Jakobuskult im Rheinland
0908
2004
978-3-8233-7038-3
978-3-8233-6038-4
Gunter Narr Verlag
Robert Plötz
Peter Rückert
Aufgrund seiner verkehrsmäßig günstigen Lage hat das Rheinland schon sehr früh am Pilger- und Kultgeschehen um den hl. Jakobus teilgenommen. Viele Wege, worunter der Rhein selbst eine herausragende Rolle spielte, führten die Pilger über das Rheinland auch nach Santiago de Compostela. Bereits aus dem Jahr 1076 kommt die Nachricht, daß ein Blinder namens Folbert, der sich auf dem Weg nach Compostela befand und in Trier aufhielt, aufgrund einer Vision zum Auffinden der Reliquien der Märtyrer von Trier in der Kirche des hl. Paulinus beitrug. Es folgt eine ganze Reihe bedeutender Pilger, welche die enge Verbindung zwischen Rheinland und Santiago besonders im hohen und späten Mittelalter greifen lassen. Spuren dieser intensiven Jakobusverehrung am Rhein finden sich heute noch in Form von Patrozinien und Volksbrauchtum, in der Literatur, Architektur und bildenden Kunst. Der vorliegende Band enthält Beiträge zur Kulttopographie des Rheinlandes ebenso wie Darstellungen des Jakobuskults im urbanen Kontext von Speyer, Trier und Aachen. Prominente Pilgerreisen, die das Rheinland mit Santiago de Compostela verbanden, werden beispielhaft vorgestellt. Die Bedeutung des hl. Jakobus für die mittelalterliche Literatur und Volksfrömmigkeit im Rheinland wird herausgearbeitet und in ihrem Aktualitätsbezug untersucht. Damit wird das Rheinland als eine Kult- und Sakrallandschaft profiliert, für die der hl. Jakobus eine herausragende Rolle spielte.
<?page no="1"?> Jakobuskult im Rheinland <?page no="2"?> Jakobus-Studien 13 im Auftrag der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft herausgegeben von Klaus Herbers und Robert Plötz <?page no="3"?> Jakobuskult im Rheinland herausgegeben von Robert Plötz und Peter Rückert Gunter Narr Verlag Tübingen <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Die Drucklegung wurde freundlicherweise unterstützt durch die Deutsche St. Jakobus-Gesellschaft e.V., Aachen. © 2004 · Gunter Narr Verlag Tübingen Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: Informationsdesign D. Fratzke, Kirchentellinsfurt Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISBN 3-8233-6038-8 <?page no="5"?> Inhalt R OBERT P LÖTZ / P ETER R ÜCKERT Einführung: Der Rhein und die Rheinlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I: Kulttopographie und Pilgerverkehr D IETER P. J. W YNANDS Das Rheinland als Wallfahrtslandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 P ETER R ÜCKERT Pilgerfahrten auf dem Oberrhein im späteren Mittelalter . . . . . . . . 33 II: Kultzeugnisse im urbanen Kontext K ARL -H EINZ D EBUS Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 F RANZ M AIER Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 B ERNHARD S CHNEIDER Spurensuche: Jakobusverehrung im Trierer Land . . . . . . . . . . . . . . . 121 R OBERT P LÖTZ Aachen als Pilgerzentrum und als Station auf dem Weg nach Santiago de Compostela . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 III: Prominente Pilger und ihre Reisen F RANZ S TAAB (†) Von Santiago de Compostela nach Mainz. Hintergründe der Reise und Reliquientranslation des Kardinals Richard im Jahr 1114 . . . . . . 153 <?page no="6"?> R OBERT P LÖTZ Herzog Johann I. von Kleve († 1481) besucht 1438 das Apostelgrab in Santiago de Compostela . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 IV: Heiligenkult in Literatur und Volksfrömmigkeit V OLKER H ONEMANN Der heilige Jakobus im Werk des Cäsarius von Heisterbach . . . . . . . 187 W OLFGANG H ERBORN Die volkstümliche Jakobusverehrung in den Rheinlanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts und ihre historischen Wurzeln - Zur Auswertung der Rheinischen Fragebögen aus der Zeit um 1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 J EAN S CHROEDER Vom Ursprung der Echternacher Springprozession . . . . . . . . . . . . . 221 V: Ausblick R OBERT P LÖTZ Jacobus Maior in den Rheinlanden: ein Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Resúmenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Register der Orts- und Personennamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 VI Inhalt <?page no="7"?> Einführung: Der Rhein und die Rheinlande R OBERT P LÖTZ / P ETER R ÜCKERT Von den schweizerischen Alpen bis zu seiner Mündung in die Nordsee hat der Rhein eine Länge von 1320 km. Er ist die verkehrsreichste Wasserstraße Europas, und seine Anliegerstaaten sind die Schweiz, Liechtenstein, Österreich, Deutschland, Frankreich und die Niederlande. In Deutschland durchfließt der Rhein 865 km, das damit den längsten Ufer- und den umfangreichsten Sprachanteil hat. Ob als Vorder- oder Hinterrhein, als Hoch- oder als Oberrhein, als Mittel- oder als Niederrhein oder als Neder-Rijn, Lek oder Ijssel im Rhein-Maas-Delta, bildet der Rhein die Hauptader im System der Nebenflüsse und Verbindungskanäle, die aus ihm ein Aortensystem machen, das sowohl materielle als auch kulturelle Güter transportiert und verbreitet. Der Rhein, seine Anlieger und die Regionen, in die er eingebettet war und ist, korrespondieren mit den Parallelnetzen von Maas und Waal und mit den Zubringersystemen von, um nur einige zu nennen, Aare, Lahn, Main, Mosel und Neckar. Als Handelsweg wurde der Rhein bereits in vorrömischer Zeit genutzt, und als die Römer kamen, nahm der Verkehr auf dem Wasserweg erheblich zu. Der Rhein gehörte als Handelsroute zwischen den Niederlanden und den Nordseeländern einerseits und Italien und dem Mittelmeerraum andererseits zur wichtigsten Nord-Süd-Verkehrsachse des mittelalterlichen Europa. Aus römischen Militärstützpunkten entwickelten sich Städte wie Straßburg, Mainz, Koblenz, Bonn, Neuss, Köln, Arnheim und Rotterdam. Schon frühzeitig fuhren Straßburger Schiffer bis zur Rheinmündung, und im 12. Jahrhundert erreichten Seeschiffe Köln, wahrscheinlich sogar den Mittelrhein. Erst die seit dem 12. Jahrhundert entwickelten Schiffstypen mit größerem Tiefgang erlaubten es nicht mehr, in direkter Überfahrt von Übersee (England) weiter als bis oberhalb Kölns zu gelangen, das zum zentralen Umschlagplatz mit weitgehendem Stapelzwang wurde. Als Folge dessen verlegte sich der <?page no="8"?> flämische Handel auf den Landweg. Inwieweit waren der Rhein, seine Gestade und die ihn umschließenden Regionen - in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Rolle - auch für den Jakobuskult von herausragender Bedeutung? Die Anfänge des Jakobuskults Schon ein kurzer Blick auf die ersten namentlich belegten Pilger und Patrozinien aus dem deutschsprachigen Raum zeigt, daß die frühen Hinweise auf die Verehrung des hl. Jakobus schwerpunktmäßig zwei Regionen zuzuordnen sind: dem Mittelrheingebiet im weitesten Sinn und dem Raum um Hochrhein und Bodensee mit seiner reichen Klosterkultur. Woher kamen diese Einflüsse, die in der Folgezeit eine der größten religiösen Bewegungen des Mittelalters auslösten? Wir treffen hier auf denselben geographischen Raum, der - wenn wir von den Patrozinienverhältnissen in Galicien, insbesondere in der Diözese Lugo absehen - den frühesten Niederschlag einer Jakobusverehrung greifen lässt, nämlich das Loire-Rhône-Gebiet. Es waren nicht etwa, wie oft gemutmaßt, westgotische Könige, die die Grundlagen des Jakobuskultes schufen, auch nicht Pelayo, der erste asturische Herrscher, der sich in der Westgotentradition fühlte und mit seinem bei Covadonga wahrscheinlich im Jahr 722 errungenen Sieg gegen die Mauren die Reconquista einleitete, auch nicht die Bemühungen der ersten asturischen Könige, auch nicht die beträchtlich später anzusetzenden Beziehungen der asturisch-leonesischen Könige zum Karolingerreich. Die ersten Kultimpulse kamen von außen, eben aus dem Loire-Rhône-Raum und nicht unwesentlich später aus England mit dem „Poema de ara“ des Aldhelm, Abt von Malmesbury und Bischof von Sherborne. Weder die spanische noch die gallikanische Kirchengeschichtsschreibung bringt vor dem letzten Drittel des 8. Jahrhunderts eine Erwähnung der Mission des hl. Jakobus. Ausschlaggebend für die Genese des Jakobuskultes waren die Aktivitäten in diesem Raum, wo sich spätestens in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts die „passio magna“, eine Erweiterung der „passio modica“ der Apostelgeschichte, formte, und von dem aus ab Mitte oder Ende des 7. Jahrhunderts die lateinische Übersetzung der griechisch-byzantinischen Apostelakten ausgegangen ist, die die Nachricht von der spanischen Mission des Apostels Jakobus im ganzen westlichen Abendland und in Nordafrika verbreitete. Das Loire-Rhône-Gebiet erfüllte zwei wesentliche Voraussetzungen für die Propagierung und Verbreitung des Jakobuskultes: Einmal befand 2 Robert Plötz / Peter Rückert <?page no="9"?> sich hier das noch intakte Zentrum der gallikanischen Kirche nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches. Zum anderen war diese Region traditionell mit dem griechisch-hellenistischen Kleinasien verbunden und diente als Mittler für den mittelmeerischen Orienthandel. Da die römische Kirche in dem Entstehungsprozess der „traditiones hispanicae“ um Jakobus keine oder nur eine imaginäre Rolle spielte, ist es nicht auszuschließen, dass der eigentliche Impuls zur Bildung der lateinischen Aposteltradition von dieser, für die kulturellen und ethischen Grundlagen so bedeutsamen Region ausging, von der aus auch wesentliche Impulse für das Fußfassen des Christentums im germanischen Raum kamen, und die ferner im 11. Jahrhundert als „Staubecken innerchristlicher Erneuerungskräfte“ sowohl zur Kirchenreform als auch zur Internationalisierung der peregrinatio ad limina Beati Jacobi wesentlich beitrug. Aus dieser Region gelangten auch die ersten Hinweise auf ein Grab des Apostels in Spanien über die Martyrologien des Florus von Lyon und des Ado von Vienne, die aus dem zweiten Drittel des 9. Jahrhunderts stammen könnten, in das Kloster Reichenau am Bodensee. Die Passage vom Apostelgrab fand zunächst Eingang in das etwa um 896 abgefaßte Martyrolog des Notker von Sankt Gallen und später entsprechend in das Hermanns des Lahmen von der Reichenau. Unter den Beständen der Klosterbibliothek, die über Abschriften des Carmen des Aldhelm und des Martyrologiums des Rhabanus Maurus verfügte, befand sich auch ein Exemplar der Weltchronik des Frechulf von Lisieux († um 850), die eine für unsere Zwecke wichtige Passage über die Zuweisung der „Hispania“ als Missionsgebiet für den Apostel Jakobus enthält. Das Wissen um die wesentlichen Bestandteile des Jakobuskultes und die Kenntnis der literarischen Basis war jedenfalls im christlichen Europa des 10. Jahrhunderts schon vorhanden. Die Entwicklung des Jakobuskults im Rheinland Welche historische Rolle fiel dem Rhein und seinem Einzugsgebiet in Hinsicht auf die Verbreitung des Jakobuskultes zu? Zunächst diente der Verkehrsweg Rhein der schnellen Ausbreitung der Nachricht über das Auffinden des Grabes des Apostels Jakobus in Süd-Nordrichtung, wobei den Klöstern im Baseler Land, am Bodensee und in Süddeutschland am Anfang eine entscheidende Rolle zukam. Zum andern waren es gerade die Bewohner der für die damaligen Zeiten hochentwickelten Städte am Rhein sowie deren feudales und klösterliches Umfeld, die diese neuen Kultnachrichten aufnahmen und weitergaben. Die „neuen“ Tex- Einführung 3 <?page no="10"?> te und Berichte über Leben, Martyrium, Mission und Beerdigungsplatz des einzigen im abendländischen Westen begrabenen Apostels, die ab dem 10./ 11. Jahrhundert eine außergewöhnliche Verbreitung fanden, trafen den „Nerv“ der Zeit. Sie bauten den Ruf des Apostels Jakobus maior als Volksheiligen, geradezu als „Frühlingsboten der Volksfrömmigkeit“ auf, und ließen den Heiligen als modernen, attraktiven Thaumaturgen sehen, dessen Verehrung noch nicht in liturgischen Formen erstickt war, wie der Petrus- und Pauluskult in Rom. Als Folge davon machten sich schon im 11. Jahrhundert die ersten Pilgergruppen aus der Mittelrheinregion auf den Weg, um dem Apostel ihre Reverenz zu erweisen. Aus dem Jahr 1056 wird auch ein großer Pilgerzug aus Lüttich erwähnt, den der Mönch Robert aus dem dortigen Jakobuskloster anführte. Zu einem früheren Zeitpunkt wären solche kollektiven Besuche des Apostelgrabes auch kaum möglich gewesen, die Zeiten waren zu unruhig, zu kriegerisch und zu unsicher. Noch im Jahr 997 war Santiago de Compostela von Al-Mansur im Rahmen seiner Feld- und Beutezüge durch die christlichen Königreiche der Iberischen Halbinsel für die Mauren eingenommen worden. Des weiteren war der Rhein selbst Pilgerweg - als schiffbare Wasserstraße - und gehörte dem Wegesystem an, das Zubringerdienste für weiterführende Routen zu Wasser und zu Land leistete, wie es das Beispiel der Kreuzfahrer zeigt, die sich im April 1147 in Dartmouth sammelten. Unter ihnen befanden sich neben Flamen, Niederländern und Engländern auch deutsche Ritter mit ihrem Gefolge, die rheinabwärts und über den Kanal zu dem Konvoi gestoßen waren, der zunächst in Muros an der Mündung zum Fluss Tambre vor Anker ging, um von dort aus nach Santiago zu ziehen, wo feierlich das Pfingstfest begangen wurde. Danach war die Expedition an der Einnahme Lissabons beteiligt. Aus diesen wenigen und an den Anfang unserer Betrachtungen gestellten Hinweisen geht bereits deutlich die frühe Bedeutung des Rheins für Jakobus-Pilgerfahrt und Jakobuskult hervor. Frühe Pilger und ihre Motive Die Motive für die Pilgerfahrten nach Santiago de Compostela sind nur bedingt zu ermitteln. Die kargen Quellen schweigen entweder hierzu, oder sie stellen nur knapp die religiösen Gründe in den Vordergrund. Zwar machte sich im September des Jahres 1072 der Mainzer Erzbischof Siegfried I. causa orationis auf den Weg nach Santiago, aus Überdruß an weltlichen Geschäften, sagt man, aber er gelangte nur bis Cluny, wo er 4 Robert Plötz / Peter Rückert <?page no="11"?> den Rest seines Lebens verbringen wollte. Auch diesen Vorsatz konnte er nicht ausführen, denn Volk und Klerus von Mainz riefen ihn zurück. Etwa um die gleiche Zeit kam auch schon die erste deutsche Pilgerin nach Compostela. Die Gräfin Richardis von Sponheim gelobte nach dem Tod ihres Mannes auf einer Pilgerreise im Heiligen Land, zum hl. Jakobus zu ziehen, ein Vorhaben, das sie im Gegensatz zum Mainzer Prälaten auch durchgeführt haben soll. Es verwundert nicht, daß eine der ersten Erwähnungen eines Pilgers aus dem Heiligen Römischen Reich in Verbindung mit dem Kloster Allerheiligen bei Schaffhausen steht, das die Grablege des Gründers und Zeitgenossen Hermanns des Lahmen, des Grafen Eberhard von Nellenburg ist. Das Buch der Stifter des Klosters Schaffhausen, das wahrscheinlich zu Beginn des 13. Jahrhunderts auf Grundlage eines älteren lateinischen Textes abgefasst wurde, geht quasi nebensächlich auf die Beweggründe der Pilgerfahrt des Grafen ein. Auf einer seiner Reisen für das Kloster traf er einen alten Gefolgsmann und Ritter namens Mangold, der das Kloster Stein, wohin er sich als Mönch zurückgezogen hatte, verlassen hatte. Auf Empfehlung von Eberhard fand Mangold seinen Platz im Schaffhausener Kloster, wo er nach einiger Zeit verstarb. Bald darauf erschien er Eberhard mit eingefallenem Gesicht im Traum und versicherte ihm, daß er nur dank dessen Güte vor der Hölle bewahrt geblieben wäre, obwohl er sämtliche Strafen des Purgatoriums erleiden müsse. Eberhard fühlte sich aufgrund der Verpflichtung des Herrn einem Vasallen gegenüber auch über den Tod hinaus so stark verpflichtet, daß er täglich Messe für das Seelenheil des Mangold lesen ließ. Aber das war ihm noch nicht genug. Seine Frau Ida und er begannen ein heiligmäßiges Leben und begaben sich mit zahlreichem Gefolge zum Apostelgrab nach Santiago. Ein Kaplan begleitete sie und las täglich Messe in allen Herbergen, wo das adelige Paar abstieg. Dem „Liber Fundationis“ gemäß fand die Pilgerfahrt um 1070 statt. Nach der glücklichen Rückkehr erschien Mangold seinem alten Gefolgsherrn erneut, um ihm zu versichern, dass er aufgrund der Opfer seines Herrn in die ewige Gemeinschaft der Heiligen aufgenommen worden war. Es ist nicht nachzuvollziehen, wie lange die gefährliche Reise des Grafen, der von seiner Frau Ida begleitet wurde, dauerte, aber 1072 traten beide in den Konvent, den Eberhard gegründet hatte, ein und starben dort auch. Wandfresken aus der Zeit um 1300 mit Szenen der Vita des Apostels Jakobus sowie der Hinweis auf eine Reliquie Jacobi, filii Zebedei, im Kirchenschatz belegen die enge Verbindung von Schaffhausen zum Jakobuskult auch für spätere Zeiten. Schließen wir einige weitere Pilger aus den Rheinlanden chronologisch an: Aus dem Jahr 1076 kommt die Nachricht, daß ein Blinder na- Einführung 5 <?page no="12"?> mens Folbert, der sich auf dem Weg nach Compostela befand und in Trier aufhielt, aufgrund einer Vision zum Auffinden der Reliquien der Märtyrer von Trier in der Kirche des hl. Paulinus beitrug. Graf Friedrich von Pfirt soll im Jahre 1144 eine Sühnepilgerfahrt angetreten haben, weil er angeblich die Klosterfrauen von Kleinlützel belästigt hatte. Die Wahl von Santiago de Compostela als Zielort könnte in diesem Fall allerdings, wie meist vermutet, auf den Einfluß des hl. Morandus aus Cluny, den Patron des Sundgau, zurückgeführt werden. Im Winter 1164/ 65 besuchte Erzbischof Konrad von Mainz, Graf von Wittelsbach und Domherr zu Salzburg, das Apostelgrab. Eine Besessene aus der Kölner Gegend soll nach jahrelangem Umherirren von einem Kultort zum anderen vom hl. Thomas Becket von Canterbury († 1170) erfahren haben, daß sie ihre Genesung nur an den Gräbern der hll. Jakobus und Petrus gewinnen könne. Aus dem 12. Jahrhundert stammt auch der Bericht einer anderen rheinischen Pilgerin über ihre Beschwernisse auf dem Weg nach Compostela, der in den Anno-Mirakeln belegt ist. Und die Taten Karls des Großen auf der spanischen Halbinsel finden sich im Ps.-Turpin des „Jakobus-Buches“ (Liber Sancti Jacobi) wieder; sie sind schon im 12. Jahrhundert in Aachen bekannt und werden visionär in verschiedenen Reliefen in den Dachschrägen seines Sarkophags in Bild und Text dargestellt. Der Zisterzienser Caesarius von Heisterbach (Königswinter) bezieht sich in den Büchern seines „Dialogus magnus visionum atque miraculorum“ (1219-1223) verschiedentlich auf Mirakel, die sich in Zusammenhang mit Jakobus-Pilgern ereignet haben, u.a. auch auf das Galgen- und Hühnermirakel, das im Rheinland in mehreren Kirchen dargestellt wird, z.B. in Gielsdorf bei Bonn und in Kempen. Für diese erste (hochmittelalterliche) Periode der Jakobus-Pilgerfahrten sei noch auf die Reisen mit dem Schiff hingewiesen. Auch hier könnte die ritterliche Komponente des Kultes schon erste Wirkungen gezeitigt haben. Deutsche Kreuzritter, die, wie erwähnt, 1147 zur Eroberung von Lissabon auszogen, statteten selbstverständlich dem Grab des großen spanischen Heiligen einen Besuch ab, und auch Kreuzfahrer oder Jerusalempilger, deren eigentliches Ziel das Heilige Land war, unterbrachen ihre Fahrt zuweilen an der Nordwestspitze Spaniens. Aus Frankfurt zogen Henn Stalberg und seine Frau Greta Richtern nach Santiago und gründeten 1291 einen Altar und eine Jakobuskapelle. In der Kirche St. Alban in der Umgebung von Mainz war das Wappen der Stalberg, die von dort kamen, eingelassen, mit drei Muscheln und mit dem Namen von Henn Stalburger und seiner Frau Mechel Schitterich. Es datiert von 1238 und impliziert eine gewisse Familientradition. Er- 6 Robert Plötz / Peter Rückert <?page no="13"?> wähnenswert ist auch die Seepilgerfahrt von Wigel Frosch, Patrizier aus Frankfurt (Wigelo Rana). Er starb auf dem Hinweg im Jahr 1324. Jakobus in Literatur und Kunst Die Wirkmächtigkeit des ersten Blutzeugen unter den Aposteln läßt sich auch aus seiner Präsenz in der Mirakel- und Exempelliteratur erschließen. Dabei gilt es, zwei Gruppen zu unterscheiden: Einmal die Mirakelerzählungen, die direkt für den Kult und den heiligen Ort Santiago de Compostela werben, zum anderen die teils zufälligen und beiläufigen, teils moralisch-exempelhaften Erwähnungen in Mirakelsammlungen, die andere Heilige als Bezugsperson haben. Für die erste Gruppe ist vor allem der „Libellus miraculorum“ des „Liber Sancti Jacobi“ aus dem zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts anzuführen, der mit seinen 22 Mirakeln auch Hinweise auf Herkunft, Alter, Geschlecht und Sozialstatus des Rezipientenkreises gibt. In bezug auf die räumliche Dimension ist zu unterscheiden zwischen dem Herkunftsgebiet derjenigen, die Wunder erfahren und dem Ort, wo sich das Wunder ereignet. Die Heimat der Protagonisten liegt fast ausschließlich in Deutschland, Italien oder Frankreich (besonders Südfrankreich). Diese Schwerpunktbildung entsprach wohl der tatsächlichen Pilgerbewegung; zumindest werden auch im liturgischen Teil des Liber Sancti Jacobi die Theutonici, Franci et Itali gesondert in einer Predigt erwähnt, demnach bilden sie bei der liturgischen Feier in der Kathedrale zu Compostela drei Hauptblöcke. Die Rheinländer sind als Kollektiv nicht gesondert ausgewiesen. Auch außerhalb des „Liber Sancti Jacobi“ werden öfters Ereignisse, die sich auf dem Weg der Pilger abspielten, erwähnt. Der Prototyp der Einbindung des Apostels Jakobus in Mirakelberichte stammt aus den „Miracula Sti. Marci“ der Abtei Reichenau: Eine Mirakelerzählung des hl. Markus, des Klosterpatrons der Reichenau, stellt etwa um 930 die Verbindung zwischen der Wirkmächtigkeit des Hausheiligen und der des Apostels Jakobus im fernen Westen her. Der Text der Mirakelerzählung sagt: In dieser Woche kam ein blinder und verkrüppelter [...] Kleriker in das Kloster. Er hatte schon diverse heilige Orte besucht, darunter den hl. Jakobus in Galicien. Dort erhielt er sein Augenlicht zurück. Wichtig ist, daß man in der Reichenau eine Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela bereits um 930 als bekannt und auch möglich ansah. Nach der literarischen Überlieferung besuchten im 12. Jahrhundert auch eine Reihe von Heiligen das Apostelgrab in Santiago de Compos- Einführung 7 <?page no="14"?> tela, die wir hier kurz mit aufführen wollen: Bona von Pisa († 1208), die zur Erhöhung ihres gottgefälligen Lebens auch Jerusalem und Rom besucht haben soll, der Eremit Albert von Siena und gegen Ende des Jahrhunderts der hl. Domenikus von Caleruega, der Gründer des Dominikanerordens. Auch der hl. Morandus von Altkirch († 1115), der Apostel des Sundgaus, soll zu Beginn des 12. Jahrhunderts zum hl. Jakobus gepilgert sein: ad memoria S. Jacobi perrexit cum pluribus ejusdem viae sponsoribus. Verweisen wir an dieser Stelle schließlich noch auf einen der prominentesten Pilger aus dem Rheinland: Der niederrheinische Adelige Arnold von Harff befand sich schon im Alter von 25 Jahren am Apostelgrab in Compostela. Der Bericht über seine umfangreichen Pilgerreisen (1496-1498) gehörte zu den am meisten gelesenen Texten in rheinischen Adelskreisen. Bekannt sind auch die bedeutenden rheinischen Kunstwerke, die sich mit dem hl. Jakobus beschäftigen. Als Apostel erscheint er z.B. sitzend auf dem Gladbacher Tragealtar, einem Werk der kölnischen Goldschmiedekunst aus der sogenannten Eilbertusgruppe um 1160, oder stehend als Steinfigur aus der Zeit um 1380, die ihren Standort im Petrusportal des Kölner Doms (Westseite des Südturms) hatte und sich heute im Diözesanmuseum befindet. Im Stundenbuch der Sophie von Bylandt wird die rheinische Adelige selbst zusammen mit dem hl. Jakobus prachtvoll abgebildet. Die wertvolle Handschrift wurde von dem Kölner Meister des Bartholomäusaltares um 1475 gestaltet (s. Tafel I). Sonderformen in der Jakobus-Ikonographie stellen die „Pilgersegen“-Darstellungen aus Stein in Konstanz und in Mainz dar, sowie die zahlreichen Krönungsszenen, die sich vor allem am Mittelrhein zwischen Köln und Koblenz verdichten, aber wohl im Freiburger Münster ihren Anfang und ihre Apotheosis finden. Auch in Basel ist dieser ikonographische Sondertypus vertreten. Daneben kommt das bekannteste Jakobus-Mirakel, das Galgen- und Hühnerwunder, in den Rheinlanden häufig zur Darstellung (z.B. in Kempen, Gielsdorf und Überlingen). In Bremm an der Mosel stand im Rahmen eines Votivaltars gegen die Pest die für Mittel- und Westeuropa einmalige Darstellung des Jakobus als „Schutzmantel-Patron“, als „pater peregrinorum“ (heute: Rheinisches Landesmuseum Bonn), und in Kiedrich in der Nähe von Mainz sitzt Jakobus im nördlichen Seitenschiff der katholischen St. Dionys und Valentins-Kirche und wird irrtümlich als Schreiber des apologetischen Briefes, der „strohernen Epistel“ wie Luther ihn nennt, dargestellt. Auch auf dem Thron, wie in Compostela im „Pórtico de la Gloria“ über der Wurzel Jesse, sitzt in Kalkar die spätgotische Stifterfigur des hl. Ja- 8 Robert Plötz / Peter Rückert <?page no="15"?> kobus, mit Schriftbeutel und Pilgerstab. Zu seinen Füßen knien die Stifter Johann und Elisabeth Becker (s. Tafel II). Eine prächtige Freskendarstellung des Apostels an einer Säule des Längshauses der Pfarrkirche von Oberwesel schildert eindringlich das Verhältnis einer rheinischen Pilgergruppe, die durchaus mit Arnold von Harff in Verbindung gebracht werden kann, zur Pilgerfahrt und zu ihrem Patron (s. Tafel III). Der Apostel steht im Prälatengewand mit Meermuscheln (crusillae) geschmückt vor seiner Stadt. Zu seiner Linken kniet die Pilgerschar, die ihn um seine Mittlertätigkeit vor Gott anfleht. Insgesamt ist entlang des Rheins eine derartige Fülle an ikonographischen Ausdrucksformen zur Ausgestaltung der Apostelfigur zu finden wie in keiner anderen europäischen Region. Allein dieses Thema wäre einer ausführlichen Sonderbehandlung wert. Wege, Herbergen und Hospize Viele Wege für die Jakobus-Pilger führten zwangsläufig durch das Rheinland. Der Fernweg von Dortmund nach Köln zog z.B. über Breckerfeld, das eigene Jakobustraditionen aufweist, nach Lennep, wo der Weg die Pilger (auch heute noch) durch das Schwelmer Tor in die Pilgergasse zur Jakobuskirche führte. Von dort aus konnte man dann den Heiligen in der heute aufgelassenen Jakobuskirche in Köln besuchen, die zwischen 1059 und 1070 geweiht worden sein soll. Herbergen und Hospize für die Pilger waren in jeder Stadt vorhanden, wobei das Hospital zum Ipperwald in Köln, das 1349 als Pilgerherberge gegründet wurde, eine der größten Institutionen ihrer Art im Deutschen Reich war. Heute noch führen die Trierer Hospizien (1234 erstmals als Pilgerherberge erwähnt) auf den Etiketten ihrer Weine den pilgernden Jakobus als Markenzeichen. Auch der Rhein selbst diente, wie schon mehrfach erwähnt, als Pilgerweg. Im Jahr 1514 trat Bernhard Pfoll von Esslingen, Stiftsherr von St. Florian zu Koblenz, eine Pilgerfahrt ins Heilige Land an. Er reiste wahrscheinlich flußabwärts und schiffte sich in Antwerpen ein. Unterwegs machte er Halt in Santiago. So vermied er die Reise durch Frankreich, die sich aufgrund der Auseinandersetzungen zwischen Ludwig XII. und den Habsburgern vor allem um deren italienischen Ansprüche hätte schwierig gestalten können. Einführung 9 <?page no="16"?> Ausblick Seit Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts werden überall in Deutschland neue Wege für die Jakobspilger ausgezeichnet, teils auf historischen Überlandwegen, teils auf Naturpfaden und Wanderwegen, wie z.B. der Frankenweg (von Nürnberg nach Heilsbronn), der Schwabenweg (von Ulm bis Konstanz), der Sauerlandweg, der Weg von Nürnberg nach Prag und als letztes Wegstück der Weg von Nürnberg nach Ulm, so dass von der deutsch-tschechischen Grenze bis in die Schweiz ein altes Wegesystem wieder belebt wird. Ähnliches ist jetzt im Rheinland, im Gebiet des Landschaftsverbands, geschehen. Das Projekt der „neuen“ Pilgertrasse von Breckerfeld über Köln nach Aachen ist auf Anregung des Jakobspilgers Alfons Ackermann vom Landschaftsverband Rheinland unter Beratung der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft im Jahr 1999 im wahren Sinn des Wortes „in die Wege“ geleitet worden. Mitgearbeitet hat auch die wallonische Jakobusvereinigung, in deren Region der Weg für die Pilger von Aachen aus in Richtung Santiago de Compostela weitergeführt wird. Es war eine fruchtbare Zusammenarbeit, die in sehr kurzer Zeit zu brauchbaren Ergebnissen führte. Der Landschaftsverband hat die Strukturen gelegt und seine finanziellen Möglichkeiten mit eingebracht, die Gebietskörperschaften haben die wegweisenden Stelen aufgestellt und für ihren Bereich eigenständig die lokalhistorische Betextung vorgenommen, und die Deutsche Jakobus-Gesellschaft ihrerseits hat viele Maßnahmen beratend begleitet und ihre Mitglieder auf den neuen Weg zum Apostelheiligtum im fernen Westen aufmerksam gemacht. Die Gesellschaft hat ein Forschungsprogramm zum Thema „Jakobuskult im Rheinland“ angestoßen und eine Ausstellung des Landschaftsverbandes kam zustande. Eine andere weiterführende Ausstellung zum Hl. Jahr 2004 wurde für das Rheinland immerhin projektiert. *** Schließen wir diesen einführenden Bemerkungen, die unser Thema und den Forschungsstand nur knapp umreißen konnten, eine kurze Übersicht über die folgenden Beiträge an. Diese gehen zurück auf zwei Tagungen, welche die Deutsche Jakobus-Gesellschaft 1999 und 2000 in Bad Honnef und Trier veranstaltete. Den damaligen Referenten ist dafür zu danken, dass sie ihre Beiträge für den Druck überarbeitet und zur Verfügung gestellt haben. Als zusätzliche Beiträge waren die Ausführungen von Franz Staab (†) über die kirchenpolitischen Hintergründe 10 Robert Plötz / Peter Rückert <?page no="17"?> Farbtafeln <?page no="18"?> Tafel I: Jacobus Maior im Stundenbuch der Sophia von Bylandt, Meister des Bartholomäus-Altars, Gelderland (Arnheim/ Nimwegen), um 1475. Foto: Wallraf-Richartz-Museum Köln <?page no="19"?> Tafel II: Jacobus Maior auf dem Thron, zu seinen Füßen die Stifter Johann und Elisabeth Becker. Dries von Holthuysen, um 1500, Eiche mit Resten der Fassung. Katholische Pfarrkirche St. Nicolai in Kalkar. <?page no="20"?> Tafel III: Jacobus Maior mit Stadtansicht von Santiago und Finisterre im Hintergrund, eine deutsche Pilgergruppe aus dem Rheinland (? ) kniet vor dem Apostel. Säulenfresko Liebfrauenkirche Oberwesel, 1. Hälfte 16. Jahrhundert. Foto: Werner Klockner, Oberwesel <?page no="21"?> Tafel IV: Rekonstruktion des mittelalterlichen Schiffes von Immenstaad (nach D. Hakelberg). <?page no="22"?> Tafel V: Martyrium der hl. Ursula. Altarflügel von 1496 in der Fürstenkapelle von Kloster Lichtenthal. <?page no="23"?> Tafel VI: Herzog Johann I. von Kleve als Ritter des Goldenen Vlieses. Kopie nach einem verlorenen Gemälde von Rogier van der Weyden. Entstanden um 1460. <?page no="24"?> Tafel VII: Karte der Route der Pilgerfahrt von Herzog Johann I. von Kleve © Dr. Stefan Frankewitz 2003. <?page no="25"?> einer Reliquientranslation von Santiago nach Mainz 1114 und von Robert Plötz über Aachen als Pilgerzentrum und Station sowie die Pilgerreise von Herzog Johann I. von Kleve sehr willkommen. Wir haben die Aufsätze zu inhaltlichen Blöcken gruppiert, welche die Struktur des Bandes vorgeben. Dabei stehen die großräumig, kulttopographisch orientierten Beiträge zum Rheinland bzw. Oberrhein am Beginn (I), bevor exemplarisch für die Kultzeugnisse im urbanen Kontext die Städte Speyer, Trier und Aachen mit ihrer Umgebung behandelt werden (II). Es folgen Ausführungen zu zwei Pilgerreisen, die Santiago de Compostela konkret mit dem Rheinland verbanden (III), bevor Jakobus in der Literatur und der Volksfrömmigkeit des Rheinlands vorgestellt wird (IV). Den Abschluss und Ausblick bildet eine Projektskizze zur Weiterbehandlung unseres Themas (V). I Zunächst gibt Dieter Wynands eine Übersicht über das Rheinland als Wallfahrtslandschaft. Er behandelt auszugsweise die verschiedenen Wallfahrts- und Kultorte des Maas-/ Mosel-/ Rheingebiets und erläutert die Vielzahl der Gnadenstätten, die hier vor allem der Muttergottes gewidmet sind. Ein Fazit seiner Untersuchung bietet die Einsicht, dass trotz des vielseitigen Wallfahrtsgeschehens der Pilgerpatron Jakobus kein eigenes Kultzentrum im Rheinland aufweist. Peter Rückert beschäftigt sich mit dem Thema „Pilgerfahrten auf dem Oberrhein“, wobei das Schwergewicht seiner Untersuchungen im späteren Mittelalter liegt. Deutlich wird, dass man tatsächlich von einem speziellen Pilgerverkehr auf dem Oberrhein sprechen kann, der diesen Raum als Sakrallandschaft jedenfalls während des späten Mittelalters besonders profilierte. II Nach diesen großräumig orientierten, kulttopographisch ausgerichteten Beiträgen widmet sich der nächste Block der Verdichtung der Kultzeugnisse im urbanen Kontext. Die Ausführungen von Karl-Heinz Debus lassen die Bedeutung Speyers als Verkehrsknotenpunkt für das mittelalterliche Pilgerwesen hervortreten. Romwie Jerusalempilger besuchten auch Speyer, wo sich ihre Wege vielfach bis zum Rückweg trennten. Die Jakobuspilger kamen überwiegend aus Franken, Mitteldeutschland, Einführung 11 <?page no="26"?> Böhmen und Polen, um von Speyer aus entweder nach Le Puy oder Vézelay zu ziehen. Neben der Nord-Südachse ist auf mehrere einschlägige Ost-West-Verbindungen zu verweisen, von denen der Route Speyer - Kaiserslautern - Sarreguemines - Metz eine besondere Bedeutung zukam. Franz Maier bezieht in seine Untersuchung die weitere Umgebung Speyers mit ein und zieht dabei vergleichbare Schlüsse wie Bernhard Schneider für das Trierer Land im anschließenden Beitrag: Nach den Ergebnissen Maiers besaß der Jakobuskult im Speyerer Raum, verglichen mit anderen deutschen Landschaften, keine überdurchschnittliche Bedeutung. Besonders aufgrund seiner Bedeutung als Durchzugsregion wichtiger Fernverbindungen haben die Pilger hier Spuren hinterlassen, die heute allerdings kaum mehr in der Landschaft sichtbar sind: vor allem eine Folge der von kriegerischen Zerstörungen dominierten Geschichte der Pfalz in der frühen Neuzeit. Bernhard Schneider zieht eine ähnliche Bilanz, die dem Apostel Jakobus im Trierer Land keine überragende Stellung am Heiligenhimmel zukommen lässt. Zwar hatte sich sein Kult hier bald etabliert; er wurde im Trierer Festkalender verankert und von etlichen Kirchen- und Altarpatrozinien sowie einigen Bruderschaften repräsentiert. Doch stand die Jakobusverehrung gerade im Trierer Raum in Konkurrenz zu einer Fülle weiterer Kultformen und -figuren, wovon nur der Hl. Rock und das Apostelgrab des hl. Matthias herauszuheben sind. Das Thema „Aachen als Pilgerzentrum und als Station auf dem Weg nach Santiago de Compostela“ wird von Robert Plötz behandelt. Aachen war mit der alle sieben Jahre stattfindenden Heiltumsweisung nicht nur ein Kultzentrum und Pilgerziel sui generis, sondern auch Ausgangspunkt für die Pilger nach Santiago de Compostela, die die „Oberstraß“ (Künig von Vach) auf ihrem Weg zum galicischen Apostelgrab über Paris, Poitiers, Burgos und León benutzten. Auch Köln mit seinem großen Herbergs- und Hospitalangebot für Pilger lag auf diesem Weg. Aachen weist eigene Jakobus-Traditionen auf, und die Pilgerreise dorthin galt im späteren Mittelalter - wie etwa auch die nach Santiago - als Strafmaß für bestimmte Vergehen. III Zwei Darstellungen zu prominenten Pilgern und ihren Reisen schließen sich an: Franz Staab untersucht die Hintergründe der Reise und Reliquientranslation des Kardinals Richard von Santiago nach Mainz im Jahr 12 Robert Plötz / Peter Rückert <?page no="27"?> 1114. Richard, Mitglied des Kardinalskollegiums von Compostela, überbrachte dem Jakobskloster in Mainz Reliquien des Heiligen, etablierte dort das Apostelfest am 30. Dezember und vermittelte eine Ablassgewährung nach Mainz. Er verfolgte damit vor allem das Anliegen seines Bischofs Diego II. Gelmírez, Erzbischof von Santiago zu werden. Robert Plötz begibt sich auf die Spuren von Herzog Johann I. von Kleve († 1481), der im Alter von 19 Jahren 1438 das Apostelgrab in Santiago de Compostela besuchte. Er erhielt von seinem Onkel, Herzog Philipp dem Guten von Burgund, den Auftrag, seine Schwester Agnes an den Hof des Königs von Kastilien nach Valladolid zu begleiten. Agnes ging dort die Ehe mit Karl von Viana, Prinz und Titularkönig von Navarra, ein. Nach den Hochzeitsfeierlichkeiten nahm Johann Urlaub, um Nordspanien kennenzulernen, die Fürstenhöfe zu besuchen und einen Besuch Compostelas vorzunehmen. Mit dem Bericht Herzog Johanns gehen noch weitere Spuren des Jakobuskultes im Niederrheingebiet einher, welche die gesamteuropäische Verwurzelung der Jakobus- Verehrung am Beispiel der herrschaftlichen Vernetzung von Kleve, Burgund, Kastilien und Navarra zum Ausdruck bringen. IV Der Reisebericht Herzog Johanns von Kleve leitet bereits über zu der hoch- und spätmittelalterlichen Erzählliteratur des Rheinlands, mit welcher sich der Beitrag von Volker Honemann beschäftigt. Er geht namentlich auf den Zisterzienser Cäsarius von Heisterbach (1199 bis nach 1240) und dessen Beschäftigung mit Jakobus ein. Die Mirakel des Cäsarius dokumentieren aufgrund ihrer Motivvielfalt die europäische Bedeutung des Apostels und lassen Jakobus bereits im frühen 13. Jahrhundert als herausragenden Heiligen gerade auch im Rheinland erscheinen. Wolfgang Herborn setzt sich mit der volkstümlichen Jakobusverehrung in den Rheinlanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts und ihren historischen Wurzeln auseinander. Grundlage bildete eine Auswertung von Fragebögen zur Rheinischen Volkskunde, die in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts vom Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn verschickt wurden. Jakobus hatte damals freilich seinen Status als Volkspatron bereits weitgehend verloren. Vom Ursprung der Echternacher Springprozession handelt Jean Schroeder, der sich eingehend mit den historischen Ursprüngen dieses religiös-volkstümlichen Schauspiels beschäftigte. Hier wird der Echter- Einführung 13 <?page no="28"?> nacher Kulttanz in den Kontext mit anderen, gleichartigen Phänomenen in verschiedenen Teilen Europas gestellt. Seine Musik zählt zum „Grundbestand“ europäischer Melodietypen. Der große Echternacher Heilige Willibrord, angelsächsischer Mönch und Missionar († 739), steht im Mittelpunkt dieses Kultgeschehens und tritt hier an die Stelle Johannes des Täufers als eigentlichem Patron der Tänzer. Die mittelalterliche Prozession hat bis heute gewisse Rituale und ihr Kultgeschehen zu erhalten gewusst und stellt damit eine außergewöhnliche „Spur“ tradierter Pilgerkultur dar. V Als Ausblick wird von Robert Plötz die Grundstruktur eines Ausstellungsprojekts mit wissenschaftlicher Begleitpublikation unter dem Titel „Jakobuskult in den Rheinlanden“ vorgestellt, das zum Hl. Jahr 2004 in Zusammenarbeit mit dem Museum der Kathedrale von Santiago de Compostela und dem Bonner Landesmuseum geplant war, jedoch nicht zustande kam. Aus Sicht der Herausgeber bleibt das Desiderat einer intensiven Beschäftigung mit den unterschiedlichen Formen und Ausprägungen des Jakobuskults auch für das Rheinland als einer seiner Kernlandschaften bestehen. Zur Verbreitung und beispielhaften Vertiefung der Kenntnis um die Rheinlande als Kult- und Sakrallandschaft mit beizutragen, ist ein wesentlicher Anspruch dieser Publikation. Zum Schluß bleibt uns die angenehme Pflicht des Dankes an die vielen, die zum Gelingen dieses Bandes beigetragen haben, namentlich seien nur genannt: Frau Bruni Neumann de Pastor, Xeraco (Valencia), für die Durchsicht und Korrektur der „resúmenes“, für wertvolle Hilfe bei der Erstellung des Kartenteils Herrn Karlheinz Flinspach (Landschaftsverband Rheinland) sowie für großzügige finanzielle Unterstützung Herrn Dr. Gert Schönfeld (Landschaftsverband Rheinland) und der Anton- Betz-Stiftung der Rheinischen Post e.V. Im Juli 2004 Robert Plötz/ Peter Rückert 14 Robert Plötz / Peter Rückert <?page no="29"?> I: Kulttopographie und Pilgerverkehr Das Rheinland als Wallfahrtslandschaft D IETER P. J. W YNANDS I Rheinische Wallfahrten als Forschungsvorhaben Das an der Mosel gelegene, politisch zum Rheinland und kulturell zum Rhein-Maas-Raum gehörende Trier zog nicht nur durch die Jahrhunderte hindurch Wallfahrer an, sondern Bewohner verließen auch ihre Stadt, um auswärtige Gnadenorte zu besuchen. Reicht die Verehrung der legendären Tunica Christi im Dom und die dem Apostel Matthias zugesprochenen Gebeine der gleichnamigen Abtei auch nur bis in das Mittelalter zurück, so läßt sich die vorübergehend wohl auch von Ortsfremden durchgeführte Verehrung des Patrons der untergegangenen Abtei St. Maximin bis in die christliche Antike zurück vermuten. Die unregelmäßig veranstaltete Heilig-Rock-Wallfahrt zog stets Hunderttausende an, zuletzt 1996 700.000, während zum Trierer Apostelgrab, gestützt durch die „Erzbruderschaft des hl. Apostels Matthias zu Trier“, alljährlich Hunderte den beschwerlichen Fußweg durch die Eifel gehen 1 . Die Trierer ihrerseits ziehen gerne moselabwärts zum Marienwallfahrtsort Klausen 2 , während nicht nur Trierer neuerdings verstärkt den Weg zum saarländischen Marpingen finden, wo während des sogenannten preußischen Kulturkampfes und erneut gegen Ende des 20. Jahrhunderts Marienerscheinungen wahrgenommen und in ihrer Bedeutung 1 Nachfolgende Ausführungen orientieren sich an dem Aufsatz des Verfassers „Rheinmaasländische Wallfahrten des 19. Jahrhunderts im Spannungsfeld von Politik und Frömmigkeit“, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 191 (1988) S. 115-131; H. J. K ANN , Wallfahrtsführer Trier und Umgebung (o.J.) S. 5-15; E. A RETZ u.a. (Hg.), Der Hl. Rock zu Trier (1995); B. B ENARD , Kleine Geschichte der Wallfahrt nach St. Matthias in Trier (1993). 2 P. D OHMS , Eberhardsklausen. Kloster, Kirche, Wallfahrt - Von den Anfängen bis zur Gegenwart (1985). <?page no="30"?> recht kontrovers diskutiert werden 3 . Mit ihrer Kritik stehen heutige Skeptiker nicht allein. Noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts klangen aufklärerische Vorbehalte gegen das Wallfahrtswesen an, als ein Bürgermeister aus dem Trierer Raum bei Bischof und Landrat über das ungebührliche Auftreten von Wallfahrern zu nächtlicher Zeit oder den Austausch von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit klagte. Bei dem kritischen Beamten war der Eindruck entstanden, „als ob der weit größte Teil der Pilger nicht zu ferneren Zwecken nach Clausen kommt, sondern nur, um sich auf die zusagende Art zu amüsieren“. Ermittlungen ergaben, daß Mitglieder der Trierer Marianischen Männersodalität, um ihre Tagesarbeit nicht zu unterlassen, Samstags abends geordnet und gesittet nach Klausen zogen, allerdings einige Nachzügler, eine „Bande“ von ledigen und verheirateten Männern, tatsächlich bereits in Trier „mit Zechereien.... den Anfang ihres wüsten Treibens ...“ machten 4 . Ob der möglicherweise protestantische und dem rheinischen Wesen fremde, preußische Bürokrat den Ausspruch des aus Schleiden in der Eifel stammenden Reformators Johannes Sleidanus (1506-1556) kannte, im Rheinland gebe es zwei Städte, die wegen ihres Aberglaubens berühmt seien: Aachen und Trier 5 ? Tatsächlich liegen an beiden Ufern des Rheins Dutzende Wallfahrtsorte unterschiedlichster Art, wie in einem größeren, Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts begonnen Forschungsvorhaben 6 ermittelt wurde, um im Rahmen des neuen „Geschichtlichen Atlasses der Rheinlande“ (Herausgeber: Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde) die entsprechende Wallfahrtskarte nebst Katalog zu erstellen, wobei im Interesse der Lesbarkeit der Karte nur solche Wallfahrten aufgenommen wurden, die über einen längeren Zeitraum von Pfarrfremden besucht wurden bzw. werden. Beim Wallfahrtsziel ist unterschieden zwischen Heiliger und Heiligem (auch Engel), Maria und Christus, wobei unter Letzterem auch Gott Vater und die Dreifaltigkeit subsumiert ist. Unterschieden wurde ferner zwischen Bild (Standbild) und Reliquie, groß und klein, erloschen und aktiv sowie den drei Zeiträumen 500 bis 1500, 1500 bis 1800, 1800 bis 2000. Die vorliegende Übersichtskarte 1: 500.000, Blatt Südwest umfaßt im Nordwesten noch Kleve und Emmerich, im Nord- 16 Dieter P. J. Wynands 3 D. B LACKBOURN , Marpingen, Apparitions of the Virgin Mary in Bismarckian Germany (1964); Frankfurter Allgemeine Zeitung 244 (20.10.1999). 4 D OHMS (wie Anm. 2) S. 177, 203. 5 J. S TABEJ , Die Wallfahrten der Slowenen an den Rhein, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 78 (1967) S. 97-160, hier: S. 105. 6 2000 abgeschlossene und 2002 veröffentlichte Arbeit des Autors. Dort finden sich, wenn nicht anders vermerkt, die einschlägigen Belege. <?page no="31"?> osten Beckum und Oelde, im Südwesten Diedenhofen (Thionville) und im Südosten Kaiserslautern mit seinem östlichen Vorland. Nahezu einer Diagonale gleich durchfließt der bei Eltville eintretende Rhein den Kartenausschnitt, während die Maas lediglich bei Venlo den westlichen Kartensaum berührt. Unter Beiseiteschiebung kulturhistorischer Bezüge wurde der im 19. Jahrhundert von Rheinpreußen (preußische Rheinprovinz mit den Regierungsbezirken Aachen, Köln, Düsseldorf, Koblenz und Trier) ausgehende Rheinlandbegriff gewählt und mit dem gesamten Ruhrgebiet auch weite westfälische Gebiete aufgenommen, während etwa Mainz nicht mehr im Kartenausschnitt liegt. Die nicht zur Gänze von Mittel- und Niederrhein durchflossenen Gebiete gehören in staatlicher Hinsicht fast ausschließlich zu Deutschland, genauer zu den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland, im Westen und Norden berühren Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande die deutsche Staatsgrenze. Insgesamt 15 (Erz-) Bistümer kommen vor. Gemäß ihre Umfangs handelt es sich um Aachen, Essen, Köln, Trier, Münster, Paderborn, Speyer, Mainz, Limburg, Luxemburg, Lüttich, Metz, Roermond, s’Hertogenbosch und Utrecht. Insgesamt konnten für das oben umschriebene Kartenwerk 201 Wallfahrtsorte aufgenommen werden. Vereinzelt umfaßt ein Ort, ja sogar eine einzelne Kirche mehrere Wallfahrten. So finden sich unter Trier die Hohe Domkirche mit der Tunica Christi, während unter der Pfarre St. Matthias das Grab des gleichnamigen Apostels hervorgehoben wird, aber auch die nicht mitgezählten Hinweise auf die frühen Bischöfe, das marianische Gnadenbild, die im Pfarrsprengel von St. Paulin gelegene ehemalige Abtei St. Maximin, während andere Kulte unberücksichtigt bleiben: Paulin, Simeon, Blandine Merten und Peter Friedhofen 7 . Neben der Gottesmutter Maria, die an 97 Orten von Wallfahrern verehrt wird, verzeichnet die Karte 41 männliche und 15 weibliche Heilige, sieben Heiligengruppen und einmal den Erzengel Michael. Fast alle Heiligen kommen nur einmal vor, eine Ausnahme bildet Quirinus von Neuss (3 x), Quirinus von Malmedy (2 x), Wendelinus (2 x) und Rochus (2 x) sowie Lucia (2 x) und die Vierzehn Nothelfer (3 x). Der Name des hl. Jakobus des Älteren, kommt keinmal vor! Maria wird am häufigsten angerufen unter dem Titel „Schmerzhafte Mutter“ (26 x), Hilfe der Christen (8 x), Zuflucht der Sünder (5 x) und Trösterin der Betrübten (5 x). Die aus theologischer Sicht nicht ganz nachzuvollziehende Anrufung als „Mittlerin aller Gnaden“ findet sich einmal, wie auch Kopien Das Rheinland als Wallfahrtslandschaft 17 7 K ANN (wie Anm. 1). <?page no="32"?> der marianischen Orte Einsiedeln, Lourdes, Fatima, Banneux und Schönstatt, wobei letztere als Filialen in jedem Bistum auszumachen wären. Auffallend ist allerdings in diesem Zusammenhang das Fehlen von Loreto, wobei wenigstens an einem Ort der Kult ansatzweise vorhanden war. II Antike und Mittelalter Während Liudger, Suitbert, Maternus, Servatius und Willibrord über das Umfeld hinaus für die Anfänge des Christentums stehen, sind Regional- und Ortsheilige wie Quirinus von Malmedy, Salmanus, Timerlin, Goar, die Hll. Ewaldi oder Wero, Odger, Pelchelm sowie Gerebernus und Dymphna in der Ausstrahlung ihres Kultes sehr begrenzt. Die von Gläubigen vorgenommene Christianisierung des heidnischen Matronenkultes durch die drei Heiligen Fides, Spes und Caritas weisen ebenso auf die Anfänge des Christentums zurück wie Apollinaris, Laurentius und Matthias, deren Namen gleichsam für die frühe Ausbreitung des Christentums stehen. Donatus von Münstereifel und Liberatus von Monschau erinnern an die Anbindung des rheinischen Christentums an das römische, während etwa der hl. Hermann-Josef von Steinfeld, die hl. Elisabeth von Schönau und die hl. Hildegard von Bingen für die Vertiefung des mittlerweile schon verbreiteten Christentums stehen. In Xanten, wo schon früh eine Grablege hervorgehoben wurde, die Viktorstracht eine besondere Form der Heiligenverehrung darstellt und seit den Grabungen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts die lokale Überlieferung gestützt wurde, ist durch die Verbringung von Erde aus nationalsozialistischen Konzentrationslagern und die Pflege des Gedächtnisses von Karl Leisner in der neu angelegten Krypta der Bogen geschlagen worden von den frühen Märtyrern der Kirche bis hin zu den (Blut-)Zeugen der Gegenwart. Doch bleibt festzuhalten, daß es sich um einen Einzelfall handelt, daß ansonsten auch bei Gründungen der beiden letzten Jahrhunderte (Lourdes, Fatima, Banneaux) das zeitgeschichtliche Umfeld kaum thematisiert wird. Stellt sich die Frage nach den belegbaren Anfängen und der frühen Bedeutung der Wallfahrt, so wandert der Blick fort von den beiden auf die Antike zurückgehenden Bischofssitze Köln und Trier nach Aachen, wo spätestens seit dem frühen 14. Jahrhundert die Verehrung textiler Reliquien einsetzte, die in zeitlicher Abfolge und inhaltlicher Form Vorbild für Wallfahrtsorte außerhalb des Rheinlandes wurde und die selbst über das Mittelalter hinaus Ziel einer großen völkerverbindenden Fern- 18 Dieter P. J. Wynands <?page no="33"?> wallfahrt und zahlreiche Anschlußfahrten bildete 8 . Wohl am bemerkenswertesten ist die sogenannte Römerfahrt. In Anlehnung an die sieben Primatialkirchen Roms suchten die Wallfahrer sieben rhein-maasländische Gnadenorte auf. Neben Aachen (Burtscheid und Kornelimünster wurden nicht als eigenständige Wallfahrtsstätten aufgefaßt) besuchten die Wallfahrer Trier, Köln, das in der Pfarre Heimerzheim gelegene Capellen (Schillingskapellen), Graefrath, Düsseldorf und Mönchengladbach 9 . Die Klosterkirche St. Mariä Himmelfahrt zu (Solingen-) Graefrath wurde Station der Aachenfahrer, nachdem im Jahre 1303 ein auf die aufbewahrte Reliquie der hl. Katharina von Alexandrien zurückgeführtes Wunder bekannt wurde. Westlich von Bonn besuchten die Wallfahrer das Nonnenkloster (Schillings-)Capellen (Swisttal-Heimerszheim), wo sie ein Gnadenbild Mariens verehrten. Das der wallonischen Prämonstratenserabtei Floreffe unterstellte Kloster war 1197 an der Stelle errichtet worden, wo nach der Legende sieben Jahre zuvor während einer Jagd im Kottenforst in einem Rosenstrauch ein von brennenden Kerzen umgebenes Marienbild gefunden worden war. 1806 gelangte das Bild der Rosa Mystica nach (Swisttal-)Buschhofen. In der zunächst der Gottesmutter, dann dem hl. Lambertus geweihten Stifts- und Pfarrkirche zu Düsseldorf konnten die Wallfahrer einen reichen Reliquienschatz verehren, darunter in Schreinen Gebeine des hl. Apollinaris und des hl. Willeicus, und ein gotisches Gnadenbild der Maria in der Not. Kurz vor 1400 war an der Ostseite der Sakristei ein erkerartiger Dachausbau erstellt worden, von wo aus die Reliquien entsprechend dem Aachener Brauch gezeigt wurden. - Nördlichster Wallfahrtsort war die oberhalb des Gladbaches gelegene Benediktinerabtei im späteren Mönchengladbach mit ihrem reichen Reliquienschatz, südlichster Ort war Trier mit seinem Dom und den beiden Abteien St. Maximin und St. Matthias. Auch das bevölkerungsreiche Köln, das mit seinen zahlreichen Kirchen und Klöstern, den großen Reliquienschätzen, vor allem den Gebeinen der Hll. Drei Könige im späten Mittelalter zuweilen nach Rom, Compostela und Canterbury vor Aachen als wichtigster Wallfahrtsort aufgeführt wurde, erhielt 1394 von Papst Bonifaz IX. eine alle sieben Das Rheinland als Wallfahrtslandschaft 19 8 Zuletzt: R. P LÖTZ , Aachenfahrt und Heiligtumsweisung - Formen und Inhalte, in: D. P. J. W YNANDS (Hg.), Der Aachener Marienschrein. Eine Festschrift (2000) S. 135-158; D. P. J. W YNANDS , Die Aachener Heiligtumsfahrt. Kontinuität und Wandel eines mittelalterlichen Reliquienfestes (Ortstermine VIII, 1996). <?page no="34"?> Jahre stattfindende Heiligtumsfahrt zugestanden. Der Kölner Stadtstaat bemühte sich erfolgreich um die Angleichung an den Aachener Turnus, so daß die Reliquien schließlich im Abstand von sieben Jahren am 29. Juni, dem Patrozinium der Kölner Kathedrale, auf der Ostseite des Domhofes über dem blauen Stein zur Schau gestellt wurden. Noch als Ausfluß mittelalterlicher Frömmigkeit kann angesehen werden, daß 1501 eine bedeutende Reliquie der hl. Anna, legendäre Mutter der Jungfrau Maria, ins aufwärtsstrebende Düren an die Rur gelangte und eine bis in die Gegenwart anhaltende lebendige und mittlerweile nicht mehr ausschließlich als Aachener Anschlußwallfahrt anzusehende Wallfahrt begründete. Daß die Reliquientranslation ein Diebstahl war, störte nur vorübergehend, war dem heiligen Gebein an seinem vorherigen Aufbewahrungsort doch die nötige Aufmerksamkeit versagt worden. In Deutschland hatte die Anna-Verehrung, mittelbarer Ausdruck marianischer Frömmigkeit, ihren Höhepunkt bereits im Mittelalter erreicht. Vielerorts (für die Karte 26 Nennungen) ist im Rheinland an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit die Verehrung Mariens als Schmerzhafte Mutter festzustellen, wobei eine genaue zeitliche Fixierung nicht immer möglich ist. Bildnisse der Pieta, auch Vesperbild genannt, fanden in der Mitte des 14. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts eine starke Verbreitung, hatte doch ein Kölner Provinzialkonzil 1423 das dieser Darstellung zugrundeliegende Frömmigkeitsmotiv der Schmerzensmutter (mater dolorosa) große Förderung zuteil werden lassen. Das Fest der Sieben Schmerzen Mariens ist erstmals 1423 nachzuweisen. Benedikt XIII. verpflichtete 1727 sogar die ganze Kirche zur Feier dieses Festes am Freitag vor der Karwoche. Heute wird das Gedächtnis der Schmerzen Mariens am 15. September begangen. Als Beispiel für die Verehrung der Schmerzensmutter durch Wallfahrer sei aufgeführt das nahe an der Mosel gelegene Klausen, Marienstatt im Westerwald und Heimbach in der Eifel, wobei die letzte Wallfahrt bis zur Säkularisation im Zisterzienserkloster Mariawald stattfand 10 . 20 Dieter P. J. Wynands 9 D. P. J. W YNANDS , Geschichte der Wallfahrten im Bistum Aachen (Veröffentlichungen des Bischöflichen Diözesanarchivs Aachen 41, 1986) S. 78ff. Die Römerfahrt verdient eine genauere Untersuchung. 10 J. F INKENZELLER in: Marienlexikon, hg. v. R. B ÄUMER und L. S CHEFFCZYK , Bd. 6 (1994) S. 28f. <?page no="35"?> III Frühe Neuzeit Sollten Wallfahrten zur Schmerzensmutter auch nach 1500 erst entstanden sein, so zählen sie doch der Frömmigkeit nach zum späten Mittelalter, bevor neben die zahlenmäßig nicht so großen Fernwallfahrten die für die Neuzeit typischen sogenannten Nahwallfahrten traten. Meist ließen sich die neuen Gnadenorte in einem Tag erreichen, hielt sich der Arbeitsausfall in Grenzen, brauchte das eigene Gebiet nicht verlassen zu werden, wodurch das Geld im eigenen Land blieb. Vielfach bezeichnete ein ausgesprochener Kontroverscharakter diese Marienwallfahrt. Als hervorragendes Beispiel dafür ist der größte rheinische Wallfahrtsort zu nennen, das ehemals geldrische Kevelaer (1642), wo durch die Vermittlung Luxemburgs Maria als Trösterin der Betrübten des brabantischen Scherpenheuvel (Montaigu) verehrt wird. Auffallend ist, daß sich die Gründungsvorgänge (von Lichterscheinungen begleitete Auffindung eines Bildnisses in einer von kriegerischer Bedrängnis heimgesuchten Landschaft) wiederholten, so 1654 in Aldenhoven, 1672 in Marialind bei Braunsrath, Gemeinde Waldfeucht, und 1677 in Benrath bei Düsseldorf. Der Kontroverscharakter zeigt sich etwa deutlich in Barweiler, dessen Madonna eine blühende Lilie erhielt nachdem sie das protestantische Üxheim verlassen hatte. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam es zu einer erheblichen Beeinträchtigung auch des rheinischen Wallfahrtswesens. Am Anfang waren es die dem aufgeklärten Absolutismus verpflichteten Herrscher, die auf Distanz zu dieser Form der Volksfrömmigkeit gingen. Die mit dem Wallfahrtswesen verbundene barocke Solennität stieß sowohl bei der weltlichen als auch bei der geistlichen Obrigkeit auf Unverständnis und oft sogar auf Ablehnung. Sie beargwöhnte in dieser Form der Volksfrömmigkeit Aberglauben, beklagte Müßiggang, die Abwesenheit vom Arbeitsplatz und die damit verbundene Verschwendung materieller Güter, das Verlassen des eigenen Territoriums, die schwer zu zügelnde Zusammenballung vieler Menschen und nicht zuletzt den (ausgiebigen) Besuch von Wirtshäusern - kurzum: Die Verquickung von Religion und Rekreation machte das Wallfahren verdächtig. So ließ sich Kaiser Josef II., als er 1781 in Aachen weilte, nicht die Heiligtümer des Münsters zeigen, sondern statt dessen besichtigte er den Thermalbrunnen des Kaiserbades. Statt der gebräuchlichen Reliquienseide ließ er sich Schwefel schenken. In seinen Erblanden erließ der Kaiser ein Verbot mehrtägiger Wallfahrten. Die geistlichen Kurstaaten am Rhein schlossen sich dem an. So erlosch endgültig die Fernwallfahrt der Ungarn und der Slowenen nach Aachen, kam es zu einem Verbot der Das Rheinland als Wallfahrtslandschaft 21 <?page no="36"?> Echternacher Springprozession. Gebildete und Regierende drückten die Wallfahrt und verwandte Frömmigkeitsformen ins Abseits 11 . Wie wenig Verständnis aufgebracht wurde, zeigte etwa der Revolutionär Johann Georg Forster, der 1790 schrieb: „Nirgends erscheint der Aberglaube in einer schauderhafteren Gestalt als in Köln. Jemand, der aus unserem aufgeklärten Mainz dahin kommt, hat in der Tat einen peinigenden Anblick von der mechanischen Andacht, womit so viele tausend Menschen den Müßiggang zu heiligen glauben, und an der blinden Abgötterei, die der Pöbel hier wirklich mit Reliquien treibt, welche den echten Religionsverehrern unter den Katholiken selbst ein Ärgernis geben“ 12 . Doch war das so gescholtene Volk unempfänglich und mißachtete häufig die Verbote. Während etwa die Einwohner Dormagens weisungsgemäß nicht mehr nach Kevelaer zogen und stattdessen ihre Andacht in dem näher gelegenen Kloster Bethlehem verrichteten, wunderten sie sich 1792 über die vielen immer noch stattfindenden Kevelaerprozessionen 13 . IV Behinderungen durch Franzosen und Preußen Energischer gingen zunächst die französischen Revolutionäre gegen das Wallfahrtswesen vor, die 1794 für zwei Jahrzehnte das gesamte Gebiet bis zum Rhein beherrschten. So verbot am 2. April 1798 die Zentralverwaltung des Roerdepartements alle kirchlichen Zeremonien außerhalb der Kirche. Doch regte sich bald im Volk derart viel Widerstand, daß die Machthaber nachgeben mußten. Allmählich wurden die Maßnahmen gegen das Wallfahrtswesen abgebaut. Vom Jahr 1806 ab durften in den Orten, in denen keine Kirchen einer anderen Konfession bestanden, Prozessionen wieder stattfinden. In diesem Jahr erreichte der damals für Kevelaer zuständige Bischof von Aachen die Öffnung der dortigen Gnaden- und Kerzenkapelle. Da die noch bestehenden Vorschriften kaum kontrolliert werden konnten, unternahmen viele „wilde“ Wallfahrten. Als weiteres Zugeständnis kam es 1811 zu der Bestimmung, daß alle Wallfahrten zugelassen waren, so sie altherkömmlich waren und das 22 Dieter P. J. Wynands 11 W YNANDS (wie Anm. 1) S. 119. 12 J. G. F ORSTER , Ansichten vom Niederrhein, zitiert nach Forsters Werke in zwei Bänden, Bd. 2 (1979) S. 57. 13 H. C ARDAUNS / R. M ÜLLER (Hgg.), Die Rheinische Dorfchronik des Johan Peter Delhoven aus Dormagen (1783-1823) (1966) S. 22, 20, 74. Bei dem in der Nähe gelegenen Wallfahrtsort handelte es sich um Kloster Bethlehem, dessen Vesperbild nach der Säkularisation nach Bergheim gelangte. <?page no="37"?> Gebiet des eigenen Bistums nicht verließen. Damals hatte eine Umfrage ergeben, daß Kevelaer, Düren und Aldenhoven die besuchtesten linksrheinischen Wallfahrtsorte waren 14 . Wie zäh die Bevölkerung am Althergebrachten festhielt, zeigt sich etwa beim Dürener Annakult. Im Jahre 1801 konnte in feierlicher Form der dreihundert Jahre zurückliegenden Translation gedacht werden. Sieben Jahre später setzte sich die Dürener Bürgerschaft in einer an den Bischof gerichteten Bittschrift für die Beibehaltung der hergebrachten Feierlichkeiten zu Ehren der „Großmutter unseres Erlösers“ ein, zu denen aus Nah und Fern Bewohner erwartet wurden. Die Stadt hatte auch wirtschaftliche Gründe geltend gemacht 15 . Selbst in Aachen, dem Hauptort des Roerdepartements, in dem Präfekt und Bischof residierten, zeigte sich wieder Wallfahrtsgeschehen. Nach einmaliger Unterbrechung fand 1804 die Aachenfahrt statt, die genauso wie die Wallfahrt zum Trierer Rock im Jahre 1810 nicht zuletzt der Bevölkerung die einsetzende Normalisierung zwischen Staat und Kirche zeigen sollte. Deshalb hatte sich etwa Napoleon persönlich für die Rückführung des nach Paderborn in Sicherheit gebrachten Aachener Münsterschatzes eingesetzt 16 . Im Jahr 1810 zog allein aus der Kölner Pfarre St. Kunibert eine 1.000 Personen starke Prozession nach Kevelaer und stiftete 70 Messen, 15 kg Kerzen und 20 Franken für die Armen 17 . - Neben wallfahrtshemmende traten im frühen 19. Jahrhundert auch wallfahrtsfördernde Maßnahmen. So brachten die Franzosen für Blankenheim das vorläufige Ende der Wallfahrt, da die Grafenfamilie bei ihrer Flucht nach Böhmen den Reliquienschatz mitnahm, während die in Nitztal gelegene Jodokuskapelle von Langenfeld bis 1835 geschlossen blieb. Die Säkularisation führte nicht immer zur Übertragung des Wallfahrtsgeschehens an einen neuen Ort, so von Mariawald nach Heimbach, vom Kloster Bethlehem nach Bergheim, sondern konnte auch das vorübergehende oder endgültige Verschwinden der Wallfahrt bedeuten, so in Noithausen bei Grevenbroich, in Remagen am Rhein oder in Mönchengladbach. Das Rheinland als Wallfahrtslandschaft 23 14 G. A MBERG , Die Kölner Kevelaer-Bruderschaft von 1672. Geschichte und Leben, Köln 1973, 42-48. - Zur Rechtslage in französischer Zeit: Landeshauptarchiv Koblenz (künftig: LAK) 403-16.003 Bl. 55ff. Köln 3.11.1825, Regierung Köln an Oberpräsident. 15 W YNANDS (wie Anm. 1) S. 120. 16 D. P. J. W YNANDS , Die Aachenfahrt während der französischen Herrschaft im Rheinland (1792-94 - 1814), in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 197 (1994) S. 127-145. 17 A MBERG (wie Anm. 14) S. 47. <?page no="38"?> Wider Erwarten brachte die Beseitigung der französischen Herrschaft dem Wallfahrtswesen zunächst keine günstigere Entfaltungsmöglichkeit. Eher war das Gegenteil der Fall. Das Land mit seiner überwiegend katholischen Bevölkerung wurde zwischen Preußen und dem Königreich der Vereinigten Niederlande, dessen Herrscher auch das Großherzogtum Luxemburg erhielt, aufgeteilt, fiel somit an überwiegend protestantisch geprägte Staaten. Die staatlichen Behörden verschärften die wallfahrtshemmenden Vorschriften. Grundsätzlich ging es darum, mehrtägige Wallfahrten und solche außerhalb des eigenen Bistums zu verbieten. Sollten sie dennoch stattfinden, mußten sich die Teilnehmer durch besondere Papiere legitimieren und von einem vom Bischof dazu beauftragten Seelsorger angeführt werden. Der Klerus selbst nahm hinsichtlich mehrtägiger Wallfahrten eine zwiespältige Haltung ein. Anfang der zwanziger Jahre waren in den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf 55 % der Geistlichen für und nur 33 % bzw. 30 % ausgesprochen gegen mehrtägige Wallfahrten. Während im Kreis Geldern, zu dem die Ortschaft Kevelaer gehörte, sogar 96 % der Geistlichen dafür waren, machte die Zustimmung im wirtschaftlich aktiven und konfessionell stark gemischten Krefeld nur 20 % aus, denn dort war die Pfarrgeistlichkeit nachhaltig von der katholischen Aufklärung geprägt 18 . Für das Jahr 1825 hatten die rheinpreußischen Bezirksregierungen statistische Angaben über das Wallfahrtsverhalten der Katholiken zusammengetragen. Demnach unternahmen jährlich rund 150.000 Rheinländer eine mehrtägige Wallfahrt. Das entsprach einem Vierzehntel der Gesamtbevölkerung von 2,2 Millionen, die zu Dreiviertel dem katholischen Bekenntnis angehörte. Pro Wallfahrer und Tag hatten die Behörden 8 Silbergroschen veranschlagt, was für die Provinz 150.000 Taler ergab. Für die Bewohner des Regierungsbezirkes Aachen waren beliebteste Wallfahrtsorte Kevelaer, Nievenheim, Trier und Heimbach, gefolgt von Saint-Hubert, Barweiler, Düren, Aldenhoven und Kornelimünster 19 . Verständnis für die wallfahrtsfeindlichen Maßnahmen fanden die Staatsbehörden beim damaligen Episkopat. Am 12. Mai 1826 erließ der Kölner Erzbischof Ferdinand August Graf Spiegel (1825-1835) einen Hirtenbrief über die Gefahren des Wallfahrens 20 . „Leider! ..“, so der 24 Dieter P. J. Wynands 18 J. S PERBER , Popular Catholicism in Nineteenth-Century Germany (1984) S. 27; zur besonderen Situation im Dekanat Krefeld vgl. H. S CHRÖRS , Hermesianische Pfarrer, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 103 (1119) S. 76-183, hier: S. 93. 19 Erhebungslisten für 1825 gesammelt in LAK 403 - 16.003. 20 LAK 403 - 16.003 Bl. 201ff.: Hirtenbrief vom 12.5.1826. <?page no="39"?> höchste Repräsentant der katholischen Kirche im Westen Deutschlands an der Nahtstelle zum niederländischen und französischen Sprachraum, lehre „die vieljährige Erfahrung“, daß es bei mehrtägigen Wallfahren zur „Versäumniß der häuslichen Pflichten“ und zu „rohesten Ausschweifungen“ kommen würde. Nachdem der Geistliche auf die diesbezüglichen Verordnungen seiner Vorgänger hingewiesen hatte, sprach er entsprechend den staatlichen Vorschriften ein grundsätzliches Verbot von Wallfahrten aus, wenn sie das Gebiet der Erzdiözese verlassen oder mehr als einen Tag dauern würden. Ähnliche Verlautbarungen sind für den Süden und Norden des Rheinlandes bekannt. Der Bischof von Münster begründete sein Verbot mit „den vorkommenden Entgleisungen, den Schäden in ökonomischer, physischer, religiöser und moralischer Hinsicht“ 21 . Ausgewogener ging Joseph von Hommer (1824-1836), Bischof von Trier, vor, dem es darum ging, den Wallfahrten den Charakter eines öffentlichen Gottesdienstes zu nehmen, weshalb die Geistlichen nicht teilnehmen und weder Kreuz noch Fahne mitgeführt werden sollten. Dem Koblenzer Oberpräsidenten teilte der in einer Weingegend amtierende Hirte mit, daß die meisten Menschen Wallfahrten unternahmen „aus reiner Absicht nach ihren Begriffen, in der Einfalt ihres Herzens sich gottgefällig zu machen. Der Landbewohner, der für das kontemplative Gebet nicht geeignet ist und gewohnt, mit seinen körperlichen Kräften seinem Gutsherrn und dem Staat zu dienen, glaubt, sein Gebet sei nicht kräftig genug, wenn er nicht körperliche Anstrengungen damit verbinde. Die Ungezogenheiten, die dabei vorkommen, sind lang nicht so häufig, als man vorgibt, und diejenigen, die darauf aus sind, finden auch in der Heimat Gelegenheit dazu“ 22 . Wie scharf die preußischen Behörden vorgehen konnten, zeigte sich etwa 13. September 1839 in Neuss 23 . Eine „große Menschenmenge“ Daheimgebliebener hatte sich eingefunden, um die aus rund 240 Teilnehmern bestehende Kevelaer-Prozession abzuholen. Auf Befehl des Landrates lösten bewaffnete Polizisten und Gendarmen die Ansammlung Das Rheinland als Wallfahrtslandschaft 25 21 L. B ERGMANN , Kevelaer-Wallfahrt in: Wallfahrt im Rheinland (1981) S. 67-78, hier S. 77. 22 J. S CHIFFHAUER , Das Wallfahrtswesen im Bistum Trier unter Bischof Joseph von Hommer, in: Festschrift für Alois Thomas. Archäologie, kirchen- und kunsthistorische Beiträge (1967) S. 345-358, hier S. 356f; A. T HOMAS , Die liturgische Erneuerungsbewegung im Bistum Trier unter Bischof von Hommer (1824-1836), in: Mittelrheinische Kirchengeschichte 15 (1963) S. 208-238. 23 P. D OHMS , Rheinische Katholiken unter preußischer Herrschaft. Zur Geschichte der Kevelaer-Wallfahrt im Kreis Neuss (Veröffentlichungen des Heimatbundes Neuss 4, 1993). <?page no="40"?> von über 2.000 Menschen auf. Alsbald entstand Verwirrung und Unordnung, zumal die Brudermeister ihre Pilgerstäbe hatten abgeben müssen und nun nicht mehr ordnend eingreifen konnten. Eine „unzählige Menschenmenge meistens der niederen Klassen“ zog „unter Besorgnis erregendem Gesang“ und „nicht wenig gereizter Stimmung“ zur Pfarrkirche, die allerdings verschlossen war. Daraufhin zog die Menge dreimal um die Kirche. Einem Hilfsvorbeter gelang es, durch Anstimmen des „Englischen Grußes“ und sonst bei diesem Anlaß gebräuchlicher Gebete einen geordneten Abzug der Wallfahrer zu ermöglichen. Die am darauffolgenden Tag polizeilich vernommenen Brudermeister verwiesen auf uneinheitlich ausgelegte Bestimmungen - was hier erlaubt oder geduldet war, war anderswo verboten oder wurde geahndet - und hatten keine Hemmungen eine Eingabe bei Friedrich Wilhelm III. zu machen. So erfuhr auch der Landesherr, daß der „Lust zum Wallfahren“ kaum etwas entgegen zu setzen war. Bereits 1827 waren bis auf vier alle neunzehn Pfarreien der Stadt Köln an der mehrtägigen Kevelaer-Prozession beteiligt gewesen. Viele Geistliche hatten sich der Überprüfung entzogen, Teilnehmer den Behörden falsche oder, da stark vom Dialekt geprägt, schwer verständliche Antworten gegeben 24 . Hatte sich noch 1829 die kirchliche Behörde gegenüber dem Süchtelner Irmgardiskult reserviert gezeigt, so griff sie sechs Jahre später die Klagen des für den Irmunduskult auf Hahnerhof bei Mündt zuständigen Geistlichen nicht auf, der über „Getümmel“, „Unfug“, sogar von „blutigen Schlägereien“ an der von „Branntwein-Boutiquen umlagerten“ Kapelle klagte, vielmehr wünschte das Kölner Generalvikariat die Beibehaltung des Althergebrachten. So schätzten die mittlerweile amtierenden Bischöfe im Gegensatz zu ihren Vorgängern die Vorzüge der Wallfahrten 25 . Für diese waren die vom Wiener Kongreß gezogenen Grenzen kein Hindernis. So zogen Wallfahrer aus der Westeifel weiter nach Echternach und Gläubige aus dem Dekanat Bitburg nach Luxemburg. Als in Roermond 1835 die Vierhundert-Jahr-Feier der dortigen Marienverehrung gefeiert wurde, suchten zwischen dem 15. August und 8. September rund 200.000 Wallfahrer die Stadt an der Maas auf, deren Einwohner zum Schmuck u.a. Triumphbögen mit lateinischen, französischen, deutschen und niederländischen Inschriften errichtet hatten; ein beredter Hinweis auf die grenzüberschreitende Wirksamkeit des Wallfahrens 26 . 26 Dieter P. J. Wynands 24 LAK 403 - 16.005 Bl. 161f. Berlin 13.10.1838, Kultusminister an Regierung Aachen über vorgelegten Zeitungsbericht. A MBERG (wie Anm. 14) S. 69. 25 W YNANDS (wie Anm. 1) S. 125f. 26 W YNANDS (wie Anm. 1) S. 125. <?page no="41"?> V Wallfahrten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Während in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Wallfahrt offensichtlich eine Bewegung von unten gewesen war, begann in der Mitte des Jahrhunderts die kirchliche Hierarchie, diese Form der Volksfrömmigkeit zu nutzen, wurde das Wallfahren auch eine Bewegung von oben. Dies zeigte sich vehement, als Bischof Wilhelm Arnoldi von August bis Oktober 1844 nach langer Unterbrechung wieder den Trierer Rock ausstellen ließ. Dem Zusammenklang von Spontaneität und Organisation, von traditioneller Frömmigkeitsform und modernen Verkehrsmitteln ist es zuzuschreiben, daß zwischen einer halben und über einer Million Besucher zu diesem Reliquienfest zogen. Auffallend war aber nicht nur die hohe Zahl der Teilnehmer, sondern auch die Tatsache, daß nicht nur das einfache Volk dabei war. Jenny von Westfalen schrieb damals ihrem Ehemann Karl Marx: „Die Menschen sind alle wie wahnsinnig.“ Für ihre Tochter erwarb sie Devotionalien. Auch fiel ihr auf, daß „ganz Koblenz kommt und die crème der Gesellschaft schließt sich an die Prozession an“ 27 . Rückblickend schrieb der betagte Joseph von Görres von einer „Völkerwanderung“, darüber, daß sich das „Volk zwischen Rhein und Maas ... erhoben“ habe. Kritische Stimmen verwarf Görres. „Wo eine Kirche gebaut wird, baut der böse Feind daneben eine Sacristei; wo eine Wallfahrt eingerichtet wird, ist er als frommer Pilger auch dabei. So hat er denn auch jetzt den Muschelhut aufgesetzt und den Pilgerstab zur Hand genommen, und Reinecke ist unter der Form der Polemik mitgewandert“ 28 . Auffallend war in Trier die Teilnahme vieler Bischöfe gewesen, die zu einem Kennzeichen weiterer Großwallfahrten wurde. Dies zeigte sich auch in Aachen, wo, begünstigt durch die neuen Verkehrsmittel und gefördert durch staatliche Behinderungen, die mittelalterliche Fernwallfahrt wieder auflebte. Im Jahre 1874, also während des sogenannten Kulturkampfes, wurde der Aachenfahrt viel Aufmerksamkeit geschenkt. Allein aus Frankreich und der Schweiz wurden 126 Zentner an Rosenkränzen und Heiligenbildchen eingeführt. Erstmals beteiligten sich mehr als 500.000 Wallfahrer an diesem Reliquienfest. Noch immer schreckte die Berliner Ministerialbürokratie nicht davor zurück, das Wallfahren als lästigen „Straßen-Terrorismus“ zu bezeichnen, und ein Das Rheinland als Wallfahrtslandschaft 27 27 W. S CHIEDER , Kirche und Revolution. Sozialgeschichtliche Aspekte der Trierer Wallfahrt von 1844, in: Archiv für Sozialgeschichte 14 (1974) S. 419-454, hier S. 449 (Zitat Jenny von Westfalen). 28 J. v. G ÖRRES , Die Wallfahrt nach Trier (1845) S. 3, 1, 31. <?page no="42"?> Uerdinger Kaufmann beklagte: „Es ist ein trauriger Anblick, wenn man diese Menschen sieht, wie sie in langen Zügen daherziehen.“ „Dumm und dumpf hocken sie (in den Eisenbahnabteilen) zusammen, ihr eintöniges Gebet unaufhörlich dahersingend.“ Dabei trugen die günstigen neuen Verkehrsmöglichkeiten mit dazu bei, daß immer mehr gebildete und wohlhabende Bevölkerungskreise an der Wallfahrt teilnahmen 29 . Dies traf nicht nur für die großen, sondern auch für die kleinen Orte zu. Verliehene Ablässe und neue Reliquienerwerbungen förderten die Attraktivität, Baumaßnahmen erleichterten die Andacht großer Gottesdienstgemeinden. Die 1854 wahrgenommene Marienerscheinung von Lourdes führte bald vielerorts zum Bau von Lourdes-Grotten. Die 1895 in Soller (südlich von Düren) errichtete Kopie ist sogar zu einem eigenen Wallfahrtsziel geworden. Ähnliches läßt sich von Statuen der Fatima-Madonna und den diözesanen Schönstattzentren mit den Kopien der dortigen Wallfahrtskapelle feststellen. Mit der Nennung von Fatima, Banneux und Schönstatt ist das 19. Jahrhundert verlassen, doch traten im rheinischen Wallfahrtswesen zunächst keine grundlegenden Änderungen ein. Während der nationalsozialistischen Diktatur dienten die Wallfahrten dazu, Distanz zum totalitären Regime zu zeigen. Dies war etwa spürbar bei der Trierer Heilig-Rock- Wallfahrt von 1933 und der Aachener Heiligtumsfahrt von 1937, an der rund eine Million Menschen teilgenommen haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte sich alsbald, daß an die Vorkriegszeit nicht mehr angeknüpft werden konnte. Vielerorts waren die Zahlen rückläufig. Nicht nur das Brauchtum ging zurück, manch kleine Wallfahrt ging unter. Die Gründe dazu sind vielschichtig und sind am besten mit den veränderten Lebensverhältnissen zu umschreiben. Die Tendenz, Marienwallfahrtsorte - allen voran Kevelaer - aufzusuchen, hielt an. Innerkirchliche Maßnahmen, für die besonders das Zweite Vaticanum steht, förderten die rückläufige Entwicklung. Doch machte sich seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts eine gegenläufige Tendenz bemerkbar. VI Überbleibsel religiösen Brauchtums Mittlerweile war vieles untergegangen und selbst das Wissen um früheres Wallfahrtsgeschehen ist abhanden gekommen. So darf es als Glücksfall angesehen werden, daß sich für das kleine, östlich von Nörvenich ge- 28 Dieter P. J. Wynands 29 LAK 403 - 16.004 Bl. 1ff. Berlin 12.9.1873, Kultusminister an Oberpräsident. LAK 403 - 16.005 Bl. 271f. Uerdingen 19.9.1973, Kaufmann an Kultusminister. <?page no="43"?> legene Wissersheim mit seiner erloschenen Brigida-Wallfahrt ein Augenzeugenbericht aus der Mitte der 20er Jahre erhalten hat 30 : „Für uns Kinder gab’s am Brigitta-Fest (steht für Brigida) in der Kirche viel Neues zu sehen. Die Pilger verehrten alle die Reliquien der Heiligen, und sie wanderten dabei durch die Kirche an den Plätzen für die Kinder vorbei. Das nahm kein Ende und stets andere Gesichter. Dazu wurde ein „vierspänniges“ Hochamt gehalten, und das sahen wir nur einmal im Jahr. Der Höhepunkt lag für uns Kinder vor der hl. Kommunion, wenn die amtierenden Priester einander den Friedensgruß gaben. Der lange Vikar Hermanns aus Hochkirchen mußte alsdann eine gar tiefe Verbeugung vor dem kleinen Vikar Esser aus Gymnich machen. Ohne all das Neue beim Gottesdienst wäre mir das Hochamt doch lang geworden; denn ich hatte draußen vor der Kirche einige Buden gesehen, und eine der Buden, vielmehr die große Kiste, die daneben stand, barg auch den Inhalt meiner Wünsche. Nach der Messe hatten die Budenbesitzer vollauf zu tun; denn die Pilger wollten ihren Lieben daheim und besonders den Kindern doch eine Kirmes mitnehmen. Der Bäckermeister Peters aus Bolheim hielt an einem Stand prachtvolle gelbe und braune Brezeln feil, ein anderer Tisch lag voller Pfefferkuchen, mit grobkörnigem Zucker bestreut, und aus Lechenich war der kleine lustige Kappenmacher mit den schönsten und wärmsten Mützen und Kappen da. Die Bauern kauften mit Vorliebe die dicken wollenen Klappenkappen, die, wenn sie völlig heruntergezogen sind, aussehen wie ein Maulkorb. Meinem Bruder und mir aber hatten die Eltern eine Pelzmütze versprochen. Diese Mützen waren aus schwarzem Plüsch angefertigt, hatten die Form eines Schiffchens und zeigten an der Seite eine niedliche Verzierung aus goldenem Messingblech. Eine solche Mütze hatte mein Nachbar auf der Schulbank bereits vom Nikolaus bekommen, und mir hat die schöne schwarze Pelzmütze, die ich (zu) Brigitt in Wissersheim erhielt, meine erste Wallfahrt frisch in Erinnerung gehalten, zumal der lustige Kappenmacher seine Waren trefflich anzupreisen verstand [...] Auch für das Vieh nahmen wir etwas von der Wallfahrt mit nach Hause, nämlich „Brigitten“ Brot. Alle Bauern brachten eine umfangreiche Kruste oder einige Schnitten Schwarzbrot mit und ließen es in der Kirche segnen. Das wurde auf den Seitenaltar, der der hl. Brigitta geweiht war, gelegt, wo nach jeder hl. Messe die Segnung stattfand. Nach der Segnung nahmen die Pilger das Brot zurück, und es kamen dann immer ärgerli- Das Rheinland als Wallfahrtslandschaft 29 30 Anton S CHAUF , Ländliche Wallfahrten und Wallfahrer aus dem Dürener Raum im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, in: Neue Beiträge zur Jülicher Geschichte 11 (2000) S. 107-130. <?page no="44"?> che Verwechslungen vor. Darum wurden die Pilger später gebeten, das Brot während der Segnung in den Händen zu halten. Manchem Mütterchen, das es jahrelang anders gemacht hatte, wollte das schlecht gefallen, und es wickelte wenigsten das Papier ab, damit doch einige Weihwassertropfen das Brot berühren möchten. Jedem Vieh: Pferd, Kuh und Kalb, Schwein, Huhn und Hahn wurde ein Stücklein gesegneten Brotes ins Futter gemischt.“ Zwar sind mittlerweile bei den meisten rheinischen Wallfahrten die Krambuden verschwunden, können etwa Oktavbesucher in Kornelimünster keine Korneliuspfeifen und Heimbachwallfahrer keine Koreanderkörner mehr kaufen, doch hat sich an vielen Stellen der Brauch erhalten, neben geweihtem (Brunnen-)Wasser gesegnetes Brot zu erwerben und es für den Verzehr mitzunehmen. Desgleichen werden Kerzen, Medaillen, Heiligenbildchen bzw. Gebetszettel angeboten, aber nur vereinzelt Wallfahrtsfähnchen. Dabei fällt auf, daß es sich meistens um Nachdrucke bzw. -prägungen handelt. Das offizielle Pilgerabzeichen der Trierer-Rock-Wallfahrt aus dem Jahre 1996 bildet da eine Ausnahme 31 . Der zu beklagende Rückgang des religiösen Brauchtums ist den veränderten Lebensumständen zuzuschreiben. Besucher der hll. Gerebernus und Dymphna in Sonsbeck werden nicht mehr durch den dortigen Kriechaltar rutschen, Besucher des hl. Godehard in Tönisvorst legen keine Votivgaben aus Wachs und Metall mehr nieder, in Willich-Anrath wird kein gesegnetes Korn mehr in Kreuzform auf die Erde gestreut, in Wegberg-Arsbeck werden keine herabhängenden Baumzweige mehr zusammengebunden, um Krankheiten abzugeben und zu bannen, unternehmen keine sieben Kinder mehr eine Wallfahrt zum Alde Berg, wenn jemand auf dem Sterbelager liegt, in Düren lassen sich unfruchtbare oder schwangere Frauen nicht mehr den Annengürtel umlegen und in der Flintenkapelle bei Wittlich-Bergweiler werden als Gaben wohl keine Kinderbekleidungsstücke oder das Körpergewicht des Kindes in Korn hinterlegt. Vieles ist, da möglicherweise heidnischen Ursprungs, suspekt geworden. In Fraukirch bei Kottenheim soll in frühen Zeiten Genovefa in der Einsamkeit gelebt und dort, wie später auch ihr Gemahl und Sohn, bestattet worden sein. Sie soll noch oft hinter dem Hochaltar sitzen und spinnen, aber nur Sonntagskinder sollen ihr Rädchen schnurren hören, gewöhnlichen Menschen scheint es das Plätschern von Wasser zu sein. 30 Dieter P. J. Wynands 31 Vorstehende und nachfolgende Beispiele sind dem Beiheft der Rheinischen Wallfahrtskarte entnommen (siehe Anm. 6). <?page no="45"?> Die Pfarr- und Wallfahrtskirche in Auw a.d. Kyll soll jene Stelle bezeichnen, wo die Schwestern Irmina, Adele und Chlothilde vor dem sie verfolgenden Frankenkönig über das Kylltal gesprungen seien. Die Muttergotteskapelle von Schweich soll heidnischen Ursprungs sein, möglicherweise auch die Odilienkapelle von Losheim mit ihrem eigenartigen Wasser, wo an der Rückseite und an den Seitenwänden der Kapelle kleine Holzkreuze im Boden stehen, womit Frauen der hl. Odilie ihren Wunsch nach Kindern zeigen wollen. Rückkehrlegenden, etwa in Kyllburg, Kiedrich und Harlingen, verweisen genauso auf die Bedeutung des hl. Ortes wie die baumbestandene Lage des Heiligtums auf einsamer Höhe in der Nähe einer sprudelnden Quelle. Nach Remagen sollen die für Köln bestimmten Reliquien gelangt sein, da das Schiff (vor der Stadt), von unsichtbarer Kraft veranlaßt, angehalten habe und die Glocken der auf einer Anhöhe gelegenen Martinskirche auf nicht geklärte Weise geläutet hätten. Häufig stehen auch Lichterscheinungen am Beginn der Wallfahrt, wie etwa in Aldenhoven, tragen die in Mirakelbüchern festgehaltenen und auch verbreiteten Wunder, so etwa in Klausen oder Marienthal im Rheingau, wie auch verliehene Ablässe zur Popularität der Wallfahrt bei. Doch ist diese nicht immer rein ortsgebunden, wandert sie - wie durch die Säkularisation mehrfach veranlaßt - mit dem Gnadenbild oder der Reliquie, die ihrerseits auch ausgetauscht werden können, zu einem neuen Ort. Nicht alles Brauchtum ist untergegangen. Wenn vielleicht auch nicht mehr so häufig ist, Danktafeln werden noch immer angebracht, so in Plombières-Moresnet, auch wird das Gnadenbild noch von Paramenten umhüllt, so die mehrfach veränderte Marienstatue im Aachener Dom, wo die alle sieben Jahre anfallende Reliquienseide noch immer begehrt ist und vereinzelt das Marienkleid wie früher „angestrichen“ (mit Devotionalien angerührt) wird. In Kevelaer ist es noch immer üblich, daß einziehende Prozessionen die Gnadenkapelle umkreisen. Einst vom hl. Arnoldus begünstigte Waldgemeinden hinterlegen noch immer an seinem Grab in Düren-Arnoldsweiler Votivkerzen. Anstatt die zur Verehrung gereichte Reliquie zu küssen, bekunden heutige Wallfahrer meist durch Handauflegung ihre Verehrung, so in Düsseldorf-Gerresheim. In Selfkant Millen erhalten die Pferde weiterhin den Quirinus-Segen, und bei der Jodokuskapelle in Langenfeld ist wieder der Brauch aufgelebt, kleine Kreuze aus Reisigholz niederzulegen, um anzudeuten, daß die Besucher alle Nöte dem Gekreuzigten opfern. In Lutzerath-Driesch hat sich der Brauch gehalten, daß Mütter vor der Geburt eines Kindes in der Pfarrkirche das Gnadenbild der „starken Mutter“ aufsuchen. Vermutlich finden sich auch noch vereinzelt Beter, die in der Stille den sieben Das Rheinland als Wallfahrtslandschaft 31 <?page no="46"?> Fußfällen folgen, wie etwa bei der Süchtelner Irmgardiskapelle. Auch ziehen noch für die breite Öffentlichkeit sichtbar Prozessionen aus, so in Vianden die „Rochiprozession“ mit dem marianischen Gnadenbild und der Rochusstatue, findet in fünfjährigem Abstand in Lippetal- Herzfeld noch immer die Identracht statt. Wallfahrten umfassen im Rheinland nicht nur den Gang oder den Ritt einzelner oder Gruppen zum Gnadenort, mittlerweile sind Zug, Bus, Personenkraftwagen, Motorrad und Fahrrad hinzugekommen. Nach Kamp-Bornhofen wird sogar eine Schiffswallfahrt unternommen. Nur selten läßt sich nachweisen, daß eine Wallfahrt gezielt geplant worden ist, so etwa in Eschweiler-Kinzweiler oder durch die Obrigkeit abgeschafft worden ist, so die zum frühen Einsiedler St. Goar durch die Reformation oder wegen judenfeindlicher Begleitumstände zum hl. Werner in Bacharach, dessen Fest der Bischof von Trier 1963 tilgen ließ. Bemerkenswert schließlich ist, daß an zwei Orten im Trierischen die Allerheiligste Dreifaltigkeit das unmittelbare Ziel der Wallfahrer ist (Strotzbüsch-Immerath und Strohn-Trautzberg), und daß im Metzer Weckringen (Veckring) die Wallfahrt „Zu Gott selber“ stattfindet. Am auffälligsten aber ist ein schwerwiegender Mangel: Jakobus d.