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Schnittpunkt Frankreich

Ein Jahrtausend Übersetzen

1007
2009
978-3-8233-7505-0
978-3-8233-6505-1
Gunter Narr Verlag 
Fritz Nies

Außenwirkungen französischer Literatur und Kultur wurden oft untersucht. Dagegen fehlt eine übergreifende Geschichte des Übersetzens ins Französische. Der vorliegende Entwurf einer solchen Geschichte strebt an, den Transfer - über Spitzenliteraten und Großübersetzer hinaus - auch in der Breite zu erfassen und Variable ebenso herauszustellen wie Langzeit-Konstanten. Skizziert wird eine sozialhistorische Übersetzer-Typologie (Konfession, Stand und Beruf usf.), neben Vernetzungen und Affinitäten, nationalkulturellen Auslesefaktoren (Spenderliteraturen, Genres) und typischen Anpassungsprozessen. Zielgruppen oder Intensität und Art der Wirkung sind ebenso angesprochen wie graduell unterschiedliches Aktualitätsstreben, die Theorie und Praxis der Sprachbereicherung, die Spannung zwischen Übertragungs-Polen wie Treue und Freiheit, Verderb oder angepeilte Überbietung des Originals usf. In einer Fülle von Facetten wird das wohl wichtigste Instrument interkultureller Kommunikation erstmals in seiner ganzen historischen Tiefe anschaulich gemacht.

<?page no="0"?> Fritz Nies Schnittpunkt Frankreich Ein Jahrtausend Übersetzen Gunter Narr Verlag Tübingen TRANSFER <?page no="2"?> TRANSFER Literatur - Übersetzung - Kultur 20 Herausgegeben von Monika Gomille, Bernd Kortländer, Hans T. Siepe <?page no="3"?> Fritz Nies Schnittpunkt Frankreich Ein Jahrtausend Übersetzen Gunter Narr Verlag Tübingen <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.d-nb.de> abrufbar. Titelbild: Der Übersetzer Jean Mielot, 15. Jh. (ms. frs 9138 fol.1 der Bibliothèque nationale de France, © BnF). Frontispiz: Burgundische Übersetzer (ms. frs 190, F 183, cliché C 62/ 112 der Bibliothèque nationale de France, © BnF). Gedruckt mit Unterstützung der Gesellschaft von Freunden und Förderern der Heinrich- Heine-Universität Düsseldorf. © 2009 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 0939-9941 ISBN 978-3-8233-6505-1 <?page no="5"?> V Vorwort Es war vor allem Fritz Nies, der nicht nur den Studiengang „Literaturübersetzen“ an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf maßgeblich angeregt und geprägt hat, sondern auch die Reihe „Transfer. Düsseldorfer Materialien zur Literaturübersetzung“ besonders belebt hat sowohl als Herausgeber von Sammelbänden wie auch als Autor. Mit Schnittpunkt Frankreich. Ein Jahrtausend Übersetzen liegt nun der fünfte von ihm verantwortete bzw. mitverantwortete Titel in dieser Reihe vor, und es ist schön, dass hier auch ein Bogen seinen Abschluss findet, der sich vom ersten Band Ist Literaturübersetzen lehrbar? über Literaturimport und Literaturkritik: Das Beispiel Frankreich über Spiel ohne Grenzen? Zum deutsch-französischen Transfer in den Geistes- und Sozialwissenschaften und Europa denkt mehrsprachig. Exemplarisch: deutsche und französische Kulturwissenschaften bis zu diesem 20. Band der Reihe erstreckt, welcher einerseits manches bündelt, was Fritz Nies zum Übersetzen gedacht und publiziert hat, und welcher andererseits zugleich auch im Horizont eines Neuanfangs steht. Nach 20 Jahren löst ein neues Herausgeberteam die bisherigen Reihen-Herausgeber der „Transfer“-Reihe (Albert-Reiner Glaap, Rudi Keller und Fritz Nies) ab. Kontinuität ist dabei schon deshalb gewährleistet, weil wir, genau wie unsere Vorgänger, dem Studiengang „Literaturübersetzen“ in Düsseldorf eng verbunden sind. Ein wenig offener soll sich die Reihe nun darstellen, deren Untertitel (statt „Düsseldorfer Materialien zur Literaturübersetzung“) jetzt schlicht „Literatur - Übersetzung - Kultur“ lautet. Die Reihe wird wie bisher den Fragen des sprachlichen Transfers in Form literarischer Übersetzungen nachgehen. Transfer ist in dieser Perspektive kein linear-einsinniger, zielgerichteter Vorgang, sondern meint die Beziehungs- und Austauschgeschichten verschiedener Kulturen, die in gesellschaftliche Dynamiken eingebunden und deshalb historisch variabel sind. Den Fragen nach der Mobilität und Zirkulation literarischer Texte, nach ihrem Leben in fremden Kulturen, den Bedeutungen und Netzwerken, die sich im Umkreis des literarischen Transfers herausbilden, folgt auch dieses neue Buch von Fritz Nies mit einem Blick auf Frankreich und Deutschland in exemplarischer Weise und verweist gleichzeitig auch auf neue Fragen, denen sich zukünftige Untersuchungen stellen sollten. „Ein Glücksfall wäre es“, so lauten die beiden letzten Sätze, „wenn manche Erträge meiner historischen Probebohrungen dazu reizen könnten, die planmäßige Erschließung des Forschungsfeldes weiter voranzutreiben. Scheint es doch reich an Gold- <?page no="6"?> VI adern der Erkenntnis, die es auszumünzen gilt gerade in einer Zeit, die sich als Ära der interkulturellen Kommunikation versteht.“ Dafür wird die „Transfer“-Reihe weiterhin ein Forum bieten. Monika Gomille / Bernd Kortländer / Hans T. Siepe Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf <?page no="7"?> 1 Inhalt Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 I. Im Spiegel der Epochen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Im Anfang war das Übersetzen: Mittelalter. . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2. Antike und Italien: das 16. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Königliches Übungsfeld: das Grand Siècle . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4. Hochkonjunktur: das 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4.1. Neue Hauptlieferanten: nachantike Literaturen . . . . . . . . . . . . 60 4.1.1. Spitzenrang: England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.1.2. Aufholjagd: Importe aus dem deutschen Sprachraum . . . . . . . 70 4.1.3. Abgeschlagen: Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4.2. Im Gegenzug: Export in den deutschen Raum (1700-60) . . . . 94 4.3. Einige Nahaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4.3.1. Enzyklopädisten und Aufklärer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.3.2. Die Revolutionsdekade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4.3.3. Im Vorfeld der Romantik: das Italienbild . . . . . . . . . . . . . . . . 120 5. Streiflichter: 19. und frühes 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . 132 5.1. Blütezeit des Zeitungsromans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 6. Ausblick: zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . 137 6.1. Ost und West: Deutsch-französischer Austausch . . . . . . . . . . 138 6.1.1 Noch Neues aus Osten in Belletristik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 6.1.2 Im Westwind: Altgewohnte und neue Belletristik . . . . . . . . . 140 6.2. Deutsch-französischer Austausch in den Geisteswissenschaften der 1990er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 II. Universalien und Langzeitphänomene . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Übersetzertypen: von Klerikern, Medizinern und vor allem Juristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Vernetzung und Affinitäten im deutsch-französischen Feld . 163 3. Lockung und Abwehr des Fremden: Wechselspiel mit Nationalstereotypen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Andre Fische, neue Köder: Titelumformung. . . . . . . . . . . . . . 185 III. Kanonisierungssymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Konsekration via Wörterbuch und Zitatlexikon . . . . . . . . . . . 192 2. Konsekration durch Buchreihen (1715-1921) . . . . . . . . . . . . . 203 Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Veröffentlichungsnachweis von (Passagen aus) Vorarbeiten. . . . . . . 217 Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 - Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 - Übersetzer (und Pseudo-Übersetzer) ins Französische . . . . . . . . . 222 <?page no="9"?> 3 Einleitung Die „französische Übersetzungsgeschichte“ sei „besonders gut“ erforscht, beteuerte unlängst ein verdienstvoller Überblick. 1 Konnte man folglich einem der namhaftesten Komparatisten des Hexagons vertrauen, wenn er kurz zuvor glaubte, es sei erst „avec la Renaissance que se pose vraiment la question des traductions et de leur place dans le système littéraire“? 2 Beim genauen Hinsehen erblickt man jedoch schon für deren Vorperiode ein weites Forschungsfeld, das alles andere als versteppt wirkt: Insgesamt bewegt sich die Zahl von Studien zu Praxis und Theorie, Kunst und Geschichte des Übersetzens im vierstelligen Bereich, letztere oft verpackt in die lange Zeit so beliebten „Einfluss“-Studien. Ein Band wie dieser setzt sich also dem Verdacht aus, recht entbehrlich zu sein. Doch registriert der Beobachter auch statt Ödland eine üppige Vegetation unterschiedlichster Publikationen vor allem zu Einzelerscheinungen, scheint das Gelände eher von Wildwuchs und Trampelpfaden geprägt als durch sorgsame Bestellung. Durch diesen Maquis wollen die Kapitel meines Buchs Furchen ziehen und dazu ermuntern, die breiten Zwischenräume gleichfalls zu kultivieren. Welche Pflugschar schien für solche Rodungsarbeit tauglich? Mentalitätsgeschichte und Histoire sérielle sind, seit dem Zerfall des Sowjetimperiums und des „wissenschaftlichen Sozialismus“ als seinem Überbau, in eine Krise geraten. Schon lange vorher indes war umstritten, ob Quantifizierung von Mengen gleichartiger Elemente - hier Korrelaten eines egalitär-antielitären Menschenbilds - als Universalwerkzeug literaturhistorischer Erkenntnis zureichend sei. Doch in einer Zeit des noch immer ungebrochenen Zahlenfetischismus in Sozial-, Lebens- und Naturwissenschaften scheint es, dass sich allein aus individualistischer Begrifflichkeit ebenso wenig eine zukunftsfähige, öffentlicher Beachtung sichere Literaturwissenschaft begründen lässt. Damit stellt sich erneut die alte Kernfrage nach der Art des Ineinanders von Ereignis und Struktur, Individuellem und Allgemeinem: von Einzeltext, namhaftem Autor oder Mittler, Einzeladressaten und Ausnahmeleser hier, von Textverbänden und Genres, von sozialen Typen in 1 J. Albrecht, Literarische Übersetzung. Geschichte - Theorie - Wirkung, Darmstadt 1998, S. 303. Vgl. auch H. van Hoof, Histoire de la traduction en Occident, Louvainla-Neuve 1991, Kap. II. 2 Vgl. Y. Chevrel, Les traductions et leur rôle dans le système littéraire français, in H. Kittel, Die literarische Übersetzung. Stand und Perspektiven ihrer Erforschung, Berlin 1988, S. 32. Chevrels Formulierung „vraiment“ legt allerdings nahe, dass vereinzelte Ansätze schon vorher erkennbar waren, aber für das Gesamtsystem noch nicht wirklich ins Gewicht fielen. <?page no="10"?> 4 Produktion, interkulturellem Transfer, literarischer Rezeption dort. Um diese Grundfrage schlüssig stellen zu können, muss man die Geschichte auch literarischer Mengen ins Auge fassen. Denn seit Literatur schubweise zum Massenphänomen mutierte, wirkt die (unlängst selbst bei manch marxistischem Literatursoziologen noch übliche) Geschichtsschreibung der ohne Legimitation gekürten Dichterfürsten, Sonderleser und Spitzenwerke, literarischer „Haupt- und Staatsaktionen“ zunehmend anachronistisch. Die Projektion ihrer Ergebnisse auf das literarische Gesamtsystem dürfte zu eklatanten Fehlschlüssen führen. Was wir dringend als Korrektiv brauchen, ist also die Geschichte literarischer Mengen wie damit korrelierender Profile ihrer Trägergruppen. Erst wenn auch sie bekannt sind, werden wir besser abschätzen können, welcher Platz den als „Grands Traducteurs français“ Gefeierten (wie Mme Dacier, Houdar de La Motte, Gérard de Nerval) 3 innerhalb des literarischen Feldes ihrer Zeit gebührt, oder wie sich der Zustrom aus bestimmten Nationalliteraturen und Genres auf die als Glanzlichter gerühmten Autoren und Einzelwerke auswirkte. 4 Die folgenden Kapitel präsentieren daher Ansätze einer angestrebten Doppelstrategie. Sie bedeutet Annahme des alten Auftrags Galileos an die Wissenschaft, zunehmend „messbar zu machen, was noch nicht gemessen werden kann“. Das heißt Mitnutzung jener quantitativen und statistischen Methoden, die deskriptiv-induktiven Naturwissenschaften längst geläufig sind, und wo immer möglich Arbeit mit großen Zahlen, Näherungswerten, Hochrechnungen und Wahrscheinlichkeitsschlüssen. Führt doch schon die eingangs vermutete Sonderstellung der Renaissance automatisch zur Frage nach Chancen quantitativer Vergleichbarkeit des Übersetzungswesens im Mittelalter und seiner Folgezeit. Um solche Chancen allerdings scheint es vorerst schlecht bestellt. Betonen doch Experten zu Recht, „bio-bibliographische Informationsquellen“ seien „bis auf den heutigen Tag schwach entwickelt“, 5 oder sie beklagen das Fehlen von „bases explicites et cohérentes“ für den Entwurf einer Übersetzungsgeschichte. In der Tat sind seriell scheinende 3 Siehe dazu und zum Folgenden etwa E. Cary, Les Grands Traducteurs français, Genf 1963. Auf oft zitierte Einzelübersetzer fokussiert sind auch A. Lefevere, Translation/ History/ Culture: A Source Book, London/ New York 1992; J. v. Stackelberg, Literarische Rezeptionsformen, Frankfurt/ M. 1972, Kap. 1. 4 Siehe zu alledem Nies, Schnell und viel - Gattungsbildung in Frankreich zur Zeit des Endlospapiers, in: H. Pfeiffer/ H.R. Jauß/ F. Gaillard, Art social und Art industriel. Funktionen der Kunst im Zeitalter des Industrialismus, München 1987, S. 408f. 5 Albrecht [Anm. 1], S. 44. - Folgendes Zitat: J. Lambert, La traduction, in: M. Angenot u. a. (Hg.), Théorie littéraire. Problèmes et perspectives, Paris, PUF 1989. Siehe auch H.-G. Roloff, Vorschlag zu einer europäischen Übersetzungs-Bibliographie,TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften, August 1998. <?page no="11"?> 5 Quellen rar und selten verlässlich. Bei den biographischen Repertorien erweist sich noch Henri van Hoofs neuer Dictionnaire universel des Traducteurs 6 als so lückenhaft wie ungenau. Alles andere als umfassend sind auch die Epochenbibliographien Cioranescus für das 16. bis 18. Jahrhundert: anonyme Übertragungen wurden dort ganz ausgespart und zudem offenbar nur Autoren berücksichtigt, deren Werke zumindest partiell der Belletristik zuweisbar waren. Die Textgestalt mittelalterlicher Handschriften wiederum war so variabel, dass die Unterscheidung zwischen eigenständigen Werken und bloßen Varianten oft schwierig ist. Für den Ozean späterer Druckerzeugnisse schließlich würde eine Sichtung schon des Katalogmaterials der Pariser Nationalbibliothek vom Umfang her die Kräfte des Einzelforschers weit übersteigen, sollten sämtliche Übersetzungen erfasst werden. Die großen Nationalbiographien wieder sind wenig ergiebig, sobald es um Personen geht, die sich primär als Übersetzer einen Namen machten. Soweit sie überhaupt Erwähnung finden, gehen die meisten Einträge kaum über anekdotische Details hinaus, die eine sozialhistorische Gruppierung selbst dann ausschlössen, wenn man soziale Mobilität unbeachtet ließe. Hoffen kann man also nur, aufgrund möglichst breiter Erfassung von Texten und Personen Näherungswerte zu erzielen, die beschränkte Repräsentativität besitzen. Die Dimension dabei anfallender Datenmengen verbietet Einzelnachweise natürlich in vielen Bereichen, zwingt zur Datenverknappung im Anmerkungsteil, 7 nötigt zum Verzicht auf Register etwa sämtlicher Übersetzungen oder Auflagen von Autoren oder Werken, so wertvoll diese wirkungsgeschichtlich wären. Doch soll zumindest eine Liste von zitierten Autoren wissenschaftlicher Studien weiterführende Hinweise geben. Einzig ein Verzeichnis erschließbarer Übersetzer ins Französische schien trotz seines beträchtlichen Umfangs vertretbar - aus der Hoffnung heraus, es könnte zum Ausgangspunkt einer künftigen Sozialgeschichte der Zunft werden. Das Verzeichnis versucht daher, zumindest biographische Eckdaten zu erschließen und bis zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert dem Ideal annähernder Vollständigkeit so nahe wie möglich zu kommen. 6 Genève 1993. Weiter konsultiert wurde neben Wikipedia etwa J. Balteau (Hg.), Dictionnaire de biographie française, Paris 1953 ff. 7 In Buchform erschienene Übersetzungen wie übersetzungshistorische Studien werden im Normalfall nur mit Namen des Übersetzers/ Autors und Titelschlagwort oder Erscheinungsjahr nachgewiesen, sind so aber in gängigen Bibliographien oder dem KVK (Karlsruher Virtueller Katalog) online leicht identifizierbar. Mit ausführlichen Angaben zitiert sind dagegen Artikel in Zeitschriften und Sammelbänden sowie Buchtitel von besonderem Stellenwert. <?page no="12"?> 6 Doch nun vom Wie zum Was meines Vorhabens: Im Zentrum des Blickfelds sollten (da Frankreichs weltweite Literaturexporte das Augenmerk bisheriger Forschung in ungleich höherem Maße auf sich zogen) Einbürgerungen in den französischen Sprachraum stehen. Nützlich schienen indes einzelne Parallelstudien zur Außenwirkung französischer Literatur. Es lag nahe, dafür beispielhaft meinen eigenen, also den deutschen Sprachraum zu wählen. Im ersten Teil der Analysen soll das gängige Epochenraster eine Reihe historischer Trends sichtbar machen, mit Schwerpunkt auf Zeiträumen, deren Erfassung für den Einzelforscher nicht völlig aussichtslos erschien. Erwartbar ist, dass dabei gewisse Phänomene auch mehrfach auftauchen werden. Ihre Wiedererwähnung ist gewollt als Vorbereitung von Teil zwei. Zusätzlich angebracht waren Nahaufnahmen augenfälliger Zeitspannen und Mittlertypen für die Periode jener Hochkonjunktur, nach der die (vorerst noch nicht kanalisierbare) Flutwelle moderner Massenproduktion hereinbrach. Im zweiten Teil sollen, unter Nutzung von Teil eins und anhand ausgewählter Beispiele, Langzeit-Phänomene in den Blick kommen, die den Epochenrahmen deutlich sprengen: Umrisse einer Übersetzertypologie, Vernetzungen und Affinitäten gewisser Übersetzertypen, Konsekrationsfaktoren und Anpassungsstrategien, Wechselspiele zwischen nationalen Klischees und Literaturtransfer usw. Die einzelnen Kapitel entstanden, abgesehen von wenigen unpublizierten Abschnitten, aus partiellen Vorarbeiten mehrerer Jahrzehnte. 8 Sie wurden dem Gesamtkonzept angepasst, aktualisiert, berichtigt und ergänzt, teils stark erweitert. Eine lange Entstehungsgeschichte soll trotzdem nicht vertuscht werden. Das Ganze mag noch immer wirken wie ein zu weitmaschiges Netz. Zu wünschen ist, dass dessen vielfache Knotenpunkte dennoch die Brauchbarkeit für ergiebige historische Fischzüge nachweisen und vor allem zum Knüpfen engerer Maschen ermuntern. 8 Siehe dazu die Nachweise am Ende des Bandes. <?page no="13"?> 7 I. Im Spiegel der Epochen Es muss nicht betont werden, dass historische Prozesse weder säuberlich in Dekadennoch in Jahrhundertschritten ablaufen und auch nicht zu Jahrhundert- und Epochenwenden abrupt einsetzen oder abbrechen. Unstreitig werden Entwicklungen aber durch solch normierte Raster überschaubarer und vergleichbar. Daher soll als erstes ein Schaubild den gesamten Zeitraum erfassen, für den (auf der Basis derselben bibliographischen Hauptquelle) 1 quantitative Annäherungswerte möglich schienen. Anzahl der Übersetzungen nach Sprachen 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 1500-09 1510-19 1520-29 1530-39 1540-49 1550-59 1560-69 1570-79 1580-89 1590-99 1600-09 1610-19 1620-29 1630-39 1640-49 1650-59 1660-69 1670-79 1680-89 1690-99 1700-09 1710-19 1720-29 1730-39 1740-49 1750-59 1760-60 1770-79 1780-89 1790-99 1800-09 1810-19 Zeit Alte Sprachen Italienisch Spanisch Englisch Deutsch Sonstige/ fragliche Gesamt Einzelheiten des Kurvenverlaufs werden in den Kapiteln über die jeweiligen Epochen zu diskutieren sein. 1 Als Quelle dienten, durch Zufallsfunde in anderen Repertorien ergänzt, die sieben Bände von A. Cioranescus Bibliographie de la littérature française für das 16. bis 18. Jahrhundert. Verzerrungen der Kurven sind beim Abfall der Endphase (Wende zum 19. Jahrhundert) anzusetzen, da Cioranescu als Kriterium für eine Aufnahme offenbar nicht das Publikationsjahr galt, sondern die Lebensspanne von Autoren, die man eher dem 18. oder dem 19. Jahrhundert zuzuweisen pflegt. Der Kurvenverlauf für die Herkunftssprache Deutsch ist insofern atypisch, als hier eine zusätzliche Aufnahme anonymer Übersetzungen aufgrund der Bibliographie von L. Bihl/ K. Epting möglich war, die auf Beständen der Pariser Bibliothèque Nationale basiert (Bibliographie französischer Übersetzungen aus dem Deutschen 1487-1944, 1987). <?page no="14"?> 8 1. Im Anfang war das Übersetzen: Mittelalter Die einleitend erwähnte Vermutung, Startlinie der französischen Übersetzungsgeschichte sei die Renaissance, greift entschieden zu kurz, und dies gleich um mehrere Jahrhunderte: Nicht nur ist der erste französische Text überhaupt eine Übersetzung seines althochdeutschen Paralleltextes - der Straßburger Eide von 842, eines zweisprachigen Bündnisvertrags zwischen den Königen Charles le Chauve und Ludwig dem Deutschen. 2 Bei den ältesten in Frankreich erstellten rein französischen Handschriften, die erhalten sind und von der Wende des zwölften zum dreizehnten Jahrhundert stammen, handelt es sich ebenfalls um Übersetzungen. 3 Und das erste 1474 in französischer Sprache gedruckte Buch war wieder eine Übersetzung. Diese drei Schlüsseldaten mögen einen ersten Eindruck vermitteln vom Gewicht, das der Übertragung aus anderen Idiomen im französischen Sprachraum (der sog. langue d’oïl) des Mittelalters zukam. Über einen Gutteil der Epoche hin war die Zahl von Übersetzungen deutlich größer als die jener Werke, für die ein Rückgriff auf fremdsprachige Vorlagen nicht nachweisbar ist. Wohl kaum zufällig ist translater seit dem Cambridger Psalter um 1120 belegt, 4 gehörten Vokabeln wie translation „Übersetzung“ und translateur seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zum gängigen französischen Wortschatz und spiegelten so einen klaren Benennungsbedarf für eine ebenso gängige Aktivität - nur wenige Jahrzehnte also nach dem Erstbeleg romanz in der Bedeutung „(nord)französische Volkssprache“. 5 Ein eigenes Wort für das Übertragen in diese aus dem Lateinischen schuf man spätestens um 1200 mit enromancier. 6 Denn wie schon angedeutet, hatte rege Übersetzungstätigkeit bereits ein rundes Jahrhundert zuvor eingesetzt, und bis zum Ende des Mittelalters sollte sich die Zahl erhaltener oder uns bekannt gewordener, aber verlorener Übertragungen auf viele Hunderte belaufen. 7 2 Strittig ist, ob die Originalfassung der Eidesformeln in Latein, Altfranzösisch oder Althochdeutsch verfasst war. 3 Darauf verwiesen schon zu Beginn des 20. Jhs. H. Suchier/ A. Birch-Hirschfeld in ihrer weit verbreiteten Geschichte der französischen Litteratur, Leipzig/ Wien 1905, S. 180. 4 Hinweis von Ulrich Mölk. 5 Siehe dazu etwa W. v. Wartburg: Französisches etymologisches Wörterbuch (in der Folge: FEW) 10,453a und 13/ 2,209. - Zum folgenden enromancier siehe ebd. 10,453a. 6 Vereinzelt wurde auch ins Lateinische übersetzt, so etwa die Fleur des histoires d’Orient durch Nicolas Faucon, oder Schriften von Aristoteles, Hippokrates und Galenos durch Willem van Moerbeke. 7 Die unsichere Quellenlage, nicht zuletzt im Hinblick auf Vollständigkeit und Zuverlässigkeit vieler Angaben in bibliographischen, biographischen, chronologischen Repertorien (Datierung von Texten oder Zuweisung zu bestimmten Übersetzern, deren Biographie usf.) läßt nur Trendangaben mit breiter Unsicherheitsmarge zu. Basis der folgenden Analysen sind rund 290 deutlich unterscheidbare Übertragungen. Als wich- <?page no="15"?> 9 Sprachen und Genres, Werke und Autoren Welche Autoren, Texte und Textarten waren es, von denen französische Versionen entstanden? Auch hier sind naive Klischees auszuräumen. Ist doch nicht nur aus deutscher Sicht der Irrglaube verbreitet, vor dem reformatorischen Aufbruch des 16. Jahrhunderts im deutschen wie französischen Sprachgebiet, also vor Luther und Calvin hätten Fassungen der Bibel in den Volkssprachen nicht existiert. Die Geschichte der französischen Prosa beginnt indes, Anfang des 12. Jahrhunderts, mit Übersetzungen des Psalters 8 aus dem Alten Testament, die bis zur Reformation weit verbreitet waren. Es folgten in der zweiten Jahrhunderthälfte die Bücher der Könige, im Lauf des 13. Jahrhunderts das Buch Jonas, die Makkabäer, die Apokalypse, die Bücher Salomons und der Propheten, schließlich das ganze Alte Testament und mehrfach die Gesamtheit der Bibel. 9 Die Übersetzer dieser und späterer, zum Gutteil in Versform gefasster Versionen sind nur zu etwa der Hälfte bekannt. 10 Am aktivsten wurde die Übersetzung biblischer Texte ursprünglich wohl in Klöstern des Nordostens, in der Normandie und England betrieben. Als falsch erweist sich eine weitere gängige Ansicht: der Kampf des päpstlichen Lehramts gegen heterodox eingeschätzte Bibelübertragungen habe erst mit der Reformation begonnen. Denn schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts beschlagnahmten und verbrannten in Metz und Lüttich päpstliche Beauftragte Einbürgerungen vor allem biblischer Texte, die aus dem Umfeld der Waldensersekte stammten. Übertragen tige bio-bibliographische Quellen für die Epoche seien genannt: R. Bossuat/ J. Monfrin/ F. Vielliard, Manuel bibliographique de la littérature française du Moyen Age, Troisième supplément (1960-80), Paris C.N.R.S. 1991, Bd. II, S. 952-70: Les traducteurs; H. R. Jauß/ E. Köhler, Grundriß der romanischen Literaturen des Mittelalters Bd. VI/ 1, Heidelberg 1968, S. 21-57, mit Dokumentationsteil Bd. VI/ 2, Heidelberg 1970. Das im Internet zugängliche Verzeichnis zu bearbeitender Werke des Forschungsprojekts Transmedie. Tranlations médiévales: Cinq siècles de traductions en français (Xe-XVe siècle) verzeichnet allein rund 300 Manuskripte von Übersetzungen, deren Autoren nicht bekannt sind. 8 Oxforder und Cambridger Psalter (beide ca. 1120). Die beiden ältesten genauer datierbaren französischen Prosatexte sind 1120 ein lateinischer Passus aus einem Brief Gregors d. Gr. und seine frz. Übersetzung im Albanipsalter (vgl. U. Mölks Kommentar in ZfSL 87, 1977, S. 19). 9 Vgl. zur Bibelübersetzung W. Schwarz, Schriften zur Bibelübersetzung und mittelalterlichen Übersetzungstheorie, London 1985. Bücher und Artikel zu diversen Problemen heutiger wie früherer Bibelübersetzung zählen nach Dutzenden. Sie sind offenbar im deutschen und vor allem angelsächsischen Sprachraum (wo sogar seit langem eine eigene Zeitschrift The Bible Translator existiert) weit zahlreicher als im romanischen Kulturraum. Das mag mit konfessionell unterschiedlichem Gewicht der Verbreitung des geschriebenen Gottesworts zu tun haben. 10 Guyard des Moulins, Jean de Sy, Jean de Rély, Jean de Vignay, Jean Malkaraume, Macé de la Charité. - Zum Folgenden siehe schon Suchier/ Birch-Hirschfeld [Anm. 3], S. 158f. <?page no="16"?> 10 wurden, neben Bibeltexten, erwartungsgemäß weitere Standardwerke frühchristlicher Tradition: die Conlationes Patrum des heiligen Cassianus von Marseille, die Ordensregel Benedikts von Nursia, Homelien und Dialoge Gregors des Großen, die Civitas Dei des Augustinus. Eine weit größere Zahl von Übertragungen jedoch entstammte jener „heidnischen“ Antike, der nach gängiger Ansicht das christliche Mittelalter keinen Raum mehr gelassen und erst die Renaissance wieder zu ihrem Recht verholfen haben soll. Auch diese Einbürgerung antiker Literatur setzte bereits um 1140 ein mit zwei anglonormannischen Fassungen der Disticha Catonis, gefolgt von einer Prosaversion der Consolatio Philosophiae des Boethius und Fabeln des Phädrus. Ab dem 13. Jahrhundert sollte eine stattliche Reihe römischer bzw. lateinisch schreibender Autoren folgen, die deutlich über den Schulkanon späterer Epochen hinausreichte. 11 Nicht wenige jener Werke avancierten sogar, ähnlich wie biblische Texte und manchmal in nur kurzem Zeitabstand, zwei- oder dreimal zur 11 Nennen wir, in alphabetischer Folge: Avian, Caesar, Cicero, Quintus Curtius Rufus, Dares, Frontinus, Flavius, Josephus, Justinian, Gaius Laelius, Titus Livius, Lucanus, Ovid, Seneca, Solinus, Valerius Maximus, Flavius Vegetius, Vergil. - Zum Folgenden: mehrfach übertragen wurden etwa die Consolatio Philosophiae (von Jean de Meun 1298, von Pierre de Paris 1305, von Renaut de Louens 1337); Caesars Commentaires (von Jean Duchesne 1472, Robert Gaguin 1485); Ciceros De Officiis (von Laurent de Premierfait um 1400, Tanneguy Duchâtel 1493); Ovids Métamorphoses (um 1320 anonym, 1484 von Colard Mansion) und Ars amatoria (von Chrétien de Troyes 12. Jh., anonym letztes Drittel des 13. Jhs. und um 1490); De re militari des Vegetius (von Jean de Meun 1282, Jean de Vignay 1326, anonym 1380). <?page no="17"?> 11 übersetzerischen Herausforderung. Auch einige griechisch schreibende Autoren des Altertums wurden übertragen. Um die Werke des Aristoteles etwa bemühten sich ab dem 13. Jahrhundert mindestens vier verschiedene Übersetzer. 12 Französische Versionen entstanden ebenso von Hippokrates und Ptolemäus, in mehrfacher Ausführung von Äsop und Xenophon. Nur in Ausnahmefällen allerdings waren jene griechischen Texte unmittelbar aus der Originalsprache übersetzt. Meist diente als Vorlage eine Übertragung ins Lateinische, mit allen daraus resultierenden Risiken verdoppelter Missdeutung und Verfälschung. Lateinischer Zwischentexte bedienten sich vom 12. bis zum 14. Jh. auch einige Übersetzer arabischer, im 15. Jh. italienischer Werke, oder der ursprünglich englischen Vie Saint Edmund des Denis Piramus, des deutschen Narrenschiffs von Sebastian Brant. Über sogar zwei Zwischenstadien (arabisch, lateinisch) gelangte der Aristoteles von Nicole Oresme ins Französische, ebenso wie der Esope von Marie de France (lateinisch, englisch). Die mit Abstand meisten Übersetzungsvorhaben galten, seit dem 12. Jahrhundert, einem reichlichen Hundert lateinischer Texte des Mittelalters selbst. Ein Schwerpunkt solcher Übertragungen lag auf Texten didaktischer Genres: Ysopet, Bestiaire und Volucraire, Doctrinal und Lucidaire, um deren Einbürgerung sich primär Kleriker verdient machten. Angesichts des Zeitaufwands, den Erstellung und Kopieren von Handschriften erforderten, der dadurch bedingten Kostbarkeit von Manuskripten, nicht zuletzt der rudimentären Verkehrswege und Transportmittel ging natürlich die Verbreitung von Texten unendlich langsam vonstatten. So nimmt es nicht wunder, wenn im Normalfall zwischen Entstehung mittellateinischer Originale und ihrer Übertragung viele Jahrzehnte lagen oder gar ein Jahrhundert und mehr verging. Doch unter den Texten, die genauer datierbar sind, gab es auch bereits Fälle weniger zeitraubender Umsetzung in die Volkssprache: Die Legenda aurea des Jakobus von Voragine wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts fast unmittelbar ins Französische übertragen. Beneits Übersetzung der Vie de Thomas Beckett entstand immerhin schon 14 Jahre nach Ermordung des Verherrlichten, und nicht mehr als vier Jahre lagen zwischen Tod des Protagonisten, seiner lateinischen Vita und französischer Version bei der Vie d’Edouard le Confesseur von 1170. Henri de Gauchy übertrug schon 1282 das Gouvernement des Rois et des Princes des Aegidius Romanus, und Autoren wie Nicole Oresme und Jacques Legrand schoben selbst eine französische Fassung ihrer lateinischen Origi- 12 Mahieu le Vilain 1270, Nicole Oresme 1370-75, Evrart de Conty 1380. <?page no="18"?> 12 nale nach, um so den Adressatenkreis schnell zu erweitern. Wußten sie doch sehr wohl „plus i ad leis ke lettrez“. 13 Die Übertragung einer stattlichen Anzahl mittellateinischer Texte macht mehrerlei deutlich: einmal das seit dem 13. Jahrhundert verstärkte Bemühen französischer Gelehrter, über die Koine ihrer Gruppe hinaus ein Laienpublikum zu erreichen, das zwar des Lateinischen nicht hinreichend mächtig war, aber an der transnationalen Gemeinschaft und Gedankenwelt einheimischer, englischer, italienischer, deutscher (vereinzelt auch spanischer) Denker teilhaben wollte. Zum andern ist unverkennbar, dass selbst Angehörige der Gelehrtenwelt große Schwierigkeiten beim Verständnis ihres Standesidioms hatten. 14 Wie wäre sonst erklärlich, dass medizinische, chirurgische, pharmazeutische Traktate, philosophische, astrologische oder naturkundliche Abhandlungen und juristische Texte übersetzt wurden, deren Inhalt über Fachleute und Absolventen Hoher Schulen hinaus kaum Interessenten erhoffen konnte? Der Zisterzienser Gillebert de Cambres etwa, Übersetzer des Lucidaire en vers, wollte sich für „li clerc e la simple gent“ zugleich nützlich machen, der Übersetzer des Isopet de Chartres ähnlich „lais qui ont l’entention dure“, aber auch „clerc qui sait pou d’escripture“. 15 Übersetzungen nachantiker Autoren, die sich anderer Volkssprachen bedient hatten, blieben allerdings seltene Ausnahmen. Beachtung fanden immerhin schon einige englische und arabische, im 14. und 15. Jahrhundert vereinzelt italienische und spanische Texte. Als Wegweiser für Adressaten ordneten Übersetzer ihr Produkt überwiegend gleich am Beginn einem Genre zu, und im Verlauf der Epoche begegnen uns Dutzende solcher Gattungsnamen. 16 Häufig belegt sind histoire, chronique, traité, légende, miracle und roman. Die mit Abstand gängigste, dutzendfach benutzte Benennung war, vom ersten Drittel des 12. Jahrhunderts an und dann im gesamten dreizehnten, Vie für die (meist gereimte) Lebensgeschichte von Heiligen oder biblischen Figuren. Wir werden sehen, dass sich aus solchen Genre-Hinweisen, ih- 13 „Laien gibt es mehr als Gelehrte“. 14 Zum Komplex des Publikums vgl. auch J. Monfrin, Humanisme et traduction au Moyen Age. Les traducteurs et leur public en France au moyen âge, in Actes du Colloque … de l’Université de Strasbourg, Paris, Klincksieck 1964, S. 217-264. 15 Siehe E. Ruhe, Himmel und Hölle, Wiesbaden 1991, vv. 3979-80; Isopet de Chartres vv. 28-29. 16 Außer den im Folgenden genannten Termini finden sich etwa art, apologues, aventures, avis, bestiaire, calendrier, conte, dialogue, épître, fable, facéties, fleur, homélies, lais, lapidaire, livre, mappemonde, matire, miroir, oraison, passion, représentation, sermon, ysopet. Als Übersetzungen gaben sich Heldenepen und höfische Romane ebenso wie Texte der historischen und allegorisch-didaktischen Dichtung. <?page no="19"?> 13 rer Häufigkeit oder Seltenheit, Schlüsse ziehen lassen sowohl auf Adressaten wie Art der Übersetzung. Wortschatz-Anreicherung Übersetzer des Mittelalters machten ihren Beitrag zur lexikalischen Bereicherung der Volkssprache 17 noch nicht, wie Wortführer ihrer Gilde in der Renaissance, zum Argument einer programmatischen Veredelungs- Ideologie. Dennoch dürfte dieser Beitrag höchst eindrucksvoll gewesen sein, sollten doch nicht von ungefähr viele Übersetzungen der Epoche zu Standardquellen historischer Wörterbücher des 20. Jahrhunderts avancieren. 18 Allerdings werden sie dort - unter anderem wohl darum, weil ihre Verfasser wenig Aufhebens von ihrer lexikalischen Leistung gemacht hatten - meist nicht als Übersetzung registriert und ganz wie Originaltexte behandelt. Als Musterbeispiel kann Walter v. Wartburgs monumentales Französisches etymologisches Wörterbuch dienen. Dessen bibliographische Beihefte verzeichnen zwar mindestens drei Dutzend Übersetzungen der Epoche, aber die meisten sind nicht als solche kenntlich gemacht. Die Geschichte übersetzerischer Verdienste an der Ausgestaltung des altfranzösischen Wortschatzes, der spezifischen Zwänge und Verfahrensweisen bei Neuformung, Entlehnung und Verständlichmachen von Vokabeln, Metaphern, Redensarten bleibt also zu schreiben und wäre eine lohnende Aufgabe historischer Lexikologie. Beschränken wir uns auf ein Musterbeispiel: In seiner Livius-Übersetzung widmete Pierre Bersuire 1352-56 ein volles Kapitel dem Erklären von Vokabeln, die er aus dem Lateinischen entlehnte, wie augure, inauguration, auspices, fastes, cirque, expier, transfuge, triomphe, faction, sénat. 19 Im Übrigen will ich mich zur Illustration meiner These damit begnügen, Neologismen aus dem Wortfeld der vorhin schon kurz erwähnten Gattungsnamen und „Sprachhandlungen“ aufzulisten, um Art und Umfang lexikalischer Bereicherung anzudeuten. Nach Ausweis von Standardwerken historischer Lexikographie 20 sind über drei Dut- 17 Zu diesem Beitrag vgl. neuerdings auch St. Dörr/ R. Wilhelm (Hg.), Transfert des savoirs au Moyen Age/ Wissenstransfer im Mittelalter. Actes de l’Atelier franco-allemand, Heidelberg 15-18 janvier 2008, Heidelberg 2008. 18 Dauzat/ Dubois/ Mitterand in ihrem Nouveau Dictionnaire étymologique, um ein Beispiel zu nennen, weisen unter ihren „principaux ouvrages de référence“ eine Reihe von Übersetzungen der Epoche nach. 19 Nach H. Van Hoof, Dictionnaire universel des traducteurs, 1993, sub Bercheure. 20 Französisches etymologisches Wörterbuch (FEW), Trésor de la Langue française (TLF), Dauzat/ Dubois/ Mitterand (DDM) usw. <?page no="20"?> 14 zend solcher Appellative 21 erstmals in mittelalterlichen Übersetzungen belegt. Manche finden sich bereits in den frühesten Texten wie dem Cambridger Psalter, so etwa devinaille „chose qu’on devine, prophétie“ oder ymne „cantique en l’honneur de la divinité“. Zu ihnen kamen schon im 12. Jahrhundert beispielsweise bestiaire „recueil de récits sur les animaux“, Kalendier, cane „règle (pour plaider)“, detractiun „médisance“, escripture „ce qui est écrit, livre“ (alle bei Philippe de Thaun 1119); antevene „hymne chantée à deux chœurs se répondant“, devinaille „chose qu’on devine“, gabeis/ gabel „moquerie, raillerie, plaisanterie“, gangle „bavardage, babil“; isopet; lapidaire; predicacion „sermon, action de prêcher“, tesmoine „témoignage“, vie „biographie“ (alle bei Geffrey Gaimar 1138); pleint „plainte, lamentation“, respons „parole dite à celui qui fait une demande“ (beide Wace 1150); apocalypse „livre canonique qui contient les révélations faites à St. Jean l’Evangéliste“; blasphème „parole qui outrage la divinité“, evangelie/ evangile „évangile“, omelie „instruction sur la bible“. Übersetzer des 13. Jahrhunderts sollten Vokabeln (zur jeweiligen Bedeutung siehe die historischen Standardwörterbücher) wie boille, document, feinte, janglerie, lamentacion, laudes, lucidaire, proheme, vegille, volucraire beisteuern, die des 14. Jahrhunderts Ausdrücke wie aufforime/ enforime/ anforisme, anatomie, adhortacion, antidotaire, collocution, comedie, metamorphose, romans „texte français qui est le résultat d’une traduction du latin“, tragédie, die des 15. Jahrhunderts etwa apologie, apologue, catéchisme, colloque, confabulation, extravagance, nouvelle, fastes. Eine breit angelegte Auswertung übersetzter Texte würde darüber hinaus erlauben, teils beträchtliche Vordatierungen seither gültiger Erstbelege zu erreichen. Wieder sollen Beispiele aus dem Bereich der Gattungstermini genügen: conte „récit fait pour amuser, pour divertir“ bereits 1175 bei Denis Piramus in La Vie de St. Edmund le Rei (v. 51; Erstbeleg bisher: fin 12e s.); das selbe Wort in der Bedeutung „discours sans valeur, qui ne sont fondés sur aucune apparence de vérité“ schon 1240 in Vie de St. François d’Assise v. 1857 (Erstbeleg bisher: 1680! ); quaier um 1250 in der Vie de Saint Dominique; Martirologe „histoire ou livre des martyrs“ schon 1488 in der Mer des histoires (Erstbeleg bisher: 1611! ); guidon schon 1478 in Guy de Chauliacs Le livre appelle Guidon (Erstbeleg bisher: 1503). Für concion lieferte Pierre Bersuire, wie bei anderen seiner Entlehnungen, gleich die Definition mit: „concion n’est autre chose mais que publiques parlemens ou predications“ (Erstbeleg bisher: 16. Jh.). Um 21 Unberücksichtigt bleiben dabei Erstbelege nur für Genus oder Graphie, wie gangle, predicacion, salme, rommans usf. - Zum Folgenden: angesichts der nicht primär lexikologischen Zielsetzung unserer Studie wird auf Einzelnachweise verzichtet, Bedeutungsangabe und Datum sind einem der lexikographischen Standardwerke entnommen. <?page no="21"?> 15 neu eingeführte Wörter leichter verständlich zu machen, bedienten sich andere Übersetzer des Mittelalters bevorzugt jener Technik, die noch ihre Nachfolger späterer Epochen gerne nutzen sollten: Sie verknüpften den Neologismus durch „und“ mit einem schon gängigen Quasi-Synonym oder mehreren sinnverwandten Wörtern. Bei Geffrey Gaimar zum Beispiel konnte es so heißen „la dreite estorie, E les vies“, bei Gautier de Coinci „fables e feintes“, bei Denis Piramus „cuntes, chanceuns e fables“, in einer Vita des Franz von Assisi „gas, trufes ne contes“, bei Bersuire „adhortacions et admonestemens“. Diese Beispiele mögen einmal mehr hinreichen, um Art und Umfang des neu geschaffenen Ausdruckspotentials im mittelalterlichen Französisch, für Kulturalia wie Phänomene der nichtmateriellen Welt, durch übersetzerischen Transfer wenigstens anzudeuten. Übersetzertypen, Arbeitsweise Wie war die Mittlergilde beschaffen, der die junge Nationalliteratur ihren Zugewinn an all jenen Texten verdankte, die zuvor in anderen Idiomen verfaßt waren? Auch diese Frage ist nicht leicht und nur annähernd zu beantworten. 22 Denn von fast einem Drittel mittelalterlicher Übertragungen ist nicht einmal der Name derer bekannt, die sie hervorbrachten. Dieser Anteil anonymer Einbürgerungen nahm allerdings im Verlauf der Epoche ständig ab: betrug er im 12. Jh. noch drei und im 13. Jh. zwei Fünftel, sank er im 14. Jh. auf ein Viertel und im 15. Jh. auf ein Siebtel der übertragenen Texte. Immerhin ist uns so ein reichliches Hundert Übersetzer namentlich bekannt. Von manchem unter ihnen zwar wissen wir nicht oder wenig mehr als den Vor- oder Beinamen. 23 Doch für fast zweihundert Texte besitzen wir sozio-biographische Daten ihrer Übersetzer, die über den Herkunftsort als Namensteil hinausgehen. Die klare Mehrzahl jener Werke (58 %) wurde durch Kleriker in die Volkssprache gebracht, knapp die Hälfte davon durch Ordensgeistliche. 24 Schon seit dem 13. Jahrhundert beteiligten sich selbst Vertreter des höheren Klerus an der Übertragungsarbeit - vom Prior und Kanonikus bis zum Bischof und päpstlichen Legaten. Über die Geistlichkeit 22 Vgl. dazu: P. Chavy, Traducteurs d’autrefois. Moyen Age et Renaissance. Dictionnaire des traducteurs et de la littérature traduite en ancien et moyen français (842-1600) 1988; G. Contamine (Hg.), Traduction et traducteurs au Moyen Age, Paris, Eds du CNRS 1989. 23 Etwa von Nicholas de Saint Lis, Jean Malkaraume, Enanchet, Denis Foulechat, Rasse de Brunhamel, Nicole, Jean, um nur wenige Beispiele zu nennen. 24 In der Reihenfolge der Titelzahl Angehörige folgender Orden: hospitaliers de St.-Jacques, carmes, dominicains, augustins, bénédictins, franciscains. <?page no="22"?> 16 hinaus wurde eine nennenswerte Textgruppe von Sekretären hoher Herren verantwortet. 25 Deren Affinität zum Übersetzen mochte einen doppelten Grund haben: zum einen war das Abfassen von Schriftstücken ihre berufliche Hauptaufgabe; zum andern hatten sie, ähnlich dem Übersetzer, dabei nicht völlig freie Hand. Auf etwa die gleiche Titelzahl kamen Lehrer und Erzieher. 26 Nur vereinzelt in Erscheinung traten Angehörige des niederen Adels, Diplomaten oder (auf Hohen Schulen in Latein traktierte) Mediziner und Juristen, dann Literaten, zwei Kalligraphen, ein Spielmann und, gegen Ende der Epoche, der Buchdrucker Colard Mansion. 27 Natürlich lassen sich, besonders bei mittellateinischen Texten von Gelehrten, nicht selten Bezüge zwischen Thematik des Werks und beruflicher Orientierung des Übersetzers entdecken. Es verwundert kaum, wenn die Kleriker Jean Golein, Jean Mielot, Jean de Vignay Heiligenviten, 28 biblische Texte, Predigten, Schilderungen des Heiligen Landes und Titel wie Miroir de l’âme pécheresse oder L’Aiguillon de l’amour divin in die Volkssprache brachten, wenn Mediziner sich Texte über Gesundheit und Krankheiten, Therapien oder Chirurgie vornahmen. 29 Doch vor allem bei Werken der Antike schlugen Berufskompetenz und Fachinteresse weit weniger deutlich durch, und Kleriker übertrugen durchaus auch Lehrbücher der Kriegs- und Regierungskunst oder andere höchst weltliche Schriften. Schlüsse auf den Fertigkeitsgrad, mit der das Handwerk des Sprachmittlers ausgeübt wurde, lassen sich nur selten ziehen aus der Anzahl von Texten, die bestimmten Übersetzern zuweisbar sind. Belief sich doch der Durchschnitt übersetzter Werke auf nur knapp zwei pro Person. Doch wenn auch der großen Mehrzahl bekannter Übersetzer mit Sicherheit nur ein einziges Werk zugeordnet werden kann, kam doch manch anderer auf sieben (Jean Mielot), auf acht (Jean Golein, Nicole Oresme), auf zehn (Laurent de Premierfait) oder gar fünfzehn Titel (Jean de Vignay). Angesichts der langwierigen Handschriften-Erstellung, des völligen Fehlens später gängiger Hilfsmittel wie Synonymen- Lexika oder zweisprachiger Wörterbücher spiegeln solche Zahlen ein imposantes übersetzerisches Lebenswerk, wurde doch zudem ein Laurent de Premierfait nur 39 Jahre alt. Dazu kam weiterhin, dass für manchen seiner Kollegen, wie wir sahen oder erfahren werden, Übersetzen 25 Bercheure, Laurent de Premierfait, Charles Soillot, Jean Mielot. 26 Jean Golein, Nicole Oresme, Guillaume Tardif. 27 Noch seltener : ein Jongleur; im 15. Jh. einige Militärs, Kalligraphen, ein Verleger. 28 Etwa die Légende dorée, oder die Legenden des Hl. Gregorius, des Hl. Wilhelm, des Hl. Thomas, des Hl. Ludwig, der Hl. Agnes, der Hl. Margarete. 29 Etwa Blaise Ermengaud oder Guillaume Yvoire. <?page no="23"?> 17 nur eine neben anderen literarischen wie sonstigen Aktivitäten war. Soweit Jahreszahlen für einzelne Werke der genannten Spitzen-Übersetzer sicher oder annähernd bestimmbar sind, 30 werden oft mehrere Übersetzungen fast aller von ihnen in zwei aufeinander folgende Jahre oder sogar dasselbe Jahr datiert, und für Jean de Vignay scheint der Jahresrhythmus Norm gewesen zu sein. Unter welchen Rahmenbedingungen wurde solch zügige Arbeitsweise möglich? Bei der Antwort auf diese Frage sind Bilddokumente wie Miniaturen der Übersetzungshandschriften hilfreich. Sie zeigen im späteren Mittelalter mehrfach den Übersetzer im Gespräch mit einem oder mehreren Kollegen. 31 Einmal schauen zwei stehende Männer einem Schreibenden über die Schulter und erörtern offensichtlich die Passage, an der er gerade arbeitet. Ein andermal diskutieren sie mit der Vorlage (? ) in der Hand, während der Schreibende innehält und sich aufmerksam einem dritten lesenden Kollegen zuwendet. Auf einer dritten Miniatur lauscht der Schreibende gespannt den Worten eines in einem Folianten (dem Originaltext? ) Lesenden. Formen der Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe waren also kein Merkmal späterer Epochen. Herkunft aus oder Lebensmittelpunkt in einem fremden Sprachraum bzw. Reisen dorthin, das dadurch geweckte Gespür für die Begegnung zweier Idiome - und damit für Probleme ihrer Übertragung - lässt sich nur bei einer Minderheit von Übersetzern nachweisen, blieb auch angesichts rudimentärer Transportmittel wohl eine seltene Ausnahme. 32 Doch die Erfahrung des Lebens in mehreren Sprachen wie der daraus erwachsenden Problematik machte jeder Gelehrte im eigenen Land mit Muttersprache und jenem Latein, aus dem die weitaus meisten Texte übertragen wurden. Ans Übersetzen aus mehreren Sprachen wagten 30 In einer Reihe von Fällen klaffen die Angaben von Standard-Nachschlagewerken wie R. Lévys Chronologie approximative de la littérature française du Moyen Age (1957) oder H. Van Hoofs Dictionnaire universel des traducteurs und der Anm. 7 genannten Quellen z. T. beträchtlich auseinander. 31 Siehe etwa Bibliothèque nationale de France, ms. frs 231, fol. 1 (Übersetzung von Boccaccios Des cas des nobles hommes et femmes durch Laurent de Premierfait, 1414), ms. frs 190, fol. 183 (Übersetzung der Formulae honestae Vitae des Martin de Braga durch denselben Übersetzer, 1372) oder ms. frs 11 fol 1 (Übersetzung der Ancienneté des Juifs des Josephus, 1480-83). 32 Im 12. Jh. dürften die im anglonormannischen Raum lebenden Elie de Wincestre, Evrard de Kirkham, Clémence de Barking, Marie de France, Wace (späterhin vielleicht noch Jofroi de Watreford und Pierre de Langtoft) die Erfahrung des Nebeneinanders zweier nachantiker Idiome gemacht haben. Vasque de Lucène stammte aus Portugal, Jean Courtecuisse und Henri de Mondeville waren in Italien, Robert Gaguin war in Spanien und Sizilien, Jean Gerson in Konstanz, Nicole le Huen in Jerusalem, Gilles le Bouvier auf dem Balkan, Sébastien Mamerot in Syrien, Guillaume de Meerbeke und Colard Mansion waren Belgier, Loys de Beauvau war Botschafter im Vatikan. <?page no="24"?> 18 sich nur vereinzelte Ausnahmekönner. 33 Dagegen taucht schon seit dem 12. Jahrhundert unter den Übersetzernamen eine ganze Reihe auf, deren Träger heutzutage zu den berühmtesten Dichtern und Literaten ihres Zeitalters zählen. Nennen wir nur Chrétien de Troyes, Marie de France, Gautier de Coinci, Eustache Deschamps und Jean de Meun. 34 Denn in einer Epoche, der die Ideologie dichterischen Schöpfertums noch fremd und die Kompilation, die mehr oder weniger freie Nachgestaltung von Vorgefundenem selbstverständlich, ja ein Gütesiegel war, gab es zwischen eher origineller Hervorbringung und übersetzerischer Neuformung fließende Grenzen und folglich kein Reputationsgefälle. Selbstbewusstsein Das darin gründende Selbstverständnis mag eine Ursache dafür sein, dass die allbekannte Vorstellungsformel „Marie ai num, si sui de France“ keineswegs allein dasteht, sondern dass im Verlauf der vier Jahrhunderte Übersetzer immer häufiger am Anfang oder Ende des Textes (nur selten durch Bescheidenheitsfloskeln kaschiert 35 ) stolz ihren Namen nannten. Vor allem aus diesem Grund kennen wir, wie erwähnt, für das 15. Jahrhundert bei fünf von sechs Texten den Übersetzer. Verstanden die Namensträger doch ihre Leistung durchaus als literarisch-dichterische - in einer die „Inventio“ gering veranschlagenden Zeit speziell als heikle Arbeit an der Formgebung. In diesen Kontext gehört, dass viele Dutzende mittelalterlicher Übertragungen in gebundener Sprache erfolgten (grob geschätzt dreimal häufiger als in Prosa). 36 Zahlreiche Heiligenviten, aber auch Werke anderer Genres und selbst eine chirurgische Abhandlung, Chroniken, Ordensregeln und biblische Texte, ja die gesamte Bibel wurden in Vers und Reim gebracht. Auf solchem Hintergrund verwundert es kaum, wenn Übersetzer wieder und wieder als eine ihrer beiden Hauptleistungen hervorhoben, sie hätten eine Heiligenvita „toute ri- 33 Aus drei Sprachen übersetzte Nicole Oresme (Griechisch, Latein, Italienisch), aus je zweien Marie de France (Latein, Englisch), Laurent de Premierfait (Latein, Italienisch) und Frère Julien (Griechisch, Latein). 34 Als „poète“ pflegen biographische Handbücher etwa auch Bernard de Tours, Jehan Fleury, Jean Malkaraume, Jean Mielot u. a. zu qualifizieren. 35 Jean Duchesne etwa nannte sich 1474 im Explicit seiner Caesar-Übersetzung „humble et indigne“ (IBF 340, 79). 36 Mit Abstand am beliebtesten war dabei, über das ganze Mittelalter hin, der paarweise gereimte Achtsilbler (eine auch in höfisch-narrativer Literatur dominante Kombination), doch gelegentlich begegnen uns auch Alexandriner oder Zehnsilbler mit Paarreim. <?page no="25"?> 19 mée“ oder „rimé et fet léonine“ oder einen anderen Text in „rime et metre“ gebracht. 37 Miniaturen und andere Abbildungen der Epoche betonen allerdings noch ein weiteres Merkmal der Könnerschaft sprachlicher Neugestalter: ihre große Belesenheit und Gelehrsamkeit. Werden sie doch gezeigt inmitten einer (für ihre Zeit) eindrucksvollen Anzahl von Büchern - in Wandregalen, auf Lesepulten oder, aufgrund der Überfülle und Benutzungsintensität, sogar am Boden verstreut. 38 Theorieansätze Was jenen Leistungsanteil betrifft, der in semantischer Umsetzung fremder Texte in die Volkssprache liegt, soll theoretische Reflexion, einem verbreiteten Klischee gemäß, erst mit der Renaissance eingesetzt haben. Wenn dies auch für längere Traktate zutreffen mag, zeigen doch viele Einzelstellen des 13. bis 15. Jahrhunderts, dass einschlägige Überlegungen dem Mittelalter durchaus nicht fremd waren. In einer Zeit, der Glaubhaftigkeit, der Wahrheitsgehalt von Geschriebenem als hohes Gut galt, mündlich Tradiertes dagegen schnell in die Nähe von Unwahrheit und Lüge rückte, in der Fiktionalität noch vorwiegend negativ als Nichtwahrheit empfunden wurde, bedeutete schon das Übersetztsein eines Textes Beglaubigung und Beweis seiner Authentizität. Ging doch jede Übertragung zurück auf eine kostbare schriftliche Vorlage, ein „escrit“ oder „livre“, das dutzendfach ausdrücklich genannt wurde und für den Wahrheitsgehalt bürgte. Dieser Eindruck absoluter Zuverlässigkeit des Berichteten war entscheidend bei biblischen Texten, aber auch bei Heiligenlegenden. In deren Zentrum standen ja ebenfalls Wunder und unglaublich wirkende Geschehnisse. So kommt es nicht von ungefähr, daß man mehrfach Prestige und Seriosität der Vorlage durch den Hinweis zu steigern suchte, man habe diese entdeckt in einem Kloster, 37 Gautier de Coinci, Miracles, Prologue du premier livre (1224) v. 7; Geoffroy des Nés, Saint Magloire (1319); Dialogues Saint Grégoire (1326), v. 292. - Vgl. als weitere Beispiele von vielen möglichen Merveilles du Prêtre Jean (1192? ); Guy de Cambray, Barlaam et Josaphat (zwischen 1215 und 1250); Calendres Reimchronik (1213? ); Sainte Catherine (13. Jh.). Vgl. etwa auch U. Mölk, Französische Literarästhetik des 12. und 13. Jhs., Tübingen 1969, S. 24 v. 30; S. 56 v. 41, S. 60 v. 7. 38 Siehe etwa die Miniaturen Bibliothèque nationale de France, ms. frs 11 fol. 1 (Übersetzung der Ancienneté des Juifs des Josephus), ms. frs 190 fol. 183 (Übersetzung der Formula honestaeVitae des Martin de Braga = pseudo-Sénèque durch Jean Courtecuisse, 1372) oder ms. frs 9138 fol. 1 (der Übersetzer Jean Mielot beim Übertragen eines Prologue de l’Assomption de la Vierge, 1456). <?page no="26"?> 20 also einem über Fälschungsverdacht erhabenen Fundort. 39 Einen Wahrheitsanspruch erhoben übrigens auch und gerade Texte jener fiktionalen Genres, denen zeitgenössische Kritiker gerne Lügenhaftigkeit vorwarfen. Entsprechend galt die Hauptsorge der meisten Übersetzer dem Gebot strikter Originaltreue, und sie beteuerten wieder und wieder, sie hätten „tout mot à mot e pas por pas“ bzw. „mot après l’autre“, „selonc la letre“ und „au plus près du latin“, „proprement et vraiement“ übertragen, nichts zugefügt oder weggelassen. 40 Dass die Einlösung dieses Postulats nicht stets ohne weiteres mit dem Umgießen in gebundene Sprache in Einklang zu bringen ist, wurde keineswegs übersehen. 41 Was in solchen Fällen als vorrangig zu gelten habe, stand etwa für Angier 42 außer Frage: man dürfe dann „un seint escrit“ keineswegs verfälschen, „aler controvant A son pleisir rime eslisant“, denn Mielz vaut feiblement rimoier Qu’estre prové a mençongier. Prosaübersetzer verkündeten sogar kategorisch, kein einziger der „contes rimés n’est verais“, denn man müsse stets Zuflucht nehmen zur „Mançonge por fere la rime“. Doch vereinzelt wurden bereits Stimmen laut, die begründeten, warum zumindest bei nichtreligiösen Texten heidnischer Herkunft ein Kleben am Originalwortlaut nicht immer angeraten sei, und die folglich für mehr Freiheit und sinngemäße Wiedergabe plädierten. So rechtfertigte um 1230 der Übersetzer des Secret des Secrets, das vom Griechischen über das Arabische zum Lateinischen gelangt und erst aus diesem von ihm ins Französische übertragen worden sei, seine Verfahrensweise wie folgt: „Savoir devez ke les Arabiiens trop ont de paroles en corte veritei, et des Grigois ont oscure manieres de parler“. Deshalb kürze er den Wortüberschuß der Araber und erhelle dunkle Stellen der Griechen solonc ce ke la matire puet soffrir, car lur entente sievrai, ne mie lur paroles. Sachiés derechief ke sovent metterai autres bones paroles. 39 Siehe etwa U. Mölk [Anm. 37], S. 15 v. 7; S. 16 v. 22; S. 39 v. 285; S. 79 zum Pseudo- Turpin. 40 Siehe etwa: Pierre de Beauvais, Vie de St. Eustache (Anfang 13. Jh.), v. 1699; Vie de St. Dominique (1258), v. 179; Saint Quentin (ca. 1270), v. 18; Thierry de Vaucouleurs, St. Jean l’Evangéliste (ca. 1270), vv. 3-4; Saint Eloi (ca. 1294); Le Martire de St. Pere et St. Pol (ca. 1450); Jean de Vignay zitiert bei Gröber S. 984; Dialogues St. Grégoire (1326), v. 284; Destrees, Vie de Ste. Catherine (1501). Vgl. etwa auch U. Mölk [Anm. 37], S. 39 vv. 288-90; S. 76 v. 37; S. 80 v. 98. 41 Siehe etwa U. Mölk [Anm. 37], S. 39 v. 290; S. 80 vv. 100-107. 42 Le Dialogue de Grégoire le Grand (ca. 1213), vv. 19-20, 26. <?page no="27"?> 21 Zudem unterdrücke er „plusiors choses ki ne sont veritez ne profitables“, sage allerdings die Wahrheit „cortement“. Ein andermal wurde die Kunst gerühmt, „aucune fois parole par parole“ zu übertragen, dann wieder um größerer Klarheit willen „sozjoindre et acreistre“ zu können. 43 Kritik Nicht allein solch gegenläufige, bis heute fortwirkende Theoreme lassen sich entdecken. Es existierten eindeutig auch Frühformen von Kritik. Ein Übersetzer der Dialogues Saint Gregoire etwa verwahrte sich 1326 gegenüber giftigen Spöttern und Tadlern, speziell gegen zweierlei Vorwürfe: „Cest livre n’est pas bien rimé“ Ou „la translation est fausse“ Et von devisant de la sausse Qu’elz ne sauroient destremper. 44 Damit bediente er sich bereits einer bis zur Gegenwart gerne aufgegriffenen Schutzbehauptung: nur erfahrene Praktiker seien zur Übersetzungskritik befugt. Mit eben diesem Freibrief rechtfertigten seine Kollegen mehrfach das eigene Vorhaben durch teils rüde Kritik an Vorgängern. Im schon zitierten Secret des Secrets etwa wurde pauschal behauptet „les livres ki de arabic en latin furent translatei furent faussement translatei“. Ein Übersetzer der Vie de Sainte Catherine wiederum begründete im 13. Jahrhundert die Dringlichkeit seiner Neufassung mit dem Hinweis, der Vorgänger sei Normanne gewesen, und aus diesem Grund la rime fut faite ençois Si ne plaisoit mie au(s) François. 45 Was den Wert ihrer Leistung angeht, spiegelte das Selbstbild der Übersetzer überwiegend ein Arbeitsethos, das sie vor allem Mühen und Schwierigkeiten hervorheben ließ. Sprach der eine von seinem „tant grant labor“, betonte ein anderer von sich in der dritten Person „penez s’est tant“, ein weiterer bewertete sich als „paouvre ouvrier“. Nur selten wurde Befriedigung eingeräumt, so wenn dem Auftraggeber vom Arbeitsprozeß versichert wurde „j’ay prins tres grant plaisir“. 43 Siehe U. Mölk [Anm. 37], S. 105f. 44 Vv. 303-306. 45 Ausg. H. A. Todd, vv. 21-22. <?page no="28"?> 22 Publikum und Wirkungsspuren Welche Abnehmer waren es, für die Übersetzer der Epoche ihre so karges Vergnügen bereitende Mühsal auf sich nahmen? Erste Anhaltspunkte bilden die Auftraggeber der jeweiligen Übersetzung, soweit sie uns durch Zueignung, Schlussverse oder verbildlichte Dedikationsszenen der Manuskripte bekannt sind - auch wenn wir Adressaten natürlich nicht einfach als Leser vereinnahmen können. Unschwer läßt sich für rund sechs Dutzend Titel vom Beginn des 13. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts eine Liste von Auftraggebern erstellen, in der im 13. Jh. mehrere Kleriker auftauchen: Bischof, Prior, Kanonikus, ein „aumônier“ des Klosters. Doch schon im selben Zeitraum fand sich neben ihnen eine Anzahl von Aristokraten. 46 Wichtige Empfänger waren seit dem späten 13. Jahrhundert, weit ausschließlicher noch in der Folgezeit, die meisten Könige von Frankreich: Philippe le Hardi (ab 1270), Philippe le Bel, Philippe le Hardi de Valois, vor allem Jean le Bon und Charles V le Sage, schließlich Charles VII und Charles VIII. Zu ihnen gesellten sich im 15. Jahrhundert die Burgunderherzöge Philippe le Bon und Charles le Téméraire, und selbst König Alphons der Weise von Kastilien hatte eine Übertragung ins Französische befohlen. Dass die Herrscher durchaus selbst als Leser bzw. Zuhörer von Lesungen übersetzter Texte vorstellbar waren, verdeutlicht die Miniatur einer Handschrift von Nicole Oresmes Fassung der Ethik des Aristoteles. Sie zeigt König Charles V mit offenem Buch in der ersten Zuhörerreihe einer universitären Vorlesung. 47 Eine beachtliche Anzahl weiterer Aufträge erteilten seit Mitte des 12. Jahrhunderts adlige Damen: im 13. Jh. etwa die Gräfinnen Yolant de St-Pol und Ysabelle d’Essex, eine „dame de Valois“ oder Béatrix de Bourgogne, im 14. Jh. wieder und wieder Königin Jeanne de Bourgogne, die Gemahlin von Philippe V. Bei Aufträgen der Genannten sind teilweise standes- oder geschlechtstypische Vorlieben augenfällig. So wenn Herrscher (wie Philippe le Bel, Charles V oder Philippe le Bon) immer neu De regime principium des Aegidius Romanus übertragen ließen, oder Chroniken, die Politik des Aristoteles, eine Geschichte des Punischen Kriegs. So wenn Philippe le Hardi ein Buch über seinen Vater Saint Louis in Auftrag gab, Charles le Téméraire eines über sein Vorbild Alexander den Großen. Ähnliches gilt bei Klerikern und hohen Damen insofern, als sie einen deutlichen Hang erkennen ließen zu religiösen 46 Etwa die Grafen Renaut de Boulogne und Jean de Brienne, ein Sire de Préaux, Bertran Aubert de Tarascon, Louis de Laval, Guillaume de Cayeux, Wanne Fitzgerold, ein Sire de Dampierre. Vgl. auch U. Mölk [Anm. 37], S. 58 v. 9; S. 60 v. 15. 47 Siehe L. M. J. Delaissé u. a., Medieval Miniatures from ... the Royal Library of Belgium, New York o. J. <?page no="29"?> 23 Texten verschiedener Art und Heiligenleben. 48 Königin Jeanne de Bourgogne ließ, nicht unerwartet, die Otia imperialia übertragen. Etwas ungewöhnlicher mag scheinen, wenn sie etwa auch den Ars militaris des Vegetius in Auftrag gab. Bei zahlreichen weiteren Texten ist ein ständisch bedingtes thematisches Sonderinteresse der Auftraggeber noch schwerer erkennbar. Nicht selten machten Übersetzer, unabhängig vom Auftraggeber oder über diesen hinaus, ihren Adressatenkreis namhaft. Als Zielgruppe erschienen wiederholt, wie schon erwähnt, „la laie gent“ bzw. „cil qui ne sevent la letre“ (des Lateinischen unkundige Nichtkleriker also). 49 An anderer Stelle wurde das anvisierte breite Gesamtpublikum in soziale Schichten unterteilt - „li grant, li maien e li mendre“ - , 50 und Thierry de Vaucouleurs wollte seine Vita des Evangelisten Johannes den „dames meismement“ verständlich machen. So war es gewiss kein Zufall, dass Nicole seine Regle de St. Benoît gerade für Nonnen übertrug. Offenbar war Latein durchschnittlichen Ordensfrauen nicht vertrauter als weltlichen Damen, obwohl eine Nonne namens Clémence de Barking um 1160 ebenso als Übersetzerin tätig wurde wie Marie de France. Wenig verwunderlich also ist, wenn Miniaturen diverser Handschriften des 15. Jahrhunderts vornehme Frauen beim Lesen von Übersetzungen zeigten: etwa von Boccaccios - sie bereits im Titel ansprechendem - Werk Des Clercs et nobles femmes, aber auch von Pierre Bersuires Decades des Livius oder der Consolation de la Philosophie des Boethius. 51 Was die tatsächlich erreichten Rezipienten betrifft, war deren Zahl natürlich nicht begrenzt auf Einzelleser der jeweiligen Handschrift, wurde diese doch oft in größerem Kreis vorgetragen. 52 Nicht von ungefähr erhielt das blühende Genre der meist übersetzten légendes seinen Namen deshalb, weil die gerne so genannten Heiligenviten im Refektorium des Klosters vorgelesen zu werden pflegten. 53 Leichter begreiflich wird dadurch ein bereits beobachtetes, aus heutiger Perspektive scheinbar verblüffendes Phänomen: dass man sich beim Übersetzen dutzend- 48 Die Legenda aurea oder die Viten von St. Germer, St. Tobie, St. Eustache, von St. Jacques, St. Edmond, Ste Geneviève, St. Louis, St. Richard. 49 Siehe etwa: Marie de France, L’Espurgatoire St. Patriz v. 2300; Renaut, Vie de Sainte Geneviève v. 10 und Vie de St. Jean Bouche d’Or v. 325; Image du Monde v. 10, 1772, 5841; Vie de St. Quentin v. 17; Gautier de Coinci, Sardenay vv. 12-13. Vgl. U. Mölk [Anm. 37], S. 24 v. 31; S. 26 v. 38; S. 59 Epilog v. 15; S. 60 vv. 8/ 9. 50 Denis Piramus, La Vie de St. Edmund le Rei v. 3270. Vgl. U. Mölk [Anm. 37], S. 76 v. 11. - Zum Folgenden: v. 325. 51 Siehe Bibliothèque Nationale de France, Ms. frs 599 fol. 18 v°; Ms. frs 33 fol. 2; Ms. frs 12459 fol. 34. 52 Wieder und wieder wenden sich so Übersetzer an die „oïans Qui de bien oïr sont joians“ (Dialogues St. Gregoire v. 1326) u. ä. 53 Siehe die Definition FEW 5, 244a. <?page no="30"?> 24 fach die zusätzliche Bürde einer Umformung in gebundene Sprache auflud. Denn Verse und deren gängige Verknüpfung durch Paarreim wurden wohl oft gewählt auch um ihrer mnemotechnischen Vorzüge willen: Sie wollten eine Hilfe sein, nur Gehörtes im Gedächtnis zu speichern. 54 Schlüsse auf den Wirkradius bestimmter Übersetzungen lassen sich weiterhin aus Anzahl und Herkunft erhaltener Handschriften ziehen. Zahlreiche Exemplare sind, um nur wenige Beispiele zu nennen, etwa von der Chronique des Guillaume de Tyr bekannt. Auf insgesamt mindestens 36 erhaltene Abschriften brachte es die Übertragung des Moralium dogma philosophorum von Guillaume de Tonches, auf 26 Jean Courtecuisses Übersetzung der Formula honestae vitae des Martin de Braga, auf 24 Manuskripte das Bestiaire von Guillaume le Clerc, auf 17 die Historia de prelüs, usf. Zu beachten wäre in diesem Kontext gewiss die zusätzliche Langzeitwirkung über Frühdrucke. Dies gilt natürlich vor allem für eine ganze Reihe von Versionen des 15. Jahrhunderts, die wiederholt zum Druck gelangten. 55 Doch selbst Übersetzungen des 14. und sogar solche des 13. Jahrhunderts sollten noch als Druckvorlagen dienen 56 - also teilweise rund zwei Jahrhunderte nach ihrer Entstehung. Und es war auch keineswegs so, dass der durch die Renaissance ausgelöste Antike-Boom alle mittelalterliche Übertragungsarbeit entwertet und zur umgehend verbesserten Neufassung sämtlicher antiken (oder mittellateinischen) Spitzenautoren geführt hätte. Denn bis ins letzte Drittel des 16. Jahrhunderts hinein sollten Übertragungen des Mittelalters von Caesar und Vegetius, von Jacques de Cessolis und Boccaccio als Grundlage teils erfolgreicher Druckfassungen dienen. 54 Dies legt als Umkehrschluß nahe, dass übersetzerische Prosaversionen nicht nur (wie Selbstaussagen von Übersetzern vermuten ließen) aus dem Bestreben nach wortgetreuer Nachbildung entstanden, sondern meist auch für primär visuelle Aufnahme durch Lesefähige bestimmt waren - etwa der Consolatio Philosophiae, der Dialogues St. Gregoire im 12. Jh., im 13. Jh. einiger Heiligenviten und Übertragungen von Vegetius, Andreas Capellanus, Ovid, des Pseudo-Turpin, der Benediktiner-Ordensregel usf. 55 Ich nenne nur Arbeiten von Laurent de Premierfait, Jean Mielot, Rasse de Brunhamel, Colard Mansion, Coquillart oder Robert Gaguin. 56 Etwa von Jean de Meun und Richard d’Annebaut, Raoul de Presles oder Jean de Vignay. <?page no="31"?