEL,Der Meister mit dem Brustlatz, in: St. Valentinuskirche in Kiedrich. Zur 500 Jahrfeier ihrer Vollendung, von 1493 bis 1993 (Eltville 1993), S. 77, u. G. TIE- MANN,Beiträge zur Geschichte der mittelrheinischen Plastik um 1500, Veröffentlichungen der pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 10 (Speyer 1930), S. 71-83. Die Jacobus-Darstellung mit dem Tintenfaß ist dort nicht verzeichnet . <?page no="80"?> Titelscan.indd 80 Titelscan.indd 80 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 68 Robert Plötz terpretation der Figur den einzigen mir bekannten Bezug genommen, nämlich die häufige Annahme, Jacobus Maior sei der Verfasser dieses Briefes gewesen, der an die Stämme in der Diaspora gerichtet war 6 • Bei der zweiten, oben erwähnten Bildquelle handelt es sich um einen altkolorierten Holzschnitt, der folgende Szene abbildet: Jacobus Maior, dessen Identität durch den Pilgerhut mit der Pilgermuschel in der Mitte und zwei gekreuzten „bordoncillos" (Pilgerstäbchen) darunter eindeutig ausgewiesen wird, sitzt auf einer Bank an einem Tisch im Weinberg des Herrn 7 und taucht seinen Federkiel in ein Tintenfaß. Vor ihm liegt ein aufgeschlagenes Buch, augenscheinlich das Neue Testament, in das der Apostel wahrscheinlich seine Einträge machen will. Über einem togaähnlichen Gewand trägt Jacobus einen Reise- oder Pilgermantel, die Füßebleiben unbeschuht . Den Hintergrund bildet eine Landschaft mit Felsen, Wald, einer Burg und zwei Kirchtürmen, eine typisierte deutsche Landschaft also, wie sie seit Dürer im Unterschied zur italienischen dargestellt wird 8• Der altkolorierte Holzschnitt, der unsigniert ist9, wird von einem Strichrahmen eingefaßt, darüber steht „S. Jacobus." in einem Letterntypus, der vom zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts stammen könnte. Die Maße der Abbildung im Rahmen betragen in der Höhe 28 cm und in der Breite 17 cm. Auf der Rückseite befindet sich eine Exegese der „Epistel S. Jacobi". Der Text lautet: Vorrede auff die Epistel S.]acobi. Diese Epistel S. ]acobi / wiewol sie von den Alten verworffen ist/ lobe ich vnd halte sie doch für gut I Darumb I das sie gar kein Menschenlere setzt/ vnd Gottes Gesetz hart treibet. Aber / das ich meine meinung drauf! stelle (doch on jedermans nachteil) achte ich siefür keines Apostel schrifft / Vnd ist das meine Vrsache. Auffs erst I Das sie stracks wider S. Paulum vnd alle andere Schrifft Iden wercken die gerechtigkeit gibt / vnd spricht / Abraham sey aus seinen 6 Jakobus, Gottes und des Herrn Jesus Christus Knecht, [sagt] den zwölf Stämmen in der Zerstreuung: Gruß Qac 1, 1). 7 Im AT wird Israel mit einem von Gott angelegten Weinberg verglichen (Ps 79, 9-16, Is 5, 1-7; Jer 12, 10, Joel 1, 7). Ebenso wird das messianische Reich, das im NT verwirklicht wurde, mit diesem Ausdruck bezeichnet (Mt 21, 33; Mk 12, 1; Lk 20, 9). In der mittelalterlichen Kunst wurde der Weinberg oft in Verbindung mit der mystischen Kelter dargestellt. Auch die Reformation bedient sich der Parabel vom Weinberg des Herrn . Auf dem Gemälde des Lukas Cranach, das sich in der Lutherhalle zu Wittenberg befindet, wird dem verwüsteten katholischen Weinberg der geordnete protestantische gegenübergestellt. Vgl., A. THOMAS, Weinberg, in: LCI 4, Sp. 486 f. 8 Ich bedanke mich bei Prof. Dr. W Brückner für den Hinweis . 9 Jedenfalls konnte ich keine Signatur innerhalb des Rahmens ausfindig machen . Da der Holzschnitt sehr stark beschnitten ist, könnten sich allerdings auf diesem hier reduzierten Plattenhintergrund Hinweise auf den Künstler befunden haben. <?page no="81"?> Titelscan.indd 81 Titelscan.indd 81 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Der Jacobus der Reformation 69 Abb. 1: Jacobus „auctor epistulae apologeticae (catolicae)", Kol. Holzschnitt, Cranach-Werkstatt, um 1540 <?page no="82"?> Titelscan.indd 82 Titelscan.indd 82 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 70 Robert Plätz wercken gerecht worden/ da er seinen Son opffert. So doch S. Paulus Rom .4. da gegen leret / das Abraham on werck sey gerecht worden / allein durch seinen glauben/ Vnd beweiset das mit Mosi / Gen.' 15. (welcher allein von Abrahams glauben/ vnd nicht einmal von seinen wercken sagt/ wie jn Paulus Rom. 4. füret) doch auf! die werck zeucht. Darumb dieser mange! schleust / das sie keines Apostels sey. Auffs ander / das sie wil Christenleute leren / vnd gedenckt nicht ein mal in solcher langer lere / des Leidens/ der Aufferstehung / des geistes Christi. Er nennt Christus et/ ich mal/ Aber er leret nichts von jm / sondern sagt von gemeinem glauben an Gott. Denn das ampt eines rechten Apostels ist/ das er von Christus Leiden vnd Aufferstehung vnd Ampt predige/ vnd lege desselbigen glaubens grund / Wie er selbs sagtJohan.15. Ir werdet von mir zeugen. Vnd darinne stimmen alle rechtschaffene heilige Bücher vber eins I das sie allesampt Christum predigen vnd treiben . Auch ist das der rechte prüfestein alle Bücher zu taddeln / wenn man sihet / ob sie Christum treiben oder nicht / Sintemal alle schrifft Christum zeiget I Ro . 3. Vnd Paulus nichts denen Christen wissen wil / 1.Cor.2. Was Christum nicht leret / das ist noch nicht Apostolisch/ wenns gleich Petrus oder Paulus leret / Widerum I was Christum prediget/ das were Apostolisch/ wenns gleich Judas/ Hannas / Pilatus vnd Herodes thet. Aber dieser Jacobus thut nicht mehr/ denn treibet zu dem Gesetz vnd seinen wercken I vnd wirfft so vnordig eins ins ander I Das mich düncket I es sey jrgent ein gut [rum Man gewesen/ der etliche Sprüche von der Aposteln jünger gefasset / vnd also auffs papyr geworffen hat . Oder ist villeicht aus seiner Predigt von einem andern beschrieben. Er nennet das Gesetz I ein Gesetz der freiheit I So es doch S. Paulus ein Gesetz der knechtschafft I des zorns / des tods / vnd der sünde nennet. Vber das / füret er die Sprüche S. Petri / Die Liebe bedeckt der sünde menge. ]tem / Demütiget euch vnter die hand Gottes .]tem / S . Paulus Spruch / Gal.5. Den Geist gelüstet wider den haß. So doch S. ]acobus zeitlich von Herodes zu Jerusalem vor S. Peter getödtet war/ Das wol scheinet / wie er ! engst nach S. Peter vnd Paul gewesen sey. Summa/ Er hat wöllen denen weren / die auf[ den glauben on werck sich verliessen / vnd ist der sachen zu schwach gewesen/ Wil es mit gesetztreiben ausrichten/ das die Apostel mit reitzen zur Liebe anspricht/ Darumb kan ich jn nicht vnter die [rechten Hejubtbücher [setzen/ .] Wil aber [da]mit niemand [wehren]./ [das er jn setze vnd hebe/ wie es jn gelüstet I Denn viel guter Sprüche sonst darinne sind}1°. l O Die durch eckige Klammern gekennzeichneten Textstellen stellen eine Ergänzung des zum Teil unleserlichen Textes auf der Rückseite des Holzschnittes dar . Diese Ergänzungen sind auf Grundlage des Episteltextes aus der Bibel von 1546 eingebracht worden (D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe [Weimarer Ausgabe]. Die Deutsche Bibel, Bd. 7, Weimar 1931, S. 385-387, auch Reprint Graz 1968). Der Text der für den Holzschnitt in Frage kommenden Ausgabe von 1542/ 41 lag mir nicht vor, <?page no="83"?> Titelscan.indd 83 Titelscan.indd 83 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Der Jacobus der Reformation 71 Der Holzschnitt wirft eine Menge von Fragen auf . An erster Stelle möchte ich die Frage nach der Urheberschaft stellen, dann klären, wo und in welchem Zusammenhang diese Jacobus-Darstellung ihren Platz gehabt haben könnte. Wichtig in diesem Zusammenhang ist ebenfalls die Frage, wie sich das Motiv der Darstellung des schreibenden Jacobus Maior mit Federkiel und Tintenfaß in seiner historischen Entwicklung begründen läßt. Dabei spielen natürlich das historische Umfeld und der geistesgeschichtliche Hintergrund eine wesentliche Rolle. II Wo könnte nun der Holzschnitt entstanden sein? Alles spricht dafür, daß er aus der Cranach-Werkstatt kommt. Der aus dem oberfränkischen Kronach kommende Künstler Lukas Cranach der Ältere (1472-1553) ging als Hofmaler des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen im Jahr 1505 nach Wittenberg, um vor Ort eine Werkstatt zu gründen. Dort wurde er Luthers 11 Freund. Allerdings ist bekannt, daß sich Lukas Cranach der Ältere kaum an der Illustrierung der damals gewaltig aufkommenden reformatorischen Schriften beteiligte. Die Holzschnitte aus seiner Hand sind datiert und von ihm signiert und entstanden wesentlich in der Zeit bis 1509 12• Lukas Cranach der Jüngere (1515-1586) war vermutlich von Jugend auf und ohne eine nennenswerte Unterbrechung in der Werkstatt seines Vaters tätig. Die nach dem Tod seines Vaters (1553) datierten und mit dem Schlangenzeichen signierten Holzschnitte werden ihm sämtlich zugeschrieben 13, ist aber mit dem der Ausgabe 1546 identisch, wie mir Dr . Manuel Santos Noya von der Universität Tübingen freundlicherweise mit Brief vom 16. Februar 1997 mitteilte. Herzlichen Dank dafür. Vgl. auch Anm. 14. 11 Vgl. dazu: Luther und die Folgen der Kunst, hg . von W HOFFMANN. Ausstellungskatalog Hamburger Kunsthalle (München 1983), mit vielen Hinweisen auf Cranach Vater und Sohn. 12 Es ist mir nur ein Holzschnitt mit der Darstellung des Tempelsturzes des Jacobus Minor aus der Hand von Lukas Cranach bekannt. Vgl. L. ]AHN, Lukas Cranach als Graphiker (Leipzig 1955), T. 81a. Allerdings liegt auch ein Holzschnitt von 1539 mit dem Thema „Die Arbeiter im Weinberg" vor. Vgl. F. von BASSERMANN-JORDAN, Geschichte des Weinbaus, 2 Bde. (Neustadt an der Weinstraße 3 1975), Bd. 1, S. 405, Abb . 186. Auch Hans Cranach (t 1537) hat einen Holzschnitt gefertigt, der ebenfalls der Illustrierung der Jacobus-Epistel in „Dat Nye / Testament . / Martini Luthers. H . Luft: Wittenberg 1532" diente. Die Epistel befindet sich auf S. 28-31. Vgl. C. DODGSON, Catalogue of Early German and Flemish Woodcuts Preserved in the Department of Prints and Drawings in the British Museum (London 1911), Bd. 2, S. 332, Nr. 33. 13 Durch Abbildungsvergleich konnte festgestellt werden, daß auch der „Jacobus-Holzschnitt" ungezeichnet war. Aber in der gleichen Bibelausgabe hat sich Lukas Cranach der Jüngere schon 1540 dmch die Schlangenzeichen-Signatur mit Datum ausgewiesen, so bei ganzseitigen Blättern in der Bibelausgabe von Nikolaus Wolrab (Leipzig) für J. S. Reusch (1542/ 41). Vgl. Die Bibelsammlung der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. 2. Abt., Bd. 1, Deutsche Bibeldrucke (Stuttgart-Bad Cannstatt 1987), S. 189 f. Herzlichen Dank für den Hinweis an Dr. Manuel Santos Noya . <?page no="84"?> Titelscan.indd 84 Titelscan.indd 84 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 72 Robert Plötz während seine wahrscheinlich sehr beträchtliche Arbeit vor 1553 noch nicht gänzlich erfaßt und das Problem der Erstellung eines Werkverzeichnisses noch nicht gelöst scheint. In diese Werkstattperiode ist auch der Holzschnitt mit „Jacobus im Weinberg" einzuordnen. Er befindet sich in der „Biblia Das ist die gantze Heilige Schrifft / Deudsch / Auffs new zugericht. D. Mart. Luth.", die 1542/ 41 in Leipzig bei Nikolaus Wolrab erschien 14. III Aus der Zusammenschau der Motive und Attribute, mit denen die Apostelfigur in Verbindung gebracht wird, ergeben sich mehrere Fragen, obwohl Jacobus durch die Pilgermuschel eindeutig identifiziert scheint. Stellt die Abbildung wirklich Jacobus Maior dar? Und wo rühren die Zweifel her? Daß diese Fragen berechtigt sind, zeigt ein Blick in die Überlieferung. Schon die Person des historischen Jakobus wirft eine Fülle von Fragen auf. Wer war Jacobus eigentlich? In meinen folgenden Ausführungen beschränke ich mich fast ausschließlich auf die Traditionen der lateinischen Kirche im Neuen Testament. Aus dem ersten Jahrhundert sind aus dem Umkreis Jesu folgende Personen namens Jacobus bekannt: 1. Jacobus der Ältere (Maior), der Bruder des Johannes und Sohn des Zebedaeus15. 2. Jacobus der Jüngere, Sohn des Alphaeus. Nur zweimal wird er als Mitglied des Zwölferkreises erwähnt 16• Sonst tritt er im Neuen Testament nicht mehr in Erscheinung. Ohne Beleg in der biblischen Tradition ist auch die seit Hieronymus bekannte und für die Nennung des Jacobus als des "Jüngeren" verantwortliche Identifizierung mit dem in Mk 14, 40 genanntenJacobus mit dem Beinamen „der Kleine" oder eben „der Jüngere" 17• 3. Jacobus, der „Herrenbruder" (Mk 6, 3 parr.) 18• Wegen seiner Frömmigkeit und Askese erhielt er den Beinamen „der Gerechte" 19. Der Name des 14 Ebd., S. 190; vgl. Anm. 11. In der Wolrab'schen Bibel von 1541 in Bd. 2, S. 339, Nr. 3. Die Holzschnitte der Bibel von Wolrab wurden auch in Wolrabs lateinischer Bibel von 1544 verwendet (Weigel, Kunstkat. Nr. 15476). Vgl. DODGSON,Catalogue (wie Anm. 13), S. 341, Nr. 7. Dort weitere Hinweise. 15 R. PLöTZ,Jakobus d . Ä! t., in: LdMA V (1991), Sp. 253 f. 16 Mk 3, 18 parr.; Apg 1, 139. 17 Vgl. L. ÜBERLINNER, 3) Jakobus der Jüngere, Apostel, in: LThK 3 5, Sp. 719 f. 18 Vgl. zur Person: W PRATSCHER, Der Herrenbruder Jakobus und die Jakobustradition (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 139, Göttingen 1987); R. BAUCKHAM, Jude and the Relatives of Jesus in the Early Church (Edinburgh 1990), und Ch. DrETZFELBINGER, Der ungeliebte Bruder. Der Herrenbruder Jakobus im Johannes-Evangelium, Zeitschrift für Theologie und Kirche 89 (1992), S. 377-403. 19 U. a. in: Eusebios HE II, 1, 2-5; 23, 4: IV, 22, 4 (Hegesipp ). Vgl. L. ÜBERLINNER, Jakobus, Bruder Jesu, in: LThK 3 5, Sp. 720. <?page no="85"?> Titelscan.indd 85 Titelscan.indd 85 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 Der Jacobus der Reformation 73 Vaters geht aus den Schriften nicht hervor. Das Neue Testament erwähnt in sieben verschiedenen Zusammenhängen sogenannte Brüder Jesu: Jacobus, Joses,Judas, Simon, bei letzterem auch Schwestern 20. Bei vielen Kirchenvätern gelten sie als Kinder Josefs aus seiner ersten Ehe, eine Ansicht, die aus dem aus dem historisch wertlosen Protoevangelium Jacobi stammt 21und mit dem Neuen Testament 22nicht in Übereinklang steht. Die nichtkatholische Exegese denkt fast ausnahmslos an nachgeborene Kinder Josephs und Marias 23. Die Familienangelegenheit „Jacobus" ist jedoch nicht so einfach, wie man jetzt meinen könnte. Auch herrschen in der lateinischen und der byzantinischen Kirche verschiedene Ansichten. Im Gegensatz zur Ostkirche wird in der lateinischen Kirche der Apostel Jacobus, Sohn des Alphaeus (Mt 10, 3) als Jacobus Minor (Mk 15, 40) dem Bruder Jesu (Gal 2, 9) und Verfasser des Jakobusbriefes, der nach der Flucht Petri Oberhaupt der Kirche von Jerusalem wurde, gleichgesetzt. Und Jacobus Alphaeus und Jacobus Minor verschmelzen in der lateinischen Kirche in einer Person 24 ! In der patristischen Tradition seit Hieronymus und auch noch im Mittelalter 25werden Jacobus Alphaeus (Mk 3, 18) undJacobus Minor (Mk 15, 40) identifiziert. Der kontaminierte Jacobus ist der „minor" nicht an Alter, sondern der Abfolge der Berufung nach, die er nach dem Zebedaeiden,Jacobus Maior, erfuhr. Durch Verwandtschaft mit der Mutter Jesu galt Jacobus Minor im Mittelalter als Herrenbruder, als Vetter Jesu sozusagen . Als erster Bischof von Jerusalem empfing er nach den Ps. Klementinen zwei Briefe von Paulus und Clemens, aus denen in den mittelalterlichen Canonessammlungen häufig zitiert wurde26. In der pseudegraphischenJacobusliteratur giltJacobus als der „Herrenbruder" und der Leiter der Jerusalemer Gemeinde und auch als älterer Stiefbruder Jesu. Die Zeit der fiktiven Abfassung dieser Literatur liegt nur relativ kurze Zeit nach den Ereignissen. 20 Jo 2, 12; 7, 3 ff. 9 f.; Apg 1, 14; Gai 1, 19; 1 Kor 9, 5. Bekannt ist v. a. Mk 6, 3: Ist er nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder des Jakobus und des Joses und desJudas und des Simon? Und sind nicht auch seine Schwestern hier bei uns? 21 2. Protoevang_elium des Jakobus, in: E. HENNECKE, Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Ubersetzung, hg. von W. ScHNEEMELCHER, 2 Bde. (Tübingen 6 1990), hier Bd . 1, S. 277-290, spez. S. 283 f. (8, 3; 9, 2) und öfter. Vgl. Los Evangelios Ap6crifos. Edici6n crftica y bilingüe, hg . von A. de SANTOSÜTERO(Biblioteca de Autores Cristianos 148, Madrid 8 1993), mit Text auf S. 145-188. Allgemein wird eine Entstehungszeit im 3. Jahrhundert angenommen. 22 V. a. in Mt 1, 2; Lk 1, 2. 23 Vgl. J. BLINZLER, Brüder Jesu, in: LThK 2 2, Sp. 715. 24 H. BOLTZMANN, Jakobus der Gerechte und seine Namensbrüder, Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie 23 (1880), S. 198-221, u. HENNECKE,Neutestamentliche Apokryphen, wie Anm. 21, Bd. II, S. 31. 25 Guglielmus Duranti, Rationale divinorum officiorum VII c. 10, n. 3 und c. 33, n. I (Ed . in: MIGNE, PL 202, c. 13-166). 26 Z. B. in: MIGNE, PL 130, c. 19-44. <?page no="86"?> Titelscan.indd 86 Titelscan.indd 86 19.09.22 17: 52 19.09.22 17: 52 74 Robert Plötz IV Welchen Bezug hat das Tintenfaß? Welche Schriften werdenJacobus (Maior und Minor) zugeschrieben? In der apokryphen Literatur werden dem Herrenbruder Jacobus mehr oder minder eindeutig mehrere Briefe und das Jacobus-Evangelium zugeschrieben. Der apokryphe Jacobus-Brief (EpJac) 27 gilt als ältester aller drei Belege 28 , Er verarbeitet die Offenbarungsrede Jesu und den Entrückungsbericht von Petrus und Jacobus, die als gleichberechtigte Offenbarungsempfänger und -vermittler aufgeführt werden . In der Endfassung der EpJac-Gruppe ist Jacobus eindeutig die dominierende Persönlichkeit im Vergleich zu Petrus. Jacobus (wohl der „Herrenbruder") teilt eine Unterredung über Martyrium, Prophetie, Zugang zum Himmelreich und Gnosis mit, die er und Petrus mit Christus 550 Tage nach dessen Auferstehung, kurz vor dessen Himmelfahrt, hatten. Die Epistula ist im Fund gnostischer Papyri von Chenoboskion im sogenannten Codex Jung enthalten. Vermutlich koptischer Herkunft und ehemals griechischen Ursprungs dürfte der Text wahrscheinlich in Ägypten im 2. oder 3. Jahrhundert entstanden sein 29• Sein Empfänger ist unbekannt. Die Beschreibung vermengt Erinnerungen an biblische Textstellen (Abschiedsrede von Jo 16, Himmelfahrt des Elia, Vision des Ezechiel) mit heidnischen Auffassungen und Vorstellungen (Bilder von Apotheosen und kaiserlichen Triumphzügen) 30• Dieselbe Episode wird auch in der „Epistula Apostolorum" 31 überliefert. Die „Epistula" gibt sich als Rundschreiben der elf Apostel „an die Kirchen des Ostens und Westens, Nordens und Südens" 27 Nag Hammadi Studies, hg. v. M. KRAUSEet Am, I, 2. Auch: Epistola Iacobi Apocrypha oder ApocryphonJacobi oder EpJac, hg . u. a. in: HENNECKE, Neutestamentliche Apokryphen (wie Anm . 21), Bd. 1, S. 245-249, und The Apocryphon of James. I, 2: 1. 1. - 16. 30, hg. von F. E. WILLIAMS, in: Nag Hammadi-Codex I (Codex Jung) . Introductions, Text, Translations, Indices, hg . v. H. W. AITRIDGE,(Nag Hammadi Studies 22, Leiden 1985), S. 13-53, hier I, 2. 28 PRATSCHER, Der Herrenbruder Jakobus (wie Anm. 18), S. 157. 29 Nag Hammadi Codex I (wie Anm. 27), vgl. H.-C. PUECH/ G. Qu1sPEL,Les ecrits gnostiques du Codex Jung 2, La „Lettre de Jacques", Vigiliae Christianae 8 (1954), S. 7-22, und HENNECKE, Neutestamentliche Apokryphen (wie Anm . 21), Bd. 1, S. 245- 249. R. A. LIPSIUSlegt die Entstehung auf das 2. Jahrhundert (Die apocryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden. Ein Beitrag zur altchristlichen Literaturgeschichte, 3 Bde., Braunschweig 1883-1890, hier II/ 2, S. 201 f.). 30 Vgl. HENNECKE, Neutestamentliche Apokryphen (wie Anm . 21), Bd. 1, S. 249, Anm. 1, und PUECHIQUISPEL, Les ecrits (wie oben), S. 15. 31 Der Titel ist nicht überliefert, kann aber erschlossen werden. Hg . v. C. SCHMIDT, Gespräche Jesu mit seinen Jüngern nach der Auferstehung (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur. Archiv für die griechisch-christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte 43, Leipzig 1919), Kap . 42-51, auch hg. von ScHNEEMELCHER in: Lietzmanns kleine Texte 152 und in : HENNECKE, Neutestamentliche Apokryphen (wie Anm. 21), Bd . 1, S. 150-155 . <?page no="87"?> Titelscan.indd 87 Titelscan.indd 87 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der jacobus der Reformation 75 aus, enthält neben einer kurzen Darstellung des Lebens Jesus vor allem Gespräche von Jesus mit seinen Jüngern in der Zeit zwischen Auferstehung und Himmelfahrt. Die Schrift richtet sich gegen gnostisch-doketische Irrlehren, enthält jedoch in dogmatischer Hinsicht manches, was sonst als gnostisch gilt. Sie ist Mitte des 2. Jahrhunderts in Kleinasien entstanden, vielleicht syrischen oder griechischen Ursprungs , und nur in der äthiopischen Fassung vollständig überliefert 32• Eine weitere, dem Jacobus zugeschriebene Schrift ist ein apokrypher Brief an Kodratos (oder Quadratus ) 33• Der Brief liegt auf Syrisch und Armenisch vor. Jacobus, Bischof von Jerusalem, schreibt dem Kodratos, offensichtlich ein Apologet, von einem Bericht des Pilatus an Tiberius wegen der Juden, die Jesus gekreuzigt haben, und bittet ihn, ihm von Italien aus mitzuteilen, was Tiberius bezüglich dieser Juden anordnen werde 3 4. In diesem Kontext steht die (erste) Apokalypse des Jacobus (1 ApcJac) . In der Schrift findet ein Dialog zwischen Jesus und J acobus statt, wobei auf ein Gespräch in der Karwoche die Offenbarungen des Auferstandenen auf dem Berg Gaugela folgen . Clemens Scholten legt die Abfassungzeit auf Anfang/ Mitte des 3. Jahrhunderts 35• Eine weitere (zweite) Apokalypse des Jacobus (2 ApJac) 36 ist belegt. Die Schrift besteht aus einer Rede des Jacobus an die Juden in Jerusalem und der Mitteilung der nach- und vorösterlichen Offenbarung Jesu. Die judenchristliche Sekte der Ebioniten besitzt nach Epiphanios von Salamis C: -um 315-403) 37 „ein apokr. Werk", in dem Jacobus gegen jüdische Tempel und Opfer redet. Das Protoevangelium Jacobi erzählt das Leben Mariens und schöpft dabei volkstümlich und sehr wirkungsvoll aus den kanonischen Evangelien . Das Protoevangelium ist wohl im 2. Jahrhundert außerhalb Palästinas ent- 32 PRATSCHER, Der Herrenbruder Jacobus (wie Anm. 18), S. 225, u. HENNECKE, Neutestamentliche Apokryphen (wie Anm . 21), Bd. I, S. 249, gehen davon aus, daß die „Epismla" in Ägypten zwischen 125 und 150 verfaßt wurde und stützten sich dabei auf die Argumente von W C. VANUNNICK, The Origin of the Recently Discovered „Apocryphon Jacobi", Vigiliae christianae 10 (1956), S. 149-156, spez. S. 156. Neuerdings in: Sparsa Collecta. Collected Essays of W C. VANUNNICK. III: Patristica, Gnostica, Liturgica, NTS 31 (Leiden 1983), S. 192-198, hier S. 198. 33 Bekannt durch Eusebius (u.a . in : HE III, 37; IV, 3, 23; V 17). Die byzantinische Liturgie verehrt ihn als Bischof von Armenien und Athen. 34 Vgl. PRATSCHER, Der Herrenbruder Jakobus (wie Anm. 19), S. 226, und R. VANdEN BROEK,in: Text and Testimony. Festschrift für F. J. Klijn (Kampen 1988), S. 55-65 . 35 C. ScHOLTEN, Jakobus, Bruder des Herrn: 2. Apokryphe Schriften, in: LThk 3 5 (1996), Sp. 721. Vgl. I. GRUENWALD, From Apocalypticism to Gnosticism (Frankfurt/ M.1988), s. 279-294. 36 Vgl. PRATSCHER, Der Herrenbruder Jakobus (wie Anm. 19), S. 166 f. 37 So SCHOLTEN, J akobus 2 (wie Anm. 36), Sp. 721. In der von ihm angegebenen Literatur (HENNECKE,wie Anm . 27, S. 443 f.) konnte ich keine Hinweise darauf finden . Bei Schalten auch noch andere Schriften (wie oben). <?page no="88"?> Titelscan.indd 88 Titelscan.indd 88 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 76 Robert Plötz standen und wurde in mehreren Sprachen abgefaßt. Schon der Philosoph und Märtyrer Justinos (t 165) 38 benützte es, und es war bei Clemens von Alexandrien bekannt (t um 216/ 217) 39• Es diente als Hauptquelle für die meisten der späteren Marienlegenden . Dem Protoevangelium Jacobi wurde eine besondere Glaubwürdigkeit durch die „Augenzeugenschaft" zugeschrieben. Die bislang erwähnten Apokryphen werden mehr oder weniger alle dem "Herrenbruder" Jacobus zugeschrieben. Dessen Ansehen war in sehr verschieden ausgerichteten Kreisen und Zirkeln so hoch, daß er auch in der pseudoepigraphenJacobusliteratur als Autor auftaucht, nämlich im kanonischen J acobusbrief, wobei die Frage von dessen Authentizität so umstritten ist wie bei keiner anderen neutestamentlichen Schrift 40 • Der Brief ist an die 12 Stämme in der Diaspora gerichtet. Ohne eine Inhaltsanalyse machen zu wollen, sollte doch kurz auf den theologisch zentra len Abschnitt des Briefes 41 eingegangen werden, weil hier eine Übereinstimmung mit dem uns vorliegenden Text auf der Rückseite des Holzschnittes gesehen werden kann. Die These, der Mensch werde aus Werken gerechtgesprochen und nicht aus Glauben allein, bringt Jacobus in unüberbrückbaren Gegensatz zu Paulus 42 , mit dem er allerdings Konsens hinsichtlich der Aussage der „Realisierung des Glaubens im konkreten Handeln" erzielt. 38 Dia! . 78, 5. 39 Stromata VII; 93, 7. 40 Dagegen spr echen u. a. das kan ongeschichtliche Argument, der nachpaulinische Charakter und Sprache und Stil. Jac wird erstmals von Origenes als Schrift zitiert (Select Ps 30, 6 [MIGNE, PG 12, 1300]), er fehlt im Kanon Muratori und bei Tertullian und gehört nach Eusebius (HE III 25,3) zu den Antilegomena (nicht gesicherte kanonische Schriften). Erst im Verlauf des 3. Jahrhunderts festigte sich sein kanonisches Ansehen . Vgl. PRATSCHER, Der Herrenbruder Jakobus (wie Anm. 18), S. 212. 41 Jak 2, 14-17 : Wasnutzt es, meine Brüder, wenn jemand behauptet, Glauben zu haben, ohne daß er Werke hat? Kann der Glaube ihn retten? Wenn da ein Bruder oder eine Schwester keine Kleider haben und des täglichen Unterhaltes entbehren und einer von Euch sagt ihnen: " Gebet hin in Frieden, wärmt euch und eßt euch satt " ihr gebt ihnen aber nicht, was dem Leibe not tut-, was nutzt das? So ist es auch mit dem Glauben, wenn er keine Werke hat; für sich allein ist er tot. 42 Spez . zur Aussage von Paulus in Röm 4 (1-8) über Gottes Gerechtigkeit und die Rolle des Glaubens am Beispiel von Abraham: Was werden wir nun sagen, daß Abraham, unser Stammvater, dem Fleisch nach gefunden hat? Wenn nämlich Abraham auf Grund von Werken gerechtfertigt wurde, dann hatte er Anlaß zu rühmen, aber nicht vor Gott. Denn was sagt die Schrift? "Abraham glaubte Gott und es wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet" . Wer aber Werke tut, dem wird der Lohn nicht aus Gnade angerechnet, sondern nach Schuldigkeit ausgezahlt . Wer aber keine Werke tut, sondern nur an den glaubt, der den Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet. So spricht auch David die Seligsprechung über den Menschen aus, dem Gott Gerechtigkeit ohne Werke anrechnet: "Selig, deren Missetaten vergeben und deren Sünden zugedeckt sind; selig, dem der Herr die Sünde nicht zurechnet. Vgl. zum Verhältnis vonJacobus und Paulus : E . LoHSE, Paulus. Eine Biographie (München 1996), S. 72 ff. <?page no="89"?> Titelscan.indd 89 Titelscan.indd 89 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Jacobus der Reformation 77 Der Herrenbruder Jacobus war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des Urchristentums, obwohl die Apostelgeschichte, die mehr am Wege des Evangeliums von Jerusalem nach Rom als an einer differenzierten Darstellung des Lebens der Urgemeinde interessiert ist, nur wenig auf seine Rolle eingeht 43. Außerdem stellt die Apostelgeschichte mehr die Leitfiguren der ersten Generation, Petrus und danach Paulus, in den Vordergrund. Der Herrenbruder Jacobus gehörte nicht zu den Anhängern des irdischen Jesus, kam aber schon früh zur Gemeinde, um dort eine immer stärkere Persönlichkeit zu werden. V Wie kam es nun zu der Annahme, daß Jacobus Maior den kanonischen Brief an die zwölf Stämme in der Vertreibung geschrieben habe? Die Verwechslung geht auf eine angebliche Predigt des Jacobus Maior unter den 12 Stämmen in der Diaspora mit dem wirklichen Verfasser des kanonischen Briefes Gac 1,1) in einigen griechischen Apostelakten 44zurück. Auch äthiopische Akten lassenJacobus in der Diaspora predigen und siedeln ihn in der gnostischen „Szene" an45. Die „passio magna" über Leben und Tod des Apostels Jacobus Maior, die aus der Passionssammlung des Ps.-Abdias46zum Teil wörtlich übernommen sind, bringt auch eine längere apologetische Rede des Apostels über Hauptpunkte der christlichen Lehre. M. C. Dfaz y Dfaz legt die Entstehung auf Ende des 5. oder Beginn des 6. Jahrhunderts47. Die Textzitate sind teils in der Vulgata des Hieronymus enthalten und stammen teils aus früheren Quellen. 43 Im Neuen Testament nur in den Apostellisten. In Mk 2, 14 steht er unrichtig anstelle des Zöllner Levis. 44 Ps.-Epiphanias, griechisch-byzantinische Akten, die in der orientalischen Tradition des 5. bis 7. Jahrhunderts stehen, vgl. R . PLöTZ, Der Apostel Jacobus in Spanien bis zum 9. Jahrhundert, Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, 1. Reihe, Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 30 (Münster 1982), S. 19-145, hier S. 58f. Auch der Mischtext Ps.-Dorotheus/ Hippolyt läßt Jacobus in der Diaspora predigen. 45 Vgl. LIPSIUS, Die apocryphen Apostelgeschichten (wie Anm. 29), Bd. II/ 2, S. 212 f. 46 Passionssammlung des 6. Jh.s. lateinisch-fränkischen Ursprungs: die „magna passio" gleicht teils wörtlich dem Liber IV der „Historia certaminis apostolici" (Codex Apocryphus Novi Testamenti, aJOHANNEALBERTOFABRICIO, Hamburgi 1703, tom. II: Apocrypha, sive Historia certamen Apostolici, Lib. IV, pp. 516-531, vgl. zur Lit. : Clavis Apocryphorum Novi Testamenti, Turnhout 1992, nr. 272). Es gibt sogar eine irische Version aus dem 15. Jahrhundert, mit ihr stimmt zum Teil die armenische „HistoriaJacobi" überein (Biblioteca hagiographica orientalis, hg. von P. PEETERS, Brüssel 1910, s. 419). 47 M. C. DIAZYDIAZvermutet als Entstehungsregion die „Gallia romana", da sie wegen ihrer antijüdischen Polemik gut in das Klima des 7. Jahrhunderts dieser Region passe (Literatura Jacobea hasta el siglo XII, in : II Pellegrinaggio a Santiago de Compostela e la letteratura jacopea, hg. von G . SCALIA, Atti de! Convegno internazionale di studi, Perugia 23-25 sett. 1983, Perugia 1985, S. 225-250, hier S. 227-230). <?page no="90"?> Titelscan.indd 90 Titelscan.indd 90 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 78 Robert Plätz Im Breviarium Apostolorum werden die fehlerhaften Angaben der griechischen Akten korrigiert, indem unter anderem die Verfasserschaft des apologetischen Briefes hinausgenommen und Jacobus Maior aberkannt wird 48 • Das „De Ortu et Obitu Patrum"(DOOP) 49 hingegen läßt Jacobus Maior noch in der Diaspora predigen: lacobus,filius Zebedaei,frater loannis, quartus in ordine, duodecim tribus quae sunt in dispersione gentium scripsit ... 50• Vom DOOP wird dann die Aussage in das Martyrologium Gellonense 51 und in das Chronicon des Frechulf von Lisieux (um 840) 52 übernommen. Das Tintenfaß in Verbindung mit dem Buch, dem NT, soll in unserem HolzschnittJacobus Maior kanonische Verfasserschaft zusprechen. Diese Bildaussage ist aufgrund der, vielleicht auch gewollten und des öfteren vorkommenden Verwechslung des Verfassers des kanonischen Briefes, des Herrenbruders Jacobus, mitJacobus Maior zustande gekommen. Die Mutationen des ]acobus in der-Ikonographie Auch innerhalb der ikonographischen Darstellung des Apostels Jacobus Maior gibt es klare Tendenzen, eine Überhöhung seiner Bedeutung und Person vorzunehmen. Das würde ich in Anbetracht des Interessengerangels und Machtkampfes innerhalb der einzelnen Bischofskirchen, die ihre Privilegien mit der Berufung auf ihren apostolischen Ursprung zu gewinnen und zu rechtfertigen versuchen, als einen, von den jeweiligen Zeitumständen her gesehenen normalen Vorgang betrachten. Den daraus hervorgegangenen ikonographischen Transformationen sollen die folgenden Betrachtungen gewidmet sein, wobei die Tendenz ins Auge fällt, sämtliche, mit dem Namen Jacobus versehenen Tugenden in der Person des Jacobus Maior zu vereinen. 48 B. DEGAIFFIER, Le „Breviarium Apostolorum" (BHL 652), Analecta Bollandiana 81 (1963), S. 89- 116. Das geschieht seltsamerweise auch in den „Prooemia" des Isidor von Sevilla (t 636). 49 Hier das DOOPl. Von der Gattung her ist es ein kleines „Who's who" der Patriarchen. Text u . a. bei M. C. DIAZYDIAZ, Die spanische Jakobus-Legende bei Isidor von Sevilla, Historisches Jahrbuch 77 (1958), S. 472. so Es war die vermeintlich verbürgte Autorität Isidors von Sevilla, die für diese erste literarische Verwechslung auf der Iberischen Halbinsel sorgte, die in einer möglicherweise um die Mitte des 7. Jahrhunderts interpolierten Stelle des „De Ortu et Obitu Patrum" auftauchte. Vgl. C. CHAPARRO[Hg.), Isidoro de Sevilla. De ortu et obitu Patrum (Paris 1985), u . DIAZYDIAZ,Literatura Jacobea (wie Anm. 47), S. 232-235, hier s. 234 f. 51 Gellone = St-Guilhem-le-Desert. Das Martyrologium zählt zu den ältesten Auszügen aus dem Martyrologium Hieronymianum und geht auf eine Vorlage aus dem Kloster Rebais bei Meaux zurück. 52 Frechulf Chronicon : II, 4, c. 71. Vgl. LIPSIUS, Die apocryphen Apostelgeschichten (wie Anm. 29), Bd . Il/ 2, S. 215. Nach Klaus Herbers besteht auch die Möglichkeit einer Übernahme aus dem „poema de aris" (709) des Aldhelmus von Malmesbury (650? -709), in: MIGNE,PL 89, Sp. 293. Eine zusätzliche Untersuchung scheint erforderlich, kann aber hier nicht geleistet werden. <?page no="91"?> Titelscan.indd 91 Titelscan.indd 91 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Jacobus der Reformation 79 Jacobus supplantator Jacobi minoris 53 Eine der ganz frühen, zuordnungsbaren Darstellungen des hl. Jacobus ist ein um 1100 ausgeführtes Relief des nordöstlichen Eckpfeilers des Kreuzgangs der ehemals dem Klosterverband von Cluny angeschlossenen Abtei Moissac (Tarn-et-Garonne) 5 4. Da am gleichen Pfeiler neben Jacobus dessen Bruder Johannes erscheint, muß es sich um Jacobus Maior handeln, obwohl alle Identifikationshilfen auf den sogenannten Herrenbruder Jacobus Minor deuten: Bischöfliches Gewand 55 , asketisches Aussehen 56 und ungebändigte Haar- und Barttracht. Hier manifestiert sich in der Ikongraphie zum ersten Mal das Bestreben, den als „Herrenbruder" und ersten Bischof von Jerusalem sehr attraktiven Jacobus Minor mit all seinen Tugenden dem Jacobus Maior einzuverleiben beziehungsweise diese zu übertragen, um ihm zum Vorrang unter den Aposteln zu verhelfen: als „frater Domini", als Verfasser der Epistel an die zwölf Stämme in der Diaspora und vor allem als „apostolorum episcopus" 57• Diese Bemühungen um einen erhöhten Rang des Apostels Jacobus Maior treten wenig später, bei der Gestaltung des ikonographischen Programms der romanischen Kathedrale von Compostela, noch stärker hervor 58 • In dieser Zeit besaß Jacobus noch keine charakteristischen Merkmale, die ihn aus der Schar der übrigen Apostel hervorhoben . Nur seine außergewöhnliche Schönheit fiel auf, wie es der „Liber Sancti Jacobi" des 12. Jahrhunderts klischeehaft ausführt: "Er war fürwahr von schönstem 53 Vgl. zu den folgenden Ausführungen: PLöTZ,Jacobus Maior (wie Anm . 1), S. 190 f. u. S. 192 f. Mehr als einmal und durchaus mit Absicht erscheint die Bezeichnung „lacobus, supplantator" im „Liber Sancti Jacobi", um sich, so wie Jakob im AT seinen Bruder Esau um seinen Vorrang brachte (Gen 27-28), der Vorzüge des Herrenbruders zu bemächtigen, W. M. WHITEHILL[Hg.], Liber Sancti Jacobi. Codex Calixtinus, 3 Bde ., (Santiago de Compostela 1944, Bd. 1), S. 37, 39, 64-65, 175 etc„ überhaupt ist der „Liber Sancti Jacobi" als Propagandaschrift zur Mehrung des Ruhmes des Apostels und der Bedeutung von Santiago de Compostela als Bischofssitz, Pilgerzentrum und Grablege des Apostels Jacobus zu verstehen. 54 Vgl. M. ScHAPIRO,The Romanesque Sculpture of Moissac I, in: Romanesque Art (New York 1977), Fig. 140; S. MoRALEJOALVAREZ, EI patronazgo artfstico de! arzobispo Gelmirez (1100-1140): su reflejo en la obra e imagen de Santiago, in: Pistoia eil Cammino di Santiago. Una dimensione europea nella Toscana mediovale, (Atti de! Convegno Internazionale di Studi, hg. von L. GAI, Perugia 1987), S. 245-272, hier S. 255. 55 Zum kirchenrechtlichen Standort des Jacobus Minor in seiner Funktion als „episcopus lacobus" vgl. PRATSCHER, Der Herrenbruder Jakobus (wie Anm. 18), passim und spez . S. 126. 56 Jacobus Minor wird rühmend wegen seines entsagungsvollen Lebens erwähnt, so unter anderen auch im „Liber Sancti Jacobi": Hie enim ex utero matris sanctus fuit; uinum et siceram non bibit, ferrum in capite eius non ascendit, oleo non est perunctus, balneis non est usus (Liber Sancti Jacobi, ed. WHITEHILL, wie Anm. 53, p. 131). 57 Vgl. Anm. 53. 58 Vgl. R. PLöTZ, Imago Beati Jacobi, Beiträge zur Ikonographie des hl. Jakobus Maior im Hochmittelalter, in : Wallfahrt kennt keine Grenzen, Themenband, hg. von L. KRISS- RETTENBECK und G. MöHLER(München-Zürich 1984), S. 248-264, hier S. 249-251. <?page no="92"?> Titelscan.indd 92 Titelscan.indd 92 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 80 Robert Plötz Aussehen, von vornehmer Erscheinung, hohem Wuchs, rein, von frommem Geist, ..." 59 • ]acobus, apostolorum episcopus et patronus Hispaniae Im christlichen Spanien, in Galicien selbst, fand eine eigenständige ikonographische Entwicklung statt, die eng mit den „traditiones hispanicae" der Landes- und Diözesangeschichte verbunden ist. Für die Kirche in Compostela ist Jacobus Maior der Apostel, der auf der Iberischen Halbinsel das Evangelium verkündet hat, dessen Körper nach seinem Tod in Palästina unter wunderhaften Umständen nach Galicien überführt worden war und dessen Ruhestätte sich unter der Kathedrale von Compostela befindet , wobei der Grabaspekt im Hochmittelalter im Vordergrund stand . Jacobus sitzt deshalb - und das war die Sicht der Prälaten von Compostela in der Zeit des 12. Jahrhunderts als Verkünder der neuen Lehre im Westportal der Kathedrale oberhalb der Wurzel Jesse (! ) 60 auf einem Thron, flankiert von zwei Löwen, der an den Thron König Salomos erinnert 61 • Mit der linken Hand stützt sich Jacobus auf den Bischofs- und Reisestab in Tau-Form 62 , in der 59 Erat enim forma pulcherrimus, specie decorus, statura procerus, corpore castus, mente deuotus, ... (Liber Sancti Jacobi, ed. WHITEHILL, wie Anm . 53, p. 50) . 60 Im Früh- und Hochmittelalter versteht man darunter fast ausschließlich das Motiv des erhöht thronenden Herrn, das auf Is 6, 1-4 ; Ez 1, 4-28; und Apk 4, 2-9 zurückgeht . Vgl. R. BERGER, Die Darstellung des thronenden Christus in der romanischen Kirche des frühen Mittelalters , in: Miscelanea filol6gica dedicada a Monsig . A. Griera (Barcelona 1960), S. 159-177; J.-MA. DEAzcARATE, La portada de las Platerfas y el programa icongrafico de la Catedral de Santiago, Archivo espafiol de Arte 65 (1963), S. 1-20 und zuletzt H. BREDEKAMP, in: 800 Jahre P6rtico de la Gloria, Kritische Berichte 16 (1988), H . 4, S. 96-104), der den P6rtico insgesamt als Ort der Versöhnung am Höhepunkt der Pilgerfahrt im Gegensatz zu dem sonst üblichen Weltgerichtsportalen interpretiert . 61 Vgl. S. MORALEJ0 ALVAREZ, Der heilige Jakobus und die Wege seiner Ikonographie, in : Santiago de Compostela. Pilgerwege, hg. von P. CAUCCIv0N SAUCKEN(Augsburg 1993), S. 75-90, hier S. 85, der die Meinung vertritt, daß die Anregung dafür aus Rom "more romano") gekommen wäre und als Beispiel dafür den Bischofsthron von Santa Maria in Cosmedin zitiert, der für den mit Compostela sehr eng verbundenen Papst Calixt II. angefertigt worden war (ebd .). Deutsche Belege liegen aus weitaus früherer Zeit vor. So ruhte der Sankt Emmeraner Bischofsstuhl bereits zur Zeit der Regensburger Abtsbischöfe (vor 972) auf zwei Löwen, ebenso wie der nicht wesentlich später anzusetzende Bischofsstuhl in der Apsis des Westchors im Dom zu Augsburg 0- BRAUN, Bischofsstuhl, in: Reallexikon der deutschen Kunstgeschichte Bd . 2, Leipzig 1948, unveränderter Nachdruck 1983, Sp. 811). 62 S. MoRALEJ0bezieht diese Darstellung auf den Versuch, mit der „traditio baculi" die fehlende apostolische Tradition zu ersetzen beziehungsweise zu gestalten, wobei es sich in den Darstellungen (P6rtico de la Gloria und an dessen rechtem Gewände) bei dem Stab in keiner Weise um einen Reisestab, sondern um einen Bischofsstab mit "pannissellus" handle (EI patronazgo artfstico, wie Anm. 54, S. 248). Vgl. zur Stab- "Problematik", auf die ich hier nicht noch einmal eingehen möchte, auch H. JAC0MET, L'enigmatique odysee de Saint Jacques, in: Archeologia 318 (Dez. 1995), S. 58-67. <?page no="93"?> Titelscan.indd 93 Titelscan.indd 93 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Jacobus der Reformation 81 Rechten hält er eine offene Rolle mit dem Text Misit me Dominus 63 • Hier, im ikonographischen Programm des Westwerks, das Maestro Mateo im Jahr 1188 vollendete 6 4, manifestiert sich der nicht unbestrittene Anspruch eines apostolischen Ursprungs der compostelanischen Kirche und das Streben nach dem Primat in Auseinandersetzung mit Toledo über die spanischen Bistümer. Hier nimmt Jacobus zum Beispiel in der Verklärungs-Szene (Mk 9, 2-9; Mt 17, 1-9; Lk 9, 28-36; 2 Petr 1, 16 ff.) des Südwerks unmittelbar neben Christus einen Platz ein, der ihm nicht zusteht, nämlich den des Propheten Moses des Alten Testaments 65• Auch Elias fehlt hier. Die zweite Änderung betrifft die in dieser Zeit einmalige Anwesenheit von Abraham in der Portalkomposition, die in Zusammenhang mit Joh 8, 56 stehen könnte, ein Kontext, der in der mittelalterlichen Exegese durchaus zu rechtfertigen ist 66 • VI Welcher zeitgeschichtliche Hintergrund mag zur Auswahl dieses für die Ausgabe einer Lutherbibel ungewöhnlichen Heiligenmotivs geführt haben? Wir befinden uns in der Zeit fast unmittelbar nach dem Anschlag der 95 Thesen durch Martin Luther an der Schloßkirche von Wittenberg am 31. Oktober 1517, die einen gewaltigen Widerhall in der Öffentlichkeit fanden. In seiner Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation, von des christlichen Standes Besserung" (1520) wiederholt Luther seinen Angriff auf die Mißstände in der katholischen Kirche noch einmal in breiter Front. Darin geht er vom allgemeinen Priestertum aller Gläubigen aus, so daß dem Papsttum nicht nur der Anspruch auf die Herrschaft über die Welt, sondern auch die allgemeingültige Auslegung der Bibel entzogen wird. Genauso ist es bei Luthers Thesen. Sie trafen exakt das Anliegen der unzähligen Frommen, die nach dem „gnädigen Gott" fragten, von der offiziellen Kirche aber keine oder keine ausreichende Antwort bekamen. Luther gab ihnen mit seiner Botschaft der Rechtfertigung aus dem Glauben, mit seiner Auslegung des Evangeliums die Antwort, die sie suchten. Luther war Katholik, radikaler Katholik und fand auch viele Anhänger in katholischen kirchlichen Kreisen, die übereinstimmend mit Luther keine neue Kirche gründen wollten, sondern nur die in ihren Augen - Mißstände und Irrlehren der offiziellen Kirche reformieren wollten, ganz im Sinn der „ecclesia semper reformanda". 63 Vgl. S. MüRALEJOALVAREZ, 1st April, 1188. Historical Setting and Liturgical Context in the Creation of the P6rtico de la Gloria, in: EI P6rtico de la Gloria . Musica, arte y pensamiento (Santiago de Compostela 1988), S. 231-238, spez . S. 236. 64 Vgl. den zu dieser Gelegenheit entstandenen Ausstellungskatalog „0 Portico da Gloria eo seu tiempo" (La Coruiia 1988), spez. S. 136. 65 Vgl. dazu G. WALTER, Ikonographie der Verklärung, Diss . (Berlin 1970). 66 Das sah schon A. LöPEZFERREIROso : Historia de la Santa A. M. Iglesia de Santiago de Compostela, 11 Bde. (Santiago de Compostela 1898-1911), hier Bd. 3, S. 107. <?page no="94"?> Titelscan.indd 94 Titelscan.indd 94 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 82 Robert Plötz Der zentrale Punkt war für Luther zunächst einmal die Gerechtigkeit Gottes, dann erst die „reine Lehre". Ein gottgefälliges Leben wurde als heilsnotwendig erachtet, die Werke galten als Heilsakte (actus salutares). Beim Protestantismus ist die Bibel einzige Glaubensnorm und -quelle. Im Kern der lutherischen Bibelbetrachtung steht das Evangelium als Erlösungsbotschaft für den einzelnen. Der eigent liche Sinn der Gottesoffenbarung liege in der Heilslehre, daß der sündige Mensch einzig durch vertrauenden Glauben an Christi Erlösungskraft kraft der in Christus gegebenen Gottesgnade die persönliche Gemeinschaft mit Gott und dadurch die Kraft eines sittlichen Lebens erlangt (Materialprinzip des Protestantismus) . Der Jacobus der Reformation hat durchaus seine Berechtigung 67• Nur trifft es, wie so oft, wieder einmal den falschen und nicht den wahren Jacobus. Aber nicht nur für die Reformation war Jacobus als Verfasser der „strohernen Epistel", wie Luther sie nannte 68 , interessant : auch im reformfreudigen katholischen Umfeld der Pfalz fand Jacobus als Aufrufer zur Rechtgläubigkeit seinen Platz, nämlich in dem Altarbild von Kiedrich. Vielleicht wäre deshalb hier, für den schreibenden Jacobus im Weinberg des Herrn, die Bezeichnung „Jacobus der Ökumene" angebrachter und würde den reformfreudigen Bestrebungen aus der Zeit heraus gerechter werden. Und wenn wir von dem Begriff „ökumenischer Patriarch" ausgehen dürften, hätten wir auch wieder den Bogen zur Einbeziehung der Ostkirche geschlagen. Ein Tintenfaß hat diesen doch längeren, als ursprünglich vorgesehen, Zeitraffer durch die Apostelgeschichte provoziert . Dem Sch r eiber wie dem Apostel in seiner Zeit bleibt zu wünschen: "Nulla dies sine linea " . Resumen: Una de lasmas diversificadasiconograffasde un santo es sin duda lade Santiago. A ello han contribuido las distintas corrientes de moda y las diferentes influencias e intereses, que en cada epoca fueron dejando su impronta en la imagen jacobea. Incluso se mezclan mas o menos intencionadamente las esferasiconograficas de los dos o, segun el caso, de los tres Santiagos,mencionados en el Nuevo Testamento. Un ejemplo de un malentendido fortuito o quiza de una confusi6n intencionada es la atribuci6n de la famosa y conocida epistula Jacobi ( can6nica) a Santiago el Mayor, que normalmente se atribuye a Santiago el Justo, primer obispo de Jerusalen . Un sorprendente testimonio de este acaparamiento de funciones lo constituye un grabado de Lucas Cranach jun. en una edici6n de la Biblia de Lutero: Santiago ostenta aquf 67 Vgl. G. KAWERAU, Die Schicksaledes Jakobusbriefesim 16. Jahrhundert, Zeitschrift für kirchlicheWissenschaftund kirchlichesLeben 10 (1889), S. 359-370. Herzlichen Dank an Prof. Dr. W. Brücknerfür diesenHinweis. 68 Ebd., S. 359. Nach Luther noch andere,wie ErasmusAlberus in dem „Dialogus von Interim"(Ebd., S. 368). Überhaupt sind die Flugschriftenzum Augsburger Interim (1548) eineFundgrube für absprechendeUrteile über den Jacobus-Brief. Positiv hinsichtlich der Materie des Briefes hat sich jedenfalls Melanchthon geäußert (Ebd., s. 365) . <?page no="95"?> Titelscan.indd 95 Titelscan.indd 95 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Jacobus der Reformation 83 los sfmbolos del peregrino y los atributos del escritor sagrado . De esta forma, Santiago el Mayor aparece como el autor de la Carta de Santiago, aquel documento del Nuevo Testamento, que por su insistencia en la necesidad de las buenas obras, jug6 un papel muy importante en las controversias teol6gicas del siglo XVI sobre la doctrina de la justificaci6n. <?page no="96"?> Titelscan.indd 96 Titelscan.indd 96 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 <?page no="97"?> Titelscan.indd 97 Titelscan.indd 97 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Bremer Pilgerzeichen-Fund JüRGEN WITTSTOCK Die Aufmerksamkeit der kulturgeschichtlichen Forschung hat sich nur zögernd auf die mittelalterlichen Pilgerzeichen erstreckt. Die unscheinbaren Plättchen, selten größer als 5 cm, selten gut erhalten und selten künstlerisch bedeutend, waren so manchem Kulturwissenschaftler nicht mehr als ein Ärgernis, wie jenem Archäologen, der den Ankauf einer Sammlung mittelalterlicher Pilgerzeichen durch das Pariser Musee Cluny „ein Unglück für die ganze Welt" nannte, "eine Peinlichkeit für all diejenigen, die interessante, schöne und ehrwürdige Dinge lieben" . Nun mag es in der Tat abwegig sein, die mittelalterlichen Pilgerzeichen "schön" zu nennen, und sie als „ehrwürdig" zu bezeichnen, gewagt, "interessant" aber sind sie allemal, als Dokumente des Pilgerwesens, das innerhalb der mittelalterlichen Frömmigkeit zentrale Bedeutung für die Gläubigen besaß, trotz aller Auseinandersetzungen gelehrter Theologen über Sinn oder Unsinn der Wallfahrt. In einer großen Zahl Lübecker Bürgertestamente aus vorreformatorischer Zeit verfügt der Erblasser, daß von einem Teil seines hinterlassenen Geldes Pilgerfahrten zu den großen Wallfahrtsstätten der Christenheit bezahlt werden sollen, "pro salute anime mee" oder „to salicheit miner Selen", also, um sich der Gnadenfülle eines heiligen Ortes auch noch nach dem Tod versichern zu können. So werden auf diese Weise 145mal Wallfahrten nach Aachen verfügt . 121mal ist Wilsnack in der Mark Brandenburg genannt, lllmal Thann im Oberelsaß, erst dann folgt Rom, das in 88 Testamenten als Ziel einer Pilgerreise bestimmt wird . Einsiedeln in der Schweiz wird 70mal und schließlich Santiago de Compostela 64mal erwähnt. 44 weitere Wallfahrtsorte lassen sich durch Lübecker Testamente erschließen, von Drontheim im Norden bis Jerusalem im Süden und von dem bereits genannten Santiago im Westen bis Riga im Osten. Über das Ausmaß des Pilgerwesens können wir uns heute kaum noch zutreffende Vorstellungen machen, einige wenige Zahlen aus dieser vorstatistischen Zeit aber belegen, daß vor allem zu den großen Festen, etwa zu den Patronatsfesten der bedeutenden Wallfahrtsorte, zehntausende von Pilgern zusammenströmten: 1519, im ersten Jahr der Wallfahrt zur Schönen Madonna in Regensburg, waren die 30.000 zur Verfügung stehenden Pilgerzeichen nicht ausreichend, um die Nachfrage der Pilger zu decken, ein Jahr später <?page no="98"?> Titelscan.indd 98 Titelscan.indd 98 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 86 Jürgen Wittstock wurden, wie den erhaltenen Rechnungen zu entnehmen ist, 109.198 Pilgerzeichen aus Blei und 9.763 Abzeichen aus Silber verkauft. Der durch den Verkauf von Pilgerzeichen dokumentierte Brauch, Andenken an eine Wallfahrt mit nach Hause zu bringen, ist älter als die Pilgerzeichen selbst. Es war den Gläubigen ein Bedürfnis, irgendwelche Gegenstände von den heiligen Stätten als Segensmittel mit nach Hause zu bringen. Dies konnten Steine oder Steinpartikel von Bauwerken sein, die die Reliquien heiliger Personen bargen, Erde von Plätzen, an denen Heilige gelebt hatten, Wasser aus Quellen oder Brunnen, die mit einem Heiligenkult in Verbindung gebracht wurden, Wasser auch aus dem heiligen Fluß, dem Jordan, Öl aus Lampen, die an Märtyrergräbern brannten oder auch Kerzenwachs aus den großen Wallfahrtskirchen. So war es Brauch geworden, aus dem Wachs der Osterkerzen in der römischen Peterskirche Scheiben mit einer Darstellung des Osterlamms zu formen und jeweils im ersten Jahr des Pontifikats eines Papstes und dann erst wieder im siebten Jahr auszugeben . Eines dieser außerordentlich seltenen Objekte religiösen Brauchtums befindet sich im Bremer Landesmuseum, es ist 1471 datiert, entstand also im siebten Jahr des Pontifikats von Papst Paul II. Wurden diese Agnus-Dei-Scheiben in flachen Dosen oder in Ostensorien aufbewahrt, so Wasser, Staub oder Öl in kleinen Bleiampullen, die zugeschmolzen waren, um jedes Ausdringen der Segensmittel zu verhindern. Die Santiago-Pilger, die Wallfahrer zum Grab des Apostels Jakobus im nordwestspanischen Compostela, brachten ein eigentümliches Segenszeichen mit nach Hause : eine Klappe der atlantischen Kammuschel, die an zwei Stellen durchbohrt war, um sie an die Kleidung annähen zu können. Diese Muschel, meist zusammen mit verkleinerten Nachbildungen einzelner oder gekreuzter Pilgerstäbe am breitkrempigen Hut oder Pilgermantel befestigt, galten dann im späten Mittelalter als Abzeichen des Wallfahrers schlechthin ein Hinweis darauf, daß sich die Pilgerreise nach Santiago de Compostela einer besonderen Wertschätzung erfreute und der Apostel Jakobus, auf den die Muschelklappe verwies, als Schutzheiliger aller Wallfahrer verehrt wurde. Eine weitere Sonderform der mittelalterlichen Wallfahrtsdevotionalien ist die auf Seide, Pergament oder Papier gemalte Darstellung des Schweißtuches der Veronika bzw. des hl. Antlitzes "vera ikon"). Solche „Froniken" wurden in der hl. Stadt Rom ausgegeben, wo das legendäre Tuch erstmals im Jahr 1300 den Gläubigen gezeigt worden war. Im niedersächsischen Wienhausen wurde unter dem Boden des Nonnenchores ein ganzer Block solcher „Froniken" gefunden, was zu Spekulationen Anlaß gegeben hat, ob solche Pilgerzeichen nach einem römischen Vorbild auch in diesem Kloster hergestellt wurden oder ob eine Nonne den Block von einer Wallfahrt nach Rom mitgebracht hatte , um einzelne Bilder aus besonderen Anlässen verteilen zu können. Eine nürnbergische Tafelmalerei des späten 15. Jahrhunderts zeigt den hl. Sebald, den dänischen Königssohn, der nach einer Wallfahrt nach Rom und <?page no="99"?> Titelscan.indd 99 Titelscan.indd 99 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Bremer Pilgerzeichen-Fund 87 anderen Pilgerfahrten ein Einsiedlerdasein bei Nürnberg führte. So trägt er neben dem römischen „vera ikon" -Zeichen auch die Zeichen anderer Wallfahrtsorte, Güsse aus Metall, wie alle Pilgerzeichen, die womit ich auf mein Thema der Bremer Pilgerzeichenfunde zusteuere aus dem Flußbett der Weser bei Bremen geborgen worden sind. Pilgerzeichen aus Metall sind seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nachweisbar. Ein erster literarischer Beleg findet sich in dem 1172/ 7 4 verfaßten „Vie de Saint Thomas martyr", in dem ausdrücklich ein in Blei gegossenes Pilgerzeichen des bedeutenden französischen Marienwallfahrtsortes Rocamadour erwähnt wird. In dem um 1200 verfaßten „Tristan" des Gottfried von Straßburg ist dann bereits von Meermuscheln und „vremder zeichen genuoc" an der Kleidung eines Pilgers die Rede. Der Brauch, anstelle der traditionellen Muschelschalen in Santiago an anderen Wallfahrtsorten Pilgerzeichen aus Metall auszugeben, hatte sich offenbar rasch verbreitet. Solche mittelalterlichen Pilgerzeichen wurden in der Regel aus einer Blei- Zinn-Legierung gegossen, für höhere Ansprüche wurden aber auch Zeichen aus Silber oder gar Gold angefertigt. Typisch für sie sind die seitliche Ösen, mit deren Hilfe sie an die Pilgerkleidung angenäht wurden. Diese Ösen konnten bei den spätmittelalterlichen Pilgerzeichen entfallen, die als reine Gittergüsse ausreichende Möglichkeiten zur Anbringung an die Kleidung boten . Als Gußformen dienten Modeln aus Schief er oder Speckstein, seltener aus Metall, in die ein oder mehrere Zeichen negativ eingraviert waren. Die Pilgerzeichen bedeuteten dem Wallfahrer natürlich weit mehr als nur Mitbringsel, Andenken im heutigen Sinne. Zunächst waren sie der sichtbare Beweis dafür, daß sich ihr Träger auf der Rückkehr von einer Pilgerfahrt befand und deshalb einen besonderen Schutz genoß, galt es doch als ein besonderer Frevel, wenn ein Pilger auf seiner Reise beraubt oder gar erschlagen wurde es geschah dennoch hin und wieder, wie der Grabstein eines ermor deten Wallfahrers in der Klosterkirche Seeon in Oberbayern beweist. Ferner hatte der Pilger ein besonderes Anrecht auf die Werke der Barmherzigkeit, auf Speise, Trank und Herberge. In allen größeren Orten befanden sich Pilgerherbergen, in denen Wallfahrer kostenlose Unterkunft und Verpflegung fanden. Diese Hospitäler gewährten ihre Wohltaten den Pilgern in aller Regel nur über eine Nacht, man wußte, daß sich unter den Mänteln der Pilger nicht nur fromme Seelen verbargen und mancher Berufsbettler nur der Tarnung halber Pilgerkleidung trug. Aber auch im häuslichen Gebrauch erfüllten die von einer Wallfahrt mitgebrachten Pilgerzeichen eine wichtige Funktion, sie waren kleine Kultobjekte, die in der volkstümlichen Frömmigkeit, aber auch in der volkstümlichen Medizin worin für den mittelalterlichen Menschen ohnehin kein großer Unterschied lag ihre Bedeutung hatten. An verschiedenen Stellen des heimischen Anwesens vergraben oder sichtbar angebracht, sollten sie Haus, Stallungen und Scheunen vor allerlei Unheil bewahren. Eine Art von <?page no="100"?> Titelscan.indd 100 Titelscan.indd 100 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 88 Jürgen Wittstock primmvem Hausaltärchen mit zwei Pilgerzeichen [Abb. 1] ist 1973 beim Bau der Amsterdamer Metro gefunden worden. Es handelt sich um ein roh zugeschnittenes Kiefernholzplättchen mit einer nischenförmigen Eintiefung, in die zwei Pilgerzeichen mittelalterlicher Heilig-Blut-Wallfahrten aufgenagelt sind, aus Blomberg in Westfalen und aus Wilsnack in Brandenburg, letzterer Pilgerort wird uns noch an späterer Stelle beschäftigen. Im Glauben an die den Pilgerzeichen innewohnenden Segenskräfte wurzelt auch der Brauch, sie im Abguß auf Kirchenglocken anzubringen. Gießer und Besteller der Glocken dürften dabei an die apotropäische, Unheil abwehrende Kraft der Pilgerzeichen gedacht haben, sei es für die Glocke selbst, sei es zur Verstärkung der Abwehrkraft gegen Unwetter und Dämonen, die der Volksglaube dem Glockenklang zuschrieb. Aber nicht nur auf Glocken, auch Abb. 1 auf anderen Bronzegüssen, auf Taufbecken, Mörsern und Zinnkannen finden sich zuweilen Abgüsse von Pilgerzeichen. Die materiell und künstlerisch wertlosen Pilgerzeichen des Mittelalters sind meines Wissens in keinem einzigen Fall als religiöse oder geschichtliche Sammlungsstücke der Nachwelt erhalten geblieben, sieht man von dem Wolfgang-Zeichen ab, das an dem barocken Seitenaltar von St. Rupert bei Weißpriach im österreichischen Bundesland Salzburg angebracht ist. Sie gingen im Lauf der Jahrhunderte verloren oder wurden weggeworfen, nachdem die Erinnerung an ihre einstige Bedeutung verblaßt war. Erst seit dem 19. Jahrhundert gelangten sie wieder ans Tageslicht, durch Funde unter altem Straßenpflaster, unter Kirchenböden, in Abfallschächten und Kloaken, vor allem aber im Schlamm der Flüsse. So sind aus der Themse bei London, vor allem aber aus der Seine bei Paris Hunderte von Pilgerzeichen geborgen worden. In Deutschland hat es im 19. Jahrhundert nur Einzelfunde gegeben, erst im 20. Jahrhundert wurde ein größerer Fundkomplex geborgen und zwar aus <?page no="101"?> Titelscan.indd 101 Titelscan.indd 101 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Bremer Pilgerzeichen-Fund 89 der Weser bei Bremen. Aus dem Aushub verschiedener Baggerarbeiten, die sich auf die Weser zwischen dem Vorort Babenhausen flußaufwärts und dem innerstädtischen Stephaniviertel flußabwärts verteilten, wurden zwischen 1908 und 1947 zahlreiche Pilgerzeichen geborgen, zumeist von Max Mundt, die aber nur zum Teil, wenn auch sicher zum überwiegenden Teil, in die Sammlung des Pocke-Museums, des Bremer Landesmuseums, gelangten, einige kamen in das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, eines in die Bremer Sammlung Roselius, möglicherweise befinden sich weitere noch in Privatbesitz. Die Funde, die in das Focke-Museum gelangten, wurden 1929 und 1937 von Ernst Grohne und Gerd Dettmann zum größten Teil publiziert . Beide Bremer Forscher haben damit die Grundlage zur wissenschaftlichen Bearbeitung des Fundes gegeben, noch bevor seit den 50er Jahren die systematische Pilgerzeichen-Forschung durch Kurt Köster begründet worden ist. Meine folgenden Ausführungen beruhen im wesentlichen auf den Forschungen dieser drei Wissenschaftler, deren Ergebnisse freilich durch neue Erkenntnisse korrigiert werden können. Bevor die einzelnen Gnadenorte, die durch die Bremer Pilgerzeichen belegt werden können, vorgestellt werden, soll noch die Frage gestellt werden, ob der hohe Anteil der aus Flüssen geborgenen Pilgerzeichen an der Gesamtzahl der erhaltenen Stücke auf volkstümliche Bräuche im Zusammenhang mit der Wallfahrt, auf das Versenken von Pilgerzeichen im Fluß als eine Art von Dankesopfer heimgekehrter Wallfahrer zurückzuführen sei. Eine Vermutung in diese Richtung liegt bei der Vielzahl der Flußfunde nahe, ist aber nicht zu belegen. Die Tatsache, daß sich auch Bremer Pilgerzeichen unter den Bremer Weserfunden befinden, spricht gegen ein absichtsvolles Versenken 1• Insgesamt sind 74 Objekte aus der Weser bei Bremen geborgen worden, bei denen es sich um Pilgerzeichen handeln könnte, doch bleibt in vielen Fällen die ursprüngliche Funktion des Fundstücks offen . Manche der kleinen Kru- Anmerkung der Redaktion: Der Schutzcharakter der Pilgerzeichen war so stark personengebunden, denn die Pilgerzeichen hingen ja meist mit einem persönlichen Besuch der Gnadenstätte zusammen, daß man folgenden Hintergrund für die Flußfunde vermuten könnte : Die Pilgerzeichen wurden, wie viele Abwehr- und Schutzzeichen mit in das Bett genommen, zum Teil vielleicht auch eingenäht. Nach dem Ableben des Besitzers wurde das Hausinventar größtenteils aufgelöst. Vor allem die Bettlaken und -bezüge, die nun wirklich dem persönlichsten Bereich angehörten, wurden zur Weiterverwendung weggegeben und gelangten in den Besitz professioneller Verkäufer. Vor dem Verkauf wurde die Bettwäsche von Wäschereien gereinigt. Dieser Vorgang fand auf den Bleichwiesen der Flüsse statt . Alle überflüssigen Anhängsel und Beigaben wurden dabei entfernt und als wertlos in den Fluß geworfen . Durch die Strömung wurden diese Kleinobjekte bis zur Einmündung ins Meer weitergetrieben, bis sie in ruhigeren Gewässern absanken . Warum nun gerade bei Brücken viele Pilgerzeichen gefunden wurden, läßt sich mit den Strömungsverhältnissen um die Brückenpfeiler herum erklären, in deren „Wirbelschatten" sich die Pilgerzeichen ebenfalls ablegen konnten. <?page no="102"?> Titelscan.indd 102 Titelscan.indd 102 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 90 Jürgen Wittstock Abb.2 zifixe oder Madonnen mögen als Amulett bei einem einheimischen Devotionalienhändler erworben worden sein, sie bleiben in der folgenden Darstellung ebenso unberücksichtigt wie einige Fragmente, die keinem der bekannten Pilgerzeichen zuzuordnen sind und deren Zusammenhang damit unklar bleibt. Einen Grenzfall stellt das Zeichen einer bekrönten Taube [Abb. 2] dar, das möglicherweise aus dem französischen Sens im Departement Yonne stammt. Dort wurde die „Sainte Colombe" verehrt. Pilgerzeichen dieses Ortes sollen im 19. Jahrhundert in das Museum von Troyes gelangt sein, sind aber verschollen, ihr Aussehen ist nicht überliefert. Ob es sich also bei dem Bremer Exemplar um ein Pilgerzeichen von Sens handelt, muß offen bleiben, ein weiteres Zeichen, das zur Identifizierung des Bremer Fundstückes beitragen könnte, ist nicht bekannt. Aber immerhin 34 Weserfunde lassen sich bestimmt oder doch mit großer Wahrscheinlichkeit 16 verschiedenen Wallfahrtsorten zuweisen. Gegenüber den 257 Orten, aus denen Köster mittelalterliche Pilgerzeichen und ortsspezifische Devotionalien nachweisen konnte, ist diese Zahl natürlich gering und macht deutlich, daß die Bremer Funde keinen repräsentativen Wert besitzen. Sie sind ein Mosaikstein innerhalb der Pilgerzeichenforschung, interessant genug, um für sich dargestellt zu werden, aber zu zufällig, um generelle Aussagen über Pilgerzeichen oder gar das mittelalterliche Pilgerwesen treffen zu können. Pilgerfahrten wurden oft „im Verbund" unternommen. Das heißt, daß Pilger, die von einem fernen Wallfahrtsziel unterwegs waren, auch andere Gnadenorte besuchten, die auf dem Weg lagen oder durch einen erträglichen Umweg zu erreichen waren. <?page no="103"?> Titelscan.indd 103 Titelscan.indd 103 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Bremer Pilgerzeichen-Fund Vor allem bei der großen Wallfahrt nach Santiago wurden zahlreiche Kultstätten auf dem berühmten „Camino de Santiago" besucht, die vielen Wallfahrtszentren am Niederrhein waren selten einzeln das Ziel von Pilgern aus fernen Gegenden. Und wer aus dem deutschen Norden nach Rom pilgerte, der nahm seinen Weg über berühmte Wallfahrtsorte in Oberdeutschland, im Elsaß, in der Schweiz und in Nordbzw. Mittelitalien. Von römischen Pilgerzeichen war schon eingangs, im Zusammenhang mit den auf Pergament, Papier oder Stoff gemalten „Froniken" die Rede gewesen. Doch wurde das „vera ikon"-Motiv auch in Metall gegossen, wie zwei Bremer Funde belegen [Abb. 3] (einer davon gelangte nach Abb.3 Hamburg). Es ist allerdings fraglich, 91 ob diese „vera-ikon"-Zeichen aus Metall, von denen insgesamt 24 Exemplare bekannt sind, tatsächlich in Rom ausgegeben worden sind. Der im Spätmittelalter sich ausbreitende Veronika-Kult dürfte dazu geführt haben, daß wie schon für das Kloster Wienhausen vermutet solche Zeichen auch an anderen Orten zu erhalten waren. Zwei Wallfahrtsstätten, die von einem norddeutschen Pilger auf dem Weg nach Rom besucht werden konnten, sind durch Bremer Weserfunde belegt, und zwar Thann im Oberelsaß und Einsiedeln [Abb. 4] in der Schweiz. Das Pilgerzeichen aus Einsiedeln, das in die Sammlung Roselius gelangte, ist nur so fragmentarisch erhalten, daß es heute in der Bremer Böttcherstraße auf einer Unterlage mit gezeichneter Ergänzung ausgestellt ist . Wesentlich besser erhalten ist ein Exemplar des gleichen Typus im Lübecker Museum [Abb. 5], übrigens auch ein Baggerfund, 1883 aus der Trave geborgen. Wie die Legende berichtet, ließ der Straßburger Domprobst Eberhard zu Ehren eines Marienbildes an der Stelle, an der der Reichenauer Mönch und Einsiedler Meinrad ermordet worden war, eine Kapelle errichten. Am 14. September 948 sollte diese Marienkapelle vom Konstanzer Bischof Konrad geweiht werden. In der Nacht vor der Weihe hörte Konrad wundersame Stimmen, deren Bedeutung er sich zunächst nicht erklären konnte. Als er aber am Morgen die Kapelle weihen wollte, hörte er die Worte: "Halt ein, Bruder, Gott selbst hat die Kapelle geweiht" . <?page no="104"?> Titelscan.indd 104 Titelscan.indd 104 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 92 Jürgen Wittstock Abb.4 Abb.5 Abb. 6 <?page no="105"?> Titelscan.indd 105 Titelscan.indd 105 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Bremer Pilgerzeichen-Fund 93 Diese legendäre Weihe ist auf dem Pilgerzeichen dargestellt. In der Kapelle ist das Einsiedler Gnadenbild, eine thronende Madonna mit dem Christuskind, zu sehen; am Eingang der Kapelle steht ein Engel mit einer Kerze, daneben Christus im bischöflichen Ornat, einen Weihwasserwedel in der Rechten, und ein zweiter Engel mit einem Weihwasserkessel. Die Umschrift lautet: "dies ist unser frawen cabell zeichen von einsiedelen die wiete gott selbmit engell". Wie Einsiedeln in der nördlichen Schweiz gehörte Thann im südlichen Elsaß zu den größten Wallfahrtsorten im alemannischen Raum. Die Geschichte der Entstehung der Thanner Wallfahrt ist besonders kurios, dabei beginnt sie historisch gut bezeugt jenseits der Alpen in der kleinen italienischen Stadt Gubbio, wo im frühen 12. Jahrhundert ein Ubald Baldassini in das dortige Chorherrnstift Mariano e Giacomo eintritt, 1116 Prior wird und das Stift in den folgenden Jahren gründlich reformiert. 1129 wird er Bischof von Gubbio und leitet die Diözese mit wachsendem Erfolg und Ansehen, bis er 1160 als von der Bevölkerung hochverehrter „pater patriae" stirbt. 1192 wird er kanonisiert. Soweit die Geschichte eines italienischen Lokalheiligen, und nun zur Legende. Dieser Bischof Ubald hatte einen Diener aus Deutschland, der sich nach dem Tode seines Herrn wieder in die Heimat zurückbegab, nicht ohne sich zuvor einer Reliquie des Verstorbenen versichert zu haben, und zwar eines Daumens. Diesen Daumen, so die Legende weiter, habe der Diener in einer Aushöhlung seines Wanderstabes mitgeführt, und ohne jedes besondere Vorkommnis sei er bis in das Oberelsaß gelangt, bis in einen Wald in der Nähe des Ortes Thann. Dort aber vermochte er den Wanderstab mit der Reliquie seines verstorbenen Herrn nicht mehr von der Stelle zu bewegen, gleichzeitig entstanden merkwürdige Lichterscheinungen, die auf der Burg oberhalb von Thann von dem dort residierenden Grafen von Pfirt beobachtet wurden. Er eilte zu der Stelle, von der die Lichterscheinung ausging, wurde vom Diener über den Sachverhalt informiert und verstand daraufhin das Geschehen als einen Fingerzeig des Himmels, eine Stätte zur Verehrung des Heiligen zu erbauen. Tatsächlich ist eine Kapelle des hl. Ubald im Elsaß dann Theobald genannt bereits um das Jahr 1200 in Thann nachzuweisen. Drei der Bremer Funde können als Fragmente des Thanner Pilgerzeichens angesehen werden. Das am besten erhaltene Exemplar [Abb. 6] zeigt die Sitzfigur eines Bischofs, als solcher bekleidet mit einer durch ein Gabelkreuz verzierten Kasel. Rechts unten kniet eine in verkleinertem Maßstab abgebildete menschliche Gestalt, auf der Fußleiste ist eine unlesbare Inschrift zu erkennen. Dieser Typus des Thanner Pilgerzeichens hat sich lediglich in dem Bremer Exemplar original erhalten, ist aber durch Abgüsse auf 12 Glocken, die zwischen 1431 und 1523 gegossen wurden, soweit überliefert, daß es sich problemlos beschreiben läßt: Auf einem als Drachenstuhl ausgebildeten Sessel thront der Heilige, den Krummstab in der linken Hand, die Rechte im <?page no="106"?> Titelscan.indd 106 Titelscan.indd 106 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 94 Jürgen Wittstock Segensgestus erhoben. Rechts und links von seinem Haupt schweben zwei Engel mit seiner Mitra, zu seinen Füßen knien zwei Pilger. Auf der Standleiste befindet sich die Inschrift „St. teutbald". Der nächste Pilgerort Trier verbindet durch seine geographische Lage den alemannischen mit dem niederrheinischen Raum. In Trier wurde der Apostel Matthias verehrt, jener, der nach der Himmelfahrt Christi anstelle des Judas Ischariot in die Reihe der Apostel aufgenommen worden war . Er soll in S. Maria Maggiore in Rom begraben worden sein. Einer in Deutschland verbreiteten Legende zufolge wurde sein Leichnam durch die Kaiserin Helena nach Trier verbracht, wo in der dem ersten Trierer Bischof, dem hl. Eucharius, geweihten Kirche die Reliquien aber in Vergessenheit gerieten. 1050 wurden sie erstmals, am 1. September 1127 ein zweites Mal wiederentdeckt. Die Wallfahrt zum Grab des Apostels Matthias ließ den Namen des ursprünglichen Patrons der Kirche, um die sich seit dem 8. Jahrhundert eine bedeutende Benediktinerabtei entwickelt hatte, verdrängen . Auf dem spätgotischen Pilgerzeichen [Abb. 7] ist der stehende Heilige mit einem langen Gewand bekleidet, darüber trägt er einen durch eine Schließe zusammengehaltenen Mantel. Die Linke umgreift ein Buch, ein beliebtes Attribut der das Evangelium predigenden Apostel, die Rechte ein Stück eines Schaftes, Rest einer Hellebarde. Auch in dem südöstlich von Aachen gelegenen Kornelimünster wurde das ursprüngliche Patronat der dortigen Benediktiner-Abteikirche aufgrund einer Wallfahrt verändert. Ursprünglich dem Salvator geweiht, nahm das Kloster schon im 11. Jahrhundert den Namen des hl. Kornelius an, von dem im Reliquienschatz der Abtei ein Teil der Hirnschale aufbewahrt wird . Kornelius, aus der vornehmen römischen Familie der Kornelier, war von 251 bis 253 Papst. Als solcher ist er auch auf dem Pilgerzeichen aus Kornelimünster [Abb. 8] dargestellt: Mit der dreifachen Papstkrone, der Tiara, und einem Kreuzstab in der Rechten. In der Linken trägt er ein Horn in Anspielung auf seinen Namen "Horn"= lat. "cornu"). Kornelimünster gehört eindeutig zum Kreis der niederrheinischen Wallfahrtsorte um die beiden bedeutenden Pilgerzentren Köln und Aachen. Auffallenderweise ist das Aachener Pilgerzeichen unter den Bremer Weserfunden nicht vorhanden, obwohl Aachen, wie wir aus den Lübecker Testamenten wissen, auch für die norddeutschen Hafenstädte ein bevorzugtes Pilgerziel gewesen ist. Möglicherweise war das Aachener Zeichen, ein Metallguß mit eingebautem Spiegel, so sehr als Segensmittel geachtet, daß die Pilger es besonders gut verwahrten. Um so mehr haben sich Kölner Pilgerzeichen in der Weser erhalten, sechs Exemplare sind geborgen worden, die sowohl belegen, daß das „heilige Köln" nicht nur eine einzige Verehrungsstätte besaß, als auch zeigen, daß sich in den Jahrhunderten mittelalterlicher Wallfahrt auch die Pilgerzeichen den sich ändernden Stilformen anpaßten. Das „heilige Köln" war im Mittelalter die größte Stadt Deutschlands, deren religiöse Bedeutung schlagartig <?page no="107"?> Titelscan.indd 107 Titelscan.indd 107 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Bremer Pilgerzeichen-Fund 95 Abb.7 Abb.8 Abh.9 <?page no="108"?> Titelscan.indd 108 Titelscan.indd 108 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 96 Jürgen Wittstock Abb.10 Abb.11 Abb.12 Abb.13 <?page no="109"?> Titelscan.indd 109 Titelscan.indd 109 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Bremer Pilgerzeichen-Fund 97 durch die Übertragung der angeblichen Gebeine der Hl. Drei Könige aus Mailand nach Köln angewachsen war. Kaiser Friedrich Barbarossa hatte nach der Eroberung Mailands im Jahr 1162 die bis dahin dort aufbewahrten Reliquien überführen lassen, in Köln trafen sie 1164 ein und wurden bald das Ziel zahlreicher Pilger. Die Pilgerzeichen [Abb. 9] zeigen in der Frühzeit die drei Könige und Maria mit dem Christuskind vor einem Kirchengebäude, das wohl als Darstellung des romanischen Doms in Köln gelten darf. In gotischer Zeit wurde das Kölner Dreikönigs-Zeichen dem veränderten Stilempfinden angepaßt, wie ein hervorragend erhaltenes Pilgerzeichen aus Nimwegen belegt: Die thronende Maria mit dem Kind und die Hl. Drei Könige werden vor einer dreischiffigen gotischen Architektur mit drei Türmchen dargestellt , das mittlere Gewölbe ist mit einem Gottesbild versehen, einer der Könige hat seine Krone abgesetzt und überreicht kniend dem Christuskind eine Gabe, ein zweiter deutet auf den Stern von Bethlehem, der die Könige geleitet hatte. In spätgotischer Zeit wurden dann neue Varianten entwickelt, wie einer der Bremer Funde [Abb. 10], aber auch ein Beispiel aus der Kölner Sammlung Clemens zeigen. Vier der sechs in der Weser gefundenen Pilgerzeichen aus Köln sind Dreikönigszeichen, die beiden anderen beziehen sich auf eine zweite Kölner Kultstätte, auf die ehemalige Stiftskirche St. Ursula, die über einem römischen Gräberfeld errichtet worden war. Der Legende nach war die hl. Ursula Tochter eines britischen Königs, die von einer Pilgerreise nach Rom in ihre Heimat zurückkehren wollte . Sie fuhr mit ihren Begleiterinnen, deren Zahl sich in der weiteren Entwicklung der Legende von 11 auf 11.000 erhöhte, von Basel aus mit einem Schiff bzw. in den späteren Legenden auf mehreren Schiffen, rheinabwärts, geriet aber bei Köln in die Hände der Hunnen, die gerade die Stadt belagerten, und wurde samt ihrer Gefährtinnen getötet, sie selbst starb durch einen Pfeilschuß . Auf einem Pilgerzeichen-Fragment des Bremer Weserfundes ist mit einiger Mühe diese Szene wiederzuerkennen, ein Boot mit Mast, die Köpfe einiger Insassen und eine Figur, die als Hun nenkrieger zu identifizieren sein dürfte. Deutlicher wird die Darstellung auf dem zweiten Zeichen der Kölner Ursula-Wallfahrt [Abb. 11] in Bremen. In der Weser wurden auch Pilgerzeichen aus zwei niederländischen Wallfahrtsorten gefunden, die dem Niederrheingebiet zugeordnet werden können. In Maastricht wird in einem kostbaren Schrein der Leichnam des heiligen Servatius, Bischof von Tangern und einer der bedeutendsten Theologen des 4. Jahrhunderts, aufbewahrt. Er starb im Jahr 384, offenbar hochbetagt und hochverehrt . Dargestellt wird er im bischöflichen Ornat und mit einem Schlüssel, den er der Legende nach während eines Auf enthalt es in Rom von Petrus, der ihm erschienen war, erhalten hatte, um allen, die darum bitten, das ewige Leben aufschließen zu können [Abb. 12]. Ein bis heute in der Maastrichter Servatiuskirche aufbewahrter Schlüssel gilt als jener legendäre Petrus-Schlüssel, der also nicht nur Attribut des ersten Bischofs von Rom <?page no="110"?> Titelscan.indd 110 Titelscan.indd 110 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 98 Jürgen Wittstock ist, sondern auch des hl. Servatius, was zu mancherlei Kontroversen bei der Zuordnung dieser Zeichen Anlaß gegeben hat. Vor allem durch ein heute verschollenes, ehemals in Maastricht aufbewahrtes und durch eine Durchreibung überliefertes Pilgerzeichen, wird dieser Typus heute Maastricht zugeordnet. Zu diesen sehr altertümlich wirkenden, kaum nach dem 13. Jahrhundert entstandenen Zeichen gehört auch ein zweites, in der Weser gefundenes Exemplar, das nach Hamburg gelangte, dort aber nicht mehr nachzuweisen ist. Erst in jüngerer Zeit konnte ein weiteres Pilgerzeichen aus der Weser identifiziert werden, das Zeichen von Vrouwenpolder [Abb. 13] auf der niederländischen Insel Walcheren. In einer gotischen Architektur steht Maria mit dem Christuskind auf ihrem rechten Arm . Darunter ein Vierpaß mit einem Wappen, zwei Querbalken, des Ortes Oostkapelle. Nahe diesem Ort wurde im 14. Jahrhundert eine Kirche gebaut, in die auf wundersame Weise ein Tafelbild der Muttergottes gelangt sein soll, das bald größte Verehrung genoß . Es wird kaum verwundern, daß eine große Zahl von Pilgerzeichen unter den Bremer Weserfunden nach Norddeutschland zu lokalisieren ist. Neben den großen Wallfahrten gab es zahlreiche kleinere, die von Bremen aus nur wenige Tage in Anspruch nahmen, aber dennoch bei den Gläubigen in hohem Ansehen standen . In Norddeutschland war dies vor allem Wilsnack in der Mark Brandenburg, dessen Pilgerzeichen [Abb. 14 und 15] auch auf dem Amsterdamer Täfelchen angebracht und das unter den Weserfunden allein mit 7 Exemplaren vertreten ist . Diese Wallfahrt hatte selbst noch nach der Reformation Zulauf, bis der protestantische Geistliche Joachim Ellefeldt den Gegenstand der gläubigen Verehrung, drei Hostien, die angeblich unbeschädigt einen Kirchenbrand überstanden hatten, am 28. Juli 1552 kurzerhand ins Feuer warf und damit vernichtete. Ellefeldt war nicht der erste, der Zweifel an dem Mysterium der Wilsnakker Hostien hatte, schon in vorreformatorischer Zeit galt vielen Theologen, unter ihnen beispielsweise Nikolaus von Kues, der Vorgang, der zur Begründung der Wallfahrt geführt hatte, als reiner Schwindel. Tatsache ist, daß am 16. August 1383 der Ritter Heinrich von Bülow, der mit dem Bischof von Havelberg in Streit lebte, elf havelbergische Dörfer überfiel und anzünden ließ, als deren Bewohner größtenteils in Havelberg waren, um an dem dortigen Domfest teilzunehmen . Als der Wilsnacker Pfarrer Johannes Kabuz mit seiner Gemeinde aus Havelberg zurückkehrte, fanden sie Häuser und Kirche ihres Dorf es brennend vor und zogen in das benachbarte Groß- Lüben, wo sie Unterschlupf fanden . Und nun beginnt die Legende: In der Nacht hörte der Pfarrer eine Stimme, die ihn zur Rückkehr nach Wilsnack aufforderte - und in der dortigen, niedergebrannten Kirche fand er drei konsekrierte Hostien, die den Kirchenbrand auf wunderbare Weise unversehrt überstanden hatten, in ihrer Mitte aber jeweils einen roten Blutstropfen zeigten. <?page no="111"?