Ä. läßt sich in der rheinischen Wallfahrtskarte nicht verorten. Zwar gibt es bei Ockenheim einen Jakobusberg, doch werden in der Wallfahrtskapelle die hll. Vierzehn Nothelfer zusammen mit der Schmerzensmutter verehrt. Und für Soest reicht der gefundene Hinweis auf ein früheres Jakobustor mit zugehöriger Kapelle und ehemaligem Hospiz nicht aus, eine Jakobuswallfahrt anzunehmen 32 . Bleibt abschließend zu fragen, ob es für den Pilgerheiligen und seine Verehrer kennzeichnend ist, nur das im fernen Galicien gelegene Santiago de Compostela als den nahezu unüberbietbaren Gnadenort anzusehen und im Rheinland mit seinen alten und neueren, großen und kleinen, aktiven und erloschenen, auf unterschiedliche Weise die christliche Verheißung in Erinnerung rufenden Wallfahrten lediglich ehrwürdige Orientierungshilfen für den homo viator zu sehen. 32 Dieter P. J. Wynands 32 K.-F. B ESSELMANN , Stätten des Heils; Westfälische Wallfahrtsorte des Mittelalters (Schriftenreihe zur religiösen Kultur 6, 1998) S. 110f. <?page no="47"?> Pilgerfahrten auf dem Oberrhein im späteren Mittelalter P ETER R ÜCKERT 1. Einführung Der spätmittelalterliche Pilgerverkehr am Oberrhein soll im Mittelpunkt meiner folgenden Ausführungen stehen: Ich möchte dabei versuchen, die Verbindung zwischen der oberrheinischen Kultur- und Verkehrslandschaft und den zeitgenössischen Pilgerfahrten zu skizzieren. Eine Kulturlandschaft, deren Mittelpunkt über die Zeiten hinweg der riesige Strom, der Rhein, bildete. Ein Fluß, der nicht nur für das Alltagsleben seiner Anwohner elementare Bedeutung besaß, sondern auch in Hinblick auf die Mobilität, für den Verkehr und den damit verbundenen Handel, Personen- und Warentransport bereits im Mittelalter diese Landschaft beherrschte und prägte. Die Rheinebene ist ja bereits seit dem Altertum als die große Nord-Süd-Achse anzusprechen, die mit zwei durchlaufenden Straßenzügen rechts und links des Stromes den Verkehr dominierte 1 . Dabei sah diese Landschaft vor den Rheinkorrekturen des 19. Jahrhunderts ganz anders aus als danach. Nicht als ein relativ ruhig, gleichmäßig und geradlinig dahinfließender breiter Strom begegnete der 1 Vgl. dazu Meinrad S CHAAB , Siedlung, Gesellschaft, Wirtschaft von der Stauferzeit bis zur Französischen Revolution, in: Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, 1. Bd., 2. Teil: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches, hg. von Meinrad S CHAAB / Hansmartin S CHWARZMAIER (2000), S. 457-588; hier: S. 572. Zur Verkehrsentwicklung siehe auch: Wolf-Dieter S ICK , Die geographischen Voraussetzungen für die Verkehrsentwicklung am Oberrhein, in: Alemannisches Jahrbuch 1995/ 96, S. 69-80. Zur Landschaftsgeschichte siehe zuletzt: Vom Wildstrom zur Trockenaue. Natur und Geschichte der Flußlandschaft am südlichen Oberrhein, hg. von der Landesanstalt für Umweltschutz (2000). Den Forschungsstand fasst jetzt zusammen: Thomas Z OTZ , Der Oberrhein: Raumbegriff und Aspekte der territorialen und politischen Geschichte im Spätmittelalter, in: Spätmittelalter am Oberrhein. Alltag, Handwerk und Handel 1350-1525. Aufsatzband, hg. von Sönke L ORENZ / Thomas Z OTZ (2001), S. 13-24. <?page no="48"?> Rhein damals, sondern als ein sein Bett ständig verändernder, vielfältig mäandrierender, zum Teil heftig, zum Teil kaum spürbar vorbeiziehender Wasserlauf präsentierte sich dieser Fluß. Seine Veränderungen waren unberechenbar, und viele Schriftzeugnisse berichten seit dem Mittelalter von Hochwasser- und Überschwemmungskatastrophen, die der Rhein ausrichtete. Wir können bislang noch nicht abschätzen, wie viele Dörfer und gar Städte diesen Katastrophen zum Opfer gefallen sind, doch wissen wir, daß der Rhein einer der Hauptfaktoren für die Aufgabe und das Verlassen von ihm benachbarten Siedlungen über das gesamte Mittelalter hinweg war 2 . Ohne auf die vieldiskutierte Problematik um den Rhein als verbindendes oder trennendes Naturelement näher einzugehen 3 , bleibt an dieser Stelle festzuhalten, daß unsere moderne, von der jüngeren Geschichte geprägte Auffassung des Rheins als Grenze zwischen zwei bzw. drei verschiedenen Staaten, dazu noch als Sprachbarriere, die ihn heute gar zur Kulturgrenze macht, im Mittelalter natürlich nicht bestand. Der Rhein und der Verkehr am, über und auf dem Fluß bewegten sich in einer geschlossenen Kulturlandschaft, welche die Alpen und die Nordsee miteinander verband. Diese Verbindung war es, die für den mittelalterlichen Menschen zunächst seine Bedeutung definierte, und die Möglichkeit, den Fluß als Verkehrsweg zu benutzen, brachte ihm seit der Vorgeschichte seinen herausragenden Bekanntheitsgrad ein. Wir wollen uns im folgenden zunächst dem Rhein als Verkehrsweg nähern und seine Eigenheiten, wie sie sich vom 13. bis zum 15. Jahrhundert darstellten, genauer betrachten. Anschließend nehmen wir diejenigen Reisenden genauer ins Visier, die uns vor allem interessieren: die Pilger, vornehmlich die, die nach Santiago unterwegs waren. Dabei wollen wir die Umgebung des Rheins als Sakral- oder besser gesagt: Pilgerlandschaft nicht aus den Augen lassen, da sich hier natürlich auch eine Reihe regional und überregional bedeutender Pilgerziele befand, die für den Pilgerverkehr von maßgeblicher Bedeutung waren. Und schließlich stehen bei unserer Betrachtung einzelne Menschen im Vordergrund, Pilger, an deren Beispiel wir die Erfahrungen mit der Pilgerfahrt auf dem Rhein kennenlernen wollen, und damit vor allem deren Organisation und die örtlichen Verhältnisse am Oberrhein. Besonders interessiert uns dabei 34 Peter Rückert 2 Vgl. Peter R ÜCKERT , Landesausbau und Wüstungen am nördlichen Oberrhein westlich des Kraichgaus, in: Ludwig H. H ILDEBRANDT (Hg.), Archäologie und Wüstungsforschung im Kraichgau (Heimatverein Kraichgau, Sonderveröffentlichung 18, 1997), S. 47-58. 3 Vgl. dazu etwa Odile K AMMERER , Der Oberrhein im Mittelalter: Zur Grenze nicht tauglich, in: Alemannisches Jahrbuch 1993/ 94, S. 125-133. <?page no="49"?> eine konkrete und für die Zeitgenossen elementare Problematik, zu der die historische Forschung bislang allerdings nur spärliche Informationen bieten kann: die Schiffspilgerfahrten. Unsere Darstellung orientiert sich also an der hier etwas zugespitzten Frage, ob es auf dem Rhein einen speziellen Pilgerverkehr gab, der diese Verkehrs- und Kulturlandschaft besonders im späteren Mittelalter prägte. 2. Der Rhein als Verkehrsweg Schon die frühesten Schriftzeugnisse unseres Raumes, vor allem die erzählenden Quellen, berichten ab dem 7. Jahrhundert von der Schiffahrt auf dem Rhein, besonders auch der Personenschiffahrt bedeutender Persönlichkeiten wie etwa von den Rheinfahrten Karls des Großen, Bonifatius’ oder einer ganzen Reihe weiterer Heiliger und Märtyrer 4 . Der Rhein als Verkehrsweg, in erster Linie flußabwärts und besonders in seinem unteren Bereich, d.h. am Mittel- und Unterrhein, war, wie gesagt, bereits seit langem eine herausragende Verbindungslinie, die schließlich den Anschluß ans Meer gewährleistete 5 . Der Personen- und Warentransport kam zumindest auf der schiffbaren Rheinstrecke flußabwärts viel schneller voran als auf den Landwegen; dazu war die Reise in der Regel auch ungefährlicher, da kaum Überfälle befürchtet werden mußten. Im späteren Mittelalter war mit der Etablierung der Territorialmächte, die sich die Herrschaft über den Verkehr in Form von Zoll und Geleit zu eigen machten, auch die Rheinschiffahrt unter territorialherrschaftlicher Kontrolle. Wir hören seit dem 12. Jahrhundert von den ständigen Auseinandersetzungen um die Errichtung bzw. Auflösung von Zollstätten der Anrainerterritorien, die den Verkehr auf dem Fluß kontrollieren und daran mitverdienen wollten, genauso wie sie es auf den Landwegen durch Zoll und Geleit gewohnt waren. Diejenigen, die also den Rhein befahren wollten, mußten sich über die Bedingungen bzw. die Gebühren im klaren sein, und auch darüber, daß sie natürlich Pilgerfahrten auf dem Oberrhein im späteren Mittelalter 35 4 Vgl. zur frühen Schiffahrt in Südwestdeutschland zuletzt die einschlägigen Beiträge in: Einbaum, Lastensegler, Dampfschiff: Frühe Schiffahrt in Südwestdeutschland, hg. vom Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg (2000). 5 Siehe dazu die noch immer nicht überholten Ausführungen von F. J. M ONE , Die Rheinschiffahrt vom 13.-15. Jahrhundert, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 9 (1858), S. 1-45 und 385-430. Vgl. allgemein daneben: Detlev E LLMERS , Binnenschiffahrt im Mittelalter, in: Uta L INDGREN (Hg.), Europäische Technik im Mittelalter. 800 bis 1400. Tradition und Innovation ( 2 1997), S. 337-344. <?page no="50"?> nicht mit irgendeinem beliebigen Transportmittel unterwegs sein konnten, sondern daß der Flußverkehr stark reglementiert war. Anhand der bereits ab dem 12. Jahrhundert erhaltenen Koblenzer Zollisten erfahren wir etwa für das Jahr 1209, daß damals zwischen drei Schiffstypen unterschieden wurde, die auch unterschiedliche Gebühren zahlten: Neben den naves, größeren Schiffen, waren das kleinere woleshif ohne festes Ruder und der nachus, der Einbaum, in Gebrauch 6 . Sie alle waren mehr oder weniger auch für die Personenbeförderung geeignet, wobei weitere Strecken doch wohl nur in den naves, aus übereinandergelegten Holzplanken gefertigten Schiffen mit Deck und Steuerruder, zurückgelegt werden konnten. Daneben werden auch Flöße angeführt, die eigentlich nur für den Holztransport zusammengebunden waren. Eine etwa 100 Jahre spätere Koblenzer Zollbeschreibung unterscheidet dann nur mehr zwischen navis und navicula, also größeren Schiffen und kleineren Booten ohne Ruder 7 . Ab dem ausgehenden Mittelalter waren die in Südwestdeutschland eingesetzten Lastschiffe weitgehend mit Segeln versehen 8 . Auf Rhein und Neckar allerdings war das Segeln nur Notbehelf; flußaufwärts wurden die Schiffe von Pferden mit sog. Schiffsreitern gezogen, abwärts ließ man sie mit der Strömung treiben. Die Leinpfade wurden von der jeweiligen Territorialherrschaft unterhalten, wobei dieses Treideln südlich von Speyer rheinaufwärts offenbar wegen des sich hier stark verästelnden Wasserlaufs kaum möglich war. Jedenfalls sind Leinpfade dort für das Mittelalter nicht nachweisbar. Sie waren seit dem 15. Jahrhundert Gegenstand regelmäßiger Flußbefahrungen mit dazu verordneten Fachleuten der Anrainerterritorien. Diese sollten die zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen im Flusslauf aufnehmen und protokollieren, damit seine Nutzung in Hinblick auf Flußbau, Fischerei, Anlandungen und natürlich die Schiffahrt entsprechend geregelt werden konnte 9 . Die ständige Veränderung der Flußlandschaft wirkte sich unmittelbar auf den Verkehr aus und erforderte ortskundige Steuerleute, welche die Eigenheiten und Tücken des Wasserlaufs kannten und damit umgehen konnten. Mit der Verdichtung des Verkehrs und der erhöhten Mobilität im späteren Mittelalter wurden auch die schwierigeren Rheinstrecken, vor allem der Hochrhein, immer häufiger für die Schiffahrt genutzt (Abb. 1). 36 Peter Rückert 6 Friedrich P FEIFFER , Rheinische Transitzölle im Mittelalter (1997), S. 133. 7 Ebd., S. 151. 8 S CHAAB (wie Anm. 1), S. 575. 9 Vgl. dazu die grundlegenden Ausführungen von Alfons S CHÄFER , Der Anspruch der Kurpfalz auf die Herrschaft über den Rhein von Selz i.E. bis Bingen, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 117 (1967), S. 265-330. <?page no="51"?> Pilgerfahrten auf dem Oberrhein im späteren Mittelalter 37 Abb. 1 Der Oberrhein und sein Einzugsbereich (nach K. Schulz). <?page no="52"?> Dort mußte der Rheinfall bei Schaffhausen umgangen werden, wie auch die öfter auftretenden Stromschnellen, etwa bei Laufenburg, ein völliges Entladen der Schiffe erforderten 10 . Infolge des reißenden Flusslaufs eigneten sich hier allerdings nur stark gebaute, kleinere Schiffe, sog. Weidlinge, für den Transport. Oberhalb des Bodensees konnte der Fluß sowieso nur mit Kähnen und Flößen befahren werden 11 . In den großen Städten am Oberrhein, allen voran Basel und Straßburg, bildeten sich ab dem 14. Jahrhundert Schifferzünfte, die nun Lotsendienste auf dem Rhein ausübten und diese auch als besondere Rechte beanspruchten. Die Basler Schifferzunft etwa bediente bald die Strecke bis Straßburg und stand dabei in Konkurrenz mit den Schiffern aus Neuenburg und Breisach. Mit der großen Schifferschaft von Straßburg einigte man sich schließlich auf eine arbeitsteilige Schiffahrt auf dem Oberrhein: Basel war für die Strecke oberhalb von Straßburg zuständig, während die Straßburger Schiffsleute bis Mainz fuhren 12 . Dabei sorgten die Zünfte dafür, dass jedes Mitglied regelmäßig eine Ladung übernehmen konnte. Sonderregelungen im Personentransport - und damit kommen wir zum eigentlichen Thema - galten allerdings für die Pilger, die zeitweilig den Verkehr auf dem Oberrhein dominierten. 3. Pilger auf dem Rhein Woher kamen sie und wohin wollten sie? Diese, die Forschung nach wie vor beschäftigende Zentralfrage für den Pilgerverkehr können wir auch für den Oberrhein nur ansatzweise beantworten. Betrachten wir zunächst die im späteren Mittelalter einschlägigen Pilgerziele am Oberrhein 13 : Als Zielorte für den überregionalen Pilgerverkehr 14 , der sich nicht in erster Linie aus der näheren Umgebung, also dem Oberrheingebiet selbst rekrutierte, erscheinen hier vor allem der Odilienberg als Ver- 38 Peter Rückert 10 S CHAAB (wie Anm. 1), S. 573f. 11 K. J. S TRAUB , Die Oberrheinschiffahrt im Mittelalter mit besonderer Rücksicht auf Basel, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 41 (1912), S. 41-110, hier: S. 42. 12 S CHAAB (wie Anm. 1), S. 574. 13 Vgl. dazu auch die Karte bei Hedwig R ÖCKELEIN / Gottfried W ENDLING , Wege und Spuren der Santiago-Pilger im Oberrheintal, in: Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt, hg. von Klaus H ERBERS / Robert P LÖTZ (Jakobus-Studien 2, 1990), S. 83- 117. 14 Zur Terminologie siehe die grundlegenden Ausführungen von Ludwig S CHMUGGE , Die Pilger, in: Unterwegssein im Spätmittelalter, hg. von Peter M ORAW (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 1, 1985), S. 17-48. <?page no="53"?> ehrungsstätte der hl. Odilia, Rufach, wo eine Reliquie des hl. Valentin aufbewahrt wurde, und Thann mit den berühmten Reliquien des hl. Theobald - allesamt Pilgerziele, deren Wundertätigkeit auch Pilger aus Norddeutschland und Skandinavien auf ihrem Weg nach Süden anzog 15 . Daneben sind auch eine ganze Reihe regional bedeutender Pilgerfahrten bekannt, etwa ins benachbarte Hunaweier oder zur hl. Fides nach Schlettstadt, ebenso wie auf den Acheberg bei Zurzach 16 . Diese hatten aber sicherlich eher lokalen und temporären Charakter. Für das Gebiet der ehemaligen Diözese Straßburg wurde für die Zeit nach 1350 immerhin das Aufblühen von 34 neuen Wallfahrtsorten festgestellt 17 ! Die benannten Pilgerziele liegen auffälligerweise fast durchweg im Elsaß, also linksrheinisch, was auch der im Mittelalter weit stärkeren Bedeutung der linksrheinischen Fernstraße gegenüber ihrem rechtsrheinischen Pendant entsprach. Um diese Orte aus der näheren Umgebung zu erreichen, wird der Rhein als Verkehrsweg auch nur marginale Bedeutung eingenommen haben; hierfür sind doch die Ost-West-Verbindungen über Land die einschlägigen Wegstrecken gewesen. Entsprechend schlug die bekannte Karte Erhard Etzlaubs aus Nürnberg, die zum Heiligen Jahr 1500 erschien, den vom Niederrhein her nach Rom ziehenden Pilgern den Landweg über St. Odile, Schlettstadt, Breisach und dann den Rhein entlang nach Basel vor 18 . Hier hat der Fluß zumindest an seinem Oberlauf, wie zu erwarten, als Verkehrsverbindung nur eine sporadische Rolle gespielt. Von einer - gegenüber den oberrheinischen Pilgerzielen - ganz anderen, überregionalen Qualität für den Pilgerverkehr waren jedenfalls die großen Kultstätten, die per Schiff auf dem Rhein gut zu erreichen waren. Betrachten wir hier zunächst die Orte, die am Fluß oder in seinem Einzugsbereich liegen, so erkennen wir neben Trier mit Köln und Aachen, aber auch Mainz, Neuss oder Maastricht, Pilgerziele, die aus oberrheinischer Perspektive rheinabwärts angefahren wurden. Daneben steht mit Kloster Einsiedeln der für den Pilgerverkehr am Oberrhein zumindest im 14. und 15. Jahrhundert wohl bedeutendste Ort 19 . Sicher bleibt zu bedenken, daß natürlich auch die Rompilger aus dem Norden zumindest bei der Rückreise in aller Regel den Fluß befuhren, ebenso wie die Pilgerfahrten auf dem Oberrhein im späteren Mittelalter 39 15 R ÖCKELEIN / W ENDLING (wie Anm. 13), S. 94. 16 Pierre B ARRET / Jean-Noel G URGAND , Auf dem Weg nach Santiago. In den Spuren der Jakobspilger (2000), S. 43, 45. 17 S CHMUGGE (wie Anm. 14), S. 39. 18 R ÖCKELEIN / W ENDLING (wie Anm. 13), S. 94. 19 Zu Einsiedeln vgl. zuletzt die einschlägigen Beiträge in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 111 (2000). <?page no="54"?> Pilger aus Santiago, die über die sog. „Oberstraße“ und oftmals eben auch über Einsiedeln zurückkehrten, auf dem Rhein anzutreffen waren. Hermann Künig von Vach ließ andererseits seinen Pilgerführer nach Santiago von 1495 mit der Reise bereits in Einsiedeln beginnen 20 . Wenden wir uns damit den Menschen zu, welche die Pilgerfahrt auf sich nahmen, und verfolgen ein Stück ihres Weges. Für das Jahr 1233 berichtet die Lausanner Chronistik, daß eine Frau aus Schwaben, die zehn Jahre lang von einem Dämon besessen war, nach Lausanne kam 21 . Sie kam vom hl. Jakobus (de Beato Jacobo) und war nach Neuf-Châtel (Novum-Castrum) gelangt. Solange sie dort weilte, hatte der Dämon von ihr gelassen. Als sie aber wieder auf dem Rückweg war, kam der Dämon in menschlicher Gestalt abermals zu ihr und machte ihr klar, daß sie nur in Lausanne Erlösung finden könne; was schließlich auch geschah. Die näheren Umstände dieser außergewöhnlichen Wundergeschichte brauchen uns hier nicht weiter zu interessieren; ihre tendenziöse Absicht zur Werbung in eigener Sache ist ohnehin deutlich geworden. Viel spannender ist für uns die Beobachtung, daß offenbar bereits im frühen 13. Jahrhundert eine nicht näher bezeichnete, aber wohl nichtadelige Frau den Weg aus dem Schwabenland nach Santiago auf sich nahm, weil sie dort Erlösung von ihrem Leiden erhoffte. Dieser Weg führte sie bei der Rückreise über Neuf-Châtel nach Lausanne, und von dort, so wird man annehmen dürfen, über die „Oberstraße“ und vielleicht auch über Einsiedeln zurück in ihre Heimat. Für die Folgezeit häufen sich die Belege für Pilger, die ihren Weg über das Oberrheingebiet zu den großen Pilgerzielen des Mittelalters, nach Rom, Jerusalem und Santiago, nahmen, und ab dem 15. Jahrhundert werden die Nachrichten auch für die Schiffspilgerfahrten auf dem Rhein zunehmend dichter. Als Beispiele wollen wir nur den bekannten fränkischen Pilger Cunz Rüdiger aus Heidingsfeld bei Würzburg und den weniger bekannten Hans Knüßler von Böffingen bei Freudenstadt aus dem Schwabenland anführen, die jeweils zur Strafe für einen Mord u.a. zu mehreren Pilgerfahrten verurteilt worden waren: Cunz Rüdiger wurden im Jahr 1428 die Bußpilgerfahrten nach Aachen, Einsiedeln und Santiago auferlegt, die er bald darauf auch durchführte 22 . Hans Knüßler 40 Peter Rückert 20 Vgl. dazu R ÖCKELEIN / W ENDLING (wie Anm. 13), S. 86. 21 Edition: Monumenta historiae Lausannensis a Conone praeposito collecta, in: MGH SS 24, Hannover 1879, S. 785 22 Vgl. dazu zuletzt: Daniela M ÜLLER , Rechtliche Aspekte des Santiago-Kultes unter Berücksichtigung von Beispielen aus Südwestdeutschland, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland, hg. von Klaus H ERBERS / Dieter R. B AUER (Jakobus-Studien 7, 1995), S. 293-310, hier S. 305f. <?page no="55"?> war 1490 „nur“ nach Aachen und Einsiedeln geschickt worden 23 . Zumindest Cunz Rüdiger wird allerdings kaum den Hinweg nach Santiago über Einsiedeln und den Rückweg über Aachen genommen haben, sondern - sofern ihm die Mittel zur Verfügung standen - den Hinweg main- und rheinabwärts über Aachen und den Rückweg über Einsiedeln und von dort wiederum rheinabwärts Richtung Frankenland. Vor allem aber hat der Pilgerverkehr nach Rom, der bekanntlich mit dem periodischen Ausrufen der „Heiligen Jahre“ ab 1300 ungeheuerlich anschwoll, auch am Oberrhein für großes Aufsehen gesorgt. Der Basler Chronist Erhard von Appenwiler berichtet für das Jahr 1450, daß täglich by 1000 bilgerin, Männer, Frauen und Kinder, auf ihrem Weg von oder nach Rom in die Stadt kamen 24 . Heinrich von Beinheim konkretisiert diese Angaben dahingehend, daß an Ostern dieses Jahres 1450 so viele Pilger unterwegs waren, daß pro Tag zwölf und mehr Pilgerschiffe von Zürich herab nach Basel zogen. Dies wären, nach der gewöhnlichen Kapazität dieser Boote mit jeweils ca. 80 Personen wiederum etwa 1000 Pilger pro Tag, was Appenwilers Angaben genau bestätigt. Auch die Begründung für den ungeheuren Andrang auf dem Rhein liefert die Basler Chronistik: es dorst nieman durch das Schwobenland wandern kriegst halb ... 25 . Wir kennen sogar den Fahrpreis der Pilger für den weiteren Weg von Basel auf dem Oberrhein nach Mainz, der damals für Zoll und Fahrlohn 10 Plappart (= 1 / 2 Gulden) betrug 26 , wovon die Basler Schiffleute 40 Prozent erhielten, der Rest ging an die Schiffer von Straßburg, welche die Schiffe von Straßburg bis Mainz führten. Die Fernpilger, die über die Alpen nach Rom oder Jerusalem, wie auch auf der Oberstraße von oder nach Santiago her zogen, versäumten es kaum, die Meinradszelle und die schwarze Madonna in Einsiedeln zu besuchen. Wir wissen, daß die beiden sog. „Engelweihewochen“ Ende September einen besonderen Andrang verzeichneten: 1380 sollen nach den Baseler Annalen zehenhunderttusent menschen dorthin gezogen sein, was sicherlich übertrieben erscheint. Erst für 1466 erhalten wir konkretere Angaben: Für dieses Jahr gibt eine Konstanzer Chronik, offenbar aus Einsiedeln bestens unterrichtet, an, daß man 130.000 Zaichen, das Stück zu 2 Pfennig, verkauft habe, und obwohl nicht alle Pilger ein Pilgerfahrten auf dem Oberrhein im späteren Mittelalter 41 23 Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 602 Nr. 8332. 24 Zitiert nach S CHMUGGE (wie Anm. 14), S. 23f. 25 Zitiert nach Knut S CHULZ , Rheinschiffahrt und städtische Wirtschaftspolitik am Oberrhein im Spätmittelalter, in: Die Stadt am Fluß, hg. von Erich M ASCHKE und Jürgen S YDOW (Veröffentlichungen des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung 4, 1978), S. 141-189; hier: S. 166. 26 Ich danke Herrn Werner G ÖTTLER , Luzern, für die entsprechenden Informationen. <?page no="56"?> Abzeichen erworben hätten, habe man 1300 Gulden eingenommen. 400 Priester hätten damals in Einsiedeln Beichte gehört, will der selbst vor Ort gewesene Berichterstatter wissen 27 . Die Einsiedelpilger aus dem Norden legten dann die Rückreise ab Richterswil über den Zürichsee und den Rhein zurück und gelangten so z.B. innerhalb von 2 Tagen nach Straßburg. Ein Schiff mit 24 zurückkehrenden Einsiedelpilgern soll die Strecke vom oberen Zürichsee bis Straßburg - immerhin etwa 250 km - gar in einem Tag geschafft haben 28 ! Einsiedeln besaß natürlich auch für den lokalen Pilgerverkehr aus der näheren Umgebung eine besondere Bedeutung, die wir an dieser Stelle aber vernachlässigen können 29 . Wichtig erscheint hier, daß der übliche Weg von bzw. nach Norden über Zürichsee, Limmat, Hoch- und Oberrhein auf dem Wasser zurückgelegt wurde. Obwohl auch der obere Teil des Rheins vor allem wegen der überhandnehmenden Zölle seit der Mitte des 15. Jahrhunderts für den Warentransport zusehends weniger befahren wurde, und die starke Strömung und unzureichende Uferbefestigung die Bergfahrt nach wie vor sehr beschwerlich machten, vermitteln die Schriftzeugnisse zunächst keineswegs den Eindruck, daß die Personenschiffahrt - zumindest rheinabwärts - rückläufig gewesen sei. Die Talfahrt, jedenfalls ab Basel, war nicht nur bequemer und sicherer, sondern immer noch weit schneller als der Landweg: Wie erwähnt, rechnete man für die Fahrt ab Zürich nach Straßburg zwei Tage, von Basel aus einen Tag 30 . Gegenüber der durchschnittlichen Tagesleistung eines Fußpilgers von 40 km waren die Pilgerschiffe also etwa dreimal so schnell! Die im 15. Jahrhundert zunehmende Kriminalität und das Fehdewesen im Südwesten des Reiches verschärften die Unsicherheit auf den Straßen, und natürlich waren vor den Raubüberfällen vagabundierender Kriegstruppen wie der Armagnaken 1444 oder anderer Wegelagerer auch die Pilger nicht sicher. 1413 bereits schlossen Pfalzgraf Ludwig III. bei Rhein, Markgraf Bernhard I. von Baden und Bischof Raban von Speyer einen Vertrag, der allen Pilgern und Kaufleuten auf der Strecke zwischen Straßburg und Mainz, zu Wasser und zu Land wie auch auf dem Leinpfad, sicheres Geleit versprach. Gleichzeitig widersprach der Vertrag ungebührlichen Wegezöllen und erlaubte den Schiffbrüchigen, 42 Peter Rückert 27 Nach S CHMUGGE (wie Anm. 14), S. 29. 28 R ÖCKELEIN / W ENDLING (wie Anm. 13), S. 96. 29 Vgl. dazu die in Anm. 19 zitierte Literatur. 30 R ÖCKELEIN / W ENDLING (wie Anm. 13), S. 96. Vgl. allgemein zur mittelalterlichen Reisegeschwindigkeit: Norbert O HLER , Reisen im Mittelalter (1986), S. 53ff. <?page no="57"?> ihre Habe selbst in Sicherheit zu bringen oder bringen zu lassen; er setzte damit die berüchtigte „Grundruhr“, den eigenmächtigen Anspruch des jeweiligen Rheinanliegers an gestrandetem Gut, außer Kraft 31 . Neun Jahre später schlossen die Städte des Elsaß und des Breisgaus den zunächst auf fünf Jahre befristeten oberrheinischen Städtebund, wie es heißt, damit der kaufman, bilgeren, lantfarer und kaufmanschatz befridet wurde 32 . Doch die Nachrichten über Gewalt und Raubüberfälle häuften sich. Zwei Beispiele mögen genügen: 1459 klagt Hermann Hessenlandt gerichtlich gegen die Stadt Schlettstadt, da man ihn dort, als er bilgrimswise auf einer Wallfahrt nach Einsiedeln unterwegs war, in einem Wirtshaus in Gewahrsam genommen hatte und als einen ubeltetiger auf das Rathaus abführte 33 . Die Stadtoberen entgegnen, daß man den Stadtknechten wegen der trefflich vyndtschafft halb dazumal befohlen habe, auf die fremden Leute in und um Schlettstadt besonders zu achten; die unsicheren Zeiten waren also für die erhöhten Vorsichtsmaßnahmen der Bürger gegen die verdächtigen Pilger und andere Auswärtige verantwortlich zu machen. Zehn Jahre später forderten die Stadtväter von Basel den badischen Markgrafen Karl dazu auf, die Sicherheit auf den Straßen seines Territoriums endlich wiederherzustellen. Vor allem auf der Strecke zwischen Rheinfelden und Basel würden auf beiden Seiten des Rheins täglich Pilger und andere Wanderer angegriffen und beraubt, dadurch die Strassen ganz nidergelegt werden 34 . - Der Straßenverkehr kam auf dieser Strecke also damals ganz zum Erliegen, was vielleicht wiederum dem Personentransport per Schiff zugute gekommen sein mag. Einem ab der Mitte des 14. Jahrhunderts in periodischen Abständen immer wieder verheerend auftretenden Problem allerdings konnte auch die Rheinschiffahrt nicht aus dem Weg gehen: der Pest, die das Oberrheingebiet mit fast regelmäßigen Seuchenzügen alle 10 bis 20 Jahre heimsuchte. Wir vernehmen hierzu einige Notizen aus dem Reisebericht Hans von Waldheyms, der 1474 von Halle an der Saale zum Heiligtum der hl. Maria Magdalena in St. Maximin-la-Ste. Baume in Südfrankreich aufgebrochen war 35 . Während er seinen Hinweg auf dem Pferd zurücklegte, benutzte er auf dem Rückweg, der ihn über Einsiedeln und Zürich Pilgerfahrten auf dem Oberrhein im späteren Mittelalter 43 31 Vgl. dazu S TRAUB (wie Anm. 11), S. 48f. 32 S CHULZ (wie Anm. 25), S. 158. 33 Regesten der Markgrafen von Baden und Hachberg 1050-1515, Bd. 4, bearb. von Albert K RIEGER (1913), Nr. 8366. 34 Ebd., Nr. 9873. 35 Nach R ÖCKELEIN / W ENDLING (wie Anm. 13), S. 92ff. <?page no="58"?> nach Basel führte, ab hier das Schiff. Er wollte eigentlich den Oberrhein hinunter bis Straßburg fahren, gelangte aber nur bis Breisach, wo ihn die fürchterliche Nachricht ereilte: Als sein Knecht nämlich die per Schiff mitgeführten Pferde im Rhein tränkte, bemerkte dieser einen Karren, auf dem sechs Tote zum Kirchhof geführt wurden. Auf Waldheyms Nachfrage bei seinem Wirt bestätigte dieser, daß zu Breisach die Pest wüte und darüber hinaus auch Straßburg gerade vßdermassen sere heimgesucht würde. Verständlicherweise änderte Waldheym erschrocken seine Reisepläne und begab sich am nächsten Tag nach Freiburg im Breisgau, wo ihm die Pest allerdings wiederum zuvorgekommen war. In einem Zweitagesritt eilte er daher schleunigst über Schaffhausen nach Konstanz und von dort wieder zurück nach Osten. 4. Die Organisation des Pilgerverkehrs auf dem Oberrhein Fragen wir nun konkret nach der Organisation des Pilgerverkehrs auf dem Hoch- und Oberrhein, d.h. der Personenschiffahrt und ihren besonderen Bedingungen aus der Sicht der Pilger, dann stellen uns vor allem die reichhaltigen Archivalien der ehemaligen Reichsstädte Basel und Straßburg detaillierte Informationen zur Verfügung. Diese sind zwar aus wirtschaftsgeschichtlicher Perspektive in Hinblick auf die Rheinschiffahrt bereits vielfältig ausgeleuchtet und dargestellt worden 36 , doch wollen wir diese Überlieferung aus dem spezifischen Blickwinkel unserer Fragestellung betrachten. Vom 13. bis 15. Jahrhundert war es, wie bereits erwähnt, in erster Linie die bequeme und schnelle Talfahrt ab Basel, die eine Reise per Schiff nach Norden, zumindest für den begüterten Pilger, fast obligatorisch machte. Die Bergfahrt, die für größere Schiffe in der Regel in Straßburg endete, wo in kleinere Boote umgeladen werden mußte, spielte zumindest für den Pilgerverkehr hingegen kaum eine Rolle 37 . Da mit Aare, Reuß und Limmat die Zuflüsse aus der Schweiz über Luzern und Zürich ebenso wie der Hochrhein ab Konstanz damals ebenfalls schiffbar gemacht waren, dehnte sich das Einzugsgebiet des Rheins und seiner Schiffahrt bis in die innere Schweiz, zu ihren Pilgerstätten und Fernverbindungen aus. Spätestens als im frühen 13. Jahrhundert der Gotthard- 44 Peter Rückert 36 Vgl. dazu die grundlegenden Ausführungen von S TRAUB (wie Anm. 11) und S CHULZ (wie Anm. 25). 37 S TRAUB (wie Anm. 11), S. 54. <?page no="59"?> paß für den Fernverkehr über die Alpen erschlossen worden war, machte sich das erhöhte Verkehrsaufkommen natürlich gerade auf dem Hoch- und Oberrhein bemerkbar, wo man für das 13. bis frühe 15. Jahrhundert von einer Blütezeit der Schiffahrt sprechen kann. Seit der Wende zum 16. Jahrhundert lag dieser Streckenabschnitt des Rheins dann weitgehend „wüst“, wie Zeitgenossen beklagen 38 . Wollte man also als Pilger den Rhein hinab fahren, dann konnte man dies, wie uns eine Basler Schiffahrtsordnung von 1430 mitteilt, mit einem eigenen Boot tun, das dann nur mit einem Steuermann aus der Basler Schifferzunft versehen wurde 39 . Der Lohn für diese Steuerleute war in der Regel gut angelegt, war man doch gerade am gefährlichen Oberlauf des Stromes auf die Kenntnisse der ortsansässigen Schiffer angewiesen. Der Pilgerverkehr schwoll damals aus Basler Sicht regelmäßig während der Oster-, der Pfingst- und der Heilig-Kreuz-Woche bzw. Engelweihe im Herbst so stark an, daß die üblicherweise kontrollierte Vergabe der Schiffstouren, entsprechend der zunftgemäßen „Rangordnung“, aufgehoben wurde. Jede dieser Wochen brachte etwa das Vierfache der üblichen Fahrgäste. Die Schiffsleute sprachen in diesem Zusammenhang von „Bruderfahrten“ und in der Tat handelte es sich zumindest während jener Stoßzeiten um einen regelrechten Pilgerverkehr, der eigens organisiert wurde. Neben den bereits angesprochenen großen Pilgerzielen Einsiedeln und Rom werden in diesem Zusammenhang auch die sog. „Achefahrt“ zum Acheberg bei Zurzach angeführt, daneben spielten Pilgertransporte nach Aachen und St. Nikolausport in Lothringen eine bedeutende Rolle 40 . Wir kommen darauf zurück. Die Konkurrenz der Schifferzünfte der im Einzugsbereich des Rheins gelegenen Städte, v.a. Zürich, Basel, Breisach und Straßburg, um die Anrechte an diesen „Bruderfahrten“, die jedenfalls hohen Gewinn versprachen, schlug sich in umfangreichen Schriftwechseln nieder. Doch bevor wir diese im einzelnen verfolgen wollen, noch ein kurzer Blick auf die Schiffe selbst: In Anbetracht der Tatsache, daß eine Bergfahrt für größere Schiffe ab Straßburg kaum in Frage kam, gebot es sich für die herabziehenden Schiffer, ihre Gefährte auf dem Rückweg spätestens in Straßburg zu verkaufen. Die Basler Schiffsleute benutzten zum Teil die ihnen vom Hochrhein her zugeführten Schiffe weiter, oder aber sie be- Pilgerfahrten auf dem Oberrhein im späteren Mittelalter 45 38 S CHULZ (wie Anm. 25), S. 141. 39 Ebd., S. 147. 40 Ebd., S. 147. <?page no="60"?> zogen diese direkt aus dem Schweizer Oberland, wo das Eichenbzw. Tannenholz für den Schiffbau zur Verfügung stand. In einer Basler Schifferordnung aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde verfügt, daß die Schiffer allwege ire gerüste schiff, nemlich ein grosses und ein cleines gerüstet halten 41 . Die Fahrzeuge sollten jeweils abends an Land gezogen und für die Fahrt vorbereitet werden, damit die Reisenden am Morgen unverzüglich abgefertigt werden konnten. Um uns das Aussehen dieser Schiffe zu vergegenwärtigen, verfügen wir mittlerweile glücklicherweise auch über einen bedeutenden archäologischen Fund, der unser Bild von der Schiffahrt am Bodensee, auf Hoch- und Oberrhein bedeutend bereichert: Es handelt sich um den sogenannten Schiffsfund von Immenstaad am Bodensee, ein Wrack, das hier 1991 ausgegraben wurde 42 . Dieses 18 m lange Wrack eines flachbodigen Schiffes ist nach dendrochronologischen Untersuchungen im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts aus Eichenholz gebaut worden, das in der Bodenseeregion geschlagen worden sein muß. An diesem Schiff von Immenstaad ließen sich Konstruktionsdetails beobachten, die inzwischen als grundlegend für den hölzernen Schiffbau des Mittelalters in der Umgebung des Bodensees gelten können (s. Tafel IV). Vor allem wurde gerade im Vergleich dieses Fundes mit zeitgenössischen Bildquellen klar, daß die hier vorgefundene Baugestalt des Bootes lange Tradition besaß und jedenfalls über das Hoch- und Spätmittelalter hinweg bis weit in die Neuzeit als flachbodiges Lastenschiff im Einsatz war (Abb. 2). Ein Mast mit Segelvorrichtung gehörten ebenso dazu, wie seitlich angebrachte Steuerruder. Die Tragfähigkeit des Immenstaader Schiffes wird immerhin mit 17 bis 21 Tonnen berechnet; es konnten also nicht nur beträchtliche Warenmengen transportiert werden, sondern auch eine große Personenzahl. Kehren wir zum Pilgerverkehr am Oberrhein zurück: Vor allem mit Zürich, dem Ausgangsort der Pilgertransporte auf dem Wasserweg, hatten sich die Basler offenbar bereits früh auf ein gemeinsames Geschäft geeinigt, indem Basel einen Teil der Zürcher Bruderschiffe übernahm und auf dem Oberrhein weiterführte, wofür die Zürcher für ihre eigene Talfahrt über Basel hinaus freie Fahrt erhielten 43 . Durch diese Abspra- 46 Peter Rückert 41 Nach S TRAUB (wie Anm. 11), S. 85. 42 Vgl. dazu Dietrich H AKELBERG , Schiffahrt auf dem Bodensee. Geschichte und Archäologie von der Spätantike bis zur Industrialisierung, in: Einbaum, Lastensegler, Dampfschiff: Frühe Schiffahrt in Südwestdeutschland, hg. vom Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg (2000), S. 121-146; hier v.a. S. 128ff. 43 S CHULZ (wie Anm. 25), S. 154. <?page no="61"?> chen konnte es den Pilgern allerdings passieren, daß sie für ihren Transport ganz übermäßig geschröpft wurden. Die Straßburger Schiffsleute etwa, die auch am Geschäft mit den Pilgerschiffen teilhaben wollten, erhöhten 1422 die Löhne für ihre ab Straßburg rheinabwärts eingesetzten Steuerleute willkürlich bis auf den zehnfachen Tarif, um damit ihren Anteil an den Pilgertransporten zu erzwingen. Dieses damals offenbar gängige Druckmittel wurde jeweils von derjenigen Partei für ihre Lotsenstrecke benutzt, die sich am Pilgergeschäft benachteiligt fühlte, ob Zürich, Basel oder eben Straßburg. Die Pilger jedenfalls, die aus der Schweiz zum Rhein hin strebten, waren zunächst auf die Zürcher, ab Basel dann auf die Basler bzw. Straßburger Schiffer angewiesen, die um ihren Transport jeweils konkurrierten und sich ihre teure Fracht gegenseitig abwarben. Neben den Schifferzünften dieser Städte spielte auch der Laufenburger Lotsendienst, die sog. Laufenknechte, eine besondere Rolle für den Pilgerverkehr: Nicht nur daß sie für das sichere Durchseilen der Schiffe durch die gefürchteten Stromschnellen sorgten, ihnen wurde von den Basler Kollegen auch eine konkrete Beteiligung am Pilgerverkehr zugestanden: 1438 einigte man sich darauf, daß die Laufenknechte jährlich 1 Schiff vor Pfingsten, so sant Niclaus ze Porte fart ist, als auch ein Schiff zur Zeit der großen Achefahrt, rheinabwärts führen durften; zum einen sich also bei der Bruderfahrt nach St. Nicolas-de-Port, die auf dem Rhein wohl bis Straßburg geführt wurde, und zum andern sich im Anschluß an die Achefahrt bei Zurzach mit je einem Schiff zu beteiligen. Bemerkenswerterweise durften sie allerdings nur Landsleute (unser land lute), jedoch keine fremden Pilger transportieren! Dieses Monopol wollten sich die Basler zumindest in ihrem unmittelbaren Einflußbereich doch erhalten 44 . Pilgerfahrten auf dem Oberrhein im späteren Mittelalter 47 44 Ebd., S. 157. Abb. 2 Darstellung eines Frachtschiffes auf dem Rhein, das auf dem Leinpfad flußaufwärts getreidelt wird (um 1600, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. Nr. XI 384-5). <?page no="62"?> Bis ins frühe 15. Jahrhundert schien sich hinsichtlich des Pilgerverkehrs am Hoch- und Oberrhein ein System eingependelt zu haben, das die jeweiligen Zuständigkeiten der konkurrierenden Teilhaber etwa folgendermaßen rekonstruieren läßt: Die oberländischen Schiffsleute überließen den Großteil ihrer Bruderschiffe den Baslern spätestens in Basel, teilweise sogar schon in Laufenburg, welche die Basler den Strom hinabführten und ihrerseits dann in Straßburg an die dortigen Schiffer abtraten. Dadurch daß die Basler nun immer häufiger die Talfahrt über Straßburg hinaus beanspruchten, geriet dieses System ins Wanken, wie Knut Schulz eingehend gezeigt hat. Nun beanspruchten die Straßburger ihrerseits Transportrechte bereits ab Basel, da hier die Schiffe für den Pilgerverkehr gedingt wurden 45 . Die langwierigen Streitereien zwischen den beiden Städten eskalierten, als im September 1449 die Straßburger Schiffer den Baslern sieben Schiffe mit brüdern, die aus Einsiedeln kamen und bis Mainz gedingt waren, gewaltsam abnahmen und sie damit um ihren Lohn von insgesamt 300 fl. brachten. Jedes Schiff führte also einen stattlichen Wert von über 40 fl. in Form von Pilgern mit sich 46 ! Im Vergleich dazu: Die Schiffe selbst wurden damals den Straßburgern zu dem vereinbarten Satz von 6 1 / 2 fl. pro Schiff verkauft. Sie sollten dabei gut ausgestattet und in Schuß sein, ansonsten konnten die Straßburger gegen Entschädigung von 1 fl. die Pilger in ihre eigenen Schiffe einladen 47 . Schließlich einigte man sich 1453 auf die alte Streckenzuteilung, mit der Ausnahme, daß die Basler neben den Schiffen, die sie jährlich zu den Frankfurter Messen führten, auch zwei Pilgerschiffe im Jahr über Straßburg hinaus rheinabwärts führen durften. Auch mit den vorderösterreichischen Städten Breisach und Neuenburg gab es damals vor allem territorialpolitisch motivierte Auseinandersetzungen um die Rheinschiffahrt, die wir aber nur kurz streifen wollen. Bedeutsam erscheint in unserem Zusammenhang, daß man sich in dem gemeinsamen Vergleich, der sog. Rheinfelder Richtung von 1443, neben den Lotsengebühren auf die Markierung des Rheinverlaufs einigte, den Breisach nun zeitweilig für die Strecke bis Straßburg übernehmen sollte 48 . Wieder erscheint die mit der ständigen Veränderung des Wasserlaufs verbundene Gefahr für die Rheinschiffahrt evident. 48 Peter Rückert 45 Ebd., S. 163. 46 Ebd., S. 165. 47 S TRAUB (wie Anm. 11), S. 71. 48 S CHULZ (wie Anm. 25), S. 171. Vgl. zu Neuenburg jetzt auch Jürgen T REFFEISEN , Neuenburg im Mittelalter, in: Neuenburg am Rhein. Stadt und Landstände im vorderösterreichischen Breisgau, hg. von Dieter S PECK / Jürgen T REFFEISEN (2000), S. 5-34. <?page no="63"?> Auch wenn, wie gezeigt, die Sicherheit des Rheinverkehrs im ausgehenden Mittelalter weit größer war, als die auf den Straßen, so war doch auch jede Schiffspilgerfahrt immer ein Abenteuer. Wir wissen zwar kaum etwas von Überfällen auf Pilgerschiffe, die auf dem Rhein unterwegs waren, doch hatte es der Strom selbst in sich: Zumindest sein gefährlicher Oberlauf war nur von erfahrenen Schiffern und Steuerleuten zu befahren. Dramatische Unfälle von Pilgerschiffen sind natürlich auch mehrfach bekannt: 1358 etwa stieß ein Pilgerschiff in Basel an die Rheinbrücke; über 200 Pilger sollen dabei umgekommen sein. Als Ursache machte man die Nachlässigkeit eines Zürcher Schiffers verantwortlich 49 . Ein Schiff, das mit Kaufleuten, Pilgern, Badereisenden, Studenten und zahlreichen Waren beladen war, sank 1462 bei Rheinfelden: Dabei ertranken etwa 60 Menschen, darunter der Abt von Wettingen, und sust vil lütes von Kölen und umbendum har, als sy von unser frowen komend ... Die Opfer dieses Unglücks waren also aus ganz verschiedenen Orten gekommen und auf das gemeinsame Schiff gestiegen: Die Kölner Pilger kamen gerade aus Einsiedeln, die Kaufleute und ihre Güter aus Italien, ebenso wohl die Studenten, die Badereisenden aus Baden im Aargau, und auch ihnen wurde ein unzuverlässiger Schiffer, ein böszwicht ... geheizzen der Sasinger zum Unglück 50 . Die Pilger und anderen Schiffsreisenden waren also oftmals unseriösen Schiffsleuten ausgeliefert, was sich z.B. auch die Basler Schiffer nachdrücklich vorhalten lassen mußten. Diese würden oft aus Mißmut über ihre durch die Zunftregelungen ungleich verteilten Fahrteinsätze unfähige und betrunkene Leute als Steuermänner und Schiffsknechte einstellen, wodurch schon viel Unglück geschehen sei und in kurzer Zeit bald 100 Menschen ertrunken seien, beklagen sich 1445 ihre Breisacher Kollegen 51 . Daneben waren die Passagiere, wie erwähnt, vielfach dem eigenmächtigen Preiswucher der Schiffer hinsichtlich Fracht und Löhnen ausgeliefert und konnten sich nicht auf geregelte Fahrzeiten verlassen. Andererseits mußten die Schiffer in ruhigeren Zeiten, also außerhalb der Wallfahrtsaison, um ihre Fracht werben: Um dabei Nötingungen vorzubeugen, erließ der Zürcher Rat im Jahr 1400 über das Dingen der Pilger folgende Bestimmung: ... welcher bilgeri oder ander lüt füren will, der sol in sinem schiff ston und dabi beliben und dien lüten rüfen, ob er wil, und sol niendert hin anders gan noch louffen, dar umb daz er die lüt Pilgerfahrten auf dem Oberrhein im späteren Mittelalter 49 49 S TRAUB (wie Anm. 11), S. 96. 50 Ebd., S. 97. 51 Ebd., S. 66. <?page no="64"?> jcht anders zu im züch. Die Zürcher Schiffer waren also von ihren Schiffen gar bis vor die Stadttore gelaufen, um die Passagiere für ihre Schiffe zu werben 52 . Ähnliches wurde in Basel noch einige Jahrzehnte später verordnet, so daß die Wahl des Schiffes im Einzelfall tatsächlich beim Reisenden liegen konnte. Die Pilger oder ihre Wirte, die wohl damals bereits Vermittlungsdienste anboten, sollten jedenfalls bei übertriebenen Forderungen der Schiffer auch mit einem anderen Schiff fahren können 53 . In aller Regel freilich werden die zunftmäßigen Absprachen der Schiffer gegriffen haben, die die Reisenden untereinander verteilten. Die Pilger zahlten beim Schiffer ihre Fahrtkosten und waren ansonsten gewöhnlich von allen Lotsen- und Zollgebühren entledigt. Eine Pfälzer Zollordnung aus dem 16. Jahrhundert, die sich auf ältere Vorlagen beruft, bestätigt weiterhin, daß die Personenschiffe auf dem Rhein zwischen Straßburg und Mainz nur entsprechend dem Wert des Schiffs Zoll zahlen müssen, die Pilger sollten zollfrei ausgehen 54 . Aus einem Zollverzeichnis von der ebenfalls pfälzischen Zollstelle in Bacharach aus der Zeit um 1480 wissen wir, daß die Pilger auch eine kontrollierte Menge an Holzbrettern (Borde) mit sich führen durften, für die sie nur eine geringe Kontrollgebühr zu zahlen hatten 55 : Die Verbindung von Pilgerfahrt und Handel - in unserem Fall das Holzgeschäft - ist augenscheinlich und scheint damals gerade bei den Schiffspilgerfahrten auf dem Rhein durchaus üblich gewesen zu sein 56 . Wir treffen hier im besonderen auf sog. „Niclauserschiffe“, die allerdings nicht mit der „Niclauserfahrt“, die uns bereits in Laufenburg und Basel begegnet ist, in Verbindung zu bringen sind. Das Zollregister erläutert nämlich: Uff ostermontag und dieselben tag hinach farent jerlich zu tal den Rin ab bruderschiffe, genant Niclaußer; wie und was sie fug haben inzuladen und was sie in gewonheit sint zu zollrecht zu geben, wirt nachgemelt. Diese Niclauserschiffe fuhren also jährlich um Ostern den Rhein abwärts, also nicht an Pfingsten wie die Laufenburger und offenbar auch nicht in Richtung St. Nicolas-de-Port in Lothringen, da dieses Pilgerziel ja bereits viel weiter rheinaufwärts und dann ab Straßburg über Land zu erreichen war. Offensichtlich hatten die Niclauserschiffe, 50 Peter Rückert 52 Ebd., S. 104. 53 Ebd., S. 86. 54 Generallandesarchiv Karlsruhe 77/ 7115. Ich danke Herrn Prof. Dr. Franz S TAAB (†), Landau, für den Hinweis auf diese Quelle. 55 Ediert bei M ONE (wie Anm. 5), S. 35f. 56 Vgl. dazu zuletzt: Franz I RSIGLER , Das Land als Versorgungsbasis der Stadtbevölkerung, in: Spätmittelalter am Oberrhein. Alltag, Handwerk und Handel 1350-1525. Katalogband (2001), S. 19-21. <?page no="65"?> die damals Bacharach passierten, den Ort St. Niclaas in Flandern, nahe Antwerpen und an der Niederstraße über Aachen und Gent gut zu erreichen, zum Ziel. Sie kamen aus Bingen, Rüdesheim, Mainz, Oppenheim, Frankfurt, Heidelberg, Miltenberg und Speyer. Daneben schickte auch die St. Wernher-Bruderschaft aus Bacharach selbst ein Schiff den Rhein hinab. Und schließlich wurden auch Bopparder und Koblenzer Niclauser in Bacharach abkassiert, die offenbar die Pilger und ihre Waren als Fracht auf der Rückfahrt vom Oberrhein mitnahmen. Den Anschluß zum oberrheinischen Pilgerverkehr gewährleisteten ansonsten offenbar die Speyerer Schiffe; in Speyer endete damals jedenfalls weitgehend der Einzugsbereich der Laufenburger, Basler und Straßburger Schiffer. Der Unterlauf des Neckars wurde von Heidelberg, der des Mains von Miltenberg und Frankfurt aus bedient. Miltenberg besaß seine überregionale Bedeutung für den Pilgerverkehr ja vor allem als Umladeplatz für die Pilgermassen, die aus dem Osten zum Rhein hin strömten. In erster Linie waren es Ungarn, Böhmen und Österreicher, die hier auf die Schiffe umstiegen, um den Main und Rhein hinunterzufahren. Entsprechend hatten die Miltenberger Schiffe in Bacharach auch nur 2 Behemsch rudergelt zu geben. Da diese von den Zeitgenossen unter „Ungarn“ subsumierten Pilger, wie Robert Plötz zuletzt gezeigt hat 57 , vor allem die alle sieben Jahre durchgeführte Aachenfahrt dominierten, wird der Zusammenhang zwischen den Pilgerfahrten nach St. Niclaas und Aachen wiederum offensichtlich: Man kann sie wohl als (periodische) Anschlußwallfahrten bezeichnen, wozu im 7-Jahre-Rhythmus etwa auch Trier, Köln und Maastricht gehörten. Einigermaßen umfassende „Verkehrsberichte“ bietet die südwestdeutsche Überlieferung leider erst ab dem späten 16. Jahrhundert, als der Pilgerverkehr auch auf dem Oberrhein bereits stark zurückgegangen war. Nun sind für einige Zollstellen Rechnungen erhalten, die uns auch statistische Auswertungen ermöglichen. Ein pfälzisches Zollregister, das für den Zeitraum zwischen Juni 1588 und Januar 1589 an einer oberrheinischen Zollstelle, wohl in Selz oder Germersheim, angelegt worden war, führt für den Juni eine, für den Juli zwei, den September vier, den Oktober eine und den November nochmals eine Bruderfahrt auf 58 . Die Pilger zahlen nun pro Person jeweils 6 bzw. 9 Pfennige Zollgebühr. Ins- Pilgerfahrten auf dem Oberrhein im späteren Mittelalter 51 57 Robert P LÖTZ , Aachenfahrt und Heiltumsweisung - Formen und Inhalte, in: Der Aachener Marienschrein. Eine Festschrift, hg. von Dieter P. J. W YNANDS (2000), S. 135-158. 58 Generallandesarchiv Karlsruhe 77/ 5171. <?page no="66"?> gesamt etwa jedes 15. Schiff, das damals abkassiert wurde, war zumindest teilweise noch mit Pilgern besetzt. Die gezahlten Gebühren lassen ihre Zahl jeweils zwischen 2 und 20 pro Fahrt errechnen. Die auffällige Häufung der Bruderfahrten im September entspricht im übrigen noch immer den spätmittelalterlichen Hochzeiten des Pilgerverkehrs auf dem Hoch- und Oberrhein, so daß wir annehmen dürfen, daß auch die Wallfahrt nach Einsiedeln weiterhin einen gewissen Zulauf hatte. Und schließlich erfahren wir hier auch noch, wer die Bruderfahrten leitete: Einmal sind es Kaufleute aus Köln, des weiteren Augustinus Franck aus Straßburg und Jacob Gaiß aus Straßburg. Bei letzteren handelte es sich offenbar um „professionelle“ Pilgerführer, welche die Bruderfahrten organisierten und auch über die entsprechenden Schiffe verfügen konnten. In der frühen Neuzeit wurde der Pilgerverkehr in der Tat merklich professionalisiert: Wir wissen etwa, daß sich Thomas Vogtherr aus Freiburg von seiner städtischen Verwaltung bereits im Jahr 1503 einen Reisepaß ausstellen ließ, der ihn auf seinem Weg nach Santiago als ehrbaren Bürger seiner Stadt ausweisen sollte 59 . Andererseits wurden damals - nicht nur nach Übersee - neue Verkehrswege erschlossen und für den Fernverkehr nutzbar gemacht. Vor allem der Seeweg war nun durch die Fortschritte im Schiffbau und in der Segeltechnik für Handel und Verkehr immer attraktiver geworden, und so verwundert es nicht, daß auch Bernhardin Pfoll aus Esslingen 1514 zunächst mit einem Rheinschiff flußabwärts und dann wohl über Land nach Antwerpen gelangte, von wo aus er dann mit einem Schiff über die Nordsee Richtung Santiago fuhr 60 . Besonders lebensnahe Geschichten von zeitgenössischen Pilgerfahrten nach Santiago berichtet uns die berühmte Chronik der Grafen von Zimmern aus dem 16. Jahrhundert 61 . In ihrem Mittelpunkt steht zunächst Peter Letzkopf, der als Narr den gräflichen Hof zu Meßkirch unterhielt und zwischen 1510 und 1520 gleich viermal nach Santiago de Compostela pilgerte. Er habe von dort allerhand „briefliche Urkunden und Wahrzeichen“ mitgebracht, wundert sich der Verfasser der Chronik, zumal Letzkopf doch kain ander sprach, dann deutsch reden konnte. Ein weiteres Mal sollte er einen Verbrecher namens Heinrich Klenger, genannt der Lulle, der zu einer Pilgerfahrt verurteilt worden war, 52 Peter Rückert 59 Ediert bei F. J. M ONE , Geschichtliche Notizen, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 16 (1864), S. 489f. 60 Vgl. R ÖCKELEIN / W ENDLING (wie Anm. 13), S. 97. 61 Die Chronik der Grafen von Zimmern, hg. von Hansmartin D ECKER -H AUFF , Bd. 2 (1967), hier: S. 131f. <?page no="67"?> nach Santiago begleiten. Letzkopf allerdings kam schließlich alleine zurück, und die Gerüchte, er habe den Lulle auf dem Weg ermordet, wollten nicht mehr verstummen. Zu Beginn des Jahres 1517 organisierten die adeligen Herren Schweikhart von Gundelfingen und Jörg Truchsess von Waldburg mit Graf Johann Werner von Zimmern eine Pilgerreise nach Santiago und zum Montserrat 62 . Ihnen schlossen sich eine lange Reihe adeliger Herren an; man könnte wohl auch von einer frühen Kavalierstour sprechen. Während die Haupttruppe über Konstanz und die Schweiz durch Frankreich nach Spanien reiste, zog Jörg Truchsess von Waldburg allerdings einen anderen Weg vor: den Rhein hinunter durch die Niederlande und Seeland und danach übers Meer bis Spanien; auch er sollte noch im selben Jahr wieder gesund in seine Heimat zurückkehren. 5. Fazit Unsere anfangs aufgeworfene Frage, ob es auf dem Rhein, speziell dem Oberrhein, im späteren Mittelalter einen speziellen Pilgerverkehr gab, der diese Verkehrs- und Kulturlandschaft prägte, können wir resümierend mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten: Nicht nur die mit seiner Organisation betrauten Städte am Rhein, die ihre Wirtschafts- und Verkehrsplanung stark nach den Pilgerströmen ausrichteten, waren neben den Wallfahrtsorten selbst, unter denen Kloster Einsiedeln an Bedeutung alle anderen überragte, von dem Pilgerbetrieb unmittelbar betroffen. Wir haben das obere Rheintal vor allem im 15. Jahrhundert als eine „Pilgerlandschaft“ kennengelernt, die ihre Eigenart im besonderen durch die regelmäßig und periodisch anschwellenden Pilgerströme erhielt, die uns in den Quellen natürlich in erster Linie als kommerzielle Faktoren entgegentreten. Die Bruderschiffe, die den Rhein zu den besonderen Stoßzeiten dicht auf dicht befahren haben mögen, prägten sein Bild sicher aber auch aus der Perspektive seiner Anwohner und verliehen dem Strom sein quasi sakrales Profil. Dabei besitzt der Pilgerverkehr zu allererst natürlich eine spirituelle Komponente, die wir uns abschließend noch am Beispiel eines herausragenden Kunstwerks vergegenwärtigen wollen: In der sogenannten Fürstenkapelle des Zisterzienserinnenklosters Lichtenthal bei Baden- Baden steht heute noch unter anderem ein spätgotischer Flügelaltar von Pilgerfahrten auf dem Oberrhein im späteren Mittelalter 53 62 Ebd., S. 143. <?page no="68"?> 1496, dessen hohe Qualität früher an eine Zuschreibung an Hans Baldung Grien denken ließ 63 (s. Tafel V). Er zeigt auf einem Flügel die hl. Ursula, wie sie mit ihren Gefährtinnen in einem Pilgerschiff auf dem Rhein einer Stadt, vielleicht Köln, entgegenfährt und ihr Martyrium erleidet. Ursula zeigt den Jungfrauen und Begleitern im Schiff das Kruzifix mit den Worten: In cruce hac Christi pugnemus fortiter omnes: Nec non conturbent crudeli morte tyranni: nam hoc triste malum sequitur mox vita phemnis (= perennis) 1496 - „In diesem Kreuz Christi sollen wir tapfer kämpfen: die Tyrannen sollen uns mitnichten durch einen grausamen Tod verwirren: denn auf dieses traurige Böse folgt sogleich das ewige Leben“. Die Gemeinschaft der Pilger im Schiff ist also realiter Teil der Erzählung vom Martyrium der hl. Ursula und bezeichnet zugleich die Gemeinschaft der Gläubigen auf der Pilgerreise zum ewigen Leben. Spiritualiter ist damit auch die klösterliche Gemeinschaft, der Konvent der Zisterzienserinnen von Lichtenthal, für die der Altar geschaffen wurde, als Adressat der Worte der Heiligen zu verstehen. In dem Bewußtsein, die spätmittelalterlichen Pilgerfahrten auf dem Oberrhein anhand der zeitgenössischen Schriftzeugnisse nur in ihrem äußeren Ablauf skizzieren zu können, mag das Pilgerschiff der hl. Ursula deren spirituelle Dimension zumindest beispielhaft andeuten und trotz seiner idealisierten Darstellung konkret veranschaulichen. 54 Peter Rückert 63 Vgl. die Ausführungen bei Konrad K RIMM , Die Markgrafen von Baden und ihr Hauskloster im 15. und 16. Jahrhundert, in: 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal. Faszination eines Klosters, hg. von Harald S IEBENMORGEN (1995), S. 71-84, hier: S. 78. <?page no="69"?> II: Kultzeugnisse im urbanen Kontext Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 1 K ARL -H EINZ D EBUS 1 Einleitung Bis zum Einfall der Germanenstämme genossen die Bewohner des erweiterten Mittelmeerraumes unter dem Schutz des römischen Staates für ein halbes Jahrtausend eine Pax Romana genannte Periode relativen Friedens, der nicht zuletzt durch die römische Militärmacht, durch die weitgehend um Gerechtigkeit bemühte Verwaltung und Rechtsprechung und durch eine gute Infrastruktur, vor allem durch den Ausbau der Fernstraßen, garantiert wurde. 2 Das römische Straßennetz war sicherlich aus militärischen Gründen ausgebaut worden, doch die Kaufleute und die Pilger - nach Konstantins Toleranzedikt von 323 - nutzten es ebenfalls. Seit den Tagen der wohl 336 gestorbenen Kaiserin Helena, der Mutter Konstantins, hat es durch die Jahrhunderte immer wieder Pilger zu den heiligen Stätten in Jerusalem und an anderen Orten der 1 Der Text dieses Beitrags entspricht weitgehend dem um Fußnoten angereicherten Manuskript des Vortrags bei der Tagung der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft im Oktober 1999 in Bad Honnef, weist aber auch mehrere Korrekturen und Ergänzungen durch weitere Detailforschung auf. Der erste Anstoß zu diesem Thema geht auf ein Referat bei dem II. Internationalen Treffen der Jakobusvereinigungen vom 5.-7. Oktober 1990 in Speyer zurück; vgl. Sternenweg 7 (1991) S. 33f. - Auf die vortragsbegleitenden Abbildungen wird unter jeweiligem Hinweis auf die Literatur verzichtet; im Anhang zu diesem Beitrag werden lediglich die geschilderten möglichen Pilgerwege in drei Karten veranschaulicht: Abbildung 3: Die Pilgerrouten in der Pfalz und in Rheinhessen, Abbildung 4: Das mittelalterliche Speyer. Für die Abbildung 3 wurde die Karte des Landesvermessungsamtes Rheinland-Pfalz, Karte der Gemeindegrenzen 1: 200.000 4 Frankfurt 1993 zugrundegelegt, für die Abbildung 4 diente Hermann F ATH , Die Stadt Speyer im Mittelalter mit Kirchen und Kapellen, in: Wilhelm W INKLER (Hg.), Pfälzischer Geschichtsatlas. Neustadt 1935 Tafel 23 (a) als Grundlage. 2 Zu den Fernstraßen in der Antike und im Mittelalter vgl. Hermann K ELLENBENZ , Das Straßensystem in Mitteleuropa, besonders während des Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Jakobus-Studien 2 (1990) S. 27ff. <?page no="70"?> damals römischen Provincia Palaestinensis gezogen. Daneben riß der Pilgerstrom zu den Apostelgräbern in Rom - seit dem Untergang des Römischen Reiches nicht mehr politisches, aber nach wie vor geistiges Zentrum Europas - von der Spätantike bis heute nicht ab. Als der vorrückende Islam um die Jahrtausendwende die Jerusalem-Pilgerfahrt trotz der defensiven Anstrengungen der Kreuzfahrer schließlich ganz zum Erliegen brachte, stellte gleichzeitig die rasch zunehmende Pilgerfahrtsbewegung zu dem (angeblichen) Grab des Apostels Jakobus des Älteren im äußersten Westen Spaniens alles bisher Dagewesene in den Schatten. Zu Beginn der Neuzeit wurde in den von der Reformation gewonnenen Territorien das Pilgerwesen überhaupt in Frage gestellt und die Durchreise erschwert, man entfernte die zuvor von den Pilgern aufgesuchten Heiltümer aus den Kirchen und verschloß deren Türen. Unter dem Einfluß der Aufklärung untersagten auch in den katholisch gebliebenen Territorien die Herrscher die Pilgerfahrt weitgehend, vor allem zu Stätten außerhalb des eigenen Landes. Erst in den letzten Jahrzehnten erlebt das Phänomen Pilgerfahrt - sicher auch inspiriert von der Vision eines vereinigten Europa - eine überraschende Beachtung, wobei Santiago de Compostela am meisten fasziniert. So gibt es einzelne und Gruppen, die - meist in Etappen - den Pilgerwegen nachgehen bis zum fernen Ziel. Andere suchen in ihrer Heimat den genauen Verlauf der entsprechenden Wege herauszufinden. 3 Fernziel ist es, die so ermittelten Pilgerwege zu kartieren und in der Natur zu kennzeichnen, was mit einer Muschel als dem geläufigsten Pilgerattribut geschehen sollte. 4 Die Kennzeichnung sollte allerdings erst nach der wissenschaftlichen Klärung der wahrscheinlichen Wegführung erfolgen. 5 Dazu soll auch der vorliegende Beitrag dienen, der den Pilgerwegen in Rheinhessen und der Pfalz nachgehen möchte. Es wird dabei vom rheinhessischen Andreaskreuz die Rede sein, von der linksrheinischen Leiter, vom rheinischen Delta oder vom Speyerer Dreieck und vom Speyerer Kreuz. Speyer selbst kommt in dieser Erörterung eine beson- 56 Karl-Heinz Debus 3 So etwa der evangelische Christliche Jugend-Dienst (CJD) in Rheinhessen. Zugleich erhalten arbeitslose Jugendliche eine Beschäftigung, die ihnen nicht nur sinnvoll erscheint, sondern für die sie sich auch begeistern können. 4 Diese Plaketten könnten in den Farben der mittelalterlichen Bistümer gehalten sein, so in den rheinischen Bistümern Mainz, Worms und Speyer zum Beispiel als silberne Muschel in Rot, als goldene in Schwarz und als silberne in Blau. 5 In der Pfalz und in Rheinhessen besteht im Vergleich etwa zu den östlich anschließenden Gegenden ein größerer Nachholbedarf, und die Deutsche Jakobusgesellschaft möchte sich (laut Mitteilung bei der Tagung in Bad Honnef im Oktober 1999) in nächster Zeit der Rheinlande bis hin zum Elsaß annehmen, der wohl bedeutsamsten deutschen Pilgerlandschaft. <?page no="71"?> dere Bedeutung zu. Die Untersuchung stützt sich auf Indizien. 6 Bei einer Kartierung fällt auf, daß diese nicht wie zufällig über die Pfalz und Rheinhessen zerstreut sind, sondern eine Linienführung erkennen lassen, wobei oft keine präzise Aussage über den vom Pilger von Punkt zu Punkt eingeschlagenen Weg gemacht werden kann. Einführend ist auch auf allgemeine Aspekte des Pilgerwesens einzugehen und auf den Geist, der die Pilger auf dem Weg beseelte, wobei die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela im Vordergrund stehen wird. 2 Literatur Bis zu der geschilderten Renaissance in den letzten Jahren fand das Pilgerwesen in der historischen Forschung wenig Beachtung, so war die Literatur auch äußerst dürftig. Schon vor mehr als 100 Jahren beklagte Hampe das Fehlen allgemeiner Darstellungen 7 zur Santiago-Pilger- Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 57 6 Hierzu ausführlich im Abschnitt 4.1 und 4.2. 7 Vgl. z.B. Theodor H AMPE , Deutsche Pilgerfahrten nach Santiago de Compostella und das Reisetagebuch des Sebald Örtel (1521-22), in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum Jahrgang 1896 S. 61-82; Hermann J. H ÜFFER , Die spanische Jacobusverehrung in ihren Ausstrahlungen auf Deutschland, in: Historisches Jahrbuch 74 (1955) 124-138; ders., Sant’Jago. Entwicklung und Bedeutung des Jacobuskultes in Spanien und dem Römisch-Deutschen Reich. München 1957; J. J. S TONE , The Cult of Santiago. Santiago de Compostela 1927; Luis V ÁZQUES DE P ARGA - José Maria L ACARRA DE M IGUEL - Juan U RIA R IU , Las peregrinaciones a Santiago de Compostela 1-3. Madrid 1948-1949 (mit ausführlicher Bibliographie); H. H ELL , Die große Wallfahrt des Mittelalters. Kunst an den romanischen Pilgerstraßen durch Frankreich und Spanien nach Santiago de Compostela. Tübingen 1964 S. 7-34; E. M ULLINS , The Pilgrimage to Santiago. London 1974; Josef L EINWEBER , Die Santiago-Wallfahrt in ihren Auswirkungen auf das ehemalige Hochstift Fulda. Zur Frömmigkeits- und Kulturgeschichte im Mittelalter, in: Fuldaer Geschichtsblätter 52 (1976) S. 134ff.; Odilo E NGELS , Die Anfänge des spanischen Jakobusgrabes in kirchenpolitischer Sicht, in: Römische Quartalschrift für Altertumskunde und Kirchengeschichte 75 (1980) S. 146-170; R. O URSEL , Les chemins de pélerinage du moyen âge. Paris 1982; Arnold L ASOTTA , Pilger- und Fremdenherbergen und ihre Gäste. Zu einer besonderen Form des Hospitals vom Spätmittelalter bis in die Neuzeit, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen. München-Zürich 1984. - Mehr der Illustration dienen Fotobände oder veröffentlichte Skizzenbücher wie zum Beispiel Alois F RANK (Text) - Hans-Günther K AUFMANN (Photographie), Straßen nach Santiago de Compostela. München [1983] mit Streckenkarten und kurzen Erläuterungen und zusammenfassenden Literaturangaben bzw. Theo O FER , Bilder am Jakobsweg. Aquarelle und Zeichnungen vom Pilgerweg nach Santiago de Compostela mit einem Essay von Clemens J ÖCKLE . Harthausen 1991 (ohne Quellenbelege). Zu Jakobus und Jakobusverehrung s. zusammenfassend Robert P LÖTZ , Jacobus d.Ä., in: Lexikon des Mittelalters 5. München-Zürich 1991 S. 253. <?page no="72"?> fahrt. 8 Erst seit wenigen Jahrzehnten liegen mehrere Werke von umfassender Bedeutung vor, 9 nicht selten werden die Pilgerwege kartiert. 10 Für die Nachbarlandschaften der Pfalz und Rheinhessens sind inzwischen kleine Aufsätze erschienen, so von Becker für die Rheinlande, 11 von Leinweber für das Fuldische, 12 von Röckelein-Wendling für das Oberrheingebiet, 13 von Herbers allgemein und von Plötz für die fränkischen Diözesen; 14 das hier behandelte Gebiet wird dabei allenfalls am Rande gestreift. Über Jakobusverehrung in Rheinhessen und in der Pfalz gibt es nur wenig, zum Teil veraltete Literatur, über die Pilgerwege bislang keine umfassende Arbeit. 15 Bei der Spurensuche erwiesen sich die Palatia sacra, 16 eine Pfründenbeschreibung für die Pfalz, die bis auf die Bischofs- 58 Karl-Heinz Debus 8 Während die deutschen Pilgerfahrten nach dem heiligen Land in den letzten Jahren vielfache Behandlung erfahren haben, ist den Reisen deutscher Wallfahrer nach Santiago de Compostela dem „Jerusalem des Occidents” bisher nicht die gleiche Bedeutung zu Teil geworden, H AMPE S. 61. 9 S. die in Anm. 7 genannte Literatur. 10 Zu Pilgerkarten s. auch Kapitel 7. Die von Bernhard K ÖTTING , Die Wallfahrtsorte der Antike und des Mittelalters, in: Hubert J EDIN - Jochen M ARTIN , Atlas zur Kirchengeschichte. Die christlichen Kirchen in Geschichte und Gegenwart. Freiburg u.a. 1970 Tafel 18 wiedergegebenen Pilgerwege sind zu schematisch und ungenau. Die den vorangehenden und nachfolgenden Veröffentlichungen beigegebenen Karten sind nicht nur im lokalen Bereich, sondern auch im Hinblick auf die Routenführung bis nach Santiago de Compostela exakter. Viele detailreiche Wegbeschreibungen für Frankreich und Spanien bietet auch Hansjörg S ING , Der Jakobusweg nach Santiago de Compostela. Ulm 1985. 11 H. J. B ECKER , Das mittelalterliche Pilgerwesen in seiner Bedeutung für den öffentlichen Nachrichtendienst, in: Postgeschichtliche Blätter der Oberpostdirektion Saarbrücken 10 (1967) S. 4-9, 11 (1968) S. 1-6, 12 (1969) S. 1-5. 12 L EINWEBER S. 134ff. 13 Hedwig R ÖCKELEIN und Gottfried W ENDLING , Wege und Spuren der Santiago-Pilger im Oberrheintal, in: Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt. Tübingen 1990 (= Jakobus-Studien 2), S. 83-118 (mit Karte S. 118). 14 Robert P LÖTZ , Santiago-Peregrinatio und Jakobus-Kult mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Frankenlandes, in: Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 31. Münster 1984 S. 24ff., besonders S. 74ff. S. auch H ERBERS , Via peregrinalis, in: Jakobus-Studien 2 S. 1ff. mit Karten (S. 18f., nach Meinrad S CHAAB , Straßen und Geleitswesen zwischen Rhein, Neckar und Schwarzwald im Mittelalter und der frühen Neuzeit, in: Jahrbücher für Statistik und Landeskunde von Baden-Württembergs 4, 1959, nach S. 75). 15 Vgl. den Beitrag von Karl S CHULTZ , Das Pilgermotiv im Wandel der Jahrhunderte, in: Der christliche Pilger 100/ 1 vom 1.1.1950 S. 14-15, neuerdings ist noch zu nennen Günther S ALTIN , Auf den Spuren der Jakobspilger im Bistum Speyer. Die St. Jakobs Straß’ - Ein Blick in die Geschichte Teil 1-4 (mit wechselndem Titel), in: Der Pilger 149/ 32-35, vom 11.8. bis 1.9.1996. 16 Renate E NGELS , Der Landdekanat Herxheim, Palatia sacra. Kirchen- und Pfründenbeschreibung der Pfalz in vorreformatorischer Zeit, hg. von Ludwig Anton D OLL , <?page no="73"?> stadt selbst für die mittelalterliche Diözese Speyer abgeschlossen ist, und der Beitrag des Freiburger Kirchenhistorikers Müller für die Landkapitel Weyher und Weißenburg 17 als vorzügliche Hilfsmittel. In den anderen Teilen der Pfalz und in Rheinhessen sind die Ergebnisse zwangsläufig lückenhafter. 18 Die Veröffentlichungen zur Speyerer Stadtgeschichte 19 enthalten keine speziellen Ausführungen zu Pilgerwesen und Jakobusverehrung, sieht man von einem allgemeinen Hinweis auf Pilgeraufnahme in mittelalterlichen Spitälern 20 und von der Beschädigung eines Altarbildes 1561 in der Speyerer Jakobuskirche ab. 21 Hieraus könnte man folgern, Speyer sei als Pilgerstadt unbedeutend gewesen. 3 Jakobusverehrung und Pilgerspiritualität 3.1 Speyerer Bezüge zur Compostela-Pilgerfahrt Gab es überhaupt eine Beziehung zwischen Speyer, das gerade zur Blütezeit der Jakobus-Pilgerfahrt zeitweise Hauptstadtfunktion in Deutschland hatte, 22 und Santiago de Compostela? Diese Frage wurde Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 59 Teil I: Bistum Speyer Bd. 3. Mainz 1988; dieselbe, Der Landdekanat Böhl, ebda. I.5. Mainz 1992, Volker R ÖDEL , Der Landdekanat Weyher, ebd. I.4. Mainz 1988 und Ludwig Anton D OLL mit Unterstützung von Hans A MMERICH , Der Landdekanat Weißenburg, ebd. I.2. Mainz 1999. 17 Wolfgang M ÜLLER , Die mittelalterliche Ausstattung der Kirchen in den Speyerischen Landkapiteln Weyher unter Rietburg und Weißenburg, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 19 (1967) S. 317ff. 18 Hier habe ich besonders den Herren Martin D OLCH und Dieter Z ENGLEIN für ihre hilfreiche Unterstützung auf dem Gebiet der Flurnamenforschung zu danken, ebenso Herrn Jürgen B ELKER für die uneigennützige Zurverfügungstellung von unveröffentlichtem Untersuchungsmaterial zur Leprosenhausforschung. 19 Geschichte der Stadt Speyer, hg. von Wolfgang E GER , 1-3. Stuttgart 1983-1989 und Fritz K LOTZ , Speyer. Kleine Stadtgeschichte. Speyer 1971, der die Jakobskirche als Pfarrkirche erwähnt, ebd. S. 50.; vgl. auch Ludwig Anton D OLL , Artikel Speyer in: Erich K EYSER , Städtebuch Rheinland-Pfalz und Saarland. Stuttgart 1964 (= Deutsches Städtebuch IV.3.), S. 384-416. Vgl. auch den Beitrag von F. M AIER in diesem Band. 20 Norbert O HLER , Alltag in einer Zeit des Friedens (1570-1620), in: E GER , Hg., Stadtgeschichte 1, S. 623. 21 Ein Speyerer Bürger hat 1561 in der Verkleidung eines Jakobuspilgers das Altarbild in der Jakobuskirche zerstochen, vgl. Wolfgang E GER , Speyer und die Reformation. Die konfessionelle Entwicklung in der Stadt im 16. Jahrhundert bis zum Dreißigjährigen Krieg, in: ders. (Hg.), Stadtgeschichte 3, S. 329. 22 Vgl. die magna vis regni für das Gebiet um Speyer in der Freisinger Chronik; vgl. ferner die engen Beziehungen des salischen Königshauses zu Speyer und seiner Kathedrale. <?page no="74"?> im Zusammenhang mit der Errichtung einer Jakobuspilgerstatue 23 auf Speyers Maximilianstraße im Jubiläumsjahr 1990 lebhaft diskutiert. Dabei wurde die Ansicht geäußert, Speyer habe keine Bedeutung als Pilgerort, was auch daraus erhelle, daß die Speyerer Bevölkerung dem Pilgerwesen stets recht unbeteiligt gegenübergestanden sei; die Pfarrkirche St. Jakob sei ein topographisches Pendant zur Bartholomäuskirche, im Dom habe sich kein Altar sancti Iacobi maioris befunden, und wenn überhaupt, dann sei Speyer allenfalls Station für Rom- und Jerusalem-, nicht aber für Jakobuspilger gewesen. 24 Eine angeblich mangelnde Beteiligung der Speyerer Bevölkerung an Pilgerfahrten, vornehmlich nach Santiago de Compostela, worüber es keine Nachrichten gibt, ist kein Beweis für die Bedeutungslosigkeit der Stadt in der mittelalterlichen Pilgerbewegung. Es gibt auch in Speyer Hinweise für eine Jakobusverehrung. Im Juli 1901 wurde dem Historischen Museum in Speyer von einer Frau aus dem Nachbarort Heiligenstein eine um 1300 entstandene und zunächst als segnender Christus gedeutete Statue aus Sandstein 25 übergeben, die inzwischen als Speyerer Jakobus-Pilgerkrönung identifiziert wurde. Die Figur stammt entweder aus dem Dom oder aus der zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgerissenen St. Jakobuskirche in Speyer 26 und findet nur in der Villinger Pilgerkrönung ein dreidimensionales Pendant. In der Pfalz ist das Motiv durch die Landauer Pilgerkrönung auch als gotische Wandmalerei überliefert. 27 Gemalte Pilgerkrönungen gibt es zudem noch am nördlichen Mittelrhein in Linz, Oberbreisig und Niedermendig, aber auch in Mölln in Holstein. 28 Die Herkunft des nur in Deutschland vorkommenden Motivs der Pilgerkrönung ist noch nicht restlos geklärt. 29 60 Karl-Heinz Debus 23 Hierzu Clemens J ÖCKLE , Der Speyerer Jakobspilger von Martin Mayer. München 1990 mit Abbildungen der Statue. 24 Vgl. die Diskussion bei der Tagung der Protestantischen Akademie am 12. September 1990. 25 Speyer, Historisches Museum der Pfalz, C 188. Dazu auch F. M AIER in diesem Band. 26 Hierüber ausführlich Paul C LEMEN , Die gotischen Wandmalereien der Rheinlande. Textband. 1930 S. 108 Fig. 134 und S CHULTZ S. 14f.; vgl. auch Bruno T HIEBES , Der heilige Apostel und Pilgerpatron Jakobus d. Ä. Gotisches Wandbild in der Kirche Hl. Kreuz zu Landau in der Pfalz, in: Jahrbuch des Vereins für christliche Kunst in München 17 (1988) S. 43 (Abbildung). 27 Zur Landauer Pilgerkrönung vgl. besonders T HIEBES S. 41 (Abbildung) und die weitere zuvor genannte Literatur, vgl. auch unten Kap. 5.3 und 5.5. 28 T HIEBES , S. 41, s. auch C LEMEN S. 108, danach S CHULTZ S. 14f. S ALTIN , in: Pilger 149/ 34 führt noch Almersbach bei Altenkirchen und das Freiburger Münster an. 29 Vgl. neuerdings S ALTIN 149/ 34-35. <?page no="75"?> Vom ehemaligen Standort der Jakobuskirche in Speyer auf halbem Wege zum Dom steht noch heute, wenn auch als Replik, in einer Mauernische der bretonische Pilgerheilige Jodokus, Patron der Siechenhäuser, der Pilger und Schiffer, 30 gleichsam der zweite Leitheilige auf den Wegen nach Santiago und hier mit Mantel und Tasche eindeutig als Pilger dargestellt. 31 Mag diese Figur auch auf die persönliche Verehrung eines früheren Hausbesitzers zurückgehen, ganz ohne Bezug zur Jakobus- Pilgerfahrt scheint sie dennoch nicht zu sein. Seit 1990 kommt der in Sichtweite des Domes 32 aufgestellte und Santiago zueilende Jakobus-Pilger von Mayer als weiterer Hinweis in Betracht. In einer dieser Statue gewidmeten Veröffentlichung schreibt Jöckle, 33 Speyer sei schon in Pilgerreisebeschreibungen, etwa des Hermann König oder Kuenig aus Vacha (1495), 34 genannt, 35 und Speyerer Bürger hätten sich für die Jakobus-Pilgerfahrt eingesetzt, was die Gründung einer Heilig-Geist-Unterkunft in Frankfurt durch Heinrich Crig aus Speyer belege. 36 Diese bald wieder verfallene Unterkunft war nicht zu vergleichen mit der Frankfurter Compostele, - zugleich ein Hinweis auf Frankfurt als Station für Pilger nach Santiago de Compostela, die aus Nord- und Mitteldeutschland kamen und bei Mainz, wo es ebenfalls ein Jakobus-Hospiz gab, den Rhein erreichten. Zu Speyer vermerkt der zitierte Verfasser: Es lag an keiner der Hauptrouten, doch gibt es einige Hinweise, daß die Stadt zumindest von Pilgern aufgesucht wurde, die ... längs des Rheines zogen, sich dann westwärts Frankreich zuwandten und wahrscheinlich über Toul und - etwas unklar - Dijon die durchs Périgord und die Gascogne verlaufende Hauptroute erreichten. Andere Pilger dürften Speyer, von den rechts- Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 61 30 Bernhard Hermann R ÖTTGER , Die Kunstdenkmäler der Pfalz 3, München 1934 (= Die Kunstdenkmäler von Bayern V. 3: Stadt und Bezirksamt Speyer), S. 668ff., Abbildung S. 669; eine weitere Abbildung auch bei Karl Heinz D EBUS , Auf dem Wege nach Santiago de Compostela. Jakobusverehrung in Speyer und in der Pfalz - Eine Spurensuche, in: Der Pilger 143/ 25 vom 24.6.1990 S. 16f. sowie in: Speyerer Vierteljahreshefte Herbst 1990 S. 15. 31 R ÖTTGER S. 668, 670. 32 Vgl. hierzu auch D EBUS , Auf dem Wege, in: Der Pilger 143/ 25 vom 24.6.1990 S. 16f. sowie in: Speyerer Vierteljahreshefte Herbst 1990 S. 11-15 mit Abbildungen, vgl. auch die Rückseite des Heftes. 33 J ÖCKLE , Jakobspilger (mit vielen Abbildungen), s. auch D EBUS , Auf dem Wege S. 16f. 34 Zu Hermann Künig aus dem Servitenkloster in Vacha (zu den Serviten s. auch Kap. 5.4) vgl. zuletzt R ÖCKELEIN - W ENDLING S. 86ff. und S ALTIN , in: Pilger 149/ 33 (mit Abbildung des Titelblattes) und 149/ 34 (zu Germersheim, Servitenkloster). 35 Hierzu vgl. besonders L EINWEBER , in: Fuldaer Geschichtsblätter 52 (1976) S. 142. 36 J ÖCKLE , Jakobspilger S. 12. <?page no="76"?> rheinischen Gebieten kommend, durchreist haben. Der Verfasser nennt in der weiteren Umgebung von Speyer die Flurbezeichnungen am Pilgerpfad in Bechtheim und in Frankenthal als Indizien für Pilgerrouten längs Speyer, wobei er an Rom- und Santiago-Pilger denkt, die sich nach seiner Ansicht erst südlich von Straßburg getrennt hätten, die einen seien über Basel nach Rom, die anderen über Toul nach Santiago gezogen. Abschließend verweist er auf die seit 1180 bezeugte und später zur Pfarrkirche erhobene Jakobuskapelle in Speyer. 37 3.2 Santiago, Santiago - Die Jakobuslegende und der Sternenweg „Santiago, Santiago“ heißt der Ermunterungsruf auf dem Weg zum (angeblichen) Grab des Apostels Jakobus, das seit dem 9. Jahrhundert besucht wurde und seit der Mitte des 12. Jahrhunderts die Massen anzog 38 und heute wieder viele Menschen anzuziehen beginnt, ein Phänomen, das Zahlen und Worte nur unzureichend erfassen. Die Jakobuspilger des Mittelalters waren in ihrer Spiritualität von der Jakobuslegende geprägt. Der Inhalt des Liber sancti Jacobi war ihnen in ihrer großen Mehrheit zwar nicht durch eigene Lektüre, aber doch häufig durch mündliche Weitergabe bekannt. Zu dieser fünfteiligen Jakobus-Legende liegt eine profunde und quellenreiche Studie von Herbers vor. 39 Das nach Papst Calixt Codex Calixtinus genannte zweite Buch mit dem Pseudo-Turpin 40 gilt als der älteste der fünf Teile. Über die Entstehungsgeschichte des Pseudo-Turpin gibt es viele Mutmaßungen, darunter die Theorie, dass er im 9. Jahrhundert in Saint-Denis entstanden sein dürfte und eine Adaption der moselfränkischen Karlslegende durch die romanisierten Franken darstellen könnte. Nach der neuesten Forschungsdiskussion ist nicht mehr auszuschließen, dass die Handschrift in Santiago selbst abgefasst wurde. In ihr wird u.a. der angeblich von 62 Karl-Heinz Debus 37 Ebd. 11f. 38 Vgl. H ÜFFER , Jacobusverehrung S. 128. 39 Klaus H ERBERS , Der Jakobuskult des 12. Jahrhunderts und der „Liber sancti Jacobi“. Studien über das Verhältnis zwischen Religion und Gesellschaft im hohen Mittelalter. Wiesbaden 1984 (= Historische Forschungen im Auftrag der Historischen Kommission der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, hg. v. Erich B ORN und Harald Z IMMERMANN Bd. 7), hier besonders S. 1ff. und ders., Via peregrinalis, in: Jakobus-Studien 2 (1990) 1ff. 40 Mit Pseudo-Turpin wird eine Chronik Karls des Großen bezeichnet, deren fiktiver, wohl mit Saint-Denis in Zusammenhang zu bringender Autor Turpin Karl den Großen verstärkt in die französische Geschichte einzubeziehen versucht und dessen Kampf gegen die Mauren hervorgehoben wird. Zum Werk vgl. Wilhelm L EVISON , Deutschlands Geschichtsquellen des Mittelalters. I.2. Weimar 1953 S. 280. <?page no="77"?> Jakobus selbst angeordnete Zug Karls des Großen und Rolands nach Spanien geschildert. 41 Grundlegende Forschungen haben Adalbert Hämel, André de Mandach und Klaus Herbers geleistet 42 auf. Der älteste Teil enthält nach de Mandach die Wundererzählungen, die Überführung der Gebeine nach Santiago und den Pseudo-Turpin. Die Wundergeschichten und der Pseudo-Turpin, erweitert vor allem um eine Liste der Körper der Heiligen (de corpore [sic] sanctorum), die am Wege ruhen und von den Pilgern aufzusuchen sind, das heißt der Reliquien, habe ein Südfranzose namens Aimerus, der mit Aimericus Picaud von Vézelay identifiziert wird, zusammengetragen und mit einer 1139 in Vézelay ausgestellten Approbation von Papst Innozenz II. nach Santiago gebracht. Diese Kompilation erfuhr noch eine Erweiterung durch die Beschreibung der Pilgerwege und der Landschaften, durch welche sie führen. So war der Pilgerführer in der Form komplett, in der er noch im 12. Jahrhundert, also vor dem Buchdruck in ganz Europa Verbreitung fand. 43 Nach der darin enthaltenen Vita, der Lebensbeschreibung, soll Jakobus Spanien missioniert haben, dann aber nach Judaea zurückgekehrt sein und dort das Martyrium erlitten haben. Seine dem Meer anvertrauten Gebeine sollen in Spanien geländet worden sein, und dort habe man im äußersten Galicien, am Ende der Erde, im Finis-terre, im 9. Jahrhundert, - genannt wird das Jahr 813 - des Apostels Grab wiederentdeckt. Die Pilgerstraßen dorthin hießen nach der volksetymologischen Deutung auch bald „Sternenwege“. Sternförmig führten aber auch die Straßen von verschiedenen Ausgangspunkten aus zum Pilgerziel. Dasselbe gilt auch für die Lage gewisser Orte am Weg zu dem erstrebten Pilgerziel. Sie haben bisweilen den Charakter eines Mittel- oder Knotenpunktes. Für die Pilgerreise nach Santiago de Compostela gelten als Sammel- und somit Hauptpilgerknotenpunkte Paris, Vézelay, Le Puy und Arles, als Le Puy-Zubringer auch Einsiedeln in der Schweiz. Es gibt aber durchaus auch Knotenpunkte zweiter Ordnung, vielleicht auch in der Pfalz, etwa - so meine Hypothese - in Speyer. Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 63 41 H ERBERS , Jakobuskult, bes. S. 33ff. Der Pseudo-Turpin wurde von Aymar (? ) überarbeitet, Herbers, ebd., s. auch unten. 42 Adalbert H ÄMEL , Los manuscritos del Falso Turpin (Estudios dedicados a M ENÉN - DEZ P IDAL , D. 4. Madrid 1953, S. 67-85), André DE M ANDACH , Naissance et développement de la chanson de Geste en Europe, II: La geste de Charlemagne et de Roland. Genf 1961, ders., Neues zum „Pilgerführer der Jakobswege“, in: Jakobus-Studien 2. Tübingen 1990 S. 41ff. und Herbers, Jakobuskult. 43 Hierzu s. H ERBERS , Jakobuskult S. 33ff. <?page no="78"?> 3.3 Geschichte der Jakobuspilgerfahrt und Pilgerspiritualität 44 Durch einige Aspekte zum Pilgerwesen allgemein und zur Spiritualität der mittelalterlichen Menschen, etwa auf dem Weg nach Santiago, soll skizzenhaft mittelalterliches Denken und Empfinden gezeigt werden. 45 Der auch mystifizierend so genannte Sternenweg hatte eine vom Gemeinschaftsideal des mittelalterlichen Abendlandes 46 getragene völkerverbindende Funktion, 47 nicht zuletzt durch die grenzüberschreitenden Gebetsverbrüderungen von Santiago mit geistlichen Institutionen in aller Welt. 48 Auch war der Camino von großer Bedeutung für die Rettung Spaniens vor dem Islam. 49 Die Kreuzzüge änderten nichts daran, daß die im Mittelalter aufblühende Compostela-Pilgerfahrt vielfach als Ersatz für die nicht mehr mögliche Pilgerfahrt ins Heilige Land 50 angesehen wurde. Pilgerfahrten sind ein Urbedürfnis des Menschen, sie haben meist eine läuternde Wirkung. 51 Aus recht unterschiedlichen Motiven nahmen die Menschen im Mittelalter die nicht geringen Anstrengungen und Risiken einer Pilgerreise, oft in bewußt gesuchter Einsamkeit und steter Zwiesprache mit Gott, auf sich: 52 Aus Verehrung eines heiligen Menschen, Ortes oder eines mit diesem verknüpften heiligen Geschehens, zur Buße, zur Erfüllung eines Gelübdes oder in der Hoffnung auf Heilung. 53 Nicht selten waren Pilgerwesen und Ablaßerlangung miteinander verknüpft. 54 64 Karl-Heinz Debus 44 Zu diesem Abschnitt s. besonders H ÜFFER , Span. Jacobusverehrung 124 ff. und Klaus H ERBERS , Via peregrinalis S. 1ff. 45 Vgl. hierzu auch besonders O. E NGELS S. 146-170. 46 Hierzu vgl. H ÜFFER , Span. Jacobusverehrung S. 138. 47 Hier sei auch an das Jakobuslied erinnert, vgl. hierzu Philipp W ACKERNAGEL , Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts 2. Leipzig 1865 S. 1009f., vgl. ferner L EINWEBER S. 137f. und Fred W EINMANN , Der Pilgerweg nach Santiago, in: Katholische Kirchengemeinde St. Jakobus - Protestantische Kirchengemeinde Pilgerpfad - Einweihung des Ökumenischen Gemeindezentrums in Frankenthal-Pilgerpfad [1976] S. 39. 48 Vgl. z.B. L EINWEBER S. 137f., S ALTIN ; in: Pilger 149/ 33. 49 H ÜFFER , Span. Jacobusverehrung S. 125f., L EINWEBER S. 134ff. 50 B ECKER 11.6 und 12.4. 51 Ebda. 10.5ff. sowie S CHULTZ S. 15. 52 Ulrich B EST , Cluny - Das Wunder seiner Zeit, in: Mitteilungen der Gesellschaft der Freunde der Universität Mannheim April 1991 S. 28ff., B ECKER 10.4f. 53 Heinrich K ANZ , Die Jakobuswege als Erste europäische Kulturstraße. Wanderpädagogische Reflexionen. Frankfurt etc. 1995 S. 127f., dort werden noch weitere Motive aufgezählt wie einfache Wanderfreude. 54 L EINWEBER S. 143. <?page no="79"?> Die Situation des inneren und äußeren Auf-dem-Weg-Seins fand ihren Ausdruck in einer einheitlichen Pilgerkleidung und den immer wiederkehrenden Pilgerattributen wie Hut und Stab, Muschel und Kalebasse. Vielfach galt der Pilger als Vertrauensperson, der Briefe und Botschaften anvertraut wurden. 55 Mancherlei Gefahren sah sich der Pilger unterwegs ausgesetzt: ihn bedrohten Naturgewalten, wilde Tiere und Räuber, Krankheit und Tod. Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts beeinträchtigen kriegerische Entwicklungen, so etwa in Burgund, 56 die Pilgerfahrten zum Jakobusgrab. Gleichzeitig wurde die peregrinatio religiosa durch Verweltlichung ihres Sinnes entleert. Sühnewallfahrten waren schon zuvor eigens rechtlich geregelt, 57 doch nun war das Pilgerfahrtswesen in Gefahr, zum Ersatz für Strafvollzug zu degenerieren. 58 Die Zahl der seit dem 15. Jahrhundert zu Sühnepilgerfahrten Verurteilten, nicht selten Verbrecher, nahm derart zu, daß die Pilger insgesamt in Verruf gerieten 59 und das Ansehen der Pilgerfahrten allgemein beschädigt wurde. Schließlich waren seit dem 16. Jahrhundert eine fortschreitende Verarmung, besonders in Südfrankreich und Spanien, und damit verbunden ein zunehmendes Räuberunwesen und gegenseitiges Mißtrauen, nicht zuletzt wegen Mißbrauchs der Pilgerkleidung, der Pilgerfahrt äußerst abträglich. 60 Luther lehnte alle Pilgerreisen kategorisch ab; 61 in den protestantischen Ländern kamen sie daher ganz zum Erliegen, 62 und den durchziehenden Pilgern wurde der Weg verleidet, nicht zuletzt durch die Schließung der Kirchen und die Entfernung der Ausstattung wie Heiligenbilder und Reliquien, die essentielle Bestandteile des mittelalterlichen Pilgerwesens waren. In der Gegenreformation wurden die Wallfahrten wieder aufgenommen, doch meist mit anderen Zielorten. 