> 25 2. Antike und Italien: das 16. Jahrhundert Wie schon während des Mittelalters signalisierte eine ganze Reihe neuer Wortbildungen, neuer Synonyme für bereits eingeführte Vokabeln oder semantischer Neuerungen die fortdauernde, ja wachsende Wichtigkeit übersetzerischen Wirkens. Nennen wir nur - im dürren Definitionsstil historischer Lexikographie - translat „version d’un ouvrage dans une langue différente de celle où il a été composé“ 57 oder traduire „faire passer d’une langue dans une autre“ (seit 1534), traduction „action de faire passer d’une langue dans une autre“ (seit 1530), traducteur „celui qui traduit d’une langue dans une autre“ (seit 1540), gegen Jahrhundertende version „action de traduire d’une langue dans une autre“ und schon seit 1525 paraphrase „explication ou traduction d’un texte concis ou compliqué en termes plus clairs et plus amples (spécialement en parlant des Ecritures)“, kurz darauf paraphraser und paraphraste. 58 Die Zahl im Epochenverlauf gedruckter Übersetzungen ist nur annähernd erschließbar. 59 Unter diesem Vorbehalt stehen, wie schon für das Mittelalter, alle absoluten oder relativen Angaben. Doch allein die Zahl der Importe namentlich bekannter Übersetzer- ohne die zahlreichen anonym übertragenen Titel - belief sich auf über dreizehnhundert. Allerdings zeigte der Übersetzungsmarkt zu Jahrhundertbeginn noch vergleichsweise geringe Dynamik. Zwei Fünftel aller erfassten Ti- 57 Erstmals im Untertitel von Charles Fontaine, Ruisseaux ... Plus ... un translat d’un livre d’Ovide ..., Lyon 1555. Ein datierter Erstbeleg für das Wort fehlt in den lexikographischen Standardquellen. Huguet führt noch einige weitere Belege an. - Zum Folgenden: Erstbeleg für traduire nach FEW; Erstbeleg für traduction im Titel von La sainte Bible en françois, translatée selon la pure et entiere traduction de sainct Hierosme par Jacques Levevre ... d’Etaples , Anvers 1530 (=Vordatierung gegenüber FEW). 58 Vorstehende Angaben entnommen aus den in Anm. 20 genannten lexikographischen Standardwerken. 59 Trotz der erwähnten Vorbehalte dient aufgrund ihres Datenreichtums als Basis, durch Zufallsfunde in anderen Repertorien ergänzt: A. Cioranescu, Bibliographie de la littérature française (16e siècle). An Forschungsliteratur zur Epoche vgl. Cioranescu Nr. 5351-5423 und 1660-66 sowie P. H. Larwill, La théorie de la traduction au début de la Renaissance en France, Diss. München 1934; P. H. Baudoin, Double-Crossings: Historical Essays on Translation, Michigan 1986; J. v. Stackelberg, Übersetzung und Imitation in der französischen Renaissance, Arcadia 1 (1966); L. Guillerm, L’auteur, les modèles et le pouvoir ou la topique de la traduction au XVIe siècle en France, Revue des Sciences humaines 180 (1980); T. Hermans, Images of Translation. Metaphor and Imagery in the Renaissance Discourse on Translation, in Hermans, The Manipulation of Literature, London 1985; H. Nais, Traduction et imitation chez quelques poètes du XVIe siècle, Revue des Sciences humaines 52, 1980; H. J. Vermeer, Das Übersetzen in Renaissance und Humanismus (15. und 16. Jh.), Heidelberg 2000; P. Chavy, Traducteurs d’autrefois, Paris/ Genève 1988; D. de Courcelles (Hg.), Traduire et adapter à la Renaissance, Paris, Ecole des Chartes 1998. <?page no="32"?> 26 tel erschienen erst in den 1540er und fünfziger Jahren, und mit Ausbruch der Religionskriege erfolgte ein erneuter starker Rückgang. Die langen Bürgerkriegswirren hatten also, wie sich noch zeigen wird, weit stärkere Auswirkungen auf den Literaturimport als spätere Konflikte mit auswärtigen Mächten. Erst nach dem Jahrhundertausgang wurden wieder mehr Übertragungen publiziert. Sprachen, Genres, Autoren und Werke An der Spitze lagen weiter, mit deutlichem Abstand, Originale aus den alten Sprachen. Ein Irrtum wäre es allerdings, gängigen Renaissance- Klischees gemäß anzunehmen, die Mittler hätten sich von den (längst in Volkssprache sattsam bekannten) Schlüsseltexten der christlichen Tradition abgewandt, um sich voll der Wiederbelebung einer sinnenfrohheidnischen Antike zu widmen. Denn wieder und wieder mühte man sich - in dieser Epoche erbitterten Streits um den rechten Sinn des Gottesworts -, die Übertragung der Heiligen Schrift in Teilen oder ihrer Gesamtheit, des Alten wie des Neuen Testaments, zu vervollkommnen. 60 Vor allem die Psalmen reizten zur immer besseren sprachlichen Anverwandlung. 61 Dazu kamen Werke der morgen- und abendländischen Kirchenväter: des schon im Mittelalter übertragenen Augustinus, 62 nun ergänzt durch Schriften von Ambrosius, Hieronymus, Basilius dem Großen und Johannes Chrystosomus. Angereichert wurde dieser Bestand durch volkssprachliche Versionen von Schriften anderer frühchristlicher Heiliger, wie Cyrill und Cyprianus. 63 Nicht von ungefähr war ein Hauptanliegen des letzteren die Einheit der Kirche gewesen, und ebenso ist es kein Zufall, dass die große Mehrzahl von Übertragungen aus Bibel und Patristik in jene zweite Jahrhunderthälfte gehört, in der die Religionskriege ausbrechen und vier Jahrzehnte lang das Land spalten sollten. Ganz offenkundig fiel gerade den übersetzenden Interpreten eine doppelte Schlüsselrolle zu: einmal im Expertenstreit um richtige Ausdeutung der Heiligen Schrift und der Doktrin von Autoritäten der frühchristlichen Tradition; zum andern beim Bemühen der 60 So René Benoist (1556 u. ö.), Bonaventure des Périers, Etienne Dolet, Robert I Estienne (1551), Fr. de Larbon/ N. de Leuze (1550), N. Le Fèvre de la Boderie (1569-73), J. Lefèvre d’Etaples (1523-30), Pierre Morin, P.-R. Olivétan (1535 u. ö.) u. a. 61 So Cl. Marot (1539), J. Poitevin (1551-54), Robert I Estienne (1552), L. Desmaures (1557), Th. de Bèze (1564-68), Henri II Estienne (1568), Ph. Desportes (1603). 62 Übersetzungen von R. Benoist (1573), G. Hervet (1570), J. Tigeou (1567). - Zum Folgenden: Übersetzungen von R. Benoist (1573 u. ö.), L. Daneau (1588), G. Duvair, G. Hervet, R. Le Blanc (1553), Fr. Morel d. Ä., J. Tigeou (1573). 63 Übersetzungen von Fr. de Belleforest (1565), L. Daneau (1566), G. Hervet, Fr. Morel d. Ä., J. Tigeou (1574). <?page no="33"?> 27 streitenden Parteien, sich des Rückhalts jener breiten Bevölkerungskreise zu versichern, denen die alten Sprachen ganz oder weitgehend verschlossen blieben. Im Gegeneinander der entstehenden Konfessionen wie im Bemühen, möglichst vielen ihrer Anhänger in der religiösen Alltagspraxis Halt und Stütze zu geben, war nicht zuletzt die erwähnte Konjunktur unterschiedlicher Psalmen-Übersetzungen begründet. 64 So ist es kaum verwunderlich, wenn nicht wenige Übersetzer schon seit der ersten Jahrhunderthälfte, ganz wie im Hochmittelalter, zum Opfer von Zensur und Verfolgung wurden: Das Neue Testament von Lefèvre d’Etaples (1523) wurde in Paris öffentlich verbrannt, seine Bibelübersetzung von 1530 auf den Index verbotener Bücher gesetzt. René Benoist schloss man, ebenfalls aufgrund einer Bibel in Volkssprache, aus der Sorbonne aus, und er ging nach England. Die französische Fassung der Psalmen von Clément Marot wurde durch die Sorbonne geächtet, ihr Urheber mußte nach Genf und dann nach Turin fliehen. 65 Wie ihm blieb Robert I Estienne nach seiner verurteilten Bibelversion nur die Flucht ins Genfer Exil. Etienne Dolet schließlich wurde aufgrund von Bibel-Übersetzungen 1542 sogar zum Tode verurteilt, nach zeitweiliger Begnadigung 1544 erneut arretiert wegen seiner Übertragung eines platonischen Dialogs, der die Unsterblichkeit der Seele bestritt. Auf Betreiben der Sorbonne wurde Dolet in Paris gehenkt und anschließend verbrannt. Diese Beispiele mögen genügen als Erinnerung daran, dass ins literarische Martyrologium auch dieser Umbruchepoche nicht nur Originalautoren gehörten, sondern dass gerade Hersteller sprachlich-religiöser Konterbande im höchsten Maße gefährdet waren. Ein gutes Dutzend von Autoren des Mittelalters wurde, ungeachtet der bekannten Antikeschwärmerei der Folgeepoche, durchaus weiter nicht nur für druckwürdig, sondern auch für neu übertragenswert gehalten. Genannt seien etwa in Mittellatein verfasste Schriften von Nicolas de Lyre, Thomas a Kempis, Otto von Nyenhus, Guy de Chauliac, Ramón Sabunde, Paul Warnefried neben griechischen, italienischen und englischen Originalen. Ein neuer Schwerpunkt hinsichtlich der Herkunft importierter Vorlagen ist gegenüber dem Mittelalter unverkennbar. Die große Mehrzahl 64 Erwähnt seien in diesem Zusammenhang die Übertragung einerseits durch den Reformator Th. de Bèze (1563), andererseits die Katholiken J.-A. du Baïf, Desportes u. a. 65 Auch andere übersetzerisch Tätige emigrierten nach Genf oder, wie I. Causabon, nach England; Louis de Berquin wurde als Häretiker verurteilt, usf. Zur Verschärfung der Zensur gegen Ende der Regierungszeit von François Ier vgl. Glyn P. Norton, The Politics of Translation in Early Renaissance France: Confrontations of Policy and Theorie during the Reign of Francis I, in: B. Schultze (Hg.), Die literarische Übersetzung, Berlin 1987, S. 3, 13. <?page no="34"?> 28 der Übertragungen diente nun - erwartungsgemäß - dem Erschließen von Texten der nichtchristlichen Antike für Zielgruppen, denen alte Sprachen nicht zugänglich waren. Nichts könnte besser belegen als diese ungemein rege Mittlertätigkeit, dass der Kreis humanistischer Gelehrter seinen Willen zur Wiedergeburt des Altertums nicht auf Insider beschränkt sehen wollte. 66 Im Mittelalter (teils mehrfach) 67 übertragene Autoren wurden erneut bearbeitet. Manche unter ihnen blieben eine stets neue übersetzerische Herausforderung. Von Plutarch erschienen im Lauf des Jahrhunderts mehr als zwanzig Übertragungen namentlich bekannter Übersetzer, gefolgt von französischen Neufassungen Ovids (17), Ciceros (16) und Vergils (14). 68 So erstaunt es kaum, wenn nun manche Mittler schon im Titel den Neuheitswert gerade des von ihnen präsentierten Produkts betonen zu sollen glaubten, wie Octavien de Saint-Gelais durch den Zusatz „translatées en vers françois pour la première fois“ bei Vergils Enneydes (1509). Die erdrückende Mehrheit französischer Fassungen offerierte solche Werke oder Autoren, die erstmals in der Volkssprache zugänglich wurden. Aus deutscher Sicht mögen die Anteile beider antiker Leitkulturen überraschen. Pflegte doch unser langlebiger (und politisch-ideologisch genutzter) Griechenkult späterer Jahrhunderte für Deutschland das geistige Erbe des Griechentums zu beanspruchen, Frankreich dagegen in einer - meist abschätzig bewerteten - Nachfolge Roms zu sehen. 69 Das Übergewicht der Herkunftssprache Latein verschwindet jedoch, sobald man Übertragungen mittel- und neulateinischer Schriften und solcher christlich-religiösen Ursprungs abzieht. Aus dem Griechischen wurden dann weit mehr Werke (an zweihundert) übertragen als aus dem vormittelalterlich-nichtchristlichen Latein (ein gutes Hundert). Falsch allerdings wäre die Vermutung, zwingende Folge der wachsenden Hellas-Begeisterung sei gewesen, dass nun sämtliche Übertragungen direkt aus der Originalsprache erfolgten. Bis über die Jahrhundertmitte hinaus diente nicht wenigen Übersetzern eine lateinische Zwischenversion als 66 Zu Humanismus und Übersetzen vgl. P. Chavy, Les traductions humanistes au début de la Renaissance française, Canadian Review of Comparative Literature 8/ 2 (1981); G. P. Norton, The Ideology and Language of Translation in Renaissance France and their Humanist Antecedents, Genève 1984. 67 Aristoteles, Aesop, Caesar, Cicero, Ovid. 68 Auf der übersetzerischen Frequenzliste folgen Plato (11x), Horaz (9x) und Homer (8x). 69 Siehe dazu etwa L. Schneider, Die deutsche Graecophilie stürzt vom Sockel, FAZ Nr. 31, 6.2.1997, S. 10. <?page no="35"?> 29 Basis, 70 ähnlich wie bei Texten spanischer Herkunft gelegentlich eine Übertragung ins Italienische Ausgangspunkt war. Ein reichliches Hundert von Übersetzungen aus dem Gelehrtenlatein des eigenen Zeitalters bildete, mit rund einem Fünftel, einen stattlichen Anteil des Gesamtaufkommens. Doch vor sie schoben sich nun schon, mit über einem Viertel aller Publikationen, Übertragungen aus jenen Volkssprachen, die fortan mit den antiken Vorbildern in offenen Wettbewerb traten. Allein die französischen Versionen italienischer Vorlagen erreichten fast den gleichen Anteil wie Texte neulateinischen Ursprungs, und Ariost oder Machiavelli lagen in der Spitzengruppe am häufigsten übersetzter Autoren. 71 Der im Frankreich jener Zeit so augenfällige Italienkult wurde demnach, auch wenn Italienischkenntnisse in der Gesellschafts- und Bildungselite nicht selten waren, wesentlich durch Übersetzungen ausgelöst: Ein (von der Florentiner Akademie ausgehender) „Italianismus“ wurde vermittelt durch französische Fassungen von Ficino und Pico della Mirandola; Castiglione brachte auf diese Weise entscheidende Anregungen im höfischen Bereich, 72 Macchiavelli in dem der Staatskunst. Auch Titel spanischen Ursprungs beliefen sich auf fast ein halbes Hundert, kamen allerdings in nennenswerter Zahl erst in der zweiten Jahrhunderthälfte zum Zug, mit Guevara als Spitzenautor. Sonstige Herkunftssprachen 73 gerieten noch immer nur selten ins Blickfeld. Englische, deutsche, niederländische Autoren 74 erreichten eine volkssprachlich orientierte Leserschaft Frankreichs, wenn überhaupt, fast nur durch Übertragung von neulateinischen Schriften. 70 So für Jean Colin (Herodian, Plutarch), A. Macault (Diodor), J. Samxon (Homer), Fr. Sauvaige (Plutarch), G. Tory (Lukian), J. Tigeou (Plutarch, Lukian) oder Fr. Habert. - Zum Folgenden: etwa Übertragungen von Werken Guevaras durch J. Maugin, A. Dupinet. Aus dem Lateinischen wurde S. Brants Narrenschiff übersetzt, aus dem Griechischen das Werk des arabischen Arztes Al Rasi. 71 Vgl. zu Italien-Importen die ausgezeichneten Kurz-Überblicke von F.-R. Hausmann, Italia in Gallia, in G. Staccioli, Come l’uom s’etterna…, Berlin 1994, S. 89-117 und F. R. Hausmann, Französische Renaissance, Stuttgart/ Weimar 1997, S. 84-87. (Etwas missverständlich hinsichtlich der Herkunftssprachen ist dort allerdings die Formulierung, der italienische Einfluss sei „dominierend“ gewesen, da Übersetzungen aus den alten Sprachen mit klarem Abstand an der Spitze lagen). 72 Zu Castiglione siehe R. Klesczewski, Die französischen Übersetzungen des Cortegiano von Baldassare Castiglione, Heidelberg 1966. 73 Arabisch, Englisch, Deutsch (Luther, Ulrich von Hutten), Portugiesisch, Niederländisch (R. Dodoens). 74 Buchanan, Thomas Morus, Sebastian Münster, Thomas a Kempis, Melanchthon, Johannes Sleidanus, Agrippa von Nettesheim, Erasmus, Joh. Wier. <?page no="36"?> 30 Wartezeiten Schwierig bleibt weiterhin, in nicht wenigen Fällen, eine Bestimmung des Zeitraums zwischen Publikation des Originals und seiner Übertragung. 75 Immerhin lässt sich sagen, dass die runde Hälfte eingebürgerter Originale schon aus dem eigenen Jahrhundert stammte. Dennoch unterliegt keinem Zweifel, dass eine Annäherung übersetzerischen Wirkens an die unmittelbare literarische Gegenwart noch auf beträchtliche Hindernisse stieß. Umso beachtenswerter scheint, dass rund 250 Titel in französischer Version bereits innerhalb eines Zeitraums von maximal fünf Jahren nach Erscheinen des Originals vorlagen. Zur einen Hälfte handelte es sich dabei um neulateinische Originale, zur andern um meist italienische, aber auch einige spanische und deutsche Texte. Selten nur fanden sich unter ihnen Titel, die man später der Schönen Literatur zugeschlagen hätte. Beschränken wir uns auf einige Beispiele auffällig schnellen Transfers: Noch im selben Jahr wie die Originale erschien ein rundes Hundert von Übersetzungen, ein weiteres halbes Hundert schon im Folgejahr. Beispiele für die erste Gruppe sind etwa Olivier Conrards Eigenübersetzung des Miroir des pécheurs (1526) oder N. Colins Übertragung von Montemayors Diane amoureuse (1559). Im Jahr nach den Originaltiteln von Contarini, Théodore de Bèze, Bizare publiziert wurden deren französische Fassungen von Charrier, Goulart und Belleforest, aber auch Übertragungen von Matteo Alemans Guzman d’Alfarache durch G. Chappuys oder von G. Gellos Circé durch D. Sauvaige. Insgesamt dominierten unter den Sofort-Übertragungen die Sendschreiben von Herrschern, Kriegs-Neuigkeiten, religiösen und politischen Streitschriften, Herrscherlob und Gedenken an hervorragende Verstorbene. Unter den Vielübersetzern zeigten besondere Aktualitätsnähe G. Chappuys und Belleforest. Unter den zu Neuheiten tendierenden Verlagsorten führte erwartungsgemäß Paris, gefolgt von Lyon. Postwendende Übertragungen von Titeln reformatorischer Tendenz allerdings erschienen bevorzugt in Genf. Dass Latein, gängige nationale wie internationale Verkehrssprache des Gelehrtenmilieus, weiterhin nicht von dessen sämtlichen Mitgliedern spielend gehandhabt wurde, legt wieder die Übertragung einer ganzen Reihe medizinischer, chirurgischer, theologischer Traktate nahe, deren Zielgruppe wohl kaum über Absolventen Hoher Schulen hinausging. 75 Bei weitem nicht immer nannten die Verleger Namen des Autors oder Erscheinungsjahr. <?page no="37"?> 31 Programm und Praxis: Sprachbereicherung Wieder war das Bemühen von Übersetzern um Optimierung des Ausdrucksvorrats ihrer Zielsprache beträchtlich. Nennen wir, an zufällig entdeckten Titelwörtern, den vermutlichen Hapax La misaule, ou le haineux de la court in der Fassung von Huttens Aulica vita dialogus durch G. Chappuys (1585); oder das erste Titelwort in Polygraphie et universelle escriture cabalistique de M. Tritheme abbé, traduict par Gabriel de Collange (1561); oder das in Le temporiseur par Eustachius Myonius, einer Musculus-Übersetzung aus dem Lateinischen von Valérand Poullain (Londres 1550). 76 Zur weiteren Veranschaulichung der Vielzahl lexikalischer Neuheiten beschränke ich mich, wie beim Mittelalter, auf Appellative für Sprachhandlungen, Textarten und literarische Genres. Erstbelege in lexikographischen Standardwerken 77 und sogar Vordatierungen (nicht selten schon im Buchtitel) gegenüber deren Erstdaten belaufen sich, allein für dieses Wortfeld, auf weit über hundert. Sie finden sich bei zahlreichen Übersetzern (mehrfach bei Amyot, Destrees, Gentien Hervet, Michel de Tours), in Übertragungen besonders aus dem Lateinischen, aber auch dem Italienischen und Spanischen. Hier eine kleine Auslese aus Übersetzungstiteln, die Vordatierungen für folgende Gattungsnamen liefern: Advis „Meinung, Stellungnahme“ (Pithou 1594); apophtegme (Macault 1539); compendium (Romain 1509); enchiridion„manuel“ (Berquin 1518); epitheton (Grosnet 1530); meditation „écrit sur un sujet de philosophie ou de dévotion“ (Grosnet 1534); mime „poème didactique“ (Ch. Fontaine 1557); introduction „initiation méthodique aux sciences“ (Jean Colin 1548), pescherie „comédie marine“ (Brisset 1596); pharmacopée (Dubois 1574); portulan (Carentenne 1577); pourtraict „description exacte de toute sorte d’objet“ (Louveau 1553); pourtrait „description du caractère d’une personne“ (La Popelinière 1571); satyre „ouvrage en vers, où l’auteur attaque les vices de son temps“ (Michel d’Amboise 1540); soliloques „ouvrage de Saint Augustin consistant en questions que l’auteur se pose et auxquelles il répond lui-même“ (Guytot 1582); sommaire „table des matières donnant en tête d’un chapitre l’essentiel de ce qu’il contient“ (A. Hennequin 1582). 78 76 Erstbeleg für temporiseur „temporisateur“ nach FEW „ca. 1570“. 77 In alphabetischer Folge (zur jeweiligen Bedeutung siehe FEW usf.): anthologie, babillage, babiole, badinage, bouffonnerie, brocard, catalectes, causerie, centon, codicille, concion, contredit, devis, discours, entremets, entretien, épithalame, explication, fadaise, intermédie, libelle, macaronée, médisance, mime, miscellanées, monodie, niaiserie, nomenclature, philippique, portulant, pot-pourri, precation d’honneur, prefation, préservatif, prose, quolibet, refrain, répertoire, rhapsodie, sotterie, suasoire, traduction, vespérie, voyage. - Zum Folgenden: Vordatierungen für avant-discours 1582, babiole 1538, balourdise, bouffonnerie 1526, brocard 1540, carme 1516, ecloguette 1549, addition, annotation, apophtegme, argument, art poétique, compendium, epitheton, géorgiques, introduction, leçon, philippique, portulan, soliloque, tableau (in Titeln). 78 In Klammern jeweils Übersetzername und Erscheinungsjahr als Identifizierungshilfe. <?page no="38"?> 32 Gängige Erklärungstechniken für jene Sprachimporte sind uns aus dem Mittelalter vertraut. Manchmal wurde eine Definition beigefügt: „mime qui est une manière de poésie latine“, hieß es so bei Michel de Tours, bei Melin de Saint-Gelais „intermedie signifie pause, à la manière de France: ou Scene selon les Latins“ und bei L. Macault im Titel Apophtegmes. C’est à dire promptz, subtilz et sententieulx ditz. In anderen Fällen fügte man dem Neuwort ein Synonym bei, in Titeln etwa Catalectes, ou Pièces choisies des anciens bei Michel de Marolles, Anthologie, ou Recueil bei P. Breslay, usf. 79 Die Häufigkeit solch lexikalischer Anleihen und Neuprägungen kam nicht von ungefähr. Sie war Folge jener Kampagne gezielter Bereicherung, die dem eigenen Idiom Konkurrenzfähigkeit mit den hochentwickelten Instrumentarien antiker Sprachen sichern sollte. Dieses Anliegen führte dazu, dass Übersetzungen - in sprachpolitischen Programmschriften wie Poetiken - breiter Raum eingeräumt und eine Sonderrolle beim erwünschten Anreicherungsprozeß zugedacht wurde: mit Vorbehalten in Kap. V-VI von J. Du Bellays Deffence et illustration de la langue françoyse (1549), fast enthusiastisch zeitgleich im Art poétique eines Thomas Sebillet (1548) oder Jacques Peletier du Mans (1555). Mit diesen übersetzungspraktisch geschulten Programmatikern und Etienne Dolets Manière de bien traduire d’une langue en aultre (1540) begann, seit den an Importen reichen 1540er Jahren, die Entwicklung einer ausdifferenzierten Übersetzungstheorie. 80 Das Übersetzen wurde weiter als „louable labeur“ bzw. „chose laborieuse“ und als „fort utile“ gerühmt „pour donner perfection à la langue françoyse“. Sein höchstes Gesetz, aber zugleich auch Handicap sei „n’espacier point hors des limites de l’aucteur“. Insofern erschien es zwar Du Bellay „peu profitable“, denn es bringe „plus de molestie que de gloyre“ ein. Doch Sebillet erhob die Übertragungskunst sogar zur Würde eines autonomen literarischen Genres, zum „poéme le plus frequent et mieus receu dés estimés poétes et dés doctes lecteurs“ seiner Zeit. Es vergolde die „argentine invention des Pöétes“, hebe deren verborgenen Schatz erst ans Licht „pour le faire commun à l’usage de tous lés hommes“. Zwar gestehe man, laut Peletier, selbst guten und getreuen Übersetzern „james le nom d’auteur“ zu, und „le plus d’honneur“ bleibe stets dem Original. Dennoch sei jede gelungene Übersetzung wertvoller als eine „mauvese in- 79 Vgl. auch erklärendes „gaudisseries et causeries“ (A. Le Maçon), „parcelles d’un grand poeme ... centons“ (G. Hervet), „lettres et codicilles“ (Michel de Tours), „bonnes paroles et gratieux entretien“ (Amyot), usw. 80 Zum Folgenden siehe H. Chamards kritische Ausgabe von Du Bellays Deffence et Illustration, Genève 1969, S. 82, 88, 90, 93f., 97f., zur inhaltlichen Gliederung von Dolets Schrift und zu Sebillet auch W. F. Patterson, Three Centuries of French Poetic Theorie, Ann Arbor 1935, Bd I, S. 280, zu Chauny ebd. S. 389. <?page no="39"?> 33 vancion“. Gerade sie vermöge die Sprache wesentlich zu bereichern und „faire françoese une bele locution latine ou grecque“. Im Übrigen trat die Forderung nach Worttreue zurück hinter der nach Sinntreue: Exaktheit bedeutete Dolet nicht Kleben am Wortlaut, sondern den Geist des Originals zu bewahren; „sauuer l’intégrité du sens“ nannte auch Peletier, in seiner Fassung der Poetik von Horaz, als Hauptziel, daneben „regler & mettre au net nostre langage“. Das später als unvermeidlich erkannte Altern von Übersetzungen geriet in A. F. de Chaunys Rhétorique (1555) noch nicht ins Blickfeld. War ihm doch das Erstellen von Versionen in der „langue vulgaire“ die beste Gelegenheit „pour nous recommander à la postérité“, ein Abkürzen des Bildungswegs für „ceus qui viendront apres nous“. Erwartbarer Kritik ausgesetzt waren wieder frühere Übertragungen aus Sicht derer, die sie durch bessere zu ersetzen strebten. 81 Doch der Tadel wurde von Du Bellay nicht mehr personalisiert: Er richtete sich pauschal gegen die Kohorte jener Stümper, die besser „traditeurs que traducteurs“ genannt werden sollten. Oft hätten sie nicht einmal die „premiers elements“ von Sprachen gelernt, aus denen sie übersetzten. Zur Scheidung der guten von solch miserablen Übersetzern benutzte Barthélemy Aneau in seinem Quintil Horatian (1550) bereits jenes Argument, mit dem noch heutzutage Altfunktionäre des Berufsstands sich junge Konkurrenten vom Hals halten möchten: das vom Übersetzer benötigte „jugement“ erwerbe man einzig „avec l’aage et l’expérience“. Übersetzertypen Aneaus Postulat mag überleiten zur Frage, wie viel Lebenserfahrung Übersetzungspraktiker wohl aufgrund ihres Alters bereits hatten sammeln können. Für ein knappes Hundert von Titeln wissen wir nicht das Geburtsjahr des Verantwortlichen. Wo wir es ebenso kennen wie das Erscheinungsjahr der ersten Übersetzung, kann man Aneaus These zumindest an der Lebensdauer messen. Dabei zeigt sich, dass das durchschnittliche „Einstiegsalter“ tatsächlich in den reifen Mannesjahren lag, um die Mitte der Dreißiger, und somit (angesichts damals geringer Lebenserwartung) das Verlangen nach einem soliden Erfahrungsschatz durchaus als erfüllt gelten konnte. Manche Übersetzer waren beim Debüt gar schon reife Mittsechziger, 82 beim Erklingen ihres übersetze- 81 So betonte J. Canappe 1538, er habe „plusieurs passaiges omis par le premier traducteur“ ergänzt. 82 So E. du Tronchet, J. de Rochemore, J. Vauquelin de la Fresnaye. - Zum Folgenden: P. Dumont, Du Tronchet, Th. Sebillet. <?page no="40"?> 34 rischen Schwanengesangs gehörten sie zu den Siebzigern. Eine stattliche Reihe anderer allerdings begann die Karriere bereits in den Zwanzigern, 83 und Etienne de La Boétie legte schon mit sechzehn Jahren eine als meisterhaft gerühmte Xenophon-Übersetzung vor. Über Geburtsund/ oder Todesjahr hinausgehende Daten der Mittler sind für die überwältigende Mehrheit zuweisbarer Titel bekannt. Danach standen zwar die meisten Mitglieder der Übersetzerzunft treu zur römischen Kirche. Doch eine stattliche Anzahl von Titeln ging bereits auf das Konto derer, die sich im Jahrhundertverlauf von ihr lossagten. Bei diesen Anhängern der neuen Glaubensrichtung fällt ins Auge, dass gerade sie seltener Werke der Schönen Literatur übertrugen. Ihr Impetus galt zur Hälfte Titeln religiösen Charakters (Bibel und kanonische Texte der Tradition, Exegese, Polemik gegen Rom usf.). Insgesamt bildeten, vom Umfang der Titelproduktion her, Kleriker 84 die stärkste Gruppe unter Absolventen Hoher Schulen. Sie waren aber bei weitem nicht mehr so dominant wie im Mittelalter, kamen nur noch auf eine ungefähr ebenso hohe Titelzahl wie die - gleichfalls lateinkundigen - Absolventen beider weltlicher „Berufsfakultäten“ (Juristen, Mediziner) zusammen. Angehörige einer politisch zunehmend marginalisierten (vorwiegend niederen) Aristokratie - sie wechselten gerne in den Klerikerstand oder konnten sich auf ein Jurastudium berufen - hatten nun einen nicht weniger gewichtigen Anteil am übersetzerischen Import. Eine Reihe von Professoren, Lehrern und Erziehern, Sekretären und Kammerdienern hoher Herren spielte eine ähnliche Rolle wie schon in früheren Jahrhunderten. 85 Eindeutiger noch als zuvor wurde Übersetzen reine Männersache. 86 Erwartungsgemäß ließe sich wieder manche Affinität zwischen Konfession, Stand und Beruf von Übersetzern einerseits, der Thematik übertragener Texte andererseits aufzeigen, und dies nicht nur bei Klerikern und Medizinern. So wählte der Héraut d’armes Karls V., Mathieu Vaulcher, Commentaires zu den Religionskriegen seines Fürsten, der Erzieher Haudent das didaktische Genre der Fabeln, der Botaniker Ch. de Lescluse ein Kräuterbuch, der Jurist J. Charrier ein Werk über die 83 Etwa J.-A. de Baïf (mit 25 Jahren), Fr. de Belleforest (21), R. Belleau (28), J. Bodin (25), G. Gruget (22), A. Hotman (24), G. Le Fèvre de la Boderie (23), Ch. de Lescluse (21), V. Philieul (26), J. Amyot (24). 84 Die Skala reicht von Bischöfen bis zu einfachen katholischen Weltpriestern und Ordensgeistlichen oder protestantischen Pastoren. 85 Dazu kamen einige Militärs, Diplomaten und Politiker, ein Notar und ein Dolmetscher sowie Angehörige neu entstandener Berufe, die mit der Produktion gedruckter Bücher zu tun hatten (Drucker, Verleger, Buchhändler, Korrektor). 86 Einzige Ausnahmen: drei Titel von Helisenne de Crenne, Anne Parent und Claudine Scève. <?page no="41"?> 35 Magistratz et république de Venise usf. Doch bei der überwältigenden Mehrzahl von Vorlagen schlugen berufliches Interesse und Fachkompetenz weniger klar durch oder sind nicht mehr erkennbar. Hinsichtlich der Zahl zum jeweiligen Lebenswerk gehörender Titel ist ein klarer Zugewinn an Professionalität zu vermerken. Obwohl über ein Drittel der Übersetzer sich noch immer mit Übertragung eines einzigen Werkes begnügte, stieg die durchschnittliche Titelzahl pro Kopf auf fast vier. Die Rekordhalter brachten es auf imposante Summen - von über fünfzig (G. Chappuys) oder dreißig Titeln (Belleforest, Morel le Jeune) - Größenordnungen also, die selbst in unseren Tagen, für vollbeschäftigte Spezialisten, ein imposantes Oeuvre darstellen würden. Dies ist wieder umso beachtenswerter, als etwa Belleforest nur 53 Jahre alt wurde. Der Lebensraum einer nennenswerten Gruppe von Übersetzern lag nun außerhalb der französischen Staatsgrenzen. Erwähnung verdienen hier vor allem das reformatorische Genf, 87 daneben England, Schottland und die Niederlande. Häufig, wenn auch nicht immer, handelte es sich dabei um ein Exil im Kontext der Religionswirren. Insgesamt wuchs sichtlich die Bereitschaft zu Reisen in benachbarte Sprach- und Kulturräume und ausgedehnten Aufenthalten in fremdem Land. Für mehrere Dutzend Übersetzer war das Zielland Italien, 88 wo einige von ihnen sogar ihr Leben beendeten. Die Hälfte dieser Landeskenner bearbeitete italienische Texte, viele entdeckten in Italien auch ihre Affinität zu Autoren des antiken Rom oder über diese ihr Interesse an deren Lebensraum, 89 oder sie übertrugen von Italienern stammende neulateinische Schriften. Ähnlich übersetzte R. Berthault nach einem Madrid-Aufenthalt Guevara, oder N. de Grouchy, Professor in Coïmbra, legte ein Werk des Portugiesen López de Castanheda in französischer Fassung vor, der gebürtige Hellene J. de Vintimille übersetzte aus dem Griechischen. Gewiss war der Anteil solcher Übersetzer, deren Kenntnisse nachantiker Ausgangssprachen nicht nur fern vom fremden Sprachraum erworben 87 Dort war etwa I. Casaubon geboren, studierte L. Daneau Theologie, waren Th. de Bèze, L Budé und A. de la Faye Professoren, starben Robert I Estienne und S. Goulart. - Zum Folgenden: R. Benoist, I. Casaubon, J. Grévin, L. Le Roy, G. de Selves. 88 Amyot, Castelnau, Dolet, Du Bellay, Ch. Estienne, G. Hervet, J. Lefèvre d’Etaples, L. Le Roy, Cl. Marot, M.-A. Muret, J. Peletier du Mans, G. de Selve, G. Tory, Vigenère. - Zum Folgenden: Du Tronchet, J. Grévin, P. Morin, P.-R. Olivétan, Cl. de Seyssel. I.-A. de Baïf war in Italien geboren. 89 So u. a. J. Du Bellay, E. du Tronchet, J. Grevin, Cl. Marot, E. Dolet, Ch. Estienne, M.-A. Muret, Jehan d’Auton, J.-A. deBaïf, Jean Martin, M. de Saint-Gelais, Cl. de Seyssel, Michel d’Amboise. - Nur einige Beispiele zum Folgenden: Marot, Baïf, J. Martin, Michel d’Amboise übersetzten neulateinische Schriften von Italienern wie Beroaldo, Pico della Mirandola, Sebastiano Serlio, Francesco Colonna, Alberti, Spagnoli usf. <?page no="42"?> 36 worden waren, noch immer gering. Dennoch blieb Auslandspraxis weniger selten als in einem Mittelalter, das noch weit ausschließlicher auf die Einbürgerung lateinischer Originale fixiert gewesen war. Knapp zwei Drittel des Gesamtaufkommens an Titeln stammten von Übersetzern, die auf eine einzige Fremdsprache spezialisiert waren, meist Griechisch oder Latein. Doch im Unterschied zum Mittelalter wurde das weitere Drittel übertragen von polyvalenten Mittlern, die zumindest zwei (vorzugsweise antike) Ausgangssprachen handhabten. Eine recht stattliche Reihe unter ihnen 90 brachte es auf drei, Belleforest sogar auf vier fremde Idiome. Ob daran ein höherer Fertigkeitsgrad oder eher wachsendes Dilettantentum ablesbar ist, muss einstweilen offen bleiben. Ganz wie in früheren Jahrhunderten waren sich, nun gestützt durch programmatische Aufwertung des Übersetzens, viele bis zum heutigen Tag berühmte Poeten und Literaten des Zeitalters nicht zu schade, fremde Texte in die Volkssprache zu überführen: Lefèvre d’Etaples und Clément Marot, J. Du Bellay, Pontus de Tyard, Desportes und Vauquelin de la Fresnaye, Bodin, Béroalde de Verville, Montaigne und manch andere beteiligten sich an der Einbürgerungskampagne. 91 Und war auch Übersetztsein als Beglaubigung des Wahrheitsgehalts eines Textes weniger wichtig als einst, wurde das hohe Ansehen von Übersetztem nun erstmals an einem anderen (vorerst noch vereinzelten) Phänomen ablesbar: der Pseudo-Übersetzung. So gab Barthélemy Aneau, Urheber einer ganzen Reihe echter Übertragungen, 1560 seine „Histoire fabuleuse“ Alector ebenfalls als „traduicte en François“ aus. Akkordarbeit Übersetzungsboom und verstärktes Aktualitätsstreben hatten zur Folge, dass sich das Arbeitstempo steigerte. Dies gilt nicht allein für eine 90 Baïf, Brisset, Colin, Larivey, Louveau, Peletier, Vigenère (griech.-lat.-it.); Chappuys, Dumont, Gohorry, Maugin (lat.-it.-span.); Corrozet, Gruget, Du Moulin, Goulart, Lescluse, Marot (andere Sprachkombinationen). 91 Siehe eine lange Namenliste bei F. R. Hausmann, Renaissance, S. 87. Auf literaturhistorisch konsekrierte Spitzenautoren konzentrieren sich auch die Studien der Sekundärliteratur zur Epoche. Vgl. etwa M. J. Minckwitz, Beiträge zur Geschichte der französischen Grammatik: der Purismus bei Übersetzern, Berlin 1897; G. Lanson, Manuel bibliographique de la littérature française moderne, Paris 1910-12 u. ö. , chap. VI; J. Coppin, Montaigne, traducteur de Raymond Sebon, Lille 1925; E. Cary, Les grands traducteurs français, Genève 1963; K. Worth Regius, Untersuchungen zum Übersetzungsstil Clément Marots, Schwarzenbach 1951; J. v. Stackelberg, Literarische Rezeptionsformen, Frankfurt/ M. 1972; V. Worth-Stylianu, Practising Translation in Renaissance: The Exemple of Etienne Dolet, Oxford 1988; A. Lefevere, Translation/ History/ Culture: A Source Book, London/ New York 1992. <?page no="43"?> 37 Handvoll Meistbeschäftigter. In vielen Dutzend Fällen publizierten nun Übersetzer zwei Übertragungen in unmittelbar aufeinander folgenden Jahren, und ebenso oft erschienen mehrere Titel aus derselben Feder innerhalb einer einzigen Jahresspanne: Dutzende von Mittlern brachten es auf zwei, viele weitere auf drei Titel jährlich. Vier Titel pro Jahr erreichte Millet, gar fünf erschienen von G. Le Fèvre de la Boderie und Fr. Morel le Jeune. Unnötig zu betonen, dass sich mit solchen Spitzenwerten selbst heute hauptberuflich Tätige, mit ihren modernen Hilfen bei Recherche und Texterstellung, keineswegs verstecken müssten. Mehrere Titel pro Jahr vom selben Übersetzer wurden vor allem seit der erwähnten Übersetzungs-Schwemme gedruckt, die mit den 1540er Jahren einsetzte. Dies legt nahe, einen der Gründe für die auffallend beschleunigte Arbeitsweise zu suchen in extrem übersteigerter Nachfrage von Verlagswesen, Buchhandel und Käufern bei einem nicht beliebig erweiterbaren Reservoir sprachkundiger Mittler. Wenig verwunderlich ist angesichts dieser Bedarfslage, dass (im Unterschied zum Mittelalter) nun bei der Übertragung eines Werkes in drei Dutzend Fällen mehrere Kollegen kooperierten - meist als Tandem, aber auch in Dreier- oder Vierergruppen, und dies keineswegs nur dann, wenn übergroße Textmengen wie Bibel oder Amadis bewältigt werden mussten. Zu prüfen bliebe, wie die skizzierte Beschleunigung die Übertragungsqualität minderte und wieweit Aufteilung von Texten unter mehrere Mitarbeiter Stilbrüche nach sich zog. Jene zunehmenden Zwänge - erwachsen aus Steigerung des Arbeitstempos und dennoch nicht beliebig absenkbarer Produktqualität - trugen wohl bei zur Entwicklung, gewiss aber zur Nutzung von Hilfsinstrumenten, wie sie nun gedruckt erworben werden konnten: die damals neu entstehenden zweisprachigen Wörterbücher. Zuerst greifbar waren sie, nicht zufällig, für Übersetzungen aus dem Lateinischen, die ja den größten Anteil des Gesamtvolumens ausmachten (Garbin 1487; dann, rechtzeitig zum Beginn des Übersetzungs-Booms: Robert Estienne 1538, 1539, 1549, 1552; Thierry 1564; Dupuys 1573), anschließend auch für solche aus dem Griechischen (N. Chesneau 1573) und schließlich aus dem Spanischen (Hornkens 1599). 92 Adressaten und Publikum Was Zielgruppen der Importe angeht, sind diese für die große Adressatenzahl gedruckter Bücher natürlich schwerer einzugrenzen als für Handschriften-Unikate des Mittelalters. Nur selten benannten Buchti- 92 Ausführliche bibliographische Nachweise in Beiheft und Supplement des FEW. <?page no="44"?> 38 tel explizit ihre Wunschleser, wie eine Terenz-Übersetzung von M.-A. Muret die „jeunes enfans desireux de la pureté et intelligence de la langue françoise“ (1567). Initiatoren blieben aus Sicht J. Du Bellays, neben den neu hinzukommenden Verlegern, weiterhin „princes et grands seigneurs“, zumindest für Schriften der „plus fameux poëtes grecz et latins“. 93 François Ier war Auftraggeber von Amyot und Vintimille, sein Sohn Henri II der von La Grise und Amyot, und letzterer widmete einen weiteren Titel Charles X. Solch fortdauerndes königliches Interesse an Produkten der Übersetzerzunft ist einmal mehr bildhaft evoziert: ein Stich der französischen Nationalbibliothek zeigt François Ier, wie er im Kreis des Hofstaats seinen Sekretär Macault aus dessen Übertragung von Diodorus Siculus vorlesen läßt. Päpste wiederum veranlaßten nahe liegender Weise neue Bibelübersetzungen. Etwas seltener als zuvor finden sich Zueignungen an Mitglieder der ständischen Elite, wie die von Abel Foulon an einen „lieutenant civil au Châtelet de Paris“. Denn für Einbürgerungsvorhaben des Typus Amadis hatten nun, wie schon angedeutet, wirtschaftlichen Gewinn anzielende Verleger die Rolle einstiger Mäzene als Auslöser übernommen. Gerade der Amadis und seine Fortschreibungen waren Indikatoren für den deutlich höheren Anteil fiktionaler Erzählstoffe im Übersetzungsboom der Epoche. Jene Erzählungen stammten teils aus der Antike, 94 aber zum Gutteil auch von Autoren des Nachmittelalters, aus den Literaturen Italiens und vor allem Spaniens. Erstmals nahm die Übertragung von Theaterstücken aus Altertum 95 und Renaissance nennenswerten Raum ein, neben den schon erwähnten theologischen, philosophischen, juristischen, medizinisch-chirurgischen, historischen, naturkundlichen Fachtexten, politischen und religiösen Streitschriften, Reiseschilderungen und Länderkunden - einem breiten Spektrum unterschiedlichster Textarten, deren Einbürgerung meist schon im Mittelalter begonnen hatte. Erfolgsspuren Die Wirkungsgeschichte im 16. Jh. übersetzter Literatur bleibt zu schreiben - aufgrund von Bibliotheks- und Nachlass-Verzeichnissen, von Le- 93 Du Bellay, Deffence [Anm. 80], S. 96. 94 Etwa Apuleius, Eustathios, Achilleus Tations, Heliodor, Longus. - Zum Folgenden etwa: Boccaccio, Fernando de Rojas, Montalvo, Montemayor, Lazarillo de Tormes usf. 95 Etwa Euripides, Sophokles, Seneca, Terenz. - Zum Folgenden etwa: Tasso, Trissino, Makropedius u. a. <?page no="45"?> 39 serporträts 96 und Lektürevermerken. Um Wirkungsbreite und Dauererfolg gewisser Fassungen zumindest anzudeuten, mögen wenige Beispiele genügen: Die französischen Versionen des Cortegiano erlebten in nur fünf Jahrzehnten mindestens 22 Ausgaben und Nachdrucke. 97 Mehrmals oder vielfach aufgelegt wurden Roman-Übersetzungen von J. Vincent, eine ganze Reihe von Titeln Belleforests, die Odyssee J. Peletiers, Anacreons Oden von R. Belleau, die Bibelversionen von Lefèvre d’Etaples. Die Lactantius-Übertragung von R. Fame, Belleforests Cicero-Briefe oder Boaistuaus Histoires prodigieuses brachten es bis zum Jahrhundertende auf je acht, das Decameron von A. Le Maçon auf sechzehn Nachdrucke. Plutarchs Vie des Hommes illustres aus Amyots Feder sollte bis weit in das 20. Jahrhundert hinein immer wieder reproduziert werden. Der junge Rousseau beispielsweise las eben diese Fassung und bezog aus ihr sein Antikebild. Und der Dictionnaire universel von Trévoux zitierte ihre Formulierungen bis zur Ausgabe von 1771 (also weit über zwei Jahrhunderte nach ihrer Entstehung) als mustergültig, ebenso wie diejenigen der Augustinus-Übersetzung von Gentien Hervet. 3. Königliches Übungsfeld: das Grand Siècle „La traduction de Quinte Curse est une copie qui vaut bien l’original“, lautete 1675 der Mustersatz zum Stichwort copie im dreisprachigen Wörterbuch Widerholds. Die lateinische und deutsche Variante des Satzes präzisierten, es handle sich dabei um die „novissima transcriptio“ bzw. „neueste Französische Übersetzung“, also die von Vaugelas verfaßte. Erinnern wir uns: Das 16. (und frühe 17.) Jahrhundert hatte Übersetzen, ungeachtet gewachsener Wertschätzung, prinzipiell zum Verlustgeschäft erklärt 98 und (gelungene) Originale als fraglos kostbarer eingestuft. Widerholds provozierende Ansicht, manche französische 96 Vgl. dazu F. Nies, Bahn und Bett und Blütenduft. Eine Reise durch die Welt der Leserbilder, Darmstadt 1991, S. 40 u. ö.; F. Nies/ M. Wodsak, Ikonographisches Repertorium zur Europäischen Lesegeschichte , München 2000, passim. 97 Sie erschienen ohne Übersetzernamen oder stammten von Jean Colin und G. Chappuys (nach R. Klesczewski S. 177-179). Die Gesamtzahl ergibt sich aus Autopsie erhaltener Exemplare, wie sie natürlich nur für einige wenige herausragende Werke möglich ist. 98 Diese Ansicht begegnet bei manchen Übersetzern bis zum heutigen Tag. Vgl. etwa das Eingeständnis „es geht immer etwas verloren“ (R. Schmidgall, Jenseits der Sprache, Kafka 12/ 2003, S. 61), ebenso wie die entgegengesetzte These, dass sich, „was in der einen Welt gesagt wird, mit mehr Gewinn als Verlust in die andere Welt übertragen <?page no="46"?> 40 Nachgestaltung sei einem der viel gerühmten antiken Vorbilder (zumindest) gleichrangig, dürfte so einen Quantensprung in der Bewertungsgeschichte des Übersetzens markieren. Wir werden uns zu fragen haben, in welch geistigem Umfeld sich eine derartige Aufwertung vollziehen konnte. Einstweilen sei vermerkt, dass dieser Beleg zugleich der früheste ist für copie in der Bedeutung „traduction d’un auteur de langue étrangère“. 99 Ein weiterer Erstbeleg aus dem Umkreis des Übersetzens gehört bereits in die Frühphase des Jahrhunderts: Malherbe gebrauchte das Adverb infidèlement mit der Bedeutung „d’une manière inexacte (p. ex. traduire)“. Er erinnert uns so daran, wie sehr das Grand Siècle lange als Blütezeit jener „Belles Infidèles“ gelten sollte, als deren Paradebeispiel unermüdlich die zahlreichen Übertragungen Perrot d’Ablancourts zitiert werden. 100 In welchem ideologischen Kräftefeld deren Gedeihen und kritische Beurteilung möglich war, wird uns ebenfalls noch beschäftigen. Zuvor soll umrisshaft die quantitative Basis skizziert werden, aus der die genannten und weitere Neubewertungen erwuchsen. Zwar scheint, wie für das 16. Jahrhundert, eine annähernd exakte Berechnung des Gesamtvolumens aller Übersetzungen vorerst ausgeschlossen. 101 Doch wenigstens eine Erfassung von über 1700 durch bekannte Übersetzer publizierten Titeln ist mit vertretbarem Aufwand möglich. Das bedeutet gegenüber dem 16. Jahrhundert einen Zuwachs von über dreißig Prozent. Nichts spricht also dafür, dass das wachsende Selbstwertgefühl einer Nation, die zunehmend europäische Hegemonie beanspruchte, zur generellen Mißachtung von Texten anderer Sprachsphären geführt hätte. Das Schrifttum der Epoche stellt sich so mitnichten als eine von „literarischer Xenophobie“ geprägte, „für fremde Einflüsse geschlossene Nationalliteratur“ dar, als die es noch in neueren Schilderungen lässt“ und „sogar auf das Original zurückstrahlen kann“ (E. Kinsky, Zwei Zimtläden- Welten, Kafka 12/ 2003, S. 66f.). 99 Nach FEW 2,1154b. - Zum Folgenden siehe ebd. 4,668b; vgl. auch Robert s. v. infidèle. 100 Siehe dazu R. Zuber, Les „Belles Infidèles“ et la formation du goût classique, Paris 1968; M. Ballard/ L. D’Hulst (Hg.), La traduction en France à l’âge classique, Villeneuve d’Ascq 1996; J. v. Stackelberg, Blüte und Niedergang der Belles Infidèles, in: H. Kittel, Die literarische Übersetzung. 101 Als Basis dient wieder die umfängliche Bibliographie von A. Cioranescu, in der Hoffnung auf annähernde Repräsentativität. Allerdings fehlen dort selbst Übersetzer, die für Zeitgenossen wie Ch. Sorel unter die Bekanntesten zählten (wie Philbert Bretin, Claude Fauchet, Nicolas Seguier, der Abbé de Villeloin) nicht nur im Register. Zur Forschungsliteratur vgl. Cioranescu Nr. 5351-5423 sowie S. Guelloz (Hg.), La traduction au XVIIe siècle, 1990; M. Ballard/ L. D’Hulst (Hg.), La traduction en France à l’âge classique, Villeneuve d’Ascq 1996. <?page no="47"?> 41 erscheint, und wir müssen beim Übersetzungsvolumen keineswegs von einem „certain repli hexagonal“ 102 ausgehen. Literaturen und Genres, Autoren und Spitzenwerke Eines ist augenfällig: Fast drei Viertel aller übertragenen Texte stammten aus den Sprachen der vormittelalterlichen Welt, deren Anteil gegenüber dem 16. Jahrhundert also wieder zunahm. 103 Zugleich verringerte sich, in einer zunehmend nach Gleichrangigkeit mit dem antiken Rom strebenden Monarchie, der Anteil griechischer Originale im Vergleich zur vorangegangenen Epoche in auffallender Weise. Auf dem Feld christlich-religiöser Thematik war mit Abstand meistübersetzter Autor jener noch unlängst wenig beachtete Augustinus, dessen Name sich nun seit Jahrhundertbeginn eng mit dem Jansenismus von Port-Royal verband. Dazu kamen Dutzende weiterer Neufassungen der Psalmen sowie - in einer bekanntlich stark durch mystische Bewegungen geprägten Ära - der Werke von Mystikern wie Bernard de Clairvaux, Theresa von Avila, Thomas a Kempis mit seiner (schon im 16. Jahrhundert übertragenen) Imitatio Christi, schließlich wieder Versionen des Alten und Neuen Testaments (mit Schwerpunkt in den drei Jahrzehnten nach Widerruf des Toleranzedikts von Nantes). Der Löwenanteil übersetzter Titel allerdings fiel wieder an Dutzende von Autoren der vorchristlich-römischen Antike. Spitzenautor nach Übersetzungszahl war hier - vor Seneca, Horaz, Ovid (und etwa gleichauf mit Augustinus) - jener Cicero, der auch zum Lieblingsautor des Erziehungswesens der Epoche avancieren sollte. 104 Es dominierte also klar eine ständig verfeinerte Neuauslegung von Musterautoren jener Hochkultur, die in der zweiten Jahrhunderthälfte viele nicht mehr begriffen als Vorbild, das ewig unerreichbar sein würde, sondern als Ansporn zum Gleichziehen oder gar zur Überbietung. Nicht von ungefähr wurde dem Übersetzen antiker, vor allem römischer Autoren in dominanten Bildungskonzepten für die sozialen Eliten hoher Rang eingeräumt. Dies gilt, ungeachtet der Unterschiede pädagogischer Methoden und Ziele, für Port-Royal wie für die Oratorianer oder Jesuiten. Schon im dritten Jahr des Collège war täglich eine halbe Stunde dem schriftlichen Übersetzen und die gleiche Zeitspanne der Korrektur des Übersetzten reserviert. Herodian allerdings sollte in 102 So Ch. Grell, Histoire intellectuelle et culturelle du Grand Siècle, Paris 2000, S. 71. 103 Vgl. dazu auch R. N. Ladborough, Translations of the ancients in the 17th Century France, Journal of the Warburg Institute 1938. 104 Nach Ch. Grell [Anm. 102], S. 30. - Zum Folgenden vgl. ebd. S. 31, 37. <?page no="48"?> 42 Port-Royal aufgrund einer schon vorliegenden Übersetzung studiert werden, und der Oratorianer Lamy vertrat 1683 die Meinung, hinreichendes Verständnis der Alten sei bereits durch Interlinear-Versionen erreichbar. Zu überprüfen bliebe, wieweit der Buchmarkt auf Bedürfnisse des Bildungswesens einging und Hilfen für Lehrende wie Lernende bieten wollte. Darauf könnten Äußerungen hindeuten wie jene Gaspar de Tendes, der 1660 seine Règles de la Traduction im Vorwort den „enfans & à ceux qui les instruisent“ zudachte - sei doch Übersetzen zweifellos „vn des moyens le plus court & le plus facile pour apprendre les Langues“. Zu prüfen wäre vor allem, wieweit zweisprachige Ausgaben (u. a. von Horaz, Seneca, Terenz, Virgil) auch und gerade Unterrichtszwecken dienen wollten. Denn sie waren in der zweiten Jahrhunderthälfte durchaus nicht selten 105 - trotz Tarterons Warnung, nichts sei schädlicher „pour une traduction française, que le latin à côté“. Dieses provoziere zu „confrontations fâcheuses“ und setze den Übersetzer ständig ins Unrecht: „tantôt il dit trop; tantôt trop peu“. Ein gewisser Schwund war gegenüber dem 16. Jahrhundert bei Übertragungen aus der mittel- und neulateinischen Gelehrtensprache zu verzeichnen. Zu prüfen wäre, wieweit er darauf zurückging, dass Gelehrte nun nach dem Beispiel eines Descartes ihre Schriften öfters in Volkssprache verfaßten, um auch die Zielgruppe der Honnêtes Gens und vor allem deren weibliche Fraktion zu erreichen. Etwa gleich blieb dagegen der Gesamtanteil von Texten nachantiker Volkssprachen aus großen Nachbarnationen. Noch immer führte hier als Ausgangssprache Italienisch mit deutlichem Abstand (und den Spitzenautoren Tasso, Ariost) vor dem Spanischen. 106 Beschleunigung des Imports Angesichts der Dominanz von Übertragungen aus den alten Sprachen könnte man vermuten, die Ausrichtung übersetzerischen Wirkens an Neuheiten des Buchmarkts sei weit schwächer gewesen als im vorausgegangenen Jahrhundert. Diese Annahme scheint dadurch gestützt zu werden, dass ein Neuübersetzer antiker Musterautoren sich behäbig distanzierte von Übertragungen „qui sont précipitées, qui ne se font qu’en courant“. 107 Doch die Hypothese wachsender Aktualitätsferne 105 Siehe etwa Titel der Übersetzer Adam 1651; Marolles 1652, 1655 und 1660; Perrin 1658; Algay 1670; Veneroni 1695; Tompère 1696. - Zum Folgenden: Tarteron 1689 u. ö. Epître. 106 Auf Spurenelemente beschränkt blieben weiterhin orientalische Sprachen, das Deutsche, das Flämische. 107 Traduction nouvelle des satyres de Perse et de Juvénal (1689), Epître. <?page no="49"?> 43 des Zeitalters trügt: Fast zweihundert Übersetzungen erschienen noch im selben Jahr wie ihre Vorlagen oder zumindest im Folgejahr. Meist handelte es sich dabei, wie im 16. Jahrhundert, um (fast immer anonym übersetzte) außenpolitische Informationen und Propagandaschriften etwa aus dem deutschen Raum. Doch häufig waren auch aktuelle Texte religiöser Thematik, vor allem aus dem Italienischen, nicht selten neulateinische Enkomiastik. Ein Übersetzer wie Jean Baudoin brachte es auf ein Halbdutzend solcher Schnellübersetzungen. Gegen den Purismus-Trend: lexikalischer Zuwachs Das im 16. Jahrhundert beliebte sprachpolitische Argument, Übersetzer hätten wichtige Beiträge zur Anreicherung der eigenen Volkssprache zu leisten, fiel kaum mehr ins Gewicht. Dies verwundert wenig angesichts der zunehmend restriktiven, neuerungsfeindlichen, auf Reinigung und Festschreibung eines vermeintlichen Idealzustands erpichten Sprachkonzeption der Meinungsmacher. Vermieden Übersetzer der Epoche, der herrschenden klassizistischen Ideologie folgend, also in der Praxis möglichst den Import und die Bildung von Neuwörtern? Für diese Vermutung scheint zu sprechen, dass in historischen Wörterbüchern des Französischen offenbar nur selten Erstbelege auftauchen, die aus Übersetzungen der Zeit stammen. 108 Im auffälligen Gegensatz dazu steht indes, dass schon Titel damaliger Übersetzungen eine große Anzahl (teils beträchtlicher) Vordatierungen der von historischer Lexikographie genannten Erstdaten erlauben. Ein Fall von vielen: der Fachausdruck criminaliste „celui qui est versé dans le droit criminel“ in Velledors Advis aux criminalistes (1660), einer Übertragung der Cautio criminalis Friedrichs von Spee. 109 Begnügen wir uns mit einem knappen Dutzend weiterer Vokabeln aus jenem Bereich der Textarten-Appellative, der sich schon für frühere Jahrhunderte ergiebig gezeigt hatte: Elemens „ouvrage qui contient les premières notions à acquérir pour la connaissance d’un art ou d’une science“ (1610); imitation „ouvrage de piété où l’on propose au fidèle Jésus-Christ pour modèle“ (in Marillacs Übersetzung von Thomas a Kempis’ Imitation de Jésus-Christ, 1642 u. ö.; bisheriger Erstbeleg nach FEW : 1762); itinéraire „recueil de prières à dire en voyage“ (in L’Itinéraire des Clercs, ou Oraisons pour les Voyageurs. Traduit du Latin en Vers François, 1673; Erstbeleg 108 In der vorklassischen Periode allerdings etwa noch méditation und mômerie oder die spanischen Lehnwörter séguedille (aus Chapelains Übertragung von M. Alemans Guzman d’Alfarache, 1630; nach Bloch-Wartburg) oder passecaille (aus La Genestes Version von Quevedos Visions, 1632; nach Trésor de la Langue française). 109 Erstbeleg nach FEW „seit 1715“. <?page no="50"?> 44 nach FEW: 1690); morale „traité sur la morale“ (Catel 1644); passe-partout „livre qui ouvre toutes les serrures“ (Plaix 1616); pastoral „titre d’un livre de saint Grégoire sur les devoirs du pape et des évêques“ (Le Clerc 1670); pharmacopée „livre qui traite de l’art de préparer des médicaments“ (in A. Cailles La Pharmacopée de M.e Jacques Sylvius ... Qui est, la maniere de bien choisir, preparer les Simples, & faire des compositions, 1604; Erstbeleg nach FEW: 1680); relation „récit, fait par un voyageur, de quelque expédition lointaine“ (in M. Coyssards Relations des Peres Loys Froos et Nicolas Pimenta ... concernant l’accroissement de la foy ... au Jappon ... ès années 1596 et 1599, 1602; Erstbeleg nach FEW: 1654); remarque „note exprimant une réflexion, un commentaire“ bzw. „qui attire l’attention du lecteur“ (in L. de Caseneuves Lettres de Philostrate mises ... en françois et illustrées d’annotations et de remarques, 1620; Erstbeleg nach Larousse de la Langue und Petit Robert: 1647); supplément „titre donné à certains ouvrages littéraires“ (in J. de Chabanels Les additions ou supplément du mémorial de la vie chrestienne, composé par le R.P.F. Louys, de Grenade, 1602; Erstbeleg nach FEW: 1772). Angesichts der Fülle solcher Vordatierungen in den vorstehenden Titelbeispielen oder dem Textteil 110 von Übersetzungen, sei es für Gattungs- Appellative oder andere Wortbildungen, 111 drängt sich ein Verdacht auf: Die geringe Erstbelegdichte in historischen Wörterbüchern resultiere weniger aus Verzicht damaliger Übersetzer auf neue und fremde Vokabeln als aus der Trägheit späterer Lexikologen. Stellte diesen doch das 17. Jahrhundert, Musterepoche großer lexikographischer Sammlungen, damit ein bequem verwertbares Quellenkorpus bereit, das den Elan zur mühsamen Erstellung und Verarbeitung zahlreicher Text-Glossare von Einzelautoren sichtlich bremste. Denn Übersetzungspraktiker auch des Grand Siècle wussten sehr wohl, dass die Einbürgerung fremder Texte den Gebrauch neuer und ungewohnter Ausdrucksformen manchmal unumgänglich macht. Charles Sorel empfahl so bei Einführung von Lehnwörtern für Spezifika anderer Kulturen (z. B. Titel, Würden, Maße, Münzen) ausdrücklich jene Technik, die Praktiker früherer Epochen schon souverän gehandhabt hatten: Quand on vse de mots semblables, il suffit qu’en quelques endroits du Texte, on explique au plus prés de leur signification, ou qu’au moins on en dise quelque chose à la marge. De plus, il faut s’imaginer qu’on n’aura pas vsé deux ou trois fois de ces mots, qu’ils se naturaliseront, & passeront de mesme que s’ils estoient François d’origine. (La Bibliothèque Françoise. ²1667, S. 236) 110 Etwa mômerie „choses concertées pour faire rire, bons mots“ (Vaugelas in seiner Übersetzung Quinte Curse de la vie et des actions d’Alexandre le Grand, 1653; Erstbeleg nach FEW: Richelet 1680, der seinerseits Vaugelas zitiert). 111 Etwa für melliflu (fehlt FEW) in J. d’Assignies, Abbrégé des deux ... sermons du melliflu docteur Sainct Bernard, 1639; oder für mystagogique (Erstbeleg nach FEW: 1874) in A. de Laval, Homélies de sainct Jean Chrysostôme, avec des catéchèses mystagogiques de S. Cyrille, 1621. <?page no="51"?> 45 Damit war jenes Argument mangelnder Verständlichkeit für die Gesellschaft von Honnêtes Gens ausgeräumt, mit dem klassizistische Sprachnormer Neologismen (und sonstige Abweichungen vom sprachlichen Gemeinbesitz) pauschal zu verdammen suchten. Vorbehalte gegenüber allzu reichlichem Gebrauch neuen Wortguts gründeten für Sorel in einer ganz anderen Gefahr. Man müsse sich hüten de ne se vouloir servir que de mots nouueaux, & de ceux qui sont les derniers en vsage, comme estans les plus agreables aux Gens de la Cour & du grand Monde, und zwar aus einem einfachen Grund: Bei solchen nicht aus Zwängen des Kulturtransfers eingeführten, sondern schon gängigen Modewörtern könne es vorkommen „que si leur signification est bien entenduë maintenant, elle pourra estre douteuse à l’auenir, & l’usage de ces mots se pourra bien-tost perdre“. 112 Alt- und Neufassungen Die Einsicht, allzu modische Sprache könne vorschnelles Veralten bewirken, gehört unter die zahlreichen Indizien für ein seit den 1660er Jahren verbreitetes Bewußtsein: Übersetzungen seien generell einem Alterungs- und Veraltungsprozess unterworfen, bedürften daher steter Erneuerung. Hatten nach Überzeugung Chaunys im 16. Jahrhundert Übersetzer auch gewirkt für die Nachwelt, tauchte im Wörterbuch der Académie française 1694, gewiß nicht von ungefähr, als Anwendungsbeispiel „vieille traduction“ auf, und im konkurrierenden Dictionnaire universel Furetières hieß es 1690 - weit ungenierter abwertend - „les anciennes traductions passent maintenant pour barbares“. Ein Privileg auf Neuübersetzung hatte zwar noch G. de Golefer einzig den „bons livres de l’antiquité“ zugestehen wollen. 113 Doch im Beispiel „traduction nouvelle“ des Akademiewörterbuchs sollte eine solche Beschränkung entfallen. Und Dutzende von Übersetzungen, die vor allem während der später als „klassisch“ deklarierten Periode des Jahrhunderts schon im Titel eine traduction nouvelle versprachen oder mit ähnlichen Wendungen ihren Neuheitswert betonten, galten zwar zu 70 % Autoren der Antike, 114 aber auch den Psalmen und schon erwähnten Schlüsselautoren der christlichen Tradition (Augustinus, Thomas a Kempis, Therese von Avila u. a.), andererseits der italienischen Renaissance (Tasso, 112 Ebd. S. 237f. 113 In Du mérite et de l’utilité de la traduction françoise (1630), S. 17. 114 Am häufigsten Cicero. - Zum Folgenden: Sorel, Bibliothèque Françoise 1664, S. 240. Als neu angepriesene Übersetzungen wurden publiziert u. a. von Bernard de Clairvaux, Johannes Chrystosomos, Benedikt von Nursia. <?page no="52"?> 46 Ariost). So konnte Sorel schliesslich pauschalierend rühmen: „C’est le priuilege de la Traduction de pouuoir estre réiterée dans tous les Siècles, pour refaire les Liures selon la mode qui court“. Theorie Wie sich in alledem andeutete, erschloß nun abstrahierendes Nachdenken neue Dimensionen geistiger Durchdringung übersetzungspraktischen Tuns. Schon die stattliche Zahl mehr oder weniger umfänglicher Abhandlungen zum Thema seit den 1630er Jahren, 115 meist verfaßt von erfahrenen Praktikern, ist hier aufschlußreich. Dazu kommt weit über ein halbes Hundert teils recht ergiebiger Paratexte (Widmungsbriefe, Avertissements, Vorreden, Anmerkungen), die Übersetzer ihren Produkten beigaben, um ihre Verfahrensweise zu erläutern und zu rechtfertigen. Eine systematische Analyse derartiger Kommentare steht noch aus. Doch es ist kein Zufall, dass der früheste Beleg für remarques gerade dem Untertitel einer Übersetzung der Epoche entstammt und anschließend Buchtitel immer wieder ankündigten, die vorgelegte Übertragung sei durch solche „remarques“ oder „annotations“ angereichert. 116 Wo lagen Schwerpunkte jener teils Einzelfälle erläuternden, teils generellen Reflexion? Mehrfach ging es primär um übersetzungstechnische Tricks, um Rezept- und Regelsammlungen für Lernende: über die Behandlung von Pronomina, den Gebrauch von Antithesen, Arten des Verknüpfens usw. 117 Interessanter ist ein wachsendes Bewußtsein für typische Gattungsstile, denen es gerecht zu werden gelte. Sorel unterschied so einmal die „Sciences“ und „Liures Philosophiques“ (wo Beibehaltung fachtypischer Lehnwörter zulässig sei). Dann die „Ouurages des Orateurs & des Poëtes“ und „Histoires“, für die einzig Vokabeln „d’vn vsage ordinaire“ erlaubt wurden. Als verfehlt zu gelten 115 Genannt seien hier nur G. de Golefer; G. Colletet, Discours contre la traduction, in L’art poétique, 1658; G. de Tende, Règles de la traduction, ou moyens pour apprendre à traduire de latin en françois, 1660, 386 S.; Raguenau, dit de L’Estang, De la traduction, ou règles pour apprendre à traduire de la langue latine en la langue françoise, 1660; P.-D. Huet, De interpretatione libri duo, quorum prior est de optimo genere interpretandi, alter in claris interpretibus, 1661, 186 S.; Fr. Poullain de la Barre, Les rapports de la langue latine à la françoise pour traduire élégamment, 1672; Saint-Evremont, Réflexions sur nos traducteurs, in: Œuvres mêlées, 1705, Bd. II. - Vgl. zu alledem auch T. R. Steinen, Precursors to Dryden: English and French Theories of translation in the 17th Century, Comparative Literature Studies 7, 1970, zu Malherbe und Perrot d’Ablancourt. 116 Siehe etwa bei Seguenot 1638, Perrin 1658, Lombert 1657, Algay 1678 u. v. a. m. 117 Etwa bei Tende, Règles [Anm. 115]. <?page no="53"?> 47 habe hier vor allem „de vouloir toujours donner des noms nouueaux aux choses anciennes“. Dulden könne man dies mit Einschränkung einzig „dans les Liures d’inuention“ - heute würde man sagen fiktionaler Literatur - „qui estant entierement nouueaux, peuuent auoir des parolles nouuelles“. 118 Ein Abbé Fr. Macé wiederum betonte, der „style dévot“ religiöser Literatur fordere vom Übersetzer eine „sainte simplicité“, einen „style concis & serré“. Unübersehbar ist die Häufung von Indizien dafür, daß nun Übersetzen verstärkt und explizit nach ästhetischen Maßstäben bewertet wurde. Einmal mehr dürfte es kein Zufall sein, wenn ein rundes Hundert von Buchtiteln - wieder verstärkt in der zweiten Jahrhunderthälfte - ausdrücklich eine Übersetzung in Versen ankündigte. Die anspruchsvolle gebundene Sprachform, zentrales Kriterium für das Heimatrecht eines Textes im engeren Bezirk der Dichtung, wurde nun angepriesen selbst bei religiösen Schriften: von Augustinus, der Imitation de Jésus- Christ oder der Apocalypse des Johannes. 119 Richelet erhob 1680 in seinem Dictionnaire Übertragungen von Perrot d’Ablancourt zum Modell aufgrund der „beauté de ces chef-d’oeuvres“. Seien sie doch, wie er ergänzt, „hardies, pleines de feu & de jugement“. Ein weiteres Schlüsselwort ästhetischer Bewertung tauchte seit den 1670er Jahren mehrfach auf: „traduire élégamment“ war das durch Poullain de la Barre ausgegebene Losungswort, und Tarteron beschwor das gleiche Qualifikativ. Widerholds eingangs erwähnter Mustersatz rühmte die dem Original „styli elegantia“ gleichrangige Vaugelas-Version des Quintus Curtius, und auch das Akademie-Wörterbuch zitierte die Wendung „traduction élégante“. 120 Andere Forderungen entsprachen allgemeinen Sprach- und Stilidealen einer für die zweite Jahrhunderthälfte typischen Ästhetik, die ebenso Richtmaß originär französischer Texte wurden. Etwa das cartesische Postulat der „clarté“ bzw. „netteté“ bzw. sorgfältiger Vermeidung von „obscurité“, „stile diffus“ und „amplification“. 121 Dazu kamen die mehrfach beschworenen Leitwerte „grâce“ und „naturel“. 122 118 Bibliothèque Françoise S. 233f., 238. - Zum Folgenden: Macé, Méditations sur les évangiles ... par le P. Busée, 1684, Préface du Traducteur. 119 Etwa von P. Corneille 1651-52, Bardou 1658, Le Petit 1666, Marolles 1677, Tompère 1696. 120 Siehe zu alledem Poullain de la Barre, Rapports [Anm. 115], Titel; Tarteron , Traduction nouvelle ... d’Horace, 1685, Epistre; Widerhold a.a.O., Ac 1694 s.v. traduction. 121 H. du Mas, De l’Imitation de Jésus-Christ, 1685, Avertissement; Tende, Règles [Anm. 115], Préface. 122 Siehe etwa Tende, Règles [Anm. 115], Préface; Sorel, Bibliothèque S. 232; Tarteron 1685 [Anm. 120]; Du Mas 1685 [Anm. 121]. - Zur allgemeinen Bedeutung und Funktion des naturel-Ideals in der damaligen Ästhetik siehe F. Nies, Gattungspoetik und Publikumsstruktur, München 1972, Teil I,1. <?page no="54"?> 48 Typisch klassizistische, auf Mitte, Maß und Mäßigung zielende Ideale schließlich spiegelten sich in mehreren Stellungnahmen zum überzeitlichen Dilemma 123 allen Übersetzens: wie man „toute la fidélité possible“ erreichen und doch sklavische Abhängigkeit vom Originalwortlaut vermeiden, wie man mit der notwendigen Freiheit dessen „esprit“ bewahren könne, ohne in unschickliche „licence“ abzugleiten. Empfohlen wurde hier von Sorel „vn milieu judicieux“. Tarteron verdammte jeden „éxcês“, und Tende warnte ähnlich, man dürfe in keine „extremitez“ verfallen. 124 Darauf gestützt gestand man sich die Freiheit zu, „quelques mots“ wegzulassen oder einzufügen, deren Verwendung oder Fehlen im Original aus Reimzwang oder Gründen der Versfüllung ableitbar war, ebenso wie das Recht zum Ausmerzen dem Nationalgeschmack konträrer „redites“ oder „de tout ce qu’il y a d’impur“. 125 Ebenso empfahl man das Kürzen zu langer, die Dehnung zu kurzer Satzperioden, um so jenen stockungsfrei-gleichmäßigen Lektürefluß zu erzielen, der noch heutzutage manchem Verlagslektor als Stilideal gilt. Mehrfach vermerkten nun bereits Buchtitel die vom Übersetzer bevorzugte Arbeitsweise: Davids Psalmen, die Vita der Heiligen Therese, aber auch Tasso und der Don Quichotte wurden angepriesen als „traduit fidellement“, 126 die Komödien des Terenz als „rendues honnêtes en y changeant fort peu de chose“. Traktate der Heiligen Therese zur Pratique de la vraye théologie mystique dagegen firmierten offen als „retouchés et abrégés“. Neben solch generellen Entscheidungen wurden jetzt auch Spezialprobleme angesprochen, etwa die Notwendigkeit textgeschichtlicher Forschung und Bewertung bei frühchristlichen oder mittelalterlichen Originalen und bei Bibelzitaten. 127 Überbietungstopos und Selbstwertgefühl Eines vor allem verdient betont zu werden: Wie das einführende Widerhold-Zitat zeigte, galt Übersetzen nicht mehr generell als Prozeß, der zwingend Verluste (an Originalsubstanz, vor allem von Schriften des Altertums) nach sich ziehen musste. Man habe die Gedanken der „livres Hebreux, Grecs, & Latins“ in Französisch „aussi nettement“ wie im 123 Vgl. dazu etwa J. Darbelnet, Traduction littérale ou traduction libre? , Meta 15, S. 88- 94. 124 Sorel [Anm. 114]; Tende und Tarteron, Traduction nouvelle des satyres de Perse et de Juvénal, 1689, Epître. 125 Tarteron 1685 und 1689, Epistre. - Zum Folgenden: Tende [Anm. 115], Préface. 