Die oberdeutschen Reichsstädte und ihre Heiligenkulte
Tradition und Ausprägung zwischen Stadt, Ritterorden und Reich
0701
2005
978-3-8233-7192-2
978-3-8233-6192-3
Gunter Narr Verlag
Klaus Herbers
Mit der Erforschung des Familiennamens "Jakob" und der digitalen Kartierung des Kultes werden neue Methoden erprobt. Im späten Mittelalter gewann der Typus der Reichsstadt gerade im süddeutschen Raum an Bedeutung. Identität wurde in diesen Städten auch durch die jeweiligen Heiligen, also auch durch den Apostel Jakobus den Älteren, gestiftet. Ausgehend von der Bedeutung des Kultes in Rothenburg, Nürnberg, Ulm, Regensburg und in anderen Reichsstädten rückt dieser Band aber auch Fragen nach dem Träger des Kultes in den Blick. Hat der Deutsche Orden beispielsweise dazu beigetragen, Jakobus und das Jakobuspatrozinium zu fördern? Dies wird exemplarisch an dem einmaligen Altarbild der Jakobskirche in Rothenburg aus kunstgeschichtlicher Sicht erläutert.
<?page no="1"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 1 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 1 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 Die oberdeutschen Reichsstädte und ihre Heiligenkulte - Traditionen und Ausprägungen zwischen Stadt, Ritterorden und Reich <?page no="2"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 2 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 2 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 Jakobus-Studien 16 im Auftrag der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft herausgegeben von Klaus Herbers und Robert Plötz <?page no="3"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 3 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 3 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 Die oberdeutschen Reichsstädte und ihre Heiligenkulte - Traditionen und Ausprägungen zwischen Stadt, Ritterorden und Reich herausgegeben von Klaus Herbers ~ Gunter Narr Verlag Tübingen <?page no="4"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 4 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 4 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb .de> abrufbar . Titelabbildung : Rothenburg ob der Tauber, St. Jakob, Friedrich Herlin, Hochaltar, "Galgenwunder". Bildarchiv Foto Marburg . Die Drucklegung wurde freundlicherweise unterstützt durch die Deutsche St. J akobus-Gesellschaft e.V.,Aachen. © 2005 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt . Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: http : / / www .narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: Informationsdesign D. Fratzke, Kir~hentellinsfurt Druck und Bindung: Laupp & Göbel, Nehren Printed in Germany ISBN 3-8233-6192-9 <?page no="5"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 5 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 5 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 Inhalt KLAUS HERBERS Reichsstädte, Ritterorden und Religion: einführende Bemerkungen . .......... ... ..... . .. . ..... . .... . VII DIETER}.WEISS Reichsstadt und Kult im Spätmittelalter . Überlegungen am Beispiel Nürnbergs und der oberdeutschen Städte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 KARL BORCHARDT Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg . . . . . . . . . . . . . . . . 25 LUDWIG SCHNURRER Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters . . . . . . . . . . . . . 69 CHRISTOF METZGER Friedrich Herlins Rothenburger Altar .......... . .. . ... . ...... 101 GERHARD LUBICH Die Grafen von Comburg-Rothenburg, die Stadt Schwäbisch Hall und der Jakobuskult. Eine Spurensuche im südlichen Franken . . .. 119 ERNST ERICH METZNER Die beiden bairischen Heidenkriege Karls in ihrem Umfeld und der rettende himmlische Schimmelreiter. Verkannte fränkische Geschichte 714-7 41 aus der Sicht des Schottenklosters St.Jakob im haupt- und reichsstädtischen Regensburg des späten Mittelalters . . 139 UDO ARNOLD Der Deutsche Orden und der Jakobuskult .................... 171 <?page no="6"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 6 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 6 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 VI Inhalt KLAUS HERBERS Felix Fabris „Sionpilgrin" - Reiseschilderung und ältester Kirchenführer Ulms. Ein Beitrag der Reichsstadt Ulm zur Pilgerliteratur des 15. Jahrhunderts .......................... 195 Register der Orts- und Personennamen . . ..................... 217 <?page no="7"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 7 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 7 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 Reichsstädte, Ritterorden und Religion: einführende Bemerkungen KLAUS BERBERS Was haben die drei in der Überschrift genannten Begriffe miteinander zu tun? Zuweilen inspiriert ein Tagungsort die Bündelung verschiedener Themen, und so geschah dies bei der im Herbst 2003 in Rothenburg veranstalten Tagung der Deutschen St. J akobus-Gesellschaft, deren Referate um einen weiteren Beitrag vermehrt hier in schriftlicher Form vorgelegt werden. Der Tagungsort schien zum ersten Mal die Möglichkeit zu bieten, sowohl nach den Erscheinungsformen von Heiligenkulten und besonders des Jakobuskultes in den oberdeutschen Reichsstädten zu fragen als auch die Frage nach der Bedeutung des Deutschen Ordens als möglichen Träger für den Kult des hl. Jakobus in den Blick zu nehmen. Die oberdeutschen oder süddeutschen Reichsstädte galten dabei mit ihren stärker nach Süden ausgerichteten Außenbeziehungen, die nicht nur wirtschaftlicher Art waren, als besonders interessant, um Kulttraditionen, Pilgerwesen und Frömmigkeitsformen in Zentren des süddeutschen Raumes weiter zu erfassen. Dazu kann auch die häufig gute Überlieferungslage der Städte beitragen. Nicht von ungefähr dominiert schon seit längerer Zeit der Eindruck, daß eine Vielzahl von Einzelbelegen zu süddeutschen Pilgern den Reichsstädten, an vorderer Stelle Nürnberg, zuzuordnen seien. Was aber sind Reichsstädte? Mit der Wirtschaftskraft der Städte und mit ihrer Befestigung wuchs im 13. und 14. Jahrhundert das Selbstbewußtsein vieler Kommunen. Die Freien Städte (wie Köln, Mainz, Straßburg) verselbständigten sich gegenüber ihren bischöflichen Stadtherren und beanspruchten, keinen Herrn zu haben; aus den königlichen Städten der Staufer wurden durch ähnliche Verselbstständigung gegenüber dem Herrscher Reichsstädte (Nürnberg, Frankfurt a. M., Lübeck und viele andere), auch landesherrliche Städte suchten sich ihres Herrn zu entledigen. Seit dem Rheinischen Städtebund von 1254 entstanden häu- <?page no="8"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 8 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 8 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 VIII Klaus H erbers figer in Deutschland Städtebündnisse verschiedener Art, Größe und Dauer; neben der Hanse, die stärker im Ost- und Nordseeraum agierte, gab es die Bündnisse der süddeutschen Reichs- und Freistädte . Die wichtigste oberdeutsche Reichsstadt war Nürnberg, das wie auch andere Städte mit hoch entwickelten Handelsgesellschaften, gewerbliche Erfindungen auf fast allen Gebieten, großer Finanzkraft, ausgedehntem Wirtschaftsraum in vielfältiger Weise nach außen strahlte. Nürnberg war im ausgehenden Mittelalter das Zentrum des oberdeutschen Wirtschaftsgebiets, das weit über die Grenzen des Reiches nach Osten und Südosten hinausreichte. Verfassungsmäßig war aber der Status dieser Städte nicht eindeutig. Erst unter den Luxemburgern, am Ende des 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts, rückten die zunächst sehr unabhängigen Reichsstädte wieder in die Nähe der Herrscher. Der zweite Städtekrieg (1449/ 50) zog einen Schlußstrich unter die selbständigen Ambitionen der Städte in reichsgeschichtlicher Sicht. Sie arrangierten sich mit ihren fürstlichen Nachbarn und ordneten sich in diese Systeme ein; dies war das Ende eines Prozesses, der jedoch insgesamt keineswegs zielgerichtet verlief. Wie zahlreich waren aber die freien Reichsstädte in Oberdeutschland? Ein Blick in den Geschichtsatlas kann verdeutlichen, daß hierzu nicht nur Nürnberg, Ulm, Augsburg, Regensburg, Rothenburg, Schwäbisch Hall und Schwäbisch Gmünd gehörten, sondern eine Fülle weiterer Städte, besonders südlich der Donau und westlich des Oberrheins. Für den vorliegenden Band war jedoch ein weiterer Aspekt bedeutender: In diesen Städten herrschte vor allem seit dem späten Mittelalter ein ausgesprochen differenziertes religiöses und kultisches Leben . Beim Einzug der Herrscher in Nürnberg, war die Kirche St. Jakob eine Station, wie Dieter Weiß in seinem mit Bedacht an den Anfang des Bandes gestellten Beitrag auch anschaulich verdeutlicht und mit seinen Beobachtungen zugleich die Grundfolie für weitere Untersuchungen bietet. Auch der hl. Sebald in Nürnberg zeigt, wie sehr der schon seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert verehrte Heilige in der Ikonographie mit Muschel dem Pilgerpatron par excellence Jakobus „angepaßt" wurde, wie andere Heilige war er für die Pilger gekennzeichnet. Gleichzeitig wurde aber Sehaids Bedeutung für die Stadt noch durch eine zusätzliche Kanonisation 1425 unterstrichen, die damit einherging, daß auch die Heiltumsweisung der Reichskleinodien seit dieser Zeit aus Böhmen nach Nürnberg transferiert wurde. Daneben kündet eine Vielzahl Nürnberger Jakobspilger davon, daß gerade aus dieser Stadt die Oberschicht nicht nur ins Heilige Land oder <?page no="9"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 9 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 9 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 Reichsstädte, Ritterorden und Religion: einführende Bemerkungen IX nach Rom, sondern auch zum hl. Jakob nach Compostela pilgerte und reiste 1. Solche Traditionen vermuteten wir auch in anderen Reichsstädten, es ging also um Belege zu einzelnen Pilgern, zu Kulttraditionen und Spuren, bei denen die Überprüfung oft nicht unbedingt nach Santiago de Compostela führt, sondern in andere Zusammenhänge; dabei galt auch Kirchen und Kunstwerken angesichts des eindrucksvollen Altarretabels am Tagungsort Rothenburg ein besonderes Augenmerk. Entsprechend bietet der nun vorliegende Band nach den allgemeinen Bemerkungen zu Reichsstädten und zu Nürnberg anschließend drei Beiträge, die sich direkt mit der Reichstadt Rothenburg beschäftigen. Karl Borchardt geht vom Patrozinium St. Jakob der Hauptpfarrkirche aus, und fragt nach dessen Herkunft. Kann er hier einige Argumente dafür beibringen, daß das Renommee Jakobs als Ritterheiliger vielleicht schon im 12. Jahrhundert zur Patrozinienwahl führte, so leitet die Sichtung weiterer Spuren kaum auf iberische Traditionen oder J akobspilger, wie dies zuweilen in manchen früheren Beiträgen sehr visionär behauptet wurde. Weil man den Zeugnissen aber nicht mehr abpressen sollte als sie hergeben, wie die kritische Untersuchung lehrt, so bleibt höchstens noch der Fund einer Pilgermuschel bei Rothenburg. Ein Hospiz für Jakobspilger am Grünen Markt 2 kann der Verfasser ebenso ausschließen, so daß als wichtigstes Zeugnis der Jakobustraditionen in Rothenburg vor allem der 1466 von Friedrich Herlin geschaffene Altar gelten muß. Diese notwendige, zunächst ernüchternde Bilanz hellt Ludwig Schnurrer anschließend dadurch ein wenig auf, daß er Rothenburg selbst ähnlich wie Dieter Weiß dies für Nürnberg aufbereiten konnte als Musterstadt für die Vielfalt spätmittelalterlicher Frömmigkeitsformen vorstellt. Dazu zählten vor allem die innerstädtischen Pilgerfahrten einschließlich der Heiligblutfahrten, wovon noch heute der Heiligblutaltar Tilman Riemenschneiders in der Kirche St. Jakob Zeugnis gibt. Pilgerfahrten sind aber vor allem nach Aachen und St. Just in der Eifel 1 Diese Befunde sind inzwischen mehrfach dargestellt worden, vgl. z.B. die Berichte in der kommentierten Anthologie: Nach Santiago zogen sie. Berichte von Pilgerfahrten ans „Ende der Welt", hg. von Robert PLÖTZund Klaus HERBERS(dtv 4718, München 1996); Klaus HERBERS, "Murcia ist so groß wie Nürnberg" - Nürnberg und Nürnberger auf der Iberischen Halbinsel : Eindrücke und Wechselbeziehungen, in: Nürnberg europäische Stadt in Mittelalter und Neuzeit, hg. von Helmut NEUHAUS (Nürnberger Forschungen 29, Neustadt an der Aisch 2000), S. 151-183; DERS., Pilgerfahrten und Nürnberger Pilger auf der Iberischen Halbinsel in der Zeit um 1500, in: Wallfahrten in Nürnberg um 1500, hg . von Klaus Arnold (Pirckheimer-Jahrbuch 17, Wiesbaden 2002), S. 53-78 . <?page no="10"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 10 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 10 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 X Klaus H erbers nachweisbar, auch in dieser Hinsicht bleibt die Ausbeute für Jakobuspilger eher gering. Mithin steht für den Rothenburger Jakobuskult der Altar Berlins im Zentrum, den Christof Metzger in seinem Aufsatz nicht nur ikonographisch und kunstgeschichtlich erschließt. Vielmehr bezieht er auch die materiellen Hintergründe, den Auftrag und die historische Konstellation bei der Anfertigung des Altarbildes in seine Untersuchungen ein, die damit gleichzeitig auf die Vernetzungen des europäischen Kunstschaffens in dieser Zeit verweisen. Auch die schließlich nach Einführung der Reformation 1587 abgeschlossene Übermalung einiger Szenen der Jakobuslegende hatte ihr Gutes, denn sie wirkte im wahrsten Sinne des Wortes konservatorisch. Gegenüber Rothenburg werden die weiteren Reichsstädte dagegen eher aus ganz spezifischen Fragestellungen angesprochen: Nürnberg (Dieter Weiß), Schwäbisch Hall (Gerhard Lubich), Regensburg (Ernst Erich Metzner) und Ulm (Klaus Berbers). Von Rothenburg aus führte der Blick zunächst in den umliegenden herrschaftlichen Raum, und Gerhard Lubich kann deutlich machen, wie die Grafen von Comburg- Rothenburg, die im 11. Jahrhundert zu einem bedeutenden fränkischen Adelsgeschlecht aufstiegen, schon in dieser Zeit verschiedenen Reformbewegungen wie den Hirsauern gegenüber aufgeschlossen waren. Allerdings lassen sich für das Patrozinium der Jakobskirche in Schwäbisch Hallähnlich wie im Falle von Rothenburg.: ....kaum sichere Schlüsse wagen. Ob die Beteiligung auf Teilnehmer an Kreuzzügen zurückging, muß schließlich Hypothese bleiben. Die Jakobusverehrung in Regensburg thematisiert Ernst Erich Metz ner vor allem unter dem Gesichtspunkt von mündlichen Traditionen und möglichen späteren Kontaminationen. Ausgangspunkt sind die vielfältig anzutreffenden Verwechselungen gleichnamiger Personen, so auch von Karl Martell und Karl dem Großen. Einen ähnlichen Vorgang beobachtet Metzner am Regensburger Schottenkloster St. Jakob, eine Niederlassung der sogenannten „Schotten" im 11. Jahrhundert . In den Traditionen des Klosters werden aber nicht nur beide Herrscher verwechselt, sondern in der Mitte des 13. Jahrhunderts kommt der hl. Jakobus als Siegeshelfer auf weißem Roß ins Spiel, was an die Traditionen des Maurentöters Jakobus gemahnt. In diesem Zusammenhang könnte sich auch erst so die Vermutung von Ernst Erich Metzner das Jakobspatrozinium etabliert haben. Der Tagungsort Rothenburg verwies aber auch - und dies klingt in mehreren der schon vorgestellten Beiträge an auf den Deutschen Orden, denn gegen Ende des 13. Jahrhundert war hier schon eine Korn- <?page no="11"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 11 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 11 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 Reichsstädte, Ritterorden und Religion: einführende Bemerkungen XI mende eingerichtet worden. Schon in früheren Bänden dieser Reihe 2 war über die Träger des Kultes und die mögliche Bedeutung des Deutschen Ordens diskutiert worden. Dabei boten Vorstellungen über den heiligen Jakobus als Patron der Ritter, wie sie sich vor allem in Spanien seit dem 12./ 13. Jahrhundert verfestigten, einen Anknüpfungspunkt. Inwieweit dieses Patronat sich aber auch beim Deutschen Orden konkret nachweisen läßt, hatte schon Magda Fischer für einen eingeschränkten Bereich zu einer etwas ernüchternden Bilanz geführt. Udo Arnold bietet in seinem Beitrag eine umfassende Sichtung Untersuchung, die auch zahlreiche Quellenbestände des gesamten Ordens sowie sein Wirken im Ordensland einschließt. Dies betrifft theologische Traktate, liturgische Quellen, Historiographie, Siegelbilder, Patrozinien einschließlich der Ausstattung von Sakralräumen. Auch die Fahrten nach Compostela aus dem Ordensland Preußen ragen nicht signifikant hervor; Hospize und Patrozinien lassen auch anderswo hier rückt Arnold vor allem die Kommenden Rothenburg, Nürnberg und Winnenden in den Blick keinen übermäßigen oder eindeutigen Bezug zur Pilgerfahrt erkennen, so daß einige bisherige Thesen einer besonderen Nähe des Deutschen Ordens zum spanischenJakobuskult auf der Basis dieser Ergebnisse mit mehr als einem Fragezeichen zu versehen und endgültig zu revidieren sind. Ein abschließender Beitrag stellt das Werk des zuletzt in der Reichsstadt Ulm wirkenden Dominikaners Felix Fabri (t 1502) und vor allem dessen Schrift „Sionpilgrin" vor, in der gezielt für Dominikanerinnen eine Pilgerfahrt im Geiste entworfen wird, welche nicht nur die drei Hauptpilgerzentren Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela berücksichtigt, sondern auch die Sakraltopographie in Ulm in diesen Horizont einschließt. Die in Ulm und Umgebung durch Fabri bekannt gemachten sogenannten „geistig-geistlichen Pilgerfahrten" im späten Mittelalter charakterisieren zugleich die religiös-geistigen Anlässe und die Ausgangssituation der Reichsstadt vor der Reformation. Die geistige Reise nach Compostela enthält neben konkreten Angaben auch zahlreiche fiktive Elemente. Das Kompositionsprinzip macht aber deutlich, daß Fabri mit der „Sionpilgrin" ein Legendar für das Jahr in einer geo- 2 Vgl. vor allem den Band: Der Jakobuskult in Süddeutschland, hg. von Dieter R. BAUERund Klaus BERBERSQakobus-Studien 7, Tübingen 1995) mit den Beiträgen von Magda FISCHER, Jakobus ein Deutschordenspatron? , S. 129-142 und Manuel SANT0SN0YA, Zeugnisse des Kultes in Patrozinien, Hospizen und Bruderschaften, S. 29-43, die sich mit Thesen von Bernhard GRAF, Oberdeutsche Jakobsliteratur. Eine Studie über den Jakobskult in Bayern, Österreich und Südtirol. (Kulturgeschichtliche Forschungen 14, München 1990) auseinandersetzen. <?page no="12"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 12 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 12 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 XII Klaus H erbers graphischen Ordnung schuf: Zeit und Raum verschmolzen so zur christlichen Heilsgeschichte mit den Heiligen, was man vielleicht als eine „Hagio-Chrono-Geographie" bezeichnen könnte. Die letzte Untersuchung schließt mit einem deutlichen Bezug zu Nürnberg, wo religiöse und Kulttraditionen sich teilweise anders ausprägten als in Ulm, jedoch in Humanistenkreisen Interesse an Fabris Werk bestand . Der hier präsentierte Band vereint mithin Beiträge, die zunächst wenig Bezug zueinander zu scheinen haben; jedoch lassen sich bei genauerem Hinsehen durchaus mehrfach Querverbindungen ziehen. Die konsequente Sichtung einzelner Belege in zahlreichen Beiträgen, die auch die jeweils landes- und lokalgeschichtliche Forschung bereichern dürften, mahnt erneut in methodischer Hinsicht zur Vorsicht. Vieles, was schnell als angebliche Rückwirkung oder Spur des spanischen Jakobuskultes ausgegeben wurde, ist zu prüfen, was auch in mehreren hier untersuchten Fällen zu ernüchternden Ergebnissen führen kann. Dies gilt für die Überlegungen zu Rothenburg ebenso wie für Schwäbisch Hall oder auch die Anfragen zur Rolle von Jakobus im Rahmen des Deutschen Ordens. Demgegenüber dürfte manchen Liebhaber die Tatsache entschädigen, daß die Nachweise einzelner Pilgerfahrten oder die völligen Neukonzeptionen der Pilgerfahrt, wie sie in Ulm entwarfen wurden, doch davon zeugen, wie rege die Auseinandersetzung mit dem zentralen Element des spanischen Jakobuskultes, mit Pilgern und Pilgerfahrt, auch in den Reichsstädten mit ihrem vielfältigen religiösen Leben werden konnte. Zum Schluß ist es noch eine angenehme Pflicht, allen zu danken, die am Zustandekommen des Bandes beteiligt waren, den Autoren für ihre Kooperation, den Helfern und Helferinnen am Lehrstuhl für mittelalterliche Geschichte, von denen sich besonders Frau Susanne Burkert und Cornelia Gossner um den Band verdient gemacht haben . Frau Seeger sei für die sprachliche Betreuung der resumenes gedankt. <?page no="13"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 13 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 13 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 Reichsstadt und Kult im Spätmittelalter Überlegungen am Beispiel Nürnbergs und oberdeutscher Städte DIETER J. WEISS Der süddeutsch-oberdeutsche Raum, soweit er in der frühen Neuzeit in den Reichskreisen Franken, Schwaben und Oberrhein organisiert war1, bildete eine Kernlandschaft des römisch-deutschen Reiches, wozu nicht zuletzt die staufische Reichslandpolitik beigetragen hatte 2 . Die besondere Königsnähe dieser terra imperii 3 zeigte sich auch in den zahlreichen Reichsstädten, die dem Herrscher bis zum Ende des Alten Reiches Einflußzonen offenhielten. Darunter werden die Städte verstanden, die vom 13. Jahrhundert bis 1806 unmittelbar dem römisch-deutschen König oder Kaiser unterstanden 4 • Sie hatten sich auf Reichsboden, auf staufischem Hausboden oder auf kirchlichem Besitz gebildet. Reichsstädte kann man, in der überzeugenden Gliederung von Peter Eitel, nach Art ihrer Entstehung in drei Kategorien einteilen 5. Die Königsstädte entwickelten sich auf Reichs- oder Kirchengut. Die Reichsvogteistädte entstanden auf kirchlichem Boden unter geistlicher Herrschaft, wobei die Vogteirechte an den König fielen. Freie Städte schließlich waren Bischofsstädte, in denen sich die Bürger seit dem 1 Vgl. Winfried DOTZAUER, Die deutschen Reichskreise (1383-1806). Geschichte und Aktenedition (Stuttgart 1998). 2 Franz-Joseph SCHMALE/ WilhelmSTöRMER, Das staufische Jahrhundert in Franken, in: Handbuch der bayerischen Geschichte 3/ 1, Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, begründet von Max SPINDLER, hg. v. Andreas KRAUS (München 3 1997) S. 176-208. 3 Hanns Hubert HOFMANN, Territorienbildung in Franken im 14. Jahrhundert, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 31 (1968) S. 369-420, hier S. 399 f. 4 Eberhard lSENMANN, Die deutschte Stadt im Spätmittelalter. 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft (Stuttgart 1988) S. 107-130. 5 Peter EITEL,Reichsstädte, in: HRG IV (Berlin 1990) Sp. 754-760. <?page no="14"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 14 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 14 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 2 Dieter J Weiß 13. Jahrhundert von der Stadtherrschaft der Bischöfe befreiten 6 • Seit dem Ende des Mittelalters verwischten sich die Übergänge, doch gab es im 14. und 15. Jahrhundert noch Unterschiede zwischen Reichsstädten und Freien Städten, die den König nicht als Stadtherrn anerkannten und die auch nicht verpfändbar waren 7 • Der Begriff „Reichsstadt" begegnet bereits in der Stauferzeit; 1237 wird etwa Wien als civitas imperialis bezeichnet 8 • Allerdings unterscheidet sich die staufische Königsstadt noch von der Reichsstadt des 14. Jahrhunderts. Die Frage nach dem Zeitpunkt der Erhebung zur Reichsstadt wäre falsch gestellt, vielmehr sind die Elemente, die eine Kommune zur Reichsstadt machten, zu untersuchen. Entscheidend waren die auf Grund der königlichen Vogtei an die königliche Kammer zu entrichtenden städtischen Abgaben 9. Eine zentrale Quelle für den Beginn der Entwicklung der Reichsstädte bildet das Reichssteuerverzeichnis von 1241 10, das die königlichen Städte und ihre gerichtsherrlichen Abgaben an den König festhält. Es stellt oft das erste Zeugnis für den Status einer königlichen Stadt dar. Erstaunlicherweise gehörten im fränkischen Raum nur Schwäbisch Hall, Rothenburg, Dinkelsbühl, Feuchtwangen, Aufkirchen und Weißenburg dazu, während Nürnberg und Schweinfurt fehlten 11. Erst im Interregnum und unter der anschließenden Herrschaft König Rudolfs von Habsburg entwickelten sich die Städte von der staufischen Königsstadt oder Reichslandstadt zur Reichsstadt mit der Doppelbindung an Kaiser und Reich: nostra et imperii civitas 12 . Der Bruch wird sichtbar, sobald die unter den Staufern von königlichen Beamten - Reichsvogt, Ammann, Schultheiß wahrgenommenen Hoheitsrechte 6 Götz LANDWEHR, Freie Städte, in: HRG 1 (Berlin 1971) Sp. 1221-1224. 7 Paul-Joachim HEINIG, Reichsstädte, Freie Städte und Königtum 1389-1450. Ein Beitrag zur deutschen Verfassungsgeschichte (Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz 108, Mainz 1983). 8 EITEL,Reichsstädte (wie Anm. 5) Sp. 755 f. - Aufnahme in den Schutz des Kaisers durch Friedrich II., 1237 April: Jean Louis Alphonse HUILLARD-BREHOLLES, Historia Diplomatica Friderici Secundi V/ 1 (Paris 1857, ND Turin 1963) S. 55-59. 9 EITEL,Reichsstädte (wie Anm. 5) Sp. 755 f. 10 1241: Notitia de precariis civitatum et villarum, in: MGH Legum sectio IV Const. III, ed. Jakob SCHWALM(Hannover/ Leipzig 1904/ 06) Supplementum, S. 1-5; Wilhelm STÖRMER(Bearb.), Franken von der Völkerwanderungszeit bis 1268 (Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern 11/ 1, München 1999) Nr. 228, S. 368f. 11 Die Zeit der Staufer. Geschichte - Kunst - Kultur 1 (Stuttgart 1977) Nr. 25, S. 15 f.; STÖRMER, Franken-Dokumente (wie Anm. 10) Nr . 228, S. 368 f. 12 EITEL,Reichsstädte (wie Anm. 5) Sp. 756. <?page no="15"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 15 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 15 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 Reichsstadt und Kult im Spätmittelalter 3 des Königs, besonders die Gerichtsbarkeit, unter den Einfluß der Bürgerschaft gerieten und auf die seit circa 1250 aufkommende Institution des Rates als Organ der Bürgerschaft übertragen wurden. Bei ausschließlicher königlicher Stadtherrschaft stand dem Herrscher das Recht der Verpfändung zu, die zum Ende der Reichsunmittelbarkeit führen konnte 13 • Ein Gegenmittel war hier der Erwerb des königlichen Schultheißenamtes durch die Bürger, wie er etwa in Nürnberg im 14. Jahrhundert erfolgte 14. Das Zeichen der Zugehörigkeit zum Reichsgut bildete die Huldigung der Bürger gegenüber dem König, der dagegen zu Schutz und Schirm verpflichtet war. Entscheidend war, daß der König als Stadtherr galt 15. Als wesentliche Merkmale der Autonomie einer Stadt kann man ansprechen: Korporationscharakter einer rechtlich-politischen Bürgergemeinde, Gesetzgebungsgewalt, eigener Friedens-, Rechts- und Gerichtsbezirk, Herrschaft über ein Gebiet und seine Bewohner, Finanz- und Steuerhoheit, Wehrhoheit und Bündnisfähigkeit 16. Im Laufe des Spätmittelalters erwarben die Reichsstädte außerdem die Reichsstandschaft, die sich so zu ihrem konstituierenden Merkmal entwickelte 17. Diese garantierte ihre Teilnahme an den Hof- und Reichstagen. Seit Kaiser Ludwig dem Bayern erfolgte ihre Ladung gewohnheitsmäßig, doch hatten sie noch kein Stimmrecht. Seit 1495 wurden die Reichsstädte zu allen Reichstagen geladen und bildeten eine eigene Städtebank. Volles Stimmrecht (votum decisivum) wurde ihnen erst 1648 gewährt 18. Ein Verzeichnis aller Reichsstädte auf dem Stand des Jahres 1521 findet sich in den Wormser Reichsmatrikeln 19• Diese listen die unmittelbar zum Reich gehörigen Stände auf: Kurfürsten, Bischöfe, Fürsten, Prälaten, Grafen und Herren sowie Freie und Reichsstädte; die Reichsritter 13 EITEL,Reichsstädte (wie Anm. 5) Sp. 757. 14 Reinhard SEYBOTH,Reichsschultheiß, in: Stadtlexikon Nürnberg, hg. v. Michael DIEFENBACHER/ RudolfENDRES(Nürnberg 1999) S. 876 f. 15 Vgl. Gerhard PFEIFFER,Stadtherr und Gemeinde in den spätmittelalterlichen Reichsstädten, in: Wilhelm RAUSCH(Hg.), Die Stadt am Ausgang des Mittelalters (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas III, Linz 1974) S. 201-246. l6 lSENMANN, Stadt (wie Anm. 4) S. 108f. 17 Vgl. Peter MORAW,Reichsstadt, Reich und Königtum im späten Mittelalter, Zeit schrift für Historische Forschung 6 (1979) S. 385-424; EITEL,Reichsstädte (wie Anm. 5) Sp. 758 f. 18 EITEL,Reichsstädte (wie Anm. 5) Sp. 758. 19 1521 Mai 15/ 17: Die Deutschen Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Jüngere Reihe 2, bearb. v. Adolf WREDE,hg. durch die Historische Kommission bei der Königlichen Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Gotha 1896) Nr. 56, S. 424-443, hier s. 440-442. <?page no="16"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 16 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 16 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 4 Dieter J Weiß besaßen nicht die Reichsstandschaft. Zu Beginn der Neuzeit rechneten die Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Windsheim, Schweinfurt 20 und Weißenburg zum Fränkischen Kreis21. Dem Bayerischen Reichskreis gehörte mit der alten Hauptstadt des Herzogtums nur Regensburg22 als Reichsstadt an23. Am meisten Reichsstädte umfaßte der Schwäbische Kreis: Augsburg 24, Ulm 2 S, Kempten, Leutkirch, Wangen, Ravensburg, Überlingen, Ffullendorf, Schaffhausen, Esslingen, Weil der Stadt, Wimpfen, Dinkelsbühl, Giengen, Nördlingen, Buchau am Federsee, Gengenbach, Rottweil2 6, Kaufbeuren, Memmingen, Biberach, Isny, Lindau, Buchhorn, Konstanz, St. Gallen, Reutlingen, Schwäbisch- Gmünd, Heilbronn2 7, Schwäbisch-Hall28, Bopfingen, Aalen, Donauwörth, Offenburg und Zell am Hammersbach 29. Auch im Ober- 20 Simon SCH0EFFEL, Die Kirchenhoheit der Reichsstadt Schweinfurt. Ihre Entstehung und Entwicklung bis zum Beginne der Reformation (Diss . phil. Erlangen 1916, Leipzig 1917). 21 Winfried DoTZAUER, Die deutschen Reichskreise in der Verfassung des Alten Reiches und ihr Eigenleben (1500-1806), Darmstadt 1989, S. 135. - Vgl. auch Fritz SCHNELBÖGL, Die fränkischen Reichsstädte, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 31 (1968) S. 421-474; Rainer A. MÜLLER(Hg.), Reichsstädte in Franken (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 15/ 1,2, München 1987). 22 Vgl. Peter SCHMID, Regensburg, Freie Reichsstadt, Hochstift und Reichskloster, in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung 6. Nachträge, hg. v. Anton SCHINDLINGund Walter ZIEGLER(Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 56, Münster 1996) S. 36-57 (mit Literatur). 23 DoTZAUER,Reichskreise (wie Anm. 21) S. 179. 24 Grundlegend: Rolf KIESSLING, Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter. Ein Beitrag zur Strukturanalyse der oberdeutschen Reichsstadt (Ab handlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 19, Augsburg 1971), hier zum Einfluß der Reichsstadt auf die kirchlichen Institutionen S. 99-179. · 25 Vgl. Wilfried ENDERLE, Ulm und die evangelischen Reichsstädte im Südwesten, in : Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung 5. Der Südwesten, hg. v. Anton SCHINDLING/ WalterZIEGLER(Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 53, Münster 1993) S. 195-212 (mit Literatur). 26 Vgl. Wilfried ENDERLE,Rottweil und die katholischen Reichsstädte im Südwesten, in: Die Territorien des Reichs 5, hg. v. SCHINDLING/ ZIEGLER (wie Anm. 25) S. 214- 230 (mit Literatur). 27 Gertrud RüCKLIN, Religiöses Volksleben des ausgehenden Mittelalters in den Reichsstädten Hall und Heilbronn (Historische Studien 226, Berlin 1933, ND Vaduz 1965). 28 RüCKLIN,Volksleben (wie Anm . 27). 29 DoTZAUER,Reichskreise (wie Anm. 21) S. 207. - Vgl. Peter EITEL,Die oberschwäbischen Reichsstädte im ausgehenden Mittelalter eine Skizze ihrer Verfassungs-, Sozial- und Wirtschaftsstruktur, Ulm und Oberschwaben 39 (1970) S. 9- 25. - Vgl. auch die Artikel zu den Reichsstädten in: Handbuch der baden-württembergischen <?page no="17"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 17 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 17 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 Reichsstadt und Kult im Spätmittelalter 5 rheinischen Kreis zählte eine beträchtliche Zahl von Reichsstädten zu den Kreisständen: Worms, Frankfurt am Main 30, Straßburg 31, Speyer, Friedberg, Wetzlar, Hagenau, Landau, Kaysersberg, Türkheim, Münster im Gregoriental, Ober-Ehenheim, Colmar, Rossheim, Schlettstadt, Weißenburg im Elsaß, Metz, Toul, Verdun, Kaufmanns-Saarbrücken, Bisanz (Besanr; on32)und Mülhausen33. Das Frömmigkeitsleben in den oberdeutschen Reichsstädten vor der Reformation war außerordentlich vielgestaltig und oft eng mit der politischen Sphäre verschränkt 34. Dazu gehören die gesteigerte Eucharistie- und Marienverehrung 35 wie die Intensivierung zahlreicher Heiligenkulte. Für das Spätmittelalter gilt das Dictum Alfred Wendehorsts: „Aber auch der Heiligenhimmel bevölkerte sich immer dichter und dementsprechend wuchs die Zahl der Feiertage ins Unerträgliche. "36 Die Heiligenverehrung unterliegt Moden, die durch neue Orden ausge- Geschichte 2. Die Territorien im Alten Reich, hg. v. Meinrad SCHAABund Hansmartin SCHWARZMAIER (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Stuttgart 1995) S. 647-769. 30 Herbert NATALE,Das Verhältnis des Klerus zur Stadtgemeinde im spätmittelalterlichen Frankfurt (Diss. phil. Frankfurt 1957) . - Vgl. auch Anton SCHINDLING/ Georg SCHMIDT, Frankfurt am Main, Friedberg, Wetzlar, in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung 4. Mittleres Deutschland, hg. v. Anton SCHINDLING/ WalterZIEGLER(Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 52, Münster 1992) S. 40-59 (mit Literatur). 31 Wilhelm KOTHE, Kirchliche Zustände Straßburgs im vierzehnten Jahrhundert. Ein Beitrag zur Stadt- und Kulturgeschichte des Mittelalters (Freiburg i. Br. 1903); Luzian PFLEGER,Die Stadt- und Rats-Gottesdienste im Strassburger Münster, Archiv für elsässische Kirchengeschichte 12 (1937) S. 1-55; DERS.,Kirchengeschichte der Stadt Strassburg im Mittelalter (Forschungen zur Kirchengeschichte des Elsaß 6, Colmar 1941). - Vgl. auch Francis RAPP, Straßburg, Hochstift und Freie Reichsstadt, in: Die Territorien des Reichs 5, hg. v. SCHINDLING/ ZIEGLER(wie Anm. 25) S. 72-95 (mit Literatur). 32 Rainer BABEL, Freigrafschaft Burgund/ Franche-Comte, Freie Reichsstadt Besan~on, in: Die Territorien des Reichs 6, hg. v. SCHINDLING/ ZIEGLER(wie Anm. 6) S. 198- 223 (mit Literatur) . 33 DOTZAUER, Reichskreise (wie Anm. 21) S. 240. 34 Wolfgang BRÜCKNER, Volksfrömmigkeit vor 1517, in: Unterfränkische Geschichte 2. Vom hohen Mittelalter bis zum Beginn des konfessionellen Zeitalters , hg. v. Peter KoLB/ Ernst-Günter KRENIG(Würzburg 1992) S. 301-336; Klaus SCHREINER(Hg.), Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 20, München 1992). 35 Stephan BEISSEL,Geschichte der Verehrung Marias in Deutschland während des Mittelalters. Ein Beitrag zur Religionswissenschaft und Kunstgeschichte (Freiburg i. Br. u. a. 1909). 36 Alfred WENDEHORST, Das Bistum Würzburg. Ein Überblick von den Anfängen bis zur Säkularisation, Freiburger Diözesanarchiv 86 (1966) S. 9-93, hier S. 53. <?page no="18"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 18 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 18 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 6 Dieter J Weiß löst oder intensiviert werden konnten. Häufig wurden Heilige zu Gruppen zusammengestellt und als solche dargestellt und verehrt. Dazu gehören Kirchenväter und Kirchenlehrer wie auch die Vierzehn Nothelfer, deren Anzahl und Zusammensetzung variieren konnte 37. Auch aktuelle Notlagen konnten den Heiligenkult beeinflussen, wovon die spätmittelalterliche Verehrung der Pestpatrone Zeugnis gibt. Ein Überblick für die Heiligenverehrung im oberdeutschen oder auch nur fränkischen Raum kann an dieser Stelle nicht geleistet werden 38. Jedenfalls gehörte auch der Apostel Jakobus d.Ä. zu den im Hoch- und Spätmittelalter besonders intensiv verehrten Heiligen. Durch Kirchen- und Altarpatrozinien und zahlreiche Darstellungen war er überall präsent, seine Verehrung erhielt durch Pilgerstationen auf dem Weg nach Santiago de Compostella einen besonderen Akzent. Nicht nur die Inhalte, auch die Formen des Frömmigkeitslebens waren mannigfach. Das Ringen um das Seelenheil konnte seinen Ausdruck in Kloster-, Altar- und Spitalstifungen, in allen Arten von Almosen und frommen Werken finden. Eine besondere Rolle spielte hier das reichgegliederte Bruderschaftswesen 39. In seinem Rahmen verschränkten sich religiöse, soziale und standespolitische Elemente. Als Beispiele seien hier nur die vermögenden und angesehenen Annenbruderschaften in Heilbronn und Rothenburg genannt 40. Einen wichtigen Aspekt des religiösen Lebens bildeten auch Reliquienweisungen und Wallfahrten, bei denen Reichsstädte als Zielwie als Ausgangspunkt dienen konnten. Aus diesem weiten Feld sollen im folgenden vier Komplexe näher behandelt werden: Kirchenherrschaft und Kirchenpatronat 41, Prozessionswesen, Heiligenverehrung (Stadtpatrone) und Reliquienweisung. 37 Noch immer Georg SCHREIBER, Die Vierzehn Nothelfer in Volksfrömmigkeit und Sakralkultur. Symbolkraft und Herrschaftsbereich der Wallfahrtskapelle, vorab in Franken und Tirol (Schlern-Schriften 168, Innsbruck 1959); Klaus GUTH, Vierzehnheiligen und die Anfänge der Nothelferverehrung. Anatomie einer Wallfahrtsgenese, in: DERS., Kultur als Lebensform. Aufsätze und Vorträge 1 (St. Ottilien 1995) S. 305- 324. 38 Für das alte Bistum Würzburg: Gerd ZIMMERMANN, Patrozinienwahl und Frömmigkeitswandel im Mittelalter dargestellt an Beispielen aus dem alten Bistum Würzburg, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 20 (1958) S. 24-126 und ebenda , 21 (1959) s. 5-124. 39 Ludwig REMLING,Bruderschaften in Franken. Kirchen- und sozialgeschichtliche Untersuchungen zum spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bruderschaftswesen (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 35, Würzburg 1986). 40 RüCKLIN,Volksleben (wie Anm. 27) S. 115, S. 134 f. 41 Vgl. die klassische Darstellung von Karl FRÖLICH,Kirche und städtisches Verfas sungsleben im Mittelalter, ZRG Kan. 22 (1933) S. 188-287. <?page no="19"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 19 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 19 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 Reichsstadt und Kult im Spätmittelalter 7 Die meisten dieser Kultmerkmale waren Reichsstädten wie Bischofs- und Fürstenstädten gemeinsam, denen die Durchsetzung der Reichsunmittelbarkeit langfristig verwehrt wurde. Dazu rechnet im Fränkischen an erster Stelle Würzburg, das sich trotz mehrerer Anläufe nicht von seinem bischöflichen Stadtherren befreien konnte 42 • Im Mittelpunkt sollen aber Beispiele aus Nürnberg stehen, die durch Vergleiche mit anderen Reichsstädten und auch Würzburg ergänzt werden. Einen Bestandteil des Unabhängigkeitsstrebens der Städte bildete die Konstituierung der Stadtbürger und des jeweiligen Rates als Kult- oder Sacralgemeinschaft. Ludwig Hänselmann benutzte den Begriff der „Sacralgemeinschaft", um die Beteiligung von Klerus, Rat, Gilden und Volk an Prozessionen zu charakterisieren 43. Ein Element der Konstituierung eines Rates als Kultgemeinschaft bildete die Stiftung oder Übernahme einer eigenen Ratskapelle, oft mit einem Marienpatrozinium. In Würzburg wurde etwa die Marienkapelle an Stelle der 1349 zerstörten Synagoge von der Bürgerschaft errichtet, die Grundsteinlegung des heutigen Baus fand 1377 statt 44 • Hier befand sich auch der Sitz der 1453 gestifteten Bruderschaft des Rates mit dem Patrozinium Jakob und Sebastian 45. Diese Bruderschaft erhielt hier 1468 den Jakobs- 42 Klaus ARNOLD,Im Ringen um die bürgerliche Freiheit: Die Stadt Würzburg im späteren Mittelalter (ca. 1250-1400), in: Geschichte der Stadt Würzburg 1. Von den Anfängen bis zum Ausbruch des•Bauernkriegs, hg. v. Ulrich WAGNER(Stuttgart 2001) s. 94-109. 43 Ludwig HÄNSELMANN, Einleitung, in: Die Chroniken der niedersächsischen Städte. Braunschweig 2 (Die Chroniken der deutschen Städte 16, Leipzig 1880, ND Stuttgart 1962) S. XVIII. - Vgl. dazu Andrea LöTHER, Prozessionen in spätmittelalterlichen Städten . Politische Partizipation, obrigkeitliche Inszenierung, städtische Einheit (Norm und Struktur. Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und Früher Neuzeit 12, Köln u. a. 1999) S. lf., S. 6-14 . 44 Vgl. Alfred WENDEHORST, Die Aufzeichnungen des P. Ignaz Gropp (t 1758) über die Würzburger Marienkapelle, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 34, 1972, S. 129- 143; DERS., Urkundenbuch der Marienkapelle am Markt zu Würzburg 1317-1530 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 27, Würzburg 1974) hier v. a. S. 1-3; Karl TRÜDINGER, Stadt und Kirche im spätmittelalterlichen Würzburg (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung 1, Stuttgart 1978) S. 62-65. Vgl. auch Alfred WENDEHORST, Stadt und Kirche, in: Geschichte der Stadt Würzburg 1, hg. v. WAGNER(wie Anm. 42) s. 255-271. 45 Franz J. BENDEL,Das Bruderschaftsbuch der Ratsbruderschaft an der Marienkapelle in Würzburg aus dem 15. Jahrhunderts, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 7 (1939) S. 1-23. - TRüDINGER,Stadt und Kirche (wie Anm. 44) S. 65-68; BRÜCKNER, Volksfrömmigkeit (wie Anm. 34) S. 313. <?page no="20"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 20 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 20 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 8 Dieter J Weiß altar, für den dem Rat das Besetzungsrecht zustand 46. Außerdem gab es im Grafeneckart die Ratskapelle St. Felix und Adauctus 47, für die der Rat das Patronatsrecht behaupten konnte. Anders als in den meisten Reichsstädten konnte die Stadt aber nicht das Patronat über die städtischen Pfarrkirchen erlangen. Ebenfalls zur kommunalen Sphäre sind die bürgerlichen Spitalstiftungen mit dem Heilig-Geist-Patrozinium wie in den fränkischen Reichstädten Nürnberg 48, Rothenburg, Schweinfurt und Windsheim zu rechnen 49. Im Bistum Würzburg kamen dazu die Bischofsstadt und die Landstädte Aub, Schwäbisch Hall, Haßfurt, Mellrichstadt, Münnerstadt, Neustadt an der Aisch, Öhringen und Uffenheim 50, im Bistum Bamberg Hof und Lichtenfels 51. Die häufige Verwendung dieses Patroziniums im Spitalwesen geht wohl auf die 1198 in Montpellier gestiftete Hospitalbruderschaft zum Heiligen Geist zurück, die im 13. Jahrhundert das Ospedale S. Spirito in Sassia in der Nähe der Peterskirche in Rom übernahm5 2. Der Erwerb der Patronatsrechte über die städtischen Pfarrkirchen und Klöster war aber wichtiger für die Kirchenherrschaft des Rates als die Stiftung einer Ratskapelle oder die Kontrolle eines Spitals. Dies geschah freilich nicht nur aus städtischem Unabhängigkeitsstreben, sondern gerade auch, weil sich die Ratsgremien als christliche Obrigkeit für das Seelenheil ihrer Untertanen und damit für die kirchliche Ordnung verantwortlich fühlten 53. Die Reichsstadt Nürnberg bietet hier einen 46 Stiftung der Vikarie für den Bruderschaftsaltar 1468 Februar 24/ März 19: WENDE- HORST,Urkundenbuch (wie Anm. 44) Nr. 83f., S. 135- 138. 47 WENDEHORST, Stadt und Kirche (wie Anm. 44) S. 262; Hans-Peter BAUM,Die Ratskapelle St. Felix und St. Adauctus im Grafeneckart, in: Geschichte der Stadt Würzburg 1, hg. v. WAGNER(wie Anm. 42) S. 295f. 4 8 Ulrich KNEFELKAMP, Das Heilig-Geist-Spital in Nürnberg vom 14.- 17. Jahrhundert . Geschichte, Struktur, Alltag (Nürnberger Forschungen 26, Nürnberg 1989); DERS.,Stiftungen und Haushaltsführung im Heilig-Geist-Spital in Nürnberg 14.-17. Jahrhundert (Bamberg 1989)(vgl. dazu die Rezensionen: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 53 [1990] S. 531-533; Zeitschrift für Kirchengeschichte 103 [1992/ 93] S. 385-388). 49 Zur Verbürgerlichung des Spitalwesens: Siegfried REICKE,Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter, 2 Bde. (Kirchenrechtliche Abhandlungen 111/ 112, 113/ 114, Stuttgart 1932, ND Amsterdam 1961), hier S. 1, S. 196- 277. 50 ZIMMERMANN, Patrozinienwahl (wie Anm. 38), hier Teil 2, S. 98. 51 Friedrich HILLER, Die Kirchenpatrozinien des Erzbistums Bamberg (Diss. phil. Erlangen 1930) S. 222 f. 52 REICKE,Spital 1 (wie Anm. 49) S. 166-182. 53 Vgl. zu Rothenburg: Karl BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen in der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber und dem zugehörigen Landgebiet von den Anfängen bis zur Reformation (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte IX/ 37, Neustadt/ Aisch 1988), hier Teil 1, S. 657-724 . <?page no="21"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 21 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 21 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 Reichsstadt und Kult im Spätmittelalter 9 besonders eindrucksvollen Fall der Übernahme nahezu aller Patronatsrechte innerhalb der Stadt durch den Rat 54. Die Sakramentenspendung war zunächst an die Pfarrkirchen gebunden. In Nürnberg bestanden zwei Pfarreien, St. Sebald und St. Lorenz 55. Beide Kirchen, die im 14. und 15. Jahrhundert um hochgotische Chöre erweitert wurden, können nach ihrer Ausstattung und Anlage den Rang von Kathedralen beanspruchen56. Die Stadt Nürnberg aber war zu jung, um Bischofssitz zu werden, doch dokumentierten die Bürger ihr Selbstbewußtsein in den stolzen Kirchenbauten. Das Patronatsrecht an den Pfarreien St. Sebald und St. Lorenz war seit dem Wiener Konkordat von 1448 zwischen dem Papst und dem Bischof von Bamberg geteilt 57. 1474 übertrug Papst Sixtus IV. dem Nürnberger Rat das Präsentationsrecht in den päpstlichen Monaten und erhob 1477 die Pfarrer in den Rang von Pröpsten, denen damit die Jurisdiktion über ihren umfangreichen Pfarrklerus zustand. 1513 konnte der Rat auch das bischöfliche Nominationsrecht erwerben. Bereits vor der Reformation hatte der Rat damit die weitgehende Kirchenhoheit errungen. Lediglich die Besitznachfolger der beiden innerstädtischen Königshöfe in Nürnberg, das Benediktinerkloster St. Egidien 58und die Kommende des Deutschen Ordens bei St. 54 Zur Stadtgeschichte: Gerhard PFEIFFER(Hg.), Nürnberg- Geschichte einer europäischen Stadt (München 1971); Nürnberg. Eine europäische Stadt in Mittelalter und Neuzeit, hg. v. Helmut NEUHAUS(Nürnberger Forschungen 29, Nürnberg 2000).- Vgl. auch Anton SCHINDLING, Nürnberg, in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung 1. Der Südosten, hg. v. DEMS./ Walter ZIEGLER(Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 49, Münster 1989) S. 32-42 (mit Literatur). - Die Ausführungen zu Nürnberg beruhen auf dem Beitrag des Verfassers: Des Reiches Krone - Nürnberg im Spätmittelalter, in: Nürnberg, hg. v. NEUHAUS(wie Anm. 54) S. 23-41. 55 Erich Frhr. von GUTTENBERGt/ Alfred WENDEH0RST, Das Bistum Bamberg. Zweiter Teil: Die Pfarreiorganisation (Germania Sacra II, 1,2, Berlin 1966) S. 275-301. 56 500 Jahre Hallenchor St. Lorenz 1477-1977, hg. v. Herbert BAUER/ Gerhard HIRSCH- MANN/ Georg STOLZ(Nürnberger Forschungen 20, Nürnberg 1977); 600 Jahre Ostchor St. Sebald 1379-1979, hg. v. Helmut BAIER(Neustadt a. d. Aisch 1979); Andreas MARX,Der Ostchor der Sebalduskirche, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 71(1984) S. 23-86. 57 Adolf ENGELHARDT,Der Kirchenpatronat zu Nürnberg, seine Entstehung und Gestaltung im Wandel der Zeit, Zeitschrift für bayrische Kirchengeschichte 7 (1932) S. 1-16, S. 65-80; Joseph KRAUS,Die Stadt Nürnberg in ihren Beziehungen zur Römischen Kurie während des Mittelalters, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 41(1950) S. 1-154, hier S. 71-83. 58 Gerhard PFEIFFER,Die Anfänge der Egidienkirche in Nürnberg, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 37(1940) S. 253-308; Helmut FLACHEN- ECKER,Verstädterung und Reichsunmittelbarkeit. Zur Geschichte des Nürnberger und Regensburger Schottenklosters im Spätmittelalter, Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 103(1992) S. 233-268. <?page no="22"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 22 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 22 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 10 Dieter J Weiß Jakob 59, konnten sich dem Patronat des Rates teilweise entziehen, der Deutsche Orden sogar bis zum Ende des Reiches die Reichsunmittelbarkeit für seinen Nürnberger Besitz behaupten 60. Auch dem Ulmer Rat gelang es, ab dem Zeitraum zwischen 1395 und 1446 das Patronat über die Stadtpfarrei und damit die weitgehende Kirchenherrschaft zu erwerben 61. In den übrigen Reichsstädten bemühten sich die Ratsgremien ebenfalls, mit unterschiedlichem Erfolg, möglichst weitreichen de Patronats- und Aufsichtsrechte über die geistlichen Institutionen ihrer Einflußsphäre zu gewinnen. Direkt der Aufsicht des Nürnberger Rates unterstanden die Geistlichen des Heilig-Geist-Spitals, der Stiftung des Reichsschultheißen Konrad Groß von 1332/ 39 62. Mittelbar hatte der Rat starken Einfluß auf die übrigen Spital- und Klosterstiftungen des Patriziats, zumal er auch über Aufsichtrechte über das Vermögen der Klöster verfügte. Entsprechend den zahlreichen Kirchen und geistlichen Instituten reich war das gottesdienstliche Leben in der Stadt ausgebildet 63. Frommer Bürgersinn, aber auch der Wille zur Selbstdarstellung füllte die Kirchen mit wertvollen Altären, Statuen und Glasfenstern 64 und errichtete zahlreiche Meß- und Andachtsstiftungen. Selbst Jerusalem war in der Nürnberger Sakraltopographie mit dem ursprünglich vom Neutor zur Hei- 59 Hartmut B00CKMANN,Der Deutsche Orden in Nürnberg, in: Die Rolle der Ritterorden in der mittelalterlichen Kultur, hg. v. Zenon Hubert N0WAK (Universitas Nicolai Copernici, Ordines militares, Colloquia Torunensia Historica III, Thorn 1985) S. 89-104; Dieter J. WEISS, Die Geschichte der Deutschordensballei Franken im Mittelalter (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte IX/ 39, Neustadt/ Aisch 1991) S. 31-45, S. 232-237. 6 ° Karl ULRICH,Die Nürnberger Deutschordenskommende in ihrer Bedeutung für den Katholizismus seit der Glaubensspaltung (Nürnberg 1935); Bernhard DEMEL,Der Deutsche Orden in der protestantischen Reichsstadt, in: Stadt und Orden . Das Verhältnis des Deutschen Ordens zu den Städten in Livland, Preußen und im Deutschen Reich, hg. v. Udo ARNOLD(Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 44, Marburg 1993) S. 216-292. 61 Hermann TüCHLE, Die mittelalterliche Pfarrei, in: Kirchen und Klöster in Ulm. Ein Beitrag zum katholischen Leben in Ulm und Neu-Ulm von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. v. Hans Eugen SPECKER/ Hermann TüCHLE (Ulm 1979) S. 12-38, hier S. 20-22. 62 Werner SCHULTHEISS, Konrad Groß, in: Fränkische Lebensbilder 2 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte Vlla/ 2, Würzburg 1968) S. 59-82. 63 Karl SCHLEMMER, Gottesdienst und Frömmigkeit in der Reichsstadt Nürnberg am Vorabend der Reformation (Forschungen zur fränkischen Kirchen- und Theologiegeschichte, Würzburg 1980). 64 Corine SCHLEIF,Donatio et memoria. Stifter, Stiftungen und Motivationen an Beispielen aus der Lorenzkirche in Nürnberg (Kunstwissenschaftliche Studien 58, München 1990). <?page no="23"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 23 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 23 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 Reichsstadt und Kult im Spätmittelalter 11 lig-Grab-Kapelle auf dem J ohannisfriedhof führenden Kreuzweg 65und mit Heilig-Grab-Kapellen 66 im Heilig-Geist-Spital und als Vorgängerbau von St. Lorenz gegenwärtig. Die nahezu vollständige Kirchenherrschaft des Rates in Nürnberg bildete eine wesentliche Voraussetzung für die rasche Durchsetzung der Reformation in den Jahren 1523 bis 152567. Die städtische Kuhgemeinschaft manifestierte sich bei Prozessionen, welchem Komplex sich die Forschung in jüngerer Zeit verstärkt zuwendet68. Sie untersucht die soziale Zusammensetzung der Prozessionen und ihren Weg, sie zieht Rückschlüsse auf die städtische Verfassung, behandelt die Inszenierung politischer Verhältnisse und gewinnt Aspekte für die Kulturgeschichtsschreibung. Klaus Schreiner unterstreicht die Bedeutung von Prozessionen für die Konstitution von Städten als Kuhgemeinschaften wie dabei besonders die Bedeutung von Bildern6 9. Eine wichtige historisch-systematische Studie zum Prozessionswesen von liturgiewissenschaftlicher Seite bildet die Münsteraner Dissertation von Sabine Felbecker. Als konstitutive Merkmale einer Prozession betont sie den demonstrativen Charakter etwas soll gezeigt werden -, sowie die Elemente Bewegung und Schau 70. Sie definiert: "1. Prozession ist nach vorn gerichtete Bewegung. Als solche erfüllt sie einen praktischen Zweck: das Zurücklegen einer Strecke innerhalb eines Raumes. 2. Sie ist geordnete, feierliche Bewegung. Als solche ist sie ritueller Ausdruck. 3. 65 Reiner ZITTLAU, Heiliggrabkapelle und Kreuzweg . Eine Bauaufgabe in Nürnberg um 1500 (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 49, Nürnberg 1992); Susanne WEGMANN, Der Kreuzweg von Adam Kraft in Nürnberg. Ein Abbild Jerusalems in der Heimat, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürn berg 84(1997) S. 93-117. 66 Georg STOLZ,Heilig-Grab-Kapelle (Heilig-Geist-Spital/ Lorenzer Platz), in: Stadtlexikon Nürnberg (wie Anm. 14) S. 431. 67 Friedrich Wilhelm KANTZENBACH, Gottes Ehre und der Geme ine Nutzen. Die Einführung der Reformation in Nürnberg, Zeitschrift für bayrische Kirchengeschichte 47 (1978) S. 1-26; Gottfried SEEBASS, Stadt und Kirche in Nürnberg im Zeitalter der Reformation, in: Bernd MOELLER(Hg.), Stadt und Kirche im 16. Jahrhundert (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 190, Gütersloh 1978) s. 66-86. 68 Dieser Abschnitt folgt dem Beitrag des Verfassers: Prozessionsforschung und Geschichtswissenschaft, Jahrbuch für Volkskunde 27(2004) S. 63-79. 69 Klaus SCHREINER, Soziale, visuelle und körperliche Dimensionen mittelalterlicher Frömmigkeit. Fragen, Themen, Erträge einer Tagung, in: DERS.(Hg.), Frömmigkeit im Mittelalter. Politisch-soziale Kontexte, visuelle Praxis, körperliche Ausdrucksformen (München 2002) S. 9-38, hier S. 12 f. 70 Sabine FELBECKER, Die Prozession . Historische und systematische Untersuchungen zu einer liturgischen Ausdruckshandlung (Münsteraner theologische Abhandlungen 39, Altenberge 1995) S. 21-27. <?page no="24"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 24 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 24 30.09.22 08: 50 30.09.22 08: 50 12 Dieter J Weiß Sie ist Bewegung mehrerer Personen. Als solche ist sie soziale Aktion und damit an die Konventionen einer bestimmten Gruppe gebunden. " 71 Hier ist das Beispiel Würzburg besonders instruktiv. Mit der Einführung der Würzburger Cyriakusprozession zum Gedenken an den Sieg über den Grafen Hermann von Henneberg am 8. April 1266 am Mühlberg bei Kitzingen wurde wohl erstmals ein politisches Ereignis zum Anlaß einer regelmäßigen Prozession, an der sich die gesamte städtische Bevölkerung beteiligte 72 . Die bedeutendste Form einer Prozession war im Spätmittelalter der mit dem Fronleichnamsfest verbundene theophorische Umzug 73, den Felbecker als Ausgangspunkt ihrer Darstellung des christlichen Prozessionswesens wählt. Alle die frühen Formen eucharistischer Verehrung fanden ihren Höhepunkt in der Einführung des Fronleichnamsfestes 74. Die Erinnerung an die Einsetzung der Eucharistie wurde ursprünglich am Gründonnerstag gefeiert. Die Visionen der hl. Juliane von Lüttich, gestorben 1258 und bereits 1269 heiliggesprochen, führten 1246 zur Einsetzung des Fronleichnamsfestes in Lüttich. Papst Urban IV. erlaubte 1264 mit der Bulle Transiturus de hoc mundo seine Feier in der Universalkirche. Das Fest dient der Sühne für Unachtsamkeiten gegenüber dem Sakrament, der Erinnerung an die Einsetzung der Eucharistie und der Widerlegung der eucharistischen Häresien. In der Folge breitete sich das neue Fest zunächst nur langsam aus, 1278 wird es etwa in einer Urkunde des fränkischen Zisterzienserklosters Heilsbronn erwähnt7 5. Der Durchbruch erfolgte erst, als 1317 Papst Johannes XXII. die Bulle 71 FELBECKER, Prozession (wie Anm. 70) S. 29-34, Zitat S. 34. 72 Friedrich PFISTER,Alexander der Große und die Würzburger Kiliansfahne, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 14/ 15 (Herbipolis Jubilans. 1200 Jahre Bistum Würzburg, 1952/ 53) S. 279-297, hier S. 281-284; Gerd ZIMMERMANN, Die Cyriacus- Schlacht bei Kitzingen (8. 8. 1266) in Tradition und Forschung, Jahrbuch für fränkische Landesforschung 27 (1967) S. 417-425. Zum bei der Schlacht mitgeführten Kilians-Banner: Kilian. Mönch aus Irlandaller Franken Patron 689-1989. Katalog der Sonderausstellung zur 1300-Jahr-Feier des Kiliansmartyriums (Würzburg 1989) Nr. 393, S. 361; LöTHER, Prozessionen (wie Anm. 43) S. 39f. 73 Angelus A. HÄUSSLINGOSB, Literaturbericht zum Fronleichnamsfest, Jahrbuch für Volkskunde NF 9 (1986) S. 228-240, Ergänzungen und Nachträge, ebenda 11 (1988) S. 241-250, Dritte Folge, ebenda 26 (2003) S. 211-240. 74 Peter BROWESJ, Die Verehrung der Eucharistie im Mittelalter (München 1933, ND Sinzig 1990) S. 70-88; Antonius van BRUGGENSS.CC, Reflexion sur l' Adoration eucharistique (Dissertatio ad Lauream in Facu! tate theologica Pontificiae U niversitatis Gregorianae, Rom 1968) S. 71-74. 75 1278 März 2: Günther SCHUHMANN/ Gerhard HIRSCHMANN, Urkundenregesten des Zisterzienserklosters Heilsbronn 1 (1132-1321) (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte III/ 1, Würzburg 1957) Nr . 144, S. 76 f. <?page no="25"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 25 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 25 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Reichsstadt und Kult im Spätmittelalter 13 Urbans IV. und deren Wiederholung durch Clemens V. auf dem Konzil von Vienne 1311/ 12 in die klementinische Gesetzessammlung des Corpus Juris Canonici aufnahm. Charles Zika ordnet die Ausbildung der Fronleichnamsprozession in seine Darstellung der gesteigerten spätmittelalterlichen Eucharistiefrömmigkeit ein, doch macht er auch Angaben zum allgemeinen Prozessionswesen im Reich 76. Während manche kirchliche Amtsträger und lokale Autoritäten im Spätmittelalter die Unterdrückung von Wallfahrten versuchten er wählt das Beispiel Wilsnack -, hätten sie dagegen Prozessionen gefördert, weil diese ihrer unmittelbaren Kontrolle unterstanden; außerdem ermöglichten sie die Selbstdarstellung einer Gemeinschaft77. In vielen historischen Arbeiten werden Prozessionsordnungen als Abbild der sozialen Schichtung der städtischen Bürger gewürdigt7 8. Dies gilt etwa für Würzburg, wo die Teilnehmer gemäß einer Ordnung für die Fronleichnamsprozession von 1447 nach Ständen und Korporationen gegliedert waren 79. Dabei wurden die Häupter der Märtyrer Kilian, Kolonat und Totnan sowie weitere Reliquien mitgeführt. Dieses Element die Mitnahme von Reliquiaren findet sich öfter, besonders ausgeprägt etwa in Köln 80. Helmut Flachenecker wertet die Teilnahme an der spätmittelalterlichen Fronleichnamsprozession in Eichstätt als Indikator für das Ansehen des Handwerks in der Stadt8 1. Im Gegensatz zu Eichstätt legte in der Reichsstadt Konstanz der Rat die Prozessionsordnung fest und lud zwei Domherren dazu ein8 2 . Die Nürnberger Entwicklung wurde jüngst eingehend von Andrea Löther in ihrer Dissertation über das Prozessionswesen in spätmittelalterlichen Städten untersucht 83. Sie nähert sich ihrem Thema durch Untersuchung der Kategorien Partizipation -wie können Prozessionen 76 Charles ZrKA, Hosts, Processions and Pilgrimages. Controlling the Sacres in Finfteenth-Century Germany, Past and Present 188 (1988) S. 25-64 . 77 ZIKA,Hosts (wie Anm. 76) S. 63. 78 FRÖLICH,Kirche (wie Anm. 41), zum Prozessionswesen S. 266-268; Erich MASCHKE, Die Schichtung der mittelalterlichen Stadtbevölkerung Deutschlands als Problem der Forschung, in: Methodologie de l'histoire et des sciences humaines (Melanges en l'honneur de Fernand Braudel 2, Toulouse 1972) S. 367-379 . 79 TRüDINGER, Stadt und Kirche (wie Anm. 44) S. 131-135 (Prozessionen und Wallfahrten, zu Bruderschaften S. 136-140). 80 Anton LEGNER, Kölner Heilige und Heiligtümer . Ein Jahrtausend europäischer Reliquienkultur (Köln 2003) S. 80-85. 81 Helmut FLACHENECKER, Eine geistliche Stadt. Eichstätt vom 13. bis zum 16. Jahrhundert (Eichstätter Beiträge 19, Abt. Geschichte 5, Regensburg 1988) S. 322-325. 82 FLACHENECKER, Stadt (wie Anm . 81) S. 323. 83 LÖTHER,Prozessionen (wie Anm. 43) S. 50-172. <?page no="26"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 26 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 26 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 14 Dieter J Weiß in Beziehung zu sozialen und politischen Strukturen in der Stadt gesetzt werden - und Sinngebung - Symbole und religiöse Aussagen, Rangfolge und Route einer Prozession strukturieren und deuten eine Stadt . Entsprechend behandelt sie die Bedeutung und Einbettung von Prozessionen in das Leben städtischer Gesellschaften des Spätmittelalters 84. Die früheste Fronleichnamsprozession in Nürnberg entstand auf Initiative eines Laien. Mit der Stiftung des Heilig-Geist-Spitals ordnete Konrad Groß die Abhaltung einer Fronleichnamsprozession für den Sonntag der Oktavwoche an, die bereits seit 1336 belegt ist 85. Löther untersucht den Teilnehmerkreis, den zeitlichen Ablauf, die Topographie, die Liturgie, die religiösen Objekte und den Festschmuck. Erst im 15. Jahrhundert hielten die beiden Nürnberger Pfarreien Prozessionen zu diesem Fest ab86, für das sie 1429 einen Ablaß Papst Martins V. erwirkten87. Mitglieder des Rates beteiligten sich jeweils an prominenter Stelle, als Ehrengeleit des das Sakrament tragenden Geistlichen wie als Himmelträger. Eine noch stärkere Bedeutung für das Selbstbewußtsein einer Stadt als dem Prozessionswesen kommt der Verehrung von Stadtpatronen zu88. Besonders im romanischen Kulturkreis mit seinen oft bis in die Spätantike und damit in die Zeit der Christenverfolgung zurückreichenden Bischofssitzen verfügten viele Städte über eigene Patrone 89. Diese unterscheiden sich von frühmittelalterlichen Bistums- und Stammesheiligen 84 LöTHER, Prozessionen (wie Anm. 43) S. 1-23. 85 LöTHER, Prozessionen (wie Anm. 43) S. SSf., S. 64-83. 86 Xaver HAIMERL,Das Prozessionswesen des Bistums Bamberg im Mittelalter (Münchener Studien zur historischen Theologie 14, München 1937, ND Hildesheim 1973), zu St. Sebald S. 43-48, zu St. Lorenz S. 49 f.; LöTHER, Prozessionen (wie Anm. 43) S. 84f., S. 101-147. 87 1429 Mai 26: HAIMERL,Prozessionswesen (wie Anm. 86) S. 34, S. 43. 88 Hinweise zur Funktion der Stadtheiligen im römisch-deutschen Reich: Heinrich SCHMIDT,Die deutschen Städtechroniken als Spiegel des bürgerlichen Selbstverständnisses im Spätmittelalter (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 3, Göttingen 1958) S. 93-97. - Grundlegend: Wolfgang BRÜCKNER, Devotio und Patronage. Zum konkreten Rechtsdenken in handgreiflichen Frömmigkeitsformen des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, in: SCHREINER(Hg.), Laienfrömmigkeit (wie Anm. 34) S. 79-91. 89 Hans Conrad PEYER,Stadt und Stadtpatron im mittelalterlichen Italien (Wirtschaft Gesellschaft Staat. Zürcher Studien zur allgemeinen Geschichte 13, Zürich 1955) (zu Venedig, Mailand, Florenz und Siena); Paolo GOLINELLI,Citta e culto dei santi nel medioevo italiano (Biblioteca di storia urbana medievale 4, Bologna 1991); Paolo GOLINELLI(Hg.), II pubblico dei santi. Forme e livelli di recezione dei messagi agiografici (Atti del III Convegno di studio dell' Associazione italiana per lo studio della sanita, dei culti e dell'agiografia, Verona 22-24 ottobre 1998, Rom 2000): <?page no="27"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 27 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 27 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Reichsstadt und Kult im Spätmittelalter 15 wie von hochmittelalterlichen Landes- und Dynastieheiligen durch eine regional und sozial begrenzte Verehrergruppe meist nur die Einwohner einer Stadt-, aber auch durch eine intensivere Verehrung, weil sich das Selbstverständnis der Stadt in ihrem Patron manifestierte 90. In den rheinischen Städten waren der Apostelfürst Petrus, St. Martin und überhaupt vorkarolingische Heilige besonders häufig Stadtpatrone, wie Stephan Beissel unter anderem durch eine Untersuchung der Stadtsiegel-gezeigt hat 91. Wenn dagegen in den fränkischen und schwäbischen Städten Gräber von Heiligen verehrt wurden, so handelte es sich dabei in erster Linie um Bistums- oder Klostergründer, deren Kult von kirchlichen Institutionen geprägt wurde. Die Reliquien des heiligen Märtyrerbischofs Kilian 92 , des heiligen Kaiserpaares Heinrich und Kunigunde, der heiligen Bischöfe Otto von Bamberg, Willibald von Eichstätt93, Burkard und Bruno von Würzburg werden zwar in Städten aufbewahrt, aber ihr Kult war kein spezifisch städtischer, sondern erfaßte wenigstens das gesamte Bistum oder strahlte noch darüber hinaus. Anders aber als mit den Heiligen der Bischöfsstädte verhielt es sich mit dem Nürnberger Stadtpatron St. Sebaldus. Als Vergleichsbeispiele nennt Arno Borst Zürich 94, Dortmund und Soest95. Die Sebaldusverehrung ist lehrreich, weil sie zeigt, wie eine Reichsstadt beziehungsweise ihr Rat planmäßig den Kult eines Stadtpatrons aufbaute. Dabei verbirgt sich die Gestalt des historischen Einsiedlers, der nach einer These von Wilhelm Kraft 96 dem Bamberger Domkapitel angehört haben könnte, hinter einem dichten Schleier legendarischer Überlieferun- 90 Arno BORST,Die Sebaldslegenden in der mittelalterlichen Geschichte Nürnbergs, Jahrbuch für fränkische Landesforschung 26 (1966) S. 19-178, hier S. 166f. 91 Stephan BEISSEL, Die Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien während der zweiten Hälfte des Mittelalters (Stimmen aus Maria Laach, Ergänzungs-Heft 54, Freiburg i.Br. 1892, ND unter dem Titel „Die Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien in Deutschland im Mittelalter", mit einem Vorwort von Horst APPUHN, Darmstadt 1976) s. 68-71. 92 Vgl. Kilian. Mönch aus Irland (wie Anm. 72); Karl BORCHARDT, Der hl. Kilian als Symbolfigur des Bistums Würzburg im Spätmittelalter, in: Johannes ERICHSEN (Hg.), Kilian. Mönch aus Irlandaller Franken Patron. Aufsätze (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 19/ 89, München 1989) S. 373-382. 93 Zu seiner Funktion als Stadtpatron vgl. Konrad HELD, Willibald, der Stadtpatron und seine Eichstätter (Eichstätt 1987). 94 Vgl. Josy-Maria STEFFEN-ZEHNDER, Das Verhältnis von Staat und Kirche im spätmittelalterlichen Zürich (Diss. phil. Zürich 1935). 95 BORST,Sebaldslegenden (wie Anm. 90) S. 168-171. 96 Wilhelm KRAFT,St. Sebald im Rahmen der ältesten Geschichte Nürnbergs, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 38 (1941) S. 165-186, hier s. 174-181. <?page no="28"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 28 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 28 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 16 Dieter J Weiß gen 97. 1070 und 1072 werden in Annalenwerken Wunder am Grab eines Sebaldus und eine Wallfahrt zu ihm in Nürnberg erwähnt 98. Sein Leben und Wirken als Eremit und wahrscheinlich Priester dürfte somit in die Zeit der Salier gefallen sein. Eine Theorie besagt, daß der Leichnam des Heiligen aus Poppenreuth in die Kapelle am Südrand der Nürnberger Burgsiedlung übertragen worden sei, weil sie von ihm gestiftet worden war. Diese Kapelle hatte ursprünglich das Patrozinium St. Peter und Paul wie die zuständige Pfarrkirche im Dorf Poppenreuth im Norden Fürths. Um 1250 entstand ein Formular für eine eigene Bekennermesse Os justi für den Festtag des heiligen Sebaldus am 19. August 99, 30 Jahre später das Reimoffizium Nuremberg extolleris 100, das Sebaldus als Schutzherrn Nürnbergs zeigt. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts verdichtete sich der Kult, Sebaldus wurde häufiger als Taufname gewählt, zahlreiche Altarpfründen wurden gestiftet und der hochgotische Ostchor der Sebalduskirche errichtet 101 . Die erste deutsche Fassung der Legende Es was ein kunek (um 1380/ 85) macht Sebaldus zum dänischen Königssohn, der in der Hochzeitsnacht mit einer fränkischfranzösischen Prinzessin der Welt entsagt habe und in die Einsamkeit geflohen sei 102. Arno Borst hat die aktuellen politischen Bezüge der Legende im Hinblick auf die Auseinandersetzung der Reichsstadt mit den Burggrafen ausgearbeitet 103_ Die in die deutschsprachige Fassung übernommenen Angaben der Legenden, die ihn zu einem Zeitgenossen der angelsächsischen Missionare Willibald und Wunnibald machen, sind unglaubhaft 1°4. Für die Verehrung war aber die historische Gestalt unerheblich, wichtig war die Konkretisierung des Heils am Grab Sebalds in der Peterskapelle. Bei seinen Reliquien wußten die Legenden von Wundern und Heilungen zu berichten und sie bildeten das Ziel von zahlreichen Pilgern. 97 BORST,Sebaldslegenden (wie Anm. 90). - Vgl. auch Der heilige Sebald, seine Kirche und seine Stadt (Ausstellungskataloge des Landeskirchlichen Archivs in Nürnberg 8, Nürnberg 1979). 98 Belegt in drei Annalenwerken: Annales Augustanae a. 1070, MGH SS 3, ed. Georg Heinrich PERTZ,S. 128; Annales Weissenburgenses a. 1070, l.c., S. 71; Lamberti Annales Hersfeldenses a. 1072, MGH SS 5, ed. Georg Heinrich PERTZ,S. 191. - Vgl. BORST,Sebaldslegenden (wie Anm. 90) S. 22-29. 99 BORST,Sebaldslegenden (wie Anm . 90) S. 30-33 . 100 BORST,Sebaldslegenden (wie Anm . 90) S.36-43. 101 BORST,Sebaldslegenden (wie Anm. 90) S. 51. 102 BORST,Sebaldslegenden (wie Anm . 90) S. 59-70. 103 BORST,Sebaldslegenden (wie Anm. 90) S.64- 66. 104 Lektionen Omnia que gesta sunt: BORST,Sebaldslegenden (wie Anm. 9Ö)S. 43-50 . <?page no="29"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 29 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 29 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Reichsstadt und Kult im Spätmittelalter 17 Infolge der Verehrung Sebalds wurde die archäologisch nicht nachweisbare Peterskapelle, die wohl an der Stelle des heutigen Westchores der Sebalduskirche stand, nach ihm benannt. Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts verdrängte Sebaldus das ursprüngliche Peters-Patrozinium, St. Sebald wurde zur Pfarrkirche erhoben 105. Patrozinienwechsel sind eine häufige Erscheinung des Mittelalters. 1391/ 97 wurden die Gebeine des Heiligen in dem heute noch erhaltenen silbernen Schrein geborgen und wohl auf dem Hochaltar aufgestellt106. Das Sebaldusgrab wurde vom neuaufgerichteten Ostchor mit seinen weiten Glasfenstern wie von einem zweiten, gläsernen Schrein umgeben. Der Reliquienschrein ist aus Eichenholz gefertigt, umgeben von silbergestanzten Wappen des Reiches und der Stadt Nürnberg in Rautenform, eingefaßt von vergoldeten Vierpaßbändern mit Rosetten. Zur Vorbereitung des Heiligsprechungsprozesses und um Sebalds Ruhm in alle Welt zu tragen, ließ der Rat-wohl um 1400 bis 1410 und möglicherweise in Venedig die lateinische Vita Si dominum verfassen, die sich auf das ausführliche deutsche Lebensbild stützt 10 7• Am 26. März 1425 erhob Papst Martin V. den seit langem in Nürnberg verehrten Sebaldus zur Ehre der Altäre 108. In der Begründung der Kanonisation verknüpfte der Papst die Gestalt des Stadtpatrons und das Gedeihen der Stadt. Er führte nämlich aus, daß die Bedeutung Nürnbergs die Heiligkeit Sebalds hinlänglich demonstriert habe. Die Verbindung zwischen Stadt und Kult des Stadtpatrons wird hier so eng, daß sie sich wechselseitig bedingen. Doch auch nach der päpstlichen Heiligsprechung gab es noch Konflikte mit dem Diözesanbischof in Bamberg und seinen Geistlichen, welche die Nürnberger Sebaldusverehrung nicht annehmen wollten und etwa die Übernahme ins Brevier unterdrückten 109. Zur Verteidigung Sebalds beauftragte der Rat den gelehrten Augsburger Benediktiner Sigismund Meisterlin 110mit einer Neufassung der Sebalduslegende, die kritischen Ansprüchen genügen sollte 111. Popularität gegenüber den in 105 BORST,Sebaldslegenden (wie Anm. 90) S. 30, S. 71. 106 BORST,Sebaldslegenden (wie Anm. 90) S. 76. 107 BORST,Sebaldslegenden (wie Anm. 90) S. 70-75. lOS 1425 März 26, Druck: Martin WEIGEL,Dr. Conrad Konhofer (t 1452). Ein Beitrag zur Kirchengeschichte Nürnbergs, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 29 (1928) S. 169-297, hier S. 271-274; BORST,Sebaldslegenden (wie Anm . 90) S. 81; Der heilige Sebald (wie Anm . 97) Nr. 34, S. 60. 109 BORST,Sebaldslegenden (wie Anm. 90) S. 119-121. llO Franz MACHILEK,Meisterlin, Sigismund, in: Stadtlexikon Nürnberg (wie Anm. 14) s. 683. 111 BORST,Sebaldslegenden (wie Anm. 90) S. 122-128 . <?page no="30"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 30 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 30 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 18 Dieter J Weiß Nürnberg verbreiteten Wundererzählungen scheint seine gelehrte Arbeit aber nicht gewonnen zu haben. Jedenfalls war es der; Nürnberger Rat, der sich in besonderer Weise der Verehrung das Stadtpatrons Sebaldus annahm. Das Sebaldus-Fest wurde, festgeschrieben in der päpstlichen Kanonisationsbulle, am 19. August begangen. Dazu gehörten neben dem Hochamt eine seit 1401/ 02 belegte feierliche Prozession, bei der Ratsherren den Prunkschrein um die Sebalduskirche trugen 112. Der Rat instrumentalisierte die Sebaldusverehrung zur Demonstration der Bedeutung Nürnbergs und sorgte für ihre Verbreitung. Sie verlief entlang der Nürnberger Handelsrouten bis nach Österreich - Sebaldus steht unter den Habsburger Hausheiligen im Wiener Stephansdom - und Venedig113.Der Heilige wird als Pilger mit einem Kirchenmodell dargestellt. Auch die Reichsstädte Weißenburg und Schwäbisch Hall erhielten mit Altarstiftungen am Ende des 15. Jahrhunderts Verehrungsstätten des Nürnberger Patrons Sebaldus 114. Arno Borst würdigt die politische Bedeutung des Heiligen für die Stadt: "Weil Sebalds Leben und Sterben tatsächlich mit der Gründung Nürnbergs zusammenhing, war er hier immer allgegenwärtig und vertrat Ansehen und Geschichte seiner Stadt so umfassend wie kein anderer Patron im deutschen Spätmittelalter .... Sebalds Macht hatte etwas archaisch Unbedingtes; er allein war Hauptherr der gesamten politischen und kirchlichen Gemeinde Nürnberg und zugleich Nothelfer für jedes einzelne Mitglied, für jeden Notstand in dieser Gemeinde. Sie duldete an seiner Seite oder Stelle keinen berühmteren und keinen moderneren Heiligen; denn dieser obskure Einsiedler gehörte ihr. Wer Sebald sagte, meinte Nürnberg, nur diese eine Stadt, aber diese ganze Stadt. " 115 Nach dem Modell der Sebaldus-Verehrung wurde im Nürnberg der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts der Kult eines potentiellen zweiten Stadtpatrons aufgebaut. 1316 hatte Nürnberg die Reliquien des Gründungsabtes von Kloster Herrieden, Deocarus, nach der Eroberung Herriedens durch König Ludwig den Bayern erhalten 1 16. Sie wurden darauf in der jüngeren zweiten städtischen Pfarrkirche, St. Lorenz, aufbewahrt, 112 SCHLEMMER, Gottesdienst (wie Anm. 63) S. 268-271; LöTHER, Prozessionen (wie Anm.43)S. 147-153,S. 167-172. 113 Zur Sebaldusverehrung außerhalb Nürnbergs BORST,Sebaldslegenden (wie Anm . 90) s. 114-119, s. 129f., s. 142-146. 114 BORST,Sebaldslegenden (wie Anm. 90) S. 137-142. 115 BORST,Sebaldslegenden (wie Anm . 90) S. 171f. 116 Corine SCHLEIF,Bild- und Schriftquellen zur Verehrung des heiligen Deocarus in Nürnberg, Berichte des Historischen Vereins Bamberg 119 (1983) S. 9-24 . <?page no="31"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 31 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 31 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Reichsstadt und Kult im Spätmittelalter 19 wo er einen eigenen Altar mit einem silbernen Reliquienschrein erhielt. Andreas und Margarete Volckamer erweiterten seinen Kult planmäßig zu dem eines zweiten Stadtpatrons. Seine Bedeutung wurde noch dadurch unterstrichen, daß Deocarus als Reichsheiliger gelten konnte, weil er als Beichtvater Karls des Großen verehrt wurde. Die Intensivierung des Deocarus-Kultes bildete wohl einen Versuch der Lorenzer Geistlichkeit, mit der älteren Pfarrei St. Sebald gleichzuziehen. Nach dem Beispiel des heiligen Sebaldus wurde Deocarus mit einer ab 1492 belegten Prozession am Mittwoch nach Pfingsten verehrt, bei der sein Reliquienschrein auf einem geschmückten Weg um die Kirche getragen wurde 117. In vielen Reichsstädten gab es Reliquienschätze, deren Verehrung mit Ablässen verbunden war 118, und Wallfahrten wie etwa zum Heiligen Blut in Rothenburg 119• Die herausragendste Form der Reliquienverehrung im süddeutschen Raum während des Spätmittelalters bildete wohl die jährliche Weisung der Reichsheiltümer am Fest der Heiligen Lanze. Bereits durch die Goldene Bulle 120 von 1356 war Nürnberg als Ort des ersten Reichstags eines neugewählten Königs 121 zu einem Vorort des Reiches neben Frankfurt als dem Ort der Königswahl und Aachen als dem Ort der Königskrönung geworden 122. König Sigismund hatte im Herbst 1423, während der Hussitenkriege, die Übergabe des Reichsschatzes - "unser und des heiligen reichs heiligtum" einer Nürnberger Delegation zugesagt. In der sicheren Reichsstadt trafen sie 117 LöTHER, Prozessionen (wie Anm. 43) S. 153f., S. 167f. 118 Heilbronn: RüCKLIN,Volksleben (wie Anm. 27) S. 118f.; Rothenburg: Ebenda S. 118. 119 BORCHARDT,Institutionen (wie Anm. 53) S. 50-52. - Vgl. dazu den Beitrag von Ludwig SCHNURRERin diesem Band. 120 Druck: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. vom Jahre 1356, bearb. v. Wolfgang D. FRITZ(MGH, Fantes iuris 11, Weimar 1972). -Armin WOLF,Goldene Bulle v. 1356, in: Lex.MA 4, Sp. 1542f. (mit Editions- und Literaturhinweisen). 121 Reinhard SEYBOTH, Reichsstadt und Reichstag. Nürnberg als Schauplatz von Reichsversammlungen im späten Mittelalter, Jahrbuch für fränkische Landesforschung 52 (Festschrift Alfred Wendehorst, 1992) S. 209-221. 122 Hermann HEIMPEL,Nürnberg und das Reich des Mittelalters, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 16 (1951/ 52) S. 231-264; Werner GOEZ, Nürnberg - Kaiser und Reich, in: Nürnberg- Kaiser und Reich. Ausstellung des Staatsarchivs Nürnberg (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns 20, München 1986) S. 11-16; Alfred WENDEHORST, Die Reichsstadt Nürnberg von den Anfängen bis zum Ende ihrer großen Zeit, in: Nürnberg 1300-1550. Kunst der Gotik und Renaissance (an! . der Ausstellung Nürnberg 1300-1550 ... im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg ..., München 1986) S. 11-25. <?page no="32"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 32 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 32 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 20 Dieter J Weiß im März 1424 ein 123. Die Reichskleinodien setzen sich aus Reliquien und Insignien zusammen 124, dazu kommen die Krönungsgewänder. Papst Innozenz VI. (1352-1362) hatte bereits 1354 Karl IV. das Fest der Heiligen Lanze und der Nägel, das alljährlich am Freitag nach Quasimodogeniti, dem ersten Sonntag nach Ostern, gefeiert wurde, bewilligt125. Bei dieser Gelegenheit waren in Prag die Reichsheiltümer den Gläubigen gezeigt worden, die dabei Ablässe gewinnen konnten. Diese Weisung wurde in Nürnberg fortgeführt, ihr Ort war der Hauptmarkt 126. Hier wurde dafür jeweils vor dem Schopperschen Haus (heute: Hauptmarkt 15) der circa sieben Meter hohe Heiltumsstuhl aus Holzbalken errichtet. Im Anschluß an die Festmesse und die Verlesung der päpstlichen Ablässe 127 fand die eigentliche Reliquienschau statt. Dabei konnten die Gläubigen einen Ablaß von sieben Jahren und sieben Quadragenen gewinnen . Während des späten Mittelalters, einer Zeit, die in besonderer Weise von der Schau und vom Verlangen der Menschen, das Heilige konkret zu sehen und zu greifen, bestimmt war, war das Reich in Nürnberg somit in ganz besonderer Weise präsent. Papst Martin V. (1417-1431) bestätigte dem Rat am 31. Dezember 1424128, daß die Kirche des Heilig-Geist-Spitals in Nürnberg der Ort der 123 1423 September 29: Nürnberg- Kaiser und Reich (wie Anm . 122) Nr. 47, S. 53f . (mit Abb.). - Julia SCHNELBÖGL,Die Reichskleinodien in Nürnberg 1424-1523, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 51 (1962) S. 78-159, hier S. 88-95; Gerhard RECHTER,Die „ewige Stiftung" König Sigismunds von 1423, in: Nürnberg - Kaiser und Reich (wie Anm. 122) S. 50-52. 124 Hermann FTl.l.lTZ,Die Tnsignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches (Wien/ München 1954); Percy Ernst SCHRAMM,Herrschaftszeichen und Staatssymbolik . Beiträg e zu ihrer Geschichte vom dritten bis zum sechzehnten Jahrhundert (Schriften der MGH 13/ 1-3 und Nachträge, Stuttgart 1954-1956, München 1978); Günther SCHUHMANN, Die Reichsinsignien und Heiltümer, in: Nürnberg - Kaiser und Reich (wie Anm . 122) S. 32-39; Hermann FILLITZ,Die Schatzkammer in Wien . Symbole abendländischen Kaisertums (Salzburg/ Wien 1986). 125 Franz MACHILEK/ Karlheinz SCHLAGER/ Theodor WOHNHAAS, 0 Felix Lancea. Beiträge zum Fest der heiligen Lanze und der Nägel, Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 92 (1984/ 85) S. 43-107 . 126 SCHNELBÖGL, Reichskleinodien (wie Anm. 123) S. 106-129; Franz MACHILEK,Die Heiltumsweisung, in: Nürnberg- Kaiser und Reich (wie Anm. 122) S. 57-66; DERS., Die Nürnberger Heiltumsweisungen, in: Wallfahrten in Nürnberg um 1500, hg . v. Klaus ARNOLD,Pirckheimer Jahrbuch für Renaissance- und Humanismusforschung 17 (Wiesbaden 2002) S. 9-52 . 127 Ablaßbrief des Bamberger Bischofs Friedrich III. von Aufseß vom 13. April 1424: StA Nürnberg, Urkunden des 7farbigen Alphabets 679 (Angabe nach SCHNELBÖGL, Reichskleinodien [wie Anm. 123] S. 93). 128 StA Nürnberg, Päpstliche Privilegien 189 (Angab e nach SCHNELBÖGL,Reichskleinodi en [wie Anm . 123] S. 94). - Nürnberg- Kaiser und Reich, Nr. 51, (wie Anm. 122) S. 55. <?page no="33"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 33 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 33 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Reichsstadt und Kult im Spätmitte/ alter 21 dauernden Verehrung des Reichsheiltums sein sollte 129• Der Rat hatte diese Kirche gewählt, weil sie seiner und nicht geistlicher Aufsicht unterstand, die König Sigismund in der Übergabeurkunde ausgeschlossen hatte. Die Insignien und Gewänder wurden im Gewölbe über der Sakristei sicher verschlossen. Zur Aufbewahrung der Reliquien ließ der Rat 1438/ 40 den Heiltumsschrein 130 anfertigen, der an zwei Ketten im Chor der Kirche in großer Höhe aufgehängt war. Der im Auftrag des Rates gefertigte Reichsschrein zeigt den Königskopfadler und das gespaltenes Stadtwappen, also großes und kleines Stadtwappen, im Wechsel. Damit zeigt er eine ähnliche Form und Gestaltung wie der Reliquienschrein des heiligen Sebaldus 131, der die Kombination von einköpfigen Reichsadler und dem gespaltenen Stadtwappen in Rautenform in hundertfacher Wiederholung aufweist. Wie die Nürnberger Heiltumsweisung beweist, gewann der Kult im spätmittelalterlichen Nürnberg auch einen besonderen Aspekt für die Lebendigkeit des Reichsgedankens. Ein letztes Beispiel aus diesem Zusammenhang soll die Überlegungen zu besonderen Formen des Kultes in Reichsstädten beschließen. Die enge Verbindung sakraler und politischer Elemente wird bei der Gestaltung des mittelalterlichen Herrschereinzugs in die Reichsstadt Nürnberg mit einer ganzen Reihe prozessionstypischer Merkmale besonders deutlich 132 . Beschreibungen sind seit dem Einritt König Sigismunds 1414 erhalten 133. Vor den Toren 129 SCHNELBÖGL, Reichskleinodien (wie Anm. 123) S. 99-102; Karl-Engelhardt KLAAR, Sicherung und Pflege der Reichskleinodien in Nürnberg, in: Nürnberg - Kaiser und Reich (wie Anm. 122) S. 71-79. 130 Nürnberg - Kaiser und Reich (wie Anm. 122) Nr. 61, S. 80 (mit Abb.); Nürnberg 1300-1550 (wie Anm. 122) Nr. 47, S. 179-181 (mit Abb. und Literatur). 131 Der heilige Sebald (wie Anm. 97) Nr. 54, S. 74. 132 Albrecht KIRCHER, Deutsche Kaiser in Nürnberg. Eine Studie zur Geschichte des öffentlichen Lebens der Reichsstadt Nürnberg von 1500-1612 (Freie Schriftenfolge der Gesellschaft für Familienforschung in Franken 7, Nürnberg 1955); Fritz SCHNEL- BÖGL,Der Kaiser in Nürnberg. Archivalienausstellung des Staatsarchivs Nürnberg (Nürnberg 1962) S. 5; Ursula SCHMIDT-FÖLKERSAMB, Kaiserbesuche und Kaisereinzüge in Nürnberg, in: Nürnberg - Kaiser und Reich (wie Anm. 122) S. 112-121; Andrea LöTHER, Die Inszenierung der stadtbürgerlichen Ordnung. Herrschereinritte in Nürnberg im 15. und 16. Jahrhundert als öffentliches Ritual, in: Wege zur Geschichte des Bürgertums, hg. v. Klaus TENFELDE/ Hans-Ulrich WEHLER(Bürgertum. Beiträge zur europäischen Gesellschaftsgeschichte 8, Göttingen 1994) S. 105- 124. - Vgl. zu diesem Komplex: Gerrit Jasper SCHENK,Zeremoniell und Politik. Herrschereinzüge im spätmittelalterlichen Reich (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 21, Köln u. a. 2003). 