Soziolinguistik
Ein Arbeitsbuch
0701
2005
978-3-8233-7198-4
978-3-8233-6198-5
Gunter Narr Verlag
Werner H. Veith
Diese Einführung skizziert 14 fachliche Schwerpunkte und schöpft dabei auch aus den Ergebnissen der Nachbarwissenschaften, insbesondere der Soziologie, Neurologie, Psychologie und Pädagogik. 100 Abbildungen im Text dienen der Illustration, der Erklärung komplexer Zusammenhänge und der Raffung von Fakten. Die leserfreundliche Präsentation erleichtert das Verstehen, Übungsaufgaben und Lösungen ermöglichen die Lernkontrolle, Literaturhinweise regen zu selbstständigem Arbeiten an. Für die zweite Auflage wurden die Didaktisierung verbessert, die Literaturhinweise aktualisiert und der Forschungsüberblick auf den neuesten Stand gebracht.
<?page no="1"?> narr studienbücher <?page no="3"?> Werner H.Veith Soziolinguistik Ein Arbeitsbuch mit 104 Abbildungen, Kontrollfragen und Antworten 2., überarbeitete Auf lage Gunter Narr Verlag Tübingen <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. 2., überarbeitete Auflage 2005 1. Auflage 2002 © 2005 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Druck: Gulde, Tübingen Verarbeitung: Nädele, Nehren Printed in Germany ISSN 0941-8105 ISBN 3-8233-6198-8 <?page no="5"?> Vorbemerkungen zur 2. Auflage Die Neuerscheinungen zur Soziolinguistik haben in den letzten Jahren außerordentlich zugenommen. Ein Teil davon hat hier exemplarisch berücksichtigt und neu diskutiert werden können. Dies gilt insbesondere für die Inhalte der Kapitel 3 bis 7, d. h. die Bereiche der Sondersprachen Jugendlicher und Erwachsener, der Kommunikationskonflikte in Institutionen, der geschlechts- und altersspezifischen Sprachkonflikte und der kulturabhängigen Vielfalt. Die Konzeption der ersten Auflage ist beibehalten worden. So setzt das Buch ein mit Fragen, die sich auf die Handlungsorientierung der Menschen erstrecken und auf den damit verbundenen Verlauf der Kommunikation. Es folgt ein Überblick über die soziolingualen Systeme und Subsysteme mit entsprechenden Definitionen. Das Individuum in der Gesellschaft ist der Gegenstand von Kapitel 2, mit besonderer Berücksichtigung der pränatalen Voraussetzungen für Sprachhandeln und Sprache als System. Der Spracherwerb und die weitere Sprachentwicklung des Kindes sind dann der Gegenstand der Diskussion. Vom Kind zur Frau bzw. zum Manne - das wird unter soziolinguistischen Aspekten in Kapitel 3 thematisiert. Davon berührt sind vor allem die sondersprachliche Ausgrenzung von Schülern, Jugendlichen und schließlich Erwachsenen. Jargons und Register werden in diesem und in den folgenden Kapiteln thematisiert. In diesem Zusammenhang werden exemplarisch die Sprachkonflikte von und mit Erwachsenen behandelt: in Institutionen der öffentlichen Ordnung, Verwaltung und Schule; ferner in den Städten, was sich in jüngeren Forschungen zu dem Problembereich „Stadtsprachen“ niedergeschlagen hat. Aber auch die Sprache auf dem Lande im Vergleich zur Stadt ist von Interesse, hier u. a. der Dialektgebrauch und dessen Rückgang (Kapitel 4 und 5). Die soziologischen Superkategorien „Geschlecht“ und „Alter“ und die damit verbundenen Sprachkonflikte werden in Kapitel 6 thematisiert. Sprache und Gesellschaft sind in größere kulturelle und ethnische Gegebenheiten eingebettet; damit verbunden sind nach innen wie nach außen sprachliche Konflikte. Diese Zusammenhänge werden in Kapitel 7 aufgegriffen. <?page no="6"?> Vorbemerkungen VI Einige Illustrationen sind nun verändert, vor allem wenn die zitierten Autoren inzwischen selbst eine Revision vorgenommen haben. Dies betrifft u. a. Abb. 1.12 und einige soziologische Modelle in den Abbildungen 4.11 4.13 und 7.13, denen neue statistische Daten zugrunde liegen. Einige Abbildungen, z. B. Els Oksaars Kulturemmodell (Abb. 7.1), sowie einige Texte als Abbildungen (Abb. 3.3: Mutter-Tochter-Dialog; 3.7: Kanakisch) kommen hinzu, ebenso mehrere Definitionen, die der inhaltlichen Klärung Rechnung tragen. Von der Korrektur einiger Druckfehler abgesehen, war das Buch darüber hinaus orthographisch neu zu gestalten: Die zum 1. August 2005 wirksam Teilen - angewandt werden müssen. Dies ist nicht ohne erhebliche, von der Sachlage her gerechtfertigte Bedenken geschehen. Zitate werden in der originalen Orthographie wiedergegeben. Mainz Sommer 2005 Werner H. Veith gewordene reformierte Orthographie hat - zumindest in den unstrittigen - <?page no="7"?> Inhalt Vorbemerkungen zur 2. Auflage.......................................... V Verzeichnis der Abbildungen ........................................... XI 1 Theoretische Grundlagen 1.1 Handlungsorientierung ......................................... 1 1.1.1 Soziolinguistik und Sprachsoziologie ........................ 1 1.1.2 Sprache als interaktives Phänomen ........................... 5 1.1.3 Pragmalinguistische Parameter ................................ 10 1.1.4 Verlauf der Kommunikation .................................. 14 Literatur (Auswahl) - Kontrollfragen ....................... 16 1.2 Systemorientierung ............................................. 18 1.2.1 Sprachsystem, Soziolinguistik, Nachbarwissenschaften ... 18 1.2.2 Systemare Linguistik ........................................... 20 1.2.3 Soziolinguale Systeme .......................................... 22 1.2.4 Gesamtsprache, Subsysteme, Jargons, Register ............ 25 Literatur (Auswahl) - Kontrollfragen ....................... 29 2 Primäre sprachliche Sozialisation 2.1 Gesellschaft und Individuum ..................................... 31 2.1.1 Identität und mikrosoziologische Kategorien ............... 31 2.1.2 Individueller Drehpunkt, individuelle Sprache ............. 33 2.1.3 Prä- und postnatale Prozesse .................................. 36 2.1.4 Identität des Sozialen in der Sprache ......................... 43 Literatur (Auswahl) - Kontrollfragen ....................... 49 2.2 Kindheit und Sprache ........................................... 50 2.2.1 Sprachentwicklung und Sprachverwendung (als Modell) .. 50 2.2.2 Sprache und Umwelt in der Frühphase ...................... 51 2.2.3 Handlungsorientierte Identitätsbildung ....................... 54 2.2.4 Instanzen im frühen Spracherwerb ........................... 57 Literatur (Auswahl) - Kontrollfragen ....................... 62 <?page no="8"?> Inhalt VIII 3 Soziolinguale Ausgrenzung 3.1 Schüler und Jugendliche ....................................... 63 3.1.1 Gruppenbildung und Sprache .................................. 63 3.1.2 Sprachliche Besonderheiten .................................... 65 3.1.3 Gibt es „die Jugendsprache“? ................................ 68 3.1.4 Einige Jargons ................................................... 71 Literatur (Auswahl) - Kontrollfragen ....................... 76 3.2 Sondersprachen Erwachsener ................................. 77 3.2.1 Subkulturen und Rotwelsch .................................... 77 3.2.2 Argot und „Slang“ als Sondersprachen ...................... 79 3.2.3 Massenjargon ................................................... 82 3.2.4 Fachsprachen als Sondersprachen: Macht und Herrschaft 84 Literatur (Auswahl) - Kontrollfragen ....................... 88 4 Kommunikationskonflikte in Institutionen 4.1 Öffentliche Ordnung und Verwaltung ........................ 89 4.1.1 Soziale Institutionen ............................................ 89 4.1.2 Institution Klinik ................................................ 91 4.1.3 Institution Gericht ............................................... 94 4.1.4 Ämter und Verwaltung ......................................... 96 Literatur (Auswahl) - Kontrollfragen ....................... 101 4.2 Schule: Theorien über sprachliches Versagen .............. 102 4.2.1 Kode-Theorie und Schule ...................................... 102 4.2.2 Soziale Schichtung .............................................. 107 4.2.3 Restringiertes Denken? ......................................... 111 4.2.4 Zur Rezeption der Kode-Theorie in Deutschland .......... 114 Literatur (Auswahl) - Kontrollfragen ....................... 118 5 Sprachliche Varietäten 5.1 Theorie und Empirie ............................................ 120 5.1.1 Erste Forschungen .............................................. 120 5.1.2 Sozialstatus und „Style“ ....................................... 122 5.1.3 Skalierungsverfahren ........................................... 126 <?page no="9"?> Inhalt IX 5.1.4 Graphen und Netzwerke ....................................... 130 Literatur (Auswahl) - Kontrollfragen ....................... 133 5.2 Soziolinguistik der Stadt ....................................... 134 5.2.1 Forschungsüberblick ............................................ 134 5.2.2 Diastratische und diatopische Varianz ....................... 137 5.2.3 Dialektniveau .................................................... 143 5.2.4 Kommunikation in der Stadt und Applikation .............. 148 Literatur (Auswahl) - Kontrollfragen ........................ 150 6 Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 6.1 Geschlecht und Sprache ........................................ 152 6.1.1 Zur Terminologie ............................................... 152 6.1.2 Forschungslage zur „Genderlinguistik“ ..................... 157 6.1.3 Theorie der zwei Kulturen ..................................... 161 6.1.4 Gesprächskonflikte - Gesprächsstile ......................... 164 Literatur (Auswahl) - Kontrollfragen ....................... 168 6.2 Alter und Sprache ............................................... 169 6.2.1 Aspekte des Begriffs „Alter“ .................................. 169 6.2.2 „Gerontolinguistik“ ............................................. 172 6.2.3 Kommunikationskonflikte mit Menschen fortgeschrittenen Alters ........................................ 176 6.2.4 „Alter“ in der linguistischen Theorie ........................ 180 Literatur (Auswahl) - Kontrollfragen ....................... 182 7 Kulturelle und sprachliche Vielfalt 7.1 Multikulturelle, multiethnische, polyglossische Gesellschaft ..................................................... 184 7.1.1 Kulturelle Verschiedenheit .................................... 184 7.1.2 Multikulturell, multiethnisch .................................. 191 7.1.3 Polyglossisch .................................................... 196 7.1.4 Diglossie und Bilingualismus .................................. 199 Literatur (Auswahl) - Kontrollfragen ....................... 203 <?page no="10"?> Inhalt X 7.2 Multilinguale Gesellschaft ..................................... 204 7.2.1 Sprachenkontakt, Sprachenwechsel ........................... 204 7.2.2 Einstellungen .................................................... 206 7.2.3 Konfrontation mit Sprachen neuer Minderheiten ........... 209 7.2.4 Sprachenkontakt in Grenzsäumen ............................. 215 Literatur (Auswahl) - Kontrollfragen ....................... 219 8 Antworten und Lösungen ............................... 220 9 Literaturverzeichnis ..................................... 243 10 Sach- und Personenindex ................................... 264 <?page no="11"?> Verzeichnis der Abbildungen 1 Theoretische Grundlagen 1.1 Auf dem Dach (nach Bahrdt 2000, S. 35) .................................... 2 1.2 Soziolinguistik und Sprachsoziologie ................................................ 3 1.3 In einem italienischen Restaurant ..................................................... 4 1.4 Verkaufsgespräch in einem Warenhaus .............................................. 7 1.5 Vereinfachte Darstellung der Informationsspeicherung (Delhees 1994, S. 278) ................................................................. 7 1.6 Reflexive Co-Orientierung in der Interaktion (in Anlehnung an Siegrist 1970) ...................................................... 9 1.7 Ein Interview im Rahmen einer Dialektstudie .................................... 11 1.8 Linguale und nonlinguale Kommunikationsakte .................................. 12 1.9 Systemare und Soziolinguistik, Nachbarwissenschaften ........................ 20 1.10 a) Adverbiale in Spitzenstellung b) Süddeutsche Alltagssprache - Perfekt statt Präteritum ....................... 21 1.11 Zum Begriff des Systems in Linguistik und Soziologie ......................... 23 1.12 Ein soziolinguistisches Varietätenmodell (aus: Löffler 2005, S. 79) ......... 24 1.13 Eigenschaften relevanter „Kommunikationstypen“ .............................. 27 1.14 Modell soziolinguistischer Orientierung (exemplarisch) ........................ 28 2 Primäre sprachliche Sozialisation 2.1 Akkomodation einer Regel als Schema (Text: Ramge 1975, S. 71) .......... 35 2.2 Verschaltung von Neuronen (modif. aus Spitzer 1996) ......................... 38 2.3 Streuungen des Sprechens und Hörens bei einheitlicher Wahrnehmung des Lauts ............................................................. 39 2.4 Stereotype (Daten aus: Schank/ Schoenthal 1976, S. 78) ........................ 41 2.5 Merkmale von Regeln und Normen ................................................. 44 2.6 Stufen der Sprachentwicklung und -verwendung (n. Markova 1973, aus: Lewandowski 1978, S. 170 f., leicht modif.) ....................... 51 2.7 Dimensionen der sozialen Welt des Kindes (aus: Schmidt-Denter 1996, S. 21, n. Lewis/ Feiring 1979) .................... 54 2.8 Fiktives Netzwerk der Kommunikation von 6 Kindern ......................... 55 2.9 Schema einer sprachlichen Eltern-Kind-Interaktion (n. Martens 1974) ..................................................................... 57 2.10 Soziale Bedingungen der kindlichen Retardation ................................. 61 3 Soziolinguale Ausgrenzung 3.1 Häufige Schülerwörter mit institutioneller Orientierung (nach Angaben von Henne 1986, S. 161 ff.) ..................................... 65 <?page no="12"?> Verzeichnis der Abbildungen XII 3.2 „Sprüche“ (Phraseologismen) (nach Angaben von Henne 1986, S. 118 ff.) ..................................... 66 3.3 Mutter-Tochter-Dialog - ein Textbeispiel (Schlobinski 1993, S.17) .......... 68 3.4 Anglizismen in den Jugendszenen: Substantive in acht Sachgruppen (aus: Androutsopoulos 1998, S. 551) .............................. 69 3.5 Arealität des Jugendjargons: ‚schnell wegrennen‘ (nach Beispielen von Ehmann 1992b, S. 156) .................................... 71 3.6 Disko-Deutsch ......................................................................... 72 3.6‘ Wörter und Wendungen im „Disko-Deutsch“ von Abb. 3.6 ................... 73 3.7 Ein Textbeispiel zum Kanakischen (aus Freidank 2001, S. 9) ................. 74 3.8 Nachrichten in Smiley (übersetzt aus der Zeitschrift m Nr. 18, 1999, Auswahl) .............................................................. 75 3.9 Rotwelsch (modif. Auszug aus: Grahs/ Humann 1979, S. 18) ................. 78 3.10 Überreste des Rotwelschen im 19. u. 20. Jh. (Auswahl) (einige Zentren n. Angaben in Kluge 1987 u. Siewert 1996) .................. 78 3.11 Laborslang und Umgangssprache (aus: Mahler 1978) ........................... 82 3.12 Emotional bedingte Stereotype in der Sportberichterstattung (Zeitungsreportagen Mai/ Juni 1978, eigene Quelle) ............................. 83 3.13 Fachsprachliches Sachwissen abhängig von der Vertrautheitsstufe (Schräder 1991, S. 213) .............................................................. 87 3.13‘ Fachsprachliches Sachwissen (als Diagramm) abhängig von der Vertrautheitsstufe (Schräder 1991, S. 214) ............................. 87 4 Kommunikationskonflikte in Institutionen 4.1 Kommunikation in Institutionen - Auswahl (Daten n. Ehlich/ Rehbein 1980 u. Reimann 1991, modif. Systematik) ................... 90 4.2 Strategien eines Arztes und einer Patientin (Daten n. Bliesener 1982) ........ 92 4.3 Machtstrategien der Ärzte und ihre Wirkung (leicht modif. aus: Bliesener 1982, S. 196) ......................................................... 93 4.4 Zwei Fälle vor dem Verkehrsgericht (n. Leodolter 1975) ...................... 94 4.5 Typik von Verständigungsproblemen in der Behörde (Selting 1987, S. 52, ergänzt u. leicht modif.) ................................... 98 4.6 Satzlänge in der Verwaltungssprache verglichen mit Texten von F.A.Z. u. rde (leicht modif. aus Wagner 1970) ........................... 101 4.7 Die Bernsteinschen Kodes (ausgewählte Merkmale) ........................... 103 4.8 Text in restringiertem Kode (Böse 1970) ......................................... 103 4.9 Dialog (Situation wäre zu ergänzen) (vgl. Porzig 1986, S. 251) .............. 105 4.10 Hypothesen über Sozialisationsbedingungen in der Familie ................... 106 4.11 Soziale Lagen in Westdeutschland 1994 (n. Daten v. Geißler 2002, S. 135) .......................................................................... 108 4.12 Soziale Milieus und Schichten West (Quelle: Geißler 2002) ................. .109 4.13 Soziale Milieus und Schichten Ost (Quelle: Geißler 2002) ..................... 110 4.14 Beispiele zur Sapir-Whorf-Hypothese ............................................. 112 4.15 Denken/ Fühlen - Mitteilen - Ausdrücken (Enkodierung) ..................... 113 4.16 Beispiel eines Quotienten in der Studie Ulrich Oevermanns .................. 115 <?page no="13"?> Verzeichnis der Abbildungen XIII 5 Sprachliche Varietäten 5.1 Varietätenlinguistische Begriffe .................................................... 121 5.2 Indexskala zur soziologischen Klassifikation (Labov 1966, S. 216) ................................................................ 123 5.3 Gleiche soziale Stufe (6) bei wechselnden Parametern ......................... 123 5.4 Stil-Schichten .......................................................................... 124 5.5 „Style“-Schichtung der Varianten von / r/ und soziale Zugehörigkeit der Sprecher (n. Labov 1966, S. 238) .......................... 125 5.6 Tilgung des Pluralsuffixes bei 12 Schwarzamerikanern in Washington D. C. (n. Fasold 1971, dieser n. Schwester Kessler 1969) .................... 128 5.7 Tempusgebrauch und Alter in einer deutschen Sprachinsel (n. Zahlen v. Hooge 1983, S. 1217 [nd. Mda. im Dorf Kant in Kirgisien]) .......................................................................... 129 5.8 Graph eines Zweiwortsatzes von Tesnière (1959) ............................... 130 5.9 Matrix der Grundform eines sozialen (Status 1, 2) und lingualen (Knoten 1, 2) Netzwerks ................................................ 131 5.10 Soziales und linguales Netz der Frauen in Old City (Freeman 1992, aus: Jansen 1999, S. 198) ................................................... 132 5.11 Richtungen der Stadtsprachenforschung (exemplarisch) ....................... 136 5.12 Schichtung deutscher Kommunikationssysteme (Auswahl in Anlehnung an Bausinger 1984, S. 35) ............................................ 138 5.13 Sprachschichtung in Frankfurt/ M. anhand von Regeln zum Konsonantismus (Standardsprache als Bezugssystem, n. Veith 1983) ............... 139 5.14 Kleinstädtische Sprachlagen in einem zwanglosen Gespräch (aus: Huesmann 1998, S. 97) ....................................................... 142 5.15 Sprachlagen in einem zwanglosen Gespräch, erfragt in süd- und mitteldeutschen Großstädten (aus: Huesmann 1998, S. 100) ............ 142 5.16 Sprachlagen in einem zwanglosen Gespräch, erfragt in norddeutschen Großstädten (aus: Huesmann 1998, S. 101) ......................... 143 5.17 Dialektalität von vier Städten im Westmitteldeutschen (Herrgen/ Schmidt 1989, S. 325) ................................................... 145 5.18 Dialektniveau in Osterholz-Scharmbeck (nach Angaben von Stellmacher 1977, S. 123) .......................................................... 146 5.19 Dialektniveau (%) pro Variable (s. Abb. 5.18) und Generation (nach Daten von Stellmacher 1977) ............................................... 147 6 Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 6.1 Rollenattribute von „Arzt“ und „Ärztin“ ........................................ 153 6.2 Grammatisches Geschlecht: die drei Genera im Deutschen (Auswahl im Nominativ Singular und Nominativ Plural) .................................. 154 6.3 Die Sprache der Frau (n. Daten von Jespersen 1925) .......................... 158 6.4 Unterbrechungen als Zeichen von Interaktionsstörungen (Zahlen aus Bauers 1996, S. 27) ................................................... 164 <?page no="14"?> Verzeichnis der Abbildungen XIV 6.5 Geschlechtstypische Register und Gesprächsstile (n. Angaben v. Samel 2000 [ 1 1995]) ............................................................. 167 6.6 Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland (aus: Schulze 1998, S. 31) ........................................................................... 169 6.7 Parameter zur Analyse von „Alter“ (leicht modif. u. übers. aus: Caradec 2001, S. 47) .......................................................... 171 6.8 Ein „Altersdiskurs“ (Thimm 2000, S. 309) ...................................... 174 6.9 Positive und negative Stereotype in Interaktionen (Übers. u. generalisiert aus Thimm 2000, S. 111, diese n. Hummert 1994) ............. 175 6.10 Kommunikationsprobleme jüngerer und älterer Personen (Modell aus Thimm 2000, S. 109, nach Ryan u. a. 1995)................................ 177 6.11 „Patronisieren“ im Sozial- und Sprachverhalten ................................ 179 6.12 Charakteristika patronisierender Kommunikation (aus: Thimm 2000, S. 124) . .............................................................. .179 6.13 Sprache im fortgeschrittenen Alter (Auswahl von Merkmalen) ............... 180 6.14 Sprachabbau bezogen auf Jakobsons Zwei-Achsen-Modell ................... 181 7 Kulturelle und sprachliche Vielfalt 7.1 Kulturem, Behaviorem (Els Oksaar 1988b) ...................................... 185 7.2 Kultur, Gesellschaft, Sprache ....................................................... 186 7.3 Werthaltungen in europäischen Gesellschaften (Auswahl) (Übers. u. modif. n. Angaben v. J.-M. Morin 1998, S. 143) ................. 188 7.4 Konkurrierende Varietäten der deutschen Standardsprache ................... 189 7.5 Alloglotte Sprecher in Basel nach Stadtteilen (Quelle: Lüdi 1996, S. 119, Stand: 1990) ......................................................... 194 7.6 Wohndichte alloglotter Sprecher nach Stadtteilen in Basel (Quelle: Lüdi 1996, S. 120, Stand: 1990, übersetzt u. leicht modif.) ....... 195 7.7 Diglossie und Varietätengefüge in Süd- und Norddeutschland (Quelle: Menke 1992, S. 226) ..................................................... 197 7.8 Tri-, Polyglossie in Ost-(„Neu-“)Belgien (Raum Eupen) (n. Angaben v. Nelde/ Darquennes 2000, S. 128) ............................... 199 7.9 Bilingualismus und Diglossie (n. Fishman 1975, S. 96) ....................... 200 7.10 Diglossie, Bilingualismus (deutsche Standardsprache ist übergeordnet, „high“) ............................................................... 201 7.11 Einstellungen zum Rauchen ......................................................... 207 7.12 Einstellungsmessungen von Kolde (1981) - einige Ergebnisse ................ 208 7.13 Schichtzugehörigkeit von erwerbstätigen Ausländern (aus: Geißler 2002, S. 295) ......................................................... 210 7.14 Beispiele für „Pidgin-Deutsch“ und Foreigner Talk (Auswahl) .............. 211 7.15 Pidgin- und Kreolsprachen (Schema) ............................................. 213 7.16 Koexistierende Sprachsysteme mit Deutsch in Nachbarländern (Auswahl) .............................................................................. 216 7.17 Die sprachliche Situation im Raum Malmédy ................................... 217 7.18 Der Status des Deutschen in Nachbarländern (Auswahl) ...................... 217 <?page no="15"?> 1 Theoretische Grundlagen 1.1 Handlungsorientierung 1.1.1 Soziolinguistik und Sprachsoziologie Zentrale Begriffe - Linguistik - Soziologie - „sozial“ - soziales Handeln - Soziolinguistik / Sprachsoziologie - Objektbereich / Metabereich Zentrale Begriffe Linguistik Jede Wissenschaft hat einen bestimmten Gegenstand (Objektbereich), auf den sie sich bezieht. Der Gegenstand der Soziolinguistik ist nicht die Struktur der Gesellschaft, sondern die Sprache der Gesellschaft. In der Soziolinguistik werden sprachliche Gegebenheiten beschrieben, die auf gesellschaftliche zurückzuführen sind. Die Soziolinguistik ist eine Teildisziplin der „Linguistik“, als Wort eine seit dem 18. Jh. bestehende gelehrte Neubildung, vorher „Linguist“ (17. Jh.), zu lat. lingua ‚Zunge, Rede, Sprache‘ (vgl. Pfeifer 1989, S. 1020 f.). „Linguistik“ wird mit „Sprachwissenschaft“ gleichgesetzt, jedoch als Terminus aus mehreren Gründen, z. B. wegen der Internationalität und der Wortbildung („Sozio-“, „Neuro-“, „Pragma-“, „Ethno-“ -linguistik), gegenüber „Sprachwissenschaft“ bevorzugt. Der Gegenstand der Linguistik ist die menschliche Sprache. Die Verständigungsmittel der Tiere, vielfach auch als „Sprache“ bezeichnet (z. B. als „Sprache“ der Bienen, der Vögel), werden hier nicht behandelt. Soziologie sozial Das Kompositum Soziologie wurde 1839 als sociologie von Auguste Comte geprägt. Es bezieht sich auf lat. socius ‚(Kampf-)Gefährte, Teilnehmer, der mit einer Gesellschaft Verbundene‘ und griech. logos ‚Rede, Wort, (philosophische) Lehre, Kunde‘. In den mit socius gebildeten Ausdrücken ist frz. société, aus lat. societas ‚Vereinigung, Versammlung, Zusammenkunft, Gemeinschaft‘ entlehnt, bereits 1165 belegt, und zwar in der Bedeutung ‚Kommunikation, Beziehung zwischen Personen, die etwas miteinander gemein haben‘ (Le Robert 1998, S. 3529 f.). Das Adjektiv frz. social, dem die deutsche Übersetzung sozial entspricht, ist zwar seit dem 14. Jh. belegt, allerdings in einer etwas anderen Bedeutung als heute. In der deutschen Alltagssprache bedeutet das Wort s. v. w. ‚auf das Wohl der Mitmenschen bedacht‘ - man assoziiert bestimmte Insti- <?page no="16"?> Theoretische Grundlagen 2 tutionen, etwa Einrichtungen wie das Sozialamt, die Sozialfürsorge u. ä. und die Antonyme unsozial, asozial. Davon unterscheidet sich die wissenschaftliche Auffassung. Die moderne Soziologie bindet seit Max Weber (1921) das Adjektiv sozial an den Begriff des Handelns und gelangt so zu einer der beiden Bedeutungen, die der frz. Ausdruck société bereits im Altfranzösischen besessen hat: Soziales Handeln ist wechselseitig orientiertes Handeln von Menschen. Soziolinguistisch präzisiert heißt dies: Soziolinguales Handeln ist wechselseitig orientiertes Handeln von Menschen mittels Sprache. Sowohl die einseitige wie die wechselseitige Orientierung des sozialen Handelns erläutert das Beispiel in Abb. 1.1. Abb. 1.1: Auf dem Dach (nach Bahrdt 2000, S. 35) Ein Dachdecker führt auf dem Dach einen Auftrag aus, kooperiert möglicherweise mit Kollegen und handelt in Erwartung einer Entlohnung. Er handelt solange sozial, wie er durch seine Tätigkeit auf dem Dach „anderen Menschen Nutzen bringt“. Nun rutscht ihm aber eine Dachziegel aus der Hand, die einen Passanten verletzt. Ist das Verletzen des Passanten analog zu der normalen Tätigkeit auf dem Dach auch als soziales Handeln zu werten? Geht man von dem alltagssprachlichen Begriff sozial aus, dann wahrscheinlich nicht. Zum sozialen Handeln gehören aber die Rücksichtnahme auf die Mitmenschen und die Verpflichtung, etwas nicht zu tun, um die Beschädigung und Verletzung anderer zu vermeiden, so dass auch das versehentliche Ausrutschen der Dachziegel und die Folgen davon Teil eines sozialen Handlungskomplexes sind. Zu dem Beispiel in Abb. 1.1 ist zu bemerken, dass dies so beschriebene Handeln als nichtsprachliches Handeln dargestellt wird. Gänzlich unberücksichtigt bleibt die Tatsache, dass der Dachdecker eine Berufsausbildung gemacht hat, die sprachlich vermittelt worden ist, und dass er im Beruf Anweisungen bekommt für ein Handeln, das auf diese sprachlich vermittelten Kenntnisse Bezug nimmt. Das geschilderte nichtsprachliche Handeln ist also lange und unmittelbar vorher, eventuell auch während der Arbeitsvorgänge und nachher in zahlreiche sprachliche Handlungen eingebettet. <?page no="17"?> Handlungsorientierung 3 Die Bezeichnungen Soziolinguistik und Sprachsoziologie konkurrieren. Soziolinguistik ist Linguistik, Sprachsoziologie ist Soziologie. Einen solchen terminologischen Unterschied hat man in dieser Schärfe nicht von Anfang an gesehen. Ältere Veröffentlichungen werden vielfach als „sprachsoziologisch“ apostrophiert, wenn „soziolinguistisch“ im heutigen Sinne gemeint ist. Dies hängt damit zusammen, dass die Soziolinguistik sich erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts etabliert hat, obwohl schon Anfang des 20. Jhs. festgestellt wurde, dass die Sprache ein „fait social“ ist (Antoine Meillet 1906), so dass die Hinwendung zu „soziallinguistischen“ Fragen gefordert wurde (Theodor Frings 1921, s. Gipper 1976, S. 96 f.). Abb. 1.2: Soziolinguistik und Sprachsoziologie Gebiet Soziolinguistik Sprachsoziologie Objektbereich Linguistik unter soziologischem Aspekt Soziologie unter linguistischem Aspekt Handeln linguale Interaktion in der Gesellschaft soziale Interaktion mittels Sprache System linguale Variation in der Gesellschaft soziale Variation, erfasst über Sprache Objektbereich / Metabereich Die unterschiedlichen Objektbereiche von Linguistik und Soziologie lassen sich aus Abb. 1.2 herleiten. Ein Objektbereich umfasst die Gegenstände des Handelns. Die Behandlung dieser Gegenstände geschieht im Metabereich. Die Behandlung der benutzten Sprache geschieht in der Metasprache. Gegenstände, über die man spricht und schreibt, der Objektbereich, sind z. B. die Linguistik und die Soziologie in Abb. 1.2 oder auch ein Auto, das repariert werden muss. Der Metabereich ist der Bereich über dem (Objekt-)Bereich, z. B. die benutzte Sprache, um etwa in einem Lehrbuch oder im Rahmen einer mündlichen Unterweisung den Reparaturvorgang oder in einem anderen Lehrbuch die fragliche Sprachform zu beschreiben. Diskutiert man die Sprache, z. B. die Fachsprache des Automechanikers, <?page no="18"?> Theoretische Grundlagen 4 so bedient man sich der Metasprache, d. h. der Sprache über Sprache. Dem soziolinguistischen Metabereich entstammen z. B. Fragen, die sich der Gast stellt, der in einem Restaurant das grammatisch und stilistisch perfekte Deutsch des italienischen Aushilfskellners bemerkt (s. Abb. 1.3). Abb. 1.3: In einem italienischen Restaurant In einem italienischen Restaurant überrascht der etwa 18jährige Aushilfskellner den Gast wegen seines grammatisch und stilistisch perfekten Deutsch, dessen Aussprache entfernt und nur bei genauem Hinhören den Einfluss der Rhein-Main-Region vermuten lässt. Nach seiner Herkunft befragt, erklärt er, dass er der Sohn des italienischen Besitzers sei und gerade das Abitur mache. Der italienische Besitzer ist dem Gast als freundlicher Ober und wegen seines Italo-Deutsch wohlbekannt. Die Biographie des Aushilfskellners erklärt dessen Sprache: Er ist in einer deutsch sprechenden Umwelt in Deutschland aufgewachsen sowie in einer bürgerlichen italienischen Familie, wo er auch italienisch spricht. Fremden gegenüber bedient er sich der Sprache, die dem sozialen Niveau seiner deutschen Umwelt entspricht. Der Vater, mit italienischer Muttersprache, ist als Gastwirt sowieso gehalten, in der Öffentlichkeit „elaborierter“ zu sprechen als privat. Diese wenigen Fakten erklären das Sprachverhalten. Aus einer Vielzahl derartiger Beobachtungen lassen sich Regeln des Sprachverhaltens in Abhängigkeit von dem sozialen Werdegang und den jeweiligen Situationen des Sprachgebrauchs ableiten. Die Soziolinguistik untersucht sozial bedingte Sprache. Die Soziolinguistik ist Linguistik mit soziologischen Aspekten. Anders die Soziologie: Deren Objektbereich ist nicht die Sprache, sondern die Gesellschaft. Aus dem Sprachverhalten wird abgeleitet, wie jemand - auch eine Gruppe von Personen oder sogar eine Gesellschaftsschicht - soziologisch zu klassifizieren ist. Die Sprache ist z. B. ein Indiz dafür, dass jemand einem speziellen Integrationsprozess unterworfen war (in der Schule, innerhalb des gehobenen Bildungsbürgertums etc.). Die Sprachsoziologie ist Soziologie unter Berücksichtigung linguistischer Aspekte. Das Sprachverhalten kennzeichnet das Sozialverhalten. Die Sprache dient dem Soziologen somit als Hilfsmittel zur Erreichung soziologischer Ziele. Der Begriff Verhalten (aus am. behavior) geht u. a. auf John Broadus Watson (am. Psychologe, 1878-1958) zurück. <?page no="19"?> Handlungsorientierung 5 Verhalten ist die Umsetzung von Information in Agieren, Reagieren durch Individuen, Gruppen und andere Sozialgebilde. Sprachverhalten ist Agieren, Reagieren mittels Sprache. 1.1.2 Sprache als interaktives Phänomen Handeln - Kommunikation - Information - Wissen - sprachliche und soziale Interaktion - Reflexive Co-Orientierung - soziale Einstellung Handeln In der Soziolinguistik wird das sich in gesellschaftlichen Zusammenhängen vollziehende sprachliche Handeln beschrieben. Das ist das Handeln von Individuen und Gruppen untereinander und in sozialen Gebilden. Handeln Handeln ist nicht stets konformes, sondern häufiger als dies konfliktäres Handeln. Handeln ist immer sozial, weil Handeln zwischen sozialen Wesen - Menschen - vollzogen wird. Die allgemeinen Ergebnisse der Pragmalinguistik, d. h. - verkürzt - der Wissenschaft von dem Sprachhandeln bzw. Handeln durch Sprache, lassen sich gut in die Soziolinguistik integrieren. Handeln ist die aktive Veränderung eines Zustands oder Vorgangs. Handeln ist die „Transformation einer Situation in eine andere“ (Kempski 1964, S. 297). Wer handelt, verändert. Diese Feststellungen klingen wie selbstverständlich, denn alles, was wir tun, ist Handeln: z. B. der Kauf einer Ware, das Gebet, die Fahrprüfung, ein Scherz, eine Steuererklärung. Handeln ist stets eingebettet in bestimmte Parameter, von denen mindestens drei permanent aktuell sind und daher zur Charakterisierung von Handlungen, insbesondere von sprachlichen Handlungen, herangezogen werden (vgl. Hymes 1972): Das Handeln eines Menschen ist orientiert an (1) Handlungspartnerinnen / -partnern, (2) Gegenständen (Themen) und (3) Situationen. Diese Parameter müssen bei der wissenschaftlichen Beschreibung von Handeln allgemein und besonders von sprachlichem Handeln beachtet werden. Soziologisch ist die Klassifikation der Handlungspartner und -partnerinnen, auch wenn deren Sprache analysiert wird. <?page no="20"?> Theoretische Grundlagen 6 Kommunikation Soziales Handeln ist auch kommunikatives Handeln. Dies ist die andere Bedeutung des altfranzösischen Ausdrucks société. Was bedeuten kommunikativ, Kommunikation? Auch diese Bezeichnungen sind älter, als man annehmen würde: Das frz. Adjektiv communicatif ist 1282 belegt und aus lat. communicativus ‚zum Mitteilen geeignet‘ entlehnt. Ein Beleg von 1370 zeigt, dass damals bereits die Kommunikation als bevorzugtes Mittel zur Herstellung sozialer Beziehungen aufgefasst wird (Le Robert 1998, S. 819). So verstanden ist Kommunikation zunächst Mitteilung. Durch eine Mitteilung geht etwas von A zu B „über“ (Flechtner 1984), evtl. auch in Form einer Frage. Jedoch ist Kommunikation kein einseitiges Mitteilen, denn dies liefe auf einen „kollektiven Monolog“ hinaus. Das Wechselspiel der Mitteilung ist entscheidend: die Kommunikation. Kommunikation ist Austausch von Informationen (Nachrichten). Sprachliche Kommunikation ist der Austausch von Informationen mittels Sprache. Information ist die Differenz zwischen Bekanntem und Neuem. Für jede Art von Kommunikation gilt: „[...] wenn wir kommunizieren, tauschen wir nicht nur Informationen aus, sondern treten zugleich in soziale Beziehungen ein. Damit ist jeder Informationsaustausch eingebettet in Prozesse der Verständigung, der Kooperation und der wechselseitigen Interpretation von Handlungsgründen, Absichten, Mitteilungen und Verhaltenserwartungen“ (Albert Scherr: Kommunikation. In: Schäfers 2000, S. 176). Kommunizieren heißt, in soziale Beziehungen einzutreten. Dies gilt für die Individualwie auch, aber differenzierter, für die Gruppenkommunikation. Ein Gespräch (Abb. 1.4) veranschaulicht dies. Darin verlangt der Käufer von dem Verkäufer eine Information, wodurch er sein Nichtwissen beseitigen möchte; der Verkäufer gibt ihm diese Information und außerdem noch einen Ratschlag, woraufhin der Käufer entscheidet und sein Begehren indirekt formuliert. Mit der Bemerkung „Mir reicht ein kleiner für zehn“, sagt dieser nicht nur, was er kaufen will, sondern er lehnt auch die Empfehlung des Verkäufers ab, das teurere Produkt zu kaufen. <?page no="21"?> Handlungsorientierung 7 Abb. 1.4: Verkaufsgespräch in einem Warenhaus Käufer, auf die Bilderrahmen deutend: „Was kosten die da? “ Verkäufer: „Die großen dreißig oder fünfzig Euro, die andern zehn. Wenn Sie aber Wert auf eine bessere Qualität legen, dann empfehle ich die großen für fünfzig Euro.“ Käufer: „Mir reicht ein kleiner für zehn.“ Als Voraussetzung für „Soziale Kommunikation“ behandelt Delhees (1994, S. 278) die Informationsspeicherung im menschlichen Gedächtnis (Abb. 1.5). Die Aufmerksamkeitsleistung „ist das Ergebnis eines Vergleichs zwischen der einlaufenden Information (sensorischer Input) und den Gedächtnisspuren (Wissensbasis).“ Bedeutungsvolle Information wird enkodiert „durch Gruppierung, durch Abstimmung mit vorhandenen Schemata und durch Einbau in Strategien und Handlungsentwürfe.“ Abb. 1.5: Vereinfachte Darstellung der Informationsspeicherung (Delhees 1994, S. 278) Der Wissensbestand wird mit „Weltwissen“ gleichgesetzt und in Form von neuronalen Netzwerken gespeichert, deren besonders aktive Elemente <?page no="22"?> Theoretische Grundlagen 8 (schwarze Punkte) als zentrale Knoten gelten. Die Wiederholung bekräftigt die Information; nicht-enkodierte Information wird sofort vergessen. Informieren heißt, Nichtwissen beseitigen. Nichtwissen ist der Kehrwert des Wissens. Wissen ist die Summe der Informationen, die der Mensch gespeichert hat und verwenden kann. Das Wissen kann singulär oder global (Detailvs. Weltwissen), deklarativ oder prozessoral sein („Wissen dass“ vs. „Wissen wie“) - vgl. Schwarz 1996 (S. 78 f.). Viele Personen haben z. B. das Wissen, dass das Auto ein Transportmittel ist, aber nicht alle haben das Wissen, wie man es fährt. Maß der Information Das Ausmaß des Unerwarteten, d. h. der Überraschungseffekt, ist ein Maßstab für die Höhe der Information. Je überraschter man ist, desto höher die Information. Dies ergibt sich bereits in alltäglichen Erzählsituationen. Je gebündelter die Information am Schluss, desto verblüffter ist man, desto eher lacht man über einen Witz. Interaktion Die Handlungspartner sind zugleich Kommunikationspartner, da sie Informationen austauschen. Sie orientieren sich wechselseitig aneinander, das heißt: Die Kommunikation ist keine „Kommunikation der Einbahnstraße“, sondern mutuell. Die Kommunikationspartner und -partnerinnen vollziehen also eine Interaktion und durch Sprache eine sprachliche Interaktion. Interaktion Die mittels Abb. 1.6 gegebene Beschreibung des Interaktionsprozesses zeigt die mutuelle Verschränkung der Kommunikation und die Orientierung daran, was Kommunikationspartner bzw. -partnerinnen meinen oder beabsichtigen könnten. Das Modell steht für die sich ständig vollziehenden Mikroprozesse, z. B. Handlungen von Angesicht zu Angesicht (mündlich, im angelsächsischen Sprachraum: „face-to-face interaction“). Die Individuen identifizieren sich dabei auf sozialer Ebene. Soziolinguistisch wäre genauer zu bestimmen, ob das Individuum A der Sozialgruppe A‘ angehört und das Individuum B der Sozialgruppe B‘, ausgestattet mit Sprachsystemen, die sich miteinander vereinbaren oder nicht vereinbaren lassen, und ob es konkordante bzw. diskordante Interessen sind, die sich über Sprache artikulieren und zu Konflikten führen können, u. dgl. Der Unterschied zu dem soziologischen Interaktionsbegriff liegt in der Perspektive. <?page no="23"?> Handlungsorientierung 9 Die sprachliche Interaktion ist die Spezifikation des Sprachhandelns und liegt daher auf der gleichen Schiene wie die Kommunikation. Nach Bahrdt (2000, S. 38) wird in der sprachlichen Interaktion „gezielt wechselseitig der Bewußtseinszustand des anderen Subjekts verändert. Der reale Bewußtseinszustand des anderen Subjekts ist Objekt meines Eingriffs. Das andere Subjekt greift diesen Eingriff auf und beeinflußt durch seine Äußerung meinen Bewußtseinszustand. Ziel ist die Herstellung gemeinsamen Wissens, das zum mindesten bei einem der Kommunikationspartner anders sein soll, als es vorher war.“ Neben diesen Auffassungen gibt es einen mehr naturwissenschaftlichbiologischen Begriff der Interaktion, z. B. als wechselseitiger Informationsbzw. Nachrichtenaustausch zwischen Nervenzellen (Neuronen); dabei ist die „natürliche“ Umwelt eines Neurons oder einer Gruppe von Neuronen das Ziel der Interaktion (vgl. Kapitel 2.1, Abb. 2.2). Abb. 1.6: Reflexive Co-Orientierung in der Interaktion (in Anlehnung an Siegrist 1970) Abb. 1.6 muss folgendermaßen gelesen werden: Der Sprecher/ Hörer A orientiert sich an dem Sachverhalt X in Bezug auf die vermeintliche Orientierung des Sprechers/ Hörers B an der Orientierung des Sprechers/ Hörers A an dem Sachverhalt X. Entsprechend orientiert sich auch der Sprecher/ Hörer B an dem Sachverhalt X in dem Maße, in dem sich vermeintlich der Sprecher/ Hörer A in Bezug auf die Orientierung von B an dem Sachverhalt X orientiert. Sprachliche Interaktion ist das wechselseitige, zwischenmenschliche Handeln mittels Sprache. <?page no="24"?> Theoretische Grundlagen 10 Soziolinguistisch gesehen wird untersucht, wie die Gesellschaft die Sprache beeinflusst (Sprache als Objekt), (sprach-)soziologisch gesehen wird untersucht, wie mittels Sprache Erkenntnisse über die Gesellschaft gewonnen werden können (Gesellschaft als Objekt). In der Soziologie ist die sprachliche bzw. nichtsprachliche Interaktion auch ein Vehikel zur sozialen Beeinflussung. Daher definiert Rüdiger Peuckert (in Schäfers 2000, S. 155): Soziale Interaktion ist „die durch Kommunikation vermittelte wechselseitige Beeinflussung der Einstellungen, Erwartungen und Handlungen von Personen und/ oder Gruppen.“ Ergänzend Schülein (1983, S. 85): „Soziale Realität besteht nicht aus einzelnen Handlungen, sondern nur aus Systemen von Handlungen, die aufeinander bezogen sind: Interaktion.“ Der von Peuckert benutzte Terminus der „Einstellung“ (engl./ frz. attitude) wird auch in der Soziolinguistik verwendet; dies wird in Teil 7.2.2 weiter verfolgt. Dabei geht es um Einstellungen, die anderen Sprachgruppen gegenüber eingenommen werden. Vorweg eine von ca. 120 existierenden Definitionen (Schäfers in Schäfers 2000, S. 62, vgl. Güttler 2000, S. 95): Die soziale Einstellung ist „die von einem Individuum durch Erfahrung erworbene, relativ stabile Tendenz, auf ein soziales Objekt (Personen, Gruppen, soziale Situationen) mit bestimmten Gefühlen, Vorstellungen und Verhaltensweisen zu reagieren.“ ‚ Falsche ‘ Einstellungen sind Vorurteile. Vorurteile sind „ > falsche < Erkenntnisse bzw. > vorschnelle < Verallgemeinerungen, denen > richtige < Erkenntnisse und > angemessene < Urteile entgegengestellt werden“ (Pätzold/ Marhoff 1998, S. 73). Beispiele: „Maurer machen pünktlich Feierabend.“ - „Lehrer sind faul.“ - „Zigeuner stehlen.“ Vgl. Stereotype in Kap. 2.1. 1.1.3 Pragmalinguistische Parameter Themen - Situation - nichtsprachliche (nonlinguale) Kommunikation - primäre vs. sekundäre Kommunikation - Paralinguale Informationen - Register als Formation von Parametern Themen und Situation Themen Gegenstände (Themen) einer Handlung sind soziolinguistisch immer dann von Interesse, wenn z. B. unterschiedliche Werkverrichtungen thematisiert <?page no="25"?> Handlungsorientierung 11 werden und wenn diese Thematisierung zu abweichendem oder gar konfliktträchtigem Sprachverhalten führt. In Abb. 1.7 liegt die Erklärung für das Sprachverhalten des Dialektsprechers in dem Themenwechsel. Interviewt zu dem Brauchtum (Hochzeit), benutzt der Dialektsprecher das in seinem Heimatort übliche Dialektsystem, weil er sich bei dem Bericht über das Brauchtum an der Sprache der Träger dieses Brauchtums, nämlich der Dialektsprecher, orientiert. Bei dem neuen Thema hingegen handelt es sich um die Militärzeit, in der ein ganz anderer, zwangsweise zur Standardsprache hin tendierender Personenkreis vor dem geistigen Auge des Sprechers aufgerufen wird, so dass er sich selbst nun an dessen Sprache orientiert. In diesem Fall ist das Thema der sprachlichen Handlung soziolinguistisch relevant. Abb. 1.7: Ein Interview im Rahmen einer Dialektstudie Interviewer: „Erzählen Sie doch bitte im Dialekt, wie in Ihrem Ort eine Hochzeit gefeiert wird.“ Dialektsprecher: [Er erzählt im Dialekt.] Interviewer: „Könnten Sie von einem besonderen Ereignis aus Ihrer Militärzeit berichten? “ Dialektsprecher: „Ja ...“ [Er erzählt einige Geschichten, wobei seine Ausdrucksweise zwischen Dialekt und standardnaher Umgangssprache schwankt.] Ein Beispiel für unterschiedliche Ausdrucksweisen: - [standardsprachlich] „Ich habe es ihm nicht gesagt.“ - [umgangssprachlich] „Isch hab et im nich i sacht.“ - [im lokalen Dialekt] „Isch han et im net i soht.“ Situation Das - sozial gebundene - Erleben führt zu unterschiedlichem Sprachverhalten. Schüler etwa, die stets von Angesicht zu Angesicht kommunizieren, brauchen weder ihre Kommunikationssituation noch fiktive, nicht-präsente Situationen zu versprachlichen. Anders bei veränderten Bedingungen. Ohne eine solche Praxis versagen die Schüler, wenn in der Schule z. B. für einen Aufsatz verlangt wird, Situationen sprachlich herzustellen. Andere Schüler, zu deren Erfahrungswelt wechselnde, zu versprachlichende Situationen gehören, sind demgegenüber im Vorteil. Dies lässt sich leicht an dem konkreten Beispiel in Abb. 1.4 nachvollziehen. Jemand sage, ohne den zu erwartenden Situationsbezug herzustellen, <?page no="26"?> Theoretische Grundlagen 12 zu einem Kommunikationspartner oder einer Kommunikationspartnerin: „Mir reicht ein kleiner für zehn.“ Diese Äußerung wäre ohne Kontext gänzlich unverständlich, obwohl die Lexeme ihrer Einzelbedeutung nach sehr wohl erfasst werden können. Aber erst durch den situativen Zusammenhang wird klar, was gemeint ist. Der Kontext, der aus der Äußerung nicht hervorgeht, wird zum Verständnis benötigt. Ohne dass das Wort „Bilderrahmen“ ausgesprochen wird, ist der Text auf Grund der Thematisierung verstehbar: „auf die Bilderrahmen deutend“. Einige weitere Vokabeln zum Ort und zu den handelnden Personen skizzieren die ganze Situation: Warenhaus (Ort), Käufer, Verkäufer (handelnde Personen) und vorher Bilderrahmen (Gegenstand). Durch diese Referenzbeziehungen erhält der Satz oben eine Bedeutung (einen Sinn). Der handelnde Mensch orientiert sich an Mitmenschen, Dingen, Sachverhalten, Reizen, Werten, Einstellungen in Raum und Zeit, kurz: der „Situation“. Eine Situation ist das Bezugsfeld der Orientierung des handelnden Menschen. Nichtsprachliche Kommunikation Vieles, was unausgesprochen bleibt, kommt zu der sprachlichen Handlung noch hinzu: die nichtsprachliche Kommunikation, etwa dadurch, dass eine begleitende Kopfbewegung auf vorhandene Objekte hinweist, z. B. die Arten von Bilderrahmen in dem Verkaufsgespräch, sprachlich angedeutet durch das „deiktische“ Adverb da. Abb. 1.8: Linguale und nonlinguale Kommunikationsakte <?page no="27"?> Handlungsorientierung 13 nichtsprachliche Kommunikation Die nichtsprachliche Kommunikation kann je nach Situation, d. h. unter bestimmten Umständen, ebenso wichtig sein für die Kommunikation wie die sprachliche, in der Pantomime sogar entscheidend wichtig. Oft genügt ein Kopfnicken oder ein Kopfschütteln, um Zustimmung, Ablehnung oder Zweifel anzudeuten, ebenso der Austausch von Blicken oder die stille Einschätzung der Kommunikationspartner bzw. -partnerinnen gehören dazu. Auch eine vermutete bzw. tatsächliche soziale Verschiedenheit der Kommunizierenden kann von Wichtigkeit sein, weil sich deren Verhalten daran orientiert und weil u. U. kommunikative Barrieren auftreten, die wiederum - trotz der nonlingualen Möglichkeiten - nur mittels Sprache überwunden werden können. Auftretende kommunikative Barrieren können zu Missverständnissen, Fehleinschätzungen des Gegenübers oder sogar zum Abbruch der Kommunikation führen. In der Fachliteratur wird diese Art von Kommunikation vielfach als „nonverbales“ Handeln, als „nonverbale Kommunikation“ oder als „nonverbal behavior“ bezeichnet (s. Scherer/ Wallbott 1979, Wolfgang 1997 u. a.). Um angesichts der grammatischen Kategorie des Verbs Missverständnisse zu vermeiden (verbal im Sinne von ‚auf das Verb‘ bezogen‘), wird dieses Handeln besser nichtsprachliches bzw. „nonlinguales“ Handeln genannt. primäre vs. sekundäre Kommunikation Was die Tätigkeit begleitet und eine Nebeninformation trägt, wird als „sekundär“ bezeichnet, die Tätigkeit selbst, die die Hauptinformation trägt, ist „primär“, sei sie lingual, d. h. durch Sprache, oder nonlingual, d. h. mit anderen als sprachlichen Mitteln, realisiert. Ein Grußwort als lingualer, primärer Teilakt der Kommunikation kann durch bestimmte Begleiterscheinungen (sekundär), z. B. durch eine wohltuende Stimme, als freundlich und sympathisch oder, z. B. durch eine herrische Intonierung, als abstoßend, unsympathisch empfunden werden. Die belegte Stimme, mit der eine Entschuldigung vorgebracht wird, ist zwar, wenn nicht gerade erkältungsbedingt, äußerst informativ, aber sie ist eine Nebeninformation und daher sekundär. Diese sekundären, lingualen Phänomene werden als paralingual (amerikanisch: paralinguistic, Paralanguage) bezeichnet; sie beziehen sich u. a. auf die Stimmlage, die Sprechgeschwindigkeit, die korrekte bzw. fehlerhafte Artikulation u. ä. (vgl. Sebeok 1986, S. 668 ff.). Da man nicht nur lautlich kommuniziert, sondern auch schreibt und druckt, sollte dafür Entsprechendes gelten, also auch für eine krakelige oder hübsche Handschrift, für die Verwendung von Fraktur-Buchstaben statt der normalen Antiqua als Druckschrift u. dgl.: Paralinguale Informationen sind sekundäre Informationen phonetischer und graphetischer Natur. Graphetisch (zu gr. gráphein ‚schreiben‘) wird im erweiterten Sinn auch auf Druckschriften angewandt. <?page no="28"?> Theoretische Grundlagen 14 Analoges gilt für den nonlingualen Teil des Kommunikationsaktes: Der Händedruck ist primär, die Begleiterscheinungen, z. B. das längere Festhalten der Hand der bzw. des anderen oder ein begleitendes Lächeln sind sekundär, weil die Hauptinformation in der Geste des Händedrucks liegt. Sämtliche Teilbereiche des Kommunikationsakts sind wichtig zur Beurteilung der sozialen Beziehungen, die damit eingegangen werden. Register Register Die so beschriebenen Parameter des sprachlichen Handelns formieren ein Register. Wenn die Mutter sich z. B. mit dem Baby unterhält, stellt sie sich auf dessen Kommunikationsmöglichkeiten, die sich erst noch entwickeln müssen, ein. Sie benutzt das Register des „Baby talk“ (s. w. u.). Der Begriff des Registers ist von Halliday für die Linguistik fruchtbar gemacht worden (s. z. B. Halliday 1978, S. 33): „A register is: what you are speaking (at the time) determined by what you are doing (nature of social activity being engaged in) expressing diversity of social process (social division of labour).“ Das Register ist im Gegensatz zu dem habituellen Sprechen (nach Halliday: „im Dialekt“) etwas Temporäres, Prozesshaftes. Somit stehen sich als Begriffe zwei linguistische Einheiten gegenüber: das Register für sprachliches Handeln, eingebunden in einen Handlungskomplex, und die Varietät (vgl. S. 24). Register i. S. von Halliday sind Formen temporärer Sprachhandlungen, eingebettet in die Parameter Gegenstand („field“), Erscheinungsform („mode“, z. B. mündlich) und Präsentationsform („style“). Eine Varietät ist ein sprachliches System, das durch außersprachliche Parameter näher definiert werden kann. Eine Varietät kann areal definiert sein und ist dann ein Dialekt oder funktional als Fach- oder Standardsprache usf. oder soziologisch als Soziolekt. 1.1.4 Verlauf der Kommunikation Störung und Konflikt - sozialer Konflikt - Koexistenz - Konformität Störung und Konflikt Störung Zu den Voraussetzungen für das Gelingen einer Interaktion gehören z. B. die ordnungsgemäße Transmission der Nachricht und eine optimale Übereinstimmung der jeweils benutzten Sprachzeichen. Ist das nicht der Fall, kommt es bereits deswegen zu einer Störung. <?page no="29"?> Handlungsorientierung 15 Eine Störung ist die unerwünschte Veränderung einer (gewohnten bzw. erwarteten) Ordnung. Störungen bergen potentielle soziale Konflikte. Die eigentliche Störung ist aber die Interaktion selbst, durch die ein potentieller Ruhezustand, der bei fehlendem Informationsaustausch erhalten geblieben wäre, in Aktion umgewandelt wird. Es wird vermutet, dass Trägheit und Bewegung in ständigem Widerstreit stehen, beginnend in der Entwicklung der Nervenzellen bis hin zu sozialen Netzwerken. sozialer Konflikt Die Bezeichnung Konflikt bedeutet ‘Zusammenstoß, Widerstreit’, entlehnt aus lat. conflictus ‘das Zusammenschlagen, feindlicher Zusammenstoß, Kampf’ (Pfeifer 1989, S. 894). Dieser kann nur mittels Kommunikation befriedigend bewältigt werden. Der soziale Konflikt hat zwei Ausprägungen: a) die kognitive und b) die interpersonelle Dimension. Letztere kann z. B. auf Antipathien von Personen bzw. Gruppen beruhen. Die kognitive Dimension aber steht bei nun schon traditionellen soziologischen Konflikttheorien im Vordergrund (Dahrendorf 1972, Galtung 1973 u. a.). Demnach ist der Konflikt eine Auseinandersetzung beliebiger Intensität, so dass die parlamentarische Diskussion, die friedliche Lohnverhandlung, Unvereinbarkeiten von Familie und Beruf ebenfalls zu den sozialen Konflikten zählen wie Streik und Krieg. Neuere Forschungen berücksichtigen daneben die interpersonale Dimension: das Gesicht verlieren, sich blamieren, das Begehren sozialer Achtung und Wertschätzung, Dazugehören-Wollen, Sich-abgrenzen-Wollen u. ä. Mit Reimann (1991, S. 252) lässt sich feststellen: Ein Konflikt beruht auf der Unverträglichkeit mindestens zweier Zustände. Diese Unverträglichkeit kann a) zu einem latenten und b) zu einem offenen Konflikt führen. Unverträglichkeiten (Unterschiedlichkeiten) können auch in Form einer Koexistenz bestehen bleiben, z. B. die deutschen Dialekte und das Französische im Elsass oder die autonomen Sprachgruppen mit den drei Sprachen Belgiens: Niederländisch - Französisch - Deutsch. Koexistenz ist das gleichzeitige Vorhandensein unterschiedlicher Zustände. In dem Beispiel von Abb. 1.4 besteht der Konflikt darin, dass der Verkäufer die teureren Bilderrahmen verkaufen und den Käufer zu deren Kauf überreden will. Die Äußerung des Käufers „Mir reicht ein kleiner für zehn“ belegt dessen inneren Widerstand. Dahrendorf (1972, S. 748) nimmt sogar an, die Neigung zum Konflikt sei universal: „Interdisziplinäre For- <?page no="30"?> Theoretische Grundlagen 16 schungen legen überdies den Schluß nahe, daß Konflikt ein Grundelement allen Lebens ist.“ Eine biogenetische Veranlagung zum Konflikt wäre dann wahrscheinlich, ebenso die der Kommunikationskonflikte. Konformität Konformität Komplementär zu dem so gekennzeichneten Konflikt besteht eine Tendenz zur Konformität. Die Konformität ist Anpassung an die soziale Umgebung, und zwar „der Meinungen, Einstellungen, Gewohnheiten, Handlungsweisen und Normen“ (Schäfers 2000, S. 185). Ein Bedürfnis nach Sicherheit und die Billigung des eigenen Handelns durch die soziale Umwelt sind Gründe für die Neigung zu konformem Verhalten. Daraus entsteht ein Konformitätsdruck, der bei positiver Bewertung seitens der Umwelt noch verstärkt wird, während abweichendes, d. h. nichtkonformes Verhalten negativ beurteilt und somit stigmatisiert wird. Mit Hartfiel/ Hillmann 1994, S. 435, lässt sich formulieren: Konformität besteht in der Übereinstimmung, Anpassung durch „gleichartige Aktions- und Reaktionsweisen“, ein von spezifischen „kulturellen Bedingungen unabhängiges Phänomen sozialer Beziehungen.“ Das Verhalten z. B. einer Gruppe jugendlicher Punker oder Rocker anderen Gruppen („Outgroups“) und der gesamten Außenwelt gegenüber ist gekennzeichnet durch diesbezügliche innere Konformität. Sprachliche Konflikte, sprachliche Koexistenz und Konformität sind Untersuchungsziele der Soziolinguistik. Sprachliche - wie alle - Systeme funktionieren nicht ohne ein Minimum an Übereinstimmung und Konformität. Das zeigt sich im Gebrauch der Fremdwie der Muttersprache. Das Streben nach Konformität führt zur Befolgung von Normen des Sprachgebrauchs; deren bewusste Nichtbefolgung hingegen liegt potentiell an dem Streben nach Konflikt. Dies wird besonders folgenreich bei Verstößen gegen Gesprächsnormen, z. B. wenn Tabus durch unflätige Äußerungen in unangemessenen Situationen gebrochen werden. Literatur (Auswahl) Dahrendorf 1972 - Delhees 1994 - Hymes 1972 - Schäfers 2000 - Scherer / Wallbott 1979 - Siegrist 1970 - Wolfgang 1997 <?page no="31"?> Handlungsorientierung 17 Kontrollfragen (Antworten in Kapitel 8, S. 220) 1.1.01 Geben Sie die Herkunft der Bezeichnung „Linguistik“ an. 1.1.02 Grenzen Sie „Linguistik“ und „Sprachwissenschaft“ ab. 1.1.03 Was ist die Herkunft der Bezeichnung „Soziologie“? 1.1.04 Wie lautet die älteste Bedeutung von frz. société? 1.1.05 Wie unterscheiden sich „Soziolinguistik“ und „Sprachsoziologie“? 1.1.06 Wie unterscheidet sich der „Objekt-“ von dem „Metabereich“? 1.1.07 Definieren Sie „Verhalten“ und „Sprachverhalten“. 1.1.08 Definieren Sie „Handeln“ allgemein und „soziales Handeln“. 1.1.09 Was hat man unter „Kommunikation“ zu verstehen? 1.1.10 Definieren Sie „Information“ und „Informieren“. 1.1.11 Definieren Sie „Nichtwissen“. 1.1.12 Definieren Sie „Wissen“. 1.1.13 Geben Sie Parameter zur Charakterisierung des Handelns an. 1.1.14 Was bedeutet a) „sprachliche“, b) „soziale Interaktion“? 1.1.15 Welche Folgen kann ein „Themenwechsel“ für den Sprechakt haben? 1.1.16 Wie lässt sich „Situation“ definieren? 1.1.17 Was ist unter „nichtsprachlichem“ Handeln zu verstehen? 1.1.18 Grenzen Sie ab: „primäre“ gegen „sekundäre“ Kommunikation. 1.1.19 Was sind „paralinguale Informationen“? 1.1.20 Was sind „sprachliche Register“? 1.1.21 Wie nennt Halliday das „habituelle Sprechen“? 1.1.22 Was ist eine „Störung“? 1.1.23 Was bedeutet „Konflikt“? 1.1.24 Was bedeutet „Konformität“? <?page no="32"?> Theoretische Grundlagen 18 1.2 Systemorientierung 1.2.1 Sprachsystem, Soziolinguistik, Nachbarwissenschaften (Sprach-)System - Systemare Linguistik und Soziolinguistik - Soziolinguistik und Nachbarwissenschaften System System Der Handlungsorientierung steht die Systemorientierung gegenüber, eingebunden wird die Betrachtung von Strukturen. Die Bezeichnung „System“ gehört seit dem 16. Jh. zu dem Vokabular von Wissenschaft und Kunst (Astronomie, Musik u. a.), ist über das Mittellateinische aus dem Griechischen entlehnt und bedeutet ursprünglich ‚aus Einzelteilen zusammengefügtes und gegliedertes Ganzes‘ und im 18. Jh. auch ‚aus mehreren Lehrsätzen zusammengesetztes Lehrgebäude‘ (vgl. Pfeifer 1989, S. 1771 f.). In der Linguistik sind die Begriffe „Einzelteile“ und „Lehrsätze“ entscheidend; es handelt sich um Elemente und Regeln. Das Alphabet einer Sprache besteht z. B. aus einem begrenzten Inventar von Buchstaben („Elementen“). Zum Schreiben gehört aber mehr: Die Verschriftlichung aller Laute, Wörter, Sätze und Gedanken einer Sprache muss über das Alphabet (und weitere Zeichen, z. B. Satzzeichen) mit Hilfe von orthographischen Regeln erfolgen. Zum Wesen des Systems gehört immer die Organisation von Elementen und Regeln, die jeweils zueinander in einem Beziehungsverhältnis stehen, so dass die Sprache ein System bildet. Die auf dem Alphabet beruhende Orthographie ist an Sprachstrukturen orientiert. Sie ist verbindlich und unterliegt im konkreten Sprachhandeln der Kontrolle, z. B. durch die Leser. Systemare Linguistik und Soziolinguistik Sprachsystem Zwei Komponenten des Sprachsystems sind aus dem Fremdsprachenunterricht bestens bekannt: Lexikon und Grammatik. Jeder, der eine fremde Sprache lernt, bewaffnet sich mit einem Wörterbuch, das aus der eigenen Sprache bestimmte Wörter und die damit verbundenen Begriffe in die Fremdsprache überträgt und umgekehrt, und mit einer Grammatik dieser Sprache. Beides wird auf Texte bzw. Sprachhandlungen angewandt. Wei- <?page no="33"?> Systemorientierung 19 terhin beziehen sich Elemente und die zu der Grammatik gehörenden Regeln u. a. auf die Phonologie (Lautung), Grapheologie/ Orthographie (Schreibung, Rechtschreibung), Morphologie (Stämme und Affixe). Neben den Texten sind diese Arbeitsmittel unverzichtbar, wenn sprachliche Systeme dargestellt werden sollen. Dies gilt z. B. auch, wenn die Sprache eines Arbeiters im Vergleich mit der eines Studierenden oder gar der Frankfurter Stadtbevölkerung im Vergleich mit der Sprache des Stuttgarter gehobenen Bürgertums („Honoratiorenschwäbisch“) die Gegenstände sind. Die Systemare Linguistik ist der Kernbereich der Linguistik, auf den sich alle Teildisziplinen der Linguistik beziehen müssen. Einige Teilwissenschaften der Linguistik sind in Abb. 1.9 wiedergegeben. Für sie alle, somit auch für die Soziolinguistik, bildet die Systemare Linguistik den Kernbereich von Beschreibung und Darstellung. Dies gilt auch für die soziolingualen „Subsysteme“, wovon einige in Abb. 1.12 (Varietäten) und Abb. 1.13 („Kommunikationstypen“ mit Kriterien zu deren Unterscheidung und Typologisierung) vorgestellt werden. Die lexikalischen - aber auch phonologischen, morphologischen - Elemente von Systemen bzw. Subsystemen und die Regeln des jeweiligen Systems bzw. Subsystems stehen unterbzw. zueinander in einem besonderen Beziehungsverhältnis, d. h., sie sind konfiguriert. Alle Sprachelemente (Phoneme, Grapheme, Morpheme, Lexeme usw.) und die Regeln, die sich darauf beziehen, angewandt auf Texte bzw. Sprachhandlungen, sind Komponenten der systemaren Linguistik. Von den in Abb. 1.9 skizzierten, linguistisch orientierten Teilwissenschaften hat jede ihre eigenen Forschungsziele, Theorien und Methoden. Das Verbindende der Nachbardisziplinen zur Soziolinguistik sind die Menschen, die Gesellschaft, ohne die es keine Sprache und keine Anwendung der Sprachwissenschaft gibt. Hier liegen nicht nur die Wurzeln der Soziolinguistik, sondern auch die der anderen linguistischen Fachgebiete und vieler Fächer außerhalb der Linguistik (vgl. den äußeren Ring von Abb. 1.9). Soziolinguistik und Nachbarwissenschaften (Auswahl) Je nach Standpunkt sind der Soziolinguistik die Pragma- und die Neurolinguistik unmittelbar benachbart, d. h. die Wissenschaften, die sich auf das Sprachhandeln und die neuronalen Sprachfunktionen beziehen (s. Kap. 2.1.3 und Abb. 2.2), die Systemare Linguistik als Kernbereich vorausgesetzt. Mittelbar sind ferner die Psycho- und die Ethnolinguistik bedeutsam - die Psycholinguistik in <?page no="34"?> Theoretische Grundlagen 20 Verbindung mit kognitiven Prozessen und dem Spracherwerb, die Ethnolinguistik bezüglich des ethnischen und kulturellen Kontakts und der dadurch entstehenden Konflikte. Soziolinguale Subsysteme können areal (regional) differenziert sein, so dass sich Berührungen mit der Areallinguistik (Dialektologie) ergeben. Für den Vergleich unterschiedlicher, z. B. deutscher vs. türkischer Systeme und Subsysteme, ist die Kontrastlinguistik hilfreich. Außerhalb der Linguistik steht die Soziologie der Soziolinguistik am nächsten. Die Anordnung der linguistischen und analog der nicht-linguistischen Disziplinen in Abb. 1.9 ist veränder- und austauschbar, je nach Forschungsinteresse. Abb. 1.9: Systemare und Soziolinguistik, Nachbarwissenschaften 1.2.2 Systemare Linguistik Elemente und Regeln - Statische Systeme - Strukturen Elemente und Regeln Die Lexik einer Sprache bezieht sich auf Begriffe, die u. U. für viele oder sogar die meisten Sprachen und Kulturen gelten und damit substantiell und universal sind und sich nur formal (ausdrucksmäßig und im syntaktischen <?page no="35"?> Systemorientierung 21 Verbund) in den einzelnen Sprachen unterscheiden. Als Beispiel für universale Begriffe lässt sich die organische Welt anführen: Sieht man von der Mythologie ab, so gibt es in jeder Sprache vergleichbare Bezeichnungen für Begriffe wie Weltall, Gestirne, Wetter, Regen, Gewitter, Himmelsrichtungen, stehende bzw. fließende Gewässer, Berge, Gesteine u. dgl. Wie die Ausdrucks- und - die u. U. situativ bezogene - Inhaltsseite der den Begriffen entsprechenden Lexeme und das mit einer Äußerung Gemeinte formal verknüpft und dargestellt werden, beschreibt die Grammatik, die einzelsprachlich unterschiedlich ist. Die Grammatik besteht u. a. aus diversen Regeln bzw. Regelkomplexen. Zu einem sprachlichen System gehören Ausdruckseinheiten sowie Regeln, die diese miteinander in Beziehung setzen. Lexeme sind Ausdruckseinheiten, deren Inhaltsseiten den Begriffen entsprechen. Regeln sind Handlungsanweisungen. Beispielsweise verlangt eine Regel der deutschen Grammatik, dass die Reihenfolge von Subjekt und Prädikat vertauscht wird, wenn eine Adverbiale (ein Adverb, eine adverbiale Bestimmung, ein Adverbialsatz) vorausgeht (s. Abb. 1.10 - der Satz 5) ist umgangssprachlich bzw. „neudeutsch“). Abb. 1.10: a) Adverbiale in Spitzenstellung b) Süddeutsche Alltagssprache - Perfekt statt Präteritum a) 1) Die deutschen Sportler gewannen eine Goldmedaille. 2) Heute gewannen die deutschen Sportler eine Goldmedaille. 3) In Sidney gewannen die deutschen Sportler eine Goldmedaille. 4) Obwohl niemand damit gerechnet hatte, gewannen die deutschen Sportler eine Goldmedaille. Umgangssprache: 5) ...*weil die deutschen Sportler gewannen eine Goldmedaille. b) 1) Die deutschen Sportler haben eine Goldmedaille gewonnen. 2) Heute haben die deutschen Sportler eine Goldmedaille gewonnen. 3) In Sidney haben die deutschen Sportler eine Goldmedaille gewonnen. 4) Keiner hatte damit gerechnet, aber die deutschen Sportler haben eine Goldmedaille gewonnen. Neue Umgangssprache: 5) ...*weil die deutschen Sportler haben eine Goldmedaille gewonnen. <?page no="36"?> Theoretische Grundlagen 22 Beschreibungstechnisch muss zwischen infra- und intersystemaren Regeln unterschieden werden. Infra- (auch: intra-)systemare Regeln beziehen sich auf ein einziges System (Abb. 10 a), intersystemare Regeln aber auf den Vergleich mehrerer Systeme, wie sie im Rahmen der Soziolinguistik beschrieben werden. Abb. 1.10 b setzt für Süddeutsche, die sich nicht der Bildungssprache bedienen, eine solche, hier nicht formalisierte intersystemare Regel voraus: Das standardsprachliche Präteritum muss süddeutsch in das Perfekt umgesetzt werden und umgekehrt (ausgenommen bei haben und sein, auch in der Funktion als Vollverben). Statische Systeme Die sprachliche Handlung ist eine Tätigkeit (Energeía) im Sinne von W. v. Humboldt (1903-1936, Bd. III, S. 418, VII, S. 46 f., passim). Was sich nicht unmittelbar in Aktion befindet, ist Werk als statisches Produkt i. S. von „Ergon“, ein konstitutives System. Vereinfacht wird der Ausdruck System für ein konstitutives (statisches) System (als Ergon) gebraucht, attributiv nicht i. e. spezifiziert. Sprachstrukturen sind als „Ergon“ zu begreifen, weil eine relativ geschlossene Anzahl von Elementen zugrunde liegt, eventuell mit Alternativen („Varianten“), insgesamt aber mit geringen Wahlmöglichkeiten. Strukturen sind Elemente im Verband. Sprachstrukturen sind sprachliche Elemente im Verband. Ein Verband entsteht durch konstitutive Beziehungen. Beispielsweise bilden die deutschen Langvokale / i: / - / ü: / - / u: / in liegen - lügen - lugen einen Verband (eine Struktur), weil sie durch Merkmalsbeziehungen verklammert sind: / i: / , / ü: / = vorn vs. / u: / = hinten; / ü: / , / u: / = rund vs. / i: / = gespreizt; sowie hoch gegenüber anderen Vokalen (/ e: / , / ö: / , / ä: / , / a: / ) in der gleichen Umgebung (legen, lögen, lägen, lagen), s. Abb. 1.11. 1.2.3 Soziolinguale Systeme Soziale Systeme - Sinn - Variation - Ein Varietätenmodell Soziale Systeme soziale Systeme Ein soziales System „ist statisch oder vom Ergebnis her gesehen die Bezeichnung für einen Sinnzusammenhang von Elementen, die als Einheit begriffen und von anderen Elementen oder Einheiten (S[ystem].-Umwelt) unterschieden werden können“ (Hermann L. Gukenbiehl in Schäfers 2000, S. 388). <?page no="37"?