> Titelscan.indd 111 Titelscan.indd 111 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Bremer Pilgerzeichen-Fund 99 Abb. 14 Abb. 15 Abb. 16 Abb. 17 <?page no="112"?> Titelscan.indd 112 Titelscan.indd 112 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 100 Jürgen Wittstock Abb.18 Abb. 19 Abb. 20 <?page no="113"?> Titelscan.indd 113 Titelscan.indd 113 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Bremer Pilgerz eichen-Fund 101 Die blutenden Hostien von Wilsnack waren bald Gegenstand großer Verehrung, erste Berichte von Wundern an ihrer Fundstelle tauchten auf, und bereits im März 1384 stellte Papst Urban VI. einen Ablaßbrief aus, um Mittel für den Bau einer großen Wallfahrtskirche gewinnen zu können. Das Pilgerzeichen von Wilsnack zeigt natürlich die drei Hostien, von denen jede eine Station des Leidens Christi darstellt, Geißelung, Kreuzigung unddie eigentliche Passion ergänzenddie Auferstehung. Die beiden oberen Hostien waren jeweils durch ein Kreuz bekrönt. Diese Kreuze sind meist verloren, erst recht aber der rote Farbtupfer, der in Erinnerung an das Blutwunder von Wilsnack jeder einzelnen Hostie aufgetragen worden war. Die fünf relativ vollständigen Wilsnacker Pilgerzeichen aus dem Weserfund und die zwei Fragmente machen deutlich, wie unterschiedlich ihre Qualität sein konnte. Bedeutende Handwerksprodukte sind sie alle nicht, auch wenn es ein künstlerisches Vorbild gegeben haben dürfte, die nachgeschnittenen Gußformen aber sind häufig nicht von üblicher handwerklicher Qualität, ja zum Teil primitive Nachahmungen, wie man sie freilich bei einem solchen Massenprodukt nicht ausschließen kann. Das Pilgerzeichen von Elend im Harz ist nur in drei mehr oder minder fragmentarischen Exemplaren erhalten geblieben, allerdings von zahlreichen Abgüssen auf Kirchenglocken bekannt . Ein solcher Abguß auf einer Betglocke in Bramstedt (Grafschaft Hoya) aus dem Jahr 1450 [Abb. 16] zeigt das Zeichen vollständig, nämlich eine Sitzmadonna in einer tabernakelartigen Umrahmung sowie, links und rechts außerhalb dieser Umrahmung, einen betenden Engel. An dem Pilgerzeichen aus dem Bremer Weserfund [Abb. 17] ist eine auf der Standleiste aufgebrachte Inschrift mit Schwierigkeiten lesbar : "+ tzo dme elnde". Sie bezieht sich auf eine Marienwallfahrtskirche nahe dem Ort Elend im Harz . Diese Wallfahrt soll im frühen 15. Jahrhundert entstanden sein, nachdem sich ein von einem Bauernburschen aufgestelltes Bildwerk der Muttergottes als wundertätig erwiesen hatte. Nach Errichtung einer steinernen Wallfahrtskirche im Jahr 1419 fand die Wallfahrt zu der Marienskulptur vor allem zwischen 1430 und 1440 einen regen Zulauf. Merkwürdigerweise stellt das Gnadenbild aus dem Jahr 1414, das 1626 in die Marienkirche von Heiligenstadt gebracht wurde und dort bis heute erhalten geblieben ist, nicht, wie auf dem Pilgerzeichen, eine sitzende, sondern eine stehende Madonna dar; möglicherweise ersetzte diese außerordentlich qualitätvolle Skulptur ein älteres Kultbild, das aber in den Pilgerzeichen weiterlebte. Die Patrone der Klosterkirche im niedersächsischen Königslutter waren die Apostelfürsten Peter und Paul, die auf dem Pilgerzeichen [Abb. 18] als Assistenzfiguren des gekreuzigten Christus dargestellt sind. In einem Rundbogen unterhalb dieser Gruppe ist der Stifter des bedeutenden Benediktiner klosters Königslutter, Kaiser Lothar von Süpplingenburg, abgebildet . Für Königslutter ist überliefert, daß jeweils am Peter-und-Pauls-Tag, am 29. Juni, so viele Pilger in den Wallfahrtsort strömten, daß der Rat der benachbarten <?page no="114"?> Titelscan.indd 114 Titelscan.indd 114 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 102 Jürgen Wittstock Stadt Braunschweig Ordnung und Sicherheit gefährdet sah und deshalb erließ, daß „am Vorabend und am Tage St. Peter und Paul, wenn die luttersche Fahrt ist ... um der Sicherheit willen an den Toren und in den Straßen der Stadt bewaffnete Wachen aufzustellen" seien. Nach der Christianisierung der Sachsen bemühten sich die Bischöfe der neuen Diözesen, bedeutende Reliquien für ihre Kirchen aus den altchristlichen Gebieten zu erhalten . In diesem Zusammenhang gelangten im 9. Jahrhundert die Gebeine mehrerer Heiliger nach Sachsen, beispielsweise diejeni gen des hl. Alexander aus Rom nach Wildeshausen. In den Dom von Paderborn wurden 836 die Gebeine des hl. Liborius überführt, der in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts Bischof von Le Mans gewesen war . Er wurde der Schutzheilige des Doms und des gesamten Bistums Paderborn. Auf dem Bremer Pilgerzeichen [Abb. 19] ist Liborius sitzend dargestellt, in bischöflichem Ornat, die Linke hält den Bischofsstab, die Rechte einen Gegenstand, der nur undeutlich zu erkennen ist. Möglicherweise handelt es sich dabei um ein Buch mit einem aufliegenden Stein, kein Hinweis auf ein Martyrium durch Steinigung, sondern darauf, daß Gläubige bei Steinleiden seine Fürbitte erflehten. Nordöstlich von Bremen, in der Nähe von Stinstedt im Land Hadeln, lag die heute nicht mehr existierende St.-Joost-Kapelle. Der hl. J odokus war der Sohn eines bretonischen Fürsten, lehnte aber die Übernahme der Herrschaft ab und zog sich in eine Einsiedelei zurück, wo er um das Jahr 669 starb. Aus seiner Einsiedelei entwickelte sich die große Benediktinerabtei St-Josse-sur-Mer. Der Kult des Heiligen verbreitete sich von der Bretagne aus an der Küste entlang nach Norddeutschland, wo unter anderem die Joost-Kapelle bei Stinstedt Anziehungskraft für zahlreiche Pilger besessen haben muß. Jodokus soll der Legende nach eine Pilgerreise nach Rom unternommen haben, folglich ist er als Pilger dargestellt [Abb. 20], mit Mantel, breitkrempigem Hut und Pilgerstab, zu seinen Füßen liegt die Krone, die er als Fürstensohn verschmäht hatte. Sie ist auf dem fragmentarischen, aber im Detail besser erhaltenen zweiten Jodokus-Zeichen des Bremer Fundes [Abb. 21] deutlich zu erkennen, auch eine Inschrift auf der Standleiste, die wohl in der abgekürzten Form „s jok" den dargestellten Heiligen benennt. Diese beiden Jodokus-Pilgerzeichen lassen sich vor allem deshalb dem hadelnschen Kultort zuweisen, weil bei Ausgrabungen an der Stelle, an der die Wallfahrtskapelle einst gestanden hatte, ein mit den Bremer Exemplaren fast identisches Pilgerzeichen gefunden worden war, das zwar inzwischen wieder verloren gegangen ist, das aber durch eine Abbildung überliefert ist . Ein weiteres, auch nur fragmentarisch erhaltenes Pilgerzeichen [Abb. 22] mag sich ebenfalls auf St. Joost beziehen lassen, doch ist auf diesem Fragment weder der für eine Pilgerdarstellung typische Mantel in Form einer Pelerine, noch ein Pilgerstab zu erkennen, so daß Zweifel an einer solchen Zuordnung überwiegen. <?page no="115"?> Titelscan.indd 115 Titelscan.indd 115 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Bremer Pilgerzeichen-Fund 103 Abb.21 Abb.22 Abb.23 <?page no="116"?> Titelscan.indd 116 Titelscan.indd 116 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 104 Jürgen Wittstock Interessanter ist ein vierter, aus zwei Teilen bestehender Fund [Abb. 23]. Der dargestellte Pilgerheilige hält in seiner linken Hand neben dem Buch, das auch die Zeichen aus dem Land Hadeln zeigen, noch einen Rosenkranz, vor allem aber fällt dieses ExemJ? .lardurch seine sehr sorgfältige, feine Modellierung aus dem Rahmen des Ublichen heraus. Möglicherweise handelt es sich bei diesem Pilgerzeichen um ein Andenken aus dem Kloster St-Jossesur-Mer, dem Hauptort der Jodokus-Verehrung, demgegenüber die Kapelle bei Stinstedt natürlich nur eine Filiale von regionaler Bedeutung war . Nicht weit von Bremen entfernt liegt Verden an der Aller, ein Bischofssitz, dessen Dom den Heiligen Maria und Caecilia geweiht war. Beide Heilige sind auf dem Pilgerzeichen [Abb . 24] dargestellt, durch die Inschrift in gotischen Minuskeln "verden") ist die Identifizierung auch zweifelsfrei möglich. Drei Weserfunde schließlich lassen sich auf Bremen selbst beziehen. Einer [Abb. 25] zeigt die Darstellung des auf einem Esel reitenden Christus, den sogenannten „Palmeselchristus", und trägt auf der Standleiste die Inschrift „bremensis", muß also auf Bremen bezogen werden. Ein zweites Zeichen dieser Art ist in Lübeck gefunden worden, allerdings ohne Inschrift . Bislang ist es nicht gelungen, diese Darstellungen einer bestimmten Wallfahrtsstätte zuzuordnen . Möglicherweise wurden sie an Teilnehmer feierlicher Palmsonntag~prozessionen ausgegeben, und zwar nicht nur an einem bestimmten Ort . Ubrigens wäre die Inschrift „bremensis" wohl nicht nur auf Bremen, sondern auch auf andere Orte im Bremischen zu beziehen. Dagegen ist ein zweites , in zwei Exemplaren gefundenes Pilgerzeichen [Abb. 26] mit hinreichender Sicherheit auf eine Kultstätte in Bremen zu beziehen. Es stellt eine Heilige mit Kopftuchalso eine verheiratete Frau dar, die von zwei Baumstämmchen recht eigenwilliger Prägung flankiert wird. Vor der Brust hält sie in den Händen zwei in etwa identische, pflanzenartige Gegenstände. Es handelt sich um die hl. Corona, Gattin des hl. Viktor, die auf eine grauenvolle Weise als Märtyrerin ums Leben kam: Sie wurde zwischen zwei Palmbäume gespannt, die niedergedrückt waren und beim Hochschnellen ihren Körper zerrissen . Reliquien dieser Heiligen waren zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Bremer Dom gelangt, wo sie an der Südseite des Domes beigesetzt wurden. Ihr Kult scheint im mittelalterlichen Bremen sehr ausgeprägt gewesen zu sein, wie beispielsweise eine aus dem Dom stammende Statue der Heiligen im Bremer Landesmuseum/ Pocke-Museum belegt, hier hat sie als Attribut ein „sprechendes" Attribut, die Krone, in Anspielung an ihren Namen erhalten, vielleicht um die Gläubigen nicht unmittelbar an die schreckliche Geschichte ihres Martyriums zu erinnern . Die mittelalterlichen Pilgerzeichen also ein „Unglück für die ganze Welt"? Gewiß, es sind keine verehrungswürdigen Kunstwerke. Aber sind es nicht herausragende Zeugnisse der europäischen Kulturgeschichte? <?page no="117"?> Titelscan.indd 117 Titelscan.indd 117 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Bremer Pilgerzeichen-Fund 105 Abb.24 Abb.25 Abb. 26 <?page no="118"?> Titelscan.indd 118 Titelscan.indd 118 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 106 Bibliographie Jürgen Wittstock Grundlegend mit Angabe der wichtigsten Literatur: K . KöSTER, Mittelalterliche Pilgerzeichen, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen (Begleitband zur Ausstellung mit gleichem Titel) (München 1984) S. 203-223. Weitere Literatur: H. APPUHNu. Ch. V. HEUSINGER, Der Fund kleiner Andachtsbilder des 13. bis 17. Jahrhunderts in Kloster Wienhausen, Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 4 (1965) S. 157-238. ST. BEISSEL, Die Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien in Deutschland bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts (Stimmen aus Maria Laach, Ergänzungs-Heft 47, Freiburg i. Br. 1890, Neudruck Darmstadt 1976). ST. BEISSEL, Die Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien in Deutschland während der zweiten Hälfte des Mittelalters (Stimmen aus Maria Laach, Ergänzungs- Heft 65, Freiburg i. Br. 1892, Neudruck Darmstadt 1976). ST. BEISSEL, Die Aachenfahrt (Stimmen aus Maria Laach, Ergänzungs-Heft 82, Freiburg i. Br. 1902). H . B00CKMANN, Der Streit um das Wilsnacker Blut. Zur Situation des deutschen Klerus in der Mitte des 15. Jahrhunderts, Zeitschrift für historische Forschung 9 (1982) s. 385-408. A. V. BRANDT(Bearb. u. Hrsg .), Regesten der Lübecker Bürgertestamente des Mittelalters. Bd. I: 1278-1350, Bd. II : 1351-1363 (Lübeck 1964 u. 1973). K. BUGMANN,Die Einsiedler Engelweihe und die Reichenau-Renaissance im 12. Jahrhundert, in: Der heilige Konrad, Bischof von Konstanz. Studien aus Anlaß der tausendsten Wiederkehr seines Todesjahres (Freiburg i. Br. 1975) S. 135-148. A. C0HAUSZ, Vier ehemalige Sakni.mentswallfahrten: Gottsbüren, Hillentrup, Blomberg und Büren , Westfälische Zeitschrift 112 (1962) S. 275-304. G. DETTMANN,Heimatliche Altertümer geschichtlicher Zeit. Die Ernte der letzten Jahre an bremischen Boden- und Weserfunden: in Bremische Weihnachtsblätter, Heft 7 (Bremen 1937) S. 4-9. E. ENNEN, Stadt und Wallfahrt in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Deutschland, in: Festschrift Matthias Zender, Bd . 2 (Bonn 1972) S. 1057-1075 . O.-F. GANDERT,Das Heilige Blut von Wilsnack und seine Pilgerzeichen, in : Brandenburgische Jahrhunderte. Festgabe für Johannes Schultze (Berlin 1971) S. 73-90. E. GR0HNE, Bremische Boden-und Baggerfunde,Jahresschrift des Focke-Museums (1929) s. 44-102. . R. M. V. HEERINGENu .a., Heiligen uit de Modder . In Zeeland gevonden Pelgrimstekens (Utrecht 1987). W. KLENCK,Nachrichten über den Wallfahrtsort St. Joost im Lande Hadeln, Jahrbuch der Männer vom Morgenstern 26 (1934) S. 34-70 . K. 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Pilger und Wallfahrten, in: Stadt im Wandel. (Ausst.-Kat. Braunschweig 1985) Bd. I, S.40M14. Resumen: Gracias a las excavaciones que tuvieron lugar en el rfo Weser cerca de Bremen, entre 1908 y 1947, se rescataron numerosos objetos que pueden ser calificados como distintivos o signos de peregrinos medievales y otros devotos. 34 de esos objetos se pueden considerar con seguridad o con gran probabilidad como distintivos de peregrinos a 16 diferentes centros de peregrinaci6n. Muchos de estos centros se encuentran en Alemania de! Norte: St. Joost cerca de Stinstedt, Verden, Wilsnack, Königslutter, Elend en el Harz y Paderborn . Repetidamente se encuentran representados los distintivos de peregrino de la regi6n de! Bajo Rin: de Colonia, Kornelimünster, Treveris y las ciudades neerlandesas Maastricht y Vrouwenpolder. De la regi6n alemanica provienen los distintivos de peregrinos de Thann en Alsacia y Einsiedeln en Suiza. Finalmente hay que aiiadir los distintivos de peregrino que provienen de St-Josse-sur-Mer (Francia) y de Roma. <?page no="120"?> Titelscan.indd 120 Titelscan.indd 120 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 <?page no="121"?> Titelscan.indd 121 Titelscan.indd 121 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Monumentale Zeugnisse der spätmittelalterlichen Adelsreise auf den Wegen nach Santiago de Compostela Detlev Kraack 1 1. Monumentale Zeugnisse der spätmittelalterlichen Adelsreise Im ausgehenden Mittelalter zählte das Reisen zu den Tätigkeiten, mit denen Adlige und Angehörige der städtischen Oberschichten des gesamten Abendlandes Ruhm und Ehre gewinnen konnten. 2 Letztere wirkte gesellschaftlich konstitutiv, und so war die ,Jagd nach Ehre ' ein ständiges Movens der damaligen Eliten; je weiter der Weg in die Feme führte, desto besser: ,mobiliora nobiliora', könnte man in Anlehnung an ein zeitgenössisches Motto resümieren. Hauptziele waren dabei die großen Wallfahrtsorte der Christenheit: das Heilige Land mit Jerusalem, das Katharinenkloster auf dem Sinai, weiterhin Rom und das Grab des Heiligen Jakob im äußersten Nordwesten der Iberischen Halbinsel. Daneben besuchte man den Mont St-Michel in der Normandie, das San Michele Heiligtum auf dem Gargano 3, die Kirche des Heiligen Nikolaus in Bari und andere Heiligtümer längs des Weges. Doch beschränkten sich die Routen der spätmittelalterlichen Adelsreise keinesfalls auf sakrale Orte . Mindestens gleichberechtigte Ziele waren zu- Vgl. zu den verschiedenen Aspekten der folgenden Ausführungen jewe ils umfassend und mit zahlreichen Hinweisen auf weiterführende Literatur D. KRAACK, Monumentale Zeugnisse der spätmittelalterlichen Adelsreise. Inschriften und Graffiti des 14.-16. Jahrhunderts (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaft en zu Göttingen, Bd. 224 / Diss . phil. Kiel 1994) (Göttingen 1997) und speziell Kapitel II.C. Inschriften und Graffiti in Santiago de Compostela und an den Höfen Westeuropas, S. 270-278. Vgl. zur spätmittelalterlichen Adelsreise allgemein W. PARAVICINI, Von der Heidenfahrt zur Kavalierstour . Über Motive und Formen adligen Reisens im späten Mittelalter. In: H . BRUNNER/ N. R. WOLF(Hgg.): Wissensliteratur im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Bedingungen, Typen, Publikum, Sprache (Wissensliteratur im Mittelalter, 13) (Wiesbaden 1993), S. 91-130, und speziell zu den spätmittelalterlichen Berichten der Reisenden nach Santiago de Compostela auch den Beitrag von Volker Honemann in diesem Band (S.129-139). Vgl. zu sehr fragmentarisch erhaltenen monumentalen Zeugnissen im Heiligtum auf dem Gargano im Anhang Abb . 4 sowie mit ausführlichen bibliographischen Angaben KRAACK, Monumentale Zeugnisse (wie Anm. 1), S. 282 (speziell Abb. 163 und Anm. 564). <?page no="122"?> Titelscan.indd 122 Titelscan.indd 122 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 110 Detlev Kraack nächst die unterschiedlichen Fronten des Heidenkampfes auf der Iberischen Halbinsel, in Preußen und im Bereich des östliches Mittelmeers sowie später vor allem die Höfe der abendländischen Fürsten. Daneben gewannen im Laufe der Zeit auch die Reise ins Bad und Aufenthalte an den großen italienischen und französischen Universitäten, die gleichfalls zu Orten eines regen gesellschaftlichen Miteinanders wurden, verstärkt an Attraktivität, und für den aufmerksamen Beobachter ist klar auszumachen, wie sich hier verschiedene Spielarten eines Phänomens gleichsam überlagerten : der Kreuzzug als bewaffnete Wallfahrt, die Pilgerfahrt, die Adelsreise und die Kavalierstour stellten nur jeweils einzelne Aspekte des spätmittelalterlichen U nterwegsseins dar. Daß es den edlen Herren auch auf dem Weg ins Heilige Land oder nach Santiago de Compostela meist um weit mehr als ihr Seelenheil ging, wird aus den erhaltenen Reiseberichten deutlich. 4 So erfahren wir etwa, daß die Reisenden an den Stationen ihres Weges einen beachtlichen repräsentativen Aufwand trieben und in diesem Zusammenhang unter anderem ehrenvolle Zeichen ihrer Anwesenheit hinterließen . Für gewöhnlich schlug man in Herbergen, in speziell dafür eingerichteten Ehrenhöfen und selbst an den sakralen Zielorten der Reise sein Wappen an oder hängte entsprechende Tafeln aus Holz bzw. Blätter aus Pappe oder Papier mit Wappen und Namen auf. Wo dies nicht möglich war, ließ man Wappen, Namen und Aufenthaltsdatum an die Wand malen oder nahm zu diesem Zweck selbst Rötel, Kohle oder ein Ritzinstrument zur Hand. Unabhängig von der technischen Ausführung war es wichtig, sich in der Ferne zu verewigen, und zwar an möglichst exponierter Stelle und gut sichtbar für alle nachfolgenden Reisenden damit diese dann entsprechend in der Heimat von den Gedenkmonumenten ihrer Vorgänger berichten konnten . Während von diesen Zeugnissen selbst nur wenige Reste erhalten sind, gewinnen wir aus der schriftlichen Überlieferung ein recht klares Bild von ihrer äußeren Erscheinung und von der Intention, aus der heraus die edlen Reisenden fern der Heimat ehrende Zeichen ihrer Anwesenheit hinterließen. Daß diese ,monumentalen Zeugnisse der spätmittelalterlichen Adelsreise' in der Tat von vielen anderen gesehen und auch im Sinne ehrenvoller Zeichen interpretiert wurden, bezeugen zahlreiche oftmals auch wertende - Er wähnungen in der zeitgenössischen Reiseliteratur. Darüber hinaus finden sich in den Rechnungen der Reisenden Einträge für Steinmetze und Wappenmaler, die man für die Herstellung und für das Anbringen der ehrenden Vgl. zu den Berichten der jeweiligen Reisenden W. PARAVICINI, Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters . Eine analytische Bibliographie. Teil 1: Deutsche Reiseberichte, bearb. v. CHR. HALM (Kieler Werkstücke, Reihe D, 5/ 1) (Frankfurt a.M. 1994) (weitere Bände zu den niederländischen und zu den französischen Reiseberichten sind in Arbeit) . <?page no="123"?> Titelscan.indd 123 Titelscan.indd 123 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Monumentale Zeugnisse 111 Zeugnisse bezahlte. 5 Weiterhin besitzen wir aber auch Texte, die sich kritisch über das von vielen Zeitgenossen als übertrieben empfundene adlige Repräsentationsbedürfnis äußern, welches trotz schärfster Verbote selbst vor Orten wie der Grabeskirche in Jerusalem nicht Halt machte. 6 Wie das Reisen selbst stellte auch die heraldische Repräsentation auf der Reise im ausgehenden Mittelalter ein internationales Phänomen dar, das in seiner vollen Dimension auch nur unter einem gesamteuropäischen Ansatz voll erfaßt werden kann. Aus diesem Blickwinkel heraus liegt es auf der Hand, daß die Reise zum Heiligen Jakob bei einer Untersuchung des adligen Verewigungs- und Repräsentationsverhaltens nicht ausgeklammert werden darf. Gleichzeitig kann die Untersuchung der Zeugnisse, die die spätmittelalterlichen Adligen und Patrizier an den Stationen auf dem Weg nach Santiago und auf die Iberische Halbinsel insgesamt hinterlassen haben und die die ehrenvolle Erinnerung an ihren jeweiligen Aufenthalt wachhalten sollten, dazu beitragen, die Geisteshaltung und das Selbstverständnis dieser edlen Herren auf dem Weg ins nordwestliche Spanien ein wenig näher zu beleuchten. II. Stationen der spätmittelalterlichen Adelsreise auf die Iberische Halbinsel Wie bereits angedeutet, hinterließen die Angehörigen der spätmittelalterlichen Eliten nicht nur auf dem Weg ins Heilige Land und in Zentraleuropa, sondern auch im Westen und im Südwesten Europas ehrenvolle Zeugnisse ihrer Anwesenheit. 7 Obwohl die monumentale Überlieferung der adligen und speziell heraldischen Verewigung für den Westen Europas als vollstän- Vgl. die in einem Repertorium zu Wappen, Inschriften und Graffiti in der schriftlichen Überlieferung zusammengestellten Textzeugnisse bei KRAACK, Monumentale Zeugnisse (wie Anm. 1), S. 390-474 . Vgl. zur ausführlichen Kritik bei Felix Fabri K. D. HASSLER(Hg.), Fratris Felicis Fabri Evagatorium in Terrae Sanctae, Arabiae et Egypti Peregrinationem. 3 Bde. (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart, 2-4) (Stuttgart 1843-1849), speziell Bd . 2, S. 94-97. - Vgl. dazu weiterhin D. KRAACK, Wallfahrt und Reise im Spätmittelalter - Selbstdarstellung von Adel und städtischem Patriziat in Inschriften . In : J. WIESIOtoWSKI,Pielgrzymki w Kulturze Sredniowiecznej Europy [=Pilgerfahrt in der Kultur des spätmittelalterlichen Europa] (Poznanskie Towarzystwo Przyjaci6l NAUK. Sprawozdania Wydzialu NAUK o Sztuce, Nr. 110 [1992]) (Posen 1993), S. 99-107, sowie KRAACK, Monumentale Zeugnisse (wie Anm . 1), speziell Kapitel 111.C.3. Die Kritik Felix Fabris, S. 343-353. Vgl. zu den Pilgerstraßen nach Santiago de Compostela und den Reisen der Europäer auf die Iberische Halbinsel die Beiträge in dem Sammelband Santiago de Compostela. Pilgerwege . Hg. v. P. G . CAUCCIVON SAUCKEN.(Augsburg 1995) (Lizenzausgabe Augsburg 1996), sowie die ausführliche Bibliographie bei K . HERBERS/ R. PLöTZ,Nach Santiago zogen sie. Berichte von Pilgerfahrten ans »Ende der Welt« (München 1996), s. 347-380. <?page no="124"?> Titelscan.indd 124 Titelscan.indd 124 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 112 Detlev Kraack dig verloren gelten muß, datrotz verschiedener Ansätze zu einer systematischen Nachforschung bislang noch keine entsprechenden Zeugnisse dokumentiert werden konnten, 8 lassen sich, wenngleich in einer weitaus geringeren Überlieferungsbreite, ebenso für diesen Bereich und speziell für Santiago de Compostela und das Kap Finisterre Passagen in der spätmittelalterlichen Reiseliteratur finden, die ein entsprechendes Vorgehen bezeugen. Zumindest im 15. Jahrhundert war es auch hier üblich, sein Wappen anzuschlagen und Tafeln mit Namen und Wappen zur Erinnerung an seinen Aufenthalt zu hinterlassen. In dieser Hinsicht ist es schlichtweg nicht zutreffend, wenn im Katalog der großen Genter Santiago-Ausstellung des Jahres 1985 zu Pilgerinschriften des 17. Jahrhunderts in der Kathedrale von Oviedo behauptet wird, das Hinterlassen inschriftlicher Zeugnisse als Ausdruck eines individuellen Verewigungsverhaltens sei mit der Mentalität des mittelalterlichen Menschen nicht zu vereinen. 9 Der ausführliche Katalog zur Santiago-Ausstellung in Gent erwähnt keine vergleichbaren Zeugnisse, sondern lediglich einige in der Kathedrale von Oviedo erhaltene Pilgerinschriften des 17. Jahrhunderts, vgl. Santiago de Compostela . 1000 ans de Pelerinage Europeen [Ausstellungskatalog] (Gent 1985), S. 319 Nr. 278 . - Vgl. zu diesen Zeugnissen auch J. URfARlu, Grafitos de los peregrinos [in der Kathedrale zu Oviedo]. In : L. VAZQUEZDEPARGA/ J . M. LACARRAIJ. URfARIU (Hgg.), Las Peregrinaciones a Santiago de Compostela. 3 Bde. (Madrid 1948-1949), Bd . 2, S. 492-495, und Bd . 3, PI. VII und VIII . - Ein Hinweis auf Pilgerzeichen in Form von (bisher nicht zufriedenstellend gedeuteten) ,Hufeisen' an der Kirche von Pons (Dep. Charente) findet sich bei J . van HERWAARDEN, Santiago de Compostela . Pelgrims door de eeuwen heen (Utrecht 1985), S. 113 (mit Abbildung). - Vgl. zu Zeugnissen im ehemaligen Pilgerhospiz Hostal de San Marco in Le6n J. A. MICHENER, lberia. Reisen und Gedanken (München 1969), und zu aktuellen Bemühungen um die Erfassung und Erforschung der zahlreichen noch undokumentierten Zeugnisse auf den Pilgerwegen nach Santiago "only very few Spanish graffiti findings along the caminos seem to have been published at all", P. LINGENS, Medieval and Post-Medieval Graffiti by pilgrims as sources in pilgrimage research . In: Actas de! Congresso de Estudios Xacobeos (Santiago de Compostela 1995), S. 489-494, S. 492 die Impulse von P.LINGENS, Kurze Einführung und Auswahlbibliographie zu historischen Graffiti vom Mittelalter bis zum Beginn des 20 . Jahrhunderts. In: KulTour . Mitteilungsblatt des Volkskundlichen Seminars der Universität Bonn 3 (1992), Heft 2, S. 45-64, und R . PLöTZ,Forschungsprojekt Datenbank »Pilger-Graffiti«. In: Sternenweg 12 (= 6. Jg., 1993), S. 37. - Vgl. auch HER- BERS/ PLÖTZ, Santiago (wie Anm. 7), S. 112f. Anm. 32, in bezug auf den im Reiseberichte des Leo von Rozmital (1465-1467) erwähnten Anschlag von Wappen in Santiago de Compostela: "Trotz wiederholter Rückfragen bei den mit den Beständen der Kathedrale befaßten Personen innerhalb der letzten 20 Jahre war es nicht möglich, nur eins der ehemals sicherlich zahlreichen Wappenschilde ausfindig zu machen." Santiago de Compostela. 1000 ans de Pelerinage Europeen (1985), S. 319 Nr . 278 : "Cette pratique doit etre consideree comme la particularite propre au pelerin moderne, lequel emporte par son esprit individualiste a voulu laisser une marque de son passage en perpetuant son identite dans la pierre. Ce trait de caractere est inconcevable dans la mentalite de l'homme medieval." - Vgl. kritisch dazu LINGENS, Medieval and Post-Medieval Graffiti (wie Anm . 8), S. 491, und auch PARAVICINI, Heidenfahrt (wie Anm. 2), S. 102: "Manche Vorurteile sind unausrottbar" . <?page no="125"?> Titelscan.indd 125 Titelscan.indd 125 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Monumentale Zeugnisse 113 Zwar haben sich bis heute keine Hinweise auf Zeugnisse gefunden, die den im Heiligen Land dokumentierten ,monumentalen Zeugnissen der spätmittelalterlichen Adelsreise<1° ähnelten, und auch der von Robert Plötz gestartete Aufruf zur Sammlung von Pilgergraffiti auf den Wegen nach Santiago (vgl. Anm. 8) hat zumindest bis Herbst 1996 noch keine Nachrichten über entsprechende Zeugnisse zutage gefördert, doch sind ähnlich wie an anderen Wallfahrtszentren der Christenheit auch in Santiago de Compostela selbst die Wände und Säulen von Kathedralen, Klöstern und Kreuzgängen dicht von Graffiti bedeckt. Das gilt insbesondere für das prachtvolle Triumphportal, den P6rtico de la Gloria, und für die zentrale Kapelle mit der Statue des Heiligen Jakob, aber auch für die Fassade des heutigen Kathedral- Museums an der Plaza de! Obradoiro. 11 Insofern sollte die Hoffnung, auf bislang nicht als solche identifizierte Zeugnisse von edlen Reisenden des ausgehenden Mittelalters zu stoßen, nicht von vornherein aufgegeben werden. Die zeitgenössischen Reiseberichte legen es nahe, die Wallfahrten nach Santiago de Compostela nicht als isoliertes Phänomen zu betrachten. Vielmehr bezeugen sie, daß das Grab des Heiligen Jakob beileibe nicht den einzigen Anreiz zur Reise auf die Iberische Halbinsel darstellte. Seitdem man dort im Rahmen der Reconquista vom 11. Jahrhundert an damit begonnen hatte, den Machtbereich der christlichen Königreiche nach und nach weiter in Richtung Süden auszudehnen und die Mauren zurückzudrängen, kam es an den Höfen von Navarra, Arag6n, Kastilien und nicht zuletzt Portugal zu einer prachtvollen Entfaltung ritterlich-höfischen Lebens, das im 14. und 15. Jahrhundert einen ersten Höhepunkt erreichte und das den Vergleich mit den höfischen Zentren Frankreichs, Englands und des niederländisch-burgundischen Raumes durchaus nicht zu scheuen brauchte. Hier, im äußersten Südwesten Europas, bot sich nach dem Verlust des Heiligen Landes 1291 abgesehen vom Kriegszug ins Preußenland und von vereinzelten Aktionen auf dem Balkan und im Bereich des östlichen Mittelmeeres zumindest bis zum Fall von Granada 1492 für junge europäische Adlige eine weitere Möglichkeit zu Kreuzzug und Heidenkampf. Hier konnte man wie zum Beispiel Georg von Ehingen in den 50er Jahren des 15. Jahrhunderts in einem zum Teil exotischen Ambiente seine Reise nach der Ritterschaft durch den heldenhaften Einsatz im Kampf gegen die Mauren vor den Mauern des nordafrikanischen Ceuta krönen oder Mitglied in den Hoforden der iberischen 10 Vgl. zu verschiedenen gemalten, geritzten oder gemeißelten Zeugnissen mit Wappen, Heimzierden, Namen, Aufenthaltsdaten und Ritterordenszeichen die Beispiele im Anhang (Abb . 1--4). 11 Vgl. LINGENS, Medieval and Post-Medieval Graffiti (wie Anm. 8), S. 492 und speziell Anm . 7. Lingens erwähnt weiterhin ein kupfernes Prozessionskreuz, auf dem die Pilger sich mit ihren Namen verewigten (S. 493, dort in Orientierung an A . L6PEZ FERR- EIRO,Historia de la Santa A. M . Iglesia de Santiago de Compostela. 11 Bde . (Santiago de Compostela 1898-1911), Bd . 3 [1900], S. 136f. <?page no="126"?> Titelscan.indd 126 Titelscan.indd 126 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 114 Detlev Kraack Königreiche werden.12Oft führte der Weg der Adligen in Form einer Rundreise die bisweilen sogar mit der Reise ins Heilige Land kombiniert wurde bzw. diese fortsetzte nicht nur auf die Iberische Halbinsel, sondern erstreckte sich ebenso auf die ritterlich-höfischen Zentren im Königreich Frankreich, in der Bretagne und der Provence, und häufig wurde dieser Kreis der westeuropäischen höfischen Kultur durch Besuche an den Höfen der Könige von England und Schottland abgerundet und gleichsam geschlossen. Auch hier erkennen wir wie in etwas anderer Weise für den Weg ins Heilige Landbisweilen eine Art von Programm, das jedoch individuell gestaltet und variiert werden konnte . Charakteristisch für die Auswahl der aufgesuchten Orte ist dabei gerade das Nebeneinander von höfischen Zentren weltlicher Prachtentfaltung und exponierten Wallfahrtszielen der Christenheit. In dieser Tatsache wird das sehr komplexe Selbstverständnis der adligen Reisenden deutlich, die sich als Träger einer Ritterwürde im umfassenden Sinne verstanden . Während uns diese Kombination so gänzlich unterschiedlicher Elemente bisweilen widersprüchlich erscheint, stellte es für die damaligen Zeitgenossen geradezu das idealisierte Abbild einer höheren Wirklichkeit dar, wenn ein Edelmann zunächst im Dienst eines christlichen Herrschers mit dem Segen der Kirche gegen die Mauren kämpfte, sich danach in ritterlich-höfischem Ambiente im Glanz weltlicher Herrlichkeit gefiel und kurze Zeit später in stiller Andacht vor dem Grab des Apostels Jakob kniete. Doch waren es offensichtlich durchaus nicht nur fromme Wünsche und Gebete, die man den Heiligen darbrachte. So berichtet Nikolaus von Popplau im Jahre 1483, er habe, wie es wohl damals bei mittel- und westeuropäischen Edelleuten gemeinhin üblich war, in der Kirchen zu Civilien <= der Kathedrale zu Sevilla> Waffen <= Wappen> und Schild und Helm aufgehängt. Neben dieser als solcher bemerkenswerten Information, die belegt, wie eng die sakrale und die profane Sphäre miteinander in Verbindung standen, ist für uns insbesondere die bei Popplau beschriebene Reaktion der spanischen Edelleute von Interesse, denen der Popplau aus heimatlichen Ge- 12 Vgl. zu den Abenteuern Georg von Ehingens G. EHRMANN(Hg .), Georg von Ehingen, Reisen nach der Ritterschaft. 2 Bde. Göppingen 1979. - Vgl. weiterhin PARAVICINI, Deutsche Reiseberichte (wie Anm . 4), S. 125f. Nr . 50, und S. 127-133 Nr. 52, sowie HERBERSIPLöTZ, Santiago (wie Anm. 7), S. 91-98 . - Vgl. zur gewichtigen Rolle der iberischen Königreiche in der stets internationalen ritterlich-höfischen Welt des Spätmittelalters mit zahlreichen Verweisen auf weiterführende Literatur W. PARAVICINI, Fürschriften und Testimonia. Der Dokumentationskreislauf der spätmittelalterlichen Adelsreise am Beispiel des kastilischen Ritters Alfonso Mudarra (1411-1412). In : Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen , hg. v. J. HELMRATHund H. MüLLERinZusammenarbeitmit H. WüLFF. 2 Bde. (München 1994), Bd. 2, S. 903- 926. - Ebenso wie europäische Adlige die Iberische Halbinsel besuchten, waren kastilische und aragonesische Edelleute bisweilen als regelrechte ,Turnierchampions' in der gesamten christlichen Ökumene unterwegs und schlossen sich dem internationalen Rittertum auf der ,Jagd nach Ehre' an (S. 910f.). <?page no="127"?> Titelscan.indd 127 Titelscan.indd 127 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Monumentale Zeugnisse 115 filden vertraute Umgang mit den Symbolen adliger Repräsentation offenbar nicht geläufig war . Sie mißdeuteten die Krone auf dem Helm des Breslauer Patriziers als Zeichen königlicher oder zumindest fürstlicher Würde, für Nikolaus von Popplau ein Indiz dafür, daß sie gar nicht verstunden, was zum Adel gehöret. 13 In der Kathedrale und ehemaligen Moschee von C6rdoba (dieselbige Kirche haben die Saracein oder Heyden erbauet) sah er dann nach eigenen Angaben die Wappenschilde zahlreicher Adliger ganz unterschiedlicher landsmannschaftlicher Herkunft (Darinnen hengen mehr als dreyhundert Wapfen, als Schild und Helm der Teutschen, Böheimben, Pohlen.). 14 Es ist nicht genau zu sagen, wessen Wappen Nikolaus von Popplau in C6'rdoba beobachtete, doch könnte es sich dabei möglicherweise um Gedenkmonumente einer Gruppe von Adligen gehandelt haben, die im Jahre 1430 im Gefolge Graf Ulrichs III. von Cilli aus Kärnten auf die Iberische Halbinsel gereist waren und dort an den Kämpfen der Reconquista teilgenommen hatten.15 Ohne daß Popplaus Bericht für die Identifizierung der offenbar zum Zwecke der ehrenvollen Erinnerung angebrachten Wappen auch nur irgendwelche weiteren Anhaltspunkte böte, ist es vorstellbar, daß parallel zu anderen Orten und nicht zuletzt in der vermeintlichen Tradition Gottfrieds von Bouillon, der nach seinem Einzug in Jerusalem die Grabeskirche zum Zeichen des Sieges mit seinem und seiner Ritter Wappen geschmückt haben soll, auch hier eine Dokumentation des Triumphes der christlichen Ritter gerade an der für die Christenheit zurückgewonnenen Stätte vorgenommen wurde . Daß diese bei Popplau beschriebene Repräsentation ritterlicher Lebensweise durch heraldische Mittel nicht auf die exponierten Stätten der Reconquista beschränkt war, zeigen dann gut zehn Jahre später die Beobachtungen Hieronymus Münzers, der in den Jahren 1494-1495 die Iberische Halbinsel bereiste . Er besuchte in Granada, das sich als letzte Bastion der Mauren erst 1492 der vereinigten kastilisch-aragonesischen Königsmacht ergeben hatte, 13 Vgl. A. & W. PARAVICINI (Hgg.), Reysse-Beschreibung Niclas von Popplau, Ritters, gebürtig von Breßlau (1483) (vorläufige Abschrift nach der Breslau er Handschrift des 18. Jahrhunderts) (in Vorbereitung), im Abschnitt über Sevilla (S. 90f.). Vgl. zu Popplau weiterhin PARAVICINI, Deutsche Reiseberichte (wie Anm . 2), S. 220-223, Nr . 89. - Popplaus Bemerkung entspricht durchaus seinem eher negativen Bild von den spanischen Adligen, unter denen es nur wenige gegeben habe, die ehrliebend und recht ehrkundig gewesen seien. 14 Vgl. PARAVICINI, Popplau (wie Anm. 13), im Abschnitt über C6rdoba (S. 98f.). - Von dem bei Popplau erwähnten reichen heraldischen Schmuck in der Kathedrale von Sevilla und der ehemaligen Moschee von C6rdoba haben sich nicht die geringsten Spuren erhalten . 15 Vgl. dazu K. HÄBLER(Hg.), Das Wallfahrtsbuch des Hermannus Künig von Vach und die Pilgerreisen der Deutschen nach Santiago de Compostela (Straßburg 1899), S. 43ff. - Dort werden Beispiele aus den in spanischen Archiven lagernden Überlieferungen von diesem Kriegszug wiedergegeben und auch die Namen einiger Beteiligter genannt. <?page no="128"?> Titelscan.indd 128 Titelscan.indd 128 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 116 Detlev Kraack einen Ort, den er als Gefängnis (carcer malefactorum) bezeichnet und der wohl ehemals den Genuesern als Handelshaus gedient hatte ( olim erat fonticus et domus ]anuensium). Dort stieß er auf zahlreiche ,Zeichen' wohl (Wappen-)Schilde von Deutschen (multa alamanorum insignia in parietibus vidi). 16 Der Zusammenhang, in dem die Zeugnisse erwähnt werden, legt nahe, daß es sich um Relikte aus einer Zeit handelte, in der das Gebäude den Kaufleuten aus Genua (und offenbar auch aus Oberdeutschland oder zumindest Nürnberg) als Handelsniederlassung diente. Auf jeden Fall waren die inschriftlichen Zeugnisse zu dem Zeitpunkt, als Münzer in Granada weilte, schon so weit zerstört (vetustate temporis obumbrata), daß der Mann aus Nürnberg selbst nur berichten konnte, was man ihm vor Ort über sie erzählt haben mag. Unabhängig von der Überlieferungslage und dem damaligen Erhaltungszustand der Monumente scheint Münzer dort neben Wappen, die auf die Familie Mendel und auf Genua verwiesen, auch Spuren von Landsleuten aus seiner Heimatstadt Nürnberg gefunden zu haben. Schließlich konnten die edlen Reisenden nicht nur auf der Iberischen Halbinsel selbst, sondern auch auf dem Weg dorthin auf inschriftliche Zeugnisse ihrer Vorgänger stoßen. Formen dieser heraldischen Repräsentation auf der Reise sind uns auch von anderen Stationen der adligen Westeuropareise überliefert. So berichtet der böhmische Edle Leo von Rozmital, der in den Jahren 1465-1467 die Höfe der westeuropäischen Großen besuchte, in der Stadt Tours hätten Adlige aus Böhmen jr wappen aufgeschlagen. Diese seien jedoch aus landsmannschaftlichen Ressentiments heraus von den Dienern der damaligen Stadtherrin 17 zerrissen und mit Unrat besudelt worden (gieng die sag, sie hett bestellt, das man 's all zurissen und mit kat verkleibt het). 18 Gerade in der von Rozmital verwendeten Terminologie erkennen wir 16 Vgl. F. KUNSTMANN (Hg.), Hieronymus Müntzer's Bericht über die Entdeckung der Guinea mit einleitender Erklärung von Dr. Friedrich Kunstmann. In: Abhhandlungen der Historischen Classe der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften 7 / 2 (1855), S. 290-362, speziell S. 298 (Friedrich Kunstmann interpretiert in seinem Kommentar zu der Stelle: "In Granada fanden sie <= Münzer und seine Reisegefährten> Schilde von deutschen Kaufleuten in dem ehemaligen Kaufhause der Genueser."). - Vgl. zu Münzers »Itinerarium sive peregrinatio per Hispaniam, Franciam et Alemaniam a. 1494facta auch die spanische Version von R. ALBA(Hg.), Jer6mino Münzer, viaje por Espaiia y Portugal (Madrid 1991), sowie weiterhin PARAVICINI, Deutsche Reiseberichte (wie Anm. 4), S. 261-265 Nr. 106, und speziell zu Münzers Bericht über seinen Aufenthalt in Santiago HERBERSIPLöTZ, Santiago (wie Anm. 7), S. 135-150, mit Abb. des von Münzer seinem Bericht beigegebenen Grundrisses der Kathedrale von Santiago (Ymago EcclesieS. Jacobi), S. 145. - Hinweise auf heraldische Zeugnisse, wie sie einige Jahrzehnte zuvor bei Ilsung, Rozmital und Rieter beschrieben wurden (vgl. weiter unten), finden sich weder in Münzers Bericht noch in der Zeichnung. 17 Bei ihr handelte es sich um die Tochter König Karls VII. von Frankreich, die nach dem Tod des ihr zum Gatten versprochenen böhmischen Königs Ladislaus Postumus im Jahre 1457den Grafen von Foix geheiratet hatte. 18 Vgl. L. A. ScttMELLER(Hg.), Des böhmischen Herrn Leo's von Rozmital Ritter, Hof- und Pilgerreise durch die Abendlande 1465-1467, beschrieben von zweien seiner Beglei- <?page no="129"?> Titelscan.indd 129 Titelscan.indd 129 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Monumentale Zeugnisse 117 einen unmißverständlichen Hinweis darauf, daß es sich zumindest in diesem Fall bei den Trägern der Inschriften mit heraldischen Zeichen keinesfalls nur um Holzschilde, sondern vielmehr um Pergamentwappen handelte. Das kommt in ganz ähnlicher Weise auch in dem Abschnitt von Sebald Rieters Reisebericht zum Ausdruck, in dem beschrieben wird, wie der Nürnberger und seine Begleiter im Jahre 1462 ihre Wappen auf pirgamen gemalt in der Kathedrale zu Santiago de Compostela anbringen ließen. Auch dort ist in bezug auf das Befestigen der heraldischen Zeugnisse trotz der ausdrücklich erwähnten Pergamentwappen-vom ,Wappen-Anschlagen' die Rede, was in diesem Zusammenhang offenbar als Terminus technicus diente. Knapp drei Jahrzehnte später besuchte der schon genannte Breslauer Patrizier Nikolaus von Popplau auf dem Rückweg aus Santiago de Compostela den Mont St-Michel in der Normandie. Dort gab es offenbar einen Ort, an dem Schwert und Schild der adligen Besucher des Klosters regelrecht geopffert wurden. In einer feierlichen Zeremonie wurden die Waffen dem Heiligen Michael geweiht und in die Kirchen gegeben. So kam es wohl, daß sich hier über die Jahre die Wappenschilde der edlen Herren ansammelten, die diese heilige Stätte besucht hatten, ähnlich wie an anderen Orten Wappentafeln bzw . Namens- und Wappenritzungen. Jedenfalls berichtet Nikolaus von Popplau, auf dem Mont St-Michel die Wappen zahlreicher Edler gesehen zu haben, darunter das des Hertzogen oder Grafen Heinrichs von Wirtenberg, eines Ritters Trugsesaus Pommern, des Techants von Basel und eines Edelmanns Merschbach genandt. 19 III. Monumentale Zeugnisse der spätmittelalterlichen Adelsreise in Santiago de Compostela und am Kap Finisterre Da die monumentalen Zeugnisse, die spätmittelalterliche Adlige an den Stationen ihrer Reisen auf die Iberische Halbinsel und nach Santiago de Compostela hinterließen, als verloren angesehen werden müssen bzw. noch ihrer Entdeckung und Identifizierung harren, sind wir bei der Rekonstruktion und Interpretation der sich dahinter verbergenden adligen Repräsentations- und Verewigungsgewohnheiten einzig auf die Interpretation der schriftlichen Überlieferung angewiesen . Über den Wappenanschlag und die heraldische Verewigung am Zielort der westeuropäischen Pilgerstraße in Santiago de Compostela und in der kleinen Kapelle am Kap Finisterre, dem westlichsten Punkt der Iberischen Halbinsel, besitzen wir schriftliche Nachrichten ter (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart, 7) (Stuttgart 1844). - Vgl. weiterhin PARAVI CINI,Deut sche Reiseberichte (wie Anm . 4), S. 153-157 Nr . 63, und HE R- BERSIPLöTZ, Santiago (wie Anm. 7), S. 99-128. 19 Vgl. PARAVI CINI, Popplau (wie Anm. 13), im Abschnitt über den Mont St-Michel (S. 132ff.). <?page no="130"?> Titelscan.indd 130 Titelscan.indd 130 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 118 Detlev Kraack aus den Federn verschiedener Reisender des 15. Jahrhunderts. So berichten jeweils unabhängig voneinander Sebastian Ilsung (1446), Sebald Rieter (1462) und Leo von Rozmital (1465-1467) von einem solchen Vorgehen bzw. von entsprechenden Beobachtungen . Zunächst erfahren wir im Reisebericht des Augsburger Patriziers Sebastian Ilsung, daß er sowohl in der Kapelle am Kap Finisterre als auch in der Kathedrale zu Santiago de Compostela sein Wappen angeschlagen habe. 20 Zusätzlich wird von dem Augsburger Patrizier vermerkt, in der Kathedrale von Santiago de Compostela hätten sich noch zahlreiche Wappen anderer Reisender befunden: Dar nach <= nach dem Besuch am Kap Finisterre> zach ich hein wider gen sant Jacob und nam urlab und schluog mein wappen uf in die kirchen, da stand ir vif . Und zuo dem Finster Sterenn, da schluog ich ach <auch> mein wappen uf in der kappell. 21 Diese Beobachtung finden wir in der Beschreibung des Leo von Rozmital bestätigt, der zwanzig Jahre nach Ilsung ebenfalls herren und landfarer wappen in einer Kapelle in der Kathedrale des Heiligen Jakob gesehen hatte und dort sein und seiner Begleiter Wappen hinterließ: Also kamen wir für sant Jacobs altar, do feit er leibhaftich innen. Darnach furt man uns in ein klein cappellen ein stiegen auf Do weistet man uns sant Jacobs haupt des kleinem und ein stuck vom heiligen creutz und darinnen von der dornen kron und anders vif grosswirdigs heiltums . In der capellen hangen der herren und landfarer wappen des merer teil. Do liess mein herr mit seinen erbern gesellen sein wappen auch. 22 Auf einen übergeordneten zeremoniellen Zusammenhang verweist eine andere Stelle im Reisebericht des Augsburgers Sebastian Ilsung . Dort erfahren wir, wie dieser während einer Empfangszeremonie beim Erzbischof von Santiago de Compostela auf einen mit heraldischen Zeichen geschmückten Teppich aufmerksam gemacht wurde (da waren der kurfirste[ n J wappen darein gewirck[t}) . 23 Neben dem Aufhängen von Wappenschilden und dem Hinterlassen von Inschriften und Graffiti scheint eine solch kostbare, mit 20 Die bei Ilsung erwähnte Verewigung an mehreren Orten hintereinander eröffnete nachfolgenden Reisenden die Möglichkeit, das Itinerar des Augsburger Patriziers allein anhand der von ihm hinterlassenen monumentalen Zeugnisse zu rekonstruieren, wie es in ganz ähnlicher Weise auch in bezug auf die Erinnerungszeugnisse verschiedener spätmittelalterlicher Orientreisender zu beobachten ist, vgl. z.B. zu den Inschriften, die Detlev Schinkel im Jahre 1436 im Katharinenkloster auf dem Sinai und im Antoniuskloster in der ägyptischen Wüste hinterließ, im Anhang Abb . 3. 21 Vgl. V. H0NEMANN(Hg.), Sebastian Ilsung als Spanienreisender und Jakobspilger . In : K. HERBERS, Deutsche Jakobspilger und ihre Berichte Oakobus-Studien 1) (Tübingen 1988), S. 61-95, Textedition (mit Abb .) S. 81-95, speziell S. 94 / XVIII, Z . 1-3. - Vgl. weiterhin PARAVICINI, Deutsche Reiseberichte (wie Anm. 4), S. l00ff . Nr. 36, und HER- BERs/ PLöTZ, Santiago (wie Anm. 7), S. 78-90, speziell S. 89. 22 Vgl. ScttMELLER, Leo von Rozmital (wie Anm. 18), S. 176, und auch HERBERs/ PLöTZ, Santiago (wie Anm . 7), S. 112. 23 Vgl. HONEMANN, Sebastian Ilsung (wie Anm. 21), S. 91 / XV, Z. 5-9, sowie HERBERS/ PLöTZ,Santiago (wie Anm. 7), S. 87. <?page no="131"?> Titelscan.indd 131 Titelscan.indd 131 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Monumentale Zeugnisse 119 Wappenschmuck verzierte Weihgabe für adlige Große eine weitere Möglichkeit gewesen zu sein, ihrer Anwesenheit am Grab des Apostels Jakob durch heraldische Repräsentation über den Augenblick hinaus Dauer zu verleihen. Ähnliches ist auch für den Bereich des Heiligen Landes überliefert. Man denke nur an die kostbaren Gobelins, die Herzog Philipp der Gute von Burgund für das Zionskloster zu Jerusalem gestiftet hatte und die von den Reisenden und Pilgern in ihren Berichten voller Hochachtung erwähnt werden. Schließlich ließ auch Sebald Rieter, der im Jahre 1462 gemeinsam mit seinem Schwager Axel von Liechtenstein nach Santiago reiste, sein Wappen in der Kathedrale von Santiago anschlagen: ... und Herr Axel und ich mit sampt unsern erbern gesellen schlugen unser wappen auff in dem kore, alss die erbarn pilgram pflegen zu thon, doch in einer guten meinung, unsern nachkommen andacht zu heiligen stätten zu haben, und die gehrn zusuchen. Darüber hinaus berichtet er aber auch noch von einer Variante dieser Art der Verewigung: Offenbar hatten vor ihm schon eine ganze Reihe anderer Mitglieder der bedeutenden Nürnberger Familie Rieter diesen Ort besucht und dort unter anderem auch ein grossgemeldt in der kirchen am kore herstellen lassen. 24 Diese Erinnerungstafel stammte aus dem Jahre 1428 und war von Peter Rieter, dem Vater Sebald Rieters, angebracht worden . Da das (Kunst-) Werk aber im Laufe der Zeit beschädigt worden war, ließ Sebald Rieter es erneuern (dass hab ich verneuen lassen) und auf dem offenbar gemalten Tafelbild einige gerade für die Frage nach dem Selbstverständnis der edlen Reisenden sehr wichtige - Details hinzufügen. Er berichtet von einem Kruzifix, der Figur des Heiligen Jakob und figürlichen Darstellungen seiner selbst, seiner Eltern und weiterer Familienmitglieder, so daß wir davon ausgehen können, daß dieses Gemälde große Ähnlichkeit mit den Gruppenportraits der niederländischen J erusalembruderschaften eines Jan van Scorel aus dem frühen 16. Jahrhundert 25 und mit den für das 16. und das 17. Jahrhundert so typischen Familienepitaphien gehabt hat. Dabei sind im Hinblick auf unseren Untersuchungsgegenstand verschiedene Punkte hervorzuheben: Zum einen wurden Personen dargestellt, die den weiten Weg nach Santiago mit großer Wahrscheinlichkeit nicht selbst zurückgelegt hatten. 26 Dies gilt 24 Vgl. R . RöHRICHT/ H. MEISNER(Hgg .): Das Reisebuch der Familie Rieter (Tübingen 1884), S. 12f., sowie PARAVICINI, Deutsche Reiseberichte (wie Anm. 4), S. 143f. Nr . 58, und HERBERs/ PLöTZ, Santiago (wie Anm. 7), S. 68-77, speziell S. 75. 25 Vgl. W. SCHNEIDER, Peregrinatio Hierosolymitana . Studien zum spätmittela! terlichen Jerusalembrauchtum und zu den aus der Heiligenfahrt hervorgegangenen nordwesteuropäischen Jerus alembruderschaften (Münster 1982) (mit Abb .). 26 Ähnliches klingt, wenn auch an einem anderen Ort und etwa 150 Jahre später, in den Worten von Pietro della Valle an, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts in den Orient reiste und anläßlich seiner Besteigung der Cheops-Pyramide berichtet: Zu alleroberst / an der Seiten gegen Italien zu/ wollte ich meinen/ wie auch noch einer Person/ die mir lieb ist/ ihren Nahmen eingegraben hinterlassen, P. della VALLE, Petri della Valle, Eines vornehmen Römischen Patricii Reiß-Beschreibung in unterschidliche Theile der Welt (Genf 1674), S. 102. <?page no="132"?> Titelscan.indd 132 Titelscan.indd 132 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 120 Detlev Kraack speziell für die Mutter und die Frau Sebald Rieters (meiner mutter und mein hausfraue)27, die aber als Mitglieder der Familie automatisch in das kollektive Gedenken einbezogen wurden, das durch die figürliche Darstellung in der schützenden Gegenwart des Heiligen seinen materiellen Ausdruck fand. Zum zweiten ist es gerade diese Form der Darstellung, die einen Unterschied gegenüber den sonst in der adligen Repräsentation benutzten heraldischen Ausdrucksformen bedeutet. Hier ist es nicht mehr das Wappen als heraldisches Symbol und als abstrahiertes Familien- und Herrschaftszeichen, hier sahen nachfolgende Reisende die einzelnen Personen zwar als Mitglieder der Familie, aber dennoch vor allem als Individuen-förmlich selbst vor dem Heiligen knien. Schließlich verzichteten die Nürnberger Patrizier aus der Gruppe um Sebald Rieter und Axel von Liechtenstein aber nicht darauf, obendrein auch ihre eigenen Wappen auf pirgamen gemalt daruber anzubringen. Offenbar ließen all diejenigen, die selbst am Grab des Apostels geweilt hatten (die dann auch aldo sein gewest), ihre Wappen anschlagen, während man auf dem Bild der Familie auch die daheim gebliebenen Mitglieder in die Darstellung einbezog. Somit können wir in dem Bericht Sebald Rieters zwei grundlegend verschiedene Formen der Repräsentation erkennen, die sich in Symbolgehalt und Aussage maßgeblich unterscheiden, die von den damaligen Zeitgenossen aber ohne Bedenken unmittelbar nebeneinander benutzt wurden. IV. Ergebnisse und Perspektiven Versucht man, aus den wenigen und recht verstreuten Hinweisen in den Reiseberichten der Jakobs-Wallfahrt auf die monumentalen Erinnerungszeugnisse der spätmittelalterlichen Adligen selbst zu schließen, so bietet sich die Möglichkeit, die eingangs skizzierten Ergebnisse aus der Untersuchung der im Heiligen Land und auf dem Sinai erhaltenen Zeugnisse auf Westeuropa und auf die Stationen des Weges nach Santiago de Compostela zu übertragen. Sowohl die in der schriftlichen Überlieferung faßbaren Anschläge von Wappen und die Beobachtung heraldischer Zier als auch der Einsatz ganz unterschiedlicher Formen der heraldischen Repräsentation deuten darauf hin, daß wir für beide Bereiche sehr ähnliche Verewigungsstrategien voraussetzen dürfen. Ähnlich wie in der Grabeskirche zu Jerusalem, in der Geburtskirche zu Bethlehem, im Katharinenkloster auf dem Sinai und selbst im 27 Zwar wissen wir, daß im ausgehenden Mittelalter auch zahlreiche Frauen Wallfahrten unternahmen, wie nicht zuletzt das Beispiel der Margery Kempe belegt, vgl. HERBERS/ PLöTZ, Santiago (wie Anm. 7), S. 50-54 . Dennoch stellen sie unter denjenigen, die einen Bericht von ihrer Reise verfaßten, eine verschwindend kleine Minderheit dar, so daß wir über ihren Reisealltag und ihre Erlebnisse kaum etwas wissen. In Rieters Bericht finden sich keinerlei Hinweise darauf, daß er gemeinsam mit seiner Frau unterwegs war . <?page no="133"?> Titelscan.indd 133 Titelscan.indd 133 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Monumentale Zeugnisse 121 Kloster des Heiligen Antonius in der ägyptischen Wüste hinterließen die fahrenden Adligen auch an den Stationen ihres Weges nach Santiago de Compostela Wappen, Namen und andere Zeichen der ehrenvollen Erinnerung an ihren Aufenthalt in der Feme. Daß wir über letztere nur so unzureichend informiert sind, stellt sich somit lediglich als ein Ergebnis der wesentlich schlechteren Überlieferung dar. Wie der Umgang mit Graffiti, mit epigraphischem Material ingesamt und vor allem mit den für andere Bereiche durchaus erhaltenen monumentalen Zeugnissen der spätmittelalterlichen Adelsreise zeigt, kann ein Graffiti, eine Inschrift oder eine einzelne Ritzzeichnung nur eingebettet in eine breitere Überlieferung oder zumindest im Zusammenhang mit einer an Idealtypen orientierten Rekonstruktion von Verhaltensweisen oder verlorenen Überlieferungshorizonten gewinnbringend zur Interpretation herangezogen werden . Deshalb wird es vor allem sehr wichtig sein, die erreichbaren erhaltenen, aber ständig vom Überlieferungsverlust bedrohten derartigen Zeugnisse zu dokumentieren und damit zunächst einmal den vorliegenden Befund zu sichern. Aus einer solchen Sichtung des Erhaltenen wird man dann auch besser ermessen können, ob der bereits mehrfach beklagte Totalverlust an Überlieferung für den Bereich der Jakobswallfahrt ein realer oder ein lediglich virtueller Verlust ist. Nachdem man von entsprechenden Zeugnissen im Katharinenkloster auf dem Sinai, in Jerusalem und in Bethlehem lange Zeit angenommen hatte, es würde sich um die traurigen Reste einer ebenfalls verlorenen, ehemals so reichen und in den schriftlichen Quellen noch als solcher faßbaren Überlieferung handeln, haben intensive Nachforschungen für diesen Bereich doch eine ganze Reihe bisher unbekannter oder zumindest nicht als solcher gedeuteter monumentaler Zeugnisse der spätmittelalterlichen Adelsreise zutage gefördert. Ähnliche Neufunde sind auch für die Stationen des Weges nach Santiago de Compostela durchaus möglich, und so kann man nur hoffen, daß die von Peter Lingens und Robert Plötz gestarteten Aufrufe, den gemeißelten, geritzten und sicher bisweilen auch nur gemalten oder gezeichneten Erinnerungsmonumenten an einen ehrenvollen Aufenthalt zukünftig mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden (vgl. Anm. 8), ein entsprechendes Echo finden werden. V. Anhang Während für die Stationen ins Heilige Land und auf den Sinai alle Papier-, Papp- und Holzschilde sowie sämtliche Wappentafeln und jeglicher ephemerer heraldischer Zierrat verloren sind, konnten aus diesem Bereich zahlreiche auf Wände und Säulen gemalte bzw. in Stein geritzte und gekratzte Zeugnisse dokumentiert werden . Sie stammen aus eben jener Zeit, für die die schriftlichen Quellen die Existenz ähnlicher Zeugnisse auch in der Kathedrale von Santiago de Compostela und in der Kapelle am Kap Finisterre be- <?page no="134"?> Titelscan.indd 134 Titelscan.indd 134 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 122 Detlev Kraack Abb. 1: Die Abb. gibt eine kolorierte Ritzinschrift aus dem alten Refektorium des Katharinenklosters auf dem Sinaiwieder, vgl. KRAACK (wie Anm. 1), S. 230ff. mit Abb. 138 (Inschrift Kl 11). Die im Jahre 1414 entstandene Inschrift zeigt den Namen und das Wappen (Wappenschild: gespalten von Silber und Rot; rechts [heraldisch rechts bedeutet umgangssprachlich links, da immer von demjenigen aus beschrieben wird, der das Wappen führt] übereinander drei rote, golden besamte Rosen, links sechsmal silberrot geteilt, Wappen ca. 17 x 15 cm; Heimzier : über Turnierhelm mit roter Helmdecke rotbekleidete Teufelsfigur mit schwarzem Bart und Haar sowie großen Eselsohren) des fränkischen Adligen Karl von Hessberg (karll vo[n] hespurg) sowie mehrere Ritterordenszeichen und gibt zusätzlich das Jahr des Aufenthaltes an (xiiij< xiiij). Abb. 2: Die Abb. gibt eine mehrfarbige gemalte Inschrift wieder, die sich in ca. 2 m Höhe auf einer der Säulen in der Geburtskirche zu Bethlehem befindet, vgl. KRAACK (wie Anm . 1), S. 140 mit Abb . 29 (Inschrift B7). Die bislang noch nicht individuell zugewiesene Inschrift des späten 14. oder frühen 15. Jahrhunderts zeigt einen an der Oberkante glatten, bekrönten Topfhelm mit heller Helmdecke und darüber zwischen einem Flug einen weißen Schwan mit rotem Schnabel (Höhe der Inschrift insgesamt ca. 70 cm). <?page no="135"?> Titelscan.indd 135 Titelscan.indd 135 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Monumentale Zeugnisse 123 Abb. 3: Die Abb. gibt eine Ritzinschrift aus dem Narthex der Hauptkirche des Antoniusklosters in der ägyptischen Wüste wieder, vgl. KRAACK (wie Anm. 1), S. 261f. Abb. 153 (Inschrift A3). Die im Jahre 1436 entstandene Inschrift zeigt den Namen und das Wappen (in Schwarz goldnes Dreiblatt mit rotem Zentrum; Wappen ca. 8 cm X 6,5 cm) des holsteinischen Adligen Detlev·Schinkel (deitl[of] skinke[) sowie mehrere Ritterordenszeichen (das Rad der Heiligen Katharina und darunter den Schwertorden des Königs von Zypern) und gibt zusätzlich das Jahr des Aufenthaltes an (m 0 ccccxxxvi). - Die beigegebenen Ritterordenszeichen und eine vergleichbare Inschrift mit dem Namen und dem Wappen Detlev Schinkels im Katharinenkloster auf dem Sinai erlaubten es nachfolgenden Reisenden, das Itinerar des holsteinischen Ritters recht genau zu rekonstruieren. legen. Die vier in unterschiedlicher Technik ausgeführten und durch eine jeweils ganz charakteristische Ikonographie gekennzeichneten Inschriften belegen den Facettenreichtum dieser Monumente der Erinnerung und sollen einen Eindruck davon vermitteln, auf welche Zeugnisse spätmittelalterliche Reisende auch an den Stationen auf dem Weg in den äußersten Nordwesten der Iberischen Halbinsel stoßen konnten. <?page no="136"?> Titelscan.indd 136 Titelscan.indd 136 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 124 Detlev Kraack Abb. 4: Die Abb. gibt eine mit Kohle an die Wand gezeichnete Inschrift des 15. Jahrhunderts aus dem Eingangsbereich des San Michele Heiligtums auf dem Monte Gargano wieder, vgl. KRAACK (wie Anm. 1), S. 282 mit Abb . 163. Die Inschrift zeigt ein Drei-Hörner-Wappen und den Namen]acobus wyde de maguntia (Höhe ca. 25 cm). Resumen: En los tiempos de! medioevo tardfo, el viajar era uno de los medios por los cuales la nobleza y los patricios podfan ganar meritos y honor. Por ser el honor uno de los valores sociales mas fundamentales, su busqueda represent6 una permanente motivaci6n segun Ia devisa : tanto mas largo el viaje, tanto mejor . Los principales destinos de tales viajes coincidieron con las metas de las peregrinaciones cristianas mas famosas: La Tierra Santa con Jerusalen, el monasterio de Santa Catalina en el Sinaf, Santiago de Compostela y Roma . Sin embargo, lo s viajes de lo s caballeros no se limitaron exclusivamente a estos sitios religiosos. En el camino a Santiago las cortes principales de Borgoiia, de Francia e Inglaterra revindicaron para sf la misma importancia que los reinos de Espaiia al final de! camino. Teniendo en cuenta los signos de honor, que los nobles viajeros dejaron en sus lugares de parada a lo largo de sus caminos, y los gastos impresionantes que causaron, parece justificado el argumento de que los caballeros nobles se dedicaron en su camino a Tierra Santa o a Santiago de Compostela a muchas mas cosas que a la mera salvaci6n de sus almas. Estaba, p. e., muy de moda la colocaci6n de! blas6n de armas en forma de tablas de madera u hojas de cart6n o papel, de modo que el escudo y el nombre del propietario destacara en las paredes de las fondas, tabernas y hospederfas, o en los santuarios que el noble visitaba a lo largo de su viaje. Si la colocaci6n de! blas6n resultaba imposible, cada uno podfa dejar pintado o grabado en Ia pared su escudo, nombre y la fecha de estancia con almagre, piezas de carb6n vegetal, tiza o una herramienta para rayar . <?page no="137"?> Titelscan.indd 137 Titelscan.indd 137 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Monumentale Zeugnisse 125 Contamos con un numero muy reducido de vestigios de este tipo de sfmbolos nobiliarios, sobre todo en la Peninsula Iberica, donde el numero de piezas conservadas es especialmente escaso. No obstante, la tradici6n literaria nos proporciona una imagen bastante realista del aspecto que tenfan estas huellas heraldicas de los viajeros del medioevo tardfo y de los motivos que habfan provocado su colocaci6n tan lejos de su hogar. Estas fuentes que dan fe de las actividades heraldicas de! noble viajero de aquellos tiempos atestiguan que muchos las consideraban un signo de reputaci6n. Esto esta bien documentado en los relatos de viaje de Sebastian Ilsung (1446), Sebald Rieter (1462), Le6n de Rozmital (1465-1467), Nicolas de Popplau (1483) y Jer6nimo Münzer (1494-1495). Los relatos nos proporcionan una buena descripci6n de la rica decoraci6n heraldica, y dedican especial atenci6n a los blasones que dejaron los peregrinos y viajeros tanto en la catedral de Compostela como en la Capilla de Santa Marfa en el Cabo Finisterre y en otros sitios del Camino de Santiago. <?page no="138"?> Titelscan.indd 138 Titelscan.indd 138 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 <?page no="139"?> Titelscan.indd 139 Titelscan.indd 139 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 II SCHRIFT UND TON <?page no="140"?> Titelscan.indd 140 Titelscan.indd 140 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 <?page no="141"?> Titelscan.indd 141 Titelscan.indd 141 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Santiago de Compostela in deutschen Pilgerberichten des 15. Jahrhunderts 1 VOLKER HONEMANN Das 15. Jahrhundert war für die Wallfahrt nach Santiago de Compostela eine Blütezeit. Besonders groß scheint dabei die Zahl der Pilger und Reisenden gewesen zu sein, die aus den Ländern des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation ins ferne Nordwestspanien zogen hin zum Grabe des Apostels, aber auch zumfinis terre, dem Ende der Welt, zu der Region, wo Jakobus einst zuerst iberischen Boden betreten hatte. Einige der Pilger und Reisenden, die vor rund einem halben Jahrtausend Santiago besuchten, hinterließen Beschreibungen ihrer Reise . Und so verschieden die Autoren von ihrer Herkunft, ihrer gesellschaftlichen Stellung und den näheren Umständen ihrer Fahrt waren, so verschieden sind auch die Berichte, die sie über den Besuch der Stadt Santiago de Compostela und des Apostelgrabes verfaßt haben. Im folgenden seien vier deutsche Santiagoreisende vorgestellt und die Eindrücke, die sie beim Besuch Santiagos gewannen, miteinander verglichen. Die vier Reisenden, die da zwischen 1446 und 1498 das Grab des Apostels Jakobus besuchten, sind Sebastian Ilsung, ein Augsburger Patrizier, Gabriel Tetzel, ein Nürnberger Bürger, der den böhmischen Adligen Leo von Rozmital auf dessen Europareise begleitete, weiter Hieronymus Münzer, ein Nürnberger Arzt und Humanist, und schließlich Arnold von Harff, ein niederrheinischer Ritter. Bevor ich näher darauf eingehe, was diese vier Reisenden und Autoren über ihren Besuch von Santiago de Compostela berichteten, sei jeweils kurz auf ihre Lebensumstände eingegangen. Über den ersten unserer Reisenden, Sebastian Ilsung, wissen wir nur wenig.2 Er stammte aus einer bedeutenden Patrizierfamilie von Augsburg, un- Der Duktus des öffentlichen Abendvortrags (Würzburg, 19.10.1996, im Rahmen der Jahresversammlung der deutschen Jakobusgesellschaft) wurde teilweise beibehalten, Anregungen aus der Diskussion (vor allem zur Problematik des Verzichts auf die Darstellung geistlicher Erlebnisse) weitergeführt. 2 V. HoNEMANN,Ilsung, Sebastian, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2. Aufl., hg. von K. Rutt (u.a.), Bd. 4, 1983, Sp. 364f.; DERS., Sebastian Ilsung als Spanienreisender und Santiagopilger (mit Textedition), in: K. HERBER$(Hg.), <?page no="142"?> Titelscan.indd 142 Titelscan.indd 142 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 130 Volker Honemann ternahm in relativ jungen Jahren einen Zug nach Spanien, ging dann an den kaiserlichen Hof und wurde, nachdem er an vielen Turnieren teilgenommen hatte, zum Ritter geschlagen; erst in verhältnismäßig hohem Alter scheint er sich verheiratet zu haben. Die Reise, die er im Jahre 1446 unternahm, scheint keine Pilgerreise gewesen zu sein: Ilsung zog zunächst von Augsburg durch die Schweiz nach Genf , wo damals der (schismatische) Papst Felix V.(= Her zog Amadeus VIII . von Savoyen) Hof hielt . Da Ilsung von ihm nicht nur zur Audienz empfangen wurde, sondern im weiteren auch einen savoyardischen Boten und einen Diener als Begleitung hatte, könnte er im Auftrag des Papstes unterwegs gewesen sein: Felix V. kämpfte damals um seine Anerkennung bei den geistlichen wie weltlichen Fürsten der Iberischen Halbinsel. Ilsungs Reiseroute kann hier nicht im einzelnen verfolgt werden: Wichtig ist, daß er so viele Fürstenhöfe wie möglich besuchte und sich um Audienzen beim jeweiligen Herrscher bemühte. Nach einem Besuch der Kirche von Santo Domingo de la Calzada, wo Ilsung die berühmten Hühner sah, machte er sich auf nach Santiago . „Danach kam ich", so schreibt Ilsung, "in das Land Galicien und dabei durch viele Städte und schließlich in die Stadt Compostela, da liegt der liebe Herr St.Jakob leibhaftig hinter dem Altar. Sankt Jakobs Kirche aber ist vor Zeiten ein großer heidnischer Tempel gewesen; davon wäre viel zu erzählen . Niemand aber kann diese Kirche einnehmen, so fest ist sie gebaut . Jedermann aber kann oben auf die Kirche steigen, da steht ein Kreuz, das vom Himmel herab gekommen ist. Dort ist die größte Wallfahrt in der heiligen Christenheit, abgesehen von der zum Heiligen Grab [also Jerusalem]. Und jeden Tag geschehen dort große Wunder. Die meisten Pilger kommen zu Fuß, nur wenige aber zu Roß. Ich kam am Abend vor Fronleichnam an und besuchte die Vesper. Dort gibt es einen Erzbischof und einen großen Dom '. Und wer da hin kommt, der pflegt zu beichten und es werden ihm dort viele Reliquien gezeigt. Da von wäre viel zu sagen, das lasse ich der Kürze wegen aber bleiben ." 3 Ilsung berichtet dann von der Audienz, die ihm der Erzbischof gewährt - und bei der Ilsung die Wappen der deutschen Kurfürsten erläutern muß (der Bischof besitzt einen Teppich, auf dem diese dargestellt sind). Am Ende der Audienz erhält Ilsung einen Geleitbrief für seine Reise nach Finisterre, wohin er sich dann bald aufmacht. Unterwegs wird ihm sein Knecht krank, er verirrt sich (und reitet lange am Meer auf und ab); Gott und St. Jakob aber helfen ihm, so daß er schließlich ein Dorf findet, wo man ihm den Weg weist . In der Kirche von Finistere schlägt er sein Wappen an (was er später in Santiago noch einmal tut). Nahebei sieht er die Fußspuren Chri- Deutsche J akobspilgerund ihre Berichte . (Tüb ingen 1988) Qakobus-Studien 1), S. 61-9 5. Der Text ist jetzt (mit einer Einführung und Sacherklärungen) auch verfügbar in : K. HERBERS/ R.PLöTZ,Nach Santiago zogen sie. Berichte von Pilgerfahrten ans „Ende der Welt". (München: dtv 1996), S. 78-90. 3 übersetzt nach dem frühneuhochdeutschen Original bei HONEMANN1988 (wie Anm . 2), S. 90 bzw. HERBERS/ PLöTZ(wie Anm. 2), S. 86f. <?page no="143"?> Titelscan.indd 143 Titelscan.indd 143 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Santiago de Compostela in deutschen Pilgerberichten des 15. Jahrhunderts 131 sti und die steinernen „Sitze" St. Jakobs und weiterer Heiliger sowie das steinerne Schiff (Santa Marfa de la Barca in Mugfa), in dem Jakobus vom Heiligen Land aus nach Spanien gefahren war . Pläne, nach Portugal weiterzureisen, zerschlagen sich, weil dort Krieg herrscht, und so zieht Ilsung über Genf nach Hause. 4 Weit dramatischer gestaltete sich der Santiago-Aufenthalt unseres zweiten Reisenden . Gabriel Tetzel, Nürnberger Bürgerssohn, hatte sich der Hof- und Ritterschaftsreise angeschlossen, die der böhmische Hochadlige Leo von Rozmital, ein naher Verwandter des Böhmenkönigs Georg von Podiebrad, in den Jahren 1465-67 unternahm. 5 Die Route führte von Prag aus über Brüssel und London durch Frankreich auf die Iberische Halbinsel. Dort folgte die Reisegesellschaft anfänglich dem Pilgerweg nach Santiago, bog aber in Burgos nach Salamanca ab und zog von da aus nach Portugal weiter. In Braga wurde Leo vom Erzbischof empfangen, der ihm einen Führer nach Santiago mitgab.Unterwegs gab es keinerlei Herbergen, und so mußten die Reisenden „auf dem Feld unter einem Baum" nächtigen und mit primitivsten Mitteln selbst kochen . "Wir hatten", so schreibt Tetzel, "ein hartes, armseliges Leben, bis wir nach drei Tagereisen endlich nach Santiago kamen. " 6 Dort aber herrscht Krieg: "Die Kirche wurde von einem mächtigen Herren belagert. Mit dem hielten es die Einwohner von Santiago, und sie hatten die Kirche ringsum eingeschlossen und schossen mit Büchsen hinein. Ebenso schossen die, die in der Kirche waren, wieder heraus. Der Herr und die Einwohner hatten den Bischof von Santiago auf einem Schloß in der Nähe gefangen gesetzt; des Bischofs Mutter und sein Bruder sowie ein Kardinal waren aber in der Kathedrale eingeschlossen. Der Herr aber war beim Sturmangriff auf die Kathedrale mit einem Pf eil in den Hals geschossen worden, so daß der ihm anschwoll und er nicht mehr lange zu leben hatte. Außer ihm war niemand verwundet worden, obwohl doch mehr als viertausend Menschen an dem Angriff beteiligt waren, so daß man meinte, daß es eine Strafe Gottes und Sankt Jakobs sei, daß er allein verwundet worden wäre." 7 Tetzel schildert 6 Ebd. S. 92-95 bzw. S. 87-90. M. STOLZ, Terzel, Gabriel, in: Verfasserlexikon (wie Anm. 2), Bd. 9, 1995, Sp. 718f; weiterführend HERBERSIPLöTZ(wie Anm. 2), S. 99-128. - Ausgabe des Textes: Des böhmischen Herrn Leo's von Rozmital Ritter-, Hof- und Pilger-Reise durch die Abendlande 1465-1467. Beschrieben von zweien seiner Begleiter, hg. von J. A. SCHMEL- LER(Stuttgart 1844) (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart. VII.) . Terzels Bericht dort S. 143-196; die Santiago betreffenden Partien auch bei HERBERS/ PLöTZ, s. 111-115 . Übersetzt nach dem frühneuhochdeutschen Original (SCHMELLER[wie Anm. 5], s. 175). Ebd . bzw . HERBERS/ PLöTZ(wie Anm . 2), S. 111; es handelt sich um „eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem Erzbischof Alfons III. (II . des Geschlechtes Fonseca), den Stadtbewohnern und dem aus galicischem Adel stammenden Kriegsherrn Bemal Yafiez de Moscoso" (ebd.). <?page no="144"?> Titelscan.indd 144 Titelscan.indd 144 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 132 Volker Honemann dann in em1ger Breite, wie einer seiner Mitreisenden, ein Arzt namens Frodner, den Pfeil herauszieht und ein Pflaster auf die Wunde legt. Als die in der Kirche Belagerten, also die Mutter des Bischofs, der Kardinal und der Bruder des Bischofs, dies erfahren, wollen sie die Reisegesellschaft Leos nicht in die Kathedrale lassen; erst die Aussicht auf ein kostlich opfer, das Leo von Rozmital in der Kathedrale hinterlassen will also eine größere Geldspende stimmt sie um. Nachdem die Reisenden in die Kathedrale eingetreten sind, löst sie der Kardinal vom Kirchenbann (in den sie gefallen waren, weil sie ja den Feinden des Bischofs von Santiago geholfen hatten). „Dann kamen wir", so wieder Tetzels Bericht, "vor den Altar des heiligen Jakobus, in dem er leibhaftig liegt. Danach führte man uns eine Treppe hinauf in eine kleine Kapelle. Dort zeigte man uns das Haupt des heiligenJakobus des Jüngeren, ein Stück vom heiligen Kreuz Christi und von der Dornenkrone sowie viele andere Reliquien. In der Kapelle hängen die Wappen sehr vieler Herren und Landfahrer; da ließ auch mein Herr sein Wappen anschlagen. Danach führte man uns heraus und zeigte uns eine Kette, mit der St. Jakob gefesselt worden ist. Und wenn jemand von einer Krankheit befallen ist, und mit dieser Kette umschlossen wird, wird er geheilt." 8 Der Kriegszustand hat das Innere der Kathedrale merklich verändert. Tezel schreibt: "Die Kathedrale ist eine schöne, weite und große Kirche mit kostbaren steinernen Säulen, ganz aus Hausteinen erbaut. Damals aber ging es wüst darin zu. Es standen Pferde und Kühe darin, auch hatten die Belagerten Hütten darin, sie kochten und wohnten in ihren Behausungen. Man führte uns zur Mutter des Bischofs, die ist ein langes, dürres Weib. Sie klagte meinem Herrn ihr Leid und sagte ihm, ehe sie die Kathedrale den Feinden übergäbe, wolle sie lieber sterben. " 9 Im Anschluß an die Kathedrale beschreibt Tetzel weitere Kirchen und bedeutende Heiltumsstätten in Santiago: "Draußen vor der Stadt steht eine kleine Kirche, von der man meint, daß St. Jakob sie erbaut und darin gewohnt habe, während er in Galicien predigte . Während der ganzen Zeit aber hat er nicht mehr als zwei Menschen zum Christentum bekehrt, nach seinem Tode aber ist das ganze Land Galicien christlich geworden. Einstmals aber ist St. Jakob drei Armbrustschüsse weit aus der Stadt hinausgegangen und hat sich auf einer Anhöhe niedergelassen und dort jämmerlich geweint, weil er nicht mehr als zwei Menschen hat bekehren können. Da wurde er sehr durstig. Er steckte seinen Stab in das Erdreich, und sofort entsprang da ein schöner Brunnen, den es heute noch gibt; [...] mein Herr und wir alle tranken daraus." 10 Die Stadt Santiago würdigt Tetzel nur einer kurzen, aber erstaunlichen Bemerkung: "Santiago ist eine angenehme, kleine Stadt, mittlerer Größe, 8 SCHMELLER(wie Anm. 5), S. 176 bzw. HERBERS/ PLöTZ(wie Anm. 2), S. 112f. 9 DERS. (wie Anm. 5), S. 177. IO DERS. (wie Anm. 5) ebd . bzw. HERBERS/ Plötz (wie Anm . 2), S. 113. <?page no="145"?> Titelscan.indd 145 Titelscan.indd 145 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Santiago de Compostela in deutschen Pilgerberichten des 15. Jahrhunderts 133 und die Leute dort sind fromm, obwohl sie damals gegen ihren Bischof stritten." 11 Anschließend berichtet Tetzelähnlich wie Ilsung von der Weiterreise zum „Finstern Stern", nach Padr6n, wo sie das steinerne Schiff sehen, und von der Rückkehr nach Braga. In Padr6n erfahren die Reisenden auch, wie der innerstädtische Krieg in Santiago ausgegangen ist. "Da sagte man uns, daß der Herr, der beim Sturm verwundet worden war, gestorben sei. Seine Freunde und die Einwohner führten darauf hin den Bischof vor die Kathedrale, sodaß ihn seine Mutter und alle, die in der Kathedrale waren, sehen konnten, und ließen ihm den Kopf abschlagen." 12 Zwischen diesem recht ungewöhnlichen Santiago-Erlebnis und dem dritten hier zu beschreibenden liegen rund 30 Jahre: Im August 1494 brach der Nürnberger Stadtarzt Hieronymus Münzer, ein überaus wohlhabender Mann, mit mehreren Begleitern nach Spanien aufim Auftrag Kaiser Maximilians, aber auch, um der herannahenden Pest auszuweichen. 