133 Einzug König Sigmund's und der Königin Barbara in Nürnberg 1414, in: Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg 3 (Die Chroniken der deutschen Städte 3, Leipzig 1864) S. 337-348, hier S. 343 f. <?page no="34"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 34 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 34 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 22 Dieter J Weiß Nürnbergs empfing eine Ratsdelegation den König . Währenddessen hatte sich die Geistlichkeit der Stadt in zwei großen Prozessionen aus den beiden Pfarreien St. Sebald und St. Lorenz formiert und war dem Herrscher bis zum Platz vor der Kirche St. Jakob entgegengezogen. Die Kleriker führten jeweils ihr „heiltum", also ihren Reliquienschatz, mit sich. Auf demJakobsplatz fanden sich auch der Rat und alle städtischen Beamten ein. Hier erfolgte eine Reliquienschau; auf einem eigens errichteten Altar wurden die Kopfreliquiare der heiligen Sebaldus 134 und Cyprian sowie ein Kreuz aufgestellt. Der König verehrte nach seinem Einritt das Kreuz, ein Kopfreliquiar wurde über sein Haupt gehalten und die Chöre der Geistlichkeit sangen Psalmen, die Gottes Beistand für den Herrscher erflehten. Danach ging die vereinigte große Prozession nach St. Sebald, wo die Fürbitten für den Herrscher gebetet und die Zeremonien mit dem Te Deum beendet wurden. In ähnlicher Weise wurde 1442 Friedrich III. empfangen 135. Beim Empfang dieses Kaisers 1471 vor der St. Clara Kirche war das Cyprian-Reliquiar durch das Hauptreliquiar des heiligen Deocarus ersetzt worden 136. Letztmals wurde ein dokumentierter Empfang in dieser Form 1500 für König Maximilian zelebriertl3 7. Der Nürnberger Rat, der 1424 die Aufbewahrung der Reichskleinodien in der Reichsstadt und 1425 die Heiligsprechung seines Stadtpatrons Sebaldus erreicht hatte, nutzte beide Ereignisse zur Steigerung der Reputation der Stadt. Aus der politischen wie geistlichen Bedeutung Nürnbergs konnte, etwa durch die mit der Heiltumsschau verbundene Handelsmesse, auch wirtschaftlicher Nutzen gezogen werden. Während die Weisung der Reichsreliquien und die intensive Verehrung eines ganz spezifischen Stadtpatrons Besonderheiten Nürnbergs bildeten, lassen sich die anderen Formen des spätmittelalterlichen Frömmigkeitslebens in unterschiedlichen Graden auch in den übrigen Reichsstädten nachweisen. Einen tiefen Einschnitt brachte hier die Reformation, die viele Formen des Kultes beseitigte, aber die Kirchenherrschaft der Ratsgremien stärkte. 134 Svetozar SPRUSANSKY, Das Haupt des heiligen Sebald. Zur Geschichte des Nürnberger Stadtheiligen und seiner Verehrung, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 68 (1981) S. 109-121. 135 K. Friedrich III. und die Reichsstadt Nürnberg 1440-1444, in: Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg 3 (wie Anm . 133) S. 349-388, hier S. 361-364 . 136 KIRCHER, Deutsche Kaiser (wie Anm. 132) S. 14-16. 137 KIRCHER, Deutsche Kaiser (wie Anm. 132) S. 22 f. <?page no="35"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 35 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 35 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Reichsstadt und Kult im Spätmittelalter 23 Resumen: La contribuci6n entrega una visi6n de conjunto de los tipos de ciudades imperiales en el Sur de Alemania segun su genesis. La organizaci6n de los habitantes de la ciudad o del concejo respectivo como sociedad de culto era parte integrante del deseo de emanciparse de las ciudades. La vida piadosa y la relaci6n de las ciudades imperiales con el culto son presentadas diferenciando cuatro complejos : el gobierno de la Iglesia y el patronato, las procesiones, la veneraci6n de los santos y los patronos urbanos, y la ostensi6n de las reliquias. En ese marco se mezclaban elementos religiosos, sociales, politicos y propios del respectivo estamento. La aportaci6n se centra en algunos ejemplos relativos a la ciudad imperial de Nuremberg, complementados por la comparaci6n con otras ciudades. La Reforma conllev6 cambios profundos en este sentido, puesto que elimin6 muchas formas de culto, sin embargo, fortaleci6 el gobierno de la Iglesia por parte de los gremios del Concejo. <?page no="36"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 36 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 36 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 <?page no="37"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 37 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 37 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg KARL BORCHARDT Rothenburg ob der Tauber spielt für die spätmittelalterliche Jacobus- Verehrung in Oberdeutschland eine gewisse Rolle und wurde deshalb nicht zufällig vom 9. bis 12. Oktober 2003 Schauplatz der Jahrestagung der Deutschen St. J akobus-Gesellschaft e.V. 1. Rothenburg war eine staufische Stadtgründung des 12. Jahrhunderts, erwachsen im Schatten einer durch König Konrad III. als Zentrum für seine fränkischen Herrschaften angelegten Großburg. Die staufische Königsstadt wurde durch den allerdings erst nach dem Untergang der Staufer erstmals belegten städtischen Rat und die kapitalkräftigen, zumeist als Grundbesitzer von Ackerbau und Viehzucht sowie vom Handel mit deren Erzeugnissen lebenden Bürger, welche diesem Rat angehörten, im Spätmittelalter eine autonome Reichsstadt. Unter Leitung des 1408 im Gefängnis unter ungeklärten Umständen verstorbenen Bürgermeisters Heinrich Toppler erwarb Rothenburg eines der größten reichsstädtischen Territorien Oberdeutschlands, knapp 400 Quadratkilometer. In mannigfachen Auseinandersetzungen, Fehden und Gerichtsprozessen behauptete sich die Stadt gegen ihre Territorialnachbarn, den Bischof von Würzburg, die fränkischen Zollern oder das Haus Hohenlohe bis zur Mediatisierung durch Pfalz-Bayern 1802/ 03 2 • Die Stadtpfarrkirche in Rothenburg ob der Tauber, die vom 13. bis 16. Jahrhundert dem Deutschen Orden zustand, besitzt bis heute das 1 Die Gesellschaft schreibt offiziellJakobus, eine Mischform aus deutsch Jakob und lateinisch Jacobus, vgl. Duden. Der Verfasser, zugleich Stadtarchivar in Rothenburg, hielt am 9. Oktober 2003 den hier in leicht erweiterter Fassung abgedruckten Begrüßungsvortrag. Allen Kolleginnen und Kollegen sei für die anregenden Diskussionen an dieser Stelle herzlich gedankt. 2 Eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Stadtgeschichte fehlt. Zur einführenden Information ist zu verweisen auf die gesammelten Aufsätze von Ludwig SCHNORRER, Rothenburg im Mittelalter: Studien zur Geschichte einer fränkischen Reichsstadt (Rothenburg 1997) und DERS.,Rothenburger Profile. Lebensbilder aus sechs Jahrhunderten (Rothenburg 2002), stets mit Literaturangaben. <?page no="38"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 38 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 38 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 26 Karl Borchardt Patrozinium St. J akob 3• Deshalb soll es nachfolgend zuerst um das Verhältnis zwischen Jacobus, dem Deutschen Orden und der Stadt im Mittelalter gehen. Dabei erheben sich drei Fragen: (1) Wie alt ist die heutige Stadtpfarrkirche? (2) Wie alt ist das Jacobus-Patrozinium dieses Gotteshauses? (3) Welche Rolle spielt dabei der Deutsche Orden? Abschließend werden dann die im Gebiet von Rothenburg jüngst mitunter behaupteten mittelalterlichen „caminos de Santiago" zur Sprache kommen. Was das Alter der Stadtpfarrkirche angeht, so liegt, da Burg und Stadt Rothenburg stauferzeitliche Neugründungen waren, auf der Hand, daß St. Jakob zu Rothenburg kein altes Gotteshaus ist, keine Urpfarrei. Dieser Begriff ist ohnehin in die Diskussion gekommen, seit u. a. Josef Semmler hervorhebt4, daß es Pfarreien im späteren Sinn vor der Zeit des sogenannten Investiturstreits gar nicht gegeben hat. Die Stadtpfarrkirche in Rothenburg ist nicht einmal eine Altpfarrei, wie sie die Kirchenreformbewegung des 11. und 12. Jahrhunderts allenthalben um königliche, geistliche und adelige Grundherrschaften herum auskristallisierte, sondern eben eine Neugründung der Stauferzeit. Von dem Kirchenbau der Stauferzeit hat sich in der heutigen J akobskirche nichts Sichtbares erhalten. Die heutige Jakobskirche entstand vielmehr im 3 Grundlegend Anton RESS(Bearb.), Stadt Rothenburg o. d. T.: Kirchliche Bauten (Die Kunstdenkmäler von Mittelfranken 8, München 1959); Karl BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen in der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber und dem zugehörigen Landgebiet von den Anfängen bis zur Reformation, 2 Teile (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte IX/ 37, Neustadt/ Aisch 1988); 500 Jahre St. Jakob Rothenburg o.d.T. 1485-1985: Festschrift anläßlich der 500. Wiederkehr der Weihe der St.-Jakobs-Kirche zu Rothenburg ob der Tauber im Jahre 1485, hg. vom Kirchenvorstand der Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakob (Rothenburg 1985). 4 Josef SEMMLER, Stift und Seelsorge im südwestdeutschen Raum (6.-9. Jahrhundert), in: Die Stiftskirche in Südwestdeutschland. Aufgaben und Perspektiven der Forschung. Erste wissenschaftliche Fachtagung zum Stiftskirchenprojekt des Instituts für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Universität Tübingen (17.-19. März 2000, Weingarten), bearb . Dieter R. BAUER/ Stefanie AUGE, hg. von Sänke LORENZ/ Oliver AUGE (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 35, Leinfelden/ Echterdingen 2003) S. 85-106; DERS.,Zehntgebot und Pfarrtermination in karolingischer Zeit, in: Aus Kirche und Reich. Studien zu Theologie, Politik und Recht im Mittelalter. Festschrift für Friedrich Kempf zu seinem 75. Geburtstag und fünfzigjährigen Doktorjubiläum, hg. von Hubert MORDEK (Sigmaringen 1983) S. 33-44; DERS.,Mission und Pfarrorganisation in den rheinischen, mosel- und maasländischen Bistümern (5.-10. Jahrhundert), in: Cristianiz zazione ed organizzazione ecclesiastica delle campagne nell'alto medioevo. Espansione e resistenze 2 (Settimane di studio del Centro italiano di studi sull'alto medioevo 28/ 2, Spoleto 1981) S. 813-888. <?page no="39"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 39 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 39 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 ]acobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 27 Spätmittelalter, zuerst kurz nach 1300 der Ostchor durch den Deutschorden nach dem Vorbild der Würzburger Deutschhauskirche, dann unter Leitung der vom reichsstädtischen Rat verwalteten Jakobspflege das inschriftlich 1373 begonnene Langhaus; im 15. Jahrhundert bildeten die Westteile, konzipiert nach dem Vorbild oberdeutscher städtischer Hallenkirchen, sachlich und chronologisch den Abschluß. Was die stauferzeitliche Hauptkirche Rothenburgs angeht, so belegen zwei Urkunden des Bischofs Iring von Würzburg und des Papstes Alexander IV., beide aus dem Jahre 1258, daß die Kirche St. Peter in Detwang ursprünglich die für das Gebiet der Stadt Rothenburg zuständige Pfarrkirche war . Nicht einmal St. Peter in Detwang aber ist eine wirklich alte Kirche. Vielmehr wurde St. Peter zu Detwang erst in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts das Datum der nur abschriftlich überlieferten Zehntabgrenzung ist verderbt, die Lesungen schwanken zwischen 968, 976 und 981 durch den Edelfreien Reinger gegründet. Der Verlauf der damals festgelegten Zehntgrenze bezeugt eindeutig, daß St. Peter zu Detwang von der Kirche St. Andreas zu Leuzenbronn abgespalten wurde, dem Mittelpunkt einer großen Altpfarrei im nördlichsten Teil des Maulachgaues (Archidiakonat Crailsheim), während Detwang mit Rothenburg später zum Rangau (Archidiakonat Windsheim) zählte. Anders als zwischen St. Andreas in Leuzenbronn und St. Peter in Detwang fand eine förmliche Trennung in pfarrlicher Hinsicht zwischen St. Peter in Detwang und St. Jakob in Rothenburg nie statt. Die beiden Urkunden von 1258, durch den zuständigen Diözesanbischof und den Papst ausgestellt, sprechen kirchenrechtlich korrekt von der Pfarrkirche in Detwang, ihrer Tochterkirche in Rothenburg und anderen Filialkapellen. Mit letzteren dürften St. Maria zu Kobolzell im Taubertal und St. Nikolaus beim Gebsattler Tor gemeint gewesen sein, das nach Süden aus der Stadt führte. Kobolzell zählt zu den alten Zell- Orten an der oberen Tauber wie Tauberzell, doch ob der Name als Jakobs-Zell zu deuten ist, steht dahin. Da ein Siechkobel wenn auch erst für 1305 nachgewiesen ist, hat diese Namensableitung nach jetzigem Kenntnisstand zweifellos die größere Wahrscheinlichkeit 5• Schon 1236 und 1239 amtierte in Rothenburg und nicht mehr in Detwang ein plebanus = Pfarrer namens Gottfried, der sogar zwei Hilfsgeistliche 5 BORCHARDT, Geistliche Institutionen (wie Anm. 3) S. 70-72; RESS,Stadt Rothenburg (wie Anm. 3) S. 366-384, S. 533; Ekkehart TITTMANN,Kobolzell „sub" Rothenburg ob der Tauber. Ein Vorspannort des 13. Jahrhunderts an der Tauberfurt der Hohen Straße mit Leprosenhaus und Klause, Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 96 (1992/ 93) S. 1-20, hier S. 11-13 . <?page no="40"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 40 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 40 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 28 Karl Borchardt Benedikt und Werner neben sich hatte, und 1269 lag der Pfarrhof in der Stadt Rothenburg. Man darf sich die Entwicklung so vorstellen, daß die Geistlichkeit der Masse der Bevölkerung folgte. Seit die meisten Menschen des Pfarrsprengels nicht mehr im Dorf Detwang lebten, residierten auch der Pfarrer und seine Hilfsgeistlichen bei der Hauptkirche in der Stadt, die das Begräbnisrecht und die Sakramentenspendung übernahm, ohne daß diese und andere pfarrliche Privilegien jemals St. Peter in Detwang entzogen worden wären. Während des Spätmittelalters taten nämlich Deutschordenspriester, später evangelische Geistliche, die bei St. Jakob in Rothenburg angestellt waren, in St. Peter zu Detwang Dienst und übten dort pfarrliche Rechte aus. Das Siegel des Deutschordenspfarrers von Rothenburg zeigte St. Peter, den Detwanger Heiligen, während St. Jakob, der Patron der städtischen Hauptkirche, von der Deutschordenskommende zu Rothenburg als Siegelbild gewählt wurde . Das Typar aus Messing, rund, 4,2 cm im Durchmesser, hat die Umschrift t S(IGILLVM) - DOMVS - THEV(TVNIC)E - IN - ROTENBVRG ,: -,: in gotischer Majuskel, kenntlich unter anderem am geschlossenen E, und zeigt im Mittelfeld stehend den heiligen Jakob, mit den Attributen eines Pilgers, Stab, Hut und Muschel vor der Brust, bezeichnet durch die Beischrift S(ANCTVS) · IACOB(V)S, die rechte Hand segnend über einen Deutschordensbruder ausgestreckt, der im langen Mantel mit Ordenskreuz auf der Schulter vor ihm kniet 6 • Das im Gegensatz dazu spitzovale Siegel der Deutschordenspfarrei zeigt stehend den heiligen Petrus, bärtig, mit gepunktetem Nimbus, Buch in der rechten und übergrogem Schlüssel in der linken Hand, unter seinen Püßen einen Wappenschild mit dem Ordenskreuz, umlaufend die Umschrift t S(IGILLVM) - PLEBANI · ! IN - ROTENBVRG, ebenfalls in gotischen Majuskeln7. Damit sind wir beim Hauptproblem, St. Jakob und dem Deutschen Orden in Rothenburg. Hat möglicherweise der Deutsche Orden das Jacobus-Patrozinium nach Rothenburg gebracht? Immerhin waren die Deutschordenskirchen im benachbarten Nürnberg, einem Zentrum der 6 Rainer KAHSNITZ, Deutsches Haus in Rothenburg ob der Tauber. Typar und moderner Abdruck, in: 800 Jahre Deutscher Orden . Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, hg. von Udo ARNOLD(Nürnberg 1990) S. 397f. nach dem Typar in Wien; Ludwig SCHNURRER(Bearb.), Die Urkunden der Reichsstadt Rothenburg 1182-1400, 2 Teile (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte III/ 6, Neustadt/ Aisch 1999) 1 S. LXXVII nach dem erhaltenen Siegelabdruck StAN MA RU 527 von 1368 März 12; B0RCHARDT, Geistliche Institutionen (wie Anm. 3) S. 831 Anm. 7. 7 SCHNURRER, Urkunden (wie Anm. 6) 1 S. LXXVII nach dem erhaltenen Abdruck StAN MA RU 724 von 1388 Januar 11. <?page no="41"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 41 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 41 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 ]acobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 29 Staufermacht in Franken, in Winnenden, wo der Stadtherr Berthold von Neuffen 1288 eine Kommende stiftete, und vielleicht auch in der für die Staufer stets wichtigen oberschwäbischen Metropole Ulm dem heiligen Jacobus geweiht. St. Jakob darf als beliebter Ritterheiliger der Stauferzeit gelten, ähnlich wie Mauritius, Georg oder Nikolaus. Der Deutsche Orden, in dem Ritterbrüder eine führende Rolle spielten, teilte zweifellos die Neigungen seines sozialen Milieus, zeigte aber weder bei seiner Liturgie noch bei den von seinen Angehörigen und Gönnern gestifteten Kirchen oder Altären eine besondere Vorliebe für Jacobus 8• Gewöhnlich behielt der Deutsche Orden, wenn er aufgrund von Schenkung, Tausch oder Kauf ein Gotteshaus erwarb, die bestehenden Patrozinien bei. Ein Wechsel hätte nur unnötig das Volk verschreckt und unter Umständen den Spendenfluß ins Stocken gebracht. Für Rothenburg gibt es in der Sekundärliteratur keine einheitliche Meinung bei der Frage, wer Jacobus zum Patron der Hauptkirche gemacht hat. Daß die Deutschordenskommende Rothenburg St. Jakob auf ihrem Siegel zeigt, kann ein Indiz dafür sein, daß der Deutsche Orden dies tat, muß es aber nicht. Ebenso ist möglich, daß bereits die Staufer St.Jakob nach Rothenburg brachten, lange bevor der Deutsche Orden hier Fuß faßte. Diese Auffassung verdient nicht zuletzt aufgrund der von Udo Arnold in diesem Sammelband angestellten allgemeinen Erwägungen den Vorzug. St. Jakob erscheint auf dem Siegel der Kommende, weil das Ordenshaus bei der Jakobskirche lag; dagegen blieb St. Peter auf dem Siegel des Deutschordenspfarrers in der Rechtsnachfolge von Detwang. Wenn dies zutrifft, hat sich in beiden Fällen der Deutsche Orden bewußt an die vorgefundenen Verhältnisse angepaßt, um keinen Anstoß zu erregen. Freilich behauptet eine chronikalische Lokaltradition, die auch in der jüngeren Forschung Anhänger gefunden hat, St. Kilian, der Gründerheilige des Bistums Würzburg, sei erster Patron der Hauptkirche in Rothenburg gewesen; St. Jakob sei erst durch die Staufer im 12. Jahr- 8 Dazu Udo ARNOLDin diesem Sammelband; wie Magda FISCHER,Jakobus ein Deutschordenspatron? , in: Der Jakobuskult in Süddeutschland: Kultgeschichte in regionaler und europäischer Perspektive, hg. von Klaus HERBERS/ Dieter R. BAUER Qakobus-Studien 7, Tübingen 1995) S. 129-142, hier S. 129f. allein aufgrund der drei oder vier Beispiele Nürnberg, Rothenburg, Winnenden und Ulm auf „eine beträchtliche Anzahl vonJakobuskirchen und -spitälern in der Hand des Deutschen Ordens" kommt, bleibt unerfindlich, denn der Deutsche Orden betreute allein im engeren Reichsgebiet (ohne Preußen und Livland) über 200 Gotteshäuser. Überblick bei Klaus MILITZER,Die Entstehung der Deutschordensballeien im Deutschen Reich (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 16, Bonn/ Bad Godesberg 1970). <?page no="42"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 42 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 42 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 30 Karl Borchardt hundert 9 oder sogar erst durch den Deutschorden im 13. Jahrhundert 10 nach Rothenburg gekommen. Solchen frühneuzeitlichen Fabeleien hat die kritische Forschung stets mißtraut 11• Da Rothenburg nicht schon durch den legendären Frankenkönig Faramund in der Völkerwanderungszeit, sondern erst durch die Staufer in der Nachfolge der Grafen von Kornburg gegründet wurde 12, erübrigen sich alle Spekulationen über frühere Zeiten. Die Stadtchroniken Rothenburgs, die seit dem 16. Jahrhundert von dem Kaplan Michael Eisenhart, von dem Patrizier Bonifaz Wernitzer und anderen verfaßt wurden, sind bisher nicht kritisch gesichtet und ediert. Doch daß die Pfarrei Detwang-Rothenburg ebenso wie die Pfarrei Leuzenbronn dem Stift Neumünster zu Würzburg unterstand, in dem das Grab des heiligen Kilian verehrt wurde, mag durch ein Mißverständnis die Quelle der Anschauung von einem angeblich ursprünglichen Patrozinium St. Kilian geworden sein. Zwar wollten Mitte des 12. Jahrhunderts König Konrad III. und sein Sohn Herzog Friedrich von Rothenburg ihre neue Burg und Stadt zur Rivalin Würzburgs in Franken ausbauen. Dafür gibt es einige Anzeichen, unter 9 Bernhard GRAF,Oberdeutsche Jakobsliteratur. Eine Studie über den Jakobskult in Bayern, Österreich und Südtirol (Kulturgeschichtliche Forschungen 14, München 1990) S. 114 und S. 120; dazu Helge ZöLLER, in: Kilian : Mönch aus Irland aller Franken Patron 689-1989, Katalog der Sonderausstellung (Würzburg 1989) S. 301- 305 Nr. 312 mit zwei Karten. 10 Wilhelm DEINHARDT, Frühmittelalterliche Kirchenpatrozinien in Franken: Studien zur Frühgeschichte der Diözesen Bamberg und Würzburg (Diss. Würzburg 1933) S. 138; Gerd ZIMMERMANN, Palruzinienwahl und Frömmigkeitswan<lel, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 20 (1958) S. 24-126, 21 (1959) S. 5-124, hier S. 85 und Robert PLÖTZ,Santiago-peregrinatio und Jakobuskult mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Frankenlandes (Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, Gesammelte Aufsät ze zur Kulturgeschichte Spaniens 31, Münster 1984) S. 25-135, hier S. 82 Anm. 176. 11 Insbesondere Helmut WEIGEL,Die Deutschordenskomturei Rothenburg o. Tauber im Mittelalter. Ihre Entstehung, ihre wirtschaftliche und kirchliche Bedeutung und ihr Niedergang im Kampf mit der aufstrebenden Reichsstadt (Quellen und Forschungen zur bayerischen Kirchengeschichte 6, Leipzig/ Erlangen 1921) S. 53. Weniger überzeugend DERS.,Siedlung und Kirche an der oberen Tauber im frühen Mittelalter, Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 14 (1939) S. 59-94, S. 159-187, S. 15 (1940) S. 7-37, hier S. 35. Dagegen vorsichtig RESS,Stadt Rothenburg (wie Anm. 3) S. 75. 12 Karl BORCHARDT, Die Franken und ihre Herzöge in humanistischer Historiographie, in: Franken. Vorstellung und Wirklichkeit in der Geschichte, hg. von Werner K. BLESSING/ Dieter J.WEISS(Franconia 1: Beihefte zum Jahrbuch für fränkische Landesforschung, Neustadt/ Aisch 2003) S. 105-140, hier S. 115f.; Gerhard LUBICH,Die Grafen von Comburg und Rothenburg, ihr Werdegang, ihre Burgen und ihr Nachleben, Jahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg (2003) S. 86-112, hier S. 95-103 . <?page no="43"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 43 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 43 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 31 anderem die auffällige Größe ihrer Stadtgründung 13. Im Prinzip wäre es deshalb denkbar, daß die Staufer den Würzburger Heiligen St. Kilian nach Rothenburg holten. Als Indiz dafür wird angeführt, 1344 habe es in St. Jakob einen Kiliansaltar gegeben, auf dem ein Deutschordenspriester täglich die erste Messe in dem Gotteshaus hielt 14. Doch aus den verstreuten Schriftquellen und vereinzelten Baubefunden wissen wir zu wenig über Verteilung und Funktionen der Altäre, als daß man sichere Rückschlüsse auf die Geschichte der Heiligenverehrung in der Hauptkirche von Rothenburg ziehen dürfte. Vorläufig spricht zumindest nichts dagegen, in der ersten Messe auf dem Kiliansaltar eine Reminiszenz an das Stift Neumünster zu sehen, den ehemaligen Patronatsherrn der Jakobskirche. Jacobus wäre als ursprüngliches Patrozinium der Hauptkirche einer von den Staufern im 12. Jahrhundert gegründeten Stadt ohne weiteres plausibel. Da eindeutige Quellen fehlen, bleibt jedoch nach gegenwärtigem Kenntnisstand ein Rest an Unsicherheit, ob St. Jakob in Rothenburg wirklich auf die Staufer und nicht erst auf den Deutschen Orden zurückgeht. Vielleicht ergeben sich neue Einsichten, wenn zum einen die rothenburgische Stadtchronistik kritisch beleuchtet und zum anderen die durch Umhauten und Restaurierungen immer wieder verunklarte mittelalterliche Sakraltopographie von St. Jakob in Rothenburg gemeinsam von Historikern, Liturgikern und Bauforschern klargelegt wird. Der Deutsche Orden hatte im übrigen große Schwierigkeiten, die Pfarrei Detwang-Rothenburg vom Stift Neumünster zu übernehmen, ein Umstand, den man sowohl für als auch gegen den vermuteten Patrozinienwechsel in Anspruch nehmen könnte: Wollte der Deutsche Orden die Erinnerung an Neumünster auf die Seite drängen und führte deshalb ein neues Hauptpatrozinium ein? Oder wollte der Deutsche Orden nicht noch zusätzlich durch ein neues Patrozinium Ärger provozieren und behielt gerade deshalb St. Jakob bei? Bischof Iring von Reinstein, der zuständige Würzburger Diözesan, jedenfalls verfügte die Inkor- 13 Der frühe Stadtgrundriß bedarf genauerer archäologischer Sondierungen, insbesondere der manchmal vermutete Straßenmarkt in West-Ost-Richtung, der nicht bloß die heutige Herren-, sondern auch die heutige Hafengasse eingeschlossen habe: Karl B0RCHARDT,Die Anfänge von Burg und Stadt Rothenburg, Jahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg (1998) S. 177-202, hier S. 186. 14 Die Quelle bei B0RCHARDT,Geistliche Institutionen (wie Anm. 3) S. 52. Daraus schlossen Friedrich HILLER,Die Kirchenpatrozinien des Erzbistums Bamberg (Diss. Bamberg 1931) S. 62 und DEINHARDT, Frühmittelalterliche Kirchenpatrozinien (wie Anm. 10) S. 138 auf den heiligen Kilian als ursprünglichen Patron der Hauptkirche in Rothenburg. <?page no="44"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 44 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 44 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 32 Karl Borchardt poration der Pfarrkirche in Detwang mit ihrer Tochterkirche in Rothenburg und anderen Tochterkapellen 1258 15, und Papst Alexander IV. bestätigte sie im gleichen Jahr mit den beiden üblichen, kirchenrechtlich unverzichtbaren Begründungen, die bisher durch Neumünster organisierte Seelsorge sei unzureichend und dem im Heidenkampf engagierten Deutschorden müsse durch die große Stadtpfarrei mit ihrem reichen Spendenaufkommen geholfen werden 16 • Die eigentlichen Motive dürften etwas anders ausgesehen haben. Bischof Iring förderte den Deutschen Orden in Würzburg selbst, in Rothenburg, aber auch in Schweinfurt, um nach dem Zusammenbruch der Staufer deren Rolle als Schutzherr des Deutschen Ordens in Franken zu übernehmen und so auf den Deutschorden ausgerichtete Ritter in seinen Bannkreis zu ziehen. Die Rothenburger mögen sich von dem bei ihnen aufgrund von Schenkungen der Reichsküchenmeister bereits begüterten geistlichen Ritterorden manche Vorteile erhofft haben, beispielsweise aufgrund des Ansehens der Deutschherrn eine Rückversicherung vor päpstlichen Bannflüchen gegen Stauferanhänger oder aufgrund der zahlreichen Deutschordenspriester eine flexiblere Anpassung der Zahl der Geistlichen in der Stadt an den Bedarf der wachsenden Bevölkerung. Der Orden konnte einfach die benötigten Priester in seine Kommende abordnen, während beim Stift Neumünster komplizierte Pfründenstiftungen für Weltgeistliche notwendig gewesen wären. Den Deutschorden selbst mochte das Spendenaufkommen in Rothenburg locken; wieviel davon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wirklich dem Heiligen Land oder Preußen zugute kam, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Aus der Sicht des Deutschen Ordens hatte die Inkorporation von 1258 zudem einen Fehler: Wie kirchenrechtlich üblich, wurde sie nicht sofort wirksam, sondern erst wenn der amtierende, von Neumünster eingesetzte Pfarrer namens Walther abtrat, und Walther war noch 1283 im Amt. Über die römische Kurie versuchte das Stift Neumünster unterdessen, die Verfügungen von 1258 rückgängig zu machen, allerdings vergeblich, denn Papst Gregor X., ein begeisterter, wenn auch verspäteter Förderer der Kreuzzüge, hielt dem Deutschen Orden die Stange. Erst als der Pfarrer Walther endlich das Zeitliche segnete oder auf andere Weise abtrat, richtete der Deutsche Orden eine eigene Kommende in Rothenburg ein, die 1286 belegt ist, und zwar mit dem Patrozinium 15 ... ecclesiam parrochialem in Thetewanc cum eius filia ecclesia in Rotenburch et aliis capellisfiliabus suis Ausf. StAN MA RU 12; SCHNURRER, Urkunden (wie Anm. 6) 1 S. 17f. Nr. 33. 16 SCHNURRER, Urkunden (wie Anm. 6) 1 S. 18f. Nr . 35. <?page no="45"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 45 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 45 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 ]acobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 33 St. Jakob. St. Kilian, wenn er denn jemals Kirchenpatron in Rothenburg war, hatte spätestens jetzt ausgedient 17. Es bleibt schließlich die tiefergreifende Frage, wieso St. Jakob überhaupt nach Rothenburg kam, gleichgültig, ob dies schon durch die Staufer geschah oder erst durch den Deutschorden. Bestand hier ein Zusammenhang mit den Pilgerfahrten nach Saritiago, für die man neuerdings nicht allein in Nordspanien und Südfrankreich, sondern überall im lateinischen Europa ein Netzwerk von Stützpunkten vermutet 18 ? Grundsätzlich muß man jedoch methodisch trennen zwischen der Verehrung des heiligenJacobus einerseits und der Pilgerfahrt zu seinem angeblichen - Grab in Santiago de Compostela andererseits. Die Verehrung des heiligen Jacobus belegen zahlreiche Zeugnisse aus Franken, ohne daß dadurch Bezüge zu Santiago de Compostela gegeben wären. Die geplante Heirat des Barbarossa-Sohnes Konrad, der zu diesem Zweck 1188 mit Rothenburg und benachbarten Gütern ausgestattet wurde 19, mit Berengaria von Kastilien hatte machtpolitische Hintergründe, um am Vorabend des Dritten Kreuzzugs ein Gegengewicht gegen die angevinisch-welfische Allianz zu bilden. Daß dadurch oder später durch Aktivitäten des Deutschen Ordens, der unter, allerdings wahrscheinlich nicht durch seinen Hochmeister Hermann von Salza persönlich 1222/ 31 in Kastilien Besitzungen erwarb 20 , die Jacobus- 17 B0RCHARDT,Geistliche Institutionen (wie Anm. 3) S. 21-23. 18 Hervorragend zur Einführung in die Problematik Klaus HERBERS"Wo! auf sant Jacobs straßen! " Pilgerfahrten und Zeugnisse des Jakobuskults in Süddeutschland (Ostfildern 2002), mit reicher Bebilderung und aktueller Bibliographie; Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt, hg. von Robert PLÖTZQakobus-Studien 2, Tübingen 1990, 2 1993). 19 Peter RAssow, Der Prinzgemahl , ein Pactum matrimoniale aus dem Jahre 1188 (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit 8/ 1, Weimar 1950); Ferdinand OPLL, Friedrich Barbarossa, Gestalten des Mittelalters und der Renaissance (Darmstadt 1990) S. 161, S. 296f. 2 ° Klaus MILITZER,Von Akkon zur Marienburg. Verfassung, Verwaltung und Sozialstruktur des Deutschen Ordens 1190-1309 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 56, Marburg 1999) S. 180--183; J ose Manuel RüDRfGUEZGARCIA/ Ana ECHEVARRfAARSUAGA, Alfonso X, la Orden Teut6nica y Tierra Santa: Una nueva fuente para su estudio, in: Las Ördenes Mi! itares en la Peninsula Iberica 1. Edad media, hg. von Ricardo IZQUIERD0BENIT0/ Francisco RUIZ GÖMEZ(Cuenca 2000) S. 489-509; Jaime FERREIR0 ALEMPARTE, Asentamiento y extinci6n de la Orden Teut6nica en Espaiia, Boletin de la Real Academia de la Historia 168 (1971) S. 227- 274; Helmuth KLUGER,Hochmeister Hermann von Salza und Kaiser Friedrich II. Ein Beitrag zur Frühgeschichte des Deutschen Ordens (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 37, Marburg 1987) S. 164; Kurt F0RSTREUTER, Der Deutsche Orden am Mittelmeer (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 2, Bonn 1967) S. 90-92. <?page no="46"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 46 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 46 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 34 Karl Borchardt Verehrung in Oberdeutschland über das bisherige Maß hinaus besonders gefördert worden wäre, wird sich kaum erhärten lassen, zumal über die Entstehung von Kirchen und Kapellen mit dem Jacobus-Patrozinium gewöhnlich keine aussagekräftigen Datierungshinweise vorliegen; ebenso dürfte der Zweite Kreuzzug 1147, bei dem eine Flotte mit Engländern, Flandrern, Friesen und Niederdeutschen die iberische Halbinsel umschiffte, sich allenfalls in den Regionen an der Nordsee ausgewirkt haben, in den Rheinlanden also und in Niederdeutschland 21. St. Jakob in Rothenburg steht im 12. und 13. Jahrhundert trotzdem nicht isoliert da, sondern fügt sich ein in eine allem Anschein nach vom staufischen Hof geförderte Ritterfrömmigkeit bei Reichsministerialen und kleinen Dynasten Frankens, Schwabens und der Rheinlande. Zur Deutschordenskirche St. Jakob in Nürnberg, die aus einem Königshof hervorging und vielleicht das Patrozinium von dessen Kapelle übernahm, bestanden von Rothenburg aus jedoch keine belegbaren Verbindungen. Vielmehr wurde der Deutschordensbesitz in und um Rothenburg von Würzburg aus verwaltet, bis man nach der Inkorporation der Pfarrkirche in Rothenburg eine eigene Kommende errichtete. Von Würzburg kamen dabei diejenigen Priester- und Ritterbrüder nach Rothenburg, welche hier die Deutschordenskommende aufbauten. Und in Würzburg hatte die Deutschhauskirche, welche die neue Kommende in Rothenburg um 1300 herum sofort nachbaute, nicht das Patrozinium St. Jakob; in Würzburg war St. Jakob vielmehr nur der Patron des allerdings dem dortigen Deutschordenhaus benachbarten, ebenfalls linksmainischen, mit einem Königshof zusammenhängenden Schottenklosters22. Trotzdem hat die bekannte Tatsache, daß auch die Deutschordensniederlassung in Nürnberg St. Jakob als Patron hatte, gelegent- 21 Friedrich KURTH,Der Anteil niederdeutscher Kreuzfahrer an den Kämpfen der Portugiesen gegen die Mauren (Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung, Ergänzungsbd. 8, Wien 1911) S. 131- 252. Allgemein Hermann J. HüFFER, Die spanische Jacobusverehrung in ihren Ausstrahlungen auf Deutschland, Historisches Jahrbuch 74 (1955) S. 124-138; DERS.,Sant' Jago: Entwicklung und Bedeutung des Jacobuskultes in Spanien und im Römisch-Deutschen Reich (München 1957); Klaus HERBERS, Deutschland und der Kult des hl. Jakobus, in: Yves BOTTINEAU, Der Weg der Jakobspilger. Geschichte, Kunst und Kultur der Wallfahrt nach Santiago de Compostela (Bergisch Gladbach 1987, ND 1992) S. 312-343. 22 Helmut FLACHENECKER, St. Jakob und die irischen Benediktiner. Ein Beitrag zur Geschichte des Verbandes der Schottenklöster im hochmittelalterlichen Reich, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland, hg. von HERBERS/ BAUER(wie Anm. 8) S. 151- 167, hier S. 157, S. 159, S. 163 weist überzeugend einen Konnex zwischen den irischen Klöstern und den Pilgerreisen nach Santiago zurück und betont zu Recht die für das 11./ 12. Jahrhundert typischen Patrozinien, zu denen eben auch St. Jakob zählte. <?page no="47"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 47 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 47 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 ]acobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 35 lieh zu der Spekulation verführt, ob nicht die Lage Rothenburgs an angeblich sowohl von Nürnberg über Heilsbronn als auch von Würzburg nach Rothenburg und weiter letztlich nach Santiago de Compostela führenden Pilgerwegen 23 das Jacobus-Patrozinium der hiesigen Stadtpfarrkirche erklären könnte; selbst in seriöser Forschung, die sich selbstverständlich nie auf bestimmte Pilgerstraßen festlegt, wird doch gelegentlich das Auftauchen des J acobus-Patroziniums nicht mit der Verehrung des Apostels und Maurenkämpfers generell, sondern konkret mit dem Besuch am angeblichen Apostelgrab zu Santiago de Compostela verbunden, freilich stets als methodisch bedenkliche petitio principii und ohne Belege24. 23 Manfred BAYER/ Paul GEISSENDÖRF ER/ Rüdiger SCHOLZ/ Wolfram UNGER (Bearb.), Auf dem Jakobsweg von Nürnberg über Heilsbronn nach Rothenburg o.d.T ., hg. vom Fränkischen Albverein (Uffenheim 3 2001 [ 1 1995]); Manfred BAYER/ Rüdiger SCHOLZ/ Wolfram UNGER (Bearb .), Auf dem Jakobsweg von Tillyschanz über Schwandorf nach Nürnberg, hg . vom Fränkischen Alpverein (Uffenheim 1997); Erich BAIERLIWolfgangDETILING/ Peter HöGLER/ Johann REBELE(Hgg.), Auf dem Jakobsweg von Würzburg über Rothenburg o. d. T. und Hohenberg nach Ulm: Wander- und Kulturführer (Uffenheim 1999); Gerhilde FLEISCHER,Jakobusweg,1/ 1: Nürnberg-Schwabach-Abenberg- Kalbensteinberg-Gunzenhausen; 1/ 2: Gunzenhausen-Markt Heidenheim-Oettingen-Nördlingen-Neresheim-Giengen- N erenstetten - Ulm (Ostfildern 1996/ 99); Ivan KOLMAN/ JirfSTOURAC, Von Prag nach Compostela, übers. Marketa BINAR,NachwortJohanna VONHERZOGENBERG(Auf Jakobswegen 3, Volkach 2000) [ohne Verweise auf das Mittelalter]; Roland BREITENBACH,Der unterfränkische Jakobusweg: Ein Pilgerführer (Schweinfurt 2001). Im Hintergrund dieser Publikationen stehen Wolfgang LIPP, Der Weg nach Santiago . Jakobuswege in Süddeutschland (Ulm 1991); Klaus-D. KNIFFKI(Hg.), Jakobus in Franken unterwegs im Zeichen der Muschel (Wür zburg 1992); Bernhard G. GRAF/ Hans-Günther KAUFMANN, Auf Jakobs Spuren in Bayern, Österreich und in der Schweiz, Rosenheimer Raritäten (Rosenheim 1993) [reines Bilderbuch] . Aus gegenwartsorientiertem Interesse wird in solchen Publikationen oft der Eindruck eines „historischen Pilgerweges" erweckt: Rezension von Wolfram UNGER, Die Fränkische Alb 79/ 4 (1999) s. 254f. 24 Peter RüCKERT,Die Jakobuskirche in Urphar und der Pilgerverkehr im Mittelalter, Wertheimer Jahrbuch (1993) S. 9-31 mit dem Ergebnis (ebd. S. 31): "Daß die Jakobuskirche auch für fernreisende Pilger als Anlaufziel diente, konnte nicht nachgewiesen, jedoch zumindest für das 14. Jahrhundert glaubhaft gemacht werden ." Ähnlich DERS., Die Jakobusbruderschaft in Hof, Miscellanea curiensia 1, Beiträge zur Geschichte und Kultur Nordoberfrankens und angrenzender Regionen 39 (1996) S. 25-28; DERS.,Jakobusbruderschaft und Hospiz in der Stadt: Das Beispiel Durlach, in: Stadt und Pilger. Soziale Gemeinschaften und Heiligenkult, hg. von Klaus HERBERSQakobus-Studien 10, Tübingen 1999) S. 213-231; DERS., Die Ellwanger Propstei Hohenberg und ihr Patron, der heilige Jakobus, Württembergisch Franken 86 (2002) S. 59-70; DERS, Auf dem Weg zum heiligen Jakobus. Mittelalterliche Pilgerfahrten und ihre Organisation, in: Pilgerwege. Zur Geschichte und Spiritualität des Reisens, hg. von Hans RUH/ Klaus NAGORNI(Bad Herrenalb 2003) S. 41-68 . <?page no="48"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 48 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 48 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 36 Karl Borchardt Weil Jacobus außer von Rittern auch von Pilgern verehrt, um seinen Schutz und seine Hilfe angerufen wurde, müssen Pilger keineswegs automatisch alle nach Santiago de Compostela unterwegs gewesen sein. Weitere Jacobus-Patrozinien finden sich von Rothenburg aus gesehen südlich in Wildenholz, südwestlich in Gebenhagen (heute Gemmhagen) und in Schainbach bei Wallhausen, freilich auch zu Dunzendorf bei Wildentierbach nordwestlich der Stadt, wallfahrtsgeographisch also nicht auf dem Wege nach Santiago de Compostela, sondern allenfalls über Mergentheim nach Frankfurt, Mainz, Köln und Aachen. D~ Kirchen und Kapellen naturgemäß von Menschen aufgesucht wurden und werden, liegen sie alle entweder an Straßen oder es führen Straßen zu ihnen. Veranschaulicht man Kirchen und Kapellen mit einem Patrozinium wie St. Jakob, St. Georg, St. Nikolaus, St. Andreas, St. Bartholomäus oder St. Jodok, um nur einige wichtige und beliebte Heilige des Hochmittelalters zu nennen, auf einer Karte, so erhält man ein Netzwerk von Orten an Straßen, aber keine Kette von Stützpunkten, welche wie Perlen an einer Schnur einen bestimmten Reiseweg markieren. Die Entstehungszeit der Kirchen und Kapellen mit dem Patrozinium St. Jakob im engeren Umkreis von Rothenburg, zu denen unter anderem auch Elbersroth im Süden, Custenlohr (Gollach), Ostheim und Ulsenheim im Norden zählen 25 , liegt aus Mangel an einschlägigen Urkunden im Dunkeln; vorbehaltlich genauerer Einzeluntersuchungen spricht jedoch nichts dagegen, in den meisten von ihnen stauferzeitliche Gründungen zu vermuten. Schriftquellen gibt es in größerer Dichte für Rothenburg und sein Umland erst seit dem 14. Jahrhundert 26; Pilgerführer wie der um 1240 schreibende Albert von Stade erwähnen Rothenburg stets im Hinblick auf Rom und Jerusalem 27 • Die Straße von Würzburg nach Augsburg und weiter über die Alpen dominierte das Gebiet an der oberen Tauber vor dem ebenfalls von Norden nach Süden verlaufenden Steilabfall der Frankenhöhe. Soweit Verbindungen von Westen nach Osten eine Rolle spielten, betraf dies den Verkehr aus den Regionen an Rhein und Neckar (Wimpfen, Heilbronn) ostwärts in Richtung Nürnberg oder über Herrieden und Eichstätt nach Regensburg. Im Prinzip könnte die Ar- 25 Karte von Manfred Zentgraf bei BAYER, Nürnberg-Rothenburg (wie Anm. 23) S. 20 f. und KNIFFKI(wie Anm. 23), wo Gemmhagen und Dunzendorf fehlen. 26 Eine bemerkenswerte Ausnahme sind die Achtbücher des Landgerichts in Rothenburg, die bereits 1274 einsetzen: StAN RA 487a; eine Edition bereitet Ludwig Schnurrer, Rothenburg, vor. 27 Jürgen STOHLMANN, s. v. Albert von Stade, Verfasserlexikon 1 (Berlin/ New York 1978), Sp. 143-151, hier Sp. 148; ed. MGH SS 16, S. 271-379, hier S. 339. <?page no="49"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 49 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 49 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 37 Abb. lab: Bleiampulle aus einer Latrine beim Schloß von Uffenheim nördlich Rothenburg (mit freundlicher Genehmigung durch Herrn Ferdinand Seehars, Uffenheim) chäologie helfen, die Frage nach den Pilgerreisen zu klären, wenn nämlich Pilgerzeichen bei Grabungen oder als Lesefunde in und um Rothenburg auftauchen. Tatsächlich gibt es einige dafür in Frage kommende Artefakte, beispielsweise ein Marienfigürchen aus der Burg Nordenberg, an Steilrand der Frankenhöhe keine 10 km von Rothenburg entfernt. Gefertigt ist das Marienfigürchen aus einer Bleilegierung, geeignet zum Anstecken an Kleidung, wie es bei Pilgerzeichen üblich war, und zu datieren ist es wahrscheinlich ins 13. Jahrhundert. Vielleicht stammt es aus einem nordfranzösischen Marienheiligtum (Chartres? ) 28 . Die bekannten, unter anderem auf den Szenen der Rückseite des Herlin- Altars von 1466 in der Jakobskirche zu Rothenburg dargestellten Zeichen der Pilger nach Santiago de Compostela aber hat man in dem hiesigen Gebiet bisher nur einmal gefunden, eine Muschel zum Anstecken, vergesellschaftet mit einer Bleiampulle (Abb. 1ab) beides gefunden in einer Latrine beim Schloß in Uffenheim 29 • Da Pilger ganz unabhängig von 28 Horst BREHM,Neue Funde vom Burgstall Obernordenberg, Die Linde 60 (1978) S. 57, S. 61-64, S. 66-71; S. 61 (1979) S. 1-4 mit Abb. 9; freundlicher Hinweis Ekkehart Tittmann und Hellmuth Möhring, Rothenburg. Vgl. die Madonna mit Kind aus der Marktstätte in Zürich bei Marianne FLÜELER(Hg.), Stadtluft, Hirsebrei und Bettelmönch. Die Stadt um 1300. Katalog zur Ausstellung (Stuttgart 1992) S. 435. 29 Beide Objekte im Gollachgau-Museum zu Uffenheim; freundlicher Hinweis Horst Brehm, Rothenburg. Aus Unterfranken stammen zwei Pilgermuscheln, die man bei <?page no="50"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 50 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 50 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 38 Karl Borchardt dem Ziel, dem sie zustrebten, besondere Vorteile und Privilegien beanspruchten30, erwartete man von ihnen eine kennzeichnende Kleidung, zu der Stab, Mantel, Tasche und eben auch besondere Abzeichen gehörten, vor allem die Muschel. Solche Muscheln wurden zunächst an einer Tasche, im 15. Jahrhundert auch am Hut getragen. Bekannt sind die Funde aus der Kirche in Twann (jetzt Kanton Bern) und von einem Friedhof bei der Pfarrkirche St. Dionysius in Esslingen, zusammen 64 Gräber im lateinischen Europa, davon 58 mit Muscheln, drei mit Muscheln und anderen Pilgerzeichen. Bemerkenswert erscheint, daß von 145 sicher datierten Muschelfunden bald zwei Drittel ins 12./ 13. Jahrhundert gehören 31. Der damalige Höhepunkt der Jacobusverehrung Karlburg gefunden hat und ins 12. Jahrhundert datiert: RüCKERT,Urphar (wie Anm. 24) S. 17 mit Anm. 30. Zu den Muscheln Denis BRUNA,Enseignes de pelerinage et enseignes profanes, Musee national du moyen age Thermes de Cluny (Paris 1996), S. 153-155 Nr. 220-224 . 3 ° Francis GARRISON, Apropos des pelerins et leur condition juridique, in: Etudes d'histoire du droit canonique dediees a Gabriel Le Bras 2 (Paris 1965) S. 1165-1189; Ludwig SCHMUGGE, "Pilgerfahrt macht frei". Eine These zur Bedeutung des mittelalterlichen Pilgerwesens, Römische Quartalschrift 74 (1979) S. 16-32; DERS., Die Pilger, in: Unterwegssein im Spätmittelalter, hg. von Peter MORAW(Zeitschrift für Historische Forschung Beiheft l, Berlin 1985) S. 17-49; Louis CARLEN,Wallfahrt und Recht im Abendland (Freiburger Veröffentlichungen aus dem Gebiete von Kirche und Staat 23, Freiburg/ Br. 1987); Marie-Luise FAVREAU-LILIE, Civis peregrinus. Soziale und rechtliche Aspekte der bürgerlichen Wallfahrt im späten Mittelalter, Archiv für Kulturgeschichte 76 (1994) S. 321-350. Die rechtlichen Aspekte werden heute gerne übersehen oder geringgeschätzt: Norbert ÜHLER,Pilgerleben im Mittelalter. Zwischen Andacht und Abenteuer (Freiburg/ Br. 1994); DERS.,Pilgermuschel und Jakobsmuschel: Wallfahrten in Mittelalter und Neuzeit (Düsseldorf 2000) . 31 Andreas HAASIS-BERNER, Die Pilgerzeichen des 11.-14. Jahrhunderts. Mit einem Überblick über die europäische Pilgerzeichenforschung, in: Archäologie als Sozialgeschichte: Studien zu Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft im frühgeschichtlichen Mitteleuropa. Festschrift für Heiko Steuer zum 60. Geburtstag, hg . von Sebastian BRATHER/ ChristelBüCKER/ Michael HOEPER(Internationale Archäologie, Studia honoraria 9, Rahden/ Westf. 1999) S. 271-277, hier S. 275; DERS.,Die Jakobsmuschel in Grabfunden: Hinweise zu Ursprung und Bedeutung eines Pilgerzeichens, Sternenweg/ Deutsche St. Jakobus-Gesellschaft e.V. 16 (Aachen 1995) S. 3-11, hier S. 4 mit Diagramm zur Chronologie der Funde; Leonie von WILCKENS, Die Kleidung der Pilger, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen. Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums 1984, hg. von Lenz KRISS-RETTENECK/ Gerda MöHLER (München/ Zürich 2 1985) S. 174-180. Zu Esslingen Günter SCHMID,in: Die Stadtkirche St. Dionysios in Esslingen . Archäologie und Baugeschichte 1, hg. von Günther P. FEHRING/ Barbara SCHOLKMANN(Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 13/ 1, Stuttgart 1995) S. 423-425. Abbildungen bei FLÜELER, Stadtluft, Hirsebrei und Bettelmönch (wie Anm. 28) S. 449 [Twann] und S. 463 [Esslingen]. Zu einer Pilgerkrönung aus Villingen Heribert MEURERin: Die Zeit der Staufer. Geschichte - Kunst - Kultur. Katalog der Ausstellung, hg. von Reiner HAUSHERR(Stuttgart 1977) 1 S. 372 f. Nr. 489 und 2 Abb. 294. <?page no="51"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 51 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 51 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 39 mag mit einem Höhepunkt der Pilgerfahrten nach Santiago zusammenfallen. Freilich darf man die Muscheln nicht vorschnell auf Santiago beziehen, da sie ebenso wie der Stab eben generell Pilger bezeichneten und als Attribut unter anderem für die als Pilger dargestellten Heiligen Jodokus, Rochus oder Sebald von Nürnberg verwendet wurden, keineswegs nur für St. Jakob. Für Rothenburg sei hier erinnert an die Schnitzfigur des heiligen Wendelin von 1515 im Zentrum eines Flügelaltars in der Kirche St. Wolfgang beim Klingentor, wo Wendelin als Hirte und Pilger gezeigt wird mit einer Muschel am breitkrempigen Hut 32 . Was wir über Pilgerfahrten in und um Rothenburg wissen, stellt Ludwig Schnurrer ausführlich in diesem Sammelband zusammen. Hier sei nur daran erinnert, daß Rothenburg selbst von der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bis zur Reformation Zielpunkt einer regional nicht unbedeutenden Pilgerfahrt zum Heiligen Blut war. Die Heiligblutkapelle lag unmittelbar westlich der J akobskirche, wurde laut Inschriften zwischen 1453 und 1471 neu errichtet und erhielt 1501-05 von Tilman Riemenschneider aus Würzburg einen theologisch bemerkenswerten und künstlerisch eindrucksvollen Schnitzaltar, den man heute wieder in situ besichtigen kann. Gelegentlich besorgte man sich selbstverständlich auch in Rothenburg Dispense für die freie Wahl eines Beichtvaters, z.B. 1343 Heinrich Zuckmantel, seine Ehefrau und seine Kinder, 1378 Katharina Trüb, 1397 Heinrich Toppler, seine Ehefrau und seine Kinder, die formelhaft den Beichtvater unter anderem ermächtigten, Gelübde für Pilgerfahrten ins Heilige Land, nach Rom und nach Santiago in andere verdienstvolle Werke umzuwandeln 3 3; aus dem Formular darf freilich nicht auf konkrete Gelübde für solche Pilgerreisen geschlossen werden. Gelegentlich wurde auch in Rothenburg eine Pilgerfahrt als Buße verhängt, so 1403 an Heinrich Leicht von Schmalkalden, der zwei Bürger erschlagen hatte. Er sollte nach Aachen und anschließend so- 32 RESS,Stadt Rothenburg (wie Anm. 3) S. 436-439 mit Abb. 376. Allgemein HERBERS, Wol auf (wie Anm. 18) S. 90; ausführlich Kurt KöSTER,Pilgerzeichen und Pilgermuscheln von mittelalterlichen Samiago-Straßen: St. Leonard - Rocamadour - St. Gilles - Santiago de Compostella. Schleswiger Funde und Gesamtüberlieferungen (Ausgrabungen in Schleswig. Berichte und Studien 2, Neumünster 1983); DERS.,Les coquilles en ensignes de pelerinage de Saint-Jacques de Compostelle et des Routes de Saint-Jacques, in: Santiago de Compostelle, Ausstellungskatalog (Gent 1985) S. 85- 95; Jörg POETTGEN,Pilgerzeichenkartei. Die Zentrale Pilgerzeichenkartei (PZK) Kurt Köster in Nürnberg und der Forschungsstand nach 1986, Jahrbuch Glockenkunde 7/ 8 (1995/ 96) S. 195-206. 33 SCHNORRER, Urkunden (wie Anm. 6) 1 S. 271 Nr. 650, 1 S. 671 Nr. 1704, 2 S. 1040 Nr. 2665. <?page no="52"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 52 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 52 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 40 Karl Borchardt gleich zu St. Jost pilgern. Der Stadt Rothenburg konnte er fristgerecht eine Bestätigung des Kustos der Stiftskirche St. Marien vorlegen, daß ein Ordensbruder namens Konrad Greuer für ihn in Aachen gewesen war 34 . Die Bedeutung der beiden Pilgerstätten St. Jost in der Pfarrei Langenfeld in der Eifel und St-Josse-sur-Mer während des Mittelalters ist heute kaum noch geläufig, obwohl diese Pilgerreisen im Gegensatz zu denen nach Santiago quantitativ wirkmächtig wurden für die oberdeutschen Regionen . Beispielsweise legte man bei Ingelheim unweit von Mainz eigens ein Pilgerspital St. J odocus an, und Erzbischof Balduin begründete um 1343/ 44 den Bau seiner Steinbrücke zu Koblenz mit diesen Pilgerfahrten . Offenbar strömten aus ganz Oberdeutschland und, wie die angeführte Quelle zeigt, darunter aus Rothenburg Pilger nicht nur nach Köln und Aachen, sondern eben auch zu St. J ost bei Langenfeld in der Eifel3 5 . Jodocus, Jobst, Jost oder Joß war nach seinen im 9. und 11. Jahrhundert niedergeschriebenen Viten ein Königssohn aus der Bretagne, der im 7. Jahrhundert auf die Krone verzichtete, um als Eremit zu 34 B0RCHARDT,Geistliche Institutionen (wie Anm. 3) S. 708 mit Anm. 26; dazu die Edition unten im Anhang. Das Jahresdatum von StaR U 914 und vor allem die Interpretation des Begriffs Joßfahrt sind zu korrigieren . Damit erübrigen sich die Bemerkungen von Thomas Igor C. BECKER, Von Reichardsroth nach Villingen . Die Johanniter und der Jakobusweg zwischen Würzburg und Bodensee, in: Jakobuskult in Süddeutschland, hg. von BAUER/ HERBERS(wie Anm. 8) S. 115-128, hier S. 120, Jer Jeu Beleg : wdem fälschlich Anfang des 14. Jahrhunderts datiert. Zur Pilgerfahrt als Sühneleistung Louis-Theo MAES,Mittelalterliche Strafwallfahrten nach Santiago de Compostela und Unserer lieben Frau von Finisterra, in: Festschrift Guido Kisch. Rechtshistorische Forschungen anläßlich des 60. Geburtstags dargebracht von Freunden, Kollegen und Schülern (Stuttgart 1955) S. 99-118. Zu Aachen Dieter J. P. WYNANDS, Geschichte der Wallfahrten im Bistum Aachen, Veröffentlichungen des Diözesanarchivs Aachen 41 (Aachen 1986). 35 Peter SCHICKE/ Wilhelm A. SCHÖNHERR,Die vorreformatorischen Kirchen/ Kapellen und das St. Jost-Hospital von Ober-Ingelheim , in: Ein Kaleidoskop der Ingelheimer Geschichte, Aufsätze, Abhandlungen, Vorträge zur Ingelheimer Geschichte (Beiträge zur Ingelheimer Geschichte 42, Ingelheim 1997) S. 34-46; Ewald BECKER, Die Wallfahrt zum heiligen Jodokus, Heimatbu ch Landkreis Mayen-Koblen z (1998) S. 59-62; P. HUBERT, Wallfahrtsbüchlein von St. Jost in der Pfarrei Langenfeld in der Eifel (Trier 1915). Bezeichnenderweise wird der Ort mit keiner Silbe erwähnt bei Ludwig PETRY(Hg.), Rheinland-Pfalz und Saarland (Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands 5, Stuttgart 3 1988). Zu Koblenz die Gesta Baldewini, Gesta Trevirorum integra lectionis varietate et animadversionibus illustrata 1-3, hg. von Johannes Hugo WYITENBACH/ MichaelFranz Joseph MÜLLER(Trier 1836/ 39), hier 2 (1838) S. 179-271, hier S. 257; übers. Die Taten der Trierer 5, hg . von Emil ZENZ (Trier 1961) S. 60; Fritz MICHEL(Bearb.), Die Kunstdenkmäler der Stadt Koblenz. Die prophanen Denkmäler und die Vororte, Die Kunstdenkmäler von Rheinland- Pfalz 1 (München/ Berlin 1954) S. 140-145. <?page no="53"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 53 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 53 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 41 leben; sogar eine Pilgerfahrt nach Rom wurde ihm zugeschrieben. Bei seiner angeblichen Klause St-Josse-sur-Mer (unweit der Kanalküste südlich von Calais) entstand ein bedeutendes Benediktinerkloster 36. Ein weiteres, wichtiges Zentrum seiner Verehrung war Langenfeld, rund 10 km westlich von dem erzbischöflich trierischen Städtchen Mayen im Ursprungsgebiet der Nette, die bei Andernach in den Rhein mündet. Der Kult des heiligenJodocus breitete sich bis nach Skandinavien und in die Alpenländer aus 37. Die in Quellen begegnenden „Joßfahrten" haben demnach mit Santiago nichts zu tun 38; sie beziehen sich vielmehr auf St. Jodok. Einen häufig benutzten, weithin bekannten Pilgerweg nach Santiago ergibt die historische Überlieferung aus Rothenburg daher nach übereinstimmender Ansicht aller Sachkenner nicht. Trotz der eindeutigen Quellenlage wird über ein Hospiz für Santiagopilger in Rothenburg gemutmaßt, entweder im Haus Kirchplatz 4 (alte Hausnummer 508) oder im Gebäude Grüner Markt 2 (alte Hausnummer 506). Beide Komplexe lagen südlich der Pfarrkirche St. Jakob und des zugehörigen Friedhofs, von diesem getrennt durch eine Straße (Abb. 2). Das große viergeschos- 36 Nils-Olof JöNSS0N (Hg.), La vie de Saint Germer et La vie de Saint Josse de Pierre de Beauvais: deux poemes du XIIIe siede (Etudes romanes de Lund 56, Lund 1997); Hubert LE B0URDELLES, Vie de St. Josse avec commentaire historique et spirituel, Studi medievali 14 (1996) S. 861-958; M. BERNUS/ H. MARCHAL,Le suaire de Saint- Josse-sur-Mer (Pas-de-Calais) (au musee du Louvre), Bulletin de liaison du Centre international d'etudes des textiles anciens 33 (1971) S. 22-57; Axel FLÜGEL,Die Kirchenpatrozinien des HI. Nikolaus und des HI. Jodokus, Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 73 (1981) S. 7-27; Jules GAVA, Sanctus Jodocus. Königssohn, Eremit und Pilger, ein vergessener Heiliger aus dem Elsaß (gestorben 669) = Sankt Jost (Colmar 1952); Jost TRIER,Der heilige Jodocus. Sein Leben und seine Verehrung, zugleich ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Namengebung (Breslau 1924, ND Hildesheim 1977). 37 Felix MARBACH,St. Jost und die Innerschweiz, lnnerschweizerisches Jahrbuch für Heimatkunde 11/ 12 (1947/ 48) S. 137-184; Wolfgang MEIDINGER, Auf den Spuren der Jakobspilger. Die Jodokskapelle in Überlingen, Bodensee-Jahrbuch (1990) S. 17-22. 38 Merkwürdigerweise sollen Pilgerfahrten zum heiligen J ost in spätmittelalterlichen Testamenten der Hansestädte Lübeck und Stralsund nicht auftauchen, sondern nur Santiago, allerdings quantitativ weit abgeschlagen nach Wilsnack, Rom, Aachen, Einsiedeln, Golme und Thann: Hartmut BETTIN/ Dietmar V0LKSD0RF,Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten als Spiegel bürgerlicher Religiosität, in: Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa. Austausch - Einflüsse - Wirkungen, hg. von Klaus HERBERS/ Dieter R . BAUERQakobus-Studien 12, Tübingen 2003) S. 231-257, hier S. 246 Karte und Statistik. Dazu Marie-Luise FAVREAU-LILIE, Von Nord- und Ostsee ans „Ende der Welt". Jakobspilger aus dem Hanseraum, Hansische Geschichtsblätter 117 (1999) S. 93-130; Norbert OHLER,Zur Seligkeit und zum Troste meiner Seele. Lübecker unterwegs zu mittelalterlichen Wallfahrtsstätten, Zeitschrift für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 63 (1983) S. 83-103. <?page no="54"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 54 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 54 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 42 Karl Borchardt -.,~•. . ..,_.....- , ,_: ~- .~_\ r,.: : . ·- "·-·•,: r ,.c ·'·; • ► "i •~ t"'---J.. -: ..,~-- ·· ' · \. .-.'• • ,l>l" ~• __ - - \ 1 ,-· .·.\/ ·_ .' .; t ·: · - \~ - _ _ ., \ ~ Abb. 2: Ausschnitt aus dem Urkataster von Rothenburg, aufgenommen 1826, gestochen 1829, mit der Jakobskirche und den alten Hausnummern 506 und 508 (nach einer Kopie im Stadtarchiv Rothenburg) sige Traufenhaus des 15. Jahrhunderts Kirchplatz 4 hat Michael Kamp 1990 in die Diskussion gebracht, ein kenntnisreicher, in Rothenburg gut bewanderter Hausforscher, der wissenschaftlich einwandfrei ohne jeden Hinweis auf Santiago, das in Rothenburg nie eine Rolle spielte, und sehr vorsichtig formuliert: Vielleicht spätmittelalterliche Pilgerherberge für die gegenüberliegende St. Jakobskirche? Veranlaßt zu dieser Vermutung hat ihn der Eindruck, Kirchplatz 4 bilde mit dem ehemaligen Anbau von Markt 3 und mit Kirchplatz 6 einen zusammengehörigen, reihenhausartigen Baukomplex 39 . Solche spätmittelalterlichen Reihenhäuser gab es in Rothenburg an mindestens zwei Stellen, auf dem Spitalhof die 1399 eingerichteten Wohnungen für die vier Vikarier der Spitalkirche, 1970 restauriert, und in der Pfarrgasse, beim Bombenangriff 1945 zerstört, die 1509-14 erbauten Wohnungen der 1496 gestifteten Viervikarier der Marienkapelle auf dem Milchmarkt 40 . Ob der Befund Kirchplatz 4/ 6 39 Michael KAMP,Rothenburg ob der Tauber, in: Fachwerk vor 1600 in Franken. Eine Bestandsaufnahme, hg. von Konrad BEDAL (Quellen und Materialien zur Hausforschung in Bayern 2, Bad Windsheim 1990) S. 325-359, hier S. 341 f. 40 Pfarrgasse 2, 4, 6, 8; alte Hausnummern 513-516; BORCHARDT,Geistliche Institutionen (wie Anm. 3) S. 82. Dazu und zum fälschlich sogenannten Pesthaus von 1399 im Spitalhof Ludwig SCHNORRER, Spätmittelalterliche Reihenhäuser in Rothenburg, Die Linde 82 (2000) S. 41-56. <?page no="55"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 55 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 55 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 43 wirklich ausreicht, um von einem spätmittelalterlichen Reihenhaus zu reden, muß der Historiker den Bauforschern zu entscheiden überlassen. Besitzgeschichtlich gibt es lediglich den Hinweis, daß Kirchplatz 4 zuletzt 1808 dem Kanzlisten Georg Wilhelm Nusch gehörte, einem Angehörigen der Ratsoligarchie, und über dessen Witwe 1843 an die städtische Armenpflege gelangte 41 • Das mittelalterliche Seelhaus dagegen lag am heutigen Kapellenplatz. Und die sechs im Spätmittelalter von Bürgern gestifteten Weltpriester bei St. Jakob hatten ebenfalls ihre Häuser nachweislich anderswo, nämlich in der Nähe des Klosterhofes 42• Den Gebäudekomplex Grüner Markt 2 sprachen Vera und Hellmut Hell 1964 in ihrem Buch über die große Wallfahrt des Mittelalters nach Santiago de Compostela als mittelalterliche Herberge für Jakobspilger an, mit weiträumigen Weinkellern, großer Diele im Erdgeschoß mit mächtiger Herdstelle (wohl als Massenquartier für ärmere Pilger) und mit Schlafkammern im ersten Stock für vornehmere Wallfahrer43. Weil Rothenburg angeblich an einer Pilgerstraße nach Santiago lag, wird dies ohne nähere Untersuchung phantasiereich behauptet. Methodisch läuft diese Argumentation auf einen Zirkelschluß hinaus. Dennoch geistert eine Herberge für Santiagopilger gegenüber der Jakobskirche in Rothenburg seither durch manch schlecht recherchierte Publikation 44 . Das dreigeschossige, über einen Keller verfügende Hauptgebäude Grüner Markt 2 stammt zum größten Teil aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Im Treppenaufgang zum oberen Flur zeigt ein Fresko den heiligen Christophorus, eine im Spätmittelalter und darüber hinaus völlig gewöhnliche Darstellung gegen plötzlichen, ohne ordnungsgemäße Versehung mit den Sterbesakramenten eintretenden Tod. Daneben finden sich Reste einer Wandmalerei, welche die heiligen Drei Könige darstellt, und qualitätvoll bearbeitete Holzsäulen. Im Eingangsbereich und auf dem Weg zum Keller, wo das Mauerwerk teilweise älter ist, finden sich Ritzinschriften (Graffiti) und, heute leider übertüncht, Rötel- 41 Gabriele MORITZ,Rothenburg ob der Tauber im 19. Jahrhundert (Rothenburg 1996) S. 370 und ergänzende Angaben aus den Rothenburger Kalendern. 42 BORCHARDT,Geistliche Institutionen (wie Anm. 3) S. 60-67, S. 76-79; Ludwig SCHNURRER,Zur Geschichte der Waisenversorgung in Rothenburg, Die Linde 54 (1972) s. 74f. 43 Vera u. Heilmut HELL, Die große Wallfahrt des Mittelalters. Kunst an den romanischen Pilgerstraßen durch Frankreich und Spanien nach Santiago de Compostela (Tübingen 1979 [ 1 1964], 3., überarb. u . erg. Aufl.) S. 30. Für den Hinweis auf die Thesen zum Grünen Markt 2 danke ich Hannes Kiebel, Bochum (Korrespondenz vom November 2001). 44 Wolfgang LIPP, Der Weg nach Santiago. Jakobuswege in Süddeutschland (Ulm 1991) s. 129. <?page no="56"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 56 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 56 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 44 Karl Borchardt zeichnungen. Bisher wurde dies alles nicht genauer dokumentiert, geschweige denn näher untersucht. Eine Besichtigung vor Ort ergab im Februar 2003 an der Wand über dem Kellerabgang im Erdgeschoß mehrere Ritzinschriften mit Jahreszahlen, die alle ins 17. Jahrhundert weisen. Da Rothenburg 1544 die Reformation einführte 4 S, kann ein Konnex mit Pilgerfahrten nach Santiago ausgeschlossen werden. Westlich an das Hauptgebäude schließt ein hohes, schmales Turmhaus an, im Dachstuhl dendrodatiert auf die Jahre 1347/ 48; hinzu kommen Innenhof und Nebengebäude 46. Das Gesamtensemble riecht förmlich an dem Ansitz einflußreicher, im Rat vertretener Ministerialen zwischen der späteren Stauferzeit und dem 14. Jahrhundert. Zuletzt besaß den Gebäudekomplex 1808 der Bürgermeister Christoph Friedrich Albrecht (1749- 1831)47. Obschon Erwerb und Erbgang bislang nicht eruiert wurden, darf festgehalten werden, daß noch am Ende der Reichsstadtzeit sich das Anwesen als Wohnhaus in den Händen einer der angesehensten Oli- 45 Zu den Folgen der Reformation generell Ilja MIECK,Zur Wallfahrt nach Santiago de Compostela zwischen 1400 und 1650. Resonanz, Strukturwandel und Krise (Spanische Forschungen der Görresgesellschaft 1, Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 29, Münster 1978) S. 483-533. 46 KAMP, Rothenburg ob der Tauber (wie Anm. 39) S. 332. Die These, die Rötelzeichnungen gingen auf Reisende zurück, mag durch das Hospital St. Mauritius zu Markdorf und südlich davon die Kapelle Braitenbach unweit des Bodensees - HERBERS, Wo! auf (wie Anm. 18) S. 93f. mit Abb. 55f . - oder ähnliche Befunde inspiriert sein; dazu Detlev KRAACK, Monumentale Zeugnisse der spätmittelalterlichen Adelsreise. Inschriften und Graffiti des 14.-16. Jahrhunderts (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Göttingen 1997); DERS.,Monumentale Zeugnisse der spätmittelalterlichen Adelsreise auf den Wegen nach Santiago de Compostela, in: Der J akobus- Kult in „Kunst" und „Literatur". Zeugnisse in Bild, Monument, Schrift und Ton, hg. von Klaus HERBERS/ Robert PLöTZ Qakobus- Studien 9, Tübingen 1998) S. 109-125 . 47 MORITZ,Rothenburg (wie Anm. 41) S. 370. StaR B 43a pag. 34. Sein Vater David Christoph (1722-82), sein Großvater ebenfalls David Christoph (1690-1743), ebd. pag . 24, sein Urgroßvater Johann Georg (1657-1720), ebd. pag. 20, dessen Vater ebenfalls Johann Georg (1629-1703), ebd. pag. 18, dessen Vater Georg (1603-66), ebd. pag. 17, der bereits dem Inneren Rat angehörte. Des David Christoph (1690-1743) ältester Bruder Johann Christoph (1680-1751), ebd . pag. 20, 23, hinterließ „das Wohnhaus bey der Frohnwaag einseits an das Fluhrische, anderseits aber an des Buchbinders Geyers Hauß stosend" (StaR AA 390 s. v. Albrecht, Nachlaßinventar 1751 März 15- 22). Vor 1702 hatte der Buchbinder Josaphat Metzler ein Haus am Höckelmarkt: StaR B 515 pag. 113. Diese Nachrichten mögen exemplarisch die Schwierigkeiten beleuchten, welche der Hausgeschichte aus archivalischen Quellen entgegenstehen. Ebenfalls nicht sicher diesem Haus zuzuweisen sind bisher 1620 Hans Wilhelm Hofmann und 1634 Karl Winterbach: Karl HELLER(Hg .), Rothenburg ob der Tauber im Jahrhundert des großen Krieges. Aus der Chronik des Sebastian Dehner (Ansbach [1913]) s. 14, s. 108. <?page no="57"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 57 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 57 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 ]acobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 45 garchenfamilien befand, was in den Jahrhunderten zuvor kaum anders gewesen sein dürfte. Der Grüne Markt hieß früher Höckel- oder Obstmarkt; fränkisch Högelmarkt kommt von hocke oder hucke, was den Kleinverkäufer oder Pfragner (Inhaber einer durch eine Schranke = Pfrage abgeteilten Marktbude) roher Eßwaren bezeichnet, nach der hucke oder Trage, mit der diese Waren auf dem Rücken in die Stadt gebracht wurden 48. Das Fest des Patrons der Pfarrkirche St. Jakob am 25. Juli war noch im 18. Jahrhundert einer der vier Termine für einen Jahrmarkt in der Stadt, neben dem ersten Sonntag nach Trinitatis, neben Bartholomei am 24. August und Andree am 30. November. König Rudolf hatte 1274 drei Jahrmärkte bestätigt sowie 1282 eine achttägige Messe ab dem Donnerstag nach der Pfingstoktav (= Fronleichnam, dem Haupttermin für die Heiligblutpilgerfahrten) gewährt, die laut allerdings nur chronikalisch überlieferten Notizen vom Termin der Kirchweihe der am Vieh- oder Herrenmarkt (heute Herrengasse) gelegenen Franziskanerkirche auf den Termin der Kirchweihe der Jakobskirche am ersten Sonntag nach Trinitatis verschoben wurde. Die achttätige Messe ab dem Abend Andree, dem 29. November, ging auf Kaiser Ludwig den Bayern 1340, die achttägige Messe an Bartholomei bis Egidii, d. h. vom 24. August bis 1. September, auf König Ruprecht 1406 zurück, möglicherweise auch schon auf Kaiser Karl IV., der sie 1370 gemeinsam mit der Verlegung des Jahrmarktes an Laurentii, dem 10. August, von Gebsattel, dessen Pfarrpatron der heilige Laurentius war, in die Stadt genehmigt haben soll, was freilich wiederum nur chronikalisch überliefert wird 49. Das Fest des Patrons der Pfarrkirche war mithin überall ein hinreichender 48 August SCHNIZLEIN, Ein Gang durch die Gassen und Straßen des alten und neuen Rothenburgs, Die Linde 13 (1923) S. 1-8, hier S. 3f.; Jakob u . Wilhelm GRIMM, Deutsches Wörterbuch 10 (Leipzig 1877, ND München 1984) Sp. 1648f., 1858f. u . 13 (Leipzig 1889, ND München 1984) Sp. 1792f.; Matthias LEXER,Mittelhochdeutsches Handwörterbuch (Leipzig 1872/ 78, ND Stuttgart 1979) 1 Sp. 1374, 2 Sp. 26 f.; Hermann FISCHER,Schwäbisches Wörterbuch (Tübingen 1904/ 36) 1 Sp. 1077f., 3 Sp. 1727f., Sp. 1849f. 49 Heinrich SCHMIDT,Heinrich Toppiers Leben und Wirken, Fränkischer Feierabend 12 (1964) S. 30-32; Fritz SCHMIDT, Vom Marktwesen in Rothenburg, Die Linde 40 (1958) S. 78f.; Johann Kaspar BUNDSCHUH,Geographisches Statistisch-Topographisches Lexikon von Franken 4 (Ulm 1801, ND München 1979) Sp. 649; Chronik Schäfer 1729: StaR B 669 pag. 470-472. SCHNURRER, Urkunden (wie Anm. 6) I S. 35 f. Nr . 70 [1274], S. 53 Nr. 113 [1282] mit den Hinweisen auf die angebliche Verlegung von der Franziskanerkirche bei Albrecht und Merian, S. 200f. Nr. 472 [1331, recte 1343/ 47], S. 254 Nr. 606 [1340], S. 590 Nr. 1480 [1370 nach Albrechts Annalen]; StAN RU 205 [1406]. Die Chroniken und die Urkunden widersprechen sich, so daß die Jahrmärkte in Rothenburg genauerer Untersuchung harren. <?page no="58"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 58 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 58 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 46 Karl Borchardt Grund für einen Jahrmarkt, ohne daß man daraus auf Pilgerfahrten nach Santiago schließen dürfte. Die frühere Geschichte des Hauses Grüner Markt 2 bedarf weiterer Forschungen, da häufig nicht klar ist, worauf einzelne Erwähnungen von Häusern und Hofreiten am Höckelmarkt sich beziehen. Die Rede ist jedoch immer von Wohnhäusern, meist angesehener Familien, und nie von einer Pilgerherberge. Ein Haus mit Hofreite an der Ecke der nidern Kirchgazzen beim Viehmarkt, an das Heintz Meiers Hofreite angrenzte, vertauschte 1386 Heinrich Wernitzer an seine Verwandten Eberhard von Mulfingen den Jüngeren und dessen Ehefrau Margarethe; 1397 kauften Kaspar Wernitzer mit seiner Gemahlin Barbara von der Stadt eine pfragner kammer beim neuen Obstmarkt hinten an ihrem Haus mit Hofreite und erhielt das Recht, die pfragner kammer abzubrechen, ein Tor daraus zu bauen und dort für immer Ein- und Ausfahrtrecht zu haben, ohne daß die Stadt dies durch neuzuerrichtende Gebäude hindern würde 50. Ein Haus am Obstder Höckelmarkt, an das 1433 das Haus des Michael Öffner angrenzte, stiftete 1456 der Pfarrer von Lichtel Peter Horn für den Kaplan seiner Meßstiftung in der Marienkapelle; 1514 grenzte das Haus des Hieronymus Öffner an und 1535 das Haus des Hans Grimm5 1. Am Höckelmarkt bei Heinrich Schultheiß wohnte während des Reichstags 1474 Pfalzgraf Ludwig zu Veldenz52. Das mitunter als Herberge für Santiagopilger angesprochene Eckhaus dürfte sich in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den Händen der Familie Langenberger befunden haben. Gabriel Langenberger und seine Gemahlin Dorothea Schad verkauften 1513 „ir erbschafft und alle ir recht und gerechtigkait des hawss und hofraitins hie zu Rottennburg am Heckhlmarckht zwischen dem Newen Rathaws und Michl Satlers heusern gelegen", die der Stadt jährlich 1,5 fl 1 Fastnachtshuhn schuldete, um 76 fl an den Bürger Jörg Papp. Anscheinend war dies nur ein kleineres Gebäude. In einem größeren Gebäude ebenfalls am Höckelmarkt blieb die Familie Langenberger wohnen. Gabriel Langenberger starb 50 StaR U 1330 und 1331; SCHNURRER, Urkunden (wie Anm . 6) 2 S. 797 Nr. 2029, S. 1039 Nr . 2661. 51 BORCHARDT, Geistliche Institutionen (wie Anm. 3) S. 79 f., S. 88, S. 863 Anm. 219. Hans Grimm und seine Hausfrau Anna verkauften den beiden Pflegern der Wolfgangskapelle 1fl Zins um 20 fl Kapital von ihrem Haus und Hofreite „uf dem Höckelmarckhtt zwischen santt Annen altars in der allten Unser Lieben Frauen capellen und Claus Gaymans heusern gelegen", wobei ihr Haus und Hofreite bereits 1 fl Zins an die Kapelle entrichtete, 1535 Juni 15: Ausf. Perg. StaR U 1934. 52 StaR B 541 pag. 10. <?page no="59"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 59 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 59 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 47 1525 als Mitglied des Äußeren Rates 53. Leonhard Langenberger und seine Gemahlin Anna nahmen 1542 auf ihr Haus am Höckelmarkt 44 fl Kredit bei dem Mitglied des Inneren Rates Martin Eberhart auf. Inzwischen Witwe geworden, mußte sich Anna 1543 einer Klage des Georg Österreicher aus Windelsbach wegen 35 fl Schulden ihres verstorbenen Gemahls auf ihre „behausung alhie am Hockelmarckt am eck gelegen erwehren". Zugleich erhoben des Gabriel Langenberger fünf Söhne und Töchter Margarethe (vermählt mit Hieronymus Holzhäuser, Bürger zu Creglingen), Dorothea (vermählt mit Georg Österreicher), Barbara (vermählt mit Andreas Kraft, Bürger zu Nürnberg), Gabriel Langenberger, Stadtschreiber zu Uffenheim, dann Amtsverweser zu Colmberg, und der noch unmündige Wolf Langenberger (vertreten durch seine Vormünder Hans Spelter und Hans Schaiblein) Erbansprüche auf das Haus an der Ecke des Höckelmarkts . Die Witwe des Leonhard Langenberger konnte sich mit Hilfe ihre Anwalts Christoph Gnetzheimer jedoch behaupten 54 und verkaufte unterdessen das Haus an Hans Hartmann. Das „haus unnd hoffraith alhie uf dem Hockelmarckt neben Katharina Eyfels .tetterins haus am eck gegen der pfar uber gelegen", der Beschreibung nach das hier in Rede stehende Objekt, verkaufte der Bürger Hans Hartmann 1544 seinerseits um 710 fl dem Bürger Hans Ziegler. Dabei waren das Haus der J akobspflege und das Hinterhaus dem Fritz Popp zinspflichtig 55. Die Heiligenpflegen gewährten im späteren Mittelalter häufig und gerne Kleinkredite, damit Schuldner nicht auf jüdische Geldverleiher mit deren Wucherzinsen angewiesen waren. Im Gegenzug ließen sich die Heiligenpflegen Zinse auf Grundstücke, Häuser, Äcker oder Weingärten verschreiben. Nach ihrem Inventar von 53 1513 August 18: StaR B 239 fol. 244rv Nr. 445. Gabriel Langenberger saß 1519 und dann von 1522 bis zu seinem Tod im Äußeren Rat : StaR B 186, 186a jeweils ad annum. 54 1542 Januar 27, 1543 Januar 19, 1543 April 16: StaR B 307 pag. 690-691, fol. 751v- 752r, 766v-767r; 1545 Februar 26: B 308 fol. 27r-30v . Bürger wurden Gabriel Langenberger aus Markelsheim 1497, der Kannengießer Heinz Langenberger 1525, der 1531 wegzog, und Leonhard Langenberger 1538: StaR B 40 fol. 42r, 11lr; B 41 fol. 1lr ; Ludwig SCHNURRER, Das Zinngießerhandwerk in Rothenburg ob der Tauber, Jahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg (1981) S. 72 Nr . 34. 55 1544 Juni 20: StaR B 260 fol. 112v-l 13r Nr. 321. Am 27. März 1544 bekannte Leonhard Wittich genannt Silberkrämer, Bürger zu Rothenburg, 94 fl 4 ß Schuld an Hans Münsterer, Bürger zu Nürnberg, auf seinem Haus am Höckelmarkt zwischen den Häusern von Leonhard Wittich selbst und Jörg Papp, wobei aber dem Neuen Spital noch zuerst 28 fl auf diesem Haus eingeräumt waren: StaR B 307 fol. 803v- 804v. Für die Erlaubnis, seine Zettelkästen benutzen zu dürfen, sei Herrn Dr. Ludwig Schnurrer, Rothenburg, an dieser Stelle herzlich gedankt. <?page no="60"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 60 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 60 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 48 Karl Borchardt 1517 empfing die Jakobspflege über 20 solche Zinse aus der Stadt Rothenburg. Jährlich 1 fl 1 Fastnachtshuhn gab Gabriel Langenberger, später seine Witwe, ab 1544/ 45 Hans Ziegler, ab 1548/ 49 seine Witwe, ab 1550/ 51 Jörg Winterbach, unter dem der Zins während des Rechnungsjahres 1557/ 58 abgelöst wurde 56; damit erlischt leider diese Möglichkeit, die Besitzabfolge anhand der Zinszahlungen zu rekonstruieren. Daß zweimal hintereinander Witwen die gute Wohnlage nicht behaupten konnten, erscheint im übrigen nicht untypisch für die sozialen Probleme in der alteuropäischen Gesellschaft. Der Name Hans Ziegler ist in dieser Zeit in Rothenburg mehrfach belegt 57; vielleicht besteht ein Zusammenhang mit dem Maler Wilhelm Ziegler aus Creglingen, der 1507 und erneut 1531 Bürger wurde, jedoch 1535 wegzog 58, denn die beiden Brüder Hans und Joß Ziegler wurden 1531 kurz vor Wilhelm ins Bürgerrecht aufgenommen 59. Wilhelm Ziegler war nicht nur selbst ein bekannter Maler, sondern begründete auch eine Familie von Malern. Wilhelm hatte 1502 bei Hans Burgkmair in Augsburg gelernt, war in Rothenburg durch seine Altartafeln für die Wolfgangskirche 1514 hervorgetreten, aber 1522 nach Freiburg im Ü chtland gezogen. Dort arbeitete er zusammen mit dem Stadtmaler Hans Boden, avancierte 1527 selbst zum Bürger und Stadtmaler und vermählte sich mit einer aus der Region stammenden Frau französischer Muttersprache. Als Wilhelm 1531 nach Rothenburg zurückkehrte, schickte er jedoch seine Gemahlin schon bald wieder fort. Zwar versprach er, ihr Kleidung und Fahrnis nachzusenden sowie selbst nachzukommen, hielt aber die Versprechungen nicht. Deshalb wurde Wilhelm auf Klagen seiner Frau hin durch die Reichsstadt in den Turm geworfen obwohl dies eine Angelegenheit des geistlichen Gerichts war und Rothenburg nach der Niederschlagung der aufständischen Bauern, mit denen die Reichsstadt sich 1525 verbündet hatte, wieder altgläubig geworden war -, bis er 1532 versprach, seine Frau wieder bei sich aufzunehmen 60. Trotz dieser Querelen wurde Wilhelm 1534 Mitglied 56 StaR B 16 fol. 31v, insgesamt zu Rothenburg fol. 26r-34r. Gültlisten mit jährlichen Zahlungsvermerken für Gabriel Langenbergerin ab 1526/ 27 StaR R 364 fol. 4v bis 1544/ 45, ebd. 518v, dort durchgestrichen und ersetzt durch Hans Ziegler; StaR R 365 fol. 3v [1547], 23v [1548], 45v [1549], 68v [1550], 235v [1557]. 57 U. a. Hans Ziegler aus Jagstzell 1485, Hans Ziegler von Bamberg 1501, Hans Ziegler von Windsheim 1524: StaR B 40 fol. llv, 51r, 106r. 58 1507 Dezember 3, 1531 März 3: StaR B 40 fol. 68v, 123v. 59 1531 Januar 21: StaR B 40 fol. 123v. 60 „Wilhelm Ziegler der maler, burger hie zw Rottenburg, ist vonn clag wegenn Framzosine, seiner hausfrauenn, inn ains erbern ratz straff unnd gefenngknus komen, darumb das er dieselbig sein hausfraw betruglich inn ir haymat zu zielienn beredet <?page no="61"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 61 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 61 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 J acobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 49 der angesehenen Künstlergilde St. Lukas zu Würzburg, wo er vor 1541 starb 61 . Von Wilhelms Arbeiten für Rothenburg, die nach seiner Rückkehr ins Fränkische entstanden, seien eine Karte der Landwehr 1537 und eine Patrizierhochzeit 1538 erwähnt. Wilhelms Familienverhältnisse sind nicht genauer bekannt. Sein Bruder Anton war 1525-60 Kanoniker des Stifts St. Stephan in Konstanz, wurde dann evangelisch, heiratete und starb zu Stein am Rhein. Ein Johann Ziegler war Pfarrer in Ippesheim, dann von 1513 bis zu seinem Tode 1521 in Adelshofen, einer reichsstädtischen Patronatspfarrei in der Landwehr nördlich von Rothenburg; dessen Schwager Michael Korner hatte einen Vetter Michael Eisenhart, der Vikar im Domstift zu Augsburg war 62 . Wilhelms Sohn Hieronymus begleitete als Präzeptor 1531 die Söhne des Grafen Wolfgang von Castell auf die bayerische Universität Ingolstadt, erwarb dort 1534 die Würde eines lectorphilosophiae und kehrte nach verschiedenen Versuchen im Schuldienst zu Eichstätt, Rothenburg, Augsburg und München 1554 endgültig als akademischer Lehrer nach Ingolstadt zurück, wo er 1562 starb. Des Hieronymus Bruder Jörg Ziegler wurde Maler und wird manchmal gleichgesetzt mit dem Meister von Meßkirch, der in den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts in den Diensten des Grafen Gottfried Werner von Zimmern stand, des Herrn von Meßkirch und Wildenstein 63 . Über unnd vertrost hat, ir claider unnd farnuß so er eingeschlagen, hinach zuschickenn unnd selbs hinach zu ir zu ziehen, aber dasselbig nitt gethann, sonnder mitt wessen hie plieben . . ." 1532 Dezember 2: StaR A 843 fol. 98rv. 61 Als verstorben bezeichnet bei der Bewerbung seines Sohnes Hieronymus um eine Schulstelle in Rothenburg, 1541 Juli 14: StaR A 1436 fol. 39/ 43; BORCHARDT, Geistliche Institutionen (wie Anm. 3) S. 1243 bei Anm. 118: 62 BORCHARDT, Geistliche Institutionen (wie Anm. 3) S. 604 Nr. 496. Ebd. S. 515 Nr. 71 soll ein Johann Ziegler zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im 15. Jahrhundert sogar Komtur in Rothenburg gewesen sein: "Her Hans Zigler, comethtor" StaR B 539 fol. Sv Nr. 28. Ebd. fol. Sr Nr. 20 ein „Herr Hainrich Ziigler", vermutlich ebenfalls ein Deutschordensbruder. Weitere Namensträger, darunter der Bürger zu Rothenburg Bartholomäus, der Propst von St. Gumprecht in Ansbach Bernhard und Dr. Ludwig Ziegler ebd. S. 1380 laut Index. 63 Julius BAUM,s. v. Ziegler, in: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, begr. Ulrich THIEME/ Felix BECKER36 (Leipzig 1947, ND München 1992) S. 484--486 nennt Wilhelm, seinen Sohn Jörg sowie dessen Söhne Andreas und Sebastian; Josef HECHT, Der wahre Meister von Meßkirch und das Bildnis des Grafen Eitelfriedrich III. von Zollern (Forschungen zur schwäbischen Kunst- und Kulturgeschichte 1, Konstanz 1940) S. 67-85; Wilhelm DANNHEIMER, Wilhelm Ziegler von Creglingen . Ein Rothenburger Maler der Dürerzeit, Die Linde 36 (1954) S. 65-68; DERS., Neues über den Maler Wilhelm Ziegler, Die Linde 39 (1957) S. 48; DERS.,Die Rothenburger Maler am Ausgang des Mittelalters, Die Linde 42 (1960) S. 25-30, hier S. 27f.; Walter M. BROD,Fränkische Hof- und Stadtmaler als <?page no="62"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 62 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 62 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 50 Karl Borchardt Hans und J oß Ziegler weiß man nichts Näheres; an eine Verwandtschaft mit Wilhelm Ziegler läßt allein das Datum ihrer Bürgeraufnahme in Rothenburg 1531 denken, kurz bevor Wilhelm Ziegler erneut Bürger der Tauberstadt wurde. Ein armer Schlucker kann Hans Ziegler jedenfalls nicht gewesen sein; dazu war die Kaufsumme von 710 f1 zu hoch, die er für sein Haus aufbringen mußte. Sogar wenn Hans Ziegler nicht selbst als Maler sein Geld verdiente, dürfte es dem neuen Hauseigentümer am Höckelmarkt, falls er mit Wilhelm Ziegler verwandt war, nach 1544 nicht schwer gefallen sein, jene bisher durch völlig aus der Luft gegriffenen Behauptungen mit den Jacobus-Pilgerfahrten nach Santiago verbundenen Fresken bei einem ihm bekannten Maler in Auftrag zu geben. Ähnliches gilt für andere Eigentümer des Hauses Grüner Markt 2 im 16. Jahrhundert, die als Auftraggeber in Frage kommen. Natürlich wird man fragen, ob Wilhelm Zieglers Tätigkeit zu Freiburg im Üchtland nicht etwas mit den Jakobs-Pilgerfahrten zu tun haben könnte, denn von Einsiedeln aus lag diese Stadt am Wege nach Santiago; Hermann Künig, ein Servitenmönch aus Vacha nördlich von Würzburg, der 1495 einen mehrfach überarbeiteten und gedruckten Führer für deutschsprachige Pilger nach Santiago verfaßte, läßt seine Beschreibung in Einsiedeln beginnen, das selbst Zielort vieler Pilgerreisen war, ebenso wie Aachen, wo Wilhelms Beschreibung endet, und er nennt Freiburg im Üchtland als Etappenort zwischen Bern und Lausanne64. Und 1570 wurde ein Jakob Ziegler von Rothenburg Bürger6 5; Kartographen, in: Kartengeschichte und Kartenbearbeitung. Festschrift zum 80. Geburtstag von Wilhelm Bonacker, hg. von Karl-Heinz MEINE (Bad Godesberg 1968) S. 49-57, hier S. 54f.; Alheidis von ROHR, Die Freuden der Welt. Ein Rothenburger Patrizierfest, gemalt von Wilhelm Ziegler 1538, Jahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg (1985/ 86) S. 27--40; Ludwig SCHNURRER, Hieronymus Ziegler (ca. 1504- 1562): Leben und Werk eines Rothenburger Humanisten, in: Rothenburger Profile, hg . von SCHNURRER(wie Anm. 2) S. 157-164 [zuerst Die Linde 81 (1999) S. 9-15]. Zur Familie jetzt auch Harald DRÖS (Bearb.), Die Inschriften des ehemaligen Landkreises Mergentheim (Die Deutschen Inschriften 54, Wiesbaden 2002) S. 103 Nr. 144, S. 125f. Nr. 183. 