> Systemorientierung 23 Sinn vs. Bedeutung Beispielsweise bildet eine vierköpfige Familie ein soziales System X, dessen „soziale Elemente“ durch interne hierarchische Verhältnisse differenzierend erkennbar sind. Aber das soziale Handeln, das die Familienmitglieder untereinander und auch der Umwelt gegenüber vollziehen, geschieht nach bestimmten Regeln, auch in Abgrenzung gegenüber den Systemen Y-Z; es ist „sinnvolles“ Handeln. Abb. 1.11: Zum Begriff des Systems in Linguistik und Soziologie Elemente und Beziehungen Linguistik Soziologie Beziehung (Name) Elemente im Verband z. B. Laute (Phoneme / i: / , / ü: / , / u: / ), Wörter (Lexeme Sessel - Stuhl - Hocker), Sätze (Klauseme Verbal-, Nominalgruppe usw.) z. B. Familie (Vater, Mutter - Sohn, Tochter), Sekundärgruppe (Anführer, Stellvertreter, weitere Führer, einfache Mitglieder usw.) „Verband“ Konstitutive Beziehungen z. B. hohe Langvokale (vorn: / i: / , / ü: / - hinten: / u: / ; gespreizt: / i: / rund: / ü: / , / u: / ) z. B. Status in der Familie (hoch 1 : Vater, hoch 2 : Mutter; niedrig 1 : Sohn, niedrig 2 : Tochter) „Bedeutung“ Handlungsorientierte Beziehungen z. B. Bedeutungsunterscheidung (von Verben usw.), Aufforderungs-, Aussagesätze (usw.) z. B. Tätigkeiten in der Familie (Arbeitsstätte d. Vaters, Hausarbeit d. Mutter, Schule usw.) „Sinn“ Der Soziologe N. Luhmann hat die Tätigkeit des Individuums mit dem vieldeutigen Begriff „Sinn“ zu fassen versucht (1971, S. 61): „Sinn ist die Ordnungsform menschlichen Erlebens, die Form der Prämissen für Informationsaufnahme und bewußte Erlebnisverarbeitung, und ermöglicht die bewußte Erfassung und Reduktion hoher Komplexität.“ Der Begriff „Sinn“ ist seit Frege (1892: Sinn vs. Bedeutung) umstritten. Roggero (in Mounin 1974, S. 297) vertritt die Auffassung, dass die Bedeutung aus der Gesamtheit dessen, was bezeichnet wird, hervorgeht, während der Sinn sich aus einer konkreten Äußerung ergibt, die durch die Parameter des Ortes, der Zeit, der Kommunikationspartner und des ins Auge gefassten Objekts bestimmt wird, also ganz entsprechend den in Kapitel 1 beschriebenen Faktoren des Handelns von Dell Hymes. Demzufolge hat die Äußerung „gib es mir“ immer die gleiche Bedeutung, ihr Sinn ergibt sich aber erst im Bezugsfeld der genannten, konkreten Parameter, der Handlung, d. h.: Sinn ist am Handlungssystem, Bedeutung ist am konstitutiven System orientiert. <?page no="38"?> Theoretische Grundlagen 24 Variation Variation Alle systembezogenen Unterschiede werden als Variation bezeichnet. Die „Linguistik der sozialen Variation” orientiert sich an den Forschungen des amerikanischen Linguisten William Labov (z. B. Labov 1976-1978). Oft konkurrieren mehrere Systeme, zwischen denen sich die Kommunikationspartner/ -innen zu entscheiden haben, zumindest sind es Varianten, z. B. der gehobenen, niederen oder saloppen Ausdrucksweise. Als Varianten gelten alternative Ausdrucksmöglichkeiten für ein und dieselbe Sache, z. B. standardsprachlich Fleischer neben Metzger. Eine sprachliche Varietät ist ein durch außersprachliche Parameter näher definiertes Sprachsystem, das eingebunden ist in einen Komplex von Sprachsystemen. Abb. 1.12: Ein soziolinguistisches Varietätenmodell (aus: Löffler 2005, S. 79) Das Modell in Abb. 1.12 ist verändert gegenüber dem in Löfflers 2. Aufl. von 1994; die „Sexlekte“ heißen nun „Genderlekte“, und die Benennungen der Linien, ausgehend von den Ecken der „Genderlekte“ / „Alterssprachen“, „Sozio-“, „Funktio-“ und „Situolekte“ fehlen jetzt. Dies „Sprachwirklichkeitsmodell“ soll „die Komplexität und Relativität jedes Einteilungsversuches“ andeuten, so dass auf Kriterien zur mutuellen Abgrenzung der Varietäten bewusst verzichtet wird. Das Modell wird so beschrieben: <?page no="39"?> Systemorientierung 25 „Die äußeren sechs Ecken stellen sprachliche Großbereiche (‚Lekte‘) dar, die sich nach dem Medium (Mediolekte), der Funktion (Funktiolekte), der arealen Verteilung (Dialekte), der Sprechergruppen (Soziolekte), nach Alter und Geschlecht (Kinder-, Erwachsenen, Alten-Sprachen; Sex(o)lekte, Genderlekte) und nach Interaktionstypen bzw. Situationen (Situolekte) unterscheiden.“ Die siebte Ecke („Idiolekte“) wurde übersehen. Die „-lekte“ (aus. griech. légein ‚lesen, sprechen, etw. Bedeutendes sagen‘) werden mit Varietäten gleichgesetzt, die Löffler (2005, S. 79) als „gebündelte Textexemplare“, hauptsächlich i. S. der Redekonstellationstypen von Steger/ Schütz 1973 (vgl. Steger [u. a.] 1974) ansehen möchte. Von diesem Ansatz abgesehen, werden zur Definition einer Varietät im Allgemeinen außersprachliche Kriterien herangezogen, z. B. soziologische, areale oder situative. In jeder Sprache bestehen viele sozial, aber auch areal und situativ gebundene und miteinander konkurrierende Systeme, wodurch häufig linguale und soziale Konflikte entstehen. Für den einzelnen Sprecher hat von diesen aber in der Regel nur ein ausgezeichnetes System den Wert eines „Modellsystems“, in welchem er sich am besten „zu Hause“ fühlt und zählt („Zählsystem“), das so die stärkere Grundlage seiner Sprachverwendung bildet: L 1 (L für Language ‚Sprache’, ‚Sprachsystem’) wird gegenüber L 2 , L 3 bevorzugt. Außer mit dem L 1 -System kommt heute so gut wie jeder Sprecher mit einer Vielzahl von weiteren Systemen in Berührung, auf deren Grundlage seine Kommunikationspartner/ -partnerinnen und auch er selbst kommunizieren (L 2...n ). 1.2.4 Gesamtsprache, Subsysteme, Jargons, Register Gesamt-, Gemeinsprache - Subsysteme - Fach-, Sondersprache - Jargon - Ein Modell Gesamtsprache, Gemeinsprache Intersystemar, d. h. auf die vielen Systeme einer Einzelsprache bezogen, bedürfen einige soziolinguistisch relevante „Kommunikationstypen“ einer besonderen Beachtung. Unter Kommunikationstypen werden situationsunabhängige Systeme und Subsysteme wie Gemein-, Fach- und Sondersprache sowie situationsabhängige Systeme verstanden wie Jargon und Register. Der Begriff der Gemeinsprache steht in Konkurrenz mit a) Fachsprache und b) Gesamtsprache. W. Schmidt (vgl. Hoffmann 1976, S. 162 ff.) versteht unter Gemeinsprache „jenes Instrumentarium an sprachlichen Mitteln, über das alle Angehörigen einer Sprachgemeinschaft verfügen und das deshalb die sprachliche Verständigung zwischen ihnen möglich macht.“ <?page no="40"?> Theoretische Grundlagen 26 Nach Hoffmann (1976, S. 162 ff.) muss man Gemeinsprache als Abstraktion sehen und dann wie folgt definieren: Unter Gemeinsprache soll man den „statistischen Durchschnitt des Sprachbesitzes aller Individuen“ einer Sprachgemeinschaft verstehen. In der lange Zeit üblichen Dichotomie Gemeinsprache - Fachsprachen sind Fachsprachen mit ihrem Spezialwortschatz komplementär zur Gemeinsprache gesehen worden. Wenn jedoch alle Systeme, wie sie in Abb. 1.13 angedeutet sind, die Gemeinsprache eingeschlossen, als das Hypersystem einer Sprachgemeinschaft betrachtet und als Gesamtsprache bezeichnet werden, sind Fachsprachen nicht mehr nur dichotom zur Gemeinsprache zu sehen, sondern sie werden wie diese zu einem Teil der Gesamtsprache. Die Gesamtsprache ist die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel einer Sprachgemeinschaft. Subsysteme Dies „Hypersystem“ Gesamtsprache setzt sich aus einer Vielzahl von „Hyposystemen“ zusammen, die auch Subsysteme genannt werden. Subsysteme sind (Hypo-)Systeme einer Gesamtsprache. Die deutschen Dialekte, aber auch die hier beschriebenen „Soziolekte“, z. B. das Rotwelsch, der Jargon in medizinischen Praxen, Genderlekte u. dgl. sind Subsysteme des Deutschen als Gesamtsprache. Fachsprachen sind gebunden an Aktivitäten von Fachleuten und bezogen auf fachlich exklusiv benannte Objekte, z. B. die Herstellung von Textilien oder die Reparatur von Fernsehern oder Computern; sie haben eine gemeinsprachliche Syntax (mit bestimmten Auswahlen) und einen Spezialwortschatz, der als Terminologie bezeichnet wird, wenn er genormt bzw. definiert ist (vgl. Gnutzmann 1980, S. 52: ) Fachsprachen sind „Mittel einer optimalen Verständigung über ein Fachgebiet unter Fachleuten“. Diese Definition berücksichtigt nicht, dass die Kommunikation unter Fachleuten häufig nicht optimal ist, dass es sehr oft zu Missverständnissen und sprachlich bedingten Konflikten auch unter Fachleuten kommt. Mit Blick auf die Existenz von Fachwortschatz - unabhängig von dessen Verwendung in konkreten Situationen - und auf dessen Vermittlung an Lernende in Lernsituationen sowie durch Lehrbücher wird das logische Prädikat „optimal“ durch „fachspezifisch“ ersetzt: <?page no="41"?> Systemorientierung 27 Fachsprachen dienen der fachspezifischen Kommunikation unter Fachleuten. Die Fachbezeichnungen werden, wenn ihre Bedeutungen z. B. in der Industrie oder für Lehrbücher eineindeutig festgelegt sein sollen, genormt. So wird z. B. durch das „Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN)“ festgelegt, was für den Bauingenieur die Bezeichnungen Läufer, Klinker und Verblender bedeuten. (Zu Norm und Normung s. Kap. 2.1.4 u. Abb. 2.5; vgl. Wiegand 1979, S. 50 f.). Terminologie ist genormte bzw. definierte Fachlexik. Sprachvarietäten, die primär dazu dienen, Gruppenmitglieder als solche zu identifizieren („Wir-Gefühl“), heißen Sondersprachen. Abb. 1.13: Eigenschaften relevanter „Kommunikationstypen“ ist abhängig von ist gekennzeichnet durch Kommunikationstyp außersprl. Parametern sozialer Bindung Objekt (Ding), Aktivität Situation Normierung areale Bindung spezielle Stilformen spez. Wörter u.Wendungen Beispiele aus der Gesamtsprache Gemeinsprache + - - - - - - - Deutsch Standardsprache + - + + + z. T. + + Schriftsprache traditionelle Fachsprache + + + + - + - + Winzerwortschatz Terminologie + + + + + - - + Termini d. Linguistik Sonderspr. + + + + - z. T. + + Rotwelsch Jargon + + + + - z. T. + + Schülersprache sprl. Register + + + + - - + + Foreigner, Baby Talk Basisdialekt + + - + - + - + Dialekt von Modau Diese Kommunikationstypen lassen sich noch weiter differenzieren; der Matrix können nur die groben Unterschiede entnommen werden. Auf das quasi umgekehrte Verhältnis von Varietät und Register wird bereits auf S. 14 hingewiesen. Vorweg ergänzt sind hier die Sondersprachen und deren Spezialfall, der Jargon (Beispiele in Kap. 3). Dieser dient der emotionalen Kommunikation <?page no="42"?> Theoretische Grundlagen 28 und kann bei Verwendung fachsprachlicher Wörter als Fachjargon auftreten, gerichtet an Massen (z. B. bei einer Fußballreportage) als Massenjargon. Der Jargon ist eine situationsabhängige Sprachvarietät mit gemeinsprachlicher Grammatik, saloppem Stil, emotionalen Wörtern und Wendungen. Abb. 1.14: Modell soziolinguistischer Orientierung (exemplarisch) Bereiche Soziologische Einheiten Linguistische Darstellung Makrobereich Übernationales - Kulturen - Zivilisationen Nationales - Aggregate („Masse“) - Klassen, Schichten - biosoziale Superkategorien - Berufsgruppen Siedlungsräume (u. a.) Anthropo-, Ethno-, Kontaktlinguistik, Stereotype für interkulturelle Attitüden Massenjargon Klassen-, Schichtspezifik (Sprache) Gender-, Gerontolinguistik Fachsprachen Dialektnetze (u. a.) Mesobereich Institutionen - Klinik, Gericht - Ämter, Behörden - Schule Milieus - Arbeitermilieu - Hedonistisches Milieu - Intellektuelles Milieu - Subkulturen, „Szenen“ Soziale Netze - Dorfgemeinschaft - Fastnachtsverein - Nachbarschaften (u. v. a. m.) Sprachverhalten in Institutionen und im Umgang mit Institutionen Codetheorie (sprachl. Defizit) Arbeitersprache Dirnensprache Ideologische Sprache Jargons, Pop-, Diskou. andere Szenensprachen Dialekt-, Ortssprachenforschung Kommunikation in Vereinen alloglotte Kommunikation Mikrobereich Peergruppen - Studierende, Jugendliche, - Schüler(innen) Primärgruppen - Freunde, Freundinnen - Familie, Verwandte Rollen, Register (u. a.) Studentensprache, Sondersprachen Sprache Jugendlicher und Schüler Kleingruppensprache in der Familie usw. rollenbezogenes Sprachverhalten „Baby Talk“ <?page no="43"?> Systemorientierung 29 Die skizzierten Varietäten sind, wenn man sie mit den sozialen Gegebenheiten parallelisiert, entweder dem Mikro- oder dem Meso- oder dem Makrobereich sozialer Differenzierungen zuzuordnen (vgl. Abb. 1.14 u. Ropohl 1980). Der Übergang zwischen dem Mikro- und dem Mesobereich ist fließend, weil das Individuum mehreren Gruppen angehören kann, die entweder dem einen oder anderen Bereich zuzuordnen sind. Beispielsweise lebt ein Jugendlicher bei seinen Eltern (Primärgruppe der Familie), ist gleichzeitig in einer Peergruppe - das sind die Gleichaltrigen - und gehört, da er ständig in Diskotheken verkehrt, zur „Szene“; außerdem sucht er bestimmte Institutionen, wie das Arbeitsamt, regelmäßig auf. Die Folge davon ist, dass er mit Sprachsystemen vielfältiger Art konfrontiert wird. Das Modell von Abb. 1.14 dient der groben Orientierung, wobei die exemplarische linguistische Darstellung mit soziologischen Einheiten parallelisiert wird. Neuere Forschungen (s. Abb. 4.12/ 13 nach Sinus- Institut 2000, Geißler 2002) gliedern die Gesellschaft primär „nach verschiedenen Wertorientierungen und Lebensstilen“, die „soziale Milieus“ genannt werden und sich von dem traditionellen Milieu-Begriff unterscheiden, nun definiert als „soziale Umwelten und ihre Zusammenhänge mit Einstellungen und Verhaltensweisen“; sekundär werden diese Milieus „sozialen Lagen“ und „Grundorientierungen“ zugeordnet. Soziale Milieus sind subkulturelle Einheiten aus Menschen mit ähnlicher Lebensauffassung und Lebensweise. Das indische Kastensystem, zu dem es auch linguistische Untersuchungen gibt, wird hier nicht weiter verfolgt. Zum besseren Verständnis wird hier eine Definition für soziale Aggregate gegeben: Soziale Aggregate sind anonyme Massen oder Menschenmengen ohne nähere soziale Beziehungen, aber einigen gemeinsamen Merkmalen. Gemeinsame Merkmale sind z. B. die räumliche Nähe in irgendeinem Stadion und das dort erlebte Spiel; ferner nicht nur statistisch Übereinstimmendes wie die Alten, das andere Geschlecht. Literatur (Auswahl) Geißler 2002 - Gnutzmann 1980 - Hoffmann 1976 - Klein/ Presch 1981 - Löffler 2005 - Luhmann 1971 - Ropohl 1980 - Schäfers 2000 <?page no="44"?> Theoretische Grundlagen 30 Kontrollfragen (Antworten in Kapitel 8, S. 222) 1.2.01 Was ist die ursprüngliche Bedeutung von „System“? 1.2.02 Aus welchen Komponenten besteht ein „Sprachsystem“? 1.2.03 Wie heißt der Kernbereich der Linguistik? 1.2.04 Nennen Sie Nachbardisziplinen zur Soziolinguistik. 1.2.05 Definieren Sie, was man unter „Regeln“ versteht! 1.2.06 Was ist der Unterschied zwischen infra- (auch: intra-)systemaren und intersystemaren Regeln? 1.2.07 Was ist mit „statischen“ Systemen gemeint? 1.2.08 Definieren Sie „Struktur“! 1.2.09 Erläutern Sie „Sinn“ als Begriff. 1.2.10 Was sind „Varianten“? 1.2.11 Was ist unter einer „sprachlichen Varietät“ zu verstehen? 1.2.12 Definieren Sie „Gemeinsprache“. 1.2.13 Definieren Sie „Gesamtsprache“. 1.2.14 Definieren Sie „Subsystem“. Geben Sie Beispiele. 1.2.15 Definieren Sie „Fachsprache“. 1.2.16 Was ist eine „Terminologie“? 1.2.17 Definieren Sie „Sondersprache“. 1.2.18 Definieren Sie „Jargon“. 1.2.19 Was ist unter „sozialen Milieus“ zu verstehen? 1.2.20 Definieren Sie und geben Sie ein Beispiel für ein „Aggregat“. <?page no="45"?> 2 Primäre sprachliche Sozialisation 2.1 Gesellschaft und Individuum 2.1.1 Identität und mikrosoziologische Kategorien Sozialisation und Identität - symbolischer Interaktionismus - soziale Rolle - soziale Position - sozialer Rang Identität Sozialisation und Identität Prozesse der Sozialisation führen dazu, dass das Individuum seine Identität als eine gesellschaftlich handlungsfähige Persönlichkeit gewinnt, also den Anforderungen der Gesellschaft gerecht werden kann. Die primäre sprachliche Sozialisation bezieht sich auf den anfänglichen, d. h. Erstspracherwerb. Der Erwerb einer Zweitsprache entspricht der sekundären sprachlichen Sozialisation. Die Vokabel Identität ist im 18. Jahrhundert aus spätlat. identitas ‚Einheit des Wesens‘ entlehnt worden, identisch bedeutet ‚völlig gleich, übereinstimmend‘ (vgl. Pfeifer 1989, S. 725). Im Alltag kann „Identität“ bestimmt werden über Parameter materieller Art wie Pass oder Führerschein, über soziale Parameter wie [ich bin] Arbeiter, Ehegatte, Mutter, und auch über subjektive Gegebenheiten wie [ich bin] Fußballfan, Amateurfotograf usw. Die wissenschaftliche Identitätsbestimmung wird seit Max Weber (1921) vielfach eingebettet in das Spannungsfeld zwischen Individuellem, Sozialem und der Dingwelt, in einem semiotischen Dreieck als „Ich“, „Wir“ und „Es“ wiedergegeben (vgl. Campeau [u. a.] 1998, S. 87, 110 f.). Unter soziologischen Gesichtspunkten sind für die Identitätsbildung entscheidend u. a. die Zugehörigkeit zu einem sozialen Gebilde (z. B. einer Schicht oder einer Gruppe), auch zu einer bestimmten Religion bzw. Ethnie in multi-ethnischen Gesellschaften (vgl. Kap. 5.2.1 u. 7.1.2); ferner: die familiale Lage, auch in materieller Hinsicht, Geschlecht und Alter, Erziehung und Beruf, die Nationalität, die politische Orientierung u. a. Die Sprache in der Umgebung des Individuums, die diesem über soziale und linguale Beziehungen vermittelt wird, führt zu dessen sprachlicher Identität. Die soziale - und wahrscheinlich auch die linguale - Identitätsbildung kommt erst im jungen Erwachsenenalter zu einem vorläufigen Abschluss, unterliegt aber einer permanenten Weiterentwicklung (vgl. Campeau [u. a.] 1998, S.87, u. Lothar Krappmann in Ammon [u. a.] (Hgg.) 1987, S. 135). Die Teilidentitäten lassen sich auf einige wenige reduzieren: <?page no="46"?> Primäre sprachliche Sozialisation 32 Teilidentitäten (a) sprachliche Identität; diese enthält die Identifikation mit einer Sprache und deren Sprechern ebenso wie die Identifikation mit sprachlichen Varietäten (wie z. B. Dia- und Soziolekten) und deren Sprechern; (b) soziale Identität; diese enthält z. B. die Identifikation mit Menschen einer bestimmten sozialen Schicht oder Gruppe, mit Menschen, die einen bestimmten Beruf oder einen bestimmten sozialen bzw. sozioökonomischen Status (u. a. Alter, Geschlecht, Reichtum, Armut) oder eine bestimmte Religion haben; ferner c) kulturelle, d) nationale, e) ethnische Identität, d. h. die Identifikation des Selbst mit Menschen der gleichen Kultur bzw. Nation bzw. Ethnie; u.a. Symbolischer Interaktionismus Symbolischer Interaktionismus Gemäß der Auffassung von George Herbert Mead (1973 [1934], S. 216 ff., 420-429 et passim) erfolgt die Identitätsbildung im Rahmen des symbolischen Interaktionismus, demzufolge der Mensch nicht nur in seiner natürlichen, sondern auch in einer symbolisch vermittelten Umwelt lebt. Zu den Symbolen, die erworben werden, gehört die Sprache, die raffinierteste Symbolorganisation des Menschen. Nach Mead sind „der Ursprung und die Grundlage der Identität ebenso wie die des Denkens gesellschaftlicher Natur“ - man muss hinzufügen: ebenso wie die der Sprache. Dies erläutert Mead wie folgt (1973 [1934], S. 206): „Es kann keine scharfe Trennungslinie zwischen unserer eigenen Identität und der Identität anderer Menschen gezogen werden, da unsere eigene Identität nur soweit existiert und als solche in unsere Erfahrung eintritt, wie die Identitäten anderer Menschen existieren und als solche ebenfalls in unsere Erfahrung eintreten. Der Einzelne hat eine Identität nur im Bezug zu den Identitäten anderer Mitglieder seiner gesellschaftlichen Gruppe. Die Struktur seiner Identität drückt die allgemeinen Verhaltensmuster seiner gesellschaftlichen Gruppe aus, genauso wie sie die Struktur der Identität jedes anderen Mitglieds dieser gesellschaftlichen Gruppe ausdrückt.“ Die gesellschaftliche Seite des Individuums nennt Mead das „Me“, die Seite der individuellen Spontaneität das „I“. Auf Sprache übertragen bedeutet dies, dass die sich in Sprache ausdrückende Identität stets relativ zu sehen ist zu der Sprache anderer Sprachträger, anderer Mitglieder gesellschaftlicher Gruppen, die zusammen mit ihrer Sprache „in unsere Erfahrung eintreten.“ Daraus lässt sich eine Definition ableiten (vgl. Mummendey / Simon 1997, S. 24): Sprachliche Identität ist die Verortung der eigenen Sprache in einem komplexen sozialen und - darauf fußend - lingualen Koordinatensystem. <?page no="47"?> Gesellschaft und Individuum 33 Soziale Rolle, Position, Rang Meads Forschungsansatz des „symbolischen Interaktionismus“, der vergleichbaren Forschungen (s. die Diskussion in Dubar 1999, S. 81-128) vorzuziehen ist, wird so zusammengefasst: „Die sich im Rahmen v. Interaktionen vollziehende Sozialisation des Individuums zu einer sozial handlungsfähigen bzw. interaktiv kompetenten Persönlichkeit wird als Prozeß des Lernens v. Symbolen u. Rollen aufgefaßt. Hierbei lernt der einzelne mit Hilfe der übernommenen Symbolsysteme, sich in die Rollen anderer zu versetzen (role-taking), Erwartungen u. mögliche Reaktionen anderer zu antizipieren (innerlich vorwegzunehmen), zu interpretieren u. bei der Steuerung des eigenen Handelns zu berücksichtigen. Er lernt ferner, sich selbst aus der Perspektive anderer zu sehen“ und somit generell die seitens der sozialen Umwelt an ihn gerichteten Rollenerwartungen zu erfüllen (Hartfiel/ Hillmann 1994, S. 855). Eine soziale Rolle ist die Summe der an den Inhaber einer sozialen Position gerichteten (Verhaltens-)Erwartungen. In einer Familie sind normalerweise die sozialen Rollen von Vater, Mutter und Kind reguliert. Das Kind lernt, sich in die Rolle von Vater bzw. Mutter hineinzuversetzen, aber auch andere Rollen symbolisch zu übernehmen, z. B. die des Arztes oder des bösen Wolfs, entsprechend zu spielen und zu agieren, also: zu handeln und vor allem sprachlich zu handeln (vgl. hierzu Ramge 1975, insbes. S. 10 ff.). Das Kind spricht spielerisch, als sei es selbst der Vater, die Mutter oder der böse Wolf. Eine soziale Position ist ein Ort in einem Gefüge sozialer Beziehungen, unabhängig von der Person, die diesen Ort besetzen könnte. Beispielsweise ist die soziale Position des deutschen Bundespräsidenten in der deutschen Gesellschaft festgelegt, unabhängig von der Person, die diese Position gerade innehat. Der Stellvertreter des Bundespräsidenten ist der Bundesratspräsident, z. B. bei der Unterzeichnung von Gesetzen. Dieser ist rangniedriger als der Bundespräsident, denn er ist dessen Stellvertreter. Ein sozialer Rang ist ein Ort relativ zu einem anderen Ort in einer Hierarchie sozialer Beziehungen. 2.1.2 Individueller Drehpunkt, individuelle Sprache Soziale und sprachliche Identitätsbildung - Umwelt - Schemata Soziale und sprachliche Identitätsbildung Nach Mead entwickelt sich ein „Selbst“ im Verhältnis zu dem bzw. den „Anderen“ in drei Phasen der Identitätsbildung (vgl. Dubar 1999, S. 96 ff.). Die erste Phase ist <?page no="48"?> Primäre sprachliche Sozialisation 34 gekennzeichnet durch die symbolische Übernahme von Rollen aus dem allernächsten Umfeld (Eltern, Verwandte usw.); die zweite - ab dem Kindergarten - führt zur Verinnerlichung gesellschaftlicher Haltungen (das sind soziale Einstellungen - s. die Definition auf S. 10; vgl. Mead 1973 [1934], S. 222 ff.) - und nicht zuletzt zur Verinnerlichung sprachlicher Normen (vgl. S. 43 ff.) bei aller Individualität; die dritte Phase ist gekennzeichnet durch die Dialektik zwischen der Integration von sozialen (und sprachlichen) Normen und spontanen Aktionen. Im Sinne von Mead lässt sich (s. Albert Scherr in Schäfers 2000, S. 136) formulieren: Soziale Identitätsbildung ist ein Prozess, „in dem Impulse der individuellen Spontaneität und gesellschaftliche Verhaltenserwartungen ausbalanciert werden.“ Auf Sprache übertragen, bedeutet dies, dass das Bedürfnis der individuellen Gestaltung, insbesondere der Sprachgestaltung, in Einklang gebracht werden muss mit gesellschaftlichen Verhaltenserwartungen. Sprachliche Identitätsbildung ist ein Prozess, in dem individuelle Sprachgestaltung und Sprachnormen als gesellschaftliche Verhaltenserwartungen ausbalanciert werden. Zu Sprachnormen s. a. Abb. 2.5 und die Erläuterungen in 2.1.4. Umwelt Aus der Art der Identitätsbildung ergibt sich, dass das Handeln des Individuums eine ständige Auseinandersetzung und ein Sich-Messen mit anderen Individuen und Gruppen der sozialen Umwelt bildet. Umwelt Wenn der Mensch mit anderen Menschen interagiert, setzt er sich mit seiner „kulturell gebrochenen“ Umwelt (Goetze 1991, S. 33 f.) auseinander, d. h. mit Sachverhalten, die nicht mit seinem - individuellen - Handlungs- und Sprachsystem identisch sind. Dies ist allerdings eine soziologischsystemtheoretische, keine linguistische Auffassung von Umwelt: Umwelt: Alle Sachverhalte, die nicht mit einem bestimmten System identisch sind und mit dem System in Beziehung stehen. Peter Meyer gibt (1991, S. 8 f.) eine allgemeine Definition von Umwelt: „ ,Umwelt‘ umfaßt alles, was einen Organismus umgibt und in irgendeiner Weise von Bedeutung für ihn ist. Dazu gehört die physikalische Umwelt - Klima, Boden usf., die Umwelt der belebten Dinge, wie Pflanzen und Tiere, die etwa der Ernährung dienen können, und im Falle des Menschen auch die kulturelle Umwelt ...“ <?page no="49"?> Gesellschaft und Individuum 35 Schemata Dem Schweizer Biologen und Psychologen Jean Piaget (1896-1980) ist die Auseinandersetzung des Kindes mit der Umwelt unverzichtbar für dessen kognitive - die auf das Denken bezogene - Entwicklung und dessen sprachliche und soziale Identitätsbildung (vgl. Piaget 1972b, S. 178 ff.). Die kognitive Entwicklung rangiert bei Piaget vor der sprachlichen. Für das Handeln des Menschen ist - wie auch Mead schreibt - nicht nur die äußere, soziale Organisationsform entscheidend, sondern auch die innere, d. h. für Piaget: die Vielzahl der kognitiven Schemata. Schemata enthalten gebündelte bzw. hierarchisierte Informationen, durch die der Mensch sein Verhalten bzw. Handeln steuert. Es sind kortikale, d. h. in der Hirnrinde gebildete Strukturen, die für die Kategorienbildung bei Informationen von außen, für die Gedächtnis-, Wahrnehmungs-, Verstehens- und Sprachleistungen verantwortlich sind. Ein Schema ist eine kognitive Struktur zur Abspeicherung, Weitergabe und Anwendung von Informationen. Assimilation Ohne kognitive Schemata wäre eine geordnete Kommunikation des Individuums mit seiner Außenwelt nicht möglich (vgl. Güttler 2000, S. 77 ff.). Postnatal, d. h. nach der Geburt, werden Schemata rasch und komplex neu- und weiterentwickelt. In Auseinandersetzung des Individuums mit der Umwelt wird zunächst die Wahrnehmung so korrigiert, dass sie in ein bereits vorhandenes Schema passt (Assimilation). Assimilation ist die Anpassung der wahrgenommenen Umwelt an ein Schema. Akkommodation ist die Anpassung des Schemas an die Umwelt. Akkommodation Demgegenüber wird das Schema immer dann an die wahrgenommene Umwelt angepasst, wenn der Konflikt zwischen Wahrgenommenem und Schema anders nicht überbrückt werden kann, d. h. nur dadurch, dass das Schema verändert wird (Akkommodation). Abb. 2.1: Akkommodation einer Regel als Schema (Text: Ramge 1975, S. 71) Mutter bei dem Waschen des Kindes „Das ist noch ein Ohr . das sind die Ohren . das sind die Augen. ...“ Peter (25-27 Monate alt): „Das sind die Ohren . das sind die Augen . das sind die *Haaren . das sind die *Armen . das die *Fußen . das die *Handen ...“ Zwischen dem 29. und 31. Monat korrigiert und erweitert Peter die Regel 1 um die Regeln 2 (Plural-e: Haare, Arme) und 3 (Umlaut plus Plural-e: Füße, Hände). <?page no="50"?> Primäre sprachliche Sozialisation 36 Korrektur einer Abweichung Ein weiteres, bekanntes Beispiel betrifft die anfängliche Missachtung von Abweichungen in der Konjugation durch das lernende Kind. Im Deutschen wird das Präteritum durch ein Dentalsuffix gebildet, z. B. ich lerne - ich lernte; analog bildet das Kind das Präteritum in allen Verben, z. B. ich schlafe - aber falsch: ich schlafte. Das Kind behält die Systematik einer Konjugationsregel, aber die Abweichung davon zuerst nicht. Durch die korrigierende Umwelt lernt das Kind, die zuerst erworbene Regel 1 zu akkommodieren und damit den sprachlichen Normen zu folgen. 2.1.3 Prä- und postnatale Prozesse Pränatale Informationsverarbeitung - Biogenetische Voraussetzungen - Neuronale Gruppen - Neuronaler Darwinismus - Wahrnehmung als Selektion - Stereotype Pränatale Informationsverarbeitung Pränatale Prozesse Die Theorie von Piaget stehe stellvertretend für andere Nativismus- Theorien, z. B. der von Chomsky (1969 [1965]). Piaget kommt zu dem Ergebnis, dass die Schemata in primitiver Form angeboren sind, z. B. das „Saugschema“ als Voraussetzung für die Ernährungsfähigkeit des neugeborenen Lebewesens (vgl. Piaget 1972b, S. 178 ff.). Dies leuchtet zunächst ein, bedarf aber der Hinterfragung mit Blick auf pränatale Prozesse. Inzwischen ist bekannt, dass dieses Angeborensein als pränatale Entwicklung angesehen werden muss, wo sich Schemata bilden und auch korrigiert werden. Aufgrund einer spezifischen Tätigkeit der Nervenzellen sind die postnatalen Fähigkeiten in primitiver Form pränatal vorentwickelt. Sie haben nur deshalb als angeboren gegolten, weil man den Beginn des Lebens mit der Stunde der Geburt gleichgesetzt hat. Für die Sprache in ihrer Bindung an die Entwicklung des Sprachträgers von der Eizelle an bedeutet dies somit, dass nicht einzig die postnatalen Erscheinungen relevant sind, sondern entscheidend auch die biogenetischen Prozesse, die bereits pränatal, d. h. vor der Geburt, geschehen. Zur „vorgeburtlichen Entstehung der Sprache“ vgl. auch Clauser 1971. Erst nach der Auflösung der körperlichen Bindung von Mutter und Kind entwickelt sich Sprache postnatal als gesellschaftsbezogenes Kommunikationsmittel, wobei das Verstehen und Erlernen von Handlungen primär ist im Vergleich zu dem Sprechen und Verstehen, also gegenüber der Entwicklung von lingualer Identität. Die postnatale Fähigkeit, Informationen zu übernehmen, weiterzugeben, <?page no="51"?> Gesellschaft und Individuum 37 auszutauschen, ist pränatal angelegt, und die Entwicklung von Sprache wäre vermutlich anders nicht möglich. Biogenetische Voraussetzungen Universal, d. h. allen Menschen eigen, unabhängig von ihrer sozialen Zugehörigkeit, sind bestimmte biogenetische Voraussetzungen für soziale Beziehungen, für wechselseitiges Informieren, für kommunikatives Handeln allgemein und für Interaktion im Besonderen. Neurologische Forschungen haben jüngst erwiesen, dass bereits die kleinste Nervenzelle, das Neuron, Aktivitäten zur Übertragung kodierter Nachrichten an bestimmte neuronale Adressen entwickelt. Im allerfrühesten pränatalen Stadium beginnt die Aktivierung von Zellen durch Reize. Pränatal heißt: vor der Geburt. Die Informationsübertragung geht aus von einer funktionellen Einheit und betrifft miterregte Nachbarn, wie in Abb. 2.2 dargestellt. Neuronen sind „Schaltelemente“ für die Übertragung und Verarbeitung von Informationen mit Adressen. Neuronale Gruppen Die Neuronen formieren sich zu neuronalen Gruppen; diese werden durch ein bestimmtes Signal a) aktiviert (schwarz), b) als unmittelbare Nachbarn mit aktiviert (grau) und c) als entfernte Nachbarn nicht aktiviert, d. h. gehemmt (weiß). Neuronaler Darwinismus Wie Abb. 2.2 veranschaulicht, ergeben sich bei der Aktivierung der Neuronen Diskordanzen und auch Konkordanzen mit der Konsequenz, dass die Neuronen, die auf Dauer nicht aktiviert werden, also keine Informationen erhalten, absterben. Diese Hypothese von der Fortentwicklung der aktivierten, an der Informationsverarbeitung beteiligten Neuronen einerseits und andererseits dem Absterben der nicht aktivierten, also an der Informationsverarbeitung nicht weiter beteiligten Neuronen, wird als „neuronaler Darwinismus“ bezeichnet, weil Darwins Theorie der natürlichen Selektion auf die Neurobiologie angewendet werden muss (s. Edelman 1995, S. 122 ff.; Edelman/ Tononi 1998, S. 193 ff.). Die Tatsache, dass neuronal eine Selektion stattfindet, ist der Beginn einer Vielfalt weiterer selektiver Tätigkeiten, postnatal z. B. in der Wahrnehmung (der selektiven Informationsaufnahme allgemein und speziell in Bezug auf Sprache), in der Stereotypenbildung (Selektion sozialer Merkmale <?page no="52"?> Primäre sprachliche Sozialisation 38 mit Folgen für die Sprache), in der späteren symbolischen, genauer: in der „Redekommunikation“ und „Zuhörkommunikation“ (s. Delhees 1994). Abb. 2.2: Verschaltung von Neuronen (modif. aus Spitzer 1996) Laufende wechselseitige Interaktionen zwischen Neuronengruppen, i. w. S. zwischen dem biologischen System und der Umwelt, sind unvermeidlich. Entsprechend sind sprachliche Handlungen ohne biogenetische Voraussetzungen und ohne die Fähigkeit zum Informationsaustausch nicht denkbar. Watzlawick und Mitarbeiter, die die menschliche Kommunikation auch mit Blick auf die gestörte Kommunikation Schizophrener untersucht haben, kommen zu der Feststellung (Watzlawick [u. a.] 1973, S. 53): „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Etwas anders formuliert und gestützt durch die neurobiologischen Forschungen, lässt sich diese Aussage verallgemeinert auf alle Organismen und Gesellschaften übertragen: Informationsaustausch ist die Grundlage des Lebens und der Gesellschaft. <?page no="53"?> Gesellschaft und Individuum 39 Wahrnehmung als Selektion Selektive Informationsaufnahme Die Wahrnehmung von Mustern geschieht pränatal durch die Rezeption von Reizen bezüglich der benachbarten Neuronen, postnatal und vordergründig mit Hilfe der ausgebildeten Sinnesorgane, i. w. S. aber als Perzeption, d. h. als Datenverarbeitung mit Hilfe der Fähigkeiten des Zentralnervensystems. Das Wahrgenommene entspricht aber nicht der Wirklichkeit, denn die Wahrnehmung ist keine 1: 1-Zuordnung, sondern extrem komplex. Der Mensch abstrahiert: Er entwickelt die Fähigkeit, aus einer schier unübersehbaren Varianz von Reizen konstante Regelmäßigkeiten zu erfassen, d. h., er nimmt seine Umwelt anders wahr, als sie ist. Die Wahrnehmung ist die selektive Aufnahme von Informationen aus der Außenwelt (Umwelt). Auch die Wahrnehmung von Sprache erfolgt selektiv. Abb. 2.3: Streuungen des Sprechens und Hörens bei einheitlicher Wahrnehmung des Lauts <?page no="54"?> Primäre sprachliche Sozialisation 40 Mit Blick auf die Identitätsbildung des Individuums - im Brennpunkt steht die linguale Identitätsbildung - ist das Wie zentral, d. h. die Frage, wie etwas wahrgenommen und ob und wie das Wahrgenommene auf bereits bestehende Muster (Schemata) projiziert und bestimmten Kategorien zugeordnet wird, also im Sinne der Assimilation Piagets funktioniert. Der Abb. 2.3 (vgl. Veith 1980, S. 129) lässt sich entnehmen, dass die Aussprache der Vokale < i > , < e > , < a > phonetisch breit gestreut sein kann, weil es sich um unterschiedliche Sprecher, Männer- und Frauenstimmen handelt. Trotzdem hört man immer den Vokal, der dem eigenen „Lautbild“ (i. S. von de Saussure), also einem psycho-physischen Muster entspricht. Nur die musterhaft wahrgenommene Unterschiedlichkeit zwischen den betreffenden Vokalen erlaubt es, die verschiedenen Bedeutungen der drei Belegwörter zu erkennen. Was wahrgenommen wird, ist also eine Abstraktion von der Wirklichkeit und damit deren partielle Verfälschung. Dies gilt für sprachliche ebenso wie für nichtsprachliche Erscheinungsformen, wie aus der Gestaltpsychologie bekannt ist: „Jede Stunde des Tages bringt für das Auge andere Beleuchtungsverhältnisse, verändert damit die Helligkeit und Farbe der Objekte; jede Änderung unseres Standortes verändert auch das Objekt - und dennoch: alles dies tangiert unser Wiedererkennen der Dinge nicht wesentlich“ (Kohler 1972, S. 74). Die als Folge der Selektion wahrgenommenen Muster (Konzepte, Schemata) werden wiederum auf bestehende Muster projiziert. Der Mensch nimmt Muster wahr und handelt nach Mustern. Stereotype Zur Wortgeschichte Die für die Wahrnehmung typische selektive Aufnahme von Informationen aus der Außenwelt (Umwelt) führt im soziolinguistischen Bereich zu Stereotypen. Das Adjektiv stereotyp in der Bedeutung ‚feststehend, unveränderlich, ständig wiederkehrend, in der Form erstarrt, leer‘ ist als Bezeichnung eine Neubildung der französischen Druckersprache, später substantiviert (i. S. von ‚fest miteinander verbundene Druckzeilen‘) zu frz. stéréotype (aus gr. stereós ‚starr, fest‘ und gr. typos ‚Gestalt‘); im 20. Jh. in übertragener Bedeutung: das Stereotyp im Sinne von ‚Klischee‘ (vgl. Pfeifer 1989, S. 1714, u. Le Robert 1998, S. 3640). In der Soziologie und Soziolinguistik handelt es sich bei dem Stereotyp um eine kognitive Kategorie „zur Bezeichnung von gruppenspezifischen, durch <?page no="55"?> Gesellschaft und Individuum 41 Emotionen geprägten, meist unbewussten, stark verfestigten (Vor-)Urteilen“ (Bußmann 2002, S. 651), die stets wiederholt werden und auch gesellschaftlich verankert sind, z. B. „Beamte sind faul“ - weitere Beispiele S. 10. Daher erzählt man entsprechende Witze, z. B.: Jemand kommt in das Büro eines Beamten und sagt: „Sie haben aber viele Mücken hier! “ - „Genau 136“, antwortet der Beamte. Dieser Witz ist nur verständlich, wenn das negative Vorurteil als bekannt vorausgesetzt werden kann. Positive und negative Sozialerfahrungen führen zu Stereotypen, die z. B. Schank/ Schoenthal (1976, S. 78 f.), bezogen auf ein Beratungsgespräch, ermittelt haben. Dies zeigt, mit welchen Mitteln es dem Berater gelingt, die Kundin zu überzeugen, und dass es sich dabei um „zu Formeln erstarrte, im allgemeinen nicht mehr in Frage gestellte Gruppenerfahrungen“ handelt, „die ihre Überzeugungskraft in erster Linie ihrer häufigen Verwendung und daher Vertrautheit verdanken. In der Sozialforschung werden diese ‚Formeln‘ als Stereotype bezeichnet.“ Abb. 2.4: Stereotype (Daten aus: Schank/ Schoenthal 1976, S. 78) 1 das ist eine gesunde Reaktion 2 das gehört sich so für einen jungen Menschen 3 allzu golden und goldig darf man die Zukunft nicht betrachten 4 (man soll) ganz bescheiden anfangen 5 es scheint doch daß das nicht zu ändern ist was über uns hergeht 6 es wird ein bißchen viel geredet und ein bißchen wenig gearbeitet 7 die machen ja doch was sie wollen mit uns 8 ich kenne das Positive im Menschen 9 trauen soll man ja auch nicht In den Ausführungen dazu wird erläutert, dass z. B. die Wendung (2) typisch sei für die Einstellung alter Menschen gegenüber jungen und die Wendung (7) typisch für die Haltung von Arbeitern. Diese Stereotype sind das Zeichen für Konflikte, geäußert über Sprache. Uta Quasthoff versucht unter semantischen Gesichtspunkten eine Klassifikation (Typologie) von Stereotypen, die auf Nationalitäten bezogen sind (1987, S. 794 f.): Typ 1 „Der Deutsche ist fleißig.“ Typ 2 „Amerikaner hält man für wettbewerbsfähig.“ Typ 3 „Ich habe den Eindruck, daß Türken nicht an nettem Wohnen interessiert sind.“ Typ 4 „Er ist Deutscher, aber er ist nie pünktlich.“ <?page no="56"?> Primäre sprachliche Sozialisation 42 Stereotypenbildung Wie kommt es zur Stereotypenbildung? Welches Gewicht haben dabei pränatale Prozesse und solche der postnatalen sozialen und lingualen Orientierung? Das pränatal angelegte Grundkonzept der Reizklassifikation und Selektion im Sinne des neuronalen Darwinismus darf vorausgesetzt werden, ebenso die postnatale Selektion in der Wahrnehmung. Während diese zunächst auf die gegenständliche Welt der unmittelbaren Umgebung des Kindes bezogen ist, wird sie bei der Bildung von Stereotypen nun ausgedehnt auf die selektionale Wahrnehmung und Klassifikation der sozialen Welt. Die Bildung und Verbalisierung von Urteilen über Mitmenschen und Sachverhalte, die Einstellungen (Haltungen) dazu erfolgen entsprechend selektiv. Dazu hat Lilli einige Hypothesen formuliert (Lilli 1982, S. 14): (1) Sachverhalte, die das gleiche Orientierungsmerkmal („label“) enthalten und daher in die gleiche Klasse fallen, werden untereinander ähnlicher gesehen als sie es sind (Generalisierung: „die Schwaben sind geizig“). (2) Sachverhalte, die verschiedene „labels“ enthalten und daher in verschiedene Klassen fallen, werden unterschiedlicher gesehen, als sie es sind (Dichotomisierung). Generalisierung bedeutet somit Verzerrung. Dies betrifft die Erkennung und Wiedererkennung von Sprachlichem, von Stimmen, Sprechern, Wörtern. Aber auch die Klassifikation von Sprechern und die Urteilsbildung über sie erfolgt dadurch, dass die Mitmenschen in eine im Geiste gebildete oder bereits vorhandene „Schublade“ - in ein Schema - eingeordnet werden. Die sozial selektive Wahrnehmung der Umwelt, die z. T. auch auf Erfahrungswerten (bereits existierenden Schemata) basiert, führt zu sozialen Stereotypen; dies zeigen Witze, die auf Stereotypen basieren, wie der über den Beamten oder ein anderer über die Schwaben, z. B.: Ein schwäbisches Ehepaar fällt in eine Gletscherspalte. Bald nahen Helfer. Einer von ihnen ruft nach unten: „Wir sind vom Roten Kreuz.“ - Da ruft der Schwabe zurück: „Wir geben nichts! “ Stereotype sind generalisierte, daher defektive mentale Kategorien. Stereotype sind Äußerungen von sozialen Konflikten mittels Sprache. Bei einer Generalisierung, z. B. als der „ideale Sprecher-Hörer“ (N. Chomsky 1969 [1965]), als die ideale Frau oder der ideale Mann, entfallen stets bestimmte Eigenschaften bzw. Merkmale, so dass das so entstandene Modell unvollständig bzw. defektiv ist. <?page no="57"?> Gesellschaft und Individuum 43 Gemäß Lilli (1982, S. 7 f.) lässt sich zusammenfassend definieren: Stereotype sind „Bilder in unserem Kopf“ als Systeme der Orientierung, Anpassung und Aufrechterhaltung des Selbst. Stereotype setzen die durch die Schemata vorgegebene Generalisierung der Wirklichkeit fort. Soziologisch und soziolinguistisch gesehen ist die Bewältigung der Umwelt mittels Stereotypen (nach Bernstein) besonders kennzeichnend für die soziale Unterschicht: „Man tut das nicht! “ - als Sozialisationsprinzip, wovon die erste Folge die in der betreffenden Familie herrschende „Sprachlosigkeit“ ist und die weitere und zweite Folge davon die des restringierten Kodes. 2.1.4 Identität des Sozialen in der Sprache Noam Chomsky - Soziale Kontrolle - (Sprach-)Normen - Geltungsgrad - Geltungsbereich - Idiolekt - Integrative Identitätsbildung - Linguou. Soziogenese - Kultur Normen Noam Chomsky Die Soziolinguistik beschreibt und erklärt die sprachliche Kommunikation in der Gegensätzlichkeit bzw. Komplementarität (als „voneinander abhängige, untrennbare Beziehung“) von Identität, Differenz und gegebenenfalls Konflikt. Nach Noam Chomsky (1969 [1965]) erschließt sich das Kind mit Hilfe von angeborenen Hypothesenbildungs- und Hypothesenbewertungsverfahren sowie sprachlichen Universalien („language acquisition device“, abgekürzt LAD) quasi von alleine die normgerechte Grammatik und damit seine sprachliche Kompetenz als ‚allgemeine Sprachfähigkeit‘ (s. Kap. 5.1.3). Aber diese Theorie ist als Grammatiktheorie konzipiert, weitgehend ohne Rücksicht auf die Performanz als ‚Sprachverwendung‘ und somit ohne Beachtung der sozialen Differenzierung der Sprachteilhaber. soziale Kontrolle Gemäß den stärker soziologisch und psychologisch orientierten Theorien erwirbt das Individuum die in seiner Umwelt gesprochene Sprache u. a. über „Versuch und Irrtum“, d. h., es lernt; es lernt aus seinen Verstößen gegen die von der Umwelt vorgegebenen Normen, wie auch das Beispiel von Abb. 2.1 (Akkommodation einer Regel als Schema) belegt. Die Sprache des Kindes wird korrigiert, u. U. so lange, bis die zunächst kritisierte Sprachform schließlich richtig produziert wird. Das korrigierende Eingreifen der Umwelt wird im weitesten soziologischen Sinne „soziale Kontrolle“ genannt (s. Hartfiel/ Hillmann 1994, S. 444). <?page no="58"?> Primäre sprachliche Sozialisation 44 Soziale Kontrolle ist die „Gesamtheit aller soz[ialen]. Strukturen u. Prozesse [...], die abweichendes Verhalten der Angehörigen einer Ges[ellschaft]. oder einer ihrer Teilbereiche verhindern oder einschränken sollen.“ In der Soziolinguistik lässt sich die soziale Kontrolle auf die Beachtung bzw. Missachtung von Sprachnormen eingrenzen. Die positiven bzw. negativen Sanktionen (Belohnungen bzw. Bestrafungen) erfolgen meist über Sprache und sind symbolischer Art (Lob, Rüge). Sprachnormen existieren nur auf Grund ihrer sozialen Bindung, d. h., wenn z. B. die gesellschaftliche Zusammensetzung oder Normvorstellung variiert, variieren auch die Sprachnormen. Dabei ist allerdings die unterschiedliche Beschaffenheit von Sprachnormen zu berücksichtigen, je nach Geltungsgrad und Geltungsbereich (s. Abb. 2.5). Sprachnormen sind Maßstäbe für die Gleichförmigkeit und die Bewertung des Sprachverhaltens. Abb. 2.5: Merkmale von Regeln und Normen Geltungsgrad Geltungsbereich Wie strikt? Für was? Mit welchen Ausnahmen? Für wen? Mit welchem Toleranzbereich? Für welche Varietät? Mit welchen Sanktionen? Für welche Situation? Geltungsgrad Der Geltungsgrad lässt sich so erläutern: Keine Regel ohne Ausnahme, aber ... ! Die 1998 in Kraft gesetzte reformierte Orthographie beispielsweise räumt dem Schreiber begrenzte Toleranzbereiche ein, z. B. in der Fremdwortschreibung oder der Zeichensetzung, die in das Ermessen des Schreibenden gestellt werden. Außerdem sind die negativen Sanktionen bei Nichtbeachtung der neuen Regeln außerhalb von Schule und bestimmten Institutionen gering, da die Akzeptanz der Reform kein „Muss“ ist. Viele Regeln sind trotz der Verbesserungsversuche immer noch mangelhaft und widersprüchlich, und es gibt kein allgemein verbindliches Wörterbuch, das Zweifelsfälle regelt. Werden Regeln von einer Zielgruppe nicht allgemein angenommen, so ist ihr Geltungsgrad eingeschränkt, und ernsthafte gesellschaftliche Sanktionen bei Nichtbeachtung sind kaum zu erwarten. <?page no="59"?> Gesellschaft und Individuum 45 Geltungsbereich Die zweite, für die Normdefinition wichtige Kategorie ist der Geltungsbereich. Angenommen, der Geltungsbereich von Regeln und Normen sei die Standardaussprache des Deutschen, so ist damit das Was eindeutig festgelegt und auch, für wen sie gilt: für alle, die Standarddeutsch sprechen. Die Situationen, in denen die Standardaussprache zur Anwendung kommt, sind eingeschränkt: in erster Linie im öffentlichen Sprachgebrauch, auf der Bühne, im Rundfunk, aus Anlass einer Rede - nur bei manchen Personen fast immer. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die deutsche Standardsprache ein Komplex von Varietäten ist, zu denen Varietäten mit regionalen Besonderheiten der Standardaussprache in Österreich und der Schweiz, aber auch in manchen deutschen Regionen zählen. Dies schränkt den Geltungsbereich der kodifizierten Standardaussprache ein. Die Anwendung von Normen in der mündlichen Kommunikation veranschaulichen zwei Beispiele: a) Mündliche Kommunikation am Arbeitsplatz Soziologisch etwas enger definierte Sprecher, z. B. Arbeiter der Farbwerke Hoechst, folgen mehr oder weniger strikt ganz bestimmten kommunikativen Normen, wie sie an dem Arbeitsplatz zweckdienlich sind. Sie benutzen einfache, unkomplizierte Sätze, eventuell fachsprachliche Abkürzungen in einfachen, eventuell rudimentären Dialogen. Ihre Aussprache trägt regionale Merkmale, Fremdsprachliches einmal ausgeschlossen. Dies sind ungeschriebene Normen. b) Mündliche Kommunikation in einem hessischen Dorf Ähnlich richtet sich in einer Dorfgemeinschaft, die den Dialekt pflegt, jeder Dialektsprecher nach Normen. Dies sind die für seinen Dialekt geltenden Normen, gegebenenfalls in Konflikt mit solchen aus anderen Sprachsystemen. Diese Normen sind ebenso wenig kodifiziert wie die unter a), d. h., sie sind nicht in einem Regelbuch schriftlich festgelegt, und dennoch gibt es sie, ebenso diejenigen zwischen den Arbeitern der Farbwerke Hoechst. Sie werden mündlich und stillschweigend von einer den Dialekt sprechenden Generation zur nächsten Generation weitergegeben. Sie heißen „sprachliche Gebrauchsnormen“ oder „usuelle Sprachnormen“. Usuelle Sprachnormen (Gebrauchsnormen) sind überlieferte, nichtkodifizierte Maßstäbe für sprachliche Verhaltensgleichförmigkeit und für Verhaltensbewertung. Kodifizierte Normen - zugleich präskriptive Normen - bestehen hingegen für Varietäten der Standardsprache sowie - freilich in besonderer Weise - auch für Terminologien (genormte Fachsprachen). <?page no="60"?> Primäre sprachliche Sozialisation 46 Kodifizierte Normen sind in einem Regelbuch schriftlich festgelegte Vorschriften. Von den in Abb. 2.5 gestellten Fragen zum Geltungsbereich sind erläutert: „Für was? “, „Für wen? “, „Für welche Varietät? “. Zu klären ist noch, für welche Situation die Norm i. e. gilt. Die Situation (s. Kap. 1.1.3) ist das Bezugsfeld der Orientierung des handelnden Menschen an Mitmenschen, Dingen, Sachverhalten, Reizen, Werten und Einstellungen in Raum und Zeit. Die Orientierung an Sachverhalten und Werten schließt die Orientierung an den Normen des Rechtssystems ein. Sprachlich gesehen, ist es wichtig, zur richtigen Zeit am richtigen Ort etwas Richtiges über ein Thema zu äußern; dies ist der Wunsch vieler Redner und Politiker. Ziel ist die Akzeptanz einer Äußerung. Ein Stilbruch erregt Unwillen. Die Kommunikation ist, wie in dem Beispiel der Arbeiter in den Farbwerken Hoechst oder in dem o. g. Dorf unabdingbar auf Normen der Sprachhandlung angewiesen. Diese „bestimmen Auswahlen aus allen genannten Normentypen im Hinblick auf spezifische Gebrauchszwecke von Sprache“ (Gloy 1975, S. 65). Die geschilderte Situation am Arbeitsplatz gehört ebenso hierhin wie sonstige, alltägliche Situationen des sprachlichen und nichtsprachlichen Handelns: beim Bäcker, Friseur, im Schwimmbad, in der Straßenbahn, auf dem Friedhof, im Theater. Verallgemeinert sind es alle Situationen, die zu dem Erfahrungsbereich des Individuums gehören und in denen normgerechtes Handeln erlernt und praktiziert wird. Für eine erfolgreiche Kommunikation ist die „kommunikative Kompetenz“ der Kommunizierenden nötig (ein Begriff von Dell Hymes 1968, Jürgen Habermas 1971, 1981). Kommunikative Kompetenz ist die Fähigkeit zur norm- und situationsgerechten Interaktion. Idiolekt Idiolekt In Verkennung der Tatsache, dass der einzelne nicht mit sich selbst, sondern mit anderen kommuniziert, wird bisweilen die „Sprache des Individuums“, der „Idiolekt“ postuliert, wenn sprachliche Besonderheiten des Individuums gemeint sind, also z. B. individuelle Abweichungen von Normalformen. So wird alles, was das Individuum sprachlich hervorbringt, stets als System gesehen: Schon vor de Saussure und ohne bereits die Bezeichnung „Idiolekt“ zu verwenden, diskutiert H. Paul (1880) die „Individualsprache“ (vgl. <?page no="61"?> Gesellschaft und Individuum 47 Lieb 1998, S. 13). Hammarström (1980, S. 428) definiert Idiolekt als „die Sprache des Individuums“. Eine solche Definition ist anfechtbar: Erstens beruht Sprache auf Konvention unter Beteiligung vieler Sprecher, die mittels Sprache soziale Beziehungen eingehen. Diese sind aber zweitens in der gegebenen Definition nicht vorgesehen: das Individuum wird sozial isoliert. Folglich kann Idiolekt unter dieser Prämisse nicht als „Sprache“, als Sprachsystem, definiert werden. Wären hingegen die sprachlichen Realisierungen im Kommunikationsakt gemeint, die „Parole“ also, dann ließe sich die Summe der sprachlichen Realisierungen des Individuums als dessen „Idiom“ oder - mit der gegebenen Einschränkung - auch als dessen „Idiolekt“ ausgeben (vgl. die Miszelle von Oksaar 2000). Blochs Definition Der Terminus Idiolekt stammt von Bernard Bloch und wird von diesem wie folgt definiert (Bloch 1948, S. 7): „The totality of the possible utterances of one speaker at one time in using a language to interact with one other speaker is an idiolect.“ Bloch setzt somit die Sprache voraus, die der Sprecher in einer Interaktion anwendet - und nur diese Sprachverwendung zählt zum Idiolekt. Bloch ergänzt, dass ein Sprecher gleichzeitig oder nacheinander über mehrere Idiolekte verfügen kann - „Idiolekt“ würde dann heute und in Hallidays Sinn als Register zu definieren sein (Def. s. Kap. 1.1.3). Individuelle („idiolektale“) Varianten eines Sprachsystems sind Varianten individueller Register. Integrative Identitätsbildung Die Bildung der persönlichen und sprachlichen Identität geschieht über die Ausbalancierung der individuellen Spontaneität bzw. Sprachgestaltung einerseits und der gesellschaftlichen Verhaltenserwartungen anderseits. Dieser Balanceakt zeigt, dass das Handeln des Individuums eine ständige Auseinandersetzung ist mit anderen Individuen und Gruppen der Gesellschaft. Konflikte treten immer dann auf, wenn andere Mitglieder bzw. Gruppen der Gesellschaft von anderen Festlegungen - Schemata, Stereotypen, Normen, Werten usw. - ausgehen als das betreffende Individuum. Allerdings lassen sich sprachlich bedingte Konflikte, z. B. Missverständnisse, gut und gern mittels Sprache, z. B. durch Rückfragen, bewältigen. Der Weg zur persönlichen Identität heißt „Impersonalisation“. Der Weg zur sprachlichen Identität heißt „Linguogenese“. Impersonalisation und Linguogenese sind eingebettet in die Bildung der sozialen Identität, kurz: in die Soziogenese. <?page no="62"?> Primäre sprachliche Sozialisation 48 Mit der Soziogenese verschmolzen ist der Prozess der Enkulturation. Dieser Begriff umgreift „die Übertragung von Grundverhaltensweisen bzw. von Regulativen für Grundverhaltensweisen in das Individuum, wie z. B. die betreffende Sprache, bestimmte kulturspezifische Emotionen, Gestik, Mimik und Verhalten im Hinblick auf den Kultur-Hintergrund überhaupt ...“ (D. Claessens in Bernsdorf 1972, S. 185). Was erfährt das soziale Wesen als Kultur? Kultur Der Soziologe Anton Burghardt (1974, S. 147) stellt dazu fest: „Die Kultur ist nur dann und so weit eine Wirklichkeit, als sie von Menschen aktualisiert, zumindest aber passiv angenommen und gespeichert wird. Lediglich der Mensch vermag mittels von ihm kreierter (künstlicher) symbolischer Systeme, wie Sprache und Riten, die jeweils einen bestimmten Bedeutungsgehalt haben, Kultur zu entwerfen, ihre Muster systematisch als Geschichte zu speichern, angemessen verständlich weiterzugeben und zu erlernen.“ Kultur „ist die relativ koordinierte Gesamtheit der von Generation zu Generation tradierten und orientierend wirkenden Denk- und Verhaltensmuster eines sozialen Systems“ (Burghardt 1974, 146). Zur Wortgeschichte und zu weiteren Definitionen s. Kap. 7.1.1. Wenn sich in einem Teilbereich der Gesellschaft „besondere Wert- und Normstrukturen und besondere kognitive Deutungsmuster und Ausdrucksformen herausbilden“, so ergeben sich „ > Teilkulturen < in allen sozialen Schichten, in Stadt und Land, in verschiedenen Berufsgruppen usw.“ (Bahrdt 2000, S. 93). Wo spezielle „Ausdrucksformen, Deutungsmuster, Wertvorstellungen und Normen“ in solchen Teilkulturen auftreten, weil „ihre Träger sich zur Abschirmung, Abwehr oder sogar zur Opposition gezwungen sehen“, spricht Bahrdt von „Subkulturen“. Diese haben eine besondere sprachliche und nichtsprachliche Symbolik (s. Teil 3.1, 3.2). Sie gehören, wie Abb. 1.14 veranschaulicht, in den Mesobereich, wo auch andere, vergleichbare „soziale Milieus“ angesiedelt sind - Pop-, Disko-, Drogen- und andere „Szenensprachen“, aber auch Arbeitersprache im Arbeitermilieu und die Dirnensprache im „hedonistischen Milieu“ (vgl. Geißler 2002, S. 131). Zusammenfassend lässt sich feststellen: Für den Menschen typisch ist die selektive Wahrnehmung der Umwelt, die Bildung von Kategorien als kognitive Schemata und als soziale Stereotypen, wobei letztere auf der Selektion sozialer Merkmale mit Folgen für die Sprache beruhen. Selbst die Entstehung von Normen basiert auf Selektion. Sprachnormen ergeben sich daraus, dass bestimmte Varianten, auch potentielle, gegebenenfalls Varietäten, bevorzugt gebraucht und andere - bei usuellen Normen unbewusst - abgelehnt werden. Selektion auf Grund von Systemzwang, wie er im Strukturalismus gesehen wird, kann hier nicht verfolgt werden. <?page no="63"?> Gesellschaft und Individuum 49 Impersonalisation und Linguogenese, eingebettet in die Bildung der sozialen Identität, kurz: in die Soziogenese, sowie die Enkulturation sind Wege der individuellen Identitätsbildung. Literatur (Auswahl) Edelman 1995 - Edelman/ Tononi 1998 - Geißler 2002 - Gloy 1975 - Lilli 1982 - Mummendey/ Simon 1997 - Piaget 1972b - Quasthoff 1987 - Ramge 1975 - Veith 1980 Kontrollfragen (Antworten in Kapitel 8, S. 223) 2.1.01 Wie wird im Alltag „Identität“ bestimmt? 2.1.02 Definieren Sie „sprachliche Identität“. 2.1.03 Welche Fähigkeiten erwirbt man im symbolischen Interaktionismus? 2.1.04 Definieren Sie „soziale Rolle“; geben Sie Beispiele. 2.1.05 Definieren Sie „soziale Position“; geben Sie Beispiele. 2.1.06 Definieren Sie „sozialer Rang“. 2.1.07 Nennen Sie die Phasen der Identitätsbildung nach Mead. 2.1.08 Nennen Sie die Prozesse a) der sozialen, b) der sprachlichen Identitätsbildung. 2.1.09 Klären Sie den Begriff „Umwelt“. 2.1.10 Was ist ein Schema? 2.1.11 Erläutern Sie a) Assimilation, b) Akkommodation. 2.1.12 Erläutern Sie den Begriff des neuronalen Darwinismus. 2.1.13 Welche Folgen hat der neuronale Informationsaustausch für die postnatale Kommunikation? 2.1.14 Definieren Sie „Wahrnehmung“. 2.1.15 Definieren Sie „Stereotyp“; geben Sie Beispiele. 2.1.16 Geben Sie die Herkunft des Begriffs „Stereotyp“ an. 2.1.17 Wie kommt es zur Bildung von Stereotypen? 2.1.18 Definieren Sie „Sprachnormen“. 2.1.19 Was sind „usuelle Sprachnormen“? 2.1.20 Definieren Sie „kodifizierte Normen“. 2.1.21 Definieren Sie „soziale Kontrolle“. 2.1.22 Was ist ein „Idiolekt“? Übersetzen Sie Blochs Definition. 2.1.23 Was versteht man unter „Impersonalisation“? 2.1.24 Definieren Sie „Linguogenese“. 2.1.25 Definieren Sie „Soziogenese“. 2.1.26 Was versteht man unter „Kultur“? 2.1.27 Was ist „Enkulturation“? <?page no="64"?> Primäre sprachliche Sozialisation 50 2.2 Kindheit und Sprache 2.2.1 Sprachentwicklung und Sprachverwendung (als Modell) Markovas Modell zu Sprachentwicklung und -verwendung - Stufen von 0 bis 7; 0 und 7; 0 bis 60; 0 Markovas Modell Der Überblick in dem Modell von Abb. 2.6 beruht auf einer Studie aus der russischen Wygotski-Schule und kann nicht unbesehen übernommen werden. Es fehlen Details zur Sprache nach 17; 0. Die Datierung der sieben Stufen wäre, auf deutsche Verhältnisse übertragen, zu modifizieren. Die ersten fünf Stufen könnten zusammengefasst werden als „kindliche Kommunikation“; ihnen ist die Unfertigkeit und der andauernde Prozess der Identitätsbildung gemeinsam. Als Synopse ist diese Übersicht aber trotz der Einwände brauchbar. Sprachliche Entwicklung Die von Markova bei 7.0 angesetzte Grenze ist vermutlich nicht ohne Bewandtnis, denn nach Piaget gilt als sicher, dass „erst nach dem 7. oder 8. Lebensjahr von einem wirklichen Verstehen unter Kindern“ gesprochen werden kann (Piaget 1972a, S. 157), also dem anschaulichen Denken konkrete logische Funktionen des Denkens an die Seite treten. Den sieben Stufen werden vier, davon drei im engeren Sinne sprachbezogene Parameter zugeordnet, dargestellt als Spalten: a) die allgemeine kommunikative Tätigkeit, b) die sprachliche Tätigkeit, c) die Sprachfunktion und d) die sprachlichen Mittel. In der Spalte a) wird die emotionale und - schon anfänglich - soziale Kommunikation der Kleinkinder behandelt, und es folgen die kommunikativen Tätigkeiten auf den weiteren Stufen in globaler Charakteristik. Die Ablösung der Sprache von der unmittelbaren Bindung an die Situation im Alter von 4.5 bis 5.0 (Spalte b) muss besonders beachtet werden, da diese Fähigkeit kennzeichnend ist für die elaborierte Kommunikation, in der imaginäre Situationen sprachlich hergestellt werden. Im Erwachsenenalter ist der Erwerb von Bedeutungen selektiv; deren Verarbeitung ist auf individuelle Erfahrungen gestützt. Bezüglich der Spalte „Sprachfunktion“ ist zu beachten, dass das Individuum stets abhängig ist von seiner es formenden Umwelt. <?page no="65"?> Kindheit und Sprache 51 Abb. 2.6: Stufen der Sprachentwicklung und -verwendung (n. Markova 1973, aus: Lewandowski 1978, S. 170 f., leicht modif.) 2.2.2 Sprache und Umwelt in der Frühphase Konvergenz - Clara u. William Stern - Passiver und aktiver Wortschatz - „Baby talk“ als Register Konvergenz Die Einwirkung der Umwelt ist im positiven Sinne die Störung eines potentiellen Ruhezustandes, allerdings ein unabdingbarer Normalfall im Pro- <?page no="66"?> Primäre sprachliche Sozialisation 52 zess der individuellen Identitätsbildung. Das Kind lernt. Es muss die Unterschiede zwischen den anfänglichen Lautäußerungen, den sich daraus entwickelnden Sprachformen und der Sprache in der Umwelt erkennen; diese muss es im Sinne der erörterten Assimilation bzw. Akkomodation (vgl. S. 35) bewältigen. Clara u. William Stern Ein solches Zusammenwirken heißt nach C. u. W. Stern ([1907, 4. Aufl. 1928] 1975, S. 129) Konvergenz: „Wir haben hier also den Begriff der »Konvergenz« anzuwenden: nur in dem ständigen Zusammenwirken der inneren, zum Sprechen drängenden Anlagen und der äußeren Gegebenheit der Umweltsprache, die jenen Anlagen Angriffspunkt und Material zu ihrer Realisierung bietet, kommt der kindliche Spracherwerb zustande.“ Konvergenz ist das Zusammenwirken der inneren, zum Sprechen drängenden Anlagen und der äußeren Gegebenheit der Umweltsprache. Die von dem Ehepaar Stern vorausgesetzten (Erb-)Anlagen werden auf ihre Ursachen hin noch nicht untersucht - Watzlawicks Feststellung, dass der Mensch nicht nicht kommunizieren könne, fällt ja erst mehr als ein halbes Jahrhundert später. Jedoch werden diese Anlagen auf ihre Zielrichtung und Tätigkeit des Kindes hin beschrieben: 1.) die rein expressive Tätigkeit des Kleinstkindes, die sich zunächst in Schreien, Jauchzen, Lallen äußert in Verbindung mit Arm- und Beinbewegungen; 2.) die soziale Zielrichtung, der ein „Kontaktdrang“ zugrunde liegt und auf Personen gerichtet ist, denen gegenüber Zu- oder Abneigung, Bitten, Wünsche, Aufforderungen u. v. a. m. zum Ausdruck gebracht wird; 3.) später die intentionale Tätigkeit, „in einem gewissen Stadium seiner geistigen Reifung“ (C. u. W. Stern 1975, S. 126). Hier werden Denkleistungen vollzogen. Man vergleiche die ähnliche Auffassung von Markova (Abb. 2.6). Passiver und aktiver Wortschatz Die Sprachentwicklung erfolgt in den ersten Jahren mit großer Geschwindigkeit, was sich eindrucksvoll am Erwerb des Wortschatzes zeigen lässt (Rothweiler in Meibauer/ Rothweiler (Hgg.) 1999, S. 252 f.): „Nach einer ersten Phase im Erwerb von Wörtern, in der Kinder alle zwei bis drei Tage ein neues Wort in ihr Lexikon aufnehmen, setzt mit 18 bis 24 Monaten ein Wortschatzspurt ein, und es werden fünf bis zehn Wörter am Tag erworben. Mit fünf bis sechs Jahren verstehen Kinder etwa 9.000 (Templin 1957) bis 14.000 Wörter (Carey 1978) und können 3.000 bis 5.000 Wörter aktiv produzieren [...].“ <?page no="67"?> Kindheit und Sprache 53 Der passive Wortschatz (Verstehen) eines fünfbis sechsjährigen Kindes umfasst zwischen 9.000 und 14.000 Wörtern. Der aktive Wortschatz (Verwenden) eines fünfbis sechsjährigen Kindes umfasst zwischen 3.000 und 5.000 Wörtern. „Baby Talk“ Die Abb. 2.6 lässt die Entwicklung der Kindersprache vom anfänglichen Lallen, Gurren und Schreien über die Einwortsätze hin zu den Zwei- und Mehrwortsätzen im Alter von ca. 2 Jahren erkennen. Die Einwortsätze haben alle jene pragmatischen Funktionen, deren das Kind sich in diesem Alter bedienen kann, Mama kann z. B. bedeuten: ‚Mama komm zu mir‘, ‚Mama, ich habe Hunger‘, ‚Mama, tätschele mich‘ usw. „Baby Talk“ In der Phase der Zwei- und Mehrwortsätze benutzen die Eltern häufig ein spezielles sprachliches „Register“, das „Baby Talk“, „motherese“ oder - mit Bausinger (1984, S. 60 ff.) - „Tantensprache“ genannt wird. Der Begriff des sprachlichen Registers stammt von Halliday (s. z. B. Halliday 1978, S. 33). Dabei handelt es sich um etwas Temporäres, Prozesshaftes im Gegensatz zu dem habituellen Sprechen (das wäre nach Halliday: Sprechen „im Dialekt“); s. die Definition in Kap. 1.1.3 und Abb. 1.13, 1.14. Das Register „Baby Talk“ zeichnet sich aus durch temporäre, mündliche Sprachhandlungen („mode“). Die Präsentationsform („style“) ist die der Vereinfachung (u. a. in Form eines einfachen Satzbaus), des Gefühlsausdrucks, der Verdeutlichung („langsames klares Sprechen“), der häufigen Wiederholungen und Korrekturen, denn die Äußerungen des Kindes müssen sich erst noch grammatikalisch entwickeln. Spezielle Wörter und Wendungen, wie etwa in einer Sondersprache, sind mit „Baby Talk“ nicht gemeint. Hingegen sind die häusliche Situation, die familiären Bande, die Aktivitäten des Kindes in seinem unmittelbaren Umfeld von Bedeutung. „Die (‚nichtgrammatikalische’) Äußerung Bubi Ball? wird von Vater oder Mutter z. B. bestätigend mit Ja, das ist Bubis Ball beantwortet“ (Dijkstra/ Kempen 1993, S. 97 f.; vgl. Kegel 1987, S. 197 f.), so dass das Register „Baby Talk“ den Spracherwerbsprozess des Kindes positiv beeinflusst. Jedenfalls wird in Familien, in denen diese Art von Kommunikation praktiziert wird, überhaupt kommuniziert, und dies ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen normgerechten Spracherwerb des Kleinkindes. <?page no="68"?> Primäre sprachliche Sozialisation 54 2.2.3 Handlungsorientierte Identitätsbildung Soziales und linguales Netzwerk - Perspektive des anderen - Selbstkorrekturen Soziales und linguales Netzwerk Soziale Umwelt als Netzwerk Die soziale und linguale Umwelt des Kleinkindes besteht im Regelfall aus familialen Bezugspersonen mit Interaktionen zwischen Mutter (bzw. Vater) und Kind; im weiteren Umkreis mit den Großeltern und eventuell Geschwistern. Unbekannte Erwachsene und Kinder treten in das Gesichtsfeld des Kleinkindes ein. Abb. 2.7: Dimensionen der sozialen Welt des Kindes (aus: Schmidt-Denter 1996, S. 21, n. Lewis/ Feiring 1979) Die kindliche Sozialwelt kann dreidimensional dargestellt werden: (1) Alter: Kind - Erwachsener, (2) Bekanntheitsgrad: bekannt - unbekannt, (3) Geschlecht: männlich - weiblich. Die ersten beiden Parameter sind konti- <?page no="69"?> Kindheit und Sprache 55 nuierlich, der dritte ist dichotom. Entsprechend dreidimensional ist das Diagramm in Abb. 2.7, das ein Teilsystem der sozialen Umwelt darstellt. Es wird auch als soziales Netzwerk bezeichnet. Ein soziales Netzwerk besteht aus „Personen, Funktionen und Ereignissen“ (Schmidt-Denter 1996, S. 20). Unter soziologischen Gesichtspunkten sind die Funktionen des Netzwerks der Schutz und die Pflege des (Klein-)Kindes, die mutuelle emotionale Zuwendung der Eltern, insbesondere der Mutter, und Großeltern, spielerische Aktivitäten und ein Forschungs- und Lernverhalten seitens des Kindes, verbunden mit sozialer Kontrolle seitens der Erwachsenen. Diese Funktionen sind an soziale Einzelbeziehungen in größeren gesellschaftlichen Zusammenhängen geknüpft. So ergibt sich im Sinne von Dorothea Jansen (1999, S. 36 ff.) folgende Netzwerkdefinition: Soziale Netzwerke sind netzartige Verknüpfungen von sozialen Einzelbeziehungen in gesellschaftlichen Zusammenhängen. Abb. 2.8: Fiktives Netzwerk der Kommunikation von 6 Kindern Das in Abb. 2.8 dargestellte Netzwerk ist nach dem Physiker John Hopfield benannt (vgl. Spitzer 1996, S. 184); jedes Element ist mit jedem anderen verbunden, aber nicht mit sich selbst. Es entspricht den Verfahren der So- <?page no="70"?> Primäre sprachliche Sozialisation 56 ziometrie im Sinne Morenos, bei denen man „die innerhalb von Gruppen bestehenden Präferenzen der Gruppenmitglieder ermittelt, vereinfacht: Wer wen mag oder nicht mag, wer mit wem spielen bzw. nicht spielen möchte usw.“ (Bellebaum 1980, S. 171); man ergänze: Zu ermitteln ist, wer mit wem wie intensiv und worüber kommuniziert. Soziale Beziehungen sind das Geflecht des interaktiven, sozialen Mit- und Gegeneinander von Individuen bzw. Gruppen. Diese sozialen Beziehungen sind gleichzeitig linguale Beziehungen. Linguale Netzwerke sind netzartige Verknüpfungen von lingualen Einzelbeziehungen in gesellschaftlichen Zusammenhängen. Linguale Beziehungen sind das Geflecht des interaktiven, lingualen Mit- und Gegeneinander von Individuen bzw. Gruppen. Perspektive des anderen Selbstkorrekturen Die Sprachbeziehungen sind im Rahmen der Identitätsbildung des Kindes als symbolische Übernahmen von sozialen Rollen zu sehen, verbunden mit einem Sich-Hinein-Versetzen in die Perspektive des anderen, wofür Ramge (1976, S. 105 ff.) Selbstkorrekturen in den Äußerungen des Kindes als Indikator heranzieht. Dabei vergleicht er die Tagesprotokolle in drei Lebensabschnitten seines Sohnes Peter im Alter von: A = 2; 2 - B = 2; 8 - C = 3; 2 (Konvention seit C. und W. Stern: Jahresangabe vor und Monatsangabe nach dem Semikolon). Es wird differenziert nach der (1) phonologischen (lautlichen), (2) syntaktischen, (3) lexikalisch-semantischen Komponente und (4) der kommunikativen Explikation. Das Fazit von Ramge lautet (1976, S. 112 f.), dass aus den Selbstkorrekturen auch ein zunehmendes Normbewusstsein erkennbar wird, verbunden mit einer „Selbstlernfähigkeit“ des Kindes, und dass „dieser Aspekt der Selbstlernaktivität sozial vermittelt ist: Indem die Eltern das Kind korrigieren, indem sie sich auch selbst korrigieren, vermitteln sie dem Kind den Mechanismus, mithilfe dessen es seine eigenen Äußerungen und Sprechansätze revidieren kann. Indem das Kind die Fähigkeit zur symbolischen Rollenübernahme erwirbt, bekommen die Selbstkorrekturen auch eine Funktion im Interaktionsprozeß: Sie stellen eine Strategie dar, sich mit dem Anderen über die Gültigkeit und Verbindlichkeit der eigenen intendierten Äußerung ins Benehmen zu setzen und seine Hörererwartung zu antizipieren.