13 Die Reise führte über Perpignan zum Montserrat, nach Valencia, in das zwei Jahre zuvor von den „Katholischen Königen" eroberte - Granada, nach Sevilla und Lissabon bis an die Atlantikküste. Schon am 14. Dezember erreichte die Reisegesellschaft, die einen Tag zuvor in Padr6n die bereits mehrfach erwähnten Stätten der Jakobusverehrung besucht hatte, das Ziel ihrer Reise, Santiago de Compostela. Im Unterschied zu Sebastian Ilsung und Gabriel Tetzel, die keine Lateinschule oder Universität besucht hatten (und deshalb Deutsch schrieben) ist Hieronymus Münzer ein universitätsgebildeter Mediziner; seinen Doktortitel hatte er an der berühmten Universität Pavia erworben . Er ist von der Geistesströmung des italienischen Humanismus, der eine Erneuerung der Studien vor allem unter Rückgriff auf die Antike anstrebte, berührt, ja vielleicht sogar von ihm geprägt worden. Dementsprechend ist auch sein lateinischsprachiger - Bericht über Santiago literarisch durchkomponiert; teils steht er in der Tradition des antiken und humanistischen Städtelobes. 14 Münzer beschreibt zunächst die Lage der Stadt, was Ausführungen zu Ackerbau und Viehzucht, zur guten Luft, aber auch zu den wichtigsten Klö- 11 DERS.(wie Anm. 5) EBD.bzw. HERBERS/ PLöTZ(wie Anm. 2), S. 114. 12 DERS. (wie Anm. 5), S. 178. 13 G . KErLIM. WLODARCYK, Münzer, Hieronymus (H . Monetarius, Girolamo Münster [! ], Hieronymo Montario), in: Verfasserlexikon (wie Anm. 2), Bd. 6 (1987), Sp. 800-804; siehe weiterhin HERBERS/ PLöTZ, S. 135-150 . 14 Ausgabe: L. PFANDL,Itinerarium Hispanicum Hieronymi Monetarii 1491-1495, in: Revue Hispanique XLVIII (1920), S. 1-179 (nur Edition des spanischen Teils des Reiseberichts! ); zu Santiago S. 93-99. Übersetzung und Kommentierung des auf Santiago bezüglichen Teils bei HERBERS/ PLöTZ(wie Anm. 2), S. 140--150. Mißverständlich ist die dort S. 135 gemachte Angabe, daß Münzers „Freund Hartmann Schedel [...] die Reiseaufzeichnungen[ ...] machte"; sie bezieht sich darauf, daß die anscheinend einzige erhaltene Handschrift von Münzers Reisebeschreibung (München, Bayrische Staatsbibliothek, Codex latinus monacensis 431) von Hartmann Schedel geschrieben wurde. <?page no="146"?> Titelscan.indd 146 Titelscan.indd 146 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 134 Volker Honemann stern der Stadt einschließt. Es folgt ein Kapitel über die Kathedrale von Santiago, dem eine Skizze des Grundrisses beigegeben ist. 15 Ich gehe darauf wie auf weitere architektonische Angaben nicht näher ein. Es folgt ein Kapitel über den Erzbischof, die Kardinäle und Kanoniker von Santiago, an das sich ein weiteres über die zwölf Chorkapellen der Kathedrale schließt; ein letztes berichtet dann über die am 21. Dezember erfolgte Abreise aus Santiago. Münzer und seine Gesellschaft hielten sich also genau eine Woche in der Stadt auf. Da der gesamte Bericht in Pfandls Ausgabe rund fünf Druckseiten umfaßt, gehe ich nur auf Details ein. Münzer beschreibt ausführlich die Pracht einer Prozession am 16. Dezember (bei der auch der Botafumeiro, das große Rauchfaß, benützt wurde), er schildert den überreichen Gold- und Silberschmuck der Altäre und daß er ein Verzeichnis der Reliquien angelegt habe. Die Kathedrale ist ihm zufolge durch Karl den Großen errichtet worden, der den Bau aus der Beute finanziert habe, die ihm sein Sieg über die Sarazenen eingebracht habe. Weltliche Herrscher spielen auch in der Gegenwart Münzers eine bedeutende Rolle im Leben der Kathedrale: Der König von Kastilien habe die Kathedrale prächtig geschmückt, König Ludwig von Frankreich drei schöne Glocken geschenkt. Daneben aber ist die Kathedrale auch mit der Stadt Santiago eng verbunden, was einige Probleme mit sich bringt. Münzer berichtet: "Unter den 12 Chorkapellen ist die erste die des Königs von Frankreich, der sie erbauen ließ und jedes Jahr 200 Dukaten dafür gibt, daß die einzelnen Tagzeiten in ihr gesungen werden. Die Kanoniker aber, die diese Einnahmen erhalten, singen die Tagzeiten nur im Hauptchor. Weiterhin gehören sieben Chorkapellen den einzelnen Pfarreien der Stadt Santiago . Dort werden die vornehmeren Bürger der Gemeinden bestattet und es werden die Sakramente gereicht. Wir sahen, wie zwei Tote bestattet wurden, und vor dem Leichenzug des einen wurde ein Schlauch voll Wein getragen sowie zwei Säcke Brot, zwei Vorderviertel von einem Ochsen und zwei Hammel; das alles steht dem Pfarrer zu, und außerdem noch das beste Kleid des Verstorbenen. Das alles gehört von rechts wegen ihm. [...] In der Kirche herrscht dauernd ein solcher Lärm, daß man glauben könnte, man sei auf dem Markt. Der allerheiligste Apostel Jakobus wäre wahrlich würdig, mit größerer Ehrfurcht verehrt zu werden. Bestattet aber ist er unter dem Hauptaltar mit zweien seiner Jünger; einer liegt zur Rechten und einer zur Linken. Seinen Leib aber bekommt niemand zu sehen. Selbst im Jahre 1487, als der König von Kastilien dort war, sah er ihn nicht. Allein durch den Glauben, der uns Menschen erlöst, glauben wir [dies]." 16 Die Frage nach der Glaubwürdigkeit des Jakobusgrabes in Santiago, die bei Münzer anklingt, wird im Bericht des letzten Reisenden, der hier vorge- 15 Reproduziert bei PFANDL(wie Anm. 14), S. 95 und HERBERS/ PLÖTZ(wie Anm. 2), S. 145. 16 ÜbersetztnachPFANDL (wie Anm. 14), S. 97f.; HERBERS/ PLÖTZ(wie Anm. 2), S. 147f . <?page no="147"?> Titelscan.indd 147 Titelscan.indd 147 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Santiago de Compostela in deutschen Pilgerberichten des 15. Jahrhunderts 135 stellt werden soll, dem des rheinischen Ritters Arnold von Harff, noch stärker akzentuiert. Arnold von Harff, geboren aus gräflichem Geschlecht im Jahre 1471, unternahm von November 1496 bis Oktober 1498 eine Reise, die ihn zu allen bedeutenden Wallfahrtsorten der Christenheit und fast durch die ganze damals bekannte Welt führte: Von Köln aus reiste er über Rom nach Venedig, schiffte sich dort nach Palästina ein und besuchte die Heiligen Stätten. Daß er daran anschließend bis nach Madagaskar und Goa gelangt sei (und unterwegs die Quellen des Nils entdeckte), ist wohl Erfindung. Sicher ist hingegen, daß er vom Heiligen Land aus über Istanbul, Ungarn, Venedig und Südfrankreich nach Spanien zog und entlang des Pilgerweges nach Santiago de Compostela; über Paris kehrte er nach Hause zurück. 17 Arnold von Harff ist Fürstendiener und schreibt seinen Bericht, der zugleich als Reiseführer dienen soll, im Auftrag des Markgrafen von Brandenburg und seiner Frau Sibylla, die zugleich Herzöge von Jülich und Berg sind. Obwohl der rheinische Adelige einige Zeit an der Universität Köln studiert hatte, schreibt er nicht Lateinisch, sondern in einer an die kräftige Mundart seiner Heimat angelehnten Schreibsprache . Was er über Santiago berichtet, ist wenig genug, aber hochinteressant. „Compostela", so schreibt er, "ist ein kleines, angenehmes Städtchen in Galicien, das dem Königreich Kastilien untertan ist. In der Stadt liegt eine schöne große Kirche. Auf dem Hochaltar steht ein großer, hölzerner Heiliger, der zur Ehre des heiligenJacobus gemacht ist; er trägt eine silberne Krone. Die Pilger steigen hinter dem Altar hinauf und setzen sich die Krone auf, womit die Einwohner uns Deutsche verspotten. Man sagt, daß der Leichnam Sankt Jakobs des Älteren in dem Hochaltar sein oder liegen soll. Manche sagen, das sei nicht so, weil er in Toulouse im Languedoc liegt, wovon ich vorhin geschrieben habe. Ich begehrte aber (unterstützt durch ein großes Almosen, das ich gab), mir den heiligen Leib zu zeigen. Da wurde mir geantwortet, wer nicht gänzlich glaube, daß der heilige Leib St. Jakobs des Älteren im Hochaltar liege, und daran zweifle und den Leib dann sähe, daß der sogleich den Verstand verlöre wie ein rasender Hund. Damit hatte ich von diesem Ansinnen genug und wir gingen weiter in die Sakristei. Da zeigte man uns das Haupt des kleinen Sankt Jacobus und viele andere Reliquien. Vor der Kirche findest Du unzählige kleine Muscheln angeboten; die kannst Du kaufen und eine auf Deinen Pilgerhut binden und sagen, Du seiest da gewesen." 18 - Harff erwähnt anschließend nur noch, daß die Reliquien der heiligen Susanna in einer Kirche nahe der Stadt lägen, und 17 V. HONEMANN,Arnold von Harff, in : Verfasserlexikon (wie Anm. 2), Bd. 1 (1978), Sp. 471f.; als Jahr der Heimkehr wird hier irrigerweise 1499 angegeben, so auch noch bei HERBERS/ PLöTZ(wie Anm . 2), S. 210. Ebd . S. 215-228 neuhochdeutsche Wiedergabe des Spanienteils . -Textausgabe: Die Pilgerfahrt des Ritters Arnold von Harff [...], hg. von Dr. E. VON GROOTE(Cöln 1860); der Spanienteil dort S. 226, Z.1 - 236, Z.10. 18 GROOTE(wie Anm . 17), S. 233, Z.1- 234, Z . 3; HERBERS/ PLÖTZ(wie Anm. 2), S. 225f. <?page no="148"?> Titelscan.indd 148 Titelscan.indd 148 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 136 Volker Honemann macht sich dann zu dem „Finsteren Stern" auf, von wo er die Heimreise antritt. Vergleicht man die vier Berichte miteinander, so werden trotz aller Unterschiede, die mehr als offensichtlich sind doch Gemeinsamkeiten deutlich. 1. Keiner der vier Reisenden erwähnt in seinem Bericht, daß er selbst dem heiligen Jacobus an seinem Grabe Verehrung erwiesen habe. Keiner läßt erkennen, daß er hier, am Ziel bzw. einem der Teilziele seiner Pilgerfahrt vom Schauer des Numinosen, von der Gegenwart des Heiligen berührt worden sei. Und keiner erwähnt, daß er etwa an einem Gottesdienst teilgenommen und die Sakramente empfangen habe. Alle vier berichten seltsam distanziert von ihrem Besuch am Grabe des Heiligen. U. Ganz-Blättler hat deshalb zurecht von einer gewissen „Sprödigkeit der Aussagen zum Pilgerziel Santiago de Compostela [...] in Reiseberichten des 15. und 16. Jahrhunderts" gesprochen, 19 und es ist ihr auch darin zuzustimmen, daß die „schreibenden Santiago- Pilger [...] das Erlebnis ihrer Ankunft am Pilgerziel weitgehend aus(klammerten) und[ ...] in ihren Kommentaren eine auffällige Scheu gegenüber den ,heiligen Dingen' an den Tag (legten). " 20 Eine Erklärung für diese Zurückhaltung bleibt die Verfasserin jedoch schuldig; sie kann nicht darin gesehen werden, daß „die Trennung zwischen dem Spirituellen und dem Profanen für das Gros der spätmittelalterlichen Pilger nicht galt." 21 Die Scheu, ja geradezu Abstinenz fast aller spätmittelalterlicher Autoren von Pilgerreiseberichten gegenüber der Darstellung des Spirituellen, ja des Wunderbaren und insbesondere ihres persönlichen geistlichen Erlebens im Angesicht des Zieles ihrer Ptlgerfahrt (also z.B. der Kathedrale und des Apostelgrabes in Santiago) hat m. E. mehrere, ineinander greifende Ursachen: a) Bei vielen Autoren von Pilgerreiseberichten handelt es sich nicht um literarisch geschulte „Intellektuelle" oder gar um professionelle Literaten ganz im Gegenteil: Für die meisten von ihnen ist der Reisebericht, den sie verfertigen, ihre erste (und meist auch letzte) literarische Arbeit. Viele der Verfasser so auch die vier hier vorgestellten sind Laien. Gehobene literarische oder theologische Kenntnisse wird man bei ihnen nur in Ausnahmefällen (Münzer! ) erwarten dürfen; sie sind wohl am ehesten als "semiliterat" zu charakterisieren . Bewegen sich ihre geistlichen Vorstellungen im Bereich der „Volksreligion", so ihre schriftstellerischen in dem der „Volksliteratur" . 22 19 U. GANZ-BLÄTTLER, Zur Spiritualität in den Santiago-Berichten des 15. und 16. Jahrhunderts, in: K. HERBERS/ R.PLöTZ (Hgg.), Spiritualität des Pilgerns (Tübingen 1993) (Jakobus-Studien 5), S. 59-82, hier S. 68. 20 Ebd. S. 80f. 21 Ebd. S. 80. 22 Daneben steht natürlich die Gruppe der Kleriker, die Pilgerreiseberichte verfassen, so z.B. Felix Fabri . <?page no="149"?> Titelscan.indd 149 Titelscan.indd 149 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Santiago de Compostela in deutschen Pilgerberichten des 15. Jahrhunderts 137 b) Wer in den Pilgerreiseberichten differenzierte Darstellungen der Empfindungen ihrer Verfasser beim Anblick des Heiligen (in Gestalt etwa der Jakobusstatue auf dem Hochaltar des Kathedrale von Santiago) erwartet, wird zunächst fragen müssen, ob es derartige Darstellungen in der spätmittelalterlichen Literatur überhaupt gibt. Die Suche danach aber wird ihn rasch in den eng umgrenzten Bereich der mystischen Literatur vor allem des 14. und 15. Jahrhunderts führen, und hier besonders in den der Offenbarungen, der Nonnenviten und Schwesternbücher. Daß die Autoren der Pilgerreiseberichte diese Texte kannten, ist unwahrscheinlich; 23 ihre Berichte lassen jedenfalls nichts derartiges erkennen. Sie konnten sich also nicht etwa an den literarischen Mustern einer popularisierten Mystik orientieren. Zugespitzt formuliert könnte man sagen, daß den Autoren zur Wiedergabe ihrer geistlichen Erlebnisse schlicht die Worte fehlten . c) Hinzu kommt, daß ihre Aufgabe in aller Regel eine ganz andere war, als etwa die der Abfassung von geistlichen Autobiographien. Sie wollten (und waren z. T. wie Tetzelexplizit damit beauftragt) einen möglichst getreuen Bericht von der Reise liefern, die sie (oft auch aus nichtgeistlichen Motiven heraus) unternommen hatten. Dieser Bericht aber sollte was Arnold von Harff zu Beginn seiner Reisebeschreibung deutlich feststellt anderen Reisenden als Muster, als Reisehandbuch, oder auch als Lektüre innerhalb der eigenen Familie dienen. 24 Diese Intention aber verband sich nahtlos mit der literarischen Tradition, in der die Verfasser standen: mit der der Reisebeschreibung. Daß den Gebildeteren unter ihnen (also in der Regel denen, die umfangreichere Texte verfaßten) diese bewußt war, wird dadurch belegt, daß viele Autoren in ihre Berichte frühere Reisebeschreibungen integrierten oder diese ausschrieben: Münzer verarbeitete Teile des ,Codex Calixtinus', Arnold von Harff zog neben vielen anderen Quellen den Jerusalem-Reisebericht des Nürnbergers Hans Tucher heran. 25 23 Eine Ausnahme könnte der Ulmer Franziskaner Felix Fabri mit seiner ,Sionspilgerin' darstellen. 24 GROOTE(wie Anm. 17), S. 1, Z . 31-38 (Übersetzung): "Ich habe mich sehr bemüht, zu Ehre und Wohlgefallen Eurer beider Fürstlichen Gnaden (Herzog Wilhelm von Jülich und Berg und seine Frau Sybilla, Markgräfin von Brandenburg) diese Pilgerfahrt, wie ich die vollbracht habe, gründlich aufzuschreiben und daraus ein Buch zu machen . Wenn dann Eure Fürstliche Gnaden die Absicht hätten, diese Pilgerfahrt selbst zu unternehmen, sollten Eure Fürstliche Gnaden in diesem Buch durch mich eine gute Wegweisung finden ." 25 Zu Münzer siehe HERBERS/ PLÖTZ(wie Anm. 2), S. 144, zu Tucher : H. ULMSCHNEI- DER,Tucher, Hans VI., in : Verfasserlexikon (wie Anm. 2), Bd. 9 (1995), Sp. 1127-1132. Intensive Benützung von Tuchers um 1500 bereits in zahlreichen Drucken vorliegendem - Pilgerbericht durch Arnold von Harff hat die Staatsexamensarbeit von Carsten Bongers (Münster 1996) erwiesen . <?page no="150"?> Titelscan.indd 150 Titelscan.indd 150 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 138 Volker H onemann 2. Nur Ilsung berichtet von Wundern, die am Grabe des heiligen Jakobus geschehen, und auch davon, daß ständig viele Pilger nach Santiago kommen. Die drei anderen Reisenden scheinen sich ganz allein am Grabe des Apostels zu befinden - und sie äußern mehr oder minder offene Kritik. Das gilt sowohl für Tetzel (der sich durchaus bewußt ist, daß Kriegszustände keine „normalen" Zeiten sind), als auch für Münzer und Harff. Es scheint, als sei für diese beiden Reisenden Santiago ein Reiseziel wie andere auch, das zusätzlich über eine Kathedrale mit einem Apostelgrab verfügt. Wenn Münzer seine Darstellung des Aufenthaltes in Santiago gar in die Tradition des Städtelobes bzw. der Stadtbeschreibung einreiht, wenn er im Detail auf die Architektur der Kathedrale eingeht: dann ist der Weg zum Reiseführer nicht mehr weit. Es entsteht so der Eindruck, als ließen diese Texte den Beginn der Neuzeit erkennen, wobei Harff noch weiter geht als Münzer: Der Nürnberger Arzt betont immerhin zu Beginn seines Berichtes, daß, wie man sage, hier in Santiago der vollständige Leib des Heiligen Jakob des Älteren, des Sohns des Zebedäus und Bruders des Evangelisten Johannes, ruhe. Und mit seinem „sola fide credimus" wehrt er später (Selbst-)Zweifel an der Authentizität der Reliquien ab. Arnold von Harff ist radikaler: Fast arrogant reagiert er auf die Weigerung der Kleriker, ihm die Reliquien zu zeigen. Als sie sein Begehren ablehnen, insistiert er nicht, sondern wendet sich ab. Sowohl für Münzer, wie für Harff (und genauso für Tetzel und Ilsung) aber ist daraus nicht etwa zu folgern, sie seien nicht persönlich fromm, nicht etwa „gute Christen" im Sinne des Spätmittelalters gewesen. Ihre persönliche Frömmigkeit aber, ihre Verehrung der Heiligen und ihre Anbetung Gottes hat mit ihrer Kritik an den „Zuständen" in der Kathedrale von Santiago „nichts zu tun"; diese Kritik fällt in den Bereich der geradezu topischen - (Amts-) Kirchen- und Kleruskritik sowie in den einer spezifisch spätmittelalterlichen Wallfahrtskritik; zwischen den beiden Bereichen ist in den Texten oft kaum zu unterscheiden. 26 3. Mit Ausnahme von Harffs Erzählung werden die Berichte der Reisenden zusehends faktenreicher: Während Ilsung sich auf das Nötigste beschränkt, weiß Tetzel ausführlich aus der Jakobuslegende zu berichten und die heiligen Stätten Santiagos zu nennen . Münzer fügt weitere Details hinzu, verlagert aber den Blickwinkel: Ihm geht es geradezu um einen Beitrag zur Landeskunde des iberischen Nordwestens, und so wird etwa das Fehlen eines Flusses in Santiago erwähnt, die Landwirtschaft in einigem Detail beschrie- 26 Zur spätmittelalterlichen theologischen Auseinandersetzung über die Verdienstlichkeit der Wallfahrt für das Seelenheil des Menschen siehe besonders K. SCHREINER, ,Peregrinatio laudabilis' und ,peregrinatio vituperabilis'. Zur religiösen Ambivalenz des Wallens und Laufens in der Frömmigkeitstheologie des späten Mittelalters, in: Wallfahrt und Alltag in Mittelalter und früher Neuzeit (Wien 1992) (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte 592. Bd. = Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde Nr. 14), S. 133-163 . <?page no="151"?> Titelscan.indd 151 Titelscan.indd 151 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Santiago de Compostela in deutschen Pilgerberichten des 15. Jahrhunderts 139 ben, Größe und Struktur des Domkapitels dargestellt usw. Auch wenn die Materialbasis für allgemeinere Schlußfolgerungen sehr schmal ist, scheint dies doch darauf hinzuweisen, daß den Autoren immer deutlicher bewußt wird, was die Leser von einem Text erwarten, der das literarische Genus ,Reisebericht' vertritt. Dieses Genus, das sich im 15. und frühen 16. Jahrhundert völlig entfaltet, kommt so gewissermaßen „zu sich selbst". überblickt man abschließend noch einmal die Entwicklung, die die Darstellung Santiagos in den vier Reiseberichten nimmt, so zeigt sich eine immer stärker werdende Ent-Geistlichung, eine Entspiritualisierung: aus der Wallfahrt zum verehrungswürdigen Grabe des Apostels Jakobus des Älteren wird allmählich die Reise, die sich von der zu nicht-geistlich geprägten Zielen kaum noch unterscheidet. Santiago wird zur wenig bedeutenden - Etappe adliger Kavalierstouren, zum nüchtern beschriebenen, aber nur zweitrangigen Zentrum geistlicher und daneben auch weltlicher Macht, daneben gar zum ,Wirtschaftsstandort.' Als Arnold von Harff nach Santiago reiste, war der spätere Reformator Martin Luther gerade 15 Jahre alt. Gut zwei Jahrzehnte später sollte Luther der Verehrung der Heiligen den Kampf ansagen und die Abschaffung aller Wallfahrten fordern . 27 Der Niedergang der Wallfahrt nach Santiago de Compostela im 16. Jahrhundert schien seiner Überzeugung, daß die Wallfahrten Teufelswerk seien, recht zu geben. Die Entwicklung gerade der letzten Jahrzehnte aber hat gezeigt, daß der große Reformator hier irrte: Die Wallfahrt nach Santiago lebt - und die Tagung, zu der sich die Mitglieder der deutschen Santiago-Gesellschaft in Würzburg versammelt hatten, ist ein schönes Zeichen dafür. Resumen: La aportaci6n relata lo que cuatro viajeros/ peregrinos alemanes (Sebastian Ilsung, Gabriel Terzel, Jer6nimo Münzer y Arnoldo de Harff) escriben en sus relatos de viaje sobre Santiago de Compostela. A pesar de las diferencias entre los distintos relatos, existe una serie de coincidencias: 1. Ninguno de los personajes caracteriza su visita de Ja Catedral de Santiago y de la tumba apost6lica como experiencia espiritual. 2. Para los viajeros posteriores como Münzer y Harff, Santiago ! es parecfa como cualquier otra meta de viaje, con la catedral y Ja sepultura de! ap6stol como suplemento; para ellos, la peregrinaci6n signific6 solamente un aspecto entre varios. 3. Los relatos de los viajeros resultan cada vez mas ricos en hechos y datos, lo que ! es acerca de modo progresivo al genero literario de! relato de viaje. En general se puede constatar una progresiva „desespiritualizaci6n" de los relatos quese dedican a Santiago de Compostela. 27 Martin Luther, ,An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung' (1520): Das die wilden Capellen und feltkirchen wurden zu poden vorstoret, als da sein, da die newren Walfarten hyn gahen, Welschnacht, Sternberg, Trier, das Grymtal und itzt Regenspurg, und der antzal viel mer; zitiert nach Martin Luther, Werke, Weimarer Ausgabe Bd. 6 (1888), S. 447. <?page no="152"?> Titelscan.indd 152 Titelscan.indd 152 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 <?page no="153"?> Titelscan.indd 153 Titelscan.indd 153 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der ApostelJakobus in der mittelniederländischen Literatur 1 JAN VAN HERWAARDEN Der älteste Text über Jakobus, den man entfernt mit den Niederlanden in Verbindung bringen kann, findet sich im Anhang vom Buch des heiligen Jakobus, das im Codex Calixtinus überliefert ist . Es handelt sich um einige Zeilen aus einem Pilgerlied, das als das älteste überhaupt gilt, die berühmte Hymne Dum pater familias, auch Canto de Ultreya genannt, der Canci6n de losperegrinos flamencos, ,Das Lied der flämischen Pilger': Herru Sanctiagu,/ Got Sanctiagu,I E ultreia, e suseia,I Deus aia nos. 2 Das nördliche Element besteht eigentlich nur in den Worten H erru (,heer' / Herr) und Got (,goed ' / gut); Sanctiagu kann recht gut als quasi-Spanisch oder -Galicisch interpretiert werden: ,Herr Santiago, gütiger, heiliger Mann Jakobus'. Die Zeile mit ultreia ähnelt sehr einer Zeile in einem anderenJakobuslied, das an anderer Stelle in das Buch des heiligen ]akobus aufgenommen ist und in dem steht, daß alle Völker unterwegs zur Aufmunterung rufen suseia, ultreia, was etwa bedeutet ,Komm, los, vorwärts, hopp'. Die letzte Zeile des Zitats erinnert ans Französische und bedeutet: ,Gott steh uns bei' . 3 Es zeugt also schon von einigem Nationalismus, wenn diese Passage als niederländisches Überbleibsel reklamiert wird, allerdings erhält dieser Nationalismus eine gewisse Berechtigung durch die Tatsache, daß die Lebensgefährtin des wahrscheinlichen Verfassers des Liedes, nach eigener Aussage, flämischer Herkunft war. Die Rede ist von einer gewissen Gerberga, die um 1140 zusammen mit Aimeri Picaud der Kirche von Compostela ein Exemplar vom Buch des heiligen Jakobus angeboten haben soll. 4 Es bestanden also Übersetzung : Gerhard Müller und Rolf Binner (Amsterdam) . 2 Jan van Bocxstaele und Jacqueline van Hee, ,Te sente Jacops in Galissien . Santiago de Compostela in de Middelnederlandse letteren', Oostvlaamse zanten 66 (1991) 89-102; Vgl. Pedro Echevarrfa Bravo, Cancionero de losperegrinos de Santiago (Madrid 1967)9ff. 3 Walter Muir Whitehill (Hrsg.), Liber Sancti ]acobi . Codex Calixtinus I: Texto (Santiago de Compostela 1944) 401, 223: Codex Calixtinus, f 0 193r, 120v; vgl. Liber Sancti ]acobi, traducci6n por A. Moralejo, C. Torres y J. Feo, reedici6n preparada por X. Carro Otero (Pontevedra 1992) 590-591; 192. 4 J. van Herwaarden, Op weg naar ]acobus. Het Boek, de Legende ende Gids voor de Pelgrim naar Santiago de Compostela (Hilversum 1992) 19-20 . <?page no="154"?> Titelscan.indd 154 Titelscan.indd 154 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 142 Jan van Herwaarden von alters her Beziehungen zwischen Santiago de Compostela und den Niederlanden, schließlich ist im Buch des heiligen Jakobus wiederholt von Friesen und Friesland die Rede. 5 Ich werde mich hier auf die literarischen Überbleibsel dieser Kontakte beschränken. Jakobus und die niederländische Sprache: das Wörterbuch der niederländischen Sprache Wer das Woordenboek der Nederlandsche Taal (Wörterbuch der Niederländischen Sprache) aufschlägt den seit dem vorigen Jahrhundert zusammengetragenen niederländischen Wortschatz, dessen Sammlung um das Jahr 2.000 abgeschlossen sein soll-, findet unter dem Stichwort ,Jacob' eine Reihe von Bedeutungen und Verweisen. Darüber hinaus aber auch die ,Anmerkung', daß Louis Couperus um 1890 in seinem Haager Roman Eline Vere die deutsche Redewendung Das ist der wahre Jakob mit dem niederländischen Ausdruck Der richtige (oder wahre) Josef verwechselt haben soll, als er schrieb: ,Wäre es nicht besser, wenn sie sich noch nicht bände und sich lieber noch etwas umschauen würde, ob der wahre Jakob sich nicht irgendwo anders verbarg? '. Ich habe sehr bedacht ,verwechselt haben soll' geschrieben, weil der Begriff ,wahre Jakob' ganz sicher zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts auch im Niederländischen üblich war: Der Waire Jacob war Jakobus der Ältere, wie die Überschrift über dem Liedeken van Sint Jacob (Liedchen vom heiligen Jakob), auf das später noch ausführlich eingegangen wird, in der Handschrift von Gent zeigt. 6 Das Stichwort ,Jacob' gibt nicht nur eine Reihe von Bedeutungen mit Verweisen auf den Apostel Jakobus den Älteren, dessen Festtag- St. Jakobstag am 25. Juli als wichtiges Datum im Jahr (auch als Hinweis auf um diesen Zeitpunkt auf den Markt gebrachte Produkte wie die Jakobsbirne, den Jakobshering oder den Jakobslachs; "St. Jakobjes" waren kleine Sommerlachse) und dessen Verehrung, sondern auch eine Anzahl Begriffe, die dank des Jakobuskults in den Sprachgebrauch übernommen wurden wie Jakobsbildchen, Jakobshut, Jakobsmuschel und Jakobsstab; mit letzterem kann auch ein astronomisches Instrument gemeint sein. In der Predigt Veneranda dies werden bei der Aufzählung der Völker die Flamen und Friesen genannt (Codex, 148); außerdem dürfte das Buch des heiligen Jakobus nach dem Kolophon des Textes im Codex auch in Friesland abgeschrieben worden sein (Ebd., 389); vgl. das Mirakel mit einem Friesen als Hauptfigur (Ebd., 260, 270: Nr. VII), die Erwähnungen von König Gundebald von Friesland im Pseudo-Turpin und im Pilgerführer (Ebd., 312,337,376) und vom König der Friesen mit den Herrschern der Sachsen und Wandalen bei Worms (Ebd., 343); einmal ist Frisia ein Schreibfehler für Frygia (Ebd., 369); Gondebald: A.G. Jongkees„Gondebald, koningvan Friesland', in: E. 0 . van der Werff u.a. (Red.), Burgundica et varia. Keuze uit de verspreide opstellen van prof dr A. G. J ongkees (Hilversum 1990) 66-93. Universitätsbibliothek Gent, Hs. 901.1, f 0 52r. <?page no="155"?> Titelscan.indd 155 Titelscan.indd 155 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Apostel Jakobus in der mittelniederländischen Literatur 143 Als erstes Beispiel wird in diesem Kontext das Wort Sankt Jakobslied genannt, ,das Lied, das die Jakobsfahrer singen'. Nach der näheren Umschreibung war das ein französisches Lied, das offenbar um 1600 gewöhnlich von Bettlern gesungen wurde: ,Sie [bestimmte Bettler, die sich als Pilger ausgeben] ... singen an jeder Tür das St. Jakobs Lied: Quand nous passions le pont qui tramble helas ! mon dieu.' 7 Diese Umschreibung ist aus mehreren Gründen von Interesse. Zunächst frappiert der fragwürdige Kontext durch den Hinweis auf Bettler, die sich als Pilger ausgeben. Damit wird auf ein altes Thema angespielt, auf den Mißbrauch des Pilgerstatus . Während der Sankt Jakobshut, der Sankt Jakobsmantel oder die Sankt Jakobsmuschel üblich waren als Erkennungszeichen des Sankt Jakobspilgers oder -fahrers, der über Sankt Jakobsgasthäuser entlang der Sankt Jakobsstraße oder des Sankt Jakobswegs, in Sankt Jakobskapellen betend, auf Wallfahrt war, konnten sie ebenso gut als Tarnkleidung für betrügerische Praktiken dienen. 8 Offenbar hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch diese negative Konnotation durchgesetzt, was übrigens nicht nur der reformatorischen Mentalität in den Niederlanden zugeschrieben werden kann, denn auch in ,romanischen' Ländern standen coquillards in schlechtem Ruf . 9 Der negative Kontext von Jacobus wird im Woordenboek noch durch die Redensart ,Sint-Jakobje spelen' unterstrichen, wobei man auf grobe Weise scherzen im Auge hat. Der Verweis selbst bezieht sich auf einen Text vom Jahre 1604 aus Brüssel.10Darin ist u. a. die Rede von Bettlern, die in Rasthäusern übernachten, als ob sie aus fremden Ländern kamen, / von S. I acop aus Galizien und sagen viele Namen,/ von Städten und Plätzen und was da geschieht,/ Und singen an jeder Tür S. Jacobs Lied . Danach folgt die bereits zitierte Zeile auf fran- 7 Die betreffenden Stichwörter: Woordenboek der N ederlandsche Taal VII.1: J . Keurmede ('s-Gravenhage-Leiden 1993 [=1926]) 103-107; 110-112. 8 A.M. Koldeweij, ,Het zijn niet allen slagers die messen dragen: valse pelgrims en hun herkenningstekens', in: H.J .E. van Beuningen und A .M. Koldeweij, Heiligen profaan. 1000 laatmiddeleeuwse insignes uit de collectie H.] .E. van Beuningen. Rotterdam Papers VIII (Cothen 1993) 33-37. 9 J. van Herwaarden, ,Pilgrimages and Social Prestige. Some reflections on a theme', in: Wallfahrt und Alltag in Mittelalter und früher Neuzeit . Internationales Round-Table- Gespräch, Krems an der Donau, 8.Oktober 1990. Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse, Sitzungsberichte, 592. Band : Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit Nr . 14 (Wien 1992) 27-79; 75-79, 79: ,The ironical thing is that the coquille of Santiago became the sign of the vagabond who was scarcely to be trusted: pilgrims were coquillards, they formed the coquignaille: J . van Herwaarden, Opgelegde bedevaarten (Assen-Amsterdam 1978) 421, 425, Anm . 15, 435-6, Anm. 52; vgl. A . Georges, Le pelerinage a Compostelle en Belgique et dans le Nord de la France (Bruxelles 1971) 64. 1 ° Kluchtigh ende belacchelyck verhaeldicht van allen het gene men roept, singht ende schreeuwt soo op de merckten als straten van de princelycke stadt Brussel (Claudius Schoevaerts, op de Torfzenne; Brussel 1604); der Text: A. de Cock, ,Oude Brusselsche straatroepen', Volkskunde 23 (1912) 85-88; 120-121; 163-165; 204-206. <?page no="156"?> Titelscan.indd 156 Titelscan.indd 156 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 144 Jan van Herwaarden zösisch. Die Betrüger haben sich als Pilger ausstaffiert: Sie tragen mit Leder verzierte Pilgerstäbe, an denen Muscheln und Kreuzchen hängen und an ihrem Gürtel tragen sie Kallebassen, / die an der Küste von Spanien wachsen; zudem verkauft dies Volk bisweilen allerlei Firlefanz wie Bildchen und Paternoster aus Holz oder Stein,/ von Amber oder schönem Bein . 11 Die zitierte Zeile auf französisch ist wahrscheinlich dem populärsten Pilgerlied entlehnt, Quand nous partfmes de France, das in verschiedenen Versionen erhalten ist und in dem die Pilgerreise nach Santiago anhand einer Reihe markanter Stationen des Weges besungen wird. 12 Nach der Erläuterung im Wörterbuch bezieht sich die Zeile auf eine Episode aus dem ausführlichen Translationsbericht, wie er über das Buch des heiligen ]akobus schließlich unter dem 25. Juli in die Acta sanctorum gekommen ist: Da ist die Brücke, die in dem Moment einstürzt, als die Leute auf ihr waren, welche die SchülervonJakobus verfolgten; letztere waren auf ihrem schwierigen Weg zum endgültigen Begräbnis ihres Meisters aus einem Kerker entkommen.13 Es ist fraglich, ob der Text diese Erklärung zuläßt. Aus dem Liedtext geht nicht deutlich hervor, ob die gemeinte Zeile tatsächlich auf diese Episode verweist . Auf den ersten Blick deutet der Text auf eine gefährliche Brücke auf dem Weg, eine der vielen Gefahren, welche die Pilger überwinden mußten. Man kann die gefährliche Brücke jedoch auch als Metapher sehen, deren zentrale Bedeutung dann in der Legende beschrieben sein sollte. Die Begriffe und Verweise aus dem Wörterbuch sind dem Sprachgebrauch entlehnt, wie er sich ab dem sechzehnten Jahrhundert in den Niederlanden entwickelt hat, dessen Grundlage aber im Mittelalter liegt, so daß ohne weiteres festgestellt werden kann, daß der Jakobuskult auf die niederländische Sprache Einfluß hatte. Von daher sollte man einen reichen Fund an Erwähnungen in literarischen Äußerungen aus der Periode erwarten, die Wirklichkeit ist jedoch etwas enttäuschend . Axters, der berühmte Kenner der mittelalterlichen Volksfrömmigkeit in den Niederlanden, schrieb zwar 11 De Cock, ,Straatroepen', 204-205; vgl. Van Bocxstaele-Van Hee, ,Te sente ]acops in Galissien', 101-102; de Middelnederlandse citaten: bedelaers übernachteten in Rasthäusern alsob sy uyt vremde landen quamen, / Van S.Jacob uyt Galicien en seggen veel namen, / Van steden en plaetsen en wat daer gheschiet, / En singen aen ieder deur S. Jacobs liet; die Betrüger trugen Callebassen,/ die op de kusten van Spagnien wassen; zudem verkauft dies Volk Bildchen und Paternosters van haut oft steen, / Van amber of eenigh fraey been. 12 Fl. van Duyse, Het oude Nederlandsche Lied II ('s-Gravenhage-Antwerpen 1905) 913-914; vgl. C. Daux, Le pelerinage a Compostelle et la confrerie des pelerins de Monseigneur Saint-Jacques de Moissac (Paris 1898) 310-324: ,Les chansons des pelerins de Saint-Jacques: airs et notations', insb. 312-319; L. Vazquez de Parga u.a ., Peregrinaciones a Santiago (3 Bde.; Madrid 1948-1949 [Neuausgabe: Oviedo 1981]) I, 537-539; II, 564-566 . Text: Echevarrfa Bravo, Cancionero, 40ff.; vgl. z.B. H. Aurenche, Chemins de Compostelle (Paris 1948) 163-167: ,Chanson itinerante des pelerins de Compostelle', recueillie par Mme Jane Sempe. 13 van Herwaarden, Op weg naar ]acobus (Hilversum 1992) 57-58. <?page no="157"?> Titelscan.indd 157 Titelscan.indd 157 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Apostel Jakobus in der mittelniederländischen Literatur 145 ,Wir meinen selbst, daß für Laienkreise aus den Niederlanden Compostela einer der beliebtesten Wallfahrtsorte gewesen ist. Kein anderer Wallfahrtsort wird ja in der Literatur des Mittelalters so oft mit Ehrfurcht erwähnt wie das Grab des Heiligen J akobus,' aber hierzu muß sofort angemerkt werden, daß er nur eine einzige eigentlich literarische Fundstelle angibt und zwar den später noch zu behandelnden Dialoog van M eester Eckhart en de onbekende leek (,Dialog von Meister Eckhart und dem unbekannten Laien'); er verweist in diesem Zusammenhang weiter auf Abhandlungen, die auf archivalischen Daten basieren und vor allem in der Rechtspraxis übliche Wallfahrten betreffen, doch das ist ein ganz anderes Kapitel als die literarischen Erwähnungen. 14 Zudem wird sich hiernach herausstellen, daß mein Rundgang durch die niederländische Literatur auf dieser Ebene nicht allzu viel eingebracht hat. So ist zum Beispiel ein Genre wie Pilgerlieder über Santiago de Compostela im Niederländischen eigentlich nur durch das bereits erwähnte Liedeken van Sint Jakob vertreten; in dem doch recht umfangreichen poetischen Werk des Dichters Wilhelm von Hildegaersberch aus dem späten vierzehnten Jahrhundert wird J akobus der Ältere nicht genannt. 15 Wohl sind ein paar andere Anfangszeilen bekannt, 16 und es sind zwei Texte aus dem 18. Jahrhundert überliefert, der eine ein Lobgesang auf die Reliquien in Compostela und der andere eine Parodie auf den Pilger als Saufbold. 17 Dieses Ergebnis sollte übrigens nicht allzu sehr enttäuschen, denn auch die mittelalterliche deutsche Literaturwissenschaft kennt nur ein Pilgerlied, in dem die Reiseroute beschrieben wird und en passant das grausame Auftreten des Spitelmeisters in Burgos besungen wird; daneben ist eine Reihe protestantischer geistlicher Moritate im Jacobston erhalten, aber deren Text hat keinen Bezug zu unserem Heiligen. 18 14 Stephanus Axters, De geschiedenis van de vroomheid in de Nederlanden II: De eeuw van Ruusbroec (Antwerpen 1953) 414-419; 414, Zitat: ,Wij menen zelfs dat door de lekenkringen uit de Nederlanden Compostella een van de meest gewaardeerde bedevaartplaatsen is geweest. Geen enkele bedevaartplaatswordt immers in de literatuur uit de middeleeuwseperiode zo vaakmet ontzagvermeid alshet grafvan SintJacobus'. 15 G. Kalff, Het Liedin de middeLeeuwen (Arnhem 1972 [=1884]) 409: ,Ofschoon bedevaarten in vroegerentijd volstrekt niet tot de zeldzaamhedenbehoorden..., treffen wij toch weinigpelgrimsverhalenonder de liederenaan'; W. Bisschopund E. Verwijs, Gedichten van Willem van HiLdegaersberch (Utrecht 1981 [= 's-Gravenhage 1870]) und Th. Meder, Sprookspreker in Holland. Leven en werk van Willem van HiLdegaersberch (ca. 1400). N ederlandseliteratuuren cultuur in de middeleeuwen II (Amsterdam 1991). 16 van Duyse, Het oude Nederlandsche Lied II, 912: Wie Sint Jacobs broeder wiLt zijn (1567); Die na Sint Jacobs wandeLen wilt (1562); Wie Sint Jacob versoecken wiL (159). 17 H. Stalpaert, ,De pelgrimagenaar Compostella. Pelgrimsgebruikenen pelgrimsliederen', De Biekorf 66 (1965) 265-280; van Duyse publizierte noch zwei Texte(mit Varianten) von Pilgerliedernaus dem 17. Jahrhundert: van Duyse, Het oude Nederlandsche Lied III ('s-Gravenhage-Antwerpen 1907) 2674-2683, Nrs. 697 und 698. 18 Gerhard Hard, "Is ! eigenfünff Perg in welschenLandt". Eine Topographie der Pilgerwegevon DeutschlandnachSantiagoin Spanienausdem 15. Jahrhundert', Erdkunde. <?page no="158"?> Titelscan.indd 158 Titelscan.indd 158 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 146 Jan van Herwaarden Jakobus in der mittelniederländischen Literatur: ein fragmentarischer Beginn Daß der Titel dieses Beitrags den Inhalt nicht ganz abdeckt, liegt einmal an dem verfügbaren Material und andererseits an der etwas gekünstelten geographischen Definition . Zudem ist zu berücksichtigen, daß es häufig unmöglich ist, mittelniederländische Denkmäler von Quellen in anderen Sprachen zu isolieren, aus denen sie übersetzt sind oder aus denen sie das gilt für den Inhalt entlehnt sind. Im folgenden sollen Beispiele für Tatbestände zur Sprache kommen, die allgemeiner auf literarische Quellen in den Niederlanden verweisen, also nicht nur auf Tatbestände aus volkssprachlichen Schriften. Wenn es um volkssprachlich geschriebene Quellen geht, dann ist es nahezu unvermeidlich, auch auf anderssprachliche Schriften zu verweisen. In allen Fällen wird jedoch der Zusammenhang mit den Niederlanden angegeben werden. Diese Konnotation spielt insbesondere bei den niederländischen Adaptionen der chansons de geste eine Rolle, die weitgehend mit der Legendenbildung um Karl den Großen und den Seinen zusammenhängen. Darin wurde im Laufe der Zeit auch der nordwestspanische J akobuskult, vor allem auf der Basis der sogenannten Chronik von Turpin (Turpin-Chronik), aufgenommen. Ihre älteste Version findet sich in dem um die Mitte des zwölften Jahrhunderts verfaßten Codex Calixtinus; die Chronik war ursprünglich darin als das vierte Buch vom Buch des heiligen Jakobus aufgenommen worden. 19 Diese Chronik wurde wiederholt übersetzt und bearbeitet. In Skandinavien wurde sie für das norwegische Epos Karlamagnussaga, im Rheinland für Karlmeinet und in der Toskana für die Reali di Francia herangezogen. 20 Eine Archiv für wissenschaftliche Geographie 19 (1965) 314-325; 318: Text nach beiden erhaltenen Münchener Handschriften (Cgm 809; 817; in Basel befindet sich noch ein Handschrift: FX 10), leider ohne die Strophen XV-XXIII (bezüglich des Hospitelmeisters); vgl. Dietz-Rüdiger Moser, ,Die Pilgerlieder der Wallfahrt nach Santiago', in: Günther Noll und Marianne Bröcker (Hrsg .), Musikalische Volkskunde-Aktuell . Festschrift für Ernst Klusen zum 75. Geburtstag (Bonn 1984) 321-352; 330-336; für den vollständigen Text: L. Erkund F. M. Böhme, Deutscher Liederhort III (Hildesheim- Wiesbaden 1963 [ = Leipzig 1894]) 780-783 : nr. 2091; F. M. Böhme, Altdeutsches Liederbuch (Hildesheim-Wiesbaden 1966 [ = Leipzig 1877) 722-724: nr. 611: geistliche Lieder im ,Jacobston ' (vgl. Moser, ,Pilgerlieder', 343). Auch aus dem englischen Sprachraum ist nur der Text einer ballad erhalten: Francis James Child, The English and Scottish popular ballads I (New York 1965 [= Boston 1882]) 236-237, vgl. W. Starkie, The road to Santiago. Pilgrims of St. James (London 1957) 64-66 (vgl. 72: Ma calebasse; 75: Ultreia). 19 Van Herwaarden, Op weg naar ]acobus, 92-112. 20 Jongkees, ,Gondebald', 71-72; Gerhart Lohse, ,Das Nachleben Karls des Grossen in der deutschen Literatur des Mittelalters', in : W. Braunfels und Percy Ernst Schramm (Hrsg .), Karl der Grosse. Lebenswerk und Nachleben IV: Das Nachleben (Düsseldorf 1967) 337-347; 343-344: Die Turpin-Chronik in Karlmeinet übernommen von Vincenz von Beauvais . <?page no="159"?> Titelscan.indd 159 Titelscan.indd 159 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Apostel Jakobus in der mittelniederländischen Literatur 147 gereimte französische Version fand um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts in Doornik in die Reimchronik des Philippe Mouskes Eingang. 21 Auch in der mittelniederländischen Historiographie hat diese Chronik einen großen Stellenwert erhalten, was sich später noch zeigen wird; zunächst beschränke ich mich auf die Chronik als Inspirationsquelle für die chansons de geste. In der ältesten Version der Chanson de Roland der erste der hier gemeinten Romane der Karlsdichtung-findet sich keinerlei Hinweis auf Jakobus oder dessen Verehrung in Spanien. 22 Nicht Jakobus, sondern Petrus wurde in ihm von Karl dem Großen speziell angerufen, als er sich zum Kampf gegen die Ungläubigen wappnete, nachdem er von Rolands Tod vernommen hatte. 23 Auch die ältesten Bearbeitungen des Chanson de Roland im Deutschen (um 1170 geschrieben) und im Mittelniederländischen (nicht lange nach 1200) erwähnen Jakobus nicht. 24 Wohl wurde er im deutschen Annolied genannt, das etwa zur gleichen Zeit wie die älteste Version der Chanson de Roland aufgezeichnet wurde. 25 Erst in späteren Versionen der Chanson de Roland und in anderen, späteren chansons de geste kommt Jakobus doch vor, ohne Zweifel unter dem Einfluß der Turpin-Chronik. 1302 war der Name Jakobus als Ermutigung in der Schlacht im niederländischen Bewußtsein so weit durchgedrungen, daß die Flamen, so ein englisches Gedicht, in der berühmten Schlacht bei Kortrijk bei ihrem ,eigenen' heiligen Omaars und beim heiligenJakobus schworen. 26 21 Z.B. Ronald N . Walpole, Philips Mouskes and the Pseudo-Turpin chronicle (Berkeley- Los Angeles 1947); der Text: Chronique rimee de Philippe M ouskes, publiee par le baron De Reiffenberg (2 Bde.; Bruxelles 1836) I, 190ff., vs. 4718ff., separat ediert von R.N. Walpole, An anonymous old French translation of the Pseudo-Turpin chronicle. A critical edition of the text .... Medieval Academy books 89 (Cambridge [Mass.] 1979). 22 A. Roncaglia, ,II silenzio de! Roland su Sant'Jacopo, le vie dei pellegrinaggi e le vie della storia', Publicaciones de la faculdad de filosofia y letras, II.8 (Zaragoza 1956) 151-171. 23 Joseph Bedier, La chanson de Roland, publiee d'apres le manuscrit d'Oxford ... (Paris 1964) 248, vs. 2998: Recleimet Dieu e l'apostle de Rome; vgl. die Anrufung des Papstes Innocenz III., nachdem er den Mord seines Legaten Pierre Castelnau vernommen hatte: E reclamet Sant ]acme aisel de Compostela / E sant Peyre de Roma qui jatz en la capela, Guillaume de Tudele, Chanson de la croisade albigeoise, hrsg . von E.-M. Chabot, La chanson de la croisade albigeoise. Les classiques de l' histoire de France au moyen age (3 Bde.; Paris 1931) I, 16-17: Liber I, 5. 24 Carl Wesle (Hrsg .), Das Rolandslied des Pfaffen Konrad. Altdeutsche Texte für den akademischen Unterricht 3 (Halle an der Saale 1966); Hans van Dijk, Het Roelantslied. Studie over de Middelnederlandse vertaling van het Chanson de Roland , gevolgd door een diplomatische uitgave van de overgeleverde teksten (2 Bde. [durchnumeriert]; Utrecht 1981). 25 Annolied, MGH Deutsche Chroniken I (Hannover 1895) 98: Datierung um 1077-1081; 117, Zitat: seinte Jacobus in Hierusalem -/ nu is her dar in Galicia bisten (Vers 85). 26 Ex floribus historiarum qui Mathei Westmonasteriensis dicuntur, MGH SS XXVIII (Hannover 1888) 499, vs. 126 (nach einer Handschrift des 14. Jahrhunderts). <?page no="160"?> Titelscan.indd 160 Titelscan.indd 160 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 148 Jan van Herwaarden Anhand der katalogisierten Eigennamen aus dem Corpus der chansons de geste könnte so untersucht werden, wie das Muster der Verweisungen auf Jakobus aussah und wie es in den niederländischen Adaptionen verarbeitet wurde. 27 Jedenfalls steht fest, daß die einzigen Verweise auf Jakobus in der niederländischen Adaption der Chanson de Roland (Roelantslied) sich in dessen Prosateil befinden, der im Volksboek (Volksbuch) gedruckt ist. In ihm heißt es, daß Karl der Große vom Apostel im Traum ermahnt wurde, nach Spanien zu gehen. Dieser Prosateil ist übrigens keine Adaption des Rolandsliedes, sondern eine Verarbeitung der Turpin-Chronik, wobei eine mittelniederländische Übersetzung, die auch in einem anderen Kontext auftaucht, zugrunde gelegen hat. 28 Auf die gleiche Weise könnten ähnliche Texte untersucht werden, zum Beispiel Renout van Montalbaen of de Vier Heemskinderen, wo Roland sogar als Jakobuspilger auftritt, und Die schoone hystorie van Malegijs, wo berichtet wird, wie die Sarazenen Karl den Großen und die Seinen mit großer Gewalt angriffen, während die Hauptperson sich auf Wallfahrt nach Santiago de Compostela befand. 29 Drei Heiligenlegenden aus dem zwölften Jahrhundert und das Wunder der holländischen Gräfin Sofia Die ältesten eher literarischen Verarbeitungen von Hinweisen auf Jakobus in den Niederlanden findet man in erster Linie in lateinischen Quellen und zwar in zwei hagiographischen Erwähnungen aus der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts. Es handelt sich um Verweise auf den spanischen Jakobuskult in der Legende des heiligen Evermarus -, der friesischer Herkunft war, und in der sogenannten vierten Lebensbeschreibung des ebenfalls aus 27 Andre Moisan, Repertoire des noms propres de personnes et de lieux cites dans les chansons de geste franraises et les oeuvres etrangeres derivees (2 Teile in 5 Bdn.; Geneve 1986) s.v.Jaque; vgl. auch E. Langlois, Table des noms propres de toute nature compris dans les chansons de geste imprimees (Paris 1904). 28 Van Dijk, Roelantslied, 60--69; Zitate : 416-417 (r. 75 und 89); vgl. Luc. Debaene, De Nederlandse volksboeken. Ontstaan en geschiedenis van de Nederlandse prozaromans, gedrukt tussen 1475 en 1540 (Hulst 1977 [= Antwerpen 1951]) 165-172 . 29 Van Bocxstaele-Van Hee, ,Te Sente Jacops in Galissien', 90--91; vgl. Debaene, Volksboeken, 67-73: Historie van den Vier Heemskinderen (1508), gegründet auf die mittelniederländische Version von Reinout van Montalbaen (vgl. ,Reinout van Montalbaen', in: M. Gysseling (Hrsg.) Corpus van Middelnederlandse teksten (toten met het jaar 1300), Reihe II: Literaire handschriften, 1. Teil: Fragmenten ('s-Gravenhage 1983) 520: Textfragmente in einer Handschrift des letzten Viertels des 13. Jahrhunderts) der ursprünglich französischen Chanson Renaus de Montauban; Debaene, Volksboeken, 224-225: Malegijs von 1556, basierend auf einer mittelniederländischen Überarbeitung der Chanson Maugis d'Aigremont . <?page no="161"?> Titelscan.indd 161 Titelscan.indd 161 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Apostel Jakobus in der mittelniederländischen Literatur 149 Friesland kommenden heiligen Liudger. 30 In beiden Fällen geht es um eine Wallfahrt, welche die beiden Heiligen nach Santiago de Compostela unternommen haben sollen. Faktisch ist das ausgeschlossen, da beide Heiligen bereits gestorben waren, bevor nach der Überlieferung das Grab von Jakobus im Nordwesten Spaniens gefunden worden sein soll. Diese Bemerkungen machen die Autoren in der Absicht, der Biographie ,ihres' Heiligen mehr Bedeutung zu verleihen, indem sie ihn an der zu jener Zeit höchst modischen Jakobuswallfahrt teilnehmen lassen. Evermarus soll auf dem Rückweg von seiner Wallfahrt mit sieben Reisegefährten um 700 in der Nähe von Rutten (im belgischen Limburg) ermordet worden sein. Die stofflichen Überreste von Evermarus und den Seinen soll erst um 960 ein Priester, vom Himmel geleitet, gefunden haben. Die historische Zuverlässigkeit beider Ereignisse war zumindest zweifelhaft und führte im elften Jahrhundert während eines Festesssens in Tongeren zu hitzigen Diskussionen, als der örtliche Geistliche den Wunsch erkennen ließ, die sterblichen Überreste von Evermarus in eine ihm gewidmete Kirche zu überführen, und der damalige Bischof Theoduinus von Lüttich (1048-1075) sich weigerte, die Kirche zu weihen. Da geschah plötzlich ein Wunder, so daß der Bischof seine Meinung änderte und die bewußte Kirche am 25. Juli (SanktJakobustag! ) weihte. 31 Vom dreizehnten Jahrhundert bis heute gibt es in Rutten am 1. Mai eine Verehrung von Evermarus mit deutlichen Reminiszenzen an den Jakobuskult. 32 Diese beiden wenig zuverlässigen Informationen erhielten ein Pendant in einer volkssprachlichen Heiligenlegende, und zwar in der Legende des Heiligen Servaas (Servatius), die Hendrick von Veldeke um 1170 niederschrieb. 33 Auch hier geht es um eine Zufügung des Autors, der Servaas, nachdem ein Engel ihm in Jerusalem befohlen hatte, nach Gallien zu gehen, um dort Bischof zu werden, und ihn auf dem Weg dorthin einen Besuch an Compostela machen läßt: ,Zum Gebiete des Sankt Jakobs fuhr er, Der heilige Sankt Servacius, In Galicien, zum Jakobshause, 30 Vazquez de Parga u .a., Peregrinaciones I, 40; Vita Sancti Liudgeri, MGH SS II, 425; vgl. J. A. F.Kronenburg, Nederlands heiligen in vroeger eeuwen IV: Belijders en maagden (Amsterdam 1899) 137: Liudger hat am Tag, bevor er starb, in Coesfeld, wo dieser Vortrag gehalten wurde, gepredigt. 31 L. van der Essen, Etude critique et litteraire sur ! esvitae des saints merovingiens (Bruxelles 1907) 199-203; die Kirchweihe: 201. 32 Für die heutige Verehrung : K. Meisen, ,Der Volksheilige Evermarus und das Evermarusspiel in Rutten', Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde 11 (1960) 62-145; diese Verehrung signaliert Annetvan Wiechen in]acobsstaf 1 (1989) 35-36, mit Hinweis auf das Schauspiel: J. Leroi, Eerstemei viering van de H . Evermarus, martelaar in Rutten (Rutten 1962). 33 P.C. Boeren,Jocundus, biographe de Saint Servais (The Hague 1972) 107-109. <?page no="162"?> Titelscan.indd 162 Titelscan.indd 162 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 150 Jan van Herwaarden Und suchte seine Gnade da. Von dort fuhr er nach Gallia das jetzt ist Lutteringhen'. 34 Auffallend ist, daß diese Zufügung zum Text, der Hendrik vorlag, eigentlich eine weitere Bearbeitung einer vollkommen anachronistischen Suggestion war, die der Autor des Textes bereits anderweitig hervorgerufen hatte. Dieser Autor, Jocundus, hat nämlich, möglicherweise inspiriert durch den französischen Roman d'Aquin, seine Hauptperson Servaas an Karl den Großen gekoppelt, weil Karl den Heiligen als ideellen Schirmherrn seines Kampfes gegen die Sarazenen verehrt haben soll; ein Thema, das vor allem dank der sogenannten Turpin-Chronik ein wichtiges Element der spanischen Jakobustradition bildet. 35 Neben Jerusalem und Santiago de Compostela hat Servaas, so seine Biographen, auch Rom besucht. Durch seinen Besuch der drei Wallfahrtsorte die Triade der lateinisch-christlichen Welt hat Servaas in übertragenem Sinn die ganze christliche Welt umfaßt, eine ,Grand tour' avant la lettre . 36 Wie Servaas hat auch Liudger Rom und Santiago besucht, was als Anspielung auf die Gleichwertigkeit der beiden Orte aufgefaßt werden kann . Es wäre reizvoll, in diesem Kontext weiter über die Bedeutung des Themas Rom - Compostela zu spekulieren, im elften und zwölften Jahrhundert ein brisantes Thema, das in den ,offiziellen' Stellungnahmen zum Kult zu einer harmonischen Position kanalisiert wurde: Compostela war wie Rom ein ,apostolischer Stuhl', aber Rom untergeordnet, wie Jakobus in der Apostelhierarchie unter Petrus stand.37 Die Erwähnung Compostelas in der Legende vom heiligen Servaas von Hendrik von Veldeke dürfte in die antipäpstliche Tendenz dieses Werkes passen, was durch die Position eines der Auftraggeber des Dichters bedingt wurde; denn die Suggestion der Gleichstellung von Compostela und Rom kann durchaus als antipäpstlich interpretiert werden. 38 Aus derselben Periode stammt auch der Bericht über das Wunder, das die holländische Gräfin Sofia während ihrer Wallfahrt nach Santiago de Compostela erlebt hat. Obwohl in strengem Sinn weder ein literarischer Verweis noch eigentlich ein Jakobuswunder, geht es hier doch um die einzige Jako- 34 G .A. van Es, Sint Servaeslegende in dutschen dichtede H eynrijck die van Veldeken was geboren (Culemborg 1976) 33, vs . 434-439 : Te Sinte Jacobs voer hij sijne ghebiede / Die heilige Sinte Servacius / In Galissien, te sijnen huys / Ende soechte sijne genade da. / Van danne voer hi te Gallia / Dat nu is Lutteringhen . 35 Van Herwaarden, Op weg naar Jacobus, 92- 112. 36 Vgl. darüber van Herwaarden, ,Pilgrimages and social prestige', 46- 49. 37 Van Herwaarden, Op weg naar Jacobus, 85- 88; vgl. Klaus Herbers, Der Jakobuskult des 12. Jahrhunderts und der„ Liber Sancti Jacobi" . Studien über das Verhältnis zwischen Religion und Gesellschaft im hohem Mittelalter . Historische Forschungen VII (Wiesbaden 1984) 70-81. 38 Anja van Leusden, ,Servaas als Compostelaganger ' , in: S. Buirink u .a. (Hrsg .), Rapiarijs . Een afscheidsbundel voor Hans van Dijk . Ruyghbewerp XVI (Utrecht 1987) 73-75. <?page no="163"?> Titelscan.indd 163 Titelscan.indd 163 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Apostei jakobus in der mittelniederländischen Literatur 151 buserzählung, die aufgrund der auch in Holland geschriebenen ursprünglichen lateinischen Version einen selbständigen Platz in der mittelniederländischen historischen Literatur erhalten hat. Bei der Erwähnung, daß die Gräfin 1176 während ihrer dritten Wallfahrt nach Jerusalem gestorben war, wird erzählt, daß sie auch einmal in Santiago gewesen sei. Auf dem Rückweg von dort sei ihre Reisegesellschaft von einer Räuberbande überfallen worden, die sie mit langen Messern töten wollten. Als sie jedoch zustechen wollten, seien sie gelähmt worden und hätten plötzlich nichts mehr ausrichten können. Durch dieses Wunder zur Einkehr gebracht, hätten die Räuber Sofia um Erbarmen angefleht, worauf diese Gott gebeten habe, ihnen zu vergeben. Es war übrigens nicht Jakobus' Eingreifen, das Sofia rettete, sondern es waren ihre eigenen Verdienste, die Gott bewogen, ihr gegen die Räuber beizustehen.39 Caesarius von Heisterbach Angaben über die Verbreitung des spanischen Jakobuskults im lateinischchristlichen Europa belegen, daß die Verehrung ab dem zwölften Jahrhundert auch in den nördlichen Gegenden zum Gemeingut wurde und daß verschiedene literarische Quellen des Kultes auch in den Niederlanden in Umlauf kamen, angefangen mit einer Sammlung von Wundererzählungen, deren Text kurz vor 1187 von dem südniederländischen Mönch Wibert von Gembloux (1124-1213) in Marmoutiers abgeschrieben wurde. 40 In dieser Gattung findet dann auch das nächste Stadium literarischer Anspielungen auf den Jakobuskult im niederländischen Kontext statt . Obwohl Caesarius von Heisterbach nicht als niederländischer Autor gelten kann, steht sein hier gemeinter Beitrag doch mit den Niederlanden in Verbindung. Denn er läßt laut seinem Dialogus miraculorum die Hauptpersonen aus der berühmtesten Wundergeschichte vonJakobus -die Erzählung von dem gehängten Pilger, der dank Jakobus' Eingreifen unversehrt blieb -, aus Utrecht kommen, wo die älteste Version der Erzählung nicht weiter zurückreicht, als ihre deutsche Herkunft andeutet . Später soll nochmals auf diese Erzählung eingegangen werden, die, wie ein Kanoniker aus Utrecht 39 G.H. Pertz (Hrsg.), Anna/ es Egmundani, MGH SS XVI (Hannover 1859) 469; H . Bruch (Hrsg .), Chronographiajohannis de Beke. Rijks Geschiedkundige Publicatien, Große Reihe 143 ('s-Gravenhage 1973) 116-117; [B.J.L. de GeervanJutphaas (Hrsg.)], Bronnen van de Geschiedenis der Nederlanden in de middeleeuwen. Kronijk van Holland van een ongenoemden geestelijke. Werken Historisch Genootschap, Nieuwe reeks 6 (Utrecht 1867) 56. 40 Pierre David, ,Le livre des miracles' [ = ,Etudes sur le livre de Saint-Jacques attribue au pape Calixte II' III], Bulletin des etudes portugaises et de l'institut franrais au Portugal, nouvelle serie XI (1947) 159-185; 159; vgl. M. L. Berkey, ,The Liber SanctiJacobi: the French adaptation by Pierre de Beauvais', Romania 86 (1965) 80 und Anm. 2. <?page no="164"?> Titelscan.indd 164 Titelscan.indd 164 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 152 Jan van Herwaarden Caesarius erzählt hatte, dort überall bekannt war. 41 Hier soll es genügen, diese Erwähnung in einem Werk anzuführen, das darüber hinaus einige Wundergeschichten umfaßt, die mit der Jakobusverehrung im Zusammenhang stehen. 42 Das gegen Ende des zwölften Jahrhunderts geschriebene Werk des Caesarius von Heisterbach hatte großen Einfluß auf die mittelniederländische Literatur; das zeigen Zitate in mittelniederländischen Schriften. Es ist auch sicher, daß sein Werk ins Mittelniederländische übersetzt ist, jedoch dürfte die Übersetzung kaum Verbreitung gefunden haben, auf jeden Fall wurde sie nicht gedruckt. Inwiefern Caesarius' Erwähnungen von Jakobus dessen Kult in den Niederlanden stimuliert haben, muß offen bleiben . Die hier angeführte Version von Jakobus' Wunder und die daneben gestreiften Verweise sind, soweit mir bekannt, nicht in den einschlägigen Schriften mit Verweisen nach Caesarius zu finden. 43 Der Enaamse Codex Eine der ältesten erhaltenen mittelniederländischen Bezüge zu Jakobus verweist auf die Art und Weise, wie Jakobus nach seinem Tode in Jerusalem nach Spanien überführt worden sein soll. In einem der Familie Marias gewidmeten Fragment im sogenannten Enaamse codex (nach 1290 geschrieben) heißt es: ,Sankt Jakob war auch ein,/ Der in Galicien auf einem Stein,/ Fuhr über das wilde Meer'. 44 41 Caesarii Heisterbacensis monachi ordinis cisterciensis, Dialogus Miraculorum, ed. Josephus Strange (2 Bde.; New Jersey 1966 [= Köln usw . 1851]) II, 131: valde celebre atque notissimum (VIII.lviii). 42 Ebd ., I, 324: der Teufel an der Arbeit enlang der via ...Jacobi (V.xxxix); 377-378: falsche Jakobuspilger demaskiert und gehängt (VI.xxv); 384-385: Marcadellus aus Ferrara als leichtgläubiger Pilger (VI.xxxiii); Ebd . II, 222-223 : Santiago erlöst einen Bauern von Hemmersbach aus einem Ofen (X.vii); 261-262: jemand aus Kerpen besucht häufig Rom und Santiago (X.lxvii); vgl. Aloys Meister, Die Fragmente der Libri VIII Miraculorum des Caesarius von H eisterbach. Römische Quartalschrift für christliche Alterthumskunde und für Kirchengeschichte, dreizehntes Supplementheft (Rom 1901) 92-93: 11.19; 185-187: III.62. 43 C.G.N. de Vooys, Middelnederlandse legenden en exempelen. Bijdrage tot de kennis van de prozalitteratuur en het volksgeloof der middeleeuwen (Groningen 1974 [=19262)) 23. 44 Johannes und (auch: oec)Jakobus waren Söhne des Zebedäus aus seiner Ehe mit Maria Salome, der Legende nach, wie Jesu Mutter Maria eine Tochter der Anna; Enaamse codex, in: M. Gysseling (Hrsg.) Corpus van Middelnederlandse teksten (toten met het jaar 1300), Reihe II: Literaire handschriften 1: Fragmenten ('s-Gravenhage 1983) 498-500 (nicht numeriertes Blatt im Codex, 393): ,Van onser vrouwen gheslachte', 43-45: Sente Jacob wasser oec een / Die in Galissien op enen steen / Voer over die wilde ze (500). <?page no="165"?> Titelscan.indd 165 Titelscan.indd 165 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Apostel jakobus in der mittelniederländischen Literatur 153 Dies ist nicht einfach ein Verweis auf eine landläufige Erzählung, sondern eine Anspielung auf eine bestimmte Version der Translatio des Heiligen, der auf einem Felsblock von Jaffa nach Galicien gefahren sein soll. Diese Geschichte steht im Buch des heiligen ]akobus und zwar in der Predigt, die nach den beiden ersten Worten Veneranda dies benannt wird (,Der Tag soll verehrt werden', gemeint ist der 30. Dezember, das Translationsfest). In dieser ,Papst Calixtus' zugeschriebenen Predigt finden sich zahlreiche Details über die Verehrung und die Wallfahrt. In einer Aufzählung dessen, was er als Lügenerzählungen ansieht, führt ,Calixtus' unter anderem folgende Geschichte an: ,Wieder andere sagen, daß er Gakobus) auf einem Fels sitzend über die Wellen des Meeres ohne Fahrzeug auf Veranlassung des Herrn von Jerusalem nach Galicien gekommen ist und daß ein Teil des Felsens in Jaffa zurückgeblieben sei. Andere behaupten dagegen, daß der Fels mit dem toten Körper auf einem Schiff angekommen sei. Ich habe jedoch für richtig befunden, daß beide Fabeln Lügen sind, denn in Wahrheit wurde mir klar, als ich den Felsen früher sah, daß er aus Galicien stammt. ' 45 Es ist also diese ,verbotene' Version des Translationsberichts, die in dem südniederländischen Enaamse codex zusammengefaßt ist. Nicht lange bevor das Buch geschrieben wurde, wurde die Geschichte auf einem Siegel dargestellt, das auf die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts datiert wird und aus der Jakobusabtei zu Provins in der Champagne kommt; eine etwa gleichzeitige Darstellung auf einem Fenster der Kathedrale von Chartres ist im vergangenen Jahrhundert verlorengegangen. Erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts tauchen ein paar andere Abbildungen auf: ein Tafelbild eines dem Leben und den Wundern von Jakobus geweihten Polyptychon aus der Schule von Dieric Bouts, heute in Indianapolis, eine Miniatur im Stundenbuch von Frans de Guise 46 und einige Miniaturen flämischer Herkunft vom Beginn des sech- 45 Codex, 144; über ,Calixtus' und das Buch des heiligen Jakobus: van Herwaarden, Op weg naar]acobus, 17-27; J. van Herwaarden, ,Het ,Boek van Sint Jacobus", in: J. van Herwaarden (Red.), Pelgrims door de eeuwen heen. Santiago de Compostela in woord en beeld (Turnhout-Utrecht 1985)67-90; 70: ,Het eigen werk van ,Calixtus"; und J. van Herwaarden, ,L'integrita di testo de! Codex Calixtinus', in: Atti de! Convegno lnternazionale di Studi : Jl pellegrinaggio a Santiago de Compostela e la letteratura jacopea (Perugia 1985)251-270,insb. 259-262. 46 SeraffnMoralejo, ,San Giacomo e i cammini della sua iconografia', in: Paolo Caucci von Saucken(Red.), Santiago. L'Europa de! Pellegrinaggio (Milano 1993)75-89; insb. 75-76: ,II primo pellegrinaggiodi san Giacomo': SiegelProvins (Paris, Archives Nationales); Stundenbuch von Fran~oisde Guise (Chantilly,Musee Conde ms. 64/ 1671, 188v); Tafelbild Indianapolis; vgl. auch SeraffnMoralejo, ,Idea de una exposici6n', in: Santiago, camino de Europa. Culto y cultura en la peregrinaci6n a Compostela (Santiago de Compostela 1993)235-241; 237: Hinweis auf diese Legende. Dieselbe Erzählung kommt auch in einer Balladevor, die in Dänemark, Norwegen, Schweden und auf den Färner-lnselneinigePopularitätgenoß: VicenteAlmaz: in"Huellasjacobeasen la cultura escandinava', Ebd ., 181-191,mit ins Spanischeübersetztem Text: 189-190(vgl auch in diesem Band) vgl. auch das Banner der Brüsseler Wollweberzunft (1593) mit u. a. dieserSzene(Brüssel,KöniglicheMuseenfür Kunst und Geschichte,lnv.Nr 865; <?page no="166"?> Titelscan.indd 166 Titelscan.indd 166 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 154 Jan van Herwaarden zehnten Jahrhunderts. Ein eindrucksvolles Beispiel befindet sich heute im Sir John Soane's Museum in London. 47 Der Einfluß von Speculum historiale und Legenda aurea Die mittelniederländische Literatur über die Aspekte der Jakobusverehrung hatte weitaus am meisten der Verarbeitung zweier wichtiger enzyklopädischer Werke zu verdanken, die ursprünglich in Latein geschrieben sind und in ganz Europa hohes Ansehen genossen: das Speculum historiale des Vincentius von Beauvais und die Legenda aurea des Jacobus de Voragine, beide aus dem dreizehnten Jahrhundert und unverkennbar miteinander verwandt, so sie nicht bei einander Anleihen gemacht haben. 48 Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen beiden Werken lassen sich unter anderem anhand ihrer Ausführungen über Jakobus den Älteren skizzieren. In beiden wird mit fast denselben Worten und inhaltlich übereinstimmend mit der entsprechenden, ,Calixtus' zugeschriebenen Passage im Buch des heiligen Jakobus gehandelt von der Art und Weise, wie die Kirche das Fest von Jakobus am 25. Juli festgelegt hat: Vincentius und Jakobus haben die gleichen Quellen benutzt. 49 Jacobus de Voragine verweist wiederholt Abb. Georges, Pelerinage a Compostelle, Pl. 164); Vgl. Santiago de Compostela. 1000 jaar Europese bedevaart . Europalia 1985 (Gent 1985) 389-390, nr. 405 (Moralejo präzisierte indessen Andre Georges, Pelerinage a Compostelle, 216-217 und Pl. 163). 47 Flämisches Stundenbuch (1512), London, Sir John Soane's Museum Ms . 4, 11lv-112r : Miniatur mit dem Gebet O Lux et decus. Mireille Madou nennt in De Jacobsstaf 22 (1994) 50-51 drei weitere flämische Abbildungen: eine ohne weitere Angabe, aber es wäre bezüglich der in De Jacobsstaf 23 (1994) 85 abgebildeten Miniatur aus dem Musee Conde zu Chantilly (Stundenbuch Tour und Taxis, Anfang des 16. Jahrhunderts) möglich, daß dann die Hände verwechselt worden sind; eine, mit Abbildung auf der Stelle, aus der Österreichischen Nationalbibliothek zu Wien (±1510-1520); und eine die nur umschrieben wird, womit aber wohl die hier gezeigte Miniatur aus dem Sir John Soane's Museum gemeint sein dürfte. 48 J. J. A. Zuidweg, De werkwijze van Jacobus de Voragine in de Legenda Aurea (Oud Beijerland 1941) 37-39 : Vincenz von Beauvais widmete ungefähr 900 der 3800 capita seines Speculum historiale den Heiligenleben und Mirakeln; alles was Jacobus de Voragine in seiner Legenda aurea über Heilige erzählt, ist auch größtenteils bei Vincenz zu finden. 49 Codex, 297; Jacobi a Voragine, Legenda aurea, vulgo historia Lombardica dicta, rec. Th. Graesse (Osnabrück 1969 [= 1890]) 421-430; 424; Vgl. Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine, aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz (Heidelberg 1979 [=1917, 1921]) 487-497; 490; Jacob van Maerlant's Spiegel historiael [hrsg. von M. de Vries und E. Verwijs] (4 Bde.; Utrecht 1982 [= Leiden 1861-1879]) I, 390, n. 2: Verweis auf den Text des Vincenz (Vincemius Bellovacensis Speculum Historiale (Graz 1965 [= Ed. Douai 1624])274: VIII.vii). Also kann das betreffende Textfragment nicht benutzt werden als charakteristisches Beispiel der Erzählungsweise des Jacobus de Voragine, gegen Alain Boureau, La Legende doree. Le systeme narratif de Jacques de Voragine (Paris 1984) 26. <?page no="167"?> Titelscan.indd 167 Titelscan.indd 167 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Apostel jakobus in der mittelniederländischen Literatur 155 auf das Werk von Johannes Beleth und entnimmt ihm unter anderem das Faktum, daß Jakobus in Spanien nur einen Konvertiten gewonnen habe, eine Bemerkung, die sich auch in der niederländischen Bearbeitung findet. Er erwähnt dies, nachdem er die gängige Bemerkung über die spanischen Schüler von J akobus angeführt hat, während Vincentius sich in diesem Kontext mit dem letzten Faktum begnügt, das von ,Calixtus' in dessen Prolog zum Translationsbericht aus dem Buch des heiligen Jakobus stammt: Jakobus de Voragine geht mit seinen Quellen etwas kritischer um . 50 Das Speculum historiale fand seinen mittelniederländischen Bearbeiter in Jacob von Maerlant, der Vincentius von Beauvais, dem Autor des Speculum, an enzyklopädischer Bildung in nichts nachstand. Zwischen 1282 und 1288 arbeitete er an dem leider unvollendet gebliebenen Riesenwerk. 51 Die mittelniederländische Übersetzung der Legenda aurea ist viel jüngeren Datums; eine erste Übersetzung, die südniederländische Version, wurde etwa um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts angefertigt das Jahr 1358 wird meist genannt -, während die nordniederländische Version um 1400 entstanden sein könnte. 52 Jacob von Maerlant Bevor Jacob von Maerlant mit seinem Spiegel historiael begann, hatte er in der 1271 fertiggestellten Rijmbijbel (Reimbibel) bereits einige Male Jakobus den Älteren entsprechend der biblischen Tradition erwähnt, aber dabei auch auf die Existenz seines Leichnams in Galicien hingewiesen, wo er die Berufung und den Tod des Apostels stattfinden läßt. 53 Im Spiegel historiael ist so Legenda aurea, 422 (Ed. Benz, 488), entlehnt dem Johannes Beleth, Summa de ecclesiasticisofficiis, hrsg . H . Douteil. Corpus christianorum, continuatio mediaevalis XLI, XLI A (Turnhout 1976) XLI, 130. 51 Jos A.A.S. Biemans, ,La tradition manuscrite du Spiegel historiael de Jacob van Maerlant . Etude de reception et archeologie du livre', in: Monique Paulmier-Foucart u .a. (Red.), Vincent de Beauvais: intentions et receptions d'une oeuvre encyclopedique au moyen age (Paris 1990) 375-389. Über die Weise, wie Maerlam mit den Quellen umgeht, ist viel zu sagen; darüber: Petra Berendrecht, Proeven van bekwaamheid. Jacob van Maerlant ende omgang met zijn Latijnse bronnen (Amsterdam 1996). 52 Werner Williams-Krapp, Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters. Studien zu ihrer Überlieferungs-, Text- und Wirkungsgechichte (Tübingen 1986) 53-197: ,Die „südmittelniederländische Legenda aurea'", ebenda ein Abschnitt ,Die nordmittelniederländische Legenda aurea', 161-172; vgl. J. Deschamps, Middelnederlandse handschriften uit Europese en Amerikaanse bibliotheken (Leiden 19722) 197-202, Nr. 69 und 70; Brigitte Derendorf, ,Die mittelniederdeutschen Bearbeitungen der Legenda aurea',jahrbuch des Vereinsfür niederdeutsche Sprachforschung 107 (1984) 7-31; 16 ff: Die niederdeutschen Bearbeitungen und die südmittelniederländische Legenda aurea. 53 Jacob von Maerlant, Rijmbijbel, in: M. Gysseling (Hrsg .) Corpus van Middelnederlandse teksten (toten met het jaar 1300), Reihe II : Literaire handschriften, 3. Teil: <?page no="168"?> Titelscan.indd 168 Titelscan.indd 168 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 156 Jan van Herwaarden Maerlant seinem Vorbild im allgemeinen treu gefolgt. Das impliziert, daß die verschiedenen Jakobuserzählungen in chronologischer Reihenfolge angeführt werden: Zunächst einige biblische Verweise, dann die Erzählung über den Tod des Apostels und die Überführung seines Leichnams mit einem kurzen Expose über den Festtag des Heiligen am 25. Juli und schließlich Jakobus' Anteil am Auftreten Karls des Großen nach der sogenannten Turpin-Chronik.54 Schließlich führt der Fortsetzer von Maerlants Werk, Ludwig von Velthem, gleichfalls in Übereinstimmung mit Vincentius, im Zusammenhang mit der Nachricht vom Tode von Papst Calixtus II. (1119-1124) die Mirakelerzählungen an, die ja größtenteils von diesem Papst geschrieben sein sollen. 55 In Maerlants Spiegel historiael findet sich noch die Andeutung, nach welcher der Heilige der Apostel der syrischenJakobiten gewesen sein soll. Hierfür ist nicht Vincentius von Beauvais die Quelle, sondern Martinus Polonus, (dem Maerlant übrigens auch die Geschichte der Päpstin Johanna entnimmt56), der im Zusammenhang mit den theologischen Auffassungen des byzantinischen Kaisers Heraklius über die Jakobiten berichtet. Maerlant hat diese Bemerkungen so bearbeitet, daß die Jakobiten statt als Monophysiten, welche die göttliche Natur von Christus betonten, als Nestorianer erscheinen, welche einseitig die menschliche Natur von Christus hervorhoben. 57 Wie Vincentius von Beauvais erwähnt Maerlant Jakobus einige Male in seiner Erzählung über das Auftreten J esu: Die Berufung des Apostels, seine Anwesenheit bei der Verklärung auf dem Berg Tabor und die bekannte Geschichte über den Wunsch, zur Rechten und zur Linken Christi in dessen Königreich zu sitzen, der von Jakobus und seinem Bruder Johannes selbst Rijmbijbel / Tekst (vgl. 4: Rijmbijbel / Indices) (Leiden 1983) vs. 22611-22612 : ]acop die merre die men seghet / Dat nv in Galissien leghet; 27201-27205: Van desen Herodes (namentlich Herodes Agrippa) es bescreven / Dat hi sente Iacoppe onthoofden dede / Te Iherusalem in die stede / Die nu in Galissien leghet (vgl. 21635-21637: Deen was Herodes Agrippa / Diesident was here grod / Ende sente lacoppe sloech dod) . 54 Spiegel historiael I, 287, 293-294, 300,384 (vgl. 387): I.VII .viii, 19ff.; I.VII.xiiii, 1-17; 1.VII.xx, 27-41; 1.VIII.iii, 1-20 (vgl. 1.VIII.iiii 119-122): biblische Verweise; I, 385-390 : I.VIII.iii, 21-1.VIII.viii, 22: Tod, Translation, Festtag; III, 170-171, 179-185, 188-204, 205-206: IV.l.ii; IVJ.x-xiiii; IV.l.xvii-xxviii; IV.l.xxx: Maerlant und der Pseudo-Turpin. 55 Spiegel historiael IV, 535-536, zu kombinieren mit III, 397-401: IV.III.xlix-liii: Fragmente aus dem Text Velthems in der Einleitung zum Buch des heiligen ]akobus und einige ebenfalls dem ,Calixtus' zugeschriebene Mirakel; vgl. Calixtus II Papa [Vincentius von Beauvais], ,Libellus miraculorum SanctiJacobi apostoli' [Speculum historiale XXXVII . 30], Migne PL 163, 1369-1376 (Speculum historiale [Ed . Douai] 1064-1068). 56 Spiegel historiael III, 220: IV.I.xlii, 45-72; vgl. MGH SS XXII (Hannover 1872) 428. 57 Spiegel historiael III, 74-75: III.VIII .xii, 25-54; vgl. Martinus Polonus Chronicon expeditissimum (Antwerpen 1574) 277-278 (Text auch in: MGH SS XXII, 458). Über die christologische Auffassungen Maerlants wird bald ein Beitrag publiziert werden von R . Harper, ,Maerlant en het monofysitisme '. <?page no="169"?> Titelscan.indd 169 Titelscan.indd 169 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Aposteljakobus in der mittelniederländischen Literatur 157 oder von ihrer Mutter geäußert worden war, kurz, Verweise auf die Bibel. 58 Die erste ausführliche Erzählung über Jakobus verlegt Maerlant, auch hier Vincentius von Beauvais folgend, in die Regierungsperiode des jüdischen Königs Herodes Agrippa, der für die Enthauptung des Apostels verantwortlich ist: ,Im Jahr, als man XLV schrieb, das wär,/ die Inkarnation von unserem Herr, ein bißchen weniger oder mehr', eine Tatsache, die sowohl im Neuen Testament als auch in der Apostelgeschichte vorkommt. 59 Hier werden verschiedene Überlieferungen verwendet, die man auch bereits im Buch des heiligen ]akobus aus dem zwölften Jahrhundert findet: die detaillierte Leidensgeschichte (die Passio magna) 60 , die in diesem Buch gemäß der Überlieferung von Papst Calixtus zusammengestellten Translationsberichte von denen einer von einem gewissen Papst Leo geschrieben sein soll, den Maerlant namentlich nennt mit dem von ,Papst Calixtus' geschriebenem Prolog. 61 Als Schluß folgt ein kurzes Expose (ebenfalls ursprünglich von ,Papst Calixtus') darüber, wie und warum der Festtag von Jakobus von der lateinisch-christlichen Kirche auf den 25. Juli gelegt wurde. 62 Es fällt auf, daß Vincentius von Beauvais und in seinen Spuren Jacob von Maerlant, der erstere vor und Maerlant unmittelbar nach ihren Ausführungen über den Festtag, eine Wundergeschichte plazieren die ,Papst Calixtus' in seinem Prolog zum Translationsteil im Buch des heiligen Jakobus aufgenommen hatte. Sie betrifft einen Pilger, der die ganze Geschichte in Compostela aus dem Lateinischen gegen Bezahlung hatte abschreiben lassen; als er diese Geschichte voller Neugierde an einem abgelegenen Platz lesen wollte, fand er die bezahlten Münzen in seinem Schoß; ohne Zweifel hatte sie ihm Jakobus selbst zurückgegeben . 63 Ebenso auffällig ist, daß der von Jakobus bekehrte Zauberer Hermogenes seine Bücher, nach Maerlants Bericht, tatsächlich verbrannte, während im Buch des heiligen]akobus ausdrücklich angegeben wird, daß Jakobus - ,damit der Gestank des Feuers die Arglosen nicht belästige' - Hermogenes befahl, seine Bücher mit Blei zu beschweren und im Meer zu versenken, statt sie zu verbrennen, wie das auch in der Legenda aurea zu lesen ist. 64 58 Spiegel historiael I, 287: I.VII.viii, 19ff.: Berufung u.a. des Jakobus; I, 293-294 : I.VII.xiiii, 1-17 : Tabor; I, 300: I.VII .xx, 27-41: die linke und rechte Seite. 59 Spiegel historiael, I, 384: I.VIII.iii, 1-20 : Herodes Agrippa ließ Jakobus verhaften und enthaupten, Daer af aldus alsic verheeste / Ghescreven es in sine jeeste (19-20); Zitat : ...int jaer, / Alsemen screef XLV, dats waer, / Dincarnation van onsen Here, / Lette! min oft Zettel mere (I, 387, I.VIII.iiii, 119-122); vgl. Speculum historiale (Ed. Douai) 272-274: VIII.iiii-vii. 60 Spiegel historiaelI, 385-387: I.VIII.iii, 21-I.VIII.iv: de Passio magna, vgl. Codex, 94-103. 61 Spiegel historiael I, 387-390: I.VIII .v-ix, 22; vgl. Codex, 289-296. 62 Spiegel historiael I, 390-391 : I.VIII.viii, 23-42; vgl. Codex, 296-299. 63 Spiegel historiael I, 390: I.VIII .viii, 43-62; Speculum historiale (Ed. Douai) 274: VIII.vi.; vgl. Codex, 290 (156v). 64 Spiegel historiael l, 386: I.VIII.iiii, 58-59; vgl. Codex, 96; Legenda aurea, 423 (Ed . Benz, 489-490) . <?page no="170"?