63 Das mittelalterliche Pilgerwesen, eine Massenbewegung, verband Menschen aus verschiedenen Völkern und Sprachgebieten, Menschen unterschiedlichster Gesellschaftsschichten und Bildungsgrade. Im 16. Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 65 55 B ECKER 12.4. 56 Ebd. 10.6. 57 Vgl. Albert P FEIFFER , Sühnewallfahrten nach dem Speyerer Strafrecht, in: Pfälzer Heimat 36 (1919) S. 59-63. 58 B ECKER 10.5f. 59 Vgl. Ludwig S CHMUGGE , „Pilgerfahrt macht frei“ - Eine These zur Bedeutung des mittelalterlichen Pilgerwesens, in: Römische Quartalschrift. Christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 74 (1979) S. 27f. 60 W EINMANN S. 39. 61 Vgl. hierzu u.a. L EINWEBER S. 155 und B ECKER 12.4. 62 B ECKER 12.4. 63 Ebd., vgl. W EINMANN S. 39. <?page no="80"?> Jahrhundert ist das Gemeinschaftsideal des Abendlandes zerbrochen, die länderübergreifende Klammer entfiel, 64 und der Pilgerstrom versiegte aus verschiedenen Gründen weitgehend; aufgeklärte Nationalstaaten gestatteten Wallfahrten gar nicht oder nur noch innerhalb ihrer Grenzen. 65 Dem rationalistischen 18. und dem nationalistischen 19. Jahrhundert war allein der Gedanke an einen solchen „Aberglauben“ obsolet. Erst mit den Anfängen der europäischen Integration nach 1945 wurde auch das länderübergreifende Pilgerwesen, auch außerhalb der katholischen Kirche, wo es nie ganz erloschen war, wieder belebt. 66 Förderung erfuhr es auch seit 1984/ 87 durch die Europäische Union, die vornehmlich die Reise nach Santiago de Compostela unterstützt. 1993 sollen fast 100.000 Pilger dorthin gekommen sein. 67 Ausführlich schreibt hierüber Kanz 1995 in einer materialreichen, vornehmlich auch an Gesichtspunkten der Wanderpädagogik orientierten Studie. 68 Andererseits schildert Aebli seine 1989 zusammen mit seiner Frau in einem Vierteljahr bei 60 Etappen auf der Strecke von Le Puy nach Santiago gesammelten Eindrücke. 69 Einen positiven europäischen Akzent setzt die Initiative des CJD in Bad Sobernheim und Flonheim mit dem Versuch, Pilgerwege wiederherzustellen, soweit es die heutigen Gegebenheiten zulassen. 3.4 Kulturelle Aspekte der Pilgerfahrten Im Europa des Hochmittelalters bestand ein länderübergreifendes Gemeinschaftsgefühl durch die eine Kirche, das Kaisertum, den Adel und nicht zuletzt durch die Pilgerströme. So wurden Kulturgüter, etwa die neueste Literatur, sehr rasch in ganz Europa verbreitet. 70 Im Bauwesen, besonders im Kirchenbau, ist der Innovationsschub durch die Santiago-Pilger ganz beträchtlich. Das Pilgerwesen erforderte nicht nur große Kirchen entlang der Pilgerstraßen zum gemeinsamen Gebet, sondern inspirierte auch den Kirchenbau in den Heimatorten und förderte einen gemeinsamen Stil, die „Pilgerstraßenkirche“. Hier- 66 Karl-Heinz Debus 64 W EINMANN S. 39. 65 Ebd. 66 Vgl. hierzu die bemerkenswerten Reden von Josef Kardinal R ATZINGER am 2. und 3.6.1990 im Speyerer Dom. 67 K ANZ S. 126. 68 Ebd., passim. 69 Hans A EBLI , Santiago, Santiago ... Auf dem Jakobsweg zu Fuß durch Frankreich und Spanien. Stuttgart 1989, 4 1991. 70 H ÜFFER , Span. Jacobusverehrung S. 129ff., L EVISON S. 280; vgl. auch S CHULTZ S. 14. <?page no="81"?> unter verstand man die tonnengewölbte romanische Kirche wie Sainte- Foy in Conques oder Saint-Sernin in Toulouse und die Kirche in Santiago selbst. Inzwischen können wir diesen Typ als eine auf etwa 1060-1080 zu datierende erste Generation bezeichnen, der die Kuppelbaukirchen, wie etwa Saint-Firmin in Périgueux als zweite und die erstmals lichtdurchfluteten, die Horizontale betonenden Basiliken vom Typ von Sainte-Madelaine in Vézelay als dritte Generation folgten. 71 Es bedarf noch der Überprüfung, inwieweit nicht der Siegeszug der in Westfrankreich entstandenen Hallenkirche durch ganz Nord-, Mittel- und Osteuropa erst mittels der Pilger ermöglicht wurde. Der Hallenkirchentyp hat die in der Gotik mit der virtuos gehandhabten Glastechnik und unter theologischen Aspekten bei Beibehaltung des Basilikastils geschaffene diaphane Struktur weitgehend übernommen, dabei aber den Basilikastil aufgegeben. Genannt sei auch die Bedeutung der Pilger für das Nachrichtenwesen 72 und für die Hebung der Infrastruktur in den von den Pilgerströmen durchzogenen Landstrichen. Überall auf dem Weg standen für die Pilger Herbergen und Hospize bereit, in denen sie mehr oder weniger kostenlos mit Nahrung versorgt und bei Krankheit gepflegt wurden. 73 Schon die frühen Benediktinerklöster waren zur Errichtung einer Fremden- und Krankenherberge verpflichtet, die Schottenklöster wie auch die Augustiner und Serviten, denen wir in der Pfalz in Zell, Frankenthal, Höningen und Germersheim begegnen, 74 ließen sich die Fürsorge für die erschöpften und kranken Pilger angelegen sein. Hinzu kamen die Deutschordenskommenden, die - was meist übersehen wird - in der Krankenpflege ihre Hauptaufgabe sahen 75 und oft schon vorhandene Hospitäler mit der Auflage zur Krankenpflege übernahmen, diese aber später teilweise an Bürgerstiftungen abtraten. Die außerklösterlichen Hospize trugen oft die Namen der Heiligen der tätigen Nächstenliebe wie Elisabeth, Eligius und Nikolaus, seltener die des Pilgerziels wie die Heilig-Geist-Spitäler für die Rompilger, 76 der Jerusalemer Hof in St. Goar für die Jerusalempilger und die Jakobsspitäler etwa in Mainz, Trier und Paris sowie die schon erwähnte Frankfurter Compostele für die Santiago-Pilger. Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 67 71 S. hierzu VON M ANDACH , Neues zum „Pilgerführer“, S. 54ff. mit 51. 72 Hierzu B ECKER 11.3, vgl. ebd. 10.4ff. 73 Ebd. 10.7. 74 S.u. Kap. 5.2 und 5.4. 75 Bernhard D EMEL , Hospitalität und Rittertum im Deutschen Orden, in: Hermann B ROMMER , Hg., Der Deutsche Orden und die Ballei Elsaß-Burgund. Die Freiburger Vorträge zur 800-Jahr-Feier des Deutschen Ordens. Bühl/ Baden 1996 S. 33ff. 76 B ECKER 10.7. <?page no="82"?> Es verdient festgehalten zu werden: Die Pilger, ob Kleriker oder Laien, zogen teils zu Roß und mit Troß, so der Adel und der hohe Klerus, 77 bald auch das aufsteigende Bürgertum, 78 zu einem nicht unbeträchtlichen Teil und in zunehmendem Maße aber per pedes apostolorum nach Santiago. Meist zogen die Pilger einzeln oder in kleinen Gruppen, selten kam es zu Massenpilgerströmen wie die Rheingauer Pilgerfahrt von 1203. 79 Dem Ritterpatron, zugleich miles Christi, stand ebenbürtig der Pilgerpatron Jakobus zur Seite, den die kleinen Leute verehrten, dem sie auf dem Wege Kirchen und Kapellen errichteten. 80 Berittene Gruppen konnten sich nur auf den Fernhandelsstraßen fortbewegen, die meist den alten Römerstraßen 81 entsprachen, 82 Fußpilger waren in der Lage, Abkürzungen zu wählen, doch setzten diese Ortskenntnisse voraus. Solche Saumpfade konnten nur kurze, viel begangene Strecken darstellen. Der schmale Wiesenpfad als geradlinige und deswegen nicht immer bequemste Verbindung von Kirchturm zu Kirchturm 83 mag vorgekommen sein, war aber nicht die Regel. Das werden wir auch für Rheinhessen und die Pfalz festzustellen haben. Die auch vom Fernhandel genutzten Höhenstraßen waren weder kürzer noch bequemer, aber besser passierbar. 84 Aus den bei Pilgern neben dem Liber sancti Jacobi schon früh sehr beliebten Reisetagebüchern, vornehmlich des ausgehenden 15. Jahrhunderts, 85 erfahren wir, daß das Interesse der Pilger an Natur, Land und 68 Karl-Heinz Debus 77 Königinnen wie Mechtild, Herzöge wie Heinrich der Löwe, Grafen und Gräfinnen wie Friedrich von Leiningen und Richardis von Sponheim, Erzbischöfe wie Siegfried von Eppstein (Mainz, 1070) und Äbte, s. H ÜFFER , Span. Jacobusverehrung S. 129ff., L EINWEBER S. 136f. S ALTIN 149/ 33, vgl. auch LA Speyer, F7 Nr. 144 (zu 1270) - Führende Persönlichkeiten von Staat und Kirche sah man nach Santiago de Compostela pilgern, außer den oben Genannten z.B. auch die Mainzer Weihbischöfe Siegfried und Konrad, die Bischöfe von Minden und Hildesheim, die Äbte von Fulda, die mit dem Jakobusgrab durch eine Gebetsverbrüderung verbunden waren, aus unserem Raum auch Herzog Alexander von Pfalz-Zweibrücken. 78 H AMPE S. 61ff. 79 H ÜFFER , Span. Jacobusverehrung S. 131. 80 Vgl. ebd. S. 134f. 81 Otto R OLLER , Karten zur Römerzeit, Pfalzatlas Karte Nr. 18. 82 B ECKER 10.8 u.a.m. 83 Vgl. z.B. für Rheinhessen: B AAS , „Pilgerpfade“ in Rheinhessen, in: Vom Rhein. Monatsschrift des Wormser Altertumsvereins 2 (1903) 90, Lukas G RÜNENWALD , Pilgerpfade in der Rheinpfalz, in: ebd. 3 (1904) S. 2-3 sowie die Einsendungen von Fritz M UTH und Johann Christian S CHWAHN , ebd. S. 3-4. 84 B AAS , in: Vom Rhein 2 (1903) S. 90. 85 Bernhard von Breitenbach (1483, vgl. B ECKER 11,2), Hermann König aus Vacha (1495, mit Druck- und Literaturangaben, vgl. L EINWEBER S. 142) und Sebald Örtl (1521-22, H AMPE S. 67ff.). <?page no="83"?> Leuten relativ gering war, 86 ihnen kam es auf günstige Wege und gute Herbergen an, besonders aber auf Wallfahrtsorte, Verehrungsstätten Mariens und der Heiligen; es galt, unterwegs möglichst viele Reliquien zu verehren und, wenn möglich, zu erwerben oder Andenken an Heilige zu sammeln. 87 Das war für den mittelalterlichen Menschen das Wesentliche, das Festhaltenswerte, zumal die Reliquienverehrung mit Ablässen verbunden war; dadurch ließ er sich auch auf seinem Pilgerweg leiten. Um möglichst viele Verehrungsstätten besuchen zu können, wählten die Pilger für den Hin- und Rückweg, soweit möglich, verschiedene Routen; 88 das ist für unsere Untersuchung über die Pilgerwege in der Pfalz von außerordentlicher Bedeutung, denn die Rheinlinie stellt die Verbindung zwischen den Nord- und den Süd-Routen in Frankreich dar. 4. Pilgerwege in Rheinhessen und in der Pfalz 4.1 Methodische Fragen Die Pilgerreisen nach Santiago de Compostela erfolgten auf festen Routen 89 und nahmen ihren Anfang an den Sammelpunkten Köln - Aachen - Paris bzw. Trier - Metz - Vézelay für die beiden Strecken der sogenannten Niederstraße nördlich der unwirtlichen Cevennen oder in Einsiedeln - Le Puy bzw. in Arles für die beiden Strecken der Oberstraße südlich davon. 90 Die Zu- und Abwege zu diesen Sammelpunkten lassen sich in Deutschland nicht immer eindeutig verfolgen. 91 Ohne die Pilgerfrequenzen auf den Ober- und Niederstraßen zu vergleichen, kann man davon ausgehen, daß für den Rückweg eine andere Straße gewählt wurde als für den Hinweg. 92 Für die Pilger aus Deutschland, Nord-, Mittel- und Osteuropa gewinnt unter diesem Gesichtspunkt die Rheinlinie eine erhöhte Bedeutung. 93 Dem Verlauf der Römerstraßen Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 69 86 Vor der Renaissance gab es kein Naturverständnis, vgl. H AMPE S. 66. 87 Vgl. treffend ebd. S. 62 und S. 67ff. Zu auf uns gekommenen Pilgerzeichen vgl. S CHULTZ S. 14, zur Sammelleidenschaft H AMPE S. 62. 88 L EINWEBER S. 143. 89 So auch T HIEBES S. 43. 90 H ÜFFER , Span. Jacobusverehrung S. 132, L EINWEBER S. 142f., 146, T HIEBES S. 43, W EINMANN S. 39. Diese Straße wird auch schon bei Herrmann Künig aus Vacha (1495) beschrieben, vgl. auch B ECKER 11.1. 91 L EINWEBER S. 143. 92 Ebd. 93 B ECKER 11.1. <?page no="84"?> am linken Rheinufer folgend bildet sie mit der Nieder- und der Oberstraße ein Dreieck, das rheinische Delta, mit vielen Verästelungen, denen nachzugehen ist. 94 Sollten nicht, so fragt Thiebes, auch durch pfälzisches Gebiet Teilstrecken und Nebenstrecken solcher Wallfahrtswege gegangen sein? 95 Die Rheinstraße hatten die Santiago-Pilger ganz oder teilweise mit den Rom- und Jerusalempilgern gemeinsam. Wie schon dargelegt, kam den Fernstraßen gegenüber den Saumpfaden erhöhte Bedeutung zu. 96 Die Römerstraße am linken Rheinufer teilte sich zwischen Straßburg und Mainz zwei Leiterholmen gleich in eine westliche, die am östlichen Gebirgsrand entlang verlief, und in eine östliche, die - gleichsam eine Höhenstraße - die sumpfigen Rheinniederungen mied und dem Hochufer folgte. 97 Dabei ist in Speyer der Vorsprung des Hochufers bis unmittelbar an den Fluß unverkennbar; das machte die frühe geschichtliche Bedeutung dieser Stadt aus. 98 Die Juden siedelten an diesen Straßen, der frühmittelalterliche Fernhandel folgte ihnen, und auch die christlichen Missionare, etwa bei der Rechristianisierung der Vorderpfalz im beginnenden 7. Jahrhundert von Metz aus. Auch im Mittelalter bedienten sich die Pilger streckenweise noch immer der römischen Fernstraßen. 4.2 Indizien für den Verlauf der Pilgerwege In Ermangelung des Reiseberichts eines Jakobuspilgers, der unseren Raum berührte - die Berichte beginnen meist erst in Aachen, Metz oder Einsiedeln - müssen wir auf Indizien zurückgreifen. So sind die Nennung von Heilig-Geist-Spitälern oder der Jerusalemer Hof in St. Goar Hinweise für Rom- und Jerusalempilger, und für das Rheintal belegt Becker fast für jeden Ort ein Hospital, weiter rheinauf, ohne Vollständigkeit erreichen zu wollen, für Bingen, Mainz, Worms, Speyer, Straßburg. 99 Die 70 Karl-Heinz Debus 94 Letzte Darstellung der Pilgerwege in Frankreich, ausgehend von Trier, sonst an den Grenzen des damaligen Frankreich von Yves B OTTINEAU , Les chemins de St.-Jacques. Paris 1966, abgebildet bei H ERBERS , Jakobuskult, am Ende des Buches als Faltblatt nach Tafel 5. 95 T HIEBES S. 43. 96 S.o. Kap. 3.4. 97 R OLLER , Pfalzatlas Karte Nr. 18. 98 Hans M USALL , Die Rheinniederung zwischen Lauterburg und Karlsruhe, zwischen Karlsruhe und Speyer und zwischen Speyer und Worms, Pfalzatlas Karten Nr. 10-12 und Textband 1, 383-392, 2, 650-660 und 2, 689-702. 99 B ECKER 10.7f. Zu ergänzen wäre auch noch Ingelheim, LA Speyer, F7 (Gatterer-Apparat) Nr. 585 (1355). <?page no="85"?> dichte Folge solcher Hospitäler läßt auf eine sehr hohe Pilgerfrequenz schließen. 100 Außer Herbergen aller Art - Hospitälern, Elendsherbergen, auch Leprosenhäusern 101 - sind als Indizien für Pilgerrouten nach Santiago de Compostela - wenn auch in eingeschränktem Umfang - Kirchen und Kapellen 102 anzuführen, die nach dem Heiligen Jakobus benannt sind, Altäre, Darstellungen auf Altarbildern und Statuen desselben, 103 so auch die des eingangs erwähnten Pilgerkröners, 104 ebenso alte Karten, alte Flur- und Straßennamen, auch Klöster und Bruderschaften, die sich auch der Betreuung der Pilger widmeten und nicht selten nach den Pilgerheiligen benannt waren, sowie bauliche und kulturelle Einflüsse aus Spanien und Südfrankreich. Neben den heiligen Jakobus tritt der von den Compostela-Pilgern ebenfalls sehr verehrte Jodokus, 105 dessen Legende sich gelegentlich mit der des Jakobus vermischt. 106 Auch der Pestpatron St. Rochus 107 oder die Heiligen, die besonders am Pilgerweg verehrt wurden, wie Maria Magdalena in Vézelay, 108 oder der heilige Leonhard (Saint Léonard) im Limousin, der zum Viehpatron wurde; 109 Ägidius in Saint-Gilles in Südfrankreich 110 oder Vincentius in Saragossa 111 sind hier zu nennen, wohingegen die von Leinweber 112 ebenfalls angeführten Dionysius (Saint Denis) von Paris und Martin von Tours wegen ihrer weiten Verbreitung schon im frühmittelalterlichen Frankenreich ebensowenig heranzuziehen sind wie die Volksheiligen Wendelin 113 und Anna, wie auch Gangolf und Ottilia nur mit Vorsicht berücksichtigt werden können. 114 Eine Einzelerwähnung der angeführten Art allein ist noch kein Indiz für den Verlauf eines Santiago-Pilgerweges, doch die lineare Häufung läßt Rückschlüsse zu. Auf diese Weise kristallisieren sich drei Nord- Süd-Routen (I-III) und fünf Ost-West-Routen (A-E) heraus. Die Pilger Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 71 100 B ECKER 10.6ff. 101 Ebd. 10.7f. 102 S CHULTZ S. 15, L EINWEBER S. 140, s. auch W EINMANN S. 39. 103 S CHULTZ S. 15. 104 S.o. Kap. 3.1 und S CHULTZ S. 14. 105 Ebd. S. 15. 106 Ebd. 107 Ebd. S. 14., L EINWEBER S. 146. 108 L EINWEBER S. 148. 109 Ebd. S. 148f. 110 Ebd. S. 146f. 111 Ebd. S. 145. 112 Ebd. S. 145ff. 113 S CHULTZ S. 15, dort daneben auch Alexius und Severin. 114 L EINWEBER S. 145ff. <?page no="86"?> kamen am Rhein entlang über Bingen nach Mainz mit einem Jakobusspital. Eine der Nord-Süd-Routen (Route I) folgte von hier dem Hochufer des Rheins; eine zweite (Route II) zweigte in Mainz nach Südwesten ab und strebte über Alzey dem Haardtrand zu, um diesem sodann nach Süden zu folgen. An beiden Straßen, und jeweils an einem Knotenpunkt, ist uns der heilige Jakobus als Pilgerkröner überliefert, in Speyer (Route I, D, E) und in Landau (Route II, E). 4.3 Das Speyerer Pilgerstraßendreieck Rompilger aus Deutschland sind seit dem 7. Jahrhundert überliefert, 115 Speyer wird als Station auf diesem Weg wohl erstmals im Rompilgerbericht des isländischen Abtes Nikolaus im 12. Jahrhundert 116 und im Pilgerbericht des Albert von Stade im frühen 13. Jahrhundert erwähnt, 117 die Pilgertradition Speyers reicht aber wohl weiter zurück. Die Rompilger folgten der Rheinstrecke bis Basel, um von dort aus die Alpen zu überqueren. Auch die Jerusalempilger aus dem Norden Deutschlands und Europas bedienten sich der gut ausgebauten Fernstraße am linken Rheinufer, doch offensichtlich meist nur bis Speyer. 118 Von hier führte ihr Weg über den Rhein nach Südosten. Wir folgen an dieser Stelle dem aus eigenen Anschauungen wie auch aus früheren Reiseerzählungen schöpfenden viel gedruckten Pilgerbericht des bereits erwähnten Bernhard von Breitenbach von 1483, in dem wir des Verfassers Lob auf die Herberge zur Kanne in Speyer zur Kenntnis nehmen, bevor er die Reise über den Rhein nach Bruchsal fortsetzt. 119 Von dort führt 72 Karl-Heinz Debus 115 B ECKER 11.5. 116 In einer Tagreise kommt er von Mainz nach Speyer mit dem Biskopstollat Mariokirkin, Hermann S CHREIBMÜLLER , Das mittelalterliche Speyer an einer nord-südlichen Pilgerlinie, in: Palatina 1932/ 1933 S.200. 117 Ebd. Schreibmüller weist an dieser Stelle darauf hin, daß Speyer im Reisebericht des Nikolaus von Island der einzige Ort ohne -borgar (-burg)-Suffix ist, ebd. 118 Wenn J ÖCKLE , Jakobspilger S. 12 anführt, daß auf der Ebstorfer Weltkarte (um 1235, Kriegsverlust, vergrößerte Detailwiedergabe nach Reproduktionen in Hans-Joachim B EHR - Franz Josef H EYEN , Geschichte in Karten. Historische Ansichten aus den Rheinlanden und Westfalen (= Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Sonderband) Düsseldorf 1985 S. 15, Ganzdarstellung ebd. S. 14). Speyer mit der Heilig-Grab-Kirche abgebildet sei, so handelt es sich hierbei um eine auf der Karte stereotyp wiederkehrende Siedlungsmarkierung ohne Bezug zu einer Jerusalem-Pilgerfahrt. 119 Item zu Spier zur Kannen gut herberge, und danach lesen wir: Item von Spier kompt mann ame dem Rine, do fert mann d.h. mit der Fähre über den Rhein ... und heyst Hussen das ist Rheinhausen gegenüber Speyer, da nympt mann geleyde ame zalhuse und gipt igliche persone XX pennige vor pferdt, und ma biss geyn Brotzel, das ist Bruchsal, III myle. <?page no="87"?> der Weg über Bretten, Vaihingen an der Enz, Cannstatt und Göppingen nach Ulm und weiter über die Alpen nach Venedig. 120 Im Unterschied zu den Rom- und Santiago-Pilgern bedienten sich die Jerusalem-Wallfahrer häufig gemieteter Pferde. Sie waren somit auf Pferdeauswechselstationen angewiesen. Maximilian I. knüpfte an diese Tradition an, als er um 1500 bei Einrichtung einer Postlinie zwischen den österreichischen Stammlanden und den habsburgischen Niederlanden dieser alten Südost-Nordwest-Verbindung folgte und bei Speyer den Rhein überqueren ließ und hier eine Post- und Pferdeauswechselstation errichten wollte. 121 Die von Breitenbach beschriebene „Rhein-Schwaben-Linie“ war die Hauptroute der Jerusalempilger aus West- und Nordwestdeutschland, darüber hinaus aus Nordwesteuropa. Speyer - das ist bislang unbeachtet geblieben - war die Stelle, an der sich die beiden Pilgerströme nach Rom und Jerusalem trennten und an der sie sich auf dem Rückweg wieder vereinigten. 4.4 Das Speyerer Pilgerstraßenkreuz Welche Rolle spielten die bislang beschriebenen Straßen für die Jakobspilger, welche Bedeutung hatte Speyer? Die genannten Sammelpunkte für die Nieder- und Oberstraße und der Wunsch der Pilger, viele religiös bedeutsame Stätten zu besuchen, führte sie fast alle auf dem Hin- oder Rückweg an den Marienwallfahrtsort Speyer. Das gilt nicht nur für die Pilger aus dem Nordwesten und Norden, sondern ebenso für die Wallfahrer aus Mittel- und Osteuropa, ja auch aus Süddeutschland und den angrenzenden habsburgischen Landen. Die zuvor geschilderte Straße der Jerusalempilger war auch für die süddeutschen Jakobuspilger auf ihrem Weg nach und von Speyer von Bedeutung. 122 Das Jakobuspatrozinium der Kathedrale des heute östlichsten deutschen Bistums Görlitz, Muschel oder Kalebasse in den Wappen des derzeitigen Bischofs und seines Vorgängers wie auch des Bistums, 123 knüpfen an eine alte Tradition an. Görlitz lag an einer bedeutenden Ost- Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 73 120 B ECKER 11.2. 121 Vgl. zuletzt Martin D ALLMEIER , Die habsburgische kaiserliche Reichspost unter dem fürstlichen Haus Thurn und Taxis, in: Archiv für deutsche Postgeschichte 1990 S. 13ff. und Gottfried N ORTH , Der Brief Maximilians I. an die Stadt Speyer, in: ebd. S. 10-12. 122 Vgl. H ERBERS , Via peregrinalis; zu den Geleitstraßen s. auch S CHAAB , Straßen S. 74ff. 123 Vgl. Wolfgang K RESAK , 100 Jahre St. Jakobus Görlitz 1900-2000. Görlitz 2000, besonders S. 3 und 44. <?page no="88"?> West-Handelsstraße und auf der Route deutscher, polnischer und osteuropäischer Pilger nach dem fernen Santiago de Compostela. Diese Pilger zogen über Erfurt - Marburg - Koblenz - Trier nach Westen oder - wahrscheinlicher, da näher - über Hof - Nürnberg - Rothenburg , welcher Weg sie in Speyer die heutige Pfalz betreten ließ. Die Pilger auf der Route Nürnberg - Rothenburg - Speyer setzten nicht selten ihren Weg in westliche Richtung nach Metz und auf die nördlichen Pilgerstraßen hin fort (Routen D und E). In Verbindung mit der östlichen Nord-Süd- Route (Route I), die durch Speyer führte, entstand somit ein Pilgerstraßenkreuz. 124 5 Die Nord-Süd-Pilgerwege 5.1 Das Rheinhessische Andreaskreuz Die von Mainz ausgehende Gebirgsrand-Pilgerroute (II) kreuzte im rheinhessischen Hügelland eine direkte Verbindung von Bingen nach Worms. Diese ließ Mainz links liegen und bedeutete vor allem für die Aachen-Pilger, besonders aus Ungarn, eine erhebliche Verkürzung. Der Weg führte fast geradlinig von Bingen mit der Rochuskapelle über den allerdings erst zu 1720 belegten Jakobsberg, 125 über Gau-Bickelheim, Armsheim und Spiesheim nach Biebelnheim mit einem Pilgerhaus, 126 kreuzte in Gau-Odernheim und bei dem Prämonstratenserinnenkloster Gommersheim, das sich der Pilger- und Krankenpflege verschrieben hatte, 127 die noch darzustellende Nord-Süd-Route II. Von hier aus wurde der Rhein-Hochufer-Pilgerweg (I) über Dittelsheim mit einer südländischen Kirche 128 und Heßloch mit einem Spital 129 bei Bechtheim 130 , selbst ein Wallfahrtsort von regionaler Bedeutung, sehr bald erreicht. 74 Karl-Heinz Debus 124 Ähnlich kann man auch in Mainz, wo die Route Frankfurt - Saarbrücken (Route B) die östliche Nord-Süd-Route (Route I) kreuzt, und in Koblenz, wohl auch in Straßburg von einem solchen Pilgerstraßenkreuz sprechen. 125 Vgl. Karl Johann B RILMAYER , Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Gießen 1905 S. 230. 126 S.u. Kap. 5.5. 127 Hierzu s. ebd. 128 Hinweis auf die Verbindung mit einem Pilgerweg bei S ALTIN 149/ 34, vgl. auch Guntersblum, Alsheim und Speyer, St. Jakob sowie Worms, St. Paul. 129 Zu dieser Strecke und deren Verlängerung bis Worms vgl. den Versuch des CJD (s.o. Anm. 3), sie im Gelände zu markieren, was, bedingt durch die Flurbereinigung, nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereitet. 130 S.u. Route I. <?page no="89"?> Diese erhebliche Wegverkürzung bildete im Zusammenhang mit der Linienführung der Route II ein X, das ich als das rheinhessische Andreaskreuz bezeichnen möchte. 5.2 Nord-Süd-Route I (von Bingen/ Mainz bis Speyer) Wer von Mainz aus dem Hochufer des Rheins folgte, strebte über Oppenheim mit einem auch kunsthistorisch interessanten Gutleuthaus, wo der Pilger die Erzdiözese Mainz verließ und das Bistum Worms betrat, über Guntersblum und Alsheim, beide wiederum mit einer Kirche südländischen Typs, 131 ebenfalls den Pilgerfahrtsort Bechtheim an. 132 Bechtheim gehörte im Mittelalter zunächst dem Bistum Lüttich, 133 sodann den Augustiner-Chorherren von Mont-Cornillon bei Lüttich, 134 die bis 1586 das Patronatsrecht an der nach dem Lütticher Bischof und Märtyrer Lambert benannten Bechtheimer Kirche ausübten, 135 die im 12. Jahrhundert wohl unter Bischof Heinrich von Lüttich (1145-1164) durch einen den Wallfahrtsbedürfnissen entsprechenden großen Neubau ersetzt wurde. 136 In dieser Basilika sind auf einer Wandmalerei Heilige dargestellt, darunter Maria Magdalena. Ferner erinnert die zu 1392 erstmals belegte Flurbezeichnung an dem bilgerim phade - Pilgerpfad 137 an den Pilgerweg ebenso wie ein Jakobsbrünnchen 138 speziell an die Pilger ins ferne Santiago. Die Pilger verließen Bechtheim nach Süden, um zwischen den Orten West- und Osthofen, in deren Gemarkungen jeweils auch eine Bezeichnung Pilgerpfad vorkommt, für Westhofen seit 1400, 139 für Osthofen Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 75 131 Hinweis zur Verbindung dieses Phänomens mit einer Pilgerstraße bei S ALTIN 149/ 34. 132 Zur Bechtheimer Kirchengeschichte s. Helmut H ARTMANN , Kirchliche Geschichte Bechtheims. In: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 53 (1986) 265ff., hier S. 272, vgl. auch Heinrich Matthias B ENDER , Bechtheim, Kleinod des Wonnegaues, seine Geschichte. 1976. 133 Karl Heinz D EBUS , Früher kirchlicher Fernbesitz, in: Pfalzatlas Karte 70 und Textband 2. 1975 S. 881f. unter C1 (Lüttich, Bistum). 134 D EBUS , Pfalzatlas, Karte 70 und Textband 2, 881f. unter C4 (Mont-Cornillon). 135 Hans H UTH , Die romanische Basilika zu Bechtheim bei Worms, in: Der Wormsgau 4 (1959/ 60) S. 16ff., vgl. auch ebd. S. 86. 136 H ARTMANN , Bechtheim S. 272. Zum Kirchenbau und zu dessen Datierung s. auch H UTH S. 20ff. 137 T HIEBES S. 43, J ÖCKLE , Jakobspilger S. 11f., s. auch B ENDER S. 805 mit urkundlichen Belegen zu 1392, 1485 und 1560 sowie 1602, 1607 und 1612. 138 H ARTMANN S. 272. 139 Flurname bilgrampfade 1400 belegt, Lambert Graf von O BERNDORFF , Regesten der Pfalzgrafen am Rhein 1214-1508 Bd. 2: 1400-1410. Innsbruck 1912-1939 S. 4 Nr. 37. <?page no="90"?> seit 1622 belegt, 140 über Abenheim 141 auf Worms zuzueilen. In Osthofen besteht der Pfad nicht mehr, er wird im Südwesten der Gemarkung angenommen. 142 In der Westhofener Gemarkung gab es zudem eine Pilgerwiese mit einem Pilgerbrunnen. 143 In Worms fand der Pilger neben den sozialen Einrichtungen wie Hospital und Herberge auch eine Jodokuskapelle vor; 144 ebenso gab es ein Gutleut- oder Leprosenhaus bei Worms. 145 Gleich hinter Worms zeigt sich in der Gemarkung der schon pfälzischen Gemeinde Bobenheim mit der Jakobuskapelle in der Wüstung Littersheim, heute Littersheimer Hof oder Nonnenhof, ein erneuter Hinweis auf den Pilgerweg. 146 Südlich von Bobenheim schließt sich Roxheim an mit seiner Maria Magdalena geweihten Kirche 147 und einem früher so bezeichneten Pilgerpfad. 148 Durch den Roxheimer Wald im Westen der Gemarkung 149 erreichte der Pilger die frühere Klosterstadt Frankenthal. Dort heißt eine moderne Kirche St. Jakobus am Pilgerpfad gemäß einer Flurbezeichnung im heutigen Siedlungsgebiet. 150 Zumindest seit dem 18. Jahrhundert gab es nahebei eine Jakobus-Kapelle, 151 was als Hinweis auf den St. Jakobus-Pilgerweg gewertet werden kann. Mögen nach neuester An- 76 Karl-Heinz Debus 140 Heinrich B ECKENBACH , Die Flurnamen der Gemarkung Osthofen. Ein Beitrag zur Orts- und Heimatgeschichte, in: Der Wormsgau 3 (1957) 373, vgl. auch G RÜNEN - WALD , Pilgerpfade S. 2f. 141 1299 scheiterte der Versuch der Grafen von Nassau, in Abenheim ein Tochterkloster des Zisterzienserinnenklosters Kirschgarten bei Worms - dessen Äbtissin zu dieser Zeit aus dem Hause Nassau stammte - zu gründen; vgl. LA Speyer, F7 (Gatterer-Apparat) Nr. 291 vom 31. März 1299. 142 B ECKENBACH , Flurnamen S. 373. 143 S CHWAHN , Mitteilung in: Vom Rhein, Monatsschrift des Wormser Altertumsvereins 3 (1904) S. 3f.; vgl. ferner B ECKENBACH , Flurnamen S. 373. 144 Urkunden von 1299 April 1 und 27, StA Darmstadt, B15 Nr. 26 (2. Ausfertigung ebda. Nr. 1177) und Nr. 28, Friedrich B ATTENBERG , Dalberger Urkunden. Regesten zu den Urkunden der Kämmerer von Worms genannt von Dalberg und der Freiherren von Dalberg 1165-1843 Bd. 1. Darmstadt 1981 S. 8 Nr. 28 und 30. 145 Ernst C HRISTMANN , Auf den Spuren der Geißel des Mittelalters, in: Pälzer Feierowend 4/ 32 vom 9.8.1952 S. 4. - Beiläufig sei auf die Stiftskirche von St. Paul verwiesen mit einem südländischen Gepräge. 146 W EINMANN S. 39, vgl. auch Georg B IUNDO , Bobenheim-Roxheim. Aus der Geschichte einer Großgemeinde. Bobenheim-Roxheim 1973 S. 411. 147 B IUNDO S. 103ff. 148 Ebd. S. 411. 149 Wissenschaft/ Volksbildung, Wissenschaftliche Beilage zur Neuen Pfälzischen Landeszeitung 1924/ 1 vom 20. Februar 1924. 150 W EINMANN S. 38f., T HIEBES S. 43, vgl. auch Handbuch des Bistums Speyer. Speyer 1961 S. 167ff. 151 Johann K RAUS , Die ehemalige St. Jakobs-Kapelle bei Frankenthal, in: Monatsschrift des Frankenthaler Altertumsvereins 3 (1895) Heft 7 S. 31f. und W EINMANN S. 39. <?page no="91"?> sicht die seit dem 18. Jahrhundert aufkommenden Wallfahrten zur Loreto-Kapelle in Oggersheim, heute Ludwigshafen-Oggersheim, denselben Weg genommen haben, so wird hiermit nicht die Existenz und Linienführung des mittelalterlichen Pilgerpfades widerlegt; denn beide dürften dem Hochufer des Rheins gefolgt sein. Hildenbrand betonte schon früh, daß der Frankenthaler „Pilgerpfad“ ein Überrest des großen rheinischen Pilgerpfades sei. In Großfrankenthal wurde 1119 ein Augustiner-Chorherrenstift und wohl gleichzeitig ein Spital gegründet, 152 das auf jeden Fall 1125 bei der Weihe der Klosterkirche St. Maria Magdalena schon bestand; 153 nach Kleinfrankenthal kamen 1125 ebenfalls Augustiner-Chorfrauen, 154 die sich wie die Chorherren besonders der Kranken und Durchreisenden annahmen. 155 Der Pilgerweg soll abseits der Heerstraße östlich an diesen Klöstern vorbeigeführt haben. 156 Erwartungsgemäß bestand in Frankenthal auch ein Pilgerhospiz 157 und ein Leprosenhaus. 158 Südlich von Frankenthal will Grünenwald den Pilgerweg über Studernheim nach Ruchheim, heute Stadtteile von Frankenthal bzw. Ludwigshafen, nachweisen. 159 Dieser Weg führte - dem Hochufer folgend - wohl über Oggersheim, wo es schon früh ein Leprosenhaus gab, 160 nach Ruchheim. Von dort ging der Pilgerweg, ebenfalls wie im folgenden nach Grünenwald, einerseits als Fußpfad über Mutterstadt 161 mit einem Leprosenhaus, über die Wüstung des sehr alten Hillensheim mit seinem nach Soissons verweisenden St.-Medard-Patrozinium, 162 über Einz- Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 77 152 LA Speyer, F7 (Gatterer-Apparat) Nr. 9. 153 Vgl. Franz Xaver R EMLING , Urkundliche Geschichte der ehemaligen Abteien und Klöster im jetzigen Rheinbayern 2. Neustadt 1836 S. 3ff. und Hermann I SSLE , Domus beatae Mariae Magdalenae in Maiori Franckendael (Frankenthal), in: Archives et Bibliothèques de Belgique numéro spécial 16: Monasticon Windeshemense, hg. v. Wilhelm K OHL , Ernest P ERSOONS und Anton G. W EILER , Teil 2: Deutsches Sprachgebiet. Brüssel 1977 S. 121ff., hier S. 133f., vgl. auch Paul W ARMBRUNN , Frankenthal (Großfrankenthal), Augustinerchorherrenstift St. Maria Magdalena, in: Karl Heinz DEBUS, Landesarchiv Speyer. Der Gatterer-Apparat, Speyer 1998 (= KulturStiftung der Länder. Patrimonia 119), S. 72ff. 154 Kirchweihe 1139, vgl. Franz Xaver R EMLING , Abteien und Klöster 2,79ff., hier S. 80; vgl. auch Paul W ARMBRUNN , Frankenthal (Kleinfrankenthal), Augustinerinnen St. Stephan, in: D EBUS , Gatterer-Apparat S. 75f. 155 So auch R EMLING ; Abteien und Klöster 2,79. 156 NN, in: Wissenschaft/ Volksbildung 1924/ 1 vom 20.2.1924. 157 W EINMANN 39. 158 Frdl. Mittlg. B ELKER . 159 G RÜNENWALD , Pilgerpfade S. 2. 160 Frdl. Mittlg. B ELKER . Ein weiteres Leprosenhaus benennt er für Oppau. 161 G RÜNENWALD , Pilgerpfade S. 2. 162 D EBUS , Pfalzatlas, Textband 1,879 Nr. 466 mit 1,890 Nr. 629. <?page no="92"?> keim, ebenfalls wüst, 163 und über das Pilgerbüschel mit dem Hartkirchlein an der Gemarkungsgrenze auf Schifferstadt zu, 164 andererseits aber wandte er sich nach Fußgönheim, wo in der seit 1253 belegten Jakobskirche 165 zu 1343 ein Jodokusaltar genannt wird; 166 von dort ging der Weg nach Dannstadt mit einem zwar erst im 18. Jahrhundert erwähnten, aber wohl schon für das Mittelalter anzunehmenden Jakobus-Nebenaltar, 167 links vorbei am benachbarten Böhl mit einem 1426 genannten Jodokus-Nebenaltar 168 und traf in Schifferstadt wieder auf den zuvor genannten Weg, der an der dort seit 1101 belegten, vielleicht sogar ins 10. Jahrhundert zurückgehenden Pfarrkirche mit dem 1255 erstmals erwähnten Patron St. Jakobus 169 vorbei nach Speyer führte. 170 5.3 Speyer als bedeutende Pilgerstadt Die Pilger, mit ihnen auch die Jakobus-Pilger, passierten im Norden vor den Stadttoren das Heilig-Grab-Kloster, das sich wohl auch der Pilger angenommen hat 171 und in Pilgerkreisen durchaus bekannt war. 172 Sie betraten die Stadt Speyer - wir folgen hier der genauen Wegbeschreibung bei Schultz 173 - durch das Weidentor. Gleich hinter diesem Tor lag das Kollegiatstift St. Guido, das nicht nur an gleichnamigen Altären eine ältere und eine jüngere Jodokus-Vikarie seit 1359 aufweist, 174 sondern auch eine vor 1396 dotierte St. Maria-Magdalena-Vikarie. 175 78 Karl-Heinz Debus 163 B ELKER S. 38. 164 G RÜNENWALD S. 2. Eine Jakobusstatue in der gleichnamigen Pfarrkirche ist abgebildet in J ÖCKLE , Jakobspilger S. 14. 165 Pilgerweg ist hier wohl der sogenannte Kirchweg, vgl. T HIEBES S. 43, Franz Xaver G LASSCHRÖDER , Urkunden zur pfälzischen Kirchengeschichte im Mittelalter, in Regestenform veröffentlicht. München-Freising 1903 S. 37f. Nr. 90. 166 G LASSCHRÖDER , Urkunden 37f. Nr. 90 (zu 1343), s. auch R. E NGELS , Landdekanat Böhl S. 61ff. 167 R. E NGELS , Landdekanat Böhl S. 61ff. 168 Ebd. 169 Handbuch des Bistums Speyer S. 432f., W EINMANN S. 39, T HIEBES S. 43, R. Engels, Landkapitel Böhl S. 256ff. 170 Daß es in dem etwas seitab gelegenen Otterstadt eine Bruderschaft der elenden Kerze gegeben haben soll, die sich um die Beerdigung verstorbener Fremder bekümmerte (so S ALTIN 149/ 35) sei nur am Rande erwähnt. 171 R ÖTTGER S. 522. 172 J ÖCKLE , Jakobspilger S. 12. 173 Karl S CHULTZ S. 14. 174 G LASSCHRÖDER , Urkunden S. 49 Nr. 116, vgl. Karl Heinz D EBUS , Studien zur Personenstruktur des Stiftes St. Guido in Speyer, Mainz 1984 (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 51), S. 24. 175 D EBUS , St. Guido S. 25, vgl. auch Franz Xaver R EMLING , Geschichte der Bischöfe zu Speyer 1. Mainz 1852 S. 126. <?page no="93"?> Der Weg mündete in die bis in die Neuzeit so benannte Jakobsgasse 176 und führte geradewegs zur mittelalterlichen, nach 1250 erbauten Kirche St. Jakobus, 177 die wohl vor 1296 zur Pfarrkirche erhoben wurde; 178 als Vorgängerbau ist zu 1180 eine gleichnamige Kapelle belegt, die wahrscheinlich schon eher bestand. 179 Die Kirche, die wohl an die zweite Generation der Pilgerstraßenkirchen erinnerte, behielt trotz gotisierender Veränderungen ihren südliche Einflüsse zeigenden Turm bei; sie wurde 1689 zerstört 180 und 1836 abgetragen, auf dem Platz entstand die Speyerer Synagoge. 181 Der gegenüberliegende Jakobsbrunnen mit einer Reliefdarstellung des Jakobskampfes aus dem 19. Jahrhundert steht ohne Bezug zu der im Mittelalter nahebei gelegenen Jakobuskirche. Aus dieser Kirche ist lediglich ein Säulenstumpf erhalten, der heute im Museum verwahrt wird. 182 Auf die dort ebenfalls aufbewahrte Skulptur einer Pilgerkrönung wurde bereits eingegangen wie auch auf die Hausfigur des heiligen Jodokus, 183 die durch eine Inschrift eindeutig als sant Jost ausgegeben und auf 1462 datiert ist, 184 nach Schultz eine der ältesten Darstellungen dieses bekannten Volksheiligen. 185 Die Figur stand in unmittelbarer Nähe des mittelalterlichen Stifts St. German, aus dessen Kirche ebenfalls ein Jodokus-Altar überliefert ist. 186 Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 79 176 Vgl. Konrad E NGELHARDT , Aus vergangenen Tagen. Geschichtliche Erinnerungen an der Hand der Speyerer Flur- und Gassennamen. Speyer 1910 S. 17. 177 R ÖTTGER S. 523f. (mit Abbildung), T HIEBES S. 41ff. 178 Alfred H ILGARD , Urkunden zur Geschichte der Stadt Speyer. Straßburg 1885 S. 148 Nr. 188. 179 R ÖTTGER S. 523f. 180 Abbildung ebd. S. 524f. (zwei Ansichten von 1800 und 1787), vgl. auch S ALTIN 149/ 34. 181 Die Synagoge hatte von 1837 bis zur sogenannten Reichskristallnacht 1938 Bestand. Zur Synagoge vgl. die Beiträge in Franz Xaver P ORTENLÄNGER , Geschichte der Juden in Speyer, Speyer 1981 (= Beiträge zur Speyerer Stadtgeschichte 6), besonders Clemens J ÖCKLE , Die Synagoge in Speyer - Zentrum der jüdischen Kultusgemeinde im 19. Jahrhundert S. 103ff., in der demnächst erscheinenden Neuauflage S. 187ff. 182 Speyer, Historisches Museum der Pfalz, HM O/ 941. 183 S.o. Kap. 3.1. 184 R ÖTTGER S. 668-670, Abb. S. 669. 185 S CHULTZ S. 15. 186 R EMLING , Geschichte S. 125f., Karlwerner K AISER , Das Kloster St. German vor Speyer (= Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 31) Speyer 1955 S. 53, Hermann I SSLE , Das Stift St. German vor Speyer, Mainz 1974 (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 20). <?page no="94"?> Es bleibt nach wie vor offen, ob die Pilgerkrönung aus der Jakobskirche oder aus dem Dom stammt. 187 Diese Darstellung wurde lange Zeit fälschlich für einen segnenden Christus gehalten, bis Schultz sie erstmals richtig deutete. Er brachte sie mit der jüngeren Darstellung in Villingen in Verbindung, die Jakobus nicht mehr stehend, wie noch in Speyer, sondern thronend wiedergibt. 188 Bei der Jakobskirche bestanden vermutlich eine Klause und eine gleichnamige Herberge. Im Stadtarchiv Speyer wird ein Siegel der Jakobusbruderschaft von 1418 verwahrt, das den heiligen Pilgerapostel mit Muschelhut und Pilgerstab zeigt, ein weiteres von 1516 gibt lediglich zwei gekreuzte Pilgerstäbe, belegt mit einer Muschel, wieder. 189 Jakobusbruderschaften waren nur in sehr wenig Fällen eine Fraternität von ehemaligen Jakobuspilgern oder von Menschen, die Hospize für (Jakobus-)Pilger unterhielten. 190 In der Pfalz sind bisher nur wenige mittelalterliche Jakobusbruderschaften nachgewiesen. 191 Die Deutschordensniederlassung in Speyer war ebenfalls für das Pilgerwesen von Bedeutung. Wie auch in Einsiedel bei Kaiserslautern 192 unterhielt die Komturei Speyer ein Hospital, das den Deutschherren bei ihrer Ansiedlung vom Ortsbischof Konrad von Scharfeneck in ziemlich schlechtem Zustand übergeben worden war. 193 Gleichzeitig wurde ihnen zur Auflage gemacht, stets zwölf Arme zu unterhalten. 194 Da die Grenze zwischen Kranken, Armen und Elenden (Fremden, Pilgern) stets fließend war, fanden auch immer wieder Pilger im Deutschordensspital bei der Stephanskirche im Süden der Stadt ein Unterkommen. 195 80 Karl-Heinz Debus 187 Vgl. T HIEBES S. 41ff. mit weiterer Literatur zu dieser Frage. 188 S CHULTZ S. 14, T HIEBES S. 41ff. 189 StadtA Speyer, 1 U 478. 190 K. T REMP -U TZ , Jakobsbruderschaft, in: Lexikon des Mittelalters 5. München-Zürich 1991 Sp. 297f. und Ludwig S CHMUGGE S. 27; vgl. auch oben Kap. 4.2. 191 Weitere Jakobsbruderschaften in Barbelroth, Germersheim, in Landau an der Stiftskirche und in Rhodt unter Rietburg, vgl. S ALTIN 148/ 35. 192 S. Kap. 6.4. 193 R EMLING , Abteien und Klöster 2,317f. und Peter M ORAW , Klöster und Stifte im Mittelalter, in: Pfalzatlas Karte Nr. 71 und Textband 1. Speyer 1964 S. 29 Nr. 125, vgl. auch S ALTIN 149/ 334. 194 Klaus M ILITZER , Von Akkon zur Marienburg. Verfassung, Verwaltung und Sozialstruktur des Deutschen Ordens 1190-1309, Marburg 1999 (= Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 56, auch: = Veröffentlichungen der internationalen historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 9) S. 320. 195 1148 wird in Speyer bei der Ägidienkirche ein Spital genannt, das danach nicht mehr erwähnt wird; vielleicht ist es ein Vorgänger des schon vor 1220 bestehenden Spitals bei St. Stephan (vorsalischer Dom). Dieses heißt 1294 altes Spital im Gegensatz zu dem wohl 1259 gegründeten späteren Bürgerspital (Georgenspital), das neues Spital genannt wird (hospitali veteri - novum hospitale), s. D OLL , Speyer, in: Städtebuch <?page no="95"?> Die Pilger verließen Speyer nach Süden etwa beim Allerheiligenstift, das einen Jodokus-Nebenaltar hatte, der 1295 belegt ist. 196 Der Weg führte außerhalb der Stadt am Gutleuthaus vorbei. 197 Diesen Weg nahmen die Rompilger, auch, wie wir sehen werden, die Pilger nach Santiago de Compostela, während die Jerusalempilger, wie schon dargelegt, bei der Rheinhäuser Fähre über den Rhein setzten. Speyer war das ganze Mittelalter hindurch ein berühmter Wallfahrtsort; das Marienbild im Dom wurde wohl von allen durchreisenden Pilgern verehrt. Zusätzlich gab es im Dom einen Jodokus-, 198 einen Maria-Magdalenen- und auch einen Philippus und Jakobus-Altar, 199 wobei dem Pilger die Unterscheidung zwischen Jacobus maior und minor - an den wir im Zusammenhang mit Philippus zu denken haben - wohl bewusst, aber von untergeordneter Bedeutung war, wo doch beide Apostel in Compostela anwesend waren, Jacobus maior in seiner Tumba und das Haupt des Jacobus minor in einem Kopfreliquiar. 200 Wer sich von Norden der Stadt Speyer näherte, nahm möglicherweise auch die Abkürzung über die heutige Armbrust-, Johannes- und Himmelsgasse zum Dom. Am Weg dorthin lagen die Elendsherberge 201 und das Georgenspital, 202 lag die Johanneskirche mit einem südländischen Turm 203 sowie - etwas abseits - das Reuerinnenkloster St. Maria Magdalena. 204 Wir können zusammenfassen: Speyer war ein berühmter Wallfahrtsort, es lag auf dem östlichen oder Rheinhochufer-Nord-Süd-Pilgerweg, Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 81 S. 410 unter 16a, zur Urkunde von 1293 s. Martin A RMGART , Reuerinnen- und Dominikanerinnenkloster Sankt Maria Magdalena überm Hasenpfuhl vor Speyer, Neustadt 1995-1997 (= Stiftung zur Förderung der Pfälzischen Geschichtsforschung Reihe A: Pfälzische Geschichtsquellen 1.1.) S. 69 Nr. 57, dort die Daten von Doll leicht korrigiert. Es ist nicht bekannt, ob sich das novum hospitale auch der Pilger angenommen hat. 196 BayrHStA München, Rheinpfälzer Urk. Nr. 1520. 197 R ÖTTGER S. 626. 198 In der Martinskapelle im Kreuzgang, s. Konrad VON B USCH - Franz Xaver G LAS - SCHRÖDER , Chorregel und jüngeres Seelbuch des alten Speierer Domkapitels 1. Speyer 1926 S. 197 und 2. Speier 1926 S.232 f. (Index), vgl. auch G LASSCHRÖDER , Urkunden 41 Nr. 97. Vgl. ferner Konrad VON B USCH - Franz Xaver G LASSCHRÖDER , Chorregel 1, 211 Anm. 3 (S. 212). 199 R EMLING , Geschichte 1,122, B USCH - G LASSCHRÖDER , Chorregel 2,232 f. (Index), G LASSCHRÖDER , Urkunden S. 41 Nr. 97. 200 Nach S ALTIN 149/ 35 erfuhr in Santiago die Kopfreliquie des Apostels Jakobus des Jüngeren dieselbe Verehrung wie der Körper des älteren Jakobus. Sowohl die historischen als auch die aktuellen Verhältnisse vor Ort wiedersprechen dem. 201 R ÖTTGER S. 627 mit Abbildung des heutigen Aussehens des Areals. 202 Ebd. S. 626. 203 Einen solchen Turm konnten wir schon an der Jakobskirche in Speyer und in Rheinhessen an den Kirchen in Alsheim, Dittelsheim, Guntersblum und Worms, St. Paul feststellen. 204 R ÖTTGER S. 458ff.; zu diesem Kloster vgl. auch die Urkundenedition von A RMGART , Sankt Maria Magdalena. <?page no="96"?> und von hier zweigte die Pilgerroute nach Jerusalem ab. Die über den örtlichen Bedarf hinausgehende Zahl an Hospitälern unterstreicht die Bedeutung als Pilgerstadt und Pilgerstraßenknotenpunkt ebenso wie die Jakobskirche, die Jakobsbruderschaft und die Zahl der Jakobus- und Jodokus-Altäre. 5.4 Nord-Süd-Route I (von Speyer bis Straßburg) Wir verlassen Speyer nach Süden, folgen dem Hochufer des Rheins und gelangen nach Germersheim mit einer um 1280 belegten Burgkapelle St. Jakobus, 205 später Pfarrkirche, 206 und vor allem mit einem Kloster des um die Mitte des 13. Jahrhunderts gegründeten Servitenordens, dem bei seiner Niederlassung in Germersheim 1356/ 60 von Pfalzgraf Ruprecht auch die Pfarrkirche anvertraut wurde. 207 Die Serviten widmeten sich der Pilgerfürsorge und unterhielten wohl auch das Hospital. 208 Nicht von ungefähr ist Hermann König oder Kuenig aus Vacha, der Verfasser des Pilgerreiseberichts von 1495, Servitenmönch. Für den Weg von Jakobuspilgern durch Germersheim ist auch eine Jakobusbruderschaft, die dort bestanden hat, ein wichtiges Indiz. 209 Von Germersheim weisen der Jodokus-Nebenaltar in der Kirche zu Bellheim 210 wie die Leprosenhäuser in Germersheim selbst und in Kandel, Hagenbach, Neuburg, Lauterburg, 211 Selz, Beinheim und Drusenheim, die Jakobuspatrozinien in Niederroedern, Schirrhoffen und Gries den weiteren Weg nach Straßburg. 212 Eine Präzisierung erfährt der Weg 82 Karl-Heinz Debus 205 R ÖDEL , Landdekanat Weyher S. 56ff. Nach Eva W ETZLER , Jakobspilgerpfad in der Pfalz. Speyer 1982, Ms., BA Speyer S. 3 ist das Jakobspatrozinium in Germersheim erstmals 1273 nachgewiesen. 206 Anton E CKARDT - Alexander Freiherr VON R EITZENSTEIN , Die Kunstdenkmäler der Pfalz 5 (= Die Kunstdenkmäler von Bayern V. 5: Beziksamt Germersheim) München 1937 S. 46ff., T HIEBES S. 43. 207 R EMLING , Abteien und Klöster 2,184, vgl. M ORAW S. 30 Nr. XXV und D EBUS , Gatterer-Apparat S. 106 Nr. 9.01. 208 Der älteste Beleg für ein Spital in Germersheim im Gatterer-Apparat datiert von 1573, sieben Jahre nach Auflösung des Klosters, LA Speyer, F7 (Gatterer-Apparat) Nr. 2871, doch dürfte feststehen, daß die Pfalzgrafen nur eine schon lange bestehende Einrichtung übernommen haben; im Gatterer-Apparat befinden sich 77 Urkunden bis 1708, LA Speyer, F7 (Gatterer-Apparat) Nr. 4038. 209 S ALTIN 149/ 34. 210 R. E NGELS , Landdekanat Herxheim S. 19ff. G LASSCHRÖDER , Urkunden S. 180f. Nr. 428. 211 Dort befindet sich in der Pfarrkirche ein Maria-Magdalena-Altar, s. D OLL (mit Unterstützung von A MMERICH ), Landdekanat Weißenburg S. 31 unter g. 212 Zum Elsaß s. Médard B ARTH , Handbuch der elsässischen Kirchen im Mittelalter. Strasbourg 1960. <?page no="97"?> noch auf pfälzischer Seite durch die Straßenbezeichnung Jakobspfad zwischen Büchelberg und Scheibenhardt. 213 Durch elsässische Patrozinienforschung könnte diese Strecke wohl noch genauer dargestellt werden, doch ist das im Rahmen der vorliegenden Abhandlung nicht möglich. 5.5 Nord-Süd-Route II (von Mainz über Landau nach Straßburg) Vor allem Pilger aus dem Norden und Nordosten, die, etwa von Frankfurt kommend, bei Mainz den Rhein überschritten und über Metz einen der Pilgerwege nördlich der Cevennen anstrebten, wandten sich gleich der Route II zu, auf der sie über Udenheim und Undenheim, jeweils mit einem Gutleut- oder Leprosenhaus - in Undenheim auch mit der Flurbezeichnung pilgerpfadt als Hinweis 214 - nach Biebelnheim mit seinem Pilgerspital 215 sowie nach Gau-Odernheim mit dem Prämonstratenserinnenkloster Gommersheim gelangten, das sich der Pilger- und Krankenpflege verschrieben hatte 216 und ein Pilgerspital 217 unterhielt. Die Nord-Süd- Route II führte weiter über Alzey, wo sich ebenfalls ein Gutleuthaus befand, 218 und Ilbesheim, wo es auf Gauersheim zu die Flurbezeichnung im Pilgermorgen gab, 219 nach Zell. Von dort ging ein Pilgerweg nach Westen über Kaiserslautern nach Sarreguemines (Saargemünd; Ost-West-Route C). Schon in Ilbesheim zogen manche Pilger mit denen, die von Mainz kamen, über Rockenhausen und Kusel nach Sarreguemines (Saargemünd; Ost-West-Route B). Andere Pilger benutzten die Route am Haardtrand entlang weiter nach Süden (Nord-Süd-Route II). In allen Fällen folgten die Pilger schon von Mainz an dem Verlauf alter Römerstraßen. In Zell, einer iroschottischen Gründung, 220 ist zu 1357 in der Stiftskirche ein Jodokus-Altar nachgewiesen. 221 Von dort können wir den Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 83 213 Frdl. Hinw. C ARL , Scheibenhardt. 214 Frdl. Mittlg. D OLCH . 215 S. die zahlreichen Erwähnungen des Pilger- und Krankenhauses Biebelnheim in LA Speyer, Best. F7 (Gatterer-Apparat), so z.B. Nr. 629 (1359.05.29; Pilgerhaus), 672-674 (jeweils 1363, die bilgerinen), 909 (1392, Pilgerspital), 979 (o.J., Pilgerspital) usw. bis Nr. 2810b (1563; Spital), insgesamt 27 Urkunden. 216 Zahlreiche Beurkundungen ebenfalls in LA Speyer, F7 (Gatterer-Apparat) ab Nr. 289, insgesamt 147 Urkunden. Zu Gommersheim vgl. auch D EBUS , Gatterer-Apparat S. 101 Nr. 8.03, vgl. auch ebd. S. 58. 217 LA Speyer, F7 (Gatterer-Apparat) Nr. 569 (1354.03.27). 218 Frdl. Hinw. B ELKER . 219 Frdl. Hinweise D OLCH und Z ENGLEIN . Sehr späte Belege hierzu 1779-1795 (LA Speyer, C14 alte Nr. 168). 220 Zur Gründungsgeschichte s. Peter M ORAW , Klöster und Stifte im Mittelalter, in: Der Pfalzatlas Karte 71 und Textband 1. Speyer 1964 S. 21 und ders., Das Stift St. Philipp zu Zell in der Pfalz. Heidelberg 1964. 221 T HIEBES S. 43, vgl. auch G LASSCHRÖDER , Urkunden S. 261 Nr. 640 (zu 1463). <?page no="98"?> Weg weiterverfolgen über Großbockenheim mit der Flurbezeichnung Pilgerpfad 222 nach Dirmstein mit einem Spital 223 oder Grünstadt, wo es ein Leprosenhaus gab. 224 Ein solches ist auch für Neuleiningen nachgewiesen, 225 und in unmittelbarer Nähe lag das Augustiner-Chorherrenstift Höningen 226 mit einer Friedhofs- und nachreformatorischen Pfarrkirche St. Jakob und wohl einem entsprechenden Altar in der Stiftskirche. Höningen besaß Patronats- und Inkorporationsrechte in verschiedenen Orten am Haardtrand, so in Großkarlbach mit einer Jakobuskirche, 227 Biedesheim mit einem Jakobusaltar, 228 Dackenheim und Weisenheim am Berg, ebenfalls mit einer Jakobuskirche. 229 Durch diese „Höninger“ Orte verlief wohl der Pilgerweg. In dem sich südlich anschließenden Bad Dürkheim befindet sich ein Spital, dessen Kapelle dem heiligen Jakobus geweiht war und 1352 belegt ist, und in der zu 1392 ein St. Jodokus geweihter Nebenaltar erwähnt wird. 230 Im Nachbarort Wachenheim gab es einen 1470, spätestens 1529 belegten Jodokus-Altar in der Bruder-Ludwig-Kapelle 231 und wie in Bad Dürkheim und in dem sich im Süden unmittelbar anschließenden Deidesheim ein Leprosenhaus. 232 Von Deidesheim ist es nur ein kurzer Weg nach Mußbach, wo wir auf die Flurbezeichnungen Jakobsmorgen 233 und Jakobspfad, 234 aber auch guthleuth Hauß (Leprosenhaus) stoßen, 235 wie es 1589 im Lagerbuch 84 Karl-Heinz Debus 222 Frdl. Mittlg. D OLCH (nach Lehrer B ÖSHENZ in Großbockenheim) und Z ENGLEIN . 223 LA Speyer, F7 (Gatterer-Apparat) Nr. 1518 (1452). 224 Frdl. Mittlg. B ELKER . 225 Desgl. 226 Hierzu s. Franz Xaver R EMLING , Abteien und Klöster 2,47ff., Karl Heinz D EBUS , Domus sancti Petri Apostoli in Hegene, in: Monasticon Windeshemense (1977, s. Anm. 153) S. 218ff. und ders., Regesten zur Geschichte des Augustiner-Chorherrenstifts Höningen, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 76 (1978) S. 21-127, 78 (1980) S. 133-180, 79 (1981) S. 107-154. 227 Handbuch des Bistums Speyer S. 172, Friedrich V ON W EECH , Das Wormser Synodale von 1496, in: ZGO 27 (1875) S. 310. 228 Ebd. S. 285. 229 Handbuch des Bistums Speyer S. 133, T HIEBES S. 43. 230 R. E NGELS , Landdekanat Böhl S. 34ff. 231 Ebd. S. 278ff. 232 Gültbuch des Landkapitels Weyher, nach C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. 233 So im Schuldbuch von 1740/ 79, vgl. GemA Mußbach, nach C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. 234 Friedrich B URKHARDT u.a., Das Seelbuch des Liebfrauenstifts zu Neustadt (= Schriftenreihe der Bezirksgruppe Neustadt im Historischen Verein der Pfalz II.1.) Speyer 1993 S. 248ff. Nr. 662 (zu 1398), hier S. 251f. (zwei Nennungen). 235 C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. <?page no="99"?> des dortigen Johanniterhauses angeführt wird. 236 In dem sich anschließenden Neustadt kehrt die Flurbezeichnung jacobes pfat wieder. 237 Neustadt hat nicht nur ein Spital in Branchweiler 238 und ein Leprosenhaus, 239 sondern auch eine dem heiligen Jodokus geweihte und um 1380 erwähnte Kernerkapelle mit gleichnamiger Altarpfründe. 240 Besonderer Verehrung erfreute sich der heilige Jakobus in dem sich anschließenden Hambach, dessen 1221 vom Hochstift Speyer an das dortige Domkapitel veräußerte Pfarrkirche 241 ihm geweiht war und deren Altarbild folglich den Pilgerheiligen darstellt wie auch ein weiteres Bild in der Sakristei, Zeichen einer lange lebendigen Tradition. 242 Das Nebenpatrozinium des Pestheiligen Rochus im benachbarten Maikammer stammt erst aus dem 17. Jahrhundert und kann deswegen nicht herangezogen werden. 243 Von Hambach nach Maikammer kam der Pilger durch Diedesfeld, wo zu 1613 an der Gemarkungsgrenze am Berghang ein Leprosenhaus erwähnt wird. 244 In den südlich anschließenden Orten finden wir ebenfalls Hinweise auf einen Jakobsweg, so in Rhodt unter Rietburg mit einer früheren Jakobusbruderschaft 245 und in Edenkoben mit einem Leprosenhaus; 246 in Edesheim gab es ein Spital, 247 und ein Altarbild zeigt den heiligen Jodokus, 248 in Hainfeld sind die Heiligen Jakobus und Jodokus am Hochaltar zu sehen. 249 So gelangen wir über Nußdorf mit den unter Umständen jüngeren Bezeichnungen Jakobsbach und Jakobsbrunnen 250 nach Landau. Obwohl erst im 13. Jahrhundert gegründet, ist Landau ein bedeutender Ort auf dem Pilgerweg mit einem Leprosenhaus, 251 einem Hospital 252 Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 85 236 Ebd.; vgl. auch LA Speyer, F2 Nr. 344. 237 Friedrich B URKHARDT u.a., Seelbuch Neustadt 1,145 Nr. 386. 238 LA Speyer, F7 (Gatterer-Apparat) Nr. 660 (1361), 1253 (1430). 239 C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S.4. 240 R. E NGELS , Landdekanat Böhl S. 175. 241 Franz Xaver R EMLING , Urkundenbuch zur Geschichte der Bischöfe zu Speyer 1. Mainz 1852 S. 163f. Nr. 147. 242 M ÜLLER S. 327f., R ÖDEL , Landdekanat Weyher S. 76ff. 243 Johannes L EONHARDT , Chronik Maikammer-Alsterweiler. Maikammer 1928, erneut herausgegeben und erweitert von Johannes D AMM und Hans T REPTOW : Maikammer 1986 S. 203. 244 C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. 245 S ALTIN 149/ 35. 246 Frdl. Mittlg. B ELKER . 247 LA Speyer, F7 (Gatterer-Apparat) Nr. 1409 (1444). 248 M ÜLLER S. 325f. 249 Ebd. S. 327, R ÖDEL S. 73ff. 250 Frdl. Mittlg. Z ENGLEIN . 251 C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. 252 R. E NGELS , Landdekanat Herxheim S. 152. <?page no="100"?> bei der Augustiner-Chorherrenkirche (Steigerherren), dem späteren Kollegiatstift St. Marien, mit Nebenaltären zu Ehren sowohl des Apostels Jakobus des Älteren als auch des heiligen Jodokus. 253 An dieser Kirche bestand auch eine St. Jakobus-Bruderschaft. 254 In der jüngeren Kirche der Augustiner-Eremiten, der heutigen katholischen Kirche Heilig Kreuz, wurde 1962/ 64 bei Restaurierungsarbeiten an der nördlichen Seitenschiffwand die bereits erwähnte, in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstandene Darstellung der Pilgerkrönung entdeckt und wiederhergestellt 255 - Östlich von Landau liegt etwas abseits der Route Mörlheim, wo ebenfalls ein Jodokus-Altar angenommen wird. 256 Die nächste Station auf diesem Pilgerweg am Gebirgsrand entlang ist Klingenmünster, in dessen Gemarkung sowohl eine Jakobusals auch eine Maria-Magdalena-Kapelle nachgewiesen sind, die eine seit 1234, die andere seit 1364. 257 Der Weg führte weiter über Bergzabern mit einem Leprosenhaus 258 und über Dernbach mit einer seit dem 13. Jahrhundert belegten Kapelle, seit 1415 Pfarrkirche St. Jost oder St. Jodokus, 259 nach Weißenburg mit einigen Maria-Magdalenen-Altären und mit einem Jodokus-Altar in der Johannes-Evangelist-Pfarrkirche. 260 Von Weißenburg führte der Weg über Riedseltz mit einem Jakobus-Patrozinium, Hagenau mit mehreren „Pilger-Indizien“ und Gries, wiederum mit einer Jakobus geweihten Pfarrkirche, 261 um sich vor Straßburg mit der zuvor beschriebenen Rhein-Route (I) zu vereinen. 5.6 Nord-Süd-Route III (von Trier bis Metz) Zu diesen beiden Nord-Süd-Linien gesellt sich außerhalb der Pfalz eine weitere im Moseltal, die Trier, das von Koblenz aus angestrebt wurde 262 86 Karl-Heinz Debus 253 T HIEBES S. 42, R. E NGELS , Landdekanat Herxheim S, 151. Zur Kirche s. auch Anton E CKARDT , Die Kunstdenkmäler der Pfalz 2, München 1928 (= Die Kunstdenkmäler von Bayern V. 2: Stadt und Bezirksamt Landau) S. 27ff. 254 T HIEBES S. 42, S ALTIN 149/ 35. 255 T HIEBES S. 41ff. 256 So W ETZLER S. 4. 257 R. E NGELS , Landdekanat Herxheim S. 142ff. mit Belegstellen. 258 C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. Ein weiteres Leprosenhaus bestand nach B ELKER in Kapellen-Drusweiler, eine Jakobusbruderschaft in Barbelroth, beides Nachbarorte von Bad Bergzabern. Etwas entfernter befand sich ein weiteres Leprosenhaus in Billigheim. 259 W ETZLER S. 4. 260 D OLL (mit Unterstützung von A MMERICH ), Landdekanat Weißenburg S. 97ff., besonders S. 111ff. und S. 292. 261 B ARTH Sp. 454ff., 480ff. und 1122. 262 B ECKER 10.8. <?page no="101"?> und mit seinem Apostelgrab selbst neben Aachen einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte der Rheinlande und darüber hinaus war, 263 mit Metz verband. Die Jakobuspatrozinien für die heutige Diözese Metz konzentrieren sich zu einem Teil im Moseltal, zu einem größeren Teil auf einer Linie, auf die ich noch zurückkommen werde. Ich nenne für das Moseltal die Orte Sentzich, Petite-Hettange, Nilvange und Hagondange. 264 6 Die Ost-West-Verbindungen 6.1 Ost-West-Route A (von Bingen über Rockenhausen nach Lohnsfeld) Zwischen den Leiterholmen der drei besprochenen Nord-Süd-Routen sind fünf Sprossen auszumachen, die in ost-westlicher oder nordostsüdwestlicher Richtung verlaufen. Deren nördlichste nimmt von Bingen mit der Rochuskapelle ihren Ausgang und führt über Alsenz mit einer Flurbezeichnung guteleuthaus 265 nach Obermoschel, wo ebenfalls wie auch in Odernheim am Glan und in Meisenheim ein Gutleuthaus stand. 266 Diese Pilgerroute vereint sich in Rockenhausen mit einer zweiten, bedeutenderen Ost-West-Route (B), die von Mainz ihren Ausgang nimmt und bis Ilbesheim mit der westlichen Nord-Süd-Route (II) identisch ist. Mancher Pilger zog aber wohl von Rockenhausen weiter der Alsenz entlang nach Süden über Winnweiler, wo es eine Jakobsstraße gibt, 267 nach Lohnsfeld; dort traf er auf andere Pilger, die von Zell her kamen (Route C). 6.2 Ost-West-Route B (von Mainz über Rockenhausen nach Sarreguemines) Die Pilger umgingen das Donnersbergmassiv im Norden oder Süden. Von Ilbesheim führte eine Route über Kirchheimbolanden mit einem Leprosenhaus 268 und möglicherweise über Marienthal mit einer Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 87 263 B ECKER 10,8. 264 Annuaire diocésain. Metz 1990 S. 53, 59, 61, 65 und 69 zusammen mit dem alphabetischen Index. 265 C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. 266 Frdl. Mittlg. B ELKER , für Odernheim s. auch C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. 267 Frdl. Mittlg. Z ENGLEIN . 268 Ebd. <?page no="102"?> Jakobsstraße 269 nach Rockenhausen, wo die Route A aufgenommen wurde. Ob die Pilger auch den Weg über die Höhen des Donnersbergs nahmen, ist sehr fraglich, 270 wiewohl dort eine Eremitenkapelle St. Jakob stand, die 1214 in den Besitz des Heilig-Grab-Klosters in Speyer gelangt war, 1337 mit großen Privilegien ausgestattet und dadurch selbst Wallfahrtsziel wurde und 1371 in den Besitz der sich dort niederlassenden Paulinermönche überging. 271 Die im Südosten zu Füßen des Donnersbergs gelegene Ortschaft Jakobsweiler darf nicht mit dem Pilgerwesen in Verbindung gebracht werden; leitet sich doch der Name über Jaxweiler und Cyrijaksweiler von Cyriakusweiler ab. 272 In Dörnbach, heute Stadtteil von Rockenhausen, wird ebenso eine Jakobuskirche angenommen 273 wie in dem westlich angrenzenden Dörrmoschel. Die weitere Strecke markiert eine Jakobuskapelle in dem bei Reipoltskirchen lokalisierten Ingweiler. In Wegesnähe befanden sich Leprosenhäuser in Lauterecken, Wolfstein und Kusel und auf der Gemarkungsgrenze zwischen Rutsweiler und Theisbergstegen (1585/ 88). 274 Zudem gab es in Wolfstein ein Patrozinium der Apostel Philippus und Jakobus minor. 275 Westlich von Wolfstein liegen Ulmet, Bedesbach und Gumbsweiler, auf deren Gemarkungsgrenze es ein biljehaus (Pilgerhaus) und einen biljewald (Pilgerwald) gibt, beide an der dort entlangführenden Hochstraße gelegen. 276 Der Weg passierte beim Remigiusberg, selbst auch Wallfahrtsort, und ging in südwestlicher Richtung weiter. Eine Joobsheh oder Jakobshöh zwischen Langenbach und Herschweiler 277 zeigt uns den Weg, der bei Breitenbach mit seiner Jakobus-Pfarrkirche 278 die Pfalz verläßt. 88 Karl-Heinz Debus 269 Hier sind der Straßenname oder eine für diese namengebende Flurbezeichnung möglicherweise vom Paulinerkloster St. Jakob auf dem Donnersberg abgeleitet (s. auch unten). 270 Vgl. aber H OFFMANN , Zur Deutung einiger aus Kirchennamen entstandenen Siedlungen, in: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte 17 (1926) S. 53 und W ETZLER S. 5. 271 Vgl. R EMLING , Abteien und Klöster 2, S. 175f. mit 2,374ff. Nr. 69ff. 272 Ernst C HRISTMANN , Siedlungsnamen der Pfalz. Speyer 1952 S. 293f. Die Ableitung von Jakobus noch bei W ETZLER S. 4. 273 Der Christliche Pilger 1890/ 29 vom 20.7.1890 S. 227. 274 C HRISTMANN , Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. C HRISTMANN nennt ebda. noch weitere Leprosenhäuser, die hier Koten oder Kotten heißen, in Rutsweiler, in Erdes- und Matzenbach, auch in Offenbach am Glan und in Oberweiler-Tiefenbach. 275 Handbuch des Bistums Speyer S. 284. 276 Frdl. Mittlg. D OLCH (nach Theodor Z INK , Beleg zu 1791), Z ENGLEIN in Bezug auf Pilgerfahrten zum Remigiusberg. 277 Desgl. 278 Handbuch des Bistums Speyer S. 210f.; dort wird die Römerstraße von Trier nach Worms gekreuzt, so W ETZLER S. 5. <?page no="103"?> Hier hatte schon Tilemann Stella 1564 in seiner Karte einen Pilgerborn eingetragen; die Stelle entspricht der heutigen Flurbezeichnung Pilgerwiesen. 279 Der Weg dürfte über Heiligenwald bei Neunkirchen, wo es eine Jakobstraße gibt, 280 Saarbrücken erreicht haben. Es ist davon auszugehen, daß sich die Pilger von dort Sarreguemines (Saargemünd) zuwandten, dessen Bedeutung für das Pilgerwesen noch untersucht werden müßte, und wo diese Straße in weitere Ost-West-Strecken (Route Db und Route E) einmündete. Zu erwähnen sind noch Leprosenhäuser in Neunkirchen und Saarbrücken wie auch in St. Johann, heute Ortsteil von Saarbrücken. 6.3 Ost-West-Route C (von Zell über Lohnsfeld nach Kaiserslautern) Eine zweite, fast parallel zu B verlaufende Route umging den Donnersberg im Süden. Sie nahm ihren Ausgang beim Stift Zell und verband die westliche Nord-Süd-Straße über Ramsen, wo es die Flurbezeichnung Jakobsdell 281 gibt, 282 über Münchweiler an der Alsenz, wo sich ein Leprosenhaus befand, 283 mit Lohnsfeld, das eine bereits 1190 belegte Pfarrkirche St. Jakobus besitzt, deren Patrozinium auf die 1602 erbaute Kapelle übertragen wurde. 284 Von hier ging der Weg über Höringen mit einem Leprosenhaus 285 und Otterberg, wo es eine Jakobsstraße gab, 286 nach Kaiserslautern, um sich dort mit einem anderen Pilgerweg (D) zu vereinen. Die geschilderten Pilgerwege A und C sind Abkürzungen zu dem bedeutenden Pilgerweg von Speyer über Kaiserslautern nach Sarreguemines (Saargemünd; Route D). Die beiden Orte wurden auch durch einen zweiten, südlicheren Pilgerweg miteinander verbunden (Route E). Diesen beiden Wegführungen werden wir uns nun abschließend zuwenden. Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 89 279 Tilemann S TELLA (1525-1589), Landesaufnahme der Ämter Zweibrücken und Kirkel des Herzogtums Zweibrücken 1564, Faksimile der Karten nach den Originalen in der Königlichen Bibliothek zu Stockholm, hg. vom Landesvermessungsamt Rheinland- Pfalz. Koblenz 1989 Tafel 1. Vgl. auch die Edition Tilemann S TELLA , Gründliche und warhafftige beschreibung der baider ambter Zweibrucken und Kirckel, wie dieselbige gelegen 1564, überarbeitet von Eginhard S CHARF . Zweibrücken 1993. 280 Frdl. Mittlg. Z ENGLEIN . 281 Desgl. 282 In Standenbühl nördlich von Ramsen wird zu 1731 ein Leprosenhaus erwähnt, C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. 283 Ebd. 284 Handbuch des Bistums Speyer S. 394. 285 C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. <?page no="104"?> 6.4 Ost-West-Route D (von Speyer über Kaiserslautern nach Sarreguemines) Der nördlichere dieser beiden Ost-West-Pilgerwege führte von Speyer wohl über Dudenhofen mit einem Gangolfpatrozinium 287 und über Geinsheim, dessen Pfarrkirche einen Jodokus-Altar enthält, in dem Jakobus-Reliquien verwahrt sein sollen, 288 nach Kirrweiler, mit einem ebenfalls St. Jodokus geweihten Nebenaltar, 289 um danach Hambach anzustreben, das auf der Nord-Süd-Route liegt. 290 Von dort führt der noch heute viel begangene Jakobspfad, ein Höhenweg mit geringen Steigungen und Niveauunterschieden, über das Gebirge nach Lambrecht, wo es eine Pilgergaß gibt. 291 Es scheint einen zweiten Weg gegeben zu haben, der zur Vermeidung des Talgrundes von der Heller Hütte aus ins Elmsteiner Tal führte und entweder über Esthal oder über Elmstein mit der Flurbezeichnung auf dem Jakobsberg 292 und in beiden Fällen über Waldleiningen Kaiserslautern erreichte, wo es neben einem Leprosenhaus 293 ebenfalls eine Jakobsgasse gibt. 294 Zudem unterhielt das dortige Prämonstratenserkloster auch ein Spital. 295 Hier vereinte sich diese Route mit der zuvor beschriebenen aus Zell (Route C). 296 Wir können den Weg nach Westen weiterverfolgen: Zunächst wurde die Burg Hohenecken mit einer Schloßkapelle St. Rochus 297 und der benachbarten Flurbezeichnung Jakobskupp 298 erreicht. Der Weg führte 90 Karl-Heinz Debus 286 Frdl. Mittlg. Z ENGLEIN . 287 M ÜLLER S. 325. 288 Ebda. S. 326, R ÖDEL , Landdekanat Weyher S. 53ff. 289 M ÜLLER S. 329, R ÖDEL , Landdekanat Weyher S. 98ff. 290 W ETZLER S. 3 läßt die Strecke nach Hambach erst in Germersheim abzweigen. 291 LA Speyer, F5 Nr. 279 S. 416. 292 Frdl. Mittlg. Z ENGLEIN . 293 C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. 294 Theodor Z INK , Kaiserslautern in Vergangenheit und Gegenwart S. 266; Die Nennung eines Jakobsgartens in einer Kaiserslauterer Stadtrechnung von 1852/ 53 muß kein Indiz für einen Pilgerweg nach Santiago de Compostela durch Kaiserslautern sein, so auch Z ENGLEIN . 295 Vgl. z.B. LA Speyer, F7 (Gatterer-Apparat) Nr. 218 (1286), 220 (1287), 289 (1299), 645 (1360), 904 (1391) usw. Zu den Prämonstratensern s. Peter K UNZ , Kaiserslautern, Prämonstratenser St. Marien und St. Martin, in: D EBUS , Gatterer-Apparat S. 104ff. Nr. 8.05; vgl. auch LA Speyer, Best. F8 vorl. Nr. 47.05 - 48.06 (zwölf Urkunden). 296 Der Weg der Jakobspilger führte weder durch Neustadt (sumpfiges Tal) noch über Johanniskreuz. Der erst im vergangenen Jahr ausgeschilderte Pfälzische Jakobsweg ist teilweise zu korrigieren. 297 Handbuch des Bistums Speyer S. 231. 298 Z ENGLEIN vermutet hier eine Bezeichnung nach einem Forstbediensteten. <?page no="105"?> sodann hinüber zum heutigen Einsiedler Hof, bis zur Französischen Revolution eine Deutschordenskommende, die anfangs des 13. Jahrhunderts von den zuvor genannten Hoheneckern gegründet wurde und der, an einer alten Römerstraße gelegen, ein Hospital für Pilger und Reisende angeschlossen war. 299 Danach folgte der Pilgerweg dem Landstuhler Bruch an seinem Südrand in gemäßigter Höhe bis nach Landstuhl mit einem Jodokus-Altar 300 und mit einem Leprosenhaus, 301 sodann über Mühlbach mit einer 1496 erwähnten Maria-Magdalenen-Kapelle 302 und Vogelbach mit einer bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts zurückreichenden Filialkirche St. Philippus und Jakobus minor 303 und einem Leprosenhaus 304 und führte ins nahegelegene Homburg mit einem Leprosenhaus. 305 Dort scheint sich der Weg geteilt zu haben. Ein Weg (Route Da) ging wohl über Limbach mit der Flurbezeichnung auf den Pilgern 306 und St. Ingbert mit einem Leprosenhaus 307 nach Saarbrücken und stieß dort auf den Pilgerweg von Mainz (Route B), der andere (Route Db) erreichte über Ingweiler bei Wattweiler, über Blieskastel mit einem Leprosenhaus zwischen diesem Ort und Lautzkirchen 308 und über Frauenberg mit einer Jakobuskirche 309 Sarreguemines/ Saargemünd, um sich dort nicht nur mit der Pilgerstraße von Mainz (Route B), sondern auch mit einer ebenfalls von Speyer ausgehenden, aber südlicheren Route (Route E) zu vereinen. Nach Zweibrücken und in das etwas abseits vom Weg gelegene Benediktinerkloster Hornbach dürften sich die Pilger seltener verirrt haben. 310 Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 91 299 Zu Einsiedel vgl. R EMLING , Abteien und Klöster 2, S. 312ff. und M ORAW S. 28f. Nr. 123. Das Hospital wird 1253 erstmals erwähnt (hospitale), Martin A RMGART , Urkunden und Regesten der Deutschordenskommende Einsiedel Nr. 4 (Manuskript nahezu abgeschlossen). 300 V ON W EECH , Wormser Synodale, in: ZGO 27 (1875) S. 318. 301 C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. 302 Handbuch des Bistums Speyer S. 307f. 303 Ebda. S. 308. 304 C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. Ein weiteres Leprosenhaus befand sich im benachbarten Ramstein, s. ebda. 305 Frdl. Mittlg. B ELKER . 306 Frdl. Mittlg. Z ENGLEIN . 307 Frdl. Mittlg. B ELKER . 308 C HRISTMANN , in: Pälzer Feierowend 4/ 32 S. 4. 309 Annuaire dioecésain 1990 S. 87 zusammen mit dem Index. 310 Auch hier ist die im letzten Jahr vorgenommene Markierung zu korrigieren. <?page no="106"?> 6.5 Ost-West-Route E (von Speyer nach Landau nach Sarreguemines) Diese südlichere Route zweigte hinter Speyer, unter Verfolgung des Hochufers wohl bei Lingenfeld von der Rhein-Höhenstraße ab und erreichte Oberlustadt mit einer Jodokus und Maria Magdalena geweihten Kapelle. 311 Hier befand sich seit 1185 auch eine Niederlassung der Johanniter (Komturei Heimbach), die sich wie andere Ritterorden auch der Pilger annahmen. 312 Bald gelangte man nach Essingen mit einem Nebenaltar St. Jodokus und St. Wendelin, 313 und von dort nach Landau. 314 Dieser Weg war von Landau bis Klingenmünster mit dem bereits beschriebenen Nord-Süd-Pilgerweg am Gebirgsrand gleich, um dort nach Westen ins Klingbachtal abzuzweigen, wo man Birkenhördt mit einer 1470 zur Pfarrei erhobenen Jakobuskirche erreichte. 315 Zwei Dörfer westlich liegt Busenberg, wo die Pfarrkirche ebenfalls dem heiligen Jakobus geweiht ist und zumindest bis 1490 zurückgeht 316 und auch die Flurbezeichnung Jakobsbühl auf die Santiago-Pilger verweisen könnte. 317 Der Weg führte weiter nach Dahn mit einem Leprosenhaus 318 und dem markanten Jakobsfelsen. 319 Auf dem Weg nach Westen begegnen wir noch der Jakobus-Filialkirche in Kröppen. 320 Teilweise scheint der Weg über Stürzelbronn, Sitz eines Zisterzienserklosters, und Mouterhouse mit einer Jakobuskirche 321 verlaufen zu sein, bevor er sich in Sarreguemines (Saargemünd) mit dem zuvor beschriebenen Weg vereinte. Alle weiteren Jakobuspatrozinien in der Diözese Metz liegen auf einer Linie von Sarreguemines nach Metz, nämlich in Hunting, Maxstadt und - etwas abseits - in Kappelkinger, sodann in Viller und Luppy. 322 Von Metz führte der Weg nach Westen in Rich- 92 Karl-Heinz Debus 311 R ÖDEL , Landdekanat Weyher S. 134f. 312 R EMLING , Abteien und Klöster 2, S. 306ff., M ORAW S. 27 Nr. 96, vgl. auch S ALTIN 149/ 35. 313 S ALTIN 149/ 35. 314 Zu Landau s.o. Kap. 5.6. 315 R. E NGELS , Landdekanat Herxheim S. 33f. 316 Ebd. S. 36f., vgl. auch T HIEBES S. 43, s. auch G LASSCHRÖDER , Urkunden S. 187 Nr. 444, Handbuch des Bistums Speyer S. 121f. Vgl. auch Anton E CKARDT - Hans Erich K UBACH , Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Landkreises Pirmasens, Berlin- München 1957 (= Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz 2) S. 158ff. 317 Frdl. Mittlg. Z ENGLEIN . 318 Desgl. B ELKER . 319 Desgl. Z ENGLEIN . 320 Handbuch des Bistums Speyer S. 380. 321 Annuaire dioecésain 1990 S. 84 zusammen mit dem alphabetischen Index. 322 Ebd. S. 53, 68, 71, 82 und 86. <?page no="107"?> tung Paris oder Vézelay oder auch nach Süden in Richtung Dijon - Le Puy. 7 Schlußbemerkungen Der Verlauf der Wege unterstreicht die Bedeutung Speyers für das mittelalterliche Pilgerwesen. Romwie Jerusalempilger kamen durch Speyer, beide Wege trennten sich in Speyer, die Rückwege vereinten sich hier wieder. Die Jakobuspilger, welche die Rheinlinie benutzten, kamen ebenso durch Speyer, die von Franken, Böhmen, Mitteldeutschland und Polen zogen überwiegend durch Speyer, suchten von hier auf der Rheinlinie Einsiedeln und von dort Le Puy zu erreichen oder nahmen auf den von uns herausgearbeiteten West-Routen den Weg nach Metz, um von hier in Paris oder - wohl häufiger - in Vézelay die Niederstraße zu erreichen. Diese Darstellung der Pilgerwege, besonders auch der Ost-West-Pilgerwege wird untermauert durch die 1501 in Nürnberg gedruckte Pilgerkarte von Etzlaub. 323 Diese gesüdete Karte will ein Hilfsmittel für Rompilger sein, diente aber zumindest ebenso den Santiago-Pilgern. Wie denn sonst führten viele Wege in Paris zusammen? Hierauf erkennen wir deutlich die Bündelung von Wegen von Hof, Pilsen und Regensburg in Nürnberg, von dort zogen die Pilger über Rothenburg und Wimpfen nach Speyer, überquerten hier den Rhein und zogen westwärts über Kaiserslautern und Saarbrücken nach Metz, um von hier aus den Weg über Verdun, Rethel und Reims nach Paris zu nehmen. Erstaunlich genau sind die auf dieser Karte durch Punkte zwischen den einzelnen Orten markierten Entfernungen, so etwa je 9 Meilen, das sind etwa 67 km, zwischen Speyer und Kaiserslautern und zwischen Kaiserslautern und Saarbrücken, was nahezu den tatsächlichen Entfernungen entspricht. Außer den bisher bekannten, aber hier präzisierten, von Nord nach Süd verlaufenden Pilgerwegen im Rheintal, am Gebirgsrand der Haardt und im Moseltal konnten durch Indizien fünf Ost-West-Querpilgerwege für die Pfalz ausgemacht werden, von denen der Route Speyer - Kaiserslautern - Sarreguemines (Saargemünd) - Metz besondere Bedeutung zukommen dürfte. Ferner wurde die herausragende Bedeutung Speyers Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 93 323 Hans-Joachim B EHR , Franz-Josef H EYEN , Geschichte in Karten. Historische Ansichten aus den Rheinlanden und Westfalen. Düsseldorf 1985 S. 19 mit Abbildung (Ausschnitt) S. 20. <?page no="108"?> als Knotenpunkt deutlich gemacht. Es bleibt zu hoffen, daß durch diese Arbeit die Detailkenntnisse über Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen erweitert und vertieft wurden, was sich auch kartographisch niederschlagen könnte. 324 Am Schluß ist mit Herbers 325 zu fragen, ob der Weg und dessen konkreter Verlauf oder aber vielmehr die Wirkungen dieses Weges, die ja bis heute anhalten und auch am Interesse des Europarates abzulesen sind, nicht eigentlich die Faszination des Themas ausmachen. 94 Karl-Heinz Debus 324 Vgl. z.B. Wege der Jakobspilger. (Vorläufige) Karte, erarbeitet von der Expertenkommission des Europarates. Straßburg 1988, wiedergegeben bei K ANZ . 325 H ERBERS , Via peregrinalis S. 24. <?page no="109"?> Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 95 Abb. 3 Die Pilgerrouten in der Pfalz und in Rheinhessen. <?page no="110"?> 96 Karl-Heinz Debus Abb. 4 Das mittelalterliche Speyer. <?page no="111"?> Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen 97 Klöster Augustiner Serviten Deutschherren andere Kirchen- und Kapellenpatrozinien St. Jakobus St. Jodokus St. Rochus, St. Maria Magdalena u.a.m. Altäre, Bilder und Plastiken St. Jakobus St. Jodokus St. Rochus, St. Maria Magdalena u.a.m. Straßen und Wege Pilger- Jakob(u)s- Fluren, Wiesen, Wälder und Berge Pilger- Jakob(u)s- Herbergen und Hospitäler St. Jakobus andere Leprosenhäuser andere Besonderheiten Legende zu den Abbildungen 3 und 4. <?page no="113"?> Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum F RANZ M AIER Im Jahr 1901 erhielt das Historische Museum der Pfalz in Speyer einen wertvollen Neuzugang für seine Sammlungen in Gestalt einer mittelalterlichen Sandsteinskulptur. Zwei Jahre zuvor hatte der Regierungspräsident des bayerischen Kreises Pfalz und Vorstand des Historischen Vereins der Pfalz, Ludwig Freiherr von Welser, einen Museumsbauverein gegründet, der finanzielle Mittel sammeln sollte, um das Historische Museum, das bis dahin eher provisorisch in einem Teil der ehemaligen Städtischen Realschule untergebracht war, mit einem geeigneten Neubau auszustatten. Der Erfolg dieses neuen Museumsbauvereines war durchschlagend: Schon zu Anfang traten etwa 200 Pfälzer ein, in den ersten vier Jahren seines Bestehens wurden bereits 300.000 Mark gesammelt 1 . Außerdem verdankte das Museum der dadurch eingetretenen Erhöhung seines Bekanntheitsgrades eine Anzahl von Zugängen durch Schenkungen von Privatpersonen, die das Museum nicht nur finanziell unterstützen, sondern auch durch Kunstwerke aus dem eigenen Besitz bereichern wollten. Eine dieser Schenkungen war die erwähnte Skulptur, die das Museum durch Vermittlung von Lucas Grünenwald, eines Lehrers am Speyerer Gymnasium, der ehrenamtlich als Konservator tätig war, in seine Sammlungen einreihen konnte, eine Skulptur aus grauem Sandstein, 1,20 m hoch, 70 cm breit, 20 cm tief, auf der Rückseite unbearbeitet, unten mit Dübellöchern versehen, durch die sie einst auf einem erhöhten Unterbau vor einer Rückwand befestigt war (Abb. 5). Sie stammte aus dem Besitz einer Frau Anna Heckner, geb. Koch, aus Heiligenstein, einem Dorf 4 km südlich von Speyer 2 . Zunächst war man sich allerdings 1 Bernhard Hermann R ÖTTGER (Bearb.), Stadt und Bezirksamt Speyer (Die Kunstdenkmäler der Pfalz 3, 1934) S. 708. 2 Georg B ERTHOLD , Jahresbericht, Mitteilungen des Historischen Vereines der Pfalz 25 (1901) S. 123-135, hier S. 129 Anm. 4. <?page no="114"?> nicht darüber einig, was diese Skulptur eigentlich genau darstellen sollte. Als erster äußerte sich dazu der hauptberuflich als Fiskal bei der Regierung der Pfalz tätige Georg Berthold, der zusammen mit Grünenwald als ehrenamtlicher Konservator das Speyerer Museum betreute, in seinem Jahresbericht für 1901 in den Mitteilungen des Historischen Vereines der Pfalz. Berthold setzte die Entstehungszeit der Skulptur im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts an; seiner Meinung nach stellt sie den Heiland dar, der zwei vor ihm knieende, unbewaffnete gekrönte Pilger segnet. Weiter sagt er: „Es liegt nahe, in den ... Pilgern die beiden durch Mord gefallenen Könige Adolf und Albrecht zu erblicken. König Adolf hatte ... der großen Dombruderschaft am Speyerer Dom, die zwischen 1295 und 1324 gegründet worden ist, ein Vermächtnis zugewendet. Vielleicht hat dies auch Albrecht getan. Der Gründer der genannten Bruderschaft, Domvikar Albert von Östringen (gest. 4. April 1324), steht viel- 100 Franz Maier Abb. 5 Jakobusfigur (13./ 14. Jahrhundert), seit 1901 im Historischen Museum der Pfalz, Speyer (nach Röttger S. 715). <?page no="115"?> leicht der Schaffung dieses schönen Königsgedenksteins, der wohl einer genauen Untersuchung wert wäre, nicht ganz ferne.“ 3 So weit die Meinung Bertholds, die natürlich vor allem auf der Tatsache beruht, dass die genannten Könige, die Gegner in der Schlacht von Göllheim 1298, beide im Speyerer Dom begraben liegen. Bertholds Kollege Grünenwald trat jedoch über zwanzig Jahre später, im Jahr 1923, mit einer anderen Deutung an die Öffentlichkeit: Zwar sah auch er in der Skulptur eine Darstellung von Christus mit einem Königspaar, allerdings setzt er die Entstehungszeit gleich um 200 Jahre früher an als Berthold. Er sah in den beiden knienden Figuren König Heinrich IV. und dessen Gemahlin Bertha, die beide ebenfalls im Speyerer Dom begraben sind. Da er der Meinung war, dass der Bildhauer das Kaiserpaar noch gekannt haben musste - wofür er aber keine Begründung liefert - nahm er eine Entstehung nicht lange nach 1106, dem Todesjahr Heinrichs IV., an. In seinen Augen wurde die unschuldige Skulptur somit „ein geschichtlich bedeutsames Ehrendenkmal für Heinrich IV. und seine Gemahlin Bertha und für die Stadt Speyer, ein Denkmal echter deutscher Treue, unter das man fast das stolze Kanzlerwort setzen könnte: Wir fürchten Gott, sonst niemand auf der Welt“ 4 . Verständlich werden diese markigen Worte, wenn man sich die Situation des Jahres 1923 in der Pfalz vor Augen führt, besetzt von französischen Truppen, die gerade damals nach Kräften separatistische Bestrebungen zur Abtrennung des Rheinlandes vom Deutschen Reich förderten, wogegen der offenkundig deutschnational eingestellte Grünenwald diese Skulptur als Zeugen einer großen deutschen Vergangenheit anführt - klarer Fall einer Instrumentalisierung dieses mittelalterlichen Sakralgegenstandes für das damals aktuelle politische Tagesgeschehen. Immerhin war Grünenwald aber an der Figurengruppe etwas aufgefallen, was Berthold noch übersehen, jedenfalls nicht erwähnt hatte: Bei den knienden Figuren handelte es sich eindeutig um Pilger, ausgewiesen durch die Kapuzenmäntel, unter denen die mit einer Muschel besetzte Pilgertasche hervorschaut, sowie durch die Pilgerstäbe mit Kugelgriffen zwischen den erhobenen und gefalteten Armen und Händen. Grünenwald interpretierte dies als Hinweis auf den Entstehungszusammenhang der Skulptur. Heinrich IV. und Bertha hatten an Weihnachten 1076 von Speyer aus ihre Pilgerfahrt nach Canossa angetreten, und Grünenwald sah eine weitere Bestätigung für diesen Zusammenhang in der seiner Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum 101 3 Ebd. 4 Lucas G RÜNENWALD , Die Goldene Handschrift von Speyer, ein Geschenk des Kaisers Heinrich III. von 1046, Pfälzisches Museum 40 (1923) S. 116. <?page no="116"?> Meinung nach winterlichen Kleidung des königlichen Pilgerpaares, ja er glaubte sogar, im Gesicht der einen Figur eine Ähnlichkeit mit der Darstellung Heinrichs IV. auf seinen frühen Königssiegeln vor 1079 feststellen zu können. Diese phantasievolle Deutung Grünenwalds hatte jedoch nicht allzu lange Bestand. Im Jahr 1934 erschien in der vom bayerischen Landesamt für Denkmalpflege herausgegebenen Reihe „Die Kunstdenkmäler von Bayern“ der Band für Speyer, bearbeitet von Bernhard Hermann Röttger. In diesem sehr akribisch und ausführlich bearbeiteten Band, noch heute das Standardwerk für die Kunstdenkmäler in Speyer und Umgebung, bezeichnete Röttger die Thesen Grünenwalds als „in jeder Hinsicht unhaltbar“. Er sieht in der stehenden Figur den Hl. Jakobus den Älteren, der zwei Pilger krönt, eine Darstellungsweise, wie sie gerade in der Zeit der Frühgotik (um 1300) beliebt war, womit Röttger wieder dem ursprünglich schon von Berthold vorgeschlagenen zeitlichen Ansatz näherkommt. Röttger gibt zwar zu, dass es ähnliche Darstellungen auch von Christus gibt, doch weist er darauf hin, dass der Speyerer Figur der Christusnimbus (mit dem Kreuz) fehlt und außerdem die beiden Knienden eine ausgesprochene Pilgertracht tragen. Ungewöhnlich für eine Jakobusdarstellung ist zwar die segnend erhobene rechte Hand, aber die Tatsache, dass der Bildhauer offensichtlich gleichzeitig Wert darauf gelegt hat, das Buch als Apostelattribut mit aufzunehmen, obwohl ihm dabei nur der ungünstige Ausweg blieb, es der Figur unter den segnenden Arm zu klemmen, spricht für Röttger ganz deutlich gegen eine Christusdarstellung 5 . Diese Deutung der Figurengruppe ist die bis heute allgemein akzeptierte. Damit wären wir beim Einstieg in unser Thema „Die Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum“. Die älteste dieser Spuren haben wir in Gestalt dieser Skulptur soeben kennengelernt und zugleich bereits einen ersten Eindruck davon erhalten, wie schwierig es gerade im Speyerer Raum und in der Pfalz ist, solche Spuren ausfindig zu machen und - wenn man sie erst gefunden hat - dann auch noch richtig zu interpretieren. Zu umwälzend waren die historischen Ereignisse, die in der frühen Neuzeit auf die Pfalz einwirkten: die Reformation im 16. Jahrhundert, die dem katholischen kirchlichen Leben und damit natürlich auch der Heiligenverehrung schwere Einbußen zufügte, im 17. Jahrhundert dann eine fast ununterbrochene Folge verheerender Kriege, die von den kirchlichen Bauten das meiste zerstörte, was Reformation und Säkularisation noch übriggelassen hatten. 102 Franz Maier 5 R ÖTTGER (wie Anm. 1) S. 712-715. <?page no="117"?> Ein gutes Beispiel dafür ist unsere Jakobusskulptur und ihre Geschichte, soweit sie sich überhaupt zurückverfolgen lässt. Wie kommt eine Bauernfamilie in einem Dorf bei Speyer Ende des 19. Jahrhunderts in den Besitz einer frühgotischen Heiligenfigur? Nach den wenigen Informationen, die Grünenwald lieferte, hatte sich die Figur schon seit Generationen im Besitz der Familie der Schenkerin befunden, und eine unbestimmte Überlieferung, die anscheinend innerhalb der Familie mündlich tradiert worden war, besagte, dass die Figur ursprünglich im Speyerer Dom gestanden hatte. Wahrscheinlich ist es folgendermaßen abgelaufen: Im Jahr 1689 wurde die Stadt Speyer während des Pfälzischen Erbfolgekrieges von französischen Truppen besetzt, die die gesamte Einwohnerschaft vertrieben und die Stadt systematisch niederbrannten und dem Erdboden gleichmachten. Neben einigen wenigen Gebäuden überstand nur der Dom diese Prozedur halbwegs unversehrt, jedoch war auch bei ihm ein Teil des Langhauses eingestürzt. Für die restliche Kriegsdauer, also fast zehn Jahre lang, blieb Speyer ein unbewohntes, wüstes Ruinenfeld, das nur von einigen französischen Soldaten bewacht wurde. In dieser Zeit kamen immer wieder Bauern aus den benachbarten Dörfern, die die Trümmer nach brauchbaren Gegenständen durchsuchten, und auf diese Art und Weise könnte auch die Jakobusfigur, vielleicht aus dem Zerstörungsschutt ausgegraben, in den Besitz eines Bauern gelangt sein. Im Gegensatz zur protestantischen Bevölkerung der Reichsstadt Speyer waren die dem Hochstift Speyer untertänigen Bauern katholisch, und solche Heiligenfiguren hatten somit in ihren Augen auch eine sakrale Bedeutung, so dass der Finder seine Tat wohl eher als einen Akt der Frömmigkeit als einen der Plünderung empfand. Wahrscheinlich hat die Jakobusfigur somit 200 Jahre lang einen kleinen bäuerlichen Hausaltar im Dorf Heiligenstein geschmückt, bis sie als Geschenk 1901 ins Historische Museum der Pfalz gelangte. Die Überlieferung, die den ursprünglichen Standort der Figur im Speyerer Dom ansiedelt, kann durchaus etwas für sich haben, da die Jakobusverehrung im Speyerer Dom nachgewiesen ist. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts sind mehrfach Priester der hl. Afra und des hl. Jakobus genannt 6 , was darauf hindeutet, dass die um 1100 erbaute Afrakapelle an der Nordseite des Domes in dieser Zeit auch dem Jakobuskult gewidmet war. Auch zwei Jakobus-Patrozinien in der näheren Umgebung von Speyer kann man mit dem salischen Kaiserhaus in Ver- Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum 103 6 Martin A RMGART (Bearb.), Reuerinnen- und Dominikanerinnen-Kloster Sankt Maria Magdalena überm Hasenpfuhl vor Speyer. Teil 1: Urkunden und Regesten (1995) S. 44 und 50. <?page no="118"?> bindung bringen: Für die Pfarrkirche in Schifferstadt, die Kaiser Heinrich III. dem Speyerer Domstift geschenkt hat, ist das Jakobus-Patrozinium bereits im Jahr 1255 belegt; die Kirche selbst ist allerdings wesentlich älter und geht mit Sicherheit bis ins Frühmittelalter zurück. Ein älteres Patrozinium ist jedoch nicht bekannt 7 . In die salische Zeit fällt mit größter Wahrscheinlichkeit auch die Erbauung der Reichsburg Germersheim am Rhein (südlich von Speyer), für deren Kapelle im 15. Jahrhundert ebenfalls das Jakobs-Patrozinium belegt ist 8 . Weitere Zeugnisse früher Jakobusverehrung im Speyerer Diözesansprengel sind zwei Kirchen am Haardtrand zwischen Neustadt und Landau. Für die Jakobskapelle in Hainfeld, deren Patrozinium erstmals 1335 belegt ist, kann man eine Gründung in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts annehmen. Als Stifter kommt wohl am ehesten ein Angehöriger des dort ansässigen Ortsadelsgeschlechtes in Frage, das der Reichsministerialität angehörte und gegen Ende des 15. Jahrhunderts ausgestorben ist. Gestützt wird diese Annahme dadurch, dass für zwei Mitglieder dieses Geschlechtes im 13. und 14. Jahrhundert der Vorname Jakob belegt ist 9 . Die Pfarrkirche im einige Kilometer entfernten Hambach, für die ebenfalls seit dem 14. Jahrhundert das Jakobs-Patrozinium belegt ist, war dagegen offensichtlich schon seit dem Frühmittelalter im Besitz der Speyerer Bischöfe, die sie 1221 dem Domstift inkorporierten 10 . Auch hier ist nichts bekannt von einem älteren Patrozinium oder vom zeitlichen Ansatz und den näheren Umständen eines Patrozinienwechsels. Ausschlaggebend war hier wohl die Lage an einer Pilgerstraße, die von Speyer aus über den Raum Kaiserslautern in Richtung Metz führte 11 . Auch in Speyer selbst gab es eine eigene St.-Jakobus-Kirche, eine von 11 Pfarrkirchen, die im Spätmittelalter neben dem Dom und den 3 Kollegiatstiften in der Stadt bestanden. Karl Heinz Debus hat sogar in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1990 die Überzeugung geäußert, dass unsere Skulptur ursprünglich in dieser „Pfarr- und Pilgerkirche“, wie er 104 Franz Maier 7 Renate E NGELS (Bearb.), Der Landdekanat Böhl (Palatia Sacra I, 5, 1992) S. 256. 8 Volker R ÖDEL (Bearb.), Der Landdekanat Weyher (Palatia Sacra I, 4, 1988) S. 56. 9 Carl Werner M ÜLLER , Die Herren von Hainfeld. Zur Geschichte eines vorderpfälzischen Adelssitzes im Mittelalter, Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 81 (1983) S. 229-271, hier v.a. S. 252-256. 10 Philipp Otto A BEL , Hambach an der Weinstraße. Ein Gang durch seine Ortsgeschichte (1956) S. 13f.; R ÖDEL (wie Anm. 8) S. 76. 11 Karl Heinz D EBUS , Auf dem Wege nach Santiago de Compostela. Jakobusverehrung in Speyer und in der Pfalz, Speyerer Vierteljahreshefte 30 (1990) Heft 3, S. 11-15, hier S. 15. Vgl. auch seinen Beitrag in diesem Band. <?page no="119"?> sich ausdrückte, aufgestellt war 12 , doch konnte auch er hierfür keinen Nachweis liefern, weswegen wir diese Frage unbeantwortet lassen müssen. Um 1180 wird erstmals urkundlich eine St.-Jakobus-Kapelle in Speyer genannt, deren Erbauungszeit wohl in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts liegt. Im Speyerer Totenbuch findet sich die Eintragung, dass am 7. Mai eines nicht näher bekannten Jahres um diesen Zeitraum Graf Eggebert, der Schirmvogt des Bistums Speyer, gestorben war, woraufhin dessen Sohn Hermann, Mitglied des Speyerer Domkapitels, dem Domstift duas curtes cum duabus capellis, scilicet ad sanctum Jacobum et ad sanctum Bartholomaeum übergab 13 . Offenbar nach einem umfangreicheren Neubau, der wohl um die Mitte des 13. Jahrhunderts anzusetzen ist, erfolgte die Erhebung der Kapelle zur Pfarrkirche, die aber auch weiterhin dem Patronat des Domstifts unterstand. 1296 wird ein plebanus sancti Jacobi urkundlich erwähnt, 1376 ein Kirchhof an der Jakobskirche. Neben der Plebanie bestanden an der Jakobskirche um 1470 als weitere Pfründen noch zwei Frühmessereien und drei Nebenältäre mit Kaplaneien 14 . Inwieweit diese Speyerer Jakobuskirche auch eine spezifische Funktion als Pilgerkirche hatte, muss man in Ermangelung dahingehender Quellenaussagen dahingestellt sein lassen. Immerhin ist dies wahrscheinlich, da an der Stadt Speyer mit ihrer Lage am Rhein und an einem Knotenpunkt wichtiger Fernstraßen vom rechtsrheinischen Gebiet hinüber nach Frankreich die mittelalterlichen Pilgerströme sicher nicht vorbeigezogen sind. Die Speyerer Jakobuskirche blieb zunächst auch über die Zeit der Reformation hinaus katholische Pfarrkirche, wenn auch ab der Mitte des 16. Jahrhunderts mit einer stark reduzierten Zahl von Gemeindemitgliedern, da die Speyerer Bürgerschaft sich zum größten Teil der Reformation angeschlossen hatte. Im Jahr 1689 jedoch wurde die Jakobuskirche wie auch die ganze übrige Stadt Speyer von den Franzosen zerstört und danach nie wieder aufgebaut. Ihre Ruinen standen noch fast 150 Jahre lang in dem Zustand, wie er durch Abbildungen überliefert ist; 1836 wurden die Ruinen abgebrochen und an ihrer Stelle die Neue Synagoge der jüdischen Gemeinde Speyers errichtet 15 (Abb. 6). Auch diese steht inzwischen nicht mehr, da sie 1938, wie die Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum 105 12 Ebd. S. 11. 13 Franz Xaver R EMLING , Geschichte der Bischöfe zu Speyer 1 (1852) S. 375. 14 R ÖTTGER (wie Anm. 1) S. 523; Erich K EYSER (Hg.), Städtebuch Rheinland-Pfalz und Saarland (1964) S. 407; im Jahr 1273 gab es offensichtlich noch keinen Pleban an der Jakobskirche, vgl. A RMGART (wie Anm. 6) S. 46. 15 R ÖTTGER (wie Anm. 1) S. 523f. <?page no="120"?> meisten Synagogen in Deutschland, niedergebrannt worden ist. An dieser stadtgeschichtlich bedeutsamen Stelle befindet sich heute das Gebäude des Kaufhofs. Die erhaltenen Abbildungen zeigen, dass Chor und Langhaus der Jakobuskirche ihre wesentlichen Formen in der Gotik erhalten hatten. Vom spätromanischen Kirchenbau war anscheinend nur der Turm unverändert geblieben, dessen Bekrönung besonders interessant ist, da sie wie eine uneingedeckte Kuppel eines Zentralbaues ausgesehen hat. Röttger vermutet hierbei eine Beeinflussung durch den Bau der Stiftskirche St. Paul in Worms, der wohl durch orientalische Kreuzfahrererinnerungen angeregt worden ist 16 . Es hat aber auch in Speyer selbst einen Bau gegeben, der dieser Turmform an der Jakobuskirche zum Vorbild gedient haben könnte: die Kirche des Heilig-Grab-Klosters im Norden der Vorstadt Altspeyer, an der äußersten Nordspitze des ummauerten Stadtgebietes (Abb. 7). Die Gründungsgeschichte dieses Klosters ist in der Chronica der Freyen Reichs Statt Speyr von Christoph Lehmann aus dem Jahr 1612 (S. 503) folgendermaßen überliefert: Als der hl. Bernhard von Clairvaux an Weihnachten 1146 in Speyer seine berühmten Kreuzzugspredigten hielt, 106 Franz Maier 16 Ebd. S. 524. Abb. 6 Ruine der Jakobskirche in Speyer, Ansicht um 1787 (nach Röttger S. 525). <?page no="121"?> wurden dadurch auch zwei reiche Speyerer Bürger zur Teilnahme am zweiten Kreuzzug veranlasst, die nach ihrer glücklichen Rückkehr eine Kirche nach dem Vorbild der Grabeskirche in Jerusalem erbauen ließen und daneben ein Nonnenkloster stifteten. Die Nonnen wirtschafteten allerdings so schlecht, dass der Speyerer Bischof Konrad von Scharfeneck im Jahr 1207 Kirche und Kloster den Heilig-Grab-Brüdern von Denkendorf übergab 17 . Der Orden vom Heiligen Grab führte seinen legendären Ursprung zurück auf den hl. Jakobus, allerdings nicht den Älteren, sondern den Jüngeren, der als erster Bischof von Jerusalem galt und in dieser Funktion Wächter an den Ort des Grabes Jesu bestellt haben soll. Seinen tatsächlichen Ursprung hat der Orden in einer Klerikergemeinschaft an der Jerusalemer Grabeskirche, die im Jahr 1114 vom damaligen Patriarchen von Jerusalem, Arnulf von Rhodos, nach der Augustinerregel organisiert wurde und 1122 die päpstliche Approbation erhielt 18 . Schon wenig später konnte der Orden in Deutschland Fuß fassen durch den schwäbischen Adligen Berthold von Denkendorf, der anlässlich einer Pilgerfahrt nach Jerusalem im Jahr 1142 seinen gesamten Besitz mitsamt einem darauf von ihm gegründeten Chorherrenstift dem Hl.-Grab-Orden vermachte. Die Ordensbrüder erbauten dort Anfang Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum 107 17 Ebd. S. 520f. 18 LThK 5 (1960) Sp. 123. Abb. 7 Heilig-Grab- Kloster in Speyer, Montage und Retusche nach einem Holzschnitt von 1545 (nach K.R. Müller, Die Mauern der freien Reichsstadt Speyer (1994) S. 242). <?page no="122"?> des 13. Jahrhunderts eine neue Kirche nach dem Vorbild der Jerusalemer Grabeskirche, die bis zur Reformationszeit eine beliebte Wallfahrtsstätte war, da ihr Besuch einer Reise ins Heilige Land gleichkam 19 . Ob dies auch für die Kirche des seit 1207 in Speyer bestehenden Priorates der Heilig-Grab-Brüder galt, lässt sich nicht mehr sagen, wie überhaupt unsere Kenntnisse der Geschichte dieses Priorates und des Kirchenbaues äußerst gering sind. Zunächst nahm der Konvent duch zahlreiche Schenkungen einen schnellen Aufschwung, wozu vor allem auch die Privilegien beitrugen, die Kaiser Friedrich II. dem Orden auf seinem Kreuzzug nach Jerusalem im Jahr 1228 gewährte. Das Ende des Konvents in der Reformationszeit wurde eingeleitet durch den Übertritt des Priors und der drei noch verbliebenen Chorherren zum Protestantismus im Jahr 1565. Gegenmaßnahmen, die der Speyerer Bischof in die Wege leitete, blieben offenbar erfolglos, und im Jahr 1585 verkaufte der Propst von Denkendorf, der inzwischen nach der Säkularisation dieses Klosters ein herzoglich-württembergischer Beamter war, das Speyerer Hl.-Grab- Kloster an die Stadt Speyer. Die Stadt benutzte die Gebäude des ehemaligen Klosters zunächst als Lazarett, bis diese der Zerstörung anheimfielen. Wann dies war, wissen wir auch nicht genau; es gibt Hinweise auf eine Zerstörung schon im Dreißigjährigen Krieg, wohl im Zusammenhang mit der spanischen Beschießung und Eroberung der von den Schweden besetzten Stadt im Jahr 1632 20 . Auf jeden Fall ließ aber die französische Zerstörung des Jahres 1689 auch von der Hl.-Grab-Kirche nur Ruinen übrig 21 . Wie lange diese Ruine noch gestanden hat, ist ebenfalls unklar; noch in der neuesten Literatur wird die Ansicht vertreten, dass die Ruine 1811 bei der Neutrassierung der Wormser Landstraße durch die französische Verwaltung völlig eingeebnet worden ist 22 , andererseits hat aber, wahrscheinlich um 1830, der damalige Leiter des Kreisarchivs Speyer, Peter Gayer, die damals also wohl noch stehende Ruine gezeichnet 23 (Abb. 8). 108 Franz Maier 19 Max M ILLER / Gerhard T ADDEY (Hg.), Handbuch der historischen Stätten Deutschlands 6: Baden-Württemberg ( 2 1980) S. 140f. 20 L. Anton D OLL / Günter S TEIN (Bearb.), Es ist Speier ein alte stat. Ansichten aus vier Jahrhunderten 1492-1880 (1991) S. 33f. 21 Franz Xaver R EMLING , Urkundliche Geschichte der ehemaligen Abteien und Klöster im jetzigen Rheinbayern 2 (1836) S. 170-173. 22 Karl Rudolf M ÜLLER , Die Mauern der Freien Reichsstadt Speyer als Rahmen der Stadtgeschichte (1994) S. 147; ebenso schon bei R ÖTTGER (wie Anm. 1) S. 522 (hier wird als Jahreszahl 1813 angegeben). 23 R ÖTTGER (wie Anm. 1) S. 520f.; Karl Heinz D EBUS (Bearb.), Archiv und Stadt. Speyerer Archivare und deren Angehörige sehen ihre Stadt und Umgebung (1993) S. 17f. (mit Abbildung S. 36). Da Gayer sich schon seit 1816 in Speyer aufgehalten hat, <?page no="123"?> Der vollständige Abriss muss aber dann spätestens, ebenso wie bei der Jakobuskirche in der Altstadt, in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts erfolgt sein, wie aus den alten Katasterplänen der Stadt Speyer hervorgeht 24 . Der vollständige Verlust der Hl.-Grab-Kirche, eines hochinteressanten romanischen Zentralbaues aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, der auch Templerrotunde genannt wurde, ist wohl der bedauerlichste unter den zahlreichen Verlusten mittelalterlicher Bausubstanz, die die Stadt Speyer zu beklagen hat. Am ehemaligen Standort dieser Templerrotunde erhebt sich heute eine Tankstelle. Nun könnte man fragen, was das Heilig-Grab-Kloster in Speyer mit dem Jakobuskult zu tun hat, der sein Zentrum ja in Santiago de Compostela und nicht in Jerusalem hat. Wir sind tatsächlich etwas abgeschweift, doch über das Heilig-Grab-Kloster finden wir auch wieder den Weg zurück zum Jakobuskult, wobei wir allerdings jetzt den engsten Umkreis von Speyer verlassen. Der bereits als einer der ersten und größten Wohltäter des Klosters erwähnte Kaiser Friedrich II. schenkte Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum 109 könnte die Zeichnung aber auch schon in dieser Zeit entstanden sein; zudem hat Gayer gelegentlich auch Gebäude gezeichnet, die zu seiner Zeit nachweislich schon abgerissen warten, z.B. die Stiftskirche St. German und Moritz (D EBUS S. 14). 24 Remling deutet im 1836 erschienenen 2. Teil seiner Urkundlichen Geschichte der ehemaligen Abteien und Klöster an, dass die Ruine zu dieser Zeit schon nicht mehr zu sehen war (S. 169). Der vom Woogbach ausgehende Mühlkanal wurde bei seiner Begradigung um 1840/ 50 direkt über den ehemaligen Standort der Hl.-Grab-Kirche geleitet, vgl. M ÜLLER (wie Anm. 22) S. 335, 337 und 367. Abb. 8 Ruine der Heilig-Grab-Kirche in Speyer, Ansicht um 1830 (nach Röttger S. 521). <?page no="124"?> nämlich bereits zu Anfang seiner Regierungszeit, im Jahr 1214, dem Kloster die Pfarrkirche in Kirchheim (dem heutigen Kirchheimbolanden), etwa 50 km nordwestlich von Speyer gelegen, die bis zur Auflösung des Klosters in der Reformationszeit in dessen Besitz blieb 25 . In der königlichen Schenkungsurkunde von 1214 sind neben Kirchheim fünf weitere Orte genannt, die zu dieser Pfarrei gehörten 26 . Außerdem aber gehörte zu dieser Pfarrei auch noch eine Kapelle auf dem benachbarten Donnersberg, die dem Hl. Jakobus geweiht war, wie wir erst anlässlich der Abtretung dieser Kapelle an den Eremiten-Orden der Pauliner im Jahr 1371 erfahren 27 . Zeit und Umstände der Gründung dieser Jakobuskapelle auf dem Donnersberg, dem mit 686 m höchsten Berg der Pfalz, liegen im Dunkeln. Die früheste sichere Nachricht stammt aus dem Jahr 1335, als Philipp von Sponheim und Loretta von Bolanden dem Priester Heinrich von Speyer, Mitglied des dortigen Heilig-Grab-Klosters, eine capellam Heremiticam sancti Jacobi sitam super monte Dunersberg übergaben, damit dieser dort so bald wie möglich ein Kloster des Eremiten-Ordens der Pauliner errichte. Noch etwas weiter zurück reicht eine Nachricht, die der nassauische Historiker Andreä im Jahr 1669 überliefert hat: Er zitiert eine Eintragung aus einem Seelbuch des Klosters auf dem Donnersberg, nach der im Jahr 1323 ein Frater Conradus de Dreis, primus frater huius Domus fratrum heremitarum Sancti Pauli primi heremitae, gestorben sein soll 28 . Dieses Seelbuch ist heute verloren, eine Abschrift davon befindet sich aber in der Urkundensammlung von Kremer aus der Zeit um 1790 (heute im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden). Allerdings fehlt in dieser Abschrift ausgerechnet der älteste, von Andreä zitierte Eintrag aus dem Jahr 1323 29 . Wenn man diesen Hinweis dennoch berücksichtigen will, so könnte man auf eine Erbauungszeit der Jakobuskapelle um 1300 schließen. Es hat nun Versuche gegeben, diese Kapelle in eine ältere Jakobustradition einzubinden, wie sie im Donnersberg-Gebiet offensichtlich bestanden hat. Adam Fath, katholischer Pfarrer in Wolfstein, hat im Jahr 1926 unter dem Titel „Am Jakobstage werden die Äpfel gesalzen“ einen 110 Franz Maier 25 R EMLING (wie Anm. 21), S. 171. 26 Bischheim, Morschheim, Rittersheim, Orbis und Altenbolanden (R EMLING ebd., S. 374f.). 27 Zur Geschichte der Kapelle und des Klosters St. Jakob auf dem Donnersberg vgl. R EMLING , ebd., S. 174-182 und S. 374-380; Alfons H OFFMANN , Kloster St. Jakob auf dem Donnersberg (1958). 28 H OFFMANN (wie Anm. 27) S. 8f. 29 Ebd. S. 51. <?page no="125"?> Aufsatz veröffentlicht, der ungeachtet seines volkskundlich klingenden Titels auch historische Überlegungen speziell zum Ursprung der Jakobuskapelle auf dem Donnersberg enthält 30 . Fath wies darauf hin, dass Werner von Bolanden als führender Reichsministeriale im Donnersberg-Gebiet um 1200 die Vogtei über verschiedene Güter des Mainzer Jakobsklosters in diesem Bereich innehatte. Seine herausgehobene Stellung wird auch dadurch deutlich, dass er als Ministeriale einen Grafen zum Schwiegersohn hatte, nämlich den Rheingrafen Wolfram; und von diesem Rheingrafen Wolfram ist bekannt, dass er im Jahr 1206 eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela unternahm. Fath nimmt an, dass die Entstehung der Kapelle auf dem Donnersberg oder wenigstens deren nachheriges Patrozinium mit der Erinnerung an die Wallfahrt Wolframs zusammenhängt. Wie auch immer - Tatsache ist jedenfalls, dass sich in der Nähe des Donnersberges wichtige Fernstraßen hinzogen, die mit Sicherheit auch von Jakobuspilgern benutzt wurden (Abb. 9). Hier vereinigten sich bei Göllheim die Routen von Mainz und Worms her, die dann südlich am Berg vorbei weiter über Kaiserslautern und Saarbrücken nach Frankreich führten. Bei der pfalzgräflichen Burg Alzey, die an der Straße von Mainz zum Donnersberg lag, wurde spätestens um 1270 ein Kloster des Antoniterordens gegründet 31 . Zwischen diesem Orden, der sich vor allem der Krankenpflege verschrieben hatte, und den Jakobspilgern bestanden enge Zusammenhänge, die u.a. darin zum Ausdruck kommen, dass viele Antoniterhäuser an Jakobspilgerwegen errichtet wurden 32 . An einem anderen Abschnitt der Pilgerroute, etwa 10 km südwestlich vom Donnersberg auf halbem Weg zwischen Göllheim und Kaiserslautern, lag das Dorf Lohnsfeld mit seiner alten Jakobuskirche. Aus der Tatsache, dass dort bereits 1190 ein Priester belegt ist, obwohl Lohnsfeld keine eigene Pfarrei war (sondern vermutlich damals zur Pfarrei Alsenbrück gehörte), sowie aus der Überlieferung, dass die älteste Lohnsfelder Kirche etwas außerhalb des Dorfes an einer heute noch „Einsiedlerberg“ genannten Erhebung gestanden haben soll, hat man auf ein ehemals dort vorhandenes Pilgerhospiz geschlossen. Die heutige Jakobskirche von Lohnsfeld wurde erst im Jahr 1602 errichtet, wozu man Baumaterial von der abgerissenen mittelalterlichen Vorgängerkirche verwendet haben soll 33 . Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum 111 30 In: Pfälzisches Museum - Pfälzische Heimatkunde 43/ 22 (1926) S. 293f. 31 Adalbert M ISCHLEWSKI , Grundzüge der Geschichte des Antoniterordens bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts (1976) S. 196f. 32 Ebd. S. 34. 33 Werner R ASCHE , St. Jakobus in Lohnsfeld. Station eines mittelalterlichen Jakobspilgerweges? , Donnersberg-Jahrbuch 15 (1992) S. 51f. <?page no="126"?> Nur nebenbei sei bemerkt, dass ein anderer scheinbarer Hinweis auf Jakobuskult am Donnersberg, nämlich der Name des unmittelbar am Berg gelegenen Ortes Jakobsweiler, in die Irre führt: Dieser Ort hieß ursprünglich (wie auch noch im heutigen Dialekt) Joxweiler und hat seinen Namen von einem anderen Heiligen, nämlich Cyriakus, dem Patron des Stifts Neuhausen bei Worms, das die dortigen Wälder im 9. Jahrhundert gerodet hat. Der Ortsname entwickelte sich aus der im 12. Jahrhundert belegten Form Ciliakeswilre. Die heutige amtliche Form Jakobsweiler erscheint erst im 19. Jahrhundert und ist ein klassisches Beispiel für die Fehlleistung von Beamten, die zwar keine Ahnung von Sprachgeschichte hatten, aber trotzdem glaubten, der angeblich unwissenden 112 Franz Maier Abb. 9 Mittelalterliche Fernstraßen am Donnersberg (Entwurf: R. Maier/ Zeichnung: R. Rössler). <?page no="127"?> Bevölkerung die Herkunft und die „richtige“ Form ihrer eigenen Ortsnamen erklären zu müssen 34 . Kommen wir aber zurück zur Jakobuskapelle, die wohl irgendwann im 13. Jahrhundert auf dem Donnersberg errichtet worden ist. Als ihre Eigentümer erscheinen im Jahr 1335 Philipp von Sponheim und Loretta, die Witwe des 1327 gestorbenen Otto von Bolanden. Dieser Otto von Bolanden wiederum war direkter Nachkomme des bereits erwähnten Reichsministerialen Werner von Bolanden und Repräsentant der Hauptlinie dieses alten Geschlechts der Bolander (es gab außerdem noch Nebenlinien, nämlich die Herren von Falkenstein und die von Hohenfels). Obwohl Otto von Bolanden mit seiner Frau Loretta nicht weniger als sieben Söhne gezeugt hatte, starb diese Hauptlinie in der auf ihn folgenden Generation im Mannesstamm aus; der letzte des Geschlechts war Ottos Sohn Konrad von Bolanden, der zunächst in den geistlichen Stand getreten war, aber seine Pfarrstelle in Simmern wieder aufgab und sich in den weltlichen Stand zurückversetzen ließ, nachdem alle seine sechs Brüder ohne Hinterlassung männlicher Erben gestorben waren. Es sollte nichts nützen: Auch Konrad starb im Jahr 1386 ohne männlichen Erben. Bei Philipp von Sponheim, der in der Urkunde von 1335 neben Loretta von Bolanden als Aussteller auftritt, handelt es sich um einen Abkömmling des weit verzweigten Grafengeschlechts der Sponheimer. Seine Mutter Kunigunde war eine gebürtige Bolanderin gewesen, was ihm Ansprüche auf einen Teil der bolandischen Güter eingebracht hatte. Der Nachteil dabei war, dass Philipp nicht den gräflichen Rang seines Vaters Heinrich erbte, sondern wie seine Mutter als unfreier Ministeriale galt. Erst im Jahr 1321 wurde er von König Ludwig dem Bayern in den Stand eines freien Herrn erhoben, den Grafentitel führte er jedoch in der Urkunde von 1335 nicht. Diese von Philipps Vater Heinrich begründete Bolander Linie der Grafen von Sponheim überlebte die „echten“ Bolander nur um wenige Jahre und starb mit Philipps Sohn Heinrich im Jahr 1393 ebenfalls aus. Die Besitzungen kamen über zweimal eintretende weibliche Erbfolge schließlich im Jahr 1399 an die Grafen von Nassau- Saarbrücken, die damit ihre territoriale Präsenz im nordpfälzischen Raum begründeten. Mit dem Stiftungsakt von 1335 hatten Philipp und Loretta, wie schon angedeutet, die Gründung eines Klosters der Pauliner auf dem Donnersberg beabsichtigt, wobei sie in ihrer Urkunde auf die 1319 erfolgte Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum 113 34 Martin D OLCH / Albrecht G REULE , Historisches Siedlungsnamenbuch der Pfalz (1991) S. 244. <?page no="128"?> päpstliche Bestätigung dieser Eremitenkongregation Bezug genommen hatten. Entstanden war diese Kongregation bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts in Ungarn, von wo sie sich bald auch nach Deutschland ausbreitete 35 . Unklar ist allerdings, wann die Paulinermönche tatsächlich auf dem Donnersberg eingezogen sind. Geschah dies schon vorher, wie die bereits erwähnte angebliche Seelbuch-Überlieferung besagt, oder erst um 1370/ 71, wie es ein durch mehrere Urkunden beglaubigter Gründungsakt nahelegt? Jedenfalls beweist uns eine Urkunde des Mainzer Erzbischofs Heinrich aus dem Jahr 1337, dass um diese Zeit bereits eine Wallfahrt zur Eremitenkapelle St. Jakob auf dem Donnersberg in Gang gekommen war. Der Erzbischof verlegt in dieser Urkunde den Termin für die mit dieser Wallfahrt verbundenen Ablässe vom St.-Jakobs-Tag (25. Juli) auf den Walpurgis-Tag (1. Mai), mit der etwas eigenartig anmutenden Begründung, dass bisher am Jakobstag die Gläubigen öfter durch Regen, Sturm und zuweilen durch Hitze abgehalten worden waren, die Kapelle zu besuchen; wörtlich heißt es in der Urkunde: … per totum annum propterea minime visitabant. Dies deutet darauf hin, dass man für die Wallfahrt, die wohl noch nicht lange existierte und offensichtlich nur schleppend in Gang gekommen war, durch eine Terminverlegung größeren Zulauf erreichen wollte 36 . Zur eigentlichen Klostergründung auf dem Donnersberg scheint es aber erst in den Jahren 1370/ 71 gekommen zu sein, als die Söhne des Stifterpaares von 1335, der bereits erwähnte Heinrich von Sponheim und Lorettas Sohn Philipp von Bolanden, die Kapelle zu sanct Jakob, hus, hofstat, velt, vnd wald dar vmb, so gelegen ist vnder vns bi Dannenfels vf dem Durnsberge als weit breit vnd lang, so der alte grabe dar vmb beschlossen het vnd begriffen, mit allen Rechten, Gülten und Gütern, die sie dort besaßen, den Brüdern der Paulinerkongregation übergaben 37 (mit dem „alten Graben“ ist offensichtlich der Ringwall des keltischen Oppidums auf dem Donnersberg gemeint). Die Motivation dieser beiden Schenkungsakte, die knapp zehn Monate auseinanderliegen (Heinrich von Sponheim: 1370 Oktober 6, Philipp von Bolanden: 1371 Juli 20) lag wohl in der ganz ähnlichen Situation, in der sich die beiden Herren befanden: Beide waren bereits im fortgeschrittenen Alter über 50, beide hatten keinen männlichen Erben, sondern nur jeweils eine Erbtochter, die gerade um diese Zeit verheiratet wurde, und es liegt nahe, einen Zu- 114 Franz Maier 35 LThK 8 (1963) Sp. 206f. 36 R EMLING (wie Anm. 21), S. 376f. 37 H OFFMANN (wie Anm. 27) S. 29-31. <?page no="129"?> sammenhang zwischen diesen Heiraten und den Schenkungen des Donnersberges an die Pauliner zu vermuten. Das Jakobskloster sollte wohl das Gedenken an die Stifter aufrechterhalten, deren Geschlechter ja mit ihnen aussterben würden, sollte ihnen vielleicht auch als Grablege dienen, doch dies muss reine Spekulation bleiben. Jedenfalls ließ sich Heinrich von Sponheim vom Provinzial der Pauliner-Kongregation in Deutschland die Zusicherung geben, dass das Jakobskloster ihn und seine Nachkommen in der Herrschaft Dannenfels als Schirmherren und Vögte anerkennen werde, dass also auch seinen Nachkommen in der weiblichen Linie die Herrschaft über den Donnersberg verbleiben sollte 38 . Im selben Jahr 1371 einigten sich die Pauliner auch mit dem Heilig- Grab-Kloster in Speyer, das als Inhaber der Pfarrei Kirchheim bis dahin auch die Pfarrrechte für den Donnersberg besessen hatte. Gegen eine jährliche Gült von einem Malter Korn trat das Speyerer Kloster diese Rechte an das Jakobskloster ab, wobei aber ausdrücklich bestimmt wurde, dass alle diese Rechte wieder an die Pfarrei Kirchheim zurückfallen sollten, wenn die Pauliner „aus gerechten Gründen“ nicht mehr auf dem Donnersberg verweilen könnten (in eodem loco commorari legitimis ex causis non possent). Die gleiche Bestimmung findet sich auch in einer Verschreibung, mit der ein Kirchheimer Ehepaar dem neuen Kloster ein jährliches Ölgeld zur Unterhaltung des Ewigen Lichtes stiftete, ebenfalls noch aus dem Jahr 1371 39 . Offensichtlich hatte man damals noch ernsthafte Zweifel daran, dass es die Pauliner lange auf dem Donnersberg aushalten würden, in altitudine ipsius magni tempestuosi montis, wie es schon in der erzbischöflichen Urkunde von 1337 geheißen hatte. Vom klösterlichen Leben auf dem Donnersberg in dieser Zeit ist kaum etwas bekannt. Aus zwei Ablaßurkunden aus dem Jahr 1380 wissen wir, dass die Paulinermönche um diese Zeit darangingen, neue Konventsgebäude zu errichten, wozu aber ihre Mittel nicht ausreichten, weswegen der Besuch des Klosters an bestimmten Festtagen und die dabei geleistete Hilfe zum Neubau mit Ablässen belohnt wurden 40 . Über das Aussehen der damals entstandenen Klostergebäude wissen wir jedoch überhaupt nichts mehr; der einzige erhaltene Überrest ist eine Sakramentsnische aus dem 14. Jahrhundert, die heute in einer Wand in der Gaststube des Waldhauses auf dem Donnersberg eingemauert ist Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum 115 38 Ebd. S. 32. 39 Ebd. S. 30-32. 40 Ebd. S. 13-15. <?page no="130"?> (Abb. 10). Noch bemerkenswerter, jedenfalls hinsichtlich der zeitlichen Einordnung, ist jedoch eine emaillierte Hostienpyxis aus Kupfer, die im ehemaligen Klosterareal gefunden worden ist und sich heute im Historischen Museum der Pfalz in Speyer befindet 41 (Abb. 11). Sie wird in die Zeit um 1200 datiert, womit wir uns wiederum in der Zeit des Rheingrafen Wolfram und seiner Pilgerfahrt nach Santiago befinden würden, doch reicht das bloße Vorhandensein dieser Pyxis auf dem Donnersberg noch nicht aus, um kirchliches Leben oder gar speziell eine Jakobusverehrung bereits für diese Zeit zu belegen. Das Jakobskloster auf dem Donnersberg blieb während der Zeit seines Bestehens relativ unbedeutend und klein. Seine Besonderheit und wohl auch wichtige Einnahmequelle war die bereits mehrfach erwähnte Wallfahrt, über deren Ausstrahlungskraft wir aber im Grunde genommen nichts sagen können. In den schriftlichen Quellen könnte man ei- 116 Franz Maier 41 Bernhard Hermann R ÖTTGER / Karl B USCH / Max G OERING (Bearb.), Bezirksamt Kirchheimbolanden (Die Kunstdenkmäler der Pfalz 7, 1938) S. 60-62. Abb. 10 Ehemalige Sakramentsnische (14. Jahrhundert) aus dem Paulinerkloster St. Jakob auf dem Donnersberg, heute im dortigen Waldhaus (nach Röttger/ Busch/ Goering S. 60). <?page no="131"?> nen Hinweis auf diese Wallfahrt in einem Weistum sehen, das die Schöffen des Dorfes Steinbach am Donnersberg Anfang des 16. Jahrhunderts für ihre Gerichtsherren, die Junker von Oberstein, erstellten. Das Weistum liegt in mehreren Abschriften aus dem 16. Jahrhundert im Landesarchiv Speyer 42 , die aber alle im 2. Weltkrieg so schwer beschädigt worden sind, dass die einschlägigen Textstellen heute nicht mehr lesbar sind. Glücklicherweise ist der Text im fünften Band der Weistümersammlung von Jacob Grimm aus dem Jahr 1866 abgedruckt: Item wisen mir den gerichtsherren mit recht blutig wunnen und zurissen wait inen vor ein frevel, ist etwan gewest ein helbeling und 9 ß. aber do die walfart ist ufkommen und vil volkes ist her kommen, do haben die gerichtsherren einen Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum 117 42 LA Speyer Best. F 4 Steinbach Nr. 1 und 2. Abb. 11 Emaillierte Pyxis (um 1200), gefunden beim ehemaligen Klosterstandort auf dem Donnersberg, heute im Historischen Museum der Pfalz, Speyer (nach Röttger/ Busch/ Goering S. 61). <?page no="132"?> andern frevel ufgestelt, ist inen usz zu sprechen 43 . In der Stelle geht es also um die strafrechtliche Ahndung von blutigen Wunden und zerrissenen Kleidern, also der Ergebnisse von mehr oder weniger harmlosen Raufereien. Offensichtlich hatten solche Vorfälle in Steinbach im Zusammenhang mit der Wallfahrt auf den Donnersberg so stark zugenommen, dass die Gerichtsherren durch eine Änderung der früheren standardisierten Geldbuße darauf reagiert hatten. Zugleich aber kann man dieser Textstelle entnehmen, dass das Aufkommen der Wallfahrt um diese Zeit noch nicht allzu lange zurücklag, wenn die Erinnerung an frühere Verhältnisse bei den Dorfbewohnern noch so lebendig war. Einziger Nachteil bei der ganzen Sache ist, dass in der Textstelle das Ziel der Wallfahrt nicht genannt ist und wir andererseits wissen, dass es auch in der Steinbacher Dorfkirche selbst in vorreformatorischer Zeit eine Marienwallfahrt gegeben hat. Wie auch immer - nach Lage der Dinge scheint es so gewesen zu sein, dass die Jakobswallfahrt auf den Donnersberg doch erst im 15. Jahrhundert eine über den engeren lokalen Bereich hinausgehende Bedeutung erlangt hat. Zu den großen Wallfahrtszielen in Deutschland hat der Donnersberg allerdings wohl nie gehört. Trotzdem muss die Wallfahrt für das Jakobskloster eine der wichtigsten Einnahmequellen gewesen sein. In der Reformationszeit kam es deshalb auch zum schnellen Verfall des Klosters, den wir aber im einzelnen auch nicht verfolgen können. Im Jahr 1544 ergab jedenfalls eine Visitation des Jakobsklosters durch den Provinzial der Pauliner-Kongregation in Deutschland, Nikolaus Zorn, dessen gänzlichen Verfall und Verödung, woraufhin der Provinzial das Kloster mit allen seinen Rechten an die Grafen von Nassau übergab, die als Erben der Sponheimer und Bolander im Donnersberg-Gebiet die Vogtei und die Landesherrschaft ausübten 44 . Bedingung dabei war zwar die Wiederherstellung der Klostergebäude, um sie wieder mit einem oder zwei Mönchen besiedeln zu können, und zumindest im Jahr 1546 wurde daran auch wieder gebaut, wie uns eine urkundliche Notiz berichtet 45 . Spätestens mit dem Übertritt des in Kirchheim residierenden Grafen Adolf von Nassau zum Protestantismus im Jahr 1556 46 kam es dann zur endgültigen Auflösung des Klosters, das in der Folgezeit als herrschaftliches Gut von Erbbeständern bewirtschaftet wurde. In der 118 Franz Maier 43 Richard S CHROEDER (Hg.), Weisthümer, gesammelt von Jacob G RIMM 5 (1866) S. 637. 44 H OFFMANN (wie Anm. 27) S. 49. 45 Ebd. S. 22. 46 Hans D ÖHN , Kirchheimbolanden. Die Geschichte der Stadt (1968) S. 137. <?page no="133"?> Zeit der französischen Herrschaft um 1800 wurde das Gut an die Pächterfamilie verkauft, von der es wiederum im Jahr 1855 der bayerische Staat kaufte. Was bis dahin vom ehemaligen Kloster noch gestanden hat, wissen wir nicht. Die Gebäude wurden nun abgerissen, die Äcker und Wiesen auf dem Donnersberg-Plateau aufgeforstet und an der Stelle des ehemaligen Klosters und Hofgutes das jetzige Waldhaus erbaut, das seit 1930 als Gastwirtschaft betrieben wird 47 . Durch die Aufforstung ist das ehemalige Klosterareal heute von einem dichten Laubwald bedeckt; von den ehemaligen Klostergebäuden findet sich in der Landschaft keine Spur mehr. Damit sei der kurze Überblick über Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum abgeschlossen. Der Jakobuskult hatte in diesem Raum, verglichen mit anderen deutschen Landschaften, wohl keine überdurchschnittliche Bedeutung, doch hat die Lage im Bereich wichtiger Fernverbindungen, die natürlich auch von Santiago-Pilgern benutzt worden sind, Spuren hinterlassen, die heute allerdings kaum mehr in der Landschaft sichtbar sind, sondern mühsam in Museen und Archiven zusammengesucht werden müssen. Hier hat sich die Geschichte der Pfalz in der frühen Neuzeit negativ ausgewirkt: Zunächst die Reformation im 16. Jahrhundert, die im pfälzischen Raum besonders radikal die steinernen Zeugen mittelalterlicher Frömmigkeitspraxis abräumte, dann aber vor allem die furchtbaren kriegerischen Ereignisse des 17. Jahrhunderts, die neben den Zerstörungen von alter Bausubstanz auch zu einem sehr weitgehenden Bevölkerungsaustausch geführt haben, wodurch auch mündliche Traditionen, die eventuell an frühere Formen kirchlicher Kultpraxis hätten erinnern können, in den meisten Fällen abgerissen sind. Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum 119 47 H OFFMANN (wie Anm. 27) S. 25. <?page no="135"?> Spurensuche: Jakobusverehrung im Trierer Land B ERNHARD S CHNEIDER „Sancta Treviris“ lautet die Selbstbezeichnung im mittelalterlichen Trierer Stadtsiegel. Tatsächlich war die Stadt gut ausgestattet mit Kirchen und auch mit „Heiltümern“, d.h. reich an Reliquien aller Art, darunter das einzige Apostelgrab nördlich der Alpen in der Benediktinerabtei St. Eucharius/ St. Matthias (außerhalb der Stadtmauer gelegen) und der „Hl. Rock“, das Gewand Jesu. Für die Pilger des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit hatte Trier daher einen guten Klang und lag zudem geographisch günstig. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass es auch in den Karten der Santiago-Routen einen festen Platz einnimmt. Mehrere Pilgerwege führten zu ihm hin. 1 Dennoch sind die Frömmigkeitsgeschichte der Stadt und des Trierer Landes insgesamt noch wenig erforscht. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Pilgerfahrten nach Santiago oder auch den Kult des Apostels Jakobus. Von daher versteht sich der vorliegende Beitrag als Spurensuche und erste vorläufige Bestandsaufnahme. Für große Thesen und Synthesen ist die Zeit noch nicht gekommen. 2 Diese Spurensuche beinhaltet drei sich ergänzende und teilweise überschneidende Themenkomplexe: 1 Zum Titel „Sancta Treviris“ vgl. Wolfgang S CHMID , Sancta Treviris. Zur Bedeutung der Formel vom Heiligen Trier in Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Rheinische Heimatpflege 37 (2000), S. 12-18. Zu den Santiago-Routen siehe etwa die von einer Expertenkommission des Europarats erarbeitete Karte bei Heinrich K ANZ , Die Jakobswege als erste europäische Kulturstraße. Frankfurt u.a. 1996. 2 Anzuführen ist allerdings als wichtiger Beitrag: Frank G. H IRSCHMANN , Civitas Sancta - Religiöses Leben und sakrale Ausstattung im hoch- und spätmittelalterlichen Trier, in: H. A NTON / A. H AVERKAMP (Hrsg.), Trier im Mittelalter. Trier 1996 (= 2000 Jahre Trier, 2), S. 399-476. Zur Jakobusverehrung bietet freilich auch er kaum etwas. Meinem langjährigen Freund und wissenschaftlichem Weggefährten, Herrn Archivdirektor Dr. Martin Persch, gilt mehr als pflichtschuldiger Dank dafür, dass er dem Verfasser in ganz uneigennütziger Weise seine umfangreiche Materialsammlung überlassen hat. Sie bildet in wesentlichen Teilen die Basis der vorliegenden Studie. <?page no="136"?> - Das Jakobusfest, - Jakobuspatrozinien, Jakobusaltäre und -statuen, - Jakobusbruderschaften. Der zeitliche Horizont erstreckt sich vom Hochmittelalter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Der unscharfe Begriff „Trierer Land“ zentriert den Beitrag geografisch auf den Großraum Trier, doch weitet er sich je nach den zu behandelnden Gesichtspunkten beträchtlich aus und zielt dann ab auf das alte Erzbistum Trier, das bekanntlich von Lothringen bis an die Lahn bei Wetzlar und Gießen reichte, oder das Gebiet des 1821 neu umschriebenen wesentlich kleineren Bistums Trier. 3 I. Das Jakobusfest Im Festkalender des alten Erzbistums Trier, bekanntlich der älteste Bischofssitz Deutschlands, war der Festtag des Apostels Jakobus d.Ä. eine bekannte Größe. Ein Blick in Peter Miesges’ Studie zum Trierischen Festkalender 4 vermag deutlich zu zeigen, wie das Apostelfest durchgehend vom 10. Jahrhundert bis ans Ende des Mittelalters bezeugt ist. Er belegt auch seine Eigenschaft als ein hervorgehobenes Fest mit erhöhter Feierlichkeit (Fettdruck = Rote Farbe in den Manuskripten), dies jedoch auffälligerweise erst seit dem 12./ 13. Jahrhundert, sicher ein Reflex der damals einem ersten Höhepunkt zustrebenden Jakobusverehrung in Deutschland. In den frühneuzeitlichen Festtagsordnungen behält der Jakobustag diesen traditionellen Platz als arbeitsfreier und zum Besuch der Messe verpflichtender Tag bei. In verschiedenen Lokalfestkalendern ist er noch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in dieser Weise verzeichnet. 5 In den Österreichischen Niederlanden, zu denen mit dem Herzogtum Luxemburg ein größerer Teil des Erzbistums Trier gehörte, zielten aber bereits in dieser Phase Reformbestrebungen auf eine Verlegung dieses und der übrigen Apostelfeste auf den Sonntag ab. Sie blieben zunächst allerdings erfolglos. 6 Erst die im Zeichen der „katholischen Aufklärung“ unternommene Feiertagsreform Erzbischof Clemens Wenzes- 122 Bernhard Schneider 3 Vgl. die Karten in Martin P ERSCH / Bernhard S CHNEIDER (Hrsg.), Auf dem Weg in die Moderne 1802-1880. Trier 2000 (= Geschichte des Bistums Trier, 4). 4 Peter M IESGES , Der Trierer Festkalender. Seine Entwicklung und seine Verwendung zu Urkundendatierungen. Trier 1915, S. 72f. 5 Vgl. Emile D ONCKEL , Der Heilige Jakobus der Ältere. Luxemburg 1964, S. 9, 13, 18. 6 Siehe ebd., S. 6. <?page no="137"?> laus’ vom Jahr 1769, deren erklärtes Ziel es war, die üppige Zahl von mindestens 35 Feiertagen um der „Landesökonomie“ willen zu reduzieren, verlegte das Fest dann tatsächlich auf den Sonntag. 7 Ob der sich gegen diese Feiertagsreduktion formierende Widerstand in der Bevölkerung als Ausdruck einer speziellen Verehrung des hl. Jakobus gewertet werden darf, muss in dieser Allgemeinheit bezweifelt werden. 8 Für die an der luxemburgisch-belgischen Grenze gelegene Eifelpfarrei Dasburg, deren alleiniger Kirchenpatron der Apostel war, ist dies allerdings mit Sicherheit der Fall. Hier war es noch um 1830 üblich, das Fest des Apostels zu begehen. Das feierliche Hochamt war neben der Predigt durch ein Hühner- und Eieropfer ausgezeichnet. 9 Dieser Brauch ist auch für die gleichfalls in der Eifel gelegene Pfarrei Lambertsberg bezeugt. 10 Derartige Naturalopfer waren zum Entsetzen der preußischen Beamten im frühen 19. Jahrhundert im traditional geprägten Raum der Westeifel auch an anderen Heiligenfesten noch recht verbreitet. In ihnen artikulierte sich gewissermaßen die menschliche Gegenleistung für das traditionelle Schutzverhältnis zwischen den Gläubigen und dem verehrten Heiligen. 11 In der Sauertalpfarrei Wintersdorf, die den Apostel als ihren Patron ehrte, wurde am Patronatsfest der Gottesdienst noch bis in das frühe 19. Jahrhundert durch eine Prozession zu Beginn der Messfeier besonders akzentuiert. 12 Eine ausgeprägte Intensität erreichten die Feierlichkeiten am Jakobusfest im Trierer Jakobshospital, auf dessen Geschichte noch weiter unten näher einzugehen ist. Nach den leider nur spärlichen und knappen Angaben der seit dem Jahr 1437/ 38 vorliegenden Hospitalsrechnungen variierten diese Feiern im Verlauf der Jahrhunderte beträchlich. Für das 15. Jahrhundert belegen sie Gottesdienste am Festtag unter Beteiligung einiger Kleriker, wobei im Gottesdienst ein Opfergang üblich war, sowie ein eher bescheidenes Mahl dieser Personengruppe. 13 Die Rech- Spurensuche: Jakobusverehrung im Trierer Land 123 7 Johann Jacob B LATTAU (Hrsg.), Statuta synodalia, ordinationes et mandata archidioecesis Trevirensis, Bd. 5. Trier 1846, S. 158-160. 8 Zu Widerständen siehe Andreas H EINZ , Die sonn- und feiertägliche Pfarrmesse im Landkapitel Bitburg-Kyllburg der alten Erzdiözese Trier von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Trier 1978 (= Trierer Theologische Studien, 34), S. 78. 9 Siehe ebd., S. 81. 10 Vgl. ebd., S. 323. 11 Siehe ebd., S. 322-324. 12 Vgl. ebd., S. 158. 13 Siehe Peter N EU , Jakobusbrot und Martinswein. Ein Beitrag zu den Formen der frühneuzeitlichen Jakobusverehrung in der Stadt Trier: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 23 (1977), S. 211-225, hier S. 214. <?page no="138"?> nungen des 16. Jahrhunderts geben eindeutige Hinweise auf ein Essen am Jakobsfest und auf den Brauch, sogenanntes „Jakobsbrot“ zu backen und den Angehörigen des Stadtrats zu reichen. Diese waren vermutlich auch die Teilnehmer des besagten Essens. 14 Das „Jakobsbrot“ wurde allem Anschein nach im späten 16. Jahrhundert in eine Gelddotation umgewandelt. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts erlauben die Rechnungen einen schemenhaften Blick auf die sinnenfrohe barocke Gestaltung des Festtages und des Festtagsgottesdienstes. Zahlungen für Priester, Sänger, Ministranten und „Engel“ (als Engel gekleidete Jungen) deuten diese Grundtendenz ebenso an wie Ausgaben für das Schmücken der Kirche mit „Bildern und Tapeten“ sowie mit „Mayn“ (grünen Ästen und Sträuchern). 15 Zum Ablauf des Festes gehörten eine Festpredigt und eine Prozession. Während des ganzen Tages waren zudem nicht näher beschriebene „Heiltümer“ beim Hochaltar zur Verehrung durch die Gläubigen ausgestellt. Wie eine Festtagspredigt zu Lob und Ehre des Apostels Jakobus ausgesehen haben könnte, ist aus dem Predigtwerk des im 18. Jahrhundert berühmtesten Trierer Dompredigers P. Franz Hunolt S.J. zu ersehen, dessen Predigten bis in das 19. Jahrhundert hinein immer wieder neu aufgelegt wurden. Von ihm ist eine Predigt überliefert, die er wohl nicht in der Kapelle des Jakobshospitals hielt, sondern von der Kanzel des Domes herab sprach. Die Kanzel selbst bot bereits einen Anknüpfungspunkt, sind auf dem kunstvollen Werk des Bildhauers Hans Rupprecht Hoffmann doch Jakobuspilger dargestellt, die im Bildzyklus über die sieben Werke der Barmherzigkeit den Auftrag Christi symbolisieren, Fremde zu beherbergen. 16 Der Apostel Jakob wird von Hunolt als „unverdrossener Arbeiter für die Ehr Christi und das Heyl der Seelen“ vorgestellt, als ein Muster von Seelsorger, der mit Feuereifer und Herzensfreude den Dienst Christi ausgeübt und diesen trotz des offenkundigen Misserfolgs seiner Missionsbemühungen in Spanien unvermindert fortgesetzt habe. Von Gott sei er nach seinem Tod dafür reich belohnt worden. Hunolt kommt es in seiner Jakobuspredigt primär darauf an, die zeitgenössischen Bemühungen um eine Reform der Seelsorge und des Seelsorgsklerus zu unterstützen und mit dem Hinweis auf das Vorbild des Apostels einen Weg aufzuzeigen, wie eifrige Seelsorger die 124 Bernhard Schneider 14 Vgl. ebd., S. 214. 221f. 15 Siehe ebd., S. 217-220. 16 Vgl. Nikolaus I RSCH , Der Dom zu Trier. Düsseldorf 1931 (= Die Kunstdenkmäer der Rheinprovinz, 13/ 1); Franz R ONIG , Die Ausstattung, in: Ders. (Hrsg.), Der Trierer Dom. Neuss 1980, S. 231-362, hier S. 257-260. <?page no="139"?> alltägliche Erfahrung des Misserfolgs einordnen und verarbeiten können. In diesen Kontext stellt Hunolt auch seine Nacherzählung der vom Apostel an seinem Grab gewirkten Wunder. Seine seit nunmehr 1700 (! ) vor den Augen der Welt gewirkten Wunder gelten Hunolt als Teil dieser himmlichen Belohnung für den apostolischen Eifer des hl. Jakobus. Hier erfahren nun auch die Santiago-Pilger Erwähnung. „Dahero es sich auch nicht zu verwundern, daß aus allen Orten der gantzen Welt die Pilgeran Processions-weiß, worunter mehrmahl gecrönte Häupter sich gefunden, bißhero beständig dorthin ihre Wallfahrt angestellt, und sich fußfällig vor dessen Grab nidergeworffen“. 17 Die ihm über die Maßen von den Pilgerscharen erwiesene Ehre gilt Hunolt als Vergeltung dafür, dass dem Apostel während seines kurzen Lebens diese nicht zuteil wurde. P. Hunolt stand mit seiner Lobpredigt auf den Apostel Jakobus selbstverständlich nicht allein. Aus dem Luxemburger Teil des Erzbistums Trier ist ein kurz vor Hunolt erschienenes Predigtwerk überliefert, das nicht weniger als sechs Jakobuspredigten enthielt. 18 Kehren wir nach diesem kleinen Exkurs zum Jakobusfest im Trierer Jakobshospital zurück. Zum Festprogramm gehörte dort im späten 17. und im 18. Jahrhundert auch die Ausspendung des „Jakobsbrots“ an die Stadtarmen, ein im Festbrauchtum des Trierer Landes weit verbreitetes Element. 19 Die auf diese Weise begangene Trierer „Jakobskirmes“ (eigentlich Kirchweihfest, hier aber wohl als Patronatsfest verstanden) zog auch Auswärtige an. Zusätzlich Attraktiviät erhielt der Festtag des Apostels in Trier für Einwohner und Auswärtige auch noch durch die Gottesdienste der Jakobus-Rochusbruderschaft, über die eigens zu handeln sein wird. Es hieße die enge Verbindung von katholischem Heiligenfest und der Lebenskultur der Menschen zu übersehen, wenn nicht auch die „weltlichen“ Aspekte des Jakobusfestes berührt würden. Trotz aller Bemühungen der vom Konzil von Trient inspirierten Reformkräfte, „Sakrales“ von „Profanem“ zu trennen, bestand im Barockzeitalter nicht selten ei- Spurensuche: Jakobusverehrung im Trierer Land 125 17 Franz H UNOLT , Christliche Sitten-Lehr Uber die Evangelische Wahreheiten Dem Christlichen Volck In Sonn- und Feyrtäglichen Predigen Auff offentlicher Cantzel vorgetragen, 6 Bde. Köln 1740-1748 (mir lag die 4. Auflage Ausgsburg 1760-1765 vor), hier Bd. 6, S. 377-386 (Zitate ebd., S. 378. 384). Zu Hunolt vgl. Nikolaus S CHEID , P. Franz Hunolt SJ. Ein Prediger aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Regensburg 1906. 18 Vgl. D ONCKEL , Jakobus (wie Anm. 5), S. 6: Bernhard Büringer, Serta Moralia a Concionatoribus in Festis Sanctorum populo e cathedra exhibenda, 1712. 19 Siehe N EU , Jakobusbrot (wie Anm. 13), S. 219f. 225. <?page no="140"?> ne enge Verbindung. 20 Sie dokumentiert sich nicht zuletzt in den Jahrmärkten, die an den Festtagen abgehalten wurden. Während in Trier die „Jakobskirmes“ nicht mit einem Jahrmarkt verbunden gewesen zu sein scheint, war genau dies im Eifelstädtchen Prüm im 18. Jahrhundert der Fall. Der Jahrmarkt am Festtag bot bis zur erwähnten Feiertagsreform Erzbischof Clemens Wenzeslaus’ die Gewähr für besonders zahlreiche Besucher. Das weltliche Treiben wurde im Übrigen durch eine vom Stadtbürgermeister zu finanzierende hl. Messe flankiert. 21 Ein Jahrmarkt am Jakobusfest ist auch für den Jakobsberg im Herzogtum Luxemburg über mehrere Jahrhunderte bezeugt. 22 Schließlich ist für das Moselstädtchen Traben die Feier eines „Volksfestes“ am Jakobustag nach alter Tradition überliefert, doch fehlen einstweilen noch exakte Angaben zum tatsächlichen Alter dieses Brauchs. 23 II. Jakobuspatrozinien, Jakobusaltäre und -statuen im Bistum Trier Ein in der Frömmigkeitsforschung recht beliebter, in seiner Handhabung aber recht schwieriger Indikator zur Messung der Kultintensität eines Heiligen sind die Patrozinien. 24 Zu bedenken ist, dass Patrozinien keinen direkten Schluss auf die tatsächliche Popularität des betreffenden Heiligen unter den Gläubigen erlauben. Patrozinien werden „von oben“, d.h. der Kirche bzw. dem adligen Kirchenherrn vorgegeben. Zudem ist Patrozinium nicht gleich Patrozinium: Jakobus als Patron einer Burgkapelle kann einen anderen Zugang zur Verehrung des Heiligen be- 126 Bernhard Schneider 20 Zur Frömmigkeitsgeschichte dieser Epoche vgl. einführend den von mir bearbeiteten Beitrag von Régis B ERTRAND , Modelle und Entwürfe zum christlichen Leben, in: Das Zeitalter der Vernunft (1620/ 30-1750). Freiburg u.a. 1998 (= Geschichte des Christentums, 9), S. 823-931. Siehe ferner Heribert S MOLINSKY / Hansgeorg M OLI - TOR (Hrsg.), Volksfrömmigkeit in der Frühen Neuzeit. Münster 1994 (= Katholisches Leben und Kirchenreform, 54). 21 Siehe Peter O STER , Geschichte der Pfarreien der Dekanate Prüm-Waxweiler. Trier 1927, S. 224f. 22 Vgl. D ONCKEL , Jakobus (wie Anm. 5), S. 14. 23 Vgl. Wilhelm H AY , Volkstümliche Heiligentage. Trier 1932, S. 167f. 24 Siehe einführend Herbert W. W URSTER , Art. Patrozinium, in: TRE, Bd. 26, S. 114-118; Alois S CHRÖER , Art. Patron, Patronin, Patrozinium I, in: LThK 3 , Bd. VII, Sp. 1478-1480. Nach wie vor grundlegend: Michael Z ENDER , Räume und Schichten mittelalterlicher Heiligenverehrung in ihrer Bedeutung für die Volkskunde. Düsseldorf 1959. Für das Erzbistum Trier: Ferdinand P AULY , Siedlung und Pfarrorganisation im Erzbistum Trier, 10 Bde. Bonn 1957, Trier 1961-1972, Koblenz 1976. <?page no="141"?> deuten (als Maurenkämpfer Patron der Ritter) wie Jakobus als Patron einer von den mittelalterlichen Reformorden gestifteten Kirche. 25 Trotz des damit gegebenen Zwangs zur Differenzierung behält die Patrozinienforschung dennoch ihren Wert. Für das Erzbistum Trier ist ein Blick auf die Patrozinien durch die Bestandserfassung anlässlich der ersten Generalvisitation nach dem Konzil von Trient möglich. 26 Unter den ermittelten Patrozinien von rund 750 Pfarrkirchen und selbständigen Kapellen kam dem des Apostels Jakobus d.Ä. keine herausragende, sondern eine sehr nachrangige Bedeutung zu. Lediglich sechs solcher Kirchen waren nach ihm benannt, während der „Spitzenreiter“, der hl. Martin, 100 Patrozinien aufzuweisen hatte. 27 Nimmt man die Pfarreien hinzu, die bis 1569/ 71 evangelisch geworden waren, so ist die Liste um weitere sechs Pfarreien zu ergänzen. 28 Damit konzentrierten sich die Jakobuskirchen einerseits im Westen des Erzbistum und andererseits an der Lahn und im Hunsrück. Das Gebiet der Eifel wie das Moseltal waren in dieser Hinsicht auffälligerweise weiße Flecken. Häufiger ist der Apostel als Patron von Filialkirchen bzw. -kapellen belegt (17 Mal). 29 Auch in diesem Fall lässt sich Spurensuche: Jakobusverehrung im Trierer Land 127 25 Siehe dazu die Hinweise von Manuel S ANTOS N OYA , Zeugnisse des Kultes in Patrozinien, Hospizen und Bruderschaften, in: Klaus H ERBERS / Dieter R. B AUER (Hrsg.), Der Jakobuskult in Süddeutschland. Tübingen 1995, S. 29-43, hier S. 30f. 26 Vgl. Eduard L ICHTER , Das Erzbistum Trier 1569/ 71. Ein Orts- und Personalschematismus. Trier 1998 (= Veröffentlichungen des Bistumsarchivs Trier, 33). 27 Eigene Berechnung auf der Basis des Datenmaterials bei L ICHTER , Erzbistum (wie Anm. 26), S. 38-104. Pfarreien mit Jakobus-Patrozinium waren (in Klammer das damalige Dekanat und nach Komma die geographische Region als zusätzliche Orientierungshilfe): Litdorf-Rehlingen (Dekanat Perl/ Saar), Messancy (Dekanat Arlon, Belgien), Remoiville (Dekanat Juvigny, Lothringen), Roodt-sur-Syre (Dekanat Mersch, Luxemburg), Weiskirchen (Dekanat Wadrill, Hochwald), Wintersdorf (Dekanat Bitburg-Kyllburg, Sauer). 28 Vgl. die Liste evangelisch gewordener Pfarreien bei L ICHTER , Erzbistum (wie Anm. 26), S. 126-137. Im Zuge der Fürstenreformation waren dem Erzbistum Trier insgesamt 276 Pfarreien verloren gegangen. Vgl. ebd., S. 37. Jakobuspatrozinien kannten davon: Birkenfeld (Dekanat Wadrill, Hunsrück), Dierdorf (Dekanat Engers, Westerwald), Freiendiez (Dekanat Kirberg, Lahn), Langgöns (Dekanat Wetzlar, Lahn), Lindenholzhausen (Dekanat Dietkirchen, Lahn), Obergondershausen (Dekanat Zell, Hunsrück). 29 Anhand des von Eduard Lichter bereitgestellten Materials (vgl. Anm. 27) sind 17 Filialkirchen zu ermitteln. Es sind dies: Audun-le-Tiche/ Adicht (Pfarrei Russange, Luxemburg), Dalheim (Pfarrei Boppard, Rhein), Dondeldange (Pfarrei Schönberg-Kehlen, Luxemburg), Girod (Pfarrei Nentershausen, Westerwald), Greimersburg (Pfarrei Klotten, Mosel), Greiveldange (Pfarrei Lenningen, Luxemburg), Jakobsberg (Pfarrei Mompach, Luxemburg), Kautenbach (Pfarrei Consthum, Luxemburg), Kesslingen (Pfarrei Kirf, Saar), Muenschecker (Pfarrei Grevenmacher, Luxemburg), Niederhersdorf (Pfarrei Wetteldorf-Schönecken, Eifel), Niederstedem (Pfarrei Messerich, Eifel), <?page no="142"?> die Liste um drei evangelisch gewordene Filialkirchen erweitern. 30 Sehr deutlich sticht erneut die Konzentration der Jakobuspatrozinien im Westteil des Erzbistums ins Auge, wobei das Gebiet des heutigen Großherzogtums Luxemburg eindeutig den Schwerpunkt bildet. Zieht man auch sonstige Patrozinien in Betracht, d.h. auch die von Hospitälern und Altären, erhöht sich die Zahl nochmals um acht Patrozinien. 31 Mit diesen 40 Patrozinien verbessert sich zwar der Platz des Apostels Jakobus in der Patrozinien-Hitliste beträchtlich, er zählt damit aber immer noch nicht zu den „Spitzenkulten“. 32 Die Konzentration im Westteil des Erzbistums fällt auf, doch ist dies wenigstens teilweise durch die Tatsache zu relativieren, dass das Archidiakonat Longuyon auch die meisten Pfarreien aufwies. Nicht minder bemerkenswert ist die ausgeprägt geringe Zahl von Jakobuspatrozinien im Archidiakonat Karden, das die an Untermosel und am Rhein gelegenen Pfarreien umfasste, und ebenso im Archidiakonat Trier. Eine Erklärung für diesen Befund ist derzeit noch nicht ersichtlich. Blickt man zum Vergleich auf den Raum des heutigen Bistums Trier und die Weiterentwicklung der Jakobusverehrung nach 1800, so lassen sich anhand des „Handbuchs des Bistums Trier“ mit Stand von 1952 (! ) 24 Jakobuspatrozinien nachweisen. 33 Andere Heilige überragen Jakobus in der Patrozinienstatistik bei weitem, einmal ganz abgesehen von den Marienpatrozinien (244), die den Rahmen komplett sprengen. Beim Gros dieser 24 im Jahr 1952 bestehenden (! ) Patrozinien handelt es sich um alte Gründungen vor 1600 (11 Mal), doch zeigen vier am Ende des 19. Jahrhunderts dem Apostel Jakobus dedizierte Kirchen dessen fortbestehende Verehrung. Geographisch verteilen sich die Patrozinien auf die Eifel (9), das Saarland (7), den Hunsrück (4), die Mosel (3) und den 128 Bernhard Schneider Rapperath (Pfarrei Bischofsdrohn, Hunsrück), Reuland (Pfarrei Heffingen, Luxemburg), Rodershausen (Pfarrei Roth a.d. Our, Eifel), Trier-Biewer (Pfarrei Pfalzel, Mosel), Welscheid (Pfarrei Ettelbrück, Luxemburg). 30 Vgl. L ICHTER , Erzbistum (wie Anm. 26), S. 126-137. Es waren dies: Guntersdorf (Pfarrei Herborn, Westerwald), Idstein (Pfarrei Oberlahnstein, Rhein), Immert (Pfarrei Thalfang, Hunsrück). 31 Vgl. ebd., S. 64. 93. 100. 121-124. Hospitäler/ Hospitalkapellen: Fresnois-la-Montagne (Lothringen), Mayen (Eifel), Oberlahnstein (Rhein), Trier (Mosel), Unkenstein (Wittlich, Eifel). Altäre: Cochem-St. Martin (Mosel), Stenay-St. Remigius (Lothringen), Virton-St. Laurentius (Lothringen). 32 Nach einer von Eduard Lichter (siehe ebd., S. 208-211) vorgenommen Auflistung der Patrozinien rangiert Jakobus auf Platz 18. Lichter bezieht in seine Auflistung auch Patrozinienwechsel nach 1571 ein, so dass er auf eine geringfügig höhere Zahl kommt (42). 33 Vgl. Handbuch des Bistums Trier. Trier 1952, S. 928-939, hier S. 932, sowie Abb. S. 129. <?page no="143"?> Spurensuche: Jakobusverehrung im Trierer Land 129 Patrozinien im Erzbistum Trier 1569/ 71 Patrozinien im Bistum Trier 1952 (ohne Marienpatrozinien) <?page no="144"?> Westerwald (1). Von den 24 Kirchen mit Jakobuspatrozinien sind 15 Pfarrkirchen und 9 Filialkirchen. Außer auf Jakobuspatrozinien stößt man selbst bei einer unsystematischen Suche nach Spuren der Jakobusverehrung auch auf 47 Belege für Jakobusbildnisse/ Jakobusstatuen/ Reliefs etc. 34 Aus diesem Material ließe sich eine provisorische Kultkarte zusammenstellen. Sie wiese nach derzeitigem Ermittlungsstand im Gebiet des Bistums Trier eine starke Verdichtung entlang der Mosel auf, unter Einschluss der angrenzenden Eifelregion, sowie in der Eifel selbst eine Anordnung, die die Verbindungswege nach Aachen bzw. Köln abbildet, während sich aus den Belegen im Hunsrück-Naheraum eine denkbare Achse Mainz-Trier ablesen lässt. Von diesem Befund her deutet manches darauf hin, dass die Verkehrswege, auf denen sich auch die Santiago-Pilger bewegten, für die Ausbreitung der Jakobusverehrung eine wichtige Rolle spielten. 35 Für das bis 1802 weitgehend zum alten Erzbistum Trier gehörende Luxemburger Land liegt eine solche Kultkarte bereits vor, die 40 Orte ausweist. 36 130 Bernhard Schneider 34 Im Raum des heutigen Bistums Trier sind zu nennen: Alken (Fresko, 14. Jh.), Bernkastel, (Figur im ehemaligen Hochaltar, jetzt in Fürth, Pfarrei Ottweiler, 18. Jh.), Boppard (Friedhofsfigur; Kirchenfenster des ehemaligen Karmeliterklosters, 15. Jh.), Bremm (Figur im Nebenaltar, 17. Jh.), Briedel (Bild), Dasburg (Figur im Hochaltar, 18. Jh.; Relief im Hochaltar 18. Jh.); Dierdorf (Figur, vor 1550), Farschweiler (Figur, 18. Jh.), Gondorf (Kanzelrelief, 16. Jh.), Kaimt (Schlussstein mit Brustbild), Karden (Figur am Nebenaltar, 17. Jahrhundert.; Ölgemälde 16. Jh.), Kirmutscheid (Konsolfigur im Kirchenschiff), Kyllburg (Holzfigur in der Sakristei, 18. Jh.), Kyllburgweiler (Steinfigur), Lieser (Figur am Nebenaltar, 17. Jh.), Linz (Fresko, 13. Jh.), Lonnig (Holzfigur vom alten Hochaltar, 17. Jh.), Maria Engelport (Statue, um 1700), Maring (Figur am Seitenaltar, 1601), Mertloch (Statue, 18. Jh.), Monreal (Figur, um 1500), Morswiesen (Holzfigur, 17. Jh.), Münstermaifeld (Kreuztafel im ehemaligen Stift mit Darstellung des hl. Jakobus, vor 1200), Niederbreisig (Darstellung im gemalten Altarantependium), Niederhersdorf (Bild am Hochaltar, 18. Jh.), Niederburg (Kreuz mit den Namen Johannes und Jakobus, 18. Jh.), Niedersgegen (Figur, 18. Jh.), Nürburg (Fensterbild, spätgotisch), Ödingen (Brustbild an einer Pfeilerkonsole, 15./ 16. Jh.), Onsdorf (Figur, 17. Jh.), Rhens (Holzfigur, 18. Jh.), Saarbrücken-Schlosskirche (Figur, 17./ 18. Jh.), Saarbrücken-St. Ludwig (Brüstungsfigur aus Stein), St. Goar (Fensterbild in der Stiftskirche), Stromberg (steinerne Figur am Marktplatz, um 1780), Kloster Stuben (Figur an einem Steinaltar des 17. Jhs.; Kanzel mit Darstellung des Jakobus, jetzt in Gondorf), Trarbach (Bild, 1504), Trier (Steinfigur an der Steipe, 15. Jh.; Wandgemälde zweite Hälfte 15. Jh. Liebfrauenkirche; Figur im Besitz der Küferzunft), Urmitz (Ölgemälde, zweite Hälfte 18. Jh.), Utzerath (Bild, 1752 bei einer Visitation beanstandet), Waxweiler (Figur, 18. Jahrhundert.), Weiskirchen (Statue, 1684), Wintersdorf (mehrere Figuren, u.a. Nischenfigur 18. Jh.). 35 Vgl. auch S ANTOS N OYA , Zeugnisse (wie Anm. 25), S. 38. 36 Siehe D ONCKEL , Jakobus (wie Anm. 5), S. 9-22 (S. 10: „Kultkarte“). <?page no="145"?> III. Jakobusbruderschaften Bruderschaften waren integraler Bestandteil der Jakobusverehrung. In ihnen institutionalisierte sich die Verehrung des Heiligen und sie bildeten auch einen Teil des organisatorischen Rückgrats der Jakobuspilgerfahrt nach Santiago. Dies gilt im Übrigen auch für viele andere Pilgerfahrten, so etwa für die zum Trierer Apostelgrab des Apostels Matthias. 37 Das Vorhandensein oder Fehlen von Bruderschaften erlaubt von daher Rückschlüsse auf das Ausmaß der Heiligenverehrung und mit Einschränkungen auch auf die Pilgerbewegung. Dieser letzte Hinweis trägt der Tatsache Rechnung, dass entgegen der lange üblichen Annahme die Forschung in neuester Zeit nicht mehr davon ausgeht, die nachweisbaren Jakobusbruderschaften seien in jedem Fall als Vereinigungen der Santiago-Pilger oder Organisatoren von Pilgerfahrten dorthin anzusehen. 38 Wer vor diesem Hintergrund nach Jakobusbruderschaften im Trierer Land Ausschau hält, sieht sich mit dem Problem konfrontiert, dass ein Nachweis zur Zeit nur mühsam zu erbringen ist. Zentrale Bruderschaftsverzeichnisse liegen mit einer Ausnahme weder in den Quellen noch in der Literatur vor. Bei der besagten Ausnahme handelte es sich um eine tabellarische Übersicht, die 1827 im Trierer Generalvikariat erarbeitet wurde. Sie beruht auf einer von Bischof Joseph von Hommer (1824-1836) angeordneten Untersuchung über die im Bistum vorhandenen Bruderschaften. 39 Da nicht alle Pfarrer dem Auftrag ihres Bischofs nachkamen, bleibt auch diese Übersicht lückenhaft, doch bietet sie insgesamt eine wertvolle Bestandsaufnahme. Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass in dieser Liste eine einzige Jakobusbruderschaft auf- Spurensuche: Jakobusverehrung im Trierer Land 131 37 Einführend Bernhard S CHNEIDER , Kirchenpolitik und Volksfrömmigkeit. Die wechselhafte Entwicklung der Bruderschaften in Deutschland vom Spätmittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts: Saeculum 47 (1996), S. 89-119. Zu den Matthiasbruderschaften ausführlich Birgit B ERNARD , Die Wallfahrten der St. Matthiasbruderschaften zur Abtei St. Matthias in Trier. Vom 17. Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Heidelberg 1995. 38 Vgl. S ANTOS N OYA , Zeugnisse (wie Anm. 25), S. 39 sowie Hedwig R ÖCKELEIN / Gerhard W ENDLING , Wege und Spuren der Santiago-Pilger im Oberrheintal, in: Robert P LÖTZ (Hrsg.), Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt. Tübingen 2 1993, S. 83-118, hier S. 106-115. 39 Dazu und generell zu Hommers spätaufklärerischem Frömmigkeitskonzept, in das auch diese Maßnahme einzuordnen ist, vgl. jetzt Bernhard S CHNEIDER , Katholiken und Seelsorge im Umbruch von der traditionalen zur modernen Lebenswelt, in: M. P ERSCH / B. S CHNEIDER (Hrsg.), Auf dem Weg in die Moderne 1802-1880. Trier 2000 (= Geschichte des Bistums Trier, 4), S. 275-369, hier 327-332. <?page no="146"?> gelistet ist, die in der Trierer Pfarrkirche St. Gervasius beheimatete Jakobus-Rochusbruderschaft, auf die gleich noch näher eingegangen wird. Eine einfache Rückprojektion dieses Befundes in die Zeit des Mittelalters und der Frühen Neuzeit ist allerdings unzulässig, da die Existenz einzelner Jakobusbruderschaften im Trierer Land während dieser Epochen eindeutig belegt ist. Insgesamt bleibt aber ein eindeutiger Befund: Es gab nur verschwindend wenige Jakobusbruderschaften im Raum des heutigen Bistums Trier. 40 In chronologischer Ordnung ist als erste der wenigen nachweisbaren Jakobusbruderschaften die eng mit dem Jakobshospital in der Stadt Trier verbundene Jakobusbruderschaft anzuführen. Die Zeugnisse für das Jakobshospital reichen bis in das Jahr 1186 zurück. Es diente der Beherbergung von Pilgern, armen Reisenden und wohl auch allgemein von Kranken. 41 Eine Bruderschaft wird in diesen Jahren allerdings noch nicht erwähnt. Erst mit einem Schutzbrief Papst Gregors IX. für das Hospital vom Jahr 1239, in dem dessen Meister und Brüder genannt werden, dürfte ein erster Beleg für die Existenz dieser Jakobusbruderschaft vorliegen. Aus Quellen des 14. Jahrhunderts ist dann über die Mitglieder und den Charakter dieser Trierer Bruderschaft erstmals Näheres zu erfahren. In ihr hatten sich die reichen und mächtigen Trierer Schöffenfamilien zusammengeschlossen, also die Angehörigen des engeren Stadtpatriziats. Sie fungierte als politische Interessensvertretung dieser Kreise sowohl gegenüber dem Trierer Erzbischof wie gegenüber den anderen Gruppen der Stadtbevölkerung. 1364 verband sie sich im Zuge eines Bündnisses mit anderen weniger vornehmen, aber gleichfalls einflussreichen Gruppen, die sich in der so genannten Bürgerbruderschaft zusammen geschlossen hatten. Damals zählte die Jakobusbruderschaft 30, die Bürgerbruderschaft 53 Mitglieder. Die vereinigte neue Jakobusbruderschaft schränkte die Zahl der Mitglieder auf 100 ein und 132 Bernhard Schneider 40 Das ergibt sich auch aus dem Archivverzeichnis von Johannes Krudewig, das ansonsten viele Hinweise auf Bruderschaftsquellen aufweist. Siehe Johannes K RUDEWIG , Übersicht über den Inhalt der kleineren Archive der Rheinprovinz, Bd. 3-4. Bonn 1909/ 1915 (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde XIX). 41 Zum Trierer Jakobshospital liegt keine umfassende Darstellung vor. Vgl. knapp H IRSCHMANN , Civitas (wie Anm. 2), S. 446f.; Richard L AUFNER , Die Geschichte der Trierer Hospitäler ..., in: H. P ILGRAM / M. P ILGRAM (Hrsg.), Die Vereinigten Hospitien in Trier. Trier 1980, S. 33-70, hier S. 54-58. Die von Gabriele Salokat an der Universität Trier angefertigte Wissenschaftliche Abschlussarbeit zum Jakobshospital (Fachbereich III: Fach Mittelalterliche Geschichte) ist nicht ausleihbar und war dem Verfasser daher nicht zugänglich. Als Quellenbasis unentbehrlich: Johann Christoph L AGER , Regesten der Urkunden des ehemaligen St. Jakobshospitals in Trier bis zum Jahre 1769. Trier 1914 (= Trierisches Archiv Ergänzungsheft, 14). <?page no="147"?> verband die Aufnahme mit einer hohen Gebühr, so dass eine gewisse soziale Exklusivität gewahrt blieb. Vier Mitglieder, die nicht zum Schöffenkollegium gehören durften, wurden seitdem in den Stadtrat entsandt. Dies zeigt die politische Dimension dieser Organisation. Daneben blieb die Jakobusbruderschaft bis zur Übernahme des Hospitals in städtische Regie (1435) für die Verwaltung des Hospitals zuständig. 42 Spezielle Aktivitäten zur Belebung des Jakobuskultes waren in Verbindung mit der Jakobusbruderschaft kaum zu erkennen. Immerhin ist es ihr zu verdanken, dass der hl. Jakobus am spätmittelalterlichen Prachtbau der so genannten „Steipe“ seinen Platz fand, in dem die „feine Trierer Gesellschaft“ ihre Geselligkeit pflegte. Mittlerweile (im 15. Jahrhundert) war die Jakobusbruderschaft zur Gesellschaft der Ratsherren geworden. Mit der Santiago-Pilgerfahrt bestand eine Berührung über die dem Hospital ursprünglich eigene Aufgabe der Versorgung durchreisender Pilger. Tatsächlich war aber selbst dieser Berührungspunkt wenig stark entfaltet, denn nach den für das 14. und 15. Jahrhundert recht zahlreich vorliegenden Quellen war das Hospital weniger zur Versorgung von Jakobspilgern tätig, sondern es diente wie andere Hospitäler primär als Institution zur Versorgung alter Menschen innerhalb der Trierer Bürgerschaft. Gegen entsprechende Dotationen konnte man sich einen Platz als Pfründner im Hospital erwerben, wodurch man einen genau festgelegten Anspruch auf Versorgung erwarb. Hinzu kam eine Rolle in der städtischen Armenversorgung. 43 Für den Jakobuskult kam dem Hospital jedoch durch die beschriebene Feier des Festtages eine wichtige Bedeutung zu. Die Santiago-Pilgerfahrt war hingegen der unmittelbare Hintergrund einer weiteren Jakobusbruderschaft, die in Trier bestand. Von ihr hören wir zum ersten Mal im Jahr 1465, doch dürfte die Gründung schon 1460 erfolgt sein. 44 Am 14. Dezember 1465 erhielt sie auf Bitten des Trierer Leinewebers Wilhelm genannt Winter ein in Santiago ausgestelltes Ablassprivileg. Dieser Leineweber hatte, so heißt es in der Urkunde, schon drei Mal die Pilgerfahrt nach Santiago unternommen und habe vor, in der Kirche des Minoritenklosters in Trier eine Bruderschaft zu errichten oder er habe sie dort schon errichtet. Die Initiative dieses Spurensuche: Jakobusverehrung im Trierer Land 133 42 Siehe L AUFNER , Hospitäler (wie Anm. 41), S. 54 sowie speziell Knut S CHULZ , Ministerialität und Bürgertum in Trier. Bonn 1968, S. 142-150. 43 Vgl. L AUFNER , Hospitäler (wie Anm. 41), S. 54f.; Gottfried K ENTENICH , Geschichte der Stadt Trier. Trier 1915, S. 272; H IRSCHMANN , Civitas (wie Anm. 2), S. 447. 44 Siehe dazu Bernhard S CHNEIDER , Bruderschaften im Trierer Land. Ihre Geschichte und ihr Gottesdienst zwischen Tridentinum und Säkularisation. Trier 1989 (= Trierer Theologische Studien, 48), S. 94. <?page no="148"?> Trierers passt in das Gesamtbild sowohl der Pilgerfahrten nach Santiago, die sich im 15. Jahrhundert auch in breiteren Bevölkerungsschichten eines großen Zulaufs erfreuten, als auch in das der Bruderschaftsgeschichte. Tatsächlich war nämlich das 15. Jahrhundert besonders reich an Bruderschaftsgründungen in deutschen Städten. Zudem wurden in dieser Zeit generell viele Bruderschaften an Klosterkirchen errichtet, wobei die Initiative meist von der gläubigen Bevölkerung ausging und nicht so sehr vom Klerus. 45 Trotz dieser eindeutigen Verbindung zur Jakobuspilgerfahrt stand diese in Wirklichkeit jedoch nicht im Zentrum der von dieser Bruderschaft gepflegten Aktivitäten. Nirgendwo in der recht guten Aktenüberlieferung ist davon die Rede, dass die Bruderschaft aus Santiago-Pilgern bestand oder dass sie Pilgerfahrten nach Santiago organisierte. Sie präsentiert sich vielmehr als eine der vielen „normalen“ Andachtsbruderschaften, in deren Lebensmittelpunkt die Gottesdienste am Patronatsfest und das Totengedächtnis standen. Das beinhaltet auch jener Vertrag zwischen dem Trierer Minoritenkonvent und der Bruderschaft, der 1467 geschlossen wurde. Demnach sollte der Konvent an den vier Quatembersonntagen sowie am Sonntag nach dem Jakobusfest jeweils eine Sing- und eine Lesemesse halten. Starb ein Mitglied, so war auf Kosten der Bruderschaft jeweils eine Sing- und eine Lesemesse zu zelebrieren. Die zentrale Bedeutung des Totengedächtnisses und der Gebetsfürbitte für die Verstorbenen erhellt auch aus der Bestimmung dieses Vertrags, wonach die Minoriten am Sonntag nach dem Jakobusfest die Namen der verstorbenen Mitglieder von der Kanzel verlesen und für diese beten sollten. 46 Aus der Annahme des hl. Rochus als zweitem Patron der Bruderschaft, die auf Bitten der Minoriten 1489 vorgenommen wurde, ist eine nochmalige Akzentverschiebung zu ersehen. Fortan entwickelte sich das Rochusfest nämlich eindeutig zum wichtigeren der beiden Patronatsfeste. 47 Es liegt nahe, die im Alltag der Menschen des Spätmittelalters wie der frühen Neuzeit stets gegenwärtige Gefährdung durch Seuchen als Hintergrund dieser Entwicklung anzusehen. Für Trier sind bis weit in das 17. Jahrhundert hinein viele Pestjahre bekannt, die den Beistand durch einen auf die Seuchenabwehr spezialisierten Heiligen wie 134 Bernhard Schneider 45 Vgl. S CHNEIDER , Kirchenpolitik (wie Anm. 37), S. 90-92. 46 Siehe Bistumsarchiv Trier (= BATr) 71, 4 Nr. 10. Siehe auch Gisela B RACH , „Vade mecum, Das ist Kleines Hand oder Gesang-Büchlein ...“ Die Jakobus-Rochus-Bruderschaft in Trier, in: Kurtrierisches Jahrbuch 21 (1981), S. 154-163, hier S. 155f. 47 Vgl. BATr 71, 4 Nr. 11. <?page no="149"?> St. Rochus besonders dringlich erscheinen ließen. 48 Es blieb aber immerhin dabei, dass durch diese Bruderschaft in Trier auch die Jakobusverehrung lebendig erhalten wurde. Bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts beging die Bruderschaft das Jakobsfest nach Ausweis ihrer Akten und eines 1725 erschienenen Gebetbuchs mit einer feierlichen Prozession durch den Kreuzgang des Minoritenklosters, bei der das Altarsakrament mitgeführt wurde, mit einem daran anschließenden Hochamt in der reich geschmückten Kirche, in dessen Verlauf auch eine „Lobpredigt“ auf den Heiligen gehalten und ein Opfergang durchgeführt wurde. Am Nachmittag feierte man dann Vesper und Komplet mit abschließendem sakramentalem Segen. 49 Mithin war der Apostel Jakobus den Trierern auch im 18. Jahrhundert im Gottesdienst präsent. Nach wie vor ist aber aus den Quellen dieser Bruderschaft keinerlei Hinweis auf Pilgerfahrten nach Santiago zu gewinnen. Die Mitglieder der Bruderschaft gingen nicht auf Pilgerfahrt ins ferne Galicien, sondern unternahmen jährlich am Tag nach dem Rochusfest eine Wallfahrtsprozession zum etwa zehn Kilometer von Trier entfernten Gutweiler, wo die heiligen Ärzte Cosmas und Damian verehrt wurden. 50 Bei dieser für die Barockzeit charakteristischen Nahwallfahrt 51 wurde nicht nur eifrig gesungen (aber kein Lied zum hl. Jakobus) und gebetet, sondern auch die leiblichen Bedürfnisse wurden Spurensuche: Jakobusverehrung im Trierer Land 135 48 Siehe Andreas S CHÜLLER , Seuchen in Trier, in: Trierische Heimat 6 (1929/ 30), S. 131-133; 7 (1930/ 31), S. 7-9. 26-28. 54f. 87-89. 141f; 9 (1932/ 33), S. 8-10. 53-57; 10 (1933/ 34), S. 143-147. 49 Beschreibung der Gottesdienste um 1725 in: VADE MECUM Das ist: Kleines Hand oder Gesang-Büchlein deren Brüderen und Schwesteren der uralten Bruderschafft Deren Heiligen Jacobi und Rochi In Trier ..., Trier 1725, hier S. 70f. Vgl. zu den Bruderschaftsgottesdiensten allgemein S CHNEIDER , Bruderschaften (wie Anm. 44), S. 333-454 (S. 488 Register mit den Hinweisen speziell auf die Jakobus-Rochusbruderschaft). 50 Zu dieser im 1725 erschienenen Büchlein der Bruderschaft genau beschriebenen Wallfahrt vgl. B RACH , „Vade mecum“ (wie Anm. 46), S. 159-163 sowie S CHNEIDER , Bruderschaften (wie Anm. 44), S. 459-463. 51 Zum barocken Wallfahrtswesen und dem partiellen Strukturwandel im Wallfahrtswesen vgl. Marc V ENARD / Bernard V OGLER , Die kollektiven Formen des religiösen Lebens, in: Marc V ENARD / Heribert S MOLINSKY (Hrsg.), Die Zeit der Konfessionen (1530-1620/ 30). Freiburg 1992 (= Die Geschichte des Christentums, 8), S. 959-1029, hier S. 1011-1024. Unverändert wertvoll Georg S CHREIBER , Strukturwandel der Wallfahrt, in: Ders. (Hrsg.), Wallfahrt und Volkstum in Geschichte und Leben. Düsseldorf 1934, S. 1-183, hier 21-62. An neueren Spezialdarstellungen sind von besonderem Interesse: Werner F REITAG , Volks- und Elitenfrömmigkeit in der Frühen Neuzeit. Marienwallfahrten im Fürstbistum Münster. Paderborn 1991 (= Veröff. des Provinzialinstituts f. westf. Landes- und Volksforsch., 29); Rebekka H ABERMAS , Wallfahrt und Aufruhr. Zur Geschichte des Wunderglaubens in der frühen Neuzeit. Frankfurt 1991 (= Historische Studien, 5). <?page no="150"?> nicht ganz vernachlässigt. Die Leiter der Bruderschaft hatten für ordentliche Verpflegung zu sorgen: 1695 aß man bei dieser Gelegenheit neun Pfund Rindfleisch, zehn Pfund Hammelfleisch, sechs Hähne, Brot und Pasteten und trank dazu 39 Liter Wein. 52 Eine dritte Jakobusbruderschaft bestand nach Aussage einer 1715 gedruckten „Werbe- und Informationsbroschüre“ „seit unerdencklichen Jahren“ in Verbindung mit der Jakobuskapelle im heutigen Trierer Vorort Biewer. 53 Sie ist möglicherweise identisch mit einer als „Siechenbruderschaft“, d.h. als Bruderschaft der Aussätzigen, bezeichneten Bruderschaft am dortigen Aussätzigenhaus St. Jost, das seit dem späten 13. Jahrhundert bezeugt ist. Die Aussätzigenbruderschaft ließ nach einer 1591 vom Trierer Erzbischof Johann von Schönenberg erlassenen Ordnung an der Jakobuskapelle jährlich an zwei Tagen Messen lesen, eine davon am Jakobusfest. Anlass für die Ordnung waren Streitigkeiten über die Verwaltung der Bruderschaft. 54 Als Äussätzigenbruderschaft konnte sie für die Santiago-Pilgerfahrt verständlicherweise keine Bedeutung haben. Aufschlussreicher für die Jakobusverehrung ist die erwähnte kleine Informationsbroschüre von 1715. Waren die „Siechenbruderschaft“ und diese „Jakobusbruderschaft“ identisch, so musste erstere mittlerweile zu einer gewöhnlichen Andachtsbruderschaft geworden sein, denn als Ziel und Zweck der Bruderschaft werden die „Ehre Gottes, und aller Christglaubigen SeelenHeyl, wie auch die Verehrung des Glorwürdigsten Apostels St. Jacobs des grösseren“ genannt. 55 Weil nun aber nichts besser dazu angetan sei, dieses Ziel zu erreichen als „ein fleissiger Brauch und Niessung der H. Sacramenten Beicht und Communion“ 56 wird den Mitgliedern der Bruderschaft vorgeschrieben, öfters als üblich diese Sakramente zu empfangen. Unterstützt wird dieses Anliegen durch den Hinweis auf die dadurch zu erlangenden Ablässe. Verlangt wird ansons- 136 Bernhard Schneider 52 Vgl. S CHNEIDER , Bruderschaften (wie Anm. 44), S. 461. 53 „Die Bruderschafft Deß Glorwürdigsten Apostels S. Jacobi Deß Grösseren Welche von unerdencklichen Jahren in dero zu selbigen Heil. Apostels Ehr geweyheter Capellen Zu Biewer In ... Ubung gewesen ... Trier 1715 (Zitat S. Titelblatt). Kurzbeschreibung des Büchleins bei S CHNEIDER , Bruderschaften (wie Anm. 44), S. 330. Faksimiledruck in: Friedrich K EIL , Biewerer Orts-Chronik, Bd. 2. Trier 1988, S. 19-24. 54 Die Ordnung bei J.J. S COTTI (Bearb.), Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem vormaligen Chrusfürstenthum Trier ... ergangen sind vom Jahre 1310 bis zur ... Auflösung des Churstaates Trier am Ende des Jahres 1802, 3 Bde. Düsseldorf 1832, hier I, S. 550-554. Abdruck der Dokumente samt historischer Einführung bei K EIL (wie Anm. 53), S. 192-211. 55 Bruderschafft (wie Anm. 53), S. 9f. 56 Bruderschafft (wie Anm. 53), S. 10. <?page no="151"?> ten ein frommer, tugendhafter Lebenswandel. Der Apostel Jakobus aber wird allein als himmlischer Fürsprecher vorgestellt, während von seinem wundertätigen Handeln auf Erden in Santiago gar nicht gesprochen wird. Auch von der Möglichkeit oder gar Verpflichtung zu einer Pilgerfahrt dorthin ist nirgendwo die Rede. Der Strukturwandel des nachtridentinischen Wallfahrtswesens mit seiner stärkeren Ausrichtung auf regionale Wallfahrtsziele wie auch die theologischen Bemühungen um eine stärkere Spiritualisierung der Heiligenverehrung dürften sich in diesen Aussagen niedergeschlagen haben. IV. Bilanz Die Jakobusverehrung war und ist im Trierischen bekannt und anerkannt. Im Festkalender verankert, fand sie Ausdruck in der Wahl des Apostels Jakobus zum Patron etlicher Kirchen und zahlreicher Altäre und im Entstehen einiger Jakobusbruderschaften. Eine eindeutige Aussage über den „Konjunkturverlauf“ der Jakobusverehrung ist wenigstens zur Zeit noch nicht möglich. Spätmittelalter und Barockzeit weisen aber tendenziell die stärkste Intensität des Kultes auf. Das Ausmaß von Pilgerfahrten aus dem Trierer Land nach Santiago bleibt vorläufig noch im Dunkeln. In Scharen scheinen die Menschen des Trierer Landes nicht dorthin gepilgert zu sein. Die stärksten Hinweise verweisen in diesem Fall auf das Spätmittelalter. Der hl. Jakobus musste sich damit abfinden, dass die Katholiken im Trierer Land mit dem Hl. Rock, dem Apostelgrab des hl. Matthias und mit den zahlreichen Heiligtümern der Gottesmutter einen reichen Schatz heiliger Stätten im eigenen Raum kannten und pflegten, der sie der Notwendigkeit enthob, in ihren Sorgen und Nöten bis ans Ende der christlichen Welt zu pilgern. Spurensuche: Jakobusverehrung im Trierer Land 137 <?page no="152"?> 138 Bernhard Schneider Anhang: Jakobus-Patrozinien im Erzbistum Trier 1569/ 71 1 Pfarreien mit Jakobus-Patrozinium waren (in Klammer das damalige Dekanat und nach Komma die geographische Region als zusätzliche Orientierungshilfe): Litdorf-Rehlingen (Dekanat Perl/ Saar), Messancy (Dekanat Arlon, Belgien), Remoiville (Dekanat Juvigny, Lothringen), Roodt-sur-Syre (Dekanat Mersch, Luxemburg), Weiskirchen (Dekanat Wadrill, Hochwald), Wintersdorf (Dekanat Bitburg-Kyllburg, Sauer). Liste evangelisch gewordener Pfarreien mit Jakobuspatrozinien 2 : Birkenfeld (Dekanat, Wadrill, Hunsrück), Dierdorf (Dekanat Engers, Westerwald), Freiendiez (Dekanat Kirberg, Lahn), Langgöns (Dekanat Wetzlar, Lahn), Lindenholzhausen (Dekanat Dietkirchen, Lahn), Obergondershausen (Dekanat Zell, Hunsrück). Filialkirchen: Audun-le-Tiche/ Adicht (Pfarrei Russange, Luxemburg), Dalheim (Pfarrei Boppard, Rhein), Dondeldange (Pfarrei Schönberg-Kehlen, Luxemburg), Girod (Pfarrei Nentershausen, Westerwald), Greimersburg (Pfarrei Klotten, Mosel), Greiveldange (Pfarrei Lenningen, Luxemburg), Jakobsberg (Pfarrei Mompach, Luxemburg), Kautenbach (Pfarrei Consthum, Luxemburg), Kesslingen (Pfarrei Kirf, Saar), Muenschecker (Pfarrei Grevenmacher, Luxemburg), Niederhersdorf (Pfarrei Wetteldorf-Schönecken, Eifel), Niederstedem (Pfarrei Messerich, Eifel), Rapperath (Pfarrei Bischofsdrohn, Hunsrück), Reuland (Pfarrei Heffingen, Luxemburg), Rodershausen (Pfarrei Roth a.d. Our, Eifel), Trier-Biewer (Pfarrei Pfalzel, Mosel), Welscheid (Pfarrei Ettelbrück, Luxemburg). 1 Datenquelle: L ICHTER , Erzbistum (wie Anm. 26). 2 Siehe ebd., S. 126-137. <?page no="153"?> Evangelisch gewordene Filialkirchen: Guntersdorf (Pfarrei Herborn, Westerwald), Idstein (Pfarrei Oberlahnstein, Rhein), Immert (Pfarrei Thalfang, Hunsrück). Hospitäler/ Hospitalkapellen: Fresnois-la-Montagne (Lothringen), Mayen (Eifel), Oberlahnstein (Rhein), Trier (Mosel), Unkenstein (Wittlich, Eifel). Jakobus-Altäre: Cochem-St. Martin (Mosel), Stenay-St. Remigius (Lothringen), Virton-St. Laurentius (Lothringen). Spurensuche: Jakobusverehrung im Trierer Land 139 <?page no="155"?> Aachen als Pilgerzentrum und als Station auf dem Weg nach Santiago de Compostela R OBERT P LÖTZ Beherbergung und Betreuung der Pilger nach Aachen unterwegs Aus fast allen größeren Städten Norddeutschlands kamen seit dem 14. Jahrhundert Pilger nach Aachen. Für Bremen ist für das Jahr 1376 schon ein Pilgerhospiz belegt, das besonders die Aachenfahrer aufnahm 1 . So erfolgte 1433 die Stiftung eines Pilgerhospitals bei St. Johann, das sich besonderer Vergünstigungen von Seiten der Kirche und der weltlichen Autoritäten erfreute 2 . In Lüneburg wurde 1440 eine „Bruderschaft der seligsten Jungfrau Maria für die Akenvahrt“ gegründet, die in den Jahren 1443, 1497, 1512 und 1522 mit besonderen Stiftungen bedacht wurde 3 . Die Andernacher Bürgerin Gertrude Fictors setzt nach dem Tode ihres Mannes Heynemanns von Kerlich um Gottes willen und „Unsere liebe Frau vom Himmelreiche“, um das Seelenheil ihres verstorbenen Mannes, ihrer Nachkommen und verstorbenen Vorfahren erhebliche 1 Vgl. St. B EISSEL , Die Aachenfahrt. Verehrung der Heiligtümer seit den Tagen Karls des Großen bis in unsere Zeit (Ergänzungshefte zu den „Stimmen aus Maria Laach“ 82, Freiburg i.Br. 1902), S. 76. 2 Vgl. ebd., S. 77. Auf dem anliegenden Markt errichtete man jährlich einen Tannenbaum mit einem Marienbild auf der Spitze. Der Hildesheimer Dechant Oldecop († 1517) gibt mit seiner Schilderung von dem Andrang zur Heiligtumsfahrt nach Aachen im Jahr 1517 einen eindrucksvollen Bericht ab, der hunderte von Pilgern aus Ungarn, Böhmen, Preußen, Livland und Österreich erwähnt, die an dem Baum vorbeizogen, und er sagt von ihnen: Diese Pilger verließen Haus und Hof. Weib und Kind ... . Auch auf die Bedingungen für den Pilger unterwegs geht er ein: Er leidet Hunger und Klimmer, Hitze und Kälte, wird übel empfangen in der Herberge, schlechter bedient in Speise und Trank und Lager. Dies alles aber nimmt er gut auf und bekennt dadurch, dass sein Schöpfer, Herrgott und Seligmacher gleichartige Unbequemlichkeit und Armut auf dieser elenden Welt in höherem Maße um unsertwillen gelitten hat (Chronik des Johann Oldecop, hg. von K. E ULING , Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart, 1891, 190). 3 Vgl. B EISSEL , Aachenfahrt (wie Anm. 1), S. 76. <?page no="156"?