“ <?page no="71"?> Kindheit und Sprache 57 2.2.4 Instanzen im frühen Spracherwerb Die Familie als Instanz - Die Schule als sozialer Einschnitt - Sprachbarrieren - Retardation in der Sprachentwicklung - Familienmilieu, fehlende kulturelle Werte, Erziehungsverhalten Die Familie als Instanz Elternhaus und Schule Wie Ramges Beispiel zeigt, hat die Familie als erste Instanz der Vermittlung sozialer und lingualer Beziehungen eine zunächst elementare Bedeutung für die Sprachentwicklung insgesamt. Hier findet die primäre Sozialisation statt. Hier wird entschieden, welche Erstsprache dem Kind beigebracht werden soll, was angesichts des Multilingualismus nicht unerheblich ist (vgl. Kap. 7.2). Im Rahmen des Frankfurter Projekts „Elternhaus und Schule“ sind Familien ausgewählt worden, die Schwierigkeiten in der Sozialisation ihrer Kinder haben. Die von Karen Martens (1974) untersuchte Familie besteht aus den Eltern, beide von Beruf Finanzinspektoren mit Mittlerer Reife, dem dreijährigen Sohn Klaus und dem fünfeinhalbjährigen Problemkind Wolfgang. Abb. 2.9: Schema einer sprachlichen Eltern-Kind-Interaktion (n. Martens 1974) M = Mutter, V = Vater, W = Wolfgang (5 1/ 2 J.), A = Akzeptanz, NA = Nichtakzeptanz, 0 = Desinteresse <?page no="72"?> Primäre sprachliche Sozialisation 58 In der untersuchten Familie besteht eine sogenannte „Double-Bind“- Situation, auf deutsch: Doppelbindung, d. h.: 1.) Die primären Bezugspersonen (M = Mutter, V = Vater) treten als unvereinbare Gegner des Kindes in Erscheinung und nicht im Sinne einer partnerschaftlichen Harmonisierung der Sozialisationsanforderungen der Mutter und des Vaters gegenüber den u. U. davon abweichenden Bedürfnissen des Kindes. 2.) Die Erwartungen werden zwar versprachlicht, aber sie können nicht miteinander vereinbart werden, so dass das Kind mit Widersprüchlichkeiten fertig werden muss. Daher reagiert es provokativ, was auch nicht akzeptiert wird. Doppelbindungen sind paradoxe, weil widersprüchliche Kommunikationsbedingungen. Doppelbindungen hemmen die Sprachentwicklung (s. Delhees 1994, S. 323). Kommunikation und Sozialisation Die Phase der Sprache in der frühen Kindheit ist somit gekennzeichnet durch Interaktionen des Kindes mit den Eltern als unmittelbaren Bezugspersonen und sehr bald auch mit Erwachsenen und Kindern, gleichaltrigen und älteren, wie von Ramge charakterisiert (vgl. Abb. 2.7). So verdichten sich das soziale Netz, die Kommunikationsintensität und damit das linguale Netz. Nach Fend (1972) sind die „ > sozialisierenden < Gruppen und Institutionen“ (1) die Familie, (2) die Schule, (3) die Altersgruppe („Peer group“). Zu ergänzen ist, dass die Sozialisation nicht nur im soziologischen, sondern auch und gerade im linguistischen Sinne erfolgt. Dazu Ursula Weber (1982, S. 17 ff.): Die Familie ist die primäre Sozialisationsinstanz; sie vermittelt die ersten Grundlagen der sozialen und sprachlichen Fähigkeiten des Kindes. „In der Familie befindet sich das Kind in einer ständigen Lernsituation, die vom innerfamiliären Sprachverhalten bestimmt ist.“ „In der Familie findet die [erste (W. H. V.)] Vermittlung des geltenden Normensystems statt“. Die nicht selbst erfahrene Realität nimmt das Kind durch die sprachliche Interaktion in der Familie vermittelt wahr. Die Fortsetzung der Sozialisation in der Schule muss auf den familial vermittelten Realitätsinterpretationen und auf den dort erworbenen sozialen und lingualen Handlungsmustern aufbauen. <?page no="73"?> Kindheit und Sprache 59 Die Schule als sozialer Einschnitt Wenn das Kind 6 (evtl. 5) Jahre alt ist, erlebt es mit dem Eintritt in die Institution Schule eine große soziale Veränderung. Nun lernt es, mit der Lehrperson und vor allem mit Gleichaltrigen intensiv zu kommunizieren. Neue Bedeutungen werden vermittelt, andere modifiziert. Sprache wird nun zum Gegenstand bewusster Aufmerksamkeit. Insbesondere das Schreiben und Lesen sind Lerngegenstände, und das Verhältnis von Gesprochenem zu Geschriebenem rückt in ein besonderes Licht. Auch die Differenzierung nach sprachlichen Varietäten und Sprachvarianten wird dem Kind bewusst. Im mittleren Schulalter von 10 bis 15 (16) Jahren und darüber hinaus (vgl. Augst (u. a.) 1986) erwirbt das Kind differenzierte schriftliche und mündliche Sprachmittel, insbesondere auch differenzierte Strategien der Sprachverwendung. Das Individuum führt in der neuen Welt einen Mehr-Fronten-Kampf. Dieser betrifft a) die Repräsentanten der Institution Schule, b) das Elternhaus (Eltern, Geschwister, evtl. Großeltern usf.) sowie c) die Klassenkameraden als Sekundärgruppe. Damit können soziale, aber auch sprachliche Schwierigkeiten verbunden sein. In der Schule macht das Kind neue Situationserfahrungen, die zu einer Modifikation und Erweiterung seines Sprachverhaltens führen. Hat das Kind nicht die Fähigkeit, alte und neue Situationserfahrungen zu verbinden, zu generalisieren und auf unbekannte Situationen anzuwenden, so kommt es zu Sprachbarrieren. Zum sprachlichen Versagen in der Schule s. Kap. 4.2. Sprachbarrieren Eine Sprachbarriere ist die Unfähigkeit, soziale Situationen sprachlich zu meistern. Die Sprachbarrieren haben vielerlei Ursachen, z. B. • physiologische, wenn Laute nicht artikuliert bzw. gehört werden können (Stammeln, Stummheit, Taubheit u. dgl.); ferner, wenn jemand nicht schreiben bzw. lesen kann (Amputation der Hände, Blindheit) • psychopysische, z. B. bei Artikulationshemmungen (Stottern), Mutismus (Stummheit bei vorhandener Fähigkeit zu sprechen) • psychopathologische, z. B. wegen Verlusts der Sprachfähigkeit aufgrund eines Unfalls oder einer Erkrankung (Aphasie mit der Folge des Agrammatismus, der Alexie u. dgl.) <?page no="74"?> Primäre sprachliche Sozialisation 60 • linguistische, z. B. bei fehlender Kompetenz bezüglich des Wissens über ein Sachgebiet oder bezüglich einer Fremdsprache • soziolinguistische, z. B. bei widriger Sozio- und Linguogenese; diese Gründe sind hier von besonderem Interesse. Retardation in der Sprachentwicklung genetisch, sensorisch bedingte Störungen Die Sprachentwicklung kann gestört bzw. retardiert (‚zeitlich verzögert‘) sein. Die zuerst genannten Ursachen von Sprachbarrieren werden von Knura (in Knura/ Neumann 1982, S. 14) spezifiziert: Die genetisch bzw. sensorisch bedingte Störung hat viele Erscheinungsformen, z.B. als Störung „der sprachlichen Grundkräfte infolge einer Geistesschwäche“, „der Sprachfähigkeit (= Sprachaufbaustörungen)“ wie „Hörstummheit“, „Seelentaubheit“, „Taubstummheit und hochgradige Schwerhörigkeit“; „Störungen der Sprachgestaltung (= Sprech- und Redestörung)“ wie Stimm-, Hör- und Lese-, Sprech- und Schreibstörungen, Legasthenie, Agrammatismus sowie Sprachverlust („Aphasie“, wenn bedingt durch Hirnschäden). Sprachstörungen können auch durch das Ausbleiben oder die Verzögerung des auf das statische System bezogenen Spracherwerbs bedingt sein, ebenso durch die Hemmung des Transfers auf den interpersonellen Kommunikationsprozess einschließlich der Sprechhemmungen (Stottern), und im gelindesten Fall handelt es sich um physisch bedingte Störungen der Artikulation, z. B. der S-Laute (Sigmatismus, Stammeln). Dies zu untersuchen, ist Aufgabe u. a. der Patho- und Neurolinguistik. soziale Ursachen Soziolinguistisch von Bedeutung sind hingegen die s o z i a l e n Ursachen für eine sprachliche Retardation. Die Wurzeln liegen in der Familie. Schon lange vor Bernstein (engl. Soziologe (1924-2000)), der seit etwa 1956 entsprechend tätig wird (vgl. Bernstein 1972, 1975), hat Hildegard Hetzer auf einen Zusammenhang von retardierter Sprachentwicklung des Kindes und Armut der Familie hingewiesen (Hetzer 1929). Sie hat Unterschiede zwischen Kindern aus ärmlichen und aus wohlhabenden Familien, die man später soziologisch als Unterbzw. Mittelschichtfamilien klassifiziert hätte, festgestellt, besonders bei deren - intellektuellen Leistungen - kindlichem Spielverhalten - Interessen - Sprachentwicklung . Die Analyse zeigt eine Verzögerung in der Wortschatzentwicklung bei Kindern aus ärmlichen im Vergleich zu solchen aus wohlhabenden Familien: Im Alter von 1; 6 Jahren beherrschen die untersuchten Kinder aus ärmlichen Familien 4 (vier), die aus wohlhabenden Familien 91 Wörter, <?page no="75"?> Kindheit und Sprache 61 und im Alter von 2; 0 haben die Kinder aus ärmlichen Familien 27 Wörter erworben, diejenigen aus wohlhabenden hingegen bereits 260. Armut darf aber aus heutiger Sicht nicht als die Ursache der Retardation gelten, sondern sie ist nur eines der Charakteristika von Familien, aus denen Kinder mit retardierter Sprachentwicklung stammen (vgl. Edwards 1979, S. 3 ff., 19 ff.). Familienmilieu, fehlende kulturelle Werte, Erziehungsverhalten Maßgebend ist das gesamte Familienmilieu, das heißt u. a. auch die Kinderzahl, Lärm und Streit, schlechte Ernährung, fehlende Behaglichkeit und Geborgenheit. Ebenso können negative Markierungen der kulturellen Werte entscheidend sein: keine Bücher, keine schöngeistige Literatur, keine Lehru. Lernmaterialien, keine formale Erziehung, keine Anreize zu kultureller Betätigung. Ebenso von Bedeutung ist das Erziehungsverhalten der Eltern, z. B. ob sie die Neugier der Kinder befriedigen, ihre Fragen beantworten, Probleme versprachlichen und durch Kommunikation steuernd einwirken. Negatives Familienmilieu, fehlende kulturelle Werte und kommunikationsfeindliches Erziehungsverhalten können die sprachliche Retardation verursachen. Abb. 2.10: Soziale Bedingungen der kindlichen Retardation Familienmilieu Kulturelle Werte Erziehungsverhalten - Armut - vielköpfige Familie - lärmend - Streit - schlechte Ernährung - Krankheit - häusliche Unbehaglichkeit - u. a. - keine Bücher - keine schöngeistige Literatur - keine Lehru. Lernmaterialien - keine formale Erziehung - keine Anreize zu kultureller Betätigung - u. a. - Neugier d. Kinder wird kaum befriedigt - Fragen d. Kinder werden kaum beantwortet - Versprachlichung von Problemen fehlt - steuernde Kommunikation fehlt weitgehend - u. a. Spirale der Retardation Eine Folge dieser komplexen Zusammenhänge ist eine Spirale der Retardation. Zunächst ist die Ausbildung von Fähigkeiten des Kindes retardiert, die an die Wahrnehmung und Abstraktion der Umwelt sowie an die Begriffsentwicklung gebunden sind. Daraus ergibt sich eine Retardierung in der Sprachentwicklung. Dies wiederum führt, wie alles Abweichende und wie jede Behinderung, zu sozialer Ausgrenzung und Benachteiligung. Abweichungen von einem als normal geltenden Sprachverhalten werden stigmatisiert, d. h. von der Umwelt als negativ angesehen. Wer sich sprach- <?page no="76"?> Primäre sprachliche Sozialisation 62 lich schlecht oder gar nicht äußern kann, genießt nicht die Macht, die mit Sprache verbunden ist, und auch nicht die entsprechenden gesellschaftlichen Privilegien. Sprachlich retardierte Kinder müssen um einen berufstauglichen Schulabschluss fürchten. In den USA und auch in Europa führte dies zu der „kompensatorischen Erziehung“, die allerdings scheiterte und bei Bernstein nicht auf Gegenliebe stieß (s. Bernstein 1972, S. 278-291). Aus der Perspektive der Kritik an der Defizithypothese (s. Kap. 4.2) fügt Edwards (1979, S. 29) hinzu: Benachteiligte Kinder seien nicht in erster Linie deshalb benachteiligt, weil sie etwa kognitive Defizite hätten, sondern weil bestimmte Aspekte ihres Verhaltens, ihrer Einstellungen u. ä. von der Mittelschichtgesellschaft, für welche die Schule repräsentativ sei, als defizitär abgestempelt würden. Wörtlich: „Es scheint klar zu sein, dass die Benachteiligung ein Produkt der Umwelt ist.“ Somit ändert sich für ihn die Blickrichtung: Er meint, nicht die Defizite, die aus der Sicht der an der sozialen Mittelschicht orientierten Schule vorliegen, müssten behoben werden, sondern die sozialen Vorurteile seien zu brechen. Literatur (Auswahl) Edwards 1979 - Jansen 1999 - Lewandowski 1978 - Martens 1974 - Meibauer/ Rothweiler (Hgg.) 1999 - Piaget 1972a/ b - Ramge 1976 - Schmidt-Denter 1996 - Spitzer 1996 - Stern 1975 Kontrollfragen (Antworten in Kapitel 8, S. 226) 2.2.01 Wie gliedern Markova und Lewandowski die Stufen der Sprachentwicklung? 2.2.02 Wovon ist die Linguogenese stets abhängig? 2.2.03 Was ist „Konvergenz“? 2.2.04 Wie groß ist der passive Wortschatz eines fünfbis sechsjährigen Kindes? 2.2.05 Wie groß ist der aktive Wortschatz eines fünfbis sechsjährigen Kindes? 2.2.06 Welche pragmatische Funktion haben die Einwortsätze? 2.2.07 Charakterisieren Sie das Register „Baby Talk“. 2.2.08 Was sind „soziale Netzwerke“? 2.2.09 Was sind „linguale Netzwerke“? 2.2.10 Definieren Sie „soziale Beziehungen“. 2.2.11 Definieren Sie „linguale Beziehungen“. 2.2.12 Welche Funktion haben Selbstkorrekturen? 2.2.13 Erläutern Sie die Bedeutung der Familie als Instanz der Sprachbildung. 2.2.14 Welche Bedeutung hat die Schule in der Sprachentwicklung? 2.2.15 Was ist eine „Sprachbarriere“? 2.2.16 Zu welchen Problemen kann sprachliche Retardation führen? <?page no="77"?> 3 Soziolinguale Ausgrenzung 3.1 Schüler und Jugendliche 3.1.1 Gruppenbildung und Sprache Gruppenbildung - Peer-Gruppe - Geheimsprachen - Schülerjargons, Jugendjargons - „Szenensprachen“ Gruppenbildung Der Schüler steht in einem multiplen Konflikt, der durch unterschiedliche Interessensphären zustande kommt: • die Eigeninteressen, die z. B. auf Freizeit, familiäre Harmonie, leibliches, gegebenenfalls sexuelles Wohlbefinden gerichtet sein können; • die Lehrpersonen, deren Interessen vor allem auf die Vermittlung von Lehrstoff gerichtet sind; sie wollen das Kind zu entsprechenden Tätigkeiten zwingen; Disziplinierung in der Schule; • die Interessen der Eltern an der Schulbildung und der schulischen Beaufsichtigung des Kindes; • die Interessen der Klassenkameradinnen bzw. -kameraden, die a) auf Spiel und Freizeit und b) gegen Lehrer und Eltern gerichtet sein können. Peer- Gruppe Gegen jemanden und gegen etwas gerichtet zu sein, führt zur Solidarität mit anderen, welche das gleiche Ziel verfolgen, z. B. als Abgrenzung gegenüber den Eltern und dem Lehrpersonal. Die Schulklasse wird so zur „Peer-Gruppe“. Diese bietet die Möglichkeit, den im Elternhaus erzeugten psychischen Druck abzubauen, als Ventil gegenüber dem Konformitätsdruck in der Primärgruppe Familie, ersetzt durch den Konformitätsdruck in der sekundären Peer-Gruppe als „Gruppe von »Gleichen«“ (zu engl. peer aus afrz. peer (980), per (1050), dieses zu lat. par, paris ‚gleich‘ - Le Robert 1998, S. 2525). Die Peer-Gruppe dient der sozialen Orientierung und Kontrolle beim Übergang von der familiengeprägten Kindheit zum vollen Erwachsenensein. „Sie hilft Jugendlichen, ihre Identitätsprobleme auf die Gruppe zu projizieren und über die Identifikation mit Werten oder Personen der Gruppe eine Ich-Identität zu entwickeln“ (Henne 1986, S. 204). Die soziale Gruppe besteht aus Personen, „die regelmäßig miteinander in Beziehung treten und in diesen Beziehungen gemeinsame Ziele zu realisieren suchen“ (Reimann (u. a.) 1991, S. 248). Die Peer-Gruppe besteht aus etwa gleichaltrigen Jugendlichen, deren Symbolorganisation die Gruppenidentität und -kohäsion begründet. <?page no="78"?> Soziolinguale Ausgrenzung 64 Die Symbole einer Peer-Gruppe können je nachdem nichtsprachlicher und sprachlicher Natur sein. Als nichtsprachliche Symbole fungieren Lederkluft und Kettenschmuck der Rocker; „Bovver Boots“ und „Löcher-Look“, Irokesen-Haarschnitt, lila-grün gefärbte Haare und Glatze von Punks bzw. Skinheads. Hess-Lüttich (1983, S. 26 u. 34) erkennt darin „Abzeichen“ der sich sprachlich durch eigene Stile bzw. eine „Antisprache“ ausgrenzenden Subkultur. Bausinger (1984, S. 124) weist auf den Begriff der „Kontrakultur“ und analog der „Kontrasprachen“ hin, gebunden an Gruppen, „die sich in wesentlichen Wertauffassungen und Verhaltensnormen gegen die sonst allgemein in der Gesellschaft anerkannte Ordnung stellen“ und dadurch ausgrenzen. Schülerjargon, Jugendjargon Das „Wir-Gefühl“, d. h. das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit, äußert sich in erster Linie über sprachliche Symbole, welche die Gruppenmitglieder von den Nicht- Mitgliedern unterscheiden. Daraus ergeben sich Sondersprachen, die dazu dienen, Gruppenmitglieder als solche auszuweisen, und die gekennzeichnet sind durch: a) eine besondere Aktivität der Gruppenmitglieder einschließlich der Objekte, auf die sich die Aktivität richtet; b) besondere Wörter und Wendungen (vgl. Abb. 1.13). Jargon und Geheimsprachen Zu den Sondersprachen gehört der Jargon, im 18. Jahrhundert aus dem Französischen in der Bedeutung ‚unverständliches Gerede‘ entlehnt (vgl. Pfeifer 1989, S. 758). Er dient, situationsabhängig, der meist emotionalen Kommunikation in Gruppen, die sich durch eine starke Gruppenkohäsion auszeichnen („Abwehr nach außen, Kohäsion nach innen“, Bausinger 1971, S. 53); vgl. die Definition S. 28: Jargon als situationsabhängige Sprachform ... mit saloppem Stil, emotionalen Wörtern und Wendungen. Der Jargon der Schüler besteht entsprechend a) aus einem Sonderwortschatz, der institutionell und auf die Gruppe hin (gruppenintern) orientiert ist, aber auch b) aus besonderen stilistischen Präsentationsformen, vor allem „Sprüchen“ - das sind Wendungen bzw. Redensarten (Phraseologismen), die auch von Jugendlichen, die nicht mehr zur Schule gehen, gebraucht werden . Die von Bausinger (1984, S. 124) erwähnten „Geheimsprachen“ der Schüler haben in erster Linie die Funktion einer „Kontrasprache“ und werden oft nur scherzhaft gebraucht, wie z. B. die B-Sprache, in der nach Vokal ein b eingefügt und der Vokal wiederholt wird, z. B. Deber Abaltebe ibist doboof in der Bedeutung ‚Der Alte ist doof‘. Hierher gehört auch die „Hühnersprache“ (Derherdefer Alhaldefal tehedefe ... ‚Der Alte ...‘), die dem Verlan (<frz. l'envers ,das Umgekehrte‘) entspricht, dem beliebtesten französischen „Schülerargot“, bei dem die Wörter umgekehrt gesprochen werden (Calvet in Moreau (Hg.) 1997, S. 290 f.); in Frankreich auch das „Javanais“ und in angelsächsichen Ländern das „Pig Latin“. So drückt sich das Spiel mit der Sprache aus. Zu anders intendierten Geheimsprachen, z. B. dem Rotwelsch als Sprache der Fahrenden, Händler und Gauner, vgl. Kapitel 3.2. <?page no="79"?> Schüler und Jugendliche 65 Auf einer vergleichbaren Ebene stehen Sprachspiele als Modeerscheinungen aus der Musikszene: Die heutigen Texte der „Rap-Kultur“ und des „Hip-hop“ (vgl. Scholz 1998 u. Loh/ Verlan 2000) sind auch ein Spiel mit der Sprache, weil Abkürzungen wie ADAC, BBC, BMW, GEW u. dgl. in den Protestsongs, zu deren Rhythmen man tanzt, eine reimende und z. T. hypnotische Funktion haben. Diese relativ spracharme Betätigung ist soziolinguistisch nur deshalb interessant, weil sie in einen gemeinsamen Aktionsrahmen junger Leute, besonders der Vorstadtjugend, eingebettet ist und somit in ein Aggregat der gemeinsamen Sprachlosigkeit - gleich, welche Sprache benutzt wird. 3.1.2 Sprachliche Besonderheiten Sonderwortschatz der Schüler - „Sprüche“ (Phraseologismen) - Metaphern im Sprachregister - Textbeispiel a) Sonderwortschatz Abb. 3.1 : Häufige Schülerwörter mit institutioneller Orientierung (nach Angaben von Henne 1986, S. 161 ff.) Bezeichnungen Bedeutung Direx, Chef, Obermacker, Boss, Big Brother, Rex Direktor Pauker, Spießer, Sklaventreiber, Leerkörper Lehrer Schleimi, Anfänger, Langweiler, Refi, Depp Referendar die Kleinen, Pansen, Zwerge, Babies, Pimpfe neue Schüler Weiber, Schlampen, Tussis, Frauen, Girls die Mädchen Typen, Kerle, (Milch-)Bubis, geile Böcke die Jungen Streber, Schleimer, Primus, Genie, Könner der beste Schüler Penne, Gefängnis, Bunker, Bau, Paukerhöhle Schule Giftblatt/ -zettel, (Noten-)Lappen, Hexenblatt Zeugnis Schummelzettel, Spickzettel, Spicker unerl. Vorlage Schwalbe, Flieger, Jäger, Falter Papierflugzeug klemmen, schwänzen, blau machen, (ab-)drücken unerlaubt fehlen Der Schülerwortschatz ist zweifach orientiert: institutionell (die Schule als Institution, Abb. 3.1) und gruppenintern (die Schüler einer Klasse als Gruppe). Letzteres drückt sich in Attributen für Mitschüler aus, für deren Verhalten u. a. gegenüber der Lehrerschaft, z. B. petzen, Streber, Mekel, Sabbel und Koseformen wie Babsi, Gissi, Olli. Einige dieser Wörter gehen sprachhistorisch weit zurück, z. B. Pauker <?page no="80"?> Soziolinguale Ausgrenzung 66 aus mhd. pûken ‚schlagen‘, seit dem 18. Jh. für den Lehrer; oder Penne (und das veraltete Wort Pennäler, zu mlat. pennale ‚Federbüchse‘ und penna ‚Feder‘), seit Mitte des 19. Jhs. (Pfeifer 1989, S. 1244 u. 1249). Die Bezeichnungen in Abb. 3.1 sind pro Zeile nach Häufigkeit geordnet, gemäß den Angaben von 99 Jungen und Mädchen aus je zwei Klassen der Jahrgänge 8 und 11 einer Braunschweiger Schule, aufgelistet in Henne (1986). b) „Sprüche“ Bereits Wilhelm Grimm notierte sich „Sprüche und eigentümliche Redensarten des Volkes“, manche Darstellungen gehen von einer „Sprüchekultur“ aus (Henne 1986, S. 115 ff.). Was die Schüler und Jugendlichen formulieren, sind - linguistisch gesehen - Phraseologismen. Phraseologismen sind feststehende Formulierungen mit übertragener Bedeutung. Phraseologismen Sie sind vielfach sprachliche Stereotypen. Das Adjektiv stereotyp in der Bedeutung ‚feststehend, unveränderlich, ständig wiederkehrend, in der Form erstarrt, leer‘ und das Substantiv sind in Kap. 2.1.3 erläutert, u. a. als generalisierte, daher defektive mentale Kategorien, als „Bilder in unserem Kopf“ zur Orientierung und als Ausdruck sozialer Konflikte mittels Sprache, z. B. „Er ist Deutscher, aber er ist nie pünktlich.“ Abb. 3.2 : „Sprüche“ (Phraseologismen) (nach Angaben von Henne 1986, S. 118 ff.) „Spruch“ Bedeutung Ich glaub, mein Hamster bohrt. „Wenn ich etwas verrückt/ doof finde.“ Ich glaub, mich knutscht ein Elch. Verwunderung, Überraschung Ich glaub, meine Oma geht mit Zivis. etwas Unmögliches Ich glaub, ich steh im Wald. Ärger, Überraschung Alles Chicago. Nichts verstanden Ich kann a hessisch babble. Drohung Geh nach Bagdad Schnee schippen. „Wenn jemand Unsinn spricht.“ Mein Holzbein kriegt Äste. „Wenn man entzückt ist.“ Jetzt geht’s rund, sprach der Specht und flog in den Ventilator. Verblüffung, Freude Nach Henne (1986) werden solche Phraseologismen meist innerhalb der eigenen Gruppe und seltener gegenüber Fremden eingesetzt, u. a. um: <?page no="81"?> Schüler und Jugendliche 67 • abzuwehren („Jeder hat ein Recht auf Arbeitslosigkeit.“) • andere zu ärgern oder ihnen zu drohen („Ich kann a hessisch babble.“) • andere zu akzeptieren („Der hat es ja voll drauf.“) • Gefühle wie Freude, Überraschung, Entsetzen auszudrücken („Ich glaub, s’hackert.“) • sich zu profilieren und komisch zu sein („Hallo Petra! Wie fliegt die Sau so bei Dir, hoch oder tief? “). Diese Beispiele belegen situativ orientierte Kommentare als Register. Sie sind nicht im Sinne der Soziologie die „meist unbewussten, stark verfestigten (Vor-) Urteile“, durch die Mitmenschen in eine im Geiste gebildete oder bereits vorhandene „Schublade“ - in ein Schema - gesteckt werden, sondern der Ausdruck der Gruppenzugehörigkeit. Dazu dient die Sprache als Symbol. Wie die anderen Gruppenmitglieder vermutlich sprechen, so will sich auch der bzw. die einzelne verhalten. Die Kommunikationspraxis der Jugendlichen verfolgt sowohl das Ziel der Ausgrenzung gegenüber den Erwachsenen als auch das Spiel mit der Sprache und die Lust an der Originalität. So ließen sich viele, auf den Alltag bezogene „Sprüche“ hinzufügen, z. B. (s. Ehmann 1992a, S. 20 ff.): • Lieber arm dran als Arm ab. • Lieber ‘ne Flasche in der Hand als im Bett. • Da fiel ihm ein Ei aus der Hose. • Keine Panik, alles ganz easy. • Ich muss mir dringend ein paar Kohlen ergeiern. • Der Bulle wollte mich plomben, aber ich bin ja voll fit. • Ich lass dir auf jeden Fall ‘nen geilen Gruß rüberwachsen. Metaphern im Sprachregister „Die Jugendsprache lebt zu einem großen Teil von sprachlichen Bildern. Der Religionslehrer wird als >blecherner Heiland< abgetan ... ein fester Freund als >Scheich< ...“ (David 1987, S. 34). Weitere Beispiele von David (aus der Zeit ca. 1960-1980): Träne ‚langweiliger Junge‘, Schnecke ‚langweiliges Mädchen‘, Kotelettlokomotive ‚dicke Frau‘, Schnitzelranch ‚Art Restaurant‘, jammern ‚Geige spielen‘, angraben ‚flirten‘, satt ‚eindrucksvoll‘, schaurig, unheimlich ‚sehr‘. Sprachregister Typisch für den Jargon Jugendlicher ist der Gebrauch von Bildern, unter denen die Metaphern als Stilmittel besonders hervorstechen. Die Begründung dafür ist das Experiment mit der Sprache und die Ausgrenzung durch Sprache. Die Register der Jugendlichen sind vielfältig, von Henne (1986, S. 208 ff.) so zusammengefasst: • eigenwillige Grüße, Anreden und Partnerbezeichnungen • griffige Namen- und Spruchwelten • flotte Redensarten und stereotype Floskeln <?page no="82"?> Soziolinguale Ausgrenzung 68 • metaphorische (‚übertragene‘), zumeist hyperbolische (‚vergrößernde‘) Sprechweisen • Repliken mit Entzückungs- und Verdammungswörtern • Lautwörterkommunikation (Onomatopoetika) • Prosodische (die Lautstruktur betreffende) Sprachspielereien • Lautkürzungen und Lautschwächungen • Neuwort (z. B. Mucke), Neubedeutung (z. B. ätzend), Neubildung (z. B. Pazi für ‚Pazifist‘, O-Saft ‚Orangensaft‘, Wisch für Papierwisch ‚Zeugnis‘, H 2 O-K.O.P.F. für ‚Wasserkopf‘). Abgrenzung - Identifikation - Provokation ausgedrückt in Sprache sind Grundfunktionen und dienen der „Sprachprofilierung“, wie auch der Text von Abb. 3.3 zeigt. Abb. 3.3 : Mutter-Tochter-Dialog - ein Textbeispiel ( Schlobinski 1993, S. 17) „Mama“, sagt sie, „easy, easy, ich hab jetzt keinen Bock auf Aufräumen, wo der Planet wie irre sticht.“ Ich sage: „Was denn für einen Bock, was für einen Planet, wer sticht denn? Kannst du deiner Mutter vielleicht einmal erklären, was das heißt? “ - „Ja mein Gott“, sagt sie, „du bist vielleicht schrill heute, immer hast du die alten Kleber drauf. Ist das nicht vielleicht ein schöner Sonnenschein und da soll ich noch in dem Zimmer rumwurschteln, da hab ich kein Bock drauf und fertig.“ ... Ich sage: „Gut. Wenn dir das zu schönes Wetter heute ist, das verstehe ich. Dann lässt du es und machst es heute Abend, wenn es dunkel ist.“ - „Nee“, sagt sie, „heute Abend drück ich ja mit Bobby in die City.“ - „Was machst du? “ sage ich, „in der Stadt rumstehen und knutschen? “ - „Aber ‚drücken’ sagn die für ‚gehen’.“ 3.1.3 Gibt es „die Jugendsprache“? Der Begriff „Jugendsprache“ - Anglizismen in den Jugendszenen - ey - „Sprachwechsel“ - Arealität der Jugendjargons Der Begriff „Jugendsprache“ Die in Abb. 3.2 dargestellten Phraseologismen und viele andere dieser Art sind für den Jargon der Jugendlichen schlechthin typisch, wenngleich die Häufigkeit des Gebrauchs nicht überbetont werden darf; in Jugendzeitschriften wie Bravo treten sie nur sporadisch und in ganz bestimmten Sparten auf (vgl. Schlobinski (u. a.) 1993, S. 34 f.). Die Ersetzung standardsprachlicher Bezeichnungen durch andere Wörter und Wendungen betrifft theoretisch alle Ebenen. Beispielsweise kommt die Partikel sehr kaum vor, statt dessen: ätzend, echt (geil, stark), unheimlich (cool), irrsinnig (froh), total (abgefuckt), voll (nüchtern), tierisch (wehtun) u. a. (Hess-Lüttich 1983, S. 33). Aber die Jugendlichen beschränken sich nicht auf Phrasen und lexikalische Besonderheiten. Es gibt Kommunikationsrituale, Beschimpfungen, und Frotzeln, „Joking Relationships“ (vgl. Augenstein 1998, S. 89 ff., Henne 1986, S. 207 ff., u. Jakob 1988). <?page no="83"?> Schüler und Jugendliche 69 Außerdem ist zu konstatieren: „Der subkulturelle Wortschatz nährt sich meist aus den terminologischen Beständen mehrerer > Szenen < zugleich; Begriffe der Musikszene (wie Drive, Riff, Take) und der Musiktechnik (Phase-Shifter, Wah-wah, Vibrator), der Drogenszene (grooven, hot, Acid, Dope, Speed, Shit, H, stoned, straight, abfahren, antörnen, abfliegen), der Alpha-Szene [der Spiritisten und Okkultisten] (good/ bad vibrations, Holly Thorn, mystical scene, celtic twilight) oder der Ökoszene ...“ (s. Hess-Lüttich 1983, S. 31 ff.). Dies führt zu einer „Bricolage“, bei der „sprachliche Elemente aus verschiedenen kulturellen und medialen Bereichen“ (Neuland 2003, S. 140), auch aus der Standardsprache, genutzt, umgedeutet und in einen neuen Kontext gestellt werden („Stilbastelei“). Abb. 3.4 : Anglizismen in den Jugendszenen: Substantive in acht Sachgruppen (aus: Androutsopoulos 1998, S. 551) In der sehr umfassenden Untersuchung der Deutschen Jugendsprache von Androutsopoulos (1998) werden Fremdwörter nach Wortarten und Sachgruppen dargestellt. Im Einzelnen wird angegeben, wie sich 388 Jargonismen auf die acht Sachgruppen verteilen. Man erkennt, dass die Musikszene in der Datensammlung (dem Korpus) von Androutsopoulos mehr als ein Drittel der Anglizismen stellt. <?page no="84"?> Soziolinguale Ausgrenzung 70 Jugendliche Sprechweisen sind von der jeweiligen Gruppenstruktur und den Kommunikationssituationen abhängig. Jugendliche benutzen ihre Jargons häufiger unter sich als mit Personen, die nicht zur „In-group“ gehören, und auch weitgehend anders als in der Öffentlichkeit. Schon Henne (1986, S. 208 u. 211) stellt fest, dass es Jugendsprache schlechthin nicht gibt. „Es gibt so viele Jugendsprachen wie es Jugendgruppen und Situationen gibt ... oder anders ausgedrückt: Der Vielzahl gruppenspezifischer und individueller Lebensstile entspricht eine ebenso große Zahl unterschiedlicher Sprechstile“ (Schlobinski (u. a.) 1993, S. 93; S. 175 ff.), auch als „Gruppenstile“ bezeichnet (vgl. Habscheid/ Fix (Hgg.) 2003a). „Habituelle“ (unbewusste) sind von „expliziten“ Stilen (z. B. der Punks) zu unterscheiden (s. die Stildefinitionen S. 124). - Zu dem Spezialfall der Studentensprache vgl. Nail 2001. ey In die so apostrophierte erweiterte Privatsphäre der Kommunikation gehört die Partikel ey, der Schlobinski ((u. a.), 1993, S. 134-144) ein Unterkapitel ihres Buches widmen. In dem von ihnen zu Grunde gelegten Korpus ist die Partikel relativ häufig und eine junge Erscheinung, wie ein Vergleich mit Korpora zur Sprache älterer Sprecher zeigt. Sie hat aus der Sicht der Sprecher „Signalcharakter“ zum Zeichen der Gruppenzugehörigkeit. Pragmatisch gesehen hat sie vier Funktionen: 1.) Bekräftigung, z. B. nach einem Kraftausdruck: scheiße ey; 2.) Erhaschen von Aufmerksamkeit, z. B. bei der Einleitung von Sprechhandlungen: ey da sitz ich; 3.) Kommentierung: ich muss so lachen, ey, ich konnt nich mehr; 4.) Rückversicherung: is doch gar nicht so schlecht ey (Beispiele aus Schlobinski (u. a.), 1993, S. 135 ff.). Sprachprofilierung Das Experimentieren mit der Sprache führt zur Veränderung von Äußerungen in der zu Grunde liegenden Standardsprache ebenso wie solche in dem bereits bestehenden Gruppenjargon, m. a. W. zur „Sprachprofilierung“ der Gruppenmitglieder (Henne 1986, S. 123): Mögen täten wir schon wollen, aber haben dürfen wir uns nicht getraut. Odder nett, odder doch? ! Otter net, otter doch? ! Ähnlich äußern sich Schlobinski ((u. a.) 1993, S. 211 f.), wonach der spielerische Umgang mit der Sprache „ein Erproben der sozialen und diskursiven Kompetenz“ ist. Die Art der Jugendlichen zu sprechen wird „im konkreten Kontext eigentlich nicht erwartet“ und daher als „markiert“ bezeichnet. Diese „Marker“ bilden, wenn sie regelmäßig auftreten, nach der Ansicht von Augenstein (1998, S. 20 ff.) den Sprechstil einer Gruppe. Er deckt sich mit den hier bereits charakterisierten Kommunikationstypen Jargon und Register (s. Kap. 1). <?page no="85"?> Schüler und Jugendliche 71 Arealität des Jugendjargons Im Gegensatz zu mancher konventionalisierten Sondersprache besteht für die meisten Jargons eine areale Differenzierung sowohl der Lexik als auch der Phraseologismen. E. Neuland (1998) hat 78 Gymnasialschülerinnen und -schüler der 12. Klasse (durchschnittlich 18,2 Jahre alt) in je zwei west- und ostdeutschen Städten auf die Bekanntheit von Wörtern hin untersucht, die bereits in Wörterbüchern der Gegenwartssprache lemmatisiert sind. Folgende Wörter waren generell bekannt (S. 79): ätzend, cool, geil, Macho, Tussi, Zoff; im Westen (Wuppertal, Stuttgart) zusätzlich: Aso, Loser, mega, Penner, Spasti; im Osten (Leipzig, Rostock) zusätzlich: Glatz, kultig, tote Hose. Areal differenzierte Sprache heißt: „unterschiedlich im Sprachraum“. Abb. 3.5 : Arealität des Jugendjargons: ‚schnell wegrennen‘ (nach Beispielen von Ehmann 1992b, S. 156) Hamburg wegschiffen, abdampfen, losschippern, abdüsen (u. v. a.) Berlin die Socken qualmen lassen, sich wegkieken, wegmeiern Ruhrgebiet sich wegklinken, wegklickern Leipzig fürzeln, rumwuseln, die Hufe wetzen, fetzen München einen Abgang machen, abzischen, abjetten Bayer. Alpen wegbrettern, abbuttern, pretsch’n, fickl‘n Wien abpaschen, sich in die Schuach haun, sich abseilen Bern d’Finke chlopfe, sich nach Mekka putzen, abdechle Die Arealität belegen empirische Untersuchungen von H. Ehmann (1992b) auf Grund von Befragungen Jugendlicher (s. Abb. 3.5). Die Arealität ist für die Jargons der unterschiedlichen Szenen, z. B. der Drogen-Szenen, lange vorher vermutet worden. Insofern besteht eine Parallele zu den Umgangssprachen, aber auch zu den traditionellen Fachsprachen und deren arealer Differenzierung. Die Beispiele von Abb. 3.5 könnten genauso gut als umgangssprachlich eingeschätzt werden. 3.1.4. Einige Jargons Sonderwortschatz der Drogen-Szenen - Disko-Deutsch - Kanakisch - „Smiley“ - SMS Sonderwortschatz der Drogen-Szenen Soziolinguistisch nicht ganz so peripher wie die „Geheimsprache“ der Schüler ist der Sonderwortschatz der Drogen-Szenen, denn dieser dient außerdem ernsthaft der Kommunikation, unabhängig von der Anzahl derjenigen, die sich dieses Wortschatzes bedienen. Die soziale Ausgrenzung der Drogenabhängigen gegen die Gesamtgesellschaft, aber auch gegen Jugendliche außerhalb der Sze- <?page no="86"?> Soziolinguale Ausgrenzung 72 ne, manifestiert sich deutlich in ihren Wörtern und Wendungen. Da die Sprachträger einer z. T. verbotenen Tätigkeit nachgehen, hat deren Sprache Züge einer Geheimsprache. Die Differenzierung in viele Drogen-Szenen mit lokaler Bindung und folglich die areale Sprachdifferenzierung sind besonders evident. Die meisten Lexeme sind Entlehnungen aus dem Englischen und anderen Fremdsprachen oder Lehnübersetzungen der Quellwörter. Einige Beispiele, zumeist aus Harfst 1986, belegen dies: antörnen ‚in gehobene Stimmung versetzen‘ (engl. to turn on), ausschießen ‚bis zum körperlichen Ruin Opiate zu sich nehmen‘ (engl. to shoot out), Gras ‚Marihuana‘ (engl. grass), Junkee ‚Konsument von > Junk < , d. h. Opiaten‘, kiffen (arab.-amerikan.) ‚Haschisch oder Marihuana rauchen‘, Piece N. ‚etwas (ein Stück) Haschisch‘, Puscher ‚jemand, der Opiate in Verkehr setzt‘, Schnee (zu snow) ‚weißes Pulver, meist Heroin, Kokain‘, Shit ‚Haschisch‘. Der Sonderwortschatz der Drogen-Szenen orientiert sich vor allem an englischen Quellwörtern. Die ständige Angst vor der Polizei - der Rauschgiftumschlag ist illegal - und das gemeinsame Erleben von „Trips“ (das sind ‚illusionäre > Reisen < im Drogenrausch‘) führen zu einer Stärkung des Solidaritätsgefühls und des gemeinsamen Sonderwortschatzes. Disko-Deutsch Die an die Musik-Szenen geknüpfte Sondersprache ist jugendtypisch. Überregionale Zeitungen wie die F.A.Z. und Die Zeit haben einst die über Töchter und Söhne leicht zugängliche Sondersprache der jugendlichen Diskothekengänger in ihren Feuilletonspalten aufs Korn genommen. Solche Presseartikel suggerieren allerdings, dass Jugendliche immer so und nur so sprechen. Unberücksichtigt bleibt das in der Kommunikationspraxis erfolgende Wechseln zwischen mehreren sprachlichen Varietäten. Trotz solcher Einwände wird hier ein Beispiel aus der F.A.Z. (4.1.1979) gegeben (zit. nach Hess-Lüttich 1983, S. 30), aber mit Zeilennummerierung versehen. Der Originaltext ist erheblich länger. Abb. 3.6 : Disko-Deutsch 1) Als ich neulich mit Peter in die City drückte, macht der mich unheimlich an aufs Tilbury. 2) Na, schon bohren wir dahin, obwohl ich eigentlich auf Lollipop stand. 3) Ich Chaot hatte keine Matte mit, weil ich meinen Kaftan vergessen hatte, und sagte zu Peter, er solle mal ausklinken. 4) In dem Schuppen zogen ein paar People schon eine heiße Show ab. 5) Wir machten eine kurze Fleischbeschauung und Peter machte sich sofort daran, eine riesige Tussi anzugraben. 6) Die war echt einsam, aber ich hatte einfach keinen Schlag bei ihr. <?page no="87"?> Schüler und Jugendliche 73 Abb. 3.6‘ : Wörter und Wendungen im „Disko-Deutsch“ von Abb. 3.6 1) in die City ‚in die Innenstadt‘, drückte ‚ging‘, jmdn. anmachen auf ‚jmdn. animieren, etw. zu tun‘, unheimlich ‚sehr‘, Tilbury [eine Diskothek]. 2) dahin bohren ‚sich dahin wenden‘, stehen auf ‚ganz für etwas sein‘, Lollipop eine Diskothek, eigentlich ‚Dauerlutscher‘. 3) Chaot ‚Unordentlicher‘, keine Matte ‚keine Börse‘, Kaftan ‚Mantel‘, ausklinken ‚bezahlen‘. 4) Schuppen ‚Lokal‘, abziehen ‚präsentieren‘, eine heiße Show abziehen ‚sichtbar aktiv sein‘, ‚für Stimmung sorgen, ein paar People ‚einige (aus der Szene)‘ 5) Fleischbeschauung ‚Sondierung nach dem Aussehen der Anwesenden‘, eine riesige Tussi ‚eine herausragende weibliche Person‘, angraben ‚Kontakt suchen (mit erotischem Hintergedanken)‘. 6) echt ‚sehr‘, ‚wirklich‘, echt einsam ‚einmalig‘, ich hatte keinen Schlag bei ihr ‚sie sprach nicht auf mich an‘. Die auftretenden Wörter und Wendungen sind in Abb. 3.6 unterstrichen und in Abb. 3.6‘ kurz erklärt. Was in solchen Pressetexten nicht zum Ausdruck kommt, aber unabdingbar zu dem Jargon gehört (vgl. die Definition in Kap. 1.2.4 u. Abb. 1.13), sind die Kommunikationspartner - nicht mit jedem spricht man so - und die Situation, in der kommuniziert wird. Jargons sind ohne Situation und Milieu (den Massenjargon hier ausgeklammert) nicht denkbar. Insofern ist die kontextfreie Auflistung einzelner Vokabeln trotz der Bedeutungsangabe, wie in PONS (2001), nicht hilfreich. Kanakisch Unter Beteiligung von türkischen Schülern und Jugendlichen ist eine Sprachvarietät entstanden, die von Jugendlichen türkischer und nicht-türkischer, u. a. deutscher Abstammung gebraucht wird: das „Kanakisch“, von Auer (2003) „Türkenslang“ genannt. Etymologisch weist die Bezeichnung auf hawaiianisch kanaka ‚Mensch’, 1867 als Eigenbezeichnung der Ureinwohner von Neu-Kaledonien belegt, vermutlich nach dessen Entdeckung durch James Cook (1774) importiert; der Aufstand der Kanaken von 1878 gegen die französischen Kolonialherren (vgl. Frémy 2001, S. 596 f.) macht den Namen weltbekannt und führt zu der meist geringschätzigen Bedeutung, bezogen auf alle Südseebewohner, im Deutschen auf ausländische Arbeitnehmer, besonders türkischer Herkunft, übertragen. Neuere Belege dafür finden sich ab 1978 (Christiane F., Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, vgl. Duden Wb. 1994, S. 1793), zuletzt durch den Titel „Kanak Sprak“ von Zaimoglu (1995). Auer (2003, S. 257 ff.) klassifiziert diese Varietät als tertiären Ethnolekt, was allerdings dann auf Schwierigkeiten stößt, wenn keine fremden Ethnien, sondern nur deutsche Jugendliche als Sprachträger vorkommen. Die Existenz von Kanakisch wird als „Transgression“ erklärt, derzufolge Sprachformen der Nachfahren türki- <?page no="88"?> Soziolinguale Ausgrenzung 74 scher Migranten von Deutschen „für bestimmte Zwecke usurpiert“ werden (Dirim/ Auer 2004, S. 27); mit Ben Rampton (1995) definieren die Autoren (S. 28): Transgression (engl. crossing) ist die „Verwendung einer Varietät durch Sprecher, denen sie nicht ‚gehört‘“ Schon im 19. Jh. gibt es Beispiele für Transgression: in Deutschland die Übernahme von Wörtern aus dem Rotwelschen in die Studenten- und dann in die Umgangssprache; in Frankreich die des Argot in die „Volkssprache“ (s. Kap. 3.2). In heutigen Kultursprachen gibt es vergleichbare Entwicklungen (Dirim/ Auer 2004, S. 27 ff.). Abb. 3.7 : Ein Textbeispiel zum Kanakischen (aus Freidank 2001, S. 9) Krass, Alder! War isch gestern Stadt, Alder, weisstu. Mit Kumpeln. Alder, dem stand vor Kaufhaus obern krasse Mottenbaik. Wollt isch abrippen, Alder, abern kam dem Arschnloch von Fahrrade. Hab isch dem gesagt: »Alder, dem Fahrrade is obern krassn, isch geb swei Hunnis, Alder! « Dem Pennern hat gesagt, dem Fahrrade hat fumf Tauis gekostet, isch schwör! Hab isch gesagt: »Bist du dumm, oder was? Fur fumf Tauis kriegst du Benz, Alder, net Fahrrade! Aber, ok, geb isch drei Hunnis, Alder. Gib ma die Fahrrade, lass misch ma fahrn, Alder! « Dem Arschnloch hat misch dem Mottenbaik net gegeben, Alder, hab isch dem seim Fahrrade krassn vollgerotzt, Alder, isch schwör, dem Satteln un dem Lenkhern voll krassn mit Grunem vollgerotzt, weisstu wie isch mein? Dem Spast hat obern schwul geguckt, Alder. Dann is ganz schnell abgefahrt, dem schwulem Spast, Alder! Worterklärungen: Mottenbaik ‚Mountainbike’; abrippen ‚stehlen’; krassn ‚sehr gut’, ‚toll’; Hunnis ‚Hunderter’; Tauis ‚Tausender’; Benz ‚Mercedes E-Klasse’; vollgerotzt ‚vollgespuckt’; Spast ‚Arschloch’; schwul i. S. v. ‚dumm’ Charakteristisch sind umgangssprachliche Formen (isch, lass, ma, net, hab), die Wortbildung (Kurzwörter und Kontraktionen), das untere Stilniveau der Wortwahl, rekurrente Stilformen (alder, weisstu, isch schwör, oder was? ), die restriktive, fehlerhafte Syntax (u. a. Wortfolge, Verbflexion, das Fehlen der Präposition, des Pronomens und der Gebrauch von dem als Artikel für jeden Zweck u. a.). Smiley - eine neue „Sondersprache“ im Internet Die Sprachträger dieser an das neue Medium gebundenen Kommunikationsform sind jugendliche E-Mail- und Internet-Benutzer. Es ist die neue „Kommunikation in virtuellen Welten“ (Beißwenger 2000), die auch zu einer besonderen, „computervermittelten Kommunikation“, der „Chat- Kommunikation“, führt; vgl. Beißwenger (2001) und Reinke (2003). <?page no="89"?> Schüler und Jugendliche 75 Abb. 3.8: Nachrichten in Smiley (übersetzt aus der Zeitschrift m Nr. 18, 1999, Auswahl) Kodierung Mitteilung : - ) Ich bin zufrieden. : p Ich bin belustigt. : o Ich bin erstaunt. : - ) ) Ich bin sehr zufrieden. : x Großes Küsschen! = ) : Du änderst deine Meinung wie dein Hemd! @ > - - - > - - - Eine Rose für Sie/ Dich! C = } > * { ) ) Ich habe getrunken, um alles zu vergessen ... Wiederhole mir deinen Namen! Diese „Sondersprache“ ist kommunikativ, entspricht der jugendlichen Phantasie und Experimentierfreudigkeit (vgl. Schlobinski (u. a.) 1993, zit. in Kap. 3.1.3). Das „Alphabet“ besteht aus 23 Zeichen, nämlich: ( ) { } < > / | \* - = : ; 8 9 @ p o x C D I Damit lassen sich, wie in Abb. 3.8 gezeigt, Mitteilungen enkodieren; diese werden besser lesbar, wenn man die Seite um 90° nach rechts dreht. SMS Dieser oder ein vergleichbarer Code wird auch z. B. von Handy-Nutzern für Kurzmitteilungen verwendet, die SMS (‚Short Message Service‘) heißen und auch mit Buchstaben kombiniert werden können (vgl. Späth 2001): WZTSD? : - @ Bedeutung: ‚WO ZUM TEUFEL STECKST DU? ‘ KO15MISPÄ; -) Bedeutung: ‚KOMME 15 MINUTEN SPÄTER‘ : -@ bedeutet ‚ich bin böse’, ; -) bedeutet ‚smile mit Augenzwinkern’. Informationen, die in der direkten mündlichen Kommunikation der Mimik (nonlingual) oder der Stimmlage (paralingual) entnommen werden können (vgl. Abb. 1.8) werden mit Hilfe dieses Codes alphabetisiert. Das so Dargestellte besteht aus Piktogrammen und ist insofern vergleichbar mit übereinzelsprachlichen Bildinformationen in Flughäfen oder U-Bahn-Stationen. Jedoch ist die Verstehbarkeit von Smiley nicht in gleichem Maße universell, sondern unterliegt stärker der Konvention durch die speziellen Benutzer. Die Besonderheiten von „HipHop-Websites“ und deren Textgestaltung beschreibt Androutsopoulos (2003). <?page no="90"?> Soziolinguale Ausgrenzung 76 Piktogramme sind bildliche Abstraktionen der Wirklichkeit zur Informationsvermittlung. Das soziolinguistische Problem, das mit Smiley oder SMS als medialer Sondersprache verbunden ist, besteht darin, dass die Sprachträger nicht mit üblichen soziologischen Methoden identifizierbar sind. Nur einige wenige Merkmale haben sie gemeinsam: den Spaß an verschlüsselten Botschaften, evtl. an der Anonymität von E-Mail und Internet und ihre Jugend. Die mediale Kommunikation der Schüler und Jugendlichen wirft neue Probleme auf und verlangt nach neuen Antworten. Die junge, an den Medien orientierte Gesellschaft weist kommunikative Defizite auf, die als Sprachbarrieren in Erscheinung treten, welche aber nicht - wie seit den sechziger und siebziger Jahren - durch die Zugehörigkeit der Sprecher zu unterschiedlichen Sozialschichten und die damit zusammenhängenden unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen erklärt werden können. Die neue „Sprachlosigkeit“ ist unter anderem zurückzuführen auf die einseitige, unpersönliche und z. T. anonyme Kommunikation über Medien wie das Internet; damit verbunden ist ein Mangel an sprachlich erlebten und bewältigten Situationen. Literatur (Auswahl) Androutsopoulos 1998, 2002 - Augenstein 1998 - Beißwenger 2000, 2001 - Dirim/ Auer 2004 - Duden. Wörterbuch der Szenensprachen 2000 - Ehmann 1992a, b - Freidank 2001 - Habscheid/ Fix (Hgg.) 2003 - Henne 1986 - Hess-Lüttich 1983 - Neuland 1998 - Neuland (Hg.) 2003a, b - Reinke 2003 - Schlobinski (u. a.) 1993 - Zaimoglu 1995. Kontrollfragen (Antworten in Kapitel 8, S. 227) 3.1.01 Definieren Sie „soziale Gruppe“. 3.1.02 Definieren Sie „Peer-Gruppe“. 3.1.03 Nennen Sie nichtsprachliche Kennzeichen von Peer-Gruppen. 3.1.04 Definieren Sie Jargon. 3.1.05 Geben Sie ein Beispiel für sogenannte Geheimsprachen der Schüler. 3.1.06 Geben Sie Beispiele für Gruppen mit Sondersprachen. 3.1.07 Nennen Sie einige Schülerwörter. 3.1.08 Was sind „Phraseologismen“? 3.1.09 Geben Sie ein Beispiel für Phraseologismen. 3.1.10 Nennen Sie einige Sprachregister der Jugendlichen. 3.1.12 Woran orientiert sich der Sonderwortschatz der Drogen-Szene? 3.1.13 Was bedeutet „areal differenzierte Sprache“? 3.1.14 Definieren Sie Transgression. 3.1.15 Was sind „Piktogramme“? <?page no="91"?> Sondersprachen Erwachsener 77 3.2 Sondersprachen Erwachsener 3.2.1 Subkulturen und Rotwelsch Subkulturen - Rotwelsch - Jenisch - Überreste des Rotwelschen Subkulturen Aus soziologischer Sicht bestehen in Subkulturen ausgrenzende Wert- und Normstrukturen. Ihnen liegen besondere Deutungsmuster der (Um-)Welt (kognitiv) zugrunde, die zu besonderen Ausdrucksformen führen. Nach Bahrdt (2000, S. 93) ist die Subkultur als Teilkultur dadurch geprägt, „daß ihre Träger sich zur Abschirmung, Abwehr oder sogar zur Opposition gezwungen sehen und dies noch einmal zur Herausbildung spezieller Ausdrucksformen, Deutungsmuster und Wertvorstellungen führt.“ Subkulturen sind Teilkulturen, deren Normen und Werte von denen der Gesamtkultur abweichen. Die diskutierten Schüler- und Jugendgruppen bilden weitgehend Subkulturen als Teilkulturen, während zu den Antikulturen z. B. Straßengangs zu zählen sind. In die kriminellen Subkulturen gehören die Milieus von Prostituierten, Zuhältern, „Pushern“ und „Knastis“. Die Subkulturen mit Geheimsprachen, die von Kluge angeführt werden, aber heute weitgehend der Vergangenheit angehören, sind u. a. die der fahrenden Händler, Hausierer, Korbflechter, Besenbinder, Bürstenmacher, Diebe und Dirnen, früher auch Handwerksburschen („auf der Walz“) - vgl. Kluge 1987 (S. 275 ff.). Bezeichnenderweise besteht das Werk Kluges aus der Wiedergabe schriftlicher Zeugnisse zwischen 1250 und 1899. Im 19. und 20. Jh. gibt es noch einige Reste solcher Subkulturen mit einem Sonderwortschatz in einer Art Rotwelsch (vgl. Siewert 1996 u. Wolf 1993; Abb. 3.10). Rotwelsch Das Rotwelsch war die Geheimsprache der deutschen „Fahrenden“, vorwiegend der Händler, Hausierer, Landstreicher und Bettler. Eine eigene Grammatik besitzt es nicht. Dafür ist der Sonderwortschatz des Rotwelschen sehr umfangreich. Er besteht aus Wörtern jiddischen, zigeunerischen und deutschen Ursprungs. Daneben gibt es, vereinzelt bis heute, graphische Zeichen als Logogramme, so genannte „Zinken“, die z. B. an Türen oder Hauswände gekritzelt sind und anzeigen, ob man feindlich gesinnt ist, ob es einen bissigen Hund oder ob es kauffreudige Bewohner gibt. Viele Wörter des Rotwelschen sind mit der Zeit in die Alltagssprache eingedrungen und haben sich, stilistisch markiert, bis heute erhalten, aber einen Funktionswechsel vollzogen und werden nicht mehr nur subkulturell gebraucht (vgl. Wolf 1993, S. 13). <?page no="92"?> Soziolinguale Ausgrenzung 78 Abb. 3.9 : Rotwelsch (modif. Auszug aus: Grahs/ Humann 1979, S. 18) Textauszug Erläuterungen 01 Der ist ganz im Eimer. 02 Der hat mit der kessen Biene, 03 die du auch duft fandst, 04 geschickert ... jetzt ists mit d. 05 Schinagl Essig. Er hat einen 06 blauen Brief bekommen, die 07 Schickse ist ihm auch flöten 08 gegangen, hat ihn aber erst 09 ordentlich auf die Schippe 10 genommen, und gezastert hat 11 er wie meschugge, jetzt hat ers 12 Schlammassel. 01 jidd. emo ‚Furcht‘; 02 kess: Anfangsbuchstabe v. jidd. kochem ‚klug‘; Biene: zig. pen ‚Schwester‘; 03 duft(e): jidd. tow ‚gut‘; 04 jidd. schickern ‚trinken‘; 05 schin: Anfangsbuchstabe von jidd. schofel ‚schlecht‘ + jidd. agole ‚Wagen‘; Essig: jidd. hesek ‚Schaden‘; 06 rw. blau ‚sehr schlimm‘; 07 jidd. schicksel ‚Nichtjüdin‘; flöten: jidd. pleite ‚fort‘; 09 jidd. chiba ‚Liebe‘, „süße Tour“; 10 zig. saster ‚Eisen‘; 11 jidd. meschuggo ‚verrückt‘; 12 dt. schlimm + jidd. masol ‚Stern, Glück‘ = Schlammassel. Gaunersprache und Rotwelsch werden gleichgesetzt. Das Bestimmungswort Rot ist bereits im 13. Jh. in rotwalsch ‚betrügerische Rede‘ belegt. Etymologisch verwandt mit Rotte ‚Schar, Menge‘, seit dem 14. Jh. ‚Haufen, Horde, üble u. verbrecherische Bande‘. Abb. 3.10 : Überreste des Rotwelschen im 19. u. 20. Jh. (Auswahl) (einige Zentren n. Angaben in Kluge 1987 u. Siewert 1996) Bezeichnung Lokalisation Wiener Diebssprache Wien Wiener Dirnensprache Wien Mattenenglisch Bern Killertäler Pleißen/ Pleißlen Südschwaben Schwäbisches Jenisch Ostschwaben (Öhringen u. a.) Lachoudisch in Schopfloch b. Dinkelsbühl/ Franken Schillingsfürster Jenisch Frankenhöhe Pfälzer Händlersprache Pfalz bis Schwaben Frickhöfer Hausierersprache Mittlere Lahn Manisch Gießen Hallescher Lattcherschmus Halle/ Saale Eifeler Rotwelsch Kreise Bitburg - Daun - Euskirchen Henese Fleck Breyell (Nettetal, Ndrh.) Schlaußmen (Sensenhändler) Hochsauerland, Winterberg Bargunsch / Tiöttensprache/ Humpisch Nordwestfälisch (Mettingen), Einzugsgebiet bis Mecklenburg Masematte Münster/ Westf. <?page no="93"?> Sondersprachen Erwachsener 79 Rotte - vgl.: sich zusammenrotten - ist hervorgegangen aus mlat. rupta, rut(t)a, rot(t)a ‚Schar, Abteilung, Räuberhaufen‘, im Rotwelschen dann: rot(t) ‚schlauer Bettler ‘ . Das Grundwort -welsch galt ursprünglich der keltischen Bevölkerung (Wales! ), wurde dann auf die römischen Eroberer bezogen und erhielt die Bedeutung ‚romanisch‘, dann besonders ‚italienisch‘, im 16. Jh. in übertragener Bedeutung: ‚unverständliche Sprache der Gauner und Landstreicher‘ (Pfeifer 1989, S. 1443 f. u. 1959). Rosemarie Lühr (in Siewert 1996, S. 15 ff.) leitet in einer Wortgeschichte den Bestandteil Rotvon mndl. rot ‚faul‘ ab, zunächst zur Charakterisierung der französischen Sprache (allerdings hypothetisch und daher mit Asterisk, S. 31): *rot waalsch ‚dreckiges [besser wohl: ‚heruntergekommenes‘] Französisch‘. Die Bezeichnung jenisch in der Bedeutung ‚rotwelsch‘ ist seit dem 18. Jh. belegt (Wien), bei Jean Paul (1800) als jänisch. Das Wort stammt aus dem Zigeunerischen und bedeutet ursprünglich ‚wissend‘; das Jenische ist somit die ‚Sprache der Wissenden, der Eingeweihten‘ (Kluge/ Mitzka 1967, S. 332). In Abb. 3.10 sind diverse Überreste von jenischen bzw. rotwelschen Dialekten aufgelistet. Ein Vergleich führt zu Unterschieden und Ähnlichkeiten im Wortschatz. 3.2.2 Argot und „Slang“ als Sondersprachen Argot - Argot im Französischen - Slang - „Slang“ in der medizinischen Praxis Argot Ein ähnliches Schicksal wie dem Rotwelschen ist dem Argot in Frankreich widerfahren. Dieser entspricht (n. Bußmann 2002, S. 92) dem engl. cant. Argot ist ursprünglich eine Sondersprache der französischen Bettler und Gauner, belegt seit dem Mittelalter. Argot und die Alltagssprache Im weiteren Sinne ist der Argot „jede Form v. Sondersprache ( > Geheimsprache < ) einer sozial abgegrenzten (häufig als asozial abgestempelten) Gruppe, die vor allem durch ihren spezifischen Wortschatz von der Standardsprache abweicht“ (Bußmann 2002, S. 92). Argot bedeutet zunächst ‚Gebiet, Königreich der Unterwelt‘ und ist lange als Geheimsprache der Verbrecher, Taschendiebe, Bettler und Gauner angesehen worden. Im 19. Jh. treten soziale Veränderungen ein, welche dem ursprünglichen Milieu weitgehend den Boden entziehen, so dass die unterschiedlichen Argots ihre Funktion als Geheimsprache verlieren und der Wortschatz allmählich partiell in die Alltagssprache eindringt. An diesem Prozess ist auch die schöne Literatur nicht ganz unbeteiligt (vgl. Le Robert 1998, S. 197). Der sondersprachliche Argot gehört heute in das Umfeld der Prostitution, der Straffälligen (Kriminalität) und Subkulturen, aber auch der einfachen Gaststätten (Bistrots); er benötigt ein „Milieu“. Jenisch <?page no="94"?> Soziolinguale Ausgrenzung 80 Nach E. Radtke (1982) ist der Argot (1) eine Sonderbzw. Gruppensprache mit „technischem“ Vokabular und (2) ein Teil der Volkssprache, der u. a. die Gefühlswelt ausdrückt (im positiven wie negativ-pejorativen Sinn). Diese Definition hängt mit dem Funktionswechsel des Argot im 19. Jh. zusammen. Im gesprochenen Französisch sind seitdem viele Argotwörter üblich. Man vergleiche dies mit dem Eindringen von Wörtern des Rotwelschen in die stilistisch niedere Umgangssprache des Deutschen (Eimer. kesse Biene, dufte, Blauer Brief, Schlamassel usw. - vgl. Abb. 3.9). Radtke versucht, mit Hilfe eines Modells den französischen Argot a) innerhalb der sprachlichen Schichtung („Diastratik“) des heutigen Französisch und b) in seiner historischen Entwicklung darzustellen. Radtke (1982, S. 162) erläutert: „Mit der zunehmenden Regression der Dialekte dringt der Argot als besonders reichhaltiges Expressivitätspotential verstärkt in die Volkssprache vor, gleichzeitig erleichtert die rasch anwachsende Verstädterung und Metropolenbildung (im Falle von Paris) diesen Vormarsch, denn der Dialekt als ländlich abgeschiedenes, konservatives Sprachregister findet keine Anwendung mehr in den städtischen Unterschichten der Bevölkerung, die sich früher als die Landbewohner mit dem sprachlichen Anpassungsprozeß an das fran ais courant auseinandersetzen müssen und Argotelemente zur Wahrung des Expressivitätskataloges als Ersatz der verlorengegangenen Dialektdynamik absorbieren.“ Die daraus resultierende umgangssprachliche Dynamik zeigt sich in „lexikalischer Innovation, Schnelllebigkeit, Expressivität, Spontaneität“. Es gibt sogar einen Argot der Priester, was zeigt, dass die Grenzen zur Gemeinsprache fließend sind. Man hat daher den Terminus Jargot vorgeschlagen, um die Nähe zum Jargon anzuzeigen. „Offensichtlich stehen die Argots und Fachjargons in einer polaren Beziehung, die auf dem Spiel zwischen dem eingeweihten und nicht eingeweihten Gesprächsteilnehmer beruht“ (Denise François-Geiger in Colin/ Mével 1990, S. XIII f.). Der Einfluss des Argot auf die französische Gegenwartssprache ist also unübersehbar. Die fließenden Übergänge zur Umgangssprache gelten auch für den Slang, der im angelsächsischen Sprachraum z. T. dem Argot entspricht. Der Slang ist ein gesucht originelles, lässiges, affektorientiertes Register der Umgangssprache mit sondersprachlichen Merkmalen. „Slang“ in der medizinischen Praxis Der „Slang“ ist im Unterschied zum Jargon häufig „Spiel und scherzhafter Übermut“ (Porzig 1986, S. 254), gerichtet gegen die traditionelle Aus- <?page no="95"?> Sondersprachen Erwachsener 81 drucksweise. Die „Sprüche“ der Schüler (s. Kap. 3.1.2) sind vergleichbar; während jene aber eine relative Konstanz und weite Verbreitung aufweisen sowie an mehrere Schülergenerationen gebunden sein können, werden Slang-Ausdrücke häufig ad hoc gebildet und wieder fallengelassen - für ein und denselben Vorgang wurden in einer medizinischen Praxis dreizehn Ausdrücke gehört. Diesen Slang versucht Wilma Mahler (1978, S. 4 ff.) zu klassifizieren. Demzufolge hat er mindestens drei Erscheinungsformen: • als Laborslang, der ausschließlich von Frauen benutzt wird, • als Röntgenslang, von Ärzten und Assistentinnen gleichermaßen gebraucht; • als OP-Slang, der von Männern geprägt wird („reiner Männerslang“), ohne Beteiligung der OP-Schwestern. Diese Klassifikation ist soziologisch orientiert, weil die Benutzer a) Frauen, b) Ärzte und Assistentinnen und c) ausschließlich Männer sind. Daneben kann die kommunikative Reichweite als Kriterium gelten; dann wird unterschieden zwischen: a) national verständlichem „Stammslang“, b) Regionalslang und c) Kleinstgruppenslang, der von Praxis zu Praxis unterschiedlich, äußerst spontan und ständigen Veränderungen unterworfen ist. Dieser ist erhebungstechnisch schwer zu fassen und entsprechend schwer zu beschreiben. Ein Beispiel für a) ist Motten in der Bedeutung ‚Tuberkulose“, für b) süddeutsch Stäge klettere versus norddeutsch Hühnerleiter machen in der Bedeutung ‚eine Verdünnungsreihe herstellen‘ und für c) der nässt ein, der lässt sich aus, der baut ‘nen Wasserfall (u. v. a. m.) in der Bedeutung ‚er gibt Urin in ein Glas‘. Die Ausdrücke treten häufig in Kurzform auf, z. B. Halsnagel für ‚Oberschenkelhalsnagelung‘, SGOT bzw. OT für ‚Substrat-Glutamat-Oxalacetat-Transaminase‘, Diffs für ‚Differentialblutbilder‘. Benennungsmotive für den Wortschatz des Laborslangs können aus vielen Bereichen stammen, z. B. denen der Nahrungsmittel, der Handarbeit und der Kinderbetreuung sowie des Kochens und Putzens. In dem von Wilma Mahler (1978, S. 14, vgl. Abb. 3.11) aufgezeichneten Dialog werden die Unterschiede in der Kommunikation zwischen den Medizinisch-Technischen Assistentinnen („Kolleginnen“) in einem Labor deutlich, und zwar a) untereinander und b) mit einem Patienten. Mahler bezeichnet den Slang der „Kolleginnen“ als derb, aber nach „zwei Stunden Publikumsverkehr“ auch als entspannend. <?page no="96"?> Soziolinguale Ausgrenzung 82 Abb. 3.11: Laborslang und Umgangssprache (aus: Mahler 1978) Zum Patienten: Würden Sie bitte etwas Urin abgeben? Zur Kollegin: Der muss noch ins Glas pinkeln. Zum Patienten: Ich muss Ihnen noch etwas Blut abnehmen. Zur Kollegin: Ich zapf den noch schnell an. Zum Patienten: Ich drücke Ihnen jetzt diesen Stempel in den Oberschenkel. Das ist ein Test auf Tuberkulose. Sie brauchen keine Angst zu haben. Es geht ganz schnell und tut nicht weh. Zur Kollegin: Ich geh stempeln. Zum Patienten: Wir brauchen einen Harnröhrenabstrich von Ihnen. Zur Kollegin: Draußen sitzt 'ne Triefnase. Zum Patienten: Gedulden Sie sich bitte noch etwas. Wir haben sehr viel zu tun. Zur Kollegin: Das dauert! Wir stehen bis zum Hals in Blut. 3.2.3 Massenjargon Massenjargon in der Fußballreportage? - kognitiv und emotional bedingte Stereotypen - Fachjargon Massenjargon in der Fußballreportage? Charakteristisch für den Jargon ist dessen ausgrenzende Funktion: Die in dem Jargon Kommunizierenden haben ein „Wir“-Gefühl. Typisch ist ferner - wie im Argot - die Emotionalität. Die Fußballreportage erfolgt vielfach im Jargon. Auch Fachausdrücke werden emotional paraphrasiert; beispielsweise wird die Bezeichnung den Ball schießen - Ausdruck eines wichtigen Begriffs der Fußballwelt - in der Sportberichterstattung ersetzt durch ein anderes Verb: bomben, durch die Substantivierung des Verbs: ein Bombenschuss! oder durch Weglassen des Verbs: knapp am Tor vorbei. Von der relativ einseitigen Kommunikationsrichtung abgesehen, erfolgt in der Sportberichterstattung keine Kommunikation von Gruppen, sondern die Masse der Fußballanhänger ist Rezipient der Reportage. Es handelt sich weitgehend um „Fachleute“, denen das Spielgeschehen über einen Jargon vermittelt wird. Dieser Fachjargon ist somit ein Massenjargon. Er zeichnet sich durch stets wiederkehrende Stilmerkmale aus: den ständigen Gebrauch von bestimmten Metaphern und Redewendungen, durch grelle Effekte, extreme Hyperbolik und <?page no="97"?> Sondersprachen Erwachsener 83 emotionale Aufgeladenheit. Charakteristisch sind - ähnlich wie im Jargon der Jugendlichen - bestimmte Stereotype kognitiver und emotionaler, nicht sozialer Natur: Angst und Schrecken, Trauer, Leid, Enttäuschung, Ärger, Wut, Zorn (vgl. Abb. 3.12). Abb. 3.12: Emotional bedingte Stereotype in der Sportberichterstattung (Zeitungsreportagen Mai/ Juni 1978, eigene Quelle) Stereotype: Angst und Schrecken Quelle Italien ist zum Fürchten kalt. Bild ... die zitternden argentinischen Fans. Kicker Der ... ,Empfang des Schreckens, fand nicht statt. AZ Die Favoriten fürchten sich. NZ Stereotype: Nervosität und Verwirrung Quelle Offensichtlich ein Akt psychologischer Kriegsführung. Kicker Er erlag dem Psychoterror der Sprechchöre und wechselte die Farbe. Kicker Stereotype: Trauer, Leid, Enttäuschung Quelle Weinend verzieht sich Kaabi nach dem Spiel auf sein Zimmer. Bild Die Mexikaner haben ... nach ihrer 1: 3 Pleite ... geweint. Bild ... gingen gesenkten Hauptes davon. Kicker ... die Schotten mit hängenden Köpfen vom Platz schlichen. Kicker Stereotype: Ärger, Wut, Zorn Quelle Der Bundestrainer tobt. Bild Manchmal flucht er so gotterbärmlich wie ein Kanalarbeiter aus Köln- Kalk. ‚Leck mich in de Täsch! ‘, ist noch was Harmloses. Bild Stereotype: Jubel und Stimmung Quelle . .. am Nachmittag weinte ganz Argentinien vor Freude mit. AZ ... frenetische Sprechchöre, Argentina, Argentina! Kicker War das ein Fußballabend, da lachte das Herz. Bild Stereotype: Unabwendbares Quelle Ein fast unheimliches Gesetz der Serie: Zum vierten Male ... Kicker Höllischer Rasen in Mendoza. NZ Stereotype: Gewalt Quelle Das blutigste Endspiel. Nase und Zeh gebrochen, Zähne wackeln. Bild Tarantini lief das Blut aus der Nase, färbte sein Trikot, als wäre er ins Herz getroffen. Erbarmungsloser Fußball! Bild AZ = Allgemeine Zeitung Mainz NZ = Nordseezeitung Bremerhaven Außerdem: Bild (= Bildzeitung) und die Sportzeitschrift Kicker. <?page no="98"?> Soziolinguale Ausgrenzung 84 Die Lektüre von Sportberichten in den Sportrubriken von Tageszeitungen bzw. in speziellen Sportzeitschriften soll den Leser veranlassen nachzuvollziehen, wie es zu den Ergebnissen gekommen ist. Der Vergleich mit den eigenen Eindrücken des Sporterlebnisses - direkt miterlebt oder über Rundfunk und Fernsehen vermittelt - sowie die verwendete Sprache, die Fachausdrücke enthält, geben dem Leser nicht nur das Gefühl, ein Fachmann zu sein, sondern die Vorgänge, fachmännisch vermittelt, erneut zu erleben. Wegen der metaphorischen und emotionalen Prägung des Wortschatzes einerseits und der sach- und fachgerechten Vorgangsbeschreibung andererseits wird die Sprache der Fußballreportage als Fachjargon bezeichnet. Der Fachjargon trägt die Merkmale von Jargons und Fachsprachen, d. h., er ist situationsbezogen, hat emotional orientierte Wörter und Wendungen und ist zugleich präzise in der Vorgangsbeschreibung. 3.2.4 Fachsprachen als Sondersprachen: Macht und Herrschaft Macht und Herrschaft soziologisch, linguistisch - Fachsprachen - Vertrautheitsstufen des Sachwissens - Macht und Kommunikationskonflikte Macht aus soziologischer Sicht Nicht zu unrecht wird behauptet, dass ein „Zusammenhang von Sprache und Herrschaft“ besteht (z. B. Sobetzko: „Sprache ohne Herrschaft? “ 1984). Soziologisch ist der Begriff Herrschaft an Institutionen gebunden (Familie, staatliche Institutionen), somit auch an Amtspersonen, die legitim Gehorsam fordern dürfen (vgl. Burghardt 1974, S. 202 f.). Macht ist der Oberbegriff „im Sinne der Überlegenheit von Menschen über andere Menschen“ (dies und das folgende Zitat aus Hradil 1999, S. 254). Macht ist „jede wesentliche Beeinflussung ..., die ein Bestandteil der Gesellschaft über einen anderen ausübt bzw. ausüben kann, ohne daß dieser in der Lage ist, sich der Einwirkung zu entziehen.“ Ergänzend dazu die Definition von Burghardt (1974, S. 199): Die Macht „ist die Chance einer Person (Machthaber), als Folge einer bestimmten Position in einem sozialen System (Machtposition), im Rahmen von Entscheidungen auf andere Menschen (Machtunterworfene) einen Einfluß, auch gegen deren Widerstand, ausüben zu können, sie zu belohnen oder zu bestrafen.“ <?page no="99"?> Sondersprachen Erwachsener 85 Eine besondere Form der Macht ist die institutionalisierte Macht oder Herrschaft. Herrschaft ist der an Institutionen gebundene Anspruch, für einen Befehl „bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“ (Hradil 1999, S. 254). Beispiele dafür, dass mit Sprache Macht ausgeübt wird, finden sich leicht. Man denke an die eigene Fähigkeit oder Unfähigkeit, eine Fremdsprache zu verstehen, selbst zu sprechen und zu schreiben, an die Propagandasprache in totalitären Staaten (z. B. an die Sprachlenkung im Nationalsozialismus) oder an Macht und Herrschaft im militärischen Bereich, sprachlich als Befehle realisiert. Macht aus linguistischer Sicht Auch in der alltäglichen Kommunikation wird je nach Situation Macht ausgeübt, wie z. B. die Untersuchung von Verständigungsproblemen zwischen Fachleuten und Laien zeigt, die Els Oksaar am Beispiel der Arzt-Patienten-Interaktion verdeutlicht hat (Oksaar 1988a, S. 171 ff.). Der Arzt kann Laien gegenüber Fachwörter gebrauchen, um a) seine Macht als „Halbgott in Weiß“ zu demonstrieren, b) sein Nichtwissen zu verbergen (er ist sich über eine Diagnose nicht schlüssig), c) dem Patienten die Wahrheit zu verheimlichen, d) dem Patienten gefällig zu sein (dieser möchte die Wahrheit verklausuliert erfahren). Els Oksaar fragt: „Warum, wie und auf welchen kommunikativen Ebenen entstehen Schwierigkeiten bei der Arzt-Patienten-Interaktion? “ Es ließe sich weiterhin fragen: „Sind Kommunikationskonflikte u. a. dadurch bedingt, dass Macht- und Herrschaftsverhältnisse sprachlich zutage treten? “ Für die Interaktion zwischen Arzt und Patienten anlässlich der Visite auf Krankenstationen ist dies nachgewiesen (vgl. auch Bliesener 1982, Lörcher 1983). Dazu wird in Kapitel 4 noch Näheres ausgeführt. Fachsprachen Fachsprachen dienen der optimalen Kommunikation unter Fachleuten (vgl. die Formulierung in Kap. 1.2.4). Der Vergleich von Fach- und Nicht-Fachsprache (Gemeinsprache) ergibt aber viele Überschneidungen, da a) ein Teil des Fachwort- <?page no="100"?> Soziolinguale Ausgrenzung 86 schatzes bezüglich der Form gemeinsprachlich und nur inhaltlich spezifiziert ist (z. B. Pferd Pferd, Bedeutung: ‚Zug- und Reittier‘ ‚Turngerät‘) und b) die Inhalte von vielen Fachwörtern den Sprechern der Gemeinsprache wenigstens partiell bekannt sind. Beispielsweise wissen die meisten Sprecher, was die Bezeichnungen Wein, (Wein-) Lese, (Wein-) Presse, Blume bedeuten, auch wenn sie fachsprachlich nicht vorgebildet sind; das gleiche gilt für Autoteile wie Katalysator, Vergaser, Auspuff, Kerzen. Schräder (1991, S. 116) unterscheidet fünf Stufen der Vertrautheit mit Fachwörtern: 1 Laie - 2 leicht Informierter - 3 gut Informierter - 4 fachlich Versierter - 5 Experte. Befragungen Schräders ergeben statistische Werte (Quantitäten) über die Sachkenntnis von zehn Probanden, z. B. zur Funktionsweise, zu den Bauteilen, dem Material, der Anbaustelle von KFZ-Teilen wie: Motor, Katalysator, Tachometer, Drehzahlmesser, Bremspedal, Schalthebel, Batterie, Luftfilter, Lichtmaschine, Kühler, Vergaser, Bremsscheibe, Bremsbelag, Nockenwelle, Kolben, Federkugel, Automatic, P. Injection u. a. Den Autofahrern sind diese Bezeichnungen wohlbekannt, die Funktionen der bezeichneten Dinge aber nicht. Einige Ergebnisse sind in Abb. 3.13 und 3.13' wiedergegeben. Den Diagrammen lässt sich entnehmen, wie die allmähliche „Verfachlichung“ von den laienhaften hin zu den Expertenkenntnissen erfolgt, d. h. in welchem Umfang die Sach- und Fachkenntnis zunimmt; linguistisch gesehen: in welchem Maße die an das Objekt gebundene semantische Spezifikation zu- oder abnimmt, d. h. in Richtung auf die Fachsprache (Kategorie 5) ansteigt bzw. in Richtung auf die Gemeinsprache abfällt (Kategorie 1). Das Mittelfeld hat eine Fachkenntnis zwischen 40,6 und 71,6 %. Man sieht aber auch, dass selbst „Experten“ nicht perfekt sind. Weil Experten sich immer streiten, welche Inhalte sie den Fachausdrücken zuschreiben sollen, ist dies, soziolinguistisch gesehen, kein außergewöhnlicher Vorgang. Der Streit ist metakommunikativ und vielfach unendlich. Von größerer Bedeutung hingegen ist der Konflikt zwischen Experten einerseits und Nicht-Experten andererseits. <?page no="101"?