126 Von Oudin 1614, Vion 1632, Celles 1646, Chanut 1691. - Zum Folgenden: Algay 1670, Bernières 1709. 127 Siehe etwa Du Mas 1685 [Anm. 121]; Homélies de S. Augustin, 1691, Avertissement. <?page no="55"?> 49 Original ausgedrückt, versicherte Sorel; und Tarteron meinte sogar, man könne bei der Übersetzungsarbeit „trouver dans notre langue certaines expressions plus vives & plus piquantes qu’elles ne sont quelquefois dans le Latin“. 128 Solcher Anspruch auf eine - zumindest teilweisesprachliche Übertrumpfung antiker Modelle, auf Erzielbarkeit übersetzerischen Mehrwerts war nur denkbar vor dem Hintergrund jener berühmten Querelle des Anciens et des Modernes, in der ein selbstbewusster Übersetzer offenbar mit letzteren sympathisierte und seine Parteinahme geschickt dazu nutzte, die Schlüsselrolle des eigenen Wirkens im Wettbewerb zwischen Antike und Gegenwart ins Licht zu rücken. Wo fand die hier anklingende stolze Selbstgewißheit weitere Abstützung - bei Vertretern eines Berufsstands, der heutzutage geprägt scheint von mehr oder weniger starken Minderwertigkeitskomplexen? Greifen wir zuerst einen emblematischen Einzelfall heraus: 1651 erschien, im gravitätischen Folio-Format, La guerre des Suisses, traduite du premier livre des Commentaires de Jule César par Louis XIV Dieudonné, roy de France et de Navarre. Daran ist in unserer Perspektive weniger erhellend, dass zum Bildungsplan des halbwüchsigen Jungmonarchen auch Übersetzen und intensives Studium von Kriegserinnerungen eines Feldherrn und Eroberers gehörte, der längst Vorbild aller europäischen Herrscher geworden war. Wichtiger dürfte sein, dass man das Produkt dieser Bemühungen stolz publizierte und so den Eliten des eigenen Doppelreiches wie Europas vorstellte als Leistung, die einem zu Großem berufenen König geziemt. 129 Es erstaunt so kaum, dass wieder eine klare Mehrheit jener Literaten der Ära, die unter Zeitgenossen als Spitzenfiguren galten oder diesen Rang bis heute behaupten, sich nicht zu schade waren, Übersetzungen anzufertigen 130 und möglichst auch zu publizieren. Greifen wir unter mehreren Dutzend solcher Berühmtheiten nur Malherbe und Georges de Scudéry heraus, die beiden Corneilles, die Perraults, die Boileaus, oder Racine, La Fontaine und La Bruyère. 131 128 Sorel [Anm. 114], S. 216; Tarteron 1685, Epistre (nach der Rückversicherung „jamais une copie vaut l’original“). 129 Dafür ist unerheblich, in welchem Maß der königliche Eleve selbst an der Übertragung beteiligt war. In dieser Hinsicht mag die lange Zeit später geäußerte Meinung der Zeitgenossin Liselotte von der Pfalz mißtrauisch machen: „Man hat dem König [sc. Louis XIV] und Monsieur nichts gelernt. Konnten kaum lesen und schreiben.“ (zitiert nach J. Voss, Liselotte von der Pfalz (1652-1722): eine europäische Fürstin und ihr Zeitalter, Pfälzer Heimat Jg. 52, Heft 2/ 3, 2001, S. 47) 130 Nur in Ausnahmefällen (Bossuets Übertragungen der Heiligen Schrift und der Kirchenväter, die Racines von Aristoteles und Plato, die Bussy-Rabutins von Martial) blieben diese zu Lebzeiten ihrer Übersetzer unpubliziert. 131 Zur Ergänzung eine Reihe weiterer Namen, die für Zeitgenossen einen guten Klang hatten: Desmarets de Saint-Sorlin, Chapelain, der schon mehrfach zitierte Vaugelas, <?page no="56"?> 50 Fast ein Achtel der französischen Versionen stammte von Angehörigen der 1635 entstandenen Académie française. Für den beträchtlichen Ansehensgewinn übersetzerischen Wirkens war gewiss jene Institution, als kulturpolitisches Instrument Richelieus mit staatlichem Glanz bedacht, schwerlich zu überschätzen. Zu ihrer erklärten Hauptaufgabe wurde de tirer du nombre des langues barbares cette langue que nous parlons, et que tous nos voisins parleroient bientost si nos conquestes continuoient encore comme elles avoient commencé. 132 Doch sie erwarb sich schnell als Urteilsinstanz in Fragen nicht nur der Sprachpflege, sondern auch literarischer Wertung einen Ruf. Bei den wöchentlichen Versammlungen wurden von Mitgliedern reihum Vorträge gehalten, und schon einer der ersten unter ihnen war dem Übersetzen gewidmet. Beginnend mit den Schlüsselfiguren der Gründungsphase 133 taten sich vierzig teils profilierte Angehörige des erlauchten Zirkels im Lauf des Jahrhunderts, die meisten davon in dessen „klassischer“ Periode, als Übersetzer von rund 250 Werken hervor. Der Beginn ihrer einschlägigen Aktivität lag nicht selten vor dem Aufnahmejahr in den Kreis der „Unsterblichen“. 134 Meriten auf dem Feld der Literatur-Übertragung konnten also Kandidaturen befördern, waren ihnen jedenfalls nicht abträglich. Dies illustriert sehr schön ein bekannter Fall: Boileau- Despréaux, der 1674 seiner erfolgreichen Bewerbung um Akademie- Aufnahme die Übersetzung des Pseudo-Longinus beifügte. 135 Auch schon etablierte Académiciens demonstrierten durch Übersetzertätigkeit, dass sie diese weiterhin für durchaus vereinbar mit ihrer Würde hielten. Manche von ihnen gehörten sogar unter die ausgesprochenen Vielübersetzer der Epoche, 136 und einige taten sich als Übersetzungstheoretiker hervor. Symptomatisch für die hohe Einstufung ihrer Tätigkeit war, dass sie und andere in Quellenverzeichnis wie Artikeln früher Ausgaben des Dictionnaire François (etwa 1685, 1695) ihres Kollegen Richelet nicht als dienende Geister, sondern als stolze Autoren der durch sie eingebürgerten Werke Ciceros, Caesars, Tertullians usf. firmierten, in dann Segrais, Bérulle, Camus, Bouhours, Fléchier, Godeau, Gomberville Boisrobert, Colletet, Benserade, Mme Dacier, Amelot de la Houssaye, Jurieu, A. Arnauld, Arnauld d’Andilly, Le Maistre de Sacy, La Mothe le Vayer. 132 Zitiert nach A. Adam, Histoire de la littérature française au XVIIe siècle, Paris, Del Duca 1962, Bd. I, S. 227. - Zum Folgenden siehe ebd. S. 228. 133 Etwa L. Giry, N. Perrot d’Ablancourt. 134 Etwa bei Giry, P. Du Ryer, Boileau-Despréaux, Th. Corneille, La Bruyère u. a. 135 Siehe dazu Ch. Grell [Anm. 102], S. 114. 136 Etwa Perrot d’Ablancourt, Ph. Goibaud, Du Ryer, J. Baudoin. - Zum Folgenden: G. Colletet, P.-D. Huet. <?page no="57"?> 51 derselben Rubrik wie Malherbe und Théophile mit ihren Poësies oder Molière mit seinen Komödien. Übersetzertypen: Soziale Eliten und Lebensalter Trotz ihres hohen Engagements beherrschten Académiciens natürlich nicht den gesamten Übersetzungsmarkt der beiden letzten Jahrhundertdrittel. Noch immer verschwiegen übrigens viele Dutzende von Übertragungen, vor allem religiöser Thematik, den Namen des Verantwortlichen (nicht wenige auch den des Originalautors). Hinsichtlich der ständischen Zugehörigkeit genannter und bekannter Übersetzer 137 war die Dominanz von Klerikern, mit einem reichlichen Drittel aller übertragenen Texte, ähnlich stark wie im 16. Jahrhundert. Unter den Angehörigen von eineinhalb Dutzend religiöser Orden führten mit weitem Abstand die gleichen Jesuiten, deren Lehrpläne dem Studium antiker Autoren den meisten Raum gaben. Ihr Übersetzungsdrang konzentrierte sich, ungeachtet der mondänen Aura ihrer Gesellschaft, auf Einbürgerung von Schriften religiöser Thematik. Zwei Drittel jener gut 150 Titel stammten von Mitgliedern ihres eigenen Ordens, dessen Ideologie und Art der Glaubenspropaganda ihnen sichtlich stark am Herzen lag. Den zweiten Rang nach Titelzahl belegten Dominikaner, den dritten die (ebenfalls Schriften eigener Ordensbrüder bevorzugenden) Karmeliter. 138 Die Anteile von Juristen und Medizinern am Importaufkommen fielen deutlich geringer aus als in der vorangegangenen Epoche. Es mag sein, dass höhere ästhetische Ansprüche des Publikums manchen in alten Sprachen bewanderten „Robin“ und Arzt nun von übersetzerischen Darbietungen abhielten. Ein reichliches Achtel der Übertragungen stammte von Aristokraten; deutlich geringer waren die Anteile herrschaftlicher Sekretäre und Angehöriger von Erziehungsberufen. Erwähnung verdient, dass sich nun, mit teils achtbarem Erfolg, auch eine Reihe von Frauen auf den Übersetzungsmarkt wagte. 139 Für rund zwei Fünftel namentlich bekannter Übersetzer wissen wir das Geburtsjahr nicht. Bei den übrigen 140 allerdings betrug das mittlere Lebensalter nach Druck ihrer Erstlingsarbeit rund 48 Jahre. Damit lag es ein reichliches Jahrzehnt höher als bei ihren Kollegen des vorigen 137 Biographische Studien existieren, soweit es sich nicht um anderweitig namhafte Literaten handelt, nur vereinzelt (z. B. für Th. Guyot, J. Petit, Pintrel, Suarez de Sainte- Marie). 138 Es folgten Benediktiner und Cistercienser sowie die Franziskaner. 139 Die Damen Chéron, Dacier, Feuillet, Gomez de Vasconcellos, Gournay, L’Héritier de Villandon, Parent, Rohan, Romieu, St-Martin, St-Michel. 140 Grundlage ist eine Stichprobe von 140 Übersetzern. <?page no="58"?> 52 Jahrhunderts. Nur ein einziger Übersetzer hatte das gleiche, sehr jugendliche Einstiegsalter wie Louis XIV. Ein Dutzend weiterer Karrieren begann in den Zwanzigern, aber doppelt so viele erst in den Sechzigern oder gar Siebzigern. Die Übertragung von Horaz-Gedichten durch Marcassus schließlich wurde stolz angekündigt als doppelter Lang- und Kurzzeitrekord: „commencée à l’âge de 80 ans et finie en deux mois“. Wie das derart auffallende Überaltern eines ganzen Berufsstandes erklärbar sein könnte, ob etwa die zu Boileaus Maxime „cent fois sur le métier remettez votre ouvrage“ geronnene Perfektionssucht eine Rolle spielte, muss vorerst dahingestellt bleiben. Doch die Überalterung ist gewiss in Bezug zu setzen zum durchgehenden Anstieg des Lebensalters aktiver Literaten zwischen 1630 und 1700, den Robert Escarpit schon vor Jahrzehnten konstatierte. 141 Was Bezüge zwischen Beruf und Stand einerseits, der Thematik übertragener Texte andererseits angeht, ist einmal mehr erwartbar, dass etwa die Bemühungen von Klerikern in drei von vier Fällen religiösen Texten galten oder dass der Mediziner Caille ein pharmazeutisches Rezeptbuch übertrug. Doch der Jesuit Tarteron widmete sich ebenso Satiren von Horaz, Persius Flaccus oder gar Juvenal. Eine quantitative Analyse sämtlicher Wechselbezüge zwischen sozialem Ort und Themenwahl von Übersetzern dürfte also ebenso von Interesse sein wie Zusammenhänge zwischen deren sozialem Profil und ihrer Arbeitsintensität. Von Belang ist in diesem Kontext, dass wieder eine Gruppe ausgesprochener Vielschreiber auffällt. Die eifrigsten unter ihnen brachten es auf Titelzahlen, die deutlich über denen ihrer Vorgänger im 16. Jahrhundert lagen. Nennen wir Jean Baudoin oder den Abbé Michel de Marolles mit mehr als einem halben Hundert, den Jansenisten Le Maistre de Sacy mit drei Dutzend, Nicolas Fontaine mit fast dreißig Titeln. 142 Trotz solcher Spitzenwerte fiel allerdings die Durchschnittszahl zum jeweiligen Lebenswerk gehörender Übertragungen gegenüber dem 16. Jahrhundert deutlich ab. 143 Wieweit diese verbreitete Zufriedenheit mit dem Einbürgern von ein bis zwei Titeln bezogen werden kann auf das zunehmend wichtige Honnêteté-Ideal, bedürfte der Klärung. Galt dem Honnête Homme doch das Von-allem-ein-wenig-Verstehen als erstrebenswert, Spezialistentum dagegen als verächtliche Pedanterie. Zu dieser Ideologie scheint zu passen, dass Arbeitsteilung von zwei oder mehr 141 Der Anteil über Vierzigjähriger stieg in diesem Zeitraum von 31 % auf 77,1 % (Sociologie de la littérature, Paris, PUF 1964, Schaubild 2). 142 Auf rund 20 Titel brachten es Du Ryer und Morvan de Bellegarde, auf rund 15 Goibaud und Fr. Rosset. 143 2,36 Titel gegenüber fast vier im 16. Jh. (errechnet aufgrund einer Stichprobe von 653 Übersetzungen). <?page no="59"?> 53 Übersetzern beim Übertragen eines umfänglichen oder schwierigen Textkorpus 144 offenbar nur bei 2 % lag und somit etwas seltener praktiziert wurde als im vorangegangenen Jahrhundert. Was den Grad sprachlicher Spezialisierung angeht, wurde (ähnlich wie schon zuvor) mehr als ein halbes Tausend von Titeln durch Übersetzer verantwortet, die Texte aus mehr als einer oder zwei Sprachen übertrugen. 145 Die auffällige Genügsamkeit einer überwältigenden Mehrheit aktiver Übersetzer hinsichtlich der Zahl produzierter Titel lässt sich jedenfalls nicht ableiten aus Mangel an lexikographischen Hilfsmitteln. Denn diese wurden, im Vergleich zum 16. Jahrhundert, qualitativ wie quantitativ nochmals wesentlich verbessert. Vor den großen einsprachigen Dictionnaires des späten 17. Jahrhunderts, 146 mit ihren zahlreichen Musterbeispielen und Literaturzitaten, hatte schon bis ca. 1660 eine wahre Flut von rund einhundertfünfzig Ausgaben und Drucken zweisprachiger Wörterbücher den Markt überschwemmt - vor allem für alte Sprachen, aber auch für das Spanische, Italienische, Englische, Deutsche und Niederländische. Verlagsgeographie, Auslandspraxis und Honorar Auffälliges ist kaum zu vermelden hinsichtlich der Verlagsorte von Übersetzungen: Zwei Drittel aller Titel erschienen in Paris, gut 200 wurden in Provinzstädten publiziert, 147 annähernd gleich viele jenseits der französischen Staatsgrenzen. Fast ein halbes Tausend Titel wurde von Übersetzern verantwortet, die Auslandsaufenthalte absolviert hatten. Eine Reihe von ihnen stammte entweder aus einem anderen Land 148 oder nahm dort für längere Zeit ihren Wohnsitz. Die Sonderrolle, die in dieser Hinsicht während der Reformationszeit Genf gespielt hatte, ging 144 Erwähnen wir einige Gemeinschafts-Übersetzungen antiker Autoren (Plato, Ovid, Virgil, Demostenes) und biblischer Texte sowie Saveedra Faxardos Le Prince chrétien (1668). 145 Der Vielübersetzer J. Baudoin brachte es auf fünf, Wicquefort auf vier Ausgangssprachen. Drei waren es etwa bei Le Breton, Amelot de la Houssaye und M. de Pure. 146 Von Richelet, Furetière, der Académie française. - Zum Folgenden: Listen zweisprachiger Wörterbücher der Epoche siehe FEW-Beiheft und F. Brunot, Histoire de la langue française, t.III,1 (1600-1660), Paris 1909, S. 262-267. 147 Vor allem in Lyon, aber vereinzelt auch (nach annähernder Häufigkeits-Reihenfolge) in Rouen, Grenoble, Toulouse und Poitiers, Bourg-en-Bresse und Troyes, Verdun, Amiens, Angoulême, Saumur, Nancy, Tournon usf. - Zum Folgenden: vor allem Amsterdam, aber vereinzelt auch Rotterdam, La Haye, Liège, Louvain, Mons, Anvers und Tournay (vor 1668). 148 Etwa Salazar, Suarez de Sainte-Marie, Buffier, Le Clerc, Hotman, Wicquefort. - Zum Folgenden: etwa Le Cène, Wicquefort u. a. <?page no="60"?> 54 nun an niederländische Städte über. 149 Wechselbezüge zwischen Herkunft, Reisen, Lebensumwelt von Übersetzern und Ausgangssprache ihrer Übertragungen sind allerdings nur in seltenen Fällen nachweisbar. Anders gesagt: Fremdsprachen- und Übersetzungskompetenz erwarb man normalerweise im heimischen Umfeld. Der Einwand mag naheliegen, vieles bisher Gesagte entwerfe vom öffentlichen Ansehen übersetzerischen Wirkens ein geschöntes Bild. Nachgetragen sei also, dass Sorel noch 1623 im Françion „traduire des livres“ abtun konnte als „chose très servile“, 150 und dass er jene Hungerleider beschwor, die von „traductions à 30 sous ou un écu la page“ leben mußten. Von dem Dramatiker und Académicien Pierre du Ryer, der als Auftragsarbeiten ca. dreißig Titel aus dem Lateinischen übertrug, wird berichtet, 151 dass er ebenfalls zum Niedriglohn von „un écu la feuille“ arbeiten musste. Es ist auf diesem Hintergrund so verständlich wie symptomatisch, daß 1633 Gilbert de Golefer - in einer an den Kardinal- Minister Richelieu gerichteten Denkschrift - nicht allein das Übersetzen gegen seine Verächter verteidigte und es rühmte als einzigen Zugang zum Inhalt der „bons Livres“ und „vrayes Sciences“ für alle Landsleute, die nur ihre Muttersprache beherrschten. Er nannte auch die prosaischmateriellen Rahmenbedingungen dieses verdienstvollen Tuns beim Namen und forderte recht ungeniert die Einrichtung von „deux nouvelles charges de Traducteurs“ und deren Dotierung mit jeweils „huict ou neuf mil livres“. 152 Erfolgsspuren Was den Markterfolg übersetzter Titel angeht, erlebten Dutzende von ihnen mehrere Auflagen, und ungemein erfolgreich war nicht zuletzt eine Anzahl von Werken religiösen Einschlags. 153 Hinsichtlich erzielbarer Absatzzahlen mag ein Beispiel genügen: Die 14 000 Exemplare von Lemaistre de Sacys Übertragung der Hymnes waren nach nur 14 149 Amsterdam (Quesnel, Le Clerc, Wicquefort), Rotterdam (Bayle, Jurieu), La Haye (Térond). 150 II, S. 80 (nach der Dissertation von K. Letsch, „La vraie histoire comique de Francion“ und das zeitgenössische Leben in Frankreich, Münster/ Bielefeld 1936, S. 52). - Folgendes Zitat nach Ch. Grell [Anm. 102], S. 173. - Zur distanzierten Bewertung des Übersetzens vgl. auch G. Colletets provozierenden Titel Discours contre la traduction (1658). 151 Adrien Baillet, Jugements des sçavans (nach Wikipedia). 152 [Anm. 115], S. 15, 23. 153 Nennen wir nur Arnauld d’Andillys Übersetzung der Therese von Aquila und der Confessions des Augustinus oder Antoine de Saint-Gabriels Sermons des Bernard de Clairvaux. - Zum Folgenden: Angaben nach Ch. Grell [Anm. 102], S. 178. <?page no="61"?> 55 Monaten vergriffen. Doch weit höher als solch bloße Verkaufsrekorde ist wohl die Bedeutung des Übersetzer-Geschäfts für die Geistesgeschichte des Grand Siècle einzuschätzen. 154 Das Wirkungspotential, das etwa die französische Fassung von Schriften Leonardo da Vincis oder Mersennes Galilei-Übersetzung für die wissenschaftliche Diskussion, später Amelot de la Houssayes Übertragung von Graciáns L’Homme de Cour für das Menschenbild der Hochklassik besaßen, läßt sich vorerst nur erahnen. Die mächtige religiöse Bewegung von Port-Royal entwickelte ein eigenes Übersetzungskonzept. 155 Und die mehrfach angesprochene ästhetisch-ideologische Großdebatte der hochklassischen Zeit, bekannt als Querelle des Anciens et des Modernes, wäre undenkbar ohne Boileaus Übersetzung des Pseudo-Longinus in ihrer ersten Phase, Anne Daciers Ilias-Anverwandlung in ihrer zweiten. Fern von dieser intellektuellen Höhenluft, aber nicht minder intensiv, entfalteten französische Bearbeitungen etwa Ariosts, von Quevedos Buscón oder Alemans Guzman d’Alfarache 156 beträchtliche Breitenwirkung über die legendären Billigbändchen der „Bibliothèque bleue“, nisteten sich über einzelne soziale Gruppen hinweg ein im Boden dessen, was wir Volkskultur zu nennen pflegen. Summa summarum: Das Grand Siècle war alles andere als eine Ära nationaler Abschottung und Selbstbespiegelung. Es hat ohne jeden Zweifel als großes Zeitalter auch französischer Übersetzungsgeschichte zu gelten. 4. Hochkonjunktur: das 18. Jahrhundert Erinnern wir daran, dass Europas Aufklärungsepoche geprägt war durch eine lange ungefährdete Hegemonie französischer Kultur. Man könnte so vermuten, Frankreichs kulturelle und intellektuelle Eliten seien damals definitiv überzeugt gewesen, vom Ausland nichts mehr lernen zu können und Nachbarn nur noch mit eigenen geistigen Spitzenprodukten beglücken zu sollen. Entgegen dieser Erwartung wurde jedoch im Frankreich des 18. Jahrhunderts, besonders in dessen zweiter Hälfte und dem vorrevolutionären Jahrzehnt, ungleich mehr übersetzt als je zuvor. Allein Cioranes- 154 Zur Übersetzungsgeschichte der Epoche vgl. auch J. v. Stackelberg, Literarische Rezeptionsformen, Frankfurt/ M., Kap. 1. 155 Siehe dazu B. Muntaneo, Cahiers Ass. Etudes françaises 1956, S. 151-172. - Zum Vorangehenden und Folgenden vgl. Ch. Grell [Anm. 102], S. 55, 65, 114, 184, 231, 265. 156 Siehe etwa R. Mandrou, De la culture populaire aux 17e et 18e siècles. La Bibliothèque bleue de Troyes, Paris 1964, chap. 2. <?page no="62"?> 56 cus Bibliographie erfasst für den Zeitraum bis 1809 mehr als 2200 importierte Titel namentlich bekannter Übersetzer. 157 Es lag daher nahe, Entwicklungstrends gerade dieser Epoche, in der eine zuvor nie gekannte Masse von Übersetzungen auf den Markt drängte, nicht nur pauschal in einem Kapitel nachzuzeichnen, sondern den wichtigsten Ausgangssprachen und Schlüsselperioden eigene Unterkapitel zu widmen. Doch zuvor einige Anmerkungen: Die explosionsartig gewachsene Nachfrage am Übersetzungsmarkt wirkte sich natürlich wieder auf die Arbeitsbedingungen aus. So dürfte die Klage des Abbé Gédoyn ungehört verhallt sein, Vaugelas habe dreißig Jahre an einer einzigen mustergültigen Übersetzung gefeilt, inzwischen aber dominierten ces gens qui ne travaillent que pour le gain, & point du tout pour l’honneur […] Pressez par le besoin, ils dépêchent une traduction pour en entreprendre une autre. 158 Kokettierte doch nun selbst ein Pseudo-Übersetzer in seiner Vorrede schon mit den Zwängen des übermächtigen Zeitdrucks: „je n’ai pu mettre que huit jours à la version de l’écrit latino-gothique“. 159 Derartige Hinweise auf Gehetztsein beim Transfer erinnern an das (schon für frühere Epochen konstatierte) verstärkte Aktualitätsstreben und die ihm hinderlichen Reise- und Transportbedingungen. Unnötig zu betonen, was diese bedeuteten im Postkutschen-Zeitalter, in dem Verlags- Scouts und Literaturagenten noch nicht erfunden, Auslandsreisen ein weiterhin oft gefährliches Abenteuer waren; ein Zeitalter, in dem die Lagerhaltung von Buchhändlern höchst bescheiden blieb, in dem Gelehrte oder Literaten die kostspielige Paketpost mieden, sich mit Neuheiten versorgten durch Bücherpakete, die wochenlang bis zum Zielort benötigten und nicht selten verloren gingen, man folglich oft abhängig war von der Bereitschaft vertrauenswürdiger Bekannter oder Freunde, bei Fernreisen Bestellungen oder Bücher mitzunehmen. 160 So verwundert es kaum, wenn ein Übersetzer als Glücksfall pries, der in Paris ansässige Baron Holbach sei so freundlich gewesen, ihm sein „original Allemand“ auszuleihen. 161 Eine Reihe seitheriger Verkehrshemmnisse allerdings wurde im 18. Jahrhundert graduell (wenn auch nicht gänzlich) abgebaut: durch größere Sicherheit der Verbindungswege, verbes- 157 Zur Forschungsliteratur über die Epoche vgl. Cioranescu Nr. 6029-6121. 158 Gédoyn, Apologie des traductions, in: Œuvres diverses, Paris 1745, S. 339f. 159 Zitiert nach Ch. Angelet/ J. Herman, Recueil de préfaces de romans du XVIIIe siècle, 1999/ 2003, II, S. 102. 160 Zu Details dieses „rouage tout matériel, mais nécessaire au bon fonctionnement de la République des Lettres“ im 17. Jh. siehe etwa Jean Chapelain, Les lettres authentiques à Nicolas Heinsius hgg. von B. Bray, Paris, Champion 2005, Introduction u. ö. 161 Eidous1769 im Vorwort seiner Fassung von Lomonosovs Histoire de la Russie, S. XI. <?page no="63"?> 57 serten Postdienst, ein Netz von 25 000 km gepflasterten Straßen Frankreichs vor 1789. 162 Das Ansehen all dessen, was aus fremden Sprachen stammte, war nun derart überwältigend, dass eine dreistellige Zahl französischer Originaltitel das Publikum unter der Maske von Übersetzungen zu ködern versuchte. 163 Um ihr Täuschungsmanöver besser zu tarnen, behaupteten manche Pseudo-Übersetzer, statt auf ein gedrucktes Original auf ein Manuskript zurückzugreifen. 164 Sie gaben vor, ihre Vorlagen stammten aus zwei Dutzend verschiedener, mehr oder weniger exotischer Sprachen, unter denen das Arabische offenbar die größte Attraktivität besaß. Durch spielerische Übertreibung gaben sie manchmal nützliche Hinweise auf das, was bei wirklichen Übersetzungen üblich war. Dazu gehörte die bis ins Mittelalter zurückreichende Tradition, nicht aus der Originalsprache, sondern aus Zwischenfassungen in anderen Sprachen zu übersetzen. Sie wurde durch Bellin de Liborlière parodiert, dessen Titel einen Roman ausgab als „traduit de l’arabe en iroquois, de l’iroquois en samoyède, du samoyède en hottentot, du hottentot en lapon et du lapon en français“. 165 Dank der keineswegs stets fiktiven „traductionsrelais“ spielten übrigens gerade französische Versionen für die europaweite Verbreitung von Werken wichtiger Literaturen, besonders der englischen, eine Schlüsselrolle als Etappe vor Weiterübersetzungen in Drittsprachen. 166 Natürlich befruchtete der Übersetzungs-Boom auch die Theoriedebatte. 167 Die einschlägigen Schriften beliefen sich auf über zwei Dutzend, und sie waren teils von namhaften Literaten signiert. Zu ihnen 162 Hinweis von D. Roche. 163 Die Konjunktur der Pseudo-Importe setzte nicht erst „ab etwa 1760“ ein, wie W. Graeber annahm, wohl aufgrund starker Fixierung auf England (Französische Übersetzervorreden des 18. Jahrhunderts, Frankfurt/ M. 1990, S. 67). Das demonstrieren über fünf Dutzend Scheinübersetzungen aus den vorangehenden Dekaden seit Jahrhundertbeginn. Die Mode sollte bis ins 19. Jh. andauern. Erinnern wir nur an Balzacs Jugendromane L’Héritier de Birague und Clotilde de Lusignan. 164 Etwa Bignon 1712-14, Le Sage 1736, Cailleau 1761, La Touche-Loisy 1740, Terrasson 1731, Poinsinet de Sivry 1772. Vgl. auch Angelet/ Herman [Anm. 2] I, S. 129, 285; II, S. 197. 165 Nach C. Angelet/ J. Herman [Anm. 159], II, S. 382. 166 Siehe etwa W. Graeber, Englische Literatur des 17. und 18. Jhs. in französischer Übersetzung und deutscher Weiterübersetzung, Tübingen 1988; G. Roche, Les traductionsrelais en Allemagne au XVIIIe siècle, Paris, CNRS-Eds 2001. 167 Vgl. dazu etwa C. B. West, La théorie de la traduction au XVIIIe siècle par rapport surtout aux traductions françaises d’ouvrages anglais, Revue de littérature comparée 12, 1932, S. 330-355; R. Kelly, L’évolution de la théorie de la traduction en France au XVIIIe siècle. Etude sur les idées esthétiques et littéraires dans leurs rapports avec l’anglomanie, Thèse Lyon 1957; W. Krauss, Zur Theorie und Praxis des Übersetzens im Frankreich und Deutschland des 18. Jhs., Weimarer Beiträge 23, 1977. <?page no="64"?> 58 gehörte, um nur einige Namen zu nennen, Bitaubé ebenso wie Saint- Evremont und D’Alembert. 168 Ein Gutteil jenes Nachdenkens galt ausdrücklich noch der Übertragung aus den alten Sprachen 169 oder bestimmter antiker Autoren. Selbst dort, wo der Titel Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhob, gingen die Überlegungen meist auf Erfahrungen mit Autoren des Altertums zurück. 170 Begnügen wir uns mit einigen Streiflichtern, die erhellen, wie stark dabei klassizistische Vorstellungen des Grand Siècle fortgeschrieben wurden. Dazu gehörte die vertraute Forderung „de garder juste milieu“ zwischen Wörtlichkeit und Freiheit der Übertragung (mit der einzigen Ausnahme „littéralement“ zu respektierender Bibeltexte), oder die nach einer klaren Sprache sowie „expressions naturelles“ und „gratieuses“. Dazu zählte ebenso, dem Wunsch der „gens du monde“ Rechnung zu tragen „que le traducteur efface les taches de l’original, qu’il le corrige & l’embellisse“. 171 Und dazu gehörte weiter die Gewissheit, dass bestimmte Übersetzungen die Originale übertreffen. Mit dem Ausruf „qu’est-ce qu’une traduction sans remarques? “ schließlich wies Meusnier de Querlon erneut auf eine gattungstypische Art von Begleittexten hin, 172 die aus der Notwendigkeit entsprangen, importierte Werkfassungen durch Kommentare zu ergänzen. Es wäre utopisch, die Massen neuer Importe auch nur ansatzweise durchforsten zu wollen auf frisch geprägte oder entlehnte Wörter hin. Daher mögen wenige Beispiele genügen als Beleg dafür, dass die fieberhafte übersetzerische Aktivität, ganz wie in früheren Epochen, Niederschlag fand in Beiträgen zum Wortschatz des Französischen, ohne dass es noch des Unterfütterns durch die alte Bereicherungs-Ideologie bedurft hätte. Nennen wir, aus dem Umkreis des Übersetzens, das um 1740 auftauchende Substantiv littéralité, für besonders gewissenhafte 168 Hier eine kleine Liste: Saint-Evremont, Oeuvres Bd. II, 1705; Martianay 1710; Bachet de Meziriac 1716; Gédoyn 1734-37, 1745; Lebeuf 1741-43; Silhouette 1742; Dupuy 1758-60; d’Alembert 1767; Clément 1771, 1772; Vauvilliers 1772; Bitaubé 1772-82; Réganhac 1774; Dureau de la Malle 1776; Michel 1779; Montesquieu 1784; Gourdin 1789 (zur bibliographischen Ergänzung vgl. Cioranescu). Siehe auch die anonymen Publikationen bei Cioranescu n° 5698, 5700, 5702, 5703, 5706 sowie Encyclopédie 1765 und Encyclopédie Supplément 1777 jeweils s. v. traduction. 169 Martinay, Dupuy, bei Cioranescu Nr. 5698. - Zum Folgenden: Dureau de la Malle, Vauvilliers, Clément, Bachet de Méziriac. 170 Etwa bei d’Alembert, Gédoyn, Clément, Réganhac. Unter den in Anm. 168 genannten Autoren hatte nur Silhouette aus modernen Sprachen übersetzt. 171 Encyclopédie und Encyclopédie Supplément a. a. O; Gédoyn 1745, S. 337. - Dazu und zum Folgenden siehe G. L. von Baar, Sur les traductions rares, in Babioles littéraires, 1760-64, Bd. III, S. 24, 26. 172 Zitiert nach C. Angelet/ J. Herman [Anm. 159] Bd. I, S. 271. <?page no="65"?> 59 Wörtlichkeit der Übersetzung, 173 oder traductionnette „petite traduction sans importance“ (1782), schließlich addenda, die wohl nicht zufällig gerade einer Übersetzung beigefügte Erklärung botanischer Lehnwörter (1798). Oder Zungenbrecher-Vokabeln anderer wissenschaftlicher Fachsprachen in Titeln übersetzter Bücher. So der Auftakt des erklärenden Doppeltitels Lithogéognosie ou Examen chymique des pierres et des terres en général … par M. J. Pott; ouvrages traduits de l’allemand (Paris 1753); oder J. A. Cramers Eléments de docimastique (1755), Newtons Traité d’optique sur les … inflexions … de la lumière (1720), Hufelands La macrobiotique, ou l’art de prolonger la vie (1798), oder Silbermanns Manuel métallotechnique (1773). 174 Dazu kamen Erstbelege 175 und Vordatierungen für Lehnwörter, wie lazzi in Le Sages Fassung des Guzman d’Alfarache von 1732, im Titel von Ossians Poèmes galliques (1777) oder Pezzls La vie du feld-maréchal Baron de Laudun (1792). 176 In einer Reihe von Vorreden wurde bis zur Jahrhundertmitte einmal italienischen, dann wieder englischen oder deutschen Autoren das Überschäumende und Ungezügelte, Unbändige und Maßlose ihres Nationalcharakters vorgehalten, das nach Dämpfung ihrer Schreibart von Seiten des Übersetzers rufe. 177 Dass man gleichartige Mängel Literaten unterschiedlicher Nationen ankreidete, dürfte durch die erwähnte klassizistische Grundstimmung im literarischen Feld Frankreichs erklärlich sein. In einer Zeit, deren Sprachpfleger aus dem gleichen Grund noch stärker zur Ausmerzung von Überflüssigem tendierten als zur Anreicherung des Bestands, scheint das Argument, durch Übersetzungen das eigene Idiom aufrüsten zu wollen, nur vereinzelt aufgetaucht zu sein. 178 Später wird sich zeigen, dass seit dem Stimmungsumschwung im Vorfeld der Romantik all das als Vorzug gerühmt werden sollte, was man bisher als Manko einzubürgernder Originale gerügt hatte. Wie schon im 17. Jahrhundert dienten literarische Transferleistungen, inzwischen unabhängig von der Ausgangssprache, wiederholt als Türöffner zu Akademien. Im Fall Bitaubés etwa wissen wir, dass sein 173 Siehe FEW 5, 379b. - Zum Folgenden: Erstbelege für addenda nach FEW 24, 135a, für traductionnette FEW 13/ 2 154a. FEW 4, 84a verzeichnet nur „seit 1802“ géognosie „science de la composition du globe terrestre“. Zu lazzi siehe FEW. 174 Erstbeleg für inflexion „déviation que les rayons lumineux subissent“: Voltaire 1738 (nach FEW). Erstbelege für docimastique, macrobiotique, métallotechnique fehlen in den lexikographischen Standardwerken. 175 Bei Benennungen von Textarten etwa georgiques „ouvrage qui se rapporte à la culture de la terre“, introduction „exposé préliminaire d’un ouvrage“, papiers publics „journaux“ (vgl. zu alledem FEW). 176 Erstbeleg für feld-maréchal: 1846 (Petit Robert). 177 Siehe etwa W. Graeber [Anm. 163], S. 68, 76 zu Van Effen 1721, Yart 1949-56 oder weiter unten die Kapitel 1.4.1.2 und 1.4.3.3. 178 So bei Prévost (nach W. Graeber [Anm. 163], S. 134). <?page no="66"?> 60 übersetzerisches Werk ihm nicht nur die Pforten der Berliner Akademie öffnete, sondern auch seine Wahl zum Korrespondenten der Académie des Inscriptions entschied. Jacques Delille wurde dank seiner Übertragung von Vergils Georgica in die Académie française aufgenommen, 179 ebenso Dupré de Saint-Maur für seine Fassung von Miltons Paradis perdu. Zahlreiche Spitzenautoren, deren Ruhm bis in unsere Zeit nicht verblasste, waren auch übersetzerisch tätig. Nennen wir neben Delille nur Diderot, Rousseau, Voltaire, Mercier, Prévost d’Exiles, Lesage oder Sade. Diesem hohen Ansehen literarischer Importe bei führenden Gestalten und Institutionen der Geisteswelt entsprach offenbar, wie sich in den folgenden Kapiteln zeigen wird, auch ihre Breitenwirkung. Als Indiz dafür mag vorerst genügen, dass in einer Reihe von Privatbibliotheks-Katalogen der zweiten Jahrhunderthälfte eigene Rubriken für „Romans traduits du grec“ oder „Romans traduits de l’anglais“ eingeführt wurden. 180 4.1. Neue Hauptlieferanten: nachantike Literaturen Gegen Ende des ersten Jahrhundertdrittels verdrängten Übertragungen aus neueren Literaturen definitiv die zuvor dominanten Werke des Altertums vom ersten Rang. 181 Zwar orientierten sich, wie erwähnt, Theoretiker noch immer vorwiegend an diesen, und viele Berühmtheiten aus Literatur und Geisteswelt pflegten weiterhin die Übertragung in den alten Sprachen verfasster Texte. 182 Doch in den folgenden Jahrhunderten sollte sich Latein, wie es scheint, zunehmend in das Reservat eines Übersetzungstrainings des Fremdsprachen-Unterrichts zurückziehen. Für diesen Sektor entstand im Lauf der Zeit eine nicht enden wollende Reihe von Rezeptbüchern. 183 Doch zurück zum 18. Jahrhundert. Die große 179 Nach W. Graeber [Anm. 163], S. 17, zum Folgenden ebd. S. 84. 180 Nach F. Beckmann, Französische Privatbibliotheken. Untersuchungen zu Literatursystematik und Buchbesitz im 18. Jahrhundert, Frankfurt/ M. 1988, S. 152. 181 Vgl. zu diesem Import-Segment auch A. Rivara (Hg.), La traduction des langues modernes au XVIIIe siècle, ou „la dernière chemise de l’amour“, Paris, Champion 2002. 182 So übersetzten aus dem Lateinischen etwa D’Alembert, Batteux, M.-J. Chénier, Delille, Diderot, Holbach, La Harpe, La Mettrie, Marmontel, Mirabeau, Prévost, Turgot und Voltaire, aus dem Griechischen d’Argens, Batteux, M.-J. Chénier, La Harpe, Le Sage, J. de Maistre und J.-J. Rousseau. 183 Siehe etwa Ch. Batteux, Cours de Belles Lettres, Bd. IV, S. 292-372: Principes de la traduction, 1753; J.-L. Ferry de Saint-Laurent, Rudiments de la traduction, ou l’art de traduire le latin en français, Paris 1808 [²1811]; M.-C.-T. Vaultier, De la traduction, Thèse de littérature ancienne et moderne, Paris [1812]; Mme Trédez-Reibel, Les principales difficultés de la traduction latine, Laval/ Paris [1935]; J. Marouzeau, Conseils pratiques pour la traduction du latin, Paris 1914; F. Gaffiot, Méthode de langue latine <?page no="67"?> 61 Mehrheit während der zweiten Jahrhunderthälfte übersetzter Texte stammte nun aus dem eigenen Zeitalter und spiegelte somit ein Bestreben, das im Grand Siècle noch weniger ausgeprägt gewesen war: vor allem gegenwartsnahe Stimmen angrenzender Sprachräume vernehmbar zu machen. Die echten Übertragungen stammten nun bereits aus fast zwei Dutzend Ausgangssprachen. Nach Titelhäufigkeit führte Englisch vor Deutsch, Italienisch und Spanisch, danach kamen Holländisch und Arabisch, dann Portugiesisch, auf dem nächsten Rang Persisch und Russisch, dann Türkisch. 184 Auch wenn also die unmittelbaren Nachbarsprachen des Französischen klar dominierten, dehnte sich der Gesichtskreis aus zu den Rändern Europas, in den Mittelmeerraum und Orient. 4.1.1. Spitzenrang: England Im 15. und 16. Jahrhundert hatten Importe aus der englischen Literatur noch völlig gefehlt, im Grand Siècle mit rund fünf Dutzend Titeln nur bei spärlichen 3,3 % des Gesamtaufkommens gelegen, auch wenn es ins Reich ungeprüft weitererzählter Legenden gehört, dass „im ganzen siebzehnten Jahrhundert nicht mehr als fünf (! ) englische Werke ins Französische übersetzt“ worden seien. 185 Doch nun schwappte unvermittelt eine wahre Springflut englischer Importe über den Kanal: Ein gutes Tausend von Titeln 186 gab sich als Übersetzung aus dem Englischen zu erkennen. Was Herkunftssprachen angeht, war das Englische damit nicht nur führend. Über den gesamten Jahrhundertverlauf hin gesehen, erreichte es einen Prozentsatz, der höher war als die Anteile der alten Sprachen 187 oder der anderen lebenden Sprachen zusammen. Diese Flut literarischer und intellektueller Importe macht uns bewusst, dass die oft beschworene französische „Anglomanie“ jener Zeit 188 primär vom Übersetzungsstrom ausging und bestimmt wurde. Die literarischen pour la traduction des textes, Paris, Colin 1910; Ch. Georgin, Manuel latin en vue de la traduction, Paris, Hatin 1912; M. Testard, La traduction du latin, in Problèmes de la traduction, Louvain 1975. 184 Weitere Sprachen u. a.: Dänisch, Schwedisch, Ägyptisch, Madegassisch, Chinesisch, Syrisch. 185 So J. v. Stackelberg in H. Kittel 1988, S.18 unter Berufung auf R. Kelly 1957. Wie W. Graeber richtig stellt, hatte letzterer wohl ausschließlich Belletristik im Blick. 186 Die Titelaufnahmen bei Cioranescu wurden wieder durch Zufallsfunde im Katalog der Pariser Nationalbibliothek und in biographischen Repertorien angereichert. 187 Zu berücksichtigen ist, dass diese nicht nur Texte der Antike und des christlichen Mittelalters umfassten, sondern auch gelehrte Abhandlungen des 17. und 18. Jhs. 188 Siehe dazu vor allem J. Grieder, Anglomania in France: Fact, Fiction and Political Discourse, Genève 1985. Die alte Dissertation von J. Brüch, Die Anglomanie in Frankreich (Stuttgart/ Berlin 1941) ist übersetzungshistorisch unergiebig. Vgl. zur Anglomanie auch Cioranescu Nr. 6062-63, 6071. <?page no="68"?> 62 Einfuhren eignende Faszinationskraft wurde bereits erwähnt. Bei allem, was aus England zu kommen schien, war sie derart stark, dass ein gutes Hundert von Titeln - vor allem Romane, aber auch Nichtbelletristisches - werbewirksam unter der falschen Flagge von England-Importen segelte. Nicht zuletzt angesehene Autoren wie der jüngere Crébillon, Desfontaines, Prévost, Rousseau und Voltaire nutzten diesen Trick, um ihre Zielgruppen zu ködern. Teilweise lassen sich solche Titelflunkereien nur schwer unterscheiden von authentischen Übersetzungen. Begnügten sich doch auch diese in Hunderten von Fällen mit der lockenden Formel „traduit de l’anglais“, ohne den Namen eines englischen (oder amerikanischen) Originalautors preiszugeben. Wir sind es gewohnt, die Entdeckung des englischen Geisteslebens auf 1734 (Erscheinungsjahr von Voltaires Lettres philosophiques 189 ), auf 1740 oder gar erst die Jahrhundertmitte zu datieren. Pflegen wir doch vorschnell auf Literatur im engen Wortsinn, vor allem auf jene Genres, Werke und Autoren zu blicken, die durch Kritik und Historiographie konsekriert wurden: auf den Roman, 190 Richardsons Pamela, auf Diderot 191 oder Voltaire als Übersetzer. Gewiss erschienen vier von fünf Übersetzungen aus dem Englischen erst in der zweiten Jahrhunderthälfte. Aber schon in den ersten Dezennien eroberte ein gutes Hundert französischer Versionen den kontinentalen Buchmarkt. Einige Dutzend britischer Autoren waren vor 1734 in Französisch greifbar, unter anderem Spitzenleute wie Addison, Bacon, Barcley, Defoe, Locke, Milton, Newton, Pope, 192 Shaftesbury, Swift und Tillotson. Die Frequenzkurve sämtlicher Buchimporte sollte, wie erwähnt, erst in den 1780er Jahren ihren Höhepunkt erreichen. Die Übersetzungen aus dem Englischen dagegen waren bereits in den 1760er Jahren auf ihrem Gipfelpunkt angelangt. Ihre Hauptmasse hatte also zwei Jahrzehnte Vorsprung vor anderen Einfuhren bei der Verwurzelung im Französisch lesenden Publikum. 189 Siehe etwa G. Stenger, Diderot traducteur de Shaftesbury, in F. Brugère/ M. Malherbe (Hg.), Shaftesbury: Philosophie et Politesse, Paris, Champion 2000, S. 213. - Zum Folgenden siehe R. Rosières, La littérature anglaise en France de 1750 à 1800 , Paris 1896; J. Grieder [Anm. 188]. 190 Siehe W. Graeber, Der englische Roman in Frankreich 1741-1763. Übersetzungsgeschichte als Beitrag zur französischen Literaturgeschichte, Heidelberg 1995. 191 Vgl. etwa auch H. M. Braem, Diderot traducteur de l’Inquiry concerning Virtue, or Merit, in R. Mortier/ H. Hasquin, Etudes sur le XVIIIe siècle Bd. 8, 1981. 192 Vgl. E. Audra, Les traductions françaises de Pope (1717-1824). Etude de bibliographie, Paris 1931. <?page no="69"?> 63 Schnelligkeitsrausch Der verstärkte Durst besonders der zweiten Jahrhunderthälfte nach Aktuellem wurde schon erwähnt. Er ist nicht zuletzt bei Importen von jenseits des Kanals erkennbar. Fast zweihundert aus dem Englischen stammende Titel wurden innerhalb einer Fünfjahresfrist nach Erscheinen der Originalausgaben publiziert. Fast jeder zweite jener Titel war schon im Folgejahr greifbar, ein halbes Hundert noch im selben Jahr. Dem Romanübersetzer Morellet erschien schon ein Jahr als lange Wartezeit. Ging er doch in seiner Vorrede eigens darauf ein, dass mancher sich wohl wundere „que cet ouvrage, publié depuis plus d’une année, n’ait pas été traduit plus tôt“. 193 La Place seinerseits kritisierte eine „traduction précipitée“ Fieldings. Von den 1740er Jahren bis zur Jahrhundertwende machten sich nicht selten mehrere gleichzeitig erschienene Übersetzungen desselben, manchmal mehrbändigen Werks Konkurrenz. 194 Die Jagd auf Neuheiten konzentrierte sich, wenn auch nicht ausschließlich, auf die Felder des Romans 195 und der Reiseerzählung. 196 Eine ganze Reihe jener Schnellschüsse war von schwerem Kaliber - vier, sieben, 197 sogar neun oder zwölf Bände. 198 Sie erforderten also beträchtliche Arbeitskraft und hohe Geläufigkeit der Redaktion. Gewiss war solche Hast nicht eben förderlich für die Befolgung des traditionellen Treuegebots. Doch das dürfte im noch andauernden Zeitalter der „belles infidèles“ 199 die geringste Sorge der Beteiligten gewesen sein. Ein knap- 193 Zitiert nach C. Angelet/ J. Herman Bd. II, S. 115. - Folgendes Zitat nach ebd. 56. 194 So etwa 1742 von Richardsons Pamela und J. Hills Lucine affranchie, 1750 von R. Roes Concubitus sine Lucina, 1770 von F. Moore Brookes Histoire d’Emilie Montague, 1788 von E. Helmes Clara et Emmeline, 1789 von W. Hayleys La jeune veuve, 1797 von M. G. Lewis’ Le Moine (drei Übersetzungen). 195 Etwa Romane von Richardson, E. Helme, F. Burney Arblay, R. Bage, F. Moore Brooke, M. Carleton, F. Coventry, D. Defoe, H. und S. Fielding, O. Goldsmith, S. Gunning, S. Johnson, M. G. Lewis, C. Reeve, R. M. Roche, F. Sheridan, L. Sterne, J. Swift. 196 Etwa Titel von W. Bolts, J. Bruce, J. Byron, W. Coxe, J. Green, W. Hamilton, F. K. Hornemann, G. Keate, Dr Maihows, M. W. Montague, J. K. Riesbeck, M. Sauer, H. Swinburne, M. Symes, W. Tench, S. Turner (im selben Jahr wie das Original erschienen); von J. Barrow, J. Boswell, W. G. Browne, J. Cook, W. Coxe, J. H. Grose, J. Hawkesworth, F. Hornemann, Th. Lindley, A. Mackensie, M. Montague, C. Mulgrave, M. Park, W. Paterson, G. Psalmanaazar, G. Staunton, R. Walter, A. Young (im Jahr nach dem Original). 197 Etwa Werke von F. More Brooke, J. Bruce, Th. Day, L. Edgeworth, J. Green, W. Hayley, Maihows, R. Watson. 198 Werke von Smollet oder J. Barrow. 199 Nach J. v. Stackelberg, Das Ende der belles Infidèles, in H. Kittel 1988, 23f. (zuvor schon in K. R. Bausch/ H. M. Gauger, Interlinguistica, Tübingen 1971) ging dieses Zeitalter erst im späten 18. und frühen 19. Jh. zu Ende. Zur Übersetzungstheorie des 18. Jhs. und ihrer Entwicklung vgl. vor allem C. B. West 1932 und R. Kelly 1957; zur Rechtfertigung von Eingriffen W. Graeber, Übersetzervorreden.. <?page no="70"?> 64 pes Hundert von Übersetzern wirkte am Import aktueller Titel mit. Einige Spezialisten übersetzten jeweils eine ganze Serie englischer Neuheiten: J.-B.-A. Suard und Fr. Soulès, J.-N. Démeunier, J.-P. Frenais, M.-A. Eidous und vor allem, gegen Jahrhundertende, J.-H. Castéra. Während der zweiten Jahrhunderthälfte, besonders in den 1760er Jahren, hatten Zwänge des hart umkämpften Marktes zur Folge, dass oft ein einziger Übersetzer mehrere Übertragungen jährlich publizierte - drei oder vier, 200 manchmal fünf oder sechs 201 oder gar acht. Unnötig zu wiederholen, wie sehr solche Rekordleistungen, die teilweise jene des 16. Jahrhunderts in den Schatten stellten, manchen Berufsübersetzer unserer Tage mit Neid erfüllen könnten. Wenig überraschend ist daher auch, wenn ein halbes Hundert meist umfänglicher Übertragungen, wie schon zwei Jahrhunderte zuvor, wieder im Zusammenspiel von zwei oder drei Mitwirkenden entstand. Wieweit sich im Einzelfall der dadurch begünstigte Stilmix in belletristischen Werken störend bemerkbar machte, muss einstweilen - wie für das 16. Jahrhundert - offen bleiben. Genres und Autoren Literarische Werke im engen Wortsinn, mit primär ästhetischem Anspruch also, machten nur ein Drittel der Importe aus. Den Spitzenrang nahmen hier Romane ein, gefolgt von der Versdichtung. Englische Theaterstücke begannen die Aufmerksamkeit von Übersetzern erst seit den 1730er Jahren auf sich zu ziehen und mussten sich mit dem dritten Rang unter den belletristischen Grundgattungen begnügen. Nennenswerte Beachtung sollten sie erst späterhin finden, aufgrund der zur Jahrhundertmitte einsetzenden Shakespeare-Übertragungen. 202 Vor das englische Drama schoben sich in der Rangfolge Reiseberichte sowie nichtliterarische Genres. Deren Frequenzkurve erreichte ihren Gipfel schon in den 1750er Jahren, die der Poesie erst im 1770er Dezennium. Die Reiseberichte schließlich sollten für die Spätphase von 1790-1809 bestimmend werden. 200 In mehreren Dutzend Fällen. 201 Eidous 1767, Soulès 1788, Castéra 1800. - Zum Folgenden: Holbach 1768. 202 Vgl. dazu J.-L. Curtis, Shakespeare et ses traducteurs français, in: M. Ballard, La traduction plurielle, Lille 1990; P. Reisch, Eighteenth-Century French and German translations of W. Shakespeare’s „Julius Caesar“, with emphasis upon the works of Pierre Le Tourneur, Diss New York Univ. 1972; J. v. Stackelberg, Voltaire als Shakespeare-Übersetzer, in ders., Literarische Rezeptionsformen. Schon zuvor übersetzt hatte man Stücke von Lillo, Addison, Dryden und Otway. In der zweiten Jahrhunderthälfte kamen Stücke von Sheridan, Coventry, Moore, Lewis, wiederum Addison, Rowe, Colman, Shadwell, Wickerley, Thomson, Garrick, Dodsley, Brooke, Coffey, Gay, Congreve, Steele hinzu. <?page no="71"?> 65 Kommen wir kurz auf jene metaliterarischen und gelehrten Werke zurück, die den mit Abstand größten Anteil (mehr als ein halbes Tausend Titel) ausmachten. Die Skala der Wissensgebiete reichte von der Theologie bis zu den späteren Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, über die Philosophie und Pädagogik, die Alte, Neuere Geschichte und Zeitgeschichte, die Numismatik, das Öffentliche Recht, die Naturwissenschaften, Geographie und Astronomie, Medizin und Mathematik, Physik und Chemie. Der Durst nach schnell greifbaren neuen Einsichten auf all den genannten Wissensfeldern übertraf bei weitem den nach Neuem in den Bereichen von Poesie oder Theater. Wurden doch die Arbeiten englischer Gelehrter, ganz wie Romane, oft umgehend übertragen, 203 während Poeten und Dramatiker meist lange auf mildtätige Übersetzer warten mussten. 204 Erfolgsspuren Beginnen wir mit jenen Autoren, die das Privileg genossen, mehrere französische Übertragungen auszulösen. Über das gesamte Jahrhundert hin waren es rund vierhundert. 205 Im Durchschnitt allerdings übertrug man weniger als zwei Titel pro Autor. Unter den Pechvögeln, denen trotz ihres Ansehens in der Heimat die Kanalquerung misslang, waren vor allem Poeten. 206 Doch der meistübersetzte Autor - mit rund dreißig französischen Versionen von 1717 bis 1798 - war ebenfalls ein Poet: Alexander Pope, gefolgt von einem weiteren Poeten, John Milton (dieser hinsichtlich der Übersetzungszahl etwa gleichauf mit Shakespeare). 207 Die Rangfolge der Spitzenautoren war also eine völlig andere als die der Genres. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass unter den englischen Literaten weiblichen Geschlechts vor allem Romanautorinnen den französischen Buchmarkt eroberten. 208 203 Siehe etwa Titel von Blackwell, Bolingbroke, Brooke, Falconer, Gibbon, Green, Hamilton, Hill, Newton, Smollett, Watson, A. Young (Übersetzung schon im Jahr der Originalausgabe); von Cerri, Champion, Collins, Hume, Johnson, Kirwan, Priestley, Taylor, Watson (Übersetzung im Folgejahr). 204 Nennen wir, unter den seltenen Ausnahmen, Gedichte von Glover und Macpherson. 205 Ein Viertel stammte aus früheren Epochen. 206 Erwartungsgemäß speziell aus dem letzten Teil des Jahrhunderts. 207 Auf den nächsten Rängen folgten Edward Young und Jonathan Swift. 208 Genannt seien die Romanautorinnen Fr. Burney Arblay, J. Austen, A. M. Bennett, Fr. More Brooke, M. Carleton, M. Edgeworth, S. Fielding, S. Gunning, E. Helme, E. Hervey, M. Holford, E. Inchbald, A. Radcliffe, C. Reeve, R. M. Dalton Roche, Fr. Sheridan, Ch. Smith. Die Liste ist zu ergänzen durch weitere Literatinnen wie A. Behn, E. Blower, G. Spencer Cavendish, S. Centlivre, C. Macanley Graham, E. Hamilton, E. Haywood, I. Hedgeland, B. Hofland, M. Holford, S. Harvey Keir, Ch. Lennox, M. de La Rivière Manley, D. Cudworth Masham, M. Wortley Montagu, A. Musgrave, E. Parsons, E. Rowe, H. M. Williams. <?page no="72"?> 66 Was die Anteile von Übersetzungen aus dem Englischen in Privatbibliotheken der Epoche angeht, gibt Daniel Mornets 209 alte Statistik erste Hinweise: Addisons Spectateur kam auf die doppelte Anzahl von Exemplaren wie Paméla als führender Roman, der auch durch Lockes Essais sur l’entendement humain klar geschlagen wurde. Erst danach folgten weitere Romane wie Clarissa Harlowe, Tom Jones oder Grandisson. Freies Schalten mit Originalen Unnötig zu betonen, dass auf dem Nährboden überhitzter Konjunktur, vor allem in den belletristischen Grundgattungen, Spielarten der „traduction libre“ und übertrumpfenden „imitation“, einer oft kavaliersmäßigen Gleichschaltung mit dem eigenen klassizistischen Nationalgeschmack wieder prächtig gediehen. Diese Praxis der „belles infidèles“ war bekanntlich schon im Grand Siècle verbreitet gewesen. Doch nun wurde, allein in der Belletristik, schon auf fünf Dutzend Titelblättern von Erzählwerken, Theaterstücken, Versdichtungen die Freiheit der Übertragung (traduction libre, imitation) ausdrücklich als Vorzug angepriesen. Bei Importen aus den diversen Wissenschaftsfeldern dagegen blieben solche Anpreisungen ungemein selten. Verleger und Übersetzer Es wäre in diesem Rahmen schwer möglich, auf die Schlüsselrolle von Journalisten und Kritikern einzugehen, die nunmehr Übersetzungen den Boden bereiteten und diese den Interessenten vorstellten. Doch zumindest ein Atlas beteiligter Verlage soll kurz entworfen werden. Natürlich liefen die meisten Einfuhren, einmal mehr, über Pariser Verleger. Eine Stichprobe 210 legt allerdings nahe, dass keiner von ihnen sich auf Importe von jenseits des Kanals spezialisierte. Die französische Provinz spielte, mit weniger als 3 % aller Titel, eine winzige Statistenrolle. Dagegen hatten Verleger des Auslands mit zwei von fünf Titeln einen recht stattlichen Anteil am Gesamtaufkommen. Er war bei England-Importen doppelt so hoch wie für die alten Sprachen (dort etwa 20 %). Von vermutlichen Gründen dieser starken Divergenz wird noch zu sprechen sein. Während der ersten Jahrhunderthälfte lagen holländische Verleger (vor allem aus Amsterdam) 211 in Führung. In den drei folgenden Jahr- 209 Les enseignements des bibliothèques privées (1750-1780), Revue d’Histoire littéraire de la France 17, 1910, hier S. 449-477. 210 150 Titel, die sich auf rund 100 Verlage verteilten. 211 Gefolgt von Den Haag, Leyden, Utrecht und Rotterdam. <?page no="73"?> 67 zehnten wurden sie von ihren Londoner Kollegen abgelöst. 212 Auffällig ist, dass mit Revolutionsbeginn zwar Verlage aus Nachbarländern von der Bühne verschwanden, der Übersetzungsimport aus dem anglophonen Bereich dadurch aber keineswegs völlig unterbrochen wurde. 213 Kommen wir zu den Übersetzern. Wie bei früheren Epochen vermerkt, sind wir über ihr Leben immer dann besser informiert, wenn ihr Wirken Berühmtheiten der Herkunftsliteratur galt 214 oder sie selbst in Frankreich zu jenen erfolgreichen Denkern, Literaten, Politikern gehörten, die sich neben originären Werken auch als Mittler hervortaten. Hier eine kleine Reihe illustrer Namen, die man normalerweise kaum mit einer - unter Historikern wenig geschätzten - literarischen „Kärrnerarbeiten“ verbindet: Buffon, Cazotte, Marie-Joseph Chénier, Condillac, Delille, Destouches, Diderot, 215 Holbach, Montesquieu, Le Sage, Marmontel, Mercier, Mirabeau, Prévost d’Exiles, 216 Rivarol und Turgot. 217 Von Unberühmten, ihrem Beitrag zum sozialen Profil der Übersetzergilde in ihrer Gesamtheit, ist dagegen wenig bekannt. Wer war der unermüdliche Marc-Antoine Eidous, der u. a. rund vierzig englische Titel akklimatisierte? Was waren die sozialen Merkmale seiner etwa vierhundert Kollegen von geringem Bekanntheitsgrad? Jeder fünfte von ihnen fehlt in biographischen Handbüchern, und wir kennen von ihm nur jenen Namen, den er auf dem Titelblatt oder unter dem Vorwort hinterließ. Quantitative Aussagen haben so, einmal mehr, bloßen Annäherungswert. Was das Geschlecht betrifft, stammte etwa jeder zehnte Titel von einer Übersetzerin, was für die Epoche einen ansehnlichen Durchschnitt bedeutete. Bis auf wenige Ausnahmen gehörten diese Damen der Aristokratie an. Insgesamt zeichneten für mehr als ein Drittel der Importe Mitglieder des Adels und des Klerus verantwortlich, also zweier Stände 212 Vereinzelte Ausgaben erschienen in Edinburgh, rund dreißig in der Schweiz (vor allem in Genf, gefolgt von Lausanne, Yverdon, Zürich, Bern), rund zehn in Deutschland (Berlin gefolgt von Göttingen, Dresden, Köln), einige weitere in Kopenhagen, Prag, Philadelphia. 213 Ein gewisser Abfall allerdings war unverkennbar. 214 Erwähnen wir die Studien von D. J. Fletcher 1966 (über Bolingbroke), P. Cozzini 1984 (über Defoe), R.-J. Orf 1974 und W. Roberts1922 (über H. Fielding), G. Bonno 1947 et 1959 (über Locke), E. Audra 1931 und R. G. Knapp 1971 (über Pope), E. Joliat 1974 (über Smollet), S. Goulding 1924 und C. M. Webster 1932 (über Swift). 215 Vgl. R. P. Legros, Diderot et Shaftesbury, MLR 1924 und H. M. Braem in R. Mortier/ H. Hasquin [Anm. 191]. 216 Vgl. die Studien von G. R. Havens 1921, F. H. Wilcox 1927, H. Roddier 1956, F. Jost 1973, J. Herman 1990. 217 Zu P.-A. de La Place siehe die Studie von L. Cobb 1928, zu J.-B. Suard die von A. C. Hunter 1925. <?page no="74"?> 68 mit minimalem Bevölkerungsanteil. Doch der eine von ihnen war verstärkt auf der Suche nach standesgemäß geduldetem Zeitvertreib, der andere stand von alters her im Ruf besonderer Buchnähe. Jedes vierte Buch (insgesamt mehr als 200 Titel) wurde durch Mitglieder von Akademien übersetzt: Angehörige der Académie française verantworteten über sechzig, die der Berliner Akademie rund vierzig davon. 218 Holbach etwa, einer der eifrigsten Mittler, war wie Beausobre, Boureau-Deslandes, Formey 219 und andere in Berlin Mitglied. Wie schon im 17. Jahrhundert galt dieser Gelehrtenelite das Übersetzen - hier aus einem Idiom, dem die Aureole alter Sprachen fehlte - als mit ihrem Rang durchaus vereinbar. Rund hundert Übersetzungen wurden von Rechtskundigen verantwortet. Etwa gleich viele stammten von Mitgliedern diverser Erziehungsberufe, die in unterschiedlicher Weise einen Hang zum Übersetzen hatten. Mit rund sechzig Titeln waren auch Militärs nennenswert am Transfer beteiligt, wogegen Mediziner und Theaterleute nur Nebenrollen spielten. Dazu kamen einige Staatsmänner, Diplomaten und politische Akteure des ausgehenden Jahrhunderts (gut sechzig Titel), Sekretäre hoher Herren und sogar königliche Zensoren (rund zwanzig Titel) sowie rund vierzig Inhaber diverser Ämter und Vertreter anderer Berufe. Diderot war bei weitem nicht der einzige Mittler, der nie einen Fuß auf englischen Boden setzte. Recht wenige seiner Kollegen verfügten über eigene Erfahrungen im Vereinigten Königreich und anglophonen Überseegebieten: Nur von rund vierzig unter ihnen wissen wir, dass sie den Inselstaat oder die werdenden Vereinigten Staaten als Reisende bzw. bei längeren Aufenthalten kennen gelernt hatten, bevor sie mit dem Übersetzen begannen. 220 Das mag zum Teil daran gelegen haben, dass Schreibtisch-Novizen nicht Zeit, Mühe und Gefahren einer kürzeren oder längeren Seereise auf sich nehmen wollten, bevor sie ihre Arbeit an der neuen Modeliteratur begannen. Dennoch hatten sie beim Erscheinen ihrer ersten Übersetzung im Durchschnitt das stattliche Alter von 41 Jahren (und lagen somit um Jahre höher als ihre Kollegen des 16. 218 Gefolgt von Mitgliedern der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres und eines reichlichen Dutzends von Provinz-Akademien (Arras, Rouen, Bordeaux, Lyon, Nancy, Marseille, Angers, Toulouse, Dijon, Montauban, Nîmes, Amiens, Besançon) sowie einiger Akademien des Auslands (Crusca, Rom, London). 219 Für die Bibliographie seiner Übersetzungen siehe J. Häseler/ R. Geissler, La correspondance de Jean Henri Samuel Formey (1711-97): Inventaire alphabétique, Paris, Champion 2003. 220 J. Albrecht verweist auf Destouches, Voltaire, Prévost und Montesquieu als „berühmte Schriftsteller-Übersetzer“, die „zeitweise in England gelebt“ und sich dabei „gute Englischkenntnisse angeeignet“ hätten (Literarische Übersetzung, S. 304). <?page no="75"?> 69 Jahrhunderts). 221 Auch wenn man vom mäßigen Drang ins englische Sprachgebiet absieht, war die Professionalität der Übersetzer wenig eindrucksvoll. Rund ein Viertel aller Titel wurde von Dilettanten verantwortet, die sich kein zweites Mal an das undankbare Geschäft heranwagten. Erfahrene Profis, mit mindestens zehn Übersetzungen auf ihrem Konto, waren recht selten, 222 und die Durchschnittszahl pro Kopf betrug nur 2,3 Titel. Dazu kommt, dass rund die Hälfte der übertragenen Bücher von Mittlern stammte, die sich noch für weitere Herkunftssprachen zuständig fühlten. Angesichts einer schon erwähnten häufigen Eile bei der Arbeit ist also zu vermuten, dass die Qualität französischer Versionen im Schnitt eher bescheiden ausfiel. Spezialisierung ging nie so weit, dass Mehrfachübersetzer sich ausschließlich einem einzigen Autor widmeten. Gewiss kam man manchmal nach der Erstübertragung auf einen zweiten Titel desselben Verfassers zurück, 223 arbeitete auch vereinzelt mit an einer Teil- oder Gesamtedition von dessen Werk. 224 Doch ausgeprägte Vorlieben einzelner Übersetzer lassen sich bestenfalls für bestimmte Genres erkennen. Beim Kampf gegen den Klerikalismus spielten Hugenotten im Exil eine wichtige Rolle. Zu nennen sind hier, neben kalvinistischen Übersetzern in der Schweiz und in Holland, auch die im Vereinigten Königreich: Elie de Joncourt und A. Boisbeleau de la Chapelle übertrugen gut sechzig anglikanische und sonstige Titel über die Naturreligion, gegen den „Papismus“ usf. Diese Arbeit - von der Wahl der Autoren und Texte bis hin zur Art ihrer übersetzerischen Präsentation - war ihnen ein wirksames Mittel zum Transport ihrer religiösen Überzeugung in die Öffentlichkeit. 225 Auf die spezielle Rolle aus dem Englischen übersetzender Enzyklopädisten, Aufklärer und Revolutionäre wird in späteren Kapiteln noch einzugehen sein. Doch im Vorgriff darauf lässt sich die Zwischenbilanz ziehen, dass Frankreichs geistige Importe aus dem Herrschaftsgebiet seines damaligen „Erbfeinds“ durch die zahlreichen 221 Berechnet auf der Basis einer Stichprobe von 272 Übersetzern mit bekanntem Geburtsjahr. Im 17. Jh. hatte das Durchschnittsalter von 48 Jahren noch deutlich höher gelegen. 222 Castéra (15 Titel), Démeunier (13), Eidous (40), Griffet de Labaume (10), Holbach (20), Joncourt (12), La Place (13), Le Tourneur (17), Mme de Montolieu (10), Puisieux (14), Soulès (19), Suard (12), Thiroux d’Arconville (15), Van Effen (10). 223 So etwa Barbeu du Bourg, Delille, Du Bocage, Feutry, Griffet de Labaume, La Place, Prévost, Puisieux, Suard, Van Effen. 224 So Frenais (Sterne) und Le Tourneur (Shakespeare). 225 Vgl. dazu J. Häseler über die nach Preußen emigrierten Hugenotten, in J. Häseler/ A. Mc Kenna (Hg.): La vie intellectuelle aux Refuges protestants II: Huguenots traducteurs, Paris, Champion 2002, Introduction S. 20. - Vgl. auch E. Préclin, Un traducteur et un historien de la Réforme, Pierre-François Le Courayer, Annales de l’Université de Besançon V, 1950, S. 27-39. <?page no="76"?> 70 Kriegshändel nicht behindert, sondern paradoxerweise befördert wurden: 226 Es war im Zeitraum zwischen Beginn des Österreichischem Erbfolgekriegs und Ende des Siebenjährigen Kriegs, dass mit den England- Importen eine lebende Sprache den alten Sprachen erstmals den Rang ablief, und dieser Trend sollte bis zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg ungebrochen bleiben. 4.1.2. Aufholjagd: Importe aus dem deutschen Sprachraum Das Umschmelzen lateinischer Texte deutschen Ursprungs hatte schon im Spätmittelalter eingesetzt. 227 Im 16. Jahrhundert lagen bei Übertragungen aus der Lingua franca der gelehrten Welt (unter nichtfranzösischen Autoren) die des deutschen Kulturraums an Platz zwei hinter den Italienern, und im 17. und 18. Jahrhundert rückten sie sogar an die Spitze. Unnötig zu betonen, welch hohes Interesse jene (leicht zu vergessende) Erschließung deutschen Gedankenguts für ein breiteres Publikum halb- oder ungelehrter Laien verdient. Rund zweihundert uns bekannte Übersetzer bemühten sich, neben einer stattlichen Reihe anonymer, um solche Integration in die eigene Volkssprache. Gefragt waren - aus dem Ursprungsland der Reformation - primär Werke religiösen Charakters, sowohl der Frömmigkeit als auch theologischer Kontroversliteratur. Doch Abhandlungen zu Politik und Geschichte, Naturwissenschaften, Medizin und Recht, auch Schöne Literatur fanden gleichfalls Beachtung, teils schon im 16. und 17. Jahrhundert, vor allem aber im achtzehnten. Kommen wir nach diesem kleinen Rückblick zu Übersetzungen aus der deutschen Sprache. Von ihnen waren die ersten indirekten (nach einer lateinischen Zwischenversion) am Ende des fünfzehnten, die frühesten direkten in den ersten Jahrzehnten des nächsten Jahrhunderts erschienen. Von 1700 bis 1760 In der ersten Jahrhunderthälfte sollen Titel des deutschsprachigen Raums, einem historischen Gemeinplatz zu Folge, französische Übersetzer noch nicht im Geringsten gereizt haben. Das legen uns Sprecher 226 Um die Wirkungsintensität des Übersetzten genauer abschätzen zu können, wäre natürlich eine Erfassung der Nachdrucke einzelner Titel wünschbar, die aber an der bibliographischen Situation scheitern müsste. So haben etwa die Versionen des Paradis perdu Miltons von Dupré de Saint-Maur und Delille zahlreiche Ausgaben erlebt, mindestens sechs gab es von Fieldings Amélie in der Fassung von Riccoboni. Für ein Dutzend anderer Romanciers siehe die Angaben W. Graebers [Anm. 166]. 227 Nach Seuses Oreloge de sapience (1389) mit mehreren Übertragungen ab den 1480er Jahren. <?page no="77"?> 71 ganzer wissenschaftlicher Fachgruppen nahe: Harald Weinrich, der so belesene und wohl namhafteste lebende Romanist, bekräftigte unlängst das (beidseits des Rheins kaum je bezweifelte) Dogma, Interesse am „deutschen Geistesleben“ sei in Frankreich „erst seit der Romantik erkennbar“. 228 Seine Auskunft ähnelt der Henri-Jean Martins, des Altmeisters französischer Buchgeschichte. Vermerkt dieser doch nur flüchtig, Frankreich habe noch „der deutschen Aufklärung keine große Aufmerksamkeit gewidmet“. Solche Gleichgültigkeit deutet heutige französische Forschung aus kulturellem West-Ost-Gefälle und einer Mangellage: Die deutsche Literatur habe sich zur Aufklärungszeit erst in ihrer „Bildungsphase“ befunden, sei noch von „niederem Niveau“ und außerstande gewesen, den Markt hinreichend selbst mit Qualitätsware zu beschicken. Daher rühre auch die Unterwürfigkeit damaliger deutscher Übersetzer, die stolze Selbsteinschätzung ihrer westlichen Kollegen. 229 Französische „Verachtung“ für damalige deutsche Literatur konstatiert (gestützt auf Philippe van Tieghem) auch Wilhelm Graeber, der immerhin „gegen 1760“ als Einsatzpunkt französischer Übertragungen nennt. 230 Bei genauem Hinsehen jedoch zeigt sich, dass der Gemeinplatz französischer Missachtung stark zu relativieren ist. Ein Ungleichgewicht im Austausch zwischen Ost und West zwar lässt sich nicht leugnen. Doch erreichten die von Jahrhundertbeginn bis 1760 aus dem Deutschen ins Französische gebrachten Titel immerhin den dreistelligen Bereich. Dazu kam fast ein Hundert ursprünglich in Latein verfasster Titel - eine Marotte von Gelehrten, die aus französischer Sicht nun als typisch deutsch galt, 231 lag doch um 1740 der lateinische Anteil am deutschen Buchmarkt noch bei 28 %. 232 Unter Einschluss von Nachdrucken und Mehrfachauflagen belief sich die Zahl übersetzter Titel aus dem deutschen Kulturraum auf fast vierhundert, die der Originalautoren auf gut 130. Auch hier trugen Kriegszeiten zur klaren Verstärkung des Interesses bei. Drei Viertel aller Originale stammten aus dem eigenen Jahrhundert, drei Dutzend Übertragungen waren schon im selben oder folgenden Jahr auf dem Markt wie das Original. Eine Sonderrolle spielten Verleger der Niederlande. Mit einem halben Hundert Titel zogen sie etwa gleich mit 228 H. Weinrich, Knappe Zeit, München 2004, S. 130. - Folgendes Zitat: R. Chartier/ H.-J. Martin, Histoire de l’édition française, Paris: Promodis, Bd. 2 (1990), S. 397. 229 Siehe zu alledem und zum Folgenden G. Roche: Les traductions-relais en Allemagne au XVIIIe siècle, Paris: CNRS-Editions, 2001, S. 63, 67, 73. 230 W. Graeber, Übersetzervorreden, S. 172. 231 Siehe dazu Quand 1753, S. II; Boulenger de Rivery 1754, S. IX. 232 Nach R. Tgahrt, Weltliteratur. Die Lust am Übersetzen im Jahrhundert Goethes, Marbach 1982, S.10. <?page no="78"?> 72 Pariser Kollegen, ihr Anteil war doppelt so hoch wie der des deutschsprachigen Raums. Argumente für die Notwendigkeit einer Übertragung lauteten natürlich, wie sich später zeigen wird, anders als beim Verdeutschen. Holbach galt das Deutsche als „schwierige, im französischen Königreich wenig gepflegte Sprache“, und Bielfeld meinte gar, ihre „tausend Schwierigkeiten“ seien schuld, dass „kein einziger Ausländer sie je beherrscht“ habe. 233 Wie war im frühen 18. Jahrhundert das soziale Profil der Übersetzer aus jener rätselhaften Sprache beschaffen? Im Vergleich zum Transfer in der Gegenrichtung, den das übernächste Kapitel thematisiert, fielen höhere Anteile einerseits an Protestanten, andererseits an Kleriker, Juristen und Mediziner, also am anspruchsvollen Latein geschulte Gruppen. Geringer allerdings waren die Prozentsätze von Dozenten Hoher Schulen und Erziehern. Erwähnenswert ist, dass der Adelsanteil das Doppelte betrug, wodurch er für eine stärker mondäne Einfärbung der Ostimporte sorgte. Der Anteil von Diplomaten war gar um das Dreifache höher. Das hilft auch zu verstehen, warum weit mehr Übersetzer den deutschen Sprachraum durch eigene Aufenthalte kannten, soweit sie ihm nicht von Geburt entstammten. Nennen wir nur wenige bekannte Namen aus der letzteren Gruppe: die Berliner Bielfeld und Formey, die Wahlpariser Holbach und Huber. Insgesamt zwei Fünftel der Vermittler hatten ihre Kenntnisse Deutschlands und seines Buchmarkts nicht nur aus papiernen Quellen. Auffällig ist auch der hohe Anteil von Akademiemitgliedern. Verblüffend oft - in einem halben Hundert von Fällen - standen die Übersetzer, etwa ebenso oft die übertragenen Autoren in Verbindung zu Berlin. Über Zielgruppen der Importe gaben Titelblätter (im Gegensatz zu Exporten Frankreichs nach Deutschland) keinerlei Auskunft. Selbst Hinweise in Widmungsbriefen und Vorreden, etwa auf „Gelehrte“ oder „Gens de Lettres“, waren selten. 