> Almosen, Renten und Gefälle für die armen pylgeren die da wandelen tgen Aken tzu unser liewer frawen ... also dat die arme pylgerime van nu vurbas me eweelichen un de unnumme getroest, gelaift, gefoet unde gespijset werden ein 4 . Die Stiftungsurkunde vom 13. April 1343, die sich im Stadtarchiv Andernach befindet, weist einen Dorsalvermerk des 16. Jahrhunderts auf: so die ungarische Pilgerfardt betreffendt 5 . Damit war in Andernach, wo bereits ein Hospital vorhanden war, für die ungarischen Aachenfahrer ein Fundus geschaffen, der, um Zuschüsse der Stadt und möglicherweise auch des Aachener Domkapitels angereichert, den Pilgern erlaubte, hier „Statio“ zu machen. Die Stiftung bestand bis zum Verbot der Wallfahrten im Jahr 1776. Hier konnten die Aachenfahrer bis zu sechs Wochen verweilen. Sie erhielten Wein, Gemüse, Bier, Brot, Fleisch und Fisch. In den Andernacher Hospitalrechnungen von 1706 steht in der Rubrik „Ausgabe von Fleisch“ der Vermerk: Verpflegung der Ungarn mit Rind- und Hammelfleisch, Fisch und Gemüse 6 . Am 23. Juli 1364 wurde die Fictor’sche Stiftung durch den Trierer Erzbischof und Kurfürsten bestätigt 7 . Für Ahrweiler ist für arme Pilger auf der Heiligthumsfahrt von 1505 eine Spende der Gildenbruderschaft bekannt 8 . Nicht überall freilich war ein Angebot an Gasthäusern, Pilgerherbergen oder gastfreundlichen Privathäusern vorhanden. Auf dem Weg durch dünn besiedelte Gebiete, bei geschlossenen Pilgerzügen mit großer Beteiligung unterwegs oder wegen des großen Andrangs der Fremden an den Pilgerfahrtsorten war es oft nicht möglich, ein freies Quartier zu finden. Dann musste man sich mit einfachen Mitteln behelfen. Mitgeführte Zelte und Decken ersetzten dann die feste Herberge. Auf einem ca. 20 Meter breiten Streifen zu beiden Seiten des Weges durften Reisende seit undenklichen Zeiten traditionsgemäß lagern, sich mit Feuerholz versorgen und die Pferde weiden lassen 9 . 142 Robert Plötz 4 Vgl. Wallfahrten am Niederrhein. Ausstellungskatalog, hg. von I. M ARKOWITZ (Düsseldorf 1982), S. 26, Nr. 120. 5 Vgl. ebd., Nr. 120. 6 Vgl. ebd., Nr. 121. 7 Vgl. ebd., Nr. 123. 8 Vgl. ebd., Nr. 125. 9 Vgl. ebd. Die „Pragmatica“, die Philipp II. von Spanien am 13. Juni 1590 zur Regelung der Pilgerströme und zur Einschränkung der Freizügigkeit des Reisens erließ, spiegelt die gleiche Tendenz wieder, die sich schon in Beschlüssen der „Cortes de Castilla“ von 1523, 1525 und 1528 findet (José F ILGEIRA V ALVERDE , „Pragmatica“ de Philippe II, in: Santiago de Compostela. 1000 Ans de Pèlerinage Européen, Ausstellungskatalog (Gent 1985), S. 251, Nr. 59. Zu dem gleichen Ergebnis kommt H.C. P EYER , Gastfreundschaft und kommerzielle Gastfreundschaft, in: Historische Zeitschrift 235 (1982), S. 265-339, S. 274ff. <?page no="157"?> Der Metzer Bürger Philipp von Vigneulles berichtet, dass er sich mit seinen Gefährten im Anschluss an die Heiligtumsweisung schnellstens nach Düren aufmachte, um anderntags bei der Weisung des Haupts der hl. Anna dabei sein zu können. Unterwegs hätten sie - wie sie schätzten und auch sagen hörten - über 50.000 Menschen passiert, und ich glaube auch, daß in jener Nacht im Walde und auf den Getreidefeldern ihrer mehr als 18-20.000 Frauen und Männer schliefen, die an diesem Tag nicht rechtzeitig in Düren anlangen konnten 10 . Eine vermutlich aus dem 17. Jahrhundert stammende Karte der Gau-Algesheimer Gemarkung (zwischen Ingelheim und Bingen) zeigt zwischen Ingelheim und Bingen die Pilger der sogenannten ungarischen Pilgerfahrt anlässlich der Aachener Heiligtumsfahrt 11 , wie sie dort, wo sie nicht wie beispielsweise in Hildesheim, Köln oder Andernach in den Spitälern durch eigens für Aachenpilger angeordnete Stiftungen versorgt wurden, unterwegs in großen Zelten übernachteten 12 . Selbst die Teilnehmer solcher geschlossener „Prozessionen“ konnten in den Hospitälern nicht unbedingt mit der Aufnahme rechnen. So bestimmte eine Ordnung für den Spitalsmeister der Nürnberger Hl.-Kreuz-Stiftung aus dem frühen 16. Jahrhundert: Item wan die Hungern gen Ach ziehen, das si uber siben jar ein mal, der soll er keinen in kein bett legen, sunder sie beleiben im hof, da gibt man in die pfrundt 13 . Allerdings gibt es auch Belege, die zum Gegenteil tendieren, d.h., dass das Pilgerhospiz nur den armen Pilgern zur Verfügung stand und beispielsweise den wohlhabenderen und berittenen Pilgern der Zutritt verwehrt wurde 14 . Aachen als Pilgerzentrum und als Station ... 143 10 Vgl. E. T EICHMANN , Zur Heiligthumsfahrt des Philipp von Vigneulles im Jahre 1510, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 22 (1900), S. 121-187, S. 125 u. 136ff., hier S. 138. Vgl. Arnold L ASSOTTA , Pilger- und Fremdenherbergen und ihre Gäste. Zu einer besonderen Form des Hospitals vom Spätmittelalter bis zur Neuzeit, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen, Themenband hg. von Lenz K RISS -R ETTENBECK und Gerda M ÖHLER , München-Zürich 1984, S. 130. 11 Vgl. Elisabeth T HOEMES , Die Wallfahrten der Ungarn an den Rhein (Aachen 1937); Joze S TABEJ , Die alten Wallfahrten der Slowenen an den Rhein, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 78 (1967), S. 97-160. 12 Vgl. Erwin T HYSSEN , Die Heiligtumsfahrt-Ausstellung 1909, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 32 (1910), S. 242-325, S. 276-278, und L ASSOTTA , Pilger- und Fremdenherbergen (wie Anm. 10), S. 130. 13 Vgl. Helmut F RHR . H ALLER VON H ALLERSTEIN , Die Geschichte der Hl. Kreuz-Stiftung, in: D ERS . u. Ernst E ICHHORN , Das Pilgrimspital zum Heiligen Kreuz vor Nürnberg (Nürnberg 1969), S. 1-98, S. 89 (= Nürnberger Forschungen 12), ferner L ASSOTTA , Pilger- und Fremdenherbergen (wie Anm. 10), S. 131. 14 Lassotta erwähnt eine Stiftungsurkunde vom 6. Dezember 1439 für ein Pilgerhospital in Osnabrück, wo Johann Husman und seine Frau Drudeke ausdrücklich die Aufnahme von Pilgern zu Pferde ausschließen (Niedersächsisches Staatsarchiv Osnabrück, Dep. 3 a 2, STA Osnabrück, Milde Stiftungen Nr. 472), vgl., ebd., S. 129, Anm. 14. <?page no="158"?> Es bleibt zu vermerken, dass die meisten Spitäler einem Ansturm Hunderter oder gar Tausender von Fremden nicht gewachsen gewesen wären. Eine zentrale Anlaufstelle für die Aachenpilger war Köln 15 . Es lag am Schnittpunkt bedeutender Pilger- und Handelsstraßen und wies selbst ein bedeutendes Kultzentrum auf, zu dem viele Pilger strömten. Nachdem kirchliche Hospize, vor allem bei St. Andreas und St. Maria im Kapitol, dem Ansturm der Pilger nicht mehr nachkamen, gründete zu Beginn des 14. Jahrhunderts der Kölner Bürger Albrecht von Zelle ein Fremdenhospital 16 auf einem Teil des nach der Stadterweiterung von 1180 zur Bebauung freigegebenen Stadtgrabens mit dem Namen Ipper (Eiben-) waldgraben. Er ließ mehrere Häuser zimmern mit der Bestimmung al dae zo herhergen gemeyne pylgeryme ind onch armen, die nyet lancger geherberght en solen syn dan eyne nacht mit alle deme, dat dartzo gehoert 17 . Über den Pilgerverkehr dort berichtet Hermann Weinsberg zum Jahr der Heiligtumsfahrt 1524, als seiner Schätzung nach über 2.000 oder gar 5.000 Vngaren, Behemer, Oistericher und anderen fremden auch die Kölner Heilstümer besuchten, dass die Pilger in allen Häusern die bach uff und abe (d.h. entlang der heutigen Straßenzüge Mühlenbach, Blaubach, Rochgerberbach) untergebracht waren 18 . Verpflegen mussten sich allerdings die solcherart Untergebrachten in der Regel selbst. Ein weiteres Hospital - St. Johannes Baptist - kam ebenfalls auf die Initiative eines Bürgers zustande und wurde in den neunziger Jahren des 14. Jahrhunderts durch Petrus van der Hellen auf der Breitestraße errichtet, der einen Teil seiner Güter zu einem ewigen hospitaele, arme ellendige pylegrymen, zukommende van fremden landen ind soekende genaeder der hemelschen conynghynnen sente Marien zu Aighe (Aachen) off anders wae de heilgen goeds, dar ynne zu enthaldende ind zu herbergen freistellte. Da das Spital, das bis 1767 Bestand hatte, vornehmlich von Aachen-Pilgern angelaufen wurde, erhielt es auch den Namen Aiche 19 . 144 Robert Plötz 15 Dazu Arnold L ASSOTTA , Pilger in Köln: Das Hospital zum Ipperwald und seine Passantenlisten aus den Jahren 1770-1790, in: Die Heiligen Drei Könige. Darstellung und Verehrung, Ausstellungskatalog Köln (Köln 1982), S. 81-96. 16 Zum Kölner Hospitalwesen siehe Franz M IES , Die Kölner Hospitäler. Diss. Masch. (Köln 1921). 17 Vgl. L ASSOTTA , Pilger in Köln (wie oben), S. 81-96. 18 Das Buch Weinsberg. Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16. Jahrhundert, bearb. von Konstantin H ÖHLBAUM , Leiprig 1886, T. I (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde III), S. 38f. Vgl. L ASSOTTA , Pilger- und Fremdenherbergen (wie Anm. 10), S. 128-142, hier S. 130. 19 Franz M IES , Die Kölner Hospitäler (wie oben), S. 301ff. Vgl. L ASSOTTA , Pilger- und Fremdenherbergen (wie Anm. 10), S. 130. <?page no="159"?> Auch auf dem Weg von Köln nach Aachen, etwa auf halber Strecke zwischen Köln und Düren, wurde in Ichendorf 1457 eine Herberge für Fremde gegründet; sie war mit sechs Betten ausgestattet 20 . Über das Dürener Gast- oder Passantenhaus ist nicht viel bekannt. Es verfügte über eine eigene Kapelle und lag gegenüber dem Franziskanerkloster. Nach der Zerstörung der Stadt im Jahr 1543 wurde es vermutlich mit dem vom Rat der Stadt in unmittelbarer Nachbarschaft erbauten Krankenhaus für arme Bürger zusammengelegt 21 . Aachen als wichtige Station am Pilgerweg Ad Sanctum Jacobum Die alte Kaiserstadt Aachen verfügt über zahlreiche Einrichtungen, die in Verbindung mit der Heiligtumsfahrt, aber auch mit der Pilgerfahrt ad Sanctum Jacobum entstanden sind. So zeigt die Gesamtansicht Aachens aus der Vogelschau von Georg Braun und Franz Hogenberg (1576) ein S. lacob poort (Osttor in Richtung Köln), in dessen Nähe die St. Jakobskirche liegt. Aachen weist aber auch andere, durchaus eigene Jakobus- Traditionen auf, wie verschiedene Motive in dem Sagenkreis um Karl den Großen 22 , die bildliche Darstellung verschiedener Begebenheiten seines Spanienzuges auf den Dachschrägen des Karlsschreins 23 , überhaupt seine Beziehungen zur Jakobusverehrung, die sich beispielsweise in legendären Kirchengründungen niederschlägt 24 , ferner die Kirche St. Jakob im Südwesten außerhalb des Barbarossa-Rings, die 1260 mit Pfarrrechten versehen wurde und die eine bedeutende Reliquie des hl. Apostels in ihrem Kirchenschatz hat 25 . Daneben galt Aachen als eine der Aachen als Pilgerzentrum und als Station ... 145 20 Vgl. ebd., und Johanna K ACHEL , Herberge und Gastwirtschaft in Deutschland bis zum 17. Jahrhundert, Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 3 (Berlin-Stuttgart-Leipzig 1934), S. 33, 35. 21 Willibalda S CHMITZ -D OBBELSTEIN , Die Hospitalschwestern von St. Elisabeth in Aachen 1622-1922 (Aachen 1922), S. 102. Vgl. L ASSOTTA , Pilger- und Fremdenherbergen (wie oben), S. 130. 22 Vgl. u.a. Hans Wilhelm K LEIN , Karl der Große und Compostela, in: Deutsche Jakobspilger und ihre Berichte, Jakobus-Studien 1, hg. von Klaus H ERBERS (1988), S. 133-148. Zur Karlsverehrung vgl. Dieter P.J. W YNANDS , Geschichte der Wallfahrten im Bistum Aachen (= Veröffentlichungen des Bischöflichen Diözesanarchivs Aachen 41, 1986), S. 50-60. 23 Vgl. dazu u.a. Erich S TEPANY , Der Karlsschrein (Mönchengladbach 1965), passim. 24 Vgl. Henri T REUILLE , Les églises fondées par Charlemagne en l’honneur de Saint Jacques, d’après la Pseudo-Turpin, in: Mélanges René Louis (St-Père-sous-Vézelay 1982), S. 1151-1161. 25 Vgl. August B RECHER , Kirche und Pfarre St. Jakob. Der Weg einer Aachener Pfarrgemeinde in neun Jahrhunderten (Aachen 1995). <?page no="160"?> bedeutendsten Stationen am Pilgerweg zum Grab des hl. Jakobus im fernen Westen des alten Europas, vor allem für die Anbindung slawischer und ungarischer Christen, die von den östlichen Grenzen des Orbis Christianus kamen, um an der Gnadenfülle der Heiltumsweisung und des Apostelgrabes in Santiago teilzunehmen. Ein frühes Zeugnis für die Anwesenheit von Ungarn auf dem Pilgerweg nach Santiago befindet sich drei Tagesreisen von Aachen entfernt. Für 1212 ist in der St. Albanskirche in Namur das Grab eines ungarischen Bischofs belegt, der dort gestorben war, als er sich auf dem Weg nach Santiago befand: 1212 ... Idibus Octobris, sepultusque est Namurci in medio ecclesiae Sancti Albani honorifice, sicut hodie cernitur. In quo loco iacebat quidam episcopus de Hungaria, qui peregere proficiscens ad Sanctum Jacobum Namurci 26 . Bei Ausgrabungen wurden in einem mittelalterlichen Leprosengrab bei Aachen zwei Pilgermuscheln gefunden, die die Toten als Jacobus-Pilger auf ihrer Rückkehr auswiesen 27 . Auf die Häufigkeit von Pilgerfahrten der Ungarn nach Santiago weist bereits Floris Holik hin 28 . Die Pilgerfahrten nach Aachen und Compostela stellen auch einen wesentlichen Faktor in der weltlichen Rechtssprechung (peregrinatio poenaliter causae) dar. Mit der zunehmenden Kriminalität in Städten und dem Umbruch verschiedener Rechtsformen und -normen, erfuhr die Strafpilgerfahrt als Rechtsmittel der weltlichen Gerichtsbarkeit Eintritt in die städtischen Gesetzgebungen des Spätmittelalters. In Zusammenhang mit Auflagen die oft sehr modern anmuten, wurde der Delinquent analog zur Schwere seines Vergehens zu berühmten Kultorten geschickt wie nach Jerusalem, Aachen, Rom, Santiago, St-Josse und Mont- Saint-Michel. Zwei Beispiele mögen hier genügen. Als 1428 Cuncz rudiger aus Heidingsfeld bei Würzburg hannsen vierenkoren erstochen hatte, wurde dies als Totschlag gewertet und deshalb in einem Teydigungs- Verfahren (Sühneverfahren) geahndet, das folgende Auflagen beinhaltete: Der Täter mußte ein steinernes Kreuz setzen, 20 Pfund Wachs zu gottesdienstlichen Zwecken für die Seelenruhe des Erschlagenen stiften, ferner drei Sühnepilgerfahrten durchführen, nach Aachen, Maria Einsiedeln und nach Santiago de Compostela, wobei die Präsenzzeiten genau 146 Robert Plötz 26 Vita Odiliae, Liber III de Triumphe S. Lamberti in Steppes, in: MGH SS XXV, p. 179. 27 Vgl. E. S CHMITZ -C LIEVER , St.-Jacobspilger-Muscheln in einem mittelalterlichen Leprosengrab, in: Aachener Kunstblätter 44 (1973), S. 317-322. 28 Vgl. Floris H OLIK , Saint Jacques de Compostelle et Saint Ladislas de Hongrie, in: Revue des Etudes Hongroises (1923), S. 36-55, für die Erwähnung der Pilger nach Santiago bes. S. 52 und 54. <?page no="161"?> vorgeschrieben waren. Damit waren die Verpflichtungen für das „Seelgerät“ für den Erstochenen abgegolten, aber, und hier wird die Praxisnähe der damaligen Richter und der Fürsorgegedanke der damaligen Gesellschaft sichtbar, der Verurteilte mußte zudem noch den unmündigen Kindern eine Geldentschädigung zukommen lassen, deren Auszahlung frist- und bedingungsgerecht genau festgelegt wurde. Dafür war allerdings auch das Verhalten beider Parteien zueinander lebenslang aufs Gute hin bereinigt 29 . Die Pilgerfahrten nach Aachen wurden oft auch testamentarisch verfügt (peregrinatio per delegationem). In den Testamenten des Lübecker Bürgertums zwischen 1350 und 1508 beispielsweise wurden insgesamt 704 Pilgerfahrten zu 42 verschiedenen Pilgerzentren festgelegt: Für Aachen 128, nach Wilsnack 128, zu Thann im Elsaß 111, nach Rom 76 und nach Santiago de Compostela 46 30 . Schon am 6. August 1332 verpflichtete Meynekin van Vlensborg den famulus Navensone, der seine Schiffskiste und seine Vorräte geerbt hatte, zu zwei Pilgerfahrten zur hl. Maria in Aachen und nach Overenkerken 31 . Als Sühne für den erschlagenen Knappen Marquard von Westensee und zum Heil der Seele der Toten verpflichtete sich die Stadt Lübeck mit Vertrag vom 22. Mai 1354, Pilger nach Jerusalem, Rom, Santiago de Compostela, Rocamadour, Aachen und dem oben erwähnten Obernkirchen zu senden 32 . Nicht in allen Hansestädten standen die Zeichen so günstig für die Aachenfahrt. Waren in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Nennungen von Aachen als Pilgerziel noch häufig 33 , so wurden sie zeitweise ausdrücklich durch den Rat der Stadt untersagt, wie es 1454 geschah, was aber keinesfalls für Seepilgerfahrten wie nach Santiago de Compostela zutraf. Auch Aachen als Pilgerzentrum und als Station ... 147 29 Vgl. Robert P LÖTZ , Santiago-peregrinatio und Jacobus-Kult mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Frankenlandes, in: Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, 1. Reihe, Bd. 31 (Münster 1984), S. 24-135, hier S. 100. 30 Vgl. Norbert O HLER , Zur Seligkeit und zum Trost meiner Seele. Lübecker unterwegs zu mittelalterlichen Wallfahrtsstätten, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 63 (1983), S. 83-193, hier S. 97f. 31 Vgl. Hermann B ACH , Mirakelbücher bayerischer Wallfahrtsorte, Phil. Diss. (München 1963), S. 36. Es könnte sich hier um das münsterländische Stift Oberkirchen gehandelt haben. So vermutet Karl-Ferdinand B ESSELMANN , Stätten des Heils. Westfälische Wallfahrtsorte des Mittelalters (= Schriftenreihe zur Religiösen Kultur 6, Münster 1998), S. 90f. 32 Abdruck des Protokolls bei Paul T SCHAKERT (Hg.), Briefwechsel des Antonius Corvinus, nebst einigen Belegen (Hannover-Leipzig 1900), S. 119-125, hier S. 120. 33 Hamburger Testamente 1350-1400, hg. von H.-D. L OOSE (= Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Hamburg 11), Hamburg 1970, Nr. 11, 19, 38, 40, 42, 61, 96 und 116. <?page no="162"?> der Rat der Stadt Wismar verbot im Jahr 1419 unter Androhung von schwerer Bestrafung ausdrücklich Pilgerfahrten nach Aachen und Einsiedeln 34 . Auch in Testamenten hochgestellter Persönlichkeiten tauchen Aachenlegate auf. Im Jahr 1347 verfügte Eckholf von Griesbach in seinem letzten Willen, daß seine Frau zum Heil seiner Seele Rom und Aachen besuchen solle 35 . Der Bürger Gerd von Havekesbeke aus Münster legte in seinem Testament vom 17. Januar 1398 fest, daß seine Erben je einen Pilger nach Aachen, Trier, Rom und dem münsterländischen Stromberg schicken sollten 36 . Pfalzgräfin Margareta, Frau des Kurfürsten Philipp von der Pfalz, setzte in ihr Testament im Jahr 1488 vier Pilgerfahrten ein: nach Rom, nach Santiago, zu unserer L.F. in Einsiedeln und die vierte zu unserer L.F. in Aachen 37 . Aachen war nicht nur Ziel, sondern zugleich Haltestation und auch Ausgangspunkt der sogenannten „Niederstraße“ 38 nach Santiago de Compostela. Bedingt durch die strategische Lage Aachens als Kollektor erhöhte sich das Aufkommen ankommender und passierender Pilger beträchtlich. Beherbergung und Betreuung der Pilger in Aachen In Aachen wurden mehrere Herbergen zum Zwecke der Fremdenbeherbung errichtet. So entstand schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts das Blasiusspital oder Gasthuyss up dem Hoyve 39 , und im Jahr 1336 ließ der Rat der Stadt ein weiteres Hospital auf dem Radermarkt einrichten. Es diente als Spital für mehrere Zwecke, für die Pfründner, als Krankenhaus und, wie die Reformurkunde von 1622 zeigt, auch zur Versorgung von Pilgern. In diesem Jahr wurden die beiden Gasthäuser vermögens- 148 Robert Plötz 34 Vgl. Marie-Luise F AVREAU -L ILIE , Civis peregrinus. Soziale und rechtliche Aspekte der bürgerlichen Wallfahrt im späten Mittelalter, in: Archiv für Kulturgeschichte 76 (1994), S. 321-350, hier S. 328, 348. 35 Vgl. Monumenta Boica, hg. von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (München 1763ff.), Bd. 2, S. 234ff. 36 Vgl. Münstersches Urkundenbuch, Bd. 1, 1, S. 179f., Nr. 342, und B ESSELMANN , Stätten des Heils (wie Anm. 30), S. 58. 37 Vgl. St. B EISSEL , Die Aachenfahrt (wie Anm. 1), S. 83. 38 So nannte der Servitenmönch Künig von Vach den nördlichen Weg über Paris und Tours nach Compostela. Vgl. Klaus H ERBERS / Robert P LÖTZ , Nach Santiago zogen sie. Berichte von Pilgerfahrten ans Ende der Welt (München 1996), S. 164-209. 39 Vgl. Christian Q UIX , Das ehemalige Spital zum hl. Jacob, nachher Klarissen-Kloster etc. (Aachen 1836), S. 1-3, S. 48-51. <?page no="163"?> mäßig zusammengelegt und die Leitung den Schwestern von der hl. Elisabeth übertragen, wobei sich der Rat die Oberaufsicht über Beherbergung und Betreuung der Pilger unterwegs vorbehielt. Einer der ersten Schritte bestand in der Errichtung eines großen Krankensaales, des „Beyart“, im Gasthaus am Radermarkt 40 . Neben der Betreuung der einheimischen Kranken wird über den Zeitraum vom 22. August 1622 bis zum 24. September des Folgejahres eine Bilanz gezogen: ahn allerhandt spieß vor 3280 krancken, auch viller pasanten und pilgramen, so noch in beyde gasthuiser auff dem Hoff und im Radermarck seindt verpflegt worden 41 . Bis um 1800 erfüllte das Hospital am Hof seinen ursprünglichen Zweck. Das Krankenhaus am Radermarkt existierte unter dem Namen Elisabethspital bis zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert 42 . Auch in der näheren Umgebung von Aachen gab es eine Reihe karitativer und kommerzieller Einrichtungen auf dem Gebiet des Beherbergungsgewerbes. Daneben lebten die alten Formen der Gastfreundschaft noch lange weiter. Pilger konnten stets damit rechnen, in privaten gastlichen Häusern, sei es auf Bauernhöfen oder in den Wohnungen der Städter, Aufnahme zu finden. Mitunter zogen während der Aachener Heiligtumsfahrt tausende von Pilgern in andere, durch ihre Reliquien so vorzüglich ausgezeichnete Städte wie Kornelimünster, Düren, Köln, Maastricht oder Trier, wo zur gleichen Zeit der Heilige Rock gezeigt wurde. Hier betrachteten es die Bürger entweder als Ehrenpflicht, ihnen Gastfreundschaft zu erweisen, oder auch als dem Sozialzwang verpflichtete Handlung: Und ist die menge des volcks, so alhie gesehen wird, sonderlich auf Sontagen unzehlich. Ja, so einiger bürger alsdann ohne gäst were, wurde solches demselben ein halber despect syn, und gienge eben, wie ein hund ohne schwantz, heißt es in J. Noppius’ Aacher Chronik von 1632 43 . Auch der oben erwähnte Metzer Bürger Philipp von Vigneulles fand im Jahr 1510 mit seinen Begleitern in Aachen bei Privatleuten Quartier 44 . Aachen als Pilgerzentrum und als Station ... 149 40 Vgl. Albert H UYSKENS , Das Aachener Deutschordenshaus um 1700 auf einem Kupferstich, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 58 (1937), S. 121-134, S. 128. 41 Vgl. S CHMITZ -D OBBELSTEIN , Die Hospitalschwestern von St. Elisabeth (wie Anm. 21), S. 3 u. 6; und Josef B IERGANS , Die Wohlfahrtspflege der Stadt Aachen in den Jahrhunderten des Mittelalters, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 31 (1900), S. 85. 42 Vgl. ebd., S. 131, und Biergans, Die Wohlfahrtspflege (wie oben), S. 79. 43 Aachener Chronik, 1632, I, cap. 37, 138. Vgl. L ASSOTTA , Pilger in Köln (wie Anm. 15), S. 130f. 44 Vgl. T EICHMANN , Zur Heiligthumsfahrt des Philipp von Vigneulles im Jahre 1510 (wie Anm. 10), vgl. auch Lassotta, Pilger und Fremdenherbergen (wie Anm. 98), S. 130. 45 Vgl. Q UIX , Das ehemalige Spital zum hl. Jacob (wie Anm. 39), S. 1-3, S. 48-51. <?page no="164"?> Zur Unterstützung der Pilger konstituierte sich Anfang des 15. Jahrhunderts in der Stadt eine Bruderschaft für hilflose Mitbürger und fremde Reisende, besonders aber für Pilger nach St. Jakob. Zu deren Versorgung gründete man in der heutigen Kleinmarschierstraße ein Hospital zum hl. Jakob, wobei drei in der Nähe der Stadtmauer gelegene Häuser samt einer Kapelle das Anwesen bildeten. Hinter dem Gebäude lag ein eigener Kirchhof. 1435 wurde die Gründung durch den Pfarrer oder Erzpriester der Stadt bestätigt. Ein Zeugnis von 1561 spricht noch von der spinden in des kleinen sant Jacobst gasthuyß in Bortschiederstrais 45 . Ende des 16. oder Anfang des 17. Jahrhunderts verlor das Hospital seine Bedeutung und ging unter; das Gebäude wurde umgewidmet, und es wurde im Jahr 1616 ein Klarissenkloster untergebracht 46 . Auf dem Mathiashof bestand seit 1261 ein Beginenkonvent, mit dem spätestens seit 1441 ein Hospital für reisende und pilgernde Frauen verbunden war, das von den Beginen betreut wurde. Die Einkünfte des Konvents legte man später offenbar mit der sogenannten Armen-Wiener-Spende zusammen, um aus deren Mitteln die während der Heiligtumsfahrt kommenden Ungarn vom 11. bis 13. Juli auf dem Mathiashof bewirten zu können 47 . Es gab also, zumindest nach der Intention der Stifter, Herbergen, die namentlich einer bestimmten Gruppe unter den Pilgern gewidmet waren, so zum Beispiel das Kölner Hospital St. Johann Baptist 48 , das in erster Linie für die Aachenpilger gedacht war, oder das Aachener St. Jakobs-Spital, das sich besonders der Pilger nach Santiago de Compostela annehmen sollte. Allerdings gibt es keinerlei Hinweis darauf, daß einschränkende Formulierungen der Stiftungsbriefe das Übernachtungsrecht anderer Pilger ausschlössen; sie dienen vielmehr mit großer Wahrscheinlichkeit auch der Kennzeichnung des Hauptanteils der Pilger, welche die Hospitale tatsächlich aufsuchten. Die in den Quellen übereinstimmend genannten hohen Pilgerzahlen belegen eine Massenbewegung, die der modernen „Event“-Kultur durchaus entsprach, und deren Bewältigung auch heute noch Erstaunen und Anerkennung hervorruft. Für die karitative Variante sorgten die zahlreichen Stiftungen und Be- 150 Robert Plötz 46 Vgl. H UYSKENS , Das Aachener Deutschordenshaus (wie Anm. 40), S. 121-134, spez. S. 128. 47 Vgl. S CHMITZ -D OBBELSTEIN , Die Hospitalschwestern von St. Elisabeth (wie Anm. 21), S. 3 u. 6, und B IERGANS , Die Wohlfahrtspflege der Stadt Aachen (wie Anm. 41), S. 85. 48 Auch in Hildesheim gründete der Rat 1433 eyn gasthus ... armen luden to der Akenvart to brukende (Urkundenbuch der Stadt Hildesheim, hg. von Richard D OEBNER , IV, Hildesheim 1890, Nr. 205, 140/ 41, 1433 Aug. 18). <?page no="165"?> mühungen vieler Institutionen, die nicht ganz uneigennützig in einer Zeit ohne Sozialfürsorge und Krankenschein den Erwerb eines „Seelgeräts“, also eines Anspruchsrechts auf bevorzugte Aufnahme in den Himmel, durchaus und ohne Zimperlichkeiten unterstützten. Aachen als Pilgerzentrum und als Station ... 151 <?page no="167"?> III: Prominente Pilger und ihre Reisen Von Santiago de Compostela nach Mainz. Hintergründe der Reise und Reliquientranslation des Kardinals Richard im Jahr 1114 F RANZ S TAAB (†) Alfons Becker gewidmet 1) Die Gründung des Klosters St. Jakob in Mainz Nach einer im Kloster erst im 17. Jahrhundert vom damaligen Prior Anton Witlich aufgezeichneten Tradition, die aber bereits im 15. Jahrhundert der Humanist Johannes Butzbach kennengelernt hatte, wurde das Kloster St. Jakob auf dem „schönen Berg“ in der Nähe des Drusussteins bei Mainz (heute aber innerhalb der Stadtgrenzen gelegen) von Erzbi- 1 J. Fr. B ÖHMER , Regesta archiepiscoporum Maguntinensium, Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe von Bonifatius bis Heinrich II. 742? -1288, bearb. und hg. von Cornelius W ILL , Band 1 (1877, Neudr. 1966) S. 174 Nr. 52. Das hier als Besitz der Stadtbibliothek Mainz angeführte Manuskript des Äbtekatalogs (‚Catalogus reverendissimorum, praenobilium ac religiosorum p[atrum] ac d[ominorum] abbatum percelebris monasterii S. Jacobi majoris apostoli in monte specioso prope Moguntiam ordinis S. Benedicti‘) von Witlich wird heute im Stadtarchiv unter der Signatur Abt. 13/ 217 aufbewahrt. Datiert ist er fol. 8 (alt S. 11) auf 1615. Zur Überlieferung bei Butzbach vgl. Franz S TAAB , Reform und Reformgruppen im Erzbistum Mainz. Vom ‚Libellus de Willigisi consuetudinibus‘ zur ‚Vita domnae Juttae inclusae‘, in: Reformidee und Reformpolitik im spätsalisch-frühstaufischen Reich. Vorträge der Tagung der Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte vom 11. bis 13. September 1991 in Trier, hg. von Stefan W EINFURTER unter Mitarbeit von Hubertus S EIBERT (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 68, 1992) S. 148. - Zusammenfassend zur Geschichte von St. Jakob in Mainz: Wolfgang D OBRAS , Mainz St. Jakob, in: Die Männer- und Frauenklöster der Benediktiner in Rheinland-Pfalz und Saarland, in Verbindung mit Regina S CHWERDTFEGER hg. von Friedhelm J ÜRGENSMEIER (Germania Benedictina 9, 1999) S. 470-510. <?page no="168"?> schof Bardo (1031-1051) begonnen, jedoch nicht fertiggestellt 1 . Vollendet wurde es von seinem Nachfolger Liutpold (1051-1059), wie bereits Lampert von Hersfeld wußte 2 . Nach einer inzwischen verlorenen Inschrift, die vielleicht noch auf Liutpold selbst zurückgeht, weil er in ihr nicht allein als Gründer angesprochen ist, sondern die Mönche auch zum Gebet für seine ewige Ruhe aufgefordert werden, wurde das Kloster 1055 fertiggestellt und mit Gütern versehen 3 . Die Ausstattung durch Liutpold erwähnt wiederum dessen Nachfolger Siegfried I. (1060-1084) in einer Urkunde vom 4. November 1070, in der er die vom Vogt beschnittenen Rechte einer Gruppe von Hintersassen des Klosters bestätigt, welche Bardo schon einmal festgelegt hatte. Die Verehrung für den Klosterpatron wird in dieser Urkunde besonders dadurch betont, daß er in der Narratio als Apostel und als Bruder des Evangelisten Johannes hervorgehoben wird, und in der Pönformel Zuwiderhandelnde nicht allein mit der Strafe Christi, die sicher ausgereicht hätte, sondern auch mit der des hl. Jakobus und aller Heiligen bedroht werden 4 . Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Siegfried I. bereits zwei großzügige Schenkungen des jungen Heinrich IV. für das neue Kloster erwirken können 5 . So erscheint es beinahe folgerichtig, daß der Erzbischof später zu den frühen Pilgern nach Santiago de Compostela zählte. Unklar bleibt allerdings, was die Erzbischöfe Bardo und Liutpold dazu bewog, ein neues Benediktinerkloster gerade dem hl. Jakobus zu widmen. Seit dem Martyrolog des Hrabanus Maurus, also schon bald nach ihrer Entstehung, war die Legende des hl. Jakobus mit einem Festtermin zum 27. Dezember (noch nicht mit dem Translationstag vom 30. Dezember) auch in Mainz bekannt 6 . Als Mainzer Erzbischof verfügte 154 Franz Staab 2 Lampert von Hersfeld, Annales, in: Lampertus monachus Hersfeldensis, Opera, hg. von Oswald H OLDER -E GGER (1894, Neudr. 1984) S. 77 ad a. 1059. 3 B ÖHMER -W ILL 1 (wie Anm. 1) S. 178 Nr. 13. 4 Mainzer Urkundenbuch 1. Die Urkunden bis zum Tode Erzbischof Adalberts I. (1137), bearb. von Manfred S TIMMING (Arbeiten der Historischen Kommission für den Volksstaat Hessen 1932, Neudr. 1972) Nr. 327. 5 Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) Nr. 308, 325, MGH DD H IV. 121 (mit einer erhöhten Hufenzahl verunechtet) und 221, Regesta Imperii 3/ 1 Nr. 323 und St. - von 1064 I 17 und 1069 X 6. 6 Rabanus Maurus, Martyrologium, hg. von John M C C ULLOH (Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis 44, 1979) S. 133 zu XII 27: Et ordinatio episcopatus sancti Iacobi fratris Domini, qui ab apostolis primus ex Iudaeis Hierusolimis est episcopus ordinatus, et medio Pascha martyrio coronatus; vgl. Klaus H ERBERS , Frühe Spuren des Jakobuskultes im alemannischen Raum (9.-11. Jahrhundert). Von Nordspanien bis zum Bodensee, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland. Kultgeschichte in regionaler und europäischer Perspektive, hg. von Klaus H ERBERS und Dieter R. B AU - ER (Jakobus-Studien 7, 1995) S. 13 Anm. 45. Zur Entdeckung des Grabes und Entste- <?page no="169"?> Hraban (847-856) zudem über einschlägige Reliquien und konnte so in der von ihm nach einem länger zurückliegenden Brand um 847/ 49 wiederhergestellten Klosterkirche von Klingenmünster in der Pfalz einen Apostelaltar zu Ehren der hll. Petrus, Paulus, Andreas und Jakobus weihen, wie es in seiner Sammlung von Altar-Tituli überliefert ist, in denen der hl. Jakobus übrigens sonst nur sehr selten vorkommt 7 . Wie Eulogius von Toledo († 859) in einem seiner Briefe berichtet, suchten zwei seiner Brüder Mainz auf, um muslimischer Verfolgung im heimischen Spanien auszuweichen. Das hat sich wohl im Pontifikat Hrabans ereignet 8 , und es ist anzunehmen, daß solche Kontakte mit Spaniern ihm die Kenntnis der Jakobusverehrung in Galizien und den Besitz von daher rührenden Reliquien vermittelten. In der Folge läßt sich eine besondere Jakobusverehrung in Stadt und Erzdiözese Mainz jedoch nicht feststellen. Allerdings nahm etwa um 896 Notker von St. Gallen die Legende von der Translation des hl. Jakobus nach Spanien mit dem Festtermin des 30. Dezember auf 9 . Das Mainzer Kloster St. Alban pflegte, wie schon früher, so auch im 10. Jahrhundert sehr enge Kontakte mit St. Gallen 10 . Darüber hinaus unterhielt Erzbischof Hatto I. (891-913), als gleichzeitiger Abt der Reichenau Beziehungen zu König Alfons III. von Asturien, die sich in einem Reliquien- Von Santiago de Compostela nach Mainz 155 hung der Legende vgl. Luis V ÁZQUEZ DE P ARGA , José M.a L ACARRA , Juan U RÍA R ÍU , Las peregrinaciónes a Santiago de Compostela 1-3 (1948-1949), hier 1 S. 28-36. Hier wird allerdings das hrabanische Martyrolog nicht berücksichtigt und S. 34 als erstes, welches die Translation des Apostels überliefert, das des Ado von Vienne von vor 860 aufgeführt; zusammenfassend Klaus H ERBERS , Der Jakobuskult des 12. Jahrhunderts und der ‚Liber sancti Jacobi‘. Studien über das Verhältnis zwischen Religion und Gesellschaft im hohen Mittelalter (Historische Forschungen 7, 1984) S. 1-12. 7 Hrabanus Maurus, Carmina, hg. von Ernst D ÜMMLER , in: Monumenta Germaniae Historica, Poetae 2 (1884) S. 227 Nr. 74/ 2; vgl. Werner M EYER -B ARKHAUSEN , Die Versinschriften (Tituli) des Hrabanus Maurus als bau- und kunstgeschichtliche Quelle, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 7 (1957) S. 82f., Das Landdekanat Herxheim, bearb. von Renate E NGELS (Palatia Sacra Teil 1. Bistum Speyer: Der Archidiakonat des Dompropstes von Speyer, Band 3, 1988) S. 116-118. - Weitere Weihen mit Nennung des hl. Jakobus vgl. Hrabanus Maurus, Carmina S. 217 Nr. 51 (Unbekannte Kirche St. Johannes Evangelist), S. 229 Nr. 77/ 1 (Westapsis der Hersfelder Stiftskirche). 8 Vgl. Franz S TAAB , Mainz vom 5. Jahrhundert bis zum Tod des Erzbischofs Willigis (407-1011), in: Mainz. Die Geschichte der Stadt, hg. von Franz D UMONT , Ferdinand S CHERF , Friedrich S CHÜTZ ( 2 1999) S. 92. 9 Vgl. H ERBERS , Frühe Spuren des Jakobuskultes (wie Anm. 6) S. 13. 10 Vgl. Franz S TAAB , Kirche und Pfarrei St. Gallus im Mittelalter bis 1269, in: 1184- 1984. 800 Jahre St. Gallus Flörsheim am Main. Gemeinde unterwegs (1984) S. 12, 21 Anm. 27. <?page no="170"?> geschenk an die Reichenau manifestierten 11 . Trotzdem läßt sich in dieser Zeit eine besondere Jakobusverehrung in der Mainzer Erzdiözese, die der unter Erzbischof Hrabanus Maurus gleichkäme, nicht feststellen. Wenn sie unter Bardo und Liutpold hier wieder auflebte, so ist dies vielleicht mit den Bemühungen von Cluny um den Jakobuskult 12 in Verbindung zu bringen. So weit wir wissen, hatte keiner dieser beiden Erzbischöfe näheren Kontakt mit Cluny, wohl aber ihr Suffragan Reginbald (Raimbaldus) II. von Speyer 13 , der sich 1038 zusammen mit anderen Bischöfen unter Vorsitz von Erzbischof Bardo in Straßburg mit der Frage des kanonisch korrekten Beginns der Adventszeit befaßte. Der damals festgesetzte Termin wurde anschließend im Kloster Limburg in der Speyrer Diözese feierlich begangen 14 . 2) Jakobuspilger des 11. und 12. Jahrhunderts aus der Stadt und Erzdiözese Mainz In der einschlägigen Literatur werden die frühen (und berühmten) Wallfahrer nach Compostela mehr summarisch behandelt, ohne daß Strukturen ihrer regionalen Herkunft sichtbar gemacht würden 15 . Bei näherer Betrachtung läßt sich jedoch im 11. und 12. Jahrhundert in 156 Franz Staab 11 H ERBERS , Frühe Spuren des Jakobuskultes (wie Anm. 6) S. 18-20, 26. 12 Zur Diskussion um die Rolle Clunys für den Jakobuskult vgl. Peter S EGL , Königtum und Klosterreform in Spanien. Untersuchungen über die Cluniacenserklöster in Kastilien-León vom Beginn des 11. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts (1974) S. 3-7, 11; H ERBERS , Der Jakobuskult des 12. Jahrhunderts (wie Anm. 6) S. 34f., 47, 130 mit Anm. 146. 13 Vgl. Das Necrologium des Cluniacenser-Priorates Münchenwiler (Villars-les Moines), hg. von Gustav S CHNÜRER (Collectanea Friburgensia, N.F. 10, 1909) S. 76 zu X 13; Synopse der cluniacensischen Necrologien, Bd. 2, unter Mitwirkung von Wolf- Dieter H EIM , Joachim M EHNE , Franz N EISKE und Dietrich P OECK hg. von Joachim W OLLASCH (Münstersche Mittelalter-Schriften 39/ 2, 1982) S. 572 zu X 13. 14 B ÖHMER -W ILL 1 (wie Anm. 1) S. 170 Nr. 30. 15 Las peregrinaciónes 1 (wie Anm. 6) S. 48-50; Klaus H ERBERS , Deutschland und der Kult des hl. Jakobus, in: Yves B OTTINEAU , Der Weg der Jakobspilger. Geschichte, Kunst und Kultur der Wallfahrt nach Santiago de Compostela, übersetzt von Sybille A. R OTT -I LLFELD ( 3 1989) S. 254; Robert P LÖTZ , Deutsche Pilger nach Santiago de Compostela bis zur Neuzeit, in: Deutsche Jakobuspilger und ihre Berichte, hg. von Klaus Herbers (Jakobus-Studien 1, 1988) S. 1-27; für deutsche Pilger des 15. und 16. Jahrhunderts vgl. Theodor H AMPE , Deutsche Pilgerfahrten nach Santiago de Compostella und das Reisetagebuch des Sebald Örtel (1521-22), in: Mitteilungen aus dem germanischen Nationalmuseum 12 (1896) S. 61-82. Aber Beispiel für die Herstellung des regionalen Bezugs: Klaus M ILITZER , Jakobsbruderschaften in Köln, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 55 (1991) S. 84-134. <?page no="171"?> Mainz eine besondere Affinität zur Jakobuspilgerfahrt feststellen. Der bekannteste Mainzer Jakobuspilger des 11. Jahrhunderts war zweifellos Erzbischof Siegfried I. selbst. Er machte sich am 9. September 1072 auf den Weg nach Compostela, benützte allerdings einen Zwischenaufenthalt in Cluny dazu, dort ins Kloster einzutreten. Doch Klerus und Volk von Mainz wie auch Abt Hugo von Cluny, der schließlich von Siegfried als Mönch Gehorsam verlangte, bewogen ihn, diesen Schritt rückgängig zu machen, so daß er am 6. Dezember wieder in Mainz eintraf 16 . In das selbe Jahr fällt auch die Jakobuspilgerfahrt des blinden Folbert und seiner Begleitung mit einem Aufenthalt in Trier 17 . Obgleich die Berichte über beide Wallfahrer den jeweils anderen nicht erwähnen, liegt es doch nahe, daß sie in eben diesem Jahr 1072 nicht in zwei, sondern in einer gemeinsamen, größeren Gruppe reisten. Dies kann fast mit Gewißheit angenommen werden von der Gräfin Richardis von Sponheim, die mit ihrem Gemahl Siegfried und mit Erzbischof Siegfried I., der wohl mit dem Sponheimer Grafen verwandt war 18 , die große Jerusalemwallfahrt von 1064/ 65 mitgemacht, dabei ihren Gatten am 5. Juli 1065 in Bulgarien verloren und deswegen eine Pilgerfahrt nach Compostela gelobt hatte. Richardis starb auf dem Rückweg von Spanien am 9. Juli (wohl 1073), wurde zunächst in Sponheim bestattet, bis sie ihr Sohn, Erzbischof Hartwig von Magdeburg, 1098 in das Hauskloster St. Paul im Lavanttal Von Santiago de Compostela nach Mainz 157 16 B ÖHMER -W ILL 1 (wie Anm. 1) S. 195f. Nr. 71; Las peregrinaciónes 1 (wie Anm. 6) S. 48f.; P LÖTZ , Deutsche Pilger (wie Anm. 15) S. 12. 17 Las peregrinaciónes 1 (wie Anm. 6) S. 50, P LÖTZ , Deutsche Pilger (wie Anm. 15) S. 13. 18 Friedrich H AUSMANN , Siegfried, Markgraf der „Ungarnmark“ und die Anfänge der Spanheimer in Kärnten und im Rheinland, in: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N.F. 43 (1977) S. 141 (mit Literatur), lehnt die von Klebel und Mitscha- Märheim erschlossene Identität des Markgrafen der Ungarnmark mit einem gleichnamigen Vater der Geschwister Reginhard, Uta und Siegfried (Erzbischof von Mainz) ab. Die herangezogene Urkunde, vgl. Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) Nr. 319, eine Schenkung Utas an die Kirche von Eichstätt, nennt die drei Geschwister, aber nicht den Vater beim Namen. Postuliert wurde auch deren Verwandtschaft mit Bischof Gundekar von Eichstätt, vgl. Stefan W EINFURTER , Die Geschichte der Eichstätter Bischöfe des Anonymus Haserensis. Edition, Übersetzung, Kommentar (Eichstätter Studien N.F. 24, 1987) S. 101 Nr. 11 (mit Literatur). Die gemeinsamen Pilgerfahrten nach Jerusalem, wohl auch nach Compostela, der in Bayern sehr seltene Name Siegfried, die Tatsache, daß Hartwig, Sohn der Richardis und Siegfrieds von Sponheim, später Erzbischof von Magdeburg († 1102), zu Zeiten von Erzbischof Siegfried dessen Kaplan in Mainz war, vgl. Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) Nr. 326, legen aber eine Verwandtschaft des Erzbischofs mit den Sponheimern nahe. Der ungenannte Vater der drei Geschwister und Markgraf Siegfried scheinen der gleichen Generation angehört zu haben. <?page no="172"?> in Kärnten überführen ließ. Diese wichtigen Daten überliefert uns das Traditionsbuch von St. Paul 19 . Dem Vorbild der Richardis von Sponheim wollte anscheinend ihre rheinische Verwandte Jutta von Sponheim schon als junges Mädchen nacheifern, wie deren Vita erzählt, ohne das Ziel der beabsichtigten peregrinatio zu nennen. Diesen Plan verhinderte jedoch ihr Bruder Meginhard im Verein mit Bischof Otto von Bamberg und bewog sie 1112 stattdessen zum Eintritt in das wiederbegründete Kloster Disibodenberg an der Nahe 20 . Die hl. Paulina, später Gründerin von Paulinzella in der Mainzer Erzdiözese in Thüringen, unternahm zwischen 1088 und 1118 in ihrer zweiten Ehe eine Pilgerreise nach Rom und Compostela, sowie in der Folge zwei weitere Rompilgerfahrten 21 . Anläßlich der Eroberung von Lissabon durch Kreuzfahrer aus England und Deutschland im Jahre feierten die Teilnehmer Pfingsten (1147 VI 8) am Grab des Apostels Jakobus. Einen ausführlichen Bericht über diesen Zug schickte der Priester und Teilnehmer Duodechin von Lahnstein an Abt Kuno vom Kloster Disibodenberg. Die Annalen des Klosters überliefern diesen Text 22 . 1164 machte sich der Mainzer Elekt Konrad von Wittelsbach, der sich gegen den Willen Friedrichs I. Barbarossa in die Obödienz Alexanders III. begeben hatte und deshalb aus dem Reich fliehen mußte, auf den Weg zum hl. Jakobus 23 . Im Jahr 1203 reiste ein Pilgerzug aus dem mainzischen Rheingau nach Compostela 24 . Zum weiteren Umfeld der Mainzer Kirche gehört schließlich auch die Abtei Fulda, deren Abt Ruthard um 1076/ 77 eine Pilgerfahrt nach Compostela unternahm 25 . Er schloß dort eine Gebetsverbrüderung ab, 158 Franz Staab 19 Las peregrinaciónes 1 (wie Anm. 6) S. 50, ausführlich H AUSMANN , Siegfried, Markgraf der „Ungarnmark“ (wie Anm. 18) S. 149; Johannes M ÖTSCH , Genealogie der Grafen von Sponheim, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 13 (1987), S. 67 (mit Literatur); P LÖTZ , Deutsche Pilger (wie Anm. 15) S. 12. 20 S TAAB , Reform und Reformgruppen (wie Anm. 1) S. 176. 21 Las peregrinaciónes 1 (wie Anm. 6) S. 51, P LÖTZ , Deutsche Pilger (wie Anm. 15) S. 13, Camilla B ADSTÜBNER -K IZIK , Übersetzung der Vita Paulinae des Sigeboto und Kommentar, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 109 (1998) S. 99f., 105, 117f. 22 Las peregrinaciónes 1 (wie Anm. 6) S. 62; vgl. Charles Julian B ISHKO , The Spanish and Portuguese Reconquest 1095-1492, in: D ERS ., Studies in Medieval Spanish Frontier History (1980) S. III 409-411 [vorher in: Kenneth M. S ETTON (General Editor), A History of the Crusades, Band 3, hg. von Harry W. H AZARD (1975)]; P LÖTZ , Deutsche Pilger (wie Anm. 15) S. 15. 23 Las peregrinaciónes 1 (wie Anm. 6) S. 65; P LÖTZ , Deutsche Pilger (wie Anm. 15) S. 18. 24 P LÖTZ , Deutsche Pilger (wie Anm. 15) S. 20. 25 Christoph B ROWER , Fuldensium antiquitatum libri IIII (1612), S. 150; Josef L EINWE - BER , Die Santiago-Wallfahrt in ihren Auswirkungen auf das ehemalige Hochstift <?page no="173"?> sandte nach seiner Rückkehr ein (nicht mehr erhaltenes) Missale nach Compostela mit dem Wunsch, daraus über dem Grab des hl. Jakobus täglich die Messe lesen zu lassen. Außerdem schickte er eine Aufstellung der derzeitigen Fuldaer Mönche, damit für sie gebetet werden konnte, und bat um eine entsprechende Liste des Stiftskonventes von Santiago: Ego Ruothardus gratiâ Dei procurator Fuldensis, inter ceteros Oratores, istum ad locum perueni, commune consortium fraternitatis suscepi, et mea meorúmque fratrum ex parte, vobis idem seruari feci. Vt autem haec dilectionis confirmatio redintegretur, mittimus hunc librum, vt in nostri memoriam super S. Iacobi corpus in eo Missa cotidie celebretur. Obsecramus autem in Domino, vt vestra in nostris, ita nostri memoria frequentetur in orationibus vestris. Fratrum nomina viuorum, Karitati vestrae subscribimus; et vestrae congregationis vocabula nobis rescribi petimus. Valete 26 . Abt Ruthard von Fulda kam wohl gerade bei dieser Pilgerfahrt auch nach Cluny, wo er ein Kolophon zur Benediktinerregel kopierte, das damals dem hl. Benedikt selbst zugeschrieben wurde und das er in eine Regelhandschrift, die er dem von ihm reformierten Fuldaer Frauenberg widmete, eintragen ließ 27 . Möglicherweise noch unter Erzbischof Wezilo (1084-1088), spätestens aber unter Erzbischof Ruthard (1089-1109) wurde Abt Ruthard (Ruozelin) von Fulda bis zu seinem Tod 1096 zusätzlich noch Reformabt des Mainzer Klosters St. Jakob, für das er die cluniazensischen Consuetudines adaptierte 28 . Man darf deshalb annehmen, daß dieser Mann seine seit langem bestehenden Kontakte nach Compostela auch für das Kloster St. Jakob in Mainz nutzbar machte. Daher war es kaum ein reiner Zufall, daß dieses Kloster im Jahr 1114 von einem Kardinal aus Compostela aufgesucht wurde. Unglücklich verlief dagegen die Pilgerfahrt von 1197 des fuldischen Abtes Heinrich III. (1193-1216) zum hl. Jakobus, die wieder über Cluny führte. Man warf ihm zu Hause vor, er habe mit dieser Unternehmung „die Flanke“ seiner Abtei schutzlos gegen deren Feinde zurück- Von Santiago de Compostela nach Mainz 159 Fulda, in: Fuldaer Geschichtsblätter 52 (1976) S. 137f.; P LÖTZ , Deutsche Pilger (wie Anm. 15) S. 12. 26 B ROWER , Fuldensium antiquitatum libri (wie Anm. 25) S. 150, die Eigentümlichkeiten von Browers Orthographie wurden beibehalten. Das hier erwähnte Missale ist nicht erhalten, vgl. Las peregrinaciónes 1 (wie Anm. 6) S. 69. 27 B ROWER , Fuldensium antiquitatum libri (wie Anm. 25) S. 172f. 28 Vgl. S TAAB , Reform und Reformgruppen (wie Anm. 1) S. 156f. mit Anm. 115. <?page no="174"?> gelassen, die ihr eine Reihe von Gütern entfremdeten 29 . Nach der Rückkehr stiftete er seinen Mönchen nach cluniazensischem Brauch ein besonderes Essen für die Vigil des hl. Jakobus und zukünftig für seinen eigenen Todestag 30 . Trotzdem wurde er in Rom wegen Vernachlässigung seines Amtes angeklagt und soll schließlich einen Tag nach dem Termin, den er zur Beilegung der Streitigkeiten angesetzt hatte, gestorben sein 31 . Es gab also im 11. und 12. Jahrhundert eine ganze Reihe von vornehmen Jakobuspilgern mit Mainzer Hintergrund, die wegen ihrer Sündenlast die Hilfe des Apostels suchten und in deren Begleitung man sich zahlreiche weitere Personen, Gesinde und weniger angesehene Mitreisende denken muß. Die Hauptmasse der Pilger stellten gewiß die Leute aus den mittleren und unteren Bevölkerungsschichten, die aus Mangel an Aufzeichnungen darüber zunächst für uns namenlos bleiben, bis sie im Spätmittelalter in neuen Quellengattungen schriftlich festgehalten werden 32 . Eindrücklich tritt dem Leser eine solche Menschenmenge vor Augen in dem Bericht über die Geistesgegenwart der hl. Paulina, als sie in einem mit Pilgern beiderlei Geschlechts überladenen Schiff auf der Gironde ein plötzlich auftretendes Leck mit ihrem Gewand abdichten konnte 33 . Die zahlreichen Pilger sorgten für einen immer wiederkehrenden Mainzer Kontakt zum berühmten Apostelheiligtum in Galicien. 3) Die Urkunde des Kardinals Richard von Santiago de Compostela Wenig beachtet wurde die oben schon kurz angesprochene Reise in umgekehrter Richtung, die den Kardinal Richard von Santiago 34 im Jahr 160 Franz Staab 29 B ROWER , Fuldensium antiquitatum libri (wie Anm. 25) S. 303: „Illud tamen culpant antiqui, quòd, longinquâ peregrinatione ad limina S. Iacobi in Galaetiam susceptâ, nudum Ministerialium et Aduocati insidiis reliquerit ecclesiae suae latus“. 30 Vgl. Las peregrinaciónes 1 (wie Anm. 6) S. 69, wo allerdings die beiden Wallfahrten der Äbte Ruthard und Heinrich III. nach älterer Literatur fälschlicherweise zu einem Ereignis zusammengezogen sind; L EINWEBER , Santiago-Wallfahrt (wie Anm. 25) S. 138 (S. 137 Anm. 20 Hinweis auf die irrtümliche Vermischung der beiden Pilgerreisen); P LÖTZ , Deutsche Pilger (wie Anm. 15) S. 18f. 31 B ROWER , Fuldensium antiquitatum libri (wie Anm. 25) S. 303. 32 P LÖTZ , Deutsche Pilger (wie Anm. 15) S. 19-21. 33 B ADSTÜBNER -K IZIK , Übersetzung der Vita Paulinae (wie Anm. 21) S. 99f. 34 D OBRAS , Mainz St. Jakob (wie Anm. 1) S. 471 spricht irrtümlich von einem „römischen“ Kardinal Richard, der Kanoniker der Kirche von Santiago gewesen sei. Es handelt sich jedoch zweifellos um einen Angehörigen des 1109 von Paschalis II. genehmigten Kardinalkollegs von Compostela, vgl. dazu unten Anm. 56 und S. 166. <?page no="175"?> 1114 nach Mainz führte. Bezeugt ist dieses Ereignis in einer Urkunde, die er am 29. November 1114 der Mainzer Abtei St. Jakob ausstellte 35 (Abb. 12, 13). Die Urkunde mit Eingangsdatierung ist in Buchschrift geschrieben, das Tagesdatum am Schluß in einer Mischung aus diplomatischer Minuskel und Unzialschrift angefügt. Wegen der hierzu nötigen Oberlängen mußte der Schreiber für das Tagesdatum das ursprüngliche Zeilenschema ein wenig nach unten erweitern. Es lassen sich am Original an dieser Stelle weder eine abweichende Tintenfarbe, noch bei der unzialen Buchschrift andere Formen feststellen, weshalb ich die Einschätzung des Herausgebers Manfred Stimming 36 nicht teile, das Tagesdatum sei erst von späterer Hand des 12./ 13. Jahrhunderts zugesetzt worden. Von dem ursprünglich an der Urkunde angehängten Siegel ist nur mehr der ohne Plica durchgezogene Pergamentstreifen erhalten. Diese Besiegelungsform war, im Gegensatz zur älteren Tradition des auf die Urkunde aufgedrückten Siegels, die in dieser Zeit auch noch im Mainzer St. Jakobskloster gepflegt wurde, in Westeuropa schon seit dem 11. Jahrhundert gebräuchlich 37 . Neben mehreren neuzeitlichen Rückvermerken gibt es zwei gleichzeitige des 15. Jahrhunderts, die das Stück als Ablaßurkunde charakterisieren. Noch im selben Jahrhundert wurde dazu, wiederum zweimal, ergänzt, daß man sie abgeschrieben hatte 38 . Eine ebenfalls zweifache Numerierung des 15. Jahrhunderts auf der Von Santiago de Compostela nach Mainz 161 35 Stadtarchiv Mainz, Urk. 1114 XI 29; Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) Nr. 460; Die Urkunden des Stadtarchivs Mainz. Regesten von Richard D ERTSCH 1 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz 20/ 1 (1962) Nr. 10. Zu den beiden Vidimus vgl. Mainzer Urkundenbuch 1 Nr. 460, S. 368 Vorbemerkung. Die bei Stimming angegebene, von Dertsch vermißte Überlieferung D, ein Codex des 17. Jahrhundert aus St. Jakob, ist Stadtarchiv Mainz 13/ 216 „Catalogus abbatum Monasterij montis s(an)c(t)i Jacobi 1616“ (so, allerdings schwer lesbar, auf dem Rücken der Handschrift) S. 252 (alt fol. 120’). Das ebenfalls im Mainzer Urkundenbuch als Besitz des Mainzer Priesterseminars angegebene Kopialbuch des 15. Jahrhunderts wird heute im Dom- und Diözesanarchiv Mainz unter der Signatur „Nachlaß Schunk Kasten I 8“ verwahrt, hier fol. 5’ Abschrift nach dem Original, fol. 6-6’ Abschrift nach einem Vidimus. 36 Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) S. 368 Anm. a; Maße der Urkunde: 133 x 346 mm. Im Gegensatz zur Angabe Stimmings endet die erste, übrigens in keiner Weise ausgeschmückte Zeile auch nicht mit dem Wort causa, sondern schon eine Zeile früher mit cardina | lis. - Erwähnung der Urkunde in der Literatur vgl. unten Anm. 59. 37 Vgl. A. G IRY , Manuel de diplomatique (1893, Neudr. o.J.) S. 640-641. - Das Kloster St. Jakob in Mainz benützte seit 1102 ein eigenes Siegel, das noch auf die Urkunden aufgedrückt wurde, vgl. unten Anm. 70, 80. 38 L(itte)ra indulge(n)tiar(um) t(er)tie p(ar)t(is) a pena et culpa; im 15. Jahrhundert angefügt: Re(scrip)ta. Mit der Abschrift gemeint ist wohl die bei S TIMMING , Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) S. 368 nachgewiesene Überlieferung C des Kopialbuches des 15. Jahrhunderts. Aus dem 15. Jahrhundert stammt auf dem Original auch das quergeschriebene Dorsale indulge(n)tia s(an)c(t)i Jacobi. <?page no="176"?> Rückseite des Originals gibt die Signatur „m 3a a“ an 39 . Die Langzeitwirkung der Urkunde läßt sich daran ablesen, daß sie im 13. Jahrhundert in zwei Vidimus übertragen, zweimal in ein Kopiar des 15. Jahrhunderts, wie auch einmal in einen Codex von 1616 eingetragen wurde 40 . Während man, nach den Marginalien der Kopien zu urteilen, im 15. Jahrhun- 162 Franz Staab 39 Die Ziffer 3 mit übergeschriebenem offenem a ist zwischen die Buchstaben m und a tiefer gesetzt; vielleicht ist diese Signatur zu lesen als m(ateri)a (terti)a. Spätere Signaturen lauten A V (15. Jahrhundert), 1. (17. Jahrhundert in rot), No. 159 (17. Jahrhundert), Num. 2. (18. Jahrhundert). Die Signatur A V wird im Kopialbuch des 15. Jahrhunderts, Dom- und Diözesanarchiv Mainz, Nachlaß Schunk Kasten I 8, fol. 6, angesprochen, wo an den Schluß der Urkundenabschrift angefügt ist: Jacet p(rae)sc(ri)pta l(itte)ra in ladula A signata hoc signo A V. 40 Vgl. oben Anm. 35, 38. Abb. 12 Vorderseite der Urkunde des Kardinals Richard von Santiago de Compostela für das Kloster St. Jakob in Mainz von 1114 (Vorlage: Stadtarchiv Mainz). Abb. 13 Rückseite der Urkunde des Kardinals Richard von Santiago de Compostela für das Kloster St. Jakob in Mainz von 1114 (Vorlage: Stadtarchiv Mainz). <?page no="177"?> dert den in der Urkunde gewährten Ablaß noch zu schätzen wußte 41 , läßt die Rubrik der Abschrift des 17. Jahrhunderts erkennen, daß man das Fest der Translation des hl. Jakobus (30. Dezember), wie es Richard gefordert hatte, im Kloster weiterhin feierte, die 1114 erhaltenen Heiltümer ebenfalls sehr schätzte, mit dem altertümlichen Ablaß aber nach dem Tridentinum nichts mehr anzufangen wußte. 1516 hatte Abt Johann Manger einen Schrein, capellula genannt, für die Reliquien des Klosterpatrons anfertigen lassen, der heute nicht mehr existiert 42 . Auch aus anderen Quellen läßt sich zunächst nicht erkennen, daß St. Jakob in Mainz eine besondere Rolle auf den Wegen der Pilger nach Compostela gespielt hätte. Die früheren Mainzer Kalendarien hatten ein Fest des Apostels Jakobus im Dezember, im Gegensatz zum Martyrolog des Hrabanus Maurus, noch nicht aufgeführt 43 . Aber auch die späteren Mainzer Kalendarien nahmen die Translation des hl. Jakobus zum 30. Dezember nicht auf 44 . Im Vergleich zu anderen Diözesen war der Mainzer liturgische Diözesankalender sehr konservativ und überließ die Einführung neuer Feste lokalen Instituten, um sie nur in Einzelfällen allgemeingültig zu machen 45 . So blieb das Fest der Translation des hl. Jakobus am 30. Dezember im Rahmen der Diözese eine spezielle Angelegenheit des Klosters St. Jakob 46 . Es ist allerdings zu beachten, daß seit dem 13. Jahrhundert gerade ungarische Pilger die Pilgerfahrt zum Karlsheiligtum in Aachen mit der zum hl. Jakobus in Compostela gerne kombinierten 47 . Sie mußten die Rheinroute benutzen und kamen damit zwangsläufig nach Mainz, wo sie in St. Jakob den von Kardinal Richard Von Santiago de Compostela nach Mainz 163 41 Dom- und Diözesanarchiv Mainz, Nachlaß Schunk Kasten I 8, fol. 5’: Indulgencie tercie p(ar)tis penitentiar(um) de p(rae)terit(is) gresse (? ) visitantib(us) (etc.) festu(m) translac(i)o(n)is s(anc)ti Jacobi (etc.); fol. 6: hoc e(st) remota macula culp[e] per (con)tric(i)onem (et) (con)fessione(m) tercia p(arti)s pene pala(m) sat(is)factorib(us) indulget(ur) iiiij. 42 Stadtarchiv Mainz 13/ 216 S. 252 (alt fol. 120’): De Institutione festi Translatio(n)is S. Jacobj, et de reliquiis eiusd(em), p(er) R(everen)diss(imum) Richardu(m) Cardinalem S. Jacobj Compostellj, instituti A(nn)o 1114. - Zum Reliquienschrein capellula vgl. D OBRAS , Mainz St. Jakob (wie Anm. 1) S. 502. 43 Vgl. Sirka H EYNE , Studien zur Mainzer und Fuldaer Liturgiegeschichte (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 73 (1996) passim). 44 Vgl. Franz F ALK , Die Calendarien des Mainzer Erzstifts, in: Geschichtsblätter für die mittelrheinischen Bisthümer 2 (1885) Sp. 214. 45 Vgl. Franz S TAAB , Die Verehrung des hl. Stephan, in: 1000 Jahre St. Stephan in Mainz. Festschrift, hg. von Helmut H INKEL (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 63 (1990) S. 183-186. 46 Dies läßt sich allerdings nur aus der Urkunde von 1114 ableiten, da Kalendarien aus St. Jakob bei Mainz anscheinend nicht erhalten sind. 47 Vgl. P LÖTZ , Deutsche Pilger (wie Anm. 15) S. 21. Siehe dazu auch seinen Beitrag in diesem Band. <?page no="178"?> verbrieften Ablaß gewinnen konnten, wovon sicherlich Gebrauch gemacht wurde. Als weitere Stationen dieser Pilger sind rheinabwärts seit dem 14. Jahrhundert Ingelheim und Gau Algesheim bezeugt 48 . Nun aber zum Inhalt der Urkunde, auf den schon teilweise vorgegriffen wurde: Richard bezeichnet sich in ihr als Kardinal 49 der Kirche des hl. Apostels Jakobus in Galicien, Kustos und Kanoniker des Jakobus-Altars. Er sei, um Hilfe für seine Kirche zu erbitten, nach Deutschland gekommen und habe in Mainz das St. Jakobskloster kennengelernt, wo er und seine Begleitung sehr gute Aufnahme fanden. Deshalb schenkt er dem dortigen Abt Burchard und seinen Mönchen einiges aus seinem Reliquienschatz, nämlich vom Apostel Jakobus, vom Kreuzesholz, vom ungenähten Gewand Christi, vom Hemd der Gottesmutter, von der Asche des hl. Vincentius, vom Gewand des Evangelisten Johannes, des Bruders des Jakobus. Das war durchaus großzügig, und dafür sollte im Kloster in Zukunft das Fest der Translation des hl. Jakobus am 30. Dezember gefeiert werden, damit die Gläubigen dabei durch die Vergünstigung des hl. Apostels, des Papstes und des Bischofs Diego von Santiago einen Ablaß für ein Drittel ihrer Sünden und nach dem Ende des irdischen das ewige Leben erhalten. 4) Bestrebungen der Kirche von Santiago de Compostela in dieser Zeit Welchen Grund hatte nun Kardinal Richard, um gerade im Jahr 1114 Hilfe in Deutschland zu suchen? Die Erklärung ist in den Umwälzungen der spanischen Kirche seit dem Beginn der Reconquista im 11. Jahrhundert zu suchen. Bezüglich Compostela wurden diese Tendenzen verstärkt durch eine neue Hochschätzung des Apostelgrabes, die man sogar zum Anlaß nahm, um Vergleiche mit der kirchenpolitischen Stellung Roms anzustellen 50 . Ursprünglich hatte die Provinz Galicien mit Compostela zur Kirchenprovinz von Braga gehört 51 , deren Sitz wegen der maurischen Eroberung nach Lugo hatte verlegt werden müssen. 164 Franz Staab 48 Ernst E MMERLING , Aufsätze über Ingelheim und den Ingelheimer Grund (Beiträge zur Ingelheimer Geschichte 17, 1967) S. 67-69. 49 Vgl. unten S. 166. 50 Vgl. Las peregrinaciónes 1 (wie Anm. 6) S. 52 mit Anm. 21. 51 Für das Folgende vgl. am übersichtlichsten Ludwig V ONES , Die ‚Historia Compostellana‘ und die Kirchenpolitik des nordwestspanischen Raumes 1070-1130. Ein Beitrag zur Geschichte der Beziehungen zwischen Spanien und dem Papsttum zu Beginn des 12. Jahrhunderts (Kölner historische Abhandlungen 29 (1980) S. 80-84). <?page no="179"?> Zwar wurde das Bistum Braga 1070/ 71 restauriert, doch die Bemühungen um Wiederherstellung seiner Metropolitanrechte stießen in Lugo auf Widerstand. Noch schädlicher für Braga war die Entscheidung Urbans II., im Zuge der Reconquista Toledo als Metropole, und zwar für ganz Spanien, wieder aufzurichten 52 . Der so neu definierte Metropolit Bernhard von Toledo weihte 1089 die Kathedralkirche von Braga und vermied dabei sorgfältig alles, was an das frühere Metropolitanrecht von Braga hätte erinnern können. So war neben Toledo für eine zweite Metropole in Braga kein Platz mehr. Der alte Hauptort geriet völlig ins abseits, als sich sein Bischof Pedro 1091 das Pallium nicht von Urban II., sondern vom Gegenpapst Clemens III. (Erzbischof Wibert von Ravenna) verleihen ließ, der in Spanien ansonsten über keinerlei Obödienz verfügte, so daß Pedro von den Anhängern Urbans II. abgesetzt und ins Kloster verbannt wurde 53 . In diesen Auseinandersetzungen konnte Compostela, das erst durch die im zeitlichen und im rechtlichen Dunkel liegende Verlegung von Iria (Padrón) Bischofssitz geworden war, seine eigenen Ziele recht gut verfolgen, d. h. die Loslösung von Braga und Lugo und in der ferneren Zukunft vielleicht sogar eine Gleichstellung mit Toledo. Den durchschlagenden Erfolg erzielte man mit dem Exemtionsprivileg Urbans II., das dieser 1095 in Clermont während des durch den Aufruf zum I. Kreuzzug berühmten Konzils für Bischof Dalmatius von Compostela unter anderem auf Fürsprache des Abtes Hugo von Cluny verhandelte und eine Woche später, am 5. Dezember, in Brioude ausfertigen ließ. Es verlieh der Kirche von Compostela sowohl die alleinige Unterstellung unter den römischen Stuhl als auch die bisher fehlende Bestätigung der Verlegung des Bischofssitzes von Iria nach Compostela, daneben die summarische Übertragung von Pfarrbezirken der alten Diözese Iria und verschiedener Güterschenkungen 54 . Schon vorher hatte des Dalmatius’ Vorgänger Diego I. Peláez mit einem weitläufigen Neubau der Kathedrale in Compostela begonnen 55 . Auf diesen Grundlagen arbeitete des Dalmatius’ Verwalter und spätere Nachfolger Diego II. Gelmírez Von Santiago de Compostela nach Mainz 165 52 Alfons B ECKER , Papst Urban II. (1088-1099), Teil 1: Herkunft und kirchliche Laufbahn. Der Papst und die lateinische Christenheit (Schriften der MGH 19/ 1 (1964), S. 231-233, 239, 242, 250; H ERBERS , Der Jakobuskult des 12. Jahrhunderts (wie Anm. 6) S. 81. 53 B ECKER , Papst Urban II. (wie Anm. 52) S. 242-244. 54 JL 5601; vgl. Las peregrinaciónes 1 (wie Anm. 6) S. 52f., V ONES , Historia Compostellana (wie Anm. 51) S. 85-93, B ECKER , Papst Urban II. (wie Anm. 52) S. 236f.; H ER - BERS , Der Jakobuskult des 12. Jahrhunderts (wie Anm. 6) S. 15, 81-83. 55 Las peregrinaciónes 1 (wie Anm. 6) S. 52. <?page no="180"?> (1098-1140) weiter 56 . Er erhielt 1104 von Papst Paschalis II. das Pallium, 1109 das Recht, sieben Kardinalpriester in seiner Kathedralkirche einzusetzen, 1110 die Bestätigung der Exemtion und strebte anschließend danach, sein Bistum zum Erzbistum erheben zu lassen, um damit zumindest protokollarische Ranggleichheit mit Toledo zu erzielen. Hinzu kamen Auseinandersetzungen mit der Diözese Mondoñedo um die Zugehörigkeit mehrerer Archipresbyterate in Galicien. Das Hauptziel, die Erhebung von Santiago de Compostela zur Metropolitankirche, erreichte er mit einer bunten Palette von durchaus auch zweifelhaften Mitteln bei Papst Calixtus II. endlich 1120, bestätigt von Honorius II. 1124 57 . Bis dahin hatte aber im Jahre 1114 der so überaus rührige Diego II. Gelmírez noch einen weiten Weg zurückzulegen, gepflastert mit Widerständen von seiten Toledos, Coimbras und Bragas, aber auch der Königin Urraca von León und Kastilien sowie der eigenen Stadtbürger 58 . Gegen all dies mußte er weltweite Hilfe nicht allein in Spanien selbst und in Frankreich, sondern auch darüber hinaus suchen, um die Kurie in Rom günstig zu beeinflussen. Hierbei konnte es nur von Vorteil sein, auch die Regierung des römischen Reiches mit einzubinden, die mit Heinrich V., nach der Revolte von 1105 gegen den Vater Heinrich IV. und seine Politik, einen neuen, wenn auch inzwischen prekär gewordenen Anschluß an das Reformpapsttum gefunden hatte und begann, wieder ihren alten Rang einzunehmen. In diesem Zusammenhang wäre also die Reise des Compostellaner Kardinals Richard nach Mainz und nach Deutschland zu sehen 59 . In gewisser Weise kann das hier kurz wiedergebene, um kaum ein Mittel verlegene Streben nach Rangerhöhung aus heutiger, der Amtskirche gegenüber sehr kritisch eingestellter Sicht abstoßend wirken, da es Tugenden, die das Evangelium predigt, widerspricht. Verständlich wird dies nur, wenn man sich vergegenwärtigt, wie hoch die Bedeutung des Jakobus-Grabes eingeschätzt wurde. In Compostela war nach Auffassung der Zeitgenossen ein von vielen Pilgern aufgesuchter, wegen seiner 166 Franz Staab 56 Vgl. ebd. S. 53f.; V ONES , Historia Compostellana (wie Anm. 51) S. 100-473; H ER - BERS , Der Jakobuskult des 12. Jahrhunderts (wie Anm. 6) S. 84-96. 57 Las peregrinaciónes 1 (wie Anm. 6) S. 54; V ONES , Historia Compostellana (wie Anm. 51) S. 351-473. - Über die von Diego II. Gelmírez aufgewendeten Bestechungselder, um bei Calixtus II. zum Ziel zu kommen, vgl. Klaus H ERBERS , Das Papsttum und die Iberische Halbinsel, in: Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts, hg. von Ernst-Dieter H EHL , Ingrid Heike R INGEL und Hubertus S EIBERT (Mittelalter-Forschungen 6, 2002) S. 32-34. 58 Vgl. Bernard F. R EILLY , The Kingdom of León-Castilla under Queen Urraca 1109- 1126 (1982) S. 109-111, 114-116, 124f., 144-147, 151 und öfter. 59 Vgl. V ONES , Historia Compostellana (wie Anm. 51) S. 524 mit Anm. 15. <?page no="181"?> Wunder im wahrsten Sinne des Wortes „wirklicher“ Apostel anwesend, den der Compostellaner Klerus und die Pilger als überragenden Heiligen und zuverlässigen Helfer erlebten. Seine Kirche hatte zwingendermaßen einen möglichst hohen, eines Apostels würdigen Rang innerhalb der Christenheit einzunehmen. Dem nicht zu entsprechen, wäre in den Augen der Compostellaner und speziell des Diego II. Gelmírez ein unentschuldbares Versäumnis gewesen, das ihrem Apostel sehr mißfallen hätte. 5) Das Kloster St. Jakob und Mainz um das Jahr 1114 Von der aufblühenden Jakobusverehrung in Compostela profitierte auch das Mainzer Kloster St. Jakob. Nachdem sein Förderer Erzbischof Siegfried I. im Jahr 1084 gestorben war, setzte sich sein Aufstieg weiter fort. Das geschah besonders während des Pontifikates von Erzbischof Ruthard (1089-1109), unter dem, wie oben erwähnt 60 , Abt Ruthard (Ruozelin) von Fulda als Reformabt in St. Jakob im cluniazensischen Sinne wirkte. Damit einher ging eine Verbesserung der Ausstattung. 1092 gewährte der Erzbischof dem Kloster für Ernährung und Kleidung der Mönche feierlich in Gegenwart des Abtes Ruozelin, der Bischöfe Emehard von Würzburg und Eppo von Worms zum Gedächtnis seiner Vorgänger Siegfried I. und Wezilo (1084-1088) Einkünfte in Lorch im Rheingau, ferner solche in Mainz-Hechtsheim und einen Hof im Zaybachtal bei Mainz, den bereits Siegfried I. geschenkt hatte 61 . 1096 besiegelte er für die Abtei die Schenkung einer Witwe Ennecha über ein größeres Gut mit Mühle in Lorch, die mit der Stiftung einer vor Abschaffung durch nachfolgende Äbte besonders geschützten caritas von dort gewachsenem Wein für die Mönche sowie mit Anniversarien für genannte Familienmitglieder verbunden war. Zum ersten Mal tritt in dieser Urkunde der neue Abt Manegold, Nachfolger Ruozelins, auf 62 , und es läßt sich an der erwähnten caritas und dem besonders verankerten Totengedächtnis der auf Ruozelin zurückzuführende Einfluß von Cluny 63 erkennen. Von Santiago de Compostela nach Mainz 167 60 Vgl. oben S. 158f. mit Anm. 27-28. 61 Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) Nr. 381. 62 Ebd. Nr. 390. 63 Zu den Formen des cluniazensischen Totengedächtnisses vgl. Johannes F ECHTER , Cluny, Adel und Volk. Studien über das Verhältnis des Klosters zu den Ständen (910-1156) (1966) S. 22-25 (mit Literatur); Joachim W OLLASCH , Cluny - „Licht der Welt“. Aufstieg und Niedergang der klösterlichen Gemeinschaft (1996) S. 163-165, 234-243. <?page no="182"?> Im selben Jahr besiegelte der Erzbischof ferner eine Urkunde Abt Manegolds über die Schenkung von Odi und seiner Frau Diezecha über Güter im Rheingau, welche erneuert und mit einer Pachtzusicherung für die Nachkommen des Paares versehen wurde, nachdem Odi auf jener Jerusalemfahrt gestorben war, vor der man die Schenkung ursprünglich gemacht hatte 64 . Da Abt Ruozelin erst am 12. oder 13. Juli 1096 starb 65 , der Beginn von Manegolds Abbatiat danach angesetzt werden muß, Gottfried von Bouillon Mitte August 1096 mit seinen Lothringern, Nordfranzosen und Deutschen zum I. Kreuzzug aufbrach und im Dezember Konstantinopel erreichte 66 , darf man davon ausgehen, daß Odi nicht etwa während einer früheren, unbekannten Jerusalempilgerfahrt starb, sondern in der Tat zu den Teilnehmern des Kreuzzugs gehörte, aber schon früh dabei umkam. Indessen muß er nicht notwendigerweise Angehöriger der Truppen Gottfrieds gewesen sein, sondern er könnte auch zum Anhang jenes Grafen Emicho gehört haben, der sich bei den Judenpogromen in den Rheinstädten im Mai 1096 unrühmlich hervorgetan hatte 67 . Für das Kloster St. Jakob bedeutet dies aber, daß es bereits in die Vorbereitungen des Kreuzzugs eingebunden war, zu dem Urban II. 1095 in Clermont aufgerufen hatte. Dort hatte der Papst auch dem Bischof Dalmatius die Absicherung der neuen Stellung von Santiago de Compostela gewährt 68 . Santiago und Mainz, weit von einander entfernt, waren doch zugleich Beteiligte an dem positiv wie negativ ungeheuren, 1095 ausgelösten Aufbruch der lateinischen Christenheit. 168 Franz Staab 64 Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) Nr. 392. 65 Vgl. Josef L EINWEBER , Der Fuldaer Abtskatalog des Apollo von Vilbel. Zur Fuldaer Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts und zur Chronologie der Fuldaer Äbte (Quellen und Abhandlungen zur Geschichte der Abtei und der Diözese Fulda 25, 1986) S. 75 Anm. 2-3. 66 Hans Eberhard M AYER , Geschichte der Kreuzzüge ( 7 1989) S. 45. 67 Zu den Gruppen von Kreuzfahrern, die aus Deutschland kamen oder hier durchzogen, vgl. Hans-Werner G OETZ , Der Erste Kreuzzug im Spiegel der deutschen Geschichtsschreibung, in: Auslandsbeziehungen unter den salischen Kaisern. Geistige Auseinandersetzung und Politik, hg. von Franz S TAAB (Veröffentlichung der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Speyer 86, 1994) S. 143-151; zu den Pogromen des Jahres 1096 vgl. Shlomo E IDELBERG , The Jews and the Crusaders. The Hebrew Chronicles of the First and Second Crusades (1977) S. 4f. und passim; Franz-Josef Z IWES , Studien zur Geschichte der Juden im mittleren Rheingebiet während des hohen und späten Mittelalters (Forschungen zur Geschichte der Juden A 1, 1995) S. 223; zur Identität und Rolle des Grafen Emicho vgl. Ingo T OUSSAINT , Die Grafen von Leiningen. Studien zur leiningischen Genealogie und Territorialgeschichte bis zur Teilung von 1317/ 18 (1982) S. 25-28; Hannes M ÖHRING , Graf Emicho und die Judenverfolgungen um 1096, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 56 (1992) S. 97-111. 68 Vgl. oben S. 165. <?page no="183"?> Die von Abt Manegold getroffenen Anordnungen über die neu erworbene Kirche von Merxheim bei Bad Kreuznach, wobei wieder ein Seelgerät eine Rolle spielt, aber auch das Spital des Klosters zum ersten Mal als Nutznießer von Einkünften genannt wird, besiegelte Erzbischof Ruthard 1097 69 . Seit einer Urkunde von 1102, unter dem neuen Abt Hartwig, über Güter in Frankfurt-Schwanheim und dem wohl in der Nähe gelegenen Roth, darunter auch ein Zoll in Schwanheim, die als Lehen für eine Ministerialenfamilie des Klosters verwendet werden sollten, läßt sich eine größere Unabhängigkeit des Klosters beobachten: es siegelt jetzt auch selbst sigillo sancti Jacobi 70 . Noch fünf weitere Urkunden erhielt das Kloster im Pontifikat des Erzbischofs Ruthard 71 , davon noch einmal eine Heinrichs IV. 72 , diesmal auf Bitten des Abtes Hartwig und des Bischofs Widelo von Minden (eines Kölner Suffragans) - Erzbischof Ruthard befand sich nach der Katastrophe der Mainzer Juden vom Jahr 1096, die er vor der Mordwut der Kreuzfahrer nicht geschützt hatte und bei denen er die Zwangstaufe der wenigen Überlebenden nicht rückgängig machen wollte, seit 1098 auf kaiserlichen Druck hin im thüringischen Exil 73 . Die Verbannung des Erzbischofs beeinträchtigte also auch die Bewegungsfreiheit des Klosters St. Jakob, woraus man schließen darf, daß es zu den judenfeindlichen Kreisen des Kreuzzugs Verbindungen unterhalten hatte. All dies veranlaßte wohl Heinrich IV. dazu, eine schärfere Kontrolle auszuüben. Nach seiner Rückkehr 1105 74 rechnete Ruthard andererseits damit, daß im Konvent von St. Jakob noch ein ihm entgegengesetzter Einfluß aus den letzten Jahren Heinrichs IV. vorhanden war. Jedenfalls fällt auf, daß Abt Burchard von St. Jakob im großen Privileg des Erzbischofs für das von ihm wiederbegründete Kloster Disibodenberg vom 11. Mai 1108 zwar gleich nach Abt Dietrich von St. Alban und damit schon als zweiter Zeuge genannt wird 75 , wohl auch bereits damals die Leitung des jungen Disibodenberger Konventes über- Von Santiago de Compostela nach Mainz 169 69 Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) Nr. 393. 70 Ebd. Nr. 408 (Siegel aufgedrückt, rechte Seite abgebrochen), vgl. unten Anm. 80. Der Herausgeber identifiziert Roth mit dem gleichnamigen Ort bei Gelnhausen, es wäre aber doch eher an einen der Rode-Orte im Taunus in der Nähe von Frankfurt zu denken. 71 Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) Nr. 409, 414, 434, 438, 440. 72 Ebd. Nr. 414, MGH DD H IV. 472, St. 2995. 73 Vgl. B ÖHMER -W ILL 1 (wie Anm. 1) S. 228-234 Nr. 25-55. - Zu den Judenpogromen des Jahres 1096 vgl. die oben Anm. 67 angegebene Literatur. 74 B ÖHMER -W ILL 1 (wie Anm. 1) S. 234 Nr. 56. 75 Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) Nr. 436. <?page no="184"?> nahm 76 , daß aber die letzten beiden Urkunden für das Kloster aus dem gleichen Jahr nicht mehr mit dem Siegel des hl. Jakob besiegelt wurden, sondern mit dem des Erzbischofs, obwohl dieser nicht selbst Aussteller war 77 . Wo bisher Heinrich IV. schärfer beaufsichtigt hatte, tat dies nun Erzbischof Ruthard unter umgekehrten Vorzeichen. Noch als Elekt stellte sein Nachfolger Adalbert I. (1110-1137) im Jahr 1112 gleich zwei Urkunden für das Kloster aus, um aufgelaufene Güterprobleme in Gau-Algesheim und Weilbach zu regeln 78 , wie er es dann wieder 1119 wegen Gütern in Undenheim und 1122 wegen der Pfarrkirche von Geinsheim tat 79 . Zugleich hatte St. Jakob wieder mehr Eigenständigkeit gewonnen, denn Abt Burchard bekräftigte nun 1112 und erneut zwischen 1108 und 1115/ 18 von ihm selbst ausgestellte Urkunden mit dem Siegel des Klosterpatrons 80 . In der zweiten dieser bei- 170 Franz Staab 76 Vgl. S TAAB , Reform und Reformgruppen (wie Anm. 1) S. 158. 77 Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) Nr. 438, 440. 78 Ebd. Nr. 452, 453. 79 Ebd. Nr. 484, 498. 80 Ebd. Nr. 457 (nach Meinung des Herausgebers anscheinend nie besiegelt, obgleich das Siegel beati Jacobi apostoli patroni nostri im Eschatokoll angekündigt ist), 479 (Siegel aufgedrückt, siehe Abbildung 3); vgl. oben Anm. 70. Die zweite Urkunde wurde vom Herausgeber Manfred Stimming in die Zeit zwischen 1108 VI 27 und 1119 IX 5 gesetzt. Er verwendete für diese Datierung die Angaben zum Abbatiat Burchards aus dem „Catalogus abbatum Monasterij montis s(an)c(t)i Jacobi 1616“, vgl. oben Anm. 35. Allerdings sind dessen chronologische Daten vom Verfasser rekonstruiert und mit Irrtümern behaftet. Die beiden Nachfolger Burchards, Werinbold für St. Jakob und Adalhun für den Disibodenberg, werden bereits 1118 IV 30 erwähnt, Mainzer Urkundenbuch 1 Nr. 471. Die Annales S. Disibodi, hg. von Georg W AITZ , MGH SS 17 (1861) S. 22, überliefern ebenfalls mit 1113 ein offensichtlich ungenaues Todesjahr, aber mit dem 5. März doch den richtigen Todestag für Abt Burchard, vgl. S TAAB , Reform und Reformgruppen (wie Anm. 1) S. 158 Anm. 119. Damals ging ich noch mit Stimming davon aus, daß die Tagesdatierung XI 29 der Urkunde des Kardinals Richard, Mainzer Urkundenbuch 1 Nr. 460, nachgetragen und deshalb nicht notwendig zum Jahr 1114 der Eingangsdatierung gehörig sei. So schien es mir, daß sich die Annales S. Disibodi bei der Einordnung des Todes von Abt Burchard um ein Jahr vertan hatten, und das Todesdatum mit 1114 III 5 angenommen werden könne. Der Besuch des Kardinals Richard wäre dann auf 1113 XI 29 zu datieren gewesen, dessen Beurkundung erst im folgenden Jahr, wahrscheinlich noch vor dem Tod von Abt Burchard. Nach Autopsie der Urkunde von 1114, vgl. oben S. 161, muß ich aber deren beide Datierungselemente als einheitlich ansehen. Daraus ergibt sich, daß die Annales S. Disibodi beim Todesjahr Burchards noch mehr daneben gegriffen haben, als bisher angenommen. Es bleibt daher nur übrig, sein Todesdatum mit 1115-1118 III 5 anzusetzen. Als Abt von St. Jakob ist Burchard seit 1107 bezeugt, Mainzer Urkundenbuch 1 Nr. 434, der ebenfalls in Nr. 479 auftretende Domdekan Zeizolf jedoch erst seit 1108 V 15, ebd. Nr. 437. Sein Nachfolger Chuno ist von 1120 bis 1133 belegt, vgl. Christoph W ALDECKER , Zwischen Kaiser, Kurie, Klerus und kämpferischen Laien. Die Mainzer Erzbischöfe 1100 bis 1160 (Quellen <?page no="185"?> den Urkunden ist auch davon die Rede, daß dieses Siegel ein Bild des Patrons zeigt (und daß der Abt unabhängig davon noch eine eigene Petschaft besaß): cartam hanc imaginis potius sancti Jacobi quam nostri sigilli impressione feci assignari 81 . Die Wertschätzung dieses Jakobus-Siegels reflektiert wiederum die lebhafte Verehrung in Mainz für den Klosterpatron. Wie sieht diese imago sancti Jacobi aus? Die allgemeine Aposteldarstellung als reich gewandetes Brustbild mit bärtigem Kopf und Heiligenschein, segnender rechter Hand, während die linke das geschlossene Buch hält, wird nur durch die Umschrift + IACOB[VS PA- TRONVS NOSTER (? ) APO]STOLVS individualisiert. Die Ikonographie des Mainzer Siegels entspricht im übrigen sehr derjenigen des oberen Teils einer ganzfigurigen Miniatur des berühmten Codex Calixtinus von Santiago aus dem 12. Jahrhundert 82 . Auch hier stößt man also wieder auf ein Zeugnis der guten Kontakte zwischen Compostela und Mainz (Abb. 14). Von Santiago de Compostela nach Mainz 171 und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 101, 2002) S. 126. In Mainzer Urkundenbuch 1 Nr. 498 von 1122 bestätigt Erzbischof Adalbert I. noch den Erwerb der Pfarrkirche von Geinsheim durch Abt Burchard, ohne daß er ausdrücklich als verstorben bezeichnet ist, doch wird sein Nachfolger Werinbold ebenfalls genannt. Für die Urkunde Mainzer Urkundenbuch 1 Nr. 479 bedeutet dies, daß sie in die Zeit 1108 V 15 bis 1115/ 18 III 5 zu setzen ist. 81 Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) Nr. 479 S. 385. 82 Vgl. Robert P LÖTZ , Imago beati Iacobi. Beiträge zur Ikonographie des hl. Jacobus Maior im Hochmittelalter, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen. Themen zu einer Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums und des Adalbert Stifter Vereins, München, hg. von Lenz K RISS -R ETTENBECK und Gerda M ÖHLER (1984) S. 251, Abbildung S. 253. Siegeldarstellungen sind in diesem Aufsatz nicht berücksichtigt. - Zum Codex Calixtinus vgl. die Übersicht bei Jan VAN H ERWAARDEN , Saint James in Spain up to the 12th century, ebd. S. 242-244, Literatur S. 246 Anm. 46-49. Abb. 14 Siegel des Klosters St. Jakob in Mainz mit dem Bild des Klosterpatrons, erstmals 1102 genannt (Vorlage: Staatsarchiv Darmstadt, A 2, 168/ 4). <?page no="186"?> Aus der Zeit um 1112 stammte ferner ein Weihwassereimer des Klosters, der 1615 in der Sakristei des Klosters aufbewahrt wurde, möglicherweise bis in die Zeit um 1800 vorhanden war und folgende Inschrift trug: Omnis mundus aq(uis) distinguit(ur) iste quaternis, Quod Scriptis totidem renouandum signat eundem. Jacobe sancte dei p(re)ce nos dignare tueri. Istud xp(ist)e datu(m) Ceizolfi sit tibi gratu(m) 83 . Fritz Viktor Arens identifizierte den hier genannten Zeizolf mit dem gleichnamigen Mainzer Domdekan, der zwischen 1108 und 1119 urkundlich vorkommt, und führte als zeitgenössisches Parallelbeispiel den bronzenen Weihwassereimer aus dem Mainzer St. Albanskloster an, der sich heute im Speyrer Domschatz befindet 84 . Insgesamt lassen sich für Mainz vier solcher Eimer aus dem 12. Jahrhundert nachweisen 85 . Sie gehörten zur kostbaren liturgischen Ausstattung der städtischen Kloster- und Stiftskirchen. Daß auch St. Jakob ein solches Stück besaß, unterstreicht den hohen Rang, den die Abtei inzwischen eingenommen hatte. Domdekan Zeizolf tritt als Zeuge zwischen 1112 und 1115/ 18 mehrfach auf: in einer Urkunde von Erzbischof Adalbert I. für St. Jakob, sowie in drei Urkunden, die Abt Burchard von St. Jakob ausstellte 86 , womit auch von dieser Seite her seine besondere Affinität zum Institut auf dem „schönen Berg“ bei Mainz dokumentiert ist. Während im Blick auf 1114 und den Besuch des Kardinals Richard in diesem Jahr St. Jakob in Mainz von der Rückkehr des Erzbischofs Ruthard 1105 bis in den Pontifikat von Erzbischof Adalbert I. hinein eine stetige Verbesserung seiner Stellung und seines Besitzes erzielt hatte, befand sich das Erzstift selbst jedoch gerade in einer schweren Krise. Nach dem Tod von Erzbischof Ruthard am 2. Mai 1109 wurde Adalbert von Saarbrücken von Heinrich V., dessen Kanzler er war, zum Nachfolger 172 Franz Staab 83 W ITLICH , Catalogus (wie Anm. 1) fol. 8 (alt S. 11), von Witlich ohne Angabe von Gründen auf 1112 datiert. Wahrscheinlich gewann er diese Datierung aus den im Folgenden angeführten Urkunden. Der gleiche Text auch in: Die Inschriften der Stadt Mainz von frühmittelalterlicher Zeit bis 1650, ges. und bearb. von Fritz Viktor A RENS auf Grund der Vorarbeiten von Konrad F. B AUER (Die deutschen Inschriften, Heidelberger Reihe 2, 1957) S. 352 Nr. 662, nach Abschriften von Helwich (17. Jahrhundert) und Bodmann (um 1800). 84 Die Inschriften der Stadt Mainz (wie Anm. 83) S. 356, vgl. S. 352-354. 85 Johann Michael F RITZ und Joachim G LATZ , Liturgica aus dem Schatz von St. Stephan, in: 1000 Jahre St. Stephan in Mainz (wie Anm. 45) S. 493-495. 86 Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 1) Nr. 453 (hier unter den Geistlichen, aber ohne Titel), 457, 479 (vgl. Anm. 79). <?page no="187"?> bestimmt, dann gewählt und nach einem längeren zeitlichen Intervall endlich am 15. August 1111 in Mainz feierlich mit Ring und Stab investiert 87 . Der Zeitpunkt der Investitur und der Vorgang selbst mußten nach außen wirken wie eine Belobigung und Belohnung für die rückhaltlose Unterstützung, die der Kanzler vorher in diesem Jahr dem Salier in dessen schweren Auseinandersetzungen mit Paschalis II. im Umfeld der Kaiserkrönung 88 hatte zuteil werden lassen, zumal die traditionelle Investitur ganz den Bestimmungen des „Privilegs“ entsprach, das Heinrich V. am 12. April vom Papst erpreßt hatte. In seiner Anklage, die nach dem Bruch mit dem Erzbischof publiziert wurde, betonte der Kaiser dementsprechend das anfängliche Vertrauensverhältnis, dessen Fortsetzung und Verstärkung mit der Verleihung des Erzbistums an Adalbert, sogar gegen die Neidgefühle mancher Konkurrenten, beabsichtigt war 89 . Es muß aber bei dem dergestalt Herausgehobenen doch auch unterschwellige Verstimmungen gegeben haben, welche die Grundlage für den massiven Widerstand bildeten, den er wenig später leistete. Ein reformerisch gesinnter Geistlicher konnte in dieser Zeit die Laieninvestitur nicht mehr ehrlich unterstützen. Außerdem mußte die Verzögerung der Investitur Adalberts aus der Sicht der Mainzer Kirche als Unrecht empfunden werden, weil der Herrscher damit über zwei Jahre lang das Spolienrecht ausüben, d.h. über die erzbischöflichen Einkünfte verfügen konnte. Adalbert I. war überdies noch kein Vertreter einer klaren Trennung von Spiritualien und Temporalien in der Reichskirche, sondern sah beide Komponenten als unabhängig von der weltlichen Gewalt an. Schon im Februar 1111 hatte er in Rom als Kanzler des Königs das Scheitern des ursprünglichen Verzichts Heinrichs V. auf die Investitur zumindest einkalkuliert, in dessen Konsequenz der deutsche Episkopat seine vom Reich herrührenden Temporalien hätte aufgeben müssen. Es Von Santiago de Compostela nach Mainz 173 87 B ÖHMER -W ILL 1 (wie Anm. 1) S. 243 Nr. 1-2; Gerold M EYER VON K NONAU , Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V., Bd. 6 (1907, Neudr. 1965), S. 209f. 88 Vgl. M EYER VON K NONAU , Jahrbücher 6 (wie Anm. 87) S. 138-175 und zuletzt W AL - DECKER , Zwischen Kaiser, Kurie, Klerus und kämpferischen Laien (wie Anm. 80) S. 48-50. 89 Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) Nr. 451 S. 358: Totum cum illo, nil sine illo disposuimus; secretorum regni conscius, nullius consilii inscius [erat]; totam sibi curiam, omnem subiecimus miliciam, non modo nobis secundum, verum dimidium animi nostri fecimus. Ut autem fidei sue vigor et mutue dilectionis commercia incrementis dignitatum accederent affectiorque affectus in nos et amor suus accresceret, metropolim maiorem regni, potentissimam opum, copia precinctam militum, Mogontinam sedem caritate sibi constravimus et multo multorum rancore tamen intronizavimus. <?page no="188"?> kam zum heftigen Protest der Bischöfe gegen den drohenden Machtverlust, zur Gefangennahme Paschalis’ II. (wofür man gerade Adalbert verantwortlich machte) und später zum „Privileg“, in welchem der Papst dem Kaiser die Fortdauer der Investitur mit Ring und Stab gewährte 90 . Es ist sehr wohl denkbar, daß bereits diese Politik vom König und seinem Kanzler zwar gleichermaßen, aber aus verschiedenen Beweggründen verfolgt wurde. Eine solche Divergenz in den Motiven legt auch der Umstand nahe, daß Paschalis II. sich alsbald nach der Gefangennahme des Erzbischofs schon am 25. Januar 1113 für diesen bei Heinrich V. verwendete 91 . Man hat oft darüber gerätselt, weshalb sich der Papst gerade für einen Mann einsetzte, der bei vielen als Hauptverantwortlicher für seine Gefangennahme im Februar 1111 galt 92 . Es ist aber sehr wohl möglich, daß Adalbert I. von Papst Paschalis II. schon 1111 als ein letztlich reformerisch gesinnter Geistlicher angesehen wurde. Als investierter und noch nicht geweihter Erzbischof von Mainz betrieb Adalbert I. jedenfalls von Anfang an eine Territorialpolitik, die im Sinn einer maximalistischen reformerischen Zielsetzung auf königliche Rechte keine Rücksicht nahm 93 . Jetzt war er für alle sichtbar vom Saulus zum Paulus geworden. Die oben schon erwähnte Anklage des Kaisers gegen seinen Erzbischof vom Dezember 1112 läßt die persönliche Enttäuschung des Herrschers klar erkennen. Umgekehrt drückt später der Brief, den Adalbert I. anläßlich des Wormser Konkordats wohl noch 1122 an Calixtus II. schrieb, seine grundsätzliche Verurteilung des salischen Selbstverständnisses aus 94 . Hier sprach der Erzbischof sogleich zu Beginn den Papst als seinen Herrn und pater universalis eclesie an und betonte vor allem den Konflikt zwischen der libertas Christi et eclesie einer- und ihrer servitus andererseits. Die Freiheit der Kirche wollte er allein durch die Autorität des Papstes garantiert sehen, ihre Versklavung schien ihm wegen der im Konkordat zugestandenen Gegenwart des Kaisers bei Bischofswahlen noch mehr zu befürchten als vorher. Dem 174 Franz Staab 90 M EYER VON K NONAU , Jahrbücher 6 (wie Anm. 87) S. 153-159; W ALDECKER , Zwischen Kaiser, Kurie, Klerus und kämpferischen Laien (wie Anm. 80) S. 49f. 91 B ÖHMER -W ILL 1 (wie Anm. 1) S. 249 Nr. 31; Regesta pontificum Romanorum, Germania Pontificia, vol. 4: Provincia Maguntinensis, pars 4: S. Bonifatius, Archidioecesis Maguntinensis, Abbatia Fuldensis, bearb. von Hermann J AKOBS [künftig: Germ. Pont. 4,4] (1978) S. 123 Nr. 223. 