> Sondersprachen Erwachsener 87 Abb. 3.13 : Fachsprachliches Sachwissen abhängig von der Vertrautheitsstufe (Schräder 1991, S. 213) Vertrautheitsstufe 1 2 3 4 5 Funktion 48,9 60,0 83,3 90,0 94,2 Funktionsweise 19,5 35,3 43,1 62,1 76,7 Bauteile 8,3 22,9 39,6 54,2 68,8 Material 24,4 46,2 61,5 76,9 82,7 Anbaustelle 26,8 38,4 75,0 75,0 92,0 Durchschn. Sachwiss. 25,6 40,6 60,5 71,6 82,8 Abb. 3.13' : Fachsprachliches Sachwissen (als Diagramm) abhängig von der Vertrautheitsstufe (Schräder 1991, S. 214) Macht und Kommunikationskonflikte durch Fachsprachen Die Gradation von Abb. 3.13 bzw. 3.13 ' zeigt, wie ein Sprecher das Nichtwissen des Hörers ausnutzen könnte. Das alltagssprachliche Stereotyp „Wissen ist Macht“ scheint sich zu bestätigen. Man kann die Hypothese aufstellen, dass die Macht, die ein Kommunikationspartner theoretisch über andere besitzt, proportional ist zu seinem Sachwissen bzw. dem Grad seiner Vertrautheit mit einer Sache. <?page no="102"?> Soziolinguale Ausgrenzung 88 Wie Kommunikationskonflikte durch Fachsprachen entstehen, hat Wiegand (1979) erläutert. Er bezeichnet die Verwendung von Fachausdrücken als Hauptursache für „Sprachverstehenskonflikte“. Die Voraussetzung einer geglückten Kommunikation zwischen Experten und Laien ist, dass der Experte daran interessiert sein muss, dass der Laie ihn versteht. Denn wenn der Experte keine „kontrakonfliktäre“ Haltung einnimmt, ist der „akute Kommunikationskonflikt“ nicht lösbar (Begriffe n. Wiegand 1979, S. 39). Kommunikationskonflikte sind somit nicht lösbar, wenn der Experte nicht bereit ist, sich laienhaft auszudrücken und die Fachwörter umgangssprachlich zu paraphrasieren. Dieser muss von seiner Machtposition ablassen und darf den Vorteil seiner Fachkenntnisse gegenüber dem Laien sprachlich nicht ausnutzen. Ebenso darf die Fachsprache auch nicht zur „Imponiersprache“ werden, indem Fachwörter bewusst gewählt und Dialoge wortreich aufgebläht werden, weil der Fachmann imponieren will (vgl. Ickler 1997, S. 338 ff.). Literatur (Auswahl) Colin/ Mével 1990 - Hradil 1999 - Mahler 1978 - Oksaar 1988a - Radtke 1982 - Schräder 1991 - Siewert 1996 - Wiegand 1979 - Wolf 1993 Kontrollfragen (Antworten in Kapitel 8, S. 228) 3.2.01 Definieren Sie „Subkulturen“. 3.2.02 Geben Sie die Etymologie von Rotwelsch. 3.2.03 Nennen Sie einige, im 20. Jh. noch bestehende Reste des Rotwelsch. 3.2.04 Definieren Sie „Argot“. 3.2.05 Welche Funktion hat der Argot heute? 3.2.06 Was ist unter „Slang“ zu verstehen? 3.2.07 Nennen Sie Klassifikationskriterien für den Slang in der medizinischen Praxis. 3.2.08 Geben Sie Beispiele für emotional bedingte Stereotype in der Sportberichterstattung. 3.2.09 Definieren Sie „Fachjargon“. 3.2.10 Definieren Sie „Macht“. 3.2.11 Definieren Sie „Herrschaft“. 3.2.12 Erläutern Sie die Vertrautheitsstufen im fachsprachlichen Sachwissen. <?page no="103"?> 4 Kommunikationskonflikte in Institutionen 4.1 Öffentliche Ordnung und Verwaltung 4.1.1 Soziale Institutionen Definition von „Institution“- Bereiche und Sparten - Ein Modell Definition von „Institution“ Die Familie ist eine Institution. Andere Institutionen sind z. B. das Krankenhaus, das Sozialamt, die Bundeswehr, Kirchen, Gewerkschaften. Wolfgang Lipp (in Schäfers 2000, S. 148) definiert die (soziale! ) Institution: Eine Institution ist eine „soziale Einrichtung, die auf Dauer bestimmt, ‚was getan werden muss‘.“ Soziolinguistisch gesehen, können Institutionen auch „als Mechanismen beschrieben werden, die ‚Spannung‘ stabilisieren“ bzw. Konflikte, die zwar über die Kommunikation deutlich werden, aber oft wegen der üblichen Kommunikationspraxis so nicht zu lösen sind - z. B. im Rahmen eines Arzt- Patienten-Gesprächs im Krankenhaus oder als „Deutungsschemata des Sozialamts“ (vgl. Klaus Gloy in: Klein/ Presch (Hgg.) 1981, S. 87-125). In den öffentlichen Institutionen kommunizieren Akteure, a) die Dienstleistungen erbringen und ein relativ hohes Wissens- und Machtniveau haben, und b) solche, die dies nicht haben und Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Bereiche und Sparten Fünf Bereiche Ehlich/ Rehbein (1980) versuchen eine verbale Systematisierung der Bereiche von linguistisch relevanten Institutionen. Hier werden fünf Bereiche ausgewählt, von denen insbesondere die Produktion und Zirkulation sowie die Religion einer Vervollständigung bedürfen (vgl. Abb. 4.1). Zu ergänzen wäre auch ein Bereich „Massenmedien“. Unter Produktion und Zirkulation werden die Herstellung und der Vertrieb von Waren verstanden, so dass die Sparten „Wirtschaft“ und „Verkehr“ zu nennen und dann weiter zu spezifizieren wären (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, Gewerkschaften, Firmen der Automobil-, Chemie-, Stahlbranchen, Bahn, Post, Telekommunikation usf.). Die Liste der von Reimann <?page no="104"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 90 (1991, S. 173 f.) aufgeführten „strategischen Einrichtungen zur Erfüllung von individuellen und kollektiven Bedürfnissen“ hat den Vorteil, dass Funktionen und Funktionsüberschneidungen genannt werden sowie Rollen der Repräsentanten, z. B. „Konsument, Produzent, Arbeiter, Unternehmer, Händler“ - sämtlich der „Institution Wirtschaft“ zugeordnet. Der Nachteil der Reimannschen Tabelle besteht darin, dass nicht eigentlich Institutionen aufgezählt werden, sondern noch näher zu spezifizierende Bereiche wie „Wirtschaft“, „Freizeit“ u. dgl. Institutionen des Bereichs „Religion“ sind kirchliche Institutionen und die Kirchenverwaltung, diverse karikative und missionarische Einrichtungen u. dgl. Der von Ehlich/ Rehbein so bezeichnete Bereich „Individuelle Reproduktion und Ausbildung“ wird unter dem Titel „Erziehung und Ausbildung“ geführt und modifiziert; er bildet hier einen Schwerpunkt wie auch der Bereich „Öffentliche Ordnung und Verwaltung“ (bei Ehlich/ Rehbein „Juristische und politische Institutionen“) - ein Bereich, dessen Institutionen funktional die „Aufrechterhaltung der geltenden gesellschaftlichen Ordnung nach innen und außen“ wahrnehmen. Ein Modell Abb. 4.1: Kommunikation in Institutionen - Auswahl (Daten n. Ehlich/ Rehbein 1980 u. Reimann 1991, modif. Systematik) <?page no="105"?> Öffentliche Ordnung und Verwaltung 91 4.1.2 Institution Klinik Kommunikationsbedingungen - Strategien der Abweisung und Gegenstrategien - Machtstrategien der Ärzte (Modell) Kommunikationsbedingungen Die Arzt-Patienten-Interaktion wird verschiedentlich analysiert, z. B. durch Bliesener (1982), Lörcher 1983, Bliesener/ Köhle (1986), Oksaar (1988a), Johanna Lalouschek in Redder/ Wiese (Hgg.) 1994 sowie in vielen weiteren Einzelstudien, die z. T. in Sammelschriften herausgegeben worden sind - vgl. Becker-Mrotzek 1992/ 93. Hier steht die frühe Arbeit von Bliesener im Mittelpunkt. In der Kommunikation zwischen Arzt und Patienten tritt der Fachwortschatz zurück, ebenso der Berufsjargon, der bei dem Personal üblich ist. Dennoch ist der Arzt in der Lage, durch die Kommunikation Macht auszuüben. Mit welchen Mitteln geschieht dies? Folgende Kommunikationsbedingungen sind in der Klinik bei der Visite anzunehmen: 1.) die Intention des Nachrichtenaustauschs - der Arzt möchte Informationen gewinnen für Diagnose und Therapie, der Patient bzw. die Patientin gibt Auskunft über die persönliche Lage, eventuell verbunden mit Wünschen, und gegebenenfalls gibt das Begleitpersonal (z. B. MTA) dem Arzt weitere Informationen; 2.) die soziale Beziehung - es besteht eine Rollenverteilung Arzt - Patient(in) und damit verbunden sind Machtverhältnisse, denn der Arzt ist der „Machthaber“, der Patient bzw. die Patientin hat die Rolle des bzw. der Machtunterworfenen; 3.) die psychischen Bedingungen - am entscheidendsten ist die Aufrichtigkeitsbedingung, die weder von dem Arzt noch von dem Patienten bzw. der Patientin immer respektiert wird, weil der Arzt z. B. nicht offen über seine Krankheitsdiagnose sprechen will, und aus diversen Gründen wollen auch die Patienten nicht immer; 4.) die physischen Bedingungen - das psycho-physische Kommunikationsvermögen aller beteiligten Kommunikationspartner vorausgesetzt, ist der Arzt stabil und aktiv, der Patient bzw. die Patientin hingegen labil, bettlägerig und passiv; 5.) die sprachlichen (medialen) Bedingungen - der Arzt versucht in der Regel, sich sprachlich auf den Patienten bzw. die Patientin einzustellen, je nachdem also eine elaborierte Sprache und Fachwörter zu vermeiden, während der Patient bzw. die Patientin in der Sprachwahl einen gewissen Freiraum hat. <?page no="106"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 92 Strategien der Abweisung und Gegenstrategien Außer diesen notwendigen Kommunikationsbedingungen sind für Bliesener die Strategien aller, die an der Kommunikation beteiligt sind, von Relevanz. Besonders auffallend sind Strategien der Abweisung. Abb. 4.2: Strategien eines Arztes und einer Patientin (Daten n. Bliesener 1982) Strategie Patientin Arzt Strategie Initiativkern Nur die Kost schmeckt mir nicht. Haha. Was hätten Sie denn lieber? Vorfrage Präzisierung. Vage Wunschformulierung Das Geschlappere da. Bissle was Festes unter den Zähnen. Nein, das ist nicht gut für den Magen. Stellungnahme Erneute Präzisierung Aber doch wenigstens ein Stückle äh Was Stückle? Blutwurst oder was? Vorgriff auf endgültige Stellungnahme Wiederholung u. Präzisierung d. Wunschs Nein, nein, sell nit. Aber ein bissle Knäckebrot und ein bisschen Käse drauf. [Zur Schwester: ] Was kriegt sie denn jetzt? [Schwester: ] Ulcus I. Vorfrage zur Kost Antwort Frage zwecks Präzisierung Das Erbrechen? An sich hat sie das Ulcus ja schon länger, nicht? Wie lange hat sie - haben Sie das jetzt? Sechs Wochen, nicht? Vorfrage zum Zustand Bestätigung Ja, das ist schon weg. Ja, aber das Erbrechen hat sich jetzt gegeben bei der Kost, gell? Vorfrage zur Antwortbegründung Dann warten wir jetzt erst mal zu. Und dann warten wir auch den Eisenwert ab ... Antwortkern Präzisierung <?page no="107"?> Öffentliche Ordnung und Verwaltung 93 Aspekte der Strategien der Kommunikationspartner rangieren in einem mehrdimensionalen Kommunikationsmodell stets zwischen a) Situation als Funktion von Pragmatik und b) Ausdruck als Funktion von Syntaktik. Meist handelt es sich um Komplexe von Strategien, im Falle des hier gegebenen Beispiels um den Komplex der „Abweisung“ und nicht etwa den der „Konflikt-Befriedung“ (vgl. Bliesener 1982, S. 188 ff.). Wirkung der Macht In vielen Kommunikationssituationen besteht ein kommunikatives Ungleichgewicht. In der „offensichtlichen Spannung zwischen Patientenerwartungen einerseits und in klinischen und arbeitsorganisatorischen Funktionsabläufe eingebundener Routineabwicklung andererseits“ liegt ein „latenter Konfliktgehalt“ (Fehlenberg 1983, S. 31). Abb. 4.3: Machtstrategien der Ärzte und ihre Wirkung (leicht modif. aus: Bliesener 1982, S. 196) Während die Visite „in erster Linie eine Arbeitsbesprechung über den Patienten, nicht ein Gespräch mit ihm“ ist, erwartet der Patient ein Gespräch. Auch darin liegt ein „latenter Konflikt“. Mit Recht versuchen der Patient bzw. die Patientin, auf ihre Bedürfnisse hinzuweisen, während der Arzt bzw. die Ärztin in den Fällen, die in Abb. 4.2 und 4.3 skizziert sind, „den Patienten mit bestimmten, hochwirksamen Abweisungsstrategien mundtot macht“ (Bliesener 1982, S. 7). Auch wenn Strategien, die sich an Konformität orientieren, verwendet werden, bleibt doch das Faktum „Macht und Herrschaft“ seitens des Klinikspersonals (vgl. S. 84 f.). <?page no="108"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 94 Handlungsstrategien dienen der Ausübung von Macht und Herrschaft. 4.1.3. Institution Gericht Zwei Fälle - Verhandlung und Urteil - Sozialschicht und Strafverf ahren Zwei Fälle Wie in der Klinik besteht auch vor Gericht ein Ungleichgewicht der Kommunizierenden. Dies lässt sich besonders an Verhandlungen zeigen, in denen ein Richter und ein Angeklagter die Akteure sind. Abb. 4.4: Zwei Fälle vor dem Verkehrsgericht (n. Leodolter 1975) D. Angeklagte Fall A Fall B Alter 27 Jahre 29 Jahre Beruf Universitätsassistent Fach: Reine Philosophie Hausfrau, Ehemann: Flugzeugwart Schulbildung Studium Berufsschule Tathergang Verkehrsunfall mit Todesfolge bei zu hoher Geschwindigkeit Verkehrsunfall mit Todesfolge bei zu hoher Geschwindigkeit Unfallgegner nicht auf d. Zebrastreifen Missachtung d. Vorfahrt Schilderung des Tathergangs umfassend, zusammenhängend, konsistent Gegenteil v. A: nicht umfassend ... (usw.) Orientierung an den Normen d. Richters ja nein Geschehen am Tatort objektiviert nicht objektiviert Rede fließend nicht fließend Schuldeinsicht ja nein Image positiv negativ Strafzumessung 14.000 Schilling (ca. € 1.017) 3 Monate Haft (ohne Bewährung) Wer an Verkehrsunfällen beteiligt ist, wird nicht von vornherein mit einem bestimmten Milieu bzw. einer bestimmten Sozialschicht identifiziert - an- <?page no="109"?> Öffentliche Ordnung und Verwaltung 95 ders als bei Raub und Einbruch, assoziiert mit niederem bzw. Korruption, assoziiert mit hohem Sozialmilieu. Daher lässt sich anhand von Verkehrsunfällen unverzerrt überprüfen, ob und in welchem Maße die soziale Herkunft und das daran gebundene Sprachverhalten maßgebend sein können für den Verlauf und das Ergebnis einer Gerichtsverhandlung. Die Strafzumessung gibt dieser Hypothese Recht. Sozialschicht und Strafverfahren Verhandlung und Urteil Ruth Leodolter (1975) hat dies in einem österreichischen Gericht anhand von zwei Verkehrsunfällen mit Todesfolge überprüft. Abb. 4.4 enthält die wesentlichen Daten. Unter Berücksichtigung weiterer Fälle konstatiert Leodolter (1975, S. 234 f.) die folgenden Ergebnisse: 1.)Hinsichtlich des Gerichtsverfahrens - die Verhandlung ist eine Folge von Kommunikationsakten - besteht eine Benachteiligung für Angeklagte aus der sozialen Unterschicht. 2.)Die Benachteiligung wird auf die unterschiedliche Sozialisation zurückgeführt: Im Gegensatz zu Unterschichtangehörigen haben die Angeklagten aus der Mittelschicht die vor Gericht erforderlichen Handlungsstrategien in anderen Situationen gelernt und können diese transferieren. Folglich werden sie positiver beurteilt als die Angeklagten aus der Unterschicht. 3.)Die Verschiedenheit in der Sozialisation lässt sich auf das Vorkommen bzw. Fehlen entsprechender Lernprozesse reduzieren. Denn vorbestraften Unterschichtangehörigen, die Situationen vor Gericht erfahren haben, gelingt es ebenfalls, ein positives Image aufzubauen und dadurch relativ günstig beurteilt zu werden. Das Beispiel des vorbestraften Unterschichtangehörigen zeigt, dass dieser sich auf die Erwartenshaltung des Richters eingestellt hat. Hier gelten die bezüglich der reflexiven Co-Orientierung (Abb. 1.6) gemachten Feststellungen: Der Angeklagte (A) orientiert sich an dem Sachverhalt X in bezug auf die vermeintliche Orientierung des Richters (B) an der Orientierung des Angeklagten (A) an dem Sachverhalt X. Entsprechend orientiert sich auch der Richter (B) an dem Sachverhalt X in dem Maße, in dem sich vermeintlich der Angeklagte (A) in bezug auf die Orientierung des Richters (B) an dem Sachverhalt X orientiert. Handlungsstrategien werden im Verlauf der Sozialisation erworben. <?page no="110"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 96 Handlungsstrategien werden durch erfahrene Situationen erworben. Erlernte Handlungsstrategien werden auf neue Situationen übertragen. 4.1.4. Ämter und Verwaltung Sozialamt - Verständnisfördernde und verständnisfeindliche Strategien - Behördendeutsch - Verständigungsprobleme in der Behörde - Syntax - Sprache der Verwaltung und mündliche Alltagssprache Sozialamt Wie in den bisher behandelten Institutionen werden auch in den - öffentlichen - Ämtern, z. B. dem Sozialamt, bestimmte Strategien in der Kommunikation zwischen den Vertretern der Institution und den sogenannten Klienten angewandt. Angelika Wenzel (1984) hat 50 Gespräche und damit verbundene Handlungsabläufe zwischen Bürgern und Beamten an drei Sozialämtern in verschiedenen Städten Süddeutschlands analysiert. Aus der Sicht des Beamten des Sozialamts unterscheidet sie zwei Typen von Strategien: verständnisfördernde und verständnisfeindliche. Die verständnisfördernden Strategien beruhen auf dem Ziel des Büroleiters (Beamten), a) sich gut über die Bedürfnisse des Klienten zu informieren und b) ihm den Verwaltungsprozess durchsichtig zu machen. Verständnisfördernde Strategien Zu a) gehören Strategien der Verstehens- und Einverständnisabsicherung, erkennbar aus Rück- und Vergewisserungsfragen, aber auch aufmerksames Zuhören gehört dazu, ausgedrückt durch Signale wie „hm“, „ja“. Ein weiteres Mittel ist die Wiederholung in Form einer „rekonstruierenden Paraphrase“ (Wenzel 1984, S. 84). Zu b) gehören Begründungen und Handlungsanweisungen, die durch institutionelle bzw. persönliche Daten abgesichert werden: „Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung müssten Sie uns noch bringen, die brauch ich ja, das ist für die Hilfe zum Lebensunterhalt auf jeden Fall von Bedeutung“. Rekonstruierende Paraphrasen sind Umschreibungen der Gedankengänge von Gesprächsteilnehmern (Klienten) seitens des Gesprächsleiters. <?page no="111"?> Öffentliche Ordnung und Verwaltung 97 Verständnisfeindliche Strategien Die verständnisfeindlichen Strategien sind: a) ungeduldiges Zuhören (Unterbrechungen, Simultansprechen u. a.); b) direktive Gesprächsführung - Dominanzhaltung des Beamten (Verhörstrategien); c) Abwimmeln durch den Gebrauch von Stereotypen („... ein Sprichwort, es heißt, wie man in den Wald reinschreit, so hallt es wider, ne? Wir sind alle nur Menschen ...“); d) falsche Rekonstruktion in Paraphrasen (Auslassungen gegenüber den seitens der Gesprächspartnerin bzw. des Gesprächspartners geäußerten Gedanken). Die Untersuchung hat u. a. folgendes Ergebnis (Wenzel 1984, S. 44 f.): „Der Aushandlungsprozeß wird in überwiegendem Maße vom Beamten gesteuert ... Er ist es auch, der vom Klienten eingeführte Themen ausklammert ... Der Klient hat dagegen nicht die Möglichkeit, das Gespräch so stark zu steuern, sondern muss auf alle vom Beamten eingeführten thematischen Aspekte eingehen. [Trotzdem] handelt es sich doch insoweit um einen gemeinsamen Aushandlungsprozess, als der Beamte dem Klienten immer die Möglichkeit gibt, sein Verständnis der behandelten Gegenstände zu korrigieren und abzusichern.“ Verwaltung Behördendeutsch Anlässlich einer Arbeitstagung „Bürger - Formulare - Behörde“ hat man sich mit dem Behördendeutsch befasst und festgestellt, dass die in der Verwaltung übliche Sprache vor allem von rechtlichen und administrativen Belangen bestimmt ist, „als künstliche Sprache - von der gleichsam ‚natürlichen‘ Alltagssprache wesentlich unterschieden. Insofern tritt den meisten Menschen diese besondere Sprache zunächst als etwas Fremdes entgegen“ (Richard Albrecht in Grosse/ Mentrup (Hgg.) 1980, S. 76). Vergleichbare Ergebnisse einer Untersuchung von Hildegard Wagner (1970) lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1.) Die Sprache der Behörden beschränkt sich nicht wie die Fachsprachen auf einzelne Berufsgruppen, sondern sie ist fachübergreifend. 2.) Da jeder Bürger in irgendeiner Form mit Behörden zu tun hat, muss er neben der in der Kindheit erlernten Gemeinsprache und der berufsbezogenen Fachsprache Kenntnisse in der Verwaltungssprache erwerben. 3.) Durch die Komplexität der Verwaltungssprache und deren mangelnde aktive und passive Beherrschung seitens der Bürger können entscheidende Kommunikationsbarrieren entstehen. <?page no="112"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 98 Um eine Verbesserung zu erreichen, müssten die in dem Sammelband von Grosse/ Mentrup (1980) verlangten Vereinfachungen seitens der Behörden besser und über bescheidene Anfänge hinaus berücksichtigt werden, insbesondere bei der Gestaltung von Fragen und Anweisungen in Formularen. Margret Selting (1987) hat in einem Modell (vgl. Abb. 4. 5) Typen „lokaler“ und „globaler“ Verständigungsprobleme aufgezeigt. Abb. 4.5: Typik von Verständigungsproblemen in der Behörde (Selting 1987, S. 52, ergänzt u. leicht modif.) Verständigungsprobleme „Lokale“ Verständigungsprobleme i. S. von Abb. 4.5 sind an eine vorausgehende Äußerung gebunden (man versteht nicht, was der Gesprächspartner bzw. die Gesprächspartnerin soeben gesagt hat), „globale“ Verständigungsprobleme sind nicht an eine vorausgehende Äußerung gebunden. Gegenüber dem Originalmodell von Selting wird ergänzend angegeben, was bei einseitigen Verstehensproblemen lokal latent und global manifest ist und welche Beispiele es für latente, wechselseitige Missverständnisse gibt. Das Wiederauftreten der gleichen Beispiele ergibt sich aus der Spiegelbildlichkeit lokaler und globaler Bezugselemente. Selting bezieht sich z. T. auf Gesprächsnotationen: Am wenigsten gravierend und z. T. komisch sind die protokollierten Missverständnisse, die durch „Fehlfestlegung“ zustande kommen, z. B. dadurch, dass der Verwaltungsbeamte nicht direkt versteht, dass der schwerbehinderte Klient von ihm die Bescheinigung des Verlusts eines Eisen- <?page no="113"?> Öffentliche Ordnung und Verwaltung 99 bahnverkehrsausweises wünscht, damit dieser beim Versorgungsamt neu beantragt werden kann; statt dessen versucht der Verwaltungsbeamte eine Klärung über das Fundbüro herbeizuführen, ob der Ausweis dort vielleicht abgegeben worden ist. Folgenschwerer können hingegen andere falsche Annahmen des Verwaltungsbeamten sein, z. B. bezüglich der Voraussetzungen für eine Gebührenbefreiung (Selting 1987, S. 184 ff.). Ein Text von Hildegard Wagner (1970, S. 51) dokumentiert globales Nichtverstehen in der Verwaltungssprache, und zwar bedingt durch einen zu komplexen Satzbau: „Der Verfassungsgerichtshof Bremen entschied mit Urteil vom (...), daß die Nichterfüllung steuerlicher Verpflichtungen dann einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen läßt, wenn diese nicht nur auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse zurückzuführen ist, sondern wenn zu erkennen ist, daß der Gewerbetreibende allgemein nicht gewillt ist, die ihm obliegenden Pflichten gewissenhaft zu erfüllen.“ Zu komplexe Syntax Dieses Satzgefüge hat eine mehrfache Verschachtelung und ist schon deshalb nicht von jedem auf Anhieb zu verstehen. In einer graphischen Kurve, die die Zahl der Wörter pro Satz auf Textbasis vergleicht, ist dies Satzgefüge mit insgesamt 49 Wörtern entschieden zu lang. Dies gilt, wenn man diesen Text an der Satzlänge der „normalen“ Verwaltungssprache misst (Gipfel bei 15 Wörtern), ebenso im Vergleich mit Texten der Autoren der als schwierig geltenden F.A.Z. (Gipfel der Kurve auch bei 15) und auch der Autoren der Sachbuchreihe rde („rowohlts deutsche enzyklopädie“, Gipfel bei 16 bis 18 Wörtern, wie Hans Eggers festgestellt hat) - s. Abb. 4.6. Sprache der Verwaltung und Alltagssprache Erst wenn man sich vorstellt, dass täglich Tausende von Menschen, die im Normalfall hauptsächlich mündlich kommunizieren, mit einer solch komplexen Schrift-, konkret: Verwaltungssprache konfrontiert sind, lassen sich deren Schwierigkeiten, die qualitativ näher zu bestimmen wären, richtig einschätzen. Vergleicht man Texte der durchschnittlichen mündlichen Kommunikation, d. h. Texte der einfachen Frau und des einfachen Mannes, mit Texten der Verwaltungssprache, dann wird der Gegensatz besonders klar. <?page no="114"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 100 Texte der gesprochene Sprache legt Christel Leska (1965) ihrer Untersuchung zugrunde. Darin wird u. a. die Anzahl der Wörter je Satz in Texten der gesprochenen deutschen Gegenwartssprache wiedergegeben. Methodisch unterscheidet Leska zwischen einer schriftnahen, einer schriftfernen und einer mittleren Schicht der gesprochenen Sprache i. S. der Alltagssprache. Berücksichtigt man davon nur die schriftferne, gegebenenfalls die mittlere Schicht (normale Alltagssprache), so ergibt sich die zu erwartende enorme Diskrepanz gegenüber den in Abb. 4.6 dargestellten Varianten der Schriftsprache: Die Verwaltungssprache ist in etwa vergleichbar mit der schwierigen Sprache der F.A.Z. und wird nur überflügelt durch Rowohlts Deutsche Enzyklopädie (rde), aber alle Varianten sind weit entfernt von der einfachen Syntax der mündlichen Kommunikation. In Zahlen ausgedrückt: In der schriftfernen Schicht Leskas liegt der Kulminationspunkt bei 9 (neun) Wörtern pro Satz; die Sätze zwischen 7 und 9 Wörtern machen 43 % der erfassten Sätze aus; diejenigen mit bis zu 6 und diejenigen zwischen 10 und 12 Wörtern je Satz bilden jeweils 28,5 % aller Sätze der gesprochenen schriftnahen Sprache in der Untersuchung Leskas, womit der bei 15 Wörtern im Satz liegende Kulminationspunkt der Verwaltungssprache bei weitem unterschritten wird. Trotz aller Einschränkung, die sich aus der Kritik an den zugrunde gelegten Korpora ergeben könnte, ist die Tendenz offenkundig: 1.) Zwischen schriftlich und mündlich realisierter Sprache bestehen erhebliche Unterschiede. 2.) Die schriftliche Verwaltungssprache ist wesentlich komplexer als die mündliche Alltagssprache. Das Problem ist somit evident: Wie sollen und können Menschen, die einfache Sätze zu sprechen und zu verstehen gewohnt sind, ohne vorherige Schulung mit x-fach längeren Sätzen der Verwaltungssprache zurechtkommen? Dieser Konflikt erwächst wie bei den Schülern (vgl. Kap. 4.2) aus der Unfähigkeit, die soziale Situation sprachlich zu meistern. Dies genau ist die Definition für eine Sprachbarriere (vgl. Kap. 2.2.4). Der Vergleich mit den Schwierigkeiten von Schülern in der Institution Schule ist daher nicht von der Hand zu weisen. Daraus ist zu ersehen: „Bürgerfreundlichkeit“ besteht in der einfachen Sprache. Lange und verschachtelte Sätze entsprechen nicht dem Usus der Alltagssprache; sie sind nur mit Übung sofort dekodierbar. Eine komplexe Verwaltungssprache ist bürgerfeindlich, führt zu kommunikativen Konflikten und sollte daher vermieden werden. <?page no="115"?> Öffentliche Ordnung und Verwaltung 101 Abb. 4.6: Satzlänge in der Verwaltungssprache verglichen mit Texten von F.A.Z. und rde (leicht modif. aus Wagner 1970) Literatur (Auswahl) Bliesener 1982 - Ehlich/ Rehbein 1980 - Grosse/ Mentrup (Hgg.) 1980 - Klein/ Presch (Hgg.) 1981 - Leodolter 1975 - Leska 1965 - Reimann 1991 - Selting 1987 - Wagner 1970 - Wenzel 1984 Kontrollfragen (Antworten in Kapitel 8, S. 229) 4.1.01 Definieren Sie „Institution“. 4.1.02 Geben Sie Beispiele für soziale Institutionen. 4.1.03 Nennen Sie einige Kommunikationsbedingungen bei der Visite. 4.1.04 Nennen Sie einige Machtstrategien des Arztes in der Klinik. 4.1.05 Welchen Vorteil haben Mittelschichtangehörige bei Gericht? 4.1.06 Nennen Sie zwei gegensätzliche Strategien im Sozialamt. 4.1.07 Was sind „rekonstruierende Paraphrasen“? 4.1.08 Nennen Sie einige Charakteristika der Verwaltungssprache. 4.1.09 Wie unterscheidet sich die mündliche Alltagssprache von der der Verwaltung? 4.1.10 Welche Schwierigkeiten sind mit langen und verschachtelten Sätzen verbunden? <?page no="116"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 102 4.2 Schule: Theorien über sprachliches Versagen 4.2.1 Kode-Theorie und Schule Bernsteins Grundgedanke - elaborierter und restringierter Kode - Merkmale - Ein Text - Mündlichkeit - Alltagssprache - Sprach-, Sozial-, Bildungsbarrieren - Sozialisation in der Familie Grundgedanke Bernsteins Grundgedanke Bernsteins Grundgedanke besteht in der Annahme, dass die soziale Differenzierung zu unterschiedlichen sprachlichen Kodes führt. Die Beschaffenheit der Kodes ist somit abhängig von der Beschaffenheit der Sozialbeziehungen ihrer Sprecher bzw. Benutzer. Die Sozialbeziehungen kondensieren sich als soziale Schichten. Dichotom werden zwei Sozialschichten unterschieden, denen zwei Codes entsprechen. Die Bezeichnung Code (neudeutsch: Kode) wird aus altfranzös. code ins Englische übernommen mit den Bedeutungen a) ‚Signalsystem‘ z. B. in der Flaggensprache des Schiffsverkehrs, b) ‚Chiffrierbuch‘ z. B. für Telegramme oder zur Umsetzung von Normalin Geheimschrift und umgekehrt; Code ist seit Ende des 19. Jhs. in diesen Bedeutungen auch im Deutschen belegt (vgl. Pfeifer 1989, S. 872). Code hat im Englischen ursprünglich die Bedeutungen ‚Signalsystem‘, ‚Chiffrierbuch‘. Von Anfang an unterscheidet Bernstein zwei dichotome „Sprechweisen“, die seit etwa 1970 „elaborierter“ und „restringierter“ Kode heißen. Der leistungsfähigere ist der elaborierte, der weniger leistungsfähige der restringierte Kode. Diese Kodes resultieren aus zwei Sozialschichten („classes“ - engl. class ist in der deutschen Soziologie svw. Schicht): aus der Mittelschicht gegenüber der Arbeiterschicht (Unterschicht) - später etwas mehr differenziert. Angehörige der Arbeiterschicht beherrschen nur den restringierten Kode. Angehörige der Mittelschicht beherrschen den elaborierten und den restringierten Kode. <?page no="117"?> Schule: Theorien über sprachliches Versagen 103 Abb. 4.7: Die Bernsteinschen Kodes (ausgewählte Merkmale) Kriterium elaborierter Kode restringierter Kode a) S YNTAX Satzbau komplex einfach Satzlänge relativ lange Sätze relativ kurze Sätze Satzmuster nicht festgelegt stereotyp Präpositionen relativ häufig relativ selten b) W ORTSCHATZ Variationsbreite groß gering Adjektive, Adverbien differenziert, zahlreich starr, begrenzt c) P RAGMATISCHE BZW . KOGNITIVE B EZÜGE Affektivität indirekt direkt Fragen, Befehle relativ selten relativ häufig Pausen z. Nachdenken häufig selten Diese Merkmale findet Ursula Böse in den Äußerungen von vier Schülerinnen der 5. Klasse eines Mädchengymnasiums in Herten bestätigt (Abb. 4.8); die Schülerinnen berichten mündlich über ein Mobile. In dem Beispiel beschreibt ein Kind das Mobile seiner Schwester. Abb. 4.8: Text in restringiertem Kode (Böse 1970) S: meine schwester die hatn 'ganz schönes! L: ja? wie sieht es denn aus? S: oben sind die nicht aus holz sondern aus draht die stäbe xpx und dann xpx so ganz wie aus plastik sind die xpx ist der faden und unten hängen so kleine xpx figuren dran xpx da sind so kleine männchen dran xpx aus kugeln sind die gemacht worden so wie man xpx ketten macht und so wie im weltraum so schweben die daher xpx einer liegt grade auf dem bauch xpx der andere läuft da so rum xpx noch einer wie xpx irgendwie so wie mit der astronautenkapsel so sieht der aus. Pausen (Satzende, Stocken) = „xpx“, Starkton = ' ; S = Schülerin, L = Lehrerin. <?page no="118"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 104 Defizithypothese Wegen der geringeren Leistungsfähigkeit des restringierten Kodes weisen die Angehörigen niederer Sozialschichten gegenüber denen aus höheren Sozialschichten ein sprachliches Defizit auf. Dies macht sich bereits in der Vorschule, ernstlich aber mit dem Eintritt in die Grundschule negativ bemerkbar. Wegen dieses sprachlichen Defizits der Arbeiterschicht gegenüber den Sprechern der Mittelschicht wird die Kode-Theorie auch „Defizithypothese“ genannt. Die Folgen des Defizits sind Mängel in Lernfortschritt und sprachlicher Weiterentwicklung in der Schule, so dass sich dort das anfänglich in sprachlichen Fächern auftretende Defizit auf andere Fächer ausdehnt und weiter akkumuliert („kumulatives Defizit“ nach Martin Deutsch - vgl. Deutsch in Klein/ Wunderlich 1971, S. 27). Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Berufswahl und den Beruf selbst. Mündlicher und schriftlicher Sprachgebrauch Mündlichkeit Alltagssprache Viele Merkmale des restringierten Kodes, wie sie in Abb. 4.7 auszugsweise angeführt werden, lassen sich in dem Text von Abb. 4.8 wiederfinden. Aber dies gilt auch für andere mündliche Texte, wie z. B. für den Dialog des Verkaufsgesprächs in einem Warenhaus (Abb. 1.4, S. 7). Die in Abb. 4.7 angegebenen Merkmale des restringierten Kodes sind somit nicht auf die Sprache unterer Sozialschichten beschränkt, sondern gelten für die mündliche Kommunikation schlechthin. Sie gelten auch für die normale Alltagssprache, wie sie z. B. von Porzig (1986, S. 251 f.) definiert wird: „Erstens dient sie der unmittelbaren Verständigung in praktischen Lebenslagen“ und zweitens der emotionalen Entladung. Die Folgen sind: „einfachste Satzbildung, die nur das Wesentliche ausspricht, und nachlässige Wortwahl, da es auf Genauigkeit entweder nicht ankommt oder die Lage [= „Situation“, W. H. V.] die notwendigen Ergänzungen liefert.“ Für den Text von Abb. 4.8 gilt aber darüber hinaus, dass die „verbale Planung“, soweit sich überhaupt von „Planung“ sprechen lässt, ad hoc geschieht und daher schlecht ist. Die Alltagssprache dient der direkten Kommunikation in praktischen Lebenslagen sowie der emotionsbetonten Kommunikation. Kennzeichen der Alltagssprache sind einfache Sätze und eine lässige Wortwahl. Die Strategien von Sprechern des restringierten Kodes sind Strategien von Sprechern der Alltagssprache. <?page no="119"?> Schule: Theorien über sprachliches Versagen 105 Der Dialog in der folgenden Abb. 4.9 trägt Merkmale des „restringierten“ Kodes. Er besteht nicht aus vollständigen Sätzen, sondern nur aus Wortgruppen. Es handelt sich um sieben, mit etwa doppelt so vielen Wörtern ausgedrückte Begriffe (alphabetisch): bisschen, gut, Hammer, links, Nagel, stärker, tiefer. Die für das Verstehen notwendige Klammer ist - wie auch in Abb. 1.4 - etwas Nonlinguales: die Situation. Sie braucht nicht versprachlicht zu werden, weil sie im Bewusstsein der Sprecher präsent ist: Sprecher 1 steht auf der Leiter und will ein Bild aufhängen, Sprecher 2 steht unten und gibt ihm Handreichungen und Anweisungen. Abb. 4.9: Dialog (Situation wäre zu ergänzen) (vgl. Porzig 1986, S. 251) Sprecher 1 n Hammer! n stärkern Nagel! ... so recht? Sprecher 2 n bisschen tiefer! noch ne Idee links! ... gut! Kinder versagen, wenn sie nicht darin geübt sind, Situationen a) überhaupt und b) der Schriftsprache angemessen zu versprachlichen, z. B. wenn sie in der Schule schildern sollen, wie ein Bild aufgehängt wird, oder wenn sie das Geschehen eines Films nacherzählen sollen. Denn dabei müssen komplexe Situationen sprachlich dargestellt werden, und das muss eingeübt werden. Auch Mittelschichtkinder können das nicht von vornherein leisten. Dies wird gut belegt durch die Untersuchungen von Rickheit (1975), die in 4.2.4 kurz erörtert werden. Sprach-, Sozial-, Bildungsbarrieren Die Bedeutung der Schule als Sozialisationsinstanz wird auch in Zusammenhang mit der Identitätsbildung und den dabei auftretenden Sprachbarrieren diskutiert. Dieser Begriff ist seit Basil Bernsteins Forschungen (nach 1958, „linguistic barrieres“) in der Linguistik, aber auch in der Pädagogik bedeutsam worden. In Deutschland ist früh, u. a. in Verbindung mit dem Deutschen Germanistenverband, eine Kommission „Sprachbarrieren“ etabliert worden (vgl. Böse 1970), und diverse Bücher tragen diesen Titel (Badura 1971, Bühler 1972 u. a.). Sprachbarrieren sind aus der Sicht der Kode-Theorie „Hindernisse, die sich der Sozialisation bzw. Enkulturation derjenigen entgegenstellen, die durch ihre Zugehörigkeit zu einer unterprivilegierten Bevölkerungsschicht dem restringierten Kode verhaftet sind“ (Böse 1970, S. 17). Damit sind sie zugleich Sozialbarrieren und nach Böse außerdem Bildungsbarrieren, weil „der Schulerfolg weitgehend von sprachlicher Geschicklichkeit abhängt.“ Die Maßnahmen der Pädagogen mündeten in der, allerdings gescheiterten „kompensatorischen“ Spracherziehung. <?page no="120"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 106 Alle diese Barrieren sind dieser Auffassung zufolge bedingt durch die Gegensätzlichkeit der beiden Kodes und der sich dahinter verbergenden unterschiedlichen Verbalisierungsmöglichkeiten, d. h., sie spiegeln die Gefangenheit des Menschen in Sozialschicht und Kode wider. Diese Sicht ist wenig dynamisch und realitätsfern, denn weder Sprache noch Gesellschaft existieren wie geologische Sedimente in zwei streng geschiedenen Schichten alias Kodes. Das Faktum, dass mit Sprache gehandelt wird und dass in diesem Zusammenhang Konflikte auftreten, muss in der Definition berücksichtigt werden, die hier wiederholt wird (s. Kap. 2.2.4): Eine Sprachbarriere ist die Unfähigkeit, soziale Situationen sprachlich zu meistern. Sozialisation in der Familie Die Familie als Institution Schwierigkeiten, die sich aus der bloßen Zuordnung von Sozialschicht und Sprachkode ergeben, begegnet Bernstein, wie auch seine Mitarbeiter am Londoner Institute of Education (Walter Brandis, Dorothy Henderson, Denis Lawton, William Peter Robinson), durch die Einbindung des Erziehungs- und Sprachverhaltens der Eltern, insbesondere der Mütter. Abb. 4.10: Hypothesen über Sozialisationsbedingungen in der Familie 1.) In der Soziali s ation ist die Familienerziehung entscheidend. 2.) Zwei Typen von Familien sind zu unterscheiden: statusorientierte und personenorientierte. 3.) Der Status ist Ausdruck des Prestiges, das Inhaber einer sozialen Position (vgl. Kap. 2.1.1) genießen und das sich nach Merkmalen wie Einkommen, Bildung, Macht richtet. 4.) In statusorientierten Fam i lien herrscht ein geschlossenes Rollensystem vor; die Verpflichtung aus der Rolle. 5.) In einem geschlossenen Rollensystem sind die Verbalisierungsmöglichkeiten gering, in einem offenen Rollensystem sind sie groß. 6.) Geschlossene Rollensysteme können in statusorientierten Familien zu einem restringierten Kode des Kindes führen. Dieser Familientyp ist für die soziale Unterschicht charakteristisch. 7.) In personenorientierten Familien (an die Person gerichteter Appell) herrscht ein offenes Rollensystem vor, was bei dem Kind zu einem elaborierten Kode führen kann; dieser Familientyp ist für die soziale Mittelschicht charakteristisch. <?page no="121"?> Schule: Theorien über sprachliches Versagen 107 Eine elementare Bedeutung für die Sprachentwicklung insgesamt hat die Art, wie und wie intensiv die Mutter mit dem Kind kommuniziert (vgl. Bock 1972, S. 52 ff.). Die Kommunikationsintensität der Mutter mit dem Kind wird mit Hilfe eines Kommunikationsindex (maternal index score) gemessen; die Werte von Unter- und Mittelschichtmüttern werden verglichen. Die enge soziale und linguale Welt des Kleinkindes ist primär entscheidend. Sekundär ist auch der weitere Umkreis zu berücksichtigen (vgl. Abb. 2.7). Wie die Mutter - z. B. durch das „Baby Talk“ - übt auch die sonstige Umwelt eine soziale und linguale Kontrolle über das Kleinkind aus. Die soziale Kontrolle erfolgt über Sprache, und zwar seitens der Mutter entweder durch einen imperativen Modus (des Typs „unterlass das“) oder durch einen permissiven Modus („wenn du immer weinst, muss ich auch weinen“). 4.2.2 Soziale Schichtung Schichtenmodelle - soziale „Lagen“ der Westdeutschen - soziale Milieus und Schichten in West und Ost Soziologische Modelle Schichtenmodelle Bernsteins Schichtenmodell ist zunächst dichotom. Es wird später etwas stärker differenziert (untere und aufwärts-mobile „Arbeiterklasse“ u. dgl.), aber im Prinzip konkurrieren die „Arbeiter-“ und die „Mittelklasse“ (s. Bernstein 1972, S. 108 ff.), wobei allerdings „Klasse“ besser mit „Schicht“ übersetzt wird, da soziale Merkmale zur Klassifikation herangezogen werden. Dies Gesellschaftsmodell entspricht zwar der Dichotomie einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, im Sinne von Karl Marx etwa der Einteilung in Proletariat und Bourgeoisie, aber die Marxschen Klassen dürfen nicht mit Schichten gleichgesetzt werden, denn die Ersetzung des Begriffs der sozialen „Klasse“ in der bürgerlichen Gesellschaft des 20. Jhs. durch den Begriff der „Schicht“ ist auch eine inhaltliche Ersetzung. Peter Meyer (in Reimann u. a. 1991, S. 65 resp. 55): Eine soziale Klasse „besteht aus Individuen, die eine Beziehung zu den Produktionsmitteln, zur politischen Machtstruktur und den herrschenden Ideen gemeinsam haben.“ Eine soziale Schicht „besteht aus einer Vielzahl von Individuen, die irgendein erkennbares gemeinsames soziales Merkmal haben.“ Geigers Schichtenmodell Theodor Geiger (1932) unterscheidet in der „Rohgliederung“ drei Schichten: unten die „Proletarische Lage“, oben die „Kapitalistische Lage“ und dazwischen die „Mittlere Lage“. Dieser Rohgliederung entspricht eine „Tiefengliederung“, bei der fünf Schichten das Ergebnis sind, die allerdings nicht mit den späteren Schichtmodellen wie dem von Kleining/ Moore (1968) konform gehen. Das deutsche Proletariat, das sind „Lohn- und Gehaltsbezieher minderer Qualifikation“, macht 1932 ca. 50 % der Bevölkerung aus. <?page no="122"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 108 Noch bei Dahrendorf (1965, vgl. Geißler 2002, S. 84) ist Geigers Gliederung in etwa erkennbar: Den „Kapitalisten“ entsprechen „Eliten“ (ca. 1 %), der „Mittelstand“ umfasst ca. 20 % und die „Arbeiterschicht“ 45 % der Bevölkerung. Jetzt schon liegen aber 34 % der Bevölkerung quer zu diesen Schichten. Bereits in den 80er Jahren hat sich dann die Gesellschaft im Vergleich zu den Sechzigern weiter verändert, und bis 1994 (s. Abb. 4.11) noch einmal. Das traditionelle Arbeitermilieu ist bis dahin auf 4 % zu Gunsten anderer Milieus geschrumpft; ausländische Arbeiter und Facharbeiter kommen hinzu. Soziologisch wird der Habitus bedeutsam (s. Def. S. 178) mit vier verschiedenen Typen von Wahrnehmungs- und Handlungsschemata (Abb. 4.11). Damit ist die dichotome Ko-Varianz von zwei Sozialschichten, wenn auch untergliedert, und zwei Sprachschichten (Kodes) hinfällig. Abb. 4.11: Soziale Lagen in Westdeutschland 1994 (n. Daten v. Geißler 2002, S. 135) <?page no="123"?> Schule: Theorien über sprachliches Versagen 109 Wie rasant die Dynamisierung der westdeutschen Gesellschaft weitergeht, zeigen die Modelle von Abb. 4.11 und 4.12 Abb. 4.12: Soziale Milieus und Schichten West (Quelle: Geißler 2002) <?page no="124"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 110 Abb. 4.13: Soziale Milieus und Schichten Ost (Quelle: Geißler 2002) <?page no="125"?> Schule: Theorien über sprachliches Versagen 111 Weil das Schichtenmodell in der traditionellen Form nicht mehr besteht, muss schon allein deswegen der Bezug auf Sozialschichten, wie er in der Kode-Theorie angenommen wird, korrigiert werden. Abb. 4.12 und 4.13 belegen zudem, dass die jetzige Gesellschaft sich aus z. T. vernetzten Milieus zusammensetzt. Dies ist nicht ohne Folgen. Die Kode-Theorie verliert an Gültigkeit, weil die traditionellen Sozialschichten nicht fortbestehen. In dem Gesellschaftsmodell stimmen Soziologen und Linguisten überein. Im täglichen Sprachverkehr werden die Kommunizierenden mit einer Vielzahl von Varietäten, die u. a. den in den Abbildungen dargestellten sozialen Milieus entsprechen, konfrontiert, so dass ein Varietätenwechsel („Kodewechsel“, „Codeswitching“) schon fast normal ist. „Codeswitching“ ist die Fähigkeit, die „Codes“ nach Bedarf zu wechseln. 4.2.3 Restringiertes Denken? Relativität - Kognitives Defizit - Sapir und Whorf - Modell der Enkodierung: Denken/ Fühlen, Mitteilen, Ausdrücken Relativität Kognitives Defizit Bernstein hat das auf innersprachliche Verhältnisse übertragen, was aus dem Vergleich mehrerer Sprachen (u. a. Indianersprachen im Verhältnis zu Englisch und generell europäischen Sprachen) abgeleitet worden ist: die Relativitäts- oder „Sapir-Whorf-Hypothese“. Sie besagt, vereinfacht ausgedrückt: Sprache determiniert die Wahrnehmung und das Denken. Daraus lässt sich im Sinne Bernsteins ableiten: Wer restringiert spricht, nimmt restringiert wahr, denkt restringiert und hat folglich ein kognitives Defizit gegenüber elaboriert Sprechenden. Sapir und Whorf Edward Sapir (amerikan. Linguist, 1884-1939; s. Sapir 1921/ 1971), Schüler des Erforschers von Indianer- und Eskimosprachen, Franz Boas (1858-1942), betrachtet Sprache einerseits als die nach außen gekehrte Seite des Denkens. Andererseits ist Denken von Sprache abhängig. Letzterer Aspekt wird von Sapirs Schüler Benjamin Lee Whorf (1897-1941) radikalisiert: Die wahrgenommene (Um-)Welt wird sprachspezifisch organisiert, d. h. durch den Filter „Sprache“ werden die kognitiven Kategorien fixiert (vgl. Whorf 1956 [1941] u. Lehmann 1998, S. 33), so dass Erkennen und Denken nur in Relation zu den ausdrucks- und inhaltsseitigen Gegebenheiten einer Sprache möglich sind (Relativität). Vertreter dieser Hypothese sind ferner der gebürtige Pole Bronislaw Malinowski (gest. 1942), der die Südseesprachen (Neuguinea u. a.) erforscht hat (s. Beispiel 4a) in Abb. 4.14), und der Amerikaner Harry Hojer. <?page no="126"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 112 Abb. 4.14: Beispiele zur Sapir-Whorf-Hypothese Nr. Sprachbeispiele Sprache(n) a) Sie gingen am 11. Mond. Hopi (Indianerspr.) 1 b) Sie blieben 10 Tage. Europäische Spr. a) Wie Quellen bewegt sich das Weiße abwärts. Hopi (Indianerspr.) 2 b) Es ist ein Wasserfall. Europäische Spr. a) pohko ‚Kuh, Hund, Schaf‘ usw. Navaho (Ind.-Spr.) 3 b) ‚zahmes Tier‘ Europäische Spr. a) Wir paddeln am Ort. Neuguinea 4 b) Wir sind gleich da. Europäische Spr. a) Singular u. Plural nicht unterschieden Navaho (Ind.-Spr.) 5 b) sein Pferd seine Pferde Europäische Spr. a) schwarz I schwarz II - blaugrün Navaho (Ind.-Spr.) 6 b) schwarz - blau grün Europäische Spr. Den Ausdrücken in Abb. 4.14 liegen unterschiedliche Denkweisen zugrunde. Beispiel 1a) präsupponiert, dass sie da waren, und expliziert, wann sie gingen, während 1b) expliziert, wie lange sie blieben, und impliziert, dass sie danach gingen; entsprechend unterschiedlich ist die Zählweise - in europäischen Sprachen gibt es ungefähr Vergleichbares, z. B. 15 Tage im Französischen heißt 14 Tage auf deutsch. Auch die Wahrnehmung ist verschieden, z. B. Bewegung bzw. Dynamik in 2a) und 4a) gegen Statik in 2b) und 4b). Entsprechendes gilt für die Sammelbezeichnung in 3a), die mühsam mit 3b) ins Deutsche übersetzt wird. Verschiedene Formen der Wahrnehmung schlagen sich in grammatischen Strukturen und Bezeichnungsfeldern (Beispiele 5 und 6) nieder. Was sich auf diese Weise ergibt, ist somit eine Unterschiedlichkeit (Differenz) des Wahrnehmens und Denkens mit Folgen für den Ausdruck. Der Konflikt tritt erst auf in der Konfrontation mehrerer Sprachsysteme, deren Träger gezwungen sind, in der jeweils anderen Denkweise zu formulieren (zu enkodieren). Somit determiniert der Ausdruck (die „Sprache“ i. S. Bernsteins) das Denken nur insofern, als das Sich- Ausdrücken-Wollen in S 2 , dem fremden Kode, den Prozess der Enkodierung vorherbestimmt. Ein kognitives Defizit ist nicht erkennbar, sondern eine Differenz. Erkenntnisse durch Denken neben sinnlichem Wahrnehmen Die Zusammenhänge sind, wie man inzwischen weiß, wesentlich komplexer: Wahrnehmungen sind erstens auch ohne Sprache möglich, wie jeder Autofahrer bestätigen wird; zweitens werden Erkenntnisse enkodiert, die kognitiv, d. h. über Denkprozesse, zustande kommen bzw. erschlossen werden; ebenso „Gefühle“, die emotional bedingt sind. Vom <?page no="127"?> Schule: Theorien über sprachliches Versagen 113 Denken bzw. Fühlen gesteuert sind z. B. soziale Vorurteile und Stereotype (vgl. Kap. 2.1.3). Eine eventuelle Relativität wäre zudem von Kultur zu Kultur verschieden mit der Forderung nach Variablen, welche eine stärkere Differenzierung zu beschreiben gestatten (s. Lehmann 1998, S. 319 f.). Abb. 4.15: Denken/ Fühlen - Mitteilen - Ausdrücken (Enkodierung) Alle Strategien des sprachlichen Handelns beruhen auf kognitiven bzw. emotionalen Prozessen, die dem vorausgehen, was der Hörer bzw. Leser materiell als Laute oder Buchstaben wahrnimmt. Diese Prozesse müssen also integriert werden. Alle außersprachlichen Bedingungen, wie Raum, Zeit, Gesprächspartner, äußere Umstände (Situation), Wissen, Welterfahrung u. dgl. sowie die sprachlichen Bedingungen wie Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Varietät, Grammatik u. dgl. sind von Relevanz. Die Enkodierung, die Wahl der Mitteilung und des Ausdrucks werden durch die Kognition bzw. Emotion gesteuert. Bei der Dekodierung ist die Richtung umgekehrt, aber Denken bzw. Fühlen sind von Anbeginn auch beteiligt. <?page no="128"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 114 Die sprachliche Enkodierung ist die Translation kognitiver bzw. emotiver Prozesse in eine Mitteilung und die Translation dieser Mitteilung in einen Ausdruck. Denken, Fühlen, Mitteilen, Ausdrücken Die vielfach, auch von Bernstein, angenommene Dichotomie Denken - Sprache ist anfechtbar. Sprache besteht nicht nur a) aus dem, was ausgedrückt wird, also der Bedeutung bzw. dem signifié und b) dem Ausdruck bzw. signifiant im Sinne von de Saussure (2001, S. 76 ff.), sondern darüber hinaus sind alle kognitiven Prozesse Teil von Sprache (vgl. Veith 1975, S. 6, und Abb. 4.15). Dies ist auch bei de Saussure (2001 [1916], S. 14, 78) bereits angelegt, wenn von der im Kopf existierenden Vorstellung (concept) und dem ebenfalls im Kopf existierenden Lautbild (image acoustique) die Rede ist. Kognitive bzw. emotionale Prozesse, die zu einer Mitteilung (Nachricht) führen, z. B. die Absicht des Sprechers bzw. der Sprecherin, durch das, was er bzw. sie sagt, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, sind also zu berücksichtigen. 4.2.4. Zur Rezeption der Kode-Theorie in Deutschland Die soziologische Untersuchung von Ulrich Oevermann (1972) - Linguistische Untersuchungen Die soziologische Untersuchung von Ulrich Oevermann (1972) Datengrundlage Die 1965 durchgeführten Sprachanalysen fußen auf schriftlichen Sprachdaten und ergänzen somit die an vorwiegend mündlichen Äußerungen orientierten Daten Bernsteins. Es werden Aufsätze zu zwei Themen ausgewertet, geschrieben von 31 Schülern - geplant waren 130 - aus 4 Frankfurter Realschulklassen. Bei der Auswertung werden die linguistischen Befunde auf die Sozialdaten und die Intelligenz der Schüler projeziert. Dabei wird zunächst an Bernsteins Dichotomie des elaborierten vs. restringierten Kodes festgehalten, jedoch modifiziert: „Teilweise im Gegensatz zu Bernsteins theoretischen Arbeiten, aber im Einklang mit der Forschungstechnik seiner Untersuchungen fassen wir den »restringierten« und den »elaborierten Typ« der verbalen Planung nicht als zwei qualitativ verschiedene, in sich geschlossene Formen auf, sondern als relative Positionen auf einem Kontinuum sprachlicher Merkmale in der Dimension »restringiert« - »elaboriert«“ (Oevermann 1972, S. 93). Variablen In Hypothesenform wird vorausgesagt, welche Ergebnisse normalerweise in Bezug auf 104 linguale Variablen zu erwarten sind. Ein Auszug aus den Variablengruppen illustriert dies: <?page no="129"?> Schule: Theorien über sprachliches Versagen 115 (1) Aufsatzlänge (Gesamtzahl der Wörter und „Satzgerüste“, d. h. der Subjekt-Prädikat-Einheiten). (2) Komplexität der syntaktischen Beziehungen, ermittelt durch Quotienten, z. B.: Die Variable 19 ist der Quotient, gebildet aus der Zahl der Nebensätze 2. u. 3. Grades, dividiert durch die Zahl der Nebensätze insgesamt, in Abb. 4.16 veranschaulicht. Abb. 4.16: Beispiel eines Quotienten in der Studie Ulrich Oevermanns Bei doppelter Gewichtung der Nebensätze 3. Grades scheint sich zu zeigen: Es wird „die Fähigkeit zur komplexeren Konstruktion von Satzgefügen bei den Mittelschichtkindern sichtbar, wenn auch nicht so eindeutig“ (S. 199). Weitere Ergebnisse Die linguistische Analyse bestätigt nach den Worten Oevermanns i. W. die in Anlehnung an Bernstein formulierten Hypothesen, obwohl eine genaue Zählung ergibt, dass ca. 73 bis 74 % der Variablen negativ sind im Vergleich zu diesen Ausgangshypothesen. Dies verwundert nicht, da die Schüler zum Zeitpunkt der Datenerhebung bereits fünf Jahre Muttersprachenunterricht hinter sich hatten. Auch andere Untersuchungen bestätigen, dass die Schüler nach der fünften Klasse entweder ausgeschieden sind oder erfolgreich sprachlich handeln können. Unabhängig davon stellt Oevermann, z. T. mehr theoretisch, fest: • Der Unterschicht-Mittelschicht-Raster ist zu grob. • Die Kodes sind an soziale Rollen gebunden. • Rollen manifestieren sich in Handlungssituationen, so dass sie zur Untersuchung subkultureller Milieus herangezogen werden können. • Sprachunterschiede sind aus Unterschieden der Handlungssituation erklärbar. • Auch nichtsprachliche Kommunikationsmittel sind einzubeziehen. • Nicht die Kodes bestimmen die kognitiven Prozesse, sondern die aus den Kodes entstehenden manifesten Sprachmuster, die von unterschiedlichem Abstraktionsniveau sind. Zahl der Nebensätze 2. u. 3. Grades V 19 = Zahl der Nebensätze insgesamt <?page no="130"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 116 Linguistische Untersuchungen Schichtspezifischer Sprachgebrauch nach der Grundschule minimal Rickheits Datengrundlage Rickheit (1975) untersucht 2.400 mündliche Texte von Grundschulkindern im Alter von 6; 0 bis 9; 11 Jahren (Braunschweiger Korpus). Nach vorgegebenen Themen mussten die Kinder Erlebniserzählungen machen sowie einen Unfallbericht und die Beschreibung einer Kasperlpuppe. Die Zuordnung der Kinder zu einer Sozialschicht erfolgt aufgrund der Berufsbezeichnung des Vaters bzw. der Mutter. Auswertung Die Auswertung des Textkorpus geschieht nach: 1) verschiedenen linguistischen Modellen, 2) dem formalen Bau der Sätze, 3) Satzbauplänen, 4) der Verwendung von Aktiv und Passiv, 5) der Verwendung von Haupt- und Nebensätzen (weiter differenziert), 6) der Verwendung von Parenthese, Extraposition und Anakoluth u. a. Bemerkenswert ist das Teilergebnis: „Signifikante schichtspezifische Unterschiede in der Verwendung der Satzarten sind - auch bei Schulanfängern - nicht festzustellen“ (S. 155). Anfängliche Differenzierungen nivellieren sich bald. Baldige Nivellierung Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Veith (1975). Seine Daten entstammen archivierten Aufsätzen der Schuljahre 1970/ 71 und 1971/ 72, bezogen auf alle neun Jahrgangsstufen eines Neuwieder Gymnasiums. Schichtenspezifische Fehler sind nur noch in der Sexta (d. i. die fünfte Klasse), danach nicht mehr verifizierbar. Dies entspricht den Ergebnisse von Rickheit, die nicht verwundern, wenn die Schule ihren Bildungsauftrag erfüllt. Somit lässt sich feststellen: Wenn - meist minimale - Unterschiede im schichtspezifischen Sprachgebrauch auftreten, sind diese mit Ablauf der Grundschuljahre weitgehend beseitigt. Ähnliches gilt für geschlechtsspezifische Unterschiede. Lediglich die Themenwahl bzw. die Textsorte hat nach Rickheit Auswirkungen auf die Syntax. Die Fähigkeit, eine Textsorte in Aufsätzen zu bewältigen, liegt aber auch an den Lesegewohnheiten. Lesegewohnheiten sind abhängig von der sozialen Lage. Im Rahmen der Untersuchung von Veith (1975) zeigt sich ein Ergebnis, das die Lesegewohnheiten betrifft. Diese sind an die soziale Lage gebunden, damals (Datengrundlage von 1970-1972) aber durchaus noch schichtspezifisch zu deuten. Diese Lesegewohnheiten haben Folgen für die Aufsatzbeurteilung. Schichtspezizifisches Lesen Verstöße gegen die pragmatische Erwartungshaltung des Lehrers treten nach der Sexta nur dann auf, wenn die Schule auf vertraute Lesegewohnheiten Bezug nimmt, wenn zum Vorteil der Schüler aus unteren Sozialschichten die ihnen vertrautere Trivialliteratur sprachlich und aufbaumäßig nachvollzogen werden <?page no="131"?> Schule: Theorien über sprachliches Versagen 117 soll und wenn zum Nachteil dieser Schüler die so genannte schöne Literatur, die vorwiegend in der sozialen Mittelschicht gelesen wird, in den Mittelpunkt des Unterrichts rückt. Stigmasignale benachteiligen Kinder aus unteren Sozialschichten Stigma ist aus griech.-lat. stigma ‚Stich, Brandmal, Kennzeichen‘ übernommen, ist eines der Wundmale Christi und hat seit dem 19. Jh. die Bedeutung ‚Kennzeichen, Merkmal, Schandmal‘ (Pfeifer 1989, S. 1721). Steinig verwendet diesen Ausdruck zur negativen Kennzeichnung von Sprachvarianten und deren Sprecher, d. h. Sprecher der sozialen Unterschicht. Beurteilung von Stigmasignalen Die Untersuchung von Steinig (1976) wird bei zwei Gruppen von Informanten vorgenommen: Das erste Sample wird gebildet aus 98 Mädchen und Jungen des vierten Schuljahrs von vier Grundschulen in Dortmund und Recklinghausen. Das zweite Sample besteht aus 60 Dortmunder PH-Studenten, welche Filmnacherzählungen der Grundschüler zu beurteilen haben. Dabei werden den 60 Probanden je 10 Texte mit bzw. ohne Stigmasignale zur Beurteilung vorgelegt. Stigmatisierte Varianten in seinem Ruhrgebiet-Korpus sind der Zusammenfall von Dativ und Akkusativ (mir/ mich), Verschleifungen, Kontraktionen und die dat/ das-Ersetzung. Daneben werden andere soziolektale Signale unterschieden. Stigmasignale sind Sprachmerkmale zur negativen Kennzeichnung von Personen oder Gruppen. Weitere Ergebnisse Das wichtigste Ergebnis ist, dass die soziale Herkunft der Kinder aufgrund der Stigmasignale richtig erraten worden ist. Dies bedeutet: Das Wie des Geäußerten kann entscheidender sein als das Was. So können Kinder, im weiteren Sinne aber auch Erwachsene, welche die Stigmasignale gebrauchen (und unteren Sozialschichten zugeordnet werden), Nachteile erleiden. Diese Ergebnisse sind auch in Zusammenhang mit Messungen von Einstellungen und Vorurteilen (Attitüden, Haltungen) von Bedeutung (vgl. Kap. 7.2.2). Standard- und Umgangssprache als Sprachbarriere Ammon/ Kellermeier (1997, S. 21) haben darauf hingewiesen, dass das Problem „Dialekt als Sprachbarriere“ nach 25 Jahren immer noch akut sei: „Nach wie vor kommen in beträchtlichen Teilen des deutschen Sprachgebiets Kinder - aufgrund ihrer Sozialisation im Dialekt - mit geringen aktiven Fertigkeiten des Standarddeutschen zur Schule ...“ Diese Kinder sind sozial benachteiligt, denn in der Schule werden sie nach wie vor sprachlich und sprachdidaktisch unangemessen behandelt. Somit <?page no="132"?> Kommunikationskonflikte in Institutionen 118 ist die eigentliche Sprachbarriere nicht der Dialekt, sondern die durch Lehre nicht beseitigte Unfähigkeit, in die verlangte Standardsprache (als Zweitsystem) zu wechseln. Standard als Sprachbarriere In einer außerschulischen Situation wird diese Inkompetenz deutlicher. Ein Beispiel von Ammon/ Kellermeier (1997) schildert die Erleichterung des mühsam standarddeutsch sprechenden, etwa 60 Jahre alten Schwaben, als sein Besucher auf schwäbisch antwortet und er auf schwäbisch fortfahren kann. Hier wird klar, dass nicht der Dialekt für den Dialektsprecher die Sprachbarriere bildet, sondern die Standardsprache, die immer dann eine Sprachbarriere verursacht und damit ein gesellschaftliches Konfliktpotential, wenn Sprecher nicht darin geübt sind, den Kode zu wechseln. Die damit verbundenen negativen Sanktionen sind in der Lehr- und Lerninstitution Schule anders als im täglichen Leben. Umgangssprache als Hindernis Die neue schulische Sprachbarriere wird allerdings mehr und mehr begründet durch die „Umgangssprache“, mit den Worten von Niebaum/ Macha (1999, S.183): „Auch bei den regional-umgangssprachlich beeinflußten Schülern sind - partiell anders dimensionierte - Nonstandard-Phänomene zu erwarten, die als mögliche Schulschwierigkeiten einzukalkulieren sind.“ Dies ist auch ein Ergebnis der Mainzer Dissertation von Müller-Dittloff (2001, S. 357): „Sekundäre Dialektmerkmale, die bei den meisten Sprechern auch in standardnahen Sprechlagen noch zu beobachten sind, stellen eine der Hauptschwierigkeiten bei der Abfassung schriftlicher Texte in der Schule dar. Solche Merkmale sind typisch nicht nur für einen oder wenige Orte, sondern erstrecken sich in der Regel über den ganzen westmitteldeutschen, oft sogar über den gesamten hochdeutschen Sprachraum ... Für die meisten Schüler sind also weniger die Basisdialekte ihrer Heimatorte als vielmehr die zwischen Dialekt und Standardsprache situierten »mittleren« Lagen der gesprochenen Umgangssprache ein Hindernis beim Erwerb der Schriftsprache.“ Die von Ammon/ Kellermeier genannten Beispiele aus dem Ruhrdeutsch als einer neuen, gesprochenen Umgangssprache bezeugen dies ebenfalls. Literatur (Auswahl) Ammon/ Kellermeier 1997 - Bernstein 1972, 1975 - Bock 1972 - Geißler 2002 - Lehmann 1998 - Müller-Dittloff 2001 - Oevermann 1972 - Rickheit 1975 - Steinig 1976 - Veith 1975 <?page no="133"?> Schule: Theorien über sprachliches Versagen 119 Kontrollfragen (Antworten in Kapitel 8, S. 230) 4.2.01 Worin besteht Bernsteins Grundgedanke? 4.2.02 Welche Bedeutungen hat „Code“ ursprünglich im Englischen? 4.2.03 Charakterisieren Sie pauschal den Unterschied zwischen dem elaborierten und dem restringierten Kode 4.2.04 Wie sind Sozialschichten und Kodes einander zugeordnet? 4.2.05 Warum heißt die Kode-Theorie auch „Defizithypothese“? 4.2.06 Erläutern Sie „kumulatives Defizit“. 4.2.07 Nennen Sie Kriterien zur Unterscheidung von elaboriertem und restringiertem Kode. 4.2.08 Wofür gelten die Merkmale des restringierten Kodes außerdem? 4.2.09 Welchen Zweck erfüllt die Alltagssprache? 4.2.10 Kennzeichen Sie die Alltagssprache als „statisches“ System. 4.2.11 Vergleichen Sie die Strategien von Sprechern des restringierten Kodes mit denen von Sprechern der Alltagssprache. 4.2.12 Definieren Sie „linguistische Strategien“. 4.2.13 Was wird in der direkten Kommunikation nicht versprachlicht? 4.2.14 Was ist das Besondere an Geigers Schichtenmodell? 4.2.15 Welche Folgen haben die Veränderungen in den Sozialschichten für die Kode-Theorie? 4.2.16 Nennen Sie die beiden Familientypen i. S. Bernsteins. 4.2.17 Was drückt der soziale Status aus? 4.2.18 Welches Rollensystem ist welcher Schicht zuzuordnen? 4.2.19 Wozu können geschlossene Rollensysteme beitragen? 4.2.20 Wozu kann ein offenes Rollensystem führen? 4.2.21 Welche Folgen hat nach Bernstein restringiertes Sprechen für das Denken? 4.2.22 Definieren Sie „Code-Switching“ und erläutern Sie den Zusammenhang. 4.2.23 Nennen Sie Beispiele für die Sapir-Whorf-Hypothese. 4.2.24 Was bedeutet „sprachliche Relativität“? 4.2.25 Definieren Sie „sprachliche Enkodierung“. 4.2.26 Nennen Sie einige Variablengruppen in der Untersuchung Oevermanns. 4.2.27 Nennen Sie einige Ergebnisse der Untersuchung Oevermanns. 4.2.28 Was gilt für die Sprache der Schüler bezüglich ihrer sozialen Herkunft? 4.2.29 Welche Auswirkungen haben die Lesegewohnheiten? 4.2.30 Was sind „Stigmasignale“? 4.2.31 Welche Folgen haben sprachliche Stigmasignale? 4.2.32 Welches Sprachsystem ersetzt den Dialekt als schulisches Hindernis? <?page no="134"?> 5 Sprachliche Varietäten 5.1 Theorie und Empirie 5.1.1 Erste Forschungen Defizit versus Differenz - Varietätenlinguistische Begriffe - Variable - Varietätenraum Defizit versus Differenz Hypothesen Die Kodetheorie wird aus der Perspektive der Institution Schule formuliert und wegen der ungleichen Voraussetzungen, welche Schüler aus der Unterbzw. der Mittelschicht mitbringen, als Defizithypothese bezeichnet: Das sprachliche Defizit haben die Kinder unterer Sozialschichten. Demgegenüber ist die im Umkreis von Uriel Weinreich und Charles Ferguson in den USA entwickelte Untersuchung sprachlicher Varietäten zunächst rein deskriptiv, d. h. wertneutral. Man beschreibt die Andersartigkeit sprachlicher Systeme (Deviation) in Abhängigkeit von außersprachlichen (sozialen) Fakten. Lediglich im Kontrast mit der Defizithypothese wird dieser Forschungsansatz auch als Differenzkonzeption bezeichnet (vgl. Dittmar 1980, S. 128 ff.). Die Anfänge liegen Mitte bis Ende der 50er Jahre des 20. Jhs. in Arbeiten zum Nonstandard Negro English in Washington, D. C., zum -ing/ -in- Gebrauch, orientiert an Situation, Sozialstatus und biologischem Geschlecht, und zu phonologischen Variablen, getestet an Sprechern aus 31 nordindischen Kasten (vgl. Dittmar 1980, S. 240 ff.). Hervorstechend ist dann aber das umfangreiche Werk von William Labov (amerikan. Linguist, geb. 1927) zur „sozialen Schichtung“ des Englischen in New York (Lower East Side, Manhattan, Washington, D. C. 1966). Labov Der Untersuchung Labovs zu New York werden fünf phonologische Variablen zugrunde gelegt, die korreliert werden mit a) Erhebungsmodi („styles“) und b) den Sozialdaten der Sprecher. <?page no="135"?> Theorie und Empirie 121 Eine Variable ist eine empirische Veränderliche des Metabereichs in einer Menge von Veränderlichen. Die von Labov gewählten Variablen lauten: / r/ , / eh/ , / oh/ , / th/ , / dh/ . Jeder dieser Variablen entspricht eine begrenzte Menge von Realisierungen (Varianten), gebunden an die Erhebungsmodi („styles“) und den Sozialstatus der Sprecher. Für die Variable / eh/ beispielsweise hat Labov sechs Realisierungen - nämlich (eh-1) bis (eh-6) - festgestellt (Labov 1966, S. 52): Abb. 5.1: Varietätenlinguistische Begriffe Terminus Kurzdefinition Beispiel Variablen Empirische Veränderliche a) infralingual b) extralingual / eh/ (eh-1) bis (eh-6) Sozialdaten, „styles“ Varianten Alternative Ausdrucksmöglichkeiten zu / eh/ Varietäten Sprachsysteme, eingebunden in Sprachsysteme Englisch in Manhattan Deutsch in Frankfurt Bairisch Variablenregel Bedingungen für Varianten in Regelform x = f (a, b ...), wenn gilt: x = / r/ , a = Sozialschicht, b = „style“ Varietätenraum Wolfgang Klein Gegenüber der Systematik von Abb. 5.1 wäre noch der Begriff des „Varietätenraums“ zu ergänzen, der von W. Klein (1974) geprägt worden ist, wobei i. S. von E. Coseriu ([1969] - s. Coseriu 1988, S. 280 ff.) die Zeit (Diachronie), der geographische Raum bzw. das Areal (Diatopik), die soziale Schichtung (Diastraktik) und Situation bzw. Stil (Diaphasik) zu berücksichtigen sind. Was fehlt, sind die Funktionen, um z. B. die Fachsprache und auch andere Varietäten (vgl. Abb. 1.13) gegenüber der Gesamtsprache abzugrenzen. Vereinfacht lässt sich definieren: Ein Varietätenraum ist eine Funktion der diachronen, arealen, sozialen, situativen und funktionalen Faktoren eines sprachlichen Makrosystems. <?page no="136"?> Sprachliche Varietäten 122 Innerhalb eines Varietätenraums besonders hervorgehobene - „ausgezeichnete“ - Varietäten können die Standardsprache bilden. Der Begriff der Auszeichnung ist allerdings zu global, denn die einzelnen Ebenen der Standardsprache können sich auf unterschiedliche Varietäten beziehen. Ein Teil der Lautung der deutschen Standardsprache (Vokalismus) stützt sich beispielsweise auf die einstige ostmitteldeutsche Verkehrssprache (Thüringen - Obersachsen - Schlesien), ein anderer Teil auf eine ehemalige oberdeutsche Verkehrssprache (Ostfränkisch - Mittelbairisch), während die Standardaussprache auf der niederdeutschen (= norddeutschen) Aussprache des Hochdeutschen beruht. Viele Bereiche, z. B. der Syntax der deutschen Standardsprache, müssen losgelöst von aller Regionalität betrachtet werden, und somit wäre die innersprachliche Dynamik stärker zu berücksichtigen. Zu den varietätenlinguistischen Begriffen s. a. Lieb (1998). 5.1.2 Sozialstatus und „Style“ Soziologische Klassifikation - Indexskala - soziale Stufe bei wechselnden Parametern - „Styles“ und Stile Soziologische Klassifikation Parameter Wie für Bernstein ist auch für Labov die Annahme maßgebend, dass die soziale Differenzierung zu einer differenzierten Sprache führt. Nur wird der Komplexität der Sozialbeziehungen dadurch eher Rechnung getragen, dass nicht von vornherein und quasi dichotom zwei Sozialschichten unterschieden werden, denen zwei Codes entsprechen. Vielmehr lassen sich durch eine unterschiedliche Gewichtung soziologischer Parameter unterschiedliche soziale Lagen miteinander vergleichen, was der Wirklichkeit eher zu entsprechen scheint (vgl. zu deutschen Gegebenheiten Abb. 4.12, 4.13). Als Parameter zur soziologischen Klassifikation gelten das Einkommen, die (Schul-)Bildung und der Berufsstatus mit je vier Subformen (IV = hoch bis I = niedrig). Die sich daraus ergebende soziologische Klassifikation ist an eine Indexskala gebunden, die aus zehn Einheiten besteht (zwischen 9 und 0). Dies Verfahren hat sich als sehr praktikabel erwiesen (s. Abb. 5.2). Zum Vergleich mit anderen Modellen werden die Indexzahlen sozialen Schichten zugeordnet; es entsprechen: Index 0 = Unterschicht, 1 = gemischte Unter- und Arbeiterschicht, 2-5 = Arbeiterschicht, 6-8 = untere Mittelschicht, 9 = obere Mittelschicht, „-“ = Oberschicht. Allerdings ist <?page no="137"?> Theorie und Empirie 123 zu fragen, ob der Bezug auf das relativ starre Schichtenmodell nicht einen Rückschritt gegenüber der Arbeit mit den dynamischen Indexskalen bedeutet, denn die Skalierung stellt eine größere Beschreibungsadäquatheit dar als die platte Zuordnung zu Sozialschichten. Abb. 5.2: Indexskala zur soziologischen Klassifikation (Labov 1966, S. 216) hoch Einkommen niedrig IV III II I Berufsstatus hoch niedrig Berufsstatus hoch niedrig Berufsstatus hoch niedrig Berufsstatus hoch niedrig Bildungsstatus IV III II I IV III II I IV III II I IV III II I 9 8 7 6 8 7 6 5 7 6 5 4 6 5 4 3 8 7 6 5 7 6 5 4 6 5 4 3 5 4 3 2 7 6 5 4 6 5 4 3 5 4 3 2 4 3 2 1 hoch IV III II niedrig I 6 5 4 3 5 4 3 2 4 3 2 1 3 2 1 0 Man vergleiche einmal die Zahl 6 in allen Bereichen, so dass man sieht, wie unterschiedlich die Parameter kombiniert werden können, um die Mitglieder der Gesellschaft auf die gleiche Stufe „6“ zu stellen; in Abb. 5.2 ist die Zahl 6 doppelt unterstrichen, in Abb. 5.3 erscheint sie in der Kopfleiste, wobei die Parameter Einkommen, Berufsstatus, Bildungsstatus variieren. Es ist zu berücksichtigen, dass der höchste Status durch IV, der niedrigste durch I wiedergegeben wird. Auch das Problem der sozialen Chancen bei unterschiedlicher Qualifikation ist auf diese Weise erklärbar. Abb. 5.3: Gleiche soziale Stufe (6) bei wechselnden Parametern Soziale Stufe Parameter 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 Einkommen IV IV IV IV III III III II II I Berufsstatus IV III II I IV III II IV III IV Bildungsstatus I II III IV II III IV III IV IV <?page no="138"?