234 Vermerken wir ein Kuriosum: Bei manch hohen „Standespersonen“ deutscher Herkunft bekamen ihre Landsleute erst dann Lektüre-Chancen, wenn eine französische Fassung des Werkes vorlag. Das galt für die nach Frankreich verpflanzte Marie-Anoinette, 235 aber auch die Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth oder ihren Bruder Friedrich II. von Preußen. Über Rabener verbreitete sein Übersetzer gar, der Autor habe ihn zu seiner Arbeit gedrängt 233 Holbach 1752, Widmungsbrief; Bielfeld 1752, Widmungsbrief S. 11. 234 Etwa Holbach 1752, a. a. O.; Quand 1753, Préface S. IV. 235 Wie sich aus Wappenprägungen von erhaltenen Exemplaren (Weber, Pufendorf u. a.) ergibt. - Zum Folgenden siehe den Briefwechsel bei G. B. Volz (Hg.), Friedrich der Große und Wilhelmine von Baireuth, Leipzig 1924-26. <?page no="79"?> 73 afin de réussir plus efficacement à la Conversation de ses Compatriotes. Il se flatte que son Livre, arrivant de Paris avec un habit françois, doit opérer des miracles en Allemagne. 236 Über die Sozialstruktur der französischen Käufer- und Leserschaft wäre Klarheit, einmal mehr, erst durch breit angelegte Auswertungen von Besitzvermerken 237 und Nachlasslisten, der Kataloge von Privatbibliotheken und Versteigerungen zu erhoffen. Welche Sektoren unseres Buchmarkts schienen der Beachtung einer Nation wert, die in Europa die geistige Führungsrolle beanspruchte? Manche Übersetzervorrede zählte die deutschen Musterdomänen lobend auf: Politik und Politische Geschichte, Literaturgeschichte, Schöne Literatur und Poesie, Öffentliches Recht, Medizin, Philosophie, Chemie, Mechanik. 238 Unter den verwirklichten Übersetzungen allerdings führten wieder Bücher über religiöse Themen, wenn auch ihr Anteil deutlich geringer ausfiel als in der Gegenrichtung. Danach folgten schon Medizin und Naturwissenschaften. 239 Erst nach ihnen schoben sich (mit knapp einem Achtel des Gesamtvolumens) belletristische Titel auf Platz vier. Danach kamen politische, philosophische und historiographische Schriften. Insgesamt war das durch Übersetzungen entworfene Bild deutschen Geisteslebens stark geprägt von wissenschaftlichem Schrifttum, das mehr als die Hälfte aller Übertragungen ausmachte. 240 Am meisten übersetzter und verlegter Titel indes war, mit großem Abstand, die Imitatio Christi des Thomas a Kempis, in einem halben Hundert von Übertragungen und Nachdrucken. Auf 16 Ausgaben brachten es die volkstümlichen Secrets d’Albert le Grand, auf acht Pufendorfs Droit de la nature. Von 1760 bis 1809 Mehr als drei Viertel aller Deutschland-Importe des Jahrhunderts gehörten in dessen zweite Hälfte. In jenem Halbjahrhundert kletterten Titel deutschsprachiger Herkunft, nach den englischen, auf Rang zwei aller Herkunftssprachen. Die Kammlinie der Publikationskurve er- 236 W. Graeber [Anm. 163], S. 181. 237 Ein Exemplar von Scheuchzers Physique sacrée etwa trägt Wappen eines J. de Grady und J.-R. de la Tour, Exemplare von Niekamps Histoire de la mission danoise enthalten Exlibris von Elie Bertrand und La Rochefoucauld. 238 Siehe Quand 1753, S. IV; Boulenger de Rivery 1754, S. IX. 239 Biologie, Chemie, Physik, Mineralogie, Metallurgie. 240 Vgl. zu alledem und zum Folgenden J. Voss, Deutsch-französischer Wissenschafts- und Technologietransfer in vorindustrieller Zeit, in W. Köhler/ J. Kiefer (Hg.), Deutsch-Französische Wissenschaftskontakte in Thüringen, Erfurt 2008, bes. S. 66, 68f. <?page no="80"?> 74 reichte ihren Gipfel in den 1780er Jahren, in denen sie die England-Importe vielleicht sogar überholte. 241 Die schon registrierte Offenheit für fremde Geistesprodukte richtete sich nun also stark auf die östliche Nachbarkultur. Deren Popularität spiegelte sich wieder darin, dass ein Großteil echter, manchmal auch nur vorgeblicher Übersetzungen den Namen des Autors, Übersetzers oder beider auf dem Titelblatt für unnütz hielt. Um Käufer anzulocken, setzte man also häufig nicht auf das Gütesigel bekannter Größen des Buchmarktes, sondern - ähnlich wie bei Titeln aus England - einzig auf die Verheißung „traduit de l’allemand“. Augenfälliger noch wird die neue Faszinationskraft von Ostimporten durch ein zeittypisches Phänomen, das ebenfalls schon beim England- Kapitel ins Auge gefallen war: Vor allem in den Genres Roman und Drama gab sich, aus allerlei Gründen, eine stattliche Zahl französischer Originale als Übertragung aus dem Deutschen. Candide und seine Fortsetzungen sind hier nur die bekanntesten Beispiele. 242 Mittelsleute: Übersetzer und Verleger Wer waren die Übersetzer, deren Name auf dem Titelblatt bzw. im Vorspann ausgedruckt oder deren Urheberschaft erschließbar ist? Von rund 40 % unter ihnen kennen wir keine biographischen Daten. Nach der Geschlechts-Zuweisung (teils aufgrund des Vornamens) wurde immerhin jeder zwölfte Titel übertragen von Frauen. 243 Wie für das Vereinigte Königreich gehörten auch sie fast sämtlich der Aristokratie an. Bekannt sind viele Geburtsjahre von Übersetzern. 244 Sie zeigen, dass auch Übertragungen aus dem Deutschen alles andere waren als stilistische Fingerübungen halbflügger Möchtegern-Literaten. Hatten doch die Übersetzer bei Erscheinen ihres Erstlings-Produkts im Durchschnitt das Alter von rund 42 Jahren erreicht und lagen damit noch leicht über dem Durchschnitt der England-Importeure. 245 Weniger oft lässt sich die Konfessions-Zugehörigkeit bestimmen. Beim Übersetzen aus dem Latein dominierten, soweit erkennbar, klar die Katholiken. War die Spra- 241 Der Vorbehalt ergibt sich aus dem Anteil anonymer Übersetzungen, der wie erwähnt nur für Deutschland berücksichtigt werden konnte. 242 Nennen wir (in chronologischer Folge) einige mit Sicherheit „entlarvte“ Autoren solcher Pseudo-Übersetzungen der zweiten Jahrhunderthälfte: Le Guay de Prémonval, Voltaire, Rabelleau, Thorel de Champigneulles, Bauvin, Cuinet-Dorbeil, Colleville, Rauquil-Lieutaud, Grouvelle, Montjay, Delisle de Sales, Robineau de Beaunoir. 243 Gegenüber jedem zehnten bei Übertragungen aus dem Englischen. 244 Erschlossen wurden sie für 250 Übersetzer. 245 Genauer: bei Übersetzern aus dem Lateinischen 44,4 Jahre, aus dem Deutschen 41,2 Jahre. - Zum Folgenden: Französische Nationalbiographien enthalten, aus welchen Gründen auch immer, weit spärlichere Angaben zur Konfession als etwa die Allgemeine deutsche Biographie. <?page no="81"?> 75 che des Originals dagegen Deutsch, wurden die weitaus meisten Werke von Protestanten übertragen: augenfällige Affinität also einerseits zur Sprache der römischen Kirche, andererseits zur Sprache Luthers und zum Ursprungsland der Reformation, das nach Aufhebung des Toleranz-Edikts vielen Hugenotten Zuflucht geboten hatte. Weitere Auffälligkeiten zeichnen sich ab in ständischer Hinsicht. Erwartungsgemäß dominierte zwar beim Überführen aus dem Gelehrtenidiom in Volkssprache der alte Gelehrtenstand par excellence, d. h. Geistliche beider Konfessionen. Beim Übersetzen aus dem Deutschen war dagegen (was sich schon zu Beginn des Jahrhunderts abgezeichnet hatte) der Beitrag von Aristokraten dreimal höher als der des Ersten Standes, weit überproportional auch im Vergleich zum Bevölkerungsanteil des Adels: ein weiterer schlagender Beweis für die seit drei Jahrhunderten fortdauernde Neigung zum Literatur- und Wissenstransfer bei der alten weltlichen Standeselite. Übersetzen, auch aus der neuen Modesprache, galt ihr offenbar mitnichten - wie man heute argwöhnen könnte -als verächtliche Schufterei, sondern als durchaus standesgemäße Tätigkeit. Kommen wir zum Beitrag einzelner Berufsgruppen oder Korporationen bzw. von Inhabern öffentlicher Ämter. Hauptberufliche Billigverdiener (wie erinnerlich in Sorels Francion ein Grund, bezahltes Übersetzen als verächtliche Fronarbeit abzutun) lassen sich noch immer nur vereinzelt ausmachen. 246 Ungemein aktiv waren, mit doppelter Titelzahl wie Kleriker, Spielarten pädagogisch orientierter Berufe (Hauslehrer 247 oder Erzieher an diversen Schul- und Hochschultypen). Deren Neigung zum Übersetzerhandwerk mag nicht zuletzt aus dem hohen Wert herrühren, der dem Übertragen (meist antiker Autoritäten) im traditionellen Bildungswesen weiter zuerkannt wurde. Ein Drittel höher als bei Klerikern war der Anteil aktiver oder ehemaliger Offiziere seit den 1760er Jahren. Das könnte überraschend wirken. Es mag sein, dass jenes wachsende Engagement der Gruppe ableitbar war aus geschärftem Bewusstsein für Sprachprobleme und Nutzen des Wissenstransfers, das während des Siebenjährigen Kriegs und der Revolutionsjahre in Feldzügen auf deutschem Boden entstand. 248 Unter den Absolventen Hoher Schulen traten Mediziner selten in Erscheinung, und dies einzig als 246 So Cramer oder die Damen Polier, Montolieu, Cerenville. 247 Der Précepteur, oft ein jüngerer Kleriker mit niederen Weihen oder unbemittelter Adliger, pflegte seine wohlhabenden aristokratischen Zöglinge auf ihrem Grand Tour durch mehrere europäische Länder zu begleiten. (Siehe dazu etwa D. Roche, Le Précepteur dans la noblesse française: instituteur privilégié ou domestique? , in G. Frühsorge u. a., Gesinde im 18. Jahrhundert, Hamburg 1995, bes. S. 220-235. 248 Von Brühl, La Verne und Saint-Hilaire etwa ist gesichert, dass sie an solchen Feldzügen teilnahmen. <?page no="82"?> 76 Übersetzer lateinischer Fachtexte ihrer Disziplin, ganz im Gegensatz zu Rechtsgelehrten. 249 Weitere nennenswerte Gruppen bildeten Diplomaten, Theaterleute, Sekretäre hoher Herrschaften sowie Drucker und Verlagsbuchhändler, die manchmal eigene Übersetzungen verlegten. 250 Eine unterschiedlich begründbare Nachbarschaft all dieser sozialen Typen zum Übersetzen muss nicht eigens erläutert werden. Erwähnung verdienen wieder rund dreißig Mitglieder von Akademien: in Paris und der französischen Provinz, vor allem aber in Berlin. Gerade letztere besaßen eine klare Sonderstellung. 251 Die Produktivität all jener Akademieangehörigen lag deutlich über dem Durchschnitt. Übersetzen - selbst aus lebenden Sprachen, denen (wie der deutschen und englischen) noch das Prestige der italienischen Renaissancekultur fehlte - festigte also einmal mehr den Ruf von Mitgliedern gelehrter Gesellschaften oder jener, die Aufnahme in deren erlauchten Kreis anstrebten. Fast zwei Drittel aller deutschsprachigen Originale wurden adaptiert durch Übersetzer, denen Erfahrungen im Ausland die Kluft zwischen Muttersprache und fremden Idiomen erlebbar gemacht hatte. Mehr als ein Drittel dieser Übertragungen stammte von Urhebern, deren mehr oder weniger gute Kenntnis des deutschen Sprach- und Kulturraums selbst biographische Lexika vermerken. 252 Vertrautheit aus persönlichem Erleben mit dem Herkunftsland der Texte war damit deutlich häufiger als bei Übersetzern aus dem Idiom des britischen Inselreichs. Gleiches gilt für die Produktivität jener Deutschlandkenner. Sie lag um ein Drittel über dem Durchschnitt der Zunft und fast gleich hoch über dem damaliger England-Importeure. Prüfen wir kurz ein ehernes Gesetz heutiger Verleger auf seine historische Geltung: man solle nur in die Muttersprache, nicht in die Fremdsprache übersetzen. Offenbar war dieses Dogma noch nicht verkündet. Denn die meisten und produktivsten unter den übersetzenden Kennern des deutschen Sprachraums waren in diesem geboren 253 (wenn auch ei- 249 Über vermutliche Gründe für deren Hang zum Literaturtransfer wird später noch zu reden sein. 250 Etwa Cramer, Doray de Longrais, Cherbuliez. 251 Vgl. dazu J. Voss [Anm. 240], S. 66. 252 Vgl. dazu und zum übernächsten Kapitel auch J. Mondot/ J.-M. Valentin/ J. Voss (Hg.), Deutsche in Frankreich, Franzosen in Deutschland 1715-1789, Sigmaringen 1992. 253 Etwa Abbt, Arnex, Beausobre, Bielfeld, Bilderbeck, Brühl, Mme de Cerenville, Clausier, Collin, Cramer, Dezèdes, Elisabeth Christine, Faesch, Formey, Friedel, Garve, Goertz, Holbach, Huber, Junker, Kilg, Kolbe, Mauvillon, Mechel, Meister, Merian, Moulines, Pohle, Reichel, Tscharner. Aus dem Elsass stammten Bilderbeck, Pfeffel und La Martellière. Auf Herkunft aus dem deutschen Sprachraum lässt auch die Namensform einer langen Reihe vorerst unidentifizierter Übersetzer schließen (Binninger, Böhm, Frieswinkel, Harrepeter, Hedelhofer, Hess, Isenflamm, König, Leve- <?page no="83"?> 77 nige zeitweise in Paris lebten). Zum Teil stammten sie aus jenem Hugenotten-Milieu, 254 über dessen angestaubtes Französisch man sich nun in der alten Heimat gern mokierte. Halb so viele, wenn auch weniger aktive Übersetzer hatten den deutschen Sprachraum im Rahmen beruflicher Aktivitäten kennen gelernt, 255 andere auf Reisen 256 oder beim Studium. 257 Ein halbes Dutzend schließlich erlebte während der Revolutionsjahre erstmals als Emigrant die östlichen Nachbarn oder kehrte zu ihnen zurück. 258 Über dieser nahe liegenden Frage zum Vertrautheitsgrad von Übersetzern mit dem Ursprungsland der Werke sollte man eine zweite nicht vergessen: die nach Kenntnis des Ziellands auf Seiten deutscher Originalautoren. Von immerhin fünf Dutzend unter ihnen wissen wir, dass sie vor Erscheinen ihrer ersten Übersetzung in Frankreich auftauchten. In einer stattlichen Reihe jener Fälle war Paris zugleich Ziel ihres Aufenthalts und Verlagsort der französischen Fassung ihres Werks. Zu prüfen bliebe, in welchen Fällen nachweisbar oder wahrscheinlich ist, dass ihr Bekanntheitsgrad in Frankreich durch solche Aufenthalte gesteigert und damit der Boden für Übersetzungen bereitet wurde, oder dass sie gar konkrete Kontakte zu dortigen Übersetzern oder Verlagsbuchhändlern knüpften. Dahin deuten Aussagen wie die des Verlegers Henrichs im Vorspann von Mayers Schilderung seiner Italienreise, 259 er habe den Autor getroffen pendant un dernier séjour qu’il vient de faire à Paris; séjour qui me sera toujours cher, puisque c’est à lui que je dois l’avantage d’avoir formé une liaison plus intime avec un homme aussi distingué. ling, Refner, Reinfner, Schreiber, Schwab, Schwan, Treuchses, Wagner, Walther, Weiller, Weiss, Weltzin, Wynmann, Zimmermann, Zubrodt). - Zum Folgenden: In Paris lebten zeitweise etwa Brühl, Mme de Cerenville, Cramer, Friedel, Holbach, Huber, Mechel, Meister, La Martellière, Raspe. 254 Etwa Barbeyrac, Formey, Larrey, Mme Polier, Reclam, Mme de Staël. 255 Etwa Barbé-Marbois, Boaton, Bourgoing, Bursay, Eberts, Gasc, Jourdan, Laveaux, Le Guay de Prémonval, Prince de Ligne, Luchet, Pajon, Pernetty, Mme Polier, Reclam, Rochon de Chabannes, Rougemont, Saint-Martin, Toussaint. 256 Etwa Bock, Cacault, Diderot, Duvau, Mallet, Roman, Mme de Staël, Turgot, Ussieux. 257 Etwa Bonivard, Bourgoing, Gerhardt, La Martellière, A. de Lezay-Marnézia, Rayneval, Tranchant de Laverne. 258 Etwa Bock, Dumouriez, Duvau, Maydieu, Vanderbourg, Villers, Tranchant de Laverne. 259 Voyage en Italie in Übersetzung Vanderbourgs (1801). <?page no="84"?> 78 Die meisten Übersetzer ihrerseits wirken, wie die aus dem Englischen, noch wenig spezialisiert. Fälle wie Bielfeld, Michael Huber, 260 Jansen, Junker oder Bock, die eine zweistellige Titelzahl auf ihr Konto verbuchen konnten, blieben seltene Ausnahmen. Weit über die Hälfte nicht anonym erschienener Übertragungen aus dem Deutschen stammte von Verfassern, denen nur ein einziges Werk oder, weit seltener, ein zweites zugeschrieben werden kann. Eine Transfergeschichte, die sich wie üblich einzig auf Vielübersetzer oder Träger berühmter Namen konzentriert, würde also einmal mehr ein stark verzerrtes Bild der Gesamtproduktion entwerfen. Andererseits wurde ein Großteil aller Titel von Leuten verantwortet, die auch aus weiteren Sprachen übersetzten. Bei Creuzé de Lesser etwa waren es deren vier, bei Boulenger de Rivery, Griffet de Labaume oder Roman drei. Selten allerdings formten sich Teams von zwei oder drei Kollegen. Seltener noch manifestierte sich, unabhängig von der Sprache, übergreifendes Sonderinteresse am Herkunftsland deutscher Geistesprodukte: Nur in Ausnahmefällen (zu denen etwa Formey, Eidous, Gueudeville gehörten) übersetzte man sie sowohl aus dem Lateinischen als auch dem Deutschen. Verzichten wir vorerst auf Verfeinerung der Übersetzer-Typologie und wenden uns wieder einer anderen Mittler-Instanz zu: dem Verlagswesen. Deutsche Originalausgaben, die Anlass zu einer französischen Fassung gaben, waren in über fünf Dutzend Städten vor allem des deutschen Sprachraums erschienen, unter denen die Messestadt Leipzig unangefochten Rang eins, Berlin Rang zwei einnahm. Die Übersetzungen ihrerseits verteilten sich sogar auf rund hundert Verlagsorte. 1773 betonte der Verleger Grasset aus Lausanne: Nous nous attacherons surtout à faire traduire en françois de bons ouvrages imprimés en langue allemande, qui sont en très grand nombre; c’est pourquoi nous prions les savans de l’Allemagne de nous honorer à cet égard de leurs bons et judicieux conseils. 261 Doch wie zu erwarten dominierte Paris als Verlagsort von Übersetzungen, und dies weit klarer als Leipzig für übersetzte Originale. Noch im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts sollten Pariser Verleger mehr als ein halbes Hundert Titel deutscher Herkunft auf den Markt werfen. Eine Analyse über das gesamte 18. Jahrhundert hin lässt allerdings vermuten, dass (ähnlich wie bei England-Importen) keiner von ihnen eine Konzentration auf 260 Siehe zu ihm H. Heiss, Studien über einige Beziehungen zwischen der deutschen und der französischen Literatur im 18. Jahrhundert: I. Der Übersetzer und Vermittler Michael Huber, Erlangen 1980. 261 Avis de l’éditeur zu Johann Hermann Riedesel, Voyage en Sicile et dans la Grande Grèce, in Übersetzung von Frey des Landres, S. XI. <?page no="85"?> 79 Bücher deutscher Herkunft anpeilte. Teilten sich doch fast 140 Verlage in gut 200 Titel. 262 In der übrigen Verlagslandschaft führte, auch bei Übersetzungen, klar und vielleicht unerwartet nicht die französische Provinz, sondern ebenfalls der deutschsprachige Raum. Nicht wenige der Verlagsorte waren bereits als Zentren für die deutschen Originalausgaben in Erscheinung getreten - etwa Berlin, wo besonders Mitglieder der dortigen Akademie bevorzugt publizierten. Auf deutsche Städte folgten, mit etwa gleichen Anteilen, solche der Übergangszonen Niederlande und Westschweiz. 263 Insgesamt wurde von Übersetzungen aus dem Deutschen ein weit höherer Anteil jenseits der französischen Grenzen verlegt als von Übertragungen aus alten Sprachen. Wie bei England-Importen mag einer der Gründe 264 dafür öfters gewesen sein, dass es um brisante geistige Konterbande ging, deren Publikation im Inland, vor allem dem des Ancien Régime, zu riskant schien. Das dürfte etwa gelten für die Erörterung religiöser Fragen aus protestantischer oder aufklärerischer Sicht, für Informationen über die demokratisch verfasste Schweiz, aber auch Basedows Gedanken zur Prinzenerziehung. Diese Vermutung wird dadurch gestützt, dass außerfranzösische Verlagsorte ab 1790 auch für Ostimporte stark an Bedeutung verlieren sollten. Ist es doch kein Zufall, wenn sich zuvor namhafte Aufklärer als Importeure rechtsrheinischen Gedankenguts profiliert hatten, wie ein Folgekapitel zeigen wird. Unnötig zu betonen, dass mehr als fünf Dutzend jener teils anrüchigen Titel noch heute in der Pariser Nationalbibliothek fehlen. Im Ganzen gesehen spielte geographische Nähe zwischen den Verlegern von Original und Übersetzung keine nennenswerte Rolle. Nicht wenige Verlagsprojekte umfassten eine Vielzahl von Bänden. Sie erforderten so größere Investitionen und - da fast ausnahmslos ohne die Trumpfkarte im Inland vertrauter Autorennamen - erhöhte Risikobereitschaft des Verlegers. Ein Dutzend Titel waren fünf- oder sechsbändig, andere hatten acht oder neun, das Nouveau Théâtre allemand von Friedel und Bonneville gar zwölf Bände. So lagen gelegentliche Versuche nahe, die Publikation jener Einzelbände über mehrere Jahre zu strecken. Die Angebotspalette Was wurde offeriert? Die seit Beginn der Ostimporte übertragenen rund 1400, nicht selten anonym erschienenen Titel stammen von über 460 262 Einzig Jolly (1659) und Durand mit je 6 Titeln (1746-53) und Vincent mit neun (1724- 71) setzten gewisse Schwerpunkte. 263 Auch Kopenhagen, Petersburg oder Warschau tauchten vereinzelt auf. 264 Neben der Verbreitung französischer Sprachkenntnisse auch im übrigen Europa. <?page no="86"?> 80 deutschen Verfassern. Deren Erfolgsrate lag also im Durchschnitt bei bescheidenen zwei bis drei Titeln pro Kopf. Zu den frühesten Importen aus dem Lateinischen hatte im 14. Jahrhundert Heinrich Seuses Oreloge de sapience gehört und Ende des fünfzehnten Sebastian Brants Narrenschiff. Der danach mit Abstand meistübertragene Autor eines lateinischen Originals war, seit Beginn des Grand Siècle, Thomas a Kempis mit seiner Imitatio Christi gewesen, die man mehrfach sogar in Verse goss. Später reizte unter den Verfassern deutschsprachiger Werke nicht etwa Goethe das Gros der Übersetzer und Verleger, sondern Kotzebue und das Universaltalent Albrecht von Haller, gefolgt von Gessner und Wieland. Selbst August Gottlieb Meissner, ein längst vergessener Romancier, war in Frankreich erfolgreicher als Schiller. Innerhalb der traditionellen Ordnungskategorien von Buchbeständen gingen belletristische Importe, anders als bei Werken aus dem Vereinigten Königreich, seit dem 18. Jahrhundert in Führung. Vorreiter einer wahren Germanomanie waren in den 1760er Jahren Lyrik und Versepos, ungeachtet der Probleme, die gerade Übertragungen in Versform erschweren. Seit den 1780er Jahren wurde die Versdichtung eingeholt und bald überholt von Prosadrama und Erzählliteratur. Doch auch nichtbelletristische Titel erreichten eine dreistellige Zahl: Reiseberichte, Abhandlungen vor allem aus den Feldern der Politik, Geschichte und Zeitgeschichte, daneben Theologie, Philosophie und Recht, Medizin und Naturwissenschaften. Diese Hunderte und Aberhunderte von Titeln erhärten, wie wenig die gängige Annahme zutrifft, deutsches Geistesleben sei vor 1810 in Frankreich „kaum wahrgenommen worden“. 265 Die Vorreiterrolle der mittelalterlichen Seuse-Übersetzung übrigens war wohl kein Zufall gewesen. Sie stand am Beginn eines lange währenden Interesses an deutscher Mystik - angefangen bei Übertragungen Mechthilds von Magdeburg, Hildegards von Bingen und Gertruds von Helfta, über Tauler und Thomas a Kempis bis hin zu Cusanus und Jakob Böhme - ein Interesse, das nicht zufällig bereits im Jahrhundert des französischen Quietismus einen Höhepunkt erreicht hatte. Die historischen Wurzeln des späteren Pauschalverdachts hexagonaler Rationalisten, Deutsche seien anfällig für einen gefährlichen „mysticisme irrationnel“, 266 reichen also ebenfalls weit hinter die Romantik zurück. Eine Frage wurde schon im Abschnitt über die England-Importe kurz gestreift: Wieweit trug der Zustrom deutschen Gedankenguts dazu bei, den Boden zu bereiten für die Umwälzungen des revolutionären 265 H. Weinrich [Anm. 2], S. 130. 266 Siehe A. Monchoux, L’Allemagne devant les lettres françaises de 1814 à 1835, Toulouse/ Paris 1953, S. 292-230, 297. <?page no="87"?> 81 Dezenniums? 267 Auf einschlägige Aktivitäten von Aufklärern und Revolutionären unter den Übersetzern soll, wie bei England-Importen, in späteren Kapiteln nochmals eingegangen werden. Doch unabhängig von der Mittlertätigkeit politischer Aktivisten ist auffällig, dass man die Geschichte der Schweizer Eidgenossenschaft, ihrer alten republikanischen Verfassung und deren Zerschlagung zwischen 1794 und 1802 gleich mehrfach anbot; 268 dass man die preußische Armee gerade 1791 vorstellte, 269 den Esprit du système de guerre moderne 1803, Schombergs Strategie im Portugiesischen Krieg 1807, ein Traité de grande Tactique prussienne 1808. Und nicht weniger auffällig scheint, wenn ein Geschichtswerk zur römischen Dekadenz „aux derniers temps de la République“ gerade 1795 übertragen wurde. 270 Beschränken wir uns einstweilen auf einige kanonische Titel der Schönen Literatur. Welche politisch-ideologischen Auswirkungen hatten Wielands zwischen 1768 und 1799 mehrfach übersetzter Agathon und die Begegnungen seiner Titelfigur mit verschiedenen politischen Systemen, dem zur Despotie entarteten Absolutismus wie den Missständen der Republik? Wie kamen seine Abderiten an, der „umfassendste gesellschaftskritische Roman“ der Aufklärungszeit? Auf offene Ohren getroffen sein dürfte im Frankreich von 1802 Schillers Jeanne d’Arc und ihr Bemühen, die Zwietracht der Nation zu bezwingen, ihr siegreicher vaterländischer Befreiungskampf bis hin zum Opfertod. 271 Aufmerksamkeit weckte übrigens auch die Außensicht der östlichen Nachbarn auf die revolutionären Umbrüche. Nennen wir nur den Bericht Forsters über seinen Voyage philosophique von 1790 nach Frankreich, eine Übertragung von Meyers Fragmente aus Paris im IVten Jahr der französischen Republik oder von Kotzebues Lustspiel Le club des Jacobines. 272 Hochgeschwindigkeit und Erfolgsspuren Bezogen auf das Gesamt deutscher Autoren und Titel dürfen schon die absoluten Zahlen als stolze Erfolgsbilanz gelten, ganz wie der Vergleich mit Anteilen anderer Kulturen am Importvolumen. Die schon erwähnte 267 Detailliertes Eingehen auf diesen Problemkomplex und Einzelnachweise siehe F. Nies, Schöngeister und Brandstifter, in Landes- und Reichsgeschichte, hgg. von J. Engelbrecht/ St. Laux, Bielefeld 2004, S. 303-10. 268 Etwa Zschokke in der Fassung Briattes, Johann von Müller in Übertragungen Griffet de Labaumes und Mallets. 269 Archenholz in der Fassung Bocks. - Folgende Beispiele: Bülow in Fassung La Vernes, Hagner in Fassung von Dumouriez. 270 Meiners in Fassung Binets. 271 Beide in Übertragung von Cramer. 272 In Übertragungen von Pougens, Dumouriez, Mme Polier. <?page no="88"?> 82 Modeströmung von Pseudo-Übersetzungen fiktiver deutscher Originale im 18. Jahrhundert ist ein weiteres Indiz für generelle Wertschätzung überrheinischer Produkte. Als Maßstab für den Erfolg bestimmter Einzeltitel können Mehrfach-Übersetzungen dienen, eine dreistellige Zahl von Mehrfachauflagen für den von Einzelversionen. Zu einer Vielzahl solcher Auflagen brachte es die Imitatio Christi etwa in Fassungen von Beauzée und Brignon, oder Gessners La Mort d’Abel in Übertragung Hubers, Campes Nouveau Robinson von Arnex, dann Mme Lafites Mémoires de Mademoiselle de Sternheim der Sophie von La Roche, aber auch Barbeyracs Pufendorf-Übertragung, Gerberons Version von Widenfeld und manch anderer Titel. Doppel- und Dreifach-Übersetzungen waren nicht selten. Goethes Werther 273 oder Kotzebues Misanthropie et repentir brachten es auf mindestens vier, Gessners Mort d’Abel auf sechs Versionen. Nicht selten wurden innerhalb eines Jahres konkurrierende Fassungen desselben Titels auf den Markt geworfen. Wie schon im 16. und 17. Jh. der aus dem Lateinischen übertragenen Heures desrobées des Camerarius, 274 der République des Suisses von Simler, der Imitatio Christi, 275 so im späten 18. Jh. der Histoire de la guerre de sept ans von Archenholz, der Theaterstücke Le page von Engel oder Misanthropie et repentir von Kotzebue, der Lebenserinnerungen Friedrich von Trencks, des Agathon Wielands. Auch in weniger eklatanten Fällen ist, ähnlich wie bei anderen Sprachen, zeitliche Nähe zwischen den Erscheinungsjahren von Original und Übertragung ein Indikator der Beliebtheit deutscher Importe. Anders als noch im Übersetzungswesen des Grand Siècle stammten im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert rund 95 % aller aus Deutschland eingeführten Werke aus der jüngsten Vergangenheit. Als Kehrseite solch starken Aktualitätsdrangs schlug natürlich zu Buch, dass deutsches Geistesgut früherer Zeiten nur in Spurenelementen zum Zuge kam. Andererseits lag in vielen Dutzend Fällen schon vier, drei oder zwei Jahre nach Erscheinen der deutschen Fassung eine französische vor. Über hundertfünfzig Mal war diese noch im selben oder spätestens folgenden Jahr auf dem Markt - eine Schnelligkeit des Austauschs, auf die man aus heutiger Sicht neidisch werden könnte. Bei einer ganzen Reihe von Werken ließen sich übrigens solche Fälle prompter Einbürgerung, wie auch 273 Vgl. P. Grappin, Aspekte der Rezeption Werthers in Frankreich im 18. Jh., in: W. Müller-Seidel (Hg.), Historizität in Sprach- und Literaturwissenschaft, Stuttgart 1974, S. 411-421. 274 Übersetzungen von Goulart und Rosset 1610. - Folgender Titel: Übersetzungen von Gentillet und Goulart 1579. 275 Übersetzungen von Hobier und Chiflet 1644. <?page no="89"?> 83 bei anderen Sprachen, schon für frühere Zeiten belegen. 276 Eine Massierung unmittelbar übertragener Texte von politischer Aktualität hatte man beispielsweise während des Dreißigjährigen Kriegs feststellen können. Die eigentliche Blütezeit von Schnell-Übersetzungen allerdings brach mit dem Boom der 1780er Jahre an. Wenig überraschend scheint, wenn Dutzende jener sofort transferierten Werke von deutschen Experten mit persönlicher Frankreichpraxis stammten, etwa gleich viele durch Franzosen mit deutscher Landeskenntnis verfertigt wurden. Eine Reihe dieser Mittler, ich nenne nur Arnex und Formey, verantworteten gleich mehrere Titel von höchster Aktualitätsnähe. Wie manche genannten Beispiele andeuten, besaßen beste Chancen für schnelle Integration einerseits Beiträge zu Politik und Zeitgeschichte, andererseits Werke der Erzählliteratur. Doch auch Theaterstücke, Reiseberichte, theologische und religiöse oder allgemeinhistorische Titel, Schriften aus den Bereichen Erziehung, Medizin und Naturwissenschaften fanden sich unter den Blitz-Importen. Einmal mehr spiegelte sich der hohe Nachfragedruck des Marktes seit den 1760er Jahren darin, dass nicht wenige Übersetzer innerhalb Jahresfrist mehrere, teils mehrbändige Titel aus dem Deutschen übertrugen. So brachte es Madame de Montolieu einmal auf zehn, Griffet de Labaume auf sechs Bände pro Jahr. Eidous wurde von Grimm vorgeworfen „qu’il ne lui faut que quinze jours pour traduire un volume“. 277 Charles de Villers bat ausdrücklich um Nachsicht für stilistische Mängel in einem Fall besonders starken Termindrucks: Zur Herstellung einer Originalabschrift von fast 550 Seiten, ihre Übersetzung und deren Reinschrift sei insgesamt nicht mehr Zeit verfügbar gewesen als „les quatre mois de novembre, de décembre, janvier et février“. 278 Anpassungstechniken Auf den Titelblättern eines halben Hunderts von Deutschland-Importen aus dem belletristischen Bereich wurde Freiheit im Umgang mit dem Original, ähnlich wie bei vielen aus England stammenden Titeln, kurz und bündig als Qualitätsmerkmal gepriesen. Dazu trugen schon erwähnte Faktoren, wie eine überhitzte Konjunktur, gewiss ihren Anteil bei. Daneben trieb nun ein Anspruch, den kein früheres Zeitalter anzumelden gewagt hätte, das Selbstbewusstsein der französischen 276 Allein im 16. Jh. für Übersetzungen von Brant, Camerarius, Cochläus, Eisengrein, Erastus, Hutten, Lindanus, Paracelsus, Sleidanus, Toussain. 277 Nach A. F. & S. L. Kafker, The Encyclopedists as individuals: a biographical dictionary of the authors of the Encyclopédie, Oxford: Voltaire Foudation 1988, S. 128. 278 Vorwort der Übersetzung von Heerens Essai sur l’influence des croisades, Paris: Treuttel & Würtz 1808, S. XVII. <?page no="90"?> 84 Mittlerzunft auf einen unüberbietbaren Gipfelpunkt. Dafür mag Seigneux de Correvon stehen, wenn er 1772 anlässlich seiner Haller-Übersetzung betonte: Heureusement la langue française est devenue presque universelle, en sorte qu’un ouvrage rendu en français se trouve à l’usage de l’Europe entière, & pour ainsi dire de tous les hommes. Eine eigene Studie wert wäre jenes oft burschikose Umspringen mit den ursprünglichen Titeln, das nicht selten sogar eine Identifizierung des Originals unmöglich macht. Auf die Schlüsselfunktion des Titels, der das Interesse des anvisierten Sekundärpublikums wecken und fixieren soll, wird ein späteres Kapitel noch eingehen. Vorerst sollen wenige Beispiele genügen: Wie verschob sich die Lesereinstellung dadurch, dass Die Leiden des jungen Werthers im Vorgriff als passions oder délire de l’amour gebrandmarkt wurden oder Charlotte zur gleichrangigen Titelfigur avancierte? Dass man Schillers Räuber als voleurs verharmloste? Dass der Rätseltitel Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück pedantisch rühmend durch die Erklärung Les Amants généreux aufgelöst wurde? Doch je felsenfester der Glaube an konkurrenzlose Überlegenheit der heimischen Sprache und Kultur sowie - als Folge daraus - an weitgehende Autonomie beim Umgestalten wurde, desto mehr waren Übersetzer zum Spagat genötigt, wollten sie ihre Verdienste ins rechte Licht rücken. Einerseits mussten sie den Sonderrang ihres Autors oder Originalwerks, wenn nicht der gesamten deutschen Literatur betonen. In solcher Anpreisung waren sie hinreichend geübt, hatte doch die Werbung für gedruckte Importwaren, von Anbeginn bis zur Ära der Europe française, fast nur in ihren Händen gelegen. Andererseits zwang sie ihr Eigeninteresse, die Originale abzuwerten als Halbfertigprodukte mit starken Mängeln, die nach Veredelung riefen, sollten sie dem subtilen „goût général de la Nation Françoise“ 279 genügen. Für beides sind einmal mehr Vorreden und Widmungsschreiben der Epoche ein beredtes Zeugnis. Zum einen verkündeten sie „l’Allemagne a succédé à la gloire de l’Italie“ und rühmten, der Norden sei nun zur Heimstatt der Musen geworden. Sie bewerteten superlativisch die dort entdeckten „trésors“, deren „idées nouvelles“ und erhabenen Gedanken oder „vues élevées“. Sie priesen den fremden Autor als „le plus sublime“ unter einer „foule de bons écrivains & de grands poëtes“ seiner Nation, das Werk als einmalig, als bes- 279 Barbeau de la Bruyère 1757. - Zum Folgenden vgl. Paratexte von Vaslet 1723, Holbach 1752, Aubert de la Chesnaye des Bois 1754, Roman 1762, Bourgoing 1768-79, Maydieu 1781, Villers 1808 u. a. Vgl. auch eine ganze Reihe von Stellen bei C. Angelet/ J. Herman, Recueil de préfaces de romans (1999). <?page no="91"?> 85 tes seiner Gattung oder gar Muster eines „genre nouveau“. Zum andern tadelten sie Wiederholungen und die „prolixité“ des Originals, lächerliche „digressions“ und triviale „réflexions“, Gemeinplätze und „termes … bas & … révoltans“. Derart hoben sie die zivilisatorische Leistung ihrer nicht seltenen Streichorgien, Ergänzungen, Glättungen von Originalen ins Licht, die sie als ungeschliffene Edelsteine präsentierten. Stellvertretend für viele seiner Kollegen sei Maydieu zitiert. Er vermerkte selbstgefällig, eigentlich schulde der Autor ihm großen Dank dafür, sein Produkt befreit zu haben von „tous les vices qui défigurent l’original“. Und Madame Lafite behauptete gar, Wieland habe sie ausdrücklich gebeten, den Text eines Romans recht frei zu übersetzen „pour remédier aux défauts“. 280 Desiderate Vieles bleibt im Bereich der Deutschland-Importe zu tun. Eine Kette von Einzelbeobachtungen führt zu Arbeitshypothesen genereller Art, die in einem der Folgekapitel erneut aufgegriffen werden sollen. So war der Elsässer La Martellière, künftiger Übersetzer der Räuber, Schillers ehemaliger Schulkamerad. Meister erwähnte, Gessner habe ein Übersetzungsprojekt besprochen mit Pariser Freunden, und schließlich habe der Autor die Ausgabe selbst überwacht. 281 Büschings Übersetzer vermerkte im Vorspann, vom Verfasser seien ihm Korrekturen übermittelt worden, die dieser in der neusten Auflage des Originals angebracht habe. Ein schon erwähnter Verleger schließlich betonte, die französische Fassung sei unter Anleitung des Autors entstanden. 282 Wie häufig war schon damals, trotz aller zeittypischen Kommunikationsprobleme, solch persönlicher Kontakt oder gar die Zusammenarbeit zwischen Autor und Übersetzer, Autor und Verleger? Hier wäre wieder eine umfassende Auswertung aller Paratexte von hohem Wert. Denn sie erweisen sich als Auskunftsquelle nicht nur über das Selbstverständnis der Mittler, ihr Bild vom Originalautor und seinem Werk wie der deutschen Literatur und Wissenschaft, sondern über das gesamte literarische Feld ihrer Zeit. 283 Speziell für damalige Rezensenten als Multiplikatoren von 280 Widmungsbrief zu Sophie von La Roches Mémoires de Mademoiselle de Sternheim, S. XI. 281 Préface zu Contes moraux et nouvelles idylles de D…et Salomon Gessner (1773). 282 Bourgoing im Avertissement zur Géographie universelle (1768); Henrichs im Vorspann von Meyers Voyage en Italie in Übersetzung Vanderbourgs (1801). 283 Das Verdienst einer ersten kommentierten Sammlung ausgewählter Passagen gebührt W. Graeber [Anm. 163]. Leider bleibt der Autor stark auf die Tradition der Belles Infidèles fixiert, sein Interesse bei Auswahl und Kommentar gilt Äußerungen zum Gegensatz von Originaltreue oder Freiheit der Übertragung, wodurch andere Gesichtspunkte übersetzerischer Argumentation zu kurz kommen. Zudem lässt die zeitliche <?page no="92"?> 86 Informationen hatten sie offenbar hohen Stellenwert. 284 Weitere Fragen: Welche Übersetzungen wurden in weniger bekannten Zeitschriften als dem gern beackerten Mercure veröffentlicht? Wo dienten lateinische Fassungen als Bindeglied zwischen deutschem Original und französischer Version? Wo war das Deutsche Zwischenetappe für Originalwerke aus skandinavischen und anderen Sprachen? 285 Systematisch zu erkunden bleiben sich abzeichnende Vernetzungen zwischen manchen Datenkategorien, die ebenfalls in einem der folgenden Kapitel thematisiert werden sollen. Begnügen wir uns vorerst mit wenigen Beispielen: Welche Affinitäten sind nachweisbar zwischen Stand, Beruf, Konfession, Ordenszugehörigkeit der Autoren einerseits, ihrer Übersetzer andererseits sowie der Thematik von diesen übertragener Werke? Wie oft bestand räumliche Nähe zwischen Aufenthaltsort von Autor und Übersetzer? Allein für die französische Provinz und den außerfranzösischen Raum springt ein solcher Konnex schon jetzt in über hundert Fällen ins Auge. Wie oft fielen Wohnort des Autors oder Übersetzers und Verlagsort zusammen? Freizulegen wäre schließlich eine erste Tiefenschicht der Rezeption: Wer waren die Käufer - und damit potentiellen Leser - aus dem Deutschen übertragener Werke? Anhaltspunkte hierfür geben Wappenprägungen der Aristokratie auf erhaltenen Exemplaren 286 oder Ex-libris, vor allem aber, wie schon erwähnt, nach Hunderten zählende Nachlass-Inventare und Verkaufskataloge damaliger Privatbibliotheken. 4.1.3. Abgeschlagen: Italien Die mächtige, weit über jene Epoche hinausreichende Ausstrahlung italienischer Renaissance-Literatur auf Frankreich muss nicht in Erinnerung gerufen werden. War sie doch so stark, dass nicht nur eine Fülle von Einzelwerken, sondern sogar eine stattliche Serie poetischer For- Eingrenzung manches Langzeitphänomen zu Unrecht als epochentypisch erscheinen. So gab es Widmungsepisteln „an hochgestellte Persönlichkeiten“ (S. 13) natürlich schon seit dem Mittelalter. Fast ein halbes Hundert Vorreden vorgeblicher oder echter Übersetzungen enthält neuerdings C. Angelet/ J. Herman, Recueil de préfaces de romans. 284 Vgl. dazu W. Graeber [Anm. 163], S. 14. 285 Holbach, Eidous, Rousselot de Surgy z. B. übertrugen nach deutschen Zwischenfassungen schwedischer und dänischer Originale (von Walerius, Hasselquist, Kalm, Horrebow). Deutsche Traductions-Relais dienten auch zur Einbürgerung russischer und englischer Originale. 286 So enthalten die Bestände der Pariser Nationalbibliothek ein reichliches Halbdutzend von Übertragungen vorwiegend belletristischer Werke der 1780er Jahre mit Wappen Marie Antoinettes, aber auch Besitzvermerke anderer Aristokraten. <?page no="93"?> 87 men und Genres aus der Apenninen-Halbinsel importiert wurde. 287 Doch im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts verblasste, wie schon angedeutet, die Aura italienischer Literatur zusehends. Versuchen wir dessen ungeachtet genauer zu bestimmen, was wann von wem ins Französische übertragen wurde in einer Ära, deren Lesepublikum im Westen der Alpen italienische Originale nur noch selten direkt zugänglich gewesen ein dürften. Vergleiche mit den Übersetzungen aus dem Deutschen sollen mitunter dazu dienen, einige Phänomene schärfer zu konturieren. 288 Die Materialbasis für quantifizierende Annäherungen lässt sich einmal mehr gewinnen über Einträge der bibliographischen Epochen- Kompilation von Alexandre Cioranescu. Das Italienische, im Grand Siècle noch häufigste nachantike Ausgangssprache für Übertragungen ins Französische, fiel wie erinnerlich im Verlauf des 18. Jahrhunderts zurück auf Rang drei der lebenden Sprachen, nach Englisch und Deutsch. Weniger atypisch als beim letzteren verhält sich die Frequenzkurve beim Italienischen, die weitgehend der Gesamtkurve aller Übersetzungen parallel läuft. Insgesamt ist bis 1819 die Summe von rund dreihundert Übersetzungen aus dem Italienischen erfasst - eine noch akzeptable Basis also für einige Analysen. Genres, Autoren und Werke Fragen wir zunächst nach der Epochenherkunft übersetzter Originalwerke. Rund 30 % von ihnen stammten aus jener Renaissance, deren Aura anscheinend - Boileau und Bouhours zum Trotz - noch immer beträchtlich blieb. Mit Abstand meistübersetzter Autor war (ähnlich wie schon im Grand Siècle) Tasso mit 21 Übertragungen, gefolgt von Ariost. Unermüdlich versuchten französische Übersetzer noch immer, eine größtmögliche Annäherung an die Hauptwerke als modellhaft geltender Spitzenautoren der italienischen Blütezeit zu erreichen und frühere Versuche zu überbieten. Ein weiteres Achtel der Übertragungen galt Werken des Seicento. Weit über die Hälfte aller französischen Fassungen war allerdings, einmal mehr, bereits Werken des eigenen Jahrhunderts gewidmet. Goldonis Stücke etwa kamen auf vierzehn Übersetzungen, Metastasio und Algarotti auf je sieben. War so ein steigendes Interesse an relativ gegenwartsnaher Literatur unübersehbar, blieb doch der extreme Aktualismus aus, der für Übertragungen damaliger deut- 287 Nennen wir baiser, barzelotte, caprice, idylle, macaronée, nouvelle, passemese, pasquil, pasquin, pavane, sestine, sonnet, strambot, (vers) tiercets (siehe dazu Nies, A la façon italienne. In W. Hirdt/ R. Klesczewski (Hg.): Italia viva, Tübingen 1983, S. 303-15). 288 Eine Reihe von Einzelnachweisen zu diesem (allerdings ergänzten und aktualisierten) Kapitel siehe F. Nies, Versuch am untauglichen Objekt? In A. Bandau u. a. (Hg.), Korrespondenzen, Tübingen 2000. <?page no="94"?> 88 scher Literatur typisch war. Innerhalb von fünf Jahren nach den italienischen Originalausgaben erschien nur ein Fünftel der französischen Versionen. Die reichliche Hälfte übersetzter Titel hatte dagegen eine Wartezeit von mehr als zwanzig Jahren zu gewärtigen, bevor sie auf dem Buchmarkt der Nachbarnation eine Chance bekam. Nennen wir einige der seltenen Ausnahmen, die überwiegend nicht zur Schönen Literatur, sondern ins Feld der Sachprosa gehörten. Schon im Folgejahr war eine französische Version greifbar etwa von Metastasios Achille in Sciro (1736), von Algarottis Il Neutonianismo per le dame (1737), von Boswells Etat de la Corse (1768), Beccarias Ricerche intorno alla natura dello stile (1770), von Galluzzis Istoria del Granducato di Toscana (1781), Compagnonis Veglie di Torquato Tasso (1803) oder Montis Il Bardo della Selva Nera (1806). Wie schon angedeutet, fanden die (im engeren Wortsinn) literarischen Genres ungleiche Beachtung. Nach dem zur Renaissance und ihren Spitzenautoren Gesagten ist kaum verwunderlich, dass auch über jene Blütezeit hinaus das Epos und nicht für das Theater bestimmte Versdichtung, mit fünf Dutzend Titeln, den Spitzenrang einnahmen. Unmittelbar danach folgten bereits Stücke des Sprech- und Musiktheaters (denen somit größeres Gewicht zukam als bei Importen aus dem Deutschen). Allein Tassos Aminta wurde siebenmal neu übertragen, Goldonis Servitore di due padroni reizte in ein und demselben Jahr zwei verschiedene Übersetzer und Verleger. Geringe Beachtung fanden dagegen, verglichen mit Importen aus dem deutschen Raum, Romane der Apenninenhalbinsel. Galt es doch laut Paulmy als Gemeinplatz, die italienische „mollesse des moeurs“ bedinge eine geringe Eignung für die narrative Großform. 289 Doch auch die (durch Paulmy höher bewertete) narrative Kurzprosa kam selten zum Zuge. Sprachliche Einbürgerung italienischer Werke beschränkte sich indes keineswegs auf die Domäne der Belles Lettres. Fast ebenso bedeutend war, wie sich bereits bei anderen Herkunftskulturen abzeichnete, mit einem reichlichen Hundert von Titeln der Import aus verschiedensten Disziplinen etablierter oder neu entstehender Wissenschaften. Beinahe drei Dutzend Titel stammten allein aus diversen Gebieten der Historiographie und Memorialistik oder waren der Biographie bedeutender weltlicher wie religiös vorbildlicher Persönlichkeiten gewidmet. Übertragen wurden Berichte von Reisen insbesondere durch Regionen Italiens und der Mittelmeerstaaten, Länderbeschreibungen, theologische und philosophische Traktate, Reflexionen über Literatur und Stil, Abhandlungen über Rechtsfragen und Staats- 289 Nach R. Poirier, La Bibliothèque universelle des romans, Genève 1976, S. 39. <?page no="95"?> 89 kunst, über Wirtschaft, Geld und die schönen Künste, über medizinische, biologische und physikalische Probleme oder Mikroskopie. Verleger und Übersetzer Beginnen wir mit einem Panorama des „italophilen“ Verlagswesens. Wieder trügt die Vermutung, manche Verlage hätten sich auf Übersetzungen aus einer Herkunftssprache spezialisiert. Allein von den Pariser Verlegern war weit über ein halbes Hundert an der Diffusion von Titeln italienischen Ursprungs beteiligt. Doch nur in wenigen Ausnahmefällen lässt sich die Publikation von zwei oder mehr dieser Titel beim selben Verlag nachweisen. Provinzverleger spielten wieder gegenüber Paris keine nennenswerte Rolle. Zu erwähnen wären lediglich acht Titel, die an Verlagsorten des französischen Südens erschienen, sowie zwei Titel in Dieppe und Rouen. Geographische Nähe von Verlagen zum Herkunftsland war also unerheblich. Rund achtzig aus dem Italienischen übertragene Werke dagegen, also fast ein Drittel des Gesamtkorpus, wurden jenseits der französischen Staatsgrenzen publiziert. Auch bei ihnen war allerdings geographische Nähe zu Italien kein gewichtiger Faktor. Die mit Abstand meisten Titel erschienen in den Niederlanden, ein Dutzend in London, weitere in Deutschland. Die Schweiz brachte es nur auf ein Dutzend von Werken, ähnlich wie diverse Verleger italienischer Städte, die dabei überwiegend mit Pariser Kollegen kooperierten. Angesichts solch beträchtlicher Anteile des außerfranzösischen Verlagswesens (sie waren wieder weit größer als bei Übertragungen aus den alten Sprachen) erscheint es kaum verwunderlich, wenn einmal mehr Exemplare dieser Übersetzungen nicht selten in der Pariser Nationalbibliothek fehlen. Ergänzend sei vermerkt, dass die Gesamtheit außerhalb Frankreichs publizierter Titel hinsichtlich der Genres und Themen ein diffuses Bild bietet - im Unterschied zu Übertragungen aus dem Deutschen (unter denen etwa theologische Kontroversliteratur des hugenottischen Exils eine augenfällige Rolle spielte). Kommen wir zu den Übersetzern: Unter ihnen begegnen uns wieder die Namen einiger der namhaftesten Literaten und Persönlichkeiten ihrer Zeit: Voltaire und Jean-Jacques Rousseau, Le Sage und La Harpe, Rivarol und Mirabeau. Doch über das Gesamt der Zunft von Italienisch-Übersetzern ist, wie schon gewohnt, weniger in Erfahrung zu bringen. Rund 175 von ihnen sind zwar namentlich bekannt. Doch von zwei Dutzend kennen wir wieder einzig den Namen, von manchen nicht einmal den Vornamen, und in gängigen biographischen Handbüchern haben sie keine Spur hinterlassen. Aus diesem Grund bedeuten, wie so oft, sozio-biographische Gruppierungen nur grobe Annäherungswerte. <?page no="96"?> 90 Hinsichtlich des Lebensalters zeichnen sich (soweit Geburtsdaten erschließbar waren), ungeachtet einer erstaunlichen Bandbreite, recht eindeutige Schwerpunkte ab. Thorel de Campigneulles zwar als Jüngster war bei Erscheinen seiner Übersetzung ganze 13 Jahre alt, und J.-B. Labat zählte zum gleichen Zeitpunkt stolze 99 Jahre. Doch die meisten Texte - rund fünf Dutzend - wurden publiziert, als deren Übersetzer zur nun vertrauten Altersgruppe der Vierzigbis Neunundvierzigjährigen gehörten. Die zweitgrößte Titelgruppe verantworteten Übersetzer in den Dreißigern, die drittgrößte solche in den Fünfzigern. Jungübersetzer in den Zwanzigern waren noch seltener als (dort der Alterspyramide entsprechend) solche in den Sechzigern und Siebzigern. Anders gesagt: Übersetzen auch aus dem Italienischen galt als Geschäft gestandener und erfahrener Männer der Lebensmitte. Denn Übersetzungen aus weiblicher Feder begegnen uns ungemein selten - weit seltener als bei Übertragungen aus dem Deutschen. Beim übersetzerisch dominanten Geschlecht ist, verglichen mit Deutschland-Importen, eine recht geringe Beteiligung zu registrieren unter Angehörigen der Aristokratie. Auffällig hoch war dagegen der Anteil von Klerikern, der Weltwie Ordensgeistlichen, mit über einem halben Hundert Titel überwiegend religiöser, aber auch weltlicher Thematik. Für die immer noch stattliche Anzahl von drei Dutzend Werken unterschiedlichster Art zeichneten Advokaten und andere Juristen verantwortlich. Mit rund dreißig Titeln folgten Vertreter diverser Lehr- und Erziehungsberufe, danach Offiziere, Diplomaten und Politiker, Sekretäre sowie Angehörige verschiedener Milieus und Metiers, bis hin zum königlichen Finanzbeamten, zum Bibliothekar, Drucker, Buchhändler und Verleger, zum General- Postmeister, Reeder oder Seemann. Wie schon gewohnt, aber gerade hier doch überraschend gering war der Beitrag von Theaterleuten zur Einbürgerung der so zahlreichen italienischen Theaterstücke. Starke Aktivität dagegen entwickelten wieder die Mitglieder von Akademien und gelehrten Gesellschaften, denen wir fünf Dutzend Übertragungen verdanken. Unter ihnen taten sich vor allem Vertreter französischer Provinz-Akademien hervor. Andere gehörten italienischen oder deutschen Akademien oder dem „Institut“ an; eine stattliche Reihe zählte zum erlauchten, auf die legendären vierzig „Unsterblichen“ begrenzten Kreis der Académie française: Jacques Adam, Andrieux, Baour-Lormian, Chastellux, La Harpe, Mirabaud, Morellet, Tressan, Vicq d’Azyr, Voltaire und Watelet. Dass unter den Kandidaten und Auserwählten solch stolzer Korporationen der République des Lettres das Übersetzen - auch aus lebenden Sprachen - als seriöse und ehrenvolle Tätigkeit galt, ist uns inzwischen vertraut. Manche Übersetzer verfügten als gebürtige Italiener über eine hohe Kompetenz in der Ausgangssprache, einige andere hatten längere Ita- <?page no="97"?> 91 lienaufenthalte hinter sich. Doch solch intensive Kontakte mit Sprache und Lebenswelt des Herkunftslandes der Texte blieben, verglichen mit Übersetzern aus dem Deutschen, eher selten. Offenbar trauten sich viele ein spontanes Verständnis der verwandten romanischen Nachbarsprache eher zu als das des weit fremder empfundenen deutschen Idioms. Auch in sonstiger Hinsicht dürfte die Professionalität - wieder im Vergleich zu Vermittlern der östlichen Nachbarliteratur - als eher gering anzusetzen gewesen sein: Über die Hälfte aller Titel wurde durch Leute verantwortet, von denen keine weitere Übertragung bekannt ist, und im Durchschnitt entfielen so auf einen Übersetzer nur 1,4 Werke. Einzig J.-Cl. Pingeron brachte es - über gut zwei Jahrzehnte verteilt - auf acht Titel, Barrère de Vieuzac und Moline hatten schließlich je sechs auf ihrem Konto. Nur von Barrère de Vieuzac, Framery und Voltaire wurden innerhalb desselben Jahres zwei Übertragungen aus dem Italienischen publiziert. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass mindestens zwanzig Übersetzer Texte aus einer, zwei oder gar drei weiteren Sprachen übertrugen - vor allem aus dem Englischen und Lateinischen, aber auch dem Griechischen, dem Deutschen, dem Spanischen und Niederländischen. Generell lässt sich sagen, dass Übersetzen aus dem Italienischen in hohem Maße eine Tätigkeit von Dilettanten war, die offenbar unter geringem Zeitdruck arbeiteten. Nur in Ausnahmefällen der zweiten Jahrhunderthälfte taten sich zwei von ihnen zur Arbeit am selben Text zusammen (bei sechs Werken in gebundener Sprache und einer weit gespannten historischen Monographie von neun Bänden). Außerfranzösische Verlagssorte erklären sich nur vereinzelt dadurch, dass sie zum unmittelbaren Lebensraum des jeweiligen Übersetzers gehörten. Zur Präsentation der Importe In über fünf Dutzend Fällen, also einem nicht unwesentlichen Teil des Gesamtkorpus, fehlte der Übersetzername auf dem Titelblatt oder war nur durch Initialen angedeutet. Der schon mehrfach aufgetauchte Verdacht, darin spiegele sich Geringschätzung des übersetzerischen Beitrags gegenüber dem Anteil des Originalautors, erweist sich wieder als falsch. Denn etwa gleich oft blieben auch Autoren der Originalversion unerwähnt. Dies war vor allem dann der Fall, wenn diese in Frankreich noch nicht jenen hohen Bekanntheitsgrad erreicht hatten, der für eine Reihe von Spitzenautoren der Renaissance seit langem selbstverständlich und auch für einzelne Literaten des eigenen Jahrhunderts schon vorauszusetzen war (wie etwa für Metastasio ab den vierziger, für Goldoni ab den fünfziger Jahren). Der gängige Verzicht auf Nennung von Autor wie Übersetzer mochte also primär in der Überzeugung von Verlegern gründen, solchen Namen wohne gerade bei Importware we- <?page no="98"?> 92 nig Aussage- und Werbekraft inne, der primäre Anreiz für potentielle Käufer gehe vielmehr vom Buchtitel aus und dem pauschalen Hinweis auf italienische Herkunft. Zu Werbezwecken wurde der Titel wieder öfters abgeändert oder durch erläuternde Elemente und Reizwörter angereichert, die mit Blick auf den französischen Interessentenkreis wünschbar schienen. Einer genaueren Analyse auch dieses Titelmaterials und Kategorisierung von Retuschen soll, wie erwähnt, ein eigener Abschnitt gewidmet werden. Vorerst mögen einige Beispiele aus dem Bereich der Schönen Literatur genügen. Der Titel von Tansillos Versdichtung Il Vendemmiatore wurde erweitert zu Le Jardin d’Amour, ou le Vendangeur. Chiaris Roman La commediante in fortuna fand sich wieder mit dem Etikett Le terne de la loterie; der filosofessa italiana als Hauptfigur eines weiteren Romans desselben Autors wurde der Vorname Adrienne verpasst. Auch Titel von Goldoni-Komödien erlebten solche Metamorphosen: L’osteria della pasta etwa wurde zur Hôtellerie de Sarzano, L’Avvocato veneziano gar zu Le triomphe de la probité. Gut zwei Dutzend Titel aus der Sphäre der Schönen Literatur (vor allem des Epos und des Theaters) kündigten ausdrücklich die inzwischen schon erwartbare „traduction libre“ an oder, was fast gleichbedeutend war, die „imitation“ meist namhafter italienischer Autoren - eine als Veredelung verstandene selbständige Nachgestaltung also. Doch nicht nur solche Titelvokabeln unterstrichen im Zeitalter der „belles infidèles“ das Recht, ja die Pflicht, Einfuhren weitgehend den Erwartungen und Gewohnheiten des aufnehmenden Kulturkreises anzupassen. Paratexte (Vorreden, Nachworte, Kommentare) würden in dieser Hinsicht einmal mehr breit angelegte Sichtung verdienen. In diesem Kapitel sollen wieder wenige Beispiele genügen. Duperrier-Dumouriez etwa betonte im Vorspann seiner Forteguerri- Adaption Richardet, poème dans le genre burlesque (1764) voller Stolz: „je n’ai pas plus ménagé l’Auteur Italien que je ne m’épargnois moimême.“ Sei jener doch ein „génie abondant & facile, mais peu correct“. Der Übersetzer habe daher notgedrungen „élagué, changé, ajouté ..., pour donner … le ton convenable à la langue dans laquelle je voulois le présenter“. Er habe das Epos von fünfzehn auf sechs Gesänge verkürzt, „achevé des parties ébauchées, étendu les idées du compositeur, effacé des groupes entiers“. Die Notwendigkeit all dieser Änderungen rechtfertigte er ausdrücklich mit tiefgehenden Unterschieden des Nationalgeschmacks: J’ai été forcé à en user ainsi, ou à abandonner tout-à-fait le dessein de faire connoître en France ce qui se trouve d’agréable dans le Poëme Italien ... Les plaisanteries Ultramontaines sont si différentes des nôtres ... Les entraves de la décence que le goût François exige, s’accordent si peu avec l’extrême licence qui semble moins indécente aux Italiens par l’usage continué parmi eux de suivre dans leur libre naïveté les traces des Latins. <?page no="99"?> 93 Jenseits von Kernbereichen Schöner Literatur allerdings, in denen ungeniert ästhetische Traditionen der eigenen Nation dominant gesetzt wurden, tauchte mehrfach der übersetzerische Anspruch hoher Originaltreue auf, wie man ihn schon bei England-Importen beobachten konnte. Über seine Fassung von Spallanzanis Opuscules de physique animale et végétale (1787) sagte Senebier: „J’ai cherché à rendre ma Traduction aussi fidelle qu’il m’a été possible; la fidélité est le seul mérite qu’elle puisse avoir.“ Harel warf in der Vorrede seiner Vie de Benoît-Joseph Labre (1784) wortreich einer früheren Übertragung vor, sie sei im Unterschied zu seiner eigenen rien moins que littérale. Les réflexions qui se trouvent en grand nombre au commencement de chaque Chapitre, & dans le cours de l’Ouvrage, appartiennent, non à l’Auteur, mais au Traducteur. L’un n’a fait que fournir à l’autre des matériaux: la main qui les a mis en oeuvre ne ressemble en rien à celle qui les a préparés. L’Ouvrage François n’est donc point l’Ouvrage Italien ... la Vie qu’on a donné sous le nom de traduction peut bien être faite avec élégance; mais ... cet Ouvrage n’est pas une copie fidèle de l’original. Natürlich galten Rechtfertigungsstrategien von Übersetzern nicht allein der Arbeitsweise. Wie bei Importen aus anderen führenden Sprachen rühmten sie die Wertschätzung des ausgewählten Werkes im Herkunftsland oder dessen Sonderrang in bestimmten Wissensbereichen. Dumouriez betonte so etwa, das Epos Richardet erfreue sich in Italien „de la plus grande célébrité“, und Senebier wies darauf hin, dass der Apenninen-Halbinsel (zusammen mit Holland) der Ruhm gebühre, jene „Télescopes & Microscopes“ erfunden zu haben, denen sich die Forschungen seines Autors Spallanzani verdankten. Diese Beispiele mögen hinreichen, um zweierlei zu verdeutlichen. Zum einen war es offenbar, auch bei Italien-Importen, weniger Aufgabe des Verlegers als des Übersetzers, Reklame zu machen für exotische Angebote bei einem Publikum, das seiner Grundhaltung nach, angesichts der europäischen Dominanz französischer Geistesprodukte, auf sie nicht angewiesen schien. Zum andern wurde ein Phänomen augenfällig, das ähnlich schon bei Deutschland-Importen zu beobachten war: Die Übersetzer putzten den neu gefassten Text gern stark heraus, stutzten ihm Haar und Nägel, schneiderten ihm ein „elegantes“ Kostüm à la française - ja sie veränderten ihn nicht nur äußerlich, sondern manchmal in seinem Wesenskern. Daraus folgt, dass der gängige Terminus „Literaturtransfer“ nur begrenzt geeignet scheint, das Resultat solcher Metamorphosen abzudecken. Weckt er doch Vorstellungen rein räumlicher Verlagerung von Objekten, die beim Transport in einen anderen Kulturraum unverändert bleiben. Angemessener scheint für derartige Versuche der Vereinnahmung von Fremdem vielmehr der Ausdruck Assimilation. <?page no="100"?> 94 Es hat sich gezeigt, dass Übersetzungen aus dem Italienischen, selbst im kulturell tonangebenden Frankreich des Siècle des Lumières, noch bei weitem nicht zur Bedeutungslosigkeit schrumpften. Kein Zufall war es so, wenn Voltaire, Marie-Joseph Chénier und andere eigene Werke als Übersetzung aus dem Italienischen ausgaben. Ungeachtet des ironischen Augenzwinkerns beim Vorführen solcher Taschenspielertricks (wie sie noch häufiger mit anderen vorgeblichen Herkunftskulturen praktiziert wurden) scheint hier das hergebrachte Ansehen durch, welches Buchimporte aus Italien in der französischen Öffentlichkeit nach wie vor genossen. Auf Übersetzungen hin systematisch auszuwerten wären natürlich, gerade bei Italien als Ursprungsland, nicht nur Bücherverzeichnisse, sondern auch Periodika der zweiten Jahrhunderthälfte - und zwar auf jene poetischen Kurzformen und Prosaerzählungen hin, die in Frankreich lange als italienische Spezialität galten, die aber das grobmaschige Netz von Bibliographien nur selten erfasst. 4.2. Im Gegenzug: Export in den deutschen Raum (1700-1760) Als schlagendes Argument für flächendeckende Einführung von Global English dient heutzutage oft der Gemeinplatz, Europa habe schon in früherer Zeit im Glückszustand grenzenloser Sprachgemeinschaft gelebt und mühelos kommuniziert. 290 Nur sei zur Zeit der Aufklärung die Verkehrssprache eben Französisch (wie zuvor Lateinisch) gewesen. Das scheint durch viele Belege erhärtet. Lange vor der legendären Preisschrift Rivarols 291 priesen manche seiner Landsleute die „Universalität“ des Französischen. 292 Und man schämt sich fast des leisen Argwohns, jene stolze Verkündung des sprachlichen Primats in Europa könnte nicht völlig deckungsgleich mit der sozialen Wirklichkeit gewesen sein. Es gilt als Gemeinplatz, dass Schreiben und Parlieren im Nachbaridiom gewiss nicht abzutun ist als krankhafter Tick einzelner Frankreichfans aus höfischem Milieu. Wie heutzutage manch deutscher Wissenschaftler in Globalesisch lehrt und publiziert, äußerten sich damals manche seiner gelehrten Vorfahren in Wort und Schrift auf Französisch. 293 Pastoren deutscher Muttersprache in Basel wie Berlin predigten 290 Siehe dazu etwa R. Tgahrt, Weltliteratur, S. 211. 291 Discours sur l’universalité de la langue française, 1782. 292 So etwa Beausobre 1726. Cf. auch Boulenger de Rivery 1754 oder Seigneux de Correvon 1772. Vgl. schon 1717 „la Françoise … est comme la Langue de communication entre toutes les Nations de l’Europe“ (zit. bei G. Roche, Traductions-relais, S. 53). 293 Etwa Leibniz, Formey, der Mediziner Heister oder Johann Bernhard Merian. <?page no="101"?> 95 französisch, 294 und gleich dem Preußenkönig Friedrich II. verfassten Hofleute und Diplomaten 295 Bücher in der Sprache ihrer westlichen Nachbarkultur. So scheint es verwunderlich, dass ich dieses Kapitel ausgerechnet Übertragungen ins Deutsche in den sechs ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts widme. Laufe ich damit nicht erneut Gefahr, ein karges Feld zu beackern? Hatten Verdeutschungen damals noch eine nennenswerte Funktion? Machte doch augenscheinlich die paneuropäische Verkehrssprache alles, was jenseits des eigenen Sprachraums erschien, jedem Gebildeten verfügbar. Zweifel an aktiver Beherrschung des vorgeblichen Allerwelts-Instruments weckte indes, noch zur Jahrhundertmitte, der preußische Hofmann Bielfeld - ein Bewunderer seines frankophilen Herrschers, zu dessen engstem Kreis er gehörte. 296 Und nicht von ungefähr äußerte Bielfeld seine Skepsis in Sachen Fremdsprachenkenntnis, um ein eigenes Übersetzungsprojekt zu begründen. Lehrreich selbst im Hinblick auf passive Sprachbeherrschung im höfischen Milieu ist eine Passage, in der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth ein Gespräch mit Maria Theresia wiedergab: Die Kaiserin habe sie ersucht, „Deutsch mit ihr zu reden“, da sie Französisch „nicht gut“ verstehe. Auch wenn die Markgräfin protokollarische Hintergründe dieser Bitte argwöhnte, muss doch die Begründung der Monarchin zumindest glaubhaft gewirkt haben. 297 Wie kommt es nun, dass im Umfeld der Markgräfin und ihres Bruders Friedrich mehr als drei Dutzend Übersetzer auftauchten? Nennen wir nur Peter von Stüven, den Verdeutscher Corneilles und Racines. Er wurde durch Bielfeld in Berlin dem Markgrafen von Bayreuth vorgestellt, der ihn an seinen eigenen Hof mitnahm und ihm dort eine Vertrauensstelle übertrug. Wie ist zu erklären, dass wir im gleichen Umfeld auf Autoren treffen, die in einer der beiden Sprachen publizierten, aber dann umgehend in die andere übertragen wurden, von Wilhelmines Erzieher Veyssière de La Croze bis hin zu Voltaire? Waren sie alle, im Bannkreis des frankreichbegeisterten Geschwisterpaars, nicht überflüssige Wechselblütler? Oder legen sie die Vermutung nahe, diesseits des Rheins sei für den Konsum von Lesestoffen in der einen oder andern Sprache nicht immer der Gegensatz perfekte Beherrschung bzw. totale Unkenntnis bestimmend gewesen? Gab den Ausschlag vielleicht eher 294 Etwa Sack, Werenfels. 295 Etwa Pöllnitz, Hertzberg. 296 Bielfeld figuriert etwa auf dem bekannten Gemälde „Flötenkonzert in Sanssouci“. Er schreibt: „rarement un Allemand possède-t-il assez bien le français, pour qu’il soit en état de rendre en cette langue toute la force & toutes les beautés de nos ouvrages allemands“ (Progrès des Allemands 1752, Réflexions générales). 297 Memoiren hg. von G. Berger, S. 342. <?page no="102"?> 96 der Geläufigkeitsgrad im jeweiligen Idiom und die Bequemlichkeit seiner Handhabung? Füllten folglich Verdeutschungen französischer Titel wenigstens Nischen des damaligen Buchmarkts? Oder trifft es zu, dass Deutschland „noch lange nicht“ über „eine nationale Übersetzungskultur“ verfügte? 298 Verblüffend wirkt die stattliche Zahl von Werken, der man sich beim Versuch einer Antwort auf diese Fragen gegenübersieht. Trotz ausgedehnter bibliographischer Grauzonen ergibt sich für die erfassten Jahrzehnte fast ein Tausend Titel von über 430 Autoren. Dazu kamen noch rund dreihundert - somit deutlich billigere - Nach- und Raubdrucke. Multipliziert man die Gesamtsumme mit der mittleren Stückzahl damaliger Auflagen 299 und dem geschätzten Durchschnittswert an Lesern pro Exemplar, kommt man auf eine potentielle Leserschaft jener Verdeutschungen von annähernd 20 Millionen. 300 Was dieses Volumen besagt für eine Epoche geringer Bevölkerungsdichte, in der sich zudem Lesefähigkeit und Zugang zum Buch auf eine schmale Elite beschränkte, muss nicht betont werden. Es lohnt also durchaus, die verblüffende Flut von Übersetzungen ins Deutsche genauer unter die Lupe zu nehmen. Ein Anfangsverdacht liegt nahe: Jene Flut sei schnell verebbt aus zweifachem Grund. Zum einen hätten sich wohl Französischkenntnisse rasant verbreitet. Zum andern hätten viele kriegerische Konflikte Frankreichs mit Großmächten des deutschen Raums den Literaturaustausch zeitweise behindert. Doch das Gegenteil trifft zu: Ein ständiger Anstieg der Übersetzungszahl springt geradezu ins Auge, denn fast zwei Drittel aller Übertragungen stammten aus den 1740er und 1750er Jahren. Daraus folgen zwei Hypothesen: Verbreitete Kenntnisse einer Leitsprache erhöhten das Interesse an deren Produkten auch bei jenen, die sie nicht im Original lesen konnten oder wollten. 