64 Volker HONEMANN,s.v. Künig, Hermann, von Vach, in: Verfasserlexikon 5 (21985) Sp. 437f.; HERBERS, Wo! auf (wie Anm. 45) S. 59-61; dazu DERS.,Der erste deutsche Pilgerführer. Hermann Künig von Vach, in: Deutsche Jakobspilger und ihre Berichte, hg. von Klaus HERBERSGakobus-Studien 1, Tübingen 1988) S. 29--49; Konrad HÄBLER,Das Wallfahrtsbuch des Hermannus Künig von Vach und die Pilgerreisen der Deutschen nach Santiago de Compostela (Straßburg 1899). Zwar nicht auf dem Weg nach Santiago, doch auf der Reise zu einem Pilgerziel in Südfrankreich berührte Hans von Waltheym aus Halle Freiburg im Üchtland : HERBERS,Wo! auf (wie oben) S. 77. 65 1570 Dezember 2: StaR B 41 fol. 117r. <?page no="63"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 63 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 63 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 51 ob Jakob ein Sohn des Hans Ziegler war oder sonst mit der Malerfamilie aus Creglingen verwandt, bleibt vorläufig Spekulation. Selbst wenn sich dies erhärten ließe, wäre der in Rothenburg eher seltene Name Jakob lediglich ein Indiz für persönliche Frömmigkeit, aber nicht für einen häufig frequentierten Pilgerweg über Rothenburg nach Santiago de Compostela. Falls die bislang stark vernachlässigte Häusergeschichte in Rothenburg einmal das Niveau vergleichbarer Städte erreicht, wird sich die Reihenfolge der Besitzer an dieser prominenten Stelle, Grüner Markt 2 (alte Hausnummer 506), wahrscheinlich bis ins 15. Jahrhundert zurück lückenlos rekonstruieren lassen, vielleicht sogar bis in die Topplerzeit um 1400. Ob man weiter zurückkommt, bis zu dem Rothenburger Ratsherrn Heinrich Zenner, der zusammen mit seiner Gemahlin Irmgard 1303 ein Haus und eine Hofstatt am Friedhof bei St. Jakob der Stadtpfarrei sowie zwei Gülten in Gattenhofen und Steinsfeld schenkte, damit künftig das kirchliche Begräbnis ohne Unterschied von Reich und Arm, Alt und Jung oder Gering und Groß ausgerichtet werde 66, das steht dahin, da Schriftquellen je früher, desto spärlicher fließen. Wo das fragliche Haus mit Hofstatt des Heinrich Zenner und seiner Gemahlin genau lag, bleibt letztlich offen, denn später wird in Gült- und Zinsbüchern darauf nicht mehr Bezug genommen. Vielleicht fielen Haus und Hofstatt einer Umgestaltung des Friedhofs zum Opfer, die aus dem vom Deutschorden durchgeführten Neubau des Ostchors resultierte. Von domum et aream suam sitam iuxta cimiterium parrochie in Rotenburg cum omnibus suis adtinenciis tam quesitis quam non quesitis, welche die beiden Stifter zur Verfügung stellten, ist jedenfalls später nie wieder die Rede. Die beiden Gülten sollten der Pfarrer und ein vom Rat ernannter Bürger zum Nutzen des Begräbnisses verwalten, und die Stadt versprach, nichts von diesen Gefällen zu verkaufen. Finanziert werden sollte mit den Gülten das Ausheben des Grabes. Keinen Anspruch auf Unterstützung hatte, wer nicht am angewiesenen Platz das Grab aushe- 66 1303 März 12: Ausf. StAN MA RU 96; SCHNURRER,Urkunden (wie Anm . 6) 1 S. 101f. Nr . 230; BORCHARDT, Geistliche Institutionen (wie Anm . 3) S. 39 mit Anm. 1. Ekkehart TITTMANN,Die Zenner 'sche Begräbnisstiftung von 1303 und der Baubeginn der Kirche St. Jakob in Rothenburg o. T., Die Linde 82 (2000) S. 34-39 hält 1303 für den Beginn des Neubaus durch den Deutschorden, weist auf den Bauablaß für die Jakobskirche 1311 hin - StAN MA RU 121: SCHNURRER, Urkunden (wie Anm. 6) 1 S. 128 Nr. 294 - und auf die damals an der Ostseite des Südturms angebrachte, beschädigte Weltgerichtsgruppe , Christus als Schmerzensmann in der Mandorla zwischen zwei Posaunenengeln mit Leidenswerkzeugen - Originale im Reichsstadtmuseum; RESS,Stadt Rothenburg (wie Anm. 3) S. 204/ 06 Nr. 26/ 28, S. 506f. Abb. 435-437. <?page no="64"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 64 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 64 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 52 Karl Borchardt ben lassen wollte. Auch für die Steine auf den Gräbern seiner Freunde sollte jeder selbst sorgen 67• Die Urkunde von 1303 wurde durch Konrad von Feuchtwangen, Albrecht von Baldersheim, Konrad von Marburg und sechs weitere Deutschordensbrüder vor elf Rothenburger Ratsherrn der zwölfte wird Heinrich Zenner selbst gewesen sein bezeugt, was ihre Wichtigkeit im Zusammenhang mit dem Neubau der Hauptkirche in Rothenburg unterstreicht. Haus und Hofstatt dürften in dem anläßlich des Neubaus des Ostchores von St. Jakob erweiterten und umgestalteten Friedhof aufgegangen sein, der benutzt wurde, bis er im 16. Jahrhundert zu klein wurde 68, und der bis zum 19. Jahrhundert in Resten bestehen blieb. Wenn das so ist, haben die zu 1303 beurkundeten Vorgänge nichts mit dem Komplex Grüner Markt 2 auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu tun, der trotz des zeitweise der Jakobspflege geschuldeten Zinses der ablösbar war, daher auf eine Kreditvergabe zurückging und nicht mit einer Gült verwechselt werden darf, die auf grundherrschaftliche Zugehörigkeit schließen ließe stets ein rein privates Wohnhaus war. Um dennoch die These von einem Hospiz für Jacobuspilger in dem Gebäudekomplex Grüner Markt 2 zu verteidigen, wird von einschlägig Interessierten auf eine Szene an dem Altar hingewiesen, den der schon 67 Wie Anm. 66: ... ad conparandum inde sepulturam ecclesiasticamgeneraliter omnibus tarn divitibus quam pauperibus, iuvenibus et senibus, pusillis et magnis, quibus apud prefatam parrochiam contigerit sepeliri, hac tarnen condicione adhibita, quod quirnnque tumulis amicorum surum defunctorum Lapidessuperpositos habuerint, illos tempore fossionis sepulchrorum deponent et reponent suis propriis laboribus et expensis. ltem si quis iuxta predictum cymiterium in aliquo loco uno sepulchrum fodi iusserit aut rogaverit et fortassis cadavere nondum putrefacto aut alio obstaculo prepediente ibidem ad plenum fodi nequiverit, aliam fossionem de suisfacultatibus procurabit non habiturus ea vice respectum ad redditus prelibatos . Recognoscimus eciam per presentes, quod in huiusmodi redditibus nichil omnino iuris aut potestatis nobis specialiter vendicabimus, immo nos et nostri successoresdictam sepulturam bona fide promovebimus, ne unquam inposterum valeat aboleri. Adiectum est eciam, quod plebanus noster in Rotenburg, quicunque pro tempore extiterit, et unus ex concivibus nostris, quem nos consulespredicti sibi in cooperaturem adiunxerimus, redditus premissos aut alias pro ipsis conmutatos vel conparatos recipient et inde predictam sepulturam pro laude Dei ac honore parrochie et conmuni plebis utilitate, quanto poterunt, salubrius et fidelius procurabunt . Statuimus insuper, quod quicunque ad consulatum nostrum electus et assumptus fuerit, iuramento suo promittet negocium sepedictum sepulture adeo fideliter promovere sicut cetera negocia civitatis. 68 Im 16. Jahrhundert wich man aus auf den Judenkirchhof bei der 1520 aus der früheren Synagoge umgewandelten Kapelle zur Reinen Maria und dann auf den Brühl vor dem Rödertor, wo 1562 die Friedhofskapelle eingeweiht wurde: RESS,Stadt Rothenburg (wie Anm . 3) S. 328; Ludwig SCHNURRER, Die Rothenburger Friedhöfe, Die Linde 55 (1973) S. 65f. <?page no="65"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 65 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 65 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 53 angeführte Rothenburger Maler Wilhelm Ziegler 1514 für die Wolfgangskapelle am Klingentor in Rothenburg malte. Der Schrein enthält drei Schnitzfiguren, in der Mitte den heiligen Wolfgang, zu seiner Rechten den heiligen Sebastian und zu seiner Linken den heiligen Rochus. Auf dem rechten Flügel sind bei geschlossenem Zustand entsprechend zwei Szenen der Sebastianslegende zu sehen, oben der Heilige, der im Hintergrund von Pfeilen durchbohrt dem Kaiser sein Unrecht vorhält und im Vordergrund durch Henkersknechte mit Knüppeln erschlagen wird, und unten die Verehrung des Heiligen durch Pilger und Volk, welche eine Seuche abwendet. Bei der unteren Szene steht im Vordergrund der Heilige auf einem baldachinbekrönten Altar, zwischen dessen Säulen Votivgaben hängen, angebetet durch zwei kniende Pilger, hinter denen ein reich gekleideter, vornehmer junger Mann als Zeuge den Vorgang betrachtet. Im Hintergrund nimmt gerade ein Leichenzug Aufstellung. Der Pfarrer steht mit zwei Helfern, die Prozessionsfahnen tragen, vor dem Kirchenportal. Einige Männer tragen den schwarzverhüllten Sarg. Ein zweiter Sarg wird gerade in einem Haus ausgesegnet, was auf die grassierende Seuche hinweist. Vor diesem Haus streiten ein Engel und ein Teufel um die Seele des Verstorbenen. Dies Geschehen im Hintergrund der Tafel ist auf die Südseite der Jakobskirche in Rothenburg verlegt, die der Stadt zugewandte Schauseite, erkennbar an dem Treppenaufgang zum Eingang und an der Mosesfigur am rechten Pfeiler 69• Wie einst im frühmittelalterlichen Pavia, wohin man Gebeine des Heiligen überführt hatte, sollte das Gebet zum heiligen Sebastian also auch in Rothenburg das große Sterben an einer Seuche verhüten oder beenden 70. Die übrige Topographie des Platzes bei St. Jakob wird freilich nicht korrekt wiedergegeben, vor allem weil an der Stelle der an den Friedhof anstoßenden, 1449 geweihten Kapelle St. Michael ein Privathaus steht. Ferner muß man bedenken, daß St. 69 Jürgen HOLSTEIN, Wilhelm Ziegler. Die Bildtafeln des Wolfgangaltars aus der Wolfgangskirche in Rothenburg ob der Tauber. Eine kunsthistorische und maltechnische Untersuchung, ungedruckte Magisterarbeit (Erlangen 1993) S. 30; Brigitte BUBERL,Bilder und Maler in den kleineren Reichsstädten in Franken, in: Reichsstädte in Franken 2 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 15/ 2, München 1987) S. 365-383, hier S. 374f . Für den freundlichen Hinweis danke ich Ekkehart Tittmann und Lore Vogel, Rothenburg; die Ähnlichkeit mit der Topographie bei St. Jakob wurde bei RESS,Stadt Rothenburg (wie Anm. 3) S. 429, S. 433 Abb. 369 noch nicht bemerkt. 70 Jacobus de Voragine. Legenda aurea, hg. von Theodor GRAESSE(Breslau 3 1890, ND Osnabrück 1969); deutsche Übersetzung von Richard BENZ (Heidelberg 13 1999) S. 131f.; P. ASSION,s. v. Sebastian, in: Lexikon für christliche Ikonographie 8 (Freiburg/ Br. 1976) Sp. 318-324, hier Sp. 322. <?page no="66"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 66 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 66 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 54 Karl Borchardt Wolfgang den Schäfern aus dem Gebiet von Rothenburg für ihre Zusammenkünfte diente und daß die Kapelle St. Sebastian zu Heiligenbronn, einem kleinen Ort nicht weit von Rothenburg, um diese Zeit durch die in dem Ort begüterten ratsfähigen Geschlechter zum Mittelpunkt einer kleineren Pilgerfahrt ausgebaut wurde, und dies genau durch jene Familien Fürbringer und Wernitzer, welche ihre Wappen am Hauptaltar von St. Wolfgang anbringen durften, obwohl nur Martin Fürbringer der Jüngere 1511-16 Wolfgangspfleger war, aber keiner aus der Familie Wernitzer 71. Wenn der Hauptaltar von 1514 Pilgerschaft propagieren sollte, dann sicher zum heiligen Sebastian nach Heiligenbronn. Die Pilger auf dem Altarflügel hat Wilhelm Ziegler mit den üblichen Attributen gekennzeichnet, mit einem Stab und mit Abzeichen an ihren Hüten. Ein Bezug zum heiligen Jacobus läßt sich dabei nirgends erkennen. Intendiert war vielmehr die Verehrung des auf dem Altar klar kenntlichen heiligen Sebastian als Nothelfer gegen Epidemien. Aus der szenischen Darstellung in der Wolfgangskirche, die das durch den heiligen Sebastian erhoffte Wunder Rothenburg nahebringen möchte und deshalb einen Teil der Jakobskirche, nicht allerdings deren Umgebung abbildet, auf eine Herberge für Santiago-Pilger in dem Gebäudekomplex Grüner Markt 2 zu schließen, ist daher absurd. Eine solche Herberge für Santiago- Pilger kann vor allem deshalb in Rothenburg definitv ausgeschlossen werden, weil ihren Unterhalt entweder der Deutsche Orden oder die J akobspflege zu tragen gehabt hätten. Deren Rechnungen jedoch sind aus dem Spätmittelalter in hinreichender Dichte überliefert, für die J akobspflege ab dem Rechnungsjahr 1467/ 68, beim Deutschen Orden sogar ab 1453/ 54 72 , und sie enthalten keinerlei diesbezügliche Einträge. Nicht einmalig für Baumaßnahmen, sondern ständig für Personal, Heizung und Verpflegung hätten Ausgaben getätigt werden müssen, und das war nach dem Ausweis der Rechnungen nicht der Fall. Schon wenige einzelne Jahresrechnungen genügen für diese Feststellung. Daß besonders beim Deutschen Orden, weniger bei der Jakobspflege, die Jahresrechnungen nicht als fortlaufende Serie, sondern nur mit Lücken für bestimmte Jahre erhalten sind, ist deshalb kein Grund, den Unterhalt einer Pilgerherberge durch eine 71 RESS,Stadt Rothenburg (wie Anm. 3) S. 430; BORCHARDT, Geistliche Institutionen (wie Anm. 3) S. 772. Zu Heiligenbronn StaR B 614 Abrechnungen der Heiligenpflege St. Sebastian zu Heiligenbronn; dazu Akten des Jahres 1542: StaR A 636 fol. 57-65, besonders fol. 61v. Zur Friedhofskapelle St. Michael BORCHARDT, Geistliche Institutionen (wie Anm . 3) S. 82f.; RESS,Stadt Rothenburg (wie Anm. 3) S. 525-528 mit zwei Ansichten des 18. Jahrhunderts . 72 StaR R 362 und 421; BORCHARDT, Geistliche Institutionen (wie Anm. 3) S. 55, S. 430. <?page no="67"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 67 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 67 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 55 dieser beiden Institutionen in Rothenburg nicht für klar widerlegt zu halten. Wie schwer es manchen Leuten fällt, von Lieblingsthesen Abstand zu nehmen, belegt ein anderer Vorgang: An der 1479 geschaffenen Ehetür der Hauptkirche in Rothenburg, die nordöstlich auf den Friedhof und auf den jenseits der Straße liegenden Komplex Grüner Markt 2 blickt, und westlich von ihr stehen heute mehrere Plastiken, darunter ein heiliger J acobus, und manch moderner Adept der „caminos de Santiago" fabuliert, zu Füßen dieser Statue seien einst die Pilger nach Santiago verabschiedet worden. Dabei standen an dieser Stelle bis 1907 ein Johannes der Evangelist und ein heiliger König, die sicher aus dem späteren Mittelalter stammen, aber nicht für diese Stelle gearbeitet waren; wann sie dorthin kamen, ist unbekannt. Jedenfalls wurden sie entfernt und 1910/ 11 durch neue Figuren von Prof. Max Heilmaier aus Nürnberg ersetzt, darunter den heiligen J acobus 73, der daher für die mittelalterlichen Verhältnisse in Rothenburg nicht das Geringste aussagt. Natürlich wurde der heilige Jacobus als Patron der städtischen Hauptkirche in Rothenburg während des Mittelalters häufig und gerne verehrt. Der Ritter Gottfried Lesch von Erlbach, der die Glasfenster für den Abschluß des Ostchores von St. Jakob stiftete, ließ dort nicht nur sich selbst, sondern auch den heiligen Jacobus als Patron des Gotteshauses und die heilige Elisabeth als Patronin des Deutschordens darstellen 74. Der Apostel ist nicht nur durch ein Buch mit einer Muschel auf dem Deckel, sondern auch durch die Beischrift S(ANCTVS) · ]ACOBVS · identifiziert; zu seinen Füßen knien zwei Adoranten in Pilgertracht, Stab, 73 RESS,Stadt Rothenburg (wie Anm. 3) S. 89 Abb. 22 (Foto vor 1907 mit der Ehetür und den beiden später entfernten Statuen), S. 92, S. 112, S. 206, S. 508 Abb . 438 (der trauernde Johannes). Zu Heilmaier der Artikel von Georg LILL in : Allgemeines Lexikon 16, begr. THIEME/ BECKER(wie Anm. 63) S. 273 mit dem Hinweis auf die Portalfiguren an St. Jakob in Rothenburg 1910/ 12 [! ]; 1895, nachdem er die große Medaille der Akademie in München erhalten hatte, bereiste Heilmaier Frankreich und Spanien. 74 Hartmut SCHOLZ, Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros), Corpus Vitrearum Medii Aevi, Deutschland, X/ 1, 2 Teile (Berlin 2002), hier 1 S. 416-496 , bes. S. 443 Nr . 1/ l'b, S. 445 Fig. 316, 2 696 Abb. 327; REss, Stadt Rothenburg (wie Anm . 3) S. 132-141; Dietrich LUTZ (Bearb.), Die Inschriften der Stadt Rothenburg ob der Tauber (Die Deutschen Inschriften 15, München 1976) S. 11 f. Nr. 22; Gottfried FRENZEL, Die mittelalterlichen Glasgemälde zu Rothenburg ob der Tauber. Verfall und Rettung, in: 500 Jahre, hg . vom Kirchenvorstand der Ev.-Luth . Kirchengemeinde St. Jakob Rothenburg o. d. T. (wie Anm. 3) S. 139-144. Gottfried war übrigens entgegen manch populärem Märchen kein Deutschordensritter; nicht einmal als Mitglied der Deutschordensbruderschaft, StaR B 539 fol. 5r-10r, in Rothenburg ist er nachweisbar. <?page no="68"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 68 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 68 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 56 Karl Borchardt Abb . 3ab: Die Heiligen Jakob (Nr. 1059) und Elisabeth (Nr. 1061) aus dem durch Gottfried Lesch gestifteten Glasfenster im Ostchor der dem Deutschorden unterstehenden Stadtpfarrkirche St. Jakob (mit freundlicher Genehmigung aus dem Bildarchiv von St. Jakob, Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakob, Rothenburg) Umhang, Wapdertasche und breitkrempiger Hut mit angesteckter Muschel, übrigens ein früher Beleg für die Befestigung der Muschel am Hut; auch Elisabeth von Thüringen wird durch eine Beischrift· S(ANCTA) · ELIZABET und zu ihren Füßen statt des sonst üblichen Bettlers durch einen vornehm gekleideten Beter charakterisiert. Abgesehen von dem Siegeltypar der Deutschordenskommende handelt es sich hierbei um das früheste Zeugnis der Jacobusverehrung in Rothenburg (Abb. 3ab); daß der Apostel insbesondere Pilger beschützt, mag gerade im Ostchor hinter dem Hauptaltar, auf dem während der Hauptmesse in der Kirche die Wandlung erfolgte, auf die Heilig -Blut-Reliquie anspielen, die zahlreiche schutzbedürftige Pilger nach Rothenburg zog. <?page no="69"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 69 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 69 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 ]acobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 57 Als bedeutendstes Zeugnis der Jacobus-Verehrung in Rothenburg darf der 1466 von dem aus einer in Rothenburg beheimateten Familie stammenden, aber in Nördlingen tätigen Friedrich Herlin für die Stadtpfarrkirche seines Heimatortes geschaffene Hauptaltar gelten 75. Seine beiden Flügel zeigen bei geschlossenem Zustand jeweils vier Szenen, angelehnt an die Legenda aurea des Jacobus de Voragine (t 1298), die verbreitetste Legendensammlung des Spätmittelalters, (1) Predigt und Gefangennahme, (2) Enthauptung, dabei im Vordergrund Herodes Agrippa, im Hintergrund die Überführung des Leichnams durch einen Nachen an die Küste Spanien, (3) Fahrt des Leichnams auf einem von zwei Stieren gezogenen Wagen in die Stadt und in den Palast der heidnischen Königin Lupa, (4) bis (8) das Galgenwunder: Ein Wirt versteckt heimlich einen goldenen Becher in der Tasche eines Pilgers. Als man den älteren Pilger des Diebstahls bezichtigt, läßt dessen Sohn sich abführen und wird gehenkt. Von Santiago zurückkehrend findet die Pilgergruppe den Sohn noch lebend am Galgen. Der Vater geht in die Stadt und meldet dies dem Richter. Zur Rede gestellt, ruft der Wirt aus, der Gehenkte lebe so wenig wie die Hühner, die der Küchenjunge gerade am Spieß brate. In diesem Augenblick fliegen die Hühner lebend vom Bratspieß weg. Dadurch überführt wird der Wirt nun selbst gehenkt7 6 • Daß ein Heiliger einen unschuldig Verurteilten am Galgen stützt, er- 75 Georg LENCKNER/ Wilhelm DANNHEIMER/ Heinrich SCHMITT,Das Berlin-Problem der Lösung nahe, Die Linde 44 (1962) S. 49-51, S. 65-68; Kurt MARTIN,Ein unbekannter Altar von Friedrich Herlin und seine Herkunft, Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 3/ 2 (1951) S. 89-104; Hans RAMISCH,Der rechte Flügel eines Kreuzaltars von Friedrich Herlin in der ehemaligen Stiftskirche Herrieden, Jahrbuch der bayerischen Denkmalpflege 28 (1970/ 71) S. 152-166; Volker LIEDKE,Zwei Rechnungsbelege zur Ausführung des Hochaltars in der Jakobskirche zu Rothenburg ob der Tauber. Ein Werk des Nördlinger Malers Friedrich Herlin vom Jahr 1466, Ars Bavarica 13 (1979) S. 43-52; Hartmut KROHM,Bemerkungen zur kunstgeschichtlichen Problematik des Berlin-Retabels in Rothenburg o.T., Jahrbuch der Berliner Museen 33 (1991) S. 185-208; Eike ÜELLERMANN, Die Schnitzaltäre Friedrich Berlins im Vergleich der Erkenntnisse neuerer kunsttechnologischer Untersuchungen, Jahrbuch der Berliner Museen 33 (1991) S. 213-238; Ralf KRÜGER, Friedrich HERLIN: Maler und Altarbauunternehmer Qahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg e.V./ Rothenburg 2004). 76 REss, Stadt Rothenburg (wie Anm. 3) S. 154-156, S. 164f. Abb. 88f.; ebd. S. 171-173 mit Abb. 94 f. die 1582 durch Martin Greulich geschaffenen, 1922 wieder entfernten Übermalungen mit Szenen aus der Passion Jesu Christi. Beschreibung bei Elisabeth PETERSEN, Jakobus- und Pilgerdarstellungen in Franken, in: Jakobus in Franken, hg. von KNIFFKI(wie Anm. 23) S. 55-82, hier S. 64, 66/ 69. GRAESSE, Legenda aurea (wie Anm. 70) S. 490-494, wo das Galgenwunder unter Berufung auf Papst Kalixt II. einem Deutschen im Jahre 1020 zugeschrieben wird; zur Verbreitung Barbara FLEITH, Studien zur Überlieferungsgeschichte der lateinischen Legenda aurea (Subsidia Hagiographica 72, Brüssel 1991). S. KIMPEL,s. v.Jakobus der Ältere, in: Lexikon für christliche Ikonogrpahie 7 (Freiburg/ Br. 1974) Sp. 23-39, besonders Sp. 24, Sp. 34. <?page no="70"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 70 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 70 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 58 Karl Borchardt zählte man auch von Hieronymus, Martin, Antonius und anderen. Die Hühnergeschichte wurde zuerst 1418 berichtet durch den Seigneur de Caumont, was unterstreicht, wie aktuell die Darstellung in Rothenburg war 77• Auf diesen Hauptaltar von Friedrich Berlin, dessen Schrein im Zentrum eine Kreuzigung mit Maria und Johannes, links Maria Elisabeth und Jacobus, rechts Leonhard und Antonius den Eremiten zeigt, blickte übrigens der Apostel Jacobus aus der Abendmahlsszene im Schrein des Heilig-Blut-Altars auf der Westempore, eine paraliturgisch bemerkenswerte Bezugnahme, welche heute die vor dem Werk Tilman Riemenschneiders plazierte Orgel verstellt 78. Friedrich Berlin versetzte das Geschehen um den heiligen Jakob nach Rothenburg und gab dem Palast der Königin Lupa das Aussehen des zweiflügeligen, im Vorderteil 1501 abgebrannten Rathauses am Marktplatz zu Rothenburg; die St. Jakobskirche war dabei Staffage im Hintergrund 79. Ziemlich genau die gleiche Ansicht des Rothenburger Markplatzes verwendete Friedrich Berlin erneut bei dem Flügelaltar, den er laut Inschrift 1472 für die Pfarrkirche der kleinen Reichsstadt Bopfingen unweit von Nördlingen schuf. Dargestellt wird dort auf der Außenseite des vom Betrachter aus linken Altarflügels, wie der heilige Blasius, der Patron dieser Kirche, beim Betreten einer Stadt vor dem Tor verhaftet wird; dies hindert ihn jedoch nicht, sich einer armen Frau zuzuwenden und deren einzigen Besitz, ein Schwein, vor einem Wolf zu schützen. Hinter der Stadtmauer erkennt man das zweiflügelige gotische Rathaus und den Marktplatz von Rothenburg ob der Tauber 80. In der Kirche zu Bopfingen wirkte der heilige Blasius Wunder, nachdem Graf Johann von Helfenstein, Domkanoniker zu Straßburg, einen Oberarm- 77 Klaus HERBERS, Ein neuer Beleg zum Galgenwunder aus Geisling bei Regensburg, in: Sternenweg/ Deutsche St. Jakobus-Gesellschaft e.V. 8 (Aachen 1991) S. 8-13; Albrecht GRIBL,Die Legende vom Galgen- und Hühnerwunder in Bayern, Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde (1976/ 77) S. 36-52; Jeanne VIELLIARD, Le Guide du Pelerin de St-Jacques de Compostelle (Macon 1938). 78 Johannes RAU,Der Heilig-Blut-Altar. Theologische Deutung, in: 500 Jahre, hg. vom Kirchenvorstand der Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakob (wie Anm. 3) S. 107-122, hier S. 118 Abb . 79 der Kopf des J acobus; für den Hinweis auf die ursprüngliche Blickrichtung danke ich Ekkehart Tittmann und Lore Vogel, Rothenburg. 79 BUBERL,Bilder und Maler (wie Anm. 69) S. 374. Daß der Galgen, an dem der Sohn des Pilgers hing, als sichtbare Mahnung an einer Straße stand, ist freilich keine Besonderheit von Rothenburg. 80 Julius BAUMs.v.Herlin, Friedrich, in: Allgemeines Lexikon, begr. von THIEME/ BECKER (wie Anm. 63) 16 (Leipzig 1923, ND München 1992) S. 481 f.; Hermann BAUMHAUER, Der Herlin-Altar zu Bopfingen und seine Stadtkirche (Stuttgart/ Aalen 1972); DERS., Kunst- und Kulturdenkmale, in: Bopfingen. Landschaft - Geschichte - Kultur, hg. von der Stadt Bopfingen (Stuttgart 1992) S. 133-144, hier S. 133-135 u . Farbabb. Taf. 22a. <?page no="71"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 71 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 71 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 59 knochen des heiligen Blasius dorthin geschenkt und der zuständige Augsburger Diözesanbischof Peter von Schaumberg 1465 dazu Ablaß erteilt hatte; 178 Heilungen, die man dem heiligen Blasius zuschrieb, wurden 1512 durch den Pfarrer Ulrich Kün, die beiden Heiligenpfleger Jakob Reutter und Jakob Osterholzer sowie den Stadtschreiber Burkhard Heynlin in einem erneuerten Mirakelbuch niedergelegt8 1. Ein drittes Mal hat Friedrich Herlin eine Ansicht von Rothenburg, kenntlich unter anderem an der Jakobskirche mit ihren beiden Türmen, als Hintergrund verwendet, nämlich bei der Flucht nach Ägypten auf dem Hauptaltar für die Stadtpfarrkirche St. Georg in Nördlingen 8 2. Solche topographisch genauen, für die zeitgenössischen Betrachter erkennbaren Vergegenwärtigungen eines biblischen oder sonst heiligen Geschehens verbreiteten sich im 15. Jahrhundert nördlich der Alpen von den Niederlanden aus. Bei Friedrich Herlin entsprechen sie völlig seiner auch motiv- und technikgeschichtlich belegten Beeinflussung durch Rogier van der Weyden und ähnliche Maler, deren Werke er unter anderem bei Besuchen in Köln studierte. Der intendierte Zweck der topographischen Vergegenwärtigungen ist ebenfalls klar. Die Künstler und ihre Auftraggeber waren getrieben von der Angst um ihr Seelenheil und versicherten sich der Gültigkeit des Evangeliums und der Hilfe der Heiligen, indem sie biblisches oder legendäres Geschehen nicht bloß mit nach zeitüblicher Mode gekleideten Personen und in zeittypischen Bauten ablaufen ließen, sondern auch an deutlich erkennbaren Orten ihrer Heimat. Nur ein weiteres, besonders bekanntes Beispiel sei hier angeführt, der Altar für die Prämonstratenserkirche St. Andreas in Lüneburg von Hans Bornemann, wo der Sturz vom Pferd und Tod des Statthalters Aegeas, der den Apostel hatte hinrichten lassen, vor der Stadtsilhouette von Lüneburg erfolgen, die so detailgetreu wiedergegeben ist, daß sich aus dem Baufortschritt der Kapelle St. Gertrud die Datierung 1444/ 47 ergibt8 3. Eine genaue Kenntnis 81 24 Pergamentblätter im Besitz des Evangelischen Pfarrarchivs Bopfingen: Wolfgang lRTENKAUF, Das Bopfinger Mirakelbuch, in: Bopfingen. Landschaft - Geschichte - Kultur (wie Anm . 80) S. 155-157. Wichtig ebd. S. 156: "Die volkstümliche Annahme, es habe eine Blasius-Wallfahrt nach Bopfingen gegeben, muß ausgeschieden werden. Wallfahrten finden stets in Gemeinschaft, in Form einer Prozession statt. Davon ist in dem Mirakelbuch nirgendwo die Rede. Immer ist es der einzelne, der sich Blasius "anvertraut", nie geschieht ein öffentliches „Wunderwerk". 82 Wilhelm DANNHEIMER, Eine Rothenburger Stadtansicht aus der Zeit zwischen 1462 und 1480, Die Linde 35 (1953) S. 18-22; Fritz SCHMIDT, Bildervergleich, Die Linde 35 (1953) s. 22f. 83 Hans Georg GMELIN, Gotische Tafelmalerei in Norddeutschland, in: Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150-1650 4, hg. von Cord MECKSEPER(Stuttgart/ Bad Cannstatt 1985) S. 413-447, hier S. 423 f. Allgemein Pierre LAVEDAN, Representation des villes dans l'art du Moyen Age (Paris 1954); <?page no="72"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 72 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 72 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 60 Karl Borchardt der Topographie von Santiago, wie sie durch häufige Pilgerfahrten dorthin sich verbreitet haben müßte, schließt das Vorgehen des Friedrich Herlin bei Licht betrachtet aus. Wenn man die Orte genauer kannte, z.B. Jerusalem mit seiner Grabeskirche, dann ahmte man sie schon im Spätmittelalter wie später bis in den Barock hinein nach 84, um sich des Heilsgeschehens zu vergewissern. Jedenfalls bezeugt die Tatsache, daß Santiago durch Herlin wie Rothenburg dargestellt wurde, lediglich die Seelenangst des späteren Mittelalters, wie sie sich später auch in Luthers Kampf um einen gerechten und/ oder gnädigen Gott äußerte 85, und dazu die Wichtigkeit der Jacobus-Verehrung in Rothenburg, denn der Apostel war schließlich Patron der Stadtpfarrkirche, aber nicht die Bedeutsamkeit der Pilgerfahrt nach Santiago für Rothenburg. Mustert man sonst erhaltene und überlieferte bildliche Darstellungen, vor allem eine Statue nahe der Topplerkapelle in St. Jakob und eine wohl ein halbes Jahrhundert jüngere Statue, die heute am Lettner der Franziskanerkirche steht 86, den Schlußstein im sogenannten Pfaffenstüblein über Claudia BUTTAFAVA, Visioni di citta nelle apere d'arte de! medioevo e de! rinascimento (Mailand 1963); Wolfgang BEHRINGER/ Bernd ROECK (Hgg.), Das Bild der Stadt in der Neuzeit 1400-1800 (München 1999). Statt Rothenburg benutzte Wolfgang Katzheimer der Ältere Bamberg als Hintergrund der Jakobslegende: Peter JOHANEK,Die Mauer und ihre Heiligen. Stadtvorstellungen im Mittelalter, in: ebd. S. 26-38, hier S. 38. 84 Gunhild ROTH, Das „Heilige Grab" in Görlitz, in: Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa, hg. von HERBERS/ BAUER(wie Anm. 38) S. 259-283, eine Stiftung des Georg Emerich (t 1507), seit 1483 mehrfach Bürgermeister in Görlitz, der 1465 zur Strafe für eine Vergewaltigung in Jerusalem gewesen war. 85 Jetzt zusammenfassend Berndt HAMM,Theologie und Frömmigkeit im ausgehenden Mittelalter, in: Handbuch der Geschichte der evangelischen Kirche in Bayern 1: Von den Anfängen des Christentums bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, hg. von Gerhard MÜLLER/ Horst WEIGELT/ Wolfgang ZORN (St. Ottilien 2002) S. 159-211, hier S. 185-203. Vergleichbar ist das Kryptoporträt oder Inkognito-Bildnis, wenn z.B. der heilige Kilian mit den Zügen des Würzburger Bischofs Rudolf von Scherenberg (gest. 1495) ausgestattet wird: Karl BORCHARDT, Der hl. Kilian als Symbolfigur des Bistums Würzburg im Spätmittelalter, in: Kilian, Mönch aus Irland aller Franken Patron, hg. von Johannes ERICHSENunter Mitarbeit von Evamaria BROCKHOFF (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 19, München 1989) S. 373-382, hier S. 378 u. Abb. 121-123. 86 Vielleicht ursprünglich aus der östlich an die Topplerkapelle anschließende Spörleinkapelle zu St. Jakob; freundlicher Hinweis Lore Vogel, Rothenburg. Eine genauere Untersuchung steht aus. RESS,Stadt Rothenburg (wie Anm. 3) S. 202 u. S. 201 Abb . 126, S. 264 u. 266 Abb . 193. BECKER, Reichardsroth (wie Anm. 34) S. 120 parallelisiert die Jacobus-Figur in der Franziskanerkirche mit einer einige Jahrzehnte jüngeren Liborius-Statue, inschriftlich 1492 datiert, nach den Wappen gestiftet von dem Ehepaar Hans J agstheimer und Kunigunde Schmidmair, nach Beckers Meinung so auch schon RESS, Stadt Rothenburg (wie Anm. 3) S. 264 und Hermann HOFFMANN,Das Barfüßer-Kloster Rothenburg ob der Tauber (Bavaria Franciscana <?page no="73"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 73 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 73 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 ]acobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 61 der Sakristei der Jakobskirche, der die Pilgermuscheln und den Pilgerstab zeigt, verstanden als Wappen des heiligen J acobus 87, aber auch die Altarstiftungen, so ist Jacobus als Patron der städtischen Hauptkirche in Rothenburg zweifellos angemessen vertreten. Doch eine überragende Verehrung, wie man sie erwarten müßte, wenn Pilgerfahrten nach Santiago religiös und wirtschaftlich für die Stadt irgendwie bedeutsam gewesen wären, läßt sich nicht erweisen. Andere spätmittelalterlich beliebte Heilige wie Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist, die Apostel Petrus und Paulus, aber auch Leonhard, Sebastian, Rochus, Christophorus, Antonius der Eremit, Barbara, Maria Magdalena und Elisabeth von Thüringen wurden in Rothenburg ebenfalls oft gemalt oder skulptiert; zieht man die Gesamtdarstellungen aller Apostel ab 88, dann bleibt für Jacobus in Rothenburg sogar eine geringere Zahl an Wiedergaben als für viele der oben genannten Modeheiligen. Einen noch eindrucksvolleren Befund ergeben, wie Ludwig Schnurrer in diesem Sammelband ausführt, die in Rothenburg gebräuchlichen Rufnamen; Jakob kam vor, aber keineswegs häufig. Nach gegenwärtigem Wissensstand wird man somit zwei Tatsachen über Jacobus, den Deutschen Orden und Rothenburg wissenschaftlich vertretbar formulieren dürfen: (1) Jacobus war ein beliebter Heiliger der Stauferzeit, ein Apostel, den gerade süddeutsche Dynasten 89 und deren Ministerialen gerne verehrten. Daß J acobus Patron der Hauptkirche in der neuen Stadt Rothenburg wurde, ist damit hinreichend erklärt. Ob dies bereits durch die staufischen Stadtgründer im 12. Jahrhundert geschah, was plausibel wäre, oder erst gut 100 Jahre später durch den Deutschen Orden, ist demgegenüber ein Problem zweiten Ranges; wir müssen das letztlich of- Antiqua 3, München 1957) S. 517-689, hier S. 534 eine Sühnegabe an Stelle einer Wallfahrt nach Paderborn. Becker mutmaßt einen analogen Anlaß für die Entstehung der Jacobus-Figur. Die Konkurrenz der Stifter aus den ratsfähigen Familien thematisiert er nicht. Zu den Stiftungen durch Heinrich Toppier (t 1408) und Hans Spörlein (t 1426) RESS, Stadt Rothenburg (wie Anm. 3) S. 98f.; BORCHARDT,Geistliche Institutionen (wie Anm. 3) S. 60-62; LUTZ,Inschriften (wie Anm. 74) S. 22 Nr. 40, S. 27 Nr. 54f., S. 53 Nr. 124 [Liborius]. 87 RESS,Stadt Rothenburg (wie Anm. 3) S. 115. 88 RESS,Stadt Rothenburg (wie Anm. 3) S. 553 Index. 89 Zu St. Jakob in (Schwäbisch) Hall und seinem geschichtlichen Kontext Gerhard Lubich in diesem Sammelband. Grundlegend Robert PLöTZ, Santiago-peregrinatio (wie Anm. 10); jetzt auch DERS.,Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft unter besonderer Berücksichtigung Frankens, in: Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa, hg. von HERBERS/ BAUER(wie Anm. 38) S. 175-229, hier S. 189- 227. Einschränkend ist lediglich anzumerken, daß die fehlenden Belege für die Pilgerfahrt nach Santiago, hier S. 200-202, nicht weiter auffällig sind, weil die nachweislich engen Beziehungen der Kirchenreform zu den Dynasten und Rittern, hier S. 209 f., die relative Beliebtheit von St. Jakob in dieser Zeit ausreichend erklären. <?page no="74"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 74 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 74 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 62 Karl Borchardt fen lassen, ebenso die damit verknüpfte Frage, ob nicht der im N eumünster zu Würzburg verehrte St. Kilian erster Patron der Hauptkirche in Rothenburg war, auch wenn Indizien dafür aus der frühneuzeitlichen Chronistik und aus der spätmittelalterlichen Gottesdienstordnung in St.Jakob eher schwach sind. (2) Selbstverständlich wurde Jacobus in Rothenburg verehrt, genau wie im Umland, wo stauferzeitliche Ritter ihm kleinere Kirchen und Kapellen dedizierten. Die Verehrung des Jacobus schloß selbstverständlich die Kenntnis der Legende, des Apostelgrabes in Galizien und der Pilgerfahrt dorthin ein. Der Herlin-Altar 1466bildet das szenenreich ab, wobei Santiago so dargestellt wurde, wie Rothenburg im Jahre 1466 aussah; der Herlin-Altar ist daher eine herausragende Bildquelle zur Stadtgeschichte Rothenburgs. Daß aber die Pilgerfahrten nach Santiago für Frömmigkeit und Wirtschaft in Rothenburg und seinem Umland während des Mittelalters erhebliche Bedeutung gehabt hätte, dafür bieten weder die Geschichte noch die Kunstgeschichte oder die Archäologie ernstzunehmende Anhaltspunkte. Diese Feststellungen haben Gewicht, denn die Quellenüberlieferung für Rothenburg im Spätmittelalter ist relativ gut und der Forschungsstand trotz einzelner Defizite siehe Häuserforschung insgesamt gar nicht so schlecht. Was immer man über Ost-West-Verbindungen mutmaßt, die Nord-Süd-Richtung hatte für Rothenburg eindeutig Vorrang. Das bezeugen die Johanniterspitäler in Reichardsroth nördlich von Rothenburg und in der Stadt selbst am südlichen Ausfalltor 90 , ebenso die nach Süden vorgeschobene Lage des Neuen oder Heilig-Geist-Spitals, das nach einigen Jahrzehnten das Alte Spital der Johanniter ablöste. Das bezeugen Geleitsrechte und ihre Verbriefungen, Zollstellen und Handelsverbindungen, beispielsweise Rothenburgs Wollexport nach Oberitalien. Nicht allein kirchen- und wallfahrtsgeschichtliche Tatsachen, sondern auch das landesgeschichtliche Gesamtbild führt daher nach meiner Auffassung zwingend zu der Einsicht: Was man aufgrund der Initiativen von Pfarrer Paul Geißendörfer seit einigen Jahren als Jacobusweg von Nürnberg über Heilsbronn nach Rothenburg kennt, das hat keine 90 Die „Arbeitshypothese" von Thomas Igor C. BECKER, Von Reichardsroth (wie Anm. 34) S. 126 f., früheJohanniterhäuser in Süddeutschland hätte der „Santiagowallfahrt" (gemeint sind Pilgerfahrten nach Santiago) gedient und könnten so ein „Jakobswegenetz" anzeigen, ist geradezu ein Musterbeispiel, auf welche Irrwege Wissenschaft immer wieder durch äußere Einflüsse, hier einen modischen Jacobus-Ku! t, geraten kann. Natürlich lagen Spitäler und Kommenden der Johanniter oft an frequentierten Straßen, doch die wurdenim Mittelalter nicht anders wie heutekeineswegs nur von Pilgern, geschweige denn nur von Santiagopilgern benutzt. <?page no="75"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 75 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 75 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 ]acobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 63 Entsprechung in der mittelalterlichen Vergangenheit der Region, das ist vielmehr ein Produkt der Frömmigkeit, vielleicht auch der Fremdenverkehrswerbung der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts. Einzelne Pilger nach Santiago mögen hier im Mittelalter durchzogen sein; geschichtliche Bedeutung für Rothenburg und sein Umland hat dies nicht gehabt. Historisch wirkmächtig war die Pilgerfahrt nach Santiago allem Anschein nach nur in jenen Regionen westlich der Rhone und südlich der Loire, wo die Pilgerseharen in der Tat solche Quantitäten erreichten, daß für sie eigens Wege ausgebaut, Brücken befestigt, Hospize errichtet und Spitäler gestiftet sowie mitunter Bruderschaften fundiert wurden 91. In deutschsprachigen Gebieten westlich und südlich des Rheins, also immer noch weit von Rothenburg entfernt, wird man nicht wirklich von Pilgerstraßen nach Santiago reden dürfen, obwohl diese Regionen zwangsläufig von allen Santiagopilgern aus Mittel- und Osteuropa, die den Landweg benutzten, durchquert werden mußten 92 • In Franken allgemein und in Rothenburg speziell wurden Brücken, Hospize und Spitäler nicht für Pilger nach Santiago errichtet. Bruderschaften gab es zwar in Rothenburg, gerade weil Zünfte hier wie in Nürnberg verboten waren. Doch diese Bruderschaften gruppierten sich wie üblich um die verschiedenen Kirchen und Ordensniederlassungen; mit der Förderung der Pilgerfahrt nach Santiago hatten sie nichts zu tun 93. Interessierte 91 Grundlegend Luis VAZQUEZ DE PARGA/ Jose Maria LACARRA/ Juan URfA Rfu, Las peregrinaciones a Santiago de Compostela 1-3 (Madrid 1948/ 49); Elias VALINA SAMPEDR0, EI camino de Santiago. Estudio hist6rico-juridico (Monograffas de historia eclesiastica, Madrid 1971, ND 1985). Zur Organisation Ludwig SCHMUGGE, Die Anfänge des organisierten Pilgerverkehrs im Mittelalter, Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 64 (1984) S. 1-83; DERS., Zu den Anfängen des organisierten Pilgerverkehrs und zur Unterbringung und Verpflegung von Pilgern im Mittelalter, in: Gastfreundschaft, Taverne und Gasthaus im Mittelalter, hg. von Hans Conrad PEYERunter Mitarbeit von Elisabeth MüLLER-LUCKNER (Schriften des Historischen Kollegs: Kolloquien 3, München 1983) S. 37-60 . 92 Jolanda BLUM, Jakobswege durch die Schweiz . Unterwegs auf Etappen der Pilgerreise nach Santiago de Compostela (Thun 1998); Werner GöTTLER, Jakobus und die Stadt Luzern am Weg nach Santiago de Compostela (Luzerner Historische Veröffentlichungen 35, Basel 2001); BERBERS, Wo! auf (wie Anm. 18) S. 66 bemerkt, daß Ausdrücke wie „Jakobsstraßen" oder „Jakobswege" für den süddeutschen Raum fehl am Platze sind. 93 B0RCHARDT,Geistliche Institutionen (wie Anm. 3) S. 710-712. Ohne Quellenbeleg behauptet LIPP,Weg nach Santiago (wie Anm . 23) S. 129, in Rothenburg habe es eine Jacobusbruderschaft gegeben. Allgemein Kathrin TREMP-UTZ,Eine spätmittelalterliche Jakobusbruderschaft in Bern, Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 77 (1983) S. 47-93; Klaus MILITZER, Jakobsbruderschaften in Köln, Rheinische Vierteljahrsblätter 55 (1991) S. 85-135; DERS., Jakobsbruderschaften im Kontext der Kölner Laienbruderschaften, in: Stadt und Pilger, hg. von BERBERS(wie Anm. 24) S. 201-211. <?page no="76"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 76 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 76 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 64 Karl Borchardt Kreise mögen heute dafür werben, ähnliche spirituelle Erfahrungen wie einst die mittelalterlichen Pilger durch eine Wanderung von Nürnberg nach Rothenburg oder auf anderen, neu kreierten „caminos de Santiago" zu machen . Aber das darf keine Lizenz zum Erzählen von Märchen über die mittelalterliche Geschichte sein. Wer für Rothenburg und sein Umland von einem „historischen Pilgerweg" nach Santiago redet, begeht eine Geschichtsklitterung. Einzelne Pilger nach Santiago sind hier nicht nachzuweisen, aber natürlich auch nicht auszuschließen . Was man anhand der relativ dichten Überlieferung für Kirche und Frömmigkeit in Rothenburg jedoch sicher ausschließen kann, ist das Auftreten solcher Santiago-Pilger in historisch gewichtigen Größenordnungen . Selbst wenn einmal eine Reisegesellschaft, die später auch Santiago besuchte, durch die Gegend kam, war damit nicht notwendig der Besuch von St. Jakob in Rothenburg verbunden: Der böhmische Adelige Leo von Rozmital und in seiner Begleitung der nürnbergische Patrizier Gabriel Tetzel berührten 1465 nur Ansbach und Crailsheim 94 . Dem Pilgern nach Santiago insgesamt kam, soviel darf man festhalten, quantitativ im fränkischen Gebiet um Rothenburg während des hohen und späten Mittelalters keinerlei religiöse oder ökonomische Bedeutung zu; in vorreformatorischer Zeit hat es hier keinen „camino de Santiago" gegeben. Abb. 4: Muschel aus einer Latrine beim Schloß von Uffenheim nördlich Rothenbu rg (mit freundlicher Genehmigung dur ch Herrn Ferdinand Seehars, Uffenheim) 94 HERBERS, Wo! auf (wie Anm. 18) S. 71; Michael STOLZ, Die Reise des Leo von Rozmital, in: Deutsche Jakobspilger, hg . von H ERBERS(wie Anm. 64) S. 97-121. Entgegen dem klaren Quellenbefund wird bei BAYER, Nürnberg-Rothenburg (wie Anm . 23) S. 19 gemutmaßt, Gabriel Tetzel habe die Wegstrecke zwischen Nürnberg und Rothenburg o. d. T. als Jakobspilger bereist. <?page no="77"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 77 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 77 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 facobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 65 Anhang: Edition 1) 1403 Oktober 20: Heinz Leicht von Schmalkalden versöhnt sich mit der Stadt Rothenburg wegen des von ihm begangenen Totschlagsan deren Bürgern Ulrich Sattler und Heinz Knöpflein sowie wegen anderer Streitigkeiten. Er soll ein Steinkreuz machen lassen an die Wegscheide in der Gegend, wo er die Tat beging, 30 Pfund Wachs nach Rothenburg schicken sowie nach Aachen und gleich anschließend zu St. joß pilgern bis zum nächstenjakobstag (1404Juli 25). Außerdem soll er in den nächsten drei Jahren jährlich einmal auf Ansuchen der Stadt zu Pferde oder sonst dienen, wie er es dem Bürgermeister Peter Northeimer geschworen hat. Erbetene Siegler der Abt Hermann von St. Burkhard zu Würzburg und Eberhard von Grumbach zu Rimpar. -Ausfertigung StaR U 913, Pergament, 24,5 cm breit, 23,5 cm hoch, mit zwei anhängenden Siegeln, (1) Abt Hermann Lesch beschädigt, Familienwappen erhalten, (2) Eberhard von Grumbach erhalten. Ich, Heintz Leicht von Smalkalden, bekenn und thun kunt off ennlichen mit disem brieff vor aller meniglichen umb sulch totsleg, die ich vor ziten geton und begangen han an Vlrichen Satler und Heintzen Knopfflein, bed burger zu Rotenburg, und umb alle andere misshellung und zwytrachte, die ich bisher gehabt han mit den erbern, weisen luten, burgermeistern, rate und burgern gemeinlichen der stat zu Rotenburg uff der Tauber, wie sich die alle verlauffen und vergangen haben bis uff disen hutigen tag, das ich dorumb gutlich und fruntlich mit den egen(anten) von Rotenburg verricht, versünet und vereint bin, also das ich nü furbas ewiclichen, die weil ich lebe, der von Rotenburg schaden warnen und iren frumen werben sol getrewlichen und nymmermer wider sie nach[/ ] alle die iren gemeinlichen oder besunder sein sol nach[! ] wil in dhein wyse ongeverde. Und wer sach, das ich zu in oder den iren reht zu sprechen hete oder gewünne, dorumb sol ich mich on widerrede an früntlichem rechten gnügen lassen in irr stat vor irem amptmann und nach irr stat recht und gewonheit ungeverlichen. Und umb sulch abgeschriben totslege sol ich ein steine crütz lassen machen und setzen an die wegscheiden der gegent, do ich den schaden geton han. Ich sol auch dreyssig pfünt wahs antwurten gen Rotenburg in die stat und ein Ochfarta) und ein Josfart uff eim gang thun, alles hie zwischen und sant Jacobs tag, der nehst kumpt. Auch sol ich den egenanten von Rotenburg in disen nehsten drewen joren zu dinst reiten ydes jors ein mol, wann sie mich des ermanen, uff ire kost und uff meinen schaden. Wer aber, das sie mich also ermanten in den drewen joren, in zu dinst zu kumen, welchs <?page no="78"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 78 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 78 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 66 Karl Borchardt jors das were, und das ich uff die zeit niht zu reiten hete, dannach sol ich in zu dinste kumen als gende und den dinst volfuren ungeverlichen, als ich das alles mit hantgeben trewen Peter Northeimer zu den ziten burgermeister zu Rotenburg an sein hant globt han, wor, vest und stet zu halten on all geverde. Und han auch des ein gelerten eyt zu Got und zu den heiligen mit uffgeboten vingern gesworen, das alles zu volfuren und zu halten getrewlich, als vor geschriben stet, ungeverlichen. Und des zu worem urkund und besser sicherheit han ich fleissig gebeten den erwirdigen forsten und herren, hern Herman, apte zu sant Burkart zu Wirtzburg, und b)Eberhart von Grumbach tzu Rynpur gesessen,b) das sie ire insigel zu gezugnüsse in on schaden gehangen haben an disen brief, mich aller obgeschriben rede damit zu besagen, wann ich eigens insigels niht enhan, on all geverde. Der brief ist [geben], do man zalt nach Christi geburt viertzehenhundert jor im dritten jore am sampstag nach sant Gallen tag. a) Achfart post corr. b-b) post rasuram . 2) 1404 Mai 17: Der Stiftskustos von St. Marien in Aachen bestätigt, daß Bruder Konrad Greuer für Heinrich Leicht die Marienkirche besucht hat wegen des Seelenheils eines Getöteten, dessen Namen er nicht kennt, und als besondere Bußleistung an die Stadt Rothenburg ob der Tauber. - Ausfertigung StaR U 914, südliches Pergament, 22,5 cm breit, 6 cm hoch, als Transfix an StaR U 913, mit abhängendem, stark beschädigten Siegel. Nos, custos ecclesie beate Marie virginis Aquisgrani, recognoscimus fratrem Conradum dictum Greüer, latorem presentium, missum ex parte Heinrici dicti Lychte ob salutem anime quondam unius occisi, cuius nomen ignorat, necnon pro speciali emenda opidanorum in Rotenburg an der Düber limina ecclesie beate Marie predicte humiliter et devote visitasse. Quod sub sigillo custodie nostre presentibus appenso protestamur. Dat. anno Domini CCCCm 0 quarto in vigilia Penthecostis. Resumen: En Rothenburg ob der Tauber, una ciudad imp.erial fundada por los Hohenstaufen en el siglo XII y protestante desde 1544, la principal iglesia parroquial esta bajo el patrocinio de Santiago . Corno consecuencia de una incorporaci6n que tuvo lugar en 1258, dependfa de la Orden Teut6nica, que estableci6 una encomienda en dicho lugar a finales del siglo XIII. No puede probarse que San Kilian fuera elprimer patrono de esta iglesia, dependiente de la colegiata de Neumünster de Würzburg, el lugar de entierro de Kilian, hasta 1258. Tampoco puede comprobarse que la Orden Teut6nica llevara el patrocinio de Santiago a Rothenburg . Resulta es- <?page no="79"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 79 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 79 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg 67 pecialmente convincente la teorfa de que Santiago un santo caballeresco venerado por los Hohenstaufen, asf como por los prfncipes, nobles y ministeriales que les eran cercanos fuera el patrono de la nueva iglesia desde su fundacion en el siglo XII y que fuera meramente adoptado por la Orden Teutonica . El sello de la encomienda de la Orden Teutonica muestra a Santiago, el sello de la parroquia urbana, en cambio, a San Pedro, el patrono de la iglesia madre en Detwang. Corno patrono de la iglesia principal de la ciudad, es natural quese venerara a Santiago en Rothenburg. Al contrario de cuanto se ha dicho, las peregrinaciones a Santiago de Compostela no desempeiiaron un rol muy importante en Rothenburg y sus inmediaciones. Corno Rothenburg estaba situada al borde de importantes vfas, puede que pasara por ella uno que otro peregrino. Sin embargo, en Franconia las peregrinaciones a la tumba apostolica gallega nunca adquirieron la importancia que tuvieron en el Sur de Francia o en el Norte de Espaiia, donde llegaron a ser necesarias hermandades, hospicios y la construccion de puentes. Los patrocinios de Santiago en Rothenburg y los alrededores no dejan suponer una red viaria propia y se <leben seguramente a la importancia general de este santo caballeresco, especialmente bajo los Hohenstaufen . Desde un punto de vista arqueologico, solo puede aducirse hasta ahora una concha de peregrino (lamina 4 o la), que fue encontrada cerca del castillo de Uffenheim al Norte de Rothenburg, asf como una ampolla de plomo (lamina lab o lbc), que posiblemente tenga que ver mas bien con Tierra Santa. La peregrinacion de San J odoco, emprendida por Heinrich Leicht de Schmalkalden en 1403/ 04 como acto de penitencia por haber matado a dos habitantes de la ciudad, tenfa como meta el lugar de peregrinacion de San J odoco (St. J ost) cerca de Langenfeld en la Eifel (textos 1 y 2 de la edicion). Un hospicio para peregrinos a Santiago de Compostela puede excluirse definitivamente en el caso de Rothenburg, tambien en el complejo de edificios del Grüner Markt 2 al Sur al frente de la iglesia de Santiago (lamina 2), con sus frescos e inscripciones, que a menudo es interpretado en este sentido. EI hecho de que el pintor Friedrich Herlin, oriundo de Rothenburg, situara la leyenda de Santiago en su ciudad natal, se debe al interes de la epoca por adaptar a la situacion actual acontecimientos tomados de la Biblia o de las leyendas de los santos. Fuera del altar principal de la iglesia de Santiago creado por Friedrich Herlin en 1466, los vitrales, que el caballero Gottfried Lesch de Erlbach donara aproximadamente un siglo antes a la iglesia (lamina 3ab), constituyen un importante testimonio del culto jacobeo en Rothenburg. <?page no="80"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 80 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 80 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 <?page no="81"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 81 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 81 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters LUDWIG SCHNURRER Die Wallfahrt war im ausgehenden Mittelalter ein so universelles Phänomen, daß sie praktisch überall, vorwiegend in den Städten, ihren Niederschlag fand. Wenn ich heute darüber in Bezug auf diese unsere Stadt Rothenburg spreche, so geschieht dies nicht, um der unüberschaubaren Wallfahrtsliteratur einen völlig unnötigen lokalen Beitrag hinzuzufügen; auch nicht allein, weil es bei solchen Tagungen üblich ist, den genius loci zu beschwören. Vielmehr stelle ich an den Anfang meiner Ausführungen die These, daß der Fall Rothenburg in diesem Zusammenhang exemplarisch und außergewöhnlich illustrativ ist für die gesamte Entwicklung des Wallfahrtswesens gegen Ende des Mittelalters. Ich werde versuchen, diese Feststellung im Verlauf meines Referats zu untermauern und zu belegen. Meine Behauptung, Rothenburg sei eine exemplarische spätmittelalterliche Wallfahrtsstadtl, ruht auf drei Säulen: 1. auf der Tatsache, daß unsere Stadt an einer der meistbegangenen Pilgerwege nach Rom lag; 2. auf der Existenz von nicht weniger als vier nicht unbeträchtlichen Wallfahrtsplätzen in der Stadt bzw. ihrer allernächsten Umgebung; 1 Klaus BERBERS, Stadt und Pilger, in: Stadt und Kirche, hg. von Franz-Heinz HYE (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas, Schriftenreihe des Österreichischen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung 12, Linz 1995) S. 199-238; DERS. (Hg.), Stadt und Pilger. Soziale Gemeinschaften und Heiligenkult Qakobus-Studien 10, Tübingen 1999); Klaus ARNOLD,Wallfahrten in Nürnberg um 1500. Akten des interdisziplinären Symposiums vom 29. und 30. September 2002 im Caritas- Pirckheimer Haus in Nürnberg 2002 (Pirckheimer Jahrbuch für Renaissance- und Humanismusforschung 17, Wiesbaden 2002). .Zum Wallfahrtswesen in Rothenburg bisher in knapper Form: Paul SCHATTENMANN, Die Einführung der Reformation in der ehemaligen Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns 7, München 1928) S. 15; Karl BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen in der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber und dem zugehörigen Landgebiet von den Anfängen bis zur Reformation (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte IX, 37/ 1-2, Neustadt a. d. Aisch 1988) S. 708. <?page no="82"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 82 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 82 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 70 Ludwig Schnurrer 3. schließlich auf der nachweisbar überaus regen Tätigkeit der Rothenburger Bürger als Wallfahrer zu anderen Verehrungsorten in Deutschland und Italien. Zunächst ist also von der Wichtigkeit der Pilgerstraße für die Stadtentwicklung Rothenburgs zu sprechen. Die großen Fernpilgerzüge Europas 2 bewegten sich auf alten, mitunter bis in die Antike zurückreichenden Straßenzügen, die meist gut ausgebaut und von einer wallfahrtsspezifischen Infrastruktur (Spitälern, Herbergen, Andachtsstätten u. dgl.) begleitet waren. Zu diesen klassischen mittelalterlichen Pilgerstraßen gehörte z.B. die berühmte Via Francigena3, die von Canterbury in Südengland (selbst Mittelpunkt einer blühenden Wallfahrt zum Grab des Heiligen Thomas Becket) über den Kanal quer durch Frankreich nach Rom führte. Auch die viel begangenen Viae Sancti Jacobi 4 in Frankreich und Nordspanien nach Santiago de Compostela sind hier zu nennen. Für die Bedeutung Rothenburgs als Wallfahrtsstadt ist jedoch die große Nord-Süd-Verbindung von besonderer Bedeutung gewesen, denn ihr, die ja nicht nur Pilgerstraße, sondern auch Via oder Strata Imperialis, wichtigste Reichs-, Handels- und Heerstraße war, verdankt Rothenburg ihre Stadtwerdung und einen Großteil ihrer mittelalterlichen Bedeutsamkeit. Diese Straße 5 ist sehr alt, jedenfalls älter als die frühesten schriftlichen Erwähnungen, die wir um die Mitte des 13. Jahrhunderts anzusetzen haben. Es handelt sich dabei um zwei Pilgerwegbeschreibungen von Skandinavien bzw. von Norddeutschland nach Rom und zurück. Die eine stammt aus einer altisländischen Quelle 6 und beschreibt die Route (für unser engeres Gebiet) von „Virzinborgar" über „Oxenport" und "Rotinnborgar" weiter nach „Austborgar", "Svanga", "Isinbriggiu", über den Brenner und nach Italien hinein. Die andere steht in den An- 2 Paolo CAUCCIVON SAUCKEN(Hg .), Pilgerziele der Christenheit. Jerusalem, Rom, Santiago de Compostela (Stuttgart 1999). 3 Giovanni CASELLI, La Via Romea „Cammino di Dio". Sulla grande via dei pellegrini da Canterbury a Roma (Florenz 1990); Paolo CAUCCI VON SAUCKEN,Die Via Francigena und die Pilgerstraßen nach Rom, in: DERS., Pilgerziele (wie Anm. 2) S. 137-212; Reinhard ZwEIDLER,Der Frankenweg- Via Francigena (Stuttgart 2003). 4 Aus der fast unüberschaubaren Literatur vor allem neuestens: Klaus HERBERS,Der Jakobsweg. Mit einem mittelalterlichen Pilgerführer unterwegs nach Santiago de Compostela (Tübingen 1986, 6. Auflage 1998); Robert PLöTZ (Hg.), Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt Oakobus-Studien 2, Tübingen 1990, 2. Auflage 1993). 5 Hermann KELLENBENZ, Das Straßensystem in Mitteleuropa, besonders während des Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: PLÖTZ, Europäische Wege (wie Anm . 4) S. 27-39; Thomas SZABO,Der Übergang von der Antike zum Mittelalter am Beispiel des Straßennetzes, in: Europäische Technik im Mittelalter 800-1400. Tradition und Innovation. Ein Handbuch, hg. von Uta LINDGREN(Berlin 1997) S. 25-66. <?page no="83"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 83 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 83 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters 71 nalen des Benediktinerklosters Stade (bei Bremen)7 und schildert den Rückweg von Rom nach Norden in dem für uns wichtigen Abschnitt folgendermaßen: von Augsburg bis zur Donau, dann transi Danubium et statim intra Vorthen (Donauwörth), Offinge (Markt- und Minderoffingen nördlich von Nördlingen), Dinkepole, Rodenborch, Ouwe (Aub), Osenvorde (Ochsenfurt), Mayen fluvius, Herbipolis (Würzburg), Swinvorde (Schweinfurt) usw. bis zum Nordseestrand. - Man sieht: es ist die gleiche Route, die heute vom Main an bis Füssen unter dem für den Tourismus geprägten Namen „Romantische Straße" verläuft eigentlich doch recht passend zu unserem Thema, weil die modernen Touristenströme tatsächlich eine Art von profanen Pilgermassen darstellen. Natürlich ist der heutige Verlauf nicht genau identisch mit dem mittelalterlichen; so zog etwa die alte Straße an der Riesstadt Nördlingen vorbei; ebenso zunächst an Rothenburg, entlang dem heute noch so genannten Kaiserweg 8, bis Kaiser Ludwig der Bayer 1340 genehmigte, die Reichsstraße durch die Stadt zu führen 9 • Als Pilgerstraße ist sie aber noch früher als die genannten Beschreibungen des 13. Jahrhunderts nachgewiesen; um das Jahr 1182 errichtete nämlich Kaiser Friedrich Barbarossa in dem Dörfchen Reichardsroth, ca. 10 km nördlich von Rothenburg, wegen der häufig dort Vorbeiziehenden (ob frequentiam viatorum) eine Kirche und ein Spital zur Aufnahme von Pilgern und Armen (ad receptaculum peregrinorum et pauperum) und übergab sie dem Johanniterorden 10, der ja seit seiner Gründung 6 0. SPRINGER, Medieval pilgrim routes from Scandinavia to Rome, Medieval Studies 12 (1950) s. 92-122. 7 Annales Stadenses, in: MGH Scriptores 16 (1859) S. 271-379, hier S. 339; Karl WELLER,Geschichte des Hauses Hohenlohe 2 (Stuttgart 1908) S. 462 ff.; Hermann SCHREIBMÜLLER, Ein Rompilger zieht von Bayern nach Stade, "Bayerische Heimat" (Beilage zur Münchener Zeitung) 14 (1932/ 33) Nr. 28; Otto MEYER,Ochsenfurt-an einer alten Europastraße, Privatdruck o .J., o. 0. [Ochsenfurt, ca. 1972]; Die Annales Stadenses, eine Summe der mittelalterlichen Wege nach Rom, in: CAUCCI VON SAUCKEN, Die via Francigena (wie Anm. 3) S. 179ff. 8 Dessen vermutlicher Verlauf: Ekkehart TITIMANN, Kobolzell „sub" Rothenburg ob der Tauber, Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 96 (1992/ 93) S. 1- 19, Karte nach S. 19. 9 1340 Juli 1: Ludwig SCHNURRER(Bearb.), Die Urkunden der Reichsstadt Rothenburg 1182-1400 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte IIl/ 6, Neustadt a.d. Aisch 1999) 254 Nr. 606. 10 1282 ohne Tag: SCHNURRER, Urkunden (wie Anm. 9) 1 Nr. 1; B0RCHARDT,Die geistlichen Institutionen (wie Anm. 1) S. 117; Thomas Igor C. BECKER,Von Reichardsroth nach Villingen. Die Johanniter und der Jakobusweg zwischen Würzburg und Bodensee, in: Der Jakobusku! t in Süddeutschland, hg. von Klaus HERBERS/ Dieter R . BAUERQakobus-Studien 7, Tübingen 1995) S. 115-128. <?page no="84"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 84 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 84 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 72 Ludwig Schnurrer während der Kreuzzüge für solche Aufgaben bestimmt war. Die zwei Spitäler in Rothenburg 11 sowie weitere Pilger- und Seelhäuser in fast allen Orten entlang dieser Straße 12 beweisen ihre immense Bedeutung als Pilgerweg nach und von Rom. - Die Rothenburger waren demnach schon längst vertraut mit den vorbeiziehenden und hier auch rastenden und nächtigenden Wallfahrerströmen, als, noch im gleichen 13. Jahrhundert, die Stadt sich anschickte, selbst Ort einer nicht unbedeutenden Wallfahrt zu werden . Die älteste und (in einem säkularisierten Sinne heute noch) bedeutendste Rothenburger Wallfahrtsstätte ist die zum Heiligen Blut in der Pfarrkirche St. Jakob 13 • Sie entstand aus einer frömmigkeitsgeschichtlichen und liturgischen Bewegung, die seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert die gesamte abendländische Christenheit erfaßte: die Begeisterung für die Eucharistie 14. Sie wurde entzündet durch eine einschneidende liturgische Reform, nämlich die Einführung der Eleva- 11 Spital der Johanniter (vor 1227): BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen (wie Anm. 1) S. 118. Neues Spital (gegründet um 1280): Ebenda S. 221. Die älteste Ablaßurkunde von 1281 Juni 24 nennt als aufzunehmende Personen Arme und Pilger : SCHNURRER, Urkunden (wie Anm. 9) 51 Nr . 109. Dazu Edmond-Rene LABANDE, „Pauper et Peregrinus" . Les problemes du pelerin chretien d'apres quelques travau x recents, in: Wallfahrt kennt keine Gren zen. Themen zu einer Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums und des Adalbert Stifter Vereins München, hg . von Lenz KRISS-RETTENBECK/ Gerda MöHLER (München/ Zürich 1984), S. 23-32. 12 Ludwig SCHMUGGE, Zu den Anfängen des organisierten Pilgerverkehrs und zur Unterbringung und Verpflegung von Pilgern im Mittelalter, in: Gastfreundschaft, Taverne und Gasthaus im Mittelalter, hg. von Hans Conrad PEYERunter Mitarbeit von Elisabeth MüLLER-LUCKNER(Schriftenreihe des Historischen Kollegs 3, München/ Wien 1983) S. 37-60; Arnold LASSOTTA, Pilger- und Fremdherbergen und ihre Gäste. Zu einer besonderen Form des Hospitals vom Spätmittelalter bis in die Neuzeit, in: KRISS-RETTENBECK/ MöH LER, Wallfahrt (wie Anm. 11) S. 128-142. Zur Übernachtung auswärtiger Pilger in Rothenburg der früheste Beleg von 1387: Ein Nürnberger Krämer erhält wegen Safranbetrugs Stadtverbot, ausgenommen bei Wallfahrten und Kaufmannsfahrten, da darf er sich eine Nacht in der Stadt aufhalten: Staatsarchiv N ürnberg, Reichsstadt Rothenburg Akten 86 (Urfehdebuch) fol. 47. 13 Grundlegend: Ludwig SCHNURRER, Kapelle und Wallfahrt zum Heiligen Blut in Rothenburg, in: 500 Jahre St. Jakob Rothenburg o. d. T. 1485-1985 . Festschrift anläßlich der 500. Wiederkehr der Weihe der St.-Jakobs-Kirche zu Rothenburg ob der Tauber im Jahr e 1485, hg. von der Ev.-Luth . Kirchengemeinde St. Jakob (Rothenburg o. T. 1985) S. 89-96. 14 Peter BROWE,Die Ausbreitung des Fronleichnamsfestes, Jahrbuch für Liturgiewissenschaft 8 (1928) S. 107-143; DERS., Die eucharistischen Verwandlungswunder des Mittelalters, Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und für Kirchengeschichte 37 (1929) S. 137-169; DERS.,Die Verehrung der Eucharistie im Mittelalter (München 1933); DERS., Die eucharistischen Wunder des Mittelalters (Breslauer Studien zur historischen Theologie NF IV, Breslau 1938). <?page no="85"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 85 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 85 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters 73 tion, d. h. des Hochhebens und Herzeigens der Hostie und des Kelches bei der Wandlung im Rahmen der Heiligen Messe. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts wurde durch die selige Juliane von Lüttich (t 1258) das Fronleichnamsfest (zehn Tage nach Pfingsten) eingeführt und durch Papst Urban IV. 1264 bestätigt. Dabei wurde (und wird bis heute) das Allerheiligste, die transfigurierte Hostie, in feierlicher Prozession gezeigt, herumgetragen und verehrt dies an sich schon die Vorstufe einer Wallfahrt 15. Von da an begann man, Kirchen und Kapellen zu Ehren des Leibes und Blutes Christi zu weihen 16, entweder zu Ehren dieses Festes selbst oder aber, was uns der Wallfahrtsentstehung in Rothenburg näher bringt, wegen der Verehrung einer Wunderhostie (meist einer Hostie, die durch irgendwelche Beeinflussung dunkle Flecken zeigt, die man als Spuren des Blutes Christi deutete) oder von Blutstropfen; diese wurden in der Regel nicht als das wahre Blut Christi gedeutet, sondern als das sakramentale Blut, d. h. Spuren des Meßweins, der während oder nach der Wandlung auf das unter dem Meßkelch aus gebreitete Leinwandtuch, das Korporale, gefallen war und als Blutkorporale verehrt wurde.17 In diese Entwicklung reiht sich nun die Entstehung der Heiligblutverehrung in Rothenburg ein, und zwar durch den Bau einer Heiligblutkapelle und deren Weihe im Jahre 1266 (oder 1276) 18, also nur we- 15 Hans DÜNNINGER,Processio peregrinationis. Volkskundliche Untersuchungen zu einer Geschichte des Wallfahrtswesens im Gebiete der heutigen Diözese Würzburg, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 23 (1961) S. 53-188, hier S. 55 ff. Über Prozessionen in Rothenburg: BORCHARDT, Die geistlichen Institutionenen 1 (wie Anm. 1) S. 707f. 16 In der näheren Umgebung z. B.: Kloster Sulz, Lauda, Röttingen, Niederstetten, Creglingen, Weikersheim . In der weiteren Nachbarschaft: Iphofen, Kornburg bei Schwäbisch Hall, Würzburg (Domvikarie zum Heiligen Blut), Nördlingen (St. Salvator), Burgwindheim im Steigerwald, Walldürn u . a. 17 Johannes HEUSER"Heilig-Blut" in Kult und Brauchtum des deutschen Kulturraums. Ein Beitrag zur religiösen Volkskunde (Diss. Bonn 1948, Typoskript); Karl KOLB,Vom Heiligen Blut. Eine Bilddokumentation der Wallfahrt und Verehrung (Würzburg 1980). Nicolaus C. HEUTGER(Die Rothenburger Blutreliquie, Der Bergfried [Zeitungsbeilage Rothenburg] 3 [1951] S. 93 f.) versucht nachzuweisen, daß es sich bei der Rothenburger Reliquie um das echte Blut Christi handelt. In einer Miszelle (Reliquien des mittelalterlichen Rothenburg, Der Bergfried [Zeitungsbeilage Rothenburg] 6 [1954] S. 15 f.) kommt er gar zu dem Schluß, daß es in Rothenburg sowohl echte als auch eine sakramentale Blutreliquie gegeben habe. Beides sind nicht belegbare Spekulationen, vgl. Anm. 25. 18 Anton RESS,Die Kunstdenkmäler von Mittelfranken 8: Stadt Rothenburg o. d. T. Kirchliche Bauten. Die Kunstdenkmäler von Bayern (München 1959) S. 76. Der Kirchweihtag der Kapelle wird 1314 (Stadtarchiv [ = StadtA J Rothenburg B 14 fol. 241') und 1316 (ebenda fol. 292 und 298') erwähnt; nach der Chronologie des <?page no="86"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 86 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 86 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 74 Ludwig Schnurrer nige Jahre nach der offiziellen Einführung des Fronleichnamsfestes. Damit begann eine begeisterte Aufnahme und Ausbreitung des Eucharistiekultes in Rothenburg. In der St. Jakobskirche selbst, außerhalb der Heiligblutkapelle, wurde sie hundert Jahre später überaus deutlich dokumentiert und zur Schau gestellt in dem großartigen, zwischen 1390 und 1400 entstandenen Glasbilderzyklus des südlichen Chorfensters, des sog. Eucharistiefensters 19, in dem, neben der Zentralfigur des gekreuzigten, erlösungsblutspendenden Christus, auch ein Priester im Augenblick der Kelchelevation und damit der Verwandlung von Wein zum Blute Christi dargestellt ist ein überaus sinnfälliges Pendant zum Heiligblutaltar auf der gegenüberliegenden Westempore. In der Spitalkirche20 und in der Kirche des Dominikanerinnenklosters 21 wurden Heiligblutbzw. Corpus-Christi- oder Fronleichnamsaltäre mit zugehörigen Meßstiftungen errichtet. Die jährliche Fronleichnamsprozession wurde mit großer Prachtentfaltung zelebriert, verbunden mit Fronleichnamsspielen im Freien22. In Kleinform wandelten sich die Versehgänge zu Sterbenden, bei denen die geweihte Hostie durch die Gassen getragen wurde, zu Prozessionen, die durch eine besondeletztgenannten Gerichtsbucheintrags (Actum est dominica die in dedicatione capelle) kann nur der Sonntag nach Trinitatis(= Sonntag nach Fronleichnam! ) gemeint sein. Dieser der Heiligblutverehrung angemessene Weihetag ist (wann? ) als Kirchweihtag auf die St. Jakobskirche übertragen worden ein weiteres Indiz für die Wertigkeit der Heiligblutkapelle im Rahmen des Kirchenkomplexes. 19 RESS,Die Kunstdenkmäler (wie Anm. 18) S. 142-146; Detlef KNIPPING,Eucharistie- und Blutreliquienverehrung. Das Eucharistiefenster der Jakobuskirche in Rothenburg ob der Tauber, Zeitschrift für Kunstgeschichte 56 (1993) S. 79-161. Neuestens grundlegend und mit vollständiger Literatur: Hartmut SCHOLZ,Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg extra muros (Corpus Vitrearum Medii Aevi, Deutschland 10, Berlin 2003) Text S. 485-495, Abbildungen S. 716-726 Nr. 361-385. 20 1340 Juli 31: SCHNURRER, Urkunden (wie Anm. 9) I 255 Nr. 608; BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen (wie Anm. 1) S. 266. Ludwig SCHNURRER, Götz Lesch (ca. 1282-1350), der Stifter des mittleren Farbfensters im Chor von St. Jakob zu Rothenburg, Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 89 (1977178) S. 42- 49, hier S. 48 (auch in: Ludwig SCHNURRER, Rothenburg im Mittelalter [Rothenburg 1997] s. 287-300). 21 Zwischen 1339 und 1361: BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen (wie Anm. 1) S. 186 Nr . 3 und S. 693 Nr. 212. 22 Zur Fronleichnamsprozession vgl. BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen 1 (wie Anm. 1) S. 48. Zu den Fronleichnamsspielen: August SCHNIZLEIN, Kirchliche Spiele in Rothenburg zu Beginn des 15. Jahrhunderts, Die Linde (Zeitungsbeilage Rothenburg) 3 (1911) S. 9f.; Elizabeth WAINWRIGHT, Ein mittelalterliches Fronleichnamsspiel in Rothenburg, Die Linde (Zeitungsbeilage Rothenburg) 56 (1974) S. 2-4. In beiden Aufsätzen ist das Rothenburger Fragment dieses Spiels abgedruckt . <?page no="87"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 87 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 87 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters 75 re Sakramentsstiftung 23 feierlich ausgestaltet wurde. Für die Anfertigung von Monstranzen, in denen ja das Allerheiligste prunkvoll aufbewahrt und hergewiesen wurde, spendete man namhafte Summen Geldes 24. Mittelpunkt des Eucharistiekultes in Rothenburg war und blieb jedoch die sakramentale Heiligblutreliquie, tres guttae sanguinis, perfusae super corporale (drei Tropfen vom Blute Christi, die auf dem Korporale ausgegossen wurden), wie es im Reliquienverzeichnis von 1442 heißt 25. Dieses Leinwandfragment in einer Kapsel aus Bergkristall ist auf ein Reliquienkreuz montiert, dessen Entstehung die Kunsthistoriker um das Jahr 1270 datieren 26. Es bildete wohl den Mittelpunkt eines Altars, der in einer selbständigen, westlich der St. Jakobskirche etwa gleichzeitig errichteten Kapelle stand. Diese wurde zwischen 1278 und 1311 reich mit 23 Schon 1300 gewährten 5 römische Bischöfe Ablässe für alle, die den Rothenburger Pfarrer oder seinen Stellvertreter auf seinen Versehgängen begleiteten; SCHNURRER, Urkunden (wie Anm. 9) 91 f. Nr. 205. - 1343: Stiftung ad candelas qui portantur ante corpus domini nostreJesu Christi in civitate Rotenburg; StadtA Rothenburg B 296 fol. 43'. - 1459 Dezember 17: für 4 Chorschüler, die den Priester bei Versehgängen begleiten; Chronik Eisenhard (Bayer. Staatsbibliothek München Cgm 7870) fol. 80; BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen 1 (wie Anm. 1) S. 48; II S. 841 Anm. 13; I S. 669 Nr. 53 a. - Der Schulmeister erhält jährlich 1/ 4 fl „von den knaben, die mit dem sacrament gheen": StadtA Rothenburg B 16 (1517) fol. 146. - Der Rothenburger Goldschmied Jörg Stockgarter (Stuttgarter) (über ihn auch Ludwig SCHNURRER, Das Goldschmiedehandwerk in Rothenburg o. d. T., Jahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg (1977/ 78) S. 134 Nr. 62) erhält 1505 von der St. Jakobspflege 3 fl 3 lb 4 d „von der mastratzen, do man das heylig sakrament auß tregt" (StadtA Rothenburg R 363 fol. 269). - Am Vorabend des Bauernkrieges 1525 geraten diese Versehgänge unter dem Einfluß des Predigers Teuschlein und Karlstadt beim „gemainen man" in Mißkredit (Bauernkriegschronik des Stadtschreibers Thomas Zweifel, in: Franz Ludwig BAUMANN, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber [Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart CXXXIX, Tübingen 1878] S. 258; Chronik Eisenhard, in: ebenda S. 611). Nach der Niederwerfung der aufständischen Bauern und Bürger werden (im Dezember 1525) 5 junge Handwerker dafür bestraft (StadtA Rothenburg A 842 fol. 284'; danach BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen [wie Anm . 1] I S. 730). 24 1386 April 22: Stiftung einer Monstranz in das Rothenburger Franziskanerkloster „in der ere unsers herren leichnams und des heiligen sacraments"; SCHNURRER, Urkunden (wie Anm. 9) II 787 Nr. 2004. Gleichzeitig (1385/ 86) stiftet die Stadt der St. Jakobspflege eine Monstranz: StadtA Rothenburg B 39 fol. 44/ a und 46/ a; dazu BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen (wie Anm. 1) I S. 56. - Vgl. dazu auch SCHNURRER, Das Goldschmiedehandwerk in Rothenburg (wie Anm. 23) S. 64. 25 Paul SCHATTENMANN, Reliquien und Wunder in der Kapelle zum hl. Blut zu Rothenburg ob der Tauber, Die Linde 28 (1938) S. 41-51 (auch als Sonderdruck, S. 1-11). 26 RESS,Die Kunstdenkmäler (wie Anm. 18) S. 182ff. <?page no="88"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 88 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 88 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 76 Ludwig Schnurre, Ablaßurkunden ausgestattet 27, aber schon einige Jahrzehnte nach ihrem Bau irgendwie in das Westwerk der alten, romanischen Kirche einbezogen; darüber wissen wir leider nichts Genaues. Sie wurde ein Jahrhundert später, nach dem Beginn des Langhausneubaus 1373 (angeblich 1388) 28 zusammen mit dem romanischen Westbau abgebrochen und erstaunlicherweise erst zwischen 1453 und 1471 von den berühmten Baumeistern Eseler zu der bis heute erhaltenen Heiligblutkapelle auf der Empore des Westchors wieder aufgerichtet 29, deren einmalige räumliche Wirkung leider durch das riesige Orgelprospekt entscheidend beeinträchtigt wird. Hier war der Altar und die verehrte Reliquie aufgestellt, zu denen sich über zwei breite Treppenfluchten im Norden und Süden der Pilgerstrom bewegte. Hier wurde 1467 eine eigene Meßkaplanei gestiftet 30; hier brannte seit 1336 ein Ewiglicht 31; hier spendete gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Rothenburger Schützengesellschaft eine Ewigkerze3 2; hier fand jeden Donnerstag (zur Erinnerung an das letzte Abendmahl) eine gesungene Messe zu Ehren des ausgesetzten und unverhüllten Altarssakraments statt, eine sog. "Engelmesse" (so genannt nach der liturgischen Metapher panis angelorum, Brot der Engel, für die konsekrierte Hostie)33_ 27 1278 Mai 13: SCHNURRER, Urkunden (wie Anm. 9) I 43 Nr. 89. -1278 Juni 22: ebenda I 45 Nr. 92. -1279 Mai 12: ebenda I 48 Nr. 100. -1279 Mai 24: ebenda I 48 Nr. 101. -1283 September 15: ebenda I 53 Nr. 114. -1285 April 2: ebenda I 57 Nr. 123. -1286 o. T.: ebenda I 62 Nr. 135. -1294 Juni 29: ebenda I 81 Nr. 177. - 1294 Juli 14: ebenda I 82 Nr. 178. -1310 Juni 21: ebenda I 122 Nr. 278. - 1311 März 28: ebenda I 127 Nr. 291.- Spätere Ablässe des 15. Jahrhunderts: RESS(wie Anm. 18) S. 79. 28 RESS,Die Kunstdenkmäler (wie Anm. 18) S. 77. 29 RESS,Die Kunstdenkmäler (wie Anm. 18) S. 79 ff. 30 1467 durch Elisabeth Hornburg, Witwe des Heinrich Wacker; BORCHARDT,Die geistlichen Institutionen 1 (wie Anm. 1) S. 779 f. 31 1336 Dezember 3: SCHNURRER, Urkunden (wie Anm. 9) I 230 Nr. 551 § 2: vor 1336 von dem von Mosbach „auf die Kapelle" gestiftet. 32 Nach der Rothenburger Schützenordnung von 1484 (StadtA Rothenburg U 3621) hatte jeder Schütze jährlich zu Beginn der Schießsaison 4 Pfennige für die Kerze „zu den hailigen blut hie" zu bezahlen . Für verschiedene Vergehen während des Schießens waren jeweils ein „vierdung" (1/ 4 Pfund) Wachs für die Kerze zu entrichten. Ein Kerzenmeister regelte die Einhaltung der Stiftungsbestimmungen. 1585 soll diese Bezahlung von Strafgeldern, die seit der Schützenordnung von 1564 „in Mißbrauch geraten" ist, neu geregelt werden (StadtA Rothenburg A 1286 fol. 161). - Dazu auch: Ludwig SCHNURRER, Zur Geschichte der Rothenburger Schützengesellschaft, in: 600 Jahre Kg! . Priv. Schützengilde 1374Rothenburg o. Tauber (Rothenburg 1974) S. 11-31, hier S. 29f. 33 1526 gehörte zu den Pflichten der Deutschordenspriester der St. Jakobskirche, donnerstags „mit auf das haylig plut zu geen und daselbst die enge! meß zu singen" (StadtA Rothenburg A 1524 fol. 125'). - Nach Johann David Wilhelm VON WINTERBACH, Geschichte der Stadt Rothenburg an der Tauber II (Rothenburg 1827) S. 41 wurde hier jeden Donnerstag „ein Umgang und ein Amt gehalten vom Oberpfarrer, von dessen 2 Administranten ein Evangelium und Epistel abgesungen ...". <?page no="89"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 89 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 89 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmitte/ alters 77 Eine herausgehobene Funktion wies man der Heiligblutreliquie bei den Aufenthalten der deutschen Könige und Kaiser in der Reichsstadt Rothenburg zu. Als Kaiser Friedrich III. im Februar 1474 in Rothenburg den König von Dänemark mit dem Herzogtum Holstein belehnte, wurde die für diese Zeremonie notwendige Reichsfahne, die wie die Reichskleinodien von einem halb sakralen Nimbus umgeben war, in der Heiligblutkapelle aufbewahrt 34; und als Kaiser Maximilian I. 1513 bei seinem Rothenburger Aufenthalt in St. Jakob zur Messe ging, holte man ihn in feierlicher Prozession von seinem Quartier ab, von wo aus das "heilige Kreuz" unter einem Baldachin mitgetragen wurde35. Über den täglichen, an den Festtagen um Fronleichnam sicher besonders lebhaften Wallfahrtsbetrieb geben die Quellen recht wenig Aufschluß. Lediglich ein Mirakelverzeichnis, das der Deutschordenspfarrer Johannes von Ellringen 1442 zusammenschrieb 36, erzählt neben der Auflistung von Wundern gelegentlich auch von den Motiven, der Herkunft, der sozialen Stellung der Pilger. Danach war die Rothenburger Heiligblutwallfahrt überwiegend von lokaler und regionaler Bedeutung; immerhin war auch ein Burggraf von Nürnberg und etliche Heilsbronner Äbte unter den Besuchern. Trotz der überwiegend frömmigkeitsorientierten Motive solcher Pilgerschaft darf ihr wirtschaftlicher Aspekt nicht übersehen oder kleingeredet werden. Es waren fast ausschließlich die Opfergaben und Spenden der Wallfahrer, mit deren Hilfe die äußere Gestaltung, die baulichen Maßnahmen, die Ausstattung des Wallfahrtsbetriebs finanziert wurden37. Darüber hinaus profitierte die gesamte Stadt von dem Zustrom von Pilgern, besonders seitdem am 6. Juni 1282, also schon in den ersten 34 StadtA Rothenburg B 541 fol. 12f. Druck dieses Abschnitts: Die Linde 56 (1974) S. 10.Dazu und zu den folgendenAusführungen: Ludwig SCHNURRER, Der Kaiser kommt nach Rothenburg,Jahrbuch des VereinsAlt-Rothenburg(1974/ 75) S. 16-31, hier S.29. · 35 SCHNURRER, Der Kaiser kommt nach Rothenburg (wie Anm. 35) S. 24. Auf das Mittragendes „Sakraments",also des Allerheiligstenin der Monstranz, verzichtete der Kaiser; es genügeeineMesse de corporis(! ) Christi: ebendaS. 25. 36 SCHATIENMANN, Reliquien und Wunder (wie Anm. 25) S. 49-51 (unvollständig). Ludwig SCHNURRER, Wunderheilungenzum Heiligenblut in der Rothenburger St.Jakobskircheim ausgehendenMittelalter,Die Linde67 (1985)S. 1-8, 13-16(vollständigerTextmit Kommentar). 37 Die Stiftungenans HeiligeBlutwurden von der St.Jakobspflegevereinnahmt,so daß sie in den Rechnungen nur z. T. ausgesondert werden können. Lediglich die Geldeinlagenin den Opferstock beimHeiligenBlut werden eigensvermerkt und ergeben das einzigesichereKriterium,um die Wallfahrtsfrequenzfeststellenzu können. <?page no="90"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 90 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 90 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 78 Ludwig Schnurrer Jahren der Rothenburger Eucharistiewallfahrt, König Rudolf I. der Stadt ein neue achttägige Messe bewilligte, die ausgerechnet an Fronleichnam beginnen und bis zur Fronleichnamsoktav dauern sollte 38• Wenn man überdies bedenkt, daß mitten in diesem Zeitraum, nämlich am Sonntag nach Trinitatis, zwei Wochen nach Pfingsten, die Kirchweihe der Pfarrkirche St. Jakob gefeiert wurde, kann man sich so recht die lebhafte, gelegentlich wohl auch überschäumende Feststimmung in einem für diese Zeit typischen Gemenge religiöser und profaner Elemente vorstellen; wir brauchen nur die modernen Touristenmassen, etwa während der Pfingstzeit, d. h. für Rothenburg die Meistertrunktage, diese säkularisierte Abart der alten Wallfahrten, danebenzuhalten. Als man 1499 den großen Würzburger Bildhauer Tilman Riemenschneider mit der Schaffung eines neuen Heiligblutaltars beauftragte 39, hatte der Wallfahrtsbetrieb zum Heiligen Blut bereits merklich abgenommen. Vermutlich wollte man ihn durch dieses herrliche Bildwerk neu beleben 4 0. Es war zu spät. Machte zunächst gegen Ende des 15.Jahrhunderts die eigene innerstädtische Wallfahrtskonkurrenz zu schaffen (davon wird gleich zu reden sein), so wurde er wenige Jahrzehnte später durch die Reformation und die Zuwendung der gesamten Stadt zur neuen Glaubensform für immer beendet41. Zu der eben genannten innerstädtischen Wallfahrtskonkurrenz gehörte seit 1472 (in Ansätzen vielleicht schon früher) die Marienwallfahrt 38 1282 Juni 6: SCHNURRER, Urkunden (wie Anm. 9) I 53 Nr. 113. Ein weiteres Beispiel für den Zusammenhang zwischen Wallfahrt und Jahrmarkt in der näheren Nachbarschaft ist der heute noch viel besuchte Muswiesenmarkt, gekoppelt mit der Wallfahrt zur St. Michaelskirche in Musdorf. Isidor FISCHER,Mittelalterliche Wallfahrtsorte in der Umgebung Crailsheims, Württembergisch Franken Neue Folge 28/ 29 (1953/ 54) s. 125 f. 39 Vertrag der St. Jakobspflege mit Tilman Riemenschneider 1501 April 15: StadtA Rothenburg B 216 (Missivenbuch) fol. 17; Druck : Justus BIER, Tilman Riemenschneider 2. Die reifen Werke (Augsburg 1930) S. 171 Nr. 61. 40 BIER, Tilman Riemenschneider (wie Anm. 39) S. 11--43, S. 169-175; RESS, Die Kunstdenkmäler (wie Anm. 18) S. 174-184. Zu Invocavit 1495 vermerkt die St. Jakobsrechnung : "Item nichts ist gefallen zu heiligenplut, dan es sind ander lewt komen an wir": StadtA Rothenburg R 363 fol. 89'. 4 1 SCHATTENMANN, Reformation (wie Anm. 1); BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen (wie Anm . 