> Sprachliche Varietäten 124 „Styles“ „Styles“ und Stile Die zur Konstatierung der unterschiedlichen Aussprache gewählten Erhebungsmodi („styles“) Labovs sind: A zwangloses Sprechen B sorgfältiges Sprechen C lesen D Wortlisten D' Minimalpaare (z. B. beer vs. bear). Ein Style ist ein Erhebungsmodus. Ein Stil ist eine Summe besonderer Ausdrucksformen in kommunikativen Zusammenhängen. Willems (2003, S. 29) unterscheidet zwischen habituellen (unbewussten) und expliziten Stilen (z. B. der Punks). Mit Habscheid/ Fix (2003b, S. 9): Die Merkmale des Ausdrucks vermitteln einen Eindruck von ihrem Urheber. Der Schreiber bzw. Sprecher wählt aus alternativen Ausdrucksmöglichkeiten - in dem gegebenen Beispiel von Abb. 5.4 zwischen den Sätzen 1) bis 5) einen Ausdruck aus und will damit gegenüber dem Leser bzw. Hörer eine bestimmte Wirkung erzielen. Auf alle Texte dieses Autors oder auch einer literarischen Epoche bezogen, ergibt sich eine Summe besonderer Ausdrucksformen, des Stils dieses Autors oder dieser Epoche. Styles hingegen werden auch „Kontextstile“ genannt (vgl. Dittmar/ Rieck (Hgg.) 1980, S. 56 ff., und Dittmars „ethnographischen“ Stilbegriff in Dittmar/ Schlobinski (Hgg.) 1988b, S. 118 ff.); sie sind somit keine Stile im Sinne der Stilistik, wo Stilschichten (Stilebenen) unterschieden werden, z. B. auf einer Skala zwischen hoch und niedrig: Abb. 5.4: Stil-Schichten hoch 1) Sie eilte leichten Fußes davon. 2) Sie eilte rasch davon. 3) Sie rannte schnell davon. 4) Sie kratzte die Kurve. niedrig 5) Sie hat sich schnell verschissen. Labov setzt die linguistischen Variablen zu den soziologischen in Beziehung. Die pro Sozialschicht und „style“ festgestellten Varianten einer Variablen, z. B. die Aussprachevarianten der Variablen / r/ , ergeben statisti- <?page no="139"?> Theorie und Empirie 125 sche Durchschnittswerte zwischen den standardnahen und den standardfernen r-Varianten. In einem Diagramm als Kurve dargestellt, bildet jede davon eine Schicht. Abb. 5.5: „Style“-Schichtung der Varianten von / r/ und soziale Zugehörigkeit der Sprecher (n. Labov 1966, S. 238) Abb. 5.5 zeigt eine deutliche Hierarchie vom zwanglosen Sprechen (A) bis hinauf zum formellen Nachsprechen von Minimalpaaren, aufsteigend in etwa proportional der Sozialschicht. Auffallend ist die größte Nähe zu der Standardaussprache von / r/ in der unteren Mittelschicht und eine vergleichsweise größere Entfernung davon in der oberen Mittelschicht (9) bei den Wortlisten und Minimalpaaren. <?page no="140"?> Sprachliche Varietäten 126 5.1.3 Skalierungsverfahren Kritik an Labov - DeCamp - monovs. polysystemar - Synonyme - Heteronyme - Implikationsanalyse - Quantifizierung - Beispiele Kritik an Labov De- Camp Das Skalierungsverfahren in den Untersuchungen Labovs wird von einigen Forschern modifiziert (u. a. DeCamp 1971 [1970], Fasold 1971 [1970]). Zunächst ist dieser Ansatz eine Kritik an Labov und eine Ergänzung zu der Theorie der generativen Grammatik von N. Chomsky (1965); derzufolge besitzt ein idealer Sprecher-Hörer die „Kompetenz“, a) eine theoretisch unbegrenzte Anzahl von Sätzen zu erzeugen und zu verstehen, b) die „Wohlgeformtheit“ eines Ausdrucks zu beurteilen und c) grammatikalische Ähnlichkeiten und Unterschiede zu erkennen und zu beurteilen. Dies ist eine monosystemare, an einer Standardsprache orientierte Anschauung. Nach DeCamp beherrscht der kompetente Sprecher aber außerdem die an seine soziale Erfahrung gebundenen Varianten der Sätze, was die „Diversität“ einschließt. Eine solche Sprachbeschreibung könne von der generativen Theorie geleistet werden, denn sie könne „gleichzeitig eine Sprache darstellen, alle Dialekte dieser Sprache und alle Übergangsoperationen ( > switching operations < ), die die Sprache und ihre Dialekte miteinander verbinden“ (DeCamp 1971, S. 236). Daraus lässt sich ableiten: Sprachkompetenz besteht nach DeCamp in der Fähigkeit eines Sprechers, auch die an seine soziale Erfahrung gebundenen Varianten von Sätzen zu erzeugen und zu verstehen. Dies ist eine Abkehr von der Betrachtung der theoretischen Fähigkeit eines Sprechers als Sprachkompetenz im Sinne Chomskys und eine Hinwendung zu dessen Sprachhandeln (Performanz im Sinne Chomskys), denn nur das in vielen Situationen praktizierte Sprachhandeln baut seine Sozialerfahrung und damit seine Kompetenz, sprachlich und nichtsprachlich zu handeln, auf. monoversus polysystemar Gegen den linguistischen Strukturalismus wendet DeCamp ein, Sprachvarianten würden dort entweder ein und demselben System zugeordnet - dann handele es sich um „freie Variation“ (monosystemar) - oder die Alternativen gehörten verschiedenen Sprachsystemen und damit vielen Grammatiken an (polysystemar). <?page no="141"?> Theorie und Empirie 127 Dies lässt sich für das Deutsche sehr leicht anhand des Beispiels Samstag / Sonnabend erläutern: In der Standardsprache können diese Bezeichnungen alternativ gebraucht werden, sie bedeuten das gleiche, stehen in „freier Variation“ und sind somit Synonyme. Bezogen auf die vielen Dialekte des Deutschen, muss die Bezeichnung Samstag den südwestlichen und die Bezeichnung Sonnabend den nordöstlichen Dialektsystemen zugeordnet werden; in einem einzelnen Dialektsystem („Basisdialekt“) gilt nur eine Bezeichnung, d. h., im Vergleich der Dialektsysteme sind die beiden Bezeichnungen Heteronyme. Synonyme sind verschiedene Bezeichnungen mit der gleichen Bedeutung in ein und demselben System. Heteronyme sind verschiedene Bezeichnungen mit der gleichen Bedeutung in verschiedenen Systemen. Dazu ist anzumerken, dass sich in einem einzelnen Ort mehrere Systeme überlagern bzw. dass mehrere Varianten gleichzeitig, aber abgestuft nach Bevölkerungsbzw. Sprecheranteilen benutzt werden können. Dies zeigt z. B. die Wortgeographie der städtischen Alltagssprache in Hessen (Friebertshäuser/ Dingeldein 1988), mit einem abgestuften Prozentsatz des Gebrauchs konkurrierender Wörter in nordgegenüber ost- und südhessischen Städten. Implikationsanalyse Quantifizierung Gegen die starre Dichotomie von Varianten im Strukturalismus wendet sich DeCamp nicht zuletzt, weil der Sprachgebrauch tatsächlich vielfältige Übergänge zeigt. In dem konkreten Beispiel Samstag/ Sonnabend folgt daraus eine Quantifizierung des Gebrauchs dieser Bezeichnungen. Dies wird in neueren Forschungen auch entsprechend gehandhabt, z. B. gilt, wie Friebertshäuser/ Dingeldein (1988, Karte 174) feststellen, in der Alltagssprache von Kassel, dass Samstag doppelt so häufig gebraucht wird wie Sonnabend. Auf unterschiedliche Sprecher bezogen, lassen sich solche „Diversitäten“ mit Hilfe von Implikationsskalen oder auch anderen statistischen Methoden darstellen. Implikation Die Implikationsanalyse geht nach Dittmar methodologisch auf eine Veröffentlichung von Louis Guttman (1944) zurück. Die Varianten in Implikationsskalen sind hierarchisch strukturiert, d. h., einige werden bevorzugt - sie sind vorhanden (Kennziffer 1), andere werden vernachlässigt - sie fehlen (Kennziffer 0). Implikation und das Verb implizieren in der Bedeutung ‚mit einschließen, einbeziehen‘ stehen zu lat. implic re und bedeuten in diesem Forschungsansatz, <?page no="142"?> Sprachliche Varietäten 128 dass bestimmte Merkmale vorhanden sind, was das Vorhandensein weiterer Merkmale in der angegebenen hierarchischen Folge impliziert. Ein Maximum z. B. impliziert die Existenz eines Minimums. Implikation heißt, dass die Existenz bestimmter Merkmale das Vorhandensein weiterer Merkmale in der hierarchischen Folge einschließt. Abb. 5.6: Tilgung des Pluralsuffixes bei 12 Schwarzamerikanern in Washington D. C. (n. Fasold 1971, dieser n. Schwester Kessler 1969) Die dazu gehörige Regel lautet: Lies: a) Regel. „Ein Pluralsuffix [+PL] wird Null ( ) in der Umgebung zwischen (__) einem auf Vokal endenden Stamm (4 V# - das Zeichen # bedeutet: ‚Morphemgrenze‘) und Lexemgrenze (d. i. ##), wenn entweder 1 Null ( ) (=Pause) folgt oder 2 das folgende Wort mit Vokal (V) beginnt oder 3 mit Konsonant (K)“ (vgl. Fasold 1971, S. 257). b) Tabelle. „Wenn der Wert eines beliebigen Schnittpunktes der Matrix, das Produkt von S [= Sozialschicht] X [= mal] U [= phonologische Umgebung], 1 [eins] ist (d. h.: das Merkmal ist vorhanden), so impliziert dies, dass jeder Wert, der über oder rechts neben diesem Wert liegt, auch 1 ist. Ein Wert 0 [null] impliziert, dass jeder links oder unter ihm liegende Wert ebenfalls 0 ist“ (vgl. Dittmar 1980, S. 187 f.). Von DeCamp und Fasold wird dies Verfahren als hierarchische Relation zwischen linguistischen und nichtlinguistischen Merkmalen (u. U. Varie- <?page no="143"?> Theorie und Empirie 129 täten, auch „styles“) begriffen; es lässt sich anhand von Abb. 5.6 nachvollziehen. Die beiden Parameter sind die Sozialschicht und die jeweilige phonologische Umgebung, in der das Pluralsuffix getilgt wird. Dessen Tilgung in den untersuchten Sozialschichten kommt als Hierarchie zum Ausdruck, d. h., in der ersten markierten Umgebung besteht die Tilgung in allen, in der letzten aber in keiner dieser Sozialschichten. In soziolinguistischen Implikationsskalen werden linguale und soziale Beziehungen quantifiziert und hierarchisiert. Distanz, Differenz Eine andere Möglichkeit der Skalierung ist die Angabe von Distanzen. Distanz bedeutet ‚Abstand‘, ‚Entfernung‘ und indiziert in einem sozialen Netz die Ferne oder Nähe zu Personen bzw. Dingen von einem Bezugspunkt bzw. einer Bezugsgröße aus. In einem Beispiel werden die Sprecher in einer deutschen Sprachinsel (dem Ort Kant in Kirgisien mit niederdeutscher Mundart) in fünf Altersgruppen eingeteilt, und es wird dargestellt, in welchem Maße sich die jüngeren Sprecher von den ältesten im Tempusgebrauch unterscheiden. In Abb. 5.7 ist das Bezugsalter der nach Altersstufen dargestellten Sprecher das Alter einer Ausgangsgruppe, nämlich von Sprechern über 65 Jahre. Die Darstellung erfolgt nicht exakt nach Distanzen zu diesem Bezugsalter, sondern zur besseren Information nach Differenzen, d. h., es wird gegenüber Distanzzahlen zusätzlich durch Plusbzw. Minuszeichen angegeben, in welchem Maße eine Erscheinung zubzw. abgenommen hat. Die Zahlen geben an, dass der Gebrauch des Präteritums umgekehrt proportional zu dem Alter ab- und der des Perfekts entsprechend zunimmt. Abb. 5.7: Tempusgebrauch und Alter in einer deutschen Sprachinsel (n. Zahlen v. Hooge 1983, S. 1217 [nd. Mda. im Dorf Kant in Kirgisien]) Altersstufen Tempusgebrauch in % d. Äußerungen Bezugsalter: über 65 64-45 44-30 29-16 15-10 Präteritum 77 % -8 -6 -16 -27 Plusquamperfekt 05 % +4 0 -1 -4 Perfekt 18 % +5 +6 +17 +31 <?page no="144"?> Sprachliche Varietäten 130 5.1.4 Graphen und Netzwerke Soziometrie - Graphen - Graph eines Zweiwortsatzes - Grundform eines Netzwerks - soziales Netzwerk - biogenetische Vorgaben Graphentheoretisches Graphen Die Wiedergabe von Sachverhalten in der Form von Graphen ist keine originär soziolinguistische Darstellungsmethode. Die mathematische Graphentheorie und die soziologische Netzwerktheorie, die auf Graphen basiert, sind die Paten. Die Soziometrie als Wissenschaft von der Messung sozialer Beziehungen und sozialen Verhaltens wendet die mathematische Graphentheorie seit Moreno (1934) an. Die Soziometrie ist die Wissenschaft von der Messung sozialer Beziehungen und sozialen Verhaltens. Jansen (1999, S. 87) gibt die folgende Definition für einen Graphen: Ein Graph ist mathematisch „ein Set von Knoten N und einem zweiten Set der zwischen ihnen definierten Beziehungen, Kanten, Linien L.“ Einfache Graphen bestehen aus einer Beziehung zwischen zwei Knoten. Ein Beispiel für einen einfachen Graphen lässt sich aus der Grammatiktheorie von Tesnière (1959) ableiten. Dort besteht der Satz „Alfred spricht“ nicht aus zwei, sondern aus drei Teilen: dem zentralen Knoten des Verbs I [N 1 ] als übergeordnetes „Regens“, dem des Substantivs O [N 2 ] als untergeordnetes „Dependens“ und der Konnexionsbeziehung [L] zwischen beiden Knoten: Abb. 5.8: Graph eines Zweiwortsatzes von Tesnière (1959) spricht [I = N 1 ] [L ] Alfred [O = N 2 ] Die Matrix in Abb. 5.8 ist eine binäre Matrix. Der Zweiwortsatz ist zugleich die primitivste Form eines systemlinguistischen Netzwerks. Entsprechendes gibt es in soziologischen Netzwerken, wenn eine prestigereiche Statusgruppe (S 1 ) Objekt vieler Beziehungen ist, diese die eigenen Beziehungen aber auf die eigene Gruppe beschränkt, d. h. die Beziehungen aus anderen Gruppen mit niedrigerem Prestige (S 2 ) nicht erwidert - man <?page no="145"?> Theorie und Empirie 131 denke an die Abhängigkeitsbeziehung der Patientin bzw. des Patienten gegenüber dem Arzt bzw. der Ärztin. Zu den sozialen Beziehungsformen und zu Abb. 5.9 vgl. Jansen (1999, S. 145 f.). Abb. 5.9: Matrix der Grundform eines sozialen (Status 1, 2) und lingualen (Knoten 1, 2) Netzwerks Status 1 (S 1 ) Knoten 1 (N 1 ) Status 2 (S 2 ) Knoten 2 (N 2 ) Status 1 (S 1 ) Knoten 1 (N 1 ) 1 0 Status 2 (S 2 ) Knoten 2 (N 2 ) 1 0 In der Graphentheorie wird auch der Grad der Verbundenheit ausgedrückt. Dafür gibt es besondere Techniken. Wird nur untersucht, ob eine Beziehung existiert oder nicht, wird dies in einer Matrix durch die Zahlen 1 (für ‚vorhanden‘) und 0 (für ‚nicht vorhanden‘) ausgedrückt, so wie in Abb. 5.9 gezeigt. Dies ist dann eine „binäre“ Matrix oder auch „Berührungsmatrix“ (vgl. Jansen 1999, S. 94). Netzwerke Soziale Netzwerke hat es schon immer gegeben, aber Umwälzungen, insbesondere informationstechnologische, haben zu einer Fokussierung der Netzwerkforschung geführt. So gesehen ist die Gesellschaft eine vernetzte Gesellschaft („Network Society“ - vgl. Castells 1998 [1996], S. 525). Netzwerke überziehen alle sozialen Bereiche, folglich auch die soziolingualen Mikro-, Meso- und Makrogebilde (vgl. Abb. 1.14). Hierfür wird mit Abb. 5.10 ein Beispiel aus amerikanischen Forschungen gegeben. Es sind zwei kohäsive Gruppen von Frauen deutlich unterscheidbar, die mit Außenseiterinnen verbunden sind. Gemessen wird die Kommunikationsintensität, d. h. Häufigkeit und Dauer der Kommunikation. Die Zahlen sind Kodenummern der Informantinnen. Die Linien orientieren sich an einem bestimmten Gewichtungsverfahren. Ein Netzwerk ist ein Set von Knoten N und von Linien L. Ein Netzwerk ist ein Komplex miteinander verknüpfter Knoten. <?page no="146"?> Sprachliche Varietäten 132 Frühkindliche soziale Netzwerke werden in Kap. 2.2.3 angesprochen (vgl. auch Abb. 2.7 und 2.8). Eine der Definitionen für ein soziales Netzwerk wird hier wiederholt: Ein soziales Netzwerk besteht aus „Personen, Funktionen und Ereignissen.“ Abb. 5.10: Soziales und linguales Netz der Frauen in Old City (Freeman 1992, aus: Jansen 1999, S. 198) Zur theoretischen Fundierung der Netzwerke Biogenetische Vorgaben Partikulare - d. h. an Individuen, Gruppen, Einzelgesellschaften, soziale Netze u. dgl. gebundene - Realisierungen von Sozialität und Lingualität sind, so die Hypothese, als virtuelle biogenetische Möglichkeiten vorgegeben und damit in der allgemeinen Form universal. Laufende wechselseitige Interaktionen zwischen Neuronengruppen (vgl. Abb. 2.2), i. w. S. zwischen dem biologischen System und seiner Umwelt, sind im Kleinen, was die sozialen Beziehungen im Großen ausmachen. Aktivierte und nichtaktivierte Neuronen bilden Konfigurationen, die auf der Oberfläche der Hirnrinde als kortikale „Karten“ erkennbar sind. Eine kortikale Karte ist eine <?page no="147"?> Theorie und Empirie 133 neurobiologische Struktur zur Abspeicherung, Weitergabe und Anwendung von Informationen. Sie ist die Repräsentation von geordneten Merkmalen. Aus einfachen werden immer komplexere neuronale Konfigurationen, im Endeffekt neuronale Netzwerke, d. h. Neuronen in Korrelation (vgl. Spitzer 1996, S. 8 ff.). Vernetzt sind z. B. Karten der visuellen Areale, und auch die Farb- und Bewegungskarten. Diese universalen Gegebenheiten sind nicht unerheblich für den Vergleich mit entsprechenden, aber partikularen Sozialstrukturen, obwohl soziale Netze gänzlich andere Funktionen erkennen lassen als die neuronalen. Allein die Existenz von Netzwerken ist entscheidend, so dass mikrobiologisch und biologisch das Prinzip einer wie auch immer gearteten sozialen Netzwerkbildung vorgegeben ist. Literatur (Auswahl) DeCamp 1971 - Dittmar 1980 - Dittmar/ Rieck 1980 - Dittmar/ Schlobinski (Hgg.) 1988b - Fasold 1971 - Jansen 1999 - Klein 1974 - Labov 1976-1978 - Lieb 1998 Kontrollfragen (Antworten in Kapitel 8, S. 232) 5.1.01 Erläutern Sie den Begriff „Differenzkonzeption“. 5.1.02 Definieren Sie den Begriff „Variable“. 5.1.03 Geben Sie Beispiele für „freie“ Varianten in der deutschen Standardsprache. 5.1.04 Zählen Sie allgemein einige Varietäten auf. 5.1.05 Was versteht man unter einer „Variablenregel“? 5.1.06 Was versteht man unter einem „Varietätenraum“? 5.1.07 Welche Parameter wählt Labov für die soziologische Klassifikation? 5.1.08 Wie unterscheiden sich Style und Stil? 5.1.09 Womit korreliert Labov seine fünf Variablen? 5.1.10 Worin besteht nach DeCamp die Sprachkompetenz eines Sprechers? 5.1.11 Was sind „Synonyme“? 5.1.12 Was sind „Heteronyme“? 5.1.13 Definieren Sie „Implikation“. 5.1.14 Wozu dienen soziolinguistische Implikationsskalen? 5.1.15 Was bedeutet und indiziert „Distanz“ in einem sozialen Netz? 5.1.16 Womit befasst sich die Soziometrie? 5.1.17 Definieren Sie „Graph“. 5.1.18 Was sind „einfache Graphen“? 5.1.19 Geben Sie zwei Definitionen für „Netzwerk“? 5.1.20 Woraus besteht ein „soziales Netzwerk“? 5.1.21 Worin bestehen die biogenetischen Vorgaben für soziale Netzwerke? <?page no="148"?> Sprachliche Varietäten 134 5.2 Soziolinguistik der Stadt 5.2.1 Forschungsüberblick Amerikanische und deutsche Forschungen - Neuere deutsche Stadtsprachenforschung - Forschungsschwerpunkte - Ethnographie der Kommunikation Amerikanische und deutsche Forschungen Stadtsprachenforschung Am Center for Applied Linguistics in Washington D. C. ist seit den sechziger Jahren eine ganze Forschungsreihe zu dem Thema „Stadtsprachen“ („Urban Language Series“, hg. von Roger W. Shuy) veröffentlicht worden, zu der Labovs New Yorker Dissertation (Columbia University, 1964) im Jahre 1966 den stolzen Auftakt bildet. Nicht nur in den USA, auch in Europa und Deutschland sind Stadtsprachen seither in den Brennpunkt gerückt. Obwohl man den Objektbereich besser „sprachliche Varietäten in der Stadt“ nennen sollte, hat sich analog dem amerikanischen Ausdruck die griffige Bezeichnung „Stadtsprachen“ eingespielt und in verschiedenen Veröffentlichungen niedergeschlagen. Bereits lange vor und auch parallel zu den durch Labovs Werk beeinflussten Forschungen hat in Europa und Deutschland ein Interesse an Stadtsprachen bestanden. Allein die vielen Wörterbücher zu deutschsprachigen Städten bezeugen dies, etwa für (alphabetische Auswahl): Aachen, Basel, Bern, (Brandenburg-)Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, Mainz, Straßburg, Trier, Wien u. a. (s. Kühn 1978, S. 125-141). Diese sind vielfach aus dialektologischer Sicht zu verstehen wie auch manche Studie, welche die hervorstechende Rolle der Stadt in ihrem von Basisdialekten geprägten Umland beschreibt - linguistische „Stadt-Umland-Forschung“ (vgl. Veith 1967) oder z. B. die „Wortgeographie der städtischen Alltagssprache in Hessen“ (Friebertshäuser / Dingeldein 1988). In seinem Überblick über die soziolinguistische Stadtsprachenforschung stellt Kallmeyer fest (Kallmeyer in Kallmeyer (Hg.) 1994, S. 14 f.): „Studien über städtische Subgruppen und ihre Kultur betrachten die Stadt als multi-ethnischen und multi-lingualen Raum. Wanderung und soziale Segregation setzen soziale Prozesse in Gang, die zu kultureller Assimilation und Sprachangleichung führen oder zu mehr oder weniger geschlossenen ethnisch zentrierten Gruppen in Ghettos oder in >urban villages<.“ <?page no="149"?> Soziolinguistik der Stadt 135 Für Sprache und Gesellschaft ist die Stadt Katalysator und Seismograph zugleich, wenn es sich um sprachliche Veränderungen handelt. Mit entscheidend ist dabei die Dichte der Sprachträger und die Vielfalt der Gruppen, die in der Stadt präsent sind. Sprachveränderungen, die von einer Gruppe ausgehen, werden gegebenenfalls beschleunigt an andere Gruppen weitergegeben und, bedingt durch das Prestige der Stadt, in das Umland ausgestrahlt. Andererseits führt die Kohäsion der Gruppen zur Beharrung in tradierten Werten und Konventionen, wobei die Benutzung des Dialekts in der sprachliches Identitätssymbolik nicht unerheblich ist (vgl. Gumperz in Kallmeyer (Hg.) 1994, S. 631 ff.). Neuere deutsche Stadtsprachenforschung Systematisierung Diesen Gegebenheiten versuchen die neueren Forschungsansätze Rechnung zu tragen. Schwerpunkte sind Studien 1) zur monolingualen Variation, gebunden an innergesellschaftliche Differenzierungen, und 2) zur polylingualen Variation, gebunden an ethnische und kulturelle Differenzierungen. Bei monolingualer Variation werden in Abb. 5.11 andere Sprachen als die deutsche ausgeschlossen, bei der polylingualen Variation sind diese der Gegenstand. In einer Reihe von Forschungen wird die städtische Alltagssprache als ganze weitgehend phonetisch und phonologisch, z. T. auch morphologisch betrachtet. Weitere Themen sind die Diastratik (Sprachschichtung), die Diatopik (Stadtteile als Areale und Städte im Vergleich), das Dialektniveau, die differenzierte Kommunikation und die kommunikative Stilistik. Anwendungsbezogen (applikativ) wird untersucht, welche Fehlerbereiche in Diktaten und Aufsätzen besonders häufig sind. In Arbeiten, in denen die polylinguale Variation thematisiert wird, ist z. B. die Überdachung des Elsässischen durch das Standardfranzösische in Straßburg von Interesse; ferner die Interferenzen zwischen Deutsch und Türkisch in Mannheim, dort auch die Formen des Sprechens; bedeutend sind ebenso die Einstellungsmessungen, die in Berlin resp. Fribourg/ Freiburg i. Ue. und Bienne/ Biel vorgenommen werden. Darauf wird in Kapitel 7 noch i. E. Bezug genommen. Die folgende Übersicht präsentiert eine Auswahl mit den Schwerpunkten zur mono- und zur polylingualen Variation („Mehrsprachigkeit in der Stadt“). Ethnographie der Kommunikation Von den in Abb. 5.11 genannten Studien ist das Projekt zu Mannheim am umfangreichsten. Die „Kommunikation in der Stadt“ enthält auch „Ethnographien von Mannheimer Stadtteilen“. Die Deutung des Sprachverhaltens setzt, so gesehen, „eine weitreichende Kenntnis der Lebensumstände und der Vorstellungssysteme der beobachteten Population“ voraus. <?page no="150"?> Sprachliche Varietäten 136 Unter Berufung auf Lévy-Strauss (1969) wird Ethnographie folgendermaßen verstanden (Kallmeyer in Kallmeyer (Hg.) 1995, S. 14): Ethnographie ist „eine Form der Beobachtung, Dokumentation, Analyse und Darstellung der Kultur menschlicher Gruppen ...“ Abb. 5.11: Richtungen der Stadtsprachenforschung (exemplarisch) Forschungsschwerpunkte Ausgewählte Literatur 1 Monolinguale Variation Titel Stadtsprache von Frey 1975 Stuttgart Froitzheim 1984 Köln Moosmüller 1987 Wien Auer 1990 Konstanz Hofer 1997 Basel 1.1 Phonetik und Phonologie (Stadtsprache als ganze) Schönfeld 1997 Berlin 1.2 Diastratik Veith 1983 Frankfurt/ M. 1.3 Diastratik u. Gebrauch Brinkmann 1986 Frankfurt/ M. Dittmar u.a. 1986 Berlin 1.4 Diatopik 1: Mikrobereich (Stadtteile) Kallmeyer (Hg.) 1994 Mannheim 1.5 Diatopik 2: Makrobereich (Städtevergleich) Huesmann 1998 je 6 Großu. Kleinstädte 1.6 Dialektniveau Steiner 1994 Mainz 1.7 Dialektniveau je Alter, Texte Stellmacher 1977 Osterholz-Sch.-b. Dittmar u.a. 1988 Berlin Kallmeyer (Hg.) 1994; Keim 1995; Schwitalla 1995 Mannheim 1.8 Kommunikation, Sprachverhalten, Stilistik Werlen (Hg.) [u. a.] 1995 Bern 1.9 Applikation (Schule, Fehler) Rosenberg 1986 Berlin 2 Polylinguale Variation Titel Stadtsprache von 2.1 Elsässisch u. Französisch Ladin 1982 Straßburg 2.2 Türkisch u. Deutsch Keim 1978 Mannheim Kolde 1981, 1982 Fribourg, Bienne 2.3 Attitüden (Einstellungen) Dittmar u.a. 1986 Berlin 2.4 Ethnographie (d. Sprechens) Kallmeyer (Hg.) 1995 Mannheim In der gegebenen Definition von „Ethnographie“ sind die Prämissen ähnlich wie in der „Anthropologie“ von Franz Boas und Edward Sapir zu Be- <?page no="151"?> Soziolinguistik der Stadt 137 ginn des 20. Jhs.; sie stehen dort aber in Verbindung mit den untersuchten Indianersprachen. Erst durch Dell Hymes hat sich seit etwa 1962 eine Modifikation zur kommunikationsorientierten Ethnographie hin ergeben, die aber etwas irreführend „Ethnographie der Kommunikation“ genannt wird. Coulmas (in Hymes 1979, S. 10) präzisiert den auch für die Beschreibung von Stadtsprachen wichtigen Forschungsansatz: Die Ethnographie der Kommunikation untersucht die Gesamtheit der Kommunikationsgewohnheiten einer Gemeinschaft, zu deren Realisierung die Sprache als ein Instrument unter anderen gilt. 5.2.2 Diastratische und diatopische Varianz Diastratik - Standardsprache - Substandard - Basisdialekt - Dialekte - Diatopik 1: Mikrobereich (Stadtviertel) - Diatopik 2: Makrobereich (Städtevergleich) - Sprachlagen Diastratik Standardsprache Das Schichtenmodell und dessen Anwendung in der Kodetheorie führt - den Sozialschichten analog - zu der Unterscheidung von Sprachschichten, z. B. durch Leska (1965: Umgangssprache), Veith (1983) und Brinkmann (1986) - beide zur Stadtsprache von Frankfurt/ Main. Die höchste Sprachschicht ist in einem solchen Modell die der Standardsprache (vgl. Kap. 1.2.4). Die Standardsprache ist ein multifunktionaler Varietätenkomplex mit dem höchsten Normenprestige und der größten kommunikativen Reichweite. Werden die Sprecher/ Hörer bzw. Schreiber/ Leser der Gesamtsprache und deren soziale Differenzierung einbezogen, so lässt sich re-definieren: Die Standardsprache ist ein multifunktionaler Varietätenkomplex mit dem höchsten Normenprestige und dem größten Kommunikationsradius. Wenn die Sprachschichten, die unter der standardsprachlichen liegen, nicht näher spezifiziert werden sollen, spricht Bellmann (1983, S. 124) wertend von „Substandard“: <?page no="152"?> Sprachliche Varietäten 138 Substandard ist der Oberbegriff „für den sprechsprachlichen Gesamtbereich unterhalb des Standards.“ Abb. 5.12: Schichtung deutscher Kommunikationssysteme (Auswahl in Anlehnung an Bausinger 1984, S. 35) In einem Modell von Sprachschichten hat - aus der Perspektive der Standardsprache - die Sprachschicht die größte Distanz zu ihr, die sich durch eine maximale Zahl von Regeln von ihr unterscheidet, m. a. W.: Die Sprachschicht, die am weitesten von der Standardsprache entfernt ist, unterscheidet sich von ihr durch eine maximale Zahl von Regeln. Die Sprachschicht, die sich von der Standardsprache durch eine maximale Zahl von Regeln unterscheidet, heißt Basisdialekt. Die Definition des Basisdialekts ist somit abhängig von einer überdachenden Standardsprache. Varietäten, die sich durch weniger - mit der Standardsprache kontrastierende - Regeln als die Basidialekte auszeichnen, sind keine Basisdialekte, sondern befinden sich in dem Spektrum Basisdialekt - Standardsprache. Mit dem Begriff „Grunddialekt“ geht H.-H. Lieb (1998, S. 13) über die Definition des Basisdialekts hinaus, begreift die historische Entwicklung und somit Stammesdialekte wie Alemannisch und Bairisch ein. <?page no="153"?> Soziolinguistik der Stadt 139 Dialekte sind Sprachvarietäten mit: a) arealer Bindung, b) Mündlichkeit, c) usuellen Normen, d) großer bis maximaler Distanz zu einer überdachenden Standardsprache. Abb. 5.13: Sprachschichtung in Frankfurt/ M. anhand von Regeln zum Konsonantismus (Standardsprache als Bezugssystem, n. Veith 1983) Regeln: obligatorisch fakultativ angewandt Sprachschicht (=N Regeln) Summe primär sekundär Summe primär sekundär Standardsprache 0 0 0 01 01 0 standardnahe 07 04 03 04 03 01 mittlere 10 07 03 09 08 01 standardferne 16 16 0 06 03 03 Stadtdialekt 19 19 0 0 0 0 Zur Kontrastierung des Stadtdialekts mit der Standardsprache kommen 19 Regeln obligatorisch zur Anwendung; zur Darstellung der standardfernen Schicht werden 16 Regeln benötigt, zu der der mittleren 10 und zu der der standardnahen Schicht nur 07. Somit lassen sich die verschiedenen Schichten des Substandards quantifiziert über die Zahl der Regeln darstellen. Im phonologischen Bereich gilt z. B. als Abweichung von der Standardlautung: Regel (5): „Ein Plosiv wird lenisiert und verstimmhaftet vor Konsonant.“ D. h.: a) / pl/ wird zu / bl/ , b) / pr/ wird zu / br/ , c) / tr/ wird zu / dr/ , d) / kl/ wird zu / gl/ , e) / kn/ wird zu / gn/ , f) kr wird zu / gr/ ... (usw.) Beispiele: a) plagen, Platz, b) prasseln, Preis, c) treiben, trinken, d) Kleider, klein, e) Knall, Knie, f) Kraft, krumm ... (usw.). Durch sekundäre Regeln wird z. B. standardsprachlich / pf-/ , dem dialektalen / p-/ entsprechend, zu / f-/ (Pfeffer entspricht Feffer u. ä.). Es besteht die Wahl, fakultative Regeln anzuwenden oder auch nicht. Standardsprachlich fakultativ ist z. B. die im Dialekt obligatorische Regel des Zungenspit- <?page no="154"?> Sprachliche Varietäten 140 zen-R neben dem Zäpfchen-R. In der standardnahen Sprachschicht sind von der Wahlmöglichkeit z. B. folgende Regeln betroffen: (18) „/ r/ wird getilgt zwischen tiefem, dunklem Vokal und Konsonant“, z. B. in: Korb, schwarz (19) „Auslautendes -er wird als / ä/ realisiert“, z. B.. in: aber, lieber, Kinder Bestimmte Regeln, z. B. die Regel zur Lenisierung, lassen im Verein mit Vokalregeln den Westmitteldeutschen erkennen. Sie dienen aber auch der innerstädtischen Identifizierung des Sprechers als jemanden, der dazugehört, oder als Fremden. Dies kann, wie auch die Studien über das Sprachverhalten in Mannheim belegen (Kallmeyer (Hg.) 1994, Keim 1995, Schwitalla 1995), den Verlauf der Kommunikation erheblich beeinflussen. Diatopik 1: Mikrobereich (Stadtviertel) Mannheim In großen Städten bestehen sprachliche Unterschiede in der Diatopik, d.h. bezüglich des geographischen Raums bzw. des Areals. Diese Differenzierungen sind an die Sprachträger gebunden, die bestimmte Stadtviertel bewohnen. In der Studie zu Mannheim lässt sich dies z. B. für „die Filsbach“ nachweisen, einem Stadtviertel mit Resten einer Arbeiterkultur; ferner für den 1899 eingemeindeten Vorort Neckarau, einem ehemaligen „Arbeiterbauerndorf“ mit der heutigen Infrastruktur einer Kleinstadt; ferner für die Neubausiedlung „Vogelstang“ mit viergeschossigen „Kettenhäusern“, in denen ca. zwei Drittel der Bevölkerung der Vogelstang wohnt, und Hochhäusern für knapp ein Viertel der Bevölkerung (s. Kallmeyer/ Keim, Bausch, Schwitalla in Kallmeyer (Hg.) 1994). Berlin Ähnliches wird von Dittmar ([u. a.] 1986) für Berlin festgestellt, besonders deutlich als sprachlicher Kontrast bei dem Vergleich der Stadtviertel Wedding und Zehlendorf. Diese werden als „sozialhomogene“ Stadtgebiete bezeichnet und sind doch als Gegensätze „wie abgeschlossene Welten“ voneinander getrennt (S. 73). Geographisch sind die Stadtviertel nicht unmittelbar benachbart. Wedding ist ein traditioneller Arbeiterbezirk mit hohem Ausländeranteil, die Bevölkerung von Zehlendorf hingegen rekrutiert sich Anfang der achtziger Jahre vorwiegend aus der sozialen Mittelschicht (konservativ-gehobenes bis kleinbürgerliches Milieu). Die Gründe für die unterschiedlichen Antworten auf die Frage: „Sprechen Sie in der Regel Berliner Dialekt? “ liegen in dieser sozialen Verschiedenheit. <?page no="155"?> Soziolinguistik der Stadt 141 Diatopik 2: Makrobereich (Städtevergleich) Sechs Groß- und sechs Kleinstädte Anette Huesmann (1998) vergleicht die Daten zu je sechs Groß- und Kleinstädten - leider nur deutschen: München, Stuttgart, Dresden, Köln, Rostock und Bremen sowie Laufen (Krs. Berchtesgaden), Gammertingen (Krs. Sigmaringen), Bad Liebenwerda (Elbe-Elster-Kreis), Prüm/ Eifel, Sternberg (Krs. Parchim, Mecklenburg-Vorpommern) und Freren/ Emsland. Die Daten sind mittels eines Fragebogens gewonnen worden und beruhen somit weitgehend auf Einschätzungen der Befragten. Auf einer Skala mit sieben Feldern müssen die Informanten den Standort einer Varietät bestimmen, z. B. zwischen Dialekt und „Hochdeutsch“ („Multiple choice“ mit 7 Items). In Anlehnung an eine Untersuchung zum Sprachverhalten in ländlichen Gemeinden (Eva Klein 1983) wird der durch Befragung fixierte Standort einer Varietät deren „Sprachlage“ genannt. Eine Sprachlage ist ein empirisch gewonnener Durchschnittswert zur Indizierung der Position eines Sprachsystems auf einer Skala. Bei Huesmann (1998) rangieren die Skalenwerte zwischen 1 (Dialekt) und 7 (Hochdeutsch). Der Formulierung einiger Fragekomplexe geht die sprachliche Gestaltung einer Situation voraus, so dass die Befragung sich auf einen situativ von vornherein fixierten Sprachgebrauch richtet: „Stellen Sie sich ein zwangloses Gespräch unter Ihren Freunden oder Nachbarn in Ihrem Heimatort vor, d h. dem Ort, in dem Sie den überwiegenden Teil Ihrer Jugend, bis Sie ca. 10 Jahre alt waren, verbracht haben. Die Nachbarn leben schon lange in diesem Ort und unterhalten sich in der am Ort üblichen Sprechweise.“ Eine solche Art zu fragen unterscheidet sich sehr von traditionellen Erhebungsverfahren, bei denen z. B. bis in jüngste Zeit hinein reine Wort- und Satzübertragungen verlangt worden sind. Nach der Explikation der Redesituation folgt die Frage: „An welcher Stelle auf einer Skala zwischen Dialekt/ Platt und Hochdeutsch ordnen Sie die Sprechweise ein, die in einem solchen Gespräch in Ihrem Heimatort gesprochen wird? “ Das Diagramm von Abb. 5.14 belegt, dass sich - auf diese Frage hin - ein sehr hoher Prozentsatz der Befragten südbzw. südwestdeutscher Kleinstädte für das Feld zwischen 1 und 2 entschieden hat, im nordwestdeutschen Freren/ Emsland hingegen mit knapp über 20 % weit weniger. <?page no="156"?> Sprachliche Varietäten 142 Abb. 5.14: Kleinstädtische Sprachlagen in einem zwanglosen Gespräch (aus: Huesmann 1998, S. 97) Abb. 5.15: Sprachlagen in einem zwanglosen Gespräch, erfragt in süd- und mitteldeutschen Großstädten (aus: Huesmann 1998, S. 100) <?page no="157"?> Soziolinguistik der Stadt 143 Abb. 5.16: Sprachlagen in einem zwanglosen Gespräch, erfragt in norddeutschen Großstädten (aus: Huesmann 1998, S. 101) So lässt sich empirisch erneut, aber exakter als bisher, bestätigen, was aus anderen Quellen (z. B. durch die Allensbach-Umfragen) bekannt ist, nämlich dass - bezogen auf die Kommunikation unter Nachbarn - a) in der Kleinstadt mehr Dialekt gesprochen wird als in der Großstadt und b) mehr im süd- und mitteldeutschen Raum als im norddeutschen. 5.2.3 Dialektniveau Forschungen zum Dialektniveau - Kommunikationsradius - System- und Hörerurteil-Dialektalität - Osterholz-Scharmbeck - Generationen Forschungen zum Dialektniveau Zahlenskala Der Begriff des Dialektniveaus ist ähnlich dem der Sprachlage ursprünglich auch ein Terminus der Dialektologie und wird von Ammon (1973, S. 61) wie folgt definiert: „Das Dialektniveau soll ausgedrückt werden in einem Zahlenwert, der auf einer Zahlenskala fixiert ist, welche die Di- <?page no="158"?> Sprachliche Varietäten 144 mension Dialekt - Einheitssprache repräsentiert.“ Wie ein solcher Zahlenwert gewonnen werden kann, ist bei den einzelnen Autoren, die damit arbeiten, unterschiedlich. Kommunikationsradius Ammon liest ein Dialektniveau an sogenannten dialektalen Stufenleitern ab, deren Stufen um so dialektaler sind, je geringer ihre kommunikative Reichweite ist (z. B. Stufe 1 = Dialekt, Stufe 4 = „Einheitssprache“). Dies ist allerdings ein methodisches Problem, da die kommunikative Reichweite anhand von intersubjektiv überprüfbaren Parametern festzulegen wäre. Zunächst ist daran lediglich die subjektive Vorstellung von der Kleinbzw. Kleinsträumigkeit des Dialekts gebunden. Auf der phono-, morpho- und lexikologischen Ebene werden die Teil- Dialektniveaus bestimmt, indem die Summe der auf jeder dialektalen Stufenleiter auftretenden Dialektniveaus durch die Anzahl der einzelnen Einheiten in der Redekette dividiert wird, ein Quotient also mit Paradigmatischem im Zähler und Syntagmatischem im Nenner und somit methodisch ebenfalls fragwürdig. Neutraler als kommunikative Reichweite ist der Terminus des Kommunikationsradius, durch den nicht nur die geographische Reichweite des Gebrauchs einer kommunikativen Einheit angeben wird. Beispielsweise gilt in der Varietät A (dies sei der Ort Oberbieber) die Variante s (dies sei ein epenthetisches s in der Äußerung wenns de dat dais ‚wenn du das tust‘); der Kommunikationsradius umfasst dann alle Varietäten mit der Variante s, d. h. er erstreckt sich a) geographisch auf alle Orte in der Umgebung von Oberbieber mit der Variante s, b) soziologisch auf alle Sprecher, die die Variante s gebrauchen, c) systemlinguistisch auch auf die Umgangssprache, soweit darin die Variante s vorkommt. Der Kommunikationsradius gibt den Umfang der Varietäten und Sprachteilhaber an, für die eine kommunikative Einheit gilt. Andere Methoden, das Dialektniveau zu bestimmen, wählen Herrgen/ Schmidt (1985, S. 21 f.), nämlich: 1.) durch den Vergleich von Dialektsystemen mit dem System der Standardsprache und 2.) durch empirisch verifizierte Hörerurteile, d. h., man lässt Ausdrücke als bekannt oder weniger bekannt, richtig oder falsch einstufen. Die erste Methode nennen sie Systemkontrast-Dialektalität, die zweite Hörerurteil- Dialektalität. Hörerurteil-Dialektalität ergibt sich durch empirisch gewonnene Hörerurteile. Systemkontrast-Dialektalität wird durch den Vergleich von Dialektsystemen mit dem System der Standardsprache festgestellt. <?page no="159"?> Soziolinguistik der Stadt 145 Abb. 5.17: Dialektalität von vier Städten im Westmitteldeutschen (Herrgen/ Schmidt 1989, S. 325) Mit der Methode der Systemkontrastierung stellen Herrgen/ Schmidt (1989) die Dialektalität von vier Städten gegenüber (Abb. 5.17). Deren Dialektalität ist eingebettet in diejenige der Belegorte des Mittelrheinischen Sprachatlas (1989 ff., s. Bellmann u. a. 1994). Dessen gesamte Fläche ist mit dem Umfang des Diagramms von Abb. 5.17 identisch. Die phonetische Distanz zur gesprochenen Standardsprache (Hochsprache) als Indiz für die Dialektalität ergibt sich durch Auszählen und Addieren der Unterschiede von Lautmerkmalen der älteren Generation im Vergleich mit der Standardsprache. Die Höhe der Säulen gibt die Höhe der Dialektalität an, d. h., je höher die Säule ist, desto mehr Dialekt wird gesprochen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass in den Randgebieten - z. B. in der nordwestlich gelegenen Eifel - eine höhere Dialektalität besteht als sonst. Osterholz-Scharmbeck Systemkontrast Die Bestimmung des Dialektniveaus im Sinne einer Systemkontrast- Dialektalität wird auch von Stellmacher (1977) in der Untersuchung einer Stadtsprache (Osterholz-Scharmbeck) praktiziert (s. Abb. 5.18). <?page no="160"?> Sprachliche Varietäten 146 Abb. 5.18: Dialektniveau in Osterholz-Scharmbeck (nach Angaben von Stellmacher 1977, S. 123) Unterhaltungsgespräch Variable mittleres Dialektniveau Nr. Formen, Beispiele Wert (07) ei, au, eu in mein, Haus, heute (als Monophthong) 0,02 (02) pf-, ts-, -ch in Pflanze, Zahn, ich (unverschoben) 0,03 (11) gin Gang (wird zu j-) 0,04 (12) -ø (wird zu s-Plural) in Deckel_ 0,05 (13) Dativ zu Akkusativ bei mir, mich 0,1 (05) offenes o in Hahn 0,1 (08) ei, au in kein, Baum (wird zu ee, oo u. ä.) 0,11 (01) tin Tag (wird zu d-) 0,18 (15) Präposition + Artikel: auf der (>aufe, kontrahiert) 0,2 (04) sin stehen, Spiel, schlecht (bleibt s-) 0,35 (14) zusammengesetztes Adverb dafür 0,37 (06) a/ o in Tag, Hof (wird zu Kurzvokal) 0,39 (03) -p, -k in Korb, Weg (wird zu -f, -ch) 0,4 (10) in Ring (wird zu k) 0,62 (09) -bin aber (wird zu -v-) 0,77 Dialektniveau: 1 = 100 % Dialekt 0 = Standardsprache Stellmachers Arbeit ist neben der von Trudgill (1974) über Norwich eine der ersten größeren europäischen Rezeptionen von Labovs Forschungsansatz. Dabei werden neben den von Ammon berücksichtigten Parametern der Berufs-, Alters- und Geschlechtszugehörigkeit bestimmte Gesprächstypen als Bezugsgrößen eingeführt. Die Messmethode ist anders als die von Herrgen/ Schmidt, denn es wird die durchschnittliche Übereinstimmung einer Äußerung mit einer vergleichbaren dialektalen Äußerung in Texten angegeben (Meinungsaustausch-, Unterhaltungs-, Dienstleitungsgespräch). In der Praxis erhalten die standardsprachlichen Varianten den Wert 0 und die dialektalen den Wert 1, so dass sich der Mittelwert aller Realisierungen einer Variablen auf der Skala 0 bis 1 bewegt. Liegen z. B. zehn Realisierungen der Variablen „standardsprachlich ts zu dialektal t“ vor, davon achtmal standardsprachliches ts und zweimal dialektales t, so errechnet sich daraus der Wert des Dialektniveaus 2: 10 = 0,2 (Stellmacher 1977, S. 103). <?page no="161"?> Soziolinguistik der Stadt 147 Das Dialektniveau ist der Durchschnittswert der Übereinstimmung einer Äußerung mit einer vergleichbaren dialektalen Äußerung in Texten. 15 Variablen Stellmacher unterscheidet 15 Variablen, welche die typischen Abweichungen des Dialekts von der Standardsprache, vorwiegend im lautlichen Bereich, thematisieren. In der Liste von Abb. 5.18 sind diese aufsteigend nach dem Dialektniveau geordnet. Abb. 5.19: Dialektniveau (%) pro Variable (s. Abb. 5.18) und Generation (nach Daten von Stellmacher 1977) a1 = älteste Generation, a2 = geb. nach 1900, m1 = geb. nach 1915, m2 = geb. nach 1930, j1 = geb. nach 1945 <?page no="162"?> Sprachliche Varietäten 148 Die Darstellung in Abb. 5.19 bezieht sich auf Abb. 5.18: Die Kennziffern der Items von Diagramm und Tabelle entsprechen sich. Das Diagramm zeigt, dass von einer Sprachschichtung im idealisierten Sinn nicht mehr die Rede sein kann, wenn man sich a) auf das konkrete Sprechen - in diesem Fall auf Unterhaltungsgespräche - und b) auf verschiedene Generationen bezieht, wobei zwei ältere, zwei mittlere und zwei jüngere Generationen verglichen werden. Außerdem ist festzustellen, dass insbesondere die Dialektvarianten zu den Variablen 3, 9 und 10 in allen Generationen, auch in der jüngsten, vertreten sind (3: b in Korb und g in Weg werden zu Frikativen: -f, -ch; 9: -bin aber wird zu -v-; 10: in Ring wird zu k). Sie dürfen somit als Bestandteile der lokalen und vermutlich der ganzen norddeutschen Umgangssprache angesehen werden; auch darauf weist Stellmacher (1977, S. 122) in Anlehnung an weitere, großräumige Forschungen hin. Eine typisch norddeutsche Variable ist z. B. [ k] in Ring. Entsprechend der norddeutschen Ausspracheregel, nach der Schrift zu sprechen, wird <g> in Ring als [k] artikuliert, analog der Auslautverhärtung von [g] zu [k] in Berg ([b rk]). Der Fehler besteht darin, dass das <g> in Ringe - anders als in Berge nur geschrieben, aber nicht gesprochen und folglich im Auslaut auch nicht verhärtet wird. Dieser Fehler ist ein Stilmerkmal des norddeutsch geprägten Bildungsbürgertums und hat daher eine Prestigefunktion, die die Variante konserviert. Die Sprachentwicklungen im norddeutschen und im westmitteldeutschen Raum verlaufen vergleichsweise ähnlich, wie Müller-Dittloff (2001) feststellt. Dieser Arbeit zufolge überwiegen bei weitem Normabweichungen des Substandards, die durch sprachliche Erscheinungen mit relativ hoher kommunikativer Reichweite verursacht sind (s. Zitat in Kap. 4.2.4). 5.2.4 Kommunikation in der Stadt und Applikation Berliner Vernacular - Koine - zwei Berner „Kommunikationskulturen“ - Verbosität - Funktionalität - Phatisches Antworten - Applikation: Berliner Dialekt - Fehleranalyse Vernacular Vernacular Ausgehend von allgemeinen Faktoren, die den sozial bestimmten Sprachgebrauch regieren, gelangen Dittmar (u. a. 1988, S. 117 ff.) zur Beschreibung der Kommunikation im Rahmen der Berliner städtischen Vernacular. Nach Dittmar lässt sich diese Bezeichnung, die ursprünglich für antike Sprachverhältnisse gegolten hat, problemlos auf die Gegenwart übertragen. <?page no="163"?> Soziolinguistik der Stadt 149 Es werden analysiert: die soziale Integration der Sprecher, deren kommunikative Kompetenz bezüglich der sozialen Handlung sowie deren Identität, die Strukturen sprachlicher Variation, die regionale Verteilung der Äußerungen und der Sprachwandel. Vernacular ist die Sprache der Ortsansässigen, im Gegensatz zur Koine. Koine ist ursprünglich die ü b e r den Mundarten stehende „allgemeine Ausdrucksweise“ im Griechenland Alexanders d. Gr. (4. Jh. v. Chr.). Allerdings sind nicht alle Beispiele typisch für die Berliner Vernacular, sondern Koine, da sie auch anderswo gelten, z. B. das „Rezipientenpassiv“ mit kriegen in der Äußerung (Dittmar (u. a.) 1988, S. 96): „Der kriegt von mir so eine auf die Schnauze, daß die nach hinten fliegt.“ Solche Formulierungen zeigen auch keine innerstädtische Sprachvariation, ebenso wenig das für Berlin typische Vokabular und die Stilformen, die zur Vernacular zu zählen sind. In der Stadtsprache von Bern hingegen gelten zumindest für einige pragmatische Aspekte innerstädtische Sprachunterschiede, die an soziale Differenzierungen gebunden und somit soziolinguistisch als Kommunikationskulturen relevant sind. Stadtsprache von Bern In dem Berner „Breitenrainquartier“ werden Interviews von zwei Gruppen gemacht: einer Gruppe „von politisch und alternativ aktiven Personen“, die sich als „Spätachtundsechziger Linke“ selbst Chueche ‚Kuchen‘ nennen, und der Gruppe der Gwärbler ‚Gewerbetreibenden‘. Es ergeben sich Unterschiede u. a. in der Selbstdarstellung, Themeneinführung und Themenbehandlung der Gruppen. Zum besseren Verständnis ist zu ergänzen, dass die Autoren u. a. zwischen Verbosität und Funktionalität unterscheiden (Lieverscheidt/ Werlen [u. a.] in Werlen (Hg.) 1995, S. 206). Verbosität ist die Strategie, in einem Interview das Rederecht exklusiv in Anspruch zu nehmen und für die Gruppe zu sprechen. Funktionalität ist für Lieverscheidt/ Werlen die Strategie, die Antworten auf den unterstellten Zweck des Interviews hin auszurichten. Phatisches Antworten beinhaltet Abschweifungen und Anekdoten statt präziser Antworten. Die untersuchten Handlungsmaximen, verbunden mit Handlungsstrategien, sind keine eigentlichen Vorschriften, sondern dienen dazu, die Handlungsweise der Gruppen deskriptiv nachzuvollziehen. Terminologisch erinnert dies an die vier „Konversationsmaximen“ von Grice (1968), mit denen die Konversation erfolgreich verläuft und bei Nichtbeachtung scheitert. Z. B. gilt für die ‚Kuchen‘ (68er Linke): a) Verbosität „Sage nicht mehr als nötig.“ b) Funktionalität „Antworte sachdienlich.“ Hingegen gilt für die <?page no="164"?> Sprachliche Varietäten 150 Gewerbetreibenden: a) Verbosität „Sorge dafür, dass gesprochen wird.“ b) Funktionalität „Antworte sachdienlich, unterhalte aber deine GesprächspartnerInnen.“ Applikation (Fehler der Schülerinnen und Schüler) Berliner Dialekt Wegen der Unterschiede zwischen der in der Schule verlangten Standardsprache und den dialektalen Varietäten hat man den Lehrern mit den Sprachheften „Dialekt/ Hochsprache - kontrastiv“ (Besch / Löffler / Reich 1976 ff.) praktische Hilfen an die Hand gegeben. Die Hefte betreffen allerdings nur die alte Bundesrepublik Deutschland ohne Berlin. In diese Lücke stößt die empirische Untersuchung der Schulprobleme dialektsprechender Berliner Schüler von Rosenberg (1986). Fehleranalyse Der häufigste morphosyntaktische Fehler betrifft die Identität von Dativ und Akkusativ im Stadtdialekt mit der Folge von Verwechslungen in der Standardsprache. Dies ist ein ganz typischer Fehler für Dialekte mit Einheitskasus, allgemein für das Niederdeutsche, das sich hier als zugrunde liegendes „Substrat“ bemerkbar macht. Ebenso wird das Suffix auf -er stets als -a realisiert. Verschiedene Vokalöffnungen und Quantitäten fallen zusammen. Im Konsonantismus werden Sibilanten und Nachbarlaute verwechselt: > s, sch < : > z, ch < u. a., z. B. Seit ‚Zeit‘. Die unterschiedliche Fehlergewichtung bei Diktaten und Aufsätzen ist in den Textsorten begründet: Das Diktat verlangt eine präzise Aussprache des Diktierenden, was viele potentielle Schreibfehler eliminiert. Soziolinguistisch gesehen gelten die Ergebnisse, die in Kapitel 4.2 beschrieben werden: Schüler, die eine starke stadtsprachliche Interferenz mit der Schriftsprache aufweisen, entstammen meist den unteren sozialen Lagen, so dass daraus deren gesellschaftliche Benachteiligung deduziert wird. Das Faktum, dass mit Sprache Handlungen vollzogen werden und dass in diesem Rahmen Konflikte auftreten, gilt hier für die schriftliche Kommunikation, insbesondere für die Orthographie, auf die sich die Aussprache auswirkt; so sind auch Fehler auf höheren Beschreibungsebenen - Morphologie, Lexik usw. - zu erklären, dann aber auch die Barriere bei dem Verfassen von Texten allgemein. Literatur (Auswahl) Ammon 1973 - Dittmar u. a. 1986 - Herrgen/ Schmidt 1985 - Huesmann 1998 - Kallmeyer (Hg.) 1994, 1995 - Rosenberg 1986 - Stellmacher 1977 - Veith 1983 - Werlen (Hg.) 1995 <?page no="165"?> Soziolinguistik der Stadt 151 Kontrollfragen (Antworten in Kapitel 8, S. 234) 5.2.01 Wie beginnt in Deutschland die frühe Erforschung der Stadtsprachen? 5.2.02 Nennen Sie einige Ansätze neuerer Stadtsprachenforschungen. 5.2.03 Was ist unter „Ethnographie der Kommunikation“ zu verstehen? 5.2.04 Definieren Sie „Standardsprache“. 5.3.05 Definieren Sie „Substandard“. 5.2.06 Wie lassen sich extreme Sprachschichten einer Stadt unterscheiden? 5.2.07 Begründen Sie die Unterschiede des Dialektgebrauchs in den Berliner Stadtteilen Wedding und Zehlendorf! 5.2.08 Definieren Sie „Sprachlage“. 5.2.09 Vergleichen Sie den Dialektgebrauch in: a) der Kleingegenüber der Großstadt und b) in Süd- und Mitteldeutschland gegenüber Norddeutschland! 5.2.10 Definieren Sie „Kommunikationsradius“. 5.2.11 Wie wird die Systemkontrast-Dialektalität festgestellt? 5.2.12 Wie wird die Hörerurteil-Dialektalität festgestellt? 5.2.13 Was wird unter „Dialektniveau“ verstanden? 5.2.14 Erläutern Sie das „Maß der Übereinstimmung“. 5.2.15 Definieren Sie „Vernacular“. 5.2.16 Definieren Sie „Koine“. 5.2.17 Definieren Sie „Verbosität“. 5.2.18 Was ist „Funktionalität“ in dem Modell von Lieverscheidt/ Werlen? 5.2.19 Was bedeutet „phatisches Antworten“? 5.2.20 Was lässt sich durch eine Fehleranalyse belegen? <?page no="166"?> 6 Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 6.1 Geschlecht und Sprache 6.1.1 Zur Terminologie Geschlecht als Superkategorie - Geschlechterrollen - biosoziale Kategorien - Feminismus und Linguistik - „Genderlinguistik“ - „Sex(o)lekt“ vs. „Genderlekt“ Geschlecht als Superkategorie Sexus, Gender, Genus Unter „biosozialen Superkategorien“ werden zwei Objektbereiche erfasst, die in der Soziologie und mithin in der Soziolinguistik eine Sonderstellung haben: Geschlecht und Alter. Sie sind gebunden a) an die biologischen (natürlichen) Gegebenheiten des Menschen (Sexus, natürliches Alter) und b) an die Zuschreibung von „sozialen Rollen“ oder besser: komplexen Rollenstrukturen (Gender, Altersrollen). Die soziale Rolle wird als die an den Inhaber einer sozialen Position gerichteten (Verhaltens-) Erwartungen definiert (vgl. Kap. 2.1.1). „Weiblichkeit“ oder „Männlichkeit“ bildet allein keine soziale Rolle, vielmehr wird die Rolle jeweils konstituiert im Verein mit diesen bzw. anderen Eigenschaften einer Person bzw. Attributen, die ihr zugeschrieben werden, auch in Kontrast mit Personen, die eine solche Rolle nicht ausfüllen. Beispielsweise stellt die Gesellschaft (hier einmal in dieser anonymen Form) an einen Arzt (P m ) wie an eine Ärztin (P f ) bestimmte Verhaltens- und damit Rollenerwartungen; dies seien übereinstimmend die Erwartungen e 1 bis e n . An den Arzt stellt man darüber hinaus die Erwartungen m 1-n , die sich von den Erwartungen, die an die Ärztin gerichtet sind und als f 1-n bezeichnet werden sollen, unterscheiden: P m (e 1-n + m 1-n ) P f (e 1-n + f 1-n ). Die jeweilige Rollenstruktur des Rollenträgers P m bzw. der Rollenträgerin <?page no="167"?> Geschlecht und Sprache 153 P f unterscheiden sich somit nur durch die Rollenattribute m 1 n bzw. f 1 n . Diese können allerdings bedeutend sein bezüglich der Verhaltenserwartungen an den Rollenträger bzw. die Rollenträgerin und damit auch für das Verhalten der Mitmenschen - z. B. ob sie sich in bestimmten Fällen für die Ärztin oder den Arzt entscheiden. Abb. 6.1: Rollenattribute von „Arzt“ und „Ärztin“ Rollenattribute (Auswahl) Arzt Ärztin medizinisch kompetent + + Fähigkeit zu heilen + + untersucht Körperbereiche + + lässt Blut entnehmen + + gibt Spritzen + + verschreibt Arznei + + bemutternd - + kinderfreundlich weniger eher zuständig für Frauenkrankheiten weniger eher zuständig für Männerkrankheiten eher weniger Der Abb. 6.1 lässt sich entnehmen, dass von den zehn ausgewählten Rollenattributen vier differenzierend wirken: Insbesondere bemutternd und kinderfreundlich scheinen weibliche Attribute zu sein; eine weitere Unterscheidung ergibt sich durch die vermutete größere Zuständigkeit für Frauenresp. Männerkrankheiten. Daraus ist zu ersehen, dass „Frau-Sein“ bzw. „Mann-Sein“ a) aus Rollenattributen besteht und b) je nach Rollenstruktur mehr oder weniger stark gewichtet wird. Gewichtung ist Bevorzugung in einer Rangordnung. Eine Rollenstruktur ist ein Verband gewichteter Rollenattribute. Rollenattribute sind einzelne Erwartungen an den Inhaber einer sozialen Position, sich zu verhalten und in Erscheinung zu treten. <?page no="168"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 154 Neben „Sexus“ und „Gender“ gibt es ein grammatisches „Geschlecht“: das Genus. Der Ausdruck Geschlecht hat somit eine dreifache Bedeutung: 1) das natürliche Geschlecht (der Sex(us)), 2) das soziale Geschlecht als eine Kategorie von sozialen Erscheinungen (das Gender, amerikan.-engl. gender), 3) das grammatische Geschlecht (das Genus). Allerdings wäre eine dichotome Zweiteilung in die Attribute „männlich“ und „weiblich“ und umgekehrt in allen drei Fällen problematisch: a) bezüglich des natürlichen und des sozialen Geschlechts, weil auch die Geschöpfe berücksichtigt werden müssen, die noch nicht geschlechtsreif sind, obwohl sie zu Frauen oder Männern heranwachsen, b) bezüglich des grammatischen Geschlechts, weil - wie im Deutschen - in vielen Sprachen mehr als zwei Genera bestehen. Abb. 6.2: Grammatisches Geschlecht: die drei Genera im Deutschen (Auswahl im Nominativ Singular und Nominativ Plural) Maskulinum Femininum Neutrum der nette Arzt die nette Ärztin das nette Kind ein netter Arzt eine nette Ärztin ein nettes Kind die netten Ärzte die netten Ärztinnen die netten Kinder (viele) nette Ärzte (viele) nette Ärztinnen (viele) nette Kinder In der deutschen Sprache gilt die Genusunterscheidung vorrangig für die Substantive und deren Artikel sowie für die Personalpronomen der 3. Person Singular. Nach Substantiv und Artikelwort richten sich die weiteren Pronomen und die Adjektive. Auf ein der-Wort folgt die regelmäßige („schwache“) und auf ein-Wörter die unregelmäßige („starke“) Adjektivflexion. Es wäre müßig, in diesem Zusammenhang nach weltanschaulichen Hintergründen zu suchen. Zu diesem Umfeld s. Bußmann 1995. Die Differenzierung stark ‚aus eigener Kraft‘ - schwach ‚mit Hilfe (eines Suffixes)‘ zeigt sich am besten in der Konjugation, z. B. singen ~ sangen („stark“) : machen ~ machten („schwach“). Sie ist auch auf die Deklination übertragen worden und geht auf die Männerwelt Jacob Grimms zurück (vgl. Bußmann 2002, S. 649). <?page no="169"?> Geschlecht und Sprache 155 Für den Gebrauch der „geschlechtigen“ Personalpronomina gilt, dass das natürliche Geschlecht des Menschen und das grammatische Geschlecht des Pronomens im Normalfall übereinstimmen (Mann - er, Frau - sie, Kind - es). Wenn in Bezug auf die Verwendung von Pronomina aber z. B. gefordert worden ist, im Deutschen möge das Indefinitpronomen man durch frau ergänzt oder gar ersetzt werden, weil es von Mann abgeleitet ist, so bleibt der Wortartenwechsel unberücksichtigt, und außerdem werden die drei skizzierten Bereiche - Sex, Gender, Genus - vermischt. Auch absurde Forderungen sind in diesem Zusammenhang zu nennen, z. B. statt das feminine Suffix -in zu gebrauchen, die biologischen Geschlechtsunterschiede mittels des Artikels als Unterschiede des grammatischen Geschlechts auszudrücken: die Professor/ der Professor - bei Gefahr von Diskriminierung sogar als Neutrum: das Professor (Pusch 1980, S. 72). Gender und Alter Geschlecht und Alter prägen durchgängig das soziale und kulturelle Leben, da das Geschlecht als Gender und das Alter als Altersdistanz und damit beide als soziale Rollenattribute bestehen. Was Frau sein bzw. Mann sein oder was alt sein oder jung sein jeweils bedeutet, wird in der Rollenstruktur gewichtet. Gender und Alter sind soziologische Rollenattribute. Biosoziale Kategorien Der Soziologe Helmut Schelsky hat die Geschlechtstypisierung „soziale Superstruktur“ genannt (vgl. Ostner in Schäfers 2000, S. 108). Die Bezeichnung „Struktur“ wäre allerdings zu vermeiden, weil das Gender als Rollenattribut anzusehen ist und somit als Kennzeichen des Verhaltens und der Verhaltenserwartung. Daher ist dem soziologischen Begriff der Kategorie der Vorzug zu geben. Nach dem Grad der Organisiertheit lassen sich soziologisch unterscheiden: Kategorie als nicht physisch, sondern nur statistisch abgrenzbare soziale Einheit, z. B. alle Fußballfans unter 30 Jahren, alle Frauen unter 40, alle alten Menschen über 65 Jahren u. dgl. im Vergleich zu Aggregat als Masse der Zuschauer in einem Stadion - Kollektiv als Fußballverein - Gruppe als Fußballmannschaft (vgl. Berger in Endruweit/ Trommsdorff (Hgg.) 1989, S. 3). Wird die Definition von Kategorie allgemeiner gefasst - alle Frauen, alle Männer, alle jungen Menschen, alle alten Menschen -, so handelt es sich um eine umfassendere Größe - „Super-“ im Sinne Schelskys: um eine Superkategorie, mit der die naturgegebenen Eigenschaften und die sozialen Rollenattribute - Geschlecht (Gender) und Alter - bezeichnet werden. Biosoziale Superkategorien umfassen die naturgegebenen Eigenschaften und die entsprechenden sozialen Rollenattribute. <?page no="170"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 156 Feminismus und Linguistik Das Bild der Frau in der Literaturgeschichte, vom Mittelalter bis zur Gegenwart, zu untersuchen, hat Tradition. Aber nun werden auch die Qualität der Frauendichtung sowie „Gender als Analysekategorie der Literaturwissenschaft“ an hervorragender Stelle berücksichtigt (vgl. Renate Hof 1995a). In einer Sammelschrift werden sogar 17 Disziplinen diskutiert, in denen Gender-Studien betrieben werden (Braun/ Stephan (Hgg.) 2000). Sprachpolitik In der Soziolinguistik besteht das Ziel darin, die Abhängigkeit der Sprache von sozialen Gegebenheiten darzustellen. Daher dienen soziologische Kategorien als Grundlage der linguistischen Beschreibung. Die Beschäftigung mit der „Sprache der Frau“ steht so undifferenziert in Deutschland zunächst unter amerikanischem Einfluss, wo der Feminismus im Rahmen der „neuen“ Frauenbewegung und der „feministischen Sprachwissenschaft“ eng miteinander verknüpft sind; letztere ist „nicht ohne ihre Veränderungsabsicht - ein sprachpolitischer Aspekt mit speziell feministischem Hintergrund - zu denken. So ... hat der Feminismus das Anliegen, die patriarchalisch-sexistischen Verhältnisse, wie sie sich in der Sprache widerspiegeln, sichtbar zu machen. In der feministischen Sprachwissenschaft wird für Frauen aktiv Partei genommen, was als politisches Handeln zu verstehen ist“ (Samel 2000, S. 40 f.). Abgesehen davon, dass alles Handeln einen politischen Aspekt haben kann, gerät man mit dieser Stellungnahme in Gefahr, das gesamte Forschungsziel weg von der Linguistik und hin zur Politik zu verlagern; die Linguistik würde dann Mittel zum Zweck und es stellte sich ein ähnliches Problem wie in dem Verhältnis von Sprachsoziologie und Soziolinguistik (s. S. 2 ff.): In der angestrebten Sprachpolitik handelt es sich um Politik mit linguistischen Mitteln. Die Vermischung beider Zielsetzungen - einer politischen mit einer linguistischen - unter der Bezeichnung „-linguistik“ ist nicht akzeptabel. Demgegenüber wäre ein Verfahren relativ wertneutral, das - wie in den skizzierten Forschungen zur Varietätenlinguistik - die soziale Rolle als Variable ansehen würde. Dazu müssten alle Rollenstrukturen untersucht werden, in denen Rollenattribute im Umfeld von „weiblich“ bzw. „männlich“ verschieden gewichtet sind. Dieser Aspekt aber ist in der Genderlinguistik leider noch peripher. Zur kontroversen Diskussion s. a. Hof (1995b). Genderlinguistik ist die Richtung innerhalb der Soziolinguistik, welche die Abhängigkeit der Sprache vom sozialen Geschlecht untersucht. <?page no="171"?> Geschlecht und Sprache 157 „Sex(o)-“ vs. „Genderlekt“ „-lekt“ als System Die auf -lekt gebildeten Spracheinheiten (z. B. Dialekt, Soziolekt) sind Varietäten, d. h. Systeme (s. Kap. 1.2.4). Die Bezeichnungen „Sex(o)lekt“ (vgl. Löffler 1994, S. 128: ‚Frauensprache‘ als ‚Sexolekt‘; vgl. Löffler 2005, S. 80) vs. „Genderlekt“ könnten dann paraphrasiert werden als „Sprachsysteme in Abhängigkeit von dem a) natürlichen (biologischen: Sex), b) dem sozialen Geschlecht (Gender)“ (zu der vergleichbaren Bezeichnung „Ger(ont)olekt“ s. Kap. 6.2). Die bereits monierte Verwechslung von biologischem und sozialem Geschlecht veranlasst zu der Forderung, der Bezeichnung Genderlekt gegenüber Sexolekt den Vorzug zu geben. Verschiedentlich wird aber auch bezweifelt, dass man überhaupt von Systemen - von einem -lekt - ausgehen kann (s. Günthner 1992, S. 140). Daraus wäre dann zu folgern, dass man auch nicht „Frauen-“ bzw. „Männersprachen“ unterscheiden sollte, sondern entsprechende Register, deren Unterschiede z. B. in unterschiedlichen Strategien sichtbar werden, die Frauen bzw. Männer in Gesprächssituationen anwenden. Genderlekt ist ein hypothetisches Sprachsystem als Funktion des sozialen Geschlechts. 6.1.2 Forschungslage zur „Genderlinguistik“ Die Anfänge der Forschung - Die 70er und 80er Jahre - amerikanische Veröffentlichungen - Gegen Sexismus in der Sprache Die Anfänge der Forschung Mauthner, Jespersen Zu Beginn des 20. Jhs. äußert sich der Sprachphilosoph Fritz Mauthner (1921 [1913]) über Unterschiede des Sprachverhaltens zwischen Frauen und Männern, die in Bezug auf die Frau aber nicht überwiegend positiv bewertet werden. Otto Jespersen (1925 [1922]), der der Frau in seinem Buch über die Sprache ein besonderes Kapitel gewidmet hat (S. 220-238), legt erste, linguistisch mehr oder weniger fundierte Ergebnisse vor. Nach Jespersen machen sich Differenzierungen vor allem auf den Ebenen des Wortschatzes, des Stils, der Syntax und Gedankenführung bemerkbar. Demnach zeigen Frauen eine Vorliebe für „feinere, auf gewissen gebieten verhüllte und mittelbare bezeichnungen“, da sie gefühlsmäßig vor groben und derben Ausdrücken zurückschrecken. Auch ist der Wortschatz der Frauen in der Regel kleiner als der der Männer und darüber hinaus ver- <?page no="172"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 158 schieden: „Das mag zum teil seine erklärung in der weiblichen erziehung finden, die bis herauf in die neueste zeit weniger umfassend und gründlich war als die männliche“ (S. 232). Wegen dieser unterschiedlichen Erziehung bezieht sich der Wortgebrauch der Männer mehr auf die Öffentlichkeit, der der Frauen mehr auf die Familie. Männer bevorzugen die Hypotaxe, Frauen neigen hingegen zur Parataxe und lassen ihre Sätze häufiger „unvollendet“. Die Begründung für diese unvollständigen Sätze (Ellipsen) liegt nach Jespersen in der unvollständigen Gedankenführung, abwertend formuliert: „... weil sie zu sprechen anfangen, ohne das, was sie sagen wollen, auch zu ende zu denken.“ Das Sprachverhalten der Frauen insgesamt sei konservativer und für Neuerungen weniger aufgeschlossen als das der Männer. Trotz des begründeten Vorwurfs der Voreingenommenheit und Vorwissenschaftlichkeit (Claudia Schmidt 1988, S. 6) werden die Darlegungen Jespersens vielfach zum Ausgang späterer Studien genommen (s. Samel 2000, S. 27 ff.). Zu kritisieren ist ferner, a) dass Frauen und Männer grob biosoziologisch, nicht aber nach ihren gesellschaftlichen Funktionen differenziert und b) dass vermutlich höhere bis mittlere Sozialschichten als typisch angesehen werden. Abb. 6.3: Die Sprache der Frau (n. Daten von Jespersen 1925) Wortschatz Stil Syntax Bezeichnungen sind feiner, verhüllend, mittelbar keine Grobheiten, keine Flüche, gefühlsorientiert Sätze häufig unvollständig (Ellipsen) eigene Benennungen f. das Geschlechtsleben keine Wortspiele, keine Neologismen Parataxe, insgesamt einfacher als die der Männer Umfang kleiner, familienorientiert redegewandter (wegen kleineren Wortschatzes) Einfache Gedankenführung, emotionale Sprechmelodie Die 70er und 80er Jahre In der Zeit nach Jespersen hat sich erst die junge Soziolinguistik dieses Themas wieder angenommen, beeinflusst durch die neue Frauenbewegung in den USA (vgl. Samel 2000, S. 31 ff.). Besondere Beachtung hat das Buch „Language and Women’s Place“ von Robin Lakoff (1975) gefunden. Demzufolge ist die untergeordnete soziale Rolle der Frau die Ursache für deren defizitäre Sprache. Nicht weniger bedeutend ist das im gleichen Jahr <?page no="173"?> Geschlecht und Sprache 159 erschienene Buch von Mary Ritchie Key (1975), weil darin der Sexismus in der Sprache angeprangert und gefordert wird, diesen zum wissenschaftlichen Forschungsgegenstand zu machen. In Deutschland verdient das Heft 8 der Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (OBST) eine besondere Beachtung, wo 1978 bereits von mehreren Autorinnen (u. a. Helga Andresen, Gisela Klann) das Thema „Sprache und Geschlecht“ angesprochen wird. Schließlich erlassen Ingrid Guentherodt u. a. (1980/ 1981) „Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs“. Eine der beteiligten Autorinnen, Senta Trömel-Plötz, gibt später Beispiele für diese - sprachsoziologische - Perspektive der gesellschaftlichen Diskriminierung der Frau mittels Sprache (1982, S. 36): „Die Diskriminierung besteht gerade sehr oft darin, wie eine Frau angeredet oder nicht angeredet wird, wie ihr Redebeitrag abgetan, nicht gehört, missverstanden, falsch paraphrasiert, unterbrochen und ignoriert wird, wie sie lächerlich gemacht, bevormundet oder entwertet wird, und nicht zuletzt darin, wie man über sie redet.“ Hier zeichnen sich schon zentrale Fragestellungen und Ergebnisse späterer Forschungen ab: die Konzentration auf die Sprachhandlung, auch im Sinne der Gesprächsforschung, allerdings immer vorausgesetzt, dass es sich um Gespräche zwischen Frauen und Männern handelt und nicht um solche, an denen nur Frauen oder nur Männer beteiligt sind. Gegen Sexismus in der Sprache Splitting Unabhängig davon haben aber - möglicherweise als Folge der Studentenbewegung und der damit verbundenen Neuordnung der öffentlichen Verwaltungen - bereits ab 1970 Veränderungen im öffentlichen Sprachgebrauch stattgefunden, z. B. dahingehend, die Anrede „Fräulein“ durch „Frau“ zu ersetzen. Viel später folgten dann Erlasse, Frauen in die Anrede einzubeziehen und möglichst das weibliche Suffix bei Berufsbezeichnungen zu gebrauchen. § 611b BGB enthält „Besondere Vorschriften für Klagen wegen geschlechtsbedingter Benachteiligung“, so dass z. B. bei öffentlichen Ausschreibungen die „Beidbenennung“, das sogenannte „Splitting“, vorgenommen wird, etwa: „zu besetzen ist die Stelle eines Professors/ einer Professorin“, oder: „einer Sekretärin/ eines Sekretärs“. Dies bedeutet eine Abkehr von der sonst üb- <?page no="174"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 160 lichen Gattungsbezeichnung, so dass es auch im Plural nicht mehr Lehrer, Schüler, Studenten heißt, sondern (alphabetisch): Lehrer und Lehrerinnen, Schüler und Schülerinnen, Studenten und Studentinnen. Auf diese Weise wird das Bewusstsein für potentielle Diskriminierungen und deren Vermeidung geschärft. Der damit verbundene Konflikt der Kommunizierenden, sich umgewöhnen zu müssen, ist überwindbar. Die Änderungen gelten eingeschränkt, nämlich nur für die Bezeichnung herausgehobener Berufe und Tätigkeiten, ansonsten bestehen die Gattungsbezeichnungen fort, z. B. im Plural Landstreicher, nicht: Landstreicher und *Landstreicherinnen; Gäste, nicht: Gäste und *Gästinnen; Ziegen, nicht: Ziegen und Ziegenböcke. Gattungsbezeichnungen sind Klassenbezeichnungen für Gleichartiges. Neue Wortbildung, „Sparschreibung“ Die komplexe Formulierung: Studentinnen und Studenten hat - z. B. in Studienordnungen und offiziellen Schreiben - zu der vereinfachenden Neubildung „Studierende“ geführt, wodurch stilistisch unschöne Textungeheuer vermieden werden. Wenn eine Tätigkeit zugrunde liegt, lässt sich die Vereinfachung durch ein Verb ausdrücken; dies Wortbildungsverfahren wird auch in weiten Gesellschaftskreisen übernommen, z. B.: Mitstreitende für Mitstreiter und Mitstreiterinnen. Diese Ausdrucksmöglichkeit gibt es bei Zuständen nicht (nicht: *Bürger seiende, sondern Bürger und Bürgerinnen). Ein Überrest aus solchen Vereinfachungsversuchen ist der gegen die alten wie die neuen Rechtschreibregeln verstoßende Gebrauch des Großbuchstabens „I“ mitten in einem Wort: StudentInnen, (Werlen 1995: ) GesprächspartnerInnen (s. das Zitat S. 150, vgl. auch Samel 2000, 77 ff.) und die „Sparschreibung“ Vertreter/ innen, Student(inn)en und (allerdings orthographisch und grammatisch falsch): die Student/ innen. Folgende Möglichkeiten, letztere z. T. gegen orthographische und grammatische Regeln verstoßend, ergeben sich somit als Neuerungen: 1) die Studentinnen und Studenten 2) die Studierenden 3) die StudentInnen 4) die Vertreter/ innen 5) die Student/ innen 6) die Student(inn)en Karsta Frank wendet sich gegen die deutsche Gründlichkeit, in jedem Text feminine und maskuline Formen zu gebrauchen, da dies zu Lasten der Zwanglosigkeit und Schönheit der Sprache gehe (Frank 1992, S. 136). <?page no="175"?