> Titelscan.indd 170 Titelscan.indd 170 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 158 Jan van Herwaarden Die Turpin-Chronik bildet bei Vincentius und Maerlant einen wichtigen Bestandteil der Darlegungen über die Taten Karls des Großen; über Maerlant ist diese Chronik in den Teil der Brabantsche Yeesten gekommen, den der Antwerpener Schreiber Jan von Boendale um 1316 geschrieben hat. 65 Zuvor wurde diese Chronik bereits kurz als Quelle der Inspiration für die chansons de geste erwähnt, aber in diesem Kontext wird sie als zuverlässige historische Quelle betrachtet. In dieser Beziehung stehen Vincentius und Maerlant keineswegs allein, auch wenn Albericus von Troisfontaines (ca. 1240) offenbar an der Authentizität der Chronik zweifelt. 66 Maerlants Bearbeitung verdient gewiß, näher unter die Lupe genommen zu werden, nicht allein zum Vergleich mit der Version von Vincentius von Beauvais -dieser berichtet, sobald der Name Huesca fällt, daß sein Namenspatron Vincentius dort geboren ist, was von Maerlant übernommen wird 67-, sondern auch im Kontext der mittelalterlichen landessprachlichen Turpinrezeption.68 Es zeugt zumindest von Ironie, daß Maerlant in zwei ,eigenen' Passagen, die man bei Vincentius also nicht findet, direkt vor und dann nochmals gegen Ende seiner Turpin-Adaption eine Attacke auf historiographische Pfuscher einschiebt (die auch von Jan von Boendale übernommen wird 69), vor allem auf die ,wallonischen falschen Poeten'. Sie seien für die sogenannten Karlsromane verantwortlich, die nach einem von Maerlant zitierten, aber leider nicht weiter identifizierbaren Clays ver Brechtensone aus Haarlem ins Mittelniederländische übertragen worden seien .70 Die Mirakelberichte schließlich sind nur über einige Fragmente bekannt, die von dem durch Ludwig von Velthem bearbeiteten Text übrigblieben. Der betreffende Teil ist eine Erweiterung anläßlich des Todes von Papst Calixtus II., der für den Text des Jakobsbuches verantwortlich gewesen sein soll, der in dem nach ihm benannten Codex Calixtinus noch immer in Compostela bewahrt wird. 71 Die ersten tradierten Fragmente sind so auch eine Bearbei- 65 Spiegel historiael III, 179-185, 188-204, 205-206: IV.I.x-xiiii; IV.I.xvii-xxviii; IV.I.xxx, vgl. Speculum historiale (Ed. Douai) 964-971 : XXIV.vi-xxv; J.F. Willems (Hrsg.), De Brabantsche Yeesten of Rymkronyk van Braband, door Jan de Klerk, van Antwerpen I (Brussel 1839) I, 130-134; 149-213; 216-224; 11.xx; 11.xxvi-xliii; 11.xlv-xlvii (Datierung: R. Stein, ,Wanneer schreef Jan van Boendale zijn „Brabantsche Yeesten"? ', Tijdschrift voor Nederlandse Taal en Letterkunde 106 (1990) 262-280); vgl. Codex, 301-339: die Turpin-Chronik. 66 Berkey, ,The Liber Sancti Jacobi', 81 und Anm. 2: Chronica Alberici monachi Trium Fontium a monacho novi monasterii Hoiensis interpolata, MGH SS XXIII (Hannover 1874) 719. 67 Spiegel historiael III, 181: IV.I.xi, 56. 68 Vgl. van Dijk, Roelantslied, 60-69. 69 Willems (Hrsg.), Brabantsche Yeesten I, 128-130; 213-216; 11.xix; 11.xlix. 70 Spiegel Historiael III, 170; 204-205: IV.Li, 39-76; IV.I.xxix. 71 Solche Erwähnungen bezüglich des Papstes Calixtus II. (d.h. seines Todesjahrs) kommen auch in anderen Chroniken vor, z.B. in der Chronik des Helinand de Froidmont (ca. 1225)(Migne PL 212, 1023-1028),in der um 1241geschriebenen Chronica des Albe- <?page no="171"?> Titelscan.indd 171 Titelscan.indd 171 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Apostel jakobus in der mittelniederländischen Literatur 159 tung der Einleitung, die ,Calixtus' zum Buch des heiligen Jakobus verfaßt hat und in der er erzählt, wie er als Jüngling vierzehn Jahre herumgezogen ist, um überall verstreute Jacobiana ,in einem Buch zu sammeln'. Diesem Teil des Textes folgen direkt einige Zeilen aus dem Prolog von ,Calixtus' zum Mirakelteil des Jakobsbuches. Er wird abgeschlossen mit einer Anspielung auf die Turpin-Chronik. 72 Von den Wunderberichten selbst ist nur die Bearbeitung des ersten unversehrt erhalten. Vom zweiten Wunderbericht ist der Text mit Ausnahme des letzten Teils überliefert, aber die Texte der vier übrigen sind zunehmend fragmentarischer tradiert. Es geht hier um die beiden ersten und die Nummer vier bis sieben, wie sie ursprünglich in das Buch des heiligen Jakobus aufgenommen waren; das in dieser Reihe dritte Wunder wurde von Vincentius von Beauvais anders plaziert, weil er die Wunder in chronologischer Reihenfolge präsentieren wollte. 73 Die ,Goldene Legende' Als Beilage zu diesem Text habe ich die Transkription des Jakobusteils aus der ältesten erhaltenen Handschrift der nordmittelniederländischen Bearbeitung der Legenda aurea beigefügt. Außer der Einleitung mit einer Charakteristik des Heiligen anhand seines Beinamens stimmt der Text von J acobus de Voragine mit den verschiedenen Fragmenten überein, die Vincenz von Beauvais an verschiedenen Stellen in sein Speculum historiale aufgenommen hat; allerdings hat Vincentius öfter Wundergeschichten aufgenommen als Jacobus de Voragine. 74 ricus von Troisfontaines (MGH SS XXIII, 822) und in der ersten Recensio (um 1250) der Chronica universalis Mettensis (MGH SS XXIV, Hannover 1879, 515). 72 Es betrifft einige Fragmente, die in zwei verschiedene Bände der Ausgabe von de Vries und Verwijs aufgenomen sind, namentlich IV, 535-536 und III, 397--401: IV.III.[xlix]; vgl. Codex, 1-2, 259, 301. 73 Spiegel historiael III, 397--401: IV.III.! , 1-36 (Mirakel I zur Zeit des Königs Alfonsus [II .? , dann um 800; III .? , dann um 900; VI.? , dann um 1080]); IV.III.l, 37-68 (Mirakel II, zur Zeit des Bisschofs Theodemir, gest. 847); IV.III.li (Mirakel IV, 1080); IV.III.lii, 1-54 (Mirakel V, 1090); IV.III.lii, 55-93 (Mirakel VI, 1100); IV.III.liii (Mirakel VII, 1101); Codex, 261-263 ; 265-270; vgl. Klaus Herbers, ,The miracles of Saint James', in: John Williams und Alison Stones (Hrsg .), The Codex Calixtinus and the shrine of St. James . Jakobus-Studien 3 (Tübingen 1992) 11-35; insb. 24-27; vgl. Speculum historiale (Ed . Douai) 1064-1068: XXVI.xxx-xli. 74 Jacobus de Voragine erwähnt in seinem Text die Mirakel XI, II, IV, V, XVII, VI, XIV, XVI und XXII aus dem zweiten Teil vom Buch des heiligen ]akobus; zwischen XVI und XXII stellt er das Mirakel von 1139 das laut des Codex Calixtinus dem Buch zugefügt ist (vgl. Codex, 273, 262-263, 265-266, 278-282; 268-269; 274-275; 276-278, 286-287; 400-401); zwischen V und XVII fügte er ein Mirakel zu, das aus anderen Quellen entlehnt ist und das qua Tendenz viele Ähnlichkeit mit dem Mirakel XVII aufweist (vgl. darüber Klaus Herbers, ,Milagro y aventura', Compostellanum XXXVI <?page no="172"?> Titelscan.indd 172 Titelscan.indd 172 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 160 Jan van Herwaarden Eines der von Jacobus de Voragine erwähnten und in den niederländischen Bearbeitungen vorkommenden Wunder findet man im Buch des heiligen Jakobus nicht, vielleicht weil es im Kern dieselbe Moral betont wie eine andere, viel ausführlichere Wundergeschichte, die sowohl im Buch des heiligen J akobus als auch bei Vincentius von Beauvais und Jacobus de Voragine angeführt ist . 75 In einer der von Jacobus de Voragine gebrauchten' Quellen wird expressis verbis auf die Ähnlichkeit verwiesen, so daß verständlich wird, daß Jacobus erst die einfache und dann die ausführlichere Erzählung in seine Bearbeitung aufgenommen hat. 76 Der Text der gemeinten kurzen Wundererzählung wird Hugo von Sankt Viktor zugeschrieben und beinhaltet im Kern einen vom Teufel provozierten Selbstmord eines Pilgers, der sich in der ausführlicheren Version auf Drängen des Teufels zuvor noch selbst kastrierte. Der Pilger wird dank des Eingreifens von Jakobus, in den ausführlicheren Erzählungen von Maria 77 (in der Nähe von Rom nach dem Text des Codex) von Gott wieder zum Leben erweckt. 78 (1991) 295-321; 299-308, auch in: Angel Alvarez Gomez (Red.), Pensamiento, arte y literatura en el Camino de Santiago (Vigo o.J. [1993]) 73-99; 77-86); er schließt seine Aufzählung mit dem hiernach besprochenen Mirakel von Prato ab. 75 Codex, Nr. XVII; Vgl. Migne PL 163, 1373-1374 (Vincenz von Beauvais); Legenda aurea, 427-428 (Ed . Benz, 494-495); vgl. van Herwaarden, ,Het ,Boek van Sint Jacobus", in: van Herwaarden (Red .), Pelgrims door de eeuwen heen, 81-83: nicht annotierte Analyse. 76 Jean de Mailly, Abrege des gestes et miracles des saints, traduit du Latin par Antoine Dondaine. Bibliotheque d'histoire dominicaine I (Paris 1947) 265-266 : ,un miracle presque identique '; zu Mailly als Quelle für Jacobus de Voragine: K .E . Geith , ,Die Abbreviatio in gestis et miraculis sanctorum von Jean de Mailly als Quelle der Legenda aurea', Analecta Bollandiana 105 (1987) 289-302 . 77 P. M. Spangenberg, Maria ist immer und überall. Die Alltagswelten des spätmittelalterlichen Mirakels (Frankfurt am Main 1987) 238-239; als 1 Mir. 25 in die Sammlung Mariamirakel des Gautier de Coincy geraten: Les miracles de Nostre Dame, hrsg . V. Frederic Koenig II (Geneve 1970) 237-245, vgl. Nr. 9 in Jean Mielot, Les miracles de Nostre Dame, hrsg. A. de Laborde (Paris 1929) 87ff. 78 Es betrifft das Mirakel, das Jacobus de Voragine zwischen Codex Calixtinus V und XVII eingefügt hatte (siehe Anm. 73); vgl. Guaiferius von Monte Cassino (Carmina II, Migne PL 147, 1285-1288): Mirakel (ohne Selbstkastrierung) in der Nähe von Cluny (um 1060); auch in: Hugo von Sankt Viktor (gest. 1141; De sacramentis 11.xvi.2: ,De exitu animarum', Migne PL 176, 533-534); weiter wurde der Bericht mit der Selbstkastrierung und dem Auftreten Mariäs in der Nähe der Sankt Peterskirche in Rom vom Abt Hugo von Cluny (gest. 1109) an Anselmus von Canterbury erzählt, der tatsächlich 1099-1100 und 1104/ 5 in Cluny gewesen ist (R.W. Southern and F.S. Schmitt , Memorials of St . Anselm. Auctores Brittanici Medii Aevi I (Londen 1969) 200-207, aufgezeichnet vom Mönch Alexander; vgl. R.W. Southern, ,The English origins of the miracles of the virgin', Mediaeval and Renaissance Studies IV (1958) 176-216; 208-213); um 1112 von Guibert de Nogent in seine Autobiographie übergenommen, wie ihm der Bericht (ebenfalls mit der Selbtskastrierung und Maria, aber ohne Rom) erzählt wurde von Geoffroy von Semur (gest. 1123), Neffe des Abtes Hugo von Cluny (Guibert de Nogent, Autobiographie, hrsg . Edmond-Rene Labande . Les classiques de l'histoire de France au moyen age (Paris 1981)XV: Datierung; 442-449: <?page no="173"?> Titelscan.indd 173 Titelscan.indd 173 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Apostel jakobus in der mittelniederländischen Literatur 161 Selbstmord und Selbstkastration waren und sind problemgeladene Themen in der christlichen Gedankenwelt; beide Taten waren nach dem Kirchenrecht im Wesen nicht zu sühnen. 79 Trotzdem beinhalteten beide auch ihre wesentlich christliche Komponente der kompromißlosen Verwirklichung eines asketischen Ideals. Beispiele hierfür sind die endura bei den Albigensern - Enthaltung bis der Tod eintritt - und die Selbstkastration, um nicht der Sünde zu verfallen, in einigen altchristlichen Sekten und bei Origenes, dem berühmten Theologen aus dem dritten Jahrhundert nach Christus.80 Die Wundererzählung ,paßt' daher in diese Tradition und hatte Aktualitätswert, der vielleicht durch die Kastration des weit bekannten Gelehrten Abälard 1119 noch einen besonderen Akzent erhielt. Meiner Meinung nach ist es kein Zufall , daß Abälard in seiner Autobiographie Origines nennt, wenn er, direkt nach der Erzählung dessen, was ihm zugestoßen war, sich vornimmt, in Zukunft nach dieser Weise die wahre Philosophie zu studieren. 81 Eine der Wundergeschichten ist allein über Jacobus de Voragine in die Tradition aufgenommen und zwar das letzte (auch in dem hier gedruckten mittelniederländischen Text) von ihm erwähnte Wunder, das sich 1238 in Prato ereignet haben soll. Es geht um einen jungen Mann, der dachte, von seinem Vormund benachteiligt worden zu sein, und deshalb aus Rache desder Mirakelbericht; vgl. Arturo Graf, Il diavolo, a cura di Carlachiara Perrone (Roma o.J. [1980; 1. Dr .: Milano 1889]) 103) und ungefähr gleichzeitig aufgenommen in die Sammlung Mirakelberichte im Buch des heiligen]akobus (Codex, 278-282; vgl. Abelardo Moralejo, ,Tres versiones de! milagro XVII de! libro II de! Calixtino', Cuadernos de estudios gallegos 20 (1950) 337-352: Texte des Guaiferius' und Guiberts, mit Übersetzung ins Spanische); diese Wunder auch bei Cäsarius von Heisterbach, Libri VIII miraculorum: Meister, Fragmente, 185-187: III.62 (dieser Mirakelbericht irrtümlicherweise als einzelnes Exempel bei Frederic C. Tubach, Index exemplorum. A handbook of medieval religious tales. FF Communications 204 (Helsinki 1969) nr. 3795: identisch mit nr. 3788, nicht als Versehen signalisiert von Jacques Berlioz und Marie Anne Polo de Beaulieu, Les exempla medievaux. I ntroduction a la recherche, suivie des tables critiques de ! 'Index exemplorum de Frederic C. Tubach (Carcassonne s.d. [=1992]) 118); vgl. J.-Cl. Schmitt, ,Le suicide au moyen age', Anna/ es ESC 31 (1976) 3-28; 14; das Pilgerlied : Alfonso X el Sabio, Cantigas de Santa Maria, ed., introd. y notas de Walter Mettmann I (Madrid 1986) Nr . 26; vgl. Moser, ,Pilgerlieder', 336. 79 Codex Iuris Canonici 986, 5; Dictionnaire de Theologie Catholique V, eo! . 1515-1521 : ,Eunuques'; X, 2572, 2575-2578: ,Mutilation'; 2739-2749: ,Suicide' . H . Kühne! , "Da erstach sich mit wiln selber.." . Zum Selbstmord im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit', in: Sprache und Recht. Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters . Festschrift für Ruth Schmidt-Wiegand zum 60. Geburtstag (Berlin-New York 1986) 474-489; 475-477,489 . so Namentlich das letzte Argument sollte später von Thomas Aquinas mit aller Entschiedenheit verurteilt werden: ,Und darum ist es keinesweg gestattet, ein Glied abzuschneiden, um egal welche Sünde zu vermeiden', Summa 2-2.q.65 .a.l ad tertium. 81 Abelard, Historia calamitatum, texte critique avec une introduction publie par J. Monfrin (Paris 1959) 80-82; vgl. J.T. Muckle, The story of Abelard's adversities (Toronto 1964) 38-39, 42. <?page no="174"?> Titelscan.indd 174 Titelscan.indd 174 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 162 Jan van Herwaarden sen Getreide in Brand steckte. Er wurde zu einer grausamen Strafe verurteilt: Nur mit einem Leinenhemd bekleidet, wurde er an den Schwanz eines wilden Pferdes gebunden und von diesem durch die Stadt zum Scheiterhaufen geschleift, wo er den Flammen übergeben wurde. Aber Jakobus griff ein : Nicht einmal das Hemd des jungen Mannes litt Schaden, und das Feuer konnte ihm nichts anhaben, worauf er begnadigt wurde. Diese Erzählung wird bisweilen mit Pistoia verknüpft; nach einer anderen Version geschah das Wunder in Prato, jedoch der Betroffene ging nach Pistoia, um Jakobus zu danken . 82 Die Koppelung an Pistoia kann auf einer Handschrift aus Pistoia selbst beruhen, die ungefähr aus der Zeit stammt, da Jacobus de Voragine an seiner Legenda aurea arbeitete, sie ist jedoch nur fragmentarisch überliefert : Gerade der Text über das Wunder fehlt größtenteils; außer in den Handschriften der Legenda aurea ist er, was Pistoia betrifft, nur dank einer Handschrift aus dem späten 15. Jahrhundert erhalten. 83 Auffällig ist, daß, wo Vincentius von Beauvais, dem Jacob von Maerlant hier folgt, und Jacobus de Voragine entsprechend der Version der Passio magna aus dem Buch des heiligen Jakobus Hermogenes und dessen Schüler Filetus mit den Pharisäern in Verbindung bringen, die niederländische Übersetzung sich in Schweigen hüllt. 84 Doch folgt die mittelniederländische Bearbeitung dem Original recht getreu. Diese Textgattung machte wahrscheinlich dem durchschnittlichen Gläubigen die Erzählung über Jakobus den Älteren am meisten vertraut, vornehmlich auch, weil Legendensammlungen wie die Legenda aurea als Orientierung bei Predigten verwandt wurden. 85 Das Werk des Dominikaners Dirc van Delf belegt, daß auch Gelehrte sich an der Legenda aurea erfreuten. Die einzige Textstelle in seiner umfangreichen Tafel van den Kersten Ghelove (1404), wo er etwas ausführlicher auf Jakobus den Älteren eingeht, ist der Einleitung zu dem Text entlehnt, den Jakobus de Voragine dem Heiligen geweiht hat. 86 82 Vgl. Acta Sanctorum,Julii VI, 66: Prato; 66-68: Prato und Pistoia. 83 Lucia Gai, ,Testimonianze jacobee e riferimenti compostellani nella storia di Pistoia dei secoli XII-XIII ', in: Lucia Gai (ed.), Pistoia eil cammino di Santiago, una dimensione europea nella Toscanamedioevale (Perugia 187) 119- 230; insb . 153-154; 158 und Anm . 112; 163-164 und Anm. 129; 206. 84 Spiegel historiael I, 385: l.VIII.iii, 33, 35; Legenda aurea, 422 (vgl. Ed. Benz, 488). 85 A. Boureau, La Legende doree. Le systeme narratif de Jacques de Voragine (Paris 1984) 21, vgl. Barbara Fleith, Studien zur Überlieferungsgeschichte der lateinischen Legenda Aurea . Subsidia hagiographica 72 (Bruxelles 1991) 39--41: Predigtvorbereitung; 41--42: Schulbereich; Fleiths Buch ist vor allem wegen der Präsentation von mehr als 1000 lateinischen Legenda Aurea-Handschriften wichtig. 86 Dirc van Delf, Tafel van den kersten ghelove, hrsg. von L. M. Fr. Daniels (4 Bde .; Antwerpen usw . 1937-1939) IIIA, 305- 306: Somerstuc XVIII.251-288 . <?page no="175"?> Titelscan.indd 175 Titelscan.indd 175 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Apostel jakobus in der mittelniederländischen Literatur 163 Das Wunder des Gehängten und das ,Liedeken van Sint Jacob' Ein schönes Zeichen für das Eindringen von Jakobiana in die allgemeine Kultur ist das bereits genannte mittelniederländische Lied mit dem Thema des Mirakels vom gehängten Pilger, der dank des Heiligen am Leben blieb. 87 Diese Wundergeschichte ist die bei weitem am meisten verbreitete J akobuserzählung.88Die älteste Version findet sich mit Toulouse als Ort der Handlung im Buch des heiligen Jakobus und diente als Ausgangspunkt für die Erzählung im Speculum historiale und in der Legenda aurea (übernommen in die mittelniederländische Bearbeitung). In späteren Versionen wurde die Handlung in das am spanischen Camino gelegene Santo Domingo de la Calzada verlegt, wie unter anderem in dem bereits früher gestreiften Liedeken van Sint]acob . Zudem wurden der Geschichte weitere Motive hinzugefügt . Zwei deutsche Pilger, Vater und Sohn, übernachten auf dem Weg nach Santiago in einer Herberge in Toulouse. Der Wirt, der auf ihr Geld aus ist, das ihm zufallen würde, wenn sie wegen Diebstahls verurteilt würden, versteckte nachts in einem Ranzen der Schlafenden einen silbernen Becher . Am nächsten Morgen entdeckte der Wirt den ,Diebstahl' und ließ das Reisegepäck der Pilger untersuchen, wobei der Becher aus dem Ranzen zum Vorschein kam. Nach dem geltenden Recht verdiente der Dieb die Todesstrafe, und wurde die Habe der beiden zugunsten des Geschädigten beschlagnahmt. Der Richter bestimmte, daß einer der beiden gehängt werden sollte, und nach einem venerabile certamen clemencie (der Vater wollte für den Sohn, der Sohn für den Vater sterben) wurde schließlich der Sohn gehängt. Der Vater reiste weiter nach Santiago, von wo er nach 36 Tagen wieder nach Toulouse zurückkam, voller Trauer über seinen gehängten Sohn. Aber siehe 87 Es ist das 5. Mirakel des zweiten Buches im Codex Calixtinus (Codex, 267-268); für den Text des Liedeken und eine Auseinandersetzung über die Erzählung: J. van Herwaarden, ,De verering voor Santiago de Compostela in de Nederlanden : een verkenning', _in : van Herwaarden (Red.), Pelgrims door de eeuwen heen, 221-257; 230-231; van Herwaarden, ,Het ,Boek", in: Ebd., 79-81. W. Gs. Hellinga (ed.), Een schoon Liedekens-Boeck (Amsterdam 1941) 17-20: Nr . XX: das Liedeken van Sint Jacob im Antwerpsch Liedboek von 1544, auch gedruckt in Fl. van Duyse, H et oude N ederlandsche Lied II (Gent 1905) 906-909, Nr. 250 A, wo auch die Version aus Gent publiziert ist: 909-911, Nr. 250 B. 88 Herbers, ,Miracles', 12 und Anm. 4, 21 und Anm. 67, 28; vgl. über dieses Mirakel vor allem R . Plätz, ,der hunlr hinder den altar saltu nicht vergessen. Zur Motivgeschichte eines Flügelaltars der Kempener Propsteikirche', in: Epitaph für Gregor Hoevelmann . Beiträge zur Geschichte des Niederrheins (Geldern 1987) 119-170; Baudouin de Gaiffier, ,Un theme hagiographique: le pendu miraculeusement sauve', in: de Gaiffier, Etudes critiques d'hagiographie et d'iconologie. Subsidia hagiographica 43 (Bruxelles 1967) 194-226; insb. 208-215 (und 226): ,S. Jacques' (mit Ergänzungen: ,Liberatus a suspendio', Ebd., 227-232); und Marco Piccat, ,11miracolo jacopeo de! pellegrino impiccato: riscontri tra narrazione e figurazione', in: Giovanna Scalia (Hrsg.), Il pellegrinaggio a Santiago de Compostela e la letteratura jacopea (Perugia 1985) 287-310. <?page no="176"?> Titelscan.indd 176 Titelscan.indd 176 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 164 Jan van Herwaarden da, der Sohn lebte noch und behauptete, sich nie angenehmer (suavius) gefühlt zu haben, weil der heilige Jacobus ihn mit seiner alles umfassenden Fürsorge (omnimoda dulcidine) in seine Obhut genommen habe . Als der Vater das gehört hatte, rannte er in die Stadt und erzählte allen von dem Wunder. Diese erkannten, daß der Sohn aufgrund der unstillbaren Geldgier des Wirts verurteilt worden war; der Junge wurde aus seiner bedrängten Lage befreit, wonach der Wirt ohne Umschweife gehängt wurde. Der Text des Liedeken zeigt, wie diese Version ,ausgeschmückt' wurde. Es ist vor allem die Tochter des Wirts, die als Motor der Handlung dargestellt wird: als böse Frau. Weil der Vater ihr erklärt hatte, daß sein Sohn mit ihm nach Santiago reisen und nicht ihren Reizen erliegen werde, steckte sie nachts eine vergoldete Trinkschale in den Ranzen des Vaters, wonach die Richter den Sohn auf dessen Bitte aufhängen ließen. Eine zweite Abänderung war das Auftreten Marias, die mit Jakobus dem Gehängten beigestanden hatte. Der Ablauf der Geschichte wurde wesentlich verändert: Nachdem der Vater, der nach Santo Domingo de la Calzada zurückgekommen war, gesehen hatte, daß sein Sohn noch lebte, lief er zur Herberge, wo der Wirt gerade dabei war, drei Hühner am Spieß zu braten. Erregt erzählte der Vater von dem Wunder, worauf der Wirt antwortete, daß die Geschichte so wahr sei, als würden seine Hühner noch leben . Sofort flogen die Hühner zum Haus von Sankt Dominicus, wo alle Brüder versammelt waren. Von hier ging man in einer Prozession zum Gerichtsplatz, befreite dort den Gefangenen, hängte den Wirt und begrub dessen Tochter bei lebendigem Leibe: ,Sie hatte es wohl verdient! ' In anderen, nicht niederländischen Versionen geht es um ein Ehepaar mit seinem Sohn und um die Tochter oder Magd des Wirts als Gegenspielerin, und es war der Richter, der die Hühner einen Hahn und eine Henne, die man bis heute in Santo Domingo de la Calzada sehen kann auf den Bratspieß steckte. Der deutsche Laie Hermann von Fritzlar ließ um 1345 eine Reihe Heiligenviten zusammenstellen, in denen die betreffenden Pilger aus Böhmen kamen und das Wunder in Belorado stattfand, etwa sechs Kilometer von Santo Domingo de la Calzado entfernt. Nachdem sein Sohn so ungerecht behandelt worden war, verfluchte der Vater Jakobus und drohte sogar damit, alle Compostelafahrer von ihrer Reise abzuschrecken . Am Ende flogen in dieser Version die bei dem Richter wieder lebendig gewordenen Hühner von Belorado nach Santo Domingo de la Calzada. 89 Die Moral der Geschichte kann so gedeutet werden, daß ein guter Wirt sich davor hüten muß, als Dieb betrachtet zu werden. So wurde die Erzählung in einfacher Form, aber inhaltlich nach der ältesten Version um 1300 von dem norditalienischen Dominikaner Jacobus de Cessolis in sein Ludus 89 F. Pfeiffer, Deutsche Mystiker des 14. Jahrhunderts I (Leipzig 1845) 168; vgl. D . Th . Enklaar, ,Studien over her Antwerpsche Liedboek. I. Her Liedeken van Sint Jacob', Tijdschrift voor Nederlandse Taal en Letterkunde 72 (1943) 185-197. <?page no="177"?> Titelscan.indd 177 Titelscan.indd 177 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Apostel Jakobus in der mittelniederländischen Literatur 165 scaccorum aufgenommen, einen einflußreichen und häufig abgeschriebenen und übersetzten Traktat, in dem anhand des Schachspiels jedermann seine richtige Aufgabe vorgegeben wurde. Dieser Text erfuhr um 1400 auch eine mittelniederländische Bearbeitung- Dat Scaecspel (Das Schachspiel)-, in die das Galgenwunder ohne Angabe eines Ortes aufgenommen ist. Die Geschichte hat dadurch ohne Zweifel noch größere Bekanntheit erhalten. 90 Beispiele, simple Erzählungen mit einer deutlichen Tendenz wurden ja, vielleicht noch mehr als die Legenden aus der Legenda aurea, vielfach in Predigten gebraucht. 91 Insgesamt sind elf Jakobuswunder, unter ihnen die beiden hier erwähnten, in der Exempelliteratur zu finden: achtJakobuswunder aus dem Buch des heiligen ]akobus (von ihnen kommen sechs in den Sammlungen von Vincentius von Beauvais und Jacobus de Voragine vor) und drei aus Quellen jüngeren Datums, die auffallenderweise aus den Kreis der Zisterzienser stammen 92: eines aus dem Exordium des Conrad von Eberbach und zwei aus den Werken des Caesarius von Heisterbach. 93 90 Gertrude H . van Schaick Avelingh, Dat Scaecspel. Bibliotheek van Nederlandsche Letterkunde (Leiden 1912) CVI-CVII : Nr. 62; 147; Ferdinand Vetter, Das Schachzabelbuch Kunrats von Ammenhausen, Mönchs und Leutpriesters zu Stein am Rhein, nebst den Schachbüchern desJakob von Cessole und desJakob Mennel. Bibliothek älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz (Frauenfeld 1892) 649-654 (Deutsche gereimte Bearbeitung mit dem ursprünglich lateinischen Text am Fuß der Seiten; vgl. für den lateinischen Text auch: Ernst Köpke, Mittheilungen aus den Handschriften der Ritter-Akademie zu Brandenburg a.H. II: Iacobus de Cessolis. Beigegeben dem XXI- II . Jahresbericht über die Ritter-Akademie [Brandenburg a.d . Havel 1879] 27); vgl. J. van Herwaarden, ,Dat Scaecspel. Een profaan-ethische verkenning', in: B.T. Hogenelst und J.A . Grinwis (Red .), Wat is wijsheid? Lekenethiek in de Middelnederlandse letterkunde (Amsterdam 1994) 304-321. 91 Das zeigt sich z.B. aus dem Titel des vom A.G. Little herausgegebenen Liber exemplorum ad usum praedicantium (Farnborough 1966 [ = Aberdeen 1908]); vgl. Cl. Bremont u.a ., L'exemplum. Typologie des sources au moyen age 40 (Turnhout 1982) 55-57; J. le Goff, ,L'exemplum et la rhetorique de la predication aux XIIIe et XIVe siecles', in: Claudio Leonardi en Enrico Menesto (Hrsg.), Retorica epoetica tra i secoli XII e XIV (1989) 3-29. 92 H . D. Oppel, ,Exemplum und Mirakel. Versuch einer Begriffsbestimmung', Archiv für Kulturgeschichte 58 (1976) 96-114; 107-108; Brian Patrick McGuire, ,The cistercians and the rise of the exemplum in early thirteenth century France: reevaluation of Paris BN Lat . 15912', Classica et Mediaevalia 34 (1983) 211-267 . 93 Tubach, Index exemplorum, nrs . 3823 (Codex, 20: l.ii); 3783 (Codex, 265-266: nr IV); 2236 (Codex, 267-268: nr. V); 3790 (Codex, 268-269: nr. VI); 4932 (Codex, 273: nr. XI); 3788 (Codex, 278-282: nr. XVII); 946 (Codex, 342: Kroniek van Turpijn XXII); 3787 (Codex, 400-401: hinzugefügtes Mirakel, 1130); 5183 (Conradus Eberbacensis, Exordium magnum cisterciense... (Rome 1961) 96: l.xxvii (Migne PL 185, 1023-1024); vgl. Helinandi Frigidi Montis (Helinand von Froidmont) Chronicon, Migne PL 212, 1019-1020 : sub anno 1120); 2768 (Caesarius von Heisterbach, Dialogus miraculorum, ed. Strange, X.7); 3798 (vgl. 2981; Caesarius von Heisterbach, Libri VIII Miraculorum, Meister, Fragmente, 92-93 : Il.19) . <?page no="178"?> Titelscan.indd 178 Titelscan.indd 178 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 166 Jan van Herwaarden Das Wunder lieferte auch den Stoff zu einem Jakobus dem Älteren geweihten Mysterienspiel, dem Ludus sancti Jacobi. 94 Von diesem ist jedoch, soweit bekannt, kein niederländischer Text erhalten. Betrachtet man jedoch die Zahl der Jakobusbruderschaften in den Niederlanden - Gesellschaften, die dem Festtag des Heiligen unter anderem mit Theateraufführungen Glanz verliehen -, dann ist es nicht unwahrscheinlich, daß diese Art, Theater zu spielen, durchaus auch in den Niederlanden bekannt war. 95 Auf jeden Fall können aus den südlichen Niederlanden einige Beispiele genannt werden, und in 's-Hertogenbosch ist am 1. Mai 1525, die Legende vom heiligenJakobus, dem Apostel' aufgeführt worden . 96 Die Wallfahrt nach Santiago de Compostela als Paradigma Die Verbreitung von Jakobiana und der Ruhm des Wallfahrtsortes machten die Wallfahrt nach Santiago de Compostela zu einem Paradebeispiel der Pilgerfahrten . Für Dante waren die Compostelafahrer die Pilger schlechthin; er nannte sie denn auch schlichtwegperegrini . 97 Von daher ist es auch nicht so überraschend, daß auch Jakobusgebete in der Landessprache erhalten sind, ein Beispiel dafür ist in die Beilage aufgenommen. Außer diesem Gebet sind noch einige Texte in niederländischen Handschriften tradiert. 98 In einer Va- 94 Piccat, ,II miracolo jacopeo', 296; Plötz, ,der hunlr', 138-140 . 95 C.G.N. de Vooys, Apostelspelen in de rederijkerstijd. Mededeelingen der Koninklijke Akademie van Wetenschappen, afdeeling Letterkunde, Teil 65, Reihe A, Nr . 5 (Amsterdam 1928) nennt jedoch keinJakobusspiel. 96 Georges, Pelerinage a Conipostelle, 133-135; van Herwaarden, ,Verering', in : van Herwaarden (red.), Pelgrims door de eeuwen heen, 221-257; 253: die Aufführung in 's-Hertogenbosch kann natürlich auch dem andernJakobus (Jakobus Minor) gegolten haben (Festtag am 1. Mai, zusammen mit Philippus). 97 J. van Herwaarden, ,Pelgrims uit de Nederlanden : vertrek en terugkeer', Opossum . Tijdschrift voor historische en kunstwetenschappen 13/ 14 (Sommer/ Herbst 1994) 25-40; 25-27. 98 Es handelt sich u .a. um einige Gebete mit den Anfangszeilen : 0 licht en cierheit van Hyspangen (das häufigst vorkommende lateinische Gebet: 0 lux et decus Hispaniae), M. Meertens, De godsvrucht in de Nederlanden VI : Beschrijvende catalogus der handschriften (o . 0. [Antwerpen-Nijmegen] 1934) 15: Hs . 5. sub 10a (Archiv Abtei Averbode, Nr. 317, Section IV, 60v-61r); 0 mijn alre tiefste apostel sinte Jacob die mit sonderlingher ghenaden, Meertens, Godsvrucht VI, 91: Hs 20 sub 20a (KB Brussel 12080, 125v-126r; auch Hss. erwähnt in Amsterdam , 's-Gravenhage, Munsterbilzen und Rotterdam); 0 heilige apostel sancte ]acop die om die mynne Christi die afhouwinge dyns alren heilichsten hoefs geleden hebste, Meertens, Godsvrucht VI, 157: Hs 27 sub 286 (KB Brussel II 279, 172v-173r; vgl. Stundenbuch von Agatha von Bolgarien, geschr. 1498; ill. 1499 (Spierink), Leiden UB BPL 2747, 14r; weiter eine Handschrift erwähnt in Amsterdam); 0 Sinte Jacop heilige apostel gods want du den vijant met duechden ende met mijraculen verwonnest, Meertens, Godsvrucht VI, 157: Hs 27 sub 28c (KB Brussel II, 279, 173v-175r); weiter: Dat lant van Hispaengen moet hem verbliden (Gent); Ghi twee over claerlichten der hemelscher salen (Straßburg). Außer- <?page no="179"?> Titelscan.indd 179 Titelscan.indd 179 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Apostel Jakobus in der mittelniederländischen Literatur 167 riante des in der Beilage reproduzierten Gebetstextes hat die Passage mit der Bitte um Hilfe in Todesnot eine persönliche Note: ,Und so als ich zu Dir gebetet habe in Compostela in Galizien daß Du in der Stunde meines Todes mich besuchen wolltest und bei mir sein solltest'. 99 Dieser Typus von Texten findet sich natürlich vor allem in Stunden- und Gebetbüchern. Hinsichtlich der Niederlande muß in diesem Zusammenhang angemerkt werden, daß in den vielen Versionen des weitaus populärsten Stundenbuches von Geert Grote J akobusgebete nicht vorkommen. 100 In Übersichten über religiöse Praktiken oder spezieller über Wallfahrten stößt man aber wohl wiederholt auf den spanischen Wallfahrtsort. Zuvor war bereits die Rede vom Dialoog van Meester Eggaert ende onbekende leek (,Dialog von Meister Eckhart und dem unbekannten Laien'). Obwohl es sich hier um eine handschriftliche Überlieferung von Mitte des sechzehnten Jahrhunderts handelt, darf angenommen werden, daß der Text damals bereits zwei Jahrhunderte alt war; er nimmt Bezug auf die dreizehnhundert Jahre, die seit Christi Tod am Kreuz vergangen sind. Diese Angabe harmoniert mit den Lebensdaten des historischen Eckhart, der als Meister auftritt. 101 Die Tendenz des Traktats ist, daß im Glaubensleben Äußerlichkeiten nebensächlich sind, daß es vielmehr auf echte Frömmigkeit gegenüber Gott ankommt, bei der Dinge wie Status und Qualität und ihre äußeren Anzeichen ebenso wenig wie Wallfahrten, Bilder, Wunder und andere konkrete Zeichen von Gläubigkeit in sich selbst irgendeinen Wert haben. 102 Das hier angesprochene Thema stellt sich im späten Mittelalter wiederholt und findet in den Niederlanden große Resonanz. Vor allem im Werk von Erasmus stößt man auf seine verschiedenen Aspekte. Zur Illustration seiner Ausführungen erzählt Eckhart eine Geschichte über einen Pilger, der sich mit seinem Hund auf den Weg nach Santiago de Compostela machte. Unterwegs starb der Hund und wurde von dem Pilger begraben. Als dieser zu dem Platz zurückkehrte, war man da in heller Aufdem befindet sich in der Lütticher Universitätsbibliothek eine Handschrift mit Gebeten zu Ehren des Jacobus Maior: Antiennes et oraisons de Saint Jacques le Majeur (Coll. Wittert, 36). 99 K. van der Werff, ,SintJacob in oude handschriften' 2, Defacobsstaf 5 (1990) 17: Stundenbuch von Agatha von Bolgarien, Leiden UB BPL 2747, 14r: Ende gelikerwijs ic di versocht heb te Compostelle in Galissen dattu also in die standen mijns doots mi wilste verzoken ende mi bi wesen. 100 A .G . Weiler, Getijden van de eeuwige wijsheid naar de vertaling van Geert Grate (Baam 1984); vgl. K. van der Werff, ,Sint Jacob in oude handschriften' 3, De Jacobsstaf 6 (1990) 77-78 . l Ol C.G .N. de Vooys, ,De dialoog van meester Eggaert ende onbekende leek', Nederlandsch archief voor kerkgeschiedenis, Neue Reihe VII (1910) 166-226; der Text: Brüssel, KB 888-890, 205va-285vb; R .A. Ubbink, De receptie van Meist er Eckhart in de Nederlanden gedurende de middeleeuwen (o.O . [=Dordrecht] 1978) 195-204. 102 C.C . de Bruin, Middeleeuws „verlieht christendom" . Kerkhistorische achtergronden van een anoniem vraaggesprek met meester Eggaert (Leiden 1956). <?page no="180"?> Titelscan.indd 180 Titelscan.indd 180 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 168 Jan van Herwaarden regung. Auf seine Frage, warum man sich so errege, erhielt er zur Antwort, daß dort ein ermordeter Pilger begraben sei und daß viele Wunder ge~chähen; Kranke, die ein Almosen dorthin brächten, würden wieder gesund. Der Pilger entgegnete, daß er dort seinen Hund begraben habe, wovon sich die Anwesenden auch überzeugten. Als Moral fügt der Meister an, daß diese Art Aufhebens über Wunder böse Menschen anrege, andere zu betrügen und zum Unglauben zu verleiten, woran die Verführer Vergnügen hätten. 103 Auch in anderer Beziehung läßt der Dialog Wallfahren in einem schlechten Licht erscheinen, wobei vor allem Santiago als Beispiel gebraucht wird, um Pilger an den Pranger zu stellen. Der Meister betont, daß niemand durch Pilgerfahrten besser werde, im Gegenteil: Pilger ,werden schlechter als sie zuvor waren'. Daß diese Auffassung öfter Anklang fand, geht zum Beispiel aus einer Maßnahme des Magistrats von Dordrecht hervor, der 1400 beschloß, niemanden mehr auf Pilgerfahrt zu schicken, unter anderem, weil ,manche Leute sehr dadurch verdorben sind'. 104 Diese Verwerfung der Wallfahrten erinnert an einige Predigten des süddeutschen Franziskaners Berthold von Regensburg, der wiederholt auf ihre Nutzlosigkeit für das Seelenheil zurückkam und Wallfahrten im Hinblick auf häusliche Verpflichtungen für unerwüscht hielt; Frauen sollten ohnehin zu Hause bleiben. 105 überdies erachteten sowohl Berthold wie auch Eckhardt selbst das Besuchen von ,totem Gebein' in keiner Weise so segensreich wie das Suchen nach dem lebendigen Heiligtum, das zu ewigem Leben verhilft.106Dieser Nachdruck auf ein andersartiges, innerliches Glaubensleben erinnert an Thomas a Kempis und Wessel Gansfort, die beide auf ihre Art den Nutzen von Unterfangen wie Wallfahrten in Frage stellten .107 103 De Vooys, ,Dialoog', 210 (Hs. 258va-b); C.G.N. de Vooys, ,Twee christen-democraten uit de veertiende eeuw', in: De Vooys, Letterkundige studieen . Verzamelde opstellen (Groningen 1910) 1-64; II: ,Een onbekende leek'(31-64) 58; nebenbei bemerkt: auch heute kommt es vor, daß jemand mit seinem Hund auf Pilgerreise geht, der dann das Gepäck tragen muß : ein niederländischer Compostelapilger wurde zwischen Le Puy und Conques fotografiert, wonach die entsprechenden Fotos als Ansichtskarten gebraucht wurden: De Jacobsstaf 26 (1995) 79-80 . 104 De Vooys, ,Dialoog', 211; van Herwaarden, Opgelegde bedevaarten (Assen-Amsterdam 1978) 296. 105 Berthold von Regensburg. Vollständige Ausgabe seiner Predigten, mit Anmerkungen und Wörterbuch von Franz Pfeiffer I (Wien 1862) 352, 448, 459-460, 483, 493, 533, 563; II: Predigten XXXVII-LXXI, nebst Einleitung, Lesarten und Anmerkungen von Joseph Strobl (Wien 1880) 52, 177-178, 224-225. 106 Eckhart, ,Sprüche' 8: ,Liute, waz suochet ir an dem tötem gebeine? Warumbe suochet ir niht daz lebende hei! tuom, daz iu mac geben ewigez leben', F.Pfeiffer (Hrsg.), Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts 2: Meister Eckhart, Predigten, Traktate (Aalen 1962 [= Leipzig 1857]) 599, auch zitiert von de Vooys, Middelnederlandse legenden en exempelen, 334. 107 J . van Herwaarden, ,Beminden wij onze heiligen wel? Enkele beschouwingen over het laatmiddeleeuws geloofsleven in Nederland', in: M. van Uden u. a. (Red.), Oude sparen, nieuwe wegen. Ontwikkelingen in bedevaartonderzoek. UTP-Katernen 17 (Baarn 1995) 134-167. <?page no="181"?> Titelscan.indd 181 Titelscan.indd 181 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Apostel Jakobus in der mittelniederländischen Literatur 169 Es ist dann nur ein kleiner Schritt zu Erasmus, der sich gleichfalls kritisch zum Phänomen Wallfahrten geäußert hat. Folgende Themen tauchen bei Erasmus immer wieder auf und haben ihn sein Leben lang beschäftigt: Der leichtfertige Glaube an Wunder, die Unerwünschtheit von Pilgerfahrten, während zu Hause noch so viel Unerledigtes wartete, die vielfältige und direkt auf die Heiligen selbst gerichtete Frömmigkeit, während der Glaube wesentlich auf Gott gerichtet sein sollte und schließlich insbesondere der Nachdruck auf das innerliche, persönliche Glaubensleben, frei von aller Zurschaustellung und allem auffälligem Ritual. Er prangerte nicht Wallfahrten als solche an wer unbedingt pilgern wollte, sollte es tun-, aber er selbst hielt nicht viel davon: Er kannte den besseren Weg. 108 In Traktaten und Streitschriften wurde Santiago de Compostela als Stereotyp für Wallfahrten gebraucht, von den Verteidigern der Wallfahrten wie von ihren Kritikern. So betonte Willem Gnapheus in seinem Dialog Een troost ende spiegel der siecken (Ein Trost und der Spiegel der Kranken), daß Gott seinen Gläubigen niemals den Auftrag gegeben habe, Wallfahrten zu unternehmen; es sei überhaupt nicht erforderlich, nach Jerusalem, Rom oder Compostela zu pilgern, denn ,das sei ein Verlust von Geld, Zeit und Mühe'; man müsse Jakobus' Vorbild folgen, seinem frommen Glauben, dem er bis zum Lebensende treu geblieben sei. Später nennt er Personen, die sich zu sehr mit religösen Äußerlichkeiten beschäftigen, ,ein Faß voll Aberglauben', die sich mit Unfug behängen ,wie Sankt Jakob mit Muscheln' . 109 Zusammenfassung und Ausblick Es ist nur allzu gut bekannt, daß nach der Reformation in den Nördlichen Niederlanden der ,römische Aberglaube' weitgehend ausgetilgt wurde, mit den entsprechenden Folgen für Aktivitäten wie Wallfahrten. Dennoch blieb die Erinnerung an Jakobus den Älteren und seinen spanischen Kult auch in den Nördlichen Niederlanden erhalten. Das geht aus einem notariellen Akt kuriosen Inhalts hervor, der am 2. Februar 1613 abgeschlossen wurde. 110 Ein gewisser Jacques de Cuyper aus 108 L. Halkin, ,Erasme pelerin', in: J. Coppens (Hrsg.), Scrinium Erasmianum II (Leiden 1969) 239-252; Andre Godin, ,Erasme et le sacre: Peregrinatio religionis ergo', in: Claude Blum (Hrsg .), Dix conferencessur Erasme (Paris-Geneve 1988) 121-145; über Luther und Jakobus : Vicente Almazan, ,Lutero y Santiago de Compostela', Compostellanum 32 (1987) 533-559. 109 W. Gnapheus, ,Een troost ende spiegel der siecken', in: S. Cramer und F. Pijper (Hrsg .), Bibliotheca reformatoria neerlandica I ('s-Gravenhage 1903) 151-249; 192-193, 202 (diese Schrift ist wiederum publiziert in J. N. Bakhuizen van den Brink u.a. (Hrsg .), Documenta reformatoria I. Kampen 1960). 110 A. Eekhof, ,Het mirakel van den gehangen pelgrim en van de wonderbare hoenders', Nederlandsch Archief voor Kerkgeschiedenis, Neue Reihe 17 (1924) 237-239 : Transkript von Gemeentearchief Amsterdam, Notariele protocollen register 269 (notaris Fredrick van Banchem), fo 53r-54r . <?page no="182"?> Titelscan.indd 182 Titelscan.indd 182 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 170 Jan van Herwaarden Haarlem war um 1595 in Spanien gewesensein älterer Bruder Jan wohnte in Bilbao - und hatte da unter anderem Santo Domingo de la Calzada besucht. Nach seiner Rückkehr erzählte er die Geschichte des Wunders in der Version: Vater, Mutter und Sohn als Pilger und die Tochter des Wirts als der böse Genius. Nach dem hier angesprochenen Akt wurden der Hahn und die Henne seit dem ursprünglichen Paar ständig durch ihre Nachkommen ersetzt und steckten sich die Pilger plumken (kleine Federn) von Hahn wie Henne an den Hut. Der Amsterdamer Kaufmann Hans van Vosselen wollte die Geschichte nicht glauben, bis Jacques' Bruder nach Holland kam, so daß sich Gelegenheit bot, van Vosselen endlich von der Wahrheit der Geschichte zu überzeugen, die dann von Jan de Cuyper unter Eid notariell bestätigt wurde . 111 Schließlich zeigt sich, daß die spanische J akobusverehrung in der Diskus sion zwischen Katholiken und Reformierten auch weiterhin eine Rolle spielt. Auch wenn es sich nicht um niederländischsprachige Literatur handelt, erscheint es mir doch gerechtfertigt, diese Abhandlung abzuschließen mit einem kurzen Verweis auf die Auseinandersetzung des reformatorischen Theologen Gijsbert Voet aus Utrecht (1589-1676) mit dem Jakobuskult (1636). ,Ihr wisset nicht, was Ihr anbetet', mit diesen WortenJesu Qoh. 4: 22) begann Voet seinen Diskurs, in dem er die ganze spanische Jakobustradition in Grund und Boden verdammte. Er löste das ganze Netz von Unglaubwürdigkeiten und Fälschungen auf. Das literarische Gebäude der päpstlichen Schreiber werde durch die verabscheuenswerte, unfehlbare päpstliche Lehrautorität gestützt und zusammengehalten, wodurch die Lügen nicht nur für bare Münze genommen würden, sondern sogar ihr Akzeptieren mit den verderblichen Ablässen belohnt werde. Voet fand es unbegreiflich, daß die Katholiken die spanischen Jakobusgeschichten ohne weiteres hinnahmen. Die gleichen Katholiken verwarfen doch, und nach Voets Meinung zurecht, die unsinnigen Geschichten über die Päpstin Johanna, die um 857 den päpstlichen Stuhl beschmutzt haben soll. Eines der wichtigsten Argumente für die Zurückweisung sei, daß die Quellen, auf denen die Geschichten basierten, erst circa zwei bis drei Jahrhunderte später geschrieben seien. Wie ist es dann möglich, so Voet, daß man nicht das gleiche Argument gebraucht, wenn es um den spanischen Jakobuskult gehe? Denn der beruhe auf Quellen, die noch viele Jahrhunderte mehr nach dem angeblichen Ereignis geschrieben worden seien. 112 Voets Empörung und historisch-kritischen Argumenten zum Trotz unternahmen zahllose Pilger die lange Reise nach Compostela, auch aus den Niederlanden. Die unleugbare Popularität des Heiligtums hat jedoch auffal- 111 Dieser Text ist auch publiziert von K. van der Werff, ,Het wonder van de haan en de hen', De]acobsstafl (1989) 30-31; 2 (1989) 62-63 . 112 Gisberti Voetii, Selectarum disputationum theologicarum pars tertia (Utrecht 1659) 987-999. <?page no="183"?> Titelscan.indd 183 Titelscan.indd 183 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Der Apostel Jakobus in der mittelniederländischen Literatur 171 lend wenig Spuren in der Literatur hinterlassen, was nicht verhindern konnte, daß auch heute wieder viele aus den Niederlanden und Belgien den Weg nach Compostela gefunden haben. In literarischer Hinsicht haben die zeitgenössischen Aktivitäten bereits viel mehr Wirkung gezeigt, als wir heute von mittelalterlichen Reflektionen wissen; es genügt, nach den vielen Reiseberichten zu schauen, die in den letzten Jahren erschienen sind. 113 Kein einziger Bericht einer Pilgerreise im Mittelalter nach Santiago de Compostela in Niederländisch, der aus dem Gebiet der heutigen Niederlande käme, ist bekannt. Dagegen gibt es durchaus viele Beschreibungen von Reisen nach Jerusalem .114Auch im engeren literarischen Sinn erweisen sich der Jakobuskult und die Reise nach Compostela gegenwärtig als lnspirationsquelle, wie ein Roman 11 5, die Gedichte in De ]acobsstaf, dem Blatt der Nederlands Genootschap van Sint Jacob, und der Titel des Buches von Cees Nooteboom De omweg naar Santiago belegen. Der niederländische Autor bereiste Spanien des öfteren und besuchte mehrmals das Heiligtum des Jakobus, ohne sofort darüber schreiben zu können : Immer hatte etwas anderes Vorrang, vielleicht gerade um Santiago 113 Z. B. Hans Annink, Een late pelgrim op de melkweg . Een retourtje Enschede Santiago de Compostela : 5500 kilometer te voet (Den Haag 1980; Neuausgabe 1994); Hans Burgman, Dagboek van een pelgrim (Privatausgabe; o . 0 ., o. J .); Henny Lamers, Dagboek van een pelgrim naar Santiago de Compostela. Verslagvan een pelgrimstocht per fiets van Utrecht naar Santiago de Compostela (Privatausgabe; Utrecht 1987); Nelly Stienstra, Met hemel en aarde op en neer naar Santiago de Compostela (Utrecht 1989); Max de Haan, Naar Compostela: ontmoeting met waarheid en legende (Privatausgabe; Eindhoven o.J. [± 1990]); Cootje enJan Houdijk, Naar de Ware Jacob: dagboek van een voettocht naar Santiago de Compostela (Schoorl 1990); Hans Keller, Geschiedenis van een tocht. De pelgrimsroute naar Santiago de Compostela (Schoorl 1990); Han Sibon, Voettocht naar extase (Privatausgabe; Enschede 1990); Ignaas Brekelmans, De Brabantse pelgrim naar Compostela: reisverslag van de voettocht met mijn ezelin Saartje naar Santiago de Compostela (2 Bde.; o. 0. [Vlijmen] 1990-1991; vgl. übrigens den viel umfassenderen Bericht von Guy Duffroy, Voyage avec mon eine sur les chemins de Compostelle (Paris 1991), der auch mit einem Esel des Herren Straßen entlanggefahren ist); Pieter Schroevers, Tekens langs het pad: te voet naar Santiago de Compostela (Utrecht 1991); Mien und Fred Moussault, Pelgrims over asfalt (Privatausgabe; Tilburg 1992); Maarten van Rooy, Op de fiets naar Santiago (Privatausgabe; 's-Hertogenbosch 1992); Henk Rijncjes, Lopend naar Santiago de Compostela (Privatausgabe; Den Haag 1992); Fons Peters, Pelgrim op pedalen (Schoorl 1993); De Jacobsstaf 25 (1995) 24: Liste mit Tagebüchern; nur die Rückkehr: Herman Vuijsje, Pelgrim zonder God (Amsterdam 1991; Neuausgabe 1994). 114 J. van Herwaarden, ,Geloof en geloofsuitingen in de late middeleeuwen in de Nederlanden: Jerusalembedevaarten, lijdensdevotie en kruiswegverering', Bijdragen en M ededelingen betreffende de Geschiedenis der Nederlanden XCVIII (1983) 400-429; vgl. die Liste mit Compostela-Berichten bei Ursula Ganz-Blättler, Andacht und Abenteuer. Berichte europäischer Jerusalem- und Sant iago-Pilger (1320-1520) . Jakobus-Studien 4 (Tübingen 1990) 415ff. 115 Jan Houdijk, De weg naar de sterren: een Jacobslegende: een roman (Schoorl 1990): das ,Galgenwunder' wird nochmals verarbeitet . <?page no="184"?> Titelscan.indd 184 Titelscan.indd 184 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 172 Jan van Herwaarden besser begreifen zu können. Schließlich beschreibt dann auch er seine Ankunft auf dem Monxoi, Monte del Gozo, Mons Gaudii, dem Berg der Freude: ,Ich stehe da und schaue, doch es sind nicht meine Augen, die schauen, es sind die der anderen, frühem . Es ist ihr Blick, und das, was sie sehen, ist mit Wandern verdient, mit Gefahren, mit Glauben, sie hatten ihr Leben gewagt und alles aufgegeben, um nur ein Mal dem Heiligen nahe zu sein, seinen Reliquien; jetzt sahen sie die Stadt, die Türme der Kathedrale, am selben Tag noch würden sie durch die Puerta Frandgena in die Stadt einziehen, sie würden die Stufen zur Kathedrale hinaufgehen, ihre Hand an diese leere, handförmige Stelle an der mittleren Säule des P6rtico de la Gloria legen, von der sie soviel gehört hatten, sie sollten über dem Grab des Apostels beten und vollen Ablaß erhalten . Es waren andere Menschen, mit den gleichen Gehirnen dachten sie einen anderen Gedanken . Manche Orte haben das an sich, einen Zauber, wodurch man teilhat an den Gedanken anderer, Unbekannter, Menschen, die in einer Welt lebten, die nie mehr die eigene wird.' 116 116 Cees Noteboom, Der Umweg nach Santiago (Frankfurt 1992) 391. <?page no="185"?> Titelscan.indd 185 Titelscan.indd 185 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 BEILAGE 1 Leben und Wunder des Apostels Jakobus des Älteren 1 1 [51 vb; J akobus nach dem heiligen Francoen van Peregore (n. b .: Sankt Fronto von Perigueux; Festtag: 25 Oktober); Ltk. 280, 64ra: Jakobus nach der heiligen Christina] Wat die naem beduut [5Pb] Die heylige apostel Sinte Jacop was gheheten Jacop Zebedeus ende Jacop Jans broeder ende bouerges, dat is een kint des donreslages, ende die meere Jacop . Want hi is ghehieten Jacop Zebedeus, dats te verstaen Zebedeus zoon, ende niet alleen naden vleysche mer oic na die bedudenisse des naems, want Sebedeus beduut „gevende" of „gegeven" . Ende Sinte Jacop gaf hem selven Gode bij maertilien, ende hi is van Gode gegeven in een sonderlinge patroen. Hi is oic gehietenJacop Jans broeder, want hi was sijn broeder niet alleen na den vleysch, mer oic in die gelijckenisse van zeeden, want sij waren beyde[ n] van eenen toirn om den heere te wreeken . Want doe die Samaritanen onsen heere niet ontfangen en wouden, so seyde[n) Jacop ende Johannes: ,Heer, wilstu dat wij seggen dattet vuer van den hemel come ende verbarnese ? ' Sij waren oic van eenre naersticheit om te leeren, waer bi dese twee sonderlinge die Christum / 52ra/ vraechden van den domsdage ende van anderen dingen die toecomende waren. Sij waren oic van eenre begeerte om te behouden, want sij wouden sitten die een ter rechter hant ende die ander ter luchterhant in Christus rijck. J acop is oick gehieten een kint des donreslages om sin goede predickinge, daer hi die quade mede vervaerde ende die trage mede verwrecte2, ende daer hi alle luyde mede verwonderde dede omdat hi so hoge was. Want Beda seyt van Johannes dat hi so hoge sprac, had hi een luttel hoger gesproken, die werelt en hads niet mogen begrijpen. Hi is oic gehieten die meerre Jacop, also die ander hiet die mynre Jacop . Ende dat is om sijn bekeeringe, want hi wort eerst van Christum bekeert; ten anderen om die vrientscap, want het schijnt dat Christus meere vrientscap mit desen had dan mitten anderen, also het wel schijnt, want hi nam hem tot Leiden, Universitätsbibliothek, Ltk . 278: Passional, Sommerteil (1420), vor allem kollationiert mit Ltk . 280: Passional, Sommerteil (2. Hälfte des 15. Jahrhunderts; vgl. J. Deschamps, Middelnederlandse handschriften uit Europese en Amerikaanse bibliotheken (Leiden 1972 2) 200); bezüglich die Wundererzählungen auch kollationiert mit Ltk . 263: Heiligenleben (datierbar in 1437), Ltk. 279: Passional, Sommerteil (1439) und Leiden, Universitätsbibliothek, BPL 86: Passional (1460). 2 Ltk . 280, 64vb: verwecte. <?page no="186"?> Titelscan.indd 186 Titelscan.indd 186 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 174 Jan van Herwaarden sijnre heymelicheit als daer hi die joncfrou verwrecte 3, ende daer hi glorijoselic vertoende; ten derden om sijn passie, want hi was eerst gepassijt onder die apostelen. Dus is hi gehieten meerre dan die ander, omdat hi eer bekeert ter apostelscap; ende aldus so machmen wel meerre hieten, omdat hi eerst geroepen was ter ewiger glorien. Van Sinte Jacop apostel die meerre Die apostel sinte Jacop Sebedeus, doe hi in Yuden ende Samarien predicte na die opvaert ons heren, so wort hi ten besten gesent in Hyspanien dat hi daer dat woert Goids predicken soude. Ende doe hi sach dat hi daer alleen negen jongers vergadert hadde, so liet hi daer twee dat si daer predicken souden, ende hi nam die ander seven en ginc / 52'h/ in Judeen; mer so Johannes Beleth seyt dat hi daer mar een en bekeerde. Ende doe hi in Judeen Goids woirt predicte, so sende een gokelaer 4 die Armogenus 5 hiete sijn jonger die Philetus hiete tot J acop, omdatten Philetus verwinnen soude soude voer die joden dat zijn predicatien valsch waer. Mer doen die apostel voir hem allen verwan mit redeliken reeden ende hi voel myrakelen voer hem gedaen had, so quam Philetus tot Hermogenes ende prees J acops leringe ende vertelde sijn myraculen, ende seyde dat hi sijn dissipel wesen woude, ende riet hem oic dat hi sin dissipel worde. Doe wort Hermogenes gram ende hi maecten al 1am mit sijnre gokelien, sodat hi hem niet en mochte ommekeren noch verroeren, ende hi seyde: ,Wij sellen sien op dij Jacop sel gewesen'. Ende doe dit Philetus Sinte Jacop bij eenen kinde hadde ontboden, so sende hem Sinte Jacop sijn hoeftcleede ende seyde: ,Nem dit hoeftcleet ende segt „Die heere heft op die nedergeworpen zijn; die heere ontbint die gevangen".' Ende thant doe hem thoeftcleet genakede, so wart hi ontbonden van Hermogenes gokelien ende hij bespotten ende ginc tot Sinte Jacop. Ende Hermogenes wordt gram ende riep die duvelen voer hem, ende geboet dat sij Jacop ende Philetus brachten tot hem gebonden, dat hij hem op Philetus soude mogen wreeken, dat hem voert an sijn jongeren nieten souden mogen bespotten. Mar doe die duvelen Sinte J acop genaecten, so begonste[ n] sij in die lucht te vliegen ende seyde[n]: ,Jacop, Goids apostel, ontfermt dy ons, want eer onse tijt gecomen is, so verbarnen wij nu'. Sint Jacop seyde: ,Waerom sij dij tot my gecomen? ' Ltk. 280, 64vb: verwecte. Ltk. 280, 65'": tovenaer . Ltk. 280, 65'": Hermogenes. <?page no="187"?> Titelscan.indd 187 Titelscan.indd 187 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Beilage 1 175 Si seyden : ,Hermogenes heeft ons gesent dat wij di ende Philetus tot hem brengen souden, mer / 52va; altehants wij tot dij gecomen zijn, so heeft ons God mit vurigen ketten gebonden ende torment ons zeer'. Sint J acop seyde: ,Die engel Goids ontbinde u ende keert weder [naar] Hermogenes ende brengt hem gebonden tot my ongequest' . Ende doe sij wech gevaren waren, so grepen [si] Hermogenes ende bonden hem sijn handen op sinen rugge ende brochten tot sinte Jacop ende seyden: ,Du sendeste ons daer wij verbrant waren ende zwaerlicen getorment'. Ende die duvels seyden tot Sinte J acop: ,Gif hem in onser dat wij dijn onrecht wreken mogen ende onse verbernmge'. Ende Sinte J acop seyde: ,Siet, Philetus is voer u ende waerom en hou dien niet? ' Sij seyde[n]: ,Wij en mogen niet ghenake een mugge die in dijnre slaepcamer is'. Ende Sinte Jacop seyde tot Philetus: ,Omdat wij goet voer quaet geven sullen als onse heere leerde; Hermogenes bant dij, mer du Philetus, ontbinde hem'. Du Hermogenes ontbonden was, so stont hi bescaemt, ende Sinte J acop seyde hem: ,Ganc vrijliken daer du wilste, want ons en behoert niet toe dat men yement sijn ondancx doet geloven.' Ende Hermogenes seyde: ,Ic bekenne der duvelen gramscap ten sij dattu mi yet vanden dijnen geveste dat ic mit my neme of si sellen my doden.' Ende Sinte Jacop gaf hem sijn stoc ende Hermogenes ginc en wech ende brochte alle sijn boeken vander tovernye omdat hij se verbarnen souden; ende sinte Jacop dedese hem in die zee werpen om dat die stanc van haren vuer nyement deren en soude. Ende doe hi die boecken in die zee geworpen had, so quam hi weeder totten apostel, ende hielt sijn voeten ende seyde: ,Verlosser der zielen, ontfaet dien in sijnre berouwenisse, die du noch hebste verdragen dy hatende ende lasterende.' Doe begonde Hermogenes so volmaect te worden in Goids minne ende / 52vh/ vreese, sodat hi veel myrakel dede. Doe die joden sagen dat Hermogenes bekeert was, so worden sij gram ende gingen tot Sinte J acop ende berispten waerom dat hi Christum predicte. Ende doe Sinte Jacop gheproeft hadde mitten scryften Christus toecomst <?page no="188"?> Titelscan.indd 188 Titelscan.indd 188 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 176 Jan van Herwaarden ende sin passie, doe gheloefder veel an hem. Mar Abiathar die biscop was van dien jaer, hi beroerde een grote geruct inden volcke ende sij worpen Sinte Jacop een zeel om den hals ende leyden also tot Agrippen. Ende doe men leyde om te onthoefden bijden bevelen van Agrippen, so lach een lamme in den wege ende riep op hem dat hem genase. Ende Sinte Jacop seyde: ,In den name ons heren Jhesum Christte, om wiens gelove ic nu worden geleit om te onthoefden, stant op gesont ende benedine dinen scepper .' Ende thant stont hi op gesont ende benedide onse heere. Mer die scrijben die tzeel om den hals hadde gedaen ende treckede, wies name Josias was, soe hi dit sach, so viel hij tot sinen voeten ende badt genade ende eyschede dat hien kersten maecte. Soe dit Abiathar sach, so dede hien houden ende seyde: ,Ten sij dattu Christus naem vloeckes, soe suldij worden mit Jacop onthoeft'. Josias seyde hem: ,Vermaledijt bistu ende al dijn goden sijn vermaledijt, mer ons heere Jhesus Christus naem moet sijn gebenedijt eweliken, Amen'. Doe dede Abiathar sinen mont mit vuusten slaen ende hi sende tot Hemden ende vercreech dat men mitJacop onthoefden soude . Ende doemense beyde onthoefden soude, so badt Sinte Jacop den stocker om een pot waters, ende hi doepte J osyas. Ende thant sloechmen hem beyden thoeft of. Sirrte Jacop was onthoeft opten achten dach van Aprellrabende dat was in Onser Liever Vrouwe-Bootscap; ende opten Achtende dach voer augustus so was / 53ra; hi tot Compostellen ghebrocht, want sijn begravinge was verlanget van augustus tot januarius 6• Daerom so ordineerden die kerc datmen sin feest vieren soude opten achten dach voer augustus, omdattet dan bettamelic was. Johannes Beleth seyt doe Sirrte Jacop onthoeft was, want hi scrijft naerstelic van den overbrengen Sirrte Jacops. So namen sijn jongeren sin lichaem bij nacht om die vrese der joden ende leyden in een scip ende baden onzen heere dat hi hen versage een waerdige stat van begraven . Ende sij gingen mede int scip, ende sonder stuer of stuerman so brochtse die enge! Goids in Galissien in eenre coninginne rijke die Lupa hiet. Want dese Lupa was een coninginne in Hyspanien die so hiet om haerre felheit. Ende die jongeren leyden den lichaem wten sceep op eenen groten steen, ende die steen smelte recht als was onder den lichaem ende maecte een vorm also groot als dat lichaem. Ende doe gingen die jongeren tot Lupa ende seyden haer: Ltk. 280, 66'b: op den XXV dach in marte in onser vrouwen boetscap ende opten achtensten dach voer den oist so was hii tot Compostellen ghebrocht want syn begravinghe wort verlanghet van oest tot ianuarium toe . <?page no="189"?> Titelscan.indd 189 Titelscan.indd 189 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Beilage 1 177 ,Onse heere Jhesus Christus hevet totti gesent sijns apostels lichaem, ende datstu door ontfaen selste, dien du levende niet ontfaen en woudes'. Ende sij vertelden haer hoe hi daer angecomen ware sonder enich stueren ende eyschede een tamelike stede tot sijnre begravinge. Doe dit die conincgynne gehoert hadde als Johannes Beleth seyt, so sende sij de 7 tot alten wreeden man in boescheeden. Ende als sommige[n] seggen, so sende sijse toten coninc van Hyspanyen, dat si sin consent hoer of hebbe woude . Ende dese man vincse ende leytse in een kerker. Mar doe hi at, so ondede die enge! Goids die kerker ende lietse vrij wt gaen. Doe dat die man vernam, so sende hi haestelic ridders nahem, diese vangen souden . Mar doe die ridders over een brugge varen soude, so brac die brugge ende sij verdroncken alle in die rivier. Doe die man dat / S3'h/ hoerde, so had hijs rou, ende hi ontsach hem ende sijn luyden ende sende hem na ende bat hem dat si tot hem weederkeerden ende sij souden vercrijgen so wat sij wouden. Ende doe quamen sij weeder ende bekeerden dat volc tot Christum. Doe dat Lupa hoerde, so was sij herde droevich. Ende doe die jongeren weder tot haer quamen ende doe sij haer seyden des conincx wille, so antwoirde sij: ,Nemet die ossen die op desen berch sijn, ende doetse in een wagen, ende voertse tot ons heeren lichaem ende sticht een stat also ghij wilt'. Dat seyde Lupa mit quaden meninge, want sij wisten wel dat die ossen waren wilde stieren. Ende daer waende sij dat sise nieten souden mogen vaen noch spannen in den wagenen, of, al mochten sijse inspannen, dat zij harwaert ende darwaert souden lopen, ende dat sij also den waghen breken soude ende den lichaem mitten dissipulen ofwerpen. Mer tegen Gode en is gheen wijsheit; mer die jongeren en peynsde om haer boesheyt niet. Ende ghingen opten berch ende dede bersten eenen drake die tegen hem quam lopen ende tvuer wt blasende mitten teyken des crucen. Ende doe sij op die stieren een cruus hadden gemaect, so werden si also sacht als lammeren. Ende doe deden sijse in die waghen ende leyden Sinte Jacops lichaem mitten steen daer hi op lach optien karre, ende die ossen voerden den lichaem sonder yements driven in deser Lupen palays. Doe dat sij dat sach, so hadde sijs groot wonder ende sij gelovede ende wort kersten ende gaf hem al dat sij eyschede[n]. Ende sij dede dat palays wyen in een kerc in Sinte Jacops eer, ende gaf daer groot goet toe. Ende in goeden wercken so eynde sij haer leven. Ltk. 280, 66 va: so seynde sise. <?page no="190"?> Titelscan.indd 190 Titelscan.indd 190 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 178 Jan van Herwaarden Wundererzählungen 8 Also Sinte Calixtus die paeus seit, so was een man die Barnaert hiet wten bisdom van Mutynen 9 gevangen ende gespannen ende geleyt onder eenen / 53va/ toirn ende hi anriep altoes Sinte Jacop. Ende Sinte Jacop openbaerde ende seyde: ,Com, volch my na in Galissien'. Ende Sinte Jacop brac die veeteren ende hi ontvoer hem; mer dese Bernaert hinc die veteren om sijn hals ende ginc tot boven in den toirn. Ende sonder quetsen spranc hi daer of tot enen spronge; nochtans was die toirne LX cupites hoge. 10 Als Beda seyt, so had een man alte grote sonde gedain. Ende doe hijt sine biscop biechte, doe en dorste hi hem niet absolveren, mer hi sende die mensche mit eenen brief tot Sinte Jacop daer die sonde in gescreven was. Ende op Sirrte J acopsdach, so leyde dese man den brief op Sinte J acops outaer ende badt hem dat hi die sonde woude doen vergeven ende of plamen overmits sijn verdienten. Daerna nam hi den brief vanden outaer ende hi deden op ende hi vant die sonden of gedaen . Ende hi dancte Gode ende Sinte Jacop ende maecte condt wat hi gedaen hadde. 11 Als Hubertus van Bisintynen [Besanc; on] seyt, so waren XXX menschen van Lotoringien 12 die tot Sinte Jacops toghen int jaer ons heeren M ende lxxij. Ende sij belove[n] de alle deen den anderen trouwe te doen, wtgenomen een. Ende een van haren gesellen wert siec ende sijn gesellen bleven XV dage bi hem. Ten lesten, so lieten si hem alle sonder die een die hem gheen trouwe geloeft en hadde, want die bleef bij hem ten voet van Sinte Michiels berch. Mer alst avont was so starf hi, ende die gheen die levende was, begonste hem zeer te verbazen om der enicheit der wildernisse ende vanden dode, ende omdat die nacht donker wort, ende om die wreetheit des volcs van dien lande. Mer Sinte Jacop openbaerde hem in die / 53vh/ gelijckenisse eens rijdende mans ende him troesten ende seyde: ,Ghijf my desen dode ende sit after op mijn paert'. Ende aldus voeren sij binnen dier nacht eer dat die sonne op ginc XV dachvaerden ende quamen ten berch ter blijscapen 13 op een halve mijle na Sinte J acops. Ende Sinte J acop dede daer beyde of gaen, ende hi beval den levende 8 Ltk. 263, 1oov•; Ltk. 279, 79ra; BPL 86, 5vh; dieses Mirakel nicht in Ltk. 280; vgl. Whitehill (Hrsg.) Codex, 273: Nr. XI. 9 Modena. 10 Ltk. 280, 67ra; Vgl. Ltk. 263, 1oov-; Ltk. 279, 79ra; BPL 86, 5vb; vgl. Codex, 262-263: Nr . II. 11 Ltk. 280, 67ra; Ltk. 263 l00va; BPL 86, 6ra; vgl. Codex, 265-266: Nr. IV. 12 Lotharingen. 13 de ,Momjoie' vlak bij Compostela . <?page no="191"?> Titelscan.indd 191 Titelscan.indd 191 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Beilage 1 179 dat hi die canoniken van Sinte J acops vergaderen soude om den dode pellegrum te begraven, ende dat hi sin gesellen seggen soude dat haer pelgremaedze niet en waer omdat sij haer beloften gebroken hadden. Ende hi dede dat hi hem beval ende seyden sin gesellen van haren weegen dat hem sinte J acop beval. 14 Als Calixtus die paeus seyt, so toech tot Sinte Jacops een Duusch man mit sinen zoon int jaer ons heeren M ende lxxxiij 15, ende hi toech in die stede van Thelosen 16 omdat hi al daer herbergen woude. Ende sin waert maecten droncken, ende hi stact al heymelic een silveren nap in sin sack. Ende doe sij des morgens wech waren gegaen, so volchde hi na ende dedese weederbrengen als dieven ende leyden hem op dat sij een silveren nap gestolen hadden. Ende doe sij seyden dat hijse dede hangen waert dat men den nap onder hem vinden consten. Ende doe men den nap in die male gevonden hadde, so leyt men se thant voerden rechter . Ende men gaf vonnes over hem ende al dat sij hadden gaf men den waert, ende men wijsden den eenen vanden tween te hangen. Mer doe die vader voer den zoon snde die zoon voer den vader hangen woude; die strijt was groot van hem tween. Ten lesten hinc men den zoon ende die vader ghinc voert Sinte Jacops waert. Ende / 54ra/ na XXX dagen so quam die vader weeder ende keerde daer sijn zoon hinck ende hi beweenden alte zeer. Ende die zoon die gehangen was begonsten te troesten ende seyde: ,En, lieve vader, en ween niet, want my was nye so wel, want tot nu so hevet Sinte Jacop my behouden ende gevoet mit hemelscher spijsen'. Soe dat die vader hoerde, so liep hi ter stat wairt ende tfolc quam ende deden den pelgrim gesont af ende hingen den waert. 17 Hugo van Sinte Victor seyt dat die duvel eenen pellegrim openbaerde die tot Sinte Jacops ginc in Sinte Jacops gelijc, ende hi seyde hem veel vander kativicheit deser werelt. Ende hi seyde hem, dat hi salich waer, woude hi hem selven doden om sinen wil. Ende dese pelgrim nam thant een zwaert ende dode hem selven. Ende doe men quaet vermoeden droech op sin waert daer hi gheherbercht was, ende hi anxt hadde dat men doden soude, soe wort die dode weder levende ende seyde, doe hem die duvel totter tormente trecte die hem geraden, dat hi hem selven doden soude, so quam Sinte Jacop toe ghelopen ende verlosten ende voerden voir ons heeren troin. Ende doen die duvel daer wroechde, so verbauen Sinte Jacop so dat hi weder levende worde. 14 Ltk. 280, 67va; Ltk. 263, l0Ovb; Ltk. 279, 79rb; BPL 86, 6rb; vgl. Codex, 267-268: Nr. V. 15 Dieselbe Andeutung in Ltk. 263 und BPL 86; in Ltk. 279: keine Jahreszahl; vgl. 280, 6? V•: lxxxiiii. 16 Toulouse. 17 Ltk. 280, 68ra 16; Ltk. 263, 101ra; BPL 86, 6va; nicht im Codex; vgl. Migne, PL 176, eo! . 583-584: Hugo von Sankt Victor, De sacramentis libri II.16 .2. <?page no="192"?> Titelscan.indd 192 Titelscan.indd 192 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 180 Jan van Herwaarden 18 Also Sinte Huge van Cluny 19 seyt, so was een jongelinc in bisdom van Lyons die dicwijl mit groter devotien tot Sinte Jacops plach te gaen . Op een tijt doe hi darwaert toech, so viel hi inden selver nacht in oncuuscheit. Ende doe hi inden weege was so openbaerde hem die duvel op eenre nacht in Sinte Jacops gelijc ende seyde: ,Weetstu wel wye ic bin? ' ende hi seyde: ,Neen ic', so seyde hij: ,Ic bin Sinte Jacop die apostel die duale jaer pleegeste te versoecken / 54' 6/ mer weet dat ic zeer blijde was in dinre ynnicheit . Mar nu zeeder datstu van huys biste gegaen, soe hebstu oncuuscheit gedaen ende ontgebiect tot my gecomen, alsof God ende my dijn pelgremaedze genaem waer, het en betaemt also niet. Mer so wye tot my in pelgremaedze comen wil, hij sel eerst rauwe hebben ende biechten hem van sinen sonden. Ende na die pergremaedze sel hise beteren mit penitencie.' Ende doe dit die duvel geseyt hadde, so voer hi wech. Doe was die jongelinc in groten daghen ende op settede weeder thuus te varen ende hem te biechten ende dan sinen wech darwaert te stueren. Ende doe openbaerde hem die duvel weder in Sinte Jacops gelijckenisse ende ontriettet hem al. Ende seyde dat hem die sonde nymmermeer en soude werden vergeven, ten waer dat hi sin manlicheit altemael afsnede. Mar hi soude veel saliger weesen woude hi hem selven doden, ende om sinen wille martelaer werden . Dese jongelinc des nachts, doe sijn gesellen sliepen, so nam hi een zwaert ende sneet sin manlicheit of, ende daer na stack hi dat selve messe doer den lichaem. Doe sin gesellen ontsprongen waren ende sij dit saghen, so vlogen sij van anxt en wech datmen hem niet aenleggen en soude vander manslaecht. Mar doemen sij graf makede, hi die daer doet was wart weeder levende, ende hi seyt hem allen die daer vlogen wat hem geschiet was . Ende seyde: ,Doe ic my selven overmits des duvels rade gedoot hadde, so begreep my die duvel ende leyde my ter tormente waert. 20 Ende SinteJacop quam ons na lopen ende berispte dye duvel zeer van hare bedriegenisse. Ende Doe sij onderlinge lange streeden bij Sinte / 54va; Jacops dwange, so quamen wij tot eenen velde 21 daer onse vrouwe Maria sat ende sprac mit veel heyligen. Ende doe Sinte Jacop haer over die duvelen claechde om mine wille, so versprac sij die duvelen zeer, ende beval dat men my weder ten lichaem 18 Ltk. 263, 101'6; BPL 86, 6vb; nicht in Ltk. 280; vgl. Codex, 278-282: Nr. XVII. 19 Ltk. 263: Clyringi; BPL 86: Clingi. 20 Ltk. 263, 101 va: so begrepen my die duvelen ende leyden mi te Romen waert; vgl. BPL 86, 7' 6 . 21 Ltk. 263, l0lva: mersche. <?page no="193"?> Titelscan.indd 193 Titelscan.indd 193 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Beilage 1 181 brengen soude. Aldus nam my Sinte Jacop ende brachte my weder ten lichaem als ghij nu siet'. Ende binnen drien dagen was hi also heriesen dat hi niet dan een litteyken en hadde. Ende hi ginc voert tot Sinte Jacops ende doe hi sin gesellen vant, so vertelde hi hem al dat hem gesciet was. 22 Als Calixtus die paeus seyt, so was een Fransoys die tot Sinte J acops ginc mit sijn wijf ende kinderen int jaer ons heeren duysent ende hondert omdat hi vlien woude die sterfte die in Vrancrijc was ende omdat hi Sinte Jacop woude visentieren. Ende doe hi ter stat van Panpilonien 23 gecomen was, so starf daer sijn wijf ende sijn waert toech tot hem alle haer gelt ende sin paert daer hi ende sijn kijnden op voeren. Mer dese pelgrum toech wech al wenende ende doe droech hi enich vanden kinderen op sin scouderen ende die ander leyde hi mitten hant. Ende hem quam een man mit enen ezel tegemoet ende van medelijden so leende hi hem den ezel dat hi sin kinderkijns daerop voeren soude . Ende doe hi tot Sinte Jacops gecomen was, so openbaerde hij hem daer hi wakede ende bede ende vraechde hem of hien yet liende. Ende doe hi seyde: ,Neen ic', doe seide hi hem: ,Ic binJacop die apostel die dij dinen ezel geleent hebbe; ic sellen dy noch leenen weder te keeren, mer du se[l]ste weeten dat dijn waert doot sel vallen van eenen / 54vh/ solre, ende du selste al weder hebben dat hi dy ' nam. Ende als dit aldus gesciet was, so quam hi blide thuus, ende doe hi die kinder vanden ezel gedaen had so voer die ezel wech. 24 Het was een coepman beroeft van eenen tyran ende doe hielt hien gevangen . Dese anriep ynnichlic Sinte Jacop dat hi hem te hulpen quame. Ende Sinte Jacop openbaerde hem daer die wachters waecten ende leyden tot boven inden toirn. Ende thant so neychde die toirn sozeere, so dat die toppe optie aerde quam. Ende hi ginc daer wt sonder springen ende ginc vrij wech. Ende doen die wachters vervolchden, al wasset dat si voer bij hem leeden, nochtant so en sagen si hem niet . 25 Hubertus van Vysentinen 26 seyt dat op een tijt drie ridders van Lyoens voeren tot Sinte Jacops. Die een van hem drien voerde eens wijfs sac op sin pairt omdat sijs hem bat; daerna vant hij eenen siecke bij den weghe, die bijna 22 Ltk. 280, 67v•h; Ltk. 263, lOPh; BPL 86, 7v•; vgl. Codex, 268-269: Nr. VI. 23 Pamplona. 24 Ltk . 263, 10ivh; BPL 86, rh; nicht in 280; vgl. Codex, 274-275 : Nr. XIV 25 Ltk. 263, 102ra; BPL 86, 7vb; nicht in 280; vgl. Codex, 276-278: Nr. XVI, Anselmus von Canterbury . 26 Besan~on. <?page no="194"?> Titelscan.indd 194 Titelscan.indd 194 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 182 Jan van Herwaarden eenmachtich was, ende dien sette hi oop sin paert ende droecht ende volchde den paerde. Mer doe hi anmachtich wort om die hetten vander sonne ende om die pijn vanden weeghe, soe hi te Galissien gecomen was, so wort hi sieck. Ende doe hem sin gesellen baden dat hi peynsen soude om die salicheit sijnre sielen, so wort hi drie dage stom . Mer opten vierden dach doe sijn ghesellen verbeydende waren sinre doot, so versuchte hi alte zwaerlike ende seyde: ,Ic dancke Gode ende Sinte Jacop, want bij sinre verdiensten ben ic verlost. Want doe ic doen woude dat ghij my riet, so quamen die duvelen tot my ende pinden my so zeer, dat ic temael niet spreken en mochte dat be / 55ra/ hoerlic was tot mynre sielen salicheit . Mer ic hoerde u wel, mer ic en mochte u niet antwoirden . Mer nu quam hier Sinte Jacop ende brachte in sin luchter hant des wijfs sac, ende in sin rechterhant des armen mans stock die ic in den wege gehulpen hadde . Also ic had den stoc voerden speer ende den sac voerden seilt. Ende hij onginc die duvelen alsof hi gram geweest hadde ende verwaerdze mitten stoc dien hi ophief ende verjaechdese. So siet, ic bin mit Sinte J acops verdienten verlost ende om sinen wille is my weder die sprake gegeven. Hierom roept ende doet tot my comen een priester, want ic en macher niet langer weesen in desen leven .' Ende hij keerde hem tot een van hem luyden ende seyde: ,Vrient, en dien niet meer dijnre heer, want waerlic, hi is verdomt ende hi sei cort quader doot sterven' . Soe dese man begraven was, so seydet dese ridder sinen heer, mer hi en achtet niet ende hi veronwaerden hem te beteren. Daerna wort hi in eenen strijde doersteeken mit eenen zwaerde. 27 28 Als Calixtus die paeus seyt, soe was een man van Verselay [Vezelay] die tot Sinte Jacops ginc ende hem gebrac teeten. Ende doe hi hem scaemde te bidden ende hi lach onder eenen boem ende sliep, so droemde hem dat Sinte Jacop voede. Ende doe hi ontspranc, so vant hi tot sinen hoefde een gherstenbroot ende dermede leefde hi XV dagen totdat hi thuus quam . Nochtans so hat hi daer alle dage of so veel hi mochte, ende des anderen dages so vant hijt al gheheel inden sac. 29 Calixtus seyt oic dat een poorter was van Bartoloonien 30 , die int jaer ons heeren M ende C tot Sinte Jacops voer. Ende hi badt alleen dat hi nymmermeer van / 5yb/ sinen vianden gevangen en moste worden . Mer doe hi weder quam doer Cecylien 31 so wort hi in die zee van den Zarasinen gevangen, ende 27 Ltk. 263, 102rb: speer, Vgl. BPL 86, 8rb_ 28 Ltk. 280, 68ra; Lek. 263, 102rb; BPL 86, 8r 6 ; vgl. Codex, 400 (1139), dem Text des Buch von Sankt J akobus hinzugefügt. 29 Ltk. 263, 102r6; Ltk. 279, 79va; BPL 86, 8v"; nicht in 280; vgl. Codex, 286-287: Nr . XXII. 30 Barcelona . 31 Sizilien . <?page no="195"?> Titelscan.indd 195 Titelscan.indd 195 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Beilage 1 183 hi wort dicwijl van hem vercoft in jaermarcten. Ende doe hi xiiiwarven vercoft was, ende hi mit dubbelde veteren gespannen was, so anriep hi Sinte Jacop ende Sinte Jacop openbaerde hem ende seyde: ,Soe du in myn kerc waerste, so lietstu achter die salicheit dynre sielen, ende bades alleen om die verlossinge dyns lichaems. Daerom so hebstu dit ongeval gehadt, ende omdat onser heere ontfermhertich is, so heeft hi my gesent dat ic dij verlossen sel.' Ende thant braken die veteren, ende hi droech een deel daerof doir die Zarazijnen lant ende haer borge om te tuygen dese myrakel. Ende hi quam weeder tot sinen lande dert alle die luyden sagen ende verwonderden, want alsmen yement vaen woude als hi die veteren sach, so vloech hij. Ende als in die wildernisse ossen of ander wilde diere tot hem quamen, thans als sij die veteren sagen, so worden zij alte zeer vervaert ende vlogen. 32 lnt jaer ons heeren M ende C ende xxxviij so was een jongelinc van simpelheit bedrogen, welke jongelinc was van eenen borge die Pereit 33 die stat twisken Florencen ende Pistoryen. Ende op Sinte Jacopsavont so stac hi dat vuer in sijns voichts coern omdat hi hem sijn erfachticheit ondergaen woude. Hierom wort hi gevangen ende geoerdelt datmen sleepen soude ende verbernen. Ende hi biechte sijn sonden ende offerde hemselven Sinte Jacop. Ende als hi lange gesleept hadde in een hemde op een steennachtich lant, so en gevoelde hi gheen quetsinge in sinen lichaem noch in sin hemde. Ten lesten wort hi an een stake ghebonden ende men bender al / 55va/ omme ende omme ende hout ende men stack er vuer in. Ende dat hout ende die banden verbarnden, mer hi die altoes Sinte J acop anriep en wert niet gequest noch in sin lichaem noch in sinen hemde. Ende doe sij hem echter int tfuer werpen woude, so verlostem Sinte J acop echter. Ende God wordt grotelic geloeft ende gedanct in Sinte J acop sin apostel; lof sij die soete Heere Christus. 