1) S. 725-739. Schon während des Bauernkriegs 1525 warf der Bischof von Würzburg der Stadt Rothenburg vor, das Altarssakrament werde dort verspottet: Ernst QUESTER, Das Rad der Fortuna und das Kreuz. Studien zur Aufstandsperiode von 1525 in und um Rothenburg ob der Tauber und ihrer Vorgeschichte (Rothenburg 1994) S. 70 f. <?page no="91"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 91 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 91 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters 79 in Kobolzel1 42 . In diesem Jahr entschloß sich nämlich die St. Jakobspflege, die kleine Marienkapelle im Fischerdörfchen Kobolzell an der Tauber unterhalb der Stadt, die 1298 erstmals bezeugt ist 43, aber wesentlich älter sein dürfte, abzureißen und neu zu errichten. Dies wurde in den Folgejahren bis 1505 realisiert, und zwar mit baulichen Besonderheiten, die den Schluß auf eine Wallfahrt zu diesem Kirchlein nahelegen: die Einplanung zweier Nebenportale im Norden und Süden zusätzlich zum westlichen Hauptportal, durch die man den Strom der offensichtlich zahlreich erwarteten Wallfahrer kanalisieren konnte (man erinnere sich an die zwei Treppenfluchten zur und von der Heiligblutkapelle in St. Jakob); und eine Doppelwendeltreppe 44 zur und von der Westempore, die, vermutlich zur Niederlegung von Opfergaben, dem gleichen Zwecke diente. Ein weiteres Indiz für den Zustrom zahlreicher Pilger ist das ungewöhnlich hohe Aufkommen an Opfergeldern. Für den Zeitabschnitt des ersten erhaltenen Rechnungsbandes der St. Jakobskirchenpflege von 1468 bis 1489 45 errechnet sich eine Gesamtsumme von 9037 Pfund Pfennigen, im Jahresdurchschnitt rund 430 Pfund, das sind ca. 36 % aller gespendeten Gelder. Dazu kamen, wie auch bei den übrigen Wallfahrtsstätten, viele Sachspenden, vor allem Kleider, die dann zu Geld gemacht wurden. Wichtig für die Motivierung der Wallfahrer war auch die inschriftliche Ankündigung eines jederzeitigen Ablasses neben dem Südportal, das wohl als Eingangspforte diente 46. - 42 Grundlegend: Ludwig SCHNURRER, Die Kirche zu Kobolzell bei Rothenburg, in: Erbe und Auftrag. 100 Jahre Pfarrei St.Johannis, 190 Jahre katholische Gemeinde in Rothenburg ob der Tauber (Rothenburg 1993) S. 109-132; RESS, Die Kunstdenkmäler (wie Anm. 18) S. 366-384; BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen 1 (wie Anm. 1) S. 71f., II S. 852f. Zum Problem der Wallfahrtskonkurrenz: Jakob BURCKHARDT, Griechische Kulturgeschichte 1-4 (München 1982) 2 S. 298: "Das äußerliche Gesetz, welchem Orakel wie Wallfahrten unterliegen können, ist nämlich das der Konkurrenz; auch von unseren Gnadenorten des späten Mittelalters sind mehrere erweislich sehr rasch emporgekommen und ebenso rasch wieder in Abgang · geraten, wie andere aufblühten." 43 SCHNURRER, Urkunden (wie Anm. 9) I 86ff. Nr. 192,194, 195. 44 1985 waren in ganz Deutschland 21 Treppen dieses Typs bekannt. Vgl. Friedrich MIELKE,Die Doppelwendeltreppe in Weißenburg (Andreaskirche), Frankenland (Zeitschrift des Frankenbunds) 30 (1978) S. 66-68; Josef LIDL/ Friedrich MIELKE, Treppen zwischen Tauber, Rezat und Altmühl (Treuchtlingen 1985) S. 82 f. und s. 126f. 45 StadtA Rothenburg R 362. 46 1472, neben der Bauinschrift (Grundsteinlegung): "diser cappeln zu iglicher zeit eulff hundert und XL tag". RESS,Kunstdenkmäler (wie Anm. 18) S. 378 (mit Abbildung); Dieter LUTZ(Bearb.), Die Inschriften der Stadt Rothenburg ob der Tauber (Die deutschen Inschriften 15, München 1976) S. 40 Nr. 90 (mit Abbildung). <?page no="92"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 92 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 92 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 80 Ludwig Schnurrer Gegenstand der Verehrung war eine Marienstatue, die je nach Festsituation bekleidet werden konnte 47 . Es bleibt offen, ob diese Marienwallfahrt schon in die Vorläuferkirche stattfand. Fest steht jedoch, daß sie in der neu errichteten Kapelle keine große Zukunft hatte. 1519 versuchte der Prädikant Dr. Johannes Teuschlein, von dem noch zu reden sein wird, sie in eine Kirche „Zur Reinen Maria" umzubenennen und damit dem offenbar nachlassenden Wallfahrtsbetrieb neuen Schwung zu verleihen; der Würzburger Generalvikar untersagte dies 48 . Schon sechs Jahre darauf, 1525, wurde das Kobolzeller Kirchlein von rebellierenden Taubertalmüllern geplündert der einzige Fall von Bildersturm in und um Rothenburg 49 . Von diesem Schock erholte es sich nicht mehr; die wenig später einsetzende Reformation machte ohnehin allem Wallfahrtsbetrieb ein Ende. - Auch der Plan, bei der Restaurierung der Kirche durch Alexander von Heideloff 1853, die Wallfahrt hierher wieder zu beleben 50 , blieb ein realitätsfernes Gedankenspiel. Drei Jahr nach dem Kobolzeller Baubeginn entstand eine weitere wallfahrtsähnliche Verehrung eines Heiligen, in einer chronologisch und urhebermäßig ganz ungewöhnlichen Abstufung 51. 1475 etablierte sich zunächst durch die private Initiative eines Einzelnen, eines gewissen Jörg Laterer, vor dem Klingentor ein Betplatz im Freien vor einer Statue oder einem Gemälde des heiligen Wolfgang . Seine Motive dazu sind undurchsichtig, auch die Wahl des Heiligen bleibt unklar, und so 47 Inventar der Kobolzeller Kirche 1517: StadtA Rothenburg B 16 fol. 138. 48 Siehe Anm. 58. 49 Roy L. VICE, Bildersturm in Rothenburg ob der Tauber, Die Linde 81 (1999) S. 57- 78, hier S. 70-76. 50 SCHNURRER, Kobolzell (wie Anm. 42) S. 122: "Nicht nur die schöne Lage und der edle Baustyl, sondern ganz vorzugsweise die geschichtlichen Erinnerungen, welche an diese Kirche sich knüpfen, und wonach dieselbe eine mit Vorliebe besuchte Stätte des Gebets und der Erbauung gewesen ist, würden ohne Zweifel Tausende von Wallfahrern heran ziehen, und es würde daher nicht bloß für die Bewohner Rothenburgs ein Tempel der Andacht und der Gottesverehrung sein, sondern in ihrer Eigenschaft als Wallfahrtskirche auch in weiteren Kreisen nicht wenig zur Belebung und Förderung religiösen Wesens beitragen." 5! Grundlegend: Ludwig SCHNURRER , Die St. Wolfgangskirche in Rothenburg o. d . T. Schafzucht, Wollhandel und Schäferbruderschaft und ihr Einfluß auf die Entstehung einer spätmittelalterlichen Kirche, Würzburger Diö zesangeschichtsblätter 48 (1986) S. 431-466 (auch in: Jahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg 1985/ 8 6 S. 41-96) mit umfangreicher Literatur. Dazu neuestens: Klaus HERBERS,St. Wolfgang und die europäischen Pilgerfahrten des späten Mittelalters, in: Michael Pacher und sein Kreis. Ein Tiroler Künstler der europäischen Spätgotik, hg. von Artur ROSENAUER(Bozen/ Lana 1999) S. 113-11 9. <?page no="93"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 93 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 93 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmitte/ alters 81 konnte sich auch die Sage dieses Vorfalls bemächtigen, sogar antisemitische Motive hinzufügen (von einer Brunnenvergiftung durch die Juden ist die Rede). Fest steht aber, daß, nachdem dieser Betplatz rasch populär wurde und sogar Wunderzeichen gemeldet wurden, ein wohl frommer und gläubiger, aber sicher auch kühl berechnender Geschäftsmann sich dieses neu erwachenden Verehrungsbedürfnisses annahm. Es war der wohlhabende Rothenburger Wollhändler Michael Otnat 52, der hier eine Möglichkeit sah, seine Geschäftspartner, nämlich eine große Zahl von Schäfern in einem weiten Umkreis, in einem zentral gelegenen religiösen Sammelort mindestens jährlich einmal zu einer mehrtägigen Zusammenkunft um sich zu scharen, mit ihnen gemeinsam die heilige Messe zu zelebrieren, religiöse Andacht zu pflegen, aber auch ausgelassen zu feiern und, nicht zuletzt, geschäftlich mit ihnen zu verhandeln. Er gründete eine eigene Schäferbruderschaft, deren erster Vorstand er war und mit deren Spenden und Opfern er daran ging, den offenen Betplatz in eine geschlossene, geschützte Kapelle zu verwandeln und eine eigene Meßstiftung darin einzurichten. Es entstand somit im Herbst 1475, nach bischöflicher Bewilligung, ein Provisorium aus Holz, ausgestattet mit einem Tragaltar und, zusammen mit dem immer lebhafter werdenden Wallfahrtsbetrieb, verwaltet durch eine vom Rat der Stadt eingesetzte Pflegschaft. Die offiziellen Instanzen, also das weltliche Stadtregiment und die geistliche Diözesanobrigkeit, hatten demnach das zunächst aus wilder Wurzel entstandene Projekt akzeptiert und versuchten, es in geregelte und überwachbare Bahnen zu lenken. Hatte doch der Würzburger Bischof Rudolf von Scherenberg gerade im Folgejahr 1476 große Mühe, den Volksauflauf, der sich um die Predigten des „Paukers von Niklashausen" an der mittleren Tauber bildete, unter Kontrolle zu bringen53_ Aber auch die Stadt verfolgte nun, nachdem der Bau einer festen Kapelle beschlossen worden war und 1476 und 1477 die Baugrube dafür ausgehoben und die Fundamente gemauert wurden, eigenständige 52 Zu Michael Otnat: SCHNURRER, Wolfgangskirche (wie Anm. 51) S. 432ff.; DERS., Aus der Schreibstube eines spätmittelalterlichen reichsstädtischen Kaufmanns. Der Rothenburger Wollhändler Michael Otnat und sein Geschäftsbuch, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 55/ 1 (1992) (= Festschrift Hans Ral! ) S. 89-121; DERS., Wollerzeugung, Wollhandel und Wollweberei. Beiträge zur Geschichte eines bestimmenden Gewerbezweigs in der Reichsstadt Dinkelsbühl am Ausgang des Mittelalters, Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 97 (1994/ 95) S. 97-150, hier vor allem S. 115-118, S. 141-148. 53 Klaus ARNOLD, Niklashausen 1476. Quellen und Untersuchungen zur sozial-religiösen Bewegung des Hans Behem und zur Agrarstruktur eines spätmittelalterlichen Dorfes (Saecula spiritualia 3, Baden-Baden 1980). <?page no="94"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 94 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 94 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 82 Ludwig Schnurrer Pläne. Die Lage der neuen Kapelle in knapper Entfernung vor dem Klingentor legte eine Verbindung des Kirchenbaus mit einer Verstärkung der Stadtbefestigung nahe, und damit übernahm die städtische Obrigkeit von der Schäferbruderschaft Planung und Durchführung des Kapellenbaus und leitete damit die dritte Phase der Baugeschichte ein. Am Tag nach Bartholomäi, dem 25. August 1477, wurde der erste Stein des aufgehenden Mauerwerks gelegt 5 4, und man band die Wallfahrt und die Schäferbruderschaft in die neue Entwicklung ein, indem dieses Datum auch als ihr kirchlicher Festtag gefeiert wurde, an dem überdies ein besonderer Ablaß zu erwerben war. Außerdem bildeten die eingehenden Opfergelder der Pilger nach wie vor die wichtigste Finanzierungsquelle; es waren im Jahresdurchschnitt 1100 Pfund Pfennige, und nur soviel wurde jährlich verbaut. Das war auch einer der Gründe, warum die Kapelle erst um 1507 nach dreißigjähriger Bauzeit einigermaßen vollendet war. Die Schäferbruderschaft blieb trotz der Einführung der Reformation bis zum Ende der Reichsstadtzeit bestehen 55 • Der Pilgerstrom jedoch nahm ab, besonders seitdem 1520 auf dem Judenfriedhof eine neue Wallfahrt entstanden war. Es war das merkwürdigste Wallfahrtsphänomen in Rothenburg, bei dem sich ein letztes Aufflackern des Marienkultes vor der Reformation mit aggressivem Antisemitismus und dem persönlichen Ehrgeiz eines einzelnen Ursachers auf eigenartige Weise verquickten und ein räumlich weit entfernter Vorgang imitiert wurde 56 . Die Marienverehrung war in Rothenburg, wie fast überall im ausgehenden Mittelalter, traditionsreich und intensiv. In fast allen Kirchen und Kapellen gab es Marienaltäre, insgesamt sieben, zum Teil mit eigenen Meßkaplänen. Zwei Kapellen waren der Gottesmutter geweiht; die eine, in Kobolzell war (wie berichtet) Wallfahrtskirche; die andere, auf dem Kapellenplatz, wurde um 1400 aus einer jüdischen Synagoge um- 54 StadtA Rothenburg A 783 fol. 178, bei den Einnahmen aus dem Opferstock zu St. Wolfgang: In posicione primi lapidis 11 gl, et erat dies altera Bartholomei; ebenda fol. 159' bei den Ausgaben des Jahres 1476: Dominica tertia (nach Trinitatis) inyicionis primi lapidis... 55 August SCHNIZLEIN, Altes und Neues vom Schäfertanz, Die Linde 12 (1922) S. 25- 32, S. 36-39, S. 41-48; Ludwig SCHNURRER, Zur Geschichte des Schäfertanzes, Die Linde 58 (1976) S. 24. - Wiederaufleben des Rothenburger Schäfertanzes 1912 durch Theodor Schletterer. 56 Grundlegend: Ludwig SCHNURRER, Die Wallfahrt zur Reinen Maria in Rothenburg (1520-1525), Würzburger Diözesangeschichtsblätter 42 (1980) S. 463-498 (auch in: DERS.,Rothenburg im Mittelalter [Rothenburg 1997] S. 401-454 ). <?page no="95"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 95 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 95 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters 83 gewandelt 57, wie das häufig geschah (z.B. in Würzburg und Nürnberg) ein auch in unserem Zusammenhang wichtiger Vorgang. Kurz vor der Reformation war jedenfalls der Boden bereitet für ein letztes, ungewöhnlich starkes, aber auch rasch versiegendes Aufflammen des Ma rienkultes in Rothenburg. Auslöser dazu war der ungemein starke Einsatz eines besonders begeisterungsfähigen, breite Volksmassen durch seine Beredsamkeit mitreißenden Mannes, des Predigers Dr. Johannes Teuschlein58. Er stammte aus Frickenhausen am Main, hatte in Leipzig studiert, wurde in Wittenberg zum Doktor der Theologie promoviert und war 1512 vom Rothenburger Rat zum Prädikanten angenommen worden 59. Seine Predigttätigkeit und einige zweitrangige philologisch-humanistische Publikationen genügten seinem Ehrgeiz offenbar nicht. Er wollte über die Stadt hinaus berühmt werden, und dazu bot sich ihm die Gelegenheit, als er von einem Ereignis erfuhr, das damals in diesen aufgewühlten Jahren unmittelbar nach Luthers Thesenanschlag, in ganz Deutschland Aufsehen erregte: die Entstehung der Wallfahrt zur Schönen Maria in Regensburg 60. Hier wurden, durch die Propaganda des Dompredigers Balthasar Hubmaier angeheizt, im Februar 1519 die Juden aus der Stadt vertrieben, das gesamte Judenviertel samt Synagoge abgerissen und auf dem freigewordenen Platz eine Marienkapelle errichtet, die wegen des verehrten Marienbildes bald den Titel „Zur Schönen Maria" erhielt. Die aufgrund eines kolportierten Wunders einsetzende Wallfahrt entwickelte sich in kürzester Zeit in unvorstellbarer Ausdehnung und Heftigkeit. Dr. Teuschlein in Rothenburg muß schon sehr bald Kunde von diesen Ereignissen bekommen haben, allem Anschein nach durch einen Rothenburger Landsmann namens Christoph Hofmann 61, der sich Ostra- 57 SCHNURRER, Reine Maria (wie Anm. 56) S. 466 f., mit allen Belegen. 58 SCHNURRER,Reine Maria (wie Anm. 56) S. 468ff.; Theodor K0LDE, D. Joh. Teuschlein und der erste Reformationsversuch in Rothenburg o. d. T., in: Festschrift der Universität Erlangen zur Feier des achtzigsten Geburtstages Sr. Königlichen Hoheit des Prinzregenten Luitpold von Bayern (Erlangen/ Leipzig 1901) S. 7 ff. 59 B0RCHARDT,Die geistlichen Institutionen (wie Anm. 1) S. 83, S. 604. 60 Leonhard THE0BALD,Reformationsgeschichte der Reichsstadt Regensburg 1 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns XIX, München 1936) S. 33-98; Gerlinde STAHL,Die Wallfahrt zur Schönen Maria in Regensburg, Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg 2 (1968) S. 35-282. 61 Otto KR0NSEDER,Christophorus Hoffmann genannt Ostrofrancus (Diss . München 1898) (zugleich Programm des Maximilians-Gymnasiums München für 1898/ 99). Zu seiner Bedeutung als Geschichtsschreiber: Bernhard BISCHOF, Studien zur Geschichte des Klosters St. Emmeram im Spätmittelalter (1324-1525), Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 65 (1953/ 54) S. 184-186. <?page no="96"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 96 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 96 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 84 Ludwig Schnurrer francus nannte, als Mönch im Benediktinerkloster St. Emmeram wohnte und historische Studien betrieb, übrigens mit dem berühmten bayerischen Geschichtsschreiber Johannes Thurmaier, genannt Aventinus, gut bekannt war. Dieser Hofmann gab noch im gleichen Jahr eine gedruckte lateinische Schrift über die Regensburger Vorfälle heraus 62, die kurz danach in Teuschleins Besitz gelangte und in der alten Rothenburger Bibliothek noch erhalten ist; Marginalnotizen von seiner Hand beweisen, daß er sie intensiv benutzt hat. Damit hatte er eine Gebrauchsanweisung in der Hand, wie man eine Marienwallfahrt ins Leben rufen kann, und er setzte sie Schritt für Schritt in der gleichen Weise wie in Regensburg in die Tat um. Noch im Herbst des gleichen Jahres 1519 gelang es ihm, zunächst durch seine aufhetzenden Predigten vor dem gemeinen Volk, dann aber in direkten Eingaben an den Rat, diesen zur Ausweisung der inzwischen sehr kleinen und wirtschaftlich unbedeutenden Judengemeinde zu bewegen63. Daß die Frist zum Verlassen der Stadt ausgerechnet auf das Fest Purificatio Mariae, Mariä Reinigung (Lichtmeß), den 2. Februar, festgelegt wurde, war natürlich Teuschleins Werk und hatte doppelten symbolischen Charakter: Einmal sollte damit die „Reinigung" Rothenburgs von ihren jüdischen Bewohnern angesprochen werden, zum anderen kündigte Teuschlein damit an, daß er die Synagoge auf dem Judenfriedhof in eine Kapelle „Zur Reinen Maria" umzuwandeln gedachte. Dies geschah, noch vor Ablauf der genannten Frist, indem ein lärmender Pöbelhaufen die Synagoge stürmte, die noch verbliebenen kultischen Geräte zerstörte und Teuschlein eine Marienstatue darin aufstellte all dies zum schweren Mißfallen des Stadtregiments, das mit Recht das Anwachsen einer allgemeinen revolutionären Grundstimmung befürchten mußte. 62 De Ratisbona metropoli Boivariae et subita ibidem Judaeorum proscnptione, Augsburg (Silvanus Ottmar) 1519; Rats- und Konsistorialbibliothek Rothenburg Th 752/ XLVII, 11. Das Titelblatt abgedruckt in: Jahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg (1909/ 10) S. 27 Abb. 7. 63 August SCHNIZLEIN, Zur Geschichte der Vertreibung der Juden aus Rothenburg o. Tauber 1519/ 20, Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 61 (1917) S. 263-284; SCHATTENMANN, Reformation (wie Anm . 1) S. 28-36. Einseitig antisemitisch: Martin SCHÜTZ, Eine Reichsstadt wehrt sich. Rothenburg ob der Tauber im Kampf gegen das Judentum (Rothenburg 1938), dazu die Miszelle von Paul SCHATTENMANN, Dr. Johannes Teuschlein und die Rothenburger Judenaustreibung 1519/ 20 in neuer Schau, Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 13 (1938) s. 113-115. <?page no="97"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 97 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 97 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters 85 Zweite Stufe auf dem Wege, das Regensburger Vorbild umzusetzen, war die Manipulation von Wunderzeichen; unmittelbar nach dem Synagogensturm wurden solche bekannt (z.B. Heilungen von Blindheit und Epilepsie), und Teuschlein beeilte sich, sie propagandistisch auszuwerten, indem er sie auf einer Tafel aufschreiben ließ und wenig später sogar ein gedrucktes Mirakelbuch herausgab6 4 . Der nächste Schritt war die kirchenrechtliche Absicherung der neuen Marienkapelle. Dies war mit schwierigen juristischen Problemen verbunden (auf die hier nicht einzugehen ist). Sie wurden in langwierigen Verhandlungen des Rothenburger Stadtschreibers Thomas Zweifel 65 mit Bischof Konrad von Würzburg geregelt. Ihr wichtigstes Ergebnis war, daß die Synagoge durch einen neu angebauten Chor im Osten erweitert werden sollte. Nachdem diese und andere kleinere Umbauten bewerkstelligt waren 66, konnte der Würzburger Weihbischof am Osterdienstag, dem 10. April 1520, die neue Kapelle „Zur Reinen Maria" weihen. Ein reger Wallfahrtsbetrieb zu ihr hatte schon unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten angeblichen Wunderzeichen begonnen. Nach der Weihe schwoll der Besucherstrom täglich mehr an; am Weihetag wurden 2 bis 2 1/ 2 Tausend Wallfahrer geschätzt. Die Einnahmen an Opfergeldern und Sachspenden, die von einer vorher eingesetzten Ratspflegschaft genauestens notiert wurden6 7, waren dementsprechend hoch. Im ersten Rechnungsjahr gingen an Geld über 12000 Pfund Pfennige ein. An Sachspenden gab es von der bäuerlichen Schicht Kühe, Kälber, Schweine, Schafe, Hühner und Eier; die wohlhabenderen Bürger spendeten Silbergeschmeide, Kelche, Kannen, viele wertvolle Paternoster (Rosenkränze) und andere Kleinodien. 64 „Hienach sein begriffen die groß wunderzaichen geschehen durch die Rayn Maria, die mueter gottes zu Rotenburg auff der Tauber Anno 1520". Dazu SCHNORRER, Reine Maria (wie Anm. 56) S. 476f. mit Anm. 96. 65 Ludwig SCHNORRER, Thomas Zweifel (t 1540). Stadtschreiber und Chronist des Bauernkriegs um Rothenburg, in: Fränkische Lebensbilder (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte Reihe VII/ A, 10, Neustadt a. d. Aisch 1982) S. 97-114 (auch in: DERS.,Rothenburger Profile, Lebensbilder aus 6 Jahrhunderten [Rothenburg 2002] S. 73-94 ). 66 SCHNORRER, Reine Maria (wie Anm . 56) S. 480f. Etwas spätere Skizze in Tinte in der Rothenburger Chronik des Michael Eisenhard (Autograph), Bayer. Staatsbibliothek München, Cgm 7870 fol. 104-105, mit der Unterschrift: "Anno im 20. jar des suntags Cantate nach osternn ist also verbrachtt und gepauett in der gestallt dyse capellnn der synagoch zw Rottnnburgk uff der Tawber etc." - Abgerissen um 1560, als der Friedhof vor das Rödertor verlegt wurde. 67 Rechnungsbuch der Kapellenpflege: StadtA Rothenburg R 381 a. <?page no="98"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 98 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 98 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 86 Ludwig Schnurrer An Textilien zählte man allein im ersten Jahr 35 Röcke und Mäntel, 6 Frauengoller, 4 Hosen, ein Wams, 52 Hemden, 24 Brottücher, 18 Handtücher, 2 Decken, 10 Kinderhemden, 529 Schleier, 4 Hüte und Barette, insgesamt 725 Einzelstücke. Die ungewöhnlich große Zahl von Schleiern beweist, daß der Anteil der Frauen den der Männer bei weitem überwog. Auch aus der Anzahl der an den drei Altären der Kapelle gelesenen Messen läßt sich die ungewöhnlich hohe Wallfahrerfrequenz ablesen: im ersten Jahr zählte der Kapellenpfleger, der ein genaues Rechnungsbuch führte, 1856 Messen! Aus diesen Jahresbilanzen ergibt sich nun auch, daß nach dem gewaltigen Wallfahreransturm des ersten Jahres bis zum Mai 1521 der Besucherstrom beständig nachließ, bis er im Bauernkriegsjahr 1525 praktisch zum Erliegen kam. Das hat nicht nur mit dem Vordringen der reformatorischen Ideen Martin Luthers zu tun; mehr noch damit, daß der alleinige Initiator der Wallfahrt zur Reinen Maria, der Prediger Dr. Johannes Teuschlein, offenbar tief enttäuscht war, daß die bischöflichen Behörden und der Rothenburger Rat sehr bald den gesamten Kapellen- und Wallfahrtsbetrieb in die Hand ,genommen hatten und er keinen Einfluß mehr darauf ausüben konnte. Er wurde kurz darauf ein führender Anhänger der reformatorischen Bewegung in Rothenburg, der die Gottesmutter Maria, die er kurz zuvor noch so glühend verehrt hatte, nun verächtlich als „Grasmaidlein" abtat. Seine verhängnisvolle Verbindung mit Bauernkrieg und Bürgerrevolte führte schließlich zu seinem Ende: Am 1. Juli 1525 wurde er auf dem Rothenburger Marktplatz als Rädelsführer enthauptet68. Nach diesen vier Rothenburger Wallfahrtsstätten (zum Heiligen Blut, zur Maria in Kobolzell, zu St. Wolfgang und zur Reinen Maria auf dem Judenfriedhof) ist nun noch zu sprechen von zwei Verehrungsstätten, die ganz deutlich Kennzeichen einer beginnenden Wallfahrt aufweisen, die aber, als Spätentwicklungen, frühzeitig in den Sog der reformatorischen Bewegung gerieten und sich daher nicht mehr voll entfalten konnten, zumal sie ja, wie gesehen, die starke Konkurrenz der eben genannten vier Wallfahrtsorte zu erdulden hatten. Da ist einmal die Verehrung der Heiligen Anna, der Mutter Mariens. Sie war bis zum späten Mittelalter allgemein eher bescheiden, entwickelte sich aber fast schlagartig in ganz Europa" seit sie in die berühm- 68 BAUMANN,Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs (wie Anm. 23) S. 558. Die Zahlungen (20 + 3 Pfund Pfennige) an Arbeiter „zu der neuen walfart" beziehen sich wohl auf die Herrichtung des Judenfriedhofs zu einem christlichen Friedhof" ... arbyter ..., so gereut haben ..."): StadtA Rothenburg R 364 fol. 208'f. <?page no="99"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 99 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 99 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters 87 te und weit verbreitete Legendensammlung des Jacobus de Voragine, die "Legenda Aurea", aufgenommen wurde (im ausgehenden 13. Jahrhundert); noch mehr in Deutschland seit 1500, seitdem eine St. Anna- Reliquie (ein Teil ihrer Hirnschale) von Mainz nach Düren transferiert wurde und nach dort eine lebhafte Wallfahrt einsetzte 69. Neben der Mutterschaft der Gottesgebärerin verehrte man sie als Patronin der Schwangeren und Gebärenden, der Eheleute und Eltern, der Witwen und der Armen eine umfangreiche Palette, die verständlich macht, daß ihre Verehrung weite Verbreitung fand 70. In Rothenburg begann sie um 1500. 1505, nachdem Tilman Riemenschneider den großen Heiligblutaltar vollendet hatte, erhielt er von der St. Jakobspflege den Auftrag, in die Marienkapelle (auf dem Kapellenplatz) auf dem Altar des Kaplans Heinrich Rudolf einen neuen St. Annenaltar zu schaff en 71. Ein Jahr darauf war er fertig. Er ist, wie die Kapelle, nicht mehr erhalten. Zwei Fragmente, in München und in London, könnten daraus stammen. Es bildete sich eine St. Anna-Bruderschaft 72 , offenbar aus einer Marienbruderschaft heraus. Der Annenkult verdrängte demnach, wie auch anderswo, vorübergehend den Marienkult. Ein eigener Opferstock nahm die offenbar reichlichen Geldspenden auf7 3, und eine eigene Pflegschaft, vielleicht auch hier in Konkurrenz zur eigentlichen Kapellenpflege, ver- 69 Ernst SCHAUMKELL, Der Kultus der heiligen Anna am Ausgang des Mittelalters. Ein Beitrag zur Geschichte des religiösen Lebens am Vorabend der Reformation (Freiburg/ Leipzig 1893); Beda KLEINSCHMIDT, Die heilige Anna. Ihre Verehrung und Geschichte in Kunst und Volkstum (Forschungen zur Volkskunde 1-3, München 1933). Otto CLEMEN,Zum St. Annenkult im Mittelalter, Archiv für Reformationsgeschichte 21 (1924) S. 251 ff.; Lexikon des Mittelalters 1 (München/ Zürich 1980) Sp. 653 f. 70 Hanns BÄCHTHOLD-STÄUBLI (Hg.), Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 1 (Berlin/ Leipzig 1927-1942) Sp. 448 ff . 71 BIER, Tilman Riemenschneider (wie Anm. 39) S. 44-55, 175f .; RESS,Die Kunstdenkmäler (wie Anm. 18) S. 529f.; BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen (wie Anm. 1) S. 79. 72 1512 bis 1516: Pflege „unser frauen bruderschaft" (StadtA Rothenburg B 303 fol. 309' und 338' ; B 304 fol. 236', 248'); BORCHARDT,Die geistlichen Institutionen 1 (wie Anm. 1) S. 696 Nr. 235. - 1520-1539: "sant Anna bruderschaft" (in der Marienkapelle) (ebenda B 305 fol. 141'; B 306 fol. 155', 254'; B 307 fol. 376,414). Letztmalige Nennung 1549 (also nach der Einführung der Reformation): "von S. Anna bruderschaft wegen"; ebenda R 365 fol. 41'. Zu den St. Anna-Bruderschaften allgemein: Ludwig REMLING,Bruderschaften in Franken. Kirchen- und sozialgeschichtliche Untersuchungen zum spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bruderschaftswesen (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 35, Würzburg 1986) S. 258-277. 73 1515: "Item 18 lb 11 d ist gefaln an sant Anna stok ..."; StadtA Rothenburg R 360 (Rechnungsmanuale der St. Jakobspflege) fol. 358. <?page no="100"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 100 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 100 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 88 Ludwig Schnurrer waltete alles 74. Wie intensiv die Rothenburger Annenverehrung war, wird unterstrichen durch die Gründung einer Annenbruderschaft in Kitzingen im Jahre 1511 durch Hans Besserer, der von 1504 bis 1509 Rothenburger Stadtschreiber war 75 und hier die Rothenburger Bruderschaft kennengelernt haben mochte; ferner sogar durch eine Bruderschaft St. Maria und Anna im Dorf Steinsfeld nördlich von Rothenburg in der Landhege (1516)7 6 • Ein Jahr darauf erbat sich die Dinkelsbühler Familie Goldochs von Rothenburg Steine zum Bau einer St. Anna- Kirche in dem Dorf Bernhardsweiler (zwischen Dinkelsbühl und Crailsheim) 77 • Deren imposanter Chor (erbaut angeblich von der Dinkelsbühler Bauhütte des Nikolaus Eseler) ist noch erhalten 78; ihre Fertigstellung verhinderte die Reformation, die dann auch seit 1544 den Annenkult in Rothenburg beendete. Wesentlich älter als die Verehrung der heiligen Anna ist diejenige eines Heiligen, den man heute fast nicht mehr kennt: des heiligenJodokus (auch Jos oder Jobst)7 9 • Er war ein bretonischer Fürstensohn des 7. Jahrhunderts, der als Eremit starb. Aus seiner Einsiedelei entstand das Benediktinerkloster St. Josse-sur-Mer in der Picardie, das sich im Hochmittelalter zu einem der bedeutendsten Pilgerziele Westeuropas entwickelte. Von dort aus wanderte die J odokusverehrung, deutlich erkennbar entlang wichtiger Verkehrswege 80, in die Eifel und weiter nach Oberdeutschland. lm 14. Jahrhundert entstanden z.B. die Josenkapellen 74 Vgl. Anm. 72. 75 REMLING,Bruderschaften in Franken (wie Anm. 72) S. 270 mit Anm. 68. Über die Kitzinger St. Annenbruderschaft ausführlich: ebenda S. 377-395. 76 1516 bittet Rothenburg um Bestätigung durch den Würzburger Bischof: StadtA Rothenburg B 221 fol. 114 Nr. 180 a; BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen 1 (wie Anm. 1) S. 712; 2 S. 1239 Anm. 63; REMLING,Bruderschaften in Franken (wie Anm. 72) S. 410 Anm . 108. 77 U. a. StadtA Rothenburg B 221 fol. 352' Nr. 561; dazu Ludwig SCHNURRER, Beiträge zur Baugeschichte Dinkelsbühls und seiner Umgebung aus Rothenburger Quellen, Jahrbuch des Historischen Vereins Alt-Dinkelsbühl (1975/ 76) S. 22 f. (mit allen Nachweisen). 78 Manfred AKERMANNu. a., Kunst, Kultur und Museen im Kreis Schwäbisch Hall (Stuttgart 1991) S. 171 ff. 79 Jost TRIER, Der heilige Jodokus. Sein Leben und seine Verehrung, zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Namengebung (Germanistische Abhandlungen 56, Breslau 1924); Gerd ZIMMERMANN, Patrozinienwahl und Frömmigkeitswandel im Mittelalter 2, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 21 (1959) S. 5-124, hier S. 75 f.; BÄCHTHOLD-STÄUBLI, Handwörterbuch 4 (wie Anm . 70) Sp. 701-703. - Lexikon des Mittelalters 5 (München/ Zürich 1991) Sp. 493 f. 80 Jost TRIER,Patrozinienforschung und Kulturgeographie, Historische Zeitschrift 134 (1926) s. 319-349. <?page no="101"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 101 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 101 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters 89 in Schwäbisch Hall und Heilbronn 81 aus der Vermengung der Namen Jobst und Job= Hiob und der daraus erwachsenden Rolle als Patron der Siechen und Aussätzigen der Siechenkobel St. Jobst bei Nürnberg 82und das Leprosenhaus St. J odok in Feuchtwangen 83. Schon für 1313 läßt sich die erste „Josfahrt" von Rothenburg aus nachweisen; davon wird noch zu reden sein. Die intensive Pflege des J odokuskultes begann jedoch erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts, erstaunlicherweise genau zeitgleich mit den meisten der genannten Rothenburger Wallfahrten ein Beweis mehr für die geradezu an Süchtigkeit grenzende Heiligenverehrung des ausgehenden Mittelalters. Diese Rothenburger Jodokusverehrung begann auch gleich mit aller Macht: Eine reiche Witwe stiftete 1478 einen Jos-Altar mit einer Ewigmesse in die erst kurz zuvor neu erbaute Heiligblutkapelle (wahrscheinlich in einem der beiden kleinen Seitenjoche)84; eine eigene Pflegschaft8 5 kümmerte sich um die Einkünfte und ihre Verwendung; vor 1511 wurde eine „sant Jobst bruderschaft zum heyligen blut" 86 gegründet, die sogar für die Verglasung dieses Altar- 81 Gertrud RüCKLIN-TEUSCHER, Religiöses Volksleben des ausgehenden Mittelalters in den Reichsstädten Hall und Heilbronn (Historische Studien 226, Berlin 1933) S. 135 Anm. 215. 82 Gunter P. FEHRING/ Anton RESS,Die Stadt Nürnberg (Bayerische Kunstdenkmale 10, München 1961) S. 283; Emil REICKE, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg (Nürnberg 1896, ND 1983) S. 171. 83 Ernst KEYSER/ Heinz STOOB(Hgg.), Bayerisches Städtebuch (Deutsches Städtebuch 5/ 1, Stuttgart 1971) S. 201 Nr. 16 a. 84 1507 April 11: "... in sant Joß abseyten": StadtA Rothenburg R 363 fol. 308'; BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen 1 (wie Anm. 1) S. 52 Nr. 13, S. 67; seine Annahme, der Altar müsse im nördlichen Seitenschiff aufgestellt gewesen sein, da das südliche seit 1475 für die Orgel bestimmt gewesen sein, ist insofern irrig, als die erste Orgel nicht auf der Westempore, sondern als „Schwalbennestorgel" über dem ersten nördlichen Langhauspfeiler aufgebaut wurde. Franz KRAUTWURST, Die erste Orgel der St. Jakobskirche in Rothenburg o. T. Ein Werk des Frankfurter Barfüßers Leonhard Mertz, Jahrbuch für fränkische Landesforschung 23 (1963) S. 155-170; Theodor WOHNHAAS/ Hermann FISCHER,Die Rothenburger Orgeltrias im Spiegel der mainfränkischen Orgelbaugeschichte, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 28 (1966) S. 242. - Liste der Kapläne am Jodokusaltar 1478-1536: BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen 2 (wie Anm. 1) S. 780. 85 „santJoß pfleger" 1502, 1505: StadtA Rothenburg B 302 fol. 23', 119'. Seit 1511 wird die Pflege immer nur im Zusammenhang mit der Bruderschaft genannt: StadtA Rothenburg B 303 fol. 257'. Vgl. Anm . 86. 86 Erstmals 1511 (siehe Anm. 85); letztmals 1542 (Beitrag zur Türkenkriegsumlage): Heinrich Wilhelm BENSEN(Bearb.), Historische Untersuchungen über die ehemalige Reichsstadt Rothenburg oder die Geschichte einer deutschen Gemeinde aus urkundlichen Quellen (Nürnberg 1837) S. 547; REMLING,Bruderschaften in Franken (wie Anm. 72) S. 284; St. Jodokus-Qost-)Bruderschaften sind neben Rothenburg bei Remling nur noch in Fulda (S. 400) und in Schmalkalden (S. 409) nachgewiesen. <?page no="102"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 102 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 102 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 90 Ludwig Schnurrer raums aufkam 87. Nicht genug damit, stellte man auch in der Kobolzeller Kirche neben der von den Wallfahrern verehrten Muttergottesstatue ein Standbild des heiligen Jobst samt einer eigenen Opferbüchse auf 88. Bei dem seltenen HeiligennamenJodokus,Jobst oder Jos besteht sogar die Möglichkeit, den Einfluß einer Heiligenverehrung auf die Taufnamenwahl in einer bestimmte Zeit als Indikator für die Intensität eines solchen Kultes festzustellen. Während Jos oder Jobst in der Rothenburger Steuerliste von 1374 89 kein einziges Mal auftaucht, sind es in einer Liste der Oberen Marktwacht von 1497 90 vier „Jobse" (das wären, auf die 6 städtischen Wachten hochgerechnet, 24 Nennungen); die Wachtliste von 1517 91 zählt 18, die von 1525 92 12 „Jose". Deutlicher kann die Beliebtheit eines bestimmten Heiligen in einer mittelstädtischen Gesellschaft gar nicht zum Ausdruck kommen. Die Sankt- Jodokusverehrung ist, wie der Sankt-Annenkult, trotz der geschilderten typischen Ansätze dazu, nicht bis zu einer regelrechten Wallfahrt gediehen; sie trat zu spät auf und endete ebenfalls mit der Einführung der Reformation 93 . Wenden wir uns nun noch denjenigen Wallfahrten zu, welche die Rothenburger Bürger in die nähere und weitere Feme unternommen haben. Dabei müssen wir das leidige Handicap in Kauf nehmen, daß die Kenntnis dieser Seite der spätmittelalterlichen Pilgerfahrten quellenmäßig auf einer wesentlich dünneren Basis ruht. Letztlich erfahren wir davon in Urkunden und anderen Quellen nur, wenn ein rechtlicher Aspekt damit verbunden war, der dann in irgendeiner Form schriftlich 87 „Item 600 scheyben seyn uns (sc. der St. Jakobspflege) sant Jos bruder schuldig": StadtA Rothenburg R 360 fol. 388. 88 SCHNURRER, Kobolzell (wie Anm. 42) S. 114, S. 117f. 89 StadtA Rothenburg B 39 fol. 1-13'. 90 StadtA Rothenburg A 1286 Prod. 80. 91 StadtA Rothenburg B 423 fol. 292-309. 92 StadtA Rothenburg A 1286 Prod. 39. 93 Kleinere Wallfahrten von mehr oder weniger begrenztem Einfluß entstanden in einer ganzen Reihe von Dorfkirchen innerhalb des Rothenburger Territoriums. Hier ist in erster Linie die Kirche St. Sixtus in Faulenberg zu nennen, die reiche Einnahmen an Opfergeldern verzeichnen konnte. (B0RCHARDT, Die geistlichen Institutionen 1 [wie Anm. 1] S. 353, S. 360, S. 708; Karl REUTER,Aus der Geschichte Faulenbergs, Die Linde 44 [1962] S. 57ff.). Weitere Dorfwallfahrten: St. Anna in Weikersholz (B0R- CHARDT, Die geistlichen Institutionen 1 [wie Anm. 1] S. 708); St. Nikolaus in Gammesfeld (Die Linde 23 [1933] S. 18 Anm. 4; Der Bergfried [Zeitungsbeilage] 3 [1951] S. 38); St. Sebald in Schonach (Der Bergfried 3 [1951] S. 30; 8, [1956] S. 6); St. Sebastian in Heiligenbronn (Die Linde 23 [1933] S. 18 Anm. 4). Über die Rothenburger Landwehr hinaus vgl. Isidor FISCHER,Mittelalterliche Wallfahrtsorte in der Umgebung Crailsheims, Württembergisch Franken 28/ 29 (1953/ 54) S. 107-128. <?page no="103"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 103 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 103 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters 91 fixiert wurde 94. Deshalb spielen dabei Gerichtsbücher eine wichtige Rolle, und da die Rothenburger Stadt- und Landgerichtsbücher sehr weit zurückreichen und fast vollständig erhalten sind, ist die Überlieferung solcher Fälle umfangreicher als in anderen vergleichbaren Städten. Als der Rothenburger Ratsherr Hans Wern 95 im Herbst 1394 auf die Anklage eines selbsternannten Inquisitors wegen Ketzerei einem strengen geistlichen Verhör unterzogen wurde und man dazu viele Zeugenaussagen einholte, wurde schließlich in einem umfangreichen Notariatsinstrument96 festgestellt, daß Wem mehr als andere Kirchen und heilige Stätten, häufig die Gottesdienste besucht und die Eucharistie zu den gebotenen Zeiten und öfters zu sich genommen, mit Klerikern und anderen Geistlichen eifrig Umgang gepflegt, sie verehrt und ihnen die schuldige Ehrerbietung erwiesen, großzügige Almosen gespendet und sich besonders zum Bau und zur Ausschmückung von Kirchen und anderswo als wahrer Christ erwiesen habe. Das ist ein schöner Katalog der frommen Gesinnung und der guten Werke, die man von einem gutsituierten spätmittelalterlichen Bürger erwartete, und der Besuch von Wallfahrtsstätten rangiert dabei an oberster Stelle. Es gab aber noch andere Motivationen für Wallfahrten, und hier müssen, als quellenmäßig besonders häufig belegt, die sogenannten „Sühnewallfahrten" genannt werden. Sie wurden vor allem durch Gerichtsurteile in Totschlagsfällen als Strafen für die Täter verhängt 97. Ein besonders aussagekräftiges Zitat aus der gleichen Zeit wie der Wern'sche Ketzerprozeß sei hier zur Verdeutlichung angeführt: 1395 begingen vier Brüder der Familie Los in Metzholz (in der Rothenburger Landwehr) einen Totschlag. Das 94 Zur stadtbürgerlichen Wallfahrt allgemein vgl. Anm. l; dazu Marie-Luise FAVREAU- LILIE,Civis Peregrinus. Soziale und rechtliche Aspekte der bürgerlichen Wallfahrt im späten Mittelalter, Archiv für Kulturgeschichte 76/ 2 (1994) S. 321-350; Louis CARLEN,Wallfahrt und Recht, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen. Themen zu einer Ausstellung des Bayerischen Nation almuseums und des Adalbert Stifter Vereins München, hg. von Lenz KRISS-RETIENBECK/ Gerda MöHL ER (München/ Zürich 1984) S. 87-100. 95 Ludwig SCHNURRER, Der Fall Hans Wem. Ein spätmittelalterlicher Elitenkonflikt in der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber,Jahrbuch für fränkische Landesforschung 61 (2001) s. 9-52. 96 UB Rothenburg (wie Anm. 9) II 976f. Nr. 2512. 97 Johann SCHMITZ,Sühnewallfahrten im Mittelalter (Diss. Bonn 1910); Klaus-Peter HERZOG,Das Strafensystem der Stadt Rothenburg ob der Tauber im Spätmittelalter, (Diss. Würzburg 1971) S. 27-32; Louis CARLEN,Wallfahrt und Recht im Abendland (Freiburger Veröffentlichungen aus dem Gebiet von Kirche und Staat 23, Freiburg 1987); DERS., Straf- und Sühnewallfahrten nach Rom, in: Recht und Geschichte, Festschrift Hermann Bald zum 70. Geburtstag, hg. von Helfried VALENTINISCH (Graz 1988) S. 131-153. <?page no="104"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 104 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 104 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 92 Ludwig Schnurrer Rothenburger Landgericht legte u. a. folgende Strafe für die Täter fest: "... Auch sollen sie, ob genanten Losen alle vier, ir yclicher ein fart tun gen Och und zu sant J ose dem verern uff einer vart in diser nehsten ja res frist, durch des genanten Vogtmans (des Getöteten) selen heils willen, dez sie auch urkund bringen sollen, daz sie do gewest sein. Wer ez aber, daz ir einer krank und nicht vertig (fahrbereit) were, daz in ehaftig (rechtlich anerkannte) krankheit irre, der mag einen an sein stat do hin schiken, der auch kuntschaft bringen sol, daz er do gewest sey. Wer ez aber, daz der vorgenant Losen einer von todes wegen abgieng in der jars frist, so sol dez selben fart auch ab sein. " 98 - Wichtig ist dabei die Verpflichtung, eine schriftliche Bestätigung beizubringen, daß die auferlegte Wallfahrt wirklich vollzogen worden sei 99, ferner die Möglichkeit, im Falle einer Krankheit einen Ersatzmann auf die Fahrt zu schicken, natürlich gegen Bezahlung. Ähnlich wurde 1368 einem Totschläger, den man zu drei Wallfahrten verurteilt hatte, auferlegt, daß, falls er auf einer von ihnen sterben sollte, seine Bürgen die übrigen vollführen sollten 10°. Eine solche Stellvertretung räumte man auch vermögenden und höhergestellten Tätern ein: als 1516 ein gewisser Jodokus Trüb auf der Ratstrinkstube von Georg Wernitzer (beides Söhne des ältesten Rothenburger Patriziats) erstochen wurde, mußte Wernitzer u. a. 35 Gulden für drei Wallfahrten bezahlen 101. Über die Auswahl der Wallfahrtsziele sollten in einigen Fällen die Täter von ihren Pfarrern beraten werden; so in einem Urteil von 1368 102. Außer in Totschlagsfällen scheinen Sühnewallfahrten auch bei Schuldklagen verhängt worden zu sein. Der Rothenburger Bürger Hein- 98 StadtA Rothenburg B 198 (Stadtgerichtsbuch) fol. 30. 99 Eine solche Wallfahrtsbestätigung, ausgestellt vom Custos der Marienkirche in Aachen, ist uns zum Jahre 1405 erhalten: StadtA Rothenburg U 914; BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen 1 (wie Anm. 20) S. 708. - Pilgerzeichen aus Metall von einer der genannten Wallfahrtsorte sind in Rothenburg bisher noch nicht aufgetaucht. Lediglich eines von einer nicht identifizierten (vielleicht französischen) Marienwallfahrt (vor 1407) wurde in der Burgruine Nordenberg bei Rothenburg (zerstört 1407) gefunden (Die Linde 61 [1979] s~ 1 f.; Frankenlarrd [Zeitschrift des Frankenbunds] 35 [1983] S. 272). lOO StadtA Rothenburg B 296 (Landgerichtsbuch) fol. 144. 101 StadtA Rothenburg A 1536 fol. 75-85 a; BoRCHARDT, Die geistlichen Institutionen 2 (wie Anm. 1) S. 904 Anm. 11. -1503 werden für die Ausrichtung einer Wallfahrt 15 Pfund Pfennige bezahlt: ebenda B 302 fol. 56'. -1509 stiftet Leonhard Pfening testamentarisch 5 Wallfahrten: ebenda B 303 fol. 104'. 102 Siehe Anm. 100. - Zu liederlichem Verhalten während einer Wallfahrt eine Urfehde von 1502: Der Baderin zu Brettheim wird die Ehre abgeschnitten, "als ob sie uff einem wallweg, auch sunst, unerlicher werck mit Hansen Entlin getriben": StadtA Rothenburg A 842 (Urfehdebuch; wie Anm. 12) fol. 9. <?page no="105"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 105 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 105 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters 93 rich Mistlauer wurde 1314 zu einer solchen Mietwallfahrt verurteilt; er mußte schwören, daß er einen Mietling dazu abgeschickt hatte, sonst konnte er von seinen drei Gläubigern (darunter auch ein Jude! ) gepfändet werden 103. 1414 mußte ein Hans Dyemar den Hans Wernher aus der Verpfändung oder einer schweren Bürgschaftsleistung „ledigen umb 20 fl, ein walfart und 20 pfunt wachs" 104. 1450 wurde ein fälliger Gerichtstermin verschoben, bis der Beklagte von Rom zurückkehren würde 105• Besonders beliebt waren die Auftragswallfahrten als gute Werke, die eigens testamentarisch festgelegt wurden in der Weise, daß eine bestimmte Geldsumme ausgesetzt wurde zur Bestreitung einer oder mehrerer Wallfahrten. 1394 wurden z.B. dafür 10 Pfund Heller bestimmt 106. Es war stets gefährlich, auf Pilgerfahrt zu gehen. Nicht nur die Wohlhabenden unter ihnen waren immer wieder Ziele von Räubern und Mördern. Schon 1336 wurde vor dem Rothenburger Landgericht der Fall eines Pilgermordes (homicidium peregrinorum) verhandelt 107, ebenso 1342 ein Raubüberfall beim Wildenhof (de spolio facto in peregrino) 108 und 1383 ein Raub, begangen an zwei „brafantischen boten, die gingen in bilgerin wise" 109. Auch Wallfahrer aus Rothenburg gerieten in Gefahr. 1446 wurden drei Rothenburger Bürger „uff dem wallweg" zwischen Tauberbischofsheim und Mainz (zweifellos auf dem Weg nach Aachen oder nach Sankt Jost in der Eifel) von Heinz von Seckendorf und Eberhard Rüd von Kollenberg gefangengenommen unter dem Vorwand, Rothenburg befinde sich in Acht und Bann, was keineswegs zutrafllO. 103 StadtA Rothenburg B 14 fol. 248. - Mistlauer bestätigte schließlich, daß er den Mietling ohne alle Hintergedanken auf die Wallfahrt geschickt habe. 104 StadtA Rothenburg B 235 fol. 191. IOS StadtA Rothenburg B 300 fol. 177. - Schon 1303 wurde bei einem Prozess dem Kläger zugestanden, daß, falls er inzwischen auf eine Wallfahrt gehen sollte, dies seinem Recht keine Abbruch tun würde (...quod exinde non depereat ius suum); ebenda fol. 32'. 106 StadtA Rothenburg B 298 fol. 2. 107 StadtA Rothenburg B 296 fol. 18; 1336 November 2: Freispruch des Heinricus filius dicti Krutze vom Vorwurf, den Aplo dictus Steiner beschuldigt zu haben de homicidio peregrinorum. 108 StadtA Rothenburg fol. 37, 1342: Rebellinus ... expurgavit se de spolio facto in peregrino apud Wylndorf. .. (heute Wildenhof bei Kirnberg). 109 Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Rothenburg Akten 86 (Urfehdebuch; wie Anm. 12) fol. 10. IIO 1446 Februar 23: StadtA Nördlingen, Missiven 1446/ II fol. 113. Erzbischof Theoderich von Mainz geht deswegen gegen Heinz von Seckendorff vor, weil der Überfall auf seiner Geleitstraße begangen wurde (1446 Oktober 1: Amrhein, Archiv d. Hist. Ver. Unterfranken 53 [1911] 77; 1446 Oktober 5: Friedrich PIETSCH,Die Urkunden des Archivs der Reichsstadt Schwäbisch Hall (Veröffentlichungen der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 22, Stuttgart 1972) 217 Nr. 2084. <?page no="106"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 106 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 106 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 94 Ludwig Schnurrer Überdies forderten die mannigfaltigen Strapazen, die besonders auf den längeren Pilgerreisen zu bestehen waren, nicht selten ihre Opfer. Es waren daher Überlegungen der praktischen Vernunft, wenn Wallfahrer vorher ihre familiären, vor allem erbrechtlichen Angelegenheiten regel ten. Schon 1324 vertraute eine Bürgerin vor Antritt einer Wallfahrt ihre Güter ihren Verwandten an; falls sie nicht zurückkehren würde, sollten sie für ihr Seelenheil gestiftet werden 111• Selbst bei der vertraglichen Regelung von Sühnewallfahrten wird eine entsprechende Klausel eingefügt: Stirbt der Totschläger auf einer von drei geforderten Wallfahrten sollen seine Bürgen die restlichen durchführen 112 . Die erstaunlich zahlreichen Rothenburger, die im Heiligen Jahr 1400 nach Rom pilgerten, sind nur dadurch namentlich bekannt, daß sie alle vorher ihre Testamente in das Stadtgerichtsbuch eintragen ließen 113. Das häufigste Ziel der Rothenburger Sühne-, Gelübde- und Auftragswallfahrten war die Krönungsstadt Aachen 114 mit ihren vier „großen" und drei „kleinen" Reliquien, die alle sieben Jahre öffentlich vorgewiesen wurden (dazu gehörte vor allem ein Marienkleid, das Lendentuch Christi und ein Stück vom Strick der Geißelsäule). Das war von Rothenburg aus eine Strecke, die man hin und zurück in ein paar Monaten schaffen konnte. Von 1305 an 115 bis zum Ausgang des Mittelalters sind Dutzende solcher „Ochvarten", wie sie meist genannt wurden, von Rothenburg aus überliefert. An zweiter Stelle rangierte die „Josvart"; damit war in der Regel Sankt Jost in der Eifel gemeint, das man bequem von Aachen aus erreichen konnte, weswegen die Kombination dieser beiden Wallfahrten „auf einem weg" häufig gewählt wurde 116. Die besondere Verehrung des heiligen Jodokus in Rothenburg, die bereits erörtert worden ist 117, war hier natürlich eine zusätzliche Motivation. Nur einmal (1395) wurde eine Sühnewallfahrt „zu 111 StadtA Rothenburg B 15 fol. 43' . 112 1368: StadtA Rothenburg B 296 fol. 144. 113 Vgl. dazu Hartmut BETIIN/ Dietmar V0LKSD0RF,Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamtenten als Spiegel bürgerlicher Religiosität, in: Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa, hg. von Klaus HERBERS / Dieter R . BAUER 0akobus-Studien 12, Tübingen 2003) S. 231-258. 114 Stephan BEISSEL, Die Aachenfahrt. Verehrung der Aachener Heiligtümer seit den Tagen Karls des Großen bis in unsere Zeit (Freiburg i. Br. 1902); Heinrich SCHIFFERS, Kulturgeschichte der Aachenfahrt (Köln 1930); DERS.,Aachener Heiligtumsfahrt. Reliquien, Geschichte, Brauchtum (Aachen 1937); Mario d'ONOFRIO, Roma e Aquisgrane (Rom 1983); Lexikon des Mittelalters 1 (München/ Zürich 1980) Sp. 3 f. 115 1305: StadtA Rothenburg B 14 fol. 120. 116 Rothenburger Urfehdebuch (wie Anm. 12) fol. 120/ 2. 117 Siehe S. 86 mit Anm. 79; Lexikon des Mittelalters 5 (München/ Zürich 1991) Sp. 493 . <?page no="107"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 107 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 107 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters 95 sant Jose dem verern", d.h. dem entfernteren, festgelegt 118, und damit kann nur die Jodokusverehrung in St. Josse-sur-Mer in der Picardie gemeint sein, und das war nun schon eine erheblich längere Strecke, die großen Zeitaufwand und umfangreichere Geldmittel erforderte. Die für Rothenburg wichtigste Pilgerstraße führte nach wie vor, das ganze Spätmittelalter hindurch, wie eingangs schon dargestellt, nicht etwa zum Grabe des heiligen Jakobus in Compostela, sondern zu dem der Apostelfürsten Petrus und Paulus nach Rom, zum begehrtesten und häufigst besuchten Wallfahrtsziel im Abendland 119. Die ziemlich direkte Reiseroute entlang der geschilderten alten Nord-Süd-Straße 120 und über den Brennerpass sowie die besondere Gnaden- und Ablaßfülle der zahllosen heiligen Stätten in der „Hauptstadt" der abendländischen Christenheit hat, seit 1305 erstmals als Sühnewallfahrt belegt 121, immer wieder auch Rothenburger Bürger zur heilbringenden Fahrt nach dem Südengelockt. Der Aufwand dazu war beträchtlich, so daß vorwiegend Mitglieder der wohlhabenden, ratsfähigen Familien die Strapazen und die Unkosten einer Romfahrt auf sich nahmen. 1343 ist von einem Wallfahrtsgelübde des Patriziers Heinrich Zuckmantel zu den Heiligen Petrus und Paulus die Rede 122. Hans Wem, von dem schon einmal die Rede war, pilgerte 1378 dahin 123. Im gleichen Jahr erfahren wir von einem Wallfahrtsgelübde nach Rom der Katharina Trüb 124, wie 1397 auch des großen Bürgermeisters Heinrich Toppler 125. Schließlich berichtet Heinrich Trüb der Ältere in seinem „Memorbuch" von zwei Romfahrten 1450 und 1469 126. Besondere Anziehungskraft übten natürlich die erstmals von Papst Bonifaz VIII. im Jahre 1300 verkündeten Heiligen Jahre aus mit ihren unübertroffenen Zusatzangeboten an Gnadenerwerbsmöglichkeiten 127. 118 1395 Juni 12: StadtA Rothenburg B 298 fol. 30. 119 Hubert JEDIN, Die deutsche Romfahrt von Bonifatius bis Winckelmann (Krefeld 1951); CAUCCIVONSAUCKEN, Pilgerziele (wie Anm. 2) S. 259-292; Klaus HERBERS, Pilger auf dem Weg nach Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela, in: Pilgerziele, hg. von CAUCCIVONSAUCKEN(wie Anm. 2) S. 103-133. 120 Siehe Anm. 5. 121 StadtA Rothenburg B 14 (Stadtgerichtsbuch) fol. 120 (... debet ire Romam ... et in eodem anno debet ire Aquis [=Aachen] ...). 122 UB Rothenburg (wie Anm. 9) I 271 Nr. 650 (1343 April 21). 123 UB Rothenburg I 677 Nr. 1718 (1378 November 19). 124 UB Rothenburg I 671 Nr. 1704 (1378 Juli 1). 12s UB Rothenburg II 1040 Nr. 2665 (1397 April 16). 126 StadtA Rothenburg A 839 (Memorbuch der Familie Trüb); dazu Ludwig SCHNOR- RER,Das Memorbuch der Familie Trüb, Die Linde 51 (1979) S. 51 f. 127 Massimo MIGLIO, Pilgerfahrten im Heiligen Jahr, in: CAUCCI VON SAUCKEN, Pilgerziele der Christenheit (wie Anm. 2) S. 57-72; Lexikon des Mittelalters 4 (München/ Zürich 1989) Sp. 2024 f. <?page no="108"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 108 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 108 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 96 Ludwig Schnurrer Im Juli/ August des Heiligen Jahres 1400 machten sich nicht weniger als acht Rothenburger Pilger, meist Frauen, auf den Weg nach Rom, nachdem sie alle vorher ihr Testament gemacht und verbrieft hatten 128. Höchstwahrscheinlich waren sie damals nicht die einzigen Rompilger; offenbar begab sich eine größere geschlossene Gruppe von Rothenburg aus auf die Wallfahrt nach Süden. Auch das Jubeljahr 1450/ 51 lockte wieder einige Rothenburger in die Heilige Stadt. Dabei kam Anna Peterin, Witwe des Ulrich von Schrozberg, die ein Leibgeding von der Stadt Rothenburg bezog, "uff dem Romweg" um, was der Stadtschreiber nicht ohne Genugtuung vermerkte, weil dadurch eine weitere Zahlungsverpflichtung entfiel 129. 1460 war der Rothenburger Priester Caspar Schwertfeger im städtischen Auftrag mit einer Nürnberger Pilgergruppe nach Rom unterwegs (solche gemeinsamen Fahrten wurden vermutlich öfters unternommen, weil sie die Risiken solcher Fahrten minderten) und lieh sich „auf dem Romweg herauß" 12 Gulden von einem Mitreisenden, welche die Stadt zurückzahlte 130. Vielleicht waren hier wie auch in anderen Fällen amtliche Geschäfte an der Kurie und private Pilgerschaft miteinander verquickt. Noch 1512 unternahm der Rothenburger Bürger Hans Haiden eine Romfahrt; vorher ernannte er seinen Bruder zu seinem Anwalt in einem Prozeß und auch zum Erben, falls er nicht zurückkehren sollte 131. Über Rom hinaus gab es nur noch eine Steigerung für einen Wallfahrer: die Pilgerreise ins Heilige Land, nach Jerusalem und zu den anderen Gedenkstätten des Lebens und Wirkens Jesu Christi 132 . Dies war aber nur unter extremen Schwierigkeiten zu bewerkstelligen und mit so großen Unkosten verbunden, daß dies in der Regel nur adligen und reichen Kaufleuten vorbehalten blieb, wie nachweisbar etlichen Nürnberger Patriziern oder jenem Edelmann Konrad von Schaumberg, der 1499 auf der Rückfahrt starb und für den Tilman Riemenschneider 128 Betzolt Stollein, Johans Hemmendorf, Elspet Weissin, Gerhus Seheimer, Cuntz Hohenloch, Cunrat Eschenbach, Albrecht Wem und Kathrein Kunein: Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Rothenburg Akten 487 g (Stadtgerichtsbuch fol. 31-34'; 109 [falsch eingebunden]). 129 „Anna Peterynn ist tode uff dem Rom weg in anno jubileo etc. anno 51"; StadtA Rothenburg B 237 fol. 158'. - Hans Gremlein braucht einen Gerichtstermin erst wahrzunehmen, wenn er „wider von Rom kumpt" (1450); ebenda B 300 fol. 177. 130 1460 Dezember 20: StadtA Rothenburg U 4577. 131 StadtA Rothenburg A 779 fol. 469 f. 132 HERBERS,Pilger auf dem Weg (wie Anm. 119); Marco TANGHERONI,Die Pilgerrouten nach Jerusalem, in: CAUCCIVONSAUCKEN,Pilgerziele der Christenheit (wie Anm. 2) S. 213-256; Franco CARDIN! , Jerusalem, in: CAUCCI VON SAUCKEN, Pilgerziele der Christenheit (wie Anm. 2) S. 321-375. <?page no="109"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 109 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 109 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters 97 das schöne Grabmal in der Würzburger Marienkapelle schuf 133. Für die Rothenburger Bürgerelite sind nur Annäherungen in dieser Richtung bekannt. 1343 ließ sich Heinrich Zuckmantel von einem Bischof in Avignon die Anstellung eines eigenen Beichtvaters genehmigen, der u. a. das Recht haben sollte, ihn von Wallfahrtsgelübden zu befreien, die „ul- · tramarino", d. h. über das Mittelmeer führen und deshalb nur schwer eingelöst werden könnten 134. Der schon mehrmals zitierte Hans Wern erwirkte 1378 bei seiner Romfahrt von einem römischen Kardinal die besondere Erlaubnis, das heilige Grab in Jerusalem und andere jenseits des Meeres gelegene Wallfahrtsstätten zu besuchen 135; freilich scheint er diese Absicht nie in die Tat umgesetzt zu .haben. Aber noch bis zum Ende des 15. Jahrhunderts war wenigstens das Interesse an solchen Extrempilgerfahrten in Rothenburg lebendig, so daß sich die Stadt 1481 in Nürnberg erkundigte, ob die „strassen ... auff dem mere in das heilig landt'' wegen der Türkengefahr sicher seien 136. Vielleicht ist aber der Vergleich der Lage Jerusalems mit der von Rothenburg, wie sie der Humanist Kaspar Bruschius13 7 in seinem bekannten Städtelob von 1557 "So jemand ist, der wissen will/ Gelegenheit, Gestalt und Ziel ...") 138 in Reime geschmiedet hat, doch auf die persönliche Anschauung von Rothenburger Palästinapilgern zurückzuführen. Zuletzt bleibt noch die Frage zu erörtern, wie es um diejenige Wallfahrt stand, die man von Rothenburg aus, als dem Ort eines Jakobus-Patroziniums, am ehesten erwarten durfte: die zum Grab des Apostels J akobus in Santiago de Compostela, wie sie ja in dem schönen Bilderzyklus des Herlinaltars in St. Jakob seit 1466 alltäglich nacherlebt werden konnte 13 9 • Erstaunlicherweise waren für solche Pilgerreisen bis- 133 Wallfahrten von Adligen und Bürgern aus Würzburg nach Jerusalem 1449, in: Frankenland (Zeitschrift des Frankenbunds) 13 (1961) S. 208-210, 16 (1964) S. 90-93 . 134 Wie Anm . 122. 135 Wie Anm. 123. 136 Staatsarchiv Nürnberg, Nürnberger Briefbücher 37 fol. 264 (1481 November 22). 137 Adalbert H0RAWITZ,Caspar Bruschius. Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus und der Reformation (Prag/ Wien 1874). Siehe auch die Artikel in Allgemeine Deutsche Biografie 3 (Berlin 1967) S. 453 und Neue Deutsche Biografie 2 (Berlin 1957) s. 690. 138 Gedruckt (u. a.): August MERZ,Rothenburg in alter und neuer Zeit (Ansbach 2 1881) s. 226ff. 139 RESS,Die Kunstdenkmäler (wie Anm. 18) S. 134ff.; Abb. S. 164-169; Klaus HERBERS, Bildprogramme der Altäre in Nord und Süd. Rothenburg und Winnenden im Vergleich mit Göttingen, in: "Wo! auf santJacobs straßen! " Pilgerfahrten und Zeugnisse des Jakobuskults in Süddeutschland, hg. von Klaus HERBERS(Ostfildern 2002) S. 119-123. - Allgemein zur Pilgerschaft nach Santiago de Compostela neuerdings : <?page no="110"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 110 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 110 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 98 Ludwig Schnurrer her nur zwei archivalische Belege zu finden: der eine zu 1343 gelegentlich einer Entbindung von Wallfahrtsgelübden mit Ausnahme von Fahrten nach Rom und zum heiligen Jakobus 140, und 1438 sollten laut eines Testaments eine Aachenfahrt und eine zu „sant Jacob" ausgerichtet werden 141. Von Rothenburg als dem Mittelpunkt einer St. Jakobsverehrung, gar von einer Pilgerherberge für eine Rothenburger Jakobswallfahrt, wie es immer wieder bei Stadtführungen zu hören ist und wie es seit jüngstem die Jakobus-Statue vor der Pfarrkirche und seit Jahren die Wanderbewegung entlang der sogenannten Jakobswege 142 nahelegen, kann demnach überhaupt keine Rede sein; zu stark war die Heiligblutverehrung in St. Jakob verwurzelt; zu rege war der Pilgerverkehr durch Rothenburg auf der großen Nord-Süd-Wallfahrtsstraße nach Rom. Resumen: La ciudad imperial francona de Rothenburg ob der Tauber es presentada como caso tfpico de la piedad popular bajomedieval. La contribuci6n se centra en la genesis y el desarrollo (hasta el fin dadoles por la Reforma luterana) de cuatro romerfas urbanas. Lamas destacada fue la del Santo Sangre en la iglesia parroquial de Santiago. EI testimonio mas bello de esta romerfa es el famoso Altar del Santo Sangre de Tilman Riemenschneider, que se conserva hasta hoy. Fuera de esta romerfa, tambien tuvo importancia suprarregional la a la Virgen Pura (en una sinagoga convertida en iglesia), de corta existencia. Otros fen6menos incipientes (veneraci6n de Santa Ana y de SanJodoco) no tuvicron futuro a causa de la Reforma inminente. En un segundo apartado se tratan las actividades de los habitantes de Rothenburg como peregrinos a dos de los mas populares lugares alemanes de peregrinaci6n de la Edad Fernando LOPEZALSINA,Santiago de Compostela, in: Pilgerziele der Christenheit, hg. von CAUCCIVONSAUCKEN(wie Anm. 2) S. 293-320; HERBERS, Pilger auf dem Weg (wie Anm. 119); DERS., Der Jakobsweg (wie Anm . 4). ZumJakobuspatrozinium der Deutschordenskirche in Rothenburg: Magda FISCHER, Jakobus ein Deutschordenspatron? , in: HERBERS/ BAUER, Der Jakobuskult (wie Anm. 10) S. 129-142. 140 Siehe Anm. 122. 141 StadtA Rothenburg B 299 (Stadtgerichtsbuch) fol. 198'. Zwei Fälle aus dem frühen 16. Jahrhundert: 1502 April 13 wird bei einer Testamtenserneuerung berichtet, Hans Hopferstatt habe „fuer sich genomen ... ain walfart zu dem lieben hailigen zwölfbotten und himelfursten den ferern sant Jacob zu thun" (StadtA Rothenburg B 259 fol. 27 Nr. 60). Zu 1520 erfahren wir, daß Hans Rympach „zu dem hailigen appostel sant Jacob ziehen wolle" (StadtA Rothenburg B 305 fol. 199). 142 Aus der schnell wachsenden Anzahl von Publikationen dazu vor allem: Wolfgang LIPP,Der Weg nach Santiago. J akobuswege in Süddeutschland (Ulm 1991); Klaus- D. KNIFFKI(Hg.), Jakobus in Franken. Unterwegs im Zeichen der Muschel (Würzburg 1992) (darin vor allem: Erik SODERVON GüLDENSTUBBE, Die Auswirkungen der Santiago-Wallfahrt in Franken, S. 39-49); Manfred BAYER/ Paul GEISSENDÖRFER/ Rüdiger SCHOLZ/ Wolfram UNGER, Auf dem Jakobsweg von Nürnberg über Heilsbronn nach Rothenburg o. d. T. (Uffenheim 1995). · <?page no="111"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 111 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 111 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters 99 Media tardfa: Aquisgran y San Jodoco en la Eifel. Las peregrinaciones a Roma adquirieron un especial significado por el hecho de que Rothenburg estuviera al borde de unas de las principales vfas de peregrinaci6n de Norte a Sur del Medioevo. Allado de estas peregrinaciones, la a Santiago de Compostela fue de fnfima importancia, pese al patrocinio de Santiago de la iglesia parroquial de Rothenburg. <?page no="112"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 112 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 112 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 <?page no="113"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 113 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 113 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Friedrich Herlins Rothenburger Altar CHRISTOF METZGER In einem Schreiben an das Chorherrenstift zu Herrieden bei Ansbach empfahl der Rat der Reichsstadt Nördlingen am 27. August 1471 zwei seiner Bürger, nämlich „maister Fridrich Berlin · maler · und maister Hansen Waidenlich · schriner" zur Errichtung eines Altarwerks in die Stiftskirche. Beide haben „zway cöstliche maysterliche werk· ains in unser statt und das ander zu Rotemburg uf der Thawber gemacht" und man verwies mit Nachdruck darauf, daß „bed meister · sovil wir bericht · ihr arbait maisterlich und wolkönnend sein" 1. Angesprochen werden in der Quelle der 1462 vollendete Hochaltar der Nördlinger Stadtpfarrkirche St. Georg 2 und sein 1466 datiertes „Zwillingswerk" in der Rothenburger St. Jakobskirche 3. Das mit berechtigtem obrigkeitlichem Stolz gewürdigte Team aus dem Maler Friedrich Herlin und dem 1 Stadtarchiv Nördlingen, Missivbuch 1471, fol. 117. Das Herriedener Projekt ausführlich erörtert bei Hans RAMISCH,Der rechte Flügel eines Kreuzaltars von Friedrich Herlin in der ehemaligen Stiftskirche Herrieden, Jahrbuch der bayerischen Denkmalpflege 28 (1970/ 71) S. 152-166, hier S. 164. Der Altarflügel wurde 1972 dem Germanischen Nationalmuseum als Leihgabe überlassen. Seine Zuweisung an Herlin wird von der neuer en Forschung zu Recht abgelehnt; da zu Hartmut KROHM, Bemerkungen zur kunstgeschichtlichen Problematik des Herlin-Retabels in Rothenburg o. T., Jahrbuch der Berliner Museen (1991) S. 185-208, hier S. 189-191 und Ralf KRÜGER,Friedrich Herlin. Maler und Altarbauunternehmer (Berlin 1996) S. 84f. 2 Zum Nördlinger H ochalt ar siehe zulet zt ausführlich Christof METZGER, Neues vom Nördlinger Hochaltar, Zeitschrift des Deutsch en Vereins für Kunstwissenschaft 54/ 55 (2000-2001) s. 104-126. 3 Zum Rothenburger Hochaltar siehe u . a. Anton RESS, Stadt Rothenburg o. T., Kirchliche Bauten (Die Kunstdenkmäler von Bayern, Mittelfranken 8, München 1959) S. 147-173; Karl-Werner BACHMANN/ Eike ÜELLERMANN/ Johannes TAU- BERT,Friedrich Herlins Hochaltar in St. Jakob zu Rothenburg o. T. und seine Restaurierung, in: Farbige Skulpturen. Bedeutung- Fassung- Restaurierung, hg. von Joh annes TAUBERT(München/ Callwey 1978) S. 167-194; KROHM,Herlin-Retabel (wie Anm. 1); Eike ÜELLERMANN, Die Schnitzaltäre Friedrich Herlins im Vergleich der Erkenntnisse neuerer kunsttechnol ogischer Untersuchungen, Jahrbuch der Berliner Museen (1991) S. 213-238; KRÜGER,Herlin (wie Anm. 1) S. 58-80. <?page no="114"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 114 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 114 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 102 Christof Metzger Kunstschreiner Hans Waidenlich hat mit den beiden Werken zwei spätgotische Retabel hinterlassen, die zu den Spitzenstücken der süddeutschen Spätgotik zählen. Freilich ereilte den älteren Nördlinger Altar 1683, über zwei Jahrhunderte nach seiner Errichtung, das Schicksal so vieler seiner Gattung: Abbruch und Modernisierung. "Gantz neu ausgezieret und dardurch alsoweit verbessert" nennen das die einschlägigen Quellen 4• Dem Rothenburger Retabel blieb dieses Schicksal erspart, und er präsentiert sich heute als erstrangiges Zeugnis der spätgotischen Altarbaukunst in Süddeutschland. Wo könnte man besser als in der Rothenburger St. J akobskirche Form und Funktion eines spätgotischen Retabels studieren? Und zwar auch das eine Seltenheit noch heute am Platz seiner ursprünglichen Bestimmung. Das Rothenburger Retabel steht auf einer mächtigen steinernen Mensa im Scheitel des im 14. Jahrhunderts errichteten Ostchores, wirkungsvoll von den drei hochgotischen Glasfenstern hinterfang~n (Abb. 1 und 2). Dem liturgischen Amt am Hochaltar diente die gegen 1400 in der Nordwand vermauerte Sakramentsnische. Vom Bildprogramm des ersten Altars ~stnichts überliefert. Nach 1460 wurde bei Friedrich Herlin in Nördlingen ein neues Retabel in Auftrag gegeben, das 1466 aufgestellt werden konnte. Friedrich Herlin versah das Retabel auf der mittleren Rahmenleiste des linken Außenflügels mit einer Inschrift, die das Vollendungsjahr und seinen Namen als den Hauptverantwortlichen bei der Ausführung nennen: "Dis Werck rfat Gemacht Friderkh Herlein Moler · M · cccc · lxvi · SantJacob Bit Got Fuer In." Eine Minuskelinschrift auf der unteren Leiste nimmt abermals auf die Ausstattung des Chores mit seinem neuen ,Retabelschmuck' Bezug: "Bis · duo · c · quoque sexagint atque [? ] sex quoque mille / Hie chorus albatus [? ] super altari (t)abulatus"5. Die näheren Umstände seiner Genese liegen im Dunkeln. Da die Abrechnung des Altars über die St. Jakobspflege erfolgte, muß diese auch den Auftrag erteilt haben 6 • Es war sicher deren Wille, daß sich das Rothenburger Retabel in seiner Dimension sowie in Aufbau und Disposition aufs engste an sein Nördlinger Vorgängerwerk hält: Adaptiert wurden der zweifach ausgezogene Schrein, wohl auch das filigrane Gesprenge mit der Figur des Schmerzensmannes, die niedrige Predella 4 Dazu zuletzt ausführlich METZGER, Nördlinger Hochaltar (wie Anm. 2). 5 Die nicht ganz klare Lesart nach RESS,Rothenburg (wie Anm . 3) S. 157. 6 Im Gegensatz zum Nördlinger Altar, der eine Stiftung der Bürgerfamilien Fuchshart- Müller war. <?page no="115"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 115 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 115 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Friedrich H erlins Rothenburger Altar 103 Abb . 1: Rothenburg o. T., St. Jakob . Hochaltar Friedrich Herlins, 1466 (Festtagsseite) mit der Darstellung Christi im Kreise seiner Apostel, die zentrale Kreuzigungsgruppe mit weiteren Assistenzfiguren, auf der Festtagsansieht Details des Bildaufbaus der Herlinschen Tafelmalereien (die ihrerseits freilich aus der Umformung altniederländischer Vorbilder entwickelt wurden). Wahrscheinlich griff man mehr oder weniger unmittelbar auf den Plan des Nördlinger Altars zurück. Dessen Entwurf stammte vermutlich von Nikolaus Eseler d. Ä., dem Kirchenbaumeister der St. Georgskirche, der mit seinem gleichnamigen Sohn ab 1453 auch am Bau der Rothenburger Jakobskirche leitend tätig war 7. Naheliegend also der Verdacht, Eseler sei auch für den Gesamtentwurf und für die Konzeption der am Rothenburger Hochaltar notwendigen Änderungen konsultiert worden 8. Bei allen Gemeinsamkeiten sind nämlich auch 7 Zur Tätigkeit Eselers in Rothenburg siehe RESS,Rothenburg (wie Anm. 3) S. 79-82. 8 Da zu auch KROHM, Herlin-Retabel (wie Anm . 1) S. 186-188. <?page no="116"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 116 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 116 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 104 Abb. 2: Rothenburg o. T., St. Jakob. Hochaltar Friedrich Herlins, 1466 (Werktagsseite) Christo[ Metzger grundlegende Unterschiede festzustellen: Hingewiesen sei auf die Vermehrung des Schreinpersonals in Rothenburg (in Nördlingen waren, neben der Kreuzigungsgruppe, nur die beiden Kirchenpatrone Georg und Maria Magdalena unterzubringen) und den daraus resultierenden kleineren Figurenmaßstab. Hinsichtlich der Verwendung des kostbaren Blattgoldes scheint der Rothenburger Altar seinen Vorläufer noch zu übertreffen auch das sicher im Sinne der mit dem Nördlinger Altarprojekt so offenkundig konkurrierenden Auftraggeber. Wegen des nicht-privaten Charakters des Rothenburger Auftrags fehlen aber repräsentative Elemente wie die spektakulären Stifterbilder der Nördlinger Werktagsseite. Eigens erfunden werden mußten jedoch die Szenen aus der Jakobuslegende und gerade hierin gelangt Berlin zu größtmöglichem Realismus und sensiblen Schilderung seiner aufmerksam beobachteten Lebenswelt. Anders als beim Nördlinger Altar versucht Berlin hier, szenenübergreifende Zusammenhänge zwischen den <?page no="117"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 117 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 117 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Friedrich Herlins Rothenburger Altar 105 einzelnen Bildern herzustellen. So entstand, bei aller Ähnlichkeit im Aufbau wie im Detail, keine Kopie, sondern ein für die lokalen Bedürfnisse gründlich neu durchdachtes Werk. Der Altar birgt im zweifach ausgezogenen Schrein vor nachtblauem, sternenübersäten Himmel und hinterfangen von Brokatvorhängen den Gekreuzigten, den vier teils trauernd betende, teils im Flug heraneilende Engel umschweben. Links flankieren ihn die Standbilder von Maria, Jakobus d. Ä. und Elisabeth, rechts von Johannes, Leonhard und Antonius Eremita. Die Skulpturen stehen auf Konsolen und werden jeweils mittels Säulchen separiert, die reich durchbrochene, gewölbte Baldachine aus Fialen und krabbenbesetzten Kielbögen tragen. Auf dem Schreindach steht ein filigranes Gesprenge, dessen Mittelturm die Figur des Schmerzensmannes birgt. Die niedrige, seitlich leicht geschweifte Predella trägt Darstellungen von Christus im Kreise seiner zwölf Apostel in Halbfigur hinter einer durchbrochenen Maßwerkbrüstung. Die Seitenwangen der Predella zeigen rechts den Schmerzensmann und links die hl. Barbara, ihre fragmentierte Rückseite ist mit zwei knienden Engeln sowie der Vera icon und abermals Christus als Schmerzensmann bemalt. Die Bilder der Schreinrückseite sind dem letzten Abendmahl und dem Weltgericht gewidmet. Auf die Schmalseiten des Schreines sind rechts die Heiligen Sebastian und Georg, links Margaretha und Katharina gemalt. Die Flügel tragen auf der Innenseite vor Goldgrund sieben Darstellungen aus der Kindheitsgeschichte J esu und des Marienlebens: (1.) die Verkündigung, (2.) die Heimsuchung, (3.) die Anbetung der Könige, (4.) die Darstellung im Tempel, (5.) die Anbetung Christi durch Maria und Joseph, (6.) die Beschneidung und (7.) auf zwei Tafeln den Marientod 9. Die Sonntags- oder Feiertagsseite ist heute zur Daueransicht geworden, da die sog. Wandlung des Altars zur Werktagsansicht aus liturgischen und neuerdings auch aus konservatorischen Gründen obsolet wurde 10. Seine Außenseite zeigen drei Szenen aus der Legende des Kirchenpatrons St. J akobus und anschließend in fünf Darstellungen das „Galgenwunder", das nach variantenreichen Schilderungen des 12. und des 15. Jahrhunderts um 1020 oder 1090 einer deutschen Pilgergruppe wiederfahren sein 9 In dem eher christologisch ausgerichteten Nördlinger Festtagszyklus erscheinen stattdessen die Flucht nach Ägypten und der 12-jährige Jesus im Tempel. 10 Zur bisher nur unzulänglich erforschten Praxis des Altarwandelns siehe allgemein Annegret LAABS, Das Retabel als „Schaufenster" zum göttlichen Heil. Ein Beitrag zur Stellung des Flügelretabels im sakralen Zeremoniell des Kirchenjahrs, Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 24 (1997) S. 71-86, bes. S. 76. <?page no="118"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 118 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 118 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 106 Christo/ Metzger soll 11: (1.) Jakobus' Predigt, Disputatio und Gefangennahme, (2.) die Enthauptung des Heiligen unter Herodes Agrippa; im Hintergrund die Überführung des Leichnams in einem Kahn nach Spanien, (3.) ein von zwei Stieren gezogener Wagen transportiert die Leiche des Heiligen durch das Stadttor von Compostela und in den Palast der Königin Lupa (die durch das Wunder bekehrt wird und den Palast in ein Kloster, die Keimzelle des späteren Wallfahrtsorts , umwandelt) (Abb. 3), (4 .) Jakobspilger sitzen beim Mahl; einem der Pilger steckt der Wirt heimlich einen kostbaren Becher in die Reisetasche (Abb. 4), (5.) nach der Abreise der Pilger wird der „Diebstahl" entdeckt; Reiter holen sie ein und entdecken den Becher; der Vater wird des Diebstahls beschuldigt, doch sein Sohn läßt sich statt seiner abführen und wird gehenkt, (6.) die Pilger kehren nach 36 Tagen von Santiago de Compostela zurück und kommen durch den Ort, wo der Sohn unschuldig hingerichtet wurde; der Gehenkte am Galgen lebt noch; der Vater meldet dies dem Stadtrichter (Abb. 5), (7.) der Wirt wird zur Rede gestellt; er behauptet, der Gehenkte sei genauso tot wie die Hühner, die gerade am Spieß gebraten werden; daraufhin flattern die Hühner wundersamerweise davon, (8.) der Wirt wird zum Galgen geführt und der Sohn des Pilgers erhält seine Freiheit zurück. Herlins Bildbericht über den Patron der Stadt ist für Rothenburg auch deshalb bedeutsam, da er bei Tafel 3 als Hintergrund den Marktplatz der Reichsstadt mit dem gotischen Rathaus, der Ratstrinkstube und den Türmen der Jakobkirche gewählt hat 12 . Mit Friedrich Herlin war zur Realisierung zur ehrgeizigen Projekts ein Künstler beauftragt worden, der wahrscheinlich aus Rothenburg gebürtig war 13 und nach Schulung am Niederrhein oder in den Niederlanden 11 Zur Entwicklung der legendarischen Berichte um Jakobus d.Ä. siehe ausführlich Sabine K! MPEL,Jakobus der Ältere, in: Lexikon der christlichen Ikonographie 7 (Rom/ Wien u.a. 1974) Sp. 23-39. Zu dieser und anderen, teils ähnlichen Legenden siehe auch in der Legenda aurea des Jacobus de Voragine, übers. von Richard BENZ (Heidelberg 1955) S. 493 ff. 12 Vgl. auch die ähnliche Ansicht dort als Fond der Blasiuslegende auf Herlins Bopfinger Altar von 1472; dazu Hermann BAUMHAUER, Der Herlin-Altar zu Bopfingen und seine Stadtkirche (Stuttgart/ Aalen 1972) Taf. S. 48, 49. Die älteste Stadtansicht Rothenburgs lieferte Herlin auf der Tafel mit der Flucht nach Ägypten vom Nördlinger Hochaltar aus dem Jahr 1462; dazu Elmar D. SCHMID,Nördlingen die St. Georgskirche und St. Salvator (Stuttgart/ Aalen 1977) Abb. 58. 13 Vgl. die Signatur am Nördlinger Hochaltar: "Dis werck hat gemacht friderich herlein von rotenburck 1462" bzw. den Wortlaut des Einbürgerungsformulars von 1467: "Maister hörlin von Rotemburg . maler". Nach Abschluß der Arbeiten zum Rothenburger Hochaltar malte Herlin außerdem für St. Jakob das Epitaph der Barbara Ferg. <?page no="119"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 119 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 119 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Friedrich Herlins Rothenburger Altar 107 Abb. 3: Fr iedri ch Herlin, . . em von zwei Stieren gezogener Wagen transportiert die Leiche des Heiligen durch das Stadttor von Compostela und in den Palast der Königin Lupa <?page no="120"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 120 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 120 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 108 Abb. 4: Friedrich Herlin, Szene aus dem "Galgenwunder" des hl. Jakobus d. Ä. Christo[ ivfetzger um 1459 nach Nördlingen berufen wurde. Hauptgrund für die Auftragsvergabe dürften also weniger lokalpatriotische Überlegungen gewesen sein als vielmehr die Modernität seines Malstils, der durch seine enge Anlehnung an Rogier van der Weyden erstmals eine Vorstellung von der Kunst der Alten Niederländer in Süddeutschland zu vermitteln suchte. Als Auftragsnehmer zeichnet Herlin für die ordnungsgemäße Gesamtabwicklung verantwortlich, lieferte sämtliche Tafelmalereien des Retabels und besorgte in seiner Werkstatt auch die Fassung der Schreinskulpturen 14. Sein Atelier hatte Herlin wahrscheinlich vorübergehend in seiner Heimatstadt eingerichtet, da er 1466/ 67 in den Nördlinger Steuerbüchern fehlt, dort aber am 20. Juli 1467 als Vollbürger wie- 14 Zu sämtlichen technischen Fragen siehe ausführlich BACHMANN/ ÜELLERMANN/ TAUBERT, Herlins Hochaltar (wie Anm. 3) und ÜELLERMANN, Schnitzaltäre (wie Anm. 3). <?page no="121"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 121 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 121 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Friedrich Herlins Rothenburger Altar 109 Abb. 5: Friedrich Herlin, Szene aus dem „Galgenwunder" des hl. J akobus d. Ä. der aufgenommen wird. Wie bei derart umfangreichen Aufträgen üblich, war offenbar Ratenzahlung vereinbart worden, die womöglich erst 1473 erfüllt warlS. 15 Größere Zahlung an Herlin sind in den Kirchenrechnungen der St. Jakobspflege (Bd. 1; ab 1468; Stadtarchiv Rothenburg o .T., Nr . 362) verzeichnet, und zwar für den 16. Oktober 1468 (ebd. fol. 10v): "ltem 40 fl. Fridrich Herlin aber[mals] an der Tafeln · hat Munster von uns eingenomen und im zu Nordling[en] zolt eadem die", den 16. April 1469 (fol. 13v): "Item 20 fl. hab[en] wir geben Fr. Herlein an der Taffelln hat Munster engenomen" und den 2. Juni 1471 (fol. 47v): "ltem 6 fl. Heidenreuchen an Herles alte Schuld an der Taffeln". Die Restschuld wurde anscheinend in kleineren Beträgen abgegolten (der Bezug zum Hochaltar bei den folgenden Quellen nicht ganz sicher! ): am 28. Juni 1472 (fol. 60v): "ltem 6 lb. dem Moller alter Schuld" sowie am 30. Mai und am 20. Juni 1473 (fol. 72v): "Item 3 lb. dem Moler" und fol. 73r: "ltem 9 1/ 2 Gulden 2 lb. dem Moler''. Da Herlin damals wieder in Nördlingen lebte, fungierten die Herren Munster und Heidenreuchen offenbar als seine Agenten . Siehe zu den Quellen Hans K. RAMISCH,Zum Meister des Nördlinger Hochaltars, Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 8 (1971) S. 19-34, hier S.20, S. 22. <?page no="122"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 122 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 122 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 110 Christof Metzger Die Beteiligung des in Nördlingen ansässigen Schreiners Hans Waidenlich belegt das eingangs zitierte Schreiben von 1471. Waidenlich schuf sämtliche Schreinerarbeiten und organisierte vor Ort die Montage des Retabels 16. Die Kooperation Herlin-Waidenlich war schon in Nördlingen erfolgreich praktiziert worden und ist in Nördlinger Quellen auch anderweitig belegt 17. Die zur Bemalung bestimmten Flügeltafeln fügte Waidenlieh aus Lindenholz, die konstruktiven Teile aus soliden Eichenholzbrettern. Der Zierrat an Schrein und Flügeln ist in Linde geschnitzt, mit teils erfindungsreichen Ergänzungen aus Metall und sogar Papier. Die Autorschaft der aus Lindenholz geschnitzten skulpturalen Ausstattung ist umstritten, zumal mindestens zwei Hände unterschieden werden können: Für sämtliche Assistenzfiguren war eine hochrangige, im Vergleich mit Nördlingen aber konservativere Werkstatt tätig, die nach heute etablierter Ansicht im Umfeld der Ulmer Multschernachfolge lokalisiert wird 18. Einern zweiten Meister wird der Kopf des Jakobus zugeschrieben, der nachträglich, aber noch vor der Fassung der Figur d. h. spätestens 1466 angestückt wurde. Von den seltsam teilnahmslosen übrigen Figuren unterscheidet er sich denn auch recht deutlich: Die Augen wirken sehr lebhaft und der Blick wach und aufmerksam; die Locken von Haupthaar und Bart wurden um einiges virtuoser aus dem Material geschnitten. Über die Ursache der Maßnahme kann nur spekuliert werden. Mit Hartmut Scholz' These eines „ungewollten Zwischenfall(s)", etwa eines Transportschadens, ließe sie sich halbwegs plausibel e_rklären 19. Der Kruzifix und die trauernden Engel sind in ihrer Stilhaltung die jüngsten Teile des Retabels und womöglich einem 16 Der mit Waidenlich in Verbindung gebrachte Zahlungsbeleg datiert vom 3. Juli 1468 (Kirchenrechnungen der St. Jakobspflege, wie Anm. 15, fol. 8v): "ltem 20 fl. hab[en] wir geben dem Schreiner von der Tafeln aber[mals] / und ist zalt gantz"; zit. nach RAMISCH,Meister des Nördlinger Hochaltars (wie Anm. 15) S. 20. 17 So hatte Waidenlich auch 1469 für ein Gemälde Herlins für das Vorwerk des Löpsinger Tors die Tafel geliefert; dazu SCHMID, St. Georgskirche (wie Anm. 12) s. 116. 18 In jüngerer Zeit hat Heinz Stafski die Reste des ehemaligen Hofer Altars von 1465 mit der Werkstatt der älteren Rothenburger Schreinskulpturen verbunden und in beiden Fällen auch das Vorbild Multschers hervorgehoben; siehe Heinz STAFSKI, Der Nürnberger Bildhauer Simon Lainberger als Mitarbeiter der Maler Friedrich Herlin und Hans Pleydenwurff, Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg (1982) S. 23-30, und DERS., Zur ,Auffindung der Statue des Hl. Michael aus dem "Hof er Altar", Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg (1988) s. 117-125. 