301 Hypothese Nummer zwei hatte sich schon bei englischen und deutschen Importen nach Frankreich aufgedrängt: Kriegshändel der Herrschenden - hier der Spanische, Polnische, Österreichische Erbfolgestreit, der Siebenjährige Krieg - unterbrachen nicht notwendig den Austausch von Druckerzeugnissen zwischen den beteiligten Völkern, sie schienen vielmehr das Augenmerk ihrer Eliten verstärkt auf die Nachbarkultur zu lenken. 298 So J. v. Stackelberg in W. Graeber/ G. Roche 1988, S. 19. 299 Sie lagen zwischen 500 und 3000 Exemplaren (nach R. Chartier/ H.-J. Martin), ausgegangen wird von ca. zehn Lesern pro Exemplar. 300 Zu berücksichtigen ist natürlich, dass nicht alle Auflagen restlos verkauft wurden. 301 Diese Vermutung wird übrigens gestützt durch den erdrückenden Anteil anglophoner Originale am Übersetzungsvolumen unserer Tage. <?page no="103"?> 97 Zielgruppen Wer waren die Adressaten der Verdeutschungen? Ausdrücklich benannt wurden sie eher selten, auf zwei Dutzend Titelblättern. Auffällig wirkt dabei der katholische Bevölkerungsteil als Hauptzielgruppe. Von den Generationen wurde mehrfach die Jugend anvisiert. 302 Unter den Erwachsenen waren es Personen „aller Stände“ und „beiderlei Geschlechts“, „hoch- und niedrig geist. und weltliche“. Solch aufdringliches Ködern möglichst breiter Leserschichten wurde in anderen Fällen genauer fokussiert: Umworben sahen sich speziell „Standespersonen“. 303 Das mag insofern überraschen, als Adlige keineswegs pauschal zu Liebhabern französischer Originale deklariert wurden. Hinzu kamen im katholischen Raum „Ordens-Personen“, „Prediger und Seelsorger“, „Pfarr-Herrn“ und „Novitzen-Meister“. 304 Doch auch der „Preußische Offizier“ oder die „Künstler, Werk- und Baumeister“ galten als bevorzugte Nutzer verdeutschter französischer Texte. 305 Wie weit sich jene Verlegerwünsche erfüllten, bliebe einmal mehr zu prüfen durch Auswertung bereits wiederholt erwähnter Quellen. 306 Übersetzertypen Ungleich leichter lösbar scheint das Problem, wer die Übersetzer verdeutschter Werke waren. Ist doch zu hoffen, dass sie stolz als Urheber ihrer Leistung paradierten. Aber wie schon mehrfach vermerkt, trügt diese Hoffnung recht oft. Bei rund der Hälfte aller Ausgaben fehlte auch in Deutschland auf dem Titelblatt der Name des Übersetzers (und oft der des Originalautors). Bei einer stattlichen Anzahl weiterer kennt man zwar Namen, aber keine sozio-biographischen Daten der Namensträger. Immerhin bleiben rund 400 Titel, über deren Verdeutscher mehr erfahrbar ist. Das mag zureichen für eine erste sozialhistorische Ortung fast 300 bekannter Übersetzer. Die produktivsten unter ihnen waren übrigens das Ehepaar Gottsched mit je 17, der Jesuit Stöcklin mit 20 und ein Gottsched-Jünger, Johann Joachim Schwabe, mit 23 Titeln - bei ihnen allen wieder ein Lebenswerk, auf dessen Umfang manch heutiger Berufsübersetzer stolz wäre. Namen wie Gellert, Lessing, Leibniz, Mendelssohn, Zachariae mögen genügen als Belege dafür, wie irrig die 302 Leprince de Beaumont 1759, Ostervald 1756, Villaret 1743, Chifflet 1735. - Zum Folgenden: D’Argens 1756, François de Sales 1754, Avrillon 1758. 303 Siehe D’Argens 1756, Croiset 1723, Fellon 1739, Croiset 1724. 304 Croiset 1723, François de Sales 1754, Maimbourg 1702, Fellon 1739, Frey de Neuville 1748. 305 Vauban 1711, Le Clerc 1758. 306 In den Beständen wissenschaftlicher Bibliotheken lässt sich eine klare Dominanz katholischer bzw. evangelischer Regionen oder Städte nicht erkennen. <?page no="104"?> 98 Annahme ist, Übersetzen sei im damaligen Deutschland noch ein verächtliches Geschäft gewesen, mit dem sich „ernsthafte Literaten“ zumeist nicht befasst hätten. 307 Seit Max Weber wissen wir, auf welch umfassende Weise in der frühen Neuzeit das religiöse Bekenntnis Mentalität und Lebenspraxis der Bevölkerung prägte. Für rund 300 Titel ist diese konfessionelle Einordnung der Übersetzer ins Deutsche möglich. Hier erwartet uns wieder eine kleine Überraschung: Fast drei Viertel der Verdeutschungen stammten von Protestanten, obwohl sich doch die Katholiken als Hauptzielgruppe abzuzeichnen schienen. Der protestantische Beitrag lag somit klar über dem Prozentsatz des Bevölkerungsteils im deutschen Sprachraum. Verzichten wir vorerst auf Deutungsversuche für diese auffällige Dominanz zugunsten einer Bildung von Standes- und Berufsgruppen. Hier führten klar die Kleriker und an theologischen Fakultäten Geschulten - kaum überraschend beim Anteil religiöser Werke auf dem damaligen Buchmarkt und - wie sich zeigen wird - auch dessen Übersetzungssektor. Im berufsständischen Umfeld der Theologen hatten Protestanten ebenfalls ein Übergewicht, wenn auch weniger klar als in der Gesamtbilanz. Rang zwei belegten, mit relativ kleinem Abstand, Professoren, Dozenten und Schulmänner. Dies kommt aus heutiger Sicht eher unerwartet, pflegen doch deutsche Hochschullehrer unserer Tage (wie sich in einem späteren Kapitel zeigen wird) die - akademisch missachtete - Dienstleistung sprachlichen Wissenstransfers nur selten und verschämt zu erbringen. Dass in dieser Gruppe Professoren der „Weltweisheit“ (lies Philosophie) nach Titelzahl führten, gefolgt von solchen der Beredsamkeit, Dichtkunst und Theologie, verwundert kaum. Doch neben ihnen beteiligten sich am Transfer Vertreter zahlreicher Disziplinen, die das gesamte damalige Fächerspektrum abdeckten. Ihre einstigen Studenten indes engagierten sich beim Lesestoff-Import aus Frankreich in sehr unterschiedlichem Grad. Beschränken wir uns auf die beiden weltlichen „Berufsfakultäten“: Juristen kamen mit rund sechs Dutzend Titeln auf das Sechsfache dessen, was Mediziner eindeutschten. Auf vermutliche Gründe für dies eklatante Ungleichgewicht wird in einem späteren Kapitel einzugehen sein. Fünf Dutzend Titel verdanken wir Mittlern, die zeitweise tätig waren als Hofmeister, d. h. Privatlehrer von Sprösslingen ständisch-sozialer Eliten. Zu vermuten ist, dass sie sich beim Übersetzen ein kleines Zubrot verdienten. 308 Ihr stattlicher Anteil - wie der von Schulmännern und Professoren - 307 So W. Graeber, Übersetzervorreden, S. 18. 308 Vgl. etwa R. Tgahrt [Anm. 232], S. 54. Als Anhaltspunkt hinsichtlich gezahlter Honorare mag dienen, dass Ramler 1758 für seine Batteux-Übersetzung 3 Taler pro Bogen erhielt, für die gesamte Erstauflage 300 Taler (Tgahrt S. 31). <?page no="105"?> 99 mag u. a. aber auch resultieren aus dem Gewicht, das dem Übersetzen in gängigen Rezepten des Sprachtrainings noch immer zufiel. Dass Aristokraten mit gleichfalls fünf Dutzend Verdeutschungen beteiligt waren, mag inzwischen nur übersetzungshistorisch Unbewanderten überraschend erscheinen. Hatte doch der Ehrgeiz, Produkte für den kommerziellen Buchmarkt zu liefern, ihren angehimmelten westlichen Standesgenossen zumindest der klassischen Ära als verpönt gegolten. 309 Doch das Füttern der Druckerpresse, gerade via Übersetzen, schien nun diesseits des Rheins zum durchaus standesgemäßen Zeitvertreib aufgerückt zu sein. Mit ihm stellte man schließlich unter Beweis, wie perfekt man die schicke Umgangssprache gerade der mondänen Welt handhabte. 310 Ungemein gering war dagegen, wie schon bei Importen nach Frankreich mehrfach bemerkt, der Ehrgeiz zur Bereicherung ihrer Spielpläne bei Schauspielern und Theaterleuten. Sie ließen ihre Stücke lieber durch Professoren und andere eindeutschen. Angesichts der Tatsache, dass heute die klare Mehrheit deutscher Übersetzer aus dem Französischen weiblichen Geschlechts ist, war der damalige Frauenanteil ähnlich enttäuschend. Die nahe liegende Vermutung trügt, deutsche Frauen hätten wenigstens in einer subalternen Spielart der Textproduktion endlich die Chance gesehen, literarische Anerkennung zu erringen. Neben der ungemein emsigen, aber ihrem Ehemann zuarbeitenden Gottschedin 311 kommen nur wenige, vorwiegend adlige Damen ins Blickfeld. 312 Etwa gleichauf mit ihrem Beitrag rangierten Titel, die wir Sekretären hoher „Standespersonen“ verdanken. Zwei letzte Beobachtungen: Auffallend klein war die Zahl jener Verdeutscher, für die sich Aufenthalte im französischen Sprachraum nachweisen lassen - weit kleiner als bei Übersetzern in der Gegenrichtung. Die Fremdsprache hatte man also mit erdrückender Mehrheit in heimischem Umfeld erlernt - etwa vom französischen „Sprachmeister“ seiner Hochschule (der manchmal selbst Übersetzungen publizierte) 313 oder, war man Adelssprössling, wohl auch vom eigenen Hofmeister mit französischer Muttersprache. 309 Siehe dazu F. Nies, Gattungspoetik und Publikumsstruktur, München 1972, passim. 310 Bezeichnenderweise wurde bei den meisten nachweislich von Adligen verantworteten Übersetzungen der Name auf dem Titelblatt präsentiert. 311 Vgl. zu ihrer Rolle jetzt H. Brown, Luise Gottsched and the reception of French enlightenment literature in Germany, in Gillian E. Dow (Hg.), Translators, Interpreters, Mediators, Bern u. a. 2007. 312 S. Bindung von Hartung, M. B. Birkmann, M. v. Deurer, A. C. Salomon, M. E. v. Sporck, D. A. v. Windheim, M. C. v. Ziegler. 313 Wie E. de Mauvillon, Rosler. <?page no="106"?> 100 Verlagsgeographie Werfen wir, wie schon gewohnt, einen Blick auf die Verlagslandschaft. Angesichts damaliger Verkehrsbedingungen und Auskunftsquellen über Neuheiten liegt es nahe, Verlagsorten in der Nähe zum französischen Sprachraum - etwa Köln, Straßburg, deutschsprachigen Schweizer Städten - einen klaren Standortvorteil einzuräumen. Diese Chance wurde jedoch kaum genutzt. Über ein Drittel aller Titel erschien in Leipzig, mit deutlichem Abstand gefolgt von Frankfurt am Main. Zusammen publizierten Verleger der beiden führenden Buchmessen-Städte 314 über die Hälfte aller Verdeutschungen. Die Hauptanregungen für Importe erfolgten also durch das - notwendig stark begrenzte - Sortiment französischer Messeaussteller und wurden gleich am Ort umgesetzt. Katholische Übersetzer allerdings bildeten eine Ausnahme: sie bevorzugten ein Dutzend anderer Verlagsorte, vor allem Augsburg. Wartezeiten Kommen wir einmal mehr zum zwangsläufigen Verzögerungsmoment für Importe. Eines der Folgekapitel wird zeigen, dass heutzutage Titel der Geistes- und Humanwissenschaft - und nicht nur sie - mit durchschnittlich zwei Jahrzehnten Wartezeit zu rechnen haben, bevor sie in der Nachbarsprache greifbar werden. 315 Es liegt also nahe, dass man es vor drei Jahrhunderten noch ungleich gemächlicher angehen ließ. Waren doch, wie schon gesagt, Literaturagenten und elektronischer Informationsaustausch unbekannt, Schreibmaschine und Schnellpresse noch längst nicht erfunden. Die Reisezeit von Frankreichs Verlagszentrum Paris nach Leipzig - ob im Sattel oder per Kutsche mit Bücherballen - betrug über einen Monat. 316 Noch ferner von Paris waren Verlagsorte wie Berlin, Dresden, Stettin, Wien, Breslau, Danzig oder gar Königsberg, die es auf immerhin 150 Titel brachten. Damalige Dokumente 317 führen uns drastisch vor Augen, mit welchen Strapazen, ja Gefahren für Leben und Gesundheit wie für das Gepäck, Kutschenreisen zudem verbunden waren auf deutschen Straßen, die einen wesentlich schlechteren Ruf hatten als französische. Nicht nur Messe- Sortimente, sondern auch die Lagerhaltung der Buchhändler blieben 314 Buchmessen mit französischer Literatur gab es natürlich auch andernorts, etwa in Prag (vgl. R. Tgahrt [Anm. 232], S. 2). 315 Siehe dazu F. Nies (Hg.): Spiel ohne Grenzen? Zum deutsch-französischen Transfer in den Geistes- und Sozialwissenschaften, Tübingen 2002. 316 Anzusetzen ist eine Tagesleistung von bis zu 30 km. Das bedeutete für die Strecke Paris-Leipzig ca. 32 Tage. Zum Folgenden: Für die Strecke Paris-Danzig waren folglich 52 Tage, für Paris-Königsberg 65 Tage nötig. 317 Etwa die erwähnten Memoiren der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth. <?page no="107"?> 101 somit stark beschränkt. Wie sie und Verleger reisten Gelehrte, Übersetzer, Literaten zur Buchmesse, um für sich und Freunde einzukaufen. Denn ansonsten mussten sie sich mit Neuheiten versorgen durch Bücherpakete, die viele Wochen bis zum Zielort brauchten, falls sie nicht verloren gingen. Dazu kam wie erwähnt, dass man die extrem teure Paketpost möglichst mied. Zusätzliche Zeitverluste wurden so in Kauf genommen, bis gute Bekannte bereit waren, Briefe, Bestellungen oder Bücher auf geplanten Reisen mitzunehmen. Erfolgten also Verdeutschungen nur im Schneckentempo und offerierten Verstaubtes, das in französischen Regalen seinen Neuheitswert längst verloren hatte? Einmal mehr trifft das Gegenteil zu. In vielen Dutzenden von Fällen war nur zwei bis drei Jahre nach Erscheinen des Originals dessen deutsche Fassung käuflich. Bei rund 170 Titeln kam diese schon im selben oder spätestens nächsten Kalenderjahr auf den Markt. Als Verlagsort auch solcher Schnellimporte rangierte Leipzig auf Platz eins. Werke zu Themen der Geschichte und anderer Wissenschaften - bis hin zu Kriegs- und Färbekunst, Physik, Botanik, Archäologie - lagen dabei in Führung. Danach erst folgten belletristische Titel und - etwa gleichauf - solche zu religiösen Themen oder politischen Streitfragen. Diese meist kürzeren Propagandaschriften demonstrieren, wie sehr schon konkurrierenden absolutistischen Herrschern daran gelegen war, ihre Sicht der Dinge selbst jenen Lesern im Reich schnell zu vermitteln, denen Französisch fremd blieb. Der massiven Nachfrage am Markt gemäß arbeiteten Spitzenübersetzer in den 1740er und 1750er Jahren kaum weniger zügig als ihre Kollegen in der Gegenrichtung. Manche von ihnen - Gottsched, Rambach, Schwabe - brachten es auf drei Titel pro Jahr, Lessing und Luise Gottsched auf vier. Solche Zahlen bedeuteten im Zeitalter des Gänsekiels Spitzenleistungen, übersetzten doch die Genannten noch keineswegs hauptberuflich. Die verblüffende Schnelligkeit des Transfers war natürlich nur unter günstigsten Bedingungen denkbar. Zu ihnen gehörten vielerlei enge Vernetzungen, auf die ein späteres Kapitel genauer eingehen wird. Genres, Autoren und Werke Kommen wir zu Themen- und Gattungsschwerpunkten des Übersetzten, unabhängig von den Wartefristen. Der Kanon umfasste weit über 400 in Deutsch greifbare französische Autoren Ein reichliches Viertel der Übertragungen gehörte - erwartbar - in den Bereich von Religion und Frömmigkeit. Etwa der gleiche Prozentsatz stammte aus belletristischem Umfeld, wobei Titel der Erzählliteratur vor Theater- <?page no="108"?> 102 stücken und Versdichtung rangierten. Bei letzterer war übrigens der Übersetzerstolz auf das Vollbrachte besonders offenkundig: Fast ausnahmslos nannte man seinen Namen. Von anonymen Mittlern verdeutscht wurden dagegen, da sie wohl als wenig prestigeträchtig galten, zwei Drittel der Erzählwerke. Nach diesen folgten historiographisch-biographische Abhandlungen, Reiseberichte und Briefsammlungen, Titel zu Themen der Philosophie, Moral und Moralistik, zu Politik, Naturwissenschaft, der Literatur- und Kunsttheorie und anderem. Meistübersetzter Einzelautor war Voltaire, vor seinem preußischen Gönner Friedrich II., gefolgt von Fénelon und Racine, Madame Guyon, 318 einem Jesuiten-Quartett und zwei kalvinistischen Pastoren. 319 Antriebskraft Sprachpflege Es liegt nahe, als Hauptmotiv sprachlicher Einbürgerung den Willen zu sehen, möglichst breite Leserschichten teilhaben zu lassen am modellhaften Geistes- und Literaturschaffen Frankreichs. Ein zweiter Beweggrund sollte jedoch nicht unterschätzt werden: Übersetzen als Weg zur Verteidigung, Höherentwicklung und Bereicherung, Veredelung der eigenen Sprache. Dieser Antrieb hatte, wie wir uns erinnern, schon für Du Bellay im Frankreich des 16. Jahrhunderts den Ausschlag gegeben (ganz wie er heute nachwirkt bei Übersetzern durch Global English bedrohter Literatursprachen vom Baltikum bis nach Indien 320 ). Nicht zufällig rühmten gerade Sprachmittler wie Bielfeld oder Quand das Bemühen ihres Übervaters Gottsched und der Deutschen Gesellschaften in Leipzig, Jena, Göttingen, Greifswald, Königsberg, „der Sprache ihre alte Strahlkraft wieder zu verleihen“. 321 Und nicht von ungefähr wurde, als Mittel zur Erreichung dieses Ziels, in jenen Zirkeln gerade Übersetzen eine Sonderrolle zuerkannt. So ist nur folgerichtig, dass fünf Dutzend Eindeutschungen aus dem Französischen 318 Schon deren Originalausgaben waren an dem deutschen Verlagsort Köln erschienen. 319 Nouet, Crasset, Croiset, Barry; Pictet und Ostervald; auf über zehn Nennungen kommen auch Prévost, Molière, Corneille, Fontenelle, die Deutschen Leibniz und Pöllnitz. 320 Eindrucksvoll zu erleben war dies vor wenigen Jahren anlässlich eines Welttreffens der Goethe-Übersetzer in Weimar und Erfurt. 321 Quand in der Préface seiner Übersetzung von Gottscheds Grundlegung zu einer deutschen Sprachkunst (1753); Bielfeld, Widmungsbrief zu Progrès des Allemands, S. 20f. - Zum Folgenden: Zur Rolle des Übersetzens in der Leipziger Gesellschaft siehe D. Döring, Die Geschichte der Deutschen Gesellschaft in Leipzig, Tübingen 2002, S. 252f. <?page no="109"?> 103 von teils ungenannten, teils namentlich firmierenden Sprachgesellschafts-Mitgliedern stammten. 322 Originaltreue und Anpassung Greifen wir noch wenige Äußerungen heraus zu einem über alle Epochen und Zielsprachen hin virulenten Problem: der wünschbaren Treue oder Freiheit im Umgang mit dem Original. Die Spitzenübersetzerin Luise Gottsched war nicht allein mit ihrer Klage über die Willkür französischer Übersetzer - deren schon mehrfach erwähnte Manie, Originaltexte zu verändern, zu kürzen, aufzublähen, dem französischen Geschmack anzupassen. So schrieb sie etwa daß nichts ungetreuers und abweichenders zu finden sey, als die Uebersetzungen der Franzosen. Es sey nun, daß eine gewisse natürliche Leichtsinnigkeit dieses Volks, oder ein inneres hochmüthiges Vorurtheil, nach welchem es denket, ein Schriftsteller müsse sich nothwendig unter seinen Händen verschönern, es möge auch mit ihm machen, was es wolle, hieran schuld sey: so ist es doch gewiß, daß ein jeder, der nur eine französische Übersetzung auf die Probe stellen will, dieses erfahren wird. 323 Diese erbarmungslose Abrechnung hinderte sie allerdings nicht im Geringsten, für ihre eigene Übersetzung des Abbé Terrasson zu betonen, sie gestatte sich die Freyheit, in den Capiteln, wo der Verfasser von der katholischen Religion geredet hatte, ihre eigenen Gedanken als eine Protestantin an die Stelle zu setzen. Ähnliches hatte zuvor schon eine Gräfin Sporck ungeniert im Titel ihrer Übertragung der Christlichen Sitten-Lehr des protestantischen Pastors Pictet betont: sie habe das Original „in römisch-katholischem Interesse verbessert“. Ob solch konfessionelle Begründung freien Umspringens mit Originaltexten ein typisch deutscher Zug war, muss vorerst offen bleiben. Doch natürlich gab es auch andere Argumente für wie gegen starke Eingriffe. Gottsched etwa forderte, „Namen, Reden und Sitten der Personen“ ins Deutsche zu transponieren, um Komödien „ein ganz einheimisches und deutsches Ansehen zu geben“. 324 Dies wiederum 322 Neben dem zeitweiligen Leipziger Senior Gottsched selbst sind zu nennen J. B. Mencke, Chr. M. v. Ziegler, Mosheim, Blaufus, Flottwell, Birkmann, oder Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft, des Pegnitz-Ordens, der Patriotischen Gesellschaft Hessen-Homburg (Sinold, Langenmantel, Hirsch, Fürer von Haimendorf). 323 Dieses und das folgende Zitat nach R. Tgahrt [Anm. 232], S. 69f. 324 Zitiert nach R. Tgahrt, [Anm. 232], S. 84. Vgl. zu alledem auch G. Fuchs, Studien zur Übersetzungstheorie und Praxis des Gottsched-Kreises. Versuch einer Wesensbestimmung des nachbarocken Klassizismus. Burg bei Magdeburg (Diss. Freiburg/ Schweiz) 1935; W. Krauss, Zur Theorie und Praxis des Übersetzens im Frankreich und Deutschland des 18. Jahrhunderts, Weimarer Beiträge 1977/ 2, S. 10-18. - Folgendes Zitat Brei- <?page no="110"?> 104 brachte seiner Schule den Tadel Breitingers ein, der vorschrieb, dass „man weder in den Gedanken noch in der Form von dem Originale abweiche“. * * * Bisher konnte der Eindruck entstehen, Übersetzungen ins Deutsche einerseits, ins Französische andererseits hätten zwei völlig getrennten Welten angehört. Dieser Eindruck soll am Beispiel Berlins kurz überprüft werden. Wir entdecken, dass sich in der preußischen Metropole französische und deutschstämmige Autoren, französische und deutsche Übersetzer, Übersetzer ins Deutsche wie ins Französische trafen: als Mitglieder der „ausschließlich französischsprachigen“ 325 Akademie der Wissenschaften, im Umkreis des Hofes, unter Hugenotten und deren Abkömmlingen. Manche Namen, wie Formey, Lessing, Gellert, Lange, Barbeyrac begegnen uns in der Doppelrolle einmal des Übersetzten, dann wieder des Übersetzers. In dieser ethnisch-bilingualen Mischkultur trafen sich nicht nur Voltaire und sein Verdeutscher Lessing, Wolff und sein Übersetzer Jean Deschamps. Die Zweisprachigkeit mehrerer überlappender Milieus machte also Übersetzen nicht überflüssig, sondern verstärkte augenscheinlich den Drang zum sprachlichen Transfer auf dem Buchmarkt. Das könnte für die Sprachenpolitik der EU wie für globalisierungstolle Wissenschaftler eine bedenkenswerte Erfahrung enthalten. 4.3. Einige Nahaufnahmen Hier sollen beispielhaft einige Schlüsselaspekte der Epoche übersetzerischer Hochkonjunktur genauer als bisher betrachtet werden: die geistige Vorbereitung künftiger politisch-sozialer Umwälzungen durch eine progressive Übersetzergruppe, der Literaturimport während dieser Umbruchperiode selbst und schließlich Wurzeln einer weiteren, literarischen Revolution durch die Romantik. tingers, aus dem Kapitel Von der Kunst der Übersetzung, in Fortsetzung der Critischen Dichtkunst (Zürich 1740), nach ebd. S. 98. Vgl. auch G. Plückebaum, Von der erforderlichen Genauigkeit beym Übersetzen. Ein Beitrag Bodmers zur Übersetzungstheorie im 18. Jahrhundert, Arcadia I, 1966, S. 210-12. 325 Vgl. C. Wiedemann, Deutsch-französische Rederaison, in U. Tintemann/ J. Trabant, Sprache und Sprachen in Berlin um 1800, Hannover-Laatzen 2003, S. 70. <?page no="111"?> 105 4.3.1. Enzyklopädisten und Aufklärer Wohl nicht zufällig erreichte die Frequenzkurve echter Übersetzungen, nach steilem Anstieg während der vorherigen Dekaden, im vorrevolutionären Jahrzehnt ihren eindrucksvollen Gipfelpunkt. 326 Dazu kommt ein weiteres schon erwähntes Phänomen: Die große Mehrheit während der zweiten Jahrhunderthälfte übersetzter Texte spiegelte ein starkes Bestreben, das dem Grand Siècle 327 noch fremd gewesen war: vor allem gegenwartsnahe Stimmen anderer Sprachräume vernehmbar zu machen. Was die Herkunftssprachen angeht, war das Englische, wie gezeigt, im 18. Jh. mit Abstand führend. Und die beispiellose, ständig wachsende Offenheit für Geistesprodukte anderer Kulturräume legt eine Frage nahe: Wieweit war deren starker Zustrom daran beteiligt, den Boden zu bereiten für die politischen, religiösen, sozialen Umwälzungen des revolutionären Dezenniums? Bot doch gerade der angelsächsische Sprachraum augenfällige Gegenmodelle sozialer Organisation zum Frankreich des Ancien Régime: Das Vereinigte Königreich war eine konstitutionelle Monarchie, in deren kollektivem Gedächtnis wie Literatur relativ frische revolutionäre und republikanische Erinnerungen ebenso bewahrt wurden wie die Hinrichtung eines absolutistischen Monarchen. Die Vorherrschaft des Parlaments war in Großbritannien gesichert; seine (sonst wenig rigoristische) anglikanische Staatskirche steuerte strikt antikatholischen Kurs; in wirtschaftlicher Hinsicht feierte dort die liberalistische Doktrin ihre ersten Erfolge, usf. So ist es wenig überraschend, dass gerade Übersetzungen aus dem Englischen schon zur Jahrhundertmitte bevorzugt ins Visier der französischen Zensur gerieten. 328 Was die jenseits des Atlantiks entstehenden Vereinigten Staaten angeht, hatten sie bekanntlich vor Ausbruch der französischen Revolution die Volkssouveränität und allgemeine Menschenrechte proklamiert, die Pressefreiheit verkündet usw. Jede Verbreitung vertiefter Kenntnisse über derlei angelsächsische Realitäten und Ideologien muss- 326 Siehe dazu und zum Folgenden F. Nies, „L’Allemagne a succédé à la gloire de l’Italie“. Traductions et traducteurs de l’allemand au Siècle des Lumières, in: E. Dautel/ G. Volz (Hg.), Horizons inattendus. Mélanges offerts à Jean-Paul Barbe, Tübingen 1999, S. 215-216. 327 Siehe dazu F. Nies, Geschäft des Königs, Dichters, Hungerleiders: Übersetzerischer Literaturimport in Frankreichs Grand Siècle, Germanisch-Romanische Monatsschrift N. F. 53, 2003, S. 295-308. 328 Siehe dazu etwa E. Mass, Kirchliche und weltliche Zensur in Frankreich in der Mitte des 18. Jhs. zur Zeit Benedikts XIV., in: W. Haefs/ Y. G. Mix, Zensur im Jahrhundert der Aufklärung, Göttingen 2007, S. 349; ebd. S. 351 eine Reihe zensierter Titel englischer Herkunft. <?page no="112"?> 106 te natürlich das eigene Staatssystem seiner fraglosen Geltung berauben und so dessen geistige Grundlage untergraben. Auch der deutsche Kulturraum, dessen Importe in der zweiten Jahrhunderthälfte auf Rang zwei vorrückten, stellte in politischer wie religiöser Hinsicht Gegenentwürfe zum französischen Gemeinwesen vor Augen. Natürlich würde es zu weit führen, hier eine französische Wirkungsgeschichte der Schriften deutscher Aufklärer wie Kant, Christian Wolff und Reimarus, Lessing, Klopstock und Wieland, Engel, Meiners, Zimmermann und Moser skizzieren zu wollen. Doch nicht von ungefähr enthält das Register des Dictionnaire des Lumières 329 weit über hundert Namen von Vertretern des deutschen Geisteslebens, über fünfzig von Übersetzern aus dem Englischen und ebenso viele von Autoren, die aus dieser Sprache übersetzt wurden. Zu den letztgenannten gehören etwa P. Annet, R. Bentley, S. Clarke, A. Collins, D. Hartley, D. Hume, Th. Jefferson, J. Locke, B. Mandeville, Th. Payne, J. Priestley, A. Smith und J. Toland. So drängte sich ein Experiment geradezu auf: die vorläufige Überprüfung, welche Rolle das Einbürgern fremden Gedankenguts aus den beiden wichtigsten Herkunftssprachen der Epoche gespielt haben könnte für geistige und politische Eliten, denen im revolutionären Vorfeld eine Schlüsselrolle zukam. Die wohl wichtigste bildeten jene Encyclopédistes, die als „Kerntruppe“ der französischen Aufklärung gelten und wesentlich das Klima miterzeugten, welches schließlich zur Eruption führen sollte. Wieweit waren sie übersetzerisch tätig oder tätig gewesen, als sie an der Encyclopédie mitwirkten? Welches waren gegebenenfalls die Texte, zu denen sie dem französischen Lesepublikum Zugang verschafften und um deren Anverwandlung bis in letzte Nuancen hinein sie sich monatelang bemühten? Unterschieden sie sich hinsichtlich ihrer übersetzerischen Vorlieben von jenen späteren Revolutionären, mit denen es nur einzelne personelle Überschneidungen gab? 330 Einmal mehr: viel und schnell Man sollte vermuten, ihre sonstigen beruflichen und wissenschaftlichen Aktivitäten hätten den Enzyklopädisten kaum Spielräume gelassen für das entsagungsvolle und zeitraubende Geschäft der Adaption fremder Geistesprodukte. Entgegen dieser Erwartung lässt sich ab den 1740er Jahren mühelos eine dreistellige Zahl von Titeln zusammenstellen, de- 329 M. Delon (Hg.): Dictionnaire européen des Lumières, PUF 1997. 330 Von übersetzenden Encyclopédistes wirkten nur noch Boufflers, Deleyre, Cl.-F.-A. de Lezay-Marnésia und Marmontel in revolutionären Volksvertretungen mit. <?page no="113"?> 107 ren Übertragung wir gut dreißig Encyclopédistes 331 verdanken. Zu ihnen gehörte sogar eine Reihe von Haupt-Beiträgern des monumentalen Unternehmens, wie Diderot selbst, Beauzée, Du Marsais, Eidous, Formey, Holbach, Mallet und Toussaint. 332 Ihre anderweitigen Belastungen hinderten all diese Mitarbeiter nicht im Geringsten, ein (selbst nach heutigen Maßstäben) teils imposantes übersetzerisches OEuvre zustande zu bringen: Eidous brachte es auf gut 40 übertragene Titel, Holbach auf immerhin 27, Formey auf 21. 333 Schon diese Größenordnungen verdeutlichen das außerordentliche Gewicht, das solche (überwiegend nebenamtlichen) Vielübersetzer ihren geistigen Kurierdiensten beimaßen. Eindrucksvoll ist auch die teils große Schnelligkeit des Transfers und hohe Arbeitsgeschwindigkeit selbst bei solch anderweitig stark geforderten Übersetzern: In manchen Fällen erschienen die französische Fassung oder deren erste Bände innerhalb von zwei Jahren nach Publikation des fremdsprachigen Originals oder sogar noch im selben Jahr. 334 Solche hohe Aktualitätsnähe erforderte einen unverzüglichen interkulturellen Informationsaustausch über Neuheiten, der für das damalige Umfeld mit seinen bescheidenen Kommunikationsmitteln verblüffend wirkt. Er scheint um so ungewöhnlicher, als Frankreich über fast vier Jahrzehnte des Jahrhunderts hin im Krieg lag mit den Herkunftsländern der weitaus meisten übersetzten Werke 335 und zudem nur relativ wenige Übersetzer sich vor Realisierung ihrer Projekte in jenen Ländern aufgehalten oder persönliche Beziehungen zu ihnen geknüpft hatten. 336 In vielen Fällen brachte derselbe Übersetzer innerhalb eines Jahres mehrere Titel auf den Markt. Spitzenleistungen waren hier je sechs Titel von Eidous (dem Grimm bekanntlich vorwarf, er glaube „qu’il ne lui faut que quinze jours pour traduire un volume“) 337 im Jahr 1767 und von Holbach im Folgejahr - einmal mehr Rekorde, deren Überbietung selbst Hauptberuflern unserer Zeit schwer fallen dürfte. Beachtung verdient 331 Als Basis für ihre Identifikation diente vor allem F. A. Kafker, The Encyclopedists as individuals: a biographical dictionary of the authors of the Encyclopédie, 1988. 332 Nur einige Beispiele für den Umfang ihres Engagements: Nach Kafker [Anm. 331] steuerten zur Encyclopédie bei: Cahusac über 120 Artikel, Du Marsais rund 120 Artikel, Formey über 110, Eidous mindestens 450, Holbach allein Hunderte unsignierter Artikel neben den signierten, Mallet über 600 (davon über 550 zur Geschichte). 333 Siehe R. Geißlers Bibliographie von Formeys Übersetzungen in J. Häseler (Hg.), La Correspondance de Jean Henri Samuel Formey (1711-1797): Inventaire alphabétique, Paris: Champion 2003, S. 448-455. 334 So etwa Formeys Übertragung von Koehler. 335 Großbritannien, aber auch dem deutschen Kaiserreich, Preußen usf. 336 Aufgrund gängiger biographischer Repertorien ist dies feststellbar für nur gut 15 % der Übersetzer (Bonneville, Bouchaud, Bourgoing, Buffon, Cacault, Duval, Eidous, Formey, Holbach, Mirabeau, Mosneron de Launay, Rousseau, Toussaint, Voltaire). 337 Nach Kafker [Anm. 331] S. 128. <?page no="114"?> 108 in dieser Hinsicht auch, dass nicht wenige eingebürgerte Werke den Umfang von drei, vier, fünf oder mehr Bänden hatten. Ein Teil dieser Großprojekte wurde von Einzelübersetzern bewältigt, 338 bei anderen teilten sich mehrere Mitarbeiter die Last. Das mag wieder leicht zu Stilbrüchen geführt haben. Ganz allgemein dürfte das Ineinander dieser und anderer negativer Rahmenbedingungen (meist bescheidene Sprachkenntnisse, Aktualitätsdrang, hastige Arbeit, berufliche Belastungen) wieder dazu geführt haben, dass die Durchschnittsqualität jener französischen Versionen eher mäßig war. So signalisierten nicht wenige einschlägige Übertragungen durch schon vertraute Formeln wie „traduction libre“ o. ä. mit entwaffnender Offenheit vom Titelblatt an, man sei bei der Einbürgerung nicht allzu pingelig verfahren. Die Titelpalette Welches waren die Textarten und Titel, wer die Autoren, denen die Aufmerksamkeit der Importeure galt? Bei einem Übersetzertyp, dessen größtes Anliegen die Verbesserung der politischen und sozialen Verhältnisse war, ist man natürlich geneigt, eine deutliche (wenn nicht radikale) Bevorzugung gegenwartsnaher Sachprosa mit einschlägiger Thematik zu vermuten. Solche Erwartungen allerdings werden zumindest teilweise enttäuscht. Gewiss übersetzte man, wie wir sahen, viel Aktuelles, doch fast ein Viertel aller Übertragungen stammte aus jenen alten Sprachen, zu denen wenig später die Revolutionäre eine noch stärker ausgeprägte Neigung zeigen sollten: 339 Versuch einer Rückversicherung bei modellhaften Welten ferner Vergangenheit in einer Zeit, deren Eliten so stark auf Änderung drängten? Unter Einbezug nachantiker Literaturen (die mit rund 80 % deutlich bevorzugt wurden) stammte ein Gutteil aller übertragenen Titel aus dem Bereich der Belletristik (Epos und Lyrik, Theater, Roman), und die meisten beteiligten Übersetzer fühlten sich zu Anreicherungen dieser Sparte berufen. In der Rangliste jener Importe bildete allerdings die neue Modegattung des Romans das Schlusslicht. Die Mehrheit aller im engeren Sinn „literarischen“ Einfuhren entfiel auf Spielarten der Versdichtung einschließlich des Verstheaters. Ein beträchtlicher Teil von ihnen war antiken Ursprungs. 340 Verblüffenderweise zeigten also Übersetzer der geistigen Avantgarde in ihrer Mehrheit nicht nur ausgesprochen schöngeistige Neigungen. Sie waren darüber hinaus, was literarästhetische Vorlieben angeht, ebenso mehrheitlich 338 Eidous etwa arbeitete fast ausnahmslos als Einzelgänger. 339 Mit 27 % gegenüber gut 18 % bei den Encyclopédistes. 340 Eine Reihe weiterer Originale stammte aus früheren Jahrhunderten (erwähnt seien vor allem Shakespeare-Übertragungen, aber auch italienische Titel). <?page no="115"?> 109 ausgesprochen rückwärtsgewandt. Ein weiteres Teilkorpus von Übertragungen (gut 30 Titel) 341 hatte ebenfalls nur indirekten Bezug zu gesellschaftlichen Fragen. Es waren Werke aus dem Bereich der neuen empirischen Wissenschaften (Physik, Chemie, Biologie, Mineralogie und Metallurgie, Medizin). Welche Rolle spielten Texte und Textarten, deren Thematik handgreiflichen Einfluss auf das Entfalten der Aufklärungs-Ideologie und das geistige Klima sowie auf die spätere politische Umsetzung der neuen Leitgedanken nahe legt? Augenfällig ist hier der stattliche Anteil historiographischer Schriften, darunter manch vielbändiger Großprojekte. Die meisten jener Geschichtswerke waren Übertragungen aus dem Englischen. Thematisch reichten sie von der Geschichte des antiken Griechenland und des römischen Imperiums bis zur Entstehung der Vereinigten Staaten und der Vorgeschichte von New York oder des damals noch spanischen Kalifornien. 342 Ein weiteres stattliches Teilkorpus bilden nicht primär historiographische Schilderungen anderer Länder, Erdteile und Weltgegenden, meist Reiseerinnerungen oder Berichte von Entdeckungsfahrten. Auch unter ihnen war eine Reihe vielbändiger Großprojekte meist englischen Ursprungs. Die meisten einschlägigen Titel fanden, ganz wie historiographische Neuheiten, umgehend Übersetzer und Verleger. Übertragungen solch topographischer Werke verkündeten oft schon im Titel, dass sie Sitten und Gebräuche, Gesetzgebung und Strafvollzug, Handel und „état civil et politique“ des betreffenden Landes einbezogen oder zum Gegenstand hatten. Ihre geographische Spannweite reichte vom Nordpol bis zur Südsee, von Ostasien bis zur Südspitze Afrikas und Amerikas, wobei erwartungsgemäß den wachsenden Kolonialreichen europäischer Mächte, vor allem Englands, spezielles Augenmerk galt. Doch wie bei historiographischen Schilderungen rückten auch die europäischen Nachbarländer selbst ins Blickfeld: das staatlich zerrissene Italien, die protestantischen Nordstaaten Schweden und Dänemark, die holländische Republik und ihre Entstehung, die Schweizer Eidgenossenschaft, der Deutsche Fürstenbund, ein durch die Glorreiche Revolution umgestaltetes Großbritannien. Wie schon eingangs vermutet, dürfte das in außerfranzösischer Perspektive entworfene Bild solcher Staatsgebilde, Gesellschaftsmodelle und Kulturen, die sich vom Frankreich des Ancien Régime so radikal unterschieden, bei Übersetzern wie französischem Lesepublikum viel dazu beigetragen haben, den Gel- 341 An der Spitze lagen hier Eidous mit Übersetzungen vor allem aus dem Englischen und der frühe Holbach mit Titeln deutschen Ursprungs. Beteiligt waren des weiteren Buffon, Diderot, Formey, Toussaint u. a. 342 Übersetzungen von Smith, Burck, Buriel und Robertson durch Eidous und Morellet. <?page no="116"?> 110 tungsanspruch des eigenen Modells zu unterhöhlen. War man doch (verstärkt während des letzten Jahrhundertdrittels) sogar begierig, jenen fremden Blick auf die aktuellen eigenen Verhältnisse zu ertragen und zu befragen, wie er gebrochen im Prisma übersetzter Schilderungen, besonders ausländischer Frankreichreisender, fassbar wurde. 343 Doch es wäre gewiss naiv, belletristische Übersetzungen ausklammern zu wollen, soweit es um Verbreitung aufgeklärten Denkens und Fühlens ging. Wenn Bonneville, künftiger Republikaner und Vorkämpfer der Pressefreiheit, zusammen mit einem Partner um die Mitte der 1780er Jahre eine Übersetzung von Schillers Jugenddramen und Goethes Götz von Berlichingen herausbrachte, lag deren politische Lesart auf der Hand. Gewiss trat die hochbrisante politische Thematik nicht immer so offen zutage wie bei solchen Stücken. Und es wird sich kaum exakt bestimmen lassen, wieweit etwa die in Miltons Paradise lost thematisierte Theodizee-Problematik oder Popes Forderung, das Glücksstreben als gesellschaftliche und politische Aufgabe zu begreifen, in ihren französischen Fassungen den Boden mitbereiteten für die Umwälzungen der 1790er Jahre. Ein kurzer verlagshistorischer Querverweis sei hier in Erinnerung gerufen: Vor 1790 erschien ein Großteil der erfassten belletristischen und sonstigen Übertragungen außerhalb der Staatsgrenzen - vor allem in Amsterdam und anderen Städten der Niederlande, in London und der Schweiz, auch in Deutschland. Das mag in einem Gutteil dieser Fälle als Indiz dafür gelten, dass es bei den Importen um Konterbande ging, deren Eindringen dem französischen Regime schon vor der Drucklegung als gefährlich galt. Auf das Gesamtkorpus analysierter Titel bezogen, entfällt knapp die Hälfte aller Texte mit explizit politischen, gesellschafts- und religionskritischen Titelsignalen auf übersetzende Encyclopédistes. Angesichts ihrer geringeren Zahl zeigten sie also anteilmäßig, wie sich erweisen wird, ein deutlich stärkeres Interesse an diesem Problemkomplex als später die aktiven Revolutionäre. Direkte Einwirkung bestimmter übertragener Titel auf die Ideologie des betreffenden Übersetzers ist vorerst nicht eben häufig mit hoher Wahrscheinlichkeit erkennbar. Die sorgfältige Abgleichung zumindest in wichtigen Einzelfällen bleibt ein dringendes Desiderat. Mag doch der Materialist Holbach einiges Hobbes verdankt haben, Holbachs Atheismus mancherlei dem Freidenker Collin. Diderots Antiklerikalismus wäre auf dem Hintergrund der Gedan- 343 Berichte der englischen Frankreichreisenden Maihows (1763), John Moore (1782-83), Samuel Romilly (1788) sowie, aus dem Englischen übersetzt, des Italieners G. Beretti (1777). Vgl. auch französischen Verhältnissen geltende Übersetzungen von Nickolls (1754), Jefferson 1755), Tell Truth (1756), Talbot (1768) usw. <?page no="117"?> 111 kenwelt Shaftesburys zu deuten, usf. Doch solche Abgleichungen würden bei weitem die Möglichkeiten dieser Breitenanalyse übersteigen. 4.3.2. Die Revolutionsdekade Läuft man hier nicht wieder Gefahr, ein steriles Feld zu beackern? Liegt doch mehr als je zuvor die Vermutung nahe, Frankreichs neue Eliten seien nun überzeugt gewesen, vom feindlich eingestellten Ausland nichts mehr lernen zu können und zu wollen, sondern sich abschotten oder das übrige Europa mit eigenen Neuheiten beglücken zu sollen. Doch allein in der kurzen Revolutionsdekade erschienen immerhin mehr als 300 übersetzte Buchtitel (ohne Anrechnung von Nachdrucken und Mehrfach-Auflagen). Und die Anziehungskraft dessen, was aus fremden Sprach- und Kultursphären stammte, war noch immer so stark, dass wieder ein gutes Dutzend französischer Originaltitel Käufer und Leser unter der Maske von Übersetzungen anzulocken versuchte. 344 Es mag also der Mühe wert sein, Übersetzungen der 1790er Jahre ins Französische genauer unter die Lupe zu nehmen. Wohl nicht von ungefähr erschienen die wenigsten jener Titel im Jahr 1794 - zur Zeit der Terreur. Ihren Gipfelpunkt dagegen erreichte die Frequenzkurve, mit mehr als der Hälfte aller publizierten Importe, in den Jahren 1797-99 bis zu Beginn des Konsulats. In ihnen verlagerte sich bekanntlich die kriegerische Konfrontation immer stärker in das angrenzende Ausland und somit, wie sich zeigen wird, den Herkunftsraum der weitaus meisten eingebürgerten Werke. Einmal mehr sehen wir also, dass Kriege dem Interesse am Geistesleben im Feindesland nicht schädlich waren, sondern dieses Interesse förderten. Dazu kommt ein nun schon bekanntes Phänomen: Knapp drei Viertel der übersetzten Titel stammten aus dem eigenen Jahrhundert und machten gegenwartsnahe Stimmen anderer Sprachräume vernehmbar. Was die Herkunftssprachen angeht, waren Englisch und Deutsch nun mit je einem Drittel etwa gleichauf, vor den alten Sprachen mit einem Fünftel 345 sowie Italienisch und anderen Idiomen Europas. 346 Diese kaum veränderte Offenheit legt erneut eine Frage nahe, die bereits für die vorrevolutionäre Periode aufgeworfen wurde: Wieweit mag jener Zustrom fremden Gedankenguts dazu beigetragen haben, die Umwälzungen des Dezen- 344 Die fortdauernde Faszinationskraft des Etiketts „traduit“ machten sich nicht zuletzt Revolutionäre wie Marie-Joseph Chénier und Lally-Tollendal in Pseudo-Übersetzungen zunutze. 345 Neu- oder mittellateinisch verfasste Werke (etwa von den deutschen Autoren Meibomius, Thomas a Kempis, Trautmannsdorf, Widebram) spielten keine nennenswerte Rolle mehr. 346 Spanisch, Niederländisch, Schwedisch. <?page no="118"?> 112 niums zu beeinflussen, und wie stark war umgekehrt der Import selbst durch diese Umwälzungen mitbestimmt? Wie schon für die Generation der Enzyklopädisten bot der angelsächsische Sprachraum, aus dem so viele Importe stammten, den Revolutionären Gegenmodelle sozialer Organisation zum Frankreich des Ancien Régime. Was die entstehenden Vereinigten Staaten angeht, hatte deren Bill of Rights gerade die Volkssouveränität und allgemeine Menschenrechte proklamiert, Pressefreiheit verkündet usw. Die Verbreitung vertiefter Kenntnisse über derlei Realitäten und Ideale musste, wie schon anlässlich der Aufklärungsphase betont, natürlich dazu führen, das eigene bröckelnde System vollends zum Einsturz zu bringen. Ebenso stellte wie erwähnt der deutsche Kulturraum, dessen Importe gleichrangig neben die englischen traten, politisch wie religiös Gegenentwürfe zum zerfallenden französischen System vor Augen. Daher soll kurz die Rolle überprüft werden, welche das Einbürgern fremden Gedankenguts spielte für jene politischen Eliten, denen im revolutionären Umfeld besondere Bedeutung zukam. Als Testgruppe sollen Akteure dienen, die sich öffentlich aktiv im Neuerungsprozess engagierten, meist in Spitzenfunktionen als Mitglieder der Standes- und Volksvertretungen. Wieweit waren sie übersetzend tätig, während sie an der Umgestaltung von Staat und Gesellschaft wirkten? Welches waren gegebenenfalls die Werke, zu denen sie ihren Landsleuten Zugang verschaffen wollten und um deren Anverwandlung sie sich geduldig bemühten? Es steht zu vermuten, ihr politischer Einsatz hätte auch dieser Gruppe, weniger noch als Encyclopédistes, kaum Spielräume gelassen für die zeitraubende Schreibtischarbeit der Adaption fremder Geistesprodukte. Entgegen dieser Erwartung lässt sich ein halbes Hundert Titel zusammenstellen, deren Übertragung wir zwei Dutzend von Mittlern verdanken, die wir als aktive Revolutionäre kennen. Unter diesen Aktivisten mit übersetzerischen Ambitionen waren viele Abgeordnete der sich ablösenden politischen Gremien: von Etats généraux, 347 Assemblée nationale und Constituante, 348 Assemblée législative 349 und Convention nationale, 350 Conseil des Cinq-Cents 351 und Conseil des Anciens. Einige brachten es dort bis zur Schlüsselposition des Präsidenten 352 oder Secrétaire. 353 Nicht wenige waren Mitglieder revolutio- 347 Anson, Boisgelin de Cucé, Démeunier, Lally-Tollendal, Mirabeau, Sainte-Croix, Ségur. 348 Guiraudet, Mirabeau. 349 Ramond de Carbonnières. 350 M.-J. Chénier, Marat, Mercier, Moreau de Saint-Méry,Villetard. 351 Chénier, Le Marcis, Mercier. 352 Boisgelin de Cucé, Mirabeau. 353 Démeunier, Chénier. <?page no="119"?> 113 närer Clubs, nahmen in ihnen Spitzenpositionen ein; 354 andere dienten dem neuen System als Agenten oder Diplomaten. 355 Ihre hohe anderweitige Belastung hinderte auch diese Protagonisten des Revolutionsgeschehens nicht, ein nennenswertes übersetzerisches Oeuvre zustande zu bringen: Mandar etwa publizierte sechs, Mirabeau drei Übersetzungen. Dies verdeutlicht das Gewicht, das jene nebenamtlichen Mittler ihrem geistigen Kurierdienst beimaßen. Auf die Gesamt-Titelzahl bezogen bildeten Diplomaten und der neue Typus des „Berufspolitikers“ die wichtigste Übersetzergruppe, gefolgt von Vertretern des Bildungswesens 356 und von Militärs, 357 Geistlichen und Juristen. 358 Immerhin ein Fünftel der Titel wurde noch durch Aristokraten übersetzt, etwa der gleiche Anteil durch Mitglieder von Akademien. Eindrucksvoll ist einmal mehr (bei aktiven Revolutionären wie anderen Mittlertypen) die oft rasante Schnelligkeit des Transfers und hohe Arbeitsleistung: In einem halben Hundert von Fällen erschienen die französische Fassung oder deren erste Bände innerhalb eines Jahres nach Publikation des fremdsprachigen Originals, teils noch im selben Kalenderjahr. 359 Meist handelte es sich dabei um englische und deutsche Romane 360 oder um Reiseschilderungen. 361 Doch erwartungsgemäß finden sich auch Berichte über die revolutionären Umwälzungen in Frankreich (von Forster, Meyer, Williams, Young), ihnen gewidmete politische Streitschriften (von Burke, Giuliani, Paine, Stanhope), eine Darstellung der neusten Entwicklungen im feindlichen britischen Empire oder - zur Zeit von Napoleons Ägypten-Expedition - des Osmanischen Reichs. Solch hohe Aktualitätsnähe erforderte, wie mehrfach erwähnt, schnellen interkulturellen Informationsaustausch über Neuheiten. Die Geschwindigkeit mancher Einbürgerungen mag ungewöhnlich wirken insofern, als das revolutionäre Frankreich ja im Krieg lag mit den Herkunftsländern der weitaus meisten übersetzten Werke 362 und nur die 354 Cabanis, Dubuisson, Grouvelle, Mandar, Thomas Rousseau. 355 Chantreau, Noël. 356 Schulleuten, Professoren, Privatlehrern. 357 Von ihnen hatten zwei Drittel persönliche Erfahrungen in fremden Sprachräumen gesammelt. 358 Unter Berücksichtigung der sozialen Mobilität sind hier Mehrfachzählungen einbegriffen. Wiederholt begegnen auch Frauen, Theaterleute, Berufssekretäre, Juristen, Bibliothekare und Journalisten. 359 Als Schnell-Übersetzer taten sich vor allem Castéra und Morellet hervor, aber mehrfach begegnen auch die Namen Bock, Mandar, Pougens, Polier, Soulès. 360 Von Burnay d’Arblay, Carleton. Fischer, La Roche, Lafontaine, Lewis, Marshall, Naubert, Radcliffe, Roche. 361 Von Bruce, Campe, Coxe, Forster, Paterson, Staunton, Young. 362 Großbritannien, aber auch dem deutschen Kaiserreich, Preußen usf. <?page no="120"?> 114 Hälfte der Übersetzer nachweislich selbst Erkenntnisse im Ausland gewinnen konnte. Über zwei Dutzend Übersetzer brachten innerhalb eines Jahres zwei, drei oder gar vier Titel auf den Markt. 363 Beachtung verdient wieder die Tatsache, dass nicht wenige im Eiltempo übersetzte Werke den stattlichen Umfang von drei bis fünf oder mehr Bänden hatten. 364 Die weitaus meisten dieser Textmengen wurden von Einzelübersetzern bewältigt. 365 Allerdings kam es auch vor, dass schon bei einigen kleinformatigen Romanen 366 oder einem Stück Kotzebues zwei bis vier Mitarbeiter die Last unter sich teilten. 367 . Einmal mehr dürfte das Ineinander erschwerender Rahmenbedingungen, wie schon anlässlich früherer Zeitabschnitte erwähnt (etwa bei der knappen Hälfte der Mittler Übersetzen aus mehreren Sprachen) zur Folge gehabt haben, dass die Qualität französischer Versionen nur mäßig war. Wie schon oft signalisierten rund dreißig Übertragungen durch Formeln wie „traduction libre“ im Titel eine gewisse Lässigkeit bei der Einbürgerung. Welches waren, mitten im Umsturz, die Textarten und Titel, denen die Aufmerksamkeit der Importeure galt? In einem Jahrzehnt, dessen dringendstes Anliegen radikale Änderung aller politischen wie sozialen Verhältnisse war, erwartet man natürlich wieder eine klare Dominanz gegenwartsnaher Sachprosa mit einschlägiger Thematik. Doch wie bei den Encyclopédistes wird diese Erwartung zumindest teilweise enttäuscht. Gewiss übersetzte man, wie wir sahen, viel Aktuelles. Doch ein Fünftel aller Übertragungen stammte noch immer aus jenen alten Sprachen, für die Revolutionäre überraschend sogar stärkere Neigung zeigten als die Encyclopédistes. Erneut stellt sich die Frage, ob darin Versuche der Rückvergewisserung zu sehen sind bei einem modellhaften Goldenen Zeitalter - in einer Umwelt, die sämtliche gegenwartsnahen Fixpunkte verloren zu haben schien. Unter Einbezug nachantiker Literaturen stammte zudem weit über die Hälfte aller übertragenen Titel aus dem Bereich der Belletristik (Epos und Lyrik, Theater, Roman). In der 363 André, Bursay, Bock, Benoist, Castéra, Coupé, Creuzé de Lesser, Deschamps, Desprès, Duval, Grainville, Griffet de Labaume, Guibert, Huber, Laveaux, Luce de Lancival, Luynes, Mandar, Morellet, Nivernais, Poan de Saint-Simon, Poisson de la Chabeaussière, Polier, Pougens, Rauquil-Lieutaud, Saint-Marcel, Soulès, Weiss. 364 So bei Publikationen von Castéra, Deschamps, Desprès, Griffet de Labaume, Guibert, Aveaux, Mandar, Morellet, Soulès. 365 Ausnahmen: meist mehrbändige Titel von Guthrie/ Ferguson, Horaz, Huber, Macauley Graham, Vancouver. 366 Von Bouterweck, Burney, Lewis, Radcliffe. 367 Vgl. auch A. Denis, La fortune littéraire et théâtrale de Kotzebue en France pendant la Révolution, le Consulat, l’Empire, Paris 1977. An ähnlichen Kooperationen beteiligten sich Benoist, Cantwell, Chasenay, Cramer, Daru, David, Démeunier, Deschamps, Després, Guiraudet, Huber, Jauffret, Lamare, Lebrun, Mirabeau, Monvel, Morellet, Noël, Patrat, Soulès, Weiss. <?page no="121"?> 115 Rangliste jener Importe bildeten, unerwartet angesichts der wichtigen Rolle der so zahlreich entstandenen Bühnen jener Jahre, Theaterstücke das Schlusslicht. Offenbar war also die Theaterproduktion weit stärker von den inneren Umwälzungen fasziniert als andere Genres. Auf Erzählliteratur und Versdichtung entfielen, mit je einem reichlichen Fünftel aller Übertragungen, etwa gleichgroße Anteile. Gerade bei Titeln der Versdichtung war fast die Hälfte antiken Ursprungs. 368 Die Vermutung, dass die Verse nicht nur einem Bedürfnis nach sprachlicher Harmonie, sondern oft auch nach Evasion aus der Zerrissenheit des Hier und Jetzt entgegenkamen, wird bestätigt durch eine Fülle antiker wie nachantiker Namen und Titel: Anakreon und Vergils Georgica, aber auch Visionen von (sittenreinem oder der Liebe geweihtem) Leben in der Natur wie Tansillos Vendemmiatore, Hallers Alpen oder Gessners Idyllen, Goldsmiths Deserted Village oder Popes Pastorals. Ungleich seltener thematisiert wurden durch die Poesie jene Nachtseiten von Leben und Tod (etwa durch Youngs Night-thoughts oder Grays Elegy written in a country church yard), die gerade jetzt zur alltäglichen Erfahrung gehörten, oder Parallelen zur politischen Gegenwart (etwa das Carmen de bello civili des Petronius Arbiter). Verblüffenderweise zeigten also Übersetzer des Dezenniums, darin den Encyclopédistes verwandt, in ihrer großen Mehrheit nicht nur ausgesprochen schöngeistige Neigungen. Auch sie waren darüber hinaus, was literarästhetische Vorlieben angeht, ebenso mehrheitlich ausgesprochen rückwärtsgewandt. Zwei augenfällige Beispiele mögen dies illustrieren: Poisson de la Chabeaussière, ein glühender Anhänger der Revolution, sollte ausgerechnet die 1795 postum unter Mirabeaus Namen gedruckte Übertragung von Tibulls Liebeselegien laut für sich reklamieren. Und Le Marcis, Mitglied des Conseil des Cinq-Cents, publizierte 1799 einmal mehr eine Neufassung von Les amours d’Ovide. Ein Dutzend weiterer Übertragungen hatte ebenfalls keinen direkten gesellschaftlichen oder politischen Bezug. Es waren jene Werke aus dem Bereich der neuen empirischen Wissenschaften, die wir schon bei den Enzyklopädisten registriert hatten. Verweilen wir kurz bei den importierten Romanen. In ihrer Mehrheit gehörten sie zum Typus der Gothic Novel bzw. des deutschen „Schauerromans“, dessen Entstehung ja schon Georg Lukács aus dem kollektiven Trauma der Revolutionswirren ableitete: Ängsten vor Verlust der Heimat und Zwang zur Emigration, vor Einkerkerung oder Flüchtigkeit des Lebens und frühem gewaltsamem Tod, einer Besessen- 368 Auch eine Reihe weiterer Originale stammte aus früheren Jahrhunderten (erwähnt seien Dante und Thomas a Kempis, Tassoni, Tansillo, Muret, Shakespeare und Calderón, Milton und Machiavelli). <?page no="122"?> 116 heit von Gräbern, Skeletten und Friedhöfen, Verfolgung Unschuldiger, von Gewalt und Quälerei, Gerichtswillkür, Machtbesessenheit und enthemmten Leidenschaften, bedrohlichen Geheimbünden und dämonischen Mächten, Intrigen und Umsturzplänen. 369 Kein Zufall ist gewiss, dass in jenen Importen aus antikatholisch-bürgerlicher Umwelt die Rolle des Bösewichts und Charakterlumpen gern Vertretern der alten Standeseliten zugeteilt wurde: Aristokraten 370 oder katholischen Klerikern, Mönchen und Nonnen, 371 und dass die Handlung nicht weniger gern in katholische Länder wie Frankreich, Italien, Irland, Schottland verlegt war. Doch neben Alptraumhaftem gab es auch unter den Roman-Importen Angebote zum Rückzug in Idylle, 372 Exotik und Feenmärchen. Neben Geschichten sozialen Aufstiegs, Aufkläreroptimismus und Freiheitstrunkenheit 373 erschien Konterrevolutionäres und Antijakobinisches. Welche Rolle spielten sonstige Werke und Textarten, deren Thematik kompaktes Einwirken auf die politische Umsetzung neuer Leitgedanken vermuten lässt? Augenfällig ist hier wieder der, mit fast 40 Titeln, beträchtliche Anteil historiographischer Werke, darunter ein Dutzend vielbändiger Großprojekte. Je ein knappes Dutzend jener Rückblicke waren Übertragungen aus dem Englischen und Deutschen, eine Reihe weiterer solche aus alten Sprachen. Thematisch begannen sie, unabhängig von der Herkunftssprache, mit antiker Geschichte aus republikanischer Sicht (Tacitus, Sallust), neuzeitlichen Darstellungen antiker Republiken (Athen und Rom), handelten von Dekadenz und Verfall des römischen Weltreichs oder offerierten Plutarchs Schilderungen großer Staatsmänner als Leitbilder vorbildlicher Moral. Sie setzten sich fort mit historischen Überblicken, die der republikanischen Schweiz oder aktuellen Entwicklungen im britischen Empire galten, und reichten bis zur Entstehung der Vereinigten Staaten oder einer Autobiographie ihres in 369 Nennen wir nur Ch. Smiths Ethelinde, Lewis’ The Monk, Lafontaines Klara Duplessis, Fischers Graf Pietro d’Albi und Gianetta, Fullers The convent or the history of Sophia Nelson, Musgraves Edmund of the forest, B. Nauberts Ritter vom Siebengebürge, Anne Radcliffes Mysteries of Udolphe, The Italian und The romance of the forest, Regina Maria Roches Clermont und The children of the abbey. 370 Naubert, mehrfach Radcliffe, Smith. 371 Fuller, Inchbald, Lewis, Radcliffe. - Zum Folgenden: Fischer, Lewis, mehrfach Radcliffe, Roche. 372 La Roches Schönes Bild der Resignation, Wezels Herrmann und Ulrike. - Zum Folgenden Remers Kleine Chronik des Königreichs Tatojaba, Devonshires The new Sylph or, Guardian angel. 373 Knigges Geschichte Peter Clausens, Kotzebues Geschichte meines Vaters, Heinses Ardingello; Klingers Faust’s Leben; Jacobis „jakoninischer“ Woldemar. - Zum Folgenden: Rainsfords Agatha; Marshalls Edmund and Eleonora. <?page no="123"?> 117 Frankreich wohlbekannten Spitzenpolitikers und Diplomaten Franklin. 374 Ein weiteres Teilkorpus bildeten wie zuvor, mit rund dreißig Titeln, nicht primär historisch angelegte Beschreibungen von Ländern, Erdteilen und Weltgegenden, Berichte von Reisen oder Entdeckerfahrten. Auch unter ihnen war eine Reihe drei- und mehrbändiger Großprojekte meist englischer Herkunft. 375 Ein Drittel der einschlägigen Titel fand, ganz wie eine Reihe historiographischer Neuheiten, umgehend Übersetzer und Verleger. 376 Die Spannweite solcher Übertragungen topographischer Werke englischer Autoren erfasste wieder die „quatre parties du monde“ - vom Nordpazifik bis zur Südsee, von Russland bis Ostasien, Indien und Amerika bis zur Südspitze Afrikas. Dabei galt erwartbar den Kolonialreichen europäischer Mächte, vor allem Englands, ein unverändertes Augenmerk; aber gewiss wurde auch der Evasionsdrang aus einer schwer erträglichen Alltagswelt befriedigt. 377 Wie bei historiographischen Schilderungen rückte daneben die Konfliktzone in Europa und am Mittelmeer ins Blickfeld: Italien und die Levante, Ungarn, die Schweizer Eidgenossenschaft, ein demokratisches Großbritannien. 378 Wie schon vermutet, dürfte das Bild solcher Staatsgebilde, Gesellschaftsformen und Kulturen, die sich vom Ancien Régime so grundlegend unterschieden, dazu beigetragen haben, den Geltungsanspruch des überkommenen Modells endgültig zu unterhöhlen. War man doch weiterhin begierig, den fremden Blick auf die aktuellen französischen Verhältnisse und Umwälzungen zu befragen, wie er durch Schilderungen von ausländischen Beobachtern, Reisenden und Revolutionstouristen erfahrbar wurde. 379 Eine Reihe politischer Streitschriften war bereits bei der Analyse unmittelbar übertragener Titel aufgetaucht. Zu ihnen gesellten sich Rückgriffe auf frühere Zeiten, etwa Miltons Defense of the people of England anlässlich der Aburteilung des Königs Charles I., Needhams Schrift zur Volkssouveränität oder die Gedanken Trautmannsdorfs zur Toleranz- 374 Etwa Beccaria, Meiners, Johannes von Müller, Graham, Robertson. 375 Übersetzungen von Bruce, Coxe, Spallanzani, Staunton, Townson, Vancouver, Young. 376 Außer den schon genannten (Bruce, Staunton, Young) Übersetzungen von Campe, Forster, Fr. J. Meyer, Paterson. 377 Bartram, Bligh, Bruce, Ellis, Eton, Guthrie, Howe, Paterson, Staunton, Van Braam, Vancouver. 378 Übersetzungen von Coxe, Knox, Mariti, Spallanzani, Townson, Young. 379 Berichte des Frankreichreisenden Georg Forster, F. J. L. Meyers Fragmente aus Paris im VIten Jahr der französischen Republik, oder John Moore, Arthur Young. Vgl. auch französischen Verhältnissen geltende Übersetzungen von Stanhope (1790), Burke (1790, 1797), Helen M. Williams (1791), Paine (1791), Kotzebues Der weibliche Jacobiner-Clubb (1792) oder Tooke (1799). <?page no="124"?> 118 idee, Debatten des englischen Parlaments, sogar einige Pseudo-Übersetzungen: Lally-Tollendals Verteidigung von Louis XVI in Songe d’un Anglais, seine Satire gegen die Abschaffung von Adelsvorrechten Quintus Capitolinus aux Romains oder Grouvelles Réponse à tout mit dem vielsagenden Untertitel Petit colloque entre un sénateur allemand et un républicain français. Nicht weniger deutlich spiegeln weitere importierte Titel Schlüsselthemen der Zeit: ein Tableau de l’armée prussienne oder Du commerce des peuples neutres en temps de guerre, ein Discours sur les rapports de l’Italie libre avec la France et l’Europe oder La philosophie de la guerre. 380 Was sich bei Betrachtung der England- und Deutschland-Importe sowie der Rolle von Aufklärern und Enzyklopädisten schon abzeichnete, wird beim Blick auf importierte Romane bestätigt: Wie bei den Aufklärern wäre es naiv, belletristische Übersetzungen ausklammern zu wollen, wenn es um Wert oder Unwert der Umsetzung revolutionären Denkens und Fühlens ging. Greifen wir nochmals einige Beispiele aus dem Bereich des Theaters heraus. Ein unmittelbar politischer Bezug wurde natürlich 1793, 1795 und 1799 augenfällig bei weiteren französischen Versionen von Schillers Räubern durch La Martellière und Creuzé de Lesser. Zur Anwendung auf das politische Hier und Jetzt lud auch, wie erwähnt, die Übertragung des um Freiheit und Despotismus kreisenden „republikanischen Trauerspiels“ Verschwörung des Fiesko ein oder die des Don Carlos mit seinem Zusammenprall von despotischem Absolutismus und Posas schwärmerischer Vision einer alle beglückenden Menschheitsordnung. Ebenso lag die politische Nutzanwendung auf der Hand für Klingers rousseauistisches Republikanertum in Damokles und dessen vergeblichem Kampf gegen königliche Tyrannei, für Kotzebues Weiblichen Jakobiner Clubb oder Gessners Tragödie Inkle und Yariko, in der ein Menschenhändler zwecks Selbstreinigung zur Sklavenarbeit verurteilt wird. Ähnliches galt schließlich 1799 für Klopstocks Hermanns Schlacht, ihre Vaterlandsbegeisterung im Kampf gegen fremde Unterdrücker, ganz wie 1793 für Hochkirchs Trauerspiel Kapet oder der Tod Ludwigs XVI. König von Frankreich. Gewiss trat die hochbrisante politische Thematik nicht immer so offen zutage wie bei solchen Stücken. Ihre Freilegung in weiteren Fällen verbietet sich daher im Rahmen dieser Skizze. Auch hier sei ein verlagshistorischer Umschlag nochmals in Erinnerung gerufen: Vor 1790 waren, wie erinnerlich, viele brisante Übertragungen außerhalb der französischen Staatsgrenzen publiziert worden. 380 Archenholz, Lampredi, Galdi, Lloyd. <?page no="125"?> 119 Ab 1790 dagegen erschienen über vier Fünftel der Importe in Paris, weitere in der französischen Provinz. Direkte Einwirkung bestimmter übertragener Titel auf das politische Handeln des betreffenden Übersetzers selbst dürfte vorerst nicht eben häufig glaubhaft zu machen sein. Eine sorgfältige Abgleichung in jedem Einzelfall bleibt auch hier ein Desiderat. Nennen wir nur zwei lohnende Beispiele: Der engagierte Revolutionär Mandar etwa veröffentlichte 1790 eine Übertragung von Needhams De la souveraineté du peuple, der Volkstribun Mirabeau eine solche von Grahams Histoire d’Angleterre de Jacques I jusqu’à la Révolution, deren Bezug zum Geschehen der frühen Revolutionsphase augenfällig ist. Aufs Ganze gesehen, mögen jedoch überzogene Erwartungen von direkter Befruchtung politischer Aktivitäten führender Revolutionäre durch ihre Übersetzertätigkeit enttäuscht werden. Denn eine ganze Reihe von Akteuren des Revolutionsdramas wurden zwar übersetzerisch aktiv, gaben aber ihr Debüt erst nach Auslaufen des politischen Engagements: Anson, Barère de Vieuzac, Boisjolin, Chantereau, Chénier, Duval, Ginguené, Ségur und Volney. Und bei einem Barère de Vieuzac mag die Wahl der dann übertragenen Titel eher im Bemühen gründen, das Geschehen der letzten Jahre besser zu verstehen, als im Streben nach Handlungsmaximen für die Zukunft. 381 Der beachtliche Drang von Exrevolutionären zur Übertragung belletristischer Titel, vor allem aber Werken einer fernen Antike mag zum Gutteil gründen in ihrem Wunsch nach Rückzug in Gegenwelten zur frustrierenden Alltagswirklichkeit. Allerdings waren die meisten und wirksamsten ideologischen Waffen für politische Kämpfe des Revolutions-Dezenniums, wie wir sahen, eingeschmuggelt worden durch politisch Namenlose sowie die Vorgänger-Generation von Encyklopädisten und anderen Aufklärern. Die französische Revolution aber - das lässt dieser flüchtige Rundblick erahnen - war dennoch nicht nur in ihrer Auswirkung, sondern auch von ihren geistigen Wurzeln her kein französisches Binnenphänomen, sondern ein gesamteuropäisches Produkt. Diese Erkenntnis dürfte noch heute aus der Außensicht leichter gewinnbar sein als aus der Perspektive jenes stolzen republikanischen Patriotismus, der hexagonale Geschichtsforschung noch weitgehend prägt. Weit augenfälliger als für andere Zeitabschnitte wird die scheinbar banale Feststellung, dass interkultureller Austausch via Übersetzen von konkreten politischen, sozialen, psychischen Bedürfnissen seiner Zielgruppen in bestimmten historischen Situationen bedingt ist. 381 Vgl. dazu die übersetzten Titel von Taylor und Moyle (1801), Cucco (1807), Aspin (1810), Brooke (1815). <?page no="126"?> 120 4.3.3. Im Vorfeld der Romantik: das Italienbild Zu den Gemeinplätzen gehört, die französische Romantik - Lyriker, Dramatiker oder Romanciers - sei von Italien fasziniert gewesen. Woher kam diese magnetische Anziehungskraft? War die Halbinsel doch ein Land, das laut August Wilhelm Schlegel selbst keine Romantik kannte. 382 Gewiss sollten die namhaftesten Anhänger der neuen Schule fast alle ihre Pilgerfahrt nach Italien absolvieren. 383 Dennoch scheint das Italienbild, das sich in ihren Werken spiegelt, zum Gutteil auf Erinnerungen an Literatur und Kunst zurückzugehen. Stendhal wird seine ersten Italieneindrücke der Lektüre eines englischen Romans verdanken. 384 Musset, der Petrarca nach eigener Aussage „étant encore enfant“ gelesen hatte, 385 sollte nicht seine Italienreise abwarten, um die Contes d’Espagne et d’Italie zu schreiben. Wir wissen, dass Ugo Foscolo Madame de Staël vorwerfen wird, Gegenden seines Heimatlands beschrieben zu haben, die sie schlecht oder überhaupt nicht kannte. 386 Und Lamartine beteuert, die Wärme und Heiterkeit des „ciel italien“ seien ihm von Jugend an durch Goethes Verse und „les pages de Corinne“ vertraut gewesen. 387 Nun hatten im 18. Jahrhundert fast alle namhaften Autoren Frankreichs, die auf Exotik erpicht waren, italienische Sujets missachtet und ihre Inspiration andernorts gesucht. 388 Das legt die Vermutung nahe, dass die Romantiker erste Lektüreeindrücke von Italien in ihrer überwältigenden Mehrheit aus Übersetztem beziehen werden. Eine breit angelegte Analyse von Buchimporten, die sich im 18. Jahrhundert, speziell dessen zweiter Hälfte bis ungefähr 1810, auf die Apenninenhalbinsel oder ihre Bewohner bezogen, dürfte daher lohnen. Natürlich soll darüber nicht vergessen werden, dass manche Romantiker, wie Musset oder Sismonde de Sismondi, durchaus fähig waren, italienische und andere fremdsprachige Texte im Original zu lesen. Leider trügt die Erwartung, Literaturhistoriker hätten sich längst um den Zustrom aus benachbarten Sprachräumen gekümmert. 389 Erinnern 382 Vgl. W. Potthoff, Dante in Russland, Heidelberg, Winter 1991, S. 24, 108. 383 So Chateaubriand, Mme de Staël, Lamartine, Stendhal, Musset, Nerval. 384 Siehe A. M. Killen, Le roman terrifiant ou roman noir de Walpole à Anne Radcliffe et son influence sur la littérature française jusqu’en 1840, Paris: Champion 1967, S. 129. 385 Le fils du Titien, in Poésies nouvelles. 386 Siehe etwa W. Engler, Lexikon der französischen Literatur, Stuttgart 1984, Artikel „Corinne ou l’Italie“. 387 Graziella, Kap. I, I. 388 Eine Ausnahme bildete der Abbé Prévost (siehe E. L. Stockwell, L’image de l’Italie dans l’œuvre romanesque de l’abbé Prévost, in G.-L.-Fink, L’image de l’Italie dans les littératures allemande et française au XVIIIe siècle, Strasbourg 1994, S. 157-167. 389 G. Lanson hatte in seiner Histoire de la littérature française beiläufig die „traductions d’ouvrages étrangers“ unter den „modèles“ der Romantiker erwähnt. Doch A. Bisi, L’Italie et le romantisme français, Genève 1982, nennt nur wenige ausgewählte Über- <?page no="127"?