32 Ltk. 263, 102v•; BPL 86, 8vb; nicht in 280; nicht im Codex; vgl. Archivio di Stato Pistoia, Documenti vari 27 (1496) 188r-19F, Lucia Gai, ,Testimonianze', 163-164 und Anm. 129. 33 BPL 86: Preyst, Prato. <?page no="196"?> Titelscan.indd 196 Titelscan.indd 196 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 BEILAGE 2 Gebet zum heiligen Jakobus 1 104a: Een schoon ghebet vanden heilighen apostel Sinte Jacob 1046 [nebstJakobusminiatur] 0 heilighe weerdighe apostel Iacob van Hyspaengien, die den armen bedructen menschen in baren noot soe vriendelijcken troestes. 0 gloriose Sinte Iacob ende alderheilichste vader, goedertieren apostel en verduldich martelaer een mynlyc guberneerder den ghenen die u aenroepen . 0 Sinte Iacob, eere der heiligher apostelen ende weerdicheit des volcs van den walschen tonghen, advocaet ende patroen der pelgrymmen ende verdrucker der boesheit der sonden . 0 Sinte Iacob, die allen den ghenen te hulpen comt, die met ganssen gheloeve ende met vasten betrouwen dy aenroepen, alsoe wel inder zee als inder aerden. 0 mijn wtvercoren apostel, comt my te hulpen ende dynen dienaren die dy aenroepen ende in dynre hulpen seer betrouwen ende int eynde mijns levens wilt / 105a/ mijn allendighe siele beschermen ende behoeden voer des boesen gheest laghen ende en wilt my in die grouwelijcke stonde niet versmaden als een yeghelijc sal loen ontfaen na synen wercken. Ende dit soe wilt doen doer den ghenen die dy in sijn gheselscap heeft ghewerdicht wt te verkiesen. Amen. Karlshamm, Hs 0 . Smith 1 (Film: Universitätsbibliothek Leiden, BPL 2563) 104a: Een schoon ghebet vanden heilighen apostel Sinte Jacob; 1046: Jakobusminiatur. <?page no="197"?> Titelscan.indd 197 Titelscan.indd 197 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Beilage 2 185 Resumen: Desde siempre hubo relaciones entre Santiago y los Pafses Bajos. En el Liber Sancti Jacobi se habla repetidas veces de Frisones y Frisia y, quiz: is, pudieran considerarse las palabras „Herrn Sanctiagu" en el himno „Dum pater familias" "Canto de Ultreya") componentes neerlandeses. Un fundamento m: is documentado lo proporcionan posteriormente vestigios literarios, en su mayorfa traducciones de! latfn y del frances. A partir del siglo XII, se encuentran huellas de! culto jacobeo en la ! iteratura novelesca, en fuentes hist6ricas y hagiograficas, en oraciones y tratados devocionales. Aunque el articulo no pretende ser un tour d'hori z on exhaustivo a traves de la literatura neerlandesa medieval, los resultados parecen de cualquier modo parcos. Basandose en el actual resultado cabrfa deducir que el culto a Santiago tuvo relativamente poca divulgaci6n en los Pafses Bajos durante la Edad Media . No obstante, no se puede negar cierta popularidad del santuario de! ap6stol tambien en los Pafses Bajos. Santiago no fue un mero lugar de peregrinaci6n, sino tambien un paradigma. De esto prueba entre otras cosas la apasionada discusi6n sobre la autenticidad de las tradiciones hisp: inicas en el siglo XVII, un tema con cuyo tratamiento concluye esta aportaci6n . Hoy en dfa, la peregrinatio ad Sanctum Jacobum experimenta un verdadero renacimiento en los Pafses Bajos y en Belgica . Ademas, el autor aiiade dos apendices documentales sobre milagros de Santiago y con una oraci6n al Ap6stol. <?page no="198"?> Titelscan.indd 198 Titelscan.indd 198 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 <?page no="199"?> Titelscan.indd 199 Titelscan.indd 199 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Le Theme J acquaire dans l'U nivers Claudelien GAELE DE LABROSSE „Vous avez du remarquer, ecrit Paul Claude! , l'importance qu'ont les saints pour moi (...). Un saint n'est pas seulement un etre entierement absorbe dans la contemplation et le service de Dieu. II n'est pas seulement charge de demander, mais de recevoir et de distribuer. II a ordre et mission d'intervenir, non pas seulement au regard de certaines personnes auxquelles un lien mysterieux le rattache, mais de groupes humains tout entiers dont il est en quelque sorte le type complet et le representant accepte au milieu d'effigies molles et d'exemplaires manques." 1 Parmi ces vertueux elus, l'ecrivain a fait son choix: sainte Genevieve, saint Louis, sainte Therese, sainte Cecile, saint Martin, saint Georges, saint Joseph, sainte Colette2, ainsi que „le groupe des Apotres" 3 pour n'evoquer que les deux grands ensembles poetiques consacres aux saints . Ainsi, pour Claude! , ces personnages celestes sont bien plus que des exemples a louer ou a imiter: ils interviennent au cceur de la destinee des humains, au moment precis ou ceux-ci en ont le plus besoin. C'est pourquoi certains saints feront irruption dans le domaine dramaturgique, s'incarnant dans un personnage vivant . C'est le cas de Jacques le Majeur, dont l'actualisation esquissee dans Corona benignitatis Anni Dei4 atteint son sommet dans Le Soulier de satin. Le „Fils du Tonnerre" 5 joue ici un role de premier plan, dote de sa triple attribution: il est l' Apotre mediateur, l' Apotre pelerin, et l' Apotre conquerant. lntroduction a quelques ceuvres, A. Monnier, Paris, 1920, pp. 23-24. Feuilles de saints, (Euvre poetique, Gallimard "Bibliotheque de La Pleiade"), Paris, 1977, pp. 599 a 696. Corona benignitatis Anni Dei, (Euvre poetique, Gallimard "Bibliotheque de La Pleiade"), Paris, 1977, pp. 411 a 426. "Saint Jacques le Majeur", in „Le groupe des Apotres", Corona benignitatis Anni Dei, op. cit., pp. 414-415. Paul Claude! rappelle ce surnom donne aux deux freres Jacques et Jean: "Boanerges", ce qui signifie „Fils du Tonnerre" (ibid., p. 414). <?page no="200"?> Titelscan.indd 200 Titelscan.indd 200 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 188 Gaele de La Brasse l SAINT JACQUES MEDIATEUR A Son role „verticalisant" „La scene de ce drame est le monde", declare l' Annoncier au commencement de la Premiere J ournee du Soulier de satin 6• C' est dire l'importance que revet dans cette piece la „dimension ascensionnelle" 7 a l'origine de la „verticale scenique" 8• Nombreux en effet sont les acteurs reels ou imaginaires qui transportent l'intrigue au-dela de l'espace scenique quotidien. Ces personnages, "dont l'auteur a besoin pour periodiquement comparer, rapprocher les destins, dominer et resserrer sa piece", vont bien au-dela de la simple figuration: au centre du tissu theatral, ils sont, selon l'expression de Michel Autrand, "des figures du lien" 9• "Le Grand Apotre du Firmament" 10, aux cotes de la Lune, de l'lrrepressible ou de l' Ange gardien, est un de ces mediateurs privilegies. Parmi les deux saint Jacques peints par le Japonais sur ordre de Rodrigue, l'un est en effet "(...) aussi grand que toute la distance qu'il y a entre le ciel et la terre . II sort de la mer, il a encore un pied dedans jusqu'a la cheville et il est si grand qu'il est force de se courber sous le plafond de nuages. Et il a un immense bras qui lui pend de ! ' epaule droite avec une main au bout qui se balance comme un grappin, Et au-dessous sur Je rivage, avec ses magasins et ses clochers, on voit une petite ville taute blanche comme une trainee de farine." 11 Sa fonction, on le comprend, est d'attirer la protection celeste sur le territoire espagnol dont „cette ville toute blanche" est la metonymie . B Le Pacte Mais l'auteur lui assigne un role plus particulier encore: des le debut de la piece, par l'intermediaire du Pere Jesuite clont le vaisseau, qui porte le nom de „Santiago", etait dans une version primitive charge d'une statue de saint Jacques 12 -, L'Apotre presidera la destinee de Rodrigue, qui a precisement pour frere cet autre apotre du Christ. Et le genie du dramaturge permettra 6 Le Soulier de satin, Theatre, t. II, Gallimard "Bibliotheque de La Pleiade"), Paris, 1983, p. 665. 7 Expression de Michel Autrand, in Le Soulier de satin: etude dramaturgique, Champion (coll. "Unichamp"), Paris, 1987, p . 47. 8 Ibid ., p. 55, note 42. Selon Michel Autrand, "c'est a Hellereau en 1913 que Claude! a pris entre autres conscience des pouvoirs de la verticale scenique ou se fait sentir l'influence d'Appia". 9 Ibid., p. 63. C'est nous qui soulignons. 10 Le Soulier de satin, op. cit., p. 752. 11 Ibid ., p. 866. 12 Cf Jean-Louis Barrault, Biblio n° 3, "Apropos du Soulier de satin", mars 1952, p. 8. <?page no="201"?> Titelscan.indd 201 Titelscan.indd 201 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Le Theme Jacquaire dans l'Univers Claudelien 189 encore que, bien plus tard 13, lorsque Rodrigue fera route vers Mogador sur une embarcation delabree, il croise cette epave et en dechiffre le nom ... On peut encore esquisser d'autres paralleles pour montrer que ce role verticalisant des personnages „du lien" est une des des de voute de la drama turgie claudelienne. Ainsi, l' Ange gardien ou la Vierge Marie sont a Prouheze ce que saint Jacques ou le Pere Jesuite sont a Rodrigue. C'est ainsi l' Ange gardien cet „Aigle divin" 14 qui est charge de conduire sa protegee au seuil de "la lumiere eternelle" 15• Une question se pose alors, souvent evoquee apropos du theatre claudelien: les personnages mis en scene font-ils usage de leur libre arbitre, ou sont-ils „guides" par ces conseillers qui leur oteraient toute liberte de decision? A Stanislas Fumet qui, parlant de Prouheze, ecrit qu"elle est agie" 16 , Pierre Brunel prefere declarer qu"'elle est presque agie" 17 . Cette position intermediaire parait la plus juste. Le dramaturge insiste en effet sur l'acte volontaire des personnages qui engagent ainsi eux-memes leur destinee vers la voie sacrificielle, sur laquelle „toute l'idee de la piece repose" 18• Le don que Rodrigue fait a Saint Jacques de son epee et de son bras sur la grande route de Galice a Saragosse repond 19 a l'offrande du soulier de Satin par Prouheze a sa „Grande Maman effrayante" 20• Claude! exprime ainsi lui-meme ce rapprochement en tirant de semblables conclusions: "De cette volonte, ecrit-il, les deux amants sont a la fois ! es victimes, ! es adversaires et ! es complices. Prouheze essaye de rejoindre son amant, mais c'est avec une aile rognee; elle a donne son soulier a la Sainte Vierge. Rodrigue a conclu imprudemment un pacte avec saint Jacques, patron de l'Espagne, qui sous la forme gigantesque d'une constellation, fait le passeur sur les deux hemispheres. " 21 Et Pierre Brunel de commenter: "La Madone du seuil, le Pelerin de l'Occident, et avec eux Dieu sensible a la priere du J esuite agonisant, se penchent avec amour sur ces deux jeunes gens qui leur ont remis leur liberte ." 22 13 Le Soulier de satin, op. cit., Deuxieme Journee, sc. VIII, p. 758. 14 Ibid., p. 824. 15 Ibid. 16 Stanislas Fumet, "Doiia Merveille ", Etudes carmelitaines, mystiques et missionnaires, avril 1931. 17 Pierre Brunel, Le Soulier de satin devant la critique, Minard, (coll. "Situation" n° 6), 1964, p. 64 C'est l' auteur qui souligne . 18 Paul Claude! , "Allocution prononcee au cours d'un gala organise par Marie Bell au profit des cheminots, a Paris, Je 23 mars 1944", Theatre, t. II, op. cit., p. 1476. 19 Ces deux episodes se situent d'ailleurs a quelques scenes d'intervalle, au debut du drame (sc. V et VII de la Premiere Journee) . 20 Le Soulier de satin, op. cit., p. 686. 21 Paul Claude! , "Allocution prononcee au cours d'un gala organise par Marie Bell au profit des cheminots, a Paris, le 23 mars 1944", loc. cit. 22 Pierre Brunel, Le Soulier de satin devant la critique, op. cit., p . 55. <?page no="202"?> Titelscan.indd 202 Titelscan.indd 202 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 190 Gae'le de La Brasse C Le climat de la grace Ce climat instaure par ces mediateurs se prolongera dans les elements du decor. Ainsi saint Jacques, "phare entre les deux mondes" 23, sera charge de maintenir la double symbolique suscitee par cette image: la mer, materia prima qui engage le processus des transformations successives24, et le ciel constelle d'etoiles qui representent, selon le prophete Daniel, la vie eternelle des Justes 25. C'est Doiia Sept-Epees, nageant „en pleine mer sous la pleine lune" 26, qui definira le mieux ce climat attache a "(...) cette espece de lumiere liquide qui fait de nous des etres divins et suspendus, (Pense: ) des etres glorieux." Elle precise sa vision: "L'eau porte tout (...), (...) il y a quelque chose qui vous reunit bienhereusement a tout, une goutte d'eau associee a la mer! La communion des Saints! " 27 On comprend alors pourquoi cet element du decor est souvent associe au ciel nocturne. C'est SOUS la voute etoilee que le Jesuite, voguant au gre des courants, confie a Dieu son frere Rodrigue. Orion, la constellation symbolisant l' Apotre Jacques, est deja nommement presente 28. Elle le sera plus encore au cours de la Deuxieme Journee, Oll la sixieme scene „est occupee dans toute sa hauteur par une figure, gigantesque et toute parsemee de feux de saint Jacques (Santiago), avec les coquilles de pelerin et le batondiagonal" 29. L'espace de resolution, avec son „point de repere" 30 celeste, est ainsi cree pour rester ensuite le decor dominant ou evolueront les destinees des personnages31. 23 Le Soulier de satin, op. cit., p. 752 . 24 On retrouve ce rapprochement entre la matiere premiere, la mere et la mer dans la seconde des Cinq Grandes Odes, "L'Esprit et l'Eau", in CEuvre poetique, op. cit., p. 236. 25 Daniel, XII, 3. 26 Le Soulier de satin, op. cit., p. 934. 27 Ibid., p. 938 . 28 Ibid., p. 666. 29 Ibid., p. 750. 30 Ibid ., p. 752. 31 Presque toutes ! es scenes importantes du Soulier de satin se passent ainsi soit en mer, soit saus la voute celeste. <?page no="203"?> Titelscan.indd 203 Titelscan.indd 203 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Le Theme ]acquaire dans l'Univers Claudelien 191 II SAINT JACQUES PELERIN A L'inscription dramaturgique du chemin de Saint-Jacques Le theatre, avant de donner a entendre, donne a voir. C'est ainsi que la thematique du chemin de Saint-Jacques de Compostelle s'inscrit tout naturellement dans cette „action espagnole en quatre journees" 32• La „veritable heroi: ne" de ce drame, ecrit Jacques Madaule, c'est „l'Espagne catholique du siede d'or" 33• Or celle-ci, poursuit-il, "a une triple vocation: d'une part la primitive, qui est la lutte contre l'Islam, le long et terrible dialogue avec l' Afrique toute proche"; ensuite, "la vocation de l'univers, que represente eminemment l' Amerique". Enfin, "l'Espagne est au Siede d' or la grande nation catholique. Il lui incombe de garder l'Italie contre ! es entreprises du roi de France, d'arreter et de refouler la Reforme en Europe, de la frapper jusque dans son inaccessible repaire, l' Angleterre d'Elizabeth" 3 4. L'Apotre incarne justement ces trois fonctions: il est le saint Jacques „matamoros", defenseur de la Chretiente contre ! 'Islam. Il est egalement, on le verra, le saint conquerant, qui veut elargir l'horizon de l'univers vers l'ouest vers le Nouveau Monde. Il est enfin le zele missionnaire de la religion catholique pour qui il perira en martyr, "coupe en deux" 35 • Pour camper cette triple vocation dans le decor du Soulier de satin, le dramaturge place Rodrigue, en compagnie d'Isidore, son acolyte chinois, sur le chemin qui mene au tombeau de saint Jacques, a travers „Je desert de Castille" 36 ; tous deux se trouvent ainsi egalement au croisement de „la grand'route de Galice a Saragosse (...) par ou chaque annee (...) / Saint Jacques( ...)/ Va solennellement rendre visite a Notre-Dame du Pilier" 37 • Rodrigue s'assignera clone pour mission la defense des pelerins 38 qui eff ectuent ce pelerinage, alors que des cavaliers armes ! es menacent, tapis dans un bois avec leurs chevaux 39 • 32 Le Soulier de satin, op. cit., p . 664. 33 Jacques Madaule, Claude! dramaturge, L'Arche (coll. "Travaux"), Paris, 1981, p . 107. II situe cette periode „de 1550 a 1650, lorsque le soleil ne se couchait pas sur ! es terres du roi catholique et que, d'une main, ce monarque administrait l'univers, tandis que, de l'autre, il disputait au roi de France et a la Reforme la domination de l'Europe" (ibid., p . 103). 34 Ibid., p. 108. 35 Corona benignitatis Anni Dei, op. cit., p. 414. 36 Le Soulier de satin, op. cit., p. 691. 37 Ibid . 38 Pour la comprehension du drame, il n' est pas indifferent de rappeler que parmi ces pelerins doit se trouver dofia Isabel. 39 Sur les motivations reelles de Rodrigue, cf Jacques Madaule, Le Drame de Paul Claude! , Desclee de Brouwer, Bruges, 1947, p . 381: "Tandis que don Rodrigue, repondant a une lectre que lui avait adressee son amante en depit de don Balthazar, se disposait a la rejoindre au bord de la mer et rien au monde, sans doute, n'aurait empeche leur renconcre il livre combat sur le plateau de Castille a une troupe qu'il soup<,onnait de <?page no="204"?> Titelscan.indd 204 Titelscan.indd 204 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 192 Gaiile de La Brasse On apprendra egalement par Isidare que cette scene 40se passe le jaur de la fete de saint Jacques: "c'est aujaurd'hui, vayez-vaus cette etaile qui file ? ", rappelle-t-il a Radrigue 41. L"'Apötre caniculaire" evaque dans Corona benignitatis Anni Dei 42 resurgit danc ici dans taute la force des „mais ardents"43 cette chaleur du plein ete, de l'heure du midi 44, revelatian de „la face evidente et tarride" 45de l'astre salaire 46. B La presence symbolique de la thematique jacquaire On l'a deja campris: dans la dramaturgie claudelienne, c'est au ciel que le chemin de Saint-Jacques acquiert taute sa dimensian symbalique. On cannait la legende selan laquelle l' Apötre lui-meme aurait indique en sange a Charlemagne la Vaie lactee paur que l'Empereur paursuive ce chemin jusqu'au tambeau du premier martyr de la Chretiente. Dans Le Soulier de satin, c'est le Chinais lui-meme qui fait la premiere allusian a cette metaphare: „Etrange lumiere que ce million de gouttes de lait! " 47 Rappelans ici que la thematique du lait revet une impartance particuliere dans la symbalique claudelienne. Elle est en effet liee a la triple reference aquatique, nacturne et lunaire. Au caurs de la Deuxieme J ournee, la Lune chuchote: „L'heure de Ja Mer de Lait est a nous; si l'on me voit bJanche, c'est parce que c'est moi Minuit, Je Lac de Lait, Jes Eaux." 48 La lueur ainsi creee devient alars „Une Jumiere non pas pour etre vue mais pour etre bue, pour que l'ame vivante y boive, toute ame a ! 'heure de son repos pour qu'elle y baigne et boive. " 49 On retrouve danc ici taus les elements symbaliques qui evaquent la cammunian des saints dant la Voie lactee est ici la metaphare: l'univers celeste vouloir enlever Notre-Dame du Pilier. II ne s'agissait point de cela, mais il n'importe! Pour Notre-Dame du Pilier, et sans doute par sa misericordieuse intercession, Rodrigue est navre d'une grave blessure qui l'empeche d'aller jusqu'a Prouheze." 40 Premiere Journee, scene VII. 41 Ibid ., p. 691. 42 Op. cit., p . 414. 43 Ibid . 44 La force dramatique de cette heure symbolique est tres souvent utilisee par Paul Claude! . Cf notamment (outre Partage de midi) Un Poete regarde la croix, Gallimard, Paris, 1960, p . 140. 45 Corona benignitatis Anni Dei, op. cit., p . 414. 46 Sur cet aspect de la symbolique jacquaire, cf l'intervention de Claude Gaignebet, "Les pendus dependus de la canicule", au premier colloque universitaire international sur ! es chemins de Saint-Jacques a Toulouse, le 3 fevrier 1993 (actes a paraitre). 47 Le Soulier de satin, op. cit., p. 698. 48 Ibid ., p . 778. 49 Ibid . <?page no="205"?> Titelscan.indd 205 Titelscan.indd 205 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Le Theme ]acquaire dans l'Univers Claudelien 193 "une soiree d'une purete cristalline" 50), l'element aquatique, et plus specialement le „canal ou se reflete le croissant de la lune", semblable a „une barque invisible dans les roseaux" 5 1, l'astre psychopompe transportant les ames a travers le fleuve nocturne. L'immobilite apparente des personnages, au repos dans le desert de Castille, est donc dementie par ce decor symbolique 52 qui evoque l"'etat de transport" 53 des ames, par l'intermediaire de l'apotre pelerin . Celui-ci, en effet, est ainsi decrit par Bogotillos a qui Rodrigue a donne une peinture de saint Jacques : „II a le pied droit pose sur la proue de son bateau, le genau a la hauteur de son sein, Et il jette sur l'Espagne une espece d'amarre en spirale qui n'en finit plus dans le ciel de tourner et de se devider, Vers une espece de pilier qu'on apen; : oit, La colonne d'Hercule, le pieu qui traverse l'Espagne par le milieu, Je boulon final visse dur qui empeche taute l'Europe de decaler." 54 Et Jean Rousset de commenter : "La spirale, c'est le ressort qui se detend, le mouvement sans fin, le mouvement pour le mouvement; le regard qui tente de la suivre dans sa fuite est toujours rejete plus loin, ne trouvant aucun point d' arret." 55 C La thematique du cheminement: reponse a l'appel De l'inscription materielle du chemin a son evocation symbolique, on en arrive donc a une thematique plus generale qui definit le cadre du drame: celui du cheminement. Le heros claudelien de Tete d'Or a Rodrigue est, par nature, celui qui, isole dans le desert d'un monde inconsistant 56, entend un appel qui l'invite a quitter le confort d'une situation etablie pour se mettre en chemin vers une destinee inconnue. Les critiques ont souvent insiste sur cet „instinct migrateur" 57 qui definit les personnages claudeliens 58 • Le depart 50 Ibid., p. 691. 51 Ibid., p. 701. 52 Selon Michel Lioure, les deux symboles de l'eau et du feu fusionnent dans la lumiere de la lune. Cf Michel Lioure, L'Esthetique dramatique de Paul Claude[, Armand Colin, Paris, 1971, p . 408. 53 Le Soulier de satin, op. cit., p. 752. 54 Ibid ., p. 866. 55 Jean Rousset, La Litterature de l'age baroque en France, Corti, Paris, 1954, p. 167. 56 Cf Aime Becker, Claude[ et saint Augustin, une parente spirituelle, ed. Lethielleux, Paris, 1984, pp. 48 sq. 57 Alice Egli-Hegglin, Le Theme du totum simul dans [',euvre de Paul Claude[, ed. P.- G. Keller, Zurich, 1969, p. 45. 58 Claude! lui-meme est ici en quelque sorte le modele de ses personnages: "J'ai toujours eu en moi cette envie de m'en aller, de quitter mon milieu, et de courir le monde: <; aa toujours ete un de mes instincts ! es plus fondamentaux" (Memoires improvises, Gallimard, Paris, 1969, p. 31). <?page no="206"?> Titelscan.indd 206 Titelscan.indd 206 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 194 Gaele de La Brasse imperatif d'ailleurs parfois injustifie est souvent a l'origine du drame. Ainsi en est-il de la premiere version de La Jeune Fille Violaine, ou Anne Vercors declare simplement, avant de partir: "11le faut! il le faut! J'irai vers la mer! (...) J'irai vers le lieu grand! j'irai vers l'enormite de la mer! " 59 Dans un autre texte, Claudel precise son idee: "C'est la nature souvent qui, mettant sous nos pieds tout un systeme de pentes, de cols et de paliers, nous engage, bien plus on dirait souvent qu' elle nous entrame, et il n'y a pas moyen de lui resister." 60 Et il conclut: "Il y a un besoin general de l'autre chose et de l' autre part. " 61 Plus encore: c' est un „devoir" pour l'homme „de ne pas rester immobile. Il a pour principe un point de depart" 62 On ne s'etonnera point alors que l"'invitation au voyage" 63 soit le moteur de nombreux drames de sorte qu'un critique a pu caracteriser le theatre claudelien de „drame de l'appel" 64 • Tous les personnages sont, a l'instar de Rodrigue, des „marcheurs de route" tendant vers une terre lointaine qu'une vague promesse - "la vieille, l'eternelle promesse" 65 leur a laisse entrevoir: le „Jardin primitif" 66 decrit par saint Adlibimm, le nouveau monde desire par Christophe Colomb, ou encore, plus symboliquement, la ligne d'horizon qui defie l'ardente curiosite de Tobie le Jeune 67 • Ce contexte general donne assurement toute sa signification a la reference jacquaire qui jalonne l'ecriture claudelienne, ou l' Apötre portant son baton a la main 68 est non seulement le prototype du voyageur, mais egalement le modele du conquerant. 59 La J eune Fille Violaine, Theatre, t. I, Gallimard "Bibliotheque de La Pleiade"), Paris, 1985, p. 510. 60 „Le Chemin dans l'Art", L'<Eilecoute, <Euvresen prose, Gallimard "Bibliotheque de La Pleiade"), Paris, 1973, p. 263. 61 Ibid . 62 Ibid . 63 Jacques Madaule corrige meme: "l'obligation au voyage" (c'est nous qui soulignons) . Cf Le Drame de Paul Claude! , op. cit., p . 356. 64 Aime Becker, Claude! et l'Interlocuteur invisible; le drame de l'appel, Nizet, Paris, 1974. 65 Le Soulier de satin, op. cit., p . 853. 66 Ibid., p. 790. 67 Cf L'Histoire de Tobie et de Sara, Theatre, t . II, Gallimard "Bibliotheque de La Pleiade"), Paris, 1983, pp . 1269 a 1318. 68 Ce baton, figure dans la scene nocturne ou est decrit la constel! ation d'Orion (Cf Le Soulier de satin, op. cit., p. 750), est ainsi evoque par le Chinois qui accompagne Rodrigue: „Au milieu ! es trois etoiles, le baton de cet enorme Pelerin qui tour a tour visite ! es deux hemispheres. Ce que vous appelez le Baron de saint Jacques." (ibid., p. 698). <?page no="207"?> Titelscan.indd 207 Titelscan.indd 207 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Le Theme]acquaire dans l'Univers Claudelien 195 III SAINT JACQUES CONQUERANT A .A la decouverte des terres nouvelles L'une des attributions les plus surprenantes donnees a saint Jacques par le dramaturge est certainement celle qui fait de lui un conquerant, patronnant les decouvreurs des terres inconnues . C'est ainsi que, dans son monologue, il nous apprend qu'apres avoir ete pendant „quatorze siecles" immobilise en Espagne a cause de "la mer plus profonde que [son] baton" 69, il s'est „remis en marche au-devant de la caravelle de Colomb" . Et il ajoute: „C'est moi qui le tirais avec un fil de lumiere pendant qu'un vent mysterieux soufflait jour et nuit dans ses voiles, Jusqu'a ce que dans le flot noir il v'.it! es longues tresses rubigineuses de ces nymphes cachees que le matelot appelle raisin-des-tropiques." 70 L'ecrivain se plait d'ailleurs a rappeler la devise de „cet orphelin de l'univers"71, reprise ensuite par Charles Quint: "Plus ultra" 72• Ne constitue-t-elle pas une variante de celle qui a rythme de tous temps la longue marche des jacquets: " Ultrei'a"? L'episode du Livre de Christophe Colomb ou saint Jacques intervient pour montrer la route du Nouveau Monde a la Reine Isabelle en lui "[servant] de guide" 73acquiert clone ici toute sa coherence: „On voit appara'.itresur la toile de fond, bleu sur bleu (...), l'image colossale de saint Jacques en costume de pelerin avec son grand chapeau, son bourdon et ses coquilles. Les etoiles de la constellation d'Orion le decorent. II porte sur son epaule ! es colonnes _d'Hercule et tient a la main son baton . II s'est enfonce dans la mer jusqu'a mi-corps." 74 Les colonnes d'Hercule 75marquaient autrefois la respectable frontiere a ne pas depasser et, symboliquement, "celle au-dela de laquelle l'homme ne doit pas s' aventurer, le Dieu n'y exerc; : ant plus ses pouvoirs" 76. Defier ces limites, c'etait des lors braver l'interdit. Cet acte sacrilege ne fait pas peur a saint Jacques: apres avoir franchi l'espace qui separe ces deux „axes du monde", il les "[deracine] (...) et les emporte sur son epaule" 77 , acclame par le Cha: ur: 69 Ibid ., p . 751. 70 Ibid . 71 Paul Claude! , "Pour servir de preface a la nouvellemise en scene de Jean-Louis Barrault", texte ecrit le 21 fevrier 1953 apropos du Livre de Christophe Colomb , Theatre, t. II, Gallimard "Bibliothequede La Pleiade"),Paris, 1983, p. 1496. 72 Ibid. 73 Le Livre de Christophe Colomb, Theatre, t. II, Gallimard"Bibliothequede La Pleiade"), Paris, 1983, p. 1186. 74 Ibid . 75 Le rocher de Ceuta, en Afrique, et celui de Gibraltar, en Europe. 76 Jean Chevalier et Alain Gheerbrant, Dictionnaire des symboles, Robert Laffont (coll. "Bouquins"), Paris, 1986, p. 271. 77 Le Livre de Christophe Colomb , op. cit., p . 1186. <?page no="208"?> Titelscan.indd 208 Titelscan.indd 208 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 196 Gaele de La Brasse „Le monde s'ouvre. Les portes sont ouvertes. Elles sont deracinees, ! es antiques colonnes de notre Connaissance! " 78 Dans cette optique, Rodrigue est donc, en quelque sorte, l'avatar de Christophe Colomb. A son tour, il s'est assigne pour mission de partir a la conquete de „la moitie du monde" qui lui a ete promise par le Roi, ainsi qualifiee: „Celle-Ja qui depuis l'eternite etait inconnue de tous jusqu'a moi, ensevelie comme un enfant dans ses langes, Cette part du monde toute nouvelle et fraiche comme une etoile qui a surgi pour moi de Ja mer et des tenebres." 79 „Une etoile" 80... 11y a dans l'ecriture claudelienne des mots qui ouvrent la porte sur une incomparable richesse symbolique; celui-ci en fait partie. C'est en effet en lui, comme nous allons le voir, que se confondent les identites et quese rejoignent les destinees. B A la conquete des ames "(...) C'est elle-meme tout entiere qui est une etoile pour moi! ", lance Rodrigue au Chinois dans le desert de Castille 81 • On comprend ici la complexite de la demarche de Rodrigue: son attrait pour le Nouveau Monde est etroitement lie a l'amour qu'il eprouve pour Prouheze. Accomplir „la grande promesse de Christophe Colomb" 82, c'est ainsi, pour le Vice-Roi des Indes, achever la „reunion de la terre" 83 pour en retrouver la configuration primitive celle qui precedait la derive des continents. Or, si c' est a Rodrigue que le Roi a confie l'Amerique, c'est au nom de Prouheze qu'est attache le continent africain ... Une troisieme etoile au ciel mieux encore: une constellation a accepte de benir cette aventure qui defie pourtant les lois de la morale: „Au sein de la Grande Eau a mes pieds ou se refletent mes coquilles et clont Je sommeil sans heures se sent heurter a la fois a l'Afrique et a l'Amerique, Je vois ! es sillons que font deux ames qui se fuient a la fois et se poursuivent: 78 Ibid. 79 Le Soulier de satin, op. cit., p. 694. 80 Dans la sceneprecedente,l'Ameriqueest egalementcomparee a un „fragmentd'etoile" (ibid., p. 687). 81 Le Soulier de satin, op. cit., p. 695. On trouve aussi,dans la meme scene: Et: "Sije lui apprendsqu'elle n'est pas neepour mourir,sije lui demande son immortalite, cette etoilesans Jesavoir au fond d'elle-memequ'elle est, Ah! commentpourrait-elleme refuser? "(pp. 698-699) „Seulel'etoile qu'eile est Peut rafraichiren moi cette soif affreuse."(p. 699). 82 Ibid., p. 824. 83 Ibid . <?page no="209"?> Titelscan.indd 209 Titelscan.indd 209 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Le Theme]acquaire dans l'Univers Claudelien 197 L'un des bateaux file en droite ligne vers le Maroc; L'autre au rebours de courants inconnus et de remous adverses ne reussit qu'avec peine a maintenir sa direction. Un homme, une femme, tous deux me regardent et pleurent. Jene vous ferai point defaut." 84 C'est l' Apotre, du haut du ciel, qui parle ainsi. Et il y a, dans cette seule promesse, toute l'emotion qui fait la solennelle grandeur de ce drame. Par cette ingenieuse intervention, l'ecrivain denoue l'intrigue et lui donne une issue salutaire: c'est desormais avec la poussiere du chemin et le vertige de l"abime" 85que les amants accompliront leur interminable voyage „Sur cette rose Atlantique qui a]' extremite du continent primitif ferme le vase interieur de ]'Europe et chaque soir, supreme vestale, se baigne dans le sang du soleil immole." 86 L'heure est au sacrifice . Les „coquilles" 87, symboles de l'amour mystique, ne doivent faire oublier un autre attribut de l' Apotre: bien vite "le baton diagonal"88 forme par les trois etoiles de la constellation d'Orion se transforme en un glaive de douleur non seulement l' instrument du martyr de l' Apotre 89, mais egalement, par un mysterieux transfert, l'objet vivant du supplice de Rodrigue, "Une Epee au travers de son ca: ur." C' est en effet ainsi que Prouheze se definiten evaluant les liens qui l'unissent a son amant . Des lors, l' outil mis par Rodrigue au service de la defense des pelerins 90 se retourne contre lui ... et de cette souffrance il concevra mystiquement une fille, Marie de Sept-Epees 91, qui porte le nom de la Vierge aux sept douleurs 92 • C A la quete de l'unite Cet enfant symbolise, d'une certaine maniere, la resolution du conflit interieur qui divise les personnages en presence. Depuis la scene du desert de 84 lbid., p. 751. 85 Ibid . 86 Ibid . 87 Ibid. 88 Ibid ., p. 750 . 89 Cf Corona benignitatis Anni Dei, op. cit. 9 ° Cf. supra. 91 Cet enfant est la fille de Camille et de Prouheze, mais eile ressemble etrangement a Rodrigue. Et eile en deviendrala fille par „adoption" mystique. 92 Paul Claude! a souventinsiste,tout au long de son a: uvre, sur la valeur symbolique de l'epee. Cf, par exemple, Un Poete regarde Lacroix (op. cit., pp. 10-11) et L'Epee et le Miroir, ou Notre-Dame se dresse „sur la derniere ligne de l'horizon, flamboyante et l'epee a la main" epee qu'elle „a arrache de son propre ca: ur" pour nous Ja tendre (Gallimard,Paris, 1939, p. 9) . <?page no="210"?> Titelscan.indd 210 Titelscan.indd 210 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 198 Gaele de La Brosse Castille se joue chez Rodrigue un duel qui oppose "la main noire" et „la main blanche" 93 • "En avant de [lui]", "un point fulgurant (...) pareil a la vision de la mort" 9 4; a sa poursuite, le galop des chevaux lui rappelant le commandement du Roi. D'un cöte, l'appel funeste de Prouheze, fait de „Ces mots qui sont le poison de la Mort, ces mots qui arretent le cceur et qui empechent le temps d'exister! " 95; et de l' autre, "cette chose unique" qu'il peut „seul lui porter" 96 , et qu'il est "en route pour lui redemander" 97 : la joie. Au fil des scenes, Rodrigue comprendra peu a peu que cette joie est indissociable du sacrifice. Et c' est encore sous le regard de l'Apötre 98 pendant cette scene capitale Oll il voit pour la derniere fois Prouheze qu'il entend, infine, le message d'esperance qui dissipe le mirage. Ce n'est pas dans l'union terrestre de l'androgyne divisee que reside le salut qui libere. Saint Jacques l'a bien proclame: „Quand la terre ne sert qu'a vous separer, c'est au ciel que vous retrouverez vos racines. " 99 L'unite perdue se trouve donc ailleurs, bien au-dela de l'etreinte illusoire qui unit les corps 100• C'est a nouveau l'Apötre qui l'affirme: „Tous ! es murs qui separent vos cceurs n'empechent pas que vous existiez en un meme temps. Vous me retrouverez comme un point de repere . En moi vos deux mouvements s'unissent au mien qui est eternel." 101 Ces paroles constituent sans doute le message essentiel du Soulier de satin. Ce sont elles qui meneront le drame au denouement final oll Rodrigue, entre la mer et la voute etoilee, celebrera ses „fiam; ailles avec la liberte" 102 .. . laissant dans son sillage, en modeste heritage, quelques peintures de saints 103 , qui re- 93 Le Soulier de satin, op. cit., p. 694. 94 Ibid ., p. 694 . 95 Ibid ., p . 697. 96 Ibid ., p. 695. 97 Ibid., p . 697. 98 Une didascalie indique: "Une grosse lanterne allumee devant la peinture de saint Jacques au mur du chateau d'arriere" (ibid., p. 848). 99 Ibid., p. 751. 100 Dans Le Soulier de satin, cette illusion, figuree par l'Ombre Double qui „porte accusation" (p. 776) contre ceux qui l'ont creee pour un court instant, est dissipee par la Lune, qui revele la nature de la veritable union: „II ne s'agit pas de son corps! mais ce battement sacre par lequel ! es ames l'une dans l'autre se connaissent sans intermediaire, comme le pere avec la mere dans la seconde de la conception: c'est ce que je sers a manifester." (p. 778) 101 Ibid., p. 752. 102 Ibid ., p. 943. 103 Parmi lesquels, nous l'avons vu, deux representations de saint Jacques le Majeur. <?page no="211"?> Titelscan.indd 211 Titelscan.indd 211 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Le Theme ]acquaire dans l'Univers Claudelien 199 presentent „quelque chose de [lui] qui a reussi et qui a obtenu son avenement"104. "Delivrance aux ames captives" 105: par cette supreme victoire, le rideau peut ainsi tomber sur cet „opus mirandum" 106, couronnement mystique de l'ceuvre claudelienne. Bien plus qu'une „figure du lien", l' Apotre saint Jacques apparait donc ici comme un acteur de premier plan, appele a la maniere des autres personnages a se „construire" au fil de l'ceuvre. Du poeme de Corona benignitatis Anni Dei au drame du Soulier de satin, il y a ainsi toute l'ampleur d'une savante evolution 107 . La revolte cede la place a l'amour: l' Apotre n'est plus sollicite pour reclamer a un Dieu vengeur d'appliquer son implacable justice sur son „peuple appesami" 108par le peche; il devient au contraire l'intercesseur privilegie envers un Dieu debordant d'amour pour cette Terre qui "comme un blesse qui a cesse de combattre exhale un souffle solennel" 109. Alors, tel un ange secourable, il deroule son „fil de lumiere" 110entre ! es ames qui peinent ces „ames en travail" 111engagees sur ! es „routes longues, penibles" 112de la vie. Teile est assurement sa fonction premiere: il intervient sur la Scene pour encourager et aider le personnage qui a deliberement choisi d'outrepasser la limite 113• "Deus escrive direito por linhas tortas." 114 Et l'etre fragile qui emprunte ces chemins tortueux du desert a ! 'ocean, sous le soleil de midi ou sous l'astre nocturne sait desormais qu'il n'est plus seul. Tout proche de lui - ... en lui -, une douce voix, d'abord timide, se fait de plus en plus claire. 104 Le Soulier de satin, p. 972. 105 Ibid., p. 948. 106 Ibid . 107 Une dizaine d'annees separe la redaction de ces deux ceuvres. La premiere aurait ete ecrite en juillet 1909, la seconde a ete commencee en 1919 et achevee en 1924. 108 Corona benignitatis Anni Dei, op. cit., p. 415. 109 Le Soulier de satin, op. cit., p. 698 . 110 Ibid ., p . 751. 111 Paul Claude! , Partage de midi (premiere version), Theatre, t . I, Gallimard "Bibliotheque de La Pleiade"), Paris, 1985, p . 1062. On remarquera que cette expression rapproche le vocabulaire claudelien du vocabulaire alchimique. Saint Jacques n'est-il pas le patron des alchimistes, et ne surnomme-t-on pas le Grand CEuvre „Chemin de Saint- Jacques" ou „Chemin de Compostelle"? 112 Ibid., p. 1061. Dans Fragment d'un drame, Henri utilisait deja cette expression: „Par quelles routes longues, penibles, souterraines nous faudra-t-il Marcher? " Cf Theatre, t. I, Gallimard "Bibliotheque de La Pleiade"), Paris, 1985, p. 27. 113 Nous n 'insisterons jamais assez sur ce theme capital du passage dans la dramaturgie claudelienne (cf Tete d'Or, Partage de midi, Le Soulier de satin, Le Livre de Christophe Colomb, L'Histoire de Tobie et de Sara, etc.). 114 „Dieu ecrit droit avec des lignes courbes" (proverbe portugais place en exergue du Soulier de satin ). <?page no="212"?> Titelscan.indd 212 Titelscan.indd 212 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 200 Gaele de La Brasse Un homme, isole sur la mer, n'a qu'un mot a dire pour que son va: u le plus eher prenne vie . II suffira d'un appel... et l'ame restera muette 115• Une etoile veillait, Ja-haut, dans le Ciel. Resumen: Dentro de la obra de Paul Claude! , ciertos personajes tienen debido a su presencia discreta, pero al mismo tiempo amplia un papel determinante para el desarrollo de la intriga . Eso es aplicable a angeles y santos que, desde lo alto del cielo, influyen en el destino . Santiago el Mayor se presenta como uno de los recurridos „agentes invisibles". En la obra Le Soulier de satin, es el mediador privilegiado el que dirige la intriga hacia un feliz desenlace: por la intermediaci6n de! ap6stol que figura como representante de la constelaci6n de! Orion se establece un ambiente de gracia que reconforta a Prouheze y Rodrigue en cualquiera de sus deseos. Sin embargo, no hay que equivocarse: el ap6stol no se presenta aquf como maestro omnipotente. Figura sobre todo como peregrino humilde que, habiendo llegado de la vfa lactea celestial al camino marcado y trazado en la tierra, invita a los heroes claudelianos a seguir aquellas „lfneas curvas" con las cuales Dios ha escrito su destino. EI tema del „homo viator" tanti psfquicacomo simb6licamente, como en cada peregrinaci6n es una de las principales fuerzas m6viles de la dramaturgia de Paul Claude! : el patr6n y protector de los peregrinos que se encuentra por supuesto donde le corresponde. Pero la tematica jacobea no quedarfa completa sin un ultimo aspecto: conforme con su representaci6n hagiografica el Ap6stol representa al mismo tiempo la conquista. Conquista nuevas tierras como aparece en Le Livre de Christophe Colomb, cabalga mas alla de las columnas de Hercules, en la ruta al Nuevo Mundo, con aquellos que estan invitados a descubrirlo. Corno conquistador de almas, el indica el camino difi'.cil de! sacrificio que resuelve los conflictos y conduce a la liberadora unidad. Esta es la funci6n que cabe dentro de la plenitud de las tareas de! ap6stol como mediador y peregrino: radica en el destino de la personalidad, que por supuesto, va mano a mano con el lfmite de la simple raz6n. Plus ultra ... Ultreia . 115 Durant la scene XIII de la TroisiemeJournee du Soulier de satin, Rodrigue n'a qu' "un seul mot" (p. 859) a dire pour que Prouheze reste avec lui. Mais le cri de Marie de Sept-Epees (personnage dont nous avons constate l'importance pour notre etude) le rappelle a son devoir. <?page no="213"?> Titelscan.indd 213 Titelscan.indd 213 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Die Stellung des „Camino de Santiago" in Alejo Carpentiers Novellenzyklus Guerra del tiempo HEINZ KLÜPPELHOLZ Para]imena Torres Der kubanische Schriftsteller Alejo Carpentier versammelt 1958 unter dem Titel Guerra de! tiempo 1 drei Erzählungen, die sich auf jeweils unterschiedliche Weise mit der Wahrnehmung derjenigen Zeit beschäftigen, die an die Philosophie der Geschichte gebunden ist. Programmgemäß wird dabei nicht nur der Zeit der Krieg erklärt . Da ist zunächst der „Viaje a la semilla", der auf den Ursprung der Dinge zurückzuweisen versucht; sodann verdeutlicht "Semejante a la noche" die Gründe, die über die Jahrtausende hinweg Soldaten zur Ausübung des Kriegshandwerks bewegen; schließlich beschreibt der "Camino de Santiago" eine recht ungewöhnliche Pilgerfahrt, deren Absichten ebenfalls mit dem Umgehen des eigentlichen Ziels erfüllt werden können . Literarische Gemeinsamkeiten wie auch Abweichungen innerhalb des Korpus der Erzählungen lassen trotz der recht ungewöhnlichen Thematik ihren Höhepunkt im Jakobsweg erkennen, dessen Konturen die beiden voraufgehenden Novellen mithin schärfer zu umreißen vermögen. In seinem Pariser Exil knüpft der kubanische Schriftsteller Kontakte mit den damals literarisch führenden Surrealisten.Je mehr er jedoch fern der Heimat weilt, desto mehr beschäftigt er sich mit ihr durch Buch- und Zeitschriftenlektüre. Erst in Frankreich werden Carpentier jene Beziehungen zwischen tellurischem und episch-politischem Kontext als Grundbedingung für einen lateinamerikanischen Roman bewußt, der diesen Namen auch verdient und nicht bloß europäischen Vorbildern nacheifert. Der Autor bricht mit jenem hochentwickelten und daher künstlich anmutendem Surrealismus, um die wahren correspondances hinter dem amerikanischem Nativismus auszumachen. In der Überzeugung, daß die europäische Vorstellungskraft, die bei ihm hauptsächlich für die Schöpfung mittelalterlicher Mythen steht, sich vollkommen erschöpft hat, geht er unverzüglich dazu über, für Lateinamerika die nun fällige Führungsrolle auf diesem Gebiet einzufordern und somit die Li- Es wird im folgenden aus der Ausgabe der Obras completas de Alejo Carpentier 3, hg . von MARIA LUISA PuGA {31985),jeweils unter Verweis auf den Titel der Erzählung zitiert . <?page no="214"?> Titelscan.indd 214 Titelscan.indd 214 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 202 Heinz Klüppelholz teratur seines Heimatlandes jenem pittoresken Exotismus zu entreißen, als der sie bisher allenfalls Bedeutung erlangt hatte. 2 Um indes das eigentlich Lateinamerikanische in jener durch die Conquista erstmals verursachten Vermischung aus Europäischem und Karibischem freizulegen, bedarf es der Korrektur des bisher unbestrittenen und durch arabisch-sephardische Einflüsse geprägten Spanienbildes. Carpentier überzeichnet für seine Zwecke die Einwirkungen afrikanischer Kultur auf der Iberischen Halbinsel, vermag doch seiner Meinung nach allein ein mulattisches Spanien jenen Zusammenprall von außereuropäischen Kulturen in der Eroberungszeit in einen synkretistischen Prozeß zu überführen, den er als Teil eines allumfassenden Heilsplans interpretiert. 3 Dies meint, daß alle durch conquista und inquisici6n verursachten Übel, die in der leyenda negra ihren Niederschlag finden, bis auf zu belächelnde Gegenstandslosigkeit herabgemindert werden. So bestimmen auch der durch den „Urkontrast" zwischen Alter und Neuer Welt ausgelöste Interessenkonflikt sowie der daraus erwachsende Synkretismus sein ganzes Werk: Los pasos perdidos veranschaulicht, daß die Rückkehr zu den Ursprüngen der Menschheit in einer Urwaldexpedition möglich ist; Concierto barroco wiederum beschreibt die Umkehr der karibischen Kulturvermittlung als Bereicherung für Europa; El arpa y la sombra stellt die Diskussion um die Heiligsprechung des Christoph Columbus in den Mittelpunkt. An den drei eher zufällig gewählten Beispielen läßt sich unschwer erkennen, daß trotz oberflächlich wechselnder Ereignishaftigkeit unterflächlich die Thematik gleichbleibt. In seiner Schreibweise praktiziert der Autor jenes real maravilloso, das darin besteht, das in der Wirklichkeit vorhandene Wunderbare in seinem Übergang von Diesseitigkeit in Jenseitigkeit zu erfassen und zu vermitteln. 4 Daß er dabei auf das surrealistische Erbe wie etwa die Suche nach den verborgenen Beziehungen zwischen den Dingen und den Personen trotz bereits deklarierter Abstandnahme zurückgreift, wird allzu leicht übersehen. Bei ihm vermischen sich europäisches Vermächtnis und karibische Sichtweise dergestalt, daß sich beide Welten wie Wunsch und Erfüllung zueinander verhalten. Wie aber zu erwarten ist, nutzt Carpentier den durch die gegenseitige Erhellung in Gang gebrachten Dialog allenfalls einseitig, um Lateinamerika tieferer Einsicht zugänglich zu machen . 5 2 Die von den Kritikern gern in den Hintergrund gerückten Beziehungen Carpentiers zum französischen Surrealismus werden hervorgehoben von CLAUDEFELL, Alejo Carpentier: eclat et mirage de la culrure fran~aise, lendemains 7 (1982) S. 63-70 . Die hier gegebene Übersicht faßt Feststellungen zusammen , die bei FELL(ebd., S. 63-64) im Detail erörtert werden . 3 Vgl. CLAUDIUSARMBRUSTER, Das Werk Alejo Carpentiers. Chronik der „Wunderbaren Wirklichkeit" (1982) S. 205-209. Überblickshaft dargestellt nach ANTONIOJuAREZ,Alejo Carpentier, in: Kritisches Lexikon der fremdsprachigen Gegenwartsliteratur, hg. von HEINZ LUDWIGARNOLD(ab 1984) [9. Nachlieferung 1986]. 5 Vgl. FELL(wie Anm . 2) S. 69. <?page no="215"?> Titelscan.indd 215 Titelscan.indd 215 19.09.22 17: 53 19.09.22 17: 53 Die Stellung des „Camino de Santiago" in Guerra del tiempo 203 I Bei der ersten Erzählung, die unter demselben Titel Viaje a la semilla bereits 1944 in Havanna getrennt veröffentlicht worden war, handelt es sich um ein Experiment6, bei dem die Biographie eines Individuums von dessen Tod bis zu dessen Entstehung im Mutterleib zurückgeschrieben wird. An literarischen Vorbildern mangelt es zwar nicht7, anzunehmen ist jedoch eher, daß Alejo Carpentier als ausgewiesener Musikwissenschaftler erneut auf die Transposition musikalischer Strukturen in einen literarischen Text zurückgegriffen hat, im vorliegenden Fall auf die Krebs- oder Spiegel-Form von Gebilden in der Zwölftonmusik. 8 Im übrigen ist es nicht gerade ungewöhnlich, daß Themen in der Musik vorwärts wie auch rückwärts ablaufen können. Ebenso wie Garcfa Marquez bedarf Carpentier stets des Anstoßes durch eine Form, um den bereits in ihm schlummernden Inhalt hinauszuschreiben.9 Ohne diese Form wäre der Inhalt der Erzählung kaum erwähnenswert. Den Rahmen der dreizehn Kapitel bilden Abbrucharbeiten, die Arbeiter an einem Haus vornehmen (Teil I), bis sie schließlich am nächsten Morgen ihre Arbeit vollendet vorfinden (Teil XIII) . Zwischen diesen beiden Extrempunkten (Teile II-XII) erfährt der Leser vom Tod und Leben des Don Marcial, Marques de Capellanfas, der sich vom Totenbett erhebt, den Verkauf seines Hauses anordnet, der seine Ehe bis zur Hochzeit zurücklebt, seine Minderjährigkeit wiedererlangt, als Kind mit den Hunden spielt, in den Mutterschoß zurückkehrt. Diese achronologische Rückwärtsentwicklung über ein ganzes Leben hinweg erfolgt in der chronologischen Vorwärtsentwicklung einer einzigen Nacht. Linearität und Zirkularität geraten miteinander in Kollision. Hierin liegt begründet, daß die Arbeiter, die ihr Werk vollendet vorfinden, einer Illusion erliegen: das Ergebnis ihrer Arbeit ist zwar dasselbe, als wenn sie das Haus abgetragen hätten; in der von einem Zauberer ausgelösten Magie jedoch haben sich Verfall und Aufbau des Hau- FRANKJANNEY, Alejo Carpentier And His Early Works (1981) S. 88, spricht von an experimental story. Aufgeführt bei MANUELDuRAN, EI c6mo y el porque de una pequefia obra maestra, in : Recopilaci6n de textos sobre Alejo Carpentier (Serie „Valoraci6n multiple", 1977) S. 295-320, hier: S. 300-301. Zu einer der Musik entlehnten Thematik im Romanwerk des Kubaners äußert sich HANS-ÜTIO DILL, Lateinamerikanische Wunder und kreolische Sensibilität. Der Erzähler und Essayist Alejo Carpentier (1993) S. 180-181. So läßt sich EI reino de este mundo als Rhapsodie auffassen, Los pasos perdidos als Symphonie, EI acoso als Sonate, EI siglo de las luces als Oper, El recurso de! metodo als Offenbachiade, Concierto barroco als Concerto grosso. Auf Parallelen verweist VERF., "Christenwelsch" und „Karibengeschrei". Zum Fortbestand der Kolumbus-Thematik in Gabriel Garcfa Marquez' El otoiio de! patriarca, in: Canticum Ibericum. Neuere spanische, portugiesische und lateinamerikanische Literatur im Spiegel von Interpretation und Ubersetzung . Gedenkschrift für Georg Rudolf Lind, hg. von Erna PFEIFFERund HUGO KUBARTH(1991) S. 402-416. <?page no="216"?> Titelscan.indd 216 Titelscan.indd 216 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 204 Heinz Klüppelholz ses so zurückentwickelt, daß nichts mehr vorhanden ist. Allein der Leser erhält die Chance einer Desillusion, die nicht mit Magie behafteteten Personen der Geschichte erhalten hierin keine Einsicht. Für seine Darstellungstechnik gewinnt Carpentier dabei einige Vorteile. Er vermag die Sozialisation eines Individuums viel deutlicher, nicht etwa als vorwärts schreitender Gewinn, sondern als sich rückwärts vollziehender Verlust darzustellen. In umgekehrter Reihenfolge hätte der stete Zuerwerb im Laufe eines Lebens immerhin den Anschein einer Vorausbestimmung annehmen können. Nicht so hier; denn materieller wie auch ideeller Besitz werden durch die reduzierende Methode in Frage gestellt, werden doch Kausalität wie auch Konsequenz durch diese Entwicklung aufgehoben. Sobald jedoch der Urheber von Handlungen ausgespart bleibt, entsteht der Eindruck, über allem walte ein dunkles Schicksal. 10 Don Marcial wiederholt gegen den Strich die M enschheitsgeschichte repräsentativ: seiner singulären Ontogenese entspricht deren kollektive Phylogenese 11, gelingt dem Menschen doch die Auferstehung aus dem Tod über die bewußten Entwicklungsstufen des Erwachsenen, Jugendlichen, Kindes hinweg bis zurück in das unbewußte Dasein im Mutterschoß: die Reise zum Ursprung, die der Titel ankündigt. Das afrokubanische Erbe dieser Erzählung fällt besonders ins Auge. Da ist zunächst der Kontrast zwischen den am Anfang und Ende vorherrschenden weißen und den im Mittelteil vorherrschenden schwarzen Farbgebungen.12 Eine manichäische Darstellungsart, die gewöhnlich die Kräfte des Lichts und der Finsternis symbolisiert, doch im vorliegenden Fall erhält sie andere Dimensionen . 13 Die Erzählung beginnt mit einer Frage, die zu Beginn des ersten Kapitels unbeantwortet bleibt: - ~ Que quieres, viejo ... ? Varias veces cay6 la pregunta de lo alto de los andamios. Pero el viejo no respondia.14Zwar erhält der Leser zu Beginn des zweiten Kapitels auch noch keine Antwort auf die gestellte Frage, jedoch ergeht sich der ungewöhnliche alte Herr in seltsamen Beschwörungsformeln, die die rückwärts gerichtete Entwicklung des Mittelteils auszulösen scheinen: Entonces el viejo negro, que no se habia movido, hizo gestos extraiios, volteando su cayado sobre un cementerio de baldosas. 15 Die bloße Tatsache, daß es sich hierbei um einen alten Neger handelt, der augenscheinlich erst bei Einbruch der Dunkelheit seine Magie entfaltet, weist darauf hin, daß er zu den rückläufigen Kräften der Nacht gehören muß, während die Kräfte des Tages zu Beginn und am Schluß lO Vgl. JANNEY(wie Anm . 6) s. 101. 11 In Übereinstimmung mit DILL (wie Anm. 8) S. 137. 12 Diesen Gegensatz zwischen hellen und dunklen Farben wird Carpentier in seiner späteren Novelle „Oficio de tinieblas" erneut aussagekräftig nutzen . 13 Vgl. hierzu ALBERTOBARRERA-VIDAL, Lenguaje simb6lico y sentido profundo de! relato en Viaje a La semilla de Alejo Carpentier, Iberoromania, NF 5 (1976) [1980] s. 132-148. 14 „Viaje a la semilla" S. 13. 15 Ebd . S. 14. <?page no="217"?> Titelscan.indd 217 Titelscan.indd 217 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Stellung des "Camino de Santiago" in Guerra del tiempo 205 der Erzählung einen vorwärts gerichteten Zeitenlauf in Gang setzen. Bedeutsamerweise wird das Leben eines wohlhabenden Kreolen vom Todeszustand bis auf das Gezeugtsein zurückgeführt, der eben solcher Zauberei noch erliegen kann, weil er jene Carpentier so angelegentliche Kulturmischung im Blut vereint. Daß der alte Neger eine symbolische Geste vollzieht, mit der der ganze Spuk beginnt, hat seine Bedeutung: EI viejo introduj6 una llave en la cerradura de lapuerta principal, y comenz6 a abrir ventanas. 16 Als Magier kommt es ihm zu, mit dem symbolischen Schlüssel Zugang zu den Geheimnissen des alten Hauses zu verschaffen. Damit aber gerät der Leser auf eine Stufe mit dem Eingeweihten des Ritus, versteht zumindest den Sinn der bewußt nicht zitierten Beschwörungsformeln auf Grund des sich ihm bietenden Schauspiels. Der archaische Glaube an die Magie des Wortes, demzufolge es zwischen den Dingen und deren Benennung einen Wesenszusammenhang geben soll, bei dem es einer Erwähnung des Gegenstandes bedarf, um dessen Dasein zu belegen 17, scheint hier durch . 18 Der Akt des Aufschließens reicht dabei völlig aus, um den Zyklus auszulösen. Erst gegen Ende der Erzählung wird bewußt, daß es sich bei dem alten Neger um den Kutscher Melchior handelt, der sich rührend um den kleinen Marcial kümmern wird. Nicht von ungefähr ähnelt das Alter des Greises Don Marcial auch dem des Kindes. Carpentier setzt bewußt auf Iterationen, um dem Leser ein gerüttelt Maß an Mitdenken anzudienen. Sobald diesem die Wiederholung von Erzählelementen bewußt wird, werden diese untereinander verglichen, um ihre Bedeutung innerhalb des jeweils vom Autor intendierten Verweiszusammenhanges auszumachen. Zumindest erlaubt die hierbei praktizierte Rückbesinnung, Ähnlichkeiten oder Abweichungen festzustellen. Mit solcher Feststellung aber durchdringt das Voraufgehende das Nachfolgende und führt zu gegenseitiger Erhellung. Damit aber gibt der Geschehnisverlauf in einer Erzählphase Aufschlüsse für die Interpretation von Ereignissen in einer anderen. 19 Der kubanische Autor stellt mit Hilfe solcher Vergleiche an einem konkreten Beispiel die Macht einer Jenseitigkeit heraus, die er mit den Mitteln des realismo magico in ihrer Diesseitigkeit darzulegen sucht. Melchior, dessen Name unwillkürlich an einen der heiligen drei Könige erinnert, erzählt eines guten Tages dem kleinen Marcial von seinen Vorfahren: Melchor venia de muy lejos. Era nieto de principes vencidos . En su reino 16 Ebd . S. 15. 17 Hierzu ERNSTToPITSCH,Erkenntnis und Illusion . Grundstrukturen unserer Weltauffassung (1979) S. 54-56 mit Einzelheiten. 18 Vgl. VERF.,Alejo Carpentiers Los pasosperdidos oder Die Geburt der Musik aus dem Geist der Threnodie, Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg . Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 41 (1992) S. 87-93 zur Aufarbeitung einer solch heidnischen Beschwörung. 19 KARL-HEINZHARTMANN, Wiederholungen im Erzählen. Zur Literarität narrativer Texte (1979) S. 4-33 "Wiederholungen in einsträngigen Erzählungen"] kommt zu ähnlichen Ergebnissen. <?page no="218"?> Titelscan.indd 218 Titelscan.indd 218 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 206 Heinz Klüppelholz habia elefantes, hipop6tamos, tigres y jirafas. Ahi los hombres no trabajaban, como Don Abundio, en habitaciones oscuras, llenas de legajos. Vivian de ser mas astutos que los animales. [ ..] Melchor sabia cancionesfaciles de aprender, porque las palabras no tenian significado y se repetian mucho. 20 Zwar ist in Melchiors Dienst als Kutscher in der Kar ibik ein sozialer Abstieg angesichts seiner königlichen Abstammung in Afrika zu sehen, doch hat er sich Kenntnisse bewahrt, die weit größeren Wert besitzen als jede Äußerlichkeit. Die Menschen in seiner Heimat können sich gegenüber den Tieren kraft ihres Geistes behaupten. Königtum gründet sich dort folglich nicht auf die reine Erbfolge, sondern auf intellektuelle Qualitäten. Aus der fernen Vergangenheit hat der Domestik edlen Geblüts in seinem Gedächtnis Lieder bewahrt, deren Sinn niemand mehr versteht, die jedoch durch ihre Wiederholungen durchaus eingängig sind, so daß das Kind Marcial sie leicht nachahmen kann. Daß Melchior über magische Kräfte verfügt, bedarf nicht mehr eines Beweises; vielmehr findet sich der Leser, der sich über die chronologische Rahmenhandlung hinausgewagt hat, bereits mitten in der achronologischen Entwicklung Don Marcials . Mit einem Mal wird auch verständlich, daß Kutscher und Kind in eine besondere Beziehung eingetreten sind. Der Junge hat die Lieder des afrikanischen Hausangestellten in einer Art vorbewußtem Verfahren verinnerlicht. Dank dieser Verinnerlichung ist es ihm vergönnt, hinter die Dinge zu schauen. Carpentier zumindest versucht, diese Dimension in seinem „Viaje a la semilla" weiterzugeben. Mit dem Akt der Beschwörung und des Auf schließens gerät der alte Neger hier zum Priester des N aiiigo- Kults, der als iniciado den Gläubigen Zugang zum recinto sagrado verschafft, als den das kubanische Haus aufgefaßt werden kann, weil für gewöhnlich kein Fremder zu ihm Zutritt hat. 21 So kann das alte, verfallene Haus wieder zu neuer Blüte erstehen, indem sich seine Risse schließen, bis es als neues, frisches Gebäude seinen Aufbau erfährt, um schließlich im Nichts eines Grundstücks völlig zu verschwinden. Daß Carpentier sich hier von der Architektur des alten Havanna hat inspirieren lassen, läßt sich an Don Marcials Haus deutlich ablesen. 22 Der kubanische Autor arbeitet zudem mit symbolischen Details: wenn bei dieser Zeitreise etwa die Ceres-Statue im Garten durch eine Venus-Statue ersetzt wird, geschieht dies in Parallelität zu Don Marcials Regression, stellt doch die Göttin Ceres die reife Mutterschaft dar, während Venus die jugendliche Liebe verkörpert. 23 Doch auch die Musik hat Pate gestanden; denn der Autor verwendet hier eine Dacapo-Struktur, die das Allegro des Anfangs am Ende wiederholt und damit die Rahmenerzählung für das in beide Tempi eingebettete Andante liefert. 20 „Viaje a la semilla" S. 25 . 21 Nach BARRERA-VIDAL(wie Anm. 13) S. 137-139 . 22 DuRAN (wie Anm . 7) S. 296 spricht von la aiioranza de la vieja Habana, die emot ional zu „Viaje a la semilla" geführt haben soll. 23 Vgl. BARRERA-VIDAL (wie Anm . 13) S. 135-137 . <?page no="219"?> Titelscan.indd 219 Titelscan.indd 219 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Stellung des „Camino de Santiago" in Guerra de! tiempo 207 Wenn auch die Arbeiter zu Anfang der Erzählung (Teil I) am Abbruch des Hauses arbeiten, der am Ende (Teil XIII) abgeschlossen ist, liegt zwar dasselbe Ergebnis vor, jedoch weiß der Leser nun, daß es nicht durch einen Fortschritt, sondern durch einen Rückschritt zustande gekommen ist. Anfang und Ende stellen zwar eine chronologische Entwicklung dar, sind aber durch die actividad sobrenaturaP- 4 des alten Negers in achronologischer Weise in Gang gebracht worden. Erst die Rückbesinnung auf den mythischen Ursprung des alten Afrika vermag solch ein Wunder zu bewirken. 25 Die Suche nach dem Zustand echter Unschuld 26 muß folglich vor den von den Weißen an den Farbigen verübten Greueltaten einsetzen, die im Namen der Christianisierung für handfeste Wirtschaftsinteressen begangen worden waren. In diesem Sinne erfährt auch das biblische Motiv des Turmbaus zu Babel eine profaneAusdeutung in „Viaje a la semilla". Carpentier übernimmt verschiedene Aspekte der Thematik. Am wichtigsten ist jedoch, daß er den Baufortschritt zum Abbruch geraten läßt, die in der Bibel bestrafte menschliche Hybris in ihr Gegenteil verkehrt und daß er die Sprachverwirrung, die zwischen den Menschen in der Vorlage entsteht, in der Nachlage zu einer Kommunikationslosigkeit zwischen dem alten Neger und den Bauarbeitern abwandelt . Der eigentliche Protagonist der Erzählung ist indes Don Marcials Haus, an dem sich die verschiedenen Entwicklungsstufen der in ihm wohnenden Menschen ablesen lassen. Als typisch kubanisches Haus besitzt es, getreu dem spanisch-arabischen Erbe, die Funktion des Schutzes der Innenwelt vor der Außenwelt. 27 Auf metaphorischer Ebene ergibt sich mithin eine kuriose Korrelation von Erzählrahmen und -hauptteil. Der dem heidnischen Mythos der ewigen Wiederkehr entlehnte Trost im Diesseits wird von der der christlichen Eschatologie entnommenen Vorstellung einer Heilsgewißheit im Jenseits bestärkt. Heidentum und Christentum werden wie die sich ergänzenden Aspekte ein und derselben Realität gesehen . Um hier jedoch Illusion von Desillusion zu trennen, bedarf es der mentalen Partizipation des Lesers, auf die der Autor bewußt setzt. Carpentier wird auf diesen Aspekt in seinen beiden weiteren Erzählungen noch in anderer Ausformung und Aussage zurückkommen . 24 Der treffende Ausdruck stammt von DuRAN (wie Anm. 7) S. 306. 25 Insofern verlangt FRAN<; : OIS DELPRATS Bemerkung in seinem Aufsatz La reflexion sur l'histoire dans ! es nouvelles de Alejo Carpentier, Sud 12 (1982): Alejo Carpentier et son oeuvre, S. 114-130, hier: S. 120 nach Differenzierung: C'est un cycle complet de retour aux origines. 26 JANNEY(wie Anm. 6) S. 95 hatte als Ziel der Erzählung bereits the rigorous searchfor a state of authentic innocence erklärt, ohne diesen Gedanken jedoch konsequent weiterzuführen . 27 Im Detail bei BARRERA-VIDAL (wie Anm . 13) S. 134-135. Siehe zur Funktion des Hauses ebenfalls den später erschienenen Roman Cr6nica de una muerte anunciada von Gabriel Garda Marquez. <?page no="220"?> Titelscan.indd 220 Titelscan.indd 220 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 208 Heinz Klüppelholz II Die zweite Novelle des Zyklus Guerra de! tiempo übernimmt in seinem Titel "Semejante a la noche" ein Zitat aus der spanischen Übersetzung von Homers Ilias. 28 Der Inhalt dieser recht kurzen Erzählung aus vier Kapiteln ist rasch zusammengefaßt: Während ein junger Soldat sich über vierundzwanzig Stunden hinweg zur Teilnahme am Trojanischen Krieg rüstet, läßt der Autor vor dem Leser drei Jahrtausende an Hand vierer Kriege vorbeiziehen. Die recht ausführliche Beschäftigung des kubanischen Autors mit dem Krieg veranlaßt ihn hier, den langen Weg menschlichen Leidens hinter der Maskierung durch ideologische Intentionen hervorzuheben. Dabei ist das griechische Thema aus der Alten Welt weniger vom lateinamerikanischen Kontinent entfernt, als ungeprüft zu vermuten ist. Vielmehr verbürgt sich Carpentier für die Existenz einer indianischen Legende, die dem Troja-Mythos ähnelt und damit die Universalität des Stoffes ebenfalls für die Neue Welt belegt. 29 Der Kubaner versucht in seiner Vorstellung, die Selva zu einem Reich des lebendigen Mythos zu machen, in dem die Mythen verschiedenster Kulturbereiche nebeneinander bestehen und ihre archetypische Verwandtschaft zueinander verraten. 30 Erst in archaischer Zeit kann der letzte Schritt zur Verlebendigung der Mythen getan werden. Sobald jedoch die profane Zeit aufgehoben ist, wird der Mensch jener kosmischen Einheit inne, auf die sich weltliche Verschiedenheit zurückführen läßt. Hier erst werden die wahren Werte offenbar. Chronologische Regression bedeutet demnach in dieser Sichtweise kulturelle Progression. Hierbei aber erinnert Carpentier an die Zeit der Genesis. In seiner Erzählung „Semejante a la noche" konfrontiert Carpentier erneut zwei verschiedene Zeitauffassungen miteinander. Da erlebt der Leser die Vorbereitungen eines jungen Soldaten, der die Ankunft der schwarzen Schiffe des Agamemnon als erhebenden Augenblick empfindet, der ganz von den Wundern der Neuen Welt vor dem Hintergrund der Missionierung von Indianern gefangen ist, der der Enthaltsamkeit seiner Verlobten vor der Fahrt ins Ungewisse durch eine Liebesnacht mit einer Tänzerin begegnet, der aus Angst vor sexuellem Versagen das dennoch erfolgende Opfer der Jungfräulichkeit seiner Verlobten nicht mehr anzunehmen wagt, der angewidert Mühsal, Schmutz und Pein des bevorstehenden Krieges vorausahnt. Diese alle Kapitel durchlaufende Geschichte erstreckt sich in ihrer Lineari- 28 Der Erzählung „Semejante a la noche" S. 29 geht als Motto der Satz Y caminaba, semejante a la noche (Ilias I, 47) voraus. 29 Vgl. den diesbezüglichen Hinweis bei DILL(wie Anm. 8) S. 159. 30 Hierzu VERF.,Der Urwald als Erkenntnismittel im modernen lateinamerikanischen Roman, Romanische Forschungen 104 (1992) S. 341-364, hier: S. 346, ausführlicher. Carpentier verarbeitet den Noah-Sintflut-Mythos mit ähnlicher Verwelt! ichungsabsicht in seiner späteren Erzählung „Los advertidos". <?page no="221"?> Titelscan.indd 221 Titelscan.indd 221 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Stellung des „Camino de Santiago" in Guerra del tiempo 209 tät über vierundzwanzig Stunden hinweg. Vor diesem allgemein menschlichen Schicksal werden an vier ausgesuchten Beispielen über die Jahrtausende hinweg die stets materiell und ideologisch geprägten Motive des Krieges dargestellt. 31 Stets wird ein Aufbruch geschildert: zunächst die Ankunft der Flotte im Trojanischen Krieg (Teil I), sodann eine Szene aus der Conquista mit den Erwartungen an die Wunder der Neuen Welt (Teil II), die Kolonisierung Nordamerikas durch die Franzosen sowie der Aufbruch eines Nordamerikaners in das Deutschland des Zweiten Weltkriegs (Teil III), schließlich erneut die Vorbereitung auf den Trojanischen Krieg (Teil IV). Es ist nicht schwer zu erkennen, daß die Struktur dieser Beispiele auf Zirkularität hin ausgelegt ist. Erneut gerät die eine Zeitauffassung, dem Titel des Zyklus gemäß, in Konflikt mit der anderen. Auf der einen Ebene gelangt der junge Soldat in linearem Erkenntniszuwachs von der Illusion zur Desillusion; wird diese jedoch mit der anderen Ebene zirkulärer Erfahrung kombiniert, erweisen sich die hehren Ziele eines jeden Krieges als reine Propaganda. Dabei muß es als Zynismus der jahrtausendealten Geschichte gewertet werden, daß jeder Teilnehmer an einer solchen Unternehmung selbst zu dieser Erkenntnis kommen muß. Der Anfang der Erzählung beginnt mit einer Illusion: [...} me tocaria a mi la honra de contemplar las murallas de Troya, de obedecer a los jefes insignes, y de dar mi impetu y mi fuerza a La obra del rescate de Elena de Esparta [...}. 32 Nichts kann mehr den Kontrast fördern als jene Geschichte des alten Soldaten, die den Hoffnungen des jungen Soldaten gegenübergestellt ist und ihn über Helenas lustvollen Aufenthalt in Troja aufklärt: Un soldado viejo [...} andaba contando ya [...} que Elena de Esparta vivia muy gustosa en Troya, y que cuando se refocilaba en el lecho de Paris sus estertores de gozo encendian las mejillas de las virgenes que moraban en el palacio de Priamo. 33 So endet der Schluß in einer Desillusion. Die ganze Bitterkeit, mit der der junge Soldat in den Krieg zieht, wird noch durch die ernüchternde Erkenntnis erhöht, daß lediglich neue Absatzmärkte im asiatischen Raum erschlossen werden sollen, um die trojanische Konkurrenz aus dem Weg zu räumen. Nicht von ungefähr benutzt Carpentier an dieser Stelle modernstes wirtschaftswissenschaftliches Vokabular, um die ewig gleichen Ziele aller Kriege um Besitzstand bis in die heutige Zeit hinein zu verdeutlichen. Christliche Symbolik scheint in der Beladung der Schiffe mit Wein und Weizen auf, die Christi Blut und Leib als Opfer an die sündige Menschheit verkörpern, während das Öl an die Reinigung und Stärkung der Seele des Sterbenden gemahnen, die in der letzten Ölung vorgenommen werden. 34 31 Vgl. DILL (wie Anm . 8) S. 161. 32 „Semejante a la noche" S. 31. 33 Ebd. S. 41. 34 LUISMANUELQUESADA, Semejante a la noche: analisis estructural, in: Homenaje a Alejo Carpentier, hg . von HELMYF. GIACOMAN(1970) S. 227-241, hier : ab S. 236, untersucht diese simbologia cristiana in allen Einzelheiten . <?page no="222"?> Titelscan.indd 222 Titelscan.indd 222 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 210 Heinz Klüppelholz Doch Carpentier würde sich selbst verleugnen, verkehrte er diese Symbole nicht in ihr Gegenteil. Die erste kritische Bemerkung macht die Verlobte des jungen Soldaten, die unter Verweis auf Montaignes Essai zu den Kutschen (Essais III, 6) zu bedenken gibt, daß die Wilden in der Neuen Welt keinen Anlaß hätten, ihre bisher so nützliche Religion gegen die der Spanier aus der Alten Welt einzutauschen. 35 Der französische Philosoph ist der erste, der darüber hinaus in seinem Essai zu den Kannibalen (Essais I, 31) seiner erschließenden Skepsis freien Lauf läßt, um Zweifel an der Meinung zu hegen, alles Fremdartige sei bloße Barbarei. Er trägt alles zusammen, was sich zugunsten der guten Wilden sagen läßt. Ein Mensch, der sich in Harmonie mit der Natur befindet, kann Montaignes Auffassung zufolge nur in Frieden leben . Die spanischen Kolonisationen der Neuen Welt muß er in dieser Sichtweise folgerichtig als Vergiftung der neuweltlichen Kultur durch die altweltliche Barbarei anprangern. 36 Diese Thematik macht sich der Kubaner zunutze, indem er durch den einen Analogieschluß der Ernüchterung beim Trojanischen Krieg andere bei der Conquista, der französischen Kolonisierung Nordamerikas und dem Zweiten Weltkrieg nahelegt. Wenn aber der Autor seine Erzählung dergestalt ausführt, daß erst die Retrospektive eine Desillusion freizusetzen vermag, ist der Leser aufgerufen, alle mit der Illusion zusammenhängenden Eindrücke in erneuter Prospektive zu überprüfen. Damit aber kommt ein hermeneutischer lnteraktionsprozeß in Gang, der die jeweils vorgängige Erwartung mit der jeweils nachgängigen Erfahrung relativiert und mithin Erkenntniszuwachs bewirkt. Weniger die Suche nach dem Idellen denn die Gier nach Materiellen machen also solche cruzadas de liberaci6n 37 aus, so daß der Betrug erst durch die Erzählung aufgedeckt wird . Erneut fungiert die Novelle, die ihre Originalität aus der Verbindung von linearer Einheit von Zeit, Handlung und Personen mit einer zirkulären Ernüchterung schöpft, als Forschungsinstrument, das eine jahrhundertealte Rückwärtsentwicklung von Amerika auf Europa hin bewußt macht . Das im Titel erwähnte Zitat aus Homers Ilias gibt jedoch eine noch beklemmendere Aussicht frei, daß nämlich die Ereignisse dem Voranschreiten der Nacht gleich ihren Lauf nehmen, ohne daß der Mensch sie in ihrer Unabdingbarkeit aufzuhalten vermag. "Semejante a la noche" stellt insofern eine Weiterentwicklung der Wahrnehmung aus „Viaje a la semilla" dar, als die dort lediglich mit Hilfe der Magie zu gewinnende Erkenntnis hier nun von jedem nachzuvollziehen ist. Einsicht durch Magie wird von der Einsicht durch Kognition abgelöst. "EI Camino de Santiago" indes wird da noch weiter gehen. 35 Vgl. "Semejante a la noche" S. 36. 36 Hierzu genauer HUGO FRIEDRICH, Montaigne (21967) S. 193-195. 37 Der Begriff stammt von QUESADA(wie Anm . 34) S. 241. <?page no="223"?> Titelscan.indd 223 Titelscan.indd 223 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Stellung des "Camino de Santiago" in Guerra del tiempo 211 III Die dritte Erzählung der Sammlung Guerra de! tiempo trägt den Titel „EI Camino de Santiago". 38 Sie steht auf der Trennungslinie zwischen Mittelalter und Neuzeit, die sich durch Columbus' Entdeckertat ergibt. Wenn sich die Alte Welt mit diesem Schritt auch aus ihrer Selbstzentriertheit und Begrenztheit herauslöst, vermögen ihre Phantasiegebilde jedoch mitunter einer anders gearteten Realität nicht standzuhalten und erfahren erst spürbare Korrekturen durch jenen Kontakt mit den als archaisch erachteten Kulturen in der Neuen Welt . Gleichzeitig liegen jedoch für das an überseeischen Erkundungen nicht gerade arme Spanien Erkenntnisse vor, die ihm Mittelalterlichkeit bis tief hinein ins 17. Jahrhundert bescheinigen . 39 Paradoxerweise schließt man folglich das Land, das so maßgeblich an der Conquista Anteil hatte, aus der historiographischen Epochenbildung aus. Nicht ohne Grund; denn seine Eroberer wollen als zutiefst mittelalterliche Menschen in der Neuen Welt Überzeugungen bestätigt sehen, die auf alttestamentlichen Prophezeiungen, der Idee vom Irdischen Paradies sowie mariologischen und hagiographischen Traditionen fußen. Später werden sie von den selbst in leseunkundigen Volksschichten bekannten Stoffen der libros de caballeria zu neuen Taten im Stil eines Amadfs, eines Palmerfn, eines Florimonte beflügelt. 40 Vordergründig wird bei Carpentier in elf Kapiteln die Geschichte des gemeinen Soldaten Juan erzählt, der ein Gelübde ablegt, als er der Pest in Antwerpen entrinnt, der sodann auf der Wallfahrt nach Compostela den Verlockungen Amerikas erliegt und die Überfahrt wagt, der sich schließlich nach der Rückkehr weiterhin als Indiana zur Schau stellt, um letztendlich erneut sein Gelübde zu brechen und erneut nach Amerika aufzubrechen. Sowohl die verschiedenen Situationen als auch das Jahrmarkstreiben verweisen atmosphärisch in die Zeit vor der Conquista, obgleich die historisch greifbare Situierung eher das 16. Jahrhundert bevorzugt . 41 Der allegorischen Reise des Soldaten liegt das Muster einer Pilgerfahrt zugrunde, die hier jedoch ganz individuell in Amerika endet und ihren Zweck erfüllt, erkennt doch der heilige Jakob sogar noch Meerreisen der geschilderten Art als Erfüllung des ihm ablegten Ge- 38 Das hier folgende Kapitel faßt Ergebnisse zusammen, die VERF. in seinem Aufsatz: Die fragwürdige Überwindung des Mittelalters durch die Conquista. Zu Alejo Carpentiers El Camino de Santiago, Iberoamericana 12 (1988) S. 21-40, im einzelnen begründet und ausführt. 39 Vgl. ARMBRUSTER (wie Anm . 3) S. 194. 40 Nach FRAUKEGEWECKE, Calafia und die Eroberung der Neuen Welt - Zur „literarischen Bildung" der Konquistadoren, Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 2-3 (1980) S. 161-181. 41 Diese historisch nachprüfbaren Fakten sind bequem nachzulesen bei SHARONMAGNA- RELLI, EI Camino de Samiago y la Picaresca, Revista Iberoamericana 40 (1974) S. 65-86, hier: S. 83-85. <?page no="224"?> Titelscan.indd 224 Titelscan.indd 224 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 212 Heinz Klüppelholz lübdes an. 42 lndem Carpentier aber bewußt den Hintergrund und die Ereignisse einer Santiago-Wallfahrt wählt 43 , bettet er seine Erzählung in einen religiösen Kontext ein, der zunächst seit dem 15. Jahrhundert an Bedeutung verliert und schließlich in der Mitte des 16. Jahrhunderts fast gänzlich zum Erliegen kommt . 44 Anders gewendet: Der kubanische Autor nutzt ein tief mittelalterliches Umfeld, um mitten hinein nachmittelalterliche Begebenheiten zu versetzen. Der Protagonist steht nahezu idealtypisch für die Erfahrungen der Eroberungszeit. Dabei verdient der Ausgangspunkt dieser bereits durch den Titel herausgestellten, allegorischen Reise nähere Betrachtung. Als Juan eines Abends durch Antwerpen schlendert, bemerkt er, wie aus einem Schiff eine pustelnübersäte Ratte ans Ufer steigt. Der Versuch, diese mit einem Steinwurf zu töten , mißlingt dem bereits angetrunkenen Trommler. 45 Als Tage später die Pest ausbricht, schützt Juan deren Symptome vor, um ihr zu entgehen . 46 Ob seine schließliche Errettung nun einem erfolgreichen Überlistungsversuch des göttlichen Willens zuzuschreiben ist oder nicht, Juan hält das im Schüttelfrost abgelegte Gelübde ein, nach Santiago de Compostela zu pilgern, um für seine Heilung zu danken . Der auktoriale Erzähler läßt dabei offen, ob diese Simulierung von Krankheit bewußt geschieht oder als Bestandteil seiner Fieberträume zu gelten hat. Fest steht immerhin, daß er selbst den Anlaß für seine Pilgerreise durch den Versuch schafft, Gott zu betrügen. In dieser Blickrichtung wird für ihn selbst aus der Dankeseine Strafwallfahrt . 