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Romanistische Syntax - minimalistisch

0318
2009
978-3-8233-7358-2
978-3-8233-6358-3
Gunter Narr Verlag 
Eva-Maria Remberger
Guido Mensching

Der vorliegende Sammelband fasst die Arbeiten deutscher und internationaler Linguistinnen und Linguisten zusammen, die im minimalistischen Modell der Generativen Grammatik arbeiten und dieses auf eine große anzahl romanischer sprachen anwenden. die einzelnen Beiträge behandeln ausgewählte Probleme der romanischen Syntax aus minimalistischer Perspektive, wie z.B. Wortstellungsmuster, Expletiva, Restrukturierung oder Äquativkonsturktionen. darüber hinaus leisten sie einen Beitrag zur Diskussion der linken Satzperipherie aus romanistischer Sicht und zeigen die Schnittstellen der (romanischen) Syntax zu anderen Kernbereichen des Sprachsystems auf. Sie behandeln eine große Anzahl romanischer Sprachen und können gerade einem deutschsprachigen Publikum als Einstieg in die romanistische minimalistische Syntax dienen, wobei sich hier zudem Ausblicke auf ergänzende Theorien wie die Distibuted Morphology (DM) oder die Optimality Theory (OT) sowie auf eine mögliche computerlinguistische Umsetzung ergeben.

<?page no="0"?> Eva-Maria Remberger Guido Mensching (Hrsg.) Romanistische Syntax - minimalistisch Gunter Narr Verlag Tübingen <?page no="1"?> Romanistische Syntax - minimalistisch <?page no="2"?> Tübinger Beiträge zur Linguistik herausgegeben von Gunter Narr 506 T B L <?page no="3"?> Romanistische Syntax - minimalistisch Gunter Narr Verlag Tübingen Eva-Maria Remberger Guido Mensching (Hrsg.) <?page no="4"?> © 2008 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Druck und Bindung: Laupp & Göbel, Nehren Printed in Germany ISSN 0564-7959 ISBN 978-3-8233-6368-3 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.d-nb.de> abrufbar. <?page no="5"?> Inhalt Abkürzungen der Sprachen und Dialekte ................................................... VII Abkürzungen der grammatischen Termini ................................................. VII Eva-Maria Remberger/ Guido Mensching Einleitung: Romanistische Syntax - minimalistisch ....................................... 1 Teil 1: Ausgewählte Probleme romanischer Syntax aus minimalistischer Perspektive Esther Rinke OV-VO-Variation im Portugiesischen: eine diachronische Analyse periphrastischer Kausativkonstruktionen ...................................... 13 Eva-Maria Remberger Restrukturierung: Ein minimalistischer Analysevorschlag anhand des Italienischen und (Alt)Französischen ........................................ 37 Tonjes Veenstra Syntax pur: Expletiva im Papiamentu ............................................................ 61 Kay-Eduardo González-Vilbazo/ Volker Struckmeier Asymmetrien im Code-Switching: Eine DM-Lösung zur Partizipselektion................................................................................................. 83 Lucia Grimaldi Die Syntax italienischer Äquativkonstruktionen ........................................ 103 Teil 2: Studien zur romanischen Satzperipherie Cecilia Poletto Die linke Peripherie der „unteren Phase“: OV-Stellung im Altitalienischen................................................................................................. 131 <?page no="6"?> VI Inhaltsverzeichnis Sandra Paoli Vollständige oder rudimentäre Merkmalsdoppelung? Zu den Flexionsmerkmalen unter C ........................................................................... 157 Kleanthes K. Grohmann Zur Grammatik von Wurzelinfinitiven ........................................................ 175 Luis López Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation ....................................... 199 Teil 3: Minimalistische Syntax und ihre Schnittstellen Natascha Pomino Aspekte der spanischen Verbalflexion im Rahmen der Distributed Morphology ......................................................................................................... 229 Christoph Gabriel Prosodisch motivierte Bewegungen im Spanischen: Versuch einer minimalistischen OT-Modellierung..................................... 253 Roberta D’Alessandro Syntaktische und pragmatische Merkmale: eine Fallstudie ...................... 277 Heidrun Völker Computer-Simulation und Visualisierung minimalistischer Derivation.......................................................................................................... 295 Personenregister ............................................................................................... 317 Sachregister ....................................................................................................... 321 Sprachregister ................................................................................................... 333 <?page no="7"?> Abkürzungen der Sprachen und Dialekte afr. Altfranzösisch AI Altitalienisch apg. Altportugiesisch asp. Altspanisch dom.sp. Dominikanisches Spanisch dt. Deutsch engl. Englisch fr. Französisch gal. Galicisch it. Italienisch klat. Klassisches Latein kt. Katalanisch lat. Lateinisch MI Modernes Italienisch pg. (Europäisches) Portugiesisch sp. Spanisch srd. Sardisch ttü. Türkeitürkisch vlat. Vulgärlatein Abkürzungen der grammatischen Termini A Akkusativ- oder Dativmarker Adj Adjunkt Adv Adverb AF A LIGN F OC (Align Focus) AGR Kongruenz (Agreement) AgrOP Kongruenzphrase (Objekt) AgrP Kongruenzphrase AgrPP Kongruenzphrase (Präposition) AgrSP Kongruenzphrase (Subjekt) <?page no="8"?> VIII Abkürzungen AKK Akkusativ AM autosegmental-metrisch AP Adjektivphrase arb arbiträr ARI Wurzelinfinitvkonstruktion inkl. Coda (Adult Root Infinitive) ASP Aspekt AspP Aspektphrase C Komplementierer (Complementizer) CFC Core Functional Categories C HL Computation of Human Language C-Kommando Konstituenten-Kommando (Constituent Command) CL Klitikon CLLD Klitische Linksdislokation (Clitic Left Dislocation) CLRD Klitische Rechtsdislokation (Clitic Right Dislocation) Comp Komplementierer (Complementizer) CP Komplementiererphrase CRS Continuous Ranking Scale CS Code-Switching D Determinierer DAT Dativ DegP Gradphrase (Degree Phrase) def/ DEF definit DM Distributed Morphology dO direktes Objekt iO indirektes Objekt DOK Doppelobjektkonstruktion DP Determiniererphrase ECM Exceptional Case Marking EG Äquativrelation ExklP Exklamativphrase Expl Expletivum EP Event Phrase EPP Extended Projection Principle(-Merkmal) ER Komparativrelation F a) feminin b) Fokus(-markierung) FH Functional Head FHG Fokus-Hintergrund-Gliederung FI F ULL I NT (Full Interpretation) <?page no="9"?> Abkürzungen IX FOK Fokus FokP Fokusphrase FP Funktionale Projektion FPR Fokusprominenzregel FUT Futur Gen Genus G-θ Gradposition H Hochton (High) HAF Head Attraction Feature HTLD Hanging Topic Left Dislocation IMPF Imperfekt Ind Indikativ INDEF Indefinit INF Infinitiv IP a) Flexionsphrase (Inflection Phrase) b) Intonationsphrase ip Intermediärphrase Kompl Komplement KOND Konditional KONJ Konjunktiv L Tiefton (Low) LF Logische Form LOK lokativ M maskulin MOD Modus ModP Modusphrase MS Morphological Structure N a) Neutrum b) Nomen NEG Negativ NOM Nominativ NP Nominalphrase NPI Negatives Polaritätselement (Negative Polarity Item) NS Narrow Syntax NSR Nuclear Stress Rule Num Numerus NUM Enumeration (Numeration) O(BJ) Objekt Op (Null-)Operator <?page no="10"?> X Abkürzungen OT Optimalitätstheorie OV Objekt-Verb-Stellung φ Kongruenzmerkmale Φ Phonologische Komponente P2 Perfekt-Partizip PART a) partitiv b) Partizip PERF a) Perfekt b) perfektiv Pers Person PF Phonetische Form PHON Phonologische Repräsentation PL Plural p-movement prosodically motivated movement POSS Possessiv PP Präpositionalphrase PRÄS Präsens Q a) Quantifizierer b) Quantor QP a) Quantifiziererphrase b) Quantorphrase Q-θ Quantitätsposition [+r] restrukturiert [-r] nicht-restrukturiert R Widening-Operator REFL Reflexivpronomen RI Wurzelinfinitiv (Root Infinitive) S Silbe σ a) Silbe b) (pragmatisch-deiktische) Sigma-Merkmale Σ Semantische Komponente SC Small Clause SDR Stress Deletion Rule SEM Semantische Repräsentation SF S TRESS F OC (Stress Focus) SG Singular SOV Subjekt-Objekt-Verb-Stellung Spec Spezifikator (Specifier) SUBJ Subjekt SVO Subjekt-Verb-Objekt-Stellung <?page no="11"?> Abkürzungen XI t Spur (trace) T Tempus θ Thetarolle Temp Tempusmerkmal Th Themavokal Top Topik TopP Topikphrase TP Tempusphrase u unvalued UNPERS unpersönlich v „klein“ v V Verb V2 Verbzweitstellung V3 Verbdrittstellung V4 Verbviertstellung Verg. Vergangenheit Vf finites Verb Vi infinites Verb VI Vocabulary Item VO Verb-Objekt-Stellung vP „kleine“ Verbalphrase VP Verbalphrase VS Verb-Subjekt-Stellung Wh Frage- und Relativpronomen betreffend XP beliebige Phrase <?page no="13"?> Eva-Maria Remberger/ Guido Mensching Einleitung: Romanistische Syntax - minimalistisch Dieser Sammelband ist aus den Beiträgen der Sektion „Minimalistische Sprachwissenschaft in der Alten Welt“ des Ende 2005 in Saarbrücken abgehaltenen XXIX. Romanistentages entstanden. Er steht damit in einer Reihe von Sektionen, die der Grammatik der romanischen Sprachen gewidmet sind - und zwar nicht der Grammatikbeschreibung im traditionellen philologischen Sinne, sondern der Einbindung grammatischer und ganz besonders morphosyntaktischer Phänomene der romanischen Sprachen in die moderne linguistische Sprachtheorie. Die Reihe eröffnet haben gewissermaßen Elisabeth Stark und Ulrich Wandruszka mit der Sektion „Syntaxtheorien. Modelle, Methoden, Motive“ auf dem Münchner Romanistentag 2001. Die Ergebnisse dieser Sektionsarbeit wurden in dem gleichnamigen Sammelband 2003 bei Narr veröffentlicht. 2005 erschien der Band Deutsche Romanistik - generativ von Georg Kaiser zu seiner Sektion „Generative Romanistik in Deutschland“ auf dem Kieler Romanistentag zwei Jahre zuvor. Der vorliegende Sammelband, wie die anderen auch in der Reihe Tübinger Beiträge zur Linguistik des Narr Verlags erschienen, ist nun der dritte im Bunde der romanistischen Tagungsakten, die modernen Grammatikmodellen gewidmet sind. Der Sammelband von Stark & Wandruszka (2003) berücksichtigte thematisch verschiedenste Syntax- und Grammatikmodelle, die im Vergleich vorgestellt, diskutiert und auf ihre Tauglichkeit hinsichtlich der Anwendung auf romanische Daten überprüft und beurteilt wurden. Die behandelten Modelle gehörten bereits zum Teil dem generativen Paradigma im weitesten Sinne an (LFG, HPSG, Prinzipien-und-Parameter-Modell), andere Beiträge dagegen betrafen funktionale Grammatikmodelle, allgemeine Sprachtheorie oder auch die Dependenzgrammatik. Kaiser (2005), dessen Titel sich klar auf den ebenfalls in der Tübinger Reihe erschienenen Band von Haider (1993) bezieht, konzentrierte sich dann auf das Generative Grammatikmodell im engeren Sinne, d.h. das Prinzipien-und-Parameter-Modell in Anknüpfung an Chomsky (1981), und damit auf einen gemeinsamen theoretischen Rahmen, der zusammen mit dem Phänomenbereich der romanischen Sprachen die Diskussionsgrundlage aller dort versammelten Beiträge bildet. Der nun hier vorgelegte Band legt seinen Schwerpunkt auf das innerhalb des generativen Paradigmas weiterent- <?page no="14"?> 2 Eva-Maria Remberger/ Guido Mensching wickelte Minimalistische Programm (MP, vgl. Chomsky 1995ff), auf das sich alle hier im Folgenden noch vorzustellenden Beiträge explizit oder implizit beziehen. Damit stellt er eine bisher einmalige Veröffentlichung minimalistischer Arbeiten innerhalb der romanistischen Linguistik in deutscher Sprache dar. Gleichzeitig zeigt er, dass sich die bereits in Kaiser (2005) angesprochene neue Generation von Romanisten im deutschsprachigen Raum - fast alle Autorinnen und Autoren dieses Sammelbandes haben im Laufe ihres Werdegangs auch in Deutschland geforscht - mit Arbeiten, die dem aktuellen Forschungsstand verpflichtet sind, etablieren konnte. Was die moderne linguistische Grammatiktheorie, wie eben z.B. den Minimalismus, und romanistische Forschung in Deutschland betrifft, soll hier nun nicht versucht werden, das bereits in Kaiser (2005) so eingehend und eingängig dargestellte schwierige Verhältnis der romanistischen Sprachwissenschaft zur internationalen Linguistik in aller Ausführlichkeit und gewissermaßen wiederholend darzustellen. Verwiesen sei an dieser Stelle also v.a. auf das Vorwort Georg Kaisers zu seinem Sammelband (Kaiser 2005) sowie auf den zur Veränderung aufrufenden Artikel von Meisel & Schwarze (2002), Fürsprecher einer modernen romanistischen Linguistik: Beide Texte stellen jeweils kritische Antworten auf die in Dietrich (2000) und Kramer (1996, 2004) ausgeführten Meinungsbilder dar, die sich einer fast ausschließlich kulturwissenschaftlich orientierten Romanistik verpflichtet sehen und die deutschsprachige romanische Sprachwissenschaft stattdessen eher zur Passivität im Bereich der linguistischen Theoriebildung auffordern. Eine weitere Bestandsaufnahme der jüngeren grammatischen Forschung innerhalb der deutschsprachigen Romanistik gibt Remberger (2005). Auch der vorliegende Band vermag zu verdeutlichen, dass die Mitarbeit von Romanistinnen und Romanisten an der Ausarbeitung der generativen Sprachtheorie grundlegend ist: Die Validierung und Modifizierung der minimalistischen Annahmen anhand romanischer Daten fällt selbstverständlich in den Kompetenzbereich der Romanistik und kann gerade im deutschsprachigen Raum mit seiner langen philologischen Tradition Beiträge leisten, die dem breiten Blick der allgemeinen Linguistik entgehen. In der aktuellen Situation kann hiermit festgestellt werden, dass die Generative Grammatik im engeren Sinne und ihre Anwendung auf romanische Daten nun auch in Deutschland Fuß gefasst hat. Der bereits in Kaiser (2005) erwähnte und dort wie hier mit eigenen Beiträgen vertretene wissenschaftliche Nachwuchs hat begonnen, im Rahmen mehrerer romanistischer Professuren in Deutschland verstärkt Präsenz zu zeigen <?page no="15"?> Einleitung 3 und die generative Schule, und damit eine auf modernen und formalen Prinzipien beruhende aktuelle sprachwissenschaftliche Forschungsrichtung, nun auch innerhalb der Romanistik noch besser sichtbar zu machen. Dies ist in diesem Fach umso bedeutender, als doch bestimmte bahnbrechende Weiterentwicklungen innerhalb der generativen Theoriebildung gerade anhand romanischer Daten herausgearbeitet wurden: So führt Chomsky (2008) selbst die Entdeckung der nicht-interpretierbaren Merkmale - heute einer der Grundpfeiler des Minimalistischen Programms - und damit auch die Idee von syntaktischen „Sondierungsprozessen“ auf Vergnauds (1985) anhand französischer Daten entwickelten Kasusfilter zurück (vgl. schon Rouveret & Vergnaud 1980). Hier sind auch die so einflussreichen Arbeiten von Kayne (1975, 1994 u.a.) sowie aus jüngerer Zeit der vielzitierte Aufsatz von Rizzi (1997) zu nennen, der die Feinstrukturierung der linken Peripherie v.a. mit Hilfe italienischer Daten exemplifiziert und theoriebildend ausgearbeitet hat. Letztendlich konstituiert Rizzi (1997) zusammen mit Kaynes Antisymmetriehypothese (vgl. Kayne 1994) und Cinques Hierarchien funktionaler Kategorien (vgl. Cinque 1999) die Basis des sogenannten „Kartographischen Ansatzes“. So wie sich also die Generative Grammatik schon lange romanischer Daten bedient, kann nun auch die deutschsprachige Romanistik umgekehrt zeigen, dass sie den Anschluss an die internationale Forschung keinesfalls aus dem Blick verloren hat. Die im Folgenden veröffentlichten Beiträge lassen sich in drei große thematische Blöcke einteilen: Der erste Teil behandelt Ausgewählte Probleme der romanischen Syntax aus minimalistischer Perspektive, die alle für die romanischen Sprachen bezeichnend sind und für die Theoriebildung der Generativen Grammatik eine essentielle Rolle gespielt haben. Der zweite Teil bietet Studien zur romanischen Satzperipherie und behandelt in diesem Zusammenhang naturgemäß auch Fragen zur Informationsstruktur. Hierbei steht der gerade in der aktuellen Forschung stark diskutierte linke Satzrandbereich im Vordergrund (vgl. hier wieder Rizzi 1997). Der dritte Teil, Minimalistische Syntax und ihre Schnittstellen, beschreibt und analysiert Schnittstellenphänomene und bringt darüber hinaus auch Forschungsansätze zur Anwendung, die über rein syntaktische Problemstellungen hinaus gehen und gleichzeitig höchst kompatibel mit dem minimalistischen Syntaxmodell sind. Die in den Beiträgen behandelten Sprachen umfassen, wenn auch nicht alle romanischen Sprachen, dennoch einen großen Ausschnitt derselben, und dies für Syn- und Diachronie, sowie einige für die sprachtheoretische Forschung besonders interessante Varietäten. So werden <?page no="16"?> 4 Eva-Maria Remberger/ Guido Mensching syntaktische Fragestellungen anhand des modernen Spanisch (K. K. Grohmann, L. López, N. Pomino, C. Gabriel, H. Völker), Französisch (E. Remberger), Italienisch (L. Grimaldi, E. Remberger, R. D’Alessandro), Portugiesisch (E. Rinke, R. D’Alessandro) und Katalanisch (L. López) diskutiert, diachrone Daten des Altfranzösischen (E. Remberger), Altitalienischen (C. Poletto), Altportugiesischen (E. Rinke) untersucht sowie Kreolsprachen (T. Veenstra), eine Sprachkontaktvarietät (K. González-Vilbazo & V. Struckmeier) und einige diatopische Varietäten des Italienischen (S. Paoli) besprochen. Auch wenn das Rumänische, Rätoromanische oder das Sardische nicht oder nur am Rande auftauchen, stellt die Auswahl der hier versammelten Sprachen und Varietäten einen repräsentativen Ausschnitt spezifisch romanischer Phänomene zur Verfügung, die vor dem Hintergrund des Minimalistischen Programms diskutiert werden können. Der Minimalismus selbst hat nun auch unterschiedliche Weiterentwicklungen erfahren, die sich am besten anhand zweier großer Strömungen charakterisieren lassen: Auf der einen Seite findet sich der hier „CFC“ genannte Ansatz, der sich auf die Core Functional Categories C, T, „klein v“ und D, also eine reduzierte Anzahl funktionaler Kategorien konzentriert (vgl. Chomsky 1995) und versucht, einzelsprachliche Parametrisierungen v.a. mit Hilfe von im Lexikon kodierten Unterschieden in der Merkmalszusammensetzung der entsprechenden funktionalen Kategorien dynamisch zu steuern. Demgegenüber steht der Kartographische Ansatz (Cinque 2002, Rizzi 2003, Belletti 2004, Cinque 2006), der eine weitere Aufgliederung der funktionalen Kategorien propagiert und somit komplexere, jedoch als universal gültig postulierte syntaktische Hierarchien annimmt. Wo der CFC-Ansatz Komplexität in die lexikalischen Datenstrukturen verlegt, nimmt der Kartographische Ansatz vielschichtigere, aber statische und in ihrer Anordnungsstruktur festgelegte syntaktische Derivationsschemata an. Beide Strömungen sind in dem vorliegenden Sammelband vertreten. Teil 1: Ausgewählte Probleme romanischer Syntax aus minimalistischer Perspektive: Die unter diesem Titel versammelten Beiträge verdeutlichen die Anwendung des Minimalistischen Programms auf unterschiedlichste Bereiche der romanischen Syntax in Syn- und Diachronie. Das Phänomen der Restrukturierung etwa ist ein altbekanntes Problem der romanistischen Syntaxforschung (vgl. schon Rizzi 1976) ebenso wie die Analyse solcher Infinitivkonstruktionen, die von kausativen Verben selegiert werden (zur Grundproblematik von letzteren, vgl. Mensching 2000: 69-72). Diese beiden Problemstellungen werden in den Artikeln von E. Rinke <?page no="17"?> Einleitung 5 und E. Remberger neuen, minimalistischen Interpretationen unterworfen, in letzterem mit Hilfe des von Chomsky (2001) eingeführten Phasenbegriffs. In beiden Beiträgen ist u.a. das wiederum typisch romanische Phänomen des Clitic Climbing ein wichtiges Indiz für die Interpretation der Daten. Den beiden Artikeln ist auch die Tatsache gemeinsam, dass es sich um eine diachrone Analyse handelt (wie auch später noch der Artikel von C. Poletto im zweiten Teil). Der Beitrag von T. Veenstra ist keiner „klassischen“ romanischen Sprache gewidmet, sondern dem Papiamento, einer romanisch-basierten Kreolsprache; dennoch behandelt er ein klassisch-romanistisches Problem innerhalb der Generativen Grammatik, nämlich das leere Personalpronomen pro und die ehemals unter dem Stichwort „Nullsubjektparameter“ zusammengefassten und unter diesem Namen bekannten Korrelate (einschließlich der Expletiva; zu den romanischen Sprachen, vgl. u.a. Hinzelin & Kaiser 2006). Hier wird auch die Frage nach der Existenz von Agreement-Phrasen, die von Chomsky (1995) selbst als negativ beantwortet wurde, wieder aufgegriffen. Ebenso wie die Pro-drop-Eigenschaft ist die Partizipialkongruenz in den romanischen Sprachen ein klassisches Thema der Generativen Grammatik (vgl. etwa die bekannte Arbeit von Kayne 1989). Neben der minimalistischen Implementierung eines entsprechenden Mechanismus, der u.a. auf der Annahme sprachspezifischer Merkmalskompositionen in T beruht, bietet der Artikel von K. González-Vilbazo und V. Struckmeier darüber hinaus die Besonderheit, dass hier mit dem Code-Switching (Spanisch-Deutsch) ein Sprachkontaktphänomen behandelt wird. Dabei werden die verschiedenen minimalistischen Komponenten und Schnittstellen z.T. näher ausgeführt und im Hinblick auf die Verarbeitung von zwei Sprachen fruchtbar gemacht. Der dort vertretene Ansatz bewegt sich zusätzlich in dem im dritten Teil von N. Pomino näher beschriebenen Rahmen der Distributed Morphology (DM). Auf eine DM-Analyse greift auch der Beitrag von L. Grimaldi, der sich mit Vergleichskonstruktionen beschäftigt, zurück. Diese nämlich stellen ein Problem dar, das bereits vor Jahrzehnten in generativen Arbeiten behandelt (vgl. z.B. Bresnan 1973, Chomsky 1977), aber noch nicht zufriedenstellend gelöst und aus romanistischer Sicht eher spärlich bearbeitet worden ist. Das gilt insbesondere für Äquativkonstruktionen, die hier von L. Grimaldi praktisch erstmalig behandelt werden und für die, unter Zuhilfenahme des Sondenansatzes (Chomsky 2000ff), eine plausible Lösung angeboten wird. Die Einbeziehung von DM ergibt sich aus der Annahme <?page no="18"?> 6 Eva-Maria Remberger/ Guido Mensching postsyntaktischer Regeln, mit deren Hilfe bestimmte Idiosynkrasien der italienischen Vergleichskonstruktion erklärt werden. Teil 2: Studien zur romanischen Satzperipherie: Hier finden sich Beiträge, welche die gerade in den romanischen Sprachen besonders komplexe und sprachspezifisch unterschiedlich strukturierte linke Satzperipherie behandeln. Die Hauptschlagwörter dieser v.a. diskursbezogenen Erscheinungen sind Topik und Fokus. Diesbezüglich kommt C. Poletto anhand altitalienischer Daten zu dem Schluss, dass die „Phasen“ des minimalistischen Interpretationsmodells, also syntaktische Teilderivationen, die jeweils an die phonologische oder semantische Schnittstelle weiter geleitet werden, gewissermaßen parallel aufgebaut sein müssen. Hierbei knüpft sie an die Idee von Belletti (2004) an, der zufolge innerhalb der IP (genauer gesagt in der vP), ähnlich wie in der CP, eine Fokusprojektion enthalten ist. Ein in vielen Sprachen auftauchendes Phänomen ist das der Komplementiererdoppelung, wie es auch in den von S. Paoli beschriebenen norditalienischen Varietäten zu finden ist. Ebenso wie der Artikel von C. Poletto ist der Beitrag von S. Paoli stark dem Kartographischen Ansatz verpflichtet. Die Zielsetzung ist allerdings umgekehrt: In S. Paolis Artikel geht es darum, wie primär mit der TP assoziierte Eigenschaften (Modus und φ-Merkmale) innerhalb der C-Domäne repräsentiert sein können. Anders als bei den informationsstrukturell relevanten, von C. Poletto behandelten Kategorien scheint hier keine exakte Spiegelung, sondern eine „reduzierte Version der in der kanonischen Position angesiedelten Merkmalsbündel“ vorzuliegen. Der Beitrag von K. K. Grohmann analysiert eine ganz andere Art von Infinitiven als die im ersten Teil von E. Remberger und E. Rinke beschriebenen: Sogenannte Wurzelinfinitive stellen in den meisten romanischen Sprachen (im Gegensatz etwa zum Englischen) eigenständige volle C-Projektionen dar und sind als solche relevant bei der Erforschung der linken Satzperipherie. Eine vergleichende Studie von Topik- und Fokusstrukturen im Katalanischen und Spanischen findet sich in dem Beitrag von L. López. Für das hier hauptsächlich behandelte Phänomen der klitischen Rechtsversetzung (Clitic Right Dislocation, CLRD) wird in der Literatur zum Teil dahingehend argumentiert, dass hier in Wirklichkeit (unter Anwendung von Remnant Movement) ebenfalls Bewegung in die linke Peripherie vorliegt. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei aber, wie L. López zeigt, um einen Trugschluss. <?page no="19"?> Einleitung 7 Teil 3: Minimalistische Syntax und ihre Schnittstellen: Am Ende dieses Bandes stehen einige Beiträge, die das syntaktische Grammatikmodell in seinen Bezügen zu anderen Bereichen der Sprachwissenschaft vorstellen oder beleuchten. Insgesamt wird das Minimalistische Programm in diesem Teil des Buches vor allem im Hinblick auf seine Schnittstellen erweitert. Der Begriff der Schnittstellen ist hier mehrdeutig: Gemeint sind zum einen die in der minimalistischen Theorie angenommenen Schnittstellen zur Semantik/ Pragmatik und zur Phonologie/ Morphologie, zum anderen die „Schnittstellen“ zu anderen Theorien (DM, OT) sowie zur Computerlinguistik. Die ersten beiden Beiträge verdeutlichen die Interaktion der Syntaxkomponente (Narrow Syntax) mit der PF-Schnittstelle, in deren Kontext auch die Morphologie (zumindest teilweise) einzuordnen ist. Hierbei zeigt N. Pomino anhand der spanischen Verbalflexion, wie eine Kombination der neuesten Variante des Minimalismus mit dem (ursprünglich auch anhand von Chomsky 1995 entwickelten) theoretischen Rahmen der Distributed Morphology verschiedene nicht-triviale Probleme der romanischen Flexion lösen kann. Der Beitrag von C. Gabriel ist dem Zusammenhang zwischen Phonologie im engeren Sinne und der minimalistischen Syntaxkomponente (auch hier wieder mit dem zentralen Mechanismus der Sondierung) gewidmet. Vom Gegenstand her wird das vorher im zweiten Teil ausführlich behandelte Thema Fokus wieder aufgegriffen, nun allerdings im Zusammenhang mit prosodischen Markierungen betrachtet. Der Beitrag zeigt außerdem, wie sich Minimalismus mit der Optimalitätstheorie (OT) verbinden lässt. Die Untersuchung des Zusammenspiels dieser theoretischen Komponenten ist ein seit einigen Jahren zu beobachtender Trend innerhalb der generativen Linguistik (vgl. etwa außerhalb der Romanistik Müller 2000). Eines der grundlegenden Konzepte des MP, die Operation Agree, wird in dem Beitrag von R. D’Alessandro vertieft und auf die Frage nach der Syntax-Pragmatik-Schnittstelle ausgeweitet. Anhand italienischer und portugiesischer Daten wird versucht, die in jüngerer Zeit des Öfteren zu findende Meinung zu stützen, dass pragmatische Information syntaktisch vermittelt werden muss (vgl. z.B. Speas 2004). Technisch wird dies durch eine Agree entsprechende Operation implementiert, die pragmatisch-deiktische Merkmale abgleicht. Der Beitrag von H. Völker zeigt anhand konkreter Derivationen spanischer Sätze, wie die Computation of Human Language (C HL ) mit Hilfe eines Computerprogramms simuliert werden kann. In diesem Rahmen erfolgt auch eine mustergültige Einführung in das MP selbst (bzw. das „Sonden- <?page no="20"?> 8 Eva-Maria Remberger/ Guido Mensching und Phasenmodell“ nach Chomsky 2000ff), die somit noch einmal den Sammelband abrundet. Wie jede theoretische Neuerung muss das Minimalistische Programm stets empirisch anhand von sprachlichen Daten überprüft werden. Die Beiträge in diesem Band zeigen erneut, dass die romanischen Sprachen (und insbesondere auch die Kompetenz der romanistischen Sprachwissenschaft) hierzu erheblich beitragen können. Auch die Vorteile des MP gegenüber dem älteren Prinzipien-und-Parameter-Modell treten in diesem Band deutlich hervor: Die Reduzierung der Syntax im engeren Sinne auf wenige, möglichst abstrakte Prinzipien wie Merge und Agree erzwingen eine weitestgehend einheitliche Beschreibung. So stiften die betreffenden Konzepte auch bezüglich der Ansätze dieses Bandes eine gewisse Kohärenz, welche wir glauben, in dieser Einführung aufgezeigt zu haben. Die neuere minimalistische Ausrichtung, der die meisten Beiträge dieses Bandes verpflichtet sind, zeigt zudem eine immer stärkere Hinwendung zu der Beschäftigung mit den biologischen Grundlagen von Sprache. Es steht außer Zweifel, dass der große Erfolg, den die Generative Grammatik in den letzten Jahren auch in der deutschsprachigen Romanistik zu verzeichnen hat, zu einem Teil den öffentlichkeitswirksameren Interessenbekundungen von Seiten der Naturwissenschaften zu verdanken ist. Mit der „biolinguistischen“ Perspektive einher geht das wachsende Interesse für die Schnittstellen zu anderen kognitiven Bereichen, die daher auch in diesem Band eine prominente Stellung einnehmen. Am Ende dieser Einleitung möchten wir noch denjenigen danken, ohne die das Zustandekommen dieses Buches nicht möglich gewesen wäre: Für die Übernahme des Abschlusslektorats danken wir Florian Scheib, Anna-Lena Rumpf, Heidrun Bohnet und Cristian Ferraro. Von den vielen Hilfen bei der Erstellung der Druckvorlage sei, neben dem stets gewissenhaften Einsatz von Linda Bauser und Kathrin Rathsam, Nina Riehl hervorgehoben, die wirklich von Anfang an mit unermüdlichem Engagement mit dabei war und am Ende den besten Überblick über die Feinheiten der grammatischen Glossierung oder Spezialfälle der Tabulatorsetzung hatte. Und zu guter Letzt sei Jürgen Freudl vom Narr Verlag genannt, der uns während der Entstehungszeit dieses Sammelbandes mit viel Geduld und Beharrlichkeit immer freundlich beraten hat. <?page no="21"?> Einleitung 9 Literatur Belletti, Adriana (Hg.) (2004): Structures and Beyond. The Cartography of Syntactic Structures, Bd. 3. New York/ Oxford: OUP (= Oxford Studies in Comparative Syntax). Bresnan, Joan (1973): “Syntax of the Comparative Construction in English.” In: Linguistic Inquiry 4, 275-345. Chomsky, Noam (1977): “On Wh-movement.” In: Peter Culicover, Thomas Wasow & Adrian Akmajian (Hgg.): Formal Syntax. New York: Academic Press, 71-132. - (1981): Lectures on Government and Binding: The Pisa Lectures. Dordrecht: Foris. - (1995): The Minimalist Program. Cambridge, Mass.: The MIT Press. - (2000): “Minimalist inquiries: The framework.” In: Roger Martin, David Michaels & Juan Uriagereka (Hgg.): Step by step. Essays on Minimalist Syntax in Honor of Howard Lasnik. 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The diachronic comparison of these constructions in Old and Modern Portuguese reveals two main differences: first, the infinitival complement of causative verbs can be realized as an inflected infinitive in Modern Portuguese, but not in Old Portuguese, and second, transitive infinitival complements of causative verbs can show OV-order in Old Portuguese, but not in Modern Portuguese (note that OV/ VO-variation in infinitival constructions has to be kept distinct from OV/ VO-placement in finite clauses). As a possible explanation for the divergence between Old and Modern Portuguese, it immediately comes to mind that OV-order is a relic of Latin OV-grammar, since OV represents the unmarked order of object and non-finite verb in Latin. I will argue that this is not the case and that apparent OV-order in Old Portuguese represents a passive construction. This construction is inherited from Latin, but it is compatible with the VOgrammar of Old Portuguese since the preverbal thematic object of the non-finite verb is in fact its syntactic subject. Diachronically, apparent OV order of this type disappears once the inflected infinitive with its ability to express passive becomes an option. 1 Einleitung 1 Die Syntax periphrastischer Kausativkonstruktionen in den romanischen Sprachen ist deshalb so interessant, weil diese Strukturen sowohl synchronisch als auch diachronisch Gegenstand struktureller Variation sind. Dies gilt insbesondere auch für das Portugiesische. 1 Diese Arbeit entstand im Rahmen des Forschungsprojektes „Mehrsprachigkeit als Ursache und Folge von Sprachwandel: Historische Syntax romanischer Sprachen“; Projektleiter ist Jürgen M. Meisel. Dieses Projekt ist eines von momentan 15 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekten im Sonderforschungsbereich „Mehrsprachigkeit“ an der Universität Hamburg. Ich danke Guido Mensching und Eva Remberger für viele hilfreiche Kommentare. Dieser Artikel basiert zum Teil auf Kapitel 4 in Rinke (2007). <?page no="26"?> 14 Esther Rinke Im modernen Portugiesisch können kausative Verben drei verschiedene Typen von Infinitivkomplementen einbetten (vgl. Costa & Gonçalves 1999, Gonçalves & Duarte 2001, Martins 2004, 2006). Es handelt sich dabei wie in den meisten anderen romanischen Sprachen erstens um einen strukturell reduzierten Verbalkomplex, den sogenannten faire-Infinitiv (vgl. 1a). 2 Zweitens erlauben sie einen ECM-Infinitiv (vgl. 1b). Drittens kann auch ein flektierter Infinitiv wie in (1c) eingebettet werden. (1) a. Mandei ler os livros aos alunos. ich-beauftragte lesen die Bücher A -die Schüler b. Mandei os alunos ler os livros. ich-beauftragte die Schüler lesen die Bücher c. Mandei os alunos lerem os livros. ich-beauftragte die Schüler lesen-3. PL . die Bücher ‘Ich beauftragte die Schüler, die Bücher zu lesen.’ Kausativkonstruktionen im Altportugiesischen des 13. Jh. unterscheiden sich in zweierlei Hinsicht von den modernen Varianten: Erstens ist die Einbettung eines flektierten Infinitivs nicht belegt und zweitens finden sich in Komplementposition kausativer Verben Infinitive mit OV-Stellung, vgl. (2). (2) apg. & pera aquesto spezialm(en)te chamadas, ffezemos esta und für dies speziell gerufen wir-ließen diesen carta aseellar do séello do Comcello Brief versiegeln von-dem Siegel von-dem Amtsbezirk d(e) Bet-z(os), […] von Betanzos ‘Und speziell hierfür gerufen, ließen wir dieses Schreiben mit dem Siegel des Amtsbezirks von Betanzos versiegeln, […]’ Letztere Beobachtung ist insofern interessant, als sich das Portugiesische - eine VO-Sprache - aus dem Lateinischen - einer OV-Sprache - entwickelt hat. OV-Stellung ist die unmarkierte Wortstellung des Lateinischen, vgl. Beispiel (3). (3) lat. Marcus fecit Publium mihi epistulam mittere. M. ließ P. mir Brief schicken ‘M. veranlasste P., mir einen Brief zu schicken.’ (zit. nach Chamberlain 1986: 25) 2 Ich folge Martins (2004) und verwende die Bezeichnung faire-Infinitiv für diesen Infinitivtypus, um die Parallelität zum Französischen und anderen romanischen Sprachen zu verdeutlichen. <?page no="27"?> OV-VO-Variation im Portugiesischen 15 Es ist zwar davon auszugehen, dass der Wandel von OV zu VO bereits in vulgärlateinischer Zeit seinen Anfang genommen hat und dass das Altportugiesische des 13. Jh. bereits als VO-Sprache zu charakterisieren ist (vgl. Martins 2002, Rinke 2007). Dennoch besteht die Möglichkeit, dass die Variation von OV- und VO-Stellung in diesen Kontexten im Altportugiesischen noch ein Reflex konkurrierender grammatischer Systeme ist und den diachronischen Wandel widerspiegelt. Ich werde argumentieren, dass dies nicht der Fall ist und dass Infinitive mit OV-Stellung im Altportugiesischen als Passivkonstruktionen zu analysieren sind. Einer solchen Analyse zufolge handelt es sich nicht um konkurrierende grammatische Systeme, da in passivischen Strukturen das thematische Objekt des Verbs sein syntaktisches Subjekt darstellt. Aus diachronischer Perspektive spricht für eine solche Sicht unter anderem, dass der Verlust der OV-Stellung mit dem Auftreten eines flektierten Infinitivs mit passivischer Bedeutung in denselben Kontexten korreliert. 2 Infinitivkomplemente kausativer Verben im modernen Portugiesisch Kausativität bezeichnet semantisch das Verhältnis zwischen zwei Ereignissen, dem verursachenden Ereignis einerseits und dem verursachten Ereignis andererseits. Die semantische Struktur beinhaltet also zwei Propositionen: die der Ursache und die der Wirkung, die syntaktisch in unterschiedlicher Weise realisiert werden können (vgl. Arrais 1985: 42 in Übereinstimmung mit Shibatani 1973: 239f, Givón 1975: 60f). Im Portugiesischen kann Kausativität durch verschiedene syntaktische Konstruktionen realisiert werden. Gegenstand meiner Untersuchung sind periphrastische Kausativkonstruktionen, in denen ein transitives oder intransitives Verb (z.B. sair ‚ausgehen’ in Beispiel 4a) mit einem kausativen Verb (z.B. fazer ‚machen, lassen’ oder mandar ‚lassen, beauftragen, befehlen’) und dessen Subjekt (z.B. o professor ‚der Lehrer’) kombiniert ist, vgl. (4b): (4) a. Os garotos saíram. die Jungen hinausgingen ‘Die Jungen gingen hinaus.’ b. O professor fez os garotos saír(em). der Professor machte die Jungen hinausgehen-3. PL . ‘Der Lehrer ließ die Jungen hinausgehen.’ <?page no="28"?> 16 Esther Rinke Periphrastische Kausativkonstruktionen kommen auch mit Verben vor, die einen Zwang oder eine Anordnung bezeichnen, wie zum Beispiel mit forçar ‚zwingen’ und obrigar ‚verpflichten’. Die zuletzt genannten Verben unterscheiden sich von fazer ‚machen, lassen’, deixar ‚lassen’ und mandar ‚lassen, beauftragen, befehlen’ dadurch, dass sie als Objektkontrollverben zu analysieren sind. 3 Kausative Verben wie mandar betten drei verschiedene Typen von Infinitivkonstruktionen ein, von denen angenommen wird, dass sie eine jeweils unterschiedliche syntaktische Struktur aufweisen (vgl. Costa & Gonçalves 1999, Gonçalves & Duarte 2001, Martins 2004, 2006). Es handelt sich dabei erstens um den bereits erwähnten ECM-Infinitiv, zweitens um den sogenannten faire-Infinitiv (einen strukturell reduzierten Verbalkomplex) und drittens um den flektierten Infinitiv. Der faire-Infinitiv ist am stärksten vom Matrixverb abhängig, während der flektierte Infinitiv die größte syntaktische Unabhängigkeit besitzt. Dies zeigen die Unterschiede zwischen den drei Typen von Infinitivkomplementen hinsichtlich 1. Kasus und Position des thematischen Subjekts des Infinitivs, 2. der Möglichkeit der Negation, 3. der Stellungsmöglichkeiten klitischer Objektpronomen, 4. der Existenz von Kongruenzmarkierung am Verb und 5. der Möglichkeit der Passivierung (vgl. dazu auch Costa & Gonçalves 1999, Gonçalves & Duarte 2001). Der sogenannte faire-Infinitiv weist die für die Infinitivkomplemente kausativer Verben in den romanischen Sprachen typische reduzierte Struktur auf. 4 Sein externes Argument steht satzfinal und wird bei transitiven 3 Zu kausativen ECM-Verben wie mandar, vgl. u.a. Raposo (1989, 1992), Maier (1994), Costa & Gonçalves (1999), Gonçalves & Duarte (2001), Martins (2004, 2006). Die beiden Verbtypen unterscheiden sich vor allem im Hinblick auf die Selektion der zwischen Matrixverb und Infinitiv stehenden Nominalphrase (bei Objektkontrollverben das Matrixverb; bei ECM-Verben der Infinitiv). Bei Paraphrasierung des Infinitivkomplements als finiter Komplementsatz weist das Objektkontrollverb sowohl eine direkte Objektposition als auch eine eingebettete Subjektposition auf, während beim ECM-Verb nur eine eingebettete Subjektposition realisiert wird. Im Gegensatz zum Objektkontroll-Infinitiv kann deshalb der ECM-Infinitiv erfragt und durch o que ‚was’ ersetzt werden (vgl. Raposo 1989). 4 Zu den anderen romanischen Sprachen, vgl. u.a. Bordelois (1974, 1988), Kayne (1975), Zubizarreta (1985), Goodall (1987), Pearce (1990), Mensching (2000). Allerdings stellt im Portugiesischen der faire-Infinitiv im Gegensatz zum ECM-Infinitiv nicht die bevorzugte Einbettungsstrategie dar. In anderen romanischen Sprachen <?page no="29"?> OV-VO-Variation im Portugiesischen 17 Verben als Präpositionalphrase angefügt wie in (1a). Wenn es pronominalisiert ist, erscheint es als Dativklitikon wie in (5a). 5 Negation des Infinitivkomplementes ist nicht möglich (5b) und ein klitisches Objektpronomen kann nicht beim Infinitiv stehen (5c). 6 Kongruenz von Infinitiv und externem Argument ist ausgeschlossen (5d) und Passivierung nicht möglich (5e). Die Beispiele (5a-d) stammen von Costa & Gonçalves (1999). (5) a. Eu mandei-lhes comer a sopa. ich ließ-sie- DAT . essen die Suppe ‘Ich ließ sie die Suppe essen.’ b. *Os pais mandaram n-o ler o livro aos alunos. die Eltern ließen nicht lesen das Buch A -die Schüler c. *Eu mandei comer-lhes a sopa. ich ließ essen-sie- DAT . die Suppe d. *Eu mandei comer(*em) a sopa aos meninos. ich ließ essen(*-3. PL .) die Suppe A -die Kinder e. *Mandei os livros ser lidos (aos alunos). ich-ließ die Bücher sein gelesen ( A -die Schüler) Das thematische Subjekt des ECM-Infinitivs steht normalerweise zwischen Matrixverb und Infinitiv wie in (1b) und wird als Akkusativklitikon pronominalisiert (6a). Negation des Infinitivs ist möglich (6b) und ein klitisches Objektpronomen kann beim Infinitiv stehen (6c). Kongruenz ist ausgeschlossen (6d) und Passivierung nicht möglich (6e). Die Beispiele (6b-c) stammen von Gonçalves & Duarte (2001). wiederum ist die Einbettung eines ECM-Infinitivs nicht in der gleichen Weise wie im Portugiesischen möglich: *J’ai fait Marie ouvrir la porte./ *Ho fatto Carlo mangiare la mela./ *Es pagesos fan el follet escriure un poema. Alle Beispiele stammen aus Gonçalves & Duarte (2001). 5 Wenn es sich um ein intransitives Verb handelt, wird das externe Argument als DP ohne Präposition satzfinal angefügt oder als klitisches Pronomen im Akkusativ realisiert. 6 Costa & Gonçalves (1999: 63) zufolge ist der Satz auch ungrammatisch, wenn das direkte Objekt klitisiert ist. Sie markieren den folgenden Satz mit zwei Fragezeichen: (i) ? ? Eu mandei comê-la aos meninos. Auch Gonçalves & Duarte (2001) sprechen von obligatorischer Anhebung des Klitikons: (ii) */ ? ? O professor n-o deixou comê-lo aos miúdos. (iii) *O professor n-o deixou comer-lhes o chocolate. <?page no="30"?> 18 Esther Rinke (6) a. Mandei-os ler os livros. ich-ließ-sie- AKK . lesen die Bücher ‘Ich ließ sie die Bücher lesen.’ b. A m-e mandou os miúdos n-o comer as cenouras. die Mutter ließ die Kinder nicht essen die Möhren ‘Die Mutter ließ die Kinder nicht die Möhren essen.’ c. A m-e mandou os miúdos comê-las. die Mutter ließ die Kinder essen-sie ‘Die Mutter ließ die Kinder sie essen.’ d. *Mandei-os lerem os livros. ich-ließ-sie lesen-3. PL . die Bücher e. *Mandei os livros ser lidos. ich-ließ die Bücher sein gelesen Der flektierte Infinitiv ist die syntaktisch unabhängigste der drei Infinitivkonstruktionen. Sein thematisches Subjekt steht zwischen Matrixverb und Infinitiv wie in (1c) und wird als Pronomen im Nominativ realisiert (7a). Der flektierte Infinitiv kann negiert werden (7b). Ein Objektklitikon tritt obligatorisch beim Infinitiv auf (7c). Der Infinitiv kongruiert in Person und Numerus mit seinem Subjekt (7d) und kann passiviert werden (7e). (7) a. Mandei eles lerem os livros. ich-ließ sie- NOM . lesen-3. PL . die Bücher ‘Ich ließ sie die Bücher lesen.’ b. Mandei eles n-o fazerem muito barulho. ich-ließ sie nicht machen-3. PL . viel Lärm ‘Ich ordnete an, dass sie keinen Lärm machen sollten.’ c. Mandei eles lerem-nos. ich-ließ sie lesen-3. PL .-sie- AKK . ‘Ich ließ sie sie lesen.’ d. Mandei os alunos lerem os livros. ich-ließ die Schüler lesen-3. PL . die Bücher ‘Ich ließ die Schüler die Bücher lesen.’ e. Mandei os livros serem lidos. ich-ließ die Bücher sein-3. PL . gelesen ‘Ich ordnete an, dass die Bücher gelesen werden sollten.’ Im Hinblick auf die syntaktische Struktur der verschiedenen Infinitivkonstruktionen gehe ich in Übereinstimmung mit den zu Beginn des Abschnitts genannten Arbeiten davon aus, dass der faire-Infinitiv einen Ver- <?page no="31"?> OV-VO-Variation im Portugiesischen 19 balkomplex aus finitem und nicht-finitem Verb bildet, vgl. die Struktur in (8a). Die ECM-Konstruktion ist gekennzeichnet durch die Anhebung des thematischen Subjekts des Infinitivs in die Objektposition des Matrixverbs wie in (8b). 7 Den flektierten Infinitiv fasse ich als TP-Kategorie wie in (8c) auf. 8 (8) a. [ TP [ T’ Mandei ler v [ vP pro [ v’ t v +v [ VP [ V’ t v o livro]]]]]] b. Mandei v [ vP1 os alunos i [ v1’ t v +v [ VP t v [ TP t i [ T’ ler vi [ vP2 t i [ v2’ t vi [ VP [ V’ t vi o livro]]]]]]]]] c. Mandei [ TP eles i [ T' lerem v [ vP t i [ v' t v +v [ VP [ V' t v o livro]]]]]] Unabhängig von den strukturellen Unterschieden zwischen den einzelnen Infinitivkonstruktionen verhalten sie sich alle gleich im Hinblick auf die Stellung von transitivem Infinitiv und direktem Objekt. In seiner unmarkierten Position steht das Objekt rechts vom Infinitiv wie in (9a-c): (9) a. Mandei ler os livros aos alunos. ich-ließ lesen die Bücher A -die Schüler b. Mandei os alunos ler os livros. ich-ließ die Schüler lesen die Bücher c. Mandei os alunos lerem os livros. ich-ließ die Schüler lesen-3. PL . die Bücher ‘Ich ließ die Schüler die Bücher lesen.’ Das Objekt kann auch als Topik in linksperipherer Position wie in (10) erscheinen. In diesen Kontexten kann es durch ein Klitikon wieder aufgenommen werden. 9 (10) a. Os livros, mandei ler (lé-los) aos alunos. die Bücher ich-ließ lesen (lesen-sie- AKK .) A -die Schüler b. Os livros, mandei os alunos ler (lé-los). die Bücher ich-ließ die Schüler lesen (lesen-sie- AKK .) c. Os livros, mandei os alunos lerem (lerem-nos). die Bücher ich-ließ die Schüler lesen-3. PL . (lesen-3. PL .-sie- AKK .) ‘Die Bücher ließ ich die Schüler lesen.’ 7 Vgl. auch Radford (1997). 8 Diese TP ist allerdings defektiv, da der flektierte Infinitiv nicht in unabhängigen Sätzen vorkommen kann. Zur Analyse des flektierten Infinitivs, vgl. u.a. die Arbeiten von Raposo (1987), Martins (2001b). 9 Im Gegensatz zu anderen romanischen Sprachen erlaubt das Portugiesische Topikalisierung ohne klitische Linksversetzung (vgl. u.a. Duarte 1987, Raposo 1996). <?page no="32"?> 20 Esther Rinke OV-Stellung, d.h. Stellung des Objektes zwischen finitem Verb und Infinitiv wie in (11) ist im modernen Portugiesisch ungrammatisch: (11) a. *Mandei os livros ler aos alunos. ich-ließ die Bücher lesen A -die Schüler b. *Mandei os alunos os livros ler. ich-ließ die Schüler die Bücher lesen c. *Mandei (os alunos) os livros lerem. ich-ließ (die Schüler) die Bücher lesen-3. PL . Im folgenden Abschnitt werde ich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zeigen, die sich im Hinblick auf die syntaktische Struktur der Infinitivkomplemente und die Möglichkeiten der Objektstellung im Vergleich zum Altportugiesischen ergeben. 3 Periphrastische Kausativkonstruktionen im Altportugiesischen 3.1 Infinitivkomplemente und Objektstellung im Altportugiesischen Martins (2004, 2006) zufolge ist im Altportugiesischen sowohl der faire- Infinitiv als auch der ECM-Infinitiv belegt. Beispiel (12a) illustriert die Existenz des faire-Infinitivs im Altportugiesischen, Beispiel (12b) die des ECM-Infinitivs. 10 (12) apg. a. fazendoo primeiro saber a elas lassend-es zuerst wissen A sie ‘es sie zuerst wissen lassend’ (1447; zit. nach Martins 2006: 333) apg. b. [...] que o fez leixar a fe de Jhesu dass ihn ließ aufgeben den Glauben von Jesus Christo. Christus ‘[...], dass er ihn den Glauben an Jesus Christus aufgeben ließ.’ (Crónica Geral de Espanha de 1344; zit. nach Martins 2006: 334) In (12a) wird das pronominale thematische Subjekt des Infinitivs durch die Präposition a angefügt, in (12b) erscheint es als Akkusativklitikon. Der ECM-Infinitiv im Altportugiesischen unterscheidet sich strukturell vom ECM-Infinitiv im modernen Portugiesisch. Während er im mo- 10 Martins (2004) kategorisiert Perzeptive und Kausative als eine Verbklasse; vgl. auch Raposo (1989). <?page no="33"?> OV-VO-Variation im Portugiesischen 21 dernen Portugiesisch negiert werden kann und ein Klitikon beim Infinitiv erlaubt, ist beides im Altportugiesischen nicht belegt. Die Negation jedweden Infinitivs ist generell nicht möglich. Clitic Climbing tritt mit allen Infinitiven obligatorisch auf (vgl. Davies 1992/ 93; Martins 1994, 2001b, 2006). Auch in meinem Datenkorpus kann ein Klitikon nicht beim Infinitiv stehen. Dies impliziert, wie Martins zu Recht feststellt, dass sowohl der ECM-Infinitiv als auch der faire-Infinitiv im Altportugiesischen eine reduzierte Struktur aufweisen: Regardless of whether the correct structure is a VP or TP [Fn.: Or something in between, such as vP (see Chomsky 1995).], ECM, Control, and Raising verbs selecting infinitival complements would have a more auxiliary-like character in Old Romance than in Modern Romance and, in general, would not support complement structures containing agreement, negation or a position for ‘syntactic’ cliticization. (Martins 2006: 329f) Der flektierte Infinitiv kommt in Komplementposition kausativer Verben im Altportugiesischen nicht vor. 11 Wenige Ausnahmen treten Martins (2004, 2006) zufolge in Zusammenhang mit Koordination auf, vgl. (13): (13) apg. Mandamus peytar àà parte aguardante C maravedis wir-beauftragen zahlen A -die Gegenseite 100 Maravedi e [-] o prazo ficar en sa fortaleza. 12 und [-] der Vertrag bleiben-3. SG . in seiner Kraft ‘Wir ordnen an, der Gegenseite 100 Maravedi zu zahlen und dass der Vertrag bestehen bleibt.’ (1287; zit. nach Martins 2004) Beispiele wie (13) sind allerdings im Altportugiesischen strukturell ambig, weil der flektierte Infinitiv auch in unabhängigen Sätzen auftreten 11 Dies belegen auch die Studien von Wireback (1994) und Rinke (1999). Flektierte Infinitive im Portugiesischen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Distribution von den sogenannten personalen Infinitiven (nicht-flektierten Infinitiven mit Subjekt) in anderen romanischen Sprachen (Torrego 1998). Sie sind bereits in den frühesten altportugiesischen Zeugnissen belegt. Martins (2001b) zufolge zeigt der flektierte Infinitiv noch im Altportugiesischen im Vergleich zum modernen Portugiesisch mehr Gemeinsamkeiten mit finiten Verben als mit Infinitiven. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass sich der flektierte Infinitiv historisch nicht aus einem unflektierten bzw. personalen Infinitiv, sondern aus einer finiten Verbform des Lateinischen, dem lateinischen Imperfekt Konjunktiv, entwickelt hat (vgl. dazu u.a. Rodrigues 1913/ 14, Michaelis de Vasconcelos 1917/ 18, Osborne 1982, Wireback 1994, Rinke 1999, Martins 2001b). Für eine alternative Sicht, vgl. u.a. Otto (1891), Maurer (1968), Vincent (2000). 12 Das Subjekt des Infinitivs (o prazo) weist die 3. Person Singular auf, der flektierte Infinitiv ist hier morphologisch mit einem nicht-flektierten Infinitiv identisch. <?page no="34"?> 22 Esther Rinke kann. Der flektierte Infinitiv o prazo ficar en sa fortaleza in (13) könnte also sowohl eingebettet als auch unabhängig sein. Die Untersuchung der Objektstellung in altportugiesischen Kausativkonstruktionen zeigt, dass im Altportugiesischen wie im modernen Portugiesisch die unmarkierte Position des Objekts rechts vom Infinitiv ist. Für die empirische Auswertung habe ich insgesamt 181 altportugiesische Urkunden aus der zweiten Hälfte des 13. Jh. und der ersten Hälfte des 14. Jh. untersucht. Sie stammen aus den Editionen von Duarte (1986), Maia (1986) und Martins (1994, 2001a), die zum Teil im Corpus Informatizado do Português Medieval der Universidade Nova de Lisboa elektronisch zur Verfügung stehen. Tabelle 14 zeigt, dass in meinem Datenkorpus insgesamt 94 Beispiele für kausative Verben mit transitiven Infinitivkomplementen auftreten, die ein nominales Objekt aufweisen. Es handelt sich dabei um die kausativen Verben fazer ‚machen, lassen’, mandar ‚lassen, beauftragen, befehlen’ und enviar ‚schicken, beauftragen’. (14) Objektstellung in Infinitivkomplementen kausativer Verben im 13./ 14. Jh. Vf-Vi-O Vf-O-Vi O-Vf-Vi O-Vi-Vf Vi-O-Vf Vi-Vf-O Gesamt Σ 62 10 22 0 0 0 94 % 66,0% 10,6% 23,4% 0 0 0 100% In dem von mir untersuchten Korpus treten drei von sechs mathematisch möglichen Abfolgen von finitem Verb (Vf), Infinitiv (Vi) und nominalem Objekt (O) auf. In 66% aller Beispiele steht, wie im modernen Portugiesisch, ein Infinitiv mit VO-Stellung rechts vom finiten Verb wie in (15): (15) apg. E en testemõyo desta coussa madamos ĕde ffaz(er) und im Zeugnis dieser Sache wir-bestimmen also machen duas c(ar)tas partidas p(eer) Abc p(er) mh--o / ? / de P(e)d(ro) zwei Briefe geteilt durch Abc durch Hand von Pedro do(mingu)iz Tabeliõ de Lixbõa. Dominguiz Notar von Lissabon ‘Und als Zeugnis dieser Angelegenheit bestimmen wir also, zwei Urkunden anzufertigen, durch Pedro Dominguiz, den Notar von Lissabon.’ In 23,4% aller Beispiele erscheint das Objekt links von finitem Verb und Infinitiv (O-Vf-Vi-Stellung). Ein Beispiel ist in (16) aufgeführt. <?page no="35"?> OV-VO-Variation im Portugiesischen 23 (16) apg. Eu de suso dito Abade a p(re)sente p(ro)c(ur)açõ de ich unten besagter Abt die vorliegende Vollmacht von meu seelo fiz séélar. meinem Siegel ließ besiegeln ‘Ich, unten genannter Abt, ließ die vorliegende Vollmacht mit meinem Siegel besiegeln.’ Die präverbale Stellung des Objekts in (16) fasse ich als Topikalisierungsstruktur auf. Auch diese Wortstellungsoption tritt im modernen Portugiesisch auf. Eine vom modernen Portugiesisch abweichende Wortstellung findet sich in 10,6% der Beispielsätze. Wie in (17) steht dort das Objekt links vom Infinitiv. (17) apg. E nos Dõna estéuaya p(ri)uresa do mostero da chellas und wir Dona Estevaya Priorin des Klosters von Chelas ĩsenbra conno cõuento mandam(os) duas cartas zusammen mit-dem Konvent beauftragen-1. PL . zwei Briefe facer p(er) abc. machen durch Abc ‘Und wir, Donna Estevaya, Priorin des Klosters von Chelas, gemeinsam mit dem Konvent, beauftragen zwei Briefe zu schreiben.’ Beispiele mit OV-Stellung wie in (17) sind, wie in Abschnitt 2 gezeigt, im modernen Portugiesisch ungrammatisch. Im folgenden Abschnitt soll diskutiert werden, ob es sich bei diesen Sätzen um Relikte der lateinischen OV-Grammatik handelt. Dazu sind zunächst einige Ausführungen zum Lateinischen nötig. Im Anschluss daran werde ich auf die Frage nach der Erklärung der OV-Strukturen im Altportugiesischen zurückkommen. 3.2 Periphrastische Kausativkonstruktionen im Lateinischen Chamberlain (1986) untersucht acht lateinische und vulgärlateinische Texte des 1. bis 11. Jh. und stellt fest, dass kausative Verben in seinem Korpus ab dem 6. Jh. systematisch mit Infinitivkomplementen vorkommen, wobei der Infinitiv typischerweise als sogenannter A.c.I. (accusativus cum infinitivo) auftritt, vgl. (18). (18) lat. Marcus fecit Publium mihi epistulam mittere. M. ließ P. mir Brief schicken ‘M. veranlasste P., mir einen Brief zu schicken.’ (Chamberlain 1986: 25) <?page no="36"?> 24 Esther Rinke Im Hinblick auf die syntaktische Struktur des A.c.I. nimmt Pepicello (1977) eine parallele Analyse zur ECM-Konstruktion an. Er geht also davon aus, dass sich das thematische Subjekt des Infinitivs in der Objektposition des Matrixverbs befindet und dort Akkusativkasus erhält. Pepicellos (1977) Hauptargument ist, dass bei Passivierung des Matrixverbs das thematische Subjekt des Infinitivs in der Subjektposition des Matrixsatzes auftritt. Ihm zufolge zeigt dies, dass es sich vor der Passivierung in der Objektposition des Matrixverbs befunden haben muss, da bei Passivbildung stets das direkte Objekt des Verbs in die Subjektposition angehoben wird. (19) lat. Timuisse se aiebant, ne demigrare befürchtet-haben sich sie-sagten dass-nicht weggehen cogerentur ab Romanis. sie-würden-gezwungen von Römern ‘Sie sagten, sie hätten befürchtet, dass sie von den Römern gezwungen würden zu gehen.’ (Livius, Ab Urbe Condita 38, 28, 8; zit. nach Pepicello 1977: 216) Here the surface subject of the passive verb (cogerentur) is the underlying subject of the verb of the object complement, demigrare. (Pepicello 1977: 217) Bolkestein (1976, 1979) widerspricht der Analyse Pepicellos und argumentiert, dass der Infinitiv und sein thematisches Subjekt im Akkusativkasus eine Konstituente bilden. Sie zeigt u.a., dass die Passivierung des Matrixverbs nicht von der vorherigen Anhebung des Infinitivsubjekts in die Objektposition des Matrixverbs abhängt. Im englischen Beispiel (20a) ist die Passivierung des Matrixverbs say möglich, wobei das Pronomen he die Subjektposition einnimmt. Beispiel (20b) zeigt, dass dieses Pronomen trotzdem nicht als direktes Objekt des Matrixverbs auftreten kann, dass beide Konstruktionen also nicht wie von Pepicello angenommen notwendigerweise voneinander abgeleitet sein müssen. (20) engl. a. He was said to come. er wurde gesagt zu kommen ‘Es hieß, er würde kommen.’ engl. b. *They say him to come. sie sagen ihn zu kommen Die Existenz des A.c.I. schließt zudem nicht automatisch die Möglichkeit der Passivierung mit ein. Verben wie velle ‚wollen’ betten einen A.c.I. ein, bilden aber kein Passiv, wie (21) zeigt: <?page no="37"?> OV-VO-Variation im Portugiesischen 25 (21) lat. a. volo eos venire. ich-will sie- AKK . kommen ‘Ich will, dass sie kommen.’ lat. b. *eos venire vultur. sie- AKK . kommen wird-gewollt- SG . (Bolkestein 1979: 25f) Wieder andere Verben wie constituere ‚entscheiden’ erlauben, dass der A.c.I. insgesamt an der Passivierung beteiligt ist, nicht aber dessen thematisches Subjekt isoliert. Das belegen die Beispiele in (22): (22) lat. a. constitui eos proficisci. ich-habe-entschieden sie- AKK . weggehen ‘Ich habe entschieden, dass sie aufbrechen sollen.’ lat. b. eos proficisci constitutum est. sie- AKK . weggehen entschieden- SG . ist- SG . ‘Es wurde entschieden, dass sie aufbrechen sollen.’ lat. c. *constitui sunt proficisci. entschieden- PL . sie-sind aufzubrechen (Bolkestein 1979: 26) Selbst wenn das Matrixverb passiviert ist, zeigt das thematische Subjekt des Infinitivs Bolkestein (1979) zufolge Akkusativkasus. Pepicellos (1977) Analyse hingegen würde vorhersagen, dass dies nicht möglich ist, da Passivverben keinen Akkusativkasus vergeben können. (23) lat. viros venisse dictum est. die Männer- AKK . gekommen-sein gesagt ist ‘Es wird gesagt, dass die Männer gekommen sind.’ (Bolkestein 1979: 19) Der Unterschied zwischen ECM und A.c.I. wird auch dadurch deutlich, dass der A.c.I. im Passiv stehen kann (24a), während der ECM-Infinitiv nicht passivierbar ist, was hier anhand des portugiesischen Beispiels in (24b) illustriert wird. (24) lat. a. mos est Athenis laudari in contione Sitte ist Athener- DAT . gelobt-werden in Versammlung eos, qui sint in proeliis interfecti. sie- AKK . PL . M . welche seien in Schlachten getötet- PL . ‘In Athen ist es Brauch, diejenigen auf Versammlungen zu loben, die in Schlachten getötet wurden.’ (Cic. or. 44, 151; zit. nach Goldbach 2003) pg. b. *Mandei-os ser lidos. ich-ordnete-an-sie- AKK . sein gelesen <?page no="38"?> 26 Esther Rinke Bolkestein (1976, 1979) geht davon aus, dass der Infinitiv und sein thematisches Subjekt in der A.c.I.-Konstruktion eine Konstituente bilden und der Akkusativkasus innerhalb dieser Konstituente und nicht vom Matrixverb vergeben wird. 13 Basierend auf dieser Argumentation schlägt Goldbach (2003) vor, dass diese Möglichkeit auf die Merkmalsausstattung der entsprechenden funktionalen Kategorie zurückzuführen ist. Da Infinitive im (klassischen) Lateinisch morphologisch für Tempus, Genus Verbi und Modus markiert sind (wie die Tabelle (25) aus Goldbach 2003 zeigt), geht sie davon aus, dass es sich dabei um eine zusammengesetzte Modus/ Tempus-Kategorie handelt. (25) Morphologisches Paradigma des lateinischen Infinitivs aus Goldbach (2003) Active Passive Present amar-e amar-i Past amaviss-e amatum esse Future amaturum esse amatum iri Ich folge Goldbach (2003) in der Annahme, dass der A.c.I. eine funktionale TP-Kategorie beinhaltet, die über eine syntaktische Subjektposition verfügt. Wie bereits eingangs erwähnt ist die unmarkierte Position des Objekts im Lateinischen im Gegensatz zum modernen Portugiesisch links vom Infinitiv wie in (26): (26) lat. gladio eum necare jussit. mit dem Schwert ihn töten hat befohlen ‘Er hat befohlen, ihn mit dem Schwert zu töten.’ (Ademarius, 11. Jh.; zit. nach Chamberlain 1986: 161) Wie im Portugiesischen kann auch im Lateinischen das Objekt in einer linksperipheren Position erscheinen, vgl. (27): (27) lat. Oenogarum facies fervere. Weinsoße du-lässt kochen ‘Bring die Weinsoße zum Kochen.’ (Apicius ‚De Re Coquinaria’ 4. Jh.; zit. nach Chamberlain 1986: 147) Erst ab dem 11. Jh. finden sich in Chamberlains Texten (1986) Belege für die im modernen Portugiesisch unmarkierte VO-Stellung rechts vom Infinitiv wie in (28): 13 Zu einer alternativen Analyse, vgl. Mensching (2000). <?page no="39"?> OV-VO-Variation im Portugiesischen 27 (28) lat. Hac de causa jussit adornare eclesiam. aus diesem Grund hat-befohlen schmücken die Kirche ‘Aus diesem Grund befahl er, die Kirche zu schmücken.’ (Ademarius, 11. Jh.; zit. nach Chamberlain 1986: 161) In den von Silva (2003) untersuchten lateinisch abgefassten Dokumenten aus Portugal (11. bis 12. Jh.) findet sich diese Wortstellung überhaupt nicht im 11. Jh. und tritt nur zu 11,5% im 12. Jh. auf. Statistisch dominant ist in beiden Jahrhunderten OV-Stellung mit finaler Stellung des finiten Verbs. Tabelle (29) illustriert die Wortstellungsoptionen im modernen Portugiesisch, im Altportugiesischen und im Lateinischen im Vergleich. (29) Objektstellung in Infinitivkomplementen kausativer Verben im Lateinischen, Altportugiesischen und modernen Portugiesisch im Vergleich 14 Vf-Vi-O Vf-O-Vi O-Vf-Vi O-Vi-Vf Vi-O-Vf Vi-Vf-O Lat. - 15 - - Apg. - - - Pg. - - (? ) - Ich möchte nun auf die Frage zurückkommen, ob die Beispiele mit OV- Stellung im Altportugiesischen als Relikte der lateinischen Grammatik zu erklären sind. Wenn Objekt-Verb-Stellung eine parametrisierte Option darstellt, impliziert die Annahme einer zugrundeliegenden OV-Grammatik im Hinblick auf den individuellen Sprecher des Altportugiesischen, dass er über zwei einander ausschließende grammatische Optionen verfügen würde. 16 Dies könnte als ein Reflex konkurrierender Grammatiken im Sinne von Kroch (1989) bzw. als Mehrsprachigkeit im Sinne von Roeper (1999) aufgefasst werden. 14 „ “ = attestiert/ grammatisch; „-“ = nicht attestiert/ ungrammatisch. Die unmarkierte Wortstellung des Lateinischen ist O-Vi-Vf, die des Altportugiesischen und des modernen Portugiesisch ist Vf-Vi-O (vgl. dazu auch Rinke 2007). Die Möglichkeit des Stellungsmusters Vi-O-Vf wird von Muttersprachlern sehr unterschiedlich beurteilt und ist vermutlich abhängig vom Typ der Infinitiv-Einbettung. 15 Dies gilt den hier zugrunde gelegten empirischen Studien zufolge mindestens bis zum 11. Jh. 16 Dabei ist es unmaßgeblich, wie genau diese Parametrisierung strukturell erfasst wird, ob z.B. als Direktionalitätsparameter oder als Objektbewegung in eine strukturell höhere Position. <?page no="40"?> 28 Esther Rinke 3.3 Analyse der OV-Stellungsmuster im Altportugiesischen Verschiedene Beobachtungen lassen die Annahme einer zugrundeliegenden lateinischen OV-Grammatik problematisch erscheinen. Erstens ist die unmarkierte (und statistisch dominante) Wortstellung des Lateinischen - nämlich O-Vi-Vf-Wortstellung - im Altportugiesischen überhaupt nicht attestiert. Weiterhin unterscheiden sich die Infinitivkomplemente kausativer Verben im Lateinischen und im Altportugiesischen im Hinblick auf ihre syntaktische Struktur (TP vs. vP). Die Annahme, es handele sich bei den Infinitiven mit OV-Stellung um Relikte einer lateinischen nicht-finiten Einbettungsstruktur, kann deshalb so nicht richtig sein. Ich möchte in Übereinstimmung mit Davies (1992/ 93) argumentieren, dass es sich bei den eingebetteten Infinitiven mit OV-Stellung um eine Passivkonstruktion handelt. Passivkonstruktionen zeichnen sich generell dadurch aus, dass das Verb keine externe θ-Rolle vergibt 17 und seinem thematischen Objekt keinen Akkusativkasus zuweist. Dementsprechend bewegt sich das Objekt zwecks Kasusabgleichung in die strukturelle Subjektposition [Spec, TP]. Eine Passivanalyse der Infinitivkomplemente kausativer Verben sagt erstens voraus, dass zusätzlich zum thematischen Objekt kein thematisches Subjekt als DP innerhalb der Infinitivkonstruktion mit OV-Stellung realisiert ist. Zweitens ist zu erwarten, dass es sich bei der zwischen finitem Verb und Infinitiv auftretenden Nominalphrase stets um das direkte Objekt des Infinitivs handelt. Beide Vorhersagen sind zutreffend. In allen altportugiesischen Beispielsätzen mit OV-Stellung ist stets nur ein verbales Argument des Infinitivs als DP zwischen finitem Verb und Infinitiv realisiert, und zwar das thematische direkte Objekt. Die Möglichkeit des Auftretens eines infinitivischen Passivs ist aus dem Lateinischen ererbt, wo, wie in Abschnitt 3.2 dargestellt, nicht-finite Verben sogar morphologisch als Aktiv oder Passiv gekennzeichnet waren. Allerdings kam es bereits im Spätlateinischen zur Verwendung der aktivisch markierten Form in Kontexten, in denen vorher ein Infinitiv Passiv auftrat. Insbesondere ab dem 6. Jh. findet sich Muller (1912) zufolge 17 Remberger (2006) verweist in Anlehnung an Jaeggli (1986) und Baker, Johnson & Roberts (1989) zu Recht darauf, dass das externe Argument mitverstanden und wieterhin implizit vorhanden ist, da es als PP reaktiviert werden kann. Sie nimmt dementsprechend wie Baker, Johnson & Roberts (1989) an, dass es als leere Kategorie (PRO) in der syntaktischen Struktur repräsentiert ist. Da das externe Argument nicht als Subjekt-DP reaktiviert werden kann, ist es für meine Argumentation nicht relevant, ob und in welcher Weise es als leere Kategorie vorhanden ist. Ich werde deshalb auf diesen Vorschlag nicht weiter eingehen. <?page no="41"?> OV-VO-Variation im Portugiesischen 29 die Variante jubet domum aedificare, die seiner Ansicht nach die passivisch markierte Variante jubet domum aedificari ersetzt. Et si le sens voulait que la signification fût passive même lorsque la forme restait active, rien ne s’y opposait. (Muller 1912: 50) Durch Anfügung des thematischen Subjekts im Dativ kommt es laut Muller (1912) zur Herausbildung des faire-Infinitivs. Norberg (1974) hingegen geht davon aus, dass drei verschiedene Konstruktionen parallel existierten: der Infinitiv Aktiv mit Subjekt iubeo te oculos elidere, der Infinitiv Aktiv ohne realisiertes Subjekt iubeo oculos elidere (insbesondere, wenn es sich um unspezifische Subjekte handelt) und der Infinitiv Passiv iubeo oculos elidi. Er argumentiert dementsprechend gegen Mullers (1912) Darstellung, dass diachronisch ein aktivisch markierter Infinitiv den passivisch markierten Infinitiv ersetzt, zumal in vielen Kontexten schwer entscheidbar ist, ob es sich um einen unpersönlichen Infinitiv Aktiv mit nicht overt realisiertem Subjekt oder um einen Infinitiv Passiv handelt. Konsens ist, dass im 6. Jh. die morphologisch als Passiv markierte Variante wegfällt und in der Folge der morphologisch als aktivisch markierte Infinitiv in Kontexten auftritt, in denen vor dessen Wegfall der passivisch markierte Infinitiv auftreten konnte bzw. musste. Chamberlain (1986) bestätigt diese Beobachtung. Im Text von Fredegarius (7. Jh.) erscheinen 84% der als passivisch interpretierten Infinitive morphologisch als Infinitiv-Aktiv-Form. Im relativ späten Text von Ademarius (11. Jh.) sind von 10 als passivisch zu interpretierenden Infinitiven 7 (70%) morphologisch als Aktiv gekennzeichnet und nur drei tragen die morphologische Passivmarkierung. Der Unterschied zwischen dem Infinitiv Passiv und dem Infinitiv Aktiv besteht darin, dass das thematische Objekt im Passiv die strukturelle Subjektposition [Spec, TP] einnimmt, während es im Aktiv die Objektposition einnimmt. 18 Der semantischen Ambiguität der Beispiele ohne overt realisiertes thematisches Subjekt liegt demnach eine syntaktische Ambiguität zu Grunde, die daraus resultiert, dass prinzipiell zwei verschiedene Strukturbeschreibungen möglich sind. 18 Nur der flektierte Infinitiv und der lateinische Infinitiv, für die aus unabhängigen Gründen eine komplexe syntaktische Struktur angenommen werden muss, lassen ein Passiv zu. Infinitive, die ihrem Subjekt keine syntaktische Subjektposition zur Verfügung stellen (z.B. ECM und faire-Infinitiv), lassen kein Passiv zu. Aus diesem Grund ist die Passivierung des Infinitivkomplementes im Italienischen, Spanischen und Französischen ausgeschlossen. <?page no="42"?> 30 Esther Rinke Es kann also einerseits festgehalten werden, dass transitive Infinitivkomplemente kausativer Verben ohne realisiertes thematisches Subjekt im späten Lateinisch strukturell ambig waren. Zweitens ist eine der möglichen Strukturbeschreibungen (nämlich die des passivischen Infinitivs) mit der VO-Grammatik des Altportugiesischen insofern kompatibel, als das thematische Objekt strukturell gesehen die Subjektposition des nichtfiniten Verbs einnimmt, die sowohl im Lateinischen als auch im Altportugiesischen links vom Infinitiv ist. Es ist also denkbar, dass die Infinitive mit OV-Stellung im Altportugiesischen Reste des passivischen Infinitivs des Spätlateinischen darstellen. Hierfür spricht auch, dass OV-Stellung im Altportugiesischen weitestgehend auf die Infinitivkomplemente kausativer Verben, vor allem auf mandar, beschränkt ist. Für das Spätlateinische sind strukturell ambige Infinitivkonstruktionen insbesondere für Verben des Befehlens wie iubere attestiert, was dem portugiesischen mandar entspricht. Zudem finden sich bis ins Mittelportugiesische (also bis ins 16. Jh.) weder in meinen Daten noch in dem umfangreichen Datenkorpus von Davies (1992/ 93) Belege für periphrastisches Passiv. 3.4 Die diachronische Entwicklung der periphrastischen Kausativkonstruktionen im Portugiesischen Im 16. Jh. treten in meinem Datenkorpus keine Infinitive mit OV-Stellung mehr auf. Alle Infinitivkomplemente kausativer Verben weisen die Wortstellung Vf-Vi-O auf. In denjenigen Kontexten, in denen im 13. Jh. OV- Stellung vorkommt, erscheint stattdessen ein flektierter Infinitiv als periphrastische Form aus Auxiliar und Partizip wie in (30): (30) pg. a. (e) lhe mandou ser feita esta carta, […] und CL . DAT . beauftragte sein gemacht dieser Brief ‘und er/ sie beauftragte ihn, dass dieser Brief angefertigt würde, […]’ (Estremadura, 1532) pg. b. Portamto Eu mandey sser ffeita esta carta, […] also ich beauftragte sein gemacht dieser Brief ‘Also beauftragte ich, dass dieses Schreiben aufgesetzt würde, […]’ (Minho, 1509) Die Beispiele (30a-b) entsprechen der Formulierung mandei esta carta fazer des 13. Jh., die in den Texten des 16. Jh. nicht mehr belegt ist. Das Auftreten des flektierten Infinitivs in Komplementposition kausativer Verben ist eine Innovation des 16. Jh. und wird von Martins (2006) in Zusammenhang gestellt mit der allgemeinen Tendenz zur Herausbildung <?page no="43"?> OV-VO-Variation im Portugiesischen 31 strukturell komplexerer Infinitivkonstruktionen. Wie bereits in Abschnitt 3.1 erwähnt, konnten im Altportugiesischen klitische Pronomen grundsätzlich nicht beim Infinitiv stehen und auch Negation von Infinitivkomplementen war nicht möglich. Im modernen Portugiesisch ist dies nicht mehr der Fall. Insbesondere der flektierte Infinitiv und der ECM-Infinitiv erlauben im modernen Portugiesisch beides. Martins (2006) argumentiert, dass die Herausbildung komplexerer Infinitiv-Einbettungen auf die Existenz einer Reihe strukturell ambiger Konstruktionen im Altportugiesischen zurückzuführen ist. Dazu gehören einerseits die bereits erwähnten flektierten Infinitive in Koordinationsstrukturen, vgl. (13), hier wiederholt als (31): (31) apg. Mandamus peytar àà parte aguardante C maravedis wir-beauftragen zahlen A -die Gegenseite 100 Maravedi e [-] o prazo ficar en sa fortaleza. und [-] der Vertrag bleiben-3. SG . in seiner Kraft ‘Wir ordnen an, der Gegenseite 100 Maravedi zu zahlen und dass der Vertrag bestehen bleibt.’ (1287; zit. nach Martins 2004) Gleichzeitig können im 13. Jh. flektierte Infinitive wie in (32) in unabhängigen Sätzen mit imperativischer Bedeutung vorkommen. (32) apg. e meas debitas de pane tornarense en milio. und meine Schulden an Korn verwandeln-3. PL .-sich in Mais ‘Und meine Schulden an Korn werden in Mais beglichen.’ (12. Jh.; zit. nach Martins 2004) Außerdem können in Koordinationsstrukturen ausnahmsweise auch Klitika beim Infinitiv stehen, wie (33) zeigt: (33) apg. E nos devemos de põer a meyatade da semete e und wir sollen zu legen die Hälfte des Samens und dar-uos mays hũu sesteyro de pam meyado. geben-euch- AKK . mehr ein Maß von Korn gemischt ‘Und wir sollen euch mit der Hälfte des nötigen Samens versorgen und euch auch ein Maß des gemischten Korns geben.’ (Dokument von 1381; zit. nach Martins 2006: 341) Wenn die Analyse des OV-Infinitivs des 13. Jh. als Passivkonstruktionen richtig ist, dann könnte er einen weiteren Faktor darstellen, der die Herausbildung strukturell komplexerer Infinitivkonstruktionen begünstigt hat. Zwar handelt es sich nicht um eine produktive Infinitiv-Einbettung <?page no="44"?> 32 Esther Rinke des Altportugiesischen, sondern um ein Relikt des Lateinischen, 19 dennoch könnte er ebenso wie die Koordinationsstrukturen mit flektierten Infinitiven und die an einen Infinitiv gebundenen Klitika in Koordinationen als Beleg für die Existenz einer eingebetteten TP-Struktur interpretiert werden. 4 Zusammenfassung Infinitivkomplemente kausativer Verben im Altportugiesischen des 13. Jh. unterscheiden sich in zweierlei Hinsicht vom modernen Portugiesisch: Erstens findet sich OV-Stellung, wie sie im modernen Portugiesisch nicht mehr grammatisch ist. Zweitens ist der flektierte Infinitiv in Komplementposition kausativer Verben im Altportugiesischen nicht belegt. Im modernen Portugiesisch hingegen können kausative Verben drei verschiedene Typen von Infinitiven einbetten: den flektierten Infinitiv, den ECM-Infinitiv und den sogenannten faire-Infinitiv. Da sich das Portugiesische wie alle romanischen Sprachen aus dem Lateinischen entwickelt hat, könnte vermutet werden, dass Infinitivkonstruktionen mit OV-Stellung die lateinische Wortstellung widerspiegeln. Ich habe argumentiert, dass diese Infinitivkomplemente als Passivkonstruktionen zu analysieren sind, wobei die zwischen finitem Verb und Infinitiv stehende Nominalphrase aus syntaktischer Sicht die Subjektposition des Infinitivs einnimmt. Ich habe argumentiert, dass dieser passivische Infinitiv aus dem Lateinischen überliefert ist. Trotzdem ist er mit der VO-Satzstruktur des Altportugiesischen uneingeschränkt vereinbar, da sich die syntaktische Subjektposition sowohl im Lateinischen als auch im Portugiesischen links vom Verb befindet. In der diachronischen Entwicklung des Portugiesischen ergibt sich ein interessanter Zusammenhang zwischen dieser Passivkonstruktion und der Herausbildung des flektierten Infinitivs. Der passivische Infinitiv könnte dazu beigetragen haben, dass sich der flektierte Infinitiv - und andere strukturell komplexere Infinitivkomplemente - im 16. Jh. herausbilden. Andererseits hat die Ausbildung des flektierten Infinitivs in der Komplementposition von Kausativverben möglicherweise dazu beigetra- 19 Damit ist gemeint, dass diese archaische lateinische Konstruktion zwar im Altportugiesischen auftreten kann und vorkommt, weil sie mit der Grammatik des Altportugiesischen prinzipiell kompatibel ist, dass sie sich aber - wie gezeigt - strukturell von typischen nicht-finiten Einbettungen im Altportugiesischen unterscheidet. <?page no="45"?> OV-VO-Variation im Portugiesischen 33 gen, dass Infinitive mit OV-Stellung bereits im 16. Jh. nicht mehr auftreten, da Passiv durch einen flektierten Infinitiv ausgedrückt werden kann. 5 Literatur 5.1 Quellen Duarte, Luís F. (1986): Os Documentos em Português da Chancelaria de D. Afonso III., (Edition). Diss., Universidade de Lisboa. In: Corpus Informatizado do Português Medieval, Universidade Nova de Lisboa: Centro de Linguística. Maia, Clarinda de Azevedo (1986): História do Galego-Português. Coimbra: INIC. Martins, Ana Maria (1994): Cliticos na História do Português. Diss., Universidade de Lisboa. - (2001a): Documentos Portugueses do Noroeste e da Regi-o de Lisboa: Da Produç-o Primitiva ao Século XVI. Lisboa: Imprensa Nacional-Casa da Moeda. 5.2 Wissenschaftliche Literatur Arrais, Telmo Correia (1985): “As construções causativas em Português.” In: Alfa 29, 41-58. Baker, Mark C., Kyle Johnson & Ian Roberts (1989): “Passive arguments raised.” In: Linguistic Inquiry 20, 219-251. Bolkestein, A. 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Vincent, Nigel (2000): “Competition and correspondence in syntactic change: Null arguments in Latin and Romance.” In: Susan Pintzuk, George Tsoulas & Anthony Warner (Hgg.): Diachronic Syntax: Modells and Mechanisms. Oxford: OUP, 25-50. Wireback, Kenneth J. (1994): “The origin of the Portuguese inflected infinitive.” In: Hispania 77, 544-554. Zubizarreta, Maria Luisa (1985): “The relation between morphophonology and morphosyntax: The case of the Romance causatives.” In: Linguistic Inquiry 16, 247-289. <?page no="49"?> Eva-Maria Remberger Restrukturierung: Ein minimalistischer Analysevorschlag anhand des Italienischen und (Alt)Französischen Abstract In this paper, restructuring phenomena will be described and analysed in a minimalist framework. This will be done mainly with the help of Italian and Old and Modern French data. It is assumed that non-restructured expressions are clearly biclausal, whereas restructured expressions are monoclausal. However, this monoclausality can vary in structure, depending on the state of the involved (restructuring) verbs in the language system. In Italian, restructuring is an optional mechanism, whereas in Old French it was obligatory. In Modern French, in contrast, restructuring is not possible any more (although some remainders in literary language may be found), which means that some kind of diachronic “destructuring” (cf. Benucci 1990) has taken place. A phase-based account (cf. Chomsky 2001, 2008) offers an elegant solution to the analysis of the monoclausality vs. biclausality concerning restructuring phenomena. 