19 Hartmut SCHOLZ,Hans Wild und Hans Kamensetzer- Hypotheken der Ulmer und Straßburger Kunstgeschichte des Spätmittelalters, Jahrbuch der Berliner Museen 36 (1994) S. 93-140, hier S. 107. <?page no="123"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 123 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 123 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Friedrich Herlins Rothenburger Altar 111 Abb. 6: Unbekannter oberrheinischer (? ) Bildschnitzer, Gekreuzigter vom Rothenburger Hochaltar, 1466 dritten Meister zu geben (Abb. 6): Schmerz und Trauer sind völlig in die großartig schwingende Bewegungen von Körper und Gewand aufgenommen; die Hände der Engel öffnen sich in klagender Gebärde, sind schmerzhaft verkrampft, im Gebet aneinandergelegt oder in nachdenklicher Pose an die Wange geschmiegt. Beim Kruzifixus fällt besonders . die veristische Wiedergabe des geschundenen, seitlich gebeugten Körpers auf, dann seine mit großer Finesse wiedergegebene Epidermis, das dramatisch gebauschte Lendentuch, der leidende, aber nicht wehmütige Ausdruck der halb gebrochenen Augen. Zum Einbau der bereits gefaßt nachgelieferten Skulpturen in den fertigen Schrein waren teils drastische Eingriffe notwendig: die überhöhte Schreinmitte mußte beschnitten und der Kreuzbalken selbst an drei Seiten verkürzt werden. Außerdem wurde vom Johannes das bereits gefaßte Haupt gewaltsam abgetrennt und mittels eingeleimter Keile mehr zu dem außerordentlich hoch platzierten Kruzifix hin gerichtet. Die unvorhergesehenen Eingriffe legen den <?page no="124"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 124 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 124 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 112 Christo[ Metzger Schluß nahe, der „jüngere" Bildhauer sei erst verhältnismäßig spät und ohne hinreichende Instruktionen in den Entstehungsprozeß des Retabels einbezogen worden. Seine Identität ist bis heute ein Rätsel. Nicht durchsetzen konnte sich die Zuschreibung des Jakobuskopfes und des Kruzifix samt den Engeln als Frühwerk des Nürnbergers Veit Stoß 20 . Auch die zweite Rothenburger Gruppe setzt die genaue Kenntnis des Spätwerks von Hans Multscher voraus, doch tritt dazu eine deutlich vorherrschende oberrheinische Komponente 21 . Als wichtige Motivquelle ist auf die Nördlinger Hochaltarfiguren aufmerksam zu machen. Mit deren Ausführung hatte man eine oberrheinische Werkstatt betraut, der nach heute weitgehend etablierter Ansicht Nikolaus Gerhaert von Leyden vorstand, der wesentliche Teile auch selbst hergestellt haben dürfte, als Urheber der jüngeren Rothenburger Gruppe freilich nicht in Frage kommt . Aber auch die Bildwerke des dritten großen Herlinaltars von 1472 in Bopfingen bei Nördlingen sind vermutlich oberrheinischer Herkunft 22; die notwendigen Kontakte könnten hier wie in Rothenburg über die Werkstatt Herlins geknüpft worden sein. Die Herkunft von Skulpturen vom Oberrhein ist in St. Jakob um 1470 nicht zuletzt archivalisch belegt. Hans Ramisch erschloß durch Auswertung bislang unberücksichtigt gebliebener Quellen eine Lieferung von "Bilden" (nach damaligem Sprachgebrauch Skulpturen) aus Straßburg, die 1475 abbezahlt waren 23 . In der Rechnung wird nicht erwähnt, wo diese Bildwerke Aufstellung fanden; <ler Heiligenpfleger setzte das als bekannt voraus. Der geringe B~! rag von drei Guld _en kann sich nur auf eine Teilzahlung für anderweitig bereits vergütete Arbeiten beziehen. Nach Ramisch könnte das auf den Hochaltar verweisen, doch sollte die Quelle in dieser Hinsicht nicht überinterpretiert werden. Immerhin belegt sie aber die Existenz und Kenntnis oberrheinischer Plastik in Rothenburg. Ob die „jüngeren" Hochaltarfiguren nun tatsächlich aus Straßburg geliefert wurden oder von einem am Oberrhein geschulten süddeutschen Mei- 20 Alfred SCHÄDLER, Stetigkeit und Wandel im Werk des Veit Stoß, in: Veit Stoß in Nürnberg. Werke des Meisters und seiner Schule in Nürnberg und Umgebung. Ein Handbuch zum Werk des Nürnberger Bildhauers aus Anlaß der 450. Wiederkehr seines Todesjahres, hg . vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (München 1983) S. 27-46, hier S. 40; dagegen KROHM,Herlin-Retabel (wie Anm. 1) S. 199. 21 Dazu ausführlich RAMISCH, Meister des Nördlinger Hochaltars (wie Anm. 15) und SCHOLZ,Hans Kamensetzer (wie Anm . 19). 22 Siehe KROHM,Herlin-Retabel (wie Anm. 1) S. 189. 23 Siehe den Zahlungsbeleg vom 24. September 1475 (Kirchenrechnungen der St. Jakobspflege, wie Anm. 15, fol. 100v): "Item 3 1/ 2 fl. an Bilden von solt z b [im Original gestrichen] Stratzburg"; zit . nach RAMISCH, Meister des Nördlinger Hochaltars (wie Anm. 15) S. 22. <?page no="125"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 125 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 125 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Friedrich Herlins Rothenburger Altar 113 ster stammen, muß damit ungeklärt bleiben 24. Aus der gleichen Quelle, den Kirchenrechnungen der St. Jakobspflege, rekonstruiert Ramisch den Zeitpunkt ihrer Montage: 1471 zahlte man einem namentlich nicht genannten Schreiner Reisespesen "Zerung") "von der Tafel wegen" und benötigte außerdem „Stahel und Eysen" aus Nürnberg 25. Auch hier bleibt der Zusammenhang mit dem Hochaltar mehr als fraglich. Warum nämlich hätte die Schreinmitte tatsächlich von 1466 bis 1471 vakant sein sollen? Warum sollte die Nachlieferung der fehlenden Skulpturen fünf Jahre beansprucht haben? Wie hätte Herlin ein nur halb vollendetes Werk mit gleich zwei Inschriften versehen können, die sich eindeutig auf seine Fertigstellung beziehen, und warum hatte der Nördlinger Rat 1471 die Meister Herlin und Waidenlich nach Herrieden empfohlen, nicht zuletzt unter Hinweis auf das Rothenburger Werk, daß gerade erst nach großen Unbilden und Mühen zu einem glücklichen Ende gebracht worden sein soll? Warum die Bildhauerarbeiten auch immer an mehrere Meister vergeben wurden (plötzlicher Tod des ersten Meisters? ) und wer immer der Meister des Kruzifixes gewesen sein mag (vom Oberrhein oder lediglich dort geschult 26 ? ) für eine Vollendung des Gesamtwerks nach 1466 erscheinen uns die Quellen doch zu wenig aussagekräftig . Der Rothenburger Altar ist kein Zwölfbotenaltar, wie er aufgrund seiner Predellendarstellung ausgehend von der örtlichen barocken Chronikliteratur häufig bezeichnet wird 27 • Die irrtümliche Titulierung beruht auf einer Verwechslung mit dem 1388 gestifteten Topplerschen Zwölfbotenaltar, der in oder unmittelbar bei der Topplerkapelle stand, 24 Ungewöhnlicherweise sind auch die Figuren der „jüngeren" Gruppe aus Lindenholz geschnitzt, wogegen Meister am Oberrhein Nussbaumholz bevorzugen. 25 Siehe die Zahlungsbelege vom 24. und 31 März 1471 (Kirchenrechnungen der St. Jakobspflege, wie Anm. 15, fol. 39v): "Item 4 1/ 2 lib. dem Schreiner Zerung von der Tafel wegen/ Item 2 fl. fur Stahel und Eysen gen Nuremberg" und „Item 1 1/ 2 lib. 2 dn . dem Schreiner"; zit . nach RAMISCH, Meister des Nördlinger Hochaltars (wie Anm . 15) S. 22. 26 RAMISCH,Meister des Nördlinger Hochaltars (wie Anm. 15) und SCHOLZ,Hans Kamensetzer (wie Anm. 19) denken an einen in Ulm geschulten Straßburger Meister, der hypothetisch mit dem 1471, aus Ulm kommend, in Straßburg eingebürgerten Hans Kamensetzer identifiziert wird . Das setzt freilich die u. E. unwahrscheinliche Nachlieferung im Jahr 1471 voraus. Ramisch setzt außerdem - und das sicher zu Unrecht den älteren und den jüngeren Rothenburger Meister gleich (vor und nach seiner Begegnung mit oberrheinischer Kunst) und identifiziert ihn kurzerhandauch das allein aus Gründen der Chronologie eine Unmöglichkeit mit dem Nördlinger Meister. Ganz im G egensatz dazu vermutet KR0HM, Herlin-Retabel (wie Anm. 1) S. 205, eine Anfert igung der Assisten zfiguren im Multscherstil um 1460 und eine fristgerechte Herstellung des Kruzifi xes bis 1466. 27 U. a. bei ÜELLERMANN, Schnitzaltäre (wie Anm. 3) S. 214. <?page no="126"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 126 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 126 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 114 Christof Metzger bis er in der Reformationszeit beseitigt wurde 28 . Der Marien- und Jakobuszyklus auf den Flügeltafeln beweist zur Genüge, daß das Hauptpatrozinium der Kirche und des alten Hochaltars das Programm des neuen Retabels bestimmte. Ob die Kreuzigung Christi und die übrigen Heiligen als neues Patrozinium erst anläßlich der Neugestaltung des Altars hinzutraten oder schon dem alten Hochaltar angehört hatten, läßt sich nicht entscheiden. Ein älterer Stiftungszusammenhang besteht aber zwischen dem hl. Jakob und der hl. Elisabeth, die schon im mittleren Ostchorfenster des 14. Jahrhunderts nebeneinander auftreten 29 • Als eine der Hausheiligen des Deutschen Ordens, der die Jakobskirche 1258 von der Pfarrei Dettwang übernahm, war Elisabeth freilich auch von besonderem lokalhistorischen Interesse. Daß im Schrein auch Heilige Aufnahme fanden, die bei der Kreuzigung nicht zugegen waren, zeigt, daß die Darstellung als Andachtsbild und nicht als bloße Abbildung des Geschehenen verstanden werden soll. Die vorwiegend erzählenden Episoden aus dem Marien- und Christusleben sowie aus der Legende des Titelheiligen sind denn auch den Flügeln zugewiesen. Das viermalige Auftreten Christi in der Altarachse, nämlich auf der Predella im Kreise seiner Apostel, in der Schreinmitte als Gekreuzigter, im Gesprenge als Schmerzensmann und auf der Altarrückseite als Vera icon, dürfte wegen der eindeutig eucharistischen Orientierung dieser Darstellungen mit der Verehrung des hl. Blutes in Rothenburg zusammenhängen, dessen Kult nicht allein auf die Westempore beschränkt war30_Zwei(! ) weitere Schmerzensmänner wurden auf die südliche Predellenseite und auf ihre Rückseite gemalt. Die andere Predellenwange zeigt die hl. Barbara, die den eucharistischen Kelch mit der Hostie präsentiert. Auch die Schreinrückseite ist Andachtsthemen wie dem Abendmahl und dem Jüngsten Gericht vorbehalten, also Szenen, von eucharistischem oder besonderem symbolischen Gehalt. Im Vordergrund des Gesamtprogramms steht also der übergeordnete Begriff des Opfertodes Christi und seine fortwirkende Erlösungstat. Die Heiligen vergegenwärtigen den fortschreitenden heilsgeschichtlichen Prozeß, insbesondere auch durch ihren Bezug zur lokalen Kirchengeschichte 31. 28 Siehe RESS,Rothenburg (wie Anm. 3) S. 76 und S. 147. 29 Und zwar, samt Stifter, im unteren Register; siehe RESS,Rothenburg (wie Anm . 3) S. 133, Nr. 2 und 3, Abb. 59. 30 Vgl. auch das Glasgemälde der südlichen Chorschräge, das unter Bezug auf die HI.- Blut-Reliquie die Lehre von der Transsubstantiation ins Bild setzt; dazu RESS, Rothenburg (wie Anm. 3) S. 142-144. 3 1 Schwierigkeiten bereitet freilich die Klärung der konkreten Bedeutung von Leonhard und Antonius im Schrein. <?page no="127"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 127 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 127 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Friedrich Herlins Rothenburger Altar 115 Abb. 7: Martin Greuli~h, Übermalung des rechten Flügels vom Rothenburger Hochaltar, 1582 (Zustand bis 1922) Letztere wäre dem Rothenburger Retabel freilich fast zum Verhängnis geworden. Nach Konsolidierung der 1544 eingeführten neuen Lehre wurde eine große Umgestaltung der Jakobskirche und die Ergänzung ihrer Ausstattung im lutherischen Sinne in Angriff genommen 32 • Den 32 Zu den nachreformatorischen Umgestaltungen von St. Jakob siehe Vincent MAYR, Die drei großen Restaurierungen der St.-Jakobs-Kirche. Geschichtlichkeit der Denkmalpflege, in: 500 Jahre St. Jakob Rothenburg o. d. T. 1485-1985. Festschrift anläßlich der 500. Wiederkehr der Weihe der St.-Jakobs-Kirche zu Rothenburg ob der Tauber im Jahre 1485, hg. von der Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakob (Rothenburg o. T. 1985) S. 41-53 und RESS,Rothenburg (wie Anm . 3) S. 86-88. <?page no="128"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 128 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 128 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 116 Christof Metzger Auftakt bildete 1573 der Einbau einer Empore unter dem Chorbogen; 1575 wurde der Riemenschneideraltar, dessen zentrale Abendmahlsdarstellung für den lutherischen Kultus bestens adaptiert werden konnte, von der Westempore vor die Chorbogenempore transferiert. Martin Greulich, ein mäßig talentierter Maler, der seit 1577 in Rothenburg ansässig war, besorgte 1581 eine Ausmalung des Langhauses, die auf eine Vereinheitlichung des Raumes zielte, die Hochschiffwände aber auch um neue bildliche Darstellungen bereicherte 33 • Im folgenden Jahr endlich schritt der Maler zum „Bildersturm von Künstlerhand" 34 : Eine neue Bemalung der Außenseiten des Herlinaltars bezweckte die Eliminierung der Jakobuslegende zugunsten des leidenden Christus 35 • Greulich malte über die beiden Flügel hinweggehend oben Abendmahl, Ölberg, Ecce homo und Kreuztragung, unten Kreuzigung, Kreuzabnahme, Auferstehung und Jüngstes Gericht (Abb. 7). Nur die Stadtansichten der beiden steilformatigen Bilder darunter auch die bekannte Ansicht des Rothenburger Hauptmarkts wurden sichtbar belassen. Ob, wie vermutet wurde, der Altar damals auf Dauer fest verschlossen wurde, ist nicht belegt36. Dafür spricht aber, daß sich Greulichs Maßnahmen nur auf die Außenseite beschränkten, auf die er auch eine (nun im abgeschlossenen Schrein nicht mehr sichtbare? ) Kreuzigung malte. Eine zufriedene Bürgerschaft meldete 1587 die Renovierung für glücklich vollendet: "... jener frühere Glanz zurückgegeben ... " 37 Spätere Jahrhunderte ließen das „reformierte" Retabel unangetastet. Eine erste Restaurierung der Flügelinnenseiten führte im Jahr 1819 der _ Maler Johann Lorenz Rothermund aus Bamberg durch, reinigte -die Bilder und 33 Vgl. dazu das Gemälde im Reichsstadtmuseum von ca. 1660/ 70; siehe RESS, Rothenburg (wie Anm. 3) S. 514f., Nr. 14, Abb. 453. 34 Der provokante Begriff nach Thomas KETELSEN, Gemalter Bildersturm um 1600? , in: Goldgrund und Himmelslicht. Die Kunst des Mittelalters in Hamburg, hg. von Uwe M. SCHEEDE(Hamburg 1999) S. 83-89. 35 Die Übermalung älterer Altartafeln war im 16. und 17. Jahrhundert keine Einzelerscheinung. In Hamburg weist der Domaltar von 1499 Spuren einer solchen künstlerischen un<linhaltlichen Neuinterpretation auf, die in die 1630er Jahre datiert wird; dazu KETELSEN, Bildersturm (wie Anm . 34) und ebd . S. 194-215, mit Abb. 36 BACHMANN/ ÜELLERMANN/ TAUBERT, Herlins Hochaltar (wie Anm. 3) S. 167. Für Riemenschneiders Creglinger Altar ist überliefert, er sei in der Reformation verschlossen worden, um die Außenseite zukünftig zur Aufhängung von Totenkränzen zu benützen. Erst 1832 habe ihn ein Kunstfreund wieder geöffnet und seiner Mitwelt davon berichtet, worauf C. A. Heideloff den Ankauf für St. Sebald in Nürnberg erwog; siehe Max H. VON FREEDEN,Tilman Riemenschneider. Leben und Werk (München 5 1981) S. 34. 37 Die Inschrift an der Ehetüre der Jakobskirche im lateinischen Wortlaut bei RESS, Rothenburg (wie Anm. 3) S. 112. <?page no="129"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 129 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 129 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Friedrich H erlins Rothenburger Altar 117 nahm kleinere Ausbesserungen vor 38 . Für die Gesamterscheinung nicht ohne Folgen blieb eine Überarbeitung des Gesprenges im Jahr 1857/ 58 durch einen Schreiner E. Thieme, der es teilweise ergänzte und auch den Mittelturm etwas verkürzte 39 . Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurden die übermalten Außenseiten der Altarflügel näher untersucht. Unter Greulichs Bildern zeigte sich die ursprüngliche Malerei als nahezu unversehrt und man beschloß, die Übermalung abzunehmen. Die Restaurierung führte 1922 Hauptkonservator R. Lischka vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege München durch. Auf eine Retusche von Fehlstellen, die frühere Freilegungsversuche verursachten, wurde verzichtet40. So erwies sich Greulichs gemalter Bildersturm doch als bewahrende Kraft: Gefährliche Zeiten brachen für kirchliche Kunst erst später wieder an: im Barock, in der Aufklärung, auch im 19. Jahrhundert. Daß Friedrich Berlins Rothenburger Altar bis heute als einzigartiges Zeugnis spätmittelalterlicher Frömmigkeit vor Augen steht und dank seiner überragenden Qualität zum Wallfahrtsziel des interessierten Kunstfreundes wurde ist vielleicht auch ein Wunder des hl. Jakobus. Nachweis der Abbildungen: Abb. 3-6: Bildarchiv Foto Marburg Abb. 1, 2, 7 Archiv des Verfassers Resumen: El altar de la iglesia de Santiago de Rothenburg permite, como pocos otros, estudiar la forma y la funci6n de un retablo tardog6tico. Fue encargado alpintor Friedrich Berlin de Nördlingen por la „Jakobspflege" en torno a 1460 y terminado en 1466. Se encomend6 a un taller de Ulm hacer las esculturas del arca del altar. Un maestro formado en el Bajo Rhin complet6 el ciclo de figuras, aiiadiendo un crucifijo y cuatro : ingeles de luto. En el arca del altar se percibe al Crucificado entre Santa Maria y SanJuan, asf como a los santos Santiago el Mayor, lsabel, Leonardo y Antonio Abad. Los grandes cuadros de Berlin muestran escenas de la infancia de Jesus, de la vida de Santa Maria y de la leyenda jacobea. EI altar de Rothenburg es, 38 Er signierte auf der Tafel mit der Darstellung im Tempel: "RESTAURIRT VON L. ROTHERMUND MALER AUS BAMBERG A. 1819." 39 Dazu ÜELLERMANN, Schnitzaltäre (wie Anm. 3) S. 218. Thiemes Name ist auf der Bodenplatte des Tabernakels angebracht. 40 Dazu ausführlich Hans RUPE,Friedrich Herlins Jakobslegenden (Zur Freilegung der äußeren Flügelbilder des Rothenburger Jakobsaltares), Cicerone (1922) S. 724-727 . Die frisch freigelegten Tafeln werden zuerst kunsthistorisch gewürdigt bei Ernst BUCHNER, Die Werke Friedrich Herlins, Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 13 (1923), S. 1-51, hier S. 22-32. <?page no="130"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 130 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 130 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 118 Christo/ Metzger por tanto, un altar mariano y jacobeo, sin embargo, la idea que todo lo engloba de la muerte de Cristo y la Redenci6n domina el programa pict6rico. El hecho de que Cristo sea representado varias veces guarda relaci6n con la veneraci6n del Santo Sangre en Rothenburg. Despues de que se introdujera la Reforma, el altar fue cubierto en 1582 con diferentes escenas en parte cristol6gicas por el pintor Martin Greulich. Recien en 1922 el ciclo jacobeo fue nuevamente puesto al descubierto. El altar de Rothenburg de Friedrich Herlin caus6 furor al poco tiempo de que se levantara. El que este presente hasta hoy en dfa como testimonio sin par de la piedad tardomedieval y que se haya convertido en meta de peregrinaci6n del aficionado al arte gracias a su calidad excepcional es talvez tambien un milagro de Santiago. <?page no="131"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 131 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 131 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Die Grafen von Comburg- Rothenburg, die Stadt Schwäbisch Hall und der Jakobuskult Eine Spurensuche im südlichen Franken GERHARD LUBICH Es liegt nahe, auf einer Jakobustagung in Rothenburg die Frage zu stellen nach einer möglichen Beziehung zwischen dem Jakobuskult und dem Grafengeschlecht, das am Beginn der Geschichte des Tagungsortes steht. Wenn hierzu bislang in der Forschungsliteratur nichts oder kaum etwas zu finden ist, so hat dies einen einleuchtenden Grund: Offensichtliche oder gar eindeutige Berührungspunkte geben die Quellen nicht zu erkennen. Die folgenden Ausführungen sind somit als ein Versuch zu verstehen, mögliche Berührungspunkte zu erschließen, diese aber auch gleichzeitig auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen und in aller Vorsicht zu einer Hypothese zu verdichten -letztlich also eine Spurensuche in einer. Region, die in gewisser Weise einen weißen Fleck auf der für Franken ansonsten recht dichten Landkarte nachweisbarer Jakobusverehrung am Beginn des Hochmittelalters darstellt. Beginnen wir hierzu zunächst einmal mit dem, was dem genius loci huldigt, nämlich der Geschichte der Grafen von Comburg- Rothenburg 1. 1 Aus der älteren Literatur grundlegend Hermann BAUER,Die Gaugrafen des jetzt wir tembergischen Ostfrankens, insbesonderheit die Grafen von Rothenburg-Comburg, Württembergisch Franken 7 (1853) S. 3-20 sowie am gründlichsten Gustav BOSSERT, Zur älteren Geschichte des Klosters Kornburg, Württembergisch Franken Neue Folge 3 (1888) S. 1-46 . Zum Kloster Comburg die Schreibweise mit C statt mit dem historisch korrekten K entspricht dem Gebrauch des 19. Jahrhunderts, der nunmehr auch offiziell verwendet wirdvgl. Rainer Jooss, Kloster Kornburg im Mittelalter. Studien zur Verfassungs-, Besitz- und Sozialgeschichte einer fränkischen Benediktinerabtei (Forschungen aus Württembergisch Franken 4, Sigmaringen 2 1987). Eine kritische Gesamtschau und partielle Neubeurteilung habe ich zu unternehmen versucht in: Gerhard LUBICH, Zur Bedeutung der Grafen von Comburg und Rothenburg, Württembergisch Franken 81 (1997) S. 29-50 sowie in: Ergänzungen zur Geschichte der Grafen von Comburg-Rothenburg, Württembergisch Franken 84 (2000) S. 7-15. <?page no="132"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 132 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 132 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 120 Gerhard Lubich Wer waren diese Adligen, die bereits im ausgehenden Mittelalter geradezu legendären Ruf genossen und über die mitunter ebenso Spekulatives noch in neuerer Wissenschaftsliteratur zu lesen ist? Im Prinzip handelt es sich um eine Familie, deren mutmaßlich ältester Vertreter kurz vor der Jahrtausendwende belegt ist. Aus dem wenigen, was wir über diesen Grafen Richard und seinen Sohn wissen, scheint zumindest die Nachricht interessant, daß er sich als fränkischer Adliger bei der Bedrängung des Stifts Feuchtwangen mit Schwaben zusammentat, wie der Feuchtwanger Dekan Wigo in einem Brief bemerkt 2 • Ganz offenbar hatte also dieser Graf Richard sein Herrschaftsgebiet am Südrand Frankens, an der Grenze zu Schwaben. Franken, die damalige sogenannte Francia orientalis verlief anders als die heutigen Bundesländer- oder Landschaftsgrenzen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil des heutigen Nordwürttemberg gehörte zu dieser mittelalterlichenprovincia, und im Gebiet zwischen Kocher und Tauber, heute teils bayerisch, teils zu Baden-Württemberg gehörig, lag der Schwerpunkt der Herrschaft der Comburg-Rothenburger 3• Der erste nachweisbare Sitz der Familie -wir befinden uns bereits in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts war ein Herrenhof namens Wülfingen, gelegen am Kocher 4 . Als Herrschaftsbereich des in einer Kaiserurkunde erwähnten Grafen Heinrich wird der Kochergau genannt, und entlang des Flusses Kocher verlief zunächst auch der Ausbau der Herrschaft der Grafen. Schon in der nächsten Generation gründete ein offenbar nachgeborener Sohn Heinrichs die 2 MGH Ep. Sei. 3, Nr. 13, S. 14f .; Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Augsburg 1, bearb. von Wilhelm V0LKERT/ Friedrich Z0EPFEL(Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft 2b/ 1, Augsburg 1964) Nr . 195, S. 111f. - Richard wird häufig als Erwerber des Berges angesehen, auf dem später die Comburg errichtet wurde . Gemäß der Gründungsgeschichte Comburgs - Fundatio Monasterii Comburgensis , ed. Oswald H0LDER-EGGER, MGH SS 15, S. 1028-1033, hier S. 1028f. nahm dieses Geschäft jedoch der 1058 (Monumenta Boica 37, Nr. 67, S. 25-28) und 1069 (Monumenta Boica 37, Nr. 69, S. 28f.) erwähnte Graf gleichen Namens vor . 3 Über die mittelalterliche Entwicklung dieses Grenzraumes vgl. Gerhard LUBICH, Früh- und hochmittela! terlicher Adel zwischen Tauber und Neckar. Genese und Prägung adliger Herrschaftsräume im fränkisch-schwäbischen Grenzgebiet, in: Herrschaft und Legitimation. Hochmittelalterlicher Adel in Südwestdeutschland, hg . von Sönke LORENZ/ Stephan M0LIT0R (Schriften zur südwestdeutschen Landesgeschichte 36, Leinfelden-Echterdingen 2002) S. 13-48 . 4 MGH D H 3. Nr. 89, S. 116. - Zur Geschichte des Ortes sowie der archäologischen Situation vgl. Mechthild SCHULZE-DöRRLAMM, Das Dorf Wülfingen in Württem bergisch Franken während des 11. und 12. Jahrhunderts, in: Siedlungsausbau zur Salierzeit 2, hg. von Horst W. BÖHME(Sigmaringen 1991) S. 39-56. <?page no="133"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 133 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 133 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Eine Spurensuche im südlichen Franken 121 Burg Comburg in unmittelbarer Nachbarschaft zur heutigen Stadt Schwäbisch Hall5. Ob und in welcher Form Schwäbisch Hall damals schon bestand, wird uns noch beschäftigen, doch halten wir zunächst einmal fest, daß seit der Mitte des 11. Jahrhunderts die Comburg-Rothenburger dem Zug der Zeit folgten und ihre Herrschaftssitze weg vom flachen Land hinauf zu Höhenburgen verlagerten, zunächst auf die namengebende Comburg und das ganz in der Nähe der Comburg über der Bühler gelegene Bielriet 6 • Damit reagierte die Familie in gewisser Weise auf Veränderungen, die recht planvoll von Seiten des Königtums unternommen worden waren, um eine gewisse Abgrenzung Frankens gegenüber seinen südlichen Nachbarprovinzen zu gewährleisten. Der bereits erwähnte Graf Richard war nämlich offenbar kein Einzelfall, denn im schwäbisch-fränkischen Grenzgebiet hatte sich so etwas wie eine Übergangszone mit ganz eigenständigem Charakter herausgebildet, die unter Ausnutzung einer wenig präsenten Königsherrschaft von grenzübergreifenden Adelsverbänden beherrscht wurde. Dieser Zustand wurde schließlich seit der Jahrtausendwende durch das Königtum planvoll konterkariert, indem die Grenze durch Wildbannverleihungen gleichsam abgeschottet wurde und die sich bildenden Zentren adliger Hausherrschaft der Königsherrschaft unterstellt und durch Entfremdung des Hausklosters samt Familiengrablege ihrer Grundlage beraubt wurden 7• Der einzige Weg, der dem südfränkischen Adel für eine Expansion noch offenstand, war der Weg nach Norden, hin zur Zentralregion Ostfrankens in die Umgebung der Bischofsstadt Würzburg, oder aber nach Osten hin, wo es hinter den Stammesgrenzen wohl keine sonderlich dichte Altsiedlung gab. Diesen Weg beschritten nun die Comburg- Rothenburger seit der Mitte des 11. Jahrhunderts mit Vehemenz, denn mit den Gründungen von Comburg und Bielriet gaben sie sich keineswegs zufrieden. Im Jahre 1056 finden wir die Grafen als Gründer des Stiftes Neumünster, über das sie auch in der Folgezeit die Vogtei in- 5 Es ist keineswegs einfach, den Baubeginn der Grafenburg festzulegen, was bereits die strittige Frage nach dem Erwerb des Burgbergs andeutet (vgl. oben Anm. 2) und insbesondere durch den späten Ansatz des sogenannten „Öhringer Stiftungsbriefes" (Württembergisches Urkundenbuch 1, Nr. 222, S. 262ff.; vgl. hierzu unten Anm. 36) nicht einfacher wird. Die Summe der Argumente spricht jedoch für einen Baubeginn um die Mitte des 11. Jahrhunderts, vgl. LUBICH,Früh- und hochmittelalterlicher Adel (wie Anm. 3), S. 38 insbes . Anm. 118 (dort auch weitere Literatur) . 6 Gerd WUNDER,Bielriet, Württembergisch Franken 71 (1987) S. 273-278. 7 LUBICH,Früh- und hochmittelalterlicher Adel (wie Anm. 3) S. 28-40. <?page no="134"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 134 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 134 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 122 Gerhard Lubich nehaben sollten, zum ersten Mal in Würzburg selbst 8. In der nächsten Generation erfolgte im letzten Viertel des Jahrhunderts schließlich auch die Neugründung Rothenburg, diese nicht zuletzt deshalb, weil die eigentliche Stammburg Comburg zunächst zur Hälfte, in den 1070er Jahren schließlich dann ganz in ein Kloster umgewandelt worden war 9 . Mit der räumlichen Expansion einher ging ein Machtzuwachs, der seinen Ausdruck nicht zuletzt darin findet, daß mit Emehard von Würzburg erstmals ein Bischof aus dem Süden Frankens auf den Stuhl des hl. Kilian in Würzburg erhoben werden sollte 10. Ein Bruder Emehards hatte neben der bereits erwähnten Vogtei über das Würzburger Stift Neumünster zeitweise auch die Hochstiftsvogtei über das Bistum Würzburg inne 11. Doch war man bei den Comburg-Rothenburgern ganz offensichtlich darauf bedacht, seine Geschicke nicht zu sehr mit denjenigen des Bistums zu verknüpfen, unterstellte man doch das Hauskloster Comburg nicht dem Kiliansbistum, sondern der ferngelegenen Metropole Mainz 12, und auch die Territorialpolitik zeigt, daß man sich in der Zeit des sog. "Investiturstreits" auf die möglichen Wechselfälle einer zu starken Bindung an eine kirchliche Institution nicht einlassen wollte. An der Wende vom 11. zum 12.Jahrhundert hatten so die Grafen von Comburg- Rothenburg schließlich den Zenit ihrer Macht erreicht. Im Süden Frankens verfügten sie über eine stabile Hausmachtsposition und ihre Einflußsphäre reichte nach Norden bis an die Bischofsstadt Würzburg heran, und auch in der Stadt selbst dürften sie eine nicht gering zu veranschlagende Rolle gespielt haben. Einer Verfestigung dieser Posi- 8 Paul SCHÖFFEL, Herbipolis sacra. Zwei Untersuchungen zur Geschichte des Bistums Würzburg im frühen und hohen Mittelalter (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte IX/ 7, Würzburg 1948) S. 56-104; Peter JOHANEK,Die Gründung von St. Stephan und Neumünster und das ältere Würzburger Urkundenwesen, Mainfränkisches Jahrbuch 31 (1979) S. 32-68 sowie zuletzt Alfred WENDEHORST, Das Bistum Würzburg 4: Das Stift Neumünster, in: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz (Germania Sacra 20, Berlin 1989) S. 50-53. 9 Jooss, Kloster Karnburg (wie Anm. 1) S. 20, S. H0f. to Zu Emehard grund legend Alfred WENDEHORST,Das Bistum Würzburg 1: Die Bischofsreihe bis 1254, in : Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz (Germania Sacra 1, Berlin 1962) S. 119-124 mit den Quellen zu seinem Pontifikat. 11 Harald PARRIGER: Das Würzburger Burggrafenamt, Mainfränkisches Jahrbuch 31 (1979) S. 9-31, hier S. 15. 12 Württembergisches Urkundenbuch 1, Nr. 239, S. 286ff.; Mainzer Urkundenbuch, hg. von Peter ACHT/ Manfred STIMMING 1, Nr. 276, S. 376ff. - Zum „Comburger Formular" Hermann JAKOBS,Die Hirsauer . Ihre Ausbreitung und Rechtsstellung im Zeitalter des lnvestiturstreits (Kölner Historische Abhandlungen 4, Köln/ Wien 1961) S. 44 und Jooss, Kloster Kornburg (wie Anm. 1) S. 22 ff. <?page no="135"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 135 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 135 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Eine Spurensuche im südlichen Franken 123 tion, wenn nicht gar einem weiteren Aufstieg stand lediglich ein einziges Mißgeschick im Wege: Die Grafen von Comburg-Rothenburg starben aus. Im Januar 1116 segnete Graf Heinrich das Zeitliche, nicht ohne dem Hauskloster Comburg noch den Großteil seiner Besitzungen überlassen zu haben 13 - Endpunkt einer gerade einmal ein Jahrhundert währenden Erfolgsgeschichte, die an sich nicht weiter erwähnenswert wäre, hätten spätere Zeiten nicht einiges mit den Grafen des Kochergaues verbunden, das ihnen einen geradezu legendenhaften Ruf einbrachte. Ausgangspunkt dieser Überschätzung dürfte in gewisser Weise das Nachleben der Grafen in der regionalen Überlieferung sein. Bereits in der Mitte des 14. Jahrhundert wird deutlich, daß man dieses Adelsgeschlecht nicht vergessen hatte, im Gegenteil: Man sprach ihm je länger desto mehr Bedeutung zu. Nicht ganz unschuldig dürfte daran der Würzburger Michael von Leone sein, der die Quellen zur Geschichte des Klosters Comburg exzerpierte; bei ihm findet sich die auf einer Verwechslung beruhende Nachricht, Graf Heinrich (II.) von Comburg- Rothenburg sei zum Herzog ernannt worden 14, was die Bischofschronik des Lorenz Fries ebenso bereitwillig übernahm 15 ebenso wie der Schwäbisch Haller Stadtchronist Georg Widman 16. Übrigens denke ich, daß aus diesem Überlieferungsstrang heraus auch die Inschrift an der Ritterfigur am Rothenburger Rathaus erklärbar wird, die ja einen "Herzog Heinrich von Rothenburg" darstellt; da ein Stauferherzog dieses Namens nicht auf Rothenburg residierte, könnte er ja eben der letzte Graf des Hauses sein, der nachweislich Rothenburg gegenüber der mittlerweile zum Kloster umgewandelten Comburg als Herrschaftsmittelpunkt eindeutig bevorzugte 17. Bedeutung maß man den Comburg-Rothenburgern auch im geistlichen Bereich zu. Der Verfasser der Würzburger Bischofschronik, Lorenz Fries, verortet die Abkunft eines Kölner Erzbischofs und dreier Würzburger Bischöfe in diesem Haus; die frühneuzeitlichen Würzburger Bischofskataloge überboten ihn noch 13 Das Testament des letzten Comburg-Rothenburgers findet sich im Comburger Schenkungsbuch, Nr. 2, in: Württembergisches Urkundenbuch 1, S. 392f. 14 Michaelis de Leone canonici Herbipolensis annotata Historica, ed. Johann Friedrich BOEHMER(Fontes 1, Stuttgart 1843) S. 453. 15 Lorenz Fries, Chronik der Bischöfe von Würzburg 742-1495 1, edd. Ulrich WAG- NER/ Walter ZIEGLER, (Fontes Herbipolenses 1, Würzburg 1992). 16 Widmans Chronica, ed. Christian KOLB (Württembergische Geschichtsquellen 6, Stuttgart 1904) S. 153. 17 So meine These, wie ich sie in dem Aufsatz: Die Grafen von Comburg und Rothenburg, ihr Werdegang, ihre Burgen und ihr Nachleben geäußert habe (Jahrbuch des Historischen Vereins Alt-Rothenburg 2003, S. 86-112). <?page no="136"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 136 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 136 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 124 Gerhard Lubich und vermuteten gar deren fünf 18. Das Haus der Comburg-Rothenburger wurde in der Folgezeit so etwas wie ein Auffangbecken für genealogische Nachrichten, die man an anderem Ort nicht unterbringen konnte . Daraus resultierte dann im 18. Jahrhundert ein derart großer Stammbaum, daß er sich graphisch nur noch mühsam über mehrere Seiten hinweg darstellen ließ. Erst das 19. Jahrhundert stutzte diese Auswucherungen wieder auf ein reelles Maß zurecht 19, eine Tendenz, die sich immer weiter, bis in unsere Tage hinein fortgesetzt hat. Die Grafen von Comburg- Rothenburg erscheinen uns heute als ein nur kurz, über drei Generationen hinweg eindeutig nachweisbares Geschlecht, das innerhalb weniger Jahrzehnte einen rasanten Aufstieg erlebte, dann erlosch und weniger durch eigene Taten als durch die langfristigen Konsequenzen ihrer Herrschaftsbildung von Bedeutung war. Diese Konsequenzen lagen darin, daß nach dem Ende der Comburg- Rothenburger die Staufer das Herrschaftsgebiet der Comburg-Rothenburger übernahmen, und gerade an diesem Punkt hat die Geschichtswissenschaft des 20. Jahrhunderts zum Teil noch an der Überschätzung weitergearbeitet. Insbesondere durch verschiedene genealogische Hypothesen, zum Teil auf mangelhafter oder überhaupt nicht vorhandener Quellenlage beruhend, unterstellte man Heiraten zwischen beiden Familien, die sich nicht nachweisen lassen 20 , nahm eine Übergehung des Testamentes des letzten Comburg-Rothenburger Grafen an, die sich bei einem genauen Blick in die Überlieferung nie abgespielt haben kann 21 , und dergleichen mehr - Sie bemerken wohl, daß er mir nicht darum 18 Fries, Chronik (wie Anm. 15) S. 171, S. 179, S. 256; die Angab en zu zwei weiteren Bischöfen, die den nicht im Druck vorliegenden Bischofskatalogen zu entnehmen sind, finden sich samt kritischer Aufarbeitung bei WENDEHORST, Bistum Würzburg (wie Anm . 10) S. 89, S. 118. 19 Dies ist insbesondere das Verdienst von BOSSERT, Kloster Kornburg (wie Anm. 1). 20 Die abenteuerliche, jeder Quellengrundlage entbehrende Kombination von Hansmartin DECKER-HAUFF,Das staufische Haus, in: Die Welt der Staufer, Katalog zur Stauferausstellung 3 (Stuttgart 1977) S. 339-374, hier S. 350 dürfte entkräftet sein durch Klaus GRAF, Staufer-Überlieferungen aus Kloster Lorch, in: Von Schwaben nach Jerusalem. Facetten staufischer Geschichte, hg. von Sönke LORENZ/ Ulrich SCHMIDT(Veröffentlichungen des Alemannischen Instituts 61, Sigmaringen 1995) S. 209-240, hier S. 230-237 sowie Gerhard LUBICH, Auf dem Weg zur „Güldenen Freiheit" . Herrschaft und Raum in der Francia orientalis von der Karolingerzur Stauferzeit (Historische Studien 449, Husum 1996) S. 162-173 und S. 246-272. 21 In diesem Sinne, befrachtet mit einer kaum haltbaren und unnötigen genealogischen Hypothese zuletzt noch Jan Paul NIEDERKORN, Die Erwerbung des Erbes der Grafen von Kornburg-Rothenburg durch Konrad von Staufen, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 57 (1998) S. 11-19; dagegen Gerhard LUBICH, Der staufische Frühbesitz in Franken ein „Erbe auf Umwegen"? , Zeitschrift für würt- <?page no="137"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 137 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 137 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Eine Spurensuche im südlichen Franken 125 geht, meinen Untersuchungsgegenstand größer erscheinen zu lasen, als es bei skeptischer Betrachtung notwendig erscheint. Was aber, und dies ist ja die eigentliche Frage dieser Überlegungen, hat dies alles mit dem hl. Jakobus zu tun, von dem bislang noch nicht die Rede war? Um die bislang eingeschlagene skeptische Linie weiter zu halten, muß man zunächst einmal schlankweg eingestehen: Nichts, oder besser: noch nichts. Soweit wir von Kirchengründungen der Comburg- Rothenburger wissen, bedienten sie sich nicht ein einziges Mal des Jakobspatroziniums. Ihr namengebendes Hauskloster Comburg etwa führte das Nikolauspatrozinium, und meines Wissens sind noch nicht einmal Jakobsreliquien, ein Jakobsaltar oder eine Jakob geweihte Kapelle in der Klosterkirche nachweisbar 22. Auch bei den Comburger Propsteien und den umliegenden, zum Teil möglicherweise von Comburg aus gegründeten Dorfkirchen, die von Comburg abhängig waren, läßt sich Jakob nicht nachweisen 23. Patron der heutigen Hauptkirche in Schwäbisch Hall, die so Peter J ohanekmöglicherweise als Priorat des Klosters gegründet wurde 24, ist der hl. Michael; unter den in der Gründungsurkunde des Michaelsmarktes von 1156 aufgeführten Reliquien finden sich trotz einer bereits erstaunlich großen Vielfalt keine Jakobsreliquien25. Auch eine Pilgerfahrt nach Santiago läßt sich selbst beim größten Wohlwollen keinem der nachweisbaren Grafen zuschreiben - und doch, so meine ich, gibt es zumindest einen Punkt, an dem sich eine Beziehung zwischen Jakob und den Comburg-Rothenburgern vermuten läßt. Doch gilt es hierzu ein wenig weiter auszuholen, und einerseits abzuheben auf die Entwicklung des Jakobuskultes insbesondetembergische Landesgeschichte 59 (2000) S. 404-412 (dort auch die entsprechenden Belege zur Kontinuität des gräflichen Besitzes in der Hand des Klosters; allein in der unvollständigen, den Klosterbesitz bestätigenden Papsturkunde des Jahres 1248 - Württembergisches Urkundenbuch 4, Nr. 1119 sind am Ende der Stauferzeit ein Großteil der im Testament genannten Liegenschaften enthalten). 22 Bei Eugen GRADMANN,Die Kunst- und Altertumsdenkmale der Stadt und des Oberamtes Schwäbisch Hall (Esslingen 1907) S. 118 findet sich eine Auflistung der Kapellen, auf S. 129f. sowie S. 138-141 eine Zusammenstellung der Altäre. 23 Ein Verzeichnis der Propsteien, jedoch ohne Nennung der Patrozinien findet sich bei Jooss, Kloster Kornburg (wie Anm. 1) S. 85; diese liefert GRADMANN,Kunst- und Altertumsdenkmale (wie Anm. 22) S. 112f., dem auch die wesentlichen Fakten zu den Comburg umgebenden Dorfkirchen zu entnehmen sind. 24 Peter JOHANEK, Der Markt von Schwäbisch Hall, Kloster Kornburg und das Herzogtum Würzburg. Zur Kritik der Urkunde Bischof Gebhards vom 10. Februar 1156, Württembergisch Franken 64 (1980) S. 27-62. 25 Württembergisches Urkundenbuch 2, Nr . 354, S. 102f. <?page no="138"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 138 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 138 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 126 Gerhard Lubich rein Franken, andererseits aber auch auf die frühe Geschichte der Stadt Schwäbisch Hall, die ja unmittelbar am Fuße der Comburg gelegen ist. Ein erstes Indiz, das sich für eine Berührung der Grafen von Comburg-Rothenburg mit dem Jakobuskult heranziehen läßt, ist zunächst einmal eine bestimmte örtliche und zeitliche Koinzidenz. Folgt man den Ausführungen von Robert Plätz, der meines Wissens nach die maßgebliche Überblicksdarstellung über den Jakobuskult in Franken verfaßt hat 26, so begann die Ausbreitung des Kultes an der Jahrtausendwende, zumal zu diesem Zeitpunkt neugegründete Kirchen auffällig oft das Jakobspatrozinium erhielten. Ausgangspunkt der Wertschätzung Jakobs als Kirchenpatron war das Kloster Schwarzach, das unter dem Einfluß der von den Klöstern Cluny und Gorze ausgehenden Reformbestrebungen stand, womit auch eine Aufwertung des HeiligenJakobus verbunden war (Gedanke der Pilgerschaft, später Verbindung mit dem Kreuzzugsgedanken). Aus Gorze stammte der Schwarzacher Abt Ekkebert, der offenbar von dem in vielerlei Hinsicht bedeutenden Würzburger Bischof Adalbero von Lambach-Wels berufen wurde 27. Ekkebert gründete oder reformierte nun eine ganze Anzahl von Klöstern, die jedoch nicht nur in der Würzburger Diözese lagen. Der Einfluß dieser Erneuerungsbewegung strahlte schnell aus, und insbesondere bei den beiden anderen fränkischen Bistümern Bamberg und Eichstätt läßt sich eine zügige Verbreitung der Jakobusverehrung verfolgen, zumal das Bamberger Kloster Michelsberg, Bestandteil der damals bedeutenden Bamberger Schulen, als eines der ersten reformierten so etwas wie einen „Pool für Spitzenfunktionäre" darstellte 28 • So erstaunt es also kaum, wenn der höchst umstrittene Bischof Hermann von Bamberg zumindest eine Santiago-peregrinatio ankündigte ob er sie tatsächlich antrat, wissen wir nicht, und es scheint eher unwahrscheinlich, doch immerhin zeigt sich, daß diese Pilgerfahrt nunmehr in der Wahrnehmung der Zeit verankert war. Und auch Bischof Gundekar von Eichstätt war Bamberger Domkustos gewesen, und auch hier verwun- 26 Robert PLöTZ, Santiago-peregrinatio und Jacobus-Kult mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Frankenlandes (Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 31, Münster 1984) S. 24-135; allgemeinere Überlegungen bei Gerd ZIMMERMANN, Patrozinienwahl und Frömmigkeitswandel im Mittelalter, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 21 (1959) S. 7-40. 27 Zu Adalbero vgl. WENDEHORST, Bistum Würzburg (wie Anm. 10) S. 100-117. 28 Claudia MÄRTL,Die Bamberger Schulen ein Bildungszentrum des Salierreichs, in: Die Salier und das Reich 3, hg. von Stefan WEINFURTER(Sigmaringen 1991) S. 327- 345. <?page no="139"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 139 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 139 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Eine Spurensuche im südlichen Franken 127 dert nicht, daß unter ihm einige Kirchen in der Eichstätter Diözese nun dem hl. Jakobus gewidmet wurden 29. Wenngleich also die frühe Jakobusverehrung von Würzburg ausging, so lag ihr Schwerpunkt doch weiter östlich, in der Umgegend Bambergs, Nürnbergs und Eichstätts. Insbesondere, und auch darauf hat schon Robert Plötz hingewiesen, im Südwesten der Würzburger Diözese konnte sich in der soeben beschriebenen frühen Phase keine Jakobusverehrung durchsetzen 30. Die „südwestliche Ecke des Würzburger Bistums" gemeint ist damit nichts anderes als der Einflußbereich der Grafen von Comburg- Rothenburg, die zwar um eben die Zeit, als die Gorzer Reform in Franken zu wirken begann, unter dem Episkopat Bischof Adalberos das Stift Neumünster in Würzburg gründeten, doch offenbar von diesen kirchlichen Erneuerungsprägungen nicht berührt wurden. Im Gegenteil zeigt sich, daß wie in weltlichen Dingen man auch peinlich genau die Geschicke des Hauses von denjenigen des Bistums trennte. Das Hauskloster der Grafen, die Comburg, wurde vielmehr in Anlehnung an die von Hirsau ausgehende Reformbewegung ausgerichtet 31, nachdem eine kurzzeitige, durch persönliche Bindungen zu erklärende Beziehung zum Kloster Brauweiler bei Köln dem Kloster das vergleichsweise seltene Nikolauspatrozinium eingebracht hatte 32. Das Kloster selbst stand neben Hirsau noch zu einem weiteren schwäbischen Kloster in enger Beziehung, nämlich Lorch, dem sogenannten staufischen „Hauskloster" 33. Selbst in der Amtszeit Bischof Emehards, als Nachfolger Adalberos der einzige tatsächlich belegbare Würzburger Bischof aus dem Hause der Comburg-Rothenburger, lassen sich keine Beziehungen zwischen dem Mainbistum und Kloster Comburg feststellen, im Gegenteil: Der von der lokalgeschichtlichen Forschung sogenannte „Mainzer Vertrag", der Kloster Comburg an 29 PLÖTZ,Santiago-peregrinatio (wie Anm. 26) S. 68 ff. 30 Ebd., S. 91. 31 JAKOBS, Hirsauer (wie Anm. 12) S. 44 insbes. Anm . 76; Jooss, Kloster Kornburg (wie Anm. 1) S. 22. 32 Ebd., S. 20 f. 33 Diese Querbeziehung ergibt sich aus der Nennung in der umstrittenen Urkunde Herzog Friedrichs I. von Schwaben (angeblich aus dem Jahre 1102), in der der Comburger Abt neben dem Hirsauer und Zwiefaltener als einer der comprovintialium abbatum genannt wird, deren consilium bei der Abtswahl in Lorch gesucht werden solle; Abdruck der Urkunde in Württembergisches Urkundenbuch 1, Nr. 254, S. 334f., zum Abfassungszeitpunkt der Fälschung Peter WE! ß, Frühe Siegelurkunden in Schwaben (10.-12. Jahrhundert) (elementa diplomatica 6, Marburg 1997) S. 84f. - Der Nachweis früher monastischer Beziehungen bei Jooss, Kloster Kornburg (wie Anm. 1) S. 25 f. und GRAF,Staufer-Überlieferungen (wie Anm. 20) S. 221 f. <?page no="140"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 140 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 140 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 128 Gerhard Lubich Mainz band 34, wurde gerade während der Amtszeit Bischof Emehards geschlossen, zudem zu einem Zeitpunkt, an dem Graf Heinrich als Hochstiftsvogt auch die weltlichen Belange des Bistums vertrat. Man trennte also weltliche und geistliche Dinge auf das Schärfste, und so erstaunt es nicht, daß man sich auch in spiritueller Hinsicht ein eigenes Profil zu schaffen versuchte und vielleicht auf ältere Beziehungen zu Schwaben hin rekurrierte, für die in kirchlicher Hinsicht die Stammesgrenzen ja keine wirkliche Barriere bedeuteten. Und doch, in unmittelbarer Nachbarschaft des Klosters Comburg entstand noch zu Lebzeiten der dortigen Grafen eine Jakobskirche, keine Landkirche jedoch wie die meisten anderen der zu dieser Zeit gegründeten, sondern eine Stadtkirche, auf dem Boden Schwäbisch Halls. Diese Kirche ist, um ein großes Wort zu verwenden, eines der großen Rätsel der frühen Schwäbisch Haller Stadtgeschichte, und dies um so mehr, als die Geschichte der Stadt Hall im 11. Jahrhundert aus mehr Hypothesen als Gewißheiten besteht. Worin besteht nun das Rätsel der Jakobskirche? Betrachten wir hierzu in gegebener Kürze die frühe Geschichte der Stadt Schwäbisch Hall. Die älteste Siedlung auf dem Boden der erst seit dem 15. Jahrhundert sogenannten Stadt Schwäbisch Hall war eine Keltensiedlung, die bis etwa ein Jahrhundert n. Chr. bestand 35 . Aus dieser Zeit stammen jedenfalls die jüngsten Ausgrabungsfunde, und ob die Siedlung einem Bergrutsch zum Opfer fiel, aufgegeben wurde o<leraber weiterbestand, ist in der Forschung umstritten . Einige wenige Schriftzeugnisse des Prühmittelalters hat man auf Hall zu beziehen versucht, doch konnte keine der vorgeschlagenen Identifizierungen endgültig überzeugen 36 . Dies liegt nicht zuletzt daran, daß der Name „Hall" nicht allein auf die Siedlung am Kocher angewendet wurde, sondern in seiner Bedeutung als „Salz" auch noch den Namen anderer Orte prägte, sei es Niedernhall in der Nähe von Schwäbisch Hall, Hall in Tirol oder Bad Reichenhall. Erst im 11.Jahrhundert liegt eine Nennung der damals als villa bezeichneten Siedlung vor, doch ist die damit angesprochene Urkunde überaus problematisch, denn sie isLgefälscht. Mittlerweile hat sich in der lokal- 34 Wie Anm. 12. 35 Zur keltischen Saline zuletzt Thomas SIMON,Salz und Salzgewinnung im nördlichen Baden-Württemberg. Geologie, Technik, Geschichte (Forschungen aus Württembergisch Franken 42, Sigmaringen 1995) S. 74-81. 36 Zusammenstellung dieser und weiterer fragwürdiger Belege bei Gerhard LUBICH, „Kontinuität" oder „Katastrophe"? Zu den Problemen der frühen Schwäbisch Haller Stadtgeschichte, neuen Ausgrabungen und alten Forschungskontroversen , Württembergisch Franken 82 (1998) S. 7-28, hier S. 17-20. <?page no="141"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 141 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 141 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Eine Spurensuche im südlichen Franken 129 und landesgeschichtlichen Forschung die Auffassung durchgesetzt, daß der nach seinem mutmaßlichen Ausstellungsort sogenannte „Öhringer Stiftungsbrief" entgegen seiner Datierung auf 1037 erst aus dem letzten Viertel des 11. Jahrhunderts stammt und somit in die Zeit der Grafen von Comburg-Rothenburg fällt37. Die Grafen von Comburg-Rothenburg sind denn auch in dieser Urkunde genannt und die eigentlichen Nutznießers des dort getätigten Rechtsgeschäftes, das ihnen neben der Vogtei über das Stift Öhringen auch noch die Hälfte der 12 Haller Hofstätten, arae genannt, einbrachte. Die Urkunde unterscheidet zudem noch zwischen einem Halle inferior und Halle superior, mutmaßlich den bereits auf beiden Kocherufern bestehenden Teilen der Ansiedlung. Dem Charakter nach dürfte Hall wiederum sei auf die Bedeutung des Namens verwiesen -keineswegs eine landwirtschaftlich ausgerichtete Siedlung gewesen sein, sondern bereits als Salzgewinnungsstätte den Charakter eines anachronistisch, aber verdeutlichend ausgedrückt eines „Industrieortes" 38 gehabt haben, an dessen Aufstieg die in unmittelbarer Nachbarschaft lebenden Grafen von Comburg-Rothenburg sicherlich lebhaftes Interesse hatten. Immerhin verfügten sie nunmehr mit der Hälfte der Siedensrechte sozusagen über das „Filetstück" der Siedlung, und ganz offenbar gelang es dem Inhaber der anderen Hälfte der Siedensrechte, dem Stift Öhringen, nicht, diese Anteile zu halten. Dem Ausbleiben einer entsprechenden Überlieferung nach zu schließen, scheint sich Öhringen recht schnell aus Hall zurückgezogen zu haben, und so ist es naheliegend, daß diese Siedensanteile den Comburg-Rothenburgern zufielen und nach deren Aussterben (1116) an das Kloster Comburg gelangten, das auch später noch nachweislich einen nicht unbedeutenden Anteil an den Haller Sieden besaß39. 37 Württembergisches Urkundenbuch 1, Nr. 222, S. 262ff.; zum mutmaßlichen Abfassungszeitpunkt der Fälschung und der damit zusammenhängenden Forschungskontroverse LUBICH,Auf dem Weg (wie Anm. 20) S. 100-106. 38 Zur Übersetzung des für Hall verwendeten Begriffes villa, ansonsten i. d . R. mit "Weiler" oder „Dorf" wiedergegeben, in bezug auf Hall grundlegend Kuno ULS- HÖFER,Die Salzstadt Hall, in: Hall und das Salz. Beiträge zur hällischen Stadt- und Salinengeschichte, hg. von Kuno ULSHÖFER/ Herta BEUTIER (Forschungen aus Württembergisch Franken 22, Sigmaringen 1983) S. 9-25, hier S. 9. 39 Für das ausgehende 15.Jahrhundert ergibt sich dies eindeutig aus Raimund J. WEBER, Die Schwäbisch Haller Siedenserbleihen 2 (Forschungen aus Württembergisch Franken 15, Sigmaringen 1979) U 49 (21.VI.1494), S. 74 (n° 363), 78 (n° 388), 83 (n° 417/ 74); U 51 (1496 o.T.), S. 91; U 63 (21.V.1501), S.107; U 81 (18.XI.1514), S. 132f.; die frühen Belege sind sparsamer, aber zumindest für das 13. Jahrhundert ist Comburg gesichert gemäß Kuno ULSHÖFER, Der Haller Salzhandel (wie Anm. 38) S. 95- <?page no="142"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 142 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 142 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 130 Gerhard Lubich Wie die Entwicklung Halls in der Folgezeit dann aussah, läßt sich nicht feststellen. Eine kleine Notiz, die von einer Verfügung aus den ersten beiden Jahrzehnten des 12.Jahrhunderts berichtet, spricht nach wie vor von einer villa ... Halla 40 • Bleibt als das erste eigentlich stichhaltige und aussagekräftige Dokument der Haller Geschichte die Markturkunde des Jahres 1156 41, die aber leider auch nicht ganz unproblematisch ist. Wie Peter Johanek in seiner eingehenden Analyse gezeigt hat, ist das uns überlieferte Stück eine zusammenfassende Überarbeitung verschiedener Vorgänge, nämlich der Weihe eines monasterium Halle, der Verleihung des Michaels- Marktes und der Auflistung der im Altar befindlichen Reliquien, die in ihrer Gesamtheit ein durchaus komplexes Schriftstück darstellt 42. Für uns beschränkt sich das Interesse an dieser Urkunde auf die Frage, was genau denn hier im Jahre 1156 gegründet worden war. Die Frage läßt sich auch anders stellen : Was verbirgt sich hinter dem Begriff monasterium? Schon seit dem 18. Jahrhundert besteht die Auffassung, dieser im eigentlichen Wortsinn „Kloster" bedeutende Begriff sei mit dem Ausdruck „Münster" wiederzugeben, mit einer Großkirche also 43. Damit wäre das monasterium von Anfang an aber auch als Pfarrkirche für die sich auf dem Wege zur Stadt befindliche Gemeinschaft in Hall geplant gewesen. Allerdings, und auch hier ist wieder auf die Ausführungen Johaneks hinzuweisen, findet diese Übersetzung keinen Anhalt in der zeitgenössischen Überlieferung. Zumindest bis zum Ende des 12. Jahrhunderts bezeichnet monasterium immer eine monastische Gemeinschaft, ein Kloster also, oder ein Stift 44. Letzteres dürfte für Hall das wahrscheinlichere sein, denn die Gründung eines regelrechten Stadtklosters, wie es später die Franziskaner etwa unternahmen, ist für 112, hier S. 96, wobei hier wohl nur eine plausible - Vermutung ohne Beleg angestellt wurde; zur Liste der Siedensberechtigten von 1306 (Friedrich PIETSCH, Die Urkunden des Archivs der Reichsstadt Schwäbisch Hall 1 [Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 21, Stuttgart 1967] N 179, S. 47f ., l 9.V.1306), die Comburg erstmals im Besitz von Siedensrechten zeigt, vgl. Raimund J . WEBER,Die Haller Saline und ihr Recht, in: Hall und das Salz. Beiträge zur hällischen Stadt- und Salinengeschichte, hg. von Kuno ULSHÖFER/ Herta BEUTTER(Forschungen aus Württembergisch Franken 22, Sigmaringen 1983) S. 113-146, hier S. 116f. - Öhringen findet sich im Zusammenhang mit Siedensrechten nicht erwähnt. 40 Württembergisches Urkundenbuch 1, Nr. 272, S. 344. 41 Württembergisches Urkundenbuch 2, Nr. 354, S. 102f. 42 JOHANEK,Markt (wie Anm. 24) S. 27-48. 43 Johann Friedrich GEORGII (Hg.), Uffenheimsche Nebenstunden 1/ 9 (Schwabach 1746) s. 1119f . 44 JOHANEK,Markt (wie Anm . 24) S. 40f ., in Anschluß etwa an die Überlegungen von Walter SCHLESINGER, Ffalzen und Königshöfe in Württembergisch Franken und angrenzenden Gebieten, Württembergisch Franken 43 (1969) S. 3-22, hier S. 18ff. <?page no="143"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 143 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 143 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Eine Spurensuche im südlichen Franken 131 die Mitte des 12. Jahrhunderts eigentlich ein Anachronismus, sieht man von Bischofsstädten ab. Von der Umwandlung einer schon bestehenden Pfarrkirche ist in der Urkunde keine Rede, und es ist auch unwahrscheinlich, daß St. Michael älteren Ursprungs ist, etwa aus der Karolingerzeit stammt, wie man aufgrund ihres Patroziniums vermutet hat 45: Nach den neuesten Ausgrabungsfunden ist mit einer frühmittelalterlichen Besiedlung in der Gegend des heutigen Marktplatzes nicht zu rechnen 46 . Einige Indizien deuten vielmehr darauf hin, daß Kloster Comburg hier eine Art Priorat errichtete, nicht zuletzt, um am sich abzeichnenden wirtschaftlichen Aufschwung Halls zu partizipieren, das mittlerweile auch in den Blick der Staufer geraten war. Definitiv läßt sich sagen, daß das monasterium Halle nicht als seelsorgerliche Institution auf Initiative der Stadtbevölkerung gegründet worden war, zumal es kirchenrechtlich Steinbach unterstand, einem heutigen Vorort von Schwäbisch Hall; dasselbe Abhängigkeitsverhältnis galt auch für die spätere Pfarrkirche St. Michael, wie sie sich aus dem monasterium entwickelt hat. Steinbach wiederum stand selbst anfangs unter dem Patronat des Klosters Comburg, und wurde schließlich dem Kloster im Jahre 1287 inkorporiert 47 • Damit gelangte also St. Michael endgültig unter die direkte Aufsicht des Klosters Comburg, was bis zur Lösung der Filiation im Jahre 1505 so bleiben sollte 48; St. Michael wurde also das gesamte Mittelalter über von außerhalb der Stadt besetzt und damit letztlich auch geleitet. Warum aber, um den Blickwinkel wieder auf Jakob zu richten, ist die Frage nach dem Michaelsmonasterium an dieser Stelle so wichtig? Sie läßt eine Schlußfolgerung zu. Wenn nämlich das monasterium Halle ursprünglich keine Pfarrkirche war, dann stellt sich die Frage danach, wie denn die geistliche „Versorgung" der werdenden Stadt eigentlich geregelt war. Es bleiben nur zwei mögliche Pfarrkirchen übrig, einmal nämlich St. Katharina, zum anderen St. Jakob. Zunächst zur „St. Katterinapfarrkirch", wie sie der bereits erwähnte Haller Stadtchronist Georg 45 Gerd WUNDER,Geschichte bis zum Ende des Alten Reiches, in: Der Kreis Schwäbisch Hall, hg. von Roland BISER(Heimat und Arbeit, Stuttgart/ Aalen 2 1987) S. 75- 115, hier S. 81. 46 Elske FISCHER/ Manfred RösCH, Zum Abschluß der Prospektionsmaßnahmen in Schwäbisch Hall, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg (Stuttgart 1996) S. 105-107. 47 Die Urkunde findet sich als Regest bei PIETSCH,Urkunden (wie Anm. 39) U 39 S. 69f. (11.V.1287). 48 Zu diesen Vorgängen am ausführlichsten Gertrud RüCKLIN-TEUSCHER, Religiöses Volksleben des ausgehenden Mittelalters in den Reichsstädten Hall und Heilbronn (Historische Studien 226, Berlin 1933) S. 17. <?page no="144"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 144 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 144 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 132 Gerhard Lubich Widman im 16. Jahrhundert nannte 49. Sie liegt, um in der damaligen Ausdrucksweise zu bleiben, "jenseits Kochens", also am rechten Ufer des Kochers und hat der Vorstadt ihren bereits im Spätmittelalter belegten Namen „Katharinenvorstadt" gegeben. Es gibt mehrere Gründe, dieser Kirche ein hohes Alter zuzuschreiben. Frühe schriftliche Zeugnisse liegen nicht vor, doch deuten einige wenige Bodenfunde auf eine Besiedlung um die Jahrtausendwende, und damit noch vor die Zeit der planmäßigen Bebauung der heutigen Altstadt50 . Und auch hier sind die kirchenrechtlichen Verhältnisse ein Indiz für eine frühe Errichtung dieser Kirche: St. Katharina war bis 1526 ein Filial der Pfarrei Westheim 51, wobei das aus der Karolingerzeit stammende Kloster Murrhardt wiederum das Patronatsrecht über diese Pfarrei ausübte52. Allerdings bedeutet dieser Sachverhalt strenggenommen nur, daß St. Katharina jünger sein dürfte als die Pfarrei Westheim; wann diese entstand ist unklar, doch datiert die früheste Nennung des Ortes Westheim aus dem 9. Jahrhundert 53, ohne daß dabei schon ein Bezug zum etwa gleichzeitig entstandenen Kloster Murrhardt erkennbar wäre. Eindeutig aber können wir den Pfarreibezirk von St. Katharina während des Mittelalters festlegen, der sich über den Großteil der links des Kochers gelegenen Vorstadt erstreckte, mithin also wie wir vorhin plausibel zu machen versucht hatten über jenen Teil, der im „Öhringer Stiftungsbrief" als Halle superior bezeichnet wurde. 49 Widmans Chronica (wie Anm. 16), S 210. 50 Zusammenfassend Albrecht BEDAL/ Donatus BöNSCH/ Christian SCHAETZ, Vom Dorf zur Vorstadt. Die städtebauliche Entwicklung der Kochervorstadt nach neuen Baubefunden, in: Haus(Ge)schichten . Bauen und Wohnen im alten Hall und seiner Katharinenvorstadt, hg . von Albrecht BEDAL/ lsabella FEHLE (Sigmaringen 1994) S. 273-29 5, hier S. 274. Die dort und in anderer lokalgeschichtlicher Literatur mit „um 900" angegebene Errichtung der Katharinenkirche geht zurück auf Eduard KRÜGER,Schwäbisch Hall. Ein Gang durch die Geschichte (Schwäbisch Hall 3 1982) S. 106 ist reine Mutmaßung und darf keinesfalls als beweisbare Datierung angesehen werden; die hier gewählte Angabe „um die Jahrtausendwende" geht von einer Errichtung der Kirche erst nach einer gewissen Dauer der Besiedlung aus und fügt sich besser in die am Aufkommen schriftlicher Überlieferung meßbaren fortschreitende Entwicklung von Region und Siedlung. 51 Widmans Chronica (wie Anm . 16) S. 211; die Unterstellung unter Westheim ergibt sich klar zuerst aus PIETSCH, Urkunden (wie Anm. 39) U 220, S. 119 (05.X.1347). Die Lösung dieses Unterstellungsverhältnisses durch den Bischof von Würzburg (ebda. U 299, S. 137 [02.1.1354]) deutet auf eine kurzfristige Phase der Umorientierung hin. 52 Gerhard FRITZ,Westheim im Mittelalter . Von den Anfängen bis 1550, in: Westheim am Kocher . 1200 Jahre Geschichte, hg . von Gottfried BAZLEN(Forschungen aus Wür ttembergisch Franken 32, Sigmaringen 1988) S. 40-58, hier S. 46. 53 Württembergisches Urkundenbuch 1, Nachtrag D, S. 410f. <?page no="145"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 145 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 145 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Eine Spurensuche im südlichen Franken 133 Für Halle inferior aber, das Gebiet der heutigen Altstadt rechts des Kochers war nach Ausweis der uns überlieferten Nachrichten St. Michael zuständig; jedoch datieren diese Quellen aus einer Zeit, als St. Jakob bereits in ein Franziskanerkloster umgewandelt worden war. Die Identifizierung von St. Jakob mit diesem Stadtkloster hat übrigens die Schwäbisch Haller Stadtchronisten der frühen Neuzeit dazu geführt, in der Jakobskirche eine von Comburg ausgehende Klostergründung zu erblicken doch ist in der erhaltenen Übertragungsurkunde des Jahres 1236 eindeutig von einer ecclesia und nicht von einem monasterium die Rede 54. Dennoch aber liefern uns gerade diese Geschichtsschreiber einen weiteren Hinweis auf das hohe Alter von St. Jakob, soll doch an ihrer Außenmauer eine Inschrift angebracht gewesen sein, die vier Namen neben der Jahreszahl 1112 nannte und bei Umbauarbeiten verlorenging. Diese Inschrift, die einmal mehr Anlaß zu letztlich unhaltbaren genealogischen Spekulationen bezüglich der Comburg- Rothenburger gegeben hat 5 5, ist durchaus vereinbar mit dem, was die kunstgeschichtlichen Analyse einiger im heutigen Rathauskeller gefundenen Überreste des Ursprungsbaues ergeben hat56_ Damit ist plausibel, das St. Jakob die ursprüngliche Pfarrkirche des Siedlungsteiles „diesseits Kochens" war, wie er als Halle inferior im 54 Vollständiger Text in Württembergisches Urkundenbuch 3, Nr. 879, S. 377f.; Regest bei PIETSCH,Urkunden (wie Anm. 39) U 15, S. 61. 55 Eine Reihe von Handschriften der Widmanschen Chronica (wie Anm. 16) S. 58, mit Variante zu Zeile 17 liefert folgende Lesart „Von diesen graffen man sagt, dasz sie sollen st. Jacobs zue Halle ... gestiftet haben: welcher namen noch ob der kirchthür, so in stainin bogen gehawen, stehen also lautend : Ludwig, Ludwig comes de Westheim et Mergard Adelheit obiit anno 1112." - Der Chronist setzt hier die Grafen von Comburg-Rothenburg, die „Kochergaugrafen", mit den „Grafen von Westheim" gleich, die schon seit dem 18. Jahrhundert von der historischen Forschung als hochmittelalterliches Adelsgeschlecht betrachtet werden. Allerdings sind sie nur durch diese Inschrift belegt, was die moderne Genealogie aber nicht daran gehindert hat, in einer Reihe von Zirkelschlüssen und mehr oder minder fundierten Hypothesen gleich einen ganzen Stammbaum dieses Geschlechts zu erstellen, einmal mehr DECKER-HAUFF, Das staufische Haus (wie Anm. 20) S. 345, Nr. 18 sowie DERS., Konrad III. und die Kornburg, Württembergisch Franken 62 (1978) S. 3-12. Ihm folgt Gerd WUNDER,Die Grafen von Westheim, in: Westheim am Kocher, hg. von BAZLEN(wie Anm. 52) S. 59-63. - Schon Günther SCHMIDT,Das Würzburgische Herzogtum und die Grafen und Herren von Ostfranken vom 11. bis zum 17. Jahrhundert (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschhichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit 5, 2 Weimar 1913) traf in Anbetracht der Quellenlage, die sich seit seiner Zeit nicht verbessert hat, die treffende Aussage (S. 8): "Grafen von Westheim ... hat es gar nicht gegeben." 56 Adolf METTLER, Von mittelalterlicher Baukunst in und bei Hall, in: Schwäbisch Hall. Ein Buch aus der Heimat. Zeitbilder von Einst und Jetzt, hg. von Wilhelm HOMMEL (Schwäbisch Hall 1937) S. 105-157, hier S. 111. <?page no="146"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 146 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 146 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 134 Gerhard Lubich "Öhringer Stiftungsbrief" erwähnt ist. Da dieser aus dem 11. Jahrhundert stammt, so läßt sich vermuten, daß auch St. Jakob zu dieser Zeit bereits bestand, zu einer Zeit also, als die in der Nachbarschaft lebenden Grafen von Comburg- Rothenburg auf dem Höhe ihrer Macht standen und zumindest über einen Teil der damals schon im Gange befindlichen Salzproduktion verfügten. Der noch heute existierende Jakobimarkt könnte durchaus in diese Zeit zurückreichen, wie die Forschung mit der gegebenen Vorsicht angenommen hat, denn es liegt nahe, daß eine Salzgewinnungsstätte auch mit einem Markt ausgestattet war. Ob nun St. Jakob und St. Katharina in Abhängigkeit voneinander erbaut wurden, steht dahin. In der Forschungsliteratur zur Geschichte dieser beiden ältesten Haller Kirchen findet sich diese Vermutung, die damit begründet wird, es habe sich um „Gegenkirchen" oder „Prozessionskirchen" gehandelt, doch bleibt dabei unklar, was man sich unter diesem so illustrativen wie ungewöhnlichen Begriff eigentlich vorzustellen hat 57. Von feierlichen, durch das gesamte Stadtgebiet reichenden kirchlichen Umzügen findet sich jedenfalls keine Spur in der Haller Überlieferung. Wenn überhaupt, so erscheint es eher w: ihrscheinlich, daß man von verschiedenen Seiten her Einfluß auf die prosperierende Siedlung Hall zu nehmen suchte und somit zwei frühe Kirchen gleichsam als Manifestationen unterschiedlicher Einflußbereiche errichtet wurden. Daß dabei St. Jakob unter dem Einfluß der Comburg-Rothenburger stand, dürfte aus dem urkundlich nachweisbaren Filialverhältnis der Kirche zu der von Comburg abhängigen Pfarrkirche in Steinbach abzuleiten sein. So weit so plausibel, möchte man mit Hinweis auf die Hypothesenhaftigkeit des Geäußerten wohl sagen. Doch damit sind wir mit unserer Beschäftigung mit St. Jakob noch nicht zu Ende. Ich sprach vorhin von Rätseln, vor die die Haller J akobskirche den Historiker stellt. Das erste, nämlich die Frage nach ihrem Alter, wurde soeben angesprochen. Das zweite Rätsel ist dasjenige nach der baulichen Gestalt, das in unserem Zusammenhang keine Rolle spielt, hier jedoch der Vollständigkeit halber von seiner Grundproblematik her angesprochen werden soll: Wie bereits erwähnt, war die Kirche im Jahre 1236 dem Franziskanerorden übertragen und so zum Bestandteil des sogenannten Barfüßerklosters geworden; nach dem Rückzug des Ordens aus der mittlerweile refor- 57 Der Ausdruck wurde von Hansmartin DECKER-HAUFF, Die Anfänge des Jakobimarkts in Hall, Schwäbische Heimat 3/ 4 (1956) S. 93-97, hier S. 94f. in die Diskussion eingebracht und findet sich gelegentlich in der Literatur übernommen. <?page no="147"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 147 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 147 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Eine Spurensuche im südlichen Franken 135 mierten Stadt im Jahre 1536 gingen die Klostergebäude in städtischen Besitz über. Auf dem Boden des Kirchengebäudes befindet sich heutzutage das frühneuzeitliche Ratshaus, das jedoch nicht auf den Grundmauern der Kirche errichtet wurde. Alte Stadtansichten weisen eigenartige Unterschiede in der Zeichnung der äußeren Gestalt des Kirchgebäudes auf 58 . Einen Teil der Fundamente hat man bei einer Notgrabung im vorletzten Jahr immerhin freigelegt und den Bestand aufgenommen, allerdings noch nicht veröffentlicht. Die Funde, die unter der Straße hinter dem heutigen Rathaus zutage gefördert wurden, helfen jedoch auch nicht weiter, ein Bild von St. Jakob zu gewinnen. Offenbar lag das Fundament in etwa 4 Höhenmeter unterhalb des Niveaus des heutigen Marktplatzes, dessen Untergrund auf einer massiven Steinplatte besteht. Wie errichtete man die Kirche? Baute man sozusagen in den Berg hinein? Möchte man dies nicht annehmen, so muß erklärt werden, wie man ansonsten das Gefälle bewältigte, das innerhalb von ca. 12 Längenmetern ja immerhin 4 Höhenmeter ausmachte. Das letzte Rätsel besteht in der Frage, wie denn Jakob schließlich und endlich als Patrozinium nach Schwäbisch Hall kam. Aus dem, was wir von den Comburg-Rothenburger Grafen wissen, ergeben sich, wie gesagt, herzlich wenige Ansatzpunkte. Im Gegenteil: Alles, was wir über ihre religiöse Ausrichtung bislang gehört hatten, spricht eher gegen eine Anlehnung an den von Würzburg ausgehenden Jakobuskult und auch die Entdeckung des Jakobus durch die Hirsauer fand erst zu einem Zeitpunkt statt, an dem St. Jakob in Hall bereits stand. Und doch: Ganz offenbar war St. Jakob eine Kirche, vielleicht sogar eine Kirchgründung der Grafen von Comburg-Rothenburg, wie aus der Analyse der kirchlichen Verhältnisse im frühen Schwäbisch Hall abzuleiten ist. Wie erklärt sich nun dieser offensichtliche Widerspruch? Die Lösung, insofern es eine gibt, dürfte meiner Ansicht nach in der Bedeutung zu sehen sein, die man dem hl. J akobus außerhalb seiner Verbindung mit den von Gorze ausgehenden Reformbestrebungen zuschrieb. Robert Plötz, auf den ich mich hier noch einmal beziehe, listet dabei eine ganze Reihe von Möglichkeiten auf, die mehr oder weniger zumindest eine notdürftige Erklärung liefern könnten 59, wobei lediglich 58 Diese Ansichten finden sich zusammengestellt in dem Band von Kuno ULSHÖFER, Bilder einer alten Stadt (Schwäbisch Hall 1971). 59 Dies gilt insbesondere für Jakob als Wegepatron, wozu PLöTZ, Santiago-peregrinatio (wie Anm. 26) S. 78 f. einige Beispiele anführt , zumal Hall an der Handelsroute Eger - Nürnberg - Straßburg - Paris lag; allerdings sind weitere Jakobspatrozinien oder -kapellen nicht belegt, und auch das städtische Spital war Johannes gewidmet. <?page no="148"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 148 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 148 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 136 Gerhard Lubich eine auch mit anderen Nachrichten in Verbindung zu bringen ist. Jakob stand in enger Verbindung zum Kreuzzugsgedanken 60 , und hier läßt sich ein Ansatzpunkt in der Geschichte der Comburg-Rothenburger Grafen finden: Kurz vor 1100 zog nach Auskunft der Comburger Gründungsgeschichte der damals älteste Graf ins Heilige Land, wie wir dies aus der kaum zwanzig Jahre später entstandenen Gründungsgeschichte des Klosters Comburg entnehmen können. Dieser Graf mit Namen Rugger spielt im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts eine gewisse, wenngleich nicht immer in wünschenswerter Klarheit zu erkennende Rolle, und er war es, den die vollständige Umwandlung der Comburg in ein Kloster seines Sitzes beraubt hatte. Seine Vasallen sollen sogar versucht haben, diese Umwandlung durch Steinwürfe von einem Turm herab zu verhindern, was natürlich nicht unbedingt wörtlich genommen zu werden braucht 61, aber doch Rugger zumindest als Skeptiker bezüglich der von seiner Familie eingeschlagenen Linie erscheinen läßt. Es ginge nun eindeutig zu weit, diesem Rugger persönlich die Gründung der Jakobskirche zu unterstellen, doch steht seine Person als Beispiel dafür, daß das Haus der Comburg-Rothenburger Grafen nicht unbedingt geschlossen eine einheitliche kirchenpolitische Linie verfolgt haben muß. Als derjenige aus der letzten Grafengeneration, der die Klostergründung nicht unterstützte und als einziger an einer Fahrt ins Heilige Land teilnahm, erscheint Rugger dabei gleichsam stellvertretend für mögliche divergierende Kräfte im Rahmen einer Grafenfamilie, die ansonsten keine Verbindung zu Jakobus aufweist. Anders ausgedrückt: Die nachweisliche Beziehung der Haller J akobskirche zu Comburg kann durch die „offizielle" Familienpolitik, wie sie sich uns darstellt, nicht erklärt werden, und so bleibt zur Erklärung dieser Beziehung nur das, was sich nicht nahtlos in das Bild der Politik der Grafen von Comburg-Rothenburg fügt. Es ist dies eine dünne, gleichsam aus dem Negativbefund gewonnene Linie, die lediglich auf eine mögliche, überaus hypothetische Verbindung zur Haller Jakobskirche hinweist. In Anbetracht des vorliegenden Materials konnten, wie eingangs angekündigt, nur Vermutungen geäußert, Kombinationen angestellt und Spuren verfolgt werden, wobei das letzte, woran mir gelegen ist, eine weitere Befrachtung der Geschichte des Comburg- Rothenburger Grafenhaus mit unhaltbaren Spekulationen ist. Die dazu notwendige Vorsicht und Skepsis läßt die 60 PLÖTZ, Santiago-peregrinatio (wie Anm. 26) S. 90: "Die Kreuzzugsidee ... brachte auch J acobus ... dem Adel nahe." 6! Fundatio Monasterii Comburgensis (wie Anm. 2) S. 1029. <?page no="149"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 149 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 149 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Eine Spurensuche im südlichen Franken 137 Resultate unserer Überlegungen vielleicht ein wenig dünn und fragwürdig erscheinen, und doch, so meine ich, hat die angekündigte Spurensuche wenn schon nicht eine Vielzahl von Spuren, so doch zumindest eine Spur erkennen lassen. Resumen: EI ascenso de los condes de Comburg- Rothenburg, que los llev6 a ser uno de los linajes mas importantes en Franconia en el siglo XI, tuvo lugar al mismo tiempo que la difusi6n del culto jacobeo en dicha regi6n. Sin embargo, pese a todos los lazos que la unieran con Würzburg, la familia se mantuvo totalmente alejada del obispado en su orientaci6n espiritual como en lo temporal -, y entr6 tempranamente en contacto con el movimiento de Hirsau. Solamente una relaci6n hipotetica puede establecerse con la iglesia de Santiago en Schwäbisch Hall, que se remonta probablemente a la misma epoca. Esta iglesia, que hoy en dfa no subsiste, sirvi6 seguramente de iglesia parroquial a la parte de la ciudad naciente que estaba bajo el influjo de los condes y del monasterio de Comburg . La elecci6n del patrocinio podrfa deberse a un cruzado de la ultima generaci6n de! linaje, extinguido ya a comienzos del siglo XII. <?page no="150"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 150 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 150 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 <?page no="151"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 151 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 151 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Die beiden bairischen Heidenkriege Karls in ihrem Umfeld und der rettende himmlische Schimmelreiter Verkannte fränkische Geschichte 714-741 aus der Sicht des Schottenklosters St. Jakob im haupt- und reichsstädtischen Regensburg des späteren Mittelalters ERNST ERICH METZNER 1. Zum Verständnis der Titelgebung Die Überschrift mit ihren Alliterationen erscheint nicht von ungefähr fast altfränkisch poetisch: Der Beitrag greift denn auch stofflich unerwartet weit zurück auf die Zeit noch des altertümlichen Stabreim- Gebrauchs in der deutschen Dichtung und bisher übersehen auch noch in der obrigkeitlichen Erinnerungs-Ortsnamengebung der frühen Karolingerzeit in Deutschland, die ebenso in den Blick kommt, und der Aufsatz betrifft auch letztlich Poesie, obgleich der inhaltlich einbezogene abgeleitete endreimende Text hier nicht im Mittelpunkt steht, anders als seine quasi-historiographische Voraussetzung in Prosa: Jedenfalls handelt der Aufsatz letztlich von spätmittelalterlich-deutschsprachiger legendarischer Endreim-Dichtung, aus dem 14. Jahrhundert, und ihrer weit zurückschauenden lateinischen, irischen Mönchen in Deutschland zu verdankenden Vorlage, aus dem 13.Jahrhundert, in derim Kontext von Jakobsverehrung an sich nicht verwunderlich - Karl der Große eine wichtige, ja eine zentrale Rolle spielt 1. Doch geht es um solche Texte, 1 Die hier besonders zugrunde gelegte lateinische Klostergründungsgeschichte ist ediert in Padraig A. BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende - ,Libellus de fundacione ecclesie Consecrati Petri'. Untersuchung und Textausgabe (Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung 27, München 1977) S. 117-310; darin befindet sich als Kap. IV. die zu interpretierende Regensburger Karlsgeschichte , überschrieben „Hie incipit tractatus de civitate ratispona ...". Dieser Teil wurde zuerst ediert durch Anton DüRRWÄCHTERunter dem Titel : Die Gesta Caroli Magn i in der Regensburger Schottenlegende (Bonn 1887). Zur spätmittelhochdeutschen <?page no="152"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 152 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 152 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 140 Ernst Erich Metzner in denen man bisher den Heiligen Jakob erstaunlicherweise nicht - oder nur sehr spät und zögerlich als den rettenden himmlischen Helfer im Hintergrund des schließlichen Siegs erwogen hat, die man also auch nicht in Veröffentlichungen über Karl den Großen und den Heiligen Jakob in der altdeutschen Literatur behandelt findet 2, und dies, obwohl die literarischen Hervorbringungen, um die es geht, aus dem ,Schotten'bzw. Irenkloster St. Jakob in Regensburg bzw. seinem Umfeld stammen3. Das verweist auf die schon bisher seltsam undeutliche Rolle, die der Titelheilige, dem wir auch in anderen Schottenklöstern als Patron begegnen4, im ,scho ttis chen' Kloster von Regensburg zu spielen schien. Der irritierende Eindruck wird sich nun aber doch etwas ändern, wie man nach den Umwegen, zu denen ich gezwungen bin, erkennen kann. Was immer man liest, der Aufsatz nimmt die Wünsche der Organisatoren jedenfalls ernst, die etwas über Jakobsverehrung in Reichsstädten Dichtung ,Karl der Große und die schottischen Heiligen', die nur einen Teil der lateinischen Vorlage umsetzt, vgl. Frank SHAW(ed.), Karl der Große und die schottischen Heiligung, Medium aevum 45 (1976) u. die Aufsätze von Frank SHAW,Die Funktion Karls in dem spätmittelalterlichen Gedicht von Karl dem Großen und den schottischen Heiligen, in: Deutsche Literatur des späten Mittelalters, Hamburger Colloquium 1973, hg. von Wolfgang HARMS/ L. Peter JOHNSON(Publications of the Institute of Germanics Studies. Universiry of T.ondon 22, Berlin 1975); Frank SHAW, Karl der Große und die schottischen Heiligen, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 4 (Berlin, 2. völlig neu bearb. Aufl. 1983); Arthur WITIE, Karl der Große und die schottischen Heiligen, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 2 (Berlin 1933-1955) Sp. 760-762 u. Wolfgang BRAUN,Karl der Große und die schottiscchen Heiligen, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters . Verfasserlexikon 5 (Berlin 1933-1955) Sp. 501-503. Zum deutschen Text siehe etwa noch Helmut DEBOOR,Die deutsche Dichtung, S. 202 u. 218. 2 Vgl. etwa jüngst Klaus HERBERS, Karl der Große vom Vorbild zum Mythos, in: Mythen in der Geschichte, hg. von Helmut ALTRICHTER/ KlausHERBERS/ Helmut NEUHAUS(Freiburg 2004) S. 179-202. 3 Helmut FLACHENECKER, Schottenklöster . Irische Benediktinerkonvente im hochmittelalterlichen Deutschland (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte, Paderborn 1995) u . D EKS. , St. Jakob und die irischen Benediktiner. Ein Beitrag zur Geschichte des Verbandes der Schottenklöster im hochmittelalterlichen Reich, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland. Kultgeschichte in regionaler und europäischer Perspektive, hg. von Klaus HERBERS/ Dieter R . BAUERQakobus -Studien 7, Tübingen 1995) S. 151-167. 4 FLACHENECKER, St. Jakob (wie Anm . 3) Die erkennbare ,Bevorz ugung' von St. Jakob als Patron in Irenklöstern ist m . E. stärker in Zusammenhang zu sehen mit der frühen besonderen Verehrung von St. Jakob überall im äußersten Westen Europas bei occidentalium locorum populis (BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende [wie Anm. 1] S. 152) schon seit der Zeit vor Auffindung des Jakobsgrabs (vgl. auch unten Anm. 85). <?page no="153"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 153 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 153 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Die beiden bairischenH eidenkriegeKarls 141 wie Rothenburg ob der Tauber im Spätmittelalter erfahren wollten. Er geht aus von Karl dem Großen, dem so vielfältig mit St. Jakob literarisch Verbundenen, und er kommt anders als die bisher bekannten bzw. einbezogenen Texte auf seinen gleichnamigen Großvater Karl Martell als den eigentlich gemeinten Karl, der (725 und 728) 5 die zwei bairischen Kriege der obigen Überschrift in der zugrundeliegenden Geschichte führte, wie sich zeigen wird. Und der Aufsatz kommt schließlich am Ende, habe man Geduld, auch auf den Heiligen Jakob: Er ist meines Erachtens spanischem Vorbild aus Compostela und seinem Umland im 13. Jahrhundert erstaunlich früh nachempfunden anscheinend der vor dem heidnischen Sieg rettende weiß gekleidete himmlische Schimmelreiter des Titels, der in den behandelten Texten irritierenderweise allerdings keinen Namen trägt und darum meines Wissens bisher nicht eigentlich identifiziert wurde 6 • Und der Aufsatz handelt von einer Reichsstadt, ja von einer (bzw. der einen) reichsstädtischen ,Hauptstadt' des mittelalterlichen Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation), Regensburg, und, nicht zu vergessen, implizit von den historischen Spannungen zwischen ihr und dem umgebenden Baiern/ Bayern und so auch von ihrer bisher doch etwas verkannten Rolle in der Legende und bei der Ausformung der Texte, ja schon bei der Weitergabe ihrer erschließbaren mündlichen Vorformen 7 • Apropos: Karl und die ,Hauptstadt' Regensburg! Es erscheint mir so nötig wie naheliegend, am Anfang und am Ende die sagenhafte Karlsüberlieferung einer (bzw. der) anderen mittelalterlichen ,Hauptstadt' 8 des Heiligen Römischen Reichs, Frankfurt am Main, nicht nur beiläufig einzubeziehen: schließlich emporgekommener Rivalin von Regensburg seit der Karolingerzeit, hinsichtlich der man späte- 5 Theodor BREYSIG, Jahrbücher des fränkischen Reiches 714-741. Die Zeit Karl Martells Qahrbücher der deutschen Geschichte 12, Berlin 1864) S. 52-56 (siehe unten Kap. III.3 ). . 6 Siehe aber Franz KAMPERS,Der weiße Reiter in den Gesta Caroli Magni der Regensburger Schottenlegende, Historisches Jahrbuch 19 (1898) S. 95-98. 7 Z.B. Alois SCHMID,Sedes ducatus - Regensburg als Stadt der Herzöge von Bayern im hohen Mittelalter, in: Regensburg im Licht seines geschichtlichen Selbstverständnisses, hg. von Helmut-Eberhard PAULUS/ Hermann REIDEL/ Paul W. WINKLER (Regensburger Herbstsymposium zur Kunstgeschichte und Denkmalpflege 3, Regensburg 1997) S. 68-72, hier S. 70: "Seit 1245 muß Regensburg als verlorene Hauptstadt [Bayerns] gelten. Die neuen Zentralorte des wittelsbachischen Bayerns sollten Landshut und dann München werden ..." 8 Regensburg wird um 1150 in der Regensburger Kaiserchronik als „houbetstat" (wie sonst nur Rom) bezeichnet : v. 16822; vgl. Frank SHAW, Karl der Große und die schottischen Heiligen (wie Anm.1) S. 167 m. Anm. 26, S. 182. <?page no="154"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 154 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 154 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 142 Ernst Erich Metzner stens im Hochmittelalter9bis zur Gegenwart Glauben findendlO _ mit ähnlichem Rekurs auf die Heidenkämpfe von Karl dem Großen als ihrem Gründer bzw. Namengeber sprach und doch in Wirklichkeit, wie ich es (nach Beibringung eines früheren Namenbelegs zu 764/ 65) 11 bereits thesenhaft dargestellt habe, eigentlich den gleichnamigen Großvater Karl Martell meinte, in der ursprünglichen Überlieferung; die betrachtete Regensburger Legende spart, wie es scheint unter implizitem Hinweis auf die römischen Wurzeln Regensburgs -, nicht von ungefähr gerade das konkurrierende Frankfurt am Main (wie auch Aachen! ) aus, wenn sie am Eingang von Kapitel IV Regensburg als eine der vier ,Hauptstädte' der Welt benennt, neben Rom, Trier und Köln 12 • Der Titel hätte so auch in Abwandlung einer unlängst von mir gewählten Überschrift zum Thema ,Hauptstadt' Frankfurt lauten können, in Erinnerung an den großen Sohn Frankfurts und sein autobiographisches Werk: Dichtung und Wahrheit über Hauptstädte Deutschlands - Frankfurt und Regensburg unter Karl Martell und Karl dem Großen 13. Fangen wir also an mit dem Umweg zu St. Jakob, von dem gesprochen werden muß! Ganz am Anfang eine Kürzestfassung des uns interessierenden legendarischen Komplexes über Karl den Großen: Er ist eingebettet als umfänglicher Textteil (IV) einer langen kompilatorischen, zum Teil höchst apodiktischen Vorgeschichte in eine legendarische Geschichte des S l. J akubs- Klosters der Regensburger ,Schotten' aus Irland 14, dessen historische Anfänge im 11. Jahrhundert, wie sie aus unabhängigen 9 Thietmar von Merseburg, Chronik. Neu übertragen und erläutet von Werner TRILL- MICH(Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr von Stein-Gedächtnisausgabe 9, Darmstadt 1966) S. 436f. 10 Marianne M. SCHALLES-FISCHER, Pfalz und Fiskus Frankfurt. Eine Untersuchung zur Verfassungsgeschichte des fränkisch-deutschen Königtums (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 20, Göttingen 1969) S. 71-74. 