47 Dementsprechend halbherzig tritt der Genesende sein Pilgerdasein an . Mehr durch das mit Jakobsmuscheln versehene Gewand und die zur Wasseraufnahme bestimmte Kürbisflasche an seine Pflichten erinnert, läßt Juan sich vom Pilgerstrom über Paris, Tours, Poitiers nach Bayonne tragen. Völlig unpilgerhaft sagt er dann auch dem Wein zu, um im voraus eine Erkältung zu kurieren. Zweifel steigen in ihm auf, ob seine vermeintliche Erkrankung nicht bloß ein Trugbild des Teufels gewesen sei. In Erinnerung an das einstmals von Leben strotzende Antwerpen nimmt er sich vor, 42 Es darf nicht vergessen werden, daß der heiligeJakob mit Einsetzen der Entdeckungszeit einen Wandel vom Matamoros zum Mataindios hin macht, wie der Katalog Peru durch die Jahrtausende. Kultur und Kunst im Lande der Inka (1984) auch bildkünstlerisch sichtbar macht. 43 Die hier zum Vergleich herangezogene Ausgabe von KLAUSHERBERS, Der Jakobsweg. Mit einem mittelalterlichen Pilgerführ er unterweg s nach Santiago de Compostela (21986) S. 94-105 liefert ähnliche Volks- und Pilgerbeschreibungen wie bei Carpentier . 44 Nach ILJAMIECK, Zur Wallfahrt nach Santiago de Compostela zwischen 1400 und 1650. Resonanz, Strukturwandel und Krise, Spanische Forschungen der Görres-Gesellschaft 29 (1978) S. 483-534, hier: S. 499,517. 45 Vgl. "EI Camino de Santiago" S. 45. 46 Vgl. ebd . S. 48. 47 Wie HERBERS (wie Anm . 43) zu berichten weiß, waren die gängigsten Gründe für die Fahrt nach Santiago Fürbitte oder Dank für Krankheit oder Heilung (S. 39) wie auch Buße für Straftaten (S. 50). <?page no="225"?> Titelscan.indd 225 Titelscan.indd 225 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Stellung des "Camino de Santiago" in Guerra de! tiempo 213 seine Pilgerflasche fortan mit Wein zu füllen. 48 Davon, daß es sich hierbei nicht um mehr beiläufige Geschehnisse irgendeiner mittelalterlichen Fernwallfahrt handelt, kündet der Titel der Erzählung, zumal Santiago de Compostela seit dem 12. Jahrhundert den europäischen Pilgerzentren Rom und Jerusalem in nichts nachsteht . 49 Und mehr: Auch die dem Erzählablauf unterlegte Reise zum Heil indiziert, daß es dem „Camino de Santiago" um mehr als rein pilgerhafte Stimmung zu tun ist. Trotz aller Oberflächlichkeit des Geschehens wird sinnfällig, wie sehr die Wallfahrt zum heiligen Jakob gegen Aushöhlung anfällig sein kann. Carpentier zeigt an einem Einzelschicksal, wie grenzenlose Angst in Sinnestäuschung umgesetzt zum Anlaß für rein äußerliche Volksreligiosität gerät. Die bisher nur angeklungene Fragwürdigkeit der Volksreligion sowie die hier angebundene Suche nach dem individuellen Heil bestimmen mit weit ausgeprägterer Deutlichkeit nun Juans weiteren Wegabschnitt . Als ihn der Wallfahrtsweg auf den Jahrmarkt nach Burgos führt, wird seine Heilssuche einer erbarmungslosen Prüfung unterzogen. Da wird der Pilger in den Trubel geworfen; Wohlgerüche von Gebratenem und Gesottenem stechen ihm in die Nase; er wird fortgezogen in ein buntes Treiben, in dem Riesen und Seiltänzer neben Bänkelsängern, Badern und Quacksalbern sowie Hundedresseuren das abwechslungsreiche Bild ausmachen. 50 Dabei kehrt der Erzähler hervor, daß Juan sich unter dem Einfluß des Sinnesrausches werfen und fortziehen läßt, besitzt doch seine Ausprägung von Religiosität bei weitem nicht die Kraft, sich solchen Verlockungen zu widersetzen. Doch das Kollektivschlägt augenblicklich in ein Individualerlebnis um, als der Pilger Blinden begegnet, die das Lied der Harpyie vortragen, die in ihrer amerikanischen Heimat Krokodil und Löwen verschreckt, in der europäischen Fremde allerdings erbärmlich zugrunde gehen muß. 51 Der kubanische Autor begegnet hier mit einer Mischung aus Realität und Illusion als Parodie auf altweltliche Phantasmen, die ihre Unkenntnis in neuweltlichen Angelegenheiten mit ungestalten Fabelwesen zu kompensieren suchen. Trotzdem beginnt das Fremde, einen unwiderstehlichen Reiz auszuüben. So wird der afrikanische Löwe zugunsten der hyperbolischen Schreckensattribute eines amerikanischen Raubvogels hochstilisiert, der allerdings nur in der ihm angestammten Umgebung überleben kann. Der Pilger überhört diese leichte Warnung, Autochthones nicht seiner natürlichen Umwelt zu entreißen, da er mit Staunen den Berichten über die Wunder Amerikas wie etwa der Schlaraffeninsel Jauja lauscht. 52 48 Vgl. "EI Camino de Santiago" S. 52. 49 Belegt bei HERBERS (wie Anm. 43) S. 15-16. so Vgl. "EI Camino de Santiago" S. 52-53 . 51 Vgl. ebd. S. 53. 52 Vgl. ebd. S. 53-54. Tatsächlich handelt es sich um den sagenumwobenen valle de]auja, von dem 1553 der spanische Chronist Pedro de Cieza de Le6n im 84. Kapitel seiner Cr6nica del Peru (31962) berichtet. Der Entwicklung solcher Paradiesvorstellungen folgt DIETERRICHTERin seiner Untersuchung Schlaraffenland . Die Geschichte einer populären Phantasie (1984). <?page no="226"?> Titelscan.indd 226 Titelscan.indd 226 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 214 Heinz Klüppelholz Der bänkelsingende Ton schlägt in werbende Forschheit um, als kurz darauf ein hochgewachsener Blinder mit schwarzem Hut lauthals die Leichtigkeit einer Überfahrt von Sevilla aus anpreist, nicht ohne zuvor die etwaige Habgier seiner Zuhörer nach dem jenseits des Ozeans im Übermaß vorfindbaren Silber und Gold angesprochen zu haben. 53 Was zuvor zumindest noch eine Warnung vor der Illusion dargestellt hatte, wird durch die Aufforderung, sich selbst an Ort und Stelle zu überzeugen, in greifbare Nähe gerückt. Als Juan schließlich einem verschlagenen Indienfahrer begegnet, der sich mit ausgestopften Kaimanen, einem lebenden Affen und Papagei umgibt, der auf dem Muschelhorn bläst und einen Sklaven schwarz wie Luzifer in den Mysterienspielen vorführt 5 4, sieht er sich unversehens mit jener fremden Wirklichkeit konfrontiert, die bereits beim Gesang über die Harpyie ihren Reiz auf ihn auszuüben begonnen hatte und die durch die Werbung des Blinden faßbar gemacht worden war . Alles scheint für den Pilger eine zwanghafte, aber bisher unerklärliche Bestimmung zu haben . Im Wirtshaus tischt eben jener Westindienreisende seinen Zuhörern Lügengeschichten auf: Pero juan, prevenido como cualquiera contra embustes de indianos, piensa ahora que ciertos embustes pasaron a ser verdades. La Arpia Americana, monstruo pavoroso, muri6 en Contantinopla, rabiando y rugiendo . La tierra de ]auja habia sido cabalmente descubierta, con sus estanques de doblones, por un afortunado capitan llamado Longores de Sentlam y de Gorgas. Ni el oro de! Peru, ni Laplata de! Potosi eran embustes de indianos . 55 Der Vergleich, den der mutmaßliche Lügner inJuans Denken auslöst, verdient hierbei besondere Beachtung; denn der Pilger traut dem bekanntlich Lügen verbreitenden Indienfahrer nicht über den Weg, weiß er doch um die Schätze der Neuen Welt, die für jeden sichtbar in der Alten Welt angelandet werden. Damit unterstellt er immerhin den Reisenden embustes, die wohl mögliche Eindringlinge fernhalten sollen. Paradoxerweise lockt aber gerade das Ungesagte mehr als alles über Jungbrunnen, Amber und Gold Gesagte. Jede Entdekkung lebt halt mehr vom Vorstellbaren als vom Faßbaren: eine Tatsache, die uneingeschränkt auf die Conquista zutrifft. Als Juan die Nacht bei einer Dirne verbringt, als sich die Muscheln an seiner Kutte zu lösen beginnen, ahnt der Leser bereits dunkel, daß es mit seiner Pilgerfahrt dahin sein dürfte . 56 Indem Juan titelkonträr die Richtungsänderung vollzieht, gibt er die Suche nach dem jenseitigen Heil in der Alten Welt zugunsten der Suche nach dem diesseitigen Heil in der Neuen Welt auf. Mit der Entscheidung, das Pilgergewand trotzdem weiterzutragen und vorzuheucheln, er käme bereits aus Santiago de Compostela zurück, bricht er gänzlich mit dem ihn bis dahin noch beseelenden Volksglauben an den heiligen Jakob, da es ihm einzig und 53 Vgl. "EI Camino de Santiago" S. 54-55 . 54 Vgl. ebd. 55 Ebd. S. 55. 56 Vgl. ebd. S. 56. <?page no="227"?> Titelscan.indd 227 Titelscan.indd 227 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Stellung des „Camino de Santiago" in Guerra del tiempo 215 allein auf die Vergünstigungen bei Verpflegung und Nachtlager ankommt. Was ihm während seiner Krankheit noch inneres Bedürfnis war, gerät zum rein äußerlichen Zeichen, das ihm überdies einen gewissen Schutz durch die Kirche gewährt. 57 Daß er die vorwärts gerichtete Suche nach den Schätzen in Amerika als rückwärts gerichtete Suche nach den Segnungen in Europa tarnt, ist als erneute Darstellung der bereits aus „Viaje a la semilla" und „Semejante a la noche" bekannten, gegeneinander laufenden Zeitauffassungen zu werten.Je mehr sich Juan Sevilla nähert, von deren Casa de la Contrataci6n aus die Überfahrten organisiert werden, desto mehr stellt er eine Veränderung in der Mentalität der Leute fest, die gespannt auf Nachrichten von Freunden und Verwandten aus der Neuen Welt warten. Doch diese Spaltung, die das Land durchzieht, symbolisiert bereits auf ihre Weise den Anteil, den altweltliche Fragen im neuweltlichen Kontext besitzen. Ebenso wie es Juan zu neuen Ufern drängt, überfluten neue Nachrichten das alte Spanien; dabei vermischen sich beide Kulturbereiche in einer Art, für die das mulattische Spanien nun das beste Beispiel hergibt. Bei seiner Einschiffung geht der ehemalige Pilger wie ein Schauspieler gekleidet: Seine einfache Kutte hat er gegen das Wams des Narren, die Hose des Biskayers, den Waffenrock des Pilatus, den Hut des Arcadio eingetauscht eine metaphorische Rollenvielfalt, die seinen Abschied vom Pilgerdasein versinnbildlicht. Einmal der fliegenden Fische auf seiner Überfahrt nach Kuba ansichtig geworden, schenkt Juan gleich dem ganzen Rest all jener Märchen Glauben, die in Europa über Amerika kursieren. 58 Hatte er sich bereits seine eigene Meinung zu westindischen embustes zurechtgelegt, tut er hier dasselbe, indem er von der Existenz ihm bisher unbekannter Tiere wie den peces voladores sogleich auf die Existenz der Harpyie und des Schlaraffenlandes Jauja schließt. Erneut mischt Carpentier Illusion und Realität, indem er den Reisenden an einen Raubvogel glauben läßt, zu dessen Daseinsbeweis es keiner Vorstellungskraft bedarf, da er tatsächlich existiert. Wie bereits bei Juans Beschluß zur Abfahrt stellt der Autor die Dinge auf den Kopf. Gerade im Detail trifft er jene Orientierungslosigkeit, in die die Entdeckung neuer Welten den mittelalterlichen Menschen gestoßen hatte und von der er sich nur recht langsam wieder erholt. So ist dann auch Wahrheit vorhanden, nur der Zugang zu ihr erweist sich als falsch. Bereits im Kern kündigt sich an dieser Stelle an, was die folgenden Kapitel viel breiter ausführen werden: Carpentiers dringender Appell, die lateinamerikanischen Realitäten in ihrem Sosein anzunehmen und sie nicht hinter fremden Illusionen zu verbergen. Nur die konsequente Freilegung solcher Mythen verspricht tatsächlichen Zugang zu einem tellurischen Kontext, der von einem rückschrittigen Europa in Zeiten der Conquista mit vorgefaßten Meinungen überhäuft worden war, weil man eigene Phantasiegebilde bestätigt sehen wollte. Hieraus ergibt sich auch die Deutung der zwei 57 Vgl. HERBERS (wie Anm. 43) S. 49. 58 Vgl. "El Camino de Santiago" S. 61. <?page no="228"?> Titelscan.indd 228 Titelscan.indd 228 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 216 Heinz Klüppelholz verschiedenen Zeitauffassungen, die diesen Mittelteil charakterisieren. Für die Alte Welt ist Juans Pilgerschaft schon beendet, zumindest behauptet er dies; für die Neue Welt geht sie unter neuer Zielsetzung weiter, so daß die hier weiter geführte amerikanische Linearität Erfahrungen jenseits europäischer Zirkularität vermittelt . Vor dem Hintergrund dieses Konzepts allerdings vermag die Insel Kuba die Sehnsüchte des Protagonisten nicht zu erfüllen. Statt paradiesischer Ruhe findet Juan nur Ränke, Haß und Gier vor, mit denen man die eigene Nutzlosigkeit in fremder Umgebung zu vertreiben sucht 59; als er einen Falschspieler mit dem Messer verletzt, entzieht er sich möglicher Verfolgung durch Flucht; er gelangt zu einem vor der Inquisition versteckt lebenden Kalvinisten, der mit einem Neuchristen zusammenhaust; dort lernt Juan die berauschende Liebe zweier eingeborener Frauen kennen. 60 Metaphorisch ist diese Flucht nicht unbedeutsam; denn erst als er vor einer Realität flieht, die durch menschliche wie kirchliche Mißgunst und Unduldsamkeit gekennzeichnet ist, findet er Frieden unter allerdings von der Gesellschaft und Kirche Ausgeschlossenen wie dem Protestanten und dem Juden. Wieder wird ironischerweise umgekehrt; denn erst die als unchristlich Gebrandmarkten ermöglichen ihm ein Leben, das christliche Tugenden wie Nächstenliebe und Friedfertigkeit prägen. Er erkrankt, jedoch kurz nach seiner neuerlichen Genesung verwirklicht sichJuans Wunsch viel rascher, nach Spanien zurückzukehren, und während der Schiffspassage gelobt er, eingedenk des in der Fremde erfahrenen Unheils Santiago de Compostela aufzusuchen. Eines der häufig auftretenden Bilder, das der den Weg gen Westen weisenden Milchstraße, zeigt auf metaphorischer Ebene, daß der Weg zum Heil nicht einzig über denJakobswegverläuft, sondern auch von der Alten in die Neue Welt führen kann 61, selbst wenn im Vergleich der Welten sich beide als ebenso unheilsträchtig erweisen. Die hier angesprochene Aufforderung zur Beobachtung macht auch nicht vor strukturellen Einteilungen halt. So fällt auf, daß die ersten Kapitel (Teile I-IV) eine thematische Einheit ergeben, die sich stark vergröbert als Juans Suche nach dem jenseitigen Heil in der Alten Welt beschreiben läßt. Die auf das fünfte folgenden anderen Kapitel (Teile VI-IX) stellen eine vergleichbare thematische Einheit dar, die seine Suche nach dem diesseitigen Heil in der Neuen Welt schildert. Das fünfte Kapitel, das die Reise von der einen in die andere Welt festhält, vereint signifikanterweise beide und gipfelt in jener vollkommenen Rassen- und Kulturmischung des mulattisch überzeichneten Sevilla. Soweit wäre die desillusionierende Kontrastierung bei der Erfahrungsebene abgeschlossen . Jedoch verdienen die bei- 59 Parallel zur entsprechenden lateinamerikanischen Literatur findet dieses alte Kolonialübel der Langeweile mit seinen Auswüchsen Brutalität und Perversion im frankophonen afrikanischen Roman der Gegenwart weitgehende Thematisierung . 60 Vgl. "EI Camino de Santiago" S. 64-65. 61 Bei MAGNARELLI (wie Anm. 41) S. 74-75 wird die Beobachtung genauer ausgeführt . <?page no="229"?> Titelscan.indd 229 Titelscan.indd 229 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Stellung des "Camino de Santiago" in Guerra del tiempo 217 den Schlußkapitel (Teile X-XI), die von diesem Kompositionsschema auf Grund eines hohen Aufkommens an Iterationen erheblich abweichen, gesonderte Beachtung. Nach seiner Rückkehr aus Amerika posiert ]uan el Indiana am Jahrmarktstag der staunenden Menge mit eben jenen, nun erworbenen Requisiten, mit denen dereinst der Westindienfahrer ihm eine fremde Realität aus Kaimanen, Affen, Papageien, Muschelhörnern und schwarzen Sklaven vorgegaukelt hatte. Zu diesem Zweck hatte Juan sein Pilgerkleid wieder abgelegt, da der begleitende Golom6n ihm vorgerechnet hatte, man könne mit dem Ausrufen von Novitäten aus Westindien genügend Geld verdienen, um sich einige Zeit dem Wein und den Frauen hingeben zu können. 62 Unwillkürlich wird der Leser an jenes Volksfest erinnert, in dessen Trubel Juan der Pilger immer mehr in ein diesseitiges Glücksstreben gelockt worden war. Erneut beginnt es zu regnen; erneut sucht man Schutz im Wirtshaus; erneut versucht nun der in westindischen Dingen Erfahrene, einem]uan el Ramera Lügengeschichten aufzutischen. 63 So wird durch frappierende Ähnlichkeit der Situationen der Rückvergleich des Lesers eingeleitet. Da dieser aber nun um die wahre Identität des vermeintlichen Indienfahrers Juan und um dessen zu Zwecken größerer Glaubwürdigkeit erstandene Staffage weiß, hebt sich nun im Nachhinein die Tatsächlichkeit des vormaligen Reisenden auf. Wiederum verkehrt die neue Perspektive alles in sein Gegenteil, und es wird zeitverschaben verständlich, warum der neue Kontinent nur die bereits bekannten Enttäuschungen beschert. Mit Aufspaltung des Protagonisten in einen Indiana und einen Ramera, die zudem Gespräche miteinander führen, symbolisiert Carpentier, die nun durch die Reise in die Fremde zuerworbene Teilhabe des Individuums an neuweltlichen Erfahrungen, die sich zu seinen altweltlichen gesellen. Bedenkt man allerdings, daß der aus dem Mittelalter in die Neuzeit aufbrechende Abenteurer im verheißungsvollen Neuen nur verhaßtes Altes vorfindet, unterstützt solche Desillusionierung nur den Aspekt, daß Juan seine Zuhörer ebenfalls betrügt, zumal er einzig und allein deren Bedürfnis nach Utopie entgegenkommt. Er zumindest wäre in der Lage, ihnen die Augen zu öffnen über das wahre Amerika. Zwar schenkt das Publikum trotz aller Sensationsgier den Geschichten über Jungbrunnen und Harpyien keinen Glauben mehr, doch interessiert es sich für das sagenhafte Goldland im Reich der Omeguas. 64 Das ironisierende Mischverfahren von Illusion und Realität stellt nun den amerikanischen Raubvogel auf eine Ebene mit einem reinen Traumgebilde wie der fuente de aguas milagrasas. Der falsche Analogieschluß, dem Juan bei seiner Ankunft auf Kuba erliegt, wird hier erneut aufgegriffen, indem man nun an der Existenz des Tieres zweifelt. 62 Vgl. "EI Camino de Santiago" S. 75-76 . 63 Vgl. ebd. S. 74-75. 64 Vgl. ebd . Zu den Hintergründen noch genauer ROLF WALTER, Der Traum vom Eldorado (1992). <?page no="230"?> Titelscan.indd 230 Titelscan.indd 230 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 218 Heinz Klüppelholz Statt dessen erstreckt sich die Akzeptanz des Publikums auf das ebenso fiktive, nur halt bisher nicht thematisierte EI Dorado wie auch andere phantasiestrotzende Landschaften. ]uan el Indiano weist ebenso wie seine burgalesischer Vorgänger auf die profitablen Unternehmungen hin, uni sich möglichst gewinnbringend über tatsächlich nur für Spanien gültige Ordnungen wie auch nur für Indien ergangenen Erlasse hinwegzusetzen . 65 Mit eben diesem Hinweis aber geht der Autor in seinen zumeist wörtlichen Anleihen beim vierten Kapitel in das fünfte über. Umgekehrt greift er im letzten Kapitel aus diesen beiden Vorlagekapiteln die bei der Dirne verbrachte Nacht, den neuerlichen Sinneswandel des Pilgers gen Sevilla, das Warten der Bevölkerung auf Nachrichten von Ausgewanderten, die Beschreibung des mulattischen Spanien nochmals auf. 66 Nicht nur die nun erfolgte Beschränkung der vorherigen Themeneinheit auf die Hälfte des Textvolumens, auch die rigorose Kürzung aller zum Teil wörtlich übernommenen Feststellungen zu den wundersamen Begebenheiten aus Amerika beschleunigen den Erzählrhythmus um ein Vielfaches. Mit der Wiederholung ähnlicher Erfahrungen, die nun auf Grund von Vorkenntnis weit schneller als zuvor zum gewünschten Ziel führen, wird ein Zyklus in Gang gesetzt, der mit stets steigender Beschleunigung Erfahrung derart verkürzt, daß sie letztendlich zum reinen Vorurteil gegenüber Lateinamerika gerät. Will der Leser aber jene Neue Welt in ihrem wahren Wesen erkennen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als zu den Ursprüngen solcher Erfahrungsverkürzungen zurückzukehren. Ein beschwerlicher Weg, Spiegelungen und Widerspiegelungen durch die Zeit hindurch zurückzuverfolgen. Um sich jedoch gänzlich in diesem Spiegellabyrinth zurechtzufinden , bedarf es noch eines letzten Hinweises durch den Autor. Als die zwei ]uane im Handelsgericht vor dem Marienaltar niederknien, runzelt die Jungfrau die Stirn, da solche Gaunergestalten zu ihr beten wollen: - Dejadlos, Senora dice Santiago, hijo de Zebedeo y Salome, pensando en las cien ciudades nuevas que debe a semejantes truhanes - . Dejadlos, que con ir alla me cumplen. 67 So vermag selbst der heilige Jakob zu erdulden, daß mit der Gutgläubigkeit der Spanier Schindluder getrieben wird; vorrangig für ihn ist, daß eben jene Gauner in der Fremde durch ihr Vorgehen zur Städtegründung beitragen. Besser gesagt: Bußfertige Volksreligiosität allein kann solche Taten nicht vollbringen. Damit erkennt er solche Taten sogar als Erfüllung des ihm abgelegten Gelübdes an. Eine seltsam anmutende Wandlung, zumal der Heilige nicht auf der Wallfahrt nach Santiago de Compostela besteht, sondern seine Ansprüche den sündhaften Pilgern und dem von ihnen gewählten Weg anpaßt. Die Erklärung für solche Sinneswandlung ist schnell bei der Hand; denn Beelzebub tritt als zerlumpter Blinder mit schwarzem Hut auf, zupft auf 65 Vgl. "EI Camino de Santiago" S. 77. 66 Vgl. ebd . S. 77-78 . 67 Ebd. S. 79. <?page no="231"?> Titelscan.indd 231 Titelscan.indd 231 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Stellung des »Camino de Santiago" in Guerra del tiempo 219 seiner Vihuela und singt jenes Lied, das die Überfahrt nach Amerika anpreist und das dereinst den Pilger Juan vom Pfad der Buße abgebracht hatte. Mit der schließlichen Aufdeckung, wer sich hinter dem seit burgalesischen Jahrmarktszeiten unerklärbaren Fortgerissensein in den Trubel der Wunder diesseits und jenseits des Ozeans verbirgt, erhalten zunächst eher beiläufig erscheinende, aber die gesamte Erzählung durchziehende Bemerkungen eine neue Dimension. Zur Erinnerung: NachdemJuan an der Schelde die pestinfizierte Ratte gesehen hatte, ertscheint ihm das entfernte Wiehern eines Esels wie la misma risa de Belcebu 68; nicht von ungefähr erscheinen ihm der Herzog von Alba und dessen Gefährtin als Hexenmeister und Hexe 6 9; die nicht nur äußerliche Ähnlichkeit des blindenJahrmarktssängers mit dem Leibhaftigen steht nun außer ZweifeF 0; der den Indienfahrer begleitende Golom6n steigt schwarz wie Luzifer in den Mysterienspielen aus einer Kiste 71; die kubanischen Eingeborenen huldigen Statuen, die nach Teufelskrallen riechen 72 ; Juan bezeichnet das einst herbeigesehnte Leben in der Fremde als infierno de San Crist6bal7 3: allesamt hinreichende Belege, die verdeutlichen, in welchem Maße Carpentier mit seiner Schlußbemerkung bisherige Anspielung in jetzige Gewißheit überführt, so daß Juan schließlich eines Großteils seiner Schuld enthoben ist, hatte es Beelzebub doch von Anbeginn auf ihn abgesehen. Dessen Werben hatte seine Art von Frömmigkeit nichts entgegenstellen können, und selbst ein Heiliger muß sich diesem menschlichen Drang nach diesseitigem Heil beugen, indem er das vom Teufel auserkorene Ziel zum eigenen Wallfahrtsort erhebt. IV Der Erzähler Alejo Carpentier nimmt seinen Leser in seinen Novellen aus dem Zyklus Guerra de! tiempo jeweils mit auf eine Reise. Dabei hat dieser sich zusammen mit dem Protagonisten der Erzählung an Unbekanntem zu bewähren und kann somit seinen Horizont erweitern. Da die Darstellung von der Beobachtung zu Neuem ausgeht, das das Alte ergänzt74, eignet sich für den kubanischen Autor als Thema nichts besser als jenes ihm so angelegentliche Aufeinandertreffen von europäischer Erwartung und amerikanischer Erfahrung in Zeiten der Conquista. Doch die Reise, die hier durch Zeit 68 Ebd . S. 46. 69 Vgl. ebd. S. 48-49. 70 Vgl. ebd. S. 54. 71 Vgl. ebd. S. 55. 72 Vgl. ebd. S. 58. 73 Ebd . s. 62. 74 Zum Motiv der Reise siehe Horst S. und INGRID DAEMMRICH, Themen und Motive in der Literatur. Ein Handbuch (1987) S. 127-133 "Fahrt (Reise, Lebensfahrt)"], hier : s. 128. <?page no="232"?> Titelscan.indd 232 Titelscan.indd 232 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 220 Heinz Klüppelholz und Raum unternommen wird, erhält phylogenetische Dimension dadurch, daß die Anfänge der Menschheit wie auch ihr gegenwärtiger Zustand zum Thema des Kriegs der Zeit genommen werden. In allen drei Novellen macht eine wundersame Begegnung den normalen Menschen zum außergewöhnlichen Helden 75, weil Carpentier ihn mit einer unerwarteten Herausforderung konfrontiert. Auf die Offenbarung folgt die Heilssuche, die an exemplarischen Momenten der Weltgeschichte vermittelt wird 76 , so daß allgemeine Verbindlichkeit verdeutlicht wird. Die Erkenntnis, die sich offenbart, ist die eines hinter den sichtbaren Dingen waltenden maravilloso 77, auf dessen Existenz hin erst sensibilisiert werden muß. Der Schriftsteller versetzt mithin seine jeweilige Hauptperson in Grenzsituationen, die sie zu überwinden hat, um ihr Leben zu retten. Daß ihr dabei ungeahnte Erkenntnis zuteil wird, ist eine positive Zugabe zu dem negativen Erlebnis . Letzteres zieht zunächst die Menschheit in Zweifel, um sie ersterem zugänglich zu machen. Strukturelle Iterationen bieten sich hier als das gängigste Kontrastmittel an, um das Zusammenspiel aus Linearität und Zirkularität zu verdeutlichen. 78 „Viaje a la semilla" unternimmt mit seiner Anleihe bei der musikalischen recurrencia ein Schreibexperiment, bei dem der Weg des Menschen vom Tod bis in die Geburt zurückverfolgt wird. Die normalerweise wachsende Sozialisation eines Individuums als hier abnehmenden Verlust darzustellen, birgt den Vorteil wertfreier Bewußtmachung. Daß hier ein Neger vermittels seiner Magie einen Kreolen auf die Zeitreise schickt, ist Teil des Carpentierschen Konzepts, demzufolge der Afrikaner als vorrationales Wesen dargestellt wird, der über wesentlich mehr Kenntnisse verfügt, als es sich ein fortschrittlich wähnender Europäer träumen läßt . So erkennen die kubanischen Arbeiter nicht, daß die Regression des Hauses keine Progression ist . Wenn Anfang und Ende der Erzählung durch eine gewisse Linearität gekennzeichnet sind, steht der Mittelteil im Zeichen der Zirkularität . Lediglich dem Leser gewährt der Autor desillusionierende Einblicke; für die Personen innerhalb der Geschichte hingegen hält er nur illusionierende Vorurteile bereit. Damit aber stellt Carpentier die literarische Produktions- oder Rezeptionspraxis als Zugang zu den letzten Dingen als privilegiertes Instrument dar. Es darf als gesichert gelten, daß gerade in Zeiten der Conquista linear 75 In Übereinstimmung mit CARLOSSANTANDER , Tiempo y espacio en la obra de Carpentier, in: Recopilaci6n de textos ... (wie Anm. 7) S. 179-200, hier: S. 187, der von una inesperada alteraci6n de la realidad spricht. 76 Vgl. ebd. S. 195. 77 Vgl. ebd. S. 199. 78 Auch hier läßt sich Carpentier laut BENITOPELEGRIN, Sur le style d' Alejo Carpentier, Cahiers d ' Etudes Romanes 6 (1980) S. 209-219, hier : S. 217, in seiner Darstellung von der Musik beeinflussen : La „melodie" (la linearite de la phrase avec ses pauses, ses accents, ses intonations montantes ou descendantes), son „ horizontalite", est traversee par la „verticalite" paradigmatique (retour du semblable au de l'equivalent) [...], qui joue sur les affinites de cellules perr; uespar la memorisation des schemes de depart. <?page no="233"?> Titelscan.indd 233 Titelscan.indd 233 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Stellung des „Camino de Santiago" in Guerra del tiempo 221 christliches Denken auf zyklisch unchristliches Denken bei Kontakten mit der Urbevölkerung gestoßen war 79 ein Konflikt, der noch heute unterschwellig lateinamerikanisches Denken und Schreiben beschäftigt. Wenn der Lesende jedoch der zirkulären Erkenntnis bedarf, um die lineare richtig einzuordnen, sucht der Schreibende mit diesem temporalen Konflikt auf die metaphorische Ausdeutbarkeit dieser Reise zum Ursprung hinzuweisen . Nur wer den Schriftsinn zu verstehen vermag, erhält Einsicht in die Wiederauferstehung Don Marcials. Die Erzählung „Semejante a la noche" geht insofern weiter in der Konfrontation der verschiedenen Zeitauffassungen, als sie linear einen jungen Soldaten die letzten vierundzwanzig Stunden vor dem Aufbruch in den Trojanischen Krieg erleben läßt, während zeitgleich an vier ausgesuchten Beispielen aus der Weltgeschichte die stets gleichbleibende Ideologisierung des Krieges und seine damit verbrämten Wirtschaftsinteressen bloßgelegt werden . Die Neuheit dieser Novelle liegt darin, daß sie beide Erfahrungen von unterschiedlicher Zeit in eine einzige Person verlagert. Die Linearität zeigt die individuelle Geschichte eines Menschen, der sich über die Jahrtausende hinweg nicht ändert; die Zirkularität hingegen, die vom antiken Griechenland bis hin zum modernen Europa eine recht weit gefaßte Linearität zu beschreiben scheint, macht mit ihrer Rückkehr zum Ausgangspunkt der Erzählung den kollektiven Betrug des Krieges an seinen Mitstreitern deutlich, zumal alle mutmaßlich hehren Ziele in ihrer Unhaltbarkeit entlarvt werden. Auf das Leitmotiv des Weizens, der zumindest als Gabe der Götter an die Menschen hier im Vordergrund steht, wird noch vor anderem Hintergrund zurückzukommen sein. "El Camino de Santiago" muß insofern als Höhepunkt der drei Novellen gelten 80 , als er nicht mehr der Magie eines Afrikaners oder der Doppelung im Protagonisten bedarf, sondern den Teufel zum Anstifter für Eroberungsfahrten macht. Erneut wird die Alte Welt bemüht, um die Suche nach einem jenseitigen Heil auf einer Wallfahrt nach Santiago de Compostela zu erlangen. Die Neue Welt dient sodann als Sinnbild für die Suche nach einem diesseitigen Heil auf einer Erkundungsfahrt nach Kuba. Schließlich willigt auch ein gestandener Heiliger wie Jakobus ein, das Ziel der Wallfahrt zu ihm von der Alten in die Neue Welt zu verlegen. Der Autor überläßt es dabei wiederum dem Leser, die Erfahrung selbst durch den Vergleich zu vollziehen. Mit der Spaltung des Protagonisten in einen nicht recht gläubigen Romero und einen nicht recht wahrheitsliebenden Indiana metaphorisiert Carpentier einen in jedem Menschen nach- 79 Gegenübergestellt bei GERDF.MüLLER,Goldenes Zeitalter und Zwanzigstes Jahrhundert . Interpretationen spanischer und lateinamerikanischer Literatur im lichte eines Geschichtskonzepts (1975). Hierbei sei besonders auf die Beiträge zu Ram6n Jose Sender und Gabriel Garcfa M: irquez verwiesen. 80 EMILVoLEK,Dos cuentos de Carpentier: dos caras de! mismo metodo artfstico, Nueva narrativa hispanoamericana 1 (1971) S. 7-19, hier : S. 19, stellt fest : "El Camino de Santiago" se vincula estrechamente a los relatos „ Viaje a la semilla" y „Semejante a la noche", y representa la culminaci6n de esta serie. <?page no="234"?> Titelscan.indd 234 Titelscan.indd 234 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 222 Heinz Klüppelholz weisbaren Synkretismus der Kulturen, für den dieser nicht verantwortlich gemacht werden kann. Soweit sind noch alte Techniken aus „Semejante a la noche" erkennbar. Lief der zunächst als ersehnter Kontrast zwischen Europa und Amerika eingeleitete Vergleich noch auf rein faktischer Ebene ab, gestalten sich Juans Gründe für ein erneutes Abweichen vom J akobsweg auf weitgehend literarischer Ebene; denn die bisherigen Wunderbeschreibungen, die]uan el Indiana bewußt nutzt, um]uan el Romero in die Fremde zu locken, beruhen zwar auf konkret feststellbaren Originalzitaten ehemaliger Werbung aus den entsprechend voraufgehenden Kapiteln mit gleicher Thematik, jedoch erscheinen diese nahezu wörtlichen Wiederaufnahmen in klischeehafter Verkürzung. Folglich ist der Pilger bei einem erneuten Appell weitaus eher dazu bereit, einem Spanien den Rücken zu kehren, das die Inquisition zusehends unter ihre Herrschaft bringt. Da ist es schon besser unter Protestanten und Juden auf Kuba die in Europa zwar gepredigte, aber nicht praktizierte Nächstenliebe und Friedfertigkeit zu erfahren. In der Rückschau auf die zuvor beschriebene Illusion sowie die Erinnerung an Juans danach erfolgende Desillusion erweisen sich solche Fahrtanlässe als höchst fragwürdig. Christliche Volksfrömmigkeit vermag solch berauschenden Drehungen keinen Einhalt mehr zu gebieten; denn eben jener Rausch gerät zum Teil eines weltumspannenden Plans, der keine Eigenentscheidung auf Seiten des Menschen mehr zuläßt. Stilistisch meisterhaft stellt Carpentier der auch verbalen Kargheit des Soldaten - und Pilgerdaseins ein Übermaß an Sinnestäuschung durch ausufernde Ornamentik, konkave und konvexe Spiegelungen, Mittel der Anamorphose 81 gegenüber. Dadurch aber wird der sich für gewöhnlich vom französischen Surrealismus distanzierende Autor von seinen literarischen Vorvätern eingeholt. Als unbestrittene Einleitung zu solch barockem 82 Schauspiel muß der gemeinhin Zugang stiftende Titel 83 angesehen werden: "Viaje a la semilla" läßt zunächst den Ursprungsgedanken offen, so daß er erst später in seiner wahren Bedeutung erkennbar wird; "Semejante a la noche" enthält sodann ein dunkles Zitat, dessen düstere Unabänderlichkeit dem Leser erst am Ende bewußt ist; "EI Camino de Santiago" lockt schließlich ebenfalls auf eine falsche Fährte, zumal erst der allerletzte Abschnitt der Erzählung Beelzebub höchstpersönlich als den wahren Initiator der beschriebenen Seereisen auf deckt. Doch damit nicht genug, denn alle drei Erzählungen erhalten eine Steigerung im christlichen Sinne. Von der magisch herbeigeführten Wiederauferstehung des Kreolen durch einen Neger, der über vorrationale Kräfte verfügt, geht der Weg zu zwei Novellen, die das eine Mal das Brot, ein anderes 81 MILAGROSEZQUERROversammelt all jene Schreibweisen Carpentiers als „baroque" in ihrer Untersuchung Theorie et fiction. Le nouveau roman hispanoamericain (1983), S. 15. 82 Als Epitheton in der zuvor beschriebenen Bedeutung benutzt. 83 Siehe hierzu ARNOLDRoTHE, Der literarische Titel (1986). <?page no="235"?> Titelscan.indd 235 Titelscan.indd 235 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Stellung des „Caminode Santiago" in Guerra de! tiempo 223 Mal den Wein als Leitmotive 84 verwenden, um Christi Opfer zu verdeutlichen. Die wertende Retrospektive erst verrät die wahre Bedeutung der unwertbaren Prospektive. Hatten vorchristliche Zeiten einem zyklischen Geschichtsbild gehuldigt, in dem ein Glücksrad bereits im Diesseits einem jeden Freud und Leid beimaß, hatte das Christentum eine solche Denkweise in ein lineares Geschichtsbild abgewandelt, in dem Christus möglicherweise erst im Jenseits eine Erlösung bereithält. 85 Carpentier stellt jene Heilsgewißheit dadurch in Frage, daß er das Geschehen in eine sinnenbetörende, letztlich vom Teufel bestimmte Kreisdrehung einbindet, die keine Zeit zur Besinnung mehr läßt. Dies aber darf als Sieg der Zirkularität über die Linearität gelten. „El Camino de Santiago" stellt zwar die literarische Weiterentwicklung von „Viaje a la semilla" wie auch „Semejante a la noche" dar, verzeichnet aber innerhalb des Novellenzyklus Guerra del tiempo den höchsten Grad an Ernüchterung. Nicht mehr Gott, sondern der Teufel lenkt das große Welttheater, nach dessen Spielplan sich nicht nur einfache Trommler, sondern auch gestandene Heilige zu richten haben. 86 Die christlichen Konnotationen sind für Alejo Carpentier letztendlich Mittel zum Zweck; denn es wird lediglich demjenigen, der ohne niedere Beweggründe, ohne falsche Analogieschlüsse nach dem wahren Lateinamerika forscht, Erfolg in Aussicht gestellt . Dieser Erfolg aber wird ihm nur dann beschieden, wenn er es auf sich nimmt, sich in Rückbesinnung auf die Entschleierungsfähigkeit des real maravilloso durch jenes Verwirrspiel von spekulativen Spiegelungen und Widerspiegelungen hindurchzuzwängen. Erst die Rückbesinnung auf fälschlicherweise als archaisch erachtete Sichtweisen schafft die rechte Vorbedingung für wahre Erkenntnis. Zugang zu solcher Erkenntnis aber versuchen alle drei Novellen zu schaffen. Resumen: En los tres cuentos que Alejo Carpentier reune bajo el titulo Guerra de! tiempo, el autor representa al hombre enfrentado a situaciones lfmites que debe superar para salvarse. Cada uno de estos personajes esta clamando por esa segunda realidad que se llama comunmente lo real maravilloso. Se necesita un acto de fe para creerlo y experimentarlo. 84 Bei QuESADA(wie Anm. 34) S. 236 klingt diese recht auffälligeLeitmotivik zwar an, wird jedoch einseitigmit christlichenKonnotationen derart überladen,daß es zu einer Überinterpretation von „Semejantea la noche" kommt. 85 AusführlicheAuskunft zu diesemKomplex gibt RAINERWARNING, Formen narrativer Identitätskonstitution im höfischenRoman, in: Le roman jusqu'a la fin du xme siede, 2 Bde., hg. von JEANFRAPPIER und REINHOLD R. GRIMM (1978/ 1984) Bd. 1, S. 25-59, hier: S. 33-39. 86 Unterstützend zur vorliegendenInterpretation sei auf die bewußte Abwendung Carpentiers von nach der Conquista kursierenden Legendenum den heiligenJakob und die Jungfrau Maria verwiesen,in denen beide, wie GEWECKE (wie Anm. 40) S. 166 ausführt, vor den teufe/ besessenen Indianern schützen. <?page no="236"?> Titelscan.indd 236 Titelscan.indd 236 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 224 Heinz Klüppelholz En el relato „Viaje a la semilla" la linearidad temporal de su principio y fin se opone a la circularidad temporal de Ja parte central. En esta se trata de examinar una vida a la inversa, desde la muerte hasta la procreaci6n. Segun el concepto carpenteriano de! mestizaje, la vida de don Marcial se desvive significativamente bajo el efecto de la magia africana de su cochero. Respecto a la desaparici6n de su casa, trabajo que encuentran acabado los obreros al dfa siguiente, no queda nada, ellos son confrontados con una ilusi6n, porque consideran la regresi6n magica como una progresi6n natural. La impresi6n de destrucci6n que tiene el lector en su desilusi6n final, ni siquiera encuentra eco en los obreros que no consiguen experimentar la posible inversi6n de! tiempo. "Semejante a la noche" presenta a un joven soldado que, por una parte, vive las veinticuatro horas antes de la salida de las naves guerreras de Troya . Por otra parte, el escritor cubano liga a su protagonista de tal modo al tiempo hist6rico, que el relato comprende aproximadamente tres mil aiios . Parad6jicamente, se combina aquf el uso de distintos planos temporales con la mas rigorosa unidad de tiempo, de acci6n y de personajes. Lo que persiste a traves de las epocas diferentes son la miseria y la abyecci6n que subyacen en el fondo de las empresas belicas. En la narraci6n „EI Camino de Santiago" se describe la extraiia romerfa de Juan, en peregrinaci6n a Santiago de Compostela, que se encuentra con un indiano, que le induce, con palabras llenas de los encantos de! Nuevo Mundo, a viajar a America. Pero, una vez allf, siente nostalgia por Europa. De regreso de Cuba, se encuentra un dfa con un romero que va a Compostela, y le describe las maravillas de America. Se repite, detalle por detalle, la misma situaci6n que Juan vivi6 hace muchos aiios. Es inutil mencionar que Alejo Carpentier sintetiza en este relato circular el mito de! eterno retorno . Pero otra vez el narrador rompe la linearidad aparentemente cristiana de esta romerfa. La imagen final de Belcebu, tocando la vihuela y cantando un romance para dar animos a la empresa ut6pica del viaje a las Indias, parece ser de validez universal en esta colecci6n de relatos . En cuanto a la simbologfa cristiana, la ultima narraci6n de Guerra de! tiempo constituye la culminaci6n de „Viaje a la semilla" y de „Semejante a la noche". La primera narraci6n representa un caso de resurrecci6n magica, la segunda conduce a la tercera, puesto que en ambas el vino simboliza la sangre y el trigo, el cuerpo de Cristo , Se trata de una reformulaci6n de! Sacrificio de Cristo ? Asf es, y el hombre carpenteriano busca la salvaci6n, pero el choque con los verdaderos motivos de estas cruzadas de liberaci6n lleva a una crisis interna cuyo resultado es el desencanto, el desengaiio, y finalmente la resignaci6n desesperada ante la falta de alternativas. <?page no="237"?> Titelscan.indd 237 Titelscan.indd 237 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Santiago, Heiliger zweier Welten. Eine literarische Spurensuche in Europa und Hispanoamerika ANNEGRET LANGENHORST „Selbst die Säuglinge entrichten Tribut in Geld und Mais. Wer zahlt noch, wenn die Seuche weiterwütet? Hiesige Arbeitskräfte erbauten schließlich die Kathedrale von Mexiko. Wer soll säen, wenn die Seuche nicht erlischt? Wer spinnt und webt in den Werkstätten? Wer errichtet Kirchen, wer pflastert Straßen? Die Mönche besprechen die Lage im Kloster. Von den dreißigtausend Indianern, die die Spanier bei ihrer Ankunft in Xochimilco vorfanden, leben, wenn es hochkommt, gerade noch viertausend . Viele eroberten Menschen und Land für Heman Cortes und fielen im Kampf an seiner Seite. Mehr noch starben an der für ihn und Pedro de Alvarado geleisteten Arbeit; und die meisten rafft jetzt die Epidemie hinweg. Bruder Jer6nimo de Mendieta, der Vorsteher des Klosters, hat den rettenden Einfall. Sie wollen das Los ziehen. Ein Meßdiener mit verbundenen Augen schüttelt die Zettelchen in einer Schüssel. Auf jedem Zettel steht ein in der Fürbitte am himmlischen Hofe bewährter Heiliger . Der Meßdiener tippt auf ein Los, der Pater Mendieta faltet es auseinander und liest vor: -Apostel Jakobus! Mendieta gibt es den Indianern von Xochimilco auf dem Balkon in ihrer Sprache bekannt . Der apokalyptische Mönch spricht auf Knien und ringt die Hände. - Jakobus wird die Seuche überwinden. Er verspricht ihm einen Altar. Während der harten Konquistajahre war in Jakobs Grab am Vorabend jeder Schlacht Waffengerassel zu hören, und der Apostel focht mit der Lanze auf seinem Schimmel auch mit den einfallenden Kriegerscharen . ApostelJakobus pflegt Indianer also offensichtlich zu töten und nicht zu retten. Die Seuche aber, die die Spanier kaum antastete, fordert weiterhin massenhaft Opfer unter den Indianern in Xochimilco und in den übrigen Regionen Mexikos. Wenn es Nacht wird, hört Pater Mendieta in seiner Zelle das Heulen und Wehklagen lauter als Engelschöre. Da Jakob sich nun einmal nicht dafür interessiert, muß jemand anders beim Herrn vorsprechen, sonst gibt es in Xochimilco bald keine Indianer mehr . Die Franziskaner beratschlagen und ziehen noch einmal das Los . Diesmal wählt der Zufall den seligen Sebastian zu ihrem frommen Fürsprecher . Sie geloben ihm einen Altar ... <?page no="238"?> Titelscan.indd 238 Titelscan.indd 238 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 226 Annegret Langenhorst Unterdessen geht ein geheimnisvolles Gerücht( ...) um . Es folgt der Seuche auf dem Fuße, es klingt in den Bittgebeten der Sterbenden auf, es wird von Ohr zu Ohr geflüstert: - Wer das Kruzifix aus dem Haus wirft, steht vom Tode auf." 1 Diese bedrückende Episode aus dem kolonialen Mexiko ist unter der Überschrift „Mit Apostel Jakobus gegen die Seuche" im Werk eines bekannten lateinamerikanischen Schriftstellers unserer Gegenwart zu lesen : im ersten Band der „Memoria del fuego", der „Erinnerung an das Feuer", wie der Uruguayer Eduardo Galeano ('f 1940) seine dreibändige poetische Geschichte Amerikas nennt. Galeano zitiert in dieser Passage aus der berühmten „Historia eclesiastica indiana" des großen Franziskanermissionars Jer6nimo de Mendieta2; doch trotz dieses engen Bezugs zu einer historischen Quelle betont Galeano im Vorwort, gerade nicht als Historiker, sondern als Literat zu schreiben, und lehnt jede gattungstypologische Festschreibung seines Werkes ab. In Form einer nach Art der Annalistik chronologisch geordneten und bearbeiteten Collage historischer Quellentexte bietet Galeanos 1982 erschienene „Memoria" eine einzigartige Geschichte Lateinamerikas von präkolumbischer Zeit bis in die Gegenwart. Der hier zitierte erste Band „Los nacimientos/ Geburten" behandelt die Epochen der Conquista und Kolonialzeit bis ins Jahr 1700. Doch nicht Galeanos origineller Beitrag zu einer literarischen Re-Lektüre der Geschichte Amerikas soll uns hier interessieren. Vielmehr gilt unsere Aufmerksamkeit speziell der Figur des Apostel Jakobus, der in jener Episode als Nothelfer gegen die Grippe-Epidemie herhalten muß (gerade in Europa eher harmlose Krankheiten waren ja Mitursache für das Massensterben der Indios zur Zeit der Conquista). Es ist symptomatisch, in welcher Funktion Jakobus bei Galeano auftaucht: Jakobus/ Santiago ist erstens ein Heiliger, den die Spanier mitgebracht haben und nun den Indios als Fürsprecher geradezu aufdrängen. Auch in seiner Funktion als potentieller Retter vor der Seuche wird er als Werkzeug der Eroberung benutzt, gilt es doch in erster Linie, indianische Arbeitskräfte und Steuerzahler zu erhalten. Zweitens: Das Vertrauen der Franziskaner in die Hilfe des Apostel scheint ungebrochen, erweist sich aber als vergeblich. Für die unterworfenen und missionierten Indios schließlich gilt nur die tatsächliche Wirkmacht eines Heiligen als Glaubwürdigkeitserweis. Durch seine Untätigkeit hat Jakobus ihren Glauben buchstäblich verwirkt . Aber er stellt sich nicht nur passiv als ein ohnmächtiger Patron für die Indios heraus, vielmehr scheint er durch seinen bisherigen Beistand während der Conquista aktiv auf der Seite der Invasoren gegen die Eroberten zu stehen. Daher die lakonische Erkenntnis der Mexikaner: "Apostel Jakobus pflegt Indianer also offensichtlich zu töten und nicht zu retten." Eduardo GALEANO, Erinnerung an das Feuer. 1: Geburten (31992)S. 188f. und 198. 2 Jer6nimo de MENDIETA, Historia eclesiastica indiana, 2 Bde. (BAE 260/ 261) (1973). <?page no="239"?> Titelscan.indd 239 Titelscan.indd 239 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Santiago, Heiliger zweier Welten 227 Dieser Santiago Mataindios soll uns in einem ersten Abschnitt beschäftigen. Aber auch zwei überraschend anderen, geradezu alternativen Santiagos kann der Leser begegnen: einer ist der jüngsten europäischen, der andere der lateinamerikanischen Literatur entnommen, und wir werden sie im zweiten und dritten Abschnitt näher vorstellen . 1. Santiago „Mataindios" der Apostel der Conquista Es ist freilich kein Zufall, daß uns schon die erste literarische Bearbeitung der Jakobsfigur in die Epoche der Conquista führt. Die problematische militärische Karriere des Santiago vom „Matamoros" der Reconquista zum "Mataindios" der Conquista stellt ein historisches Faktum dar 3• Dieser Export des Santiago in die neuentdeckten Länder symbolisiert eingängig die strukturelle und institutionelle Kontinuität zwischen Reconquista und Conquista, wie sie sich ablesen läßt im Kreuzzugsgedanken der Conquistadoren, aber auch im Aufbau der kolonialen Kirche der angeblichen „Neuen Welt" . 4 Santiago also, Garant und Identitätsstifter des iberischen Katholizismus; Santiago, der kriegerischste aller Apostel, dargestellt mit einem Schwert auf seinem Schimmel und angerufen als Patron der Schlachten: Was Wunder, daß dieser historisch so breit verbürgte Traditionsstrang auch maßgeblich die literarische Jakobus-Rezeption geprägt hat. Gerade den hispanoamerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts, welche im Medium der Literatur eine Rückgewinnung der eigenen Geschichte aus der Perspektive der Besiegten betreiben, wird dieser Santiago zur Symbolfigur eines repressiven, militanten Katholizismus, das Santiagokreuz der Conquistadoren zum Signum der blutigen Eroberung. So in folgender Passage, welche die spanischen Eroberer aus der Sicht der bedrohten Indios schildert: "Die Erde blutet aus allen Wunden. Männer, in Schildkrötenpanzern verborgen, Schildkröten mit menschlichem Gesicht, und andere, noch fremdartigere, rittlings auf ungeheuren, langmähnigen , geweihlosen, großschwänzigen Hirschen, kämpfen mit Tigern, Adlern, Pumas, Kojoten, Schlangen, die ebenfalls Menschen sind ... Aufeinanderprall von Göttern, Mythen und Weisheitslehren. Riesige Schildkrötenwesen, bedeckt mit Santiagokreuzen, Kreuzen und Schwertknäufen ..." 5 Vgl. Rafael HELODOROVALLE, Santiago en America (1946); M . SIMMONS/ D. PIERCEIJ. MYERS, Santiago . Saint of Two Worlds (1991); Rainer HUHLE,Vom Matamoros zum Mataindios oder vom Sohn des Donners zum Herrn der Blitze: die wundersamen Karrieren des Apostels Jakobus in Amerika, in: De orbis Hispani linguis litteris historia moribus. FS Dietrich Briesemeister, hg. von A . Schönberger/ K . Zimmermann, Bd. 2 (1994) s. 1167-1196. Vgl. Horst PIETSCHMANN, Staat und staatliche Entwicklung am Beginn der spanischen Kolonisation Amerikas (Spanische Forschungen 2. Reihe, 19) (1980) S. 29. Miguel Angel AsTURIAS, Der Böse Schächer (1981) S. 8. <?page no="240"?> Titelscan.indd 240 Titelscan.indd 240 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 228 Annegret Langenhorst Das Santiagokreuz und der Schwertknauf als Einheit auf diese Kurzformel bringt Miguel Angel Asturias (1899-1974) hier die komplexe Verknüpfung von Conquista und Mission. Die Passage eröffnet seinen vielschichtigen Roman „Maladr6n/ Der Böse Schächer" (1969), den man nicht zuletzt als Karikatur auf die Missionierung Guatemalas deuten kann. Auch in seinem zweiten, der Conquista Amerikas gewidmeten Werk, dem Drama „La Audiencia de los Confines/ Tribunal am Ende der Welt" von 1957, benutzt der Literatur-Nobelpreisträger des Jahres 1967 die Figur des Jakobus als anschauliche Requisite der Conquista-Mentalität . Das Drama thematisiert den Konflikt des wohl größten Verteidigers der Indios, Bartolome de Las Casas (1484-1566)6, mit den spanischen Autoritäten in Amerika. Die Handlung spielt in den 40er Jahren des 16. Jahrhunderts in der, wie es wörtlich voller Ironie heißt, "sehr vornehmen und sehr loyalen Stadt Santiago de los Caballeros in Guatemala" 7• Mit Bedacht läßt Asturias seine fiktive Dramenhandlung ausgerechnet in einer der unzähligen Städte spielen, welche die Spanier zu Ehren Santiagos de Compostela und ihres Patrons tauften. Die Stadt Santiago sie markiert im Drama die Welt der Spanier, die schon in der ersten Regieanweisung im schroffen Kontrast zur Welt der „indigenas" gezeichnet wird. Das Zimmer des Gouverneurs, des schärfsten Gegenspielers von Las Casas, wird als Zentrum der spanischen Macht und Inbegriff einer Haltung der Eroberung durch eine schlichte, aber bedeutsame Requisite gekennzeichnet: einer kleinen Holzfigur des Apostels Santiago zu Pferd. Die Spielszenen aus der Welt der Mayas hingegen befinden sich in einem sakralen Raum: in einem Tempel, überragt vom ehrfurchterweckend großen Standbild des Maisgottes. Hier also die sakrale Funktion des Maisgottes, der seine Anhänger nicht schützen kann, dort hingegen ein Heiliger Santiago, verbündet mit den Machthabern und in profanen Dienstgenommen für die Eroberer. Es ist vielsagend : Man muß sich auch auf die Ebene der Regieanweisungen begeben, will man buchstäblich den Spuren des Apostels Jakobus in der Literatur nachgehen. Denn nicht als zentrale, gar triumphierende Figur sehen die hispanoamerikanischen Autoren den Heiligen. Nein, wenn überhaupt, taucht er am Rande auf als sprechendes Symbol eines authentisch gezeichneten historischen Kontextes, als stereotype Chiffre für Conquista und Zwangschristianisierung. So wird beispielsweise in dem Picaro-Roman „1492, vida y tiempos de Juan Cabez6n de Castilla" (1985) des Mexikaners Homero Aridjis am Rande ein spanischer Jude namens Jakob erwähnt, welcher sich unter dem Druck der Inquisition im Jahre 1492 taufen ließ - und 6 Vgl. Johannes MEIERIAnnegret LANGENHORST (Hg.), Bartolome de Las Casas. Der Mann das Werk die Wirkung (1992). 7 Miguel Angel ASTORIAS, Torotumbo . La Audiencia de los Confines . Mensajes indios (1984) S. 160. Vgl. Arnos SEGALA, Miguel Angel Asturias entre demonios cristianos y mayas, Papeles de son Armadans 16, Bd . 62 (1971) S. 391-400. <?page no="241"?> Titelscan.indd 241 Titelscan.indd 241 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Santiago, Heiliger zweier Welten 229 zwar auf den Namen Santiago zum Beweis seines vorgeblichen oder tatsächlichen besonderen Proselyteneifers. 8 In diesem Zusammenhang sei auf die ambivalente Wirkmacht des Namens Santiago hingewiesen: Im Amerika der Conquista war er als Taufname für Indios zeitweilig Tabu. Nicht zuletzt aus Furcht davor, die Macht Santiagos könne auf die Indios übergehen, hatten die Spanier ihn für Indios verboten. Am Exemplum der Stadt Santiago de Guatemala greift der nicaraguanische Dichter Ernesto Cardenal ('cl 926) das Phänomen der zahllosen hispanoamerikanischen Städtegründungen im Zeichen Santiagos literarisch auf. Er hat unter dem Titel „EI estrecho dudoso/ Die ungewisse Meerenge" schon 1966 in 25 Cantos die Conquista Nicaraguas besungen. Besonders auf den rücksichtslosen Conquistador und Genossen des Cortes, Pedro de Alvarado, konzentriert sich Cardenals Protest . Im Canto 14 beschreibt der Priester-Dichter die Gründung der Stadt Santiago de Guatemala durch Alvarado am Jakobstag 9 • Diese Stadt wird als symbolisches Zentrum der spanischen Hybris geschildert ; gerade ihr soll ein symbolkräftiges böses Schicksal bevorstehen: Wie ihr Gründer Alvarado bei einem Reitunfall stirbt, so fällt Santiago de Guatemala 1541 einem Vulkanausbruch zum Opfer . Die bedrohliche Präsenz des Vulkans, Symbol der machtvollen Naturkräfte Amerikas, deutet Cardenal am Ende des Cantos bereits ahnungsvoll an. Die Zerstörung Santiagos als Symbol für den Widerstand gegen die Unterdrückung: Dieses Motiv findet sich auch in einem der wichtigsten Werke des Indigenismus der 20er Jahre unseres Jahrhunderts, in dem Roman-Essay „Tempestad en los Andes/ Sturm über den Anden" von Luis E. Valcarcel C: -1891).Der Peruaner fordert 1927 zum Widerstand der einstmals freien Andenbewohner gegen ihre weißen Unterdrücker auf. In dem Kapitel „Der gotteslästerliche Aufstand" gibt er diesem Widerstand seine zeichenhafte Ausdrucksform: Rebellische Indios zerren die Santiago-Figur-für sie Symbol der Großgrundbesitzer aus einer Kirche und verbrennen sie zum Zeichen ihres Protestes . 10 Wir sehen, daß Santiago in dieser seiner militant-unterdrückerischen Gestalt nicht auf die Ze it der Conquista beschränkt bleibt. Er, der Krieger Christi, fungiert konsequenterweise als Feind aller heidnischen Gottheiten und teuflischen Dämonen . In diesem Geist wirkt der Santiagokult bis in die Gegenwart fort. So schildert der große Romancier Cubas, Alejo Carpentier (1904-1980), in seinem wohl berühmtesten Roman „Los pasos perdidos/ Die verlorenen Spuren" (1953) eine bedrohlich wirkende Santiago-Prozession . Zum Zusammenhang dieser Szene im Romanganzen sei angedeutet: Carpentier schickt seinen Erzähler auf die Suche nach seinen „verlorenen Spu- 8 Homero ARIDJIS, 1492. Die Abenteuer des Juan Cabez6n von Kastilien. Ein Inquisitions-Roman (1992) S. 207. 9 Ernesto CARDENAL, Die ungewisse Meerenge. Das poetische Werk 2 (1985) S. 60----62 . 10 Luis E . VAL CARCEL, Tempestad en los Andes (1927). <?page no="242"?> Titelscan.indd 242 Titelscan.indd 242 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 230 Annegret Langenhorst ren", seinen Wurzeln, seiner Identität. Vom entfremdeten Dasein als Komponist für Werbespots in einer westlichen Millionenstadt geht er zurück in seine Heimat Lateinamerika und dringt in den Urwald ein, auf der Suche nach dem Ursprung der Musik. Dort, im Innersten Amerikas, verwandelt ihn die Ursprünglichkeit der Ur-Welt, in die er versetzt wurde. Folgende Szene spielt, wie sollte es anders sein, in einer Stadt namens Santiago de los Aguinaldos. Dort gedenkt man jährlich am Fronleichnamstag der Ankunft des Santiago-Bildes in der Stadt kurz nach deren Gründung: "... In diesem Augenblick erschallten Trommeln und schrille Flöten, ein paar Teufel erschienen an einer Ecke des Hauptplatzes und nahmen den Weg zu einer kümmerlichen Kirche aus Ziegelstein und Gips gegenüber der Kathedrale . Die Tänzer hatten ihre Gesichter unter schwarzen Tüchern verborgen wie die Büßer christlicher Orden: in kurzen Sprüngen rückten sie langsam vor, vorneweg eine Art Anführer oder Zeremonienmeister, der mit seiner Maske eines dreigehörnten, schweinsschnäuzigen Dämons den Belzebub, Drachen oder Narrenkönig in einem Mysterienspiel hätte spielen können. Vor Beklemmung verschlug es mir die Sprache angesichts dieser gesichtslosen, wie Vatermörder verhüllten Männer, diesen Masken, die dem Geheimnis der Zeit entstiegen waren, um die ewige Lust des Menschen an Verstellung und Verkleidung lebendig zu erhalten, seine Vorliebe, sich als Tier, als Ungeheuer oder böser Geist auszugeben. Die seltsamen Tänzer kamen an die Kirche und schlugen mehrmals mit dem Türklopfer an das Portal. Lange standen sie weinend und jammernd vor der verschlossenen Pforte, bis sich plötzlich knarrend die Türflügel öffneten und in einer Weihrauchwolke der Apostel Jakobus erschien, der Sohn des Zebedäus und der Salome, auf einem weißen Pferd reitend, das die Gläubigen auf den Schultern trugen. Vordergoldenen Krone des Heiligen wichen die Teufel entsetzt zurück; als wären sie von Krämpfen befallen, torkelten sie gegeneinander, fielen zu Boden und wälzten sich auf der Erde. Hinter dem Heiligenbild erschallte zum uralten Klang der Posaune, der Schalmei, der Klarinette und der Pauke die Hymne: Primus ex apostolis Martir ]erosolimis ]acobus egregio Sacer est martirio. Oben läutete, was das Zeug hielt, die Glocke, mit Fußtritten in Schwung gesetzt, von ein paar Kindern, die rittlings auf dem Glockenstuhl saßen . Langsam zog die Prozession um die Kirche, voran das näselnde Falsett des Pfarrers, während die Gruppe der Teufel, die Qualen des Exorzismus mimend, unter den Spritzern des Weihwasserwedels wimmernd zurücksprang. Zuletzt wurde das Bild des Apostels Jakobus vom Campus Stellae unter dem schattenspendenden Baldachin aus zerschlissenem Samt wieder in die Kirche eingebracht, mit hartem Prall schlossen sich die Türflügel über einem Gewoge von Lichtern und Kerzen. Nun fingen die Teufel, die draußen bleiben mußten, zu rennen an, und aus den Dämonen wurden Possenreißer, die in der Ruinenstadt auseinanderstoben und derb in die Fenster hineinschrien, ob die Frauen hier auch noch fleißig niederkämen. Ich war wieder allein ..." 11 11 Alejo CARPENTIER, Die verlorenen Spuren {1979) S. 149-151. <?page no="243"?> Titelscan.indd 243 Titelscan.indd 243 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Santiago, Heiliger zweier Welten 231 2. Bruder Jakob ein ganz anderer Santiago Santiago Matamoros bietet sich, wie gesehen, geradezu an als literarische Kontrastfolie in einem explizit lateinamerikanischen Erzählen . Doch auch die ganz andere Tradition von Santiago, dem Pilger, hat ihre literarischen Spuren hinterlassen. Begleiten wir einmal einen Franziskaner mittleren Alters, selbst mit Namen „Jakob", auf seinem Pilgerweg nach Santiago de Compostela im Jahre 1541. Von Lyon über Le Puy kommend, entscheidet er sich für die schwierigere Route über die Pyrenäen von Roncesvalles nach Puente la Reina. Die Strecke des Camino ist ihm wohlvertraut, denn: "Schon als junger Mann hatte ich die Namen aller Stationen auswendig gelernt, zur Freude eines sterbenden Bruders, der einen großen Teil des vorigen Jahrhunderts durchlebt hatte und hinter den Gaumen stets von dieser Pilgerreise als dem Größten seines Lebens murmelte, wie sie auch das Größte im Leben seines Vaters gewesen war, irgendwann gegen Ende von dessen vierzehntem Jahrhundert. War sein Vater als ganz junger Handwerker losgewandert, so hatte sein Sohn sich in seinen mittleren Jahren auf den Weg gemacht, und er war überzeugt, daß die Stationen seinem eigenen und dem Leben seines Vaters eine Unzahl von Jahren hinzugefügt hatten. Was ihn selbst betraf, fühlte er, daß er von Estella drei Jahre geschenkt bekommen hatte, fünf Jahre von Logroiio, vielleicht zehn von Najera und Santo Domingo de la Calzada, keines von Burgos ..., aber zehn Jahre von Carri6n und zusammen rund ein Dutzend von Sahagun, Le6n, Astorga, Villafranca, Portomarfn und Lugo ." 12 Auf all diesen Stationen durch Spanien kann der Leser jenen Franziskaner verfolgen bis schließlich zur Ankunft in Santiago de Compostela, wo freilich die Enttäuschung des Pilgers überhand nimmt : "... ich suchte überall in Santiago nach dem milden Apostel Jacob, der, in Sandalen und mit Wanderstab, den Wandernden half. Aber ich merkte schnell, daß in dieser Stadt nicht der Bruder des Johannes, geschweige denn der Vetter Christi herrschte, sondern Matamoros , der Maurentöter, der in der Schlacht bei Clavijo König Ramiro im Traum erschien und versprach, ihm zu helfen... Jacob konnte Jacob nicht leiden, und außerhalb meiner selbst streifte ich in Santiago de Compostela umher und suchte nach Jacob als des Zebedäus Sohn, Bruder des Johannes, dem Jacob, den ich mir am leichtesten vorstellen konnte. Fischer und Donnersohn . Erschlagen mit dem Schwert, wie es ausdrücklich in der Apostelgeschichte, Kapitel 12, steht... Bruder Ib und Bruder Jacob waren sich darin einig, wer auch immer der heilige Jacob war, ihn in der Gestalt eines seiner eigenen Pilger darzustellen, mit einem kurzen Kittel und Hosen und einem weiten Mantel mit Kragen, der Unwetter aushalten kann. Auf dem Kopf ein breitrandiger Hut. Über der Schulter ein Ranzen für Brot, und an seinem Wanderstab befestigt eine Kürbisflasche . Und die Muschelschale, sein eigenes Zeichen, an der Tasche oder an der hochgeklappten 12 Henrik STANGERUP, Bruder Jakob der Däne oder die Reise zum Paradies (1995) s. 192f. <?page no="244"?> Titelscan.indd 244 Titelscan.indd 244 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 232 Annegret Langenhorst Hutkrempe befestigt. Ein Heiliger in der gleichen Gestalt wie seine Verehrer. Haben wir nicht Bilder von Christus selbst auf dem Weg nach Emmaus als Pilger mit Stab und Muschelschale auf der Tasche gesehen, Brüder? Jacobs zweites Zeichen, das Schwert, mit dem er hingerichtet wurde . Jacob als jemand, der Menschen in Not hilft. Ein Apostel. Aber nun plötzlich ein Kriegsmann, das Schwert des Herodes über die Mauren schwingend, zu sehen überall in Santiago de Compostela, so daß selbst Jacob Major in seinem Pilgergewand, versteckt in der Vorhalle der Kirche an der Seite Christi, ängstlich aussah. Eine Kirche, sagte ich? Eher ein großes Bauwirrwarr . Ein Tempel im Umbau zur Ehre ich weiß nicht welcher Götter. Mit jeder Stunde (wurde ich) niedergeschlagener über die Abwesenheit Jacobs in Jacobs eigener Stadt ..." 13 Wer ist jener skeptische Franziskaner, dieser Jakob, für den Compostela nicht das Ziel bedeutet? Geboren im Jahr 1484 in Dänemark, von dort als Franziskaner vertrieben von den Wogen der Reformation, ist er als „Jakob der Däne" in die Kirchengeschichte eingegangen. Sein Pilgerweg führt ihn weiter, vom alten Spanien nach „Nueva Espaiia", wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1566 als Missionar unter den Tarasken im heutigen Mexiko wirkte. Ein Mann also, in dessen Biographie sich die beiden Linien der Christentumsgeschichte des 16.Jahrhunderts schneiden : hier in Europa die Reformation und ihre Blickverengung auf konfessionelle Bekenntnisfragen, dort gleichzeitig die außereuropäische Expansion bzw. Mission mit ihrer Horizonterweiterung durch das Entdecken anderer Religionen. Daß diese komplexe historische Figur Jakobs des Dänen nun neuerdings auch in den Rang eines Romanhelden aufsteigen konnte, liegt wohl nicht zuletzt in seiner geheimnisvollen Herkunft begründet : Die Forschung vermutet in ihm den Sohn von König Hans und Königin Christine von Dänemark, dessen Existenz sein Bruder, der spätere König Christian II., leugnen ließ. 14 Ausreichend Stoff für einen Roman, so dachte sich wohl auch der renommierte dänische Schriftsteller Henrik Stangerup C: · 1937), als er dem weitgereisten Ordensmann seinen 1991 erschienenen, seit 1995 auch auf deutsch vorliegenden Roman „Bruder Jacob" widmete. Es ist nicht nur jenes oben streckenweise zitierte Kapitel „Der Weg nach Santiago de Compostela", das diesen außerordentlich kenntnisreichen und klug gebauten Roman für unsere Fragestellung so spannend macht. Vielmehr zieht sich das Jakobs-Motiv durch den gesamten Roman, und Stangerup kommt zu einer eigenwilligen Deutung: Zum einen verkörpert sein dänischer Jakob den Pilger schlechthin. All die unvorstellbar weiten Wege seines langen Lebens hat er zu Fuß bewältigt. Nicht zufällig lautet der Untertitel des Romans „Die Reise zum Paradies", denn Reise und Pilgerschaft bilden ein Leitmotiv. Bruder Jacob sucht das Paradies, er ist „ein Pilger nach 13 Ebd. S. 198f. 14 Vgl. Jörgen NYBO RAsMUSSEN, Bruder Jacob der Däne OFM als Verteidiger der religiösen Gleichberechtigung der Indiander in Mexiko im XVI. Jahrhundert (197 4 ). <?page no="245"?> Titelscan.indd 245 Titelscan.indd 245 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Santiago, Heiliger zweier Welten 233 Utopia" 15, wie viele seiner franziskanischen Brüder geprägt vom Chiliasmus eines Joachim de Fiore und der 1516 erschienenen „Utopia" des Thomas More. Dieses Utopia versucht Jakob der Däne zu verwirklichen unter den von ihm hochgeschätzten Tarasken in Michoacan. Leidenschaftlich widersetzt er sich den Beschlüssen der Konzilien von Lima (1551) und Mexiko (1555), den Indios die höheren Weihen zu verwehren und so die Chance einer authentisch indianischen Kirche mit indigenem Klerus zu unterdrücken . Seine letztlich überlegenen Gegner im Kampf um die Priesterweihe für die Indios sind Erzbischof Montufar von Mexiko und der berühmte Don Vasco de Quiroga. Auch diesen, für die Zukunft der amerikanischen Kirche so verhängnisvollen Konflikt deutet Jakob der Däne bzw. Henrik Stangerup im Symbol Santiagos: · „Dies ist das alte Europa. Dies ist das Spanien Jacobs des Maurentöters, nicht Jacob Majors, des Donnersohns und Fischers, der allen mit seinem Pilgerstab und seiner Jacobsmuschel entgegenging. Und zurück bleiben die Minderbrüder und können sich bis zu ihrem Todestag darüber ärgern, daß sie nicht von den Statuten über die limpieza de sangre aus Spanien, sondern von den vom Heiligen Geist eingegebenen des Kollegs von Tlatelolco abgewichen sind." 16 Jacob unterliegt in einem Disput über die Zulassung von Indios zum Priesteramt und stirbt resigniert im Kreise seiner Schützlinge . Mit einer Jakobsmuschel in der Hand wird er an unbekanntem Ort begraben und von den Tarasken liebevoll als ihr Vater, Beschützer und Wundertäter verehrt. Und hierin liegt nun die eigentliche Pointe von Stangerups Roman: Die Tarasken selbst machen jenen Jakob zu ihrem Heiligen, widersetzen sich also damit dem spanischen Import-Heiligen Santiago und küren sich ihren eigenen „Santiago". Zwar ist auch Bruder Jakob aus Europa gekommen, doch hat er sich ganz in die taraskische Welt inkulturiert. Der dänische Pilgermissionar Jakob, in seinem Leben gescheitert, wird durch die posthume Verehrung zum Zeichen eines inkulturierten Christentums, zur prophetischen Alternative einer Schwertmission. Er, der sich enttäuscht von Santiago de Compostela abgewandt hatte, verkörpert selbst den ganz anderen, den menschenfreundlichen Apostel Jakobus, dessen Gegenwart er in Santiago so vermißt hatte. Ist diese alternative Umdeutung der Jakobs-Figur nur einem Europäer wie dem Dänen Stangerup möglich, nicht aber den Nachkommen der Missionierten in Amerika selbst? 15 Hanns GRöSSEL, Bruder Jacob, ein Pilger nach Utopia. Henrik Stangerups Roman über den dänischen Franziskaner, Süddeutsche Zeitung vom 11.10.1995, S. L 12. 16 STANGERUP (wie Anm. 12) S. 394f. <?page no="246"?> Titelscan.indd 246 Titelscan.indd 246 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 234 Annegret Langenhorst 3. Santiago, Patron der Umwege Suchen wir noch einmal in der hispanoamerikanischen Literatur, die uns bisher vornehmlich Zeugnisse des Santiago Mataindios geliefert hat, obwohl doch in der Geschichte Lateinamerikas durchaus alternative Jakobs-Traditionen überliefert sind: Santiago, der Donnersohn und „Illapu" (Blitz), oder Santiago, der auf der Seite der Unabhängigkeitsbewegung kämpft.17 Entscheidender für die literarische Rezeption erscheint jedoch das Motiv der Peregrinaje, der Pilgerschaft, welches sich generell als Strukturprinzip in bedeutenden hispanoamerikanischen Romanen der Gegenwart finden läßt. Fündig werden wir noch einmal bei Alejo Carpentier, dessen Beschreibung einer Santiago-Prozession wir bereits zitiert hatten. Der Camino de Santiago taucht als Zentralmotiv auf in einem literarischen Kabinettstückchen gleichen Titels, dem Cuento „El camino de Santiago" aus dem Erzählband „Guerra del tiempo"/ "Krieg der Zeit" von 1956. 18 Held dieser knapp 40seitigen Erzählung, die wie Stangerups Roman im 16. Jahrhundert spielt, ist der historisch nachweisbare - Militärtrommler Juan de Amberes 19: Weil er fürchtet, von der in Antwerpen grassierenden Pest befallen zu sein, gelobt er, für seine Heilung nach Santiago zu pilgern. Kaum fühlt er sich besser, macht er sich auf den Weg. Carpentier beschreibt die ersten Etappen durch Frankreich sehr authentisch und anschaulich: "Über Frankreichs Pilgerstraßen zieht der Pilger. Er hat die Hände um den Pilgerstab gelegt, er trägt das Pilgerkleid, das durch die schön en, mit Riemen aufgenähten Muscheln geheiligt ist, dazu die Kürbisflasche, die nur Wasser aus dem Bach schöpft ... In Tours gesellen sich zwei Pilger aus Deutschland zu ihm, mit denen er in Zeichen spricht. Im Hospital Saint-Hilaire in Poitiers trifft er auf weitere zwanzig Pilger, und es ist schon ein Trupp, der die Wanderung ... fortsetzt und nun, die Stoppeln auf den Kornfeldern hinter sich lassend , auf reife Weinstöcke trifft. Hier ist noch Sommer, obwohl schon die Herbsternten eingebracht werden. Die Sonne verweilt über den Pinienkronen, die immer dichter werden, und zwischen ein paar im Vorübergehen abgepflückten Trauben und den Mittagsrasten , die der duftenden Kräuter und des kühlen Schattens wegen von Mal zu Mal länger werden, fangen die Pilger zu singen an. Die Franzosen erinnern sich in ihren Liedern all der guten Dinge, auf die sie verzichtet haben, um die Saint Jacques abgelegten Gelübde zu edüllen; die Deutschen singen mit rauher Kehle ein paar teutsche Brocken, in denen kaum das Herre Sanctiagu! Gott Sanctiagu! herauszuhören ist. Und als die Flamen, die besser miteinander harmonieren, eine Hymne anstimmen, schmücktJuan sie bereits mit Gesängen eigener Edindung aus: ,Soldate Christi, mit heiligen Gebeten , alle beschützt du vor großen Nöten'." 20 17 Vgl. HUHLE(wie Anm. 3). 18 Alejo CARPENTIER, Guerra de! tiempo (1973) S. 9-54; dt.: Krieg der Zeit (1979) S. 9-43 . 19 Vgl. Sharon MAGNARELLI, "EICamino de Santiago" y la Picaresca,Revista Iberoamericana 40 (1974) S. 65-86 . 20 CARPENTIER S. 15 f. <?page no="247"?> Titelscan.indd 247 Titelscan.indd 247 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Santiago, Heiliger zweier Welten 235 Doch nicht nur die Rasten werden länger, allmählich erlahmt aller Eifer unseres Pilgers, beginnt er doch daran zu zweifeln, daß er überhaupt an der Pest erkrankt gewesen war. In Bayonne genehmigt er sich Wein statt Wasser in seiner Flasche, später dann gar Branntwein, und in Burgos läßt er sich endgültig vom rechten Weg abbringen und sich vom Werben eines „Indianers", also eines spanischen Indienfahrers, verlocken. "Er sagt es jetzt jedem, der es hören will, er komme von dorther zurück, wo er doch niemals gewesen ist" 21, und wendet sich nicht nach Santiago, sondern nach Sevilla. Nun führt ihn seine nicht mehr ganz so fromme Reise über den Atlantik nach Havanna, wo er feststellen muß, daß der vielgepriesene Reichtum, den ein jeder in der „Neuen Welt" finden könne, für ihn unerreichbar bleibt. Nach einer Messerstecherei flieht er in unbewohnte Gegenden und findet Aufnahme in die Gemeinschaft von anderen „Entsprungenen" und Verfolgten : ein flüchtiger schwarzer Sklave, ein verfolgter Calvinist, ein zwangschristianisierter Jude und kubanische Indigenas. Trotz des idyllischen einfachen Lebens dieser Gemeinschaft der Ausgestoßenen packt Juan das Heimweh, und folgender Traum erinnert ihn an sein Gelübde: "Vor seiner Hängematte erhebt sich plötzlich, mit Türmen, die bis in den Himmel reichen, die Kathedrale von Compostela. So hoch ragen sie in seinem Delirium auf, daß die Glockenstühle sich in den Wolken verlieren, weit über den Aasgeiern, die, ohne die Flügel zu bewegen, sich von der Luft tragen lassen und gleich schwarzen Kreuzen als düstere Vorzeichen in den Wassern des Firmaments schwimmen. Über dem Portico de la Gloria ist die Milchstraße, obwohl es Mittag ist, so strahlend weiß hingebreitet, daß der Weg nach Santiago wie eine Decke auf dem Tisch der Engel aussieht. Juan erblickt sich selbst als einen anderen. Von da, wo er ist, kann er zusehen, wie er sich, in das Pilgergewand mit den Muscheln gekleidet, allein, merkwürdig allein in der Pilgerstadt der heiligen Basilika nähert und den Stab auf die grauen Steinstufen setzt. Aber die pforten sind ihm verschlossen. Er möchte eintreten und kann nicht. Er ruft und wird nicht gehört. Juan der Pilger wirft sich zu Boden, betet, stöhnt, kratzt das heilige Holz, windet sich wie ein Besessenerbei der Teufelsaustreibung,flehend, daß man ihn einlasse.,Santiago! ' schluchzt er. ,Santiago! "' 22 Tatsächlich kann Juan mit einigen Gefährten seiner Gemeinschaft auf einem verirrten Schiff zurück gen Spanien segeln, und schon hat sie das Klima der Inquisition wieder: der „Marrane" wird noch an Bord als Jude entdeckt und mißhandelt, der Calvinist gefangengesetzt. Das Ende dieser flott erzählten Geschichte läßt Carpentier, wie er es liebt, ins Irreale münden. Trotz bester Vorsätze verliert J uan auch in Spanien wieder den Weg nach Santiago aus den Augen und wendet sich im offenen Schluß erneut nach Amerika. Juans Traumvision sollte sich bewahrheiten: nie findet er Einlaß in die Kathedrale von Santiago. Juan, der Pilger, und Juan, der Indianer, der nun selbst wieder 21 Ebd. S. 22. 22 Ebd. S. 35f. <?page no="248"?> Titelscan.indd 248 Titelscan.indd 248 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 236 Annegret Langenhorst Amerikafahrer wirbt, verschmelzen schließlich zu einer Doppel-Person, einer wahren Gaunergestalt, über die selbst die Jungfrau „die Brauen runzelt"23. Zwei Stimmen erklingen am Ende der Erzählung: die eine gehört Beelzebub, der als Blinder verkleidet Coplas auf die Reichtümer Amerikas singt und sich somit als letztlich treibende Kraft der Conquista und als Ver- FührerJuans vom Weg der Buße herausstellt; die andere Stimme aber ist die von Santiago höchstpersönlich, welcher die Jungfrau beschwichtigt: "Laß sie nur, Herrin', sagtJakob, Sohn des Zebedäusund der Salome,in Gedanken an die hundert neuen Städte, die er diesen und ähnlichen Spitzbuben verdankt. ,Laß sie nur, denn mit der Reise nach drüben erfüllen sie ihr Gelübde an mich.'" 24 Ausnahmsweise stoßen wir hier einmal nicht auf den strafenden, sondern auf einen gutmütigen Santiago, der milde über die gebrochenen Gelübde hinwegsieht und also das Treiben der spanischen Amerikafahrer sanktioniert. Viel ließe sich sagen über diese Erzählung und ihren Grundton milder Ironie: Nach der Interpretation von Heinz Klüppelholz wird in ihr die fragwürdige Überwindung des Mittelalters in der Alten Welt durch die Conquista der vermeintlich neuzeitlichen Neuen Welt raffiniert aufgezeigt. 25Geschickt kontrastiert Carpentier die beiden Welten und ihre unerfüllten Sehnsüchte: Hier, in der Alten Welt, die Suche nach jenseitigem Heil durch Praktiken mittelalterlicher Volksreligiosität wie etwa der Santiago-Pilgerschaft, hier auch der brutale Geist der Inquisition und religiöser Repression; dort, in der Neuen Welt hingegen, die Suche nach diesseitigem, recht materiellem Heil, daneben das Aufscheinen eines friedfertig-christlichen Zusammenlebens in der Gemeinschaft der Marginalisierten. Der heilige Jakob jedenfalls duldet es, daß der fromme „Camino de Santiago" durch die säkulare „Carrera de las Indias" ersetzt wird, weiß er doch, daß er in beiden Welten als Heiliger präsent sein kann. 4. Ausblick literarischer Niederschlag des Pilgerbooms Am Ende unserer Spurensuche nach der literarischen Santiago-Rezeption sei in aller Kürze auf ein einleuchtendes Phänomen hingewiesen: Die rasante Renaissance, ja die geradezu boomende Wiederentdeckung des Pilgerwegs nach Santiago, die sich in der jüngsten Zeit abzeichnet, schlägt sich motivisch auch in der Gegenwartsliteratur nieder - und zwar keineswegs nur im spanischen Sprachraum. Der in den letzten Jahren so bekannt gewordene nie- 23 Ebd. S. 42. 24 Ebd. S. 43 25 Heinz KLOPPELHOLZ, DiefragwürdigeÜberwindungdesMittelaltersdurch die Conquista.Zu AlejoCarpentiers„EICaminode Santiago",Iberoamericana 12. Jg., Nr. 1 (33) (1988) s. 21-40. <?page no="249"?> Titelscan.indd 249 Titelscan.indd 249 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Santiago, Heiliger zweier Welten 237 derländische Autor Cees Nooteboom c: -1933) legt nicht nur seine großartige Essaysammlung über Spanien als „Umweg nach Santiago" an, so der Titel des 1992 erschienenen und inzwischen bereits mehrfach aufgelegten Werks. 