1 Einführung: Restrukturierung Restrukturierung ist bekanntermaßen ein Phänomen, das aus einer offenbar zweiteiligen Derivation mit einem Matrixsatz und einem eingebetteten Satz eine, wenn auch komplexe, doch monoklausale Struktur zu schaffen scheint. Im Falle der italienischen Modalverben, auf die Restrukturierung zutrifft, heißt das, dass diese in zwei verschiedenen syntaktischen Strukturen erscheinen können: (1) it. Gianna ha voluto andarci. G. haben-3. SG . wollen- PART . gehen- INF .- LOK . CL . (2) it. Gianna ci è voluta andare. G. LOK . CL . sein-3. SG . wollen- PART . SG . F . gehen- INF . ’G. hat dorthin gehen wollen.’ Im Gegensatz zu einer nicht-restrukturierten Konstruktion wie in (1) ist eine restrukturierte Konstruktion wie in (2) am Phänomen der Klitikanhebung in den Matrixsatz (Clitic Climbing) erkennbar sowie an der Hilfsverbselektion, die nun nicht mehr durch das Modalverb, sondern durch <?page no="50"?> 38 Eva-Maria Remberger den eingebetteten Infinitiv bestimmt ist. 1 Diese sind nur ein Teil einer ganzen Reihe von Phänomenen, die zu dem Schluss kommen lassen, dass in restrukturiertem Kontext Monoklausalität, in nicht-restrukturiertem Kontext Biklausalität vorliegt. Was nun das Französische betrifft, weist dieses in der Diachronie eine Entwicklung auf, in der die synchrone Phänomenologie des Italienischen wiederzufinden ist: (3) afr. tuit cil qui i voldront venir alle die welche LOK . CL . wollen-3. PL . kommen- INF . ’alle, die dorthin kommen wollen’ (Chrétien de Troyes, Lancelot: 4108f) (4) fr. Jean veut y aller. J. wollen-3. SG . LOK . CL . gehen- INF . ’J. will dort hingehen.’ (5) afr. Quant a si povre creature [...] Vous estes da zu so armem Geschöpf Ihr sein-2. PL . volue apparoir. wollen- PART . SG . F . erscheinen- INF . (Mir. I.: 458ff) (6) fr. Puisque vous avez voulu apparaître [...]. da Ihr haben-2. PL . wollen- PART . erscheinen- INF . ’Da Ihr vor so einem armen Geschöpf [wie ich es bin, oh reine Königin] habt erscheinen wollen.’ (Mir. I., Übers.: 458ff) Im altfranzösischen Beispiel (3) steht das Klitikon im Matrixsatz, im Gegensatz zum Beispiel (4) aus dem modernen Französisch, wo es im Infinitivsatz verbleiben muss. Parallel dazu richtet sich im Altfranzösischen die Hilfsverbselektion nach dem eingebetteten Infinitiv, vgl. (5), während im modernen Französisch, wie in (6), das Modalverb die Hilfsverbselektion bestimmt. Benucci (1990) hat diese Entwicklung mit dem Terminus „Destrukturierung“ bezeichnet, da im Altfranzösischen die sogenannten „restrukturierten“ Fälle die Regel darstellten, während die nicht-restrukturierten Konstruktionen eine Neuerung des Neufranzösischen sind. 2 Die diachrone Entwicklung geht also nicht vom nicht-restrukturierten Fall (im 1 Im Zusammenhang mit der Hilfsverbselektion von essere ‚sein’ kommt es zudem zur Partizipialkongruenz. 2 Im Folgenden wird nur das Altfranzösische (bis ca. Ende des 13. Jhs. - abgekürzt mit afr.) und das Neufranzösische (ab dem 17. Jh. - abgekürzt mit fr.) betrachtet. Auf die diachrone Entwicklung vom Altfranzösischen über das Mittelfranzösische zum Neufranzösischen müsste in einer detaillierten textorientierten Betrachtung gesondert eingegangen werden. <?page no="51"?> Restrukturierung: Eine minimalistische Analyse 39 Folgenden [-r]) zum restrukturierten (im Folgenden [+r]), sondern umgekehrt. Der v.a. in der Germanistik gebrauchte Begriff der „Kohärenz“ (zum Begriff, vgl. Bech 1955) wird auf ein der Restrukturierung vergleichbares Phänomen angewandt, das in den folgenden deutschen Beispielen (7) und (8) dargestellt ist: (7) dt. ... weil Hans versuchte, ihn zu lesen. [Extraposition] (8) dt. ... weil ihn Hans zu lesen versuchte. [Scrambling] Kohärenzfeld In (7) erkennt man an der Extrapositionsmöglichkeit, dass es sich hier um eine biklausale Struktur handeln muss, während in (8) Scrambling, d.h. die Permutation von Konstituenten, möglich ist, was auf eine monoklausale Struktur verweist. Auch hier spricht man also wieder von Biklausalität der inkohärent konstruierten Derivation und von Monoklausalität bzw. einem (vereinigten) Kohärenzfeld bei der kohärent konstruierten Derivation. 3 Dieser Beitrag möchte Restrukturierungsphänomene anhand von italienischen und (alt)französischen Daten darstellen und im Rahmen der Generativen Grammatik interpretieren. In Abschnitt 2 soll nun die Synchronie der italienischen Restrukturierung, in Abschnitt 3 die Diachronie der französischen Destrukturierung genauer beschrieben werden. Abschnitt 4 möchte sowohl für Restrukturierung als auch Destrukturierung entsprechende Analysevorschläge unterbreiten. Diese sind im Rahmen des Minimalistischen Programms (MP, vgl. Chomsky 1995ff) angesiedelt und berufen sich insbesondere auf die Annahme, dass eine Derivation in mehreren, zu unterschiedlichen Momenten an PF und LF übergebenen Phasen abläuft (vgl. Chomsky 2001, 2008). 2 Italienisch synchron Im Folgenden werden die Eigenschaften restrukturierter und nicht-restrukturierter Kontexte des Italienischen genauer untersucht. Neben der 3 Die Forschungsliteratur zu Restrukturierung bzw. Kohärenz ist ein weites Feld. Neben den im weiteren Verlauf dieses Artikels noch zu nennenden Arbeiten bieten besonders Wurmbrand (2001: 5-15, Kapitel 1.2) und Cinque (2004: Fn. 1) einen guten Forschungsüberblick, wobei sie jeweils auch die verschiedenen in der Literatur diskutierten Analyseansätze im Überblick darstellen. <?page no="52"?> 40 Eva-Maria Remberger bereits angesprochenen Klitikanhebung und der Hilfsverbselektion sollen die bereits von v.a. Rizzi (1982) und Burzio (1986) eingeführten Restrukturierungstests der langen DP-Anhebung, der Spaltsatzbildung, der Wh- Bewegung sowie der Möglichkeit der Ellipse dargestellt werden (vgl. 2.1). Weitere, besonders die propositionale Domäne, d.h. die Zugehörigkeit zu einer monoklausalen vs. biklausalen Struktur, betreffende Phänomene können durch Adverbpositionierung, Tempusbelegungen und Satznegation sichtbar gemacht werden (vgl. 2.2). 2.1 Restrukturierungstests Wie in (2) bereits gezeigt, ist in restrukturiertem Kontext die Hilfsverbselektion nicht vom Matrixverb (d.h. dem restrukturierenden Verb) bestimmt, vgl. das ungrammatische Beispiel in (9), und Klitikanhebung aus dem eingebetteten Satz möglich. Letzeres ist nicht obligatorisch, vgl. (10); das getrennte Auftreten von Klitika (Clitic Split) ist allerdings nicht erlaubt, vgl. (11) mit (12): (9) it. *Gianna ci ha voluto andare. [+r] G. LOK . CL . haben-3. SG . wollen- PART . gehen- INF . (10) it. Gianna è voluta andarci. [+r] G. sein-3. SG . wollen- PART . SG . F . gehen- INF .- LOK . CL . ’G. hat dort hingehen wollen.’ (11) it. *Gianna gli vuole darle [le mele]. G. ihm- CL . wollen-3. SG . geben- INF .-sie- CL . die Äpfel (12) it. Gianna gliele vuole dare [le mele]. [+r] G. ihm- CL .-sie- CL . wollen-3. SG . geben- INF . die Äpfel ’G. will sie ihm geben [die Äpfel].’ Klitika bewegen sich also optional in [+r]-Kontexten, und wenn sie es tun, dann immer in Clustern. Ebenso kann es nur in [+r]-Kontexten zu langer DP-Anhebung, d.h. der Anhebung des Objekts des eingebetteten Satzes zum Subjekt des Matrixsatzes, in passivisch-medialen Konstruktionen kommen, vgl. die folgenden Beispiele (zit. nach Rizzi 1982: 18, GGIC 1991, II: 515, 195a): (13) it. Si vorrebbe vendergli queste UNPERS . CL . wollen- KOND .3. SG . verkaufen- INF .-ihm- CL . diese case a buon prezzo. [-r] Häuser zu gutem Preis <?page no="53"?> Restrukturierung: Eine minimalistische Analyse 41 (14) it. *[Queste case] i si vorrebbero diese Häuser UNPERS . CL . wollen- KOND .3. PL . vendergli t i a buon prezzo. [-r] verkaufen- INF .-ihm- CL . zu gutem Preis (15) it. [Queste case] i gli si vorrebbero diese Häuser ihm- CL . UNPERS . CL . wollen- KOND .3. PL . vendere t i a buon prezzo. [+r] verkaufen- INF . zu gutem Preis ’Man will ihm diese Häuser zu einem guten Preis verkaufen.’ Die DP-Anhebung ist also parallel zur Klitikanhebung nur in einem [+r]- Kontext möglich, in dem offensichtlich Matrix- und eingebetteter Satz zu einer gemeinsamen Domäne für solche Bewegungen zusammengeschlossen worden sind. Folgende Konstruktionen gelten dagegen nur für [-r]-Kontexte und sind in [+r]-Kontexten ungrammatisch: (16) it. È proprio tornarci che voglio. [-r] ist wirklich zurückkehren- INF .- LOK . CL . dass wollen-1. SG . (17) it. *È proprio tornare che ci voglio. [+r] ist wirklich zurückkehren- INF . dass LOK . CL . wollen-1. SG . ’Zurückkehren ist das, was ich wirklich will.’ (18) it. La casa paterna, tornare alla quale das Haus väterliche zurückkehren- INF . zu-dem welchen Maria avrebbe voluto [...]. [-r] M. haben- KOND .3. SG . wollen- PART . (Rizzi 1982: 20) (19) it. *La casa paterna, tornare alla quale das Haus väterliche zurückkehren- INF . zu-dem welchen Maria sarebbe voluta [...]. [+r] M. sein- KOND .3. SG . wollen- PART . SG . F . ’Das Vaterhaus, zu dem M. hätte zurückkehren wollen [...].’ (Rizzi 1982: 20) (20) it. Gianni poteva andare a casa ma non ha G. konnte gehen- INF . nach Hause aber NEG . haben-3. SG . voluto __. 4 [-r] wollen- PART . (Cinque 2004: 136) 4 Der Unterstrich kennzeichnet eine Ellipse. <?page no="54"?> 42 Eva-Maria Remberger (21) it. *Gianni poteva andare a casa ma non è G. konnte gehen- INF . nach Hause aber NEG . sein-3. SG . voluto __. [+r] wollen- PART . ’G. konnte nach Hause gehen, aber er hat nicht wollen.’ (Cinque 2004: 136) Bei den Beispielen in (16) bis (21) handelt es sich jeweils um Konstruktionen, bei denen die VP aus verschiedenen Gründen (Spaltsatzbildung in (16) und (17), Bildung eines Relativsatzes in (18) und (19)) nach links versetzt wurde. Dies ist aber nur möglich, wenn die VP nicht wie in (19), wo die Hilfsverbselektion vom eingebetteten Satz bestimmt ist, mit der Domäne des Matrixsatzes verbunden worden ist. Ähnliches gilt für Ellipsen: Elidiert werden kann, wie (20) vs. (21) zeigt, nur ein nicht-restrukturierter eingebetteter Satz. 5 2.2 Die propositionale Domäne Die unter 2.1 aufgeführten Tests weisen alle auf die bereits in der Einführung festgestellte Tatsache hin, dass es sich bei [+r]-Kontexten um monoklausale Konstruktionen, d.h. um einfache propositionale Domänen handelt. Unter einer propositionalen Domäne soll hier eine wahrheitswertfähige Äußerung verstanden werden, die sich unter anderem durch die folgenden Eigenschaften auszeichnet: Zum einen ist eine propositionale Domäne dadurch gekennzeichnet, dass sie nur eine T-Projektion beinhalten kann. Daher können Adverbien, die auf die Referenzzeit einer Äußerung hinweisen, eine propositionale Domäne nur einmal modifizieren, vgl. die folgenden Beispiele (vgl. auch Blücher 1973: 16f): (22) it. Ieri ancora dovevo incontrarlo oggi. [-r] gestern noch müssen- IMPF .1. SG . treffen- INF .-ihn- CL . heute (23) it. ? *Ieri ancora lo dovevo incontrare oggi. [+r] gestern noch ihn- CL . müssen- IMPF .1. SG . treffen- INF . heute ’Gestern sollte ich ihn noch heute treffen.’ 5 Auch das von Rizzi (1982) beschriebene Right-Node-Raising ist nur möglich, wenn die rechtsversetzte Konstituente noch intakt ist: Sowohl die vom Matrixverb bestimmte Hilfsverbselektion als auch die Klitikanhebung zerstören den Kontext, der diese Rechtsversetzung möglich machen würde. Auf Beispiele dafür sowie auf weitere Beispiele wird hier aus Platzgründen verzichtet, da die Sekundärliteratur hierzu bereits sehr viel Material bietet. <?page no="55"?> Restrukturierung: Eine minimalistische Analyse 43 Zwei explizite Referenzzeiten sind in restrukturiertem Kontext (hier in (23) wieder erkennbar an der Klitikanhebung) ungrammatisch. Ebenso kann eine T-Projektion, da sie nur ein Mal vorhanden ist, in einem [+r]- Kontext auch nur einmal durch ein Hilfsverb besetzt sein, vgl. (24), während ein [-r]-Kontext zwei Hilfsverben zulässt, vgl. (25): (24) it. *Mario lo avrebbe dovuto aver già M. es- CL . haben- KOND .3. SG . müssen- PART . haben- INF . schon finito. [+r] beendet (modifiziert nach GGIC 1991, II: 518) (25) it. Mario avrebbe dovuto averlo già M. haben- KOND .3. SG . müssen- PART . haben- INF .-es- CL . schon finito. [-r] beendet ’Mario hätte es schon beendet haben müssen.’ (GGIC 1991, II: 518) Zum anderen kann eine wahrheitswertfähige Äußerung auch nur einmal verneint werden. Daher kann in [+r]-Kontexten auch nur eine Satznegation auftreten, d.h. nur der Matrixsatz, nicht aber der eingebettete Satz kann verneint werden, vgl. (26) mit (27) (zit. nach Cardinaletti & Shlonsky 2004: 527): 6 (26) it. Vorrei non dover mai farlo. [-r] wollen- KOND .1. SG . NEG . müssen- INF . je machen- INF .-es- CL . (27) it. *Lo vorrei non dover mai fare. [+r] es- CL . wollen- KOND .1. SG . NEG . müssen- INF . je machen- INF . ’Ich möchte das nie machen müssen.’ All diese Phänomene weisen darauf hin, dass es sich bei restrukturierten Konstruktionen um monoklausale Strukturen mit einem Kohärenzfeld handelt. Generativ gesprochen, kann es sich nur mehr um eine durch eine CP-Phase abgeschlossene TP-Projektion handeln (und nicht zwei). 7 Im Folgenden soll nun die diachrone Situation des Französischen betrachtet werden. 6 Hier wird aus Gründen der Abgrenzung zur lexikalischen Negation die zweigliedrige, aber eindeutige Satznegation non ... mai verwendet (vgl. Cardinaletti & Shlonsky 2004). 7 ”The inability of TP to be moved or to appear in isolation without C gives further reason to suspect that TP only has phase-like characteristics when selected by C, hence derivatively from C” (Chomsky 2008: 144). <?page no="56"?> 44 Eva-Maria Remberger 3 Französisch diachron Wie bereits in der Einleitung gezeigt, finden sich auch im Altfranzösischen, im Gegensatz zum modernen Französisch, Restrukturierungsphänomene. Darüber hinaus war im Altfranzösischen, im Gegensatz zum Italienischen, wo diese mehr oder weniger optional 8 ist, Restrukturierung obligatorisch. 9 Zum eingebetteten Infinitiv gehörende klitische Pronomen müssen immer im Matrixsatz, also präverbal vor dem finiten Verb stehen, vgl. (28): (28) afr. por che veer ne le vos weil weil verbieten- INF . NEG . CL . es- CL . Euch- CL . wollen-1. SG . ’weil ich es Euch nicht verbieten will’ (Chrétien de Troyes, Perceval: 2112) Dass der Infinitiv in (28) vor dem finiten Verb erscheint, ist nicht, wie etwa in den entsprechenden Beispielen (16) und (18) im Italienischen, auf eine aus verschiedenen Gründen vollzogene Voranstellung zurückzuführen, sondern beruht auf dem älteren Typ der altfranzösischen Wortstellung, die noch Verbendstellung aufweisen kann, vgl. auch das folgende Beispiel (29): 10 (29) afr. pensar non poz, pensar no’ l vols denken- INF . NEG . können-2. SG . denken- INF . NEG . es- CL . wollen-2. SG . ’du kannst nicht denken, du willst es nicht denken’ (Passion Clermont 55; zit. nach Benucci 1990: 6) 8 Im Italienischen scheint es eine Tendenz zu nicht-restrukturierten Konstruktionen zu geben, die stilistisch als höherwertig empfunden werden. Zudem ist Restrukturierung auch diatopisch in Italien in unterschiedlich ausgeprägtem Rahmen akzeptiert (vgl. Benucci 1990: 107f). 9 « Quand un pronom personnel est complément direct ou indirect d’un infinitif qui est lui-même régime d’un autre verbe, l’usage constant en ancien français est de placer le pronom non pas devant l’infinitif, mais devant le verbe qui le régit. » - „Wenn ein Personalpronomen direktes oder indirektes Objekt eines Infinitivs ist, der selbst von einem anderen Verb regiert wird, ist es im Altfranzösischen immer so, dass das Pronomen nicht vor den Infinitiv, sondern vor das regierende Verb gestellt wird” (Foulet 1968: 135, Übers.: E.R.). 10 Zur Diachronie der verschiedenen französischen Wortstellungsmuster, vgl. v.a. Marchello-Nizia (1995); zur altfranzösischen Wortstellung, vgl. Pearce (1990), Vance (1997), Buridant (2000: 741ff) sowie Kaiser (2002); für eine Analyse von Wortstellungsphänomenen im Altitalienischen, vgl. Poletto (in diesem Band), zur Entwicklung vom Lateinischen zum (Alt)Portugiesischen, vgl. Rinke (in diesem Band). <?page no="57"?> Restrukturierung: Eine minimalistische Analyse 45 Der gängigere Typ des Altfranzösischen zeigt Verbzweitstellung (XVS - SVX) in Haupt- und Nebensatz (wobei in Relativsätzen auch noch Verbendstellung zu finden ist): (30) afr. Je la voudrai marier bien. ich sie- CL . wollen- FUT .1. SG . heiraten- INF . gern ’Ich werde sie gerne heiraten wollen.’ (Le vair palefroi, 324 ; zit. nach Foulet 1968: 135) (31) afr. Or cha l’ anel! jel weil avoir. nun hier den Ring ich-ihn- CL . wollen-1. SG . haben- INF . ’Nun gib den Ring her! Ich will ihn haben.’ (Chrétien de Troyes, Perceval: 715) In den Fällen des Altfranzösischen, in denen es doch so aussieht, als ob das Klitikon vor dem Infinitiv und nicht vor dem finiten Matrixverb steht, handelt es sich um einen Effekt des sogenannten Tobler-Mussafia-Gesetzes 11 (dieser Effekt ist im 13. Jh. bereits im Verschwinden begriffen), das keine schwachtonigen Elemente in satzinitialer Stellung erlaubt. In den folgenden Beispielen muss man daher von einer Bewegung des Matrixverbes in satzinitiale Stellung ausgehen, die vermeidet, dass das am Matrixverb stehende Klitikon in der unerlaubten Position steht: 12 11 Vgl. dazu u.a. Hirschbühler & Labelle (2000, 2005), Fischer (2005). 12 « Dans les deux ou trois exemples du type ‹ voudroies le faire? ›, le pronom se rattache étroitement au verbe précédent: il n’est en réalité pas devant l’infinitif. Ce qui prouve, c’est que, si on exprime le sujet, la phrase deviendra ‹ voudroies le tu faire? › » - „In den zwei oder drei Fällen des Typs ‚voudroies le faire? ’ lehnt sich das Pronomen direkt an das vorangehende Verb an: Es steht nicht wirklich vor dem Infinitiv. Das zeigt sich daran, dass der Satz zu ‚voudroies le tu faire? ’ wird, wenn man versucht, das Subjekt auszudrücken” (Foulet 1968: 142f, Übers.: E.R.). Nach Benucci (1990: 75) könnte die Neuinterpretation der Konstellation „V+Cl Inf” nach dem Tobler-Mussafia-Gesetz als „V Cl+Inf” in folgenden Schritten zustande kommen (anhand einer Koordinationsstruktur demonstriert): (i) a. Cl V1 Inf et Inf b. V1 Cl - Inf et Inf c. V1 Cl Inf et Inf d. V1 Cl Inf et Cl Inf Im Zusammenhang mit der Veränderung der Wortstellung ergeben sich daher diachron die folgenden Stufen (vgl. Benucci 1990: 9): (ii) 1. Stufe 2. Stufe 3. Stufe Inf Cl V > Cl V Inf/ V Cl (X) Inf > V (X) Cl Inf +SOV -SOV -SOV il aller se en vuleit => il se en vuleit aller / => il voulait s’en aller vuleit se en aller <?page no="58"?> 46 Eva-Maria Remberger (32) afr. Voldrent la veintre li Deo inimi voldrent wollen-3. PL . sie- CL . besiegen- INF . dem Gott Feind wollen-3. PL . la faire diavle servir. sie- CL . machen- INF . Teufel dienen- INF . ’Die Feinde Gottes wollten sie besiegen und sie dem Teufel dienen lassen.’ (Eulalia-Sequenz, 3f; zit. nach Voretzsch 1932: 8) Auch die Hilfsverbselektion richtet sich im Altfranzösischen immer nach dem eingebetteten Verb im Infinitiv; so finden wir in (33) das Hilfsverb HABEN (wegen sofrir ‚leiden’) und in (34) das Hilfsverb SEIN (wegen aller ‚gehen’): (33) afr. Et jurt que s’ il eüst volu / und schwor dass wenn er haben- KONJ 2.3. SG . wollen- PART . sofrir que par autre fust prise / leiden- INF . dass durch anderen sein- KONJ 2.3. SG . genommen sa rose [...]. seine Rose ’Und er schwor, dass wenn er es hätte leiden wollen, dass seine Rose durch einen anderen gepflückt würde [...].’ (Roman de la Rose, V, 13112f; zit. nach Gougenheim 1929: 260) (34) afr. s’ il s’ en fust voulu wenn er REFL . CL . PART . CL . sein- KONJ 2.3. SG . wollen- PART . aller ceste nuict gehen- INF . diese Nacht ’wenn er diese Nacht hätte weggehen wollen’ (Ph. de Commynes, Mémoires 160; zit. nach Benucci 1990: Tabelle o. S.) In der Entwicklung zum modernen Französisch hat sich die Monoklausalität der Strukturen des Altfranzösischen offensichtlich aufgelöst, sodass nur mehr die nicht-restrukturierten Konstruktionen grammatisch sind. Clitic Climbing ist nicht mehr möglich, auch nicht optional, vgl. (35) mit (36), die Hilfsverbselektion ist immer durch das Matrixverb bestimmt, vgl. (37) mit (38) (hier HABEN wegen vouloir ‚wollen’): (35) fr. Je ne veux pas vous le dire. ich NEG . CL . wollen-1. SG . NEG . Euch- CL . es- CL . sagen- INF . (36) fr. *Je ne vous le veux pas dire. ich NEG . CL . Euch- CL . es- CL . wollen-1. SG . NEG . sagen- INF . ’Ich will es Ihnen nicht sagen.’ (37) fr. J’ ai voulu aller à Paris. ich haben-1. SG . wollen- PART . gehen- INF . nach Paris <?page no="59"?> Restrukturierung: Eine minimalistische Analyse 47 (38) fr. *Je suis voulu aller à Paris. ich sein-1. SG . wollen- PART . gehen- INF . nach Paris ’Ich habe nach Paris gehen wollen.’ Auch alle anderen unter 2.1 für das Italienische genannten Restrukturierungstests sind nicht mehr möglich (vgl. auch Benucci 1990: Tabelle o.S.). Was die propositionale Domäne der entsprechenden französischen Konstruktionen angeht, kann man feststellen, dass es sich offensichtlich um zwei Domänen, also eine biklausale Struktur handelt. Matrix- und eingebetteter Satz können zwei verschiedene Referenzzeiten aufweisen, vgl. (39), wo vendredi ‚Freitag’ im eingebetteten Satz auf eine andere Referenzzeit als das Ereignis Paul veut ‚Paul will’ des Matrixsatzes verweist; darüber hinaus können auch zwei T-Positionen durch ein Hilfsverb besetzt sein, vgl. (40): (39) fr. Paul veut avoir fini ce travail vendredi. P. wollen-3. SG . haben- INF . beendet diese Arbeit Freitag ’P. will diese Arbeit am Freitag beendet haben.’ (Jones 1996: 165) (40) fr. Combien j’ aurais voulu l’ avoir wieviel ich haben- KOND .3. SG . wollen- PART . es- CL . haben- INF . fait! gemacht ’Wie sehr hätte ich das gemacht haben wollen! ’ Zwischen dem Altfranzösischen und dem modernen Französisch muss es also eine Phase des Übergangs gegeben haben. Auch wenn hier nun keine weitreichende Untersuchung angestellt werden kann, sollen die folgenden Beispiele des Französischen des 17. Jhs. zumindest als Hinweis darauf dienen, dass es eine dem synchronen Zustand des Italienischen vergleichbare Phase gegeben haben muss. 13 Im Französisch des Tartuffe von Molière verhält es sich meist wie im modernen Französisch. Dennoch finden sich auch Beispiele, die klar Clitic Climbing, also ein Restrukturierungsphänomen aufweisen, vgl. (41) bis (43): 13 Vgl. auch Haase (1888: 265f): „Folgt einem Verbum finit. ein Infinitiv ohne Präp., so fasste die ältere Sprache beide als einen Ausdruck und stellte das Pron. vor das Verb. finit., und diese Stellung ist noch im 17. J. allgemein, wie auch die heutige Volkssprache dieselbe liebt, während die Schriftsprache dieselbe bis auf wenige verba und gewisse Fälle aufgegeben hat”. <?page no="60"?> 48 Eva-Maria Remberger (41) fr. Me veut mortifier en cette occasion. mich- CL . wollen-3. SG . tief-treffen- INF . bei dieser Gelegenheit ’Er will mich bei dieser Gelegenheit tief treffen.’ (Molière, Tartuffe: 1079f) (42) fr. celui que pour époux on me veut présenter der der als Bräutigam man mir- CL . wollen-3. SG . vorstellen- INF . ’der, den man mir als Bräutigam vorstellen will’ (Molière, Tartuffe: 707f) (43) fr. Vous les voulez traiter d’ un semblable ihr sie- CL . wollen-2. PL . behandeln- INF . mit einer solchen langage. Sprache ’Ihr wollt sie mit einer solchen Sprache behandeln.’ (Molière, Tartuffe: 333f) Weitere Restrukturierungsphänomene können in diesem Text Molières nicht gefunden werden, allerdings an anderer Stelle. 14 Sowohl in (44) als in (45) ist die Hilfsverbselektion vom eingebetteten Infinitiv bestimmt: (44) fr. Tâchons [...] de nous contenter du seul fruit versuchen-1. PL . von uns zufriedengeben mit-der einzigen Frucht amoureux qui m’ en est pu rester. Liebesdie mir- CL . davon- CL . sein-3. SG . können- PART . bleiben ’Lasst uns versuchen [...], uns mit der einzigen Frucht der Liebe zufriedenzugeben, die mir (davon) hat bleiben können.’ (Molière; zit. nach Haase 1888: 108) (45) fr. Jamais M. C. ne s’ en est voulu nie M. C. NEG . sich- REFL . CL . davon- CL . sein-3. SG . wollen- PART . servir. bedienen ’Niemals hat sich M. C. dessen bedienen wollen.’ (Vaugelas; zit. nach Haase 1888: 108) An diesem Punkt soll nun das Folgende festgehalten werden: 15 Während es im Italienischen einen synchronen Zustand der Optionalität zwischen [+r]- und [-r]-Kontext zu geben scheint, ist eine solche Optionalität weder im Altfranzösischen noch im modernen Französisch gegeben. Im Altfranzösischen war Restrukturierung obligatorisch, im modernen Französisch ist sie dagegen unmöglich. Diese Entwicklung hat schon im Mittelfranzö- 14 Für weitere Beispiele der Klitikvoranstellung, vgl. Haase (1888: 266f). 15 Umfassendere Untersuchungen in diesem Bereich, die hier nicht geleistet werden können, wären vonnöten. <?page no="61"?> Restrukturierung: Eine minimalistische Analyse 49 sischen eingesetzt (vgl. dazu Martineau 1991 mit Beispielen aus den Cent Nouvelles Nouvelles) und scheint im modernen Französisch insofern abgeschlossen, als nur mehr biklausale (nicht-restrukturierte) Strukturen mit zwei propositionalen Domänen erlaubt sind, vgl. oben (35)-(40). Allerdings gibt es noch Reste des alten Gebrauchs, wie auch Grevisse bemerkt: La langue littéraire moderne n’a pas abandonné ce tour; il se trouve notamment avec pouvoir, aller, vouloir, devoir, falloir, venir, savoir, oser, croire, penser, etc. [...]. La langue populaire a conservé ce tour dans le midi de la France, en Lorraine et dans la Wallonie liégeoise [...]. A l’époque classique, quand le verbe principal était à un temps composé, la transposition du pronom réfléchi était admise (l’auxiliaire avoir était alors remplacé par être). 16 (Grevisse 1975: 469f) Belege dafür sind die literarischen Beispiele (46)-(48) (hier mit Angabe der Lebensdaten für die zeitliche Einordnung), wobei Beispiel (46) auch die vom eingebetteten reflexiven Verb bestimmte Hilfsverbselektion aufweist: (46) fr. L’ Allemagne s’ est voulu venger. das Deutschland sich- CL . sein-3. SG . wollen- PART . rächen- INF . ’Deutschland hat sich rächen wollen.’ (Chateaubriand, 1768-1848; zit. nach Grevisse 1975: 470) (47) fr. Je vous veux contenter. ich Euch- CL . wollen-1. SG . zufriedenstellen- INF . ’Ich will Sie zufrieden stellen.’ (G. Sand, 1804-1876; zit. nach Grevisse 1975: 470) 16 „Die moderne Literatursprache hat diese Wendung nicht aufgegeben; sie findet sich bekanntermaßen mit pouvoir ‚können’, aller ‚gehen’, vouloir ‚wollen’, devoir ‚müssen’, falloir ‚nötig sein’, venir ‚kommen’, savoir ‚wissen’, oser ‚wagen’, croire ‚glauben’, penser ‚denken’, etc. [...]. Die Volkssprache hat diese Wendung im Süden Frankreichs bewahrt, in Lothringen und im Wallonien Lüttichs [...]. In der klassischen Epoche war, wenn das Hauptverb in einer zusammengesetzten Zeit stand, auch die Umstellung des Reflexivpronomens erlaubt (das Hilfsverb avoir ‚haben’ wurde dann durch être ‚sein’ ersetzt)” (Übers.: E.R.). Vgl. dazu auch Grevisse (1993: 1012): « Au XVII e s. encore, Vaugelas écrivait [...]: ‹ Je ne le veux pas faire, sera meilleur que je ne veux pas le faire, parce qu’il est incomparablement plus usité. › Cela n’est plus vrai au XIX e et au XX e s., même chez les écrivains qui pratiquent volontiers le tour ancien. » „Im XVII. Jahrhundert schrieb Vaugelas noch: ‚Je ne le veux pas faire ist wohl besser als je ne veux pas le faire, da es in unvergleichbarem Maße gebräuchlicher ist.’ Das ist nicht mehr so im XIX. und im XX. Jahrhundert, selbst bei den Schriftstellern, die gerne altertümliche Schreibweisen benutzen” (Übers.: E.R.). <?page no="62"?> 50 Eva-Maria Remberger (48) fr. On les peut vaincre. man sie- CL . können-3. SG . besiegen- INF . ’Man kann sie besiegen.’ (Maupassant, 1850-1893; zit. nach Grevisse 1975: 470) Im folgenden Abschnitt sollen nun Restrukturierung und Destrukturierung minimalistisch interpretiert werden. 4 Restrukturierung vs. Destrukturierung Wie man in folgenden italienischen Beispielen sieht, kann der eingebettete Satz in Modalverbkonstruktionen als direktes Objekt interpretiert werden, denn er ist ebenso wie in einer echt transitiven Konstruktion, vgl. (49) und (50), durch ein direktes Objektpronomen wieder aufnehmbar, vgl. (51) und (52): 17 (49) it. Vorrei [un piatto di pasta]. wollen- KOND .1. SG . einen Teller von Nudeln ’Ich möchte einen Teller Nudeln.’ (50) it. [Lo] vorrei davvero. ihn- CL . wollen- KOND .1. SG . wirklich ’Ich möchte ihn wirklich.’ (51) it. Vorrei [sposarla]. wollen- KOND .1. SG . heiraten- INF .-sie- CL . ’Ich möchte sie heiraten.’ (52) it. [Lo] vorrei davvero. es- CL . wollen- KOND .1. SG . wirklich ’Ich möchte es wirklich.’ Als Objektposition stehen seit Larson (1988) und seiner Interpretation der englischen Doppelobjektkonstruktionen zwei Positionen innerhalb der VP-Shell, bzw. einer minimalistischen kleinen vP, d.h. dem die Argumentstruktur einer Prädikation bestimmenden verbalen Syntagma, zur Verfügung (vgl. auch Larson 1990, Chomsky 1995): Einmal die „neue“ Position 17 Sabel (2002: 148) zeigt, dass im Deutschen „ausschließlich Infinitive ‚kohärent’ konstruiert werden können, die die Position der Akkusativ-NP (bzw. die Position des direkten Objekts) einnehmen. Kontrollinfinitive in anderen strukturellen Positionen sind zwangsläufig ‚inkohärent’” (vgl. auch Sabel 1996). Diese Interpretation eingebetteter Infinitive ist auch für den folgenden Analysevorschlag von Restrukturierungsphänomenen essentiell. <?page no="63"?> Restrukturierung: Eine minimalistische Analyse 51 im Spezifikator der Verbalphrase, vgl. (53), und einmal die übliche Position in der VP-Komplementposition, vgl. (54): (53) engl. Mary sent Peter a book. M. schickte P. einBuch v° V° V° DP V' Spec Peter VP v° v' Spec vP a book sent Mary (54) Mary sent a book to Peter. M. schickte ein Buch zu P. v° V° sent PP V° V' Spec a book VP v° v' Spec Mary vP to Peter Parallel dazu kann also auch im Italienischen das Objekt in einer transitiven Konstruktion in der VP-Komplementposition oder aber im Spezifikator von VP stehen, vgl. die beiden Abbildungen in (55): (55) it. Vorrei un piatto di pasta. (vgl. 49) a. v° V° DP 'Objekt' V° V' Spec VP v° v' Spec 'Subjekt' vP b. v° V° XP V° V' Spec 'Objekt' VP v° v' Spec 'Subjekt' vP Ich möchte nun folgendermaßen argumentieren: In nicht-restrukturierten Konstruktionen befindet sich der eingebettete Objektsatz, sozusagen als „schwere“ (Heavy) CP- oder TP-Konstituente, in der üblichen VP-Komplement-Position. In restrukturiertem Kontext dagegen steht der Objektsinfinitiv im Spezifikator der Verbalphrase: Er kann hier auf keinen Fall eine <?page no="64"?> 52 Eva-Maria Remberger „schwere“ Konstituente, also auf keinen Fall eine CP, sondern höchstens eine TP oder eine noch „leichtere“ Konstituente darstellen: 18 (56) it. Voglio tornare a casa. wollen-1. SG . zurückkehren- INF . zu Haus ’Ich will nach Hause zurückkehren.’ a. b. CP/ TP V' Spec VP v° v' Spec 'Subjekt' vP tornare a casa V° XP V° V' TP VP v° v' Spec 'Subjekt' vP tornare a casa Minimalistisch (d.h. nach dem Phasen-Modell des MP) gesprochen: In nicht-restrukturiertem Kontext liegen vier Phasen, also vier abgeschlossene syntaktische Derivationen vor, die jeweils von der Syntax an die Phonologie übergeben werden (hier im Strukturaufbau sozusagen von unten rechts gesehen): die eingebettete vP, 19 die eingebettete (hier) CP, die Matrix-vP und die Matrix-CP. In restrukturiertem Kontext dagegen liegen nur noch drei Phasen vor: die eingebettete vP, die Matrix-vP und die Matrix-CP. Genau dadurch wird die Argumentstruktur des eingebetteten Infinitivs über den Randbereich (Edge) der eingebetteten vP für den Matrixsatz (die Matrix-vP) zugänglich. Die folgende Tabelle stellt diese Verhältnisse nochmals im Überblick dar: 18 Zu einer genaueren Darstellung der Ableitung und den verschiedenen Möglichkeiten der Verbbewegung, die hier nicht detailliert dargestellt werden kann, vgl. Remberger (2006: 191ff). 19 Entgegen der Meinung von Chomsky (2001, 2008) wird hier aufgrund der romanischen Datenlage angenommen, dass eine unakkusativische vP sehr wohl eine eigene Phase darstellt. <?page no="65"?> Restrukturierung: Eine minimalistische Analyse 53 (57) Phasen in [+r]vs. [-r]-Kontexten a. Nicht-restrukturierter Kontext b. Restrukturierter Kontext it. G. ha voluto andarci. (vgl. 1) it. G. ci è voluta andare. (vgl. 2) 1. Phase: eingebettete vP unakkusativisch 2. Phase: eingebettete CP infinit 3. Phase: Matrix-vP transitiv 4. Phase: Matrix-CP finit 1. Phase: eingebettete vP unakkusativisch 2. Phase: Matrix-vP restrukturiert 3. Phase: Matrix-CP finit = 4 Phasen = 3 Phasen Und wie sieht es nun im modernen Französisch aus? Das moderne Französisch zeigt - bis auf die von Grevisse erwähnten Fälle - keine Restrukturierung. Also befindet sich der Infinitivsatz immer (als schwere Konstituente) in der VP-Komplementposition, vgl. die folgende Graphik: (58) fr. Jean veut y aller. (vgl. 4) CP/ TP V' Spec VP v° v' Spec 'Subjekt' vP y aller V° veut v° Das moderne Französisch entspricht hier also der Darstellung für das Italienische mit vier Phasen in (57a). Im Altfranzösischen nun liegt, im Gegensatz zur Optionalität im Italienischen, immer obligatorisch Restrukturierung vor. Dies muss sich auch strukturell in der Ableitung niederschlagen. Ich nehme hier an, dass der Status eines Modalverbs im Altfranzösischen nicht der eines Vollverbs, sondern der eines in (klein) v° in die Derivation eingesetzten Hilfsverbs war. Diese Analyse beruht v.a. darauf, dass die altfranzösischen Modalverben zwar als semiauxiliar zu bezeichnen sind, dennoch aber selbst noch in zusammengesetzten Zeiten (vgl. etwa Beispiel 33) auftreten konnten. Durch die Annahme der Einsetzung des Modalverbs als v° ergibt sich für Modalverb und Infinitivverb eine gemeinsame komplexe Argumentstruktur: <?page no="66"?> 54 Eva-Maria Remberger (59) afr. [...] je la voudrai marier bien. (vgl. 30) XP V° V' VP v° v' Spec je vP v° v° bien v° v° la (Aux) voudrai D° V° V° marier Spec In obligatorisch monoklausalen Strukturen liegt also nur mehr eine Derivation mit zwei Phasen vor: die Phase der komplexen vP, die Hilfsverb und Vollverb umfasst, und die der Matrix-CP, vgl. (60): (60) Phasen in obligatorischem [+r]-Kontext Obligatorisch restrukturierter Kontext afr. [...] je la voudrai marier bien. 1. Phase: komplexe vP 2. Phase: Matrix-CP finit = 2 Phasen 5 Weitere Daten Wie gezeigt, macht Restrukturierung aus einer biklausalen Struktur eine Struktur mit nur einem Kohärenzfeld, d.h. eine monoklausale Struktur mit nur einer propositionalen Domäne; ein Restrukturierungsverb ist daher offensichtlich auf dem Weg der Entwicklung zu einem Hilfsverb. Man kann also in diesem Zusammenhang von Grammatikalisierung sprechen, d.h. einem diachronen Wandel eines lexikalischen Elements zu einem funktionalen Element, so wie die Entwicklung eines Vollverbs zum Hilfsverb (z.B. von lat. HABERE zur reinen Flexionsendung des Futurs, aus CANTARE HABET > canterà bzw. chantera). Wie das Altfranzösische funktioniert übrigens hinsichtlich der Modalverbkonstruktionen auch das Sardische: Die Restrukturierung ist obligatorisch, wie in den Beispielen (61)-(66) gezeigt, das modale Hilfsverb kann aber weiterhin auch in zusammengesetzten Zeiten auftauchen, vgl. besonders (62): (61) srd. Frantziscu devet áere fraicatu sa domo. F. müssen-3. SG . haben- INF . bauen- PART . das Haus ’F. muss das Haus gebaut haben.’ (Jones 1993: 145) <?page no="67"?> Restrukturierung: Eine minimalistische Analyse 55 (62) srd. Frantziscu at dévitu fraicare sa domo. F. haben-3. SG . müssen- PART . bauen- INF . das Haus ’F. hat das Haus bauen müssen.’ (Jones 1993: 145) (63) srd. Juanne lu keret / devet / potet fákere. J. es- CL . wollen / müssen / können-3. SG . machen- INF . ’J. hat es machen wollen/ müssen/ können.’ (Jones 1993: 142) (64) srd. *Juanne keret / devet / potet lu fákere. J. wollen / müssen / können-3. SG . es- CL . machen- INF . ’J. will/ muss/ kann es machen.’ (Jones 1993: 142) (65) srd. Appo cherfidu preguntare a babbu. haben-1. SG . wollen- PART . fragen- INF . an Papa ’Ich habe Papa fragen wollen.’ (Sa-Limba 1999-2006) (66) srd. No si sunt cherfidos frimmare. NEG . REFL . CL . sein-3. PL . wollen- PART . PL . M . anhalten- INF . ’Sie haben nicht bleiben wollen.’ (Sa-Limba 1999-2006) Dies spricht dafür, dass es sich auch hier um ein unter v eingesetztes Hilfsverb handelt, vgl. die Darstellung des Altfranzösischen in (59). 20 Im Englischen dagegen können Modalverben nicht in zusammengesetzten Zeiten und auch nie rekursiv erscheinen, vgl. (67) vs. (68) und (69): (67) engl. John may have seen his friends. J. können-3. SG . haben- INF . sehen- PART . seine Freunde (68) engl. *John has mayed see his friends. J. haben-3. SG . können- PART . sehen- INF . seine Freunde (69) engl. *John may can see his friends. J. können-3. SG . können- INF . sehen- INF . seine Freunde Dies spricht dafür, dass es sich um ein erst unter T in die Derivation eingesetztes Hilfsverb handelt (vgl. Roberts 1993). Typische Restrukturierungsverben wie Modalverben sind also sprachübergreifend für den Hilfsverbstatus prädestiniert. Sie scheinen sich in einer Entwicklungsstufe von Vollverben zu funktionalen Verben zu befinden, d.h. ein ehemaliges Vollverb klettert langsam im Strukturbaum die funktionalen Kategorien V-v-T entlang „nach oben“ (vgl. Roberts & Roussou 2003 sowie Remberger 2006: 291ff). Nun haben wir allerdings gesagt: Destrukturierung macht diachron aus einer Struktur mit einem Kohärenzfeld eine biklausale Struktur; das heißt jedoch, dass das involvierte Matrixverb da- 20 Für eine parallele Darstellung anhand sardischer Daten und eine detaillierte Analyse für die angenommenen Strukturen, vgl. Remberger (2006: 265ff). <?page no="68"?> 56 Eva-Maria Remberger durch „vollverbhafter“ wird. Mehr noch, was bisher verschwiegen wurde: Die im Französischen zu beobachtende Entwicklung gilt als Tendenz und auch von ihrer Direktionalität her für alle romanischen Sprachen in der Diachronie (vgl. z.B. Wanner 1987: 290ff, Benucci 1990: 101ff). Handelt es sich also in Wirklichkeit bei dem ganzen Restrukturierungskomplex nicht um Grammatikalisierungsphänomene, sondern um eine entgegengesetzte Entwicklung, eine Entwicklung, die mit einem eher umstrittenen Begriff bezeichnet werden könnte, nämlich dem der Degrammatikalisierung? Im Rahmen der Grammatikalisierungsforschung könnte diese Frage im Zusammenhang mit der Entstehung von Hilfsverben gerade auch unter Berücksichtigung der Diachronie von Restrukturierungsphänomenen weitere Klärungen erfahren. 6 Zusammenfassung Der vorliegende Beitrag hat Restrukturierungsphänomene für die italienische Synchronie beschrieben und die diachrone Entwicklung für das Französische skizziert. Für nicht-restrukturierte Kontexte wurde dabei angenommen, dass es sich um biklausale Strukturen handelt, die mit Hilfe des Chomskyschen Phasenansatzes als Derivationen beschrieben werden können, die je zwei eigenständige Phrasen (vP-CP) beinhalten. Für optionale Restrukturierung, wie sie im Italienischen vorliegt, wurde angenommen, dass es sich um eine bereits monoklausale Derivation handelt, die nur drei Phasen (vP-vP-CP) beinhaltet. Obligatorische Restrukturierung, dagegen, wie sie im Altfranzösischen oder aber auch im hier nur kurz angesprochenen Sardischen vorliegt, ist ebenfalls auf eine monoklausale Derivation zurückzuführen, die allerdings nur aus zwei Phasen (vP-CP) besteht, wobei hier Hilfsverbselektion und Restrukturierungsverben beide innerhalb der vP anzusiedeln sind. Was das Englische betrifft, in dem dieselben Verben, die im Romanischen höchstens als semiauxiliar bezeichnet werden können, bereits einen klaren Hilfsverbstatus erreicht haben, liegt ebenfalls eine monoklausale Struktur vor, wobei diese Verben nicht unter v, sondern erst unter T in die Derivation gelangen. <?page no="69"?> Restrukturierung: Eine minimalistische Analyse 57 7 Literatur Quellen Chrétien de Troyes, Perceval = Chrétien de Troyes: Le roman de Perceval ou le Conte du Graal. Afrz./ Dt.; übers. und hg. von Felicitas Olef-Krafft. Stuttgart: Reclam, 1991. Chrétien de Troyes, Lancelot = Der Karrenritter (Lancelot) und das Wilhelmsleben (Guillaume d’Angleterre) von Christian Troyes, hg. von Wendelin Foerster. Amsterdam: Edition RODOPI, 1965. Molière, Tartuffe = Molière: Tartuffe ou L’imposteur. Dt.-Frz. Übertragung in deutsche Prosa von Hartmut Stenzel. München: Goldmann, 1983. Mir. 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Berlin: De Gruyter. <?page no="73"?> Tonjes Veenstra Syntax pur: Expletiva im Papiamentu 1 Abstract The cross-linguistic investigation of expletives has been pivotal in recent research because they have been argued to be manifestations of pure syntax. We discuss expletive constructions in Papiamentu and focus on the following issues: (i) the (non)-existence of expletive pro; (ii) the correlation between pro-drop and the lack of subject expletives. From a minimalist perspective, the fundamental question is how the existence of an entity without phonological and interpretable grammatical features, like expletive pro, can be justified. We show that Papiamentu does exhibit an expletive pro. The effects it has on the interface systems involve a low position for the subject and a definiteness effect on the associate. Although the classical Null-Subject language profile does not stand up under a typological examination, the correlation between pro-drop and the lack of subject expletives seems to hold without any exception. We also show that in an Agr-free version of the minimalist program the syntax of expletive constructions in Papiamentu provides strong evidence against this absolute and “well-established” correlation. Only by treating pronouns as independent Agr-heads licensing null subjects, can one save this correlation. This calls for the (re-)integration of Agr-heads into the general minimalist framework as well as an extended and reorganized typology of Null-Subject languages. 1 Einleitung 2 Wie Chomsky in einer Reihe jüngerer Publikationen feststellt (2000, 2001, 2004), ist die sprachvergleichende Untersuchung von Expletiva in der neueren Forschung ein zentraler Aspekt, da diese in gewisser Hinsicht Manifestationen „reiner Syntax” (pure syntax) darstellen, die - praktisch ohne semantischen Gehalt - allein dem Zweck dienen, Kasus- und EPP- Bedingungen zu erfüllen. Das Ziel des vorliegenden Beitrags besteht we- 1 Teile dieses Beitrags wurden in den vergangenen Jahren verschiedentlich zuvor präsentiert, z.B. auf den Tagungen CALL Leiden, GGS Köln, ZAS Berlin, SFB 471 Konstanz, SPCL Atlanta. Dem Publikum der betreffenden Vorträge sowie natürlich den TeilnehmerInnen des Romanistentags in Saarbrücken sei für die konstruktive Kritik gedankt. Viel verdankt dieser Beitrag den Arbeiten von Silvia Kouwenberg und Pieter Muysken, die einige der hier angesprochenen Bereiche betreffen. Die Verantwortung liegt jedoch allein beim Autor des Artikels. 2 Der folgende Beitrag wurde von den Herausgebern aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt. <?page no="74"?> 62 Tonjes Veenstra der in einer ausgeglichenen Übersicht über die verschiedenen in der Literatur bisher vorgeschlagenen Analysen von Expletivkonstruktionen (vgl. z.B. López 2007, Mohr 2005) noch in der Entwicklung einer neuen Analyse und/ oder der Aufstellung neuer Inventare verschiedener Typen von Expletiva (vgl. z.B. diesbezüglich Richards & Biberauer 2005). Stattdessen sollen hier Expletivkonstruktionen in romanisch-basierten Kreolsprachen im Vordergrund stehen: Das Ziel ist es, herauszufinden, was wir aus diesen Sprachen über solche in der Literatur angeführten typologischen Korrelate erfahren können, die rein syntaktischer Natur sind. Hierbei werden zwei Themenbereiche behandelt: 1. die (Nicht-)Existenz von expletivem pro (Alexiadou & Anagnostopoulou 1998); 2. die Korrelation zwischen pro-drop und dem Fehlen von Subjektexpletiva (van der Auwera 1984, Gilligan 1987). 3 Expletives pro kann aus konzeptueller Sicht als problematisch gelten, weil eine Enumeration nur Material enthalten sollte, das entweder im artikulatorisch-perzeptiven System (PF-Schnittstelle) oder im konzeptuellintentionalen System (LF-Schnittstelle) einen Effekt hervorruft. Expletives pro kann jedoch an der PF-Schnittstelle keinen Effekt verursachen, da es keinen phonetischen/ phonologischen Gehalt hat. Da es üblicherweise als „Füllelement” charakterisiert wird, ist ein Effekt an der LF-Schnittstelle 3 Eine weitere typologische Generalisierung, die hier aus Platzgründen nicht vollständig besprochen werden kann, wurde von Alexiadou & Anagnostopoulou (2001, 2006) formuliert. Sie betrifft die Position von Argumenten zum Zeitpunkt des Spell- Out und insbesondere die Prinzipien, die sprachübergreifend für das Herausbewegen von Argumenten aus der VP verantwortlich sind. Der empirische Bereich, den die Autorinnen behandeln, besteht in solchen Konstruktionen, in denen die Bewegung des Subjekts nicht aus EPP-Gründen erforderlich ist - hierzu gehören auch Expletivkonstruktionen. In den betreffenden Umgebungen muss eines der Argumente die VP verlassen. Der Argumentation der Autorinnen zufolge ist dieses Herausbewegen von Argumenten mit der Kasustheorie verbunden. Daten aus dem Papiamentu lassen Zweifel aufkommen, ob die Vermutung, dass diese Generalisierung eine Erklärung im Rahmen der Kasustheorie findet, wirklich zutrifft. In der Theorie von Alexiadou & Anagnostopoulou ist es essentiell, dass sich DPen und PPen unterschiedlich verhalten, weil nur erstere bezüglich des Kasus von dem v-V-Komplex abhängen. Im Papiamentu hingegen zeigen DPen und PPen mit Argumentstatus keine unterschiedlichen Muster. In beiden Fällen ist die Subjekt-in-situ-Option ausgeschlossen. Dies kann als ein starkes Argument gegen die kasustheoretische Lösung gelten. Darüber hinaus gibt es aber sehr wohl Unterschiede zwischen dem Verhalten von Argument-PPen und dem von Adjunkt-PPen. Nur in letzterem Falle kann das Subjekt in situ verbleiben. Dies zeigt, dass die Unterscheidung von Argumenten und Adjunkten ein wichtiger Faktor in der Analyse von Expletivkonstruktionen im Papiamentu ist. <?page no="75"?> Expletiva im Papiamentu 63 ebenfalls ausgeschlossen. Aus minimalistischer Sicht ist daher die Frage grundlegend, wie sich die Existenz eines Elements ohne phonologische oder interpretierbare Merkmale, wie es das expletive pro darstellt, rechtfertigen lässt (vgl. die Diskussion in Manzini & Savoia 1997, Alexiadou & Anagnostopoulou 1998, Svenonius 2003). In dem vorliegenden Beitrag werden wir Evidenz aus dem Papiamentu beibringen, die eindeutig zeigt, dass diese Sprache ein expletives pro aufweist (vgl. auch Kihm 1994 über das Kriyol und Baptista 2002 über das Kapverdische). Zu den Effekten, die dieses Element an den Schnittstellen-Systemen zeigt, gehört in den genannten Sprachen (die ansonsten für ihre fixe Wortstellung bekannt sind) eine strukturell tiefgelegene Position des Subjekts und ein Definitheitseffekt an dem Bezugselement (Associate). Wenn wir uns nun den „Profilen“ und der Typologie von Nullsubjektsprachen zuwenden, so ist aus der typologischen Literatur (z.B. Gilligan 1987) bekannt, dass das klassische Profil einer Nullsubjektsprache im Sinne von Rizzi (1982) einer typologischen Untersuchung nicht standhält. Ein Vergleich verschiedener romanisch-basierter Kreolsprachen kann dies nur noch weiter unterstützen. Hingegen zeigen, wie Haider (2001) und Kaiser (2004) anmerken, sowohl van der Auwera (1984) als auch Gilligan (1987), dass nur das Korrelat zwischen pro-drop und dem Fehlen von Subjektexpletiva ohne jegliche Ausnahme aufrechterhalten werden kann. Genauer gesagt wurde dahingehend argumentiert, dass das Korrelat bidirektional ist, in dem Sinne, dass es zwischen der Nullsubjekteigenschaft und dem Fehlen von overten Expletiva besteht sowie zwischen der Nicht- Nullsubjekteigenschaft und dem obligatorischen Gebrauch lexikalischer Expletiva. Kaiser (2004) bemerkt zwar, dass dieses Korrelat aufgrund von Daten aus germanischen und romanischen Sprachen in Frage gestellt worden sei, ein näherer Blick auf die relevanten Daten zeige aber, dass man aus diesen keinen ernsthaften Einwand gegen die Gültigkeit des Korrelats ableiten könne. In dem vorliegenden Artikel soll nun dahingehend argumentiert werden, dass sich in der Syntax von Expletivkonstruktionen im Papiamentu in einer „Agr-losen“ Version des Minimalistischen Programms (vgl. hierzu Chomsky 1995, Alexiadou & Anagnostopoulou 1998, etc.) sehr wohl starke Evidenz gegen dieses absolute und „wohletablierte” Korrelat finden lässt. Hingegen kann dieses Korrelat - so unsere These - aufrechterhalten werden, wenn man Agr als funktionale Kategorie akzeptiert und bestimmte Pronomen als unabhängige Agr-Köpfe, die Nullsubjekte lizensieren, betrachtet (vgl. Veenstra 1994 für das Saramakkische). Dies aber impliziert wiederum, dass es eine <?page no="76"?> 64 Tonjes Veenstra erweiterte und gründlich reorganisierte Typologie von Nullsubjektsprachen zu entwickeln gilt. Der Beitrag ist wie folgt gegliedert: In Abschnitt 2 werden Konstruktionen eingeführt, in denen das Subjekt recht weit unten in der Baumstruktur situiert ist. Es wird gezeigt, dass in diesen Konstruktionen eine Expletivum-Associate-Konfiguration eine Rolle spielt. Hierbei werden weitere Kontexte, in denen Nullsubjekte lizensiert werden können, identifiziert und es erfolgt eine Diskussion der Beziehung zwischen Nullsubjekten und Expletiva sowie der verschiedenen Möglichkeiten für die Analyse von Agreement. Der letzte Abschnitt schließt mit einigen allgemeinen Schlussbemerkungen. 2 Expletiva und Nullsubjekte Abschnitt 2.1 geht zunächst auf Expletivkonstruktionen im Papiamentu ein. In Abschnitt 2.2 identifizieren wir weitere Kontexte, in denen Nullsubjekte lizensiert werden können. Abschnitt 2.3 beschäftigt sich mit dem typologischen Profil von Nullsubjektsprachen. Insbesondere wird hier die Korrelation zwischen Nullsubjekteigenschaften und der (Nicht-)Verfügbarkeit von overten Expletiva besprochen. 2.1 Expletivkonstruktionen im Papiamentu Eine bekannte Eigenschaft von Kreolsprachen im Allgemeinen ist ihre feste Wortstellung. Diese Eigenschaft wird in den Arbeiten von Bickerton (1981, 1988) in der Tat als eine der „Kreol-Universalien” gesehen. Die Grundwortstellung ist wie folgt: (1) SUB . NEG . T . M . ASP . V . OBJ . Allerdings lassen sich in den romanisch-basierten Kreolsprachen auch hiervon variierende Anordnungen bezüglich des Subjekts und des Verbs finden. Im Folgenden wird das Papiamentu im Vordergrund stehen, jedoch findet man ähnliche Muster auch im Haitianischen (Lumsden 1993), Kapverdischen (Baptista 2002) und im Kriyol (Kihm 1994), vgl. die folgenden Beispiele: (2) a. Riba e isla aki un million hende ta biba. S V LOK . DET . Insel hier DET . Million Leute ASP . leben ‘Auf dieser Insel leben eine Million Leute.’ <?page no="77"?> Expletiva im Papiamentu 65 b. Riba e isla aki ta biba un million hende. V S LOK . DET . Insel hier ASP . leben DET . Million Leute ‘Auf dieser Insel leben eine Million Leute.’ In (2a) liegt die kanonische SV-Anordnung mit einem vorangestellten Lokativausdruck vor. Von Interesse ist die invertierte Anordnung in (2b), in der das Subjekt auf das Verb folgt. Unter der Annahme der Hypothese des VP-internen Subjekts (Koopman & Sportiche 1991) erscheint das Subjekt in (2b) nicht in der abgeleiteten Position [Spec, TP], sondern verbleibt in einer unteren Position, vermutlich in seiner Basisposition [Spec, vP]. Sollte dies wirklich zutreffen, so stellt sich die Frage, wodurch die obere Subjektposition besetzt ist (oder, alternativ, wodurch das EPP-Merkmal von T überprüft wird). Es gibt im Prinzip drei Konstruktionstypen, in denen das Subjekt in einer tiefen Position in der Satzstruktur vorkommt: 1. Die Lokativinversion (vgl. Levin & Rappaport 1995); 2. die Subjektinversion im Romanischen (vgl. Hulk & Pollock 2001); 3. die Existenzkonstruktion (vgl. Milsark 1974), vgl. (3): (3) engl. a. Down the hill rolled a baby-carriage. Lokativinversion sp. b. Leyó ayer Juan el libro. Subjektinversion las gestern J. DET . Buch ‘J. hat das Buch gestern gelesen.’ engl. c. There was a woman in the closet. Existenzkonstruktion Im Hinblick auf das EPP-Checking unterscheiden sich diese drei Konstruktionen. Während im Falle der Lokativinversion der Lokativ das EPP- Merkmal von T überprüft, wird es in der Existenzkonstruktion durch ein Expletivum gecheckt. In der Subjektinversion-Konfiguration gibt es zwei Möglichkeiten: Nach der traditionellen Sicht von Rizzi (1982) werden die EPP-Anforderungen von T durch ein Expletivum erfüllt. Hingegen ist in dem Ansatz von Alexiadou & Anagnostopoulou (1998) das Verb, das overt nach T bewegt wird, für den EPP-Abgleich verantwortlich. Bei oberflächlicher Betrachtung ließen sich Beispiele wie (2b) als Fälle von Lokativinversion behandeln, wobei die Lokativ-PP riba e isla aki ‚auf dieser Insel’ das EPP-Merkmal von T überprüft. Jedoch muss die PP in der Inversionsstruktur nicht in satzinitialer Position erscheinen, vgl. (4): (4) Ta biba un million hende riba e isla aki. V S LOK ASP . leben DET . Million Leute LOK . DET . Insel hier ‘Auf dieser Insel leben eine Million Leute.’ <?page no="78"?> 66 Tonjes Veenstra In (4) kann demnach nicht die Lokativ-PP für die Erfüllung der EPP-Anforderung von T verantwortlich sein, 4 wobei der Satz aber dennoch grammatisch ist. Es kommen also nur die anderen beiden Erklärungsmöglichkeiten in Frage, nämlich V-nach-T-Bewegung oder das Einsetzen eines Expletivums. Im Allgemeinen ist V-Bewegung in Kreolsprachen zumindest nur sehr beschränkt möglich. Für viele Kreolsprachen, z.B. die Kreolsprachen von Surinam, wird in der Forschung angenommen, dass sie überhaupt keine V-Bewegung aufweisen (Veenstra 1996). Temporale und aspektuelle Eigenschaften von Sätzen werden durch in der I-Domäne basisgenerierte TMA-Elemente angezeigt (Muysken 1981, DeGraff 1992, Veenstra 1996). Auch für TMA-Elemente im Papiamentu wurde jüngst von Kouwenberg & Lefebvre (2005) angenommen, dass diese in der I-Domäne basiserzeugt werden. Da dem Verb in (4) ein Aspektmarker vorausgeht, dessen Basis die Kopf-Position einer AspP in der I-Domäne darstellt, 5 können wir die Möglichkeit ausschließen, dass das EPP-Merkmal von T durch V-nach-T- Bewegung überprüft wird. Somit bleibt nun wirklich nur noch eine Erklärungsmöglichkeit für die Erfüllung der EPP-Eigenschaft von T übrig, und zwar der Abgleich des EPP-Merkmals durch ein expletives Element. Da das zu postulierende Element keine phonologischen Merkmale besitzt, muss es sich um ein expletives pro handeln. In der inzwischen klassischen Analyse der Subjektinversion von Rizzi (1982) ist die derivierte Subjektposition ebenfalls durch ein leeres pro-Element besetzt, dem eine θ-Rolle fehlt. Allerdings unterscheidet sich dieses Element von „Standard“-Expletiva darin, dass es keinen Definitheitseffekt auslöst. Dieser Aspekt wird im Folgenden besprochen. Unabhängige Argumente gegen die Behandlung von Beispielen wie (2b) mit Hilfe von Lokativund/ oder Subjektinversion haben mit Interpretationseffekten und einem Definitheitseffekt zu tun. Zunächst kann festgestellt werden, dass im Normalfall weder Lokativnoch Subjektinversion-Konfigurationen eine thetische Interpretation herbeiführen, während eben dies zu den charakteristischen Kennzeichen der Existenzkonstruktion gehört. Auch das Beispiel in (1) hat übrigens eine solche Interpretation. Zweitens können in Existenzkonstruktionen nur Indefinita als 4 Unter der Annahme, dass ein koverter Abgleich des EPP durch den Lokativausdruck oder durch das Subjekt aus unabhängigen Gründen ausgeschlossen ist. 5 Vgl. Muysken (1994), der Argumente für eine unabhängige AspP im Papiamentu vorlegt. <?page no="79"?> Expletiva im Papiamentu 67 Associate des Expletivums erscheinen, während in den anderen beiden Konfigurationen sowohl definite als auch indefinite nominale Elemente in einer unteren Position in der Satzstruktur auftreten können, vgl. (5): (5) Lokativinversion: engl. a. In the distance appeared the towers of a town. DEF b. In the church sang a choir. INDEF (6) Subjektinversion: it. E’ partito Gianni. VS + DEF ist weggegangen G. ‘G. ist weggegangen.’ (7) Existenzkonstruktion: engl. a. There suddenly broke out a fight. INDEF b. *There suddenly broke out the fight. *DEF Im Papiamentu gibt es auch einen Definitheitseffekt, wie in (8-9) unten gezeigt wird. Dies ist ein zusätzliches starkes Argument für die Behandlung von Sätzen wie (2b) als Existenzkonstruktionen: 6 6 Es ist erwähnenswert, dass die Sprecher einen Unterschied zwischen den folgenden beiden Beispielen wahrnehmen: (i) a. * Di repente a zona mi tata su bos. plötzlich ASP . tönen 1. SG . Vater POSS . Stimme b. ? Di repente a zona bos di mi tata. plötzlich ASP . tönen Stimme P . 1. SG . Vater ‘Plötzlich hörte man die Stimme meines Vaters.’ Unter der Annahme einer Analyse von Possessivkonstruktionen à la Abney (1987) könnte man - ohne dass hier die Details dieser Analyse behandelt werden können - dahingehend argumentieren, dass in (ia) mi tata in [Spec, DP] situiert ist, wobei sich su in der Kopfposition der DP befindet. In (ib) ist die DP-Schicht hingegen nicht vorhanden. Dies könnte so interpretiert werden, dass ein nominales Element, sobald die DP-Schicht aktiviert ist, nicht mehr als Associate des Expletivums fungieren kann. Dies bedeutet, dass der indefinite Determinierer nicht der Kopf einer DP sein kann und es deshalb in Papiamentu auch nicht ist. Man beachte darüber hinaus, dass der Associate in beiden Beispielen als spezifisch interpretiert wird. Somit ist Spezifizität nicht in der DP-Projektion markiert. Hierin unterscheidet sich Papiamentu von den Kreolsprachen auf Surinam, in denen der D-Kopf Spezifizität markiert. Interessanterweise verfügen diese surinamischen Kreolsprachen über keine Expletiva in Existenzkonstruktionen. Es ließe sich darüber spekulieren, ob eine Korrelation zwischen der spezifizitätsmarkierenden Eigenschaft von D und der Verfügbarkeit von Expletiva besteht. Jedoch würde die Ausformulierung eines solchen Ansatzes weit über <?page no="80"?> 68 Tonjes Veenstra (8) a. Na es momento aki tin un hombre INDEF P . DET . DEF . Zeitpunkt hier haben DET . INDEF . Mann den e disko. LOK . DET . DEF . Diskothek ‘Zu diesem Zeitpunkt ist ein Mann in der Diskothek.’ b. *Na es momento aki tin e hombre *DEF P . DET . DEF . Zeitpunkt hier haben DET . DEF . Mann den e disko. LOK . DET . DEF . Diskothek ‘Zu diesem Zeitpunkt ist der Mann in der Diskothek. ’ (9) a. A zona un bos. INDEF ASP . tönen DET . INDEF . Stimme ‘Es ertönte eine Stimme.’ b. (Di repente) a zona (*e) bos (nan). *DEF plötzlich ASP . tönen DET . DEF . Stimme PL . ‘Plötzlich ertönte(n) (eine) Stimme(n).’ Die wichtigste Schlussfolgerung, die sich aus der vorausgegangenen Diskussion ziehen lässt, ist, dass wir es im Papiamentu mit Existenzkonstruktionen zu tun haben. In dieser Konstruktion erfolgt die Erfüllung der EPP-Eigenschaft von T mittels eines Expletivums. Da dieses Expletivum keine phonologischen Merkmale besitzt, lässt es sich nur als expletives pro auffassen. Wie in der Einführung erwähnt, wird expletives pro oftmals als konzeptuell problematisch erachtet (Manzini & Savoia 1997, Alexiadou & Anagnostopoulou 1998, Svenonius 2003, Mohr 2005), und zwar hauptsächlich vor dem Hintergrund der Frage, wie sich die Annahme einer Kategorie, der sowohl phonologische als auch interpretierbare grammatische Merkmale fehlen, rechtfertigen lässt. Die meisten der erwähnten Arbeiten konzentrieren sich hauptsächlich auf den Typ von expletivem pro, wie er von Rizzi (1982) postuliert wurde, d.h. auf einen Typ, der keinen Definitheitseffekt hervorruft. In dem Vorschlag von Alexiadou & Anagnostopoulou (1998) wird angenommen, dass man auf derartige Elemente verzichten kann, wenn ihre Lizensierungseigenschaften dem Verb zugerechnet werden. Dieses würde sich dann in den dort behandelten Sprachen nach oben in die I-Domäne bewegen und das EPP-Merkmal überprüfen. Das expletive pro, das in vorliegendem Beitrag für das Papiadie Zielsetzung dieses Artikels hinausführen. Wir hoffen, in zukünftigen Untersuchungen hierauf zurückkommen zu können. <?page no="81"?> Expletiva im Papiamentu 69 mentu postuliert wird, kann aber nun wegen des Fehlens der V-nach-T- Bewegung in dieser Sprache nicht auf diese Weise behandelt werden. Das Expletivum im Papiamentu unterscheidet sich auch darin, dass es einen Definitheitseffekt hervorruft. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das angenommene expletive pro im Papiamentu aus unserer Sicht alle für ein solches Element relevanten Eigenschaften besitzt: Als Expletivum besitzt es keine interpretierbaren grammatischen Merkmale und als pro verfügt es über keine phonologischen Merkmale. Trotzdem kann seine Existenz an den Schnittstellen erschlossen werden, und zwar auf der Grundlage der im unteren Teil des Baumes situierten Position des Subjekts (diese ist für die artikulatorisch-perzeptive Schnittstelle relevant) und eines Definitheitseffekts an dem Associate (der für die konzeptuell-intentionale Schnittstelle relevant ist). Daher sei hier angenommen, dass expletive pro-Elemente sehr wohl existieren, insofern es sich um Elemente handelt, auf die die oben genannten Eigenschaften zutreffen. 2.2 Nullsubjekte im Papiamentu Nachdem im vorausgegangenen Abschnitt die Annahme begründet wurde, dass das Papiamentu in Existenzkonstruktionen Nullsubjekte aufweist, wenden wir uns nun anderen Kontexten zu, in denen Nullsubjekte im Papiamentu lizensiert werden können. Die Diskussion basiert auf Daten von Kouwenberg, Muysken & Veenstra (1988), Veenstra (1988), Kouwenberg & Muysken (1995), Muysken & Veenstra (1995) und Muysken & Law (2001). Es handelt sich hauptsächlich um drei weitere Kontexte. Zunächst können indefinite Subjekte als Nullsubjekte erscheinen, wie in (10) gezeigt wird. Dies ist auf strikt generische Kontexte beschränkt (wie sie etwa auf Schildern, in Ankündigungen usw. verwendet werden, vgl. Muller 1983), wie aus der Unakzeptabilität von (11a,b) hervorgeht: (10) a. Ta bende flor. ASP . verkaufen Blume ‘(Hier) werden Blumen verkauft.’ b. Tabata toka bon musika. T ./ ASP . spielen gut Musik ‘Sie spielten gute Musik.’ (11) a. *Ta bende e flor. ASP . verkaufen DET . Blume ‘Hier werden die Blumen verkauft.’ <?page no="82"?> 70 Tonjes Veenstra b. *Tabata toka e musika di Edgar Palm. T ./ ASP . spielen DET . Musik von E. P. ‘Sie spielten die Musik von E. P.’ Wie die anderen zuvor erwähnten AutorInnen betrachten wir dieses Nullsubjekt als kovertes Pronomen in der dritten Person Plural, dessen Interpretation aufgrund des außersprachlichen Kontexts erfolgt. Zweitens bieten Wetterverben einen Kontext für Nullsubjekte: (12) a. (*E) tabata jobe. 3. SG . T / ASP . regnen ‘Es regnet.’ b. (*E) hasi kalor. 3. SG . machen Hitze ‘Es ist heiß.’ Schließlich können (drittens) nicht-argumenthafte expletive Subjekte phonologisch unrealisiert bleiben: (13) a. Tin baliamentu. haben Tanz ‘Es wird getanzt.’ b. No ta importa-mi ni un bledu. NEG . ASP . ausmachen-1. SG . NEG . DET . Stück ‘Das macht mir überhaupt nichts aus.’ In allen genannten Fällen einschließlich der in dem vorausgegangenen Abschnitt behandelten Existenzkonstruktionen handelt es sich nicht um Phänomene, die nur Hauptsätze betreffen würden. Dies zeigt die folgende Gruppe von Beispielen: 7 (14) a. Mi ta kere ku ta biba un Existenzkonstruktion 1. SG . ASP . glauben dass ASP . leben DET . million hende riba e isla aki. Million Leute LOK . DET . Insel hier ‘Ich glaube, dass eine Million Leute auf dieser Insel leben.’ b. Mi ta kere ku ta bende flor ei. Indefinit 1. SG . ASP . glauben dass ASP . verkaufen Blumen hier ‘Ich glaube, dass hier Blumen verkauft werden.’ 7 Eine Analyse der Daten als Diskurstopik-Drop ist deswegen ausgeschlossen (vgl. Veenstra 1996: 185-187 und die dort zitierte Literatur). <?page no="83"?> Expletiva im Papiamentu 71 c. Mi ta kere ku hasi kalor ei. Wetterverben 1. SG . ASP . glauben dass machen Hitze hier ‘Ich glaube, dass es hier heiß ist.’ d. Mi ta kere ku (ta) possibel. Nicht-argumenthafte 1. SG . ASP . glauben dass (ta) möglich Expletiva ‘Ich glaube, es ist möglich.’ Fassen wir zusammen: Im Papiamentu sind zwei Typen von Nullsubjekten möglich: 1. Expletiva; 2. indefinite Subjekte in generischen Kontexten. Letztere werden hier nicht weiter behandelt. 2.3 Expletiva, Nullsubjekte und typologische Korrelate Wie in der Einführung erwähnt vermag das klassische Nullsubjektprofil im Sinne von Rizzi (1982) bekannterweise keiner typologischen Prüfung standzuhalten. Derartige Theorien über Nullsubjektsprachen knüpfen die Verfügbarkeit von Nullsubjekten an (mindestens) drei augenscheinlich nicht mit diesen in Verbindung stehenden Eigenschaften: (15) Nullsubjekte reiche Flexionspostverbale Subjekte [that-t]-Verletzungen morphologie Wie Muysken & Law (2001) anmerken, ist eine der kompliziertesten Fragen in der Typologie von Kreolsprachen, ob es sich um Nullsubjektsprachen handelt oder nicht. Die meiste Literatur zum Papiamentu verneint diese Frage. Für diese Haltung lassen sich folgende Argumente anführen: 1. Fehlen von Nullsubjekten in Hauptsätzen, wie in (16a); 2. Fehlen von postverbalen Subjekten in Hauptsätzen (und in Nebensätzen), wie in (16b), sowie in Passivsätzen, wie in (16c); 3. Fehlen von Person-/ Numerusmarkierung im Verbalparadigma, wie in (17). Die folgenden Daten stammen aus Muysken & Veenstra (1995): 8 8 Andererseits erlaubt Papiamentu Verletzungen des [that-t]-Filters: (i) Ken b’a bisa ku a pasa eksamen? wer 2. SG . T . denken dass T . bestehen Prüfung ‘Wer glaubst du hat die Prüfung bestanden? ’ <?page no="84"?> 72 Tonjes Veenstra (16) a. *Ta kome. ASP . essen ‘Sie/ er isst gerade.’ b. *Ta kome Wancho. ASP . essen W. ‘W. isst gerade.’ c. *Ta wordu komi e karne. ASP . werden essen DET . Fleisch ‘Es wird gerade Fleisch gegessen.’ (17) mi ta kome 1. SG . ASP . essen ‘Ich esse gerade.’ bo ta kome 2. SG . ASP . essen ‘Du isst gerade.’ e ta kome 3. SG . ASP . essen ‘Sie/ er isst gerade.’ nos ta kome 1. PL . ASP . essen ‘Wir essen gerade.’ boso(nan) ta kome 2. PL . ASP . essen ‘Ihr esst gerade.’ nan ta kome 3. PL . ASP . essen ‘Sie essen gerade.’ Zusammenfassend können wir schlussfolgern, dass nach Rizzis Klassifizierung von Nullsubjektsprachen das Papiamentu nicht als eine solche aufzufassen ist: Es erlaubt lediglich expletive pro-Elemente. Ist dies allerdings der Fall, so wäre das Papiamentu ein Gegenbeispiel zu einem „wohletablierten” typologischen Korrelat. Wie Haider (2001) beobachtet, wird von den klassischen Nullsubjekteigenschaften lediglich die Korrelation zwischen pro-drop und dem Fehlen von Subjektexpletiva als ausnahmslos gültig angesehen. Diese Korrelation besteht, genauer gesagt, aus zwei Teilen (vgl. Kaiser 2004): (18) a. pro-drop Fehlen von overten Expletiva b. nicht pro-drop obligatorischer Gebrauch von lexikalischen Expletiva Beide Korrelate sind nicht ohne Kritik geblieben. So wurde etwa angenommen, dass die germanischen Sprachen ein Problem für (18b) darstellen, während verschiedene romanische Sprachen als problematisch in Bezug auf (18a) erscheinen: (19) dom.sp. a. ello llegan guaguas hasta allá. es gelangen Busse bis dort ‘Es gelangen Busse bis dorthin.’ (Toribio 1996: 422) dt. b. Gestern wurde (*es) getanzt. Allerdings wurden verschiedene Analysen entwickelt, die einschlägig belegen, dass diese Daten die angenommenen Korrelate dennoch nicht in Frage stellen. So ist für das Deutsche und das Rätoromanische dahin- <?page no="85"?> Expletiva im Papiamentu 73 gehend argumentiert worden, dass unpersönliche Konstruktionen, denen ein Expletivum fehlt, nicht die Existenz eines expletiven pro implizieren (vgl. Brandner 1993, Alexiadou & Anagnostopoulou 1998, Eguzkitza & Kaiser 1999, Cabredo Hofherr 2000, Mohr 2005). Für diverse romanische Varietäten, darunter das Galicische, das europäische Portugiesisch und das dominikanische Spanisch, lässt sich die Annahme finden, dass die dort zu beobachtenden overten Expletiva diskursgebundene Elemente (topic expletives) und nicht „echte” (bzw. Subjekt-)Expletiva darstellen (vgl. Silva-Villar 1998, Carrilho 2004, Hinzelin & Kaiser 2005, Uriagereka 2004). Es ist jedoch anzumerken, dass das expletive pro im Papiamentu nicht als topic expletive interpretiert werden kann, sondern dass es sich um ein echtes Subjektexpletivum handelt. Daher lassen sich die Expletiva im Papiamentu nicht mit Hilfe der für romanische Varietäten angenommenen Analyse erklären und stellen somit ein Problem für die Korrelate in (18) dar. Die Position des Papiamentu lässt sich in typologischer Hinsicht wie folgt schematisch darstellen: (20) Expletivum/ pro-drop Korrelate *pro-drop pro-drop *overtes Expletivum Papiamentu Italienisch, Spanisch u.a. overtes Expletivum Englisch, Niederländisch u.a. ------- Soweit erkennbar besteht nun aber die einzige Möglichkeit, das Korrelat nicht aufgeben zu müssen, darin, das Papiamentu trotz allem als pro-drop- Sprache zu klassifizieren. Dies ist nun in der Tat unser Vorschlag zur Aufrechterhaltung der dargestellten Korrelation. Mit Veenstra (1994) sei hier angenommen, dass schwache Subjektpronomen im Saramakkischen in Wirklichkeit als syntaktische Klitika zu interpretieren sind. 9 Sie bilden Agr(eement)-Köpfe, die Nullsubjekte lizensieren. Somit kann das Saramakkische als Nullsubjekt- 9 Evidenz hierfür bieten das unterschiedliche Verhalten schwacher und starker Subjektpronomen in Kopulakonstruktionen, Fokuskonstruktionen, Expletivkonstruktionen, appositiven Strukturen sowie Standardtests, wie sie von Kayne (1975) entwickelt wurden. Alle Tests deuten auf eine Analyse im Sinne einer syntaktischen Klitisierung hin. <?page no="86"?> 74 Tonjes Veenstra sprache angesehen werden. 10 Wir möchten nun hier annehmen, dass das Papiamentu sich in dieser Hinsicht wie das Saramakkische verhält: 11 Die Subjektpronomen im Papiamentu sind syntaktische Klitika und sollten als Agr-Köpfe, die Nullsubjekte lizensieren, interpretiert werden. Belege für eine solche Annahme wurden von Kouwenberg (2006) beigebracht, was im Folgenden besprochen wird. Frühere Arbeiten über das Papiamentu (Birmingham 1970, Goilo 1953, Maurer 1988) erkannten nur zwei Gruppen von Pronomen (volle vs. emphatische Pronomen), weil sie den variierenden tonalen Eigenschaften der Pronomen keine Beachtung schenkten. Kouwenberg (2006) hat diese Sicht revidiert und gelangt zu dem folgenden Inventar pronominaler Formen: (21) Pronominale Elemente im Papiamentu, abgewandelt nach Kouwenberg (2006) 12 Typ: schwach stark emphatisch Funktionen: Subjekt, Objekt von V Subjekt, Objekt von V, Objekt von P, besitzanzeigend Subjekt, Objekt 1.SG m(i) mí 'àmí 2.SG b(o) obj. bu (Curaçao) bó 'àbó 3.SG e(l) é, poss. su 'élé 1.PL nós nós (à)'nós 2.PL 'bòsó 'bòsó (nán) (à)'bòsó 3.PL nán nán (à)'nán Die Annahme, dass schwache Pronomen Klitika sind, wird durch zwei Typen von Belegen untermauert: zum einen durch phonologische, zum anderen durch syntaktische Evidenz. Zunächst zeigt Kouwenberg, dass schwache Pronomen im Singular die phonologischen Eigenschaften von Klitika besitzen, und zwar sowohl in Subjektals auch in Objektposition: 1. Sie erhalten einen kontextuell zugewiesenen Ton (diese Eigenschaft teilen sie mit einer kleinen Klasse von funktionalen Kategorien); 2. schwache 10 Verdoppelungsstrukturen und ECM-Kontexte bieten einschlägige Evidenz für eine Analyse als Agr-Köpfe. 11 Vgl. eine ähnliche Annahme für das Kapverdische bei Baptista (2002). DeGraff (1993) schlägt selbiges für das Haitianische vor, aber vgl. Déprez (1992, 1994), die seine Argumente zurückweist, indem sie zeigt, dass das Haitianische nur phonologische Klitisierung kennt. Meyerhoff (2000) diskutiert Nullsubjekte im Bislama. 12 Der Akut (í) kennzeichnet einen hohen Ton, der Gravis (ì) einen niedrigen Ton. <?page no="87"?> Expletiva im Papiamentu 75 Objektpronomen bilden ein prosodisches Wort mit dem vorausgehenden Verb; 3. starke Pronomen haben den Status von Wörtern (lexikalische Kategorien). Außerdem zeigt Kouwenberg, dass schwache und starke Pronomen eine unterschiedliche Distribution haben: 1. Schwache Pronomen können weder die Objektposition einer Präposition noch die Possessor- Position einnehmen; 2. starke, jedoch nicht schwache Pronomen können von der TMA-Domäne durch einen syntaktischen Fokalisierungsprozess und durch intervenierendes adverbiales Material getrennt erscheinen; 3. nur starke Pronomen können koordiniert oder modifiziert werden (vgl. den Test von Kayne 1975). Aus all dem zieht Kouwenberg den Schluss - und dem werden wir auch in dem vorliegenden Artikel folgen -, dass schwache Pronomen Instanzen syntaktischer Klitisierung sind, die (unabhängige) Agr-Köpfe in der erweiterten Projektion des Verbs darstellen. Dies bedeutet, dass das Papiamentu, genau wie das Saramakkische, als Nullsubjektsprache charakterisiert werden kann. Somit können die Korrelate in (18) aufrechterhalten werden und das Papiamentu sticht nicht mehr als Ausnahme hervor. Dies hat allerdings Auswirkungen auf die Analyse von Kongruenz, die es nun zu besprechen gilt. Es gibt ebenso viel Literatur über die Analyse von Kongruenzsystemen wie über Expletivkonstruktionen. Wie Costa & Figueiredo Silva (2006) beobachten, können in den letzten Jahren zwei grundsätzliche theoretische Strömungen unterschieden werden: 1. Kongruenz als die overte Manifestation einer funktionalen Kategorie Agr (vgl. Pollock 1989); 2. Kongruenz als ein (indirekter) Reflex einer lokalen syntaktischen Relation (vgl. Chomsky 2001). Die in dem vorliegenden Artikel verfolgte Argumentationslinie folgt natürlich aus erstgenannter Option. In einem theoretischen Rahmen ohne Agr (Chomsky 1995, 2001) ist es hingegen nicht möglich, die Korrelation zwischen pro-drop und dem Fehlen von Subjektexpletiva abzuleiten. Die potentiellen Probleme der Pollockschen Sicht sind wohlbekannt und werden von Costa & Figueiredo Silva (2006) gut zusammengefasst: 1. Agr-Köpfe unterscheiden sich von anderen funktionalen Köpfen darin, dass sie nichts zur Interpretation des Satzes beisteuern; 2. Kasus ist eine Eigenschaft, die entweder mit Agr oder mit T verbunden ist. Wenn Kasus mit T verbunden ist, was für eine Rolle hätte dann noch Agr; 3. Kongruenz findet sich in Domänen, z.B. der DP-Domäne, und in Konstruktionen, für die es nicht offensichtlich ist, dass Spezifikator-Kopf-Beziehungen etabliert werden. Es ist jedoch anzumerken, dass der Agr-Kopf, den wir für das Papiamentu (und für das Saramakkische) postulieren, diesen Problemen nicht zu unterliegen scheint. <?page no="88"?> 76 Tonjes Veenstra Den ersten beiden Kritikpunkten möchten wir die folgenden Beobachtungen entgegenhalten. Erstens steuert Agr in beiden Sprachen etwas zur Interpretation des Satzes bei, indem es das Nullsubjekt identifiziert. Zweitens zeigt das Saramakkische, wie ausführlich in Veenstra (1996) besprochen, dass Kasus mit T und nicht mit Agr verbunden ist. 13 In der Tat stimmen diese beiden Punkte sehr schön mit dem Vorschlag von Rizzi (1986) hinsichtlich der Lizensierung von pro überein. Ihm zufolge unterliegen Nullargumente zwei Lizensierungsbedingungen: Es besteht zum einen eine formale Lizensierungsbedingung, d.h. Nullargumenten muss von einem bestimmten Kopf Kasus zugewiesen werden. Dieser Kopf ist im Falle von Nullsubjekten T. Darüber hinaus müssen Nullargumente identifiziert werden, d.h. Nullargumenten werden die grammatischen Merkmale eines bestimmten Kopfes zugewiesen. Im Falle von Nullsubjekten ist der für die Identifizierung zuständige Kopf Agr. Bezüglich des letzen Punkts nehmen Costa & Figueiredo Silva (2006) an, dass in (22) wegen des intervenierenden Adverbs die Kongruenzbeziehung zwischen dem Subjekt und dem Verb nicht in einer Oberflächen-Spezifikator-Kopf-Konfiguration hergestellt wird: (22) pg. Ninguém provavelmente leu o livro. niemand wahrscheinlich las DET . Buch ‘Wahrscheinlich hat niemand das Buch gelesen.’ Nach der Analyse von Costa (1996) befindet sich das Verb in T und das Subjekt in [Spec, AgrP], wobei Costa & Figueiredo Silva (2006) Folgendes anmerken: “[I]f this analysis were correct, this would constitute a case in which agreement is established independently of the Spec-head relation being established in the domain of Agr” (Costa & Figueiredo Silva 2006: 4). Somit wird von den AutorInnen die folgende Satzstruktur postuliert: (23) [ AgrP SUBJEKT Agr [ TP ADVERB [ TP VERB …]]] Selbstverständlich sind auch alternative Analysen möglich. Eine Möglichkeit bestünde in der Annahme, dass das Adverb an die I-Domäne adjungiert ist, d.h. über AgrP, wobei sich das Verb im Agr-Kopf und das Subjekt in einer Position in der C-Domäne befände. Zu einem früheren Zeitpunkt in der Derivation stünde das Subjekt in [Spec, AgrP]. Die Kongruenzbeziehung wird zu diesem früheren Zeitpunkt in einer gewöhnlichen 13 Wir werden hier nicht die flektierten Infinitive im europäischen Portugiesisch (Raposo 1987) besprechen, bezüglich derer man angenommen hat, dass Kasus mit Agr assoziiert ist; vgl. Mensching (2000) für eine ausführliche Kritik an den Arbeiten von Raposo. <?page no="89"?> Expletiva im Papiamentu 77 Spezifikator-Kopf-Konfiguration hergestellt. Darauf, dass ein solcher Ansatz zumindest für das Papiamentu nicht zu weit hergeholt sein mag, deuten Interventionseffekte im Papiamentu hin. Man beachte die folgenden Beispiele von Kouwenberg (2006): (24) a. Mí tambe lo purba di ta presente. 1. SG . auch M . versuchen von sein anwesend ‘Ich werde auch versuchen dort zu sein.’ b. Nós te ainda ta bai basta bon. 1. PL . bis noch ASP . gehen ziemlich gut ‘Uns geht es bis jetzt noch ziemlich gut.’ c. Pero àmí sí no a kere esei. aber 1. SG . ja NEG . ASP . glauben das ‘Aber ich hab das bestimmt nicht geglaubt.’ Hier sieht man die Präsenz von adverbialem Material (unterstrichen) zwischen dem Subjektpronomen (fettgedruckt) und dem Verbkomplex. Kouwenberg (2006) merkt an, dass dies nur für starke Subjektpronomen belegt ist, jedoch nicht für schwache. Schwache Subjektpronomen erscheinen rechts vom Adverb. Da wir dahingehend argumentieren, dass es sich bei schwachen Pronomen in Wirklichkeit um Agr-Köpfe handelt, besetzt das Adverb eine Position links von AgrP (da eine Basiserzeugung an der Ein-bar-Ebene nicht erlaubt ist). Unter der plausiblen Annahme, dass das Adverb die linke Kante der I-Domäne markiert, bedeutet dies, dass starke Pronomen eine Position in der C-Domäne besetzen, vermutlich eine Topikposition (vgl. den kartographischen Ansatz bezüglich der C-Domäne im Papiamentu in Kouwenberg & Lefebvre 2005 sowie Veenstra 2006 hinsichtlich einiger potentieller Probleme auf der Grundlage eines Vergleichs zwischen dem Haitianischen und dem Papiamentu). Daher schlagen wir basierend auf Beispielen wie in (24) die folgende Satzstruktur vor (zumindest für das Papiamentu): (25) [ TopP SUBJEKT [ AgrPP ADVERB [ AgrP Agr [ TP T … VERB …]]]] Somit kann abschließend festgehalten werden, dass eine nähere Untersuchung des Agr-Ansatzes zeigt, dass die üblicherweise für Agr als funktionale Kategorie angeführten Probleme inexistent sind. <?page no="90"?> 78 Tonjes Veenstra 3 Zusammenfassung Im vorliegenden Beitrag wurde Evidenz für die folgenden Annahmen beigebracht: Erstens existiert expletives pro tatsächlich (vorausgesetzt dass bestimmte, wohldefinierte Eigenschaften zutreffen). Zweitens können syntaktische Klitika Agr-Köpfe darstellen, die Nullsubjekte lizensieren. Dies ist die einzige Möglichkeit, in der die bisher ausnahmslose Korrelation zwischen pro-drop und dem Fehlen von overten Subjektexpletiva trotz der Evidenz aus dem Papiamentu aufrechterhalten werden kann. In allgemeinerer Hinsicht glauben wir, dass unser Ansatz trotz alledem der Haupterkenntnis von Alexiadou & Anagnostopoulou (1998) über die pronominale Natur von Kongruenz Rechnung trägt. Wir glauben auch, dass der hier vertretene Ansatz mit der Typologie von Nullsubjektsprachen nach Neeleman & Szendrői (2007) 14 kompatibel ist, wenn man die folgende Sichtweise vertritt: Es existieren mindestens zwei verschiedene Typen kongruenzbasierter pro-drop-Sprachen, nämlich der hinreichend bekannte italienische Typus und der Typus, der hier anhand des Papiamentu herausgearbeitet wurde. 4 Literatur Abney, Steven (1987): The English Noun Phrase in its Sentential Aspect. PhD Diss., MIT. 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Ihre Annahme, dass das Papiamentu keine pro-drop-Sprache sei, kann demnach nicht aufrecht erhalten werden, wie der vorliegende Beitrag zeigt. <?page no="91"?> Expletiva im Papiamentu 79 - (1988): “Creole languages & the bioprogram.” In: Frederick J. Newmeyer (Hg.): Linguistics. The Cambridge Survey. Bd. 2: Linguistic Theory: Extensions & Implications. Cambridge: CUP, 268-284. Birmingham, John C. (1970): The Papiamentu language of Curaçao. PhD Diss., University of Virginia. Brandner, Ellen (1993): “The projection of categories and the nature of agreement.” In: Gisbert Fanselow (Hg.): The parametrization of Universal Grammar. Amsterdam: Benjamins, 73-121 (= Linguistik Aktuell, 8). Cabredo Hofherr, Patricia (2000): La passivation des intransitifs en allemand et le statut des explétifs. Thèse de doctorat, Université Paris 7. Carrilho, Ernestina (2004): “Overt expletives in European Portuguese.” Vortrag auf dem Colloquium Expletive Subjects in Romance and Germanic Languages. 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On the other hand, a German past participle may not be used to modify an indefinite Spanish DP, while all other combinations of modifiers and DPs again are acceptable. Hence, both syntactic environments show curious “gaps” with regard to possible code-switches. The article presents a Distributed Morphology analysis for these asymmetries. We start out from the assumption that there is no specific grammar for code-switching: all grammatical properties have to follow from the properties and constraints of German and Spanish, respectively. The gaps mentioned receive a straightforward explanation: the different lexical feature sets associated with predicative participles and attributive participles disallow certain insertions of participles into the syntactic environments in question. In essence, participles with “richer” feature sets are ruled out in some instances because they violate the subset principle of late insertion in DM. Participles that introduce the “smaller” feature sets can be inserted as underspecified items, when no more fully specified Vocabulary Item (VI) is available. 1 Einleitung: Esplugisch und Code-Switching Code-Switching (CS) ist ein Sprachkontaktphänomen, bei dem mehrsprachige Sprecher im Gespräch miteinander innerhalb ihres Diskurses die Sprache wechseln. 2 Dabei können Sprachwechsel auf Diskurs-, Satz- und Wortebene erfolgen. Der Wechsel zwischen Sprachen ist allerdings nicht willkürlich, sondern grammatisch restringiert. Es kann nicht an jeder be- 1 Wir möchten den Teilnehmern des XXIX. Deutschen Romanistentages in Saarbrücken vom 25.-29.9.2005, Sektion 10: Minimalistische Sprachwissenschaft in der Alten Welt [Sektionsleitung: E. Remberger/ G. Mensching] für Hinweise und Diskussion danken. Eva-Maria Remberger danken wir für ihre wertvollen Kommentare und Verbesserungsvorschläge. 2 Vgl. hierzu Belazi, Rubin & Toribio (1994), González (2005), Gumperz (1982), Joshi (1985), MacSwan (1997), Myers-Scotton (1992, 1993, 1995), Poplack (1980) und Woolford (1983). <?page no="96"?> 84 Kay-Eduardo González-Vilbazo / Volker Struckmeier liebigen Stelle ein Sprachwechsel stattfinden, da das Resultat eines solchen Wechsels in bestimmten Fällen ungrammatisch ist. Der Kompetenzgrad von bilingualen Sprechern variiert sehr stark. Es ist aber für unsere Untersuchung unerlässlich, dass die bilingualen Sprecher in hohem Maße kompetent in beiden verwendeten Sprachen sind. Daher befassen wir uns nur mit Code-Switching-Daten von kompetent bilingualen Sprechern, d.h. nur von Sprechern, die in beiden Sprachen ein hohes Maß an Kompetenz haben. Als Datengrundlage der Untersuchung dienen zwei Datenerhebungen, die 1996 und 2003 an der Deutschen Schule Barcelona durchgeführt wurden. 3 An dieser Schule sind die Schüler und Schülerinnen, wie an anderen deutschen Auslandsschulen auch, mehrsprachig und wechseln häufig auf Diskurs-, Satz-, Phrasen- und sogar Wortebene zwischen den Sprachen. Da die Deutsche Schule Barcelona sich in einem Vorort von Barcelona namens Esplugues del Llobregat befindet, nennen die Schüler ihre „Sprachmischung“ entsprechend Esplugisch. In Abschnitt 2 wird kurz die Datengrundlage bezüglich eines Sprachwechsels zwischen Auxiliar und Partizip Perfekt zusammengefasst. Abschnitt 3 bespricht, wie die Analyse von Code-Switching-Daten grundsätzlich mit etablierten Annahmen im Rahmen minimalistischer Syntaxtheorien vereinbar ist. In Abschnitt 4 werden die grammatischen Eigenschaf ten von Partizipien im Deutschen und Spanischen besprochen. Darauf aufbauend wird im 5. Abschnitt eine Analyse der prädikativen Partizipien im Rahmen der Distributed Morphology vorgeschlagen. Attributive Partizipien werden dann, ebenfalls im Rahmen der Distributed Morphology, in Abschnitt 6 untersucht. In den Schlussbemerkungen werden schließlich die Ergebnisse zusammengefasst. 2 Die Asymmetrie Aux + PP Sprecher des Esplugischen sind in der Lage, grammatische von ungrammatischen Äußerungen in ihrem Code-Switching zu unterscheiden. Offenbar verfügen sie über eine „Esplugisch-Kompetenz“, die diese Urteile ermöglicht. Dies impliziert, dass Code-Switching in der Tat regelhaft und nicht willkürlich ist, wie häufig von Laien vermutet. 3 In González (2005) wird die Methodologie der Datenerhebung und -auswertung ausführlich beschrieben. Der Anhang enthält außerdem die in den Untersuchungen verwendeten Daten und Tabellen. <?page no="97"?> Eine DM-Lösung zur Partizipselektion 85 Die Beispiele (1) und (2) zeigen einen solchen Kontrast bei Grammati kalitätsurteilen. 4 Während Satz (1) als wohlgeformt und grammatisch empfunden wird, sind sich die Sprecher des Esplugischen über die Ungrammatikalität von (2) einig. (1) Marco ha verkauft su Fahrrad. M. hat verkauft sein Fahrrad ’M. hat sein Fahrrad verkauft.’ (2) *Marco hat vendido su Fahrrad. M. hat verkauft sein Fahrrad ’M. hat sein Fahrrad verkauft.’ Der Unterschied zwischen diesen beiden Sätzen besteht in der vertauschten Sprachzugehörigkeit von Auxiliar und Partizip. Während die Kombination sp. Auxiliar + dt. Partizip zulässig zu sein scheint, führt die Kombination dt. Auxiliar + sp. Partizip zur Ungrammatikalität der Äußerung. Die Frage ist, warum dies so sein sollte. Im Prinzip können Sprecher des Esplugischen zwischen Auxiliar und Partizip die Sprache wechseln, wie eben gesehen. Hinsichtlich der Möglichkeiten, Kombinationen von Auxiliaren und Partizipien zu bilden, existiert im Esplugischen aber eine interessante Lücke: Während die Kombinationen sp. Auxiliar + sp. Partizip, dt. Auxiliar + dt. Partizip und sp. Auxiliar + dt. Partizip möglich sind, ist die Kombination eines deutschen Hilfsverbs mit einem spanischen Partizip ungrammatisch. (3) Tabelle Aux + PP (González 2005: 88) Partizip Deutsch Spanisch Deutsch + (hat erzählt) - (*hat contado) Auxiliar Spanisch + (ha erzählt) + (ha contado) Ähnliche Asymmetrien sind im Code-Switching hinreichend bekannt. 5 Im Rahmen unserer Analyse schlagen wir vor, CS-Asymmetrien prinzipiell 4 Im Folgenden sind spanische Sprachdaten bzw. spanische Bestandteile der Sprachdaten zur Unterscheidung immer kursiv gesetzt. 5 So gibt es z.B. Asymmetrien bei den Light Verbs, die immer nur aus einer der beteiligten Sprache stammen, oder bei den gemischten synthetischen Verbformen, bei denen die Basis immer aus derselben Sprache stammen muss, während die grammatischen Affixe aus der anderen Sprache stammen können; vgl. González (2005) und den Dikken & Bandi-Rao (2004). Diese Asymmetrien sind vermutlich der Grund für <?page no="98"?> 86 Kay-Eduardo González-Vilbazo / Volker Struckmeier als Unterschiede lexikalischer Eigenschaften zu repräsentieren, nämlich als Reflexe der unterschiedlichen morphosyntaktischen Merkmalsmengen, die zur Bildung von Auxiliar-Partizip-Paarungen führen. Die „Lücke“ im CS des Esplugischen erklärt sich danach aus etablierten Annahmen zur „späten“ Einsetzung (Late Insertion) von lexikalischem Material, wie sie in der Distributed Morphology vorgeschlagen wird (vgl. Halle & Marantz 1993, 1994, Harley & Noyer 2003). 3 CS und Minimalismus Die meisten theoretischen Ansätze zum CS gingen lange Zeit davon aus, dass es spezifische Regeln für die Morphosyntax des CS geben müsste, die, neben den beteiligten Einzelgrammatiken, den Sprachwechsel steuern. Ganz anders sehen das neuere Untersuchungen (vgl. u.a. MacSwan 1997 und González 2005). Diese gehen davon aus, dass Code-Switching grammatisch gesteuert ist, dass hierbei aber keinerlei spezifische grammatische Regeln benötigt werden - m.a.W., die grammatischen Regularitäten des Sprachwechsels ergeben sich vollständig aus den Regeln der Sprachen, zwischen denen gewechselt wird. Warum in einigen syntaktischen Kontexten die Sprache gewechselt werden kann und warum das in anderen Kontexten nicht möglich ist, muss dementsprechend ausschließlich aufgrund der grammatischen Eigenschaften der beteiligten Sprachen erklärt werden. Eine solche starke Annahme ist aus theoretischer Perspektive insofern nicht wirklich überraschend, als das Minimalistische Programm der Generativen Grammatik (vgl. Chomsky 1998, 2001a, 2001b, 2005, 2006, 2008) ohnehin davon ausgeht, dass die Sprachen der Welt über eine essentiell gleiche Syntax verfügen. Variation tritt unter dieser Annahme nur im Lexikon und in der Phonetischen Form (PF) auf, nicht aber in der Core Syntax, d.h. der Ableitung von der Enumeration (NUM) bis zur Logischen Form (LF). Für Theorien zur Syntax des CS bedeutet das, dass die Restriktionen im CS nur auf lexikalischen Eigenschaften der beteiligten Elemente beruhen können. Die Syntax des CS sollte nicht anders sein als die Syntax jeder Einzelsprache. Theorien zum CS, die von Matrix- und eingebetteter Sprache ausgehen; vgl. hierzu Joshi (1985), Myers-Scotton (1992, 1993, 1995). Mehr zu anderen CS-Theorien mit Asymmetrie-Hintergrund kann bei Clyne (1987) und Chang (1999) nachgelesen werden. Eine kritische Zusammenstellung der Kriterien kann man bei Bentahila & Davies (1998) finden. <?page no="99"?> Eine DM-Lösung zur Partizipselektion 87 Wie wir zeigen, ist auch die Annahme nutzbringend einsetzbar, dass kein spezifisches „Lexikon des Code-Switching“ angesetzt werden muss, da gerade die Restriktion des Lexikons auf bekannte lexikalische Elemente der Einzelsprachen zu interessanten Erklärungsansätzen führt. Wir gehen für die einleitend beschriebene Asymmetrie davon aus, dass für die Bildung von Sätzen im Esplugischen nur deutsche und spanische lexikalische Elemente (abstrakte Morpheme und Vocabulary Items im Sinne der DM) 6 zur Verfügung stehen, um die T-Position des Satzes zu besetzen. Das ist sicherlich „ökonomischer“ als ein spezifisches CS-Lexikon anzunehmen. Angenommen werden muss allerdings, dass die lexikalischen Einheiten einer Sprache auch ein Lexikon bilden (im weitesten Sinne) und mehrsprachige Sprecher dementsprechend über unterschiedliche Lexika verfügen, aus denen sie im Prinzip frei wählen können. 7 4 Partizipien Die Lücke in der Kombinatorik von Auxiliar und Partizip im Esplugischen muss in unserem Ansatz aufgrund von Unterschieden der beteiligten lexikalischen Einheiten erklärt werden. Der Grammatikalitätsunterschied beim CS kann demnach nur an unterschiedlichen Eigenschaften zwischen spanischem und deutschem Partizip oder spanischem und deutschem Auxiliar liegen. Der entscheidende Unterschied lässt sich bei den Partizipien finden, wie wir gleich zeigen werden. 4.1 Genusmarkierung bei Partizipien im Spanischen und im Deutschen Vergleicht man spanische und deutsche Partizipien, so wird deutlich, dass erstere offenbar über ein morphosyntaktisches Merkmal verfügen, welches den deutschen Partizipien fehlt: Spanische Partizipien weisen sowohl in attributiver (vgl. 4 und 5) als auch in prädikativer Verwendung (vgl. 6 und 7) stets eine Genusmarkierung auf, nämlich die Suffixe -o oder 6 Eine Eigenschaft von DM ist, dass das Lexikon auf mehrere Listen verteilt ist (vgl. auch Pomino in diesem Band). Daher kann man eigentlich nicht mehr von lexikalischen Einheiten und einem Lexikon im traditionellen Sinne sprechen. Wenn die traditionellen Begriffe im Folgenden weiterhin gebraucht werden, beziehen sie sich stets auf das „verteilte“ Lexikon im Sinne der DM. 7 Wir möchten Susann Fischer, Natascha Pomino und Tonjes Veenstra für Kommentare zu den Annahmen zum Lexikon danken. <?page no="100"?> 88 Kay-Eduardo González-Vilbazo / Volker Struckmeier -a, wobei -a die übliche feminine und -o die maskuline Endung im nominalen Bereich ist. (4) un hombre cansado ein Mann müde- PART . M . ’ein müder Mann’ (5) una mujer cansada eine Frau müde- PART . F . ’eine müde Frau’ (6) El hombre está cansado. der Mann ist müde- PART . M . (7) La mujer está cansada. die Frau ist müde- PART . F . Diese Suffixe kongruieren im Passiv mit dem grammatischen Subjekt des Satzes (vgl. 8) oder aber es liegt im aktiven Satz obligatorisch die Default- Form -o vor (vgl. 9): (8) La botella de sangría fue comprada / *comprado. die Flasche von Sangria wurde kaufen- PART . F . / kaufen- PART . M . ’Die Flasche Sangria wurde gekauft.’ (9) Juan/ María ha comprado una botella de sangría. J./ M. hat kaufen- PART . M . eine Flasche von Sangria ’J./ M. hat eine Flasche Sangria gekauft.’ Deutsche Partizipien hingegen weisen in prädikativer Verwendung keine morphologisch unterschiedenen Genusformen auf, wie die Beispiele (10a), (10b) und (10c) zeigen: (10) a. Der Wein ist verkauft. b. Das Wasser ist verkauft. c. Die Limo ist verkauft. Sie kovariieren aber attributiv sichtbar mit dem Bezugsnomen im Genus, vgl. (11a), (11b) und (11c): (11) a. ein geliebter Mann b. ein geliebtes Kind c. eine geliebte Frau Während also spanische Partizipien sowohl prädikativ als auch attributiv für die grammatische Kategorie Genus markiert sind, sind deutsche Partizipien nur attributiv genusmarkiert. Da es hier um die Kombinatorik von Auxiliar und Partizip geht, ist vor allem die prädikative Variante relevant. <?page no="101"?> Eine DM-Lösung zur Partizipselektion 89 4.2 Merkmale in T In der vorliegenden Analyse wird, wie auch in Struckmeier (2005, 2007), davon ausgegangen, dass die Perfekt-Partizipien (P2) mit ihren Auxiliaren eine gemeinsame Ausprägung einer einzigen Merkmalsmenge in T sind. Die Trennbarkeit der Aufgaben von Partizip und Auxiliar, wie sie etwa von Haider (1984) vorgeschlagen (und von Toman 1986, 1987 im Prinzip repliziert) wurde, wird hier nicht angenommen: Der theoretische Aufwand, (De-)Blockierungsmechanismen anzunehmen, um damit ein System zu erklären, welches lediglich drei relevante Formen unterscheidet (P2 + haben, sein, werden), erscheint unzweckmäßig hoch und ist für die attributive Verwendung von Partizipien völlig unnötig (vgl. Struckmeier 2007). Zudem sind in minimalistischen Analysen Mechanismen dieser Art schwer vorstellbar. Auf der anderen Seite ließe sich der hier vorgestellte Vorschlag gleichermaßen gut in einem System Haiderschen Zuschnitts implementieren wie auch im Rahmen anderer Vorschläge, die dem Partizip eine eigene Projektion zuweisen: Letzten Endes ist lediglich die völlig unkontroverse Annahme entscheidend, dass eine Kaskade funktionaler Köpfe an der rechten Peripherie des Satzes entsteht, die die Merkmale von Partizip und Auxiliar enthalten - gleichgültig, ob zunächst in einem oder mehreren Köpfen verortet. Durch die Mechanismen der DM, eine solche Kaskade entweder durch separate Vocabulary Items zu realisieren oder aber die Merkmale in einem Kopf zusammenzufassen, ist die Grundidee unseres Vorschlags in jedem Falle einfach zu implementieren und zudem mit den Annahmen neuerer Syntaxtheorien ohne unnötigen theoretischen Ballast zu vereinbaren. Diese Darstellung ist für das Deutsche deshalb plausibel, weil nur die Kombination aus Partizip und Auxiliar erlaubt, eine Vorhersage darüber zu treffen, welche argumentstrukturellen und aspektuellen Eigenschaften in einem gegebenen Satz vorliegen: Die P2-Formen steuern einen perfektiven Aspekt (im Perfekt Aktiv) oder eine Änderung der Argumentrealisation (im Verlaufspassiv) oder beides (im Zustandspassiv) bei, jedoch immer und ausschließlich nur in Kombination mit den jeweiligen Hilfsverben (sein, haben oder werden): Eine P2-Form kann sowohl aktivisch (im Perfekt mit sein/ haben) als auch passivisch auftreten (Zustands- oder Verlaufspassiv mit sein/ werden). Umgekehrt lassen auch die Auxiliare nicht immer einen eindeutigen Schluss auf die relevanten Merkmale zu. Die einzige Möglichkeit, die Differenzierung der verschiedenen Tempus-, Aspekt- und Genus-Verbi-Kombinationen abzubilden, besteht demnach darin, alle Merkmale gemeinsam zu betrachten. <?page no="102"?> 90 Kay-Eduardo González-Vilbazo / Volker Struckmeier Merkmale in T bestimmen demnach sowohl die Wahl der Auxiliare als auch die Form des Partizips: Die Merkmalsmenge in T wird durch ein Auxiliar realisiert, welches zusätzlich eine Selektionsvorgabe für eine passivische (oder unakkusative) VP oder aber eine aktivische vP/ v*P mitbringt und so die „aktive“ bzw. „passive“ Partizipselektion bedingt. 8 Diese Annahme (12) ist zentral für die hier präsentierte Analyse: (12) Die Merkmale in T bestimmen die Wahl der Auxiliare (z.B. sein, haben oder werden im Dt.) und die Selektion des Partizips (als aktivisches oder passivisches P2). In T steht also entweder ein (abstraktes) spanisches Morphem oder aber ein vergleichbares deutsches Element (vgl. 14). Auf keinen Fall aber kann dort eine esplugische Sonderform mit abweichenden Merkmalseigenschaften verzeichnet sein. Ein spanisches (abstraktes) Morphem würde in etwa die Information in (13) enthalten: (13) Spanisches Morphem in T: Person, Numerus, Tempus, Modus, Genus Verbi und GENUS Die spanische Form umfasst dabei neben Person, Numerus, Tempus, Modus und Genus Verbi auch ein Genusmerkmal, welches die Kongruenz von -o bzw. -a implementiert. Diese Verortung des Genusmerkmals ist insofern plausibel, als die Kongruenz zwischen Verbform und Subjekt (z.B. für die Merkmale [Person] oder [Numerus]) ebenfalls stets vermittels der T-Projektion abläuft. Sie mag angesichts der fehlenden Genusmarkierung nicht-partizipialer Verben im Spanischen zunächst ungewöhnlich erscheinen, letzten Endes aber folgen aus ihr - zumal in einem DM-Ansatz - keine schwerwiegenden Konsequenzen: Eine Analyse, die eine Kaskade morphologischer Köpfe ansetzt, die das Merkmal [Genus] syntaktisch von anderen Verbmerkmalen trennt, mag sogar nur eine Notationsvariante der hier vorgeschlagenen Repräsentation darstellen, bei der die syntaktisch getrennten Köpfe postsyntaktisch fusionieren. Das Merkmal [Genus] ist für das Deutsche nicht anzusetzen, da eine Markierung des Genus prädikativ unterbleibt, obwohl die hierzu nötigen morphologischen Formen vorliegen, wie die attributive Verwendung zeigt. 8 Vgl. hierzu Struckmeier (2005), insbesondere S. 54ff. <?page no="103"?> Eine DM-Lösung zur Partizipselektion 91 (14) Deutsches Morphem in T: Person, Numerus, Tempus, Modus und Genus Verbi Mithilfe dieser philologisch wohl etablierten Eigenschaften lässt sich die „Lücke“ der esplugischen Aux+Partizip-Kombinationen wie im folgenden Abschnitt dargestellt erklären. 5 Prädikative Partizipien Die Kernidee dieses Abschnittes zur Erklärung der systematischen Lücke beim CS zwischen spanisch-deutschen Auxiliar-Partizip-Paaren basiert auf einer Analyse des Phänomens im Rahmen der Distributed Morphology. 9 Dabei wird angenommen, dass in T abstrakte Morpheme stehen, die gewisse grammatische Merkmale beinhalten. Die Vocabulary Items, die für diese Morpheme eingesetzt werden, dürfen nicht überspezifiziert sein, sodass die Anwesenheit des Merkmals [Genus] im spanischen T-Kopf und seine Abwesenheit im deutschen T-Kopf die Grundlage für die hier besprochene Asymmetrie im CS ist. 5.1 Distributed Morphology (Halle & Marantz 1993, 1994) Die hier vorgeschlagene Analyse basiert auf der im Rahmen der Distributed Morphology angenommenen späten Einsetzung. Das Wesentliche hierbei ist, dass die syntaktischen terminalen Knoten nur abstrakte Morpheme (aus dem Narrow Lexicon) sind, die durch eine Merkmalsmenge ausgezeichnet sind. 10 Diese abstrakten Morpheme werden lautlich gefüllt, indem aus der Vokabelliste (Vocabulary) ein Element (Vocabulary Item) in den terminalen Knoten eingesetzt wird. Da diese Operation erst nach Abschluss der Syntax erfolgt, wird sie als Late Insertion bezeichnet. Die Kernpunkte dieses Ansatzes sind im Folgenden zusammengefasst. 9 Vgl. hierzu Pomino (in diesem Band), Halle & Marantz (1993, 1994) und Marantz (1997). 10 Ob nur die Vocabulary Items für funktionale Köpfe postsyntaktisch eingesetzt werden oder ob das ebenso für nicht funktionale Köpfe anzunehmen ist, ist umstritten. Wir folgen hier der Annahme, dass die späte Einsetzung der phonologischen Realisation für alle Köpfe gilt, wobei das für unseren Ansatz keinen großen Unterschied macht. Pomino (in diesem Band) folgt hingegen der Annahme, dass die späte Einsetzung nur funktionale Köpfe betrifft; vgl. hierzu Harley & Noyer (1999), die die späte Einsetzung für alle Köpfe und Embick & Halle (2005), die sie nur für funktionale Köpfe annehmen. <?page no="104"?> 92 Kay-Eduardo González-Vilbazo / Volker Struckmeier (15) Distributed Morphology 1. Funktionale Elemente figurieren zunächst nur als grammatische Merkmalsbündel in der Syntax. 2. Die phonologische Realisierung dieser Elemente erfolgt durch Late Insertion. D.h. erst nach Abschluss aller morphosyntaktischen Operationen wird eine Lautform (Vocabulary Item, VI) aus der Vokabelliste ausgewählt, die die derivierten Merkmalskombinationen der terminalen Knoten phonologisch repräsentiert. 3. Subset Principle: Kandidaten (Vocabulary Items) aus der Vokabelliste für die Einsetzung sind Elemente, deren grammatische Merkmalsmengen (echte) Teilmengen der Merkmalsmenge sind, die im terminalen Knoten des syntaktischen Baumes erstellt worden ist. a. Ein Vocabulary Item, welches „zu viele“ Merkmale repräsentiert (d.h. überspezifiziert ist), kann nicht eingesetzt werden. b. Wenn mehrere Vocabulary Items die Einsetzbedingungen erfüllen, muss dasjenige gewählt werden, das für die meisten Merkmale des terminalen Knotens spezifiziert ist (vgl. Halle 1997). 5.2 Spanisches abstraktes Morphem in T Wird nun die T°-Position in einem zu derivierenden Satz durch ein spanisches abstraktes Morphem aus dem Narrow Lexicon besetzt, dann enthält es u.a. ein Genusmerkmal (vgl. 13). Nach der morphosyntaktischen Derivation muss dieses Morphem phonologisch realisiert werden. Hier erwarten wir verschiedene Möglichkeiten. Es kann durch eine synthetische (Anhebung des Verbs) oder durch eine analytische Verbalform ausgedrückt werden (Auxiliar-Partizip). Wir wollen uns hier auf die zweite Variante konzentrieren, da die erste für den hier besprochenen CS-Kontext irrelevant ist. Wird bei der analytischen Variante ein spanisches Auxiliar zur Repräsentation von Person, Numerus und Tempus herangezogen, sind sowohl spanische als auch deutsche Partizipien in der Lage, die verbleibenden Merkmale zu realisieren: [Person], [Numerus], [Tempus], [Modus] und [Genus Verbi]. <?page no="105"?> Eine DM-Lösung zur Partizipselektion 93 1. Sp. Auxiliar + sp. Partizip Beide Elemente realisieren alle Merkmale von T (also auch das Genusmerkmal). 2. Sp. Auxiliar + dt. Partizip Das spanische Auxiliar repräsentiert alle Merkmale von T (also auch das Genusmerkmal); das deutsche Partizip realisiert eine Teilmenge der Merkmale (allerdings kein Genus), kann also als unterspezifizierte Form prinzipiell ebenfalls eingesetzt werden. Bei spanischem Auxiliar und spanischem Partizip realisieren beide Elemente des Verbalkomplexes alle Merkmale des abstrakten Morphems: [Person], [Numerus], [Tempus], [Modus], [Genus Verbi] und insbesondere [Genus]. Im Passiv oder in attributiver Verwendung kongruiert das spanische Partizip auch overt im Genus. Im vorliegenden Kontext offenbart sich das Genusmerkmal stets durch die Default-Endung -o. Bei einem spanischen Auxiliar und deutschem Partizip realisieren beide Elemente zwar die Merkmale [Person], [Numerus], [Tempus], [Modus] und [Genus Verbi], aber eben nicht das Merkmal [Genus]. Das führt dennoch nicht zur Ungrammatikalität, da das Auxiliar-Partizip-Paar (spanisch-deutsch) zwar ein Merkmal weniger realisiert als das abstrakte Morphem, aber keines zuviel. Und das ist das Entscheidende hierbei: Das Paar sp. Auxiliar + dt. Partizip ist zwar unteraber eben nicht überspezifiziert. Nur die Überspezifizierung führt zur Ungrammatikalität. Damit ergeben sich für ein „spanisches“ T die Kombinationen: 1. Sp. Auxiliar + sp. Partizip 2. Sp. Auxiliar + dt. Partizip Beide Varianten sind grammatisch und der kompetente bilinguale Sprecher kann zwischen beiden wählen. Wichtig ist hierbei allerdings, dass die Vokabellisten der beiden Sprachen getrennt sind. Somit wird gewährleistet, dass der Sprecher tatsächlich zwischen spanischem und deutschem Partizip wählen kann. Wären alle VIs in einer (für spanische und deutsche Formen) gemeinsamen Vokabelliste, dann müsste immer das spanische Partizip gewählt werden, weil es ein Merkmal mehr als das deutsche Partizip realisiert (vgl. Punkt 3.b unter 15). Das spanische Partizip ist für ein spanisches T die stärker spezifizierte Form. Stehen spani sches und deutsches Partizip in getrennten Vokabellisten, können beide jeweils die optimalen Kandidaten aus ihrem Lexikon sein. <?page no="106"?> 94 Kay-Eduardo González-Vilbazo / Volker Struckmeier Findet also ein Sprachwechsel zwischen T und vP/ VP statt, dann ergibt sich daraus die grammatische Kombination von spanischem Auxiliar und deutschem Partizip. Findet hingegen kein Sprachwechsel statt, dann wird das spanische Partizip verwendet. Das erklärt, warum sowohl sp. Auxiliar + sp. Partizip als auch sp. Auxiliar + dt. Partizip grammatisch sind. 5.3 Deutsches abstraktes Morphem in T Anders verhält sich eine Struktur, die eine „deutsche“ T-Merkmalsmenge aufweist: Diese Merkmalsmenge umfasst zwar [Person], [Numerus], [Tempus] und [Genus Verbi], nicht aber das Merkmal [Genus]. Dieses Merkmal wäre für ein deutsches T völlig unangebracht, da weder funktional noch formal irgendetwas dafür spricht, für das Deutsche ein Genusmerkmal in T anzunehmen. Für die phonologische Realisierung bedeutet dies aber, dass die T-Position durch ein deutsches Auxiliar gefüllt und so [Person], [Numerus] und [Tempus] realisiert werden kann. Deutsche Partizipien realisieren kein Genusmerkmal und konfligieren deshalb nicht mit der Merkmalsspezifizierung in einem deutschen T-Kopf. Im Gegenteil, sie realisieren diese Merkmalsspezifizierung sogar vollständig. Spanische Partizipien hingegen sind überspezifiziert, da sie zusätzlich das Merkmal [Genus] realisieren, welches nicht zur Merkmalsmenge des deutschen abstrakten Morphems in T gehört. Somit wäre die Kombination deutsches Auxiliar + spanisches Partizip ungrammatisch. Es steht also nur das deutsche Partizip zur Verfügung: 1. Dt. Auxiliar + dt. Partizip Das deutsche Partizip realisiert alle Merkmale perfekt, kann also ganz selbstverständlich eingesetzt werden. 2. *Dt. Auxiliar + sp. Partizip Das spanische Partizip wird durch die Maßgaben der Late Insertion ausgeschlossen: Es realisiert ein Merkmal [Genus], welches in der Merkmalsmenge von T nicht enthalten ist. In der Kombination von deutschem T und spanischem Partizip liegt nicht Unter-, sondern Überspezifizierung vor. Die Einsetzung des spanischen Partizips ist also untersagt, da die resultierende Gesamtstruktur Prinzipien der Einsetzung lexikalischer Elemente verletzt. Code-Switching ist zwischen einem deutschen Auxiliar und einem spanischen Partizip nicht möglich. <?page no="107"?> Eine DM-Lösung zur Partizipselektion 95 Die eingangs beschriebene Lücke im spanisch-deutschen CS bei Auxiliar-Partizip-Bildungen ergibt sich demnach aus allgemeinen Regeln lexikalischer Einsetzung ohne zusätzliche Annahmen. Sie rührt nicht von einer prinzipiellen Asymmetrie, sondern von Unterschieden in der Merkmalsausstattung des abstrakten Morphems T und den Partizipien im Spanischen und Deutschen her. 6 Attributive Partizipien und Genus 6.1 Asymmetrie in der DP Eine ähnliche epiphänomenale Asymmetrie findet sich auch in der attributiven Verwendung von Partizipien. (16) el angekommene niño / hombre der/ das angekommene Kind / Mann (17) *un angekommenes niño / angekommener hombre ein angekommenes Kind / angekommener Mann (18) la / una angekommene mujer die / eine angekommene Frau (19) angekommene niños / mujeres / hombres angekommene Kinder / Frauen / Männer Die DP in (17) ist ungrammatisch, während die DPen in (16), (18) und (19) für den kompetenten Esplugischsprecher grammatisch sind. Das kann offensichtlich weder an der Determiniertheit von D° liegen, wie (18) zeigt, noch am Numerus, da die grammatischen Beispiele sowohl im Singular als auch im Plural auftreten können. Wir möchten zeigen, dass die Grammatikalitätsverteilung in den attributiven Beispielen auf ähnliche Ursachen zurückzuführen ist wie die Grammatikalitätsverteilung der prädikativen Strukturen aus Abschnitt 5. Bei den attributiven Strukturen sind die ungrammatischen Formen erneut durch Überspezifizierung begründet. Und wiederum sind allein die beteiligten Merkmale ausschlaggebend für die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit des Code-Switching. Im Unterschied zu den prädikativen Strukturen geht es hier aber nicht um die phonologische Realisierung der Merkmale eines abstrakten Morphems (in T), sondern um Kongruenz zwischen den Merkmalen des attributiven Adjektivs bzw. Partizips und dem Bezugsnomen. <?page no="108"?> 96 Kay-Eduardo González-Vilbazo / Volker Struckmeier 6.2 Genuskongruenz und Unterspezifizierung Deutsche attributive Adjektive oder Partizipien kovariieren mit ihrem Bezugsnomen in Genus, Numerus und Kasus. (20) ein angekommenes Kind N . SG . AKK . (21) der angekommenen Frau F . SG . DAT . (22) der angekommene Mann M . SG . NOM . Spanische attributive Adjektive oder Partizipien kongruieren mit dem Bezugsnomen in Genus und Numerus. (23) el hombre simpático der Mann sympathisch- SG . M . ’der sympathische Mann’ (24) los hombres simpáticos die Männer sympathisch- PL . M . ’die sympathischen Männer’ (25) la mujer simpática die Frau sympathisch- SG . F . ’die sympathische Frau’ In beiden Sprachen ist also Genus ein obligatorisches Merkmal, sodass es im Gegensatz zu den prädikativen Strukturen nicht nur auf die Anbzw. Abwesenheit des Merkmals ankommen kann. Im attributiven Kontext kommt es vielmehr darauf an, wie Genus in den beiden Sprachen jeweils kodiert wird. Wir nehmen für das deutsche Genussystem an, dass die nominalen Genusklassen durch zwei Genusmerkmale gebildet werden: [ α f] und [ α m]. 11 Mit diesen beiden Merkmalen lassen sich drei Genusklassen erfassen: F [+f], M [-f, +m], N [-f, -m]. Dabei ist festzuhalten, dass diese Merkmalsaufteilung zu einer Klassenbildung führt. Sie sagt voraus, dass Feminina einerseits und Maskulina und Neutra zusammen andererseits jeweils eine Klasse bilden, die sich durch das Merkmal [ α f] unterscheiden. Innerhalb der zweiten Klasse [-f] lassen sich erneut zwei Klassen durch das Merkmal [ α m] unterscheiden, nämlich Maskulina und Neutra. Die nomi- 11 Wir folgen hier im Wesentlichen der Analyse für Genuskongruenz in gemischten DPen (Deutsch-Spanisch) aus González (2005). Vgl. hierzu auch González & Rothe (2006). <?page no="109"?> Eine DM-Lösung zur Partizipselektion 97 nale Flexionsmorphologie des Deutschen legt diese Klassenbildungen nahe und stützt somit diese Merkmalsverteilung. Spanische Nomen zerfallen in nur zwei Genera, sodass ein Merkmal ausreicht, um die Maskulina von den Feminina zu unterscheiden. Da es sich um ein binäres Merkmal handelt, ist es eigentlich irrelevant, ob man [ α m] oder [ α f] als unterscheidendes Merkmal annimmt. Entscheidet man sich allerdings für das Merkmal [ α f], also F [+f], M [-f], dann lassen sich die esplugischen Attributionsdaten sehr leicht erklären. 12 Genuskongruenz richtet sich nach dem inhärenten Genus des Nomens. Entsprechend müssen die gewählten Flexiva in der Flexionskette der DP mit dem Genus des Nomens übereinstimmen. Aufgrund des Subset Principle der Distributed Morphology können nur bestimmte VIs die abstrakten Flexionsmorpheme realisieren: Nur VIs, deren Merkmale eine (echte) Teilmenge des abstrakten Morphems realisieren, dürfen eingesetzt werden. Überspezifizierung ist also wie schon bei der Analyse der prädikativen Strukturen ausgeschlossen. 6.3 Deutsche Nomen Aus den obigen Ausführungen folgt, dass spanische Adjektive mit deut schen Nomen problemlos kongruieren müssten, da sie ja weniger Genus merkmale (nur [ α f]) haben als deutsche Nomen ([ α f] und [ α m]) und so das Subset Principle nicht verletzen können. Ein deutsches Nomen hat entweder ein Genusmerkmal [+f] oder zwei [-f, α m]. Selbstverständlich gibt es eine deutsche Form, die das Merkmals bündel perfekt realisiert. Der Sprecher kann aber auch eine spanische Form aus dem spanischen Vokabular wählen, da diese entweder dasselbe Genusmerkmal trägt [+f] oder unterspezifiziert ist (für [ α m]). Tatsächlich sind Sprachwechsel zwischen deutschem Nomen und spanischen Attributen möglich. (26) el Kind/ Mann olvidad-o DET . M . Kind/ Mann vergessen- SG . M . [-f] [-f; -/ +m] [-f] (27) la Frau olvidad-a DET . F . Frau vergessen- SG . F . [+f] [+f] [+f] 12 Nota bene: Dies impliziert, dass wir für das Spanische insgesamt annehmen müssen, dass [ α f] das Genusmerkmal ist. Daraus müssten bestimmte Voraussagen für das Spanische folgen, denen wir hier nicht nachgehen möchten. <?page no="110"?> 98 Kay-Eduardo González-Vilbazo / Volker Struckmeier (28) los Kinder/ Männer olvidad-os DET . PL . M . Kinder/ Männer vergessen- PL . M . [-f] [-f; -/ +m] [-f] (29) las Frauen olvidad-as DET . PL . F . Frauen vergessen- PL . F . [+f] [+f] [+f] Alle Formen sind grammatisch, weil die spanischen Flexiva nicht überspezifiziert sein können, da das einzige Genusmerkmal des Spanischen eine Teilmenge der deutschen Genusmerkmale ist. 6.4 Spanische Nomen Da spanische Nomen nur ein Merkmal an das abstrakte Flexionsmorphem des Attributs weitergeben können, sind diejenigen deutschen Flexionsformen ausgeschlossen, die für [ α m] spezifiziert sind, weil sie überspezifiziert wären. Die Beispiele (16) bis (19), hier als (30) bis (33) wiederholt, können aufgrund von Unter- und Überspezifizierung in ihren Genusmerkmalen erklärt werden. (30) el angekommene niño / hombre der/ das angekommene Kind / Mann [-f] [-f] [-f] [-f] (31) *un angekommenes niño / angekommener hombre ein angekommenes Kind / angekommener Mann [-f] [-f; -m] [-f] [-f; +m] [-f] (32) la / una angekommene mujer die / eine angekommene Frau [+f] [+f] [+f] (33) angekommene niños / mujeres / hombres angekommene Kinder / Frauen / Männer Wir nehmen an, wie in González (2005) und González & Rothe (2006) gezeigt, dass das deutsche nominale Flexionsparadigma hinsichtlich seiner Genusmerkmale unterspezifizierte Formen aufweist. Wenn diese Annahme stimmt, dann ist die flektierte Form des attributiven Partizips angekommene in (30) für Maskulinum und Neutrum unterspezifiziert, da sie für beide Genera identisch aussieht. Möglicherweise ist sie sogar gänzlich für Genus unspezifiziert. Auf jeden Fall aber ist sie nicht überspezifiziert, sondern realisiert maximal das aus dem Spanischen <?page no="111"?> Eine DM-Lösung zur Partizipselektion 99 übertragene Merkmal [-f]. Somit kann diese Form eingesetzt werden, ohne das Subset Principle zu verletzen. Die flektierte Form des Partizips in (31) hingegen ist überspezifiziert, da sie die Merkmalskombination [-f; +m] (angekommener) oder [-f; -m] (angekommenes) realisiert. Das spanische Nomen trägt aber lediglich das inhärente Genusmerkmal [-f] und qua Kongruenz wird auch nur dieses Merkmal auf das abstrakte Flexionsmorphem übertragen. Dieses abstrakte Morphem kann nun nicht durch ein VI realisiert werden, das mehr Genusmerkmale aufweist. Deutsche feminine nominale Flexionsformen sind aber immer nur maximal [+f], weil sie durch dieses Merkmal von der anderen großen nominalen Genusklasse des Deutschen (Maskulina und Neutra) unterschieden werden. Eventuell sind einige feminine Formen für Genus sogar gänzlich unspezifiziert. Auf keinen Fall aber können sie überspezifiziert sein. So bestätigt dieses Datum unsere Erwartungen. Die pluralische Flexionsendung der attributiven Partizipien ist ebenfalls für [m] unterspezifiziert. Möglicherweise sind diese Formen überhaupt nicht für Genus spezifiziert. Das erklärt, warum es CS zwischen deutschen attributiven Partizipien und spanischen Nomen im Plural wie in (33) geben kann. Diese Partizipien können nicht überspezifiziert sein. Es ist also möglich, die Grammatikalitätsunterschiede bei CS zwischen deutschen und spanischen attributiven Partizipien und Nomen nur unter Berücksichtigung des Spezifizierungsgrades ihrer Genusmerkmale zu erklären. 7 Zusammenfassung Wie sich gezeigt hat, ist die Annahme, dass kein „Lexikon des Esplugischen“ und keine eigene Grammatik des CS existiert, Grundlage dafür, dass die Verteilung von spanischen und deutschen prädikativen und attributiven Partizipien erklärt werden kann. Die (un-)möglichen Code- Switching-Positionen folgen ohne weitere Annahmen. Bei prädikativen Partizipien müssen deutsche und spanische Partizipien die Merkmalsmengen des abstrakten Morphems in T realisieren, ohne dabei mehr Merkmale zu enthalten als die Einsetzungsposition bereitstellt. Spanische T enthalten das Merkmal [Genus], während deutsche T kein solches Merkmal aufweisen. Deshalb können deutsche Partizipien in allen prädikativen Kontexten vorkommen, weil sie entweder für Genus un(ter)spezifiziert sind (spanisches T) oder identisch spezifiziert sind (deutsches T). Spanische Partizipien passen erwartungsgemäß zu spani- <?page no="112"?> 100 Kay-Eduardo González-Vilbazo / Volker Struckmeier schen T, weil sie eine der Einsetzungsposition entsprechende Merkmalsmenge realisieren. Sie sind aber aufgrund ihres Genusmerkmals für die Einsetzungen unter einem deutschen T-Kopf überspezifiziert, was die Ungrammatikalität der Kombination dt. Auxiliar + sp. Partizip erklärt. Im Falle von attributiven Partizipien geht es einzig um die Kongruenz von Genusmerkmalen. Der Grund für die Asymmetrie bei CS zwischen spanischen attributiven Partizipien und deutschen Nomen einerseits und deutschen attributiven Partizipien und spanischen Nomen andererseits ist auf das unterschiedliche Genussystem in beiden Sprachen zurückzuführen. Während das Spanische nur auf das Merkmal [ α f] rekurriert, wird im Deutschen zusätzlich das Merkmal [ α m] benötigt. Dies führt dazu, dass es zwar deutsche Partizipien geben kann, die für die Kongruenz mit spanischen Nomen überspezifiziert sind, aber keine spanischen Partizipien, die für die Kongruenz mit deutschen Nomen überspezifiziert wären. Die Verwendung spanischer Partizipien in allen attributiven Kontexten und die Ungrammatikalität der (überspezifizierten) deutschen Partizipien im Kontext spanischen Ts folgt entsprechend. 8 Literatur Belazi, Hedi M., Edward J. 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The reason for the idiosyncrasies of Italian equatives is seen in two postsyntactic morphological rules which, however, do not affect syntactic structure. The presented analysis allows a unified account of equatives and comparatives which does not need construction-specific assumptions and explains the ambivalent classification of tanto and quanto. 1 Einleitung Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit den in der Forschung zu Vergleichskonstruktionen (VKen) bislang wenig beachteten Äquativkonstruktionen (vgl. 1), insbesondere mit der Frage, ob sich diese analog zu Komparativkonstruktionen (vgl. 2) analysieren lassen: (1) a. dt. Anna ist so groß wie Maria. b. it. Anna è tanto alta quanto Maria. (2) a. dt. Anna ist größer als Maria. b. it. Anna è più alta di Maria. Für die aufgeführten VKen gilt im Allgemeinen, dass der Komparator den semantischen Kopf der VK darstellt, der die Art der Vergleichsrelation bestimmt, während der Restriktor die Domäne der Quantifizierung bildet. Der Standardmarker dient dazu, den Vergleichsstandard - also das, womit verglichen wird - einzuleiten und bildet mit diesem gemeinsam das Vergleichskomplement, vgl. (3): <?page no="116"?> 104 Lucia Grimaldi (3) Terminologie -er/ so groß als/ wie Maria Komparator Restriktor Standardmarker Vergleichsstandard Vergleichskomplement Äquative unterscheiden sich von Komparativen semantisch nun dadurch, dass sie Gleichheit statt Differenz zum Ausdruck bringen (it. comparative di uguaglianza), was im Deutschen syntaktisch durch einen entsprechenden Komparator (dt. so vs. -er) und Standardmarker (dt. wie vs. als) zum Ausdruck kommt. Betrachtet man entsprechende Komparativ- und Äquativkonstruktionen im Italienischen, scheinen zunächst ähnliche Verhältnisse wie im Deutschen vorzuliegen: Demnach könnte man in (1b) tanto als äquativischen Komparator, quanto als äquativischen Standardmarker einstufen. Es gibt jedoch einige Gründe, die eine solche Einschätzung als problematisch erscheinen lassen und dazu führen, dass italienische Äquative oftmals eine andere Behandlung erfahren als Komparative. 1 Ziel dieses Beitrags ist es, eine Analyse vorzustellen, die beide VK-Typen erfasst und dabei den Besonderheiten italienischer Äquative gerecht wird. Zu diesem Zweck werden in Abschnitt 2 zunächst einige Probleme bei der Bestimmung des italienischen Äquativkomparators erläutert. Es folgt eine Diskussion gängiger syntaktischer Analysen von VKen (Abschnitt 3), bei der die Schwierigkeit einer einheitlichen Erfassung aller VK-Typen, also auch italienischer Äquative, deutlich wird. Eine mögliche Lösung bildet die in Abschnitt 4 vorgeschlagene Kopfbewegungsanalyse, die den Sondenansatz von Chomsky (2000) mit Annahmen der Distributed Morphology verbindet (vgl. auch Pomino in diesem Band). Abschnitt 5 widmet sich anschließend den Besonderheiten des Standardmarkers in italienischen Äquativen. In Abschnitt 6 folgt eine kurze Zusammenfassung. 2 Der Äquativkomparator Für eine Einstufung von tanto als Äquativkomparator spricht, dass es gegenüber den verschiedenen Restriktoren die gleiche Distribution aufweist 1 Obwohl es bislang keine einheitliche Analyse von VKen gibt, lässt sich für die germanischen Sprachen eine klare Tendenz zu einer gemeinsamen Erfassung von Komparativen und Äquativen beobachten. Hingegen schließen die Analysen italienischer VKen Äquativkonstruktionen in der Regel implizit (vgl. u.a. Napoli & Nespor 1986) und manchmal sogar explizit (vgl. z.B. Donati 2000: 133, Fn. 43) aus. In der nicht generativen Literatur werden Äquative oftmals als „Korrelativstrukturen“ bezeichnet (vgl. u.a. Colombo 1991) und damit von Komparativen grundsätzlich abgegrenzt. <?page no="117"?> Die Syntax italienischer Äquativkonstruktionen 105 wie der Komparativkomparator più: Es geht in adjektivischen, adverbialen und nominalen VKen dem Restriktor voraus und folgt ihm in verbalen VKen, wie die folgenden italienischen Komparativ- (a-Beispiele) und Äquativkonstruktionen (b-Beispiele) zeigen (der Restriktor ist jeweils fett markiert): (4) a. Anna è più alta di Maria. A. ist mehr groß- SG . F . als M. ’A. ist größer als M.’ (adjektivische VK) b. Anna è tanto alta quanto Maria. A. ist so-viel groß- SG . F . wie-viel M. ’A. ist so groß wie M.’ (adjektivische VK) (5) a. Anna mangia più lentamente di Maria. A. isst mehr langsam- ADV . als M. ’A. isst langsamer als M.’ (adverbiale VK) b. Anna mangia tanto lentamente quanto Maria. A. isst so-viel langsam- ADV . wie-viel M. ’A. isst so langsam wie M.’ (adverbiale VK) (6) a. Anna compra più pomodori di Maria. A. kauft mehr Tomate- PL . M . als M. ’A. kauft mehr Tomaten als M.’ (nominale VK) b. Anna compra tanti pomodori quanti Maria. A. kauft so-viel- PL . M . Tomate- PL . M . wie-viel- PL . M . M. ’A. kauft so viele Tomaten wie M.’ (nominale VK) (7) a. Anna dorme più di Maria. A. schläft mehr als M. ’A. schläft mehr als M.’ (verbale VK) b. Anna dorme tanto quanto Maria. A. schläft so-viel wie-viel M. ’A. schläft so viel wie M.’ (verbale VK) Im Unterschied zu più ist tanto jedoch in nominalen VKen nach Genus und Numerus flektierbar (vgl. 6b). Darüber hinaus ist tanto - außer in nominalen Äquativen - im Gegensatz zu più in der Regel fakultativ, wie die folgende Notation der jeweiligen b-Beispiele von (4) bis (7) verdeutlicht: (8) Anna è (tanto) alta quanto Maria. (9) Anna mangia (tanto) lentamente quanto Maria. (10) Anna compra *(tanti) pomodori quanti Maria. (11) Anna dorme (tanto) quanto Maria. <?page no="118"?> 106 Lucia Grimaldi Dieser Umstand erscheint für einen Komparator, der gemäß den gängigsten Analysen von VKen den syntaktischen und semantischen Kopf der Konstruktion bilden sollte, zumindest verwunderlich. Hinzu kommt schließlich, dass tanto im umgangssprachlichen Italienisch auch in Komparativen auftreten kann, und zwar als Quantifizierer, zusätzlich zum Komparator più (vgl. Donati 2000: 122): (12) Anna compra più tanti pomodori di Maria. A. kauft mehr viel- PL . M . Tomate- PL . M . als M. ’A. kauft mehr Tomaten als M.’ Solche quantifizierenden Elemente, die den Komparator begleiten, sind auch in anderen Sprachen, besonders in nominalen VKen, anzutreffen, z.B. in deutschen und englischen Äquativkonstruktionen: (13) dt. Anna kauft so viele Tomaten wie Maria. (14) engl. Ann buys as many tomatoes as Mary. Will man an der Einstufung von tanto als Äquativkomparator festhalten, müsste somit eine Homonymie mit einem in Komparativen auftretenden Quantifizierer postuliert werden. Geht man hingegen davon aus, dass tanto in Äquativen kein Komparator, sondern - ebenso wie in Komparativen - ein Quantifizierer ist, muss für italienische Äquative ein leerer Komparator postuliert werden (hier durch [e] gekennzeichnet, vgl. 4b und 6b): (15) Anna è [e] (tanto) alta quanto Maria. (16) Anna compra [e] tanti pomodori quanti Maria. Wie sich eine solche Annahme mit einer Theorie von VKen in Einklang bringen lässt, die Komparative und Äquative gleichermaßen erfassen kann, soll in Abschnitt 4 gezeigt werden. Zuvor ist es jedoch nötig, einige grundsätzliche Aspekte der Syntax von VKen zu erläutern. 3 Die Syntax von VKen Eines der Hauptprobleme der syntaktischen Analyse von VKen besteht darin, ihre interne Struktur zu bestimmen. So muss z.B. bei der Analyse der Komparativkonstruktion in (2b) zunächst festgelegt werden, wie der Komparator più, der Restriktor alta und das Vergleichskomplement di Ma- <?page no="119"?> Die Syntax italienischer Äquativkonstruktionen 107 ria strukturell zusammengefügt sind. Hierfür bestehen theoretisch die folgenden vier Möglichkeiten: 2 (17) Mögliche Konstituentenstrukturen für VKen a. VK Restriktor alta Komparator più V-Komplement di Maria b. VK XP V-Komplement di Maria Restriktor alta Komparator più c. VK Restriktor alta XP V-Komplement di Maria Komparator più d. VK Komparator più XP V-Komplement di Maria Restriktor alta Möglichkeit (17a) postuliert eine in der modernen generativen Theorie unerwünschte ternäre Struktur, weshalb sie hier nicht näher betrachtet wird. Ebenso ist Struktur (17d) zu verwerfen, da sie durch einfache syntaktische Tests als unzureichend bestimmbar ist: So ist die darin postulierte Konstituente *alta di Maria im Italienischen ohne Komparator nicht nur ungrammatisch, sondern darüber hinaus weder topikalisierbar noch erfragbar (vgl. Grimaldi 2005: 9). Variante (17b) wird insbesondere im Zusammenhang mit adjektivischen (und adverbialen) Komparativen vielfach vertreten. 3 Dabei wird der Komparator als Gradkopf (Deg) analysiert, der den adjektivischen Restriktor als Komplement selegiert: (18) DegP-Analyse der Komparator-Restriktor-Beziehung 2 Berücksichtigt man nicht nur die hierarchische Struktur, sondern auch die lineare Anordnung, ergeben sich natürlich noch mehr Möglichkeiten: Die Linearisierung soll jedoch zunächst außer Acht gelassen werden. 3 Adverbiale VKen werden im Folgenden aus Gründen der Vereinfachung vernachlässigt, da sie sich in vielerlei Hinsicht wie adjektivische VKen verhalten. Zu den Besonderheiten adverbialer Vken, vgl. Grimaldi (2005: 55). DegP Deg più AP alta <?page no="120"?> 108 Lucia Grimaldi Diese Analyse wird explizit mit der DP-Analyse der (erweiterten) Nominalphrase verglichen: Auch hier liegt eine sogenannte Functional Head Analysis (FH-Analyse) vor (vgl. Abney 1987). Gemäß diesem Ansatz projizieren graduierbare Adjektive eine funktionale Schicht (DegP), in der u.a. Komparatoren als Deg-Köpfe auftreten. Da nicht-graduierbare Adjektive keine DegP-Schicht aufweisen, können diese nicht in VKen auftreten, was die Ungrammatikalität von Daten wie z.B. dt. *Peter ist so tot wie Heinrich vorhersagbar macht. 4 Die Besonderheit von Adjektiven in Bezug auf Graduierung wird θ-theoretisch begründet: Demnach weisen graduierbare Adjektive in ihrem θ-Raster ebenso wie Nomen und Verben eine sogenannte referentielle Rolle auf. Im Unterschied zu den klassischen θ-Rollen werden referentielle Rollen nicht einem Argument zugewiesen (sogenannte θ-Markierung), sondern „θ-gebunden“ (vgl. Higginbotham 1985). Die θ-Bindung besteht darin, dass ein funktionales Element als Operator die jeweilige referentielle Position des lexikalischen Elements bindet. Bei den Verben übernimmt der funktionale Kopf T(ense) diese Funktion, 5 bei den Nomen ist es der Determiniererkopf (D). Die entsprechende referentielle θ-Position graduierbarer Adjektive nennt Zwarts (1992: 48) Gradposition. Diese wird durch die Kopf-Komplement-Beziehung zwischen einem Deg-Kopf (in 18: dem Komparator più) und dem entsprechenden Adjektiv in seiner Komplementposition gesättigt. So attraktiv dieser Ansatz auch ist, er wirft mindestens zwei grundsätzliche Probleme auf, die in den folgenden beiden Abschnitten erläutert werden sollen. Dabei wird sich zeigen, dass (17c) gegenüber den anderen in (17) aufgeführten Strukturen zu bevorzugen ist. 3.1 Komplexe Gradmodifikation in nominalen und verbalen VKen Gemäß der oben genannten FH-Analyse lässt sich die Kopf-Komplement- Relation zwischen Komparator und Restriktor, wie gesagt, θ-theoretisch begründen: Der Komparator bindet als Gradmodifikator die Gradposition seines adjektivischen Komplements. Allerdings gibt es neben adjektivischen (vgl. 19c) auch nominale (vgl. 19a) und verbale (vgl. 19b) VKen, 6 die 4 Zwar lässt sich eine sinnvolle Lesart dieses Satzes möglicherweise konstruieren, dann müsste man aber das Adjektiv tot als graduierbar reinterpretieren. 5 Gemäß früheren Phasen der Generativen Grammatik nennt Higginbotham (1985) den entsprechenden Kopf I(nflection). 6 Die Existenz nominaler VKen wird in der Forschung nicht in Frage gestellt, wohl aber diejenige verbaler VKen, die gelegentlich als „implizit adverbial“ angesehen werden (vgl. u.a. Izvorski 1995: 12, Donati 2000: V). Doch auch ohne die Postulie- <?page no="121"?> Die Syntax italienischer Äquativkonstruktionen 109 oftmals mit denselben Komparatoren und Standardmarkern gebildet werden, wie die folgenden italienischen Daten zeigen: (19) a. Anna compra più pomodori di Maria. (nominaler Restriktor, vgl. 6a) b. Anna dorme più di Maria. (verbaler Restriktor, vgl. 7a) c. Anna è più alta di Maria. (adjektivischer Restriktor, vgl. 4a) Da die referentiellen Rollen von Nomen und Verben bereits durch die funktionalen Kategorien D bzw. T besetzt sind, kommt für nominale und verbale VKen eine Struktur, in der der Komparator als Deg-Kopf den nominalen bzw. verbalen Restriktor als Komplement selegiert und θ-bindet, nicht in Frage. Eine mögliche Lösung besteht darin, für nominale und verbale VKen eine komplexere Struktur zu postulieren, bei der der Komparator ein quantifizierendes Element als Komplement selegiert. Ein solcher Quantifizierer lässt sich in nominalen und verbalen VKen manchmal sogar overt beobachten, z.B. in den Daten in (12) bis (14) sowie in den folgenden nominalen (vgl. 20a) und verbalen (vgl. 20b), nicht jedoch adjektivischen (vgl. 20c) deutschen Äquativkonstruktionen: (20) dt. a. Hans kauft so viele Tomaten wie Peter. b. Hans schläft so viel wie Peter. c. Hans ist so groß wie Peter. Ausgehend von derartigen Daten postuliert Doetjes (1997: 104), dass auch Komparatoren, die in nominalen und verbalen VKen ohne overtes quantifizierendes Element auftreten (z.B. frz. plus und meistens auch it. più) eine komplexe Struktur aufweisen und aus einem Deg-Kopf und einem QP- Komplement bestehen. Die komplexe DegP wird anschließend an den verbalen bzw. nominalen Restriktor adjungiert: (21) Struktur von VKen mit komplexem Komparator nach Doetjes (1997) rung verbaler VKen stellen sich die im Folgenden aufgeführten Probleme zumindest für nominale VKen. Zu einigen Argumenten für die Annahme verbaler VKen, vgl. Grimaldi (2005: 56ff). NP/ VP DegP NP/ VP Tomaten/ schläft pomodori/ dorme QP viel(e) Ø Deg dt. so it. più <?page no="122"?> 110 Lucia Grimaldi Gemäß Doetjes muss eine solche Struktur auch dann angenommen werden, wenn die entsprechenden komplexen Gradmodifikatoren in adjektivischen VKen auftreten. Demnach können lediglich die wenigen graduierenden Elemente, die ausschließlich mit Adjektiven kookkurrieren, als einfache Deg-Köpfe eingestuft werden, die ein Adjektiv θ-binden, z.B. engl. too, -er, -st, so, as (vgl. Doetjes 1997: 103). 7 Besonders in den romanischen Sprachen stellen solche einfachen Deg-Köpfe jedoch eher die Ausnahme dar. 8 Wenn für manche adjektivische VKen ebenfalls eine Struktur wie (21) postuliert werden muss, stellt sich jedoch die Frage, wie hier die Entladung der referentiellen Grad-θ-Rolle des adjektivischen Restriktors erfolgen soll. Gemäß Doetjes kann dies durch sogenannte θ-Identifikation geleistet werden, eine Methode der Überprüfung, die für Adjunkte typisch ist (vgl. Higginbotham 1985, Zwarts 1992). Dabei θ-bindet der Deg-Kopf die Gradposition (G-θ) des (hier: phonologisch leeren) Quantifizierers. Anschließend wird diese gesättigte Gradposition mit der ungesättigten der AP identifiziert, was zur Sättigung der letzteren führt. Diese Art der Sättigung steht auch für nominale und verbale Restriktoren zur Verfügung, für die Doetjes unter bestimmten Bedingungen ebenfalls eine solche Position vorsieht, die sie als Q(uantitäts)-Position (Q-θ) bezeichnet (vgl. Doetjes 1997: 41): 9 7 Genau genommen sind Deg-Köpfe nicht nur mit Adjektiven, sondern auch mit Quantoren wie z.B. engl. much/ many, it. tanto/ i oder dt. viel(e) kombinierbar. Dieser Umstand ist nicht weiter erstaunlich, da Quantoren in vielerlei Hinsicht Adjektiven ähneln und oftmals als quantifizierende Adjektive eingestuft werden (vgl. u.a. Giusti 1997: 116). 8 Für das Französische nennt Doetjes (1997: 103) lediglich si, aussi und très, für das Italienische kommen nur così, assai sowie möglicherweise das Suffix -issimin Frage. 9 Damit Nomen bzw. Verben als Restriktoren in VKen in Frage kommen, müssen sie - ebenso wie Adjektive graduierbar - quantifizierbar sein: Dies gilt für zählbare Nomen im Plural und für Massennomen sowie für Zustands- und Tätigkeitsverben (vgl. Doetjes 1997: 42ff). <?page no="123"?> Die Syntax italienischer Äquativkonstruktionen 111 (22) θ-Identifikation bei komplexen Komparatoren Eine solche Analyse von VKen mit komplexem Komparator weist jedoch ebenfalls Probleme auf: Zum einen müssen unterschiedliche Strukturen für adjektivische VKen mit einfachem Komparator einerseits (vgl. 18) und nominale, verbale und adjektivische VKen mit komplexem Komparator andererseits (vgl. 22) postuliert werden. Darüber hinaus wird der Komparator in VKen wie (22) nicht mehr als Kopf der gesamten Konstruktion analysiert, sondern er hat lediglich Adjunktstatus, was seiner zentralen syntaktischen und semantischen Stellung nicht gerecht wird. Schließlich bleibt in beiden Strukturen unklar, wie das Vergleichskomplement eingebettet werden kann, ein Problem, das im folgenden Abschnitt genauer erörtert werden soll. 3.2 Die Beziehung zwischen Komparator und Standardmarker Sowohl bei der eben genannten Adjunktion des (komplexen) Komparators (vgl. 22) als auch bei einer Selektionsbeziehung zwischen Komparator und Restriktor (also einer FH-Analyse, vgl. 18) kann das Vergleichskomplement im Grunde nur als Rechtsadjunkt aufgefasst werden, wie etwa in der folgenden, eine FH-Analyse postulierenden Struktur: (23) Konstituentenstruktur der VK nach Kennedy (1999: 109) DegP Spec Deg' Deg' XP di Maria Deg più AP Spec A' A alta YP Selbst wenn man, entgegen Kaynes (1994) Antisymmetriehypothese, nicht grundsätzlich auf Rechtsadjunktion verzichten will, gibt es einige Grün- AP/ NP/ VP DegP i AP/ NP/ VP alta/ pomodori/ dorme <G-θ/ Q-θ> i QP Ø Deg più <G-θ> i <?page no="124"?> 112 Lucia Grimaldi de, die gegen eine solche Struktur sprechen. 10 Das vielleicht unmittelbar einleuchtendste Argument lautet, dass in der Regel bestimmte Komparatoren bestimmte Standardmarker fordern, wie die folgenden Daten aus verschiedenen Sprachen zeigen: (24) engl. a. Paul has more records than/ *as Peter. b. Paul has as many records as/ *than Peter. (25) sp. a. Pablo es más alto que/ *como Pedro. Pa. ist mehr groß- SG . M . als / *wie Pe. ’Pablo ist größer als Pedro’ b. Pablo es tan alto como/ *que Pedro. Pa. ist so groß- SG . M . wie / *als Pe. ’Pablo ist so groß wie Pedro’ (26) dt. a. Paul hat mehr Platten als/ ? wie Peter. b. Paul hat so viele Platten wie/ *als Peter. 11 Darüber hinaus können Vergleichskomplemente niemals ohne den dazugehörigen Komparator auftreten, was ebenfalls dafür spricht, dass dieser für ihre Lizensierung notwendig ist (vgl. Abney 1987: 198). Dieses gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis zwischen Komparator und Standardmarker lässt eine Adjunktionsbeziehung als unplausibel erscheinen. Aufgrund der im Zusammenhang mit den Strukturen (18), (21), (22) und (23) erörterten Probleme können sowohl Analysen, die von einer Selektion des Restriktors durch den Komparator ausgehen, als auch solche, die den Komparator in einer Adjunktposition verorten, verworfen werden. 4 Eine Kopfbewegungsanalyse Eine Möglichkeit, die in Abschnitt 3 genannten Probleme zu vermeiden, besteht darin, eine Selektionsbeziehung zwischen Komparator und Standardmarker und somit eine Struktur gemäß (17c), hier wiederholt als (27), zu postulieren: 10 Es kann an dieser Stelle nicht im Einzelnen auf die verschiedenen Argumente eingegangen werden; vgl. die ausführliche Diskussion in Grimaldi (2005: 260ff). 11 Es gibt allerdings Sprachen, die dieselben Standardmarker für Komparative und Äquative aufweisen, vgl. z.B. fr. que. Auch im Deutschen finden sich regionale Varietäten, die wie als „universalen“ Standardmarker verwenden, woraus sich übrigens auch die relative Akzeptabilität von (26a) ergibt. <?page no="125"?> Die Syntax italienischer Äquativkonstruktionen 113 (27) Selektionsbeziehung zwischen Komparator und Standardmarker VK Restriktor alta XP V-Komplement di Maria Komparator più Diese Struktur führt jedoch nicht zur gewünschten Linearisierung, da in der Regel keine Adjazenz zwischen Komparator und Standardmarker besteht, sondern diese durch den Restriktor getrennt werden. 12 Um das Adjazenzproblem zu lösen, möchte ich vorschlagen, dass der Komparator per Kopfbewegung an einen Kopf innerhalb der funktionalen Superschicht des Restriktors adjungiert. 13 Eine wesentliche Voraussetzung der hier vorgestellten Analyse besteht dabei in der durch die Distributed Morphology geprägten Annahme, dass lexikalische Einträge nicht voll flektiert in die Derivation gelangen, sondern als Bündel von formalen Merkmalen. Das phonologische Material wird erst nach Abschluss der syntaktischen Derivation (also nach Spell-Out) in die syntaktischen Endknoten eingesetzt (vgl. Halle & Marantz 1994: 275, Pomino in diesem Band: Abschnitt 2.1). Zwischen Spell-Out und dieser späten Vokabeleinsetzung (Vocabulary Insertion) können einzelsprachspezifische morphologische Prozesse (sogenannte Mapping-Prozesse) ablaufen, die lediglich die syntaktischen Endknoten, nicht jedoch die syntaktische Struktur selbst modifizieren können (vgl. Pomino 2005: 232, 2008: 84). 12 Eine Ausnahme bilden hier verbale VKen, in denen der Komparator mitsamt Vergleichskomplement dem verbalen Restriktor folgt. Darin verhalten sich VKen wie andere quantifizierende Elemente (z.B. it. molto ‚viel’), die (in linksköpfigen Sprachen) ebenfalls dem Verb nachgestellt sind. 13 Es handelt sich dabei um eine „lange“ Kopfbewegung, denn der Restriktorkopf wird dabei „übersprungen“. Eine solche Bewegung widerspricht zwar dem Head Movement Constraint (vgl. Travis 1984: 131), nicht jedoch einer erweiterten Version dieser Beschränkung, wie sie beispielsweise von Roberts (1994) oder Donati (2000) vorgeschlagen wird. Auf die Details dieser abgewandelten Beschränkung kann in diesem Rahmen nicht eingegangen werden (vgl. aber Grimaldi 2005: 344ff), es sei lediglich darauf hingewiesen, dass lange Kopfbewegung in diesen Arbeiten unabhängig von den hier genannten Strukturen postuliert wird, sodass es sich dabei nicht um einen VK-spezifischen Mechanismus handelt. Im Gegensatz dazu müssen konkurrierende Lösungen, z.B. obligatorische Rechtsextraposition (vgl. Bresnan 1973, Napoli & Nespor 1986, Bhatt & Pancheva 2004) oder die Schalenanalyse (vgl. Larson 1991, Izvorski 1995, White 1998) auf konstruktionsspezifische Mechanismen zurückgreifen. Für eine ausführliche Diskussion, vgl. Grimaldi (2005: Kapitel 3). <?page no="126"?> 114 Lucia Grimaldi Bevor wir uns der Analyse von Äquativen zuwenden, die einige zusätzliche Annahmen benötigt, möchte ich die Analyse anhand der folgenden italienischen Komparativkonstruktion erläutern (vgl. auch 6a): (28) Anna compra più pomodori di Maria. In einem ersten Schritt selegiert ein Gradkopf das Vergleichskomplement di Maria (vgl. 29). Dabei besteht der Komparator als funktionales Element zunächst lediglich aus formalen Merkmalen: 14 (29) Selektionsbeziehung zwischen Komparator und Vergleichskomplement Deg [ER] PP di Maria DegP In Einklang mit Doetjes (1997) wird angenommen, dass bestimmte Nomen und Verben eine Quantität-θ-Rolle aufweisen. Diese kann jedoch nicht durch eine DegP, sondern nur durch eine QP entladen werden. Die DegP in (29) ist somit nicht in der Lage, die Quantität-θ-Rolle des nominalen Restriktors zu sättigen, sondern benötigt eine zusätzliche Quantifiziererschicht, in der unter anderem die Relationsrichtung des Vergleichs (hier: positiv, also [+]) kodiert ist. Wie Abbildung (30) zeigt, wird die DegP daher als Komplement einer QP selegiert. Anschließend inkorporiert der Deg-Kopf in den Q-Kopf, da angenommen wird, dass Gradköpfe an irgendeinem Punkt der Derivation ein adjektivisches oder quantifizierendes Komplement benötigen, um ihre Selektionsbedingungen zu erfüllen: 15 (30) Derivation des komplexen Komparators 14 Im Folgenden wird lediglich das Merkmal berücksichtigt, das die Art der Vergleichsrelation kodiert. In (28) liegt eine Komparativrelation vor, die in Anlehnung an das englische Komparativsuffix -er als [ER] dargestellt wird. 15 Die entsprechende Konfiguration wird im Gegensatz zur FH-Analyse nicht durch External, sondern durch Internal Merge generiert. Deg [ER] Q [+] Deg [ER] PP di Maria DegP Q QP = Select/ Merge von Q = Kopfbewegung von Deg nach Q (Inkorporation) <?page no="127"?> Die Syntax italienischer Äquativkonstruktionen 115 Daraus ergibt sich für den Komparator in nominalen VKen eine komplexe Struktur, nämlich die eines Deg/ Q-Kopfes. Die komplexe QP, die als VK im engen Sinne angesehen werden kann, wird sodann in die Komplementposition des nominalen Restriktors eingesetzt: 16 (31) Verknüpfung mit dem Restriktor und θ-Identifikation Dadurch kann die Quantität-θ-Rolle des Nomens mittels θ-Identifikation entladen werden. Anschließend wird die funktionale Superschicht der Nominalphrase projiziert, die hier neutral als FP gekennzeichnet wird: 17 (32) Projektion der funktionalen Superschicht Die FP ist unter anderem für die θ-Bindung der referentiellen Rolle ([R]) des Nomens verantwortlich. Sie weist in VKen ein nicht-instantiiertes Operatormerkmal (Op) auf (also ein Attribut ohne Werte, gekennzeichnet durch „? “), das gemäß dem neueren Minimalismus als Sonde charakterisiert werden kann (vgl. Chomsky 2000). Die Sonde findet in der QP, die 16 Dieser Schritt setzt voraus, dass bestimmte klassische Adjunkte (z.B. Adverbien) als Komplemente analysiert werden (vgl. Larson 1988: 345f, Fn. 11, Grimaldi 2005: 235ff). 17 Um welche funktionale Projektion es sich hierbei handelt, hängt von den theoretischen Annahmen über die Komplexität der funktionalen Struktur der Nominalphrase ab: In Frage käme sowohl die DP als auch - bei einer differenzierteren Struktur - die sogenannte NumP, wie sie etwa in Heycock & Zamparelli (2003) postuliert wird. Deg [ER] Q [+] Ref = ? PP di Maria DegP Q QP i NP N pomodori <Q-θ> i FP F Op = ? φ = [Mask. Pl.] [HAF] Ref = [R] Deg [ER] Deg [ER] Q [+] Deg [ER] PP di Maria DegP Q QP i = Select/ Merge des nominalen Restriktors = Entladung der Quantitätθ-Rolle mittels θ-Identifikation NP N pomodori <Q-θ> i <?page no="128"?> 116 Lucia Grimaldi nunmehr eine aus Deg und Q bestehende komplexe Einheit bildet, den Wert des Deg-Kopfes (also [ER]) und kann damit ihr Operatormerkmal instantiieren (vgl. 33, Punkt ). 18 Damit die QP für den Sondierungsprozess überhaupt sichtbar ist, muss sie jedoch ebenfalls ein nicht-instantiiertes Merkmal aufweisen. In Frage kommt hier das Merkmal Ref, das dem von Doetjes beobachteten Umstand Rechnung trägt, dass nur Nomen mit bestimmten referentiellen Eigenschaften (nämlich zählbare Nomen im Plural und Massennomen im Singular) eine Quantität-θ-Rolle besitzen und dementsprechend in VKen auftreten dürfen. Die hieraus resultierende Anforderung, dass die Quantität-θ-Rolle mit der referentiellen Rolle des Nomens in Beziehung stehen muss, wird dadurch formalisiert, dass die Sonde der FP den Wert der referentiellen Rolle des Nomens ([R]) auf das Ziel (also die QP) überträgt (vgl. 33, Punkt ). Damit ist der Sondierungsprozess erfolgreich und das Ziel wird für Bewegung freigeschaltet. Die syntaktische Derivation der VK ist nach erfolgter Kopfbewegung des Deg/ Q-Kopfes nach F abgeschlossen (vgl. 33, Punkt ): 19 18 Auch die Verortung der φ-Merkmale in F ist als Resultat eines Sondierungsprozesses zu verstehen: Überträgt man Chomskys Sondenansatz auf die funktionale Struktur der Nominalphrase, ist davon auszugehen, dass die φ-Merkmale in N spezifiziert sind und erst durch Sondierung auch in der funktionalen Superschicht der Nominalphrase kodiert werden. Auf diesen Prozess, der unabhängig von VKen erfolgen muss, kann hier nicht im Detail eingegangen werden (vgl. u.a. Pomino 2008). Ich gehe im Folgenden davon aus, dass die Instantiierung der φ-Merkmale in F beim Ablauf der hier beschriebenen Derivationsschritte bereits stattgefunden hat. 19 Als Motor für die Kopfbewegung wird hier in Anlehnung an Pomino (2008) ein Head Attraction Feature ([HAF]) postuliert. Für die Plausibilität der Annahme eines solchen Merkmals in F, vgl. Grimaldi (2005: 342f). <?page no="129"?> Die Syntax italienischer Äquativkonstruktionen 117 (33) Struktur der nominalen VK nach erfolgreichem Sondierungsprozess Nach Spell-Out werden die funktionalen Endknoten durch die Vokabeleinsetzung mit phonologischem Material gefüllt. Dabei gilt die Regel, dass die für eine Umgebung am höchsten spezifizierte Vokabel eingesetzt wird (vgl. Halle & Marantz 1994: 276, Pomino in diesem Band: Abschnitt 2.1). Für die hier relevante Umgebung werden die folgenden Vokabeleinträge postuliert: 20 (34) Für Deg [ER] und Q [+] relevante Vokabeleinträge (vgl. Grimaldi 2005: 309) a. / meno/ ⇔ Deg / ___ Q [-] [ER] b. / pju/ ⇔ Deg(/ Q) / ___ [ER] c. / tant-/ ⇔ Q (Default) Für das Standarditalienische wird darüber hinaus eine einzelsprachspezifische morphologische Regel angenommen, welche die Fusion von Deg und 20 Die Vokabeleinträge sind folgendermaßen zu lesen: Das phonologische Material vor dem Doppelpfeil wird für den nach dem Doppelpfeil genannten syntaktischen Knoten eingesetzt, wenn die hinter dem Schrägstrich spezifizierte Umgebung vorliegt. Dabei zeigt der Unterstrich die Position des zu füllenden syntaktischen Knotens. Die Vokabel (34a) beinhaltet also beispielsweise die folgende Anweisung: „Setze die Vokabel / meno/ für Deg ein, wenn dieses das Merkmal [ER] aufweist und einem Q mit dem Merkmal [-] vorangeht.“ Deg [ER] Q [+] Ref = [R] Deg [ER] PP di Maria DegP Q QP i = Instantiierung des Operatormerkmals in F mittels Sondierung = Übertragung der in F kodierten referentiellen Rolle des Nomens auf Q = Bewegung des komplexen Q -Kopfes nach F (Inkorporation) NP N pomodori <Q-θ> i FP F Deg [ER] Q [+] Ref = [R] Q F Op = [ER] φ = [Mask. Pl.] [HAF] Ref = [R] <?page no="130"?> 118 Lucia Grimaldi Q bewirkt, sofern Q nur unmarkierte Werte trägt, wobei [+] als unmarkiert definiert wird: 21 (35) Fusion von Deg und Q Deg [X] Q [+] Q Deg/ Q [X] [+] Q Fusion Dadurch steht für die Vokabeleinsetzung nur ein Endknoten zur Verfügung, der die Merkmale der beiden fusionierten Köpfe in sich vereint. Für den entsprechenden fusionierten Deg/ Q-Kopf mit den Merkmalen [ER] und [+] kommt im Italienischen nur die Vokabel (34b) in Frage, also più. Ihre Einsetzung führt zur VK (28). Neben dem Umstand, dass die eben vorgestellte Analyse ohne konstruktionsspezifische Mechanismen auskommt, bietet sie den Vorteil, dass sie auf alle Restriktortypen gleichermaßen anwendbar ist. Bei adjektivischen Restriktoren entfällt in der Regel die Q-Schicht, 22 bei verbalen findet zwar ein Sondierungsprozess statt, jedoch keine Bewegung des Komparators in die funktionale Superschicht des Verbs (vgl. Grimaldi 2005: 348ff). Darüber hinaus eignet sich die eben erläuterte Derivation nicht nur für die Analyse von Komparativkonstruktionen, sondern auch für andere Typen von VKen, u.a. auch für Äquativkonstruktionen. Betrachten wir noch einmal die Äquativkonstruktion in (6b), hier wiederholt als (36): (36) Anna compra tanti pomodori quanti Maria. Gemäß der eben erläuterten Analyse erhalten wir die folgende syntaktische Struktur, bei der der Deg-Kopf entsprechend der Art der Vergleichsrelation das Merkmal [EG] 23 aufweist: 21 Die Annahme, dass nur syntaktische Endknoten mit unmarkierten Werten fusionieren dürfen, ist innerhalb der Distributed Morphology üblich (vgl. u.a. Arregi 2000: 3, Embick & Halle 2000). Damit trägt man der Tatsache Rechnung, dass unmarkierte grammatikalische Information nicht selten durch phonologische Kürze gekennzeichnet ist (vgl. auch Pomino in diesem Band: Abschnitt 3.2). Typische unmarkierte Werte außerhalb von VKen sind z.B. [Präsens] für T, [3. Person], [Singular] und [Maskulin] für φ etc. 22 Außer wenn der Komparator fokussiert ist (Merkmal [+Fok], vgl. z.B. 39b) oder aber eine negative Relationsrichtung vorliegt (z.B. „weniger groß“): In diesen Fällen muss auch in adjektivischen VKen eine Q-Schicht projiziert werden, in der die entsprechenden Merkmale kodiert sind, vgl. Grimaldi (2005: 310ff). 23 Aus fr. égalité, in Anlehnung an Rivara (1990). <?page no="131"?> Die Syntax italienischer Äquativkonstruktionen 119 (37) Struktur nominaler Äquativkonstruktionen 24 In diese Struktur muss nun das phonologische Material für die funktionalen Kategorien Deg und Q eingesetzt werden. Zuvor wird jedoch eine einzelsprachspezifische morphologische Operation postuliert, die den Deg- Knoten (bzw. nach Anwendung von (35) den fusionierten Deg/ Q-Knoten) löscht, sofern dieser nur unmarkierte Werte aufweist. 25 Ausgehend von der Annahme, dass Gleichheit [EG] eine unmarkierte Vergleichsrelation darstellt, kann für Äquative im Italienischen die folgende Tilgungsregel angenommen werden (vgl. Grimaldi 2005: 319): (38) Lösche Deg[EG](/ Q/ [+]): Der Deg(/ Q)-Knoten wird gelöscht, sofern er nur unmarkierte Werte trägt. Betrachten wir noch einmal die Äquativkonstruktionen (8), (10) und (11), ergibt sich die Distribution von tanto wie folgt: (39) a. Anna è alta quanto Maria. b. Anna è tanto alta quanto Maria. c. Anna dorme quanto Maria. d. Anna dorme tanto quanto Maria. e. *Anna compra pomodori quanti Maria. f. Anna compra tanti pomodori quanti Maria. Die Daten aus (39a) und (39c) ergeben sich aus der Anwendung der Regeln (35) (Fusion) und (38) (Tilgung); (39b) und (39d) sind hingegen darauf zurückzuführen, dass die Quantifiziererschicht erhalten bleibt, da der Quantifizierer fokussiert ist und [+Fok] keinen unmarkierten Wert 24 Worum es sich beim Vergleichskomplement quanti Maria, das hier als PP dargestellt ist, genau handelt, wird in Abschnitt 6 erläutert. 25 In der Distributed Morphology spricht man dabei von Impoverishment (vgl. u.a. Bonet 1991). Deg [EG] Q [+] Ref = [R] Deg [EG] PP quanti Maria DegP Q QP i NP N pomodori <Q-θ> i FP F Deg [EG] Q [+] Ref = [R] Q F Op = [EG] φ = [Mask. Pl.] [HAF] Ref = [R] <?page no="132"?> 120 Lucia Grimaldi darstellt. Schließlich bleibt noch zu erklären, weshalb tanto in nominalen [EG]-VKen immer realisiert werden muss (vgl. das ungrammatische Beispiel 39e). Die Annahme, dass der Quantifizierer in nominalen Äquativen immer fokussiert sei, erscheint unplausibel. Ich möchte vielmehr vorschlagen, dass die in der funktionalen Superschicht des Nomens kodierten φ-Merkmale die Tilgung des Q-Knotens blockieren. Es wird also lediglich der Deg-Knoten getilgt, während der Q-Knoten als selbständiger syntaktischer Endknoten erhalten bleibt und gemäß den in (34) spezifizierten verfügbaren Vokabeleinträgen durch den Default-Wert / tant/ gefüllt wird. 26 Zusammenfassend kann man sagen, dass die Kopfbewegungsanalyse in Verbindung mit einigen Annahmen der Distributed Morphology und dem Sondenansatz von Chomsky (2000) in der Lage ist, alle Typen von VKen zu erfassen, ohne konstruktionsspezifische Mechanismen anzunehmen. Darüber hinaus kann sie den in Abschnitt 2 beschriebenen besonderen Status von tanto in italienischen VKen erklären. Im Gegensatz zu più dient es nicht der Realisierung eines Deg-Kopfes (bzw. eines fusionierten Deg/ Q-Knotens) und ist somit kein „klassischer“ Komparator, sondern es realisiert lediglich einen Quantifiziererkopf. Tritt dieser neben einem overten Deg-Kopf auf, führt dies zu Konstruktionen wie (12); wird der Deg-Knoten infolge von Unmarkiertheit seiner Werte getilgt, bleibt der durch tanto realisierte Quantifizierer als einziger Bestandteil eines komplexen Komparators übrig (z.B. in 6b). Italienische Äquativkonstruktionen ohne Komparator (z.B. 39a und 39c) sind schließlich darauf zurückzuführen, dass die beiden syntaktischen Knoten, die den Komparator ausmachen (also Deg und Q), lediglich unmarkierte Werte enthalten und im Italienischen daher getilgt werden. 5 Quanto als Äquativ-Standardmarker? Ebenso wie der Status von tanto ist auch derjenige von quanto in italienischen Äquativen nicht leicht zu bestimmen. Betrachtet man noch einmal die Daten aus (4) (hier wiederholt als 40), scheint es zunächst, als ob quanto in Äquativen (vgl. 40b) dieselbe Rolle erfüllen würde wie di in Komparativen (vgl. 40a), nämlich die des Standardmarkers, der den Vergleichsstandard (hier: Maria) einführt: 26 Die Einsetzung des Flexionssuffixes -i ergibt sich aus den entsprechenden φ-Merkmalen in F, vgl. die Graphik (37). <?page no="133"?> Die Syntax italienischer Äquativkonstruktionen 121 (40) a. Anna è più alta di Maria. b. Anna è (tanto) alta quanto Maria. Diese in der Literatur weit verbreitete Einschätzung kommt z.B. im folgenden Zitat zum Ausdruck: Die Vergleichsterme [i.e. die Vergleichsstandards, Anm. L.G.] werden durch Junktoren eingeleitet. Diese sind: quanto (‚wie’), come (‚wie’), che (‚als’) und di (‚als’). Quanto und come sind die Junktoren der Gleichheit, che und di sind die Junktoren der Verschiedenheit. (Schwarze 1995: 686) Für eine Einstufung von quanto als Standardmarker spricht, dass es offensichtlich ebenso wie di in Komparativen Akkusativkasus vergibt: 27 (41) a. Anna è più alta di me. A. ist mehr groß- SG . F . als ich- AKK . ’A. ist größer als ich.’ b. Anna è (tanto) alta quanto me. A. ist (so-viel) groß- SG . F . wie-viel ich- AKK . ’A. ist so groß wie ich.’ Betrachtet man sogenannte satzhafte VKen, in denen der Vergleichsstandard aus einem (Vergleichs-)Satz besteht (im folgenden Beispiel fett markiert), ergibt sich jedoch ein anderes Bild: (42) a. Anna compra più pomodori di quanti ne A. kauft mehr Tomate- PL . M . als wie-viel- PL . M . davon compra Maria. kauft M. ’A. kauft mehr Tomaten als M. kauft.’ b. Anna compra tanti pomodori quanti ne A. kauft so-viel- PL . M . Tomate- PL . M . wie-viel- PL . M . davon compra Maria. kauft M. ’A. kauft so viele Tomaten wie M. kauft.’ In der Komparativkonstruktion (42a) kann quanto kein Standardmarker sein, da es mit dem Komparativ-Standardmarker di kookkurriert. Es ver- 27 Nicht zuletzt aus diesem Grund zählt Rizzi (1988: 522) quanto zu den „preposizioni equative-comparative”. Die Kasusvergabe ist übrigens sogar dann zu beobachten, wenn quanto flektiert wird (Bsp. aus Belletti 1991: 844; Gloss. und Übers.: L.G.): (i) Gianni ha fatto tanti viaggi quanti te/ *tu. G. hat gemacht so-viel- PL . M . Reise- PL . M . wie-viel- PL . M . du- AKK ./ *du- NOM . ’G. hat so viele Reisen gemacht wie du.’ <?page no="134"?> 122 Lucia Grimaldi hält sich vielmehr wie ein Wh-Element, das einen freien Relativsatz einleitet (vgl. Donati 2000). Die Identität der Vergleichssätze in Komparativen und Äquativen legt eine parallele Behandlung von quanto in beiden Konstruktionen nahe: Der satzhafte Vergleichsterm [i.e. Vergleichsstandard, Anm. L.G.] hat die Form eines freien Pronominalsatzes mit quanto. Er wird bei einem Komparator der Ungleichheit durch di regiert [...] und bei einem Komparator der Gleichheit [...] direkt angefügt. (Schwarze 1995: 683) Si può peraltro avanzare l’ipotesi che anche nei costrutti correlativi [i.e. Äquative und Similative, Anm. L.G.] quanto e come introducano frasi relative; sarebbero in questo caso avverbi relativi [...]. 28 (Colombo 1991: 311) Folgt man diesen Ansätzen, muss quanto in satzhaften italienischen Äquativen wie (42b) tatsächlich als Wh-Element angesehen werden. Dies widerspricht einerseits seiner Einstufung als Standardmarker und impliziert andererseits, dass in satzhaften Äquativen kein (overter) Standardmarker vorliegt. Will man an einer gemeinsamen syntaktischen Erfassung von VKen unabhängig von der darin kodierten Vergleichsrelation festhalten, muss eine Erklärung dafür gefunden werden, dass satzhafte Komparative im Italienischen offensichtlich mehr phonologisches Material aufweisen als satzhafte Äquative. Da in manchen Sprachen satzhafte Äquative zu finden sind, die ebenso wie ihre komparativischen Entsprechungen sowohl einen Standardmarker als auch ein Wh-Element enthalten, kann davon ausgegangen werden, dass die zugrunde liegende syntaktische Struktur komparativischer und äquativischer Vergleichssätze identisch sein muss (vgl. Bresnan 1975: 72): 29 (43) engl. a. It’s longer than what it was. b. We don’t have as many apples as what we need. Folgt man Donatis Analyse komparativischer Vergleichssätze, liegt hier ein freier Relativsatz vor, der durch lange Wh-Kopfbewegung deriviert wird. Die Besonderheit dieser Bewegung besteht darin, dass der bewegte 28 „Man kann im Übrigen die Hypothese vertreten, dass quanto und come auch in den Korrelativkonstruktionen Relativsätze einführen; in diesem Fall wären sie Relativadverbien [...]“ (Übers.: L.G.). 29 Bresnan lässt offen, in welcher englischen Varietät solche Daten vorkommen. Ähnliche Konstruktionen wie (43a) finden sich übrigens in manchen deutschen Varietäten (vgl. Hahnemann 1999: 63 sowie die folgenden Beispiele aus Google, 9.12.2005): (i) Fast noch besser als wie Mister Gimpl und Tjuning-Paul mitterannanner. (ii) Giptoch nix schöneret als wie Römer zu vertrimmen. <?page no="135"?> Die Syntax italienischer Äquativkonstruktionen 123 Wh-Kopf (ebenfalls) projiziert. 30 Demnach können für die Vergleichssätze aus (42) die folgenden Strukturen postuliert werden: (44) Struktur komparativischer (a) und äquativischer (b) Vergleichssätze a. b. Der Vorteil dieser Analyse besteht darin, dass sie einerseits den Unterschied zwischen freien Relativsätzen (Wh-Kopfbewegung) und (homonymen) Interrogativsätzen (Wh-Phrasenbewegung) strukturell herleitet und dass sie andererseits den Zwitterstatus von freien Relativsätzen, die sowohl satzhaften als auch nominalen Charakter aufweisen, erklären kann. Da das bewegte Wh-Element als Kopf projiziert, überträgt es seinen D- Status auf die eigentlich zu erwartende CP-Struktur und es ergibt sich eine CP/ DP-Struktur. 31 30 Vgl. Donati (2000). In jüngster Zeit scheint sich eine solche Analyse freier Relativsätze unabhängig von VKen durchzusetzen (vgl. Iatridou et al. 2001, Chomsky 2008). 31 Man beachte, dass der Standardmarker bzw. die Präposition di nicht in der Lage wäre, eine gewöhnliche CP zu selegieren. Erst der durch die Wh-Kopfbewegung herbeigeführte nominale Status (DP) macht eine Selektion durch di möglich. Eine Alternative, gemäß der der Standardmarker di keine Präposition, sondern ein Komplementierer wäre, würde ebenfalls keine gewöhnliche CP lizensieren. Der Komplementierer di darf im Italienischen nämlich nur TPen mit dem Merkmal [-finit] selegieren. Gemäß Rizzis (1997) Split-CP-Hypothese wird der Komplementierer di in der untersten CP-Position (FinP) angesiedelt. Somit stünde er in jedem Fall unterhalb von etwaigen Fokus- und Topikphrasen. Folgt man Rizzis Annahme, dass Wh-Bewegung die FokP (oder noch höhere Schichten der linken Peripherie) zum Ziel hat, würde di strukturell unterhalb des Wh-Elements stehen, egal ob dieses als Kopf oder als Phrase bewegt wird. Ein weiterer großer Vorteil dieser Analyse besteht darin, dass sie eine natürliche Erklärung für die ansonsten unerwartete Anti-Pied-Piping-Bedingung in freien Relativsätzen liefert. Diese lizensieren nämlich keine Wh-Elemente mit NP- Komplement (vgl. Donati 2000: 22): (i) Quanto hai fatto non mi è piaciuto. wie-viel hast gemacht nicht ich- DAT . ist gefallen ’Was du gemacht hast, hat mir nicht gefallen.’ (ii) * Quante cose hai fatto non mi sono piaciute. wie-viel- PL . F . Ding- PL . F . hast gemacht nicht ich- DAT . sind gefallen- PL . F . Solche Daten legen nahe, dass hier tatsächlich Kopfbewegung vorliegen muss. DegP Deg [ER] PP P [ER] di CP/ DP C/ D quanti TP ne compra Maria quanti DegP Deg [EG] PP P [EG] CP/ DP C/ D quanti TP ne compra Maria quanti <?page no="136"?> 124 Lucia Grimaldi Der Unterschied zwischen dem Vergleichssatz in Komparativen (vgl. 44a) und dem in Äquativen (vgl. 44b) liegt in der Vergleichsrelation ([ER] vs. [EG]), die nicht nur im Komparator, sondern auch im Standardmarker kodiert sein muss, da - wie in Abschnitt 3.2 bereits erwähnt - bestimmte Komparatoren bestimmte Standardmarker fordern. Ich möchte vorschlagen, dass der Standardmarker in italienischen äquativischen Vergleichssätzen keiner phonologischen Realisierung bedarf und dass dieser Umstand ebenso wie im Fall des äquativischen Komparators auf eine Tilgungsregel zurückzuführen ist. Diese findet ebenso wie Regel (38) immer dann Anwendung, wenn der Standardmarker ausschließlich den unmarkierten Wert [EG] trägt: (45) Lösche P[EG]: Der P-Knoten wird gelöscht, wenn er nur unmarkierte Werte aufweist. Die Anwendung von (45) führt zur folgenden Struktur: (46) Struktur des äquativischen Vergleichssatzes nach Tilgung von [EG] Die Tilgung der Merkmale des P-Knotens hat zur Folge, dass in diesen kein phonologisches Material eingesetzt werden kann. Da dieser Prozess erst nach Spell-Out stattfindet, bleiben die Merkmale von P auf LF erhalten und sind somit für die Semantik interpretierbar. Das dabei entstehende Missverhältnis von PF und LF sowie die konfigurationelle Nähe der Köpfe P und C/ D führt dazu, dass die Vokabel für den C/ D-Kopf als Standardmarker (also P) reanalysiert und infolgedessen grammatikalisiert wird, sofern man die Grammatikalisierungsdefinition von Roberts & Roussou zugrundelegt: „[...] grammaticalization can be seen as the result of upward reanalysis [...]“ (Roberts & Roussou 2003: 194). Die Reanalyse von quanto als Standardmarker erlaubt wiederum seine Verwendung in phrasalen Äquativen und erklärt seine Fähigkeit, Akkusativkasus zu vergeben (vgl. 41b). 32 32 Dass in phrasalen Äquativen keine Tilgung des P-Knotens erfolgt und die phonologische Realisierung von quanto obligatorisch ist, kann als Folge dieser Kasusvergabe angesehen werden. Da in dieser Konfiguration der P-Knoten auch ein Merkmal [Akk] aufweisen muss, enthält er nicht ausschließlich unmarkierte Werte. PP P [EG] CP/ DP C/ D quanti TP ne compra Maria quanti <?page no="137"?> Die Syntax italienischer Äquativkonstruktionen 125 Diese Analyse weist den Vorteil auf, dass sie für komparativische und äquativische Vergleichssätze die gleiche syntaktische Struktur postuliert: Beide enthalten einen Standardmarker und ein Wh-Element, unterscheiden sich aber dadurch, dass in italienischen Äquativen nur einer der beiden phonologisch realisiert wird. Dadurch lässt sich das scheinbar widersprüchliche Verhalten von quanto erklären, das sowohl als Wh-Element als auch als Standardmarker auftreten kann. Darüber hinaus liefert dieser Ansatz eine formale Basis für die in der Typologie auch außerhalb des Italienischen beobachtete Tendenz zur Grammatikalisierung von Wh-Elementen zu Standardmarkern in VKen, z.B. beim ungarischen Komparativ-Standardmarker mint (‚als’) aus dem homonymen „Interrogativadverb“ mint (‚wie’) sowie bei dt. wie, das ebenfalls sowohl Standardmarker in Äquativen (und in manchen Varietäten auch in Komparativen) als auch Wh-Element sein kann (vgl. Heine & Kuteva 2002: 177). 6 Zusammenfassung Die hier vorgestellte Analyse italienischer Äquativkonstruktionen kann das in der italianistischen Forschungsliteratur häufig beobachtete widersprüchliche Verhalten von tanto und quanto erklären, ohne auf eine gemeinsame Erfassung von Äquativen und anderen VKen zu verzichten. Darüber hinaus steht sie im Einklang mit den Daten aus anderen Sprachen. Sie basiert auf einer Selektionsbeziehung zwischen Komparator und Standardmarker, wobei der Komparator als syntaktischer und semantischer Kopf der VK aufgefasst wird. Die korrekte Linearisierung ergibt sich durch Kopfbewegung des Komparators (der aus einem Deg-Kopf und ggf. einem Q-Kopf besteht) in die funktionale Superschicht des jeweiligen Restriktors. Diese Bewegung ist Folge eines Sondierungsprozesses, der durch die funktionale Struktur des Restriktors ausgelöst wird. Die Besonderheit italienischer Äquative kann durch die in der Distributed Morphology postulierte späte Vokabeleinsetzung sowie durch zwei postsyntaktische morphologische Operationen (Fusion und Tilgung) erklärt werden, die auf der Unmarkiertheit der Vergleichsrelation in Äquativen (nämlich [EG]) beruhen. Als Folge dieser Operationen ergibt sich sowohl für den Komparator als auch für den Standardmarker in italienischen Äquativen eine Konfiguration, in der zwei adjazenten syntaktischen Knoten auf PF lediglich eine Vokabel entspricht. Dies führt zu einer ambivalenten Einstufung der jeweiligen Einträge und - im Fall von quanto - zur Grammatikalisierung. <?page no="138"?> 126 Lucia Grimaldi 7 Literatur Abney, Steven (1987): The English Noun Phrase in its Sentential Aspect. Diss., MIT. Arregi, Karlos (2000): “How the Spanish Verb Works.“ Ms., University of Florida, Gainesville. Belletti, Adriana (1991): “Le frasi comparative.“ In: Lorenzo Renzi & Giampaolo Salvi (Hgg.): Grande grammatica italiana di consultazione. Band II: I sintagmi verbale, aggettivale, avverbiale. La subordinazione. Bologna: Il Mulino, 832-853. Bhatt, Rajesh & Roumyana Pancheva (2004): “Late Merger of Degree Clauses.“ In: Linguistic Inquiry 35, 1-45. 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As will be shown, this phenomenon displays striking similarities with the specific type of V2 found in Old Italian, which can lead one to reconsider the old idea of parameter in minimalist terms by assuming that properties of functional (in this case left peripheral) heads as attractors of elements moved are phase independent. Therefore, V2 and scrambling are two sides of the same coin in this language (not in all, as V2 and scrambling are not unitary phenomena across languages), and the same types of movements can also be observed within the DP phase. 1 Einleitung 1 Ziel dieses Beitrags ist es zu zeigen, dass das Altitalienische (AI) eine Art von A’-Scrambling aufweist, welches in verschiedenen Phasen (im Sinne von Chomsky 2000ff) unterschiedliche, aber strukturell verwandte Phänomene hervorruft (vgl. Grewendorf 2005 für das Deutsche). Diesen Phänomenen liegt ein besonderer Scrambling-Prozess zugrunde, der als Bewegung in eine Topik- oder Fokusposition analysiert werden kann (oder, im Falle von mehrfachem Scrambling, in beide Positionen), die am Rande der unteren Phase (vP) liegen (vgl. u.a. Belletti 2004). Insbesondere soll gezeigt werden, dass die im Rahmen einer solchen Annahme postulierte Fokusposition innerhalb der vP dieselben syntaktischen Eigenschaften besitzt wie die Fokusposition innerhalb der CP. Anhand einer solchen parallelen Struktur lässt sich der Begriff des Parameters innerhalb der minimalistischen Theorie neu formulieren: Die Merkmale der funktionalen Projektionen (FPen), in denen Parameter zu lokalisieren sind, sind „phasenunabhängig“, d.h. wenn eine FP starke Merkmale aufweist, bleiben 1 Dieser Aufsatz ist im Rahmen des Forschungsprojekts „Italant” entstanden und verwendet das Korpus Italant Data Base für das Altitalienische von 1200 bis 1315 (vgl. http: / / www.lib.uchicago.edu/ efts/ ARTFL/ projects/ OVI/ index.html, 13.12.2007). <?page no="144"?> 132 Cecilia Poletto diese innerhalb jeder Phase stark. 2 Auf diese Weise finden verschiedene Phänomene eine analoge Erklärung und können als Folgen derselben abstrakten Eigenschaft eines funktionalen Kopfs (in unserem Fall Fok°) dargestellt werden. Im Folgenden wird von der in (1) gegebenen Struktur der oberen linken Satzperipherie ausgegangen: 3 (1) a. [Hanging Topic [Scene Setting [Left Dislocation [List Interpretation [[Contrastive CP1 adverbs/ objects [Contrastive CP2 circum adverb [Informational CP ... ]]]]]]]] b. FRAME THEME FOCUS Die obersten Projektionen folgen den Annahmen von Benincà & Poletto (2004). Bei Frame handelt es sich um die Position, welche Adverbien enthält, die den Zeitrahmen sowie das Topik des Satzes definieren. Es folgt ein Feld, in das verschiedene linksversetzte Elemente bewegt werden können, die als Thema fungieren. Das dritte Feld ist das Fokusfeld, das nicht unbedingt neue, sondern lediglich hervorgehobene Elemente enthält. Die in (1) dargestellte Struktur wird zumindest für die romanischen Sprachen angenommen und gilt somit sowohl für das AI als auch für das moderne Italienisch (MI). In Abschnitt 2 erfolgt zunächst eine kurze Zusammenfassung der in Benincà (2006) vorgeschlagenen Theorie der linken Satzperipherie im AI, die auch dem vorliegenden Beitrag zugrunde liegt. Unter 3 werden einige Fälle von OV-Stellung betrachtet, die als Bewegung von DP-Objekten in die linke Peripherie der unteren Phase (vP) analysiert werden. Abschnitt 4 führt Argumente für die Annahme auf, dass alle Phasen die gleichen Projektionen enthalten, wobei die Merkmale der betreffenden Projektionen phasenunabhängig sind. Es wird dahingehend argumentiert, dass sich das Verb in eine Fokusprojektion bewegen muss, und zwar sowohl in der 2 Dieser Beitrag bewegt sich im Rahmen des minimalistischen Modells von Chomsky (2000), wobei allerdings der Begriff der starken und schwachen Merkmale aus Chomsky (1995) beibehalten wird, da mir diese zur Erklärung der hier behandelten Phänomene als wesentlich erscheinen. 3 Die vereinfachte Struktur unter (1b) ist unter (1a) detailliert erfasst; zu den dort verzeichneten Projektionen vgl. genauer Benincà & Poletto (2004). Die Projektionen Hanging Topic und Scene Setting bilden zusammen das FRAME-Feld. Das Feld THEME besteht aus der Projektion Left Dislocation. Das FOCUS-Feld enthält die Projektion Contrastive CP1 (für Adverbien und Objekte) sowie weitere, rechts davon situierte Fokusprojektionen. Zwischen den Feldern THEME und FOCUS ist die Projektion List Interpretation angesiedelt. <?page no="145"?> OV-Stellung im Altitalienischen 133 CPals auch in der vP-Phase; für DP-Phasen wird ein ähnliches Verhalten im Hinblick auf die Adjektivstellung postuliert. In Absatz 5 werden ansatzweise verschiedene Besonderheiten der Quantorstellung diskutiert. Absatz 6 enthält einige Schlussbemerkungen sowie weitere Problemstellungen, die den Gegenstand kommender Publikationen bilden werden. 2 Die obere linke Satzperipherie im Altitalienischen: V1-, V2- und V3-Stellung Wie in der Literatur angenommen (vgl. u.a. Benincà 1984, 2006), ist AI eine V2-Sprache, da eine XP vor dem flektierten Verb die „germanische“ Inversion des Subjekts hervorruft, d.h. das Subjekt befindet sich zwischen dem flektierten Verb und dem Partizip - eine im MI nicht mehr grammatische Anordnung. 4 Die Inversion war sowohl in Matrixsätzen als auch in eingebetteten Deklarativsätzen möglich; wie die Beispiele in (2) zeigen, war sie jedoch in eingebetteten Interrogativsätzen, soweit erkennbar, ungrammatisch (vgl. Benincà 2006). 5 (2) a. quali denari avea Baldovino lasciati loro welche Gelder hatte B. gelassen ihnen ‘Gelder, welche B. ihnen hinterlassen hatte’ (Doc. fior., 1272-78: 437, 29) 6 b. perciò che primieramente avea ella fatta a llui deswegen dass zuerst hatte sie gemacht A ihm ingiuria Unrecht ‘deswegen, weil sie ihm als erstes Unrecht zugefügt habe’ (Brunetto Latini, Rettorica: 116, 15) Vor dem flektierten Verb konnten alle Arten von Konstituenten auftreten, unter anderem solche, die auch noch im MI in dieser Position grammatisch sind: 4 Diese Meinung wird nicht von allen AutorInnen geteilt. Ich werde hier der Theorie von Benincà (2006) folgen, die mehrere Argumente für den V2-Status der alten romanischen Sprachen liefert. 5 Die Hervorhebungen in diesen und den folgenden Beispielen stammen von mir. 6 Die bibliographischen Angaben zu der ItalNet Datenbank (vgl. Fn. 1) finden sich unter http: / / www.lib.uchicago.edu/ efts/ ARTFL/ projects/ OVI/ OVI.2004.bib.html, 13.12.2007. <?page no="146"?> 134 Cecilia Poletto (3) a. L’ angelo li parlò e disse così: [...]. der Engel ihm sprach und sagte so ‘Der Engel sprach zu ihm und sagte Folgendes: [...].’ (Novellino: 138, 2f) b. Un giorno avenne che [...]. ein Tag geschah dass ‘Eines Tages geschah es, dass [...].’ (Novellino: 137, 6) Daneben finden sich allerdings auch solche Elemente, die im MI ausgeschlossen sind (Linksversetzung wird hier nicht berücksichtigt, siehe aber unten genauer): (4) a. Il verme nella pietra conobbi. den Wurm in-dem Stein ich-(er)kannte ‘Ich erkannte, dass der Stein vom Wurm befallen war.’ (Novellino: 128, 19) b. Quelli vendette l’ arme e cavallo; li danari si dieser verkaufte die Waffen und Pferd die Gelder sich ritenne. zurückhielt ‘Dieser verkaufte die Waffen und das Pferd; das Geld behielt er für sich.’ (Novellino: 164, 7f) Wie ebenfalls bereits in der Forschungsliteratur diskutiert wurde, ist AI jedoch keine „Standard”-V2-Sprache, weil es der linearen Einschränkung des V2-Effekts nicht unterworfen ist: Es lassen sich in den Texten oftmals mehrere Konstituenten vor dem flektierten Verb beobachten, sodass man von V3-, V4u.a. Anordnungen ausgehen kann: (5) a. Et dall’ altra parte Aiaces era uno cavaliere franco. und auf-der anderen Seite Aiaces war ein Ritter mutiger ‘Und andererseits war Aiaces ein mutiger Ritter.’ (Brunetto Latini, Rettorica: 94, 7) b. Sao ko [kelle terre per kelle fini que ki ich-weiß dass jene Länder für jene Grenzen die hier contene], [trenta anni] le possette parte Santi Benedicti. enthält dreißig Jahre sie besaß Teil Sancti Benedicti (lat.) ‘Ich weiß, dass jene Ländereien, in jenen Grenzen, von denen hier die Rede ist, dreißig Jahre lang im Besitz des Benediktinerklosters waren.’ (Doc. Capua, 960: 59, 16f) Das AI weist oft auch Fälle von V1-Stellung auf (wie in den alten germanischen Sprachen, vgl. u.a. Sigurðsson 1990), vgl. (6). Befindet sich das flektierte Verb an erster Stelle, ist bei Klitika die Enklise obligatorisch <?page no="147"?> OV-Stellung im Altitalienischen 135 (vgl. 7). Diese Eigenschaft ist als „Tobler-Mussafia-Gesetz“ bekannt und wurde in der philologischen Literatur bereits umfassend behandelt. 7 (6) Avemo detto che è rettorica [...]. wir-haben gesagt was ist Rhetorik ‘Wir haben gesagt, was die Rhetorik ist [...].’ (Brunetto Latini, Rettorica: 5, 17) (7) Leggesi di Salamone che [...]. liest-sich von Salomon dass ‘Man liest von Salomon, dass [...].’ (Novellino: 138, 1) Das AI zeigt wie das MI eine aufgespaltene linke Satzperipherie (vgl. Rizzi 1997, Benincà 2001). In dem hier vertretenen Ansatz bedeutet dies, dass das V2-Phänomen in der Fokusphrase (FokP) zu lokalisieren ist. Jedoch sind oberhalb der FokP sowohl im AI als auch im MI mehrere Topikphrasen (TopPen) anzunehmen, die sich als Nominativus pendens und als Linksversetzung manifestieren. Da somit mehrere Topikpositionen über der V2-Position besetzt werden können, ist im AI V3- und V4-Stellung möglich. V1 schließlich entspricht nach Benincàs Analyse einer Verbbewegung in eine Position im Topikfeld, die höher als FokP liegt. Bei dieser Verbbewegung verhalten sich schwachtonige Pronomen enklitisch. Ich werde im weiteren Verlauf des Artikels der Analyse von Benincà (1994, 2006) folgen, die AI und MI nur dann bezüglich der obligatorischen Verbbewegung in die FokP unterscheidet, wenn die FokP leer ist (also nicht in eingebetteten Interrogativsätzen): In beiden Sprachstufen liegt dieselbe aufgespaltene linke Peripherie vor. Im AI aber ist Verbbewegung bis Fok° obligatorisch, sodass sich V2-Stellung ergibt. Im MI ist das nicht der Fall. In beiden Sprachstufen kann eine Konstituente nach [Spec, FokP] bewegt werden, wobei zusätzlich mehrere Konstituenten in den Topikpositionen erscheinen können. 7 Weitere Phänomene, die die obere linke Satzperipherie betreffen, wie die Satzpartikeln sì und e als Fokus- und Topikpartikeln, werden hier nicht weiter behandelt (vgl. Poletto 2007). Das Phänomen der Enklise wird hier ebenfalls nicht analysiert (vgl. Benincà 2006), sondern nur als Test verwendet, um die Parallele zwischen der oberen und der unteren linken Peripherie aufzuzeigen. <?page no="148"?> 136 Cecilia Poletto 3 Die untere linke Peripherie 3.1 XP-V Partizip Die V2-Stellung ist nicht das einzige syntaktische Phänomen, das AI und MI unterscheidet. Für die folgenden Ausführungen wird vorausgesetzt, dass im AI die Abfolge direktes Objekt + indirektes Objekt (bzw. eine andere Ergänzung) wie noch im MI die unmarkierte Reihenfolge darstellt. 8 (8) a. Tenea un savio greco in pregione. hielt einen weisen Griechen in Gefängnis ‘Er hielt einen weisen Griechen im Gefängnis fest.’ (Novellino: 125, 3) b. Fece menare il destriere al campo. ließ leiten das Ross zu-dem Feld ‘Er ließ das Ross zum Feld führen.’ (Novellino: 126, 7) c. Molto onoroe la donna nel parto. viel er-ehrte die Frau in-der Geburt ‘Er erwies der Frau bei der Geburt viel Ehre.’ (Novellino: 234, 7) d. Torquato, consolo di Roma, fece per iustizia Torquatus Konsul von Rom machte wegen Gerechtigkeit tagliare la testa al figliuolo. abschneiden den Kopf A-dem Sohn ‘Torquatus, Konsul von Rom, ließ der Gerechtigkeit wegen seinem Sohn den Kopf abtrennen.’ (Fiori di filosafi: 113, 2f) In einigen Fällen weicht die Wortstellung jedoch von der unmarkierten Wortstellung ab, was im Prinzip dort, wo die betreffende Anordnung noch im MI möglich ist (vgl. 10a), als Rechtsversetzung einer XP analysiert werden könnte. (9) a. Mandolli per li detti ambasciatori tre pietre schickte-ihm durch die genannten Botschafter drei Steine nobilissime. sehr-edle ‘Er schickte ihm durch die besagten Botschafter drei äußerst edle Steine.’ (Novellino: 121, 5) 8 Die Anordnung der Adverbien ist im AI ebenfalls die gleiche wie im MI, vgl. Poletto (in Vorb.). <?page no="149"?> OV-Stellung im Altitalienischen 137 b. Si trovò il suo corpo in neuna parte magagnato. sich er-fand den seinen Körper in keinem Teil verletzt ‘Er fand seinen Körper in keinem Teil verletzt.’ (Bono Giamboni, Orosio: 307, 8f) c. ch’ elli avesse di me mercede dass er hätte von mir Gnade ‘dass er mir gegenüber Gnade erwiesen hätte’ (Novellino: 318, 17) Die Abfolge Objekt-Partizip kommt im AI ziemlich häufig vor und ist im MI völlig ausgeschlossen (vgl. Egerland 1996). Die gleiche Abfolge lässt sich bei Modalverben und eingebetteten Infinitivsätzen in Kausativkonstruktionen beobachten (auch diese Fälle sind im MI ungrammatisch). (10) a. che i nimici avessero già il passo pigliato dass die Feinde hätten schon den Pass genommen ‘dass die Feinde den Pass schon eingenommen hatten’ (Bono Giamboni, Orosio: 88, 15) b. ch’ egli avea il maleficio commesso dass er hatte die Untat begangen ‘dass er die Untat begangen hatte’ (Fiore di rett.: 31, 12f) c. Io ti farò di villana morte morire. ich dich werde-machen von grausamem Tod sterben ‘Ich werde dich eines grausamen Todes sterben lassen.’ (Novellino: 128, 3) d. Non è alcuna altra forma che potesse tante cose nicht ist eine andere Form die könnte so-viele Dinge sostenere. tragen ‘Es gibt keine andere Form, die so viele Dinge tragen könnte [d.h. wie eine kreisförmige Konstruktion].’ (Tesoro volg.: a310, 8f) Diese Satzgliedabfolge ist nicht nur mit direktem Objekt, sondern auch mit internen Argumenten (auch bei dem Subjekt eines Passivs) möglich; dies ist im MI ebenfalls ungrammatisch: (11) a. ed essendo dell’ unico guernimento già ispogliato und seiend von-der einzigen Garnison schon beraubt ‘und da er bereits seine einzige Garnison verloren hatte’ (Bono Giamboni, Orosio: 410, 21 - 411, 1) <?page no="150"?> 138 Cecilia Poletto b. quello che per uso è già dagli antichi servato jenes das durch Brauch ist schon von-den Alten bewahrt ‘was sich als Brauch von den Vorfahren erhalten hat’ (Bono Giamboni, Vegezio: 108, 25f) c. Avegna che neuno possa buono advocato essere né es-geschehe dass niemand könne guter Anwalt sein noch perfetto [...]. perfekt ‘Es mag sich so verhalten, dass niemand ein guter oder (sogar) perfekter Anwalt sein kann [...].’ (Brunetto Latini, Rettorica: 147, 1f) In der Position vor dem Partizip können auch Adverbien auftreten (vgl. 12). Wie Egerland (1996) zeigt, ist die XP-V-Stellung mit dem Phänomen der Kongruenz zwischen dem Partizip und einem postverbalen Objekt verbunden (vgl. 13): (12) a. E holla già molte volte letta nella Bibbia. und ich-habe-sie schon viele Male gelesen in-der Bibel ‘Und ich habe über sie [d.h. über diese Thematik] schon viele Male in der Bibel gelesen.’ (Bono Giamboni, Vizi e Virtudi: 15, 22) b. a quelli che sono già avanti iti A denen die sind schon nach-vorne gegangen ‘denen, die schon voraus gegangen sind’ (Tesoro volg.: c350, 1f) c. Da tutta la gente sarai scarso tenuto. von allen den Leuten du-wirst-sein knapp gehalten ‘Von allen Leuten wirst du nur knapp gehalten werden.’ (Brunetto Latini, Tesoretto: 230, 1560f) (13) a. quando egli avea già fatti molti miracoli als er hatte schon gemacht- PL . M . viele- PL . M . Wunder- PL . M . ‘nachdem er schon viele Wunder vollbracht hatte’ (Tesoro volg.: a258, 3f) b. quando il notaio ha letta la proposta dinanzi als der Notar hat gelesen- SG . F . den Vorschlag- SG . F . vor a’ consiglieri A(-den) Beratern ‘nachdem der Notar den Vorschlag vor den Beratern vorgelesen hatte’ (Tesoro volg.: 0, 17f) <?page no="151"?> OV-Stellung im Altitalienischen 139 c. c’ ha rifiutata la nobile città di dass er-hat zurückgewiesen- SG . F . die edle Stadt- SG . F . von Giadres et ha preso li marchi Giadres und hat genommen die Mark- PL . ‘dass er die edle Stadt Giadres zurückgewiesen hat und die Marken genommen hat’ (Novellino: 133, 3f) Der Zusammenhang zwischen der Voranstellung einer XP vor das Partizip und Kongruenz lässt sich aus diachroner Sicht wie folgt zusammenfassen: (14) Egerlands Generalisierung (zusammengefasst aus Egerland 1996: 47-68): Als die Kongruenz zwischen Partizip und postverbalem Objekt verschwand, ging auch die OV-Anordnung verloren. Egerland bemerkt auch, dass die Voranstellung des nominalen Objekts (DP) immer Kongruenz verlangt, während dies nicht der Fall ist, wenn das Objekt nach dem Partizip auftritt: (15) Die Kongruenz zwischen dem Partizip und der Objekt-DP ist obligatorisch, wenn die Objekt-DP dem Partizip vorangeht. Bei VO-Stellung ist sie optional. Weitere (moderne) romanische Sprachen bestätigen diese Generalisierungen: Das altitalienische System ist zum Beispiel noch im Friaulischen möglich, wo die Voranstellung des DP-Objekts ebenfalls Kongruenz mit dem Partizip verlangt, vgl. die folgenden Beispiele: (16) a. O ai lis sigaretis dismenteadis. ich habe die Zigaretten- PL . F . vergessen- PL . F . ‘Ich habe die Zigaretten vergessen.’ b. O ai dismenteadis lis sigaretis. ich habe vergessen- PL . F . die Zigaretten- PL . F . c. O ai dismentea: t lis sigaretis. ich habe vergessen- SG . M . die Zigaretten- PL . F . d. *O ai lis sigaretis dismentea: t. ich habe die Zigaretten- PL . F . vergessen- SG . M . 3.2 Partizipialkongruenz: zwei Vorschläge Um den Zusammenhang zwischen der Voranstellung des Objekts und der Partizipialkongruenz zu erklären, soll hier von der „traditionellen“ Annahme ausgegangen werden, dass Kongruenz zwischen dem Partizip und dem Objekt nur durch eine Spezifikator-Kopf-Konfiguration in der <?page no="152"?> 140 Cecilia Poletto AgrO-Projektion erfolgen kann (vgl. Kayne 1991). Nach der Bewegung von Partizip und Objekt nach AgrO wird dann das Partizip obligatorisch in eine Fok°-Position angehoben. Bei dieser Fokusposition handelt es sich nicht um die in der CP situierte FokP, sondern um eine untere Position, die sich am Rande der unteren Phase (nämlich vP) befindet (vgl. Belletti 2004). Dies setzt voraus, dass beide Phasen parallel aufgebaut sind. Die Annahme, dass alle Phasen (einschließlich der DP-Phase) die gleiche Einteilung in FPen besitzen, würde sich in der Tat als ein Vorteil für die Theorie erweisen. Diese Einteilung sollte zudem noch für alle Sprachen gelten. Im AI sind beide FokPen stark, 9 d.h. in beiden Phasen (CP und vP) muss der Kopf von FokP besetzt werden: In der CP-Phase befindet sich das flektierte Verb in Fok°, in der vP-Phase wird der dazugehörige Kopf Fok° durch das Partizip besetzt. Die Voranstellung von XPen (und zwar nicht nur von Objekten, wie bereits oben gezeigt wurde) erfolgt durch die Bewegung derselben nach [Spec, FokP] oder in die Spezifikatoren der TopPen, die sowohl in der CPals auch in der vP-Phase jeweils oberhalb der entsprechenden FokP zur Verfügung stehen. Die Struktur einer Objektvoranstellung ist wie folgt (vgl. 10b): (17) [ CP che [ AgrSP [ SpecAgrS egli] [ AgrS° avea] [ FokP [ SpecFok il maleficio j ] [ Fok° commesso i ] [ AgrOP [ SpecAgrO t j ] [ AgrO° t i ] ... [ VP [ V° t i ] [t j ]]]]]] Die obligatorische Kongruenz bei der Voranstellung des Objektes ergibt sich daraus, dass sowohl das Objekt als auch das Partizip durch die AgrO-Kongruenzposition hindurch bewegt werden müssen. Wird das Objekt nicht vorangestellt, kann es nur bis [Spec, AgrO] bewegt werden, was ebenfalls Kongruenz zur Folge hat. Alternativ hierzu kann es in seiner VP-Position verbleiben, sodass keine Kongruenz erfolgt. Bei Konstruktionen wie in (17) sind also zwei Strukturen möglich, die erste ergibt Kongruenz, die zweite nicht: (18) Partizip + Objekt-Kongruenz a. [ CP quando [ AgrSP [ SpecAgrS il notaio] [ AgrS° ha] [ FokP [ Fok° letta i ] [ AgrOP [ SpecAgrO la proposta j ] [ AgrO° t i ] ... [ VP [ V° t i ] [t j ]]]]]] 9 Ich folge hier der Hypothese von Chomsky (1995), dass eine Projektion starke Merkmale aufweisen kann. In dem Fall muss der Kopf der Projektion schon in der Syntax „sichtbar” werden, entweder durch Bewegung oder durch Merge. Diese Annahme wird von Roberts & Roussou (2003) in ihrer Arbeit über diachronische Prozesse weiterentwickelt und im Zusammenhang mit der Frage betrachtet, warum nur einige Sprachen (oder Sprachstufen) Bewegung von XPen verlangen. <?page no="153"?> OV-Stellung im Altitalienischen 141 b. [ CP quando [ AgrSP [ SpecAgrS il notaio] [ AgrS° ha] [ FokP [ Fok° letto i ] [ AgrOP [ SpecAgrO ] [ AgrO° t i ] ... [ VP [ V° t i ] [la proposta]]]]]] Hierdurch lässt sich nicht nur die Generalisierung in (15) erklären, sondern auch Egerlands Befund, dass sich der Verlust der Objektvoranstellung zur gleichen Zeit vollzog wie der Wegfall der Kongruenz zwischen dem Partizip und der Objekt-DP. Im MI ist die Bewegung des Objekts nach [Spec, AgrO] (vgl. Struktur 18a) nicht mehr möglich. Alternativ zu dieser älteren Sicht, die auf der Existenz von Agreement- Phrasen aufbaut, lassen sich die dargestellten Verhältnisse im Rahmen der neueren minimalistischen Theorie (vgl. Chomsky 2000ff) erklären. Hier erfolgt Kongruenz durch die Operation Agree, die wiederum eine wesentliche Komponente der syntaktischen Bewegung darstellt (vgl. die Einteilung des Bewegungsprozesses in die Teiloperationen Match, Agree und Pied Piping; vgl. auch Pomino im vorliegenden Band). Da die Operation Agree eine notwendige Voraussetzung für syntaktische Bewegung ist, lässt sich erklären, warum in unserem Fall Partizipialkongruenz genau dann vorliegt, wenn die Bewegung nach [Spec, FokP] erfolgt. Das Grundprinzip der Ableitung in (17) lässt sich somit aufrechterhalten: Das Verb bewegt sich nach Fok° und das Objekt nach [Spec, FokP]. Da Kongruenz in diesem Rahmen ein auf Baumstrukturen operierender Mechanismus ist und keine Eigenschaft einer funktionalen Kategorie, entfällt die Annahme einer Projektion AgrOP. Kongruenz ist hier, wie bereits erwähnt, eine notwendige Voraussetzung für Bewegung, umgekehrt aber ist Bewegung keine Voraussetzung für Kongruenz (vgl. hierzu u.a. Mensching 2005, Mensching & Remberger 2006). Somit kann der Mechanismus Agree auch in-situ-Kongruenzfälle wie (18a), hier in entsprechend abgewandelter Form wiederholt als (19), erklären: (19) [ CP quando [ AgrSP [ SpecAgrS il notaio] [ AgrS° ha] [ FokP [ Fok° letta i ] [ VP [la proposta] [ [ V° t i ]]]]]] Um nun die Generalisierung in (14) beibehalten zu können, muss jedoch angenommen werden, dass die optionale Anwendung der Operation Agree, wenn das Objekt in situ bleibt, nur im AI möglich und im MI ausgeschlossen ist, da ein Satz wie (19) im MI, das in solchen Fällen keine Kongruenz mit einem DP-Objekt lizensiert, nicht grammatisch ist. Wenn (18b) sowohl als Ableitung von Partizipialkongruenz als auch als Ableitung von Beispielen dient, die keine Kongruenz aufweisen, warum ist die Partizipialkongruenz dann im MI ausgeschlossen? Mit anderen Worten: Warum kann im MI im Gegensatz zum AI die Operation Agree nicht angewandt werden? Man könnte annehmen, dass Agree mit <?page no="154"?> 142 Cecilia Poletto in-situ-Objekten in einer Sprache nur dann erfolgen kann, wenn diese prinzipiell die Bewegung des Objekts erlaubt (d.h. wenn OV-Stellung möglich ist). Wenn die Bewegungsmöglichkeit verschwindet, ist auch die in-situ-Kongruenz nicht mehr grammatisch. Das MI hat in der Tat sowohl die OV-Stellung als auch die in-situ-Kongruenz verloren. Für eine weiterführende Erklärung könnte man in erster Annäherung dahingehend argumentieren, dass im AI die Projektion FokP, da sie starke Merkmale besaß, als Sonde für das Objekt (Ziel) dienen konnte, was im MI nicht mehr lizensiert wird. Nach der Hypothese von Belletti (2004) kann [Spec, FokP] im MI noch als Landeposition von fokussierten Subjekten verwendet werden; das MI lizensiert hingegen Fok° nicht mehr als Landeposition für das Verb. Der Unterschied zwischen AI und MI muss deshalb etwas mit den Eigenschaften des Kopfes und nicht mit denen des Spezifikators zu tun haben. Hier soll keine Entscheidung zwischen der „traditionellen“ oder der minimalistischen Lösung getroffen werden, da beide die Daten gleichermaßen erklären können. In diesem Bereich ist anscheinend weitere Forschung notwendig, um alle Fälle von Kongruenz mit verschiedenen Typen von Objekten (Klitika, Wh-Elemente und ergative Subjekte) zu erfassen, was nicht der Zielsetzung dieses Artikels entspricht. 4 Parameter als phasenunabhängige Eigenschaften In den vorausgegangenen Abschnitten wurde die Hypothese herausgearbeitet, dass die linke Peripherie jeder Phase gleich aufgebaut ist, d.h. am Rand jeder Phase existiert ein Feld, in welchem Topik- und Fokusprojektionen generiert werden (vgl. Belletti 2004 für das MI, Paul 2002 für das Chinesische u.a.). Von dieser Annahme lassen sich weitere interessante Konsequenzen ableiten: Sind alle Phasen gleich aufgebaut, so kann man weiterhin annehmen, dass eine bestimmte FP die gleichen Merkmale aufweist, obwohl sie in verschiedenen Phasen auftritt. Wenn beispielsweise in einer Sprache ein Element vom Typ Fok° in der Syntax (d.h. overt) durch einen Kopf gefüllt werden muss, muss diese Bedingung in jeder Phase erfüllt werden. Somit lässt sich nun in unserem Fall sowohl das V2-Phänomen in der CP-Phase als auch das Scrambling-Phänomen in der <?page no="155"?> OV-Stellung im Altitalienischen 143 vP-Phase als Konsequenz derselben Eigenschaft des Fokuskopfes darstellen. 10 Auf diese Weise lässt sich auch in einem minimalistischen Rahmen der Begriff des Parameters, der in der GB-Theorie eine so wichtige Position einnahm und zudem auch noch als äußerst plausibel erschien, aufrecht erhalten. Ein minimalistischer Parameter in diesem Sinne entspricht der „Aktivierung” eines bestimmten Kopfes F°, dessen Merkmale in der Syntax überprüft werden müssen. Alle Parameter sind nur den formalen Eigenschaften eines Kopfes F° entsprechend fixiert, ohne dass die Phase, in der der F°-Kopf generiert wird, hierbei eine Rolle spielt. Dies erlaubt uns, verschiedene empirisch beobachtbare Phänomene aus ein und derselben formalen Eigenschaft abzuleiten und somit der wichtigsten Intuition, die dem traditionellen Parameterbegriff zugrunde lag, gerecht zu werden. Trifft die Annahme, dass alle Phasen gleich aufgebaut sind, zu, lassen sich verschiedene Schlussfolgerungen ziehen: A) Da in der CP-Phase neben der V2-Stellung auch V3- und V4-Stellungen möglich sind, sollte dies auch in der vP-Phase der Fall sein. B) Da alle Phasen gleich strukturiert sind, sollten sich auch in der DP-Phase parallele Scrambling-Phänomene beobachten lassen. C) Aus diachroner Sicht sollte in dem Moment, in dem V2 (und seine Korrelate) aufgegeben werden, auch Scrambling (und dessen Korrelate) verschwinden. Die hier aufgeführten Konsequenzen werden nun bezüglich des AI im Einzelnen untersucht. 10 Da hier Scrambling und V2 von derselben abstrakten Eigenschaft abgeleitet werden, sollte diese Theorie vorhersagen, dass alle Sprachen, die V2 aufweisen, auch Scrambling besitzen und umgekehrt, was nicht der Fall ist (vgl. z.B. das Koreanische, das Scrambling, aber keine V2-Stellung erlaubt). In diesem Beitrag wird daher lediglich angenommen, dass solche Fälle von V2 und Scrambling, die als Bewegung in eine FokP analysiert werden können, parallel sind. Es ist allerdings wohlbekannt, dass sowohl Scrambling als auch V2 als Etiketten für unterschiedliche Phänomene verwendet werden, die nicht alle als Bewegung in eine Fokusposition analysiert werden können. Unsere Annahme einer parallelen Analyse von V2 und Scrambling gilt daher nur für die aufgezeigten Fälle und nicht für alle Sprachen. <?page no="156"?> 144 Cecilia Poletto 4.1 Erste Konsequenz: V-Stellungen Die soeben gemachten Annahmen führen zu der Voraussage, dass auch in der vP-Phase V3- und V1-Stellungen möglich sein sollten, da sich die obere und die untere Phase gleich verhalten. (20) zeigt, dass im AI tatsächlich zwei XPen vor dem Partizip auftreten konnten: (20) a. ed ha’ mi la cosa molte volte ridetta und du-hast mir die Sache viele Male erneut-gesagt ‘und du hast mir dies immer wieder gesagt’ (Bono Giamboni, Trattato: 131, 20f) b. E quand’ ebbi cosí chiaramente a ogni cosa risposto [...]. 11 und als ich-hatte so klar A jeder Sache geantwortet ‘Und nachdem ich so klar auf alles geantwortet hatte, [...].’ (Bono Giamboni, Vizi e Virtudi: 37, 24) Auch V1-Stellung ist möglich, wie (21) zeigt: (21) a. ciò che’ savi avevano detto intorno alla rettorica das was(-die)Weise hatten gesagt um die Rhetorik ‘das, was die Weisen über die Rhetorik gesagt hatten’ (Brunetto Latini, Rettorica: 7, 18f) b. Fue isbandito della terra. er-wurde verbannt von-der Erde ‘Er wurde von der Erde verbannt.’ (Brunetto Latini, Rettorica: 7, 9) c. poi che Tullio àe divisati li mali dann dass Tullius hat dargelegt die Übel ‘nachdem Tullius die Übel dargelegt hatte’ (Brunetto Latini, Rettorica: 12, 6) Fälle von V1 in der unteren Phase sind in der Tat normale Fälle von VO- Anordnung, in denen das Partizip als erstes Element der Phase auftritt. Dass beide Phasen parallel aufgebaut sind, wird auch von den im Folgenden behandelten Daten bestätigt. Im AI war es normalerweise nicht möglich, Klitika in der unteren Phase zu belassen, d.h. es zeigte sich stets eine obligatorische Klitikanhebung in die obere Phase. Es gibt allerdings absolute Partizipialkonstruktionen, die von Belletti (1990) mit Hilfe einer Aspektphrase (AspP) analysiert worden sind, welche Klitika beherbergen 11 Normalerweise tritt das Adverb chiaramente (das im AI nur ein manner-Adverb ist) nach dem Partizip (vgl. Cinque 1999) auf, wie folgende Beispiele zeigen: (i) Tullio dice, che ’l fatto è contato chiaramente. (Tesoro volg.: 138, 6f) Tullius sagt, dass die Tatsache ist erzählt klar ‘Tullius sagt, die Tatsache sei klar berichtet worden.’ <?page no="157"?> OV-Stellung im Altitalienischen 145 kann. Da das Partizip als erstes Element des Satzes auftritt, also in V1- Stellung, sollten Klitika nach unserer Hypothese nach dem Verb stehen. (22) a. Trovò l’ arme del re Meliadus, che lli avea er-fand die Waffen von-dem König Meliadus der ihm er-hatte fatta sì bella deliberanza, e donatogli: et gemacht so schönen Gefallen und geschenkt-ihm und era suo mortale nemico. er-war sein tödlicher Feind ‘Er fand die Waffen des Königs Meliadus, der ihm so einen großen Gefallen getan hatte und ihn beschenkt hatte: und er war sein Todfeind.’ (Novellino: 268, 17-19) b. Fatto ha chiamare Licomede re, e dettogli gemacht er-hat rufen Lycomedes König und gesagt-ihm che faccia chiamare le donne. dass er-mache rufen die Frauen ‘Er ließ den König Lycomedes rufen und ihm sagen, dass er die Frauen rufen lassen solle.’ (Armannino, Fiorita: 546, 21-23) Wie erwartet ist die Enklise die Regel: Es lassen sich in unserem Korpus keine Beispiele von Proklise in derartigen Konstruktionen finden. Dies kann als eine Bestätigung unserer Annahme gewertet werden, dass sich die obere und die untere Peripherie analog verhalten. 4.2 Zweite Konsequenz: die linke Peripherie der DP Elemente bzw. Phänomene, die in der CP- und in der vP-Phase vor dem Verb auftreten, sollten sich auch in der DP-Phase vor dem Nomen beobachten lassen. Die DP-Phase verhält sich im AI anders als im MI, da pränominale Adjektive modifiziert werden können (dies ist im MI ungrammatisch): (23) a. Domandò se avesse più care pietre. er-fragte ob er-hätte mehr teure Steine ‘Er fragte, ob er teurere Steine habe.’ (Novellino: 123, 17) b. Qual ti sembra di più ricca valuta? welcher dir scheint von mehr reichem Wert ‘Welcher [Stein] erscheint dir als der wertvollere? ’ (Novellino: 127, 3) c. Democrito fue molto grande filosofo. Demokrit war sehr großer Philosoph ‘Demokrit war ein sehr großer Philosoph.’ (Fiori di filosafi: 106, 2) <?page no="158"?> 146 Cecilia Poletto Adjektive, die im MI rechts von N auftreten, sowie Komplement-PPen konnten im AI links vom nominalen Kopf erscheinen: (24) a. la quale guardava al figliuolo piccolo del die welche anschaute A-den Sohn kleinen von-dem morto fratello toten Bruder ‘welche den kleinen Sohn des toten Bruders anschaute’ (Bono Giamboni, Orosio: 148, 6f) b. e dagli usati uomini und von-den geübten Männern ‘und von den geübten Männern’ (Bono Giamboni, Vegezio,: 167, 6) c. Il ben usato cavaliere disidera battaglia. der gut geübte Ritter wünscht Kampf ‘Der gut ausgebildete Ritter wünscht den Kampf.’ (Bono Giamboni, Vegezio: 70, 6) d. quando io vi dissi del cavallo cosa così meravigliosa als ich euch sagte von-dem Pferd Sache so wunderbare ‘als ich euch über das Pferd etwas so Wunderbares erzählte’ (Novellino: 129, 2) e. Sì come quando ordino di ritrarre dell’ antiche so wie als ich-vorschreibe zu entnehmen von-den alten scritte le cose che [...]. Schriften die Dinge die ‘So wie ich vorschreibe, aus den alten Schriften die Dinge zu entnehmen, die [...].’ (Brunetto Latini, Rettorica: 11, 17f) Beispiel (24e) ist besonders interessant, weil es beweist, dass auch Komplemente vor N auftreten konnten, und zwar in der Abfolge PP-N, also parallel zur OV-Stellung im verbalen Bereich. Beispiele wie (24c) zeigen, dass es sich bei der Bewegung von Adjektiven in eine pränominale Position um XP-Bewegung handelt und nicht um Kopfbewegung, da die Adjektive modifiziert werden können. Man könnte auch annehmen, dass Adjektive links von N° basisgeneriert werden und dass sich N° so weit bewegt wie im MI, wo die Adjektive rechts von N auftreten. Dass es sich wirklich um Adjektivbewegung nach links und nicht um den Reflex einer OV-Sprache handelt, beweisen folgende Beispiele: (25) a. e di gentile aspetto molto und von anmutigem Anblick sehr ‘und von sehr anmutigem Anblick’ (Dante, Vita nuova: 25, 11) <?page no="159"?> OV-Stellung im Altitalienischen 147 b. e ciò non è propia natura di cavallo und das nicht ist eigene Natur von Pferd ‘und das ist nicht die dem Pferd eigene Natur’ (Novellino: 128, 18) Hier wird nur ein Teil der AP nach links bewegt, sodass sich eine diskontinuierliche Konstituente ergibt. Zusammenfassend lässt sich Folgendes sagen: Führt man die genannten Phänomene auf Scrambling in der DP-Phase zurück, so bestätigt dies nochmals unsere Hypothese, dass die behandelten Wortstellungsunterschiede zwischen AI und MI sich immer (d.h. im DP-, CP- und vP-Bereich) aus ein und derselben abstrakten Eigenschaft ableiten lassen. Diese Eigenschaft besteht darin, dass der Kopf Fok° im AI stark und im MI schwach ist. 4.3 Dritte Konsequenz: der Verlust des mittelalterlichen Systems Die syntaktischen Eigenschaften des AI entsprechen denen einer VO- Sprache mit regelmäßiger Bewegung des verbalen Kopfes zum ersten Kopf der linken Peripherie der Phase (FokP) und optionaler Bewegung einer oder mehrerer XPen zur linken Peripherie vor Fok°. In allen Phasen ist deshalb eine Form von Scrambling möglich: in der CP, in der vP und auch in der DP (d.h. V2 in CP, Scrambling in vP und Voranstellung von Adjektiven und PP-Komplementen in der DP-Phase). Wenn die Hypothese, dass die drei Konstruktionen von demselben abstrakten Merkmal abhängig sind, korrekt ist, so lässt sich voraussagen, dass mit dem Verlust einer der Konstruktionen gleichzeitig auch die anderen Konstruktionen verloren gehen. Allerdings ist die in den Texten beobachtbare Situation weitaus komplizierter: Im Allgemeinen ist festzustellen, dass alle obengenannten Voranstellungen im 16. Jahrhundert nur noch sporadisch in den Texten belegt sind. 12 Dies lässt sich als erstes An- 12 Wenn einige Adverbien wie sempre ‚immer’ und mai ‚nie’ an erster Stelle auftreten, wird die Subjektinversion viel länger beibehalten als in anderen Fällen. (i) a. Sempre si trova dei malcontenti. (Mach., Il Principe: 202) immer sich findet von-den Unzufriedenen ‘Es finden sich immer einige Unzufriedene.’ b. Mai si troverà ingannato da lui. (Mach., Il Principe: 243) nie sich er-wird-finden betrogen von ihm ‘Er wird sich nie von ihm betrogen sehen.’ Es handelt sich um dieselben Adverbien, die in Sprachen wie Spanisch oder Katalanisch heute noch vorangestellt werden. Wie Grava (2005) zeigt, ist die Landeposition dieser Adverbien eine Instanz von [Spec, Fok], die sich in der unteren linken Peripherie des Satzes befindet. Deshalb sei hier angenommen, dass diese Adverbien eine <?page no="160"?> 148 Cecilia Poletto zeichen einer Schwächung des Systems interpretieren. Im Folgenden wird der Text Il principe von Niccolò Machiavelli (Kapitel I-X und XX-XXII) untersucht, wobei ein Korpus von über 100 Seiten für die nachfolgenden Betrachtungen verwendet wurde. 13 Das Phänomen der Subjektinversion, das gemeinhin als Korrelat zur V2-Syntax analysiert wird, ist im Korpus nur in drei Beispielen mit einem Hilfsverb und in acht Beispielen mit Modalverb + Infinitiv belegt. Dies entspricht weniger als 5% der möglichen Kontexte, in denen im Prinzip V2-Stellung möglich wäre. (26) a. Spenti adunque questi capi, e ridotti i ausgelöscht also diese Anführer und zurückgeführt die partigiani loro amici suoi, aveva il duca gittato assai Anhänger ihre Freunde seine hatte der Herzog gelegt recht buoni fondamenti alla potenza sua. gute Fundamente A-der Macht seiner ‘Nachdem also diese Anführer ausgeschaltet und deren Anhänger zu Freunden gemacht worden waren, hatte der Herzog recht gute Fundamente für seine Macht gelegt.’ (Mach., Il Principe: 221) b. Aveva adunque Luigi fatto questi cinque errori. hatte also L. gemacht diese fünf Fehler ‘L. hatte also diese fünf Fehler begangen.’ (Mach., Il Principe: 197) c. Mentre che durò la memoria, sempre furono i während dass dauerte die Erinnerung immer waren die Romani incerti di quella possessione. Römer unsicher von jenem Besitz ‘Solange die Erinnerung zurückreichte, waren die Römer jenes Besitzes [d.h. der Besitz bestimmter Gebiete] nicht wirklich sicher.’ (Mach., Il Principe: 203) besondere interne Struktur haben, die es ihnen erlaubt, sich in die FokP zu bewegen, welche in der Struktur unter (1) als Informational Focus bezeichnet wird. Die betreffenden Adverbien scheinen diese Position einnehmen zu können, obwohl sie für andere Elemente, wie z.B. DP-Objekte, nicht mehr verfügbar ist. Diese Besonderheit von unteren Adverbien bedarf zukünftiger Untersuchungen. 13 Es wurde die Ausgabe von Martelli (2006) verwendet. <?page no="161"?> OV-Stellung im Altitalienischen 149 (27) a. E deve soprattutto uno principe vivere con i suoi und muss vor-allem ein Fürst leben mit den seinen sudditi in modo che [...]. Untertanen in Weise dass ‘Und ein Fürst muss mit seinen Untergebenen vor allem so leben, dass [...].’ (Mach., Il Principe: 237) b. e con più facilità se le può un principe guadagnare und mit mehr Leichtigkeit sich sie kann ein Fürst verdienen ‘und umso leichter kann sie ein Fürst für sich gewinnen’ (Mach., Il Principe: 205) Das Auftreten einer Informationsfokus tragenden Konstituente in der CP- Phase, eine typische Eigenschaft des AI (die ebenfalls im MI verlorengegangen ist), findet sich im Korpus selten: (28) Perché de’ signori spogliati ne ammazzò quanti weil von-den Herren beraubten davon er-tötete wieviele ne poté aggiungere, e pochissimi si salvarono; davon er-konnte erreichen und sehr-wenige sich retteten i gentiluomini romani si aveva guadagnati, e nel die Edelmänner römische sich er-hatte gewonnen und in-dem collegio aveva grandissima parte. Kollegium er-hatte größten Teil ‘Denn von den beraubten Herren tötete er so viele, wie er treffen konnte, und nur sehr wenige konnten sich retten; die römischen Edelmänner hatte er für sich gewonnen, und im [Kardinals]Kollegium hatte er einen sehr großen Teil auf seiner Seite.’ (Mach., Il Principe: 224) Auffälligerweise tritt die V2-Stellung hingegen sehr häufig in Relativsätzen auf, in denen die CP zusätzlich von dem Wh-Element besetzt wird (nur zwei Beispiele von Relativsätzen im Korpus zeigen keine V2-Stellung): (29) quelli che di sua qualità gli avevano invidia jene die von seiner Tüchtigkeit ihm hatten Neid ‘diejenigen, die ihn um seine Tüchtigkeit beneideten’ (Mach., Il Principe: 211) Das Scrambling-Phänomen ist vergleichsweise selten zu finden; im ganzen Korpus sind nur fünf Fälle mit dem Auxiliar essere ‚sein’ und zwei mit avere ‚haben’ belegt. Acht Fälle enthalten Strukturen mit Modalverben und Infinitivkomplementen: <?page no="162"?> 150 Cecilia Poletto (30) con i quali molti sogliono le loro cose descrivere mit den welchen viele pflegen die ihre Dinge beschreiben e ornare und verzieren ‘[die Stilmittel] mit welchen viele ihre Ausführungen zu beschreiben und zu verzieren pflegen’ (Mach., Il Principe: 173) (31) Tanto potette in su tale fondamento edificare ogni edificio. also er-konnte in auf solches Fundament bauen jedes Gebäude ‘Also konnte er auf einem derartigen Fundament jedes Gebäude errichten.’ (Mach., Il Principe: 212) Auch Partizipialkongruenz mit einem postverbalen Objekt ist sehr selten, im ganzen Korpus sind nur fünf Fälle vorhanden: (32) se egli avesse osservate le regole sopradette wenn er hätte beachtet- PL . F . die Regel- PL . F . obengenannt- PL . F . e tenuti sicuri e difesi tutti und gehalten- PL . M . sicher- PL . M . und verteidigt- PL . M . alle- PL . M . quelli suoi amici jene- PL . M . sein- PL . M . Freund- PL . M . ‘wenn er die obengenannten Regeln beachtet und alle jene seine Freunde beschützt und verteidigt hätte’ (Mach., Il Principe: 195) Sehr häufig findet sich Kongruenz nur in Relativsätzen, wobei es sich hierbei um Konstruktionen handelt, die ebenfalls einen V2-Effekt zeigen: (33) a. La quale opera io non ho ornata né das welches Werk- SG . F . ich nicht habe verziert- SG . F . noch ripiena di clausole ample. gefüllt- SG . F . mit Klauseln weiten ‘Dieses Werk habe ich nicht mit weitschweifigen Klauseln verziert oder überladen.’ (Mach., Il Principe: 173) b. e quelli fondamenti che gli altri hanno und jene- PL . M . Fundamente- PL . M . die die anderen haben fatti avanti che diventino principi gemacht- PL . M . vorher dass sie-würden Fürsten ‘und jene Fundamente, die die anderen errichtet haben, bevor sie zu Fürsten wurden’ (Mach., Il Principe: 213) Die Eigenschaft muss jedoch unabhängig von der V2-Stellung betrachtet werden, da Kongruenz in Relativsätzen noch heute im Französischen, also einer Nicht-V2-Sprache, die Regel ist. <?page no="163"?> OV-Stellung im Altitalienischen 151 Weiterhin sind im Korpus nur zwei Fälle von pränominalen modifizierten Adjektiven oder N-Anhebungen in Erstposition zu finden: (34) a. ed uno de’ maggiori rimedii e più vivi und eines der größten Mittel und am-meisten wirksamen ‘und eines der besten und wirksamsten Mittel’ (Mach., Il Principe: 187) b. Troverà difficultà grande. er-wird-finden Schwierigkeit große ‘Er wird auf große Schwierigkeiten treffen.’ (Mach., Il Principe: 202) Daraus lässt sich schließen, dass das Italienische des 16. Jahrhunderts keine obligatorische, sondern nur noch optionale Kopfbewegung nach Fok° aufwies. Egerland (1996) schlägt vor, dass das Mittelitalienische des 16. Jahrhunderts die Grammatik des AI noch aus stilistischen Gründen nachahmen konnte, dass aber nur noch in bestimmten Kontexten, wie z.B. Relativsätzen, V-Bewegung nach Fok° üblich war. Ansonsten handelte es sich lediglich um den Gebrauch einer alten Grammatik, die aus Prestigegründen angewandt wurde (vgl. Egerland 1996). Dies kann an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden; für unsere Zwecke ist lediglich die Tatsache von Bedeutung, dass die drei Phänomene, die aufgrund des angenommenen Parameters miteinander zusammenhängen, in der Tat nur in wenigen Beispielen vorkommen. 5 Die untere linke Peripherie und Quantoren In den vorausgegangenen Abschnitten wurde die Annahme einer unteren linken Peripherie von Belletti (2004) übernommen; Belletti schlägt auch vor, dass sich diese unmittelbar über den thematischen Projektionen befindet. Liegt nun aber die untere linke Peripherie wirklich oberhalb der thematischen Projektionen oder enthält die untere Phase auch Aspektphrasen (vgl. Paul 2002 für das Chinesische)? Träfe Letzteres zu, so wäre die untere linke Peripherie viel höher in der Satzstruktur positioniert. Mit anderen Worten: Nimmt man die von Cinque (1999) postulierte komplexe Hierarchie funktionaler Projektionen an, wo liegt dann die Grenze zwischen den beiden Phasen? Befindet sich diese vor oder nach den oberhalb von VP situierten Aspektphrasen? Diese Frage ist schwierig zu beantworten, denn der übliche Test zur Ermittlung der Position einer bestimmten XP in der Satzstruktur basiert auf der relativen Position der XP im Verhältnis zu Adverbien, da diese normalerweise nicht bewegt werden können, außer wenn sie fokussiert sind. Gerade Letzteres ist jedoch hier der <?page no="164"?> 152 Cecilia Poletto Fall. Die Gliederung von Fokus (und Topik) und aspektuellen Projektionen lässt sich also deshalb nicht mit Hilfe von Adverbien testen, weil auch diese einem Scrambling-Prozess unterliegen können. Die normale Position der Adverbien im AI ist wie im MI (vom V2-Prozess abgesehen), wie in (36) dargestellt, d.h. ein Adverb wie già ‚schon’ kann sowohl vor als auch nach dem Partizip auftreten: (35) a. e sì come fue detto già indietro und so wie wurde gesagt schon zurück ‘und wie schon oben gesagt wurde’ (Brunetto Latini, Rettorica: 46, 10f) b. sopra cosa la quale era già pervenuta all’ anima über Sache die welche war schon gekommen zur Seele ‘über etwas, das schon bei der Seele angelangt war’ (Brunetto Latini, Rettorica: 65, 3f) c. molto ho già udito predicare dell’ opere loro viel ich-habe schon gehört verkündigen von-den Werken ihren ‘ich habe schon viel über ihre Werke verkünden gehört’ (Bono Giamboni, Vizi e Virtudi: 56, 19f) (36) a. quelle cose che già sono pervenute jene Dinge die schon sind angekommen ‘jene Dinge, die schon angekommen sind’ (Brunetto Latini, Rettorica: 64, 21) b. Già è detto sofficientemente dell’ officio e schon ist gesagt genug von-der Funktion und della fine di rettorica. von-dem Zweck von Rhetorik ‘Es wurde schon genug über die Funktion und den Zweck der Rhetorik gesagt.’ (Brunetto Latini, Rettorica: 53, 6f) Das Adverb konnte sowohl vor als auch nach Elementen auftreten, die durch Scrambling vor das Partizip bewegt worden sind, vgl. (11a), hier wiederholt als (37): (37) ed essendo dell’ unico guernimento già ispogliato und seiend von-der einzigen Garnison schon beraubt ‘und da er bereits seine einzige Garnison verloren hatte’ (Bono Giamboni, Orosio: 410, 21 - 411, 1) Da sich sowohl Fälle der Stellung Adv-XP als auch der Reihenfolge XP- Adv finden lassen, kann man annehmen, dass das Adverb già selbst dem Scrambling unterliegen kann, sodass die Position der unteren Peripherie nicht aufgrund dieses Tests ermittelt werden kann. <?page no="165"?> OV-Stellung im Altitalienischen 153 Es gibt aber andere Elemente, die als Test benutzt werden können, nämlich Quantoren. Nicht alle Bewegungen vor das Partizip können als Bewegungen nach FokP oder TopP analysiert werden, welche mit der Informationstruktur des Satzes verbunden und deshalb optional sind. Einige QPen werden obligatorisch nach links bewegt: Dies ist der Fall bei dem Quantor tutto, der dem Partizip immer vorangestellt wird, wenn er das direkte Objekt des Satzes ist: (38) a. Quelli rispuose ch’ avea tutto donato. jener antwortete dass er-hatte alles gegeben ‘Jener antwortete, dass er alles gegeben habe.’ (Novellino: 167, 1f) b. Quelli lile fece tutto donare a gentil genti. jener ihnen-sie machte alles geben A edlen Leuten ‘Dieser ließ alles edlen Leuten geben.’ (Novellino: 166, 8) Wenn der Quantor der Kopf einer komplexen QP ist, ist die Voranstellung möglich, aber nicht obligatorisch: (39) a. È appellato causa tutto ’l processo dell’ una e ist genannt causa all der Prozess von-der einen und dell’ altra parte. von-der anderen Seite ‘Der gesamte Prozess sowohl der einen als auch der anderen Seite wird causa genannt.’ (Brunetto Latini, Rettorica: 82, 8f) b. ciò che n’ àe insegnato per tutto il libro das was davon er-hat gelehrt durch ganz das Buch insine a questo luogo bis zu diesem Ort ‘das, was er das ganze Buch hindurch bis hier gelehrt hat’ (Brunetto Latini, Rettorica: 140, 6f) (40) che mi teneano tutto il capo gravato welche mir hielten ganz den Kopf belastet ‘welche mir den ganzen Kopf belasteten’ (Bono Giamboni, Vizi e Virtudi: 6, 5) QPen, die durch einen Relativsatz modifiziert werden, sind nie vorangestellt. Wenn man, wie auch Cinque (1999), annimmt, dass der Quantor alleine in eine Position bewegt werden muss, wo seine Merkmale kontrolliert werden, kann man daraus schließen, dass die untere linke Satzperipherie sich oberhalb der QP befindet. Nimmt man Cinques Analyse der Gliederung der IP an, in der sich die Stellung der QP ziemlich weit unten (nach aspektuellen Adverbien wie già ‚schon’ und sempre ‚immer’, aber <?page no="166"?> 154 Cecilia Poletto vor Adverbien wie bene ‚gut’) befindet, kann man daraus schließen, dass sich die Position der unteren linken Peripherie nicht im Bereich der aspektuellen Adverbien befindet, sondern oberhalb dieses syntaktischen „Feldes“. Dies entspricht dem Ergebnis, zu dem auch Belletti (2004) in ihrer Analyse des MI gelangt ist. 6 Zusammenfassung In diesem Beitrag wurden Konstruktionen behandelt, denen in der Literatur über das Altitalienische (mit der Ausnahme von Egerland 1996 für Objekte) bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, nämlich die Stellung XP-V Partizip , die als Scrambling bezeichnet werden kann. Das Scrambling weist im AI dieselben syntaktischen Eigenschaften auf wie die V2-Strukturen: Möglichkeit der V1-Stellung, mehrfache Voranstellung von Objekten und Adverbien, Enklise klitischer Pronomen. Da parallele Phänomene auch in der DP zu finden sind, wurde hier vorgeschlagen, dass der Kopf Fok° im AI immer dieselbe Eigenschaft hat, nämlich den lexikalischen Kopf der Struktur anzuziehen; danach kann die Voranstellung einer oder mehrerer XPen erfolgen. Diese Analyse erlaubt uns, die Idee der Parameter in den neuen theoretischen Rahmen des Minimalismus zu übertragen, mit der zusätzlichen Annahme, dass alle Phasen gleich aufgebaut sind und dass die (starken) Merkmale aller funktionalen Köpfe phasenunabhängig sind. Mit anderen Worten: Ein Kopf enthält immer die gleichen Merkmale, auch wenn er in verschiedenen Phasen auftritt. 7 Literatur Belletti, Adriana (1990): Generalized Verb Movement. 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Zu den Flexionsmerkmalen unter C Abstract In a system in which functional categories are no longer analysed as single projections but as complex spaces comprising a number of semantically and syntactically distinct projections, the clear-cut separation between the two main functional phrases, IP and CP, is called into question, and the issue of whether the two domains are to be conceived as clearly distinct or as a continuum of functional projections arises. Pertinent to this line of inquiry is the locus of expression of syntactic features: features typically associated with one functional space find expression in another (cf. FinP, the lowest of the projections within Rizzi’s (1997) split CP, lexicalises inflectional features). In this article we explore the expression of mood and φ-features at the left periphery level, and we aim to ascertain whether this is an instance of feature reduplication, and its extent, or whether it is an example of feature displacement. In this case, we investigate its interaction with the canonical place of expression. 1 Einleitung 1 Aktuelle Arbeiten innerhalb der Generativen Grammatik, und besonders solche, die unter den sogenannten „Kartographischen Ansatz“ fallen (vgl. die jüngst bei OUP veröffentlichten kartographischen Sammelbände Belletti 2004b, Cinque 2002 und Rizzi 2004 sowie Rizzi 1997 und Cinque 1999), haben überzeugend für eine in hohem Maße artikulierte Satzstruktur plädiert. Die traditionelle Konfiguration, die als Projektion des Verbs (VP), als Flexionsprojektion (IP) und als Komplementiererprojektion (CP) organisiert war, wurde verfeinert und weiter ausgebaut. Die CP, die traditionellerweise als die Projektion aufgefasst wurde, in der die Komplementierung stattfindet, und ihr Kopf C°, die Position für Komplementierer, werden nun als eine ganze Reihe funktionaler Projektionen interpretiert. Diese sind darauf spezialisiert, Informationen zu kodieren, die den semantischen Status des ganzen Satzes, z.B. Illokution/ Satzmodus, Diskursfunktionen (vgl. die Topik-Fokus-Opposition) oder syntaktische Merkmale betreffen, die sich auf den propositionalen Inhalt des Satzes be- 1 Der folgende Beitrag wurde von den Herausgebern aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt. <?page no="170"?> 158 Sandra Paoli ziehen. FinP (die Finitheitsphrase), die unterste der Projektionen in der Split-CP, ist diejenige Projektion, welche die C-Domäne nach unten abschließt, also sozusagen zwischen der CP und der darauffolgenden IP steht. Rizzi (1997) hatte die FinP bereits als den Ort der Flexionsinformation identifiziert, d.h. der Information, die den finiten oder infiniten Status eines Satzes festlegt und somit gewissermaßen als Doppelung der Information der darunterliegenden IP erscheint. Syntaktische Information, die traditionellerweise mit einer bestimmten funktionalen Position verbunden ist, in diesem Fall mit der IP, kann also in einer anderen funktionalen Position, hier der CP, realisiert werden. Interessanterweise ist die Merkmalsversetzung nicht unidirektional: Belletti (2001, 2004a) überträgt das traditionellerweise nur mit der CP verbundene Konzept der linken Peripherie auf den Rand der VP, indem sie Positionen innerhalb der verbalen Domäne identifiziert, die diskursbezogenen Eigenschaften, etwa Fokus, zuzuordnen sind (vgl. auch Poletto in diesem Band). Innerhalb eines Systems, das keine Rekursion identischer Projektionen und daher keine exakte Reduplikation syntaktischer Informationen erlaubt, verlangen die Konsequenzen dieser reichhaltigeren strukturellen Darstellung nach einer tiefergehenden Evaluierung der Verortung von Merkmalsrealisierungen. Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt auf der Repräsentation von Flexionsinformation in der linken Peripherie; er untersucht die Realisierung von Modus- und φ-Merkmalen innerhalb der C-Domäne anhand von zwei in Norditalien gesprochenen Varietäten, des Turinesischen und des Marebbanischen (Ennebergischen). Die vorliegende Arbeit diskutiert die Frage, inwiefern diese „Versetzung“ eine genaue Reproduktion oder aber eine reduzierte Version der in der kanonischen Position angesiedelten Merkmalsbündel darstellt. Sie möchte aber auch untersuchen, ob diese Instanzen von Merkmalsverschiebung der Realisierung von Merkmalen in der kanonischen Position vorgreifen oder, wenn letztere intakt bleiben, wie die beiden Merkmalsrealisierungen interagieren. 2 Modusmerkmale im Turinesischen Der Ausgangspunkt unserer Untersuchung ist eine Konstruktion einer konservativeren, in der Stadt Turin (Italien) gesprochenen Varietät des Piemontesischen. In dieser Konstruktion scheint der finite Komplementierer che ‚dass’ doppelt aufzutreten: Er findet eine erste Realisierung gleich hinter dem Hauptverb und, in den folgenden Beispielen, eine zweite di- <?page no="171"?> Zu den Flexionsmerkmalen unter C 159 rekt nach dem Subjekt des eingebetteten Satzes (die beiden che sind jeweils durch Fettdruck hervorgehoben). (1) a. Gioanin a spera che Ghitin ch’ as Gi. SUB . CL . hoffen-3. SG . dass Gh. dass SUB . CL .- REFL . CL . në vada tòst. PART . CL . gehen- KONJ .3. SG . bald ‘Gi. hofft, dass Gh. sobald wie möglich weggeht.’ b. Majo a chërde che Luch ch’ a sia M. SUB . CL . glauben-3. SG . dass L. dass SUB . CL . sein- KONJ .3. SG . dësmentiass-ne. vergessen- PART . PERF . REFL . CL .- PART . CL . ‘M. glaubt, dass L. es vergessen hat.’ c. Majo a pensa che Franchin ch’ as M. SUB . CL . denken-3. SG . dass F. dass SUB . CL .- REFL . CL . n’ ancorza. PART . CL . merken-3. SG . ‘M. denkt, dass F. es merken wird.’ Anders als beim ersten Komplementierer che1 ist die Realisierung des zweiten Komplementierers che2 nicht obligatorisch. Alle oben aufgeführten Beispiele sind auch ohne che2 grammatisch. Das heißt aber nicht, dass der Gebrauch von che2 rein optional wäre: Es gibt eine klare Verbindung zwischen seinem „vorzuziehenden“ Gebrauch und der overten morphologischen Kodierung des Konjunktivs an der Verbform. Dies und die weiter unten zu untersuchenden Lizensierungsbedingungen lassen vermuten, dass che2 ein Modusmarker ist. Che1 und che2 haben also nicht denselben Lexikoneintrag, die Realisierung von che2 ist kein Fall von Rekursion. Während che1 den „kanonischen“ Komplementierer darstellt, nämlich eine unterordnende, einen eingebetteten Satz einführende Partikel, ist che2 gar kein Komplementierer in diesem traditionellen Sinne, sondern ein Element, das Modus ausdrückt. 2.1 Lizensierungsbedingungen Obwohl che2 in den Fällen, in denen es erlaubt ist, nicht obligatorisch gesetzt wird, kann es nicht in Sätzen erscheinen, bei denen das eingebettete Verb nicht im Konjunktiv steht. Wie die folgenden Beispiele zeigen, ist che2 weder mit dem Indikativ Präsens oder dem Futur kompatibel (vgl. jeweils 2a und 2b) noch mit dem Konditional (vgl. 2c): <?page no="172"?> 160 Sandra Paoli (2) a. A dis che Marìa e Gioanin (*ch’) a SUB . CL . sagen-3. SG . dass M. und G. SUB . CL . mangio nen ’d rane. essen- PRÄS .3. SG . NEG . von Fröschen ‘Sie/ Er sagt, dass M. und G. keine Frösche essen.’ b. Giòrs a spera che Majo (*ch’) as G. SUB . CL . hoffen-3. SG . dass M. SUB . CL .- REFL . CL . n’ andarà tòst. PART . CL . gehen- FUT .3. SG . bald ‘G. hofft, dass M. bald weggeht.’ c. Majo a pensa che Franchin (*ch’) as M. SUB . CL . denken-3. SG . dass F. SUB . CL .- REFL . CL . n’ arcòrzeria ’d sòn. PART . CL . merken- KOND .3. SG . von dem ‘M. denkt, dass F. es merken wird.’ Was die scheinbare Optionalität betrifft, gibt es ein erstaunliches, fast hundertprozentiges Zusammentreffen der im Übrigen nicht stark ausgeprägten morphologischen Unterscheidungsmöglichkeit der Indikativ- und Konjunktivformen im Präsens mit dem Vorkommen von che2. Die Paradigmen der beiden präsentischen Verbformen sind sehr ähnlich und weisen viele synkretistische Formen auf. Die folgende Tabelle liefert ein Konjugationsbeispiel für ein Verb der 1. Konjugation, wobei die einzigen morphologisch unterscheidbaren Formen (hier in Fettdruck) die erste Person Singular und die erste Person Plural sind. (3) parlé ‚sprechen’ Indikativ Präs. Konjunktiv Präs. 1.Sg. mi i parlo che mi i parla 2.Sg. ti it parle che ti it parle 3.Sg. chiel a parla che chiel a parla 1.Pl. noi i parloma che noi i parlo 2.Pl. voi i parle che voi i parle 3.Pl. lor a parlo che lor a parlo In der Literatur wurde dahingehend argumentiert (vgl. Giorgi & Pianesi 1997; von Stechow 1995, u.a.), dass der Konjunktiv eine defektive Zeitform ist. Der Terminus „defektiv“ könnte sowohl semantisch als auch morphologisch interpretiert werden. Semantisch ergibt sich aus dem Kon- <?page no="173"?> Zu den Flexionsmerkmalen unter C 161 junktiv allein nie eine reale temporelle Interpretation; morphologisch gesehen fehlt oft die Differenzierung zwischen einigen Formen des Indikativ und des Konjunktiv Präsens, wie wir es gerade für das Turinesische gesehen haben. Interessanterweise kommt che2 viel eher in genau den Fällen vor, in denen das Verb keine overte morphologische Modusunterscheidung aufweist. Zum Beispiel, wie in dem Paradigma in (3) gezeigt, kommt che2 häufiger in der zweiten und dritten Person Singular und Plural vor. Dagegen scheint es in der ersten Person Singular und Plural als weniger notwendig empfunden zu werden. All diese Überlegungen lassen vermuten, dass che2 dadurch lizensiert wird, dass die morphologische Realisierung des Konjunktivs an der eingebetteten Verbform fehlt; daraus kann folglich der Schluss gezogen werden, dass che2 ein Konjunktivmarker ist. Wichtig ist hierbei, dass die Anwesenheit von che2 nur die morphologische Schwäche des Konjunktivs, nicht aber seine semantische Schwäche ausgleicht. Diese Analyse, die von der Rolle des Matrixverbs absieht, wird durch Daten bestätigt, bei denen der Konjunktiv und somit auch che2 nicht von einem Verb selegiert werden. In den folgenden Sätzen sind die selegierenden Elemente eine Konjunktion (vgl. 4a), ein Satztypoperator für Imperativsätze (vgl. 4b) und ein Relativoperator (vgl. 4c): (4) a. I veno volonté, basta mach che Gioanin ch’ SUB . CL . kommen-1. SG . gerne wenn nur dass G. dass a staga nen solo. SUB . CL . bleiben- KONJ .3. SG . NEG . alleine ‘Ich komme gerne, wenn nur G. nicht alleine bleibt.’ b. Che ij cit ch’ a vado a pluché dass die Kinder dass SUB . CL . gehen- KONJ .3. SG . zu schlafen- INF . sùbit! sofort ‘Die Kinder sollten sofort schlafen gehen! ’ c. Giòrs a veul parlé con un dotor che, G. SUB . CL . wollen-3. SG . sprechen- INF . mit einem Arzt der ant la meisin-a autërnativa, ch’ a-j in die Medizin alternative dass SUB . CL .- LOK . CL . chërda. glauben- KONJ .3. SG . ‘G. will mit einem Arzt sprechen, der an alternative Medizin glaubt.’ <?page no="174"?> 162 Sandra Paoli 2.2 Die Position des unteren Komplementierers Nachdem die Funktion von che2 geklärt wurde, wollen wir nun seine Position innerhalb der Satzstruktur untersuchen. Cinque (1999) postuliert verschiedene funktionale Köpfe mit modalem Gehalt, die am Randbereich der erweiterten IP situiert sind; Rizzi (1997) nimmt, wie bereits gesagt, an, dass der unterste der Köpfe der CP, nämlich Fin ° , Modalität kodiert. Die Entscheidung, ob Modus im IP- oder im CP-Bereich lexikalisch realisiert wird, ist aufgrund der starken Aufspaltung der beiden funktionalen Domänen nicht einfach. Darüber hinaus scheint es eine gewisse Überschneidung der in beiden Bereichen ausgedrückten Informationen zu geben, was zur Verwischung der Grenzen beiträgt. Zudem schließt sich die Realisierung von Modusmerkmalen in I oder in C nicht notwendigerweise gegenseitig aus: Es ist bereits vorgeschlagen worden (vgl. Rizzi 1997), dass manche Flexionsmerkmale auf beiden Ebenen kodiert sind, wobei die CP eine reduzierte Version der in der IP realisierten Merkmalsbündel enthält. Um die von che2 besetzte Position identifizieren zu können, soll nun die relative Anordnung von weiteren Elementen untersucht werden. Eine Analyse der Klitika, die an che2 klitisieren, lässt vermuten, dass es zur linken Peripherie des Satzes gehört. In allen Beispielsätzen bildet che2 einen Cluster mit den Subjektklitika. Poletto (2000) schlägt eine Kategorisierung dieser Elemente in vier verschiedene Typen vor und situiert zwei davon in der IP, zwei davon in der CP. Diese Kategorisierung beruht auf einer Anzahl von Eigenschaften der einzelnen Typen sowie darauf, dass jeder Typ dadurch identifiziert werden kann, wie er mit spezifischen Elementen oder Konstruktionen interagiert. Wenden wir nun Polettos Diagnostik auf die Turinesischen Subjektklitika an, dann kommen wir zu dem Schluss, dass diese zum deiktischen Typ gehören, d.h. zu einem der beiden Typen, die in der CP angesiedelt sind. Die Tatsache, dass che2 ihnen vorausgeht, muss also unweigerlich so interpretiert werden, dass auch che2 sich in der linken Peripherie befindet. Wenn wir den modalen Gehalt von che2 berücksichtigen, lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass es Fin° realisiert. Obwohl Fin° typischerweise mit Finitheit assoziiert wird, kann es manchmal auch als Moduskodierer angesehen werden: Vincent (1998) z.B. nimmt an, dass Finitheit und Modus äquivalent sind und daher als zwei Seiten derselben Medaille angesehen werden müssen. <?page no="175"?> Zu den Flexionsmerkmalen unter C 163 2.3 Modus in C Dass Modus auf der C-Ebene realisiert wird, ist keine neue Idee, sondern geht mindestens bis auf Stowell (1982) und den Besten (1983) zurück. In Enç (1987) wird die Verbindung zwischen T und C mit dem Begriff der semantischen Verankerung erfasst: Der Tempusspezifikator, oder mit anderen Worten, sein Bezugswert, ist in Comp lokalisiert. Diese Beziehung drückt sich syntaktisch durch eine Bindungsrelation zwischen T und C aus, die über die Kategorien hinweg gilt. Wie kann also dem Ausdruck von Modus in C durch che2 im Turinesischen Rechnung getragen werden? Die Korrelation könnte semantischer oder syntaktischer Natur sein; wir werden nun beide betrachten. Der Wert der durch che2 ausgedrückten Modusmerkmale ist nicht vollständig identifizierbar mit irgendeinem spezifisch mit dem Konjunktiv verbundenen Gehalt. Bezieht man sich z.B. auf die sehr grobe (und kontroverse) Unterscheidung zwischen Indikativ und Konjunktiv als Realis-Irrealis-Opposition, wie sie von manchen Linguisten angenommen wird, dann wird sofort klar, dass che2 kein Ausdruck dieser Opposition sein kann. Genauso wie che2 nicht durch den Indikativ Präsens oder den Konditional lizensiert wird, also durch Formen, die ein Ereignis ausdrücken, das entweder noch nicht stattgefunden hat oder nur möglicherweise stattfinden wird und die daher in den Bereich des Irrealis fallen (vgl. 2b und 2c), findet sich che2 auch in eingebetteten Sätzen, die von einem faktiven Verb wie ‚bedauern’ selegiert werden, d.h. ein Prädikat, das den positiven Wahrheitswert seines Komplements impliziert: (5) Marìa a regreta che Giòrs ch’ a sia M. SUB . CL . bedauern-3. SG . dass G. dass SUB . CL . sein- KONJ .3. SG . dësmentiass-ne. vergessen- PART . PERF .- PART . CL . ‘M. bedauert, dass G. es vergessen hat.’ Außerdem zeigt Beispiel (4b), in dem der Konjunktiv als Suppletivform für den Imperativ gebraucht wird, dass che2 auch mit deontischer Modalität kompatibel ist; in (4a) und (4c) dagegen ergibt sich keine spezifische Modalität; dies lässt wiederum zu dem Schluss kommen, dass che2 allein vom Konjunktiv abhängt, unabhängig von dem Element, welches ihn selegiert. Dieses Fehlen einer Verbindung mit einem klaren semantischen Gehalt ist zu erwarten, wenn das Element, mit dem wir es zu tun haben, ein funktionales Element ist, d.h. ein Element, das Information kodiert, die <?page no="176"?