> 121 wir uns, dass gerade im fraglichen Zeitraum die Flut von Übersetzungen aus Nachbarliteraturen eine vorher nie gekannte Höhe erreicht hatte. Diese Flutwelle spiegelte sich erwartungsgemäß auch in der Fortführung theoretischer Reflexion. 390 Nicht zufällig lagen bei alledem, wie mehrfach erwähnt, mit dem Englischen und (in der zweiten Jahrhunderthälfte) dem Deutschen gerade jene Literaturen an der Spitze, die man zu zitieren pflegt, wenn es um fremde Einflüsse auf die französische Romantik geht. 391 Beginnen wir dennoch mit einer Sichtung der Übersetzungen aus dem Italienischen, die wie erinnerlich Rang drei der lebenden Herkunftssprachen einnahmen. Das noch immer hohe Ansehen italienischer Literatur lässt sich wieder daran ablesen, dass etwa zwanzig Titel als Übersetzungen aus dem Italienischen figurierten, obwohl es sich in Wirklichkeit um französische Originale handelte. 392 Die Gesamtzahl als Übersetzung firmierender Titel belief sich, wie erwähnt, auf rund dreihundert, verdoppelt um etwa die gleiche Zahl von Nachdrucken und Nachauflagen. Ginge man, wie mehrfach geschehen, von einer mittleren Auflagenhöhe der Zeit aus 393 sowie der geschätzten Leserzahl pro Buchexemplar, käme man auf über zehn Millionen Leser im Erhebungszeitraum. Kurz gesagt: Zu Beginn der Romantik war das französische Italienbild wesentlich mitbestimmt durch literarische Italienimporte. Sie bildeten einen gewichtigen Faktor für die Ausformung des Vorstellungsraums romantischer Autoren, ihres Publikums und des gesamten literarisch-kulturellen Feldes. Die genannten Ziffern, die wieder nicht mehr sein wollen als Annäherungen, liegen den wenigen quantitativen Aussagen dieses Kapitels zugrunde. Vier von fünf der erfassten Übersetzungen erschienen in der zweiten Jahrhunderthälfte. Damals behielt bekanntlich jedes (gebundene) Buch lange seinen Wert, auch wenn es schon vor geraumer Zeit gedruckt war. Von daher scheint es legitim, die setzungen. Unter den Beiträgen des unlängst von G.-L. Fink edierten Sammelbands [Anm 388] ist kein einziger den Übersetzungen gewidmet. Vgl. auch C. del Balzo, L’Italia nella letteratura francese della morte di Enrico IV alla Rivoluzione, Torino 1907; W. Bini, Le traduzione preromantiche, Revue des Lettres modernes 2, 1947. 390 Siehe dazu etwa die Studien bei Cioranescu Nr. 5709-13, 18387. 391 Zu Importen nach Deutschland siehe etwa H.-J. Lüsebrink/ R. Reichardt, La traduction, indicateur de diffusion: imprimés français traduits en allemand, 1770-1815, in: Fr. Barbier u. a. (Hg.), L’Europe et le Livre, Paris: Klincksieck 1996. 392 Hier die Namen einiger Autoren solcher Pseudo-Übersetzungen: A. Adam, Araignon, Baston, Bovier, M.-J. Chénier, Framery, Grandvoinet de Verrière, Griffet de Labaume, La Bléterie, Lanjuinais, Mouhy, Moutonnet de Clairfons, J.-J. Rousseau, Ségur, Thorel de Campigneulles, Voltaire. 393 Wie erwähnt zwischen 500 und 3000 (nach R. Chartier/ H.-J. Martin, Histoire de l’édition, Bd. II, S. 28, 127 u. ö.). <?page no="128"?> 122 Aufmerksamkeit nicht nur auf das frühe 19. Jahrhundert zu richten, sondern die zweite Hälfte des vorhergehenden einzubeziehen. 394 Das die Epoche prägende Streben nach Aktualität galt in besonderem Maß für Importe aus England und dem deutschsprachigen Raum. So stammten 95 % der Originale von Übersetzungen aus dem Deutschen aus dem 18. und dem ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. 395 Entgegen den damit geweckten Erwartungen 396 griff man, wie erinnerlich, bei einem beträchtlichen Teil 397 der Italien-Importe auf frühere Epochen zurück: das Mittelalter, die Literatur des Seicento und vor allem der Renaissance. Tasso war nach wie vor meistübersetzter Autor, 398 gefolgt von Ariost und erst danach von zwei Zeitgenossen (Goldoni und Metastasio, den einzigen positiven „exceptions“ einer nunmehr als degeneriert geltenden Nationalliteratur 399 ). Auf nur vereinzeltes Interesse stießen dagegen Vertreter des „illuminismo“, des sozialen und politischen Fortschritts, wie Algarotti, Beccaria, Vergani oder Pilati. 400 Daher zurück zu Tasso: Seinen Sonderrang verdankte er vor allem einem konstanten Interesse an der ständig neu übersetzten Jérusalem délivrée. 401 Neben Neufassungen von Ariosts Roland furieux und Boiardos Roland amoureux erweckte dieses Epos ein Mittelalter der Kreuzzüge zu neuem Leben, das den Romantikern bald lieb und teuer werden sollte. Mit mehreren Neuversionen von Dante - dem laut Schlegel einzigen italienischen „Romantiker“ und Lieblingsautor Chateaubriands 402 - kam das Epiker- Quartett auf fast achtzig französische Auflagen und Nachdrucke. Es verbürgte das Weiterleben jenes „merveilleux chrétien“, das im Gefolge des Génie du Christianisme zu einem Leitbegriff der Romantik werden sollte - mit Gott und Satan, Paradies und Hölle, mit Erzengeln, Engeln und Dämonen, einem Reigen von Monstern, Magiern und Hexen. 394 Rufen wir einige Geburtsjahre in Erinnerung: Mme de Staël 1766, Chateaubriand 1768, Lamartine 1790, Vigny 1797, Hugo und Dumas 1802. 395 Siehe F. Nies, „L’Allemagne possède des trésors enfouis“, in B. Banoun (Hg.), Migrations, exil et traduction, Tours 2009, Kap. 4 „Hochgeschwindigkeit und Erfolgsspuren“. 396 Zu den Übersetzungen aus dem Englischen siehe F. Nies, France européenne, Kap. Promptitude d’un grand nombre de transferts. 397 Zwei von fünf Titeln. 398 Zur Rezeption siehe auch A. Cioranescu, L’Arioste en France, des origines à la fin du XVIIIe siècle, Paris 1938. 399 Hinweis von U. Schöning. 400 Beccaria, Traité des délits et des peines (1766); Pilati, Projet d’une réforme à faire en Italie (1769). 401 Übersetzungen von Charnes, Mirabaud, Lebrun, Luneau de Boisjermain, Menu de Chomorceau, Framey, Castan de la Courtade, Montenclos, Baour-Lormian, J.-M.-B. Clément, La Harpe, Devineau de Rouvray, H. Panckoucke, etc. (ohne Übersetzungen anderer Werke Tassos). 402 Siehe Potthoff [Anm. 382]. <?page no="129"?> 123 Das Mittelalter italienischer Epen war, wie bekannt, als Epoche stolzen Rittertums geschildert. Die meisten Romantiker nun sollten aus Familien jenes Adels stammen, den die Revolution entwurzelt hatte. 403 Eben diese enterbten Aristokraten fanden in den Epen Italiens, nostalgisch verklärt, ein Abbild der heroischen Blütezeit ihrer Kaste wieder. Von da aus war es nicht weit zu Vignys Beschwörung eines Roncesvals, in dem uns die „âmes des chevaliers“ und „l’ombre du grand Roland“ begegnen werden. 404 Wenig verwunderlich also, wenn Lamartine beteuern wird, Neapel bedeute für ihn „surtout le tombeau du Tasse“, 405 und wenn Deschamps großen Wert darauf legen sollte, gerade das Epos wieder aufzuwerten. Und es dürfte kein Zufall sein, wenn in der Chartreuse de Parme 406 der junge Fabrice - Vertreter jener Generation, die gleich ihren Vorgängern frustriert war durch das Scheitern des napoleonischen Allmachttraums und die Unmöglichkeit realen Heldentums - sich gerade in die Lektüre von Tasso und Ariost versenkt und von heroischen Taten träumt. Und die von der jungen Emma Bovary, Prototyp der romantischen Leserin, konsumierten Romane geben einen nicht weniger tiefen Einblick in die Wiederbelebung jenes idealisierten ritterlichen Mittelalters, mit seinen Minnesängern, alten Burgen, Edelfräuleins „au long corsage“ und Kavalieren „à plume blanche“. Bekanntlich stand in den Augen der Romantiker - Chateaubriand und der Préface de Cromwell zufolge - das Mittelalter für eine Ära idealisierten Christentums und Quelle der modernen Poesie. Im Rückblick erschien ihnen jene jugendliche Christenheit, vor dem unheilvollen Schisma der Reformation und der Erosion durch das Aufklärungsdenken, kraftvoll und selbstgewiss. Doch Italienimporte gaben der Phantasie des französischen Lesers auch für die jüngste Vergangenheit zusätzliche Nahrung: durch Vorbilder eines Katholizismus voller Vitalität, wie ihn nicht nur Chateaubriand im eigenen Land neu beleben wollte. Die Übersetzungen des 18. Jahrhunderts präsentierten so Biographien moderner Heiliger wie des zu Jahrhundertbeginn verstorbenen Arsène Janson oder des erst 1783 verewigten Benoît-Joseph Labre. 407 Dazu offerierte man eine reiche Dokumentation zum Konzil von Trient, zu Päpsten wie Klemens XIV., Predigten zeitgenössischer Kardinäle wie 403 Etwa Chateaubriand, Lamartine, La Mennais, Vigny, Musset, Guérin, Saint-Simon (siehe dazu: Die Tragödie der französischen Romantik, in G. Hess, Gesellschaft - Literatur - Wissenschaft, München 1967, S. 159 u. ö.). 404 Schlussverse von Le Cor. 405 Graziella Kap. I,7. 406 Stendhal war zwar bürgerlicher Herkunft, strebte aber bekanntlich zum Adel. 407 Biographien von Janson (übersetzt durch Drouet de Maupertuy, Lancelot), von Labre (übersetzt durch Harel, Roubaud), von Laurent de Brindes. - Zum Folgenden: Alberoni, Bentivoglio, Chiaramonti, Pallavicini; Pius V. <?page no="130"?> 124 Chiaramonti; eine ganze Serie theologischer Traktate und Andachtsbücher oder die Erzählung einer kürzlichen „grâce singulière et miraculeuse opérée à Rome“. 408 Mittelalterliche Ritterschaft, Christentum und selbstgewisser Katholizismus waren jedoch nicht die einzigen Quellen aus dem reichen Reservoir von Übersetzungen, an denen sich romantische Inspiration erquicken konnte. Die italienische Renaissance blieb aktuell nicht nur durch ihre Autoren, sondern auch hinsichtlich der Sujets. So erschienen ständig Neufassungen von Poggio, des von Musset imitierten Boccaccio oder Novellen ihrer Zeitgenossen. Die Übersetzer sorgten auch dafür, dass französische Leser immer, durch Werke der Epoche selbst oder späterer Zeit, Zugriff hatten auf Darstellungen der Medizeerherrschaft in Florenz und der Toscana oder über die Verschwörung der Pazzi, etwa in einer Version Alfieris. Man publizierte Biographien von „condottieri“ wie Filippo Strozzi ou Castruccio Castracani oder die des „uomo universale“ Benvenuto Cellini, 409 dem Alexandre Dumas eines seiner Werke widmen wird. Kurz, man erweckte eine sehr „unklassische“ Welt von Figuren zum Leben. Sie besaßen im Übermaß jene Energie und überbordende Lebenskraft, jenen skrupellos ausgelebten Egozentrismus, dem so manche romantische Helden nachtrauerten. Viele Elemente dieser wiedererweckten Renaissance kündigten schon Lorenzaccio, André del Sarto, Mussets Le fils du Titien an oder Hugos Lucrèce Borgia, Vittoria Accorambani, Vanina Vannini und Stendhals Les Cenci. Eine ganze Reihe von Übersetzungen offerierte zudem eine italienische Literatur, die reich war an Werken, deren Untertitel bereits Stil- und Gattungsmischung verhieß. Eben diese Mischung sollte dann bekanntlich die Préface de Cromwell propagieren, jenes Manifest der neuen Schule, das in den Augen ihrer Jünger und Freunde „comme les Tables de la Loi sur le Sinai“ erstrahlte. 410 So kündigten die Verleger von Importen etwa ein „poème dans le genre bernesque“ an, eine als „héroïcomique“ oder gar „héroï-satiro-comique“ präsentierte Dichtung, unter den für die Bühne bestimmten Werken ein „opéra bouffon“ oder „héroï-comique“, dann wieder „tragi-comédies“, öfter noch „comédies mêlées d’ariettes“ usw. Was typische Züge italienischer Landschaft betrifft, ist zu erwarten, dass Übersetzungen aus dem Italienischen weniger ertragreich wären als Werke aus der Feder von Autoren anderer Länder, waren diese doch oft frappiert von den Gegensätzen zwischen Italien und ihrer Heimat. In 408 Übersetzt durch Cambis-Velleron (1744). 409 Zum Vorstehenden siehe die Übersetzungen von Requier, L.-F. Robert und Lefèbvre de Villebrune, Villetard, Dreux du Radier, Saint-Marcel, Goujet. 410 Th. Gautier, Histoire du Romantisme, Paris, 1874, S. 5. <?page no="131"?> 125 Sachen Lokalkolorit konzentriere ich mich daher 411 auf Übersetzungen aus anderen Sprachen. Erwartungsgemäß erwähnten, evozierten oder beschrieben zahlreiche Importe englischen oder deutschen Ursprungs italienische Szenerien, seien es geographische Abhandlungen 412 oder, häufiger noch, Reiseberichte. Es wird sich zeigen, dass auch zahlreiche Theaterstücke und Romane des „Nordens“ für ihre Handlung einen italienischen Rahmen wählten, etwa den Apennin 413 . Allerdings begegnen unter den Evokationen der Halbinsel die Landschaften einzelner Provinzen und ländliche Szenerien seltener als die großen Städte - mit Neapel an erster Stelle, gefolgt von Venedig, Rom und Florenz. Italienische Landschaft war also vor allem, durch das Prisma der Übersetzung gebrochen, bereits jene Stadtlandschaft, die sie für Romantiker bleiben sollte. 414 Sie verwandelte sich in deren Augen bekanntlich in eine Serie emblematischer Bilder. Für Madame de Staël wird Neapel mit seinem Vulkan zum Inbegriff glühender Leidenschaft, Venedig zum Symbol der Melancholie, zu dem des Todes für Gautier: „Linceul d’or sur des ossements! / Ci-gît Venise.“ 415 In Romanen, Novellen und Theaterstücken kam zur geographischen oft eine historische Exotik: Was die Übersetzungen bevorzugt beschworen, war das Venedig, Verona, Florenz der Renaissance - jene „ville aux palais noirs“ und „vieux manoirs“, die Gautier evozieren wird. 416 Die Natur fehlte indes nicht völlig in den Beschreibungen, sei es der Originalautoren oder in Vorreden der französischen Fassung. Eine Übertragung von Ruccellais Dichtung Les Abeilles evozierte „nature et jardin“ 417 ebenso wie eine Neuübersetzung von Sannazaros Arcadia, mit ihrer paradiesischen Welt der Berge und Haine um Neapel. Schon in seinem Widmungsbrief rühmte der aus dem Elsass stammende Übersetzer Italiens meridionale Natur, „prodigue de ses dons“. Ein Vorwort Pingerons rühmte ähnlich „les beautés de la nature qui sont plus multipliées dans [ce] pays que par tout ailleurs“. Diese naturgegebene Über- 411 Neben den Lettres écrites de M. l’abbé Sestini… pendant le cours de ses voyages en Italie, en Sicile et en Turquie (1789). 412 Etwa von Büsching, Baretti. - Zum Folgenden siehe Reiseberichte von Winckelmann, F. J. L. Meyer, Sulzer, Riedesel, Archenholz, Recke; von Boswell, Baretti, A. Young, Mayhows, Brydone, H. Swinburne. 413 Etwa Anne Radcliffe, Les mystères d’Udolphe (1797). 414 Vgl. etwa auf exemplarische Weise in A mon frère, revenant d’Italie die Aufzählung einer schier endlosen Reihe von Städtenamen: Florence, Gênes, Naples, Catane, Palerme, Capoue, Ravenne, Ferrare, Padoue, Terracine, Venise (neben Ischia, Sizilien, den Abruzzen). 415 Siehe Mme de Staël, Corinne ou l’Italie; Gautier, A mon frère revenant d’Italie. 416 A mon frère revenant d’Italie. 417 Vgl. T. Picquet, Nature et jardin: Giovanni Rucellai, Le Api. - Zum Folgenden: Übersetzung von A. Pecquet (1737). <?page no="132"?> 126 fülle sei Urquell eines den Italienern eigenen Reichtums ihrer Einbildungskraft. Der Bretone Pommereuil stimmte ein in diese Lobgesänge auf das „beau climat“ und die „prodigieuse fécondité“ der „Campagne heureuse“ (lies: Campagna di Roma). 418 All dies sollte sich nahtlos einfügen in die romantische Klimatheorie, und das Stereotyp einer überquellenden Vegetation wird uns wieder begegnen in Corinne ou l’Italie wie anderen Werken der Romantik. Die wenigen ausgewählten Beispiele mögen genügen, um einmal mehr das Desiderat einer systematischen Sichtung jener übersetzerischen Paratexte aufzuzeigen, mit denen Importe ihrem neuen Publikum näher gebracht werden sollten. Kurze Erwähnung verdienen Berichte von einem Naturschauspiel, 419 das in Frankreich nicht erlebbar war und dennoch die Phantasie seiner Romantiker in hohem Maß befruchten sollte: Vulkane in Aktivität. Die Histoire du Mont Vésuve von Francesco Serao - bei dem erstmals das Wort Lava belegt ist - erschien ein Jahr nach dem Ausbruch von 1737 und wurde 1741 ins Französische übertragen. Gegen Ende des Jahrhunderts kam eine französische Version von Lazzaro Spallanzanis Voyages dans les deux Siciles hinzu, die Vesuv und Ätna gewidmet waren. So verwundert es kaum, wenn man in René auf den Satz stoßen wird „je sentais couler dans mon cœur comme des ruisseaux de lave ardente“, wenn Stendhal später vermerkt „[un volcan] imprime toujours au paysage quelque chose d’étonnant et de tragique“, wenn Flaubert sagt „nos passions sont comme des volcans“, wenn auch Victor Hugo das modische Bild benutzt: „Car dans ce siècle ardent toute âme est un cratère/ Et tout peuple un volcan“. 420 Nicht von ungefähr verlegt Madame de Staël eine Schlüsselszene von Corinne an den Golf von Neapel, „cette contrée de l’univers où les volcans […] ont laissé le plus de traces“. Bildet doch diese Landschaft am Fuß des Vesuvs eine genaue Entsprechung zur Aufgewühltheit ihrer Heldin. Um ein letztes Mal die Bedeutung dieser importierten Metapher drohender Gewalt zu unterstreichen, der man hilflos ausgeliefert ist, soll eine Passage aus Graziella genügen. Nach dem Verlust seiner Geliebten versucht der Protagonist seine überbordende Erregtheit zu überwinden. Um sich abzulenken, klimmt er hinauf in die „région du feu“, zum Vulkan „en ébullition“, versinkt dabei mit Händen und Füßen „dans une cendre épaisse et brûlante“. Dann klettert er „comme un insensé jusqu’au fond du cratère“ hinab, aus dem die „pierres calcinées et encore rouges“ auf ihn herabregnen, die 418 Bilderbeck, Übersetzung von Archenholz (1788) S. VI; Pingeron, Übersetzung von Piccolomini Petra (1769), S. 3; Pommereuil, Übersetzung von Breislak (1801) S. 2 f. 419 Hinweise von W. Wehle und M. Delon. 420 Alle vorstehenden Zitate besitzen hohen Bekanntheitsgrad, dienen sie doch dem Grand Robert s. v. lave, volcan, gronder, ardent als Musterbeispiele. <?page no="133"?> 127 „flammes rampantes“ ihn versengen und ihm den Atem nehmen. In der Erinnerung an jene schrecklichen Augenblicke wird ihm später - wie manch anderem romantischen Helden - bewusst werden, dass das Schauspiel vor seinen Augen die exakte Entsprechung eines anderen Dramas war, das sich „dans le spectateur“ abspielte. 421 Anleihen bei der englischen und deutschen Literatur verdienen keineswegs nur auf dem Feld der Reiseberichte Beachtung. In ihrer großen Mehrheit waren die Autoren übersetzter Werke Protestanten oder Anglikaner. 422 Selbst wenn uns ihre Konfession nicht bekannt ist, lebten sie in einer Zivilisation, die stark anti-päpstliche Prägung aufwies. In dieser Sicht erschien ein zutiefst im Katholizismus verwurzeltes Italien nicht als das „pays riant et lumineux“ der Reiseberichte eines Breislak oder Archenholz. Durch eine ganze Reihe von Romanen und Theaterstücken deutschen oder englischen Ursprungs sah sich das französische Publikum stattdessen mit einer „Italie de l’ombre“ konfrontiert. 423 In jenen Fiktionen verwandelte sich die Halbinsel zum Schauplatz von Intrigen und Untaten der Jesuiten und anderer unheimlicher Mönche oder schrecklicher Geschehnisse vor dem Tribunal der Inquisition (von dem bei Aloysius Bertrand ein Vertreter ebenso wie ein „padre Pugnaccio“ auftauchen wird). 424 Selbst wenn Agenten der Kirche Roms nicht direkt zur Zielscheibe wurden, nahm so das Herzland des Katholizismus Züge einer Welt an, in der das Verbrechen herrscht - Entführung, Vergewaltigung, Mord, Raub - wie sie bald Hugo und Musset, Stendhal und Gautier beschwören sollten. 425 In diesem Italien verfolgt man Unschuldige und Waisen, und die Menschen fallen ihren Leidenschaften zur Beute: Liebe, Hass, blinder Eifersucht, Gier, sexuellem Begehren, Machtdurst. Es ist das Italien der Giftmorde und Duelle, das wieder auftauchen wird bei Victor Hugo, bei Stendhal in der Chartreuse de Parme und den Chroniques Italiennes, bei Musset in den Contes d’Espagne et d’Italie und anderen Werken. Es ist jene Welt der „dames persécutées“, der „femmes infortunées“ und „forêts sombres“, der Emma Bovary, Inkarnation der roman- 421 Graziella Kap. X-XI. 422 Hier eine kleine Liste solch protestantischer deutscher Autoren: Archenholz, Büsching, Cramer, Heinse, La Recke, Leisewitz, Lessing, Meissner, F. J. L. Meyer, Ramdohr, Riedesel, Schiller, Zschokke. 423 Zitate A. Fink-Langlois, L’image de l’Italie dans la littérature allemande, in G.-L. Fink [Anm. 331], S. 72. - Zum Folgenden siehe die Übersetzungen von Lewis, Le Moine (1797, 1798, 1799) und A. Radcliffe, L’Italien ou le Confessional des Pénitents noirs (1797) oder die von Schiller, Le Nécromancien (1788, 1811), von Berington (1746). 424 Chanson du Masque in Gaspard de la Nuit (Livre VI: Espagne et Italie). 425 Hugo, Lucrèce Borgia; Gautier, A mon frère, revenant d’Italie; Musset, Lorenzaccio und André del Sarto; Stendhal, Les Cenci und Vittoria Accoramboni. <?page no="134"?> 128 tischen Leserin, verfallen wird. Die englischen und deutschen Importe spiegelten eine zutiefst pessimistische Anthropologie, die der positiven Aufklärungs-Ideologie diametral entgegenlief. War diese doch entscheidend geprägt gewesen vom Vertrauen in die Macht der Vernunft über die Leidenschaften. 426 Wenig später indes sollte die enttäuschte Sicht einer unerträglichen, lebensfeindlichen Umwelt sich weithin mit der romantischen decken. Wenig verwunderlich also, wenn die Selbstmorde von Othello oder Romeo im Selbstmord von André del Sarto ihr Echo finden werden. Dies düstere Abbild von Welt und Menschheit galt für das private wie öffentliche Leben der Italiener. Das durch englische und deutsche Brillen gesehene literarische Italien war ein Land, in dem Tyrannen herrschten, Verschwörer und Geheimbünde unablässig Revolten vorbereiteten. Just dieses Italien sollte man in Lorenzaccio oder Vanina Vanini wiederfinden. Es ist ein Land, in dem die Menschen ihr wahres Gesicht verbergen. Manchmal erscheint die Maske nur als harmlose Beigabe des Karnevals von Venedig, der italienischen Komödie, der Stücke Goldonis, wie wir sie ähnlich in Gedichten Gautiers oder Mussets entdecken können. 427 Weit öfter jedoch verwandelten sich Karnevalsmasken in die bedrohliche Vermummung des Banditen, das Doppelspiel des Verschwörers, in jesuitische Heuchelei - etwa in Schillers Fiesque, bei Fischer und Zschokke, bei Thomas Otway. 428 Ihr Import präfigurierte in dieser Hinsicht Mussets Lorenzaccio ebenso wie Vanina Vanini, Vittoria Accoramboni oder Les Cenci. 429 In dieser italophoben Sicht von Übersetzungen aus dem Englischen und Deutschen glichen Italiens Geheimbünde nicht im Geringsten den philanthropischen Freimaurern der Aufklärung. Nennen wir nur das Beispiel von Pietro d’Albi et Gianetta, ou les protégés de Sainte-Catherine de Sienne. Eine jener unheilvollen Logen zwingt dort, inmitten eines Dekors aus Gebeinen und Dolchen, den Protagonisten zum schrecklichen Schwur, die staatliche Ordnung zu zerstören. Das so unheimliche Italien war zudem - glaubte man Matthew, Schiller oder Walpole (den Nodier seinen Landsleuten präsentieren sollte) - bevölkert von Gespenstern, Hexen und Geisterbeschwörern. Unerheblich ist, dass bei Schiller Betrüger das Übernatürliche für ihre Ränkespiele be- 426 Vgl. G. Hess [Anm. 403], S. 165. 427 Goldoni gehörte, wie erwähnt, zu den meistübersetzten zeitgenössischen Autoren. Vgl. etwa Gautier, Variations sur le carnaval de Venise (Sur les lagunes, Carnaval) oder Musset, Venise. 428 Siehe die Übersetzungen von Otway 1747; Schiller 1788, 1799, 1811; Fischer 1798; Zschokke 1802. 429 Zum Motiv der Maske bei Musset siehe etwa Lorenzaccio I, 2 und La nuit vénitienne Szene 2. <?page no="135"?> 129 nutzen. Bei den beiden englischen Romanciers sind die wohltätigen Mächte der christlichen Wunderwelt - Gott und seine Engel - verschwunden und haben den Mächten des Bösen das Feld überlassen. Im literarisch vermittelten Italien, das Werke englischen und deutschen Ursprungs beherrschten, war der gewaltsame frühe Tod allgegenwärtig - in Form von Mord, Selbstmord, Zweikampf mit tödlichem Ausgang. Von der Omnipräsenz des Sterbens in der Blüte der Jahre war nur ein Schritt bis zum Auftauchen von Symbolen der Flüchtigkeit allen menschlichen Strebens. Pietro Verri und Scipione Piatoli, Johann Carl Fischer, Friedrich Johann Lorenz Meyer waren nicht die einzigen, die Gräber, Grabmäler, Friedhöfe als Sinnbilder der Kürze individuellen Lebens evozierten, wie wir sie wieder finden werden im Venedig Gautiers 430 und bei anderen romantischen Poeten. In den Übersetzungen Winckelmanns, Johann Hermann Riedesels oder Wilhelm Adolf Lindaus, bei Mayhows und Patrick Brydone tauchten die Ruinen Roms oder Herculanums auf als Überbleibsel ganzer versunkener Kulturen. Sie waren ein Vorspiel zu Meditationen des Génie du Christianisme oder des Protagonisten von Graziella beim Durchschreiten der verlassenen Straßen Pompejis - „tombeau ouvert après deux mille ans“ -, zu den Ruinen der „vieux châteaux“ und der „temples écroulés aux colonnes festonnées de lierre“ bei Nerval 431 - kurz zur wohlbekannten Vorliebe der Romantiker für Ruinen. 432 Was das Klischee eines Italien angeht, das für ein endloses Blutbad von Morden, Selbstmorden, Zweikämpfen und finsteren Intrigen stand, spielten wie erwähnt importierte Großerzählungen, englische Gothic Novel und deutscher Schauerroman, 433 zweifellos eine Schlüsselrolle. Sollten doch Stendhal und Gautier Les Mystères d’Udolphe und L’Italien von Anne Radcliffe besonders schätzen. 434 Daneben ging eine Schockwirkung aus von den Stücken Shakespeares. Bekanntlich sollte ihn die Préface de Cromwell zur „sommité poétique des temps modernes“ erheben, Stendhal zur Würde eines „romantique“ honoris causa, und Nodier wird ihm eines seiner ersten Werke widmen. Unnötig zu betonen, dass für die (in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts relativ späte) Einbürgerung dieser mächtigen Gestalt Übersetzungen eine entscheidende Rolle spielten: Roméo et Juliette, dann Othello, zwei später von Vigny und E. Deschamps nochmals übertragene Tragödien (neben Ko- 430 A mon frère, revenant d’Italie. 431 Graziella Kap. IV, XI; Nerval, Promenades et souvenirs VIII. 432 Zur romantischen Ruinenpoesie siehe R. Mortier, La poétique des ruines en France, Genève: Droz 1974, bes. Kap. XI-XV. 433 Übersetzungen von Walpole, Lewis, Radcliffe einerseits, von Schiller, Fredau, Meissner andererseits. 434 Siehe A. M. Killen [Anm 384], S. 123 f. <?page no="136"?> 130 mödien, deren Schauplatz Italien war). Allein diese beiden Meisterwerke in italienischer Umwelt kamen von 1752 bis zur Jahrhundertwende auf rund zehn Übertragungen und Nachahmungen, 435 die in rund dreißig Ausgaben und Nachdrucken verbreitet waren. Nur kurz sollen einige künftige Schlüsselkonzepte der Romantik gestreift werden, die schon in den analysierten Übersetzungen auftauchten. Der Maler Ardinghello, Protagonist eines Romans gleichen Titels des deutschen Autors Heinse, war nicht nur Vorläufer des individualistischen Helden der romantischen Epoche. Er war auch und vor allem Inkarnation des Genies, jenes „nouveau Prométhée“, dem Hugo ein langes Gedicht widmen sollte. Sein überlegener, überschäumender Geist erhob Ardinghello bereits über das allgemeine Maß und befähigte ihn zu großen Taten. In ähnlichem Wortsinn rühmte ein Tasso-Übersetzer das „beau génie“ 436 seines Poeten, bei dem die „religieuse ardeur des Croisades“ dazu führe „[que] tout prêtoit à l’imagination“. Der fürstliche Protagonist in Schillers Nécromancien war der Melancholie verfallen, ganz wie die deutsche Autorin La Recke bei ihrer Italienreise. 437 Beide Übersetzungen wie drei Neuübertragungen Petrarcas im letzten Jahrhundertdrittel 438 präludierten bereits der Schwermut romantischer Helden (die Victor Hugo als „bonheur d’être triste“ bezeichnen sollte), des René und des Génie du Christianisme, von Lamartine, Musset und Gautier ebenso wie der „douce mélancolie“ von André Chénier, dem „cor mélancolique et tendre“ Vignys, dem „soleil noir de la mélancolie“ Nervals. Erwähnen wir noch zahlreiche Nachtszenen, 439 die sich in übersetzten Werken ausmachen lassen, und von denen ein direkter Weg führt zur bekannten Vorliebe für Dunkel, Nacht und Mondlicht bei Musset 440 , Vigny und anderen Romantikern; oder Traum und Träumerei, 441 oder jene Leidenschaft unglücklicher Liebe, die den Verstand verlieren lässt 442 - ein gerne von Literaturhistorikern beschwo- 435 Zu den bestimmbaren Übersetzern gehörten: Feutry, Ducis, Douin, Fontaine- Malherbe/ Bonneville/ Le Tourneur/ Catuélan, L.-S. Mercier, Butini, Delille. 436 J.-M.-B. Clément, Vorwort zu Jérusalem délivrée (1800), S. XVI-XVIII. - Folgendes Zitat: J.-Cl. Pingeron, Vorwort zu Conseils d’une mêre (1769), S. 3. 437 In ihrem Vorwort spricht sie S. 1f. von den „tristes craintes qui s’étaient emparées de mon âme“. 438 Von Sade, Levesque, Roman. - Vgl. zur romantischen Melancholie auch L. Cantagrel, De la maladie à l’écriture, Tübingen, Niemeyer 2004. 439 Vgl.. etwa Verris Les nuits romaines au tombeau des Scipions, Othello oder Romeo et Juliette. 440 Siehe etwa Lorenzaccio I,1, I,6, IV,9; André del Sarto II,1-III,1; La Nuit vénitienne I. 441 So durchstreift der Protagonist zu Beginn von Lindaus Roman Erminia die Ruinen Roms gefangen in seiner „rêverie“. Vgl. zu alledem auch A. Béguin, L’âme romantique et le rêve: Essai sur le romantisme allemand et la poésie française, Marseille 1937. 442 Siehe etwa Roland le Furieux. <?page no="137"?> 131 renes „romantisches“ Leiden, dessen Krankheitsbild indes zu diffus sein dürfte, um als typisch romantisch zu gelten. * * * Bilanzieren wir kurz. Untermauern ließen sich meine Hypothesen vermutlich durch Überprüfung von Katalogen der Bibliotheken romantischer Autoren 443 oder sämtlicher Zitate in ihren Werkausgaben. So wissen wir etwa, dass die Bibliothek Victor Hugos im Hauteville-House, in Übersetzungen des 18. Jahrhunderts, Exemplare von Bandello, Goldoni und Riccoboni oder des Reiseberichts von Joseph Baretty enthielt. Doch es sollte hier nicht um kausale Verknüpfungen, um „Einflüsse“ bestimmter Autoren auf andere, gar auf bestimmte Werke oder Passagen gehen. Verdeutlichen wollte ich einzig die Veränderung des literarischen Gesamtklimas durch übersetzerische Importe. Es hat sich gezeigt, dass sie über ein Halbjahrhundert hin ein ebenso weit gespanntes wie dichtes Netz von Motiven, Themen, Konnotationen webten, die geeignet waren, die Vorstellungswelt der romantischen Generation zu befruchten. Gewiss hatte deren Weltsicht auch außerliterarische Wurzeln: die von Revolution und Premier Empire wie dessen Zusammenbruch ausgelösten sozialen und ideologischen Umwälzungen. Doch bekanntlich zeigten die meisten Romantiker, gleich ihrer Leserschaft enttäuscht von einer so prosaischen wie abstoßenden Wirklichkeit, starken Hang zur Flucht in jene Welten der Phantasie und Literatur, die ihren Durst nach Poesie und tiefen Emotionen zu stillen versprachen. So dürfte dieses Kapitel augenfällig gemacht haben, dass die von Übersetzungen entworfenen Italienbilder, direkt oder indirekt, wichtige Beiträge leisteten zur Schaffung einer Atmosphäre, in der die Romantik und ihre Phantasmen gedeihen konnten. Dies gilt unabhängig vom Vorbehalt, dass manch romantischer Schlüsselbegriff auch im Raum französischer Sprache und Literatur stark verwurzelt war. 444 Zu vergleichen bleiben schließlich Evokationen Italiens mit denen anderer Länder, vor allem jener englischen und deutschen Landschaften, die man in den „brumes du Nord“ verschwimmen sah. Fand vielleicht sogar Le barde de la Forêt-Noire, eine Übersetzung aus dem Italienischen (! ) Vincenzo Montis, einen Widerhall im mythischen Schwarzwald eines 443 Bekannt sind etwa die Inventare der Bibliotheken von Chateaubriand, Mme de Staël, Stendhal, Flaubert. 444 So die Melancholie, deren Wirkkraft wohl ohne Rousseau weit geringer geblieben wäre. <?page no="138"?> 132 Nerval, eines Michelet, Théophile Gautier oder Victor Hugo? 445 Zu bestimmen wäre schließlich der Beitrag fremdländischer Vorbilder für die Vision eines literarischen Arkadien, des Orients, der Neuen Welt Chateaubriands und Victor Hugos, wollte man die räumliche Vorstellungswelt der Romantik in ihrer ganzen Spannweite erfassen. Doch schon die hier analysierten Übertragungen machen deutlich, warum jenes Italien, das zuvor als Land der Sonne und Klarheit par excellence gegolten hatte, sich derart verwandeln konnte, dass es eine Rhetorik und Poetik der Nacht und Finsternis inspirierte. 5. Streiflichter: 19. und frühes 20. Jahrhundert In Liselotte Bihls Bibliographie französischer Übersetzungen aus dem Deutschen sind 87 % der Seitenzahl reserviert für die vergleichsweise kurze Periode von 1815-1944 (also weniger als ein Drittel des erfassten Gesamtzeitraums). Diese Stichprobe aus dem Bereich der Deutschland- Importe mag einen ersten Eindruck vermitteln von der zweiten, weit gewaltigeren Explosion der Titelzahl im Übersetzungs-Segment auch des französischen Buchmarkts. Sie entsprach einer Explosion der gesamten Buchproduktion und wurde ausgelöst durch eine revolutionäre technische Doppelmechanisierung: die Schnellpresse, die in der Restaurationszeit erfunden wurde und das vorherige Drucktempo um das rund Hundertfache beschleunigte; dann die Papiermaschine, die etwa gleichzeitig zu arbeiten begann, um 1840 allgemein verbreitet war und mit großer Schnelligkeit Endlospapier (d. h. ein beliebig langes Papierband) produzierte. Dazu kamen rasante Fortschritte der Lesefähigkeit breiter Volksmassen nach Einrichtung eines eigenen Erziehungsministeriums und durch spezielle Bildungsprogramme um die Mitte der 1820er Jahre. Die Abnehmerzahl für das industrielle Massenprodukt Literatur in Buchform, in Kalendern und Almanachen, Zeitungen und Zeitschriften schwoll damit lawinenartig an. So ist es kein Wunder, wenn die gewaltigen Massen an seither gedruckten Importen bibliographisch nur höchst lückenhaft aufgearbeitet wurden und somit die Voraussetzung für umfassende Feldstudien fehlt. Zwar existieren neuerdings für die drei Jahrzehnte 1810-40 Katrin van 445 Vgl. F. Nies, Ein Schlüssel zum französischen Deutschlandbild: deutsche Landschaft in französischer Literatur, in M. Grunewald/ J. Schlobach (Hg.), Médiations/ Vermittlungen., Bern 1992, Anm. 44 u. ö. <?page no="139"?> 133 Bragts Bibliographie des traductions françaises 446 sowie, ab den 1930er Jahren, der Index Translationum 447 und statistische Jahrbücher der UNESCO. Doch angesichts dieser sehr partiellen Instrumente ist es wenig überraschend, dass bisher nur Detailstudien verfügbar sind, überwiegend in Form knapper Artikel, etwa zu einzelnen Herkunftssprachen und/ oder einem eng begrenzten Zeitraum, zur Übersetzungstheorie 448 oder zur Rolle des Literaturimports in der neueren Verlagspolitik. Wohl nicht zuletzt dem traditionellen Hang von Geisteswissenschaftlern zum pittoresken Einzelphänomen folgend, ist die erdrückende Mehrheit vorhandener Analysen einzelnen Werken, Autoren- oder Mittlergestalten gewidmet - fast ausschließlich „monstres sacrés“ der literarischen Welt: von Übersetzern wie Baudelaire, Mallarmé und Leconte de Lisle bis zu André Gide und Valéry Larbaud, 449 von Autoren wie Walter Scott, Goethe, Hölderlin, Tieck oder Stifter bis zu Trakl oder Brecht. Zu überprüfen bleiben dagegen pauschale Feststellungen der Art, die „französische Literatur des 20. Jahrhunderts“ sei „verhältnismäßig vollständig ins Deutsche übersetzt worden“. 450 Denn eine umfassende Kartographie der Übersetzungsströme aus dem wie in den französischen Sprachraum für das Zeitalter der Massenliteratur bleibt eine so gewaltige Aufgabe, dass sie gewiss nur im Rahmen großer Forschungsverbünde zu bewältigen wäre. Hier soll einstweilen der Hinweis genügen, dass mit dem Zurückdrängen der klassizistischen Sprachreinigungs-Ideologie in der Vorromantik das vertraute Argument wieder auftauchte, Übersetzungen könnten „enrichir une langue de nouveaux tours“. 451 Beschränken wir uns diesmal, was die praktische Umsetzung dieser Jahrhunderte alten 446 Avec la collaboration de L. D’Hulst et J. Lambert, P. U. Louvain 1995, XVII+1033 S. 447 Vorerst letzter Band erschienen 1998. Zum Folgenden erstmals UNESCO, Production des livres 1937-1954 et traductions 1950-54, 1955. 448 Etwa H. Peyre, Franco-German literary relations, Comparative Literature 2/ 1 (1950); J. Bereaud, La traduction en France à l’époque romantique, Comparative Literature 8 (1971); J. Lambert, Théorie de la littérature et théorie de la traduction en France (1800-1850), Poetics Today 2.4 (1981); L. D’Hulst, Le discours sur la traduction en France (1800-1850), Revue de littérature comparée 2 (1989). - Zum Folgenden: J. Lahana, La place de la traduction dans la politique éditoriale française, Translittérature 1 (1991); G. Sapiro, Translatio. Le marché de la traduction …, C.N.R.S. 2008. .449 Etwa J. Bellanger, Histoire de la traduction en France (1903), Cinquième période; L. Lemonnier, Les Langues modernes 43 (1949); E. Brock-Sulzer, Shakespeare-Jahrbuch 92 (1956); E. Cary 1963 (zu V. Larbaud). - Zum Folgenden: K. Massmann 1972 (zu Scott); H. J. Malles in Goethe-Handbuch Bd. 4 1988; J.-L. Bandet, Etudes germaniques avril-juin 1980 (zu Stifter); B. Böschenstein/ J. Le Rider 1987 (zu Hölderlin); J. Lambert 1977 (zu Tieck); A. Hüfner 1968 (zu Brecht). 450 J. Albrecht, Literarische Übersetzung, S. 308. 451 P.-J. Bitaubé, Réflexions sur les traductions des poètes, Œuvres complètes, Paris: Dentu 1804, S. 55. <?page no="140"?> 134 Erkenntnis betrifft, auf zwei Beispiele neuer Namen für Textarten in Übersetzungstiteln, die Vordatierungen gegenüber lexikographischen Standardwerken liefern: buffon „livre d’histoire naturelle“ (Breton 1807) und intermezzo „intermède, suite de petites pièces qui se rattachent à la même idée“ (Nerval, Revue des Deux Mondes 1848 u. ö.). Auszuwerten wären vor allem die (seit Mitte des 20. Jahrhunderts zahlreichen) lesesoziologischen Umfragen auf Anteile hin, die bestimmte Genres oder übersetzte Bestseller unter den Lektüren unterschiedlicher sozialer Gruppen Frankreichs spielten - etwa bei Jugendlichen von Ivanhoé und Quo vadis? bis zu Autant en emporte le vent. 452 Doch angesichts revolutionierter Drucktechniken und der aus ihnen entstandenen Spielarten populärer Lesestoffe für die Massen ließe sich immer weniger eine Fixierung auf das Medium Buch rechtfertigen. Volksalmanache zum Beispiel wurden schon seit dem späten 18. Jh. vollständig oder auszugsweise übersetzt. 453 Daher soll zumindest, als Beispiel einer neuen Medienvielfalt, der Verbreitungsmodus des Zeitungsromans kurz in den Blick genommen werden. 5.1. Blütezeit des Zeitungsromans In den 1830er Jahren entstand bekanntlich die französische Massenpresse, und in ihrem Gefolge bildete sich der Feuilletonroman heraus. Dieses völlig neue Instrument der Diffusion spannender Erzählliteratur erschloss nicht nur ungemein breite Leserschichten. Es erzeugte gleichzeitig einen extrem hohen Bedarf an ständig neuem Lesefutter, der offenbar durch Verwertung von Produkten einheimischer Romanciers nicht voll abgedeckt werden konnte. Der Versuch vollständiger Erfassung aller importierten Zeitungsromane wäre zwar ein hoffnungsloses Unterfangen. Doch über umfängliche Stichproben in mehreren Schneisen lassen sich allein für den Pariser Blätterwald in 14 Jahren 110 aus anderen Sprachen übersetzte Romane erfassen. 454 Das waren zwar nur knapp 10 % aller in diesem Zeitraum erschienenen Feuilletonromane. Doch sie öffneten für die neuen Lesermassen ein weites Fenster auf fremde Literaturen und ihr Weltbild. Denn eine Hochrechnung auf der genannten Basis ergibt für die Blütezeit des Genres von 1844 bis zum 452 Siehe B. Zazzo, Une enquête sur le cinéma et la lecture chez les adolescents, Enfance 1957. 453 Siehe dazu H.-J. Lüsebrink, Übersetzungen in populären Printmedien, in S. Greilich/ Y.-G. Mix (Hg.), Populäre Kalender im vorindustriellen Europa, Berlin/ New York 2006. 454 Auf der Basis des Inventars bei H. J. Neuschäfer u. a., Der französische Feuilletonroman, Darmstadt 1986. <?page no="141"?> 135 Beginn des Ersten Weltkriegs den Annäherungswert von immerhin 550 importierten Romanen. 455 Begnügen wir uns mit einer knappen Analyse der vorliegenden Stichprobe von 110 Titeln. Zwei volle Drittel unter ihnen stammten aus dem englischen Sprachraum, die restlichen aus neun verschiedenen Herkunftssprachen. 456 Die Streubreite beteiligter Autoren ist mit 80 sehr groß, über zwei Drittel von ihnen waren nur mit einem einzigen Titel vertreten. Ausnahmen bildeten der flämisch schreibende Halbfranzose Hendrik Conscience (mit 7 Titeln), gefolgt von Manuel Fernandez y Gonzalez (5), Charles Dickens und George A. Lawrence (je 4). Wie diese Namen schon andeuten, gehörten heutzutage kanonisierte Höhenkamm-Autoren der Weltliteratur 457 ebenso zu den Lieferanten wie eine Vielzahl Namenloser. Den deutschen Beitrag etwa bestritten Hans Ritter von Hopfen, Karl May, Wilhelmine Heimburg sowie die Nobelpreisträger Paul Heyse und Gerhart Hauptmann. Auffällig ist ein (mit einem Viertel) relativ hoher Titelanteil aus der Feder von Frauen, die fast ausschließlich aus dem englischen Sprachraum stammten und sich im Bereich des Zeitungsromans offenbar beachtliche Reputation erschrieben hatten. Die Abdrucke als Feuilletons verteilten sich auf ein halbes Hundert von Blättern. Mit Abstand größte Offenheit für erzählerische Importe bewiesen Le Temps (14 Romane) und L’Echo de Paris (10), auf den folgenden Rängen lagen Le Pays (6), die Gazette de France, das Journal des Débats und La Patrie. Einige Romane 458 wurden im selben Jahr sogar von zwei verschiedenen Zeitungen gedruckt, die offenbar unterschiedliche Zielgruppen anvisierten. Die Orientierung an der aktuellen Produktion des Auslands war weniger ausgeprägt, als man dies - angesichts der erwähnten Beschleunigungsprozesse auf dem Kommunikationssektor - vielleicht hätte erwarten können: Nur ein Fünftel aller französischen Zeitungsfassungen erschien noch im selben Jahr wie die Originalversion oder zumindest im Folgejahr. Ein Halbdutzend von Feuilletons firmierte als historische Erzählungen. Doch bei fast der Hälfte aller Romane lockten schon die Titel mit fremdländisch klin- 455 Für übersetzte Feuilletonromane des deutschsprachigen Raums (u. a. der Deutschschweizer Heer, Spitteler) in der Romandie während der Periode 1840-1927 siehe Le roman-feuilleton: un moyen d’échange littéraire entre la Suisse allemande et la Suisse romande, in A. Vacek, Approche historique de la traduction littéraire en Suisse, Lausanne: CTL 1995, S. 49-72. 456 In der Rangfolge ihrer Häufigkeit: Flämisch (8x), Deutsch (6), Italienisch, Spanisch und Russisch (je 5), Dänisch (2), Polnisch, Ungarisch und Arabisch (je 1); Herkunftssprache nicht bestimmbar: 9. 457 Nennen wir Andersen, Dostojewskij, Scott, Tolstoi. 458 Von O’Meara, May, Rohlfs, Kingsley, Flemming. <?page no="142"?> 136 genden Namen und Appellativa ihrer Protagonisten 459 sowie mit mehr oder weniger exotischen Schauplätzen, die bei importierten Romanen das Gütesigel authentischer Schilderung ferner Welten trugen: einer Schatzinsel, oder Park Newton, Waltham Abbey, Windsor, mehrfach London, Dänemark, Tirol, Italien, mehrmals Flandern, der Libanon, dann Amerika (wiederholt Kalifornien), Australien und sogar Atlantis. Bei einem Teil 460 der importierten Zeitungsromane kam es anschließend zum Versuch einer Zweitverwertung durch französische Buchfassungen. Die Übersetzer sind in fast drei Vierteln aller Fälle unbekannt. Und auch dort, wo sich ihre Namen mit Wahrscheinlichkeit erschließen lassen, 461 kann man nur über die wenigsten von ihnen Weiteres in Erfahrung bringen. 462 So liegt der Schluss nahe, dass es sich im Normalfall bei der Übertragung um obskure Fließband-Arbeit mit niedrigem Qualitätsanspruch handelte. Für sie pflegte man einstweilen nicht mit seinem guten Namen zu bürgen, wenn man denn einen solchen zu verlieren hatte, sondern signierte erst die überarbeitete Buchversion. Dort allerdings deutet das mehrfache Auftauchen gewisser Namen wie Bernard- Derosne (achtmal) 463 darauf hin, dass Übertragen von Romanen für die Zeitung kein typisches Geschäft von Einmaltätern war. Versuchen wir noch eine vorläufige Antwort auf die Frage, wie groß die Reichweite mehrfach ins Blickfeld rückender Blätter und ihrer Romane gewesen sein dürfte, und wie vermutlich das soziale Profil des neuen Typs von Romanlesern beschaffen war. Der Constitutionnel etwa hatte um 1830 rund 20 000 Abonnenten 464 und übertraf damit um ein Mehrfaches die durchschnittliche Höhe von Buchauflagen. Dazu kam, dass das Blatt - aus Sicht zeitgenössischer Karikaturisten - wie einige andere (etwa Le Figaro) auch in Cafés und Restaurants auslag. Dadurch erreichte es eine weit größere Anzahl von Lesern pro Exemplar, die keine Abonnenten waren. Le Temps, der mit Abstand für Romane ausländischer Herkunft offensten Zeitung, wurde in Karikaturen ein bürgerliches Publikum zugeschrieben, ähnlich wie dem Moniteur universel, dem Journal des Débats und Le Gaulois. La Presse galt nicht zuletzt als 459 Lady Lisle, Lady Isabel, Mabel Vaughan, Mabel Stanhope, Anne Hereford, Livingstone, soeur du Calife, Lord, Ironmouth, Sybil, Tommy Carteret, Monte-Cristo, Ivanhoe, Phyllis Brown, Lord Lynn, Belinda, Vonved le Danois, Felice Orsini, Pisterla- Visconti, Peregretta, Lorenz Stark, Stillfried, Armadale, Clavering. 460 In der Frühphase bei etwa der Hälfte, in der Spätphase bei einem Viertel. 461 Meist nur über eine nach kurzer Zeit anschließende Buchfassung. 462 Charles Buet, Charles Bernard-Derosne, Marguerite Du Parquet, Paul-Emile Daurand Forgues, André Laurie, Thérèse Alphonse Karr, Serge Persky, Jacques Povolozky. 463 Weiter Coveliers (4), Loreau (3), Forgues (2). 464 Siehe Deutsches Zeitungsmuseum, Die Zeitung in der Künstlerkarikatur von Honoré Daumier, Dillingen/ Saar 2008, S. 28. - Zum Folgenden ebd. S. 17. <?page no="143"?> 137 Frauenlektüre, der Figaro als Blatt der „besseren Gesellschaft“, aber auch des Offizierskorps und der Halbwelt. Bei der Billigzeitung Le Petit Journal und bei La Patrie dagegen reichte die karikierte Leserschaft bis weit hinein ins Kleinleutemilieu, vom Obsthändler über den Hausknecht, den einfachen Soldaten, Lokomotivführer und die Landbevölkerung bis zum Matrosen und sogar dem Lumpensammler. 465 Folglich dürfte selbst Schichten am unteren Ende der Sozialhierarchie, die damals vom Medium Buch noch längst nicht erreicht wurden, durch die Importe ein Bild exotischer Romanwelten vermittelt worden sein. Denn nicht von ungefähr führte die damalige Bildsatire als Liebhaberinnen von Feuilletonromanen ausdrücklich Concierge, Midinette oder Hausfrau vor, oder die alte bretonische Bäuerin und die ehemalige Kupplerin, ebenso wie elegant gekleidete jüngere Damen und Sommerfrischler. Ohne den Begriff allzu sehr zu strapazieren, lässt sich also von einer Art Globalisierung des kollektiven Vorstellungsraums durch übersetzte Zeitungsromane sprechen. Kurz - jene Übersetzungen aus der Frühphase der Massenpresse sollten weit systematischer erfasst und erforscht werden, als es in diesem Rahmen möglich war. 6. Ausblick: zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts Quantitativ war die Jahrhunderthälfte geprägt durch eine atemberaubende Vervielfachung des Anteils, der Übersetzungen an der Buchproduktion Frankreichs wie seiner großen Nachbarländer zufiel. 466 In keine Sprache der Welt „wurde so viel übersetzt wie ins Deutsche“, und auf dem Belletristik-Sektor etwa des deutschen Buchmarkts stammte schon jedes zweite Buch aus einer fremden Literatur. 467 Diese Einfuhren verkauften sich nicht schlecht, und von fünf deutschen Bestsellern waren drei Importartikel. 468 Gleich dagegen blieb manch anderes, so die Klage 465 Siehe zu alledem F. Nies, Jedem seine Wahrheit. Karikatur und Zeitunglesen, München 2001, S. 82-85. - Zum Folgenden ebd. S. 98. 466 Allein 1950-1984 stieg der Übersetzungsanteil in Frankreich um 452 %, in Großbritannien um 248 %, in der Bundesrepublik Deutschland um 544 %, in Italien um 302 %, in Spanien um 1530 %! 467 Siehe Dieter E. Zimmer, Werkstatt für Worte, Die Zeit 10.5.1985, S. 74; Der Spiegel 12/ 1992, S. 260 und 41/ 1992, S.302. 468 Nach einer Auszählung der Spiegel-Bestsellerliste für die Monate Januar-August 1989 und der Bestsellerliste der Welt am Sonntag für 1988. <?page no="144"?> 138 von Übersetzungs-Profis, die weiterhin zahlreichen Dilettanten und Einmal-Übersetzer seien schuld an Dumping-Preisen der Verlage. 469 Es entspricht der Erwartung, dass die Frist noch zu knapp war für umfassende Entstehungs- und Wirkanalysen einer Titellawine ohnegleichen in der jüngsten Vergangenheit. Wissenschaftlich untersucht wurden bisher, durch eine Fülle kleinerer Studien, fast ausschließlich neue französische Übertragungen bereits konsekrierter Einzelautoren und Spitzenwerke des Jahrhunderts. Nennen wir etwa aus dem deutschsprachigen Raum Robert Walser und Musil, Freud und Heidegger, die Romane Kafkas, die Gedichte Trakls, 470 aus dem englischen Sprachraum beispielsweise Faulkner, T. S. Eliot oder den Ulysses von James Joyce. Im Folgenden soll, einmal mehr, der deutsch-französische Austausch als Beispiel dienen. 6.1. Ost und West: Deutsch-französischer Austausch Die französischen Übersetzungen aus dem Deutschen betrugen in den 1950er Jahren 12,8 %, in den 1960er Jahren 14,7 %, von 1970 bis 1981 noch 13,38 % der insgesamt importierten Titel, pendelten also um den (im Vergleich zum fernen 18. Jahrhundert) eher spärlichen Durchschnitt von rund dreizehn Prozent. In der Langzeit-Statistik 1948-1981 führten dabei belletristische Titel mit rund einem Drittel, danach folgten die Be- 469 Siehe etwa den Vorsitzenden des Verbands deutscher Übersetzer Klaus Birkenhauer: Literarisches Übersetzen, in H. L. Arnold (Hg.): Literaturbetrieb in der Bundesrepublik Deutschland, München 1981, S. 218-20, 222. 470 Vgl. P. Utz, Jeux et enjeux d’une légende: les itinéraires de Robert Walser en France, in: M. Graf, L’écrivain et son traducteur, Genéve 1998; P. Utz, Transgressionen im Spiegel der „Traduction“: Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ und Philippe Jaccottets „L’Homme sans qualités“, in: G. Neumann/ R. Warning, Transgressionen, Freiburg/ Br. 2003; E. Sallager, Zu den Neuübersetzungen von Kafkas Romanen in Frankreich, in W. Pöckl, Literarische Übersetzung, Bonn 1990; E. Sallager, Die Metamorphose der Verwandlung. Ein Beitrag zur Methodologie der literarischen Übersetzung und zur Kafka-Rezeption in Frankreich, in W. Mair/ E. Sallager, Sprachtheorie und Sprachenpraxis, Tübingen 1979; P. Schnyder, „Le poème se fait dans les signifiants“. Notes sur Gustave Roud, traducteur de Georg Trakl, Colloquium 28, 1998; E. Guillevic, Traduire la poésie [zu Trakl], Colloquium Helveticum 3, 1986; M. de Launay, Traduire Freud, in: Actes des 5es Assises de la traduction littéraire, Arles 1989; J. Albrecht, Heidegger auf französisch - die „Poststrukturalisten“ auf deutsch. Ein Fall von „verschränktem“ Kulturtransfer, in A. Gil/ M. Schmeling (Hg.), Kultur übersetzen, Berlin 2008, S. 17-32. - Zum Folgenden: M. Gresset, Faulkner en français, in Problèmes littéraires de la traduction, Louvain 1975; A. P. Frank, T. S. Eliots „Wüste Länder“, französisch und deutsch, in: W. Floeck u. a. (Hg.), Formen innerliterarischer Rezeption, Wiesbaden 1987; N. Bachleitner, Die französische Neuübersetzung des „Ulysses“, in: W. Pöckl/ M. Schreiber, Geschichte und Gegenwart der Übersetzung im französischen Sprachraum, Frankfurt/ M. u. a. 2008. <?page no="145"?> 139 reiche Histoire, Religion, Philosophie, schließlich Arts/ Jeux/ Loisirs (nach Jean-Pierre Lefebvre, auf Grundlage des Index Translationum). Im Unterschied zur Gegenrichtung ging der Anteil französischer Importe auf dem deutschen Buchmarkt, wie sich zeigen wird, permanent zurück. Betrug er in den 1950er Jahren noch stattliche 22 %, war er in der ersten Hälfte der 1990er Jahre auf 11 % abgesackt und hatte sich damit innerhalb von vier Jahrzehnten halbiert. Die folgenden Kapitel analysieren den Austausch in beiden Richtungen, zuerst im Bereich der Schönen Literatur, dann in jenen Geisteswissenschaften, die noch immer auf Übersetzungen angewiesen sind, und dies in weit stärkerem Maß als die heutigen Naturwissenschaften. 6.1.1. Noch Neues aus Osten in Belletristik? Typisch für das Hexagon der jüngeren Vergangenheit ist, dass hier Import-Anteile an der Buchproduktion, ungeachtet der erwähnten rasanten Zunahme, generell geringer waren als in Deutschland. Wenn sich das zeitgenössische Frankreich vergleichsweise mäßig für die Literatur anderer Kulturen interessierte, mag dies zum Teil darin gründen, dass es sich über drei Jahrhunderte hin an das Selbstbild eines stolzen literarischen Exportlands gewöhnt hatte. Den UNESCO-Statistiken zufolge 471 lag es nach Zahl eigener Übersetzungen auf einem bescheidenen zwölften Rang, weit hinter kleinen Ländern wie Dänemark, Ungarn oder den Niederlanden. Dem mäßigen Gesamtvolumen entsprechend betrug die Anzahl aus dem Deutschen übertragener Titel nur einen Bruchteil der Importe in umgekehrter Richtung, bei einer dem Gesamttrend entsprechenden positiven Tendenz. Ende der 1980er Jahre lag die Jahresrate aus Deutschland importierter Bücher bei rund 300. Augenfällig ist ein Vergleich der großen Buchmessen, die bekanntlich wichtige Umschlagplätze im Lizenzgeschäft darstellen: Im Vergleich zum stark internationalen Charakter Frankfurts (und neuerdings Leipzigs) blieb der Pariser Salon du Livre eine im Kern nationale Messe, auf der die wenigen deutschen Verleger lange in Winkel oder Oberstock abgedrängt blieben. Die Informations- und Werbewirkung französischer Literaturkritik war bescheiden. Nicht allein, dass selbst spezialisierte Blätter wie die Quinzaine littéraire nur selten auf die Übersetzungs- Qualität eingingen. Auch die Auswahl präsentierter Autoren wirkte nicht eben entdeckerfreudig und aktualitätsnah. Besprochen wurden meist nur konsekrierte Berühmtheiten wie Grass und Handke, Christa Wolf, Hans Magnus Enzensberger oder Volker Braun. Oft waren die Gewürdigten längst dahingegangen, wie Goethe oder Fontane, Hof- 471 Sie waren allerdings, wie erwähnt, eine Reihe von Berichtsjahren im Verzug. <?page no="146"?> 140 mannsthal oder Heidegger. Noch immer schienen bei Verlegern wie Kritikern gerade jene Bücher am chancenreichsten, die alte National-Stereotypen bedienten. So gilt bekanntlich Romantisches und Phantastisches noch immer als bewährtes Markenprodukt deutscher Literatur, das man erwartungskonform auch bei Neulingen auf dem französischen Markt wie Monika Maron entdeckte. Der Stammkritiker von Le Monde für deutsche Literatur freute sich Ende der 1980er Jahre, dass die neuen deutschen Romanciers endlich „la solitude, cette spécificité germanique de leur sort“ wieder entdeckt zu haben schienen - „l’isolement absolu de l’artiste et son sentiment de n’être pas de ce monde“. Und er beglückwünschte sich und seine Leser, die „vieux thèmes romantiques“ würden nun auch von Christa Wolf oder Helga Novak wieder aufgenommen. 472 Dürftig blieben, ungeachtet beachtlicher Fortschritte in jüngster Zeit, finanzielle Hilfen für die im Transfer-Prozess so wichtigen Übersetzer. Die Anzahl ihnen zugänglicher Preise und Stipendien war in Frankreich gerade halb so hoch wie im deutschsprachigen Raum, die Höhe verfügbarer Mittel betrug sogar nur ein Siebtel des hierzulande Ausgelobten. Übersetzern aus dem Deutschen waren, im bestmöglichen Fall, ganze 1,6 % dieser bescheidenen Summen für literarische Verdienste erreichbar - weitere Auswirkung einer im „Land der tausend Literaturpreise“ extremen Vorliebe für die einheimische Literaturproduktion. 473 6.1.2. Im Westwind: Altgewohnte und neue Belletristik Auf Rang eins aller nichtfrankophonen Länder, die originalsprachige Verlagswerke des Hexagons importierten, lag Ende der 1980er Jahre die Bundesrepublik Deutschland. Doch das hieß nicht viel angesichts geringer absoluter Zahlen. Kommen wir also wieder zu den Übersetzungen. Wurde doch, wie erwähnt, während des gleichen Zeitraums in keine Sprache der Welt so viel übersetzt wie ins Deutsche. 474 Wie viel davon kam auf das Konto der französischen Nachbarliteratur? Saint-Exupérys Petit Prince, ein durch Hochschulromanisten verachtetes, schon über fünfzig Jahre altes Miniaturbändchen, hielt gegen Ende des Jahrhunderts mit über 5,2 Millionen den Verkaufsrekord für ausländische Titel überhaupt. 475 Der Ruf französischer Literatur in der deutschen Bevölkerung, 472 Vorangehende Zitate: J.-L. de Rambures, Le Deuil toujours impossible, Le Monde des Livres 20 mars 1987, nº 13107, S. 13. 473 Nach C. Feldmann: Die Förderung von Literaturübersetzern im deutschsprachigen Raum unter besonderer Berücksichtigung des Französischen als Ziel- und Ausgangssprache, (Diplomarbeit Düsseldorf 1994, Maschinenschrift). 474 D. E. Zimmer, Werkstatt für Worte, Die Zeit 10.5.1985, S. 74. 475 Siehe F. Beckmann, Flieger, Dichter oder Denker? , in: H. Krauß u. a. (Hg.): Offene Gefüge, Tübingen 1994, bes. S. 251. <?page no="147"?> 141 die Aufmerksamkeit unserer journalistischen Literaturkritik für Westimporte blieb insgesamt erfreulich und lag klar über Frankreichs tatsächlichem Titelanteil an unserer Buchproduktion. 476 Zu überprüfen bleibt allerdings pauschales Wunschdenken der Art, die „französische Literatur des 20. Jahrhunderts“ sei „verhältnismäßig vollständig ins Deutsche übersetzt worden“. 477 Was war von solchen Beteuerungen zu halten, so lange etwa auf dem Feld der Erzählliteratur Werke wie Théodore Zeldins fünfbändige Histoire des passions françaises oder Selbstzeugnisse wie Roger Vaillands Les mauvais coups, Claude Roys Moi, je und nicht wenige andere Erfolgstitel in deutscher Fassung fehlten? 478 In der ersten Hälfte der 1990er Jahre war, wie erwähnt, der französische Anteil am deutschen Übersetzungsvolumen abgesackt auf den tiefsten Stand seit 50 Jahren mit rund 11 %. 479 Vierfach geringer noch als ihr halbierter Titelanteil war die Chance von Büchern französischer Herkunft, zum deutschen Bestseller aufzusteigen. Das gelang im Jahrzehnt von 1986-1995 nur ganzen acht Titeln. 480 Schauen wir also genauer hin: In den Nachkriegsdekaden galt Frankreich diesseits des Rheins bekanntlich als geistig-literarische Großmacht, seine Brigaden hießen Existentialismus, Nouveau Roman, Absurdes Theater, Renouveau Catholique. Zu Beginn der 1990er Jahre bestand dagegen ein reichliches Drittel aller nach Osten verkauften Titel aus jenen Comics, die von Kritikern und Trivialliteratur-Verächtern nie registriert wurden oder schnell wieder in Vergessenheit gerieten. Vom verbleibenden Rest der Importe machten ein Viertel Krimis und sonstige Konsumwaren aus. 481 Über dem geschrumpften Feld anspruchsvoller Lektüre dagegen waberten Schwaden von Begräbnisstimmung. Seine Präsentation von Neuheiten schloss unlängst ein Romanist - damit nur journalistische Verdikte wiederholend - mit dem Abgesang Frankreichs literarische Szene gleicht seit geraumer Zeit der Bühne am Ende einer Shakespeare-Tragödie. Auf ihr liegen all die großen Toten der siebziger und achtziger Jahre [...]; ansonsten herrscht Stille, und nur wenige Dienerfiguren huschen umher. 482 476 Vgl. Nies (Hg.): Literaturimport und Literaturkritik: Das Beispiel Frankreich, Tübingen 1996, passim. 477 J. Albrecht, Literarische Übersetzung, S. 308. 478 Siehe zu diesen und anderen Lücken R. Soellner in B. Kortländer/ F. Nies, Französische Literatur in deutscher Sprache - eine kritische Bilanz, Düsseldorf 1986, S. 90 u. ö. 479 Nach Buch und Buchhandel in Zahlen; vgl. auch F. Nies, Vom Westen kaum Neues? , in W. Asholt (Hg.): Intertextualität und Subversivität, Heidelberg 1994, S. 29. 480 Erhebungen im Rahmen meines Hauptseminars. 481 Dazu und zum Folgenden F. Nies [Anm. 476] S. 30, 33 u. ö. 482 E. Reichel zitiert nach ebd. S. 30. <?page no="148"?> 142 Dieser Schnappschuss mochte etwas flüchtig wirken. Doch eine Figaro- Umfrage kam etwa gleichzeitig zur Einsicht, das Bild Frankreichs sei aus deutscher Sicht sogar noch bestimmt von Autoren der 1950er Jahre wie Sartre, den „idées cartes postales d’une culture morte“, und zog das Fazit „la littérature contemporaine française est inconnue en Allemagne“. Was in der Nachkriegszeit für Beckett, Gide und Mauriac, Sartre und Camus, auch Saint-John Perse undenkbar gewesen wäre, wurde für Claude Simon traurige Normalität: Als er 1985 den Nobelpreis erhielt, war auf dem deutschen Markt keines seiner Werke greifbar. Ähnlich unvertraut war in unserer Öffentlichkeit noch unlängst der neue Nobelpreisträger Le Clézio, von dem sogar der TV-Kritikerpapst Marcel Reich-Ranicki anlässlich der Preisverleihung ungeniert zugab, er habe keines seiner Werke gelesen. So verwundert es kaum, wenn die wenigen verbliebenen Vorzeige-Literaten Frankreichs im Austausch-Betrieb 483 fast ausnahmslos mindestens zu den reifen Siebzigern zählten. Es mag sein, dass die Kurzatmigkeit französischer Verlage Mitschuld traf an dieser tristen Bilanz. Denn die überregionale Presse des deutschsprachigen Raums bemühte sich noch vor wenigen Jahren durchaus, Lesern und Verlagen unübersetzte Neuheiten Frankreichs zu präsentieren. 484 Doch dessen Buch-Macher erschwerten unseren Blättern dies löbliche Tun. Hielten sie es doch für überflüssig, Redaktionen wie die der Neuen Zürcher wenn schon nicht mit Rezensions-Exemplaren, so doch wenigstens mit Prospekten zu bedenken. Was immer schuld sein mochte - Verleger-Blicke nach Westen verweilten kaum mehr in Frankreich. Mitte der 1980er Jahre erfuhr ein deutscher Großverlag erst durch seinen New Yorker Agenten, dass die Memoiren einer gewissen Marguerite Yourcenar möglicherweise Beachtung verdienten. Anders gesagt: exquisite französische Lesenahrung musste erst amerikanische Gaumen kitzeln, bevor sie Chancen bekam, ins deutsche Angebot aufgenommen zu werden. 485 Relativ bessere Aussichten hatte - ganz wie in der Gegenrichtung - offenbar noch immer das, was ebenso alte wie schlichte Klischees vom Nachbarn plakativ verstärkte. Dies galt etwa für jene Titel, die der hergebrachten deutschen Gewissheit entsprachen, Exportschlager französischer Literatur seien stets Erotika. 483 Etwa Michel Tournier, Robbe-Grillet (gest. 2008), Butor. 484 Dazu F. Nies [Anm. 476] passim. Die vorstehende Feststellung gilt sogar für das Nachrichten-Magazin Der Spiegel. 485 Entsprechendes galt übrigens selbst schon für deutsche Comics wie die Schultheiß- Alben, die erst auf dem Umweg über die USA auf den französischen Markt kamen (Erhebungen meines Hauptseminars). Zum Folgenden siehe F. Nies [Anm. 476], S. 34 f. <?page no="149"?> 143 6.2. Deutsch-französischer Austausch in den Geisteswissenschaften der 1990er Jahre Übersetzungen, Rezensionen, Zitierhäufigkeit: In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurden fast 800 Titel in eine der beiden Nachbarsprachen übertragen (davon etwas mehr ins Deutsche als ins Französische), die irgendwie in das Arbeitsfeld großer geistes- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen fielen. Berücksichtigt wurden bei dieser Zahl Übersetzungen in den Fächern Philosophie, Geschichtswissenschaft, Germanistik, Romanistik und Sozialwissenschaften. 486 Die genannte Gesamtsumme entspricht rund 130 Titeln im Jahresdurchschnitt, eine auf den ersten Blick stattliche Zahl. Doch bei näherem Hinsehen sind von dieser Summe starke Abstriche zu machen (Populär- und Halbwissenschaftliches, bloße Neuausgaben, Neuübertragung von bereits Übersetztem usw.). Erstmalige Übertragungen aktueller Forschungsresultate auf dem originären Feld der wissenschaftlichen Disziplinen machten nur einen verschwindenden Anteil der jeweiligen Gesamtproduktion aus. Fazit: Der übersetzerische Transfer zwischen den Geisteswissenschaften beider Nationen war ein recht spärliches Rinnsal. An der Publikation einschlägiger Importe beteiligten sich in Frankreich wie im deutschsprachigen Raum jeweils über siebzig Verlage. Fast drei Viertel unter ihnen riskierten während des gesamten Erhebungszeitraums nur den Import von einem, seltener zwei Titeln. Eine Konzentration der übrigen Importe auf bestimmte Verlage war in Frankreich höher als im deutschen Sprachraum. Führend waren dort die Häuser Le Cerf (27 Titel) und Gallimard (23) vor Presses Universitaires de France, Vrin, Seuil, Flammarion, Editions de la Maison des Sciences de l’Homme. Diesseits des Rheins lag, mit kleineren Titelzahlen, Suhrkamp an der Spitze, vor Rowohlt und Universitätsverlag Konstanz. Nur wenige der häufiger beteiligten Verlage engagierten sich im Bereich mehrerer Disziplinen. Dabei dominierte in beiden Sprachräumen die Kombination Philosophie/ Sozialwissenschaften. Auf Seiten der deutschen Verlage kam dazu mehrfach ein Nebeneinander von Titeln der Philosophie und zum Arbeitsgebiet französische Literatur. Fazit: das Verlagswesen war so zaghaft wie unentschieden, wenn es um den Austausch mit dem benachbarten Wissenschaftssystem ging. 486 Das folgende Kapitel bilanziert eine von der DVA-Stiftung geförderte Erhebung. Deren Resultate wurden publiziert in F. Nies (Hg.), Spiel ohne Grenzen? Zum deutschfranzösischen Transfer in den Geistesuns Sozialwissenschaften, Tübingen 2002. Dort detaillierte Belege zu den folgenden Ausführungen. <?page no="150"?> 144 Erwartungsgemäß lag die Anzahl von Übersetzern um ein Mehrfaches höher als die Verlagszahl - in Frankreich über 200, in Deutschland an 300. Dies gründet teils darin, dass sich nicht selten mehrere Partner in die Übertragung eines Buches teilten. Vor allem aber wurden, in beiden Ländern, mehr als drei Viertel aller Übersetzer im Erhebungszeitraum nur einmal aktiv. 487 Daraus folgt: Der geringe Beschäftigungsgrad lässt auf ein ansehnliches brachliegendes Potential an Sprach- und Übersetzungskompetenz schließen. Zudem ist die Professionalität der weitaus meisten Übersetzer als eher gering einzuschätzen - sei es im Hinblick auf ihre Beherrschung des Fachvokabulars (und darin gespiegelter Denkkategorien) der betreffenden Disziplin, sei es hinsichtlich der übersetzungspraktischen Routine. Was wünschbare terminologische Kompetenz angeht, kommt erschwerend hinzu, dass die wenigen häufiger Beschäftigten fast alle im Bereich mehrerer (bis zu vier) Disziplinen arbeiteten. 488 Die nicht unübliche Arbeitsteilung unter Übersetzern bei ein und demselben Buch lässt eines befürchten: das gerade bei herausragenden Texten wesentliche Ineinander wissenschaftlicher Erkenntnis und individueller Sprachprägung könnte, einmal mehr, durch Stilbrüche oder Verwässern gelitten haben. Von guter Auslastung durch übersetzerisches Wirken im Segment der Geisteswissenschaften ist nur für vereinzelte Mittler auszugehen. Zu ihnen gehörten in Frankreich Rainer Rochlitz, Olivier Mannoni und Christian Bouchindhomme, in Deutschland (mit kleinerer Titelzahl) Grete Osterwald, Bernd Schwibs und Eva Moldenhauer. Angesichts der Wichtigkeit sprachgestalterischer Qualität gerade für geisteswissenschaftliche Übertragungen scheint der Anteil von Übersetzern, die auch an belletristischen Texten geschult waren, ungemein gering. 