26 Er läßt auch in seinem herausragenden Roman „Die folgende Geschichte" von 1991 als Nebenfigur einen italienischen Benediktiner auftreten, der nach dreimonatiger Pilgerschaft schon in der Stadt Santiago angekommen, tödlich verunglückt. Getrieben war dieser Pater Fermi von der ihn faszinierenden Vision des Handabdrucks in der Säule am Hauptportal der Kathedrale. Er fragt sich: "Wie es möglich sei, daß eine Hand, mit der man den Marmor einer Säule berühre, den winzigsten Teil Marmor mitnehme, mikroskopisch, unsichtbar klein, und wie all diese Hände in all diesen Jahrhunderten durch die unablässig wiederholte Handlung eine Hand skulptiert hätten, die nun gerade nicht existierte. Wie lange würde es dauern, wenn man so etwas allein tun müßte? Vielleicht zehntausend Jahre! " 27 Als letztes belletristisches Beispiel jüngsten Datums sei der Roman „Therapy" des Briten David Lodge c: -1935) aus dem Jahr 1995 abschließend erwähnt. Auch hier begibt sich der Protagonist, der Mittfünfziger Tubby Passmore, in einer Lebenskrise zuerst in die Behandlung diverser Therapeuten, dann aber auf der Suche nach einer ehemaligen katholischen! - Geliebten auf den Camino de Santiago, welchen jene Frau gerade entlangwandert. Der Katholik Lodge bedient sich der distanzierten Perspektive des nichtgläubigen Protagonisten, der sich der Faszination des Camino nicht entziehen kann, obwohl er ihn mit seiner Luxuslimousine abfährt und keinerlei religiöse Ambitionen aufbringt. Köstlich beobachtet Lodge das heterogene Spektrum •der Santiago-Pilger im Ausgang des 20. Jahrhunderts -vom suchenden Beter über den eigenbrötlerischen Grübler, von Architektur-Freaks über freiheitssuchende Jugendliche bis hin zur Mountainbike-Mannschaft aus den Niederlanden. Über Santiago selbst urteilt Lodge mit seiner typischen Ironie: „Die Spanier dürften wohl in einige Verlegenheit geraten, sollte die Political Correctness je hier Einzug halten. " 28 Unabhängig von diesem Phänomen des Santiago-Booms jedoch konnten wir sehen, daß die hispanoamerikanische Literatur den Apostel Santiago fast immer im Zusammenhang der Conquista aufgreift: sei es vorherrschend als Mataindios, oder aber alternativ als gutmütigen Heiligen der Alten wie der Neuen Welt, so bei Carpentier. Dem Europäer Stangerup blieb es vorbehalten, mit der historischen Figur Jakobs des Dänen einen oppositionellen Santiago in den Kontext der Conquista hineinzuschreiben . Die Am- 26 Cees NooTEBOOM, Der Umweg nach Santiago ( 4 1993). 27 Cees NooTEBOOM, Die folgende Geschichte (51991)S. 141. 28 David LODGE, Therapy. A Novel (1995)S. 289 (eigene Übersetzung; noch 1995ist bei Haffmanns auch eine deutsche Erstausgabe des Romans unter dem Titel „Therapie" erschienen) . <?page no="250"?> Titelscan.indd 250 Titelscan.indd 250 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 238 Annegret Langenhorst bivalenz Jakobs, des Apostels, des Pilgers und des Kriegers, mit der sich ein jeder Jakobs-Verehrer und Pilger auseinanderzusetzen hat, läßt den Apostel konsequenterweise auch in der Literatur zur schillernden, zwiespältigen Figur werden. Resumen: La literatura contemporanea nos muestra la ambigüedad de la figura de Santiago. En la literatura hispanoamericana el ap6stol Santiago aparece casi siempre en el contexto hist6rico de la conquista espaiiola. La mayorfa de los escritores modernos, por ejemplo Eduardo Galeano, Miguel Angel Asturias, Luis E. Valcarcel o Ernesto Cardenal, utilizan su nombre como cifra y sfmbolo de la cruel invasi6n, fisica y espiritual. EI mata-moros, importado de la Espafia de la Reconquista, se hace el mata-indios en el „Nuevo Mundo" . En dos textos, en cambio, se encuentra la otra cara de Santiago. En la excelente novela "Fray Jacobo el danes o el viaje al parafso", el escritor danes Henrik Stangerup entiende al ap6stol Santiago como patr6n de una evangelizaci6n inculturada. Tanto el protagonista de aquella novela, un franciscano del siglo XVI, como el soldado Juan de Amberes del cuento „EI camino de Santiago" del cubano Alejo Carpentier dejan el Camino de Santiago para eligir la Carrera de las Indias. Los dos autores esbozan un santo con rasgos humanos y bondadosos. Por supuesto, tambien existen huellas literarias recientes del „boom" actual del Camino de Santiago, como en la obra del ingles David Lodge o del holandes Cees Nooteboom. <?page no="251"?> Titelscan.indd 251 Titelscan.indd 251 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 J akobus in der fränkischen Literatur ERIK SODER VON GüLDENSTUBBE Der „wahre Jakob" Unser Thema verlangt schon im Titel drei Klärungen der Begriffe. Die erste ist die häufig ironisierende, nichts destoweniger gar nicht leicht zu beantwortende Frage nach dem gemeinten, dem „Wahren Jakob". Natürlich werden die Meisten von Ihnen jetzt antworten, wir meinen den Apostel Jakob und weil es deren zwei gab, schieben Sie nach, "den Älteren" oder -wie die Lateiner sagen - Jacobus Maior. „Sehe ich denn aus wie ein Mädchenverfolger, alter Jakob? fragte lächelnd der junge Mann". Diese Frage steht in der Erzählung „Die zwölf Apostel", verfaßt 1865 von Friederike Christiane John aus dem thüringischen Arnstadt, die unter dem Schriftstellernamen Eugenie Marlitt bekannt wurde, eine Wahlfränkin, die mehrere Jahre im Hohenlohischen, im Schloß Friedrichsruh, bei der Fürstin Mathilde von Hohenlohe-Oehringen gelebt hatte. Der hier zitierte „alte Jakob" hat mit unserem nicht viel mehr als den Namen gemeinsam . Auch die „zwölf Apostel" spielen in dieser bescheidenen Novelle nur als sagenhafte goldene Figuren eine titelgebende, keineswegs aber dominierende Rolle 1• Näher kommen wir literarisch den Aposteln vielleicht in einem Werk des gebürtigen, später exilierten und hier nie ganz rezipierten, geschweige denn akzeptierten Würzburgers: Leonhard Frank. In dessen Werk „Die Jünger Jesu" stehen Sätze wie diese: „So sitzt irgendwo auf der Welt der Heimatlose, für den es aus tausend und einem Grund keinen Halt und keinen Weg mehr gibt ...". "Die Jünger Jesu waren versammelt . Der älteste, der Sohn eines Gastwirts, war vierzehn, der jüngste zwölf ... . Schließlich ertönte die feierliche Stimme [des] Petrus, des Vierzehnjährigen: ,Wir, die Jünger Jesu, Vollstrekker der Gerechtigkeit, nehmen von den Reichen, die alles haben und geben es den Armen, die nichts haben'. E. MARLITI, Die zwölf Apostel, mit einem Nachwort von K. MAESS Qena 1990). - Der obenstehende Text stellt die erweiterte und mit Fußnoten versehene Fassung eines Vortrages von 1996 dar. <?page no="252"?> Titelscan.indd 252 Titelscan.indd 252 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 240 Erik Soder von Güldenstubbe Was hier von einem Knabenbund im eben zerbombten und ausgebluteten Würzburg erzählt wird, könnte an Robin Hood und seine fröhlichen Gesellen erinnern und es fehlen bei Leonhard Frank auch nicht burleske und sarkastische Züge . Aber da ist u. a. die Rede von einem Orangendiebstahl in den eigenen Re ihen : "Erst jetzt wandte Bartholomäus sich um zum Regal und sagte erstaunt: ,Als ich heut' abend in den Keller kam, war sie noch da' . Plötz lich, da alle ihn ansahen, standen Tränen in seinen Augen. Da griff der Jünger Jakobus, ... in die Tasche und zog die Orange heraus. Er sagte tonlos : ,Ich hab ' sie meiner Schwester versprochen, und da hab' ich sie halt genommen, weil sie noch nie eine gesehen hat ' . Jakobus war durch Unterernährung körperlich zurückgeblieben . Das größte in seinem winzigen Wachsgesicht waren seine Augen ... Petrus wußte nicht, warum er fragte : ,Wie alt ist deine Schwester, Jünger Jakobus? ' ,Fünf! ' 2 In ganz andere Tiefen des Menschseins führt Leonhard Frank mit seinem "Jakobus", als die eingangs zitierte Eugenie Marlitt. Ganz müßig ist die Frage nach dem gemeintenJakobus auch in der fränkischen Dichtung aus der Barockzeit für viele Zeitgenossen heute sicher nicht. Der Nürnberger Patriziersproß Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658) fügt in der letzten Strophe seiner Umdichtungvon „Magnificat" den Namen Jakob ein: "Er hat sich angenommen, Israels, seines Knechts, er d enkt an alle Frommen und seines Gnadenrechts; was er hat Abraham versprochen und den Alten, das will er nunmehr halten und helfen Jakobs Stamm! " 3 Und denselbenJakobus, den Stammvater der zwölf Stämme Israels, den wir vor allem aus dem 1. Buch des Mosche kennen, dem Buch Genesis im Alten od er Ersten Testament, den meint auch eines der vielen Schuldramen , das die Jesuiten aufführten. Das hier Anzusprechende kam am 15. August , dem Festtag von Mariae Aufnahme in den Himmel, 1719 in Würzburg zur Aufführung und handelte am biblischen Gleichnis von der Gnadenwahl Gottes: „Jakob, durch Rebeccam anstatt des Esau gesegnet, durch Mariam zur Erbschaft der göttlichen Gnade auff- und angenommen" . 4 2 L. FRANK, Gesammelte Werke, 2. Bd.: Von drei Millionen drei; Die Jünger Jesu (Berlin 1957), s. 163, 167f., 176. G . Ph . HARSDÖRFFER, hier zitiert im Abschnitt „Protestantische Mariendichtung" (Deutsche Mariendichtung aus neun Jahrhunderten, hg. und erläutert von E . HAUFE, Frankfurt / M. 1989), S. 227-229, hier S. 229. 4 A . MEYER, Vier Jahrhunderte Würzburger Theater, Würzburg 66 ( 2 1966), S. 3-14, hier S. 4. <?page no="253"?> Titelscan.indd 253 Titelscan.indd 253 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Jakobus in der fränkischen Literatur 241 So sah die alte Theologie das Alte Testament im Neuen erfüllt, und so verbanden die gottgelehrten Autoren solcher barocker Dramen den Patriarchen Jakob mit Jesus Christus und seinen Jüngern. Der 1924 in Würzburg geborene Dichter Jehuda Amichai5, der mit elf Jahren nach Israel auswanderte, übertitelt einen seiner Gedichtsbände mit dem alten Spruch: "Wie schön sind deine Zelte,Jakob ." 6 Hier steht „Jakob" als Personifikation von Israel, den neuen Namen, den der Stammvater Jakob nach seinem nächtlichen Kampf mit dem unbekannten Gott an der Jabbokfurt erhielt (Gen 32, 23-33). Blicken wir in den Handschriftenkatalog des Würzburger Schottenklosters, über das Robert Plötz 7 und jüngst Elmar Hochholzer 8 publiziert haben, in diesen Handschriftenkatalog also, den der allzu früh verstorbene Hans Thurn erstellt hat9, so finden wir darin zwar einige „Jacobi", den Jakob von Benevent mit seinem „Viridarium consolationis", denJakobus von Jüterbog, den Kartäuser, mit seinem „Colloquium hominis ad animam suam", denJakobus de Cessolis mit dem Werk „Speculum aureum anime peccatricis", den Jakobus de Losanna, mit dem „Tractatus de corpore Christi" und seinem „Sermo ad inpetrandam pluvium", einen Augustinereremiten Jakobus mit der „Passio Jordani", einen „Jakobus subdiaconus apostolicus" mit einer Trauerrede auf den KardinalJulian, schließlich die weitverbreitete „Legenda aurea" des Jacobus de Voragine 10• Das alles gibt zwar einen kleinen Begriff vom kulturellen Stand der irischen Benediktiner im Frankenland, v. a. von denen, die im St. Jakobs-Kloster wirkten, aber eine ausgeprägte Verehrung ihres Hauspatrons zeigt sich in diesen Handschriften nicht, wenngleich die Einbände dieser Abteibibliothek heute noch den Pilgerpatron zeigen. Selbst die Dichter in St. Jakob haben zumindest soweit ihre Werke erhalten blie- 5 Yehuda Amichai wurde am 3.5.1924 in Würzburg mit dem deutschsprachigen Namen Ludwig Pfeuffer geboren, der 1981 den Kulturpreis seiner Geburtsstadt für sein weitgespanntes dichterisches Werk erhielt, das erst zum geringsten Teil ins Deutsche übersetzt ist, siehe: R . STRÄTZ, Biographisches Handbuch Würzburger Juden 1900-1945 mit einer wissenschaftlichen Einleitung von H . A. STRAUSS, 1. Teilband (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg, Bd. 41., hg. von U. WAGNER, Würzburg 1989), S. 57. 6 J. AMICHAI, Wie schön sind deine Zelte, Jakob. Gedichte aus dem Hebräischen. Übers. von A . STADLER, ausgewählt von S. WERLE,Nachwort von Chr. MECKEL(München/ Zürich 21992). 7 R. PLöTZ"1 Roer de corpore S. Jacobi Apostoli' (Würzburger Diözesan-Geschichtsblätter 40, 1978), S. 95-102. 8 E. HOCHHOLZER, Iren und „Schotten" in Würzburg, in: Kilian, aller Franken Patron. Aufsätze (Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur Nr . 19, München-Würzburg 1989), S. 229-345; DERS. , Das „Schottenkloster" St. Jakob in Würzburg und das Generalkapitel der irischen Benediktiner von 1479 (Würzburger Diozösangeschichtsblätter 51, 1989), S. 515-530 . 9 H . THURN,Handschriften aus benediktinischen Provenienzen I (Die Handschriften der Universitätsbibliothek Würzburg 2,1, Wiesbaden 1973). 10 Ebd., S. 219 . <?page no="254"?> Titelscan.indd 254 Titelscan.indd 254 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 242 Erik Soder von Güldenstubbe ben, ihm wenig Augenmerk geschenkt. Einzig Thomas Duff bringt im Todesjahr des großen Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn 1617 eine Ode auf das Jakobusfest, die er dem Oberhirten widmete 11 • Aber wenn in einer Sammelhandschrift des St. Jakobsklosters von 1510, zusammengestellt unter dem berühmten humanistischen Gelehrtenabt Johannes Trithemius, zu lesen ist: "Cum tua Tritemium lacerat vesamia, o Jakobe" 12, so bezieht sich diese Äußerung nicht auf unseren Apostel, sondern auf den Gelehrtenstreit um Jakob Wimpfeling, der auch in Würzburg Wellen schlug. Noch eine andere Seite der Geschichte wird aufgeschlagen, wenn wir lesen, daß der Rheinfranke Josef Görres in seiner Sturm- und Drangzeit ein begeistert-fanatischer „Jakobiner" war 13, er, der später zum überzeugten Christ und zum Liebhaber der Mystik wurde. Wieder ganz anders war das „Weihefestspiel", das der Kapuziner P. Severin Scharl vom Würzburger Käppele 1928 herausbrachte und den Titel trug: "Der Klausner von St. Jakob" 14 • Was bedeutet „fränkisch"? Sie sehen, das Spektrum ist weit. Wir werden unseren Blickwinkel aber bald stärker fokussieren. Zunächst aber müssen wir die vom Referatthema her gestellte zweite Frage wenigstens andeuten . Was soll hier das Eigenschaftswort „Fränkisch" bedeuten? Gewiß der Ausdruck kommt vom „Frankenreich" der Merowinger- und Karolingerzeit her und man kann auch noch gut von den „Rheinfranken" sprechen, wobei die Germanisten und Dialektforscher gerade jene niederrheinische Sprachfärbung meinen, wenn siez. B. von „niederfränkisch" reden. Nicht umsonst haben sich dazu im Gegensatz von solchen Westfranken die Reichsfürsten und Bischöfe von Würzburg jahrhundertelang Herzöge von Ostfranken „Dux Franconiae orientalis" betitelt, währenddessen ihnen das Dokument mit dem ihnen auf ihr Betreiben der Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa 1168 den Herzogstitel zuerkannte, vom „Dux Wirciburgensis" sprach. Freilich waren sich die Franken untereinander nie einig und der Herzog von Ostfranken blieb keineswegs der einzige Fürst über alle Franken. Die Alt-Bayern sehen heute häufig als „Franken" nur die Bewoh- 11 Ebd., S. 171; Universitätsbibliothek Würzburg M.ch. q . 62 fol. 25. 12 Ebd., S. 172. 13 G .-K. KALTENBRUNNER, Joseph Görres, Weisheitsliebender Kraft Feuers (G.-K . KAL- TENBRUNNER, Vom Geist Europas, 2. Bd .: Mutterland Abendland, Asendorf 1989), s. 262-287 . 14 Siehe: Würzburger Diözesanblatt 1928, S. 94. P. Severin ist am 28 .1.1871 in Garching geboren, als Wallfahrtsseelsorger auf dem Käppele in Würzburg, siehe: Schematismus der Diözese Würzburg 1928, 113; 1929, S. 111. <?page no="255"?> Titelscan.indd 255 Titelscan.indd 255 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Jakobus in der fränkischen Literatur 243 ner der drei nordbayerischen Regierungsbezirke Ober-, Mittel- und Unterfranken an. Doch ist das einerseits für die real existierenden Franken schon viel zu wenig differenziert behauptet, umfaßt andererseits aber viele Menschen, Kulturzentren und Sprachzonen nicht mehr, die mit mehr oder weniger Recht sich auch als fränkisch sehen wollen oder können: beispielsweise die Bewohner Südthüringens, bis zum sagenhaften Rennsteig, die trotz sächsischer und später preußischer Vorherrschaft sich vielfach immer noch als fränkisch-hennebergisch begreifen. Erst 1994 wurden katholischerseits die letzten thüringischen Gebiete vom Bistum Würzburg getrennt und dem wiedererrichteten Bistum Erfurt zugeschlagen. Im südlichen Hessen, besonders im fuldischen Raum, aber auch im Hanauischen und bei Schlüchtern wissen immer noch viele Menschen um ihre Verbundenheit mit dem Frankenland. Daneben wollen wir die Gebiete des heute Badischen und Württembergischen Franken nicht vergessen. Daraus erwächst aber die tieferschürfende Frage, wer „Franke" ist, diejenigen die hier geboren, ihr Brot aber in der Fremde suchten oder die, die irgendwo anders zur Welt kamen, aber oft länger schon in Franken und mit den Franken leben, als so mancher traditionslose Jüngling oder manche junge Frau mit tadellosem fränkischen Stammbaum. Hier sind und waren die Grenzen fließend . Der Genius loci Francorum weht wie der Geist Gottes, wo er will und ergreift die, die ihn ergreifen . Was heißt hier Literatur? Schließlich die dritte Frage unserer Thematik. Was wollen wir hier und heute unter „Literatur" verstehen? Gewiß denken die Meisten dabei an hohe und hehre Werke der Dichtkunst, andere haben eher eingängige Belletristik im Auge. In beiden Bereichen werden wir monographische Opera über St. Jakobus von und in Franken verfaßt, kaum finden. Müssen wir deshalb unsere Ausführungen mangels Masse jetzt schon beenden? Nein, wenn wir den Begriff der Literatur weiter fassen, wenn wir wissenschaftliche Bücher, Gebetstexte, Gedichte und Lieder mit einbeziehen und wenn uns die Mühe nicht zuviel wird, auf literarische „Stellensuche" zu gehen und auch Gelegenheitsfunden und Fragmenten Aufmerksamkeit zu schenken, ebenso den Inschriften auf Denkmälern, Votivbildern, Grabsteinen und Bildstöcken. Vertrauen wir also auch hier auf das Schriftwort: "Wer suchet, der findet". Da die fränkische Literatur bisher noch keinesfalls flächendeckend und für die letzten 1000 Jahre umfassend aufgearbeitet wurde, werden die folgenden Hinweise eher als „Appetitmacher" anzusehen sein, denn als erschöpfende Lexigraphie . Um aber doch eine gewisse Ordnung in die Fülle des allzu Disparaten zu bringen, werden wir drei Abschnitte bilden, in denen wir zunächst den Apo- <?page no="256"?> Titelscan.indd 256 Titelscan.indd 256 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 244 Erik Soder von Güldenstubbe stel J akobus den Älteren in den Blick nehmen, dann nach literarischen Spuren, die von Franken nach Spanien verweisen, forschen und schließlich den vom Pilgerziel zum Pilgerpatron gewordenen Apostel Christi und generell das auf ihn bezogene und von ihm wesentlich mitangeregte Wallfahrts- und Pilgerwesen andeuten, soweit es literarisch greifbar wurde. Abschließendes oder Vollständigkeit kann aber keineswegs in Anspruch genommen werden. Jakobus der Ältere in fränkischen Aufzeichnungen Wohl die früheste Nachricht, die uns in einer fränkischen Handschrift des 9. Jahrhunderts von St. Jakobus und seinem legendenumwitterten Grab im nordspanischen Galicien berichtet, ist das „Martyrologium" des gelehrten fuldischen Abtes Rabanus Maurus, der wegen seiner vielen didaktisch-katechetischen Schriften oft auch als „Praeceptor Germaniae", als erster Lehrer Deutschlands, betitelt wurde und später zum Erzbischof von Mainz aufstieg15.Dieser Eintrag zum Gedenktag des Heiligen am 25. Juli geht auf wenig ältere Martyrologien zurück, die im heutigen Frankreich zusammengestellt wurden und von dort aus nicht nur nach Fulda, sondern auch nach St. Gallen gelangten, von wo aus sie die Liturgie des Abendlandes, speziell auch die Frankens bereicherten. In vielen, hier nicht einzeln aufzuzählenden Kalendarien, Brevarien und anderen liturgischen Handbüchern, die in fränkischen Kathedralen, Stifts- und Klosterkirchen, aber auch in Dorf- und Stadtpfarreien im Gebrauch waren, finden sich in den folgenden Jahrhunderten nach Rabanus Aufzeichnungen Texte, die der Verehrung des hl. Apostels Jakobus gelten und von seinem Leben, seinen Missionen, von seiner Ermordung und von seiner Grablege und seinen, ihm zugeschriebenen Wundertaten berichteten. Von der literarischen Feier, Verkündigung und Praxis war es nur ein kleiner Schritt in die Erbauungsliteratur seit dem Spätmittelalter, in das Liedgut, das auch außerhalb der Gottesdienste gesungen wurde, der schließlich in Pilgerberichte etc. mündete. So kam es auch zu künstlerischen Darstellungen. Eines der ältesten Bilder von St. Jakob, das in Franken entstand, dürfte jene Miniatur sein, die um 1250 in einem Würzburger Psalter, heute in der Staatsbibliothek München liegend, zu finden ist16. Das Blatt zeigt den liturgischen Kalender des Monats Juli, mit dem Eintrag des Jakobusfestes und seiner Vigil sowie die volle Gestalt des Apostels mit dem seinen Namen tragenden Schriftband. 15 J. LEINWEBER, Die Santiago-Wallfahrt in ihren Auswirkungen auf das ehemalige Hochstift Fulda. Zur Frömmigkeits- und Kulturgeschichte im Mittelalter (Fuldaer Geschichtsblätter 52, 1976), S. 134-155, hier S. 135. 16 H. ENGELHART, Die Würzburger Buchmalerei im hohen Mittelalter. Untersuchungen zu einer Gruppe illuminierter Handschriften aus der Werkstatt der Würzburger Dominikanerbibel von 1246 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und des Hochstifts Würzburg 34, 1987), S. 393, Abb. Nr. 95. <?page no="257"?> Titelscan.indd 257 Titelscan.indd 257 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Jakobus in der fränkischen Literatur 245 Spätere epigraphische Texte bringt z. B. das Jakobusportrait von 1516, das der Nürnberger Albrecht Dürer malte und das sich heute in den Uffizien in Florenz befindet: "Sancte Jacobe ora pro nobis" lauten die Worte. Da als einzig erhaltenes Pendant dazu ein Dürer-Gemälde vom Apostel Philippus zu sehen ist, der in der Liturgie nach altrömischem Stations brauch mit Jakobus dem Jüngeren zusammen am selben Tag verehrt wird, könnten wir in dem erstgenannten Dürer'schen Gemälde diesen Jakobus vermuten, allerdings trägt auf dem Bild J akobus doch die typische Pilgermuschel an seinem Mantel, so daß wir wohl in ihm den Älteren sehen müssen. Wenig jünger ist das Antependium, das aus der Spitalskirche zu Karlstadt kommt und heute im Mainfränkischen Museum hängt. Auf diesem Textilbild steht über dem Pilgerpatron: "0 heiliger her Sant Jacob, bit Got für uns Amen 1519". Einige Bildstöcke mit Aufschrift wären hier zu nennen, so in Mömlingen aus dem Jahr 1626 oder in Hollstadt im Rhön-Grabfeldkreis von 1720 mit der Aufschrift: "Jacobe ora pro nobis". Es muß eigene Legenda-Texte gegeben haben. So erfahren wir aus dem Testament des Ansbacher Chorherren Georg Hutter am Stift St. Gumbert 1518, daß am Tag des „Sancti Jakobi apostoli maioris Compostellani" im Chor der Stiftskirche eine Darstellung der Historia St. Jacobi erfolgen sollte. Wir haben uns darunter eine szenische Lesung der Jakobuslegenden mit verteilten Rollen vorzustellen 17 • Vom Würzburger Dom und vom Chorherrenstift Haug wird uns ein ähnlicher Brauch berichtet, die „Historia S.Jacobi" an dessen Festtag vorzutragen, bzw. sind solche in die Brevierlesungen aufgenommen. Eine lateinische Sequenz zum Jakobusfest, also einen feierlichen Hymnus, der mit den Worten „Clare Sanctorum Senatus Apostolorum" begann, übersetzte 1529 Magister Christoph Flurheym aus Kitzingen in seinem deutschsprachigem „Meßbuch" mit "Frewe dich, du Braut Christi ... welcher Fest wird hewt begangen. Aus welchem SanctJakob inJudea und Sammaria durch Wunderzeychen hat viel zum Glauben gefürt" 18• Einern Theologen sei es verstattet, in diesem Zusammenhang wenigstens kurz auf die Fachliteratur hinzuweisen, die uns v. a. die Exegeten, Kirchenhistoriker und Liturgiewissenschaftler geschenkt haben. Aller christlicher Glaube, alle persönliche und gemeinschaftliche Frömmigkeit wird ja in er- 17 W. ENGEL, Die mittelalterlichen Seelbücher des Kollegiatstiftes St. Gumbert zu Ansbach, (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Hochstifts Würzburg 3, Würzburg 1950), S. 17, 36, 98-106. 18 Einzelbelege künftig in: E. SODERVON GüLDENSTUBBE, Jakobus im Bistum Würzburg. Verehrung in Liturgie, Kunst, Santiagopilgerschaft und Brauchtum (in Vorbereitung). <?page no="258"?> Titelscan.indd 258 Titelscan.indd 258 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 246 Erik Soder von Güldenstubbe ster Linie gespeist von den Schriften der biblischen Offenbarung und von der Überlieferung des Glaubens in Wort und Tat, die uns unsere Glaubensmütter und Kirchenväter weitergegeben haben. Natürlich können wir hier stellvertretend nur einige Namen nennen: Josef Schreiner, der von Haus aus zwar Exeget des Alten Testamentes ist, aber mehrfach uns den hl. Jakobus im Neuen Testament näherbringt. In seinem Meditationsbüchlein „Zu großen Gestalten des Glaubens, Heilige - Zeugen für unser Leben" 19 stellt er „Jakobus das große Mißverständnis" dar, wie die Zebedäussöhne beziehungsweise ihre Mutter danach verlangen, die ersten Plätze im Reiche Gottes einzunehmen. In dem Band, den der Kölner Weihbischof Josef G. Plöger und der Würzburger Professor Josef Schreiner 1982 herausbrachten 20 , stellen der Jesuit Norbert Lohfink „Jakob, auch Israel genannt", den alttestamentarischen Patriarchen und der Benediktiner aus Jerusalem, Bargil Pixner, "Jakobus den Herrenbruder" vor. Zum kanonischen Jakobusbrief sind beispielsweise die fränkischen Autoren Peter Schegg 21, Joseph Reuss sowie der Kommentar von Franz Mußner 22 zu nennen . Aufschlußreich zur Jakobusüberlieferung ist auch der jüngst erschienene gewichtige Kommentar, den der fuldische Hochschulprofessor Josef Zmijewski über die Apostelgeschichte herausgegeben hat 23 • Schließlich rn,pchte ich noch den Würzburger Professor für systematische Theologie, Walter Simonis, nennen, der in seinemJesusbuch 1985 auch interessante und bedenkenswerte Aussagen zu den Aposteln allgemein und speziell zu Jakobus macht 24 • Wichtig ist mir der Hinweis auf das biblische Fundament deshalb, weil mir gelegentlich scheint, daß Santiagopilger nicht immer recht wissen, was sie dort suchen und wen sie dort zu finden hoffen. Mehr in den Bereich der Besinnung und gemüthaften Vertiefung des Glaubenslebens zielen Bücher, wie die von Leo Weismantel aus Obersinn in 19 J. SCHREINER, Heilige - Zeugen für unser Leben. Meditationen zu großen Gestalten des Glaubens (Würzburg 1986), S. 47-55. 20 J. G. PLöGER/ J. SCHREINER (Hgg .), Heilige im Heiligen Land (Würzburg 1982), S. 140-152. 21 P. ScHEGG, Jakobus, der Bruder des Herrn. Eine Vorstudie zu seinem Briefe (München 1883); DERs.,Der katholische Brief des Jakobus (München 1883). 22 F. MusSNER,Der Jakobusbrief, Auslegung (Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament, hg. von A. WIKENHAUSER u . A. VöGTLE,Bd. XIII, Freiburg-Basel- Wien 1 1964); J. Rwss, Die katholischen Briefe (Echter-Bibel, Neues Testament, Würzburg), 1952. 23 J. ZMIJEWSKI, Die Apostelgeschichte, übersetzt und erklärt (Regensburger Neues Testament, hg. von J. EcKERTu. 0. KNOCH,Regensburg 1994). 24 W. S! MONIS, Jesus von Nazareth, seine Botschaft vom Reich Gottes und der Glaube der Urgemeinde, historisch-kritische Erhellung der Ursprünge des Christentums (Düsseldorf 1985). <?page no="259"?> Titelscan.indd 259 Titelscan.indd 259 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Jakobus in der fränkischen Literatur 247 der Rhön, besonders sein Legendenwerk „Der Heiligste der Heiligen und seine zwölf Boten" 25. Fast vergessen ist der fränkische Priester und Schriftsteller Leo Wolpert aus Albstadt bei Alzenau, der eines seiner vielen Bücher „In der Apostelschule" betitelt hatte, in dem er die Sonntagsepisteln des Kirchenjahres meditierte26. Als Motto stellte er eine Stelle aus dem Epheserbrief (Eph 2, 19f.) voran: "Ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, auf gebaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten. Der Haupteckstein aber ist Christus Jesus selber". Gerade das sollten wir bei aller Santiagobegeisterung nie vergessen. In Wolperts Buch „Von unseren lieben Heiligen" 27stellt er zwar nicht den ApostelJakobus, sondern den hl. Jakobus „den Büßer" vor, dessen Gedenktag nach dem alten Kirchenkalender auf den 24. April fiel. Der in Bamberg wirkende Franziskaner P. Viktor Krug veröffentlichte ein umfangreiches Werk über „Unsere Namenspatrone", in dem er neben den beiden Aposteln mit dem NamenJakobus auch noch den Franziskanerprediger und Seelsorger Jakobus von der Mark (Ancona in Italien) und den Seligen Jakob von Ulm darstellte, der mit Familiennamen Griesinger hieß, in Italien Dominikaner und ein bekannter Glasmaler wurde. Er starb 149128. Zu St. Jakobus dem Älteren vermerkt P. Viktor u . a. : "Der Sohn des Zebedäus und der Salome, wurde mit seinem Bruder Johannes vom Fischernachen aus zur Nachfolge J esu berufen. Auf der Stelle verließen sie ihr Gewerbe und ihre Familien und folgten ihrem Meister . Mit Petrus bildeten die beiden Brüder die drei vertrautesten Jünger des Herrn; sie allein waren Zeugen der Totenerweckung im Haus des Jairus, der Verklärung Christi auf Tabor und seiner Erniedrigung auf Gethsemane. Nach dem Pfingstfest soll Jakobus den Juden in Palästina gepredigt haben. Die Überlieferung der spanischen Kirche berichtet, daß er in Spanien die Botschaft des Heiles verkündet hat ..."29. Der Jesuit Dieter Böhler schrieb in dem Band, den der Würzburger Schriftsteller Georg Popp 1987 herausbrachte, über „Jakobus den Älteren - Der Donnersohn" 30• Die letzten Worte dieses Beitrags lauten: "Als erster der 25 L. WEISMANTEL, Die goldene Legende für die Jugend von heute. Bd. 1.: "Der Heiligste der Heiligen und seine zwölf Boten" (Würzburg 1947). Der 2. Band, der „Heilige in Deutschen Landen" behandelte, wurde in seiner 1. Auflage nach 1933 verboten und beschlagnahmt . 26 L. WOLPERT, In der Apostelschule. Lesungen in Anschluß an die Sonntagsepisteln (Freiburg / Br. 21934). 27 L. WoLPERT,Von unseren lieben Heiligen. Zweiundfünfzig Legendenbilder (Würzburg 1949), S. 54-57 . 28 V. KRUG,Unsere Namenspatrone. Ueber 1300 Heilige und Selige nach Name, Leben und Verehrung dem christlichen deutschen Volk dargestellt (Bamberg 1929), S. 224-227. 29 Ebd ., S. 224f. 30 G. PoPP (Hg.), Die Großen der Bibel (Stuttgart-Regensburg 1987), S. 202-207. <?page no="260"?> Titelscan.indd 260 Titelscan.indd 260 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 248 Erik Soder von Güldenstubbe Apostel wurde Jakobus im Jahre 42 enthauptet. So hatte Gott seinen geläuterten Eifer und seine Hingabe an erster Stelle angenommen" 31 • Über das Geschehen am Ölberg komponierte Johann Wolfgang Franz Pfister, ehemals Vikar im Chorherrenstift Neumünster, später Domvikar und -prediger in Bamberg, 1753 ein Oratorium, dessen Textbuch überschrieben ist mit: "Der in dem Garten Gethsemani seyn Leyden anfangende Heyland" 32• In alten fränkischen Andachtsbüchern gab es viele Gebete und Lieder zu den hl. Aposteln . Unser heutiges „Gotteslob" greift zwar auf neue Weise, besonders biblisch fundiert, immer wieder auf den ersten Jünger- und Jüngerinnenkreis um Jesus zurück, ignoriert aber weitgehend auch in seinen fränkischen diözesanen Anhängen die alten Texte. Jakobus kommt dabei nicht mehr eigens vor. Es sei noch hingewiesen auf fränkische Bearbeitungen vom sogenannten "Protoevangelium des Jakobus", das zwar eine außer kanonische Schrift darstellt, im Mittelalter aber hohe Achtung genoß und viel gelesen wurde 33 , auf das in der lnnsbrucker Universitätsbibliothek aufbewahrte und nach seinem heutigen Verwahrort benannte „Osterspiel", das vermutlich im Hennebergischen Frankenland, vielleicht in Schmalkalden. ca. 1320 während des Avignonesischen Exils entstanden ist 34 oder das Amorbacher MarienhimmelfahrtsspieP5, das nach älterer Vorlage um 1400 geschrieben wurde und nur noch fragmentarisch erhalten ist oder das Künzelsauer Fronleichnamsspiel, dessen Grundtext von 1479 stammt 36• In all diesen und manch anderen Werken kommen immer wieder Apostel vor, nicht zuletzt die Zebedäussöhne. Eingehendere Untersuchungen wären auch die noch viel zu wenig gehobenen Schätze der Nürnberger Meistersänger und Schwankdichter, von Rosenblüt, Falz, Hans Sachs oder Jakob Ayrer wert. Reisende, Wanderer, Pilger spielen im Werk des Justinus Kerner (1786-1862), einer der eigenwilligsten Köpfe der schwäbischen Dichterschule, Arzt und Dichter, Schriftsteller und Spiritist, eine große Rolle . Da er seit 1819 in Weinsberg lebte, das seit dem 8. Jahrhundert zum Würzburger Bistum gehörte und sich auch heute noch als „fränkisch" empfindet, dürfen wir ihn vielleicht auch hier 3t Ebd., S. 202-207 . 32 E . F. SCHMID, Musik am Hofe der Fürsten von Löwenstein-Wertheim-Freudenberg 1720-1750 (Mainfränkische Hefte 16, Würzburg 1953), S. 13; Ms. UBW Rp. XV 34; vgl. 0. KAUL,Geschichte der Würzburger Hofmusik im 18. Jahrhundert (Würzburg 1924),S . 74. 33 Vgl. A. MOSER, Bibel- und Legendenepik des deutschen Mittelalters (Grundlagen der Germanistik 19, Berlin 1976), S. 88. 34 Vgl. D . BRETI-EVANS, Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach (Grundlagen der Germanistik 15 I, Berlin 1975), S. 113-116. 35 DERS.,Von Hrotsvit bis Folz und Gengenbach, Teil 2 (Grundlagen der Germanistik 18, Berlin 1975), S. 26f. 36 D . BRETT-EVANS, Von Hrotsvit (wie Anm . 34), S. 74-78 . <?page no="261"?> Titelscan.indd 261 Titelscan.indd 261 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Jakobus in der fränkischen Literatur 249 nennen 37 • Der fränkische Schriftsteller und Bibliothekar Hermann Gerstner sei nicht vergessen, hier besonders mit seinen Biblischen Legenden 38 , von jüngeren Poeten ganz zu schweigen, die fern von der Feierlichkeit und Formkraft zum Teil auch der Betulichkeit der Älteren ihre oft angreifenden, zupackenden Texte in neuer Weise gestalten, wenn sie in der Sprache unserer Zeit von Aposteln sprechen. Pilger in fränkischen Forschungen und Veröffentlichungen Auch hier sollen stellvertretend für viele andere einige Wissenschaftler stehen: Josef Dünninger, der Altmeister der Volkskunde in Franken, ist zu nennen mit seinem schmalen Heft „Pilger und Walleute in Franken" 39• Darin brachte Dün: ninger einige Quellen heraus, die in anderen Zusammenhängen und von anderen Forschern der Folgezeit näher bekannt gemacht wurden. Als ersten für unser Thema einschlägigen Text publizierte Dünninger den Bericht des Sebald Rieter aus Nürnberg über seinen Zug nach Santiago im Jahre 1462, nicht ohne darauf hinzuweisen, daß dieser Sebald bereits in einer Generationsfolge von Fernpilgern seiner Familie stand, als erster wird Hans Rieter genannt, der 1384 nach Jerusalem reiste ebenso wie Peter Rieter 1436. Dessen Sohn Sebald zog 1462, im Todesjahr seines Vaters Peter, nach Santiago und 1464 gleichfalls wie die Vorfahren nach Jerusalem. Ein späterer Nachfahre, Hans Rieter (1564-1626) edierte die Reiseaufzeichnungen, die er in der Familie vorfand 40 • In Dünningers Heft wird auch der Brief eines anderen Nürnberger Bürgersohnes zitiert namens Stefan Seussinger des Jüngeren, der seine geplante Pilgerreise nach Santiago erst mit dem Besuch zweier nordfränkischer Wallfahrtsorte einleiten will, 1521 reist er von Nürnberg aus nach Grimmenthal, einer damals aufblühenden Marienkultstätte im Hennebergischen bei Meiningen und von dort aus über Fulda und Frankfurt, um „auf die fahrt zu dem heiligen Zwölfboten Sannd Jacob" zu ziehen, wie er selbst schreibt. Auf diesem Wege wurde er unfreiwilliges Opfer einer Fehde, die Mangold von Eberstein gegen die Heimatstadt Seussingers, also Nürnberg, führte. Stefan Seussinger wird von dem Ritter, der die Rechte der beiden Nürnberger Frauen Agatha und Helena Odheimer mit Waffengewalt durchsetzen wollte, ergriffen und in dessen Burg Brandenstein bei Schlüchtern festgesetzt. In dem 37 Vgl. G.-K . KALTENBRUNNER, Justinus Kerner, Geisterseher, Melancholiker und Humorist aus Schwaben (DERs., Vom Geist Europas . Landschaften - Gestalten - Ideen, Asendorf 1987), S. 259-269. 38 H. GERSTNER, Das Auge des Herrn. Biblische Legenden (Würzburg 1963). 39 J. DüNNINGER(Hg.), Pilger und Walleute in Franken (Würzburg o. J. [ca. 1964]). 40 J . DüNNINGER,ebd., S. 8-10, zitiert nach: Das Reisetagebuch der Familie Rieter (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 168, hg. von R. RöHRICHT und H. MEISNER, Tübingen 1884). <?page no="262"?> Titelscan.indd 262 Titelscan.indd 262 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 250 Erik Soder von Güldenstubbe Brief bittet der verhinderte Santiagopilger seine Eltern flehentlich um Auslösung aus der harten Haft: "Ich bit euch bayde umb Gots willen und des heiligen Zwölfboten Sannd Jacobs, Ir wollet mich yetzund nit lassen in meinen grossen Nöten und Leyden ..." 41• Eine dritte, für uns einschlägige Episode publizierte Josef Dünninger aus einem Werk des Würzburger Weihbischofs Dr. theol. Eucharius Sang aus Mellrichstadt, das den Titel trägt: "Der Alerseeligsten Jungfrawen Mariae alte und neue zu Dettelbach geschehene Wunderzeichen", dessen lateinische Originalfassung durch den Würzburger Ratsschreiber Johann Vietor ins Deutsche übersetzt worden war 42• Sie werden sich vielleicht wundern, was ein altes Mirakelbuch über die berühmte Dettelbacher Marienwallfahrt mit unserem Thema zu tun haben mag, aber gemach. Josef Dünninger übertitelt den Textauszug aus Sangs Buch so: "Santiagopilger aus Karlstadt verloben sich nach Dettelbach" 43 • Der fromme Weihbischof berichtet darin von drei Männern aus Karlstadt am Main, die 1507 mit „Andacht und gottseeligem Eyfer" eine Wallfahrt zum „Heyligthumb deß Apostels Jacobi, welchen Herodes ... ehrvergessener Weise [hat] hinrichten lassen, nicht ohne der Dämonenfurcht seiner eigenen Zeit Ausdruck zu geben, daß nämlich durch die Berührung des „Schweißtüchleins" des hl. Apostels diejenigen befreit würden, die „durch teufflische Schwartzkunst gebunden" wären und durch den Stab des Apostels „des Teufels Gewalt ist zerbrochen worden. Und ruffen denjenigen bey Gott dem Allmächtigen umb Fürbitt an, welchen unser Heyland zu sich genommen, als er uff dem Oelberg seinen Vatter zu bitten, entwichen ist". Auf der Rückreise, die die Karlstädter auf dem Seewege antraten, seien sie durch einen schrecklichen Sturm so geängstigt worden, daß sie den Meeresstern, also die Muttergottes, unter welchem Bildwort sie in der Lauretanischen Litanei genannt ist, um ihre Fürsprache bei Gott anriefen und versprachen, nach Rettung aus der Not eine Dankwallfahrt nach Dettelbach zu unternehmen. Die Inschrift einer Votivtafel erinnert in Dettelbach heute noch daran 44• Das Gemälde wird auf ca. 1660 datiert, der Text ist kürzer als der des von Teufelsfurcht geplagten Weihbischofs Sang. Etwas älter als der Volkskundler Josef Dünninger war der Würzburger Romanist Adalbert Hämel, der sich mehrfach mit der mittelalterlichen Santiagoüberlieferung beschäftigte, v. a. mit dem sogenannten Pseudoturpin. Wie 41 J. DONNINGER(Hg.), Pilger (wie Anm. 39), S. 1lf., zitiert nach: L. F. v. EBERSTEIN, Fehde Mangolds von Eberstein zum Brandenstein gegen die Reichsstadt Nürnberg 1516-1522 (Dresden 2 1879), S. 47f. 42 Veröffentlicht wurde das zitierte Werk des Eucharius Sang in Würzburg 1607, gedruckt bei Georg Fleischmann . 43 J. DüNNINGER(Hg .), Pilger (wie Anm. 39), S. 12-14. 44 H . SCHNELL, Dettelbach am Main. Wallfahrtskirche (Kleiner Kunstführer 679, München-Zürich 3 1975), S. 14: Foto der Votivtafel. <?page no="263"?> Titelscan.indd 263 Titelscan.indd 263 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 jakobus in der fränkischen Literatur 251 Sie wissen, handelt es sich bei Turpin um die Verballhornung des Namens Tilpin, des 794 verstorbenen Erzbischofs von Reims, der um 1150 von einem anonymen Schriftsteller zum Verfasser einer „Historia Karoli Magni et Rotholandi", einer Geschichte Karls des Großen und von Roland und deren sagenhafter Kämpfe in Spanien 45 gemacht wurde. Hämel, dessen Gemahlin Angela gleichfalls eine begabte Schriftstellerin und Wissenschaftlerin war, hat sichwie gesagt mehrfach mit dem "Liber Sancti Jacobi„ und dem fränkischen Santiagoreisenden Hieronymus Müntzer und dem „Turpin" beschäftigt. Durch das Bombardement Würzburgs oder vielleicht erst nach seinem Tode ging anscheinend viel von seinen Materialsammlungen verloren 46• Die im 12. Jahrhundert verstärkt erblühende Verehrung Karls des Großen bildete einen Gutteil der Motivation zu solchen Werken wie dem, das Erzbischof Tilpin zugeschrieben worden war. Zum Höhepunkt gelangten die Betreiber des Karlskultes in der Regierungszeit des Kaisers Friedrich I. Barbarossa, der durch den von ihm erhobenen Gegenpapst Karl den Großen 1165 kanonisieren ließ. Auch in Franken fand dieser Kult viele Befürworter und wir können annehmen, daß die Würzburger, aber auch die Nürnberger und andere Franken, bei der starken Präsenz der Staufer hierzulande entsprechend von der Verquickung des Karlsmythos mit dem Jakobuskult begeistert Kenntnis genommen haben. Der langjährige Kanzler Barbarossas, Gottfried von Spitzenberg-Helfenstein, verfaßte wohl im kaiserlichen Auftrag - 1177 eine Rechtfertigung der Heiligsprechung Karls des Großen. Gottfried wurde bald danach Bischof von Würzburg. Neben Josef Dünninger und Adalbert Hämel dürfen wir einen dritten Wissenschaftler nicht vergessen, der in Nürnberg zur Welt kam, in Würzburg aber studierte, arbeitete und seine Gemahlin fand und lange in Spanien forschte: Robert Plötz, dessen vielfache Publikationen zu unserem Thema in dieser Publikation nicht einzeln vorgestellt werden müssen 47 • Er hat 45 W BuCHWALD, A. HOHLWEGu. 0 . PRINZ,Tusculum-Lexikon griechischer und lateinischer Autoren des Altertums und des Mittelalters (München-Zürich 3 1982), S. 813; vgl. H. -W. KLEIN,Karl der Große und Compostela (Jakobus-Studien 1, hg . von K. Herbers u . R . Plötz, Tübingen 1988), S. 133-148 . 46 Siehe Bemerkung von K. Herbers und R. Plötz bei der Würzburger Jahrestagung der Deutschen St. Jakobusgesellschaft sowie : A. HÄMEL, Aus der Geschichte der Pseudo- Turpin-Forschung (Romanische Forschungen 57, 1943), S. 229-245; DERS.,Überlieferung und Bedeutung des Liber Sancti J acobi und des Pseudo-Turpin (Sitzungsberichte der bayer. Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse H. 2, München 1950); DERS.,Aus dem Liber Sancti Jacobi des Kapitelsarchivs von Santiago de Compostela (Revue Hispanique 81, 1933), S. 378-392; DERS.,Der Pseudo-Turpin von Compostela, Aus dem Nachlaß hg . durch A. DEMANDACH(Sitzungsberichte, H. 1, München 1965); DERS., Hieronymus Münzer und der Pseudo-Turpin (Zeitschrift für romanische Philologie 54, 1934), S. 89-98. 47 Hier sei nur zitiert: R. PLöTZ,Santiago-peregrinat io und Jacobus-Kult mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Frankenlandes (Spanische Forschungen der Görres- Gesellschaft 1. 31, 1984), S. 24-135 . <?page no="264"?> Titelscan.indd 264 Titelscan.indd 264 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 252 Erik Soder von Güldenstubbe die Santiagoforschung auf eine neue breite, quellengesättigte Basis gestellt, und er hat viele andere angeregt. Für Franken im weiteren Sinn möchte ich noch nennen: Josef Leinweber, der allzu früh von uns gegangene fuldische Kirchenhistoriker, der 1976 einen für mich wegweisenden Aufsatz veröffentlicht hat 48 • Die stets eigenwillige „Querdenkerin", aber immer geistig anregende und Anstöße gebende Romanistin Friederike Hassauer, die 1982 schon für den Westdeutschen Rundfunk das Drehbuch eines Dokumentadilmes „Nach Santiago! Eine Pilgerreise am Ende der Welt" verfaßt hat, lebte im fränkischen Marktheidenfeld. Ihre in Siegen angenommene Habilitationsschrift erschien 1993 unter dem Titel: Santiago - Schrift - Körper - Raum - Reise . Eine medienhistorische Rekonstruktion 49 • Klaus Kniffki mit vielen Autoren ist zu nennen als Herausgeber des Buches „Jakobus in Franken" 50• Darin stehen u. a. viele neuzeitliche Pilgerberichte und Reflexionen. Manfred Zentgraf, der zusammen mit Gottfried Amendt 1987 eine große Fußwallfahrt nach Santiago unternommen hat, muß als Mitautor dieses Bandes, aber noch mehr als Redakteur der Mitgliederzeitschrift der „Fränkischen St. Jakobus-Gesellschaft Würzburg e. V." gewürdigt werden: "...Unterwegs im Zeichen der Muschel", inzwischen schon in der 19. Nummer erschienen. Viele weitere Namen wären noch zu nennen, sowohl im überregionalen Bereich Forschende, als auch Heimatkundler und Regionalgeschichtler, so Franz Warmuth, Peter Rücken oder alle Autoren des Bandes „Jakobus in Franken" 51• Erwähnt sei noch die Neuveröffentlichung, die auf eine Anregung von Pfarrer Paul Geißendörfer im mittelfränkischen Heilsbronn zurückgeht und 1995 vom Fränkischen Albverein als Wander- und Kulturführer herausgebracht wurde: "Auf dem Jakobusweg von Nürnberg über Heilsbronn nach Rothenburg o. d. T.". 48 J. LEINWEBER, Die Santiago-Wallfahrt (wie Anm. 15), S. 134-155. 49 Siehe auch: F.HASSAUER, Eine Straße durch die Zeit. Die mittelalterlichen Pilgerwege nach Santiago de Compostela (Epochenschwellen und Epochenstrukturen im Diskurs der Literatur- und Sprachhistorie, hg. von H. U. GUMBRECHT und U . LINK-HEER, Frankfurt 1985), S. 409-423. 5 ° K.-D . KNIFFKI (Hg .),Jakobus in Franken . Unterwegs im Zeichen der Muschel (Würzburg 1992). Die Autoren des Bandes „Jakobus in Franken": Weihbischof Helmut Bauer; Willigis Jäger OSB; Abt Emmanuel Jungclausen OSB; Elisabet Petersen; Robert Plätz; Wolfgang Schneider, Erik Soder v. Güldenstubbe, Josef Sudbrack S.J.; Paul- Ludwig Weinacht; Dietmar Willoweit; Manfred Zentgraf und viele fränkische Pilger. 51 Siehe: F.WARMUTH, 100Jahre Herz-Jesu-Pfarrei Bad Kissingen (Bad Kissingen 1984); DERS.,Geschichte des Dorfes und der Lokalkaplanei Üchtelhausen (Üchtelhausen 1986), mit einer katholischen Lokalkaplanei St. Jakobus . <?page no="265"?> Titelscan.indd 265 Titelscan.indd 265 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 jakobus in der fränkischen Literatur Literarische Hinweise zu mittelalterlichen Santiagopilgern aus Franken 253 Um 1130 erfahren wir von einem fränkischen Ritter, Heinrich von Ahorn, den sein wissenschaftlicher „Entdecker" Michel Hofmann, selbst ein Kind der Fränkischen Schweiz, in diese Landschaft zu lokalisieren vermochte, obgleich ein Ahorn auch im Coburgischen liegt. Während einer schweren Krankheit habe Heinrich eine Wallfahrt nach Santiago gelobt. Wieder genesen, schob er sie „aus Trägheit" auf und erkrankte erneut. Während die Familie sein Ableben erwartet, erfährt Heinrich, verstummt und gelähmt eine innere Schau des Purgatoriums, zu deutsch Fegefeuer genannt, durch das ihn anders als der zwei Jahrhunderte jüngere Dante nicht der Dichterfürst Vergil führte, sondern ein ehrfurchtgebietender Greis, der sich dem Erstaunten als Christi Apostel Jakobus zu erkennen gab 52 • Ein anderer Franke, der wohl nie selbst in Santiago war, berichtet jedoch von Pilgern dorthin, Hugo von Trimberg, in der Nähe von Schweinfurt aufgewachsen, war lange Zeit Schulmeister am St. Gangolfstift im Bamberger Viertel der Theuerstadt. In Hugos Werk „Solsequium", das kurz vor 1300 entstand, ist u. a. die Rede von einem Benediktiner der Cluniazensischen Richtung, der vor seinem Klostereintritt noch nach Santiago pilgern wollte. An literarischen Vorlagen benutzte Hugo direkt oder über literarische Umwege die „Dicta Anselmi" und den „Liber Sancti Jacobi" 53 • Ein Gedenkstein in Würzburg - Heidingsfeld berichtet von einer Sühnewallfahrt des Totschlägers Kunz Rudiger 1432 nach Aachen, Einsiedeln und Santiago 54• Von einem sagenhaften Pilger, der auf der Burg Dreistelz von drei stolzen Adelsdamen keine Aufnahme fand, wofür die Ungastlichen ihre Strafe erhielten, berichtet uns Ludwig Bechstein 55 • Viele große Namen der literarischen Welt, die wir gerne mit Franken verbinden, bringen leider für unsere Themenstellung nichts. Wir mögen es bedauern oder nicht, Walther von der Vogelweide, den in Würzburg wohl noch jedes Schulkind kennt, war offensichtlich nie in Galicien; obwohl der Vielgereiste bekennen kann: 52 M. HOFMANN, Heinrich von Ahorn im Fegfeuer um 1130. Ein fränkischer Nachtrag zum Dante-Gedenkjahr 1965 O ahrbuch für fränkische Landesforschung 26, 1966), S. 199-215. Zu diesem Themenkomplex jüngst: R. PLöTZ,Vision y Realidad (Compostellanum 40, 1995), S. 339-365, der hier auch auf den Ps .-Turpin eingeht ( s. oben) . 53 E. SEEMANN(Hg.), Hugo von Trimbergs lateinische Werke. I. Bd. Solsequium (München 1974, 1 1846), S. 73; vgl. B. GRAF,Oberdeutsche Jakobsliteratur . Eine Studie über den Jakobusku! t in Bayern, Österreich und Südtirol (Kulturgeschichtliche Forschungen 14, hg . von D.-R. MOSER, München 1991), S. 64f. 54 P. J.J öRG,Der Heidingsfelder Sühnebildstock. Ein Beitrag zur fränkischen Rechtsgeschichte (Würzburg 1948). 55 L. BECHSTEIN, Aus dem Sagenschatz des Frankenlandes, hg. von W MöHRING(Würzburg, 2 1986), S. 58f. <?page no="266"?> Titelscan.indd 266 Titelscan.indd 266 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 254 Erik Soder von Güldenstubbe „Ich han gemerket von der Seine unz an die Moure von dem Pfade unz an die Traben ..., von der Seine bis zur Mur hab' ich mit offenen Augen die Welt geschaut, vom Po (Fluß in Norditalien) bis zur Trave weiß ich, wie's die Menschen treiben ..." 56 . Kein Ezzo, Bamberger Geistlicher, der im 11. Jahrhundert nach seiner Pilgerreise ins Heilige Land das „Lied von der Erlösung" schrieb, kein Wolfram von Eschenbach, kein Jean Paul, kein Max Dauthendey schildern die große Pilgerreise nach Santiago oder den Pilgerpatron Jakobus selbst. Über die spätmittelalterlichen Reiseberichte von Peter Rieter, Nikolaus Rummel, Gabriel Tetzel bis Hieronymus Müntzer, über den Pilgerführer des Servitenmönches Hermann Künig wohl vom Kloster Vacha im ehemaligen Erzbistum Mainz gelegen, wo er als Beichtvater und Prediger wirkte, weltlich der Fürstabtei Fulda unterstellt, haben kompetente Fachleute bereits berichtet 57 • Aber ganz fehlen auch klingende Namen von Schriftstellern und Dichtern nicht. Mag auch der große fränkische Gelehrte Konrad Celtis schelten: „Es gibt Leute, die sich rühmen, Gallien, Spanien, Sarmatien und Pannonien und auch die Länder jenseits des Meeres bereist und gesehen zu haben. Ich halte es für einen deutschen Mann, der dem Studium der Philosophie erge ben ist, für keinen geringeren Ruhm, die Länder und Grenzen seiner Muttersprache zu kennen ..." 58 • Der spätmittelalterliche Dichter Michel Beheim, aus dem südlichsten Bereich des mittelalterlichen Bistums Würzburg stammend, nennt in seinem umfangreichen Werk wenigstens einmal den Wallfahrtsort „Sant Jakob" 59 • Hinweise aus der Neuzeit Der oben schon erwähnte Harsdörffer (1607-1658) war 1644 Mitgründer des heute noch bestehenden „Pegnesischen Blumenordens", ein „Verein zur Pflege der deutschen Sprache und Dichtkunst". Warum er hier erwähnt wird, hängt damit zusammen, daß Harsdörffer einer jener Vermittler kultureller Vielfalt des alten Europa war und so Erzählungen, Anekdoten und Hirten- 56 J. SCHAEFER, Walther von der Vogelweide, Werke (Darmstadt 1972), S. 296f. 57 Vgl. zuletzt: K. HERBERS u . R. PLöTz, Nach Santiago zogen sie. Berichte von Pilgerfahrten ans „Ende der Welt" (München 1996); über H . Künig, siehe auch noch]. LEIN- WEBER, Die Santiago-Wallfahrt (wie Anm . 15), S. 142f. 58 Hier zitiert nach M. SEIDLMAYER, Konrad Celtis (Unbekanntes Bayern. 7, Land der Franken, München 1976), S. 139. 59 Die Gedichte des Michel Beheim (Deutsche Texte des Mittelalters LXV / 2, Registerteil II/ 2, hg. von H. GILLEu. I. SPRIEWALD, Berlin 1972), S. 733. vgl. E . SODERv. GüL- DENSTUBBE, Kulturelles Leben im Würzburg der Riemenschneiderzeit, Beiheft zum Katalog der Ausstellung „Tilmann Riemenschneider - Frühe Werke", Mainfränkisches Museum Würzburg (Würzburg1981), hier S. 14. <?page no="267"?> Titelscan.indd 267 Titelscan.indd 267 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Jakobus in der fränkischen Literatur 255 dichtungen aus dem Italienischen, Französischen und Spanischen ins Deutsche übersetzte, dann auch bearbeitete und sich zu eigen machte. Wir dürfen bei dem vielfältigen Beziehungsgeflecht, das Pilger zwischen Spanien und Deutschland über lange Jahrhunderte woben, auch nicht den Anteil vergessen, den evangelisch-lutherisch geprägte Geister zur Begegnung verschiedener Kulturen und damit zur inneren Bereicherung der abendländischen Kultur insgesamt geleistet haben und noch leisten 60 • Freilich, es mehren sich besonders bei den Reformierten die kritischen Stimmen. Hans Sachs äußert sich in der ihm eigenen derben Sprache im Schauspiel „Die ungleichen Kinder Evä" so: "0 wie ein gar glaublose Rott, die ganz und gar nichts hält von Gott, weder vom Glauben noch Gebet! Hängt nur an dem Irdischen stet, Was wohl thut ihrem Fleisch und Blut Und der Satan einblasen thut! . Der halben so müßt ihr auf Erden Hart und armselige Leut werden Als Baum, Köhler, Schäfer,Schinder, Badknecht, Holzhack'r und Besenbinder, Taglöhner, Hirten, Büttel und Schergen, Kärner, Wagenleut und Fergen, Jakobsbrüder, Schuster und Landsknecht, auf Erd' des hartseligst Geschlecht ..." 61 • Stehen hier die Jakobsbrüder ohne viel Ansehen in einer Reihe mit vielen anderen Berufen und Ständen, die als Kinder Evas einem harten, arbeits- und mühevollen Leben ausgesetzt sind, so wird Sachsens Kritik eines Christen am Pilgerwesen seiner Zeit überdeutlich, eines Christen, der sich entschieden der Reformation der „Wittenbergischen Nachtigall", wie er Martin Luther rühmend betitelte, anschloß. In seinem, von Jost Amman bebilderten Werk „Eygentliche Beschreibung aller Künsten, Handwercken und Händeln" 62 stehen unter einem Holzschnitt bezeichnet als „Die Jakobs Brüder" folgende Verse von Hans Sachs: "WirJacobs Brüder mit grossem Haufen, im Land sind hin und her gelauffen, um SanctJakob, Ach und gen Rom, singen und bettlen one Schorn, gleich andern presthaften Armen; 60 G.-K. KALTENBRUNNER u. G. PH.HARSDÖRFFER. Im lrrhain der Nürnberger Hirten und Nymphen (Vom Geist Europas. Sternbilder - Schattenrisse - Spiegelungen, Asendorf 1992),S. 160-187. 61 Hier zitiert nach: E. MUMMENHOFF, Hans Sachs. Zum 400-jährigenGeburtsjubiläum des Dichters (Nürnberg 1894),S. 112. 62 Gedruckt in Frankfurt 1568. <?page no="268"?> Titelscan.indd 268 Titelscan.indd 268 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 256 Erik Soder von Güldenstubbe offt thut uns der Bettelstab erwarmen, in Händen, alsdenn wir es treiben, unser Lebtag faul Bettler bleiben" . Wie anders sah das bei Puerto de Ibaneta Ulrich Boom, ein fränkischer Priester, der 1988 mit einigen Freunden auf dem Fahrrad nach Santiago pilgerte: „Unten im Tal machten sie Kreuze und trugen sie hinauf zur Paßhöhe. Die Grenze zumJakobsland war erreicht. Dieser Weg auf die Höhe an die Grenze steht für die vielen Kreuzwege des Lebens . Ein ,SalveRegina', ein Gebet zum Weggeleit und es geht weiter. ...und nach diesem Elend zeige uns Jesu, nach dieser Fremde, nach diesem Leben." 63 Die letzten Jahre haben nicht nur eine ungeahnte Wiederbelebung jener europäischen Wallfahrt nach Nordspanien gebracht, sondern auch viele Federn in Bewegung gesetzt . Jakobus-Pilgergedichte der Gegenwart gerade auch aus dem Frankenland bedürfen sorgsamer Sammlung und Analyse. In einer Kreisbewegung kehren wir zur eingangs gestellten Frage zurück. Auf metaphorischer Ebene beantwortet sie ein Text des Santiago-Pilgers und fränkischen Seelsorgers Roland Breitenbach: „Der wahre Jakob Das ist der wahre Jakob nicht: ein Märchen, eine Legende, eine Überlieferung, ein Wunder. Das ist der wahre Jakob nicht: ein Diplomat, ein Leisetreter, ein Vermittler, ein Ausgleichsbeamter. Das ist der wahre Jakob nicht. Unter Jesu Aposteln der erste ein Fels, Simon Petrus. Der zweite, die Unruhe selbst, Jakob der Donnersohn. Beide brauchen wir heute in der Kirche nötiger denn je: den Felsenmann und den Unruhstifter, festen Halt und Fortschritt. 63 U. BOOM, Unterwegs zum Ende der Welt.Bilder und Gedanken zum Pilgerwegnach Santiagode Compostela (Kuppenheim 1991). <?page no="269"?> Titelscan.indd 269 Titelscan.indd 269 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Jakobus in der fränkischen Literatur 257 Das brauchen wir. Das ist der wahre Jakob ." 64 Wenn das auch beileibe nicht alles ist, was über den Apostel Jesu Christi gesagt werden kann, bedenkenswert ist es allemal. E Ultreja! Resumen: EI articulo intenta resolver tres preguntas que surgen de Ja proyecci6n de! tema: 1. ,Cual es el „autentico" Santiago? realizando con esta pregunta una excursi6n literaria a traves de indicaciones y textos de escritores de Franconia. Aparecen tanto el patriarca J acobus de! Antiguo Testamento como Santiago el Mayor y los demas portadores de! nombre se presentan, en parte con y en parte sin relaci6n con el Ap6stol. 2. lQue se entiende bajo el concepto de la „regio Francorum" y c6mo se la presenta? . 3. ,Corno se presenta el concepto literario de poesfa y ,belletrfstica' extendido a la epigraffa y literatura de devoci6n. Se registran, menciones de Jacobus Maior desde Rabanus Maurus de la Abadfa de Fulda en el temprano siglo IX hasta indicaciones en la literatura teol6gica-exegetica asf como en la contemplativa de! siglo XX. Los apartados siguientes aportan menciones de peregrinos en publicaciones de autores de Franconia del medioevo y de los tiempos modernos, ampliandolas el autor con citas de autores conocidos. 64 Zitiert aus: R. BREITENBACH. Auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela. Lautlos wandert der Schatten (Schweinfurt 1990), S. 14. Im selben Verlag erschien auch: Schritte werden Weg. Ein Pilgerbuch, hg. von M. NIGGEMEYERin Zusammenarbeit mit H. K. BAHNEN,U. BOOMu. M. ZENTGRAF(Schweinfurt 1996).- Hingewiesen sei auch noch auf: K. LECHNER,Pilgerwege nach Santiago (Bamberg 1993). - Von R. BREITENBACH stammt auch: Werkbuch Wallfahrt. Hinführung - Modelle - Materialien (Mainz 1993), in dem er selbst einen Passus über „Santiago de Compostela - Am Ende des Sternenweges" einfügte (ebd. S. 143-145) . <?page no="270"?> Titelscan.indd 270 Titelscan.indd 270 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 <?page no="271"?> Titelscan.indd 271 Titelscan.indd 271 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Sankt Jakob in den skandinavischen Volksliedern VICENTE ALMAZAN Innerhalb der ursprünglich mündlich überlieferten Dichtung treten in den skandinavischen Ländern einige Volkslieder auf, die, je nach Zeit, Charakter oder Stil, verschiedene Namen erhalten . In der dänischen Sprache pflegt man dazu folgende Begriffe zu verwenden : mundtlig poesi, folkevise, vise oder kt: empevise, kvt: ed und vor allem auch ballade. Alle diese Begriffe enthalten selbstverständlich verschiedene Nuancen bezüglich ihrer Ursprünge. Ballade ist die meistverwendete Bezeichnung, die oft als middelalderballade erscheint . Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird diese Bezeichnung allgemein benutzt. Wegen ihrer Ähnlichkeit mit den spanischen und portugiesischen Romanzen in Stil und Ursprung nenne ich diese Art von Liedern Romanzen. Der Schwede Arvid August Afzelius (1785-1871) ist in Skandinavien der Pionier auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung, das er folkvisor nannte. Er legte den Grund für diese Wissenschaft in Skandinavien und hinterließ eine solide Basis für spätere Wissenschaftler in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Kurz danach erscheint in Dänemark Svend Grundtvig (1824-1883) mit seinem umfassenden Werk Danmarks gamle Folkeviser, veröffentlicht ab 1853, fortgeführt von zwei anderen wichtigen Gelehrten H. Grüner-Nielsen (1881-1953) und Axel Olrik (1864-1917), in Norwegen von Magnus Landstad (1802-1880). Otto Andersson (1879-1954) veröffentlichte eine große Anzahl von Volksliedern in schwedischer Sprache aus dem schwedischsprachigen Gebiet Westfinnlands. Die isländischen Volkslieder wurden 1854-1855 (Islenzk Fornkvt: eoi) durch den Dänen Svend Grundtvig und den Isländer J6n Sigurson, später (1962-1968) von einem anderen Isländer J6n Helgason aufgenommen und veröffentlicht. Die jüngste Volkslieder- Sammlung der Studien in skandinavischer Sprache ist in den Fl1roya Kvt: eoi oder im Corpus Carminum Ft: eroensium enthalten, die in vielen Bänden in den siebziger Jahren durch verschiedene dänische und färöische Forscher veröffentlicht wurden. In diesem Corpus von Volksliedern des gesamten skandinavischen Sprachgebiets ist die Pyrenäenhalbinsel kein seltenes Thema. Ich werde mich besonders mit denjenigen Liedern, die eine Beziehung zum Apostel Sankt Jakob aufweisen, befassen. Alle diese Lieder benötigten lange Zeit, bis sie schriftlich vorlagen. Wie bei den Romanzen Spaniens und Portugals, wurden <?page no="272"?> Titelscan.indd 272 Titelscan.indd 272 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 260 Vicente Almazan auch die skaninavischen erst viel später nach ihrem mündlichen Erscheinen in schriftlicher Form übernommen. Der dänische Gelehrte forn Pi0 sagt dazu: ,Nicht eine einzige der skandinavischen Balladen ist in schriftlicher Form aus der Zeit vor der Reformation erhalten; das heißt für Dänemark vor 1536 '1. Es gibt selbstverständlich Kunstgedichte bzw. -lieder, die sich auch mit Sankt Jakob befassen. Ich werde nur als Beispiel zwei erwähnen: erstens der isländische Jakobsdiktur2, eine sehr interessante Versdichtung der Jakobus- Legende. Hier wird in 30 achtsilbigen Strophen die bekannte Legende, einschließlich des Galgenwunders in je 8 schönen Versen dargestellt. Das zweite Kunstlied, in dem Sankt Jakob eine Rolle spielt, findet man in einer Sammlung von dänischen Liedern, die aus Adelsliederbüchern und Flugblättern aus den Jahren 1530-1630 entnommen wurden, veröffentlicht 1978-1979 von H. Grüner-Nielsen 3• Darin wird zum ersten Mal in Gedichtform das berühmte Wunder der legendären „Flugpilgerfahrt" von 1201 eines Pilgers auf dem Rücken des Pferdes von Sankt Jakob von Jerusalem nach Santiago de Compostela erwähnt. Das wichtigste skandinavische Volkslied innerhalb der Jakobus-Thematik ist ohne Zweifel das unter dem Namen Den Heilige Jakob in Dänemark und Norwegen bekannte Lied, das in Dänemark auch als Himmerig og Helvede und auf den Färöer-Inseln als Sankta Jakup auftritt. Die schwedischen Versionen tragen den Titel Underbar syn [Wunderbares Erscheinen] . Von diesem Jakobslied kenne ich vier Versionen in norwegisch: drei aus der traditionsreichen Provinz Telemark, und eine vierte von einer alten norwegischen Dame, die im amerikanischen Minnesota lebte. Eine andere Version stammt aus Schweden, eine weitere aus der finnischen schwedischsprechenden Insel Vardö, drei aus Dänemark und fünf von den Färner-Inseln. Diese Versionen von den Färöer-Inseln sind die vollständigsten und die am ehesten einem verlorengegangenen Original entsprechenden Fassungen von großer Komplexität. Im Prinzip sind alle genannten Versionen sich ähnlich, wobei die schwedischen am meisten vom Original abweichen . In diesen wird nicht mal der Apostel erwähnt . In zwei der dänischen Versionen ist die Rede von Sankt Martin anstatt von Sankt Jakob. Da die färöischen Texte in zahlreichen Fällen der Sprach- und Literaturgeschichte Skandinaviens als älteste gelten, nehme ich als Beispiel eine dieser Versionen, und zwar aus folgenden Gründen: 1) Dieses Lied ist noch heute in der mündlichen Tradition der Inseln lebendig; 2) Es hat die Eigentümlichkeit, daß es gesungen und getanzt wird; 3) ich habe eine Aufführung selbst erlebt und 4) ich besitze ein Video davon. „On reading orally-performed ballads: the Medieval ballads of Denmark", in: Oral Tradition-Literary Tradition. A Symposium. (Odense 1977) 69. 2 J6n Helgason [ed.] Islenzk Midaldakv.edi . Jslandske Digte fra Senmiddelalderen (Kopenhagen 1938) Bd. 2, 313-316. 3 Danske Viser,fra Adelsviseboger og Flyveblade 1530-1630 . (Kopenhagen 1978-79, 1912), Bd. 2, 1114 und 4, 120-28. <?page no="273"?> Titelscan.indd 273 Titelscan.indd 273 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Sankt Jakob in den skandinavischen Volksliedern 261 Der Inhalt dieser Romanze ist folgender: Sankt Jakob bittet den Herrn, ihn in das Land Garcia/ Galicia zu senden, um es zu christianisieren. Unser Herr fragt ihn, wie er das, ohne ein Schiff zu besitzen, tun will. Sankt Jakob wird von unserem Herrn befohlen, zum Ufer des Meeres zu gehen. Da werde er einen großen Stein finden. Sankt Jakob tut das, sieht den Stein, pflanzt ein Kreuz darauf und fängt an zu segeln . Der Stein segelt bis zum Land Garcia/ Galicia, etwa 500 Meilen. Bei seiner Ankunft wird er von einem Jüngling beobachtet; der wundert sich , was er da sieht. Dann kommt König Garcia/ von Galizien mit einer Axt und fragt Sankt Jakob in frechem Ton, was er hier suche. Sankt Jakob erklärt ihm, daß er gekommen ist, ihn zum Christentum zu bekehren. Der König widersetzt sich diesem Ansinnen . Er würde nur akzeptieren, wenn Sankt Jakob seinen vor fünfzehn Jahren verstorbenen Sohn wieder vom Tode erwecke. Sankt Jakob liest in seinem Buch und fängt an zu beten . Kurz danach erscheint der Sohn des Königs und erzählt die furchtbaren Erlebnisse, die er in der Hölle erfahren hat. Vor soviel Wundern ergibt sich der König; Sankt Jakob tauft ihn und sein ganzes Volk. Wir erkennen also in Zusammenfassung folgende Bestandteile: 1. Jesus schickt den Heilgen Jakob, das Evangelium in einem fernen Land zu verkünden; 2. Unser Herr selbst hilft ihm in seiner Mission; 3. Die wunderbare Reise von Sankt Jakob in das Land von Garcfa/ Galicia; 4. Sankt Jakob trifft auf den König des Landes; 5. Sankt Jakob erweckt einen Toten; 6. Er beruft sich auf ein Buch; 7. Der zu neuem Leben Erweckte erzählt, was in der anderen Welt geschieht; 8. Der König und sein ganzes Volk nehmen das Christentum an. Die Versionen dieser Romanze in schwedischer Sprache sind von geringem Interesse, weil sie offensichtlich aus dem norwegischen bzw. dänischen stammen. Die norwegische Forscherin Adel Gj0stein Blom 4 bestätigt, daß diese färöische Romanze den islandischen Apostelgeschichten entspricht. Nach meiner bescheidenen Meinung ist der Ursprung dieses Liedes in den Postola Sögur zu sehen, die aus verschiedenen lateinischen Quellen übersetzt und gegen Ende des 13. Jahrhunderts in Island aufgeschrieben wurden. Der norwegische Forscher C.R. Unger (1817-1897) schrieb in seiner Ausgabe dieser Sagas von 1874 5, daß diese Sagas später literarische Werke und ihre jetzigen Formen inspirierten. Unger meint, daß die Postola Sögur eine ähnliche Entwicklung genommen haben wie die griechischen, die im 6. Jahrhundert aus dem Lateinischen übersetzt wurden. Diese Übersetzungen berufen Ballader og Legender fra Norsk Middelalderdiktning. (Oslo 1971). Der Untertitel war ,Legendariske Fortadlinger om Apostlernes Liv, deres kamp for Kristendommens udbredelse samt deres martyrd0d'. <?page no="274"?> Titelscan.indd 274 Titelscan.indd 274 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 262 Vicente Almazan sich darauf, daß sie von einem hebräischen Text stammen, der von Abdias, Bischof von Babylonien, verfaßt wurde. Diese Texte sollen später von seinem Schüler Eutropius ins Griechische übersetzt worden sein, und weiter aus dem Griechischen ins Lateinische von Julius Africanus . Unger glaubt, daß dieser Text eine der Hauptgrundlagen der Postola Sögur ist . Später wurden Fragmente aus enzyklopädischen Werken wie die Historia Scholastica von Peter Comestor, das Speculum Historiale von Vincentius Bellovacensis, das Speculum Ecclesie und ähnlichen Schriften hinzugefügt 6• Die Jakobssage ist eine der zwölf Sagen der Postola Sögur. Laut dem norwegischen Forscher Ludvig Holm-Olsen waren diese Sagen die ersten, die nach der Einführung des Christentums in Skandinavien aus dem Lateinischen ins Norwegische übersetzt worden sind. Wenn man die J akobssage liest, fällt auf, daß viele Kapitel aus der berühmten Karlamagnussaga stammt, die wiederum den Postola Sögur entnommen wurde. Nordische Motive wurden eingefügt; eine Methode, die in den mittelalterlichen Geschichten und Übersetzungen oft praktiziert wurde. Das Jakobslied bildet insoweit in der Übersetzungstechnik der Zeit keine Ausnahme . Die anderen Quellen konnten von der Forschung noch nicht mit letzter Genauigkeit identifiziert werden. Klar ist nur, daß die Jakobssage eng mit den anderen Apostelsagen verbunden ist. Nur ein Studium der gesamten Apostelsagen wird weiteres Licht auf unsere Jakobssage werfen können. Die beste Version der Postola Sögur (oder Apostelgeschichten) findet man vermutlich im sogenannten Codex Scardensis, aus der Kirche in Skarö im nordwestlichen Teil von Island . Dieser wichtige Kodex wurde an die Bischofsbibliothek in Skalholt ausgeliehen und hier in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts kopiert . Diese isländischen Apostelgeschichten wurden zum ersten Mal von Professor Unger im Jahre 1874 herausgegeben. 1960 wurde eine Facsimile-Ausgabe dieses Codex Scardensis von D. Slay publiziert. [Early Icelandic Manuscripts in Facsimile . Vol. II, Codex Scardensis. Kopenhagen, 1960]. Der alte Codexrücken war mit der Zeit verfault, so daß viele Blätter lose geworden waren. Dadurch entstanden später zahlreiche Verwirrungen und Lücken. Die vierte dieser Sagen hat den Titel Tveggja postola saga ]6ns ok Jakobs [Sage der zwei Apostel Johannes und Jakob]. [(Sie steht in diesem Codex auf Folien 40r bis 81verso, und in der Unger-Ausgabe auf den Seiten 536 bis 711. DieJakobssage beginnt auf Folio 93rund endet auf Folio 160v)]. Aus diesen Postola Sögur stammt auch eine Reihe von Kunstgedichten (Diktur), die sogar in ihrer Reihenfolge den Postola Sögur entsprechen (z.B. dem Th6masdiktur folgt der Jakobsdiktur, genauso wie der Tho6massage diejakobssage folgt. Der Inhalt desjakobsdiktur entspricht demjenigen der Sage, während die volkstümliche Jakobsromanze sich viele Freiheiten herausnimmt, und wesentlich von der Originallegende abweicht. In dem Ja- 6 S. Richard Adelbert Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten. (Braunschweig 1883), Bd. 1 <?page no="275"?> Titelscan.indd 275 Titelscan.indd 275 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Sankt Jakob in den skandinavischen Volksliedern 263 kobsdikturwird vom genealogischen Baum des Heiligen Jakob erzählt, und wie er in Jerusalem enthauptet wird. Auch Hermogenes und Abiatar treten auf. Schließlich beschreibt man die wunderbare Reise von Sankt Jakob bis zu jenem Ort, der ,Kompastella' heißt. Der Diktur umfaßt 30 Strophen. Es wird auch erzählt, daß Compostela ein Wallfahrtsort ist, der in der ganzen Welt bekannt ist. Auch drei Wunder, ähnlich wie im Codex Calixtinus, werden hier besungen, wie zum Beispiel der Turm, der sich beugt, um einen Mann vom Gefängnis zu retten, und die Geschichte des Galgenwunders. Die färöische Romanze enthält 34 gereimte Verspaare, das heißt im ganzen 68 Verse, die von 8 bis 12 Silben wechseln. Der färöische kv.edir, wie ich früher schon erwähnte, wurde nicht nur gesungen, sondern auch getanzt. Charakteristisch für die färöischen Volkslieder ist, daß sie keinerlei Begleitinstrumente kennen. Einige dieser Lieder sind praktisch endlos. Es gibt welche, die bis 300 Strophen zählen . Auf den Färöer-Inseln lernte man erst im vorigen Jahrhundert Musikinstrumente kennen. Vielleicht deswegen hat sich diese Art von Tänzen mehr als in den übrigen skandinavischen Ländern entwickelt. Zum Tanz wird eine Menschenkette gebildet. Der Leiter oder die Leiterin der Gruppe, skipar genannt, kennt den Text selbstverständlich auswendig. Er oder sie haben ihn schon in jungen Jahren von einer älteren Person der Familie oder aus seinem Bekanntenkreis überliefert bekommen . Die Kommentare, die ich über diese Lieder oder Tänze in deutscher Sprache gelesen habe, nennen sie ,Kettentanz' . Auf den Inseln werden auch norwegische und dänische diatonische Weisen gesungen, wobei die Tonalität der färöischen Gesänge mehr rezitativ ist. Selten wird die Stimme um mehr als einen Ton angehoben. Es gibt bei diesen Gesängen einen natürlichen Übergang vom einfachen Rezitativ zu den pentatonischen Formen, so daß der dänische Forscher Hjalmar Thuren der Meinung ist, daß die färöische Melodik sich selbständig auf den Inseln entwickelt hat. Über die Musik der Jakobusromanze oder andere kva: dir gibt es eine umfassende Studie von H. Grüner-Nielsen 7• Nach diesem Forscher hätten die Färinger den Sinn für Pentatonik dem Einfluß der Kelten zu verdanken. Diese ,Kettentänze' der Färöer-Inseln sind zum ersten Mal für das Jahr 1616 belegt, als der Isländer J 6n Olaf sson im Dienst des Königs Christian IV. auf den Inseln landete; aber sicher existierten sie schon viel früher. Der Jakobus-Kettentanz, wie andere über Karl den Großen, Heilige, Helden, usw. fingen folgendermaßen an: eine Person stellt sich in die Mitte des Saals, wo der Tanz stattfinden soll. Die Person beginnt auf der Stelle schrittweise zu tanzen und zu singen; andere kommen hinzu, indem sie sich bei den Händen fassen und die Arme fest gegeneinander und am Körper halten. Ist der Kreis geschlossen, wird kein weiterer gebildet, wie etwa bei der katalanischen Sardana, vielmehr entsteht dann aus dem Kreis ein Labyrinth. Der Tanz selbst 7 ,Fa: rnske Folkmelodier ' Nordisk Kultur 25, S. 152-58. <?page no="276"?> Titelscan.indd 276 Titelscan.indd 276 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 264 Vicente Almazan ist einfach: immer ein Schritt rechts und zwei links, dem Rhythmus des Skiparen folgend . Das oben erwähnte Video wurde im Januar 1983 in T 6rshavn aufgenommen. Nur wenige Personen, die älter als 30 sind, nehmen an diesem Tanz teil. Allerdings bemüht man sich neuerdings, frisches Blut zuzuführen, damit diese Kettentänze weiterleben können und die Tradition fortgesetzt werden kann. Die hier aufgeführte Version entspricht der Version A, veröffentlicht in der Sammlung F/ iJroya Kvi: eoi 8• Ich werde mir erlauben, eine freie Überset zung in deutscher Sprache vorzulegen: 1 SanktaJakup tekur i Varharras hond: «Loviö ma: : rat kristna Garsialand! » [Sankt Jakob erbittet die Hilfe des Herrn: ,Erlaube mir, das Land von Garcia zu christianisieren! '] 2 «Hvussu skalt tu tao kristnao fa? tu hevur einski skip at sigla a.» [,Wie willst du Christen gewinnen, Wenn du kein Schiff zum Segeln hast? '] 3 «St0rri er nu miskunnheit tfn, tu karrst skapa skipin mfn.» [,Größer ist deine Barmherzigkeit, Du kannst mir zu einem Schiff verhelfen'.] 4 «Tu gakk ta: : roman til sj6varstrand, har stendur ein lftil stein fyri land.» [,Gehe zum Meeresstrand, Da wirst du einen kleinen Stein am Ufer sehen.'] 5 Sankta Jakup tekur sa: : rb6k f hand, so gongur hann niöur til sj6varstrand . [Sankt Jakob nimmt sein Buch in die Hand, Dann geht er zum Meeresstrand .] 6 SanktaJakup ristir kross yvir stein, Steinurin ut fra landi dreiv. [Sankt Jakob ritzt ein Kreuz auf den Stein, Der Stein fing an, vom Land weg zu treiben .] 7 Steinurin t6k at ganga ut fyri Garsiatanga. [Der Stein begann zu schwimmen Zielsicher gen Garcialand.] 8 Steinurin t6k at liöa, fimm hundrao mflir at skrioa . [Der Stein segelte so wunderbar, Daß er 500 Meilen zurücklegte.] Corpus Carminum Fa? roensium, Bd. 6 (Kopenhagen 1972), schon gedruckt 1822 von H .C. Lyngbye, Fa? reiskeQva? der. S. 520-29 - Wir danken Herrn Dr. A. Holtorf und Frau Prof. Dr. St. Wünh für die Überprüfung der Übersetzung (Red.). <?page no="277"?> Titelscan.indd 277 Titelscan.indd 277 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Sankt Jakob in den skandinavischen Volksliedern 9 Inn kemur lftil smadrongur og sigur fra: «Her kemur ein maour, hann situr a Stein.» [Da kommt ein kleiner Bursche, der ausruft: ,Da kommt ein Mann, der segelt auf einem Stein'.] 1 o Inn koma kvinnur, hava tvaao seg rein: «Her kemur ein maour, hann situr a Stein.» [Da kommen Frauen, die sich sauber gewaschen haben: ,Da kommt ein Mann, der segelt auf einem Stein'.] 11 Garsia kongur tekur sa: r 0ks f hand, so gongur hann niour til sj6varstrand. [König Garcia nimmt seine Axt in die Hand, So geht er hinunter zum Meeresstrand.] 12 «Hoyr tu, sanktaJakup, eg tali til tin, hvat vilt tu a landio higar til mfn? » [,Hör du, Sankt Jakob, mit dir spreche ich: Was suchst du in meinem Land? '] 13 «Tao vil eg a landio higar til tfn, at mfn skapari er ma: tari enn tfn.» [,Das will ich in deinem Lande suchen, Daß mein Gott mächtiger ist als deiner'.) 14 «Hvat er tfn skapari ma: tari enn mfn? mfn drekkur hv0nn dag mj00 og vin.» [,Warum ist dein Gott mächtiger ist als meiner? Meiner trinkt immer Honigwasser und Wein'.] 15 «Tao er mfn skapari ma: tari enn tfn, mfn kann venda vatn til vfn.» [,Deshalb ist mein Gott mächtiger als deiner, Denn meiner macht aus Wasser Wein.] 16 «Mfn kann venda mold til breyo, kann geva teimum ifv, sum aour eru deyo.» [,Meiner macht aus Erde Brot, Und den Toten gibt er Leben zurück'.] 17 «Fai eg hann aftur sonin mfn, so skal eg trugva a skapara tfn. [,Wenn ich meinen Sohn zurückbekomme, Dann werde ich an deinen Gott glauben.] 18 Fai eg hann aftur via hold og har, sum hann f6r fyri fimtan ar. [Wenn ich ihn zurückbekomme mit Fleisch und Haar, So wie er vor 15 Jahren verschwand .] 19 Fai eg hann aftur via heyk og hund, sum hann f6r fyri sj6vargrund. [Wenn ich ihn zurückbekomme mit Falke und Hund, So wie er verschwand auf den Meeresgrund.] 265 <?page no="278"?> Titelscan.indd 278 Titelscan.indd 278 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 266 Vicente Almazdn 20 Fai eg hann aftur vio hold og har, sum hann hevoi ikki kent sftt banasar.» [Wenn ich ihn zurückbekomme mit Fleisch und Haar, Als ob er seine Todeswunde noch nicht gefühlt hätte'.] 21 Sankta Jakup niour i b6kina sa: «Hann er ikki g6our aftur at fa.» [Sankt Jakob schaute in sein Buch und sagte: ,Was du verlangst, ist nicht so einfach'.] 22 Ta io hann hevoi staoio eina litla stund, ta manaoi hann mann fra vftinis grund. [Sankt Jakob stand eine Weile, Und rief einen Mann aus dem Höllengrund.] 23 «Nu hevur tu finngio hann aftur vio hold og har, sum hann f6r fyri fimtan ar. [,Hier hast du ihn mit Fleisch und Haar, So wie er vor 15 Jahren verschwand.] 24 Nu hevur tu fingio hann aftur vio heyk og hund, sum hann f6r fyri sj6vargrund. [Hier hast du ihn mit Falke und Hund, So wie er verschwand auf den Meeresgrund.] 25 Nu hevur tu fingio hann aftur vio hold og har, sum hann hevoi ikki kent sitt banasar.» [Hier hast du ihn mit Fleisch und Haar, Als ob er seine Todeswunde nicht gefühlt hätte'.] 