11 Ernst Erich METZNER, Das Lorscher Reichsurbar vor seinem deutschen und französichen Hintergrund ein verkanntes Sprach- und Geschichtsdokument aus den Jahren 764/ 5? , Beiträge zur Erforschung des Odenwaldes und seiner Randlandschaften 5 (1992) S. 99-126. 12 Ernst Erich METZNER,Dichtung und Wahrheit über das älteste ,Frankfurt' von 719/ 20ff. Der frühe fränkische Wende-, Ursprungs- und Vorrangsmythos von der Alemannenzeit und Chlodwig bis zu Karl Martell und Karl dem Großen, in: Überschreitungen. Dialoge zwischen Literatur- und Theaterwissenschaft, Architektur und Bildender Kunst . Festschrift für Leonhard M. Fiedler zum 60. Geburtstag, hg. von Jörg SADER/ Anette WöRNER (o.J. 1992) S. 58-/ 4; BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm. 1) S. 158. 13 METZNER,Dichtung und Wahrheit (wie Anm. 12); vgl. u. (zu) Anm . 48. 14 Siehe die Inhaltsangabe bei BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm. 1), für Kap. I-VI, S. 15-23. Vgl. Anm . 3, siehe auch Anm . 85. <?page no="155"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 155 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 155 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Die beiden bairischen H eidenkriege Karls 143 Zeugnissen sich ergeben, insofern der textlichen Darstellung entsprechen, daß sie sicher auf eine den damals auftretenden irischen Wandermönche überlassene Regensburger Kirche ,Weih St. Peter', zurückgehen, die der später fixierten Legende zufolge von Karl dem Großen nach dem durch den himmlischen Helfer auf weißem Pferd herbeigeführten abschließenden der zwei Heidensiege, von denen in den zu behandelnden Texten berichtet wird, erbaut sein sollte; die Kirche und der sie angeblich umgebende Friedhof ist seit der frühen Neuzeit (1552) nicht mehr vorhanden das Kloster ist schon im Hochmittelalter mit seinem Hauptsitz unter dem neuen Schutzheiligen St. Jakob an die heutige Stelle verlegt worden 15. Summarisch ist danach schlicht darauf hinzuweisen, daß nichts von dieser langen Vorgeschichts-Partie mit der bekannten Geschichte Karls des Großen und des zeitgenössischen Regensburgs und Baierns wirklich übereinzustimmen scheint! Höchstens, daß man von wilder, glauben- und aberglaubendurchwirkter kombinatorischer Phantastik sprechen kann, scheint es! Also: Ab in die Rumpelkammer der Wissenschaften? Oder doch im Blick auf Vergleichbares - Gegenstand ernsthafter Überlegung? Und schließlich vielleicht doch Erkenntnishilfe für eine höchst quellenarme Frühzeit? II. Zu vergleichbaren Fällen spät verschriftlichter mündlicher Geschichtsüberlieferung im weltlichen und geistlichen Kontext des Mittelalters Vorweg ist anzudeuten gewesen, daß die umfänglichen Texte aus Regensburg, die hier zu untersuchen sind, in gewisser Weise Stiefkinder der Wissenschaft darstellen: Sie sind, wie zu zeigen, historikerseits auch nur richtig in ihrer Aussagekraft zu würdigen, wenn man sie die gemeinten umfänglichen Passagen über Karl und dann den himmlischen Helfer auf weißen Pferd nicht, wie es sich zunächst in der Nachfolge kritischer bayrischer Geschichtsschreibung seit der Renaissance aufdrängt, als eine Art erbaulich-märchenhaften Sperrmüll geistlicher Herkunft betrachtet, den es bei der Darstellung der Regensburger frühmittelalterlichen Stadtgeschichte und der zeitgenössischen bairischen Landesgeschichte vorab apodiktisch wegzuräumen gilt oder den man sogar schlicht unerwähnt bleiben lassen kann, sondern als einen Fall für mehr als nur eine Wissenschaft. Die Geschichtswissenschaft allein hat 15 Vgl. Anm. 3 und Anm. 85. <?page no="156"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 156 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 156 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 144 Ernst Erich Metzner jedenfalls wenig mit den Texten anzufangen gewußt, was ihren denkbaren stofflichen Hintergrund, die Gründung der Regensburger Kirche ,Weih St. Peter' in der Karolingerzeit, anlangt eher noch hat man an eine römische Friedhofsbasilika vor den Toren der antiken Stadt denken wollen 1 6, und die germanistische Literaturwissenschaft und Altertumskunde nachdem man früher zumindest Reminiszenzen an das germanische Heidentum entdecken wollte1 7 hat es schließlich ebensowenig gereizt, obwohl es sich bei der deutschen legendarischen Versbearbeitung der Zeit um 1320 um einen der umfänglichsten volkssprachlichen Texte des Mittelalters handelt. Und so hat es den Anschein, daß man letztlich eher aus Pflichtgefühl, wenn nicht aus einer Art von irisch-angelsächsischem Patriotismus sich der Texte einlässiger angenommen hat, so in jüngerer Zeit der irische Herausgeber Padraig A . Breatnach der lateinischen prosaischen Ausgangsbasis: "Die Regensburger Schottenlegende - Libellus de fundacione ecclesiae Consecrati Petri" 18, so Frank Shaw in Bristol der selektiven spätmittelhochdeutschen Versbearbeitung: "Karl der Große und die schottischen Heiligen"19; von deutscher Seite hat sich in dieser Richtung in jüngerer Zeit nichts Monographisches getan, soweit ich sehe nur als die umfänglichste und interessanteste in oder neben der kleinen Gruppe speziell bairischer volkssprachlicher Klostergründungs-(Reim- )Chroniken des Spätmittelalters erscheint die deutsche Versdichtung so im Überblick erwähnenswert, nicht als eine von reichsgeschichtlichem Interesse und in der Nähe zu bestimmter älterer Reimchronistik und zur Chanson de geste und nicht als der Text mit den möglicherweise längsten Wurzeln in die Vergangenheit und mit dem weitesten geographischen Horizont 20. Es geht am konkreten Beispiel der sagenhaften, auf Karl den Großen und eine große Schar irischer Heiliger zurückgeführten Gründungs- 16 Z . B. FLACHENECKER, Schottenklöster (wie Anm. 3) S. 124. 17 KAMPERS, Der weiße Reiter (wie Anm. 6). 18 Wie in Anm. 1. 19 SHAW, Edition (wie Anm .l), DERS., Die Funktion Karls (wie Anm .1), DERS., Karl der Große und die schottischen Heiligen (wie Anm. 1), DERS., Karl der Große (wie Anm .1). 20 Siehe DE BooR, Geschichte der deutschen Literatur (wie Anm. 1) u . Volker HONE- MANN, Klostergründungsgeschichte, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 4 (Berlin, 2. völlig neu bearb . Aufl. 1983) Sp. 1239-1247; Weiterführendes in SHAW, Die Funktion Karls (wie Anm . 1) S. 203 f. bes . S. 205 und S. 208. Zur deutschen Reimchronistik und zum Gegensatz zur Prosaform vgl. allgemein Ernst Erich METZNER,Die deutschsprachige chronikalische Geschichtsdichtung im Rahmen der europäischen Entwicklung, in: Neues Handbuch der Literaturwissenschaft 8, hg . von Willi ERZGRÄBER(Wiesbaden 1978) S. 623-643. <?page no="157"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 157 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 157 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Die beiden bairischen Heidenkriege Karls 145 geschichte eines (tatsächlich, wenn auch viel später) von Iren gegründeten Klosters in der ostfränkisch-deutschen ,Hauptstadt' bzw. in der ,hauptstädtischen' Reichsstadt Regensburg inmitten Baierns/ Bayerns und bei der Frage nach der konkreten Form und Verläßlichkeit der dort manifestierten angeblichen Überlieferung eigentlich um etwas Prinzipielles: um die unvoreingenommen vorsichtige, nicht vorschnelle Bestimmung des Verhältnisses zwischen geschichtlicher Wahrheit bzw. den von der Geschichtswissenschaft fraglos akzeptierten zeitgenössischen Quellen und Zeugnissen einerseits und der legendarischen dichterischen Gestaltung bzw. Umgestaltung mit Anspruch auf Geschichtlichkeit in Form jeder Art von mehr oder minder nachträglicher Geschichtsdichtung bzw. -sage andererseits. Es geht also konkret um die Erkenntnis des Verhaltens der jeweiligen frühen Autoren, v. a. in den volkssprachlichen Kulturen des mittelalterlichen mitteleuropäischen Raums, zur angeblich oder nachweislich jeweilig gespiegelten bzw. angespielten Geschichte einer längst vergangenen Zeit, zu der möglicherweise zunächst nur über mündliche Kommunikation, über ,Sage' und nicht ,Schreibe', eine Verbindung herzustellen war. Und es geht damit auch um die Offenheit gegenüber möglichen neuen Erkenntnissen zur Handlungs-, Denk- und Ausdrucksweise einer nur höchst oberflächlich bekannten Frühzeit, die uns Rätsel um Rätsel aufgibt, aber auch oft den Lösungsweg aufzeigt. Insofern ist der Aufsatz ein Beitrag zum alten, genau besehen auch sehr politischen Streit zwischen ,Traditionalisten' und ,Individualisten', prinzipiell gutgläubigen, meist notgedrungen rechercheorientierten (Nationalbzw. Universal-)Romantikern, wie man sagen könnte, und prinzipiell skeptischen, meist positivistisch bequemen Rationalisten kämpferisch aufklärerischen Anspruchs in der mediävistischen Geschichts- und Literaturwissenschaft, die sich jedoch so oder so, gern oder ungern, auch der Frage nach den mündlichen, illiterarischen Vorformen von Literatur zuzuwenden hat21. So sehr jeweils der Einzelfall im Blick bleiben muß, zu fragen ist dabei doch immer auch, ob kulturspezifisch gattungsbedingte bzw. allgemeinverbindliche Verfahren und Verhaltensweisen, Methoden und Mentalitäten ihren literarischen Niederschlag gefunden haben und reziprok wieder als Hilfestellung zum Verständnis der Werkgenese zwischen ,Fakt' und ,Fiktion' dienen können. Der Autor dieses Beitrags hat 21 Siehe etwa neuerdings HERBERS,Karl der Große (wie Anm. 2), besonders S. 187 und Friedrich WOLFZETTEL, Traditionalismus innovativ: Zu neueren Tendenzen der romanistischen Chanson de geste-Forschung, Wolfram-Studien 11 (1989) S. 9-31. <?page no="158"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 158 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 158 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 146 Ernst Erich Metzner die prinzipielle Fragestellung, die damit angedeutet ist, und die er hier selektiv v. a. an Frankfurter und Regensburger literarischem Material, an Material zur frühesten Geschichte der beiden im Frühmittelalter zu deutschen ,Hauptstädten' aufgestiegenen konkurrierend geltungs- und traditionsbewußten ,Erinnerungsorte' Frankfurt am Main und Regensburg an der Donau vor dem Hintergrund der mehr oder weniger bekannten Vita Karls des Großen und seines gleichnamigen Großvaters Karl Martell im Sinne eines sich nahelegenden Vergleichs demonstrieren will, bereits seit längerem durchexerziert, so daß in seinen Arbeiten eine Art roter Faden erkennbar ist, in dem geschichtswissenschaftliche, sprachwissenschaftliche bzw . namenkundliche und literaturwissenschaftliche Argumentationen permanent aufs engste verflochten scheinen in Fallstudien für mehr als eine Wissenschaft eben sozusagen. Zu benennen ist da im Blick auf meine altgermanistischen und altskandinavistischen bzw. mediävistischen Anfänge mit ihren stark historischen Interessen zunächst und v. a. mein Aufsatz „Wandalen im angelsächsischen Bereich? Gormundus rex Africanorum und die gens Hestingorum" 22 , der im Hinblick auf die entsprechend benannten weithin bekannten insularen und kontinentalen literarischen Stoffe auch hätte heißen können „Haben Gormund und Isembard gelebt? " oder gar - ,Gormund' ist in der Sage der Vater der ,lsolde' - "Haben Tristan und Isolde gelebt? ", wobei die Anregung durch Helmut de Boors wegweisenden, aber doch ergänzungs- und verbesserungsbedürftigen Aufsatz „Hat Siegfried gelebt? " 23 deutlich geworden ist. Und zu benennen ist auch die Abhängigkeit von den Forschungen über die epischen Gesetze der Volksdichtung des Dänen A. Olrik, auf den denn auch von de Boor verwiesen wird: Danach erscheint „der Gedanke aus Dichtung Geschichte zu gewinnen, nicht mehr zu kühn" 24, wenn schon heute gerade auch die Geschichtsmythen des Mittelalters in der deutschen Gegenwart, wie mich dünkt, stets irgendwie anstößig und also in bestimmter Weise unhinterfragt erscheinen, weil alle geschichtliche Erkenntnis der eigenen Vergangenheit im Altertum und Mittelalter sogleich unter besonderen Ideologieverdacht gerät, sobald sie bestimmten 22 Ernst Erich METZNER,Wandalen im angelsächsischen Bereich? Gormundus Rex Africanorum und die Gens Hestingorum. Zur Geschichte und Geschichtlichkeit des Gormund-Isembard-Stoffs in England, Frankreich, Deutschland (Beiträge zur Geschichte der Deutschen Sprache und Literatur 95, Tübingen 1973) S. 219-271. 23 Helmut DEBOOR,Hat Siegfried gelebt? , in: Zur germanisch-deutschen Heldensage . Sechzehn Aufsätze zum neuen Forschungsstand, hg. von Karl HAUCK (Tübingen 1961) s. 31-51. 24 DE BooR, Hat Siegfried gelebt? (wie Anm. 23) S. 34. <?page no="159"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 159 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 159 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Die beiden bairischen H eidenkriege Karls 147 Prämissen widerspricht, d. h. besonderes Alter und eigenartige Verläßlichkeit der angeblichen volkstümlichen ,Vorzeitkunde' behauptet und damit eine Bewahrung heimischer altertümlicher ,falscher' Mentalität suggeriert. Als Untersuchungsgegenstand eines gleichwohl unabdingbaren Projekts in Richtung Zusammenarbeit von Geschichts-, Religions-, Sprach- und Literaturwissenschaft bzw. Volkskunde/ Ethnologie ist dabei natürlich nicht nur gemeint erhaltene, erstmalige oder umgeformte eigentliche Dichtung in sprachlich gebundener Form, sondern auch ihr denkbarer literarischer Reflex oder ihre sagenhafte Vorform in lateinischer oder volkssprachlicher Prosa. Und nicht nur hinsichtlich weltlicher Erzählstoffe mindestens seit der Übergangszeit zwischen Altertum und Mittelalter, Heidentum und Christentum in Mittel- und Nordeuropa, wie sie durch Preis- und Heldendichtung germanischer, keltischer, romanischer und slawischer Völker geboten werden, läßt sich mit der vorsichtigen Annahme traditionalistischer Überlieferung in der Mündlichkeit in streng logischer Argumentation weiter kommen als mit dem schnellen Postulat individualistischer Erfindung: Auch im geistlichen, speziell im klösterlichen Umfeld des Mittelalters, also auch im Regensburger St. Jakobs-Kloster und seinen geistlichen Vorgängern in Regensburg, müssen wir mit nur mündlicher Weitergabe zentraler, grundlegender Faktizität und entsprechenden Verformungen rechnen, auch dort, wo man von Anfang an schriftliche Überlieferung vermuten möchte und nicht vorfindet; erst relativ spät kann es - und besonders in weniger auf geistige Vervollkommnung als auf körperliche Bußübung konzentrierten Klöstern strenger Observanz zu ersten erhaltenen Niederschriften gekommen sein, die gleichwohl noch zum großen Teil verläßlich sein mögen, weil sie z.B. Grundtatsachen von Gründungsvorgängen erinnern. Mit frühen Klostergründungssagen ist jedenfalls ebenso zu rechnen wie mit frühen Heldensagen (und Heldendichtungen) der Heroic Ages der Völkerwanderungsepoche Und der fränkischen Merowinger- und Karolingerzeit, und aus dem klösterlichen Raum können sie in ihr weltliches lokales Umfeld übernommen (und entsprechend dichterisch umgeformt worden sein, wie die fragliche lateinische Legende im spätmittelalterlichen Regensburg), soweit das Interesse an dem Kloster dazu veranlaßte. Dabei kann es natürlich vorkommen, daß bestimmte erst spät fixierte (und so inzwischen in mündlicher Tradierung zwangsläufig verformte) sagenhafte Überlieferungen durch erhaltene ältere glaubhafte, schriftliche Nachrichten über scheinbar dieselben Vorgänge bzw. diesel- <?page no="160"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 160 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 160 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 148 Ernst Erich Metzner ben Räume und Zeiten abgewertet und entwertet zu werden scheinen so ist es bei dem zu betrachtenden Regensburger Komplex, wie man sehen wird, so ist es etwa auch in Bezug auf das Kloster Lorsch, wo das Nibelungenlied des beginnenden 13. Jahrhunderts in der Fassung C in heldenepischem Kontext eine Gründungsgeschichte für die Zeit der Völkerwanderung des 5. Jahrhunderts behauptet, die durch unser genaues Wissen über die Klostergründung am Ort „Laurissa/ Lauresham" (= Lorsch) im Jahre 764/ 65 ad absurdum geführt zu werden scheint 25. Wie gerade jüngst in einem Vortrag in Lorsch von mir ausgeführt 26, ist das Problem aber insofern zu lösen, ohne den völkerwanderungszeitlichen Hintergrund der Sage von vornherein als Fiktion zu diskreditieren, als es sich um (an verschiedenen Stellen bewahrte Erinnerungen) an zwei (Kloster- )Gründungsvorgänge am selben Ort handelt: um einen älteren, letztlich gescheiterten des 5. Jahrhunderts, der aber immerhin (auch) in dem überlieferten, bisher rätselhaften Namen des Klosterorts von 764 ff. mit dem erschließbaren, gerade im Bereich der ostgermanischen Burgunden (von der Peripherie der griechisch-sprachigen Welt) in der Völkerwanderungszeit gut denkbaren Sinn ,Klosterstelle' 27 seinen Niederschlag gefunden hat, und an eine Neubzw. Wiedergründung an (etwa) derselben Stelle im 8. Jahrhundert-wobei es sich nahelegt anzunehmen, daß der Neuansatz des 8. Jhs. zumindest in vager Erinnerung an die ältere Gründung erfolgt ist, ohne daß dies allerdings in den zeitgenössischen historischen Zeugnissen manifest wird. Von hier aus und auch von bisher unveröffentlichten Untersuchungen zur frühen Klostergeschichte auch desselben rheinischen Bereichs ließen und lassen sich schon Anregungen gewinnen für die Würdigung der zu untersuchenden Regensburger Überlieferungen aus dem Schottenkloster St. Jakob und seinem Umfeld über Karl den Großen und die angeblich von ihm erbaute erste Kirche der Schottenmönche seit dem 25 Friedhelm DEBUS,Der Name „Lorsch", in: Friedhelm Debus. Kleinere Schriften. Zum 65. Geburtstag am 3. Februar 1997 2, ausgewählt und hg. von Hans-Dieter GROHMANN/ Joachim HARTIG(Hildesheim/ Zürich/ New York 1997) S. 488-511 . 26 Der Vortrag, gehalten am 12. Mai im Rahmen eines wissenschaftlichen Symposions „Lorsch und das Nibelungenlied" (vom 12.-14. Mai 2004 in Lorsch), lautete: "Das Kloster Lorsch im Nibelungenlied und das Thema Historizität der Heldendichtung" ; eine Veröffentlichung in einem Tagungsband ist in Vorbereitung, unter dem Titel "Das Kloster ,Lorsch' der Königin ,Ute' im römisch-germanischen Kontext". 27 Abgeleitet von einem spätantiken griechischen Wort ,laura' ( = Mönchssiedlung, o. ä.); vgl. u. a. DEBUS,Der Name „Lorsch" (wie Anm. 25) S. 494, der aber die bereits erwogene Bezugsetzung in dieser Richtung als „abseitig" ansieht: Er bezieht allerdings bei der schwierigen Namenerklärung noch nicht die auf die Völkerwanderungszeit verweisende Überlieferung der Heldendichtung mit ein. Vgl. Anm. 30. <?page no="161"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 161 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 161 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Die beiden bairischen H eidenkriege Karls 149 11. Jahrhundert, namens ,Weih St. Peter', die für die Historiker erst in salischer Zeit um 1075 aufscheint und damals an sich anscheinend erst jetzt (zuerst) ansiedelnde iro-schottische Mönche übergeben wurde, ohne daß über die Entstehungsgeschichte der Kirche und ihres Namens selbst etwas Unbezweifelbares zu eruieren gewesen wäre, auch wenn man sie im Blick wohl doch auch auf die sagenhafte Überlieferung historikerseits (mindestens) bis in karolingische Zeit zurückreichen ließ 28 . Sollten hier nicht, wie z.B. eben in Lorsch, ebenfalls zwei weit auseinanderliegende Gründungsvorgänge am gleichen Ort anzusetzen sein, die ursprünglich wohl auch unabhängig voneinander erinnert werden konnten, und sollten in Regensburg vor Ort im Jakobskloster dann die Erinnerungen unterstützt etwa durch die Verwechslung Karl Martells und Karls des Großen (auf die noch näher einzugehen ist) und von Kaiser Lothar I. (gest. 855), Enkel Karls des Großen, mit Kaiser Lothar von Supplinburg (gest. 1137), historischem Wohltäter des Schottenklosters in Regensburg, der im fraglichen Libellus aus St. Jakob als (ein) Sohn oder eher als Enkel bzw. als Nachfolger Kaiser Karls des Großen erscheint 29 nicht nachträglich irgendwann mehr oder weniger geschickt harmonisiert worden sein? In Lorsch ist es im Kloster nicht zu solcher Kombinatorik gekommen, aus welchen Gründen auch immer 30 . III. Spezielle Voraussetzungen von Kontamination: Geographische Koinzidenz und Personennamen- und Ranggleichsheit 1. ,Kaiser Wilhelm', ,Kaiser Friedrich', ,König Ludwig' und ,König' bzw. ,Kaiser Karl' in aktuellen und historischen Kontaminationen Wir haben also die Gewißheit, daß allein die Übereinstimmung der Schauplätze und die Ähnlichkeit verschiedener historischer Vorgänge zur (in jedem Fall nachträglich irritierenden) Geschichtsklitterung, d. h. zur Kontamination von Überlieferungen führen kann, zumal in mündlicher Tradition. Unmittelbar einsichtiger, und deshalb hier nachdrücklich hervorzuheben, ist aber die besonders kontaminationsfördernde 28 Siehe Anm. 16. 29 Vgl. BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm. 1) S. 241 (und öfter); auch a. a. 0., S. 61 f. vgl. unten (zu) Anm. 69. 30 Wahrscheinlich war in Lorsch die des Heidentums verdächtigte Überlieferung in Verbindung mit der Heldendichtung, der man kritisch gegenüberstand, der Grund für den fehlenden Versuch einer Kontamination. <?page no="162"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 162 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 162 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 150 Ernst Erich Metzner Bedeutung zusätzlicher Übereinstimmung von zentralen Personennamen und Titeln: Der Kaiser Wilhelm I. (Großvater) und der Kaiser Wilhelm II. (Enkel) des Deutschen Reichs, in der umgangssprachlichen Mündlichkeit sicher jeweils zunächst nur als der (jeweils aktuelle) ,Kaiser Wilhelm' bezeichnet, verschmelzen so für die Nachwelt ununterscheidbar: "Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm wiederhaben"! Und der Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) und der Kaiser Friedrich II. des Heiligen Römischen Reichs - Großvater und Enkel sind so nachträglich verschmolzen im Kyffhäuser-Mythos! In der von mir untersuchten ,Gormund- Isembard' -Überlieferung hat die Wiederkehr der Königsnamen Chlodwig-Ludwig in Frankreich und die ähnliche Verortung mit solchen Namen verbundenen Schlachtgeschehens zur Kontamination des ursprünglich mit König Chlodwig (= Ludwig 1.)verbundenen Stoffs mit späterer Geschichtlichkeit geführt31! So kommt man notwendigerweise zu dem Postulat und schließlich zu dem Nicht-Nur-Postulat, das hier besonders interessiert, daß in Deutschland und Frankreich, im Raum des frühmittelalterlichen Frankenreichs, die Rollen von Karl Martell (Großvater) und Karl dem Großen (Enkel) und etwa noch in Deutschland die von Karl dem Dicken (Urenkel des Enkels) in verschiedenen Erzählstoffen unter bestimmten Voraussetzungen kontaminiert werden konnten in dem Sinne, daß der geschichtlich Wirkungsmächtigste, der nachmals „der Große" genannt wurde, für die Nachwelt entgegen der Geschichte der alleinige Handlungsträger wurde bzw. zu sein schien; für die Reichenau wie für Frankfurt am Main ist z.B. die Kontamination von Kaiser Karl dem Dicken und Kaiser Karl dem Großen wahrscheinlich zu machen3 2 bzw. schon längst nachgewiesen 33. Die Erkenntnis der Historizität sagenhafter Überlieferung kann nach solchen Umdeutungen bzw. Umdatierungen jedenfalls sehr erschwert werden, weil sich die geschichtliche 31 METZNER,Wandalen im angelsächsischen Bereich? (wie Anm. 22). 32 Eine diesbezügliche Untersuchung hinsichtlich der Reichenauer Legende vom Kana- Krug (vgl. vorläufig Theodor KLÜPPEL/ Walter BERSCHIN,Die Legende vom Reichenauer Kana-Krug. Die Lebensbeschreibung des Griechen Symeon [Reichenauer Texte und Bilder 2, Sigmaringen 1992]) ist in Vorbereitung. 33 Siehe etwa Astrid KRÜGER,Die liturgische Verehrung Karls des Großen, in: Karlsverehrung in Frankfurt am Main. Eine Ausstellung des Dommuseums Frankfurt und des Historischen Museums Frankfurt 13.12.2000-11.02.2001, hg. von August HEUSER/ Matthias Theodor KLOFT (Frankfurt a.M. 2000) S. 27-42; Matthias Th. KLOFT, Karlsverehrung in Frankfurt am Main, in: Karlsverehrung in Frankfurt am Main. Eine Ausstellung des Dommuseums Frankfurt und des Historischen Museums Frankfurt 13.12.2000-11.02.2001, hg. von August HEUSER/ Matthias Th. KLOFT (Frankfurt a.M . 2000), S. 9-19. <?page no="163"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 163 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 163 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Die beiden bairischen H eidenkriege Karls 151 Einordnung des Erzählten nicht unmittelbar, sondern nur über den Umweg der Annahme einer Kontamination ergibt, und auf diese Art kommt es zu der eingangs berufenen prinzipiellen Vernachlässigung gerade solcher Stoffe, zum Schaden sowohl von Geschichtsals auch von Literaturwissenschaft. Bei Karl Martell und Karl dem Großen war die Verschmelzung um so leichter möglich, als beide jeweils einen mächtigen Fürsten bzw. König Pippin, den Mittleren bzw. den Jüngeren, zum Vater hatten und auch die Älteren, Pippin der Mittlere und Karl Martell, in der mündlichen und zum Teil auch in der schriftlichen Überlieferung als Frankenkönige erschienen, auch wenn sie nominell nur Hausmeier waren. In der lateinischen Regensburger Legende erscheint Karl der Große kennzeichnenderweise durchweg als ,König', nicht als ,Kaiser', was darauf deutet, daß auch in der zugrunde liegenden frankophilen lokalen Überlieferung Karl Martell wie Karl der Große den Königstitel trug. Die älteren Traditionen bzw. alle ereignisnahen Überlieferungen hatten auch jeweils keinen Bedarf nach unterscheidenden Namenszusätzen (die uns nachträglich die historische Differenzierung so erleichtern), so daß die Verwechslung um so leichter fiel, gerade auch wenn es sich um poetische Aussagen mit Elementen der Stereotypie handelte. Jahreszahlen fehlten in mündlicher Überlieferung sowieso ganz. Und so ist wohl auch auch dies von mir schon vermutet das Eindringen der Gestalt des heiligen Egidius/ St. Gilles (gest. ca. 720) in die legendarische Vita Karls des Großen (gest. 814) der Verwechslung Karl Martell mit Karl dem Großen zu danken 34 . Und schon längst hat man das Weiterleben von mündlichen Traditionen über Karl Martell, über dessen historische Rolle man ja aus Mangel an zeitgenössischen Zeugnissen nur vergleichsweise sehr schlecht unterrichtet ist, so groß seine historische Bedeutung auch war, in poetischer ,Volksdichtung' Frankreichs und Deutschlands, die angeblich von Karl dem Großen handelte, erkannt, so B. Rech im Blick auf die berühmten ,Haymonskinder' 35 , und ich selbst habe Ähnliches für die Frankfurter Gründungs- und Benennungssage nachzuweisen versucht, worauf gleich einzugehen ist. 34 METZNER,Dichtung und Wahrheit (wie Anm. 12) S. 72 Anm. 26; vgl. Max KERNER, Karl der Große. Entschleierung eines Mythos (Köln 2000) S. 174, und unten zu Anm. 77. 35 Bruno RECH, Die Sage von Karls Jugend und den Haimondskindern, Historisches Jahrbuch 68/ 69 (1942/ 43) S. 136-154; Sabine LIPPERT,Karl Martell. Geschichte und Legende (Goslar 1999). <?page no="164"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 164 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 164 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 152 Ernst Erich Metzner 2. Karl (der Große) bzw. Karl (Martell) und die fränkisch-deutsche ,Hauptstadt' Frankfurt am Main in neuem Licht Im Vorfeld läßt sich zu diesem Themenkomplex im Bezug auf Frankfurt am Main z.B. darauf aufmerksam machen, worauf ich ebenfalls schon verwiesen habe, daß die fälschlich behauptete Gründung der ersten Frankfurter Kirche, des späteren sog. ,Doms', durch Karls des Großen Vater, König Pippin (den Jüngeren), aus der Verwechslung mit Karl Martells Vater Pippin (dem Mittleren), ebenfalls königsgleichem Hausmeier, entstanden sein dürfte, wie die sensationellen Ausgrabungen im Dom mit dem in etwa datierbaren, nachmals zur Zeit erst des legitimierten karolingischen Königtums (! ) in die Mittelachse gerückten reich ausgestatteten Mädchengrab bezeugen: Das Mädchen dürfte so m. E. der späteren Baugeschichte nach eine noch merowingerzeitliche Arnulfingerin gewesen sein, der noch kein Platz in der Mitte der Kirche zugestanden hatte, und bereits Pippin der Mittlere erscheint nach alledem enger mit dem Ort verknüpft, der allerdings damals noch nicht den Namen ,Frankfurt' getragen haben wird36_ Die Frage der Kontamination von Karls-Überlieferungen bzw. -Mythen wird im Fall Frankfurt am Mains, das wie Regensburg in karolingischer Zeit wohl gerade im Hinblick auch auf sie zur Hauptstadt aufstieg, aktuell aber nicht nur hinsichtlich der Frankfurter lokalen Tradition zur Gründung der ersten Kirche als Vorgängerin des späteren ,hauptstädtischen' Doms, sondern vor allem auch hinsichtlich der nicht an diesen geistlichen Ort geknüpften sog. Gründungssage, die zuerst bei Thietmar v0n Merseburg im 11. Jalu-hundert erscheint, let-z-Üiehwohl aus einem in Frankfurt besonders lang erinnerten alliterierenden volkssprachlichen Karl-Martell-Preislied mit örtlichen Bezügen abgeleitet 37: Die von Thietmar nur abkürzend erzählte Geschichte der wunderbaren Rettung Karls, des von den heidnischen Sachsen (bei der Rückkehr wahrscheinlich aus dem nördlichen Hessen) nach einem mörderischen Überfall wohl im ,Mordtal' bzw. ,-graben' in der Paßregion beim späteren Kloster ,Schlüchtern' bis an den Main verfolgten und durch eine Hirschkuh (mit ihrem Kitz) über den Main geleiteten fränkischen 36 METZNER,Dichtung und Wahrheit (wie Anm .12) S. 63 m . Anm . 38--40 und Ernst Erich METZNER, Die Pippinische Schenkung 750/ 51 von ,Schlüchtern', ,Amorbach', ,Murrhardt', ,Neustadt' und ,Homburg' für den angelsächsischen Hofkaplan Burghard von Würzburg, Unsere Heimat. Mitteilungen des Heimat- und Geschichtsvereins Berwinkel e.V. 9 (1993) S. 1-61, S. 44; vgl. BREYSIG, Jahrbücher (wie Anm . 5) S. 29 m. Anm. 6 und S. 35 m. Anm. 2. 37 Siehe Anm. 9; vgl. noch bes. METZNER, Dichtung und Wahrheit (wie Anm. 12) S. 60- 68. <?page no="165"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 165 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 165 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Die beiden bairischen Heidenkriege Karls 153 Herrschers, paßt keineswegs in die Geschichte Karls des Großen, sehr wohl aber in die des ,illegitimen', auch noch mit innerfränkischen starken Widerständen kämpfenden Hausmeiers Karl Martell in seiner Frühzeit und genau in das Frühjahr 719: in die Zeit nach dem ersten der beiden anscheinend gleichermaßen siegreichen bezeugten Sachsenkriege, die zu 718 und 720 genannt sind 3 8• Der Krieg von 718 hatte Karl Martell von Westen her weit nach Sachsen zur Weser geführt, bis es (nach der Überwinterung wohl im schon länger fränkischen Nordhessen) bei der Rückkehr ins innere Frankenreich zu besagtem (von den annalistischen Quellen im Nachhinein verständlicherweise nicht berichteten und von Karl denn auch bald gerächten) Rückschlag kam (der offenbar eben 719 Bonifatius auf seiner Reise von Rom durch Baiern im damaligen Thüringen unvermutet - und bisher nicht recht zu erklären - Abstand von seiner dezidiert geplanten und von Rom gutgeheißenen Thüringermission nehmen ließ! )3 9 • 720 hat Karl aber anscheinend den in der überlieferten Sage noch angedeuteten erfolgreichen Rachezug unternommen, mit entsprechendem Schlachtensieg; und in diesem Kontext ist es wohl u. a. auch zu der Benennung bzw. Umbenennung des Orts der wunderbaren Lebensrettung als „_Eranken-furt" gekommen - ,Frankfurt' wurde jedenfalls mit einem Ereignisbzw. Erinnerungsnamen benannt, der, damals singulär und in sich poetisch alliterierend, wie er ist 40, auf obrigkeitliche Sprachgebung verweist. Auf dieselbe Art zeitgenössischen obrigkeitlichen Eingreifens, jetzt am Ort wohl eines bzw. des wunderbaren Siegs im Jahr 720 nach der wie vom Himmel ermöglichten Flucht über die ,_Eranken-furt' 719, verweisen daneben m. E. der wieder in sich alliterierende (noch nicht zur Gänze gedeutete) Schlachtfeld-Name ,Kadel-~amf'-Kelkheim (zum Lehnwort ,camp'/ ,Kampf' im Sinne von ,Feld'; bei Frankfurt am Main) und der unmittelbar daneben gelegene Ort anscheinend eines ehemaligen (zum Gedenken der Heidenschlachttoten errichteten? ) Klosters (Kelkheim-) ,Münster' mit einem Dionysios-Altar in der Kirche (s. u.) 41. 38 METZNER,Die Pippinische Schenkung (wie Anm. 36) S. 44; Ernst Erich METZNER/ Hans-Wolfgang BINDRIM,Zeittafel, Unsere Heimat. Mitteilungen des Heimat- und Geschichtsvereins Bergwinkel e.V. 9 (1993) S. 61-66, hier S. 61 ff.; METZNER,Dichtung und Wahrheit (wie Anm. 12) bes. S. 59-68; vgl. BREYSIG, Jahrbücher (wie Anm. 5) S. 30-32 und Theodor SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas (ND Darmstadt 1972) S. 114 ff. 39 SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius (wie Anm. 38) S. 116. 40 METZNER,Dichtung und Wahrheit (wie Anm. 12) S. 66-68. 41 METZNER,Dichtung und Wahrheit (wie Anm. 12) S. 67f.; METZNER/ BINDRIM, Zeittafel (wie Anm. 38) S. 61f.; Gerd S. BETHKE,Main-Taunus-Land. Historisches Ortslexikon (Rad und Sparren 26, Hofheim/ Diedenhegen 1996) S. 133 f. s. Anm. 78. <?page no="166"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 166 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 166 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 154 Ernst Erich Metzner Auch für Regensburg kann man im übrigen mit dem Beginn von St. Dionysios-Verehrung und mit einer ähnlichen Benennung bzw. Umbenennung unter Karl Martell nach seinem kriegerischen Eingreifen 725 und 728 42 mit einem Rückschlag dazwischen (wohl ähnlich dem zwischen 718 und 720; s.o.) rechnen, wie aber noch näher auszuführen ist. M. E. ist die genannte Karls-Überlieferung über die erwählende Rettung des namengebenden Spitzenahns der Karolinger am Ort Frankfurt am Main (aller Wahrscheinlichkeit nach a. 719) mit der Anlaß für die jetzt auch faktische Herausstellung des Ortes als Pfalz seit Karl dem Großen (d. h. seit dem berühmten Konzil von Frankfurt 794, wohl nicht zufällig genau 75 Jahre nach 719! ) und dann wieder dezidiert seit seinem Sohn Ludwig dem Frommen und damit eine Ursache für den Aufstieg Frankfurts zur ,Hauptstadt' Deutschlands 43 , in Konkurrenz wohlgemerkt zu Regensburg, auf das und dessen karlische Überlieferung wir jetzt einlässiger kommen müssen; auch sie diente je länger, je mehr im Mittelalter! genau besehen der ,hauptstädtischen' Hervorhebung des Orts durch die irrtümliche Berufung schließlich nicht mehr auf Karl Martell, sondern auf den alles vereinnahmenden Mythos Karls des Großen, wie zu vermuten. 3. Karl (der Große) bzw. Karl (Martell) und die fränkisch-deutsche ,Hauptstadt' Regensburg in neuem Licht Zwei Argumentationswegen wäre im Blick auf Regensburg im Weiteren nachzugehen, auf die jeweils auch die Frankfurter Überlieferung führt, die sowohl von Heidenkriegen Karls als auch von einer darauf bezogenen (in sich alliterierenden prätentiösen, auf die fränkische Herrschaft verweisenden) Namengebung für die herauszuhebende ältere Örtlichkeit durch ihn spricht aus Raumgründen kann aber nur der erste Argumentationsstrang einlässiger verfolgt werden. Zu betrachten ist zunächst jedenfalls jeweils für sich: a) Die lateinische Karls-Überlieferung der sog. ,Schottenlegende' bzw. des „Libellus de fundacione ecclesiae Consecrati Petri" 44 aus der Mitte des 13. Jhs. (kurz: ,Libellus') und ihre im Prinzip in diesem Kontext weniger wichtigen -volkssprachlichen Ableitungen, die mit ihrem Einbezug Karls des Großen im Gegensatz zu 42 Siehe Anm. 47, 48, 71 und 78. 43 Vgl. etwa METZNER,Dichtung und Wahrheit (wie Anm. 12), SCHALLES-FISCHER, Pfalz und Fiskus (wie Anm. 10). 44 BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm. 1). <?page no="167"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 167 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 167 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 Die beiden bairischenH eidenkriegeKarls 155 stehen scheinen zu der aus vorhergehenden Quellen eruierbaren Gründungsgeschichte des Schottenklosters St. Jakob und seines Vorgängers bei Weih St. Peter, die nur bis ins 11. Jahrhundert zurückreicht. Für Germanisten bemerkenswert ist entgegen dem ersten Anschein natürlich doch die im 14. Jahrhundert vorgenommene Übertragung ins Deutsche in Versform eine nicht unbedingt geniöse Transponierung gewissermaßen ins Dichterische, wie sie das ungelehrte (Laien-)Volk im ganzen Mittelalter bis hin in die Neuzeit verlangte; fast 10.000 Verse umfaßt so das epische Gedicht, "Karl der Große und die schottischen Heiligen", in zwei Handschriften erhalten, wovon allerdings nur der erste Teil von 6.560 Versen mit seiner Karlsüberlieferung uns hier interessiert 45. Weitere, spätere volkssprachliche Karlslegendarik etwa dieses Inhalts aus Regensburg bleibt hier am Rande des Interesses, ebenso wie nachmalige bildhafte Vergegenwärtigung bis ins 16. Jahrhundert46. b) Die unabhängig davon zu betrachtende, aber ursprünglich, wie mir scheint, z. T. historisch durchaus mit derselben Geschichte Karls bzw. Karl Martells verbundene Überlieferung zum Thema Umbenennung von Regensburg in der Legende bzw. überhaupt zu den deutsch-volkssprachlichen, lateinischen und angeblich lateinischen Namen Regensburgs bzw. seines römischen Kastells bzw. der herrschaftlichen Residenz, wobei vor allem der in sich wie ,.Erank(en)-furt' altertümlich kunstvoll alliterierende, aber erst spät bezeugte rätselhafte Namen „Hermans-haim" (= m. E.: ,Heim des ''Her-man', des ,Alt-manns/ Alt-knechts' bzw. ,Seneschalls', d. h.: des ,maior domus/ Hausmeiers') für Regensburg bzw. der davon wohl früh mißverstehend abgeleitete, gelehrte aber noch schwerer verständliche Name „German(i)s-heim" bzw. 45 SHAW,Edition (wie Anm. 1) XI-XVI. Zum spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen offiziellen Karlsbezug in Regensburg siehe DERS.,Die Funktion Karls (wie Anm .1), S. 185 Anm. 96, 189 und Ekkehard SCHENK ZU SCHWEINSBERG, Die letzte Schlacht Karls des Großen. Die bemalte Tischplatte von 1518 und die Regensburger Karlslegende des 16. Jahrhunderts (Hefte des kunstgeschichtlichen Instituts der Universität Mainz 1, Mainz 1972) S. 35 ff. 46 Zum spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen offiziellen Karlsbezug in Regensburg siehe SHAW,Die Funktion Karls (wie Anm. 1) S. 185 Anm. 96, DERS., Edition (wie Anm. 1), LXV-LXXI und SCHENK ZU SCHWEINSBERG, Die letzte Schlacht (wie Anm. 45) S. 35 ff., wo auch die m. E. eminent politischen bayrischen Gegenpositionen mit vermerkt sind; siehe besonders S. 41; FLACHENECKER, Schottenklöster (wie Anm. 3) S. 30, Anm. 68. <?page no="168"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 168 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 168 30.09.22 08: 51 30.09.22 08: 51 156 Ernst Erich Metzner "German(e)s-heim" 47 und ihre Kontexte interessieren und interessiert haben 48. Die „Gesta Karoli Magni" der (sog.) ,Schottenlegende', um den Titel der Erstedition der uns interessierenden Partien von Dürrwächter (1887) 4 9 zu verwenden, ist nach neuerer Erkenntnis in der Mitte des 13. Jhs . in der stadtgeschichtlich bedeutsamen Zeit zwischen 1245 und 1261 von einem herkunftsstolzen ,Schotten', einem Iren des St. Jakobsklosters, zum Zweck sicher der propagandistischen Erhöhung der von Iren begründeten und noch bewohnten Regensburger Schottenniederlassung verfaßt worden, aufgrund älterer Quellen zur Klostergeschichte und wohl auch örtlicher mündlicher Überlieferung 50; die Niederlassung war um 1075 an der um 1250 schon längst zum Priorat abgesunkenen Kirche (in) "Wihen sancti petri" (so 1089)51gegründet worden. ,Weih St. Peter' wird die Kirche in der Forschung genannt, die der entstehenden und am Ende des Jahrhunderts rasch (m. E. durch Zuzug v. a. von Würzburg) 52 anwachsenden Iren-Gemeinschaft im 11. Jahrhundert zugewiesen wurde; ihr erstes Namenglied deutet auf weit frühere (und zweifache! ) Benennung, indem das altdeutsche Element ,wih' im Sinne von ,heilig' (= neuhochdeutsch ,Weih-') neben dem neueren ,san(c)(t)' verwendet erscheint (vgl. etwa den Namen ,Weihenstephan') 53. Die Kirche, seit der frühen Neuzeit aufgrund des Ausbaus der städtischen Verteidigungsanlagen verschwunden, lag wohl inmitten einer kleinen borgo-artigen Vorstadtsiedlung, der sie den Namen gegeben hat5 4 - Ausgrabungen in ihrem einstigen Umfeld sind nicht mehr erfolgversprechend. Ein ur- 47 Wolf-Armin Frhr . VONREITZENSTEIN, Lexikon bayerischer Ortsnamen. Herkunft und Bedeutung (München 2. verb . und erw. Auflage 1991) S. 314 f., vgl. und (zu) Anm. 63. ,Her-mann' (eine ad-hoc-Bildung? ) ist m.E . zu stellen zu ahd. ,her' (= ,hehr' , alt, ehrwürdig, von hohem Rang, groß , ober. .. , vorder ... ); siehe Gerhard KöBLER,Taschenwörterbuch des Sprachwortschatzes (Paderborn u. a. 1994) Sp. 160. 48 In einem Vortrag in Regensburg am 30.1.2003 auf Einladung u. a. von Kollegen Albrecht Greule habe ich gesprochen über „Dichtung und Wahrheit über ,Hauptstädte' - Frankfurt und Regensburg unter Karl Martell und Karl dem Großen": Dort sind die namenkundlich-germanistischen Aspekte, die hier weitgehend ausgespart bleiben müssen, in gleicher Weise behandelt worden. 49 DüRRWÄCHTER, Die Gesta Caroli Magni (wie Anm. 1). 50 BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm . 1) S. 40-53 s. Anm. 65. 51 SHAW, Karl der Große und die schottischen Heiligen (wie Anm. 1) S. 169; siehe etwa FLACHENECKER, St. Jakob (wie Anm. 4) S. 153 und DERS., Schottenklöster (wie Anm. 3) S. 122-124. 52 Siehe unten Anm . 85. 53 SHAW,Karl der Große und die schottischen Heiligen (wie Anm . 1), S. 169 m . Anm. 39-42; siehe etwa FLACHENECKER, Schottenklöster (wie Anm. 3) S. 122. 54 Vgl. (zu) Anm. 51. <?page no="169"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 169 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 169 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Die beiden bairischen H eidenkriege Karls 157 sprüngliches frühmittelalterliches Peterspatrozinium ist aufgrund des Namens anzunehmen, obwohl dieseroffenbar nach einer neuen Weihe der Kirche im Hochmittelalter im lateinischen ,Libellus' des 13. Jhs. mit einer Erscheinung des heiligen Petrus anders erklärt wird 55 . Die bisherige Meinung, die m. E. zu revidieren im Grunde mit jüngster Erfindung der Gründungsgeschichte, wenn auch mit schon karolinger- oder römerzeitlicher Herkunft der Kirche rechnet (ohne deren Entstehung selbst genauer zu datieren und erklären zu können), sei danach zwischenzeitlich zusammengefaßt: "Die Würde des St. Jakob versuchte der Verfasser des Libellus mit einer angeblichen Gründung durch Karl dem Großen eindrucksvoll herauszuheben. Gleichzeitig versicherte er sich des Beifalls der Bürgerschaft, da er die Stadt in den Rang einer kaiserlichen Hauptstadt erhob. Sie hatte angeblich von Karl dem Großen ihren Namen Ratisbona erhalten ... Der unbekannte Schottenmönch reflektierte also den Stolz der Bewohner Regensburgs über die nach 1231 bzw. 1245 erreichte libertas ..." 56 Die neue Früher-Datierung von Breatnach des zu betrachtenden „Libellus de fundacione ecclesiae Consecrati Petri" auf 1245-61 wird auch dadurch ermöglicht, daß er den vorher von der Forschung vorschnell angenommenen Bezug auf eine italienische Karls-Überlieferung vor dem Hintergrund des italienischen Eingreifens Karls von Anjou gegen die Staufer 1268 ad absurdum führen kann, unter Hinweis etwa auf die bairische Dichtung ,König Rother' des 12. Jhs., wo Karl der Große als Enkel König Rothers von Bari ebenfalls, wie in der Schottenlegende, irrtümlich in Italien beheimatet wird 57• Es lag nahe, dem Enkel Karl dem Großen danach die Hauptstadt Rom zuzusprechen. Der behauptete Weg Karls des Großen von Rom und Italien nach Baiern/ Bayern erscheint so einfach als Ergebnis späterer Kombination vor dem Hintergrund der italienischen Position etwa auch Kaiser Friedrichs II.: als Ergebnis einer Kombinatorik, wie man sie bei der Aufschwellung und Ausschmückung mündlicher Traditionen sowieso immer annehmen muß ursprünglich dürfte Karl (Martell) in bestimmter, weiterwirkender Überlieferung einfach von seinem fränkischen Machtzentrum ,Paris' (und also noch nicht von ,Bari' 58 oder eben Rom! ) bzw. 55 St. Peter selbst habe wunderbarerweise die Weihe vorgenommen; vgl. BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm, 1) S. 215-223 s. und (zu) Anm. 84. 56 FLACHENECKER, Schottenklöster (wie Anm. 3) S. 29f., vgl. S. 123 f. 57 Vgl. BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm. 3) S. 42. 58 Der „König Rother" mit seiner Verortung von Karls des Großen Großvater "Rother" in „Bari" erzwingt die These, daß „Rother" ein Beiname Karl Martells gewesen ist und „Bari" zur Zeit der Kreuzzüge in mündlicher Überlieferung mißver- <?page no="170"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 170 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 170 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 158 Ernst Erich Metzner einfach von seiner Hauptstadt bzw. aus seinem Land aus zum ersten Mal nach Bayern gezogen sein. Und für die Neu-Datierung Breatnachs im Zusammenhang mit der rechtlichen Privilegierung der Stadt 1245 durch Friedrich II.5 9 spricht nun bisher übersehen m. E. auch die im Libellus deutlich ausgeschmückte bzw. wohl absichtlich im Gefolge älterer Überlieferungen nachdrücklich herausgestellte Spannung zwischen Regensburg, der künftigen ,Hauptstadt' des Reichs und ,Reichsstadt', und den (einst) dem Heidentum zuneigenden gegnerischen Baiern des Umfelds, die auffälligerweise als ,Hunnen' bezeichnet werden 60 • . Höchst bemerkenswert, muß man sehen, ist dieser Name für die noch heidnischen oder zum Heidentum abfallenden Baiern, von denen sich nach dem ersten Kriegszugwie man (entgegen P. Breatnach und F. Shaw! ) sehen muß die besonders tapferen, christlich gewordenen, ,reichstreuen' Regensburger erfreulich abheben, weil sie den Heiden des Umlands Widerstand leisten und Karl zur Hilfe rufen: Wobei doch die Schilderung Baierns als heidnisches Land von der Zeit Karls des Großen, seiner unkriegerischen Unterwerfung Herzog Tassilos und seinem folgenden Avaren-/ ,Hunnen'-Krieg, die man bisher (undeutlich genug) gespiegelt sah, zurück zur Zeit Karl Martells führt, für die wir bezüglich der tatsächlichen religiösen Situation zumindest am Anfang sehr viel schlechter informiert sind 61 . Rosenfeld kann sich wie nun ich nicht vorstellen, wie man im 13. Jahrhundert in Verbindung mit Karl dem standen wurde aus dem Namen von Karl Martells ,Hauptstadt' Paris bzw. von deren mündlicher Aussprache. Eine entsprechende Arbeit mit der Deutung des Beinamens "Rother" ist in Vorbereitung; sie wird abermals die Rolle Karl Martells in ursprünglichen Sagenfassungen herausstellen können . 59 Vgl. etwa SHAW,Karl der Große und die schottischen Heiligen (wie Anm. 1) S. 167; vgl. o. (zu) Anm. 7 und BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm. 1) s. 43. 60 Vgl. etwa Alois SCHMID,Regensburg . Reichsstadt - Fürstbischof - Reichsstift - Herzogshof (Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern 60, München 1995); DERS., Sedes ducatus (wie Anm. 7). 61 Der Name ,Hunnen' "Huni"/ "Hunones") bei BREATNACH,Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm . 1) S. 167 und 169. Zur Sonderstellung der Regensburger nach dem ersten Baiernzug Karls siehe den Text bei BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm. 1) S. 193f. (Überschrift: Hie iterum habes, qualiter rex Karolus congressusest cum paganis, qui da omnibus partibus mundi collecti voluerunt expugnare Ratisponam per eum ad fidem conversam). Es wird in den fraglichen Passagen auch weiterhin nirgendwo gesagt, daß die Stadt Regensburg durch Karl abermals eingenommen werden mußte auch die Schiffsbrücke verbindet das heranrückende Heer nur mit der belagerten Stadt. Anders etwa SHAW,Karl der Große (wie Anm. 1) S. 166f. Zum angeblichen Kronzeugen-Thema Schiffsbrücke vgl. BREAT- NACH,Edition, S. 44. <?page no="171"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 171 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 171 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Die beiden bairischen H eidenkriege Karls 159 Großen zu dieser irritierenden Gleichsetzung der Baiern mit den Hunnen kommen und ein damaliges kriegerisches bairisches Heidentum erfinden konnte 62; dieser Frage müssen sich jedenfalls alle stellen, die von einer Erfindung der ganzen Geschichte in dieser Zeit sprechen! Wenn man nun aber nach genauerer Lektüre hingegen eine kräftige frankophile Regensburger Tradition über die Frühzeit Karl Martells im Hintergrund sieht, als es in Baiern zumal auf dem flachen Land später naheliegenderweise weitgehend aus der Erinnerung der katholischen Baiern verdrängt durchaus noch einen Rückfall ins Heidentums gegeben haben kann und die Baiern (wie später zur Zeit Tassilos erneut in Gegensatz zu den Franken geraten) als Verbündete der benachbarten heidnischen Avaren-,Hunnen' erschienen sein mochten, während sich in Regensburg eine fränkische bzw. frankenfreundliche Besatzung bzw. Bevölkerung gehalten haben mag, wird eine solche Bezeichnung verständlicher; gut möglich, daß ursprünglich (die) Baiern im politischen Abwehrbzw. Glaubenskampf, obwohl nicht hunnischer Herkunft und schon oberflächlich christianisiert, aufgrund aktueller Entwicklungen von strenggläubig christlich-fränkischer, rom-orientierter Seite als ,Hunnen' bezeichnet wurden! Jedenfalls wird ein alter, glaubwürdiger karolingisch-bairischer Gegensatz deutlich, dessen Reflex sich auch in herrschaftlicher Namengebung bzw. Umbenennung der Stadt oder zumindest der Residenz niedergeschlagen haben mag (s.o.) und schließlich in der Sage auch dazu geführt haben mag, daß die Tradition trotz der Übertragung auf Karl den Großen im bayrischen Umfeld Regensburgs, wie es scheint, nicht rezipiert bzw. dezidiert kritisch abgewertet wurde. Auch im ersten Weltkrieg sind ähnlich die Deutschen und Österreicher, deren Vorfahren einst zum Teil mit den Hunnen verbündet gewesen, von westlicher Seite ohne wirklichen Grund zum Schmähnamen ,Hunnen' gekommen! Ein bemerkenswerter origineller Zug der Legende ist dann auch, daß Regensburg bis zur erwähnten angeblichen Umbenennung durch Karl dem Großen in ,Ratisbona' oder ,Ratispona' (aufgrund seines angeblichen kriegerischen Donauübergangs beim zweiten Baiern-Zug mit Hilfe von Flößenlrates) von den Heiden civitas quadratorum lapidum (= ,Stadt der quadratischen Steine' bzw. ,der Quader') genannt worden 62 Hellmut ROSENFELD, Rezension zu Padraig A. Breatnach, Die Regensburger Schottenlegende - ,Libellus de fundacione ecclesie consecrati Petri'. Untersuchung und Textausgabe (Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung 27, München 1977), VII und 324 S., in: Mittellateinisches Jahrbuch 15 (1980) S. 245f., hier s. 246. <?page no="172"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 172 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 172 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 160 Ernst Erich M etzner sei63 was auf einen alten, schon in der ersten Emmeramsvita des 8. Jahrhunderts angedeuteten alternativen deutschen Namen für den mauerumwehrten Römerort zurückgehen mag6 4 . Bemerkenswert ist auch der überlieferte Name collis victoriae (= ,pühel des siges' in der Versbearbeitung des 14. Jhs.) 65für den Ort der angeblich von Karl gebauten Kirche Consecrati Petri ( = urkundlich u. a. ,in Wihen sancti petri'), wo auch die angeblich 30.000 Glaubenskämpfer begraben worden seien, die in der letzten, dreitägigen, schließlich nur durch die herbeigeflehte göttliche Hilfe (des himmlischen Schimmelreiters) gewonnenen Heiden-Schlacht vor Regensburg gefallen waren. Gerade zur Zeit der beginnenden Kreuzzüge, die über Regensburg führten, mochte eine Überlieferung über zahlreiche Heidenschlachttote aus der Zeit Karls, die heiligmäßige Verehrung auf sich ziehen konnten, in Regensburg geradezu die Weiterentwicklung der Legende (und die weitere Ansiedlung von irischen Mönchen) herausgefordert haben. Die Angaben über den Kirchenbau Karls auf dem Gräberfeld, der zum Mittelpunkt einer klösterlichen (Iren-? )Gemeinschaft geworden sei, erinnert im Übrigen an das unabhängig davon über die Gründung und den redenden, anscheinend vom Volk gegebenen Namen des Klosters „Schlüchtern" (= m.E. ,bei den Hütern der Hingeschlachteten') Eruierbare die Gründung geschah wohl durch Karl unmittelbar nach seinem schließlichen Sieg 720 zum Zweck der Verehrung der gefallenen 63 BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm . 1), S. 194f., zu Civitas Quadratorum Lapidum siehe auch Index, S. 322. Zu den Namen Regensburgs vgl. Albrecht GREULE,Radaspona - Regensburg. Fakten, Deutungen, Fragen, in: Nominum Gratia. Namenforschung in Bayern und Nachbarländern . Festgabe für Wolf- Armin Frhr . von Reitzenstein zum 60. Geburtstag, hg. von Albrecht GREULE/ Alois SCHMID(München 2001), S. 117-121; Albrecht GREULE, Ratisbona - Regensburg. Die Namen der Stadt eine unendliche Geschichte, in: Ratisbona. Die königliche Stadt. Neue Forschungen zum mittelalterlichen Regensburg, hg. von Martin ANGERER (Regensburger Studien und Quellen zur Kultur 9, Regensburg 2000) S. 11-18. Vgl. o. (zu) Anm . 47. 64 Arbeo Bischof von Freising, Leben und Leiden des heiligen Emmeran . Vita et passio Sancti Heimhrammi Martyris, übers . von Bernhard BISCHOFF(Regensburg 2 1993) S. 13: "Die Stadt, nämlich Regensburg, war uneinnehmbar, aus Quadern erbaut ..." Das Motiv der Umbenennung durch den siegreichen Karl mag wie in Frankfurt zur alten Sage gehören, nur mag man in der Regensburger Legende das Ergebnis nicht mehr recht erinnert haben; vgl. o. (zu) Anm. 47. 65 BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm. 1) S. 160, S. 171, S. 173 und öfter (siehe Index, S. 322). Vgl. SHAW,Die Funktion Karls (wie Anm. 1) S. 189. Die Art der Übersetzung zeigt anscheinend, daß der dem lateinischen Text zugrunde liegende Name noch des 13.Jhs. im 14.Jh. nicht mehr lebendig war: Man beachte aber v. 1123 ,pühel signuft' (SHAW,Edition [wie Anm. 1] S. 35, ohne Kommentar; vgl. S. XLIVf .) <?page no="173"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 173 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 173 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Die beiden bairischen H eidenkriege Karls 161 Kämpfer ganz nah am Ort wohl der kurz vorher verlorenen sagenhaften Heidenschlacht Karl Martells (719, im Bereich eines wichtigen Passes vor seiner Rettung in Frankfurt am Main), wonach es allerdings unter dem Bischof Burkhard von Würzburg und unter Mitwirkung des Bonifatius um 750 zu einer reformierenden Neugründung gekommen ist, wie so oft anderwärts in der Frühzeit 66. Auch anderes Namenmaterial aus dem Umfeld dieses Heidenkampfes ist, wie schon angedeutet, aus dem Untermaingebiet heranzuziehen, interessanterweise auch der Patron St. Dionysios im Ort (Kelkheim-),Münster' (= Kloster) bei Kelkheim/ ,Kadel-famf', der als Sieghelfer Karl Martells bei einer Klostergründung nah an einem Heidenschlachtort des Rachefeldzugs gegen die Sachsen 720 berufen worden sein dürfte 67. Auch der historische Hintergrund des ,Rolandslieds' mit seiner Überhöhung des Tods von Karls Paladin Roland am Paß von Roncesvalles ist hier besonders zu vergleichen68. Ebenso ist wohl auch heranzuziehen die Gründung und Benennung von ,Segeberg' ( = ,Siegberg') mit seiner (Stifts-)Kirche im Gefolge der wechselvollen kriegerischen Auseinandersetzung mit den heidnischen Slawen in Schleswig- Holstein zur Zeit des Dänenfürsten Knut Laward (t 1131) und Kaiser Lothars von Supplinburg (t 1137), der dessen Name als Kaiser schon an sich auf die Karolingerzeit zurückweist als Schwiegervater des Baiern-Herzogs mit Sitz in Regensburg naheliegenderweise auch als (dort erinnerter) Wohltäter des Regensburger Jakobs- Klosters in Erscheinung getreten ist und auch darum Anregungen eben von speziell Regensburger angeblich karolingerzeitlicher Namengebung vgl. collis victoriae bzw. eben aus der Vorform der dortigen Legende empfangen haben kann69. 66 METZNER,Die Pippinische Schenkung (wie Anm. 36); zur Neugründung a.a.O. S. 35f., vgl. auch METZNERIBINDRIM, Zeittafel (wie Anm. 38) S. 61-64. 67 Siehe (zu) Anm. 40, 41 und 42. 68 METZNER,Die Pippinische Schenkung (wie Anm. 36); METZNER/ BINDRIM, Zeittafel (wie Anm. 38) S. 61/ 62 zu 719/ 720. Interessanterweise wird auch über die historische Niederlage in der gebirgigen Paßregion zwischen Spanien und Frankreich, die im Rolandslied erinnert wird, in den zeitgenössischen Quellen aus der Zeit Karls des Großen nichts berichtet ähnlich verschweigen die wortkargen annalistischen Aufzeichnungen zur Zeit Karl Martells die Niederlage in der Paßregion bei Schlüchtern 719 und den Rückschlag in Baiern nach 725, und nur die spät niedergeschriebenen Sagen erinnern kontaminierend die Fakten, zusammen mit der Ortsnamengebung. 69 Vgl. zum ,Segeberg'-Komplex und zur obrigkeitlichen Namengebung bei ,Segeberg' vor allem Helmold von Bosau, Slawenchronik, neu übertr. und er! . von Heinz STOOB (Ausgewählte Quellen zur Geschichte des deutschen Mittelalters 19, Darmstadt <?page no="174"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 174 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 174 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 162 Ernst Erich Metzner Nach Meinung der bisherigen Forschung wies die legendarische Regensburger Karlsüberlieferung nicht auf Karl Martell , aber man muß dagegegen doch sehen, daß wesentliche Elemente aus der wirklichen Geschichte Karls des Großen viel eher nicht erkennbar sind. Auch die besonders herausgestellten Nachrichten bzw. die vermutbaren mündlichen Überlieferungen über die Schiffsbrücke Karls von 792, von der Forschung als die Ursache für den Bericht über den Flußübergang mit Flößen im zweiten Kriegszug Karls gegen die Regensburg belagernden Hunnen/ Baiern benannt, erscheinen genau besehen irrelevant 70 • Es ist dagegen gut möglich, daß die Einrichtung einer Schiffsbrücke in einem anderen, friedlichen Zusammenhang durch Karl den Großen 792 an eine ältere Überlieferung von einer kriegsentscheidenden ,Floßbrücke' in Regensburg z. Zt. des Großvaters Karl Martell a. 725 anknüpfen konnte. Höchst bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang aber jedenfalls v.a., daß keinesfalls unter Karl dem Großen, wohl jedoch unter Karl Martell von zwei (erfolgreichen) kriegerischen Baiernzügen Karls gesprochen wird, von Baiernzügen zu 725 und zu 728 wobei allerdings weder über den Grund des ersten noch den des zweiten Zugs berichtet wird! Und beim ersten Baiernzug 725, der offensichtlich von nördlich der Donau vorgetragen wurde, wird ausdrücklich die kriegerische Überschreitung der Donau hervorgehoben : ...usque Danubium peraccessit illoque transvecto fines Baioarenses occupavit. Subacta regione illa. ..7 1 Ähnlich wie ni eh t unter Karl dem Großen, wohl aber unter Karl Martell in seiner Frühzeit im Prühjahr 719 zwischen den zwei bezeugten (siegreichen bzw. vermutlich siegreichen) Sachsenzügen 718 und 720 eine unvorhergesehene Niederlage gegen ,aufrührerische' heidnische Sachsen infolge eines Überfalls in einer Paßregion so wie die Flucht Karls und das zeitweilige Vorrücken der Sachsen bis an den Untermain möglich erscheinen, was alles seine Spiegelung u. a. in der Frankfurter Errettungssage gefunden haben mag, ist nicht für Karl den Großen, wohl aber für Karl Martell ein zweimaliges kriegerisches Eingreifen in einem dazwischen ins Heidentum zurückfallenden Baiern mit missionarischen Begleiterscheinungen bezeugt bzw. gut denkbar, das seine Spiegelung in örtlicher Sage und schließlich in der lateinischen Legende und in 1963) S. 53, S. 198-200 "De edificatione Segeberch"). Siehe auch Anm. 29. Zur Förderung von St. Jakob durch die römisch -deutschen Kaiser vgl. SHAW,Karl der Große und die schottischen Heiligen (wie Anm. 1) S. 182f . (Anm . 28). 70 BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm . 1) S. 44. 71 BREYSIG, Jahrbücher (wie Anm. 5) S. 53 Anm. 2 (nach Kont . Fred . c 108). <?page no="175"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 175 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 175 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Die beiden bairischenH eidenkriegeKarls 163 deutschsprachiger Dichtung und Prosa in Regensburg gefunden haben mag. Zu erinnern ist auch, daß kurz vor dem ersten Zug Karl Martells nach Baiern 725 der Missionsbischof Bonifatius in Nordhessen, das m. E. eben durch den Sachsenkrieg Karl Martells von 720 von den heidnischen Eindringlingen befreit worden war, die Donar-Eiche bei Fritzlar gefällt hatte und aus dem Holz eine St. Peterskirche, wohl die im nahen Fritzlar, als die Kirche wohl einer künftigen Bischofsstadt 72, erbaute, als Zeichen des Siegs über das Heidentum und als Zeichen der dezidierten Rombindung. Auch wenn wir nicht erfahren, daß Bonifatius bei dem Baiern-Unternehmen Martells 725 beteiligt war, die Gründung gerade einer St. Peterskirche an der Stelle eines Heidensiegs Martells auf dem ,Siegbühel' vor Regensburg erscheint in diesem Kontext nicht ganz unwahrscheinlich. Ein päpstlicher Legat mit anderem Namen wird als Begleiter Karls in Baiern von der Legende genannt 73. Gut möglich im Übrigen, daß erinnerte Erzählelemente über die Zeit des ersten Baiernzugs mit dem bezeugten Donauübergang vermengt wurden mit Erinnerungen an den zweiten Zug. So mag der benannte wichtige Donauübergang von Norden her in die Überlieferung zum zweiten Zug gelangt sein, weil der erste Zug nunmehr von Italien/ Rom ausging. So mag auch die Überlieferung, daß Karl nach dem (zweiten) Sieg seine (unbenannte) Frau aus seiner Hauptstadt (Rom) holen ließ und sie ihm dann in Ötting in Baiern einen Sohn Karl gebar, ursprünglich ins Jahr des ersten Zugs und des ersten Siegs 725 gehören es wäre dann aber nicht der einzige, sondern der dritte Sohn dieser ersten Frau Hrottrud gewesen; 725 ist sie gestorben 74. Zur Zeit des zweiten Zugs 728 war Karl wohl bereits mit der nach dem ersten Zug aus Baiern mitgenommenen ,Suanahilt' ehelich verbunden: Wenn man ein besonderes Interesse in Baiern bzw. Regensburg für diese neue, sozusagen bairische „Königin" der Franken und ihren eben um 728 geborenen Sohn von Karl Martell voraussetzen darf, wie es scheint, dann wäre eher doch sie als die damals 728 einzige Frau Martells mit einem ca. 728 geborenen einzigen Sohn gemeint, zumal der (für uns unmotivierte) begeisterte 72 Vgl. etwa SCHIEFFER, Winfrid-Bonifatius (wie Anm. 38) S. 148. Wenn nachmals die bei Fritzlar gelegen Büraburg mit ihrer älteren Kirche als zeitweiliger Bischofssitz erscheint, so muß dies nicht den ursprünglichen Intentionen von Bonifatius entsprochen haben. 73 BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm . 1) S. 160 und S. 178. Der Name des Legaten ist Appollonius . 74 BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm. 1) S. 201. Zu weiteren Nennungen Karls siehe Index, S. 320; BREYSIG, Jahrbücher (wie Anm. 5) S. 54 m. Anm. 4 und S. 9 m. Anm. 3. <?page no="176"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 176 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 176 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 164 Ernst Erich Metzner Empfang der ,Königin' in Baiern auf dem Weg nach Ötting hervorgehoben wird, und ,Karl' wäre als Name eines dritten legitimen Sohns von Karl Martell nach ,Karlmann' und ,Pippin' sehr glaubhaft! der eigentliche Name des berühmten Karl-Martell-Sohns ,Gripo/ Grifo' von Suanahilt, dessen überlieferter Namen schon bisher nicht in die karolingische Namengebung paßte und also ursprünglich ein (unterscheidender) Beiname des Sinns ,(Karl) der Greif' (d.h.: ,Nachkomme eines' bzw. ,des Greifengeschlechts'? ) gewesen sein mag; und der ausdrückliche Bericht von der Einsetzung des jungen Karl zum Erben ganz am Ende von Karls Leben mag eine allerletzte Erbregelung Karl Martells 741 erinnern, die dann in der Geschichte von den älteren Halbbrüdern Karlmann und Pippin letztlich mit Erfolg nicht anerkannt wurde kein Wunder, daß die Legende von dem Martell-Sohn Karl nach Martells Tod nicht viel zu berichten weiß 75. Auch die Gründung von Ober- und Niedermünster in Regensburg, die in der Legende Karl nach dem zweiten Baiernzug ebenfalls zugeschrieben wird, könnte z. Zt. Karls, eben Karl Martells, erfolgt sein und der Bischof (St.) Erhard, möglicherweise mit Karl der Gründer von Niedermünster, wo er begraben liegt, mag durch Karl nach Regensburg berufen oder für Regensburg ernannt worden sein nach 725 bzw. 728, nicht unbedingt mit Willen des Bonifatius; die Ernennung eines Bischofs durch den ansonsten nicht bezeugten päpstlichen Legaten Appolonius wird in der Legende erwähnt, an anderer Stelle aber (aus anderer Quelle? ) auch die Ankunft des Bischofs Erhard. Schon bisher hat man in dem Pippin der Erhard-Überlieferung eher Pippin den Mittleren (t 714) als seinen Enkel Pippin den Jüngeren (t 768) gesehen eine der Kontaminationen, die bisher schon ins Gespräch gekommen sind, und interessanterweise ist eben für St. Erhard, der einen germanischen Namen trägt, ein Bezug zum Irentum, zumindest irisch-monastische Herkunft bzw. Schulung wahrscheinlich 76. 75 Vgl. etwa Rudolf SCHIEFFER, Die Karolinger (Stuttgart 1992) S. 43, 49-52, 56-58. Der Name ,Gripo/ Grifo' läßt an eine Abstammung über Suanahilt von dem hochmittelalterlichen pommerschen Greifengeschlecht denken: Wie die Pommern bzw. die historisch unmittelbar benachbarten Wilzen in Verbindung mit Karl Martell und seinem Vater Pippin zu bringen sind, wäre noch genauer darzustellen . 76 Vgl. BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm. 1) S. 145ff., 178, 184 f., 199; zu Pippin und Erhard siehe etwa Friedrich PRINZ,Frühes Mönchtum im Frankenreich . Kultur und Gesellschaft in Gallien, den Rheinlanden und Bayern am Beispiel der monastischen Entwicklung (4. bis 8.Jahrhundert) (München/ Wien 1965) S. 386, vgl. auch Anm. 34. <?page no="177"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 177 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 177 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Die beiden bairischen H eidenkriege Karls 165 Alles in allem wird man nach alledem sagen können: Die beiden bairischen Heidenkriege Karls der betrachteten Regensburger Legendarik gehen auf die bezeugten siegreichen Kriege Karl Martells gegen Baiern 725 und 728 zurück, die durch den Abfall bairischer Fürsten vom Frankenreich bzw. zum Heidentum bedingt gewesen sein dürften, wie die Legende nahe legt. Aus dem ersten Baiernzug hat Karl Martell Suanahilt mit sich genommen, die dann während des zwei ten Baiernzugs der Legende zufolge schon als Königin in Erscheinung trat und kurz danach Karl Martell ihren Sohn gebar. Die Kirche ,(in) Weih(en) Sanct Peter' auf dem ,Siegbühel' vor dem alten Regensburg, angeblich inmitten eines Gräberfelds von christlichen Heidenschlachttoten errichtet, wurde wohl 728 ff. als Peterskirche erbaut (wobei man mit Berufung von Iren schon zu dieser Zeit oder unter Karl dem Großen nicht rechnen muß, aber doch rechnen kann), und sie wurde erbaut nicht auf einem römischen Gräberfeld, wie man angenommen hat, sondern an der Stelle des 728 erfochtenen wichtigen zweiten Heidensiegs Karls in Baiern bzw . zum Zweck der dauernden Verehrung der damals gegen Heiden als Märtyrer Gefallenen durch eine Gruppe von Klerikern in einem monasterium. Ende des 11. Jahrhunderts ist das alte, karolingerzeitliche Regensburger Klosterkirchengebäude, inzwischen wohl ohne rechte Obhut, dann (wieder? ) Iren als Sitz einer neuen Gemeinschaft überlassen und anders geweiht worden, bis es bald darauf zur Neugründung des Irenklosters von St. Jakob an anderer Stelle kam. Zusammen mit der Gründung der Kirche wurde aber wohl auch der triumphale Weg der (neuen) ,Königin' (Suanahilt) nach (dem heimatlichen) Baiern und die Geburt dort in Ötting ihres Sohnes ,Karl' (sonst unter dem Beinamen ,Gripo/ Grifo' bekannt) erinnert. Neben dem sonst nicht überlieferten Namen des Sohns ,Karl' könnte auch der sonst nicht überlieferte Name bzw. die Rolle des päpstlichen Legaten ,Appolonius' in etwa historisch sein.7 7 Ähnlich wie bei Regensburg waren vorher wohl schon von Karl ,monasteria' zur Verehrung der in Heidenschlachten Gefallenen erbaut worden: zum einen als Kloster ,Schlüchtern' an der oberen Kinzig, zum an- 77 Interessant ist, daß der „Libellus" anders als die deutsche Versbearbeitung in der Geschichte Karls noch nicht den zu Karl dem Großen passenden Papstnamen Leo kennt (siehe SHAW, Die Funktion Karls [wie Anm. 1] S. 198)offenbar war in der alten Überlieferung dieser Papstname noch nicht vorhanden, der ja auch von Karl Martell wegführt! <?page no="178"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 178 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 178 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 166 Ernst Erich Metzner deren in ,Münster' beim (alliterierend benannten) ,Kadel-~amf'-Kelkheim im Taunus-Vorland, das seinen Namen durch Karl Martell als Hinweis auf das Schlachtfeld erhalten haben dürfte alles Erinnerungen wohl an Heidenschlachten Karl Martells im unteren Maingebiet, an eine verlorene erste (719) und an eine gewonnene zweite (720), in ,Münster' kennzeichnenderweise mit dem bzw. einem Patrozinium St. Dionysios der Königsgrablege St. Denis in Karl Martells Hauptstadt Paris. In diesem Zusammenhang ist immerhin auch noch auf die nachmals übersteigerte Regensburger St. Dionysios(-Areopagita)-Verehrung in St. Emmeram zu verweisen, deren Ursprünge bis heute im Dunkeln liegen; es erscheint nicht ganz abwegig zu vermuten, daß schon Karl Martell im Gefolge seiner Baiernkriege und -siege St. Dionysios-Reliquien (als die eines Sieghelfers) von St. Denis bzw. Paris nach St. Emmeram gebracht hat es ist bereits andeutungsweise von mir auf die möglichen Zusammenhänge verwiesen worden, und auch auf die Möglichkeit, daß dann der in die deutsch-tschechische Sage eingegangene bairische ,Herzog Ernst/ Arnost' des 9. Jahrhunderts, in St. Emmeram begraben, durch örtliche St. Dionysios(-Areopagita)-Verehrung mit angeregt, zu seinem sagenhaften Studium gerade in Athen, woher der Heilige gestammt haben soll, bzw. in Griechenland veranlaßt wurde 78. IV. Der Schimmelreiter St. Jakob im Regensburger ,Libellus' des 13. Jahrhunderts und im zeitgenössischen spanischen Kontext Doch am Ende noch eher zu St. Jakob in der Regensburger Überlieferung aus dem Schottenkloster St. Jakob! Nur zu nahe lag es, bei einer elaborierenden Tradierung der weit zurückreichenden Klostergründungsgeschichte auch den Klosterpatron, wie auch immer dieser zu seiner Rolle gekommen war, in dem herausgehobenen Geschehen schon um Karl den Großen beteiligt zu sehen. Der Wunsch nach einer besonderen Erwählung der Stadt durch das hervorhebende Eingreifen Karls des Großen, das zu den Ambitionen Regensburgs als deutsche Hauptstadt (und zu den latenten Spannungen mit den umgebenden Bayern) 78 Ernst Erich METZNER, Ernst und Wetzei: Zw ei verkannte Protagonist en märchenhaft epischen Nachruhms von der großmährischen Grenze der karolingerzeitlichen ,ostarrichi', in: Deutsch-böhmische Literaturbeziehungen. Germano-Bohemica. Festschrift für V. Bok, hg. von Hans-Joachim BEHR/ Jgor LISOVY/ Werner WILLIAMS-KRAPP (Hamburg 2004) S. 177f., bes. Anm. 66. <?page no="179"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 179 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 179 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Die beiden bairischen H eidenkriege Karls 167 paßt, stimmt zu dem Wunsch der Klostergemeinschaft, eine besondere Hervorhebung durch den Klosterpatron in diesem Kontext manifestiert zu sehen. Jedenfalls entscheidet in der Legende des 13. Jahrhunderts - und dies scheint eine Zutat erst der Iren im St. Jakobs-Kloster in der letzten Schlacht eine weiß gekleidete himmlische Erscheinung auf weißem Pferd die fast verlorene Auseinandersetzung zu Gunsten Karls und seiner Christen, die die Stadt gegen die ,Hunnen' verteidigen 79 : Et subito quasi tonitruum auditus est, et ecce apparuit forcior militum in candore lucis albis vestibus indutus, dextrario albo insidens, diris vulneribus scindens militum cuneum, et pagani statim f ugam dederunt ita, quod unus non remansit eorum. Et insequebantur a christianis tam ab equestribus quam a peditibus ... Es ist in diesem Zusammenhang anzunehmen, daß hier im 13. Jahrhundert um 1250 schon ein erster mitteleuropäischer Reflex der nachmals so bekannten und auch in Deutschland, zumal seit den Türkenkriegen, bekannt gewordenen und im katholischen Raum des Südens verbreiteten spanischen ,Matamoros'-Vorstellung, vorliegt: des behaupteten plötzlichen Erscheinens des heiligen Jakob als Sieghelfer gegen Heiden auf weißem Roß, wie es seit dem frühen 13. Jahrhundert für die spanische Szene, den Kampf gegen die Mauren, bezeugt ists 0 • Die Pilgerschaft nach Santiago de Compostela konnte leicht entsprechende Kenntnis nach Regensburg gebracht haben. Nicht ein unverständlicherweise frankenfreundlicher und baiernfeindlicher Heidengott ,Wodan', 79 BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm. 1) S. 198. so Vgl. etwa Robert PLÖTZ,Jacobus Maior. Geistliche Grundlagen und materielle Zeugnisse eines Kultes, in: Der J akobuskult in Süddeutschland, hg. von Klaus HERBERS/ Robert PLöTZ Qakobus-Studien 7, Tübingen 1995) S. 171-232, hier S. 201. Zögerlicher Hinweis auf die ,Matamoros'-Vorstellung (vgl. etwa Klaus HERBERS/ Robert PLÖTZ,Jakobus in Deutschland [Straßburg 2000] S. 33 f.) bei SHAW,Edition (wie Anm. 1) S. XLIII; vgl. auch SCHENKZU SCHWEINSBERG, Die letzte Schlacht (wie Anm. 45) S. 8, Anm. 10. In der Kirche ,Weih St. Peter' sollen sich Darstellungen zur Regensburger Heidenschlacht befunden haben (FLACHENECKER, Schottenklöster [wie Anm. 3] S. 123 Anm. 55). Ob allerdings die späte Rezeption in Regensburg in dem weiß gekleideten Schimmelreiter der Legende den heiligen Jakob erkannt hat, ist sehr fraglich. Die bekannten literarischen und bildnerischen Darstellungen des 15. und 16. Jahrhunderts verstehen ihn immer nur als ,Engel' (als der er in der alten lateinischen Legende und in der spätmittelhochdeutschen Versbearbeitung offenbar noch nicht verstanden wurde und werden sollte; vgl. und zu Anm. 87). - Vielleicht ist es auch kein Zufall, daß eine Handschrift der deutschen spätmittela! terlichen Versumdichtung „Karl der Große und die schottischen Heiligen" im rumänischen Alba Julia, deutsch neuzeitlich Karlsburg, in der alten Hauptstadt Siebenbürgens, datiert auf 1445, vorliegt (SHAW,Karl der Große [wie Anm. 1] S. 164)die Aktualität der Türkenkriege in Siebenbürgen schon im 15. Jahrhundert mag die frühe Rezeption eben dort bei den zahlreichen Deutschen bedingt haben. <?page no="180"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 180 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 180 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 168 Ernst Erich Metzner wie man einst allzu germanophil meinte 81, sondern der Heidenbekämpfer ,St. Jakob' ist hier also, als Helfer erscheinend, zu benennen, in diesem speziellen und späten ' Kontext! Und so wie einst in Frankfurt das Erscheinen der rettenden göttlichen Hinde (mit ihrem Jungen) als Epiphanie Marias (und ihres Sohns), wie man wohl bald zu wissen meinte, die Erwähltheit des (künftigen) Königsgeschlechts und den Rang des Ortes signalisierte8 2, so hier in Regensburg das Erscheinen des rettenden Schimmelreiters, den man als St. Jakob erkannte; und wie es damals anscheinend in Frankfurt zum zusätzlichen Marienpatrozinium des schon bestehenden älteren Kirchenbaus St. Salvator kam (und danach wohl zum Marienpatrozinium aller späteren Pfalzkapellen mit Kanonikerstift, so auch zu der in Regensburg)83, so suggerierte man in Regensburg im 13. Jahrhundert die Berechtigung eines (zusätzlichen) St. Jakob-Patroziniums für die anscheinend ursprünglich St. Peter geweihte älteste Klosterkirche der Regensburger Iren, die, der Legende zufolge, allerdings im 12. Jahrhundert neu in honore individue trinitatis et beate virginis Marie et angelorum et omnium sanctorum geweiht wurde; sie war ja auch über den dort begrabenen zahlreichen ,Heiligen' errichtet 84. Der alte Bezug zu St. Peter ist allerdings im volkstümlichen Namen erinnert worden und hat wohl dann zur Erfindung von der wunderbaren Weihe der Kirche durch St. Pet er selbst geführt. Erst der Neubau des Klosters, nach dem der alte Sitz nur noch ein Priorat bildete, erhielt den Patron St. Jakob zu untersuchen wäre, im Blick wohl auch auf die übrigen ,schottischen' St. Jakob-Klöster, wie es zu dieser Wahl gekommen ist 85. Die hier herausgestellte legendarische Darstellung um die Mitte des 13. Jahrhunderts 81 KAMPERS, Der weiße Reiter (wie Anm. 6) S. 200ff. 82 METZNER,Dichtung und Wahrheit (wie Anm. 12). 83 Vgl. SCHALLES-FISCHER, Pfalz und Fiskus (wie Anm . 10) S. 254ff ., S. 259 nimmt Frau Fischer an, daß die ältere „Fiskalkirche" nur das Marienpatrozinium hatte die Kombination mit der Benennungssage und ihrer Verortung in der Zeit Karl Martells und der Einbezug des Datums des Konzils von 794, mit dem Frankfurt mit Sicherheit als Pfalz be zeugt wird, lassen die Schlußfolg erung zu, daß 794, genau 75 Jahre nach der wunderbaren Rettung des Großvaters Karl Martell, die Pfalzkapelle bzw . bisherige Salvatorkirche das zusätzliche Patrozinium St. Maria erhielt, und daß alle anderen Pfalzkapellen danach ebenso dieses Patrozinium bekamen. 84 BREATNACH, Die Regensburger Schottenlegende (wie Anm . 1) S. 218. 85 Eine besondere Untersuchung über den Zusammenhang zwischen einer alten, schon aus der frühesten Bischofszeit des 8. Jahrhunderts stammenden (irischen) St.Jakobs- ,Zelle' in St. Kilians Würzburg auf die u. a. die Patrozini enverhältnisse in (dem durch Bischof Burkhard von Würzburg reformierten Kloster) Schlüchtern Bezug nehmen dürften (siehe zur Frage einleitend METZNER,Die Pippinische Schenkung [wie Anm. 36]; METZNER/ BINDRIM, Zeittafel [wie Anm . 38] S. 64) und auf die m. E. <?page no="181"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 181 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 181 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Die beiden bairischen Heidenkriege Karls 169 hat wohl im nachhinein stillschweigend und vorsichtig vor dem aktuellen Hintergrund der Entwicklung der St.Jakob-Vorstellung in Santiago eine Erklärung liefern wollen. Daß tatsächlich ,spanische' bzw. ,französische' Jakob-Vorstellungen bei der Abfassung der lateinischen Legende in Regensburg lokalpatriotisch vereinnahmt wurden, legt ja schon nach bisheriger Erkenntnis die auffällige Rolle von Reims (dem Sitz von Turpin! ) und die Wichtigkeit der Feldzüge Karls des Großen in Frankreich und Spanien nahe, die zum Teil auch auf deutsche epische Dichtungen wie Strickers ,Karl' zurückgehen kann 86. Eine andere Frage ist, ob die doch etwas zögerlich eingebrachte Referenz später im spanienfernen Regensburg des Mittelalters tatsächlich leicht auf den heiligen Jakob bezogen werden konnte die frühneuzeitliche bzw. vorreformatorische Rezeption der Legende macht in Regensburg im Rahmen der politisch zunehmend relevanten Karlsgeschichte aus dem weiß gekleideten helfenden und rettenden Schimmelreiter jedenfalls eine kämpferische Engelfigur8 7• Resumen: EI articulo parte de hechos frecuentemente documentados de confusi6n de personajes hist6ricos hom6nimos, de! mismo rango, de la misma epoca y de! mismo contexto cultural en la tradici6n oral. Posteriormente se centra en la transferencia ya demostrada o supuesta por vez primera por el autor de leyendas en torno al antano famosisimo principe franco Carlos, apodado Martell (t 741), cuyo poder era semejante al de un rey, a su nieto de mayor fama, el rey y emperador Carlomagno. Concretamente se trata de comparar c6mo fueron fundadas y recibieron su nombre las dos ,capitales' alemanas desde la epoca carolingia, Francfort de! Meno y Ratisbona, rivales hasta los Tiempos Modernos. Las dos tradiciones parten segun nuevos conocimientos de una piadosa historia sobre el rey Carlos, es decir, originariamente sobre la intervenci6n de Carlos Martell en aquel lugar y el nombre dado al lugar durante dos guerras de Carlos Martell contra los gentiles o bien entre tribus . Las dos campanas ambas exitosas estan documentadas hist6ricamente: la primera fue llevada a cabo en contra de los sajones en 718 y 720, y la segunda, en contra de los bavaros en 725 y 728. Al parecer, la segunda campana sigui6 a un contragolpe que no se mencion6 adrede en la historiografia de la epoca. noch 1090/ 91 ein Brief aus einem bisher nicht eindeutig lokalisiertenJakobskloster an den Böhmenkönig zurückgeht - und der sicheren Bezeugung bzw. Gründung des Irenklost ers St. Jakob in Regensburg abseits von Weih St. Peter erst danach, in der Zeit der frühen Kreuzzugsbewegung, ist noch zu handeln, und auch über die jetzt erst bedeutende Attraktivität der angeblich so ungeheuer vielen (30.000 nach der späteren Legende) Heidenschlachttoten in Regensburg; siehe vorläufig zum Komplex FLACHENECKER, St. Jakob (wie Anm. 4) S. 154 und oben Anm. 4 u. 52. 86 Vgl. etwa SHAW, Die Funktion Karls (wie Anm. 1) S. 196. 87 Vgl. Anm. 80 u. SCHENK ZU SCHWEINSBERG, Die letzte Schlacht (wie Anm . 45). <?page no="182"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 182 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 182 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 170 Ernst Erich Metzner En Ratisbona, el recuerdo poco claro por la confusi6n de Carlos Martell con Carlomagno se codific6 en el monasterio irlandes o ,escoces' de Santiago, que tiene su origen en un establecimiento ,escoces' del siglo XI al lado de una iglesia ya existente mas antigua y entretanto desaparecida desde hace mucho tiempo llamada ,Weih St. Peter'. EI recuerdo se codific6 alrededor de 1245 y los aiios siguientes en una cr6nica monastica mucho mas extensa, versificada en aleman en el siglo XIV por personas del entorno monastico. Segun los versos el monasterio ,Weih St. Peter' fue traspasado muy pronto a los irlandeses y refundado por Carlomagno despues de la segunda batalla contra los gentiles en el ,collis victoriae', la colina de la victoria, a las afueras de la ciudad antigua, en el enterramiento de los cafdos en la batalla decisiva contra los gentiles en Baviera. En consecuencia se le atribuy6 al monasterio ,escoces' de Santiago una prehistoria carolingia. Pero parece que en Ratisbona no solo se conmemora la historia militar de 725 y 728 en Baviera, sino tambien el recibimiento triunfal de la reina durante la segunda guerra en 728 (documentada hist6ricamente: ,Swanahild') y el nacimiento de un hijo llamado Carlos (conocido hist6ricamente solo por su apodo, ,Grifo'). Las actividades de San Erhardo y la fundaci6n de los dos monasterios de Niedery Obermünster en Ratisbona y las actividades de un legado papal llamado Apollonius se basan muy probablemente en hechos hist6ricos. Santiago, quien no es nombrado explfcitamente en los textos de Ratisbona, aparece allf como auxiliador victorioso vestido de blanco montando un caballo blanco al final de la segunda y decisiva batalla contra los gentiles bavaros o bien ,indfgenas'. Al parecer los autores irlandeses de la cr6nica monastica latina introdujeron al personaje alrededor de 1250, siguiendo el ejemplo del concepto espaiiol de ,Matamoros', que empez6 a extenderse en aquel tiempo. La intenci6n era incluir al patrono en el legendario triunfo contra los gentiles en Ratisbona y explicar la elecci6n del patrono del nuevo monasterio, que suplantaba una iglesia consagrada a San Pedro y, mas tarde, a Santa Marfa. <?page no="183"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 183 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 183 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Der Deutsche Orden und der Jakobuskult UDO ARNOLD 1984 hat Klaus Herbers in seiner Arbeit über den J akobuskult des 12. Jahrhunderts allgemeine Verbindungslinien zu den Templern gezogen als Ritterorden, der gemeinsame ideelle Ziele mit der spanischen Reconquista hatte, und damit für die Folgeliteratur auch vage Parallelschlüsse auf den Deutschen Orden zugelassen 1. Denn ein solcher Ansatz konnte leicht über die Gemeinsamkeit von Templern und Deutschem Orden als Kreuzzugsorden Jakobuskult und Deutschen Orden miteinander verbinden, bedurfte jedoch der näheren Untersuchung. Was bei Herbers offen blieb, allenfalls zwischen den Zeilen stand, war im selben Jahr für Robert Plötz Gewißheit. Er ging für Jakobus von einem „großen Ansehen gerade auch beim Deutschen Orden" aus 2 • In dieser Meinung vorausgegangen war ihm die für Franken nach wie vor grundlegende, drei Jahrzehnte ältere Darstellung von Gerd Zimmermann, der von „engen Beziehungen" spricht 3 . Gestützt wurde eine solche Meinung durch die Ausführungen Niels von Holsts, der J akobus zu einem staufischen Reichsheiligen, "als Schirmherr deutscher Kreuzzüge gegen Wenden, Prussen und Liven bis in den Ostseebereich" hochstilisierte, wobei die enge Verbindung zwischen Staufern und Deutschem Orden nur allzu bekannt war; allerdings basierte wie bei von Holst üb- 1 Vgl. Klaus HERBERS, Der Jakobuskult des 12. Jahrhunderts und der „Liber sancti Jacobi". Studien über das Verhältnis zwischen Religion und Gesellschaft im hohen Mittelalter (Historische Forschungen 7, Wiesbaden 1984) S. 156-163 . 