489 Der Beitrag von Frauen zum Gesamtaufkommen betrug weniger als die Hälfte und war in Frankreich deutlich geringer als in Deutschland. Auch dort blieb der Prozentsatz ihrer Beteiligung weit unter jenem, der für den belletristischen Sektor anzusetzen war. 490 Wieweit dafür weibliche Affi- 487 Natürlich unter dem Vorbehalt, dass sie möglicherweise auch in anderen Sektoren, etwa dem der Belletristik, übersetzerisch tätig waren. 488 Deutlich auf Texte nur einer Disziplin spezialisiert waren unter den französischen Mehrfach-Übersetzern (vier und mehr Titel) nur Philippe Ivernel, Marc de Launay und Jean-Pierre-Lefebvre im Fach Philosophie, unter den deutschen Peter Geble, H.-D. Gondek und M. Sedlatzek in Philosophie, Grete Osterwald in Geschichte. 489 Auf deutscher Seite wären hier, neben Eva Moldenhauer (allerdings nur mit wenigen Titeln) etwa zu nennen: Uli Aumüller, Yla von Dach, Eugen Helmlé, Burkart Kroeber, Curt Meyer-Clason, H. und Rolf Soellner, Josef Winiger und Uli Wittmann. 490 Siehe dazu C. Lauber: Selbstporträts. Zum soziologischen Profil von Literaturübersetzern aus dem Französischen, Tübingen 1996, S. 16 u. ö. <?page no="151"?> 145 nität zu bestimmten Textarten 491 oder Aversion gegen andere mitspielten, wieweit verfestigte Meinungen auf Autoren- und Verlegerseite über geschlechtstypische Stärken und Schwächen, müsste durch Befragungen erkundet werden. Vorläufiges Fazit: Fachübersetzer waren unterbeschäftigt. Wieweit wurde über die importverdächtige Produktion des benachbarten Wissenschaftsbetriebs wertend informiert? Die Gesamtzahl erfasster Rezensionen von Buchpublikationen - übersetzter wie unübersetzter - des anderen Sprachraums lag weit über eineinhalbtausend. Die Situation war also befriedigender als auf dem Übersetzungsmarkt. Schon angesichts der hohen Rezensionszahl ist klar, wie abwegig der Verdacht wäre, im Wesentlichen sei nur bereits Übersetztes besprochen worden. Die Rezensionsdichte scheint für das Gesamtspektrum der Fächer in Deutschland und Frankreich etwa gleich gewesen zu sein. Auch sie ließe sich allerdings beträchtlich erhöhen, wenn das vorhandene Reservoir an Fachleuten mit Kenntnissen der Nachbarsprache ausgeschöpft würde. Deren Zahl ist größer, als dies Zeitschriften-Herausgeber gerne behaupten. Doch viele von ihnen wurden als Rezensenten von Büchern aus dem benachbarten Sprachraum, ähnlich wie Übersetzer, nur vereinzelt tätig. Der Zeitraum zwischen Publikation des vorgestellten Titels und seiner Rezension war in allen Fächern und beiden Transfer-Richtungen kaum verschieden. Er lag zwischen durchschnittlich zwei und drei Jahren. Das dürfte im geisteswissenschaftlichen Kontext in etwa der Norm entsprechen, bedeutete folglich keinen Nachteil gegenüber muttersprachlichen Studien oder solchen etwa aus dem anglophonen Sprachraum. Zäher Informationsfluss war jedenfalls nicht daran schuld, wenn das Entstehen von Übersetzungen meist etliche weitere Jahre oder gar Jahrzehnte benötigte. Fazit: Besprechungen von Unübersetztem wie sprachkundige Rezensenten waren keine Mangelware. Die erfreulich rege Rezensionstätigkeit schien allerdings fast wirkungslos zu verpuffen, was faktische und zeitnahe Berücksichtigung von Erkenntnissen der Fachkollegen im Nachbarland betraf. Dies verdeutlicht die Zitierpraxis namhafter Wissenschaftler wie führender Fachorgane. Die Zahl von Rückgriffen auf Forschung der Nachbarnation betrug, abgesehen von Ausnahmen, nur wenige Prozentpunkte. Mindestens ebenso schwerwiegend scheint eine weitere Beobachtung: Die weitaus meisten jener Zitate stammten aus Studien, die vor Jahrzehnten entstanden waren und, in der großen Mehrzahl aller Fälle, eine 491 So rühmte etwa die Journalistin G. Kowitzka eine „spezifisch weibliche Fähigkeit, sich in andere hineinfühlen zu können“, als Qualität des Literaturübersetzers (Brigitte 1988). <?page no="152"?> 146 ebenfalls bereits angestaubte Übersetzung erfahren hatten. Ein Teufelskreis blockierte also den schnellen Austausch zwischen beiden Wissenschaftssystemen: Fast nur Übersetztes wurde tatsächlich wahrgenommen. Doch die Übersetzungszahl war in den meisten Disziplinen minimal, die bis zur Übertragung verstrichene Zeit meist beträchtlich. Dadurch wirkte der Forschungsstand im Nachbarland, von außen gesehen, weithin ebenso dürftig wie überholt. Fazit: Erkenntnisse der Nachbarnation glichen der Flaschenpost, sie wurden so selten wie verspätet angespült. Eine Minigruppe namhafter Wissenschaftler allerdings pflegte in der Nachbarkultur als beliebte Referenzgröße zu dienen, und zwar weit über das Fach hinaus, dessen bestallte Vertreter sie im eigenen Land sind oder waren. Zu ihnen gehörten auf deutscher Seite etwa Carl Schmitt, Ernst Cassirer und Norbert Elias, Jürgen Habermas, Erich Auerbach und Ernst Robert Curtius, auf französischer Seite Gaston Bachelard und Georges Bataille, Michel Foucault, Gilles Deleuze, Jacques Derrida und Pierre Bourdieu. Systematisch für das gesamte Fächerspektrum zu prüfen wäre, was sich da und dort abzuzeichnen schien: ob solche fachfremden, oft schon verstorbenen Universal-Koryphäen nicht bevorzugt evoziert wurden als Ausweis eines interkulturellen Wissenshorizonts, wogegen man noch aktive Fachkollegen des Nachbarlands, als mögliche Konkurrenz auf eigenem Terrain, eher zu übersehen neigte. Fazit: vereinzelte querbeet zitierte Schutzheilige waren meist ungefährliche Fachfremde aus teils längst vergangener Zeit. Beträchtliche Divergenzen unter Einzelfächern Ein Transfervolumen, das aus der Perspektive manches Faches enttäuschend wirken mag, erweist sich innerhalb des Fächerverbands als noch relativ erträglich. Dies mögen einige Vergleiche zeigen. Rangliste nach Übersetzungszahl: An der Spitze lag, mit klarem Abstand vor ihren Nachbarfächern, die französische Geschichtswissenschaft, gefolgt von der deutschen Philosophie. Dies gilt vor allem dann, wenn man bei ersterer Populärwissenschaftliches und Quellenwerke einbezieht, bei letzterer auch Titel, deren Erscheinungsjahr mehr als ein halbes Jahrhundert zurücklag. Deutsche Geschichtswissenschaft und französische Philosophie schnitten in diesem Rahmen ebenfalls noch gut ab, ähnlich wie die französischen Sozialwissenschaften (dank der Soziologie). Im Mittelfeld lagen die deutsche literaturwissenschaftliche Frankoromanistik und ihre Schwesterdisziplin in Frankreich, gefolgt von den deutschen Sozialwissenschaften. Danach erst folgte die deutsche Germanistik, und das absolute Schlußlicht bildete ihr französisches Gegenstück. <?page no="153"?> 147 Gewichtet man den übersetzerischen Transfer in beiden Richtungen pro Fach, ergibt sich ein schon erahnbares Bild: Führend im fachinternen Austausch war die Geschichtswissenschaft vor der Philosophie, dann folgten die Sozialwissenschaften und Studien über das Arbeitsfeld französische Literatur (nicht jedoch französische Sprache). Die rote Laterne trug eine fast beziehungslos wirkende Germanistik. Augenfällig (aber nicht unerwartet) ist, dass jene Nationalphilologie, die bestallte Sachwalterin deutscher Sprache und Literatur ist, sich als relativ introvertiert und an der Außensicht der westlichen Nachbarn uninteressiert zeigte, dass sie auch selbst dort nur geringe Außenwirkung erzielte. Zwischen ihrer Existenz einer quasi fensterlosen Monade und den bestplatzierten Fächern, in denen ein Vielfaches an Titeln übersetzt wurde, lagen in dieser Hinsicht Welten. Bedauerlich ist, dass für Inlandsgermanisten des deutschen Sprachraums die Forschung ihrer französischen Schwesterdisziplin praktisch nicht wahrnehmbar wurde. Besitzt doch die französische Germanistik - weit mehr als deutsche Romanisten 492 - große Verdienste um die übersetzerische Mittlerarbeit an den Ergebnissen deutscher Geisteswissenschaften. 493 Zusammenfassend sei vermerkt, dass über das gesamte Fächerspektrum hin aus dem Französischen deutlich mehr übersetzt wurde als in umgekehrter Richtung. Die kleinere Zahl französischer Importe in den Geisteswissenschaften entsprach, wie erinnerlich, einem dort ebenfalls geringeren Importanteil auf dem belletristischen Sektor. 494 Wissenschaftliches Profil der Übersetzer: Fachwissenschaftler beteiligen sich offenbar in sehr unterschiedlichem Grad am übersetzerischen Transfer ihrer Disziplin. Auch wenn nicht für alle Fächer Analysen vorliegen, läßt sich bereits sagen, dass etwa bei Spezialisten für französische Literatur beidseits des Rheins völlige Passivität registriert werden muß. Dagegen beteiligten sich französische Fachphilosophen in stattlichem Maß am Übersetzergeschäft. Akademischer bzw. beruflicher Status - 492 Siehe dazu und zu ideologiegeschichtlichen Hintergründen F. Nies: Verschämte Verdeutscher. Hochschulromanisten als Literaturübersetzer. In: R. Baum u. a. (Hg.): Lingua et Traditio, Tübingen 1994. 493 Im Erhebungszeitraum aktive Germanisten übertrugen während ihrer Berufslaufbahn an zweihundert Titel aus dem Deutschen: rund die Hälfte aus dem literarischen (seltener literaturwissenschaftlichen) Bereich, aber auch - in Reihenfolge der Häufigkeit - dem der Philosophie, der Geschichte, der Politologie, seltener der Theologie, Kunstwissenschaft und Psychologie, vereinzelt auch der Soziologie, Musikwissenschaft, Linguistik, Geographie und Geologie, Wirtschaftswissenschaft (Auswertung auf der Basis von DAAD: Germanistik an Hochschulen in Frankreich. Verzeichnis der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, Bonn 2001). 494 Wie erwähnt sind im deutschsprachigen Raum, unabhängig von den Ausgangssprachen, auch im belletristischen Bereich die Übersetzungsanteile an der Buchproduktion höher als in Frankreich. <?page no="154"?> 148 und damit zum Gutteil auch Altersklasse - von Übersetzern zum Zeitpunkt der Übertragung bliebe systematisch zu erfassen. Denn es scheint, als habe Übersetzungsarbeit vorwiegend als Aktivität akademisch noch nicht Etablierter zu gelten. 495 Korrelation von Rezensions-Rangfolge und Übersetzungsvolumen: Wieder schien die Geschichtswissenschaft - mit klarem Abstand vor Nachbarfächern - den Spitzenrang zu belegen, die Germanistik das Schlußlicht zu bilden; 496 andere Disziplinen drängelten sich (mit leichter Verschiebung gegenüber dem Übersetzungsvolumen) im Mittelfeld der Rangliste. Dies läßt vermuten, dass ein Wechselbezug zwischen Rezensions- und Übersetzungshäufigkeit bestand. Auch wenn einzelne Besprechungen offenbar keine zeitnahe Übertragung auslösten, ist eines wahrscheinlich: Große Rezensionszahlen schufen in bestimmten Disziplinen ein günstiges, geringe Zahlen ein ungünstiges Klima für Übersetzungen - oder umgekehrt: relativ häufige Übersetzungen mögen auch das Interesse an Rezensionen unübersetzter Werke aus dem Ursprungsland der übersetzten belebt haben. Die Führungsrolle der Geschichtswissenschaft im Rezensionswesen war zum beträchtlichen Teil Verdienst einer einzigen Zeitschrift: der Francia, die sich seit langem zur Aufgabe macht, über die französische Produktion des Faches in deutscher Sprache, über die deutschsprachige in Französisch so breit wie möglich zu informieren. Englisch: Konkurrenz oder Verständigungshilfe? Publikationen aus dem anglophonen Raum nahmen - bei Gewichtung ihres beherrschenden Produktionvolumens - für das Gesichtsfeld der Geisteswissenschaften beider Länder keine klare Monopolstellung ein, weder auf dem Übersetzungsmarkt noch im Rezensionswesen oder bei der Zitierfrequenz. Deutsch- und Französischsprachiges wurde beim Nachbarn durchaus noch nicht übersehen. Allerdings zeichneten sich Unterschiede zwischen einzelnen Disziplinen und deren Teilbereichen ab. In den Sozialwissenschaften, bei Spezialisten für gegenwartsnahe Themen, bei deutschen Germanisten und Philosophen schien der Trend zum Englischen stärker. Sie zitierten sogar Gewährsleute der Nachbarnation in englischer Übersetzung, rezensierten oder beachteten bevor- 495 Übersetzende französische Hochschulgermanisten z. B. hatten in durchschnittlich vier von fünf Fällen noch nicht den Professorenrang erreicht (gemäß Auswertung des DAAD-Verzeichnisses [Anm. 493]. 496 Berücksichtigt wurden hier nur Übertragungen in den beidseits des Rheins etablierten Teilfächern Sprach- und Literaturwissenschaft. Ob und wieweit Übersetzungen aus dem diffuseren Bereich der „civilisation allemande“ bei anderen deutschen Fächern registriert wurden, bliebe zu überprüfen. <?page no="155"?> 149 zugt anglophone Originalstudien, im Unterschied etwa zu französischen Spezialisten der Literatur besonders älterer Epochen. Ein Teil dieser Unterschiede allerdings beruhte auf vorläufigen Beobachtungen bzw. empirisch nicht hinreichend abgesicherten Vermutungen einzelner Analysten. Einfluss verfestigter Bilder auf Schwerpunktbildungen im Wissenstransfer? Darauf scheint etwa hinzudeuten, dass in Frankreich vergleichsweise viele geschichtswissenschaftliche Titel zum Nationalsozialismus übertragen und rezensiert wurden. Zu prüfen wäre, ob sich z. B. hinter guter Platzierung deutschsprachiger Studien aus den Bereichen Geschichte und Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts besondere Aufmerksamkeit für die romantische Epoche verbarg, und ob dabei unterschwellig stereotype Vorstellungen vom typisch „romantischen“ Charakter der Deutschen mitspielten. Am deutlichsten schienen solch metawissenschaftliche Faktoren beizutragen zum gesteigerten Interesse französischer Philosophie einmal an Spitzenvertretern des deutschen Idealismus, zum andern an Philosophen, die volkstümlich als Irrationalisten gehandelt werden. Beide Gruppen spiegeln, wie sich noch zeigen wird, aus überkommener französischer Sicht typisch deutsche Wesenszüge. 497 Solche vermuteten Wirkkräfte, die zu verzerrter Wahrnehmung nationaler Forschungstrends führen (und im belletristischen Austausch noch weit deutlicher zutage treten), können vorerst nur angedeutet werden und wären, auch in der Gegenrichtung, systematischer aufzuspüren. Erntereife Forschungsfelder Viele Fragen, die nur von Einzelbeiträgen unserer Erhebung kurz oder ausführlich angesprochen, wenn nicht beantwortet wurden, wären auf die gesamte Fächerpalette auszuweiten. Deren Skala sollte um weitere geisteswissenschaftliche, möglichst auch naturwissenschaftliche Disziplinen verbreitert werden. Gut wäre darüber hinaus, den Erhebungszeitraum auszuweiten, um längerfristige Trends ablesbar zu machen. Natürlich wären auch von der Übersetzung teilweise unabhängige Indikatoren für den Transfer zu berücksichtigen, wie Tagungsakten internationaler Kongresse oder Beiträge zu Festschriften des benachbarten Forschungsraums. Nicht zuletzt ist wünschenswert, sichtbar gewor- 497 Kant, Fichte, Hegel, Schelling (Idealismus); Nietzsche, Schopenhauer, Schelling u. a. („Irrationalisten“). - Vgl. zu diesem Komplex hier das Kapitel „Lockung und Abwehr des Fremden“. <?page no="156"?> 150 dene Schwerpunkte im deutsch-französischen Austausch (Fächer, Epochen, Schulen usf.) zu vergleichen mit der jeweiligen fachlichen Gesamtproduktion im Herkunfts- und Zielland, um so entscheiden zu können, ob sie die dortigen Kernbereiche maßstabgetreu spiegeln oder aber völlig andere Akzente setzen. Schließlich wären Übersetzungen von Wissenschaftlern beider Sprachräume ins Englische sowie deren eventuelle Originalpublikationen in dieser Sprache zu erfassen zwecks schärferer Eingrenzung der Möglichkeit, sich über den Umweg jener Drittsprache auszutauschen. All dies würde Forschungsvorhaben mit einem Finanzierungs- und Zeitrahmen erfordern, der weit hinausginge über das, was in der hier vorgestellten Erhebung gewollt und erzielbar war. Dringend zu hoffen ist daher, daß sich die einzelnen Fächer - unter wachsendem Europäisierungs- und Globalisierungsdruck - diese und verwandte Aufgabenstellungen zu eigen machen und, etwa im Rahmen von (binationalen) Promotionsvorhaben, Graduiertenkollegs und Forschungsverbünden, zum eigenen Besten zu lösen versuchen. Wissenschaftspolitische Anregungen Angesichts des Rangs, der sprachlicher Durchformung wie der Reflexion eines stark muttersprachlich geprägten Deutungs- und Denkinstrumentariums gerade in Geisteswissenschaften zukommt, ist dort reger interkultureller Austausch über das (andernorts eher zureichende) Vehikel Schlichtenglisch kaum zu erzielen. Zur Verbesserung des deutschfranzösischen Wissenstransfers sind also landessprachliche Informationen über das im Nachbaridiom gefasste Forschungsgeschehen unverzichtbar - durch rege Übersetzungs- und Rezensionstätigkeit, Sammelbesprechungen, Forschungsberichte. Rezensionen: Wie sich zeigte, fehlt es weniger an sprach- und fachkundigen Rezensenten als an Raum in national geprägten Zeitschriften, vor allem an binationalen Referatorganen für fast alle Fächer. Die eindrucksvolle Rolle, die Francia in beiden Richtungen für Geschichtswissenschaftler spielt, 498 lässt eine Gründung ähnlicher Periodika für Sprach- und Literaturwissenschaften einerseits, die Sozialwissenschaften andererseits wünschbar erscheinen. Schon aus Kostengründen wäre zu prüfen, wieweit sich dafür eine Nutzung des Internets anbietet. 499 Beste- 498 Zu klären bleibt, ob und wieweit auch das Deutsch-französische Komitee für die Erforschung der deutschen und französischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (für das es meines Wissens in anderen Fächern keine Entsprechung gib) positiven Einfluss ausübt. 499 Über ein solches deutsch-französisches Referateorgan verfügt z. B. sogar die Mathematik. Neuerdings wurde (gefördert von DVA- und Bosch-Stiftung im Gefolge dieser <?page no="157"?> 151 hende Zeitschriften sollten einstweilen das stattliche Reservoir sprachkundiger Rezensenten besser ausschöpfen. Übersetzungen: Offenbar garantiert fast nur die Existenz einer Übersetzung, dass zentrale Erkenntnisse der benachbarten Forschungslandschaft Beachtung finden. Daher müßte weit mehr, weit zeitnäher 500 und professioneller 501 übersetzt werden. Auch hier entstehen Engpässe offenbar nicht durch Mangel an Sprachkundigen, die prinzipielle Bereitschaft zum Transfer mitbringen. Notwendig wären daher verbesserte Arbeits- und Publikationsbedingungen. Nicht weniger dringlich scheint eine Höherbewertung übersetzerischer Verdienste für die akademische Karriere - eine Neueinschätzung, die im angebrochenen Zeitalter der globalen Informationsgesellschaft überfällig ist. Warum gehört es noch nicht zu den Bestandteilen geisteswissenschaftlicher Habilitationen, dass künftige Hochschullehrer die Übertragung zumindest einer Studie ihres Faches aus einer anderen Sprache nachzuweisen haben? Wünschbar wäre auch breitere Förderung binationaler Verlagskooperationen oder Buchreihen - nach Vorbild der Editions de la Maison des Sciences de l’Homme und des Campus-Verlags oder der Reihe „Europa bauen“, deren Bände von Beck und Seuil auf Deutsch und Französisch herausgebracht werden. Als Ansporn vorstellen könnte man sich schließlich die Schaffung eines Preises für Verleger mit besonderen Verdiensten um den deutsch-französischen Transfer. 502 Für Autoren, die suchen nach Verlagen mit Interesse am deutsch-französischen Austausch, wären Adressenlisten ebenso nützlich wie für Verlagsleute, die qualifizierte Übersetzer bestimmter Fächer anheuern möchten. Angesichts ungemein bescheidener Marktsegmente und Zielgruppen für die große Mehrheit geisteswissenschaftlicher Studien wäre zu prüfen, wieweit - neben traditionellen Publikationsformen - kostengünstige Möglichkeiten (Mikrofiches, elektronische Medien wie Internet und CD-Rom) nutzbar gemacht werden könnten. Bei Qualifikationsschriften (Promotion, Habilitation), die sich von Thema und Haupt- Erhebung), als bilinguale deutsch-französische Online-Zeitschrift für Geisteswissenschaften Trivium gegründet, dessen Entwicklung abzuwarten bleibt. 500 Die deutsche Förderinstitution Goethe-Institut Inter Nationes fordert z. B., dass Zuschussanträgen bereits Rezensionen des betreffenden Titels (sie pflegen, wie erwähnt, durchschnittlich erst 2-3 Jahre nach dessen Publikation zu erscheinen) beigelegt werden. Ein Auswahl-Ausschuss, der über ein zeitaufwendiges Verfahren Gutachten der DFG einholt, tritt nur zweimal jährlich zusammen. Der bürokratische Aufwand der französischen Förderinstitution Centre National des Lettres für rückzahlbare Zuschüsse ist manchem Verlag zu unwirtschaftlich. 501 Über schlampige Eindeutschungen, die etwa Foucaults zentrale Begrifflichkeit völlig verfälschen, vgl. U. Schulz-Buschhaus, Zur Diskussion: Die Zukunft der (französischen) Literaturwissenschaft, Zs. für frz. Sprache und Literatur 107, 1997, S. 338 f. 502 Ein solcher Verlegerpreis existiert z. B. für den Austausch mit Italien. <?page no="158"?> 152 Zielgruppe her eignen, sollten Neuregelungen der Fachbereiche die Vorlage in einer anderen Sprache als der des heimischen Hochschulsystems erleichtern. Vor allem in den beiden Nationalphilologien, den französischen Lettres modernes und der Germanistik des deutschen Sprachraums, aber auch anderen Disziplinen, scheint eine gezielte Doppel- Sensibilisierung von Studierenden und Wissenschaftsnachwuchs während der Ausbildung dringlich: einmal dafür, dass im Umfeld der eigenen Kultur- und Sprachgrenzen zahlreiche Beiträge zum Fachgebiet entstehen, die schon aufgrund ihrer Außensicht hohes Interesse verdienen; zum andern dafür, dass die Einbürgerung wissenschaftlicher Erkenntnisse aus anderen Sprachen, anderen Denktraditionen eine intellektuell und hermeneutisch höchst anspruchsvolle und bereichernde Herausforderung bedeutet. Ausblick Die meisten Geistes- und Sozialwissenschaften des späten 20. Jahrhunderts glichen noch sehr wenig dem Idealbild, das politischen Festrednern und wissenschaftlichen Visionären gewöhnlich vor Augen schwebt. Was den Dialog zwischen zwei der bedeutendsten europäischen Forschungslandschaften angeht, waren diese Fächer fast alle kaum als wesensmäßig „grenzüberschreitend“ zu klassifizieren. Wenn man die Überzeugung von Jack Lang teilt, „l’Europe sera culturelle ou ne sera pas“; wenn man zudem daran glaubt, dass innerhalb der Universität, einer für den inneren Zusammenhang des Kontinents seit je wesentlichen Institution, Geistes- und Sozialwissenschaften den privilegierten Ort des kulturellen Gedächtnisses darstellen, dann muß diese zweifache Gewißheit längst überlebte Routinen, einen weithin unreflektierten Ethnozentrismus aufbrechen. Im Zeitalter der Globalisierung brauchen die Geistes- und Sozialwissenschaften einen dringlichen Mentalitätswandel, wenn sie ihre selbst gestellte Aufgabe erfüllen wollen für eine Zukunft, in der hergebrachte geistige Zollgrenzen sie nicht mehr schützen können. Stärker als andere Disziplinen stehen sie in der Spannung zwischen tiefem Verwurzeltsein in Sprache und Denken national geprägter Kulturkreise einerseits, andererseits dem Druck zur Öffnung auf eine transnationale, ja globale Wissensgesellschaft. Daher muss ihre Lösung dieses Dilemmas anders aussehen als der durch Naturwissenschaftler gewählte Weg. Zur Erprobung tragfähiger Lösungen dürfte der deutsch-französische Transfer ein besonders geeignetes Experimentierfeld darstellen. Es ins Blickfeld zu rücken und Reformwilligen konkrete Hilfen an die Hand zu geben, war das Ziel der hier vorgestellten Erhebung. <?page no="159"?> 153 II. Universalien und Langzeitphänomene Die bisherigen Abschnitte, in vertrauter Abfolge sich ablösender Epochen, sollten vor allem eine Reihe von Unterschieden und Entwicklungstrends sichtbar machen. Doch es wurde bereits augenfällig, dass manche Phänomene im Verlauf der französischen Übersetzungsgeschichte, teils von Beginn bis zum heutigen Tag (wenn auch in manchmal unterschiedlicher Intensität) immer wieder zu beobachten waren. Nennen wir die Beiträge zur lexikalischen Bereicherung der Zielsprache; die bequemere Nutzung bereits vorliegender Versionen in Drittsprachen statt des Rückgriffs auf den Originaltext; die ständig neue übersetzerische Annäherung an eine Reihe antiker, aber auch mittelalterlicher und späterer Spitzenautoren; die Kritik an Original und Vorgänger-Übersetzungen als indirektes Eigenlob; das Streben nach Aktualität; vor allem aber eine ständig empfundene Spannung zwischen Originaltreue und Freiheit der Übertragung. Was Merkmale der Mittler betrifft, wäre die durchgehende Mitwirkung als namhaft geltender Literaten am Transfer zu erwähnen; dann die Beiträge bestimmter Berufsgruppen, schließlich ein beträchtlicher Anteil von Übersetzern, die sich nur in seltenen Einzelfällen an das schwierige Geschäft sprachlicher Einbürgerung wagten. All jene ungemein zeitresistenten Aspekte sollen nicht nochmals gebündelt werden. Doch scheint es lohnend, in den folgenden Abschnitten wenigstens beispielhaft einige Erscheinungen in den Blick zu nehmen, deren Lebensdauer deutlich über die Grenzen von Einzelepochen hinausreichte, auch wenn sie nicht völlig zeitlos wirkten. Hier könnte man (unbeschadet großer Streubreite) an das durchschnittlich hohe Einstiegsalter der Übersetzernovizen denken, an Eingriffe der Zensur und an manch anderes. Doch begnügen wir uns mit der Rolle einiger Berufsstände, den zahlreichen Vernetzungen zwischen Personen und Institutionen sowie gegenläufigen Reaktionen auf das Fremde, von der Kanonbildung bis hin zur Umformung von Titelsignalen. 1. Übersetzertypen: von Klerikern, Medizinern und vor allem Juristen Ist es schierer Zufall, wenn der Literaturhistoriker abseits fachlicher Trampelpfade bei Übersetzungen ins Französische, vom Mittelalter bis über das Ende des Ancien Régime hinaus, häufig auf Kleriker stößt? <?page no="160"?> 154 Oder von Nicole Oresme bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auf zahlreiche Übersetzer, die zeitweise als Hauslehrer fungierten? Dann wieder auf Namen, deren Träger durch Studium oder Beruf der Juristerei verbunden waren? Existiert vielleicht eine erkennbare Verbindung zwischen der Geisteswelt von Exegeten religiöser Texte wie Rechtskennern einerseits, ihrer Mittlerrolle im Literatur- und Wissenstransfer andererseits? Seit Max Weber und Lucien Goldmann, Forschungen der Werner- Krauss-Schule oder Arbeiten von Erich Köhler, Frank-Rutger Hausmann 1 und anderen aufmerksam machten auf Wechselbezüge zwischen sozialem Ort und Erwerbsleben, Weltsicht und Literaturschaffen, liegt eine solche Hypothese nahe. Sie soll hier für Juristen überprüft werden, von den frühesten Belegen bis hin zur Epoche des tiefen geistig-sozialen Umbruchs durch Revolution und Premier Empire. Als Vergleichsgröße dienen wiederholt die Mediziner, Mitglieder der zweiten weltlichen „Berufsfakultät“ des genannten Erhebungszeitraums, und deren übersetzerische Aktivitäten. Zu gewichten ist bei alledem gewiss die Sonderrolle, die den zunehmend einflussreichen Gesetzeskundigen über Jahrhunderte hin, bis zum Ende des Ancien Régime, ganz allgemein für die Legitimation und das Funktionieren des französischen Staatswesens zufiel. 2 Zum andern wäre natürlich als Vergleichsgröße auch zu ermitteln, welchen Anteil Übersetzungen dieser Gruppe bei der gesamten Literaturproduktion ausmachten. 3 * * * 1 F. R. Hausmann, Die Anfänge der italienischen Literatur aus der Praxis der Religion und des Rechts, Heidelberg 2006. 2 Zur Auswirkung dieser Sonderrolle der Légistes sogar auf die Sprachgeschichte siehe etwa W. von Wartburg, Evolution et structure de la langue française, Berne, 3e éd. 1946, S. 118 f., 143 f. Vgl. auch M. Rousselet, Histoire de la magistrature française des origines à nos jours, Paris 1957. 3 Erwähnen wir von juristisch gebildeten Spitzenliteraten, die gleichzeitig als Übersetzer hervortraten, im 16. Jh. M. Scève und Sébillet, im 18. Jh. D’Alembert, Le Sage oder Prévost. Im 17. Jh. lassen eng mit dem Klassikbegriff verbundene Autoren (wie P. Corneille, La Bruyère, La Fontaine, Malherbe, der „législateur [! ] du Parnasse“ Boileau-Despréaux) eine Frage auftauchen: Wieweit ist ein Wechselbezug zwischen juristischer Vorbildung und „klassiktypischem“ Streben nach Etablierung und Einhaltung allgemeingültiger sozialer, sprachlicher, stilistischer, poetischer Normen und Regeln zu vermuten? Von den hier nicht behandelten Spitzenautoren waren etwa auch Descartes und Racine Rechtskundige. Die Zahl juristisch gebildeter Poetae minores dürfte für das 17. Jh. weit über ein halbes Tausend betragen haben (allein unter dem Buchstaben A verzeichnet die Bibliographie Cioranescus über zwei Dutzend). Noch bei Neoklassizisten des 20. Jhs. wie André Gide und Paul Valéry ließe sich auf deren persönliche Nähe zur Gesetzeswissenschaft verweisen. <?page no="161"?> 155 Der vorläufig früheste Eintrag auf einer mehr als fünf Jahrhunderte umspannenden Liste übersetzender Juristen gebührt um 1280 dem Rechtslehrer Richard d’Annebaut mit seiner Versübertragung der Institutes Justinians. In den beiden nächsten Jahrhunderten sollte er nur vereinzelte Nachfolger finden. Eine wahre Lawine durch Rechtsgelehrte übersetzter Bücher folgte im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts, und von dort aus stiegen die Titelzahlen in jeder Folgeepoche deutlich an. Insgesamt lässt sich bis zum Ende des Premier Empire unschwer ein knappes Tausend von Werken auflisten. Eine dreistellige Zahl unter diesen Übertragungen erreichte mehrere, teils viele Neuauflagen und Nachdrucke, deren Summe ebenfalls in die Hunderte geht. Begnügen wir uns mit wenigen Beispielen: Übersetzungen von Bèze und Marillac erreichten zweistellige Auflagenzahlen, ein Titel von Teissier kam auf zwölf, Ch.- Fr. Lebruns Jérusalem délivrée auf dreizehn, Pierre Corneilles Imitation de Jésus-Christ auf 26 Druckfassungen. Die teils so ungemein erfolgreiche Einbürgerung eines runden Tausends von Originalen verantworteten 370 juristisch Vorgebildete. Das waren dreimal so viele wie übersetzende Mediziner, und ihr Anteil am Titelaufkommen lag sogar um das Dreieinhalbfache höher. Die Titelzahl pro Kopf betrug bei Juristen im Durchschnitt 2,54 (Mediziner 2,24). Doch unter den Rechtskundigen brachten es nicht wenige auf zweistellige Bestleistungen. 4 Spitzenübersetzer war François de Belleforest mit über dreißig (teils mehrbis vielbändigen) Werken, gefolgt von René Gaultier und Philippe-Florent de Puisieux mit jeweils über zwanzig. Wie mehrfach erwähnt, könnten solche Bestmarken selbst für hauptberufliche Übersetzer unserer Tage als stolzes Lebenswerk gelten. Zudem entstanden etwa Belleforests Übertragungen neben einer stattlichen literarischen Eigenproduktion; und andere Dauerübersetzer waren als Rechtsexperten hauptberuflich mehr oder weniger stark gefordert. Juristerei und mehr: komplexe soziale Gemengelage Skizzieren wir kurz Stellung und häufigste Positionswechsel der Übersetzer innerhalb wie außerhalb des juristischen Berufsfelds. Mehr als die Hälfte aller Titel wurde übertragen von gerichtlich zugelassenen Anwälten. Gut zweihundert weitere Übertragungen verdanken wir Leuten, von denen man weiß, dass sie bis zur Graduierung (docteur, bachelier, licencié) oder ohne Abschluss Rechtsstudien betrieben hatten. Die restlichen gut zweihundert Titel verantworteten Inhaber verschiedens- 4 So Barère de Vieuzac, Bonneville, Démeunier, L. Giry, Habert, J. Martin, Cl. Nicole, Perrot d’Ablancourt, Rosset, Seyssel, Teissier, Turgot. <?page no="162"?> 156 ter juristischer Ämter: königliche Anwälte (Vorläufer der späteren Staatsanwälte), Richter unterschiedlicher Zuständigkeitsbereiche, Conseillers und Présidents diverser Gerichtshöfe in einer komplexen und sich wandelnden Hierarchie. Die Ausübung eines Teils jener (bis zur Revolution käuflichen) Ämter war mit Erhebung in persönlichen oder gar erblichen Adel verbunden, andere blieben in der oberen Randzone des Dritten Standes angesiedelt. Insgesamt gesehen handelte es sich also um eine dynamische Zwischenschicht, der im Ständestaat die Juristerei als Vehikel erhofften sozialen Aufstiegs galt - anders gesagt: der solide Bildung und Expertenwissen Gewichte bedeuteten, die sie gegenüber der „noblesse de sang“ (bzw. dem auf kriegerisch-feudale Ursprünge stolzen „Schwertadel“) auf die Waagschale gesellschaftlichen Ansehens legen konnten. In diesem Kontext dürfte es kaum überraschen, dass rund zweihundert Werke von Mitgliedern der „noblesse de robe“ übertragen wurden. Weit über hundert Titel verdanken wir Mittlern, die wechselten zwischen Juristerei und jenem Klerikerstand, den gleichfalls seit dem Mittelalter besondere Nähe zu Schriften fremden Ursprungs sowie zu deren Einbürgerung auszeichnete. Fast gleich viele Titel entfielen in der Schlussphase des Ancien Régime, wie erwähnt, speziell auf politische Akteure der Revolutionsperiode, die in den wechselnden Volksvertretungen 5 ein Abgeordnetenmandat innehatten. Einige von ihnen bekleideten dort sogar das Spitzenamt eines Präsidenten. 6 Dies wirft die bereits aufgetauchte Frage auf, wieweit das politische Handeln jener wichtigen Aktivisten gesteuert wurde durch Gedankengut anderer Kulturen, das sie sich übersetzend anverwandelt hatten. Doch von diesem epochentypischen Detail zurück zum Zeitübergreifenden. Ein gutes Hundert fremder Originale bearbeiteten Juristen, die zeitweise als Sekretäre hoher Herren tätig waren und damit auch in anderer Weise Affinität zur Texterstellung hatten. Geographische Mobilität Sechs Dutzend Übertragungen verdanken wir Rechtskundigen, die als Botschafter, Geschäftsträger im Ausland, Legationssekretäre Verwendung fanden. Vier Dutzend weitere stammten von zeitweiligen Angehörigen der Armee. Beiden Gruppen war gemeinsam, dass fremde Län- 5 Etats généraux, Convention, Assemblée législative, Conseil des Cinq-Cents, Conseil des Anciens. 6 Barère de Vieuzac, Guyton de Morveau, Bonneville, Lablée. <?page no="163"?> 157 der, deren Sprachen und - in günstigen Fällen - auch Literaturen in ihren Erfahrungshorizont rückten. Insgesamt ist bei zwei Fünfteln aller Titel bekannt, dass ihre juristisch geprägten Übersetzer sich jenseits der Landesgrenzen aufgehalten haben. Dieser Eindruck hoher geographischer Mobilität wird verstärkt durch einen Abgleich zwischen Geburts- und Sterbeort jener Übersetzer, von denen Anfang und Endpunkt des Lebens bekannt sind. Für zwei Drittel von ihnen fielen Geburts- und Sterbeort nicht zusammen. 7 Innerhalb dieser Gruppe erfolgte der Ortswechsel zu einem guten Drittel innerhalb der Provinz bzw. von Paris oder der Provinz in das Ausland. Bei letzterem als Zielraum ist der, mit fast einem Drittel, relativ starke Anteil hugenottischer Übersetzer-Juristen zu beachten. Unter ihnen wurden bekanntlich viele durch religiöse Wirren, späterhin die Aufhebung des Toleranzedikts zur Emigration gezwungen. Wenig erstaunlich scheint auch, dass bei knapp zwei Dritteln aller Ortswechsel Paris zum Zielort gebürtiger Provinzler wurde. Noch heute ist ja der Wunsch „monter à Paris“ für viele französische Glückssucher mit der Vorstellung erhöhter Aufstiegs-Chancen verbunden. Bei den genannten Verhältniszahlen sind nicht einmal jene Umsiedler berücksichtigt, die einen Großteil ihres Lebens fern der Heimat verbrachten, um schließlich zu ihrem Ursprung heimzukehren, wie etwa der Revolutionär und Vielübersetzer Barère de Vieuzac. Soziale Mobilität Natürlich war auch die Bandbreite letztendlich ausgeübter Berufe wesentlich größer, als es die oben genannten juristischen Hauptsparten vermuten lassen. Die Skala reichte vom jungen Hauslehrer zum Rechtsprofessor über den Commissaire de Police, den Verlagsbuchhändler und Drucker, Redakteur und Publizisten, Bibliothekar bis hin zum Ingenieur oder Schauspieler. Insgesamt gesehen war also (innerhalb einer weithin als statisch geltenden Gesellschaft des Ancien Régime) die berufsständische wie geographische Mobilität juristisch geschulter Übersetzer - und damit ihre generelle Fähigkeit zur Einstellung auf Neues - höchst beachtlich. 7 Grundlage war eine umfängliche Stichprobe (Familiennamen von A bis Ma-). <?page no="164"?> 158 In allen Sätteln gerecht Die übersetzten Originale stammten, bei augenfälliger Vorliebe für alte Sprachen, aus einem Dutzend verschiedener Idiome 8 - eine für den damaligen Wissenshorizont recht stattliche Zahl. Zusätzlich gab so manche Pseudo-Übersetzung aus Juristenhand vor, auf besonders exotische (chinesische, japanische, arabische, indische, ägyptische) Vorlagen zurückzugreifen. Das Interesse an mehreren Literaturen, das sich bei Juristen in ihrer Gesamtheit beobachten lässt, gilt auch für viele Einzel-Übersetzer. Beschränken wir uns auf eine Stichprobe bei Standesvertretern mit zweistelliger Titelzahl. Fast ausnahmslos 9 war ihnen sprachliche Eingleisigkeit fremd: Sie übertrugen Werke aus zwei, drei 10 oder (wie Gaultier und Perrot d’Ablancourt) vier Ausgangssprachen, Turgot brachte es sogar auf deren fünf. Die eingebürgerten Werke stammten aus sämtlichen Epochen seit der Antike. Vermuten lassen könnte eine oben erwähnte (bei Medizinern noch stärker ausgeprägte) Vorliebe für alte Sprachen, dass die Aufmerksamkeit von Rechtskundigen nur auf längst vergangene Zeiten und vor allem jenes Altertum gerichtet war, dem sich schon im Mittelalter ihr erster bekannter Zunftgenosse gewidmet hatte. Doch diese Hypothese erwiese sich schnell als falsch: Fast zweihundert Übertragungen erschienen maximal fünf Jahre nach dem jeweiligen Original, 11 nicht selten noch im selben Kalenderjahr wie dieses. Sie belegen hohes Interesse nicht nur an Gegenwartsliteratur im weiteren Wortsinn, sondern eine starke Neugier und breite Belesenheit speziell auf dem Markt der Neuerscheinungen fremder Sprachräume. Welcher Art sind die Werke, deren Einbürgerung Rechtskundigen besonders am Herzen lag? Bei Medizinern war die reichliche Hälfte aller Übertragungen Fachtexten der eigenen Disziplin gewidmet - was gewiss der Nachfrage beruflich verwandter, aber des Lateinischen unkundiger Wundärzte und Chirurgen entgegenkam, aber auch der Sorge potentieller Klienten sozialer Eliten um die eigene Gesundheit. Ging also die seit dem zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts verstärkte Übersetzertätigkeit von Juristen zurück auf das Bedürfnis, seit Umstellung des Gerichtswesens auf die Muttersprache (Edikt von Villers-Cotterets 1539) den Wissensschatz ihres Faches allen Lesekundigen verständlich 8 Latein, Griechisch, Hebräisch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch, Niederländisch, Russisch, Dänisch, Portugiesisch, Provenzalisch. 9 Mit Ausnahme von Habert und Démeunier. 10 Barère de Vieuzac, Belleforest, Bonneville, L. Giry, J. Martin, Cl. Nicole, Puisieux, Rosset, Seyssel, Teissier. 11 Davon 48 % im 18. Jh., 26 % im 16. Jh. <?page no="165"?> 159 zu machen? Einmal mehr erwartet uns eine Überraschung: Einbürgerungen juristischer Fachliteratur im strikten Wortsinn betragen nur ganze 6,5 % des Gesamtvolumens. Dagegen belaufen sich die Anteile der drei belletristischen Grundgattungen auf zusammen über 40 %. 12 Die Bearbeitung von Werken in gebundener Sprache demonstrierte, wie schon beim frühesten mittelalterlichen Beispiel, in einem runden Hundert von Fällen sogar dichterischen Ehrgeiz im damals gängigen Wortsinn. Dreistellige Zahlen erreichten Übersetzungen religiösen und theologischen Einschlags einerseits, aus dem historischen Themenbereich andererseits. Weitere nennenswerte Gruppen bilden Musterbeispiele (wie Cicero) und Rezepte zur im Rechtswesen so wichtigen Redekunst, aber auch Reiseberichte, Titel zu Philosophie und Moral oder Staatskunst. Doch die thematische Spannweite reichte bis hin zu Medizin, Pharmazie, Physik und Chemie, zu Biologie und Geographie, zu Wirtschaft und Handel, Acker- und Gartenbau oder Enkomiastik. Natürlich verschoben sich im Lauf der Jahrhunderte manche Schwerpunkte: Die Zahl von Juristen-Übersetzungen aus dem religiös-theologischen Bereich etwa schrumpfte nach dem 16./ 17. Jahrhundert beträchtlich, ebenso wie jene aus der Sparte Beredsamkeit. Doch insgesamt gesehen vermittelten übersetzende Rechtsexperten - in ungleich stärkerem Maße als Adepten der Heilkunst - den Eindruck, dass ihnen „nichts Menschliches fremd“ sei: dass sie weniger fasziniert waren von der physiologischen Seite der Existenz als von all ihren historischen, sozialen, politischen, wirtschaftlichen Bedingtheiten, der Sinnfrage im Diesseits und jenseitigen Bestimmung, den ästhetischen Hervorbringungen der Einbildungskraft, der Erkundung von Kosmos und natürlicher Umwelt. Musterbeispiele juristischer Spitzenübersetzer des Ancien Régime CLAUDE DE SEYSSEL: Geb. 1450 in Savoyen, gest. 1520 in Turin. Unehelicher Sohn eines Marschalls, Rechts- und Theologiestudium in Chambéry, Pavia und Turin, wo er später selbst lehrte. War Minister und Kanzler von Frankreich, Botschafter in Italien und England, später Erzbischof von Turin. Neben eigenen zeithistorischen und staatstheoretischen Werken übersetzte er zwischen 1492 und seinem Lebensende vorwiegend antike Historiker aus dem Lateinischen und Griechischen (letztere zusammen mit Lascaris, teils erst postum erschienen), aber auch ein selbstverfasstes langes Lobgedicht auf König Louis XII. 12 Bei Medizinern dagegen nur 14,6 %. <?page no="166"?> 160 FRANÇOIS HABERT: Geb. 1529 in Issoudun, gest. um 1574 in Paris. Rechtsstudium in Toulouse, Sekretär des Herzogs von Nevers und anderer hoher Herren, Höfling am Königshof von Henri II, der ihn zum „poète royal“ erhob. Neben eigenen Dichtungen übersetzte er aus dem Lateinischen und Griechischen, und zwar Werke der Antike wie der italienischen und französischen Renaissance, deren Spannweite von Verspoesie bis zum Traktat über das Goldmachen reichte. FRANÇOIS DE BELLEFOREST: Geb. 1530 in Comminges, gest. 1583 in Paris. Aus bescheidenen Verhältnissen stammend und früh Halbwaise, Rechtsstudium in Bordeaux und Toulouse, Aufenthalt am Hof von Marguerite de Navarre, ab 1568 zeitweise Historiograph des Königs Henri III. Zahlreiche Originalwerke (zu Kosmographie, Moral, Literatur und Geschichte, eine Pastorale); Übersetzungen aus dem Lateinischen, Griechischen, Italienischen, Spanischen, Deutschen, von Werken der Antike wie zeitgenössischer Produktion, deren Spannweite von fiktionalen Erzähltexten und Historiographie über religiöse Traktate und Kontroversliteratur bis zu Redekunst und Kosmographie, Blütenlesen von Sentenzen, Kriegskunst und Ackerbau reichte. LOUIS GIRY: Geb. 1596 in Paris, gest. ebenda 1665. Avocat général am Parlement de Paris, enger Berater Mazarins, Mitglied der Académie française. Übersetzungen aus dem Lateinischen, Griechischen und Italienischen, von Werken aus Antike und zeitgenössischer Produktion, vor allem in den Bereichen von Redekunst und Religion. NICOLAS PERROT D’ABLANCOURT: Geb. 1606 in Châlonssur-Marne, gest. 1664 in Paris. Advokat in Sedan. Nach Konversion zum Kalvinismus Reisen nach Leiden und England. 1637 Mitglied der Académie française. Seitdem zahlreiche Übersetzungen aus dem Griechischen, Lateinischen, Italienischen und Spanischen, vor allem von Werken der Antike, aber auch des 16. und des eigenen Jahrhunderts, aus den Bereichen von Historiographie, Apologetik, Redekunst, Kriegskunst und Sozialsatire. ANNE-ROBERT-JACQUES TURGOT: Geb. 1727 in Paris, gest. 1781 ebenda. Stammte aus Adelsfamilie, wurde 1752 Substitut des Generalprokurators, Conseiller au Parlement, 1753 Maître des Requêtes, 1760 Reise in die Schweiz, 1761 Intendant der Provinz Limoges, 1774- 76 Marine- und Finanzminister, dessen Reformen scheiterten. Neben eigenen Werken vor allem zu ökonomischen Fragen publizierte er zwischen 1755 und 1778, d. h. meist neben seinen Pflichten in hohen Ämtern, viele Übersetzungen (weitere erschienen postum oder blieben ungedruckt): aus dem Griechischen, Lateinischen, Hebräischen, dem Englischen und Deutschen. Die meisten Originale stammten aus der Antike, eine ganze Reihe aber auch aus seiner eigenen Lebenszeit. Die <?page no="167"?> 161 Spannbreite reichte von Epen, Idyllen und dem Hohelied bis zur Historiographie und zu volkswirtschaftlichen Traktaten. NICOLAS DE BONNEVILLE: Geb. 1760 in Evreux, gest. 1828 in Paris. Advokat am Parlement de Paris, Freimaurer. Vor Ausbruch der Revolution Herausgeber der Zeitung Le Tribun du Peuple, anschließend anderer politischer Blätter. In der Anfangsphase der Revolution Aufstieg zum Oberstleutnant und Generalleutnant, dann Präsident des Distrikts Carmes, Drucker und Verlagsbuchhändler, Vorkämpfer der Pressefreiheit. Vor der Revolutionsperiode, neben einem eigenen Werk zur Freimaurerei, 1776 bis 1786 Übersetzungen aus dem Englischen und vor allem zeitgenössischer deutscher Literatur (vier Kurzromane und ein Dutzend Theaterstücke). JEAN-NICOLAS DÉMEUNIER: Geb. 1751 in Nozeroy, gest. 1814 in Paris. Graf, abgebrochenes Theologie-Studium, Advokat in Paris, Freimaurer. Sekretär des Comte de Provence und künftigen Königs Louis XVIII, dann königlicher Zensor. 1789 Abgeordneter der Generalstände, Präsident der Konstituierenden Nationalversammlung, während der Terreur Flucht in die Vereinigten Staaten, nach Rückkehr Mitglied des Tribunats. Neben eigenen politisch-reformistischen Werken 1774- 1798 Übersetzungen zeitgenössischer Texte aus dem Englischen, deren Spannweite von zahlreichen Reiseberichten bis zu historiographischen Titeln und einem Essay über Homer reichte. BERTRAND BARERE DE VIEUZAC: Geb. 1755 im abgelegensten Winkel Frankreichs, der Pyrenäenstadt Tarbes, gest. ebenda 1841. Stammte aus Juristenfamilie, Jurastudium in Toulouse, 1775 Advokat am dortigen Parlement. Abgeordneter der Generalstände, dann der Konstituierenden Nationalversammlung, 1792-95 der Convention nationale, deren Präsident 1792. Wandlung vom gemäßigt reformistischen Monarchisten zum jakobinischen Republikaner, schließlich zum Bonapartisten. Politische Funktionen in Paris bis zum Ende des Empire, unter der Restauration Exil in Brüssel, danach Rückkehr in seine Heimatstadt. Autor politischer wie literarischer Schriften, daneben 1801-1820 Übersetzungen aus dem Englischen und Italienischen. Einzelne Originale stammten aus Antike und Renaissance, die meisten aus zeitgenössischer Literatur. Ihre Spannweite reichte von fiktionalen Erzählungen und Poesie über historiographische Schriften und Reiseberichte bis zu Politik und Staatstheorie. * * * Die oben gestellte Frage, wie weit ihre Übersetzertätigkeit Lebenspraxis und berufliches oder politisches Handeln von fast vierhundert rechtskundigen Mittlern längst vergangener Zeiten bestimmt haben könnte, ist auch nicht annähernd zu beantworten. Wissen wir doch über viele <?page no="168"?> 162 Biographien fast nichts. Doch schon der Vergleich von Publikationszahlen und historischen Eckdaten legt gewisse Wahrscheinlichkeits- Schlüsse nahe. So erreicht nicht nur die Frequenzkurve des Übersetzungsaufkommens insgesamt, 13 sondern auch die von Juristen verantworteter Übertragungen im vorrevolutionären Jahrzehnt ihren absoluten Gipfelpunkt. Dies führt zur Vermutung, ein Zustrom fremden Gedankenguts in nie gekannter Stärke habe gerade unter Juristen dazu beigetragen, die Umwälzungen des revolutionären Dezenniums auszulösen. Diese Annahme soll an drei Beispielen zweier politischer Akteure illustriert werden, deren Lebenslauf hinreichend bekannt ist. Bei dem künftigen Republikaner Bonneville, der Mitte der 1780er Jahre französische Versionen von Schillers Räubern und Goethes Götz von Berlichingen herausbrachte, wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine politische Deutung beider Dramen zu jenem Zeitpunkt auf der Hand lag. Ist doch Götz glühender Verfechter freiheitlichen Menschentums, Rebell gegen Fürstenmacht, Schützer der Bedrängten und Unterdrückten. Und nicht von ungefähr trug die Zweitfassung der Räuber das (apokryphe, aber treffende) Motto „in tirannos“. Wenn Démeunier, 1789 Abgeordneter und Präsident der Nationalversammlung, 1784-91 als Mitübersetzer der siebenbändigen Histoire des progrès et de la chute de la République romaine des schottischen Aufklärers Adam Ferguson firmierte, ist ebenfalls mehr als wahrscheinlich, dass die Auseinandersetzung mit dessen progressistischem Gedankengut einfloss in das politische Wirken des gemäßigten französischen Spitzenpolitikers auf dem Weg zur Republik. Dass in umgekehrter Richtung Studienfach und Beruf auf die Aktivitäten der Sprachmittler abfärbten, dürfte diese Skizze einsichtig gemacht haben. Der stattliche Anteil von Rechtskundigen am Übersetzungsvolumen mag zum Gutteil auf folgende Ursache rückführbar sein: Während Mediziner ihre Diagnosen aus der Deutung körperlicher Symptome herleiteten, war (und ist bis heute) Auslegung von Texten das Hauptgeschäft der Rechtsfindung - einer wesensmäßig hermeneutischen Disziplin (darin ähnlich der theologischen Exegese). Eben dieser hermeneutische Prozess aber macht eine der beiden Dominanten übersetzerischen Handelns aus. Dessen andere Hauptkomponente besteht bekanntlich im Schaffen eines neuen Textes. Angesichts des klaren Schwerpunkts juristischer Übersetzer im belletristischen Bereich zeichnet sich wiederum eine verblüffende Nähe ab zwischen Berufstätigkeit und der Vorbereitung auf 13 Siehe dazu F. Nies, Schöngeister und Brandstifter. Französische Revolutionäre und Encyclopédistes als Übersetzer. In: J. Engelbrecht/ St. Laux (Hg.), Landes- und Reichsgeschichte, Bielefeld 2004, S. 303 u. ö. <?page no="169"?> 163 diese einerseits, der Ausformung neuer Texte andererseits. Nicht von ungefähr stammt über die Hälfte aller Juristen-Übertragungen von Anwälten, deren Berufserfolg (anders als bei Inhabern richterlicher Funktionen) wesentlich von der Eloquenz ihres Plädoyers abhing. Führten doch sämtliche Auflagen des Dictionnaire de l’Académie française bis zum Ende unseres Erhebungszeitraums „avocat éloquent“ oder „l’éloquence du barreau“ nicht von ungefähr als stehende Redewendungen auf. Forensische Beredsamkeit aber galt über den gesamten Zeitraum hin als prinzipiell erlernbare, festen Regeln folgende Kunst, und die Poetik war in dieser Hinsicht der Rhetorik noch nahe verwandt. Dieser Denkweise gemäß konnte Vaugelas an dem Tertullian-Übersetzer Giry den Charme seiner Eloquenz rühmen oder ein Perrot d’Ablancourt vor allem nach Regeln sprachlicher Eleganz streben. 14 Paul Valéry, der Jura studiert hatte, sollte Jahrhunderte später eine Versübertragung von Virgils Bucoliques verfertigen. Das legt natürlich nahe, nach dem Anteil von Anwälten und sonstigen Juristen zu fragen am Übersetzungswesen der nachromantischen Ära. Wurden doch nunmehr Dichtung und Literaturschaffen nicht mehr primär verstanden als Anwendung eines Systems von Regeln, Normen und Gesetzen. Doch eine solche Erhebung wäre - schon infolge immer weiter ausufernder Textproduktion - eine ganz andere, fast endlose Geschichte. 2. Vernetzung und Affinitäten im deutsch-französischen Feld Schon mehrfach wurde der Übersetzungs-Boom in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erwähnt. Im Folgenden sollen einige seiner Voraussetzungen und Rahmenbedingungen erörtert werden. Als Beispiel dient nochmals der Austausch zwischen deutschem und französischem Kulturraum. Rückten doch Deutschland-Importe bei Übersetzungen aus der Gelehrtensprache schon seit dem 17. Jahrhundert unter nichtfranzösischen Autoren an die Spitze, und Übersetzungen aus dem Deutschen kletterten in den letzten Dekaden des 18. Jahrhunderts auf einen Spitzenrang unter den Ausgangssprachen. In der Gegenrichtung waren schon vorher, wie in einem früheren Kapitel gezeigt, Importe aus der französischen Literatur ebenfalls führend. Eine imposante Gesamtzahl 14 Siehe R. Zuber, Les „Belles Infidèles“ et la formation du goût classique. Perrot d’Ablancourt et Guez de Balzac, Colin 1968 [²1995]. <?page no="170"?> 164 ausgetauschter Titel reizt also dazu, die Bezüge zwischen Übersetzungsproduktion und ihren Protagonisten auf Gesetzmäßigkeiten zu prüfen. Nach wie vor verblüffend: Schnelligkeit des Austauschs Wiederholt kam bereits zur Sprache, wie hoch seit dem 16. Jahrhundert oft die Schnelligkeit des Imports nach Frankreich war, und dies bei mehreren Herkunftsliteraturen. Wir haben gesehen, dass nach dem Grand Siècle schon etwa rund 95% aller eingebürgerten deutschen Werke aus dem eigenen Jahrhundert stammten. In zahllosen Fällen lag binnen zwei bis drei Jahren nach Erscheinen der deutschen Fassung eine französische vor. Bei einer dreistelligen Zahl von Titeln war diese, wie erwähnt, schon im selben oder spätestens nächsten Kalenderjahr auf dem Markt. Und für eine Reihe von Werken ließ sich solch prompte Einbürgerung aus der Nachbarkultur schon seit den Anfängen des Imports vom 16. bis zum frühen 18. Jahrhundert belegen. 15 Eine erste Massierung von östlich des Rheins stammenden Sofortübertragungen hatte sich in der Reformationszeit abgezeichnet, eine zweite (zu Fragen von politischer Aktualität) während des Dreißigjährigen Kriegs. Die Hauptblütezeit solcher Schnell-Importe allerdings kam, wie erwähnt, mit dem Boom der 1780er Jahre. Nicht selten wurden innerhalb eines Jahres konkurrierende Versionen desselben Titels auf den Markt geworfen. So schon im 16. und 17. Jahrhundert der aus dem Lateinischen übertragenen Heures desrobées des Camerarius, 16 der République des Suisses Simlers, der Imitatio Christi; 17 im späten 18. Jahrhundert der Histoire de la guerre de sept ans von Archenholz, Theaterstücke 18 oder Trencks Lebenserinnerungen, Wielands Agathon. Den Konkurrenzdruck des Marktes bewirkte seit den 1760er Jahren, dass Spitzenübersetzer innerhalb Jahresfrist bis zu zehn teils mehrbändige Werke aus dem Deutschen übertrugen. Schon weiter oben wurde Grimms Rüffel zitiert, Eidous opfere nur „quinze jours pour traduire un volume“, 19 ebenso wie Charles de Villers Bitte um Nachsicht für Mängel aufgrund extremen Termin- 15 Allein im 16. Jh. für Übersetzungen von Brant, Camerarius, Cochläus, Eisengrein, Erastus, Hutten, Lindanus, Paracelsus, Sleidanus, Toussain. 16 Übersetzungen von Simon Goulart und François de Rosset 1610. - Folgender Titel: Übersetzungen von Innocent Gentillet und Goulart 1579. 17 1644 Übersetzungen von Ithier Hobier und Philippe Chiflet, 1685 von Hilaire Du Mas und Etienne Algay de Marignac, 1692 von Jean-Baptiste Morvan de Bellegarde und François Timoléon de Choisy, 1694 von Nicolas Fontaine und Prévost de Marsilly, 1740 von Jacques-Philippe Lallemant und Nicolas Le Gros. 18 Etwa Le page von Johann Jakob Engel oder Misanthropie et repentir von Kotzebue. 19 Nach F A. Kafker/ S. L. Kafker: The Encyclopedists as individuals: a biographical dictionary of the authors of the Encyclopédie, Oxford: Voltaire Foundation 1988, S. 128. <?page no="171"?> 165 drucks. Ähnliche Hochgeschwindigkeit kennzeichnete, wie unsere Sondierung im frühen 18. Jahrhundert zeigte, auch in der Gegenrichtung einen Gutteil des deutsch-französischen Austauschs. Rahmenbedingungen Zu vermuten steht, dass Intensität wie Aktualitätsnähe des Transfers vor allem durch zwei Faktoren ermöglicht wurde: einmal Konzentration der Aufmerksamkeit zentraler Mittlertypen auf Neuheiten in affinen Marktsegmenten des Nachbarlands, zum andern enge nationale wie transnationale Vernetzung von Einzelpersonen, Gruppen und Institutionen innerhalb des literarischen Felds. Nicht von ungefähr erschien im 18. Jahrhundert die Messestadt Leipzig als zeitweiliger Lebensraum auch vieler Übersetzer (die für eine dreistellige Zahl von Titeln verantwortlich zeichneten). Gewiss ist kein Zufall, dass bei einer noch größeren Menge von Verdeutschungen andere Verlagsorte und Übersetzerwohnorte ebenfalls identisch waren, 20 nicht selten auch Druckort von Original und Übertragung. Weiter tauchen in biographischen Handbüchern für eine stattliche Serie eingedeutschter Werke die Namen von Autor wie von Übersetzer beim selben Städtenamen auf. Das legt Begegnung und Austausch zwischen beiden selbst dort nahe, wo dies nicht aktenkundig wurde. Für Voltaire und ein Dutzend seiner Übersetzer hieß der Schnittpunkt Berlin, für andere Paris. Auf eine besonders dichte Vernetzung unter Protagonisten deutsch-französischen Austauschs im Berlin wie Paris gerade des 18. Jahrhunderts wurde schon in früheren Kapiteln hingewiesen. Doch bei weitem nicht immer bestand der Vorteil solch kurzer Wege zwischen den am Import Beteiligten. Wertvoll waren daher Schnittpunkte, die den Anregungs- und Informationsfluss begünstigten, ohne persönliche Begegnung zu erfordern. Zu ihnen zählten erste deutsche Zeitschriften, die französische Bücher vorstellten, wie Gottscheds Vernünfftige Tadlerinnen. 21 In Frankreich präsentierten etwa das Journal des savants (schon ab 1665) oder Frérons Année littéraire (ab 1757) Neuerscheinungen und Übersetztes aus rund zehn europäischen Literatursprachen. Eine beachtliche Rolle spielten daneben Freundschaften zwischen Übersetzern und Literaten und darin gründende Briefwechsel. Nennen wir nur wenige berühmte Namen aus dem deutschen 20 Neben Leipzig fallen Halle, Hamburg und Berlin ins Auge, nicht aber die zweite Messestadt Frankfurt. Dort arbeiteten Verleger offenbar primär mit auswärtigen Übersetzern zusammen. 21 Vgl. R. Tgahrt, Weltliteratur, S. 43. <?page no="172"?> 166 Sprachraum: Gellerts und Lessings Bekanntenkreis, 22 vor allem aber die Schüler- und Jüngerschar des Rekord-Übersetzers Gottsched. Indes verdienen nicht nur Kontakte zwischen zwei Dutzend Spitzenvertretern der deutschen Geisteswelt unsere Aufmerksamkeit. Augenfällig sind, über Sprachgrenzen hinaus, Verflechtungen ganzer Standes- und Berufsgruppen. Offenbar beobachteten diese sehr gezielt das affine Segment des Buchmarkts im benachbarten Sprachgebiet. Nicht von ungefähr widmeten Aristokraten, Juristen, Privatlehrer einen Gutteil ihrer Übersetzeraktivität gerade Texten von Standes- und Berufsgenossen. Besonders augenfällig war dieser Wechselbezug bei Klerikern und Theologen. Weit über die Hälfte der durch evangelische Geistliche verdeutschten Titel stammte von Mitgliedern des französischen Klerus - der eigenen Konfession und, sogar noch etwas häufiger, der Katholiken. Extrem war diese ständische Verzahnung auf katholischer Seite. Dort übersetzte man indes fast nur Texte eigener Glaubensbrüder - offenbar ein Reflex gegenreformatorischen Festungsdenkens. Erwähnung verdient hier die enge Verflechtung des Ordensklerus. Besonders Jesuiten lag sichtlich ihre typische Art der Glaubensverbreitung - Hauptzweck des Ordens - stark am Herzen. Schon im 17. Jahrhundert stammten zwei Drittel der durch sie ins Französische übertragenen Schriften von Ordensbrüdern anderer Nationen. Und im 18. Jahrhundert übersetzten deutsche Jesuiten mehr als fünf Dutzend Titel französischer Angehöriger ihres Ordens. Zu prüfen bleibt, wie weit sich im Einzelfall Kontakte zwischen Autoren oder Verlegern und Übersetzern ergaben - sei es bei Offizieren (während der Feldzüge auf deutschem Boden im Siebenjährigen Krieg und in der Revolutionszeit 23 ), sei es bei der standestypischen Kavalierstour Adliger durch Europa. Wurde doch schon mehrfach hingewiesen auf Übersetzertätigkeit von Offizieren, auf einen weit überproportionalen Adelsanteil oder die beachtliche Rolle von Privatlehrern, die als Mentoren an der Kavalierstour ihrer Zöglinge teilnahmen. Kein Zufall ist gewiss, wenn mehr als ein Drittel der Übertragungen aus dem Deutschen von Mittlern stammte, deren Kenntnis des deutschen Kulturraums gesichert ist. Vertrautheit mit dem Herkunftsland der Texte - wohl auch mit dessen Buchmarkt und seinen Akteuren - war damit weit häufiger als bei Übersetzern aus dem Idiom des britischen 22 Gellert war bekannt mit Joh. Adolph Schlegel, Joh. August Schlegel und Heyer, Lessing mit Mendelssohn, Müchler und Weisse. - Zum Folgenden: Gottsched-Jünger waren etwa Kopp, Lamprecht, Kästner, Schwabe, Uhlich, Mylius, Gellert. 23 Von Brühl, La Verne und Saint-Hilaire etwa ist gesichert, dass sie an solchen Feldzügen teilnahmen. <?page no="173"?> 167 Inselreichs. Gleiches gilt für die Produktivität jener Deutschlandkenner. Auch sie lag, wie erinnerlich, klar über dem Durchschnitt der Zunft und dem damaliger England-Importeure. 24 Die meisten und produktivsten unter den übersetzenden Kennern des deutschsprachigen Raums nun waren, wie erwähnt, ebendort geboren 25 und hatten wohl selbst dann alte Kontakte bewahrt, wenn einige von ihnen zeitweise in Paris lebten. Seltener als vielleicht erwartet entstammten die Übersetzer ins Französische dem kompakten Milieu hugenottischer Einwanderer. 26 Zwei Dutzend weitere hatten den deutschen Kulturraum kennen gelernt bei beruflichen Aufenthalten, 27 andere bei Feldzügen, 28 ein Dutzend auf Reisen, 29 wieder andere beim Studium. 30 Ein Dutzend nur entdeckte als Emigranten das östliche Nachbarland, beispielsweise während der Revolutionsjahre. 31 Persönliche Kontakte Angesichts der mehrfach erwähnten Austausch-Barrieren war nicht verwunderlich, wenn ein schon zitierter Pariser Übersetzer als Glücksfall pries, der Zunftgenosse Holbach sei so nett gewesen, ihm sein „original Allemand“ auszuleihen, 32 wenn Meister berichtete, Gessner habe ein Übersetzungsvorhaben erörtert mit Diderot und anderen „amis qu’il a à Paris“ und danach die Ausgabe selbst überwacht, 33 oder wenn Büschings Übersetzer vermerkte, der Autor habe ihm Korrekturen am Original mitgeteilt. Und erinnern wir uns, dass ein ebenfalls schon erwähnter Verleger betonte, die französische Fassung sei unter Leitung 24 Siehe dazu F. Nies: Une France européenne à l’heure de l’Europe française : les traductions de l’anglais au Siècle des Lumières, in: C. Montalbetti u. a. (Hg.): Le Bonheur de la lecture, Paris: PUF 2005, S. 85-97, hier S. 93. 25 Siehe oben Kap. I.4.1.2, Anm. 27. 26 Etwa Beausobre, Formey, Moulines, Reclam. 27 Etwa Barbé-Marbois, Boaton, Bourgoing, Bursay, Deschamps, Eberts, Fauvelet de Bourienne, Kentzinger, Laveaux, Le Guay de Prémonval, Lezay-Marnézia, Luchet, Mallet, Pajon, Pernetty, Mme Polier, Reclam, Rivière, Rochon de Chabannes, Rougemont, Saint-Martin, Toussaint, Ussieux-Duchesnay. 28 Etwa Fleuriot, Gasc, Jourdan, Prince de Ligne, Saint-Hilaire. 29 Etwa Bock, Brienne, Crespin, Cacault, Diderot, Duvau, La Roche, Larrey, Mallet, Roman, Turgot, Ussieux. 30 Etwa Bonivard, Bourgoing, Fauvelet de Bourienne, Gerhardt, La Martellière, Lezay- Marnézia, Pfeffel, Rayneval, Tranchant de Laverne. 31 Etwa Barbeyrac, Bock, Dumouriez, Duvau, La Verne, Maimieux, Maydieu, Teissier, Vanderbourg, Villers, Tranchant de Laverne. 32 Marc Antoine Eidous 1769 im Vorwort seiner Fassung von Michail V. Lomonosovs Histoire de la Russie, Paris: Guillyn 1769, S. XI. 33 Préface zu Contes moraux et nouvelles idylles de D…et Salomon Gessner, Zürich: Chez l’auteur, 1773. <?page no="174"?> 168 des Autors entstanden. 34 In anderen Fällen lassen sich persönliche Kontakte der am Austausch Beteiligten zumindest vermuten. Die Professoren Huber und Villers übertrugen Titel ihrer örtlichen Kollegen Gellert und Heyne. Zur Diplomatenzunft in Hamburg gehörte Hagedorn wie sein Übersetzer Bielfeld. Euler wurde übertragen von seinem Sekretär, Schwiegersohn und künftigen Petersburger Akademie-Kollegen Fuß. La Martellière, der Übersetzer von Schillers Théâtre, war wie erinnerlich dessen Mitzögling an der Karlsschule gewesen. Wenn Dutzende schnell transferierter Werke von deutschen Frankreichkennern stammten, etwa gleich viele von französischen Deutschlandkennern, lassen sich weitere persönliche Bindungen vermuten. Verantwortete doch eine Reihe jener Mittler 35 gleich mehrere Titel von höchster Aktualitätsnähe. Persönlicher Kontakt mit dem Originalautor ist belegt etwa durch den Verleger Henrichs im Vorspann von Mayers Schilderung seiner Italienreise. 36 Dies führt zur Frage nach Kenntnis des Ziellands auf Seiten anderer Autoren. Von fünf Dutzend unter ihnen wissen wir, dass sie vor Erscheinen ihrer ersten Übersetzung in Frankreich auftauchten. In einer stattlichen Reihe jener Fälle war Paris Reiseziel und zugleich Verlagsort der französischen Fassung. Einer Prüfung wert wäre daher, wo sicher oder wahrscheinlich ist, dass solche Aufenthalte den Boden für Übersetzungen bereiteten oder dass sogar konkrete Treffen mit Übersetzern oder Verlegern stattfanden. Denn es mag kein Zufall sein, dass der Durchschnitt übersetzter Titel pro Kopf bei landeskundigen Autoren doppelt so hoch war wie bei den übrigen. Vernetzung zwischen Gruppen und Institutionen Die Prägung kollektiver Mentalitäten durch konfessionelle Faktoren wie die Vernetzung etwa des Ordensklerus wurde bereits erwähnt. Nun zeichnet sich - unerwartet angesichts ihres winzigen Anteils an der Bevölkerung des französischen Staatsgebiets - ein starkes Übergewicht hugenottischer Übersetzer ins Französische ab: Weit über vier Fünftel aller Titel waren ihnen zu verdanken. Dazu kommt, dass sie zu drei Vierteln Texte von Glaubensbrüdern der Nachbarnation übertrugen (was sie stark von katholischen Zunftgenossen unterschied). 37 Die Frage 34 Bourgoing im Avertissement zu Anton Friedrich Büschings Géographie universelle (Strasbourg 1768); Henrichs im Vorspann von Friedrich Johann Lorenz Meyers Voyage en Italie in Übersetzung Charles de Vanderbourgs (Paris 1801). 35 Etwa Arnex und Jean Henri Samuel Formey. 36 Voyage en Italie in Übersetzung Vanderbourgs (1801). 37 Diese übersetzen zu ca. 70 % Texte deutscher Protestanten (vorstehende Angaben aufgrund einer Zuordnung von rund 900 Titeln). <?page no="175"?> 169 liegt nahe, wieweit diese Führungsrolle und Fixierung auf Autoren gleichen Glaubens ursächlich dafür war, dass unser Kulturraum aus französischer Sicht weithin als lupenrein protestantischer galt (und noch gilt). Häufiger als unter bloßen Glaubensbrüdern war die schon erwähnte Paarbildung Autor-Übersetzer unter katholischen Klerikern, seit dem Grand Siècle und für Übertragungen aus dem Lateinischen speziell innerhalb von Ordensgemeinschaften. 38 Es reißt uns gewiss nicht vom Stuhl, wenn ähnlich Theaterleute, 39 Astronomen, Chemiker, Mineralogen, vor allem Mediziner die Titel von Zunftgenossen übertrugen. Als Beispiel für Vernetzung durch weltliche Zusammenschlüsse mag die Berliner Société des Alétophiles (bzw. Wahrheitsliebende Gesellschaft) dienen: In ihr Umfeld gehörten die Übersetzer Formey und Deschamps wie die Autoren Wolff und Reinbeck, von denen sie ein Dutzend Titel übertrugen, sowie der Verleger Haude, der die meisten jener Titel publizierte. 40 Paarungen Autor-Übersetzer gab es nicht selten zwischen Angehörigen derselben Akademie, vor allem in Berlin. 41 Nur vereinzelt allerdings scheint solche Paarbildung zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Akademien gewesen zu sein. 42 Drucker, Verleger und Buchhändler spielten nicht selten eine Doppelrolle und publizierten eigene Übertragungen, oder Übersetzer gaben ihr Produkt im Selbstverlag heraus. 43 38 Eine Führungsrolle bei solch ordensinternem Transfer hatten Jesuiten: Bex, A. Girard (4 Titel), Des Hayes, Desruelles, Du Cortas, Du Jarric. Zu nennen wären auch die Benediktiner Assignies, Leroy und Mège, die Dominikaner Chardon, Louvet und B. de Vienne. 39 Etwa Bursay, Dumaniant, Marsollier de Vivetières, Patrat, Weiss. - Zum Folgenden: etwa Mauvais, Cadet-de-Vaux, Dietrich. 40 Siehe dazu U. Janssens-Knorsch: Jean Deschamps, Wolff-Übersetzer und „Alétophile français“ am Hof Friedrichs des Großen, in: W. Schneiders (Hg.): Christian Wolff (1679-1754): Interpretationen zu seiner Philosophie und ihrer Wirkung, Hamburg 1983, S. 255-63. 