> Geschlecht und Sprache 161 6.1.3 Theorie der zwei Kulturen Kontextualisierung - Deborah Tannen - Interaktionsebenen - Kritik Kontextualisierungshinweise John J. Gumperz Die Theorie der zwei Kulturen wird zurückgeführt auf John J. Gumperz (1982), der sprachliche Interaktionen zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien (Inder, Briten) studiert. Bei solchen Sprachhandlungen kann es aufgrund unterschiedlicher Kontextualisierungskonventionen zu Missverständnissen kommen, z. B. wenn eine Inderin auf dem Londoner Flughafen Tee serviert und sich in der Wahl ihrer Ausdrucksweise nach indischen, aber nicht nach britischen Konventionen richtet. Dabei werden Kontextualisierungshinweise („contextualization cues“) benutzt, um zu signalisieren, wie die Äußerungen zu interpretieren sind. Diese Kontextualisierungshinweise können sowohl sprachlicher als auch nichtsprachlicher Natur sein (vgl. Abb. 1.8, S. 12). Sie sind ethnisch bzw. soziokulturell unterschiedlich. Kontextualisierung ist nach Gumperz ein Verfahren, mit welchem Interaktionspartner in ihren Sprechhandlungen Kontext herstellen. Minimalhinweise Beispielsweise geben nach Maltz/ Borker 1991 [1982] Frauen in Gesprächen mehr Kontextualisierungshinweise als Männer. Diese sind Minimalreaktionen als Zeichen der Aufmerksamkeit („hm“, „aha“, „Kopfnicken“); bei Männern bedeuten solche Minimalreaktionen in erster Linie ‚Zustimmung‘. Auch dies wird von Günthner (1992, S. 134) differenzierter gesehen. Minimalreaktionen können weitere Funktionen erfüllen, z. B. die der Ermunterung fortzufahren oder der Bekundung des Desinteresses. Sie können auch ein Verstehen vorgeben oder Erstaunen markieren. Auch können Männer wie Frauen sich derartiger Mittel bedienen, so dass die geschlechtsspezifische Wertung auf Schwierigkeiten stößt. Dies nehmen ebenfalls 1982 Daniel N. Maltz/ Ruth A. Borker (1991 [1982]) zum Anlass für Ihre Theorie der zwei Kulturen. Folgende Hypothesen werden zugrunde gelegt: <?page no="176"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 162 1.) Frauen und Männer wachsen in unterschiedlichen Kulturen auf. Die Regeln der Interaktion werden im Alter zwischen 5 und 15 Jahren in getrenntgeschlechtlichen Peergruppen erworben („world of girls“ vs. „world of boys“). 2.) Die Kommunikation zwischen Frauen und Männern ist folglich eine interkulturelle Kommunikation. Die Übertragung geschlechtsspezifischer Kontextualisierungskonventionen auf gemischtgeschlechtliche Interaktionen sorgt für Missverständnisse und Konflikte. Diese sind folglich interkultureller Natur. Deborah Tannen Die Genderlinguistik ist Anfang der 90er Jahre in Deutschland durch die Rezeption dieser Forschungen geprägt. Dazu zählen auch die Arbeiten einer weiteren Hauptvertreterin der Theorie der zwei Kulturen: die von Deborah Tannen. Ihre 1986 und 1990 auf englisch verfassten Schriften sind 1991 und 1992 ins Deutsche übersetzt und damit einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht worden, z. B. Tannen 1991 [1990]. Tannen hat den Ansatz von Maltz/ Borker (1991 [1982]) erweitert um zwei Interaktionsebenen, die durchaus unter dem Aspekt sprachlicher Handlungen auch von allgemeiner Bedeutung sind: die der Berichtsebene („Berichtssprache“: report-talk) und die der Beziehungsebene („Beziehungssprache“: rapport-talk). Vergleichbare Dichotomien bestehen auch in der Psychologie und Pragmatik: Sinnvs. Beziehungsebene, bei Watzlawick (1973, S. 53): Inhaltsvs. Beziehungsaspekt; sowie in der Philosophie und Soziologie: Universalität (z. B. mit dem Thema ‚Geld‘) vs. Partikularität (z. B. bezogen auf ‚Liebe‘), Extraversion vs. Introversion u. a. (vgl. Bernd Six in Endruweit/ Trommsdorff (Hgg.) 2002, S. 67 ff.). Nicht neu ist Tannens Hypothese, dass Männer die Berichts- und Frauen die Beziehungsebene bevorzugen. Allerdings ist einzuwenden, dass weder die jeweilige Situation noch das Thema noch die Kommunikationspartner als Variablen berücksichtigt werden. In Gesprächen kann theoretisch einmal die eine, einmal die andere Ebene dominieren. Folglich muss von Gesprächsvariablen und daran gebundenen Gesprächszyklen ausgegangen werden. Interaktionsebenen An der Bezeichnung Berichtsebene (report-talk) ist das Bestimmungswort „Bericht“ zu kritisieren, denn ein Bericht zeichnet sich aus durch Sachlichkeit, Unpersönlichkeit, Exaktheit, Klarheit und Kürze. Ein dominantes Sprachverhalten von Männern (vgl. Claudia Schmidt 1988, S. 162, Samel 2000, S. 153 ff., und den folgenden Abschnitt) - oder auch ein ebensol- <?page no="177"?> Geschlecht und Sprache 163 ches von Frauen hat andere Stilzüge, so dass statt von „Berichts-“ besser von „Inhalts-“ oder „Sinnebene“ die Rede sein sollte. Dabei ist Sinn entsprechend der Definition von Luhmann 1971 zu verstehen („Sinn ist die Ordnungsform menschlichen Erlebens, die Form der Prämissen für Informationsaufnahme und bewusste Erlebnisverarbeitung“, s. S. 23) bzw. von Roggero und Hymes, wonach Sinn sich aus der konkreten Äußerung ergibt, die durch die Parameter des Ortes, der Zeit, des ins Auge gefassten Objekts und der Kommunikationspartner bestimmt wird. Ein soziolingualer Konflikt entsteht somit durch die unbewusste oder auch ganz bewusste Vermischung der Sinn- und der Beziehungsebene seitens der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner, was eventuell gezielt mit einem Themenwechsel verbunden ist (s. u. S. 165). Die Berichtsebene ist gekennzeichnet durch sachliche Information über Vorgänge, Ereignisse, Handlungen. Die Sinnebene ist gekennzeichnet durch die Parameter des Ortes, der Zeit, des ins Auge gefassten Objekts und der Kommunikationspartner. Die Beziehungsebene ist gekennzeichnet durch persönliche Kontaktaufnahme, zwischenmenschliche Annäherung oder Distanzierung. Kritik an der Zwei- Kulturen- Theorie Die Zwei-Kulturen-Theorie einschließlich der Hypothese Tannens über das Gesprächsverhalten von Männern und Frauen lässt sich aus sozialisationstheoretischer und aus linguistischer Sicht nicht verifizieren. Der Spracherwerb beginnt in der frühen Kindheit und nicht erst im Rahmen von Peergruppen, und er findet in westlichen Gesellschaften auch nicht in vorwiegend getrenntgeschlechtlichem Raum statt, wie dies in einigen Gesellschaften, z. B. einer indischen, der Fall sein mag. Kinder und Jugendliche werden mit einer Vielzahl von Lebens- und Darstellungsmöglichkeiten von Weiblichkeit und Männlichkeit in gesellschaftlich vorstrukturierter Form konfrontiert. Dies ist für die Auseinandersetzung mit den sozialen Rollen einschließlich des Rollenattributs für ein Geschlecht maßgebend (vgl. Helga Bilden 1991, 279 ff.). Mit Recht wird verschiedentlich darauf hingewiesen, dass viele dieser Hypothesen auch deswegen nicht haltbar sind, „da sich zumindest im Berufsleben die Bereiche von Frauen und Männern immer stärker angleichen“ (Samel 2000, S. 162). Man bedenke die rapiden Veränderungen im Bildungswesen des 20. Jhs., die zunehmende Angleichung von Frau und Mann, nicht nur im Beruf, und die spürbar abnehmende Diskriminierung der Frau in westlichen Gesellschaften gegen Ende des 20. Jhs. <?page no="178"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 164 6.1.4 Gesprächskonflikte - Gesprächsstile Unterbrechungen als Zeichen von Interaktionsstörungen - Themenwechsel - Kontextualisierungshinweise - Temporäre und habituelle Sprechhandlungen - Geschlechtstypische Gesprächsstile Unterbrechungen Ein zählbares Indiz für dominantes Sprachverhalten des Mannes gegenüber der Frau anführen zu können, ist das Ziel des Aufsatzes von Zimmerman/ West (1975), der im gleichen Jahr wie die Arbeiten von Lakoff und Key veröffentlicht wird. Darin wird die Zahl der Unterbrechungen in gemischtgeschlechtlicher Konversation ausgezählt und gewertet: 96% der Unterbrechungen stammen von Männern! In einem Artikel von Christine Bauers (1996, s. Abb. 6.4) werden 42, davon 27 erfolgreiche Unterbrechungen des Mannes und 34, davon 10 erfolgreiche Unterbrechungen der Frau gezählt, was ein unterschiedliches Gesprächsverhalten dokumentiert (vgl. auch Samel 2000, S. 181 ff.). Abb. 6.4: Unterbrechungen als Zeichen von Interaktionsstörungen (Zahlen aus Bauers 1996, S. 27) Unterbrechungen: mit Erfolg ohne Erfolg Frau unterbricht Frau 3 5 Frau unterbricht Mann 7 19 Frau unterbricht (total) 10 24 Mann unterbricht Frau 20 8 Mann unterbricht Mann 7 7 Mann unterbricht (total) 27 15 Die Ergebnisse von Margit Pohl (1996, S. 136) stehen allerdings etwas im Widerspruch zu denen von Bauers. Andererseits sind ihre 16 Informantinnen insofern ein Spezialfall, als sie „sich in irgendeiner Form der Frauenbewegung zugehörig fühlen“ und „ihrer Diskriminierung in Gesprächen entgegenwirken wollen“ (S. 136 f.). <?page no="179"?> Geschlecht und Sprache 165 Gegen ein solches Verfahren wendet Susanne Günthner unter Hinweis auf neuere Untersuchungen schon 1992 ein, das rein mechanische Zählen von Unterbrechungen sei kein adäquates Mittel, um Aussagen über das Gesprächsverhalten zu machen. Vielmehr ist es nötig, die Funktion der Unterbrechungen zu analysieren, um beurteilen zu können, ob diese als kooperativ - im Sinne einer Zustimmung - oder kompetitiv - als „Wettbewerb“ im Sinne eines Einwandes - zu werten sind. Kooperative Unterbrechungen können z. B. eine Art Zwischenrufe sein wie „toll! “, „phantastisch! “ oder eine Art Nachfrage bei Verstehensproblemen wie „hm? “ Letzteres kann auch als Einwand gelten, je nach Intonation. Auch Nichtsprachliches wie ein Kopfschütteln kann als zustimmende oder ablehnende Unterbrechung gelten. Dies wäre aus der Situation heraus im Einzelnen zu bewerten. Unterbrechungen können eine kooperative (zustimmende) und eine kompetitive (ablehnende) Funktion haben. Themen, Themenwechsel Nach Tannen (1991, S. 190) sind es vor allem Männer, die zu einem abrupten Themenwechsel neigen. Das oft zitierte Beispiel, dass der ehemalige amerikanische Präsident Nixon plötzlich auf die Kleidung der Journalistin zu sprechen kam, anstatt sachlich fortzufahren, ist ein solcher, bewusst gewollter Themenwechsel; er ist zugleich ein rüder Wechsel der Interaktionsebenen (von der Sinnzur Beziehungsebene, weil die Kleidung die Persönlichkeitssphäre betrifft). In ihrer neuen Studie hat Margit Pohl keine Anzeichen dafür finden können, „daß Frauen sich eher mit submissiven, positiven und emotional expressiven Themen beschäftigen“ als Männer (1996, S. 155). Alle von ihr ausgewählten Themen werden von Frauen und Männern ähnlich behandelt. Allerdings gilt auch hier das Faktum, dass die Frauengruppe, deren Gesprächsverhalten Pohl analysiert, emanzipatorisch orientiert ist und soziologisch als „hoch“ eingestuft werden muss. Darüber hinausgehende, von ihr nicht angeregte Themen werden in dem Augenblick geschlechtsspezifisch differenziert, wo es sich um spezielle Tätigkeitsbereiche von Frauen bzw. Männern oder um Politik handelt. Außerdem ist „das Sprechen über andere ... Personen“ typisch für die Frau, was Pohl als „Ausdruck der sozialen Grundtendenz weiblicher Persönlichkeiten“ deutet (1996, S. 155). <?page no="180"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 166 Temporäre und habituelle Sprechhandlungen Bestätigende Partikel Nachdem die meisten auf das Geschlecht zurückgeführten Unterschiede im Sprachgebrauch sich so radikal und vielfach undifferenziert, wie sie vorschnell angenommen worden sind, als nicht haltbar erweisen, hat Margit Pohl (1996) in einer umfangreichen Untersuchung informeller Gesprächssituationen zwischen Frauen und Männern neue, empirisch verifizierte Ergebnisse festgestellt. Besonders geschlechtsspezifisch scheinen bestätigende Partikeln zu sein, da sie in erster Linie von Frauen gebraucht werden, woraus Pohl (1996, S. 218) auf einen kooperativen Charakter des weiblichen Gesprächsstils schließt; ähnlich auch Samel (2000, S. 216 ff.; bereits in der 1. Aufl. 1995, S. 196 ff.). Signifikant ist darüber hinaus die Redezeit: Frauen sprechen quantitativ weniger (ca. ein Drittel weniger) als Männer (Pohl 1996, S. 218). Zu ähnlichen Schlüssen kommt auch Samel 2000, S. 220): „Frauen sind aktive Hörerinnen“, „Männer liefern häufiger Redebeiträge ohne Bezug.“ Hier müsste allerdings auch wieder die jeweilige Gesprächsfunktion beleuchtet werden. Von den diskutierten, geschlechtstypischen Unterschieden in dem weiblichen gegenüber dem männlichen Sprachverhalten bleiben im Endergebnis unterschiedliche Register, die zu verschiedenen „Gesprächsstilen“ führen können. Dabei wird „Gesprächsstil“ verstanden als eine Summe besonderer Ausdrucksformen in kommunikativen Zusammenhängen, konkret: im Gespräch. Die wichtigsten, diesbezüglichen Ergebnisse Samels sind in Abb. 6.5 zusammengetragen. Der Gesprächsstil ist die Summe besonderer Ausdrucksformen im Gespräch. Auf den Begriff des Registers ist vielfach verwiesen worden; vgl. Abb. 1.13 und die Definition in Kap. 1.1.3: Register sind Formen temporärer Sprachhandlungen, eingebettet in die Parameter Gegenstand („field“), Erscheinungsform („mode“, z. B. mündlich) und Präsentationsform („style“). Somit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Sprachverhalten sich mit wechselnden Parametern ändert. Die in der Übersicht von Abb. 6.5 gegebenen Möglichkeiten können auch z. T. unterdrückt werden. Die Übersicht von Abb. 6.5 dient der Kontrastierung, so dass das Gegeneinander im Vordergrund steht und das Miteinander gänzlich vernachlässigt wird. <?page no="181"?> Geschlecht und Sprache 167 Abb. 6.5: Geschlechtstypische Register und Gesprächsstile (n. Angaben v. Samel 2000 [ 1 1995]) Frauen Männer sind aktive Hörerinnen: mehr Satzvollendungen, mehr Unterstützungen liefern häufig Redebeiträge ohne Bezug, stellen häufig Scheinbezüge her gebrauchen Abschwächungen: mehr Fragen statt Aussagen, häufig „mögen“, „denken“ bevorzugen statusmanifestierende Sprachmittel wie „wir Ärzte“ nicht dominant dominant ausgeprägt kommunikativ orientiert: gemeinsame Themenbearbeitung, Berücksichtigung fremder Beiträge; kooperativ unterstützende Verhaltensweisen im Hintergrund: Darstellung eigenen Wissens; nonkooperativ Fragen halten das Gespräch in Gang Fragen dienen der Informationsbeschaffung Bezüge zw. Redebeiträgen sind wichtig Bezüge sind zu ignorieren verbale Aggression ist zerstörerisch verbale Aggression treibt d. Gespräch voran bevorzugen progressive Themenentwicklg. bevorzugen abrupte Themenentwicklung diskutieren Probleme und bieten Rückhalt erzählen von Problemen, zugleich Bitte um Lösungsvorschläge lassen Männer gewinnen kämpfen reden, um Gemeinsames herzustellen reden, um sich darzustellen, um sich mit anderen zu messen, um zu gewinnen bevorzugen private Gespräche in kleinen Gruppen über persönliche Themen reden öffentlich; es geht ihnen um Wettstreit, Kampf ums Wort, Gewinnen unterstützen die Redebeiträge anderer dominieren das Gesprächsthema Das Sprachverhalten der Geschlechter ist nicht nur Konfliktverhalten. Jedoch können die skizzierten geschlechtsspezifischen Unterschiede in Gesprächen zu sprachlichen Konflikten führen. Pohl hat den Gesprächsverlauf in einer nur aus weiblichen Personen bestehenden Kontrollgruppe analysiert und kommt zu dem nicht überraschenden Ergebnis (1996, S. 186, 219), dass das Sprachverhalten in gleichgeschlechtigen Gruppen - z. B. Frauen unter sich - anders verlaufen kann als in gemischtgeschlechtigen Gruppen. Analoges ist sicherlich für reine Männergruppen ebenso gültig. Hier zeigt sich ein Desideratum: die Untersuchung der „Männersprache“. <?page no="182"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 168 Literatur (Auswahl) Bauers 1996 - Bußmann/ Hof 1995 - Günthner 1992 - Hof 1995b - Jespersen 1925 [1922] - Maltz/ Borker 1991 [1982] - Pohl 1996 - Pusch 1980 - Samel 1995 - Schmidt 1988 - Tannen 1991 [1990] - Trömel-Plötz 1982 Kontrollfragen (Antworten in Kapitel 8, Seite 236) 6.1.01 Nennen Sie Objektbereiche der biosozialen Superkategorien. 6.1.02 Was ist für den Ausdruck „Geschlecht“ inhaltlich zu unterscheiden? 6.1.03 Welche Wortarten unterscheiden ein grammatisches Geschlecht? 6.1.04 Was kennzeichnet Geschlecht und Alter soziologisch? 6.1.05 Was umfassen biosoziale Superkategorien? 6.1.06 Welche Ziele verfolgt die „feministische Sprachwissenschaft“? 6.1.07 Definieren Sie „Genderlinguistik“. 6.1.08 Welche Einwände ergeben sich gegen „Sexolekt“? Alternativen? 6.1.09 Definieren Sie „Genderlekt“. 6.1.10 Nennen Sie zwei Forscher in der Frühphase der Genderlinguistik. 6.1.11 Nennen Sie amerikanische Autorinnen zur feministischen Linguistik. 6.1.12 Nennen Sie Beispiele für die Diskriminierung der Frau mittels Sprache. 6.1.13 Geben Sie Beispiele für die „Beidbenennung“, das „Splitting“. 6.1.14 Definieren Sie „Gattungsbezeichnungen“. 6.1.15 Geben Sie ein Beispiel für „Sparschreibung“. 6.1.16 Definieren Sie „Kontextualisierung“. 6.1.17 Skizzieren Sie die Theorie der „zwei Kulturen“. 6.1.18 Definieren Sie a) die Berichts-, b) die Sinn-, c) die Beziehungsebene. 6.1.19 Welche Funktion können Unterbrechungen haben? 6.1.20 Welche Funktion können bestätigende Partikeln haben? 6.1.21 Definieren Sie „Gesprächsstil“. 6.1.22 Nennen Sie a) weibliche, b) männliche Register und Gesprächsstile. <?page no="183"?> Alter und Sprache 169 6.2 Alter und Sprache 6.2.1 Aspekte des Begriffs „Alter“ Zur demographischen Bestimmung: Altersaufbau in Deutschland - Anteile von Frauen und Männern - Soziologische Aspekte: „Alter“ in der Gesellschaft - Parameter der Analyse Zur demographischen Bestimmung: Altersaufbau in Deutschland Altersaufbau Wird der Altersaufbau der heutigen deutschen Gesellschaft mit dem von 1910 oder dem der indischen bzw. brasilianischen Bevölkerung verglichen (zu 1910 vgl. Geißler 1996, S. 343, u. Schulze 1998, S. 26), so zeigen sich erhebliche Abweichungen; dies betrifft die gesamte Struktur, die der als Normalfall angesehenen Alterspyramide nicht mehr ähnelt. Abb. 6.6: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland (aus: Schulze 1998, S. 31) <?page no="184"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 170 Die Besonderheiten bestehen u. a.: a) in dem zahlenmäßig geringen Umfang der knapp 50jährigen - dies hängt mit dem Zweiten Weltkrieg zusammen - sowie b) in dem der etwa 20jährigen, was durch die geburtenschwachen Jahrgänge ab etwa 1970 bedingt ist. Für 2040 wird eine gänzliche Umkehr der Pyramide prognostiziert, d. h., dann wird die Zahl der Personen fortgeschrittenen Alters verhältnismäßig hoch sein, die der Nachkommen geringer (s. Abb. 6.6), was erhebliche, jetzt noch gar nicht recht abschätzbare soziale und sprachliche Folgen haben wird. Anteile von Frauen und Männern Frauen und Männer Während die Männer in jüngeren und mittleren Jahrgängen gegenüber den Frauen bisweilen leicht in der Überzahl sind, nimmt ihr Anteil mit zunehmendem kalendarischen Alter ab. Im Jahre 2040 werden 38 % der Frauen und 32 % der Männer über 60 Jahre alt sein (Gesamtzahl, vgl. Schulze 1998, S. 32). Für die Einschätzung der kommunikativen Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt sind diese Zahlen nicht unerheblich, da Menschen fortgeschrittenen Alters - und insbesondere dann die Frauen - wesentlich mehr als bisher an den Kommunikationsprozessen partizipieren werden. Die geschlechtsspezifischen Sprachverhältnisse sind unter diesen Gesichtspunkten bisher kaum untersucht worden, bestenfalls als „geschlechtsspezifische Altersbilder“ (Thimm 2000, S.43 ff.). Auch das i. e. zu diskutierende Sprachverhalten jüngerer Sprecher gegenüber älteren steht bisher noch nicht unter diesem Vorzeichen. Alter und Geschlecht sind soziologisch durch die Zuweisung sozialer Rollen gekennzeichnet. „Alter“ in der Gesellschaft Soziales und natürliches Alter Soziologisch gesehen ist das Alter immer an soziale Rollen gebunden, d. h. an bestimmte, an die Summe der an den Inhaber einer sozialen Position gerichteten (Verhaltens-)Erwartungen (vgl. S. 33). Dies sind Erwartungen gerichtet an Kinder unterschiedlichen Alters, an Jugendliche, erwachsene Frauen und Männer, Greise. Analog zu der sozialen Superkategorie „Geschlecht“ muss zwischen „sozialem“ und „natürlichem Alter“ unterschieden werden. <?page no="185"?> Alter und Sprache 171 Das natürliche Alter ist die Zeitspanne, die seit der Geburt vergangen ist. Das natürliche Alter wird auch kalendarisches Alter oder Lebensalter genannt. Dies ist in der Demographie ein Kriterium, den Altersaufbau einer Gesellschaft darzustellen (s. Abb. 6.6). Aus statistischer Sicht lassen sich Altersschichten unterscheiden, die mit Generationenschichten gleichgesetzt werden können. Deren Größe ergibt sich „aus dem durchschnittlichen Altersabstand zwischen Eltern und Kindern“ (Gukenbiehl in Schäfers 2000, S. 103). Generation heißt die Gesamtheit der etwa Gleichaltrigen mit erlebnisbedingt ähnlichen Orientierungen, Einstellungen und Verhaltensformen. Die Größe von Altersschichten ergibt sich „aus dem durchschnittlichen Altersabstand zwischen Eltern und Kindern.“ Abb. 6.7: Parameter zur Analyse von „Alter“ (leicht modif. u. übers. aus: Caradec 2001, S. 47) Der Wert dieses Modells besteht u. a. darin, dass der Begriff „Alter“ in einen soziologischen Kontext gestellt wird, der sich für diverse Analysen eignet. <?page no="186"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 172 Parameter zur Analyse von „Alter“ In diesem Modell stehen die Abkürzungen , ', " für „Altersstufen“, die Abkürzungen t 1 , t 2 jeweils für einen „Zeitpunkt“ (temps) und g 1 , g 2 für „Generation“1 bzw. 2. Je nach der gewählten Perspektive ergibt sich eine unterschiedliche Betrachtung von „Alter“: Aus der Sicht z. B. von t 1 ist die Periode (das „Jahr“) neutralisiert zu Gunsten der Altersstufen und der Generationen. Aus der Sicht z. B. von ' sind die Altersstufen invariabel ( ' bleibt '), aber die Generationen und „Perioden“ sind variabel. Entsprechendes gilt für Längsschnittuntersuchungen, bei denen die jeweilige Generation feststeht und die anderen Parameter variabel sind. 6.2.2 „Gerontolinguistik“ Fortgeschrittenes Alter - „Gero-” bzw. Gerontolinguistik” - „Gerolekt” - Soziales Netz - Altersdiskurs - Soziale und linguale Stereotype - Altersstereotype - Positive und negative Stereotype in Interaktionen Fortgeschrittenes Alter Kennzeichen Die besonderen Kennzeichen, die nach Caradec (2001, S. 48 f.) für die drei Parameter von Abb. 6.7 gelten, sind bei ihm stark an dem fortgeschrittenen Alter orientiert: 1) die physische Alterung, 2) der veränderte Lebensrhythmus, 3) die Lebensdauer, 4) die noch verbleibende Lebensdauer. Dies ist aber nur ein Aspekt des Begriffs „Alter“, so dass die - auch in dem Modell zugelassenen - Differenzierungen sowohl des natürlichen wie des sozialen Alters berücksichtigt werden müssten. Allerdings ist die Sprache von Altersstufen - „Kinder-“, „Jugend-“ und „Erwachsenensprache“ - keine heile Welt. Realität sind vielmehr die Konflikte, die in der Kommunikation zwischen den Angehörigen verschiedener Altersschichten bzw. Generationen auftreten, insbesondere zwischen Alt und Jung. Die Kommunikation zwischen den Generationen bedeutet, dass „ältere und jüngere Menschen sich im Gespräch durch Annahmen und Erwartungen geleitet aufeinander einstellen und dies in Form > kommunikativer Akkommodation < sprachlich wirksam wird“ (Thimm 2000, S. 112). Geschieht dies nicht, so kommt es zu gestörter Kommunikation und u. U. zu einem Kommunikationskonflikt, der einen sozialen Konflikt zwischen Alt und Jung auslöst bzw. verschärft. Der Begriff des Alters wird in der „Gerontolinguistik“ auf den des fortgeschrittenen Lebensalters eingeengt. Der Begriff ist formal analog zu dem bereits beste- <?page no="187"?> Alter und Sprache 173 henden Begriff „Gerontologie“ gebildet - dies ist die Wissenschaft von den Alterungsvorgängen, die Erforschung des Alterns - und ist ein Kunstwort des 20. Jhs, zu griech. geron ‚alt, bejahrt‘, als Substantiv geron, Gen. gerontos ‚des Greisen‘ (vgl. Le Robert 1998, S. 1584). Es gibt auch die Kurzform „Gerolinguistik“. Damit wird also nicht die Sprache unterschiedlicher Altersstufen assoziiert, etwa die Altersstufen von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, sondern nur die von Menschen fortgeschrittenen Alters. Die Gerobzw. Gerontolinguistik untersucht innerhalb der Soziolinguistik die Abhängigkeit der Sprache vom sozialen Alter, gezielt angewendet auf das fortgeschrittene Alter. Ein Gerolekt ist ein hypothetisches Sprachsystem als Funktion des sozialen Alters, angewandt auf das fortgeschrittene Alter. Der Begriff des „Gerolekts“ ist deshalb hypothetisch, weil damit die Kommunikation von Menschen im fortgeschrittenen Alter als abgeschlossenes System definiert wird und nicht das Kommunikationsverhalten mit „Alter“ als Variable bei u. a. variablen Kommunikationspartnern, variablen Situationen und variablen Themen. Insofern gelten für die Bezeichnung Ger(ont)olekt die gleichen Einwände wie gegenüber Genderlekt. Eingeschränkte Sozialbeziehungen Einschnitte im Sozialbereich des „alten“ Menschen sind: a) die Aufgabe des Berufs und b) Umgestaltungen im privaten Bereich (Familie, Freunde). Mit Punkt a) sind oft Veränderungen in formellen, mit b) solche in informellen Sozialbeziehungen verbunden (s. S. 56): Soziale Beziehungen sind das Geflecht des interaktiven, sozialen Mit- und Gegeneinander von Individuen bzw. Gruppen. Soziales Netz Bei weniger als acht Kontaktpersonen erscheinen die alten Menschen als sozial isoliert (Schulze 1998, S. 42). „Das durchschnittliche soziale Netzwerk älterer Menschen ist zumeist auf fünf bis acht Kontaktpersonen begrenzt, mit denen Sozialbeziehungen gepflegt werden.“ Hier stehen die Familie und im weiteren Sinne die Verwandtschaft - alternativ und komplementär dazu die Freunde und Nachbarn - an erster Stelle. Die Reduktion der Kommunikationspartner hat zur Folge, dass die Kommunikationsintensität ebenfalls reduziert wird, und zwar in allen Bereichen, wovon auch die Themen und Situationen betroffen sind. <?page no="188"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 174 Abb. 6.8: Ein „Altersdiskurs“ (Thimm 2000, S. 309) Altersdiskurs Von einiger Bedeutung ist die Kommunikation mit Menschen der unmittelbaren Umgebung, das Gespräch, die Unterhaltung mit Familienangehörigen, Nachbarn, Freunden über Probleme des Alltags: der Diskurs. Dieser kann bei älteren Menschen, die sich zurückziehen, je nach Mentalität weniger häufig sein als bei jüngeren, ist aber a) ausgeprägt selbstbezogen und b) verstärkt vergangenheitsorientiert. Das Thema dieses Diskurses ist die eigene und die fremde Hilfsbereitschaft sowie das Schicksal der stets hilfsbereiten Dame, die schließlich selbst in ein Altersheim ziehen musste. Über die Thematisierung des Schicksals anderer wird indirekt das Selbst in den Vordergrund gerückt, z. B. die eigene Gesundheit verglichen mit der Gesundheit bzw. Krankheit anderer. Ein Diskurs ist ein Bedeutungsganzes als kommunikative Grundeinheit. Zu dem komplexen Begriff „Diskurs“ s. A. McHoul in Mey 1998 (S. 225- 236). Thimm (2000, S. 327) spricht von „Altersdiskursen“. <?page no="189"?> Alter und Sprache 175 Soziale und linguale Stereotype „Alter“, auf das fortgeschrittene Lebensalter eingeengt, erhält aus der Sicht des Außenstehenden Rollenattribute bzw. attribuierte Stereotype (vgl. die Definition in Kap. 2.1.3). Abb. 6.9: Positive und negative Stereotype in Interaktionen (Übers. u. generalisiert aus Thimm 2000, S. 111, diese n. Hummert 1994) <?page no="190"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 176 Altersstereotype Das Bild der alternden Frau bzw. des alternden Mannes kann positive und negative Assoziationen wecken, aber vorwiegend negative sind die Regel (Angela Deitersen-Wieber/ Sabine Meck in Endruweit/ Trommsdorff (Hgg.) 2002, S. 9): Vereinsamung, Isolation, Hilfsbedürftigkeit, Abhängigkeit, Leistungsschwäche, ohne sexuelle Potenz, wachsende Unzurechnungsfähigkeit, Langsamkeit, Vergesslichkeit, Krankheit, nicht anpassungsfähig, konservativ, zerstreut, wirr, inaktiv, starrköpfig, uneinsichtig, intolerant, kontaktscheu, ruhebedürftig, unaufmerksam, leicht ermüdbar. Ganz im Sinne von Abb. 6.7 ist das Alter eine Variable, für die in dem Modell von Abb. 6.9 drei Stufen angesetzt werden: jung, mittel, fortgeschritten, bezogen auf das Eigensystem. In Verbindung mit den Parametern „Kontakt“ und „Kognitive Komplexität“ wird die Selbsteinschätzung des eigenen Alters zu dem Fremdsystem in Beziehung gesetzt und führt entweder zu positiven oder negativen Stereotypen. Die äußeren Charakteristika der Zielperson und die Situation sind mit entscheidend für die Art von Stereotypen, die aufgerufen werden. Danach richtet sich das kommunikative Verhalten. In Abb. 6.9 werden auch die äußeren Charakteristika der Zielperson genannt. Die geschlechtsspezifisch gültige Definition von Rollenattributen trifft auch auf die Altersattribute zu: Rollenattribute sind einzelne Erwartungen an den Inhaber einer sozialen Position, sich zu verhalten und in Erscheinung zu treten. 6.2.3 Kommunikationskonflikte mit Menschen fortgeschrittenen Alters Kommunikationsdilemma des Alterns - Jüngere und ältere Personen - Altersmarker - Patronisieren - Kommunikative Charakteristika Missachtete kommunikative Kompetenz Kommunikationsdilemma So harmonisch und unkompliziert, wie die kommunikative Adaption einer bzw. eines Jüngeren an eine ältere Person auf Grund von Abb. 6.9 erscheinen mag, ist die Wirklichkeit meist nicht. Häufig entsteht dabei eine Diskrepanz zwischen der tatsächlichen kommunikativen Kompetenz der älteren Person und deren negativer Wahrnehmung durch andere. Das Erkennen von äußeren Zeichen fortgeschrittenen Alters führt bei Jüngeren zur Reduktion ihrer Sprache auf das niedrige Niveau, das sie bei den Alten zu erkennen glauben. <?page no="191"?> Alter und Sprache 177 Abb. 6. 10: Kommunikationsprobleme jüngerer und älterer Personen (Modell aus Thimm 2000, S. 109, nach Ryan u. a. 1995) Die von Thimm (vgl. Abb. 6.10) angegebenen „Altersmerkmale“ sind als Rollenattribute zu verstehen, welche die Jüngeren zu erkennen glauben. Die betroffenen Älteren empfinden das daran anknüpfende Verhalten der Jüngeren als Blockade ihrer Selbstentfaltung. Sie entwickeln eine negative Einstellung gegenüber den Jüngeren und hegen andererseits Zweifel an ihren Fähigkeiten, verbunden mit einer nach außen erkennbaren negativen Veränderung der Persönlichkeitsmerkmale (der „Zeichen fortgeschrittenen Alters“). Dies hat „eine größere intergeneratio- <?page no="192"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 178 nelle Distanz zur Folge“ - ein „Teufelskreis“, der von Ryan u. a. in einem Modell als Kommunikationsdilemma dargestellt wird (vgl. Thimm 2000, S. 106 f.). Altersmarker Der Begriff des „fortgeschrittenen Alters“ ist relativ und je nach Perspektive der Betrachter anders definierbar. Soziolinguistisch werden Altersattribute (age marker ‚Altersmarker‘, Helfrich 1979) zur Charakterisierung der Sprache von Menschen fortgeschrittenen Alters bemüht. Dadurch lassen sich ex negativo auch die Unterschiede zu der Sprache von relativ jungen Menschen fassen (vgl. die Übersicht in Abb. 6.13 und Thimm 2000, S. 75 ff.). Lebensstile Menschen im fortgeschrittenen Alter und von vorwiegend niedrigem Sozialstatus (aus manuellen Berufen) tendieren zu einem zurückhaltend-passiven (69 % der Männer) bzw. zurückhaltend konventionellen Lebensstil (77 % der Frauen), d. h. „Gemütlichkeit“ und Entspannung gehören zu den Lebensstilen. Lebensstil ist ein relativ stabiles, regelmäßig wiederkehrendes Muster der alltäglichen Lebensführung (Geißler 2002, S. 126). Daraus ergeben sich habituelle Kommunikationsmuster, die bezüglich der Gegenstände, Personen und Situationen der Kommunikation von stabilen Handlungsdispositionen abhängig sind. Im Sinne von Bourdieu (1979) definiert Hermann Kocyba (in Endruweit/ Trommsdorff (Hgg.) 2002, S. 211): Habitus ist eine „für den jeweiligen Akteur charakteristische Konfiguration erworbener Wahrnehmungs- und Handlungsschemata.“ Der Habitus ist sowohl individuell als auch sozial fixiert, was sich bei Verstößen gegen das „Normale“, d. h. gegen das von der Umwelt erwartete Verhalten zeigt, etwa wenn ein älterer Mensch sich in Diskos herumtreibt und einen den Jugendlichen zwar, ihm aber nicht angemessenen „hedonistisch-expressiven“ Lebensstil zu führen versucht und auch die Sprache Jugendlicher imitiert. Patronisieren Patronisierendes Verhalten Die stereotype Erwartung bezüglich der reduzierten kommunikativen Kompetenz der älteren Person führt die jüngere Person in dem Modell von Abb. 6.11 zu einem „simplifizierten Sprechstil“. Damit verhält sich die jüngere Person der älteren gegenüber ähnlich wie die Mutter gegenüber dem Kind, wenn sie sich des sehr vereinfachten „Baby Talk“ (auch motherese, „Tantensprache“) bedient (vgl. Kap. 2.2.2); auch eine Parallele zu den bewussten Simplifizierungen im „Foreigner Talk“ gegenüber Ausländern (s. S. 212) ist nicht abwegig. Dies Verhalten gegenüber Älteren heißt in neueren Forschungen „Patronisieren“. <?page no="193"?> Alter und Sprache 179 Abb. 6.11: „Patronisieren“ im Sozial- und Sprachverhalten Einschätzung des Sozialstatus Einschätzung der Sprachkompetenz selbst andere selbst andere hoch niedrig hoch niedrig Sozialverhalten: herablassend Sprachverhalten: simplifizierend Laut Thimm (2000, S. 126) wird ein derartiges Sprachverhalten auch gegenüber Pflegebedürftigen und Behinderten praktiziert. Eine real oder vermeintlich sozial höher stehende Person schätzt ihre Sprachkompetenz gegenüber der anderen real oder vermeintlich sozial niedriger stehenden als höher ein. Abb. 6.12: Charakteristika patronisierender Kommunikation (aus: Thimm 2000, S. 124) Das Sozialverhalten der vermeintlich höher stehenden Person ist jedoch - anders als das der Mutter bei dem „Baby Talk“ herablassend („patronisierend“ - analog <?page no="194"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 180 könnte man auch „matronisierend“ sagen). Sie simplifiziert die eigenen Äußerungen. Somit besteht eine Kovarianz zwischen der Einschätzung des eigenen bzw. fremden Sozialstatus und der eigenen bzw. fremden Sprachkompetenz. „Patronisieren“ ist herablassendes Sozialin Kovarianz mit simplifizierendem Sprachverhalten. Die charakteristischen Merkmale der patronisierenden Kommunikation können sowohl verbal (lingual) als auch paralingual (z. B. auf die Stimmlage oder Lautstärke bezogen) und nonverbal (nonlingual) sein (zur Terminologie vgl. Kap. 1.1.3). 6.2.4 „Alter“ in der linguistischen Theorie Abbau der sprachlichen Leistung - Sprachliche Regression - Jakobsons Zwei-Achsen-Modell - paradigmatisch/ syntagmatisch Abbau der sprachlichen Leistung Sprachliche Leistung Die Charakteristika patronisierender Kommunikation, wie sie in Abb. 6.12 aufgelistet werden, gelten nicht für die alten, sondern für die jungen Kommunikationspartner und -partnerinnen. Die erwähnten Altersmerkmale ergeben sich auch aus der abnehmenden sprachlichen Leistung. Abb. 6.13: Sprache im fortgeschrittenen Alter (Auswahl von Merkmalen) Beschreibungsebene Markierte Erscheinung Schrift/ Grapheologie „krakelige“ Handschrift Lautung/ Phonologie Artikulation, Tonhöhe verändert, Tonhöhenschwankungen, Sprechtempo Wortschatz/ Lexikologie Kaum Reduzierung des Wortschatzes, aber Verlust der Modernität; Zunahme prestigeärmerer Wörter; leichte Wortfindungsstörungen Satzbau (Syntax)/ Syntaktologie Verringerung der Satz-Komplexität Diskurs/ Textologie Verstärkte Thematisierung a) des Selbst in der Gegenwart b) der erlebten Vergangenheit <?page no="195"?> Alter und Sprache 181 Mit Abb. 6.13 (vgl. auch Thimm 2000, S. 75 ff.) werden einige Kennzeichen dieses Abbaus aufgezeigt. Alle Bereiche der Sprachproduktion und -rezeption sind in irgendeiner Weise betroffen: die Schreibung, die Lautung, der Wortschatz (Lexik), die Grammatik im engeren Sinne (Syntax) sowie der Text in schriftlicher und mündlicher Form (Diskurs). Regressionshypothese Sprachliche Regression Mit seinem Buch über „Kindersprache, Aphasie und allgemeine Lautgesetze“ hat Roman Jakobson (russ.-amerikan. Linguist 1896-1982) die „Regressionshypothese“ begründet (s. Jakobson (1969 [1941]). Diese besagt, vereinfacht und zunächst bezogen auf das Lautliche, dass der Sprachabbau spiegelbildlich zu dem Spracherwerb erfolgt. Was zuletzt aufgebaut wurde, wird zuerst wieder abgebaut. Diese Hypothese hat sich in der apodiktischen Form nicht bestätigt und hat somit in dieser Form auch keine Gültigkeit als Erklärung der abnehmenden Sprachkompetenz mit zunehmendem Alter, anders als die Neufassung von 1955 ff. Abb. 6.14: Sprachabbau bezogen auf Jakobsons Zwei-Achsen-Modell <?page no="196"?> Geschlechts- und altersspezifische Sprachkonflikte 182 Die aus dem Jahre 1941 stammende Hypothese ist ab 1955 um das „Zwei-Achsen-Modell“ erweitert worden (s. Abb. 6.14). Es besteht aus einer paradigmatischen und einer syntagmatischen Achse, ganz im Sinne des europäischen Strukturalismus. Paradigmatisch heißt bei de Saussure „assoziativ“. Anders als syntagmatische sind assoziative Beziehungen „nicht von der Zeiterstreckung getragen; ihr Sitz ist im Gehirn“ (de Saussure 2001, S. 147 f., vgl. Holenstein 1975, S. 142 ff.). Gleichzeitigkeit, Ähnlichkeit und Austauschbarkeit kennzeichnen assoziative bzw. Ähnlichkeitsbzw. paradigmatische Beziehungen. In Abb. 6.14 stehen die Bezeichnungen Rosen, Nelken, Tulpen, Narzissen, Dahlien, Chrysanthemen in einer paradigmatischen bzw. logischen ODER-Beziehung; sie sind struktural austauschbar. Syntagmatische Beziehungen sind bei de Saussure (2001, S. 148 ff.) Anreihungsbeziehungen, weil sie z. B. in einem Satz aus einer Folge von aneinandergereihten Gliedern - Wörtern - bestehen; in Abb. 6.14: Viele Rosen (Nelken, Tulpen usw.) zieren unseren Garten. Bei Jakobson heißen sie auch „Kontiguitätsbeziehungen“ (zu lat. contiguus ‚angrenzend‘); sie sind logische UND-Beziehungen. Paradigmatische bzw. assoziative Beziehungen sind logische ODER- Beziehungen. Syntagmatische Beziehungen sind logische UND-Beziehungen. In Jakobsons Zwei-Achsen-Modell erfolgt der Sprachabbau entweder als paradigmatische, d. h. Ähnlichkeitsstörung, oder als syntagmatische, d. h. als Kontiguitätsstörung. Die Abnahme der Formulierungs- und Gedächtnisleistungen (fehlendes Kontiguitätsbzw. Assoziationsvermögen) können bei alternden Menschen zu entsprechenden Symptomen führen. Am stärksten leiden ältere Menschen an solchen Wortfindungsbzw. Assoziationsbzw. Ähnlichkeitsstörungen im Sinne Jakobsons. Bei dem Ausfall ganzer Gehirnpartien bestehen parallele Folgen für die Sprache (Aphasie): Die motorisch bedingte Kontiguitätsstörung gilt dort als Broca-Aphasie, die sensorisch bedingte Ähnlichkeitsstörung als Wernicke-Aphasie, benannt nach den Entdeckern Paul Broca (1824- 1880) und Carl Wernicke (1848-1905). Beide Formen der Sprachstörung lassen sich somit durch dies Modell veranschaulichen; eine pathologische Sprachstörung wie bei Morbus Alzheimer vielleicht auch. Literatur (Auswahl) Caradec 2001 - Jakobson 1969, 1971 - Mey 1998 - Saussure 2001 - Schulze 1998 - Thimm 2000 <?page no="197"?> Alter und Sprache 183 Kontrollfragen (Antworten in Kapitel 8, S. 237) 6.2.01 Was kenneichnet Alter und Geschlecht soziologisch? 6.2.02 Definieren Sie „natürliches Alter“. 6.2.03 Definieren Sie „Generation“. 6.2.04 Definieren Sie „Altersschicht“. 6.2.05 Definieren Sie „Gero-“ bzw. „Gerontolinguistik“. 6.2.06 Definieren Sie „Gerolekt“. 6.2.07 Weshalb ist der Begriff des Gerolekts hypothetisch? 6.2.08 Wann erscheint der Mensch als „sozial isoliert“? 6.2.09 Definieren Sie „Diskurs“. 6.2.10 Nennen Sie einige positive und einige negative Altersstereotype. 6.2.11 Skizzieren Sie das Kommunikationsdilemma des Alterns. 6.2.12 Definieren Sie „Patronisieren“. 6.2.13 Nennen Sie Charakteristika patronisierender Kommunikation. 6.2.14 Nennen Sie einige Merkmale für den Sprachabbau im fortgeschrittenen Alter. 6.2.15 Auf wen geht die „Regressionshypothese“ zurück? 6.2.16 Was besagt die Regressionshypothese? 6.2.17 Definieren Sie „paradigmatische Beziehungen“. 6.2.18 Definieren Sie „syntagmatische Beziehungen“. 6.2.19 Wie nennt Jakobson die paradigmatische Störung des Sprachabbaus? 6.2.20 Wie nennt Jakobson die syntagmatische Störung des Sprachabbaus? <?page no="198"?> 7 Kulturelle und sprachliche Vielfalt 7.1 Multikulturelle, multiethnische, polyglossische Gesellschaft 7.1.1 Kulturelle Verschiedenheit Kultur - Zur Begriffsgeschichte - Zivilisation - Aspekte von Kultur - Kulturem/ Behaviorem - Zwei Modelle - Normen und Werte - Werthaltungen - Ethnien - Konkurrierende Varietäten der deutschen Standardsprache - Normenkomplex Kultur Zur Begriffsgeschichte Der Begriff der Kultur ist umstritten. Die Bezeichnung Kultur ist abgeleitet aus lat. cultura ‚Pflege (des Ackers), Landbau‘ und wird im Hochmittelalter, ab dem 12. Jh. in Frankreich, später auch in Deutschland in diesem Sinn verwendet. Ab etwa 1700 kommt - nicht ohne den Einfluss Kants - die übertragene Bedeutung hinzu: ‚die Ausbildung und geistige Vervollkommnung des Individuums‘. In der marxistischen Gesellschaftslehre ist Kultur ‚die Gesamtheit der Errungenschaften auf gesellschaftlicher, künstlerischer, humanitärer Ebene‘ (vgl. Pfeifer 1989, S. 943; Klaus/ Buhr (Hgg.) 1972, S. 629 ff.). Kultur ist ‚die Ausbildung und geistige Vervollkommnung des Individuums‘. Kultur ist ‚die Gesamtheit der Errungenschaften auf gesellschaftlicher, künstlerischer, humanitärer Ebene‘. Kultur „ist die ... Gesamtheit der ... tradierten und orientierend wirkenden Denk- und Verhaltensmuster eines sozialen Systems“ (Burghardt 1974, 146). Der im Jahre 2000 von dem CDU-Politiker Friedrich Merz geprägte politische Begriff deutsche Leitkultur ist brisant, weil eine ‚Kultur mit Vorbild- und Führungscharakter‘ gemeint ist. In Verbindung mit dem Attribut deutsche impliziert dies die Existenz einer Leitkultur überhaupt, einer speziell deutschen Leitkultur und die notwendige Dominanz dieser sog. deutschen Leitkultur gegenüber anderen Kulturen, etwa der türkischen und anderen vorwiegend islamisch geprägten Kulturen, ferner gegenüber den jüdischen, indischen, chinesischen usf. Kulturen, wobei unklar ist, ob sich diese Aussage auf die Gegenwart im Geltungsbereich der deutschen Staatsmacht bezieht oder einen Missionsgedanken beinhaltet. In Konkurrenz zu „Kultur“ steht seit Ende des 18. Jhs. der Begriff der Zivilisation zu lat. civis ‚Bürger, Mitbürger‘ in der Bedeutung: ‚auf technischem und wissen- <?page no="199"?> Multikulturelle, multiethnische, polyglossische Gesellschaft 185 schaftlichem Fortschritt beruhende Lebensweise, durch Erziehung und Bildung geprägte Lebensart‘. Zivilisiert bedeutet ‚gesittet, gebildet, von urgeschichtlichen Zuständen befreit‘. Gegensatz: unzivilisiert. Das Adjektiv zivil gilt seit dem 16. Jh. als Rechtsbegriff für den Bürger, den Zivilisten, im Sinne von ‚nichtmilitärisch‘ (vgl. Le Robert 1998, S. 767, 974 f., u. Pfeifer 1989, S. 943, 2040). Somit ergeben sich die Gegensatzpaare: zivilisiert - barbarisch und zivil - militärisch. Zivilisation ist die ‚auf technischem und wissenschaftlichem Fortschritt beruhende Lebensweise, durch Erziehung und Bildung geprägte Lebensart‘. Aspekte von Kultur und Behavior Die Kulturen unterschiedlicher Gesellschaften sind auch zeitlich fixiert, z. B. die spezielle „Kultur der Griechen“. Zur Kultur gehören Weltsichten. Eine Weltsicht ist z. B., dass die Sonne auf- und untergeht. Religion, Aberglauben, Tabus, Vorurteile, Riten, Sitten und Gebräuche, Kleidung, Essen, Arbeit, Hausbau, Mobiliar usw. sind Aspekte einer Kultur. Diese werden u. a. auch in der Ethnographie, der Kulturanthropologie bzw. traditionell und infranational in der „Volkskunde“ untersucht. In der Linguistik schlagen Pike (1967) und abgewandelt Els Oksaar (1988b) die Bezeichnung Kulturem vor. Demnach ist ein Kulturem die Abstraktion kommunikativer Verhaltensweisen, die „soziokulturell“ bedingt sind. Deren Realisierung im Kommunikationsakt nennt Oksaar (1988b, S. 27) Behaviorem. Dies ist eine Bezeichnung, die a) auf den amerikanischen Behaviorismus verweist, b) gemäß der Terminologie von Pike Klassencharakter hat: Alle Einheiten mit dem Suffix -em sind in dieser Terminologie ‚Klassen von ...‘. Das Behaviorem wäre somit eine Klasse von 1 bis n Behavior - verstanden als konkretes Verhalten in den Situationen 1 bis n. Daher muss die von Oksaar vorgeschlagene Definition des Behaviorems korrigiert werden. Abb. 7.1: Kulturem, Behaviorem (Els Oksaar 1988b) <?page no="200"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 186 Ein Kulturem ist nach Els Oksaar die Abstraktion kommunikativer Verhaltensweisen, die soziokulturell bedingt sind. Mit soziokultureller Bedingtheit sind z. B. religiöse Riten gemeint oder: Grüßen, Danken, Bitten. Letztere sind Klassen von Realisierungen des „Höflichkeitskulturems“: Behavioreme. Die Art, wie gegrüßt wird, d. h. jedes einzelne Grüßen, das Verhalten im Kommunikationsakt also, ist dann „Behavior“. Das Behaviorem ist eine Klasse von Realisierungen eines Kulturems in Kommunikationsakten. Das 20. Jh. hat entscheidend zu der Erkenntnis beigetragen, dass Gesellschaft (vgl. Kap. 1.1 u. Abb. 1.2) und Kultur sich u. a. über Sprache definieren, was durch die Darstellungsform in Abb. 7.2 angedeutet wird. Für „Sprache“ wird eine linguale und eine nonlinguale Komponente (vgl. Abb. 1.8) angenommen. Abb. 7.2: Kultur, Gesellschaft, Sprache In den Kommunikationssystemen vollzieht sich neben dem sprachlichen ein nichtsprachlicher Informationsaustausch, z. T. verbunden mit Ritualen, hierher gehören: Hände schütteln, das Kreuz schlagen, Applaus oder Pfiffe, aber auch ein Lied summen oder eine auffällige Krawatte tragen. Dies ist jeweils <?page no="201"?> Multikulturelle, multiethnische, polyglossische Gesellschaft 187 eine nonlinguale Realisierung („Behavior“) eines „Kulturems“ i. S. von Els Oksaar. Zu der Kommunikation gehört ebenso die Verständigung über kulturell Ererbtes: die Art der Anrede von Personen, Begrüßungsrituale, Oster-, Pfingst-, Weihnachts- und Neujahrsbräuche, Beisetzungen, Hochzeiten, Kindtaufe. Normen und Werte Maßstäbe „Wege der Sprachkultur“ ist der Titel eines Buches, das mit einem Kapitel über Sprachnormen beginnt (Weinrich 1988). Diese sind bereits definiert worden als Maßstäbe für die Gleichförmigkeit und die Bewertung des Sprachverhaltens (s. Kap. 2.1.4 und Abb. 2.5). Entscheidend ist, „daß der Sinn der kulturellen Symbolsysteme (oder Kulturmuster) und ihre Beziehungen zu Handlungen immer [ ... ] normativ sind“, nicht allein auf Sprachnormen bezogen (Goetze in Reimann (u. a.) 1991, S. 48). Die Gestaltung der Normen hängt z. T. von deren Zweckmäßigkeit, von ihrer intendierten Anwendung ab, z. T. von dem kulturellen Wertesystem. Die Werte beeinflussen wie die Normen das Handeln. Werte und Werthaltungen werden in der Soziologie mit Clyde Kluckhohn (1951, zitiert in Hradil 1999, S. 416) wie folgt definiert: Werte und Werthaltungen sind „Auffassungen vom Wünschenswerten“. Diese Definition ist einseitig positiv. Es fehlen z. B. Begehrlichkeiten, Korruption, Mord: alles Negative, alles, was durch Gesetz verboten ist und rechtlich verfolgt wird. Ein Wert hat immer zwei Seiten: in der Logik wahr versus falsch, in der Philosophie (Lotze, Nietzsche) „Wert“ und „Unwert“ usf. Zur marxistischen Wertlehre (Wertträger, Leitgedanken) vgl. Klaus/ Buhr (Hgg.) 1972, S. 1150 ff. Werthaltungen Bei positiver Sicht stellt sich die Frage, was unter „Wünschenswertem“ zu verstehen ist. Handelt es sich um Bedürfnisse von Individuum und Gesellschaft, z. B. „Essen wie Gott in Frankreich“? Ist alles gemeint, was von der Gesellschaft akzeptiert ist? Aber von welcher und wie strukturierten Gesellschaft? Allgemein anerkannte positive Werte sind z. B. die der französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit; eine andere Möglichkeit wäre: Gerechtigkeit, Wahrheit, Schönheit. Beispiele für negative Werte - in kritischer Form angeführt - sind: Unfreiheit, Ungleichheit, Zwist bzw. Ungerechtigkeit, Verlogenheit, Hässlichkeit. In der Übersicht von Abb. 7.3 sind alle Werte positiv besetzt, und es werden nur EG-Nationen verglichen. An sprachlichen Konfrontationen und Konflikten, z. B. in Deutschland, sind viel stärker Angehörige der türkischen sowie ost- und südosteuropäischer Kulturen und Sprachen beteiligt als westeuropäische. Dafür liegen <?page no="202"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 188 aber leider keine vergleichbaren Daten vor. Von den Migranten aus osteuropäischen Staaten (vor allem aus Russland und anderen Teilen der ehemaligen Sowjetunion) haben viele trotz ihrer erst im Werden begriffenen kulturellen Integration in die deutsche Gesellschaft und ihrer Sprachprobleme einen deutschen Pass, so dass sie statistisch nicht erfasst werden (vgl. Luchtenberg 1999, S. 77). Sie wären hier aber - nicht nur statistisch von Interesse, da sie ein Konfliktpotential bilden, bedingt durch die mangelnde kommunikative Kompetenz, besonders im schriftlichen Bereich; dies hemmt ihre soziale Integration. In jede Länderspalte von Abb. 7.3 ist die für dieses Land ermittelte Position des Europa-Ranges eines Werts eingetragen (Stand: 1983); z. B. sind die Werte Toleranz und Verantwortungsgefühl in D gegenüber dem Europa-Durchschnitt in der Reihenfolge vertauscht. Abb. 7.3: Werthaltungen in europäischen Gesellschaften (Auswahl) (Übers. u. modif. n. Angaben v. J.-M. Morin 1998, S. 143) Europa D B DK F I NL Ehrlichkeit 01 01 01 01 01 01 01 Toleranz 02 04 04 03 02 04 03 gutes Benehmen 03 05 03 05 10 02 02 Verantwortungsgefühl 04 02 05 02 04 03 04 Höflichkeit 05 08 02 06 03 06 05 Loyalität 06 11 10 07 05 05 08 Selbstbeherrschung 07 09 08 11 08 10 06 Unabhängigkeit 08 03 12 04 13 08 07 Gehorsam 09 14 09 10 11 07 09 fleißig arbeiten 10 12 07 16 06 14 14 Sinn f. Sparsamkeit 11 06 06 09 07 11 10 Ausdauer 12 10 11 12 12 12 11 Glaube an e. Religion 13 13 13 15 15 09 13 Uneigennutz 14 17 14 08 09 17 16 Geduld 15 15 15 14 16 13 12 Ideen 16 16 16 13 14 15 15 Führungsqualitäten 17 07 17 17 17 16 17 <?page no="203"?> Multikulturelle, multiethnische, polyglossische Gesellschaft 189 Gemeinsames und Unterschiedliches in den Werthaltungen der Bevölkerung in den genannten Europäischen Staaten ergeben sich auf Grund der Befragungen: Ehrlichkeit ist ein in allen Ländern dominanter Wert, gefolgt von Toleranz, gutem Benehmen, Verantwortungsgefühl, Höflichkeit; die Schlusslichter bilden Uneigennutz, Geduld, gute Ideen und Führungsqualitäten (s. Abb. 7.3). Der beobachtete Wertewandel führt dazu, dass immer mehr Menschen „Selbstverwirklichung und Kommunikation für wünschenswert“ halten (Hradil 1999, S. 417). Eine Darstellung von Werten, auf die Interna einer Gesellschaft bezogen, wäre stärker zu differenzieren. Mit Sicherheit sind die so genannten bürgerlichen Werte etwas anderes als diejenigen von Arbeitern, Handwerkern oder Bauern. Damit überkreuzen sich die kulturellen und die sozialen Gegebenheiten in einer Gesellschaft. Abb. 7.4: Konkurrierende Varietäten der deutschen Standardsprache Die angedeutete Multifunktionalität der Standardsprache meistern die Sprachbenutzer mit multifunktionalen Sprachsystemen. Im Deutschen sind dies konkret die diversen V a r i e t ä t e n der Standardsprache (vgl. die Definition in Kap. 5.2.2 u. Abb. 7.4), d. h. die Schriftsprache als geschriebener (und gelesener) Standard und die Hochsprache als gesprochener (und gehörter) Standard. Die Literatursprache und die „Gehobene Sprechsprache“ (letztere als Teilbereich der Hochsprache) sind an höhere soziale Lagen bzw. Milieus gebunden (vgl. Abb. 4.11-4.13). <?page no="204"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 190 Die zur Sprachkultur des Deutschen gehörenden Normen sind zuerst usuelle Sprachnormen, d. h. überlieferte, traditionsgemäße, nichtkodifizierte Maßstäbe für sprachliche Verhaltensgleichförmigkeit und Verhaltensbewertung, vor allem gebunden an traditionelle Werkverrichtungen in Landwirtschaft, Fischerei, Jagd und Handwerk (s. Kap. 2.1.4). Diese Gebrauchsnormen gelten: a) paradigmatisch für die Vielzahl mündlicher Varietäten des Deutschen, z. B. für die Dialekte, die traditionellen Fachsprachen, wie die der Handwerker, Bauern, Winzer, Fischer, Jäger u. dgl., sowie die Sondersprachen, z. B. der Jugendlichen; b) für die konkreten sprachlichen Handlungen, die ihrerseits an nichtkodifizierten Handlungsmustern orientiert sind. Diesbezüglich unterscheidet sich das Deutsche als Gesamtsprache kaum wesentlich von den Nachbarsprachen bzw. anderen „Kultursprachen“. Im Deutschen bestehen kodifizierte Normen (Def. in Kap. 2.1.4) - zugleich als präskriptive Normen - für Varietäten der Standardsprache, z. B. die Hochsprache, aber eingeengt auf die Lautungsnormung (Aussprachenormung), und die Schriftsprache - hier vor allem für die Orthographie und, gebunden an Lehrbücher, für die Grammatik. Ferner bestehen, freilich in besonderer Gestaltung, z. B. als DIN oder in Lehrbüchern, auch für Fachsprachen kodifizierte Normen; so werden die Fachsprachen zu Terminologien: Terminologie ist genormte bzw. definierte Fachlexik (Kap. 1.2.4, S. 27). Die vielfältigen Normen, z. B. zur Rechtschreibung, Aussprache, Grammatik, bilden zusammen einen Normenkomplex. Konfrontationen und Konflikte ergeben sich stets bei einer Konkurrenz von Normen (Normenkonflikt). Beispielsweise können alte und neue Normen konkurrieren, wie gegenwärtig in der Orthographie des Deutschen. In Konkurrenz stehen ferner Normen des mündlichen und des schriftlichen Sprachgebrauchs, was sich besonders in schulischen Fehlleistungen bemerkbar macht (s. Kap. 2.2 und 4.2). Diese Konflikte können mono-, aber auch multilingual sein, d. h., sie ergeben sich, wenn die Normen mehrerer Sprachsysteme aufeinanderstoßen, z. B. in der mehrsprachigen Konversation und auch schon bei dem Fremdsprachenerwerb. Die Konkurrenz sprachlicher Normen ist auch ein Ausdruck konkurrierender sozialer und kultureller Systeme, z. B. in dem Gegensatz Frauensprache - Männersprache (s. Kap. 6.1) oder der indianischen und europäischen Sprachen (s. Kap. 4.2.3). <?page no="205"?> Multikulturelle, multiethnische, polyglossische Gesellschaft 191 7.1.2 Multikulturell, multiethnisch Multikulturell - Interkulturelle Kommunikation - Konflikte - Ethnien - Ethnographie - Ethnolinguistik - Ausländer als ethnische Minderheiten - alloglotte Stadtteile von Basel Multikulturell kulturelle Vielfalt Bestimmte Bräuche und Rituale sind nicht auf eine Kultur beschränkt; sie finden sich in mehreren oder vielen Kulturen und sind somit pluri- (für ‚mehrere‘) bzw. multi- (oder poly-)kulturell. Hierher gehören beispielsweise Bräuche, die mit dem Christentum oder dem Islam zusammenhängen. Umgekehrt kann eine Gesellschaft mehrere oder viele kulturelle Traditionen haben; sie ist dann eine multi- oder polykulturelle Gesellschaft. Die amerikanische Gesellschaft beispielsweise schöpft als „melting pot“ vieler Kulturen aus entsprechend vielen Quellen und bewahrt bestimmte kulturelle Eigenheiten der Nachkommen einstiger Einwanderer. Die kulturelle entspricht der sozialen und lingualen Vielfalt. Wird, wie dies in den neueren Forschungen geschieht, die Sprache als Bande kultureller Zusammengehörigkeit angesehen, dann erweisen sich regionale Sprachvarianten als Indiz regionaler Teilkulturen und umgekehrt. Diese bestehen beispielsweise in der Schweiz und in Österreich (aus der Perspektive eines Deutschen) - oder etwa in Deutschland (aus der Perspektive eines Schweizers und Österreichers). Es wäre zu prüfen, welche Kulturen und Sprachen monozentrisch sind - eventuell das Lëtzebuergische und das Westfriesische. Nach Ammon (1995, S. 96) wären die genannten Länder jeweils als „Vollzentren“ zu werten; „Halbzentren“ - das sind Nebenzentren - des Deutschen finden sich in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol (vgl. auch Hogan-Brun 2000, S. 16-18). Für Ammon ist das Deutsche eine „plurinationale“ Sprache, weil mehrere Nationen Sprachträger sind. Außer den Regionalkulturen, die über diese sprachlichen Zentren indiziert werden, bestehen integrierte Fremdkulturen in Deutschland z. B. als Grundlage des Sorbischen (und Wendischen; vgl. S. 202 u. Abb. 7.10). Daneben gibt es die bereits angesprochenen Subkulturen mit Sondersprachen, die ebenfalls plurizentrisch sind (vgl. Kap. 3.2.1). Ferner bestehen „Importkulturen“, die meist an Migranten gebunden sind, deren Muttersprache (S 1 = Erstsprache) aus der Perspektive des Deutschen eine Fremdsprache ist. Die zuerst erworbene Sprache heißt S 1 (S steht für <?page no="206"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 192 Sprache; am.-engl. aber: L für Language); S 2...n sind die später erworbenen Sprachen, in diesem Fall wäre Deutsch eventuell die Zweitsprache S 2 , wenn nicht andere Varietäten vorgeschaltet sind. Aus diesen Fakten leitet Luchtenberg (1999, S. 78) ab, eine solche Gesellschaft als multikulturell zu bezeichnen, d. h. als „mehrsprachig“ (multilingual) [recte: vielsprachig] und „mehrkulturell“ (in ihrer speziellen Terminologie). Vielfach werden Kulturen, die sich ähneln, zu Kulturkreisen zusammengefasst, z. B. zu dem „abendländischen Kulturkreis“. Interkulturelle Kommunikation Zumindest passiv, z. T. aber auch aktiv handelnd, orientiert sich das in einer komplexen Gesellschaft lebende Individuum an mehreren Kulturen und Subkulturen, sozialen Rollen und Gruppen sowie kommunikativen, genauer: sprachlichen Systemen und Subsystemen. Eine so geartete Kommunikation heißt: „Interkulturelle Kommunikation“. Dazu Maletzke (1996, S. 37): „Von interkultureller Interaktion und Kommunikation sprechen wir, wenn die Begegnungspartner verschiedenen Kulturen angehören und wenn sich die Partner der Tatsache bewußt sind, daß der jeweils andere „anders“ ist.“ Luchtenberg (1999, S. 32) beschränkt den Begriff auf eine einzige Gesellschaft: Interkulturelle Kommunikation ist Kommunikation innerhalb einer „mehrkulturellen“ und „mehrsprachigen“ Gesellschaft. Bewegt man sich wissenschaftlich im Geltungsbereich mehrerer Kulturen, so wirkt man „interkulturell“, wie z. B. die „Interkulturelle Germanistik“ (s. Wierlacher (Hg.) 1987). Konflikte Wenn kulturelle, soziale und sprachliche Systeme konfliktär gegenüberstehen, so erscheint eine Konfliktlösung nahezu aussichtslos. Ein Beispiel wäre Nordirland mit verschiedenen, d. h. unterschiedlichen kulturellen Systemen (Katholizismus gegen Protestantismus), unteren gegenüber mittleren sozialen Lagen und verschiedenen Sprachen (dem bodenständigen, inzwischen englisch überformten Irisch gegen britisches Englisch). Wo jedoch eine partielle Adaption bzw. Integration - kulturell, sozial, sprachlich - erfolgt, ist das Konfliktpotential reduziert, z. B. in der nordamerikanischen Gesellschaft, aber auch in der deutschen, wo viele Minderheiten - das Dritte Reich ausgeklammert - bei allen kultu- <?page no="207"?> Multikulturelle, multiethnische, polyglossische Gesellschaft 193 rellen Unterschieden sozial und sprachlich auf dem Wege der Integration bzw. Enkulturation (s. die Definition Kap. 2.1.4) waren und sind. Der Normalfall ist die Fähigkeit einer Gesellschaft, kulturelle und sprachliche Minderheiten zu tolerieren, gegebenenfalls sogar zu assimilieren. Ethnien Ethnie, Ethnizität Die Menschen, die sich jeweils als Grundgesamtheit und als Angehörige verschiedener Kulturen gegenüberstehen, bilden Ethnien. Im französischen Sprachgebrauch besteht das Wort Ethnie als gelehrte Bildung seit 1896 (aus griech. ethnos ‚Schar, insbes. Volk, Völkerschaft, Menschenklasse, Sippe‘). Damit wird eine Gesamtheit von Individuen bezeichnet, die bestimmte Merkmale von Herkunft, tradierter Kultur (Wertmaßstäben, Überzeugungen, Verhaltensweisen) und Sprache gemeinsam haben. Das Zusammentreffen zweier konträrer Ethnien in einer Gesellschaft nennt Fishman (1985, S. 47 ff.): di-ethnia („Di-Ethnie“). Eine Ethnie ist die Gesamtheit von Individuen, die bestimmte Merkmale von Herkunft, tradierter Kultur und Sprache gemeinsam haben. Nach Fishman war in früheren Stadien der sozialen Entwicklung die gesamte Kultur ethnisch definiert: Kleidung, Essen, Arbeit, Hausbau, Mobiliar, Sitten und Gebräuche usw., wie vielfach kulturanthropologisch beschrieben. In späteren Stadien werden viele dieser Merkmale ethnisch neutralisiert, d. h. internationalisiert. Ethnographie, Ethnologie Die Erforschung von Ethnien geschieht traditionellerweise in der Ethnographie und der Ethnologie. Die Bezeichnung Ethnographie, belegt ab 1819, wird zunächst auf die Klassifikation von Völkern gemäß ihrer Sprache angewandt, dann auf das soziologisch orientierte Studium der „Volkszugehörigkeiten“ („Volksforschung“). Vgl. Kap. 5.2, s. S. 135 f.: „Ethnographien von Mannheimer Stadtteilen“ und Ethnographie der Kommunikation als Gesamtheit der Kommunikationsgewohnheiten einer Gemeinschaft einschließlich der Sprache. Die Ethnolinguistik ist als eine zur Soziolinguistik komplementäre Teildisziplin der Linguistik zu verstehen (vgl. Kap. 1.2.1 u. Abb. 1.9) und in Nuancen verschieden von der amerikanischen Anthropolinguistik: Die Ethnolinguistik erforscht unterschiedliche Sprachen unterschiedlicher Ethnien. <?page no="208"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 194 Dies lässt sich anhand der stadtsprachlichen Varietäten von Basel erläutern. Für die Einschätzung der Relation zwischen der Erstsprache der Migranten und der Zweitsprache (z. B. dem Baseler Stadtdialekt oder der deutschen Standardsprache) könnten die Wohnverhältnisse entscheidend sein, da diese den Sprachverkehr und somit die kommunikative Kompetenz der Sprecher bestimmen. In vielen Städten konzentrieren sich Ausländer in bestimmten Stadtvierteln, z. B. die Türken in Berlin-Kreuzberg. Dies wird als Anzeichen einer Ghettobildung angesehen, die zu einer intensiven internen Kommunikation in der Erstsprache führt, während die Kommunikation mit Externen außerhalb des Ghettos extensiv ist. Dies scheint, oberflächlich betrachtet, mit mehr als 34 % alloglotten Sprechern auch auf einige Baseler Stadtteile zuzutreffen (s. Abb. 7.5). Abb. 7.5: Alloglotte Sprecher in Basel nach Stadtteilen (Quelle: Lüdi 1996, S. 119, Stand: 1990) Alloglotte Sprecher sind ‚Anderssprachige‘, als Kunstwort zu griech. allos ‚anders‘ und glotta ‚Zunge, Sprache‘. Bezüglich der Stadt Basel sind mit den Anderssprachigen solche Sprecher gemeint, die Deutsch (gegebenenfalls das Baseler bzw. Schweizerdeutsch) <?page no="209"?> Multikulturelle, multiethnische, polyglossische Gesellschaft 195 nicht als Erstsprache gelernt haben und benutzen. Eine genaue Analyse ergibt, dass von einer Ghettobildung in dem Sinne, dass in den Stadtvierteln mit hohem Ausländeranteil z. B. nur Französisch- oder Türkischsprachige wohnten, nicht die Rede sein kann. Vielmehr ist das Bild differenzierter: Die Anteile, die auf einzelne Sprachen entfallen, sind in den Stadtteilen sehr gemischt, wenngleich bestimmte Ethnien und Sprachen in bestimmten Stadtteilen überwiegen (s. Abb. 7.6): solche mit Türkisch in Matthäus, Rosental und Gundeldingen; Italienisch in Klybeck und Kleinhüningen usf. Die Sprecher des Deutschen verteilen sich fast gleichmäßig über die Stadt. Diese auf Basel zutreffenden Gegebenheiten dürften für die andernorts festgestellte Tendenz zur Ghettoisierung (vgl. W. Dressler in Ammon [u. a.] (Hgg.) 1987/ 88, S. 1554) eine Überprüfung erforderlich machen. Somit gibt es in Basel Schwerpunkte, aber keine „alloglotten Inseln“, keine „unilinguen Territorien“. Die Erklärung Lüdis liegt in den gemeinsamen Arbeitsverrichtungen: Familien mit unterschiedlichen Sprachen, aber ähnlicher Arbeit wohnen in einem Stadtviertel zusammen. Unter diesen Umständen ist Deutsch die Verkehrssprache, und es besteht der Wunsch der Eltern, schon der ersten Generation, die Kinder zweisprachig aufwachsen zu lassen (s. Lüdi 1996, S. 121). Dabei besitzt die Schule, gegebenenfalls die Vorschule (Kindergarten), als Instanz sekundärer Sozialisation eine zentrale Funktion. Abb. 7.6: Wohndichte alloglotter Sprecher nach Stadtteilen in Basel (Quelle: Lüdi 1996, S. 120, Stand: 1990, übersetzt u. leicht modif.) <?page no="210"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 196 7.1.3 Polyglossisch Diglossie - Psichari und Ferguson - Überdachung - Tri-, Polyglossie - Bilingualismus - Bikulturalität Diglossie Psichari und Ferguson Die Bezeichnung Diglossie ist ein Kunstwort zu griech. di- ‚zwei‘ und griech. glossa ‚Zunge, Sprache‘. Sie wird zum erstenmal 1928 von dem Schriftsteller Jean Psichari auf die zwei griechischen Sprachniveaus angewandt: Katharevussa (zu griech. katharos ‚rein‘) als gelehrte, hohe Sprachvarietät und Dimotiki als niedrige ‚Volkssprache‘ (s. Hagège 1996, S. 254). Die moderne Linguistik beruft sich auf Charles A. Ferguson (amerikan. Linguist, geb. 1921), der die Existenz von Diglossie an mehreren Sprachzuständen, u. a. auch in Griechenland, exemplifiziert (1982 [1959]). Charakteristisch ist, dass zwei Varietäten (bzw. Varietätenkomplexe) bestehen, von denen eine als hoch („H“ = „High“), die andere als niedrig („L“ = „Low“) eingestuft wird. „H“ ist „L“ übergeordnet. Beide sind formal und funktional differenziert. „L“ entspricht meist den ursprünglichen Dialekten, „H“ ist hochgradig kodifiziert. „H“ hat alle Eigenschaften einer Standardsprache, wie in Abb. 7.4 dargestellt, d. h.: - sie weicht stark von den Dialekten ab - sie ist grammatisch komplexer als ein Dialekt - sie hat eine größtmögliche kommunikative Reichweite - sie ist hochgradig kodifiziert - sie ist die Grundlage eines großen und geachteten Schrifttums - sie wird durch formale Erziehung, normalerweise in Schulen, gelernt - sie wird nicht in der familiären Unterhaltung benutzt - u. a. Daraus ergibt sich die folgende Definition: Diglossie ist die Verwendung von zwei funktional unterschiedlichen Sprachvarietäten, deren eine als niedrig (untergeordnet) und die andere als hoch (übergeordnet) eingestuft wird. Niederdeutsch/ Standard Beispielsweise sind die niederdeutschen Dialekte im Norden des deutschen Sprachgebiets Varietäten, die als niedrig eingestuft werden („L(ow)“-Varietäten), da sie an ländliche Berufe gebunden sind und im Vergleich zur übergeordneten deutschen Standardsprache („H(igh)“- Varietäten) weder für den Schriftverkehr benutzt noch in der Schule als <?page no="211"?> Multikulturelle, multiethnische, polyglossische Gesellschaft 197 Pflichtvarietäten vermittelt werden und keine vergleichbare kommunikative Reichweite haben. Sie sind auf den privaten bzw. halb privaten Bereich (z. T. auch auf den Arbeitsplatz) beschränkt. Abb. 7.7: Diglossie und Varietätengefüge in Süd- und Norddeutschland (Quelle: Menke 1992, S. 226) Nach Menke (1992) besteht die süddeutsche anders als die norddeutsche Diglossie aus einem Kontinuum zwischen low (den hochdeutschen Dialekten) und high (der Standardsprache). Demgegenüber existiert zwischen den niederdeutschen Dialekten (low) und der überlagernden hochdeutschen Standardsprache ein abrupter Bruch. Historisch gesehen, ist dieser in zwei Stufen vollzogen worden: 1.) im Rahmen der Ablösung der niederdeutschen Schreibsprache durch die hochdeutsche seit dem 16. Jh. („Schreibsprachenwechsel“); 2.) durch „die fortschreitende Übernahme des Hochdeutschen auch als Sprechsprache in den tonangebenden sozialen Führungsschichten und Eliten“, verstärkt seit dem 19. Jh. (Sprechsprachenwechsel, Menke 1992, S. 237). Missingsch Dieser Ablösungsprozess führt auch zu einem Mischdialekt aus Niederdeutsch und Hochdeutsch, dem Missingsch ‚Meißnisch‘, seit 1724 so bezeichnet und zwischen Hamburg und Mecklenburg verbreitet (s. Abb. 7.7). Missingsch ist typisch für untere soziale Lagen, z. B. in Hamburg. <?page no="212"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 198 Überdachung Wenn die L-Varietäten Dialekte einer Sprache sind und die H-Varietät die standardisierte Form dieser Sprache ist, so bezeichnet Kloss (1978 [1952], S. 60 ff.) die L-Varietäten als „überdacht“; haben sie keine verwandte Standardsprache über sich, so sind sie „dachlos“. Die elsässischen Dialekte sind in diesem Sinne dachlos, weil die zugeordnete Standardsprache die nicht verwandte französische ist. Ammon (1991, S. 21) präzisiert in Anlehnung an Kloss: „Ein Sprachsystem I a überdacht ein Sprachsystem I b [...] dann, wenn I a im Gebiet von I b > Amts- und Schulsprache ist < ,ohne daß I b dies auch ist.