92 Vgl. zusammenfassend W ALDECKER , Zwischen Kaiser, Kurie, Klerus und kämpferischen Laien (wie Anm. 80) S. 51f. 93 Ebd. S. 51-53. 94 Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) Nr. 499; Germ. Pont. 4,4 (wie Anm. 91) S. 132f. Nr. 254; vgl. zuletzt W ALDECKER , Zwischen Kaiser, Kurie, Klerus und kämpferischen Laien (wie Anm. 80) S. 66-68. <?page no="189"?> Salier warf er vor, daß er schon die alte Investitur als erbliches Recht betrachtet habe und auch die neue Regelung nicht als sub iudicio vestre discussionis verstehe. Folglich muß Adalbert I. die kaiserliche Macht weitgehend, wenn nicht insgesamt als vom Papst abhängig betrachtet haben. Ein selbständiges Herrschafts- und Besitzrecht des Kaisers an den Temporalien der Reichskirche gab es dementsprechend nach Auffassung Adalberts I. nicht. Der noch 1112 offen ausgebrochene Konflikt zwischen Heinrich V. und Adalbert I. machte den Erzbischof alsbald zum Gefangenen seines Kaisers. Erst auf einen Aufstand der Mainzer Bürger hin wurde er im November 1115 freigelassen und am 26. Dezember 1115 endlich in Köln von Otto von Bamberg (und anderen Bischöfen) geweiht 95 . Damit waren die Feindseligkeiten jedoch nicht beendet, sondern sie brachen 1116 erneut aus und konnten auch bis zum Tod Heinrichs V. im Jahre 1125 nicht vollständig ausgeräumt werden. Vielmehr wurde der Erzbischof der Führer der gegen den Salier gerichteten päpstlichen Partei unter den deutschen Fürsten 96 . Im Jahr 1114 also, in dem Kardinal Richard von Santiago de Compostela in Mainz eintraf, befand sich der Erzbischof in der Gefangenschaft des Kaisers. Man könnte daher denken, daß der Besuch Richards zu diesem Zeitpunkt für sein Anliegen nicht besonders nützlich war. Während dieser Gedanke hinsichtlich einer möglichen Unterstützung von seiten des Saliers auf den ersten Blick zuzutreffen scheint, ergibt sich für eine Einflußnahme auf Paschalis II. eine andere Perspektive. Weil der Papst bereits Anfang 1113 bei Heinrich V. für die Freilassung Adalberts I. eingetreten war, die schließlich 1115 von den Mainzer Bürgern erzwungen wurde, konnten die Stadt am Rhein und das von Adalbert bereits 1112 geförderte Kloster St. Jakob in der Tat als Stützpunkte der päpstlichen Sache gelten, die über gute Kontakte zur Kurie verfügten. Aber auch Heinrich V. verharrte in dieser Phase nicht unbeweglich in der Konfrontation gegen seinen Kanzler und Elekten. Am 14. April 1114 bestätigte er dem Mainzer Erzstift die Schenkung von einigen Ministerialen, die der verstorbene Graf Ulrich von Weimar der Mainzer Kirche gemacht hatte, während dessen Allodialerbe an den Kaiser gefallen war 97 . Hein- Von Santiago de Compostela nach Mainz 175 95 B ÖHMER -W ILL 1 (wie Anm. 1) S. 249-251 Nr. 35, 36; M EYER VON K NONAU , Jahrbücher 6 (wie Anm. 87) S. 337-344; W ALDECKER , Zwischen Kaiser, Kurie, Klerus und kämpferischen Laien (wie Anm. 80) S. 53. 96 W ALDECKER , Zwischen Kaiser, Kurie, Klerus und kämpferischen Laien (wie Anm. 80) S. 54-68. 97 Mainzer Urkundenbuch 1 (wie Anm. 4) Nr. 459; St. 3109. <?page no="190"?> rich V. tat dies auf Bitten der Bischöfe Burchard von Münster, Otto von Bamberg, Reinhard von Halberstadt, Adalbero von Metz, des Markgrafen Hermann von Meißen, des Pfalzgrafen Gottfried von Lothringen, des Grafen Albert und des Grafen Berengar von Sulzbach. Erzbischof Adalbert I. wird in dieser Urkunde weder als Erzbischof noch als Kanzler genannt, was deutlich macht, daß er sich weiterhin in der Ungnade des Kaisers befand. Andererseits gewährte der Salier gerade zu diesem Zeitpunkt mit seiner urkundlichen Bestätigung der Mainzer Kirche eine nicht selbstverständliche Vergünstigung, welche den Weg zu der vom Papst gewünschten Versöhnung mit Adalbert I. bereiten konnte. Die zahlreichen und hochgestellten Intervenienten unterstreichen die große Bedeutung, welche dieser Handlung beigemessen wurde. So zeigt sich, daß der Zeitpunkt für den Besuch in Mainz von Kardinal Richard von Santiago de Compostela doch recht gut gewählt war. Von den Verhandlungen, welche er hier wegen der oben erläuterten Anliegen seiner Heimatkirche führte, besitzen wir jedoch keine Zeugnisse. Ihre Intention läßt sich allein aus den angeführten Zeitumständen erschließen. Zusammenfassung Während Hrabanus Maurus als Mainzer Erzbischof (847-856) den Jakobuskult, vielleicht unter spanischem Einfluß, pflegte, ist dies unter seinen Nachfolgern zunächst nicht mehr zu beobachten. Bardo (1031-1051) und Liutpold (1051-1059) setzten dann mit der Gründung des Klosters St. Jakob in monte specioso bei Mainz einen Neuanfang, der vielleicht auf eine Anregung aus Cluny zurückgeht. Erzbischof Siegfried I., der das Kloster konsolidierte, pilgerte 1072 nach Compostela. Abt Ruthard/ Ruozelin von Fulda unternahm um 1076/ 77 ebenfalls eine Pilgerfahrt dorthin und reformierte von etwa 1084/ 89 bis 1096 das Mainzer Jakobskloster im cluniazensischen Sinn. Eine Urkunde, mit der Kardinal Richard von Santiago de Compostela am 29. November 1114 in Mainz diesem Kloster Reliquien schenkte, dort das Jakobsfest am 30. Dezember etablierte und einen Ablaß gewährte, wirft die Frage nach ihren Hintergründen auf. Richard war nach Mainz gereist, um Unterstützung für die Bemühungen seines Bischofs Diego II. Gelmírez zu suchen, der beim Papst die Erhebung von Santiago de Compostela zum Erzbistum anstrebte. Bei Richards Ankunft war der Mainzer Erzbischof Adalbert I. Gefangener Kaiser Heinrichs V. Papst Paschalis II. hatte den Salier schon 1113 um die Freilassung des Erzbischofs gebeten. Heinrich V. machte seinerseits am 14. April 1114 mit einer urkundlichen Vergünsti- 176 Franz Staab <?page no="191"?> gung für die Mainzer Kirche einen demonstrativen Schritt hin zu einer zukünftigen Aussöhnung mit seinem Erzbischof. Diese Phase einer Annäherung zwischen Papst und Kaiser bot für Richard eine relativ günstige Gelegenheit, das Compostellaner Anliegen beiden Parteien näherzubringen. Wie die späteren Abschriften der Urkunde Richards zeigen, spielte sein Ablaß nach dem Tridentinum im Mainzer Jakobskloster keine Rolle mehr, wohl aber die Verehrung der Reliquien und die Festfeier am 30. Dezember. Von Santiago de Compostela nach Mainz 177 <?page no="193"?> Herzog Johann I. von Kleve († 1481) besucht 1438 das Apostelgrab in Santiago de Compostela R OBERT P LÖTZ Als Agnes, die Schwester des Herzogs Johann I. von Kleve 1 (s. Tafel VI), aufgrund der Vermittlung des Herzogs Philipp des Guten von Burgund die Ehe mit Karl von Viana, Prinz und Titularkönig von Navarra, einging, erhielt Johann im Jahr 1438 von seinem Onkel den Auftrag, seine Schwester an den Hof des Königs von Kastilien in Valladolid zu begleiten, wo die Hochzeitsfeierlichkeiten zwischen Karl und Agnes stattfanden. Johann und Agnes waren Kinder des Herzogs Adolf von Kleve und seiner Frau Maria von Burgund 2 . Johann machte die Reise im unterneh- 1 Die Hochzeit von Agnes von Kleve mit Prinz Karl von Viana wird bei Heike Preuß nicht erwähnt (Politische Heiraten in Jülich-Kleve-Berg, in: Land im Mittelpunkt der Mächte. Die Herzogtümer Jülich - Kleve - Berg, Ausstellungskatalog Museum Haus Koekkoek Kleve und Stadtmuseum Düsseldorf, Kleve 2 1984, S. 133-146). Leider konnte ich die von Karl 1452 verfaßte Chronik der Könige von Navarra nicht einsehen (C. O RCASTEGUI G ROS , La crónica de los Reyes de Navarra del Príncipe de Viana, 1978). Der navarresische Prinzipat von Viana wurde 1423 für den Thronerben geschaffen und ausgestattet. Karl war der erste, der den Titel in Anspruch nehmen konnte. Seine Ehe mit Agnes blieb kinderlos. Vgl. J. M. A ZCONA , El príncipe de Viana. Escritos del príncipe, fuentes históricas, iconografía, Príncipe de Viana 2 (1941), S. 55-83. Karl mußte sich zeitlebens mit der Rolle des Thronprätendenten begnügen, obwohl ihn die Cortes schon 1457 zum König ernannt hatten. Sein Vater Johann II. behielt aufgrund seiner politischen Interessen das Königreich ein. Vgl. zu den Kämpfen zwischen Johann II. von Navarra (1425-1479) und Aragón (1458-1479) mit seinem Sohn Karl von Viana Ludwig V ONES , Geschichte der iberischen Halbinsel im Mittelalter 711-1480. Reiche, Kronen, Regionen (Sigmaringen 1993), S. 215-217. 2 Die Reiseroute und die historische Zusammenstellung sind der Klevischen Chronik des Gert van der Schuren entnommen (Clevische Chronik nach der Originalhandschrift des Gert van der Schuren nebst Vorgeschichte und Zusätzen von Turek, einer Genealogie des Clevischen Hauses und drei Schrifttafeln, hg. von Robert S CHOLTEN , Cleve 1884, hier S. 147-150). Vgl. Wiro und Wim van H EUGTEN , Het Land van Kleef en Santiago de Compostela, Kalender für das Klever Land auf das Jahr 1988, Jg. 38, Kleve 1987, S. 156-158. Zu Agnes schreibt der Chronist: Clevische Chronik, S. 139: Agnes was dat vijfte kynt ind wart gebperen in den jairen onss heren M. CCC. XXII. <?page no="194"?> mungslustigen Alter von 19 Jahren. Die Reiseroute für die gut 200 Leute Gefolge nahm folgenden Verlauf: Zunächst zog die Reisegesellschaft durch Brabant zum flämischen Hafen Sluis 3 , wo sie sich einschiffte. Sie segelte entlang der Küste, um an einem nicht namentlich erwähnten Hafen im Golf von Biskaya anzulanden. Nach einer Reisedauer von insgesamt sechs Wochen kam sie am königlich kastilischen Hof in Valladolid an. Dort wurde übrigens auch Philipp II., der Sohn Karls V., geboren 4 . Agnes verbrachte schlimme zehn Jahre als Fürstin von Viana und Herzogin von Navarra in Spanien. Sie starb im Alter von 26 Jahren am 6. April 1448 und wurde im Kreuzgang der Kathedrale von Pamplona begraben 5 . Ihre Anwesenheit in Navarra soll zur Förderung der Kunst der Burgundischen Niederlande in dem Land gedient haben 6 . Nach den Hochzeitsfeiern nahm Johann Urlaub, um Nordspanien kennenzulernen, die Fürstenhöfe zu besuchen und eine Reise nach Santiago de Compostela 7 zu unternehmen, um dort das Apostelgrab zu besuchen. Die Rückreise nach Navarra erfolgte offensichtlich auf einer anderen Route, die nicht 180 Robert Plötz op sent Mathias dach. Sy wart ter heyliger Ee bestadet an den aldsten soen des koenynghs van Nauerren (ebd., S. 139). 3 Sluis und Nieuwport waren die wichtigsten Häfen für den Schiffsverkehr nach Großbritannien und nach Spanien. Vgl. die Karte bei Jan van H ERWAARDEN , El culto de Santiago en los paises Bajos durante la Edad Media, in: Santiago, Camino de Europa. Culto y Cultura de la peregrinación a Compostela, hg. von Serafín M ORALEJO und Fernando López A LSINA , Ausstellungskatalog (Santiago de Compostela 1993), S. 141-159, hier S. 142. 4 Zu Philipp II., dessen Tochter Isabel Clara Eugenia zusammen mit Erzherzog Albert von Österreich von 1598 bis 1621 die Spanischen Niederlande als Statthalter regierten, vgl. Felipe II. Un monarca y su época. La monarquía Hispánica, Ausstellungskatalog San Lorenzo de El Escorial (Madrid 1998), und den Ausstellungskatalog über das von den Erzherzögen in die Wege gebrachte Kanalprojekt einer Verbindung zwischen Rheinberg (Rhein) und Venlo (Maas): Fossa Eugeniana. Weltgeschichte in der Region, hg. von Wolfgang D ASSEL und Robert P LÖTZ (= Führer des Niederrheinischen Museums für Volkskunde und Kulturgeschichte Kevelaer 36) Goch 1997. 5 Helmut D OMKE , Spaniens Norden (Passau 1973), S. 47 u. 122. 6 Haar aanwezigheid in Navarra wordt gezien als een stimulans voor de kunst van Bourgondische Nederlanden in die streek (J. K. S TEPPE , in: Santiago de Compostela. 1000 Jaar Europese Bedevaart, Ausstellungskatalog Europalia in Gent (Gent 1985), S. 149). 7 Es liegt auch ein Bericht über eine Jerusalemfahrt des Herzogs im Jubeljahr 1450 vor, als der Kampf gegen Erzbischof Dietrich II. von Köln „vorläufig zum guten Ende geführt und Friede eingetreten war“ (S. 125). Im Staatsarchiv Düsseldorf in Abschrift des 16. Jh. vorhanden. Reise: 5. April 1450-März 1451. Vgl. W. H ARLESS (Hg.), Bericht über die Pilgerfahrt Herzogs Johann I. von Cleve nach dem Heiligen Land, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 35 (1901), S. 125-145. <?page no="195"?> der der Hinreise entsprach. Nachdem Johann sich von seiner Schwester verabschiedet hatte, reiste er über Aragón nach Katalonien, wo er Barcelona besuchte. Von dort aus ging es über Montpellier und Avignon und das Rhônetal nach Burgund. Nach vierzehn Tagen Aufenthalt setzte Johann die Reise in die Artois fort, um in St. Omer mit seinem Onkel Philipp 8 zusammenzukommen, der sehr erfreut war, ihn zu sehen, verbrachte doch Johann seit seinem neunten Lebensjahr seine Zeit dort: nae desen groten, verren ind swairen reysen sagt die Chronik 9 . Der Verlauf der Reiseroute von Herzog Johann von Kleve (s. Tafel VII) Chroniktext mit den für die Vorgeschichte relevanten Textstellen: Als dan dese jonghelynck negentyen jair alt was worden, ind Hertoch Philips van Burgundien disseluen sijns Neuen vijrde Suster, genant Agnes, an des konyngs soen van Nauerren ter heyliger Ee bestadet had, ind men dieselue hogeboeren schone jonffer dem brudegom in dat koenynckrijk van Nauerren heyme schicken solde, soe beuall Hertoch Phlips die last dair van als eynen oeuersten Capiteyn myt anderen trefliken wijsen mannen, oen toegevoight, desem jongen fursten Herthogen Johan, dat die sijn Suster vrow Agnes to Scheep oeuer voiren ind brengen solde tot oeren belaifden jongen princen ind koenynck bis in Nauerren, ind oen wairen in synre geselscappen toegevoight, op oen to wachten, van edelen ind waelgeboerenen schonen mannen omtrynt tot / / 113 / / seuentich toe, dair dan soe vele dyenres ind gesyndes mede was, dat oerre to samen aeuer die II c personen wairen. Mit deser lieuer geselschappen ghynck dese junghe furst mit der schoenre iongher Herzog Johann I. von Kleve 181 8 Der Besuch fand ein Jahr nach dem Aufstand in Brügge statt. Es dürfte sich hier um Herzog Philipp III. den Guten von Burgund, den Vater Karls des Kühnen, Stifter des Ordens vom Goldenen Vlies (1430) handeln, zur Person vgl. R. V AUGHAN , Philip the Good, London 1970; in Hinsicht auf seine Rolle für die Herzogtümer Geldern und Kleve vgl. Petra E HM , Der übermächtige Nachbar: Geldern und Burgund unter Philipp dem Guten und Karl dem Kühnen, in: Gelre - Geldern - Gelderland, Geschichte und Kultur des Herzogtums Geldern, Teil 1: Aufsätze, hg. von Johannes S TINNER und Karl-Heinz T EKATH , (Kleve 2001) S. 135-138. Zum Orden vom „Goldenen Vlies“ vgl. Hendrik S TEEGER , Statuts et Armorial de la Toison d’Or, und Wappentafel des Wilhelm von Egmond, Herr von Ysselstein, als Ritter vom Goldenen Vlies, in: Das Goldene Zeitalter des Herzogtums Geldern. Geschichte und Kultur des Herzogtums Geldern, Teil 2: Katalog, Ausstellungskatalog, Redaktion: Robert P LÖTZ (Kleve 2001), S. 18-20, Nr. 9 und 10. 9 S CHOLTEN , Clevische Chronik (wie Anm. 2), S. 147. <?page no="196"?> furstynnen, synre werdiger lieuer suster, toecomender koenynghynnen van Nauerren, ter Sluyss to Schyp, ind qwamen myt heylsamer vart gelucklick to Baskayen in die hauen, dair sy doc der See ter schypfart nyet langer, nae gelegenheyt oers weghes, gebruycken en mochte. Ind hyrumb moisten sy asdoe to Baskayen ind vortan tuschen wegen perde kopen, vmb dairmede bis in Nauerren oeren wech to volbrengen, alsoe dat sy op deser reysen vmbtrynt sess weken lanck tuschen weghen wairen, ind qwamen alsus myt guden auenturliken voirspoit in dat konynckrick van Nauerren in die Stat, dair sy wesen solden; genant Valeyolijt. Woe moecht ick nu mit vytgedruckten woirden doirvlechten den hoichtytlicken vroliken wilkom des konyngs, des vaders, des soens, des brudegoms, der Edeler heeren ind des volcks des gantzen konynckrycks van Nauerren totter blyder toekompst deser nyher ingekomenre bruylt, oerre princester vanden hoghen huysen van Cleue ind Burgondien, vyt der kronen van franckryck gestammet. Die stait, die dair was van allet des tot hoghen prijse betemet, en will ick my nyet onderwynden, hier vorder wt to drucken, soe my des laifs to veele ind des / / 113 2 / / seggens to weynich vallen solde; dan onder alle die groitheyt en wil ick eyn kleyns nyet verswijgen, als dat alle die edel manne, myt desen jongen Hertogen Johan van Cleue ind vrouw Agnes, sijnre Suster, dair gekomen waren, meistlicks myt sylueren stucken, die anderen myt durberen syden gewande seer kostlick vmbhangen. Hier by merck eyn yglick, wat dair veel anders rijcklicks wesens geweest is. Als dan dit staitlike hoeuyeren langhtijt geduyrt had, ind dem jongen bloide Hertogen Johan des stilligghens langer verdroit, ind oick weynich wijsheyt by sijnen Oyme, Hertogen Phlips van Burgundien, to vorsuymen had, soo nam he to synne, sich in vorder bewanderyngh ind versoickynge der lantschappen ind kontscap vremder Fürsten ind Heren to stellen ind ergaff sich darumb na den guden sent Jacob in galicien to reysen, ind nam darumb vanden konyng, van sijnen soen ind van sijnre lieuer Suster eynen beheeghliken orloff, sichi op den wech tot sent Jacob to ergeuen, ind reysden myt allen sijncn guden mannen ijrstwerff an tot don konynck van Castilien, van den he harde werdelick ontfangen wart. Van danne he voirtan reysden als he opgesat hadde, tot den groten Heer sent Jacob. Soe he dan ind die sijne aldair oere beedvart myt oeren rijcken offerhanden deuoitliken geleyst hadden, doe reysden sy eynen anderen wech wederumb als nemelick doir dat konynckrijck van Hyspanyen bis weder / / 114 / / in Nauerren, dair dese jonghe pylgrym, alst sijne tyt had, eynen nyhen orloff van sijnre Suster, der princester, nam, vmb wederom to dencken na der platzen, dair he herkomen was ind na den princen, sijnen oyme, die oen vyt gesant hadde, ind ergaf sich asdoe to reysen doir 182 Robert Plötz <?page no="197"?> dat koenynckrijck van Arrogonyen, van dair vortan doir Cattilonyen to Barseloyn toe, ind soe dan vortan doir Franckrijck tot Auynyoen ind tot Mompelyer toe, van dair vort in Burgundien, dair he doe myt den sijnen verbleyff, vmb sich to resten omtrynl XIIII daghe lanck. Ind asdoe reysden he van dair bis tot sent Odemarum; dair vant he doe sijnen lieuen heeren ind oymen Hertogen Phlips van Burgundien, den he vtermaten wilkom ind seer blijde was tot sijnre wederkompst ind geluckliker vart, die he oeuer desen groten, verren ind swairen reysen gehadt hadde 10 . Diese Reise blieb in der „Memoria“ des Klever Landes, und noch Johannes Stalenus nahm sie in seine gegenreformatorische und polemische Verteidigungsschrift für Pilger- und Wallfahrten auf, womit er ganz in der Tradition der Jesuiten Louis Richeôme 11 und Gretser 12 stand: Progredior ad Ioannem eius Filius, Serenissimum Ducem? Hic primum quidem circa decimum nonum vitae annum, dum Regi Nauarrae sororem suam Agnetem deduxisset coniugendam sponsam, inde peregrinatus fuit in Galiciam ad S. Iacobum vbi cum vota sua persoluisset, reuersus ad Philippum Ducem Burgundiæ Avunculum suum, a quo fuerat emissus. Ita Chronicon Cliuense 13 . Auch eines der ersten Kevelaerer Pilgerbüchlein erwähnt die Pilgerfahrt „ad Sanctum Jacobum“ noch im 17. Jahrhundert: … ook gaet ghy wel somtyts rusten in het Kruys de ordinarisse herberge van alle Godts lieve vrinden. In S. Iacob en placht ghy oock niet node te syn, om dat het is den patroo[n] vande Pelgrimmagie, welcke wy altemael doen niet alleen terwyl wy trecke[n] naer ee[n] vermaerde heylighe plaets, maer oock als wy stil sitten op onse kaemers, soo dat wy al ruitende ende stil sittende passere[n] naer her Vaderlandt daer boven ... 14 . Herzog Johann I. von Kleve 183 10 S CHOLTEN , Clevische Chronik (wie Anm. 2), S. 147-150. 11 Louis R ICHEÔME , Défense des pèlerinages (Paris 1604). 12 Jacob G RETSER , De sacris et religiosis peregrinationibus liber quatuor, De peregrinatione ad Sanctum Jacobum (Ingolstadt 1606). 13 Ioannes S TALENUS , Peregrinvs ad Loca Sancta Orthodoxvs et Pivs Demonstratvs suive Vindiciae Sacrarum Peregrinationum, Inuocationis, Processionum, Inuocationis Sanctorum, Cultus imaginum, & miraculorum Ecclesiae. Coloniæ apud Iodocvm Kalcovivum, Anno M. DC. XXXXIX, Dedicatoria p. 4. 14 Het Pelgrimken van Kevelaer door en EERVV.P.A.P. Societatis Iesv. Tot Rvremond, o.J. [um 1650] Kap. Pelgromken tot de eerbare Philagia, (o.P.), S. 8: „... auch geht ihr manchmal zum ‚Kreuz‘, die gewöhnliche Herberge für alle gottesliebenden Freunde. <?page no="198"?> Nur noch ein einziger mittelalterlicher Pilger aus dem Klever Land hat schriftliche Spuren hinterlassen. Im Jahr 1484 zieht Johan Top onse schut ind dienre uit Schermbeek tot sinte Jacob to Compostellen. Während seiner Abwesenheit hat der Stallknecht Gijsbert Renthell den „Krampershoeve“ bei Schermbeck gepachtet 15 . Vielleicht war auch Anna von Kleve (1515-1557), die vierte Tochter von Herzog Johann II. von Kleve und als vierte Frau von Heinrich VIII. Königin von England, in Santiago de Compostela. In ihrem flämischen Stundenbuch von 1539 wird in Zusammenhang mit ihr eine Muschel mit zwei gekreuzten Pilgerstäben dargestellt (Meister A.C.). Leider ist heute der Aufbewahrungsort dieses kostbaren Buches unbekannt 16 . Eine Stiftungsfigur könnte ebenfalls in Zusammenhang mit einer Pilgerreise zum hl. Jakobus gebracht werden. In der St. Nikolai-Kirche von Kalkar 17 befindet sich eine der ausdruckstärksten Jakobusdarstellungen des Rheinlands. Kalkar war um 1500 eine der sechs Hauptstädte des Herzogtums Kleve 18 . Der damalige Reichtum und die politische Bedeutung der Stadt spiegeln sich in der Kirchenausstattung von St. Nikolai wider, von der heute noch sieben Altäre erhalten sind. Zu den Spitzenobjekten des Figurenensembles zählt die Sitzfigur des hl. Jakobus, der - wie in der Kathedrale von Santiago de Compostela ähnlich - auf einem Bischofsthron sitzt (s. Tafel II). Sie stammt aus der Werkstatt des Dries van Holthuysen 19 , dem vor kurzem eine biographische Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve gewidmet wurde 20 , und wurde von ihm um 184 Robert Plötz In St. Jakob pflegt ihr auch nicht ungern zu sein, weil der der Patron der Pilgerreise ist, welche wir alle machen, nicht nur, während wir zu den berühmten heiligen Stätten ziehen, sondern auch, wenn wir still auf unseren Zimmern sind, so daß wir schon ruhend und still hinübergehen in das Vaterland über uns“. Vgl. zu dem Transitus-Passus Robert P LÖTZ , Homo viator, in: Compostellanum 36 (1991), S. 265-281. 15 Die Belege im HStA Düsseldorf liegen vor: Nr. 467 Krampenhoeve bei Schermbeck: / 2: 1475 Januar 5 Johan Top gen. Wacker, onse schut ind dienre (das Lehen war nach dem Tod des Hinrich de Rinsche verfallen). / 4: 1484 März 24 Verpfändung um 50 ov.gl. an Gysbert Renthelle, onsen stallknecht: bedevaert des Johan Top tot sunt Jacob to Conpostellen (Das Haupstaatsarchiv Düsseldorf und seine Bestände, hg. im Auftrag des Kultusministeriums von Nordrhein-Westfalen, Bd. 8: Die Lehnregister des Herzogtums Kleve, Siegburg 1974, S. 362, Nr. 467, 2 u. 4). Vgl. Van H EUGTEN , S. 156f. 16 Abb. in: Land im Mittelpunkt der Mächte. Die Herzogtümer Jülich - Kleve - Berg, Ausstellungskatalog Kleve 1984, S. 242, Abb. 11. 17 Vgl. allgemein zur Ausstattung und Geschichte der Kirche Guido de W ERD / Michael J EITER , St. Nicolaikirche Kalkar (München-Berlin 2002). 18 Vgl. Friedrich G ORISSEN , Kalkar, Kleve 1953 (Niederrheinischer Städteatlas I, 2). 19 Vgl. zum Künstler Reinhard K ARRENBROCK , Der Klever Bildhauer Dries Holthuys, Rommé 1999, S. 11-133. 20 Holthuys, Dries, Ein Meister des Mittelalters aus Kleve, Katalog Museum Kurhaus Kleve (Kleve 2002). <?page no="199"?> 1499/ 50 gefertigt. Was für einen Bezug hat nun diese Darstellung zu einer Pilgerfahrt nach Compostela? Zu Füßen des Apostels knien die Stifter: das Ehepaar Johann und „Lisken“ (Elisabeth) Becker, beide in Pilgerkleidung, was ebenfalls für eine Pilgerreise spricht. Die Stiftung dieser Altarfigur könnte allerdings auch darauf zurückgeführt werden, daß Johann Becker (= Bäcker) Innungsmeister der Bäcker war. Johann Becker starb allerdings schon 1490, so daß es sich um ein „Memoria“-Bild handeln dürfte, das seine Witwe Elisabeth († nach 1503) in Auftrag gegeben haben könnte 21 . Fazit: Auch das Beispiel von Herzog Johannes I. von Kleve, der im Zeichen der aufkommenden „curiositas“ 22 des Humanismus bereits im jugendlichen Alter die Gelegenheit wahrnimmt, das Apostelgrab im fernen Westen zu besuchen, weist auf die gesamteuropäische Verwurzelung und Ausrichtung des Jacobus-Kultes hin, der grenzüberschreitend und dynastieverbindend im „Orbis christianus“ des lateinischen Westens ubiquitär vertreten war, wie es die Konstellation der Territorien Kleve, Burgund, Aragón, Kastilien und Navarra zeigt. Herzog Johann I. von Kleve 185 21 Vgl. Robert P LÖTZ , Imagen de Santiago sedente con los donantes Johann y Catalina Becker, in: Santiago. Camino de Europa (wie Anm. 3), S. 512, Nr. 185. 22 Bereits im Jahr 1387 gibt uns ein Geleitbrief für fünf „buchonische“ Ritter und deren Begleiterinnen, den die Kanzlei von Aragón ausgestellt hatte, Einblick auf die neue Geisteshaltung. Die Reisegesellschaft wendet sich versus partes Castelle gracia peregrinacionis et ut patrie mores videant (Archivo de la Corona de Aragón, Reg. 1675 fol. 63v (für den 3. März 1387), bei: J. V INCKE , Geleitbrief für deutsche Pilger in Spanien, in: G. S CHREIBER , Wallfahrt und Volkstum in Geschichte und Leben (= Forschungen zur Volkskunde 16/ 17, Düsseldorf 1934), S. 263. Für die Zeit der oben angesprochenen Europäisierung vgl. den kürzlich erschienenen Tagungsband „España y el „Sacro Imperio“. Procesos de cambios, influencias y acciones recíprocas en la época de la „Europeización“ (siglos XI-XIII)“, coord. Julio V ALDELEÓN , Klaus H ERBERS und Karl R UDOLF (= Historia y Sociedad 97) Valladolid 2002. <?page no="201"?> IV: Heiligenkult in Literatur und Volksfrömmigkeit Der heilige Jakobus im Werk des Cäsarius von Heisterbach V OLKER H ONEMANN Vor gut achthundert Jahren, genauer: seit dem Jahr 1199 lebte in der Zisterzienserabtei Heisterbach östlich von Oberdollendorf - also nur wenige Kilometer von Bad Honnef entfernt - ein Mönch namens Cäsarius. Als er Jahrzehnte später, wohl bald nach 1240, für immer die Augen schloß, starb mit ihm einer der fruchtbarsten und bedeutendsten Schriftsteller des Ordens der Zisterzienser, der grauen Mönche, wie die Zeitgenossen sie nannten. Das literarische Werk des Cäsarius umfaßt zum einen theologische Schriften, die in der Regel in der Form von Predigten gehalten sind. Cäsarius thematisiert hier ebenso die Feste bedeutender Heiliger und vor allem diejenigen der Gottesmutter Maria, der Schutzherrin des Zisterzienserordens, wie er etwa in mehreren Ansprachen gegen die Ketzer vorgeht; er legt Worte der Bibel aus im Hinblick auf das Ordensleben (wobei er vor allem die Novizen und die Laienbrüder in den Blick nimmt), und er erläutert in anspruchsvollen Darlegungen Lehrsätze der großen Theologen der Zeit. Besonders umfangreich ist die Sammlung von Predigten für alle Sonntage des Kirchenjahres. Im Vorwort zu dieser Sammlung erklärt Cäsarius, er habe in die Predigten Exempla, eingefügt, Beispiel- und oft Wundergeschichten, ut, quod probare poteram ex divine scripture sentenciis, hoc etiam firmarem exemplis: damit ich das, was ich aus den Lehrsätzen der heiligen Schrift erweisen konnte, auch noch durch Beispiele erhärtete 1 . 1 So Cäsarius im Vorwort zur ersten, die Zeit von Weihnachten bis zum 1. Sonntag nach Epiphanias umfassenden Abteilung seiner Homilien; hier zitiert nach: Karl L ANGOSCH , Caesarius von Heisterbach, in: VL 1 (1978), Sp. 1152-1168, hier Sp. 1156. - Dieser Artikel stellt eine Überarbeitung von L ANGOSCH s ausführlicherem, grundlegenden Artikel in der ersten Auflage des ‚Verfasserlexikons‘ (Bd. 1, 1933, Sp. 344-370 sowie 5, 1955, Sp. 129f. [Nachträge]) dar. Diesen Artikeln sind auch die weiteren Details zu Leben und Werk des Cäsarius entnommen. <?page no="202"?> Cäsarius ist, wie wir von ihm selbst wissen, wegen seiner Verwendung von derartigen Exempla von seinen Zeitgenossen getadelt worden, und so hat er in seinen Festtagspredigten künftig weitgehend auf sie verzichtet. Der Gedanke aber, seinen Zuhörern und Lesern, den Gläubigen seiner Zeit also, die Lehren der heiligen Schrift durch Beispielgeschichten aus ihrer Lebenswelt zu veranschaulichen, wurde ihm, je länger er predigte und schrieb, umso wichtiger. Allein in seinem wohl über Jahrzehnte hinweg entstandenen Predigtwerk finden sich nicht weniger als 282 solcher Geschichten, und ab dem Jahr 1219 schuf Cäsarius zwei eigene Werke, die ganz und gar aus - meist wunderbaren - Beispielgeschichten bestehen: den 1223 fertiggestellten ‚Dialogus miraculorum‘ (‚Zwiegespräch von den Wundern‘, und - 1225-1227 - die Bruchstück gebliebenen ‚Libri VIII miraculorum‘, die ‚Acht Bücher der Wundergeschichten‘. Die Titel erklären sich daraus, daß beide Werke fast ausschließlich aus kurzen Wundererzählungen bestehen, wobei der ‚Dialogus‘ als Gespräch zwischen einem fragenden Novizen und einem antwortenden Mönch angelegt ist - eine Situation, die dem Cäsarius sehr vertraut gewesen sein muß, da er Novizenmeister seines Klosters war. Der Abbruch der Arbeit an den ‚Acht Büchern der Wundergeschichten‘ (von denen nur zwei Bücher zustande kamen) erklärt sich wohl auch daraus, daß Cäsarius im Jahre 1227 Prior seines Klosters wurde. Der ‚Dialogus‘, das bei weitem umfangreichere Werk, umfaßt nicht weniger als 746 Kapitel (= Geschichten), die thematisch gegliedert auf zweimal sechs Distinktionen verteilt sind. Jede Distinktion behandelt ein bestimmtes Thema, so z.B. Beichte, Versuchung, Marienwunder, Visionen, das Klosterleben, die Eucharistie, den Tod usw. Die einzelnen Kapitel setzen sich dann sehr häufig aus Darlegungen des Mönches über theologische Fragen und aus Beispielgeschichten zusammen, die diese interpretieren. Für die Zeit von 1190-1226 sind der ‚Dialogus‘ und die ‚Libri miraculorum‘ ein beachtliches kulturhistorisches Dokument mit vielseitiger Thematik, so z.B. Frevel, Blasphemie, Götzendienst, Frömmigkeit, Aberglaube und vieles andere mehr. 2 Hauptquelle seiner Geschichten war, wenn man Cäsarius Glauben schenken darf, die mündliche Tradition: Immer wieder erklärt er, eine bestimmte Geschichte sei ihm zu Ohren gekommen, oder er habe sie beispielsweise vom Himmeroder Abt Hermann (II.) gehört. Sehr viele Erzählungen aber gehen auf schriftliche Vorlagen zurück und sind Teil der internationalen Erzähltradition. 188 Volker Honemann 2 Fritz W AGNER , Cäsarius von Heisterbach, LMA 2 (1983), Sp. 1363-1366, hier Sp. 1364. <?page no="203"?> Cäsarius, der ein sehr belesener Mönch gewesen sein muß, schöpfte beispielsweise aus den ‚Dialogen‘ Gregors des Großen, die wohl auch die Anregung für die dialogische Form des ‚Dialogus miraculorum‘ boten, er kannte die Lebensbeschreibung des heiligen Bernhard von Clairvaux, also des zweiten Gründers des Zisterzienserordens, und auch das um 1178 entstandene Mirakelbuch seines Ordensbruders Herbert von Clairvaux. 3 Die Schriften des Cäsarius, die auch noch Lebensbeschreibungen der heiligen Elisabeth von Thüringen und des 1225 ermordeten Erzbischofs Engelbert von Köln einschließen, erfreuten sich bei seinen Zeitgenossen wie bei der Nachwelt beträchtlicher, heute erst teilweise erkannter Beliebtheit, und zwar in solchem Maße, daß Cäsarius selbst mehrfach darüber klagte, daß ihm noch unvollendete Schriften unkorrigiert entwendet und hinter seinem Rücken „so abgeschrieben würden, daß zu seinem Entsetzen viele Fehler hineinkamen“ 4 . Zu der großen Zahl lateinischer Textzeugen, also Handschriften des 13. bis 15. Jahrhunderts, die den ‚Dialogus miraculorum‘ oder die ‚Libri miraculorum‘ enthalten, gesellten sich im 15. Jahrhundert volkssprachliche Übersetzungen. So übertrug beispielsweise der Münchner Autor Johannes Hartlieb, der für den bairischen Herzogshof arbeitete, um 1460 den zweiten Teil des ‚Dialogus‘, also die Distinktionen VI-XII, und in den Niederlanden entstanden zwei von einander unabhängige Teilübersetzungen, die anscheinend einige Verbreitung fanden. 5 Die Bibliothek des Kölner Stadtarchivs bewahrt in ihrer Handschrift W 25 eine bisher nicht näher untersuchte Übersetzung einiger Mirakel. 6 Druckausgaben der Wundergeschichten des Cäsarius erschienen zuerst 1473 in Köln, dann 1481, 1591 1599 und zuletzt noch in Antwerpen 1605. 7 Der heilige Jakobus im Werk des Cäsarius von Heisterbach 189 3 Zu ihm siehe LMA 4 (1989), Sp. 2149. - Zu den Exempla des Cäsarius und deren Quellen siehe L ANGOSCH (wie Anm. 1), 1933, Sp. 349, 351-359, 367f. und 1978, Sp. 1160f. sowie W AGNER (wie Anm. 2), hier Sp. 1135f. Ebd. Sp. 1138-1141 auch ein Verzeichnis der Erzählstoffe und -motive des Cäsarius. 4 L ANGOSCH (wie Anm. 1), 1978, Sp. 1166. 5 Siehe hierzu L ANGOSCH (wie Anm. 1), 1978, Sp. 1166. - Beschreibung der Hamburger Handschrift der holländischen Übersetzung: Peter Jörg B ECKER , Die theologischen Handschriften der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg 1: Die Foliohandschriften, Hamburg 1975, S. 93 (Datierung: Amsterdam, um 1460, „neben der Hs Amsterdam, UB, V B 10 eine der beiden erhaltenen Hss dieser Fassung“ [ebd.]). 6 Die Angabe bei W AGNER (wie Anm. 2), Sp. 1138, daß es sich um eine Hs. „2025“ und eine vollständige Übersetzung handle, ist falsch (frdl. Auskunft von Herrn Dr. Deeters vom Historischen Archiv der Stadt Köln vom 28.11.2001). 7 Vgl. Gesamtkatalog der Wiegendrucke Nrr. 5880 ([Köln, Ulrich Zell, um 1473], 5881 (Köln, Johannes Koelhoff 1481), VD 16 C 94 (Köln 1591), C 95 (Köln 1599). <?page no="204"?> Der Erfolg der Schriften des Cäsarius - der die erst 1192 gegründete Abtei Heisterbach rasch berühmt machte - hat wohl darin seine Ursache, daß Cäsarius als einer der ersten Autoren des Mittelalters Beispielgeschichten „planmäßig in die Predigt einfügte“, dann solche Geschichten „selber für sich“ sammelte und sie „immer mehr als selbständige Erzählungen behandelte“ und schließlich „zu großen Sammelwerken vereinigte“. 8 Wie bei der großen thematischen Vielfalt der Exempelsammlungen des Cäsarius leicht denkbar, spielt in ihnen auch die Pilgerfahrt eine gewisse Rolle. Cäsarius selbst hielt eine Pilgerfahrt für ein gutes Mittel, um sich über sich selbst klar zu werden. Ganz zu Anfang seines ‚Dialogus‘ berichtet er (Dist. I, c. 17), 9 daß er als junger Mann zusammen mit dem Heisterbacher Abt Gevard von Walberberg nach Köln reiste und dieser ihn unterwegs für einen Eintritt in den Orden zu gewinnen suchte. Cäsarius aber begab sich, bevor er eine so schwerwiegende Entscheidung treffen wollte, durch ein Gelübde gebunden auf eine Pilgerfahrt zum Marienheiligtum von Rocamadour in Südwestfrankreich, eine der großen Marienwallfahrten des 12. und 13. Jahrhunderts, die schon damals von vielen Santiago-Pilgern aufgesucht wurde. Nach drei Monaten der Pilgerreise langte Cäsarius, wie er selbst erzählt, wieder in Köln an - und entschied sich für den Eintritt in Heisterbach. Die Pilgerfahrt, der Besuch der Orte und Stätten, an denen Christus oder die Heiligen geweilt haben, gehört also auch für Cäsarius zu den wesentlichen Elementen eines christlichen Lebens. Es nimmt deshalb nicht wunder, daß hl. Orte und Pilgerfahrten in seinen Sammelwerken mehrfach vorkommen: Wiederholt werden die „Expeditionen“ nach Jerusalem erwähnt, die „bewaffneten Pilgerfahrten“, die Kreuzzüge also (Dial. mir., Dist. I, c. 34, Dist. X, c. 46 [De Richardo Rege Angliae et periculo eius in mari! ], Dist. X, c. 63) und ebenso die Pilgerreisen (Dist. I, c. 39; Dist. IV, c. 15, Dist. X, c. 2, Dist. XI, c. 24, Dist. XII, c. 7) dorthin. Während aber - seltsamerweise - Pilgerreisen nach Rom, zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus, von Cäsarius in keiner seiner Wundergeschichten erwähnt werden, kommt er wiederholt und ausführlich auf die Pilgerreisen nach Santiago de Compostela, zum Grab des heiligen Jacobus zu sprechen. Das tut er mitunter ganz beiläufig, so etwa, wenn er uns (Dial. mir., Dist.V, c. 29) einen Abt vor Augen stellt, der dem Teufel, der in eine Frau 190 Volker Honemann 8 L ANGOSCH (wie Anm. 1), 1978, Sp. 1165. 9 Caesarii heisterbacensis monachi Dialogus Miraculorum rec. Josephus S TRANGE , Coloniae, Bonnae et Bruxellis MDCCCLI, hier S. 24f.: „De conversione auctoris huius opusculi“. <?page no="205"?> gefahren ist, befiehlt, aus ihrem Körper auszufahren. Der Teufel fragt daraufhin: „Wo soll ich denn hingehen? “ - worauf der Abt antwortet: „Ich öffne jetzt meinen Mund, damit du hineinfahren kannst. Der Teufel lehnt dies ab: „Das kann ich nicht, weil heute der Allerhöchste, also Gott in deinen Mund eingetreten ist.“ Der Abt aber macht sogleich einen neuen Vorschlag: „Steig auf diese beiden Finger“ - und weist ihm den Daumen und den Zeigefinger. Wieder lehnt der Teufel ab: „Das kann ich nicht, weil du mit diesen Fingern heute morgen den Allerhöchsten berührt hast“ - der Abt hatte nämlich am Morgen die Messe gefeiert. Als der Abt aber darauf besteht, daß der Teufel aus dem Leib der Besessenen ausfährt, antwortet dieser: „Gott will das noch nicht. Ich werde noch zwei Jahre in ihr sein, danach wird sie auf dem Weg zu jenem Jakobus befreit werden“ - und das, so fügt Cäsarius hinzu, geschah auch so. Die Pilgerfahrt zum Grab des heiligen Jakobus ist für Cäsarius damit so heilsverdienstlich, so wirkkräftig, daß sie selbst den Teufel zu besiegen vermag. Mitunter erscheint die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela in den Wundergeschichten des Cäsarius auch als ein Zeichen besonderer Frömmigkeit, so wenn von dem Ferrareser Bürger Marcadellus gesagt wird, er sei „ein besonderer Verehrer der heiligen Orte“ und verwende alles, was er über das zum Lebensunterhalt Nötige hinaus besitze dazu, die limina sancti Jacobi in Compostela zu besuchen oder die der heiligen Apostel Petrus und Paulus (Dist. VI, c. 33, Marcadellus wird später wegen eines von ihm nicht begangenen Weihrauchfaß-Diebstahls gehängt, aber bald als Heiliger erkannt). In ähnlicher Weise berichtet Cäsarius von dem Kerpener Bürger Dietrich Krebs, der lange Zeit von einer teuflischen Kröte verfolgt wird, sich endlich von ihr befreien kann und ein frommes Leben zu führen beginnt, ein Leben, das seinen äußeren Ausdruck darin findet, daß er mit bloßen Füßen die Gräber der Apostel Petrus und Paulus, aber auch dasjenige des Apostels Jakobus, viele Male besucht (Dist. X, c. 67). Andere Exempla des Cäsarius sind ganz und gar der Wallfahrt nach Santiago de Compostela gewidmet. Die 39. Erzählung der fünften Distinktion, die den Dämonen, also dem Teufel und seinen Gesellen gewidmet ist, berichtet folgendes: „Es reisten einst zwei Kölner Bürger, die reich und ehrenhaft waren und gut miteinander befreundet, und von denen der eine Sistappus hieß, der andere aber Godefridus, zusammen zum heiligen Apostel Jakobus. Als sie eines Tages allein einher ritten, und den anderen Pilgern voraus waren, da brach der Teufel, der ihre Freundschaft und Eintracht haßerfüllt beobachtete, am Eingang zu einem Walde den Pilgerstab des Gott- Der heilige Jakobus im Werk des Cäsarius von Heisterbach 191 <?page no="206"?> fried, den er auf dem Rücken trug und der sehr kräftig war, in zwei Teile. Als dieser aber niemanden in der Nähe sah, sprach er sehr beunruhigt zu seinem Gefährten: „Sag mir, Bruder, warum hast Du meinen Stab zerbrochen? “ Als jener aber sagte, er sei es nicht gewesen und das mit einem Eide bekräftigte, - wie mir (so Cäsarius) - der erwähnte Gottfried selbst berichtet hat - da wurde er so zornig auf ihn, daß er sich kaum davor zurückhalten konnte, die Hand gegen ihn zu erheben. Schließlich aber wurde er durch die Gnade Gottes und die Verdienste des heiligen Apostels (Jakobus) wieder zur Vernunft gebracht, und bat seinen innig geliebten Freund um Verzeihung - worauf der Teufel, jener Urheber aller Zwietracht, beschämt die Flucht ergriff.“ Auch hier ist es also der heilige Jakobus, der den Teufel in die Flucht schlägt und dafür sorgt, daß seine Verehrer an Leib und Seele unversehrt an das Ziel ihrer Pilgerfahrt, nach Santiago de Compostela gelangen. Die Erzählung läßt zugleich das Wesen der Wundergeschichten des Cäsarius erkennen: In ihrem Zentrum steht ein Wunder, dessen Beglaubigung für den Leser vor allem dadurch erreicht wird, daß Cäsarius sie in umfassender Weise in der Realität positioniert: Er nennt die Namen der Beteiligten, beschreibt deren Vorhaben und was ihnen geschieht, und gibt schließlich auch an, auf welche Weise die Wundergeschichte an ihn gelangt ist. Im vorliegenden Beispiel ist diese Authentifikation besonders überzeugend, ist es doch das Opfer der Machination des Teufels selbst, das Cäsarius erzählt hat, was ihm widerfahren ist. Die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela kann im ‚Dialogus miraculorum’ aber auch der Ort von Verbrechen sein, die dann von Gott sofort bestraft werden. In seiner sechsten Distinktion, die von der Rechtschaffenheit (simplicitas) handelt, erzählt Cäsarius die folgende Geschichte (Dist. VI, c. 25): „Es ist noch nicht lange her, daß sich einigen Pilgern, die von Deutschland aus nach Santiago unterwegs waren, bei Nacht ein falscher Pilger zugesellte. Als sie nun morgens die Pilgerherberge verließen, folgte er ihnen bis zum Stadttor und legte dort Hand an einen der Pilger, wobei er rief, dieser führe sein Pferd hinweg. Darauf hin wurden alle Pilger gezwungen, wieder zum Hospiz zurückzukehren. Als aber alle Pilger bezeugten, daß der, den jener Schurke beschuldigt hatte, ein rechtschaffener und guter Mann sei, da handelte der Richter (der mit der Aufklärung des Falles befaßt war), sehr klug: In Abwesenheit des Diebes ließ er allen Pferden Sattel und Zaumzeug abnehmen und sie so in den Stall zurückführen. Als das geschehen war, rief er den Dieb herbei und sprach zu ihm: „Geh hinein in den Stall und führe dein Pferd heraus.“ Jener betrat den Stall und führte ein Pferd heraus. Es war jedoch nicht dasjenige, von dem er am Stadttor behauptet hatte, es sei 192 Volker Honemann <?page no="207"?> ihm weggenommen worden. Er hatte dieses nämlich nicht genau genug betrachtet. Als aber alle Umstehenden (über den Irrtum des Diebes) lachten und dem Richter erklärt hatten, wessen Pferd er aus dem Stall geholt hatte, da wurde jener Verbrecher sofort aufgehängt. - „Siehst Du nun“, so fährt Cäsarius fort (und läßt nun den Mönch seines Dialogs sprechen), „siehst du nun, wie Gott jene, die in Einfalt und Rechtschaffenheit wandeln, beschützt, und die listigen Verbrecher bestraft? “ - Darauf antwortet der Novize mit einer Gegenfrage: Der Mönch habe vorhin (weiter oben) doch gesagt, daß auch die Strafe der Sünde von Gott herrühre, was dann zu einer kurzen Diskussion über die Entstehung des Bösen in der Welt führt. Nicht immer ist es die Pilgerfahrt nach Santiago, die Cäsarius in seinen Wundergeschichten thematisiert, wenn er vom heiligen Jakobus spricht. In Buch I, Kap. 28 10 seiner ‚Libri miraculorum‘ erzählt er die folgende Geschichte, die sehr charakteristisch für die Frömmigkeit des Spätmittelalters ist: „In der Stadt Trier lebte einst ein Wucherer. Als dieser nun einmal, von Reue über sein Tun ergriffen, das Grab des heiligen Jakobus in Compostela besuchte, gab er auf dem Wege fünf Pfund Geldes aus. (Unterwegs, so fügt eine andere Handschrift, die diesen Text überliefert, hinzu, lebte er sehr prächtig, und als er wieder zuhause war, gab er den Armen nichts von seinem Gelde.) Nach Hause zurückgekehrt ging er wie vorher seinem Gewerbe nach. Als er einige Jahre später schwer krank wurde und zu sterben fürchtete, rief er häufig den Apostel Jakobus an, und versuchte, ihm die Mühen seiner Pilgerfahrt und das (viele) Geld, das er während der Pilgerreise ausgegeben habe, ins Gedächtnis zurückzurufen. „Heiliger Jakobus“, so sprach er, „erinnere dich doch, daß ich fünf Pfund Geldes in deinem Dienste ausgegeben habe“. Nachdem er den heiligen Apostel mit diesen Worten belästigt hatte, erschien ihm dieser, stand vor ihm und sprach: „Ich bin der Apostel Jakobus, dessen Grab du besucht hast.“ Als der Wucherer das hörte, freute er sich sehr und rief: „Heiliger Jakobus, hilf mir! “, und wiederholte dies häufig. Der Apostel aber antwortete ihm: „Deine Sünden hindern mich daran, dir zu helfen. Ich habe mich für dich so gut eingesetzt, wie ich konnte, aber ich habe keinen Erfolg gehabt. Siehe, die fünf Pfund Geldes, die du in meinem Dienste ausgegeben hast, halte ich hier in meiner Hand, und gebe sie dir nun zurück.“ Als aber der Wucherer rief: „Herr, Herr, ich will sie nicht zurückhaben! “, da legte der Apostel das Geld, das er in seinen Mantel eingewickelt hatte, dem Wucherer auf den Der heilige Jakobus im Werk des Cäsarius von Heisterbach 193 10 Alfons H ILKA (Hg.), Die Wundergeschichten des Caesarius von Heisterbach, 3. Bd.: Die beiden ersten Bücher der Libri VIII miraculorum, Bonn 1937, S. 108. <?page no="208"?> Kopf und verschwand. - „Das beweist,“ - so fügt Cäsarius erläuternd hinzu - „daß eine auf schlechte Weise erworbene Opfergabe Gott nicht gefallen kann. Diese Geschichte ist mir von einem frommen Priester erzählt worden, der mir sagte, er habe sie wahrhaftig gehört.“ Selbst die Macht des heiligen Jakobus findet also da ihre Grenze, wo die Voraussetzungen für eine fromme Tat nur scheinbar gegeben sind. Die letzte Beispielgeschichte des Cäsarius, die hier vorzustellen ist, steht in der achten Distinktion des ‚Dialogus miraculorum‘ (c. 58), die von den Visionen handelt. Sie beginnt folgendermaßen: „Es war einmal ein Bürger von Utrecht, der mit seinem Sohn zum heiligen Jakobus reiste. Da geschah es, wenn ich mich recht erinnere, daß an einem bestimmten Ort der Gastwirt, (der den Utrechter Pilger und seinen Sohn beherbergt hatte), irgend etwas verlor, und, da er die beiden verdächtigte, sie beim Richter des Ortes wegen Diebstahls anzeigte. Als der Utrechter Bürger aber sich für unschuldig erklärte und sprach: „Gott weiß, daß ich niemals ein Dieb gewesen bin noch der Gefährte eines Diebes“, da glaubte der Richter seinen Worten nicht und verhängte über den Unschuldigen die Strafe des Galgens. Als jedoch der Sohn die Verurteilung seines Vaters sah, und daß diesem das Zeugnis anderer Pilger nichts nützte, da sprach er heftig weinend zu dem Richter: „Ich bitte euch, Herr, daß ihr im Hinblick auf Gott und den heiligen Jakobus mich hängt, meinen Vater aber freilaßt. Ich weiß nämlich, daß er unschuldig ist.“ Der Richter, durch das Flehen und die Tränen des Sohnes überwunden, ließ darauf hin den Vater frei und hängte den Sohn. Der Vater zog darauf zusammen mit den übrigen Pilgern in tiefer Trauer weiter und besuchte das Grab des heiligen Jakobus, wo er diesen inständig für die Errettung der Seele seines Sohnes anflehte. Darauf kehrte er zum Ort der Hinrichtung zurück und sprach zu seinen Gefährten: „Hier, Brüder, ist mein Sohn, wartet bitte ein wenig, bis ich ihn vom Galgen abgenommen und bestattet habe.“ Als aber der Sohn die Stimme des Vaters hörte, sprach er: „Seid willkommen Vater, ich lebe noch! “ Vom Galgen abgenommen und gefragt, was denn die Ursache eines solchen Wunders sei, sprach der Sohn: „Der heilige Apostel Jakobus hat mich von der Stunde an, in der ich an den Galgen gehängt wurde, bis jetzt mit seinen Händen gestützt. Ich habe weder Hunger noch Durst gelitten und keinerlei Schmerz gefühlt, und es ist mir mein ganzes Leben lang nie besser gegangen! “ Sogleich eilten sie zusammen zum Apostel (nach Santiago), der Sohn, damit er sein Gelübde erfüllte, der Vater, um Dank zu sagen, und kehrten dann unversehrt nach Utrecht zurück. Dieses Wunder ist in jener Stadt, wie uns unser Mönch Wilhelm berichtet hat, der dort Kanoniker ist, überaus berühmt und weithin bekannt.“ Wie oft im ‚Dialogus 194 Volker Honemann <?page no="209"?> miraculorum‘, gibt auch hier der Novize einen Kommentar zu der ihm soeben erzählten Geschichte ab: „Staunen erregend ist das, was du da sagst! “ spricht er zu dem Mönch, der ihm in seiner Antwort gleich ein weiteres Wunder ankündigt - diesmal vom heiligen Thomas - das noch größer sei, als das vorhergehende. Die soeben nacherzählte Geschichte aber ist nichts anderes als eine Variante des sog. ‚Hühnerwunders‘, über das Robert Plötz mehrere wichtige Publikationen vorgelegt hat 11 , und das meist in Santo Domingo de la Calzada lokalisiert wird, wo bis heute im Querschiff der Kathedrale die lebendigen Hühner zu sehen sind, die - in anderen Varianten der Erzählung - als gebratene Hühner wegfliegend die Unschuld der Pilger aufzeigen. Die Wundergeschichten des Cäsarius von Heisterbach bestätigen so schon im frühen 13. Jahrhundert, zu einer Zeit also, in der die Pilgerfahrt zum Grabe des heiligen Jakobus mitten in ihrer großen Expansion stand, die Bedeutung des Heiligen, seine außerordentlich Wirkkraft. Diese Wirkkraft, sein machtvolles Eintreten bei Gott für alle, die ihn anrufen, ist es, die ihn für die Christen des Hoch- und Spätmittelalters zu einem ganz besonderen, aus der Schar der Heiligen herausragenden Heiligen machte. Die Wunder, die er immer wieder wirkte und die Cäsarius mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln als wirklich geschehen, als authentisch also beschreibt, sind geradezu der Beweis für diese Wirkkraft. Das Grab eines solchen Heiligen zu besuchen, demütig zu ihm zu pilgern war für sehr viele Menschen dieser Zeit die logische Konsequenz. Der heilige Jakobus im Werk des Cäsarius von Heisterbach 195 11 Vgl. vor allem Robert P LÖTZ , „der hunlr hinder dem altar saltu nicht vergessen“. Zur Motivgeschichte eines Flügelaltars der Kempener Propsteikirche. In: Epitaph für Gregor Hövelmann. Beiträge zur Geschichte des Niederrheins. Hg. von Stefan F RANKEWITZ , Geldern 1987, S. 119-170. Weitere Veröffentlichungen von R. P LÖTZ zu diesem Thema sind verzeichnet in: Klaus H ERBERS / Robert P LÖTZ (Hgg.), Caminaron a Santiago. Relatos de peregrinaciones al „fin del mundo“, Santiago de Compostela 1998, S. 372f. (spanische Bearbeitung von: Dies. (Hgg.), Nach Santiago zogen sie. Berichte von Pilgerfahrten ans „Ende der Welt“, München 1996). <?page no="211"?> Die volkstümliche Jakobusverehrung in den Rheinlanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts und ihre historischen Wurzeln - Zur Auswertung der Rheinischen Fragebögen aus der Zeit um 1930 W OLFGANG H ERBORN 1. Die Quelle Die Volkskunde gehört bzw. gehörte zu den Wissenschaften, die scheinbar immer fünf Minuten vor 12 Uhr stehen. Man befürchtet, daß der letzte Gegenstand einer älteren Kulturepoche zerstört wird und verschwindet oder daß das letzte Großmütterchen, das noch über eine ferner zurückliegende Zeit Auskunft geben könnte, stirbt. Das sind keine neuen Klagen. Schon der junge Goethe hatte während seiner Straßburger Zeit 1771 das „letzte alte Mütterchen“ befragt, als er alte Volkslieder des Elsaß sammelte. Daß das elsaß-lothringische Volkslied dennoch nicht ausgestorben ist, zeigt eine vierbändige Liedersammlung eines Zeitgenossen des beginnenden 20. Jahrhunderts, des Pfarrers Louis Pinck 1 . Wenn aber die Befürchtungen des „Fünf Minuten vor zwölf-Stehens“ wirklich einmal ihre Berechtigung hatten, dann im Falle der fünf Fragebögen zur rheinischen Volkskunde, die in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts vom Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn verschickt wurden und die sich vor allem nach der absterbenden bäuerlichen Lebenswelt erkundigten. Empfänger und Ausfüller der Fragebögen waren vornehmlich die Dorf- 1 Louis P INCK , Volkslieder von Goethe im Elsaß gesammelt nach Melodien und Varianten aus Lothringen, 1932, S. 11-14. Hier auch der Hinweis auf Goethe. D ERS ., Verklingende Weisen, Lothringer Volkslieder, 4 Bde., 1926-1933, Nachdruck 1962/ 63 (einschließlich eines post mortem erschienenen Bd. 5). <?page no="212"?> schullehrer. Der Rücklauf war mit weit über 1000 Fragebögen über Erwarten gut, und dieses Material versetzt uns in die Lage, für das gesamte Rheinland die Verbreitung zahlreicher kultureller Phänomene zu Beginn des 20. Jahrhunderts darzustellen 2 . Unter dem Rheinland verstand man damals das Gebiet der preußischen Rheinprovinz, nach unserer modernen Gebietseinteilung also den Teil Nordrhein des Landes Nordrhein-Westfalen, den Teil Rheinland des Landes Rheinland-Pfalz und das Saarland. Die Fragebögen lagern heute, nach den damaligen Regierungsbezirken und Kreisen geordnet, im Bonner Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande. Innerhalb der Kreise sind die einzelnen Fragebögen in alphabetischer Reihenfolge aufbewahrt. Wir zitieren im folgenden die einzelnen Belegstellen mit dem entsprechenden Ortsnamen nach dieser zeitgenössischen Ordnung. In drei dieser Fragebögen werden unter anderem auch volksreligiöse Aspekte der Heiligenverehrung und des Heiligenkultes angesprochen. Der 1931 ausgesandte Fragebogen II widmet einen Fragenkomplex dem Wallfahrtswesen: Frage 4a: Nach welchen Orten, zu welchen Heiligen, aus welchem Grunde und wann geht oder ging man einzeln oder in Gruppen beten? Frage 4b: Wohin gehen oder gingen geschlossene Wallfahrten? Frage 4c: Welche Votiv- oder Weihegaben werden nach den einzelnen Wallfahrtsorten gebracht? Welche Wachsfiguren, Kerzenopfer etc. Welche Naturalien (Kinnbacken, Korn etc.)? Frage 4d: Gibt oder gab es besondere Bräuche, wodurch man feststellte, zu welchem Heiligen man wallfahren gehen mußte (Kerzenanzünden zu Ehren dreier Heiligen etc.)? Frage 4e: Kommen an Wallfahrtsorten oder bei Wallfahrten besondere Gebräuche, Lieder oder Gebete vor? Frage 4f: Gibt es an Wallfahrtsorten besondere Gebildbrote? Der 1932 ausgesandte Fragebogen III erkundigte sich u.a. in vier Fragen nach besonderen Heiligenpatronaten. Frage 11: Welche Heiligen werden bei Pferdekrankheiten angerufen? Wo? Frage 12: Welche Heiligen werden bei Kinderausschlag angerufen? Wo? 198 Wolfgang Herborn 2 Eine Übersicht über den Inhalt der Fragebögen bietet: Heinz Leonard C OX , Volkskundliche Kulturraumforschung im Rhein-Maas-Gebiet, in: Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde 28 (1989/ 90) S. 29-67, hier S. 59-67. <?page no="213"?> Frage 13: Welche Heiligen bei Kopfschmerzen? Wo? Frage 14: Welche Heiligen bei Blitz und Ungewitter? Wo? Besondere Gebräuche? Der Fragebogen IV von 1934 erweiterte die Fragenpalette des Fragebogens III und fragte zudem noch nach der Verehrung namentlich genannter Heiliger und nach weiteren kirchlichen Bräuchen. Frage 1: Welche Heiligen werden bei Schweinekrankheiten angerufen? Frage 2: Welche Heiligen bei Augenkrankheiten? Frage 3: Welche Heiligen bei Zahnschmerzen? Frage 4: Bei welchen Anliegen, Krankheiten, für welche Dinge verehrt man: a) St. Quirinus, b) St. Valentin, c) St. Jodokus, d) St. Jakob, e) St. Laurentius, f) St. Willibrord, g) St. Rochus, h) St. Lucia, i) die hl. drei Jungfrauen, wie heißen sie? Frage 5: Sind mit der Verehrung vorgenannter Heiliger besondere Bräuche, Lieder, Segnungen oder ähnliches verknüpft? Bitte mitteilen! Die weiteren Angaben dieses Fragebogens zum kirchlichen Leben sind für unseren Zusammenhang nicht relevant. Außer den Rheinischen Fragebögen enthalten auch die Fragebögen zum Atlas der Deutschen Volkskunde, dessen Archivalien ebenfalls im Bonner Institut für geschichtliche Landeskunde lagern, eine Frage zur volkstümlichen Heiligenverehrung. In der Frage Nr. 183 erkundigte man sich nach folgendem 3 : Welche Heiligen ruft man an a) um günstige Witterung für das Feld im allgemeinen? b) um Sonnenschein? c) um Regen? d) gegen Feuer? e) Heilung von Krankheiten 1. bei Pferden? 2. bei Rindvieh? Der Fragebogen des ADV mußte aber nicht im Original herangezogen werden, weil Matthias Zender ihn schon weitgehend für den rheinischen Raum ausgewertet hat und wir auf seine Ergebnisse zurückgreifen konnten 4 . Die volkstümliche Jakobusverehrung in den Rheinlanden 199 3 Zum Wortlaut der Fragen des ADV vgl.: Atlas der Deutschen Volkskunde NF, Erläuterungen: Bd. 1 zu den Karten NF 1-36, hg. von Matthias Z ENDER , 1959-1964, S. 22- 32, hier S. 29, Nr. 183. 4 Matthias Z ENDER , Schutzheilige der Haustiere im Rheinland, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 5 (1935) S. 70-85, Nachdruck in: Matthias Zender. Gestalt und Wandel. Aufsätze zur rheinisch-westfälischen Volkskunde und Kulturraumforschung, hgg. von Heinz Leonard C OX / Günter W IEGELMANN , 1977, S. 275-288, Karte: S. 279. Ferner: Matthias Z ENDER , Volkstümliche Heiligenverehrung, in: Atlas, Erläuterungen I (wie Anm. 3) S. 153-232. <?page no="214"?> Wenn hier zu Beginn im breiten Umfang alle Fragen, die zur Heiligenverehrung und Wallfahrt gestellt wurden, aufgezählt werden, obwohl doch im Fragebogen IV die Jakobusverehrung mit einer eigenen Frage bedacht wurde, dann hat das mehrere Gründe. Zunächst geht aus den Antworten hervor, daß Jakobus bei zahlreichen Anliegen um Hilfe angegangen wurde, für die auch andere Heilige angerufen wurden, und man muß die Verehrung des Heiligen in diesem Kontext sehen. Zweitens wird Jakobus nicht nur im Fragebogen IV genannt, sondern auch im Fragebogen II im Rahmen des Wallfahrtswesens und im Fragebogen III im Zusammenhang mit den Wetterheiligen und als Patron bei Kopfschmerzen. Insgesamt liefern die Rheinischen Fragebögen über 104 Belegstellen für die Jakobusverehrung, die sich in unterschiedlicher Dichte über das Rheinland verteilen. 31 Belegstellen, d.s. ca. 30 %, entfallen auf die nördlichen Rheinlande, wo das Belegnetz recht schütter wirkt. Die alten Regierungsbezirke Aachen, Düsseldorf und Köln sind mit nur sieben, neun bzw. fünfzehn Belegen vertreten. Das südliche Rheinland weist mit 73 Belegstellen (70 %) ein schon deutlich dichteres Belegnetz auf. Aus den alten Regierungsbezirken Koblenz und Trier (mit dem Saarland) liegen 27 bzw. 46 Belege vor. Es gibt also in der volkstümlichen Jakobusverehrung ein Süd-Nord-Gefälle. Generell muß man allerdings sagen, daß das Belegnetz für den Jakobuskult nicht allzu dicht ist, zumindest wenn man es mit der Belegdichte anderer rheinischer Volksheiliger wie der beiden Viehheiligen Wendelin und Brigitta vergleicht 5 , doch - und das unterscheidet seine Verehrung von der vieler rheinischer Volksheiligen - Jakobus ist kein Heiliger mit nur einem oder zwei Sonderpatronaten, sondern das gläubige Volk erflehte bei den verschiedensten Anlässen und aus unterschiedlichen Gründen seine Hilfe. Im Rheinland wurde er nach Auskunft der Fragebögen bei körperlichen Gebrechen, als Reisepatron, als Standespatron verschiedener Berufszweige, als Heiratspatron, als Patron gegen Zank und Streit, als Helfer im Krieg, als Kinderpatron, als Wetterpatron, als Erntepatron besonders bei Äpfeln, als Viehpatron, in Glaubenszweifeln, bei Todesgefahr, bei Trunksucht, bei Mäuseplagen und bei allgemeinen großen Anliegen angerufen. Die Fragesteller und die Beantworter haben nicht zwischen Jabobus major und Jakobus minor unterschieden, doch kann man vorwegnehmend sagen, daß offensichtlich nur der ältere Jakobus im Volke Verehrung fand. Diese Frage war im übrigen auch für das gläubige Volk mü- 200 Wolfgang Herborn 5 Z ENDER , Schutzheilige (wie Anm. 4) S. 279 (Karte). <?page no="215"?> Die volkstümliche Jakobusverehrung in den Rheinlanden 201 Abb. 15 Verehrung des hl. Jakob in den Rheinlanden. Quelle: Volkskundl. Fragebögen II-IV (vgl. Text). <?page no="216"?> ßig, weil im Rheinland die Verehrung gleichnamiger Heiliger vorkam, wobei ein Heiliger die Attribute und das Patronat des anderen übernehmen konnte. Solche Fälle sind z.B. Quirin von Neuss und Quirin von Malmédy oder Odilia vom Elsaß und Odilia von Lüttich 6 . Die Zahl seiner Sonderpatronate erscheint auf den ersten Blick verwirrend, doch die Vielzahl ordnet sich recht bald, wenn man die Patronate zu Gruppen zusammenfaßt und geographischen Regionen zuordnet. 2. Die Patronate für Haustiere Grundlage für die Ausführungen über das Patronat für Haustiere war vornehmlich die Frage 4 des IV. Rheinischen Fragebogens, in der allgemein nach der Jakobusverehrung gefragt wurde. Der dichteste und geschlossenste Raum mit einer fast einheitlich auf nur ein Patronat ausgerichteten, volkstümlichen Jakobusverehrung war vor allem das Gebiet um Trier. Der Heilige wurde hier als Viehpatron, besonders als Schweinepatron angerufen. Allein 32 der insgesamt 104 Belegstellen, das sind fast ein Drittel, beziehen sich auf dieses Patronat, und sie stammen fast alle aus diesem Raum. Allein der Landkreis Trier ist mit 21 Belegen vertreten, die Nachbarkreise Bitburg und Bernkastel mit drei bzw. zwei und die Kreise Cochem, Geilenkirchen, Merzig-Wadern, Ottweiler, Saarburg und Wittlich mit je einem Beleg. Nur der Geilenkirchener Einzelbeleg fällt aus dem geographischen Rahmen. Von 32 Belegen benennen Jakobus 19 als Viehpatron, 10 als Schweinepatron und drei als Vieh- und Schweinepatron 7 . 202 Wolfgang Herborn 6 Matthias Z ENDER , Die Verehrung des heiligen Quirin in Kirche und Volk, 1967. Medard B ARTH , Die Heilige Odilia. Schutzherrin des Elsaß. Ihr Kult in Volk und Kirche, 1938. D ERS ., Die heilige Odilia und ihre belgische Doppelgängerin, in: Mein Elsaßland 1 (1921) S. 82-84. Allgemein zur Volksreligiosität: Walter H ARTINGER , Religion und Brauch, Darmstadt 1992. 7 Als Viehpatron wurde Jakobus verehrt in: Bescheid (Kr. Trier Land), Bergweiler (Kr. Wittlich), Clotten (Kr. Cochem), Haustadt (Kuhkalben, Kr. Merzig-Wadern), Herforst (Kreis Bitburg), Igel (Kr. Trier Land), Issel (Kr. Trier Land), Konz-Karthaus (Kr. Trier Land), Kordel (Kr. Trier Land), Landsweiler-Reden (Kr. Ottweiler), Lieser (Kr. Bernkastel), Mehring (Kr. Trier Land), Merbeck (Kr. Geilenkirchen), Mesenich (Kr. Trier Land), Pluwig (Kr. Trier Land), Scheidweiler (Kr. Trier Land), Wasserliesch (Kuhkrankheiten, Kr. Trier Land), Wintersdorf (Kr. Trier Land) und Wolzburg (Kr. Bernkastel). Als Schweinepatron wurde Jakobus verehrt in: Aach (Kr. Trier Land), Farschweiler (Kr. Trier Land), Gilzem (Kr. Trier Land), Klüsserath (Kr. Trier Land), Niederleuken (Kr. Saarburg), Osburg (Kr. Trier Land), Preist (Kreis Bitburg), Schoendorf (Kr. Trier Land), Sirzenich (Kr. Trier Land) und Traforst (Kr. Trier Land). <?page no="217"?> Die Verehrung des hl. Jakobus als allgemeiner Viehpatron ist also auf eine kleinere Region beschränkt, und diese Region liegt eingebettet zwischen zwei großen Kulträumen, in denen fast ausschließlich Brigitta und Wendelin als Viehpatrone genannt werden, wie die Verbreitungskarte der rheinischen Viehpatrone zeigt (Abb. 15) 8 . Das Kultgebiet der hl. Brigitta umfaßt den gesamten Niederrhein und reicht mit seinen Ausläufern weit in die Eifel hinein bis an den Oberlauf der Kyll. Das Kultgebiet der Wendelinusverehrung erstreckt sich vom Saarland bis an die Mosel und von dort über die Osteifel bis in die Höhe von Bonn und Siegburg. Zwischen diesen beiden großen Kulträumen liegt ein Streifen, in dem neben Jakobus noch verschiedene andere Heilige als Viehpatrone erwähnt werden, unter anderem auch Jodokus, der häufiger in Gesellschaft mit Jakobus genannt wird. Beide Heilige haben ursprünglich ein allgemeines Patronat als Seuchenheilige, die bei Aussatz und Lepra angerufen wurden. Die Jodokusverehrung bei diesen Krankheiten war im Mittelalter allgemein 9 . Auch Jakobus galt als Seuchenpatron und wurde speziell von Aussätzigen verehrt, weil man die Pilgermuschel fälschlicherweise als Geschwür oder Pestbeule deutete. So ist er z.B. in Kreuznach Patron des Leprosenhauses gewesen, das vor der Stadt lag und 1705 abgebrochen wurde 10 . Da die ikonographischen Darstellungen, die den hl. Jakobus als Pilger mit Pilgermuschel, langem Stab, Hut, Reisetasche und Kürbisflasche abbilden, nicht vor dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts bekannt waren, kann sich das Seuchenpatronat erst nach dieser Zeit herausgebildet haben 11 . Zentrum und Ausgangspunkt der Jakobusverehrung im Trierer Raum war nun das 200 Meter oberhalb von Biewer (heute Stadt Trier) gelegene, schon 1238 erwähnte Leprosenhaus St. Jost mit seiner Jako- Die volkstümliche Jakobusverehrung in den Rheinlanden 203 Als Vieh- und Schweinepatron wurde Jakobus verehrt in: Hosten (Kreis Bitburg), Newel (Kr. Trier Land) und Riol (Kr. Trier Land). Die Beantworter der Fragebögen der zehn Orte Aach, Bescheid, Issel, Klüsserath, Konz-Karthaus, Kordel, Newel, Niederleuken, Riol und Scheidweiler geben an, daß man nach Biewer wallfahrtet. 8 Matthias Z ENDER , Schutzheilige (wie Anm. 4) S. 279. 9 Ebenda, S. 282f. Jost T RIER , Der Heilige Jodocus. Sein Leben und seine Verehrung zugleich ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Namengebung (Germanistische Abhandlungen 56), 1924, S. 212ff. Wolfgang H ERBORN , Die volkstümliche Verehrung des Heiligen Jodokus im Rheinland, in: Omnia disce. Kunst und Geschichte als Erinnerung und Herausforderung. Willehad Paul Eckert OP zum 70. Geburtstag und Goldenen Profeßjubiläum, hg. v. Walter S ENNER u.a., 1996, S. 358-369, hier S. 363f. 10 Bad Kreuznach, in: Städtebuch Rheinland-Pfalz und Saarland (Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte 4), hg. von Erich K EYSER , 1964, S. 81. 11 Robert P LÖTZ , Pilger und Pilgerfahrt gestern und heute am Beispiel Santiago in Compostela, in: Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt (Jakobus-Studien 2), hg. von Robert P LÖTZ , 2. Aufl. 1993, S. 171-213, hier S. 187. <?page no="218"?> buskapelle. Die an das Hospiz angebaute kleine Kapelle stammt aus dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts. Der Hochaltar trägt als Hauptbild eine Darstellung des hl. Jodokus in Mönchstracht. An den Seiten stehen die Figuren des hl. Benedikt und der hl. Scholastika. Als weitere Statuen besitzt die Kapelle unter anderem eine auf den Beginn des 16. Jahrhunderts datierte Gestalt des hl. Jakobus mit den bekannten Insignien und eine um 1750 gearbeitete Figur des hl. Jodokus, der in Mönchstracht ein Schwein und ein Schaf segnet 12 . Sowohl Jakobus als auch Jodokus wurden hier gemeinsam verehrt. Hospiz und Kapelle waren Sitz einer 1463/ 64 bestätigten Bruderschaft, zu der sich alle Aussätzigen des Erzstifts Trier zusammengeschlossen hatten. 1591 erhielt das Siechenhaus St. Jost eine neue Ordnung, in der u.a. festgelegt wurde, daß auch künftig nach altem Brauch verfahren werden sollte, „jedes jahrs zween tagen, den montag nach Bartholomei anzufahren zu Bivern in St. Jacobs Capellen“, um dort eine Messe zu feiern und die Bruderschaftsangelegenheiten zu regeln 13 . Offenbleiben muß auf Grund der Quellenlage, ob diese Aussätzigenbruderschaft mit der im 18. Jahrhundert bezeugten „Bruderschaft des Apostels Jakob“ identisch ist. Erhalten ist von dieser Bruderschaft ein 1715 gedrucktes, 20 Seiten dünnes Andachts- und Gebetsbüchlein. Die Mitglieder dieser Bruderschaft, die offensichtlich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Namen „Jakobus-Rochus Bruderschaft“ trug, kamen bis auf einige Ausnahmen aus dem Gebiet um Trier. Die Glanzzeit dieser Bruderschaft lag, wenn man das aus den Neuaufnahmen erschließen kann, im ausgehenden 18. Jahrhundert, seit Beginn des 19. Jahrhunderts schrumpft dann die Zahl der neuen Mitglieder um die Hälfte 14 . Nach dem Erlöschen der Lepra kurz nach 1700 bewohnten bis Anfang des 19. Jahrhunderts andere Kranke das Hospiz. Spätestens um 1700, wahrscheinlich aber schon früher, hat sich aus dem Seuchenpatronat für Menschen das Patronat für Viehseuchen, besonders für Schweineseuchen, herausgebildet. Ob sich dabei ein allgemeines Viehpatronat 204 Wolfgang Herborn 12 Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 13, Abt. 3: Die Kunstdenkmäler der Stadt Trier, bearb. von Hermann B UNJES u. a., 1938, S. 376-379. Werner S CHUHN , Aussätzige in St. Jost bei Biewer, in: Kreis Trier-Saarburg. Ein Jahrbuch zur Information und Unterhaltung 1977, S. 225-233. Jost T RIER , Jodocus (wie Anm. 9), S. 104. Wolfgang H ERBORN , Verehrung (wie Anm. 9), S. 363f. 13 J[ohann] J[osef] S COTTI , Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem vormaligen Churfürstenthum Trier ..., Teil 1, 1832, Nr. 151 (S. 550-554, bes. S. 552f.). 14 Bernhard S CHNEIDER , Bruderschaften im Trierer Land. Ihre Geschichte und ihr Gottesdienst zwischen Tridentinum und Säkularisation (Trierer Theologische Studien 48), 1989, S. 133, 330, Karte 7, Graphik 3. <?page no="219"?> in manchen Orten zum Schweinepatronat verengt hat oder ob umgekehrt aus einem Schweinepatronat ein allgemeines Viehpatronat entstand, ist wohl nicht mehr zu klären. Dieses neue Patronat für Haustiere setzte sich im Raum um Trier allgemein durch, während hier das Patronat für ansteckende Krankheiten und Seuchen beim Menschen völlig verschwand. Im 18. Jahrhundert war dieser Umwandlungsprozeß wohl abgeschlossen. Der im Fragebogen IV für Eitelsbach (Kr. Trier Land) gegebene Hinweis, daß Jodokus in Biewer als Pestheiliger verehrt wurde, ist wohl eine letzte schwache Erinnerung an das einstige Seuchenpatronat dieses Heiligen 15 . Solche Prozesse, daß sich Seuchenpatronate nach Ausrottung der Seuche in Viehpatronate umwandeln können, kennen wir auch bei anderen rheinischen Heiligen wie Valentin, Rochus oder Antonius Eremita 16 . In Biewer wurden, wie schon gesagt, Jakobus und Jodokus gemeinsam als Vieh- und Schweinepatrone verehrt. Die „Vergesellschaftung“ beider Heiliger wurde noch durch mehrere Faktoren erleichtert. Ihr Festtag fiel auf denselben Tag (25. Juli). Beide Heilige sind in der Ikonographie als Pilger dargestellt worden, die sich auf den Darstellungen oft nur durch die zu Füßen abgelegte Krone des Jodokus - ein Zeichen seines Verzichts auf weltlichen Pomp - unterscheiden. Beide sind typische Wallfahrtsheilige und haben über weite Bereiche identische Patronate 17 . Die vielen Berührungspunkte beider Heiliger führten wohl häufiger zu Verwechslungen, worauf z.B. der Beantworter des Fragebogens Scheidweiler (Trier Land) hinweist, wenn er feststellt: „St. Jost und St. Jakob werden vom Volke vielfach verwechselt“. An dem Festtag beider Heiliger zogen zwar nicht geschlossene Prozessionen, wohl aber einzelne Pilger oder Pilgergruppen nach Biewer, wie der Fragebogen II, in dem nach Wallfahrten gefragt wurde, ausweist. Aus dem Fragebogen II können wir noch sieben weitere Orte angeben, Die volkstümliche Jakobusverehrung in den Rheinlanden 205 15 Hierher gehört auch ein Beleg aus Großlittgen (Kr. Wittlich), wo der Pfarrer bei ansteckenden Krankheiten am Jakobstag eine Wallfahrt nach Klausen übernimmt. Die Tatsache, daß die Wallfahrt an Jakobi stattfindet, darf man wohl als Reminiszenz an den Seuchenheiligen interpretieren, selbst wenn die Wallfahrt zu dem näher als Biewer gelegenen Marienwallfahrtsort Klausen führt. 16 Z ENDER , Schutzheilige (wie Anm. 4) S. 282. 17 T RIER , Jodocus (wie Anm. 9) S. 102ff. (Zur Vermischung beider Heiligen), S. 212-215 (Patronate). Die dem Jodokus zugeschriebenen Patronate für Kranke, Seuchen, Pest, Reisen zu Wasser und Land, Ernte, Wetter, Obst und Vieh finden sich auch bei Jakobus. S. weiter unten im Text. - Zu den Vergesellschaftungen von Heiligen im rheinischen Raum vgl.: Z ENDER , Verehrung (wie Anm. 6) S. 30-40. Hier werden z.B. die vier Marschälle (Antonius, Cornelius, Hubertus und Quirinus) am Niederrhein oder die Trierer Heiligengruppe von Quirin-Firmin und Ferreolus angeführt. <?page no="220"?> die nach Biewer zogen. Solche Bittgänge oder Wallfahrten - ich will mich hier nicht in die diesbezüglichen Begriffsdiskussionen einschalten - sind damit in 30 Orten belegt, von denen 21 im Landkreis Trier, vier im Kreis Wittlich, drei im Kreis Saarburg und je einer in den Kreisen Bernkastel und Bitburg liegen. Als den in Biewer verehrten Heiligen nennen 18 Jakobus, sechs Jodokus und drei beide Heilige, und weitere drei geben nur den Wallfahrtsort an, ohne den dort verehrten Heiligen zu benennen. Die Angaben spiegeln also die oben angesprochene Vergesellschaftung beider Heiliger wider. Als Anliegen für den Bittgang nennen 17 Antworten allgemein das Vieh, zwei resp. drei davon fügen noch hinzu „besonders Schweine“, und zehn Antworten nennen nur das Patronat für Schweine. Zwei Fragebögen machen keine Angaben zum Anliegen und in einem Fragebogen wird angegeben: „Bedankung für vieles Obst“ (Dreis, Kr. Saarburg), ein Patronat, auf das wir noch eingehen werden 18 . Man geht wohl kaum fehl in der Annahme, daß sich von Biewer aus durch Vermittlung der dorthin ziehenden Pilger die Verehrung des Heiligen als Vieh- und Schweinepatron im Biewerer Einzugsbereich verbreitet hat. Aus drei Orten wurden nach Biewer auch aus Wachs verfertigte Darstellungen von Schweinen oder Kühen als Weihegaben ge- 206 Wolfgang Herborn 18 Nach dem Fragebogen II verehrten in Biewer Wallfahrer aus folgenden 12 Orten den hl. Jakobus (mit Angabe des Anliegens): Aach (Kr. Trier Land) Schweine, Dodenburg (Kr. Wittlich) Vieh, Dreis (Kr. Wittlich) Obst, Farschweiler (Kr. Trier Land) Schweine, Gilzem (Kr. Trier Land) Schweine, Lampaden (Kr. Trier Land) Schweine, Mesingen (Kr. Trier Land) Vieh, Newel (Kr. Trier Land) Vieh, Ockfen (Kr. Saarburg) Vieh, Pfalzel (Kr. Trier Land) Vieh, Sirzenich (Kr. Trier Land) Vieh und Wawern (Kr. Saarburg) ohne weitere Angaben. Wallfahrer aus folgenden fünf Orten verehrten den hl. Jodokus/ Jost (mit Angabe des Anliegens): Beilingen (Kr. Bitburg) Vieh und Schweine, Eisenach (Kr. Trier Land) Schweine, Menningen (Kr. Trier Land) Vieh, Neunkirchen (Kr. Bernkastel) Schweine und Tarforst (Kr. Trier Land) Vieh. Wallfahrer aus folgenden drei Orten verehrten Jakobus und Jodokus/ Jost: Butzweiler (Kr. Trier Land) Schweine, Eitelsbach (Kr. Trier Land) Vieh und Heidweiler (Kr. Wittlich) Vieh. Keinen Heiligen geben die folgenden drei Orte an: Crettnach (Kr. Trier Land) ohne weitere Angabe, Hetzerath (Kr. Wittlich) Vieh und Schweine und Thörnich (Kr. Trier Land) Schweine. Aus dem Fragebogen IV sind noch weitere sieben Orte belegt, die nach Biewer zu Jakobus wallfahrteten und die bis auf Niederleuken (Kr. Saarburg) alle zum Kr. Trier Land gehörten. Sechs verehrten dort Jakobus: Bescheid (Vieh), Issel (Vieh), Konz-Karthaus (Vieh), Kordel (Vieh), Niederleuken (Schweine) und Scheidweiler (Vieh). Ein Ort Jodocus: Klüsserath (Schweine). Beim Fragebogen Kordel erfolgt ein Hinweis auf das alte Leprosenhaus: „Am Jakobustag wallfahrten hiesige Leute, die sich in Gruppen zusammentun nach St. Jost bei Trier. Dort befindet sich eine alte Kapelle mit einem früheren Leprosenhaus“. Beim Fragebogen Scheidweiler erfolgt der Hinweis: „St. Jost und St. Jakob werden vom Volke vielfach verwechselt“. Bei Newel werden im Fragebogen II als Anliegen für die Wallfahrt Vieh und Schweine genannt. <?page no="221"?> bracht 19 . Solche Weihegeschenke sind alt, sie kommen schon in den Siegburger Mirakelbüchern im 12. Jahrhundert und in den Mirakelbüchern von Eberhardsklausen im 16. Jahrhundert vor 20 . Nur einmal wird für Biewer auf einen untergegangenen Brauch früherer Zeit hingewiesen, als man noch „Schweinekiewel“ (Schweinekinnbacken) opferte (Klüsselrath, Kr. Trier Land). Jakobus tritt uns aber auch, zwar nicht im Trierer Raum, aber im Kreis Kreuznach dreimal und im Saargebiet einmal, als Pferdepatron entgegen. Für Kreuznach (Kr. Kreuznach) lautet die kurze Mitteilung: „Pferde am Jakobstag gesegnet“. Ausführlicher gibt der Fragebogen für Bingen-Bingerbrück an: „Wallfahrt zu den 14 Nothelfern auf den Jakobsberg bei Ockenheim (Kr. Bingen) am Jakobstage bzw. darauffolgenden Sonntag. Pferdesegen. Tiersegen. Volksfest“. Möglicherweise rührt das Pferdepatronat daher, daß die Pferde am Jakobstag, in Ockenheim sogar auf dem Jakobsberg, gesegnet wurden. Die beiden anderen Belegstellen geben nur knapp an: „bei Pferdekrankheiten“ (Argenschwang, Kr. Kreuznach) und „gegen Pferdeseuche“ (Schwemlingen, Kr. Merzig-Wadern). Jakobus gehörte an und für sich nicht zu den typischen Pferdeheiligen, und Matthias Zender hat ihn auch nicht in seine Karte über die Schutzheiligen der Pferde im Rheinland aufgenommen 21 . 3. Die Patronate für verschiedene menschliche Gebrechen Wenn sich auch mit dem Verschwinden von Pest und Lepra das allgemeine Seuchenpatronat des Jakobus im Trierer Raum auf die Haustiere verlagerte, so ist doch in anderen rheinischen Gebieten dieses Patronat auf weitere menschliche Gebrechen übertragen worden. Dabei verflüchtigte sich allerdings, gemessen an den spärlichen Belegen, die Intensität der Verehrung sehr stark. Der Ausgangspunkt für die Jakobusverehrung war wohl ein allgemeines, nicht näher festgelegtes Patronat. In zwei Or- Die volkstümliche Jakobusverehrung in den Rheinlanden 207 19 „ Wachsfiguren, Schweinchen, Kühe“ (Heidweiler, Kr. Saarburg), „Wachsfiguren, die Schweine darstellen“ (Gilzem, Kr. Trier), „Opferung von Wachsschweinen“ (Farschweiler, Kr. Trier). 20 Libellus de translatione sancti Annonis archiepiscopi et miracula sancti Annonis archiepiscopi, hg. v. P. Mauritius M ITTLER (Siegburger Studien 3-5), 1966-1968, Register S. 318 unter: cera, cerei, cereum, ceream etc. Die Mirakelbücher des Klosters Eberhardsklausen, bearb. von Paul H OFFMANN und Peter D OHMS (Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 64), 1988, dort im Register S. 505 unter: Wachsbein, -bild, -hand, -haupt, -herz, -kopf etc. 21 Z ENDER , Schutzheilige (wie Anm. 4) S. 283-288, Karte S. 285. <?page no="222"?> ten wurde Jakobus „in allgemeinen Anliegen“ (Ahe, Rhein.-Berg. Kr.) bzw. „in vielen Nöten“ (Schweinheim, Kr. Euskirchen) angerufen 22 . Aus diesem allgemeinen Patronat hat sich dann wohl zunächst ein allgemeines Krankenpatronat entwickelt, wie aus den Antworten der Fragebögen hervorgeht: „für Schwerkranke“ (Overath, Rhein.-Berg. Kr.), „bei sämtlichen Krankheiten“ (Leidingen, Kr. Saarlouis) oder „Der hl. Jakobus wird zu allen Krankheiten angerufen“ 23 . Das allgemeine Krankenpatronat ist schon um die Mitte des 12. Jahrhunderts im Liber sancti Jacobi belegt, wo immer wieder auf die Heilung von Körper und Seele hingewiesen wird, und in der Lobeshymne über seine Hauptverehrungsstätte heißt es: „Die Kirche leuchtet seit der Zeit, in der sie begonnen wurde, bis zum heutigen Tag durch den Ruhm und die Wunder des seligen Jakobus; denn Kranken wird darin die Gesundheit geschenkt, Blinden die Sehkraft wiedergegeben, die Zunge der Stummen wird gelöst, Tauben öffnet sich das Ohr, Lahmen wird der rechte Gang zuteil, vom Teufel Besessenen wird Befreiung zuteil und, was bedeutender ist, die Gebete der Gläubigen werden erhöht, Gelübde erfüllen sich, die Fesseln der Sünde lösen sich, denen, die anklopfen, öffnet sich der Himmel, Trauernden wird Trost gespendet ...“ 24 . Aus dem allgemeinen Krankenpatronat lösten sich dann, ohne daß wir das im Augenblick zeitlich näher fixieren können, die Sonderpatronate für spezielle Krankheiten, von denen die Fragebögen sechs anführen: „Schlagfluß“ (Würselen, Kr. Aachen Land), „Beinleiden (offene Beine)“ (Roetgen, Kr. Monschau), „Blasenleiden“ (Pulheim, Kr. Köln Land), „gegen Geschwüre“ (Koosbüsch, Kr. Bitburg), bei Wunden (Wolzburg, Kr. Bernkastel) und „bei Kopfschmerzen“ (Vallendar, Kr. Koblenz Land). Auffällig ist, daß sich diese Sonderpatronate nur im Gebiet nördlich der Mosellinie entwickelt bzw. gehalten haben. Für vier der genannten Krankheiten läßt sich aus der Lebensgeschichte bzw. den bildlichen Darstellungen des Heiligen eine Erklärung für ein entsprechendes Patronat ableiten. Das Patronat gegen Geschwü- 208 Wolfgang Herborn 22 In den Fragenbögen wird noch angegeben, daß Jakobus in Eisern (Siegerland), also außerhalb des Rheinlandes, „in besonders großen Anliegen“ um Hilfe angegangen wurde. 23 Für Rümmelsheim, (Kr. Kreuznach) lautet der vollständige Eintrag: „Der hl. Jakobus wird zu allen Krankheiten angerufen und hoch verehrt als einer der 14 Nothelfer auf dem Jakobsberg bei Okenheim in Rh.-Hessen. Fest am 25. Juli“. Daß Jakobus einer der 14 Nothelfer sein soll, beruht wohl auf einem Irrtum des Beantworters, der diese Meinung wohl daraus ableitet, daß auf dem Jakobsberg die 14 Nothelfer verehrt wurden. 24 Klaus H ERBERS , Der Jakobsweg. Mit einem mittelalterlichen Pilgerführer unterwegs nach Santiago de Compostela, 1986, S. 29 (Entstehungszeit), 38ff., 158 (Zitat). <?page no="223"?> re und bei offenen Beinen und Wunden dürfte in der Ikonographie seine Wurzeln haben. Wie schon erwähnt, mißdeutete das Volk die Pilgermuschel als Geschwür. Das Patronat bei Kopfschmerzen leitet sich wohl vom Märtyrertod des Heiligen her, der 43/ 44 durch Herodes Agrippa mit dem Schwert hingerichtet wurde (Apg. 12, 1). Solche Herleitungen finden sich in der religiösen Volkskunde häufiger. Am Niederrhein wird z.B. vor allem Johannes der Täufer bei Kopfschmerzen um Linderung angegangen, der ja bekanntlich auch durch das Schwert hingerichtet wurde (Mt 14,6-11; Mk 6, 17-29). 25 In ähnlicher Weise wurde im gesamten Rheinland die hl. Apollonia, der man der Legende nach bei ihrem Martyrium mit einer Zange die Zähne ausgebrochen hatte, als Zahnheilige verehrt. 26 Dahinter stand die Vorstellung, daß ein Heiliger, der in seinen Erdentagen am eigenen Leib die Qualen eines Martyriums erfahren hatte, wohl eher Verständnis für ähnliche Schmerzen eines Menschen aufbringen würde und für Heilung oder Besserung sorgen könnte. 4. Die Patronate für Obst, Feldfrüchte und Wetter Anders als das Viehpatronat, das man nur im engeren Raum um Trier kennt, und das Patronat bei menschlichen Gebrechen, das vornehmlich im nördlichen Rheinland auftaucht, ist eine dritte Gruppe von Patronaten, die sich auf Obst, Feldfrüchte und Wetter beziehen, im gesamten Rheinland bekannt. Von den drei genannten Patronaten ist das Patronat für das Gedeihen der Äpfel am weitesten verbreitet. Vor allem im Siegkreis und im südlichen Rheinland galt der Jakobustag als Schlüsseltag für eine gute Apfelernte. Die einzelnen Belege liegen weit gestreut von den westlichen Hunsrückkreisen Simmern und St. Goar mit einigen Ausläufern in die Kreise Zell und Bernkastel über den Kreis Altenkirchen bis hin zum Siegkreis. Einzelbelege finden sich in den Eifelkreisen Cochem, Daun und Wittlich, sowie in den Kreisen Neuwied, Moers und im Oberbergischen Kreis. Die häufigste, öfter in Mundart gegebene Antwort lautet, daß Jakobus die Äpfel salzt. Mit dem Salzen ist gemeint, daß die Äpfel am Jakobsfesttag Geschmack erhalten. Möglicherweise gründet die Vorstel- Die volkstümliche Jakobusverehrung in den Rheinlanden 209 25 Hier sei auf den Fragebogen III, Frage 13 verwiesen. 26 Maria Barbara V . S TRITZKY , Apollonia, in: LThK I, 3. Aufl. 1993, Sp. 830. Dazu: Fragebogen IV, Frage 3. <?page no="224"?> lung vom gesalzenen Apfel auf der Erfahrung, daß ein Apfel, der im Winter durch Frost Schaden erlitten hat und im Frühjahr in Salz gelegt und erweicht wird, Geschmack gewinnt und gegessen werden kann 27 . Viele Beantworter der Fragebogen fügen auch gleich eine entsprechende Erklärung hinzu, wie: „Auf St. Jakob werden die Äppel gesalzen, dann kann man sie äßen“ (Steinebach, Kr. Altenkirchen), „Von seinem Tage am (25.7.) werden hier die Äpfel genußfähig, sie wäre gesälzt“ (Simmern, Kr. Simmern) oder „Am Jakobstag werden die Äpfel gesalzen (bei Regenwetter) von da ab genießbar“ (Leideneck, Kr. Zell) 28 . In wenigen Orten werden statt der Äpfel auch Birnen oder schlichtweg Obst genannt, und es heißt in diesem Zusammenhang: „dann wird das Obst gesalzen“ (Rödelhausen, Kr. Zell) oder „[Jakobus] salzt das Obst, nach St. Jakobus 25.7., habe das Obst zu Wehlen schon Würze (Äpfel-Birnen)“ (Wehlen, Kr. Bernkastel), „St. Jakob salzt die ‚Jotlebmsbiere‘“ (Polch, Kr. Mayen). Anstelle des volkstümlichen Ausdrucks „salzen“ kann auch der dem kirchlichen Bereich entlehnte Begriff „segnen“ treten: „[Jakobus] soll die Äpfel segnen“ (Ober Bohlscheid, Sieg-Kr.), „damit er die Äpfel segnet“ (Oppenhausen, Kr. St. Goar) oder einfach „um Obstsegen“ (Mudersbach, Kr. Altenkirchen) bzw. „gutes Obstjahr“ (Bracht, Kr. Kempen-Krefeld). Zu diesen Belegen muß man noch den oben erwähnten Beleg aus dem Fragebogen II ergänzen: „Bedankung für viel Obst“ (Dreis, Kr. Wittlich). Nur einmal ist anstelle von Äpfeln und Obst eine andere Baumfrucht erwähnt. Für eine „gute Nußernte“ wurde der Heilige in Lützkampen (Kr. Prüm) angerufen 29 . Diese Belege stimmen mit bekannten rheinischen Bauernregeln überein, wie: „Am Jakobsdag gen (gerne? ) de Äppel (en Birre) gesalzt“ 210 Wolfgang Herborn 27 Artikel Salz, in: Rheinisches Wörterbuch, Bd. 7, bearb. von Josef M ÜLLER u.a., 1948-1958, Sp. 715-720, hier Sp. 720 unter: sälzen. 28 Weitere Belegstellen für das Äpfelsalzen: „Äpfelsalz, werden die Appelen gesalten, d.h. sie bekommen Geschmack und werden von den Kindern genascht“ (Budberg, Kr. Moers), „Geschmack der Äpfel“ (Dünnwald, Rhein.