> 164 Sandra Paoli sich auf nicht-lexikalische Eigenschaften des Verbs bezieht. Angenommen, dass positive morphologische Evidenz für Merkmale ein Grund für Bewegung ist, dann bedeutet die Defektivität des Konjunktivs, dass die entsprechende Verbform nicht in der Lage ist, Fin° zu erreichen. Wir behaupten, dass diese Modusmerkmale in Form von che2 von einem anderen Kopf als dem des Verbs stammen, nämlich von einem modalen X° innerhalb des oberen Bereichs der IP, und dass diese Merkmale dann durch Kopf-zu-Kopf-Bewegung nach Fin° bewegt werden, wo ihr Abgleich erfolgt. Für die Fälle, in denen che2 lizensiert ist, aber weggelassen werden kann, nehmen wir an, dass der modale Kopf durch einen Nulloperator gefüllt ist, der sich als ein Bündel von phonologisch leeren Merkmalen nach Fin° bewegt (vgl. Chomsky 1995). Die Analyse von che2 als Kopf, der sich nach Fin° bewegt, findet theorieinterne Unterstützung in der Tatsache, dass die relative Anordnung von che2 und dem Subjektklitikon, mit dem es einen Cluster bildet, nur als Ergebnis einer Bewegung von che2 gedeutet werden kann, da Rechtsadjunktion nicht erlaubt ist. Um unsere Ergebnisse zusammenzufassen, können wir feststellen, dass che2 ein funktionales Element ist, das solche morphosyntaktischen Modusmerkmale kodiert, die nicht am eingebetteten Verb realisiert sind. Che2 bildet einen Cluster mit den Subjektklitika und befindet sich, als Ergebnis einer Bewegung aus einer tiefergelegenen Position, in einer Position in der linken Peripherie. Da es in einem modalen Kopf innerhalb des oberen Bereichs der IP basisgeneriert und dann nach Fin° bewegt wird, schafft es eine syntaktisch-formale Verbindung zwischen dem I- und dem C-Bereich. Die durch che2 lexikalisierten Modusmerkmale sind allein von dem Vorkommen des Konjunktivs abhängig: Che2 ist lizensiert, wenn der Konjunktiv selegiert wird; ohne Konjunktiv ist es nicht lizensiert. Mit anderen Worten, sein Merkmalsgehalt hat einen binären [±]-Wert: [+Konjunktiv] und [-Konjunktiv], was jeweils zur An- oder Abwesenheit von che2 führt. Was für Auswirkungen hat dies nun auf die theoretische Frage der Merkmalsdoppelung, die wir in diesem Artikel diskutieren wollen? Das Turinesische zeigt keines der typischen Kennzeichen einer V2- Sprache. Darüber hinaus tritt der morphologische Synkretismus nur im Präsensparadigma des Indikativs und des Konjunktivs auf. Alle anderen Formen realisieren die Tempus-, Aspekt- und Modusmerkmale overt. Daher ist es plausibel anzunehmen, dass alle finiten Verben in Deklarativsätzen innerhalb des IP-Bereichs verbleiben, da dieser den Merkmalsabgleich garantiert. Das ist gleichbedeutend mit der Annahme, dass die IP <?page no="177"?> Zu den Flexionsmerkmalen unter C 165 eine vollausgebildete Reihe von Flexionsmerkmalen enthält, deren Spezifizierungen den gesamten möglichen Wertebereich umfassen. Nach der bisher hier zusammengetragenen Information scheint es sich so zu verhalten, dass die auf der C-Ebene ausgedrückten Flexionsmerkmale eine stark reduzierte Version des Merkmalsbündels der I-Ebene darstellen. Erstens drückt diese Partikel, auch wenn wir annähernd von che2 als einem Modusmarker gesprochen haben, nur bestimmte mit dem Konjunktiv zusammenhängende Modusmerkmale aus. Zweitens ist che2 ein funktionales Element, das, anstatt alle möglichen mit dem Konjunktiv verbundenen semantischen Werte zu kodieren, nur solche morphosyntaktischen Elemente realisiert, die am Verb selbst fehlen. Die Modusmerkmale des eingebetteten Verbs stammen in den vorliegenden Beispielen nicht aus der Verbdomäne als solcher, sondern aus dem oberen Bereich der IP; diese müssen dann zum Merkmalsabgleich in die linke Peripherie bewegt werden. Anstatt einer Merkmalsdoppelung liegt hier also eine, wenn auch rudimentäre, Merkmalsverschiebung vor: Statt den ganzen Bereich der Modusspezifikationen der IP zu umfassen, tragen die durch che2 lexikalisierten Merkmale nur einen binären [±]-Wert und betreffen nur den Konjunktiv. Darüber hinaus verhält es sich so, dass die Abwesenheit morphologisch overter Modusmerkmale am Verb che2 lizensiert und nicht umgekehrt. Daher können wir zu dem Schluss kommen, dass die Realisierung von Modusmerkmalen auf der C-Ebene nicht deren Ausdruck auf der verbalen Ebene verhindert; es liegt eher daran, dass die verbale Domäne diese Modusmerkmale nicht ausdrücken kann, was es schließlich erlaubt, diese Information an anderer Stelle zu kodieren. Im folgenden Abschnitt werden wir weitere Argumente für die Idee vorbringen, dass Merkmale, die nicht in ihrer kanonischen Position realisiert sind, nur einen stark reduzierten Wertebereich haben können. 3 φ-Merkmale im Marebbanischen Der zweite Teil der vorliegenden Untersuchung betrifft die Selektion des Relativpronomens, wie sie sich in einer Varietät des (zum Rätoromanischen gehörenden) Ladinischen zeigt, nämlich dem Marebbanischen, welches in einigen italienischen Dolomitentälern gesprochen wird. In diesem Abschnitt werden wir die Position der Relativpronomen herausarbeiten und die sich in ihrer Distribution zeigende Asymmetrie hinsichtlich der grammatischen Person erklären. <?page no="178"?> 166 Sandra Paoli 3.1 Die Daten Marebbanisch hat zwei Relativpronomen, che und co, die jeweils für relativierte Objekte und Subjekte eingesetzt werden; diese beiden Relativpronomen sind nicht austauschbar, wie die Agrammatikalität von (6b) und (6d) zeigt: (6) a. La ëra co puzenëia les stighes è püra. die Frau die- SUBJ . putzen-3. SG . die Treppe sein-3. SG . krank ‘Die Frau, die die Treppe putzt, ist krank.’ b. *La ëra che puzenëia les stighes è püra. c. La ëra che te ás encunté ennier die Frau die- OBJ . SUB . CL . haben-2. SG . treffen- PART . PERF . gestern è mia mëda. sein-3. SG . meine Tante ‘Die Frau, die du gestern getroffen hast, ist meine Tante.’ d. *La ëra co te ás encunté ennier è mia mëda. Im Folgenden gehen wir von der „Nulloperatoranalyse“ für Relativsätze aus (vgl. Chomsky 1980, 1981), der zufolge ein Nulloperator (von jetzt an Op) in die Argumentposition eingefügt und dann nach oben bewegt wird; es sei angenommen, dass Relativpronomen im Force-Kopf des Split- CP-Systems stehen; weiterhin wird hier davon ausgegangen, dass sowohl co als auch che als dasselbe Element [k] in die Derivation eingesetzt werden 2 und dass deren endgültige Erscheinungsform durch Spezifikator- Kopf-Agreement nach Op-Bewegung nach [Spec, Force] entsteht. Was die Subjekt-Objekt-Asymmetrie betrifft, nehmen wir an, dass die beiden Operatoren, Subjekt- und Objekt-Op, verschiedenen Überprüfungsoperationen unterzogen werden und dass der Verlauf dieses „Checkings“ dementsprechend durch das komputationelle System interpretiert wird. Dies garantiert, dass die entsprechenden Merkmale durch den Agreement-Prozess gematcht werden und so die Erscheinungsform co oder che triggern. 3 2 Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die beiden Pronomen zwei verschiedene Positionen belegen, d.h. ihre Position bezüglich anderer Elemente des Satzes ist dieselbe. 3 Was die Subjekt-Objekt-Asymmetrie betrifft, ist nicht die Basisposition des Arguments, mit der der Op koindiziert ist, der Trigger für die che/ co-Alternanz, sondern allein seine logische Funktion. Diese Annahme wird dadurch gestützt, dass auch alle Subjekte unakkusativischer, reflexiver, ergativer und passivischer Verben, von denen man ja annimmt, dass sie postverbal in die Derivation eingesetzt werden, co und nicht che triggern. <?page no="179"?> Zu den Flexionsmerkmalen unter C 167 3.2 Asymmetrie in der grammatischen Person Was wir bisher beschrieben haben, erinnert stark an die Alternanz von qui (für relativierte Subjekte) und que (für relativierte Objekte), wie sie im Französischen auftritt: (7) a. Le garçon qui (*que) mange la pomme est der Junge der- SUBJ . (*der- OBJ .) essen-3. SG . den Apfel sein-3. SG . très beau. sehr hübsch ‘Der Junge, der den Apfel isst, ist sehr hübsch.’ b. La voiture que (*qui) j’ ai das Auto das- OBJ . (*das- SUBJ .) ich haben-1. SG . achetée va très vite. kaufen- PART . PERF . gehen-3. SG . sehr schnell ‘Das Auto, das ich gekauft habe, fährt sehr schnell.’ Trotz ihrer augenscheinlichen Ähnlichkeit entsprechen die beiden Relativpronomen des Marebbanischen nicht tout court ihren französischen Gegenstücken, da ihre Verfügbarkeit von einer Einschränkung hinsichtlich der Person abhängt. Genauer gesagt steht co nur für Subjekte in der dritten Person Singular und Plural zur Verfügung. Das Relativpronomen für relativierte Subjekte der ersten oder zweiten Person kann nur che sein. Dies ist in der zweiten Person Singular besonders gut morphologisch erkennbar. In allen anderen Fällen ist wegen des Auftretens eines Subjektklitikons und der Elision von -e bei che weniger durchsichtig, dass es sich in der Tat um che und nicht um eine reduzierte Form von co handelt. Dennoch macht co den Satz ungrammatisch. Obwohl die folgenden Beispiele nur den Singular betreffen, ist die Asymmetrie-Situation zwischen erster und zweiter vs. dritter Person auch für die Pluralentsprechungen gültig: (8) a. Iu ch’ i mangi dagnora plü de düc ich der- OBJ . SUB . CL . essen-1. SG . immer mehr als alle á ciamò fan. haben-1. SG . immer-noch Hunger ‘Ich, der ich immer mehr als alle anderen esse, habe immer noch Hunger.’ a’. *Iu co i mangi dagnora plü de düc á ciamò fan. <?page no="180"?> 168 Sandra Paoli b. Tö che te lies le foliet vigne dé sas du der- OBJ . SUB . CL . lesen-2. SG . die Zeitung jeden Tag wissen-2. SG . dagnora döt. immer alles ‘Du, der du jeden Tag die Zeitung liest, weißt immer alles.’ b’. *Tö co te lies le foliet vigne dé sas dagnora döt. c. Ëra co bala le valzer è la plü sie die- SUBJ . tanzen-3. SG . den Walzer sein-3. SG . die am-meisten bela dal salamont. schöne von-dem Saal ‘Sie, die den Walzer tanzt, ist die Schönste im Saal.’ c’. *Ëra che bala le valzer è la plü bela dal salamont. Man könnte behaupten, dass hier keine Alternanz zwischen co und che vorliegt, sondern einfach nur eine reduzierte Realisierung von co als [k]. Wir können aber feststellen, dass che apokopiert werden kann und sein Endvokal wegfällt, während dies bei co nicht der Fall ist, da es seinen Endvokal auch behält, wenn es in einem Vokalcluster vorkommt, z.B. wenn ein mit Vokal beginnendes Wort folgt: (9) a. Ël c*(o) è n bel ël è tres plën er der- SUBJ . sein-3. SG . ein hübscher Mann sein-3. SG . sehr voll d’ ëres. von Frauen ‘Er, der ein gutaussehender Mann ist, ist bei den Frauen sehr beliebt.’ b. Al è sté propi la möta con les SUB . CL . sein-3. SG . sein- PART . PERF . gerade das Mädchen mit den trëces c*(o) à orü s’ Zöpfen das- SUBJ . haben-3. SG . wollen- PART . PERF . REFL . CL . an jì. SUB . CL .- PART . CL . gehen- INF . ‘Es war gerade das Mädchen mit den Zöpfen, das gehen wollte.’ Die Opposition erste, zweite vs. dritte Person ist nicht ungewöhnlich und spielt in einer Reihe von Hierarchien eine Rolle (Belebtheit, Referentialität, Fokus, vgl. u.a. die typologische Untersuchung von Siewierska 2004). Auf der semantischen Ebene sind erste und zweite Person von der dritten zu unterscheiden, weil sie für ein Merkmal [+deiktisch] spezifiziert sind. Da deiktische Elemente direkt in den Diskurs involviert sind und auf Teilnehmer der Konversation bezogen sind, kann ihre Referenz klar und ein- <?page no="181"?> Zu den Flexionsmerkmalen unter C 169 deutig identifiziert werden. Für den Referenten der dritten Person dagegen braucht man per definitionem mehr Information zur Identifikation. Diese Unterscheidung erinnert an die Opposition von zwei Typen von Relativsätzen, den restriktiven und den nicht-restriktiven (oder appositiven) Typ: Der letztere liefert nur weitere Informationen zu einem bereits eingeführten Referenten, während der erstere ihn gerade aktuell identifiziert. Um zur Person-Asymmetrie im Marebbanischen zurückzukehren, könnte man argumentieren, dass, wenn die erste oder zweite Person relativiert wird, dies nur in nicht-restriktiven Relativsätzen geschehen kann, da ihre Referenz bereits eindeutig identifiziert ist und keiner weiteren Spezifizierung bedarf. Folglich könnte co als ein Relativpronomen analysiert werden, welches für ein Merkmal [restriktiv] spezifiziert ist und nur eingeführt wird, wenn es sich um einen restriktiven Relativsatz handelt. Die folgenden Beispiele allerdings falsifizieren diese Hypothese: Obwohl der Referent des Relativelements unumstritten ist und es sich daher um einen nicht-restriktiven Relativsatz handeln muss, kann das Relativpronomen nur co sein: (10) a. La Talia, co à les leges dër rigoroses, das Italien das- SUBJ . haben-3. SG . die Gesetze sehr streng prodüj le miù ere d’orì. produzieren-3. SG . das beste Olivenöl ‘Italien, das sehr strenge Gesetze hat, produziert das beste Olivenöl.’ a’. *La Talia, ch(e)’ à les leges dër rigoroses, prodüj le miù ere d’orì. b. La löna, co lomina ensnet dër sterscia, der Mond der- SUBJ . scheinen-3. SG . heute-Nacht sehr hell röda encër la tera. kreisen-3. SG . um die Erde ‘Der Mond, der heute Nacht sehr hell scheint, dreht sich um die Erde.’ b’. *La löna, che lomina ensnet dër sterscia, roda encër la tera. Die Opposition erste, zweite vs. dritte Person kann syntaktisch nach der traditionellen Unterscheidung (die bis zu Benveniste 1966 zurückreicht) zwischen den Pronomen der dritten einerseits und der ersten und zweiten Person andererseits interpretiert werden: Pronomen in der dritten Person sind „Determinierer-Pronomen“, mit anderen Worten, ihnen fehlen Merkmale für Person und sie sind nur für Numerus spezifiziert, während Pronomen der ersten und zweiten Person „vollausgebildete“ Pronomen sind, die sowohl für Personals auch für Numerusmerkmale spezifiziert sind. Wenn wir diese Merkmalsspezifikation auf DPen in der <?page no="182"?> 170 Sandra Paoli dritten Person ausweiten, dann können wir behaupten, dass co eingesetzt wird, wenn ein nicht für [Person] spezifizierter Op [Spec, Force] erreicht; che dagegen erscheint in allen anderen Fällen. Wir können also co als ein „Nicht-Person“-Relativpronomen betrachten. Wichtig ist dabei, dass die Subjekt-Objekt-Alternanz im Verlauf der Merkmalsüberprüfung von Op feststeht und durch das komputationelle System berechnet wird. Die Spezifizierung für ein Personmerkmal überschreibt nun die von dem entsprechenden Op übernommene funktionale Rolle. Diese Unterscheidung ist essentiell, da sie uns erlaubt, zwischen Marebbanisch und Französisch zu unterscheiden. Das marebbanische co ist sensitiv gegenüber einem [-Person]-Merkmal, das mit der dritten Person assoziiert ist, für die wir annehmen, dass sie mit einem negativen Merkmalswert assoziiert ist; das französische qui dagegen ist alleine abhängig von den im Relativsatz ausgeführten Überprüfungsmechanismen. Die vorausgegangenen Überlegungen können wie folgt zusammengefasst werden: Die Alternanz von Relativpronomen im Marebbanischen weist eine Asymmetrie hinsichtlich des Personmerkmals auf. Co erscheint nur in der dritten Person, während che das in allen anderen Fällen selegierte Pronomen ist. Es gibt keine überzeugende Evidenz dafür, dass die beiden unterschiedliche Positionen besetzen. Wir haben daher angenommen, dass beide als die unterspezifizierte Form [k] in Force° in die Derivation eingesetzt werden, um dann durch die Spezifikator-Kopf-Relation mit einem in den Spezifikator bewegten Op als che oder co zu erscheinen. Genauer gesagt wird co von einem für [-Person] und [+Numerus] spezifizierten Op getriggert, während che durch einen Op getriggert wird, der [+Numerus]- und [+Person]-Merkmale trägt. Um auf die grundsätzliche Frage zurückzukommen, von der wir ausgegangen sind, lässt sich sagen, dass die Doppelung von Flexionsmerkmalen auch im Marebbanischen ein Zeugnis für deren rudimentäre Realisierung auf der C-Ebene ist. Anstatt die ganze Variationsmöglichkeit aller möglicher Kombinationen von φ-Merkmalen zu repräsentieren, wie auf der I-Ebene beobachtet werden kann, variiert die Kodierung der Merkmale auf der C-Ebene nur hinsichtlich eines binären [±]-Werts: Die beiden Relativpronomen sind sensitiv hinsichtlich der An- oder Abwesenheit eines Personmerkmals. Eine kurze Schlussbemerkung: Marebbanisch ist wie das Deutsche und andere germanische Sprachen eine V2-Sprache. In Hauptsätzen steht das Verb immer an zweiter Stelle: <?page no="183"?> Zu den Flexionsmerkmalen unter C 171 (11) a. Francësch bàia gonot con Maria. F. sprechen-3. SG . oft mit M. ‘F. spricht oft mit M.’ b. Gonot bai-al Francësch con Maria. oft sprechen-3. SG .- SUB . CL . F. mit M. c. *Francësch gonot bàia con Maria. d. *Bàia gonot Francësch con Maria. Der traditionellen Analyse für V2-Sprachen zufolge bewegt sich das Verb von T nach C. Das mit vollspezifizierten Flexionsmerkmalen ausgestattete Prädikat steht in C. Diese Tatsache mag auf den ersten Blick dem widersprechen, was wir bisher über die Eigenschaften von Flexionsmerkmalen auf der C-Ebene angenommen haben. Wenn C ein vollflektiertes Verb beherbergt, heißt das aber nicht, dass C selbst in diesen Fällen reicher an Flexion ist: Die Flexionsmerkmale des Verbs sind ja bereits in T lizensiert und überprüft worden; die Tatsache, dass das Verb nach C gelangt, hängt alleine von der V2-Beschränkung ab, wie auch immer wir diese formulieren wollen. In Relativsätzen jedoch findet V2 keine Anwendung und das eingebettete Verb befindet sich an erster Stelle (vgl. 12a). Ein anderes Element an dieser Satzposition wäre ungrammatisch, sei es mit oder ohne Subjekt- Verb-Inversion (vgl. 12b und c): (12) a. I à odü l’ ël co SUB . CL . haben-1. SG . sehen- PART . PERF . den Mann der- SUBJ . porta Maria gonot ala festa. bringen-3. SG . M. oft zu-dem Fest ‘Ich habe den Mann gesehen, der Maria oft zu dem Fest bringt.’ b. *I à odü l’ël co gonot porta Maria ala festa. c. *I à odü l’ël co gonot port-al Maria ala festa. In diesen Beispielen bewegt sich das Verb nicht nach C, diese Position ist von dem Relativpronomen besetzt. In Hauptsätzen sind die Flexionsmerkmale von angehobenen Verben bereits überprüft worden, bevor sie die C-Ebene erreichen, d.h. die treibende Kraft der Bewegung ist unabhängig von diesen. Relativpronomen dagegen, die in Force als [k] generiert werden, brauchen ein angemessen spezifiziertes phrasales Element, welches ein [±Person]-Merkmal realisiert, um in dessen Spezifikatorposition angehoben zu werden und die che- oder co-Form zu bilden. Die Fähigkeit, Flexionsmerkmale abzugleichen, scheint auf der C-Ebene rudi- <?page no="184"?> 172 Sandra Paoli mentär zu sein, sodass nur eine reduzierte Version derselben overt ausgedrückt werden kann. 4 Zusammenfassung Aufgrund unserer Beobachtungen anhand der hier untersuchten Daten haben wir vorgeschlagen, dass Flexionsinformation, die auf der C-Ebene realisiert ist, eine rudimentäre Version der Flexionsinformation ist, die innerhalb der IP kodiert ist. Es scheint hier besonders eine Tendenz zu einer Merkmalsspezifizierung binärer Natur zu geben, welche nur ein eingeschränktes Inventar zulässt: [±Konjunktiv] im Turinesischen und [±Person] im Marebbanischen. Die hier diskutierte Fragestellung ist komplex und man wird natürlich mehr Daten heranziehen müssen, um die hier aufgestellte Behauptung im Detail klären und ihre Konsequenzen in ihrer ganzen Tragweite bewerten zu können. Auch die Untersuchung der Interaktion der beiden Merkmalsbündel, des voll ausgeprägten und des reduzierten, und die daraus folgenden Annahmen für die Syntaxtheorie mussten hier noch zurückgestellt und zukünftiger Forschung vorbehalten werden. 5 Literatur Belletti, Adriana (2001): “Inversion as focalization.” In: Aafke Hulk & Jean-Yves Pollock (Hgg.): Subject Inversion in Romance and the Theory of Universal Grammar. New York/ Oxford: OUP, 60-90 (= Oxford Studies in Comparative Syntax). - (2004a): “Aspects of the low IP area.” In: Luigi Rizzi (Hg.): The Structure of IP and CP. The Cartography of Syntactic Structures, Bd. 2. New York/ Oxford: OUP, 16-52 (= Oxford Studies in Comparative Syntax). - (Hg.) (2004b): Structures and Beyond. The Cartography of Syntactic Structures, Bd. 3. New York/ Oxford: OUP (= Oxford Studies in Comparative Syntax). Benveniste, Emile (1966): Problèmes de linguistique générale. Paris: Gallimard. den Besten, Hans (1983): “On the Interaction of Root Transformations and Lexical Deletive Rules.” In: Werner Abraham (Hg.): On the Syntax of Westgermania. Amsterdam: Benjamins, 47-131. Chomsky, Noam (1980): “On Binding.” In: Linguistic Inquiry 11, 1-46. - (1981): Lectures on Government and Binding. The Pisa Lectures. Dordrecht: Foris (= Studies in Generative Grammar, 9). - (1995): The Minimalist Program. Cambridge, Mass.: The MIT Press (= Current Studies in Linguistics, 28). Cinque, Guglielmo (1999): Adverbs and Functional Heads. A Cross-Linguistic Perspective. New York/ Oxford: OUP (= Oxford Studies in Comparative Syntax). <?page no="185"?> Zu den Flexionsmerkmalen unter C 173 - (Hg.) (2002): The Structure of DP and IP. The Cartography of Syntactic Structures, Bd. 1. New York/ Oxford: OUP (= Oxford Studies in Comparative Syntax). Enç, Mürvet (1987): “Anchoring Conditions for Tense.” In: Linguistic Inquiry 18, 633-657. Giorgi, Alessandra & Fabio Pianesi (1997): Tense and Aspect: from Semantics to Morphosyntax. New York/ Oxford: OUP (= Oxford Studies in Comparative Syntax). Poletto, Cecilia (2000): The Higher Functional Field: Evidence from Northern Italian Dialects. New York/ Oxford: OUP (= Oxford Studies in Comparative Syntax). - (in diesem Band): “Die linke Peripherie der „unteren Phase“: OV-Stellung im Altitalienischen.“ 131-156. Rizzi, Luigi (1997): “The fine structure of the left periphery.” In: Liliane Haegeman (Hg.): Elements of Grammar. Berkeley: Kluwer, 281-337 (= The Kluwer International Handbooks of Linguistics, 1). - (Hg.) (2004): The Structure of IP and CP. The Cartography of Syntactic Structures, Bd. 2. New York/ Oxford: OUP (= Oxford Studies in Comparative Syntax). Siewierska, Anna (2004): Person. Cambridge: CUP. von Stechow, Arnim (1995): “On the proper treatment of tense.” Ms., Universität Tübingen. Stowell, Tim (1982): “The Tense of Infinitives.” In: Linguistic Inquiry 13, 561-570. Vincent, Nigel (1998): “Thoughts on the grammar of inflected non-finite forms.” Vortrag gehalten auf dem Workshop on Clause Combining, Copenhagen Business School, 17.03.1998. <?page no="187"?> Kleanthes K. Grohmann Zur Grammatik von Wurzelinfinitiven 1 Abstract Root infinitives in adult grammars offer more than meets the eye. On the basis of a comparative study, it is argued that syntactically adult root infinitives in English and some Romance varieties project up to TP (although with a deficient T-head), while other languages even make available a low CP-related projection, here referred to as FP. This structural difference accounts for a number of syntactic differences observed among the languages under investigation. In addition, adult root infinitives are illicit without the right kind of follow-up expression, here called the coda, which leads to the assumption that infinitive and coda form a larger constituent. On the basis of the semantics involved in these constructions, it is further argued that an exclamative operator regulates both the overall interpretation and the abstract constituency between infinitival clause and coda. 1 Das Phänomen: Adult Root Infinitives Wurzelinfinitivkonstruktionen in der Erwachsenensprache (Adult Root Infinitives, von nun an ARIs) sind aufgrund ihrer einzelsprachlichen Variation aufschlussreiche Zeugnisse für verschiedene Eigenschaften temporaler Modifikation innerhalb der romanischen Sprachfamilie. So können etwa ARIs im Spanischen durch ein deiktisches Adverb der Vergangenheit, wie gestern in (1), modifiziert werden; ähnlich verhalten sich das Katalanische, das Galicische und das (idealisierte) Italienische, wie im Laufe dieses Beitrags gezeigt wird. Hingegen erlaubt ihr englisches (bzw. germanisches) Gegenstück dies nicht (vgl. 2) und entspricht in dieser Hinsicht eher dem Französischen und Portugiesischen: 1 In diesem Beitrag greife ich auf Ideen aus Grohmann & Etxepare (2003), von nun an G&E, und unseren gegenwärtigen Stand der Forschung zurück. Es handelt sich somit um eine deutsche Fassung unserer englischsprachigen Arbeiten, an denen ich in den letzten Jahren zusammen mit Ricardo Etxepare gearbeitet habe (s. Etxepare & Grohmann (in Vorb.) für eine umfangreiche Präsentation). Ich danke hier vor allem Ricardo für sein Einverständnis zu dieser „Soloarbeit“, Michalis Beys und Marina Iakovou für wertvolle Hilfe bei der Herstellung des deutschen Textes und Eva-Maria Remberger und Guido Mensching für eine gelungene Sektion in Saarbrücken und die (unglaublich ausführliche) redaktionelle Unterstützung. <?page no="188"?> 176 Kleanthes K. Grohmann (1) sp. ¡¿ Yo ir a la fiesta ayer? ! ¡ Ya me extraña! ich gehen- INF . zu dem Fest gestern schon mich erstaunt ‘Ich soll gestern zu dem Fest gegangen sein? ! Das würde mich aber wundern! ’ (2) engl. *Me go to the party yesterday? ! Never! ich gehen- INF . zu dem Fest gestern nie Die genannten Sprachen unterscheiden sich zusätzlich durch zwei weitere, verwandte Eigenschaften: Zum einen zeigen Sprachen, in denen Wurzelinfinitive durch ein deiktisches Adverb der Vergangenheit modifiziert werden können, außerdem auch Infinitivbewegung über den temporalen Kopf hinaus (im Sinne von Kayne 1991 und Uriagereka 1995). Zum anderen haben genau diese - und nur diese - Sprachen eine in der Baumstruktur niedrig liegende Comp-bezogene Projektion FP, deren Kopf den bewegten Infinitiv aufnimmt (vgl. Uriagereka 1995, Rizzi 1997). Eine Herausarbeitung dieser Eigenschaften, gekoppelt mit einer syntaktisch und semantisch motivierten Klärung der komplexen Struktur von ARIs, wird es erlauben, uns einer grammatischen Beschreibung von ARIs zu nähern und die darin erkennbare sprachübergreifende Variation auf elegante Art und Weise darzustellen. Eine kurze Anmerkung zur Terminologie: Der Terminus Wurzelinfinitiv entspricht dem englischen Root Infinitive und wird im Folgenden immer dann als RI abgekürzt, wenn der Infinitivsatz alleine gemeint ist. ARI bezeichnet den RI zuzüglich der Coda, d.h. den Zusatz Ya me extraña! in (1), ohne den der gesamte Ausdruck nicht zulässig ist. Abschnitt 2 wird die strukturellen (d.h. kontext- und Coda-unabhängigen) Eigenschaften von RIs behandeln, die erstmals in G&E vorgestellt wurden. In Abschnitt 3, in dem auch die Coda thematisiert wird, werden einige zugrunde liegende semantische Annahmen besprochen, insbesondere die Präsenz eines (Exklamativ-)Operators in ARIs. Die Abschnitte 4 und 5 widmen sich der aspektuellen Variation von ARIs in romanischen Sprachen. Die Ergebnisse werden in Abschnitt 6 kurz zusammengefasst. 2 Zur Struktur von ARIs Im Folgenden sei davon ausgegangen, dass die Satzstruktur zwischen VP und TP (mindestens) eine Projektion für Asp(ekt) und Mod(alität) enthält und dass die CP weiter aufgegliedert werden kann (G&E; vgl. u.a. Rizzi 1997, Cinque 1999). Somit ergibt sich ungefähr folgende Darstellung: (3) CP (...) > TP > ModP > AspP > VP (...) <?page no="189"?> Zur Grammatik von Wurzelinfinitiven 177 Diverse Evidenz im Zusammenhang mit Adverbien und der linken Peripherie in ARIs führt zu dem Schluss, dass das, was gemeinhin als Comp- Schicht bezeichnet wird, in ARIs besonders von kanonischen Sätzen abweicht (mit einer einzigen Position oberhalb von TP im Spanischen, bei der es sich allerdings eben nicht um CP handelt), und dass die Infl-Schicht zumindest in Bezug auf Tempus defizitär ist. Die folgenden Daten (aus G&E, wie dieser gesamte Abschnitt) zeigen die (Un-)Möglichkeit des Auftretens bestimmter Adverbien in ARIs. Akzeptiert werden aspektuelle Modifikation (vgl. 4), zirkumstantielle Modalität (vgl. 5), Subjekt-Orientierung (vgl. 6) sowie temporale Bestimmung (vgl. 7), ungrammatisch hingegen sind epistemische Modalität (vgl. 8), Faktivität (vgl. 9) und Konsekutivität (vgl. 10). (4) sp. a. ¡¿ María levantarse habitualmente / otra vez M. aufstehen- INF . REFL . gewöhnlich / schon wieder a las seis? ! um sechs engl. b. Mary (usually) get up at 6 a.m. (again)? ! (5) sp. a. ¡¿ Pedro comprar eso necesariamente / inevitablemente? ! P. kaufen- INF . das unbedingt / unvermeidlich engl. b. Peter necessarily/ inevitably buy that? ! (6) sp. a. ¡¿ Comprar yo eso a propósito? ! kaufen- INF . ich das absichtlich engl. b. Me willingly buy that? ! (7) sp. a. ¡¿ Juan leer esas cosas en aquellos tiempos? ! J. lesen- INF . diese Dinge damals engl. b. John read that sort of thing back in those days? ! (8) sp. a. *¡¿ María probablemente / quizá ir allí? ! M. wahrscheinlich / vielleicht gehen- INF . dorthin engl. b. *Mary probably/ perhaps go there? ! (9) sp. a. *¡¿ El Athletic afortunadamente ganar la liga? ! der Athlet glücklicherweise gewinnen- INF . die Liga engl. b. *Athletic [Bilbao] luckily win the league? ! (10) sp. a. *¡¿ Los aficionados entonces apiñarse die Fans also zusammenströmen- INF . REFL . en la ría? ! am Flussufer <?page no="190"?> 178 Kleanthes K. Grohmann engl. b. *The hooligans then crowd together at the riverside? ! Ebenso eingeschränkt ist die Besetzung der linksperipheren Domäne, wie folgende Daten bezeugen: (11) sp. a. ¡¿ Las elecciones ganarlas Schröder? ! die Wahlen gewinnen- INF . CL . S. engl. b. *The elections, Schröder win? ! (12) sp. a. ¡¿ De Juan, reirse Pedro? ! über J. lachen- INF . REFL . P. engl. b. *John, Peter laugh at? ! (13) sp. a. *¡¿ Juan, el tipo comprarse un Ferrari? ! J. der Typ kaufen- INF . REFL . einen Ferrari engl. b. *John, the guy buy a Ferrari? ! (14) sp. a. *¡¿ Brócoli comprar él? ! Broccoli- FOC . kaufen- INF . er engl. b. *Broccoli him buy? ! (15) sp. a. *¡¿ Quién comprar un Volkswagen? ! wer kaufen- INF . einen Volkswagen engl. b. *Who buy a Volkswagen? ! In der linksperipheren Position oberhalb von TP sind nur klitisch-linksversetzte Konstituenten möglich (vgl. 11) oder PP-Topikalisierungen (vgl. 12), wohingegen andere Topikalisierungen (wie z.B. Hanging Topics, vgl. 13) und Fokussierung (vgl. 14) sowie Wh-Frageausdrücke (vgl. 15) zu ungrammatischen Konstruktionen führen. Nehmen wir an, dass letztere in der Comp-Schicht (sei es in der „eigentlichen“ CP oder in einer weiter spezifizierten funktionalen Projektion) lizensiert werden, erstere aber in einer zwischen CP und TP angesiedelten funktionalen Projektion, so ließe sich daraus ableiten, dass die in den Beispielen beobachtbaren einzelsprachlichen Unterschiede (vgl. Spanisch vs. Englisch) ihre Begründung in dem Fehlen dieser hier als FP bezeichneten (vgl. Uriagereka 1995) zusätzlichen Projektion in der linken Peripherie des Englischen finden. 3 Zur Semantik von ARIs 3.1 Ein Exklamativoperator Akmajians (1984) Intuition zufolge beschreiben solche Konstruktionen mit einem uneingeleiteten Infinitiv ein hypothetisches Ereignis. Dies be- <?page no="191"?> Zur Grammatik von Wurzelinfinitiven 179 deutet, dass in Wurzelinfinitiven von Seiten des Sprechers/ der Sprecherin keine Aussage über die Wahrheits- oder Existenzbedingungen involviert ist. Der Sprecher bezieht sich lediglich mit Skepsis auf den durch die satzwertige Infinitivkonstruktion ausgedrückten Sachverhalt. Ich möchte in diesem Abschnitt den Vorschlag unterstützen, dass Wurzelinfinitive indefinite Beschreibungen von Ereignissen sind, die als Restriktoren eines Operators fungieren, dessen Hauptprädikat der Teil des ARI-Ausdrucks ist, den wir Coda nennen. Auf die Coda wird im nächsten Abschnitt näher eingegangen, hier beschränke ich mich darauf, den Operator näher zu bestimmen. Er wird hier unter Rückgriff auf gegenwärtige Forschungen zu Exklamativsätzen tentativ als Exklamativoperator identifiziert (Portner & Zanuttini 2003; vgl. auch G&E). Bei näherer Betrachtung des lexikalisch realisierten Teils von Wurzelinfinitiven im Englischen wird deutlich, dass er mit den nicht durch to eingeleiteten Infinitivkomplementen von Wahrnehmungs- und kausativen Verben formal identisch ist. Auch bei solchen uneingeleiteten Infinitiven ist keine overte Flexion (Realisierung in T) möglich. Beide Infinitivkonstruktionen unterliegen darüber hinaus denselben Kasusrestriktionen (akkusativ-markiertes Subjekt) und beide lassen kein Perfekt zu. (16) engl. a. I saw him leave. ich sah ihn- AKK . weggehen- INF . b. Him leave? ! ihn- AKK . weggehen- INF . (17) engl. a. *I saw him have left. ich sah ihn- AKK . haben- INF . weggegangen- PART . b. *Him have left? ! ihn- AKK . haben- INF . weggegangen- PART . Higginbotham (1983) liefert eine semantische Analyse für uneingeleitete Infinitive, der zufolge diese Konstruktionen indefinite Beschreibungen von Ereignissen sind. Diese Analyse lässt sich auch auf Wurzelinfinitive anwenden: (18) a. ∃ (e) [ leave(him,e) ] i I saw t i ‘Für ein Ereignis, das darin besteht, dass er weggeht, gilt, dass ich es gesehen habe.’ b. ∃ (e) [ leave(him,e) ] ‘Für ein Ereignis, das darin besteht, dass er weggeht, gilt ...’ <?page no="192"?> 180 Kleanthes K. Grohmann Aufgrund des Fehlens einer assertiven Illokution korrelieren Wurzelinfinitive mit anderen uneingeleiteten Infinitiven - oder, allgemeiner ausgedrückt, sie korrelieren mit indefiniten Ausdrücken. Bei letzteren handelt es sich darüber hinaus um nicht saturierte Äußerungen (Higginbotham 1987). Geht man davon aus, dass C° die Funktion zukommt, eine Ereignisvariable zu lizensieren oder, in anderen Worten, einer satzwertigen Konstruktion einen „definiten“ Status zu verleihen, dann deutet die Abwesenheit eines C-Kopfes in der Tat darauf hin, dass es sich bei Wurzelinfinitiven um indefinite Ausdrücke handelt. Bei näherer Betrachtung wird jedoch klar, dass dies nicht ausreicht, um die Bedeutung von ARIs (also Wurzelinfinitiv plus Coda) voll zu bestimmen: (19) engl. John write a novel? ! I doubt it! J. schreiben- INF . einen Roman ich bezweifle es Der Zusatz einer Coda im Wurzelinfinitiv (also in der ARI-Konstruktion im hier benutzten Sinne) wie in (19) drückt mehr als nur eine implizite Verneinung eines Ereignisses aus (hier: des Ereignisses, dass John einen Roman schreibt). Vielmehr ist das, was durch die Coda zum Ausdruck kommt, die Einschätzung, dass das John betreffende Ereignis nach Meinung des Sprechers sehr unwahrscheinlich ist. Bei anderer Gelegenheit (Etxepare & Grohmann 2000) wurde angenommen, dass bei der Interpretation von Wurzelinfinitiven ein phonetisch nicht realisiertes Modalverb auftritt. Dieser Erklärungsansatz wirft jedoch einige syntaktische Probleme auf. Zum einen wird in dem genannten Artikel als einzige modale Dimension die zirkumstantielle Modalität akzeptiert. Hinzu kommt, dass im Spanischen lexikalische Modalverben, die zirkumstantielle Modalität ausdrücken, auch im Infinitiv, also overt, auftreten können: (20) sp. ¡¿ Juan poder escribir eso? ! J. können- INF . schreiben- INF . das ‘J. be able to write that? ! ’ 2 Es stellt sich daher die Frage, warum ein Wurzelinfinitiv wie in (20) noch ein Gegenstück mit einem koverten Modalverb haben sollte. Schließlich würde sich solch ein Modalverb nicht wie ein phonetisch realisiertes, lexi- 2 In diesem Beispiel sowie in (21), (22) und (42) folgt die Übersetzung ins Englische statt ins Deutsche, da hier der Kontrast zwischen dem Spanischen und dem Englischen hervorgehoben werden soll. <?page no="193"?> Zur Grammatik von Wurzelinfinitiven 181 kalisches Modalverb verhalten, wie den folgenden Daten zu entnehmen ist (s.u., vor allem Abschnitt 4). (21) sp. a. ¡¿ Juan[ ModP Mod° [ VP escribir un libro]]? ! J. schreiben- INF . ein Buch ‘J. write a book? ! ’ b. ¡¿ Juan poder [ VP escribir un libro]? ! J. können- INF . schreiben- INF . ein Buch ‘J. be able to write a book? ! ’ (22) sp. a. ¡¿ Juan[ ModP Mod° [ VP escribir un libro] ayer]? ! J. schreiben- INF . ein Buch gestern *‘J. write a book yesterday? ! ’ b. ? ? ¡¿ Juan poder [ VP escribir un libro] ayer? ! J. können- INF . schreiben- INF . ein Buch gestern *‘J. be able to write a book yesterday? ! ’ Aus diesem Grund sei hier angenommen, dass sich die exklamative Lesart von ARIs unter Zugrundelegung der Annahme, dass es sich hier um exklamativen Satzmodus handelt, mit Hilfe eines (Exklamativ-)Operators beschreiben lässt. Eine wesentliche Funktion dieses Operators ist es, eine präsupponierte Menge (z.B. von Eigenschaften) zu erweitern. In ihrer Studie über Exklamativsätze applizieren Portner & Zanuttini (2003) dieses Konzept des Widening auf skalare Implikaturen. Auf unseren Fall übertragen hat die Tatsache, dass Exklamative eine konventionelle skalare Implikatur einführen, den Effekt, dass die Proposition bzw. Situation auf dem einen oder anderen Ende einer kontextuell gegebenen Skala liegt. Portner & Zanuttini arbeiten einen Ansatz heraus, in dem die Widening-Funktion durch einen Operator R durchgeführt wird, der die semantischen Eigenschaften eines Quantors besitzt. Dieser Quantor hat die Funktion, die Domäne der Quantifikation zu erweitern. Nehmen wir einen einfachen Exklamativsatz: (23) engl. How much he eats! Ein Exklamativoperator setzt eine Menge von Situationen, die wir als „normal“ auffassen, in eine größere Menge von Situationen, die sowohl die präsupponierten „normalen“ Situationen enthält als auch solche, die als „nicht-normal“ aufgefasst werden. Schauen wir uns nun Wurzelinfinitive in dieser Hinsicht etwas näher an, vgl. (24): (24) engl. John write a novel? ! <?page no="194"?> 182 Kleanthes K. Grohmann Hier wird die Domäne der für John typischen bzw. „normalen“ Eigenschaften bzw. Situationen um weitere Eigenschaften/ Situationen erweitert, in diesem Fall um „einen Roman schreiben“. Portner & Zanuttinis (2003: 52) Definition von Widening ist folgende: (25) For any clause S containing R Widening , widen the initial domain of quantification for R Widening , D1, to a new domain, D2, such that (i) 〚 S 〛 w,D2, < - 〚 S 〛 w,D1, < ≠ 0 and (ii) ∀ x ∀ y [(x ∈ D1 and y ∈ (D2 - D1)) x < y]. Hier ist 〚 S 〛 w,D2,< die Menge von Situationen der Form (zum Beispiel) „John schreibt x“, wobei x aus der Domäne D2 kommt, während 〚 S 〛 w,D1,< die entsprechende Menge für die alte Domäne D1 ist. Der Unterschied zwischen D1 und D2 ist nicht-leer, was bedeutet, dass die neue Situation einfach zu der neuen Domäne hinzugefügt wird. Im Beispiel (24) enthält D1 typische Situationen für John: Vielleicht schreibt er Zeitungsartikel, Liebesbriefe, Einkaufszettel usw. D2 dagegen enthält mindestens eine anormale Situation für John, nämlich die, dass er einen Roman schreibt. Anders als typische Exklamativsätze sind Wurzelinfinitive jedoch nicht faktiv (vgl. Grimshaw 1979, Obenauer 1994): Es gibt in unserem Fall kein präsupponiertes Ereignis des Romanschreibens. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Wurzelinfinitive keine CPen sind und deshalb auch keine Propositionen ausdrücken, sondern dass es sich bei ihnen um weniger komplexe Einheiten handelt - wie z.B. Situationen -, auf welche sich die Zuordnung eines Wahrheitswertes (und daher auch präsupponierte Wahrheit) nicht anwenden lässt (vgl. Ormazabal 1995). 3.2 Die Coda ARIs können nicht vollständig interpretiert werden, wenn nicht die Coda miteinbezogen wird. Nach G&E enthalten ARIs obligatorisch eine satzwertige Komponente, welche die assertive Illokution des gesamten Ausdrucks liefert: (26) sp. a. ¡¿ Yo fregar los platos otra vez? ! ¡ Ni ich abspülen- INF . das Geschirr wieder nicht-einmal hablar! sagen ‘Ich soll schon wieder abwaschen? ! Auf keinen Fall! ’ engl. b. Me do the dishes again? ! No way! <?page no="195"?> Zur Grammatik von Wurzelinfinitiven 183 Es bestehen einige Konnektivitätseffekte bei diesen zwei satzwertigen Strukturen, z.B. in Bezug auf negative Polaritätselemente (Negative Polarity Items - NPIs), wo nur die „korrekte“ Coda (27b) das NPI nada im RI lizensieren kann: (27) sp. ¡¿ Comprar yo nada en esa tienda? ! ... kaufen- INF . ich nichts in diesem Geschäft ‘Ich soll was in dem Geschäft da kaufen? ! ...’ a. ... ? ? ¡ Cualquier día de estos! irgendein Tag von diesen ‘... Irgendwann in den nächsten Tagen! ’ b. ... √ ¡ Lo dudo! CL . ich-bezweifle ‘... Das wag ich zu bezweifeln! ’ Diese Fakten seien hier als Evidenz dafür gedeutet, dass ARIs einer gemeinsamen Wurzel entstammen, d.h., dass Wurzelinfinitiv und Coda auf eine noch zu bestimmende Art und Weise von einem einzigen Knoten dominiert werden. Es scheint außerdem, dass sowohl die Infinitivkonstruktion als auch die Coda eine exklamative Intonation besitzen. Hier bestehen jedoch einige Asymmetrien zwischen der exklamativen Intonation und den zwei Ausdrücken der ARI-Konstruktion: Der Wurzelinfinitiv kann sich um die Coda herum bewegen, und wenn er sich (vor dem Hintergrund der Annahme, dass er links von der Coda basisgeneriert wird, s.u.) nach rechts bewegt, dann fehlt dem Wurzelinfinitiv eine exklamative Intonation (was hier durch die Satzzeichen ‚? ! ’ bzw. ‚...’ dargestellt wird): (28) sp. a. ¡¿ Juan escribir un libro? ! ¡ Venga hombre! J. schreiben- INF . ein Buch komm Mann ‘J. soll ein Buch schreiben? ! Ach geh! ’ b. ¡¿ Venga, hombre, Juan escribir un libro ...? ! komm Mann J. schreiben- INF . ein Buch ‘Ach geh, J. soll ein Buch schreiben ...? ! ’ Die Coda ist die Matrix des exklamativen Quantors, wohingegen der Wurzelinfinitiv eine Art Restriktion desselben herbeiführt. In anderen Worten, der exklamative Operator ist ein binärer Operator, ähnlich wie even im Englischen. Rooth (1985) und Partee (1991) analysieren Fokuspartikeln (neben even z.B. auch only) als Quantoren, die eine dreiseitige Struktur aufweisen. Diese Struktur wird von der Fokuszuweisung im Satz beeinflusst: <?page no="196"?> 184 Kleanthes K. Grohmann (29) engl. John only bought ORANGES. (29) setzt voraus, dass John etwas gekauft hat (Präsupposition), und zwar nur Orangen (Fokus). Partee geht davon aus, dass die Voraussetzung für den fokussierten Teil direkt in der quantifizierten Struktur kodiert ist, d.h. die Voraussetzung restringiert den Quantor, wobei der Fokus des Satzes als Kernskopus des Quantors festgelegt wird: (30) only x [ Restriktion John bought x ] [ Fokus x=oranges ] Wurzelinfinitive besitzen ebenfalls eine ausgeprägte Topik-Fokus-Kontur, was daran liegt, dass die Infinitivkonstruktion präsupponiert ist (vgl. 3.1). Hierbei repräsentiert die Infinitivkonstruktion das Topik und die Coda den Fokus. Werden Wurzelinfinitive in einen Satz integriert, der syntaktisch sowohl Thema als auch Fokus enthält, wie beispielsweise in spanischen Doppel-Comp-Strukturen (vgl. z.B. Plann 1982, Uriagereka 1988, Suñer 1993), dann besetzen Wurzelinfinitive immer die Topikposition. Dies ist die am weitesten links liegende Position, also die nach dem ersten, aber vor dem zweiten que, und damit vor dem Fokus, der dem zweiten que folgen muss, wie (32) illustriert: (31) sp. Juan dice que ... ‘Juan sagt, dass ...’ a. ...[él fregar los platos que [ni por el er spülen- INF . die Teller dass nicht-einmal im forro]]. Traum b. ... *[ni por el forro que [él fregar los nicht-einmal im Traum dass er spülen- INF . die platos]]. Teller ‘... er nicht einmal im Traum das Geschirr spülen würde.’ (32) sp. a. Pedro dice que Antonio, que lavó LOS PLATOS. P. sagt dass A. dass wusch die Teller ‘P. sagt, dass Antonio DIE TELLER abgewaschen hat.‘ b. *Pedro dice que ANTONIO que lavó los platos. P. sagt dass A. dass wusch die Teller ‘P. sagt, dass ANTONIO die Teller abgewaschen hat.’ <?page no="197"?> Zur Grammatik von Wurzelinfinitiven 185 3.3 Anmerkungen zur Struktur des Wurzelinfinitiv-Coda-Komplexes Es sei nun angenommen, dass sich die Struktur von ARIs folgendermaßen repräsentieren lässt, wobei RI für die Infinitivstruktur steht, Coda für den oben besprochenen Zusatz und X für einen noch zu bestimmenden Kopf, der diese beiden Teile zusammenführt (s. die Diskussion zu (27)): (33) [ XP [ RI ] X° [ Coda ] ] Eine erste Annahme könnte sein, dass X den Operator darstellt, der RI und Coda in eine gemeinsame Wurzel zusammenführt. Es gibt jedoch gute Gründe, von dieser einfachen Lösung abzusehen und eine detailliertere und abstraktere Struktur zu bevorzugen. Wir haben z.B. bereits in (28) gesehen, dass die Coda dem RI vorangehen kann, wenn auch mit anderem Intonationsmuster. Aus (33) würde dies nicht folgen: Eine (optionale) Basisgenerierung von RI als Komplement und Coda als Spezifikator ist nicht nur willkürlich - sie könnte auch die Unterschiede in der Intonation nicht erklären. 3 Alternativ könnte man mit Kayne (1998) davon ausgehen, dass die Argumente der dreigeteilten Quantifikation (etwa bei only und even) derivationell konstruiert werden und dass der Exklamativoperator eine zusätzliche Phrase projiziert, sodass sich folgendes Muster ergibt: (34) a. Merge Exkl° [ ExklP Exkl° [ XP [ RI ] X° [ Coda ] ] ] b. Move Coda [ ExklP [ Coda ] i Exkl° [ XP [ RI ] X° t i ] ] c. Merge W° [ WP W° [ ExklP [ Coda ] i Exkl° [ XP [ RI ] X° t i ] ] ] d. Move Head [ WP Exkl° + W° [ ExklP [ Coda ] i t j [ XP [ RI ] X° t i ] ] ] e. Move XP [ WP [ RI ] k Exkl° + W° [ ExklP [ Coda ] i t j [ XP t k X° t i ] ] ] Ohne die Diskussion weiter zu vertiefen, sei hier lediglich darauf hingewiesen, dass die theoretischen Möglichkeiten in (34b) und (34e) zu den Ausdrücken (35a) bzw. (35b) (= 28) führen. Der Unterschied liegt in der Präsenz bzw. Abwesenheit eines im Kayneschen Antisymmetriemodell 3 Von einer möglichen Erklärung als Adjunktion der Coda aus der Struktur (33) an XP muss aus Platzgründen abgesehen werden (vgl. Etxepare & Grohmann, in Vorb.). <?page no="198"?> 186 Kleanthes K. Grohmann anzunehmenden beliebigen funktionalen Kopfes W (in Abhängigkeit davon, ob W Teil der Enumeration ist oder nicht): (35) sp. a. ¡ Venga, hombre! [Juan escribir una novela] ... komm Mann J. schreiben- INF . einen Roman ‘Ach geh! J. soll einen Roman schreiben ...’ sp. b. ¡¿[ Juan escribir una novela ]? ! ¡ Venga hombre! J. schreiben- INF . einen Roman komm Mann ‘J. soll einen Roman schreiben? ! Ach geh! ’ Ich möchte mich hier nicht auf eine Kaynesche Derivation wie in (34) oder eine (evtl. erweiterte) Version von (33) festlegen, sondern lediglich darauf hinweisen, dass die gemeinsame Wurzel von RI und Coda, wie oben gezeigt, durchaus weitere Komplexitäten mit sich bringen kann. Dies bedeutet, dass u.U. die Struktur und damit die Derivation von ARIs weitaus komplexer ist, als auf den ersten (und zweiten) Blick zu erwarten. 4 Ein Fall aspektueller Variation in ARIs ARIs zeigen sprachspezifische Unterschiede bezüglich der temporalen Modifikation, die sie erlauben: (36) engl. a. John write that sort of thing back in the old days? ! No way! b. *John write that sort of thing yesterday? ! No way! (37) sp. a. ¡¿ Juan escribir eso en aquellos tiempos? ! ¡ De ninguna J. schreiben- INF . dies damals auf keine manera! Art-und-Weise b. ¡¿ Juan escribir eso ayer? ! ¡ De ninguna manera! J. schreiben- INF . dies gestern auf keine Art-und-Weise Zwischen dem Spanischen und Englischen bestehen zusätzlich Unterschiede hinsichtlich des Infinitivs selbst, nämlich im Hinblick auf die Frage, wie weit er angehoben werden kann. Im Spanischen wird der Infinitiv über den temporalen Kopf hinaus bewegt (Kayne 1991), sodass er den Kopf einer niedrigen C-Projektion besetzt, die Uriagereka (1995) FP nennt. Im Englischen hingegen verbleibt der Infinitiv unter T. In G&E wird dieser Unterschied für die Analyse genutzt und das Phänomen vor dem Hintergrund der Anhebung des Infinitivs nach F° sowie der komplexen Struktur von Wurzelinfinitiven interpretiert. Des Weiteren sei hier Baker & Travis (1997) in der Annahme gefolgt, dass sich Perfektive - die eine <?page no="199"?> Zur Grammatik von Wurzelinfinitiven 187 faktive Domäne indizieren - ähnlich wie definite Determinierer verhalten und daher eine für Quantoren opake Domäne definieren. Dies wird im Folgenden weiter ausgeführt (zu einer detaillierten Besprechung vgl. G&E). Die soeben erwähnten Annahmen führen zu folgender Hypothese: In Sprachen, in denen der Infinitiv unter T°- [ Vergangenheit] verbleibt, ist die Ereignisvariable (s.o., 18) nicht für Quantifikation zugänglich und folglich ist die Struktur semantisch nicht interpretierbar. In Sprachen, in denen der Infinitiv über T° hinausbewegt wird, ist die vom Infinitiv getragene Ereignisvariable frei, um von einem Exklamativoperator gebunden zu werden, sodass sich die im Folgenden illustrierte syntaktische Derivation ergibt. Die entsprechenden Strukturen für die hier relevanten Beispiele (36a), (36b) bzw. (37b) sind in (38)-(40) skizziert: (38) ExklP TP Exkl' TP PP Exkl° [Coda] John T' back in the old days T° AspP [Verg.] Asp° VP (John) V' V DP write that sort of thing <?page no="200"?> 188 Kleanthes K. Grohmann (39) * ExklP TP Exkl' TP PP Exkl° [Coda] John T' yesterday T° AspP [Verg.] Asp° VP [def] (John) V' V DP write that sort of thing (40) ExklP FP Exkl' Juan F' Exkl° [Coda] F° TP T° F° TP ayer escribir T° pro T' [Verg.] t T AspP Asp° VP [def] (Juan) V' t V DP eso Dies mag als Kernanalyse so festgehalten werden; es ist aber darauf hinzuweisen, dass die für spanische lexikalische Verben gültige Generalisierung zum Hintergrund hat, dass diese in eine sehr hohe Position angehoben werden. Dies gilt auch für Infinitive, die sich nach F°, d.h. über T° hinaus, bewegen und qua Inkorporation T° enthalten (entsprechend den <?page no="201"?> Zur Grammatik von Wurzelinfinitiven 189 Standardannahmen für Kopfbewegung). Letzteres ist im Englischen nicht der Fall: 4 (41) sp. a. ExklP FP Exkl' V+F° TP Exkl° [Coda] engl. b. ExklP TP Exkl' ...V... Exkl° [Coda] Wie bereits in Abschnitt 3.1 hinsichtlich des Kontrastes in den Beispielen (21)-(22) deutlich wurde, sind im Spanischen Wurzelinfinitive mit einem lexikalischen Modalverb und einem deiktischen Vergangenheitsadverb nicht oder nur äußerst marginal zulässig: (42) sp. a. ? ? ¡¿ Juan poder escribir un libro ayer? ! J. can- INF . write- INF . a book yesterday ‘J. be able to write a book yesterday? ! ’ b. ¡¿ Juan escribir un libro ayer? ! J. write- INF . a book yesterday ‘J. write a book yesterday? ! ’ Das Problem liegt selbstverständlich nicht am phonologisch realisierten Modalverb an sich (das unter anderen Umständen durchaus mit deiktischen Adverbien der Vergangenheit zulässig ist), sondern an den Wurzelinfinitiven. Wurzelinfinitive mit overten Modalverben verhalten sich im Spanischen genauso wie englische Wurzelinfinitive mit modifizierten deiktischen Adverbien. Der Grund hierfür scheint erneut im Zusammenhang mit der Ereignisvariable zu stehen: Wenn diese immer vom lexikalischen Verb getragen wird, dann bleibt sie in situ (unter V, also deutlich unterhalb von T°). Dies gilt für die hier relevanten Konstruktionen, in denen ein infinitivisches Modalverb, nicht das lexikalische Verb, von bzw. über T° nach F° bewegt wird. 4 Trotz der detaillierten Repräsentation (Spuren) bleibt noch ungeklärt, wie der exakte Prozess von V (über T°) nach F° (Status von Kopfbewegung in der Grammatik) und die genaue Rolle von Asp° aussehen (vgl. Etxepare & Grohmann, in Vorb.). <?page no="202"?> 190 Kleanthes K. Grohmann (43) ist demnach die (auch hier vereinfachte) Struktur der in (42a) aufgeführten ungrammatischen ARI-Konstruktion von Wurzelinfinitiv mit lexikalischem Modalverb: (43) sp. ? ? ExklP FP Exkl' Juan F' Exkl° [Coda] F° TP T° F° TP ayer Mod° T° pro T' poder [Verg.] t T ModP t Mod AspP Asp° VP [def] escribir un libro Der Opakheitseffekt der Tempus-Aspekt-Domäne nach Baker & Travis (1997) kann folgendermaßen beschrieben werden: Das deiktische Adverb der Vergangenheit ayer löst im Aspektkopf Perfektivität und damit Definitheit aus. Dieser Kopf Asp°-[def] blockiert nun die Bindung der Ereignisvariable, die sich im lexikalischen Verb escribir befindet. Der hier angenommene Exklamativoperator in Exkl° muss in wohlgeformten Strukturen diese Ereignisvariable binden (C-Kommando), kommt aber nicht über den definiten Aspektkopf hinaus (Opakheitseffekt). Die Agrammatikalität von (42a) lässt sich aufgrund der Annahmen von G&E direkt erklären: In einer Struktur wie (43) ist das overte Modalverb das Element, das angehoben wird und außerhalb der Domäne der temporalen Deixis steht. Das lexikalische infinite Verb bleibt in situ und deshalb kann auch die von ihm getragene Ereignisvariable nicht mit dem Exklamativoperator verknüpft werden. <?page no="203"?> Zur Grammatik von Wurzelinfinitiven 191 5 Sprachübergreifende Korrelate Die Korrelation zwischen der Infinitivbesetzung von T und der Möglichkeit deiktischer temporaler Modifikation im Spanischen und Englischen kann im Sprachvergleich gut nachvollzogen werden. Sie lässt sich zudem auf andere romanische (und germanische) Sprachen übertragen. Die romanischen Sprachen scheinen zwei Gruppen zu bilden, von denen die eine Merkmale wie die des Spanischen und die andere solche Eigenschaften zeigt, wie sie im Vorausgehenden für das Englische herausgearbeitet wurden: Wie das Spanische verhalten sich (mindestens) das Galicische, das Katalanische und das Italienische; wie das Englische verhalten sich das (europäische und brasilianische) Portugiesisch und das Französische; zudem weisen alle germanischen Sprachen (wie das Englische) Merkmale auf, die auch für die letztgenannte romanische Sprachgruppe charakteristisch sind. Wurzelinfinitive variieren innerhalb der romanischen Sprachfamilie bezüglich der erlaubten temporalen Modifikation: Während das Italienische, Spanische, Katalanische und Galicische durch Adverbien der Vergangenheit modifiziert werden können (44a-d), ist dies im Portugiesischen nicht möglich. Entsprechend verhalten sich das Französische (45a-b) sowie das Deutsche, Niederländische, Norwegische und Englische (die hier und im Folgenden aus Platzgründen nicht mit Beispielen belegt werden; aus demselben Grund wird die Coda in einigen Beispielen weggelassen). (44) Gruppe I (Italienisch, Spanisch, Katalanisch, Galicisch) a. it. Io andare alla festa ieri? ! (Stai scherzando! ) ich gehen- INF . zu-dem Fest gestern du spinnst b. sp. ¡¿Yo ir a la fiesta ayer? ! (¡Estás de broma! ) c. kt. Jo anar a la festa ahir? ! (Vinga, hombre! ) d. gal. Ir eu á festa onte? ! (Toleas! ) ‘Ich gestern zu dem Fest gehen? ! (Du spinnst! )’ (45) Gruppe II (Portugiesisch, Französisch) a. pg. *Eu ir á festa ontem? ! b. fr. *Moi aller à la fête hier? ! ‘Ich gestern zu der Party gehen? ! ’ <?page no="204"?> 192 Kleanthes K. Grohmann Hier ist darauf hinzuweisen, dass die soeben vorgenommene Charakterisierung zu diesem Zeitpunkt noch idealisiert ist. Leider ist die Datenlage für das Italienische alles andere als gesichert. In der Tat tendierten die meisten unserer InformantInnen aus bisher ungeklärten Gründen bei den meisten vorgelegten Sätzen zum Urteil der Agrammatikalität. Als RI, also mit impliziter Coda, scheint (44a) beispielsweise ausgeschlossen zu sein. Auch mit der Standardcoda, die jede Möglichkeit einer Realisierung des im RI ausgedrückten Ereignisses ausschließt (wie z.B. „So etwas mach ich nicht! “ oder „Ich geh doch auf keine Partys! “), scheinen laut unseren InformantInnen ARIs im Italienischen, im Gegensatz zu den anderen genannten romanischen Sprachen, nicht gebildet werden zu können. Bisher wurde noch keine Lösung für die Frage gefunden, warum die Coda Stai scherzando! hier den ARI lizensieren kann. ((44a) wurde von unseren Informanten akzeptiert.) Allerdings scheint unsere Charakterisierung aus unabhängigen Gründen wünschenswert. Wie Kayne (1991) gezeigt hat, unterscheiden sich die (von ihm eingehend besprochenen) romanischen Sprachen Französisch, Italienisch und Spanisch in den Landepositionen von Infinitiven - unabhängig von ihrer Matrixfunktion (also als RI). Niedrige Adverbien deuten zunächst darauf hin, dass sich der Infinitiv aus der VP herausbewegt. Kayne weist nach, dass der Infinitiv im Italienischen und Spanischen etwas höher anzusiedeln ist als im Französischen (wie z.B. aus Kontrollstrukturen ersichtlich ist). Außerdem gibt es Restriktionen bezüglich quantifizierter Subjekte, die in infinitivischen Kontexten im Französischen, aber nicht im Italienischen oder im Spanischen lizensiert werden. Dies wird im Detail in G&E besprochen. Zwei Punkte sind jedoch an dieser Stelle anzumerken. Zum einen kann unsere Annahme, dass sich der Infinitiv im Spanischen nach F° bewegt, all diese Daten erklären. Während er im Englischen unterhalb von T° verbleibt, bewegt er sich im Französischen nach T° - aber nicht darüber hinaus. Zum anderen haben wir in G&E gezeigt, dass sich Katalanisch und Galicisch bezüglich Kaynes Tests wie Spanisch und Italienisch verhalten, Portugiesisch aber wie Französisch. Damit bekommen wir unabhängige Evidenz für die in (44) und (45) dargestellte Zweiteilung der romanischen Sprachen. Mit anderen Worten, die Beobachtung, dass eine Gruppe ARIs mit einem Adverb wie gestern zulässt, die andere aber nicht, korreliert mit der Beobachtung, dass die erste Gruppe den Infinitiv bis nach F° bewegt, die zweite Gruppe aber nicht, sodass für die zweite Gruppe die gleiche Erklärung gegeben werden kann, die oben im Text für die ungrammatischen Strukturen des Englischen gelten konnte. <?page no="205"?> Zur Grammatik von Wurzelinfinitiven 193 Um die in G&E erarbeitete Analyse fortzuführen, soll hier kurz auf weitere durch diesen Ansatz voraussagbare Eigenschaften eingegangen werden. Unsere Analyse spricht dafür, dass ein periphrastisches Perfekt in ARIs im Allgemeinen nicht erlaubt ist. (46) zeigt dies für das Spanische und Englische als Repräsentanten der beiden Gruppen: (46) sp. a. *¡¿ Juan haber comprado un libro? ! ¡ Imposible! engl. b. *John have bought a book? ! Impossible! J. haben- INF . gekauft ein Buch unmöglich Im Spanischen wird hier das Hilfsverb haber ‚haben’ nach F° angehoben (s.o.). Jedoch verbleibt die von dem Infinitiv getragene Ereignisvariable unterhalb der Perfekt-Struktur. Eine solche Position sollte für Quantifikation unzugänglich sein. Letztere Annahme ist vor dem Hintergrund der folgenden Ausführungen plausibel und trägt zur Erklärung weiterer Eigenschaften bei. Zunächst sei hier die interessante Beobachtung erwähnt, dass manche Sprecher des Spanischen Sätze wie (47a) akzeptieren. Hingegen erlauben dieselben Sprecher keine Fälle wie (47b), in denen sich ein pronominales Subjekt zwischen dem Infinitiv und dem Partizip befindet und die für alle Sprecher ungrammatisch sind. (Bei nicht-pronominalem Subjekt ergibt sich dieser Kontrast nicht.) (47) sp. a. % ¡¿ Haber comprado yo un libro? ! ¡ No creo! haben- INF . gekauft ich ein Buch NEG . glauben-1. SG . ‘Ich soll gestern ein Buch gekauft haben? ! Unmöglich! ’ b. *Haber yo comprado un libro? ! No creo! haben- INF . ich gekauft ein Buch NEG . glauben-1. SG . c. [El haber yo comprado ese libro ayer] no das haben- INF . ich gekauft dieses Buch gestern NEG . significa que vaya a leerlo. bedeuten-3. SG . dass gehen-1. SG . zu lesen- CL . ‘Die Tatsache, dass ich gestern dieses Buch gekauft habe, bedeutet nicht, dass ich es lesen werde.’ Dieser Sachverhalt kann nun wie folgt erklärt werden: In der Grammatik der Sprecher, die (47a) akzeptieren, können das perfektive Auxiliar und das Partizip als eine komplexe Kopfeinheit nach F° angehoben werden (vgl. Mensching 2000: 114), wo die vom Partizip getragene Ereignisvariable für Quantifikation sichtbar ist. Tritt dann ein Subjekt zwischen das Auxiliar und das Partizip, ist diese Analyse (d.h. mittels der Annahme komplexer Kopfanhebung) nicht mehr möglich. In dieser Konfiguration <?page no="206"?> 194 Kleanthes K. Grohmann ist der Wurzelinfinitiv folglich ausgeschlossen, wie in (47b). (47c) zeigt, dass dies eine Eigenschaft des Wurzelinfinitivs ist; andere Infinitivkonstruktionen können durchaus ein Subjekt zwischen Infinitiv und Partizip aufweisen. Die Agrammatikalität von Perfekt-Auxiliaren findet im Galicischen und Portugiesischen eine Ausnahme, wo das Auxiliar im Gegensatz zum im Romanischen weitestgehend generalisierten habere als ter erscheint. Periphrastische Perfekte mit ter sind in ARIs durchaus möglich: (48) pg. a. Eu ter ido ao cinema? ! ich haben- INF . gegangen ins Kino gal. b. Eu ter gañado a final? ! ich haben- INF . gewonnen das Finale ‘Ich ins Kino gegangen sein/ das Finale gewonnen haben? ! ’ Eine mögliche Erklärung für diesen Unterschied bestünde in der Annahme, dass das galicische (und portugiesische) ter im Gegensatz zum spanischen haber seine eigene Ereignisvariable trägt und in diesem Sinne mit dem spanischen tener verwandt ist (also Hauptverbcharakter hat). (49) sp. ¡¿ Tener yo el partido ganado? ! ¡ Qué más haben- INF . ich das Spiel gewonnen was mehr quisiera! würde-wollen ‘Ich soll das Spiel fast schon gewonnen haben! ? Nichts lieber als das! ’ Man vergleiche (50a) mit (50b), beide ebenfalls aus dem Spanischen: (50) sp. a. [El tener este domingo la liga ganada das haben- INF . diesen Sonntag die Liga gewinnen- PART . AGR . tres meses antes ] parece un imposible. drei Monate vorher scheint ein Unmögliches ‘Dass die Liga diesen Sonntag drei Monate vor Saisonende gewonnen wurde, erschien als ein Ding der Unmöglichkeit.’ b. *[ El haber ganado la liga este domingo das haben- INF . gewinnen- PART . AGR . die Liga diesen Sonntag tres meses antes] parece un imposible. drei Monate vorher scheint ein Unmögliches Ich interpretiere diese Beispiele als Evidenz dafür, dass das spanische tener, im Gegensatz zu haber, eine weitere Ereignisvariable einführt, die temporal beschränkt werden kann. Das könnte sich aus Giorgi & Pianesis (1997) Vorschlag ableiten, dass das portugiesische ter ein lexikalisches <?page no="207"?> Zur Grammatik von Wurzelinfinitiven 195 Verb ist (s. aber Gonçalves 1995, Schmitt 2001). Das galicische/ portugiesische ter verhält sich somit wie das spanische tener. (51) gal. [ Ter gañada pra domingo a liga tres haben- INF . gewinnen- PART . AGR . für Sonntag die Liga drei meses antes tempo] non ten xeito. Monate vor Zeit NEG . machen Sinn ‘Dass die Liga diesen Sonntag drei Monate vor Saisonende gewonnen worden sein soll, ergibt keinen Sinn.’ (52) pg. No próximo domingo o seu time já ter am nächsten Sonntag dieses sein Team schon haben- INF . ganhado o campeonato há três semanas? ! gewonnen die Meisterschaft vor drei Wochen ‘Am nächsten Sonntag soll sein Team die Meisterschaft schon vor drei Wochen gewonnen haben? ! ’ Wenn nun aber das portugiesische ter ein lexikalisches Verb ist, das der Struktur seine eigene Ereignisvariable beisteuert, so sollte diese Ereignisvariable problemlos quantifiziert werden können (da sie ja nicht unter dem perfektiven Operator [def] „verborgen“ ist). Es wäre auch zu erwarten, dass die Formen mit ter die Modifikation durch ein deiktisches temporales Adverb der Vergangenheit erlauben, im Gegensatz zu den einfachen Infinitiven in (45). Und dies ist in der Tat der Fall, wie die folgenden Daten zeigen: (53) pg. a. Eu ter ido ao cinema ontem? ! ich haben- INF . gegangen ins Kino gestern ‘Ich soll gestern ins Kino gegangen sein? ! ’ b. *Eu ir ao cinema ontem? ! ich gehen- INF . ins Kino gestern ‘Ich soll gestern ins Kino gehen? ! ’ 6 Zusammenfassung In diesem Beitrag wurden anhand der Analyse einer Konstruktion aus der gesprochenen Sprache, der Wurzelinfinitivkonstruktion (ARI), einige Aspekte der Variation innerhalb der romanischen Sprachfamilie untersucht. Die hier vorgeschlagene Struktur von Infinitiven in Matrixverwendung ist auf zwei Ebenen komplex. Auf der einen Seite wurde dafür argumentiert, dass die Satzstruktur des nicht eingeleiteten Infinitivs über die reine Argumentstruktur (VP/ vP) hinausgeht, nämlich im Englischen eine <?page no="208"?> 196 Kleanthes K. Grohmann IP/ TP darstellt und in den romanischen Sprachen (hier vor allem anhand des Spanischen illustriert) noch eine weitere CP-bezogene FP projiziert, die den angehobenen Infinitiv aufnimmt. Ausnahmen in der Romania bilden das Französische und das Portugiesische, wo sich der Infinitiv nicht über den T-Kopf hinausbewegt. Auf der anderen Seite hat unsere Untersuchung ergeben, dass die mit den ARIs verbundenen Interpretationen nur dann genauer bestimmt werden können, wenn man den zumindest implizit einhergehenden Zusatz, den wir die Coda nennen, mit einbezieht und darüber hinaus einen besonderen Operator annimmt. Dieser erweitert die Menge „normaler“ Eigenschaften bzw. Situationen, die mit dem Infinitiv ausgedrückt werden, und stellt damit eine Menge von auf den Sachverhalt bzw. das Subjekt bezogenen außergewöhnlichen Eigenschaften bzw. Situationen auf, deren Wahrheitswert durch den gesamten ARI- Komplex angezweifelt wird. Unser Hauptanliegen war es, die in einer früheren Arbeit vorgestellte Analyse infinitivischer T°-nach-F°-Bewegung in einigen, aber nicht allen romanischen Sprachen weiter zu dokumentieren und diverse Voraussagen zu überprüfen (aus G&E/ Grohmann & Etxepare 2003). Wir kommen zu dem Schluss, dass sich die These einer ersten Zweiteilung in Gruppe I (aus Spanisch, Katalanisch, Galicisch und Italienisch zusammengesetzt) und Gruppe II (Französisch und portugiesische Varietäten aus Portugal und Brasilien) durchaus aufrecht erhalten lässt. Ich lasse nebst einigen Detailfragen (z.B. dem Status der Kopfbewegung in der Grammatik) eine ontologische Erklärung für diese Einteilung (u.a. des Ursprungs von F°) sowie die Lösung empirischer Probleme (z.B. Modifikation mit ieri ‚gestern’ im Italienischen) offen, hoffe aber in zukünftigen Arbeiten weiterführende Antworten zu finden. 7 Literatur Akmajian, Adrian (1984): “Sentence Types and the Form-Function Fit.” In: Natural Language and Linguistic Theory 2, 1-23. Baker, Mark C. & Lisa Travis (1997): “Mood as Verbal Definiteness in a Tenseless Language.” In: Natural Language Semantics 5, 213-269. Cinque, Guglielmo (1999): Adverbs and Functional Heads: A Cross-Linguistic Perspective. Oxford: OUP. Etxepare, Ricardo & Kleanthes K. Grohmann (2000): “Conjunction of Infinitival Exclamatives and the Null Modal Hypothesis.” In: Kerstin Schwabe & Niina N. Zhang (Hgg.): Conjunction in Ellipsis. Tübingen: Niemeyer, 133-156. <?page no="209"?> Zur Grammatik von Wurzelinfinitiven 197 - (in Vorb.): “The Grammar of Non-Finite Root Constructions.” Ms., CNRS/ LEHIA & University of Cyprus. Giorgi, Alessandra & Fabio Pianesi (1997): Tense and Aspect: From Semantics to Morphosyntax. Oxford: OUP. 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Oxford: OUP, 153-175. <?page no="211"?> Luis López Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation 1 Abstract This article presents a review and critique of three recent approaches to the syntax of Romance Clitic Right Dislocation (CLRD). Cecchetto (1999), Villalba (2000) and López (2003) argue that it is located in a mid position within the structure of the sentence - either in the Specifier of a Topic Phrase immediately dominating vP (Cecchetto, Villalba) or in [Spec, vP] (López). Frascarelli (2000) and Samek-Lodovici (2006) argue instead that CLRD is in the higher functional field. Finally, Cardinaletti (2002) presents the most radical proposal. She argues that CLRD is the complement of an undefined category X while the rest of the clause is in [Spec, XP]. This article shows that the midposition analysis of CLRD holds its own vis-à-vis traditional tests of c-command (principles A, B and C of binding theory, quantifier-variable relations) while the competitor analyses make wrong predictions. 1 Einleitung Noch vor zehn Jahren lag innerhalb der Linguistik nur eine äußerst geringe Anzahl von Arbeiten zur Syntax romanischer Rechtsdislokationsstrukturen (genauer: Clitic Right Dislocation, im Folgenden CLRD) vor, insbesondere im Vergleich zur Linksdislokation. Diese ungünstige Forschungslage hat sich inzwischen um ein Vielfaches verbessert. In den letzten Jahren erschienen mehrere konkurrierende Analysen von CLRD, deren Besprechung lohnenswert erscheint. Die erste Analyse, die auf den folgenden Seiten behandelt wird, geht auf Cecchetto (1999) und Villalba (1996, 2000) zurück. Ihnen zufolge sind rechtsdislozierte Konstituenten in einer mittleren Position im Satz zu lokalisieren, die in López (2003) als [Spec, vP] identifiziert wird. Die von Cecchetto vorgebrachten Argumente wurden von Cardinaletti (2002) und Samek-Lodovici (2006) in Frage ge- 1 Ich danke den Teilnehmern der Sektion auf dem Romanistentag für ihre wertvollen Fragen und Kommentare sowie Anna Cardinaletti, Mara Frascarelli und Vieri Samek-Lodovici für ihre freundliche (und schnelle) Antwort auf meine Anfrage nach Manuskripten. Ich möchte den beiden Herausgebern dafür danken, mir die Mitarbeit an diesem Band angeboten zu haben, sowie für ihre Kommentare zu einer Vorversion dieses Artikels und ihre Hilfe bei der Übersetzung ins Deutsche. Nicht zuletzt gilt mein Dank der Alexander von Humboldt-Stiftung, die die Arbeit an diesem und anderen Forschungsvorhaben durch eine erhebliche finanzielle Unterstützung gefördert hat. <?page no="212"?> 200 Luis López stellt, ich werde jedoch in Abschnitt 3 dieses Artikels zusätzliche Evidenz für diesen Ansatz präsentieren. Abschnitt 4 diskutiert Cardinalettis Vorschlag, in welchem die Position von CLRD in einer sehr niedrigen Position, allerdings außerhalb des Satzes im engeren Sinne, angesiedelt wird. Abschnitt 5 behandelt Samek-Lodovicis Hypothese, dass sich CLRD in einer hohen Position in der Satzstruktur abspielt, die mindestens genauso hoch situiert ist wie die der Linksdislokation (bzw. Clitic Left Dislocation, CLLD). Es wird gezeigt, dass die beiden alternativen Ansätze substantielle empirische Probleme aufweisen. Abschnitt 2 ist zunächst einem alten Problem der romanistischen Linguistik gewidmet, nämlich der Frage, ob dislozierte Elemente aus einer satzinternen Position herausbewegt oder in einer peripheren Adjunktposition basisgeneriert werden. Die Klärung dieser Frage ist eine notwendige Voraussetzung für die Besprechung in den anderen Abschnitten. 2 Romanische Dislokationsstrukturen als Bewegungsphänomene Obwohl in neueren Arbeiten (Frascarelli 2000, 2004, Suñer 2006) Gegenteiliges angenommen wurde, erscheint mir der Status von CLLD und CLRD als Resultat von Bewegungsoperationen als relativ eindeutig geklärt. Dies ergibt sich insbesondere im Vergleich zu der im Falle eines Hanging Topic zu beobachtenden Dislozierung (Hanging Topic Left Dislocation, HTLD), einer Konstruktion, die unstrittig als basisgeneriert zu beschreiben ist. Hier sei nur ein Argument genannt, vgl. die Beispiele in (1): (1) sp. a. *A MARIA i pro i no se i quiere para nada. A M. nicht SE liebt für nichts b. A SI MISMA i pro i no se i quiere para nada. A SICH SELBST nicht SE liebt für nichts ‘SICH SELBST liebt sie überhaupt nicht.’ c. *A María i pro i no se i quiere para nada. A M. nicht SE liebt für nichts d. A sí misma i , María i no se i quiere para nada. A sich selbst M. nicht SE liebt für nichts ‘Sich selbst liebt M. überhaupt nicht.’ e. María i , pro i / ella i no se i quiere para nada. M. sie nicht SE liebt für nichts ‘M., sie liebt sich selbst überhaupt nicht.’ <?page no="213"?> Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation 201 f. María i no se i quiere, a sí misma i . M. nicht SE liebt A sich selbst ‘M. liebt sich selbst nicht.’ g. *pro i no se quiere, a María i . nicht SE liebt A M. (1a) ist ein Beispiel für Fronting aus Fokusgründen (Focus Fronting), wobei es sich ohne jeden Zweifel um eine Bewegungskonstruktion handelt. Die Agrammatikalität von (1a) kann aufgrund eines Überkreuzungseffekts (Strong Crossover) bzw. einer Verletzung von Prinzip C der Bindungstheorie erklärt werden. Die fokussierte Konstituente ist ursprünglich Komplement des Verbs und wird vom Subjekt c-kommandiert, was zu einem Verstoß gegen Bindungsprinzip C führt. Hierbei kann vermerkt werden, dass (1a) unabhängig von der Präsenz des reflexiven SE ungrammatisch ist, d.h. die Agrammatikalität dieses Satzes ist das Resultat der Koindizierung von pro mit der vorangestellten Konstituente. (1b) zeigt Focus Fronting eines Reflexivums, was zu einem grammatischen Satz führt, sodass Bindungsprinzip A offenbar entweder in situ oder durch eine Kopie der dislozierten Konstituente erfüllt werden kann. (1c) und (1d), mit CLLD, führen zu denselben Grammatikalitätsurteilen wie (1a) und (1b). Dieser Parallelismus kann leicht mit Hilfe derselben Bewegungsanalyse erklärt werden. (1e) ist ein Beispiel für HTLD. Man erkennt an dem Fehlen des Akkusativmarkers a, dass nicht CLLD vorliegt (Escobar 1997). Der Kontrast zwischen (1c) und (1e) ist aufschlussreich. In (1e) ist die HTLD-Konstituente ein R-Ausdruck und kann mit dem Subjekt und mit dem Reflexivmorphem koreferent sein, ohne dass dies zur Agrammatikalität führt. Dies findet eine einfache Erklärung, wenn man davon ausgeht, dass HTLD-Konstituenten in der linken Peripherie basisgeneriert und somit niemals von dem Subjektpronomen c-kommandiert werden. Wenn nun aber CLLD-Konstituenten ebenfalls in der linken Peripherie basisgeneriert würden, warum sollte dann (1c) ungrammatisch sein? (1f) und (1g) zeigen, dass sich CLRD diesbezüglich wie CLLD verhält. Ein Subjekt kann einen von CLRD betroffenen reflexiven Ausdruck binden, was bedeutet, dass die CLRD-Konstituente an irgendeinem Punkt in der Derivation vom Subjekt c-kommandiert wird. Aus (1g) geht hervor, dass ein dislozierter referentieller Ausdruck nicht von einem Pronomen in Subjektposition gebunden werden kann. Weitere Strong-Crossover-Effekte, in denen sich CLLD und HTLD unterscheiden, zeigen die folgenden Beispiele: <?page no="214"?> 202 Luis López (2) sp. a. *Al árbitro i , el muy tonto i dice que el A -der Schiedsrichter der sehr Dumme sagt dass der jugador no lo i vio. Spieler nicht ihn sah b. *El muy tonto i dice que el jugador no lo der sehr Dumme sagt dass der Spieler nicht ihn vio, al árbitro i . sah A -der Schiedsrichter c. El árbitro i , el muy tonto i dice que el der Schiedsrichter der sehr Dumme sagt dass der jugador no lo i vio. Spieler nicht ihn sah ‘Der Schiedsrichter, der Idiot, sagt, dass der Spieler ihn nicht gesehen habe.’ Eine Koreferenz zwischen der CLLD-Konstituente und dem Epitheton, dem Subjekt des Matrixsatzes, ist ungrammatisch (vgl. 2a). Dies setzt voraus, dass das Epitheton an irgendeinem Punkt der Derivation die dislozierte Konstituente c-kommandiert und Prinzip C verletzt wurde. Das Gleiche trifft auf das CLRD-Beispiel in (2b) zu. Die Grammatikalität von (2c) legt hingegen hinsichtlich HTLD die gegenteilige Schlussfolgerung nahe. 3 CLRD im Mittelfeld In diesem Abschnitt soll dahingehend argumentiert werden, dass eine CLRD-Konstituente nach [Spec, vP] bewegt wird. Zunächst muss sichergestellt werden, dass die dislozierte Konstituente auch wirklich bewegt und nicht nur einfach deakzentuiert wurde. Villalba (2000) legt dar, dass die Anordnung von dislozierten Elementen im Katalanischen trotz der relativ festen Reihenfolge von Komplementen (dO+iO+PP) frei ist: (3) kt. a. Vaig enviar el paquet a la Joana. PERF . AUX .1. SG . schicken das Paket A die J. ‘Ich habe J. das Paket geschickt.’ b. *Vaig enviar a la Joana el paquet. PERF . AUX .1. SG . schicken A die J. das Paket <?page no="215"?> Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation 203 c. Li vaig enviar a la Joana, CL . DAT . PERF . AUX .1. SG . schicken A die J. el paquet. das Paket Villalba wertet dies als Evidenz dafür, dass bei CLRD Bewegung involviert ist und es sich nicht um eine deakzentuierte in-situ-Konstituente handelt. Anhand des Spanischen, einer Sprache, die diesbezüglich ein höheres Maß an Flexibilität erlaubt, kann gezeigt werden, dass sich rechtsdislozierte Elemente aus dem entsprechenden C-Kommando-Bereich der Verbkomplemente herausbewegen. Wie Bleam (2004) zeigt, c-kommandiert das indirekte Objekt das direkte Objekt asymmetrisch, wenn die Struktur CL.DAT +V+iO+dO vorliegt: (4) sp. a. Le entregué [a cada autor] i una copia CL . DAT . übergab-1. SG . A jeder Autor ein Exemplar de su i propio libro. von seinem eigenen Buch ‘Ich habe jedem Autor ein Exemplar seines eigenen Buches übergeben.’ b. ? ? Le entregué a su i propio autor [cada CL . DAT . übergab-1. SG . A sein eigener Autor jedes copia del libro] i . Exemplar vom Buch (? ? gebundene Lesart) Dieser Kontrast zeigt an, dass das indirekte Objekt in einer Position basisgeneriert wird, die höher als das direkte Objekt liegt. 2 (5) vP iO v' le v appl VP V dO Allerdings kann ein von CLRD betroffenes direktes Objekt bei der Präsenz von le ein indirektes Objekt c-kommandieren (vgl. 6, Kontext: „Wem hast du jedes einzelne Buch gegeben? “): 3 2 Mit Demonte (1995) wird das Dativklitikon hier als Applikativ-Morphem betrachtet. 3 Dislozierte Quantoren führen immer zu etwas weniger perfekten Grammatikalitätsurteilen, m.E. aus pragmatischen Gründen. Ich gebe einen Kontext mit an, um die Beispiele besser nachvollziehbar zu machen. <?page no="216"?> 204 Luis López (6) sp. Se lo entregué a su i propio autor, CL . DAT . CL . AKK . übergab-1. SG . A sein eigener Autor cada i libro. (vgl. mit 4b) jedes Buch ‘Ich habe es seinem eigenen Autor gegeben, jedes Buch.’ Dies zeigt, dass sich das dislozierte Objekt in einer Position befindet, die höher als das indirekte Objekt liegt. Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man diesen Test umgekehrt anwendet. Ein negativer Quantor in der Position des indirekten Objekts kann innerhalb des direkten Objekts eine Variable binden, vgl. (7a). Dagegen ist diese Bindung nicht möglich, wenn das direkte Objekt disloziert wurde, vgl. (7b): (7) sp. a. No le entregué [a ningún cliente] i su i NEG . CL . DAT . übergab-1. SG . A kein Kunde seine chaqueta. Jacke ‘Ich habe keinem Kunden seine Jacke gegeben.’ b. *No se la entregué [a ningún NEG . CL . DAT . CL . AKK . übergab-1. SG . A kein cliente] i , su i chaqueta. Kunde seine Jacke (*gebundene Lesart) Effekte des Bindungsprinzips C führen zu dem gleichen Ergebnis. In (8a) c-kommandiert das Pronomen in der Position des indirekten Objekts das direkte Objekt, wodurch Koreferenz unmöglich gemacht wird. In (8b) ist die gleiche Koreferenz möglich, was den Gedanken nahe legt, dass das direkte Objekt sich außerhalb der C-Kommando-Domäne des indirekten Objekts befindet: (8) sp. a. *Le i devolví [a ella] i el libro de CL . DAT . zurückgab-1. SG . A ihr das Buch von Anna Tusquets. A. T. (*gebundene Lesart) b. [Kontext: Was geschah mit Anna Tusquets Buch? ] Se i lo devolví [a ella] i , el libro CL . DAT . CL . AKK . zurückgab-1. SG . A ihr das Buch de Anna Tusquets. von A. T. ‘Ich gab es ihr zurück, das Buch von A. T.’ Auffälligerweise belegen (7) und (8), dass bei CLRD keine Rekonstruktion vorliegt, da Rekonstruktion die dislozierte Konstituente wieder in ihre Ba- <?page no="217"?> Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation 205 sisposition zurückführen würde, wo der Quantor die Variable binden könnte. 4 Dies lässt vermuten, dass hier eine Instanz von A-Bewegung vorliegt (vgl. Lasnik 2002 bezüglich des Fehlens von Rekonstruktion in A- Ketten). Dies wird durch zwei weitere Eigenschaften bestätigt: Erstens lässt CLRD Floating Quantifiers zurück: (9) kt. Els vaig enviar tots, els paquets. CL . AKK . PERF . AUX .1. SG . schicken alle die Pakete ‘Ich habe sie alle verschickt, die Pakete.’ (López 2003) Das Katalanische lässt Floating Quantifiers nur bei A-Bewegung zurück, niemals aber bei A’-Bewegung: (10) kt. a. Els homes semblen tots haver decidit la die Männer scheinen alle haben entschieden das mateixa cosa. selbe Ding ‘Die Männer scheinen alle dasselbe entschieden zu haben.’ b. Els homes van ser tots castigats pels die Männer PERF . AUX . sein alle bestraft für-die seus crims. ihre Verbrechen ‘Die Männer wurden alle für ihre Verbrechen bestraft.’ c. *ELS HOMES, va veure Maria tots al die Männer PERF . AUX . sehen M. alle auf-dem mercat. Marktplatz *‘DIE MÄNNER hat M. alle auf dem Markt gesehen.’ d. *Quins homes va veure Maria tots al welche Männer PERF . AUX . sehen M. alle auf-dem mercat? Marktplatz *‘Welche Männer hat M. alle auf dem Markt gesehen? ’ 4 Mit Rekonstruktion wird das Phänomen bezeichnet, dass sich eine dislozierte Konstituente bezüglich bestimmter Tests so verhält, als wäre sie in situ. Zum Beispiel wird das Reflexivum himself in (i) genauso durch das Subjekt gebunden wie in (ii): (i) HIMSELF i he i loves. (ii) He i loves himself i . <?page no="218"?> 206 Luis López Zweitens kann man feststellen, dass CLRD bei A’-Bewegung keinen Interventionseffekt zeigt (Villalba 1996), allerdings sehr wohl bei A-Bewegung, wie aus den folgenden Beispielen ersichtlich ist: (11) kt. Quins paquets li van enviar, a la welche Pakete CL . DAT . PERF . AUX .1. SG . schicken A die Joana? J. ‘Welche Pakete wurden ihr geschickt, an J.? ’ (Villalba 1996) (12) kt. a. Els paquets semblen haver estat enviats a la die Pakete scheinen haben gewesen geschickt- PL . A die Joana. J. ‘Die Pakete scheinen an J. geschickt worden zu sein.’ b. ? ? Els paquets semblen haver-li estat enviats, die Pakete scheinen haben- CL . DAT . gewesen geschickt- PL . a la Joana. A die J. ‘Die Pakete scheinen ihr geschickt worden zu sein, an J.’ Somit gibt es drei Anhaltspunkte dafür, dass bei CLRD A-Bewegung vorliegt: das Fehlen von Rekonstruktionseffekten, Floating Quantifiers und Interventionseffekte. Als nächste Frage soll diskutiert werden, wo der Landeplatz von CLRD-Konstituenten liegt. Einige Analysen stellen CLRD als strukturell äquivalent zu CLLD dar (Vallduví 1992, Frascarelli 2000, Samek-Lodovici 2006). Frascarellis Ansatz hat sogar zur Folge, dass CLRD höher angesiedelt ist als CLLD (wie in Abschnitt 4 weiter ausgeführt wird). Einen Hinweis darauf, dass dies der falsche Weg ist, liefert die Tatsache, dass ein Quantor in einer CLLD-Konstruktion eine Variable in einer CLRD-Konstruktion binden kann, während Umgekehrtes nicht möglich ist. Dies legt den Schluss nahe, dass CLRD asymmetrisch von CLLD c-kommandiert wird: (13) kt. a. A cada i noi, la Maria l’ hi va A jeder Junge die M. CL . AKK . CL . DAT . PERF . AUX . donar, el seu i llibre. geben das sein Buch ‘Jedem Jungen gab M. sein Buch.’ <?page no="219"?> Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation 207 b. *El seu i llibre, la Maria l’ hi va das sein Buch die M. CL . AKK . CL . DAT . PERF . AUX . donar, a cada i noi. geben A jeder Junge (*gebundene Lesart) c. Cada i llibre, la Maria l’ hi va donar, jedes Buch die M. CL . AKK . CL . DAT . PERF . AUX . geben al seu i autor. A -den seinen Autor ‘Jedes Buch gab M. seinem Autor.’ d. *Al seu i autor, la Maria l’ hi va A -den seinen Autor die M. CL . AKK . CL . DAT . PERF . AUX . donar, cada i llibre. geben jedes Buch (*gebundene Lesart) Villalba zeigt, dass eine Konstituente aus einer CLRD-Umgebung extrahiert und linksdisloziert werden kann, vgl. (14). Hingegen ist es nicht möglich, eine Konstituente aus einer CLLD-Umgebung zu extrahieren und nach rechts zu dislozieren, vgl. (15). Hierdurch wird nochmals bestätigt, dass die Positionen von CLLD und CLRD nicht symmetrisch sind und CLRD durch CLLD c-kommandiert wird: (14) kt. [Del meu avi] i , me les han explicat von-dem mein Großvater CL . DAT . CL . AKK . haben-3. PL . erzählt totes, [les histories t i ]. alle die Geschichten ‘Die Geschichten meines Großvaters wurden mir alle erzählt.’ (15) kt. *[ Les histories t i ], me les han explicat totes, die Geschichten CL . DAT . CL . AKK . haben-3. PL . erzählt alle [ del meu avi] i . von-dem mein Großvater Als nächstes gilt es, die Position von CLRD-Konstituenten im Verhältnis zum Subjekt zu besprechen. Cecchetto (1999) und Villalba (2000) nehmen an, dass CLRD-Konstituenten unterhalb des präverbalen Subjekts situiert sind, wie anhand von (16) verdeutlicht wird. (16a) zeigt, dass ein Quantor in Objektposition keine Variable innerhalb des präverbalen Subjekts binden kann, eine Eigenschaft, die ebenso für ein disloziertes Objekt gilt, vgl. (16b). Beide Sätze stehen im Kontrast zu CLLD, vgl. (16c): Das linksdislozierte Objekt ist in der Lage, eine Variable in Subjektposition zu binden (der Kontext der folgenden Beispiele ist: „Wem hat sein bester Freund ein Buch geschenkt? “). <?page no="220"?> 208 Luis López (16) kt. a. *El seu i millor amic li va regalar un der sein bester Freund CL . DAT . PERF . AUX . schenken ein llibre a cada i noi. Buch A jedem Jungen (*gebundene Lesart) b. *El seu i millor amic li va regalar un der sein bester Freund CL . DAT . PERF . AUX . schenken ein llibre, a cada i noi. Buch A jedem Jungen (*gebundene Lesart) c. A cada i noi, el seu i millor amic li A jedem Jungen der sein bester Freund CL . DAT . va regalar un llibre. PERF . AUX . schenken ein Buch ‘Jedem Jungen schickte sein bester Freund ein Buch.’ Villalba (2000) liefert weitere Evidenz für den Schluss, dass CLRD in einer niedrigeren Position als [Spec, TP] angesiedelt ist. Er zeigt, dass ein Quantor in Subjektposition eine Variable in Objektposition binden kann, selbst wenn das Objekt rechtsdisloziert ist: (17) kt. a. Ningú i / qui i / tothom i recorda les pel·lícules que pro i niemand / wer / jeder erinnert die Filme die ha vist. hat gesehen ‘Niemand/ wer/ jeder erinnert sich an die Filme, die er/ sie gesehen hat.’ b. Ningú i / qui i / tothom i les recorda, les pel·lícules niemand / wer / jeder CL . AKK . erinnert die Filme que pro i ha vist. die hat gesehen Somit befindet sich ein linksdisloziertes Objekt höher als [Spec, TP], während ein rechtsdisloziertes Objekt niedriger als [Spec, TP] positioniert ist. Bezeichnenderweise kann das in-situ-Subjekt in [Spec, vP] von einem Quantor in Objektposition gebunden werden, wenn es rechtsdisloziert ist (Cardinaletti 2002), vgl. folgendes Beispiel mit dem Kontext „Wer gab jedem Jungen ein Buch? “: (18) kt. L’ hi va regalar el seu i millor amic, CL . AKK . CL . DAT . PERF . AUX . schenken der sein bester Freund a cada i noi. A jedem Jungen ‘Sein bester Freund schenkte es ihm, jedem Jungen.’ <?page no="221"?> Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation 209 Somit lässt sich schlussfolgern, dass die Position, zu welcher CLRD führt, höher als [Spec, vP] (die Basisposition von Subjekten), aber tiefer als [Spec, TP] anzusetzen ist. Ich gehe davon aus, dass es sich bei dieser Zwischenposition um einen höheren Spezifikator von vP handelt (vgl. auch McGinnis (1998) zu der Frage, warum A-Bewegung keine „Tucking-in-Bewegung“ 5 vollführt): (19) vP CLRD v' SUBJ v' v VP Eine vieldiskutierte Eigenschaft von Dislokationen im Romanischen ist ihr gehäuftes Auftreten, vgl. (20): (20) kt. Jo no l’ hi vaig donar, els llibres, a ich nicht CL . AKK . CL . DAT . PERF . AUX . geben die Bücher A la Joana. der J. ‘Ich habe sie ihr nicht gegeben, die Bücher der J.’ Obwohl die Anordnung der dislozierten Konstituenten frei ist, ist die Mehrfachdislozierung nicht ohne Konsequenzen: Die erste dislozierte Konstituente c-kommandiert die zweite. Die folgenden Beispiele zeigen dies: (21) kt. a. Jo no l’ hi vaig donar, cada i llibre, ich nicht CL . AKK . CL . DAT . PERF . AUX . geben jedes Buch al seu i autor. A -den seinen Autor ‘Ich habe nicht jedes Buch seinem Autor gegeben.’ 5 „Tucking-in“ (in etwa ‚reinschlüpfen’): Richards (1997, 2001) schlägt für den Fall, dass zwei Konstituenten durch Bewegung zwei Spezifikatoren desselben Kopfes besetzen, vor, dass die zweite näher am Kopf landet als die erste: (i) a. H... α ... β Move α b. [ spec α H...t... β ] Move β c. [ spec α [ spec β H...t...t]] β landet näher an H als α <?page no="222"?> 210 Luis López b. *Jo no l’ hi vaig donar, al ich nicht CL . AKK . CL . DAT . PERF . AUX . geben A -den seu i autor, cada i llibre. seinen Autor jedes Buch (*gebundene Lesart) Dieses Phänomen findet eine Erklärung, wenn man annimmt, dass syntaktische Köpfe multiple Spezifikatoren erlauben (Chomsky 1995): (22) vP CLRD v' CLRD v' Wenn wir von der einfachsten möglichen Definition des C-Kommandos ausgehen, d.h. unter Bezugnahme auf den ersten verzweigenden Knoten wie in Reinhart (1983), dann c-kommandiert die erste CLRD-Konstituente asymmetrisch die zweite. 6 Man beachte, dass die Annahme von multiplen Spezifikatoren in Verbindung mit der einfachsten Definition des C-Kommandos es ermöglicht, den „Geist“ von Kaynes (1994) Vorschlägen hinsichtlich der Linearisierung aufrecht zu erhalten (s. die weitere Entwicklung dieser Idee in López 2005). 4 CLRD als strukturell tiefer gelegenes Phänomen Cardinaletti (2002) schlägt für CLRD folgende Struktur vor: (23) XP TP X' X CLRD Die Kategorie X wird dabei nicht näher bestimmt. Zunächst fällt auf, dass der folgende Kontrast (vgl. 4) unerklärt bleibt (beachte bei (24b) den Kontext „Wem hast du jedes Buch gegeben? “): 6 Die beiden CLRD-Konstituenten c-kommandieren sich gegenseitig nur, wenn man von einer Segment-Kategorie in der Phrasenstruktur ausgeht, wie in May (1985), was ich allerdings im heutigen theoretischen Rahmen für nicht notwendig halte. <?page no="223"?> Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation 211 (24) sp. a. ? ? Le entregué a su i propio autor CL . DAT . übergab-1. SG . A seinem eigenen Autor cada i copia del libro. jedes Exemplar von-dem Buch (? ? gebundene Lesart) ‘Ich übergab seinem Autor jedes Exemplar des Buches.’ b. Se lo entregué a su i propio autor, CL . DAT . CL . AKK . übergab-1. SG . A seinem eigenen Autor cada i copia del libro. jedes Exemplar von-dem Buch ‘Ich habe es seinem eigenen Autor übergeben, jedes Exemplar des Buches.’ Bei der Dislozierung eines direkten Objekts wird dessen C-Kommando- Domäne erweitert, sodass es im indirekten Objekt eine Variable binden kann. Dies wäre nicht möglich, wenn CLRD als Komplement von X basisgeneriert würde. Zweitens befindet sich die von CLRD erfasste Konstituente außerhalb der TP-Struktur, sodass unter der Annahme einer traditionellen Definition des C-Kommandos (erster verzweigender Knoten, s.o.) keine C-Kommando-Beziehung zwischen der dislozierten und irgendeiner anderen Konstituente innerhalb von TP zustande kommen kann. Ein rechtsdisloziertes Komplement wird hingegen sehr wohl vom präverbalen Subjekt c-kommandiert: (25) sp. Juan i no se quiere mucho, a sí mismo i . J. nicht CL . REFL . liebt sehr A sich selbst ‘J. mag sich selbst nicht sehr.’ Ist ein Subjektpronomen koreferent mit einem R-Ausdruck in einer von CLRD betroffenen Konstituente, so hat dies eine Verletzung des Prinzips C zur Folge: (26) sp. *pro i lo dijo, que Susana conocía a Javier i . CL . AKK . sagte dass S. kannte A J. ‘Er hat es gesagt, dass S. J. kannte.’ Cardinaletti schlägt vor, von Kaynes (1994) Vorschlag, dass ein Spezifikator eine Konstituente außerhalb seiner eigenen XP c-kommandieren kann, Gebrauch zu machen. In der Struktur (27) c-kommandiert das Subjekt die CLRD-Konstituente: <?page no="224"?> 212 Luis López (27) XP TP X' SUBJ T' X CLRD Diese Annahme führt jedoch zu nicht wünschenswerten Konsequenzen, vgl. die Beispiele in (28): In (28a) lizensiert der negative Quantor in der Spezifikatorposition des Subjekts das negative Polaritätselement (Negative Polarity Item, im Folgenden NPI). Dies scheint Cardinalettis Erweiterung des C-Kommandos zu stützen. In (28b) zeigt sich hingegen, dass eine DP in der Spezifikatorposition des Subjekts nicht in der Lage ist, ein Reflexivum in Objektposition zu binden. Ebenso kann ein Pronomen in der Spezifikatorposition des Subjekts mit einer DP in Objektposition koreferent sein, ohne zu einer Verletzung von Prinzip C zu führen, vgl. (28c): (28) engl. a. No one’s neighbor saw anything. b. *John i ’s mother saw himself i . c. His i mother loves John i . Die Erweiterung des C-Kommandos mag, wie von Kayne angenommen, für Quantor-Variablen-Beziehungen als einleuchtend betrachtet werden (wenngleich andere Alternativen ebenso plausibel erscheinen), jedoch nicht für die Bindungstheorie. Somit bleiben (25) und (26) unerklärt. Für den Fall multipler CLRD-Konstituenten postuliert Cardinaletti (2002) die folgende Struktur: (29) YP XP Y' TP X' Y CLRD X CLRD Aus dieser Struktur lassen sich äußerst präzise Voraussagen ableiten: Es liegt keine C-Kommando-Beziehung zwischen den beiden von CLRD betroffenen Konstituenten vor. Darüber hinaus könnte zwar unter Kaynes erweiterter C-Kommando-Annahme das Subjekt der TP die erste CLRD- Konstituente c-kommandieren, aber ob dies auch für die zweite betreffende Konstituente der Fall ist, ist äußerst zweifelhaft: Anhand von (30) sieht man, dass ein negativer Quantor im Spezifikator des Spezifikators des Subjekts kein NPI lizensiert: <?page no="225"?> Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation 213 (30) engl. *No one’s mother’s neighbor saw anything. Auch diese Voraussage trifft daher nicht zu. Hingegen können Bindungsbeziehungen zwischen verschiedenen CLRD-Konstituenten etabliert werden. Dies lässt sich in den folgenden Beispielen beobachten. In (31) kann ein Quantor innerhalb der ersten dislozierten Konstituente ein Pronomen in der zweiten dislozierten Konstituente binden. In (32) fungiert eine DP in der ersten dislozierten Komponente als Binder eines Reflexivums in der zweiten dislozierten Konstituente. Schließlich kann in (33) ein referentieller Ausdruck in der zweiten dislozierten Konstituente nicht mit einem Pronomen in der ersten koreferent sein, ohne hierbei Prinzip C der Bindungstheorie zu verletzen: (31) sp. Creo que ya se lo entregó Juan, cada i libro, glaube dass schon CL . DAT . CL . AKK . gab J. jedes Buch a su i dueño. A seinem Besitzer ‘Ich glaube, J. hat bereits jedes Buch seinem Besitzer gegeben.’ (32) sp. De un modo muy dramático, el sicoanalista von eine Art sehr dramatisch der Psychoanalytiker se la presentó, a Susana i , a sí misma i . CL . DAT ./ REFL . CL . AKK . stellte-vor A S. A sich selbst ‘Auf sehr dramatische Art und Weise hat der Psychoanalytiker S. sich selbst vorgestellt.’ (33) sp. Ya lo sabe, él i , que María votó a Juan *i / que schon CL . AKK . weiß er dass M. wählte A J. / dass María lo i votó. M. CL . AKK . wählte ‘Er weiß bereits, dass M. für J. gestimmt hat/ dass M. für ihn gestimmt hat.’ Die hier sichtbaren Bindungseigenschaften lassen sich kaum mit der Struktur in (29) erklären. Somit scheint Cardinalettis Analysevorschlag den relevanten Tests nicht standhalten zu können. Als Evidenz für ihre Analyse führt Cardinaletti an, dass eine Wh-Phrase nicht aus einer rechtsdislozierten Konstituente extrahiert werden kann. In diesem Phänomen kontrastiert CLRD mit der als emarginazione bezeichneten Konstruktion, die oberflächlich betrachtet CLRD ähnelt, jedoch kein Clitic Doubling aufweist. Wie (34) zeigt, ist es möglich, eine Wh-Phrase aus einer am Rand befindlichen Konstituente zu extrahieren: <?page no="226"?> 214 Luis López (34) it. a. [Che cosa] i ha detto, Gianni, che avrebbe fatto t i ? welche Sache hat gesagt G. dass hätte gemacht ‘Was hat G. gesagt, würde er tun? ’ b. *[ Che cosa] i l’ ha detto, Gianni, che avrebbe welche Sache CL . AKK . hat gesagt G. dass hätte fatto t i ? gemacht Nach Cardinaletti ergibt sich die Möglichkeit der Extraktion aus einer solchen Randkonstituente durch die Annahme, dass diese in situ verbleibt. Hinsichtlich der Agrammatikalität von (34b) beschränkt Cardinaletti sich auf die Annahme, dass sich die betreffende Konstituente in einer satzexternen Position befindet (Cardinaletti 2002: 38). Man beachte aber die folgende, in einem anderen Zusammenhang angenommene CP-Struktur (Cardinaletti 2002: 42, Bsp. 33): (35) CP C XP TP X' X CLRD Die rechtsdislozierte Konstituente befindet sich wohlgemerkt in der Komplementposition, d.h. in der kanonischen Startposition. Somit liegt kein syntaktischer Grund vor, der eine Bewegung von hier nach [Spec, CP] verhindern sollte. Darüber hinaus steht die von der emarginazione betroffene Konstituente in TP, welche selbst in einer Spezifikatorposition angesiedelt ist - daher sollte die Extraktion aus der TP genauso ungrammatisch sein wie normalerweise die Extraktion aus Subjektpositionen. Damit sagt Cardinalettis Analysevorschlag genau das Gegenteil von dem voraus, was sie eigentlich annehmen will. Zusätzlich wirft die Annahme, dass C den Kopf X und nicht T c-selegiert, zwei Fragen auf: 1. Wie kann sichergestellt werden, dass T und C in Bezug auf Finitheit kongruieren? 2. CLRD kann im Italienischen gemeinsam mit T-nach-C-Bewegung auftreten: Interrogativsätze, gerundiale Adjunkte etc. Wie soll T-nach-C-Bewegung in dieser Struktur vonstatten gehen? Innerhalb der in vorliegendem Beitrag vertretenen Annahmen resultiert die Agrammatikalität von (34b) aus einem Merkmalskonflikt. Wie in <?page no="227"?> Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation 215 López (2003) gezeigt wurde, kann eine diskursgebundene Wh-Phrase linksdisloziert oder aus einer CLRD-Position extrahiert werden: (36) kt. a. Del teu avi, en conec moltes, d’ von-der dein Großvater CL . PART . kenne viele von històries. Geschichten ‘Ich kenne viele Geschichten deines Großvaters.’ b. Quines en coneixes, d’ històries? welche CL . PART . kennst von Geschichten ‘Welche Geschichten kennst du? ’ Dies liegt daran, dass die CLRD-Konstituente ein informationsstrukturelles Merkmal besitzt, welches D-linking anzeigt und in López (2003) [+präsuppositional] genannt wird. Dies hat zur Folge, dass jedes aus der CLRD-Position extrahiertes Element ebenfalls mit [+präsuppositional] markiert sein muss. Unter der Annahme, dass emarginazione durch [-präsuppositional] charakterisiert ist, folgt die Möglichkeit der Extraktion einer Wh-Phrase mit [-präsuppositional]. Dies möge für eine Besprechung von Cardinaletti (2002) genügen (eine exhaustive Darstellung war hier nicht intendiert). Ich glaube aber, gezeigt zu haben, dass dieser Analysevorschlag keine zufriedenstellende Erklärung für die zwischen einer rechtsdislozierten Konstituente und den in situ-Konstituenten im Satz wirkenden strukturellen Relationen bietet. 5 CLRD in einer extrem hohen Position Samek-Lodovici (2006) nimmt an, dass Cecchettos und Cardinalettis Analysen nicht zutreffen, weil CLRD in Wirklichkeit in einer hohen, TP-externen Position angesiedelt ist (der unter 3. referierte Vorschlag von Villalba 2000 wird dort nicht erwähnt). Aus den folgenden Ausführungen wird deutlich werden, dass die für diese Annahme vorgebrachten Argumente unzulänglich sind. Wenden wir uns zunächst der klitischen Rechtsversetzung zu. Samek- Lodovici argumentiert dahingehend, dass bei CLRD die folgenden Schritte involviert sind (diese Analyse geht offenbar auf unveröffentlichte Vorlesungen von Richard Kayne zurück): <?page no="228"?> 216 Luis López (37) a. Die dislozierte Konstituente befindet sich zu Beginn in ihrer Basisposition. Das Verb ist betont. it. L’ ho VISTO Gianni. CL . AKK . habe gesehen G. ‘Ich habe G. GESEHEN.’ b. Gianni wird nach [Spec, TopP] bewegt. Top selegiert TP. [ TopP Gianni i Top [ TP l’ ho VISTO t i ]] G. CL . AKK . habe gesehen c. TP wird in den Spezifikator einer unbenannten funktionalen Kategorie angehoben. [ XP [ TP L’ ho visto t i ] j X [ TopP Gianni i Top t j ]] CL . AKK . habe gesehen G. (38) XP TP X' X TopP spec Top' Top t j [L’ho visto t i ] j Gianni i Nach Samek-Lodovici besitzt diese Analyse den Vorteil, dass hierdurch CLRD und CLLD einheitlich erfasst werden, weil beide in dieselbe TPexterne Position [Spec, TopP] angehoben werden. Der Unterschied zwischen CLRD und CLLD bestünde dann wohl darin, dass Letzteres kein Remnant Movement der TP involviert. Allerdings ist die Gleichsetzung von CLRD und CLLD keine besonders gute Lösung: 1. Wie in Villalba (2000) und in López (2003) ausgeführt wird, existieren wichtige interpretative Unterschiede zwischen den beiden; 2. gibt es strukturelle Daten, bei denen Bindungsrelationen und Möglichkeiten der Subextraktion involviert sind, die zeigen, dass CLRD durch CLLD asymmetrisch c-kommandiert wird (vgl. die Beispiele 13 und 14). <?page no="229"?> Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation 217 Darüber hinaus kann man feststellen, dass CLLD und CLRD in ein und demselben Satz auftreten können: (39) kt. A Maria, l’ hi vaig enviar, el paquet. A M. CL . AKK . CL . DAT . PERF . AUX .1. SG . schicken das Paket ‘M. habe ich das Paket geschickt.’ Samek-Lodovici erwähnt dieses Problem nicht (leider bespricht er überhaupt keine multiplen Dislokationen), im Gegensatz zu Frascarelli (2000: 139), die Folgendes vorschlägt: Schritt 1 in (40) zeigt den Satz vor jeglicher Bewegung, Schritt 2 zeigt die Dislokation von a Maria, wobei es sich in dem von ihr gewählten Rahmen um Bewegung nach [Spec, TopP] handelt. Schritt 3 zeigt die Dislokation von el paquet. Schritt 4 zeigt schließlich, wie Top’ nach links verschoben wird, während el paquet am rechten Rand verbleibt (Stranding): (40) kt. 1. l’hi vaig enviar el paquet a Maria 2. [ TopP [a Maria] i Top [l’hi vaig enviar el paquet t i ]] 3. [ TopP [el paquet] j [ Top’ [a Maria] i Top [l’hi vaig enviar t j t i ]]] 4. [[ Top’ [a Maria] i Top [l’hi vaig enviar t j t i ]] k [ TopP [el paquet] j t k ]] Diese Analyse impliziert, dass CLRD hierarchisch höher angesiedelt ist als CLLD, also genau das Gegenteil von dem, was die empirischen Fakten anzeigen. Samek-Lodovici präsentiert drei Einzelheiten als empirische Evidenz für seine „externe Topikalisierungsanalyse“ von CLRD. Hierbei geht es um Kongruenz in dem Dialekt von Ancona, Mittelitalien, um Bindung und um die Lizensierung von NPIs. Anhand von Daten aus Cardinaletti (2001) zeigt er, dass in der in der Gegend von Ancona gesprochenen Varietät bei VSO-Stellung die postverbalen Subjekte eine nicht mit ihnen kongruierende Default-Verbform in der 3. Person Singular erlauben, vgl. (41). Dies ist nicht grammatisch, wenn das Subjekt präverbal steht. (41) it. Questo disegno l’ ha fatto quei bambini lì. diese Zeichnung CL . AKK . hat gemacht diese Kinder dort ‘Diese Zeichnung haben jene Kinder gemacht.’ Interessanterweise erlaubt ein CLRD-Subjekt diese Default-Form nicht, sondern zeigt obligatorische Kongruenz: (42) it. L’ hanno fatto / *ha fatto ieri, il CL . AKK . haben-3. PL . gemacht / haben gemacht gestern die disegno, quei bambini lì. Zeichnung diese Kinder dort <?page no="230"?> 218 Luis López Samek-Lodovici schließt daraus, dass die Default-Flexion in diesem Dialekt eine Eigenschaft postverbaler Subjekte darstellt. 7 Würden sich CLRD- Subjekte also in einer postverbalen Position befinden, so argumentiert er in Übereinstimmung mit Cecchetto, sollten sie Default-Flexion zulassen. Die genannten Eigenschaften sind interessant, können aber auch anders erklärt werden. Eine der möglichen alternativen Interpretationen besteht darin, dass die Default-Form von T durch engen Fokus auf das Subjekt getriggert wird. Die von Cardinaletti (2001) präsentierten Daten scheinen mit dieser Hypothese kompatibel zu sein, und sie würde erklären, warum ein rechtsdisloziertes Subjekt keine Default-Verbform zulässt, ohne dass man hierbei annehmen müsste, dass die CLRD-Konstituente nicht postverbal sein kann. Vielleicht ist es aber auch für dieses Phänomen einfach ausschlaggebend, ob sich das Subjekt in situ befindet oder nicht - nur in ersterem Fall wäre die Default-Form möglich. Es ließe sich dann dahingehend argumentieren, dass sich rechtsdislozierte Subjekte bewegt haben, wenn auch ohne an der Oberfläche sichtbare Änderung der Wortordnung. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass das Phänomen der Default-Kongruenz nicht ausreicht, um die Mittelfeldanalyse von CLRD zu verwerfen. Kommen wir nun zu der Frage der Rekonstruktionsasymmetrien. Sowohl Cecchetto als auch Villalba nehmen unabhängig voneinander an, dass in dislozierte Konstituenten eingebettete R-Ausdrücke, die koreferent mit einem pronominalen Subjekt sind, zu den folgenden Grammatikalitätsurteilen führen: (43) *pro i [ CLRD [ CP-Kompl/ Adj DP i ]] (44) *pro i [ CLLD [ CP-Kompl DP i ]] (45) pro i [ CLLD [ CP-Adj DP i ]] Ihre Erklärung für diese Daten lässt sich wie folgt skizzieren: Ausgangspunkt ist Lebeauxs (1988) Idee, dass Adjunkte in der Derivation spät durch Merge eingefügt werden können, insbesondere nachdem die Konstituente, an die sie adjungieren, aus ihrer ursprünglichen Position herausbewegt wurde. Nehmen wir nun weiter an, dass sich die CLLD- Konstituente über das Subjekt hinaus bewegt hat. In diesem Fall ist es 7 Das Problem der nicht vollständigen Kongruenz bei postverbalem Subjekt im Italienischen und Katalanischen gab Anlass zu einigen interessanten Analysen, die hier aus Platzgründen nicht diskutiert werden können. Vgl. die ältere Besprechung in Rigau (1991) sowie den rezenten ausführlichen Überblick nebst einer neueren Analyse in Mensching & Remberger (2006). <?page no="231"?> Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation 219 möglich, dass die Adjunktion an die CLLD-Konstituente erfolgt, nachdem diese nach oberhalb des Subjekts verschoben wurde. Somit würde sich nie eine Konfiguration ergeben, die zu einer Verletzung von Prinzip C führen könnte: (46) 1. pro i DP j DP-Bewegung 2. DP j pro i t j Merge des Adjunkts 3. DP j +[ CP Adj …DP i ] pro i t j Komplemente, deren Einsetzung vom θ -Kriterium abhängt, müssen von Anfang an durch Merge mit der DP verbunden werden, und hieraus resultiert die Verletzung von Prinzip C: (47) *pro i DP+[ CP Kompl …DP i ] Im Falle von CLRD spielt die Frage, ob die dislozierte Konstituente ein Komplement oder ein Adjunkt einschließt, keine Rolle, weil Rechtsdislokation die betroffene Konstituente niemals über die C-Kommando-Domäne des Subjekts hinausbewegt. Samek-Lodovici stellt dies in Frage: Er hat 18 italienische MuttersprachlerInnen befragt, die Hälfte davon LinguistInnen. Allerdings verwendete er dabei nur Sätze mit CLRD, vgl. die Beispiele unter (48) (die Grammatikalitätsurteile folgen dem Artikel von Samek-Lodovici): (48) it. a. pro i non le mantiene quasi mai, le promesse nicht CL . AKK . hält fast nie die Versprechen che Berlusconi i fa in campagna elettorale. die B. macht in Kampagne Wahl- ‘B. hält seine Versprechen, die er im Wahlkampf macht, fast nie.’ b. *pro i non le mantiene quasi mai, le promesse nicht CL . AKK . hält fast nie die Versprechen che Berlusconi i sarà onesto. dass B. wird-sein ehrlich ‘B. hält seine Versprechungen, dass er ehrlich sein wird, fast nie.’ Die Ergebnisse sind überraschend uneinheitlich, insbesondere bei den Nicht-LinguistInnen - dies deutet m.E. darauf hin, dass es zumindest Letzteren schwer gefallen sein mag, die Sätze zu verarbeiten. Diesbezüglich ist erwähnenswert, dass einige von Samek-Lodovicis Sätzen sehr lang sind und die Sprecherurteile mündlich elizitiert wurden. 8 Die Länge 8 Meinen eigenen Erfahrungen zufolge wächst die Variabilität der Urteile mit der Länge und Komplexität der Sätze. Es ist manchmal vorgekommen, dass die ProbandInnen auf die Bitte, den gerade vorgelegten Satz zu wiederholen, einen ähnlichen, aber <?page no="232"?> 220 Luis López könnte aus zwei Gründen problematisch sein: Erstens werden Bindungsprinzip-C-Effekte schwächer, je länger die Distanz zwischen dem Pronomen und dem R-Ausdruck ist (dieser Effekt ist in Kontexten mit VP-Ellipse besonders ausgeprägt, vgl. Fiengo & May 1994). Zweitens sei daran erinnert, dass CLRD-Konstituenten sich anaphorisch auf ein Antezedens beziehen. Bei einer über eine so lange Distanz dislozierten Konstituente wie die in (48) ist es wahrscheinlich, dass man sie als Afterthought interpretiert (Grosz & Ziv 1998, Villalba 2000) und nicht als eine wirkliche CLRD-Konstituente, es sei denn, dass ein Kontext mit angegeben wird. Schließlich ist festzustellen, dass Samek-Lodovici ausschließlich Sätze mit CLRD abgeprüft hat. Wenn man nun aber behaupten will, dass es keinen Unterschied zwischen CLRD und CLLD gibt, müssen natürlich beide Typen von Sätzen einer Überprüfung durch MuttersprachlerInnen unterzogen werden. Obwohl Samek-Lodovicis Streben nach einer Datenerhebung, die zuverlässiger ist als die eigenen Grammatikalitätsurteile, sicher zu würdigen ist, können seine Ergebnisse aus den genannten Gründen nicht als definitiv betrachtet werden. Trotz allem zeigt er, dass zwar die Mehrheit der InformantInnen im Allgemeinen diese Äußerungen zurückweist, Sätze mit Komplement- CPen aber als mit einem noch höheren Grad an Agrammatikalität behaftet bewertet. Dies würde darauf hindeuten, dass auch bei CLRD Komplement-Adjunkt-Asymmetrien auftreten, was somit die Annahme, dass CLRD in einer mittleren Position situiert ist, unterminiert. Insbesondere sollte man, wenn (48a) als CLRD-Konstruktion grammatisch ist, zu dem Schluss kommen, dass die dislozierte Konstituente in eine Position oberhalb von [Spec, TP] angehoben wird. Von Samek-Lodovicis Untersuchung inspiriert, entschloss ich mich dazu, eine eigene Befragung durchzuführen. Hierzu wurden vier katalanischen LinguistInnen je 24 Sätze, von denen viele als Distraktoren fungieren sollten, mit der Bitte um Grammatikalitätsurteile per E-Mail geschickt. Als Interpretationshilfe wurden zu den Sätzen Kontexte mit angegeben. Auch wurden CLLD-Konstruktionen und Wh-Sätze abgefragt, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Im Folgenden sind einige der wichtigsten Ergebnisse aufgeführt (der Kontext der Dislokationssätze war „Was geschah mit dem Beweis, dass Joan schuldig ist? “): nicht denselben Satz wiedergaben (z.B. eine Koordinationsanstelle einer Subordinationsstruktur), vgl. Schütze (1996) zu Problemen bei der Elizitierung von Daten sowie Fanselow & Frisch (2006) zu der Frage, wie Verarbeitungsschwierigkeiten Grammatikalitätsurteile beeinflussen. <?page no="233"?> Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation 221 (49) kt. a. *pro i la va poder rebutjar sense CL . AKK . PERF . AUX .3. SG . können zurückweisen ohne problemes, l’ evidència de que en Joan i era culpable. Probleme der Beweis von dass der J. war schuldig ‘Er konnte den Beweis, dass J. schuldig sei, ohne Probleme zurückweisen.’ b. *pro i la va poder rebutjar sense CL . AKK . PERF . AUX .3. SG . können zurückweisen ohne problemes, l’ evidència que semblava problemàtica Probleme der Beweis der schien problematisch per en Joan i . für der J. ‘Er konnte den Beweis, der für J. problematisch schien, ohne Probleme zurückweisen.’ (50) kt. a. *Quina evidència de que en Joan i era culpable pro i welcher Beweis von dass der J. war schuldig va poder rebutjar sense problemes? PERF . AUX .3. SG können zurückweisen ohne Probleme ‘Welchen Beweis, dass J. schuldig sei, konnte er ohne Probleme zurückweisen? ’ b. ? ? Quina evidència que semblava en principi welcher Beweis der schien in Anfang problemàtica per en Joan i pro i va poder problematisch für der J. PERF . AUX .3. SG können després rebutjar sense problemes? nachher zurückweisen ohne Probleme ‘Welchen Beweis, der anfangs für J. problematisch schien, könnte er später ohne Probleme zurückweisen? ’ (51) kt. a. *L’ evidència de que en Joan i era culpable, pro i der Beweis von dass der J. war schuldig la va poder rebutjar sense problemes. CL . AKK . PERF . AUX .3. SG können zurückweisen ohne Probleme ‘Den Beweis, dass J. schuldig sei, konnte er ohne Probleme zurückweisen.’ <?page no="234"?> 222 Luis López b. *L’ evidència que semblava problemàtica per en Joan i , der Beweis der schien problematisch für der J. pro i la va poder rebutjar sense CL . AKK . PERF . AUX .3. SG können zurückweisen ohne problemes. Probleme ‘Den Beweis, der für J. problematisch schien, konnte er ohne Probleme zurückweisen.’ Es zeigten sich die folgenden Ergebnisse: Überraschenderweise wurden alle Sätze einstimmig zurückgewiesen, wobei allein der Satz mit der tiefen Einbettung des R-Ausdrucks als etwas besser erachtet wurde. Diese Resultate führen uns zu zwei Schlussfolgerungen: Erstens müssen CLLD und CLRD zu irgendeinem Zeitpunkt in der Derivation vom Subjekt ckommandiert werden (was für beide die Basisgenerierung als Analyse ausschließt). Zweitens muss das Adjunkt von Anfang an Teil der versetzten Konstituente gewesen sein, in direktem Widerspruch zu Lebeauxs Daten. In anderen Worten, es muss sich bei den Argument-Adjunkt-Asymmetrien um eine „Fata-Morgana” handeln (eine Illusion, der der Verfasser selbst auch zum Opfer gefallen ist). Dies stimmt sehr gut mit den Schlussfolgerungen überein, zu denen einige ForscherInnen, die hierüber gearbeitet haben, gelangt sind, als sie die als Argumente für diese Asymmetrien verwendeten englischen Daten einer genauen Überprüfung unterzogen haben und dabei herausfanden, dass die Asymmetrien inexistent sind, sobald man irrelevante Faktoren herausfiltert (vgl. die Zusammenfassung in Lasnik 2002). Letztendlich ergibt sich die Schlussfolgerung, dass die genannten Effekte der C-Bedingung keine Evidenz für die Position von CLRD-Konstituenten liefern können. Somit hat Samek-Lodovici (2006) tatsächlich Recht, wenn auch hierbei das Gegenteil von dem, was er zeigen wollte, zutrifft. Schließlich wurde oben auch die durch NPIs gelieferte Evidenz diskutiert. Villalba argumentiert dahingehend, dass NPIs in CLRD-Kontexten lizensiert werden, im Falle von CLLD hingegen nicht. Er stellt das folgende Beispielpaar gegenüber (die Grammatikalitätsurteile stammen von Villalba): (52) kt. La Maria no és responsable de ningú. die M. nicht ist verantwortlich für niemand ‘M. ist für niemanden verantwortlich.’ (53) kt. *Responsable de ningú, la Maria no ho és. verantwortlich für niemand die M. nicht CL . AKK . ist <?page no="235"?> Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation 223 (54) kt. La Maria no ho és, responsable de ningú. die M. nicht CL . AKK . ist verantwortlich für niemand (Villalba 2000: 189) Villalba präsentiert dies als Evidenz dafür, dass CLRD von der Negation c-kommandiert werden muss, im Gegensatz zu CLLD. Dies ist als weitere Bestätigung für eine Analyse zu werten, der zufolge CLRD in einer mittleren Position situiert ist. Allerdings argumentiert Samek-Lodovici (2006) dahingehend, dass NPIs innerhalb keiner dislozierten Konstituente erlaubt sind. Er gibt folgende Beispiele: (55) it. a. Ne ho davvero voglia, di non vedere nessuno per ADV . CL . habe wirklich Lust zu nicht sehen niemand für qualche giorno. einigen Tag ‘Ich habe wirklich Lust, in den nächsten paar Tagen niemanden zu sehen.’ b. *Non ne ho voglia, di vedere nessuno per nicht ADV . CL . habe Lust zu sehen niemand für qualche giorno. 9 einigen Tag ‘Ich habe keine Lust, in den nächsten paar Tagen niemanden zu sehen.’ Hieraus zieht er den Schluss, dass CLRD-Konstituenten an irgendeiner Stelle oberhalb der Negation zu lokalisieren sind. Auch hier gilt es wieder anzumerken, dass er diese Sätze nicht mit CLLD vergleicht. Aufgrund der Diskrepanz zwischen Villalbas und Samek-Lodovicis Grammatikalitätsurteilen habe ich auch hier eine elektronische Umfrage mit vier LinguistInnen durchgeführt, die Muttersprachler des Katalanischen sind. Es wurden Sätze wie folgende abgeprüft: (56) kt. a. ? La Maria no hi confia, en els consells de die M. nicht ADV . CL . vertraut in die Ratschläge von gaire gent. viele Leute ‘M. traut dem Rat vieler Menschen nicht.’ 9 In Bsp. (55b) enthält Samek-Lodovicis Originalsatz nicht davvero ‚wirklich’, obwohl dieses Wort in seiner Übersetzung enthalten ist. <?page no="236"?> 224 Luis López b. ? ? En els consells de gaire gent, la Maria no in die Ratschläge von viele Leute die M. nicht hi confia. ADV . CL . vertraut Eine(r) meiner InformantInnen betrachtete sowohl (56a) als auch (56b) als ungrammatisch (allerdings ist darauf hinzuweisen, dass er/ sie nie die Symbole „? / ? ? “ in seinen/ ihren Urteilen verwendete, trotz der Tatsache, dass die den Sätzen beigefügten Anweisungen die Möglichkeit hierzu vorsahen). Die anderen drei InformantInnen betrachteten (56a) als marginal, während (56b) von allen mit dem höchsten Grad an Agrammatikalität bewertet wurde, wie aus den Kennzeichnungen in den Beispielen hervorgeht. Es sei hier angenommen, dass die Marginalität von (56a) auf das [+präsuppositional]-Merkmal von CLRD zurückzuführen ist (vgl. Abschnitt 4). CLRD-Konstituenten müssen ein Antezedens finden, das referentiell identisch ist, jedoch würde solch ein Antezedens über ein nicht von Negation gebundenes NPI verfügen. Der zusätzliche Grammatikalitätsverlust von (56b) liegt m.E. an dem Fehlen einer C-Kommando-Beziehung zwischen der Negation und dem NPI. Somit lässt sich schlussfolgern, dass NPIs tatsächlich (wenn auch zugegebenermaßen nicht besonders starke) Evidenz dafür liefern, dass CLRD von einer Negation c-kommandiert wird und somit in einer mittleren Position zu lokalisieren ist. 6 Zusammenfassung Zu Beginn des Artikels wurden Bindungseigenschaften als Evidenz dafür angeführt, dass CLRD und CLLD, im Gegensatz zu HTLD, aufgrund von Bewegung entstehen. Anschließend wurde dahingehend argumentiert, dass CLRD im Mittelfeld zu lokalisieren ist, in einer Position, die höher als das postverbale Subjekt und niedriger als das präverbale Subjekt angesiedelt ist. Die Evidenz dafür stammte wieder aus der Bindungstheorie. Darüber hinaus konnte aufgrund des Fehlens von Rekonstruktionseffekten, Floating Quantifiers und Interventionseffekten gezeigt werden, dass es sich bei CLRD um A-Bewegung handelt. Danach wurde die CLRD-Analyse von Cardinaletti (2002) besprochen, der zufolge sich die rechtsdislozierten Konstituenten in einer tiefen Position im Baum, allerdings außerhalb der eigentlichen Satzstruktur befinden, als Komplemente einer funktionalen Kategorie X, zu denen der eigentliche Satz selbst als Spezifikator fungiert. Hierbei konnte gezeigt werden, dass Standardtests bezüglich der <?page no="237"?> Zur Analyse der romanischen Rechtsdislokation 225 Konstituentenstruktur ganz klar gegen diese Analyse sprechen. Im Anschluss wurde Samek-Lodovicis (2006) Ansatz hinsichtlich CLRD behandelt, der die dislozierten Elemente oberhalb von [Spec, TP] ansiedelt. Es stellte sich heraus, dass diese Analyse bezüglich der relativen Hierarchie von CLRD und CLLD die falschen Voraussagen macht. Schließlich wurde gezeigt, dass Samek-Lodovicis Argumente (die auf partieller Kongruenz, Bindung und der Lizensierung von negativen Polaritätselementen beruhen) nicht besonders überzeugend sind. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die beste Evidenz, die zur Zeit verfügbar ist, darauf hindeutet, dass bei der CLRD, der romanischen klitischen Rechtsdislokation, Bewegung in eine A-Position vorliegt, die genau zwischen der Basisposition des Subjekts und der präverbalen Subjektposition situiert ist. Nach den strukturellen Annahmen Chomskys (1995, 2000) muss es sich bei dieser Position um [Spec, vP] handeln. 7 Literatur Bleam, Tonia (2004): “Properties of the double object construction in Spanish.” In: Rafael Núñez-Cedeño, Luis López & Richard Cameron (Hgg.): Language knowledge and use: Proceedings of LSRL 31. Amsterdam/ Philadelphia: Benjamins, 233- 252. Cardinaletti, Anna (2001): “A second thought on ‘emarginazione’: Destressing vs. ‘Right Dislocation‘.” In: Guglielmo Cinque & Giampaolo Salvi (Hgg.): Current studies in Italian syntax. Essays offered to Lorenzo Renzi. Amsterdam: Elsevier, 117- 135. - (2002): “Against optional and null clitics. 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Unveröffentlichte Diss., Universitat Autònoma de Barcelona. <?page no="239"?> Teil 3: Minimalistische Syntax und ihre Schnittstellen <?page no="241"?> Natascha Pomino Aspekte der spanischen Verbalflexion im Rahmen der Distributed Morphology Abstract Based on the framework of Distributed Morphology, this paper presents an integral analysis of a specific type of Spanish irregular verbs which will be called the andar-type. Apart from a root alternation (e.g. ando ‘(I) walk’ vs. anduve ‘(I) walked’), this type of irregular verb also shows a neutralisation of the conjugation class (cf. anduviste ‘(you sg ) walked’ vs. *anduvaste). Furthermore, the stress assignment differs with respect to regular verbal forms (cf. canté vs. anduve/ *anduvé). In what follows, I will suggest how this verb type can be formalised and integrated into a general account of the Spanish verbal inflection. I will assume that the root alternation, which will be accounted for by a postsyntactic readjustment rule, triggers the neutralisation of the conjugation class as well as the divergent stress assignment. 1 Einleitung In der spanischen Verbalflexion lassen sich allgemein drei Typen von Unregelmäßigkeiten unterscheiden: (1) a. caliento ‚(ich) erwärme’ vs. calentamos ‚(wir) erwärmen’ b. ser ‚sein’ vs. fui ‚(ich) war’; soy ‚(ich) bin’ c. andar ‚laufen’ vs. anduvimos ‚(wir) gehen’; anduviste ‚(du) liefst’ vs. *anduvaste; anduve ‚(ich) lief’ vs. *anduvé Verben des Typs (1a) folgen prinzipiell der regelmäßigen Ableitung, mit der einzigen Ausnahme, dass ihre Wurzel in manchen Verbformen eine leicht abweichende phonologische Realisierung hat. Der Verbtyp (1b) weicht hingegen in vielerlei Hinsicht vom regelmäßigen Flexionsmuster ab. Bei den Verben des Typs (1c) liegt abgesehen von einer Wurzelalternierung sowohl eine Konjugationsklassen-Neutralisierung als auch eine vom regelmäßigen Flexionsmuster abweichende Betonung vor. Im Folgenden möchte ich einen Vorschlag dazu unterbreiten, wie die Verben des Typs andar formalisiert und in eine Gesamtdarstellung der spanischen Verbalflexion integriert werden können. Hierbei gehe ich davon aus, dass die Wurzelalternierung, die ich durch eine morphophonologische Anpassungsregel erfassen werde, die Konjugationsklassen-Neutralisierung und die abweichende Betonung nach sich zieht. <?page no="242"?> 230 Natascha Pomino Die zentralen Annahmen des theoretischen Rahmens werden unter 2 vorgestellt, während die wichtigsten verbspezifischen Annahmen im Rahmen der Distributed Morphology (DM) in 3 diskutiert werden. Der Abschnitt 4 stellt eine ausführliche Analyse des hier zu besprechenden Verbtyps dar. 2 Die Grammatikarchitektur Das für meine Analyse vorgeschlagene Grammatikmodell ist eine Kombination des I-Modells (vgl. Tang 2001: 13) - welches sich aus den Neuerungen des Minimalismus ergibt - mit der zentralen Annahme der DM, dass es kein unifiziertes präsyntaktisches Lexikon gibt (vgl. Halle & Marantz 1993, Marantz 1997). Das traditionelle Lexikon wird vielmehr in drei Listen aufgespaltet, auf die zu unterschiedlichen Zeitpunkten der sprachlichen Generierung zugegriffen wird, vgl. (2): 1 (2) Die Grammatikarchitektur 2 D NS Narrow Syntax D NS D NS ... PHON 1 SEM 1 PHON 2 SEM 2 Φ Σ N 1 , N 2 , ..., N n Liste A (Narrow Lexicon) Liste A (Narrow Lexicon) v ° [V] [Pers] … T ° [v] [EPP] … √ / kant-/ ... Liste B (Vocabulary) Liste B (Vocabulary) / -mos/ → [1] [pl] ... / -is/ → [2] [pl] ... / -s/ → [2] ... Liste C (Encyclopedia) Liste C (Encyclopedia) perro: ‚vier Beine’, ‚Haustier’, ‚beißt manchmal’, .... konzeptuellintentionales System sensomotorisches System √ / per̄-/ ... 1 Vgl. die Darstellung des Zugriffs auf die drei Listen in Embick & Noyer (2005). 2 Vgl. Pomino (2005: 223, 2008: 79); vgl. auch die Erläuterung des I-Modells in Tang (2001: 13); zu der Kombination der DM mit dem Y-Modell des Minimalistischen Programms vgl. Harley & Noyer (1999: 3) sowie Embick & Noyer (2005). <?page no="243"?> Aspekte der spanischen Verbalflexion im Rahmen der DM 231 Das sogenannte Narrow Lexicon enthält die Startelemente für die syntaktische Derivation und wird selbstverständlich zu Beginn der sprachlichen Generierung konsultiert. Bei der sogenannten (postsyntaktischen) Vokabeleinsetzung (Vocabulary Insertion) wird auf die Vokabelliste (Vocabulary) zugegriffen, die das phonologische Material (Vocabulary Items genannt) für die Realisierung der Morpheme enthält. Diese Liste stellt eine Ansammlung von Korrespondenzregeln dar, die spezifizieren, welches phonologische Material bzw. welche Vokabel in welcher morphosyntaktischen Umgebung eingefügt werden kann. 3 2.1 Grundannahmen der Distributed Morphology (DM) In Anlehnung an Embick & Halle (2005) gehe ich davon aus, dass das phonologische Material von Wurzeln bereits präsyntaktisch feststeht, während das der funktionalen Elemente (z.B. v°, T°, D°) erst postsyntaktisch eingefügt wird. Die sogenannte Late Insertion, also das späte Einsetzen des phonologischen Materials, gilt folglich lediglich für die Realisierung der funktionalen Elemente. 4 Eine weitere zentrale Annahme ist, dass Wurzeln keine Wortartinformation tragen und daher stets mit einem kategoriebestimmenden Kopf (nach Marantz 1995: v°, n°, a° etc.) durch Merge verbunden werden müssen (vgl. u.a. Harley & Noyer 1999, Arregi 2000). Hierbei gehe ich davon aus, dass die notwendige Kopf-zu-Kopf-Bewegung in der syntaktischen Komponente stattfindet, vgl. (3): 3 Die dritte Liste wird in der DM als Enzyklopädie bezeichnet. Für die hier verfolgte Zielsetzung ist sie nicht relevant und soll daher nicht weiter ausgeführt werden. 4 Manche Vertreter der DM, z.B. Harley & Noyer (1999, 2000), nehmen die Late Insertion hingegen auch für Wurzelelemente an. Die genannten Autoren, die die sogenannte L-Node Hypothesis vertreten, gehen davon aus, dass es lediglich eine einzige generische Wurzel gibt, mit der die Syntax operiert. Je nach Konstruktion, in der diese Wurzel postsyntaktisch steht, kann das entsprechende phonologische Material lizensiert werden. <?page no="244"?> 232 Natascha Pomino (3) Syntaktische Struktur (vgl. Pomino 2005: 233) Nach Abschluss der syntaktischen Derivation wird die entsprechende Struktur (z.B. das komplexe T°) auf PHON abgebildet, wobei unterschiedliche Mapping-Prozesse erfolgen können, die in (4) zusammengefasst sind. Wichtig ist hierbei, dass die in (3) eingekreiste syntaktische Struktur nicht „aufgebrochen“ werden darf. 5 (4) Mapping-Prozesse zwischen D NS und PHON 6 Wohlgeformtheitsbedingungen Wohlgeformtheitsbedingungen D NS Narrow Syntax D NS D NS ... PHON 1 … Φ Tilgung, Fusion, Aufspaltung Tilgung, Fusion, Aufspaltung Absenkung Absenkung Linearisierung Linearisierung Dislokation Dislokation X X X X X Vokabeleinsetzung Vokabeleinsetzung X SEM 1 … Σ 5 Das Beibehalten der syntaktischen hierarchischen Struktur (Syntactic Hierarchical Structure All the Way Down) ist neben der Late Insertion und der Unterspezifizierung der Vokabeleinträge eine der drei Charakteristika, durch die sich die DM von anderen morphologischen Theorien unterscheidet (vgl. u.a. Halle & Marantz 1993, 1994, Harley & Noyer 1999). 6 Zu der Unterscheidung zwischen Absenkung (Lowering; hängt von der hierarchischen Struktur ab) und Dislokation (Local Dislocation; erfolgt an der bereits linearisierten Struktur) sowie zu einer leicht abweichenden Anordnung der Mapping-Prozesse, vgl. Embick & Noyer (2005). Dort werden allerdings weder die Wohlgeformtheitsbedingungen noch die Prozesse der Merkmalstilgung, Fusion und Merkmalsaufspaltung diskutiert. T° vP T' Spec TP v' Spec √ P t j √ ' Spec YP t i Y Spec ... Y° v° j T° √ i v° Z° Y° durc h -Operatione n nich t modifizierbar e durch PF-Operationen nicht modifizierbare syntaktische Struktur Bewegung der √ nach v° Bewegung des (komplexen) v° zu finitem T° Domäne der PF-Operationen <?page no="245"?> Aspekte der spanischen Verbalflexion im Rahmen der DM 233 Wenden wir uns zunächst der Vokabeleinsetzung zu: Das zentrale Charakteristikum der in Liste B befindlichen Elemente ist, dass sie unterspezifiziert sind (vgl. Fn. 5). Sie können, müssen aber nicht exakt dieselben Merkmale wie der jeweilige syntaktische Endknoten aufweisen. Geregelt durch das Subset Principle von Halle (1997) 7 wird jedoch stets das Element eingefügt, welches für den fraglichen syntaktischen Endknoten am höchsten spezifiziert ist. Vor der Vokabeleinsetzung können allerdings einzelsprachspezifische, morphologische Wohlgeformtheitsbedingungen durch das Hinzufügen von Merkmalen und/ oder Positionen die Inputstruktur der Morphologie (also den syntaktischen Output) erweitern bzw. modifizieren. Es handelt sich hierbei um sogenannte „verzierende Morpheme“, die sowohl syntaktisch als auch semantisch unmotiviert sind (vgl. Embick & Noyer 2005: 12) und daher nicht gegen die Inclusiveness Condition (vgl. Chomsky 1995: 228) verstoßen. Die syntaktische Struktur wird vor der Vokabeleinsetzung modifiziert, was zur Folge hat, dass die verzierenden Morpheme dann auch mit entsprechendem phonologischen Material versehen werden können. Bevor diese und andere verbspezifische Annahmen aufgeführt werden, sei zuvor der Prozess Agree kurz erläutert. 2.2 Sonden und der Prozess Agree Kongruenz wird in den neuen minimalistischen Ansätzen als Relation zwischen einer sogenannten Sonde und einem Ziel verstanden. Es sind vor allem die Kategorien C°, T° und v°, die, so Chomsky (2000), Träger von φ-Merkmalen sein können, die keinen spezifischen Wert aufweisen, was mit der Definition einer Sonde einhergeht. Nicht-spezifizierte Merkmale lassen sich beispielsweise als Attribute ohne Werte darstellen, vgl. (5): (5) Attribut-Wert-Paare T° [Pers: ] [Num : ] [Gen: ] [Temp : präs] [Modus: ] [EPP: ] f -Merkmale 7 “The phonological exponent of a Vocabulary item is inserted into a morpheme in the terminal string if the item matches all or a subset of the grammatical features specified in the terminal morpheme. Insertion does not take place if the Vocabulary item contains features not present in the morpheme. Where several Vocabulary items meet the conditions for insertion, the item matching the greatest number of features specified in the terminal morpheme must be chosen” (Halle 1997: 128). <?page no="246"?> 234 Natascha Pomino Das in (5) dargestellte T° ist ein sondentragender Kopf. Gelangt dieser durch Merge in die syntaktische Derivation, beginnt unmittelbar der Prozess Agree, der aus den folgenden drei Suboperationen besteht: (6) a. Sondierung (Probe): Die nicht-instantiierten φ-Merkmale von T° suchen in der von T° c-kommandierten Domäne nach einem geeigneten Ziel. v' v ° DP Pedro [Num: sg] [Pers: 3] [Gen: m] [Kasus: ] vP T ° [Num: ] [Pers: ] [Gen: ] [Temp: präs] [Modus: ] [EPP: ] √ / kom-/ i T' √ t i XP √ ' DP una manzana [Num: sg] [Pers: 3] [Gen: f] [Kasus: akk] √ P v ° tr. [Num: sg] [Pers: 3] [Gen: f] Sonde Sonde Ziel Ziel Nach der v-Phase nicht mehr zugänglich für syntaktische Prozesse. Nach der v-Phase nicht mehr zugänglich für syntaktische Prozesse. b. Übereinstimmung (Match): Wenn die φ-Merkmale des Ziels dieselben Attribute wie die Sonde aufweisen und wenn das Ziel ein nicht-instantiier tes Merkmal aufweist (z.B. Kasus), dann ist es ein geeignetes Ziel. v' v ° DP Pedro [Num: sg] [Pers: 3] [Gen: m] [Kasus: ] vP T ° [Num: ] [Pers: ] [Gen: ] [Temp: präs] [Modus: ] [EPP: ] √ / kom-/ i T' √ t i XP √ ' DP una manzana [Num: sg] [Pers: 3] [Gen: f] [Kasus: akk] √ P v ° tr. [Num: sg] [Pers: 3] [Gen: f] Ziel Ziel Match Match <?page no="247"?> Aspekte der spanischen Verbalflexion im Rahmen der DM 235 c. Merkmalsinstantiierung (Value): Die Merkmale des Ziels werden auf die Sonde übertragen und das Kasusmerkmal des Ziels wird instantiiert. 8 v' v ° DP Pedro [Num: sg] [Pers: 3] [Gen: m] [Kasus: nom] vP T ° [Num: sg] [Pers: 3] [Gen: m] [Temp: präs] [Modus: ] [EPP: ] √ / kom-/ i T' √ t i XP √ ' DP una manzana [Num: sg] [Pers: 3] [Gen: f] [Kasus: akk] √ P v ° tr. [Num: sg] [Pers: 3] [Gen: f] Value Value Nach erfolgreicher Sondierung werden, so die Standardannahme, den nicht-instantiierten Merkmalen der Sonde die Werte des Ziels zugewiesen (vgl. 6c). Ich gehe davon aus, dass dies erst postsyntaktisch geschieht. Agree stellt durch die Teiloperationen Probe und Match lediglich eine Sonden-Ziel-Relation her, die darin besteht, dass die φ-Merkmale der Ziel-DP in der Syntax mit denen der Sonde verbunden werden (vgl. Frampton et al. 2000, Pesetsky & Torrego 2001, Frampton (2002)): (7) Value als Feature Sharing v' v ° DP Pedro [Num: sg] [Pers: 3] [Gen: m] [Kasus: nom] vP T ° [Num] [Pers] [Gen] [Temp: präs] [Modus: ] [EPP: ] √ / kom-/ i T' √ t i XP √ ' DP una manzana [Num: sg] [Pers: 3] [Gen: f] [Kasus: akk] √ P v ° tr. [Num: sg] [Pers: 3] [Gen: f] Feature Sharing Feature Sharing Der Vorteil liegt hierbei darin, dass in der Syntax derselbe Wert nicht mehrmals vorhanden sein muss. 9 Für SEM sind lediglich die Werte der 8 Das EPP-Merkmal von T° wird durch die Bewegung der Subjekt-DP nach [Spec, TP] „gesättigt“, also [EPP: ], während das Modusmerkmal durch eine Agree-Relation zwischen T ° und C ° instantiiert wird (vgl. Pesetsky & Torrego 2001, Radford 2000 sowie Pomino 2005: 161). 9 Ich danke H.-M. Gärtner (ZAS, Berlin) für den Hinweis, dass dies im Rahmen der HPSG schon lange gefordert wird. <?page no="248"?> 236 Natascha Pomino φ-Merkmale maßgeblich. Da nur die DP solche aufweist, werden sie auch nur an dieser Stelle interpretiert. Was die morphologische Realisierung der φ-Merkmale betrifft, so nehme ich für das Spanische an, dass es beim Mapping auf PHON eine einzelsprachspezifische, morphologische Wohlgeformtheitsbedingung gibt, welche die gemeinsamen Merkmale von Sonde und Ziel (= abstrakte Kongruenz) erst postsyntaktisch auf die funktionale Kategorie abbildet (= morphologische Kongruenz). 3 Verbspezifische Annahmen im Rahmen der DM 3.1 Morphologische Wohlgeformtheitsbedingungen Sowohl der φ-Knoten von T°, in dem die Person-, Numerus- und ggf. Ge nusmerkmale abgebildet werden, als auch die Themavokale (Bindevo kale, Kennlaute) sind Morpheme, die erst beim Mapping auf die morpho logische Form hinzugefügt werden und einzelsprachspezifischen Wohlgeformtheitsbedingungen unterliegen (vgl. Oltra Massuet 1999, Arregi 2000). In Kombination mit dem eben beschriebenen Agree-Prozess kann die morphologische Wohlgeformtheitsbedingung, die garantiert, dass an T° eine φ-Position zur Verfügung gestellt wird, wie folgt formuliert werden: (8) Kopiere φ (vorläufig) 10 Markiere die abstrakte Kongruenz (die bestehende Merkmalsverbindung zwischen Subjekt und Verb), indem an T° eine φ-Position zur Verfügung ge stellt wird, in die die entsprechenden Merkmale kopiert werden. Ausgehend von der Input-Struktur (9a) ergibt sich hierdurch für eine spanische Verbform zunächst die Struktur in (9b): 11 (9) a. Vor Kopiere φ: b. Nach Kopiere φ: T° v° T° √ v° T° v° T° √ v° T° φ (Arregi 2000: 3, basierend auf Oltra Massuet 1999) 10 Vgl. Oltra Massuet (1999: 12), vgl. auch Arregi (2000) sowie Halle & Marantz (1993). Vgl. die Neuformulierung in Fn. 17. 11 Da diese Bedingung erst nach der syntaktischen Derivation greift, d.h. da die Subwortebene erreicht ist, wird φ unterhalb von T° hinzugefügt. <?page no="249"?> Aspekte der spanischen Verbalflexion im Rahmen der DM 237 Was die Themavokale betrifft, zeigt Oltra Massuet (1999: 12), dass jeder syntaktische funktionale Kopf eine Themavokalposition verlangt. Dies kann durch folgende Bedingung erfasst werden: (10) Morphologische Wohlgeformtheitsbedingung (Th-Positionen) a. At MS [Morphological Structure; Anmerkung: N.P.], all syntactic functional heads require a theme position. b. X → X Th X (Arregi 2000: 4, basierend auf Oltra Massuet 1999) Die Baumstruktur (9b) ist diesbezüglich wie in (11) dargestellt zu modifi zieren: (11) Nach Anwendung von (10) v° √ v° T° v° Th T° T° φ T° Th (Arregi 2000: 4, basierend auf Oltra Massuet 1999) Nach Erfüllung der Wohlgeformtheitsbedingungen erfolgt je nach Tem pusform direkt die Vokabeleinsetzung. Bei der spanischen Imperfektform cantábamos ‚(wir) sangen’ kann diese entsprechend der Struktur in (11) vereinfacht wie folgt dargestellt werden: (12) cantábamos T ° v ° √ / kant-/ v ° Th T ° T ° T ° Th Ø / b/ / a/ / mos/ Mapping der morphologischen Struktur auf die phonologische Struktur durch Vokabeleinsetzung Mapping der morphologischen Struktur auf die phonologische Struktur durch Vokabeleinsetzung v ° φ [1pl] / a/ Vor der Vokabeleinsetzung können jedoch noch weitere Prozesse erfolgen, die die Input-Struktur entsprechend modifizieren: Merkmale können beispielsweise getilgt werden (Impoverishment), zwei Merkmalsmatrices können zu einer verschmelzen (Fusion) und/ oder eine Merkmalsmatrix kann aufgespalten werden (Fission). Für unsere Zwecke ist lediglich die Fusion relevant, auf die im nächsten Abschnitt eingegangen werden soll. <?page no="250"?> 238 Natascha Pomino 3.2 Fusion In den Präsensformen (z.B. cantamos ‚(wir) singen’) erfolgt Fusion von T° mit dem φ-Knoten, was auf die in T° kodierte unmarkierte Zeitrelation („Gleichzeitigkeit“) zurückzuführen und an der phonologischen Kürze der Verbformen auszumachen ist (vgl. cant-á-b-a-mos vs. cant-a-mos, vgl. Arregi 2000). Die Fusionsregel sowie die resultierende Struktur sind in (13) dargestellt: (13) a. Der Endknoten T° fusioniert mit dem φ-Knoten, wenn T° lediglich unmarkierte Merkmale enthält. b. √ / kant-/ T ° v ° T ° / φ [präs] [1pl] v ° Th v ° / a/ Ø / mos/ (Arregi 2000: 3, basierend auf Oltra Massuet 1999) Wenn man nun die Indefinido-Form der ersten Person Plural cantamos ‚(wir) sangen’ mit der entsprechenden Präsensform cantamos ‚(wir) singen’ vergleicht, so fällt auf, dass sie, was das phonologische Material betrifft, identisch sind. Dies lässt vermuten, dass auch im Indefinido Fusion stattgefunden hat. Die in T° kodierte Zeitrelation ist in diesem Falle jedoch nicht unmarkiert, sodass (13) nicht greift. Eine Ausweitung der Fusionsbedingung auf die Indefinido-Formen, wie Oltra Massuet & Arregi (2005) sie annehmen, 12 ist zwar denkbar, doch wirkt sie einerseits ad hoc und andererseits widerspricht sie der Annahme, dass Fusion nur bei unmarkierten Merkmalen stattfindet. Darüber hinaus legen diachrone Beobachtungen eine andere Herangehensweise nahe. Betrachten wir hierzu die Entwicklung der Perfektform CANTĀVĪ des klassischen Lateins zum modernen Spanisch: (14) klat. vlat. asp. sp. a. CANTĀVĪ CANTĀĪ canté canté b. CANTĀVĪ HABEŌ CANTĀTUM he cantado he cantado 12 “[...] we propose that T and Agr fuse in the morphology [...] even though the context for the application of fusion operation [...] is not met. [...] Allowing exceptional fusion in the perfective explains why there is only one slot for both morphemes and why the Vocabulary items inserted are specific for this tense [...]“ (Oltra Massuet & Arregi 2005: 56f). <?page no="251"?> Aspekte der spanischen Verbalflexion im Rahmen der DM 239 Das klassische Latein macht deutlich, dass die Form CANTĀVĪ die Realisierung zweier unterschiedlicher Zeitrelationen ist: Es realisiert eine Struktur, in der T° entweder „Vorzeitigkeit“ oder „Gleichzeitigkeit“ kodiert: (15) Zeitrelationen und funktionale Kategorien 13 C° C° T° T° v° v° Verankerung der Sprechzeit [E_R] [R,E] [R_E] [R_S] [E_R] [R,E] [R_E] [E_R] [R,E] [R_E] [S,R] [S_R] Gleichzeitigkeit Vorzeitigkeit Nachzeitigkeit CANTĀVĪ > he cantado CANTĀVĪ > canté Wie aus (15) ersichtlich, ist im Falle von CANTĀVĪ (> he cantado) die Fusionsbedingung gegeben, denn hier ist in T° die unmarkierte Relation [S,R] kodiert. Aufgrund der Tatsache, dass jedoch für beide Merkmalskombinationen dieselben Vokabeln zur Verfügung stehen, möchte ich davon ausgehen, dass Fusion in beiden Fällen stattfindet, obschon die Fusionsbedingung im Falle von T° = [R_S] nicht gegeben ist. 14 Im Vulgärlatein wurde die Mehrdeutigkeit dieser Formen allerdings aufgehoben, indem die Konstruktion HABEŌ + Partizip verwendet wurde. Hierdurch schwand sozusagen auch die Bedingung für die Fusion. Es stellt sich die Frage, was für Auswirkungen dies auf die Fusion hatte, vgl. die folgenden Möglichkeiten: (16) a. T° und φ fusionieren weiterhin, obschon die Fusionsbedingung nicht mehr gegeben ist. b. T° und φ fusionieren nicht mehr, da nun der unmarkierte Fall nicht mehr existiert. 13 [S,R] = Sprechzeit GLEICH Referenzzeit, [R,E] = Referenzzeit GLEICH Ereigniszeit, [R_S] = Referenzzeit VOR Sprechzeit/ Sprechzeit NACH Referenzzeit, [S_R] = Sprechzeit VOR Referenzzeit/ Referenzzeit NACH Sprechzeit (vgl. Reichenbach 1947, Vikner 1985, Giorgi & Pianesi 1997, Remberger 2002). Vgl. u.a. Remberger (2006) für die syntaktische Kodierung der Zeitrelationen sowie Rojo & Veiga (1999) für eine hierarchische Darstellung der Zeitrelationen. 14 Vgl. die detaillierte Behandlung der Fusion bei den spanischen Indefinido-Formen in Pomino (2005: 360ff, 2008: 156ff) sowie Pomino (in Vorb.). <?page no="252"?> 240 Natascha Pomino c. T° und φ fusionieren nicht mehr, da sie bereits präsyntaktisch eine Einheit bilden, d.h. als fusionierter Knoten „grammatikalisiert“ wurden. 15 Ich gehe davon aus, dass (16c) zutrifft. 16 Für das heutige Spanisch bedeutet dies, dass die φ-Position nicht erst postsyntaktisch hinzutritt, sondern dass es zwei Typen einer T°-Sonde gibt: eine, in der die φ-Merkmale gesondert unter T° vorhanden sind, und eine andere, bei der die φ-Merkmale gemeinsam mit den anderen Merkmalen unter T° stehen, vgl. (17): (17) a. Indefinido b. andere Tempusformen T°/ φ [Pers] [Num] [Gen] [Temp: indef] [Modus: ] [EPP: ] φ-Merkmale T° T° [Temp: XYZ] [Modus: ] [EPP: ] φ [Pers] [Num] [Gen] φ -Merkmale Es sind also drei Fälle zu unterscheiden: 1) Verbformen wie das Imperfekt, die ein T° wie in (17b) aufweisen und die, da keine Fusion erfolgt, phonologisch länger sind als die entsprechende Präsensform; 2) Präsensformen, die ein T° wie in (17b) aufweisen und aufgrund von Fusion phonologisch kürzer sind als andere Verbformen; 3) die Formen des Indefinido, die im Vergleich zu den Imperfektformen kürzer sind, da ein T° wie in (17a) vorliegt. 17 3.3 Zur Erfassung der Betonung spanischer Verbformen Was die Betonung spanischer Verbformen betrifft, möchte ich die Analyse von Oltra Massuet & Arregi (2005) übernehmen. Die Autoren gehen davon aus, dass bestimmte metrische Klammern unter Berücksichtigung der syntaktischen Struktur projiziert werden. Für die Erfassung der Betonung spanischer Verbformen stellen sie folgenden Betonungsalgorithmus auf: 15 Streng genommen handelt es sich hier um „Lexikalisierung“, denn das ursprüngliche Resultat der Fusionsregel wird in der Entwicklung zum Spanischen eine Einheit des Narrow Lexicon. 16 Würde man (16a) vertreten, müsste man eine Ausnahme für die Fusionsregel zulassen, während man bei (16b) die relativ kurzen Formen des Indefinido nicht erklären könnte (vgl. Pomino 2005: 360ff, 2008: 156ff sowie Pomino (in Vorb.)). 17 Am Sondierungsprozess selbst ändert sich nichts, die morphologische Wohlgeformtheitsbedingung in (8) muss allerdings leicht modifiziert werden, z.B. wie folgt: Realisiere die Merkmalsverbindung zwischen T° und der Subjekt-DP, indem die φ-Merkmale der Subjekt-DP in die φ-Position von T° kopiert werden. <?page no="253"?> Aspekte der spanischen Verbalflexion im Rahmen der DM 241 (18) Betonungsalgorithmus (Oltra Massuet & Arregi 2005: 49; Übersetzung: N.P.) a. Projiziere für jeden Silbennukleus eine Markierung x auf die metrische Ebene 0: 1. Pl. Syntax √ kant v° Th T°/ φ MS-Output kant Ø a mos Ebene 0 x x x b. Füge links von T° eine rechte Klammer auf der metrischen Ebene 0 ein: 1. Pl. Syntax √ kant v° Th T°/ φ MS-Output kant Ø a mos Ebene 0 x x ) x c. Projiziere bei jedem Fuß, der sich auf der metrischen Ebene 0 befindet, die Markierung, die ganz rechts steht, auf die metrische Ebene 1: 1. Pl. Syntax √ kant v° Th T°/ φ MS-Output kant Ø a mos Ebene 0 x x ) x Ebene 1 x d. Füge eine rechte Klammer an die am weitesten rechts stehende Markie rung auf der metrischen Ebene 1 ein: 1. Pl. Syntax √ kant v° Th T°/ φ MS-Output kant Ø a mos Ebene 0 x x ) x Ebene 1 x ) e. Projiziere von jedem Fuß auf Ebene 1 die Markierung, die ganz rechts steht, auf Ebene 2: 1. Pl. Syntax √ kant v° Th T°/ φ MS-Output kant Ø a mos Ebene 0 x x ) x Ebene 1 x ) Ebene 2 x Die Formulierung in (18b) stellt sicher, dass die Betonung vor T° liegt, ganz gleich, wie seine Realisierung aussieht. Diese Annahme sei durch folgende dreidimensionale Darstellung illustriert: <?page no="254"?> 242 Natascha Pomino (19) cantábamos (nach Halle 1998: 542f) k a n t a b a m o s √ S S S S * * * * * Th Ø v° v° v° Th T° T° φ T° T° ) (a) (b) (c) Das Feld (19a) zeigt die morphosyntaktische Struktur des Verbs, während (19b) die Silbenstruktur und (19c) das metrische Gitter (die Betonung) darstellt. Auf der metrischen Ebene 0 wird die morphosyntaktische Struktur im Spanischen insofern berücksichtigt, als die Klammerung links von T° erfolgt, also links vom grau markierten Bereich. Bestimmte abweichende Betonungsmuster, z.B. die Präsensformen cantas, cantan im Spanischen der iberischen Halbinsel (vs. *cantás, *cantán), müssen durch zusätzliche Annahmen erfasst werden. Um die korrekte Betonung vorherzusagen, schlagen Oltra Massuet & Arregi (2005: 61) eine sogenannte Stress Deletion Rule (SDR) vor und merken an, dass es eine Eigenheit des Spanischen sei, in den Präsensformen die wortfinale Betonung zu vermeiden. Die SDR in (20) greift vor der metrischen Ebene 1 und tilgt die Markierung x eines Nukleus, wenn diese direkt vor der projizierten Klammer steht und nach dieser keine weitere Markierung vorhanden ist: (20) Stress Deletion Rule (SDR) 18 x → . / ___ ) # (Oltra Massuet & Arregi 2005: 61) Regel (20) greift demnach lediglich bei der zweiten und dritten Person Singular und bei der dritten Person Plural, nicht aber bei den anderen Verbformen: 19 18 Der Punkt symbolisiert, dass die Markierung x getilgt wird; das Symbol # zeigt an, dass nach der Klammer keine Markierung x bzw. keine weitere Silbe folgt. 19 Bei der ersten Person Singular des Indikativ Präsens gehe ich davon aus, dass die Themavokalposition von v° durch eine spezifische Regel getilgt wird. Im Gegensatz zu Harris (1969) und Arregi (2000) nehme ich keinen tiefenstrukturell vorhandenen Themavokal an. <?page no="255"?> Aspekte der spanischen Verbalflexion im Rahmen der DM 243 (21) Betonung der Präsensformen des Verbs cantar ‚singen’ 1. Sg. 1. Pl. Syntax √ kant v° T°/ φ √ kant v° Th T°/ φ MS-Output kant Ø o kant Ø a mos Ebene 0 x ) x x x ) x SDR Ebene 1 x ) x ) Ebene 2 x x 2. Sg. 2. Pl. Syntax √ kant v° Th T°/ φ √ kant v° Th T°/ φ MS-Output kant Ø a s kant Ø a is Ebene 0 x x ) x x ) x SDR x . ) Ebene 1 x ) x ) Ebene 2 x x 3. Sg. 3. Pl. Syntax √ kant v° Th T°/ φ √ kant v° Th T°/ φ MS-Output kant Ø a Ø kant Ø a n Ebene 0 x x ) x x ) SDR x . ) x . ) Ebene 1 x ) x ) Ebene 2 x x Nach dieser Einführung in den theoretischen Rahmen sollen nun die unregelmäßigen Verben des Typs andar analysiert werden. 4 Analyse unregelmäßiger Verben des Typs andar Die Besonderheiten dieser Verbtypen seien exemplarisch zunächst durch die Verben andar (I. Konjugation), saber (II. Konjugation) und decir (III. Konjugation) aufgeführt: (22) Verben des Typs andar (betonter Vokal ist fett markiert): √ Th T°/ φ √ Th T°/ φ √ Th T°/ φ 1.Sg. and uv e Ø sup e Ø dix e Ø 2.Sg. and uv i ste sup i ste dix i ste 3.Sg. and uv Ø o sup Ø o dix Ø o 1.Pl. and uv i mos sup i mos dix i mos 2.Pl. and uv i steis sup i steis dix i steis 3.Pl. and uv ie ron sup ie ron dix ie ron Wie aus der Tabelle deutlich wird, weisen die Verbformen unabhängig von der Konjugationsklasse dieselben Endungen auf. Was die Themavokale betrifft, entsprechen sie hauptsächlich dem für die III. Konjugation typischen / i/ . Offensichtlich wurden bei den aufgeführten Verben die <?page no="256"?> 244 Natascha Pomino Konjugationsklassen „neutralisiert“. 20 Bezüglich dieser unregelmäßigen Verben hält Arregi (2000: 22) weiterhin folgende Beobachtungen fest: (23) a. Es liegt stets eine Wurzelalternierung vor, b. die erste und dritte Person Singular sind wurzelbetont, während dies bei den regelmäßigen Verben nicht der Fall ist (vgl. canté, cantó vs. *anduvé, *anduvó), c. die Themavokalrealisierung bei der ersten Person Singular ist / e/ statt wie bei den regelmäßigen Verben / i/ (vgl. temí, partí vs. *supí, *supi), d. die Themavokalrealisierung bei der dritten Person Singular ist Ø statt wie bei den regelmäßigen Verben / i/ (vgl. temió, partió vs. *anduvió, *anduvio). Im Folgenden möchte ich einen Vorschlag dazu unterbreiten, wie die erwähnten Beobachtungen im Rahmen der DM adäquat erfasst werden können. Hierbei gehe ich von folgender Hypothese aus: Die Konjugationsklassen-Neutralisierung, die Betonungsverschiebung sowie die abweichende Themavokalrealisierung bei der ersten und dritten Person Singular stellen eine direkte Folge der Wurzelalternierung dar. 4.1 Wurzelalternierung und Konjugationsklassen-Neutralisierung Wie bereits erwähnt, nehmen manche Vertreter der DM an, dass Wurzeln bereits präsyntaktisch mit phonologischem Material versehen sind. Fälle von morphophonologischer Alternierung können daher nicht über die Vokabeleinsetzung geregelt werden. Da weiterhin in der DM keine Stämme angenommen werden (vgl. Embick & Halle 2005), kann bei einem Verb wie z.B. andar nicht zwischen einem Präsensstamm / and-/ und einem Indefinido-Stamm / andub-/ unterschieden werden. Wurzelalternierungen müssen daher durch morphophonologische Regeln (Readjustment Rules) erfasst werden. Embick & Halle (2005) nehmen hierbei an, dass bei jeder morphophonologischen Regel die Wurzeln aufgelistet sind, die dieser Regel unterzogen werden. Wenden wir uns nun der Erfassung der Konjugationsklassen zu. Oltra Massuet (1999) schlägt hierfür eine mit α und β annotierte Klassifikation vor: 20 Die zweite Konjugation fällt im Indefinido auch bei der regelmäßigen Flexion mit der dritten zusammen. Prinzipiell bezieht sich die Annahme der Konjugationsklassen- Neutralisierung also auf die Verben der ersten Konjugation. <?page no="257"?> Aspekte der spanischen Verbalflexion im Rahmen der DM 245 (24) Konjugationsklassenmerkmale Die Wurzeln sind im Narrow Lexicon jedoch bezüglich der Konjugationsklasse nicht voll spezifiziert: 21 Die der II. Konjugation sind intrinsisch lediglich mit [+β] markiert (z.B. √ / tem/ +β ), welches ausreicht, um es von den anderen beiden zu unterscheiden. Die Wurzeln der III. Konjugation tragen hingegen das Merkmal [+ α ] (z.B. √ / part/ +α ), während bei den Wurzeln der I. Konjugation keine Markierung notwendig ist (z.B. √ / kant/ ) (vgl. Arregi 2000: 4). Vorhersagbare Information wird durch sogenannte Redundanzregeln hinzugefügt. So erhält beispielsweise eine Wurzel, die mit [+ β ] markiert ist, durch die Redundanzregel in (25b) das Merkmal [+ α ]: (25) Redundanzregeln (vorläufig) (vgl. Arregi 2000: 4): a. Ø → α (z.B. √ / kant/ → √ / kant/ -α ) b. +β → + α (z.B. √ / tem/ +β → √ / tem/ +α+β ) c. + α → -β (z.B. √ / part/ +α → √ / part/ +α -β ) Wenn eine Wurzel mit dem Merkmal [+ β ] markiert ist, wird der darauf folgende Themavokal im Spanischen in der Regel durch / e/ realisiert; trägt sie hingegen das Merkmal [β ], ist die Realisierung normalerweise / i/ . In allen anderen Fällen wird Th durch / a/ realisiert (vgl. Arregi 2000): (26) Vokabeln für Th (unvollständig): a. / e/ ↔ Th / [+β] __ b. / i/ ↔ Th / [-β] __ c. / a/ ↔ Th (Default) Demnach wäre beispielsweise die Wurzel √ / and-/ nach Anwendung der Redundanzregel (25a) mit dem Merkmal [α ] spezifiziert. Aufgrund dieses Merkmals und vor dem Hintergrund der in (26) aufgeführten Vokabeln müsste v°-Th durch / a/ realisiert werden, was zunächst zu der Form / andamos/ führen würde. Unterzieht man diese Form dann einer Regel, die das phonologische Material / ub/ hinzufügt, würde man die ungrammatische Indefinido-Form *anduvamos erhalten. 21 An dieser Stelle sei angemerkt, dass nicht eindeutig geklärt ist, wie eine Wurzel, die ja keine Wortartspezifizierung hat, wortartspezifische Merkmale tragen kann. Th α cantar + α +β temer -β partir <?page no="258"?> 246 Natascha Pomino Im Gegensatz zu Embick & Halle (2005) nehme ich daher an, dass die Alternierungsregeln vor der Vokabeleinsetzung greifen und dass das neue Element der Wurzel (hier: / ub/ ) ebenfalls ein Konjugationsklassenmerkmal aufweist, welches letztlich die Realisierung von v°-Th bestimmt. Als Konjugationsklassenmerkmal bietet sich die Spezifizierung [+ α ] an. Für die Erfassung der beschriebenen Unregelmäßigkeit nehme ich für das Verb andar die Alternierungsregeln in (27) an, die einerseits die Wurzelalternierung erfasst und andererseits das Konjugationsklassenmerkmal [+ α ] einführt, woraus sich die Neutralisierung der Konjugationsklasse ergibt: (27) / ub/ + α -Einschub 22 Regel: Ø → / ub/ +α / √ X __ U4 √ = andar, estar Die bisher gemachten Annahmen seien anhand der ersten Person Plural durch folgende Ableitung illustriert: (28) anduvimos: Syntax √ / and/ v° T°/ φ - [indef] Morph. Ebene √ / and/ v° Th T°/ φ - [indef], [1pl] and / ub/ +α -Einschub (27) andub +α Redundanzregel (25)c andub +α-β Th-Realisierung (26)b andub +α-β i φ-Realisierung andub +α-β i mos Output / andubimos/ Die zweite Person Singular sowie die zweite und dritte Person Plural werden durch das bisher Gesagte ebenfalls korrekt erfasst (vgl. Pomino 2005: 418ff, 2008: 200ff). Für die erste und dritte Person Singular, auf die im nächsten Abschnitt genauer eingegangen wird, ergeben sich durch die bisherigen Annahmen jedoch die Formen */ an.du. « bi/ (statt / an. « du. be/ ) bzw. */ an.du. « bi.o/ (bzw. */ an.du. « bjo/ statt / an. « du.bo/ ). 22 Betrachtet man die in der spanischen Verbalflexion anzutreffenden Wurzelalternierungen, erkennt man eine gewisse Systematik. Im Indefinido sind z.B. stets alle Personen betroffen und dieselbe Alternierung findet sich auch in den Formen des Konjunktiv Imperfekts wieder. Dieses Muster möchte ich durch das Merkmal U4 (Unregelmäßige Konjugation Nr. 4, nach Alcoba (1999: 4952ff)) erfassen: Das Hilfsmerkmal U4 fasst den Kontext (Person, Numerus, Tempus und Modus), in dem eine bestimmte Regel angewendet wird, zusammen. Die hiervon betroffenen Verben sind explizit gelistet (vgl. 27). In Anlehnung an Alcoba (1999: 4952ff) unterscheide ich insgesamt fünf solcher Grundmuster (vgl. Pomino 2005: 403ff, 2008: 187ff). <?page no="259"?> Aspekte der spanischen Verbalflexion im Rahmen der DM 247 4.2 Die erste und dritte Person Singular Was die Betonung betrifft, scheint bei der ersten Person Singular die eigentlich auf das Präsens beschränkte Betonungstilgung in (20) angewandt zu werden (vgl. Oltra Massuet & Arregi 2005). Auch diese Abweichung vom regelmäßigen Flexionsmuster möchte ich über das neu hinzugetretene Element erfassen, welches die Verbform sozusagen für die Betonungstilgung markiert, vgl. (29): (29) Betonungstilgung: x → . / ___ ) # Wenn: a. in T° eine unmarkierte Zeitrelation kodiert ist (also [S,R]); b. eine Wurzel vorliegt, die eine der folgenden Alternierungen aufweist √ …X (X = / ub/ +α , / x/ +α , / ux/ +α , / up/ +α , / ix/ +α , / i † / +α , / ug/ +α , / ud/ +α , / us/ +α , / is/ +α , / i/ +α ) Der Kontext, in dem die Betonungstilgung greift, ist bei den starken Formen des Indefinido zunächst die erste Person Singular. 23 Nach Anwendung der SDR fällt die Betonung auf die (erweiterte) Wurzel: (30) anduve Syntax √ +v Th T°/ φ-[indef], [1sg] MS-Output andub i ∅ Ebene 0 x x x ) SDR x x . ) Ebene 1 x ) Ebene 2 x Output / an. « du.bi/ Die Outputform entspricht jedoch nicht der Oberflächenform. Harris (1969: 68) zufolge ist es eine Eigenschaft des Spanischen, dass in einer unbetonten, finalen Silbe kein hoher Vokal vorkommen kann, 24 sodass die hohen Vokale durch eine phonologische Regel um einen Grad gesenkt werden. Hierdurch ergibt sich dann z.B. die Form [an.'du.βe]. Bei der dritten Person Singular (also dem zweiten Kontext im Indefinido, in dem die Betonungstilgung greift) verhält es sich etwas anders. Hier wird der Themavokal / i/ getilgt. Eine ähnliche Regel ist jedoch auch für die regelmäßigen Indefinido-Formen notwendig (z.B. cantó vs. *cantaó), wo- 23 Die anderen Formen (für die dritte Person Singular, vgl. unten) weisen rechts von der projizierten Klammer eine Markierung x auf, da die T°/ φ-Realisierung in diesen Fällen einen betonbaren Vokal enthält (-ste, -mos, -steis und -ron). 24 Ausnahme hierzu sind ein paar wenige Gräzismen (z.B. énfasis), Latinismen (z.B. espíritu) sowie Wörter mit affektivischer Bedeutung (z.B. mami) (vgl. Harris 1969). <?page no="260"?