“ Standard- und Kultursprache gleichsetzend, stellt Goossens bereits 1973 (S. 11) ausdrücklich fest, „daß man im europäischen Bereich das Kriterium der Kultursprache als überdachendem Element schlechterdings nicht entbehren kann, weil es nur auf diese Weise möglich ist, die sprachlichen Begriffe Deutsch und Niederländisch, Spanisch und Portugiesisch, Bulgarisch und Serbokroatisch usw. als Diasystem zu definieren und gegeneinander abzugrenzen.“ Die niederdeutschen Dialekte sind deswegen ‚überdacht“, weil sie mit der überlagernden (hochdeutschen) Standardsprache als Diasystem erfasst werden können. Der Begriff des Diasystems stammt von U. Weinreich (1954) und bedeutet „ein System von Systemen“: diachron, diaphasisch, diastratisch, diatopisch (Definitionen in Kap. 5.1.1). Tri-, Polyglossie Ostbelgien Aus der Diglossie wird eine Triglossie, wenn drei Typen von Varietäten, ausdrücklich auch Varietäten aus verschiedenen Sprachen, beteiligt sind, z.B. in Ost-, bzw. „Neu-“Belgien (vgl. Abb. 7.8). Im Raum Eupen werden in der privaten, mündlichen Kommunikation Dialekte gesprochen, daneben wird die deutsche Standardsprache als eine der offiziellen Sprachen Belgiens in öffentlichen Bereichen verwendet sowie die französische Standardsprache, die von der Kommunalverwaltung bevorzugt wird (vgl. Nelde/ Darquennes 2000, S. 128). Triglossie ist die Verwendung von drei funktional unterschiedlichen Sprachvarietäten, von denen mindestens eine als niedrig (untergeordnet) und mindestens eine andere als hoch (übergeordnet) eingestuft wird. In der multikulturellen Gesellschaft sind solche Modelle immer noch zu einfach, weil das Individuum mit einer Vielzahl von kulturellen und sprachlichen Systemen konfrontiert wird, d. h. nicht nur mit Dialekten und Subsystemen der eigenen Sprache, sondern auch mit diversen fremden Standardsprachen und Dialekten, wodurch - in passiver oder sogar aktiver Beherrschung - Polyglossie (Multiglossie) vorliegt. <?page no="213"?> Multikulturelle, multiethnische, polyglossische Gesellschaft 199 Abb. 7.8: Tri-, Polyglossie in Ost-(„Neu-“)Belgien (Raum Eupen) (n. Angaben v. Nelde/ Darquennes 2000, S. 128) Deutsche Standardsprache (offizielle Sprache) Französische Standardsprache Niederfränkisch-limburgischripuarische Dialekte Die Sprachsituation in Ostbelgien verkompliziert sich, wenn die konkurrierenden Standardsprachen jeweils als zwei Varietätenkomplexe mit je einer schriftlichen und einer mündlichen Erscheinungsform angesehen werden, so dass zusammen mit dem mündlichen Dialekt fünf Glossien bestehen, zunächst ohne Rücksicht auf die Zweisprachigkeit. Somit liegt Polyglossie vor (zu griech. poly ‚viel‘; gelegentlich auch mit dem lat. Bestimmungswort multi- ‚viel‘ in der Literatur zu finden). Polyglossie (Multiglossie) ist die Verwendung von vielen funktional unterschiedlichen Sprachvarietäten, von denen mindestens eine als niedrig (untergeordnet) und mindestens eine andere als hoch (übergeordnet) eingestuft wird. 7.1.4 Diglossie und Bilingualismus Bilingualismus und Diglossie - Fishmans Modell - Beispiele - Domänen Bilingualismus Funktionale Differenzierung In Ostbelgien (Beispiel von Abb. 7.8) sind an der Polyglossie zwei verschiedene Sprachen beteiligt: Deutsch und Französisch, deren Funktionen unterschiedlich sind: Die deutsche Standardsprache ist die offizielle Sprache und wird öffentlich (mündlich und schriftlich) verwendet, in der Schule und für alle offiziellen Texte außer für Texte der Kommunalverwaltung, die die französische Schriftsprache bevorzugt. Diese hat dort ein der deutschen Sprache vergleichbares Prestige. Die Bezeichnung Bilingualismus (zu lat. lingua ‚Zunge, Sprache‘ und lat. bi ‚zwei‘) bedeutet ‚Zweisprachigkeit‘, womit zwei verschiedene Sprachen, in der Regel zwei Standardsprachen, gemeint sind, die ein und dieselben <?page no="214"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 200 Sprecher bzw. Sprachträger in verschiedenen Situationen, bei verschiedenen Sachverhalten oder wechselnden Kommunikationspartnern benutzen. Bilingualismus ist die Verwendung von zwei Sprachen durch den gleichen Sprachträger. Verwendet ein und derselbe Sprachträger mehr als zwei Sprachen, so liegt Multilingualismus vor. Weinreich (1977, S. 147 ff.) gibt als Beispiele Sprachverhältnisse auf dem Balkan und im Mittleren Westen der USA an. Multilingualismus ist die Verwendung von vielen Sprachen durch den gleichen Sprachträger. Fishmans Modell Fishman versucht eine synoptische Darstellung von Bilingualismus und Diglossie (Modell von Abb. 7.9). Abb. 7.9: Bilingualismus und Diglossie (n. Fishman 1975, S. 96) Diglossie (= D) Bilingualismus (= B) + - + 1) D mit B 2) B ohne D - 3) D ohne B 4) weder D noch B Den Bilingualismus sieht Fishman psychisch verankert, die Diglossie sozial bzw. funktional, d. h., „daß der Bilingualismus im wesentlichen ein Charakteristikum individueller linguistischer Gewandtheit ist, während die Diglossie ein Charakteristikum der gesellschaftlich bestimmten Funktionen auf verschiedene Sprachen oder Varietäten ist.“ Für Fall 1) von Abb. 7.9 ist der Sachverhalt in Ostbelgien ein Beispiel. Die Erscheinungsform 2) dürfte selten sein; sie wird von Fishman als Übergangsform, z. B. in Einwandererfamilien, angesehen. Für die in Quadrant 3) gegebene Möglichkeit von Diglossie ohne Bilingualismus gibt es zahlreiche Beispiele, für die stellvertretend das Niederdeutsche im Verhältnis zur deutschen Standardsprache genannt wird (s. Abb. 7.7). Der Fall des Quadranten 4) bedeutet reinen Monolingualismus; dieser ist so gut wie ausgeschlossen (vgl. Fishman 1975, S. 108 f.). <?page no="215"?> Multikulturelle, multiethnische, polyglossische Gesellschaft 201 Fishmans Modell (Abb. 7.9) wäre unter dem Aspekt zu ergänzen, a) dass ein Bilingualismus in der von ihm angenommenen undifferenzierten Form nicht existiert, und b) dass auch hier zumindest zwei Ebenen zu unterscheiden wären, auf denen zwei Sprachen miteinander konfrontiert sind: die Ebene des Standards und die des Nonbzw. Substandards. Die Auswahl der in Abb. 7.10 wiedergegebenen Sprachsysteme ist in der Dichotomie „High“ - „Low“ jeweils „Low“, somit als niedrig eingestuft gegenüber der als hoch eingestuften deutschen Standardsprache. Abb. 7.10: Diglossie, Bilingualismus (deutsche Standardsprache ist übergeordnet, „high“) Nr. Untergeordnete Sprachsysteme („low“) 01 Niederdeutsche Dialekte 02 Schweizerdeutsch Diglossie ohne Bilingualismus 03 Nordfriesisch 04 Plattdänisch Diglossie mit Bilingualismus 05 Sorbisch 06 Slowenisch Bilingualismus mit Diglossie 07 Türkisch 08 Griechisch Bilingualismus z. T. ohne Diglossie Die mit den Ziffern 01 und 02 belegten Varietäten, das Niederdeutsche und das Schweizerdeutsche, gehören mit der deutschen Standardsprache zu ein und demselben Diasystem, so dass zwar Diglossie, aber kein Bilingualismus vorliegt. Nordfriesisch und Plattdänisch, letzteres auch als Süder-Jütisch, dän. Sønderjysk , bezeichnet (Ziffern 03 und 04) sind niedere, nichtstandardisierte, Varietäten von Sprachen (vgl. Menke 1992, S. 229). Die nordfriesischen Ortsdialekte liegen z. B. funktional auf der gleichen Ebene wie die niederdeutschen Ortsdialekte, aber mit dem Unterschied, dass die friesischen nicht zu dem deutschen Diasystem gehören. Die deutschsprachigen Bewohner Südjütlands sind zweibzw. dreisprachig; je nach Domäne verwenden sie Standarddeutsch oder Plattdänisch, gegebenenfalls auch Standarddänisch. Plattdänisch ist weder nördlich noch südlich der dänisch-deutschen Staatsgrenze eine autonome <?page no="216"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 202 Sprache, so dass es - wie Nordfriesisch - einen anderen Status hat als die autonomen Sprachen Sorbisch bzw. Slowenisch. Eine ähnliche Situation der Zweisprachigkeit, bei der aber ein deutscher Dialekt als niedrig und Spanisch als hoch gelten, findet sich in einer wolgadeutschen Sprachinsel in Argentinien (vgl. A. Schmidt 1997). Sorbisch (vgl. Faßke 1993) ist eine autochthone Sprache in Sachsen (Obersorbisch) und Brandenburg (Niedersorbisch/ Wendisch), Slowenisch entsprechend im südlichen Österreich (Ziffern 05 und 06). Die Sprachen sind standardisiert und besitzen Schriftsprachen. Dennoch erfüllen sie im deutschen Sprachraum lediglich die Funktionen, die sie als diglossisch „niedrig“ einstufen. Allochthon hingegen sind die Migrantensprachen, für die in Abb. 7.10 exemplarisch Türkisch und Griechisch genannt werden. Sie haben, obwohl sie voll ausgebildete Standardsprachen sind, lediglich untergeordnete Funktionen im deutschen Sprachraum und im Vergleich mit der deutschen Standardsprache. Meist wird von den Sprechern des Türkischen aber nicht die türkische Standardsprache benutzt, sondern irgendein türkischer Dialekt, so dass z. T. eine importierte fremdsprachige Diglossie vorliegt. Domänen Mit Susan Ervin und Charles Osgood (1954) unterscheidet Fishman (1975, S. 116) zwischen kompositionellem und koordiniertem Bilingualismus. Kompositioneller Bilingualismus heißt, dass zwei Sprachen nahezu austauschbar sind und von denselben Personen in den gleichen Situationen benutzt werden. Koordinierter Bilingualismus heißt, dass die eine Sprache von denselben Personen in anderen Situationen benutzt wird als die andere. Beispielsweise lernt und benutzt das Kind die Sprache S 1 im Elternhaus und in der Familie, die Sprache S 2 aber in der Schule bzw. am Arbeitsplatz. Wegen der unterschiedlichen Bedingungen der Sprachverwendung ist der Umgang mit der einen Sprache anders als mit der anderen, d. h. das Sprachverhalten divergiert. Nach Fishman (1975, S. 116) folgt daraus, „daß sich bilinguale Sprecher unterscheiden im Hinblick auf die Zahl und die Überlappung von Domänen, in denen sie gewohnheitsmäßig jede ihrer beiden Sprachen verwenden.“ „Domänen des Sprachverhaltens“ sind Kommunikationsbereiche als Komplexe von Situationen, Rollenbeziehungen, Themen. Domänen sind beispielsweise die Familie, die Schule, die Nachbarn, der Arbeitsplatz, die Kirche, die Freizeit. <?page no="217"?> Multikulturelle, multiethnische, polyglossische Gesellschaft 203 Bikulturalität Der Spezifizierung nach Domänen in der funktionalen Aufteilung der Diglossie als Niederschlag sozialer und kultureller Differenzierungen trägt Einar Haugen schon 1958 Rechnung, indem er dem bilingualen den bikulturalen Sprecher an die Seite stellt. Im Sinne von Fishman würden sich hier rein theoretisch Kombinationsmöglichkeiten ergeben, etwa Bivs. Monokulturalität in Verbindung mit Bivs. Monolingualismus, Divs. Monoglossie usw., was in der Praxis jedoch zu komplex ist. Literatur (Auswahl) Ammon 1991 - Fishman 1975 - Geißler 2002 - Goossens 1973 - Kloss 1978 - Luchtenberg 1999 - Lüdi 1996 -Maletzke 1996 - Menke 1992 - Reimann 1991 Kontrollfragen (Antworten in Kapitel 8, S. 239) 7.1.01 Geben Sie eine kurze Etymologie zu „Kultur“. 7.1.02 Nennen Sie eine marxistische Definition von „Kultur“. 7.1.03 Definieren Sie „Zivilisation“. 7.1.04 Nennen Sie einige nichtsprachliche Aspekte von „Kultur“. 7.1.05 Nennen Sie zwei theoriebezogene Parameter von „Kultur“. 7.1.06 Was versteht Els Oksaar unter „Kulturem“? 7.1.07 Was ist in Oksaars Terminologie ein „Behaviorem“? 7.1.08 Definieren Sie „Werte“. 7.1.09 Zählen Sie einige Werte auf. 7.1.10 Nennen Sie die Varietäten der deutschen Standardsprache. 7.1.11 Grenzen Sie ab: S 1 gegen S 2-n . 7.1.12 Nennen Sie die „Vollzentren“ der deutschen Standardsprache. 7.1.13 Nennen Sie einige „Halbzentren“ des Deutschen. 7.1.14 Definieren Sie „interkulturelle Kommunikation“. 7.1.15 Was ist eine „Ethnie“? 7.1.16 Was ist der Gegenstand der Ethnolinguistik? 7.1.17 Was sind „alloglotte“ Sprecher? 7.1.18 Definieren Sie „Diglossie“. 7.1.19 Wie unterscheiden sich die süd- und die norddeutsche Diglossie? 7.1.20 Was versteht H. Kloss unter „überdacht“? 7.1.21 Erläutern Sie den Begriff des Diasystems. 7.1.22 Definieren Sie „Triglossie“. 7.1.23 Definieren Sie „Polyglossie“. 7.1.24 Definieren Sie „Bilingualismus“. 7.1.25 Definieren Sie „Multilingualismus“. 7.1.26 Wie unterscheiden sich „Bilingualismus“ und „Diglossie“? 7.1.27 Was ist „Kompositioneller Bilingualismus“? 7.1.28 Was ist „Koordinierter Bilingualismus“? 7.1.29 Was versteht Fishman unter „Domänen des Sprachverhaltens“? 7.1.30 Geben Sie Beispiele für „Domänen des Sprachverhaltens“. <?page no="218"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 204 7.2 Multilinguale Gesellschaft 7.2.1 Sprachenkontakt, Sprachenwechsel Sprachenkontakt - Zweisprachigkeit - Sprachliche Interferenz - Transferenz - Sprachenwechsel - Code-Switching - Einstellungen Sprachenkontakt Ein Sprachenkontakt i. S. des Buchs „Languages in Contact“ von Uriel Weinreich (1977 [1953], S. 15) besteht, wenn zwei oder mehr Sprachen „von einunddenselben Personen abwechselnd gebraucht werden“, anders formuliert: Sprachenkontakt besteht bei abwechselndem Gebrauch von zwei oder mehr Sprachen durch ein und dieselbe Person. Diese Definition kommt der des Bibzw. Multilingualismus nahe: Bibzw. Multilingualismus ist die Verwendung von zwei oder mehr Sprachen durch den g l e i c h e n Sprachträger. Bilingualismus (d. h. ‚Zweisprachigkeit‘) kann zu sprachlichen Interferenzen führen (Weinreich 1977, S. 15): „Diejenigen Fälle der Abweichung von den Normen der einen wie der anderen Sprache, die in der Rede von Zweisprachigen als Ergebnis ihrer Vertrautheit mit mehr als einer Sprache, d. h. als Ergebnis des Sprachkontaktes vorkommen, werden als Interferenzerscheinungen verzeichnet.“ Damit wird die Interferenz wie die Zweisprachigkeit in dem Individuum verankert. Systemlinguistisch gedacht, wird unter Interferenz darüber hinaus die gegenseitige Beeinflussung von Sprachsystemen verstanden (vgl. Conrad (Hg.) 1984, S. 117, u. Tesch 1978, S. 35): Sprachliche Interferenz ist die wechselseitige Veränderung der Strukturen verschiedener Sprachsysteme. Weinreich untersucht die Interferenz zwischen dem Rätoromanischen und dem Schweizerdeutschen auf mehreren Sprachebenen (Lautung, Grammatik, Lexik). Ein bekanntes Beispiel für interferierende Dialektsysteme sind auf lexikalischer Ebene die Bezeichnungen der Stachelbeere am Mittelrhein: <?page no="219"?> Multilinguale Gesellschaft 205 Gruschel, Grischel, Grinschel, Drinschel, Druschel, Dronschel u. ä. (vgl. Bach 1969, S. 163). Erfolgt die „Übergabe“ z. B. von Bezeichnungen oder Lautungen einseitig, so handelt es sich um Transferenz. Transferenz ist die einseitige Übertragung einer sprachlichen Erscheinung von einer Gebersprache („Modellsprache“) auf eine Nehmersprache („Replikasprache“). Sprachenwechsel Interferenzen und Transferenzen können überdimensionale Formen annehmen, wenn die beteiligten Sprachsysteme sozial sehr unterschiedlich bewertet werden und eine davon stark stigmatisiert wird. Die diglossischen bzw. bilingualen Gegebenheiten werden so instabil, dass Sprachenwechsel eintritt. Dies ist vor allem der Fall, wenn Mütter auf Grund des Akkulturationsdrucks, d. h. des gesellschaftlichen Drucks zur kulturellen Integration, so bessere Chancen für den Werdegang ihrer Kinder erwarten. Dazu führt Rosita Rindler-Schjerve (1990, S. 223) aus: „Da die Kenntnis der Sprache der majoritären und zumeist auch sozioökonomisch dominanten Sprachgruppe den Zugang zu einer größeren sozialen Mobilität bietet als die funktional eingeschränkte Minderheitensprache, kann es zu einer Verlagerung im Gebrauch der beiden Sprachen und zum Sprachenwechsel zugunsten der Mehrheitssprache kommen.“ Auch der Terminus Sprachenwechsel stammt von Weinreich (1977 [1953], S. 93, 140 ff.). Zu unterscheiden sind der Wechsel zweier Sprachen und der Wechsel von Sprachlagen ein und derselben Sprache (zur Definition von „Sprachlage“ s. Kap. 5.2.2). Ein Beispiel für letztere ist der Sprechsprachenwechsel zu Ungunsten des Niederdeutschen und zu Gunsten der (hoch-)deutschen Standardsprache (s. Kap. 7.1.3). Sprachenwechsel ist die Ablösung einer Sprache bzw. einer Sprachlage durch eine andere. Vereinfacht lässt sich der Prozess so formalisieren: S 1 S 2 (Lies: Die Sprache S 1 wird ersetzt durch die Sprache S 2 ). s 1 s 2 (Lies: Die Sprachlage s 1 wird ersetzt durch die Sprachlage s 2 ). Die Ablösung erfolgt selbstverständlich nicht abrupt, sondern je nach sprachlicher Ebene bzw. Domäne unterschiedlich schnell und intensiv. <?page no="220"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 206 Sprachenwechsel und Sprachwandel (als die historische Veränderung einer Sprache bzw. sprachlichen Varietät) sind nicht identisch. Verschieden ist auch der alternative Gebrauch einer Sprache bzw. einer sprachlichen Varietät bei Zweisprachigkeit. Dies Umschalten („switching“) von einem Sprachsystem („Code“) auf ein anderes heißt „Codeswitching“. Codeswitching ist der alternative Gebrauch mehrerer Codes. Codeswitching, auch Code-Switching, Kodeswitching, ist ein Zeichen für eine instabile Kommunikationssituation, etwa bedingt durch die Veränderung eines der folgenden Parameter: Kommunikationspartner bzw. Kommunikationssituation bzw. Sachbereich (Thema). Informationen dazu bietet auch die Sammelschrift von Monica Heller (Hg. 1988). 7.2.2 Einstellungen Typen von Einstellungen - Ein Fallbeispiel - Sprache als Abzeichen Typen von Einstellungen Soziologisch von Bedeutung ist die schon zu Beginn des 20. Jhs. praktizierte Messung von Einstellungen. Soziolinguistisch besteht ein Interesse an der Feststellung von Einstellungen gegenüber Sprachvarietäten oder gar Sprachen. Eine unter vielen Definitionen für Einstellung wird in Kap. 1.1.2 gegeben. Die in der anglo-amerikanisch oder französisch beeinflussten Fachliteratur verwendete Bezeichnung Attitüden ist inhaltlich identisch mit Einstellungen (vgl. den Begriff „Habitus“, Def. S. 178). Das in Zusammenhang mit dem Sprachenwechsel angeführte Beispiel, dass Mütter sich bessere Chancen für den Werdegang ihrer Kinder ausrechnen, wenn diese in der Sprache S 2 erzogen werden, zeugt - eingeschränkt auf diesen Zusammenhang - von einer negativen Einstellung gegenüber der Erstsprache S 1 . In der Soziologie wird um die Operationalisierung von Einstellungsmessungen heftig gestritten. Güttler (2000, S. 101) argumentiert zur Theorie: „Je nachdem, welche Komponente mehr gewichtet ist, lassen sich affektive von intellektuellen und handlungsorientierten Einstellungen unterscheiden“ [Fettdruck Güttler]. Die „affektive“ Einstellung bezieht sich auf „Gefühle (Mögen, Nichtmögen)“, „sich wohl bzw. unwohl fühlen bei Urteilen über soziale Kategorien oder Einstellungsobjekte.“ Mit „intellektuell“ ist das Kognitive gemeint, d. h. „Wahrnehmungsreaktionen, verbale Überzeugungen, Meinungen, > beliefs < , Wissen, Glauben, Vorstellungen, Urteile; das subjektive <?page no="221"?> Multilinguale Gesellschaft 207 Wissen über ein Einstellungsobjekt.“ An die „handlungsorientierte“ (auch „verhaltensorientierte“) Einstellung ist die Bereitschaft geknüpft, in einer bestimmten Weise zu handeln, auch Mitteilungen einer Person über eigenes Verhalten zu geben (Metabereich). Die Einstellung lässt sich mit drei Parametern analysieren: affektiv, kognitiv, handlungsbezogen (konativ). Abb. 7.11: Einstellungen zum Rauchen Arzt: „Rauchen Sie? “ Patient: „Gern, wenn Sie eine mitrauchen.“ Arzt: „Sind Sie sich im Klaren, wie gefährlich Rauchen ist? “ Patient: „Ja schon, aber es fällt mir so schwer, es aufzugeben.“ In dem Dialog von Abb. 7.11 vermutet der Patient zunächst eine positive Einstellung des Arztes zum Rauchen und damit eine Bestätigung dessen, was er selbst gern mag (affektive Ebene). Der Arzt korrigiert dies durch den Hinweis auf die Gefährlichkeit des Rauchens und zeigt damit seine negative Einstellung. Diese akzeptiert der Patient als Argument (intellektuelle bzw. kognitive Ebene). Er entschuldigt sich dafür, dass er wider besseres Wissen das Rauchen nicht aufgegeben, also bisher nicht entsprechend gehandelt hat (handlungsorientierte Einstellung). Die drei Komponenten des Begriffs Einstellung werden von Mickartz (1983) aufgespalten, so dass er Einstellung (affektiv) gegenüber Meinung ( kognitiv bzw. „konativ“ i. S. v. ‚beeinflussend‘) unterscheidet. Er will „den Nachweis erbringen, dass Einstellungen auf gesellschaftliche Erfahrungen und Interpretationen dieser Erfahrungen zurückzuführen sind, m.a.W.: Einstellungen zur Sprache beruhen auf Einstellungen zu Sprechern. Über kulturelle Wertvorstellungen, die sozial fixiert sind, beeinflusst die Gesellschaft das sprachliche Handeln. Ein Fallbeispiel Zwei Schweizer Städte Durch Einstellungsmessungen im multilingualen Bereich wird dies Ergebnis im Großen und Ganzen bestätigt. So hat sich z. B. Gottfried Kolde (1981) mit dem Sprachverhalten und den Spracheinstellungen von 460 Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren in den Schweizer Städten Biel/ Bienne und Freiburg/ Fribourg auseinandergesetzt. Die Probanden haben aus zwei Sprachgruppen bestanden: einer französisch- und einer deutschsprachigen. Einige Ergebnisse sind in Abb. 7.12 zusammengefasst. <?page no="222"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 208 Abb. 7.12: Einstellungsmessungen von Kolde (1981) - einige Ergebnisse a) Bei dem französischen Text ergibt sich für die Merkmale „sympathisch“ und „gesellig“ in der französischsprachigen Ortsgruppe deutlich und in der deutschsprachigen im Ganzen ebenfalls ein positives Urteil; b) bei dem schriftdeutschen Text schätzt die französischsprachige Gruppe die Verfasser als ehrgeiziger und beruflich höher ein als bei dem französischen Text; c) demgegenüber zeigen die deutschsprachigen Gruppen eine schwach entgegengesetzte Tendenz und bezeichnen in einer Nebenbefragung das Schriftdeutsche als hässlich. Kolde deutet derartige Spracheinstellungen als Anzeichen ethnischer Stereotypen, die sprachlich markiert sind, d. h., dass die Einstellung zur Ethnie auch eine Einstellung zur Sprache dieser Ethnie ist. Die negative Einstellung zum Schriftdeutschen lässt sich allerdings auch dadurch erklären, dass „Schriftdeutsch“ allen Schweizern lästig ist, weil es in der Schule gelernt wird (vgl. Haas 1992, S. 319: Mundart als Nationalsymbol). Sprache als Abzeichen Man müsste diesen Ergebnissen hinzufügen: Bei Identifizierung von Sprache und Sprecher sind von der negativen (oder je nachdem positiven) Einschätzung all diejenigen betroffen, die die Sprache S x sprechen, weil Sprache ein Symbolsystem ist, das Außenstehenden die Zugehörigkeit der Sprecher dieser Sprache S x zu einer bestimmten, negativ (oder positiv) markierten Ethnie E x signalisiert. Dies zeigt die „gemeinschaftsbildende Rolle der Sprache“ im Sinne von Reichmanns Auseinandersetzung mit dem Problem der Nationalsprache (Reichmann 2000, S. 429): „Die Symptomfunktion besteht darin, daß sich jeder Sprecher einer historischen Einzelsprache (wie z. B. des Deutschen) durch deren bloße Verwendung als Sprecher dieser Sprache zu erkennen gibt und jedem Hörer damit die Möglichkeit eröffnet, ihn entsprechend den ihm geläufigen Klassifizierungsregeln einer bestimmten Sprache zuzuordnen.“ Schibboleth „Sprache als Gruppenabzeichen“ wie etwa bei den Sondersprachen Jugendlicher (s. Kap. 3.1, vgl. Bausinger 1984, S. 118 ff.) gilt entsprechend zur Identifizierung von Ethnien und deren Sprache. Schon in der Bibel (Richter 12, 5 f.) gibt es den Hinweis, dass die Gileaditer die feindlichen Ephraimiter an der fehlerhaften Aussprache von Schibboleth (hebr. ‚Ähre‘) erkannten (Sibboleth). Ähnliches wiederholt sich in der Neuzeit. So wird berichtet, dass die Niederländer vor dem Zweiten Welt- <?page no="223"?> Multilinguale Gesellschaft 209 krieg deutsche Spione an deren falscher Aussprache des Ortsnamens Scheveningen erkannt haben sollen (deutsch <sch> = niederl. [sx-]). Ähnliches gilt für das deutsche <h> im Anlaut: Fehlt es, erkennt man die Französin bzw. den Franzosen. Für diesen sprachlichen Fingerabdruck zur Feststellung der sozialen bzw. nationalen Identität von Personen gebraucht man die biblische Bezeichnung Schibboleth, einen Ausdruck der Ephraimiter (falsch [s], richtig [ ]). Ein Schibboleth ist ein sprachliches Zeichen, aus dem die soziale bzw. nationale Identität der Sprecherin bzw. des Sprechers hervorgeht. Bereits gefestigte Einstellungen (Vorurteile, soziale Stereotype) gegenüber sozialen Gruppen und Ethnien werden aktiviert, sobald die Kommunikationspartnerin bzw. der Kommunikationspartner spricht: Die wechselseitige Bedingung von Gesellschaft und Sprache ist unübersehbar. 7.2.3 Konfrontation mit Sprachen neuer Minderheiten Ethnische Minderheiten - „Pidgin-Deutsch“ - Foreigner Talk - Echte Pidgin- und Kreolsprachen - Lingua Franca - Sekundäre Sozialisation Ethnische Minderheiten In welchem Maße in einer Gesellschaft eine Konfrontation mit unterschiedlichen Ethnien und Kulturen erfolgt, lässt sich nur indirekt abschätzen. Zu unterscheiden ist zwischen autochthonen ethnischen Minderheiten, in Deutschland z. B. den Sorben, und den allochthonen ausländischen Minderheiten, die gleichzeitig fremden Kulturen angehören. Die Wohnbevölkerung Deutschlands bestand 1994 in den alten Bundesländern zu 9,9 % und in den neuen zu 1,7 % aus Personen mit einem ausländischen Pass, umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung: 8,6 %. Der Anteil ausländischer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen betrug in den alten Bundesländern 9,7 % und in den neuen 1,6 %, umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung: 8,3 % (Geißler 1996, S. 215). Rund sieben Millionen bzw. 8,6 % Ausländer(innen) bezüglich der Gesamtbevölkerung bergen ein hohes Konfliktpotential. Soziologisch und soziolinguistisch bedeutsam ist die Verteilung des arbeitenden Bevölkerungsanteils auf die unterschiedlichen Berufe. Laut Statistik (s. Abb. 7.13) sind ausländische Arbeitnehmer 1994 zu 72 % einer vorwiegend manuellen <?page no="224"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 210 Tätigkeit (Un- und Angelernte sowie Facharbeiter) nachgegangen. Die „Mehrheit der ethnischen Minderheiten“ ist somit „weiterhin im untersten Teil der Schichtungshierarchie angesiedelt“ (Geißler 1996, S. 218). Jedoch ist in den zehn Jahren 1984 bis 1994 eine starke Tendenz zu Berufen mit einem höheren Rang zu vermerken. Dies spiegelt sich in den Schulabschlüssen: 1983 waren 31 % der Ausländer ohne Hauptschulabschluss, 1993 „nur“ 19 %; die Zahl der Realschulabgänger stieg in diesem Zeitraum von 19 auf 29 %. Diese Zahlen belegen eine starke Tendenz zur Zweisprachigkeit und eventuell auch zum Sprachenwechsel. Abb. 7.13: Schichtzugehörigkeit von erwerbstätigen Ausländern 1 (aus: Geißler 2002, S. 295) 1 Aus d. früheren Anwerbeländern Türkei, Italien, Ex-Jugoslawien, Griechenland, Spanien 2 (Werk-)Meister, Poliere 1991 N = 5.408 2000 N = 10.010 *weniger als 30 Fälle „Pidgin-Deutsch“ Daraus ist zu ersehen, dass die Sprachsituation der 1960er Jahre, als man jährlich hunderttausende Gastarbeiter zwecks manueller Arbeit in die damalige Bundesrepublik Deutschland hat einreisen lassen, in dieser Form nicht mehr besteht. Für die sprachliche Ausdrucksweise dieser Gastarbeiter, die <?page no="225"?> Multilinguale Gesellschaft 211 weitgehend ohne Deutschkenntnisse gekommen sind, hat Michael Clyne 1968 die Bezeichnung „Pidgin-Deutsch“ eingeführt. Die Frage, ob dies Deutsch so bezeichnet werden kann, ist heftig diskutiert worden. Das Pidgin weist eine starke Vereinfachung grammatischer Regeln aus der übergeordneten Sprache auf; manche bestehende Regel wird nicht zur Kenntnis genommen. Ein Pidgin ist stets primitiv im Vergleich zu der übergeordneten Sprache. Es dient der eingeschränkten Kommunikation in bestimmten Situationen. Dieser strukturell-funktionale Aspekt ist die einzige Gemeinsamkeit zwischen den echten Pidgins und dem „Pidgin- Deutsch“ der Gastarbeiter. Abb. 7.14: Beispiele für „Pidgin-Deutsch“ und Foreigner Talk (Auswahl) Syntax • Fehlende Flexionssuffixe, z. B.: ein gut Kostüm, Kind alles in Türkei geboren • Stets Infinitivsuffix bei Verben, z. B.: Ich gestern nix kommen, krank; ich heute bringen Kartoffel • Negation durch nix, z. B.: Ich gestern nix kommen, nix gut Wetter Lexik • Analytische Wortbildung, z. B.: Auto von ihm statt sein Auto, tot machen statt töten, andere Platz statt anderswo, nix gut für schlecht, verboten • Fehlen von Elementen, die in der Standardsprache obligatorisch sind, z. B.: Nachher Griechenland - ich verstehe Teil, net alles. Ausgangs- und Zielsprache Zur besseren Deutung der Verstöße gegen die Sprachnormen können zwei Begriffe aus der Kontaktlinguistik und Übersetzungswissenschaft bemüht werden, wobei der Aspekt des Spracherwerbs zweitrangig ist: a) Ausgangssprache („source language“) und b) Zielsprache („target language“). Diese Ausdrücke ersetzen die Dichotomie Muttersprache - Fremdsprache. In der Zielbzw. Zweitsprache findet die Ausgangssprache ihren Niederschlag, d.h., dass die Zielsprache noch bestimmte Merkmale der Ausgangssprache hat („Substratwirkung“ im hierauf übertragenen Sinn), so dass bestimmte Erscheinungen, wie in Abb. 7.14 angedeutet, auch aus der Struktur der Ausgangssprache zu erklären sind. <?page no="226"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 212 Foreigner Talk Während Fremdsprachige, indem sie versuchen, die Zielsprache anzuwenden, Äußerungen wie in Abb. 7.14 produzieren, ist dies auch aus der umgekehrten Perspektive denkbar, d. h., Primärsprachige stellen sich auf die Gesprächspersonen so ein, dass es zu ähnlichen Äußerungen kommt wie seitens der Fremdsprachigen. Ihre Formulierungen erfolgen aber ad hoc und sind als sprachliche Register zu betrachten. Ferguson hat Äußerungen diesen Typs 1968 als „Foreigner Talk“ bezeichnet (Jakovidou 1993, S. 9; vgl. Hinnenkamp 1982); die Arbeit über Foreigner Talk von Jakovidou ist eine „empirische Untersuchung zur Sprechweise von Deutschen gegenüber Ausländern“, also zu einem Register: Foreigner Talk ist das Sprachregister Einheimischer in der Kommunikation mit erwachsenen Ausländern. Foreigner Talk und Xenolekt Marlis Hellinger (1985, S. 95 ff.) charakterisiert den Foreigner Talk als simplifiziertes Register, vergleichbar mit dem Baby Talk (s. Kap. 2.2.2), aber auch mit den Sprechweisen gegenüber Schwerhörigen, geistig Behinderten, Menschen fortgeschrittenen Alters (vgl. das Patronisieren, beschrieben in Kap. 6.2.3). Eine Liste von Merkmalen, die auf solche Register zutreffen, bietet Roche (1989, S. 36 ff., u. Roche 1998). Jedoch kann daraus, dass in der Kommunikation alle Strukturebenen und auch die Interaktionsmodi - je nachdem - betroffen sind, nicht abgeleitet werden, es handele sich um stabile Sprachsysteme, so dass auch die Bezeichnung Xenolekte (grch. xenos ‚Fremder, Ausländer‘, -lekt ‚Sprachsystem’ (vgl. S. 25), d. h. die ‚»Sprache« mit Ausländern‘) der Diskussion bedürfte. Vielmehr handelt es sich um Register tentativer Adaption. Echte Pidgin- und Kreolsprachen Pidgins beruhen zwar auf Sprachkontakten, jedoch - in „Zusammenhang von Eroberung, Kolonialisierung, wirtschaftlicher Ausbeutung und Sklaverei“ - ist die dominante Sprache, anders als Clynes „Pidgin-Deutsch“, stets die allochthone, d. h. die von außen kommende. Dazu Marlis Hellinger (1985, S. 2): „Diese Sprachkontakte sind auf der sozialen Ebene durch ein eklatant asymmetrisches Verhältnis der beteiligten Sprachen gekennzeichnet, in dem die europäischen Sprachen generell als die dominierenden erscheinen, während die regionalen Sprachen von diesen dominiert werden.“ Ca. 127 Pidgin- und Kreolsprachen hat man gezählt; sie sind in allen ehemaligen Kolonialgebieten verbreitet und unterscheiden sich je nach dominierender Sprache: als englisch oder portugiesisch oder spanisch oder holländisch oder französisch und sogar deutsch (in Neuguinea) dominiert. <?page no="227"?> Multilinguale Gesellschaft 213 Substrat, Superstrat In seinen „Kreolischen Studien“ von 1890 schreibt der Romanist Hugo Schuchardt (s. Leo Spitzer 1976, S. 156): „... jede Be[e]influssung einer Sprache durch eine andere [ist] eine doppelte: sie beruht entweder auf der Unterschichtung oder der Überschichtung der letzteren.“ An der Stelle dieser Dichotomie stehen in der Romanistik und Indogermanistik die Begriffe Substrat (seit 1821, später theoretisch fundiert durch G. I. Ascoli (1829-1907), s. Francescato 1970, S. 12) für „Unterschichtung“ und Superstrat für „Überschichtung“. Ein dritter Begriff: Adstrat (s. v. w. Interbzw. Transferenz) hat sich nicht durchgesetzt. Angewandt auf die Pidginsprachen formuliert Hellinger (1985, S. 93): „Die sozial dominierende Superstratsprache ist generell nicht mit den übrigen am Sprachkontakt beteiligten Sprachen (den Substratsprachen) verwandt.“ Aus Abb. 7.15 geht hervor, dass ein Pidgin eine autochthone Drittsprache (S 3 ) ist im Spannungsfeld zwischen der autochthonen Substratsprache S 1 (Primärsprache) und der allochthonen Superstratsprache S 2 . Demgegenüber fußt M. Clynes „Pidgin(deutsch)“ auf einer a l l o chthonen S u b stratgegenüber einer a u t o chthonen S u p e r stratsprache, also einer Umkehr der Verhältnisse. Ausgebaut zu einer Vollsprache wird die Kreolsprache zur Erstsprache S 1 . Der damit verbundene Sprachenwechsel ist auch ein Sprecherwechsel. Die Kreolsprache ist die neue Sprache ausschließlich indigener Sprecher; das echte Pidgin wird von indigenen gegenüber nicht-indigenen Sprechern verwendet. Abb. 7.15: Pidgin- und Kreolsprachen (Schema) Pidgins resultieren aus dem Kontakt zwischen über- und untergeordneten Sprachen in Kolonialgebieten. Pidginsprachen sind Simplifizierungen der Superstratsprachen. Die Herkunft der Bezeichnung Pidgin ist nicht geklärt, jedoch wird eine Entstellung aus engl. busyness im Kontakt mit der untergeordneten chinesischen Sprache vermutet (19. Jh., vgl. Le Robert 1998, S. 2723). <?page no="228"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 214 Pidgin als Bezeichnung ist vermutlich entstellt aus engl. busyness. Kreolsprachen sind zu voll leistungsfähigen Sprachen ausgebaute Pidgins. Pidgin und Lingua Franca Mit dem Ausbau eines Pidgins zur Kreolsprache wird die jeweilige „Eingeborenensprache“ zu Gunsten der neuen Kreolsprache aufgegeben. Der Sprachenwechsel ist vollzogen. Mit Kreole, frz. créole (1670) aus span. criollo ‚eingeboren‘ (1590), benennt man zunächst einen in den spanischen Kolonien geborenen weißen Nachkommen spanischer Eltern, später wird die Bedeutung ausgeweitet auf andere Kolonien und auch auf nicht weiße Sprecher. „Entwicklung“ als Terminus vermeidend, spricht Kloss (1978, S. 25) von „Ausbau“, wie im Falle eines Pidgins zur Kreolsprache. Ausbausprachen sind „ausgebaute“ Sprachen, literaturfähig und geeignet „für qualifizierte Anwendungszwecke und -bereiche“. Komplementär zu diesem Terminus gebraucht Kloss den der „Abstandsprachen“, die sich lediglich strukturell unterscheiden und soziolinguistisch nicht markiert sind. Lingua Franca Geographisch und zeitlich zu trennen von den neueren Pidgins ist die Lingua Franca, die „Frankensprache“ - die Araber nannten die europäischen Eroberer des Mittelalters (Kreuzzüge) pauschal „Franken“. Sie ist als Kommunikationsmittel im 11. Jh. im östlichen Mittelmeerraum entstanden. Diese Lingua Franca ist die älteste Pidginsprache. Später dient sie als Verkehrs- und Handelssprache, auch in anderen Gebieten, z. B. in Nordafrika (Algerien). Sie ist eine „Vermittlungssprache“, weil sie zwischen mehreren Sprachen „vermittelt“ (s. Hellinger 1985, S. 47 f.). Davon abgeleitet bezeichnet „Lingua Franca“ jede Vermittlungssprache, z. B. auch das Latein des Mittelalters, diverse afrikanische Verkehrssprachen (z. B. Suaheli), aber auch Französisch und das moderne, international gebrauchte Englisch (vgl. Bußmann 2002, S. 409). Die Lingua Franca ist a) die älteste Pidginsprache, einst verbreitet im östlichen Mittelmeerraum, b) allgemein eine Vermittlungssprache. Sekundäre Sozialisation 1996 gab es in Deutschland knapp 1,2 Millionen Schülerinnen und Schüler ohne deutschen Pass, ferner statistisch schlecht erfasste Kinder von Aussiedlern mit deutschem Pass (nach 1990 ca. 200.000 Zuwanderer jährlich). Dies erlaubt die Einschätzung der äußeren Schulsituation und zeigt, „daß die Institution <?page no="229"?> Multilinguale Gesellschaft 215 Schule in besonderem Maße ein Ort interkultureller Kommunikation geworden ist ...“ (Luchtenberg 1999, S. 77; Hradil 1999, S. 334). Die kommunikative Kompetenz wird in der primären sprachlichen Sozialisation (s. Kap. 2.2) erworben und dann in der Schule vertieft. Bei Multikulturalität und Multilingualismus liegt die Besonderheit vor, dass das Elternhaus meist nur für die Erstsprache S 1 zuständig ist, aber Kindergarten und Schule für die Zweitsprache S 2 , wobei ausländische Schüler meist keinen deutschen Kindergarten besuchen. Der Zweitspracherwerb, vermittelt durch eine derartige Institution, heißt „gesteuerter Zweitspracherwerb“. Umgekehrt liegt „ungesteuerter Zweitspracherwerb“ vor, wenn die Zweitsprache nicht durch formale Erziehung, sondern in Konfrontation mit Kommunikationssituationen in der Zweitsprache erlernt wird. Gesteuert ist der Erwerb einer Zweitsprache, wenn er durch formale Erziehung erfolgt, andernfalls ist er ungesteuert. Kinder, die der von den Eltern mitgebrachten Kultur und Sprache fremd werden, keine bilingue Kompetenz erwerben und schließlich sowohl in der einen wie in der anderen Sprache mangelhaft sind, weisen „doppelseitige Halbsprachigkeit“ auf (Stölting 1980, S. 19). Bei doppelseitiger Halbsprachigkeit fehlt die zu erwartende Sprachkompetenz in der Erstwie in der Zweitsprache. Ein vergleichbares Phänomen ist aus den Fremdsprachenphilologien bekannt, dort mit Termini belegt wie „Interlanguage“, „Lernervarietetät“ oder auch „Interimlekt“ (vgl. Dittmar 1997, S. 240). Damit sind habituelle Erscheinungsformen von Sprache gemeint. Handelt es sich aber um temporäre oder gar okkasionelle, so sind dies transitorische Register. 7.2.4 Sprachenkontakt in Grenzsäumen Koexistierende Sprachsysteme - Sprachstatus in Nachbarländern - Malmédy - Komplementäre Domänen Koexistierende Sprachsysteme Grenzsäume von Sprachen sind Gebiete des Multilingualismus. Grenzsäume sind stets durch das Aufeinandertreffen mehrerer Erscheinungen, die aneinandergrenzen, gekennzeichnet. Linguistisch sind sie Über- <?page no="230"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 216 gangsgebiete, in denen mindestens zwei, bisweilen mehr Sprachsysteme alternieren. Alternanz kennzeichnet stets die Dynamik eines Übergangs. Alternanz gilt dort auch systemlinguistisch für alle Beschreibungsebenen. So ist etwa aus dem deutsch-slawischen Interferenzraum die lexikalische Dublettenbildung bekannt, bei der zunächst zwei Bezeichnungen („Dubletten“) - eine deutsche und eine slawische - nebeneinander bestehen, sich dann aber funktional differenzieren, z. B. a) Mehl, b) *muka ‚Mehl‘ a) Mehl ‚Mehl‘, b) Mauke ‚Mehlbrei‘ (vgl. Bellmann 1971, S. 28 ff.). Abb. 7.16: Koexistierende Sprachsysteme mit Deutsch in Nachbarländern (Auswahl) Land Koexistierende Sprachsysteme mit Deutsch DK S 1a...b = Standarddeutsch, S 2...3 = S ø nderjysk, Std.-Dänisch B a) Alt-Belgien: S 1 = deutscher Dialekt, S 2 = Std.-Französisch b) Eupen, St. Vith: S 1 = deutscher Dialekt, S 2...3 = Std.-Deutsch (offiziell), Std.-Französisch c) Malmédy: S 1...2 = wallonischer Dialekt, Std.-Deutsch, L S 1 = Lëtzebuergesch, S 2...3 = Std.-Französisch, Std.-Deutsch F Elsass, z. T. Lothringen: S 1 = deutscher Dialekt, S 2 = Std.- Französisch (offizielle Nationalsprache) I Südtirol: S 1 = deutscher Dialekt, S 2...3 = Std.-Deutsch (regional), Std.-Italienisch (offizielle Nationalsprache) Sprachstatus des Deutschen in Nachbarländern Nur in den Nachbarländern Belgien und Luxemburg hat die deutsche Standardsprache den Status einer Nationalsprache, stets an bestimmte Domänen gebunden. In Dänemark und im Raum Malmédy wird auf Grund politisch-historischer Gegebenheiten die (regional artikulierte) deutsche Standardsprache benutzt ohne untergeordnete, bodenständige Dialekte (vgl. Pedersen 2000 u. Persoons/ Versele 1980). Die historische Entwicklung hat dazu geführt, dass der Raum Malmédy (sechs Gemeinden) zwischen 1815 (Wiener Kongress) und 1919 deutsch war und seitdem belgisch ist. Demzufolge hat vor 1919 eine Diglossie zwischen wallonischen Dialekten (S 1 ) und der deutschen Standardsprache (S 2 ) bestanden. Seit 1919 ist Deutsch regressiv und Französisch entsprechend progressiv (s. Abb. 7.17). <?page no="231"?> Multilinguale Gesellschaft 217 Abb. 7.17: Die sprachliche Situation im Raum Malmédy Deutsche Standardsprache Französische Std.-Spr. Wallonische Dialekte Wallonische Dialekte ab 1815 bis 1919 Gegenwart Der Status des Deutschen in den Nachbarländern ergibt sich i. E. aus Abb. 7.18. Staatliche Regelungen haben zu einer Koexistenz der Sprachen geführt, was aber laufende Veränderungen nicht verhindert, die sich durch eine Verschiebung in der Population der Sprecheranteile ergeben, z. B. durch den erheblichen Zuwachs von Frankobzw. Italophonen in Belgien bzw. Südtirol. Abb. 7.18: Der Status des Deutschen in Nachbarländern (Auswahl) Land Std.-Deutsch = Nationalsprache Std.-Deutsch = autonome Regionalsprache Deutsch nur als Dialekt DK nein ja: Sønderjylland nein B ja ja: nur Eupen, St. Vith ja: Alt-Belgien L ja nein nein F nein nein ja: Elass,Lothringen I nein ja: Südtirol nein Komplementäre Domänen Dialekt und Standard Die Verteilung der Domänen in den genannten Sprachsystemen variiert. Für das Verhältnis eines Dialekts zu der entsprechenden Standardsprache gilt grundsätzlich, dass die Dialekte in der primären Sozialisation erworben und deshalb in den Domänen der Familie und des weiteren privaten Bekanntenkreises gebraucht werden. Wo kein deutscher Dialekt existiert wie in Sønderjylland (Südjütland) oder im Raum Malmédy, ist für Deutschsprachige die deutsche Standardsprache das Primärsystem und hat die gleichen Funktionen wie sonst der Dialekt. Normalerweise dient die Standardsprache aber stets dem öffentlichen und offiziellen Sprachverkehr. <?page no="232"?> Kulturelle und sprachliche Vielfalt 218 Dies gilt auch für Südtirol, dessen kulturelle Eigenständigkeit garantiert ist, so dass der Tiroler Dialekt, das Erstsystem S 1 , durch die überdachende deutsche Standardsprache, die auch Schulsprache ist, geschützt wird. Extreme Domänenverteilung In der Domänenverteilung ist das Beispiel Luxemburgs extrem. Nachdem Lëtzebuergesch auf Grund eines Sprachengesetzes von 1984 neben Französisch und Deutsch in den Rang einer Standardsprache erhoben worden ist, benutzt die Bevölkerung Luxemburgs drei Standardsprachen, an die unterschiedliche Domänen gebunden sind. Determiniert nach Klassenstufen, sind alle drei Sprachen Schulsprachen (zum Unterrichtswesen s. Kraemer 1993, S. 169). Einst im Rang eines Dialekts wird Lëtzebuergesch auch heute vor allem mündlich verwendet. Weitere Domänen des Lëtzebuergesch sind Institutionen wie die Kirche (Predigt), das Parlament (Debatte) und das Gericht bei der Zeugenvernehmung. Französisch und Deutsch teilen sich verschiedene Domänen. Der öffentliche Schriftverkehr (Behörden) und die Korrespondenz großer Firmen erfolgen in Französisch, das ein hohes Prestige genießt, von Bildung zu zeugen scheint und - obwohl fast ausschließlich Zweitbzw. Drittsprache - positiv konnotiert ist. Durch diese Koexistenz von Sprachsystemen und Domänen sind sprachbedingte Konflikte minimalisiert. Progress des Französischen In Alt-Belgien - an Luxemburg westlich angrenzend hat die deutsche Schriftsprache keine offizielle Funktion, sondern es gibt nur deutsche Dialekte, die sogar im engsten Familienkreis zunehmend durch Französisch ersetzt werden (s. Nelde/ Darquennes 2000, S. 126 f.). Ähnliches gilt für Ost-Lothringen mit ebenfalls „dachlosen Außenmundarten“. Die Verwendung des Dialekts hat vor allem für ältere Einwohner noch eine Identitäts- und Kommunikationsfunktion. „Für die übrigen Altersgruppen ist sie auf bestimmte Redeanlässe beschränkt“ (Stroh 1993, S. 132). Insbesondere die jüngste Generation begnügt sich mit einigen Sätzen, die beziehungsschaffend sind, also Nähe und Vertrautheit ausdrücken sollen: Platt als simplifizierte „soziale Nahsprache“ (Stroh 1993, S. 146). Im Elsass ist der Dialektgebrauch nicht mit der gleichen Geschwindigkeit zurückgegangen wie in Lothringen. Das Verhältnis zwischen Dialekt und Französisch in der Familie ist etwa wie 57 zu 43 und im Freundeskreis etwa wie 53 zu 47 (vgl. Hartweg 1983, S. 1433). Französisch ist wie überall in Frankreich die offizielle Sprache für alle öffentlichen Tätigkeiten. Mithin beschränkt sich der Gebrauch des Dialekts auch hier auf einige wenige Domänen. Die Dominanz des Französischen und vor allem der Schulunterricht führen auch hier zu einer schnellen Verminderung diglossischer Sprecher. Zum europäischen Multilingualismus vgl. auch Eichinger (1996) und die Bände der Reihe sociolinguistica, insbesondere Bd. 11 (Tübingen 1997). <?page no="233"?> Multilinguale Gesellschaft 219 Literatur (Auswahl) Clyne 1968 - Haas 1992 - Hellinger 1985 - Hogan-Brun (Hg.) 2000 - Jakovidou 1993 - Kramer 1984 - Nelde (Hg.) 1980 - Nelde/ Darguennes 2000 - Stroh 1993 Kontrollfragen (Antworten in Kapitel 8, S. 241) 7.2.01 Unter welchen Bedingungen besteht „Sprachenkontakt“? 7.2.02 Was ist „sprachliche Interferenz“? 7.2.03 Definieren Sie „sprachliche Transferenz“. 7.2.04 Nennen Sie andere Bezeichnungen für „Geber-“ und „Nehmersprache“. 7.2.05 Was versteht man unter „Sprachenwechsel“? 7.2.06 Definieren Sie „Code-Switching“. 7.2.07 Nennen Sie eine andere Bezeichnung für „Einstellungen“. 7.2.08 Nennen Sie Parameter zur Analyse von Einstellungen. 7.2.09 Was schließt Kolde aus seiner Untersuchung in den Schweizer Städten? 7.2.10 Was ist ein „Schibboleth“? 7.2.11 Geben Sie ein Beispiel für einen Satz in „Pidgin-Deutsch“. 7.2.12 Definieren Sie „Foreigner Talk“. 7.2.13 Wie wird „Foreigner Talk“ auch bezeichnet? 7.2.14 Wie kommen Pidginsprachen zustande? 7.2.15 Charakterisieren Sie Pidginsprachen. 7.2.16 Welche anderen Bezeichnungen hat man für „Sub-“ und „Superstrat“? 7.2.17 Was sind Kreolsprachen? 7.2.18 Was versteht man unter „Lingua Franca“? 7.2.19 Erläutern Sie gesteuerten und ungesteuerten Zweitspracherwerb. 7.2.20 Erläutern Sie „doppelseitige Halbsprachigkeit“ . 7.2.21 Nennen Sie Domänen, die dem Lëtzebuergeschen vorbehalten sind. 7.2.22 Welche Funktion hat die Mundart in Ost-Lothringen? 7.2.23 Wozu führen im Elsass der Schulunterricht und die Dominanz des Französischen? 7.2.24 Nennen Sie zusammenfassend die Grenzländer, in denen die Sprecher zunehmend von deutschen auf französische Varietäten wechseln. <?page no="234"?> 8 Anworten und Lösungen Die Kapitel, zu denen die Antworten und Lösungen gehören, werden hier wiederholt. Sie sind auch anhand der Signatur erkennbar, z. B. „1.1.01 Geben Sie ...“ = Kap. 1.1, Aufgabe 01. 1.1 Handlungsorientierung 1.1.01 Geben Sie die Herkunft der Bezeichnung „Linguistik“ an. „Linguistik“ ist eine seit dem 18. Jh. bestehende gelehrte Neubildung zu lat. lingua ‚Zunge, Rede, Sprache‘. 1.1.02 Grenzen Sie „Linguistik“ und „Sprachwissenschaft“ ab. „Linguistik“ wird mit „Sprachwissenschaft“ gleichgesetzt, jedoch als Terminus aus mehreren Gründen, z. B. wegen der Internationalität und der Wortbildung („Neuro-“, „Pragma“-, „Sozio-“linguistik), gegenüber „Sprachwissenschaft“ bevorzugt. 1.1.03 Was ist die Herkunft der Bezeichnung „Soziologie“? Das Kompositum Soziologie wurde 1839 als sociologie von Auguste Comte geprägt. Es steht zu lat. socius ‚(Kampf-)Gefährte, Teilnehmer, der mit einer Gesellschaft Verbundene‘ u. griech. logos ‚Rede, Wort, (philosophische) Lehre, Kunde‘. 1.1.04 Wie lautet die älteste Bedeutung von frz. société ? Frz. société, aus lat. societas entlehnt, bereits 1165 in der Bedeutung ‚Kommunikation, Beziehung zwischen Personen, die etwas miteinander gemein haben‘. 1.1.05 Wie unterscheiden sich „Soziolinguistik“ und „Sprachsoziologie“? Antwort: a) durch die Wortbildung, b) durch die Art der Interaktion (lingual versus sozial), c) durch die Art der systemischen Variation (lingual in der Gesellschaft versus sozial, erfasst über Sprache). Soziolinguistik ist Linguistik mit soziologischen Aspekten; Sprachsoziologie ist Soziologie mit linguistischen Aspekten. 1.1.06 Wie unterscheidet sich der „Objekt-“ von dem „Metabereich“? Der Objektbereich ist das Etwas, das thematisiert wird, der Metabereich ist die Darstellung des Objektbereichs mittels Sprache. 1.1.07 Definieren Sie „Verhalten“ und „Sprachverhalten“. Verhalten ist die Umsetzung von Information in Agieren, Reagieren durch Individuen, Gruppen und andere Sozialgebilde; Sprachverhalten ist Agieren, Reagieren mittels Sprache. 1.1.08 Definieren Sie „Handeln“ allgemein und „soziales Handeln“. Handeln ist die aktive Veränderung eines Zustands oder Vorgangs. Soziales Handeln ist wechselseitig orientiertes Tätigsein von Menschen. <?page no="235"?> Antworten und Lösungen 221 1.1.09. Was hat man unter „Kommunikation“ zu verstehen? Kommunikation ist Austausch von Informationen (Nachrichten). 1.1.10 Definieren Sie „Information“ und „Informieren“. Information ist die Differenz zwischen Bekanntem und Neuem. Informieren heißt, Nichtwissen beseitigen. 1.1.11 Definieren Sie „Nichtwissen“. Nichtwissen ist der Kehrwert des Wissens. 1.1.12 Definieren Sie „Wissen“. Wissen ist die Summe der Informationen, die der Mensch gespeichert hat und verwenden kann. 1.1.13 Geben Sie Parameter zur Charakterisierung des Handelns an. Das Handeln eines Menschen ist orientiert an seinen Handlungspartnern, an Gegenständen und Situationen. 1.1.14 Was bedeutet a) „sprachliche“, b) „soziale Interaktion“? a) Sprachliche Interaktion ist das wechselseitige, zwischenmenschliche Handeln mittels Sprache. b) Soziale Interaktion ist „die durch Kommunikation vermittelte wechselseitige Beeinflussung der Einstellungen, Erwartungen und Handlungen von Personen und/ oder Gruppen.“ 1.1.15 Welche Folgen kann ein „Themenwechsel“ für den Sprechakt haben? Die Folgen des Themenwechsels können ein Wechsel der Orientierung an anderen Sprechern, deren Sprache und damit eine zwischen mehreren Sprachsystemen schwankende Ausdrucksweise sein. 1.1.16 Wie lässt sich „Situation“ definieren? Eine Situation ist das Bezugsfeld der Orientierung des handelnden Menschen. 1.1.17 Was ist unter „nichtsprachlichem“ Handeln zu verstehen? Nichtsprachlich sind die Informationen, die in einer Kommunikationssituation präsent sind, aber nicht durch Sprache vermittelt werden. 1.1.18 Grenzen Sie ab: „primäre“ gegen „sekundäre“ Kommunikation. Was die Tätigkeit begleitet und eine Nebeninformation trägt, wird als „sekundär“ bezeichnet, die Tätigkeit selbst, die die Hauptinformation trägt, ist „primär“, sei sie lingual, d. h. als Sprache, oder nonlingual, d. h. mit anderen als sprachlichen Mitteln, realisiert. 1.1.19 Was sind „paralinguale Informationen“? Paralinguale Informationen sind sekundäre Informationen phonetischer und graphetischer Natur. 1.1.20 Was sind „sprachliche Register“? Register sind Formen temporärer Sprachhandlungen, eingebettet in die Parameter Gegenstand („field“), Erscheinungsform („mode“, z. B. mündlich) und Präsentationsform („style“). 1.1.21 Wie nennt Halliday das „habituelle Sprechen“? Er nennt es Dialekt. <?page no="236"?> Antworten und Lösungen 222 1.1.22 Was ist eine „Störung“? Eine Störung ist die unerwünschte Veränderung einer (gewohnten bzw. erwarteten) Ordnung. 1.1.23 Was bedeutet „Konflikt“? Konflikt bedeutet ‚Zusammenstoß, Widerstreit‘, entlehnt aus lat. conflictus‚ das Zusammenschlagen, feindlicher Zusammenstoß, Kampf‘. 1.1.24 Was bedeutet „Konformität“? Konformität bedeutet Übereinstimmung, Anpassung durch „gleichartige Aktions- und Reaktionsweisen“. 1.2 Systemorientierung 1.2.01 Was ist die ursprüngliche Bedeutung von „System“? ‚Aus Einzelteilen zusammengefügtes und gegliedertes Ganzes‘ (16. Jh.) und im 18. Jh. auch ‚aus mehreren Lehrsätzen zusammengesetztes Lehrgebäude‘. 1.2.02 Aus welchen Komponenten besteht ein „Sprachsystem“? Alle Sprachelemente (Phoneme, Grapheme, Morpheme, Lexeme usw.) und die Regeln, die sich darauf beziehen, angewandt auf Texte bzw. Sprachhandlungen, sind Komponenten der systemaren Linguistik. 1.2.03 Wie heißt der Kernbereich der Linguistik? Der Kernbereich der Linguistik ist die „Systemare Linguistik“. 1.2.04 Nennen Sie Nachbardisziplinen zur Soziolinguistik. Benachbart sind die Pragma-, Ethno-, Neuro- und Psycholinguistik sowie die Soziologie. 1.2.05 Definieren Sie, was man unter „Regeln“ versteht! Regeln sind Gebrauchsanweisungen (in Bezug auf Sprache). 1.2.06 Was ist der Unterschied zwischen infra- (auch: intra-)systemaren und intersystemaren Regeln? Infra- (auch: intra-)systemare Regeln beziehen sich auf ein einziges System, intersystemare Regeln auf den Vergleich mehrerer Systeme. 1.2.07 Was ist mit „statischen“ Systemen gemeint? Statische Systeme sind Produkte, Ergebnisse im Sinne von „Ergon“. 1.2.08 Definieren Sie „Struktur“! Eine Struktur besteht aus Elementen im Verband. 1.2.09 Erläutern Sie „Sinn“ als Begriff. Frege (1892) unterscheidet Sinn vs. Bedeutung; Sinn ist handlungsorientiert, und Bedeutung ist systemorientiert. 1.2.10 Was sind „Varianten“? Als Varianten gelten die alternativen Ausdrucksmöglichkeiten innerhalb einer Variablen (als veränderlicher Darstellungsgröße). 1.2.11 Was ist unter einer „sprachlichen Varietät“ zu verstehen? Eine sprachliche Varietät ist ein Sprachsystem, eingebunden in einen Komplex von Sprachsystemen. <?page no="237"?> Antworten und Lösungen 223 1.2.12 Definieren Sie „Gemeinsprache“. Gemeinsprache ist der „statistische Durchschnitt des Sprachbesitzes aller Individuen“ einer Sprachgemeinschaft. 1.2.13 Definieren Sie „Gesamtsprache“. Die Gesamtsprache ist die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel einer Sprachgemeinschaft. 1.2.14 Definieren Sie „Subsystem“. Geben Sie Beispiele. Ein Subsystem ist ein Teilsystem der Gesamtsprache, beispielsweise Dia-, Soziolekte, Sondersprachen. 1.2.15 Definieren Sie „Fachsprache“. Fachsprachen dienen der optimalen bzw. fachspezifischen Kommunikation unter Fachleuten. 1.2.16 Was ist eine „Terminologie“? Terminologie ist genormte Fachlexik. 1.2.17 Definieren Sie „Sondersprache“. Sprachvarietäten, die dazu dienen, Gruppenmitglieder als solche auszuweisen („Wir-Gefühl“), heißen Sondersprachen. 1.2.18 Definieren Sie „Jargon“. Der Jargon ist eine situationsabhängige Sprachform mit gemeinsprachlicher Grammatik, saloppem Stil, emotionalen Wörtern und Wendungen. 1.2.19 Was ist unter „sozialen Milieus“ zu verstehen? Soziale Milieus sind subkulturelle Einheiten aus Menschen mit ähnlicher Lebensauffassung und Lebensweise. 1.2.20 Definieren Sie und geben Sie ein Beispiel für ein „Aggregat“. Soziale Aggregate sind anonyme Massen oder Menschenmengen ohne nähere soziale Beziehungen, aber mit einigen gemeinsamen Merkmalen, z. B. die räumliche Nähe, die Fußballanhänger, die Alten, das andere Geschlecht. 2.1 Gesellschaft und Individuum 2.1.01 Wie wird im Alltag „Identität“ bestimmt? Im Alltag kann Identität bestimmt werden über Parameter materieller Art wie Pass oder Führerschein, über soziale Parameter wie [ich bin] Arbeiter, Ehegatte, Mutter, und auch über subjektive Gegebenheiten wie [ich bin] Fußballfan, Amateurfotograf usw. 2.1.02 Definieren Sie „sprachliche Identität“. Sprachliche Identität ist die Verortung der eigenen Sprache in einem komplexen sozialen und - darauf fußend - lingualen Koordinatensystem. 2.1.03 Welche Fähigkeiten erwirbt man im symbolischen Interaktionismus? Im Rahmen des symbolischen Interaktionismus wird das Individuums zu einer sozial handlungsfähigen bzw. interaktiv kompetenten Persönlichkeit. 2.1.04 Definieren Sie „soziale Rolle“; geben Sie Beispiele. Eine soziale Rolle ist die Summe der an den Inhaber einer sozialen Position gerichteten (Verhaltens-)Erwartungen. Beispiele: Vater, Mutter, Kaufmann, der böse Wolf. <?page no="238"?> Antworten und Lösungen 224 2.1.05 Definieren Sie „soziale Position“; geben Sie Beispiele. Eine soziale Position ist ein Ort in einem Gefüge sozialer Beziehungen, unabhängig von der Person, die diesen Ort besetzen könnte. Beispiele: Bundespräsident, Mutter, Professor. 2.1.06 Definieren Sie „sozialer Rang“. Ein sozialer Rang ist ein Ort relativ zu einem anderen Ort in einer Hierarchie sozialer Beziehungen. 2.1.07 Nennen Sie die Phasen der Identitätsbildung nach Mead. 1.) Symbolische Übernahme von Rollen aus dem allernächsten Umfeld; 2.) Verinnerlichung gesellschaftlicher Haltungen und sprachlicher Normen (ab dem Kindergarten); 3.) Dialektik zwischen der Integration von sozialen (und sprachlichen) Normen und spontanen Aktionen. 2.1.08 Nennen Sie die Prozesse a) der sozialen, b) der sprachlichen Identitätsbildung. a) Soziale Identitätsbildung ist ein Prozess, „in dem Impulse der individuellen Spontaneität und gesellschaftliche Verhaltenserwartungen ausbalanciert werden.“ b) Sprachliche Identitätsbildung ist ein Prozess, in dem individuelle Sprachgestaltung und Sprachnormen als gesellschaftliche Verhaltenserwartungen ausbalanciert werden. 2.1.09 Klären Sie den Begriff „Umwelt“. Umwelt sind alle Sachverhalte, die nicht mit einem bestimmten System identisch sind und mit dem System in Beziehung stehen. Dies ist allerdings eine soziologisch-systemtheoretische Auffassung von Umwelt. 2.1.10 Was ist ein „Schema“? Ein Schema ist eine kognitive Struktur zur Abspeicherung, Weitergabe und Anwendung von Informationen. 2.1.11 Erläutern Sie a) Assimilation, b) Akkomodation. Bei der Assimilation wird die Wahrnehmung so korrigiert, dass sie in ein bereits vorhandenes Schema passt; bei der Akkomodation wird das Schema an die wahrgenommene Umwelt angepasst, weil der Konflikt zwischen Wahrgenommenem und Schema nicht anders überbrückt werden kann. 2.1.12 Erläutern Sie den Begriff des neuronalen Darwinismus. Die Hypothese von der Fortentwicklung der aktivierten, an der Informationsverarbeitung beteiligten Neuronen einerseits und andererseits dem Absterben der nicht aktivierten, also an der Informationsverarbeitung nicht weiter beteiligten Neuronen, wird als „neuronaler Darwinismus“ bezeichnet. 2.1.13 Welche Folgen hat der neuronale Informationsaustausch für die postnatale Kommunikation? Sprachliche Handlungen sind ohne biogenetische Voraussetzungen und ohne die Fähigkeit zum Informationsaustausch nicht denkbar. 2.1.14 Definieren Sie „Wahrnehmung“. Wahrnehmung ist die selektive Aufnahme von Informationen aus der Außenwelt (Umwelt). <?page no="239"?> Antworten und Lösungen 225 2.1.15 Definieren Sie „Stereotyp“; geben Sie Beispiele. - Stereotype sind generalisierte, daher defektive mentale Kategorien, „Bilder in unserem Kopf“ als Systeme der Orientierung, Anpassung und Aufrecherhaltung des Selbst. - Beispiele: a) das gehört sich so für einen jungen Menschen, b) die machen ja doch was sie wollen mit uns. 2.1.16 Geben Sie die Herkunft des Begriffs „Stereotyp“ an. 1.) stereotyp Adj. ‚feststehend, unveränderlich, ständig wiederkehrend, in der Form erstarrt, leer‘, Neubildung der französischen Druckersprache; 2.) Stereotyp N., substantiviert aus Adj. stereotyp - ‚fest miteinander verbundene Druckzeilen‘ zu frz. stéréotype (aus gr. stereós ‚starr, fest‘ und gr. typos ‚Gestalt‘). 2.1.17 Wie kommt es zur Bildung von Stereotypen? Die Selektion der Wahrnehmung, zunächst bezogen auf die gegenständliche Welt der unmittelbaren Umgebung des Kindes, wird ausgedehnt auf die selektionale Wahrnehmung und Klassifikation der sozialen Welt. 2.1.18 Definieren Sie „Sprachnormen“. Sprachnormen sind Maßstäbe für die Gleichförmigkeit und die Bewertung des Sprachverhaltens. 2.1.19 Was sind „usuelle Sprachnormen“? Usuelle Sprachnormen (Gebrauchsnormen) sind überlieferte, nichtkodifizierte Maßstäbe für sprachliche Verhaltensgleichförmigkeit und für Verhaltensbewertung. 2.1.20 Definieren Sie „kodifizierte Normen“. Kodifizierte Normen sind in einem Regelbuch schriftlich festgelegte Vorschriften. 2.1.21 Definieren Sie „soziale Kontrolle“. Soziale Kontrolle ist die „Gesamtheit aller sozialen Prozesse u. Strukturen, die abweichendes Verhalten der Mitglieder einer Ges[ellschaft]. oder einer ihrer Teilbereiche verhindern oder einschränken.“ 2.1.22 Was ist ein „Idiolekt“? Übersetzen Sie Blochs Definition. Idiolekt ist angeblich „die Sprache des Individuums“ (Hammarström 1980). Blochs Definition lautet: „Die Gesamtheit der möglichen Äußerungen eines bestimmten Sprechers, der - zu einer bestimmten Zeit - eine Sprache gebraucht, um mit einem bestimmten anderen Sprecher zu interagieren, heißt Idiolekt.“ 2.1.23 Was versteht man unter „Impersonalisation“? Impersonalisation heißt der Weg zur persönlichen Identität. 2.1.24 Definieren Sie „Linguogenese“. Linguogenese ist der Weg zur sprachlichen Identität. 2.1.25 Definieren Sie „Soziogenese“. Soziogenese ist der Weg zur sozialen Identität. 2.1.26 Was versteht man unter „Kultur“? Kultur „ist die relativ koordinierte Gesamtheit der von Generation zu Generation tradierten und orientierend wirkenden Denk- und Verhaltensmuster eines sozialen Systems“ (Burghardt 1974, 146). 2.1.27 Was ist „Enkulturation“? Enkulturation ist „die Übertragung von Grundverhaltensweisen“ in einer Kultur auf das Individuum, wie z. B. die Sprache. <?page no="240"?> Antworten und Lösungen 226 2.2 Kindheit und Sprache 2.2.01 Wie gliedern Markova und Lewandowski die Stufen der Sprachentwicklung ? Es werden 7 Stufen unterschieden: 1) Kleinkindalter, 2) frühes Vorschulalter, 3) Vorschulalter, 4) frühes Schulalter, 5) mittleres Schulalter, 6) Höheres Schulbzw. frühes Jugendalter, 7) spätes Jugendalter - Reife. 2.2.02 Wovon ist die Linguogenese stets abhängig? In der Linguogenese ist das Individuum stets abhängig von seiner es formenden Umwelt. 2.2.03 Was ist „Konvergenz“? Konvergenz ist das Zusammenwirken der inneren, zum Sprechen drängenden Anlagen und der äußeren Gegebenheit der Umweltsprache. 2.2.04 Wie groß ist der passive Wortschatz eines fünfbis sechsjährigen Kindes? Der passive Wortschatz (Verstehen) eines fünfbis sechsjährigen Kindes umfasst zwischen 9.000 und 14.000 Wörtern. 2.2.05 Wie groß ist der aktive Wortschatz eines fünfbis sechsjährigen Kindes? Der aktive Wortschatz (Verwenden) eines fünfbis sechsjährigen Kindes umfasst zwischen 3.000 und 5.000 Wörtern. 2.2.06 Welche pragmatische Funktion haben die Einwortsätze? Die Einwortsätze haben alle jene pragmatischen Funktionen, deren das Kind sich in dem Alter ab 1; 0 bedienen kann. 2.2.07 Charakterisieren Sie das Register „Baby talk“. „Baby talk“ zeichnet sich aus durch syntaktische Vereinfachung, Gefühlsausdruck, häufige Wiederholungen und Korrekturen der Äußerungen des Kindes. 2.2.08 Was sind „soziale Netzwerke“? Soziale Netzwerke sind netzartige Verknüpfungen von sozialen Einzelbeziehungen in gesellschaftlichen Zusammenhängen. 2.2.09 Was sind „linguale Netzwerke“? Linguale Netzwerke sind netzartige Verknüpfungen von lingualen Einzelbeziehungen in gesellschaftlichen Zusammenhängen. 2.2.10 Definieren Sie „soziale Beziehungen“. Soziale Beziehungen sind das Geflecht des interaktiven, sozialen Mit- und Gegeneinander von Individuen bzw. Gruppen. 2.2.11 Definieren Sie „linguale Beziehungen“. Linguale Beziehungen sind das Geflecht des interaktiven, lingualen Mit- und Gegeneinander von Individuen bzw. Gruppen. 2.2.12 Welche Funktion haben Selbstkorrekturen? Selbstkorrekturen in den Äußerungen des Kindes gelten als Indikator für die Berücksichtigung der Perspektive des Anderen. 2.2.13 Erläutern Sie die Bedeutung der Familie als Instanz der Sprachbildung. <?page no="241"?> Antworten und Lösungen 227 Die Familie ist die primäre Sozialisationsinstanz; sie vermittelt die ersten Grundlagen der sozialen und sprachlichen Fähigkeiten des Kindes. 2.2.14 Welche Bedeutung hat die Schule in der Sprachentwicklung ? In der Schule lernt das Kind, intensiv zu kommunizieren, und Sprache wird zum Gegenstand bewusster Aufmerksamkeit: Schreiben und Lesen und das Verhältnis von Gesprochenem zu Geschriebenem. 2.2.15 Was ist eine „Sprachbarriere“? Eine Sprachbarriere ist die Unfähigkeit, soziale Situationen sprachlich zu meistern. 2.2.16 Zu welchen sozialen Problemen kann sprachliche Retardation führen ? Die Retardation in der Sprachentwicklung führt zu sozialer Ausgrenzung. 3.1 Schüler und Jugendliche 3.1.01 Definieren Sie „soziale Gruppe“. Die soziale Gruppe besteht aus Personen, „die regelmäßig miteinander in Beziehung treten und in diesen Beziehungen gemeinsame Ziele zu realisieren suchen“ 3.1.02 Definieren Sie „Peer-Gruppe“. Die Peer-Gruppe besteht aus etwa gleichaltrigen Jugendlichen, deren Symbolorganisation die Gruppenidentität und -kohäsion begründet. 3.1.03 Nennen Sie nichtsprachliche Kennzeichen von Peer-Gruppen. Nichtsprachliche Kennzeichen sind Lederkluft und Kettenschmuck, „Löcher-Look“. 3.1.04 Definieren Sie Jargon. Der Jargon ist eine situationsabhängige Sprachform mit gemeinsprachlicher Grammatik, saloppem Stil, emotionalen Wörtern und Wendungen. 3.1.05 Geben Sie ein Beispiel für so genannte Geheimsprachen der Schüler. B-Sprache, in der nach Vokal ein b eingefügt und der Vokal wiederholt wird, z. B. Deber Abaltebe ibist doboof in der Bedeutung ‚Der Alte ist doof‘. 3.1.06 Geben Sie Beispiele für Gruppen mit Sondersprachen. Schüler, diverse Jugendgruppen unterschiedlicher Szenen (Diskotheken, Drogen, Motorrad usw.), Studenten, fahrende Händler. 3.1.07 Nennen Sie einige Schülerwörter. Direx, Big Brother, Rex, Pauker, Spießer, Sklaventreiber, Leerkörper. 3.1.08 Was sind „Phraseologismen“? Phraseologismen sind feststehende Formulierungen mit übertragener Bedeutung. 3.1.09 Geben Sie ein Beispiel für Phraseologismen. Ich glaub, mich knutscht ein Elch. Ich glaub, ich steh im Wald. 3.1.10 Nennen Sie einige Sprachregister der Jugendlichen. eigenwillige Grüße, Anreden und Partnerbezeichnungen griffige Namen- und Spruchwelten <?page no="242"?> Antworten und Lösungen 228 flotte Redensarten und stereotype Floskeln metaphorische (‚übertragene‘), zumeist hyperbolische (‚vergrößernde‘) Sprechweisen - Repliken mit Entzückungs- und Verdammungswörtern - Lautwörterkommunikation, Lautkürzungen und Lautschwächungen - Prosodische (die Lautstruktur betreffende) Sprachspielereien - Neuwort (z. B. Mucke), Neubedeutung (z. B. ätzend), Neubildung (z. B. Pazi für ‚Pazifist‘, O-Saft ‚Orangensaft‘, Wisch für Papierwisch ‚Zeugnis‘, H 2 O-K.O.P.F. für ‚Wasserkopf‘). 3.1.12 Woran orientiert sich der Sonderwortschatz der Drogen-Szene? Der Sonderwortschatz der Drogen-Szenen orientiert sich vor allem an englischen Quellwörtern. 3.1.13 Was bedeutet „areal differenzierte Sprache“? Areal differenzierte Sprache heißt: ‚unterschiedlich im Sprachraum‘. 3.1.14 Definieren Sie Transgression. Transgression (engl. crossing) ist die „Verwendung einer Varietät durch Sprecher, denen sie nicht ‚gehört‘ “. 3.1.15 Was sind „Piktogramme“? Piktogramme sind bildliche Abstraktionen der Wirklichkeit zur Informationsvermittlung. 3.2 Sondersprachen Erwachsener 3.2.01 Definieren Sie „Subkulturen“. Subkulturen sind Teilkulturen, deren Normen und Werte von denen der Gesamtkultur abweichen. 3.2.02 Geben Sie die Etymologie von Rotwelsch. Rotte ist hervorgegangen aus mlat. rupta, rut(t)a, rot(t)a ‚Schar, Abteilung, Räuberhaufen‘, im Rotwelschen dann: rot(t) 'schlauer Bettler'. Das Grundwort -welsch galt ursprünglich der keltischen Bevölkerung (Wales! ), wurde dann auf die römischen Eroberer bezogen und erhielt die Bedeutung ‚romanisch‘, dann besonders ‚italienisch‘, im 16. Jh. in übertragener Bedeutung: ‚unverständliche Sprache der Gauner und Landstreicher‘. 3.2.03 Nennen Sie einige, im 20. Jh. noch bestehende Reste des Rotwelsch. Wiener Diebssprache, Mattenenglisch, Manisch, Henese Fleck, Schlaußmen (Sensenhändler im Sauerland), Masematte. 3.2.04 Definieren Sie „Argot“. Argot ist ursprünglich eine Sondersprache der frz. Bettler und Gauner, belegt seit dem Mittelalter und jetzt stilistisch markierte Umgangssprache. 3.2.05 Welche Funktion hat der Argot heute? Soziale Veränderungen des 19. Jhs. zerstören das ursprüngliche Milieu weitgehend, so dass der Wortschatz unterschiedlicher Argots partiell und allmählich in die Alltagssprache eindringt und gleichzeitig die Funktion als Geheimsprache verliert, Teil der Volkssprache wird und u. a. die Gefühlswelt ausdrückt. 3.2.06 Was ist unter „Slang“ zu verstehen? Der Slang ist ein gesucht originelles, lässiges, affektorientiertes Register der Umgangssprache mit sondersprachlichen Merkmalen. <?page no="243"?