-Berg. Kr.), „Er (scil. Jakobus) läßt das Obst reifen. Er deet de Äpfel salzen“. (Schreck, Sieg Kr.), „[Jakobus] läßt Äpfel reifen, ‚Appel salzen‘“ (Jungeroth, Kr. Neuwied). 29 Weitere Belge für das Salzen der Äpfel: „Äpfel salzen“ (Happerschoß, Sieg Kr.); „Salzt die Äpfel, salzt de Äbbel“ (Schönstein, Kr. Altenkirchen); „[Jakob] soll die Äpfel salzen, 25. Juli“ (Steckelbach, Kr. Altenkirchen); „Am St. Jakobstag werden die Äpfel zum 1. Male gesalzt“ (Driesch, Kr. Cochem) „[Jakob] läßt Äpfel reifen, ‚Appel salzen‘“ (Jungeroth, Kr. Neuwied); „Jakob tut d. Apfel salzen“ (Leiningen, Kr. St. Goar); „Zum Salzen der Apfel an seinem Namenstage, 25. Juli“ (Morshausen, Kr. St. Goar); „Apfel salzen“ (Niedergondershausen, Kr. St. Goar) „salzt Äpfel“ (Frankweiler, Kr. Simmern); „er salzt die Äpfel am Jakobustag“ (Riegenroth, Kr. Simmern); „dann wird das Obst gesalzen“ (Rödelhausen, Kr. Zell); „salzt die Äpfel“ (Ellscheid, Kr. Daun); „[Jakob] soll Äpfel salzen“ (Seinsfeld, Kr. Wittlich). <?page no="225"?> oder „Am Jakobsdag kren“ (erhalten) de Äppel et Salz 30 . Teilweise wird in den Bauernregeln auch der Jakobustermin mit anderen Heiligenfesten in Verbindung gebracht. So heißt es von den Äpfeln und Birnen „Johanni (24. Juni) get et Salz, Jakobi et Schmalz“ oder „Johannes daft (tauft) se, Jakobus salzt se, Michel“ (29. September) „bricht se, Martinus (11. November) isst se“ 31 . Auch hinsichtlich der Nüsse kennt der Rheinländer die Bauernregel: „[Am Jakobsdag] fällt de Noss (Baumnuß) op enen Schlag“ 32 . In einigen Fällen wurde Jakobus auch als allgemeiner Ernteheiliger verehrt. In den Fragebögen stehen dann Antworten wie: „Für gute Ernte“ (Ütterath, Kr. Geilenkirchen), „Fürbitte für das Gedeihen der Feldfrüchte“ (Schlich, Kr. Düren) und „zur Gedeihung der Früchte“ (Irsch, Kr. Saarburg). In Irsch werden sogar - was ansonsten bei dem Erntepatronat selten belegt ist - Bittgänge unternommen. Eng mit dem Erntepatronat verbunden ist das Wetterpatronat. In Kliding (Kr. Cochem) wurde der Heilige bei Trockenheit und in Schaan (Kr. Grevenbroich-Neuss) bei Gewitter angerufen. Man kann auch das nur einmal erwähnte Patronat gegen Mäuseplagen (Bad Neuenahr, Kr. Ahrweiler) in diesen Rahmen stellen. Die eigentliche Mäusepatronin im Rheinland ist allerdings die hl. Gertrud, deren Attribut die Maus ist 33 . Alle diese Patronate und Bauernregeln finden weder in der Lebensgeschichte noch in der Legende eine Stütze, sondern sie hängen allein mit dem Termin des Jakobusfestes, dem 25. Juli, zusammen, und in der Tat kommt diesem Tag auch in anderen rheinischen Bauernregeln eine besondere Bedeutung zu. Allgemein gilt der Jakobustag als Tag der Fruchtbarkeit, wie es in dem Spruch anklingt: „Am Jakobusdag, dann heckt der Has, dann jongt de Koh, dann let dat Hohn, dann het de Hausfrau viel zo dohn.“ 34 Weitere Bauernregeln unterstreichen die Bedeutung dieses Termins, wie die folgenden Belege, die alle dem Rheinischen Wörterbuch entnommen Die volkstümliche Jakobusverehrung in den Rheinlanden 211 30 Vgl. Artikel Jakob, in: Rheinisches Wörterbuch, Bd. 3, bearb. von Josef M ÜLLER , 1935, Sp. 1131-1135, hier Sp. 1133. Weitere Belegstellen: „Am Jakobsdag kennt Salz en de Äppel, Am Jakobsdag kennt Fett on Salz en de Äppel oder Met sint Köp sind de Jakobsappele rip (af)“. 31 Ebenda. 32 Ebenda. 33 Matthias Z ENDER , Räume und Schichten mittelalterlicher Heiligenverehrung in ihrer Bedeutung für die Volkskunde. Die Heiligen des mittleren Maaslandes und der Rheinlande in Kultgeschichte und Kultverbreitung, 1959, 2. Aufl. 1973, S. 112-116 und Abb. Nr. 5-9. 34 Artikel: Jakob (wie Anm. 30), Sp. 1132. <?page no="226"?> sind, beweisen 35 . Jakobus wird in solchen Regeln bisweilen mit anderen Heiligen genannt, deren Patronatstag in der Nähe des Jakobustermins liegen, wie Anna (26. Juli) und Christina (24. Juli). Diese drei Termine sind bäuerliche Lostage und werden vom Volk als Einheit gesehen, wovon der am Niederrhein belegte Spruch zeugt: „Sent Stinn (24. Juli), sent Köb sent Ann (26. Juli), die suppe (saufen) alle drij üt en Kann (Schravelen, Kr. Geldern)“. In den Tagen um den Jakobustag begann die Ernte oder mußten schon bestimmte Erntearbeiten abgeschlossen sein. So heißt es am Niederrhein im Raum von Dinslaken: „Et wittert wie et wittert, Jakobi wird geschnittert“ 36 . In Heinsberg weist die Redensart: „Zint Jakob on sint Ann es et Koarn en de Wösch (Scheunenabteil) of en de Bann (Kornkotten auf dem Feld)“ darauf hin, daß um Jakobi der Roggen eingefahren oder als Barn auf den Feld stehen soll 37 . In der rauheren Eifelgegend begann um den Jakobustag die Frucht zu reifen („Op Jakobson zent Annedag rif de Fruich Nach on Dag“, Holzmülheim, Kr. Schleiden). Vom Reifen des Weizens wird für die Umgebung des niederrheinischen Kempen gesagt: „Der Jockepswengk (-wind) schleht der Wet ut“. In diesen Zusammenhang gehören auch Redensarten, welche die neue Ernte mit dem Brot in Verbindung bringen, wie: „Jokobsdag brengt nei (neu) Brut (Brot)“ (Niederweis, Kr. Bitburg) oder „Jakob helt (holt) weg alle Nut, brengt nei (neu) Grumbern (Kartoffeln) on fresch Brut“ (Strotzbüsch, Kr. Daun) 38 . Beim zuletzt genannten Beleg werden die Kartoffeln erwähnt, deren Blüte, wenn sie vor dem Jakobstag einsetzt, eine gute Ernte verspricht: „Fällt vor Jakob de Blit (Blühte) vom Kraut (Kartoffelkraut), werd kän gure Grumbier (schlechte Kartoffel) gebaut“ (Nahegegend). In Örfgen im Westerwaldkreis Altenkirchen darf man am Jakobstag den Karst zum Kartoffelgraben offen auf der Schulter tragen, vorher mußte man ihn unter der Schürze verbergen. In ähnlicher Weise bestimmt der Jakobstermin die Rübenaussaat. In Saarhölzbach (Kr. Merzig) kennt man dazu den Spruch: „Sät mer de Reiwen (Rüben) vor Jakobsdag, dann geft et Reifcher; sät mer se no Jakob geft et Reiwen“. Die um den 25. Juli angebauten Rüben gedeihen besonders gut: „Zent Jakob on zent Ann geve Röbbe (Rüben) wie en 212 Wolfgang Herborn 35 Ebenda, Sp. 1132f. 36 In ähnlicher Form heißt es im Siegerland: „’S mag werrern (wittern), wie es werrert, Jakowi brengt Schnerrer (Schnitter)“. Ebenda, Sp. 1133. 37 Alle folgenden Belegstellen: Ebenda, Sp. 1133. 38 Der Vollständigkeit halber sei noch ein Beleg zum Brot aus dem Fragebogen IV nachgetragen: „Am Jakobstag soll der Bauer das erste maien? Brot essen“ (Wiesbach, Kr. Ottweiler). Als Verehrungsstätte ist der Ketzhof angegeben. <?page no="227"?> Kann“ (Übach, Kr. Geilenkirchen), womit augenscheinlich gemeint ist, daß „kannendicke“ Rüben zu erwarten sind. Die Erwähnung von Rüben und Kartoffeln, die vereinzelt schon im 18. Jahrhundert zu finden sind, dann aber im Verlaufe des 19. Jahrhunderts allgemein werden, zeigt, daß auch relativ junge Kulturpflanzen rasch zu dem Jakobustermin in Beziehung gesetzt wurden. Doch es gibt auch noch weitere Kulturpflanzen, für die der Jakobustermin wichtig war. Vom Setzen der Kohlpflanzen heißt es: „Fir (vor) Jakobsdag de Preis, derno der Schweiss“ (Dudeldorf, Kr. Bitburg), was wohl darauf hindeutet, daß die vor dem Termin gepflanzten Rüben besser gedeihen. Für die Flachsernte galt: „Am Jakobsdag der Flass geroppt (Flachs gerupft), de Kerner (reiner gehechelter Flachs) got sich ausgeplockt“ (Niederfischbach, Kr. Altenkirchen). Auch für die Weintraubenblüte galt der Jakobstag als Lostag. In Leutersdorf (Kr. Neuwied) konnte man den Spruch: „Jakob on Anne soll de Trauwe (Trauben) hange wie Schobbekanne“ (Schoppenkanne). Blühte der Wein erst an Jakobi statt am Margarethentag (13. Juli), war kein gutes Weinjahr zu erwarten: „Jakobs Blot (Blüte) däht selde got. Margrite Blot (Blut) däht (tut) immer got“. Der Jakobstermin galt ferner auch als wichtiger Stichtag für das Wetter. So weist ein bewölkter Himmel am Jakobstag auf einen schneereichen Winter hin („Jockemsdag bleht der Schni“). Nebel galt in Weingegenden als schlechtes Omen für die kommende Lese: „De Johannun de Jakobsnewel (...nebel), die krien kä Geld gelehnt“ (bekommen kein Geld geliehen) (Drohn, Bernkastel). Über Regen bzw. Trockenheit an Jakobi sind die Aussagen der Bauernregeln recht ambivalent, da Regen mal als günstig mal als ungünstig für die zu erwartende Ernteerträge galt, was wohl mit den unterschiedlichen Erfahrungen der Bauern in den verschiedenen Landstrichen zusammenhing. So kennt man im südlichen Rheinland die Bauernregel: „Os et Fillep (1. Mai) on Jockem (Jakobus) nass, dat mächt (macht) em Bauer grusse (grossen) Spass“ (Pachten, Saarland), aber auch die Aussage des Fragebogen IV: Es „darf nicht regnen, sonst wird das Mehl schlecht“ (Schönfeld, Kr. Prüm, Fragebogen IV), im nördlichen Rheinland heißt es: „Es et öm Jakobi drög (trocken), dann hät der Bur (Bauer) sin Dög (Taug, Gewinn)“ (Rheinberg, Kr. Moers). Unklar ist die Interpretation für die aus der Westeifel überlieferte Bauernregel: „Rent (regnet) et op Jokobsdag (sic), da rent et (regnet es) en de Mol (Backmulde)“. Das kann auf eine reiche Ernte hinweisen, welche die Backmulde füllen würde, es kann aber auch dahingehend interpretiert werden, daß es nichts zu backen gab. Fassen wir zusammen: Die zitierten Beispiele zeigen ganz deutlich, daß dem Jakobustag im bäuerlichen Leben eine Schlüsselstellung als Die volkstümliche Jakobusverehrung in den Rheinlanden 213 <?page no="228"?> Lostag zukam, an dem bestimmte bäuerliche Arbeiten verrichtet sein bzw. beginnen mußten oder an dem ein bestimmter Reifegrad der Frucht oder des Obstes anzeigte, ob eine gute Ernte erwartet werden konnte. Vom diesem Termin leitet sich auch sein Obst-, Ernte- und Wetterpatronat her. Gewiß scheint mir zu sein, daß Jakobus zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr überall als echter Ernte-, Obst- und Wetterheiliger angerufen wurde, sondern daß man vielfach an seinem Festtag nur die alten Bauernregeln festmachte. Das wird zum Teil schon an den Formulierungen der Bauerregeln deutlich, wenn nicht von Jakobus, sondern vom Jakobustag die Rede ist. Es gibt aber auch noch Formulierungen, in denen der Heilige selbst angesprochen wird, z.B. wenn in den Fragebögen die Wendung steht: „St. Jakobus salzt die Äpfel“. Darin drückt sich m.E. schon aus, daß der fromme einfache Bauer an das Wirken des Heiligen in der Natur glaubte und daß er aus diesem Glauben heraus ihn auch als Helfer und Schutzpatron verehrte. Wenn aber, wie aus dem Gesagten deutlich wird, der Jakobustag der Grund für das Entstehen des Bauerpatronats gewesen ist, dann sollte man auch darauf verzichten, in den Bibelberichten oder den Legendentraditionen irgendeine Begründung für diese Patronate zu suchen. Die Stellen aus dem Markusevangelium, in der die beiden Zebedäussöhne Jakobus und Johannes als „Boanerges“, d.h. Donnersöhne, bezeichnet werden 39 , und der Bericht des Lukas (9, 51-56), nach dem Jakobus und sein Bruder ein ungastliches samaritisches Dorf gleich mit Feuer, das vom Himmel fällt, vernichten wollten, eine Äußerung für die sie Christus zurechtweist, kämen höchstens als Grundlage für ein Patronat bei Unwettern in Frage, doch diese Patronate sind im Rheinland vor allem durch Donatus besetzt. In dem Fragebogen III, in dem nach Heiligen gefragt wird, die man bei Blitz und Unwetter anruft, wird für Jakobus nur der oben zitierte Beleg aus Schaan (Kr. Grevenbroich-Neuss) genannt. 5. Das Kinder- und Heiratspatronat Im Vergleich zu den bislang behandelten Patronaten, die sich entweder im gesamten Rheinland oder aber in einer kleineren Region nachweisen lassen, gibt es auch Jakobuspatronate, die nur einen lokalen Einzugsbe- 214 Wolfgang Herborn 39 Mk 3, 13-19. Markus schildert hier die Erstberufung der Apostel. Nur bei ihm, aber nicht in den anderen drei Evangelien, die alle über die Erstberufung berichten, fällt der Begriff „Boanerges“. Vgl.: Mt 10, 1-4; Lk 6, 12-16; Joh 1, 40-44. <?page no="229"?> reich aufweisen. Dazu zählt das Sonderpatronat für Kinder. Es beschränkt sich auf einen kleinen Raum im Rhein.-Berg. Kreis. Ausgangspunkt der Jakobusverehrung ist hier die Kapelle St. Jakobus in Spitze (Bensberg-Dürscheid) gewesen. Die Kapelle wird erstmals 1663 erwähnt, als sich die Dürscheider Gemeinde 50 Taler „zum Besten der Kapelle in Spitz“ lieh 40 . Sie scheint zur damaligen Zeit schon bestanden zu haben, ihr Baudatum liegt wohl nach 1579, da sie in den bergischen Visitationsprotokollen von 1550, 1566 und 1579 nicht vorkommt 41 . Spitze war ein beliebter lokaler, aber schon in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts absterbender Wallfahrtsort. Der Beantworter des Fragebogens Mülheim am Rhein, dessen Antworten sich auf den Rhein.-Berg. Kreis beziehen, betont ausdrücklich: „in die Kapelle zu Spitze wurde früher viel gewallfahrtet“. Ausführlichere Auskünfte über diese Wallfahrten vermitteln die beiden Fragebögen für Biesfeld und Engeldorf (beide Rhein.-Berg. Kr.), die von einer Wallfahrt und einer Messe mit Festpredigt und Kindersegnung, der sogenannten „Kengermeß“ (Kindermesse) und einer anschließenden „Kengerkermes“ (Kinderkirmes) mit Kirmesbuden sprechen 42 . Der Fragebogen Frielingsdorf (Rhein.-Berg. Kr.) nennt lediglich die Gnadenstätte Spitze, ohne auf das Kinderpatronat Bezug zu nehmen, und für Offermannsheide (Rhein.-Berg. Kr.) ist vermerkt, daß Jakobus und Laurentius als Heilige bei „Kinderkrankheiten“ angerufen werden, und an ihren Festtagen die „Segnung der Kinder“ erfolgte. Noch seltener wird das Heiratspatronat erwähnt. Nur an drei Orten am nördlichen Niederrhein in den Kreisen Geldern und Kempen-Krefeld beten die Mädchen - wie es z.B. im Fragebogen von Alde- Die volkstümliche Jakobusverehrung in den Rheinlanden 215 40 Übersicht über den Inhalt der kleineren Archive der Rheinprovinz, Bd. 1, bearb. von Armin T ILLE (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 19), 1899, S. 244. Ferner: Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz V, 2: Die Kunstdenkmäler des Kreises Mülheim am Rhein, bearb. von Edmund R ENARD und Paul C LEMEN , 1901, S. 84. 41 Otto R. R EDLICH , Jülich-bergische Kirchengeschichte am Ausgange des Mittelalters und in der Reformationszeit, Bd. 2: Visitationsprotokolle und Berichte, Teil 2: Berg (1550-1591), (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 28), 1915, S. 274ff. 42 Für Bliesfeld lautet der Eintrag: „Kinderpatron. Die Kapelle bei Spitze ist dem Jakobus geweiht. Dort werden in der Jakobsoktav die Messen gelesen, die Gläubigen stehen im Freien. Der Anfang der Oktav am Sonntag ist besonders feierlich. Früher brachten an diesem Tage die Eltern von weit und breit ihre Kinder mit, um den Kindersegen zu holen, deshalb wurde die Messe, die Kengermeß genannt. Auch einige Kirmesbuden waren aufgeschlagen, daher Kengerkirmes genannt“. Für Engeldorf lautet der Eintrag: „Bei Kinderkrankheiten. Sankt Jakobus wird in Spitze bei Dürscheid verehrt. Es geht eine Prozession von der Pfarrkirche Dürscheid zur Jakobuskapelle Spitze. Es findet eine Festpredigt und Segnung der Kinder statt“. <?page no="230"?> kerk (Kr. Geldern) heißt - „für gute Heirat, ‚für en gut fortun‘“ 43 . Es ist bislang noch unbekannt, wie sich diese lokalen Spezialpatronate ausgebildet haben und worauf sie beruhen. Es könnte sich auch hier um Sonderpatronate handeln, die sich aus einem allgemeinen Patronat abgeleitet haben. 6. Berufsgebundene Patronate In fünf Orten, die sich über das gesamte Rheinland verteilen, wird Jakobus als Berufspatron genannt. Als Patron der Hutmacher, ein Patronat das sich aus der Kleidung des Heiligen auf den Bildwerken herleitet, kannte man ihm im saarländischen Niederlinxweiler (Kr. St. Wendel), im niederrheinischen Langerwehe (Kr. Düren) und in Wickrath (Kr. Grevenbroich-Neuss), wo er zudem noch von den Walkern (Textilgewerbe) und Krämern verehrt wurde. Auch diese beiden Berufssparten haben mit der Textilherstellung bzw. ihrem Vertrieb zu tun und dürften aus gleicher Wurzel entstanden sein wie das Hutmacherpatronat. In Saarburg wählten sich die Schreiner und Tischler und in Trier die Küfer Jakobus zu ihrem Schutzheiligen. Die Gründe für diese Wahl sind unbekannt. Gewiß würden noch weitere Berufspatronate gefunden werden, wenn man z.B. in die Zeit der Zünfte zurückging. So gab es allein im mittelalterlichen Köln drei St. Jakobsbruderschaften. 44 Die erste und älteste war die 1317 erstmals erwähnte St. Jakobsbruderschaft der Waidhändler, die neben ihren religiösen Interessen auch handfeste wirtschaftliche Ziele verfolgte, indem sie den Handel mit der Blaufärberpflanze Waid auf dem Waidmarkt organsierte. Die Wahl des Patrons resultierte daher, daß der Kölner Waidmarkt im Sprengel der Pfarrkirche St. Jakob lag, wo die Mitglieder ihre Andachten und Messen abhalten konnte. Diese Bruderschaft ging aber schon vor Ende des 14. Jahrhunderts unter, weil sie ihre gewerblichen Funktionen auf dem Waidmarkt, insbesondere ihr gewerbliches Gericht, an den Rat verlor. Damit hatte sie das wesentlichste Element ihres Zu- 216 Wolfgang Herborn 43 Weitere Belege: „guter Mann“ (Winternam, Kr. Geldern); „Von Mädchen, um einen guten Mann zu bekommen“ (Krefeld, Kr. Kempen-Krefeld). 44 Heinrich VON L OESCH (Bearb.), Die Kölner Zunfturkunden nebst anderen Kölner Gewerbeurkunden bis zum Jahre 1500 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 22), 2 Bde., 1907, hier Bd. I, S. 194-200, bes. S. 196f. Klaus M I - LITZER , Jakobusbruderschaften in Köln, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 55 (1991) 84-134. Quellen zur Geschichte der Kölner Laienbruderschaften vom 12. Jahrhundert bis 1562/ 63, bearb. von Klaus M ILITZER , 2 Bde., 1997, hier I, S. 478-492 (Dom- Jakobsbruderschaft), II, S. 810-834 (St. Kunibert-Jakobsbruderschaft). <?page no="231"?> sammenschlusses verloren. Die zweite Bruderschaft war die Bruderschaft St. Jakob in der Kirche St. Kunibert, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gegründet wurde. Sie war eine aus Mitgliedern der Mittelschicht zusammengesetzte Vereinigung, deren Hauptzweck die Armenpflege im Kirchspiel St. Kunibert war. Sie ist noch bis kurz nach 1800 in Köln nachweisbar. Die dritte Bruderschaft war die St. Jakobsbruderschaft am Dom, die 1406 von Jakobspilgern gegründet wurde. Sie besaß exklusiven Charakter, ihre Mitglieder waren Kaufleute, auch auswärtige, sowie reiche Handwerker. Die ursprüngliche Eintrittsvoraussetzung war wohl eine Wallfahrt zum Grab des Apostels nach Santiago, ein Ziel, das aber höchstens die Gründergeneration erfüllte. Über die Hälfte der Bruderschaftsmitglieder pflegte Kontakte zu den Brabanter und flandrischen Messen, wo sie auf fremde Kaufleute aus England oder Spanien trafen. Die gegen Ende des Mittelalters nachlassende Begeisterung für Fernwallfahrten, das schwindende Interesse von Ratsfamilien an der Bruderschaft und der durch die Reformation beschleunigte Mitgliederschwund führten dann 1535 zum Untergang dieser exklusiven Bruderschaft, welcher der Rückhalt beim einfachen Volke fehlte. Dieser kleine Exkurs zeigt, wie verschieden die Ziele und Gründungsformen der Jakobsbruderschaft gewesen sind. Hier war es eine im Bezirk gelegene Jakobskirche, die den Namen für eine mehr gewerbliche Bruderschaft hergab, dort das gemeinsame Ziel der Jakobswallfahrt und an dritter Stelle eine sich an einem St. Jakobsaltar als religiösem Zentrum bildende Gemeinschaft, die sich bald der Armenpflege verschrieb. Fiel das Hauptmotiv für die Gründung oder wurde ein angestrebtes Ziel nicht mehr von den Mitgliedern anerkannt, war der Untergang einer solchen Bruderschaft vorprogrammiert. 7. Die seit dem Mittelalter fortlebenden Patronate Schon im hohen Mittelalter hatte Jakobus in seinem spanischen Verehrungsgebiet das Patronat als mächtiger Helfer im Kampf der spanischen Ritter gegen die Mauren (Stichworte: „Militia s. Jakobi“, „Maurentöter“) inne. Dazu war er mit Intensivierung der Compostelafahrt zur Massenbewegung im 13. Jahrhundert auch zum Schutzpatron der Pilger und Pilgerwege geworden 45 . Von beiden Patronaten finden sich nur Die volkstümliche Jakobusverehrung in den Rheinlanden 217 45 Robert P LÖTZ , Strukturwandel der peregrinatio im Hochmittelalter. Begriffe und Komponenten, in: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 26/ 27 (1981/ 82) 129-151, hier S. 145-149. Klaus H ERBERS , Jakobsweg (wie Anm. 24), S. 58ff. <?page no="232"?> noch äußerst schwache Spuren im Rheinland. Aus der Stadt Saarbrücken stammt ein Beleg, laut dem Jakobus „in der Schlacht für den Sieg“ angerufen wurde. In Bracht (Kr. Kempen-Krefeld) versicherte man sich sich seiner Hilfe „gegen Feinde“ und in Schweinheim (Kr. Euskirchen) „bei Zank und Streit“, wobei hier noch hinzugefügt wurde, daß vor allem die jüngeren Leute dieses Patronat dem Jakobus zuschrieben, während die älteren allgemein Jakobus als „in vielen Nöten“ anriefen. Als Reise- und Pilgerpatron taucht Jakobus nur noch in Würselen (Kr. Aachen Land), Garzweiler (Kr. Grevenbroich-Neuss) und in Bracht (Kr. Kempen-Krefeld) auf. Doch in diesen Rahmen gehört m.E. auch ein Beleg, nach dem er als „Schutzpatron Gefährdeter zu Wasser und Land“ (Gräfendhron, Kr. Bernkastel) angefleht wurde. Mit diesem Reisepatronat hängt - zumindest inhaltlich - das nur in Prüm (Kr. Prüm) bekannte Kaufleutepatronat zusammen, von dem allerdings schon der Bearbeiter des Fragebogens angibt, daß dies nur „früher“ der Fall war. Wenn Jakobus bei Gefahren zu Wasser und zu Land angerufen wird, so ist es von hier aus nur ein kleiner Schritt zum Patronat gegen Ertrinken, wie es einmal für Kessenich (Kr. Bonn) angegeben wird. In Analogie zu diesem Patronat kann sich dasjenige gegen Trunksucht entwickelt haben, das für Bachem (Kr. Ahrweiler) und Kirchesch (Kr. Mayen) nachzuweisen ist. 8. Seltene Patronate Zum Schluß wollen wir noch die beiden Patronate „in Glaubenszweifeln“ (Wolzburg, Kr. Bernkastel) und „für einen guten Tod“ (Remagen, Kr. Koblenz) anführen, die, wie viele der zuletzt genannten Patronate, vereinzelt dastehen und die auch aus dem spätmittelalterlichen Patronat für allgemeine Anliegen abgeleitet werden können. Der Beleg für die Stadt Neuss (Kr. Neuss) „Jakobusschießen der Scheibenschützen“ bezieht sich nicht auf ein Patronat, sondern auf den Termin für das Scheibenschießen der Neusser Schützen 46 . Jakobus tritt im übrigen im Rheinland selten als namengebender Schutzpatron für Schützenvereine auf. Von den rheinischen Schützenvereinen führen nur vier Orte Alsdorf-Warden, Kalkar, Vettweiß-Jakobwüllesheim und Wegberg-Lüttelforst Jakobus als Schutzpatron im 218 Wolfgang Herborn 46 Der Beleg von Soest (Kr. Saarburg) „Kirmesheiliger im Nachbardorf“ beruht wohl auf einem Mißverständnis des Beantworters. <?page no="233"?> Schild, d.s. noch nicht einmal 0,4 % 47 . Bis auf Kalkar war in allen drei Orten Jakobus Pfarrpatron, und das dürfte wohl das entscheidende Motiv für die Wahl des Heiligen zum Schutzpatron der Schützenbruderschaft gewesen sein 48 . 9. Zusammenfassung Verglichen mit anderen deutschen Landschaften verfügt das Rheinland mit den Fragebögen über flächendeckende Auskünfte, auf deren Fülle ein rheinisches Sagwort über Jakobus zutrifft: „He setzt dren wie Jakob in de Muschele“ 49 . Dennoch fließen die Zeugnisse für die Jakobusverehrung nicht in dem Maße wie bei anderen Volksheiligen. Um 1930 läßt sich nur noch in rudimentären Zügen die ursprüngliche spätmittelalterliche Ausdehnung der Kultlandschaft dieses Heiligen feststellen. Ausgangspunkt dieser Entwicklung war wohl ein allgemeines Patronat für menschliche Gebrechen und Nöte, das sich über das hochmittelalterliche Reise- und Ritterpatronat geschoben hatte. In der frühen Neuzeit begann sich dann das allgemeine Patronat in zahlreiche Einzelpatronate aufzulösen, die um 1930 oft nur noch spärlich und punktuell über das gesamte Rheinland zerstreut zu erfassen sind und lediglich lokale Bedeutung haben. Wenn Matthias Zender in einem seiner frühen Aufsätze Jakobus zu den Heiligen zählt, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts „nicht mehr volkstümlich sind“ 50 , so stimmt diese Aussage um 1930 zwar für die meisten, aber nicht für alle Regionen des Rheinlands. In Biewer z.B., wo aus dem alten Seuchenpatronat ein Viehpatronat, vor allem für Schweine, erwachsen ist, kann man durchaus noch eine intensive volkstümliche Verehrung nachweisen. Auch die über den gesamten Untersuchungsraum zu findenden Hinweise auf sein Obst- und Erntepatronat zeugen noch von der großen Bedeutung, die der Jakobustag als Lostag im Bauernjahr einmal einnahm. Heute ist allerdings die bäuerliche Verehrung des Heiligen, wie sie uns für die Zeit um 1930 zumindestens in den Berichten der Gewährsleute entgegentritt, fast völlig untergegangen. Die Gründe für den Un- Die volkstümliche Jakobusverehrung in den Rheinlanden 219 47 Walter M. P LETT , Die Schützenvereine im Rheinland und Westfalen (Beiträge zur Heimatpflege im Rheinland 3), 1995, S. 516, 693, 715, 739, 741. Im westfälischen Raum liegt der Anteil der Jakobsschützenbruderschaften bei 13 (0,78%). 48 Realschematismus der Diözese Aachen, hg. vom Bischöflichen Generalvikariat, 1933, S. 74f., 107, 365. 49 Artikel Jakob (wie Anm. 30), Sp. 1132. 50 Z ENDER , Schutzheilige (wie Anm. 4), S. 276. <?page no="234"?> tergang liegen auf der Hand. Nicht nur die Glaubenshaltung der Menschen und das religiöse Umfeld haben sich verändert, es gibt auch nicht mehr den alten Bauernstand, der 1930 noch das Rückgrat der Heiligenverehrung bildete. Der Verlust von Kühen oder Schweinen bei Seuchen und eine Vernichtung der Ernte bei Unwetter bedeuten heute nicht mehr wie damals oder in früheren Jahrhunderten Existenzbedrohung und Hunger. Versicherungen und staatliche Hilfen federn solche Unglücksfälle ab. Als Bauernheiliger haben - wenn man es einmal ein wenig respektlos formulieren darf - nicht nur Jakobus, sondern auch andere Heilige ihre Klientel eingebüßt und ihr Ressort verloren. Zum Schluß sei noch ein Wort zu den Fragebögen gesagt. Sie sollten vornehmlich volkskundliche Fakten aus der bäuerlichen Welt um 1930 erheben, und in der Tat ist das bürgerliche Leben der rheinischen Großstädte wie auch das bürgerliche Leben überhaupt weitgehend ausgeklammert worden. Ob das für die Beurteilung der Jakobusverehrung Auswirkungen hat und ob es eine spezifisch großstädtische Verehrung des Heiligen gegeben hat, kann man beim augenblicklichen Stand der Forschung nicht abschließend sagen, doch es deuten keine Anzeichen darauf hin. Das ist auch nicht verwunderlich, waren es doch vor allem die Bauern, welche die rheinische Jakobusverehrung in der Vergangenheit trugen. 220 Wolfgang Herborn <?page no="235"?> Vom Ursprung der Echternacher Springprozession J EAN S CHROEDER Auch am Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts bleibt sie unzertrennlich mit dem Namen Echternach verbunden: die jährlich am Pfingstdienstag stattfindende Springprozession. Unter den zahlreichen Aspekten der Echternacher Geschichte ist sie ohne Zweifel der bekannteste, derjenige aber auch, der die meisten Fragen aufwirft 1 . Gegen 9 Uhr morgens versammeln sich die Pilger, von denen nicht wenige bereits zwei Tage unterwegs sind, im großen Prälatenhof der ehemaligen Abtei, hören eine Ansprache des Bischofs von Luxemburg und nehmen anschließend Aufstellung im unteren Klosterhof. In Reihen zu fünf, sich an weißen Taschentüchern haltend, bilden sie Gruppen von rund zweihundert Teilnehmern, in deren Mitte jeweils eine Musikkapelle mitzieht. Und während diese einen feierlichen Marsch anstimmt, als dessen Leitthema unschwer ein altes Volkslied zu erkennen ist, beginnen die Pilger von einem Fuß auf den andern zu springen und sich langsam fortzubewegen. Rund anderthalb Stunden zieht man so, abwechselnd springend und gehend, durch die Gassen der Stadt: „Schulter an Schulter springen und schwingen sie, kämpfen sich schweißtriefend, mit wuchtender Bewegung vor, nehmen es schweigend, verbissen immer wieder auf mit dem Widerstand der eigenen Körperlast. Wellenförmig, in großartig ernster Uniformität drängen Menschenleiber heran ...“ (G. Kiesel im „Luxemburger Wort“, Pfingstsamstag 1961). Der Weg führt über den historischen Marktplatz, bis hin zur Basilika, der ehemaligen Klosterkirche. Springend geht es hinein, durch das rechte Seitenschiff, und, während die Kapelle bläst, daß die Gewölbe erzittern, hüpfen die Pilger die steile Treppe hinunter zur Krypta und zie- 1 Der vorliegende Beitrag ist die überarbeitete und mit einer Schlußfolgerung versehene Fassung meines Aufsatzes „Vom Ursprung der Springprozession“, in: Michele Camillo F ERRARI / Jean S CHROEDER / Henri T RAUFFLER (Hgg.), Die Abtei Echternach 698-1998 (Publications du Cludem 15, 1999) S. 335-352. <?page no="236"?> hen am Grabe Willibrords vorbei, um anschließend die Kirche wieder zu verlassen. Der fremde Zuschauer fragt unweigerlich nach dem Sinn und der Herkunft dieser seltsamen Veranstaltung. Denn trotz den zunehmend strengeren Anweisungen eines Ordnungsdienstes, der sich darum bemüht, die Springprozession in eine salonfähige, mediengerechte Aufführung zu verwandeln, hat man doch irgendwie den Eindruck, ein religiös-volkstümliches Schauspiel zu erleben, dessen Ursprünge weit in die Vergangenheit, ja vielleicht in graue Vorzeiten zurückreichen. Wir wollen im Folgenden nachweisen, daß die Springprozession nicht nur so alt ist wie die Wallfahrt zum heiligen Willibrord, sondern noch ein gutes Stück älter, daß ihr Ursprung auf religiösen Traditionen beruht, die aus vorchristlichen Zeiten stammen und die soweit zurückverfolgt werden können, wie die schriftliche Überlieferung überhaupt reicht. Forschungsgeschichte und Forschungsstand Die Geschichte der Erforschung der Springprozession begann kurz nach dem endgültigen Abzug der letzten Benediktiner aus Echternach und der Versteigerung der Abteigebäude (1797). Michel Franz Joseph Müller, ein bekannter Trierer Jurist und Historiker, beschäftigte sich als erster mit dem Thema 2 . Infolge von Auseinandersetzungen mit den konservativen Autoritäten der Trierer Universität, hatte Müller 1789 seine Heimatstadt verlassen und war nach Echternach gezogen, wo er Friedensrichter wurde, bevor er später wieder in Trier als Mitglied des Apellationsgerichtes, dann als Landgerichtsrat wirkte. Im Jahre 1803 veröffentlichte Müller, der sich intensiv auch mit historischen Studien befaßte, eine kleine lateinische Abhandlung über den Ursprung der Prozession „der springenden Heiligen“ 3 . Die Schrift, die sich an einen kleinen Kreis von Gelehrten richtete, stand ganz im Zeichen der Aufklärung. Anhand eines längeren Zitats aus dem Artikel „danse sacrée“ der 222 Jean Schroeder 2 Über Müller vgl. Jules M ERSCH , La vie et l’œuvre du prolifique Michel-François-Joseph Muller, magistrat et historien (1762-1848), in: Biographie nationale du Pays de Luxembourg, H. 10 (1960) S. 507-538. 3 Michel Franz Joseph M ÜLLER , Dissertatio de origine peregrinationis saltatoriae vulgo „Der Springenden Heiligen“ quondam in urbe Epternacensi prope Suram annuatim feria tertia Pentecostes usitatae, per archiepiscopum Trevirensem anno 1777 abrogatae, annis X et XI (1802 et 1803) denuo repetitae, o.J. Dem Vorwort der späteren deutschen Fassung zufolge erschien das Werk 1803. <?page no="237"?> Encyclopédie von Diderot weist Müller darauf hin, daß Kulttänze schon seit dem frühen Mittelalter in verschiedenen Gegenden Europas (Portugal, Spanien, Roussillon) bekannt gewesen seien 4 und stellt anschließend die Frage, ob der Ursprung des Echternacher Tanzes auf älteste Zeremonien jener Art zurückzuführen sei. Er betrachtet diese Auffassung als nicht gänzlich unbegründet, obwohl er es anschließend für wahrscheinlicher hält, die Springprozession sei erst im 14. Jahrhundert, im Anschluß an die Pest und die sogenannten „Tanzepidemien“, entstanden. Etwas weiter räumt er allerdings ein, aus dem 13. Jahrhundert seien Beispiele überliefert (etwa die Nachricht einer Augsburger Chronik zum Jahre 1223), die den sicheren Schluß erlaubten, auch schon vor dem 14. Jahrhundert habe das Volk Kulttänze (choreas sacras et saltationes pias) aufgeführt. Im Jahre 1815 gab Müller seine Dissertation auch auf Deutsch heraus 5 . Im Vorwort dazu wehrte er sich gegen eine falsche Interpretation seines ursprünglichen lateinischen Textes, der inzwischen auszugsweise von Eloi Johanneau übersetzt und und in den Pariser „Mémoires de l’Académie celtique“ publiziert worden war 6 : er habe nicht geschrieben, die Echternacher Prozession sei älter als das 14. Jahrhundert, im Gegenteil, er habe es für wahrscheinlich gehalten, „daß der Ursprung dieser Prozession in der anderen Hälfte des 14ten Jahrhunderts aufzusuchen sey, und nicht früher 7 “. Es ist nicht bekannt, weshalb sich Müller zu dieser Einschränkung, die wenig später als Widerruf gewertet wurde, genötigt sah. War es 1815, angesichts der gewandelten politischen und kirchlichen Verhältnisse, nicht mehr opportun, sich allzu wissenschaftlich-fortschrittlich zu geben? Oder sollten in einer Publikation, die nunmehr einem größeren Leserkreis zugänglich wurde, keine Thesen vertreten werden, die für das Vom Ursprung der Echternacher Springprozession 223 4 Mit Zitat aus: Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, par une société de gens de lettres, à Paris 1754, Bd. IV., S. 624. 5 Michel Franz Joseph M ÜLLER , Abhandlung über die jährlich am Pfingstdinstage in dem Städtchen Echternach Herzogthum Luxemburg gewöhnliche Prozession der sogenannten Springenden Heiligen, o.J. [1815]. 6 Eloi J OHANNEAU , Dissertation sur l’origine d’un pélerinage qui se fait en dansant, appelé, en allemand, der springenden heiligen (la danse sainte), en usage dans la ville d’Epternach, département des Forêts; extraite et traduite du latin de Michel-François Muller, juge de paix du canton d’Epternach ..., in: Mémoires de l’Académie celtique 3 (1809) S. 454-466. 7 M ÜLLER (wie Anm. 5), S. 4. Einige Seiten weiter heißt es erneut: „Wenn wir die Geschichte des 14ten Jahrhunderts durchlesen, so wird es mir sehr wahrscheinlich, daß in diesem Zeitalter, und nicht früher, der Ursprung dieser springenden Prozession aufzusuchen seye.“ <?page no="238"?> gläubige Volk zu gewagt schienen? Immerhin erntete Müller, wie es sich zeigen wird, mit seiner Kurskorrektur den Applaus der Kirche. 1848 veröffentlichte der strenge, aufklärungsfeindlich gesinnte Franziskaner Anton Josef Binterim aus Düsseldorf eine neue umfangreiche Studie über die Springprozession 8 . Er habe sich, so Binterim im Vorwort, zu dieser Untersuchung entschlossen, um der „Religion und der Wahrheit“ zu ihrem Recht zu verhelfen, denn in vielen Büchern werde diese Prozession falsch dargestellt. Seine Ausführungen zum Ursprung des Echternacher Tanzes richten sich gegen diejenigen, die der Springprozession ein hohes Alter (summa antiquitas) nachsagen wollen. Binterim verteidigt mit Nachdruck die Ansicht, die Springprozession sei im Anschluß an die Tanzkrankheiten des 14. Jahrhundert entstanden. Entsprechend streng geht er mit Müllers lateinischer Dissertation ins Gebet und lobt hingegen dessen Rückzieher (recusa) aus dem Jahre 1815. Binterims Abhandlung war durch ein Gespräch, das er 1846 mit dem apostolischen Vikar Johannes Theodor Laurent in Luxemburg geführt hatte, angeregt worden, und man wird annehmen können, daß seine Publikation den Segen der Luxemburger Kirche besaß. Die dreißig Seiten starke Studie sollte zum Vorbild für zahlreiche weitere Beschäftigungen mit dem Thema werden, in denen stets wieder folgende Thesen verteidigt wurden: 1. Die Springprozession ist ein Bußritual (Binterim: saltatoria supplicatio), das im ausgehenden 14. Jahrhundert eingeführt wurde als Heilmittel gegen die damals in den Rheinlanden grassierende Tanzkrankheit, auch Veitstanz genannt. 2. Mit älteren, oft von der Kirche bekämpften Kulttänzen hat die Springprozession nichts gemeinsam; im Gegenteil, sie stellt ein einzigartiges Phänomen dar (Binterim: singularis prae ceteris est Epternacensis saltatoria supplicatio) 9 . 224 Jean Schroeder 8 De saltatoria quae Epternaci quotannis celebratur supplicatione cum praeviis in choreas sacras animadversionibus (1848). 9 Von späteren Abhandlungen im Sinne Binterims seien genannt: A. R EINERS , Die Springprozession zu Echternach, in: Frankfurter zeitgemässe Broschüren N.F. 5 (1884) S. 240-267; Leo S ENNINGER , Über Ursprung und Wesen der Echternacher Springprozession, in: Nikolaus G OETZINGER (Hg.), Willibrordus. Echternacher Festschrift zur XII. Jahrhundertfeier des Todes des heiligen Willibrord (1940); Ders., Die ‚springenden Heiligen‘. Ein Beitrag zur Geschichte der Wallfahrten nach Echternach und Prüm, in: Hémecht. Zeitschrift für Luxemburger Geschichte 11 (1958) S. 33-61; Georg K IESEL , Die Springprozession des hl. Willibrord in geschichtlicher und volkskundlicher Sicht, in: Saarbrücker Hefte (Dez. 1962) S. 35-47; Nicolas H ANSEN , Etude sur la danse liturgique d’après l’exemple de la procession dansante d’Echter- <?page no="239"?> Verständlicherweise sind diese Thesen von keinem der Autoren, die sich umfassend mit der Geschichte des Kulttanzes in der Christenheit befaßt haben, akzeptiert worden. Der Benediktiner L. Gougaud etwa, der im Jahre 1914 eine ausführliche Abhandlung zu diesem Thema in der Revue d’histoire ecclésiastique veröffentlichte 10 , möchte die Springprozession doch eher von einem alten Volksbrauch herleiten, der mit der Zeit von der Kirche assimiliert und dem Willibrorduskult integriert worden sei. Auch der schwedische Pharmakologe E. L. Backman, Autor einer umfangreichen Monographie über die religiösen Tänze in der christlichen Kirche (1952) 11 , hält den Echternacher Tanz für sehr alt, vielleicht älter als Willibrord selbst. In der Tat kommt eine Untersuchung über den Ursprung der Echternacher Springprozession nicht daran vorbei, ihren Ausgangspunkt in der Zeit der christlichen Mission des frühen Mittelalters zu nehmen. Kulttänze im frühen Mittelalter Zahlreiche Dokumente aus dem frühen Mittelalter belegen, daß Kulttänze bei den germanischen Stämmen, die sich auf dem Boden des römischen Reiches niedergelassen hatten, sehr beliebt waren. Bei den erhaltenen Schriftstücken handelt es sich ausnahmslos um Verbote, die während Jahrhunderten immer wieder wiederholt wurden und damit den sicheren Beweis liefern, daß die Neubekehrten bei vielen profanen und religiösen Anlässen Tänze, vor allem auch im Bereich der Kirchen aufführten. Die Dokumente stammen restlos aus dem Kreis der Kleriker und zeugen von der tiefen Kluft, die sich zwischen der Kultur einer Vom Ursprung der Echternacher Springprozession 225 nach, masch. (1969); sehr ähnlich, aber ohne Hansen zu erwähnen: Alex Langini, La procession dansante d’Echternach. Son origine et son histoire (1977). Für ein höheres Alter der Springprozession treten ein: J. B. K RIER , Die Springprozession und die Wallfahrt zum Grabe des heiligen Willibord in Echternach (1871); Auguste N EYEN , De l’origine et du but véritable de la Procession dansante d’Echternach ..., in: Bulletin de l’Institut archéologique liégeois 15 (1880) S. 223-297; Johannes H AU , Zur Volkskultur des Trierer Raumes. Beziehungen zur Echternacher Springprozession, in: Volk und Volkstum. Jahrbücher für Volkskunde 2 (1937) S. 270-290. 10 L. G OUGAUD , La danse dans les églises, in: Revue d’histoire ecclésiastique 15 (1914) S. 5-22, 229-245. 11 E. L. B ACKMAN , Den religiösa dansen inom kristen kyrka och folkmedicin (1952); englische Übersetzung: Religious Dances in the Christian Church and in Popular Medicine (1952), (Reprint 1977). Hier S. 124: „... but the Echternach dance is in all probability much older (i.e. than the medieval dance epidemic in 1374), possibly older than St. Willibrord himself“. <?page no="240"?> hochgebildeten intellektuellen Minderheit und den Gewohnheiten der breiten Schicht der Landbevölkerung aufgetan hatte (s. Anhang 1). Da sind zunächst die sogenannten Bußbücher oder „Poenitentiale“, d.h. Sündenkataloge mit Angabe der jeweiligen Bußleistungen, die in Irland aufkamen und sich im Zuge der Missionierung in der angelsächsischen Welt und auf dem Kontinent verbreiteten. Sie waren für Bischöfe und Priester in ihrer Rolle als Beichtväter bestimmt. Auch Willibord muß solche Kataloge gekannt und gebraucht haben, er wird sogar selbst als möglicher Verfasser des sogenannten Poenitentiale Oxoniense II, einer Kompilation aus dem 8. Jahrhundert, in Betracht gezogen 12 . Die Bußbücher zeugen von der großen Vielfalt an Bräuchen und Kulthandlungen, die von der Kirche als dämonisch bzw. als Relikte des Heidentums gebrandmarkt werden: Wahrsagerei, Zauberei, das Tragen von Amuletten und eben auch das Aufführen von Kulttänzen. Im sogenannten Paenitentiale Hubertense, einem aus dem Kloster St. Hubert (Ardennen) erhaltenen Text, dessen Alter und Entstehungsort nicht weiter bestimmt werden können, heißt es: Si quis balationes ante ecclesias sanctorum fecerit seu qui faciem suam transformaverit in habitu mulieris aut ferarum aut mulier in habitu viri, emendatione pollicita tribus annis poeniteat. (Wer Tänze vor den Kirchen der Heiligen aufführt oder wer sich als Frau verkleidet oder als wildes Tier oder - falls es eine Frau ist - als Mann, soll Besserung versprechen und drei Jahre lang Buße tun.) Die sogenannten Statuta Clementis (um 800) 13 , die wohl zu Unrecht Willibrord zugeschrieben wurden, aber dennoch im Milieu der angelsächsischen Missionare auf dem Kontinent anzusiedeln sind, belegen das Aufführen von Tänzen an Feiertagen mit dem Kirchenbann. Von Tänzen, die innerhalb und außerhalb der Kirchen aufgeführt wurden, zeugen auch die Beschlüsse mancher Diözesansynoden der Merowingerzeit. Schon die älteste bekannte Versammlung dieser Art, eine von Bischof Aunacharius geleitete Synode von Auxerre (585), belegt, daß es üblich war, in den Kirchen profane Lieder zu singen und dabei Reigen aufzuführen. Aus einem ungefähr gleichaltrigen Konzilsbeschluß aus Toledo (589) geht hervor, daß solche Bräuche vor allem an den Abenden vor den Festttagen der Heiligen gepflegt wurden. Den Priestern wird auferlegt, schonungslos dagegen einzuschreiten. 226 Jean Schroeder 12 Rob M EENS , Willibrords boetebook? , in: Tijdschrift van Geschiedenis 106 (1993) S. 163-178. 13 Vgl. Cyrille V OGEL , Les „Libri paenitentiales“ (1978) (Typologie des sources du Moyen Age occidental, fasc. 27) S. 78f. <?page no="241"?> Vereinzelt sind auch Predigten aus dieser Zeit überliefert, die sich mit dem Thema befassen. Ein bekanntes Beispiel befindet sich in der Vita Eligii, die in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts verfasst wurde. Hier wird in einer Predigt, die dem Bischof Eligius von Noyon zugeschrieben wird, ein nahezu vollständiger Katalog von heidnischen Spielen, Kulthandlungen und Zaubertricks aufgezählt, denen der getaufte Christ unbedingt aus dem Wege gehen soll; dazu gehören auch Tänze, die namentlich am Johannistag, im Rahmen von Feiern zur Sommersonnenwende aufgeführt wurden (s. Anhang 1). Die Verbindung heidnischer Sonnenstillstandsbräuche mit dem Fest Johannes’ d. Täufers war bereits im 6. Jahrhundert in einer Predigt des Caesarius von Arles zum Ausdruck gekommen (Caesarius, sermo 33,4). Angesichts dieser Dokumente könnte man den Eindruck gewinnen, daß die Vertreter der christlichen Kirche damals zum Generalangriff gegen die heidnischen Bräuche bliesen und diese erbarmungslos ausrotteten. Doch die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit war sicher groß. Allein schon die Tatsache, daß die genannten Verbote über Jahrhunderte hinweg wiederholt werden mußten, zeugt von ihrer Unwirksamkeit und andere, namentlich auch archäologische Quellen belegen, daß das Christentum damals keineswegs als Sieger über das Heidentum hervorging, sondern daß die religiösen Vorstellungen und Praktiken der nachfolgenden Jahrhunderte und bis in unsere Zeit das Ergebnis unzähliger Anpassungen und Kompromisse gewesen sind 14 . Anschauliche Beispiele hierfür gibt es ja auch in der Umgebung Echternachs, etwa der „Frabillekräiz“ genannte Monolith auf dem Ferschweiler Plateau, der Altar in der Pfarrkirche von Berdorf, und möglicherweise auch der Entstehungsort der Echternacher Klosterkirche selbst. Auch in der Frage der immer wieder verteufelten Kulttänze, die zur Sommersonnenwende aufgeführt wurden, wich die Konfrontation dem Kompromiß und führte offensichtlich zur Verschmelzung heidnischen und christlichen Brauchtums. Bereits in der oben erwähnten Predigt des Eligius wird ja die Verbindung zwischen Sonnenstillstandsbräuchen und dem Festtag des hl. Johannes hergestellt. Wenn sie schon nicht auszurotten waren, dann lag es nahe, solche Feiern mit ihren Tänzen in ein Fest zu Ehren des Täufers umzuwandeln: dessen Fest fiel auf den 24. Juni, und in seiner Biographie gab es nicht zuletzt auch die Geschichte vom Tanz der Salome, die den Propheten zum Märtyrer machte. So Vom Ursprung der Echternacher Springprozession 227 14 Vgl. Alain D IERKENS , Het getuigenis van de archeologie, in: L. M ILIS u.a. (Hg.), De Heidense Middeleeuwen (1992) S. 47-68. <?page no="242"?> wurde der Johannistag zum Auffangbecken für alle möglichen vorchristlichen Bräuche, insbesondere auch der Kulttänze 15 . Johannes der Täufer als Patron der Tänzer Betrachtet man die Karte mit all den Orten der Region, an denen der Überlieferung nach in früheren Zeiten getanzt wurde, so stellt man zunächst fest, daß derartige Aufführungen keine Seltenheit waren. In der Tat, neben Echternach, wo der Kulttanz ja nur ein Importprodukt war, gab es noch manche andere Stellen, an denen getanzt wurde, und wir sind nicht einmal sicher, sämtliche in Frage kommenden Orte zu erfassen, denn in der Regel sind es vereinzelte, zufällig überlieferte Nachrichten, die uns davon Kunde geben 16 . Eines aber haben all diese Orte gemeinsam: Sie stehen ausnahmslos im Zeichen des Johanniskultes (Abb. 17). Die Wallfahrt zum Johannisberg bei Düdelingen (Budersberg) findet noch heute alljährlich am ersten Sonntag nach dem 24. Juni statt. In seiner 1605 in Köln gedruckten Historia Luxemburgensis Ducatus berichtet der Echternacher Abt Johannes Bertels, daß bereits zu seiner Zeit am Johannistag viel Volk von überallher auf dem Berg zusammenströmte, darunter auch Kranke, die vom genannten Heiligen Hilfe erflehten; zum Klange von Musikinstrumenten tanzten sie bis sie erschöpft waren und wie tot hinfielen 17 . Im Tal der Kyll, ungefähr 12 km nördlich von Bitburg, befindet sich der winzige Flecken St. Johann 18 . Der Name kommt von einer Johanniskapelle, die erstmals im 14. Jahrhundert als Wallfahrtsziel genannt wird. Die Trierer Annalen des Christoph Brower und Jakob Masen berichten, daß im Jahre 1381 eine „Tanzepidemie“ die Trierischen Lande heimsuchte. Als heilbringendes Mittel gegen die ungewohnte Krankheit habe sich die Votivprozession zum Oratorium des hl. Johannes unweit Kyllburg erwiesen 19 . 228 Jean Schroeder 15 Vgl. Artikel „Johannes“ in: Hanns B ÄCHTOLD -S TÄUBLI , Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens (1927) (ND 1987). 16 Einen Überblick über „Springprozessionen“ in der weiteren Umgebung Echternachs gibt Karl M EISEN , Springprozessionen und Schutzheilige gegen den Veitstanz und ähnliche Krankheiten im Rheinlande und seinen Nachbargebieten, in: Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde 2 (1951) S. 164-178. 17 Johannes B ERTELS , Historia Luxemburgensis Ducatus (1605) S. 216. 18 Vgl. Benedikt C ASPAR , St. Johann im Kylltal, in: Heimatkalender für den Kreis Bitburg (1952) S. 76-80. 19 Christoph B ROWER / Jakob M ASEN , Antiquitatum et annalium Trevirensium Libri XXV (1670), Bd. II S. 250. <?page no="243"?> Auf die „springenden Heiligen“ der Pfarrei Waxweiler, die alljährlich an Christi Himmelfahrt nach Prüm und an Pfingsten nach Echternach zogen und dort Tänze aufführten, wird noch zurückzukommen sein. Hier sei lediglich festgehalten, daß Johannes der Täufer Hauptpatron der Waxweiler Kirche ist 20 . In Prüm wird bereits gegen Ende des 10. Jahrhunderts Vom Ursprung der Echternacher Springprozession 229 20 Peter O STER , Geschichte der Pfarreien der Dekanate Prüm-Waxweiler (1927) S. 105. Abb. 16 Kulttänze in Luxemburg und der westlichen Eifel. <?page no="244"?> an Christi Himmelfahrt ein feierlicher Tanz zu Ehren des hl. Willibrord erwähnt. Dabei fällt auf, daß auch hier Johannes der Täufer seit ältesten Zeiten Mitpatron der Kirche ist. Die von Bertrada ausgestellte Gründungsurkunde aus dem Jahre 721 nennt als Patrone des Klosters Maria, die Apostelfürsten Peter und Paul, sowie die Heiligen Johannes und Martinus. Spätestens seit 752/ 762 ist Prüm im Besitz von Johannesreliquien; seit 1098 ist Johannes Hauptpatron eines Altars in der Klosterkirche 21 . Kehren wir zurück nach Echternach. Wenngleich die Springprozession traditionsgemäß mit dem Willibrorduskult in Verbindung gebracht wird, darf nicht übersehen werden, daß hier der Johanniskult noch älter ist. Als erste Patrone der Echternacher Kirche, von der heute angenommen wird, daß sie kurz vor dem Auftreten der irischen und angelsächsischen Mönche gegründet wurde, werden die Dreifaltigkeit, sowie die Apostelfürsten Petrus und Paulus genannt. Wenige Zeit später kommt Johannes der Täufer hinzu, und es wird für möglich gehalten, daß es Willibrord selbst war, der dieses zusätzliche Patrozinium einführte 22 . Eine derartige Erweiterung aber geschah nicht von ungefähr und mag in unserem Kontext, wie noch zu zeigen sein wird, eine ganz besondere Bedeutung gehabt haben. Man könnte diesen Überblick wohl auf andere Gegenden ausdehnen und auch dort zu der Feststellung gelangen, daß Kultstätten, an denen in früheren Zeiten von Tänzen berichtet wird, in der Regel Johannes dem Täufer geweiht waren. Abschließend sei noch das Beispiel der Kirche Sint Jan in Molenbeek bei Brüssel genannt. Der niederländische Maler Pieter Brueghel d.Ä. hat den dort im 16. Jahrhundert aufgeführten „Johannistanz“ auf mehreren Zeichnungen festgehalten 23 . Wenn über diese Johannistänze jahrhundertelang nur wenig geschrieben wurde, so liegt es wohl daran, daß dieselben keine gute Reputation besaßen. In einem um das Jahr 1200 im wallonischen Sprachraum entstandenen „Poème moral“ heißt es: La voille saint Jehan coment suet on gardeir? / N’i finent tote nuit de sallir, de tripeir; / Mais, s’encor pis i font, ... 24 (Wie pflegt man den Vorabend des Johannisfestes zu begehen? / Sie hören nicht auf, die ganze Nacht zu springen und zu tanzen; / Und noch schlimmer treiben sie’s, ...) 230 Jean Schroeder 21 Wolfgang H AUBRICHS , Die Kultur der Abtei Prüm zur Karolingerzeit. Studien zur Heimat des althochdeutschen Georgsliedes (Rheinisches Archiv 105, 1979) S. 169. 22 Hans Hubert A NTON , Klosterwesen und Adel im Raum von Mosel, Saar und Sauer in merowingischer und frühkarolingischer Zeit, in: Georg K IESEL / Jean S CHROEDER (Hgg.), Willibrord (2. Aufl. 1990) S. 96-124. 23 Vgl. M EISEN (wie Anm. 16) S. 174f. 24 Le Poème moral, hg. von A. B AYOT (1929) S. 226f. <?page no="245"?> Auch haben die meisten dieser Johannistänze das Zeitalter der Aufklärung bzw. das Ende des Ancien Régime nicht überdauert, so daß man sich fragen muß, wieso denn der Echternacher Tanz überlebt hat. Dazu müssen wir einen Blick auf die besonderen Umstände werfen, die in Echternach gegeben waren. Das Heilspatronat des hl. Willibrord Willibrord starb am 6. oder 7. November des Jahres 739. Über seine letzten Lebensjahre und den Ort seines Todes lassen uns die Quellen völlig im Dunkeln. Starb der Erzbischof von Utrecht im entfernten Echternach, oder wurde er erst nachträglich zur Beisetzung dorthin gebracht? Diese Frage ist heute nicht mehr zu beantworten 25 . Fest steht dagegen, daß mit dem Jahre 739 ein neues Kapitel in der Geschichte Echternachs begann, geprägt durch das Aufkommen und die schnelle Entwicklung des Willibrorduskultes. Dessen Organisation wurde im weiteren Verlauf des 8. Jahrhunderts von den angelsächsischen Nachfolgern Willibrords, die in der Tat Mitglieder seiner eigenen Sippe waren, energisch durchgeführt: gemeint sind die Äbte Adelbert (739-777) und Beornrad (777-797) 26 . Uns interessiert hier die Frage, ob am Grabe Willibrords damals bereits getanzt wurde. Direkte Nachrichten dazu gibt es nicht, auch nicht in der um 796 von Alkuin verfaßten Vita des Heiligen 27 . In ihr heißt es nur sehr knapp, am Grabe Willibrords würden viele Gebrechliche durch Ölsalbung geheilt und Büßer von ihren Ketten befreit. Die Neufassung der Vita durch Abt Thiofrid am Anfang des 12. Jahrhunderts enthält dagegen präzisere Hinweise auf bestimmte Aspekte der Verehrung des Echternacher Heiligen. Thiofrids Schilderung betrifft, wie er schreibt, die Zeit „vor der Feuersbrunst“, der die Klosterkirche 1016 zum Opfer Vom Ursprung der Echternacher Springprozession 231 25 S. dazu neuerdings: Henri T RAUFFLER , Zur Entstehung der Wallfahrt nach Echternach, in: M. P OLFER (Hg.), L’Evangélisation des régions entre Meuse et Moselle et la fondation de l’abbaye d’Echternach (V e -IX e siècle), Actes des les Journées Lotharingiennes (28-30 octobre Centre Universitaire de Luxembourg) (Publications de la Section historique de l’Institut Grand-Ducal de Luxembourg CXVII - Publications du Cludem 16, 2000) S. 523-539. 26 Zum Folgenden: Jean S CHROEDER / Henri T RAUFFLER , Die Anfänge der Abtei Echternach (Publications du Cludem 9, 1996) S. 33ff. 27 Vgl. Jean S CHROEDER , „Paenitentia publica“, Gefangenenbefreiung und Krankenheilung als älteste Motive des Willibrorduskultes, in: Paul D OSTERT u.a. (Hgg.), Le Luxembourg en Lotharingie. Luxemburg im lotharingischen Raum (Festschrift Paul Margue 1993) S. 543-557. <?page no="246"?> gefallen war. Sie bezieht sich also, grob gesehen, auf die ersten drei Jahrhunderte des Willibrorduskultes: „Daß aber dortselbst (d.h. an Willibrords Grabstätte) gewaltige und zahllose Zeichen und Wunder bekannt wurden, davon zeugten in der Zeit vor der Feuersbrunst zahlreiche am Eingang und vor den Toren der Kirche herabhängende Eisenketten, die durch seine großartigen Verdienste zerbrachen und von den Gelenken der Büßer, die sich physisch peinigten, herabfielen, nachdem ihre Träger Vergebung erlangt hatten und aus den Schlingen der Sünde befreit worden waren. Außerdem hingen da viele Fuß- und Handfesseln, die Marter der Verurteilten und der Gefangenen; überdies mehrere Wägelchen von Behinderten, Stöcke, Krücken, Beinprothesen, Holzsohlen und Stützen von Kriechenden; und schließlich eine solche Menge unterschiedlichster Körperglieder aus Wachs, daß sie kaum von mehreren Ochsengespannen fortgeführt worden wäre“ 28 . Hier werden drei verschiedene Aspekte des Willibrorduskultes angedeutet: - die Befreiung von Büßern aus ihren Eisenketten im Rahmen der paenitentia publica, der damals üblichen öffentlichen Buße; - die Befreiung von „Verurteilten und Gefangenen“, d.h. von Häftlingen und von Kriegsgefangenen (Sklaven); - die Heilung von Kranken. Die in diesem Zusammenhang genannten Fähigkeiten gehörten aber zur Grundausstattung des frühmittelalterlichen Heiligen und sind so allgemein bezeugt, daß sie kaum im Verdacht stehen, bestimmte Formen der Verehrung, etwa den Kulttanz, gefördert zu haben. Sie mögen allerdings den Rahmen geliefert haben, in dem ältere, vorchristliche Bräuche überleben konnten. Das gilt besonders im Hinblick auf bestimmte, sowohl bei Alkuin als auch bei Thiofrid überlieferte Wunder, sowie die Art der von Thiofrid aufgezählten Votivgaben. Unter den Wunderberichten interessieren uns hier vor allem die Heilung einer gelähmten Frau (Alkuin, cap. 28; Thiofrid, cap. 26) und die eines Epileptikers (Alkuin, cap. 29; Thiofrid, cap. 26). Im ersten Fall schreibt Alkuin, die Betroffene sei freudig Gott dankend heimgekehrt; Thiofrid läßt dieselbe tripudians, also tanzend nach Hause ziehen. Im zweiten Fall wird der Kranke geheilt, springt auf, so Thiofrid, und stimmt mit den Anwesenden ein Loblied auf den Erlöser und den heiligen Willibrord an. Untersucht man die Liste der von Thiofrid aufge- 232 Jean Schroeder 28 Vita Willibrordi auct. Thiofrido, cap. 24, hg. von A. P ONCELET (Acta Sanctorum Nov. III, 1910) S. 459-483. <?page no="247"?> zählten Votivgaben, so stellt man fest, daß es sich ausschließlich um Dankesbezeugungen von Pilgern handelt, die aus den unterschiedlichsten Gründen - Bestrafung, Gefangenschaft, Körperverletzung, Mißbildung oder schwere Krankheit - ihrer Bewegungsfreiheit beraubt worden waren. In einem Hymnus des 15. Jahrhunderts tritt dazu noch eine Gruppe von Kranken, auf die in den genannten Viten vielleicht mit dem Bericht einer Teufelsaustreibung angespielt wird: die geistig Behinderten. Dort heißt es: „Den Gebrechlichen gibt er zurück/ die Kraft ihrer Glieder/ Dem gestörten Geist/ gewährt er die Gabe der Vernunft“. (Analecta Hymnica 37, 327, 9) Im Kontext von „Heilungen“ dieser Art kann man sich schon vorstellen, daß am Grabe Willibrords seit dem Aufkommen des Kultes auch getanzt wurde. Umso mehr als der Tanz zu Ehren Willibrords im ausgehenden 10. Jahrhundert dann auch ausdrücklich genannt wird 29 . Hiervon zeugt eine feierliche Sequenz, die von Musikwissenschaftlern Berno, bis 1008 Mönch in Prüm, dann Abt auf der Reichenau, zugeschrieben wird. In ihr werden die Gläubigen dazu eingeladen, am Himmelfahrtstag Christus und den heiligen Willibrord mit „feierlichem Tanz“ (magno tripudio) zu ehren: Laudes Christo / die nunc isto / celebrent omnes / ubique fideles / magno tripudio / ob venerationem / patris eximii / sancti Willibrordi 30 . Der hier genannte Kulttanz stellte damals nichts Ungewöhnliches dar. Auch in anderen zeitgenössischen Quellen ist das tripudium sacrum, ein von Klerikern und Laien bei festlichen Gelegenheiten aufgeführter Tanz, überliefert 31 . So sehen wir Willibrord als Patron der Tänzer in die Fußstapfen Johannes’ des Täufers treten. Wahrscheinlich geschah dieser Rollenwechsel schon sehr früh, denn als Willibrord sich um die Mitte des 8. Jahrhunderts als Echternacher Kirchenpatron durchsetzte, verdrängte er gleichzeitig Johannes den Täufer, der ab 762 nicht mehr genannt wird. Vom Ursprung der Echternacher Springprozession 233 29 Johannes H AU , Die Echternacher Springprozession, in: Trierisches Jahrbuch (1950) S. 101-105, hier 105; Ders., Zur Volkskultur des Trierer Raumes. Beziehungen zur Echternacher Springprozession, in: Aus Volk und Volkstum. Jahrbücher für Volkskunde 2 (1937) S. 270-290, hier S. 274. 30 Hg. von C. B LUME , Analecta hymnica medii aevi 54 (1854) S. 20. 31 Vgl. Wolfgang H AUBRICHS , Heiligenfest und Heiligenlied im frühen Mittelalter. Zur Genese mündlicher und literarischer Formen in einer Kontaktzone laikaler und klerikaler Kultur, in: Detlef A LTENBURG u.a. (Hgg.), Feste und Feiern im Mittelalter. Paderborner Symposion des Mediävistenverbandes (1991) S. 133-143, hier S. 141f. <?page no="248"?> Willibrords besonderes Heilspatrozinium erklärt somit, wenn nicht das Aufkommen, so doch das Weiterleben von Kulttänzen an seinem Grabe. Und letzere werden im Laufe der Zeit ihre ursprüngliche Bedeutung als Ausdruck der Freude über den Sommer, die Sonne und die eingebrachte Ernte wenigstens zum Teil verlieren und, angesichts der Teilnahme von Kranken und Behinderten, auch den Charakter von Bitt- und Bußübungen annehmen. „The interpretation changes, but the rite remains“ 32 . Als letztes und vielsagendes Indiz dafür, daß der Willibrorduskult seit Anbeginn von Kulttänzen begleitet war und - das kommt hier neu hinzu - daß diese Tänze der Kirche nicht immer genehm waren, muß schließlich das frühe Aufkommen einer Warnlegende in Echternach gewertet werden. Die Sage von den verhexten Tänzern Unter den zahlreichen Quellen des frühen Mittelalters, die vom Einsatz der Kirche gegen die germanischen Kulttänze berichten, befindet sich auch die sog. Sage von den verhexten Tänzern. Der Stoff begegnet zuerst in der Vita des hl. Eligius (ca. 590-660), die bereits im 7. Jahrhundert entstand, uns aber nur in einer überarbeiteten Version des frühen 8. Jahrhunderts überliefert ist. Die Vita schildert den Lebenslauf des um 590 geborenen ehemaligen Goldschmieds und königlichen Münzmeisters Eligius, der im Alter von 50 Jahren in den Dienst der Kirche trat und als Bischof und Missionar im Norden des Frankenreiches wirkte. In diesem noch größtenteils heidnischen Umfeld zog Eligius gegen das Weiterleben vorchristlicher Bräuche bei der fränkischen Bevölkerung ins Feld. Dabei läßt ihn die Vita folgendes Wunder vollbringen: Einst geschah es, daß Eligius am Tag des hl. Apostels Petrus (29. Juni) in einer Pfarre nahe der Stadt Noyon das Wort Gottes predigte und gegen teuflische Spiele und schändliche Tanzsitten eiferte. Die Vorsteher des Ortes warfen ihm vor, er versuche ihre Feste abzuschaffen und ihre angestammten Bräuche auszuhöhlen. Einige von ihnen, vor allem aus der Familie des neustrischen Hausmeiers Herchenoald, beschlossen ihn zu töten, falls er wieder mit seinen albernen Sprüchen vor sie treten würde. Als Eligius das erfuhr, machte er kehrt, schritt durch die Menge zu einer Anhöhe vor der Kirche und predigte noch heftiger gegen ihre aber- 234 Jean Schroeder 32 B ACKMAN (wie Anm. 11) S. VI. <?page no="249"?> gläubischen Sitten. Die aufgebrachte Menge aber drohte ihn umzubringen und rief: „Niemals, Römer, wird es dir gelingen, unsere Bräuche auszurotten! Vielmehr werden wir unsere Feste auf ewig weiterfeiern, und kein Mensch wird uns unsere guten alten Spiele verbieten! “ Da rief Eligius Gott, den Herrn, an, die Widerspenstigen möchten zwecks Abschreckung der Menge vom eigenen Übermut so besessen werden, daß ihnen deutlich würde, wessen Werk sie da ausübten. Daraufhin wollten einige, namentlich aus dem Kreise des Herchenoald, ihn tätlich angreifen, doch sie wurden von einem unreinen Geist beseelt und fingen an unaufhaltsam herumzutanzen. Der Rest der Menge aber wurde von Furcht ergriffen und versprach alles zu befolgen, was Eligius ihnen gebieten würde. Doch dieser sprach zu ihnen: „Fürchtet euch nicht, sondern lobet das gerechte Urteil Gottes, denn es gehört sich, daß diejenigen, die sich seinem Willen widersetzen, selbst verspüren, wem sie da dienen“. Den vielen, die für die Verhexten ein Wort einlegen wollten, entgegnete er: „Laßt nur! Laßt nur! Wer nicht hören will, muß fühlen! “ Nach Ablauf eines Jahres, als das Fest des hl. Petrus wiederkehrte, befahl er den Verzauberten öffentlich vorzutreten, und als sie alle anwesend waren, weihte er Wasser und gab es ihnen als Heilmittel; sofort befreite er sie von der teuflischen Besessenheit. Es waren deren aber mehr als fünfzig, die er geheilt von dannen schickte. Die Legende versteht sich als Warnung. Als Warnung vor dem Begehen heidnischer Feste und der damit verbundenen Aufführung von Tänzen und Spielen, die als Teufelswerk angeprangert werden. Als Zeugnis des frühen 8. Jahrhunderts gehört sie in den Kreis jener zahlreichen, bereits erwähnten Quellen, die vom Weiterleben vorchristlicher Bräuche in der Landbevölkerung des frühen Mittelalters zeugen. Von größtem Interesse für uns aber ist die Tatsache, daß diese Legende Jahrhunderte später ausgerechnet in Echternach wieder aufgegriffen und in eine neue Form gebracht wurde. Um die Mitte des 11. Jahrhunderts schrieb ein anonymer Echternacher Mönch die Geschichte auf die leer gebliebene Seite eines Predigtbuches ein 33 . Der Stoff wird aktualisiert: das Geschehen wird ins Jahr 1017 verlegt und soll sich in dem kleinen sächsischen Nest Kölbigk bei Bernburg a.d. Saale zugetragen haben. Ein Ort gewissermaßen „hinter den Bergen“, aber dennoch nicht gänzlich unbekannt, lag er doch in einer Gegend, in Vom Ursprung der Echternacher Springprozession 235 33 Bibliothéque Nationale de France, Paris, Ms. lat. 9560. Zu den verschiedenen Fassungen der Legende und ihrer Verbreitung in Europa: Edward S CHRÖDER , Die Tänzer von Kölbigk. Ein Mirakel des 11. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 17 (1897) S. 94-164. <?page no="250"?> die bereits Willibrord auf seinen Missionsreisen vorgestoßen war, und in der das Kloster seitdem begütert war. Aus paläographischen Gründen läßt sich diese Neufassung, die von nun an unter dem Namen „Tanzlegende von Kölbigk“ in die Geschichte der mittelalterlichen Literatur eingehen wird, in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts datieren. Obwohl das Geschehen ins ferne Sachsen verlegt wird, kann Echternach mit hinreichender Sicherheit als Entstehungsort nachgewiesen werden: Die dialektale Färbung der im Text vorkommenden Personennamen weist in den mittelfränkischen, Trier-Kölner Raum; die Namen Martin und Iohan sind gar dem romanischen Grenzgebiet zuzuordnen 34 . In diesem Raum (Köln - Prüm - Trier) verbreitete sich damals, von Friesland kommend, der Kult des heiligen Magnus, der in unserer Geschichte die Rolle des heiligen Eligius übernimmt 35 . Und nicht zuletzt steht ja der Bericht in einer Handschrift, die nachweislich in Echternach entstanden und bis in die Zeit der französischen Revolution auch dort geblieben ist. Auch historisch betrachtet paßt die Neuauflage der Wundergeschichte in die Echternacher Verhältnisse des 11. Jahrhunderts. Nachdem im Jahre 1016 eine Feuersbrunst die Klosterkirche zerstört hatte, konnte 1031 ein imposanter romanischer Neubau mit prunkvollen Wand- und Gewölbemalereien konsekriert werden. Im Verlaufe derselben Feier, der der Trierer Erzbischof Poppo und Graf Heinrich II. von Luxemburg beiwohnten, wurden die Gebeine Willibrords in die neue Kirche übertragen und dort unter dem Hauptaltar beigesetzt. Der Anfang des 12. Jahrhunderts von Abt Thiofrid verfaßten Vita Willibrordi zufolge, hatte man die sterblichen Überreste des Klostergründers zuvor „wiedergefunden“. Eine derartige, feierlich inszenierte „Inventio“ zeugt von der Absicht des Konvents, den Willibrorduskult neu anzukurbeln. Nicht von ungefähr entstand dann auch zwei Generationen später die genannte Neufassung der Willibrordbiographie. Und in der Tat zeigte das Bemühen um die Wiederbelebung des Willibrorduskultes seine Früchte. Die Wallfahrt zum Grabe Willibrords erlebte am Übergang vom 11. zum 12. Jahrhundert einen merklichen Aufschwung, so daß das Kloster daranging, die Pilgerströme zu kanalisieren, Prozessionstermine vorzuschreiben und die Höhe der Abgaben und Zinsleistungen neu 236 Jean Schroeder 34 Vgl. Jean S CHROEDER , Zur Herkunft der älteren Fassung der Tanzlegende von Kölbigk, in: Michael B ORGOLTE / Herrad S PILLING (Hgg.), Litterae Medii Aevi (Festschrift Johanne Autenrieth 1988) S. 183-189, hier S. 184f. 35 P. N. N OOMEN , St. Magnus van Hollum en celdui van Esens. Bijdrage tot de chronologie van de magnustraditie, in: De vrije Fries 69 (1989) S. 7-32, hier S. 17ff. <?page no="251"?> festzulegen 36 . Im Geiste der Klosterreform mußte man aber auch darauf bedacht gewesen sein, die Kontrolle über die Wallfahrt zu behalten und als anstößig erachtete Auswüchse zu unterbinden. In dieser Intention wurde die Tanzlegende offensichtlich neu aufgelegt. Ihre Tendenz als Warnlegende ist unverkennbar, umso mehr als der Text in eine Predigtsammlung aufgenommen wurde. Der solchermaßen aktualisierte Stoff fand in der Folgezeit, wie Edward Schröder in einer umfangreichen Studie nachgewiesen hat 37 , eine überaus große Verbreitung in weiten Teilen Europas. Die Geschichte wurde in unzähligen Predigtsammlungen, Exempelbüchern, Chroniken und Enzyklopädien weitergereicht, wobei in erster Linie Dominikaner- und Franziskanermönche in der Sage ein wirksames Pfand erblickten, mit dem sie als Moraltheologen bei einem wundergläubigen Publikum wuchern konnten. Auch im Prüm-Echternacher Wallfahrtsraum blieb der Stoff in den nachfolgenden Jahrhunderten lebendig. Willibrord übernahm die Rolle des heiligen Magnus. In dieser Form gelangte die Geschichte nach Waxweiler und trieb dort Wurzeln. An der Pfarrkirche von Waxweiler erinnert noch heute eine Steintafel an den angeblichen „Ursprung der Echternacher Springprozession um das Jahr 728“: „Hier mahnte vergebens St. Willibrord / Die Frevler die tanzten an heiligem Ort / Zur Strafe ward ihnen der Tanz zur Plag / bis sie tanzten zur Buss in Echternach“. In diesen wenigen Zeilen wird die problematische Haltung der Kirche gegenüber dem Kulttanz deutlich: Der Tanz ist ursprünglich ein Frevel, er wird seinen Teilnehmern zur Plage, von der sie nur durch eine kirchlich autorisierte Darbietung, den „Bußtanz“ in Echternach befreit werden. In diesen Zusammenhang gehört ferner die Legende vom Geiger von Echternach. Obwohl sie erst im 19. Jahrhundert in schriftlicher Form vorliegt 38 , muß sie sehr viel älter sein, leitet sie doch ihren eigentlichen Kern aus der Sage von den verhexten Tänzern ab: Der von einer Pilgerfahrt ins heilige Land zurückgekehrte Veit wurde von habsüchtigen Verwandten angeklagt, seine Frau umgebracht zu haben, vor Gericht für schuldig befunden und zum Galgen verurteilt. Als letzte Gnade erhielt Vom Ursprung der Echternacher Springprozession 237 36 N. K YLL , Zum Echternacher Prozessionsverzeichnis des 12. Jahrhunderts, in: Kurtrierisches Jahrbuch 4 (1964) S. 5-14. 37 E. S CHRÖDER (wie Anm. 33). 38 J. Collin DE P LANCY , Légende des artistes (1842) S. 143-162. <?page no="252"?> er die Erlaubnis, noch einmal auf seiner Geige spielen zu dürfen. Am Fuße des Galgens angelangt, griff Veit zum Bogen und entlockte seiner Fiedel derart verlockende Töne, daß ihm die Menge wie gebannt zuhörte. Alles Volk begann sich im Tanze zu bewegen, anfangs ruhig und gemessen, dann aber immer schneller und schneller, bis sich zuletzt alles in rasendem Tanze drehte. Männer und Frauen, Greise und Mädchen, Väter und Kinder, alles tanzte. Veits Verwandte und mit ihnen die Richter tanzten um die Leiter, der Henker tanzte um den Galgen ... Ganz Echternach tanzte bis zum Sonnenuntergang. Die achtzehn Verwandten Veits aber tanzten, so die Sage, unablässig ein Jahr lang um die Leiter. Schon hatten sie sich bis an die Knie in die Erde hineingetanzt, als der heilige Willibrord zu Utrecht davon Kunde erhielt, schnell herbeieilte und sie vom Zaubertanz befreite. Das Aufkommen und die Weiterentwicklung der Legende der verhexten Tänzer liefert einen sicheren Hinweis dafür, daß die im Rahmen der Wallfahrt aufgeführten Tänze stets problematisch waren und von der Kirche mehr schlecht als recht geduldet wurden. Daß sich die kirchliche Obrigkeit tatsächlich auch einmischte, erfahren wir erstmals im frühen 13. Jahrhundert: 1227 erließ eine Trierer Provinzialsynode ein strenges Verbot gegen Tänze und weltliche Spiele (tripudia et choreas et huiusmodi ludos saesulares) auf Friedhöfen und im Innern der Kirchen 39 . Die Wachszinser von Waxweiler Wer aber waren die Pilger, die am Freitag nach Christi Himmelfahrt in Prüm und am Pfingstdienstag in Echternach tanzten? Aus neuzeitlichen Quellen, insbesondere aus den Schriftstücken, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Hinblick auf die Abschaffung beider Springprozessionen entstanden, geht hervor, daß das Springen und Musizieren von Pfarrangehörigen aus Waxweiler und benachbarten Orten aufgeführt wurde 40 . In denselben Dokumenten werden die Tänzer „springende Heilige“ genannt. Die Bezeichnung taucht bereits im ältesten deutschsprachigen Dokument zur Echternacher Springprozession auf: in einem Schöffenweistum des ausgehenden 15. Jahrhunderts geht von „Sprin- 238 Jean Schroeder 39 Johann Jakob B LATTAU , Statuta synodalia ... archidioecesis Trevirensis I (1844) S. 23. 40 Andreas H EINZ , Die Prümer Springprozession. Ihr Verbot durch Erzbischof Klemens Wenzeslaus im Jahre 1778 und ihr Fortleben im Volk, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 28 (1976) S. 83-100, hier S. 84 und passim. <?page no="253"?> genheiligen“ die Rede, die am Pfingstmontag in die Stadt Echternach eingeführt werden 41 . In Prüm hat der Ausdruck bis in unsere Zeit überlebt; dort wird die Prozession am Tage nach Christihimmelfahrt „Sprönghellijebittjank“ (Springheiligenbittgang) genannt 42 . Der Name „Heilige“ weist die Waxweiler Tänzer bzw. ihre Vorfahren als ehemalige Zinser oder Wachszinser (frz. sainteurs) aus 43 . Das Aufkommen dieser sozialen Schicht, deren rechtliche Stellung sehr unterschiedlich sein konnte und im Laufe der Jahrhunderte deutliche Wandlungen erfahren hat, reicht ins frühe Mittelalter zurück und kann anhand der ältesten Echternacher und Prümer Urkunden aufgezeigt werden. Hier wird bereits im 8. Jahrhundert von Leibeigenen berichtet, denen anläßlich einer Schenkung an die Kirche die Freiheit gewährt wird und die künftig nur mehr der Verpflichtung unterliegen, alljährlich dem Kirchenpatron, in der Regel an dessen Feiertag, einen Zins zu entrichten. Da letzterer oft in einer bestimmten Menge Wachs zu leisten war, nannte man die Zinsleute auch Wachszinser. Bereits 697/ 98, als Irmina das von ihr gegründete Kloster Echternach mit Gütern ausstattet, heißt es in der darüber ausgestellten Urkunde: die Stifterin schenkt dem Kloster ihren Erbanteil an der villa Epternacus und die dazugehörigen Dependenzien (Badelingen, Matzen, Osweiler) einschließlich der dort lebenden Kuh-, Schweine- und Schafshirten, mit Ausnahme von elf namentlich genannten Hörigen, die künftig an Weihnachten einen Lichtzins von einem Pfund Wachs entrichten müssen 44 . In urkundlichen Regelungen des Zinsverhältnisses, die nach 739 erfolgen, wird Sankt Willibrord als Empfänger der Abgabe genannt, die nunmehr an seinem Festtag, d.h. am 7. November, von den Zinsleuten geleistet werden muß 45 . Von ganz anderer sozialer Herkunft als die zu Wachszinsern avancierten Unfreien ist jene Wetana, die in einer Prümer Urkunde der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts auftritt: Nachdem sie dem Salvatorkloster Güter aus dem eigenen Besitz geschenkt hat, erhält sie dieselben zur prekarischen Nutznießung zurück und verpflichtet sich als Gegenleistung Vom Ursprung der Echternacher Springprozession 239 41 Mathias H ARDT (Hg.), Luxemburger Weisthümer (1870), S. 187. 42 H EINZ (wie Anm. 40) S. 97. 43 Zu den Zinsern: Michael M ATHEUS , Adelige als Zinser von Heiligen. Studien zu Zinsverhältnissen geistlicher Institutionen im Mittelalter, Habilitationsschrift masch. (1989); W. S CHMID , Artikel „Wachs“ in: Lexikon des Mittelalters 8 (1997), Sp. 1888- 1890. 44 Camille W AMPACH , Geschichte der Grundherrschaft Echternach im Frühmittelalter 1,2 (1930), Nr. 4. Hinweis bei M ATHEUS (wie Anm. 43) S. 280, Anm. 18. 45 W AMPACH (wie Anm. 44) Nr. 104 (zum Jahr 789/ 790), 141 (zum Jahr 835/ 836). <?page no="254"?> dazu, alljährlich am Himmelfahrtstag einen Wachszins im Wert von drei Denaren zu entrichten 46 . Solche Zinsleute, d.h. einerseits Hörige, die von ihrem Eigentümer „zur Wachszinsigkeit“ freigegeben werden, aber andererseits auch freie Leute, sogar Adlige, die aus Gründen der sozialen Absicherung ein Zinsverhältnis eingehen, treten uns als die ersten Pilger entgegen, die zur Wallfahrt nach Echternach und Prüm verpflichtet werden. In diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick auf den geographischen Kernraum, in dem sich die Wallfahrt unserer Wachszinser herausgebildet hat, und der bis in die heutige Zeit das wichtigste Einzugsgebiet der Pilger nach Echternach und Prüm geblieben ist: die westliche Eifel, namentlich die Orte entlang der Prüm bzw. ihrer Nebengewässer. Im Zentrum dieses Raumes liegt der schon genannte Ort Waxweiler (Kr. Prüm). In diesem Namen ist die Erinnerung an die Wachszinser und ihre Verpflichtung zur Wallfahrt lebendig geblieben. Denn der Ortsname Waxweiler ist seit dem 13. Jahrhundert als uasuilre überliefert und setzt sich offensichtlich aus ahd. „wahs“ (= Wachs) und „-weiler“ zusammen. Diese Etymologie befindet sich in der Tat bereits in einem Echternacher Prozessionsverzeichnis des 12. Jahrhunderts: dort wird der Ortsname in der latinisierten Form cereo wylrei wiedergegeben 47 . Wir dürfen mithin davon ausgehen, daß die Pilger aus Waxweiler und den umliegenden Dörfern seit ältesten Zeiten Wachszinser waren, und daß in der Verpflichtung zur Wallfahrt die religiöse Dimension des Zinsverhältnisses zum Ausdruck kommt. Ein Blick auf die Karte und die dort verzeichneten Ortsnamen legt ferner den Gedanken nahe, daß die Ansiedlung der Wachszinser in der westlichen Eifel auf die von den Klöstern geleiteten großen Rodungsaktionen des frühen Mittelalters zurückgeht. In der Tat, Waxweiler ist umgeben von einem Schwarm kleiner Höhenorte, deren Namen fast ausnahmslos auf „-scheid“ und „-rath“ enden und somit die betreffende Gegend als ehemaliges Rodungsgebiet ausweisen 48 . In einem Umkreis von 10 km um Waxweiler liegen: Manderscheid, Kopscheid, Scheidchen, Bellscheid, Pierscheid, Greimelscheid, Plütscheid, Feuerscheid, Lascheid, Dackscheid, Eilscheid, Merlscheid, Strickscheid, Euscheid, Binscheid, Olmscheid, Krautscheid, Ringhuscheid, Zweifelscheid, Pla- 240 Jean Schroeder 46 Mittelrheinisches Urkundenbuch, hg. von Heinrich B EYER , 1 (1860), Nr. 14 (762-804). 47 S CHROEDER (wie Anm. 27) S. 555. 48 Vgl. Adolf B ACH , Die deutschen Ortsnamen (1954) S. 382ff.; Heinz E NGELS , Die Ortsnamen an Mosel, Sauer und Saar und ihre Bedeutung für eine Siedlungsgeschichte, Diss. (1958) S. 142. <?page no="255"?> scheid, Burscheid, Altscheid, Utscheid, und Hütterscheid, außerdem Lauperath, Neurath, Matzerath, Seiwerath, Ellwerath und Watzerath, wobei die Flurnamen auf „-scheid“ und „-rath“ nicht mitgezählt sind. Die schriftliche Erstnennung dieser Orte liegt im 12./ 13. Jahrhundert, so daß man, grob gesehen, mit einer Entstehung ab der Jahrtausendwende, d.h. ab der Zeit der Klosterreform rechnen kann. Diese Annahme wird durch das Zeugnis des Prümer Exabtes Caesarius bestärkt, der im Jahre 1222 schreibt, in den drei zurückliegenden Jahrhunderten seien in dem erwähnten Raum „viele Wälder ausgerodet, Zehnten vermehrt, neue Mühlen angelegt, Weinberge angepflanzt, und große Landstrecken urbar gemacht worden“ 49 . Das ist also der Raum, aus dem seit ältesten Zeiten die „Heiligen“ bzw. „Springenheiligen“ nach Prüm und nach Echternach zogen. Ausdrückliche Hinweise auf ihre Wallfahrt in den erzählenden Quellen sind zunächst sehr selten. In Echternach ist es Abt Thiofrid, der am Anfang des 12. Jahrhunderts in seiner Neufassung der Vita Willibrordi die Wallfahrt, die er allerdings als eine uralte Tradition darstellt, erstmals erwähnt. Der Gang nach Echternach, der nach dem Zeugnis des Verfassers in der Pfingstwoche stattfindet, hat für die Teilnehmer einen verpflichtenden Charakter, wird er doch beschrieben als ein „Zusammenströmen unzähliger Kleriker und Laien, aufgrund eines uralten Brauchs, gewissermaßen eines unantastbaren Gesetzes, das von Generation zu Generation weitergereicht und wie durch einen heiligen Eid bekräftigt worden ist“ 50 . Die Melodie und der Tanz Abschließend sei noch die Frage nach der Art und der Herkunft des bei der Springprozession gespielten Prozessionsmarsches gestellt. Der feierlich klingende Marsch, der heute von den Musikgesellschaften, den Akkordeonisten- und Streichergruppen aufgeführt wird, ist das Ergebnis mehrerer Arrangements, die seit dem 19. Jahrhundert vorgenommen wurden. Vom Ursprung der Echternacher Springprozession 241 49 Zitiert von O STER (wie Anm. 20) S. 7. 50 Vita W ILLIBRORDI (wie Anm. 28) cap. 24: adventu paraclyti Spiritus celberrima pentecostes ebdomada (...) ritu perpetuo et quasi lege insolubili et inviolabili a progenie in progeniem transmissa et ceu iuramento Domini confirmata et tradita innumerabilis cleri et populi conventus et frequentia (...) sancta eius terit limina. <?page no="256"?> Von 1797 bis 1840 arbeitete in der ehemaligen Abtei eine Porzellanfabrik, deren Belegschaft auch ein Musikkorps gründete, das alljährlich an der Springprozession teilnahm. Einer der Musikanten erzählte in späteren Jahren: „Diesem Korps war es lästig, drei bis vier Stunden lang immer dieselben simplen Töne zu spielen, Ich selbst wurde deshalb zuletzt zu Herrn Ham, Musikdirektor des 30. Infanterieregimentes zu Trier, später im Konservatorium zu Köln, gesandt, ihn zu bewegen, den Springprozessionsmarsch etwas reichhaltiger zu gestalten. Er bestellte mich für denselben Abend wieder, spielte mir dann den Marsch vor, wie er ihn für gut fand, so daß ich noch am selben Abend die Melodie, welche heute noch gespielt wird, mit nach Echternach nehmen konnte“ 51 . Änderungen, die den Rhythmus „flüssiger und beschwingter“ gestalteten, stammen von Musiklehrer Oberhoffer (um 1874) und dem Echternacher Organisten und Musikdirigenten Max Menager. 52 In der eingangs genannten Abhandlung über den Ursprung der Springprozession hat der Trierer Historiker M.F.J. Müller die Ausgangsmelodie, so wie sie noch am Anfang des 19. Jahrhunderts auf der Flöte gespielt wurde, überliefert: 242 Jean Schroeder 51 Zitiert von Georg K IESEL , Pfingstdienstag, Apotheose des Landesapostels Willibrord, in: Luxemburger Wort, 4. Juni 1949. 52 Richard Maria S TAUD / Joseph R EUTER , Die kirchlichen Kunstdenkmäler der Stadt Echternach (1952) S. 93, Anm. 184. Abb. 17 Der Prozessionsmarsch nach der Aufzeichnung von M. F. J. Müller aus dem Jahre 1803 (Archives de la Section historique de l’Institut grand-ducal, Abt. 15,97). <?page no="257"?> Hier wird ersichtlich, daß es sich keineswegs um eine Melodie handelt, die eigens für die Echternacher Prozession komponiert wurde, sondern um ein altes Volkslied, das, musikalisch gesehen, jenem Melodientyp zuzuordnen ist, der in seiner einfachsten Form zum Text „Alle meine Entchen“ gesungen wird und von dem das Deutsche Volksliedarchiv eine schier endlose Reihe von Varianten aufgezeichnet hat 53 . Das Lied ist quer durch Europa bekannt und wird in vielen Sprachen gesungen: „A la pêche aux moules“ heißt es zum Beispiel auf Französisch, „Goosy goosy gander“ auf Englisch. Diese Feststellung stimmt durchaus mit dem Bild überein, das wir vom Ursprung und Wesen des Echternacher oder - besser gesagt - Westeifeler Tanzes gewonnen haben: Es handelt sich um einen alten Volksbrauch, dessen Existenz bis an die Anfänge unserer schriftlich überlieferten Geschichte zurückverfolgt werden kann. Und ebenso muß die Musik, die noch am Beginn des dritten Jahrtausends am Pfingstdienstag in Echternach aufklingt, zum „Grundbestand“ europäischer Melodientypen gehören. Zur Melodie gehört auch der Tanz, der sog. „Springerschritt“. Der längst sprichwörtlich gewordene Vergleich „Es geht zu wie bei der Springprozession“ suggeriert, daß in Echternach vor- und rückwärts gesprungen wird und daß der Zug dabei nicht so recht vorankommt. Wer sich aber heute die Springprozession ansieht, stellt fest, daß nur vorwärts gesprungen wird, und daß die Prozession einigermaßen zügig von statten geht. Trotz einer beachtlichen Zahl von Teilnehmern - heutzutage sind es durchschnittlich zehnbis elftausend - dauert sie kaum mehr als drei Stunden. Früher war das anders. Ältere Teilnehmer erinnern sich noch daran, daß man vor dem zweiten Weltkrieg vorwärts und rückwärts sprang 54 . Das zeigen auch die ältesten Filmstreifen vom Beginn dieses Jahrhunderts. Selbst die steile Treppe zur ehemaligen Pfarrkirche hinauf ging es vor- und rückwärts. Auch die Augenzeugen des 19. Jahrhunderts berichten von einem endlosen Hin- und Her (s. Anhang 2). Uneinig ist man sich nur in der Frage, wieviele Schritte es vorwärts und rückwärts ging, bzw. ob systematisch nach einer bestimmten Ordnung gesprungen wurde. Die Erklärung scheint auf der Hand zu liegen: Auf die äußerst einfache, seit ältesten Zeiten gespielte Melodie, mit ihrem geraden und regelmäßigen Takt, gab es keine bestimmte Choreographie, sondern je- Vom Ursprung der Echternacher Springprozession 243 53 Vgl. Wolfgang S UPPAN / Wiegand S TIEF , Melodientypen des deutschen Volksgesanges, hg. im Auftrag des deutschen Volksliedarchivs, Bd. 2 Vierzeiler (1978) S. 319. 54 Vgl. dazu die Filmdokumentation „Iechternacher Sprangprëssioun 93“ von Bern T HILL , die am Pfingstsamstag 1993 von RTL-Hei Elei ausgestrahlt wurde. <?page no="258"?> der sprang und hüpfte, wie er konnte, und wie es die sich immer wieder anstauende Masse der vorausgehenden und der nachdrängenden Teilnehmer gestattete. Erst nach dem zweiten Weltkrieg, und in dem Bemühen, die Springprozession, die im Laufe ihrer Geschichte immer wieder belächelt, beanstandet oder gar als skandalös betrachtet worden war, in eine korrekte, mediengerechte Darbietung umzugestalten, hat man auf das Rückwärtsspringen verzichtet - ungeachtet einer alten Tradition und des weithin bekannten Sprichwortes. Schlußfolgerung Unter welchen Aspekten man das Phänomen „Springprozession“ auch untersucht, seine Ursprünge lassen sich eindeutig bis ins frühe Mittelalter zurückverfolgen. Anders als heute war der Echternacher Kulttanz früher kein einzigartiger Brauch, sondern Teil einer weitverbreiteten, wenn auch nur spärlich dokumentierten Erscheinung. Hinter der Figur Willibrords, des großen Echternacher Heiligen, verbarg sich in den Anfängen die Gestalt Johannes’ des Täufers; sie verband die Kulttänze, die an verschiedenen Orten der westlichen Eifel und des heutigen Luxemburg nachgewiesen werden können. In Echternach trat Willibrord († 739) bereits um die Mitte des 8. Jahrhunderts an die Stelle des Täufers; seit ungefähr derselben Zeit wurde er nach dem Zeugnis seiner ältesten Vita (um 800) in spezifischen Krankheitsfällen wie Lähmung, Epilepsie, körperlicher und geistiger Behinderung um Hilfe angerufen, und im Rahmen des so auflebenden Kultes ist gelegentlich auch von tripudium und tripudiare die Rede (8. und 10. Jahrhundert). Der Freudentanz aus frühfränkischer Zeit entwickelte sich zum Buß- und Heiltanz. Allerdings bezeugt die „Sage von den verhexten Tänzern“, eine Warnlegende, die bereits im 11. Jahrhundert in einer Echternacher Predigtsammlung nachweisbar ist, daß sich die Kirche mit der Einverleibung vorchristlichen Brauchtums schwertat. Schließlich führt auch die in den Quellen stets wiederkehrende Bezeichnung „Springenheilige“ für die Teilnehmer an den Westeifeler Tänzen in das 8. Jahrhundert zurück, als in den Schenkungsurkunden an die Klöster Echternach und Prüm die ältesten bekannten Fälle der Freilassung „zur Wachszinsigkeit“ und eine damit verbundene Verpflichtung zur Wallfahrt schriftlich festgelegt wurden. Ob die seit 1803 belegte Tanzmelodie ein vergleichbar hohes Alter beanspruchen kann, läßt sich mangels einschlägiger Quellen nicht mehr nachweisen. Offensichtlich aber gehört das bis heute in Echternach gespielte Lied zum „Grundbestand“ europäischer Melodientypen. 