26 «Hoyr tu, sa: li sonur min, hvat er tftt i feroum tin? » [,Höre zu, lieber und schöner Sohn: Wozu hat dir diese Reise gedient? '] 27 «Tao er tftt i 0orum heim, eingin kennir ei annans mein. [,So geschieht es in der anderen Welt. Niemand versteht die Schmerzen der anderen.] 28 Tao er tann konan, sum 60rnini hevur hatao, hon kemur ikki av ornagata. [Die Frau, die ihre Kinder haßte, Kommt nie aus dem Fegefeuer(? ).] 29 Tao er tann konan, sum b0rnini hevur myrt, hon gongur sa: r altio vio eitursv0ro gyrt. [Die Frau, die ihre Kinder mordete, Trägt immer ein giftiges Schwert als Gürtel.] 30 Tao eru teir keypmenninir riku, teir skrioa i ormaliki. [Die Kaufmänner, die Reichtum sammelten, kriechen, als ob sie Schlangen wären.] <?page no="279"?> Titelscan.indd 279 Titelscan.indd 279 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Sankt Jakob in den skandinavischen Volksliedern 31 Tao eru teir syslumenninir h0rou, teir skrioa i ormag0roum . [Die hartherzigen Ortsvorsteher leben alle im Garten der Schlangen .) 32 Og tao er futin via sin breioa hatt, hann situri helviti og krevur skatt.» [Sogar der Steuereintreiber mit seinem breiten Hut Weiter in der Hölle die Steuer verlangt'.] 33 «Nu havi eg aftur finngio sonin min, ti vil eg trugva a skapara tin.» [,Nun habe ich meinen Sohn bei mir. Nun will ich an Deinen Gott glauben'.] 34 Tao gj0rdi sanktaJakup, meoan hann var har, hann kristnaoi Garsia konung og alt har var. [Das hat Sankt Jakob gemacht, während er dort war: Den König Garcia getauft und alle, die da waren : ] Varianten 1. Andere Varianten von den Färöer-Inseln 267 Die Version B derselben Ausgabe von Johannes Clemensen besteht auch aus 34 Verspaaren genau wie die A-Version, die ich übersetzt habe, und weicht kaum von dieser ab. Die Version C ist auch fast identisch, aber hier ist Jesus derjenige, der die Initiative ergreift, Sankt Jakob nach Galizien zu senden , um das Land zum Christentum zu bekehren; es enthält nur 38 Verspaare. Die Version D besteht aus 72 Verspaaren und entspricht der ersten Version. In einer Festschrift für Professor Jakob Benediktsson, die 1977 in Reykjavik veröffentlicht wurde (Sjötiu Ritger), schrieb Professor Mortan Nols0e einen Beitrag (,varharra tekur i J akupsa hond') über eine bisher unbekannte Version dieses kva: dir aus einer Sammlung, die er 1971-1972 auf der Insel Suduroy gefunden hatte. In dieser Version übernimmt auch Jesus die Initiative, Sankt Jakob nach Galizien zu senden. Hier haben wir 28 Verspaare. Die wenigen Stellen, die von den anderen Versionen abweichen, betreffen ausschließlich sprachliche Probleme der färöischen Dialektologie, die ich hier nicht behandeln kann. 2. Die dänischen Versionen In diesen Versionen, veröffentlicht im 2. Band von Danmarks Gamle Folkeviser (Kopenhagen, 1933-1958), sitzt Sankt Jakob von Anfang an auf einem Stein . Jesus kommt und schickt ihn in ein fremdes Land. Dann kommt Sankt Jakob im Land Galizien oder im Reich von Garcia an. Wir lesen denselben Dialog, nur ist er stärker volkssprachlich gefärbt. Diese Versionen enthalten 23 Verspaare. <?page no="280"?> Titelscan.indd 280 Titelscan.indd 280 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 268 Vicente Almazan 3. Die norwegischen Versionen Die norwegischen Versionen, publiziert 1982 durch die Forscherin Adel Gj0stein Blom9, nehmen auch die Initiative Jesu an, Sankt Jakob nach einem ,heidnischen Land' zu schicken. Danach folgt dieselbe Geschichte wie in den erwähnten Versionen. Nur am Ende heißt es: ,und auf diese Weisebekehrte Sankt Jakob beide, Männer und Frauen'. 4. Die Versionen aus Schweden und aus dem schwedisch-sprechenden Gebiet Finnlands Die schwedisch-sprachigen Versionen sind sehr verschieden von denen der anderen skandinavischen Länder. In der Version, die uns in der schon erwähnten Ausgabe 1816 von Afzelius bekannt ist, kommt der Name von Sankt Jakob nirgends vor. Das Lied beginnt so: Nun habe ich gesehen, was ich vorher nie gesehen hatte, Daß ein grauer Stein segelt, und ein Mann darauf sitzt. Es gibt also einen Gott für alle Zeit. In diesen schwedischen Liedern führt ein Engel das Abenteuer und die Wunderreise durch. Es ist meine bescheidene Meinung, daß die in den Färöer-Inseln bewahrten Versionen die älteste Fassung dieses kvxdir darstellen. Andere Vergleiche mit anderen skandinavischen Gedichten bekräftigen diese Meinung. Es ist auch klar, daß der färöische Text auf der lateinisch-isländischen Vita des Apostels Jakob aufbaut . Andere Elemente von nordischen Legenden, die schon früher existierten, wurden hinzugefügt. Die grundlegende Vita hatte ihrerseits nicht nur Teile der Legenda Aurea, sondern auch Kapitel aus verschiedenen isländischen oder norwegischen Sagen, die die Legende von Sankt Jakob entstellt, erweitert oder verkürzt hatten. Resumen: Despues de un breve panorama de la investigaci6n cientffica, llevada a cabo en los pafses escandinavos desde fines del siglo XVIII hasta el presente en el campo de la canci6n popular, se trata aquf de describir primeramente las canciones de este tipo de tem: itica jacobea. Resalta en primer lugar la canci6n sobre la llegada a Espafia del ap6stol Santiago para cristianizar el pafs. Existen versiones de esta canci6n, documentadas en Dinamarca, Noruega, la parte finlandesa de habla sueca, y en las Islas Feroe. Corno las versiones recogidas en aquellas islas son las m: is completas y, adem: is, siguen vivas todavfa en nuestros dfas, es esta una de las versiones que se discute aquf. Tienen, ademas, estas canciones feroesas sobre Santiago la particularidad de ser tambien bailadas, aunque sin ninguna clase de acompafiamiento instrumental. La versi6n escogida aquf, y presenciada in situ por el autor de estas lfneas, se compone de 34 versos pareados de 8 a 12 sflabas. En ella se describe c6mo Santiago quiere Norske mellomalderballader. Bd. I (Oslo 1982) <?page no="281"?> Titelscan.indd 281 Titelscan.indd 281 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Sankt Jakob in den skandinavischen Volksliedern 269 cristianizar Espafia. Va a ver a Jesucristo, quien le reprocha no tener barco para cumplir esta misi6n. Jesucristo lo manda a la costa, en donde encontrara una piedra que lo llevara a Galicia. Allf le sale a recibir en tono amenazante el rey, pero Santiago le dice que su Dios vale m: is que el de este. Este rey ofrece convertirse al cristianismo si Santiago hace que su hijo, muerto a Ja edad de 15 arios, resucite. Santiago, despues de consultar su libro, lo trae de nuevo a la vida. EI muchacho, que estaba en el infierno en el fondo de! mar, cuenta cosas terribles que pasan alli. Ante tanta maravilla, el rey se hace cristiano, y toda su gente con el. Se trata aquf de una canci6n en la que se han mezclado elementos de una vita islandesa y otra de origen n6rdico, trafda originalmente, ampliada, de Dinamarca o Noruega, a las Islas Feroe . <?page no="282"?> Titelscan.indd 282 Titelscan.indd 282 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 <?page no="283"?> Titelscan.indd 283 Titelscan.indd 283 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 III BERICHTE AUS DER REGION <?page no="284"?> Titelscan.indd 284 Titelscan.indd 284 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 <?page no="285"?> Titelscan.indd 285 Titelscan.indd 285 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Jakobuskirche in Leutschau/ Levoca, Zips/ Spis (Slowakei), eine gotische Schatzkammer JOHANNA VON HERZOGENBERG Die Zips ist eine heute fast vergessene ehemalige deutsche Sprachinsel im seinerzeitigen Oberungarn. Es handelt sich um eine aus kleineren und mittelgroßen Gemeinden bestehende Städte-Gemeinschaft, die durch den Handel reich und mächtig geworden ist. Diese noch heute erhaltenen Städte und Märkte lagen an der großen Handelsstraße zwischen Budapest und Preßburg an der Donau und Krakau an der Weichsel. Es war die Verbindung zwischen den beiden Königreichen Ungarn und Polen. Die Straße führte durch das heute „Slowakisches Erzgebirge" genannte Gebiet, das durch Silber- und Goldfunde für alle Nachbarn von großem Interesse war. Die dort ebenfalls reichen Bergstädte Schemnitz/ Banska Stiavnica, Kremnitz/ Kremnica, Altsohl/ Zvolen und Neusohl/ Banska Bystrica waren mit dem Zipser Städtebund vereint . Die großen Handelsherren, wie etwa die Familie der Thurzo, besaßen nicht nur dort, sondern auch in Leutschau große, palastartige Häuser . Diese Patrizierfamilie war mit den Fuggern versippt. Es zeigen die fast überall noch erhaltenen Befestigungen, Kirchen und Patrizierhäuser das spätmittelalterliche Bild einer lebendigen, in die europäischen Entwicklungen eingebundenen Kultur . Höhepunkt waren die Jahre um 1500, bis sich dann nach der Entdeckung Amerikas die gesamte Orientierung Europas von der Mitte weg auf den Westen und den Atlantik richtete. Bis heute sind nicht nur die Stadtkerne erhalten, es ist auch die Innenausstattung über alle Zeitläufe hin bewahrt worden . Zu den reichsten Räumen gehört die Stadtpfarrkirche von Leutschau, St. Jakob. Es klingt wie aus einem Märchenbuch, wenn man erfährt, daß in dieser dreischiffigen gotischen Hallenkirche bis heute 15 (! ) Altäre stehen, davon die Mehrzahl spätgotisch und „in situ", das heißt an der Stelle, für die sie geschaffen wurden. Der bekannte und zu Recht mit Veit Stoss zu vergleichende Künstler, der nicht nur den Hauptaltar geschaffen hat, ist Meister Paul von Leutschau, der am Markt, nahe der Hauptkirche, seine Werkstatt hatte, aus der eine Reihe von Altären für diese, aber auch für einige anderen Zipser Kirchen die ebenfalls bis heute erhalten sind hervorgingen. Wir können uns diese Fülle von Aufträgen und die ihnen folgenden Arbeiten kaum vorstellen was allein an trockenem Holz für die so vielfältigen Schnitzarbeiten, von den mo- <?page no="286"?> Titelscan.indd 286 Titelscan.indd 286 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 274 johanna von Herzogenberg numentalen Einzelfiguren bis zu den nur fingerdicken Zierart-Teilen im Gesprenge oder in den Baldachinen, gestapelt werden mußte. Auch war eine stattliche Zahl von Mitarbeitern nötig, um diese Arbeiten nicht nur künstlerisch, sondern auch technisch zu bewältigen. Der Hauptaltar der Jakobuskirche hat eine Höhe von 18,62 m, was 60 „Leutschauer Fuß" entspricht. Er ist zwischen 1508 und 1510 entstanden. Er ist das Meisterwerk des Paul von Leutschau. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist der sehr kompliziert zusammengesetzte und in vielen Teilen schadhafte riesige Schnitzaltar, der größte in der Welt, restauriert worden. Die fünf Brüder Kotrba nahmen sich dieser Arbeit an, und Dr. Viktor Kotrba, langjähriger oberster Denkmalpfleger auf der Prager Burg, hat diese Arbeit, die sich Jahre hinzog, veröffentlicht. In der Literatur, welche Ivan Chalupecky in seinem kleinen Führer „Die Kirche St. Jakob in Leutschau" 1994 angibt, sind auch die verschiedenen ungarischen, slowakischen und deutschen Beiträge zur Erforschung dieses einzigartigen Ensembles angeführt. Man war sich immer schon der Bedeutung bewußt, stellte sie aber auch zurecht in den größeren Zusammenhang der übrigen Zipser Städte und ihrer so reichen Kirchen. Die wohl genaueste Bearbeitung, technische Zahlen und Aufmessungen für Architektur, Malerei, Plastik, Wandmalerei und Kunsthandwerk enthält der umfangreiche Band von Oskar Schürer und Benno Wiese (1938). Da die erste schriftliche Nachricht über Leutschau aus dem Jahre 1249 stammt, und wir dann 1271 erfahren, daß Leutschau die „civitas capitalis" der Gemeinschaft der Zipser Sachsen geworden ist also der deutschen Siedler, die nach dem Tatarensturm hier neu zu siedeln begannen -, wissen wir über die Entstehung des Patroziniums nichts! Es ist wie an vielen anderen Stellen unklar, warum gerade der Pilgerheilige Jakobus zum Patron gewählt wurde. In Leutschau dürfte wohl bekannt gewesen sein, daß sein Grab in Santiago Ziel einer europäischen Wallfahrt ist, an der nicht nur Deutsche, sondern auch die benachbarten Polen teilnahmen. Spuren in diesem Zusammenhang haben sich keine gefunden. Am Grundriß, den wir beifügen, ist die jeweilige Plazierung der Altäre abzulesen. Die meisten stehen, wie dies im Mittelalter üblich war, an den Pfeilern. Links und rechts vom Chor sind an den geraden Abschlüssen der Seitenschiffe je zwei Altäre aufgestellt, ebenso an der Westseite, links und rechts vom ursprünglichen Hauptaltar (1), der Altar der heiligen Anna (3), der Maria-Schnee-Altar (14), der „Corvinus"-Altar (26), der Altar der Weihnachtspredella (24). Am Hauptaltar der Jakobuskirche ist der Patron viermal dargestellt. In der Mitte des Schreins steht die Madonna mit dem Kind, links von ihr der heilige Johannes Evangelist und rechts Jakobus der Ältere. Den beiden Brüdern, die dem Herrn als Erste gefolgt sind, wurden auch die beiden Schreinflügel gewidmet. Auf den je zwei übereinander befindlichen Reliefs sind Szenen aus ihrem Leben dargestellt. In der Predella des Altares, die der zelebrierende Priester stets vor Augen hat, ist das Letzte Abendmahl, Jesus im Kreis der zwölf Apostel, dargestellt. <?page no="287"?> Titelscan.indd 287 Titelscan.indd 287 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Jakobuskirche in Leutschau/ Levoca, Zips! Spis (Slowakei) 275 • I..,') .I'° ) .1..... • • • ~I ~ .I"' ) •I"' • I<>- ~•~• • ~ Abb. 1: Grundriß der Kirche St.Jakob, Leutschau, Zips (Slowakei) Wir beginnen mit dieser Szene, die an kraftvoller Wirklichkeit, also an Realismus, wohl ihresgleichen sucht. Da sitzen die vertrautesten Jünger Jesu um einen langen Tisch. Unser Blick richtet sich auf den Herrn, an dessen Brust der Lieblingsjünger, Johannes, ruht. Das Mahl ist in vollem Gange und je weiter weg von der Mittelgruppe, desto kräftiger wird zugelangt und gegessen. Etwas im Eck, vom Beschauer links, sitzt Jakobus und schneidet einen runden Brotlaib. Er ist an seinem großen Pilgerhut mit der Muschel in der Mitte zu erkennen. In halber Rückenansicht sitzt Judas, dessen Gesicht eine seltsame Hässlichkeit prägt. Die übrigen Apostel sind gestandene Männer mittleren Alters, großartig in dieser unsentimentalen Darstellung, so daß wir uns die „Modelle" gut unter den Bewohnern von Leutschau und seiner Umgebung um 1500 vorstellen können. Noch einmal sind die Zwölf vor der Passion ihres Herrn mit ihm vereint. Sie sitzen barfuß da, so wie sie wohl alle die Wege durch Judäa und Galiläa gegangen sind. Eine Kopie der Szene ist im Meister-Paul-Museum zu besichtigen, ohne Schrein, nur die Figuren, das ist eine sehr wichtige Ergänzung unseres Eindrucks, der natürlich von der Entfernung und dem Schatten in der Predella beeinflußt ist. Auf den Flügeln des Altares sind auf den Außenseiten, die früher an den meisten Tagen im Kirchenjahr zu sehen waren, Szenen aus der Passion J esu gemalt, auf denen natürlich auch die Apostel und unter ihnen Jakobus vorkommen. Heute sind bei geöffnetem Schrein aus dem Leben der beiden Apostel Jakobus und Johannes, je zwei Szenen in Relief zu sehen: Johannes auf Patmos, sein Martyrium in siedendem Öl der Abschied der Apostel, die Enthauptung des Jakobus . Heute ist die Szene des Apostel-Abschiedes weitgehend unbekannt, um 1500 ist sie oft dargestellt worden. Wir sehen eine gebirgige Landschaft, über <?page no="288"?> Titelscan.indd 288 Titelscan.indd 288 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 276 Johanna von Herzogenberg Abb. 2: Hauptaltar der Kirche St. Jakob(© Werner Neumeister) <?page no="289"?> Titelscan.indd 289 Titelscan.indd 289 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Jakobuskirche in Leutschau/ Levoca, Zips! Spis (Slowakei) 277 Abb. 3: Hauptaltar, Ausschnitt (Predella) Abb. 4: Abendmahl aus der Predella des Hauptaltars (Kopie, Meister-Paul-Museum) Abb. 5: Abendmahl (Ausschnitt) <?page no="290"?> Titelscan.indd 290 Titelscan.indd 290 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 278 Johanna von Herzogenberg der sich am Horizont ein goldener Himmel wölbt, darüber ein reich geschnitzter Baldachin, der die Proportionen der Flügelreliefs zum Schrein hin ideal ergänzt. Golden leuchten aus dem Grün die Gewänder der sieben Apostel, die bereits paarweise, bis auf einen, der schon allein auf seinem Wege dahinzieht, sich in jene Länder begeben, in denen sie das Evangelium verkünden werden. Im Vordergrund, am Rande der Tafel, verabschieden sich die beiden Brüderpaare, die Fischer vom See Genezareth, die als Erste von Jesus zur Nachfolge berufen wurden: Jakobus, Andreas, Petrus, Johannes. Wir erkennen sie wieder, so sehen sie auch beim Paschamahl aus: Jakobus trägt seinen Pilgerhut, er trägt als einziger Schuhe, feste Wanderschuhe, sein Blick ist schon in die Feme gerichtet, während er sich mit festem Händedruck von Andreas verabschiedet. Die beiden anderen, so ungleich und doch von Jesus immer wieder hervorgerufen, Petrus, der den Herrn verriet und auf dem er doch seine Kirchen bauen wird, und Johannes, den der Herr liebt, der ihm folgte bis in den Vorhof des Hohen Priesters. Dieser, der Jüngste, verabschiedet sich mit einem Handkuß von Petrus eine ungewöhnliche und rührende Geste. Jakobus erscheint als der Mutigste, der Voranschreitende denn es war sicher schwer, trotz der Kraft des Heiligen Geistes, der sich über die Jünger ergossen hatte, diese Gemeinschaft, diese Männer, mit denen man drei Jahre unterwegs war die Freuden, die Wunder und dann das Scheitern des Meisters teilend nun zu verlassen. Das Ende dieser Missionen war bei allen, mit Ausnahme des Johannes, das Martyrium. Wir sehen es in seiner ganzen Grausamkeit in der unteren Tafel. Jakobus kniet mit entblößtem Rücken, damit der Henker mit seinem Schwert gut treffen kann. Das Haupt, das fallen wird, trägt den großen Pilgerhut. Rechts im Mittelgrund stehen die Hohen Priester, die das Urteil gesprochen hatten. Das Auge des Betrachters kann gewissermaßen der Verwandlung, der himmlischen Wiedergeburt des Apostels folgen, denn gleich neben diesen Szenen steht in voller Größe der Apostel im Schrein, mächtig einherschreitend. Es ist anzumerken, daß die großen Schreinfiguren jeweils aus einem einzigen Lindenstamm geschnitzt und über zwei Meter hoch sind. Jakobus ist in einen weiten Mantel gehüllt, dessen Stoffbreite wir an dem Teil abschätzen können, der über den Pilgerstab gelegt ist. Das Haupt des Apostels, der als kräftiger Mann mittleren Alters, mit reichem, gelocktem Bart- und Haupthaar dargestellt ist, trägt den Pilgerhut mit einer großen Muschel in der Mitte. Die Linke faßt den Wanderstab unter dem Wulst, die Rechte zeigt wohl in die Richtung, in die Jakobus aufbricht. Fast unsichtbar im Gesprenge verteilt sind noch einmal die Apostel, wohl aus dem früheren Altar, so daß genau genommen,Jakobus hier fünfmal dargestellt ist. Wir suchen nunmehr diejenigen Altäre auf, in denen der Apostel ebenfalls dargestellt ist und müssen auf eine Würdigung der gesamten Ausstattung, also etwa der Wandmalereien, der Epitaphien, des Sakramentshauses etc. verzichten . <?page no="291"?> Titelscan.indd 291 Titelscan.indd 291 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Jakobuskirche in Leutschau/ Levoca, Zips! Spis (Slowakei) 279 Abb. 6: Abschied der Apostel (Linker Seitenflügel des Jakobusaltars) Altar der heiligen Anna: Das so beliebte Motiv der drei Generationen: Anna, Maria und das Jesuskind, Selbdritt genannt, wird häufig auch durch eine <?page no="292"?> Titelscan.indd 292 Titelscan.indd 292 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 280 Johanna von Herzogenberg Abb.7: Enthauptung des hl. Jakob (Relieftafel des Hauptaltarflügels) Darstellung der gesamten Heiligen Sippe ergänzt, wo dann im Kindesalter auch Jakobus und Johannes, die Söhne der Salome dargestellt sind. Hier finden sich die „sehr gut genährten Kinder" auf zwei Tafeln der Flügelrückseiten, unser Jakobus auf dem unteren Feld, zusammen mit Esmeria und Elisabeth, Maria Kleophas und ihren Kindern, sowie Maria Salome mit den ihren. Maria-Schnee-Altar : Auch hier ist im Gesprenge der Apostel Jakobus zusammen mit einer Darstellung des Schmerzensmannes zu entdecken. In einer ganz anderen Zusammenstellung ist der Kirchenpatron auf dem sogenannten Altar der Weihnachtspredella zu sehen: Zusammen mit Johannes dem Evangelisten, Johannes dem Täufer und dem heiligen Georg. Diese Anordnung der Figuren stammt erst aus der Zeit der großen Restaurierungsarbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg. Alle diese Figuren und der Gekreuzigte über dem Schrein datieren aus der Zeit um 1420. An dem großen, an der Südwand der Kirche aufgestellten sogenannten Corvinus-Altar, oder Altar des „Vir dolorum", des Schmerzensmannes, sind auf den Flügeln in vier Feldern jeweils zwei Heilige gemalt - Katharina und Barbara, Dorothea und Margareta, Sebastian und Christopherus, Johannes der Täufer und Jakobus der Ältere. Diese Tafeln gehören zu den bedeutendsten Kunstwerken in der Jakobuskirche. Die Aufzählung allein gibt freilich die beherrschende Rolle des Kirchenpatrons nicht ganz deutlich wieder aber sie ist in dem unerwarteten Reichtum dieser Kirche eigentlich nicht aus der Rolle der anderen Apostel, vor allem Johannes und Petrus, so einfach herauszustellen. Natürlich gehören die „Donnersöhne" sowie Petrus und Andreas zu den immer wieder Bevorzugten in der Gruppe der Zwölf- und sie sind dem gläubigen Volk durch die Berichte im Neuen Testament im Laufe des Kirchenjahres immer wieder vorgestellt worden. Sie sind die Namenspatrone vieler vielleicht ist es einmal auch angebracht auf die Apostelpaare, auf die verschiedenen Szenen der Gemeinschaft, aber auch auf jene der Auserwählung vor den Anderen am Berge Tabor oder am Ölberg, hinzuweisen. <?page no="293"?> Titelscan.indd 293 Titelscan.indd 293 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Jakobuskirche in Leutschau/ Levoca, Zips! Spis (Slowakei) 281 Abb. 8: Apostelabschied der Apostel, Nürnbergisch, um 1500 (Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München Exkurs Anläßlich der Beschäftigung mit dem nicht eben häufigen Bildmotiv der Aussendung der Jünger bzw. deren Abschied, konnte ich eine gewisse Häufigkeit im Bamberg- Nürnbergischen Raum um 1500 bestätigt bekommen. Ein Hinweis machte mich freilich stutzig: Es gäbe Darstellungen, bei denen in den Nimben der Apostel ihr künftiges Missionsgebiet eingeschrieben sei. Nun galt es, dies vor allem für unseren Patron Jakobus nachzuprüfen. So wie man heute Kindern, die unbegleitet reisen, einen Adress-Zettel umhängt, so stellte ich mir diese Bestimmungen für jeden einzelnen Apostel vor. Es begann ein eifriges Suchen, bis ich zwei gute Beispiele fand eines im Diözesan-Museum Freising und eines in der Pinakothek zu München. Ersteres ist künstlerisch zwar nicht so bedeutend, aber interessant wegen der breiten Bänder, die jeweils hinter den sich verabschiedenden Männern wehen. Da sind nun in großen Buchstaben ihre Namen und ihr Ziel angegeben: Die weiteste Reise hat der Apostel Thomas vor sich: India. Jakobus freilich braucht nur nach Judäa zu gehen. - So suchte ich weiter und der schöne Apostelabschied, eine große Holztafel, Nürn- <?page no="294"?> Titelscan.indd 294 Titelscan.indd 294 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 282 Johanna von Herzogenberg - ri~ iJYG t J! 1~ il ~ ·,J-_z_§ ~ f - ' - - ...: _ __ _ Abb. 9: Aposteldarstellung aus dem ,Tractatus de Apocalipsin' des Beatus von Liebana Codex Gerundensis (hg . vonJ. MARQUESCASANOVAS/ W. NEUSS/ C. DUB- LER,Olten, Lausanne 1962, Faksimile fol. 53; vgl. ed. H. A. SANDERS,1930, S. 116) <?page no="295"?> Titelscan.indd 295 Titelscan.indd 295 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Die Jakobuskirche in Leutschau/ Levoca, Zips! Spis (Slowakei) 283 bergisch um 1500 aus den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, zeigt die Szene an einer gefaßten Quelle, wo die im Aufbruch befindlichen Männer noch einmal frisches Wasser getrunken und in ihre Reise- oder Pilgerflaschen gefüllt haben . Tatsächlich stehen hier in den Nimben sowohl die Namen als auch die Bestimmungsländer. Da dem jeweiligen Namen das „Sanctus" vorgeordnet ist, wird darauf verwiesen, daß sie alle Heilige sind geworden sind. Das Bild hängt heute in der Stiftskirche St. Peter und Alexander in Aschaffenburg, es hat fast quadratische Maße: 146 X 153. Ich gebe nach dem Inventar (Nr. 1494) die Inschriften für alle Apostel an, da ich meine, das Thema ist interessant genug: von links nach rechts: S. MATHIAS.I.PALESTIN .. - SANCTUS .THOMAS I.INDIA. - S.THADEUS.I.MESOPOTA .. - SANCTUS PETRUS.I.ITALIA - S.BARTHO- LOMEUS I.CILICIA . -SANCTUS ANDREAS . I.ACHAIA-S.IACOBUS.I.HI ... - S.PHILIPPUS. I.FRIGIA - SANCTUS.JOHANES. I.ASIA. - S.MA- THEUS.I.ETHIOPIA. - SANCTUS . JACOBUS.I.IUDEA. - Alle Apostel, mit Ausnahme eines einzigen, der dunkle Schuhe trägt, sind barfuß . Der beschuhte Apostel wird in einem Nimbus als Philippus ausgewiesen, der sich gerade von dem ihn umarmenden Jacobus Maior verabschiedet. In der Darstellung werden die beiden Apostel Jacobus Maior und Minor nicht ausdrücklich unterschieden. Im Text des „Tractatus de Apocalipsin" (Kommentar zur Apokalypse) des Beatus von Liebana steht Jacobus Maior allerdings zwischen Thomas und Johannes: „Thomas India , Iacobus Spania, Joannes Asia, ..." (Ed . SANDERS,S. 116). In der Aschaffenburger Darstellung könnte Jacobus Minor dem Apostel entsprechen, der mit einem kurzen Stock (Walkerstange) barfuß rechts aus dem Bild herausschreitet. Die „divisio apostolorum", auch als „sortes apostolorum" bekannt, hat in der lateinischen Kirche des Westens schon in früher Zeit ihren liturgischen Niederschlag in einem eigenen Fest gefunden. Auch künstlerische Darstellungen legen Zeugnis dafür ab, wie wir oben sehen konnten . Literaturhinweise OSKARSCHÜRER, Erich Wiese: Deutsche Kunst in der Zips (Brünn, Wien, Leipzig 1938) IVANCHALUPECKY, Die Kirche St. Jakob in Leutschau (Kosice 1994) (Hier auch eine umfangreiche Literaturangabe bis zu den ersten Veröffentlichungen der k.k.Central-Kommission 1860) Resumen: La regi6n de la Zips en la Hungrfa Superior se presenta hoy en dfa como un islote casi perdido de lengua alemana. Sin embargo, sobre todo en los siglos XV/ XVI la regi6n era de gran interes econ6mico por sus yacimientos de cobre, oro y plata. Fueron las poderosas familiasde los Fugger y Thurzo las que administraron y explotaron las riquezas del subsuelo. La autora presenta como ejemplo para la Europa cristiana de aquellos tiempos la equiparaci6n de la iglesia de Santiago de Leutschau, antigua „civitas capitalis" de los inmigrantes sajones, que muestra todavfa hoy una serie de numerosos retablos preciosos y lo que es lo bonito recien restaurados. <?page no="296"?> Titelscan.indd 296 Titelscan.indd 296 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 <?page no="297"?> Titelscan.indd 297 Titelscan.indd 297 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Register der Orts- und Personennamen bearbeitet von Sofia Seeger Das Register verzeichnet alle Namen aus dem Haupttext und den Anmerkungen, sofern sie nicht in bibliographischen Angaben auftauchen. Nicht berücksichtigt wurden die Namen in den spanischen Zusammenfassungen, die Bildlegenden, sowie die Anhänge bzw. Quellentexte von den Aufsätzen von Jan van Herwaarden und Vincente Almazan. Mittelalterliche Personen werden in der Regel unter dem Vornamen angeführt. Varianten in anderen Sprachen sind kursiv gesetzt, alternative Schreibweisen werden in Klammern geführt. Adjektive und von Orten abgeleitete Personenbezeichnungen werden unter dem entsprechenden Substantiv bzw. Ortsangabe aufgeführt. Datenangaben beziehen sich bei Amtsträgern auf ihr e Regierungsjahre, sofern es nicht anders vermerkt ist; ansonsten sind Lebens- und Sterbedaten oder ggf. nur das Belegdatum angegeben. Abkürzungen Äbt . Abtissin K. Kontinent angebl. angeblich Kg. König Bf. Bischof Kl. Kloster bibl. biblisch Ks . Kaiser ca. circa L. Land d.Ä . der Ältere mhd. mittelhochdeutsch d.J. der Jüngere mlat. mittellateinisch dt. deutsch mndl. mittelniederländisch Dtl . Deutschland nhd . neuhochdeutsch Dyn. Dynastie N.T . Neues Testament Ebf. Erzbischof 0. Ort ehern . ehemaliges P. Papst Fl. Fluß s. San, Santa Gf. Graf s. siehe HI. Heilige(r) St(.) Saint, Sankt Hzg . Herzog Terr. Territorium Jh. Jahrhundert V Volk <?page no="298"?> Titelscan.indd 298 Titelscan.indd 298 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 286 Register der Orts- und Personennamen Aachen, 0. in Dtl. 31, 85, 94,253 Abaelard (Abelard), Philosoph und Theologe (1079-1142) 161 Abdias s. Pseudo-Abdias Abendland 109f., 255 Abiatar (Abiathar, Ebjathar), bibl. Gestalt 263 Abraham, bibl. Gestalt 11,68, 70, 76, 81 Don Abundio, Romanfigur 206 Acaja s. Griechenland Adelheid von Besselich, Gemahlin des Bürgermeisters Clas von Zerf 28 Adlibitum, fiktiver HI. 194 Afrika (Afrique), K. 113, 191, 195f., 202,204, 206f., 213,216,220 Agamemnon, legendärer mykänischer Kg. 208 Ägypten (Aegyptus), L. 11, 31, 74f., 118, 121 Ahorn, 0. in Dtl. (Franken) 253 Aimeric Picaud, Verfasser des Pilgerführers im Liber Sancti Jacobi (? ) (12. Jh.) 141 Alamani s. Deutschland Alba, Herzog von, Romanfigur 219 Alberich (Alberic, Albericus) von Troisfontaines, Zisterzienser, Historiograph (t nach 1252) 158 Albstadt, 0. in Dtl. (bei Alzenau) 247 Aldhelm (Aldhelmus), Abt von Malmesbury und Bf. von Sherborne (650? -709) 78 Alemannien, Terr. 93f. Alexander, HI. 102 Alexander, Aufzeichner von Mirakeln für Anselm von Canterbury (1102/ 4) 160 Alfons (A/ fonsus) II. "el Casto", Kg. von Asturien (~·791-842) 159 Alfons III., Ebf . von Santiago de Compostela (t 1508) 131 Alfons de Montufar, Ebf . von Mexiko (1551-1569) 233 Allenstein, 0. in Polen 26 Alodias, HI. 6 Alpen, Gebirge 93 Alphaeus, bibl. Gestalt 72f. Alte Welt (s. auch Europa) 202, 208, 211,214,216,221,236 Altsohl (Zvolen), 0 . in der Slowakei 273 Alvarado, Pedro de, spanischer Eroberer (ca.1485-1541) 225,229 Alzenau, 0. in Dtl. (Franken) 247 Amadeus VIII . von Savoyen s. Felix V Amadfs, literarische Ritter-Figur 211 Amberes,Juan de s.]uan de Amberes Ambrosius, Bf. v. Mailand (um 337- 397) 16 Amendt, Gottfried, Pilger und Autor 252 Amerika (Amerique, Indes, Indias, Indien, Neue Welt, Nouveau Monde, Westindien), K. 191, 195f., 201f ., 208-219, 221f., 226--230,233, 235f., 273 - Hispanoamerika 225, 227-229, 234,237 - Lateinamerika X-XII, 201f., 208, 215[,218,221,223,226f~230[, 234 - Nordamerika 209f. Amerika, Vereinigte Staaten von 260 Amichai, Jehuda (Ludwig Pfeuffer), jüdischer Schriftsteller (''1924) 241 Amman, Jost, Zeichner und Ku pferstecher (1539-1591) 255 Amorbach, 0. in Dt! . (Nordbayern) 248 Amsterdam, 0. in d. Niederlanden 88, 98,170 Ancona, 0. in Italien 247 Andreas, Apostel 21, 30f., 43, 58, 278, 280,283 Angleterre s. England Anna, Mutter Mariens 152, 274, 279 Anno II ., Ebf . von Köln, Held des mhd. Annoliedes (1056-1075) 147 Ansbach, 0. in Dt! . (Franken) 245 - Stift St. Gumbert 245 Anselm (Anselmus), Ebf. von Canterbury, Philosoph und Theologe (1093-1109) 160,253 Antigones, Gigant in Antwerpen 54 Antoniuskloster, KI. in Ägypten 118, 121 Antwerpen, 0. in Belgien 15, 54, 158, 211,234 - St. Anna, Kollegiatskirche 15 Aquin, Held einer „chanson de geste" 150 Arabien, L. 202, 207 Arag6n, Terr. in Spanien 113-115 <?page no="299"?> Titelscan.indd 299 Titelscan.indd 299 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Register der Orts- und Personennamen 287 Arcadio, Romanfigur 215 Arce, 0. in Spanien 12 Aridjis, Homero, mexikanischer Schriftsteller 228 Arles, 0. in Frankreich 24 Armenien, L. 75, 77 Arnold von Harff s . Harff, Arnold von Arnstadt, 0. in Dtl. (Franken) 239 Artafz, 0. in Spanien 1tf. - San Martfn, Pfarrkirche 1tf. Aschaffenburg, 0. in Dtl. (Franken) 283 Asien (Asia) 31,283 Assyrer, V. 55 Astorga, 0. in Spanien 231 Asturias, Miguel Angel, Schriftsteller aus Guatemala (1899-1974) 228 Athen, 0. in Griechenland 75 Äthiopien (Ethiopia) 75, 77,283 Atlantik (Atlantique), Ozean 86, 133, 197,235,273 Augsburg, 0. in Dtl. 80, 118, 129f. - Dom 80 Augustinus, Kirchenvater und Heiliger (354-430) 35 Avignon, 0. in Frankreich 248 Axel von Liechtenstein, Spanien- Reisender (1462) 119f. Ayrer,Jakob, Nürnberger Meistersänger (ca. 1543-1605) 248 Babel (Babylon), 0. 207 Baden, Terr. in Dtl. 243 Balkan 113 Balthasar (don Balthazar), literarische Gestalt 191 Bamberg, 0. in Dtl. (Franken) 36, 247f., 253f., 280 - Bamberg-Theuerstadt 253 - St. Gangolfstift 253 - Dom 36 Banska Bystrica s. Neusohl Banska Stavnica s. Schemnitz Bar-Je-Duc, 0. in Frankreich 59 Barbara, HI. 280 Bari, 0. in Italien 109 - S. Nicola 109 Bartholomäus (Bartholomeus), Apostel 31,240,283 Basel, 0 . in d. Schweiz 55, 97 Bayern, Terr. und V.in Dtl. 28f., 87, 242f. Bayonne, 0 . in Frankreich 212, 235 Beatus, Abt von Liebana (t798) 31f., 34,283 Bechstein, Ludwig, Autor (1801-1860) 253 Beheim, Michel, spätmittelalterlicher fränkischer Dichter (1416/ 21- 1474/ 78) 254 Beleth, Johannes s. Johannes Beleth Belgien, L. 149, 171 Belleville, 0. in Frankreich 40 Belorado, 0. in Spanien 164 Benedikt von Aniane, Klostergründer und Organisator des Benediktinerordens (ca. 750-821) 31 Berg, Hzg.tum in Dtl. 135 Bemal Yaiiez de Moscoso, galicischer Kriegsherr (15. Jh.) 131 Bernhard, Steinmetz (15. Jh.) 52 Bertelli, Luca, Kupferstecher (tätig um 1550-1580) 35 Berthold von Regensburg, franziskanischer Prediger (1210-1272) 168 Bethlehem, 0. 38, 97, 120f. - Geburtskirche 120 Bilbao, 0. in Spanien 170 Billigheim, 0. in Dtl. (Pfalz) 43 - St. Martin-Kirche 43 Biskaya, Terr. in Spanien 215 Blaubeuren, 0. und Kl. in Dtl. 43 Blomberg, 0 . in Dtl. 88 Biomen (Blomgin), Trierer Bildhauerfamilie (? ) 52, 57 Biomen, Johann, Trierer Bildhauer (15. Jh.) 52, 56-59 Bocklage, Albert, Maler 23 Bogotillos, literarische Gestalt 193 Böhler, Dieter, Autor 247 Böhmen (Böheimben), L. und V. 115f., 129, 131, 164 Boom, Ulrich, fränkischer Priester 256 Bouts, Dieric, niederländischer Maler (1415-1475) 153 Brabant, Terr. 54, 58, 158 Braga, 0. in Portugal 131, 133 <?page no="300"?> Titelscan.indd 300 Titelscan.indd 300 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 288 Register der Orts- und Personennamen Bramstedt (Bad Bramstedt), 0. in Dtl. 101 Brandenburg, Terr. in Dtl. 85, 88, 98, 135, 137 Brandenstein, Burg in Dtl. (bei Schlüchtern) 249 Braunschweig, 0. in Dtl. 29, 102 - St. Blasius, ehern. Kollegiatsstiftskirche 29 Breitenbach, Roland, fränkischer Priester 256 Bremen, 0. in Dtl . 85, 87, 89-91, 93f., 97f., l0lf., 104 - Böttcherstraße 91 - Bremen-Babenhausen 89 - Dom 104 - Stephaniviertel 89 Breslau, 0. in Polen 115, 117 Bretagne, Terr. in Frankreich 102, 114 Brixen, 0. in Italien 35 Brüssel, 0 . in Belgien 131, 143, 153 Budapest, 0. in Ungarn 273 Burgos, 0. in Spanien 131,145,213, 219,231,235 Burgund, Terr. in Frankreich 59, 113, 119 Byzanz (Constantinopla, Istanbul), 0. 73, 75,77, 135,157,214 Cabez6n de Castilla, Juan, Romanfigur 228 Caecilia (Cecile), HI. 104, 187 Caesarius, Zisterzienserprior von Heisterbach, mlat. Autor (t ca. 1240) 151f., 165 Calixtll.,P. (1119-1124), 137,141, 146, 153-160, 163 Camille, literarische Gestalt 197 Camino de Santiago s. Jakobsweg Cannegiser, Caspar (1552) 44 Cardenal, Ernesto, nicaraguanischer Dichter (""1926) 229 Carpentier, Alejo, kubanischer Schriftsteller (1904-1980) 201-223,229,234-237 Carri6n (de los Condes), 0. in Spanien 231 Casas, Bartolome de las, dominikanischer Missionar (1484-1566) 228 Castille s. Kastilien Cecile s . Caecilia Celtis, Konrad, fränkischer Gelehrter (1449-1508) 254 Ceres, römische Göttin 206 Ceuta, 0. in Nordafrika (Spanien) 113, 195 Champagne, Terr. in Frankreich 40, 153 Chantilly, 0. in Frankreich 154 Charente, Terr. in Frankreich 112 Charles Quint s. Karl V. Chartres, 0. in Frankreich 153 - Kathedrale 153 Chelm Lubelski, 0. in Polen 27 Chenoboskion, 0 . 74 Cheops- Pyramide, Pyramide in Ägypten 119 China (Chine), L. 191 Christian II ., Kg. von Dänemark (""1481-1559) 232 Christian IV., Kg. von Dänemark (1588-1648) 263 Christine, Königin von Dänemark, Gemahlin von Hans 1.von Dänemark 232 Christmann, Toni, Bildhauer (20. Jh.) 53 Christophorus (Crist6bal), HI. 219 Christus (Cristus, Jesus, / esus, Salvator) passim Cieza de Le6n, Pedro de, spanischer Chronist (""1518-1560) 213 Clas von Zerf, Bürgermeister von Trier (um 1500) 28 Cilicia s . Kilikien Claude! , Paul, französischer Schriftsteller (1868-1955) X, 187-189, 192-194, 197, 199 Clavijo, 0 . in Spanien (bei Burgos) 231 Clays ver Brechtensone, nicht identifizierter Autor 158 Clemens 1., P.und HI. (88-97) 73 Clemens von Alexandrien, griechischer Kirchenschriftsteller (t um 216-217) 76 Cluny, 0. und KI. in Frankreich 79, 160 Coburg, 0. und Terr. in Dtl. 253 Coesfeld, 0. in Dtl. 22, 149 - Jakobus-Kirche 22 Colette, HI. 187 Colonia Agrippina s. Köln Colonne(s) d'Hercule s. Herkulessäule(n) <?page no="301"?> Titelscan.indd 301 Titelscan.indd 301 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Register der Orts- und Personennamen 289 Columbus s. Kolumbus Compostela s. Santiago de Compostela Conques, 0. und Kl. in Frankreich 168 Conrad (Konrad), Zisterzienserabt von Eberbach, mlat. Autor (t 1221) 165 C6rdoba, 0. in Spanien 115 - Kathedrale (ehemalige Moschee) 115 Corona, HI. und Märtyrerin 104 Cortes, Heman, Eroberer Mexikos (1485-1547) 225,229 Corvinus s. Matthias Corvinus Couperus, Louis, niederländischer Dichter(1863-1923) 142 Cranach, Hans, Holzschneider (t 1537) 71 Cranach, Lukas d. Ä., Maler (1472-1553) 68,71 Cranach, Lukas d. J., Maler (1515-1586) 71 Crist6bal s. Christophorus Cristus s. Christus Crocq, Jan, niederländischer Bildhauer (1486-1511 erwähnt) 59 Cuba s. Kuba Cuyper, Jacques de, Spanienreisender aus Haarlem (1595) 169f. Cuyper, Jan, Bruder Jacques' de Cuyper 170 Czechowicz, Szimon, polnischer Maler (1689-1775) 28 Czerwinsk, 0. in Polen 23 Dänemark, L. 86, 153,232f.,259-261, 263 Daniel, bibl. Gestalt 39, 190 Dankwart, Karl, Maler (1703) 30 Dante Alighieri, italienischer Dichter (1265-1321) 166,253 Dauthendey, Max (1867-1918) 254 David, bibl. Gestalt 76 Delhougne, Carl, städtischer Denkmalpfleger von Trier 53 Dettelbach, 0. in Dtl. (Franken) 250 Deutschland (alamani, Germania, Heiliges Römische Reich Deutscher Nation, teutsch), L. 68, 72, 80, 88, 91, 93f., 98, 102, 115f., 129, 133, 142, 147,151,164,168,209,232,234,241, 244f., 252, 255, 263f., 273f. Dirc van Delf, Dominikaner, mndl. Autor (1404) 162 Santo Domingo de la Calzada, 0. in Spanien 130, 163f., 170,231 Dominikus (Santo Domingo de la Calzada), spanischer Eremit und HI. (um 1019-1109? ) 164 Doornik (Tournai), 0. in Belgien 147 Dordrecht, 0. in d. Niederlanden 168 Dorothea, HI. 280 Douai, 0. in Frankreich 54 Dreistelz, Burg in Dtl. (Franken) 253 Drontheim (Trondheim), 0. in Norwegen 85 Duff, Thomas, Dichter (17. Jh .) 242 Dünninger, Josef, wissenschaftlicher Autor 249-251 Dürer, Albrecht, dt. Maler (1471-1528) 68,245 Düsseldorf, 0. in Dei. 23 Dzialoszyce, 0. in Polen (bei Kielce) 21 - Dreifaltigkeitskirche 21 Eberhard, Straßburger Domprobst (10. Jh.) 91 Eberstein, Mangold von, Ritter (16. Jh.) 249 Eckhart, Meister E. (Meester Eckhart, Meester Eggaert), dt. Philosoph und Theologe(um 1260--1328) 145, 167f. Eilbert (Eilbertus) von Köln, Goldschmied (12. Jh.) 29, 38 Einsiedeln, 0. in d. Schweiz 85, 91, 93, 253 Elend, 0. in Dtl. 101 tzo dme elnde, Marienwallfahrtskirche bei Elend 101 Elias (Elia), bibl. Gestalt 74, 81 Elisabeth, bibl. Gestalt 280 Elisabeth (Elizabeth) 1., Kg.in von England (1558-1603) 191 Ellefeldt, Joachim, protestantischer Geistlicher (16. Jh.) 98 Elsaß, Terr. in Frankreich, 85, 91, 93 Eltmann, 0. in Dtl. (Franken) 35 Emmanuel (Emanuel), bibl. Gestalt 44 Emmaus, 0. 29,232 <?page no="302"?> Titelscan.indd 302 Titelscan.indd 302 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 290 Register der Orts- und Personennamen England (Angleterre), L. 31, 54, 113f., 146f., 191 Epiphanios von Salamis, Klostergründer und christlicher Theoretiker (um 315-403) 75 Erasmus von Rotterdam (Erasmus Roterodamus), Humanist (1466-1536) 43, 167, 169 Erfurt, 0. in Dtl. 44, 243 Ermland, Terr. in Polen 26 E. S. (Meister E. S.), Kupferstecher (t nach 1467) 57f. Esau, bibl. Gestalt 79, 240 Esmeria, bibl. Gestalt 280 Essonira s. Morador Estavayer-le-Lac, 0. in d. Schweiz 25 Estella, 0. in Spanien 9, 12,231 - San Miguel, Pfarrkirche 9 Ethiopia s. Äthiopien Eucharius, angeblich der erste Bf. von Trier (3. Jh.) 54, 94 Eucharius Sang, Würzburger Weihbf . und Autor (1607) 250 Eunate, 0. in Spanien (Navarra) 9 - Nuestra Seiiora, Kirche 9 Europa (Europe) , K. XII, 22, 111, 113f., 116, 120, 129, 191, 193, 195, 197, 201f., 210, 213, 215f., 219-222, 225-227, 232f., 237,254,256,273 Eusebius, Bf. von Caesarea (um 313 -um 339/ 340) und Historiograph 75f. Eutropius, angebl. erster Bf. von Saintes unJ Hl. 262 Evermarus, HI. 148f. Ezechiel , bibl. Gest alt 74 Ezzo, Bamberger Geistlicher,Jerusalem- Pilger und frühmhd . Autor (1064-1065) 254 Fabri, Felix, Dominikaner in Ulm, Autor verschiedener Pilgerreiseberichte (1441/ 42-1502) 136f. Färöer-Inseln 153, 259-261, 263, 267f. Feletto, 0 . in Italien (Veneto) 36 - St. Petri, Kirche 36 Felix V. (Amadeus VIII. von Savoyen) , Gegenpapst(1439-1440) 130 Felix Fabri s. Fabri , Felix Ferdinand II . (Katholische Könige), Kg. von Arag6n (ab 1452) und König von Spanien (1479-1516) 133 Fermi, Pater, Romanfigur 237 Ferrara, 0. in Italien 152 Filetus, Schüler des Hermogenes 162 Finisterre (Finster Sterenn, Finster Stern), Kap in Spanien 112, 117f., 121, 129f., 136 - Kapelle (kappell) 117, 121, 130 Finnland, L. 259f., 268 Flandern, Terr. 54, 56, 58f., 141f., 147, 153 Florenz, 0 . in Italien 245 - Uffizien 245 Florimonte, literarische Ritter-Figur 211 Florus von Lyon, Redaktor eines Martyrologiums (t 860) 28 Flurheym , Christoph, Magister (16. Jh.) 245 Foix, 0 . in Frankreich 116 Folz, Hans, Nürnberger Meistersänger (zwischen1435/ 1440-1513) 248 Fonseca, spanisches Adelsgeschlecht 131 Frank, Leonhard, Schriftsteller (1882) 239f. Franken (Frankenland) , Terr. in Dtl., XI, 71,239-244,247-249,251-254 , 256 Frankenreich (s. auch Frankreich) 242 - Ostfranken (Franconia orientalis) 242 - Westfranken 242 Frankfurt am Main, 0 . in Dtl. 32, 249 Fränkische Schweiz, Landschaft in Dtl. 253 Frankreich ( France, Francia, Galiae, Gallia, Gallien) VII, VIII, 31, 41, 77, 8~9~11~113f., 11~ 131, 134f~ 141, 143f., 147,150 , 191, 201f., 209f., 216, 223,234,244, 254f. Franz von Guise (Frans de Guise), Autor eines Stundenbuches (15. Jh .) 153 Frechulf, Bf. von Lisieux (822/ 25 -um 850) 78 Friedrich I. Barbarossa, dt . Kg. und Ks . (1152-1190) 97,242,251 Friedrich d . Weise, Kurfürst von Sachsen (1468-1525) 71 Friedrichsruh, Schloß in Dtl. 239 <?page no="303"?> Titelscan.indd 303 Titelscan.indd 303 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Register der Orts- und Personennamen 291 Friesland, Terr. 142, 148 Frodner, Arzt und Spanienpilger, Mitreisender von Gabriel Tetzel (15. Jh .) 132 Frygia s. Phrygien Fugger, dt. Handelsfamilie aus Augsburg XI, 273 Fugger, Jakob (1492-1546) XI Fulda, 0 . in Dtl. 243f., 246,249, 252, 254 Gabriel Tetzel s . Tetzel, Gabriel Galeano , Eduardo, Dichter aus Uruguay 22 Galicien ( Galice, Galicia,Galissien, Galizien), Terr. in Spanien 80, 130, 131f., 135, 141, 143f., 149f., 152f., 155f., 16~ 18~ 191,244,253,261,267 Galiläa, Terr. 275 St. Gallen, 0 . in d. Schweiz 244 Gallia s . Frankreich Gandersheim (Bad Gandersheim), 0. in Dtl . 29 Gansfort, Wessel, Reformtheologe und Magister (um 1420-1489) 168 Garda, fiktiver Kg. von Galicien, Held von färöischen Liedern 261,267 Garcfa Marquez, Gabriel, kolumbianischer Schrifsteller ('' 1928) 203, 207 Gargano , Berg 109 - San Michele Heiligtum 109 Gaugela, Berg in Palästina 75 Gayant, Gigant in Douai 54 G eert Grote, Theologe (1340-1384) 167 Geißendorfer, Paul, Pfarrer 252 Gellone (Gellonensis), 0 . in Frankreich 78 Genezareth, See in Palästina 278 Genf, 0 . in der Schweiz 130f. Genov eva (Genevieve), HI. 187 Gent, 0. in Belgien 54, 58, 142, 163 - Belfried 54, 59 - Het Toreken, Gerberzunfthaus 58 Genua (]anua) , 0. in Italien 116 Geoffroy de Semur s. Gottfried von Semur Georg (Georges), HI. 12,187,279 Georg von Podiebr ad, Kg . von Böhmen (1458-1471) 131 Georg von Ehingen, Ritter , Autor eines Pilgerreiseberichts (1428-1508) 113f. Gerberga, Begleiterin von Aimeric Picaud (12. Jh .) 141 Gerhaert von Leyen, Nikolaus, Bildhauer (1430---1473) 56f., 59 Germania s. Deutschland Gerstner, Hermann, Schriftsteller 249 Gethsemane (Gethsemani), 0 . bei Jerusalem 247f. Getrzwald (Getschwald), 0. in Polen 26 - Kirche der Lateran-Kanoniker 26 Gibraltar, Felsen 195 Gnapheus, Willem (Willem de Polder van de Voldersgraft), niederländischer Humanist (1493-1568) 169 Goa, portugiesische Besitzung an der Westküste Indiens 135 Gog, Gigant in London 54 Golom6n, Romanfigur 217,219 Görres, Josef (von), Publizist und Gelehrter (1776-1848) 242 Goslar, 0. in Dtl. 25 - Jakobus-Kirche 25 - Markt 25 Gottfried von Bouillon , Hzg . von Niederlothringen (1087-1096) und Kg. von Jerusalem 115 Gottfried (Geoffroy) von Semur, Neffe Hugos von Cluny (t 1123) 160 Gottfried Spitzenberg- Helfenstein, Kanzler Barbarossas (1172-1186 ), Bf. von Würzburg (1186-1196) 251 Gottfried von Straßburg, mhd . Dichter (um 1200) 87 Göttingen, 0. in Dtl. 38 - Barfüßer-Karmeliten-Kloster 38 Grabfeld, Terr. in Dtl. 245 Granada, 0. in Spanien 113, 115f., 133 Gregor d . Gr., P. (590---604) 24, 27 Griechenland(? ) (Acaja, Achaia), L. 74f., 77f., 208,221,231, 261f., 283 Griesinger, Jakob s. Jakob von Ulm Grimmenthal, 0. in Dtl. (Franken) 249 Gröninger , Heinrich, Bildhauer (1578-1631), 22 <?page no="304"?> Titelscan.indd 304 Titelscan.indd 304 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 292 Register der Orts- und Personennamen Großbritannien, L. 237 Grünberg, 0. in Polen 25, 28 Grünwald, 0. in Dtl. 31 Grymtal, 0. 139 Guatemala, L. 228 Gubbio, 0. in Italien 93 - Mariano e Giacomo, Chorherrenstift 93 Guibert von Gembloux s . Wibert von Gembloux Guibert von Nogent, Benediktiner und Historiograph (t ca. 1125) 160 Gundebald, legendärer Kg. von Friesland und Zeitgenosse Karls d. Gr. 142 Guttstadt, 0. in Polen 26 Den Haag, 0. in d. Niederlanden 142 Haarlem, 0. in d. Niederlanden 158, 170 Babenhausen s. Bremen-Babenhausen Hamburg, 0. in Dtl. 91, 98 Häme! , Adalbert, Romanist in Würzburg 250f. Häme! , Angela, Schrifstellerin 251 Hanau, 0. in Dtl. 243 Hannes (Hannas), bibl. Gestalt 70 Hans Qohann) I., Kg. von Dänemark (1481-1513) 232 Hans Sachs s. Sachs, Hans Hans Wirt (15. Jh.) 53 Harff, Arnold von, niederrheinische Ritter und Santiago-Pilger (15. Jh.) 129,135, 137-139 Harsdörffer, Georg Philipp, Nürnberger Patrizier (1607-1658) 240,254 Harz, Terr. in Dtl. 101 Hassauer, Friederike, Romanistin 252 Haug, Chorherrenstift in Würzburg 245 Havanna (La Habana), 0. in Kuba 203, 206,235 Havelberg, 0 . in Dtl. 98 - Dom 98 Heilige Drei Könige (Magier) 9, 11, 97, 205 Heiligenstadt, 0. in Dtl. 101 - Marienkirche 101 Heiliges Land s. Palästina Heiliges Römische Reich Deutscher Nation s. Deutschland Heilsbronn, 0. in Dtl. (Franken) 252 Heinrich d. Löwe, Hzg. von Bayern (1154-1180) und Sachsen (1142-1180) 29,34,38 Heinrich von Württemberg (Wirtenberg), Hzg. (t 1519) 117 Heinrich, Meister in Trier (Ende 15.Jh.) 53 Heinrich von Ahorn, fränkischer Ritter (um 1130) 253 Heinrich von Bülow, Ritter (14. Jh.) 98 Heinrich von Veldeke (Hendrick von Veldeke), niederländischer Minnesänger (um 1140-1200) 149f. Helena (Elena de Esparta), antike Gestalt 209 Helena, Mutter Kaiser Konstantins und HI. 54-58, 94 Helinand von Froidmont, Historiograph (ca. 1160-1229) 158 Hellerau, 0. 188 Hemmersbach, 0. in Deutschland 152 Hendrick von Veldeke s. Heinrich von Veldeke Henneberg, Terr. in Dtl. 243, 248-249 Heraklius, byzantinischer Kaiser (610--641) 156 Heribertus von Rottenburg, Bf. von Köln (999-1021) und HI. 38 Herkulessäule(n) (colonne(s)d'Hercule) 193,195 Hermann von Fritzlar, Mystiker (t nach 1349) 164 Hermogenes, Zauberer 157,162,263 Herodes (Herodes Agrippa), jüdischer Fürst (t 44) 70, 156f., 232, 250 Herrad von Landsberg (von Hohenburg), Äbt. von Hohenburg (Elsaß), mlat. Autorin (t 1196) 35 Herzogenbusch ('s-Hertogenbosch), 0. in d. Niederlanden 166 Hessen, Terr. in Dtl. 243 Heyden s. Mauren Hieronymus, Kirchenvater und HI. (t 420) 72f., 77f. Hierusalem s. Jerusalem Hispanoamerika s. Amerika Hoffmann, Hans Rupprecht, Trierer Künstler (17. Jh.) 56 Hoffmann, Michel, Forscher 253 <?page no="305"?> Titelscan.indd 305 Titelscan.indd 305 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Register der Orts- ~nd Personennamen 293 Hohenlohe, Terr. in Dtl. 239 Holland, Provinz in d. Niederlanden 148,150,170 Hollstadt, 0. in Dtl. (Franken) 245 Homer, griechischer Dichter (8. Jh. v. Chr .) 208 Hoya, Grafschaft in Dtl. 101 Hrabanus Maurus (Rabanus Maurus), Abt von Fulda (822-842) und Ebf . von Mainz (847-856) 244 Huesca, 0 . in Spanien 158 Hugo, Abt von Cluny (t 1109) 160 Hugo von Sankt Viktor, Theologe und Philosoph (t 1141) 160 Hugo von Trimberg, mhd. und mlat. Dichter (um 1300) 253 Hunnen, V 97 Hutter, Georg, Chorherr von Ansbach (16. Jh.) 245 Ib, Geistlicher 231 Iberische Halbinsel 78, 80, 109-117 , 123, 129, 130f., 138,202,227 Jesus s.Jesus Iherusalem s. Jerusalem Ilsung, Sebastian, Augsburger Patrizier und Santiago-Pilger (1446) 116, 118, 129-131, 133, 138 Indianapolis , 0. in d . Vereinigten Staaten von Amerika 153 Indien (Jndia) 31,280,283 Ingolstadt, 0 . in Dtl. 35 Innocenz III., P. (1198-1216) 147 Irland, L. 77,241 Isaak, bibl. Gestalt 12 Doiia Isabel, literarische Gestalt 191 Isabella (Isabelle) von Kastilien (Katholische Könige), Kg.in von Spanien (1474-1504) 133,195 Isidor, Ebf . v. Sevilla (599-636) 30, 78 Isidor (Isidore, le Chinois), literarische Gestalt 191f., 194, 196 Island, L. XII , 259-263, 268 Israel, L. 16, 22, 68, 240f. Istanbul s. Byzanz Italien (Italie), L. 31, 68, 75, 91, 93, 191, 110, 119,164,237,247, 254f., 283 Judea s.Judäa Jacob s. Jakob s. auchJacobus Jacobus, Augustinereremit 241 Jacobus (Jakobus subdiaconus apostolicus) 241 Jacobus d . Ä. (Maior,Jacques,Jacub der Grosser,Sanctiagu, Sannd Jacob, Santiago) passim Jacobus Qakob) von Benevent, Autor eines „Viridarium consolationis" (Mitte 13.Jh .) 241 Jacobus von Cessolis, Dominikaner, mlat . Autor (Mitte 13. Jh .) 164,241 Jacobus d. Herr enbruder (d. Gerechte), 72-77 , 246 Jacobus d. J . (der Kleine), mit dem gleichnamigen Apostel identifiziert 72 Jacobus d . J. (Minor), Apostel XI, 31, 71-74,79 , 132,135,166,245,283 Jacobus von Jüterbog, Theologe und Reformschriftsteller (1381-1465) 241 Jacobus von Lausanne (Losanna), mlat. Autor (t 1322) 241 Jacobus von der Mark (de Marchia), Franziskanerprediger und Seelsorger (1393-1476) 247 Jacobus von Voragine, Bf . von Genua (1288/ 92-1298), Hagiograph 154f., 159-162, 165,241 Jaffa, 0. in Palästina 153 Jairus, bibl. Gestalt 247 Jakob der Däne (Bruder Jakob), franziskanischer Pilger (16. Jh.) 231-233, 237 Jakob von Maerlant, mndl. Dichter (um 1235-um 1300) 155-158, 162 Jakob von Sierck (Sirk), Ebf. von Trier (1439-1456) 57 Jakob von Ulm Qakob Griesinge r), Dominikaner und Glasmaler (t 1491) 247 Jakob Wimpfeling, Gelehrter ('' 1450) 242 St. Jakobs-Kloster, Kloster in Würzburg (Franken) 24lf. Jakobsweg (Camino, Camino de Santiago, chemin de Saint-Jacques) X, 3-5, 7, 9, 11, 91, 121,131,163,191, 201,216,231,235-237 <?page no="306"?> Titelscan.indd 306 Titelscan.indd 306 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 294 Register der Orts- und Personennamen Jakobus s. Jacobus, s. auch Jakob Jan von Boendale, mittelniederländischer Autor(14 . Jh.) 158 Jan6w Podlaski, 0. in Polen 28 Janua s. Genua Der Japaner (le Japonais), literarische Figur 188 Jauja (Valle de), Schlaraffeninsel213-215 Jean le Noir, Miniaturist (14. Jh .) 41 Jean Pucelle, Dominikaner, französischer Miniaturist (tätig zwischen 1319 und 1334) 40f. Jeremias, bibl. Gestalt 39 Jerusalem (Hierusalem, Iherusalem, Jerosolim), 0 . 17, 31, 70, 73, 75, 77, 79, 85, 109, 111, 115, 119-121, 130, 137,147, 149-153, 169,171,213,230, 246, 248f., 260, 263 - Grabeskirche 111, 115, 120, 130 - Ölberg 248,250,280 - Zionskloster 119 Jesaja (Esaias), Prophet 38, 40, 44 Jesse, bibl. Gestalt 80 Jesuitenpater (Perejesuite), literarische Figur 188f., 190 Joachim von Fiore, mlat. Autor (1135- 1202/ 5) 233 Jocundus, Historiograph (ca. 1088) 150 Jodokus, HI. (t 669) 102, 104 Johann von Baden, Ebf . von Trier (1456-1503) 54 Johann Biomen s. Biomen, Johann Johanna, legendäre Päpstin (um 8~5) 156,170 Johanna von Navarra, Autorin eines Stundenbuches (14. Jh.) 41 Johannes Beleth, Liturgiker (12. Jh .) 155 Johannes d. Evangelist Qean, Joannes, Johanes), Apostel 5, 30f., 34, 72, 78f., 138,152,156,187,231,247, 274f., 278, 280f. Johannes Nas, Weihbf. von Brixen (1580-1590) 35 Johannes d. Täufer, bibl. Gestalt 34,280 Johannes Trithemius (Tritemius), humanistischer Gelehrtenabt von St. Jakob in Würzburg (1462-1516) 242 John, Friederike Christiane s. Marlitt, Eugenie Joinville, 0. in Frankreich 40-42 Jonas, bibl. Gestalt 6 St.-Joost-Kapelle, Kapelle bei Stinstedt in Dtl. 102, 104 Jordan, Fl. 86 Joseph Qosef), bibl. Gestalt 11, 73, 142, 187 Joses, sog. Bruder Christi 73 St-Josse-sur-Mer, Benediktinerabtei in Frankreich 102, 104 Juan de Amberes (Antwerpen), Militärtrommler (16. Jh.), Romanfigur 211, 213-219,222 , 234-236 Judas Ischariot, Apostel 8, 70, 73f., 275 Judas Thaddäus (Thadeus), Apostel 28, 283 Judäa (Judea, judea), Apostel 31, 245, 275,281 Juden 75,157,216,222,235,247 Julian, Kardinal 241 Jülich, 0 . in Deutschland 135 Julius (Sextus) Africanus (nach Legenden 4.--6. Jh .) 262 Julius Echter von Mespelbrunn , Fürstbf . von Würzburg (1573-1617) 242 Jura, Gebirge (Frankreich und Schweiz) 26 Justinus Qustinos), Philosoph und Märtyrer (t 165) 76 Kalk6w, 0 . in Polen 21 - St. Georgs-Kirche 21 Kantabrien, Terr. in Spanien 31 Karibik, Meer und Terr. 202, 206 Karl d. Gr. (Charlemagne, Karlamagnus, Kar/ meinet, Karolus Magnus), fränkischer Kg. und Ks . (768-814) 32,134, 146-148, 150,156,158,192, 251, 262f. Karl IV., Kg. von Böhmen (1346) und Ks. (1355-1378) 51 Karl V.(Charles Quint), Kg. von Spanien und Ks. (1500-1588, Ks. ab 1519) 195 Karl VII., Kg. von Frankreich . (1422-1461) 116 <?page no="307"?> Titelscan.indd 307 Titelscan.indd 307 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Register der Orts- und Personennamen 295 Karlstadt am Main , 0 . in Dtl. (Franken) 245,250 - Spitalskirche 245 Kärnten, Terr. in Österreich 115 Karolinger, Dyn . 242 Kastilien (Castille), Terr. in Spanien 32, 113f., 115, 134f., 191, 193, 196, 198 Katalonien, Terr. in Spanien 263 Katharina, HI. 280 Katholische Könige s. Ferdinand II. von Arag6n und lsabella von Kastilien Kelten 263 Kempe, Margery, Pilgerin (15. Jh .) 120 Kempen, 0. in Dtl. 163 - Propsteikirche 163 Kerner, Justinus, schwäbischer Arzt und Dichter (1786-1862) 248 Kerpen, 0. in Dtl. 152 Kiedrich, 0 . in Dtl. 67, 82 - St. Dionys und Valentin, Pfarrkirche 67 - Michaelskirche 67 Kieke, 0. in Polen 21 Kilikien (Cilicia), Terr. 283 Kitzingen, 0. in Dtl. 245 Kleinasien, Terr. 75 Klepsk, 0 . in Polen (bei Grünberg) 25 Kniffki, Klaus, Autor 252 Kodratos (Quadratus), Apologet (1. Jh.) 75 Köln (Colonia Agrippina), 0 . in Dtl. 30, 38, 43, 52, 94, 97, 135, 246 - Benediktiner-Abtei Köln-Deutz mit Schatzkammer 38 - Romanischer Dom 97 - Gürzenich 52 - Universität 135 - St. Ursula, Stiftskirche 30, 97 Kolumbus, Chri stoph (Christophe Colomb, Christoph Kolumbus), Entdekker Amerikas (1451-1506) 194, 202f. 211, 195f., 226 Kompast ella s. Santiago de Compostela Königslutter, 0. und Kl. in Dtl. 101 Konrad von Altdorf, Bf. von Konstanz (935-976) 91 Konrad von Eberbach s. Conrad v. E. Konstanz, 0. in Dtl . 91 Kopten, V. 74 Kornelier, römische Familie 94 Kornelimünster, 0. und Kl. in Dtl. 94 Kornelius, HI. und P. (251-253) 94 Kortrijk, 0 . in Belgien 147 Kotrba, Brüder , Restauratoren 274 - Viktor Kotrba 274 Krakau (an der Weichsel), 0. in Polen 26,30,273 - St. Anna, Universitätskirche 30 Kremnitz (Kremnica) 0 . in der Slowakei 273 Kronach, 0 . in Dtl. (Franken) 71 Krug, P. Viktor, Autor 247 Kuba (Cuba) 201, 203-208, 210, 212f., 215-217,219-222,229,235 Künig, Hermann, Servitenmönch, Autor eines Pilgerführers (15. Jh.) 254 Kuno von Falkenst ein, Ebf. von Trier (1362-1388) 51 Künz elsau, 0. in Dtl. 248 Kutzbach, Friedrich, städtischer Denkmalpfleger von Trier 53 Ladislaus Postumus, Kg . von Ungarn (1440/ 1444-1457) und Böhmen (1453- 1457) 116 Land Hadeln, Terr. in Deutschland 102, 104 Landsberg am Lech, 0 . in Dtl. 22, 29 - Ursulinenkir che 22, 29 Languedoc, Terr. in Frankreich 135 Lateinamerika s. Amerika Laurentius, Märtyrer und HI. 10 Leczyca, 0 . in Polen 23 Leipzig, 0. in Dtl. 71f. Le Mans , 0 . in Frankreich 102 Leo, P. (? ), angeh! . Autor eines Briefes zur Jacobus-Translation 157 Leodegar (Leodegarius ), Baumeister (12. Jh .) 7 Le6n, 0. in Spanien 112 - Hostal de San Marco, Pilgerhospiz 112 Le6n, Terr. in Spanien 32, 231 Le Puy, 0 . in Frankreich 168,231 Levis, Zöllner aus dem N.T. 77 Leutschau (Levoca) 0. in d . Slowakei XI, 273,275 - Jakobuskirche XI, 273,275 <?page no="308"?> Titelscan.indd 308 Titelscan.indd 308 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 296 Register der Orts- und Personennamen - Markt 273 Leyre, Kl. in Spanien 5, 7, 12 - San Salvador, Kirche 5 Liborius, Bf. von Le Mans und HI. (t397) 102 Licaonia s. Lykaonien Lima, 0. in Peru 233 Limburg, Terr. in Belgien 149 Lissabon, 0. in Portugal 133 Litauen, L. 26 Liudger, Missionar und HI. (um 744- 809) 149f. Lodge, David, britischer Schriftsteller (': -1935) 237 Logroiio, 0. in Spanien 231 Lohfink, Norbert, Jesuit, fränkischer Autor 246 London, 0. in England 54, 131 Lothar III. von Süpplingenburg, dt. Kg. und Ks. (1125-1137) 101 Lothringen (Lutteringhen), Terr. in Frankreich 53, 150 Lombardei, Terr. in Italien IX, 20 London, 0. in England 88, 154 Lübeck, 0 . in Dtl. 85, 91, 94, 104 Ludwig IX. (Saint Louis), Kg. von Frankreich (1226-1270) 41, 187 Ludwig XI., Kg. von Frankreich (1461-1483) 134 Ludwig von Velthem, mndl. Dichter 156,158 Lugo, 0. in Spanien 231 Luther, Martin, dt. Reformator (1438- 1546) IXf ., 43, 67, 71f., 82,139,255 Luxemburg, L. 53 Lykaonien (Licaonia), Terr. 31 Lyon, 0 . in Frankreich 231 Maastricht, 0. in d. Niederlanden 97f. - Servatiuskirche 97 Macedonia s. Makedonien Maciejowski, Bernhard, Bf. v. Krakau (1600-1606) 26 Madagaska½ L. 135 Maerlant, Jacob von s. Jakob von Maerlant Maestro Mateo s. Mateo Magdeburg, 0. in Deutschland IX, 20 Magog, Gigant in London 54 Mailand, 0. in Italien 97 Mainz, 0. in Dtl. 67, 244, 254 Makedonien (Macedonia) 31 Maiberg, Burg im Kreis Bitburg (Dtl.) 57 Malegijs (Maugis d'Aigremont), Heldin aus der Volksdichtung 148 Mansfeld, 0 . in Dtl. 52 Marcadellus, Pilger aus Ferrara 152 (Don) Marcial, Marques de Capellanfas, Romanfigur 203-207, 221 Margareta, HI. 280 Maria (Muttergottes, Notre-Dame du Pilier), bibl. Gestalt 5-8, lOf., 21, 26, 41, 44, 73, 75f., 87, 91, 93, 97f., 101, 104,118,152,160,164,189, 191f~ 218,223,236,240,248-250,274,279 Maria Kleophas, bibl. Gestalt 280 Maria Salome (Salome), bibl. Gestalt 152,218,230,236,247,280 Marktheidenfeld, 0 . in Dtl. (Franken) 252 Marlitt, Eugenie (Friederike Christiane John), dt. Schriftstellerin 239f. Marmoutiers, Kl. in Frankreich 151 Marokko (Maroc), L. 196 Martin, Ebf. von Tours (371-397) und HI. 10,187,260 Martin Schongauer s. Schongauer, Martin Martin von Troppau (Martinus Polonus), Dominikaner, Historiograph (t 1278) 156 Mataeus s. Matthäus Maestro Mateo, .Baumeister (12. Jh .) 81 Maternus, angeblich der dritte Bf. von Trier (314) 54 Mathilde von Hohenlohe-Oehringen, Fürstin (19. Jh .) 239 Matthäus (Mataeus) Apostel 31,283 Matthias (Mathias), Apostel 31, 54, 94, 283 Matthias I. Corvinus, Kg. von Ungarn (1458-1490) 274,280 Mauren (Heyden, Saracein, Sarazenen) 113-115, 134,150,232 Maximilian 1., Ks. (1508-1519) 133 Mayas, V. 228 Meaux, 0 . in Frankreich 78 <?page no="309"?> Titelscan.indd 309 Titelscan.indd 309 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Register der Orts- und Personennamen 297 Meester Eckbart s. Eckhart Meiningen, 0. in Dtl. (Thüringen) 249 Meinrad, Mönch und Einsiedler auf der Reichenau (9. Jh.) 91 Meister E.S. s. E.S. Meister mit dem Brustlatz, mittelrheinischer Bildschnitzer (um 1500) 67 Melchior (Melchar), Romanfigur 205 Mellrichstadt, 0. in Dtl. (Franken) 250 Mendel, Kaufmannsfamilie aus Nürnberg (besonders bekannt im 15. Jh.) 116 Mendieta, Jer6nimo de, franziskanischer Missionar 225f. Merowinger, Dyn. 242 Merschbach, Adeliger (15. Jh .) 117 Merseburg, 0. in Dtl. 36 - St. Peter und Paul, Abtei 36 Mesopotamien (Mesapatamia), Terr. 281 Metz, 0. in Frankreich 53 Mexiko, 0 . und L. 225f., 228, 232f. - Kathedrale 225 Michael, Erzengel 6f., llf., 52, 57f., 117 Michoacan, 0. in Mexiko 233 Middendorf, Franz, Stifter der Glasfenster von St. Jakob in Coesfeld 22 Minnesota, 0. in d. Verenigten Staaten von Amerika 260 Mittelmeer 110, 113 Mittelmeerraum XII Mogador (Essaauira), 0. in Marokko 189 Mohrungen s. Morag Moissac, Kl. in Frankreich 79 Mömlingen, 0 . in Dtl. 245 Mont St-Michel, Berg in Frankreich 109, 117 Montaigne, Michel de, französischer Schriftsteller (1533-1592) 210 Monte de! Gozo (Berg der Freude, Mons Gaudii, Mont Gaza, Manxai), Berg bei Santiago de Compostela 172 Montserrat, Berg und Kl. in Spanien (Katalonien) 133 Montufar, Alfons von s. Alfons von Montufar Morag (Mohrungen), 0. in Polen 26 More, Thomas, englischer Staatsmann und Humanist (1478-1535) 233 Mosbach, 0. in Dtl. 25 Mosel, Fl. 57 Moses (Mosche), bibl. Gestalt 70, 81,240 Maure s. Mur Mugfa, 0. in Spanien 131 - Santa Marfa de la Barca 131 München, 0. in Dtl. 146 Münzer, Hieronymus, Nürnberger Arzt und Humanist, Verfasser eines Pilgerberichtes (1494-1495) (1437-1508) 115f., 129, 133f., 136-138, 251,254 Mur (Maure), FI. in Dtl. 254 Mußner, Franz, fränkischer Autor 246 Muttenz, 0. in d. Schweiz 26 Najera, 0 . in Spanien 231 Nancy, 0 . in Frankreich 59 Nas,Johannes s.Johannes Nas Navarra, Terr. in Spanien IX, 3f., 11, 113 Neone, Bf. von Ravenna (451-475) 36 Neue Welt s . Amerika Neumünster, Chorherrenstift in Dtl. 248 Neusohl (Banska Bystrica) 0. in d. Slowakei 273 Nicaragua, L. 229 Niederlanden X, 59, 97f., 110, 113, 119, 141-148151-155, 158-160, 162f., 166-171, 236f. Niederrhein, Terr. 91, 94, 97, 129, 242 Niedersachsen, Terr. in Dtl. 101, 186 Niederzell, 0. in Dtl. (Reichenau) 36 - St. Peter und Paul, Stiftskirche 36 Nikolaus von Kues, Philosoph und Theologe (1401-1464) 98 Nil, Fl. 135 Nimwegen, 0. in d. Niederlanden 97 Ninus, Assyrerkg. 55 Noah, bibl. Gestalt 208 Nooteboom, Cees, niederländischer Schriftsteller Cl 933) 237 Nördlingen, 0. in Dtl. 52 - Tanzhaus 52 Normandie, Terr. in Frankreich 109, 117 Norwegen, L. 146,153,259, 260-263, 268 Natre-Dame du Pilier s. Maria Nowgorod, 0. in Rußland IX, 20 <?page no="310"?> Titelscan.indd 310 Titelscan.indd 310 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 298 Register der Orts- und Personennamen Nueva Espaiia (s. auch Mexiko), spanisches Vizekönigreich 232 Nunilus, Hlg . 6 Nürnberg, 0 . in Dtl . (Franken) 34f., 86f., 116f., 119f., 129, 131, 133, 137f., 240,245, 248f., 251,280 Oberrhein 57 Obersinn, 0. in Dtl . (Rhön) 247 Oberzell, 0. in Dtl. (Reichenau) 24 - St. Georg- Kirche 24 Odenwald (Dtl.) 25 Odheimer, Agatha und Helena, Nürnberger Frauen (16. Jh.) 249 Olafsson, J6n (um 1600) 263 Omaar, HI. 147 Omeguas, V. 217 Origenes (Origines), griechischer Kirchenschrifsteller (um 184-254) 35, 76,161 Ottmarsheim, 0. 25 Otto III., dt . Kg. und Ks . (983-1002) 38 Ottobeuren, 0 . in Dtl. 29 Olcoz, Ort in Spanien (Navarra) 9 Österreich, L. 88 Oviedo, 0. in Spanien 112 - Kathedrale 112 Paderborn, 0. in Dtl . 22, 102 - Dom 22, 102 EI Padr6n, 0. in Spanien (Galicien) 133 Palästina (Heiliges Land, Palestina), Terr. 29, 75, 80, 109-111 , 113f., 119-121, 131,135,247,254 Palmerfn, literarische Ritter-Figur 211 Pannonien, römische Provinz zwischen Donau und Save 254 Paradies, 0. in Polen (bei Grünberg) 28 - Zisterzienser-Basilika 28 Paris, 0. in Frankreich 40, 85, 88, 135, 201,212 - Musee Cluny 85 Paris, antike Gestalt 209 Paschalis III., P. (1164-1168) 251 Passmore, Tubby, Romanfigur 237 Patmos, 0. in Griechenland 275 Paul II., P. (1464-1471) 86 Paul von Leutschau, Bildhauer (15. Jh.) 273f. Paul, Jean, dt. Dichter (1763-1825) 254 Paulus (Paul), Apostel 5f., 8, 24, 31, 34, 38, 41, 54-58, 68, 70, 73, 76f., l0lf . Pavia, 0. in Italien 133 - Universität 133 Pere Jesuite s. Jesuitenpater Perpignan, 0 . in Frankreich 133 Peru, L. 214,229 Peter von Wederath, Baumeister (15. Jh .) 57-59 Petrus (Peter, Petrus, Peyre ), Apostel 5f. 8, l0f ., 16, 21, 24, 27, 30f., 54-56, 58, 70, 73f., 77, 97, l0lf ., 150, 239f., 247,256,278,280,283 Petrus Comestor (Peter Comestor) (ca. 1100-1187), Autor der „Historia Scholastica" 262 Pfade s. Po Pfalz, Terr. in Dtl. 43, 82 Pfeuffer, Ludwig s. Amichai, Yehuda Pfirt, 0. in Frankreich 93 Pfister,Johann Wolfgang Franz, Komponist und Autor 248 Pharisäer, V. 162 Philipp (Philippus) , Apostel 31, 166, 245,283 Philipp der Gute, Hzg. von Burgund (''"1396-1467) 119 Philippe Mouskes (Mousket), Ritter und Chronist aus Flandern (t ca. 1243) 147 Phrygien (Frigia, Frygia), Terr. 142,283 Pierre de Castelnau, Legat lnnocenz' III. (t 1208) 147 Pilatus (Pontius Pilatus), römischer Statthalter in Judäa 70, 75 Pilatus, Romanfigur 215 Pistoia, 0. in Italien 162 Pixner, Bargil, Autor 246 Plock, 0. in Polen IX, 20, 36 Plöger, Josef G ., Autor 246 Plötz, Robert, Historiker 251 Po (Pfade), FI. in Italien 254 Pogorzela, 0 . in Polen 21 Poitiers, 0. in Frankreich 212, 234 - Hospital Saint-Hilaire 234 Polen (Pohlen), L. und V. 21, 23, 25f., 28, 31, 115, 273f. <?page no="311"?> Titelscan.indd 311 Titelscan.indd 311 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Register der Orts- und Personennamen 299 Pommern, Terr. 117 Pons, 0 . in Frankreich 112 Popp, Georg, Schrifsteller 247 Popplau, Nikolaus von, Breslauer Patrizier, Santiago Pilger, Autor eines Reiseberichts (1483-1486) 114f., 117 Portomarfn, 0. in Spanien (Galacien) 231 Portugal, L. 113, 131, 259 Potosf, Silberminen im heutigen Bolivien 214 Prag, 0. in Tschechien 131 - Prager Burg 274 Prato, 0. in Italien 160-162 Preßburg (an der Donau), 0. in d. Slowakei 273 Preußen, Terr. in Dt! . 110, 113,243 Priamus (Priamo), antike Gestalt 209 Prouheze, literarische Gestalt 189, 192, 196-198 Provence, Terr. in Frankreich 114 Provins, 0 . in Frankreich 153 - Jakobusabtei 153 Prudentius, Aurelius P. Clemens, Dichter (348 nach 405 n.Chr .) 34 Pseudo-Abdias 77,262 Pseudo-Augustinus 17 Pseudo-Dorotheus/ Hippolyt 77 Pseudo-Turpin (s. auch Turpin), Verfasser der Chronik Karls d. Gr. im Liber Sancti Jacobi, Ebf. von Reims 142, 146-148, 150, 156, 158f., 250 Puente la Reina, 0. in Spanien (Navarra) 12,231 Puerto de Ibafieta, 0. in Spanien 256 Pyrenäen, Gebirge 7,231,259 Quadratus s. Kodratus Quiroga, Vasco de, spanischer Eroberer (16. Jh.) 233 Rabanus Maurus s . Hrabanus Maurus Ramboux, Maler und Kunstforscher (1790-1866) 53 Ramiro I., Kg . von Asturien (842-850) 231 Ranckeldaill (Reckange? ), 0. in Luxemburg? 53 Ravenna, 0 . in Italien 34, 36 - Baptisterium der Orthodoxen 36 - S. Vitale, Basilika 34 Rebais, KI. in Frankreich 78 Rebecca, bibl. Gestalt 240 Regensburg (Regenspurg), 0. in Dtl. 80, 85, 139 - Sankt Emmeram (s. auch Niederzell) 80 Reichenau, Insel in Dt! . (Bodensee) (s. auch Niederzell) 24, 36, 91 Reims, 0. in Frankreich 31, 42,251 Renout van Montalbaen, Held der mndl. Volksdichtung 148 Reuss,Joseph , Autor 246 Rhein, FI. 57, 135 Rheinfranken, Terr. 242 Rheinland 146 Rhön, Region in Dt! . 245, 247 Rieter, Nürnberger Familie 119 Rieter, Hans, Jerusalem-Pilger (1384) 249 Rieter, Hans, Herausgeber von Reiseberichten seiner Vorfahren (1564-1626) 249 Rieter, Peter, Vater Sebald Rieters, Jerusalem-Pilger (1436) 119,249,254 Rieter, Sebald, Santiago-Pilger (1462) 116-120,249 Riga, 0. in Estland 85 Robin Hood, englischer Held aus der Volksdichtung 240 Rocamadour, 0. in Frankreich 87 Rodrigue, literarische Gestalt 188-190, 192-194, 196-198 Roland (Roelant, Rotholandus), legendärer Neffe Karls d. Gr. 147f., 251 Rom (Roma), 17, 31, 36, 51, 55, 77, 80, 85-87,91,94,97, 102,109,135,147, 150,152,160,169,213,245,255 - S. Maria in Cosmedin 80 - S. Maria in Pallara 36 - S. Maria Maggiore 94 - Peterskirche 86, 160 Roncesvalles , 0. u. Paß in Spanien 12, 231 Rosenblüt (Rosenplüt), Hans, Nürnberger Meistersänger (ca. 1400ca. 1460) 248 Rothenburg o. d . Tauber, 0. in Dtl. 52 <?page no="312"?> Titelscan.indd 312 Titelscan.indd 312 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 300 Register der Orts- und Personennamen - Fleischhaus 52 - Tanzhaus 52 Rozmital, Leo von, Santiago-Pilger, Autor eines Reiseberichts (1465-1467) 112, 116,11~ 129, 131[ Rückert, Peter, Autor 252 Rudiger, Kunz, Pilger (1432) 253 Rufin v. Aquilea, Kirchenschrifsteller (t410) 17 Rummel, Autor eines Reiseberichts (15. Jh.) 254 St. Rupert bei Weißpriach, 0. (Salzburg) 88 Rutten, 0 . in Belgien (Limburg) 149 Sachs, Hans, Nürnberger Meistersänger (1494-1576) 255 Sachsen, Terr. und V, 29, 71, 102, 142, 243,274 Sachsengau, Terr. in Dtl . 102 Sahagun, 0. in Spanien 231 Salamanca, 0 . in Spanien 131 Salome s. Maria Salome Salomo, bibl. Kg. 8, 80 Salvator s. Christus Salzburg, 0 . und Bundesland in Österreich 88 Sammarien (Sammaria), Terr. in Palästina 245 Sang, Eucharius s. Eucharius Sang Sangüesa, 0. in Spanien 7, 8, 11, 12 - Santa Maria la Real, Kirche 7 SanJuan de la Peiia, Kloster in Spanien 7 Santander, 0 . in Spanien 31 Santiago de los Aguinaldos, 0 . in A. Carpentiers „Pasos perdidos" 230 Santiago de Compostela (Kompastella) passim Santiago de Guatemala, 0. 229 Saragosse s. Zaragoza Sarazenen s. Mauren Sarmatien, Terr. 254 Savoyen, Terr. 130 Scardensis s. Skarö Schar! , P. Severin, Kapuziner 242 Schedel, Hartmann, Arzt und Humanist (1440-1514) 32, 34, 133 Schegg, Peter, Autor 246 Schemnitz (Banska Stavnica) , 0. in d . Slowakei 273 Schinkel, Detlev, Reisender (15. Jh.) 118 Schlesien, Terr. 21 Schlüchtern, 0. in Dt! . 249 Schmalkalden, 0. in Dt! . 248 Schönbruck s. Szabruk Schongauer, Martin, Maler und Stecher (1445-1491) 22 Schottland, Terr. 114 Schreiner, Josef, Professor 246 Schwaben, Terr. in Dt! . 28, 248 Schweden, L. 153, 259-261, 268 Schweinfurt, 0 . in Dtl. (Franken) 253 Schweiz, L. 26, 85, 91, 130 Score! , Jan van, niederländischer Maler (um 1500) 119 Sebald, HI. 86 Sebald Rieter s. Rieter, Sebald Sebastian, HI. 225, 280 Seeon, Klosterkirche in Dtl. (Bayern) 87 Seine, Fl. in Frankreich 88 Sens, 0. in Frankreich 90 Sentlam y de Gorgas, Longores de , Romanfigur 214 Sepharden 202 Doiia Sept-Epees, literarische Gestalt 190,197 Servatius (Servaas, Servacius), HI., Bf. von Tongern und Theologe (t 384) 97, 149 Seussinger d. J., Stefan, Nürnberger Bürgerund Pilger (1521) 249 Sevilla (Civilien), 0. in Spanien 114f., 133,214-216,218,235 - Kathedrale 114f. Sibylla, Gemahlin Wilhelms IV von Jülich und Berg (16. Jh.) 135, 137 Sidemann, Martin (16. Jh.) 44 Sigurd, Held einer Saga 8 Simon Zelotes, Apostel 31, 73 Sinai, Berg 109,118, 120f. - Katharinenkloster 109, 118, 120f. Skalholt, 0. in Island 262 Skandinavien, Terr. XI, 31, 146, 259f., 262f., 268 Skarö (Scardensis), 0. in Island 262 Slowakei, L. XI, 273f. Slowakisches Erzgebirge XI, 273 <?page no="313"?> Titelscan.indd 313 Titelscan.indd 313 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Register der Orts- und Personennamen 301 Sofia von Rieneck, holländische Gräfin, Gemahlin Dietrichs VI. von Holland (12. Jh.) 148, 150f. Söl, 0 . im Tirol 28 Spanien (Hispaengen, Hispania, Hyspangen, Spagnien, Spania) passim Spis s. Zips Spremberg, Johannes von (Johannes Agricola Sprembergensis), frühnhd . Autor (16. Jh.) 44 Stanfield, Clarkson, englischer Lithograph (19. Jh.) 53 Stangerup, Henrik, dänischer Schriftsteller c: •1937) 232-234, 237 Staufer, Dyn. 251 Stefan (Steffan Bildeheuwer), Bildhauer (15. Jh.) 52, 56, 58f. Stephan Fridolin (15. Jh.) 35 Sternberg, Wallfahrtsort 139 Stinstedt, 0 . in Dtl. (Land Hadeln) 102, 104 Stoss, Veit, Bildhauer (t 1533) 273 Straßburg, 0. in Frankreich 56f., 59, 91 - Dom 91 Suduroy, Färöer-Insel 267 Susanna, HI. 135 Sylvester 1., P. (314-335) 24 Syrien, L. 75, 156 Szabruk (Schönbruck), 0. in Polen 26 Tabor, Berg 156,247,280 Tarasken, V in Mexiko 232f. Tarn-et-Garonne, Terr. in Frankreich 79 Tarvisio, Terr. in Italien 36 Tataren, V 274 Techant von Basel, Adeliger (um 1500) 117 Telemark, Terr. in Norwegen 260 Tertullian, lat. Kirchenschriftsteller aus Nordafrika (160-222) 35, 76 Tetzel, Gabriel, Nürnberger Santiago- Pilger (1465-1467) (t 1479) 129, 131-133, 137[,254 Teutsche s. Deutschland Thadeus s. Judas Thaddäus Thann, 0. in Frankreich 85, 93 - Kapelle des hl. Ubald 93 Themse, Fl. in England 88, 91 Theobald s. Ubald Theodemir, Bf. von Santiago de Compostela (800-847) 159 Theoduinus, Bf. von Lüttich (1048-1075) 149 Theresa (Therese), HI. 187 Thomas (Thomas, Tho6mas), Apostel 31,262,281,283 Thomas von Aquin (Thomas Aquinas), Theologe (t 1274) 161 Thomas von Kempen (Thomas a Kempis, Thomas Hemerken von Kempen), Mystiker (1379/ 80-1471) 168 Thum, 0. in Polen (Schlesien) 23 - Stiftskirche der Benediktiner 23 Thüringen, Terr. in Dtl. 239,243 Thurzo, Handelsfamilie in der Slowakei XI, 44,273 Thym, Georg, Holzschneider (1552) 44 Tiberius, römischer Ks. (14 n. Chr .- 37 n. Chr.) 75 Tirol, Terr. 28 Tlatelolco, 0. in Mexiko 233 Tobias d. J. (Tobie le Jeune), literarische Gestalt 194 Toledo, 0. in Spanien 81 Tangern (Tongeren), 0 . in Belgien 97 T6rshavn, 0. auf den Färöer-Inseln 264 Toskana, Terr. in Italien 146 Toulouse, 0. in Frankreich X, 135, 163 Tournai s. Doornik Tours, 0. in Frankreich 212,234 Trave (Traben), Fl. in Dtl. 91,254 Trebeta, Sohn des Assyrerkönigs Ninus 55 Trebnitz, 0. in Polen 23 - Zisterzienserinnen-Basilika 23 Trier (Treveris), 0. in Dtl. IX, 28, 51-59, 94, 139 - Dom mit Kreuzgang 54, 57 - Fleischstr. 54 - St. Gangolf 52, 57 - Hauptmarkt 52, 55, 59 - Haus zum Hahn 53f. - St. Jakobs-Spital (bruder sente Jacobs spidails) mit Hospitalkapelle 51-54,56,59 - Liebfrauenbasilika 28 - Marktbrunnen 56 <?page no="314"?> Titelscan.indd 314 Titelscan.indd 314 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 302 Register der Orts- und Personennamen - Rotes Haus 55 - Simeonstift 53 - Simeonstraße 53 - Steipe IX, 51-55, 57-59 - Universität 54 Trithemius, Johannes s. Johannes Trithemius Troja (Troya), 0. 208- 210, 221 Trondheim s. Drontheim Tucher, Hans, Nürnberger Reisender ins Heilige Land, Autor eines Pilgerberichts (1428-1491) 137 Turpin (Tilpin), Ebf. von Reims (748/ 49-794) 251 Ubald Baldassini(Theobald, St. teutbald), HI., Bf. von Gubbio (1129- 1160)93f. Ulm, 0. in Dtl. 137 Ulrich III., Graf von Cilli (t 1456) 115 Ungarn, L. 135, 273f. Urban VI., P. in Rom (1378-1389) 101 Ursula, HI. 97 Uruguay, L. 226 Utrecht, 0. incl. Niederlanden 19, 31, 34,151,170 Vacha, Kl. in Dtl. (ehern. Erzbistum Mainz) 254 Valcarcel, Luis E., peruanischer Schriftsteller {"1891) 229 Valencia, 0 . in Spanien 133 Valentin, HI. 67 Valerius, angebl. der zweite Bf. von Trier 54 Valle, Pietro della, Orientreisender (17.Jh.) 119 Vardö, Insel (Finnland) 260 Vechta, 0. in Dtl. 23 Venedig, 0. in Italien 135 Veneto, Terr. in Italien 36 Venus, römische Göttin 206 Vercors, Anne, literarische Gestalt 194 Verden an d. Aller, 0. in Dtl. 104 - Dom 104 Vergil, lat. Dichter (70- 19 v. Chr.) 253 Verona, 0. in Italien 20 Veronika, HI. 86, 91 Vietor, Johann, Würzburger Ratsschreiber 250 Viktor von Xanten, HI. 104 Villafranca (de! Bierzo), 0. in Spanien 231 Vincenz von Beauvais (Vincentius von Beauvais, Vincentius Bellovacensis) 146, 154- 160, 162, 165 Voet, Gijsbert, reformatorischer Theologe (1589-1676) 170 Vosselen, Hans van, Amsterdamer Kaufmann (um 1600) 170 Vrouwenpolder, 0. in d. Niederlanden (Insel Walcheren) 98 Walcheren, Insel in d. Niederlanden 98 Wallonien, Terr. 158 Walther von der Vogelheide, mhd. Dichter (ca. 1170ca. 1220) 253 Wandalen, V 142 Weinsberg, 0. in Dtl. 248 Weismantel, Leo, Autor 246 Weißpriach, 0. in Österreich (Salzburg) 88 Welfen, Dyn. 29 Welschnacht s. Wilsnack Weser, Fluß in Dtl., 88-90, 94, 97f., 101,104 Westfalen, Terr. in Dtl. 30 Wibert (Guibert) von Gembloux, Historiograph (1124- 1213) 151 Wichmann, Ebf. von Magdeburg (1154-1192) 36 Wienhausen, Kl. 91 Wildeshausen, 0. in Dtl. 102 Wilhelm IV von Jülich und Berg, Markgraf von Brandenburg (1471-1511) 137 Wilhelm von Hildegaersberch, Dichter (14. Jh.) 145 Wilhelm v. Modena, lombardischer Künstler (12. Jh.) 20 Wilna, 0. in Litauen 26 - Kathedrale 26 Wilsnack, 0. in Dtl. 85, 88, 98, 101, 139 Wirciburgensis s. Würzburg Wittenberg, 0. in Dtl. 43f., 71, 81,255 - Schloßkirche 81 Wolfram von Eschenbach, mhd. Dichter (ca. 1170 ca. 1220) 254 <?page no="315"?> Titelscan.indd 315 Titelscan.indd 315 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54 Register der Orts- und Personennamen 303 Wolpert, Leo, dt. Priester und Schriftsteller 247 Wolrab, Nikolaus, Bibelherausgeber (16. Jh.) 71f. Wormel, 0. in Dtl. (Westfalen) 30 - Benediktinerinnen-Klosterkirche 30 Worms, 0. in Dtl. 142 Württemberg, Terr. 243 Würzburg (Wirciburgensis), 0 . in Dtl. 239-248, 250f., 253f. - Dom 245 - Käppele 242 - Schottenkloster 241 - Würzburg-Heidingsfeld 253 Xochimilco, 0. in Mexiko 225 Yonne, Terr. in Frankreich 90 Zaragoza (Saragosse), 0. in Spanien 189,191 Zebedaeus (Sebedeus, Zebedeo ), Vater Jacobus d. Ä. 38, 72f., 78, 138, 152, 218, 230f., 236, 246-248 Zentgraf, Manfred, Pilger und Autor 252 Zips (Spis), Terr. in d. Slowakei 273f. Zisterzienser, Orden 165 Zmijewski, Josef, Professor 246 Zwolen s. Altsohl <?page no="316"?> Titelscan.indd 316 Titelscan.indd 316 19.09.22 17: 54 19.09.22 17: 54