> 248 Natascha Pomino bei im Falle von anduvo nicht der Themavokal / a/ , sondern / i/ betroffen ist. Weiterhin hängt die Themavokaltilgung von dem hinzugetretenen phonologischen Material ab. Es sei folgende Regel postuliert: (31) Themavokaltilgung: / i/ Th → Ø/ √ …X ___ / o/ (/ o/ = φ-Realisierung) (X = / ub/ +α , / x/ +α , / ux/ +α , / up/ +α , / ix/ +α , / i † / +α , / ug/ +α , / ud/ +α , / us/ +α , / is/ +α , / i/ +α ) Die morphologische Ableitung der dritten Person Singular kann zunächst wie folgt dargestellt werden: (32) anduvo Syntax √ / and-/ v° T°/ φ - [indef] Morph. Ebene √ / and-/ v° Th T°/ φ - [indef], [3sg] and / ub/ +α -Einschub andub +α Redundanzregel andub +α-β Th-Realisierung andub +α-β i φ-Realisierung andub +α-β i o (31) Th-Tilgung andub +α-β Ø o Output / andubo/ Eine weitere Besonderheit der dritten Person Singular ist im Indefinido das / o/ . Dieses ist nämlich (auch bei der regelmäßigen Flexion) dafür markiert, eine metrische Klammer zu projizieren (Oltra Massuet & Arregi 2005). Hierdurch werden z.B. die ungrammatischen Formen *ámo (vs. amó), *bebío (vs. bebió) und *vivío (vs. vivió) vermieden. Auf der metrischen Ebene 0 ergibt sich für / andubo/ also folgendes Bild: (33) Betonungszuweisung (im Aufbau): anduvo Syntax √ +v Th T°/ φ -[indef], [3sg] MS-Output andub ∅ o Ebene 0 x x ) x) Wenn man die Ebene 0 in (33) mit dem Kontext der Betonungstilgung vergleicht, sieht man, dass die Markierung von / o/ , da sie final steht, von der SDR betroffen ist. Dies sei durch folgende Darstellung verdeutlicht: <?page no="261"?> Aspekte der spanischen Verbalflexion im Rahmen der DM 249 (34) Betonungszuweisung: anduvo Syntax √ +v Th T°/ φ -[perf] MS-Output andub ∅ o Ebene 0 x x ) x) SDR x x ) . ) Ebene 1 x ) Ebene 2 x Output / an. « du.bo/ Nach Anwendung der SDR verschiebt sich die Betonung automatisch nach links. Da vor Anwendung des Betonungsalgorithmus der Themavokal / i/ bei den Formen der dritten Person Singular getilgt wurde (vgl. 31), fällt die Betonung auf die Wurzel. 5 Zusammenfassung In der vorliegenden Arbeit wurde ein Vorschlag dazu unterbreitet, wie die Indefinido-Formen der Verben des Typs andar im Rahmen der Distributed Morphology formalisiert werden können. Die vorgeschlagene Analyse geht von einer Interaktion von Syntax, Morphologie und Phonologie aus, die in Form von morphologischen Mapping-Prozessen hauptsächlich zwischen der Derivation der Narrow Syntax (D NS ) und der phonologischen Form (PHON) verstanden werden kann (vgl. 2.1 und 3.1). Aus einer diachronen Perspektive lässt sich erklären, weshalb die Indefinido-Formen spanischer Verben dieselbe Komplexität wie die Präsensformen aufweisen, obschon bei ersteren synchron keine Fusionsregel angenommen werden kann. Es ist vielmehr das Resultat der im klassischen Latein aktiven Fusionsregel, welches im Wandel zum modernen Spanisch lexikalisiert wurde. Synchron betrachtet ist im präsyntaktischen Lexikon ein bereits fusionierter T°/ φ-Knoten enthalten (vgl. 3.2). Durch die Annahme einer entsprechenden morphophonologischen Alternierungsregel, die auch für die Konjugationsklassen-Neutralisierung verantwortlich ist, und ausgehend davon, dass diese Unregelmäßigkeit die Verbformen für die Betonungstilgung markiert, können die unter (23) erwähnten Aspekte der Indefinido-Formen korrekt erfasst werden. Bei der dritten Person Singular ist weiterhin die Tilgung des Themavokals notwendig, die aber ebenfalls auf die Unregelmäßigkeit der Wurzel zurückgeführt werden kann und in Teilen auch bei der regelmäßigen Flexion angenommen werden muss. Alle weiteren Annahmen (z.B. der fusionierte <?page no="262"?> 250 Natascha Pomino Knoten im Indefinido) sind auch für die Erfassung der regelmäßigen Verben notwendig. 6 Literatur Alcoba, Santiago (1999): “La flexión verbal.” In: Ignacio Bosque & Violeta Demonte (Hgg.): Gramática Descriptiva de la Lengua Española. 2. Las construcciones sintácticas fundamentales. Relaciones temporales, aspectuales y modales. Madrid: Espasa, 4915-4991. Arregi, Karlos (2000): “How the Spanish Verb Works.” Vortrag auf dem 30. Linguistic Symposium on Romance Languages. University of Florida, Gainesville [https: / / netfiles.uiuc.edu/ karlos/ www/ Arregi-theme.pdf, 12.04.07]. Chomsky, Noam (1995): The Minimalist Program. Cambridge, Mass.: The MIT Press. - (2000): “Minimalist Inquiries: the Framework.” In: Roger Martin, David Michaels & Juan Uriagereka (Hgg.): Step by Step: Essays on Minimalist Syntax in Honor of Howard Lasnik. Cambridge, Mass.: The MIT Press, 89-155. 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Interestingly, recent syntactic and prosodic studies rely on largely differing acceptability judgments concerning the position of focus constituents: While most phonologists assume that a narrowly focused XP can be marked through focal pitch accents in situ ( F [S] F VO, SV F [dO] F iO), most syntacticians predict movement of the presupposed material to a higher position, yielding prosodically unmarked structures with sentence-final nuclear stress (VO F [S] F , SViO F [dO] F ). Formal approaches that integrate pragmatically motivated features correctly predict instances of focus-induced word order, but run into problems when a given focus-background articulation corresponds to different possible output forms, hence when optionality is at play. Classical Optimality Theory (OT) is no exception in this respect, given that its fixed constraint hierarchy allows for only one winning candidate. In this paper, I argue that different syntactic and phonological strategies of Spanish focus marking can plausibly be accounted for by combining Chomsky’s (2000, 2001) target/ probe approach with the insights of the overlapping constraints model developed by Boersma & Hayes (2001). The proposal is supported by empirical data coming from laboratory phonology experiments conducted with 18 speakers of different American and European dialects as well as from acceptability judgments obtained from the same informants. 1 Einleitung Sowohl im derivationellen als auch im optimalitätstheoretischen Rahmen sind in neuerer Zeit Vorschläge für die Modellierung des Ineinandergreifens von syntaktischer und prosodischer Komponente bei der Vermittlung der Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) im Spanischen erarbeitet worden (u.a. Zubizarreta 1998, Domínguez 2004, Costa 2001, Gutiérrez Bravo 2002, Samek-Lodovici 2001, 2004, o.J.). Die vorwiegend syntaktische Blickrichtung dieser Arbeiten wird ergänzt durch eine Reihe prosodischer Studien, die sich vor allem im Rahmen des Autosegmental-Metrischen (AM-)Modells mit der intonatorischen Fokusmarkierung befasst haben (u.a. Sosa 1999, Face 2002, Hualde 2002, 2005). Den einschlägigen <?page no="266"?> 254 Christoph Gabriel Arbeiten liegen jedoch stark divergierende Akzeptabilitätsurteile zugrunde. So besteht insbesondere keine Einigkeit darüber, ob und inwiefern die prosodische Prominenz einer (neutral) fokussierten Konstituente die syntaktische Derivation beeinflusst. Bezieht man informationsstrukturell motivierte Merkmale in den Ableitungsmechanismus mit ein, ist die Herleitung fokusinduzierter Wortstellungsvariation so lange unproblematisch, als sich die in den Daten konstatierten Abfolgen unterschiedlichen, pragmatisch wohl definierten Kontexten zuordnen lassen. Gleiches gilt für die klassische Optimalitätstheorie (OT), die von einer festen Hierarchie entsprechender Beschränkungen ausgeht. Problematisch ist jedoch jede Art von Variation, die weder eindeutig pragmatisch determiniert ist noch in plausibler Weise als Resultat unterschiedlicher Register- oder Sprechergrammatiken interpretiert werden kann und demnach „echte“ Optionalität im Sinne einer Gleichwertigkeit zweier oder mehrerer Oberflächenformen in ein und demselben Kontext darstellt. Eine Lösung bietet hier die Annahme, dass die Strukturen gemäß dem minimalistischen Sonde-Ziel-Modell (Chomsky 2000, 2001) aufgebaut und mit Intonationskonturen versehen werden, die auf dem tonalen Repertoire der jeweiligen Varietät beruhen, und dass anschließend eine optimalitätstheoretische Evaluation im Sinne des Overlapping Constraints-Modells (Boersma & Hayes 2001) erfolgt. Der Beitrag gliedert sich wie folgt: Zunächst führe ich die Dichotomie Fokus/ Hintergrund ein (Teil 1) und komme dann auf die im Spanischen genutzten Verfahren der Fokusmarkierung zu sprechen (Teil 2). Anschließend arbeite ich vorliegende derivationelle und optimalitätstheoretische Modellierungen auf (Teil 3). Im vierten Teil stelle ich schließlich das angenommene Gesamtmodell vor, bevor ich die vorgeschlagene Herangehensweise anhand der Stellung des fokussierten Subjekts in Deklarativsätzen mit (einfach) transitiven Verben und der Position des fokussierten direkten Objekts in Doppelobjektkonstruktionen (DOKen) illustriere. 2 Fokus-Hintergrund-Gliederung Neben den Gegensatzpaaren Thema/ Rhema und Topic/ Comment stellt die Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) eine der zentralen Dichotomien zur Erfassung der informationsstrukturellen Komponente dar (vgl. u.a. Chomsky 1971, Stechow 1991, Zubizarreta 1998). Dabei bilden die zum Zeitpunkt der Äußerung gemeinsamen Annahmen von Sprecher und Hörer einen Hintergrund (Präsupposition), von dem sich der Fokus <?page no="267"?> Prosodisch motivierte Bewegungen im Spanischen 255 als die Gesamtheit der nicht-präsupponierten Information abhebt. Dies lässt sich anhand der Frage-Antwort-Paare in (1) verdeutlichen, wobei die Fokusdomäne durch den (beidseitig der eckigen Klammerung platzierten) Index F angezeigt wird. (1) (Kontext: ‘Was ist passiert? ’) a. F [María compró un diario] F . gesamtfokale Lesart ‘Maria hat eine Zeitung gekauft.’ (Kontext: ‘Was hat Maria gemacht? ’) b. María F [compró un diario] F . weiter Fokus (Kontext: ‘Was hat Maria gekauft? ’) c. María compró F [un diario] F . enger Fokus In der Literatur wird für gewöhnlich unterschieden zwischen dem sog. neutralen oder Informationsfokus, der eine Leerstelle in der Präsupposition auffüllt (vgl. 1), und dem kontrastiven Fokus, der einen Teil der Präsupposition korrigiert (angezeigt durch Fok innerhalb der Klammer): (2) (Kontexte: ‘Julia hat die Zeitung gekauft.’ / ‘Wer hat die Zeitung gekauft? Maria oder Julia? ’) F [ Fok María] F compró el diario (y no Julia). ‘Maria hat die Zeitung gekauft (und nicht Julia).’ Fokus geht übereinzelsprachlich mit Prominenz einher, d.h. sprachliches Material, das nicht-präsupponierte Information kodiert, ist in irgendeiner Weise salienter als dasjenige, welches die als bekannt vorausgesetzte repräsentiert. Der Zusammenhang von Fokus und Prominenz lässt sich mit der auf Chomsky (1971) zurückgehenden Fokusprominenzregel fassen, die ich hier in der Version von Zubizarreta (1998) wiedergebe: Focus Prominence Rule (FPR): Given two sister nodes C i (marked [+F]) and C j (marked [-F]), C i is more prominent than C j (1998: 88). Der prosodischen Prominenz kommt insofern eine Vorrangstellung zu, als die meisten Sprachen von der Möglichkeit Gebrauch machen, die durch die FPR geforderte Hervorhebung fokalen Materials mit Mitteln der suprasegmentalen Phonologie zu leisten. 1 Eine zentrale Rolle kommt hierbei der Platzierung des Satz- oder Nuklearakzents (Nuclear Stress) und dessen Realisierung durch spezielle fokale Akzenttöne zu. Weiterhin kann sich die FHG in der Gestaltung der prosodischen Phrasierung nie- 1 Ein Beispiel für den seltenen Fall einer Sprache ohne prosodisches Korrelat von Fokus ist die westatlantische Sprache Wolof, die die Markierung des kontrastiven Fokus mithilfe verbaler Affixe leistet (Rialland & Robert 2001). <?page no="268"?> 256 Christoph Gabriel derschlagen, wobei durch sog. Grenztöne markierte prosodische Einheiten die informationsstrukturelle Segmentierung anzeigen. 2 In vielen Sprachen werden syntaktische mit prosodischen Verfahren kombiniert: So erscheint beispielsweise in der OV-Sprache Türkeitürkisch ein eng fokussiertes Subjekt obligatorisch in der zum Verb links-adjazenten Position, die zugleich die unmarkierte Satzakzentstelle ist. 3 Ähnliches gilt für das Spanische, das in Bezug auf die Mittel der Fokusmarkierung gleichfalls durch eine Interaktion von phonologischer und syntaktischer Komponente gekennzeichnet ist. 3 Verfahren der Fokusmarkierung im Spanischen Im Spanischen wird der Ausdruck der FHG mit phonologischen und syntaktischen Mitteln geleistet. 4 Betrachtet man zunächst die Wortstellung, so fällt auf, dass die in der Literatur gegebenen Beurteilungen einer Konstruktion in Bezug auf ihre Angemessenheit in einem gegebenen Kontext stark voneinander abweichen. So wird in den meisten Arbeiten, die sich aus einem syntaktischen Blickwinkel dem Problemfeld nähern, davon ausgegangen, dass eng fokussierte Konstituenten, die qua FPR Träger des Nuklearakzents sind, - zumindest bei neutraler Fokussierung - am rechten Satzrand platziert sein müssen. So ergeben sich Strukturen wie VOS bzw. SViOdO, die aufgrund des finalen Nuklearakzents zwar prosodisch 2 Für eine einführende Darstellung des hier zugrunde gelegten AM-Modells, vgl. Hualde (2003, 2005: 253-275); die Verfahren der tonalen Fokusmarkierung im Spanischen werden im Einzelnen in Teil 3 besprochen. 3 Zur türkischen Satzintonation, vgl. Kornfilt (1997: 505). - Während bei neutraler Lesart das fokussierte Subjekt links-adjazent zum Verb positioniert ist, kann beim kontrastiv fokussierten Subjekt die Basisabfolge SOV beibehalten werden. (i) (Kontext: ‘Wer hat die Zeitung gekauft? ’) ttü. Gazeteyi F [ AYşe] F aldı. O F [S] F V Zeitung- AKK . Ayşe kaufen- PERF . ‘Ayşe hat die Zeitung gekauft.’ (ii) * F [AYşe] F gazeteyi aldı. * F [S] F OV (iii) (Kontext: ‘Murat hat die Zeitung gekauft.’) F [ Fok AYşe] F gazeteyi aldı. F [ Fok S] F OV Für weitere Beispiele sowie eine Diskussion der aktuellen Ansätze zur Herleitung der in (i) exemplifizierten Wortstellung OSV, vgl. İşsever (2003). 4 Ich abstrahiere von Fokus- oder Gradpartikeln wie sólo ‚nur’, die ausschließlich dann auftreten können, wenn sie unmittelbar Skopus über eine fokussierte Konstituente haben, und die damit kein primäres Korrelat der FHG sind; vgl. Kovacci (1999: 772ff). <?page no="269"?> Prosodisch motivierte Bewegungen im Spanischen 257 unmarkiert sind (Fettdruck kennzeichnet die Position des Nuklearakzents), jedoch eine markierte Abfolge der Konstituenten aufweisen (Zubizarreta 1998, 1999, Costa 2001, Gutiérrez Bravo 2002, Samek- Lodovici 2001, 2004, Martín Butragueño 2005): (3) (Kontext: ‘Wer hat die Zeitung gekauft? ’) a. * F [MaRÍa] F compró el diario. * F [S] F VO a’. Compró el diario F [MaRÍa] F . VO F [S] F (Kontext: ‘Was hat Maria ihrem Bruder gegeben? ’) b. *María le dio F [un DIArio] F a su hermano. *SV F [dO] F iO b’. María le dio a su hermano F [un DIArio] F . SViO F [dO] F ‘Maria hat ihrem Bruder eine Zeitung gegeben.’ Bei kontrastiver Fokussierung hingegen ist nach Zubizarreta (1998, 1999) die prosodische Hervorhebung einer nicht-finalen Konstituente in situ und damit die unmarkierte Wortstellung SVO bzw. SVdOiO unproblematisch (4a,c). Daneben kennt das Spanische mit dem Spaltsatz (4b) und der foco antepuesto-Konstruktion (4d) zwei syntaktische Verfahren, die u.a. nach Di Tullio (1997: 363) und Zubizarreta (1999: 4242) der kontrastiven Fokussierung vorbehalten sind. 5 (4) (Kontext: ‘Julia hat die Zeitung gekauft? ’) a. F [ Fok MaRÍa] F compró el diario. F [ Fok S] F VO b. Es F [ Fok MaRÍa] F la que compró el diario. Spaltsatz (Kontext: ‘Maria hat ihrem Bruder ein Rätselheft gegeben.’) c. María le dio F [ Fok un DIArio] F a su hermano. SV F [ Fok dO] F iO d. F [ Fok Un DIArio] F le dio María a su hermano. foco antepuesto In dieser Sichtweise stellen miteinander konkurrierende Oberflächenabfolgen wie beispielsweise SVO in (4a) und VOS in (3a’) zwar Wortstellungsvariation, jedoch keine Optionalität dar, da ihr Auftreten jeweils in eindeutiger Weise pragmatisch determiniert ist. Interessanterweise wird in Arbeiten zur spanischen Intonation stillschweigend davon ausgegangen, dass bei Fokussierung in situ ebenfalls eine neutrale Fokuslesart möglich ist (u.a. Toledo 1989, Hualde 2002, 2005, Face 2002). Die in (3) als unangemessen markierten Strukturen wären in einer solchen Sichtweise also unproblematisch; von der neutralen Abfolge abweichende Konstruktionen wie (3a’, b’) werden in den genannten prosodischen Arbeiten nicht behandelt. 5 Im Gegensatz hierzu geht Domínguez (2004: 150) von der Möglichkeit der Fokusvoranstellung auch bei neutraler Fokuslesart aus. <?page no="270"?> 258 Christoph Gabriel Die voneinander abweichenden Akzeptabilitätsbewertungen einzelner Strukturen in der Literatur legen eine Überprüfung anhand von empirisch erhobenem Datenmaterial nahe. Im Rahmen einer breiter angelegten Studie (vgl. Gabriel 2007: 257ff) habe ich von insgesamt 18 Sprechern europäischer und amerikanischer Varietäten Daten zur Fokusrealisierung erhoben. 6 Dabei wurden bestimmte Fokusstrukturen durch freies Antworten auf Fragen zu Bildergeschichten evoziert sowie ein Lesekorpus aus Frage/ Antwort-Paaren und ein kleines spontansprachliches Korpus (Nacherzählen einer Geschichte) erstellt. Zusätzlich zu den Produktionsdaten wurde mit denselben Sprechern ein Akzeptabilitätstest durchgeführt, im Rahmen dessen vorgegebene Strukturen bezüglich ihrer Angemessenheit in vorgegebenen Kontexten zu bewerten waren. Für die hier interessierende Fragestellung sind die nachfolgend angeführten Ergebnisse relevant: - Weder die präverbale Position des fokussierten Subjekts ( F [S] F VO) noch die Verwendung des Spaltsatzes (4b) sowie der foco antepuesto-Konstruktion (4d) ist auf die kontrastive Fokuslesart beschränkt. - Bei Konstruktionen mit transitiven Verben lässt sich eine starke Tendenz zur präverbalen Platzierung fokussierter Subjekte ausmachen, wenn das Objekt als volle XP realisiert wird: In den Produktionsdaten wird von allen Versuchspersonen durchgehend F [S] F VO produziert (100%), während kein einziger Fall von VO F [S] F vorliegt (0%). Strukturen mit Subjektendstellung werden von den Sprechern beim Bewertungstest jedoch fast durchgehend als möglich, aber nicht als optimal klassifiziert; nur eine Versuchsperson stuft VO F [S] F als inakzeptabel ein (5,5%). - Bei klitischer Realisierung des Objekts besteht eine deutliche Tendenz zur postverbalen Stellung des fokussierten Subjekts: In den Produktionsdaten weist die Abfolge CL dO +V F [S] F eine Frequenz von 67% auf, die alternative Wortstellung F [S] F CL dO +V wird von 33% der Sprecher realisiert. Im Bewertungstest bevorzugen alle Informanten die Subjektendstellung; drei davon klassifizieren F [S] F CL dO +V wiederum als nicht akzeptabel (16,7%). - In DOKen mit zwei vollen Objekt-DPen und fokussiertem dO produzieren knapp zwei Drittel der Sprecher (64,3%) die Abfolge SViO F [dO] F , während gut ein Drittel (35,7%) der unmarkierten Satzgliedabfolge mit prosodischer Hervorhebung in situ (SV F [dO] F iO) den Vorzug gibt. Bei den Bewertungsdaten optieren 80% der Sprecher zugunsten von SViO F [dO] F und 20% für 6 Von den europäischen Versuchspersonen stammen 9 aus dem nord- und zentralspanischen Dialektraum, 5 aus Katalonien. Weiterhin sind die Stadtdialekte von Buenos Aires, Bogotá, San Salvador und Irapuato (Zentralmexiko) mit je einem Sprecher im Korpus vertreten. Bei allen Varietäten handelt es sich um SVO-Dialekte, d.h. um solche, bei denen die Abfolge VSO (Typ: Compró María un diario) keine adäquate Antwort auf die Frage ‘Was ist passiert? ’ darstellt. <?page no="271"?> Prosodisch motivierte Bewegungen im Spanischen 259 SV F [dO] F iO, wobei die jeweils andere Abfolge gleichfalls als akzeptabel klassifiziert wird. Die Verfahren syntaktischer Fokusmarkierung sind also deutlich weniger von eindeutigen Regularitäten geprägt, als es die Aussagen in der Literatur vermuten lassen. Kommen wir nun zur prosodischen Fokusmarkierung. Die Intonation des Spanischen ist wesentlich durch den Kontrast zweier Akzenttöne bestimmt, die sich in Bezug auf ihre Alignierungseigenschaften voneinander unterscheiden (eine Ausnahme bildet der argentinische Prestigedialekt Porteño, der ein grundlegend anderes Intonationssystem aufweist, vgl. Fn. 8). 7 Während der Tonhöhengipfel des pränuklearen, neutralen Akzenttons L*H aus dem Zeitfenster der metrisch starken Silbe heraus nach rechts verlagert wird (sog. late rise), erreicht der fokale Akzentton LH* den pitch peak bereits innerhalb derselben (sog. early rise; vgl. Sosa 1999, Face 2002). 8 Eine schematische Darstellung der beiden Akzenttöne ist in (5) gegeben: 7 Ich verwende hier und im Folgenden die gängigen Abkürzungen der AM-basierten Intonationsphonologie, die von nur zwei grundlegenden tonalen Elementen, einem Tiefton L (‚low’) und einem Hochton H (‚high’), ausgeht. Entsprechend der jeweiligen Funktion wird zwischen Akzent- und Grenztönen unterschieden: Während erstere mit metrisch starken Silben assoziieren und sowohl monoals auch bitonal sein können (der Asterisk * zeigt jeweils an, welcher Teilton mit der metrisch starken Silbe aligniert), markieren letztere die Ränder prosodischer Konstituenten. Hierbei ist wiederum zu differenzieren zwischen den sog. Phrasen- oder intermediären Grenztönen (Lbzw. H-), die die Grenzen sog. Intermediärphrasen (ip) signalisieren, und den (IP-)Grenztönen (L% bzw. H%), die mit den Rändern der in der prosodischen Hierarchie höher stehenden Intonationsphrase (IP) assoziieren. 8 Während fokales Material in standardnahen Dialekten grundsätzlich durch LH* gekennzeichnet wird, hat der Umkehrschluss, dass die Realisierung eines Akzenttons als early rise eindeutig auf Fokussierung der entsprechenden Konstituente schließen lässt, aufgrund von positionsbedingten Neutralisierungen keine Gültigkeit. So wird vor einer starken prosodischen Grenze, d.h. am Schluss der Intonationsphrase (IP) grundsätzlich ein early rise realisiert, auch wenn die dort platzierte Konstituente Bestandteil der Präsupposition ist (vorausgesetzt, der betreffende Akzentton wird nicht durch postfokale Deakzentuierung getilgt). Gleiches gilt für ultimabetonte Wörter wie beispielsweise compró: Auch hier wird unabhängig vom informationsstrukturellen Status der betreffenden Konstituente durchgehend LH* realisiert (Tendenz zur Tonrealisierung innerhalb des prosodischen Wortes). Die Intonation des Porteño-Spanischen unterscheidet sich deutlich von den übrigen Varietäten: Aufgrund der Besonderheit, dass im Porteño auch die pränuklearen, neutralen Akzenttöne den Tonhöhengipfel stets innerhalb des Zeitfensters der jeweiligen metrisch starken Silbe erreichen, ist hier kein grundlegender Alignierungskontrast zwischen unterschiedlichen Akzenttönen zu verzeichnen (Standardanalyse als H*, vgl. Toledo <?page no="272"?> 260 Christoph Gabriel (5) Alignierungseigenschaften der Akzenttöne standardnaher Varietäten LH* early rise L*H late rise σ * metrisch starke Silbe Man vergleiche die tonale Markierung des Subjekts in (6a vs. b); metrisch starke Silben, die als Ankerpunkte für Akzenttöne dienen, sind durch Unterstreichung hervorgehoben, Großschreibung kennzeichnet die Position des Nuklearakzents. Zusätzlich können im Falle des präverbal fokussierten Subjekts in (6b) die dem Nuklearakzent folgenden Akzenttöne getilgt werden (optionale postfokale Deakzentuierung, angezeigt mittels Durchstreichung); zwischen dem tiefen ip-Grenzton L-, der auf die Fokus-XP folgt, und der Schlusskontur L-L% bildet sich dann ein tiefes Plateau (Ortiz Lira 1995, Domínguez 2004, Gabriel 2006, 2007). (6) (Kontexte: ‘Was ist passiert? ’ ‘Was hat Maria gekauft? ’) a. F [María compró un DIArio] F . María compró F [un DIArio] F . | | | | | | L*H LH* LH* L*H LH* LH* (Kontext: ‘Julia hat die Zeitung gekauft.’) b. (( F [ Fok MaRÍa] F ) ip (compró el diario. ) ip ) IP | | | | | | LH* L- LH* LH* L- L% Strukturen mit neutraler Wortstellung und final platziertem Nuklearakzent (SVO, SVdOiO) sind in Bezug auf ihre informationsstrukturelle Gliederung potentiell mehrdeutig: So ist beispielsweise die Abfolge María compró un DIArio mit den drei unter (1) angeführten Fokuslesarten (enger bzw. weiter Fokus bzw. gesamtfokale Lesart) kompatibel. Eine Disambiguierung kann hier jedoch vorgenommen werden, indem am rechten Rand des präsupponierten Materials ein intermediärer Grenzton Hplatziert wird, der die ansonsten regelmäßig erfolgende, physiologisch bedingte Herabstufung vorausgehender Akzenttöne (sog. downstep) blo- 2000, Colantoni & Gurlekian 2004). Als Korrelate der tonalen Fokusmarkierung lassen sich im Porteño zum einen erhöhte Grundfrequenzwerte (F0), zum anderen frühe silbeninterne Alignierung ausmachen (Gabriel 2006). σ * σ σ tiefes Plateau <?page no="273"?> Prosodisch motivierte Bewegungen im Spanischen 261 ckiert (in 7 angezeigt durch ¡, vgl. Hualde 2002, 2005). Der Vorteil, dass sich auf diese Weise die Fokusdomäne auch bei neutraler Wortstellung eindeutig anzeigen lässt, wird also durch einen prosodischen Mehraufwand erkauft. (7) (Kontext: ‘Was hat Maria gemacht? ’) a. María ) ip F [compró un DIArio] F . weiter Fokus | | | | L*¡H H- LH* LH* (Kontext: ‘Was hat Maria gekauft? ’) b. María compró ) ip F [un DIArio] F . enger Fokus | | | | L*¡H L¡H* H- LH* Interessanterweise liegt tendenziell auch dann eine Kennzeichnung der Fokusdomäne durch ip-Phrasierung vor, wenn die enge Fokussierung durch die markierte Abfolge SViOdO anzeigt wird (vgl. Gabriel 2007: 274-282). (8) (Kontext: ‘Was hat Maria ihrem Bruder gegeben? ’) María le dio a su hermano ) F [un DIArio] F . SViO F [dO] F | | | | | L*¡H L¡H* L*¡H H- LH* Bezüglich der tonalen Fokusmarkierung lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die Korrespondenz von Fokus und Nuklearakzent (in standardnahen Varietäten realisiert als LH*) obligatorisch ist. Weitere Verfahren wie das Anzeigen der Fokusdomäne durch Intermediärphrasierung oder postfokale Deakzentuierung können optional hinzutreten. Gleichfalls als optional sind auch die zu Beginn dieses Teils besprochenen syntaktischen Bewegungsoperationen einzustufen, die prosodisch unmarkierte Strukturen mit satzfinalem Nuklearakzent wie VO F [S] F oder SViO F [dO] F erzeugen (vgl. 3a’, 3b’). Ziel einer angemessenen Modellierung muss es also sein, der in den Daten konstatierten Optionalität Rechnung zu tragen. Im folgenden Teil werden zunächst zwei neuere Herangehensweisen an prosodisch motivierte Bewegungsoperationen skizziert. 4 Fokusinduzierte Stellungsvarianten als Resultat prosodisch motivierter Bewegungen In derivationellen Ansätzen werden zur Herleitung informationsstrukturell bedingter Wortstellungsvarianten entsprechende Bewegungsoperatio- <?page no="274"?> 262 Christoph Gabriel nen angesetzt, wobei zwischen zwei Arten von Anhebungen, nämlich zwischen kernsyntaktischen und prosodisch motivierten Anhebungen, zu unterscheiden ist. Zur erstgenannten Gruppe zählt beispielsweise die Bewegung der fokussierten Objekt-DP in die satzinitiale Position bei einer foco antepuesto-Konstruktion wie (4d) F [ Fok Un DIArio] F le dio María a su hermano. Zubizarreta (1998: 100, 182) nimmt hier eine Anhebung nach [Spec, TP] an, die durch ein potentiell in T kodiertes Fokusmerkmal ausgelöst wird. 9 Für die Herleitung der Abfolge VO F [S] F (Compró un diario MaRÍa) postuliert Zubizarreta einen zweiten Typ von Bewegungsoperationen, die nicht durch den minimalistischen Überprüfungsmechanismus determiniert sind, sondern erfolgen, um das Dilemma zu lösen, das zwangsläufig eintritt, wenn eine in neutraler Wortstellung nicht-finale Konstituente wie das Subjekt in transitiven Konstruktionen fokussiert ist und damit qua FPR zum Träger des Nuklearakzents werden muss, der im Spanischen im unmarkierten Fall die am tiefsten eingebettete Konstituente trifft. Betrachten wir hierzu die in (9) gegebene Repräsentation, wo fokales Material durch [+F] und präsupponiertes durch [-F] gekennzeichnet ist. 10 (9) [ [+F] MaRÍa] [ [-F] compró [ [-F] un diario]]. Das [-F]-markierte Material wird nun in eine höhere Position bewegt, damit es in der linearen Abfolge der fokussierten Subjekt-DP vorausgeht. Ergebnis einer solchen Operation ist dann eine prosodisch unmarkierte Struktur mit finalem Nuklearakzent. Im konkreten Fall nimmt Zubizarreta (1998: 127) an, dass zunächst die (im Sinne des 1995er Mi- 9 Auch Reglero (2004: 163ff) fasst die Fokusvoranstellung als kerngrammatische Operation auf, nimmt jedoch eine linksperiphere FokP an, in deren Spezifikator die kontrastiv fokussierte XP bewegt werden muss (ähnlich: Grewendorf 2002: 228, Zagona 2002: 254). Gegen die Annahme eines Kopfes Fok im Rahmen eines artikulierten C- Systems à la Rizzi (1997) spricht jedoch zum einen die obligatorische Adjazenz von vorangestellter Fokus-XP und finiter Verbform (*Un F [ Fok DIArio] F María compró en el kiosco ‘Maria hat am Kiosk eine Zeitung gekauft.’) und zum anderen die enge prosodische Anbindung der fokussierten Phrase (im unmarkierten Fall gehören die initiale Fokus-XP und der restliche Satz ein und derselben Intonationsphrase an). Ich schließe mich daher der Auffassung von Barbosa (2001) und López (2002, in diesem Band) an, die für die Analyse des Spanischen auf die Annahme eines linksperipheren funktionalen Kopfes Fok verzichten. 10 Während Zubizarreta annimmt, dass pragmatische Merkmale auf einer gesonderten Repräsentationsebene, der sog. Σ -Struktur, den einzelnen Knoten zugewiesen werden, vermutet Mensching (2005b: 24), dass sie den Kategorien bereits bei der Entnahme aus dem Lexikon für eine bestimmte Enumeration als optionale Merkmale hinzugefügt werden. Vgl. auch D’Alessandro (in diesem Band). <?page no="275"?> Prosodisch motivierte Bewegungen im Spanischen 263 nimalistischen Modells durch ein starkes V-Merkmal in T ausgelöste) Anhebung des Verbs nach T erfolgt (woraus die Abfolge VSO resultiert; 10a) und dann in einem weiteren Schritt die gesamte VP links an vP adjungiert wird (vgl. 10b, hier aus Gründen der Übersichtlichkeit als Spur t i notiert). (10) a. [ TP Compró T [ vP María compró v [ VP compró el diario]]]. b. [ TP Compró T [ vP [ VP el diario] i [ vP María v compró t i ]]]. Da derartige Bewegungsoperationen nicht durch formale Merkmale gesteuert werden, sondern erfolgen, um den ansonsten unausweichlichen Konflikt zwischen der Fokusprominenzregel (FPR) und der Zuweisung des Nuklearakzents an die am tiefsten eingebettete Konstituente zu lösen, spricht Zubizarreta von p(rosodically motivated)-movement (1998: 29). Im Rahmen des Sonde-Ziel-Modells (Chomsky 2000, 2001; für eine grundlegende Einführung anhand romanischer Daten vgl. Mensching 2005a) lassen sich derartige phonologisch bestimmte Bewegungsoperationen wie folgt fassen. Wichtig ist, dass Chomsky (2001) Kopfbewegungen abweichend von der Konzeption des 1995er Minimalismus nicht in der Kerngrammatik, sondern in der Phonologischen Komponente ( Φ ) verortet. Maßgeblich hierfür ist die Beobachtung, dass Kopfbewegungen wie etwa die Anhebung des finiten Verbs nach T keine semantischen Effekte aufweisen: Ob das Verb in der vP-internen Basisposition verbleibt, wie es im Englischen der Fall ist ([ TP Mary T [ vP often eats apples]]), oder ob es, wie im Französischen, overt nach T bewegt wird ([ TP Marie mange T [ vP souvent mange des pommes]]), hat keinerlei Einfluss auf die Satzbedeutung ‘M. isst oft Äpfel’. Chomsky formuliert zusammenfassend: “[S]emantic effects of head raising in the core inflectional system are slight or nonexistent […] head raising is not part of narrow syntax” (Chomsky 2001: 37; für eine Gegenposition vgl. Matushansky 2006). Das Verb - bestehend aus Stamm und Affixen, zuzüglich eventueller Klitika (vgl. aber auch Pomino, in diesem Band) - kann an den von der Kette C-T-V+v determinierten Positionen realisiert werden (vgl. Zwart 2003 für germanische Sprachen); die VPinterne Basisposition hingegen steht wegen der Phasengrenze v*P hierfür nicht zur Verfügung. Welche der Positionen für die Realisierung der Verbform genutzt wird, ist wiederum einzelsprachlich festgelegt: Im Spanischen ist dies - ebenso wie im Französischen - vor dem Hintergrund der Adverbstellung die von T determinierte Position. 11 11 Im Englischen hingegen wird in einer solchen Sichtweise das Verb an der von v determinierten Position realisiert, im Deutschen wiederum unter C, und zwar gdw. diese Position nicht durch einen overten Komplementierer besetzt ist. <?page no="276"?> 264 Christoph Gabriel / ke/ / maria/ / a menudo/ / kom/ + / e/ / manTanas/ ke ma."ri.a "ko.me a me."nu.Do man."Ta.nas Φ (11) [ CP [ C que] [ TP María T [ vP a menudo [ vP V+v [ VP V manzanas]]]]] ‘dass Maria oft Äpfel isst’ Wichtig ist nun, dass pronominale Klitika, die aufgrund ihres Status als defizitäre Elemente nicht in den jeweiligen argumentalen Basispositionen verbleiben können, sondern sich obligatorisch an diejenige Kategorie „anlehnen“, welche die für die Instanziierung des Kasuswertes verantwortliche Sonde enthält, 12 stets gemeinsam mit der Verbform an der entsprechenden Position realisiert werden. Betrachten wir hierzu die pronominalisierte Variante von (3a’): (12) [ TP pro Expl Lo i compró+v T [ vP lo i [ vP MaRÍa compró+v [ VP compró t i ]]]]. Da das Verb compró zusammen mit dem klitischen Objektpronomen lo unter T realisiert wird, fällt - wenn die Löschung des EPP 13 durch das leere Expletivum pro Expl erfolgt und das Subjekt overt in der Basisposition [Spec, vP] verbleibt - der Satzakzent auf die am weitesten rechts plat- 12 Die für die Instanziierung des Kasuswertes Akkusativ verantwortliche Sonde befindet sich im funktionalen Kopf v, der Bestandteil des verbalen Clusters [V+v+T] ist; vgl. im Einzelnen Gabriel & Müller (2005). 13 Ich nehme an, dass im Spanischen die präverbale Position [Spec, TP] bei unmarkierter Lesart durch Konstituenten von unterschiedlichem syntaktischen Status besetzt werden kann, die allesamt die Fähigkeit aufweisen, das EPP-Merkmal von T zu löschen. Hierzu zählen das leere Subjektpronomen pro (bei Konstruktionen mit intransitiven Verben wie F [pro Duerme] F ‘Er/ sie schläft’), das leere Expletivum pro Expl (falls das Subjekt das einzige overt realisierte Argument ist und an der VP-internen Basisposition verbleibt wie in F [pro Expl Baila mi sobrina] F ‘Meine Nichte tanzt’), das Subjekt (falls eine weitere VP-interne Konstituente in der Struktur präsent ist wie in F [Mi sobrina baila el papel del cisne negro] F ‘Meine Nichte tanzt die Rolle des Schwarzen Schwans’), Experiencer-Argumente wie in F [A Juan le encantan las óperas de Verdi] F ‘Juan mag die Opern Verdis’ sowie bestimmte Adverbien und Lokalangaben (Todos los días compra Juan el diario ‘Jeden Tag kauft Juan die Zeitung’, En este bar escribió Max su primera novela ‘In dieser Bar schrieb Max seinen ersten Roman’, Zubizarreta 1998: 100f). Neuere Überlegungen zur Eliminierung des EPP-Merkmals aus dem derivationellen Apparat finden sich in Epstein & Seely (2006). Generell zu den Expletiva, vgl. auch Veenstra (in diesem Band). <?page no="277"?> Prosodisch motivierte Bewegungen im Spanischen 265 zierte Konstituente. Es resultiert daraus also eine prosodisch unmarkierte Struktur mit finalem Nuklearakzent. Ich schlage nun vor, dieses Vorgehen auch auf volle Objekt-DPen auszuweiten, und nehme an, dass die Verbform nicht nur klitische, sondern auch volle Objekte „mit sich nehmen kann“. In einer solchen Sichtweise muss, damit bei einer Konstruktion mit einem vollen Objekt das fokussierte Subjekt am rechten Rand der Intonationsphrase erscheint, nicht nur das phonologische Material der Verbform, sondern auch das des [-F]-markierten Objekts unter der von T determinierten Position realisiert werden. Dies lässt sich - syntaktisch gesprochen - als Inkorporation der Objekt-XP in den verbalen Kopf fassen. Es kann also gesagt werden, dass sich unter bestimmten Bedingungen, nämlich dann, wenn eine prosodisch unmarkierte Struktur erzeugt werden soll, volle Objekte auf PF genauso verhalten können wie Klitika (für einen ähnlichen Lösungsvorschlag zum dänischen Scrambling, vgl. Erteschik-Shir & Strahov 2004). Da die Objekt-DP, anders als ein adverbales Klitikon, nicht der verbalen Kette C-T-V+v angehört, spreche ich hierbei von der Realisierung kettenfremden Materials unter T. Betrachten wir nun die Herleitung der Abfolge VO F [S] F Compró el diario F [MaRÍa] F im Strukturbaum; kettenfremdes Material ist durch Unterstreichung hervorgehoben. (13) Hält man sich vor Augen, dass die in (13) skizzierte Derivation wegen der zusätzlich anzunehmenden Inkorporation weniger ökonomisch ist als die Herleitung der (syntaktisch) unmarkierten Abfolge SVO, dann ist es kaum verwunderlich, dass in den Daten eine starke Tendenz zugunsten der präverbalen Position des fokussierten Subjekts zu verzeichnen ist (vgl. Teil 2). Um die vP-externe Realisierung von el diario zu ermöglichen, muss angenommen werden, dass das entsprechende phonologische Material mit dem Abschluss der vP an den Phasenrand bewegt wird (äußerer DP el diario V compró VP V + v compró v' Spec,vP MaRÍa vP T' Spec,TP [EPP] pro Expl TP T compró el diario Realisierung unter T <?page no="278"?> 266 Christoph Gabriel Spezifikator; das vergleichbare Vorgehen bei dem Klitikon lo ist oben in (12) skizziert). Problematisch ist an der skizzierten Herangehensweise jedoch, dass sich auf diese Weise kaum der in den Daten beobachteten Variation Rechnung tragen lässt. Wie bereits in Teil 2 betont, sind neutral fokussierte Subjekte keineswegs grundsätzlich in satzfinaler Position platziert. Vielmehr stellt die Subjektendstellung nur bei Konstruktionen mit klitischen Objekten den Regelfall dar (Typ: Lo compra María. ‘Maria kauft es.’ Se lo da María. ‘Maria gibt es ihm.’), während die Sprecher bei Sätzen mit vollen Objekt-DPen entgegen den Voraussagen des Modells nach Zubizarreta (1998) neutral fokussierte Subjekte vorzugsweise präverbal platzieren. Es scheint also beim Sprecher eine deutliche Abneigung zu bestehen, unter T mehr phonetisches Material zu realisieren als unbedingt notwendig. Als Faustregel lässt sich formulieren: Je mehr nicht-verbales Material in der von T determinierten Position realisiert werden muss, um die Endstellung einer qua FPR hervorgehobenen XP (hier: des fokussierten Subjekts) zu bewerkstelligen, umso eher nehmen die Sprecher in Kauf, dass eine prosodisch markierte Struktur produziert wird. Werfen wir nun einen Blick auf die Modellierung von fokusinduzierter Wortstellungsvariation im Rahmen der klassischen OT. Auch hier stützen sich die Analysen auf den Zusammenhang von Prosodie (Zuweisung des Satzakzents) und Syntax (Abweichung von der Basiswortstellung durch Bewegungen). Die Vorgehensweise sei hier exemplarisch anhand von Gutiérrez Bravo (2002) illustriert, der die Endstellung des fokussierten Subjekts in Me regaló la botella de vino F [MaRÍa] F ’Maria hat mir die Flasche Wein geschenkt’ herleitet, indem er annimmt, dass im Spanischen die Constraints S TAY und S UBJ , welche Bewegungsoperationen bzw. Strukturen mit nicht overt besetzter Subjektposition [Spec, TP] ausschließen, hierarchisch tiefer anzusiedeln sind als die Beschränkung NSR (Nuclear Stress Rule), die dann verletzt wird, wenn ein nicht-final platzierter Satzakzent vorliegt. Auf diese Weise werden Sätze mit in situ fokussiertem Subjekt wie * F [MaRÍa] F me regaló la botella de vino ausgeschlossen; vgl. hierzu das vereinfachte Tableau nach Gutiérrez Bravo (2002: 51): (14) NSR S UBJ S TAY a. F [MaRÍa] F me regaló la botella de vino. *! * b. Me regaló la botella de vino F [MaRÍa] F . * * Ebenso wie auch bei der zuvor skizzierten derivationellen Herangehensweise ist der Zusammenhang zwischen Fokus, Satzakzent und Wortstellung eindeutig geregelt: Ist eine bei neutraler Abfolge nicht-finale Kon- <?page no="279"?> Prosodisch motivierte Bewegungen im Spanischen 267 stituente aufgrund der FPR Trägerin des Nuklearakzents, dann muss eine syntaktische Bewegung erfolgen bzw. die durch Bewegung „optimierte“ Struktur (14b) geht als siegreicher Kandidat aus der Evaluation hervor. Problematisch ist nach wie vor die Frage nach dem Umgang mit Optionalität, die ebenso wie im derivationellen Rahmen konzeptionell ausgeschlossen ist: Auch hier müssen zur Herleitung von unterschiedlichen Outputformen, die in ein und demselben Kontext auftreten können, miteinander konkurrierende Grammatiken (hier: Beschränkungshierarchien) angenommen werden. Dies ist in der beiden Modellen innewohnenden Binarität begründet: Im derivationellen Rahmen ist ein bewegungsauslösendes Merkmal wie etwa das EPP-Merkmal in den funktionalen Kategorien v, T oder C entweder vorhanden (dann erfolgt eine Bewegung) oder es ist nicht vorhanden (dann erfolgt keine Bewegung). Ebenso hat eine Regel wie beispielsweise die Vermeidung prosodisch markierter Strukturen durch Realisierung kettenfremden Materials unter T entweder Gültigkeit (dann resultiert VO F [S] F ) oder sie hat keine Gültigkeit (dann bleibt die Basisabfolge erhalten: F [S] F VO). In gleicher Weise kann im klassischen OT-Rahmen ein Constraint A einen Constraint B entweder dominieren (Ranking A » B) oder von ihm dominiert werden (Ranking B » A). Graduelle Unterschiede, wie sie zur Modellierung der in Teil 2 genannten Tendenzen vonnöten sind, lassen sich weder auf die eine noch auf die andere Weise ausdrücken. Wünschenswert ist jedoch ein Modell, das Optionalität in wohl definierten Bereichen als integralen Bestandteil der Grammatik auffasst. Einen möglichen Lösungsweg bietet hier der Ansatz nach Boersma & Hayes (2001). 5 Optionalität und minimalistische OT Im Folgenden skizziere ich einen Vorschlag zur Modellierung fokusinduzierter Wortstellungsvariation, der darauf abzielt, die konstatierte Optionalität mit einzubeziehen. Abschließend exemplifiziere ich die Herangehensweise anhand des fokussierten Subjekts in transitiven Strukturen sowie des fokussierten Objekts in DOKen. 5.1 Optionalität in OT: Das Modell der überlappenden Beschränkungen Es wurde bereits gesagt, dass die klassische OT in Bezug auf die Modellierung von Optionalität in gleichem Maße problematisch ist wie derivationelle Herangehensweisen. Auch die meisten jüngeren Versuche, Sprachvariation im Sinne von „echter“ Optionalität (Müller 2003) in OT <?page no="280"?> 268 Christoph Gabriel adäquat zu beschreiben, konnten das skizzierte Problem nur scheinbar lösen. Dies gilt sowohl für die Annahme der „schwimmenden Beschränkungen“ (sog. Floating Constraints, Reynolds & Nagy 1994), die in einer ansonsten festen Beschränkungshierarchie an verschiedenen Stellen intervenieren können und somit von Evaluation zu Evaluation einen anderen Kandidaten als optimal bewerten können, als auch für die Weiterentwicklung dieser Idee bei Anttila (2002), der innerhalb der Hierarchie ein Stratum mit in sich ungeordneten Constraints annimmt. Wie auch bei Reynolds & Nagy (1994) können hier aus ein und derselben Grammatik unterschiedliche Rankings abgeleitet werden, die dann wiederum unterschiedliche Siegerformen hervorbringen, jedoch lässt sich hierbei ebenso wenig wie im Floating Constraints-Modell ausdrücken, dass eine von mehreren Varianten wahrscheinlicher ist als die konkurrierenden Strukturen. Genau dies ist jedoch vonnöten, wenn man die Platzierung des fokussierten Subjekts in Sätzen mit vollen Objekt-DPen (vorzugsweise präverbal) bzw. mit klitischen Objekten (vorzugsweise vP-intern) in Betracht zieht. Der entscheidende Vorteil des Modells von Boersma & Hayes (2001) liegt darin, dass anstelle einer strikten Hierarchie mit der sog. Continuous Ranking Scale (CRS) eine kontinuierliche Skala angenommen wird, auf der jedem Constraint ein bestimmter Ranking Value zukommt und aus der das jeweils aktuelle Ranking abgeleitet wird. So lässt sich, anders als in den zuvor erwähnten Modellen, ausdrücken, dass z.B. die Constraints B und C „näher beieinander“ liegen als etwa die Constraints A und B. Zum Erfassen von Optionalität wird angenommen, dass im Moment der Evaluation einer Kandidatenmenge zu jedem Ranking Value nach dem Zufallsprinzip ein positiver oder negativer Wert addiert wird, welcher wiederum den (jeweils nur für die aktuelle Evaluation gültigen) Selection Point determiniert. Da jeder Constraint die gleiche Standardabweichung (Gaußsche Normalverteilung) aufweist, ist der Bereich, innerhalb dessen der konkrete Selection Point liegen kann, für jede Beschränkung gleich groß. Liegen nun die Ranking Values zweier Beschränkungen B und C so dicht beieinander, dass sich ihre Bereiche auf der Skala überlappen, dann kann es geschehen, dass für eine konkrete Evaluation ein Ranking abgeleitet wird, welches die Hierarchie der beiden Constraints umdreht, d.h. dass also nicht B » C, sondern C » B resultiert. Die Wahrscheinlichkeit hiervon steigt, je größer der Überlappungsbereich von B und C auf der Skala ist. Man vergleiche die nachfolgende schematische Darstellung mit einem Kandidaten b, der Constraint B, und einem weiteren Kandidaten c, der Constraint C verletzt (beide Kandidaten verletzen Constraint A nicht; Selection Points sind durch kursive Kleinbuchstaben angegeben): <?page no="281"?> Prosodisch motivierte Bewegungen im Spanischen 269 (15) Ranking: A»B»C Optimaler Kandidat: c (häufiges Resultat) Ranking: A»C»B Optimaler Kandidat: b (seltenes Resultat) Im folgenden Abschnitt skizziere ich das angenommene Gesamtmodell. 5.2 Skizze des Gesamtmodells Ich nehme an, dass die zu evaluierenden Strukturen gemäß dem minimalistischen Sonde-Ziel-Modell aufgebaut werden. Dabei gehe ich davon aus, dass die Bewegung von F [S] F nach [Spec, TP] eine kernsyntaktische Operation ist (Löschung des EPP-Merkmals), während postverbale Subjekte in ihrer Basisposition [Spec, vP] verbleiben. Die Abfolgen VO F [S] F und SViO F [dO] F resultieren als Φ -syntaktische Bewegungsoperation aus der Realisierung kettenfremden Materials gemeinsam mit der Verbform unter T. Die Basiskonfiguration vP (der sog. Lexical Layer) dient als Input für den Generator GEN (vgl. Prince & Smolensky 2004: 5ff), der jeweils nach Merge des Functional Layers (Aufbau des I- und C-Bereichs) mithilfe sämtlicher möglicher kern- und Φ -syntaktischer Operationen die zu evaluierende Kandidatenmenge erstellt, deren Umfang durch die Anzahl der gemäß den minimalistischen Prinzipien potentiell möglichen Bewegungsoperationen wiederum begrenzt ist. Dies stellt einen Vorteil gegenüber der klassischen OT-Herangehensweise dar, die von einem prinzipiell unbegrenzten Kandidatenset ausgeht. Die auf diese Weise erzeugten Stellungsabfolgen - für den Fall des fokussierten Subjekts sind dies: F [María] F compró un diario, Compró F [María] F un diario und Compró un diario F [María] F - werden jeweils mit sämtlichen potentiell möglichen F0-Konturen assoziiert, die sich aus dem als zugrunde liegend angenommenen Repertoire von Akzenttönen (L*H, LH*) ergeben, z.B. F [MaRÍa] F compró un diario, F [María] F compró un DIArio etc. In einem letzten Schritt wird die Kandidatenmenge gemäß dem in (15) skizzierten Modell evaluiert: Aufgrund der angenommenen Überlappungseigenschaften bestimmter Beschränkungen können bei verschiedenen Evaluationsvorgängen jeweils andere Outputformen als optimal bewertet werden. Im folgenden Abschnitt exemplifiziere ich das Modell anhand zweier Beispiele. C ONSTRAINT A a b C ONSTRAINT B C ONST . C c C ONSTRAINT A a b c C ONSTRAINT B C ONST . C <?page no="282"?> 270 Christoph Gabriel 5.3 Fokussierte Subjekte und fokussierte Objekte in DOKen Die nachfolgend aufgelisteten Constraints sind relevant. (16) a. S TRESS F OC (SF): Eine fokussierte Konstituente ist prosodisch prominenter als eine präsupponierte. b. A LIGN F OC (AF): Der rechte Rand einer fokussierten XP stimmt mit dem rechten Rand einer Intonationsphrase (IP) überein. c. F ULL I NT (FI): „Parse lexical conceptual structure” (Grimshaw & Samek- Lodovici 1998); Verletzung u.a. durch Expletiva. d. S TAY - Φ : Kein kettenfremdes Material. 14 e. M ATCH F OC : Die Ränder der Fokusdomäne entsprechen den Rändern einer prosodischen Einheit ≥ ip. f. A VOID (ip): Jeder IP entspricht genau eine ip. Nimmt man an, dass AF auf der CRS höher anzusiedeln ist als FI, dass sich die beiden Beschränkungen jedoch überlappen, dann lässt sich korrekt vorhersagen, dass CL+V F [S] F Lo compró F [MaRÍa] F das häufigere und F [S] F CL+V F [MaRÍa] F lo compró das seltenere der beiden möglichen Resultate ist. Da AF und FI wiederum von S TAY - Φ dominiert werden, wird bei der Evaluation einer Struktur mit voller Objekt-DP die Variante mit initial fokussiertem Subjekt ( F [S] F VO) als optimal bewertet. Um jedoch der Tatsache Rechnung zu tragen, dass in seltenen Fällen durchaus auch VO F [S] F Compró el diario F [MaRÍa] F resultieren kann, ist von einem geringen Überlappungsbereich zwischen S TAY - Φ und AF auszugehen. Betrachten wir hierzu das relevante Tableau (Kennzeichnung der hier interessierenden Überlappung von Constraints durch doppelte Umrandung). (17) SF S TAY - Φ AF FI a. F [MaRÍa] F compró el diario. *(! ) b. pro Expl Compró el diario F [MaRÍa] F . ***(! ) * c. F [María] F compró el DIArio. *! Man beachte, dass Kandidat (17c) in jedem Fall wegen der Verletzung der undominierten Beschränkung SF ausgeschlossen wird (obligatorische Korrespondenz von Fokus und Nuklearakzent, vgl. Teil 2). Bewertet man nun eine DOK mit fokussiertem dO nach den in (17) exemplifizierten 14 Da in Bezug auf die Realisierung kettenfremden Materials der quantitative Aspekt eine Rolle spielt, wird pro Silbe eine Verletzung angenommen und dementsprechend ein Stern vergeben. Auf diese Weise lässt sich erfassen, dass etwa die Realisierung eines „schweren“ Objekts unter T wie in Compró [ Obj un diario muy interesante] MaRÍa (7 „kettenfremde Silben“ und damit 7 Verletzungen) deutlich weniger akzeptabel ist als die entsprechende Φ -syntaktische Bewegungsoperation, die bei Compró [ Obj el diario] MaRÍa anzusetzen ist (3 Verletzungen). <?page no="283"?> Prosodisch motivierte Bewegungen im Spanischen 271 Rankings, resultiert entweder die Abfolge mit Fokussierung in situ (3b) María le dio F [un DIArio] F a su hermano (Teilranking S TAY - Φ » AF) oder die durch p-movement (Realisierung kettenfremden Materials unter T) erzeugte Variante (3b’) María le dio a su hermano F [un DIArio] F (Teilranking AF » S TAY - Φ ). Wie aber lässt sich der Tatsache Rechnung tragen, dass p-movement beim fokussierten dO (3b’) akzeptabler ist als in Sätzen mit fokussiertem Subjekt (3a’)? Der Grund scheint darin zu liegen, dass (3a’) zusätzlich zur Verletzung von S TAY - Φ gegen FI verstößt. Ein mögliches Teilranking FI » S TAY - Φ würde nun iO F [dO] F besser bewerten als VO F [S] F . Um ein solches Ranking ableiten zu können, muss also zusätzlich ein Überlappungsbereich FI/ S TAY - Φ angenommen werden. Es resultiert also die in (18) skizzierte CRS: (18) Berücksichtigt man schließlich noch, dass bei (8) María le dio a su hermano) ip F [un DIArio] F die Fokusdomäne optional durch einen intermediären Grenzton Hangezeigt wird, müssen zwei weitere, sich überlappende Constraints in Betracht gezogen werden: Während M ATCH F OC fordert, dass die Ränder der Fokusdomäne mit denjenigen einer prosodischen Konstituente vom Rang mindestens einer ip (Intermediärphrase) übereinstimmen, bestraft A VOID (ip) die prosodisch aufwändige Segmentierung einer Intonationsphrase (IP) in mehrere Intermediärphrasen (ip). Wird für eine konkrete Evaluation das Teilranking M ATCH F OC » A VOID (ip) abgeleitet, dann resultiert eine Struktur, in der die Fokusdomäne nicht nur durch die Wortstellung (Abfolge SViOdO), sondern auch durch ip-Phrasierung angezeigt wird. 6 Zusammenfassung Ziel des Beitrags war es aufzuzeigen, dass sowohl die derivationelle Herangehensweise als auch die klassische OT für die Modellierung von Optionalität unzureichend sind. Die hier betrachteten empirisch erhobenen Daten zur fokusinduzierten Wortstellungsvariation legen es jedoch nahe, eine gewisse Variabilität in das Grammatikmodell mit einzubeziehen. Ein vielversprechender Schritt in diese Richtung kann in der Kombination des minimalistischen Ansatzes mit dem optimalitätstheoretischen Overlapping S TAY - Φ A LIGN F OC F ULL I NT S TRESSFOC <?page no="284"?> 272 Christoph Gabriel Constraints-Modell gesehen werden, das die notwendige Flexibilität bietet, aus einer einzigen Grammatik in einem wohl definierten Bereich konkurrierende Formen herzuleiten, und damit Optionalität nicht als Aporie, sondern als integralen Bestandteil der Grammatik auffasst. 7 Literatur Anttila, Arto (2002): “Variation and Phonological Theory.” In: Jack K. Chambers, Peter Trudgill & Nathalie Schilling-Estes (Hgg.): The Handbook of Language Variation and Change. Malden, Mass.: Blackwell, 206-243. Barbosa, Pilar (2001): “On Inversion in Wh-Questions in Romance.” In: Aafke C. J. Hulk & Jean-Yves Pollock (Hgg.): Subject Inversion and the Theory of Universal Grammar. Oxford: OUP, 20-59. 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I shall show that some agreement and interpretational patterns of Italian impersonal si and European Portuguese a gente constructions are unexplainable within the current generative the ory. I shall therefore argue for the existence of an additional set of features encoding pragmatic/ deictic information. This feature set, which I call the σ -set (cf. D’Alessandro 2004), is responsible for the so-called semantic agreement phenomena that have often been considered as solely acting in the pragmatic component of the grammar (Wechsler & Zlatić 2001). I propose instead that pragmatic information is encoded syntactically, in the σ -set, which appears at least in personal pronouns. 1 Einleitung In dem vorliegenden Artikel 1 möchte ich zeigen, dass einige Kongruenzphänomene nicht durch die traditionelle Agreement-Theorie erklärt werden können. Der Artikel ist wie folgt gegliedert: Im verbleibenden Teil dieser Einführung soll kurz der theoretische Hintergrund erläutert werden. In Abschnitt 2 werden einige problematische Daten präsentiert, an denen gezeigt werden kann, dass manche als allgemeingültig angesehene Annahmen vielfach unzulänglich sind. In Abschnitt 3 wird eine Gruppe zusätzlicher Merkmale vorgeschlagen, nämlich die sogenannten σ -Merkmale; diese werden benötigt, um die hier diskutierten Phänomene zu er- 1 Dieser Beitrag wurde von den Herausgebern aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt. Ich möchte Luigi Rizzi, Adriana Belletti, Ian Roberts, Andrew Nevins und Artemis Alexiadou für hilfreiche Anmerkungen danken. Alle Fehler bleiben natürlich die meinen. <?page no="290"?> 278 Roberta D’Alessandro klären. In Abschnitt 4 werden mögliche Anwendungen der σ -Merkmale skizziert. Schließlich werden in Abschnitt 5 die Ergebnisse zusammengefasst. 1.1 Theoretischer Hintergrund: Match und Agree Dem in Chomsky (1999) entworfenen Modell zufolge müssen syntaktische Ausdrücke an der Schnittstelle zwischen dem syntaktischen und den anderen Systemen, d.h. dem phonologischen und dem logischen System, interpretierbar sein. Mit anderen Worten: Damit eine syntaktische Äußerung interpretierbar ist, darf sie an den Schnittstellen zu den anderen Systemen keine uninterpretierbaren Merkmale mehr aufweisen. Chomsky (1999) schlägt einen Tilgungsmechanismus für uninterpretierbare Merkmale vor, der wie folgt beschrieben werden kann: ϕ -Merkmale, d.h. syntaktische Merkmale wie Genus, Numerus und Person, können ohne Wertbelegung erscheinen und daher an der Schnittstelle uninterpretierbar sein. Solche Merkmale müssen aber einen Wert erhalten und möglichst getilgt werden, damit die syntaktische Struktur an den Schnittstellen interpretierbar bleibt. ϕ -Merkmale sind normalerweise an lexikalischen Köpfen interpretierbar (d.h. mit einem Wert belegt) und an funktionalen Köpfen hingegen uninterpretierbar. Der italienische Lexikoneintrag casa (‚Haus’) z.B. hat die interpretierbaren Merkmale [Numerus: Singular] und [Genus: Feminin], aber ein noch nicht mit einem Wert belegtes Kasusmerkmal. Damit Merkmale mit Werten versehen werden können, muss zwischen den ϕ -Merkmalen verschiedener Knoten die Operation Match ausgeführt werden. Match findet zwischen einer Sonde und ihrem Ziel statt, sobald erstere in die Derivation gelangt. Sobald Match erfolgt ist, kann Agree operieren. Bei der Agree-Operation können Merkmale ohne Wert (also uninterpretierbare Merkmale) einen Wert erhalten und aus der Narrow Syntax gelöscht werden. Nach Chomsky (1999) ist die Domäne einer Sonde der von ihr c-kommandierte Bereich. Eine Spezifikator-Kopf-Konfiguration ist keine Voraussetzung für Agreement-Operationen mehr; Agreement kann auch über eine längere Entfernung hinweg stattfinden. Lokalitätsbeschränkungen betreffen lediglich das kürzeste C-Kommando. In diesem Artikel werde ich zeigen, dass das Konzept der ϕ -Merkmale, wie es von Chomsky (1999) gebraucht und seither allgemein für das generative Modell akzeptiert wird, nicht ausreicht, um bestimmte Kongruenzphänomene des Italienischen und des europäischen Portugiesisch zu erklären. Deshalb postuliere ich eine zusätzliche Reihe von Merkma- <?page no="291"?> Syntaktische und pragmatische Merkmale 279 len, die σ -Merkmale, die pragmatische Informationen hinsichtlich der aktuellen Konversationsteilnehmer syntaktisch kodieren können. Die Evaluierung der σ -Merkmale funktioniert genauso wie Agree. Einem Vorschlag von Uriagereka (1999) sowie einer bestehenden Tradition zufolge (Aygen 2002, Zeijlstra 2004) werde ich diese Operation Concord nennen. Concord ist eine syntaktische Operation, die für die Evaluierung der pragmatischen σ -Merkmale sowie für Adjektiv- und Partizipialkongruenz verantwortlich ist, welche normalerweise an einen lokaleren Kontext gebunden ist. Bevor ich meinen Vorschlag unterbreiten werde, stelle ich im Folgenden zunächst einige Daten vor, die nicht mit der aktuellen Merkmalstheorie analysiert werden können. 2 Die problematischen Daten In den letzten Jahren haben die Merkmalsbündel der Personalpronomen viel Aufmerksamkeit erfahren. In einem jüngeren Aufsatz haben Harley & Ritter (2002) gezeigt, dass ein System, das nur auf Person-, Genus- und Numerusmerkmalen beruht, nicht ausreicht, um die Merkmalskonfigurationen morphologisch komplexer Pronomen zu beschreiben. Harley & Ritter schlagen eine Merkmalsgeometrie vor, die dem Grad der Markiertheit von Merkmalen Rechnung trägt, vgl. (1): (1) pronoun participant individuation speaker addressee group minimal class augmented animate inanimate/ neutral feminine masculine Harley & Ritter zufolge gelten für Pronomen mindestens zwei große Untergruppen von Merkmalen: Partizipant (also Sprecher und Hörer) und Individuation (also Numerus- und Genusmerkmale). Die Sprecher- und Hörerknoten entsprechen offensichtlich der 1. und 2. Person; die 3. Person dagegen ist nach Harley & Ritter unmarkiert. Die Merkmalsgeometrie von Harley & Ritter ist in vielerlei Hinsicht aufschlussreich: Sie unterstreicht die Notwendigkeit, komplexe interne Strukturen für Pronomen zu postulieren, und sie identifiziert verschie- <?page no="292"?> 280 Roberta D’Alessandro dene Klassen, die üblicherweise nicht berücksichtigt werden, wenn man ϕ -Merkmale nur als Genus-, Numerus- und Personmerkmale behandelt. Die Merkmalsgeometrie von Harley & Ritter behandelt jedoch keine unpersönlichen Pronomen. Unpersönliche Pronomen stellen eine große Herausforderung für jede Theorie dar, die Pronomen als festgelegte Merkmalsbündel behandelt, da ihre Interpretation starker kontextabhängiger Variation unterworfen ist. Betrachten wir beispielsweise den Kontrast zwischen (2) und (3): (2) Lui è simpatico. er-3. SG . M . sein-3. SG . sympathisch- SG . M . ‘Er ist sympathisch.’ (3) Se vuoi essere simpatico, wenn pro-2. SG . wollen-2. SG . sein sympathisch- SG . M . pro-2. SG . devi essere anche ricco. müssen-2. SG . sein auch reich- SG . M . ‘Wenn du sympathisch sein willst, musst du auch reich sein.’ ‘Wenn man sympathisch sein will, muss man auch reich sein.’ Wenn Satz (2) „aus heiterem Himmel“ geäußert wird, dann muss der Referent von lui, ‚er’, deiktisch festgelegt sein. Dem allgemeinen Verständnis nach ist der Referent von lui weder der Sprecher noch der Hörer und es handelt sich um ein männliches Lebewesen. Die Rolle der pragmatischen Komponente besteht darin, den Referenten von lui gemäß der syntaktischen Informationen, die das Personalpronomen zur Verfügung stellt, zu identifizieren. Diese Argumentation hat jedoch einen Schwachpunkt, der sich zeigt, wenn man semantische Kongruenzphänomene in Betracht zieht, die die Eins-zu-eins-Korrespondenz zwischen Personalpronomen und ihren Referenten in Frage stellen. Betrachten wir nochmals Beispiel (3). Wer ist hier der Referent von pro? Ist es der Hörer oder eine generische Person? Die Tatsache, dass pro in Sätzen wie (3) verschiedene Referenten haben kann, untergräbt die Vorstellung einer Eins-zu-eins-Korrespondenz zwischen Personalpronomen und ihren Referenten. Man könnte jedoch behaupten, dass die pragmatische Komponente je nach Kontext zwei verschiedene Referenten identifiziert, da hier weder ein Unterschied hinsichtlich der Subjekt-Verb-Kongruenz noch bezüglich des Kasus zu beobachten ist. Im Folgenden werde ich eingehend zeigen, dass die Eins-zu-eins-Korrespondenz zwischen Pronomen und ihren Referenten nicht immer auf- <?page no="293"?> Syntaktische und pragmatische Merkmale 281 rechterhalten werden kann und dass weitere Merkmale postuliert werden müssen. 2.1 Die Pragmatik-Syntax-Schnittstelle Dem im vorigen Abschnitt aufgezeigten Problem könnte man entgegenhalten, dass die pragmatische Komponente nicht mit der Syntax interagiert, da ja keine Anzeichen einer Interaktion an den lexikalischen Elementen sichtbar werden. In der jüngeren Forschungsliteratur ist jedoch oft behauptet worden, dass pragmatische Information syntaktisch vermittelt werden muss (Sigurðsson 2002, 2004, Bianchi 2003, Speas 2004). Dass der Referent eines Pronomens irgendwo innerhalb der syntaktischen Komponente kodiert sein muss, wird ersichtlich, wenn wir das folgende Genusphänomen betrachten, vgl. (4): (4) Tu sei simpatica. du-2. SG . sein-2. SG . sympathisch- SG . F . ‘Du bist sympathisch.’ Wenn das Genus des Referenten nicht in der Syntax kodiert wäre, wie könnten dann die Kongruenzmerkmale am Adjektiv erscheinen? Noch offensichtlicher ist der Fall der Kongruenz bei unpersönlichen si- Konstruktionen im Italienischen, vgl. (5): (5) Si è andati fuori a cena. SI sein-3. SG . gehen- PART . PERF . PL . M . aus zu (Abend-)Essen ‘Wir sind zum Essen ausgegangen.’ Beispiel (5) ist in zweierlei Hinsicht interessant: Erstens steht das Hilfsverb im Singular, während das Partizip Perfekt im Plural steht. Zweitens bedeutet das unpersönliche si in (5) ‚wir’, d.h. es hat eine inklusive Lesart. Die inklusive Lesart von si muss nicht immer auftreten, vgl. (6): (6) Si arriva sempre tardi se si prende il treno. SI ankommen-3. SG . immer spät wenn SI nehmen-3. SG . den Zug ‘Man kommt immer zu spät, wenn man mit dem Zug fährt.’ Der Kontrast zwischen (5) und (6) zeigt klar, dass die Referenten von si variieren können. Man könnte argumentieren, dass die ‚wir’-Interpretation von si in der generischen Interpretation mit einbegriffen ist, da die generischen Referenten von si den Sprecher und den Hörer als Teil des Universums mit einschließen. In Abschnitt 2.2 wird jedoch gezeigt werden, dass die inklusive Lesart von si unabhängig von der generischen Interpretation ist. Wenn si in (5) und (6) zwei verschiedene Referenzmengen <?page no="294"?> 282 Roberta D’Alessandro hat, dann gibt es also keine Eins-zu-eins-Korrespondenz zwischen dem Pronomen und seinen Referenten. Im folgenden Abschnitt werde ich zeigen, dass die beiden genannten Lesarten voneinander unabhängig sind und dass die pragmatische Information in der Syntax kodiert sein muss. 2.2 Die inklusive Lesart von italienischem si Das italienische Pronomen si hat also, wenn es unpersönlich gebraucht wird, mindestens zwei Referenzmengen. Es wurde oft argumentiert, dass die inklusive Referenzmenge von unpersönlichem si eine Untermenge der generischen Referenzmenge sei: Da ‚man’ oder ‚die Leute’ nicht näher spezifiziert sei, könne es auch den Sprecher mit einschließen. Ich möchte zeigen, dass dem nicht so ist. Chierchia (1995) zufolge führt unpersönliches si eine Variable in den Diskurs ein, die über menschliche Wesen rangiert. Wenn si eine generische Lesart hat, ist die Variable durch einen Allquantor gebunden. Manchen Forschern zufolge (Napoli 1976, Belletti 1982, Burzio 1986) ist die inklusive ‚wir’-Lesart nur eine Variante dieser universal-generischen Interpretation, da der Sprecher in das Universum der am Ereignis Teilnehmenden mit eingeschlossen ist. Das kann aber so nicht stimmen, da die inklusive Lesart von unpersönlichem si unabhängig von der generischen Interpretation existiert. Cinque (1995) und Kratzer (2000) schlagen eine Reihe von Diagnosekriterien für die inklusive Lesart vor, von denen ich einige hier aufführen werde. Nach Kratzer (2000) können nur inklusive Pronomen eine prädikative NP lizensieren. Die Anwesenheit einer subjektbezogenen prädikativen NP erzwingt für Pronomen sogar die inklusive Lesart. Im folgenden Beispiel (7), das direkt von Kratzer (2000: 4) übernommen und für diesen Beitrag ins Italienische übersetzt wurde, ist si klar inklusiv, da es mit der prädikativen NP come guardiani della legge (‚als Hüter des Gesetzes’) koreferieren kann. Dies ist in (8) nicht so: Si ist hier nicht inklusiv und kann daher nicht mit der prädikativen NP come guardiani della legge koreferieren. Das Beispiel ist ungrammatisch. <?page no="295"?> Syntaktische und pragmatische Merkmale 283 (7) Come guardiani della legge, si è als Hüter von-dem Gesetz SI sein-3. SG . stati obbligati a sein- PART . PERF . PL . M . verpflichten- PART . PERF . PL . M . zu controllare l’osservanza di tutti i regolamenti. kontrollieren die Einhaltung von allen den Vorschriften ‘[Als Hüter des Gesetzes] waren wir verpflichtet, die Einhaltung aller Vorschriften zu überwachen.’ (8) *Come guardiani della legge, mi si è als Hüter von-dem Gesetz mir- DAT . SI sein-3. SG . spiegato che non posso vivere qui. erklären- PART . PERF . SG . M . dass nicht können-1. SG . leben hier ‘[Als Hüter des Gesetzes] erklärte man mir, dass ich hier nicht leben könne.’ Der Unterschied zwischen (7) und (8) macht deutlich, dass si in manchen Kontexten tatsächlich eine inklusive Lesart hat, während es in anderen keine solche Lesart erlaubt. Diese Tatsache lässt vermuten, dass die inklusive Lesart keine pragmatische Spezifizierung einer generischen Lesart sein kann, sondern dass sie tatsächlich eigenständig existiert. Cinque (1995) gibt einige syntaktische Tests an, die zwischen inklusivem und generischem si unterscheiden. Ihm zufolge ist inklusives si inkompatibel mit arbiträr verwendbaren Elementen in der 3. Person wie z.B. se stess- (‚sich selbst’) und propri- (‚eigene/ r’), vgl. (9): (9) *Amici! Un minuto fa si è stati Freunde eine Minute vor SI sein-3. SG . sein- PART . PERF . PL . M . abbandonati a se stessi. überlassen- PART . PERF . PL . M . zu sich selbst ‘Freunde! Vor einer Minute sind wir uns selbst überlassen worden.’ (Cinque 1995: 159, Bsp. 60a) Darüber hinaus kann inklusives si mit emphatischen Pronomen in der 1. Person Plural erscheinen und ein linksversetztes Pronomen oder ein Relativpronomen in der 1. Person Plural wieder aufnehmen: (10) (Noi i ) si i è andati fuori a cena wir SI sein-3. SG . gehen- PART . PERF . PL . M . aus zu (Abend-)Essen (anche noi i ). auch wir ‘Auch wir sind Essen gegangen.’ Dies gilt für die generische Lesart nicht, vgl. (11): <?page no="296"?> 284 Roberta D’Alessandro (11) ? ? Si i arriva sempre tardi anche noi i se si i SI ankommen-3. SG . immer spät auch wir wenn SI prende il treno. nehmen-3. SG . den Zug ‘Wir kommen immer zu spät, wenn wir mit dem Zug fahren.’ Der Satz (11) ist regionalspezifisch markiert. Im Toskanischen kann er geäußert werden, 2 er gilt aber als viel „schlechter“ als das Beispiel (10) im Standarditalienischen. Es lässt sich hier abschließend festhalten, dass die inklusive Lesart von unpersönlichem si unabhängig von der generischen Interpretation existiert und dass daher das unpersönliche si eine Herausforderung für solche Theorien darstellt, die eine Eins-zu-eins-Korrespondenz zwischen Pronomen und ihren Referenten annehmen. Si hat tatsächlich mehr als eine Referenzgruppe. Darüber hinaus lässt die Tatsache, dass si ein disloziertes Pronomen wie in (10) binden kann, vermuten, dass diese Inklusivität in der syntaktischen Komponente kodiert und daher nicht ein rein pragmatischer Effekt ist. Eine weitere sehr interessante Evidenz für die Tatsache, dass ϕ -Merkmale allein nicht ausreichen, die Kongruenzmuster unpersönlicher Pronomen zu beschreiben, liefert das europäische Portugiesisch mit a gente (‚Leute’, ‚wir’). A gente ist ein unpersönliches Pronomen, das syntaktisch im Feminin Singular steht, wie der entsprechende Determinierer zeigt. Dennoch sind die Kongruenzmuster, die a gente im europäischen Portugiesisch hervorruft, überraschend, vgl. (12): (12) A gente está cansados. a gente sein-3. SG . müde- PL . M . ‘Die Leute sind müde.’ In (12) ruft a gente syntaktische Kongruenz mit dem Adjektiv im Maskulin Plural hervor. Es ist offensichtlich, dass ein solches Kongruenzmuster schwer zu erklären ist, wenn man nur ϕ -Merkmale berücksichtigt. Wenn allein ϕ -Merkmale die Adjektivkongruenz in (12) bestimmen würden, dann stünde das Adjektiv im Feminin Singular statt im Maskulin Plural. 2 Aus Gründen der Kürze werde ich hier das Toskanische nicht berücksichtigen. Das Toskanische hat einen viel weitreichenderen Gebrauch von unpersönlichem si als das Standarditalienische. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass das Toskanische die verbale Form der 1. Person Plural verloren und diese durch die unpersönliche si-Form ersetzt hat (Adriana Belletti, persönliche Mitteilung). <?page no="297"?> Syntaktische und pragmatische Merkmale 285 3 σ -Merkmale Im vorigen Abschnitt wurde gezeigt, dass ϕ -Merkmale nicht ausreichen, um die syntaktische Variation von unpersönlichen si-Konstruktionen im Italienischen und die Kongruenzmuster von a-gente-Konstruktionen im europäischen Portugiesisch zu beschreiben. Ich möchte hier vorschlagen, dass eine weitere Gruppe von Merkmalen für Personalpronomen zuständig ist, nämlich die σ -Merkmale. Diese Merkmale kodieren pragmatischdeiktische Informationen über die aktuellen Teilnehmer eines Sprechereignisses in der Syntax. Betrachten wir wieder das unpersönliche si: Die folgenden Merkmale werden üblicherweise als dessen ϕ -Merkmale angenommen (Belletti 1982, Cinque 1988, Dobrovie-Sorin 1998): • Person: 3. • Numerus: kein Numerus • Genus: kein Genus 3 Dennoch variiert die Referenzmenge für unpersönliches si, wie wir oben gesehen haben. Weitere Informationen sind nötig, um die Referenzmenge von si zu identifizieren und seine Bindungsrelationen zu lizensieren. Betrachten wir also die semantisch-pragmatische Information, die si trägt. 3.1 Belebtheit Unpersönliches si referiert immer auf menschliche Wesen. Diese Eigenschaft wurde oft als „Belebtheit“ bezeichnet (Anagnostopoulou 2002, Ormazabal & Romero 2002). Ich will dieser Definition folgen, den Leser jedoch darauf aufmerksam machen, dass „Belebtheit“ und „menschliche Belebtheit“ nicht dasselbe sind. Unpersönliches si kann sich in einem Satz wie (13) nur auf Menschen, nicht auf Tiere beziehen: (13) Qui si abbaia tutto il giorno. hier SI bellen-3. SG . ganzen den Tag ‘Hier bellen den ganzen Tag Leute/ *Hunde.’ Wir schließen daraus, dass si ein σ -Merkmal [+menschlich] trägt. 3 Für eine Erklärung dieser Merkmale wird der Leser auf D’Alessandro (2004) verwiesen. <?page no="298"?> 286 Roberta D’Alessandro 3.2 Numerus Was die Bestimmung des Numerusmerkmals für si betrifft, folge ich Chierchia (1995), der eingehend für die semantische Mehrzahl von si plädiert. Si identifiziert immer eine Gruppe von Leuten, die den Sprecher einschließen mag oder nicht. In einem Satz wie (14) kann si nie auf eine einzelne Person verweisen, selbst wenn die Spezifizierung durch das possessive Adjektiv eine solche Lesart erzwingen würde: (14) A casa mia si mangia bene. bei Haus mein SI essen-3. SG . gut ‘Bei mir zuhause isst man gut.’ Wir können daraus schließen, dass si semantisch-pragmatisch Plural trägt. 3.3 Person Das Personmerkmal von unpersönlichem si wird seit langem diskutiert. Cinque (1988) zufolge hat si ein arbiträres Personmerkmal, welches den Satz mit einem generischen bzw. arbiträren Subjekt versieht. Cinque betrachtet dies als ein syntaktisches Personmerkmal. Wenn die Unterscheidung zwischen syntaktischen und semantischen Merkmalen gilt, kann man jedoch auch annehmen, dass die Arbitrarität den semantischen und nicht den syntaktischen Bereich betrifft. In der Tat scheint es sehr plausibel zu sein, si syntaktisch der 3. Person zuzuordnen, da es immer Kongruenz mit der 3. Person am Verb hervorruft, wie all unsere bisherigen Beispiele zeigen. Pragmatisch ist si jedoch nicht 3. Person. Es bedeutet nicht ‚jemand, der nicht der Sprecher oder Hörer ist’. Es bedeutet, in Abhängigkeit von dem Kontext, in dem es erscheint, ‚Leute’ oder ‚man’ oder ‚wir’. Wie in Abschnitt 2.1 gezeigt, variiert die Interpretation von si zumindest zwischen einer generischen und einer inklusiven Lesart. In beiden Fällen identifiziert si eine Gruppe menschlicher Individuen. Diese Gruppe kann den Sprecher einschließen, muss es aber nicht. Was hier also variiert, ist das semantische Personmerkmal von si. In D’Alessandro (2004) wurde eingehend dafür argumentiert, dass die Lesartenvariation für unpersönliches si in striktem Zusammenhang mit der Eigenschaft der Abgrenzung des Ereignisses steht, das durch das Verb ausgedrückt wird. Wenn das Ereignis begrenzt ist, d.h. wenn es, entsprechend der von Iatridou et al. (2003) gegebenen Definition, einen Anfang und ein Ende hat, ergibt sich für si eine inklusive Lesart. Daher <?page no="299"?> Syntaktische und pragmatische Merkmale 287 sei hier angenommen, dass das σ -Personmerkmal von unpersönlichem si unterspezifiziert ist und dass es seine Spezifizierung im Laufe der Derivation erhält. Wie dies vor sich geht, zeige ich in Abschnitt 4. 3.4 Genus Das semantische Genusmerkmal von si hängt strikt vom Genus der Individuen ab, auf die si referiert. Es kann maskulin sein, wenn die Gruppe aus männlichen oder aus männlichen und weiblichen Individuen besteht, oder es kann feminin sein, wenn die Gruppe nur aus Frauen besteht. Um nun einen Vorschlag für das Genusmerkmal von si unterbreiten zu können, möchte ich den Begriff des „disjunkten Merkmals“, wie er von Wechsler & Zlatić (2001) vorgeschlagen worden ist, einführen: (15) Ein disjunktes Merkmal ist ein Merkmal, das jeden möglichen Wert für dieses Merkmal beinhaltet. Ein disjunktes Genusmerkmal hat also sowohl den maskulinen als auch den femininen Wert. Ich möchte vorschlagen, dass das Genusmerkmal von si disjunkt ist. Es hat daher einen Doppelwert, d.h. es beinhaltet alternativ, in Abhängigkeit von dem Referenten von si, beide Werte. Im Folgenden sind die σ -Merkmale von si zusammengefasst: • Belebtheit: MENSCHLICH • Numerus: PLURAL • Person: UNTERSPEZIFIZIERT • Genus: MASKULIN + FEMININ 4 σ -Merkmale „in Aktion“: Unpersönliches si im Italienischen und a gente im europäischen Portugiesisch Es wurde oft argumentiert (vgl. z.B. Cinque 1988), dass sich die inklusive Lesart von unpersönlichem si in Kontexten mit spezifischer Zeitreferenz ergibt. D’Alessandro (2004) zufolge reicht jedoch eine spezifische Zeitreferenz nicht aus, um eine inklusive Lesart herbeizuführen. Sie zeigt insbesondere, dass sich die inklusive Lesart von si aus der Begrenzung des Ereignisses ableitet (Iatridou et al. 2003, vgl. 3.3). Bevor die Derivation und der Evaluierungsmechanismus der σ -Merkmale vorgestellt wird, sollen einige Annahmen eingeführt werden, auf denen die hier vorgestellte Analyse beruht. Zunächst nehme ich, gemäß jüngster Vorschläge von Sigurðsson (2002) und Bianchi (2003), eine Sprechaktphrase an, welche die aktuellen Informationen hinsichtlich der <?page no="300"?> 288 Roberta D’Alessandro Sprechaktteilnehmer kodiert. Wenn zum Beispiel das Argument eines Ereignisses ein Personalpronomen in der 1. Person ist, dann wird dieses Pronomen seine pragmatische/ deiktische Spezifizierung (nämlich der aktuelle Sprecher) durch eine Verankerung in der SprechaktP erhalten. Bianchi (2003) skizziert für solch eine Spezifizierung ein Modell der Merkmalsüberprüfung. Sie schlägt vor, dass lexikalische Personalpronomen in der 1. und 2. Person mit dem Kopf der SprechaktP abgeglichen werden müssen, damit das Pronomen interpretiert werden kann. Ich möchte dieser Argumentation folgen und vorschlagen, dass die SprechaktP die σ -Merkmale bezüglich Sprecher/ Hörer evaluiert. In Bezug auf das Ereignis nehme ich jüngeren Vorschlägen von Iatridou et al. (2003) und Giorgi & Pianesi (2004) zufolge an, dass sich bei einem unbegrenzten Ereignis ein Merkmal [unbegrenzt] ([unbounded]) im Kopf der Aspektphrase befindet. Dieses Merkmal besagt, dass ein Ereignis keine Begrenzung hat. Ist das Ereignis begrenzt, nehme ich an, dass das Merkmal [unbegrenzt] in der Enumeration fehlt. In diesem Fall befindet sich also kein Merkmal im Kopf der Aspektphrase. Ich schlage vor, dass, wenn das Ereignis unbegrenzt ist, das unterspezifizierte Personmerkmal eine Concord-Beziehung mit dem Merkmal [unbegrenzt] eingeht; dies ergibt eine generische Interpretation. Ist das Ereignis jedoch begrenzt, kann das unterspezifizierte Merkmal mit keinem relevanten Merkmal des Aspektkopfes in eine Concord-Beziehung treten, da der Aspektkopf ja kein Merkmal beinhaltet (vgl. 4.1). Das Personmerkmal wird daher durch den Sprechaktkopf, der die Sprecher-Hörer-Werte für das Personmerkmal trägt, mit einem Wert versehen. Dies ergibt eine inklusive Lesart. 4 4.1 Eine Derivation mit σ -Merkmalen Im vorigen Abschnitt wurde dargelegt, dass das unpersönliche si im Italienischen verschiedene Referenzmengen hat, die von der Begrenzungsspezifizierung des durch das Verb ausgedrückten Ereignisses abhängen. Es wurde auch für eine weitere Reihe von Merkmalen für Pronomen argumentiert. Diese Gruppe von Merkmalen, σ -Merkmale genannt, enthält 4 Was den Zusammenhang von generischer Person und Unbegrenztheit bei Ereignissen angeht, möchte ich an dieser Stelle auf Kapitel 5 von D’Alessandro (2007) verwiesen, wo die oben genannten Mechanismen ausführlich dargestellt werden. Eine detaillierte Ausführung an dieser Stelle würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. <?page no="301"?