244 Jean Schroeder <?page no="259"?> Anhang 1: Frühmittelalterliche Tanzverbote Non licet in ecclesia choros saecularium vel puellarum cantica exercere. (Es ist nicht erlaubt, in der Kirche weltliche Reigen und Mädchengesänge aufzuführen; Synode von Auxerre can. 9, zum Jahr 585) Exterminanda omnino est irreligiosa consuetudo quam vulgus per sanctorum solemnitates agere consuevit, ut populi qui debent officia divina attendere saltationibus et turpibus invigilent canticis. (Auszurotten ist jener gottlose Brauch, den das Volk an den Festtagen der Heiligen pflegt: daß die Leute, statt dem Gottesdienst beizuwohnen, den Abend mit Tänzen und schändlichen Liedern verbringen; Konzil von Toledo can. 23, zum Jahr 589) Nullus in festivitate S. Ioannis vel quibuslibet sanctorum solemnitatibus solstitia aut ballationes, vel saltationes aut coraulas aut cantica diabolica exerceat. (Niemand soll am Festtag des Hl. Johannes oder irgend eines anderen Heiligen Sonnenstillstandsbräuche, Tänze, Chöre oder teuflische Gesänge aufführen; Eligius v. Noyon, Homilia, 7./ 8. Jahrhundert) Non licet in ecclesia choros saecularium vel puellarum cantica exercere nec convivia in ecclesia praeparare, quia scriptum est: Domus mea domus orationis vocabitur. (Es ist nicht erlaubt in der Kirche weltliche Reigen aufzuführen und dort Gastmahle zu feiern, denn es steht geschrieben: mein Haus soll Haus des Gebetes genannt werden; Statuta Bonifacii can. 21, zum Jahr 743) Cantus et choros mulierum in ecclesia vel in atrio ecclesiae prohibete. (Frauengesänge und -tänze im Innern der Kirche und im Vorhof derselben sind zu verbieten; Papst Leo IV., Homilia, 847-855) Si quis in quacunque festivitate ad ecclesiam veniens pallat foris aut saltat aut cantat orationes amatorias, ab episcopo aut presbytero aut clerico excommunicetur... (Wer an irgendeinem Festtag zur Kirche kommt und draußen tanzt oder springt oder Liebeslieder singt, der soll vom Bischof, vom Priester oder von einem Kleriker exkommuniziert werden; Iudicium Clementis can. XX, um 800) Vom Ursprung der Echternacher Springprozession 245 <?page no="260"?> 246 Jean Schroeder Anhang 2: Augenzeugen des 19. Jahrhunderts über den Echternacher Tanz 1815 „Johann Bertholet sagt: ... Les pelerins font une espece de danse, ou de sauts, ou on doit avancer trois pas et en reculer deux. - Bertholet irret hier, indem man immer 4 Schritte (pas) zur Rechten und 4 zur Linken macht, und man doch immer Vorwerts rückt.“ (M. F. J. Müller, Abhandlung über die [...] Prozession der sogenannten Springenden Heiligen, Trier 1815) 1870 „Der Tanz ist ein cadenzirter, rythmischer Sprung nach den Klängen der Musik geordnet, fünf Schritte vorwärts und wieder zwei zurück, oder drei vor- und einen rückwärts. Auch war es wohl zur Zeit Sitte, gar nicht rückwärts zu springen, sondern die Tänzer machten drei bis vier Schritte zur Rechten und ebenso viele zur Linken in schräger Richtung, so daß der Zug sich immer vorwärts bewegte“. (J. B. Krier, Die Springprozession und die Wallfahrt zum Grabe des heiligen Willibrord in Echternach, Luxemburg 1870, S. 59) 1885 „La procession monte l’escalier de l’église St. Pierre (64 marches). Cette ascension qui se fait comme le reste de la procession 5 pas en avant et 3 en arrière est une véritable cohue“. (J.-C. Muller, La procession dansante de 1885 illustrée par Georges Lenôtre, in: Echternacher Studien 2 (1982), S. 71-85; hier: S. 74) <?page no="261"?> V: Ausblick Jacobus Maior in den Rheinlanden: ein Projekt R OBERT P LÖTZ Es war vorgesehen, ein Ausstellungsprojekt mehr oder weniger in der oben angeführten Form in Zusammenarbeit des Niederrheinischen Museums für Volkskunde und Kulturgeschichte in Kevelaer mit dem Rheinischen Landesmuseum in Bonn und dem Museum der Kathedrale in Santiago de Compostela im Heiligen Jahr 2004 durchzuführen. Leider gelangte dieses Projekt nicht zur Ausführung. Es soll deshalb hier vorgestellt werden. I Aufsatzteil Einführung - Jacobus Maior in den Evangelien - Jacobus Maior in den Apostelakten und der apokryphen Literatur - Jacobus Maior und die „traditiones hispanicae“ (missio, translatio, sepulcrum/ tumulus) Zeitlicher Rahmen: bis Ende des 12. Jahrhunderts Die Förderung und Ausbreitung des Jacobus-Kultes im lateinischen Westen - Patrozinien - Reliquien - Liturgie - Kirchliche Rechtspraxis - Ikonographie (Einzel- und Zusammenhangsdarstellungen: Divisio App., Hl. Sippe z.B.) - Jacobus in seinen Mirakeln - Karlsmythos und Jacobus-Kult <?page no="262"?> Peregrinatio ad limina Beati Iacobi - Die Pilgerfahrt (Phänomenologie und Praxis) - Die Pilger - Der Weg (iter stellarum) und die Wege (Territorien und Itinerarien) - Die karitativen und ökonomischen Strukturen (Hospitalwesen und Stiftungen, Brückenbau und Versorgung, religiöse und weltliche Betreuung) - Die Heiligen am Weg - Das Ziel (Der Heilige Ort/ Die levitische Stadt) Imperium Sacrum und Jacobus-Kult im Mittelalter - Frühe Kultäußerungen in deutschsprachigen Regionen (Imperium Sacrum) - Karl der Große und Jacobus - Die Blütezeit der Jacobus-Verehrung im Mittelalter (bis um 1500) - Pilgerfreie Räume (bedingt durch Seuchen, Notlagen, Kriege und Krisen) Jacobus in der Neuzeit (16. bis 21. Jahrhundert) - Die Dekadenz der Pilgerfahrt in der Neuzeit - Die Wiederbelebung eines europäischen Heilsweges und seines Trägerheiligen Jacobus in den Rheinlanden (Kult und Kulturtransfer) - Definition und Begrenzung (Geopolitische Strukturen, Wegenetz: Wasser und Land) - Geistliche und weltliche Förderung - Der Rhein in seiner Bedeutung für den Pilgertransport - Der hl. Jacobus und die anderen (Die Bedeutung von Jacobus im rheinischen Heiligenhimmel) - Die „rheinische“ Ikonographie des Apostels Jacobus (Sonderformen) - Jacobus als Volksheiliger: Sonderpatrozinien, Bruderschaften, Gilden und Zünfte - Gastfreundschaft (Klöster, Hospize und Hospitäler) - Rechtspraxis in Stadt und Land (Strafen und Verordnungen) - Stadt und Pilger an den Beispielen Aachen, Köln, Konstanz, Speyer und Straßburg - Jacobus in der rheinischen Literatur (Mirakel- und Exempelsammlungen, Pilgerberichte) 248 Robert Plötz <?page no="263"?> - Sagen, Redensarten, Sprichworte und andere volkstümliche schriftliche Überlieferungen - Brauchtümliche Formen im Jahresverlauf Focus: Die Pilger als Kollektiv, als Sondergruppe, auf den Altstraßen Europas im Hochmittelalter (11.-13. Jahrhundert) Didaktische Einführung: Trotz aller sozialen, räumlichen und schichtenspezifischen Unterschiede handelt es sich um Pilger, die seit dem Hochmittelalter im europäischen Verkehrswegenetz in großer Zahl präsent waren, wie überhaupt das Hochmittelalter für den christlichen Okzident eine Epoche großer Beweglichkeit war. Gewiß hatte der Westen schon immer Unruhige und Reisende gekannt, wobei es sich jedoch im allgemeinen nur um eine privilegierte Minorität handelte: Krieger, Mönche, Adelige oder Einzelgänger. Nach der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts gewinnt dieser Vorgang der Mobilität sowohl quantitativ wie auch qualitativ ein anderes Aussehen. Soziale und religiöse Änderungen und Ideen, eine neue Art von Volksfrömmigkeit, rechtliche Neuerungen, technischer und wirtschaftlicher Aufschwung und viele Komponenten mehr führten zu einer Verallgemeinerung und Vielfältigkeit dieses Umherziehens wie in keiner Zeit zuvor. Fast in jeder sozialen Schicht, und das ist die wesentliche Neuerung, wird das Umherstreifen, das Wandern, die Suche, das Pilgern zu einer Notwendigkeit, einer Gewohnheit, einem Ideal. Ritter ziehen auf âventiure, suchen den Gral. Einsiedler suchen eine Einöde nach der anderen heim, Wanderprediger lehren und bezeugen ständig an anderen Orten das wahre apostolische Leben. Auch Schüler und Studenten befinden sich auf den Straßen des Exils und des Herumirrens. Der Kaufmann und Händler ist in dieser Zeit des aufblühenden Fernhandels ständig unterwegs. Das Phänomen aber, das in höchstem Grad die Mobilität der Gesellschaft jener Zeit widerspiegelt, das alle Stände auf die Wege treibt und sie mit Fernweh und religiösem Verlangen füllt, ist die Pilgerfahrt. In der harten und schmutzigen Wirklichkeit der Straßen fanden die Menschen des 12./ 13. Jahrhunderts die tiefere Bedeutung ihres Glaubens, ihnen schien das Leben des Pilgers das christliche Leben schlechthin zu sein. Denn was ist der Christ anders als ein ewig Wandernder, der nirgends zu Hause ist, ein Vorübergehender auf dem Weg zum neuen Jerusalem. Jacobus Maior in den Rheinlanden 249 <?page no="264"?> II Katalogteil Ideen einer Ausstellung Dialog zwischen zusammengehörigen, aber auseinandergerissenen Objekten in einer zentralen Großregion in Europa Abteilungen Die Kultinvasion - Übers Meer kam der Apostel (Translatio-Darstellungen, hl. Sippe, Apostelkollegium, etc.) Im fernen Westen des alten Europa liegt sein Grab: locus Beati Iacobi (Archäologische Funde, Orts- und Grabdarstellungen) Der Apostel weist Karl dem Großen den Weg zum Grab und zum Heidenkrieg - Miniaturen in Chroniken, Annalen und im Liber Sancti Jacobi Riten liturgischer und paraliturgischer Art - benedictio perarum et baculorum, coronatio peregrinorum, benedictio pro fratribus in viam dirigendis, benedictio pro redeuntibus. - Gebetsverbrüderungen, Beistand der Bruderschaften, etc.). In itinere - Die Pilger unterwegs: Wege, Beherbergung, medizinische und geistliche Betreuung. Die Pilgermemoria - Itinerarien und persönliche Berichte, Ablässe, Geleitbriefe und Aufenthaltsbestätigungen, persönliche Wappen mit Muscheln, Muscheln als Grabbeigaben, Epitaphe, Devotionalien (Pilgerzeichen auch für die hl. Stätten am Weg nach Santiago), - Bestandteile der „indumenta peregrinorum“. - Die Zeugnisse der allgemeinen Verehrung: Stundenbücher, Stadtwappen, Stiftungen etc. Imago Beati Iacobi in den Rheinischen Regionen (in Plastik und Malerei, Textilgestaltung, Pergament und Papier - auch kleine Andachtsbilder - etc.). Dazu auch Modelle zeitgenössischer Darstellungen (Brunnen, Plastiken, Grafiken). 250 Robert Plötz <?page no="265"?> Jakobus in Lied und Literatur - Von Caesarius von Heisterbach bis zu Johannes Geiler von Keysersberg III Bibliographie und Bildnachweise Im Vorfeld der Ausstellungsvorbereitungen wurde dafür vom Museum in Kevelaer aus eine ausführliche Fragebogenaktion für das mittlere und nördliche Rheinland unternommen. Dabei wurden 125 Archive sämtlicher relevanter Bereiche angeschrieben, ferner 58 Museen. Zusammen mit dem Landschaftsverband Rheinland wurde ein Arbeitskreis Jakobsweg/ Rheinland gegründet, der 19 Personen umfaßte und auch politische Kräfte auf kommunalem Bereich mit einschloß. Der Rücklauf belief sich bei den Archiven auf 50 %, bei den Museen auf 40 %. Auf Initiative des Arbeitskreises wurden bereits drei Wege für Jakobspilger im Rheinlauf konzipiert und trassiert. Zwei Wegeführer sind bereits erschienen, der dritte (Niederrhein-/ Maasweg) ist für 2004 vorgesehen. Eine Auswertung des im Niederrheinischen Museum Kevelaer vorliegenden Umfragematerials ist noch nicht erfolgt. Diese war für den Fall vorgesehen, daß die hier vorgestellte Ausstellung zustande käme. Dann hätten wahrscheinlich auch genügend Mitarbeiter für dieses aufwendige Projekt zur Verfügung gestanden. Der Verfasser hofft immer noch, daß auch dieses Material in nicht allzu fernen Tagen zur Auswertung kommt, damit es dem interessierten Leser zur Verfügung stehen kann. Jacobus Maior in den Rheinlanden 251 <?page no="267"?> Resúmenes R OBERT P LÖTZ / P ETER R ÜCKERT : Einführung: Der Rhein und die Rheinlande El rio Rin, las regiones colindantes con sus caminos paralelos, correnspondiendo al cauce del río y a la red fluvial lateral formaron desde tiempos antiguos un sistema arterial que funcionó como medio de transporte para el transito de bienes materiales y espirituales. Las bases militares romanas se convirtieron en la Edad Media en ciudades importantes y florecientes como son Estrasburgo, Maguncia, Coblenza, Bonn, Colonia y Rotterdam para mencionar algunas. Ya en el siglo XII barcos del mar del norte alcanzaron Colonia y las ciudades de arriba. Desde la región del Alto Rin y el lago de Constanza, a través la genuina espléndida cultura monástica se desprendieron las primeras huellas de un culto jacobeo, recibiendo los impulsos de la región Loire-Ródano donde se originaron las primeras manifestaciónes de una literatura jacobea de origen helenista y de la Asia menor, y no de Roma, y de la imposición/ instalación de patrocinios de Santiago. En el siglo X, por ejemplo, el monasterio de la Reichenau ya disponía del conocimiento de las elementales tradiciones jacobeas. Estas noticias se difundieron al lo largo del Rin como eje del Sur al Norte, para lo cual los monasterios jugaron el papel elemental. Los vecinos del gran río proporcionaron los primeros peregrinos alemanes. El Arzobispo Siegfrid I de Maguncia en 1072 quiso visitar Santiago y llegó solo hasta Cluny o la condesa Richardis de Sponheim (alrededor de 1070) por ejemplo. Sobre todo la literatura de la Alta Edad Media refleja la creciente importancia del culto jacobeo. El Liber IV del famoso „Liber Sancti Jacobi“ („Codex Calixtinus“) de la mitad del siglo XII, el llamado ps.-Turpino, enlaza el mundo carolingio con las tradiciones hispánicas y compostelanas y se presentan en la catedral de Aquisgrán en un segmento del techo del sarcófago de Carlomagno. Cesario de Heisterbach hace referencia a los milagros del „Libellus miraculorum“ del arriba mencionado „Codex Calixtinus“ en los libros de su „Dialogus magnus visionum atque miraculorum“. El famoso milagro del peregrino ahorcado y resucitado ocupa un sitio de preferencia también en la literatura renana así como en la iconografía (Gielsdorf, Kempen, Überlingen, etc.). Especialmente dentro de la iconografía surgen formas y temas especiales como la „coronatio peregrinorum“ sobre todo en iglesias entre Colonia y Coblenza), la „benedictio perarum et baculorum“ (Constanza, Maguncia) y la espectular representación de Santiago como „pater peregrinorum“ (Bremm/ Mosela) que hoy día se encuentra en el Museo Central de Renania, en Bonn. El relato del noble peregrino Arnold von Harff de la Baja Renania, a finales del siglo XV, es uno <?page no="268"?> de los más interesantes de su tiempo y género y contiene por ejemplo el primer léxico de la lengua vasca. Caminos y una red de albergues y hospitales cubrieron las regiones a lo largo del Rin e intentaron responder a las nesecidades de los numerosos peregrinos que cruzaron o acompañaron el Rin y su cauce. Suenan todavía núcleos caritativos como Aquisgrán, Coblenza, Colonia, Constanza, Espira y Tréveris para mencionar algunos sitios. La peregrinación desde las regiones renanas no se presenta como un capítulo cerrado e histórico, la tradición de la peregrinación a Santiago sigue hoy en día, hasta se encuentra en plena revitalización y originó últimamente un gran número de proyectos que se realizaron o estan en vía de su realización. La estructura del tomo XIII de los Jakobus-Studien esta dividido en cinco apartados. El primero está dedicado a temas generales, el segundo trata del culto jacobeo en sitios regionales y locales, el tercero habla de peregrinaciones, el cuarto se ocupa de temas literarias y el quinto presenta un proyecto de exposición e investigación. D IETER P.J. W YNANDS : Das Rheinland als Wallfahrtslandschaft En un trabajo de un proyecto de investigación de varios años se averiguó para el Atlas Histórico de Renania (XI. 12’ Colonia 2002) de mil hasta dosmil centros de peregrinación y romerías que fueron visitados durante cierto tiempo por fieles no pertenicientes a la parroquia. El sector del mapa que comprende en el noroeste Kleve y Emmerich, en noreste Beckum y Oelde, en el suroeste Diedenhofen (Thionville) y en el sureste Kaiserslautern. 201 lugares de peregrinación y de romería fueron catalogados. En algunos casos especiales un lugar podía albergar varias romerías. Aproximadamente la mitad de todas las romerías son de índole mariana, pero se podían constatar también 26 romerías en honor del Señor, casí la mitad de ellas con dedicación a la Santa Cruz. Dentro de la gama de las romerías marianas fue la invocación de la Madre Dolorosa la más frecuente (24). Romerías marianas que surgieron en la Edad Moderna Temprana amenudo tienen un caracter expresamente contrareformista. Dentro de las 78 romerías con dedicación a Santos se encuentran también cultos con una influencia territorial muy reducida. La romería, la „Wallfahrt“, con su limitación territorial y con una marcada preferencia mariana, sustituyó a la peregrinación a lugares santos lejanos de la Edad Media. Dentro de este fenómeno ocupó el primer lugar la „processio peregrinationis“ a la „Consolatrix Afflictorum“ de Kevelaer. El todavía continuo exito de Kevelaer hacía retroceder otras romerías. Después de la reforma luterana, el tiempo de la Ilustración provocó una cesura notable. Las tradiciones religiosas disminuyeron como muy tarde a partir de la mitad del siglo XX. Sobre los comienzos renanos de peregrinaciones y romerías no disponemos de una documentación exacta. Se supone que ya en tiempos antiguos bajos y en la Edad Media Temprana los peregrinos visitaron las tumbas y sepulturas de los obispos tempranos. Como probado tenemos la peregrinación a Aquisgrán donde se inició a más tardar en la Edad Media Temprana la veneración de los textiles santos. En su secuencia temporal y forma de contenido fue ejemplar para santos lugares fuera de Renania siendo hasta más allá de la Edad Media la meta de una peregrinación internacional cristiana y centro coordinador para muchas otras peregrinaciones. Es 254 Resúmenes <?page no="269"?> cierto que últimamente destacan los esfuerzos en la investigación para documentar que dentro de Renania existieron caminos determinados en dirección a Santiago de Compostela. Por lo tanto sorprende que el sector cartográfico renano carece de una prueba convincente de un un lugar de devoción que sale de lo comarcal. Cuando los peregrinos optaron por la devoción al Apóstol Santiago no les bastaba una copia, peregrinaron a la Galicia lejana, Renania les ofreció como continuación una serie de peregrinaciones y romerías de cualidad. P ETER R ÜCKERT : Pilgerfahrten auf dem Oberhein im späteren Mittelalter El artículo parte de la pregunta central si existía en el río Rin, y especialmente en el Alto Rin, en la Baja Edad Media una formación especial de tráfico de peregrinos que - además - caracterizó este paisaje de transito y cultura. Podemos contestar - en forma resumida - con un claro e inequivoco „si“. No sólo las ciudades al lo largo del Rin orientaronen su proyectos de economía y de tráfico a las oleadas de peregrinos por corresponderles muy intímamente la práctica peregrina, sino ellas fueron los primeros afectados por la economía peregrina al lado de los centros mismos de peregrinación de los cuales el monasterrio de Einsiedeln destacó considerablemente. Llegamos a concocer el valle del Alto Rin, sobre todo en el siglo XV, como „paisaje de peregrinaciones“ que fue marcado y recibió su identidad por y a través de las oledas periódicamente crecientes de peregrinos las cuales encontramos naturalmente en primer lugar en las fuentes en cuando a factores económicos. Los barcos de cofradías que - en tiempos de mucha afluencia - habrán transitado el Rin uno detrás el otro, caracterizaron el río seguramente también desde el punto de la vista de los „ribereños“ y le proporcionaron un perfil casi sagrado. K ARL -H EINZ D EBUS : Pilgerwege in der Pfalz und in Rheinhessen Hace tiempo los caminos de peregrinación se consideran en estudiados. Así se conoce muy bien los cuatro caminos principales cruzando Francia, también el Rin figura por regla general como ruta preferida de peregrinación. Pero cómo llegaron los peregrinos desde la linea del Rin a los lugares de concentración que son Paris y Vézelay para la „Unterstraße“ (camino bajo) y Le Puy - menos probablemente Arles - para la „Oberstraße“ de Künig de Vach. Igualmente es bien conocido que los peregrinos variaron sus caminos para la ida y la vuelta variando también entre ambos sistemas que - en conexión - con el Rin forman una especie de delta. Thiebes planteó en 1988 en su artículo sobre la „coronatio peregrinorum“ de Landau la pregunta por la existencia de caminos de peregrinos desde el Palatinado a Santiago de Compostela. El presente trabajo intenta llegar a resultados presentando indicios. Correspondiendo al tema se dedica el ensayo a todas las indicaciones del concepto „peregrinus“, así como a todas las menciones al apóstol Santiago el Mayor y a los demás santos peregrinos y de peregrinos como son p.e. los ss. Jodoco, Roque y Magdalena, expresándose como patronos de iglesia o de un retablo, también en la onomástica toponímica y, para completarlo además con la indicación de albergues, hospitales y leproserías, todo recopilado y cartográficamente registrado. Estas in- Resùmenes 255 <?page no="270"?> vestigacionen dieron como resultado lineas obvias. Con esto se podía confirmar la ruta a lo largo del Rin e igualmente precisar: ya que los peregrinos siguieron a la ribera alta de la izquierda del río Rin (I). Una segunda ruta en dirección norte-sur acompañaba la borde de la montaña del bosque del palatinado (II), al cual los peregrinos se dirigieron de dirección sur-oeste vía Alzey partiendo de Maguncia. Esta ruta de peregrinos se cruzó con un atajo que cruzó el recodo del Rin y enlazando directamente Worms y Bingen, la llamada cruz de de san Andrés de la Renania-Hesse. En la orilla del Rin a Espira mismo como centro de peregrinación, le corresponde una relevancia destacada como enlace de rutas, es que de allí se desviaron no solamente los peregrinos a Jerusalén de la ruta del Rin que llegaron del norte, sino también los peregrinos a Santiago que vinieron de Alemania Central, de Polonia, Bohemia y Franconia Oriental atravesaron en número considerable el Rin en Espira y a no ser en dirección occidental - si no intentaron dirigirse a la ruta del Rin - se encaminaron a los lugares de reunión Vézelay y Paris, pero también Le Puy, vía Sarreguemines y Metz. Se podía constatar dos rutas que partieron de Espira: una meridional atravésando el valle del río Queich (E) y otra septentrional vía Kaiserslautern y a lo largo del „Bruch“ del Landstuhl que se dirigió después al occidente de Zweibrücken y Hornbach, acabando igual que la ruta del sur en Sarreguemines (D). A la última también conducen dos atajos de la ruta norte-sur (B, C). Más al norte, un camino de peregrinos enlaza vía Saarbrücken Bingen con Sarreguemines (A). F RANZ M AIER : Spuren des Jakobuskultes im Speyerer Raum La devoción a Santiago el Mayor no ha dejado un gran impacto en la región de Espira. Su importancia fue bastante reducido. No obstante quedaron huellas de peregrinos a Santiago debido a la situación privilegiada en una red viaria de largo recorrido. La presencia de los peregrinos en el paisaje desapareció y la busqueda de sus huellas implica un trabajo laborioso en museos y archivos. Además sufre bajo el desarrollo histórico del Palatinado que tenía sus consecuencias negativas sobre todo en los tiempos de la Historia Moderna Temprana, e.d. primero sucedió la reforma que - de modo muy radical - eliminó en el Palatinado los testigos pétreos de la practica religiosa. Además fueron sobre todo los acontecimientos bélicos del siglo XVII con sus consecuencias terribles que aparte de la destrucción de viejas substancias de monumentos llevaron consigo un intercambio muy extenso de población por lo cual también las tradiciones orales, que podrían haber recordado a formas tempranas de culto, se perdieron rápidemente en la mayoría de los casos. B ERNHARD S CHNEIDER : Spurensuche: Jakobusverehrung im Trierer Land Tréveris como ciudad es conocida como centro de acogida de peregrinos. Todavía hoy los vinos del „hospicio obispal“ llevan el Santo de los peregrinos, Santiago, en su etiqueta. También en la región de Tréveris se conoce el culto jacobeo y se rinde homenaje a Santiago. El Apóstol está firmemente arraigado en los calendarios de las fiestas de los santos, en su honor establecieron e instauraron patronazgos de varias 256 Resúmenes <?page no="271"?> iglesias y de númerosos altares sobre todo de cofradías. Lo que todavía no se puede prestar es un anális inequívoco sobre el „trascurso de la conyuntura“ del culto jacobeo. Los tiempos de la Edad Media Tardía y del baroco se caracterizan en su tendencia por una mayor intensidad del culto. La dimensión de peregrinaciones desde la región de Tréveris a Santiago de Compostela por el momento está sin conocer. Pero parece que no se puede contar con un número elevado de peregrinos en esta región a Santiago. Las indicaciones más fuertes remiten al tiempo de la Edad Media Tardía. Los cristianos católicos se habrán dado por satisfecho con el hecho de que los cultos a la túnica del Señor, a la tumba apostólica de San Mateo y a los numerosos santuarios de la Santa Virgen y demás lugares santos les suspensaron de la necesidad irse con sus preocupaciones y apuros hasta el fin del mundo cristiano. El trabajo finaliza con una lista de la iglesias, capillas y retablos que se establecieron en el arzobispado de Tréveris según el estado en los años 1569/ 71. R OBERT P LÖTZ : Aachen als Pilgerzentrum und als Station auf dem Weg nach Santiago de Compostela En la Edad Media y primeros siglos de la Edad Moderna Temprana, Aquisgrán se presentó como meta internacional y centro de culto mariano para muchos pergrinos, en su mayoría de Europa Central y del Este. Sobre todo en los años de la „Heiltumsweisung“ (mostración de las reliquias sacras) cuya periodizidad fue a partir del siglo XIV de siete años visitaron miles y miles de peregrinos la ciudad de Carlomagno. Mucha fama cogió luego la peregrinación de los húngaros que poblaron en gran número los caminos desde el sur y este a Aquisgrán. Se constituyeron numerosos cofradías y hospitales para los pergrinos, sea en Bremen, Luneburgo, Andernach sea en Hildesheim, Colonia y Osnabrück, dotadas con fondos especiales para peregrinos a Aquisgrán. Se aplicó también la peregrinación a Aquisgrán como medio de la jurisdicción (peregrinatio poenaliter causae). Como centro de caridad y albergue se presentó Colonia, también Santo Lugar con las reliquias de los Reyes Magos. Aquisgrán mismo figuró con su recorrido antiguo como estación importante en el camino a Santiago. Künig von Vach lo describió como punto central de reunión de peregrinos para el „Oberweg“ (Camino Superior). En su infraestructura cabía una porroquia de Santiago, un Hospital, una cofradía y una puerta de ciudad, todos de Santiago. Todo esto refleja la importancia de Aquisgrán como propio Santo Lugar y estación importante en el Camino a Santiago. F RANZ S TAAB : Von Santiago de Compostela nach Mainz. Hintergründe der Reise und Reliquientranslation des Kardinals Richard im Jahr 1114 Mientras que Hrabanus Maurus, en funciones como arzobispo de Maguncia (847- 856), cultivó el culto jacobeo, quizas bajo influencia española, no se puede observar una actidud semejante entre sus succesores. Bardo (1031-1051) y Luitpoldo (1051- 1059) plantaron en lo siguiente un comienzo nuevo con la fundación del monasterio Santiago in monte specioso cerca de Maguncia lo que se podría atribuir a Cluny. El arzobispo Siegfrido I. que consolidó el monasterio, peregrinó en el año 1072 a Resùmenes 257 <?page no="272"?> Compostela. Lo mismo hizo el abad Ruthard/ Ruozelin de Fulda en el año 1077/ 76, reformando posteriormente alrededor de 1084/ 89 hasta 1096 el monasterio de Santiago de Maguncia según la regla cluniacense. Un documento del 29 de noviembre de 1114 que hace constar que el cardinal Ricardo de Santiago de Compostela regaló unas reliquias en Maguncia al monasterio de Santiago, estableció la fiesta de Santiago en el día 30 de diciembre y otorgó una indulgencia, levanta la pregunta por las causas, al fondo de tal hecho. Ricardo fue a Maguncia con motivo de ganar apoyo para los esfuerzos de su obispo Diego II Gelmírez, que intentó ambiciosamente conseguir que el papa promoviere a arzobispado el obispado de Santiago. Cuando Ricardo llegó, el arzobispo Adalberto I fue prisionero del emperador Enrique V. El papa Pascual II ya había pedido al „Staufer“ que liberara al arzobispo. Enrique V respondió con un favor documentado que significó para la iglesia de Maguncia un paso demonstrativo hacia una reconciliación con su arzobispo. Esta fase de aproximación entre el papa y el emperador ofreció a Ricardo una oportunidad relativamente favorable. Copias posteriores del documento de Ricardo muestran que su indulgencia no jugó papel alguno después del Tritentino en el monasterio de Santiago en Maguncia, pero en sí el culto de las reliquias y la fiesta en el 30 de diciembre. R OBERT P LÖTZ : Herzog Johann I. von Kleve († 1481) besucht 1438 das Apostelgrab in Santiago de Compostela En el año 1438, el duque Johann I de Kleve († 1481) visitó la tumba apostólica en Santiago de Compostela. El joven noble des 19 años aprovechó la oportunidad de una excursión rápida, inspirado por motivos de „curiosidad“ y aventura cuando sirvió de acompañante de su hermana Agnes. La hija del duque Adolf de Kleve iba a casarse por mediación de su tio, el duque Felipe el Bueno de Borgoña, con el príncipe y rey títular Carlos de Viana. Los viajeros que contaban con un sequito de aprox. 200 personas, cruzaron Brabant para salir en barco del puerto flamenco Sluis. Llegaron después de un viaje de seis semanas a la corte real castellana de Valladolid. Después de la boda de su hermana, el joven Johann pidió licencia para irse a Santiago. Para su regreso utilizó otra ruta que le condujó a Cataluña, y desde allí vía Montpellier y Avignon a la Borgoña, donde permaneció catorce días. Después visita su tío Felipe en Artois. El texto de la crónica de Cleve, escrito por Gert van der Schüren, manifiesta la actualidad permanente de la peregrinación a Santiago aunque teniendo el motivo especial de la „curiositas“, además de las alianzas de la nobleza europea. La peregrinación perduró en la „memoria“ de Kleve hasta los tiempos de la Contrareforma. De la Edad Media sólo existe un testimonio más de esta región. Se trata del peregrino Johan Top que en 1484 fue a Santiago. Es probable que también Ana de Kleve, la cuarta mujer de Enrique VII de Inglaterra, hubiera estado en Santiago, por lo menos su Libro de Horas da fe de este hecho. 258 Resúmenes <?page no="273"?> V OLKER H ONEMANN : Der heilige Jakobus im Werk des Cäsarius von Heisterbach La investigación presenta brevemente la vida y obra del religioso cisterciense Caesarius de Heisterbach y discute el significado de peregrinaciones para este fraile. Después se relatan los milagros recogidos por Caesarius, que tratan de los actos del Santo y de la peregrinación a Santiago de Compostela. W OLFGANG H ERBORN : Die volkstümliche Jakobusverehrung in den Rheinlanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts und ihre historischen Wurzeln - Zur Auswertung der Rheinischen Fragebögen aus der Zeit um 1930 En los cuestionarios renanos del Atlas de Tradiciones Populares de alrededor de 1930 se puede comprobar solamento en rasgos rudimentarios la extensión original del culto a Santiago en la Edad Media Baja. En el tiempo en cuestión el patronazgo jacobeo de la Alta Edad Media como santo protector de los peregrinos y caballeros fue ampliado considerablemente por un patronazgo para enfermedades y necesidades humanas en general. En la Edad Moderna este patronazgo se disolvió en patronazgos múltiples. Hasta el año 1930 se impuso en general, como demuestra la lámina 1, un solo patronazgo específico, sin embargo dominantemente solamente en un sector geográfico pequeño muy limitado. Más pronunciado es el patronazgo de Santiago para el ganado y los cerdos en la región de Tréveris donde el santo disfruta todavía alrededor de 1930 de una veneración popular. Además le atribuyen a Santiago en las regiones renanas - menos en la Baja Renania la protección para una cosecha abundante, buen tiempo y para el crecimiento de la fruta, especialmente de las manzanas. Muchos almanaques campesinos indican que en la vida de los campesinos el día de Santiago (25 de julio) fue igualmente al día de sorteo para la cosecha. Con la paulatina desaparición de la clase social de los campesinos y de su entorno religioso y debido a la posibilidad de que hoy en día uno puede asegurar daños en la cosecha y perjuicios del ganado, Santiago perdió su clientela campesina que fue portador de su función como santo del campo hasta el siglo XX. J EAN S CHROEDER : Vom Ursprung der Echternacher Springprozession Cuando se investiga el fenómeno de la „Springprozession“ (procesión de los saltantes) sus origenes unívocamente hay que buscarlos en la Temprana Edad Media. La aplicación actual de esta danza de culto difiere considerablemente de lo de antes cuando la danza no figuraba como costumbre particular sino formaba parte de un fenómeno muy frequente si bien escasamente documentado. Detrás de la persona de Willibrordo, el gran Santo de Echternach, originalmente se escondió la figura de Juan Bautista, que enlazó las danzas ceremoniales que pueden comproparse en distintos lugares de la Eifel occidental y de Luxemburgo actual. En Echternach, San Willibrordo († 739) sustituyó ya alrededor de la mitad del siglo VIII a San Juan Bautista. Aproximadamente al mismo tiempo según el testimonio de su Vita más antigua (alrededor de 800) los fieles reclamaron su ayuda e inter- Resùmenes 259 <?page no="274"?> cesión en caso de enfermedades determinados como parálisis, epilepsía, minusvalía física y psíquica. En época franca temprana saltar y brincar de alegría se convirtió en danza por penitencia y para salvación del alma. No obstante, la narración legendaria de „los bailadores embrujados“ del siglo XI, que se encuentra en una colección de sermones echternacuenses en forma de „leyenda de advertencia“, muestra que la iglesia tenía sus dificultades con la incorporación de tradiciones precristianas. Igualmente, la mención de participantes como „santos bailadores“ en las danzas ceremoniales de la Eifel occidental, se basa en documentos ya del siglo VIII, cuando en los documentos de privilegios para los monasterios de Echternach y Prüm fueron fijados por escrito los primeros casos de liberación del „interés de cera“, unido a la obligación de realizar una romería. No se puede compropar en las fuentes corrientes si la melodía de la danza, conocida desde 1803, puede reclamar tanta edad por falta de fuentes. Pero es evidente que la canción, que se ofrece en Echternach hasta hoy, pertenece al „canon“ de tipos europeos de melodias. R OBERT P LÖTZ : Jacobus Maior in den Rheinlanden: ein Projekt El autor presenta el proyecto de una exposición prevista para el Año Santo Compostelano 2004. No se iba a realizar, pero en su estructura muestra todos los elementos que un culto y su influencia tienen, así como las consecuencias materiales además su impacto social y sus interpretación litúrgica y popular. Todo esto se refiere a las regiones a lo largo del Rin, como eje central de la distribución del culto jacobeo. Con motivo de la realización de esta muestra, el responsable del proyecto realizó una encuesta distribuyendo un cuestionario temático a 125 archivos y 58 museos. Este material queda a disposición para una evaluación científica. 260 Resúmenes <?page no="275"?> Aach, Kr. Trier-Saarburg 202f., 206 Aachen 6, 10-12, 16-19, 23f., 27, 39-41, 45, 51, 69f., 87, 130, 141, 143-149, 163, 200, 248 - Bischof von 22 - Blasiusspital 148 - Dom 31 - Domkapitel 142 - Elisabethspital 149 - Mathiashof 150 - St. Jakob 145 - St. Jakobsspital 150 Aare, Fluß 1, 44 Abenheim: Worms 76 Acheberg bei Zurzach, Kt. Aargau 39, 45, 47 Adalbero, Bischof von Metz 176 Adalbert I., Erzbischof von Mainz 170-176 Adalhun, Abt von Disibodenberg 170 Adelbert, Abt von Echternach 231 Adele, Hl. 31 Adicht/ Audun-le-Tiche, Luxemburg 127, 138 Ado von Vienne 3, 155 Adolf von Nassau, dt. König 90 Adolf, Herzog von Kleve 179 Adolf, Graf von Nassau 118 Afra, Hl. 103 Afrika 2 Ägidius, Hl. 71 Agnes von Kleve, Gemahlin des Karl von Viana 13, 179-183 Ahe: Elsdorf, Erftkreis 208 Ahrweiler: Bad Neuenahr-Ahrweiler, Kr. Ahrweiler 142 Aimericus Picaud 63 Al-Mansur 4 Albert, Erzherzog von Österreich 180 Albert, Graf von Sulzbach 176 Albert von Östringen, Domvikar in Speyer 100 Albert von Siena, Hl., Eremit 8 Albert von Stade, Pilger 72 Albrecht I., dt. König 100 Albrecht von Zelle, Kölner Bürger 144 Aldekerk: Kerken, Kr. Kleve 215 Aldenhoven, Kr. Düren 21, 23f., 31 Aldhelm, Bischof von Sherborne 2 Alexander III., Papst 159 Alexander, Herzog von Pfalz- Zweibrücken 68 Alexius, Hl. 71 Alfons III., König von Asturien 155 Alken, Kr. Mayen-Koblenz 130 Alkuin, angelsächs. Theologe 231f. Allerheiligen s. Schaffhausen Almersbach, Kr. Altenkirchen (Westerw.) 60 Alpen 1, 34, 41, 45, 72f. Alsdorf, Kr. Aachen 218 Alsenbrück: Winnweiler, Donnersbergkreis 111 Alsenz, Donnersbergkreis 87 Alsheim, Kr. Alzey-Worms 75, 81 Altenbolanden 110 Altenkirchen, 209 Altscheid, Kr. Bitburg-Prüm 241 Register der Orts- und Personennamen bearbeitet von S USANNE L ANG Das Register erfaßt die Orts- und Personennamen. Die Orte werden nach ihrer aktuellen Gemeindebzw. Verwaltungszugehörigkeit ausgewiesen. Mittelalterliche Personen (bis 1500) sowie Kaiser, Könige und Mitglieder des Adels werden unter ihren Vornamen angeführt. <?page no="276"?> Alzey, Kr. Alzey-Worms 72, 83, 111 Andernach, Kr. Mayen-Koblenz 142f. Andreä, Historiker 110f. Andreas, Hl., Apostel 155 Anna, Hl. 20, 71, 129, 143, 212f. Anna von Kleve, Königin von England, Gemahlin Heinrichs VIII. 184 Antonius Eremita, Hl. 129, 205 Antonius von Padua, Hl. 129 Antwerpen 9, 52, 189 Apollinaris, Hl. 18f. Apollonia, Hl. 209 Appenwiler s. Erhard Aragón 181, 183, 185 Argenschwang, Kr. Bad Kreuznach 207 Arles, Dep. Bouches-du-Rhône 63, 69 (s. auch Caesarius) Armagnaken 42 Armsheim, Kr. Alzey-Worms 74 Arnheim/ Arnhem, Prov. Gelderland 1 Arnold von Harff, rhein. Edelmann 8f. Arnoldi, Wilhelm, Bischof von Trier 27 Arnoldsweiler: Düren 31 Arnoldus, Hl. 31 Arnulf von Rhodos, Patriarch von Jerusalem 107 Artois 181 Asturien, Könige von 2 (s. auch Alfons, Pelayo) Audun-le-Tiche s. Adicht Aunacharius, Bischof 226 Auw a. d. Kyll, Kr. Bitburg-Prüm 31 Avignon, Dep. Vaucluse 181, 183 Aymar s. Aimericus Bacharach, Kr. Mainz-Bingen 50f. (s. auch Werner) Bachem: Bad Neuenahr-Ahrweiler, Kr. Ahrweiler 218 Backman, E. L., Pharmakologe 225 Bad Bergzabern, Kr. Südl. Weinstraße 86 Bad Dürkheim 84 Bad Neuenahr: Bad Neuenahr-Ahrweiler, Kr. Ahrweiler 211 Bad Sobernheim, Kr. Bad Kreuznach 66 Badelingen bei Echternach 239 Baden, Markgrafen von s. Bernhard, Karl Baden, Kt. Aargau 49 Baden-Baden, Kloster Lichtenthal 53f., Taf. V Baldung, Hans, gen. Grien, Maler 54 Bamberg s. Otto Banneux, Prov. Liège, Belgien 18, 28 Barbara, Hl. 129 Barbelroth, Kr. Südl. Weinstraße 80, 86 Barcelona 181, 183 Bardo, Erzbischof von Mainz 154, 156, 176 Bartholomäus, Hl., Apostel 105, 129 Barweiler, Kr. Ahrweiler 21, 24 Basel 3, 8, 38f., 41-50, 62, 72 Bayern 157 Bechtheim, Kr. Alzey-Worms 62, 74f. Becker, Johann, Bäckermeister 9, 185, Taf. II - Elisabeth, Gemahlin Johanns 9, 185, Taf. II Beckum, Kr. Warendorf 17 Bedesbach, Kr. Kusel 88 Beilingen, Kr. Bitburg-Prüm 206 Beinheim, Dep. Bas-Rhin 82 (s. auch Heinrich) Belgien 17 Bellheim, Kr. Germersheim 82 Bellscheid: Neuerburg, Kr. Bitburg-Prüm 240 Benedikt, Hl. 159, 204 Benedikt XIII., Papst 20 Benrath: Düsseldorf 21 Beornrad, Abt von Echternach 231 Berdorf, Prov. Grevenmacher, Luxemburg 227 Bergheim (Erft), Erftkreis 22f. Bergweiler, Kr. Bernkastel-Wittlich 30, 202 Berengar, Graf von Sulzbach 176 Bernhard, Metropolit von Toledo 165 Bernhard I., Markgraf von Baden 42 Bernhard von Breitenbach, Domdekan in Mainz 68, 72f. Bernhard von Clairvaux, Hl. 106, 189 Bernkastel: Bernkastel-Kues, Kr. Bernkastel-Wittlich 130, 202 Berno, Abt auf der Reichenau 233 Bertels, Johannes, Abt von Echternach 229 Bertha, Gemahlin Kaiser Heinrichs IV. 101 Berthold von Denkendorf, Pilger 107 Berthold, Georg, Fiskal 100-102 Bertholet, Johann 246 Bertrada, Klosterstifterin 230 Bescheid, Kr. Trier-Saarburg 202f., 206 Bethlehem, Kloster 22f. 262 Register der Orts- und Personennamen <?page no="277"?> Biebelnheim, Kr. Alzey-Worms 74, 83 Biedesheim, Donnersbergkreis 84 Biesfeld: Kürten, Rheinisch Bergischer Kreis 215 Biewer: Trier 128, 136, 138, 203, 205-207, 219 - St. Jost 136, 203f., 206 Billigheim: Billigheim-Ingenheim, Kr. Südl. Weinstraße 86 Bingen am Rhein, Kr. Mainz-Bingen 51, 70, 72, 74, 143 - Rochuskapelle 74, 87 Binscheid: Üttfeld, Kr. Bitburg-Prüm 240 Binterim, Anton Josef, Franziskaner 224 Birkenfeld (Hunsrück) 127, 138 Birkenhördt, Kr. Südl. Weinstraße 96 Bischheim, Donnersbergkreis 110 Biskaya, Golf von 180, 182 Bitburg, Kr. Bitburg-Prüm 26, 202 Blandine Merten, Hl. 17 Blankenheim, Kr. Euskirchen 23 Blieskastel, Saarpfalz-Kreis 91 Bobenheim am Berg, Kr. Bad Dürkheim 76 Bodensee 2f., 46 Böffingen: Glatten, Kr. Freudenstadt 40 (s. Knüßler) Böhl: Böhl-Iggelheim, Kr. Ludwigshafen Land 78 Böhmen 12, 23, 51, 93, 141, 144 Bolanden, Adelsfamilie 119 (s. auch Loretta, Otto, Philipp, Werner) Bolheim: Herbrechtingen, Kr. Heidenheim 29 (s. Peters) Bona von Pisa, Hl. 8 Bonifatius, Hl. 35 Bonifaz IX., Papst 19 Bonn 1, 19, 203 Boppard, Rhein-Hunsrückkreis 130 Brabant 180 Bracht: Brüggen, Kr. Viersen 210, 218 Braga, Dist. Braga, Portugal, Bistum 164-166 (s. auch Pedro) - Kathedrale 165 Branchweiler: Neustadt an der Weinstraße 85 Braun, Georg, Geograph 145 Breckerfeld, Ennepe-Ruhr-Kreis 9f. Breisach am Rhein, Kr. Breisgau- Hochschwarzwald 38f., 44f., 48 Breisgau 43 Breitenbach, Kr. Kusel 88 Bremen 141 Bremm, Kr. Cochem-Zell 8, 130 Bretten, Kr. Karlsruhe Land 73 Briedel, Kr. Cochem-Zell 130 Brigitta, Hl. 29, 200, 203 Brioude, Dep. Haute-Loire 165 Brower, Christoph, Historiker 228 Bruchsal, Kr. Karlsruhe Land 72 Brueghel, Pieter, d. Ä., Maler 230 Brügge, Prov. West-Vlaanderen, Belgien 181 Büchelberg: Wörth am Rhein, Kr. Germersheim 83 Budberg: Rheinberg, Kr. Wesel 210 Bulgarien 157 Burchard, Bischof von Münster 176 Burchard, Abt von St. Jakob in Mainz 164, 169-172 Burgos 12 Burgund 13, 65, 181-183, 185 (s. auch Philipp) Burscheid, Kr. Bitburg-Prüm 241 Burtscheid, Kr. Bernkastel-Wittlich 19 Buschhofen: Swisttal, Rhein-Sieg-Kreis 19 Busenberg, Kr. Südwestpfalz 92 Butzbach, Johannes, Benediktiner und Humanist 153 Butzweiler: Newel, Kr. Trier-Saarburg 206 Bylandt s. Sophie Caesarius, Hl., Bischof von Arles 227 Caesarius von Heisterbach, Zisterzienser 6, 13, 187-195, 251 Caesarius, Abt von Prüm 241 Calixt II., Papst 62, 166, 174 Cannstatt: Stuttgart 73 Canossa, Prov. Reggio 101 Canterbury, Gft. Kent 19 Capellen: Heimerzheim: Swisttal, Rhein- Siegkreis Cevennen 69, 83 Chlothilde, Hl. 31 Christina, Hl. 212 Chuno, Abt von St. Jakob in Mainz 170 Clemens III., Papst 165 Clemens Wenzeslaus, Erzbischof von Trier 122, 126 Clermont, Dep. Oise 165, 170 Cluny, Dep. Sâone-et-Loire, Kloster 4, 156f., 159, 167, 176 (s. auch Hugo) Register der Orts- und Personennamen 263 <?page no="278"?> Cochem, Kr. Cochem-Zell 202, 209 - St. Martin 139 Coimbra, Dist. Coimbra, Portugal 166 Conques, Dep. Aveyron, Sainte-Foy 67 Conradus de Dreis, Mönch 110 Cornelius, Hl. 205 Cosmas, Hl. 135 Covadonga, Prov. Asturien 2 Crettnach/ Krettnach: Konz, Kr. Trier- Saarburg 206 Crig, Heinrich 61 Cunz Rüdiger, Pilger 40f., 146 Dackenheim, Kr. Bad Dürkheim 84 Dackscheid, Kr. Bitburg-Prüm 240 Dahn, Kr. Südwestpfalz 92 Dalheim, Kr. Mainz-Bingen 127, 138 Dalmatius, Bischof von Santiago de Compostela 165, 169 Damian, Hl. 135 Dannenfels, Donnersbergkreis 114 Dannstadt: Dannstadt-Schauernheim, Kr. Ludwigshafen Land 78 Dartmouth, Gft. Devon 4 Dasburg, Kr. Bitburg-Prüm 123, 130 Daun, Kreis 209 Deidesheim, Kr. Bad Dürkheim 84 Denkendorf, Kr. Esslingen, Kloster 107 (s. auch Berthold) - Propst von 108 Dernbach, Kr. Südl. Weinstraße 86 Deutschland 1, 3, 7, 10f., 17, 20, 25, 39, 59-61, 69, 72f., 93, 106, 107, 114f., 118, 122, 141, 158, 164, 166, 168, 192 Diderot, Denis 223 Diedenhofen/ Thionville, Dep. Moselle 17 Diedesfeld: Neustadt an der Weinstraße 85 Diego I. Peláez, Bischof von Santiago de Compostela 165 Diego II. Gelmírez, Bischof von Santiago de Compostela 13, 164-167, 176 Dierdorf, Kr. Neuwied 127, 130, 138 Dietrich II., Erzbischof von Köln 180 Dietrich, Abt von St. Alban in Mainz 169 Dietrich Krebs, Bürger von Kerpen 191 Diezecha, Gemahlin des Odi 168 Dijon, Dep. Côte-d’Or 61, 93 Dinslaken, Kr. Wesel 212 Dionysius, Hl. 71 Dirmstein, Kr. Bad Dürkheim 84 Disibodenberg, Donnersbergkreis, Kloster 158, 169 (s. auch Adalhun, Kuno) Dittelsheim: Dittelsheim-Heßloch, Kr. Alszey-Worms 74, 81 Dodenburg, Kr. Bernkastel-Wittlich 206 Donatus von Münstereifel, Hl. 18 Donatus, Hl. 214 Dondeldange, Prov. Luxemburg, Luxemburg 127, 138 Donnersberg 88f., 110-119 - Jakobuskapelle und Kloster 88, 110f., 113-116, 118f. Dormagen, Kr. Neuss 22 Dörnbach: Rockenhausen, Donnersbergkreis 88 Dörrmoschel, Donnersbergkreis 88 Dortmund 9 Dreis, Kr. Bernkastel-Wittlich 206, 210 Dries van Holthuysen, Bildhauer 184, Taf. II Driesch: Lutzerath, Kr. Cochem-Zell 31, 210 Drohn: Neumagen-Drohn, Kr. Bernkastel-Wittlich 213 Drudeke, Gemahlin des Johann Husman 143 Drusenheim, Dep. Bas-Rhin 82 Düdelingen/ Dudelange, Prov. Luxemburg, Luxemburg 228 Dudeldorf, Kr. Bitburg-Prüm 213 Dudenhofen, Kr. Ludwigshafen Land 90 Duodechin von Lahnstein, Priester 158 Dünnwald: Köln 210 Düren 20, 23f., 30, 143, 145, 149 Düsseldorf 17, 19, 24, 200 (s. auch Binterim) Dymphna, Hl. 18, 30 Eberhard, Graf von Nellenburg 5 Eberhardsklausen, Kloster 207 Echternach, Prov. Grevenmacher, Luxemburg, Kloster 26, 221f., 227-231, 234-244 (s. auch Adelbert, Beornrad, Bertels, Thiofrid, Veit) - St. Pierre 246 Eckholf von Griesbach 148 Edenkoben, Kr. Südl. Weinstraße 85 Edesheim, Kr. Südl. Weinstraße 85 Eggebert, Graf, Schirmvogt des Bistums Speyer 105 Eichstätt 157 (s. auch Gundekar) 264 Register der Orts- und Personennamen <?page no="279"?> Eifel 15, 26, 127f., 130, 203, 212, 229, 240, 244 Eilscheid, Kr. Bitburg-Prüm 240 Einsiedel, Kaiserslautern 80 Einsiedeln, Kt. Schwyz, Kloster 18, 39-43, 45, 48f., 52f., 69f., 93, 146, 148 Einzkeim, abgegangener Ort im Kr. Ludwigshafen Land 77 Eisenach, Kr. Bitburg-Prüm 206 Eisern: Siegen, Kr. Siegen-Wittgenstein 208 Eitelsbach: Trier 205f. Eligius, Hl., Bischof von Noyon 67, 227, 234-236, 245 Elisabeth von Schönau, Hl. 18 Elisabeth von Thüringen, Hl. 67, 149, 189 Ellscheid, Kr. Daun 210 Ellwerath: Rommersheim, Kr. Bitburg- Prüm 241 Elmstein, Kr. Bad Dürkheim 90 Elmsteiner Tal 90 Elsaß 39, 43, 56, 197 Eltville am Rhein, Rheingau-Taunus- Kreis 17 Emehard, Bischof von Würzburg 167 Emicho, Graf von Leiningen 168 Emmerich, Kr. Kleve 16 Engelbert, Erzbischof von Köln 189 Engelsdorf: Kürten, Rheinisch-Bergischer Kreis 215 England 1f., 4, 159, 215 (s. auch Großbritannien) Ennecha, Witwe 167 Eppo, Bischof von Worms 167 Erdesbach, Kr. Kusel 88 Erfurt 74 Erhard von Appenwiler, Chronist 41 Eschweiler-Kinzweiler, Kr. Aachen 32 Essen 17 Esser, Vikar 29 Essingen, Kr. Südl. Weinstraße 92 Esslingen am Neckar 52 (s. auch Pfoll) Esthal, Kr. Bad Dürkheim 90 Etzlaub, Erhard, Kartograph 39, 93 Eulogius, Hl., Erzbischof von Toledo 155 Europa 1, 3,14, 56, 63, 66f., 69, 72f., 146, 161, 243 Euscheid, Kr. Bitburg-Prüm 240 Ewaldi, Hl. 18 Falkenstein, Herren von 113 Farschweiler, Kr. Trier-Saarburg 130, 202, 206f. Fath, Adam, Pfarrer 110f. Fatima, Dist. Leiria, Portugal 18, 28 Ferdinand August Graf Spiegel, Erzbischof von Köln 24 Ferrara s. Marcadellus Ferreolus, Hl. 205 Ferschweiler, Kr. Bitburg-Prüm 227 Feuerscheid, Kr. Bitburg-Prüm 240 Fides, Hl. 39 Finis-terre, Prov. La Coruña 63, Taf. III Firmin, Hl. 205 Flonheim, Kr. Alzey-Worms 66 Floreffe, Prov. Namur, Belgien, Kloster 19 Florus von Lyon, Schriftsteller 3 Folbert, Pilger 6, 157 Forster, Johann Georg, Schriftsteller und Revolutionär 22 Franck, Augustinus 52 Franken 11, 41, 62, 93 Frankenthal (Pfalz) 62, 67, 77 - St. Jakobus am Pilgerpfad 76 Frankfurt a. M. 6, 51, 61, 67, 74, 83, 169 (s. auch Wigel Frosch) Frankreich 1, 7, 17, 27, 53, 58, 61, 65, 67, 69f., 105, 111, 166, 168, 182f. Frankweiler, Kr. Südl. Weinstraße 210 Frauenberg: Sarreguemines, Dep. Moselle 91 Fraukirch: Thür, Kr. Mayen-Koblenz 30 Frechulf, Bischof von Lisieux 3 Freiburg i. Br. 44, 52 (s. auch Vogtherr) - Münster 8, 60 Freiendiez: Diez, Rhein-Lahn-Kreis 127, 138 Fresnois-la-Montagne, Dep. Meurthe-et- Moselle 139 Friedrich I. Barbarossa, röm.-dt. Kaiser 158 Friedrich II., röm.-dt. Kaiser 108f. Friedrich, Graf von Leiningen 68 Friedrich, Graf von Pfirt 6 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen 26 Frielingsdorf: Lindlar, Oberbergischer Kreis 215 Friesland 236 Fulda 158 - Frauenberg, Kloster 159 Register der Orts- und Personennamen 265 <?page no="280"?> - Abt von 68 (s. auch Heinrich, Manegold, Ruthard) Fürth, Kr. Bergstraße 130 Fußgönheim, Kr. Ludwigshafen Land 78 Gaiß, Jacob 52 Galicien 2, 63, 135, 155, 160, 164, 166, 182f. Gangolf, Hl. 71 Garzweiler: Jüchen, Kr. Neuss 218 Gascogne 61 Gau-Algesheim, Kr. Mainz-Bingen 143, 164, 170 Gau-Bickelheim, Kr. Alzey-Worms 74 Gau-Odernheim, Kr. Alzey-Worms 74, 83 Gauersheim, Donnersbergkreis 83 Gayer, Peter 108 Geilenkirchen, Kr. Heinsberg 202 Geiler von Keysersberg, Johannes 251 Geinsheim: Neustadt a. d. Weinstraße 90, 170f. Geldern 24, 181, 215 Gelnhausen, Main-Kinzig-Kreis 169 Genovefa, Hl. 30 Gent, Prov. Oost-Vlaanderen, Belgien 51 Georg, Hl. 129 Gerd von Havekesbeke 148 Gerebernus, Hl. 18, 30 Germersheim 51, 61, 67, 80, 82, 90 - Burg 104 Gerresheim: Düsseldorf 31 Gert van der Schuren 179 Gertrud, Hl. 211 Gertrude Fictor 141 Gevard von Walberberg, Abt von Heisterbach 190 Gielsdorf: Alfter, Rhein-Sieg-Kreis 6, 8 Gießen 122 Gijsbert Renthell, Stallknecht 184 Gilzem, Kr. Bitburg-Prüm 202, 206f. Girod, Westerwaldkreis 127, 138 Gironde, Fluß 160 Goar, Hl. 18, 32 Godefridus/ Gottfried, Bürger von Köln 191f. Godehard, Hl. 30 Goethe, Johann Wolfgang von, Dichter 197 Göllheim, Donnersbergkreis 101, 111 Gommersheim, Kr. Südl. Weinstraße, Kloster 74, 83 Gondorf, Kr. Bitburg-Prüm 130 Göppingen 73 Görlitz, Bistum 73 Görres, Joseph von 27 Gottfried, Pfalzgraf von Lothringen 176 Gottfried von Bouillon, Herzog von Niederlothringen 170 Gotthardpaß 44 Gougaud, L., Benediktiner 225 Gräfendrohn, Kr. Bernkastel-Wittlich 218 Graefrath: Solingen 19 Gregor der Große, Hl., Papst und Kirchenlehrer 189 Gregor IX., Papst 132 Greimelscheid: Lambertsberg, Kr. Bitburg-Prüm 240 Greimersburg, Kr. Cochem-Zell 127, 138 Greiveldange, Prov. Grevenmacher, Luxemburg 127, 138 Greta Richtern, Gemahlin von Henn Stalberg 6 Gretser, Jacob, Jesuit 183 Grien s. Baldung Gries, Dep. Bas-Rhin 82, 86 Griesbach s. Eckholf Grimm, Jacob 117 Großbockenheim: Bockenheim an der Weinstraße, Kr. Bad Dürkheim 84 Großbritannien 180 (s. auch England) Großfrankenthal: Frankenthal 77 Großkarlbach, Kr. Bad Dürkheim 84 Großlittgen, Kr. Bernkastel-Wittlich 206 Grünenwald, Lucas, Lehrer 99-103 Grünstadt, Kr. Bad Dürkheim 84 Gumbsweiler: Sankt Julian, Kr. Kusel 88 Gundekar, Bischof von Eichstätt 157 Gundelfingen, Schweikhart von 53 Guntersblum, Kr. Mainz-Bingen 75, 81 Guntersdorf, Kr. Mainz-Bingen 128, 139 Gutweiler, Kr. Trier-Saarburg 135 Gymnich: Erftstadt, Erftkreis 29 (vgl. Esser) Haardt 93 Habsburger, Adelsfamilie 9 (s. auch Österreich) Hagenau/ Haguenau, Dep. Bas-Rhin 86 Hagenbach bei Maximiliansau 82 Hagondange, Dep. Moselle 87 Hahnerhof: Bedburg, Erftkreis 26 Hainfeld, Kr. Südl. Weinstraße 85, 104 Halberstadt s. Reinhard 266 Register der Orts- und Personennamen <?page no="281"?> Halle an der Saale 43 (s. Hans von Waldheym) Ham, Musikdirektor 242 Hambach an der Weinstraße: Neustadt an der Weinstraße 85, 90, 104 Hanns Vierenkoren 146 Hans Knüßler, Pilger 40 Hans von Waldheym 43f. Happerschoß: Hennef (Sieg), Rhein-Sieg- Kreis 210 Harlingen: Merzig (Saar), Kr. Merzig- Wadern 31 Hartwig von Sponheim, Erzbischof von Magdeburg 157 Hartwig, Abt von St. Jakob in Mainz 169 Hatto I., Erzbischof von Mainz und Abt der Reichenau 155 Haustadt, Kr. Merzig-Wadern 202 Heckner, Anna, geb. Koch 99 Heidelberg 51 Heidingsfeld: Würzburg 40, 146 (s. auch Cunz) Heidweiler, Kr. Bernkastel-Wittlich 206, 207 Heiligenstein (Pfalz): Römerberg, Kr. Ludwigshafen Land 60, 99, 103 Heiligenwald: Schiffweiler, Kr. Neunkirchen 89 Heiliges Land s. Palästina Heilsbronn, Kr. Ansbach Land 10 Heimbach, Kr. Düren 20, 23f. Heimerzheim: Swisttal, Rhein-Sieg-Kreis 19 Heinrich III., röm.-dt. Kaiser 104 Heinrich IV., röm.-dt. Kaiser 101f., 154, 166, 169f. Heinrich V., röm.-dt. Kaiser 166, 172-176 Heinrich VIII., König von England 184 Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Bayern 68 Heinrich II., Graf von Luxemburg 236 Heinrich, Erzbischof von Mainz 114 Heinrich, Bischof von Lüttich 75 Heinrich III., Abt von Fulda 159f. Heinrich von Speyer, Priester 110 Heinrich von Beinheim 41 Heinrich von Sponheim, Sohn Philipps von Sponheim 113f. Heinrich von Sponheim, Vater Philipps von Sponheim 113 Heinsberg 212 Heisterbach: Königswinter, Rhein-Sieg- Kreis, Kloster 187, 190 (s. auch Caesarius, Gevard) Helena, Hl. 55 Henn Stalberg (Stalburger), Pilger 6 Herbert von Clairvaux, Erzbischof von Torres 189 Herchenoald, Hausmeier in Neustrien 234f. Herforst, Kr. Bitburg-Prüm 202 Hermann, Markgraf von Meißen 176 Hermann, Domkapitular von Speyer 105 Hermann (II.), Abt von Himmerod 190 Hermann der Lahme, Mönch auf der Reichenau 3, 5 Hermann Hessenlandt 43 Hermann Künig von Vach 12, 40, 61, 68f., 82, 148 Hermann-Josef von Steinfeld, Hl. 18 Hermanns, Vikar aus Hochkirchen 29 Herodes Agrippa 209 Herschweiler: Herschweiler-Pettersheim, Kr. Kusel 88 Herzfeld: Lippetal, Kr. Soest 32 Hessen 17 Heßloch: Dittelsheim-Heßloch, Kr. Alzey-Worms 74 Hetzerath, Kr. Bernkastel-Wittlich 206 Heynemann von Kerlich 141 Hildegard von Bingen, Hl. 18 Hildesheim 143 - Bischof von 68 Hillensheim, abgegangener Ort im Landkreis Ludwigshafen Land 77 Himmerod s. Hermann Hinrich di Rinsche 184 Hochkirchen: Nörvenich 29 Hof (Saale) 74, 93 Hoffmann, Hans Rupprecht, Bildhauer 124 Hogenberg, Franz, Kupferstecher und Kartograph 145 Hohenecken: Kaiserslautern, Burg 90 Hohenfels, Herren von 113 Holthuysen s. Dries Holzmühlheim: Nettersheim, Kr. Euskirchen 212 Homburg, Saarpfalzkreis 91 Hommer, Joseph von, Bischof von Trier 25, 131 Höningen: Altleiningen, Kr. Bad Dürkheim 67, 84 Register der Orts- und Personennamen 267 <?page no="282"?> Honorius II., Papst 166 Höringen, Donnersbergkreis 89 Hornbach, Kr. Südwestpfalz, Kloster 91 Hosten, Kr. Bitburg-Prüm 203 Hrabanus Maurus, Erzbischof von Mainz 3, 154-156, 163, 176 Hubertus, Hl. 129, 205 Hugo, Abt von Cluny 157, 165 Hunaweier/ Hunawihr, Dep. Haut-Rhin 39 Hunolt, P. Franz Jesuit 124f. Hunsrück 127f. Hunting, Dep. Moselle 92 Hütterscheid, Kr. Bitburg-Prüm 241 Ichendorf: Bergheim (Erft), Erftkreis 145 Ida, Gemahlin Eberhards von Nellenburg 5 Idstein, Rheingau-Taunuskreis 127, 139 Igel, Kr. Trier-Saarburg 202 Ilbesheim, Donnersbergkreis 83, 87 Immenstaad am Bodensee, Bodenseekreis 46, Taf. IV Immerath, Kr. Daun 32 Immert, Kr. Bernkastel-Wittlich 127, 139 Ingelheim am Rhein, Kr. Mainz-Bingen 70, 143, 164 Ingweiler: Reipoltskirchen, Donnersbergkreis 88 Ingweiler: Einöd: Zweibrücken 91 Innozenz II., Papst 63 Iria/ Padrón, Prov. Lugo, Diözese 165 Irland 226 Irmina, Hl. 31, 239 Irsch, Kr. Trier-Saarburg 211 Isabel Clara Eugenia, Tochter Philipps II. 180 Issel 202f., 206 Italien 1, 7, 49 Jakobsberg bei Mompach, Prov. Grevenmacher, Luxemburg 127, 138 Jakobsweiler, Donnersbergkreis 88, 112 Jakobswüllesheim: Vettweiß, Kr. Düren 219 Jakobus der Jüngere, Hl. 81, 88, 107, 200 Jerusalem 8, 40f., 55, 73, 82, 108, 146f., 157, 190 - Grabeskirche 107f. Jodokus, Hl. 61, 71, 85f., 199, 203-206 Johann II., König von Navarra und Aragón 179 Johann I., Herzog von Kleve 11, 13, 179-183, 185, Taf. VI, VII Johann II., Herzog von Kleve 184 Johann Husman, Stifter 143 Johann Top, Pilger 184 Johann von Schönenberg, Erzbischof von Trier 136 Johann Werner, Graf von Zimmern 53 Johanneau, Eloi 223 Johannes Hartlieb 189 Johannes, Evangelist 154, 164 Johannes der Täufer 14, 129, 209, 211, 227, 229f., 233, 244 Johanniskreuz: Trippstadt, Kr. Kaiserslautern Land 90 Jörg Truchseß von Waldburg 53 Josef, Hl. 129 Josef II., dt. Kaiser 21 Jost s. Jodokus Joxweiler s. Jakobsweiler Judaea, röm. Provinz 63 Jungeroth: Buchholz (Westerwald), Kr. Neuwied 210 Jutta von Sponheim 158 Kaimt Mosel: Zell (Mosel), Kr. Cochem- Zell 130 Kaiserslautern 12, 17, 83, 89f., 93, 104, 111 Kalkar, Kr. Kleve 9, 218f. - St. Nikolai 184, Taf. II Kamp-Bornhofen, Rhein-Lahn-Kreis 32 Kandel, Kr. Germersheim 82 Kapellen-Drusweiler, Kr. Südl. Weinstraße 86 Kappelkinger, Dep. Moselle 92 Karden: Treis-Karden, Kr. Cochem-Zell 130 - Archidiakonat 128 Karl der Große, röm. Kaiser 6, 35, 62f., 145, 250 Karl von Viana, Prinz von Navarra 13, 179 Karl, Markgraf von Baden 43 Karthaus: Trier 202f., 206 Kastilien 13, 185 - König von 13, 182 Katalonien 181, 183 Katharina von Alexandrien, Hl. 19, 129 Kautenbach, Prov. Diekirch, Luxemburg 127, 138 Kempen, Kr. Viersen 6, 8, 212 268 Register der Orts- und Personennamen <?page no="283"?> Kempen-Krefeld, ehem. Kreis 215 Kerpen (Eifel), Kr. Daun 187 (s. auch Dietrich Krebs) Kesslingen: Perl, Kr. Merzig-Wadern 127, 138 Kessenich: Bonn 218 Kevelaer, Kr. Kleve 21-24, 28, 31 Kiedrich, Rheingau-Taunus-Kreis 8, 31 Kirchesch: Kirchwald, Kr. Mayen- Koblenz 218 Kirchheim: Kirchheimbolanden, Donnersbergkreis 110, 115, 118 Kirchheimbolanden, Donnersbergkreis 87 Kirmutscheid: Wirft 126 Kirrweiler (Pfalz), Kr. Südl. Weinstraße 90 Kirschgarten, Kloster 76 Klausen, Kr. Bernkastel-Wittlich 16, 20, 31, 206 Kleinfrankenthal: Frankenthal 77 Kleinlützel, Klosterfrauen von 6 Klenger, Heinrich, gen. Lulle 52f. Kleve, Kr. Kleve 13, 16, 181f., 184f. (s. auch Adolf, Agnes, Anna, Maria) Kliding, Kr. Cochem-Zell 211 Klingbachtal 92 Klingenmünster, Kr. Südl. Weinstraße 86, 92, 155 Klotten, Kr. Cochem-Zell 202 Klüsserath, Kr. Trier-Saarburg 202f., 206 Koblenz 1, 8, 17, 74, 86, 200 - St. Florian 9 Kölbigk, Kr. Bernburg 235 Köln 1, 8f., 12, 17-20, 22, 24, 26, 31, 39, 49, 51f., 54, 69, 130, 143-145, 149, 175, 189f., 200, 216, 236, 242, 248 (s. auch Albrecht, Dietrich, Engelbert, Ferdinand, Godefridus, Petrus, Sistappus) - Dom 8, 20, 217 - St. Andreas 144 - St. Johannes Baptist-Hospital 144, 150 - St. Kunibert 23, 217 - St. Maria im Kapitol 144 - Jakobuskirche 9 - Hospital zum Ipperwald 9 König, Hermann s. Künig Konrad von Bolanden 113 Konrad von Scharfeneck, Bischof von Speyer 80, 107 Konrad von Wittelsbach, Erzbischof von Mainz 6, 158 Konrad, Weihbischof von Mainz 68 Konstantin, röm. Kaiser 55 Konstantinopel/ Istanbul 168 Konstanz 8, 10, 44, 53, 248 Konz, Kr. Trier-Saarburg 202f., 206 Koosbüsch: Wißmannsdorf, Kr. Bitburg- Prüm 208 Kopscheid: Lichtenborn, Kr. Bitburg- Prüm 240 Kordel, Kr. Trier-Saarburg 202f., 206 Kornelimünster: Aachen 19, 24, 30, 149 Kottenforst 19 Krautscheid, Kr. Bitburg-Prüm 240 Krefeld 24, 216 Kreuznach: Bad Kreuznach 203 Kröppen, Kr. Südwestpfalz 92 Künig s. Hermann Kunigunde von Sponheim 113 Kuno, Abt von Disibodenberg 158 Kusel 83, 88 Kyll, Fluß 203 Kyllburg, Kr. Bitburg-Prüm 31, 130 Kyllburgweiler, Kr. Bitburg-Prüm 130 Kylltal 31 Lahn, Fluß 1, 122, 127 Lahnstein s. Duodechin Lambert, Hl. 19, 75 Lambertsberg, Kr. Bitburg-Prüm 123 Lambrecht (Pfalz), Kr. Bad Dürkheim 90 Lampaden, Kr. Trier-Saarburg 206 Lampert von Hersfeld 154 Landau in der Pfalz 72, 80, 85f., 92, 104 Landstuhl, Kr. Kaiserslautern Land 91 Landsweiler-Reden: Schiffweiler, Kr. Neunkirchen 202 Langenbach, Kr. Kusel 88 Langenfeld, Kr. Mayen-Koblenz 23, 31 Langerwehe, Kr. Düren 216 Langgöns, Kr. Gießen 127, 138 Lascheid, Kr. Bitburg-Prüm 240 Laufenburg (Baden), Kr. Waldshut 38, 48, 50 Lauperath, Kr. Bitburg-Prüm 241 Laurent, Johannes Theodor, Vikar 224 Laurentius, Hl. 18, 129, 199, 215 Lausanne, Kt. Waadt 40 Lauterburg/ Lauterbourg, Dep. Bas-Rhin 82 Lauterecken, Kr. Kusel 88 Register der Orts- und Personennamen 269 <?page no="284"?> Lautzkirchen: Blieskastel, Saarpfalzkreis 95 Le Puy, Dep. Haute-Loire 12, 63, 66, 69, 93 Lechenich: Erftstadt 29 Lehmann, Christoph 106 Leideneck: Bell (Hunsrück), Rhein- Hunsrück-Kreis 210 Leidingen: Wallerfangen, Kr. Saarlouis 208 Leiningen, Rhein-Hunsrück-Kreis 210 (s. auch Emicho) Leisner, Karl 18 Lennep: Remscheid 9 Leo IV., Papst 245 León 12 Leonhard, Hl. 71 Letzkopf, Peter, Hofnarr 52f. Leutersdorf, Kr. Neuwied 213 Lichtenthal s. Baden-Baden Liechtenstein 1 Lieser, Kr. Bernkastel-Wittlich 130, 202 Limbach, Kr. Bad Kreuznach 91 Limburg an der Haardt, Kr. Bad Dürkheim, Kloster 156 Limburg an der Lahn, Kr. Limburg- Weilburg 19 Limmat, Fluß 42, 44 Limousin 71 Lindenholzhausen: Limburg an der Lahn, Kr. Limburg-Weilburg 127, 138 Lingenfeld, Kr. Germersheim 92 Linz am Rhein, Kr. Neuwied 60, 130 Lippetal, Kr. Soest 32 Lisieux s. Frechulf Lissabon 4, 6, 158 Litdorf/ Rehlingen-Littdorf: Fisch, Kr. Trier-Saarburg 127, 138 Littersheim s. Bobenheim Liudger, Hl. 18 Liutpold, Erzbischof von Mainz 154, 156, 176 Livland 141 Lohnsfeld, Donnersbergkreis 87 - Jakobuskirche 193 Longuyon, Archidiakonat 132 Lonnig, Kr. Mayen-Koblenz 130 Lorch, Rheingau-Taunus-Kreis 167 Loreto, Prov. Ancona 18 Loretta von Bolanden 110, 113f. Losheim am See, Kr. Merzig-Wadern 31 Lothringen 122, 170 Lourdes, Dep. Hautes-Pyrénées 18, 28 Lübeck 147 Lucia, Hl. 17, 129, 199 Ludwig der Bayer, röm.-dt. Kaiser 114 Ludwig XII., König von Frankreich 9 Ludwig III., Pfalzgraf bei Rhein 42 Lugo 164f. - Diözese 2 Lukas, Hl., Evangelist 214 Lüneburg 141 Luppy, Dep. Moselle 92 Luther, Martin, Reformator 8, 65 Lüttelforst: Schwalmtal, Kr. Viersen 218 Lüttich/ Liège 4, 17, - Bistum 75 (s. auch Heinrich, Robert) - Jakobuskloster 4 Lützkampen, Kr. Bitburg-Prüm 210 Lutzerath, Kr. Cochem-Zell 31 Luxemburg 17, 21, 24, 26, 122, 126, 128, 130, 229, 244 (s. auch Laurent) - Bischof von 221 Luzern 44 Maas, Fluß 1, 17, 27 Maastricht 39, 51, 149 Magdeburg s. Hartwig Magnus, Hl. 236f. Maikammer, Kr. Südl. Weinstraße 85 Main, Fluß 1, 51 Mainz 1, 5, 8, 12, 17, 22, 38f., 41, 42, 48, 50f., 56, 67, 70, 72, 74, 75, 83, 87, 91, 111, 130, 154f., 157, 161, 166, 170, 173, 175-177 (s. auch Adalbert, Bardo, Bernhard, Hatto, Heinrich, Konrad, Liutpold, Ruthard, Siegfried, Wezilo, Zeizolf) - Erzbistum 17, 155f., 163, 175 - St. Alban 6, 155, 172 (s. auch Dietrich) - Jakobushospiz 61 - St. Jakob, Kloster 13, 111, 153, 161-164, 166, 168-172, 175-177 (s. auch Burchard, Chuno, Hartwig, Manger, Werinbold) Mainz-Hechtsheim 167 Malmesbury, Gft. Wiltshire 2 (s. Aldhelm) Manderscheid, Kr. Bitburg-Prüm 240 Manegold, Abt von Fulda 167-169 Manger, Johann, Abt von St. Jakob in Mainz 163 270 Register der Orts- und Personennamen <?page no="285"?> Mangold, Ritter und Mönch 5 Marburg 74 Marcadellus, Bürger von Ferrara 191 Margareta, Gemahlin des Pfalzgrafen Philipp 147 Maria, Hl. 17, 21, 69, 129, 164, 230 Maria Engelport: Treis Karden, Kr. Cochem-Zell 130 Maria Magdalena, Hl. 43, 71, 75, 129 Maria von Burgund, Gemahlin Herzog Adolfs von Kleve 179 Marialind bei Braunsrath 21 Mariawald: Heimbach, Kr. Düren, Kloster 20, 23 Marienstatt: Streithausen, Westerwaldkreis 20 Marienthal: Rockenhausen, Donnersbergkreis 31, 87 Maring: Maring-Noviand, Kr. Bernkastel- Wittlich 130 Markus, Evangelist 7, 214 Marpingen, Kr. Wendel 15 Marquard von Westensee, Knappe 147 Margarethe, Hl. 129, 213 Martin, Hl. 71, 127, 129, 211, 230 Marx, Karl 27 Masen, Jakob 227 Maternus, Hl. 18 Matthias, Apostel 12, 15, 18, 129, 131, 137 Matzen: Bitburg 239 Matzenbach, Kr. Kusel 88 Matzerath, Kr. Bitburg-Prüm 241 Mauren 2, 4, 62, 217 Maximinus, Hl. 129 Maximilian I., röm.-dt. Kaiser 73 Maxstadt/ Maxéville, Dep. Meurthe-et- Moselle 92 Mayen, Kr. Mayen-Koblenz 139 Mayer, Martin, Bildhauer 60 Mechel Schitterich, Gemahlin von Henn Stalburger 6 Mechtild, Königin 68 Meginhard von Sponheim 159 Mehring, Kr. Trier-Saarburg 202 Meisenheim, Kr. Bad Kreuznach 87 Meißen s. Hermann Meister A.C., Maler 184 Meister des Bartholomäusaltars, Maler 8, Taf. I Menager, Max, Organist und Dirigent 242 Menningen, Kr. Bitburg-Prüm 206 Merbeck: Wegberg, Kr. Heinsberg 202 Merlscheid, Kr. Bitburg-Prüm 240 Mertloch, Kr. Mayen-Koblenz 140 Merxheim, Kr. Bad Kreuznach 169 Merzig-Wadern, Kreis 202 Mesenich: Langsur, Kr. Trier-Saarburg 202 Mesingen, ehem. Kr. Trier Land 206 Messancy, Prov. Luxembourg, Belgien 127, 138 Meßkirch, Kr. Sigmaringen 52 (s. auch Letzkopf) Metz, Dep. Moselle 12, 17, 69, 70, 74, 83, 86f., 96f., 104, 143 - Bistum 17, 87, 92 (s. auch Adalbero) Meynekin van Vlensborg 147 Michael, Hl. 129 Miltenberg 51 Minden, Bischof von 68 Molenbeek, Prov. Brabant, Belgien 230 Mölln, Kr. Herzogtum Lauenburg 60 Mönchengladbach 19, 23 - Benediktinerabtei 19 Mondoñedo, Prov. Lugo, Diözese 166 Monreal, Kr. Mayen-Koblenz 130 Mont-Cornillon bei Lüttich 75 Mont-Saint-Michel, Dep. Manche 146 Montpellier, Dep. Hérault 181, 183 Montserrat, Prov. Barcelona 53 Morandus, Hl. 6, 8 Moresnet, Prov. Liège, Belgien 31 Mörlheim: Landau in der Pfalz 86 Moers, Kreis 209 Morschheim, Donnersbergkreis 110 Morshausen, Rhein-Hunsrück-Kreis 210 Morswiesen: Hausten, Kr. Mayen- Koblenz 130 Mosel, Fluß 1, 15, 128, 130, 203 Moseltal 86f., 93, 127 Mouterhouse, Dep. Moselle 92 Midersbach, Kr. Altenkirchen 210 Muenschecker, Prov. Grevenmacher, Luxemburg 127, 138 Mühlbach: Bruchmühlbach-Miesau, Kr. Kaiserslautern Land 91 Mühlheim am Rhein: Osthofen, Kr. Alzey-Worms 215 Müller, Michel Franz Joseph, Jurist und Historiker 222-224, 242, 246 Münchweiler an der Alsenz, Donnersbergkreis 89 Register der Orts- und Personennamen 271 <?page no="286"?> Münster 17, 148 (s. Gerd von Havekesbeke) - Bischof von 25 (s. auch Burchard) Münstermaifeld, Kr. Mayen-Koblenz 130 Muros 4 Mußbach: Neustadt an der Weinstraße 84 Mutterstadt, Kr. Ludwigshafen Land 77 Namur, St. Alban 146 Napoleon, Kaiser der Franzosen 23 Nassau, Grafen von 76, 118 (s. auch Adolf) Nassau-Saarbrücken, Grafen von 113 Navarra 13, 180, 181f., 185 (s. auch Karl) Navensone, Diener 147 Neckar, Fluß 1, 36, 51 Nellenburg s. Eberhard, Ida Neuburg, Dep. Bas-Rhin 82 Neuenburg am Rhein, Kr. Breisgau- Hochschwarzwald 38, 48 Neuf-Châtel/ Neuchâtel 40 Neuhausen, Stift 112 Neuleiningen, Kr. Bad Dürkheim 84 Neunkirchen, Kr. Bernkastel-Wittlich 206 Neurath: Arzfeld, , Kr. Bitburg-Prüm 241 Neuss 1, 25, 39, 218 Neustadt an der Weinstraße 85, 90 Neuwied, Kreis 209 Newel, Kr. Trier-Saarburg 203, 206 Niederbreisig: Bad Breisig, Kr. Ahrweiler 130 Niederfischbach, Kr. Altenkirchen (Westerw.) 213 Niedergondershausen: Gondershausen, Rhein-Hunsrück-Kreis 210 Niederhersdorf: Hersdorf, Kr. Bitburg- Prüm 127, 130, 138 Niederlande 1, 17, 24, 53, 73, 189 - Burgundische Niederlande 180 - Österreichische Niederlande 122 - Spanische Niederlande 180 Niederleuken: Saarburg, Kr. Trier- Saarburg 202f., 206 Niederlinxweiler: St. Wendel 216 Niedermendig: Mendig, Kr. Mayen- Koblenz 60 Niederroedern, Dep. Bas-Rhin 82 Niederburg, Rhein-Hunsrück-Kreis 130 Niedersgegen: Körperich, Kr. Bitburg- Prüm 130 Niederstedem, Kr. Bitburg-Prüm 127, 138 Niederweis, Kr. Bitburg-Prüm 212 Nieuwport/ Nieuwpoort: Liesfeld, Prov. Zuid-Holland 180 Nievenheim: Dormagen, Kr. Neuss 24 Nikolaus, Hl. 67, 129 Nikolaus von Island, Abt 72 Nilvange, Dep. Moselle 87 Noithausen: Grevenbroich, Kr. Neuss 23 Nonnenhof s. Bobenheim Noppius, J. 149 Nordsee 1, 34 Notker, Mönch in St. Gallen und Dichter 3, 155 Noyon, Dep. Oise 234 Nürburg, Kr. Ahrweiler 130 Nürnberg 10, 74, 93 Nußdorf: Landau in der Pfalz 85 Oberbohlscheid: Eitorf, Rhein-Siegkreis 210 Oberbreisig: Bad Breisig, Kr. Ahrweiler 60 Obergondershausen: Gondershausen, Rhein-Hunsrück-Kreis 127, 138 Oberhoffer, Musiklehrer 222 Oberlahnstein: Lahnstein, Rhein-Lahn- Kreis 139 Oberlustadt: Lustadt, Kr. Germersheim 92 Komturei Heimbach 92 Obermoschel, Donnersbergkreis 87 Obernkirchen/ Overenkerken 147 Oberstein, Junker von 117 Oberweiler-Tiefenbach, Kr. Kusel 88 Oberwesel, Rhein-Hunsrück-Kreis 9, Taf. III Ockenheim, Kr. Mainz-Bingen, Jakobusberg 32, 207f. Ockfen, Kr. Trier-Saarburg 206 Odernheim am Glan, Kr. Bad Kreuznach 87 Odger, Hl. 18 Odi, Stifter 170 Odilia von Lüttich, Hl. 202 Odilia, Hl. 31, 39, 71, 202 Odilienberg 38 Ödingen: Remagen, Kr. Ahrweiler 130 Offenbach am Glan, Kr. Kusel 88 Offermannsheide: Kürten, Rheinisch Bergischer Kreis 215 272 Register der Orts- und Personennamen <?page no="287"?> Oggersheim: Ludwigshafen a. Rhein, Loretokapelle 77 Oldecop, Johann, Dechant 141 Olmscheid, Kr. Bitburg-Prüm 240 Onsdorf, Kr. Trier-Saarburg 130 Oppenhausen: Boppard, Rhein- Hunsrück-Kreis 210 Oppenheim, Kr. Mainz-Bingen 51, 75 Orbis, Donnersbergkreis 110 Örfgen, Kr. Altenkirchen 212 Örtl, Sebald 68 Osburg, Kr. Trier-Saarburg 202 Osnabrück 143 (s. Johann und Drudeke Husman) Österreich 1, 51, 73, 141, 144 (s. auch Albert) Östringen s. Albert Osthofen, Kr. Alzey-Worms 75f. Osweiler 239 Otterberg, Kr. Kaiserslautern Land 89 Otterstadt, Kr. Ludwigshafen Land 78 Otto von Bolanden 113 Otto, Bischof von Bamberg 159, 175f. Ottweiler, Kr. Neunkirchen 202 Overath, Rheinisch-Bergischer Kreis 208 Pachten: Dillingen (Saar), Kr. Saarlouis 213 Paderborn 23 Padròn s. Iria Palästina 5f., 56, 64, 237 Pamplona, Prov. Navarra, Kathedrale 180 Paris 12, 63, 69, 71, 93, 148 Paschalis II., Papst 160, 166, 173-176 Paulin, Hl. 17 Paulina, Hl. 158, 160 Paulinzella: Rottenbach, Kr. Saalfeld- Rudolstadt 158 Paulus, Apostel 129, 155, 190, 191, 230 Pedro, Bischof von Braga 165 Pelayo, Herrscher von Asturien 2 Pelchelm, Hl. 18 Périgord 61 Perigueux, Dep. Dordogne, Saint-Firmin 67 Peter Friedhofen 17 Peters, Bäckermeister 29 Petite-Hettange, Dep. Moselle 87 Petrus, Apostel 6, 129, 156, 190f., 230, 234f. Petrus van der Hellen, Kölner Bürger 144 Pfalz 12, 56-60, 63, 68, 74, 80, 86, 88, 93f., 101f., 119 Pfalzel: Trier, Kloster 206 Pfoll, Bernhard (Bernhardin) 9, 52 Philipp, Apostel 81, 88, 213 Philipp II., König von Spanien 142, 180 Philipp III., der Gute, Herzog von Burgund 13, 179, 181-183 Philipp von Bolanden, Sohn Philipps von Sponheim 114 Philipp von Sponheim 110, 113f. Philipp von Vigneulles 143, 149 Philipp, Pfalzgraf 148 Pierscheid bei Waxweiler, Kr. Bitburg- Prüm 240 Pilsen/ Plzen, Tschechien 93 Pisa s. Bona Plascheid, Kr. Bitburg-Prüm 240 Plombières, Prov. Liège, Belgien 31 Plütscheid, Kr. Bitburg-Prüm 240 Pluwig, Kr. Trier-Saarburg 202 Poitiers, Dep. Poitou-Charentes 12 Polch, Kr. Mayen-Koblenz 210 Polen 12, 93 Poppo, Erzbischof von Trier 236 Portugal 223 Prag 10 Preist, Kr. Bitburg-Prüm 202 Preußen 24, 141 Prüm, Fluß 240 Prüm, Kr. Bitburg-Prüm 126, 218, 229f., 236, 238-241 - Kloster 233, 244 (s. auch Berno, Caesarius) Pulheim, Erftkreis 208 Quirin, Hl. 199, 205 Quirin von Malmedy, Hl. 17f., 202 Quirin von Neuss, Hl. 17, 202 Raban, Bischof von Speyer 42 Raimbaldus s. Reginbald Ramsen, Donnersbergkreis 89 Rapperath: Morbach, Kr. Bernkastel- Wittlich 128, 138 Regensburg 93 Reginbald II., Suffragan von Speyer 156 Reginhard, Bruder des Erzbischofs Siegfried 157 Reichenau, Kr. Konstanz, Kloster 3, 7, 155, 156 (s. auch Berno, Hatto, Hermann der Lahme) Register der Orts- und Personennamen 273 <?page no="288"?> Reims, Dep. Marne 93 (s. auch Turpin) Reinhard, Bischof von Halberstadt 176 Remagen, Kr. Ahrweiler 23, 31, 218 Remigius, Hl. 129 Remigiusberg 88 Remling, Franz Xaver 109 Remoiville, Dep. Meuse 127, 138 Rethel, Dep. Ardennes 93 Reuland, Prov. Luxemburg 128, 138 Reuß, Fluß 44 Rheinberg, Kr. Wesel 180, 213 Rheinfelden (Baden) 43, 49 Rheinhausen: Oberhausen-Rheinhausen, Kr. Karlsruhe Land 72 Rheinhessen 56-59, 68, 81, 94 Rhens, Kr. Mayen-Koblenz 130 Rhodt unter Rietburg, Kr. Südl. Weinstraße 80, 85 Rhônetal 181 Richard, Kardinal von Santiago de Compostela 12, 160, 162-164, 166, 170, 172, 175-177 Richardis, Gräfin von Sponheim 5, 68, 157f. Richeôme, Louis, Jesuit 183 Richterswil, Kt. Zürich 42 Riedselz/ Riedseltz, Dep. Bas-Rhin 86 Riegenroth, Rhein-Hunsrück-Kreis 210 Ringhuscheid: Krautscheid, Kr. Bitburg- Prüm 240 Riol, Kr. Trier-Saarburg 203 Rittersheim, Donnersbergkreis 110 Robert, Mönch im Jakobuskloster Lüttich 4 Rocamadour, Dep. Lot 147, 190 Rochus, Hl. 17, 71, 85, 129, 134f., 199, 205 Rockenhausen, Donnersbergkreis 83, 87f. Rödelhausen, Rhein-Hunsrück-Kreis 210 Rodershausen, Kr. Bitburg-Prüm 128, 138 Roermond, Prov. Limburg 17, 26 Roetgen, Kr. Aachen Land 208 Rogier van der Weyden, Maler Taf. VI Rom 4, 8, 19, 39-41, 45, 56, 62, 73, 146-148, 158, 160, 166, 173, 190 Roodt-sur-Syre, Luxemburg 127, 138 Rothenburg ob der Tauber, Kr. Ansbach Land 74, 93 Rotterdam, Prov. Zuid-Holland 1 Roussillon 223 Roxheim, Kr. Bad Kreuznach 76 Ruchheim: Ludwigshafen 77 Rüdesheim a. Rhein, Rheingau-Taunus- Kreis 51 Rufach/ Rouffach, Dep. Haut-Rhin 39 Ruhrgebiet 17 Rümmelsheim, Kr. Bad Kreuznach 208 Ruozelin s. Ruthard Ruprecht, Pfalzgraf 82 Ruthard, Erzbischof von Mainz 159, 167, 169f., 172 Ruthard, Abt von Fulda 158-160, 167f., 176 Rutsweiler a. Glan, Kr. Kusel 88 s’Hertogenbosch, Prov. Noord-Brabant 17 Saarbrücken 74, 89, 91, 93, 111, 130, 218 Saarburg, Kr. Trier-Saarburg 202, 206, 216 Saargemünd/ Sarreguemines 12, 83, 89, 91, 92f. Saarhölzbach: Mettlach, Kr. Merzig- Wadern 212 Saarland 17, 128, 198, 203 Sachsen 236 Saint-Denis, Dep. Seine-Saint-Denis 62 Saint-Gilles, Dep. Gard 71 Saint-Hubert, Dep. Moselle 24 Saint-Josse, Dep. Pas-de-Calais 146 Saint-Maximin-la-Sainte Baume, Dep. Var 43 Saint-Omer, Dep. Pas-de-Calais 181, 183 Salmanus, Hl. 18 Salome, Tochter des Herodes 227 Santiago de Compostela 4-13, 19, 32, 34, 40f., 52f., 56-64, 66-69, 71, 74f., 81, 90, 109, 111, 116, 121, 131, 133-135, 137, 146-148, 150, 154, 156-160, 163-168, 171, 176, 180, 184f., 190-194, 217, 250, Taf. III (s. auch Dalmatius, Diego, Richard) - Kathedrale 7, 184 Santo Domingo de la Calzada, Prov. La Rioja 195 Saragossa/ Zaragoza, Prov. Zaragoza 71 Sasinger, Rheinschiffer 49 Schaan: Jüchen, Kr. Neuss 211, 214 Schaffhausen, Kt. Schaffhausen 38, 44 - Kloster Allerheiligen 5 Scheibenhardt, Kr. Germersheim 83 274 Register der Orts- und Personennamen <?page no="289"?> Scheidchen: Lauperath, Kr. Bitburg-Prüm 240 Scheidweiler, ehem. Kr. Trier Land 202f., 205f. Schermbeck, Kr. Wesel 184 Scherpenheuvel, Prov. Brabant, Belgien 21 Schifferstadt, Kr. Ludwigshafen Land 78, 104 Schillingskapellen s. Capellen Schirrhoffen, Dep. Bas-Rhin 82 Schlettstadt/ Sélestat, Dep. Bas-Rhin 39, 43 Schlich: Langerwehe, Kr. Düren 211 Schoendorf, Kr. Trier-Saarburg 202 Schönenberg s. Johann von Schönenberg Schönfeld, Kr. Bitburg-Prüm 213 Scholastika, Hl. 204 Schönstatt: Vallendar, Kr. Mayen- Koblenz 18, 28 Schönstein: Wissen, Kr. Altenkirchen (Westerw.) 210 Schravelen: Kevelaer, Kr. Kleve 212 Schreck: Siegburg, Rhein-Sieg-Kreis 210 Schwaben 40f. Schwanheim: Frankfurt am Main 169 Schweden 108 Schweinheim: Euskirchen 208, 218 Schweiz 1, 10, 27, 44, 46f., 53 Schwemlingen: Merzig (Saar), Kr. Merzig-Wadern 207 Sebastian, Hl. 129 Seeland/ Zeeland 53 Seinsfeld, Kr. Bitburg-Prüm 210 Seiwerath, Kr. Bitburg-Prüm 241 Selfkant Millen, Kr. Heinsberg 31 Selz/ Seltz, Dep. Bas-Rhin 51, 82 Sentzich, Dep. Moselle 87 Servatius, Hl. 18 Severin, Hl. 71 Sherborne s. Aldhelm Siena s. Albert Siegburg, Rhein-Sieg-Kreis 203 Siegerland 212 Siegfried I., Erzbischof von Mainz 4, 68, 154, 157, 167, 176 Siegfried, Weihbischof von Mainz 68 Siegfried, Markgraf von Sponheim 157 Simeon, Hl. 17 Simmern (Hunsrück), Rhein-Hunsrück- Kreis 113, 209f. Sirzenich: Trierweiler, Kr. Trier-Saarburg 202, 206 Sistappus, Bürger von Köln 191 Sleidanus, Johannes, Reformator 16 Sluis, Prov. Zeeland 180, 182 Soest 32 Soissons, Dep. Aisne 77 Soller: Vettweiß, Kr. Düren 28 Sonsbeck, Kr. Wesel 30 Sophie von Bylandt 8, Taf. I Söst: Wincheringen, Kr. Trier-Saarburg 214 Spanien 6, 53, 56, 58, 63-65, 124, 155, 157, 165f., 180, 182, 223 (s. auch Philipp) Speyer 11f., 36, 51, 56, 60, 62f., 70, 72-74, 78, 80-82, 85, 89-93, 101-103, 105, 109-110, 119, 156, 250 (s. auch Albert, Crig, Heinrich, Hermann, Reginbald) - Diözese 59, 156 - Dom 60, 61, 80f., 100f., 103 - Domstift 100 - Heilig-Grab-Kloster 78, 88, 106, 109f., 115 - Hochstift 103 - Neue Synagoge 105 - St. Bartholomäus 60 - St. German 78, 109 - St. Guido 78 - St. Jakob 59-62, 79f., 82, 104-106, 109 - St. Moritz 109 - Synagoge 79 - Bischof von 104, 107 (s. Raban, Konrad) Spiegel s. Ferdinand Spiesheim, Kr. Alzey-Worms 74 Spitze: Kürten, Rheinisch-Bergischer Kreis 215 Sponheim, Kr. Bad Kreuznach 157 - Adelsfamilie 118 (s. auch Hartwig, Heinrich, Jutta, Kunigunde, Meginhard, Philipp, Richardis, Siegfried) St. Gallen 155 (s. auch Notker) St. Goar, Rhein-Hunsrück-Kreis 32, 67, 70, 130, 209 St. Ingbert, Saarpfalzkreis 91 St. Johann im Kylltal 228 St. Johann, Saarbrücken 93 St. Niclaas/ Sint-Niclaas, Prov. Ost- Vlaanderen, Belgien 51 St. Nikolausport/ Saint-Nicolas-de-Port, Dep. Meurthe-et-Moselle 45, 47, 50 Register der Orts- und Personennamen 275 <?page no="290"?> St. Paul im Lavanttal, Kärnten, Kloster 157 Stade s. Albert Stalenus, Johannes 183 Standenbühl, Donnersbergkreis 89 Steckelbach: Birken-Honigsessen, Kr. Altenkirchen (Westerw.) 210 Stein am Rhein, Kt. Schaffhausen, Kloster 5 Steinbach am Donnersberg 117 Steinebach, Kr. Altenkirchen (Westerw.) 210 Stella, Tilemann 89 Stenay, Dep. Meuse, St. Remigius 128 Stephanus, Hl. 129 Straßburg/ Strasbourg, Dep. Bas-Rhin 1, 38, 41f., 44f., 47f., 50, 62, 70, 74, 82, 86, 156, 250 (vgl. Franck, Gaiß) - Bistum 39 Strickscheid, Kr. Bitburg-Prüm 240 Strohn, Kr. Daun 32 Stromberg, Kr. Bad Kreuznach 130, 148 Strotzbüsch, Kr. Daun 32, 212 Stuben, Kloster 130 Studernheim: Frankenthal (Pfalz) 77 Stürzelbronn/ Sturzelbronn, Dep. Moselle 92 Süchteln: Viersen, Irmgardiskapelle 32 Suitbert, Hl. 18 Sulzbach s. Albert, Berengar Sundgau 6, 8 Tambre, Fluß 4 Tarforst: Trier 202, 206 Thann, Dep. Haut-Rhin 39, 143 Theisbergstegen, Kr. Kusel 88 Theobald, Hl. 39 Thiofrid, Abt von Echternach 231f., 236, 241 Thomas, Hl., Apostel 195 Thomas Becket, Hl. 6 Thörnich, Kr. Trier-Saarburg 206 Timerlin, Hl. 18 Toledo 165f. (s. auch Bernhard, Eulogius) Tönisvorst, Kr. Viersen 30 Torres s. Herbert Toul, Dep. Meurthe-et-Moselle 61f. Toulouse, Dep. Haute-Garonne, Saint- Sernin 67 Tours, Dep. Indre-et-Loire 71, 148 Traben: Traben-Trarbach, Kr. Bernkastel- Wittlich 126 Trarbach: Traben-Trarbach, Kr. Bernkastel-Wittlich 130 Trautzberg, Kr. Daun 32 Trier 11f., 15-19, 24, 27, 39, 51, 67, 69f., 74, 86, 88, 121f., 126, 130, 132-134, 137, 148f., 157, 193, 200, 202, 204, 216, 222, 236, 242 - Archidiakonat 128 - Dom 15, 17, 19, 124 - Erzbistum 118, 125-128, 129f., 132, 204 - Jakobshospital 123-125, 132 - Minoritenkloster 133-135 - St. Eucharius 121 - St. Gervasius 132 - St. Matthias 17, 19 - St. Maximin 15, 17, 19 - St. Paulinus 6, 17 - Universität 222 - Erzbischof von 32, 132, 142 (s. auch Arnoldi, Clemens Wenzeslaus, Hommer, Johann von Schönenberg, Poppo) Turpin, Erzbischof von Reims 6, 62f. Übach: Übach-Palenberg, Kr. Heinsberg 213 Überlingen, Bodenseekreis 8 Udenheim, Kr. Alzey-Worms 83 Ulm 10, 73 Ulmet, Kr. Kusel 88 Ulrich, Graf von Weimar 175 Undenheim, Kr. Mainz-Bingen 83, 166 Ungarn 21, 51, 74, 141-144, 146 Unkenstein, Kr. Bernkastel-Wittlich 139 Urban II., Papst 165, 168 Urmitz, Kr. Mayen-Koblenz 130 Urraca, Königin von León und Kastilien 166 Ursula, Hl. 54, Taf. V Uta, Schwester des Erzbischofs Siegfried von Mainz 157 Utrecht 17, 194, 231, 238 (s. auch Wilhelm) Ütterath: Heinsberg 221 Utscheid, Kr. Bitburg-Prüm 241 Utzerath, Kr. Daun 130 Üxheim, Kr. Daun 21 Vacha: Thüringen 40, 61 (s. Künig, Hermann) Vaihingen an der Enz, Kr. Ludwigsburg 73 276 Register der Orts- und Personennamen <?page no="291"?> Valentin, Hl. 39, 199, 205 Valladolid 13, 179f., 182 Vallendar, Kr. Mayen-Koblenz 208 Veit, Geiger 237f. Venedig 73 Venlo, Prov. Limburg 17, 180 Verdun, Dep. Meuse 93 Vettweiß, Kr. Düren 218 Vézelay, Dep. Yonne 12, 63, 69, 71, 93 (s. auch Maria Magdalena, Picaud) - Sainte-Madeleine 67 Vianden, Prov. Diekirch, Luxemburg 32 Viller, Dep. Moselle 92 Villingen: Villingen-Schwenningen, Schwarzwald-Baar-Kreis 80 Vincentius, Hl. 71, 164 Virton, Prov. Luxembourg, Belgien, St. Laurentius 139 Vogelbach: Bruchmühlbach-Miesau, Kr. Kaiserslautern Land 91 Vogtherr, Thomas, Pilger 52 Waal, Fluß 1 Wachenheim, Kr. Bad Dürkheim 84 Waldburg s. Jörg Waldleiningen, Kr. Kaiserslautern Land 90 Wasserliesch, Kr. Trier-Saarburg 202 Watzerath, Kr. Bitburg-Prüm 241 Wawern, Kr. Trier-Saarburg 206 Waxweiler, Kr. Bitburg-Prüm 130, 229, 237f., 240 Weckringen/ Veckring, Dep. Moselle 32 Wegberg, Kr. Heinsberg 218 Wegberg-Arsbeck, Kr. Heinsberg 30 Wehlen, Kr. Bernkastel 210 Weilbach: Flörsheim am Main, Main- Taunus-Kreis 170 Weimar s. Ulrich Weinsberg, Hermann 144 Weisenheim am Berg, Kr. Bad Dürkheim 84 Weiskirchen, Kr. Merzig-Wadern 127, 130, 138 Weißenburg/ Wissembourg, Dep. Bas- Rhin 59, 86 Welscheid, Prov. Diekirch, Luxemburg 128, 138 Welser, Ludwig Freiherr von, Regierungspräsident 95 Wendelin, Hl. 17, 71, 129, 200, 203 Werinbold, Abt von St. Jakob in Mainz 170f. Werner von Bacharach 32 Werner von Bolanden, Reichsministeriale 111, 113 Wero, Hl. 18 Westerwald 130 Westfalen, Jenny von, Gemahlin Karl Marx’ 27 Westhofen, Kr. Alzey-Worms 75f. Wetana, Zinserin 239 Wettingen, Abt von 49 Wetzlar, Lahn-Dill-Kreis 122 Weyher in der Pfalz, Kr. Südl. Weinstraße 59 Wezilo, Erzbischof von Mainz 167 Wibert, Erzbischof von Ravenna s. Clemens III. Wickrath: Mönchengladbach 216 Wiesbach, Südwestpfalz 212 Wigel Frosch, Patrizier aus Frankfurt 7 Wilhelm gen. Winter, Leineweber 133 Wilhelm, Mönch und Kanoniker in Utrecht 194 Willeicus, Hl. 19 Willibrord, Hl. 14, 18, 199, 222, 225f., 230-234, 236-239, 244 Willich-Anrath, Kr. Viersen 30 Wilsnack: Bad Wilsnack, Kr. Prignitz 147 Wimpfen: Bad Wimpfen, Kr. Heilbronn Land 93 Winnweiler, Donnersbergkreis 87 Winternam: Kerken, Kr. Kleve 216 Wintersdorf: Ralingen, Kr. Trier-Saarburg 123, 127, 130, 138, 202 Wismar Kr. Wismar 148 Wissersheim: Erfstadt 29 Witlich, Anton, Prior 153 Wittlich, Kr. Bernkastel-Wittlich 202 Wolfram, Rheingraf 111, 116 Wolfstein, Kr. Kusel 88, 110 Wolzburg: Morbach, Kr. Bernkastel- Wittlich 202, 208, 218 Worms 56, 70, 74, 76, 88, 111 - Bistum 75 (s. auch Eppo) - St. Paul 74, 81, 106 Würselen, Kr. Aachen Land 208, 218 Würzburg s. Emehard Xanten, Kr. Wesel 18 Zaybachtal 167 Zeizolf, Domdekan in Mainz 170-172 Register der Orts- und Personennamen 277 <?page no="292"?> Zell (Mosel), Kr. Cochem-Zell 67, 83, 87, 89f., 209 Zimmern s. Johann Werner Zorn, Nikolaus, Provinzial der Pauliner- Kongregation 118 Zürich 42-47 Zürichsee 42 Zweibrücken 91 Zweifelscheid, Kr. Bitburg-Prüm 240 278 Register der Orts- und Personennamen <?page no="293"?> Abkürzungsverzeichnis BATr Bistumsarchiv Trier Dep. Département Dist. Distrikt fl. florin (Gulden) fol. folio Gem.A Gemeindearchiv Gft. Grafschaft Hl. Heilige/ Heiliger HStA Hauptstaatsarchiv JL Jaffé/ Löwenfeld: Regesta Pontificum Romanorum Kr. Kreis LA Speyer Landesarchiv Speyer LAK Landesarchiv Koblenz LMA Lexikon des Mittelalters LThK Lexikon für Theologie und Kirche MGH Monumenta Germaniae Historica - DD H IV. Diplomata Heinrichs IV. - SS Scriptores Prov. Provinz STA Staatsarchiv ß Schilling VL Verfasserlexikon ZGO Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins <?page no="294"?> Aufgrund seiner verkehrsgünstigen Lage hat das Rheinland schon sehr früh am Pilger- und Kuhgeschehen um den hl. Jakobus teilgenommen. V iele Wege, worunter der Rhein selbst eine herausragende Rolle spielte, führten die Pilger über das Rheinland auch nach Santiago de Compostela. Bereits aus dem Jahr 1076 kommt die Nachricht, daß ein Blinder namens Folbert, der sich auf dem Weg nach Compostela befand und in Trier aufhielt, aufgrund einer Vision zum Auffinden der Reliquien der Märtyrer von Trier in der K irche des hl. Paulinus beitrug. Es folgt eine ganze Reihe bedeutender Pilger, welche die enge Verbindung zwischen Rheinland und Santiago besonders im hohen und späten Mittelalter greifen lassen. Spuren dieser intensiven Jakobusverehrung am Rhein finden sich heute noch in Form von Patrozinien und Volksbrauchtum, in der Literatur, Architektur und bildenden Kunst. Der vorliegende Band enthält Beiträge zur Kulttopographie des Rheinlandes ebenso wie Darstellungen des Jakobuskulrs im urbanen Kontext von Speyer, Trier und Aachen. Prominente Pilgerreisen, die das Rheinland mit Santiago de Compostela verbanden, werden beispielhaft vorgestellt. Die Bedeutung des hl. Jakobus für die mittelalterliche Literatur und Volksfrömmigkeit im Rheinland wird herausgearbeitet und in ihrem Aktualitätsbezug untersucht. Damit wird das Rheinland als eine Kult- und Sakrallandschaft profiliert, für die der hl. Jakobus eine herausragende Rolle spielte. ISBN 3-82.B-C,038-8