2 Robert PLÖTZ, Santiago-peregrinatio und Jakobus-Kult mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Frankenlandes (Spanische Forschungen der Görresgesellschaft 1, Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 31, Münster 1984) S. 24-135, hier S. 82. 3 Vgl. Gerd ZIMMERMANN, Patrozinienwahl und Frömmigkeitswandel im Mittelalter, dargestellt an Beispielen aus dem alten Bistum Würzburg (phil. Diss. Würzburg 1951), Würzburger Diözesan-Geschichtsblätter 20 (1958) S. 24-126 und 21 (1959) S. 5-124, hier 21, S. 85; ihm folgt Peter RüCKERT,Die Jacobuskirche in Urphar, Wertheimer Jahrbuch (1993) S. 9-31. <?page no="184"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 184 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 184 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 172 Udo Arnold lieh seine Aussage mehr auf Fantasie als auf Belegen 4• Das an Holst orientierte Ergebnis, vermehrt um die unkritisch betrachteten Beispiele Nürnberg, Rothenburg und Winnenden, lautete dann vor gut einem Jahrzehnt bei Bernhard Graf, daß „die Intentionen des Deutschen Ritterordens imJakobuskult präfiguriert waren" 5• So wundert es gar nicht, wenn Aleksandra Witkowska jüngst fesstellte: "Manche Ritterorden, so z.B. der Deutsche Orden, haben Jakobus zu ihrem Schutzheiligen gewählt."6 Allerdings hatte sich Manuel Santos Noya bereits 1995 schon deutlich zurückgehalten 7, denn Magda Fischer führte gleichzeitig die Überlegungen ihrer Vorgänger auf ein konkretes Quellenfundament zurück und resümierte, daß der Deutsche Orden „keine eigenständige Jakobusverehrung hatte und auch den Kult nicht gezielt förderte" 8• Sie verwies darauf, daß ein breiteres Untersuchungsspektrum nötig wäre, um die Frage eindeutiger zu klären 9; ein Schritt dazu soll hier unternommen werden. Ausgangspunkt ist der Gesamtorden, auf regionale Fragen wird in zweiter Linie eingegangen werden. Regel, Gesetze und Gewohnheiten des Ordens stammen in der überlieferten Form aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. In den Gewohnheiten wird dem Meister und den Komturen aufgegeben, keine einsamen Entscheidungen zu treffen, sondern sich mit den Brüdern zu beraten, und dabei auf das Vorbild der Apostel verwiesen 10• Als Beispiel neben anderen wird die Bischofs- 4 Niels VON HOLST,Der Deutsche Ritterorden und seine Bauten, von Jerusalem bis Sevilla, von Thorn bis Narwa (Berlin 1981) S. 20; sehr viel zurückhaltender Klaus HERBERS, "Wol auf sant Jacobs straßen! " Pilgerfahrten und Zeugnisse des Jakobuskults in Süddeutschland (Ostfildern 2002) S. 39 f. 5 Bernhard GRAF,Oberdeutsche Jakobsliteratur. Eine Studie über den Jakobskult in Bayern, Österreich und Südtirol (Kulturgeschichtliche Forschungen 14, München 1991) S. 120. 6 Aleksandra WITKOWSKA, Das Patrozinium des hl. Apostels Jakobus in der mittelalterlichen Diözese Krakau, in: Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa. Austausch - Einflüsse - Wirkungen, hg. von Klaus HERBERS/ Dieter R. BAUERQakobus-Studien 12, Tübingen 2003) S. 113-136, hier S. 130. 7 Vgl. Manuel SANTOSNOYA, Zeugnisse des Kultes in Patrozinien, Hospizen und Bruderschaften, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland. Kuhgeschichte in regionaler und europäischer Perspektive, hg. von Klaus HERBERS/ Dieter R. BAUERQakobus- Studien 7, Tübingen 1995) S. 29-44, hier S. 35. 8 Magda FISCHER, Jakobus ein Deutschordenspatron? , in: Der Jakobuskult in Süddeutschland, hg. von HERBERS/ BAUER(wie Anm. 7) S. 129-142, hier S. 142. 9 Vgl. FISCHER, Jakobus (wie Anm. 8) S. 130, Anm. 5. 10 Vgl. Die Statuten des Deutschen Ordens, ed. Max PERLBACH(Halle 1890, ND Hildesheim 1975) Gewohnheit 7, S. 96. <?page no="185"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 185 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 185 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Der Deutsche Orden und der Jakobuskult 173 einsetzung durch die Apostel angeführt, und hierbei in der lateinischen Fassung wie auch in der altfranzösischen ein Jacobus genannt. Dabei dürfte es sich um J acobus iustus handeln, den Bruder Christi laut Matthäus 13,55 und Markus 6,3, der gemäß alter Tradition als erster Bischof von Jerusalem und Oberbischof der Christenheit galt 11. Die lateinische Fassung der Deutschordensregel ist wohl die ursprüngliche, auch wenn uns keine Handschrift des 13. Jahrhunderts überliefert ist. Von ihr sind das altfranzösische Exemplar sowie die niederländischen und deutschen Handschriften abgeleitet, deren älteste, eine deutsche, auf 1264 datiert ist. Es ist nicht anzunehmen, daß die vier unabhängig voneinander überlieferten lateinischen und die französische Handschrift den Bischof Jakob interpoliert haben, doch hat sowohl die niederländische als auch die deutsche Überlieferung ihn aus welchem Grund auch immer fortgelassen. Das jedoch ist die einzige Jakobserwähnung, die die Ordensstatuten kennen. Eine Präfiguration durch den Kult des hl. Apostels im Sinne Grafs hätte sich deutlicher niederschlagen müssen, andere Vorbilder waren also für die Verfasser der Statuten wichtiger . Boten die Statuten eine normative Quelle, so steht der liturgische Kalender auch wenn er ähnlich normativ zu sehen ist einer sich wandelnden Lebenswirklichkeit der Ordensbrüder vielleicht näher, galten die Statuten doch das ganze Mittelalter über unverändert als Grundlage des Ordenslebens und erfuhren erst zu Beginn des 17. Jahrhundertseine Neufassung 12• Allerdings darf hier Jakobus nicht alleine betrachtet werden, sondern ist in den Kreis seiner Mitapostel einzureihen. Der heute gültige liturgische Eigenkalender des Deutschen Ordens bietet nur wenige Besonderheiten gegenüber dem allgemeinkirchlichen Kalender. Das beruht darauf, daß seit dem 16. Jahrhundert im Gefolge des Konzils von Trient die Vereinheitlichungstendenz innerhalb der römischen Kirche am Deutschen Orden nicht vorbeiging. Nach der Liturgievereinheitlichung durch das Missale Romanum 1570 wurde unter 11 D en Hinweis verdanke ich einer aufmerksamen Zuhörerin. Vgl. Lexikon für Theologie und Kirche 5 (Freiburg i. Br. 3 1996) Sp. 720. 12 Vgl. Udo ARNOLD, Deutschordensregeln und -Statut en, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 2 (Berlin 2 1979) Sp. 71-74; DERS., Regelentwicklung und Türkenkriege beim Deutschen Orden, in: Dienst für die Geschichte . Gedenkschrift für Walther Hubatsch, hg. von Michael SALEWSKI/ Josef SCHRÖDER (Göttingen 1985) S. 25-40; auch in: Die Regeln des Deutschen Ordens in Geschichte und Gegenwart, hg. von Ewald VOLGGER(Lana 1985) S. 125-146; 800 Jahre Deutscher Orden. Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg in Zusammenarbeit mit der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens (Katalog), hg. von Gerhard BOTT/ Udo ARNOLD (Gütersloh / München 1990) S. 345-355 . <?page no="186"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 186 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 186 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 174 Udo Arnold Hochmeister Karl von Österreich (1619-1624) endgültig die römische Liturgie übernommen. Erst allmählich kamen Regionalpropria der Diözesen bzw. Eigenkalender der Orden wieder in Gebrauch, gefördert durch das Zweite Vatikanische Konzil 13. Die Abweichungen halten sich jedoch in Grenzen und betreffen nur wirkliche Besonderheiten der Diözesen bzw. Orden. Davon werden beim Deutschen Orden die Apostel nicht berührt, so daß Jakobus keine Sonderbehandlung erfährt, es sei denn, er wäre Titelheiliger einer Ordenskirche wie in Ormoz (Friedau) in Slowenien 14. Besonderheiten im Hinblick auf einzelne Heilige sind dementsprechend sofern es sich nicht um die eigentlichen Deutschordenspatrone Maria, Elisabeth und Georg handelt 15 nur im mittelalterlichen Ordenskalender zu erwarten. Er kennt 14 Apostel, doch daran sollten wir uns nicht stören, auch wenn an anderer Stelle die Ordensregel von der symbolischen Zwölfzahl der Apostel ausgeht 16. Denn die Zwölfzahl ist einerseits nicht ursprünglich, andererseits weichen auch die Evangelien in der Benennung der Apostel voneinander ab, so daß ein heutigen Erkenntnissen entsprechendes Ergebnis vom mittelalterlichen Deutschen Orden nicht erwartet werden kann. Das Bild der Zeit um 1500 bietet Hermann Grotefend 17. Er stützt sich auf sieben Kalender aus der Zeit von 1498 bis 1519. Die Zahl der als totum duplex, also mit dem höchsten Rang ausgezeichneten Feste erreicht insgesamt 17. Darunter findet sich nur ein Apostel, Johannes (27. Dezember), dessen Oktav (3. Januar) auch noch mit drei lectiones begangen wird. Alle anderen 13 800 Jahre Deutscher Orden, hg. von Borr / ARNOLD(wie Anm. 12) S. 412. 14 Vgl. Direktorium des Ordens vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem. Liturgischer Eigenkalender. Kirchenjahr 2002/ 2003 (Wien 2002) S. 189 zum 25. Juli. 15 Vgl. Udo ARNOLD, Elisabeth und Georg als Pfarrpatrone im Deutschordensland Preußen. Zum Selbstverständnis des Deutschen Ordens, in : Elisabeth, der Deutsche Orden und ihre Kirche. Festschrift zur 700jährigen Wiederkehr der Weihe der Elisabethkirche Marburg 1983, hg. von Udo ARNOLD/ Heinz LIEBING(Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 18, Marburg 1983) S. 163-185; polnische Fassung : Elibieta i Jerzy jako patroni parafii w panstwie zakonu niemieckiego w Prusash. 0 samowiedzy zakonu niemieckiego, in: Udo ARNOLD,Zakon krzyzacki z Ziemi Swietyj nad Bahyk (Torun 1996) S. 130-159; Udo ARNOLD,Georg im Deutschen Orden bis zur Regelreform im 17. Jahrhundert, in: Sankt Georg und sein Bilderzyklus in Neuhaus/ Böhmen Qindrichuv Hradec). Historische, kunsthistorische und theologische Beiträge, hg. von Ewald VOLGGER(Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 57, Marburg 2002) S. 161-171. l6 Vgl. Statuten (wie Anm. 10), Regel 13, S. 41 (symbolische Größe des Konvents: Komtur und 12 Brüder); Gewohnheit 4, S. 92-94 (Gremium der Meisterwahl: Wahlleiter und 12 Kooptierte) . 17 Hermann GROTEFEND, Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit 2, 2 (Hannover 1898, ND Aalen 1970) S. 27-30. <?page no="187"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 187 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 187 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Der Deutsche Orden und der Jakobuskult 175 Apostel kennen nur den Festesrang duplex, wobei Petrus in der Oktav (6. Juli) zusätzlich mit neun lectiones und Andreas in der Oktav (7. Dezember) noch mit einer commemoratio bedacht wird 18• Allerdings sollte man vorsichtig sein, hieraus bereits Schlüsse zu ziehen, da Grotefends Quellenbasis recht schmal ist, nur drei Handschriften datiert sind und bis auf eine ihre Herkunft offenbleibt. Festeren Boden betreten wir bei Max Perlbach in der Edition der Deutschordensstatuten 19. Die von ihm der Edition zugrundegelegten Handschriften geben sämtlich die Fassung des Ordensbuches vor der Revision von 1442 wieder, die in der vorliegenden Form bald nach 1244 entstand 20 . In drei niederländischen und dreizehn deutschen Handschriften geht der eigentlichen Regel der Kalender voran 21. Das bereits bei Grotefend vorhandene Bild wird hier grundsätzlich bestätigt: Die Apostel erhalten den Festesrang duplex, nur Barnabas erhält IX lectiones. Für Jakobus allgemein bedeutet dies, daß er keinerlei herausgehobene Position gegenüber den übrigen Aposteln in der Deutschordensliturgie erfuhr 22 . Eine genauere Durchsicht der Abweichungen in den zugrundeliegenden 16 Handschriften wurde nicht für alle Apostel vorgenommen, sondern auf Jakobus konzentriert. Das Ergebnis ist recht unterschiedlich. Bei rund der Hälfte der Handschriften zeigen sich Abweichungen: drei haben duplex und IX lectiones, vier haben semiduplex und zwei nur IX lectiones. Das ist grundsätzlich nichts Besonderes und bei allen Aposteln zu beobachten, mit Ausnahme von Johannes, dessen Festesrang von totum duplex Ende des 13./ zu Beginn des 14. Jahrhunderts im niederrheinisch-niederländischen Raum mit zusätzlich IX lectiones eine Erhöhung erfuhr, und bei der Oktav noch eine Erhöhung von drei auf neun lectiones 23 . Für die übrigen Apostel ergibt sich ein 18 Die Rangfolge der Feste lautet: totum duplex, duplex, semiduplex, novem lectionum, trium lectionum, commemoratio; vgl. GROTEFEND, Zeitrechnung des deutschen Mittelalters (wie Anm. 17) S. 30. 19 Statuten (wie Anm . 10). 20 Vgl. Anm. 12. 21 Vgl. Statuten (wie Anm. 10) S. 1-12; eine allgemeine Auswertung bei Josef LINK,Ein interessantes Kalendarium des D eutschen Ritterordens aus dem XIII. Jahrhundert . Liturgiegeschicht! iche Studie, Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 13 (1938) s. 57-68. 22 Das wird bestätigt bei Bernhart JÄHNIG,Festkalender und Heiligenverehrung beim Deutschen Orden in Preußen, in : Die Spiritualität der Ritterorden im Mittelalter, hg. von Zenon Hubert NOWAK(Ordines militares. Colloquia Torunensia Historica 7, Torun 1993) S. 177-187, hier S. 181. 23 Zusätzlich IX lectiones in Hs. d2 (Ende 13.Jh., Niederrhein, vielleicht Ballei Biesen) und d4 (Anfang 14. Jh ., ebd.); Erhöhung der Oktav in Hs. H (14. Jh., Kommende Ottmarsum) und d2; vgl. die Lesarten bei Statuten (wie Anm . 10) S. 175. <?page no="188"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 188 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 188 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 176 Udo Arnold eher uneinheitliches Bild, für das auch keine zeitliche oder regionale Tendenz auszumachen wäre. Für Jakobus ist das Bild ebenfalls uneinheitlich: sowohl eine Aufwertung mit duplex und zusätzlich IX lectiones als auch Abwertung als semiduplex oder gar IX lectiones. Eine regionale Tendenz ist nicht feststellbar. Ob dahinter wirtschaftliche Gründe stehen, ist noch schwieriger zu ermitteln: Die Wertigkeit des Festes hatte entsprechende Auswirkungen. Denn ab semiduplex aufwärts handelte es sich um ein festum fori, an dem die Arbeit ruhte; niedrigere Einreihung bedeutete ein festum chori, welches nur innerhalb der Kirche begangen wurde und keine Auswirkungen auf die Arbeit hatte. Das betraf weniger die Ordensbrüder als vielmehr alle mit Dienstleistungen für den Orden betrauten Personen. Somit hätte die Rückstufung eines Festes auf IX lectiones durchaus positive wirtschaftliche Auswirkungen für den Orden gehabt. Mit größter Vorsicht ist vielleicht zu vermuten, daß einige ältere Handschriften den eher niedrigeren Festesrang haben, die Mehrheit - und jüngeren den höheren 24. Allerdings erlaubt die Quellenlage keineswegs den Schluß, daß im 13. Jahrhundert die Rolle des Apostels Jakobus d. Ä. im Deutschen Orden eine allmähliche Aufwertung erfahren habe, weder im Vergleich mit den übrigen Aposteln noch als Einzelperson. Dieser Befund deckt sich mit der Feststellung Fischers, die Jakobus „in der den Aposteln zukommenden Stellung" sieht, nicht jedoch in irgendeiner Form herausgehoben 25. Das gilt auch für die literarische Überlieferung, worauf Fischer bereits hingewiesen hat 26. Natürlich sind im "Passional", einer wohl in Preußen entstandenen Deutschordensdichtung um 1300, im zweiten Buch die Apostel (Petrus, Johannes, Paulus, Andreas und Jakobus) berücksichtigt, anhand der als Quelle ermittelten „Legenda aurea", doch ragt auch hier Jakobus nicht besonders heraus, wenngleich Karl Helm und Walther Ziesemer einen Teil der Jakobslegende infolge Umsetzung in direkte Rede als „besonders eindrucksvoll" charakterisieren 27. Die 24 Hs . bl (1264), d2 (Ende 13.Jh.), d5 (Ende 13.Jh.? ), w6 (14.Jh .) haben semiduplex; vgl. Statuten (wie Anm. 10) S. 172 mit allerdings nicht eindeutigen Lesarten, da dort für bl und d2 auch IX lectiones angegeben sind. 25 Vgl. FISCHER, Jakobus (wie Anm . 8) S. 131. 26 Vgl. FISCHER,Jakobus (wie Anm. 8) S. 131. 2 7 Karl HELM/ Walther ZIESEMER, Die Literatur des Deutschen Ritterordens (Gießener Beiträge zur deutschen Philologie 94, Gießen 1951) S. 60. Edition : Das alte Passional, ed. K[arl] A[ugust] HAHN (Frankfurt a. M. 1845); die dort fehlendenJakobslegenden ed. C. KLÄDEN,Ueber die im Besitze v. d. Hagen's befindliche Handschrift des Passionals, Germania 7 (1846) S. 249-273, hier S. 252-272 und Ignaz ZINGERLE,Über zwei tirolische Handschriften, Zeitschrift für deutsche Philologie 6 (1875) S. 13-33, hier S. 14-29. <?page no="189"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 189 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 189 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Der Deutsche Orden und der Jakobuskult 177 Apostelgeschichte, einer wohl ebenfalls im Deutschen Orden in Preußen in Teilen entstandenen deutschen Prosabibel des 14. Jahrhunderts zugehörig, bietet keinerlei Heraushebung, die eine besondere Wertschätzung von J akobus vor den anderen Aposteln zeigen würde 28 . Was für die theologischen Werke festzustellen ist, gilt ebenso für die historischen. Auch hier ist auf die preußische Überlieferung zurückzugreifen, da die livländische bei weitem nicht so ausgeprägt war und der Ordenszweig im Reich erst am Ende des 15. Jahrhunderts mit einer eigenen Historiographie einsetzte 29 . Am ehesten könnte man bei der preußischen Chronik des Peter von Dusburg von 1326, die voll von biblischen und symbolischen Bezügen ist, eine Hervorhebung des Apostels erwarten; doch auch hier ist nichts zu finden 30. Ein guter Spiegel des Ordensselbstverständnisses findet sich in seinen Siegeln. Es gibt wohl kaum eine andere Institution mit einer solchen Siegelvielfalt, verfügte doch jeder Amtsträger über ein eigenes Amtssiegel. Bis auf ganz wenige Dubletten zeigen alle Siegel unterschiedliche Bilder. Das Bildprogramm ist primär christologisch und mariologisch geprägt. Für einen Orden, der sich in unmittelbarer Christusnachfolge sah und die Gottesmutter als älteste und Hauptheilige verehrte, wundert das nicht 31. Jakobus begegnet uns nur auf dem Siegel des Komturs von 28 Der Apostele tat, in: Eine ostdeutsche Apostelgeschichte des 14. Jahrhunderts, ed. Walther ZIESEMER(Altdeutsche Textbibliothek 24, Halle 1927) S. 23-106. 29 Vgl. Udo ARNOLD,Literatur und Kunst im Leben des Deutschen Ordens in Livland, in: Der Deutsche Orden in Livland, hg . von Norbert ANGERMANN, erscheint demnächst; DERS.,Deutschordenshistoriographie im Deutschen Reich, in: Die Rolle der Ritterorden in der mittelalterlichen Kultur, hg. von Zenon Hubert NOWAK(Ordines militares . Colloquia Torunensia historica 3, Torun 1985) S. 65-87. 30 Vgl. Peter von Dusburg, Chronicon terrae Prussiae, ed. Max TOEPPEN(Scriptores rerum Prussicarum 1, Leipzig 1861, ND Frankfurt/ M . 1965) S. 3-219; Abdruck dieses lateinischen Textes mit deutscher Übersetzung, jedoch reduziertem Apparat: Petri de Dusburg, Chronica terre Prussie, edd . Klaus SCHOLZ/ Dieter WOJTECKI(Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 25, Darmstadt 1984). 31 Vgl. die umfangreichen Zusammenstellungen in: 800 Jahre Deutscher Orden, hg. von BOTT/ ARNOLD(wie Anm. 12) S. 368-405; Kreuz und Schwert . Der Deutsche Orden in Südwestdeutschland, in der Schweiz und im Elsaß. Ausstellungskatalog Schloß Mainau (Mainau 1991) S. 152-162; Ritter und Priester . Acht Jahrhunderte Deutscher Orden in Nordwesteuropa. Ausstellung der Landcommanderij Aiden Biesen und des Vlaams Commissariaat-Generaal voor Toerisme in Zusammenarbeit mit der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens und dem Historisch Studiecentrum Aiden Biesen (Katalog), hg. von Udo ARNOLDu . a. ([Aiden Biesen] 1992) S. 26-39; Hans-Georg BOEHM,Siegel des Deutschen Ordens [Bad Mergentheim 1989]; völlige Neubearbeitung: DERS., Siegel des Deutschen Ordens von Akkon bis Mergentheim (Schriftenreihe Wissenschaftliche Vereinigung für den Deutschen Orden e.V. - Historische Deutschorden-Compagnie zu Mer gentheim 1700 e.V. 21/ 22, Bad Mergentheim 2002). <?page no="190"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 190 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 190 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 178 Udo Arnold Rothenburg, was mit dem Patrozinium der vom Orden betreuten Stadtpfarrkirche zusammenhängt; dazu verweise ich auf die Ausführungen von Karl Borchardt 32. Nur soviel sei gesagt, daß hier das Siegelbild geradezu zwingend war, daß der Orden gar kein anderes wählen konnte. Dasselbe ist für das Jakobussiegel des Ordenshospitals und der Kommende in Nürnberg und die Kommende in Winnenden festzustellen33. übernahm der Orden eine ältere Pfarrkirche oder ein bereits bestehendes Hospital, so war er an das Patrozinium gebunden und übernahm die Heilige oder den Heiligen auch auf sein Siegelbild, wie etwa Johannes den Täufer in Siersdorf (Ballei Biesen), Katharina in Köln (Ballei Koblenz), Petrus in Leiden, Walburga in Tiel, Kunera in Rhenen und Nikolaus in Schoten (alle Ballei Utrecht), Petrus in Köniz und Stephan in Kaysersberg (beide Ballei Elsaß-Burgund) 34. Wo er jedoch die freie Wahl hatte, kommt Jakobus nicht vor. Damit sind bereits die Patrozinien angesprochen, und zwar sowohl die des gesamten Sakralbaus als auch einzelner Altäre. Die Patrozinienforschung ist unterschiedlich gut entwickelt. Für den Deutschen Orden insgesamt wie auch regional sind wir weit von einer entsprechenden Zusammenstellung für die Kommendenkapellen, Hospitäler, Pfarrkirchen und der in ihnen vorhandenen Altäre entfernt. Daher bleibt für Jakobus immer noch auf Nürnberg, Rothenburg und Winnenden zu verweisen, die aber ihr Patrozinium wohl alle bereits vor der Ordenszugehörigkeit trugen, welches dann vom Orden übernommen und weitergeführt wurde 35. Natürlich hätte ein Patrozinienwechsel erfolgen können, wie es Weiß z . B. für die Pfarrkirchen in Aichach und Sondernohe vermutet, von Veit zu Maria 36, doch wäre dies bei einer bedeutenden Pfarrkirche wie Rothenburg oder einem auf Legate angewiesenen, bekannten Hospital wie Nürnberg sicher nicht sonderlich geschickt gewesen, wobei auch seitens des Ordens eigentlich kein Grund bestand. Immerhin gehörte Jakobus zu den Aposteln und genoß einen guten liturgischen Rang innerhalb des Ordens, und wenn schon keine besondere Förderung durch den Orden zu konstatieren ist, so doch 32 In diesem Band S. 25-66. 33 Zu den Siegeln vgl. 800 Jahre Deutscher Orden, hg. von ARNOLD/ Borr (wie Anm. 12) S. 397f. (Rothenburg) und S. 399f. (Nürnberg); Kreuz und Schwert (wie Anm . 31) S. 162 (Winnenden); jeweils mit Abbildung. Vgl. unten S. 185-188. 34 Vgl. die Zusammenstellungen in Anm. 31. 35 Ein Sonderfall könnte Winnenden sein; vgl. unten S. 187f. 36 Vgl. Dieter J. WEISS,Die Geschichte der Deutschordens-Ballei Franken im Mittelalter (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte IX/ 39, Neustadt/ Aisch 1991) S. 343. <?page no="191"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 191 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 191 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Der Deutsche Orden und der Jakobuskult 179 auch keine grundsätzliche Abneigung, die zu einem Patrozinienwechsel gegen Jakobus hätte führen können. Was sich für den Orden im Reich bereits zeigte, gilt für Preußen und Livland noch mehr. Die Patrozinien der Burgkapellen des Ordens und ihrer Altäre sind bislang nicht systematisch untersucht; nur für die spezifischen Ordensheiligen Elisabeth und Georg liegt ein Ansatz vor 37. Besser ist es um die Patrozinien der Pfarrkirchen, Kapellen und städtischen Hospitäler sowie zum Teil Niederlassungen der Bettelorden bestellt. In ihrer älteren Dissertation listet Erika Tidick für Preußen gut 300 Patrozinien auf3 8• Davon entfallen etwas mehr als 60 auf die Apostel, wovonJakobus mit 15 eventuell nur von Johannes übertroffen wird - 14 sind eindeutig dem Apostel Johannes zuzuschreiben, bei 5 ist das unklar-, aber Bartholomäus mit 10, Petrus und Paulus gemeinsam mit 9, Andreas mit 8 und Philippus undJakobus d.J. gemeinsam mit 5 deutlich hinter sich läßt. Allerdings liegt Jakobus keineswegs an der Spitze. Vor ihm rangieren Maria mit 40, Nikolaus mit 35, Katharina mit 24 und Anna mit 18 Nennungen3 9. Sicher ist hiermit keine Vollständigkeit erreicht, doch wird die Relation erkennbar, welche Heilige im Lande besondere Verehrung genossen. Betrachten wir die Jakobuspatrozinien genauer, dann handelt es sich fast ausschließlich um Pfarrkirchen und deren Filialen; eine Wallfahrtskirche, eine Klosterkirche und ein Siechenhaus fallen nicht ins Gewicht 40 . Pfarrkirchen wurden jedoch nicht vom Deutschen Orden gegründet und unterhalten, das war Angelegenheit der jeweiligen Gemeinde. Dementsprechend hatte der Orden auch kaum einen Einfluß auf die Wahl des Patroziniums, die viel eher von der Herkunftsregion der Siedler oder der jeweiligen Diözese beeinflußt werden konnte. Die Streuung nach Diözesen bzw. Landesteilen in Preußen ist jedoch recht gleichmäßig: Ermland 3, Pomesanien 3, Pommerellen 3, Kulm 2 und Samland 1. Somit kann von einer Ordensnähe oder -ferne wohl auch nicht gesprochen werden. Diese Streuung schließt aber auch eine Bevorzugung des J akobskultes infolge Herkunft der Siedler aus einer bestimmten Region aus. Bleibt also die relative Beliebtheit Jakobs als Pfarrpatron in Preußen immerhin 4 % aller erfaßten Patrozinien hinsichtlich der Motivation zu seiner Wahl unklar, 37 Vgl. Anm. 15. 38 Erika TIDICK, Beiträge zur Geschichte der Kirchen-Patrozinien im Deutschordenslande Preußen bis 1525 (Diss. Königsberg 1925), Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 22 (1926, ND Münster 1992) S. 343-464. 39 Vgl. TIDICK, Kirchen-Patrozinien (wie Anm. 38) S. 437-455. 40 Vgl. TIDICK, Kirchen-Patrozinien (wie Anm. 38) S. 444 f. <?page no="192"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 192 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 192 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 180 Udo Arnold so läßt sich doch festhalten, daß es kaum Ordenseinfluß gewesen sein dürfte, der zur Wahl eines Jakobspatroziniums führte. Natürlich war Jakob innerhalb der gesamten Apostelschar, wie sie in manchen Kirchen als Fresken oder als Statuen in Form des Apostelgesprächs in Chor oder Langhaus anzutreffen war, auch beim Deutschen Orden vertreten, nicht zuletzt in der Konventskapelle des Hoch schlosses der Marienburg 41. Doch eine Heraushebung geschah damit nicht. Ebenso dürfte er auf manchen Altären anzutreffen gewesen sein, wenngleich wir davon wenig wissen. So verweist Ryszard Knapinski auf ein Tryptichon aus der Werkstatt des Meisters der schönen Madonnen um 1430 in der Danziger Marienkirche, in dem Christus vier Apostel in die Welt hinaussendet, u.a. Jakobus 42. Dieser Martinsaltar wurde auch Zwölfapostelaltar der Schneider genannt, was auf einen Zunftaltar, also bürgerliche Stiftung schließen läßt 43. Das korrespondiert mit der Feststellung von Elisabeth Vavra, daß die Stifter von Flügelaltären mit Jakobusdarstellung oftmals Bürger waren, deren Motive zur Wahl des dargestellten Themas meist im Dunkeln bleiben. "Abgrenzungen z.B . im Hinblick auf den Einfluß des Deutschen Ordens sind bei zukünftigen Forschungen sicher noch zu ziehen. Hier scheinen sich des öfteren Interessen der Bürgerschaften und des Ordens zu über kreuzen ." 44 Ein besonders gutes Zeugnis aus dem Orden hat sich erhalten, ein Schreinaltar aus Tenkitt en von 1504, heute in der Marienburg. Er ist neuerdings einer Königsberger Werkstatt zugeschrieben und zeigt im Mittelschrein die Schnitzfiguren einer Marienkrönung mit Gottvater und Christus, in den Flügeln flankiert von Barbara und Jakobus, während auf den Außenflügeln die Leidensgeschichte des hl. Adalbert dargestellt ist, dem die Tenkitter Kirche geweiht war 45. Den Altar stifteten wohl der Hochmeister Friedrich von Sachsen und zwei unter den Heiligen durch ihre 41 Vgl. 800 Jahre Deutscher Orden, hg. von Borr / ARNOLD(wie Anm. 12) S. 102 mit Abbildung des Jakobuskopfes . 42 Vgl. Ryszard KNAPINSKI, Vom Apostel zum Pilgerpatron . Die Ikonographie des hl. Jakobus in der polnischen Kunst, in : D er Jakobusku! t in Ostmitteleuropa, hg. von HERBERS/ BAUER(wie Anm. 6) S. 93-111, hier S. 98 f. 43 Vgl. Karl Heinz CLASEN, Die mittelalterliche Bildhauerkunst im Deutschordensland Preußen . Die Bildwerke bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts 1 (Berlin 1939) S. 304, Nr . 62. 44 Elisabeth VAVRA, Zur Darstellung des HI. Jakobus auf spätgotischen Flügelaltären und seiner Bedeutung für das Bürgertum, in: Stadt und Pilger. Soziale Gemeinschaften und Heiligenkult, hg. von Klaus HERBERSQakobus-Studien 10, Tübingen 1999) S. 17-28, hier S. 26f . 45 Vgl. 800 Jahre Deutscher Orden, hg. von Borr / ARNOLD(wie Anm. 12) S. 123 mit Farbtafel. <?page no="193"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 193 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 193 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Der Deutsche Orden und der ]akobuskult 181 Wappen gekennzeichnete Ordensritter. Das Schreinprogramm wurde mit Ordensbezügen erläutert: Maria als Hauptpatronin, Barbara im Orden besonders geschätzt infolge des als wichtige Reliquie in Preußen vom Orden verehrten Hauptes der Heiligen sowie der Übertragung des Jakobskultes ins Ordensland im 13. Jahrhundert. Das ist sicher zutreffend, doch wird die Ordensnähe des Apostels nicht mit jener Kultübertragungneben der vieler anderer Heiliger in ein bisher heidnisches Land zu erklären sein, sondern im Fall dieses Altares allenfalls mit einer persönlichen Affinität der im übrigen aus Schwaben stammenden Brüder Waiblingen, deren Wappen unter Jakobus angebracht ist. Daß die Ausstattung von Jakobus geweihten Ordenskirchen ihn besonders hervorhob, ist normal. In Rothenburg konnte der Orden über die Ausstattung der Jakobskirche seit dem Pflegschaftsvertrag mit der Stadt von 1336 jedoch nicht mehr alleine bestimmen, also längst bevor 1466 der Zwölfbotenaltar mit der von Friedrich Herlin gemalten Jakobslegende auf den Außenflügeln entstand 46 . Als dem Orden jedoch eindeutig zuzuordnendes Beispiel ist Nürnberg zu nennen. Dort gab es einen Figurenzyklus aus der Zeit des Neubaus der Kirche um 1330/ 40, der teilweise erhalten ist. Er verband eine Dreikönigsgruppe mit den Aposteln und der Muttergottes, wobei Maria den bedeutendsten Platz erhielt, aber auch Jakobus hervorgehoben wurde 47. Wenig später entstand ein Hochaltarretabel, dessen linker Außenflügel die Kreuzigung zeigt, bei der neben Johannes noch Jakobus steht auch dies mit Sicherheit eine Reminiszenz an das Kirchenpatrozinium 48. Schließlich stiftete der fränkische Landkomtur Melchior von Neuneck (1463-1491 ), der seit 1476 ebenfalls die Kommende Nürnberg innehatte und sich wohl in erster Linie dort aufhielt, 1490 ein Altarretabel, dessen Festtagsseite Petrus undJakobus zeigt 49. Eine solche auf den Titelheiligen einer Kirche bezogene Ausstattung war man sich schuldig, alles andere wäre verwunderlich gewesen. Vielleicht kam sogar bei Melchior von Neuneck noch ein individuelles bzw. Familieninteresse anJakobus hin- 46 Vgl. Karl BORCHARDT, Die geistlichen Institutionen in der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber und dem zugehörigen Landgebiet von den Anfängen bis zur Reformation 1 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte IX/ 37, Neustadt/ Aisch 1988) S. 50-53. 47 Vgl. 800 Jahre Deutscher Orden, hg. von BOTT/ ARNOLD(wie Anm. 12) S. 532 f. mit Abbildung der Jakobsstatue. 48 Vgl. 800 Jahre Deutscher Orden, hg. von BOTT/ ARNOLD(wie Anm. 12) S. 534 f. mit Abbildung. 49 Vgl. 800 Jahre Deutscher Orden, hg. von BOTT/ ARNOLD(wie Anm. 12) S. 538. <?page no="194"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 194 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 194 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 182 Udo Arnold zu, wenn man in Betracht zieht, daß eventuell auch der jüngere Winnendener Komtur Heinrich von Neuneck seine Kommendenkirche mit einem Jakobusaltar versah50_ Gerade die individuelle Jakobsverehrung führte überall dazu, daß das Grab des Heiligen Ziel einer Wallfahrt wurde. Nur einige Belege aus Preußen seien angeführt. 1377/ 78 segelte ein Schiff mit Pilgern aus Danzig nach Santiago; die gefährliche Rückreise ist überliefert 51. Um 1400 sollen etwa 12 % der Santiago-Wallfahrer Deutsche gewesen sein; von den 21 namentlich erfaßten „stammten zumindest zwei aus Danzig"52. Der Fortsetzer der Chronik Johanns von Posilge berichtet zu 1417: "Ouch was dys jar eine grose vart zcu senthe Jacob zcu Conpostelle von vil lutin, dy dar zcogin us manchin landin. "53In der Danziger Familienchronik Martin Grunewegs aus der Zeit um 1600, die für das 15. Jahrhundert auf Aufzeichnungen seines Vorfahren, des Krämers Jacob Lubbe zurückgeht, lesen wir: Lubbe „Machede sich auf mit anderer erbarn gottfurchtigen geselschaft nach seinem czwanczigsten jahre [also 1420], vater und mutter segnende und liesz sich mitt ihnen in Hispanien zu seiner lieben patronen grabe." Zu dieser „gottfurchtigen geselschaft" gehörten u. a. ein Priester Adrian von Marienburg wohl ein Weltpriester - und dessen Schwester, die Nonne Gertraud 54. Wir wissen auch von dem Kaufmannsgesellen und späteren Bürger und Kaufmann in Danzig, Christoph Beyer, daß er 1479 mit einem Genossen nach Santiago wallfahrtete: "Item disz yor war zu s. Jacob das gulden yor; do war Christhoff Beier mit Kleisz Vosz hingesigelt in der stillen 50 S. unten S. 187, Anm. 82. 51 Vgl. Die Recesse und andere Akten der Hansetage 1256-1430 3 (Leipzig 1875, ND Hildesheim 1975) Nr. 122, S. 106f.; dazu auch Marie-Luise FAVREAU-LILIE, Von Nord- und Ostsee ans „Ende der Welt" : Jakobspilger aus dem Hanseraum, Hansische Geschichtsblätter 117 (1999) S. 93-130, hier S. 106, S. 109 und bes. S. 112. Auf die Quelle verweisen ebenfalls Hartmut BETIIN / Dietmar VOLKSDORF, Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten als Spiegel bürgerlicher Religiosität, in: Der Jakobusku! t in Ostmitteleuropa, hg . von HERBERS/ BAUER (wie Anm . 6) S. 231-257, hier S. 235. Siehe aber unten Anm . 57. 52 Henryk SAMSONOWICZ, J akobuskult und J akobuswege in Polen, in : Der J akobuskult in Ostmitteleuropa, hg. von HERBERS/ BAUER (wie Anm. 6) S. 75-81, hier S. 78, unter Verweis auf Jeanne VIELLIARD,Pelerins d'Espagne a la fin du Moyen Age, in : Homenatge a Antoni Rubi6 i Lluch (Barcelona 1936) 2, S. 265-300, die Auflistung S. 294-300; wen Samsonowicz mit den zwei Pilgern jedoch meint, ist unklar. 53 Johann von Posilge Fortsetzung (Scriptores rerum Prussicarum 3, Leipzig 1866, ND Frankfurt a. M. 1965) S. 372. 54 Jacob Lubbe's Familienchronik (Scriptores rerum Prussicarum 4, Leipzig 1870, ND Frankfurt a. M. 1965) S. 694; ausgewertet auch bei FAVREAU-LILIE, Von Nord- und Ostsee (wie Anm . 51). <?page no="195"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 195 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 195 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Der Deutsche Orden und der Jakobuskult 183 woche." 55 1516 schließlich gelobte der wegen unbekannter Verfehlungen ins Gefängnis geworfene Fischmeister von Labiau, also ein Angestellter des Ordens, nach seiner Freilassung eine Wallfahrt nach Santiago zu unternehmen 56 • Die Beispiele mögen genügen. Sie verdeutlichen, daß die Wallfahrt nach Santiago de Compostella in unterschiedlichen Bevölkerungsschichten trotz der weiten Entfernung auch in Preußen verankert war. Außerdem erfahren wir, daß es sich, zumindest teilweise, um Gruppenwallfahrten handelte. Oftmals können wir in den Quellen sogar die Gleichsetzung von Spanien mit „St. Jakob" feststellen, auch wenn es sich keineswegs um eine Pilgerfahrt, sondern um Handels- oder sogar Kriegsreisen handelte 57 . Zur Unterstützung der Wallfahrten bildeten sich überall Jakobs- Bruderschaften, so auch in Preußen. Während wir aus dem Ermland vier Bruderschaften kennen allerdings alle erst aus der Zeit nach 1466, als das Ermland nicht mehr zum Ordensland gehörte -, ist uns nur eine Jakobsbruderschaft im Ordensterritorium bekannt, in Rastenburg 1420, eine weitere in Elbing ist sehr zweifelhaft 58 . Bruderschaften an Ordenskirchen hat es viele gegeben, doch sind sie bislang nicht erforscht, so daß man auch dabei auf Zufallsfunde angewiesen ist. An der dem 55 Caspar Weinreichs Danziger Chronik, ed. Theodor HIRSCH (Scriptores rerum Prussicarum 4, Leipzig 1870, ND Frankfurt a. M. 1965) S. 743; vgl. zu Beyer auch Christoph Beyers des älteren Danziger Chronik, ed. Theodor HIRSCH (Scriptores rerum Prussicarum 5, Leipzig 1874, ND Frankfurt a. M. 1965) S. 440-491, hier S. 440. Ausgewertet auch bei FAVREAU-LILIE, Von Nord- und Ostsee (wie Anm. 51). -1487 starb in Amsterdam der Elbinger Bürgermeister Johann Erckel auf der Rückkehr von seiner „wallfahrt" von „s. Jacob zu Compostel"; Peter Himmelreichs Elbinger Chronik, ed. Max TOEPPEN(Die preußischen Geschichtsschreiber des XVI. und XVII . Jahrhunderts 4, 2, Leipzig 1881) S. 51.- Vor ihrer Pilgerfahrt nach Santiago de Compostella hinterlegten Paul Scholtcze (1467) und Cristoffer Thauwer (1498) ihr Testament auf dem Elbinger Rathaus . Vor kurzem wurde in Elbing eine aus Santiago stammende Pilgermuschel ausgegraben, eine von drei im heutigen Polen gefundenen; vgl. Gra: i: yna NAWROLSKA, Dok; ; id pielgrzymowali elbl,i,anie w : i: redniowieczu? Znaki pielgrzymie swiadectwem pobo: i: nych wi; dr6wek [Wohin pilgerten die Elbinger im Mittelalter? Pilgerzeichen als Zeugnis frommer Wanderungen], in : Archaeologia et historia urbana (Elbl,i,g2004) S. 517-527 mit Abb. 2. 56 Regesta historico-diplomatica Ordinis S. Mariae Theutonicorum I/ 3, hg . von Erich JOACHIM/ Walther HUBATSCH(Göttingen 1973) Nr. 20798. 57 Darauf macht zu Recht aufmerksam FAVREAU-LILIE, Von Nord- und Ostsee (wie Anm. 51) S. 106f.; es könnte sehr wohl sein, daß das von ihr zu 1377/ 78 genannte Danziger Schiff auch kein Pilgerschiff war, nennt die Quelle doch nur als Ziel „surrte Jacob in Galliscien", also weder die Danziger Herkunft (nur allgemein „ut Pruzen") noch den Grund der Fahrt. 58 Georg MATERN,Die kirchlichen Bruderschaften in der Diözese Ermland (Braunsberg 1920) S. 91-95. <?page no="196"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 196 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 196 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 184 Udo Arnold Orden inkorporierten Pfarrkirche in Lengmoos in der Ballei an der Etsch und im Gebirge (Bozen) ist 1500 eine Jakobsbruderschaft nachweisbar, die auch 1685 noch bestand. Ihre institutionelle und personale Beziehung zum Orden ist unbekannt 59 . Ordensbrüder, die nach Santiago wallfahrteten, sind vor dem 16.Jahrhundert unbekannt 60• Zum einen bedurften sie des Sündenstrafenablasses dort nicht, da sie sich diesen auf einfacherem Wege erwarben, z.B. durch die Venien (Kniebeugen) bei der Messe und die Eucharistie 61 • Zum anderen waren ihnen Wallfahrten seit der Zeit Werners von Orseln als Hochmeister (1324-1330) grundsätzlich nur mit Genehmigung des Meisters erlaubt 62 . Die Motive des Verbots sind nicht genannt, doch dürften sie in verschiedenen Bereichen liegen. Als theologische Begründung wäre denkbar, daß der Orden seine Mitglieder auf seine eigenen Heiligen und die jeweils am Ort vorhandenen Reliquien verweisen wollte. Eine andere Überlegung läge im finanziellen Bereich. Eigentum war dem Bruder nicht erlaubt. Entweder wäre eine Wallfahrt nur aus unerlaubtem Geldbesitz möglich gewesen, oder der Orden hätte dafür zahlen müssen, oder das Geld wäre von außerhalb gekommen, ebenfalls eine nicht statutenkonforme Angelegenheit. Noch näher liegt jedoch die Überlegung, daß der Orden sich die Reduktion seiner Mitglieder und dadurch die Nichterfüllung von Aufgaben sowohl im ritterlichen Heidenkampf in Preußen gegen die Litauer als auch im priesterlichen Bereich durch langdauernde und gefährliche Wallfahrten nicht erlauben konnte, zumal in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Mitgliederzahlen bereits zurückgingen . Die Überlieferung der Vorschrift in nur drei Handschriften des 14. und 15.Jahrhunderts, die wohl alle aus Preußen stammen, läßt zwar an ihrem 59 Zentralarchiv des Deutschen Ordens Wien, Urkunde vom 15. März 1500 (mit auf der Plica nachgetragener Bestätigung des Ortsbischofs von Trient vom 15. April 1500); Axel EHLERS,Die Ablaßpraxis des Deutschen Ordens im Mittelalter (Diss. phil. masch. Göttingen 2002) Regest 2401 und 2402; Udo ARNOLD,Die Kommende Lengmoos, in: Der Deutsche Orden in Tirol. Die Ballei an der Etsch und im Gebirge, hg.von Heinz NOFLATSCHER(Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 43, Bozen/ Marburg 1991) S. 411-424, hier S. 420. 60 Davon spricht zwar FISCHER,Jakobus (wie Anm. 8) S. 133, allerdings ohne Nachweis. 6! Vgl. den deutlichen Hinweis auf einen Venienablaß in einer Urkunde von 1453, März 3, in: Liv-, Est- und Kurländisches Urkundenbuch, 1. Abt. Bd. 11 (Riga/ Moskau 1905, ND Aalen 1981) Nr. 253. Weitere Quellen vgl. bei EHLERS,Die Ablaßpraxis (wie Anm. 59) S. 292 f. und S. 525-530. 62 Vgl. Statuten (wie Anm. 10) Gesetze Werner von Orseln 9, S. 147; überliefert in den Handschriften w4, 14. Jh., mitteldeutsch; k2 15. Jh., Thorn; k3, 15. Jh., Graudenz. <?page no="197"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 197 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 197 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Der Deutsche Orden und der Jakobuskult 185 Erlaß nicht zweifeln, dürfte aber ihre Wirkung auf Preußen beschränkt haben. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Briefwechsel zwischen Deutschmeister, Hochmeister und Ordensprokurator in Rom von 1449, im Vorfeld des römischen Jubeljahres 1450, der genau diese Überlegungen wiederspiegelt. Der Deutschmeister schreibt dem Hochmeister, daß manche Brüder gerne nach Rom pilgern würden, um sich denJubelablaß zu verdienen; das ergebe Probleme in der Ämterverwaltung und bringe Kosten für den Orden, außerdem sei es ungewöhnlich, daß ein Ordensbruder zu Fuß wallfahre. Der Hochmeister wendet sich an den Prokurator mit denselben Argumenten und verweist zusätzlich auf die Schwächung des Gehorsams, wenn jeder einschließlich der Diener und des Gesindes mache, was er wolle; außerdem sei es gegen die Ordensregel und auch früher nicht üblich gewesen. Daher bemühte man sich, den Ablaß ohne Rompilgern zu erhalten, was mit Hilfe von Nikolaus von Kues immerhin für die Brüder in Deutschland gelang 63. So finden wir erst im 16. Jahrhundert Ordensritter in Santiago. Vor 1519 soll der Komtur von Winnenden Heinrich von Neuneck dort gewesen sein, der auch als Mitstifter des auf 1520 datierten Jakobusaltars in der dortigen Stadtpfarrkirche, der späteren Schloßkirche vermutet wird 64. Über die Motivation seiner Reise wissen wir nichts. 1520 ist der nächste Ordensritter in Santiago nachweisbar65_ Es war Georg von Eltz, Oberster Marschall des Ordens in Preußen und in politischer Mission an den Hof Kaiser Karls V. unterwegs. In Santiago hatte der Kaiser auf einer Reise in die Niederlande Zwischenstation gemacht; es war also kei- 63 Vgl. EHLERS,Die Ablaßpraxis (wie Anm . 59) S. 376 mit Quellenteildruck und Literaturnachweisen. 64 Vgl. Josef NOLTE,Jakobuswege in Baden-Württemberg. Historische Rekonstruktion und europäische Visison, in: Winnenden - Gestern und Heute 2 (Winnenden 1989) S. 15-26, bes. S. 18 und S. 21, mit Abbildungen; danach alle spätere Literatur zu Winnenden sowie BERBERS"Wo! auf santJacobs straßen! " (wie Anm. 4) S. 82f., mit Abbildung. Leider bietet NOLTEkeinen Beleg für die Pilgerreise. - Zu korrigieren ist auf jeden Fall die Angabe, Neuneck sei 1519 Komtur in Winnenden geworden; er wurde bereits 1506 zum Komtur ernannt und ist dort bis zu seinem Tod 1541 nachweisbar; vgl. Protokolle der Kapitel und Gespräche des Deutschen Ordens im Reich (1499-1525), edd. Marian BISKUP/ IrenaJANOSZ-BISKUPOWA(Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 41 = Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 3, Marburg 1991) S. 86; Axel HERRMANN,Der Deutsche Orden unter Walter von Cronberg (1525- 1543). Zur Politik und Struktur des „Teutschen Adels Spitale" im Reformationszeitalter (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 35, Bonn 1974) S. 265; WEISS,Geschichte der Deutschordens-Ballei (wie Anm. 36) S. 492. 65 Vgl. Regesta, hg. vonJOACHIM/ HUBATSCH(wie Anm. 56) Nr. 23508 . <?page no="198"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 198 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 198 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 186 Udo Arnold neswegs das Grab des Heiligen, das den Obersten Marschall anzog 66 • Als ungewöhnlich zu bezeichnen ist Rupert de Grave , Komtur von Fellin in Livland (1518-1535). Von 1525 bis 1528 unternahm er eine Pilgerreise nach Jerusalem, Rom, Santiago de Compostella und zum Grab des hl. Hubert im Kloster Andain (St. Hubert) in den Ardennen. Zwar war diese Reise ebenfalls mit diplomatischen Aufträgen des Landmeisters Wolter von Plettenberg an die Kurie, den kaiserlichen Hof und den Deutschmeister verbunden, doch der erste Zielort Jerusalem spricht dafür, daß es sich auch um eine bewußte Pilgerfahrt handelte, die gleich drei der wichtigsten Pilgerstätten der Christenheit zum Ziel hatte 67 . Wenn Ordensmitglieder schon nicht selber in nennenswertem Maße nach Santiago pilgerten, so hätte der Orden doch gemäß seiner Stiftungsaufgabe als Hospital die Pilgerreise in seinen Hospitälern unterstützen können. Am intensivsten müßte das der Fall sein, je näher ein Hospital dem angestrebten Ziel liegt. In Spanien kam dafür der zentrale Ort des Ordens, La Mota infrage. Dementsprechend konstatiert Kurt Forstreuter: "Im Mittelalter lag La Mota an der Pilgerstraße nach Santiago de Compostella. So diente damals das Hospital des Ordens auch den Pilgern. " 68 Ohne die Frage der Pilgerstraße zu prüfen, läßt sich nur feststellen, daß in den Quellen zu La Mota nie von einem Hospital, sondern stets nur einer Kommende bzw. bei detailierterer Besitzaufzählung von domus die Rede ist 69. Allerdings liegt etwa einen halben Kilometer außerhalb von La Mota die Ermita de Nuestra Senora de Castellanos. Die jüngste Untersuchung meint, sich auf einen Aufsatz von 1845 als Quelle stützend: "Siewurde zur Versorgung der Pilger nach Santiago de Compostela gegründet." 70 Hier könnte eine regional bedingte Wall- 66 Vgl. Axel HERRMANN, Georg von Eltz. Glanz und Elend des letzten Obersten Marschalls in Preußen, in: Von Akkon bis Wien. Studien zur Deutschordensgeschichte vom 13. bis zum 20. Jahrhundert. Festschrift zum 90. Geburtstag von Althochmeister P. Dr . Marian Turnier, hg. von Udo ARNOLD(Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 20, Marburg 1978) S. 140-157 , hier S. 150. 67 Vgl. Klemens WIESER,Nordosteuropa und der Deutsche Orden . Kurzregesten 1 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 17, Bad Godesberg 1969) Nr. 353 und Nr. 359; Ritterbrüder im livländischen Zweig des Deutschen Ordens, hg. von Lutz FENSKE/ Klaus MILITZER(Quellen und Studien zur baltischen Geschichte 12, Köln 1993) S. 273f. 68 Kurt FORSTREUTER, Der Deutsche Orden am Mittelmeer (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 2, Bonn 1967) S. 92. 69 Vgl. FORSTREUTER, Der Deutsche Orden am Mittelmeer (wie Anm. 68) S. 240-242. 70 Heike SAUTER/ Gerd STRICKHAUSEN, Das Castillo in La Mota del Marques . Eine Burg des Deutschen Ordens in Spanien, Marburger Correspondenzblatt zur Burgenforschung 2 (1999/ 2000) S. 5-31, hier S. 20 unter Berufung auf Antonio PIRALA, <?page no="199"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 199 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 199 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Der Deutsche Orden und der]akobuskult 187 fahrtsunterstützung durch den Orden im Sinne Forstreuters vorliegen . Ansonsten sind jedoch Zweifel bei den übrigen Deutschordensspitälern angebracht. Zwar wissen wir von den Niederlassungen der Ballei Bozen, daß sie an den wichtigsten Alpenübergängen über den Brenner und den Reschen lagen und eine Kette bildeten bis zum Einschiffungshaf en Venedig, doch handelte es sich dabei für den Kreuzzugsorden nicht zuletzt um die Unterstützung für den eigenen (Personal-)Nachschub ins Heilige Land. Spanien spielte als entsprechendes Ziel keine Rolle für den Deutschen Orden, die französischen Besitzungen hatten offenbar keine parallele Funktion zu den Niederlassungen im Alpenraum 71 • So käme also nur in Deutschland das eine oder andere Hospital als Zwischenstation infrage. Doch ist kein Deutschordensspital als ausdrückliches Pilgerspital auf dem Weg zum Grab des hl. Jakobus bekannt, wenngleich in Einzelfällen sicher auch ein J akobspilger einmal Aufnahme gefunden haben dürfte. Die Gründung der Hospitäler des Deutschen Ordens oder die Übernahme bestehender Einrichtungen durch den Orden erfolgten nie als Wallfahrtshilfen. Auch die Überlegung, daß solche Wallfahrten zum Teil Gruppenunternehmen waren, schließt die Ordensspitäler als systematische Anlaufstellen aus dazu waren sie allein schon wegen mangelnder Größe gar nicht geeignet. Bleibt also nochmals der Blick auf die Deutschordensniederlassungen im Reich, die eindeutig ein Jakobspatrozinium tragen. Das sind Nürnberg, Rothenburg und Winnenden. Zusätzlich führt Plötz noch die Pfarrkirchen von Urphar am Main und Neustetten in der Kommende Virnsberg an, die wie Nürnberg und Rothenburg - "der Deutsche Orden im sakralen Franken dem Apostel Jacobus weihte" 72 • Für Nürnberg, das hat bereits Fischer festgestellt und dem sind keine neuen Erkenntnisse hinzuzufügen, geht das Jakobspatrozinium der Kirche auf die Zeit vor der Schenkung von Königshof und Kirche an den Deutschen Orden zurück 73. Wie alt das Nürnberger Hospital des Ordens aber ist, bleibt offen. Seine Ersterwähnung fällt in das Jahr 1236, doch Ermita de Nuestra Senora de Castellanos en la Mota del Marques, fundata por los caballeros Teutones, Semanario Pintoresco Espanol 10 (1845) S. 84f. 71 Die Quellen über Montpellier und Arles sind sehr dürftig . In beiden Städten wurde dem Orden ein Hospital übereignet, in Montpellier mit Martins-Patrozinium; vgl. FORSTREUTER, Der deutsche Orden (wie Anm . 68) S. 103-109. 72 Wie Anm. 2. Im größeren Zusammenhang, jedoch hier mit identischer Aussage Robert PLÖTZ,Der Apostel J acobus in der europäischen Patrozinienlandschaft unter besonderer Berücksichtigung Frankens, in : Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa, hg. von HERBERS/ BAUER(wie Anm. 6) S. 175-229, hier S. 212. 73 FISCHER,Jakobus (wie Anm . 8) S. 136f. <?page no="200"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 200 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 200 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 188 Udo Arnold war es zuvor vom Orden neu begründet oder ihm ein älteres Hospital übertragen worden? Die Spitalkapelle war der hl. Elisabeth geweiht, was erst nach deren Kanonisation 1235 geschehen sein kann. Hospital und Kommende haben jeweils eigene Siegel verwendet, wobei ein Komtursiegel erst seit 1285 bekannt ist und der Komtur früher das seit 1253 belegte Hospitalsiegel benutzte. Beide Siegel führen jedoch dasselbe Bild, den hl. Jakobus 74. Das spricht dafür, daß das Hospital das Patrozinium der Kirche übernommen hat und vor 1235 begründet wurde, von wem auch immer. Seine Bedeutung als einziges Hospital in Nürnberg scheint rasch gestiegen zu sein, wenn der Komtur das Siegel des Hospitals benutzte und erst später ein eigenes Siegel anfertigen ließ. Dementsprechend war Jakobus das „Markenzeichen" des Hospitals und der Kommende, und auch nachdem der Orden eine eigene Hospitalheilige besaß, deren Bedeutung mit päpstlicher Unterstützung ungeahnte Formen über den Ordensbereich hinaus annahm, hat der Orden offenbar nicht an einen Patzrozinienwechsel gedacht. Allerdings wird man darin weniger eine Affinität zu Jakobus sehen dürfen als vielmehr das Bewußtsein, in einer so bedeutenden Reichsstadt das eingefahrene „Markenzeichen" nicht gefährden zu dürfen. Zu Rothenburg verweise ich auf die Ausführungen von Karl Borchardt75. Auch hier dürfte das Patrozinium der Pfarrkirche älter sein als deren Übertragung an den Deutschen Orden, vor allem wenn man bedenkt, daß zwischen der rechtlichen Übertragung 1258 und der wirklichen Inbesitznahme kurz vor oder 1286 nochmals fast drei Jahrzehnte dazwischen lagen 76. Damit wird gleichzeitig in Parallele deutlich, daß wir den gesamten Komplex der Jakobskirchen, die der Orden als Patro- 74 Vgl. Christian TENNER, Die Ritterordensspitäler im süddeutschen Raum (Ballei Franken). Ein Beitrag zum frühesten Gesundheitswesen (Diss. rer.nat. München 1969) S. 52-58; Hartmut BooCKMANN,Der Deutsche Orden in Nürnberg, in: Die Rolle der Ritterorden, hg. von N0WAK (wie Anm. 29) S. 89-104, hier S. 93; 800 Jahre Deutscher Orden, hg. von BoTI / ARNOLD(wie Anm. 12) S. 399f . 75 Siehe oben S. 25-66. 76 PLÖTZ,Der Aposte! Jacobus (wie Anm. 72) S. 212, Anm. 267 stützt sich auf Friedrich HILLER,Die Kirchenpatrozinien des Erzbistums Bamberg (Bamberg 1931) S. 62 und meint: "In Rothenburg löste J acobus wahrscheinlich den hl. Kilian als Patron ab, der zuvor Patron des Hauptaltars mit Jacobus als Patron des Nebenaltars war." Nach Borchardt läßt sich dies ebensowenig nachweisen wie die Feststellung eines unveröffentlichen Manuskriptes, auf das Plötz verweist, in dem der Patrozinienwechsel für 1285 angesetzt wird. Hier ist der reale Übergangszeitpunkt der Ffarre an den Deutschen Orden mit dem Patrozinienwechsel gleichgesetzt, also das, was zu beweisen wäre, zur Prämisse erhoben, die besondere Affinität des Ordens zu Jakobus und des damit geradezu zwangsläufig gegebenen Patrozinienwechsels. <?page no="201"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 201 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 201 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Der Deutsche Orden und der ]akobuskult 189 natspfarreien besaß, eigentlich ausklammern müßten. Denn der Orden erhielt das Patronat über bereits bestehende, also mit einem Patrozinium ausgestattete Kirchen und dürfte dieses im allgemeinen weitergeführt haben, ohne daß daraus eine besondere Affinität zum Patron hervorgeht. Somit dürfte sich eine weitere Untersuchung für Urphar, wo die Deutschordenskommende Prozelten im Mittelalter zwar über Besitz und Gericht verfügte, aber nicht über die Pfarre 77, und Neustetten, wo erst für die Mitte des 16. Jahrhunderts die Kommende Virnsberg im Besitz der Kapelle nachgewiesen ist 78, erübrigen. Denselben Befund hinsichtlich der Pfarren hatten wir im übrigen bereits bei der Betrachtung der Siegelbildüberlieferung 79. Anders wäre das, sofern sich eindeutig ein Patrozinienwechsel durch den Ordens belegen ließe; das dürfte aber bei den mageren Quellen kaum feststellbar sein, und die bisherigen Überlegungen dazu z.B. für Rothenburg scheinen mir von der Affinität des Deutschen Ordens zu Jakobus auszugehen, die es eigentlich erst durch den Patrozinienwechsel zu beweisen gälte. Die dritte, bei weitem unbedeutendere Ordensniederlassung mit Jakobspatrozinium war Winnenden. Kern der Kommende bildete das 1288 übertragene Patronatsrecht an der Pfarrkirche 80. Die Übertragungsurkunde nennt kein Patrozinium 81. Dementsprechend bleiben Tür und Tor geöffnet für Spekulationen über das Alter des Jakobspatroziniums, das erst im 15.Jahrhundert (1478) belegt ist 82. Jedenfalls spricht 77 Vgl. Das Zins- und Gültregister der Deutschordenskommende Prozelten von 1379, ed. Karl H. LAMPE(Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte X/ 6, Würzburg 1965) Register. Plötz verweist auf RüCKERT,Die Jacobuskirche (wie Anm. 3); dort ist auf S. 13 das Jakobus-Patrozinium nachgewiesen, die rfarre gehörte zur Grafschaft Wertheim und später zur Zisterze Bronnbach. 78 Vgl. Gerhard RECHTER,Das Land zwischen Aisch und Rezat. Die Kommende Virnsberg Deutschen Ordens und die Rittergüter im oberen Zenngrund (Schriften des Zentralinstituts für fränkische Landeskunde und allgemeine Regionalforschung an der Universität Erlangen-Nürnberg 20, Neustadt/ Aisch 1981) S. 63. PLÖTZ, Santiago-peregrinatio (wie Anm. 2) und DERS.,Der Apostel Jacobus (wie Anm . 72) stützt sich wiederum auf HILLER,Die Kirchenpatrozinien (wie Anm. 76) S. 61, der jedoch erst einen Nachweis für 1681 hat, was für unsere Fragestellung viel zu spät ist . 79 S. oben S. 175f. Damit erübrigt sich der Ansatz von FISCHER,Jakobus (wie Anm. 8) S. 132, die eine Untersuchung aller Patronatspfarreien des Ordens forderte. 80 Vgl. Klaus MILITZER,Die Entstehung der Deutschordensballeien im Deutschen Reich (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 16, Marburg 2 1981) S. 127 und 134; WEISS,Die Geschichte der Deutschordens-Ballei (wie Anm. 36) s. 106f. 81 1288, Mai 1; Druck in: Wirtembergisches Urkundenbuch 9 (Stuttgart 1907, ND Aalen 1978) Nr. 3743, S. 207. 82 Vgl. FISCHER,Jakobus (wie Anm. 8) S. 131, Anm. 12 sowie HERBERS"Wo! auf sant Jacobs straßen! " (wie Anm. 4) S. 38, der nach NoLTE, Jakobuswege (wie Anm. 64) <?page no="202"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 202 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 202 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 190 Udo Arnold das Ergebnis bei allen drei Kommenden, Nürnberg, Rothenburg und Winnenden, nicht für eine besondere Affinität des Deutschen Ordens zu Jakobus. Dieses Ergebnis für die bekannten Jakospatrozinien in der Deutschordensballei Franken läßt sich ergänzen für die Ballei Hessen. Die dortige Landkommende Marburg besaß das Patronat über zwei Pfarreien mit J akobspatrozinium : Felsberg und Langenstein im Dekanat Amöneburg. In Felsberg erwarb der Orden das Patronat über die Pfarre 1247, in Langenstein in Etappen im 14.Jahrhundert. Die Übertragungsurkunden nennen für beide Pfarren kein Patrozinium, was ja auch nicht erforderlich war. Das Patrozinium von Felsberg wird erstmals 1391 genannt, für Langenstein kennen wir die Erstnennung nicht 83 . Das bestätigt den S. 18 von einem Patroziniumswechsel in der Ordenszeit ausgeht . Vor ihm bereits Adolf SCHAHL,Die Schloßkirche von Winnenden (Schnell Kunstführer 1054, München/ Zürich 1975, 2 1988) S. 3; Klaus EHRLICH,Die Schloßkirche in Winnenden, in : Schloßkirche St. J akobus in Winnenden . Festschrift und Dokumentation zur Wiedereinweihung 1982, hg. von Evangelischer Gesamtkirchengemeinde Winnenden (Winnenden [1982]) S. 23-34, hier S. 23; Adolf SCHAHL,Der Hochaltar der Schloßkirche Winnenden, in: ebd. S. 35-45, hier S. 35 (mit der Datierung 1478 für den ersten Nachweis des Jakobus-Patroziniums). Dagegen vermutet Eberhard SCHAUER, Kirchliche Verhältnisse in vorreformatorischer Zeit, in : ebd. S. 47-50, hier S. 47, bereits für das 11. Jahrhundert das Jakobus-Patro zinium aufgrund d er Zug ehörigkeit zur H err schaft Backnang, dessen Kloster „einer der Hauptsammelplätze der Pilger, die zum Grabe St. Jakobs in Santiago de Compostela zogen", war. Allerdings kann die Altarstiftung von 1520 nicht mit einem Patro ziniumswechsel in Zusammenhang gebracht werden, wie HERBERS, "Wol auf sant Jacobs straßen! " (wie Anm. 4) S. 38 vermutet, da der erste Nachweis des Jakobus-Patroziniums ins 15. Jahrhundert gehört, ebd . S. 82 f., mit Abbildung, zur Verbindung der Wallfahrt Heinrichs von Neunecks und der Altarstiftung; offener noch Robert PLÖTZ,Jacobus maior. Geistige Grundlagen und materielle Zeugnisse eines Kultes, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland, hg. von HERBERS/ B AUER(wie Anm. 7) S. 171-232, hier S. 218f. mit Abbildung. Ausgangspunkt aller Überlegungen ist die Feststellung NOLTES, Jakobuswege (wie Anm . 64) S. 18, daß der Deutsche Orden „die Sicherung der Pilgerstätten und der Wallfahrtswege als seine bevorzugte Aufgabe an[sah] und ... nach dem Verlust seiner Basis in Palästina seit dem Ende des 13. Jahrhunderts zunehmend in Zentral- und Westeuropa solche Funktionen des Pilgergeleits wahr[nahm]." Dazu paßt der von ihm konstatierte Patroziniumswechsel Ende des 15. Jahrhunderts von Peter und Paul zu Jakobus. Nur ist die erste Feststellung durch nichts zu beweisen und kann daher nicht als Movens für einen Patrozinienwechsel gedient haben . Leider bleibt NüLTE auch dafür den Nachweis schuldig, da es sich um ein Vortragsmanuskript ohne Anmerkungen handelt. 83 Vgl. Wilhelm CLASSEN,Die kirchliche Organisation Althessens im Mittelalter (Schriften des Instituts für geschichtliche Landeskunde von Hessen und Nassau 8, Marburg 1929, ND Marburg 1980) S. 73 (Langenstein), S. 199 f. (Felsberg); Karl MUSTER,St. Jakob zu Felsberg . Bau und früheste Geschichte (Felsberger Arbeitskreis 4, Felsberg 1950) S. 15 (ND in: Beiträge zur Geschichte des unteren Edertals 2, <?page no="203"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 203 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 203 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Der Deutsche Orden und der Jakobuskult 191 bisherigen Befund, daß wir den gesamten Komplex der Jakobskirchen, die der Orden als Patronatspfarreien besaß, eigentlich ausklammern müßten . Denn der Orden erhielt das Patronat über bereits bestehende, also mit einem Patrozinium ausgestattete Kirchen und dürfte dieses im allgemeinen weitergeführt haben, ohne daß daraus eine besondere Affinität zum Patron hervorgeht. Zusammenfassend läßt sich folgendes feststellen. Die normativen Quellen des Deutschen Ordens zeigen uns keine besonderen Beziehungen zu St.Jakob. Die Statuten erwähnen ihn nicht als Bezugsperson, dort werden andere genannt, z.B. die Makkabäer. Die Liturgie, überliefert in Festkalendern, hebtJakobus nicht hinaus über die anderen Apostel; sie werden zwar in ihrer Gesamtheit geschätzt, stehen aber im Festesrang nicht an erster Stelle. Die theologische Literatur, die uns aus dem eigentlichen mittelalterlichen Überlieferungszentrum, Preußen, bekannt ist, hebt Jakobus ebenfalls nicht hervor gegenüber seinen Mitaposteln. Die historische Literatur, deren Hauptüberlieferung ebenfalls aus Preußen stammt und teilweise reich an symbolhaften Bezügen ist, kennt Jakobus überhaupt nicht. Auf den überaus reichhaltigen Siegelbildern des Ordens ist Jakobus zwar einige Male anzutreffen, aber das hängt mit der Übernahme ihm geweihter Kirchen zusammen, vom Orden selber ist keinerlei entsprechende Initiative feststellbar. Das gilt dementsprechend für Jakobus-Patrozinien, in Preußen entstehen die wenigen J akobus-Kirchen offensichtlich ohne Ordenseinfluß. Die Ausstattung der Sakralräume in Preußen kennt ebenfalls öfter das Apostelgespräch, jedoch nirgendwo eine Heraushebung von Jakobus aus dem Kreis seiner Mitapostel. Wallfahrten, auch aus dem entfernten Preußen, zum Grab des Heiligen in Santiago de Compostella sind durchaus bekannt, doch liegen sie im Rahmen des in bürgerlichen Kreisen auch in anderen deutschen Landschaften Üblichen. Die nachweisbaren Jakobus-Bruderschaften zur Unterstützung der Wallfahrt weisen ebenfalls keine besondere Affinität zum Orden auf. Wallfahrten von Ordensbrüdern kennen wir erst aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts, und sie sind selten wirkliche Wallfahrten, sondern öfter mit politischen Aufträgen verbunden. Die Deutschordensspitäler bieten ebenfalls keine gezielte Unterstützung der Santiago-Wallfahrten, selbst wenn sie an möglichen Wallfahrtswegen liegen. 1983); Ursula BRAASCH-SCHWERSM ANN, Das Deutschordenshaus Marburg. Wirtschaft und Verwaltung einer spätmittelalterlichen Grundherrschaft (Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte 11, Marburg 1989) S. 20 (Felsberg), S. 184 (Langenstein). <?page no="204"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 204 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 204 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 192 Udo Arnold Das bisherige Bild einer besonderen Affinität des Deutschen Ordens zu Jakobus stützt sich vor allem auf wenige süddeutsche Kirchen mit Jakobus-Patrozinium im Ordensbesitz. Doch sind vermutlich deren Patrozinien alle älter als die Übertragung der Kirchen an den Orden, ein Befund, der in der Ballei Hessen des Ordens parallel aufscheint. Das wundert nicht. Da der Orden in einer Altsiedellandschaft, in die er relativ spät erst hineinkam, d.h. zu einer Zeit, als die Pfarrorganisation eigentlich abgeschlossen war, keine neuen Kirchen gründete, sondern bestehende übertragen bekam, sind eigentlich die Patrozinien der Ordenspfarren als Quelle nicht heranziehbar. Anders wäre dies bei einer Umwidmung, doch hier bewegen wir uns im methodischen Kreisschluß: J akobspatrozinien werden auf den Orden ob seiner Affinität zu dem Heiligen zurückgeführt, während diese Affinität eigentlich erst durch die bewußte Einflußnahme des Ordens auf die Patrozinien bewiesen werden müßte. Was bleibt, ist die Feststellung, die aufgrund anderer Beobachtungen im Herbst 2003 auf einer Konferenz in Thorn in Polen die englische Kollegin Helen Nicholson für die großen Ritterorden im Vergleich traf: Besonders beliebte Heilige waren Maria und Georg bei allen, Euphemia von Chalkedon bei Templern und Johannitern, Johannes Baptist und Katharina von Alexandrien bei den Johannitern sowie Elisabeth beim Deutschen Orden. In zweiter Reihe erst folgten die Apostelan herausgehobener Stelle vielleicht Thomas - , sodann Stephan, Laurentius, Sebastian, die Makkabäer, Maria Magdalena und Ursula 84 . Dieser Befund deckt sich völlig mit dem ausschließlich für den Deutschen Orden aus Quellen für den preußischen, den livländischen und den deutschen Zweig erarbeiteten. Und dies stimmt ebenso mit dem Befund überein, den wenngleich gerade auch in der Schlußzusammenfassung deutlich zurückhaltender - Magda Fischer vor einem Jahrzehnt bereits formulierte: Eine besondere Affinität des Deutschen Ordens zum hl. Jakobus läßt sich nicht feststellen. Resumen: Las fuentes normativas de la Orden Teut6nica no nos muestran fuertes nexos con Santiago: las estatuas no lo mencionan como persona de referencia; la liturgia no destaca a Santiago mas que a los otros ap6stoles, ninguno de estos ultimos ocupa el primer lugar en el rango de la fiesta. La literatura teol6gica proveniente de Prusia, centro medieval de la tradici6n manuscrita, no resalta a Santiago por encima de los otros ap6stoles . La literatura hist6rica, conservada mas que nada en Prusia 84 Druck erfolgt im Tagungsband: Selbstbild und Selbstverständnis der christlichen Ritterorden, hg. von Roman CZAJA (Ordines militares 13, Torun 2005). <?page no="205"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 205 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 205 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Der Deutsche Orden und derjakobuskult 193 tambien, no conoce siquiera a Santiago. En las numerosas representaciones de los sellos de la orden se encuentra algunas veces a Santiago, pero esto se debe tan solo a que la orden se hiciera cargo de iglesias a el consagradas. Esto vale en general para los patrocinios, en Prusia las pocas iglesias dedicadas a Santiago no se deben a ojos vistas a una influencia de la orden. EI dialogo de los ap6stoles forma parte, a veces, de! equipamiento de los lugares de culto en Prusia, no, en cambio, la posici6n destacada de Santiago entre los ap6stoles. Se sabe de peregrinaciones a la tumba de! santo en Santiago de Compostela emprendidas desde la lejana Prusia, sin embargo, se situan en el marco de lo usual en la burguesfa de otras regiones de Alemania. Las hermandades de Santiago documentadas, constituidas con el fin de fomentar las peregrinaciones, no son especialmente afines a la orden. Peregrinaciones de hermanos de la orden solo estan probadas a partir de comienzos de! siglo XVI, y raras veces son realmente peregrinaciones, puesto que estan relacionadas, a menudo, con encargos polfticos. Los hospitales de la Orden Teut6nica no apoyan expresamente las peregrinaciones a Santiago, aunque esten ubicados al borde de caminos de peregrinaci6n. Las iglesias de Santiago pertenecientes a la orden que estan situadas al Sur de Alemania y en Hesse son mas antiguas, en lo que al patrocinio respecta, que el traspaso de las iglesias a la orden, cambios de patrocinio por parte de la orden en favor de Santiago no se pueden demostrar. Por ende, una especial afinidad de la Orden Teut6nica para con Santiago no se puede probar. <?page no="206"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 206 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 206 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 <?page no="207"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 207 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 207 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 I. Felix Fabris „Sionpilgrin" - Reiseschilderung und ältester Kirchenführer Ulms Ein Beitrag der Reichsstadt Ulm zur Pilgerliteratur des 15. Jahrhunderts KLAUS HERBERS Der Tagungsort Rothenburg hat alle Anwesenden mit zahlreichen Spuren des Mittelalters, des Jakobuskultes und der Pilgerfahrten vertraut gemacht 1. Wenn wir heute nach den materiellen Spuren vergangener Zeiten suchen, so finden wir das meiste, was wir noch heute vom Mittelalter sehen und greifen können, in den Städten, besonders in den Reichsstädten. Das Städtelob des späten Mittelalters preist die Stadt, stellt sie als wehrhaftes und unabhängiges Gebilde dar, wie es beispielsweise die Holzschnitte für Schedels Weltchronik im Bilde eindrücklich hervorheben 2 . Waren mithin die Städte des ausgehenden Mittelalters die Orte, in denen das ansonsten zu Unrecht als finster geltende Mittelalter ganz leuchtend hervortreten kann? Die Faszination hält bis heute an, denn das Landleben gilt den meisten als rückständig, die Stadt jedoch als modern. Am Beispiel der Reichsstadt Ulm läßt sich einiges dieser neuen und zugleich alten Tendenzen verdeutlichen 3 . Zu den Personen, die 1 Der im folgenden abgedruckte Text hat den Rededuktus der des in Rothenburg vorgetragenen Überlegungen weitgehend beibehalten. Ich danke Frau stud. phil. V. Mross und Frau stud. phil. S. Burkert für Hilfe und Unterstützung. 2 Hartmann SCHEDEL, Buch der Chroniken (ND München 1965) mit den verschiedenen Abbildungen der Holzschnitte; vgl. hierzu und allgemein zur Wahrnehmung der Stadt beispielsweise Eberhard ISENMANN,Die deutsche Stadt im Spätmittelalter. 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft (UTB für Wissenschaft: Große Reihe, Stuttgart 1988) S. 17-19. 3 Allgemein Gottfried GEIGER,Die Reichsstadt Ulm vor der Reformation: Städtisches und kirchliches Leben am Ausgang des Mittelalters (Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm 11, Stuttgart 1971), zu Fabri vgl. dort das Registers. v. <?page no="208"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 208 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 208 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 196 Klaus H erbers Neues einbrachten, gehörten sicherlich auch die Pilger. Einer dieser Pilger war der in Ulm wirkende Dominikaner Felix Fabri, der zweimal zu Ende des 15. Jahrhunderts Jerusalem besuchte. Sein Bericht hierüber ist überschwenglich, detailfreudig und anschaulich . Das Büchlein gilt seit langem als Fundgrube und Paradigma für die Beschreibung der Heiliglandfahrten im ausgehenden 15. Jahrhundert 4 . Felix Fabri hatte als Ordensangehöriger eine Erlaubnis eingeholt, um aufbrechen zu dürfen. Was aber war mit anderen Personen, die reisen wollten, aber nicht durften oder nicht über die nötigen Mittel verfügten? Mußte und sollte man überhaupt reisen? Kirchliche Autoren warnten immer wieder vor den Gefahren; die Benediktiner waren schließlich dazu verpflichtet, am Ort zu bleiben, ihre „stabilitas loci" einzuhalten. Spiegelte sich die große bekannte Welt der damaligen Zeit nicht oft auch in der eigenen kleinen Welt? Mit dem Finger auf der Landkarte reisen, Reiseerinnerungen anderer hören, fremde Eindrücke im Fernsehen vom Sessel aus verfolgen: Alles dies erscheint uns heute als selbstverständlich. Gab es früher vergleichbare Möglichkeiten? Der Dominikaner Felix Fabri hatte nicht nur das zuweilen auch mühevolle Pilgern selbst durchgemacht, nein, er kann mit seinen verschiedenen Schriften als Exponent dafür gelten, wie Ferne und Nähe in einen Zusammenhang gebracht werden konnte . Mit seinem hier zur Diskussion stehenden Werk „Sionpilgrin" oder modernisiert „Sionpilger" ist dies möglich. Es ist ein Buch für Pilger, aber für ganz besondere Pilger. Baut es wie Fabris weitere Schriften auf den eigenen Erfahrungen und Erlebnissen des Verfassers auf? Ist es mithin eine Reiseschilderung, die zugleich auf lokale Gegebenheiten, die Kirchen Ulms eingeht? Gehört das Buch dann überhaupt zum Genre Pilgerliteratur? Die drei Begriffe meines Titels, Reiseschilderung, Kirchenführer Ulms und Pilgerliteratur haben ihre Berechtigung, bieten aber auch Probleme, die zu erörtern sind. Dieser mittel-/ frühneuhochdeutsche Text Fabris, 1999 von Wieland Carls erstmals vollständig herausgegeben, beschreibt Pilgerfahrten zu den Hauptpilgerzentren der damaligen Zeit, nach Jerusalem, Rom und Santiago, als geistig-geistliche Übung und erschließt sich erst, wenn wir den Autor Felix Fabri und das kirchlich-geistliche Leben Ulms am Ende des 15. Jahrhunderts besser kennenlernen. Inwieweit spiegelt das Buch 4 Fratris Felicis Fabri Evagatorium in Terrae Sanctae, Arabiae et Egypti peregrinationem 1-3, ed. Konrad Dietrich HASSLER (Stuttgart 1843-1849); vgl. Kurt HANNE- MANN, Felix Fabri, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters 2 (Verfasserlexikon) (Berlin u . a. 2. Aufl. 1980) Sp. 682-689. <?page no="209"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 209 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 209 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 FelixFabris „ Sionpilgrin" 197 die vor-reformatorische Situation in Ulm, wie greift Fabri Pilgern und andere Frömmigkeitspraktiken auf? Ich stelle zunächst kurz den Autor, seine Lebenswelt und Werke vor (II), um mich dann dem Text unter folgenden Fragen zuzuwenden: Was bedeutete die Konzeption von geistig-geistlichen Pilgerfahrten in der Zeit vor der Reformation (III)? Was läßt der Prolog über Anlaß und Ziel von Fabris Text erkennen? Welche Rolle spielt der lokale Hintergrund (IV)? Was verraten Tagesabschnitte, Wege und Details, um die Bedeutung des Werkes auch im Zusammenhang der Reformdiskussionen in den Reichsstädten genauer zu würdigen (V)? In einer kurzen Bilanz ordne ich dann das Werk in den historischen Kontext des 15. Jahrhunderts ein (VI). II. Wer verbirgt sich hinter dem Sigle „FFF", das mehrfach in diesem Text erscheint? Frater Felix FabriS, als Felix Schmid um 1440 in Zürich geboren, dann in Stein am Rhein aufgewachsen, wo seine Mutter nach dem Tod ihres Ehemanns erneut heiratete. In Stein blieb Fabri, bis er in das Dominikanerkloster in Basel eintrat. Die Baseler Zeit konfrontierte den Novizen und jungen Mönch mit der Bewegung, die im 15. Jahrhundert eine Reform des monastischen Lebens beabsichtigte. Das Basler Dominikanerkloster hatte sich diesen Initiativen schon früh angeschlossen. In den reformierten Klöstern der Dominikaner wurde unter anderem wieder verstärkt Wert auf wissenschaftliche Betätigung gelegt 6. Felix Fabri studierte Philosophie, wurde Lektor, und nach seiner Priesterweihe wechselte er den Namen von Schmid in Faber oder Fabri. 5 Vgl. zu seinem Leben außer der Einleitung der in Anm. 7 zitierten Edition vor allem zusammenfassend Herbert WIEGANDT, Felix Fabri. Dominikaner, Reiseschriftsteller, Geschichtsschreiber 1441/ 42-1502 (Lebensbilder aus Schwaben und Franken 15, Stuttgart 1983) S. 1-28; HANNEMANN, Felix Fabri (wie Anm. 4). 6 Auch die Geschichtsschreibung wurde hier und in anderen Klöstern am Oberrhein nun mehr als bisher betrieben, vgl. zum Reformprozeß Bernhard NEIDIGER, Die Observanzbewegungen der Bettelorden in Südwestdeutschland, 11 (1992) S. 175- 196, hier S. 184 f.; DERS., Stadtregiment und Klosterreform in Basel, in: Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, hg. von Kaspar ELM (Berliner historische Studien 14, = Ordensstudien 6, Berlin 1989) S. 539-567 . <?page no="210"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 210 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 210 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 198 Klaus H erbers 1468 fand Felix Fabri seine Heimat im Dominikanerkloster zu Ulm, wo er bis zu seinem Tode 1502 blieb. Sein Ruf als „praedicator generalis" bezeugt sein Renommee in der oberdeutschen Ordensprovinz. Fabris Wirken in Ulm wurde durch mehrere Reisen unterbrochen. 1476 war er in Ordensangelegenheiten in Rom, 1482 bei einer Ordensversammlung in Colmar, 1485 oder 1486 wohnte er dem Provinzkapitel in Nürnberg bei. Am bekanntesten sind jedoch die beiden Fahrten des Felix Fabri ins Heilige Land, 1480 und ein zweites Mal 1483. Seitdem man 1734 bei Grabungen den Grabstein Felix Fabris gefunden hat, weiß man nun auch das Sterbedatum: Es war der 14. März 1502. Soweit die äußeren Daten eines bewegten Lebens, dessen weitere Dimensionen am ehesten seine Schriften erschließen. Was ist aus der Feder Fabris überliefert7? Als erste literarische Arbeit bereitete Fabri die Schriften seines 1366 verstorbenen Mitbruders, des Mystikers Heinrich Seuse, zum Druck (1482) auf 8. Eigenständige Werke legte Fabri erst nach seinen beidenJerusalemfahrten vor, 1484 schrieb er das „Evagatorium in Terrae Sanctae", einen umfassenden Bericht über seine J erusalemfahrt, der 1843-49 von K. D. Haßler in drei Bänden herausgegeben wurde9. Dieser Bericht ist in lateinischer Sprache verfaßt, war also vor allem für Gebildete und Kleriker bestimmt, die dieser Sprache mächtig waren . Für seine adeligen Begleiter und weitere Freunde diese didaktisch-parenätische Zielsetzung scheint Fabri durchaus wichtig gewesen zu sein erstellte der Dominikanermönch eine kürzere Fassung in deutscher Sprache. Diese wurde zu einer beliebten Schrift, die 1556 in Ulm sogar im Druck mit dem vielsagenden Titel erschien: „Eigentlich Beschreibung der Hin unnd Wider Farth zu dem Heyligen Landt gen Jerusalem, / und furter durch die grosse Wüsten zu dem Heiligen Berge Horeb und Sinay: darauß zu vernemen was wunders d. Pilgrin hin u. wider ... zu erfaren u . zu besehen haben; uber die maß kurtzweilig u. lüstig zu lesen,/ sonder! . denen so der Heiligen Schrifft ettwas erfahrn sein / [Bruder Felix]. - Vormals im Dr. nie dergleichen außgangen" [Ulm], 1557. - 219 BI. 7 Zu den Werken und ihrer handschriftlichen Überlieferung vgl. Wieland CARLS, Felix Fabri. Die Sionpilger. (Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit 39, Berlin 1999) S. 56-62, sowie HANNEMANN, Felix Fabri (wie Anm. 4). 8 Copinger 5688 (BSB München: Inc. S-367), ich danke Frau Dr. Hofmann-Randall, UB Erlangen, für die Hilfe beim Nachweis des Exemplars. 9 Fratris Felicis, ed. HASSLER, (wie Anm. 4); vgl. die diversen Auszüge und weitere Literatur bei HANNEMANN, Felix Fabri (wie Anm. 4). <?page no="211"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 211 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 211 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Felix Fabris„Sionpilgrin" 199 Felix Fabri hatte hier einen breiteren Leserkreis im Auge, denn er schreibt: "Wenn das Buch allein von den vier Herren (sc. von seinen Begleitern) gelesen würde, könnte er sich Arbeit, Papyr und dinten gesparet haben. Aber da das Büchlein wird auch euren Kindern und Hausfrauen, euren Dienern, Knechten und Mägden in die Hände kommen, und wird euren eigenen Leuten vorgelesen, so hab ichs desto lenger gemacht. Das Buch wird auch noch weiterkommen in Städten, bei Mönchen und Klosterfrauen." 10 Deshalb habe er auch kindliche und lächerliche Sachen hinzugenommen, auch „schimpfliche Fabeln". Fabri zielt damit deutlich auf sein Publikum und dessen Bedürfnisse. Ein Pilgerbüchlein zum Allerheiligsten Grabe schrieb Fabri ebenfalls 1488 in deutscher Sprachel 1. Ursprünglich als Anlage, als 12. Traktat des „Evagatorium", hatte Fabri seine Beschreibung Schwabens und Ulms geplant. Diese Texte erschienen später im Druck unabhängig, Goldast ließ den Text 1727 drucken und benutzte eine Abschrift des Nürnberger Humanisten Schedel 12. Mit dieser auf den süddeutschen Raum zielenden Landesbeschreibung erfaßte Fabri zugleich die wichtigsten Routen des Ulmer Handels, er folgt in seiner sogenannten „Descriptio Sueviae" den Kaufleuten donauabwärts bis nach Österreich, Pannonien und in die Walachei. Immer wieder widmet er sich den verschiedenen Sprachen und bringt dazu teilweise abenteuerliche etymologische Ableitungen. Fesselnd wird die Darstellung aber vor allem dort, wo Fabri sich auskennt: Wenn er zum Beispiel den Rhein vom Bodensee über den Rheinfall von Schaffhausen bis hin nach Basel und Straßburg beschreibt. Hier flicht er immer wieder Anekdoten und Geschichten ein, so zur Pestzeit 1349, zum Erdbeben in Basel und zu weiteren Denkwürdigkeiten. Den Habsburgern zollt Fabri höchstes Lob, dagegen erscheinen die Schweizer als Rebellen gegen ihre Herrn und erhalten schlechte Noten, so daß Herbert Wiegandt in Fabris „Descriptio Sueviae" sogar ein „Dokument für die Entwicklung des europäischen Nationalismus" sehen wollte 13, weil 10 Zitat bei WIEGANDT,Felix Fabri (wie Anm . 5) S. 8; vgl. das Exemplar der UB Erlangen S. 315. 11 Bruder Felix Fabers (! ) gereimtes Pilgerbüchlein, ed. Anton BIRRLINGER(München 1864). 12 Felix Fabri: Rerum Suevicarum Scriptores .... precipue Felicis Fabri Historia Suevica, ed. Melchior H. GOLDAST(Ulm, 2. Aufl. 1727); Karl Gustav VEESENMAYER druckte den gesamtenTractatus ab: Ein Gang durch die Kirchen und Kapellen Ulms um das Jahr 1490. Nach Felix Fabris Sionpilgerin, Verhandlungen des Kunst und Altertumsvereins in Ulm und Oberschwaben NF 1 (1869) S. 29-44. l3 WIEGANDT, Felix Fabri (wie Anm. 5) S. 19. <?page no="212"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 212 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 212 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 200 Klaus H erbers auch Deutschland und Italien oder Deutsche und Welsche immer wieder mit den Attributen gut und schlecht gegenübergestellt werden. Der ideale Mensch, das ist der Deutsche, genauer: der Schwabe 14. III. Ist aber die Polarität der Persönlichkeit Fabris so groß? Hier der Weltmann und Jerusalempilger, dort der Heimatforscher und Didaktiker? Es fehlt ein Werk, das in ganz besonderer Weise den Bezug auf den eigenen Wirkungsraum und die Beschreibung ferner Pilgerziele vereint: der 1493 abgeschlossene Traktat zu den Sionpilgern, in spätem Mittelhochdeutsch verfaßt. Felix Fabri wurde bisher kaum unter Heranziehung dieses Werkes gewürdigt 15. Die bis vor wenigen Jahren nur vorliegenden, im 19. Jahrhundert gedruckten Auszüge bei Röhricht/ Meisner griffen vor allem einige allgemeine Passagen und die Kapiteleinleitung vor dem Hintergrund der J erusalempilgerfahrten auf; Veesenmeyer interessierten die Abschnitte, die ein neues Licht auf Ulm warfen 16. Mit Hilfe des nun neu zugänglichen gesamten Textes versuche ich eine Interpretation, die meines Erachtens auch Fabri und das spirituelle Milieu der Reichstadt Ulm besser als bisher charakterisiert, immerhin ist die Sionpilgrin das späteste von ihm verfaßte größere Werk. Sionpilger im Sinne Fabris reisen nur im Geiste. Was aber versteht man unter einer „geistig-geistlichen Pilgerfahrt"? In der mittelalterlichen Gesellschaft gab es Personen, die sich zwar gern von ihrem Ort entfernen wollten, es aber nicht konnten. Der Italiener Niccolo da Poggibonsi faßt die Gründe solcher „Möchtegern"-Pilger zusammen: "Und der Grund, weswegen ich mir mit all dem soviel Mühe gegeben habe ist folgender: Zum einen hält die Armut viele, die ein großes Verlangen in sich tragen, die heiligen Stätten zu besuchen, ab. Andere lassen es wegen der allzugroßen Mühsal bleiben. Und einige, weil sie die Lizenz nicht erhalten können, die man beim Papst beantragen muß." 17 14 Vgl. WIEGANDT,Felix Fabri (wie Anm . 