> Antworten und Lösungen 229 3.2.07 Nennen Sie Klassifikationskriterien für den „Slang“ in der medizinischen Praxis. Der Slang hat mindestens drei Erscheinungsformen: als Laborslang, der ausschließlich von Frauen benutzt wird, als Röntgenslang, von Ärzten und Assistentinnen gleichermaßen gebraucht, sowie als OP-Slang, der von Männern geprägt wird („reiner Männerslang“), ohne Beteiligung der OP-Schwestern. 3.2.08 Geben Sie Beispiele für emotional bedingte Stereotype in der Sportberichterstattung. Italien ist zum Fürchten kalt. - ... die Schotten mit hängenden Köpfen vom Platz schlichen. - War das ein Fußballabend, da lachte das Herz. 3.2.09 Definieren Sie „Fachjargon“. Der Fachjargon trägt die Merkmale von Jargons und Fachsprachen, d. h., er ist situationsbezogen, hat emotional orientierte Wörter und Wendungen und ist zugleich präzise in der Vorgangsbeschreibung. 3.2.10 Definieren Sie „Macht“. Macht ist „jede wesentliche Beeinflussung ..., die ein Bestandteil der Gesellschaft über einen anderen ausübt bzw. ausüben kann, ohne dass dieser in der Lage ist, sich der Einwirkung zu entziehen“ (Hradil 1999). 3.2.11 Definieren Sie „Herrschaft“. Herrschaft ist der an Institutionen gebundene Anspruch, für einen Befehl „bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“ (Hradil 1999). 3.2.12 Erläutern Sie die Vertrautheitsstufen im fachsprachlichen Sachwissen. Schräder (1991) unterscheidet fünf Stufen: 1 Laie - 2 leicht Informierter - 3 gut Informierter - 4 fachlich Versierter - 5 Experte. 4.1 Öffentliche Ordnung und Verwaltung 4.1.01 Definieren Sie „Institution“. Eine Institution ist eine „soziale Einrichtung, die auf Dauer bestimmt, ‚ was getan werden muß‘.“ 4.1.02 Geben Sie Beispiele für soziale Institutionen. Bereich „Erziehung und Ausbildung“: Familie, Schule, Lehrstätte; Bereich „Öffentliche Ordnung und Verwaltung“: Klinik, Gericht, Sozialamt. 4.1.03 Nennen Sie einige Kommunikationsbedingungen bei der Visite. Kommunikationsbedingungen sind: die Asymmetrie des Nachrichtenaustauschs, die besondere soziale Beziehung Arzt - Patient, die psychischen, physischen und sprachlichen Bedingungen. 4.1.04 Nennen Sie einige Machtstrategien des Arztes in der Klinik. Strategien sind: Abriegeln, Hinhalten, leerlaufen lassen, problematisieren. 4.1.05 Welchen Vorteil haben Mittelschichtangehörige bei Gericht? Sie können erlernte Handlungsstrategien auf neue Situationen übertragen. 4.1.06 Nennen Sie zwei gegensätzliche Strategien im Sozialamt. Verständnisfördernde und verständnisfeindliche Strategien. <?page no="244"?> Antworten und Lösungen 230 4.1.07 Was sind „rekonstruierende Paraphrasen“? Rekonstruierende Paraphrasen sind Umschreibungen der Gedankengänge von Gesprächsteilnehmern (Klienten) seitens des Gesprächsleiters. 4.1.08 Nennen Sie einige Charakteristika der Verwaltungssprache. Die Verwaltungssprache ist fachübergreifend, im Satzbau komplex und birgt daher die Gefahr von Kommunikationsbarrieren. 4.1.09. Wie unterscheidet sich die mündliche Alltagssprache von der der Verwaltung? In der Satzkomplexität: Die mündliche Alltagssprache hat im Durchschnitt neun Wörter pro Satz, die Verwaltungssprache fünfzehn. 4.1.10 Welche Schwierigkeiten sind mit langen und verschachtelten Sätzen verbunden? Lange und verschachtelte Sätze sind nur mit Übung auf Anhieb dekodierbar und können zu Kommunikationskonflikten führen. 4.2 Schule: Theorien über sprachliches Versagen 4.2.01 Worin besteht Bernsteins Grundgedanke? Bernsteins Grundgedanke besteht in der Annahme, dass die soziale Differenzierung zu unterschiedlichen sprachlichen Kodes führt. Die Sozialbeziehungen kondensieren sich als soziale Schichten. Dichotom werden zwei Sozialschichten unterschieden, denen zwei Codes entsprechen. 4.2.02 Welche Bedeutungen hat „Code“ ursprünglich im Englischen? Code hat im Englischen ursprünglich die Bedeutungen ‚Signalsystem‘, ‚Chiffrierbuch‘. 4.2.03 Charakterisieren Sie pauschal den Unterschied zwischen dem elaborierten und dem restringierten Kode. Der leistungsfähigere ist der elaborierte, der weniger leistungsfähige der restringierte Kode. 4.2.04 Wie sind Sozialschichten und Kodes einander zugeordnet? Angehörige der Mittelschicht beherrschen den elaborierten und den restringierten Kode, die der Arbeiterschicht nur den restringierten Kode. 4.2.05 Warum heißt die Kode-Theorie auch „Defizithypothese“? Wegen der geringeren Leistungsfähigkeit des restringierten Kodes weisen die Angehörigen niederer Sozialschichten gegenüber denen aus höheren Sozialschichten ein sprachliches Defizit auf. Daher wird die Kode-Theorie auch „Defizithypothese“ genannt. 4.2.06 Erläutern Sie „kumulatives Defizit“. Die Folgen des Defizits sind Mängel in Lernfortschritt und sprachlicher Weiterentwicklung in der Schule, so dass sich dort das anfänglich in sprachlichen Fächern auftretende Defizit auf andere Fächer ausdehnt und weiter akkumuliert (n. M. Deutsch). 4.2.07 Nennen Sie Kriterien zur Unterscheidung von elaboriertem und restringiertem Kode. <?page no="245"?> Antworten und Lösungen 231 Komplexer vs. einfacher Satzbau, relativ lange vs. relativ kurze Sätze, große vs. geringe Variationsbreite des Wortschatzes, häufige vs. seltene Pausen. 4.2.08 Wofür gelten die Merkmale des restringierten Kodes außerdem? Merkmale des restringierten Kodes sind nicht auf die Sprache unterer Sozialschichten beschränkt; sie gelten für die mündliche Kommunikation schlechthin. 4.2.09 Welchen Zweck erfüllt die Alltagssprache? Die Alltagssprache dient der direkten Kommunikation in praktischen Lebenslagen sowie der emotionsbetonten Kommunikation. 4.2.10 Kennzeichen Sie die Alltagssprache als „statisches“ System. Kennzeichen der Alltagssprache sind einfache Sätze und eine lässige Wortwahl. 4.2.11 Vergleichen Sie die Strategien von Sprechern des restringierten Kodes mit denen von Sprechern der Alltagssprache. Die Strategien von Sprechern des restringierten Kodes sind Strategien von Sprechern der Alltagssprache. 4.2.12 Definieren Sie „linguistische Strategien“. Linguistische Strategien sind die Vorbereitung, Planung und Durchführung von sprachlichen Äußerungen. 4.2.13 Was wird in der direkten Kommunikation nicht versprachlicht? Normalerweise wird die Situation nicht versprachlicht. 4.2.14 Was ist das Besondere an Geigers Schichtenmodell? Der „neue Mittelstand“ und „Proletaroide“ bilden ca. 30 %, das Proletariat ca. 50 % der Bevölkerung und so mit Bernsteins Schichtenmodell vergleichbar. 4.2.15 Welche Folgen haben die Veränderungen in den Sozialschichten für die Kode-Theorie? Die Kode-Theorie verliert an Gültigkeit, weil die traditionellen Sozialschichten nicht fortbestehen. 4.2.16 Nennen Sie die beiden Familientypen i. S. Bernsteins. Die zu unterscheidenden Typen von Familien sind: statusorientierte und personenorientierte Familien. 4.2.17 Was drückt der soziale Status aus? Der Status ist Ausdruck des Prestiges, das Inhaber einer sozialen Position genießen, und sich nach Merkmalen wie hohes Einkommen, große Bildung, große Macht richtet. 4.2.18 Welches Rollensystem ist welcher Schicht zuzuordnen? Das geschlossene Rollensystem entspricht der sozialen Unter-, das offene Rollensystem der Mittelschicht. 4.2.19 Wozu können geschlossene Rollensysteme beitragen? Geschlossene Rollensystem können in statusorientierten Familien zu einem restringierten Kode des Kindes führen. Dieser Familientyp ist für die soziale Unterschicht charakteristisch. 4.2.20 Wozu kann ein offenes Rollensystem führen? Ein offenes Rollensystem kann bei dem Kind zu einem elaborierten Kode führen. <?page no="246"?> Antworten und Lösungen 232 4.2.21 Welche Folgen hat nach Bernstein das restringierte Sprechen für das Denken? Wer restringiert spricht, denkt restringiert. 4.2.22 Definieren Sie „Code-Switching“ und erläutern Sie den Zusammenhang. „Codeswitching“ ist die Fähigkeit, die „Codes“ nach Bedarf zu wechseln. 4.2.23 Nennen Sie Beispiele für die Sapir-Whorf-Hypothese. Sie gingen am 11. Mond. = ‚Sie blieben 10 Tage.‘ Wir paddeln am Ort. = ‚Wir sind gleich da.‘ 4.2.24 Was bedeutet „sprachliche Relativität“? „Sprachliche Relativität“ bedeutet, dass Erkennen und Denken nur in Relation zu den ausdrucks- und inhaltsseitigen Gegebenheiten einer Sprache möglich sind. 4.2.25 Definieren Sie „sprachliche Enkodierung“. Die sprachliche Enkodierung ist die Translation kognitiver bzw. emotiver Prozesse in eine Mitteilung und die Translation dieser Mitteilung in einen Ausdruck. 4.2.26 Nennen Sie einige Variablengruppen in der Untersuchung Oevermanns. Aufsatzlänge; Komplexität syntaktischer Beziehungen, ermittelt durch Quotienten; hierarchische versus additive Objektdarstellung; Abstraktionsniveau. 4.2.27 Nennen Sie einige Ergebnisse der Untersuchung Oevermanns. 1.) Das Unterschicht-Mittelschicht-Raster ist zu grob. 2.) Die Kodes sind an soziale Rollen gebunden. 3.) Sprachunterschiede basieren auf Unterschieden der Handlungssituation. 4.2.28 Was gilt für die Sprache der Schüler bezüglich ihrer sozialen Herkunft? Unterschiede im schichtspezifischen Sprachgebrauch sind mit Ablauf der Grundschuljahre weitgehend beseitigt, ähnliches gilt für geschlechtsspezifische Unterschiede. Lediglich die Themenwahl bzw. die Textsorte hat Auswirkungen auf die Syntax. 4.2.29 Welche Auswirkungen haben die Lesegewohnheiten? Die Lesegewohnheiten sind abhängig von der Sozialschicht mit Folgen für die schulische Leistung (Texte, Aufsätze). 4.2.30 Was sind „Stigmasignale“? Stigmasignale sind Sprachmerkmale zur negativen Kennzeichnung von Personen oder Gruppen. 4.2.31 Welche Folgen haben sprachliche Stigmasignale? Kinder, welche die Stigmasignale gebrauchen und aus unteren Sozialschichten stammen, können vielfach benachteiligt werden. 4.2.32 Welches Sprachsystem ersetzt den Dialekt als schulisches Hindernis? Die neue Sprachbarriere heißt „Umgangssprache“. 5.1 Theorie und Empirie 5.1.01 Erläutern Sie den Begriff „Differenzkonzeption“. Man beschreibt die Andersartigkeit sprachlicher Systeme (Deviation) in Abhängigkeit von außersprachlichen (sozialen) Fakten. Lediglich im Kontrast mit der Defizittheorie wird dieser Forschungsansatz auch als Differenzkonzeption bezeichnet. <?page no="247"?> Antworten und Lösungen 233 5.1.02 Definieren Sie den Begriff „Variable“. Eine Variable ist eine empirische Veränderliche des Metabereichs in einer Menge von Veränderlichen. 5.1.03 Geben Sie Beispiele für „freie“ Varianten in der deutschen Standardsprache. Phonologisch: die R-Artikulation; lexikologisch: die Bezeichnungen Samstag, Sonnabend. 5.1.04 Zählen Sie allgemein einige Varietäten auf. Standardvarietäten (z. B. Hoch- und Schriftsprache), Substandard (z. B. Dialekte). 5.1.05 Was versteht man unter einer „Variablenregel“? Eine Variablenregel gibt die Bedingungen für Varianten in Regelform an. 5.1.06 Was versteht man unter einem „Varietätenraum“? Ein Varietätenraum ist eine Funktion der diachronen, arealen, sozialen, situativen und funktionalen Faktoren eines sprachlichen Makrosystems. 5.1.07 Welche Parameter wählt Labov für die soziologische Klassifikation? Als Klassifikationsparameter gelten das Einkommen, die (Schul-)Bildung und der Berufsstatus mit je vier Subformen (IV = hoch bis I = niedrig). 5.1.08 Wie unterscheiden sich Style und Stil? Ein Style ist ein Erhebungsmodus, ein Stil ist eine Summe besonderer Ausdrucksformen in kommunikativen Zusammenhängen. 5.1.09 Womit korreliert Labov seine fünf Variablen? Er korreliert sie mit Erhebungsmodus (Style) und dem Sozialstatus der Sprecher. 5.1.10 Worin besteht nach DeCamp die Sprachkompetenz eines Sprechers? Die Sprachkompetenz besteht nach DeCamp in der Fähigkeit eines Sprechers, die an seine soziale Erfahrung gebundenen Varianten von Sätzen zu erzeugen und zu verstehen. 5.1.11 Was sind „Synonyme“? Synonyme sind verschiedene Bezeichnungen mit der gleichen Bedeutung in ein und demselben System. 5.1.12 Was sind „Heteronyme“? Heteronyme sind verschiedene Bezeichnungen mit der gleichen Bedeutung in verschiedenen Systemen. 5.1.13 Definieren Sie „Implikation“. Implikation heißt, dass die Existenz bestimmter Merkmale das Vorhandensein weiterer Merkmale in der hierarchischen Folge einschließt. 5.1.14 Wozu dienen soziolinguistische Implikationsskalen? In soziolinguistischen Implikationsskalen werden linguale und soziale Beziehungen quantifiziert und hierarchisiert. 5.1.15 Was bedeutet und indiziert „Distanz“ in einem sozialen Netz? Distanz bedeutet ‚Abstand‘, ‚Entfernung‘ und indiziert in einem sozialen Netz die Ferne oder Nähe zu Personen bzw. Dingen von einem Bezugspunkt bzw. einer Bezugsgröße aus. 5.1.16 Womit befasst sich die Soziometrie? Die Soziometrie ist Wissenschaft von der Messung sozialer Beziehungen und sozialen Verhaltens. <?page no="248"?> Antworten und Lösungen 234 5.1.17 Definieren Sie „Graph“. Ein Graph ist mathematisch „ein Set von Knoten N und einem zweiten Set der zwischen ihnen definierten Beziehungen, Kanten, Linien L.“ 5.1.18 Was sind „einfache Graphen“? Einfache Graphen bestehen aus einer Beziehung zwischen zwei Knoten. 5.1.19 Geben Sie zwei Definitionen für „Netzwerk“? a) Ein Netzwerk ist ein Set von Knoten N und von Linien L. b) Ein Netzwerk ist ein Komplex miteinander verknüpfter Knoten. 5.1.20 Woraus besteht ein „soziales Netzwerk“? Ein soziales Netzwerk besteht aus „Personen, Funktionen und Ereignissen.“ 5.1.21 Worin bestehen die biogenetischen Vorgaben für soziale Netzwerke? In der Verkettung von Neuronen: Aus einfachen werden immer komplexere neuronale Konfigurationen, im Endeffekt neuronale Netzwerke, d. h. Neuronen in Korrelation. 5.2 Soziolinguistik der Stadt 5.2.01 Wie beginnt in Deutschland die frühe Erforschung der Stadtsprachen? In der Dialektologie durch Wörterbücher und Untersuchungen zur Stadt-Umland-Problematik. 5.2.02 Nennen Sie einige Ansätze neuerer Stadtsprachenforschungen. Es gibt Untersuchungen zur monolingualen Variation (Phonetik und Phonologie, Diastratik, Diatopik, Dialektniveau u. a.) und zur polylingualen Variation (Elsässisch/ Französisch, Türkisch/ Deutsch, Einstellungen, Ethnographie des Sprechens). 5.2.03 Was ist unter „Ethnographie der Kommunikation“ zu verstehen? Die Ethnographie der Kommunikation untersucht die Gesamtheit der Kommunikationsgewohnheiten einer Gemeinschaft, zu deren Realisierung die Sprache als ein Instrument unter anderen gilt. 5.2.04 Definieren Sie „Standardsprache“. Die Standardsprache ist ein multifunktionaler Varietätenkomplex mit der größten kommunikativen Reichweite bzw. dem größten Kommunikationsradius und dem höchsten Normenprestige. 5.2.05 Definieren Sie „Substandard“. Substandard ist der Oberbegriff „für den sprechsprachlichen Gesamtbereich unterhalb des Standards.“ 5.2.06 Wie lassen sich extreme Sprachschichten einer Stadt unterscheiden? Durch die Anzahl der Regeln: Die Sprachschicht, die am weitesten von der Standardsprache entfernt ist, unterscheidet sich von ihr durch eine maximale Zahl von Regeln. 5.2.07 Begründen Sie die Unterschiede des Dialektgebrauchs in den Berliner Stadtteilen Wedding und Zehlendorf! <?page no="249"?> Antworten und Lösungen 235 Wedding ist ein traditioneller Arbeiterbezirk, die Bevölkerung von Zehlendorf hingegen rekrutiert sich Anfang der achtziger Jahre vorwiegend aus der sozialen Mittelschicht. 5.2.08 Definieren Sie „Sprachlage“. Eine Sprachlage ist ein empirisch gewonnener Durchschnittswert zur Indizierung der Position eines Sprachsystems auf einer Skala. 5.2.09 Vergleichen Sie den Dialektgebrauch in: a) der Kleingegenüber der Großstadt und b) in Süd- und Mitteldeutschland gegenüber Norddeutschland! Bezogen auf die Kommunikation unter Nachbarn, wird in der Kleinstadt mehr Dialekt gesprochen als in der Großstadt und insgesamt mehr im süd- und mitteldeutschen Raum als im norddeutschen. 5.2.10 Definieren Sie „Kommunikationsradius“. Der Kommunikationsradius gibt den Umfang der Varietäten an, in denen eine kommunikative Einheit gilt. 5.2.11 Wie wird die Systemkontrast-Dialektalität festgestellt? Die Systemkontrast-Dialektalität wird durch den Vergleich von Dialektsystemen mit dem System der Standardsprache festgestellt. 5.2.12 Wie wird die Hörerurteil-Dialektalität festgestellt? Die Hörerurteil-Dialektalität ergibt sich durch empirisch gewonnene Hörerurteile. 5.2.13 Was wird unter „Dialektniveau“ verstanden? Das Dialektniveau ist das Maß (der Durchschnittswert) der Übereinstimmung einer Äußerung mit einer vergleichbaren dialektalen Äußerung. 5.2.14 Erläutern Sie das „Maß der Übereinstimmung“. Das Maß der Übereinstimmung wird als Zahlenwert angegeben (z. B. 1,00 für 100%ige Übereinstimmung, 0,5 für 50%ige Übereinstimmung). 5.2.15 Definieren Sie „Vernacular“. Vernacular ist die Sprache der Ortsansässigen, im Gegensatz zur Koine. 5.2.16 Definieren Sie „Koine“. Koine ist ursprünglich die über den Mundarten stehende „allgemeine Ausdrucksweise“ im Griechenland Alexanders d. Gr. (4. Jh. v. Chr.). 5.2.17 Definieren Sie „Verbosität“. Verbosität ist die Strategie, in einem Interview das Rederecht exklusiv in Anspruch zu nehmen und für die Gruppe zu sprechen. 5.2.18 Was ist „Funktionalität“ in dem Modell von Lieverscheidt/ Werlen? Funktionalität ist die Strategie, die Antworten auf den unterstellten Zweck des Interviews hin auszurichten. 5.2.19 Was bedeutet „phatisches Antworten“? Phatisches Antworten beinhaltet Abschweifungen und Anekdoten statt präziser Antworten. 5.2.20 Was lässt sich durch eine Fehleranalyse belegen? So können Besonderheiten einer Varietät, z. B. des Berliner Stadtdialekts, dargestellt werden. <?page no="250"?> Antworten und Lösungen 236 6.1 Geschlecht und Sprache 6.1.01 Nennen Sie Objektbereiche der biosozialen Superkategorien. Unter dem Titel der biosozialen Superkategorien werden Geschlecht und Alter erfasst. 6.1.02 Was ist für den Ausdruck „Geschlecht“ inhaltlich zu unterscheiden? Es sind zu unterscheiden: 1) das natürliche Geschlecht (Sex(us)), 2) das soziale Geschlecht als eine Kategorie von sozialen Erscheinungen (das Gender, amerikan.-engl. gender, frz. genre), 3) das grammatische Geschlecht (das Genus). 6.1.03 Welche Wortarten unterscheiden ein grammatisches Geschlecht? Vorrangig die Substantive und deren Artikel sowie die Personalpronomen. Nach den Substantiven richten sich neben den Artikeln die weiteren Pronomen und die Adjektive. 6.1.04 Was kennzeichnet Geschlecht und Alter soziologisch? Geschlecht und Alter sind soziologisch durch die Zuweisung sozialer Rollen gekennzeichnet. 6.1.05 Was umfassen biosoziale Superkategorien? Biosoziale Superkategorien umfassen die naturgegebenen Eigenschaften und die sozialen Rollen von Geschlecht und Alter. 6.1.06 Welche Ziele verfolgt die „feministische Sprachwissenschaft“? In der feministischen Sprachwissenschaft wird für Frauen aktiv Partei genommen, was als politisches Handeln zu verstehen ist. 6.1.07 Definieren Sie „Genderlinguistik“. Genderlinguistik ist die Richtung innerhalb der Soziolinguistik, welche die Abhängigkeit der Sprache vom sozialen Geschlecht untersucht. 6.1.08 Welche Einwände ergeben sich gegen „Sexolekt“? Alternativen? Der Ausdruck kennzeichnet die Sprache, gebunden an das natürliche und nicht an das soziale Geschlecht. Daher wird die Bezeichnung Genderlekt bevorzugt. 6.1.09 Definieren Sie „Genderlekt“. Genderlekt ist ein hypothetisches Sprachsystem als Funktion des sozialen Geschlechts. 6.1.10 Nennen Sie zwei Forscher in der Frühphase der Genderlinguistik. Fritz Mauthner (1921) und Otto Jespersen (1925). 6.1.11 Nennen Sie amerikanische Autorinnen zur feministischen Linguistik. Robin Lakoff (1975) und Mary Ritchie Key (1975). 6.1.12 Nennen Sie Beispiele für die Diskriminierung der Frau mittels Sprache. Die Diskriminierung besteht oft darin, in welcher Form eine Frau angeredet oder auch nicht angeredet wird, wie ihr Redebeitrag abgetan, nicht gehört, missverstanden, falsch paraphrasiert, unterbrochen und ignoriert wird. 6.1.13 Geben Sie Beispiele für die „Beidbenennung“, das „Splitting“. ... die Stelle eines Professors/ einer Professorin. 6.1.14 Definieren Sie „Gattungsbezeichnungen“. Gattungsbezeichnungen sind Klassenbezeichnungen für Gleichartiges, z. B. Könige, Lehrlinge, Landstreicher. <?page no="251"?> Antworten und Lösungen 237 6.1.15 Geben Sie ein Beispiel für „Sparschreibung“. StudentInnen, Literaturwissenschaftler/ innen. 6.1.16 Definieren Sie „Kontextualisierung“. Kontextualisierung ist nach Gumperz ein Verfahren, mit welchem Interaktionspartner in ihren Sprechhandlungen Kontext herstellen. 6.1.17 Skizzieren Sie die Theorie der „zwei Kulturen“. 1.) Frauen und Männer wachsen in unterschiedlichen Kulturen auf. 2.) Die Kommunikation zwischen Frauen und Männern ist folglich eine interkulturelle Kommunikation. 6.1.18 Definieren Sie a) die Berichts-, b) die Sinn-, c) die Beziehungsebene. a) Die Berichtsebene ist gekennzeichnet durch sachliche Information über Vorgänge, Ereignisse, Handlungen. b) Die Sinnebene ist gekennzeichnet durch die Parameter des Ortes, der Zeit, des ins Auge gefassten Objekts und der Kommunikationspartner. c) Die Beziehungsebene ist gekennzeichnet durch persönliche Kontaktaufnahme, zwischenmenschliche Annäherung oder Distanzierung. 6.1.19 Welche Funktion können Unterbrechungen haben? Unterbrechungen können eine kooperative (zustimmende) und eine kompetitive (Wettbewerbsd. h. ablehnende) Funktion haben. 6.1.20 Welche Funktion können bestätigende Partikeln haben? Sie weisen auf einen kooperativen Charakter des weiblichen Gesprächsstils hin. 6.1.21 Definieren Sie „Gesprächsstil“. Der Gesprächsstil ist die Summe besonderer Ausdrucksformen im Gespräch. 6.1.22 Nennen Sie a) weibliche, b) männliche Register und Gesprächsstile. a) Frauen sind aktive Hörerinnen: mehr Satzvollendungen, mehr Unterstützungen; sie gebrauchen Abschwächungen: mehr Fragen statt Aussagen, häufig „mögen“, „denken“; sie sind nicht dominant. b) Häufig liefern Männer Redebeiträge ohne Bezug, stellen Scheinbezüge her; sie bevorzugen statusbezogene Sprachmittel wie „wir Ärzte“; sie sind dominant. 6.2 Alter und Sprache 6.2.01 Was kennzeichnet Alter und Geschlecht soziologisch? Alter und Geschlecht sind soziologisch durch die Zuweisung sozialer Rollen gekennzeichnet. 6.2.02 Definieren Sie „natürliches Alter“. Das natürliche Alter ist die Zeitspanne, die seit der Geburt vergangen ist. 6.2.03 Definieren Sie „Generation“. Generation heißt die Gesamtheit der etwa Gleichaltrigen mit erlebnisbedingt ähnlichen Orientierungen, Einstellungen und Verhaltensformen. 6.2.04 Definieren Sie „Altersschicht“. Die Altersschicht ergibt sich „aus dem durchschnittlichen Altersabstand zwischen Eltern und Kindern.“ 6.2.05 Definieren Sie „Gero-“ bzw. „Gerontolinguistik“. <?page no="252"?> Antworten und Lösungen 238 Die Gerobzw. Gerontolinguistik untersucht die Abhängigkeit der Sprache vom sozialen Alter, gezielt angewendet auf das fortgeschrittene Alter. 6.2.06 Definieren Sie „Gerolekt“. Der Gerolekt ist ein hypothetisches Sprachsystem als Funktion des sozialen Alters, angewandt auf das fortgeschrittene Alter. 6.2.07 Weshalb ist der Begriff des Gerolekts hypothetisch? Der Begriff des „Gerolekts“ ist hypothetisch, weil damit die Kommunikation von Menschen im fortgeschrittenen Alter als abgeschlossenes System definiert wird. 6.2.08 Wann erscheint der Mensch als „sozial isoliert“? Bei weniger als acht Kontaktpersonen erscheinen die alten Menschen als sozial isoliert. 6.2.09 Definieren Sie „Diskurs“. Ein Diskurs ist ein Bedeutungsganzes als kommunikative Grundeinheit. 6.2.10 Nennen Sie einige positive und einige negative Altersstereotype. Positiv: die perfekte Großmutter, die freundliche Nachbarin. Negativ: Simulant, Egoist, Schwätzerin. 6.2.11 Skizzieren Sie das Kommunikationsdilemma des Alterns. a) Niveausenkung in der Sprache Jüngerer gegenüber Älteren. b) Daher negative Einstellung der Alten gegenüber Jüngeren. 6.2.12 Definieren Sie „Patronisieren“. „Patronisieren“ ist herablassendes Sozialin Ko-Varianz mit simplifizierendem Sprachverhalten. 6.2.13 Nennen Sie Charakteristika patronisierender Kommunikation. Beispiele sind einfache Satzkonstruktionen, Wiederholungen, erhöhte Lautstärke. 6.2.14 Nennen Sie einige Merkmale für den Sprachabbau im fortgeschrittenen Alter. Die „krakelige“ Handschrift, Tonhöhenschwankungen, reduziertes Sprechtempo und die verstärkte Thematisierung des Selbst und der Vergangenheit sind Kennzeichen. 6.2.15 Auf wen geht die „Regressionshypothese“ zurück? Diese Hypothese geht auf Roman Jakobson (1941, revidiert ab 1955) zurück. 6.2.16 Was besagt die Regressionshypothese? In dem Entwurf von 1941 erfolgt der Sprachabbau spiegelbildlich zu dem Spracherwerb, während er in der revidierten Form von 1955 ff. entweder entlang der paradigmatischen oder der syntagmatischen Achse eines Modells verläuft. 6.2.17 Definieren Sie „paradigmatische Beziehungen“. Paradigmatische bzw. assoziative Beziehungen sind logische ODER-Beziehungen. 6.2.18 Definieren Sie „syntagmatische Beziehungen“. Syntagmatische Beziehungen sind logische UND-Beziehungen. 6.2.19 Wie nennt Jakobson die paradigmatische Störung des Sprachabbaus? Diese Störung heißt Ähnlichkeitsstörung, z. B. bei Wortfindungsproblemen. 6.2.20 Wie nennt Jakobson die syntagmatische Störung des Sprachabbaus? Diese Störung heißt Kontiguitätsstörung, z. B. bei Satzbildungsproblemen. <?page no="253"?> Antworten und Lösungen 239 7.1 Multikulturelle, multiethnische, polyglossische Gesellschaft 7.1.01 Geben Sie eine kurze Etymologie zu „Kultur“. Die Bezeichnung Kultur ist abgeleitet aus lat. cultura ‚Pflege (des Ackers), Landbau‘ und wird zunächst so verwendet. Ab etwa 1700 kommt die übertragene Bedeutung hinzu: ‚die Ausbildung und geistige Vervollkommnung des Individuums‘. 7.1.02 Nennen Sie eine marxistische Definition von „Kultur“. Kultur ist ‚die Gesamtheit der Errungenschaften auf gesellschaftlicher, künstlerischer, humanitärer Ebene‘. 7.1.03 Definieren Sie „Zivilisation“. Zivilisation ist die ‚auf technischem und wissenschaftlichem Fortschritt beruhende Lebensweise, durch Erziehung und Bildung geprägte Lebensart‘. 7.1.04 Nennen Sie einige nichtsprachliche Aspekte von „Kultur“. Religion, Aberglauben, Tabus, Vorurteile, Riten, Sitten und Gebräuche, Kleidung, Essen, Arbeit, Hausbau, Mobiliar usw. 7.1.05 Nennen Sie zwei theoriebezogene Parameter von „Kultur“. Normen und Werte sind zwei theoriebezogene Parameter. 7.1.06 Was versteht Els Oksaar unter „Kulturem“? Ein Kulturem ist die Abstraktion kommunikativer Verhaltensweisen, die soziokulturell bedingt sind. 7.1.07 Was ist in Oksaars Terminologie ein „Behaviorem“? Behaviorem ist die Realisierung des Kommunikatems im Kommunikationsakt. 7.1.08 Definieren Sie „Werte“. Werte und Werthaltungen sind „Auffassungen vom Wünschenswerten“. 7.1.09 Zählen Sie einige Werte auf. Ehrlichkeit, Toleranz, gutes Benehmen, Verantwortungsgefühl, Höflichkeit sind die fünf höchsten Werte in Westeuropa. 7.1.10 Nennen Sie die Varietäten der deutschen Standardsprache. Die Varietäten lauten: die Schriftsprache mit Literatursprache und Gebrauchsprosa und die Hochsprache mit der gehobenen und der Alltagssprache. 7.1.11 Grenzen Sie ab: S 1 gegen S 2-n . Die zuerst erworbene Sprache heißt S 1 ; S 2-n sind die später erworbenen Sprachen. 7.1.12 Nennen Sie die „Vollzentren“ der deutschen Standardsprache. „Vollzentren“ sind Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz. 7.1.13 Nennen Sie einige „Halbzentren“ des Deutschen. „Halbzentren“ sind Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol. 7.1.14 Definieren Sie „interkulturelle Kommunikation“. Interkulturelle Kommunikation ist Kommunikation innerhalb einer „mehrkulturellen“ und „mehrsprachigen“ Gesellschaft.. <?page no="254"?> Antworten und Lösungen 240 7.1.15 Was ist eine „Ethnie“? Eine Ethnie ist die Gesamtheit von Individuen, die bestimmte Merkmale von Herkunft, tradierter Kultur und Sprache gemeinsam haben. 7.1.16 Was ist der Gegenstand der Ethnolinguistik? Die Ethnolinguistik erforscht die Sprachen unterschiedlicher Ethnien. 7.1.17 Was sind „alloglotte“ Sprecher? Alloglotte Sprecher sind ‚Anderssprachige‘, als Kunstwort zu grch. allos ‚anders‘ und glotta ‚Zunge, Sprache‘. 7.1.18 Definieren Sie „Diglossie“. Diglossie ist die areal fixierte Überlagerung von zwei funktional unterschiedlichen Sprachvarietäten, deren eine als niedrig (untergeordnet) und eine als hoch (übergeordnet) eingestuft wird. 7.1.19 Wie unterscheiden sich die süd- und die norddeutsche Diglossie? Die süddeutsche Diglossie ist nach Menke (1992) ein Kontinuum zwischen low (den hochdeutschen Dialekten) und high (der Standardsprache). Demgegenüber besteht zwischen den niederdeutschen Dialekten (low) und der überlagernden hochdeutschen Standardsprache ein abrupter Bruch. 7.1.20 Was versteht H. Kloss unter „überdacht“? Wenn die L-Varietäten Dialekte einer Sprache sind und die H-Varietät die standardisierte Form ist, dann bezeichnet Kloss die L-Varietäten als „überdacht“. 7.1.21 Erläutern Sie den Begriff des Diasystems. Der Begriff des Diasystems stammt von U. Weinreich (1954) und bedeutet „ein System von Systemen“: diachron, diaphasisch, diastratisch, diatopisch. 7.1.22 Definieren Sie „Triglossie“. Triglossie ist die areal fixierte Konkurrenz von drei funktional unterschiedlichen Sprachvarietäten. 7.1.23 Definieren Sie „Polyglossie“. Polyglossie (Multiglossie) besteht in der Konkurrenz einer Vielzahl sprachlicher Subsysteme und eines übergeordneten Sprachsystems. 7.1.24 Definieren Sie „Bilingualismus“. Bilingualismus besteht in der Konkurrenz von zwei Sprachen, bezogen auf die gleichen Sprachträger. 7.1.25 Definieren Sie „Multilingualismus“. Multilingualismus besteht in der Konkurrenz von vielen Sprachen, bezogen auf die gleichen Sprachträger. 7.1.26 Wie unterscheiden sich „Bilingualismus“ und „Diglossie“? Der Bilingualismus ist im Wesentlichen ein Charakteristikum individueller sprachlicher Gewandtheit, während die Diglossie ein Charakteristikum der gesellschaftlich bestimmten Funktionen auf verschiedene Sprachen oder Varietäten ist. 7.1.27 Was ist „Kompositioneller Bilingualismus“ ? Kompositioneller Bilingualismus heißt, dass zwei Sprachen nahezu austauschbar sind und von denselben Personen in den gleichen Situationen benutzt werden. <?page no="255"?> Antworten und Lösungen 241 7.1.28 Was ist „Koordinierter Bilingualismus“ ? Koordinierter Bilingualismus heißt, dass die eine Sprache von denselben Personen in anderen Situationen benutzt wird als die andere. 7.1.29 Was versteht Fishman unter „Domänen des Sprachverhaltens“? Domänen des Sprachverhaltens sind Kommunikationsbereiche als Komplexe von Situationen, Rollenbeziehungen, Themen. 7.1.30 Geben Sie Beispiele für „Domänen des Sprachverhaltens“. Domänen sind beispielsweise die Familie, die Schule, die Nachbarn, der Arbeitsplatz, die Kirche, die Freizeit. 7.2 Multilinguale Gesellschaft 7.2.01 Unter welchen Bedingungen besteht „Sprachenkontakt“? Sprachenkontakt besteht bei abwechselnden Gebrauch von zwei oder mehr Sprachen durch ein und dieselbe Person. 7.2.02 Was ist „sprachliche Interferenz“? Sprachliche Interferenz ist die wechselseitige Veränderung der Strukturen verschiedener Sprachsysteme. 7.2.03 Definieren Sie „sprachliche Transferenz“. Transferenz ist die einseitige Übertragung einer sprachlichen Erscheinung von einer Gebersprache auf eine Nehmersprache. 7.2.04 Nennen Sie andere Bezeichnungen für „Geber-“ und „Nehmersprache“. Andere Bezeichnungen sind „Modellsprache“ und „Replikasprache“. 7.2.05 Was versteht man unter „Sprachenwechsel“? Sprachenwechsel ist die Ablösung einer Sprache bzw. einer Sprachlage durch eine andere. 7.2.06 Definieren Sie „Code-Switching“. Code-Switching ist der alternative Gebrauch mehrerer Codes in einer Situation. 7.2.07 Nennen Sie eine andere Bezeichnung für „Einstellungen“. Eine andere Bezeichnung ist Attitüden. 7.2.08 Nennen Sie Parameter zur Analyse von Einstellungen. Einstellung lässt sich mit drei Parametern analysieren: affektiv, kognitiv, handlungsbezogen (konativ). 7.2.09 Was schließt Kolde aus seiner Untersuchung in den Schweizer Städten? Die Einstellung zur Ethnie ist auch eine Einstellung zur Sprache dieser Ethnie. 7.2.10 Was ist ein „Schibboleth“? Ein Schibboleth ist ein sprachliches Zeichen, aus dem die soziale bzw. nationale Identität der Sprecherin bzw. des Sprechers hervorgeht. 7.2.11 Geben Sie eine Beispiel für einen Satz in „Pidgin-Deutsch“. Ein Beispiel wäre der verbale Infinitiv: Ich gestern nix kommen, krank. <?page no="256"?> Antworten und Lösungen 242 7.2.12 Definieren Sie „Foreigner Talk“. Foreigner Talk ist das Sprachregister Einheimischer in der Kommunikation mit erwachsenen Ausländern. 7.2.13 Wie wird „Foreigner Talk“ auch bezeichnet? Fälschlicherweise wird dies Register auch Xenolekt genannt. 7.2.14 Wie kommen Pidginsprachen zustande? Pidginsprachen resultieren aus dem Kontakt zwischen über- und untergeordneten Sprachen in Kolonialgebieten. 7.2.15 Charakterisieren Sie Pidginsprachen. Pidginsprachen sind Simplifizierungen der Superstratsprachen. 7.2.16 Welche anderen Bezeichnungen hat man für „Sub-“ und „Superstrat“? „Unterschichtung“ für Substrat und „Überschichtung“ für Superstrat. 7.2.17 Was sind Kreolsprachen? Kreolsprachen sind zu voll leistungsfähigen Sprachen ausgebaute Pidgins. 7.2.18 Was versteht man unter „Lingua Franca“? Die Lingua Franca ist a) die älteste Pidginsprache, verbreitet im östlichen Mittelmeer, b) allgemein eine Vermittlungssprache. 7.2.19 Erläutern Sie gesteuerten und ungesteuerten Zweitspracherwerb. Gesteuert ist der Erwerb einer Zweitsprache, wenn er durch formale Erziehung erfolgt, andernfalls ist er ungesteuert. 7.2.20 Erläutern Sie „doppelseitige Halbsprachigkeit“. Bei doppelseitiger Halbsprachigkeit fehlt die zu erwartende Sprachkompetenz in der Erstwie in der Zweitsprache. 7.2.21 Nennen Sie Domänen, die dem Lëtzebuergeschen vorbehalten sind. a) mündliche Kommunikation, b) Familie, c) Kirche (Predigt), d) Parlament (Debatte), e) Gericht bei der Zeugenvernehmung. 7.2.22 Welche Funktion hat die Mundart in Ost-Lothringen? Die Mundart hat vor allem für ältere Einwohner noch eine Identitäts- und Kommunikationsfunktion, für jüngere die einer „sozialen Nahsprache“. 7.2.23 Wozu führen im Elsass der Schulunterricht und die Dominanz des Französischen? Die Dominanz des Französischen und vor allem der Schulunterricht führen zu einem schnellen Rückgang diglossischer Sprecher. 7.2.24 Nennen Sie zusammenfassend die Grenzländer, in denen die Sprecher zunehmend von deutschen auf französische Varietäten wechseln. Die Grenzländer sind Belgien, Luxemburg, Frankreich und die Schweiz . <?page no="257"?> 9 Literaturverzeichnis Abel 2004 = Abel, Marlena 2004. Slawismen in deutschen Rotwelsch-Dialekten. Wiesbaden (Sondersprachenforschung. Bd. 9). Achard 1993 = Achard, Pierre: La sociologie du langage. Paris: Presses Universitaires de France 1993 (Que sais-je? 2720). Adamzik 1984 = Adamzik, Kirsten 1984. Sprachliches Handeln und sozialer Kontakt. Zur Integration der Kategorie ‚Beziehungsaspekt‘ in eine sprechakttheoretische Beschreibung des Deutschen. Tübingen (Tübinger Beiträge zur Linguistik. 213). Aebischer/ Oberlé 1998 = Aebischer, Verena / Oberlé, Dominique 1998. Le groupe en psychologie sociale. 2 e édition. Paris. 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Sprecher, alloglotte Alltagssprache 79, 97, 100 f., 104 (Def.), 228 ff., 239 Alltagssprache, städtische 127, 135 Alter 152, 155 (Def.), 169 ff., 226, 236 ff. Alter, fortgeschrittenes 170 ff., 180 Alter, kalendarisches 170 f. Alter, natürliches 152, 170 (Def.), 237 Alter, soziales 172, s. a. Altersrollen Altersattribute 176, 178 ff., s. a. Rollenattribute Altersdiskurs 174 Altersgruppe 58, s. a. Peer-Gruppe Altersmarker s. Altersattribute Altersmerkmale s. Alters-, Rollenattribute Altersrollen 152 Altersschicht 171 (Def.), 172, 237 Altersstereotype 172, 175 f., 239 Altersstufen 130 Ammon, Ulrich 31, 117 f., 143 f., 146, 191 f., 195, 198 Andresen, Helga 159 Androutsopoulos, Jannis K. 69, 75 Angeborensein 36 Anglizismen 69 Anreihungsbeziehungen 182 Anthropologie 136 Antikultur(en) 77 Antisprache 64 Antworten s. Phatisches Antworten Aphasie s. Sprachverlust Applikation (Schule u. a.) 136, 150 Arbeiterschicht 102, 107 f., 110, 123; s. Schicht Arealität (d. Jugendjargons) 71 Areallinguistik 20 Argot 74, 79 ff., 79 (Def.), 228 Arzt-Patienten-Interaktion 85, 89, 91 Ascoli, Graziadio Isaia 213 Assimilation 35 (Def.), 40, 52, 224 assoziativ 182 Attitüde, attitude s. Einstellung Auer, Peter 73f., 136 Aufmerksamkeitsleistung 7 Augenstein, Susanne 68, 70 Augst, Gerhard 59 Ausbausprachen 214 (Def.) Ausdruck (als Funktion) 93 Ausdrücken 112 f. Ausgangssprache 211 B-Sprache 64 „Baby Talk“ 14, 53, 107, 178 f., 212, 226 Bach, Adolf 205 Badura, Bernhard 105 Bahrdt, Hans Paul 2, 9, 48, 77 Barrieren s. Bildungs-, kommunikative, Sozial-, Sprachbarrieren Barrieren, kommunikative 13 Basisdialekt 127, 134, 138 (Def.) Basismundart 197 (Abb.) Bauers, Christine 164 Bausch, Karl-Heinz 140 <?page no="279"?> Sach- und Personenindex 265 Bausinger, Hermann 53, 64, 138, 208 Becker-Mrotzek, Michael 91 Bedeutung 23 (Def.), 27 Begriff(e) 18, 21, 23 Behavior 5, 13, 185 ff., vgl. Verhalten behavior, nonverbal 13 Behaviorem 185, 186 (Def.) Behaviorismus 185 Behördendeutsch 97 Beidbenennung 159, 236 Beißwenger, Michael 74 Bellebaum, Alfred 56 Bellmann, Günter 137 f., 145, 216 Benachteiligung, schulische 61 f. Berichtsebene 162, 163 (Def.), 237 Bernsdorf, Wilhelm 48 Bernstein, Basil 60, 62, 102 f., 107, 111, 114 f., 122, 230 ff. Berufsgruppe 28 Besch, Werner 150 Bewußtseinszustand 9 Beziehungen, assoziative 182 (Def.) Beziehungen, linguale 56 (Def.), 57, 129, 226; s. a. Ähnlichkeits-, Anreihungs-, Kontiguitäts-, Referenzbeziehung Beziehungen, paradigmatische 182 (Def.), 238 Beziehungen, soziale 6, 14, 17, 55, 56 (Def.), 122, 129 ff., 173 (Def.), 224, 226, 230, 234 Beziehungen, syntagmatische 182 (Def.), 238 Beziehungsaspekt 162 Beziehungsebene 162, 163 (Def.), 165, 237 f. Bilden, Helga 163 Bildungsbarrieren 105 bikultural 203 Bilingualismus 199 ff., 200 (Def.), 204, 240 f. Bilingualismus, kompositioneller 202 (Def.), 240 Bilingualismus, koordinierter 202 (Def.), 241 biogenetische Voraussetzungen 36 ff., 133 Bliesener, Thomas 85, 91 ff. Bloch, Bernard 47 Boas, Franz 111, 136 Bock, Irmgard 107 Borker, Ruth A. 161 f. Böse, Ursula 103, 105 Bourdieu, Pierre 178 Brandis, Walter 106 Braun, Christina von 156 Bricolage 69 (Def.) Brinkmann to Broxten, Eva 136 f. Broca, Paul 182 Bühler, Hans 105 Buhr, Manfred 184, 187 Burghardt, Anton 48, 84, 184 Bußmann, Hadumod 41, 79 f., 154, 214 Calvet, Louis-Jean 64 Campeau, Robert 31 cant 79 Caradec, Vincent 171 f. Castells, Manuel 131 Chomsky, Noam 36, 42 f., 126 Clauser, Günter 36 class 102 Clyne, Michael 211 f., 213 Code 102 (Def.), 230, 232, s. Kode Codeswitching (= Code-Switching) 111 (Def. I), 206 (Def. II), 232, 241 Colin, Jean-Paul 80 Comte, Auguste 1 Conrad, Rudi 204 contextualization cues 161 Co-Orientierung, reflexive 9 Coseriu, Eugenio 121 Coulmas, Florian 137 dachlos 198, 218 Dahrendorf, Ralf 15, 108 Darquennes, Jeroen 198 f., 218 Darwinismus, neuronaler 37, 42, 224 David, Barbara 67 DeCamp, David 126 ff., 233 Defizit, kognitives 111 f., 177 Defizit, kommunikatives 76 Defizit, kumulatives 104, 230 <?page no="280"?> Sach- und Personenindex 266 Defizit, sprachliches 104, 120 Defizithypothese/ -theorie 104, 120, 230 Deitersen-Wieber, Angela 176 Delhees, Karl H. 7, 38 Denken 111-114, 232 Denken, restringiertes 111 f. Dependens 130 Determiniertheit des Denkens 111, 112 Deutsch, Martin 104 Diachronie, diachron 121 Dialekt 11, 14 f., 25 ff., 45, 53, 80, 117 f., 126 f., 134 f., 138 (Abb.), 139 ff., 139 (Def.), 147 ff., 190, 196 ff., 204, 213, 216 ff., 221, 233, s. a. Basis-, Grund-, Stadt-, Stammesdialekt Dialekt als Sprachbarriere 117 f. Dialektalität (Hörerurteil-, Systemkontrast-) 144 (Def.), 145, 235 Dialektniveau 135 f., 143 ff., 146 (Def.), 147, 235 Dialektologie 20 Dialektsprecher 11 Diaphasik, diaphasisch 121 Diastratik, diastratisch 121, 135 ff. Diasystem 198 (Def.), 201, 240 Diatopik, diatopisch 121, 135 ff., 140 f. Dichotomisierung 42 Di-Ethnie, di-ethnia 193 Differenz, sprachliche 120 f., 129 Differenzkonzeption 120 f., 233 Diglossie 196 (Def.), 197 ff., 240 Dijkstra, Ton 53 Dimotiki 196 (Def.) Dirim, Inci 74 Dingeldein, Heinrich 127, 134 Disko-Deutsch 72 f. Diskriminierung (der Frau) 155, 159 f., 163 f. Diskurs 174 f., 174 (Def.), 180 f., 238, s. a. Altersdiskurs Distanz 129 (Def.), 138 f., 145 Dittmar, Norbert 120, 124, 127 f., 136, 140, 148 f., 215 Domänen 202 (Def.), 203, 216 ff., 241 f. Double-Bind-Situation (Doppelbindung) s. Situation Dressler, Wolfgang 195 Drogen-Szene 69, 71 f. Dubar, Claude 33 Dublettenbildung 216 Dubois, Jean 23 Edelman, Gerald M. 37 Edwards, John R. 61 f. Eggers, Hans 99 Ehlich, Konrad 89 f. Ehmann, Hermann 67, 71 Eichinger, Ludwig M. 218 Einheitssprache 144 Einstellung(en), soziale 10 (Def. I), 12, 16, 34, 41 f., 46, 117, 135 f., 206, 207 (Def. II), 208 f., 241 Einwortsätze 53, 226 Elemente s. Sprachelemente Elsässisch 135 f., 198 Eltern-Kind-Interaktion s. Interaktion Emotion s. Fühlen Endruweit, Günter 89, 155, 162, 176, 178 Energeía 22 englische Einflüsse 69, 72 Enkodierung 113, 114 (Def.), 232 Enkulturation 48 (Def.), 49, 193, 225, s. a. Akkulturation Ergon 22 Erstsprache 194 f., 206, 213, 215; vgl. Primärsprache Ervin, Susan 202 Erziehungsverhalten 61, 106 f. Ethnie(n) 193 (Def.), 195, 208 f., 240 f. Ethnographie 135 ff., 136 (Def.), 185, 193 Ethnographie der Kommunikation 137 (Def.), 193, 234 Ethnolekt, tertiärer 73 Ethnolinguistik 19 f., 193 (Def.), 240 Ethnologie 193 ey (Partikel) 70 „face-to-face interaction“ 8 Fachjargon 28, 80, 82, 84 (Def.), 229, s. a. Jargon <?page no="281"?> Sach- und Personenindex 267 Fachsprache(n) 25, 26 (Def. I), 27 (Def. II), 28, 85 ff., 223 Familie 33, 43, 53, 57 ff., 89 f., 106, 226, 229, 231 Familienerziehung 106 Familienmilieu 61 Familientypen 231, s. a. Personen-, Statusorientiertheit Fasold, Ralph 126, 128 Faßke, Helmut 202 Fehlenberg, Dirk 93 Fehleranalyse 135 f., 150, 235 Feminismus 156 Fend, Helmut 58 Ferguson, Charles 120, 196, 212 Fishman, Joshua 193, 200 ff. Fix, Ulla 70, 124 Flechtner, Hans-Joachim 6 „Foreigner Talk“ 211 f., 212 (Def.), 242 Francescato, Giuseppe 213 François-Geiger, Denise 80 Frank, Karsta 160 Französisch 135 f., 195, 198 f., 207, 213, 216 ff. Frauen, Netz der 132 Frauensprache s. Geschlecht u. Sprache Frege, F[riedrich]. L[udwig]. G[ottlob]. 23 Freidank, Michael 74 Fremdsprache (vs. Muttersprache) 211 Frémy, Dominique & Michèle 73 Frey, Eberhard 136 Friebertshäuser, Hans 127, 134 Frings, Theodor 3 Froitzheim, Claudia 136 Fühlen 113 f. Funktionalität (als Strategie) 149 (Def.), 235 Galtung, Johann 15 Gattungsbezeichnung(en) 160 (Def.), 236 Gaunersprache 78, s. Rotwelsch Gebersprache 205, 241 Gedächtnis 7 Gefühle s. Fühlen Gegenstände s. Themen Geheimsprachen 64, 71 f., 77, 79, 227 Geiger, Theodor 107 f., 231 Geißler, Rainer 29, 48, 108 ff., 169, 178, 209 f. Geltungsbereich 44 ff. Geltungsgrad 44 f. Gemeinsprache 25 f., 26 (Def.), 80, 85 f., 223 Gender 152, 154 ff., 155 (Def.) Genderlekt 157 (Def.), 173, 236 Genderlinguistik 156 ff., 156 (Def.), 236 Generalisierung 42 f. Generation(en) 145, 147 f., 171 (Def.), 172, 237 Genus 152, 154 (Def.), 155 Gericht (als Institution) 94 f. Gerolekt 173 (Def.), 238 Ger(ont)olinguistik 172, 173 (Def.), 238 Gesamtsprache 25 f., 26 (Def.), 223 Geschlecht und Sprache 152 ff. Geschlecht, grammatisches 154 f., 236 Geschlecht, natürliches 154, 157, 236 Geschlecht, soziales 154, 157, 236 f. Gesellschaft, vernetzte 131 Gespräch 141 f., 143, 146 ff., 166 ff. Gesprächskonflikte 164 Gesprächsstil(e) 164 ff., 166 (Def.), 237 Gesprächsstrategien s. Gesprächsstile Gestaltpsychologie 40 gesteuert s. Spracherwerb Getto s. Ghetto Gewichtung 153 (Def.) Ghetto(bildung) 134, 194 f. Gipper, Helmut 3 Gloy, Klaus 46, 89 Gnutzmann, Claus 26 Goetze, Dieter 34, 187 Goossens, Jan 198 Grahs, Heinz W. 78 Grammatik 18 ff., 28 Grammatik, generative 126 Graph m. 130 (Def.), 234 Graphen, einfache 130 (Def.), 234 Graphentheorie 130 f. Grapheologie 19 <?page no="282"?> Sach- und Personenindex 268 graphetisch 13 Grice, Hubert P. 149 Griechisch 196, 201 f. Grimm, Jacob 154 Grimm, Wilhelm 66 Grosse, Siegfried 97 f. Grunddialekt 138, s. a. Basisdialekt Gruppe, neuronale 37 Gruppe, primäre 27 ff., 63 Gruppe, sekundäre 27 ff., 63 Gruppe, soziale 27 ff., 63 (Def.), 155, s. a. Alters-, Berufs-, Peer-Gruppe Gruppenbildung 62 Gruppenkohäsion 28, 63 f., 227 Gruppenstil 70 Guentherodt, Ingrid 159 Gukenbiehl, Hermann L. 23, 171 Gumperz, John J. 135, 161 Günthner, Susanne 157, 161, 165 Güttler, Peter O. 10, 206 Guttman, Louis 127 H-Varietät 198, 240 Haas, Walter 208 Habermas, Jürgen 46 Habitus 108, 178 (Def.) Habscheid, Stephan 70, 124 Hagège, Claude 196 Halbsprachigkeit, doppelseitige 215 (Def.), 242 Halbzentren 191 Halliday, M[ichael]. A[lexander]. K[irkwood]. 14, 47, 53 Haltung(en) s. Einstellung(en) Hammarström, Gunnar 47 Handeln 2 ff., 5 (Def. I, II), 220 f. Handeln, kommunikatives 6 Handeln, nichtsprachliches 2, 13, 221 Handeln, nonverbales 12 Handeln, soziales 2 (Def. I), 6 (Def. II), 220 Handeln, soziolinguales 2 (Def.) Handeln, wechselseitig orientiertes 7 ff. Handlungsmaximen 149 Handlungspartner(innen) 5, 8 Handlungssituation s. Situation Handlungsstrategie(n) 94 ff. (Def. I ff.), s. a. Strategie(n) Harfst, Gerold 72 Hartfiel, Günter 16, 33, 43 Hartweg, Frédéric 218 Haugen, Einar 203 Hauptinformation 13 Helfrich, Hede 178 Heller, Monica 206 Hellinger, Marlis 212 ff. Henderson, Dorothy 106 Henne, Helmut 63, 65 ff., 68, 70 Herrgen, Joachim 144 ff. Herrschaft 84, 85 (Def.), 93 f., 229 Hess-Lüttich, Ernest W. B. 64, 68 f., 72 Heteronym(e) 127 (Def.), 233 Hetzer, Hildegard 60 Hillmann, Karl-Heinz 16, 33, 43 Hinnenkamp, Volker 212 Hip-Hop 65 Hochdeutsch 197 f. Hochsprache 137, 189 f. Hof, Renate 156 Hofer, Lorenz 136 Hoffmann, Lothar 25 f. Hogan-Brun, Gabrielle 191 Hojer, Harry 111 Holenstein, Elmar 182 Honoratiorenschwäbisch 19 Hooge, David 129 Hopfield, John 55 Hradil, Stefan 84 f., 187, 189, 215 Huesmann, Anette 136, 141 ff. „Hühnersprache“ 64 Humann, Paul 78 Humboldt, Wilhelm v. 22 Hymes, Dell 5, 23, 46, 137, 163 Hypothesenbewertung 43 Hypothesenbildung 43 Ickler, Theodor 88 Identität 31 (Def.), 32 ff., 43, 47, 49, 223, s. a. Teilidentitäten Identität, soziale 32 (Def.), 34, 63, 149 <?page no="283"?> Sach- und Personenindex 269 Identität, sprachliche 32 (Def.), 39, 43, 135, 223 Identitätsbildung 32 ff., 50, 52, 224 Identitätsbildung, handlungsorientierte 54 f. Identitätsbildung, individuelle 50, 52, 56 Identitätsbildung, integrative 47 f. Identitätsbildung, soziale 34 (Def.), 224 Identitätsbildung, sprachliche 34 (Def.), 224 Idiolekt 46 f. imperativ (Verhalten) 107 Impersonalisation 47 (Def.), 49, 225 Implikation 128 (Def.), 233 Implikationsanalyse 127 ff. Implikationsskalen, soziolinguistische 127, 129 (Def.), 233 „Importkulturen“ 192 Indexskala 122 f. Indianersprachen 111 Individualsprache 46 Information 6 ff., 6 (Def.), 221, s. a. Haupt-, Nebeninformation Informationen, paralinguale 13 (Def.), 221 Informationsaufnahme, selektive 37 Informationsaustausch 38, 224 Informationsspeicherung 7 Informationsübertragung 37 Informationsverarbeitung, pränatale 36 f. Informieren 8 (Def.), 221 infrasystemar s. Regeln, infrasystemare Inhaltsseite 21 Inhaltsaspekt 162 Inhaltsebene 163 Institution, soziale 89 ff., 89 (Def.), 229 Interaktion, Eltern-Kind- 54, 56 ff. Interaktion, kommunikative/ linguale/ sprachliche 3, 8, 9 (Def.), 14 f., 37 f., 46 f., 175, 221; s. a. face-to-face interaction Interaktion, neuronale 9, 38, 132 Interaktion, nichtsprachliche 10 Interaktion, soziale 3, 8, 10 (Def.), 11, 14 f., 161, 221 Interaktionismus, symbolischer 32 f., 223 Interaktionsebenen 161 ff. Interaktionsstörungen 164 f. Interferenz, sprachliche 150, 204 (Def.), 205, 213, 216, 241 Interimlekt 215 interkulturell s. Kommunikation, interkulturelle Interlanguage 215 intersystemar s. Regeln, intersystemare intrasystemar s. Regeln, intrasystemare Isolation, isoliert (sozial) 176, 238 Jakob, Karlheinz 68 Jakobson, Roman 181 f., 238 Jakovidou, Athanasia 212 jänisch s. jenisch/ Jenisch Jansen, Dorothea 55, 130 ff. Jargon 19, 25 f., 27, 28 (Def.), 64, 67 ff., 223, s. a. Fach-, Jargot, Jugend-, Massen-, Schülerjargon Jargot 80 Javanais 64 jenisch/ Jenisch 79 Jespersen, Otto 157 f., 236 Jugendjargon 64 ff., 71 Jugendsprache 68 ff., 227 Kallmeyer, Werner 134 ff., 140 Kanakisch 73 f. Kant, Immanuel 184 Kategorie, biosoziale 155 Katharevussa 196 (Def.) Kegel, Gerd 53 Keim, Inken 136, 140 Kellermeier, Birte 117 f. Kempen, Gerard 53 Kempski, Jürgen von 5 Key, Mary Ritchie 159, 164, 236 Kindersprache 53 Kirche (als Institution) 89 f. Klann, Gisela 159 Klasse, soziale 107 (Def.) Klassifikation, soziologische 122 f., 233 Klaus, Georg 184, 187 Klein, Eva 141 Klein, Josef 89 <?page no="284"?> Sach- und Personenindex 270 Klein, Wolfgang 89, 104, 121 Kleining, Gerhard 107 Klinik (als Institution) 91ff. Kloss, Heinz 191, 198, 214, 240 Kluckhohn, Clyde 187 Kluge, Friedrich 77 ff. Knura, Gerda 60 Kocyba, Hermann 178 Kode, elaborierter 102 f., 230 f.; s. a. Code Kode, restringierter 102 ff., 230 f.; s. a. Code Kode, sprachlicher 102 ff., 18, 127 Kode-Theorie s. Kodetheorie Kodeswitching s. Codeswitching Kodetheorie 102 ff., 111, 120, 230 f. Kodewechsel s. Codeswitching Koexistenz, sprachliche 15 (Def.), 16 Kognition s. Denken u. Defizit, kognitives Köhle, Karl 91 Kohler, Ivo 40 Koine 149 (Def.), 235 Kolde, Gottfried 136, 207 f., 241 Kollektiv, soziales 155 Kommunikation 1, 6 ff., 6 (Def.), 25 ff., 35 f., 38, 43 ff., 50 ff., 58 ff., 65 ff., 72 ff., 81 f., 85 ff., 89 ff., 104, 107, 131, 135 ff., 143, 149 f., 162 f., 170 ff., 221, 231 Kommunikation, interkulturelle 162, 192 (Def.), 237 Kommunikation, kindliche 50 Kommunikation, linguale s. Kommunikation, sprachliche Kommunikation, mediale 76 Kommunikation, nichtsprachliche/ nonlinguale/ nonverbale 3, 10 ff., 64 Kommunikation, patronisierende 178 ff., 180 (Def.), 238 Kommunikation, primäre 13 f., 221 Kommunikation, sekundäre 13 f., 221 Kommunikation, sprachliche 6 (Def.), 12 Kommunikationsdilemma 178 Kommunikationsintensität 107, 131 (Def.). 173 Kommunikationskonflikte 84 ff., 87 ff., 176 ff. Kommunikationskulturen 149 Kommunikationsniveau s. Dialektniveau Kommunikationspartner 8 ff., 24 f., 87 Kommunikationsradius 137, 144 (Def.), 235 Kommunikationstypen 25 ff., 25 (Def.) kommunikativ 6 (Def.) Kommunizieren 6 (Def.), 38 Kompetenz, diskursive 70 Kompetenz, kommunikative 46 (Def.), 149, 176 f., s. a. Sprachkompetenz Kompetenz, soziale 70 kompetitiv (Gesprächsstrategie) 165 konfiguriert 19 Konflikt 8, 14 ff., 15 (Def.), 89, 93, 100, 222, s. a. Gesprächs-, Kommunikationskonflikt(e) Konflikt, sozialer 14 ff. Konformität 16 (Def.), 222 Konformitätsdruck 16, s. a. Akkulturationsdruck Kontrastlinguistik 20 Kontakt s. Sprachenkontakt Kontextstil 124 Kontextualisierung 161 (Def.), 162, 237 Kontextualisierungshinweise 161 (Def.) Kontiguitätsbeziehung 182 (Def.) Kontiguitätsstörung 182 (Def.), 238 Kontrakultur 64 Kontrasprache 64 Kontrolle, linguale 107 Kontrolle, soziale 43, 44 (Def.), 55, 107, 225 Konvergenz 51 ff., 52 (Def.), 226 Konversationsmaximen 149 kooperativ (Gesprächsstrategie) 165 ff. kortikal 132 Kraemer, Jean-Pierre 218 Krappmann, Lothar 31 Kreolsprachen 212 f., 214 (Def.), 242 Kühn, Peter 134 Kultur 48 (Def. I), 89 f., 184 (Def. II, III), 184 ff., 225, 239, s. a. Leit-, Subkultur; Kulturen (Theorie der zwei) <?page no="285"?> Sach- und Personenindex 271 Kulturanthropologie 185 kulturelle Werte s. Werte Kulturem 185 f., 186 (Def.), 239 Kulturen, Theorie der zwei 161 ff., 237 Kulturkreis 192 L-Varietät 198, 240 Labov, William 24, 120 ff., 134, 146, 233 LAD („language acquisition device“) 43 Ladin, Wolfgang 136 Lage [= ‚Situation‘] 104, 116 Lage, kapitalistische 108 Lage, proletarische 108 Lage(n), soziale 29, 108, 110, 116 Lakoff, Robin 158, 164, 236 Lalouschek, Johanna 91 Langue 47 (Def.) Lautungsnormung 190 Lawton, Denis 106 Lebensstil 178 (Def.) Lehmann, Beat 111, 113 Leitkultur, deutsche 184 (Def.) Lekte (Medio-, Funktio-, Dia-, Sozio-, Sexo-, Situo-) 25 (Def. I), 157 (Def. II) Leodolter, Ruth 94 f. Lernervarietät 215 Lesegewohnheiten 116, 232 Lesen (als Variable) 124 Leska, Christel 100, 137 Lëtzebuergesch 191, 216, 218 Lévy-Strauss, Claude 136 Lewandowski, Theodor 51, 226 Lexem(e) 19, 21 (Def.) Lieb, Hans-Heinrich 47, 122, 138 Lieverscheidt, Esther 149, 235 Lilli, Waldemar 42 f. Lingua Franca 214 (Def.), 242 Linguistik 1 (Def.), 3, 220, 222 Linguistik, systemare 18 ff., 19 (Def.) Linguogenese 47 (Def.), 49, 225 f. Lipp, Wolfgang 89 Literatursprache 189 f. Löffler, Heinrich 24 f., 150, 157 Loh, Hannes 65 Lörcher, Helgard 85, 91 Lotze, Rudolph Hermann 187 Luchtenberg, Sigrid 188, 192, 215 Lüdi, Georges 194 f. Luhmann, Niklas 23, 163 Lühr, Rosemarie 79 Macha, Jürgen 118 Macht 84 ff., 84 (Def.), 91 ff., 229 Machtstrategien 93, 229 Mahler, Wilma 81 f. Makrobereich 29 Maletzke, Gerhard 192 Malinowski, Bronislaw 111 Maltz, Daniel N. 161 f. Männersprache s. Geschlecht u. Sprache Marhoff, Lydia 10 Markova, A. K. 51 ff., 226 Martens, Karen 57 Marx, Karl 107 Massenjargon 82 Matrix, Berührungs- 131 Matrix, binäre 131 Mauthner, Fritz 157, 236 McHoul, A. 174 Mead, George Herbert 32 ff., 224 Meck, Sabine 176 Mehrsprachigkeit 135, 192, s. a. Variation, polylinguale Mehrwortsätze 53 Meibauer, Jörg 52 Meillet, Antoine 3 Menke, Hubertus 197, 201, 240 Mentrup, Wolfgang 97 f. Merkmale, linguistische 128 Merkmale, nichtlinguistische 128 Merkmale, sekundäre Dialekt- 118 Merz, Friedrich 184 Mesobereich 28 f. Metabereich 3 f., 3 (Def.), 221 Metaphern 67 Metasprache 3 f., 3 (Def.) Mével, Jean-Pierre 80 Mey, Jacob L. 174 Meyer, Peter 34, 107 Migrantensprachen 202 <?page no="286"?> Sach- und Personenindex 272 Mickartz, Heinrich 207 Mikrobereich 28 Milieu, soziales 29 (Def.), 48, 109 f., 115, 223, s. a. Familienmilieu Minderheiten, ethnische 205, 209 f., 218 Minimalpaare (als Variablen) 124, 126 Minimalreaktionen 161 Missingsch 197 Mitteilen, Mitteilung 6 (Def.), 113 f. Mittelklasse, soziale 107 Mittelschicht, soziale 102 ff., 120, 122, 126 „Mittelstand“ 108 Mitzka, Walther 79 Modellsprache 205, 241 Modellsystem 25 monosystemar 126 monozentrisch 191 Moore, Harriett 107 Moosmüller, Sylvia 136 Moreau, Marie-Louise 64 f. Moreno, J[acob]. L[evy]. 56, 130 Morin, J[ean].-M[ichel]. 188 Morphologie 19 „motherese“ 53, 178 Mounin, Georges 23 Müller-Dittloff, Stefan 118, 148 multiethnisch 184, 191 multifunktional 137 Multiglossie s. Polyglossie Multikulturalität, multikulturell 191 f., 198 multilingual, Multilingualismus 190, 192, 200 (Def.), 204, 207, 215, 218, 240 f. Mummendey, Amélie 32 Mündlichkeit 113 Muster, Deutungs-, Verhaltens- 48 Muster, psycho-physische 39 f. Mustererkennung 39 f. Muttersprache 211 Nachbarwissenschaften (z. Soziolinguistik) 19 f. Nachricht 113 f. Nahsprache, soziale 218, 242 Nail, Norbert 70 Nebeninformation 13 Nehmersprache 205, 241 Nelde, Peter Hans 198 f., 218 Network Society 131 Netz der Frauen s. Frauen Netzwerk, allgemein 130 f., 131 (Def. I u. II), 234 Netzwerk, linguales 54, 56 (Def.), 130, 226 Netzwerk, neuronales 7, 133 Netzwerk, soziales 54, 55 (Def. I), 130 ff., 132 (Def. II), 226, 234 Neuland, Eva 69, 71 Neumann, Berthold 60 neuronale Gruppen s. Gruppen Neuronen 37 ff., 37 (Def.), 132 f. Neurolinguistik 19 f. nichtsprachliche Kommunikation s. Kommunikation Nichtverstehen 99 Nichtwissen 8 (Def.), 221 Niebaum, Hermann 118 Niederdeutsch 150, 196 ff., 200 f. Nietzsche, Friedrich 187 nonkooperativ (Gesprächsstrategie) 167 nonlingual s. Kommunikation nonverbal s. Kommunikation normative Ordnung s. Ordnung Normen, soziale 77, s. a. Sprachnormen Normenkomplex 190 (Def.) Normenkonflikt 190 Objektbereich 1, 3 (Def.), 4, 221 Oevermann, Ulrich 114 f., 232 Oksaar, Els 47, 85, 91, 185 ff., 239 Orthographie 19 Osgood, Charles 202 Ostner, Ilona 155 Outgroups 16 paradigmatisch 182 (Def.), 238 Paralanguage, Parasprache 13 paralingual 13, 74 Paraphrasen, rekonstruierende 96 f., 96 (Def.), 230 <?page no="287"?> Sach- und Personenindex 273 Parole 47 (Def.) Patronisieren 178 ff., 180 (Def.), 212, 238 Pätzold, Margita 10 Paul, Hermann 46 Paul, Jean 79 Pedersen, Karen Margarethe 216 Peer-Gruppe 28 f., 58, 63 (Def.), 64, 227, s. a. Altersgruppe Performanz 43, 126, s. a. Handeln permissiv (Verhalten) 107 Personenorientiertheit 106, 231 Persoons, Yves 216 Perspektive des anderen 56 Peuckert, Rüdiger 10 Pfeifer, Wolfgang 1, 15, 18, 31, 40, 64, 66, 79, 102, 117, 184 ff. phatisches Antworten 149 (Def.), 235 Phonologie 19 Phraseologismen 64, 66 ff., 66 (Def.), 227 Piaget, Jean 35 f., 40, 50 Pidgin-Deutsch 210 ff., 241 Pidginsprachen 211 ff., 213 (Def. I u. II), 214, 242 Pig-Latin 64 Pike, Kenneth L. 185 Piktogramme 75 f., 76 (Def.), 228 Planung, verbale 104, 114 Plattdänisch 201 Plattdeutsch s. Niederdeutsch plurikulturell 191 plurinational 191 plurizentrisch 191 Pohl, Margit 164 ff. Polyglossie 198, 199 (Def.), 240 polysystemar 126 Porzig, Walter 80, 104 f. Position, soziale 33 (Def.), 224 postnatale Prozesse s. Prozesse Pragmalinguistik 1, 5 (Def.), 10, 19 f. pränatale Prozesse s. Prozesse Presch, Gunter 89 Primärgruppe 28 f., 63 Primärsprache 213 Proletariat 107 Prozesse, post-/ pränatale 36 ff. Psichari, Jean 196 Psycholinguistik 19 f. Pusch, Luise F. 155 Quasthoff, Uta 41 Radtke, Edgar 80 Ramge, Hans 33, 35, 56 ff. Rang, sozialer 33 (Def.), 224 Rap-Kultur 65 raport-talk s. Beziehungsebene Redder, Angelika 91 Referenzbeziehungen 12 Regeln 18 ff., 21 (Def.), 222 Regeln, infra-, inter, intrasystemare 22, 222 Regeln, sprachliche 22 (Def.), 33, 141 Regens 130 Register, sprachliches 14 (Def.), 26 ff., 47, 53, 67 ff., 157, 166 f., 197 (Abb.), 212, 221, 226, 228, 238 Register tentativer Adaption 212 Register, transitorisches 215 Regressionshypothese 181 f., 238 Rehbein, Jochen 89 f. Reich, Hans H. 150 Reichmann, Oskar 208 Reichweite, kommunikative 81, 137, 144, 148 Reimann, Horst 15, 63, 89f., 107, 187 Relativität, sprachliche 111 ff., 232 Religion 89 f. Replikasprache 205, 241 report-talk s. Berichtsebene Retardation, sprachliche 60 f., 227 Rickheit, Gert 105, 116 Rieck, Bert-Olaf 124 Rindler-Schjerve, Rosita 205 Robinson, William Peter 106 Roche, Jörg 212 Roggero, Jacques 23, 163 „role-taking“ 33 Rolle(n), soziale 33 (Def.), 34, 106, 115, 152, 163, 170, 223, 232, 236 f. Rollenattribute 152 f., 153 (Def.), 175 ff., Abb. 6.10 Reinke, Marlies 74 <?page no="288"?> Sach- und Personenindex 274 Rollenstruktur 152 f., 153 (Def.) Rollensystem 106 Rollensystem, geschlossenes 106, 231 f. Rollensystem, offenes 106, 231 f. Rollenübernahme, symbolische 32 ff., 56 Ropohl, Günter 29 Rosenberg, Klaus-Peter 136, 150 Rothweiler, Monika 52 Rotwelsch 77 ff., 228 Sachwissen, fachsprachliches 87 f. Samel, Ingrid 156, 158 ff. Sanktionen 44 Sapir, Edward 111 f., 136 Sapir-Whorf-Hypothese 111 f., 232 Saussure, Ferdinand de 40, 46, 114, 182 Schäfers, Bernhard 6, 10, 16, 23, 34, 89, 155, 171 Schank, Gerd 41 Schelsky, Helmut 155 Schema 7, 35 (Def.), 36, 40, 42 f., 47 f., 224 Scherer, Klaus R. 13 Scherr, Albert 6, 34 Schibboleth 208, 209 (Def.), 241 Schicht, soziale; Sozialschicht 94 f., 100, 102 ff., 107 (Def.), 107 ff., 115 ff., 120 ff., 230 f. Schicht, sprachliche; Sprachschicht 108, 148, 234 Schicht, Stil-; „Style“- 124 Schichtenmodell 107, 110, 231 Schichtspezifik (Sprache) 116 Schlobinski, Peter 68, 70, 74 f., 124 Schmidt, Arnd 202 Schmidt, Claudia 158, 162 Schmidt, Jürgen Erich 144 ff. Schmidt, Wilhelm 25 Schmidt-Denter, Ulrich 54 Schönfeld, Helmut 136 Schoenthal, Gisela 41 Scholz, Arno 65 Schräder, Alfons 86 ff. Schreibsprachenwechsel 197 Schriftdeutsch 208 Schriftlichkeit 113 Schriftsprache 137, 189 f., 199, 202 Schuchardt, Hugo 213 Schule 57 ff., 90, 94, 100, 102 f., 105, 116 f., 150, 227, 229 Schülein, Johann August 10 Schüler, Sprache der 64 ff., 227 Schülerjargon 64 ff. Schulze, Barbara 169 f., 173 Schwarz, Monika 8 Schweizerdeutsch 194, 201 Schwitalla, Johannes 136, 140 Sebeok, Thomas A. 13 Sekundärsprache 213 Selbstkorrekturen 56, 226 Selektion 37 ff., 48 Selting, Margret 98 f. Sexismus in der Sprache 159 Sex(o)lekt 157, 236 Sex(us) 152, 154 f. Shuy, Roger W. 134 Siegrist, Johannes 9 Siewert, Klaus 77 ff. „signifiant“ 112 „signifié“ 112 Simon, Bernd 32 Sinn 23 (Def.), 162 f., 222 Sinnebene 162, 163 (Def.), 165, 237 Situation 4 f., 8, 10 ff., 12 (Def.), 44 ff., 93, 95 f., 100, 105 f., 113, 115, 141, 221, 232 Situation, „Double-Bind“- 58 Six, Bernd 162 Skalierungsverfahren 123, 126, 129 Slang, 80 ff., 80 (Def.), 229 Slang, medizinischer 80 ff., 229 Slowenisch 201 f. Smiley 74 ff. SMS 75 f. Sobetzko, Johannes 84 „société“ 1 f., 6, 220 Sønderjylland 217 Sønderjysk 216 Sondersprache(n) 19, 25, 27 (Def.), 28, 64, 71-75, 223, 227 f. <?page no="289"?> Sach- und Personenindex 275 Sonderwortschatz (Schüler, Jugendliche) 64 ff., 71 ff., 228 Sorbisch 191, 201 f. sozial 1 (Def.), 2 Sozialamt (als Institution) 89, 96 f. Sozialbarrieren 105 Sozialbeziehungen s. Beziehungen, soziale soziale Position s. Position soziale Rolle s. Rolle soziales Handeln s. Handeln Sozialisation, primäre 31 (Def.), 31 ff., 106, 117 Sozialisation, sekundäre 31 (Def.), 57 f., 214 Sozialschicht s. Schicht Sozialstatus s. Status, sozialer Soziogenese 47 ff., 47 (Def.), 225 soziolinguales Handeln s. Handeln Soziolinguistik, soziolinguistisch 1 ff., 3 (Def. I), 4 (Def. II), 18 ff., 220, 222 Soziologie 1 ff., 1 (Def.), 20, 220 Soziometrie 55 f., 130 (Def.), 234 Sparschreibung 160 Späth, Nikos 75 Spitzer, Leo 213 Spitzer, Manfred 38, 55, 133 Splitting (der Anrede) 159 Sportberichterstattung 82 ff. Sprachabbau 180 f., 238 Sprachbarriere(n) 59 (Def.), 105 f., 117 f., 227 Sprachelemente 19 Sprachen, europäische 110 Sprachenkontakt 204, 215, 241 Sprachentwicklung (Kind) 50 ff., 226 Sprachentwicklung, gestörte 60 Sprachenwechsel 204 ff., 205 (Def.), 241, s. a. Schreib-, Sprechsprachenwechsel Spracherwerb (Kinder, Erwachsene) 50 f., 57 ff. Spracherwerb, gesteuerter 215 (Def.) Spracherwerb, ungesteuerter 215 (Def.) Sprachhandeln 5, s. a. Handeln Sprachkompetenz 126 (Def.), 179 f., 233, 242 Sprachkonflikte, altersspezifische 169 ff. Sprachkonflikte, geschlechtsspezifische 152 ff. Sprachlage(n) 141 ff., 141 (Def.), 205, 235 Sprachmuster 115 Sprachnormen 34, 44 ff., 44 (Def.), 187 ff., 211, 225 Sprachnormen, kodifizierte 46 (Def.), 190 Sprachnormen, usuelle 45 (Def.), 190, 225 Sprachprofilierung 68, 70 Sprachregister s. Register, sprachliches Sprachschicht s. Schicht, sprachliche Sprachsoziologie, sprachsoziologisch 1, 3 (Def. I), 4 (Def. II), 220 Sprachstörung 59 f. Sprachstruktur s. Struktur Sprachsystem s. System Sprachsysteme, koexistierende 215 Sprachvarietät s. Varietät Sprachverhalten 4, 5 (Def.), 11, s. a. Verhalten Sprachverlust 59 f., 182 Sprachwandel 206 (Def.) Sprachwissenschaft 1, 220 Sprachwissenschaft, feministische 156, 236 Sprechen, habituelles 14, 53 Sprechen, restringiertes 110 Sprechen, sorgfältiges, zwangloses (als Variablen) 124 f. Sprecher, alloglotte 194 (Def.), 195 Sprechsprachenwechsel 197, 205 Sprechsprache, gehobene 190, 197 Sprechstil s. Gruppenstil Sprechstil (Jugendlicher) 69 f. Sprüche 64, 66 f., s.a. Phraseologismen Stadtdialekt 139 ff., 150, 194 Stadtsprachenforschung 134 ff., 234 Stadt-Umland-Forschung 134 Stammesdialekt 138 Standardsprache 11, 14, 118, 122, 126 f., 137 ff. (Abb.), 137 (Def.), 144 ff., 150, 189 f., 201, 216, 234, 239 Status, sozialer 32, 106 (Abb. 4.10: Def.), 110, 120 ff., 180, 231 Statusorientiertheit 106, 231 <?page no="290"?> Sach- und Personenindex 276 Steiner, Christiane 136 Steinig, Wolfgang 117 Stellmacher, Dieter 136, 145 ff. Stephan, Inge 156 stereotyp, Stereotyp(e) 38, 40 ff., 42 (Def. I), 43 f. (Def. II f.), 48, 83, 87, 97, 113, 175 ff., 225, 230, s. a. Altersstereotype Stern, Clara/ Stern, William 52, 56 Stigmasignale 117 (Def.), 234 Stil 121, 124 (Def.), 135 f., 233, s. a. Diaphasik; Gesprächs-, Gruppen-, Kontext-, Sprechstil, Schicht, Style Stölting, Wilfried 215 Störung 14, 15 (Def.), 222, s. a. Ähnlichkeits-, Interaktions-, Kontiguitäts- Störung, paradig- , syntagmatische 238 Strategien 7, 92, 94 ff., 104, 113, 231, 231, s. a. Abweisung, Gesprächs-, Handlungs-, Machtstrategien Strategien, verständnisfeindliche 96 f. Strategien, verständnisfördernde 96 f. Stroh, Cornelia 218 Struktur (Sprach-) 1, 18, 22 (Def.), 222 Studentensprache 70, 74 Stufen der Sprachentwicklung s. Sprachentwicklung Style 121, 124 (Def.), 233 Subkultur(en) 48, 64, 77 (Def.), 79, 228 Substandard 137 ff., 138 (Def.), 149, 234 Substrat 150, 211, 213 (Def.), 242 Subsystem 19 f., 25 f., 26 (Def.), 223 Süder-Jütisch 201 Superkategorie, (bio-)soziale 152 ff., 155 (Def.), 170, 236 Superstrat 213 (Def.), 242 Symbole, nichtsprachliche 64 symbolischer Interaktionismus s. Interaktionismus Synonym(e) 127 (Def.), 233 syntagmatisch 182 (Def.), 238 Syntax (Komplexität der) 99 System 3, 10, 14, 16, 18 (Def. I), 19 ff., 21 (Def. II), 222, s. a. Subsystem System, biologisches 38 System, kulturelles 185, 190, 192 System, soziales 23 (Def.), 185, 190 System, sprachliches 14 (Def.), 18 f., 192, 198, 222 System, statisches 22, 222 Systemkontrast 144 f. Szenen (Milieus) 68 ff. (Drogen-, Musik-) Tannen, Deborah 162 f., 165 Tantensprache 53, 178 Teilidentitäten 31 f. Teilidentitäten (ethnische, kulturelle, nationale, soziale, sprachliche) 32 Teilkulturen 191 Terminologie 23, 26, 27 (Def.), 185, 190, 192, 223 Tesch, Gerd 204 Tesnière, Lucien 130 Themen 5, 10 f., 149, 164 f., 167 Themenwechsel 11, 165, 221 Thimm, Caja 169 ff, 177 ff. Tiefengliederung, soziale 107 Tononi, Giulio 37 Transferenz, sprachliche 205 (Def.), 241 Transgression 73, 74 (Def.) Translation 114, 232 Triglossie 198 (Def.), 240 Trömel-Plötz, Senta 159 Trommsdorff, Gisela 89, 155, 162, 176, 178 Trudgill, Peter 146 Türkenslang (Kanakisch) 73 Türkisch 135 f., 195, 201 f. Überdachung, überdacht 135, 198 (Def.), 240, s. a. dachlos Überraschungseffekt 8 Umgangssprache 11, 21, 74, 117 f., 137, 138 (Abb.), 140, 144, 148, 228 Umland s. Stadt-Umland-Forschung Umwelt, linguale 50 ff. Umwelt, soziale 4, 9, 16, 23, 29, 32 ff., 34 (Def.), 36, 38 ff., 48, 50 ff., 107, 224 ungesteuert s. Spracherwerb Unterbrechungen 164 f., 237 <?page no="291"?> Sach- und Personenindex 277 Unterschicht 102 f., 106, 115, 117 unzivilisiert 185 Usus s. Sprachnormen, usuelle Variable(n) 23, 113 ff., 120 f., 121 (Def.), 124, 146 ff., 233 Variablenregel 121 (Def.), 233 Variante(n) 22, 23 (Def.), 47 f., 59, 117, 121, 124 ff., 144, 146, 148, 222, 233 Varianten, individuelle 47 Variation, freie 126 f., 149 Variation, linguale 3, 23 f. Variation, monolinguale 135 f. Variation, polylinguale 135 f. Variation, soziale 3, 23 f. Varietät(en), sprachliche / linguale 14 (Def. I), 24 (Def. II u. Modell), 25, 27 (Modell), 29, 120 ff., 134, 137 ff., 144, 150, 189 f., 192, 196 ff., 206, 222, 233 Varietäten, „ausgezeichnete“ 122 Varietätenraum 121 (Def.), 122, 233 Veith, Werner H. 40, 114, 116, 134, 136 f., 139 verbal (Handeln) 13 Verbosität 149 (Def.), 150, 235 Verhalten 4, 5 (Def.), 13, 16, vgl. Behavior, Erziehungs-, Sprachverhalten Verhalten, abweichendes 13, 16, 44, 61 f. Verhalten, konformes/ nichtkonformes 16 Verhaltenserwartungen 6 Verkaufsgespräch 7 (Abb.), 12 Verlan 64 Verlan, Sascha 65 Vernacular 148, 149 (Def.), 235 Versele, Mireille 216 Verständigungsprobleme (Behörde) 98 (Abb.) Verstehenskonflikte (Sprach-) 87 Verstehensprobleme 98 ff. Vertrautheitsstufe(n), fachliche 86 ff. (Abb.), 229 Verwaltungssprache 97 ff. (Abb.), 230 Volkskunde 185 Vollzentren 191 Vorurteile 10 (Def.), 41, 113, 117 Wagner, Hildegard 97, 99, 101 Wahrnehmen, -ung 35, 37, 39 (Def.), 40, 42, 48, 61, 111 f., 176, 206, 224 f. Wallbott, Harald G. 13 Wallonisch 216 f. Watson, John Broadus 4 Watzlawick, Paul 38, 52, 162 Weber, Max 2, 23, 31 Weber, Ursula 58 Weinreich, Uriel 120, 198, 200, 204 f., 240 Weinrich, Harald 187 Weltsicht 185 Weltwissen 7 f. Wenzel, Angelika 96 f. Werlen, Iwar 136, 149, 160, 238 Wernicke, Carl 182 Wert(e) 61, 77, 86, 187 (Def.), 188, 239 Wertesystem 187 Werthaltungen 187 f. West, Candace 164 Westfriesisch 191 Whorf, Benjamin Lee 110 f. Wiegand, Herbert Ernst 87 Wierlacher, Alois 192 Wiese, Ingrid 91 Willems, Herbert 124 Wir-Gefühl 64 Wissen 7 ff., 8 (Def.), 221 Wissensbasis 7 Wolf, Siegmund A. 77 Wolfgang, Aaron 13 Wörterbücher 134 Wortlisten (als Variable) 124 f. Wortschatz, aktiver 52, 53 (Def.), 226 Wortschatz, passiver 52, 53 (Def.), 226 Wunderlich, Dieter 104 Xenolekt 212 (Def.) Zaimoglu, Feridun 73 Zielsprache 211 f. Zimmerman, Don 164 <?page no="292"?> Sach- und Personenindex 278 Zinken 77 zivil 185 (Def.) Zivilisation 184, 185 (Def.), 239 zivilisiert 185 (Def.) Zwei-Kulturen-Theorie s. Kulturen Zweisprachigkeit s. Bilingualismus Zweitsprache 192, 194, 211, 215; vgl. Sekundärsprache Zweitspracherwerb, gesteuerter 215, 245 Zweitspracherwerb, ungesteuerter 215, 242 Zweiwortsatz 53, 130, vgl. Mehrwortsatz