> Syntaktische und pragmatische Merkmale 289 syntaktisch kodierte semantisch-pragmatische Informationen und lizensiert die sogenannte semantische Kongruenz. Betrachten wir die Sätze (5) und (6), hier wiederholt als (16) und (17): (16) Si è andati fuori a cena. SI sein-3. SG . gehen- PART . PERF . PL . M . aus zu (Abend-)Essen ‘Wir sind zum Essen ausgegangen.’ (17) Si arriva sempre tardi se si prende il treno. SI ankommen-3. SG . immer spät wenn SI nehmen-3. SG . den Zug ‘Man kommt immer zu spät, wenn man mit dem Zug fährt.’ Wie in Abschnitt 4 gesagt, nehme ich an, dass sich ein Merkmal [unbegrenzt] im aspektuellen Kopf Asp befindet, wenn das Ereignis unbegrenzt ist. Die Satzstruktur, die ich nach Kempchinsky (2000) und Sigurðsson (2002) annehme, ist in (18) dargestellt; EP (Event Phrase) ist eine inneraspektuelle (Telizitäts-)Projektion, AspP stellt die Projektion dar, in der Satzaspekt angesiedelt ist, und SprechaktP kodiert die pragmatisch-deiktischen Informationen, die sich auf ein konkretes Sprechereignis beziehen: (18) SprechaktP Sprechakt TP T AspP Asp vP v EP E VP Wenn wir Satz (17) betrachten, können wir uns den Ablauf der Derivation wie folgt vorstellen: Unpersönliches si wird in der EP durch Merge mit der VP verbunden. 5 Es trägt das in 3.4 angegebene Merkmalsbündel. Insbesondere müssen seine σ -Personmerkmale mit Werten versehen werden. Wenn der Asp-Kopf durch Merge in der Derivation erscheint, trägt si noch ein unterspezifiziertes Merkmal. Das σ -Merkmalsbündel in si kann also mit dem Merkmal im Asp-Kopf abgeglichen werden. Es ergibt sich Concord und das σ -Personmerkmal von si erhält den Wert [unbegrenzt]. Das 5 Ich nehme an, dass unpersönliches si in der inneren Aspektprojektion EP durch Merge in die Derivation eingefügt wird. Der exakte Ort der Einfügung von si ist hier nicht relevant, daher werde ich ihn hier nicht diskutieren. <?page no="302"?> 290 Roberta D’Alessandro ergibt eine generische Lesart für si. Die der Derivation entsprechende Baumstruktur ist in (19) dargestellt: (19) TP T AspP Asp vP [unbegrenzt] v EP E VP si [arb] Wenn das Ereignis begrenzt ist, erscheint kein Merkmal [unbegrenzt] im Asp-Kopf. Das σ -Personmerkmal wird daher durch Concord mit dem Sprechaktkopf evaluiert, welcher den ihm am nächsten stehenden Wert eines σ -Personmerkmals, nämlich den Wert „[Sprecher-Hörer]“ enthält: (20) SprechaktP Sprechakt TP [Sprecher/ Hörer] T AspP Asp vP v EP E VP si [arb] Nach Concord trägt si ein σ -Numerusmerkmal [Plural], ein σ -Belebtheitsmerkmal [+menschlich] und ein σ -Personmerkmal [Sprecher-Hörer]. Es ergibt sich also die inklusive Lesart, da der Sprecher als Teilnehmer am Ereignis mit eingeschlossen ist, und si wird als ‚wir’ interpretiert. Zusammengefasst ergibt sich das folgende Bild: Die Evaluierung der semantischen Personmerkmale erfolgt über die Merkmalsevaluierung durch den Sprechaktkopf, der die Referenzmenge von si bestimmt. Das geschieht, wenn das Ereignis begrenzt ist und es kein Merkmal [unbegrenzt] im Asp-Kopf gibt. Der Sprechaktkopf kodiert deiktische Information, d.h. er weist dem Pronomen die Werte [Sprecher-Hörer] entsprechend den aktuellen Sprechereignis-Teilnehmern zu. <?page no="303"?> Syntaktische und pragmatische Merkmale 291 4.2 A gente im Portugiesischen Ein weiteres Beispiel für σ -Merkmalsevaluierung, die sich an syntaktischer Kongruenz zeigt, findet sich im Fall von a gente im europäischen Portugiesisch. Wie in (12), hier wiederholt als (21), dargelegt, löst a gente in portugiesischen Prädikativkonstruktionen Maskulin-Plural-Kongruenz mit dem Adjektiv aus, obwohl es morphosyntaktisch für [Feminin Singular] spezifiziert ist: (21) A gente está cansados. a gente sein-3. SG . müde- PL . M . ‘Die Leute sind müde.’ Für die Analyse von (21) werde ich dem Vorschlag von Costa & Pereira (2003) folgen, dem zufolge (21) eine Small Clause (SC) beinhaltet. Im Zusammenhang mit a gente unterscheiden Costa & Pereira zwischen syntaktischer und semantischer Kongruenz. Von ihrer Annahme ausgehend möchte ich dahingehend argumentieren, dass das, was sie syntaktische Kongruenz nennen, in Wirklichkeit Concord ist, welcher sich auf die σ - Merkmale bezieht. Concord besteht zwischen dem Adjektiv und a gente, während Agree zwischen der Kopula und a gente stattfindet. Die Ableitung von (21) ist in (22) wiedergegeben. Die σ -Merkmale sind in Majuskeln dargestellt, während die ϕ -Merkmale im Fettdruck erscheinen: (22) TP T SC está nr a gente cansados ps sg NR 3 rd GN PL MASC+FEM HUMAN In (22) findet Concord innerhalb der Small Clause statt. Das Adjektiv cansados hat uninstantiierte σ -Numerus- und Genusmerkmale, die mit den Werten der σ -Numerus- und Genusmerkmale von a gente abgeglichen werden. Das Adjektiv bekommt den Wert [Maskulin + Feminin], was im europäischen Portugiesisch bei gemischten Gruppen morphologisch maskulines Genus ergibt. Darüber hinaus bekommt es den Wert [Plural]. Agreement bei der Kopula dagegen zielt auf die ϕ -Merkmale ab. Das ϕ - Personmerkmal in T bekommt den Wert [3. Person], da a gente in der 3. Person steht. Das ϕ -Numerusmerkmal dagegen ist [Singular]. Die Arbeits- <?page no="304"?> 292 Roberta D’Alessandro teilung zwischen ϕ -Merkmalen und σ -Merkmalen liefert also eine direkte Erklärung für die hier diskutierten Phänomene. 5 Zusammenfassung Ein Kongruenzmechanismus, der nur auf ϕ -Merkmalen beruht, ist aus verschiedenen Gründen defizitär. In diesem Artikel habe ich gezeigt, dass manche Kongruenzphänomene nicht durch allein auf ϕ -Merkmale bezogene syntaktische Kongruenz erklärt werden können. Nach der Darstellung einiger problematischer Daten habe ich eine weitere Merkmalsreihe für Pronomen vorgeschlagen, die ich σ -Merkmale nenne. σ -Merkmale kodieren in der Syntax pragmatisch-deiktische Information bezüglich der aktuellen Teilnehmer des Sprechereignisses. Ich habe außerdem vorgeschlagen, dass Kongruenz zwischen σ -Merkmalen durch Concord stattfindet, eine ähnliche Operation wie Agree, welche sich aber auf die σ -Merkmale bezieht. Mit der Annahme dieser weiteren Gruppe von Merkmalen lassen sich komplexe Kongruenzphänomene, wie die Kongruenz im europäischen Portugiesisch bei a gente und die italienische Kongruenz in Konstruktionen mit unpersönlichem si, ohne weiteres erklären. Genauer gesagt verhält es sich so, dass sowohl das italienische si als auch das portugiesische a gente mit dem Adjektiv bzw. Partizip Perfekt des Satzes Concord eingehen und dadurch ihre σ -Merkmale instantiieren. Der offensichtliche Widerspruch in der Kongruenz zwischen einem Hilfsverb im Singular und einem Partizip Perfekt im Plural (oder zwischen einem Hilfsverb im Singular und einem Adjektiv im Plural in Prädikativkonstruktionen) beruht also auf der Tatsache, dass die Partizipialbzw. Adjektivkongruenz durch den Prozess Concord zustande kommt, der die σ - Merkmale betrifft, während Subjekt-Verb-Kongruenz durch den Agree- Mechanismus instantiiert wird, welcher sich auf φ-Merkmale bezieht. Entscheidend ist, dass bei den hier behandelten unpersönlichen Pronomen σ -Merkmale und φ-Merkmale nicht dieselben Werte haben, sodass die widersprüchlichen Kongruenzverhältnisse entstehen können. 6 Literatur Anagnostopoulou, Elena (2002): The syntax of ditransitives. Evidence from clitics. Berlin: Mouton de Gruyter. Aygen, Gulsat (2002): Finiteness, Case and Clausal Architecture. PhD Diss., Harvard University. <?page no="305"?> Syntaktische und pragmatische Merkmale 293 Belletti, Adriana (1982): “Morphological passive and pro-drop: The impersonal construction in Italian.” In: Journal of Linguistic Research 2, 1-34. Bianchi, Valentina (2003): “On the syntax of personal arguments.” Ms., Università di Siena. Burzio, Luigi (1986): Italian syntax. A government-binding approach. Dordrecht: Reidel. Chierchia, Gennaro (1995): “The variability of impersonal subjects.” In: Emmon Bach, Eloise Jelinek, Angelika Kratzer & Barbara H. Partee (Hgg.): Quantification in Natural Languages. 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The syntactic operations are hard-coded, while syntactic categories and their features can be configured freely and are saved to external language files, enabling the user to define the properties of the simulated language system without any modifications to the program code. The software runs on standard PC hardware and on almost all operating systems. 1 Einleitung Spätestens mit den in Derivation by Phase (Chomsky 1999) und Beyond Explanatory Adequacy (Chomsky 2001b) formulierten theoretischen Ansätzen wurde in der minimalistischen Syntax der Übergang von einer repräsentationsorientierten zur vollständig derivationellen Perspektive vollzogen. Die Entwicklung der Theorie ist so weit fortgeschritten, dass eine für die Computer-Simulation der minimalistischen Derivation ausreichende Formalisierung möglich ist. Mit Hilfe einer Computer-Simulation kann die Erzeugung von Baumdarstellungen auf der Basis benutzerdefinierter Enumerationen automatisiert und die dynamische Komponente der Derivation visualisiert werden. Dadurch wird das Testen von Hypothesen an einer größeren Anzahl von Beispielen erheblich vereinfacht. Der Einsatz eines Simulationsprogramms zwingt zur expliziten und vollständigen Formulierung der Prämissen und verhindert dadurch die Verwendung impliziter Annahmen oder das unbeabsichtigte Abweichen von den gewählten Voraussetzungen. In diesem Beitrag wird ein Computer-Programm vorgestellt, das die minimalistische Derivation gemäß den o.g. theoretischen Ansätzen simuliert, automatisch Baumdarstellungen für die einzelnen Derivationsschrit- <?page no="308"?> 296 Heidrun Völker te erzeugt, den Ablauf der Derivation mit interaktiven Steuerungsmöglichkeiten versehen am Bildschirm darstellt und den Export der Einzelschritte als Folge von Grafikdateien ermöglicht. Da die syntaktische Variation auf der unterschiedlichen Ausstattung der Einzelsprachen mit funktionalen Kategorien und formalen Merkmalen beruht, die syntaktischen Mechanismen jedoch als universell betrachtet werden, konnte ein Programm-Konzept entwickelt werden, bei dem nur der universelle Teil fest im Programmcode verankert wird, während das sprachspezifische Inventar an Kategorien und Merkmalen vom Anwender frei definiert werden kann. Auch für die Berücksichtigung neuer theoretischer Erkenntnisse, die funktionale Kategorien und ihre Eigenschaften betreffen, sind daher keine Änderungen am Programm erforderlich. Die Software wurde ursprünglich zusammen mit einer sprachspezifischen Konfiguration für das Spanische im Rahmen von Völker (2004) am Institut für Romanische Philologie der Freien Universität Berlin entwickelt. Eine leicht überarbeitete Fassung liegt in Völker (2006) vor. Die in diesem Beitrag beschriebene Programmversion wird vollständig über eine grafische Benutzeroberfläche bedient, sie ist auf jedem PC und unter nahezu jedem Betriebssystem lauffähig. Computerlinguistische Software zur Verarbeitung syntaktischer Strukturen ist i.d.R. entweder zum Entwickeln und Testen von Theorien (etwa das GBX-System von Lalande 1997) oder als Parsingsystem (z.B. PAPPI von Sandiway Fong 1 ) konzipiert. Solche Systeme sind für die Arbeit mit unterschiedlichen theoretischen Ansätzen ausgelegt, sind jedoch für viele Anwendungszwecke zu komplex. Effiziente Parser arbeiten darüber hinaus im Allgemeinen eher beschreibungsals erklärungsorientiert. Das hier vorgestellte Programm beschränkt sich auf das Generieren von Strukturen gemäß der aktuellen minimalistischen Theorie, ermöglicht in deren Rahmen jedoch auf einfache Weise Weiterentwicklungen des Inventars an funktionalen Kategorien. Abschnitt 2 dieses Beitrags gibt einen Überblick über den Stand der minimalistischen Theorie, auf dem die Software basiert. Daraus wird der mögliche Funktionsumfang der Simulation abgeleitet. In Abschnitt 3 werden die Details der Realisierung erläutert und auf vorgenommene Vereinfachungen und andere Einschränkungen hingewiesen. Abschnitt 4 behan- 1 Informationen zu PAPPI sind auf Fongs Homepage unter der Internet-Adresse http: / / dingo.sbs.arizona.edu/ ~sandiway/ (12.04.07) verfügbar. Dort wird auch ein neuer minimalistischer Parser angekündigt, der bereits Chomskys Sondenkonzept berücksichtigt. <?page no="309"?> Computer-Simulation minimalistischer Derivation 297 delt die Anpassung des Simulationsprogramms an verschiedene Einzelsprachen oder an alternative theoretische Ansätze. Abschnitt 5 gibt einen Ausblick auf geplante Erweiterungen. 2 Hintergrund und Konzept Die Simulations- und Visualisierungssoftware basiert auf dem Stand der Theorie, wie er im Minimalist Program (Chomsky 1995: Kapitel 4) dargestellt und dann in Minimalist Inquiries (Chomsky 2000), Derivation by Phase (Chomsky 2001a), Beyond Explanatory Adequacy (Chomsky 2001b) und On Phases (Chomsky 2008) konkretisiert, modifiziert und erweitert wurde. Für Detailfragen wurden zusätzlich Radford (2001) und Radford (2004) herangezogen. Das Sprachsystem bzw. die Faculty of Language verfügt über eine syntaktische, eine semantische und eine phonologische Komponente (vgl. Chomsky 2001a: 10f, 2001b: 1-5): Die syntaktische Derivation operiert auf der Enumeration, einer Auswahl lexikalischer Einheiten (engl. lexical items) aus dem Lexikon. Lexikalische Einheiten sind Bündel semantischer, phonologischer und formaler Merkmale. Die syntaktische Komponente erzeugt durch Anwendung der Operationen Merge, Agree und Internal Merge (früher Move) ein komplexes syntaktisches Objekt, das an die semantische und die phonologische Komponente zur weiteren Verarbeitung übergeben wird (Spell-Out). Die phonologische Komponente ist dabei relativ unabhängig und kann gegen ein anderes artikulatorisches System, etwa Gebärdensprache, ausgetauscht werden. Die Derivation verläuft zyklisch in Abschnitten, die als Phasen (engl. phases) bezeichnet werden. Die Enumeration besteht aus unabhängigen Teilmengen für die einzelnen Phasen, die nacheinander abgearbeitet werden (vgl. Chomsky 2001a: 11f). Die syntaktischen Operationen, die Struktur der lexikalischen Einheiten und die für menschliche Sprache insgesamt verfügbaren Merkmale werden von Chomsky als universell betrachtet (vgl. z.B. 2000: 100, 2005: 4). Für jede Einzelsprache werden beim Spracherwerb einmalig lexikalische Einheiten aus den verfügbaren Merkmalen gebildet und in das Lexikon eingetragen (dies gilt auch für die funktionalen Kategorien). Syntaktische Variation beruht daher auf dem Inventar an funktionalen Kategorien, die in einer Einzelsprache verfügbar sind, und deren Merkmalsausstattung (vgl. Chomsky 2001a: 2-12); sie ist demnach im Lexikon angesiedelt. <?page no="310"?> 298 Heidrun Völker Die Simulation umfasst die syntaktische Komponente, die auf einer vom Benutzer vorgegebenen Enumeration operiert. Für die Simulation des zyklischen Spell-Outs wurde die phonologische durch eine grafische Komponente zur Erzeugung von Baumdarstellungen ersetzt. Das Lexikon und die semantische Komponente sind nicht Bestandteil der Simulation. Die syntaktischen Operationen wurden fest im Programmcode verankert, während Kategorien und Merkmale in austauschbaren externen Sprachdateien festgelegt werden. Damit kann die Simulation ohne Programmierkenntnisse, durch einfaches Anlegen einer neuen Sprachdatei an verschiedene Einzelsprachen, alternative Hypothesen oder neue theoretische Erkenntnisse angepasst werden. Der Programmablauf sieht vor, dass zunächst eine Sprachdatei mit den gewünschten Eigenschaften erzeugt und dadurch die Sprache festgelegt wird, mit der die Simulation arbeiten soll. Für jede Derivation wird eine auf der gewählten Sprachdatei basierende Enumeration erstellt. Einmal erstellte Sprachdateien und Enumerationen können in separaten Dateien gespeichert und über das Programm-Menü wieder geladen werden. Sind Sprachdatei und Enumeration gewählt, kann die Simulation gestartet werden. 2 Für jeden Zwischenschritt der Derivation wird automatisch eine Baumdarstellung erzeugt und am Bildschirm ausgegeben, die Details 2 Simulationssoftware arbeitet intern i.d.R. mit anderen Algorithmen als das simulierte System, sodass lediglich das nach außen sichtbare Verhalten identisch ist. Da jedoch die sog. Objektorientierung, die sich als zentrales Konzept moderner Softwareentwicklung etabliert hat, unabhängig von informationstechnischen Belangen auch eine effiziente Strategie für die Darstellung linguistischen Wissens und linguistischer Prozesse darstellt (vgl. Rolshoven 1996), bietet sich für die Realisierung der Simulation die Verwendung einer objektorientierten Programmiersprache an. Solche Sprachen stellen nicht nur geeignete Datenstrukturen zur Verfügung, mit denen sich die Language Faculty adäquat abbilden lässt (vgl. Weisfeld 2000: 12-19, 23-31), auch die Designprinzipien für die objektorientierte Programmierung decken sich mit dem postulierten Aufbau des Sprachsystems (vgl. Weisfeld 2000: 82f): Ein Programm besteht aus miteinander interagierenden Objekten (entsprechend den Komponenten des Sprachsystems), die über Daten (Merkmale) und Methoden (syntaktische Operationen) verfügen. Alle Anforderungen an ein Objekt, die es zur Interaktion mit anderen Objekten erfüllen muss, sollten in die Definition der Schnittstellen gelegt werden. Die Schnittstellen eines Objekts beschreiben daher die Funktionen, die es für andere Teile des Systems bereitstellt. Attribute (Eigenschaften) und Methoden (Operationen) sind im Idealfall nur lokal innerhalb des jeweiligen Objekts verfügbar und für die übrigen Bereiche des Systems unzugänglich (vgl. Weisfeld 2000: 89f). Die Wahl fiel auf die Programmiersprache Java, weil sie neben der Objektorientierung den Vorteil der Plattformunabhängigkeit mitbringt, sodass die Software unabhängig vom Betriebssystem auf jedem Computer einsetzbar ist. <?page no="311"?> Computer-Simulation minimalistischer Derivation 299 der grafischen Darstellung orientieren sich an Radford (2004). Die Derivation kann beliebig oft schrittweise vorwärts und rückwärts durchlaufen oder als Animation abgespielt werden, ein Export in Form von Grafikdateien ist ebenfalls möglich. Voraussetzung für eine Computer-Simulation ist die hinreichende Formalisierbarkeit der Theorie, d.h. die syntaktischen Mechanismen und die Eigenschaften der syntaktischen Kategorien müssen konkret, vollständig und widerspruchsfrei beschrieben werden können. Erfüllen mehrere alternative Hypothesen diese Voraussetzung, liegen die Unterschiede häufig in der Ausstattung der funktionalen Kategorien mit formalen Merkmalen. In diesen Fällen können i.d.R. mehrere Ansätze in Form unterschiedlicher Sprachdateien berücksichtigt und miteinander verglichen werden. Sind wesentliche Details noch offen, muss dagegen auf eine Simulation der entsprechenden Teilbereiche der Theorie verzichtet werden. Aus diesem Grund wird die Derivation von Fragesätzen nicht simuliert: Es wird zwar angenommen, dass der Komplementierer in Fragesätzen über eine Sonde bestehend aus einem Q-Merkmal verfügt, als deren Ziel eine entsprechende Wh-Phrase fungiert, die Eigenschaften der beteiligten Merkmale und der genaue Funktionsmechanismus sind jedoch noch nicht in vergleichbarer Weise ausgearbeitet wie für die Sonden von T und v (vgl. Radford 2004: 419-425). Wenn die Funktionsweise eines syntaktischen Mechanismus noch nicht in allen Einzelheiten geklärt, das syntaktische Verhalten aber empirisch gut belegt ist, können in begrenztem Umfang Sonderfunktionen außerhalb der eigentlichen Simulation für den korrekten Ablauf der Derivation entsprechend den beobachteten Daten sorgen. Solche Sonderfunktionen stellen zwar eine lediglich formale Übereinstimmung mit der Datenlage her, können jedoch sinnvoll sein, wenn wichtige syntaktische Phänomene nicht vollständig aus der Simulation ausgeklammert werden sollen. So kann z.B. im Falle der Expletiva die Zuweisung von Merkmalswerten nach dem Sondenkonzept noch nicht vollständig erklärt werden, dennoch sollte die Software die Auswirkungen eines Expletivums auf den Derivationsverlauf darstellen können. Details, die den Kern der Theorie nicht betreffen, wurden zur Reduktion auf das Wesentliche vereinfacht. Beispielsweise ist es für die Analyse der Derivation nicht erforderlich, sämtliche Realisierungsmöglichkeiten für Verbargumente zu berücksichtigen; auch auf die interne Struktur nominaler und präpositionaler Ausdrücke kommt es in den meisten Fällen nicht an. In den folgenden Abschnitten wird jeweils darauf hingewiesen, wenn aus den hier genannten Gründen Teilbereiche der Theorie nicht im <?page no="312"?> 300 Heidrun Völker Funktionsumfang der Simulation enthalten sind oder Vereinfachungen vorgenommen wurden. Für eine detaillierte Zusammenstellung vgl. Völker (2006: 68-72). 3 Minimalismus in der Computer-Simulation Im Folgenden werden die Details der Simulation beschrieben. Hierbei wird jeweils der simulierte Ausschnitt der Theorie abgegrenzt und dann die Umsetzung im Programm erläutert. Die Funktionsweise der Software wird mit Hilfe von Screenshots am Beispiel der Raising-Konstruktion (1) aus dem Spanischen veranschaulicht. 3 (1) El materialismo parece ganar la batalla. der Materialismus scheint zu-gewinnen die Schlacht ’Der Materialismus scheint die Schlacht zu gewinnen.’ 3.1 Kategorien und Merkmale Beim Spracherwerb wird festgelegt, welche lexikalischen und funktionalen Kategorien in einer Sprache zur Verfügung stehen und welche syntaktischen Eigenschaften sie haben (vgl. Chomsky 2001a: 10, 2001b: 4). Zu den syntaktisch relevanten Eigenschaften zählen formale Merkmale und ihre möglichen Werte, kategorielle Selektionsoptionen, Sonden, mögliche Ziele und die Werte, die bei einer erfolgreichen Agree-Operation durch die Sonden vergeben werden. Diese sprachspezifischen Informationen, die eine Einzelsprache syntaktisch charakterisieren, werden der Simulation in einer vom Benutzer festzulegenden Sprachdatei zur Verfügung gestellt, die vor der Eingabe einer Enumeration geladen werden muss. Sprachdateien werden mit dem integrierten Sprachdesigner modifiziert oder neu erstellt (vgl. Abschnitt 4). Die hier verwendete Sprachdatei wurde ursprünglich (vgl. Völker 2006: 68-72) für die Analyse syntaktischer Phänomene des Spanischen 3 Das Beispiel stammt aus der elektronischen Ausgabe der mexikanischen Zeitschrift La Revista Peninsular, Ausgabe 636, vom 28.12.2001. Der Artikel mit diesem Titel ist im Internet abrufbar unter http: / / www.larevista.com.mx/ ed636/ opi7.htm. Die Derivation wird gemäß der Analyse von Raising-Konstruktionen durch Chomsky (2001a: 7-9, 16-20) und Radford (2004: 266-268, 313-321, 352-354) simuliert, wobei für den Nebensatz ein sondenloses T ohne EPP-Merkmal gemäß dem Vorschlag von Mensching und Remberger (2006) angenommen wird. Eine ausführliche Diskussion des Beispiels erfolgte in Völker (2006: 59-62, 83-100). <?page no="313"?> Computer-Simulation minimalistischer Derivation 301 im Rahmen des Sonden- und Phasenkonzepts (vgl. Mensching 2005, Mensching & Remberger 2006) entworfen. 3.2 Enumeration Die Enumeration enthält die lexikalischen Einheiten, die für die aktuelle Derivation gemäß der Sprecherabsicht aus dem Lexikon ausgewählt wurden, und besteht aus separaten Teilenumerationen für jede Phase der Derivation (vgl. Chomsky 2001b: 4). Nicht-interpretierbare Merkmale gelangen ohne Werte in die Enumeration, die Wertzuweisung 4 erfolgt im Laufe der Derivation (vgl. Chomsky 2008: 154, 2005: 17). In der Simulation ist die Enumeration als geordnete Liste von Elementen realisiert, die aus aufeinanderfolgenden Teillisten für die einzelnen Phasen besteht (vgl. auch Abschnitt 3.5). Enumerationselemente werden in der Bildschirmdarstellung durch ihre orthografische Realisierung (oder Ø für phonetisch leere Elemente) repräsentiert. Da kein Morphologiemodul integriert ist, müssen alle Formen voll flektiert eingegeben werden. Jedem Element wird eine Kategorie zugeordnet und es werden Werte für die zugehörigen Merkmale festgelegt. Soweit letztere ihre Werte erst während der Derivation erhalten, wird statt eines Wertes zunächst die Kennzeichnung „u“ (für unvalued) vergeben. Die Eingabe der Enumeration erfolgt über einen Eingabedialog, der das Anlegen und Verwalten von Phasen, die Eingabe von Enumerationselementen und die Zuordnung von Kategorien, Merkmalen und Merkmalswerten zu den einzelnen Elementen über Auswahllisten erlaubt. Die Abbildung in (2) zeigt die Teilenumeration für die erste Phase der Raising-Konstruktion (1). Sie umfasst neben dem lexikalischen Verb ganar und seinem direkten Objekt la batalla ein transitives light verb v mit einer vollständigen Sonde, bestehend aus den φ-Merkmalen [Person], [Numerus] und [Genus] (noch ohne Werte), sowie das externe Argument el materialismo: 4 Merkmale, die noch keinen Wert erhalten haben, werden im Folgenden auch als „nicht-instantiiert“ bezeichnet. <?page no="314"?> 302 Heidrun Völker (2) Eingabedialog für die Enumeration Die Teilenumeration für die zweite Phase von Beispiel (1) enthält das finite T (Raising-T) des Infinitivsatzes, das vom Raising-Verb parecer selegiert wird. Das intransitive light verb v des Matrixsatzes von Raising-Konstruktionen selegiert kein externes Argument und seiner Sonde fehlt das φ- Merkmal [Person]. v wird vom finiten T des Hauptsatzes selegiert, das eine unvollständige Sonde, bestehend aus dem einzelnen φ-Merkmal [Person], besitzt. Das letzte Element ist der Komplementierer C. Die vollständige Teilenumeration für die zweite Phase ist in Abb. (3) dargestellt: <?page no="315"?> Computer-Simulation minimalistischer Derivation 303 (3) Zweite Phase der Raising-Konstruktion (1) In der vorliegenden Programmversion erfolgt die Verarbeitung der Enumeration immer bottom-up in der Reihenfolge der Eingabe, die Einhaltung der Selektionsbedingungen wird geprüft. Bei der Eingabe ist daher auf die richtige Reihenfolge zu achten, die mit den Tasten unterhalb der Enumerationsliste geändert werden kann. Für Merkmale von Expletiva müssen feste Werte eingegeben werden, da die Wertzuweisung aufgrund des noch ungeklärten Mechanismus nicht simuliert werden kann. Einmal erstellte Enumerationen können für die spätere Verwendung als Datei gespeichert werden. 3.3 Operation Merge Merge ist die Grundoperation der Syntax (vgl. Chomsky 2001b: 6f, 2008: 137f). Sie erzeugt aus zwei syntaktischen Objekten ein neues, das als ungeordnete Menge bestehend aus den beiden ursprünglichen Objekten betrachtet werden kann und durch eines seiner beiden Bestandteile (das Label) repräsentiert wird. Soweit die Begriffe Komplement und Spezifikator noch verwendet werden, sind sie als Synonyme für „first-Merge“ und „later-Merge“ (Chomsky 2005: 14) zu verstehen. <?page no="316"?> 304 Heidrun Völker Das Label (vgl. Chomsky 2008: 141, 145f, 2005: 14) enthält die gesamte syntaktisch relevante Information, die für die weitere Verarbeitung erforderlich ist. Welches der beiden ursprünglichen Objekte das Label des neuen Objekts wird, ergibt sich nach einfachen Regeln. Komplexe syntaktische Objekte werden durch rekursive Anwendung der Operation auf das Ergebnis der vorherigen Merge-Operation erzeugt. Sobald nach der Eingabe einer Enumeration oder nach dem Laden einer vorbereiteten Enumerationsdatei die Simulation der Derivation gestartet wird, schaltet die Software vom Eingabemodus in den Präsentationsmodus um und beginnt, der Reihe nach Elemente aus der Enumeration in den Workspace einzusetzen und durch wiederholte Anwendung der Operation Merge eine hierarchische Baumstruktur zu erzeugen (Abb. 4). 5 Dabei wird noch keine Reihenfolge der durch Merge verknüpften Elemente festgelegt, dies erfolgt erst in der Grafikkomponente, welche die Bilder für die Ausgabe erzeugt. Die einzelnen Elemente werden mit ihrer orthografischen Repräsentation (phonetisch leere Kategorien mit dem Symbol Ø) und ihrer Kategorie bezeichnet. Merkmale werden darunter in eckigen Klammern notiert, ein vorangestelltes „u“ für unvalued kennzeichnet Merkmale ohne Wert (bspw. das noch nicht instantiierte Kasusmerkmal von la batalla in Abb. 4). Durch Merge erzeugte syntaktische Objekte werden mit der Kategorie des Labels (ohne Kennzeichnung der Projektionsebene) bezeichnet. 5 Im Folgenden werden statt des vollständigen Programmfensters die von der Software erzeugten Grafikdateien abgebildet. <?page no="317"?> Computer-Simulation minimalistischer Derivation 305 (4) Darstellung der Derivation am Bildschirm Alle Derivationsschritte können mit Hilfe der unterhalb des Ausgabefensters befindlichen Navigationselemente beliebig vor- und rückwärts durchlaufen oder als Animation abgespielt werden. 3.4 Sonden und die Operation Agree Nachdem ein neues syntaktisches Objekt erzeugt wurde, können vor der erneuten Anwendung von Merge weitere, interne Operationen stattfinden (vgl. Chomsky 2001b: 12-17, 2008: 141f). Diese werden durch eine Sonde (engl. probe) gesteuert, die Teil des Labels ist und ein Ziel (engl. goal) innerhalb des bisher konstruierten syntaktischen Objekts sucht. Eine Sonde ist ein Bündel nicht-instantiierter Merkmale, mögliche Ziele müssen über passende 6 Merkmale mit Werten verfügen und durch ein weiteres, nicht- 6 „Passend“ bedeutet (vgl. Chomsky 2001a: 5, 7 und 2001b: 16), dass dieselbe Auswahl an Merkmalen bei Sonde und Ziel vorhanden sein muss und dass ihre Werte sich nicht widersprechen. Letzteres trifft zu, wenn die Sondenmerkmale noch nicht instantiiert sind. Partielle Übereinstimmung führt zur Vergabe von Werten für die übereinstimmenden Merkmale, aber im Allgemeinen nicht zur Instantiierung des Zielmerkmals. <?page no="318"?> 306 Heidrun Völker instantiiertes Merkmal als aktiv gekennzeichnet sein. Bei einer erfolgreichen Agree-Operation instantiiert die Sonde ihre Merkmale mit den Werten des Ziels und weist dem Zielmerkmal ebenfalls einen (von der Art der Sonde abhängigen) Wert zu. Welche Merkmale eine Sonde bilden, welche das mögliche Ziel markieren und welchen Wert die Sonde dem Ziel zuweisen kann, wird in der Sprachdatei festgelegt. In der Bildschirmdarstellung wird der Suchpfad der Sonde durch gestrichelte Linien angezeigt, die nach Abschluss der Operation wieder durchgezogen dargestellt werden. Die Sonde übernimmt, soweit vorhanden, Werte für ihre nicht-instantiierten Merkmale vom Ziel und weist diesem einen Wert für sein nicht-instantiiertes Merkmal zu (vgl. Abb. 5). Hier erhält die vollständige Sonde des transitiven light verbs für ihre φ-Merkmale die Werte 3. Person Singular Femininum vom direkten Objekt la batalla und vergibt den Wert Akkusativ für dessen nicht-instantiiertes Kasusmerkmal. (5) a. Mergen der Sonde b. Zuweisen der Werte Eine Sonderbehandlung ist für Konstruktionen erforderlich, in denen CPen Argumente des Verbs realisieren und als Ziel einer Sonde fungieren. Solche Konstellationen sind grammatisch, obwohl CPen die für das Ziel einer Agree-Operation erforderlichen Eigenschaften (nicht-instantiiertes Kasusmerkmal, passende φ-Merkmale) fehlen. Angelehnt an Überlegungen von Radford (2001: Endnote x), der für solche Fälle eine „abstrakte“ Interpretation von Agreement mit Zuweisung von Default-Werten durch Konstituenten ohne φ-Merkmale vorschlägt, weist die Software der Sonde Standardwerte (3. Person Singular Maskulinum) zu und setzt die Derivation fort. Expletiva verfügen ebenfalls über eine Sonde, bestehend aus mindestens einem nicht-instantiierten φ-Merkmal (vgl. Chomsky 2001b: 13f). Da der Mechanismus der Wertzuweisung noch nicht abschließend geklärt ist, wird er nicht simuliert. Expletiva müssen daher bereits in der Enumeration mit konkreten Werten für ihre φ-Merkmale eingegeben werden. <?page no="319"?> Computer-Simulation minimalistischer Derivation 307 3.5 Phasen und Spell-Out Syntaktische Objekte werden nicht erst nach dem Abschluss der Derivation an die phonologische und semantische Komponente übergeben, sondern zyklisch in Abschnitten, die als Phasen bezeichnet werden (vgl. Chomsky 2001a: 11-15, 2001b: 4f, 2005: 16f). Phasen werden durch einen Phasenkopf (entweder C oder transitives 7 v) konstituiert, 8 der den Punkt für die Übergabe an Spell-Out markiert. Nicht-interpretierbare Merkmale, die einen Wert erhalten haben, werden an die semantische und phonologische Komponente übergeben und damit aus der Syntax entfernt. Nach erfolgtem Spell-Out ist nur noch der Rand der Phase (der Phasenkopf selbst und seine Spezifikatoren) für die Syntax sichtbar, die Domäne (das Komplement des Phasenkopfes) ist für syntaktische Operationen unzugänglich (vgl. Chomsky 2001b: 5f, 2001a: 14). Jede Phase verfügt über eine separate Teilenumeration, die genau einen Phasenkopf enthält (vgl. Chomsky 2001a: 11f). In der Software wird für jede Phase eine separate Enumerationsliste angelegt. Das Programm führt automatisch einen Spell-Out durch, sobald die zugehörige Teilenumeration geleert ist. Am Phasenkopf wird ein Marker gesetzt, an dem Sonden ihre Suche abbrechen. Die an Spell-Out übergebenen Konstituenten werden kursiv gesetzt (in den folgenden Derivationsschritten werden diese Merkmale dann vollständig ausgeblendet). Das Löschen nicht-interpretierbarer Merkmale, die in der gerade abgeschlossenen Phase einen Wert erhalten haben, wird durch Streichen des Merkmals symbolisiert. 9 In der Derivation von Beispiel (1) ist nach Einsetzen des externen Arguments die durch den Phasenkopf v konstituierte Phase abgeschlossen, das Komplement von v wird an Spell-Out überge- 7 In Derivation by Phase und Beyond Explanatory Adequacy wurde noch zwischen starken (C und transitives v) und schwachen Phasen (intransitives v) unterschieden, wobei Spell-Out nur nach starken Phasen erfolgt (vgl. Chomsky 2001a: 12-14, 2001b: 24f). Eine schwache Phase hat demnach keine sichtbaren Auswirkungen auf den Ablauf der Derivation, da sie auch nach ihrem Abschluss für die weitere syntaktische Verarbeitung zugänglich bleibt. Bereits in der ursprünglichen Programmversion wurden daher nur starke Phasen als eigene Teilenumerationen realisiert. 8 Ob D ebenfalls eine Phase bildet (vgl. Chomsky 2008: 143) wird hier nicht diskutiert, da die interne Struktur nominaler und präpositionaler Ausdrücke in der Simulation unberücksichtigt bleibt. D und P sind daher als Platzhalter für beliebig komplexe syntaktische Objekte zu verstehen, deren Erzeugung nicht simuliert wird. 9 Sollte es zu diesem Zeitpunkt in dem an Spell-Out übergebenen Material noch Merkmale ohne Wert geben, scheitert die Derivation und das Programm hält an. <?page no="320"?> 308 Heidrun Völker ben und das Kasusmerkmal von la batalla, das seinen Wert durch die vorherige Agree-Operation (vgl. Abb. 5) erhalten hat, wird gestrichen (Abb. 6). (6) Übergabe der Domäne von v an S pell -O ut 3.6 Die Operationen Copy und Internal Merge Ist einer der beiden Teilnehmer an einer Merge-Operation ein Teil des anderen, spricht man von Internal Merge (vgl. Chomsky 2008: 140), das der früher als Move bezeichneten Operation entspricht. An der Ursprungsposition bleibt dabei eine Kopie zurück, wobei i.d.R. nur eine dieser Kopien phonetisch realisiert wird (vgl. Chomsky 2005: 12f). Voraussetzung für Internal Merge ist eine erfolgreich abgeschlossene Agree-Operation (vgl. Abschnitt 3.4), welche die zu kopierende Konstituente identifiziert; außerdem muss die potentielle Zielposition über ein EPP-Merkmal verfügen. Da Internal Merge eine Kombination aus den Operationen Agree, Copy (Kopieren des Ziels) und Merge der Kopie darstellt, kann es nach dem Ökonomieprinzip nur stattfinden, wenn EPP nicht ökonomischer (beispielsweise durch reines Merge eines Expletivums) gelöscht werden kann. Falls die Bewegung nach erfolgtem Agree unterbleibt, ergibt sich Long Distance Agreement (vgl. Chomsky 2008: 155). Im Beispiel findet sie statt, da das finite T des Matrixsatzes über ein EPP-Merkmal verfügt und die Enumeration kein Expletivum enthält. <?page no="321"?> Computer-Simulation minimalistischer Derivation 309 (7) a. Agree-Operation als Voraussetzung für Internal Merge b. Anhebung des Subjekts in den Hauptsatz Abbildung (7a) zeigt die Agree-Operation zwischen der Sonde von T und ihrem Ziel (el materialismo als Subjekt des Nebensatzes), 10 Abbildung (7b) 10 Das Ziel ist noch aktiv, weil sein Kasusmerkmal bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen Wert erhalten hat: Das infinite T des Nebensatzes besitzt keine Sonde, die des <?page no="322"?> 310 Heidrun Völker die anschließende Bewegung, die durch einen rechtwinkligen Bewegungspfad von der Basiszur Zielposition dargestellt wird. In den folgenden Schritten wird die Linie wieder ausgeblendet. Das Merkmal, das die Bewegung ausgelöst hat und durch sie gelöscht wurde, wird im weiteren Verlauf der Derivation durchgestrichen dargestellt (hier das EPP-Merkmal von T). Ebenfalls gestrichen wird die Kopie in der Basisposition, ihre Merkmale werden in allen weiteren Schritten ausgeblendet. Die Anhebung des lexikalischen Verbs nach v, T oder C fällt nicht unter den in diesem Abschnitt dargestellten Bewegungsmechanismus, vgl. hierzu Abschnitt 3.7. 3.7 Linearisierung, Head-Raising, Adjunktion Die Linearisierung syntaktischer Objekte wird nicht mehr als Operation der Syntax betrachtet, sondern als Schnittstellenbedingung für die Übergabe an das perzeptuell-artikulatorische System (vgl. Chomsky 2008: 139f, 2005: 15). Sie erfolgt erst nach dem Spell-Out in der phonologischen Komponente und ist daher für die interne Struktur der syntaktischen Objekte nicht relevant; diese wird ausschließlich durch hierarchische Relationen bestimmt, wie sie durch die rekursive Anwendung von Merge entstehen. Nach welchen Regeln die phonologische Komponente die Linearisierung durchführt, ist noch nicht abschließend geklärt. Die eigentliche Simulation der syntaktischen Derivation ist demnach von einer Linearisierung unabhängig, benötigt wird letztere jedoch für die grafische Ausgabe. Die syntaktischen Objekte werden daher bei der Erzeugung der Baumdarstellungen in der Grafikkomponente linearisiert. Als Algorithmus für die Linearisierung wurde zunächst der einfach zu implementierende Ansatz einer einzelsprachlichen Parametrisierung der Reihenfolge von Kopf und Komplement gewählt (vgl. Chomsky 2008: 139, 2005: 15), Spezifikatoren werden vor dem zugehörigen Kopf ausgegeben (vgl. Chomsky 2001b: 8). Der entsprechende Parameter wird in der Sprachdatei festgelegt. Um auch Zwischenschritte der Derivation unterhalb der Phasenebene darstellen zu können, erfolgt eine Linearisierung nicht nur am Phasenende, sondern zusätzlich nach jedem Einzelschritt. Da die Grafikkomponente als weitgehend unabhängiges Programm-Modul realisiert ist, kann das Linearisierungsverfahren mit geringem Aufwand geändert oder es können alternative Verfahren ergänzt werden. light verbs v im Matrixsatz ist unvollständig und kann keinen Kasus vergeben. Das Ziel ist für syntaktische Operationen auch noch zugänglich, da das intransitive light verb des Matrixsatzes keinen Spell-Out auslöst. <?page no="323"?> Computer-Simulation minimalistischer Derivation 311 Die Anhebung des lexikalischen Verbs (Head-Raising) nach v, T oder C wird ebenfalls nicht mehr als syntaktische Operation, sondern als Teil der Phonologie aufgefasst (vgl. Chomsky 2001a: 37f). Als Auslöser für die Bewegung kommt daher kein starkes formales Merkmal der Zielposition mehr in Frage, sondern ihr phonetischer Affixcharakter. Dargestellt wird dies durch ein Merkmal [Affix] der Zielkategorie, das nach der Anhebung des Verbs gelöscht wird. Grafisch wird die Bewegung durch einen Bewegungspfad zur Zielposition und Durchstreichen des gelöschten Merkmals symbolisiert (Abb. 8). (8) Anhebung des Verbs nach v (Head-Raising) Adjunktion an ein syntaktisches Objekt findet gemäß Chomsky (2001b: 18f) auf einer separaten „Ebene“ statt und wird erst bei Spell-Out in die eigentliche Derivation integriert. Sie ist daher nicht Bestandteil der Simulation. 4 Erstellen und Bearbeiten von Sprachdateien In den Sprachdateien wird das Inventar an Kategorien und Merkmalen, das in der Simulation zur Verfügung stehen soll, festgelegt. Für ihre Erstellung und Bearbeitung ist ein Sprachdesigner in die Software integriert, in dem alle erforderlichen Angaben interaktiv über die Programmoberfläche eingegeben werden. Für die Definition eines Merkmals sind eine Bezeichnung sowie eine Abkürzung für die grafische Ausgabe zu wählen und die Werte festzulegen, die das Merkmal annehmen kann (Abb. 9). EPP sowie das Affixmerkmal (vgl. Abschnitt 3.7), sind vordefiniert und können der Merkmalsliste mit den hierfür vorgesehenen Buttons hinzugefügt werden. <?page no="324"?> 312 Heidrun Völker (9) Definition der Merkmale Kategorien werden durch ein Kategorie-Label und eine zusätzliche, beschreibende Bezeichnung unterschieden (Abb. 10). Jeder Kategorie können Merkmale aus der vorher erstellten Merkmalsliste zugeordnet werden. Eine Sonde wird durch entsprechende Markierung der Merkmale definiert, aus denen sie bestehen soll. Das zugehörige Zielmerkmal, das die Sonde sucht, wird über eine Auswahlliste festgelegt. Das Gleiche gilt für den Wert, der dem Zielmerkmal unter Agree durch die Sonde zugewiesen werden soll. Schließlich können Selektionsoptionen für die Kategorie gewählt werden. Auf der Registerkarte „Allgemein“ wird eine Bezeichnung für die Sprachdefinition festgelegt, die gleichzeitig als Name für die Sprachdatei verwendet wird. Zusätzlich kann eine Beschreibung gespeichert werden, beispielsweise Angaben zur Sprache, für die die Definition erstellt wurde, oder Bemerkungen zu den theoretischen Annahmen, auf denen die Sprachdatei basiert. Hier wird auch die Art der Linearisierung (vgl. Abschnitt 3.7) gewählt. <?page no="325"?> Computer-Simulation minimalistischer Derivation 313 (10) Definition der Kategorien <?page no="326"?> 314 Heidrun Völker Es können unterschiedliche Sprachdateien für eine Sprache definiert werden, dabei ist jedoch darauf zu achten, dass die Simulation mit derselben Sprachdatei durchgeführt wird, die auch für die Eingabe der Enumeration verwendet wurde. Beim Entwurf von Sprachdateien ist zu berücksichtigen, dass aus Gründen der Vereinfachung die interne Struktur nominaler und präpositionaler Ausdrücke nicht simuliert wird, weil die Software die dafür erforderlichen vorherigen oder parallel ablaufenden Derivationsprozesse zumindest in der vorliegenden Version nicht beherrscht. Die Kategorien D und P stehen daher als Platzhalter für beliebig komplexe Konstituenten. 5 Zusammenfassung und Ausblick Die vorgestellte Software ermöglicht, ausgehend von einer durch den Benutzer vorgegebenen Enumeration, die Simulation der minimalistischen Derivation für verschiedene Sprachen und unterschiedliche theoretische Ansätze auf dem Stand von Chomsky (2008). Die Eigenschaften des simulierten Sprachsystems können mit Hilfe externer Sprachdateien weitgehend frei definiert werden. Die Bedienung einschließlich der Erstellung und Modifikation von Sprachdateien erfolgt vollständig über eine grafische Benutzeroberfläche und erfordert keine Programmierkenntnisse. Das Programm ist als Hilfsmittel für die Analyse der Eigenschaften funktionaler Kategorien sowie bei der Konsistenzprüfung von Hypothesen an verschiedenen syntaktischen Konstruktionen und für unterschiedliche Einzelsprachen geeignet. Es vereinfacht die dynamische Darstellung minimalistischer Derivationsabläufe am Bildschirm und ermöglicht die automatische Generierung von Baumdarstellungen für alle relevanten Einzelschritte aus einer vorgegebenen Enumeration. Mögliche Erweiterungen auf der Darstellungsseite sind das interaktive Ein- und Ausblenden von Teilen der Baumdarstellung, die benutzerdefinierte Konfiguration der Anzeigedetails sowie die Unterstützung weiterer Grafikbzw. Videoformate beim Export. Ergänzungen der Simulation wären einerseits eine Datenbank zur Speicherung einmal eingegebener lexikalischer Einheiten zur späteren Wiederverwendung, andererseits alternative Algorithmen für die Linearisierung der syntaktischen Objekte durch die phonologische Komponente. <?page no="327"?> Computer-Simulation minimalistischer Derivation 315 6 Literatur Chomsky, Noam (1995): The Minimalist Program. Cambridge, Mass.: The MIT Press (= Current Studies in Linguistics, 28). - (1999): Derivation by Phase. 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M. 83 Belletti, A. 4, 6, 121, 131, 140, 142, 144, 151, 154, 157-158, 277, 282, 284-285 Benincà, P. 132-133, 135 Bentahila, A. 86 Benucci, F. 37-38, 44-47, 56 Benveniste, E. 169 den Besten, H. 163 Bhatt, R. 113 Bianchi, V. 281, 287-288 Biberauer, T. 62 Bickerton, D. 64 Birmingham, J. C. 74 Bleam, T. 203 Blücher, K. 42 Boersma, P. 253-254, 267-268 Bolkestein, A. M. 24-26 Bonet, E. 119 Bordelois, I. 16 Brandner, E. 73 Bresnan, J. 5, 113, 122 Buridant, C. 44 Burzio, L. 40, 282 Cabredo Hofherr, P. 73 Cardinaletti, A. 43, 199-200, 208, 210- 215, 217-218, 224 Carrilho, E. 73 Cecchetto, C. 199, 207, 215, 218 Chamberlain, J. T. 14, 23, 26-27, 29 Chang, B. H.-S. 86 Chierchia, G. 282, 286 Chomsky, N. 1-5, 7-8, 21, 37, 39, 43, 50, 52, 56, 61, 63, 75, 86, 103-104, 115-116, 120, 123, 131-132, 140-141, 164, 166, 210, 225, 233, 253-255, 263, 277-278, 295-297, 300-301, 303- 308, 310-311, 314 Cinque, G. 3-4, 39, 41-42, 144, 151, 153, 157, 162, 176, 282-283, 285-287 Clyne, M. 86 Colantoni, L. 260 Colombo, A. 104, 122 Costa, J. 14, 16-17, 75-76, 253, 257, 291 D’Alessandro 4, 7, 262, 277, 285-288 da Silva, M. C. V. 27 Davies, E. E. 86 Davies, M. 21, 28, 30 DeGraff, M. 66, 74 Demonte, V. 203 den Besten, H. 163 den Dikken, M. 86 Déprez, V. 74 Dietrich, W. 2 den Dikken, M. 86 Di Tullio, Á. 257 Dobrovie-Sorin, C. 285 Doetjes, J. 109-110, 114, 116 Domínguez, L. 253, 257, 260 <?page no="330"?> 318 Personenregister Donati, C. 104, 106, 108, 113, 122-123 Duarte, I. 14, 16-17, 19, 22 Egerland, V. 137-139, 141, 151, 154 Eguzkitza, A. 73 Embick, D. 91, 118, 230-233, 244, 246 Enç, M. 163 Epstein, S. D. 264 Erteschik-Shir, N. 265 Escobar, L. 201 Etxepare, R. 175, 180, 185, 188, 196 Face, T. L. 253, 257, 259 Fanselow, G. 220 Fiengo, R. 220 Figueiredo Silva, M. C. 75-76 Fischer, S. 45 Foulet, L. 44-45 Frampton, J. 235 Frascarelli, M. 199-200, 206, 217 Frisch, S. 220 Gabriel, C. 4, 7, 258, 260-261, 264 Gilligan, G. M. 62-63 Giorgi, A. 160, 194, 239, 288 Giusti, G. 110 Givón, T. 15 Goilo, E. R. 74 Goldbach, M. 25-26 Gonçalves, A. 14, 16-17, 194 González-Vilbazo, K.-E. 4-5, 83-86, 96, 98 Goodall, G. T. 16 Gougenheim, G. 46 Grava, R. 138 Grevisse, M. 49-50, 53 Grewendorf, G. 131, 262 Grimaldi, L. 4-5, 107, 109, 112-113, 115-119 Grimshaw, J. 182, 270 Grohmann, K. K. 4, 6, 175, 180, 185, 188, 196 Grosz, B. 220 Gumperz, J. J. 83 Gurlekian, J. 260 Gutiérrez Bravo, R. 253, 257, 266 Gutmann, S. 235 Haase, A. 47-48 Hahnemann, S. 122 Haider, H. 1, 63, 72, 89 Halle, M. 86, 91-92, 113, 117-118, 230- 233, 236, 242, 244, 246 Harley, H. 86, 91, 230-232, 279-280 Harris, J. 242, 247 Hayes, B. 253-254, 267, 268 Heine, B. 125 Heycock, C. 115 Higginbotham, J. 108, 110, 179-180 Hinzelin, M.-O. 5, 73 Hirschbühler, P. 45 Hualde, J. 253, 256-257, 261 Hulk, A. 65 Iatridou, S. 123, 286-288 İşsever, S. 256 Izvorski, R. 108, 113, 123 Jaeggli, O. 28 Johnson, K. 28 Jones, M. A. 47, 54-55 Joshi, A. K. 83, 86 Kaiser, G. A. 1-2, 5, 44, 63, 72-73 Kayne, R. 3, 5, 16, 73, 75, 11, 140, 176, 185-186, 192, 210-212, 215 Kempchinsky, P. 289 Kennedy, C. 111 Kihm, A. 63-64 Koopman, H. 65 Kornfilt, J. 256 Kouwenberg, S. 66, 69, 74-75, 77 Kovacci, O. 256 Kramer, J. 2 Kratzer, A. 282 Kroch, A. 27 Kuteva, T. 125 Labelle, M. 45 Lalande, J.-Y. 296 <?page no="331"?> Personenregister 319 Larson, R. 50, 113, 115 Lasnik, H. 205, 222 Law, P. 69, 71 Lebeaux, D. 218, 222 Lefebvre, C. 66, 77 Legate, J. 235 Levin, B. 65 López, L. 4, 6, 62, 199, 205, 210, 215- 216, 262 Lumsden, J. S. 64 MacSwan, J. 83, 86 Maier, N. 16 Manzini, R. 63, 68 Marantz, A. 86, 91, 113, 117, 230-232, 236 Marchello-Nizia, C. 44 Martelli, M. 148 Martín Butragueño, P. 257 Martineau, F. 49 Martins, A. M. 14-16, 19-22, 30-31 Matushansky, O. 263 Maurer jr., T. H. 21 Maurer, P. 74 May, R. 210, 220 McGinnis, M. J. 209 Meisel, J. 2 Mensching, G. 4, 16, 26, 76, 141, 193, 218, 262-263, 300-301 Meyerhoff, M. 74 Michaelis de Vasconcelos, C. 21 Milsark, G. L. 65 Mohr, S. 62, 68, 73 Muller, E. 69 Muller, H.-F. 28-29 Müller, G. 7, 267 Müller, N. 264 Muysken, P. 66, 69, 71 Myers-Scotton, C. 83, 86 Nagy, N. 268 Napoli, D. J. 104, 113, 282 Neeleman, A. 78 Nespor, M. 104, 113 Norberg, D. 29 Noyer, R. 86, 91, 230-233 Obenauer, H.-G. 182 Oltra Massuet, I. 236-238, 240-242, 244, 247-248 Ormazabal, J. 182, 285 Ortiz Lira, H. 260 Osborne, B. 21 Otto, R. 21 Pancheva, R. 113, 286-288 Paoli, S. 4, 6 Partee, B. H. 183-184 Paul, W. 142, 151 Pearce, E. 16, 44 Pepicello, W. J. 24-25 Pereira, S. 291 Pesetsky, D. 235 Pianesi, F. 160, 194, 239, 288 Plann, S. 184 Poletto, C. 4-6, 44, 132, 135-136, 158, 162 Pollock, J.-Y. 65, 75 Pomino, N. 4-5, 7, 91, 103-104, 113, 116-118, 141, 230, 232, 235, 239-240, 246, 263 Poplack, S. 83 Portner, P. 179, 181-182 Prince, A. 269 Radford, A. 19, 235, 297, 299-300, 306 Raposo, E. 16, 19-20, 76 Rappaport, M. 65 Reglero, L. 262 Reichenbach, H. 239 Reinhart, T. 210 Remberger, E.-M. 2, 4-6, 28, 52, 55, 141, 218, 239, 300-301 Reynolds, B. 268 Rialland, A. 255 Richards, M. 62 Richards, N. 209 Rigau, G. 218 Rinke, E. 4, 6, 13, 15, 21, 27, 44 Ritter, E. 279-280 <?page no="332"?> 320 Personenregister Rivara, R. 118 Rizzi, L. 3-4, 40-42, 63, 65-66, 68, 71- 72, 76, 121, 123, 135, 157-158, 162, 176, 262 Robert, S. 255 Roberts, I. 28, 55, 113, 124, 140 Rodrigues, J. M. 21 Roeper, T. 27 Rojo, G. 239 Rolshoven, J. 298 Romero, J. 285 Rooth, M. 183 Rothe, A. 96, 98 Roussou, A. 55, 124, 140 Rouveret, A. 3 Rubin, E. J. 83 Sabel, J. 50 Samek-Lodovici, V. 199-200, 206, 215-220, 222-223, 225, 253, 257, 270 Savoia, L. M. 63, 68 Schmitt, C. 194 Schütze, C. 220 Schwarze, C. 2, 121-122 Seely, T. D. 264 Shibatani, M. 15 Shlonsky, U. 43 Siewierska, A. 168 Sigurðsson, H. 134, 281, 287, 289 da Silva, M. C. V. 27 Silva-Villar, L. 73 Smolensky, P. 269 Sosa, J. M. 253, 259 Speas, M. 7, 281 Sportiche, D. 65 Stark, E. 1 von Stechow, A. 160, 254 Stowell, T. 163 Strahov, N. 265 Struckmeier, V. 4-5, 89-90 Suñer, M. 184, 200 Svenonius, P. 63, 68 Szendrői, K. 78 Tang, S.-W. 230 Toledo, G. A. 257, 259 Toman, J. 89 Toribio, A. J. 72, 83 Torrego, E. 21, 235 Travis, L. 113, 186, 190 Uriagereka, J. 73, 176, 178, 184, 186, 279 Vallduví, E. 206 van der Auwera, J. 62, 63 Vance, B. 44 Veenstra, T. 4-5, 63, 66, 69-71, 73, 76- 77, 264 Veiga, A. 239 Vergnaud, J.-R. 3 Vikner, S. 239 Villalba, X. 199, 202-203, 206-208, 215-216, 218, 220, 222-223 Vincent, N. 21, 162 Völker, H. 4, 7, 296, 300 von Stechow, A. 160, 254 Voretzsch, K. 46 Wandruszka, U. 1 Wanner, D. 56 Wechsler, S. 277, 287 Weisfeld, M. 298 White, J. R. 113 Wireback, K. J. 21 Woolford, E. 83 Wurmbrand, S. 39 Yang, C. 235 Zagona, K. 262 Zamparelli, R. 115 Zanuttini, R. 179, 181-182 Zeijlstra, H. 279 Ziv, Y. 220 Zlatić, L. 277, 287 Zubizarreta, M. L. 16, 253-255, 257, 262-264, 266 Zwart, J.-W. 263 Zwarts, J. 108, 110 <?page no="333"?> Sachregister A(rgument)-Bewegung, A’-/ Nicht- Argument-Bewegung siehe Bewegung Accusativus cum infinitivo (A.c.I.) 23- 26 Adjazenz 113, 125, 256, 262 Adjektiv 95-97, 105, 107-111, 114, 118, 133, 145-147, 151, 279, 281, 284, 286, 291-292 Adjunkt 62, 110-112, 115, 200, 214, 218-219, 222 Rechtsadjunkt 111 Adjunktion 111-112, 185, 219, 310- 311 Rechtsadjunktion 111, 164 Adverb 40, 42, 75-77, 105, 107-108, 115, 122, 125, 132, 136, 138, 144, 147-148, 151-154, 175-177, 189-192, 195, 263-265 Affix 85, 255, 263, 311 Agree 7-8, 141, 233-236, 277-279, 291- 292, 297, 300, 305-306, 308-309, 312 Agreement siehe Kongruenz Agreement-Phrase (AgrP) 5, 61, 63, 73-78, 141, 238 AgrOP siehe Kongruenz AgrSP siehe Kongruenz Akkusativ 17, 20, 24-26, 28, 50, 121, 124, 201, 264, 306 Akzent Akzentton siehe Ton Deakzentuierung 202-203, 259-261 Nuclear Stress Rule (NSR) 266 Nuklearakzent (Nuclear Stress) 249, 251-253, 256-259, 261, 263, 267 Satzakzent 256, 264, 266 Stress Deletion Rule (SDR) 242-243, 247-249 A LIGN F OC (AF) siehe Constraint Ambiguität 21, 29-31 analytisch 92 Anhebung (Raising) 19, 21, 24, 92, 140, 151, 186, 262-263, 309-310 Klitikanhebung (Clitic Climbing) siehe Klitikon Kopfanhebung (Head-Raising) 193, 263, 311 lange DP-Anhebung 64 Right-Node-Raising 66, 71 Anti Pied Piping siehe Pied Piping Applikativ-Morphem siehe Morphem Antisymmetriehypothese 3, 111, 185 Äquativ(konstruktion) (Equative Construction) 5, 103-106, 109, 112, 114, 118-120, 122, 124-125 Äquativkomparator 36, 38, 56 Argument Argumentstruktur 50, 52-53, 89, 195 externes Argument 16-17, 28, 301- 302, 307 Nullargument 76 Aspekt 64, 66, 89, 153-154, 164, 176- 177, 186, 190 perfektiv 89, 190, 193, 195 Satzaspekt 289 Aspektphrase (AspP) 66, 144, 151- 152, 176, 187-190, 288-289 Asymmetrie 83-87, 91, 95, 100, 165, 167, 170, 183, 222 Argument-Adjunkt-Asymmetrie 220 Komplement-Adjunkt-Asymmetrie 216 Person-Asymmetrie 167, 169 Rekonstruktionsasymmetrie 218 Subjekt-Objekt-Asymmetrie 166 Attribut 83-84, 87-90, 93, 95-100, 115, 233, 234, 298 <?page no="334"?> 322 Sachregister Auxiliar siehe Hilfsverb A VOID (ip) siehe Constraint Belebtheit 168, 285, 287, 290 Betonung 229, 240-244, 247-249 Bewegung A(rgument)-Bewegung 205-206, 209, 224 A’-/ Nicht-Argument-Bewegung 205-206 Infinitivbewegung 176 Kopfbewegung (Head Movement) 103-104, 112-114, 116, 120, 123, 125, 146, 151, 164, 189, 196, 231, 263 lange Kopfbewegung 113 Objektbewegung 27, 141-142, 262 Op-Bewegung 166 p(rosically motivated)-movement 263, 271 Remnant Movement 6, 216 T-nach-C-Bewegung 171, 214 T-nach-F-Bewegung 196 Tucking-in-Bewegung 209 Verbbewegung 52, 66, 135, 151 V-nach-T-Bewegung 66, 69 Wh-Bewegung 40, 123 Wh-Kopfbewegung 122-123 Wh-Phrasenbewegung 123 XP-Bewegung 146 Bindung Bindungsprinzipien 199, 201-202, 204, 211-213, 219-220 Bindungstheorie 199, 201, 212-213, 224 C-Kommando 190, 201-204, 206-207, 209-212, 216, 219, 223-224, 234, 278 Clefting siehe Spaltsatz Clitic Climbing (Klitikanhebung) siehe Klitikon Clitic Left Dislocation (CLLD) 19, 200- 202, 206-207, 216-219, 220, 222-225 Clitic Right Dislocation (CLRD) 6, 199- 220, 222-225 Clitic Split 40 Coda 175-176, 179-180, 182-192, 196 Code-Switching (CS) 5, 83-87, 91-92, 94-95, 99-100 Complementizer siehe Komplementierer Complementizer Phrase siehe Komplementiererphrase Computer-Simulation 295-296, 298301, 304, 307, 310-311, 314 Concord 279, 288-292 Constraint 253, 266-271 A LIGN F OC (AF) 270-271 A VOID (ip) 270-271 Floating Constraints 268 Floating Constraints-Modell 268 F ULL I NT (FI) 270-271 Head Movement Constraint 113 M ATCH F OC 270-271 Overlapping Constraints-Modell 253-254, 271 S TAY 266, 270-271 S TRESS F OC (SF) 270-271 S UBJ 266 Continuous Ranking Scale (CRS) siehe Ranking Copy 308 Core Syntax (Kernsyntax) 86, 262, 269 CP (Complementizer Phrase) siehe Komplementiererphrase Dativ 17, 29, 203 Deakzentuierung siehe Akzent Default 88, 93, 117, 120, 217-218, 245, 306 Defektivität 19, 160, 164 Definitheitseffekt (Definiteness Effect) 63, 66-69 DegP (Degree Phrase) siehe Gradphrase Deixis 7, 162, 168, 175-176, 189-191, 195, 277, 280, 285, 288-290, 292 Deklarativsatz 133, 164, 254 Destrukturierung 37-39, 50, 55 <?page no="335"?> Sachregister 323 Determiniererphrase (DP) 17, 28, 40- 41, 62, 67, 75, 83, 95-97, 108-109, 115, 123, 131-133, 139141, 143, 145, 147-148, 154, 169, 212-213, 218-219, 231, 235-236, 240, 258, 262, 265-266, 268, 270 Direktionalitätsparameter siehe Parameter Disambiguierung 260 Dislokation 200-205, 207, 209, 211, 213, 216-220, 223, 225, 284 Linksdislokation 132, 134-135, 199, 207-208, 215, 283 Local Dislocation 232 Rechtsdislokation 136, 199, 203, 208, 211, 213-215, 218-219, 224 siehe auch Clitic Left Dislocation (CLLD), Clitic Right Dislocation (CLRD) Distributed Morphology (DM) 5, 7, 83- 84, 86-87, 89-92, 97, 103-104, 113, 118-120, 125, 229-232, 236, 244, 249 Domäne 6, 40-42, 47, 49, 54, 66, 68, 75-77, 103, 158, 162, 165, 178, 181- 182, 187, 190, 204, 211, 219, 232, 234, 255, 261, 270-271, 278, 307-308 Doppel-Comp-Strukturen siehe Komplementierer Doppelobjektkonstruktion (DOK) 50, 254, 258, 267, 270 DP siehe Determiniererphrase early rise 259-260 ECM siehe Exceptional Case Marking Ellipse 40-42, 220 emarginazione 213-215 Enklise 134-135, 145, 154 Enumeration (Numeration) 62, 86, 186, 262, 288, 295, 297-298, 300-304, 306-308, 314 EP siehe Event-Phrase EPP(-Merkmal) 61-62, 65-66, 68, 233- 235, 240, 264-265, 267, 269, 300, 308, 310-311 Equative Construction siehe Äquativ- (konstruktion) Ereignisvariable 180, 187, 189-190, 193-195 Event-Phrase (EP) 289-290 Exceptional Case Marking (ECM) 16, 19, 21, 24-25, 74 siehe auch Infinitivkonstruktion Existenzkonstruktion 65-70 Exklamativoperator siehe Operator Exklamativsatz 179, 181-182 Expletivum 5, 61-73, 75, 264, 270, 299, 303, 306, 308 pro Expl 61-63, 66, 68-69, 72-73, 78, 264, 270 topic expletives 73 Extended Projection Principle (EPP) siehe EPP(-Merkmal) Extraktion 207, 213-216 Extraposition 39, 113 faire-Infinitiv siehe Infinitivkonstruktion Feature Checking siehe Merkmal Feature Sharing siehe Merkmal FH-Analyse (Functional Head Analysis) 108, 111, 114 Finitheit 162, 214 Finitheitsphrase (FinP) 123, 157-158, 162, 164 Fission 237 flektierter Infinitiv siehe Infinitivkonstruktion Flexion 7, 54, 71, 97-99, 120, 157-158, 171-172, 179, 218, 244, 248-249 Flexionsmerkmale 162, 165, 170- 171 Flexionsmuster 229, 247 Flexionsphrase (Inflection Phrase IP) 6, 153, 157-158, 162, 164-165, 170, 172, 196 Verbalflexion 7, 229, 246 siehe auch Konjugationsklasse Floating Constraints, Floating Constraints-Modell siehe Constraint <?page no="336"?> 324 Sachregister Floating Quantifiers 205-206, 224 FokP siehe Fokus Fokus 6-7, 73, 132, 135, 149, 152, 157- 158, 168, 178, 183-184, 218, 253-262, 266-267, 270-271 foco antepuesto-Konstruktion 257- 258, 262 Focus Fronting 201 Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) 253-256 Fokusphrase (FokP) 6, 123, 131- 132, 135, 140-143, 147-148, 151, 153-154, 262 Fokusprominenzregel (Focus Prominence Rule FPR) 255-256, 262-263, 266-267 Force 166, 170-171 Frame 132 F ULL I NT (FI) siehe Constraint Functional Head Analysis siehe FH- Analyse Funktionale Kategorien 3-4, 26, 55, 63, 74-75, 77, 109, 119, 141, 216, 224, 236, 239, 267, 296-297, 299-300, 314 Fusion 90, 117-120, 125, 232, 237-240, 249 generisch 69, 71, 231, 280-284, 286, 288, 290 Genus 87-88, 90, 93, 95-100, 105, 281, 287, 291 Genusmerkmal 90-94, 96-100, 236, 277-280, 285, 287, 291, 301 siehe auch Kongruenz Genus Verbi 26, 89-94 Gradmodifikation 108, 110 Gradphrase (Degree Phrase DegP) 107-111, 114-120, 123, 125 Gradposition siehe Theta/ θ Grad-θ-Rolle siehe Theta/ θ Grammatikalisierung 54, 56, 124-125, 240 Grammatikarchitektur 230 Grenzton siehe Ton Gθ siehe Theta/ θ Hanging Topic/ Hanging Topic Left Dislocation (HTLD) siehe Topik Head Attraction Feature siehe Merkmal Head Movement (Kopfbewegung) siehe Bewegung Head Movement Constraint siehe Constraint Head Raising (Kopfanhebung) siehe Anhebung Hilfsverb (Auxiliar) 21, 30, 43, 46-47, 49, 53-56, 83-95, 100, 148-149, 193- 194, 281, 292 Hilfsverbselektion 37-38, 40, 42, 46, 48-49, 56, 90 semiauxiliar 53, 56 HTLD (Hanging Topic Left Dislocation) siehe Topik Illokution 157, 180, 182 I-Modell 230 Imperativ(satz) 31, 161, 163 Impoverishment 119, 237 Inclusiveness Condition 233 Infinitiv(konstruktion, -satz) 4, 6, 13, 16-26, 28-33, 38, 44-46, 48, 52-53, 137, 148, 176, 178-180, 183-184, 186-188, 192-193, 194-196, 302 Adult Root Infinitive (ARI) 175-183, 185-186, 190, 192-196 ECM-Infinitiv 14, 16-17, 20-21, 25, 29, 31-32 faire-Infinitiv 14, 16, 18, 20-21, 29, 32 flektierter Infinitiv 14-16, 18-19, 21-22, 29-33, 76 personaler Infinitiv 21 Wurzelinfinitiv (Root Infinitive RI) 6, 175-176, 179-186, 189-192, 194-195 Inflection Phrase (IP) siehe Flexionsphrase Internal Merge siehe Merge Interrogativsatz 123, 133, 135, 214 <?page no="337"?> Sachregister 325 Interventionseffekt 77, 206, 224 Intonation 183, 185, 256-257, 259 Intonationsphrase (IP) 259-260, 262, 265, 270-271 Inversion 65, 133 Lokativinversion 65, 67 Subjektinversion 65-67, 133, 147- 148, 171 IP siehe Flexionsphrase oder Intonationsphrase Irrealis 163 Junktor 121 Kartographischer Ansatz 3-4, 6, 77, 157 Kasus 16, 62, 75-76, 96, 179, 280, 310 Kasusmerkmal 234-235, 264, 278, 304, 306, 308-309 Kasustheorie 62 siehe auch Akkusativ, Dativ, Nominativ Kausativität 15 Kausative/ kausative Verben 4, 14-16, 20-23, 27-28, 30, 32, 179 Kausativkonstruktion (periphrastisch) 13-16, 20, 22-23, 30, 137 Kernsyntax siehe Core Syntax Kette 97, 205, 263, 265, 267, 269-271 Klitikon 17, 19, 21, 31-32, 38, 40, 45, 73-74, 78, 134, 142, 144-145, 162, 263-266 Akkusativklitikon 17, 20 Dativklitikon 17 Klitikanhebung (Clitic Climbing) 5, 17, 21, 37, 40-43, 46-47, 144 klitische Pronomen 17, 31, 44, 154, 264 Objektklitikon 16-19, 258, 264-266, 268 Subjektklitikon 162, 164, 167 siehe auch Clitic Left Dislocation (CLLD), Clitic Right Dislocation (CLRD), Clitic Split Kohärenz(feld) 39, 43, 54-55 Komparativkonstruktion 103-106, 114, 118, 121 Komparativ 104, 106-107, 112, 120-125 Komparativkomparator 105 Komplementierer (Complementizer) 123, 157-159, 162, 263, 299, 302 Doppel-Comp-Strukturen 184 Komplementiererphrase (Complementizer Phrase , CP) 6, 43, 51-54, 56, 123-124, 131-133, 140, 142-143, 145, 147, 149, 157-158, 162-163, 171, 175-178, 180, 182, 196, 214, 218-220, 233, 235, 239, 263, 267, 306-307, 310 Konditional 159, 163 Kongruenz (Agreement) 16-18, 64, 75- 76, 78, 88, 90, 93, 95-97, 99-100, 138-142, 150, 214, 217-218, 225, 233, 236, 277-278, 280-281, 284-286, 289, 291-292, 306 Adjektivkongruenz 284, 292 AgrOP 140-141 AgrSP 140-141 Default-Kongruenz 218 Genuskongruenz 96-97 in-situ-Kongruenz 141-142 Long Distance Agreement 308 Partizipialkongruenz 5, 38, 139, 141, 150, 279, 292 Spec-Head-Agreement (Spezifikator- Kopf-Kongruenz) 75-77, 166 Subjekt(-Verb-)Kongruenz 280, 292 siehe auch Agree, Agreement-Phrase, Concord Konjugationsklasse 229, 243-246, 249 Konjunktiv 21, 159-161, 163-165, 172, 246 Konnektivitätseffekte 183 Kontrolle 16, 21, 50, 192 Konzeptuell-intentionales System 62, 69, 230 Koordination 21, 31-32, 45, 75, 220 Kopfbewegung siehe Bewegung Kopf-Komplement-Beziehung 108 <?page no="338"?> 326 Sachregister Kopula(konstruktion) 73, 291 Korrelativstruktur 104, 122 lange DP-Anhebung siehe Anhebung (Raising) lange Kopfbewegung siehe Bewegung Late Insertion (späte Einsetzung) 83, 86, 91-92, 94, 231-232 late rise 259-260 Lexikon 4, 86-87, 93, 99, 230, 249, 262, 297-298, 301 Narrow Lexicon 91-92, 230-231, 240, 245 Lexikoneintrag 159, 278 LF-Schnittstelle siehe Logische Form Linke Peripherie 3, 6, 123, 132-133, 135-136, 142, 145, 147, 151, 153-154, 158, 162, 164-165, 177-178, 201 Linksdislokation siehe Dislokation Local Dislocation siehe Dislokation Logische Form (LF)/ LF-Schnittstelle 39, 62, 69, 86, 124, 278 Lokativinversion siehe Inversion Long Distance Agreement siehe Kongruenz Mapping 113, 232, 236-237, 2495 Match 141, 234-235, 277-278 M ATCH F OC siehe Constraint Mehrsprachigkeit 27, 83-84, 87 Merge 8, 114-115, 140, 185, 218-219, 231, 234, 269, 289, 297, 303-306, 308, 310 Internal Merge 114, 297, 308-309 Merkmal abstraktes Merkmal 147 disjunktes Merkmal 287 Feature Sharing 235 formales Merkmal 113-114, 263, 296-297, 299-300, 311 Head Attraction Feature (HAF) 115- 117, 119 Merkmalsdoppelung 164-165, 170 Merkmalsgeometrie 279-280 Merkmalsabgleich/ -überprüfung (Feature Checking) 7, 28, 65-66, 68, 143, 164-166, 170-171, 262, 288 Merkmalsinstantiierung (Value) 116-117, 235, 264, 292, 305-306 Phi/ φ-Merkmale 6, 116, 120, 157- 158, 165, 170, 233-236, 238-241, 243, 246-249, 278, 280, 284-285, 291-292, 301-302, 306 schwache Merkmale 132 Sigma/ σ -Merkmale 7, 277-279, 285, 287-292 starke Merkmale 131-132, 140, 142, 263, 311 siehe auch EPP, Flexion, Genus, Head Attraction Feature, Kasus, Modus, Numerus, Person, Tempus metrische Klammer 240-241, 247-248 Modalität 162-163, 177, 180 Modalverb 37-38, 50, 53-55, 137, 148- 149, 180-181, 189-190 Modus 26, 64, 90, 159, 162-163, 246 Modusmarker 159, 162, 165 Modusmerkmal 6, 90-93, 158, 162- 165, 235 siehe auch Konjunktiv, Satzmodus Morphem 90-92, 201, 211, 231, 233, 236, 238 abstraktes Morphem 87, 90-95, 97- 99 Applikativ-Morphem 203 Move 185, 209, 297, 308 Narrow Lexicon siehe Lexikon Negation 16-17, 21, 31, 40, 43, 64, 223-224 Negative Polaritätselemente (Negative Polarity Items NPIs) 183, 212, 217, 222-225 Neutralisierung 229, 244, 246, 259 Nomen 88, 95-100, 108-110, 114-117, 120, 145-146 <?page no="339"?> Sachregister 327 Nominalphrase (NP) 16, 28, 32, 50, 108-109, 111, 115-117, 119, 123, 146, 282 Nominativ 18 Nominativus pendens 135 NP siehe Nominalphrase NPIs siehe Negative Polaritätselemente Nuclear Stress (Nuklearakzent) siehe Akzent Nuclear Stress Rule (NSR) siehe Akzent Nullargument siehe Argument Nulloperator siehe Operator Nullsubjekt 61, 63-64, 69-74, 76, 78 Nullsubjektsprache 61, 63-64, 71-72, 75, 78 Numeration siehe Enumeration Numerus(merkmal) 18, 71, 90-96, 105, 169-170, 236, 246, 277-280, 285-287, 290-291, 301 Numerusphrase (NumP) 115 Objekt 13, 15, 17, 19-20, 22-24, 28-30, 40, 44, 50-51, 64, 74, 131-132, 136- 142, 148, 150, 153-154, 166-167, 203-204, 207-208, 211, 254, 258, 262, 265-268, 270, 297, 301, 306 Objektposition 16, 19, 24, 26, 29, 50, 74-75, 203-204, 207-208, 212 Objektstellung 20, 22, 27, 202 Objektbewegung siehe Bewegung Objektoperator siehe Operator Opakheitseffekt 190 Operator (Op) 108, 115-117, 166, 170, 176, 179, 181, 183, 185, 196 Exklamativoperator 175-176, 178- 179, 181, 183, 185, 187, 190 Nulloperator 164, 166 Objektoperator 166 Op-Bewegung 166 perfektiver Operator 195 Relativoperator 161 Satztypoperator 161 Subjektoperator 166 Optimalitätstheorie (OT) 7, 253-254, 266-267, 268, 271 Optionalität 48, 53, 160, 254, 257, 261, 267-268, 271-272 Overlapping Constraints-Modell siehe Constraint OV-Stellung siehe Wortstellung Parameter 131, 142-143, 151, 154 Direktionalitätsparameter 27 Nullsubjektparameter 5 Pro-Drop(-Parameter) siehe pro-drop Partizip 30, 83-96, 98-100, 131, 133, 136141, 144-145, 152-154, 193, 239, 281, 292 Partizipialkongruenz siehe Kongruenz Partizipselektion 83, 90 Passiv(konstruktion) 13, 15, 24-26, 28-33, 71, 88-90, 93, 137, 166 Passivierung 16-18, 24-25, 29 passivisch-mediale Konstruktion 40 periphrastisches Passiv 30 Perfekt 89-90, 179, 193-194, 238 periphrastisches Perfekt 192-194 periphrastisch siehe Kausativkonstruktion, Passiv(konstruktion) oder Perfekt Person(merkmal) 18, 21, 70-71, 90-94, 118, 160-161, 165, 167-172, 217, 236, 238, 242, 244, 246-249, 277-280, 283-291, 301-302, 306 siehe auch Asymmetrie, Merkmale perzeptive Verben 20 PF-Schnittstelle siehe Phonetische Form (PF) Phase 5-6, 8, 37, 39, 43, 52-54, 56, 108, 131-133, 140, 142-145, 147, 149, 151, 154, 263, 265, 277, 295, 297, 301- 303, 307, 310 Phi/ φ-Merkmale siehe Merkmal PHON 232, 236, 249 <?page no="340"?> 328 Sachregister Phonetische Form (PF)/ PF- Schnittstelle 7, 39, 62, 87, 124-125, 232, 265 Pied Piping 141 Anti Pied Piping 123 PP siehe Präpositionalphrase Polarität siehe Negative Polaritätselemente Possessivkonstruktion 67 Possessor-Position 75 Prädikation 50 Prädikativkonstruktion 291-292 Pragmatik-Syntax-Schnittstelle 7, 281 pragmatisch 7, 203, 253-254, 257, 262, 277, 279-286, 288-289, 292 Präposition 17, 20, 75, 123 Präpositionalphrase (PP) 17, 28, 62, 65-66, 77, 84-85, 119, 146-147, 178, 202, 299, 307, 314 Präsupposition 181-182, 184, 215, 224, 253-255, 259-260, 262, 270 pro 5, 62-63, 66, 68-69, 73, 76, 78, 201, 218, 264, 280 siehe auch Expletivum, Parameter, pro-drop pro-drop 5, 61-63, 72-73, 75, 78 Prominenz 254-255, 270 siehe auch Fokusprominenzregel Pronomen 17-18, 24, 31, 44-45, 61, 63, 70, 74, 135, 154, 166, 169-170, 204, 212-213, 220, 279-284, 288, 290, 292 emphatisches Pronomen 74, 283 Objektpronomen 16-17, 50, 75, 264 Personalpronomen 5, 44, 169, 277, 279-280, 285, 288 Reflexivpronomen 49 Relativpronomen 165-167, 169- 171, 283 schwache Pronomen 74-75, 77, 135 starke Pronomen 75, 77 Subjektpronomen 73-74, 77, 193, 201, 211, 264 unpersönliche Pronomen 280-290, 292 Prosodie 7, 253-259, 261-262, 265-267, 270-271 prosodisches Wort 75, 259 Quantifikation 181, 185, 187, 193 Quantifizierer 103, 106, 109-111, 114- 120, 125 Quantor 133, 151, 153, 181, 183-184, 186-187, 203-208, 212-213, 282, 299 Quantitätθ -Rolle siehe Theta/ θ Q(uantitäts)position siehe Theta/ θ Raising siehe Anhebung Ranking 267-269, 271 Continous Ranking Scale (CRS) 268, 270-271 Ranking Value 268 Rechtsadjunkt siehe Adjunkt Rechtsadjunktion siehe Adjunktion Rechtsdislokation siehe Dislokation Rechtsextraposition siehe Extraposition Redundanzregel 245-246, 248 Referentialität 168 Referenz 168-169, 281-282, 284-285, 288, 290 Referenzzeit 42-43, 47 Rekonstruktion 204-205 Rekonstruktionsasymmetrie siehe Asymmetrie Rekonstruktionseffekt 206, 224 Relativoperator siehe Operator Relativpronomen siehe Pronomen Relativsatz 42, 45, 122-123, 149-151, 153, 166, 169-171 appositiv (nicht-restriktiv) 169 frei 122-123 restriktiv 169 Remnant Movement siehe Bewegung Restriktor siehe Vergleichs(konstruktion) Restrukturierung 4, 37-44, 46-56 Right-Node-Raising siehe Anhebung Root Infinitive siehe Infinitivkonstruktion <?page no="341"?> Sachregister 329 Satzakzent siehe Akzent Satzaspekt siehe Aspekt Satzmodus 157, 181 Satztypoperator siehe Operator Scene Setting 132 Schnittstelle Schnittstellenbedingung 310 siehe auch Logische Form, Phonetische Form, Syntax-Pragmatik- Schnittstelle Scrambling 39, 131, 142-143, 147, 149, 152, 154, 265 A’-Scrambling 131 Selection Point 268 Selektion 16, 83, 90, 111-114, 123, 125, 165, 300, 303, 312 siehe auch Hilfsverbselektion, Partizipselektion SEM 235 Sigma/ σ -Merkmale siehe Merkmal Small Clause (SC) 291 Sonde (Probe) 5, 7, 103-104, 115-116, 120, 142, 233-236, 240, 264, 278, 296, 299-302, 305-307, 309, 312 Sonde-Ziel-Modell 254, 263, 269, 295 Sondierung (Probe) 3, 7, 116-118, 125, 234-235, 240 SOV siehe Wortstellung Spaltsatz (Cleft) 257-258 Spaltsatzbildung (Clefting) 40, 42 späte Einsetzung siehe Late Insertion Spezifikator (Specifier, Spec) 51, 140, 142, 163, 171, 185, 209, 211-212, 214, 216, 224, 262, 266, 303, 307, 310 Multiple Spezifikatoren 210 Spezifikator-Kopf-Konfiguration (Spec-Head-Konfiguration) 75-77, 139, 166, 170, 278 siehe auch Kongruenz Spezifizität 67 Split-CP 123, 158, 166 Spracherwerb 297, 300 Sprachkontakt 4-5, 83 Sprechaktphrase (SprechaktP) 200, 287-289 Standardmarker siehe Vergleichs- (konstruktion) S TAY siehe Constraint Stress Deletion Rule (STR) siehe Akzent S RESS F OC (SF) siehe Constraint Strong Crossover (Überkreuzungseffekt) 201 Subjekt S UBJ siehe Constraint Subjektinversion siehe Inversion Subjekt-Objekt-Asymmetrie siehe Asymmetrie Subjektoperator siehe Operator VP-internes Subjekt 65, 264 Subset Principle 92-93, 97, 99, 233 SVO siehe Wortstellung Synkretismus 160, 164 synthetisch 86, 92 Tempus 26, 40, 90, 92, 163, 177, 190, 237, 240, 246 Tempus(merkmal) 90-94, 164 Tempusphrase (TP) 6, 19, 21, 26, 28, 32, 42-43, 51-52, 65-66, 68, 76, 89- 95, 99-100, 108-109, 163, 175-179, 186-190, 192, 195-196, 208-212, 214- 216, 220, 225, 231-236, 238-243, 246-249, 262-264, 266, 269, 289-291, 302, 308, 310 That-t(race)-Verletzung 71 Thema 13, 15-20, 24-26, 28-30, 132, 151, 184, 237, 254 Themavokal 236-237, 242-245, 247- 249 Theta/ θ Theta/ θ -Raster 108 Theta/ θ -Rolle 28, 66, 108 Gradposition (G-θ) 108, 110-111 Grad-Theta/ θ-Rolle 110 Q(uantitäts)position (Q-θ) 110- 111, 115, 117, 119 <?page no="342"?> 330 Sachregister Quantität-Theta/ θ -Rolle 114-116 referentielle Rolle 108-109, 115- 117, 119 Theta/ θ-Identifikation 110-111, 115 Tilgung 119-120, 124-125, 232, 247- 249, 278 T-nach-C-Bewegung siehe Bewegung T-nach-F-Bewegung siehe Bewegung Tobler-Mussafia-Gesetz 45, 135 Ton 74, 247, 254, 256, 259-261 Akzentton 255, 259-260, 269 Grenzton 256, 259-260, 271 Hochton (H) 74, 259-260, 269, 271 Tiefton (L) 74, 259-260, 269 topic expletives siehe Expletivum Topik 6, 19, 77, 132, 135, 152, 157, 184 Diskurstopik-Drop 70 Hanging Topic 132, 178, 200 Hanging Topic Left Dislocation (HTLD) 200-202, 224 Topikalisierung 19, 23, 107, 178, 217 Topik-Fokus-Kontur 184 Topikphrase (TopP) 123, 131, 135, 140, 142, 153, 184, 199, 216-217 TopP siehe Topik TP siehe Tempusphrase Tucking-in-Bewegung siehe Bewegung Überkreuzungseffekt siehe Strong Crossover Überspezifizierung 91-95, 97-100 unpersönliche Konstruktion 73, 280- 282, 284-289, 292 unregelmäßige Verben 229, 243-244, 246, 249 Unterspezifizierung 93, 96-99, 170, 232-233, 287-289 Value siehe Merkmal(sinstantiierung) Variation 13, 15, 86, 170, 175-176, 186, 195, 253-254, 257, 266-267, 271, 280, 285-286, 296-297 Verbalflexion siehe Flexion Verbalphrase siehe VP, siehe auch vP Verbbewegung siehe Bewegung Verbendstellung siehe Wortstellung Verbzweitstellung (V2) siehe Wortstellung Vergleich(skonstruktion) (VK) 5-6, 103-111, 113, 115-118, 120-123, 125 Komparator 103-104, 106-109, 111- 115, 118, 120, 122, 124-125 Restriktor 103-115, 118, 125 Standardmarker 103-104, 109, 111- 113, 120-125 Vergleichskomplement 103-104, 106-107, 111-114, 119 Vergleichsrelation 103, 114, 118- 119, 122, 124-125 siehe auch Äquativ(konstruktion), Komparativkonstruktion V-nach-T-Bewegung siehe Bewegung Vocabulary Item (VI) 83, 87, 89, 91-93, 97, 99, 231, 233, 238 Vokabeleinsetzung (Vocabulary Insertion) 113, 117-118, 125, 231, 233, 237, 244, 246 vP 6, 21, 28, 50, 52-56, 62, 65, 90, 94, 131-133, 140, 143-145, 147, 195, 199, 202, 208-210, 225, 231, 233, 241-243, 245-246, 248, 263-265, 268-269, 299, 301-302, 307-308, 310-311 VP 21, 42, 51, 53, 62, 90, 94, 140, 151, 157-158, 176, 192, 195, 220, 263-264, 289 VP-interne Subjekthypothese 65 VP-Shell (Schalenanalyse) 50 VO/ VOS-Stellung siehe Wortstellung Wetterverben 70-71 Wh-Bewegung siehe Bewegung Wh-Element/ -Phrase 122-123, 125, 142, 149, 178, 213, 215, 299 Wh-Kopfbewegung siehe Bewegung Wh-Phrasenbewegung siehe Bewegung Widening 181-182 <?page no="343"?> Sachregister 331 Wohlgeformtheitsbedingung 232- 233, 236-237, 240 Wortstellung OSV 256 OV 13-15, 20, 23, 27-28, 30-33, 131- 132, 139, 142, 146, 256 SOV 45, 256 SVO 257-258, 260, 265 Verbdrittstellung (V3) 133-135, 143-144 Verbendstellung 44-45 Verberststellung (V1) 45, 133-135, 144-145, 154 Verbviertstellung (V4) 134-135, 143 Verbzweitstellung (V2) 45, 131, 133-136, 142-143, 147-150, 152, 154, 164, 170-171 VO 13-15, 22, 26, 30, 32, 139, 144, 147 VOS 256-257 VSO 217, 258, 263 Wurzel 183, 185-186, 229, 231, 244- 247, 249 Wurzelalternierung 229, 244, 246 Wurzelinfinitiv (Root Infinitive, RI) siehe Infinitivkonstruktion XP-Bewegung siehe Bewegung <?page no="345"?> Sprachregister Bislama 74 Chinesisch 142, 151 Deutsch 5, 39, 50, 72, 84-85, 87-91, 93-100, 103-104, 106, 108-110, 112, 122, 125, 131, 170, 180, 191, 263 Englisch 6, 24, 50-51, 55-56, 65, 67, 73, 106, 110, 112, 114, 122, 175-184, 186, 188-193, 195, 212-213, 222, 263 Esplugisch (Kontaktvarietät) 83-87, 90-91, 95, 97, 99, 107-111, 114-115, 121, 123 Französisch 4, 12, 28, 42, 44, 61-63, 67-68, 70-73, 77, 80, 146, 163, 166, 171, 188-189, 193, 259 Altfranzösisch 4, 62-63, 68-72, 77- 80 Mittelfranzösisch 72 Modernes Französisch 62, 68, 70- 72, 77 Neufranzösisch 62 Galicisch 97, 171, 188-189, 191-193 Italienisch 3-5, 7, 28, 35-39, 41-42, 45-46, 50-52, 54-57, 61-68, 71-72, 74-77, 80, 91, 97, 102, 147, 171, 188-189, 193, 210, 212-215, 219, 274, 277-278, 281, 283-284, 288 Altitalienisch 4, 6, 127-133, 135- 143, 145, 147-148, 150 Mittelitalienisch 147 Modernes Italienisch 128-133, 137-138, 141-143, 145, 148, 150 Turinesisch 154, 157-160, 168 Katalanisch 143, 171, 188-189, 193, 198, 201, 214, 216, 219 Koreanisch Kreolsprachen 4-5, 86-88, 90-91, 95 Haitianisch 88, 98, 101 Kapverdisch 87-88, 98 Kriyol 87-88 Papiamentu 85-88, 90-93, 95-102 Saramakkisch 87, 97, 99-100 Lateinisch 12-13, 19, 21-28, 30, 68, 78, 130, 149, 234-235, 245 Spätlateinisch 27-28 Vulgärlateinisch 13, 22, 235 Niederländisch 97, 188 Norwegisch 188 Portugiesisch 4, 7, 11-13, 15, 17, 19, 24-25, 28-29, 31, 68, 100, 171, 188- 189, 191-193, 287 Altportugiesisch 12-13, 18-21, 25- 30, 68 Europäisches Portugiesisch 97, 100, 274, 280-281, 283, 287-288 Modernes Portugiesisch 12, 18- 21, 25, 29-30 Rätoromanisch 4, 96, 161 Friaulisch 135 Ladinisch 161 Marebbanisch 154, 161-163, 165- 166, 168 Rumänisch 4 Sardisch 4, 78-80 Spanisch 5-7, 28, 44, 89, 97, 108-109, 111-115, 117-124, 143, 171-174, 176-177, 179-183, 185-193, 196, <?page no="346"?> 334 Sprachregister 198-201, 207, 209, 225, 232-236, 238, 241-243, 245, 249-250, 252- 253, 255, 258-260, 262, 292, 296- 297 Altspanisch 234 Dominikanisches Spanisch 96-97 Modernes Spanisch 3, 234, 236, 245 Porteño 255 siehe auch Esplugisch (Kontaktvarietät) Türkeitürkisch 252 Wolof 251 <?page no="347"?> Eva-Maria Remberger Guido Mensching (Hrsg.) Romanistische Syntax - minimalistisch Remberger / Mensching (Hrsg.) Romanistische Syntax - minimalistisch 506 Gunter Narr Verlag Tübingen Der vorliegende Sammelband fasst die Arbeiten deutscher und internationaler Linguistinnen und Linguisten zusammen, die im minimalistischen Modell der Generativen Grammatik arbeiten und dieses auf eine große Anzahl romanischer Sprachen anwenden. Die einzelnen Beiträge behandeln ausgewählte Probleme der romanischen Syntax aus minimalistischer Perspektive, wie z.B. Wortstellungsmuster, Expletiva, Restrukturierung oder Äquativkonstruktionen. Darüber hinaus leisten sie einen Beitrag zur Diskussion der linken Satzperipherie aus romanistischer Sicht und zeigen die Schnittstellen der (romanischen) Syntax zu anderen Kernbereichen des Sprachsystems auf. Sie behandeln eine große Anzahl romanischer Sprachen und können gerade einem deutschsprachigen Publikum als Einstieg in die romanistische minimalistische Syntax dienen, wobei sich hier zudem Ausblicke auf ergänzende Theorien wie die Distributed Morphology (DM) oder die Optimality Theory (OT) sowie auf eine mögliche computerlinguistische Umsetzung ergeben. ISBN 978-3-8233-6358-3 013609 TBL 506 - Remberger 27.02.2009 11: 45 Uhr Seite 1 User: Steffen Hack l www.fotosatz-hack.de