5) S. 20. 15 Dies verwundert kaum, denn der komplette Text liegt erst seit wenigen Jahren vollständig gedruckt vor, Sionpilger, ed. CARLS(wie Anm . 7). 16 Teileditionen nach dem heute verlorenen Manuskript von Berlin (vgl. CARLS,Sionpilger [wie Anm. 7] S. 61) boten schon Reinhold RöRICHT / Heinrich MEISNER (edd.), Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande (Berlin 1880) S. 281-296; VEESENME YER,Ein Gang (wie Anm. 12) bes. S. 32. 17 Niccolo da Poggibonsi: Libro d'Oltramare di Fra Niccolo da Poggibonsi, 2 Bde. (Scelta di curiosita letterarie inedite o rare da! secolo XIII-XVIII , 182-183, Bologna <?page no="213"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 213 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 213 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 FelixFabris„Sionpilgrin" 201 IV. In diese Tradition stellt sich auch Fabri. Was war aber der konkrete Anlaß? Wer gehörte in Ulm zu den Personen, die im Geiste pilgern wollten? Das Buch verdankt seine Existenz wohl dem Drängen der Dominikanerinnen aus Ulm. Sie gehörten zu den Personen, die nicht ohne besondere Erlaubnis reisen oder pilgern durften. Fabri beschrieb für dieses Publikum die Reise nach Jerusalem, Rom, Santiago de Compostela und zu anderen Pilgerzentren und verknüpfte dies mit theologischen und Gebetshinweisen sowie mit Einladungen zu Meditationen. Damit hatte der Dominikaner die drei großen Pilgerfahrten, die „peregrinationes maiores" des Mittelalters angesprochen 18. Was aber erwartet den Leser konkret, wenn er die gut 400 Folien der Leithandschrift liest? Eigentlich wäre mittelalterlich zu fragen: Was erwartet den Hörer, wenn er dem Vorleser lauscht? Schauen wir zunächst auf Prolog, die Hinweise und Regeln und die Rituale am Aufbruchsort Ulm. In einer Art einleitender Hinführung erläutert uns er Dominikaner die Genese seines Werkes: „Der bruder wirt angelangt von den closter frowen in Schwaben dess selben Sant Dominicus ordes und von den samnung frowen und von clausneren und andern andechtigen gut willigen kinden, das er sin leiplichen pilgerfart weil setzen as ain bild ainder gaistlichen pilgerfart, ab der si möchtin nemen ain form der gaistlichen pilgerfart."19 Weitere Nonnen aus anderen Konventen kamen hinzu, um Felix Fabri zuzuhören, der begann, seine Eindrücke aufzuschreiben und auch die 1881) 1, S. 47f .; vgl. die hier gebotene deutsche Übertragung bei Ursula GANZ-BLÄTI- LER,Andacht und Abenteuer. Berichte europäischer Jerusalem- und Santiago-Pilger (1320-1520) Oakobus-Studien 4, Tübingen 3 2000) S. 256. Dort auch auf S. 255-263 eine Einordnung des Phänomens. Weitere Würdigungen der geistig-geistlichen Pilgerfahrten unter Einschluß Fabris: Robert PLÖTZ,Pelerinage spirituel de Felix Fabri (Pelerin de Sion), in: Santiago de Compostela. 1000 ans de pelerinage europeen (Ausstellungskatalog Gent 1985) S. 249; Klaus H ERBERS,Wo] auf sant Jacobs straßen! Pilgerfahrten und Zeugnisse des Jakobuskultes in Süddeutschland (Ostfildern 2002) S. 136-146. 18 Zur Festlegung der peregrinationes maiores im kirchlichen Recht vgl. z. B. Louis CARLEN,Wallfahrt und Recht im Abendland (Freiburger Veröffentlichungen aus dem Gebiete von Kirche und Staat 23, Freiburg/ Schw. 1987) S. 72 und 76. Die drei herausgehobenen Fahrten werden von Fabri zu Beginn der Romfahrt charakterisiert, vgl. CARLS,Sionpilger (wie Anm. 7) S. 313f. 19 In dieser Deutlichkeit vor allem in den Prologen der nicht in Ulm überlieferten Handschriften; der hier gebotene Text folgt der heute verlorenen Berliner Handschrift, vgl. CARLS,Sionpilger (wie Anm. 7) S. 527, vgl. die Leithandschrift ibid. S. 77 sowie S. 525 und S. 529. <?page no="214"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 214 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 214 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 202 Klaus H erbers Reisen zu weiteren Zielen außer Jerusalem hinzuzufügen. Obwohl er den Dominikanerinnen zunächst die Lektüre des bekannten „Itinerarium mentis in Deum" von Bonaventura empfohlen hatte 2 D, bestand das Publikum darauf, die Fahrt von Felix Fabri im Geiste nachzuvollziehen. So konkret steht es allerdings nur in drei der vier überlieferten Handschriften, das Ulmer Manuskript, die Leithandschrift, erwähnt Bonaventura nicht. Überhaupt weichen die Prologe in den verschiedenen Handschriften am stärksten voneinander ab 21 , was auf unterschiedliche Zweckbereiche und Verwendungsmöglichkeiten verweist. In der Ulmer Handschrift wollte man wohl die Bereitschaft des Verfassers nicht mit weiteren Umschweifungen darstellen. Glaubt man also einigen Fassungen des Prologs, so verlangte das Publikum nach einer „Geistlichen Pilgerfahrt" auf der Basis eines konkreten Berichtes, und der Autor verband in seinem Buch eigene Jerusalemerfahrungen mit spirituellen Hinweisen. Wie die leibliche Pilgerfahrt eine Ahnung von der Reise zum himmlischen Jerusalem vermittelte, so auch die „geistliche Pilgerfahrt", die jedoch sogar direkter, nämlich ohne alle „leiplich ausschweifung" dorthin führe, erläutert der Verfasser. In zwanzig Regeln erklärt Fabri den Unterschied zwischen leiblichen und geistlichen Pilgern, die er „Sionpilger" nennt, weil sie die Gnade Gottes finden wollen. Solche Regelwerke finden sich häufiger bei nur in der Vorstellung durchgeführten Reisen dieses Typs 22 . Letztlich gilt für Fabri die Sion-Pilgerfahrt-wie auch der Titel verdeutlichtnoch mehr als eine tatsächlich unternommene Pilgerreise, ein Pilger im Geiste könne nämlich sein Ziel schneller sowie sicherer und auf einem direkteren Weg erreichen als ein wirklicher Pilger. Bevor der Autor konkreter wird, stellt er fest, daß manche keine Pilgerfahrt antreten könnten . In der ersten seiner Regeln 23 stellt er den sogenannten Sionpilgrin dem Ritterpilger gegenüber, der den Ritterschlag am Heiligen Grab empfangen wolle 2 4, während der Sionpilger 20 Vgl. als lateinisch-deutsche Edition: Bonaventura , Pilgerbuch der Seele zu Gott = Itinerarium mentis in deum. Die Zurückführung der Künste auf die Theologie (München 1961). 21 Zu den Handschriften vgl. CARLS,Sionpilger (wie Anm. 7) S. 525-531. 22 CARLS,Sionpilger (wie Anm. 7) S. 28. 23 Die Regeln nach der Leithandschrift CARLS,Sionpilger (wie Anm. 7) S. 78-85 . 24 Vgl. zum Ritterschlag am Heiligen Grab Detlev KRAACK,Monumentale Zeugnisse der spätmittelalterlichen Adelsreise. Inschriften und Graffitti des 14.-16. Jahrhunderts (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften Göttingen 224, Göttingen 1997) S. 113-115; synthetisierend Folker REICHERT, Erfahrung der Welt. Reisen und Kulturbegegnung im späten Mittelalter (Stuttgart 2001) S. 143-149, bes. S. 148 f. <?page no="215"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 215 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 215 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Felix Fabris„ Sionpilgrin" 203 Gottes Güte erkenne. Dies sei keinesfalls leichter als leibhaftig zu reisen. Auch den Ablaß 25, den reale Pilger erwerben können, dürfe ein Sionpilger erwarten, vielleicht falle er sogar höher aus. Außerdem könnten zuweilen sogar Ablässe an Orten erlangt werden, an denen leibliche Pilger leer ausgingen. Fabri kennzeichnet entsprechend auch die jeweiligen Ablässe in seiner Handschrift mit einem Kreuz. Nach weiteren Hinweisen stellt Fabri in der 12. und 13. Regel fest, wie eine geistige Pilgerfahrt konkret durchzuführen sei. Am Abend solle man sich jeweils über die nächste Etappe informieren . Die jeweiligen Tagesreisen sollten mit einem speziellen Gebet oder mit einer Tat begonnen werden. Aufschlußreich für die praktische Umsetzung seines Zieles ist die Bemerkung, daß sich die „ungelerten" Pilger die Gesellschaft eines gelehrten, also lesekundigen Pilger suchen mögen 26. Nach weiteren Anleitungen, die zum Beispiel auf das gemeinsame Pilgern abheben, weil dies „trostlich und kertzwylig" sei, wird in der 18. Regel lokales Kolorit besonders deutlich . Schwäbische Pilgerwillige sollten nach Ulm kommen, weil sich dort jährlich viele Pilger sammelten, die nach Rom oder nach Venedig über das Gebirge zögen und weil sie außerdem in Ulm bei den Predigern Anleitung zu einer rechten Fahrt erhalten könnten 27 . Die 19. Regel faßt noch einmal Unterschiede zwischen realer und geistiger Pilgerfahrt zusammen. Anfechtungen realer Pilger erlebten geistige Pilger ebenso 28. Die 20. Regel betrifft wiederum lokale Bezüge mit der Bemerkung, daß diese Regeln an diverse Frauenklöster des Predigerordens in der Umgebung geschickt worden seien 29. Daraufhin seien aus folgenden Gemeinschaften Frauen nach Ulm gekommen: St. Magdalena in Pforzheim, St. Maria in Steinheim, Reuthin (südlich von Pforzheim), Weil bei Esslingen, Gnadenzell in Offenhausen (bei Münsingen), Kirchheim unter Teck, Gotteszell bei Gmünd, Medlingen (bei Lauingen), Maria Mödingen (bei Dillingen) 30 . 25 Nikolaus PAULUS,Geschichte des Ablasses am Ausgange des Mittelalters. Vom Ursprung bis zu Mitte des 14. Jahrhunderts 1-3 (Darmstadt 1922-1923) 2, S. 226ff.; zusammenfassend REICHERT, Erfahrung (wie Anm . 24) S. 139f. 26 CARLS,Sionpilger (wie Anm. 7) S. 81. 27 CARLS,Sionpilger (wie Anm. 7) S. 83. Zur Bedeutung Venedigs für die Pilgerfahrten allgemein vgl. zusammenfassend die Magisterarbeit von Andrea DENKE,Venedig als Station und Erlebnis auf den Reisen der Jerusalempilger im späten Mittelalter (Historegio 4, Remshalden 2001). 28 CARLS,Sionpilger (wie Anm . 7) S. 83f. 29 CARLS,Sionpilger (wie Anm. 7) S.84. 30 Vgl. zur Identifizierung RÖHRICHT/ MEISNER,Pilgerreisen (wie Anm . 16) S. 283 und CARLS,Sionpilger (wie Anm . 7) S. 84f. sowie S. 398ff. (wo die Namensformen in der Schreibweise von Fabri aufgeschlüsselt werden). <?page no="216"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 216 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 216 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 204 Klaus H erbers Rat hätten sich diese Frauen zunächst am Grab des Heinrich Seuse (der 1366 in Ulm gestorben war) geholt31. Erst dann beschreibt Fabri die Reisen zu den drei großen Zentren Jerusalem, Rom und Santiago. Der J erusalemfahrt wird am meisten Platz eingeräumt, während Rom und Santiago fast gleichwertig (auf jeweils ca. 40 Druckseiten) abgehandelt werden. Fabri unterscheidet Tagesreisen, und dies mit Bedacht: 207, 71 und 90 Etappen, dies ergibt zusammen etwa die Tage eines Jahres. Der Bericht zu allen drei Fahrten beginnt mit den Präliminarien der Sionpilger in Ulm. Wie überall sollten sie schon in Ulm die verschiedenen Kirchen aufsuchen und Ablässe gewinnen3 2 • Fabri nennt bei seinem geistigen Rundgang etwa 30 Kirchen und bietet somit ein Bild der Ulmschen Sakraltopographie am Vorabend der Reformation, die ich hier nicht im einzelnen interpretieren will. Jedoch handelt es sich offensichtlich um eine große Pilgerreise, die zunächst auf die Ulmer Kirchen aufgeteilt wird. Erst mit der nächsten Etappe verlassen dann die Pilger nach dem Reise- und Pilgersegen (Benedictio itinerancium) die Donaustadt33. Die Identifizierungen der folgenden Beschreibungen sind nicht immer ganz eindeutig, ein Feld für weitere Spekulationen und Untersuchungen; deutlich aber ist das Anliegen unseres Dominikaners: Schon die Stadt Ulm bietet bereits eine Fülle von Möglichkeiten, um Ablässe zu erwerben, Gebete zu verrichten und bei den verschiedensten Heiligen, die in den Kirchen ruhen oder die mit dem Patrozinium emes Heiligen ausgezeichnet waren, im Geiste einzukehren. V. Alle drei von Fabri aufgezeichneten Pilgerfahrten, nach Jerusalem, Rom und nach Santiago, beginnen mit diesem Rundgang durch Ulm3 4. Dennoch werden die Pilger danach in die weite Welt geführt. Die Fahrt nach Jerusalem nimmt den größten Anteil des Textes ein. Rom urid Santiago werden wesentlich knapper behandelt. Dies liegt neben den Distanzen sicherlich auch an den eigenen Pilgererfahrungen Fabris. 31 CARLS, Sionpilger (wie Anm. 7) S. 85. 32 VEESENMEYER, Ein Gang (wie Anm . 12) bes. S. 30; vgl. CARLS, Sionpilger (wie Anm. 7) S. 86-89 und 314 (nur knapp). 33 Die Benedictio itinerancium wird offensichtlich vor der Kirche gegeben; CARLS, Sionpilger (wie Anm. 7) S. 89. 34 Ausführlich wird dies aber nur zu Jerusalem verzeichnet; zu Rom wird nur der Pilgersegen erwähnt, vgl. CARLS, Sionpilger (wie Anm. 7) S. 314; die Santiagofahrt verweist nach oben "wie geschriben ist am zehenden blat", ibid. 355). <?page no="217"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 217 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 217 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Felix Fabris„ Sionpilgrin" 205 Abb. 1: Handschrift U, Stadtarchiv Ulm, U 9727 - Bll. 1 r_zr und 4ogv_409r Ich stelle hier die Pilgerfahrt nach Santiago exemplarisch vor, weil sich hieraus so meine These recht gut zugleich das allgemeine Anliegen des Autors und seines Werke ableiten läßt. Der Weg nach Compostela von Ulm aus macht im Süden Deutschlands viele Umwege, um dann über das Elsaß und die Schweiz, das Rhonetal weiter nach Südwesten zu führen. Die Umwege werden schon im Titel dieses Abschnittes angesprochen: "mit vil umb wegs zuo den hailligen"35. Es geht hier nicht darum, die Stationen im einzelnen aufzuzählen und zu kommentieren, aber zumindest seien zunächst die Grundstruktur und danach einige Besonderheiten hervorgehoben. Der Weg bis in die Schweiz war dem Verfasser offensichtlich vertraut: Geislingen, durch das Vilstal nach Lorch, Maulbronn, Heidelberg, Worms und 35 CARLS, Sionpilger (wie Anm. 7) S. 355. <?page no="218"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 218 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 218 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 206 Abb . 2: Handschrift S, Wüttembergische Lan desbibliothek Stuttgart, Cod . theol. et phil. 4° 143-Bll. 1'-2rund 249v_z51r Klaus H erbers Neuhausen mit St. Cyriacus, Hochheim und Speyer, dann führt die Route durch das Elsaß über Straßburg, St. Ottilien, Schlettstadt, Geweiler, Schönsteinbach, Adelnhausen, Freiburg, bis in die heutige Schweiz nach Basel, Bern und Genf. Felix Fabri referiert hier über ihm bekannte Gegenden, nennt entsprechend auch oft die Niederlassungen der Dominikaner und Dominikanerinnen und fügt zuweilen sogar zeitgeschichtliche Bemerkungen und frühere eigene Erlebnisse in seinen Text ein 36. Schon diese Orientierung verleiht der Topographie ein besonderes Profil, weil er die Pilger in das Rheintal führt und dann den Jura zwischen 36 CARLS,Sionpilger (wie Anm. 7) S. 355-360, vgl. z. B. die Bemerkungen zum Krieg von 1460 zwischen dem Mainzer Bischof und dem Pfalzgrafen, wonach man den Leib des hl. Cyriakus bei Worms neu bestattete und Felix Fabri anwesend war "in der procession was fff auch gegenwirtig", ibid. S. 356). <?page no="219"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 219 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 219 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Felix Fabris„ Sionpilgrin" 207 Abb. 3: Handschrift W, Wien, Schottenstift, Cod. 413 (Hübl 248)- Bll. 3'-6' und 476v-477r Basel und Bern kreuzen läßt. Aus dem 15. Jahrhundert gibt es einige Berichte über Santiagopilger, die über Ulm, dann aber den Bodensee und Einsiedeln, Luzern durch die Schweizerlande nach Südwesten zogen 37. Auch der mit Fabri etwa zeitgleich, wohl 1495 erstmals gedruckte be- 37 Vgl. besonders die Reiseberichte der Nürnberger Pilger oder Reisenden Hieronymus Münzer, Sebald Oertel u. a., vgl. die Anthologie von Klaus HERBERS/ Robert PLöTZ, Nach Santiago zogen sie. Berichte von Pilgerfahrten ans „Ende der Welt" (dtv 4718, München 1996); zu Nürnberger Pilgern: Klaus HERBERS, Pilgerfahrten und Nürnberger Pilger auf der Iberischen Halbinsel in der Zeit um 1500, in: Wallfahrten in Nürnberg um 1500, hg. von Klaus ARNOLD(Pirckheimer-Jahrbuch 17, Wiesbaden 2002) S. 53-78; zu Hieronymus Münzer wird in Erlangen eine Publikation vorbereitet: vgl. einstweilen DERS., "Murcia ist so groß wie Nürnberg" - Nürnberg und Nürnberger auf der Iberischen Halbinsel: Eindrücke und Wechselbeziehungen, in: Nürnberg europäische Stadt in Mittelalter und Neuzeit, hg. von Helmut NEUHAUS (Nürnberger Forschungen 29, Neustadt an der Aisch 2000) S. 151-183. <?page no="220"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 220 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 220 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 ~\,•\ __ ,: ·•~? "~· l: : <l f.! lf_-)_ ) <\ 'v .... 'l ~ssel Aachen\ '_: ,</ t, \ ENG I.AND "-- ,~~, ~ .-{ )1 -'Arm\ , '• "\._ Die Jakobswege nach dem Pilgerführer des rAmien, -1<~/ \ ( \) )' '-'\ Hermann Künig von Vach (Entwurf K. Herbers,. . ·. . ., . . lfi'=< 'fc? "'.--.r> l "_j f_JEUTSC! ILAND , l ,...... ' Zeichnung A. Katz) -~··: ---''"-'~~7-·- ·",: : ,: _. .ciii . \ \ ___ , _ \ •·········Wege nach dem Pilgerführer des 1,{ ".,'' = ~ ~; ; ..r-\__ ~ ) -. ',-J Liber SanctiJacobi .af~ FRANKRE ICH "nieder .. / "--"'\ ~ ; ~ / -. / · ,( .. · ·--sttaSle J \ _"...., -- D'.e „o? erstrasse ~es Hermann Kun_1g. "'-· ''· ·-• : .,~·•, _ 1 , 1 \ : .; ; ,~ / J - - - - Die „mederstrasse des Hermann Kumg --; ; '· .,L __ 0r 1 , \ , 1. .,~...._ __ ,r. ,: - ~--..: : ¾ .-'>'. ; > d V · · S · ~ " Tour, , j( , .r' ,~ . ,-; ; . . ~,.. un anantenm pamen ·,.; ,; " , .,~ __ ".. ..... o--·· ... ...... -oVEZELAY ,; -/ ~A\ .fii? sr..i _··L.,\/ - .•..-· Bourge ~ / / ( ~em ,..,_ f" / l _d~ m "-- _: .--: : --'. ·: 1: -..=-i____ / \ ..: ,i: .: : J.: A: t" , · ...... ./ if d1 WEIZ ! J .. _,_.~ .. .: ,! '~/ / 1 " I f ,_... .,_.. --~ - J.i} ,...-y- ._ I '\ / ! \ -~ Genev ; ~· ~"""----: .: _-/ j'Llrnoges ) _ )ro ~~: "_ ''-ff\.> i 1 ·,• · a; -~~ -'l"~~1 j ~ . ~ , ) 1/ ,c-: ".~ ~Perigueux ...--: -~ .... ,./ . _ ✓ ..... _ ' A t_. ~ ,r V -·- ~~, '- JTAf/ EN ~ ·- Valence ---: · ,! ~ ~-: ~ : .-- ·on1-SL· E•prit . ·-? '~~· / i ". Co'=. ' SANTIAG(}; . °': : -- Lugo "'i? ".iedo ~ COMPOSTE_, __ ........ -'.! \ "-,-{"1'A . . ~ ~ ~: "....~attr-· \ --4 . ,_...-.-: : ,.. ~,...._ o.... ,. r" -, ~..-'P': ~"--" ,~-ro ---~ ~~- ; i,_ _,.. __)__ ~__r-~: O,..,: u ---..V • fJ: ~ ....... - -~-f'l-o~ . ,.. .. . / 'l. _ i~; ,-~~: ? "t ,.,~ ~ ,___'-'\._~~--" ~~ <! > J'. ~'•4 °"" '¾ J.>; ❖: '~~~ ~ 1 / "~~ 4'°/ 4, .... ~ -~ -- ; [t ' _.., '- .f ~ ------,_. ~~""4- - '"- • ~¾~ °', '-,_ PORTUGA L ...._ ~ - $P ANIE N ~, / . ~ -. Abb. 4: Karte zum Routenverlau f <?page no="221"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 221 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 221 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 FelixFabris„Sionpilgrin" 209 kannte deutsche Pilgerführer des Servitenmönches Hermann Künig von Vach "die Straß und walfart zu Sant Jacob") läßt die Pilger von Einsiedeln in Richtung Südwesten reisen 38(Abb. 4). Fabri ist in der Beschreibung des Weges durch das Rhonetal und bis nach Toulouse weitgehend identisch. Aber dann ändert sich der Weg. Von Toulouse reisen die Sionpilger nach Narbonne, dann die Mittelmeerküste entlang bis nach Cartagena. Dort besteigen die Pilger ein Schiff, um vom „inneren" ins sogenannte „äußere" Meer zu fahren, gemeint ist vom Mittelmeer durch die Enge von Gibraltar in den Atlantik39. Das Schiff landet in Lissabon, von dort fahren die Pilger flußaufwärts nach Toledo, es folgen Sevilla, Salamanca und Avila, dann erst, am 38. Tag, erreichen sie Santiago de Compostela. Angehängt wird der Ausflug auf einige Inseln, die S. Maria, Jesus Christus, S. Georg und S. Andreas heißen. Es sind wohl die Azoren, die erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts entdeckt wurden und von denen Fabri vielleicht durch eine 1482 in Ulm gedruckte Fassung des Ptolemäus gewußt haben könnte40. Dort lagen sie nahe an der Küste. Führte das zu Fabris Idee eines "Tagesausflugs" 41? Auf dem Weg von Santiago nach Osten ist Palencia wichtig, der Ort, wo Dominikus gelernt habe, dann geht es über Zaragoza und die Pyrenäen nach Frankreich, zunächst nach Bordeaux und Saintes. In Frankreich reisen die Pilger sechzehn Tage lang kreuz und quer, bis sie dann am 61. Tag von Lisieux nach England übersetzen und dort vier Tage lang wichtige Heiligtümer in Canterbury, Gloston und anderswo besuchen 42. 38 Vgl. Klaus HERBERS/ Robert PLÖTZ,Die strass zu Sankt Jakob. Der älteste deutsche Pilgerführer nach Santiago de Compostela (Ostfildern 2004). 39 Vgl. zu dieser Passage und die Würdigung des katalanischen Raumes Klaus HERBERS, Prescripci6n y descripci6n peregrinos jacobeos alemanes de paso por Cataluna (im Druck; erscheint in Anejos de AHM). Die Passage ab Narbonne: CARLS,Sionpilger (wie Anm. 7) S. 363 f. 4 ° CARLS,Sionpilger (wie Anm. 7) S. 365; vgl. zur Vermutung, Fabri könnte den in Ulm gedruckten Ptolomäus gekannt haben, ibid . S. 26. Vgl. zur Ptolemäus-Ausgabe den Ausstellungskatalog: Die Ulmer Geographia des Ptolemäus von 1482. Zur 500. Wiederkehr der ersten Atlasdrucklegung nördlich der Alpen, hg. von Karl-Heinz MEINE (Weißenhorn 1982). Fabri benutzte die zweite Ulmer Ptolemäus-Ausgabe von 1486 für die Abfaßung seines Evagatorium, der Reisebeschreibung ins Heilige Land, vgl. ibid. S. 94. 41 Allerdings schreibt Fabri, daß die richtigen Pilger „vil tag" diese besuchen, während dies für die Sionpilger nur „ain tagreis ist", CARLS,Sionpilger (wie Anm. 7) S. 365. 42 CARLS,Sionpilger (wie Anm. 7) S. 366-372. <?page no="222"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 222 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 222 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 210 Klaus H erbers Mit einer eigenen Überschrift wird dann noch eine weitere Überfahrt nach Irland zum Fegefeuer des hl. Patrick in Lough Dergh eingeleitet. Über Schottland, England geht es zurück auf das Festland (68. Tagesreise). Nach Brügge, St. Servatius in Maastricht erreichen die Pilger Aachen. Es folgt ein ausgesprochen langes Kapitel zu Köln und zu den Heiligen Drei Königen. Ein Abschnitt über die hl. Ursula und ihre 11.000 Gefährtinnen wird weiter mit einer eigenen Überschrift in den Text aufgenommen. Erst nach diesem äußerst langen Exkurs geht es über das Rheintal zurück. Die wichtigsten Städte sind: Koblenz, Trier, Mainz und schließlich Ulm 43. Aber damit nicht genug: Nun wollen einige Sionpilger nochmals ausfliegen so suggeriert jedenfalls unser Dominikaner - und einige Heiligtümer in Thüringen und Sachsen, de facto aber auch in Franken besuchen: Marburg, Eisenach, Erfurt, Coburg, Bamberg, Würzburg , Nürnberg, Augsburg werden so in einer vierzehntägigen angehängten Reise besucht und verehrt 44 • Damit endet die Santiagofahrt nach der 90. Tagreise. Fabri beschreibt nicht nur die Etappen, sondern auch die verschiedenen Riten: Er erwähnt die Antiphonen, die gesungen werden, nennt die diversen Ablässe und fügt die Namen und Notizen von Märtyrern und Heiligen hinzu. Einige Aspekte hebe ich zur Interpretation hervor, denn der Text dieser letzten Pilgerreise bietet mehr als Hin- und Rückweg nach Compostela. 1) Fabris Text beschreibt ausführlich die in der Überschrift angedeuteten „umwege". Die Wegbeschreibung in Deutschland, besonders im Süden, läßt deutlich die süddeutsche Kultlandschaft erkennen: Vom lokalen Umgang in Ulm selbst und der dortigen Sakraltopographie wird auch für Süddeutschland mit Maulbronn, Heidelberg, Worms, Hochheim, Speyer, Straßburg und St. Ottilien eine sakrale Landschaft entworfen. Es fällt auf, daß der Autor vor allem Dominikanerkonvente erwähnt und besonders Frauenklöster: Ich erinnere daran, daß Fabri selbst Dominikaner war und er sein Werk auf Bitten der Dominikanerinnen von Ulm begann. Auf dieser Basis wird sodann die weitere Sakraltopographie Westeuropas entfaltet. Es geht ab Frankreich weniger um Wege, sondern vor allem darum, alle wichtigen Heiligen aufzusuchen. Damit schafft Fabri aber auch eine eigene, 43 CARLS, Sionpilger (wie Anm . 7) S. 372-388. 44 CARLS, Sionpilger (wie Anm. 7) S. 388-395. <?page no="223"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 223 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 223 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 FelixFabris„ Sionpilgrin" 211 neue Karte und bietet so etwas wie ein „mental mapping" 45 , das topographisches Wissen der Zeit aus Pilgerberichten, kosmographischen Studien und anderen Informationsquellen mit hagiographischen Informationen kombiniert. Neu erscheint mir diese Art der Zusammenfügung. 2) Santiago ist somitneben Jerusalem und Rom als peregrinatio maior nur Aufhänger für dieses sakrale „mental mapping". Außer in Compostela selbst wird der Ort nur noch einmal erwähnt, als es um Aachen geht. Dort verehrt man Karl, den seit dem 12.Jahrhundert als heilig angesehenen Herrscher, der die Pilgerfahrt nach Compostela ins Leben gerufen habe. Fabri folgt hier der seit dem 12. Jahrhundert verbreiteten Geschichte des sogenannten Pseudo-Turpin, wonach Karl der Große die Mauren bekämpft und als erster das Grab des Heiligen Jakobus besucht habe 46. 3) Die weiteren Heiligen repräsentieren aber wenn der erste Eindruck nicht täuscht vor allem dominikanische hagiographische Traditionen. Die jeweiligen Orte wie sie in der von dem Dominikaner Jakobus von Voragine zusammengestellten „Legenda Aurea" oder anderswo verzeichnet waren 47 verbindet Fabri durch Tagesreisen, die oft deutlich über die Distanz eines Tages hinausgingen. Nur in Ulms Umgebung blieb er mit den Tagesetappen präziser. 4) Obwohl 1493 abgeschlossen, dominiert noch das alte Weltbild. Das Schiff, das die Sionpilger vom Mittelmeer in den Altantik bringt, 45 Zu den Interpretationen früh- und hochmittelalterlicher Karten, die oft heilsgeschichtliche, aber auch andere Vorstellungen kartographisch ins Bild setzen vgl. z. B. Evelyn EDS0N, Mapping Time and Space. How Medieval Mapmakers Viewed their World (The British Library Studies in Map History 1) London 1997; Ingrid BAUM- GÄRTNER,Die Wahrnehmung Jerusalems auf mittelalterlichen Weltkarten , in: Jerusalem im Hoch- und Spätmittelalter. Konflikte und Konfliktbewältigung - Vorstellungen und Vergegenwärtigungen , hg. von Dieter R. BAUER/ Klaus HERBERS/ Nikolas JASPERT(Frankfurt a.M . 2001) S. 271-334 . Vgl. jüngst die teilweise sehr eigenwillige Interpretation von Brigitte ENGLISCH, Ordo orbis terrae. Die Weltsicht in den Mappae mundi des frühen und hohen Mittelalter (Orbis medievalis 3, Berlin 2002) . 46 Vgl. den Pseudo-Turpin in der Compostellaner Fassung gedruckt: Liber Sancti Jacobi. Codex Calixtinus, edd. Klaus HERBERS/ Manuel SANT0SN0IA (Santiago de Compostela 1998) S. 199-229; vgl. zur Interpretation die Ergebnisse der beiden Kongresse von 2002: Jakobus und Karl der Große. Von Einhards Karlsvita zum Pseudo- Turpin, hg . von Klaus HERBERSQakobus-Studien 14, Tübingen 2003) und EI Pseudo-Turpin. Lazo entre el Culto Jacobeo y el Culto de Carlomagno. Actas de! VI Congreso Internacional de Estudios Jacobeos, hg. von Klaus HERBERS(Santiago de Compostela 2003). 47 Iacopo da Varazze, Legenda Aurea, ed. Giovanni Paolo MIGGI0NI (Florenz 1998). <?page no="224"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 224 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 224 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 212 Klaus H erbers kommentiert der Verfasser folgendermaßen: "Das ain moer ist Dem niemann end mag funden." 48 Auch als der Besuch der Azoren von Compostela aus empfohlen wird, heißt es, daß danach „kain ennd mag kommen" 49 • Deshalb bedeute der Name des dort gelegenen Kaps Finisterre auch „end der welt", und nur einfältige Laien, die nicht Latein könnten, bezeichneten dies als den „finstern stern" 50 . VI. Was ergibt sich aus diesen vorläufigen Beobachtungen für eine weitere Interpretation? 1) Die Sionpilgrin ist nie gedruckt worden, verlor sicherlich bald anders als Fabris deutschsprachiger Pilgerbericht über die eigene Jerusalemfahrt oder die Beschreibung Schwabens nach der Reformation an Interesse, zumal der Ablaßfrömmigkeit hier ein durchaus wichtiger Stellenwert zukommt. Dennoch wirkte das Werk in der Zeit um 1500 stärker als oft angenommen. Vier Handschriften aus dieser Zeit, die teilweise voneinander abweichende Prologe aufweisen, deuten nicht nur auf das Interesse an der Schrift, sondern auch auf deren Gebrauch und Anwendung in der täglichen Frömmigkeitspraxis. Der Versuch, die zwanzig Regeln an schwäbische Nachbarklöster zu verschicken und die im Prolog erwähnte Resonanz deuten in dieselbe Richtung. Insbesondere scheinen die Verbindungen zum Kloster Medingen wichtig gewesen zu sein. Dabei ist es dem Autor ein Anliegen, Ulm als spirituelles Sammelzentrum für dergleichen Aktivitäten zu etablieren: Fabris Blick war hier auf Schwaben und besonders das Elsaß gerichtet. Dieser Versuch speiste sich aus dem sicher reformerischen Anliegen, von der Werksfrömmigkeit zur Spiritualität vorzudringen und frommes Gebet, Möglichkeiten zum Ablaß und Befriedigung von Neugier auch für die Pominikanerinnen des schwäbischen Raumes sicherzustellen. 2) Fabri war aber nicht nur Reformer mit didaktischem Impetus, nicht nur Hirte für andere Ordensmitglieder. Sein Spätwerk „Sionpilgrin" 48 CARLS, Sionpilger (wie Anm. 7) S. 363. 49 CARLS, Sionpilger (wie Anm. 7) S. 365 . so CARLS, Sionpilger (wie Anm. 7) S. 365 f. Zu den Grenzen der Welt allgemein bes. in den Karten: Anna-Dorothee VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae.Die Enden der Erde und der vierte Kontinent auf mittelalterlichen Weltkarten (Schriften der MGH 36, Hannover 1992). <?page no="225"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 225 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 225 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Felix Fabris„Sionpilgrin" 213 ist zugleich eine persönliche Bilanz, die darlegt, was für einen Christen von den Reiseerfahrungen oder von dem neuen kosmographischen Wissen wichtig sei und wie dies zur christlichen Heilsgeschichte in Bezug gesetzt werden könne. Fabris eigene Reisen gehören zwar noch in den Zusammenhang des Mehr-Wissenwollens, aber er war kein Humanist, hier wären für Ulm eher Heinrich Steinhöwel und Hans Neithart zu nennen 51. Dennoch gingen die Zeichen der Zeit nicht spurlos an Fabri vorüber: Gerade kosmographische Fragen interessierten ihn, vielleicht suchte er sogar Kontakt zur Nürnberger kosmographischen Schule um Hartmann Schedel 52. So ist seine Beschreibung Schwabens wohl von dem bekannten Nürnberger Humanisten Hartmann Schedel 1501 eigenhändig abgeschrieben worden, Goldast wählte die Schedelsche Handschrift als Grundlage für seinen Druck5 3• Schedel hatte vielleicht sogar in Fabris Text deutlich eingegriffen, denn der Goldastsehe Druck weicht von fast allen anderen Handschriften der „Descriptio Sueviae" ab54. Wenn aber Fabri selbst in seiner „Descriptio Sueviae" das Erwachen der Wissenschaft in Deutschland preist, auch wohl Anregungen des bekannten Humanisten Enea Silvio Piccolomini übernommen hatte, dann dürften seine geographischen Beschreibungen auch diesem größeren Ziel der kosmographisch-humanistischen Studien des ausgehenden 15. Jahrhunderts verpflichtet gewesen sem. Fabri war jedoch hauptsächlich Reformmönch, weniger Humanist oder Kosmograph. In diesen breiten Zusammenhang gehören auch seine Schriften: Sie zeigen eine gewisse Weltoffenheit, integrieren Neues in ein schon vorher bestehendes Weltbild, sind aber durch und durch religiös und damit auch mittelalterlich geprägt. Dies zeigt die Darstellung in der Sionpilgrin, von der ich nur einige Auszüge vorgestellt habe. 51 Vgl. zu deren Wirken Gerd DICKE,Steinhöwel, Heinrich, in: Die deutsche Literatur (wie Anm . 4) Bd. 9 (Berlin u. a. 2. Aufl. 1995) Sp. 258-278; Peter AMELUNG, Neithart, Hans, ebd. Bd. 6 (Berlin u. a. 2. Aufl. 1987) Sp. 899-903. 52 Zur Nürnberger Sodalität vgl. statt vieler anderer Studien Berndt HAMM, Reichsstädtischer Humanismus in Nürnberg, in: Reformatio et reformationes. Festschrift für Lothar Graf zu Dohna zum 65. Geburtstag, hg. von Andreas MEHL,u. a. (Darmstadt 1989) S. 131-193; Elisabeth RüCKER, Nürnberger Frühhumanisten und ihre Beschäftigung mit Geographie. Zur Frage einer Mitarbeit von Hieronymus Münzer und Conrad Celtis am Text der Sehedelsehen Weltchronik, in: Rudolf SCHMITZ/ Fritz KRAFT(Hrsg.), Humanismus und Naturwissenschaft (Beiträge zur Humanismusforschung, Bd. 6, Boppard 1980), S. 181-192. Vgl. Anm. 12. 53 Vgl. Anm. 12. 54 Vgl. Anm . 12. <?page no="226"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 226 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 226 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 214 Klaus H erbers Die Schlußpassagen fassen es zusammen: Fabri erläutert die Tagesreisen der drei Pilgerfahrten, die den Tagen eines Jahres entsprechen und den ganzen Kreis der Welt umschließen. Was ist aber für ihn die Welt? Die Welt, das sind die Orte, wo Jesus, Maria, die Apostel gewirkt haben und auch alle Stätten der Evangelien und Episteln. Dazu kommen die Wirk- und Leidensorte der Heiligen, Märtyrer, Beichtväter und Jungfrauen. Die Gebete der geistigen Pilger an diesen Orten seien aber so Fabri jedem selbst überlassen. Mit dem Kompositionsprinzip der Tagesreisen gelang Fabri in seiner „Sionpilgerin" ein ganz neues Werk, denn zum Schluß wird die Reise verlängert, um die Anzahl der Tage eines Jahres zu erreichen, ja sogar knapp zu überschreiten. Fabri schuf ein Legendar für das ganze Jahr in einer geographischen Ordnung und Abfolge: Zeit und Raum verschmolzen so zur christlichen Heilsgeschichte mit den Heiligen in Zeit und Raum. Es war aber keine kartographische Umsetzung dieser Raum-Zeit-Vorstellungen 5 S, sondern eher ein Legendar mit vielen Heiligen, man könnte vielleicht am ehesten von einer Hagio- Chrono-Geographie sprechen 56 . Jahreszyklus, Heilsgeschichte und Frömmigkeit werden hier mental auf den Erdkreis bezogen . Fabri verbindet so humanistisch-kosmographische Interessen mit traditioneller Hagiographie, geht aber zugleich auf die Kritik am Pilgerwesen ein und preist das geistige Pilgern als die "frömmere" Variante . Damit leistet er einen Beitrag zur Reform des ausgehenden 15. Jahrhunderts. Er bezweifelt nicht den Ablaß, aber er räumt der inneren Einstellung der Gläubigen Vorrang ein. Die Komposition des Textes speist sich aus Pilgertraditionen, aus hagiographischen Dossiers, aber auch aus kosmographischen Erkenntnissen, die in der Heimat präziser bleiben, in der Feme undeutlicher werden . Seine kritische Sichtung der Pilgertraditionen, die Sorge um lokal gebundene Christen, das Bemühen um die, die gar nicht oder kein Latein lesen konnten, das Streben, die Kräfte der Reform zu bündeln und in Ulm zusammenzufügen und der aus dem Prolog und den Handschriften ableitbare Erfolg 55 EDSON,Mapping Time and Space (wie Anm . 45); Marina SMYTH,Perceptions of Physical and Spiritual Space in Early Christian Ireland, in: Raum und Raumvorstellungen im Mittelalter, hg. von Jan A . AERTSEN/ Andreas SPEER(Miscellanea Mediaevalia 25, Berlin/ New York 1998) S. 505-524 . 56 Hedwig Röckelein sprach im Zusammenhang von Translationen im 9. Jahrhundert von Hagio-Geo-Graphien, vgl. Hedwig RöCKELEIN,Über Hagio-Geo - Graphien. Mirakel in Translationsberichten des 8. und 9. Jahrhhunderts , in: Mirakel im Mittelalter. Konzeptionen, Erscheinungsformen, Deutungen, hg. von Martin HEINZEL- MANN/ Klaus HERBERS/ Dieter R . BAUER (Beiträge zur Hagiographie, Stuttgart 2002) s. 166-179. <?page no="227"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 227 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 227 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Felix Fabris„Sionpilgrin" 215 dieser Mühen machen Fabri zu einem echten Reformer, den uns sem Spätwerk zu den Sionpilgern am deutlichsten vor Augen führt. Dieser Beitrag des Dominikaners wies aber bei aller Bindung an Traditionen in die Zukunft, denn die Pilgerzentren und heiligen Stätten strukturierten zugleich die Karte auf dem Hintergrund neuer humanistischer Anregungen. Reichsstädte, Humanismus, Reformanliegen und hagiographische Traditionen fanden so in Fabris Spätwerk zusammen. Resumen: La aportaci6n presenta la obra del dominico Felix Fabri (t 1502) que viviera al final de su vida en la ciudad imperial de Ulm-, sobre todo „Sionpilgrin". Fabri concibe en esta obra una peregrinaci6n espiritual para dominicas, que no considera solamente las tres metas principales, Jerus~len, Roma y Santiago de Compostela, sino que tambien, en los primeros apartados, la situaci6n en Ulm y la topografia sacra de esta ciudad. Despues de breves palabras sobre la vida y la obra del autor, en el articulo se comentan el lugar que cupo a las asf llamadas peregrinaciones espirituales en la Baja Edad Media, las motivaciones religioso-espirituales y las condiciones imperantes en la ciudad imperial antes de la Reforma, luego de lo cual se trata el viaje a Compostela, que incluye, fuera de informaci6n concreta, numerosos elementos ficticios. EI analisis de algunas componentes esenciales muestra que el autor quiso sobre todo imponer Ulm como centro espiritual en que se concentraban actividades de este tipo. La mirada de Fabri estaba dirigida, al mismo tiempo, hacia Suabia y especialmente hacia Elsacia. Esta tentativa nacia del deseo ciertamente reformista de partir de la piedad para alcanzar la espiritualidad y de asegurar las pias oraciones, las posibilidades de obtener la indulgencia y la satisfacci6n de la curiosidad tambien para las dominicas de Suabia. Su obra tardia „Sionpilgrin" representa, por otra parte, un balance personal que muestra que nuevas experiencias eran importantes para un cristiano y c6mo estas podian ser puestas en relaci6n con la historia de la Salvaci6n. Visto de esta manera, los viajes de Fabri aun expresan la sed de conocimiento, sin embargo, no era en primera lfnea humanista o cosm6grafo, sino ante todo monje reformista. Es en este amplio contexto quese encuadran sus obras: muestran una cierta apertura al mundo, integran nuevos elementos en una cosmovisi6n ya existente, permaneciendo, eso sf, impregnadas de religiosidad. Al descifrar el principio de composici6n, se hace patente esta es la tesis del articulo que Fabri cre6 con „Sionpilgrin" un legendario para todo el aiio que sigue un orden geografico: el tiempo y el espacio se unian asf con los santos en una historia cristiana de la Salvaci6n. Este legendario con gran numero de santos y de lugares podria denominarse hagio-crono-geografia. <?page no="228"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 228 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 228 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 <?page no="229"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 229 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 229 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Register der Orts- und Personennamen bearbeitet von SUSANNE BURKERT Das Register erfaßt mit Ausnahme des Lemmas Jakobus neben dem Haupttext auch alle Namen aus den Anmerkungen, sofern sie nicht in bibliographischen Angaben enthalten sind. Ebenfalls nicht berücksichtigt sind moderne Autoren, Namen in den spanischen Zusammenfassungen, in Bildlegenden sowie Namen aus dem Anhang des Beitrags Borchardt (S. 64-66). Personen werden bis Anfang/ Mitte 16. Jahrhundert unter dem Vornamen angeführt. Personen und Orte aus Quellenzitaten sind kursiv gesetzt; auf die moderne Schreibweise wird jeweils verwiesen. Alternative Stichworte werden in Klammern beim Hauptstichwort vermerkt. Die Lage von Orten wird nur dann erläutert, wenn sie nicht im Duden (Wörterbuch geographischer Namen, Mannheim 1966) aufgeführt sind. Adjektive sind den entsprechenden Substantiven (z.B. "deutsch" zu „Deutschland"), Personenbezeichnungen ggf. den entsprechenden Toponymen zugeordnet (z.B. "Deutscher" zu „Deutschland"). Datenangaben beziehen sich bei Amtsträgern auf ihre Regierungszeit und werden hinter dem entsprechenden Amt vermerkt; Lebensbzw. Sterbedaten werden direkt im Anschluß an den Namen angeführt; bei Pilgern werden Ziel und Datum nach Möglichkeit hinter der Person, bei anderen auch die Belegzeit in Klammern vermerkt. Patrozinien sind sowohl unter dem entsprechenden Heiligen als auch unter dem entsprechenden Ort angeführt. Der Hinweis f. bei Seitenzahlen bezieht sich stets auf die Folgeseite. Im Register werden folgende Abkürzungen verwendet: a.d. = an der Bf. = Bischof Bg. = Burg Btm. = Bistum D. = Diözese d. Ä. = der Ältere d.J. = der Jüngere dt. = deutsch/ e/ er Dyn. = Dynastie Ebf. = Erzbischof Fl. = Fluß frk. = fränkischer Gf. = Graf hl. = Heiliger/ Heilige Hz.= Herzog Hzt. = Herzogtum i. d. =indem/ der Jh. = Jahrhundert Kg.= König Kgn. = Königin Kl. = Kloster Ks. = Kaiser Ksn. = Kaiserin n. = nördlich nö. = nordöstlich nw. = nordwestlich 0. = Ort ö. = östlich P. = Papst röm-dt. = römisch-deutscher s. = südlich sö. = südöstlich sw. = südwestlich u. = und u. a. = unter anderem w. = westlich <?page no="230"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 230 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 230 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 218 Register der Orts- und Personennamen Aachen (Och, Aquis), 0. 19, 36, 39-41, so, 92-95, 142, 210f. - Aachenfahrt 98 - St. Maria, Kirche 40, 92 - St. Maria, Reliquie 94 Aalen, 0. 4 Abendland 72, 95 Adalbero von Lambach-Wels, Bf. von Würzburg (1045-1085/ 90) 126f. Adalbert, hl. 180 Adauctus, hl. 8 Adelnhausen, 0. 206 Adelshofen, 0. n. von Rothenburg 49 Adrian von Marienburg, Priester, Santiagopilger aus Danzig (1420) 182 Aegeas, römischer Statthalter, ließ Jakobus hinrichten 59 Afrika (Africanorum) 146 Ägypten 59, l0Sf. Aichach, Pfarrkirche St. Veit (später Marienpatrozinium) 178 Albert von Stade (t nach 1265), Abt, Chronist 36 Albrecht von Baldersheim, Deutschordensbruder (14. Jh.) 52 Albrecht Wem, Rompilger aus Rothenburg (1400) 96 Albrecht, Christoph Friedrich (1749- 1831), Bürgermeister von Rothenburg 44 Albrecht, David Christoph (1690-1743), Vater des David Christoph, Bürger von Rothenburg 44 Albrecht, David Christoph (1722-1782), Vater des Christoph Friedrich, Bürger von Rothenburg 44 Albrecht, Georg (1603-1666), Vater des Johann Georg d. Ä., Bürger von Rothenburg 44 Albrecht, Johann Christoph (1680-1751), Bruder des David Christoph d. Ä., Bürger von Rothenburg 44 Albrecht,Johann Georg (1629-1703), Vater Johann Georgs d.J., Mitglied des Inneren Rates von Rothenburg 44 Albrecht, Johann Georg (1657-1720), Urgroßvater des Christoph Friedrich, Bürger von Rothenburg 44 Alexander IV., P. (1254-1261) 27, 32 Alexandrien 192 Alpen 36,41,59, 187,203 Amöneburg, 0. u. Dekanat 190 Amsterdam, 0. 183 Andain, Kl. in den Ardennen (St. Hubert) 186 Andernach, 0. 41 Andreas, hl. 27, 36, 45, 59, 17Sf., 179 Andreas Volckamer, Förderer der Sebaldusverehrung in Nürnberg (15. Jh.) 19 Angelsachsen, siehe England Anjou, Dyn. 33 Anna, hl. 6, 46, 86-88, 90, 179 Anna Peterin (Anna Peterynn), Rompilgerin aus Rothenburg (1400) 96 Anna, Ehefrau von Leonhard Langenberger 47 Anna, Hausfrau von Hans Grimm 46 Ansbach, 0. 64, 101 - St. Gumprecht (St. Gumbertus), Kirche 49 Anton Ziegler, Kanoniker des Stifts St. Stephan in Konstanz (1525-1560) 49 Antonius der Eremit, hl. 58, 61, 105, 114 Appolonius, päpstlicher Legat der Schottenlegende von Regensburg (8. Jh.) 163-165 Ardennen 186 Arles, Deutschordensniederlassung 187 Arnulfinger, Dyn. 152 Athen, 0. 166 Atlantik 209, 211 Aub (Rodenborch Ouwe), 0. 8, 71 Aufkirchen, 0. 2 Augsburg (Austborgar), 0. 4, 17, 36, 48, 70f., 210 - Domstift 49 Avaren (Hunnen), Stamm 158f. Avignon, 0 . 97 Avila, 0. 209 Azoren (Jesus Christus, S. Andreas, S. Georg, S. Maria) 209, 212 Backnang, 0. 190 Bad Reichenhall, 0. 128 Baden-Württemberg 120 Balduin von Luxemburg, Ebf. von Trier (1307-1354) 40 Balthasar Hubmaier (t 1528), Domprediger zu Regensburg (1516-1520) 83 Bamberg, 0. 48, 60, 116f., 126f., 210 - Bf. 9, 17 <?page no="231"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 231 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 231 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Register der Orts- und Personennamen 219 - Btm. 8, 126 - Domkapitel 15 - Michelsberg, Kl. 126 Barbara, hl. 61, 105, 114, 180f. Barbara Ferg 106 Barbara Langenberger, Ehefrau des Andreas Kraft (16. Jh.) 47 Barbara, Ehefrau des Kaspar Wernitzer 46 Bari, 0. 157 Barnabas, hl. 175 Bartholomäus (Bartholomei), hl. 36, 45, 82,179 Bartholomäus Ziegler, Bürger zu Rothenburg (15. Jh.) 49 Basel, 0. 197,199, 206f. - Dominikanerkl. 197 Bayern/ Baiern, Landschaft u. gens 4, 49, ' 84, 117, 120, 139, 141, 143-145, 153, 155, 157-159, 161-167 Benedikt, Hilfsgeistlicher in Rothenburg (belegt 1236/ 39) 28 Benediktiner 196 Berengaria (t 1264), Kgn. von Le6n, Infantin von Kastilien 33 Berlin, 0. 200f. Bern, 0. 50, 206f. - Kanton 38 Bernhard Ziegler, Probst von St. Gumprecht in Ansbach 49 Bernhardsweiler, 0. zwischen Dinkelsbühl u. Crailsheim 88 Berthold IV., Gf. von Neuffen (1258- 1288) 29 Besarn; : on(Bisanz), 0. 5 Betzolt Stollein, Rompilger aus Rothenburg (1400) 96 Biberach a. d. Riß, 0. 4 Bielriet, Bg. bei Schwäbisch Hall 121 Biesen, Deutschordensballei 178 Blasius, hl. 58 f., 106 Bochum, 0. 43 Boden, Hans, Maler in Freiburg/ Üchtland (Anfang 16. Jh.) 48 Bodensee 44, 199, 207 Böhmen 64 Bonaventura, hl., Franziskanertheologe, Kirchenlehrer (1217/ 21-1274) 202 Bonifatius (Winfried) (t 754), hl., Missions-Ebf. 153, 161, 163f. Bonifaz VIII., P. (1294-1303) 95 Bopfingen, 0. 4, 58, 106, 112 - St. Blasius, Wallfahrt 59 Bordeaux, 0. 209 Bozen, Deutschordensballei 184, 187 Braitenbach, 0. am Bodensee 44 Brauweiler, Kl. bei Köln 127 Bremen, 0. 71 Brenner, Alpenpaß 70, 95, 187 Bretagne 40, 88 Brettheim, 0. sw. von Rothenburg 92 Bronnbach, Kl. bei Tauberbischofsheim 189 Brügge, 0. 210 Bruno, Bf. von Würzburg (1034-1045) 15 Buchau, 0. am Federsee 4 Buchhorn, ehemalige Freie Reichsstadt, seit 1811 Friedrichshafen 4 Bühler, 0 . 121 Büraburg, 0. bei Fritzlar 163 Burgund 148 Burgwindheim, 0. im Steigerwald 73 Burkard Heynlin, Stadtschreiber von Bopfingen (belegt 1512) 59 Burkard, Bf. von Würzburg (741/ 742wohl 751) 15, 161, 168 Calais, 0. 41 Canterbury, 0. 70, 209 Cartagena, 0 . 209 Caspar Schwertfeger, Priester zu Rothenburg, Rompilger (1460) 96 Chalkedon, O./ heute Stadtteil von Istanbul 192 Chartres, 0 ./ Marienheiligtum 37 Chlodwig I. (t 511), frk. Kg. 150 Christian IV., Kg. von Dänemark (1448- 1481) 77 Christoph Beyer (Christhof/ Beier), Kaufmann zu Danzig, Santiagopilger (1479) 182 Christoph Hofmann (Ostrofrancus, t 1534), Benediktiner zu St. Emmeram in Regensburg, Historiograph 83 f. Christophorus, hl. 43, 61 Christus 51, 57, 73-75, 77, 94, 96, 103, 105,114,116,173,177,180,214 Clara, hl. 22 Claus Gayman, Bürger zu Rothenburg (16. Jh.) 46 Clemens V., P. (1305-1314) 13 Cluny, Kl. 126 Coburg, 0. 210 <?page no="232"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 232 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 232 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 220 Register der Orts- und Personennamen Colmar, 0. 5, 198 Colmberg, 0 . bei Rothenburg 47 Comburg (Kornburg), Bg. u. Kl. sö. von Schwäbisch Hall 30, 73, 119-123, 125- 131, 133f., 136 - St. Nikolaus, Kirche 125, 127 Comburg-Rothenburg, Grafen 30, 119- 127, 129, 133- 136 Crailsheim, 0 . 64, 88 - Archidiakonat 27 Creg lingen, 0. 47f ., 51, 73, 116 Cristoffer Thauwer, Santiagopilger aus Elbing (1498) 183 Cunrat Eschenbach, Rompilger aus Rothenburg (1400) 96 Cuntz Hohenloch, Rompilger aus Rothenburg (1400) 96 Custenlohr, 0. n. von Rothenburg 36 Cyprian, hl. 22 Cyriakus, hl. 12, 206 Dänemark 16, 77, 161 Danzig, 0 . 182f. - St. Maria, Kirche 180 - St. Martin, Altar in Marienkirche 180 Deocarus, hl. 18f., 22 Detwang (Thetewanc), 0. bei Rothenburg 27-32, 114 - St. Peter, Kirche 27 f. Deutscher Orden (Deutscher Ritterorden), Orden 9f., 25-34, 49, 51f., 54- 56, 61, 76f., 114, 171-181, 183-192 Deutsches Reich 150 Deutschland (Nieder-, Ober-, Nord-, Süddeutschland, Heiliges Römisches Reich [deutscher Nation]) 1, 5f., 13f., 16f., 19-21, 25, 27, 34, 40, 49f ., 53, 57, 61-63, 70f ., 77, 79, 83, 87f ., 102, 105, 108,112, 139-142, 144-146, 150- 152, 154- 156, 158-160, 163, 165- 167, 169, 171, 173, 175, 177, 179, 182, 184f., 187, 191f., 196, 198-202, 205, 209 f., 212 f. Dillingen a. d . Donau, 0. 203 Dinkelsbühl (Dinkepole), 0. 2, 4, 71, 88 Dionyisios, hl. 38, 153f., 161, 166 Dominikaner/ innen (Sant Dominicus ordes), Orden 197, 201f., 203,206, 210- 212 Dominikus (t 1221), hl. 209 Donau (Danubium), Fl. 71, 146, 159, 162f.,199 Donauwörth (Vorthen), 0. 4, 71 Dorothea Langenberger, Ehefrau des Georg Österreicher 47 Dorothea Schad, Ehefrau des Gabriel Langenberger 46 Dortmund, 0. 15 Dunzendorf, 0 . nö. von Rothenburg 36 Düren, O./ St. Annareliquie 87 Eberhard Rüd von Kollenberg (belegt 1446) 93 Eberhard von Mulfingen d.J. (1386, Haustausch Rothenburg) 46 Eberhart, Martin , Rothenburger Rats mitglied (16. Jh .) 47 Eger, 0. 135 Egidius, hl. (Gilles) 9, 45, 151 Eichstätt, 0 . 13, 15, 36, 49, 127 - Btm . 126f. Eifel 40, 88, 93 Einsiedeln, 0. 41, 50,207,209 Eisenach, 0. 210 Ekkebert von Münsterschwarzach (t 1076/ 77), sei. Abt 126 Elbersroth, 0. s. von Rothenburg 36 Elbing, Jakobsbruderschaft 183 Elisabeth von Thüringen (t 1231), hl. 55f.,61, 105, 11~ 174, 11~ 188,192 Elisabeth Hornburg, Stifterin zu Rothenburg (1467) 76 Elsaß 205f., 212 Elsaß-Burgund, Deutschordensballei 178 Elspet Weissin, Rompilgerin aus Rothenburg (1400) 96 Emehard, Bf. von Würzburg (1089-1105) 122, 127f. Emmeram, hl. 84, 160, 166 Enea Silvio Piccolomini (1405- 1464), Humanist, später P. Pius II. (1458- 1464) 213 England (Südengland, Angelsachsen) 16, 34, 70, 144, 146, 192, 209 f. Erfurt, 0. 210 Erhard (t um 700), hl., Missionsu . Hofbf . am Herzogshof der Agilofinger zu Regensburg 164 Erlangen, 0. 198f., 207 Ermland 183 - D. 179 Ernst (Arnost), sagenhafter bairischer Hz . 166 Esslingen, 0 . 4,203 - St. Dionysius, Kirche 38 <?page no="233"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 233 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 233 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Register der Orts- und Personennamen 221 Etsch, Deutschordensballei 184 Euphemia von Chalked on, hl. 192 Europa (Nord-, Ost-, Mittel-, Westu . Zentraleuropa) 33, 38, 48, 63, 70, 86, 88,140,145,147,167,190,199,210 Eyfelstterin, Katharina, Bürgerin von Rothenburg (Mitte 16. Jh .) 47 Faramund, legendärer Frankenkg. 30 Faulenberg, 0. auf der Frankenhöhe / St. Sixtus, Kirche 90 Federsee, See in Oberschwaben 4 Felix, hl. 8 Felix Fabri (Felix Schmid) (um 1440- 1502), Dominikaner und Autor 195- 204, 206f., 209-215 Fellin, Deutschordenskommende 186 Felsberg, 0. 190f. Feuchtwangen, 0. 2 - St. Jodok , Leprosenhaus 89 - Stift 120 Finisterre, Kap im Nordwesten der Iberischen Halbinsel 212 Flandern 34 Florenz, 0 . 14 Franken, Landschaft u. Reichskreis (Ost-, Unterfranken) 1f., 4, 6-8, 12, 15, 25, 29f., 32-34, 38, 49, 63f., 119-122, 126f., 13~ 145, 171,18~210 Franken,gens 147, 152-154, 157,159, 163,167 Franken, Deutschordensballei 181, 190 Frankenhöhe, Hochfläche s. des Steigerwalds 36f. Frankenreich 150f. , 153, 165 Frankfurt am Main, 0. 5, 19, 36, 141f., 146, 150-154, 161f., 168 - St. Salvator, Kirche 168 Frankreich (Nord-, Südfrankreich) 33, 37, 48, 50, 70, 92, 150f ., 161, 169, 173, 209f. Franziskaner, Orden 45, 60, 75, 130, 133f. Freiburg im Breisgau, 0 . 206 Freiburg im Üchtland, 0. 48, 50 Frickenhausen am Main, 0 . 83 Friedau (Ormoz), 0. 174 Friedberg, 0. i. d. Wetterau 5 Friedrich Herlin (FridrichHerlin , Maister hörlin, Herlein,friderich herlein) (um 1430-1500), Maler 37, 56, 58-60, 62, 97, 101-104, 106, 108-110, 112f., 117, 181 Friedri ch 1. Barbarossa, röm.-dt. Kg. u . Ks. (1152-1190) 33, 71, 150 Friedrich II., röm.-dt. Kg . u. Ks., Kg . von Sizilien u . Jerusalem (1212-1250) 150, 157f. Friedrich III., röm.-dt. Kg . u . Ks. (1140- 1494) 22, 77 Friedrich IV. von Rothenburg (t 1167), Hz . von Schwaben 30 Friedrich 1., Hz. von Schwaben (t 1105) 127 Friedrich von Sachsen, Hochmeister des Deutschen Ordens (1498-1510) 180 Friesen, gens 34 Fritzlar, 0. 163 - St. Peter, Kirche 163 Fuchshart-Müller, Nördlinger Familie 102 Fulda, O./ St. Jodokus, Bruderschaft 89 Fürbringer, Rothenburger Familie 54 Fürth (Bayern), 0 . 16 Füssen, 0. 71 Gabriel Langenberger aus Markelsheim, seit 1497 Bürger von Rothenburg 47 Gabriel Langenberger (t 1525), Bürger u . Ratsmitglied von Rothenburg 46-48 Gabriel Langenberger, Sohn des Gabriel Langenberger, Stadtschreiber zu Uffenheim / Amtsverweser zu Colmberg (16. Jh.) 47 Gabriel Tetzel (t 1479), Santiagopilger aus Nürnberg in Begleitung Leo von Ro zmital (1465-1467) 64 Galicien 62 Gammesfeld, 0. bei Rothenburg/ St. Nikolaus, Kirche 90 Gattenhofen, 0. bei Rothenburg 51 Gebsattel, 0 . s. von Rothenburg 45 Geislingen, 0. 205 Gemmhagen (Gebenhagen), 0. sw. von Rothenburg 36 Genf, 0. 206 Gengenbach, 0. 4 Georg, hl. 29, 36, 59, 101, 103-105, 174, 179,192 Georg Emerich (t 1507), Bürgermeister in Görlitz 60 Georg Österreicher aus Windelsbach 47 Georg von Eltz, Marschall des Deutschen Ordens (1515-1525) 185f. <?page no="234"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 234 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 234 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 222 Register der Orts- und Personennamen Gerhus Seheimer, Rompilger aus Rothen burg (1400) 96 Gertraud, Nonne, Santiagopilgerin aus Danzig (1420) 182 Geweiler, 0. 206 Gibraltar, Meerenge von 209 Giengen a. d. Brenz, 0 . 4 Gloston, 0. 209 Gnadenzell, Kl. in Offenhausen bei Münsingen 203 Gnetzheimer, Christoph, Anwalt in Rothenburg (16. Jh .) 47 Goethe, Johann Wolfgang von (1749- 1832), Dichter 142 Gollach-Ostheim, 0. 36 Goldochs, Familie aus Dinkelsbühl 88 Golme, 0 . 41 Görlitz, 0. 60 Gormund (Gormundus rex Africanorum ), Sagengestalt 146, 150 Gorze, Kl. 126f., 135 Gotteszell, Kl. bei Schwäbisch Gmünd 203 Gottfried Lesch von Erlbach, Ritter, Stifter für St. Jakob zu Rothenburg 55 Gottfried Werner von Zimmern, Gf., Herr von Meßkirch und Wildenstein (-l · 1554) 49 Gottfried, Pfarrer zu Rothenburg (belegt 1236/ 1239) 27 Graudenz, 0. 184 Gregor X ., P. (1271-1276) 32 Griechenland 148, 166 Grifo (Gripo, Karl der Greif>(t 753), Sohn Karl Martells 163-165 Grunewang, Martin, Verfasser einer Danziger Familienchronik (um 1600) 182 Gumprecht, hl. 49 Gundekar I., Bf. von Eichstätt (1015- 1019) 126 Habsburger, Dyn. 18, 199 Hagenau, 0. 5 Hainrich Ziigler, evtl. Deutschordensbruder (15. Jh.) 49 Hall in Tirol, 0. 128 Hamburg, O./ Domaltar 116 Hans Besserer, Rothenburger Stadtschreiber (1504-1509) 88 Hans Böhm (um 1458-1476), Pauker von Niklashausen 81 Hans Bornemann, Maler in Lüneburg (15. Jh.) 59 Hans Burgkmair (1473-1531), Maler 48 Hans Dyemar (Pfandauslösung Rothenburg 1414) 93 Hans Gremlein, Rompilger aus Rothenburg (1450) 96 Hans Grimm, Bürger von Rothenburg (Anfang 16. Jh.) 46 Hans Haiden, Rompilger aus Rothenburg (1512) 96 Hans Hartmann (Hausverkauf Rothenburg 1544) 47 Hans Hopferstaat, Gelübde zu Santiagofahrt (1492) 98 Hans Jagstheimer, Stifter zu Rothenburg (15. Jh.) 60 Hans Kamensetzer, Künstler in Straßburg (15. Jh.) 113 Hans Multscher (t 1467), Bildhauer 110, 112f. Hans Neithart, Bürgermeister in Ulm und Humanist (t Ende 15./ Anfang 16. Jh.) 213 Hans Rympach, Bürger von Rothenburg, Gelübde zur Santiagofahrt (1520) 98 Hans Schaiblein, Vormund von Wolf Langenberger 47 Hans Spelter, Vormund von Wolf Langenberger 47 Hans Spörlein (t 1426), Bürger von Rothenburg 60f. Hans von Waltheym, Pilger nach St-Maximin (1474) 50 Hans Waidenlich, Kunstschreiner in Nördlingen (15. Jh.) lOlf., 110, 113 Hans Wern, Rothenburger Ratsherr (Ende 14. Jh .) 91, 95, 97 Hans Wernher, belegt als Bürge in Rothenburg (1414) 93 Hans Ziegler, Bürger von Rothenburg (seit 1531) 47f., 50f. Hans Ziegler aus J agstzell (belegt in Rothenburg 1485) 48 Hans Ziegler von Bamberg (belegt in Rothenburg 1501) 48 Hans Ziegler von Windsheim (belegt in Rothenburg 1524) 48 Hartmann, siehe Hans Hartmann Hartmann Schedel (1440-1514), Arzt u. Humanist aus Nürnberg 195, 199,213 Haßfurt, 0. 8 <?page no="235"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 235 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 235 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Register der Orts- und Personennamen 223 Heidelberg, 0. 205, 210 Heideloff, Alexander von, Restaurator (19. Jh.) 80 Heidenreuchen, Agent für Friedrich Herlin in Rothenburg (1469) 109 Heilbronn, 0. 4, 19, 36 - St. Anna, Burderschaft 6 - St. Jodokus, Kapelle 89 Heilige Drei Könige 43, 105,210 Heiligenbronn, Kl. bei Schramberg 54 - St. Sebastian, Kapelle 90 Heilmeier, Max, Professor und Künstler aus Nürnberg (belegt 1910/ 11) 55 Heilsbronn, Kl. bei Ansbach 12, 35, 62, 77 Heinrich II., hl., de. Kg. u. Ks. (1002- 1024) 15 Heinrich X., der Stolze, Hz. von Bayern (1126-1138), Hz. von Sachsen (1137- 1139) 161 Heinrich II. (um 1062/ 65-1116), Gf. von Comburg-Rothenburg 120, 123, 128 Heinrich Leicht von Schmalkalden, zu Bußfahrt verurteilt (1403) 39 Heinrich Mist! auer, Rothenburger Bürger (1314 zu Mietpilgerschaft verurteilt) 92f. Heinrich Rudolf, Kaplan der Rothenburger Marienkapelle (Anfang 16. Jh.) 87 Heinrich Schultheiß, Rothenburger Bürger (15. Jh .) 46 Heinrich Seuse (1295-1366), Mystiker 198,204 Heinrich Steinhöwel (1412-1479), Arzt u. Humanist 213 Heinrich Toppier (t 1408), Bürgermeister von Rothenburg 25, 39, 51, 60f., 95, 113 Heinrich Trüb d. Ä., Rompilger aus Rothenburg (1450 u. 1469) 95 Heinrich von Neuneck, Komtur von Winnenden (belegt um 1520) 182, 185, 190 Heinrich Wacker, Ehemann der Elisabeth Hornburg 76 Heinrich Wernitzer, Bürger von Rothenburg (14. Jh.) 46 Heinrich Zenner, Ratsherr zu Rothenburg (14. Jh.) 51f . Heinrich Zuckmantel, Bürger von Rothenburg (Wallfahrtsgelübde nach Rom 1343) 39, 95, 97 Heintz Meier, Bürger zu Rothenburg (Ende 14. Jh.) 46 Heinz Langenberger, Kannengießer, Bürger von Rothenburg (seit 1525) 47 Heinz von Seckendorf (belegt 1446) 93 Hermann I. von Henneberg, Gf. (1215- 1290) 12 Hermann von Salza, Hochmeister des Deutschen Orden (1209-1239) 33 Hermann I., Bf. von Bamberg (1065- 1075) 126 Hermann Künig, Servitenmönch aus Vacha, Verfasser eines Pilgerführers (um 1495) 50,209 Herodes Agrippa, Kg. von Judäa (37-44) 57,106 Herrieden, Kl. bei Ansbach 36, 113 - Chorherrenstift 101 Hessen (Nordhessen) 152 f., 163 - Deutschordensballei 190, 192 Hieronymus, hl. 58 Hieronymus Holzhäuser, Bürger zu Creglingen (16. Jh.) 47 Hieronymus Münzer (1437-1508), Nürnberger Arzt u. Humanist, Verfasser eines Pilgerberichts (1494/ 95) 207 Hieronymus Öffner, Rothenburger Bürger (16. Jh .) 46 Hieronymus Ziegler, Präzeptor (Anfang 16. Jh.) 49 Hirsau, Kl. im Schwarzwald 127, 135 Hochheim, 0. ö. von Mainz 206,210 Hof, 0. 8 - Altar 110 Hofmann, Hans Wilhelm, Bürger von Rothenburg (17. Jh.) 44 Hohenlohe, Familie 25 Holstein, Hzt. 77 Hrottrud, Gemahlin Karl Martells 163 Hubert, hl. 186 Hunnen, Bezeichnung für Baiern 158f ., 162,167 Hussiten 19 Iberische Halbinsel, siehe auch Spanien Ingelheim, 0./ St. Jodocus, Pilgerspital 40 Ingolstadt, 0. 49 Innozenz VI., P. (1352-1362) 20 Innsbruck (Isinbriggiu), 0. 70 Iphofen, 0. 73 Ippesheim, 0. bei Würzburg 49 <?page no="236"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 236 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 236 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 224 Register der Orts- und Personennamen ! ring von Reinstein-Homburg, Bf. von Würzburg (1254-1265) 27, 31f. Irland 144,210 Iren (Iro-Schotten, Schotten), Mönche zur Missionierung 34, 139f., 142f., 145, 148f., 155-157, 160, 164-168 Irmgard, Ehefrau des Heinrich Zenner 51 Isembard, Sagengestalt 146, 150 Island 70 Isny, 0. 4 Isolde, literarische Gestalt 146 Italien (Oberitalien) 62, 70, 157, 163,200 Jacob Lubbe, Danziger Krämer (15. Jh.) 182 Jacobus de Voragine (Varazze), Bf. von Genua (1288/ 92-1298), Hagiograph 57, 87, 106,211 Jacobus (Jacobus iustus), hl., Bf. von Jerusalem 173 Jagstzell, 0. bei Schwäbisch Hall 48 Jakob Osterholzer, Heiligenpfleger in Bopfingen (belegt 1512) 59 Jakob Reutter, Heiligenpfleger in Bopfingen (belegt 1512) 59 Jerusalem, 0. 10, 36, 96,186,196,198, 200-202, 204, 211f. - Bf. 173 - Grabeskirche 60 heiliges Grab 97, 202 Jodocus Qobst/ Jost/ Joß), hl. 36, 39-41, 88-90, 94 Jodokus Trüb, Mordopfer in Rothenburg (1516) 92 Johann Erckel (t 1478), Elbinger Bürgermeister, Santiagopilger (1478) 183 Johann Hemmendorf, Rompilger aus Rothenburg (1400) 96 Johann von Helfenstein, Gf./ Domkanoniker zu Straßburg (15. Jh.) 58 Johann von Posilge (t 1405), Chronist 182 Johann Ziegler (Hans Zigler), evtl. Komtur der Deutschordenskommende Rothenburg (15. Jh.) 49 Johann Ziegler (t 1521), Pfarrer in Ippesheim u. Adelshofen 49 Johannes, hl., Evangelist und Apostel 55, 58, 61, 105, 111, 135, 174-176, 179, 181 Johannes Baptist Qohannes der Täufer), hl. 61, 178, 192 . Johannes XXII., P. (1316-1334) 12 Johannes Georg Thurmaier (Aventinus) (1477-1534), Chronist 84 Johannes Teuschlein (t 1525), Prediger in Rothenburg 75, 80, 83-86 Johannes von Eilringen, Deutschordenspfarrer zu Rothenburg (15. Jh.) 77 Johanniter, Orden 62, 71 f., 192 Jörg Laterer, Initiatior eines Betplatzes am Klingentor in Rothenburg (1475) 80 Jörg Winterbach, Stifter für Jakobspflege zu Rothenburg (1550) 48 Joseph, hl. 105 Joß Ziegler, Bürger von Rothenburg (seit 1531) 48, so Juden 47,52, 82-84, 93,96 Juliane von Lüttich (t 1258), hl. 12, 73 Kalixt II., P. (1119-1124) 57 Karl der Dicke, frk. Kg. u. Ks. (876-887 / 8) 150 Karl der Große (Karoli Magni), Kg. der Franken (768-814), Ks. (seit 800) 19, 139-144, 146, 148-159, 161f., 16Sf., 169,211 Karl IV., röm.-dt. Ks. (1349-1378) 20, 45 Karl Martell, frk. Hausmeier (718/ 719- 741) 141f., 146, 149-155, 157-159, 160-168 Karl V., röm.-dt. Ks. (1519-1555/ 1558) 185 Karl I. von Anjou, Kg. von Sizilien (1266-1285) 157 Karl von Österreich, Hochmeister des Deutschen Orden (1619-1624) 174 Karlburg, 0. in Unterfranken 38 Karlmann (t 754), frk. Hausmeier (741- 747) 164 Karlsburg (Alba Julia), 0. 167 Karlstadt, Prediger (1525) 75 Karolinger, Dyn. 15, 131f., 139,141, 144,14~ 14~ 15~ 154, 15~159,161, 164f. Kaspar Bruschius (1518-1557), Humanist u. Geschichtsschreiber 97 Kaspar Wernitzer, Bürger von Rothenburg (14. Jh.) 46 Kastilien 33 Katalonien 209 Katharina, hl. 105, 131f., 134, 178f., 192 <?page no="237"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 237 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 237 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Register der Orts- und Personennamen 225 Katharina Trüb, Bürgerin von Rothenburg (Gelübde zur Romfahrt 1378) 39, 95 Kathrein Kunein, Rompilgerin aus Rothenburg (1400) 96 Kaufbeuren, 0 . 4 Kaufmanns-Saarbrücken (Saarburg/ Lothringen), 0. 5 Kaysersberg, 0. 5 - Deutschordenskommende 178 Kelkheim (Kadel-camf), 0. sw. von Frankfurt a. Main 153, 161, 166 - Kelkheim-Münster, Kl. 153, 161, 166 - St. Dionysios, Altar im Münster 153, 161 Kelten 128, 147 Kempten, 0. 4 Kilian, hl. 12f ., 15, 29-31, 33, 60, 62, 122, 168, 188 Kinzig, Fl. 165 Kirchheim unt er Teck, 0. 203 Kirnberg, 0 . s. von Rothenburg 93 Kitzingen, 0. 12, 88 Kleisz Vosz, Santiagopilger aus Danzig in Begleitung Christoph Beyers (1479) 182 Knut Laward (der Brotspender, t 1131), hl., dänischer Hz. 161 Koblenz, 0. 40, 210 - Deutschordensballei 178 Kobolzell, 0 . a. d. oberen Tauber/ Kapelle St. Maria 27, 78-80, 82, 86, 90 Kocher, Fl. 120, 123, 128, 129, 132f. Köln, 0. 13, 36, 40, 59, 142,210 - Deutschordenskommende 178 - Ebf. 123 Kolonat, hl. 13 Kornburg, siehe Comburg Königsberg (Preußen), 0. 180 Köniz, Deutschordenskommende 178 Konrad Greuer, Aachenpilger (1403) 40 Konrad Groß (t 1356), Reichsschultheiß 10, 14 Konrad III., röm.-dt. Kg. (1138-1151) 25,30 Konrad von Feuchtwangen, Hochmeister des Deutschen Orden (1290-1297) 52 Konrad von Marburg, Deutschordensbruder (belegt 1303) 52 Konrad vo n Schaumberg (t 1499), Jerusalempilger (1499) 96 Konrad II. von Thüngen, Bf. von Würzburg(1519-1540) 85 Konrad von Rothenburg, Hz. von Schwaben (1192-1196) 33 Konstanz, 0. 4, 13 - St. Stephan, Stift 49 Kraft, Andreas, Bürger von Nürnberg (16. Jh.) 47 Kulm, D. 179 Kunera, hl. 178 Kunigunde Schmidmair, Ehefrau des Hans Jagstheimer, Stifterin zu Rothenburg (15. Jh.) 60 Kunigunde (t 1033), hl., Kgn. u. Ksn., Gemahlin Heinrichs II. 15 Kyffhäuser, Gebirge und 0. 150 La Mota, Deutschordenskommende in Spanien 186 Labiau, 0. 183 Landau i. d. Ffalz, 0. 5 Landshut, 0. 141 Langenberger, siehe auch Barbara Langenberger, Dorothea Langenberger, Gabriel Langenberger, Heinz Langenberger, Margarethe Langenberger, Wolf Langenberger Langenberger, Rothenburger Familie 46 Langenberger, Leonhard, Bürger von Rothenburg (seit 1538) 47 Langenfeld, 0. i. d. Eifel 40f. - St. Jost, Kirche 40, 93 f. Langenstein, 0. bei Marburg 190f. Lauda, 0. 73 Lauingen a.d. Donau, 0. 203 Laurentius, hl. 45, 192 Lausanne, 0. 50 Leiden, Deutschordenskommende 178 Leipzig, 0. 83 Lengmoos, 0 . in Südtirol 184 Leo III., P. (795-816) 165 Leo von Rozmital, Hochadliger und Santiagopilger aus Böhmen (1465-67) 64 Leonhard, hl. 58, 61, 105, 114 Leonhard Pfenig, stiftet fünf Wallfahrten (Testament Rothenburg 1509) 92 Leutkirch, 0. 4 Leuzenbronn, 0. im Maulachgau 30 - St. Andreas, Kirche 27 Lichtei, 0. bei Weikersheim 46 Lichtenfels, 0. 8 Lindau (Bodensee), 0. 4 Lisieux, 0. 209 <?page no="238"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 238 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 238 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 226 Register der Orts- und Personennamen Lissabon, 0 . 209 Litauen 184 Livland 171,177,179,186,192 Loire, Fl. 63 London, 0 . 87 Lorch, 0. u. Kl. 127,205 Lorenz, hl. 9, 11, 18f., 22 Loren z Fries (1489-1550), fürstbi schöflicher Sekretär u. Rat in Würzburg 123 Lorsch (Laurissa, Lauresham), Kl. w. von Bensheim 148f. Los, Rothenburger Familie (belegt 1395) 91 f. Lothar 1.,frk . Kg . u. Ks. (817/ 840-855) 149 Lothar von Supplinburg, röm.-dt. Kg . u . Ks. (1125-1137) 149,161 Lough Dergh, 0 . in Irland / Fegefeuer des hl. Patrick 210 Lübeck, 0 . 41 Ludwig der Bayer, röm.-dt. Ks. (1314- 1347) 3, 18, 45, 71 Ludwig der Fromme, frk. Kg. und Ks. (814-840) 154 Ludwig 1. zu Veldenz, Pfalzgraf und Herzog von der Pfalz-Zweibrücken 1444-1489) 46 Lukas, hl. 49 Lüneburg, 0. 59 - St. Andreas, Prämonstratenserkirche 59 Lupa, galicische Kgn . aus der Jakobuslegende 57f., 106 Luther, Martin _(1483-1546), Reformator 60, 83, 86, 115f. Lüttich , 0. 12 Luzern, 0. 207 Maastricht, O ./ St. Servatius, Kirche 210 Magdalena, hl. 203 Mailand, 0. 14 Main (Mayen fluvius, Untermain), Fl. 34, 71,83, 127, 146,152,162,166,187 Main z, 0 . 36, 40, 93,122,210 - Bf. 206 - Btm . 128 - St. Anna, Reliquie 87 Makkabäer, Volk des Alten Testaments 191f. Marburg a.d. Lahn, 0. 210 - D eutschordenskommende 190 Margarete Volckamer, Förderin der Sebaldusverehrung in Nürnberg (15.Jh .) 19 Margaretha, hl. 105 Margarethe Langenberger, Ehefrau von Hieronymus Holzhäuser 47 Margarethe von Mulfingen, Ehefrau von Eberhard von Mulfingen d.J. 46 Maria, hl. (Muttergottes, Gottesmutter, Gottesgebärerin) 7, 27, 37, 40, 42, 46, 52, 79f., 82-88, 90, 92, 94, 97, 105, 114,168,174, 177-181, 192,203 , 214 Maria Elisabeth, hl. 58 Maria Magdalena, hl. 61, 104, 192 Maria Mödingen, Kl. bei Dillingen 203 Marienburg, Hauptsitz des Deutschen Ordens in Preußen 180 Markdorf, O./ St. Mauritius, Hospital 44 Markelsheim, 0. im Taubertal 47 Marktoffingen (Offinge), 0. bei Nördlingen 71 Markus, Evangelist 173 Martin, hl. 15, 58, 180, 187 Martin Fürbringer d.J., Wolfgangspfleger Rothenburg (1511-1516) 54 Martin Greulich, Maler (16. Jh .) 57, 116f. Martin V., P. (1417-1431) 14, 17, 20 Matth äus , Evangelist 173 Maulachgau 27 Maulbronn, 0. 205,210 Mauritius, hl. 29, 44 Maximilian 1.,röm.-dt. Kg . u. Ks. (1493- 1519) 22, 77 Mayen, 0. 41 Medingen, Kl. 212 Medlingen, 0. bei Lauingen 203 Melchior von Neuneck, Landkomtur der Deutschordensballei Franken (1463- 1491) 181 Mellrichstadt , 0 . 8 Memmingen, 0. 4 Mergentheim, 0. 36 Merowinger, D yn. 147, 152 Meßkirch, 0 . 49 Metz, 0 . 5 Metzholz, 0. bei Rothenburg 91 Metzler, Josaphat, Buchbinder (belegt 1702) 44 Michael, hl. 53, 78, 125, 130f., 133 Michael Eisenhart, Kaplan in Rothenburg, u . a. Verfasser der Rothenburger Stadtchronik (16. Jh.) 30 <?page no="239"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 239 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 239 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Register der Orts- und Personennamen 227 Michael Eisenhart, Vikar im Domstift zu Augsburg (Anfang 16. Jh.) 49 Michael Korner, Schwager des Johann Ziegler (Pfarrer) 49 Michael Öffner, Bürger von Rothenburg (15. Jh.) 46 Michael Ornat, Rothenburger Wollhändler, Gründer einer Schäferbruderschaft (1475) 81 Michael von Leone (t 1355), kaiserlicher Notar u. bischöflicher Protonotar in Würzburg(1336-1348/ 50) 123 Minderoffingen (Offinge), 0. bei Nördlingen 71 Mittelmeer 209,211 Montpellier, 0. 8 - St. Martin, Deutschordenshospital 187 Mosbach, 0. 76 Moses, biblische Gestalt 53 Mülhausen, 0. 5 München, 0. 49, 87,117,141 Münnerstadt, 0. 8 Münsingen, 0. sö. von Reutlingen 203 Münster, 0. im Gregoriental 5 Münsterer, Hans, Bürger zu Nürnberg (16. Jh.) 47 Munster, Agent für Friedrich Herlin in Rothenburg (1468) 109 Murrhardt, Kl. nö. von Backnang 132 Musdorf, 0. bei Rothenburg/ St. Michael, Kirche 78 Muslime (Mauren) 167, 211 Narbonne, 0. 209 Neckar, Fl. 36 Nette, Fl. 41 Neuhausen, 0. bei Worms 205 - St. Ciriacus, Kirche 206 Neustadt a. d. Aisch, 0. 8 Neustetten, 0. bei Virnsberg 187, 189 Niccolo da Poggibonsi (Mitte 14. Jh.) 200 Niederlande 59, 103, 106, 108, 173, 175, 185 Niedernhall, 0. 128 Niederstetten, 0. 73 Nikolaus, hl. 27, 29, 36, 90, 125, 127, 178f. Nikolaus Eseler d.Ä. (1436-1482), Baumeister 76, 88, 103 Nikolaus Eseler d.J. (bis 1512 in Mainz nachweisbar), Baumeister 76, 103 Nikolaus Gerhaert von Leyden (um 1430-1473), Bildhauer 112 Nikolaus von Kues (1401-1464), Bf. von Brixen (1450-1458), Kardinal, Philosoph 185 Nompar, Seigneur de Caumont (Santiagopilger 1417) 58 Nordenberg, Bg.ruine bei Rothenburg 37, 92 Nördlingen (Nordling[en]), 0. 4, 57-59, 71,73, 101-106, 108-110, 112[ - St. Georg, Kirche 59, 101, 103f. - St. Salvator, Kirche 73 Nordsee 34, 71 Nürnberg (Nuremberg), 0. 1-4, 7-11, 13f., 16-22, 28f., 35f., 39, 47, 55, 62-64, 72, 77, 83, 96f., 112f., 127, 135, 172,187, 198f., 207,210,213 - Deutschordenskommende 9, 178, 181, 190 - Heilig-Geist-Spital 14 - St. Clara, Kirche 22 - St. Cyprian, Kopfreliquiar 22 - St. Cyriakus, Reliquiar 22 - St. Deocarus, Reliquiar 22 - St. Egidien, Benediktinerkl. 9 - St. Elisabeth, Deutschordenskapelle u. Spital 187f. - St. Jakob, Deutschordenskirche 34 - St. Jobst, Siechenkobel bei Nürnberg 89 - St. Johannes, Friedhof 11 - St. Lorenz, Kirche 9, 11, 18f., 22 - St. Peter u. Paul, Kapelle 16 - St. Sebald, Kirche 9, 15-17, 19, 22,116 Nusch, Georg Wilhelm, Kanzlist in Rothenburg (belegt 1808) 43 Oberehenheim, 0. 5 Ochsenfurt (Osenvorde, Oxenport), 0. 70f. Offenburg, 0. 4 Offenhausen, 0. bei Münsingen 203 Öhringen, 0. u. Stift 8, 121, 129f., 132, 134 Ormoz(Friedau), 0. 174 Österreich 18, 159, 199 Ostsee 171 Ötting, 0. 163-165 Otto, hl., Bf. von Bamberg (1102-1139) 15 <?page no="240"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 240 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 240 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 228 Register der Orts- und Personennamen Paderborn, 0 . 61 Palästina (Heiliges Land, heilig landt) 32, 37, 39, 96f ., 136, 187, 190, 196, 198, 209 Palencia, 0. 209 Pannonien 199 Paris, 0 . 135, 157f., 166 Patrick, hl. 210 · Paul Scholtcze, Santiagopilger aus Elbing (1467) 183 Paulus, hl. 16, 61, 95,176,179,190 Pavia, 0. 53 Peter Horn, Pfarrer von Lichtei (belegt 1456)46 Peter von Dusburg (t um 1356), Domherr in Königsberg (ab 1313), Chronist 177 Peter von Schaumberg, Kardinal , Bf. von Augsburg (1424-1469) 59 Petrus (Peter), hl. 8, 15-17, 27-29, 61, 95, 143f., 148, 154-157, 160, 163,165, 167-169, 175f., 178f., 181, 190 Pforzheim, O./ St. Magdalena, Kl. 203 Ffullendorf, 0 . 4 Philippus, hl. 179 Picardie 88, 95 Pippin II., der Mittlere, frk. Hausmeier (t714) 151f., 164 Pippin III., d.J., Kg. der Franken (751/ 752-768) 151f., 164 Polen 174,183,192 Pomesanien, D . 179 Pom m erdlen, D . 179 Pommern 164 Popp, Fritz , Bürger von Rothenburg (16. Jh.J 47 Popp , Jörg, Bürger von Rothenburg (16.Jh .) 46f. Poppenreuth, Vorort von Fürth (Bayern) / St. Peter u . Paul, Kirche 16 Prag, 0. 20 Prämonstratenser, Orden 59 Preußen (Prussen,Pruzen) 32, 171, 176f., 179, 181-185, 191f. Prozelten, Deutschordenskommende 189 Ptolemäus (Claudius Ptolemäus), Gelehrter der Antike 209 Pyrenäen 209 Rangau, Gebiet in Mittelfranken 27 Rast enburg, O ./ St. Jakob, Bruderschaft 183 Ravensburg, 0. 4 Regensburg (Ratisbona, Ratispona), 0. 4, 3~ 13~141-14~ 151f., 154-169 - Consecrati Petri, Kirche (Weih St . Peter, Wihen sanctipetri, St. Peter auf dem Siegbühel) 143f ., 149, 155f., 163, 165, 167-169 - Oberu. Niedermünster 164 - St. Dionysios, Verehrung 154, 166 - St. Emmeram, Benediktinerkl. 84, 166 - St.Jakob, Schotten/ Irenkl. 140,142, 145, 147-149, 155-157, 161, 165-168 - St. Maria, Wallfahrt zur Schönen Maria 83-85 Reichardsroth, 0 . n. von Rothenburg 62, 71 Reichenau , Kl. im Bod ensee 150 Reims, 0 . 169 Reinger, Edelfreier, Gründer von St. Peter zu Detwang (2. Hälfte 10. Jh .) 27 Reschen, Alpenpaß 187 Reuthin, 0. s. von Pforzheim 203 Reutlingen, 0. 4 Rhein (Nieder-, Oberrhein, Rheintal), Fl. 1, 4f ., 15, 34, 36, 41, 63, 106, 112f., 148,175,197,199,206,210 Rhenen, Deutschordenskommende 178 Rhone (Rh onetal), Fl. 205, 209 Richard , Gf. von Comburg-Rothenburg 120f. Rochus, hl. 39, 53, 61 Rogier van der Weyden (um 1400-1464 ), Maler 59, 108 Roland, Markgraf aus der Bretagne (8. Jh.) 161 Rom, 0 . 32, 36, 39, 41, 69-72, 75, 93-98, 141f., 144,153,155,157 , 159, 163, 173f., 185f., 196,198,201, 203f., 211 - St. Peter, Kirche 8 - St. Peter u . Paul, Gräber 95 Roncesvalles, 0. 161 Rossheim, 0. 5 Rothermund, Johann Lorenz, Maler aus Bamberg(19.Jh.) 16,117 Rothenburg ob der Tauber (Rotinnborg ar, Rottnnburgk uff der Tawber, Rottenburg, Rotemburg uf der Thawber, Rotemburg, Rotemburg uf der Thawber, Rotenburch, rotenburck , Rotenb urg, Ro tenburg, Rotenburg), 0. 2, 4, 8, 25-45, 47-64, 69-73, 75-78, <?page no="241"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 241 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 241 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Register der Orts- und Personennamen 229 80-97, 101, 103f., 106, 112f., 116,119, 122f., 141,178, 188f., 195 - Deutschordensniederlassung 34, 49, 172,178,181,187,190 - Dominikanerinnenkl. 74 - Franziskanerkirche 45, 60 - Franziskanerkl. 75 - Friedrich Herlin-Altar 101-104, 106,110,113,115,117 - HI. Blut, Verehrung 19, 72-75, 77, 86, 114 - St. Anna, Bruderschaft 6, 88 - St. Anna, Reliquie u. Altar in Marienkapelle in Rothenburg 46, 87 - St. Jakob, Kirche 25-29, 31, 34, 37, 43, 52-56, 61f., 64, 72, 74f., 77f., 101-103, 181 - St. Jakob, Spörleinkapelle 60 - St. J odokus, Bruderschaft 89f. - St. Jodokus, Verehrung 89, 94 - St. Maria, Kapelle 42, 46, 87 - St. Maria, Kapelle zu Unserer Lieben Frau 46 - St. Maria, Kapelle zur Reinen Maria 52, 80, 85f. - St. Maria, Verehrung 82 f. - St. Maria, Wallfahrt zur Reinen Maria 86 - St. Michael, Kapelle 53 - St. Michael, Pfarrkirche 131, 133 - St. Nikolaus, Kapelle 27 - St. Wolfgang, Kirche 39, 46, 48, 53f., 80, 86 Rother von Bari, literarische Gestalt 157 Röttingen, 0. a. d. Tauber 73 Rottweil, 0. 4 Rudolf I., röm.-dt. Kg. (1273-1291) 2, 45, 78 Rudolf II. von Scherenberg, Bf. von Würzburg(1466-1495) 60, 81 Rugger (t nach 1098), Gf. von Comburg- Rothenburg (1085-1093) 136 Rumänien 167 Rupert de Grave, Deutschordenskomtur von Fellin in Livland (1518-1535) 186 Ruprecht, röm.-dt. Kg. (1400-1410) 45 Sachsen 152f., 161-163, 210 Saint-Denis, 0. u. Kl. bei Paris 166 Saintes, 0. 209 Saint-Josse-sur-Mer (lose, sant Jose dem verern), 0. i. d. Picardie 40f., 88, 92, 95 Salamanca, 0. 209 Salier, Dyn. 16, 149 Salvator 73, 168 Samland, D. 179 Sankt Gallen, Kl. 4 Sankt Ottilien, Kl. w. von München 206, 210 Santiago de Compostela (Santiago, Compostela, Compostelle, sunte Jacob in Galliscien), 0. 6, 26, 33-37, 39-44, 46, 50f., 54f., 57, 60-64, 70, 95, 97, 106, 125f., 141, 16~ 16~182-18~ 191, 19~ 201, 204f., 207, 209-212 - St.Jakobus, Grab 33, 35, 97, 190f. Satlers, Mich! , Bürger von Rothenburg (16. Jh.) 46 Schaffhausen, 0. 4 - Rheinfall 199 Schainbach, 0. bei Wallhausen 36 Schleswig-Holstein 161 Schlettstadt, 0. 5, 206 Schlüchtern, Kl. s. von Fulda 152, 160, 161, 165, 168 Schmalkalden, 0. 39, 89 Schonach, 0. im Schwarzwald/ St. Sebald, Kirche 90 Schönsteinbach, 0. 206 Schoten, Deutschordenskommende i. d. Ballei Utrecht 178 Schottland 210 Schotten, siehe Iren (Im-Schotten) Schwaben (Sueviae, Oberschwaben), Landschaft u. Reichskreis 1, 4, 15, 29, 34, 120f., 127f., 181, 199-201, 203, 212f. Schwäbisch Hall (Hall, Halle, villa Halla), 0. 2, 4, 8, 18, 61, 73, 89,119, 121, 123,125f., 128-136 - Franziskanerkl. 130, 133f. - St. Katharina ursprünglich Filial der Pfarrei Westheim 131, 132, 134 - St. Michael, Markt 125, 130 Schwäbisch-Gmünd (Gmünd), 0. 4, 203 Schwarzach, Kl. 126 Schweinfurt (Swinvorde), 0. 2, 4, 8, 32, 71 Schweiz (Schweizerlande) 199, 205-207 Sebald Oertel (t 1552), Santiagopilger (1521-1522) 207 Sebaldus/ Sebald, hl. 9, 15-19, 21 f., 39, 116 Sebastian, hl. 7, 53f., 61, 90, 105, 192 <?page no="242"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 242 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 242 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 230 Register der Orts- und Personennamen Segeberg (Siegberg), 0. 161 Servatius, hl. 210 Sevilla, 0. 209 Siebenbürgen 167 Siegfried, Sagengestalt 146 Siena, 0. 14 Siersdorf, Deutschordenskommende 178 Sigismund Meisterlin (t nach 1479), Benediktiner zu Augsburg, Chronist 17 Sigismund, röm.-dt. Kg. u. Ks. (1410- 1437) 19, 21f. Sixtus, hl. 90 Sixtus IV., P. (1471-1484) 9 Skandinavien 41, 70, 146 Slawen, gens 147, 161 Slowenien 174 Soest, 0. 15 Sondernohe, 0. bei Ansbach/ Pfarrkirche St. Veit (später Marienpatrozinium) 178 Spanien (Nordspanien, Hispanien, Iberische Halbinsel) 33f., 57, 70, 106, 141,161, 166f., 169,171,183, 186f. Speyer, 0. 5,206,210 Stade, 0. 71 - Benediktinerkl. 71 Staufer, Dyn. 1f., 25-27, 29-34 , 36, 44, 61[, 123-125, 127,131,157,171 Steigerwald 73 Stein am Rhein, 0. w. von Konstanz 49, 197 Steinbach, Vorort von Schwäbisch Hall 131, 134 Steinheim an der Murr, Kl. St. Maria 203 Steinsfeld, 0. n . von Rothenburg 51, 88 - St. Anna, Bruderschaft 88 Stephan, hl. 18, 49, 178, 192 Stockgarter (Stuttgarter), Jörg, Rothenburger Goldschmied (16. Jh .) 75 Stralsund, 0. 41 Straßburg (Stratzburg), 0. 5, 58, 112f., 135,199,206,210 Stricker, Autor (Schaffenszeit 1220-1250) 169 Suanahi! t, Frau Karl Martells 163-165 Sulz, Kl. bei Rothenburg 73 Svanga, 0. 70 Tassilo III., Hz. von Bayern (748-788/ 794) 158f. Tauber (Taubertal), Fl. 27, 36, 50, 79-81, 120 Tauberbischofsheim, 0. 93 Tauberzell, 0. n. von Rothenburg 27 Taunus 166 Templer, Orden 171,192 Tenkitten, 0 . im Samland 180 Teuschlein, Prediger (1525) 75 Thann, 0. 41 Theoderich (Dietrich Schenk von Erbach), Ebf. von Mainz (1434-1459) 93 Thieme, E., Schreiner (19. Jh.) 117 Thietmar von Merseburg, Bf. von Merseburg (1009-1018), Geschichtsschreiber 152 Thomas, Apostel 192 Thomas Becket, hl. 70 Thomas Zweifel (t 1540), Rothenburger Stadtschreiber 75, 85 Thorn, 0. 184, 192 Thüringen 153,210 Tiel, Deutschordenskommende 178 Tilman Riemenschneider (1468-1531), Bildhauer 39, 58, 78, 87, 96, 116 Tirol 128 Toledo, 0. 209 Totnan, hl. 13 Toul, 0. 5 Toulouse, 0. 209 Trient, 0. 173 - Bf. 184 Trier, 0. 41,142,210 Tristan, literarische Gestalt 146 Tschechien 166 Türken, Volk 89, 97, 167 Türkheim, 0. 5 Turpin (Pseudo-Turpin), Ebf. von Reims (748-794) 169,211 Twann, 0. im Kanton Bern 38 Überlingen, 0. 4 Uffenheim, 0. 8, 37, 47 Ulm, 0. 4, 10, 29, 110, 113, 195-205, 207, 209-214 - Deutschordenskommende 29 - Dominikanerkl. 198 - Dominikanerinnenkl. 201f., 210 Ulrich Kün, pfarrer zu Bopfingen (belegt 1512) 59 Ulrich von Schrozberg, Bürger von Rothenburg (15. Jh.) 96 <?page no="243"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 243 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 243 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 Register der Orts- und Personennamen 231 Ulsenheim, 0 . n . von Rothenburg 36 Urban IV., P. (1261-1264) 12f., 73 Urphar am Main, 0. bei Wertheim 187, 189 Ursula,hl. 192,210 Utrecht, Deutschordensballei 178 Vacha (Vach), 0. SO,209 Veit, hl. 178 Veit Stoß (um 1440/ 50-1533), Bildhauer, Maler u. Kupferstecher 112 Venedig, 0. 14, 17f., 187,203 Verdun, 0. 5 Vienne, 0. 13 Villingen, 0. 38 Vils (Vilstal), Fl. 205 Virnsberg, Deutschordenskommende 187, 189 Vratislav II., Kg. von Böhmen (1085- 1092) 169 Waiblingen, Brüder 181 Walachei 199 Walburga (t 779), hl. 178 Walldürn, 0 . 73 Wallhausen, 0. sw. von Rothenburg 36 Walther, Pfarrer in Rothenburg (belegt 1238) 32 Wandalen, gens 145 Wangen, 0. 4 Weihenstephan, 0. 156 Weikersheim, 0. 73 Weikersholz, 0. bei Rothenburg/ St. Anna, Wallfahrt 90 Weil der Stadt, 0 . 4 Weil, 0. bei Esslingen 203 Weißenburg (Elsaß), 0. 5 Weißenburg (Franken), 0. 2, 4, 18 Welfen, Dyn . 33 Welsche 200 Wendelin, hl. 39 Wenden,gens 171 Werner von Orseln, Hochmeister des Deutschen Orden (1324-1330) 184 Werner, Hilfsgeistlicher in Rothenburg (1236/ 1239) 28 Wernitzer, Rothenburger Familie 54 Wernitzer, Bonifaz, Rothenburger Patri zier (16. Jh.), führte u. a. Stadtchronik 30 Wernitzer, Georg, Rothenburger Patrizier (16. Jh .) 92 Wertheim, 0. a. d. Mündung der Tauber in den Main 189 Weser, Fl. 153 Westheim, Pfarrei 132 Wetzlar, 0 . 5 Widman, Georg, Stadtchronist Schwäbisch Hall (16. Jh.) 123, 131f. Wien, 0. 2, 9, 18 - St. Stephan, Dom 18 Wigo, Mönch in Feuchtwangen (belegt 994) 120 Wildenhof (Wylndor/ ), 0. bei Kirnberg s. von Rothenburg 93 Wildenholz, 0 . s. von Rothenburg 36 Wildenstein, 0. sö. von Crailsheim 49 Wildentierbach, 0. w. von Rothenburg 36 Wilhelm I., deutscher Ks. (1871-1888) u. Kg. von Preußen (1861-1888) 150 Wilhelm II., deutscher Ks. u . Kg. von Preußen (1888-1918) 150 Wilhelm Ziegler, Maler aus Creglingen, Bürger von Rothenburg (1507/ 1531) 48-50, 53f. Willibald (t 787), hl., Bf. von Eichstätt 15f. Wilsnack, 0. 13, 41 Wilzen, gens 164 Wimpfen, 0. nö. von Rothenburg 4, 36 Windelsbach, 0 . 47 Windsheim, 0. 4, 8, 48 - Archidiakonat 27 Winnenden, 0. 29, 172, 187, 190 - Deutschordenskommende 178, 182, 185 - St. Jakob, Kirche 189 Winterbach, Karl, Bürger von Rothenburg (17. Jh.) 44 Wittelsbach, Dyn . 141 Wittenberg, 0. 83 Wittich, Leonhard, Bürger von Rothenburg (16. Jh.) 47 Wodan, Göttergestalt 167 Wolf Langenberger, Sohn des Gabriel Langenberger d.Ä. 47 Wolfgang, hl. 39, 46, 48, 53f ., 80, 86 Wolfgang Katzheimer d. Ä., Maler zu Bamberg (nachweisbar 1465~1508) 60 Wolfgang von Castell (t 1546), Gf. 49 Walter von Plettenberg, Landmeister von Livland (1494-1535) 186 Worms, 0. 3, 5, 20Sf., 210 <?page no="244"?> Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 244 Die oberdeutschen Reichsstädte.indd 244 30.09.22 08: 52 30.09.22 08: 52 232 Register der Orts- und Personennamen Wülfingen, Herrenhof am Kocher (11. Jh.) 120 Wunnibald (t 761), hl. 16 Württemberg (Nordwürttemberg) 120 Würzburg (Herbipolis, Virzinborgar), 0. 7, 12f., 15, 30-32, 34-36, 39, 50, 70f., 78, 80, 83, 97, 121-123, 127, 135, 156,210 - Bf. 25, 60, 78, 81, 85, 88, 123, 126f., 132, 161 - Btm. 6, 8, 29, 126f. - Deutschordenskommende 27, 34 - Grafeneckart, Ratskapelle St. Felix u. Adauctus 8 - HI. Blut, Domvikarie 73 - Neumünster, Stift 30-32, 62, 121f., . 127 - Schottenkl. 34 - St. Cyriakus, Prozession 12 - St. Lukas, Künstlergilde 49 - St. Maria, Kapelle 7, 97 - St. Sebastian, Bruderschaft 7 Zaragoza, 0. 209 Zell am Hammersbach, 0. 4 Ziegler, siehe auch Anton Ziegler, Bartholomäus Ziegler, Bernhard Ziegler, Hainrich Ziigler, Hans Ziegler, Hieronymus Ziegler, Johann Ziegler, Wilhelm Ziegler Ziegler, Andreas, Sohn des Jörg Ziegler 49 Ziegler, Jakob, Bürger von Rothenburg (2. Hälfte 16. Jh.) 50f. Ziegler, Jörg (t nach 1572), Maler (evtl. Meister von Meßkirch) 49 Ziegler, Ludwig 49 Ziegler, Sebastian, Sohn des Jörg Ziegler 49 Zimmern, siehe Gottfried Werner von Zimmern Zisterzienser, Orden 12 Zollern, Dyn. 25 Zürich, 0. 15, 37, 197 Zwiefalten, Kl. n. von Riedlingen 127