41 So Beausobre-Jablonski, Bernoulli-Euler, Bordenave-Haller, Demachy-Pott, Dietrich-Ferber, Dubois de Jancigny-Achard, Holbach-Lehmann, Merian-Lambert, Villers-Kant. - Zum Folgenden: vereinzelte Paarbildung etwa bei der Académie royale de chirurgie, in Göttingen oder Petersburg (Bordenave-Haller, P.-L. Le Roy-Krafft, Villers-Heyne). 42 Etwa Demachy-Marggraf, Holbach-Kunckel, Milcent-Törring, Pougens-Forster, Seigneux de Correvon-Haller. 43 Selbstverlag von Übersetzern etwa: Beys, Huber, Kentzinger, Laveaux, Mechel, Münster. Übersetzende Verleger etwa: Badius, Chr. Beys, Cailleau, Cramer, David, Doray de Longrais, Cherbuliez, Jansen, Jennis, Wapy, Winterschmidt, Zubrodt. <?page no="176"?> 170 Bezüge zwischen Sprache, Genre, Titelpalette und Mittlertyp Beim Überführen aus dem Idiom der Gelehrten in die Volkssprache dominierte erwartbar der alte Gelehrtenstand par excellence - die Geistlichen beider Konfessionen, bei deutlicher Führung der Katholiken. War die Originalsprache dagegen Deutsch, wurden die weitaus meisten Werke von Protestanten übertragen: frappante Nähe also einerseits zur Sprache Roms, andererseits zu der Luthers und seiner Reformation. Protestantische Übersetzer tendierten mehr zur Schönen Literatur als katholische. 44 Dass Akademiemitglieder stark auf Nichtbelletristisches fixiert waren, verwundert nicht allzu sehr. Unerwarteter ist dagegen - angesichts ihrer hergebrachten Missachtung des Spezialistentums bürgerlicher Gelehrter - das Überwiegen nichtbelletristischer Originale bei adligen Übersetzern. Eine Vorliebe französischer Übersetzerinnen für Romane und Titel deutscher Autorinnen deutet sich an. Banaler scheint, wenn unter Absolventen der „Berufsfakultäten“ Mediziner, wie erwähnt, vorwiegend als Übersetzer von Werken ihrer eigenen Disziplin tätig wurden. 45 Dieser starke Fachbezug allerdings trennte sie, wie das letzte Kapitel zeigte, auffallend von Rechtsgelehrten. Bei Verlegern war, wie wir gesehen haben, gezielte Ausrichtung zum deutschen Kulturraum selten. Zwar betonte Grasset aus Lausanne, nach Veröffentlichung von fünf Titeln deutschsprachiger Herkunft, Nous nous attacherons surtout à faire traduire en françois de bons ouvrages imprimés en langue allemande, qui sont en très grand nombre; c’est pourquoi nous prions les savans de l’Allemagne de nous honorer à cet égard de leurs bons et judicieux conseils. 46 Doch dieser Aufruf zur Bildung eines Netzwerks zeitigte keine Folgen im Verlagsprogramm. 47 Ein Monopol für das Einbürgern des mit Abstand meistübertragenen, in zahllosen Nachdrucken kursierenden Bestsellers Imitatio Christi hatten Katholiken, speziell ihr Ordens- und Weltklerus (beteiligt waren in erstaunlicher Eintracht Jesuiten 48 wie Jansenisten). 44 Im Verhältnis von 50 % zu ca. 40 %. Zum Folgenden: Akademieangehörige übertrugen zu fast 80 % nichtbelletristische Titel. 45 Häufiger noch als in Deutsch waren hier die Originale in Latein verfasst. 46 Avis de l’éditeur zu Riedesel: Voyage en Sicile et dans la Grande Grèce, Lausanne 1773, in Übersetzung von Frey des Landres, S. XI. 47 Er publizierte danach nur noch eine einzige Übersetzung deutscher Herkunft. 48 Jesuiten waren etwa Vivien (1629), Girard (1641), Bellegarde (1692), Brignon (1695), Gonnelieu (1712), Lallemant (1740). - Zum Folgenden: Jansenisten waren Le Maistre de Sacy (1662 mit zahllosen Nachdrucken), Le Duc (1734) oder Le Gros (1740). <?page no="177"?> 171 Doppelte Übersetzungskultur? Es muss nicht ein weiteres Mal betont werden, dass auf dem Nährboden überhitzter Konjunktur die „traduction libre“ und überbietende „imitation“, die radikale Anpassung an den eigenen Nationalgeschmack gut gediehen. 49 Während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde Freiheit der Übertragung ständig als Qualitätsmerkmal gerühmt, und dutzendfach spiegelte sich dieser burschikose Umgang mit der Vorlage schon in einschneidenden Änderungen des Titels. Doch wie die Beispiele in anderen Kapiteln nahe legen, scheint sich lässiger Umgang mit Vorlagen stark auf Belletristisches konzentriert zu haben. Bei Werken der Gelehrsamkeit insistierten Übersetzer-Vorreden ganz im Gegenteil mehrfach auf dem Streben nach „fidélité“ und „exactitude“. 50 Kurzbilanz Vieles bliebe zu tun. Unsere Basis an biographischen Daten bedürfte hier besonders dringlich der Ergänzung, ihre Analyse der Differenzierung. Manches aber ist klar geworden: Nationalkulturen können zwar aus Sicht des Transferforschers nicht als homogene Blöcke gelten. Doch es zeichnen sich zahlreiche intrakulturelle wie interkulturelle Vernetzungen ab, ebenso wie religiöse, soziale, ideologische Subkulturen, deren Existenz und übersetzerische Aktivität das Bild der benachbarten Kultur wesentlich prägen. 3. Lockung und Abwehr des Fremden: Wechselspiel mit Nationalstereotypen Verfestigte Vorstellungen von Nationen kristallisieren sich nicht zuletzt in Figuren literarischen Ursprungs. Doch wie kam es, dass aus deutscher Sicht nicht der romantisch zerquälte Lorenzaccio zum Inbegriff des Französischen avancierte, sondern Tartüffe, die Ehebrecherin Emma Bovary oder das lebenslustige Musketierquartett? Wie ist zu erklären, dass in französischen Augen nicht Gestalten wie Nathan der Weise oder Iphigenie, Wilhelm Meister oder Effi Briest als Inkarnation deutschen Wesens gelten, sondern die Nibelungen und der selbstquälerische 49 Diese Praxis der „belles infidèles“ war bekanntlich schon im Grand Siècle verbreitet. 50 Von Le Prévost 1556 über Du Teil 1659 bis zu Jansen 1764 und Accarias 1799. <?page no="178"?> 172 Werther, oder Hyperion, Gretchen und der unersättliche Faust, oder bedrohliche Mächte wie Erlkönig und Loreley? Die zuletzt genannten Namen verweisen auf eine bestimmte historische Epoche. Doch ungeachtet der Sonderstellung von Sturm und Drang plus Romantik handelt dieses Kapitel von Langzeitphänomenen. Daher wird eine partiell systematische Präsentationsform die chronologische überlagern. Antoine-René de Voyer, Marquis Paulmy d’Argenson, Diplomat mit Erfahrung in fremden Ländern, Schriftsteller und Publizist, versicherte im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts, Spanien sei eine „nation très courageuse, galante et voluptueuse et disposée à la jalousie, qui habite un climat brûlant, dont l’ardeur donne [...] plus de force à ses passions“. Er folgerte daraus, eine solche Nation sei geschaffen „pour fournir au genre romanesque plus de héros qu’aucune autre“. So war es nur konsequent, wenn die Redakteure seiner bis 1789 reichenden Bibliothèque universelle des romans spanischen Autoren quantitativ den Spitzenrang in ihrer Sammlung einräumten. Paulmy zufolge verhindert andererseits die „mollesse des moeurs“ von Italienern Bestleistungen im Genre des Romans; so hätten sie sich damit begnügt, die „meilleures nouvelles romanesques“ zu schreiben. Die englische Nation wiederum sei „trop sensée pour s’occuper [...] de passions“ und beschränke sich daher auf Romane „mêlés de comique et de morale“. Die Deutschen schließlich galten Paulmy schlichtweg als „trop solides“ und „sévères“, um eine Romanproduktion zu schaffen, die diesen Namen verdiene. Folglich bildeten sie in seiner Sammlung das Schlusslicht, was die Anzahl vorgestellter Titel angeht. Selbst auf dem Höhepunkt der vorurteilsfeindlichen Aufklärungsepoche entschieden also Vor-Urteile hinsichtlich nationaler Wesenszüge sowohl über die Zahl als auch über die Art literarischer Produkte, die man für wert hielt, in einem Kernland der Aufklärung bekannt zu werden. Die Wichtigkeit des Bildes, „das sich die Franzosen von ihren Nachbarn machten“, wird von zahlreichen Übersetzer-Vorreden der Zeit bestätigt. 51 Und die Notwendigkeit des Eingehens auf Eigenheiten von Herkunftswie Zielkultur entschied nicht nur über das Was, sondern auch das Wie literarischer Anverwandlung. Darauf beriefen sich Übersetzer des 18. Jahrhunderts mit stereotyper Regelmäßigkeit. Ähnlich war noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts Gobineau zutiefst davon überzeugt, jegliche Literatur sei nur ein Spiegelbild der Rasse, die sie geschaffen habe. Und es steht zu vermuten, dass Überzeugungen wie 51 Siehe dazu Ausführungen und Belege von Boyer, Du Resnel und anderen über den englischen, deutschen oder italienischen Nationalcharakter bei W. Graeber, Französische Übersetzervorreden des 18. Jhs., S. 14 f., 41, 68, 70, 72, 76, 90, 135, 173, 179. Vorangehendes Zitat ebd. S. 11. <?page no="179"?> 173 die seine nicht ohne Auswirkung auf den Literaturaustausch auch seiner Zeit blieben. * * * Beginnen wir mit Affinitäten, die man in der deutschen oder französischen Nation zu bestimmten Teilbereichen der Literatur vermutete. Erinnern wir uns daran, dass französische Kritiker bis zu jenem Publikumserfolg, den nach 1792 Goethes Werther erzielen sollte, für deutsche Romane nur Verachtung empfanden. Dagegen waren eben diese Kritiker vom letzten Drittel des 18. Jahrhunderts an nicht müde geworden, die „belle poésie“ und die „excellents poètes“ zu rühmen, denen man jenseits des Rheins begegne. Ich beschränke mich auf zwei Urteile aus der Année littéraire Frérons, der früher als andere versicherte, „les poésies lyriques de cette nation ont plus de feu que les nôtres“ und - welch ein Zugeständnis für den Vertreter von Europas damaliger kultureller Führungsmacht - „nous n’avons pas d’églogues à opposer à celles de Gessner“. 1858 sollte Méry erneut Gessners Idyllen rühmen, inzwischen ergänzt durch „les poésies de Goethe“, 52 und P. Gérardy wiederholte noch 1896, die Deutschen seien wesenhaft „poètes“. 53 Umgekehrt waren hierzulande Verdikte wie das von Wilhelm Weigand vertraut, der 1889 Frankreich sah als „Nation, welche Rhetorik gar leicht für Poesie nimmt“, 54 und Adolf Bartels bekräftigte um 1914, Lyrik sei seit den Zeiten der Klassik „die Schwachstelle französischer Dichtung“. 55 So ist es nicht verwunderlich, dass einerseits deutsche Gedichtsammlungen, die im späten 18. Jh. von der Année littéraire präsentiert wurden, viermal so zahlreich waren wie deutsche Romane oder Theaterstücke. Und im 19. Jahrhundert wurde bekanntlich Bürgers Lenore dem französischen Publikum ebenso vertraut wie Heines Lyrik. Andererseits hatte selbst ein Victor Hugo, der im eigenen Land bald als größter Poet galt, in Deutschland zwar als Romancier, nicht aber als Verfasser der Odes et Ballades oder der Châtiments, der Contemplations oder der Légende des Siècles Erfolg. André Chénier fand dort so 52 Nach U. Becker, Deutschland und die Deutschen in Berichten französischer Reisender des 19. Jhs., Magisterarbeit Düsseldorf 1989 (maschinenschriftlich), S. 49 f. - Vgl. wenig später „la poésie lyrique n’est pas en France ce qu’elle est en Allemagne, et nos plus grands poètes sont loin d’être pour la nation ce que les poètes allemands sont pour la leur“ (E. Schuré, Histoire du lied, ou de la chanson populaire en Allemagne, Paris 1868, S. 16). 53 L’Ame allemande, aujourd’hui, Mercure de France XX (1896), S. 22. 54 Das Magazin für die Literatur des In- und Auslandes 58 (1889), Nr. 47, S. 748 (zitiert nach I. Kuhn, La destinée allemande des „Petits Poëmes en Prose“ de Baudelaire, thèse Strasbourg, microfiche Lille 1995). 55 Weltliteratur Zweiter Teil: Fremdländische Dichtung, Leipzig o. J., S. 110. <?page no="180"?> 174 wenig Beachtung wie die Gedichte Vignys oder Théophile Gautiers, wie Mussets Nuits oder Sully-Prudhomme. 56 Dies bleibt auffällig selbst dann, wenn man gewichtet, dass Texte in gebundener Sprache unter allen literarischen Konsumgütern beim Überwinden von Sprachgrenzen die größten Schwierigkeiten bereiten. Wenden wir uns einem anderen Gemeinplatz zu, dem einer traditionellen „Komplementarität“ der beiden Nachbarkulturen. Er führt konsequent zur Vorstellung, literarische Stärken der einen seien die Schwächen der anderen. Erinnern wir uns, dass französische Kritiker des 18. Jahrhunderts den Deutschen das europaweit geringste Talent zur Gestaltung von Romanen zusprachen. Französische Überlegenheit auf diesem Gebiet erkannten selbst deutsche Literaturrichter an. Eines der zu Beginn des 20. Jahrhunderts bekanntesten Handbücher der Literaturgeschichte etwa verbreitete die Überzeugung, an „erzählenden Stoffen“ sei „keine Litteratur der Welt so reich“ wie die französische. Die Zahlen tatsächlich importierter Werke spiegeln maßstabgetreu dies traditionelle Meinungsbild: Die drei am häufigsten ins Deutsche gebrachten französischen Autoren waren Romanciers des 19. Jahrhunderts: Dumas d. Ä., Balzac und Zola. Im Vergleich zur Jetztzeit ungemein eindrucksvoll ist die Liste französischer Romane und Erzählungen, die spätestens zwei Jahre nach Erscheinen der Originalausgabe bereits in Deutsch vorlagen. 57 Alles andere als selten kam vor, dass Erscheinungsjahr von Erstausgabe und Übertragung identisch waren - ein inzwischen kaum mehr erreichter Rekord. 58 Fälle ähnlich spontaner Aufnahme deutscher Erzählwerke in Frankreich dagegen lassen sich nur selten entdecken. Erwähnung verdient hier neben Goethes Wahlverwandtschaften (1809/ 1810) nur Gustav Freytags Soll und Haben (1855/ 1857). Viele Erzähler, die zum Kernbestand des deutschen Kanons zählen, wurden bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs nie ins Französische übersetzt. 59 56 Auswertungen hier und im Folgenden nach H. Fromm, Bibliographie deutscher Übersetzungen aus dem Französischen 1770-1948, Baden-Baden 1950-53. 57 Hier nur eine Auswahl: Chateaubriand, Les Martyrs (frz. 1809/ dt. 1811) und Mémoires d’Outre-Tombe (1848/ 1849); Balzac, Eugénie Grandet (1834/ 1835); Dumas, Trois Mousquetaires (1844/ 1845), Le Comte de Monte-Cristo (1844/ 1846); Mérimée, Colomba (1840/ 1841); E. de Goncourt, La Faustin (1881/ 1882); Dumas, La Dame aux Camélias (1848/ 1850); Zola, La terre (1887/ 1888), Nana (1880/ 1881); France, L’Ile des Pingouins (1908/ 1909); Loti, Pêcheur d’Islande (1886/ 1888); Prévost, Les demi-vierges (1894/ 1895); Louys, Aphrodite (1896/ 1897). 58 Auch dafür nur einige Beispiele: Staël, Corinne (1807); Dumas père, Le collier de la reine (1849); Sue, Le Juif errant (1844), Les Mystères de Paris (1842/ 43); Hugo, Quatre-vingt-treize (1874); Zola, Au bonheur des Dames (1883); Gide, La porte étroite (1909); France, Les Dieux ont soif (1912); Louys, La femme et le pantin (1898). 59 Auswertungen hier und im Folgenden auf Grundlage von L. Bihl/ K. Epting, Bibliographie französischer Übersetzungen aus dem Deutschen 1487-1944, Tübingen 1987. <?page no="181"?> 175 Deutsche Dramatiker fanden französische Gewährsleute gerne zu wenig theaterwirksam und unterhaltend, zu sehr die Bühne als „moralische Anstalt“ mißbrauchend. Und auch deutsche Experten pflegten sich schnell zu einigen, dass im Bereich des Schauspiels Frankreich der Vortritt gebühre. Selbst Adolf Bartels, späterer Vorkämpfer einer „auf dem Rassegedanken fußenden“ Dichtungsgeschichte, 60 räumte noch um 1914 ein, der „französische Nationalcharakter“ habe „immer eine große Vorliebe“ für das Theater gehabt, und die Zahl französischer Stücke auf deutschen Bühnen sei dementsprechend „verhältnismäßig groß“. 61 Ähnlich wie im Bereich der Erzählprosa spiegelt auch hier die Liste jeweils importierter Stücke Überzeugungen von den Stärken oder Schwächen der Nachbarnation. Stattlich ist die Liste deutscher Importe aus Frankreich vor allem im Bereich der leichten Muse, und Labiches Chapeau de paille d’Italie wurde ebenso übertragen wie Frou-Frou von Meilhac/ Halévy, Henri Becques La parisienne oder Courtelines Boubouroche. Einmal mehr ist die Aktualitätsnähe vieler der importierten Stücke auffallend. 62 Ungleich bescheidener erwies sich dagegen der französische Aufnahmedurst für Produkte deutscher Spitzendramatiker. Unbekannt blieben bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts die meisten Stücke von Arnim, Georg Büchner und Max Halbe, Immermann, Otto Ludwig und Johannes Schlaf, und bis heute haben die von Ludwig Anzengruber, Carl Hauptmann oder Arno Holz den Sprung über die Sprachgrenze nicht geschafft. Relativ schnell übertragen wurden nur ganz vereinzelte Texte: Schillers schon erwähnte Jungfrau von Orleans (1800/ 1802) wohl wegen ihrer Ausgestaltung der für damaliges französisches Selbstverständnis so zentralen Titelfigur, Grabbes Don Juan und Faust (1829) sowie einige Titel Gerhart Hauptmanns: Hanneles Himmelfahrt, Die versunkene Glocke, Rose Bernd und Die Weber. * * * Doch nicht allein auf die Akzeptanz von Texten bestimmter Genres wirken sich offenbar National-Stereotypen aus. Bekanntlich fand man 60 Der Neue Brockhaus, 1937. 61 A. Bartels [Anm. 55], S. 105, 152. 62 Kurz nach dem Original erschienen in Deutsch etwa Scribe, Fra Diavolo (1830/ 31) und Un verre d’eau (1840/ 41) oder La muette (1828/ 29); Hugo, Les Burgraves (1843/ 45); Brieux, La robe rouge (1900/ 1901); Maeterlinck, L’intruse (1890/ 92), Monna Vanna (1902/ 03) und L’oiseau bleu (1902/ 03); Rostand, Les romanesques (1894/ 96), Gide, Le roi Candaule (1904/ 05). Identisch war das Publikationsjahr französischer und deutscher Version unter anderem für Beaumarchais, La folle journée, ou Le mariage de Figaro (1784); Scribe, Robert le Diable (1831); Ponsard, Lucrèce (1843); Augier, Le gendre de Monsieur Poirier (1854); Mirbeau, Les affaires sont les affaires (1903); Rostand, Cyrano de Bergerac (1898). <?page no="182"?> 176 in Frankreich (und darüber hinaus) lange Gefallen an der Vorstellung, die französische Nation sei die erste - wenn nicht einzige - der Moderne, deren Literatur die Perfektion des Klassischen erstrebt und erreicht habe. „Peuple de culture et de tradition gréco-latines, la littérature française avait été classique depuis la Renaissance“ hieß es zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der französischen Standard-Enzyklopädie des Hauses Larousse. An anderer Stelle des allbekannten Werkes wurde zum Signum des Klassischen ein Gleichklang von „fond“ und „forme“ erklärt und das Verdikt gefällt: „il y a des peuples qui ne l’atteignent jamais et qui n’ont pas eu et qui n’auront jamais de littérature classique.“ 63 Im Gegensatz zu Frankreich galt Deutschland, westlich und östlich des Rheins, als Inbegriff des Romantischen. Unermüdlich malten französische Alt- und Neuromantiker wie Madame de Staël und Victor Hugo, Xavier Marmier, Théophile Gautier und Nerval, Michelet, aber auch Erckmann-Chatrian, Tissot oder Marcel Prévost und noch Maurice Genevoix 64 das Bild jenes ein für allemal romantischen Deutschland. Die schon erwähnte Standard-Enzyklopädie verkündete, der „romantisme“ mache in Deutschland „le fonds primitif et essentiel du génie national“ aus. 65 So überrascht es kaum, wenn französische Literaturkritik, stolz auf die Überlegenheit ihres klassischen Zeitalters, auch nach dem Romantik-Boom deutsche Literatur des 17. Jahrhunderts schlichtweg nicht zur Kenntnis nahm, und wenn selbst der in Deutschland als Meisterwerk geltende Simplicissimus Grimmelshausens erst 1926 übersetzt wurde. Und ebenso erwartbar war es, dass im Gegenzug fast alle deutschen Literaturrichter im Gefolge Lessings, 66 gekränkt durch soviel nationale Überheblichkeit, der französischen Tragödie des Grand Siècle die vorgebliche Rigidität ihres Klassikbilds, ihre Regelhörigkeit zum Vorwurf machten. Klassizismus auf französische Art wirkte in deutschen Augen, vor allem im Theaterbereich, als Mangel an Spontaneität, verursacht durch allzu sorgfältige formale Ausfeilung. Schon A.W. Schlegel kritisierte die „ungebührliche Wichtigkeit, die man in Frankreich darauf legt, wie ein Stück geschrieben und versifiziert ist“. 67 Und noch für Bartels bedeutete dies bloßes „Schreibwerk“ statt „inneres Erlebnis“, Fixiertsein auf „sichere und gewandte Technik“, „gewandte Mache“. 68 Ähnlich schrieb Paul Lindau von den Franzosen 63 Nouveau Larousse illustré, Paris 1901, s.v. classique. 64 Lorelei. Roman (1978). 65 Nouveau Larousse illustré s. v. romantique. 66 Hamburgische Dramaturgie 1767/ 68 passim. 67 Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur, in: Kritische Schriften und Briefe VI, hg. von E. Lohner, Stuttgart 1967, S. 83. 68 A: Bartels [Anm. 55], S. 100, 152, 155. <?page no="183"?> 177 Wir bewundern an ihnen die großen technischen Vorzüge, die Geschicklichkeit in der Verwertung der Mittel, in der Herbeiführung der Spannung und Lösung - die gute Mache. Wir [...] empfinden eine gewisse Genugthuung, [...] Eigenschaften doch nur zweiter Ordnung, mit einer gewissen Geringschätzung aburteilen zu dürfen. 69 Gerade solche festen Vorstellungen indes bereiteten im deutschsprachigen Raum, wie wir gesehen haben, auch den Boden für einen imposanten Siegeszug der „pièce bien faite“, der weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hineinreichen sollte. * * * Was also wählten französische Verleger bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs auf der Produktpalette der östlichen Nachbarn am liebsten? Natürlich das, was in ihrer Perspektive irgendwie „romantisch“ wirkte, angefangen bei den Stürmern und Drängern: Bürger und Klinger, Goethes Werther und Faust, Schillers Räuber. Dann, früh schon, Chamissos Peter Schlemihl und Fouqués Undine, E.T.A. Hoffmann, 70 August Wilhelm v. Schlegel und Tieck. Nach 1830 folgten, auf dem Höhepunkt der romantischen Mode in Frankreich, die Grimmschen Kinder- und Hausmärchen, Hauffs Lichtenstein und Jean Paul, einiges von Kleist und Körner und Heine, danach Richard Wagner sowie, relativ spät, Eichendorffs Taugenichts (1872) und Nachzuholendes von E.T.A. Hoffmann oder Kleist, schließlich Lenau und Victor Scheffel und Novalis. Es ist verblüffend, wie unermüdlich französische Verleger über das gesamte 19. Jahrhundert hin bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs (Heinrich von Ofterdingen erschien 1908, Lenaus Faust 1913) immer wieder neue Titel nachschoben, um dieses zeitresistente Bild von der zutiefst „romantischen“ Dichtung Deutschlands anzureichern und zu stabilisieren, obwohl die eigene Literatur schon längst neue Schwerpunkte gesetzt und auch deutsche Literaten die großen europäischen Neuorientierungen mit vollzogen hatten. * * * Romantisch zu sein auf deutsche Art, das hieß aus der Sicht unserer westlichen Nachbarn auch, sich gleichgültig zu zeigen gegenüber Problemen der modernen Welt, der Industrialisierung, des Großstadtlebens wie darin gründenden sozialen Konflikten. Seit den 1780er Jahren begegnen wir diesem stereotypen Bild deutscher Literatur. Ein Fréron konfrontierte die verfeinerte Pariser Kultur mit dem rustikalen Wesen 69 Molières ausgewählte Werke, Stuttgart 1883, I, 23. 70 G. Holtus, Die Rezeption E. T. A. Hoffmanns in Frankreich, Mitteilungen der E. T. A. Hoffmann-Gesellschaft 27 (1981). <?page no="184"?> 178 deutscher Schriftsteller, und er schien sich ihr Land vorzustellen „comme une vaste étendue de pâturages, de forêts et de déserts où la vie urbaine est presque inconnue“. In der nachnapoleonischen Ära diagnostizierte man eine Indifferenz deutscher Denker „à toute réalité“, ihre Träumerei „sans application probable“, eine Abgehobenheit „qui néglige le monde réel“, einen „mysticisme irrationnel“. 71 Solch automatisierte Sehgewohnheiten machen verständlich, warum ein sozialkritischer Realist wie Georg Büchner bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ebenso unübersetzt blieb wie der frühe Heinrich Mann, oder warum der gesamte realistische Roman Deutschlands lange einer „période particulièrement mal reçue en France“ angehörte. Kaum bekannt waren über lange Zeit hin Theodor Storm und Raabe, Realisten wie Alexis und Anzengruber, Droste-Hülshoff und Ebner-Eschenbach, Hebbel und Immermann, Gottfried Keller und Conrad Ferdinand Meyer, Rosegger und Stifter, Fontane und Vischer. Die gleiche Erwartungshaltung macht begreiflich, warum französische Theaterleute und Verleger für den mystischen Dichter Gerhart Hauptmann offener waren als für den politischsozial engagierten Autor, warum sie ihrem Publikum zwar Hanneles Himmelfahrt und Die versunkene Glocke anboten, aber Die Ratten oder Stücke Tollers nie übertragen wurden. Gestanden doch selbst deutsche Literaturrichter französischen Realisten und Naturalisten unbestrittene Überlegenheit zu. Balzac und Zola gehörten, wie erwähnt, nicht zufällig zum Dreigestirn französischer Romanciers, die in Deutschland am häufigsten übersetzt und publiziert wurden. Dagegen blieben deutsche Naturalisten wie H. Bahr, Conrad und Conradi, Max Halbe und Carl Hauptmann, Arno Holz, Max Kretzer und Johannes Schlaf in Frankreich chancenlos. In Deutschland wieder hätte man vergeblich eine Ausgabe von Romanen des Romantikers Théophile Gautier oder der ins Mystische ausgreifenden späten Zola-Trilogie gesucht. Entsprachen doch diese Titel hierzulande allzu wenig den verfestigten Vorstellungen über französische Romanciers, die nur gut sein durften, soweit sie „realistisch“ waren. Blicken wir nochmals in die Gegenrichtung: Schon Fréron hielt es für ein Spezifikum deutscher Schriftsteller, dass sie in der „solitude“ lebten. Folglich hielt man es wohl für ausgeschlossen, französische Leser zu schocken mit dem Großstadtroman Conrads, mit Kretzers Schilderung des Berliner Vorstadt-Elends oder Hauptmanns Massen-, Mietskasernen- und Unterschicht-Dramen. * * * 71 A. Monchoux, L’Allemagne devant les lettres françaises de 1814 à 1835, Paris 1953, S. 292 f., 297. <?page no="185"?> 179 Ein Klischee, dessen literarischer Wirkradius vielleicht am weitesten reicht, geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Es spiegelt die Überzeugung, dass sich Frankreich von anderen Nationen durch „Leichtsinn“, „Frivolität“ und die „Lockerheit seiner Sitten“ abhebe. In diesem Punkt stimmte im frühen 19. Jahrhundert der deutsche Patriot Ernst Moritz Arndt völlig mit dem französischen Patrioten Jules Michelet überein. Und ein Halbjahrhundert später diagnostizierte Paul Lindau das gleiche Syndrom: Was wir bei den Franzosen suchen, und was wir an ihnen bewundern, sind nicht gerade ihre schönsten Seiten. Wir suchen in ihren schriftstellerischen Werken fast unbewußt das, was ein deutscher Schriftsteller, der sich respektiert, niemals sich gestattet: die rücksichtslose Darlegung bedenklicher Verhältnisse, ein keckes Bild sittlicher Verwahrlosung, eine gewisse anmutige Leichtigkeit, schäkernde Schlüpfrigkeit usw. Gerade die Schriftsteller, die in dieser Beziehung das Bemerkenswerteste geleistet haben, gelten bei uns als typische Franzosen. 72 Was Deutsche wie Arndt als „Leichtsinn“, als „Unmoral“ und „Verdorbenheit“ geißelten, 73 entdeckten sie vor allem in französischen Erotica. Schon Schiller deutete Rétifs Le coeur humain dévoilé als „Darstellung französischen Wesens“ und Spiegelung einer „heftig sinnlichen Natur“, und er gestand, „ungeachtet alles widerwärtigen, platten und revoltanten“ habe er sich „sehr daran ergetzt“. 74 Für diesen französischen „Leichtsinn“ stand noch Bartels „sehr viel frivole Literatur“ des Grand Siècle, die „sittliche Verkommenheit“ von Werken aus der Endzeit des Ancien Régime oder Béranger mit seinen Chansons. 75 Als Gipfelpunkt jener Literatur der „légèreté“ und „frivolité“ galt schließlich, selbst in französischer Sicht, das Zweite Kaiserreich. 76 So konnte sich eine fixe Idee festsetzen: die Franzosen seien Experten in Liebesdingen und Weltmeister in Sachen Erotik, und ihre Literatur spiegle diesen Charakterzug auf verrucht verlockende Weise. Nicht zuletzt daraus erklärt sich wohl die sofortige Übertragung von Figaros Hochzeit, von René und Atala, von Adolphe und Delphine, der Dame aux Camélias, von Nana oder Daudets Sapho. Es macht verständlich, warum Romane Balzacs dem deutschen Publikum im Rahmen von Reihen wie „Die galanten 72 Molières ausgewählte Werke [Anm. 69]. 73 Nach G.-L. Fink, Das Frankreichbild in der deutschen Literatur und Publizistik zwischen der französischen Revolution und den Befreiungskriegen, Jahrbuch des Wiener Goethe-Vereins 81-83, (1977-79), S. 84. 74 Schillers Werke Bd. 29: Briefwechsel hg. von N. Oellers/ F. Stock, Weimar 1977, S. 180 f. 75 A. Bartels [Anm. 55], S. 124, 127, 134 f. 76 P. Guiral, Observations sur la réputation de légèreté de la littérature française du Second Empire, in: Du romantisme au surnaturalisme. Hommage à Claude Pichois, Neuchâtel 1985, S. 231-39. <?page no="186"?> 180 Bücher“ oder „(Klassische) Bücher des galanten Zeitalters“ angeboten wurden, warum Madame Bovary und Salammbô, warum Aphrodite und La femme et le pantin von Pierre Louys umgehend auf dem deutschen Buchmarkt auftauchten oder warum der Prostituiertenroman Nana dort sofort ungeheuren Erfolg hatte (weit mehr als andere Werke Zolas), warum gerade Balzacs Kurtisanenroman die Deutschen fesselte. Andererseits konnte in Extremfällen die „hypererotische Ankränkelung“ etwa von Baudelaires Lyrik, die Nietzsche 77 auf den Infektionsherd Paris zurückführte, deren Eindeutschung behindern oder gar verhindern. Dies ließe sich zeigen bis hin zur Ausmerzung bestimmter Einzelgedichte in frühen deutschen Ausgaben der Fleurs du Mal. Une Charogne beispielsweise ließ Camill Hoffmann 1902 „unter den Tisch fallen“ mit der ausdrücklichen Begründung, die „perverse“ Bizarrerie des Gedichts stehe „deutscher Art so fern [...], dass ihr schon die deutsche Sprache widerstrebt.“ 78 Erst im zwanzigsten Anlauf, Baudelaire- Texte deutschsprachigen Lesern näher zu bringen, sollte sich 1907 ein Übersetzer auch dieser Provokation stellen. Manchmal ergänzte man Buch- oder Stücktitel der deutschen Fassung, um ihn dem verlockenden Stereotyp des gallischen Panerotismus anzupassen. Rétifs Palais Royal etwa präsentierte man so ungeniert als Liebschaften der dortigen Freudenmädchen. Als „Sittenroman“ oder „Sittenbild“ etikettiert wurde Madame Bovary, als „Pariser Sittenroman“ Zolas Nana, als „Pariser Sittenbild“ Daudets Numa Roumestan und manches Stück von Victorien Sardou. Derartige Markierung als Sittenbild (hier verstärkt durch ständige Hinweise auf das Pariser Sündenbabel) aber pflegt im Deutschen bis zum heutigen Tag eine „Bevorzugung erotischer Motive“ zu signalisieren. 79 Manches allerdings galt offenbar, wie angedeutet, selbst in dieser Domäne als allzu starker Tobak für empfindsame deutsche Seelen. Bis kurz vor dem Weltkrieg mussten nicht nur manche Baudelaire-Gedichte, sondern auch die Liaisons dangereuses und Barbey d’Aurevillys Diaboliques, Villiers de l’Isle-Adams Eve future und Ernest Feydeaus Fanny auf ihre Übersetzung warten, und die meisten Werke Sades oder Stendhals kamen wie Mérimées Vénus d’Ille noch überhaupt nicht zum Zug. * * * 77 Die Unschuld des Werdens I: Musik, Kunst und Literatur, Stuttgart 1956, S. 580; zit. nach Kuhn [Anm. 54]. 78 Selbstanzeigen, Die Zukunft 40 (1902), zit. nach Kuhn [Anm. 54] 79 Zum Folgenden vgl. etwa G. v. Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1955 u. ö., s. v. Sittenroman, Sittenstück. <?page no="187"?> 181 Kommen wir auf eine Spielart von Werken zurück, deren erotikfreie Seriosität beim interessierten Publikum nicht im Zweifel steht: Produkte der Geisteswissenschaft und besonders der Philosophie. Hinreichend bekannt ist, dass Madame de Staël Deutschland zur „patrie de la pensée“, 80 Victor Hugo - sie überbietend - zur „noble et sainte patrie“ aller Denker erhoben, dass Charles de Villers es zum „asile de la philosophie“ erklärt hatte 81 und Michelet, Méry oder Gérardy unisono gerade die überrheinischen Philosophen rühmten. Bekanntlich hatten allerdings jene deutschen Denker, seit der boshaften Satire Candide und dem Staëlschen Diktum von Kants „métaphysique fort obscure“, 82 das ganze 19. Jahrhundert hindurch in Frankreich einen gut fundierten Ruf als „métaphysiciens“. 83 Erinnern wir uns an Voltaires Titelhelden und dessen Mentor Pangloss, mit seinem aufgeblasen-hohlen Super-System einer „métaphysico-théologo-cosmonigologie“. Dies Bild überlagerte einmal mehr das jener völligen Blindheit für Probleme der diesseitigen Welt, die anschließend auch Madame de Staël bei den Deutschen diagnostizierte. Noch Barrès sollte jenen Metaphysiker-Topos wiederholen. Der eigenen Nation dagegen sprach Jacques Morland zum gleichen Zeitpunkt den „goût de la métaphysique“ ab. 84 Mit Vorliebe unterstellte man deutschen Philosophen weiterhin ausgeprägten Hang zum Mystizismus und Irrationalismus, zur Hingabe an „songes nébuleux“ und einen apolitischen, „antisozialen und antihistorischen“ Individualismus. Kontrastierend dazu wurde das Selbstbild des zutiefst rationalen französischen Wissenschaftlers entworfen, von dem Jules Vernes Doktor Sarrasin nur eine der zahlreichen erzählerischen Inkarnationen darstellte. Seit der Aufklärungszeit war dieser französische Modell-Wissenschaftler ausgestattet mit Zügen einer „foncière sociabilité“, eines philanthropischen Altruismus, der Fehler und Ungerechtigkeiten der Gesellschaft anprangert und nach Fortschritt nur zum Wohl der Menschheit strebt. Diese fixen Ideen von der spezifischen Denkungsart einer ganzen Nation - vernunftgeleitetem, gesellschaftskritisch auf Fortschritt bedachtem Philosophieren hier und Weltflucht da - mögen der tiefere Grund dafür sein, dass Deutsche wieder und wieder die französischen Aufklärer des 18. Jahrhunderts übersetzten oder Condorcets Esquisse 80 Monchoux [Anm. 71], S. 289. Folgendes Zitat nach K. Heitmann, Spiegelungen. Romanistische Beiträge zur Imagologie, Heidelberg 1996, S. 66. 81 Nach W. Leiner, Das Deutschlandbild in der französischen Literatur, Darmstadt 1989, S. 85. - Zum Folgenden Becker [Anm. 52], S. 50. 82 De l’Allemagne t. IV, 3e partie, chap. 6, Hachette 1959, S. 148. 83 Ganz wie auch die Engländer sie als „cloudy metaphysicians“ sahen. 84 Morland und Barrès in Enquête sur l’influence allemande, Mercure de France X (1902), S. 290, 302. <?page no="188"?> 182 d’un tableau historique des progrès de l’esprit humain unmittelbar übertragen wurde. Es mag andererseits helfen zu verstehen, warum französische Intellektuelle nie müde wurden, Metaphysiker wie Kant, Fichte und Hegel zu zitieren, Irrationalisten wie Nietzsche und Schopenhauer zu übertragen, warum gerade die Termini „Weltanschauung“ oder „Übermensch“ in die französische Allgemeinsprache eingingen. Die gleichen hergebrachten Meinungen könnten der Grund sein für völlige Gleichgültigkeit Frankreichs gegenüber dem Werk von Pädagogen wie Beneke, sein Desinteresse für Schleiermachers Erziehungslehre oder Sprangers frühe Schriften. * * * Kommen wir nun zu einem Syndrom, das vor allem in Zeiten gespannter Beziehungen zwischen den Nachbarnationen sichtbar wurde. Doch nicht nur in solchen Phasen des Literaturaustauschs (der napoleonischen Kriege, der Zeit nach dem Krieg von 1870/ 71) legten Mittler Wert darauf, Affinitäten zwischen fremdem Autor und heimischem Publikum besonders hervorzuheben. So verherrlichte zu Anfang des patriotischen Rauschzustands im 19. Jahrhundert ein Übersetzer Madame de Sévigné, aufgrund burgundischer Vorfahren, als „Nachbarin und Blutsfreundin“. Ein Jahrhundert später sollte Bartels das deutsche Sonderinteresse für Flaubert damit rechtfertigen, dass dieser „das alte Normannenblut“ (lies: germanischeHerkunft) „nicht verleugnete“. 85 Zwischen diesen Annexionsversuchen lagen zahllose andere, etwa die (teils mit berühmten Namen verknüpften) zur nicht nur sprachlichen „Eindeutschung“ Baudelaires. Nietzsche galt dieser als „(fast) ganz deutsch bereits“, 86 Stefan Zweig machte ihn zum „Schopenhauerianer“. Wilhelm Weigand entdeckte bei ihm „germanische Ideen“ und betonte, er sei Romantiker „weit mehr im deutschen Sinne, als seine geistigen Väter es waren“. 87 In ähnlicher Weise versuchten französische Kritiker, schlecht übersehbare deutsche Philosophen dadurch „heimzuholen“ in den eigenen Kulturkreis, dass sie französische Wurzeln ihres Denkens freilegten. So schrieb Remy de Gourmont 1902 von Schopenhauer il avait été nourri de la pensée française et nous retrouvons en ses écrits un peu de notre esprit et de notre méthode. Les mêmes causes ont fait aimer Nietzsche dès 85 A. Bartels [Anm. 55], S. 159. 86 Nietzsche [Anm. 77]. - Folgendes Zitat in Baudelaire, Gedichte in Vers und Prosa, Leipzig 1902, S. 14; zit. nach Kuhn [Anm. 54]. 87 Weigand zit. nach Kuhn [Anm. 54]. <?page no="189"?> 183 qu’il a été connu. Son renversement des valeurs n’est souvent que le développement d’une idée pascalienne. 88 Th. Ribot, Direktor der Revue philosophique, fällte in derselben Nummer des Mercure de France, noch lakonischer, das gleiche Urteil: „Nietzsche, dont l’influence […] est très grande, peut à peine compter pour un génie allemand“. Für ihn habe nur die „culture française“ gezählt, bestätigte auch der Germanist Henri Lichtenberger. Und wie Bartels Chateaubriands René kurzerhand als „den französischen Werther“ vorstellte, 89 versicherte Saint-Georges de Bouhélier seinen Landsleuten von Hauptmanns „pièce la plus marquante“ Die Weber, sie sei eigentlich nur „une adaptation mise à la scène du roman de Germinal.“ Wurden hier beiderseits Erfolgstitel der Nachbarnation entwertet als bloßer Abklatsch heimischer Spitzenwerke, suchte man durch Annäherung ihrer Thematik an die eigene Lebenswelt nicht selten Interesse für literarische Importe zu wecken. So betonte Carl Sternheim, scharfer Kritiker der wilhelminischen Gesellschaft, die von Saint-Simons Memoiren gezeichnete Herrschaft widerlichster Bourgeoisie gleiche auf verblüffende Weise der des zeitgenössischen Deutschland. 90 Ein weiteres kurioses Muster für solche Annäherungstaktik arbeitete mit einem (schon in Lessings Minna von Barnhelm genutzten) nationalen Doppel- Stereotyp: dem des ehrlich-naiven Deutschen und des heuchlerischen, verschlagenen Franzosen. Jene Überzeugung von einer grundlegend gegensätzlichen Mentalität sollte noch den Historiker Leopold von Ranke blind vertrauen lassen auf die Korrektheit einer vorteilhaften Selbstdarstellung seiner Landsmännin Liselotte von der Pfalz, auf eine boshafte Verfälschung der Szene durch den Memorialisten Saint-Simon. 91 Doch zu einem Zeitpunkt, der für französische Literatur im deutschsprachigen Raum besonders ungünstig schien - hatte doch gerade Napoleon Österreich und Preußen überrannt -, wurde dies Bild vom Charakterschaden einer ganzen Nation umgemünzt zur Erfolgschance für ein französisches Stück: Der Übersetzer Zschokke verlegte Molières Tartüffe nach Deutschland und machte die fiese Titelfigur kurzerhand zum französischen Emigranten, Orgon zum gutgläubigen teutschen Herrn von Heiligenstein, der welschen Ränken zu erliegen droht. 92 88 Enquête sur l’influence [Anm. 84], S. 336. - Folgende Zitate Ribot ebd. S. 375, Lichtenberger ebd. S. 343. 89 A. Bartels [Anm. 55], S. 132. 90 Sternheim, Gesamtwerk hg. von W. Emrich Bd. 6 (1966), S. 16. 91 Siehe F. Nies, Cahiers Saint-Simon 20 (1992), S. 14 f. 92 Tartüffe in Deutschland, in: Molières Lustspiele und Possen (1805-1810). <?page no="190"?> 184 Es fehlt hier der Raum, mutmaßliche Folgen solch gewaltsamer Aneignung oder weiterer Stereotypen im Austausch aufzuzeigen. Nur an ein einziges sei kurz erinnert: Seit Jahrhunderten standen deutsche Literaten und Gelehrte im Ruf, behäbig und weitschweifig zu sein und daher „ziemlich dicke“ Bücher zu produzieren. Dieser Einschätzung gemäß gingen offenbar seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wie sich zeigte, nicht wenige französische Übersetzer und Bearbeiter daran, der „deutschen Langatmigkeit“ Abhilfe zu schaffen: Sie befreiten ihre Fassung von allem aus ihrer Sicht überflüssigen Ballast der Originale, anders gesagt, kürzten sie kräftig, um sie dem in ihrem Land herrschenden Geschmack anzupassen. * * * Nach alledem dürfte klar geworden sein, wie berechtigt J. von Stackelbergs noch uneingelöste Forderung war, „Imagologie und Übersetzungswissenschaft müssen zusammenkommen“. 93 Standen doch offenbar, wie wir gesehen haben, National-Stereotypen und deutschfranzösischer Literaturaustausch in ständigem Wechselbezug. Dies gilt, wie sich in früheren Kapiteln zeigte, bis in die jüngste Vergangenheit. Angefangen bei der Auswahl jeweils importierter Bücher über ihre Aufbereitung und Präsentation für die Konsumenten oder die geistige Brille, mit der diese sie lasen, bis hin zum Status ganzer literarischer Epochen oder Gattungen scheint es nichts zu geben, was vom Einfluss solch verfestigter Meinungen frei geblieben wäre. Der Literaturaustausch zwischen beiden Nationen wiederum hatte keineswegs nur jene hehre aufklärende Wirkung, die man ihm so gerne zuschreibt, „Vorurteile“ über andere Kulturen abzubauen. Durch ihre Einwirkung auf breite Bevölkerungsschichten, durch nationaltypisch wirkende Zurichtung der Importware auf Erwartungen der Konsumenten mag importierte Literatur oft sogar dazu beigetragen zu haben, bestehende Stereotypen zu stabilisieren und zu verstärken. Zum andern hat sich gezeigt, wie sehr die Begegnung mit Werken der Nachbarkultur eine Herausforderung durch das Fremde bedeutete, die gegenläufige Reaktionen provozierte. Sie oszillierten zwischen den Polen von Abstoßung einerseits, Bemühen um völlige Einverleibung andererseits. Das Bestreben um Aneignung des Fremden war dadurch gekennzeichnet, dass dessen Fremdheit entweder weitgehend eskamotiert oder (wenn auch seltener) verstärkt und als Köder eingesetzt wurde. 93 In W. Graeber/ G. Roche 1988, Einleitung S. 15. Auf den „prisme déformant“ der „champs nationaux“ bei Übersetzungsprozessen weist auch J. Jurt hin mit Bezug auf Bourdieu (Traduction et transfert culturel, in C. Lombez/ R. von Kulessa, De la traduction et des transfers culturels, L’Harmattan 2007, S. 110 u. ö. <?page no="191"?> 185 Für solche Prozesse assimilierender oder dissimilierender Inbesitznahme scheint der neuerdings beliebte Begriff des kulturellen Transfers letztlich nur bedingt geeignet. Impliziert er doch bloße Verlagerung im Raum, bei der das Transferierte seine ursprüngliche Identität bewahrt. Wie wir sehen, wurde es jedoch neu zugerichtet auf eine Weise, die nicht selten seine Substanz veränderte. Solche Transformation allerdings mag schwer vermeidbar oder gar zwingend sein, wenn Literaturaustausch zwischen verschiedenen Kulturen überhaupt zustande kommen soll. Natürlich sind wir längst nicht mehr so optimistisch und naiv wie Aufklärer vergangener Zeiten, fest daran zu glauben, es sei wünschenswert oder auch nur möglich, für immer nationale Stereotypen und damit zugleich alle interkulturellen Probleme auszuräumen. Und wir müssen die doppelte Gefahr sehen lernen, sich im Fremden entweder selbst auflösen oder aber es sich restlos einverleiben zu wollen. Dennoch scheint es so dringlich wie je, dass die Völker unseres Kontinents die Spannung zwischen Eigenem und Fremdem gelassener ertragen lernen, dass sie differenziertes und komplexeres Wissen über Nachbarnationen erwerben (und damit auch über noch verborgene Gemeinsamkeiten ihres Erbes) , wenn die europäische Einigung gelingen soll. Dazu braucht es Literaten, Wissenschaftler und Übersetzer, Verleger und Literaturkritiker, die verfestigte nationalkulturelle Verhaltensmuster sichtbar machen und behutsam auflockern. 4. Andre Fische, neue Köder: Titelumformung Der Titel ist weit mehr als bloßer „Name“ eines Buches. Er bedeutet für den angekündigten Text, was die Auslage für den Laden darstellt oder das Schlüsselloch für das Weihnachtszimmer: erste Information der Adressaten über noch weitgehend Unbekanntes und zugleich Verheißung, Lockung, Köder, Magnet. Der Titel soll Erwartungen wecken, Neugier anstacheln, zum Kauf oder Konsum der Ware Literatur stimulieren. Er ist Instrument der Werbung und arbeitet mit deren Mitteln: dem Gaumenkitzel, der Weckung von Begehrlichkeit. In diese Rolle sind Titel seit der frühen Neuzeit hineingewachsen, und seitdem existiert auch das Problem der Titelform übersetzter Bücher. Erfordert doch die Publikation in einer anderen Sprache, dass das Produkt sich auf einem völlig neuen Markt durchsetzen muss. Einem Markt, dessen Abnehmer einen unterschiedlichen Wissensstand über Literatur und Lebenswelt, neue Erwartungen und Konsumhaltungen haben. Wie wichtig der Titel als Orientierungshilfe und Neuheitsverheißung für jenes <?page no="192"?> 186 Zweitpublikum ist, hat sich in früheren Kapiteln immer wieder darin gespiegelt, dass zahlreiche Erstbelege und Vordatierungen für Gattungsnamen als Titelbestandteile auftauchten. Also geht es bei der Entscheidung über möglichst „wörtliche“ Übersetzung des ursprünglichen Titels oder eine teilweise, vielleicht gar vollständige Neubenennung nicht allein um die üblichen, auch für weniger wichtige Textstellen geltenden Schwierigkeiten, gewisse kultur- und sprachspezifische Details zu transportieren. Die Gestaltung des Titel-Kurztextes entscheidet wesentlich darüber, ob das übersetzte Buch zur veränderten Zielgruppe findet. So dürften seit Einführung des Buchdrucks und der daraus folgenden Vervielfachung der Exemplare, durch die Titeln eine zentrale Orientierungsfunktion zufiel, neben den Übersetzern auch Verleger und Buchhändler an deren Neuausformung mitgebastelt haben. 94 Über absolute oder relative Häufigkeit kleinerer oder größerer Eingriffe, die beim Literaturimport ins Französische (oder andere Sprachen) an Titeln vorgenommen wurden, sind mehr noch als sonst nur grobe Schätzungen möglich. Ließe sich der volle Wortlaut jedes einzelnen Titels doch nur durch Autopsie der in Bibliotheken greifbaren Buchbestände ermitteln. Denn die Unterschiedlichkeit bibliographischbibliothekarischer Kürzungspraxis - die etwa bei manch seitenlangem Barocktitel so notwendig wie verständlich ist - lässt trotz mühsamer Vergleiche beträchtliche Grauzonen bestehen. 95 Dazu kommt, dass nach radikalen Änderungen das Auffinden des zugrunde liegenden Originaltitels manchmal unmöglich wird. Dennoch kann man abschätzen, dass im Verlauf eines halben Jahrtausends eine mindestens vierstellige Zahl von Originaltiteln gezielt umgemodelt wurde. Epochen oder Herkunftsliteraturen unter besonders starkem Änderungsdruck sind vorerst so wenig auszumachen wie besonders anfällige Genres. Dafür sticht etwa im frühen 19. Jahrhundert eine Reihe von Titelmanipulationen der ungemein produktiven Übersetzerin Isabelle de Montolieu oder an Titeln des Erfolgsautors Kotzebue besonders ins Auge. Zum Unterbringen wünschbarer Änderungen und Ergänzungen bediente man sich, über die Epochen hin, dutzendfach eines Untertitels bzw. der seit dem 16. Jahrhundert gängigen Form des Doppeltitels mit Oder-Verknüpfung. So wurde etwa aus Karoline Pichlers lakonischem Einwort-Titel Agathokles in der Montolieu-Fassung des Romans der 94 Zu alledem und speziell zu Titel-Metamorphosen bei Übersetzungen französischer Gegenwartsliteratur ins Deutsche siehe F. Nies, Erotischer Schnee: übersetzte Bücher und ihre Titel, in: V. Roloff (Hg.): Übersetzungen und ihre Geschichte, Tübingen 1994, S. 41-54. 95 Die folgenden Ausführungen stehen deshalb unter dem Vorbehalt, dass der jeweils bibliographisch ermittelte Titel-Wortlaut zutrifft. <?page no="193"?> 187 Rattenschwanz Agathoclès, ou lettres écrites de Rome et de la Grèce au commencement du IVe siècle, mit wortreicher Situierung in Raum und Zeit. Im Folgenden sollen, aufgrund größerer Stichproben, nur die auffälligsten Änderungstrends angesprochen werden. Der erste von ihnen kommt nicht unerwartet: Es scheint, als sei Erweitern des ursprünglichen Wortlauts ungleich häufiger als dessen Kürzung. Dieser starke Drang nach Zugaben dürfte primär dadurch erklärbar sein, dass Adressaten eines sekundären Kulturkreises meist zusätzliche Informationen und Anreize benötigen, um die dort fremden Autoren, Protagonisten und Texte hinreichend einordnen und bewerten zu können. Ein mehrfach auftauchender Typ von Dreingaben diente so dazu, in Erzählwerken des Ancien Régime den sozial oder literarisch gehobenen Rang von Titelfiguren oder Autoren, die erhabene Sphäre eines Schauplatzes zu unterstreichen. So wurde bei Übertragungen aus der ersten Hälfte des Grand Siècle betont, Robert Greenes Pandosto sei „roy de Bohème“ gewesen, Machiavellis Castruccio Castracani „souverain“ von Lucca, der Autor Quevedo sei ein „caualier Espagnol“, die Autorin Zayas y Sotto Mayor eine „merveille de son sexe“, oder das Geschehen spiele an der „cour du roy d’Espagne“. 96 Hier eine bunte Reihe diverser Präzisierungen früher Titel-Versionen: In einem Fall ging es um zeitliche Festlegung der „hore de Recreazione“ in den „après-disnees“, im andern um geographische Verortung im heimischen Umfeld als „description de la Limagne d’Auvergne“, dann wieder um Vereindeutigung von „las Indias“ in „Indes occidentales“, um die „folies et miseres de ce monde“ als Ursache des „pianto de Heraclito“ oder die gegenreformatorischen Vorzüge - „militante et triomphante“ - der „espiritual Gerusalem“. 97 Vor allem zu Beginn des 19. Jahrhunderts und seiner Massenproduktion wurde gerne ergänzt, auf welche Gattung sich der Konsument des übertragenen Werks einzustellen hatte: „roman“, „histoire russe“ oder „drame historique“. 98 Via Doppeltitel präsentierte man zur gleichen Zeit die Protagonisten als „Tartuffe des moeurs“ oder „faux misanthrope“ und näherte sie damit dem vertrauten Traditionsstrang der eigenen klassischen Komödie an. 99 Weit häufiger allerdings fand sich damals die Hinzufügung fremdländisch klingender Orts-, Adels- und sonstiger 96 Übersetzungen von Regnault (1615), A. Guillet de Saint-Georges (1671), La Geneste (1633), Le Métel d’Ouville (1658), Rampalle (1645). 97 Übersetzungen von Belleforest (1571), A. Chappuys (1561), Fumée (1568), G. Le Breton (1588), Michel d’Amboise (1547), Materre (1607). 98 Übersetzung Lafontaines durch Mme de Montolieu (1802, 1803, 1804) oder Kotzebues durch Guyot-Desherbiers (1814). 99 Übersetzung Sheridans durch Cheron de la Bruyère (1801), Schröders durch Cubières-Palmezeaux (1806). <?page no="194"?> 188 Personennamen: Teneriffe, Lobenstein, Moldorf, Blondheim, oder Ludovico, Claudey, Anna Bella, Menzikoff, Dolgorenki, Kosmouk. 100 Mit solchen Dreingaben wurde offenbar, im Vorfeld der Romantik, die wachsende Neugier breiter Leserschichten auf Fremdartig-Exotisches angestachelt, mit dem (wie wir gesehen haben) bald auch Feuilletonromane locken sollten. Kürzungen des Originaltitels scheinen, wie gesagt, eher selten zu sein. Ihnen fielen offenbar, neben allzu wortreichen Titelseiten der Frühphase, 101 nicht selten Angaben des literarischen Genres - wie „tratado“, „novel“, „tale“ o. ä. - zum Opfer. Es handelte sich dabei, im Gegensatz zu ergänzten Genre-Zuweisungen in anderen Titeln, wohl primär um Fälle, für die solche Einordnungs-Hilfen nicht mehr nötig waren, weil der Autor oder das betreffende Werk im Zielland bereits bekannte Größen darstellten. Dies gilt etwa für den Untertitel „roman“ in einer 1808 erschienenen Übersetzung Kotzebues, von dem schon zuvor eine ganze Reihe von Übertragungen publiziert worden war; oder im selben Jahr für die Ergänzung „a Poem written in ten books“ im Originaltitel von Miltons Paradis perdu und manch anderes. 102 Doch in Doppeltiteln aus dem Deutschen übertragener Romane des frühen 19. Jahrhunderts etwa wurden Titel-Hälften und Untertitel wie „Rache und Menschlichkeit“, „Kultur und Humanität“, „Treue bis zum Tode“, „Ein Gemählde schöner Herzen“ ebenfalls gestrichen. 103 Dies mag seine Erklärung darin finden, dass bei einem primär Unterhaltung verheißenden Genre die allzu schrille Präsentation von Literatur als Tugendspiegel und „moralische Anstalt“ vermieden werden sollte. Natürlich lassen sich bei weitem nicht alle Manipulationen in ein binäres Schema Kürzung vs. Erweiterung pressen. Zschokkes Abällino, im Originaltitel noch als der „große Bandit“ maskiert, war so 1802 in Chazets Übersetzung von vornherein zum „Héros Vénitien“ erhöht. Der Schauplatz von Kotzebues Die Indianer in England wurde mit Kosmuk, ou les Indiens à Marseille flugs ins Inland verlegt. Vor allem Gattungs-Etiketten passte man gerne dem an, was in Frankreich gerade 100 Übersetzungen von Mme de Montolieu (1802, 1804, 1814, 1817, 1824), von Griffet de Labaume (1810), Coffier de Verseux (1808), René-Perrin (1801). 101 Unterdrückt wurde etwa: nach Buscons Namen der Rattenschwanz llamado Don Pablos; exemplo de Vagamundos, y espejo de Tacanos (Übs. Geneste 1635), oder nach Art de naviguer die Auffächerung en que se contienen todas las Reglas, Declaraciones, Secretos, y Avisos, que a la buena navegacion son necessarios (Übs. Nicolas de Nicolai 1553), usw. 102 Übersetzung von Kotzebues Léontine de Blondheim durch Coiffier de Verseux (1808); Milton-Übersetzung von J. Delille. 103 Montolieu-Übersetzungen der Lafontaine-Romane Aristomène (1804), Le fils d’adoption (1802), Le village de Lobenstein (1802), Marie Menzikoff et Fedor Dolgorenki (1804). <?page no="195"?> 189 gängig oder in Mode war. Die Einstufung von Bonarelli della Roveres Solimano als „tragedia“ ersetzte Vion de d’Alibray 1637 durch „tragicomédie“ - unmittelbar nach der viel beachteten Premiere von Corneilles in gleicher Weise charakterisiertem Cid. In Stücktiteln des frühen 19. Jahrhunderts wurden Benennungen wie „Lustspiel“, „Schauspiel“ ersetzt durch die damals in Frankreich modischen Appellative „drame“ oder „fait historique“. Hinweise auf derbe Volkstümlichkeit durch „Schwank“ oder „Posse“ behielt man nicht bei (etwa durch „farce“), sondern ebnete sie ein mit dem vorromantisch-klassizistischen Allerwelts-Label „comédie“. 104 Unter Verzicht auf Versuche von Einzeldeutung der jeweiligen Metamorphosen 105 sei noch eine Auswahl aus Dutzenden von Fällen angefügt, die drei Jahrhunderte und mehrere wichtige Herkunfts-Literaturen überspannt. Bei ihnen waren Spuren des Originaltitels in der Neubetitelung kaum mehr erkennbar oder wurden restlos getilgt. Eines der berühmtesten Beispiele dafür war die Verwandlung von Der fliegende Holländer in Le Vaisseau fantôme. Weniger bekannt sind wohl folgende Mutationen: Tratado de Amores de Arnalte y Lucenda > L’amant maltraicté de sa mye (1539); Libro de la Oracion y meditacion. En quel se tracta de la consideracion de los principales mysterios de nostra fe > Le vray chemin et adresse pour acquerir et parvenir à la grace de Dieu (1579) bzw. Devotes contemplations et spirituelles instructions sur la vie de N. S. Jesus Christ (1583); Teatro de las Religiones > Histoire générale du monde et de la nature (1617); Armut und Edelsinn > L’Officier suédois (1807); The Inconstant: or the way to win him > Les folles raisonnables (1807); First impressions, or the Portrait: a novel > Maria Doriville, ou le séducteur vertueux (1813); Das Epigramm > Valérien, ou le jeune aveugle (1823); Der Deserteur > Le propriétaire à la porte (1824). 106 Was immer im Einzelfall die Gründe solcher Radikallösungen gewesen sein mögen, in allen genannten Beispielen für Abänderung von Titeln lassen sich zwei schon mehrfach beobachtete Grundströmungen erkennen, die schließlich in die allgemeine Übersetzungstheorie Eingang finden sollten: zum einen das Bestreben, importierte Werke dem Lebensraum ihrer neuen Zielgruppe so weit wie nur machbar anzunähern; zum andern der Versuch, von fernher kommendes Lesefutter möglichst noch fremder wirken zu lassen für ein Publikum, das des Vertrauten überdrüssig und auf neue Reize erpicht war. Die wenigen Schlaglichter dieses 104 Übersetzungen von René-Perrin (1801), Patras (1803), Dumaniant/ Thuring (1804), Bourlin/ Dumaniant (1806), Nisas (1823), Antier/ Bilderbeck (1824), Maulaz (1827). 105 Sie würde eine Ganzlektüre der Originale wie der Übertragungen voraussetzen. 106 Übersetzungen von Herberay des Essarts (1539), Belleforest (1579 und 1583), La Richardière (1617), Bilderbeck (1807), Dumaniant (1807), Matné de Morville (1813), Nisas (1823), Antier/ Bilderbeck (1824). <?page no="196"?> 190 Abschnitts sollten genügen, um eines zu verdeutlichen: Modi der Titelgestaltung verdienen in weit höherem Maße das Interesse der Übersetzungsforschung, als sie es bislang wecken konnten. <?page no="197"?> 191 III. Kanonisierungssymptome Über den mit nationalen Ikonen gut gefüllten Galerien der Literatur vergisst man gerne, dass sich in ihnen öfter auch ein internationaler, zur „Weltliteratur“ hin offener Kanon abzeichnet. Prämissen seiner Herausbildung sind bekanntlich Übersetzungen der erwählten Autoren und zumindest in der Frühphase, wäre zu ergänzen, deren Wirkkraft plus Konsekration durch verschiedene Wertungsinstanzen. Nennen wir nur Verlagswerbung und Buchkritik, Bestsellerlisten und Literaturpreise, Schule und Hochschule, Literaturgeschichtsschreibung. Über solche Zwischenphasen eines komplexen Prozesses können sich etwa einprägsame Werke, Figuren oder ihr Verhalten schließlich aus dem Kontext eines Werkes lösen und zur Benennung ganzer Genres oder sozialer Typen werden sogar für jene, denen das Werk selbst unbekannt ist. Begnügen wir uns, ohne die zahlreichen Gattungsnamen antiker Herkunft aufzugreifen, 1 mit einem Dutzend von Beispielen solcher Figuren-Mutationen aus modernen Literaturen, die in die französische Allgemeinsprache eingingen. Sie erfolgten ausnahmslos (mehr oder weniger lange) nach der Erst- oder Neuübersetzung: amadiser „rendre (un discours) séduisant“ (1554); don-quichottisme „disposition à faire le don Quichotte“ (vers 1835); dulcinée „femme inspirant une passion romanesque“ (1735); espiègle „vif et malicieux, sans méchanceté“ (1642); lilliputien „de très petite taille“ (seit 1779); lovelace „homme brillant et corrompu, séducteur“ (seit 1766); marguerite „fille qui se repente de ses fautes et se retire dans une maison cloîtrée“ (1874); malitorne „femme ou fille mal tournée, malpropre“ (Oudin 1642); méphistophélès „personne d’une méchanceté, d’une adresse diabolique“ (1627); robinson „se dit familièrement d’un parapluie, par allusion à celui de Robinson Crusoe“ (Littré); rodomonte „personnage fanfaron“ (1594); rossinante „mauvais cheval, maigre et poussif“ (1755); sacripant „fanfaron“ (1600). 2 Verzichten wir auf Rückschlüsse zur Intensität der jeweiligen Wirkung einzelner Titel, die ableitbar wären aus den bis zur Mutation verstrichenen Fristen bei amadiser oder méphistophélès, der Anzahl von Mutationen pro Werk beim Don Quichotte (don-quichottisme, dulcinée, 1 Angefangen bei odyssée „voyage semé d’aventures“ und iliade d’injures oder Bedeutungsübertragungen von homerischen u. a. Figuren wie achates, amaryllis, automédon, cassandriser, héléna, mentor, âge nestoré, pénélope, voix de stentor, thersite bis hin zu thrasonien (zur jeweiligen Bedeutung usf. siehe die lexikographischen Standardwerke). 2 Detaillierte Nachweise der Appellative siehe die lexikographischen Standardwerke. - Jahre der Erstübersetzung: Amadis = 1540-46; Don Quichotte = 1614; Les joyeuses avantures … de Thiel Ulespiegle = 1613; Gulliver = 1727; Clarissa Harlowe = 1751; Faust I = 1823; Robinson Crusoe = 1721; Roland amoureux = 1544. <?page no="198"?> 192 malitorne, rossinante), bei Boiardos Orlando innamorato (rodomonte, sacripant) oder Goethes Faust (marguerite, méphistophélès). Zwei bisher kaum beachtete Faktoren der Kanonisierung literarischer Importe sollen von den beiden folgenden Kapiteln genauer in den Blick genommen werden. 1. Konsekration via Wörterbuch und Zitatlexikon Der Hauptteil dieses Kapitels versucht, eine vertraute Kategorie von Standardquellen sprachhistorischer Forschung aus dem Blickwinkel des Literaturtransfers neu zu sehen. Gemeint sind 14 französische Wörterbuch-Auflagen aus drei Jahrhunderten. 3 Ihnen ist eines gemeinsam: Sie enthalten Listen sämtlicher oder zumindest der „wichtigsten“ bzw. in 3 Liste der Auflagen: Rich 1685=P. Richelet, Dictionnaire françois, ... tiré de l’Usage & des bons Auteurs de la Langue Françoise, Genève 1685 [1. Ausg. 1680]; Fur 1690=A. Furetière, Dictionnaire universel, Contentant tous les mots françois tant vieux que modernes, ... le tout extrait des plus exellens Auteurs anciens & modernes, La Haye/ Rotterdam 1690; Trév 1721=Dictionnaire universel françois et latin, Paris 1721 [1. Ausg. 1704]; Néol 1728=[Abbé Desfontaines] Dictionnaire néologique à l’usage des beaux Esprits de ce siècle, Amsterdam 1728 [1. Ausg. 1726]; DCom 1752=Ph. J. Leroux, Dictionnaire comique, satyrique, critique, burlesque libre et proverbial, Lyon 1752 [1. Ausg. 1718]; Lacombe 1767=F. Lacombe, Dictionnaire du vieux langage françois, Supplément, Paris 1767; Fér 1787=Abbé Féraud, Dictionnaire critique de la langue Française, Marseille 1787; Planche 1819=J. Planche, Dictionnaire françois de la langue oratoire et poétique, Paris 1819; Noël/ Chapsal 1826=Noël/ Chapsal, Nouveau Dictionnaire de la langue française,Toul 1826; Rivarol 1828=Dictionnaire classique de la langue française avec les exemples tirés des meilleurs auteurs français, et des notes puisées dans les manuscrits de Rivarol, Paris 1828; Boiste 1836=P.C.V. Boiste, Dictionnaire universel de la langue française, édition revue, corrigée et considérablement augmentée, Paris 1836 [1. Ausg. 1800]; La Loy 1843=Ch. La Loy, Balance Orthographique et Grammaticale de la Langue, Paris 1843; Besch 1846=Bescherelle aîné, Dictionnaire national ou dictionnaire universel de la langue française, Paris 1846 [1. Ausg. 1845]; Li 1863-72=E. Littré, Dictionnaire de la langue française, Paris 1873 ( in Lieferungen erschienen). Bei mir verfügbaren Auflagen handelte es sich überwiegend nicht um die ersten. Wieweit meine Beobachtungen schon auf diese zuträfen, bliebe zu prüfen. Zur leichteren Vergleichbarkeit mit FEW-Einträgen und Straffung der Nachweise werden als erstes, soweit möglich, die dort üblichen Siglen genannt. Nur ganze sieben Übersetzungen verzeichnete 1966 die Literaturliste („textes d’auteurs“) von Paul Robert, Dictionnaire alphabétique et analogique: die Bibel, Malthus, sowie Baudelaires Übertragungen von Poe, Costes von Newton, Gallands von Tausendundeine Nacht, Nervals von Goethe und Torys von Plutarch. <?page no="199"?> 193 Abkürzung (d. h. häufig) zitierten Originalautoren, 4 und die meisten erwähnen auch Namen ihrer jeweiligen Übersetzer ins Französische. Das ruft uns in Erinnerung, dass Wörterbücher vergangener Epochen ihre Entstehung noch nicht Linguisten im heutigen Wortsinn verdankten, deren Ehrgeiz einer möglichst wertfreien und umfassenden Beschreibung des lexikalischen Systems gilt. Nicht von ungefähr wurden „dictionnaires universels“ in Privatbibliotheken des späten 17. und 18. Jahrhunderts der Abteilung Belles-Lettres zugeschlagen. 5 Sie waren konzipiert von „gens de lettres“ im Bestreben, allen „honnêtes gens“ 6 zu nützen, die auf der Suche waren nach den „modèles d’élégance“ des „beau style“, nach „bonnes plaisanteries“, 7 schönen Metaphern oder „expressions vives qui nous surprennent agréablement & qui nous séduisent“. 8 Verzeichnet werden sollte bekanntlich nicht ein gängiger, sondern der „gute“ Gebrauch sprachlicher Mittel. Dass dies (erklärte oder stillschweigend anvisierte) Ziel noch für die meisten namhaften Lexikographen des 19. Jahrhunderts galt, wird oft vergessen. Weitgehendes Einverständnis herrschte darüber, welche Goldminen die ergiebigsten Funde tadelsfreier Sprachverwendung versprachen: die „meilleurs livres“ der „plus excellens“ bzw. „plus célèbres Auteurs“, die Meisterwerke jener „hommes supérieurs“, denen „literarischer Rang“ zustehe oder die „avec succès“ geschrieben hätten, zu „auteurs classiques“ aufgestiegen seien oder (um eine nunmehr demokratisch begründete Legitimation des 19. Jahrhunderts zu erwähnen) als „honorés du suffrage public“ gelten könnten. 9 Historisch unzutreffend war daher, wenn Littré die „citation régulière et systématique d’exemples pris aux meilleurs auteurs“ feierte als Errungenschaft der „dictionnaires contemporains“. Waren doch zu seiner Zeit Autorenzitate bereits seit eineinhalb Jahrhunderten in Frankreich „partie constituante“ 10 der Gattung, 4 Mit Ausnahme von Fur 1690. Hier wurde eine (unvollständige) Namenliste erst für den Nachdruck 1978 erstellt. 5 Siehe F. Beckmann, Privatbibliotheken, S. 148. 6 Rich 1685, Avertissement. 7 DCom 1752, Préface S. VI f. 8 Dictionnaire des Richesses de la Langue françoise, Paris 1770, Préface S. V. 9 Siehe zu alledem: Rich 1685; Trév 1721, Préface S. II f.; Dictionnaire des richesses ... 1770, Préface S. X; Besch 1846, Préface; Poitevin, Nouveau dictionnaire universel ..., Paris 1860, Préface S. 6 f.; Boiste 1843, S. IV; vgl. auch Boinvilliers, Dictionnaire universel ..., Paris 1826, S. XIII; Rivarol 1828, Préface. 10 Vorstehende Zitate: Littré, Préface zu t. I des Dictionnaire, 1863; ebd., Comment j’ai fait mon dictionnaire, 1880. Zwei neuere Darstellungen zu französischen Wörterbüchern sind für unser Thema unergiebig: F.-J. Hausmann, Einführung in die Benutzung der neufranzösischen Wörterbücher, Tübingen 1977, beschränkt sich auf die Lexikographie des 20. Jhs. und enthält keine Hinweise auf Literaturzitate; K. Baldinger, Introduction aux dictionnaires les plus importants pour l’histoire du français, Klincksieck <?page no="200"?> 194 und Bescherelle hatte schon Jahrzehnte vor ihm die „toute-puissance des bonnes citations“ gepriesen. Denn immer wieder wurde das Bedürfnis spürbar, Verdikte einer anonymen „jury d’écrivains“ der Académie française 11 abzusichern durch literarische Autoritäten, die mit ihrem guten Namen für den jeweiligen Wortgebrauch bürgten. Das Nächstliegende war natürlich, Musterbeispiele perfekter Verwendung des nationalen Idioms ausschließlich zu sammeln bei eigenen Landsleuten, die den Ruf erworben hatten, sich seiner in meisterlicher Weise zu bedienen. Doch über sie hinaus wollen wir hier suchen nach Spuren von Autoren, die in anderen Sprachen schrieben. Es soll dabei weniger um die Ansicht von Lexikographen zur Einbürgerung durch Übersetzer eingeschleuster Fremd- und Lehnwörter gehen. Wie erinnerlich galt seit Du Bellay und seinen Zeitgenossen der „louable labeur de traduyre“ als Mittel einer Bereicherung und Veredelung der eigenen Nationalsprache, 12 und noch 1860 sollte Poitevin sich auf Fénelon berufen, um die Aufnahme bereichernden Lehnguts einmal mehr zu rechtfertigen. 13 Für Féraud dagegen waren Übersetzungen (vor allem „des Livres Anglais, qui se multiplient journellement“) um 1787 Anlass einer „riche Récolte de Remarques critiques“. Bescherelle wiederum gestand 1846 Boiste ausdrücklich „le mérite de ses traductions“ zu. Uns soll vielmehr interessieren, wieweit er und seinesgleichen sich darauf beschränkten „d’avoir des Français pour modèles“, sei es nun für die musterhafte Verwendung längst eingebürgerter oder neu importierter Ausdrücke. Im Gesamt der Namenlisten analysierter Wörterbücher beträgt der Durchschnittsanteil zitierter Autoren, deren Originalwerke nicht in Französisch verfasst waren (mit 436 Nennungen von ca. 340 Autoren) immerhin ein knappes Fünftel des Gesamtkanons. Extrem ist allerdings die Streubreite zwischen den einzelnen Dictionnaires. Bei Furetière erreichten 1690 die Autoren nichtfranzösischer Texte einen Spitzenwert von drei Fünfteln aller angeführten Autoritäten, bei Richelet 1685 und Boiste 1836 hatte etwa jeder vierte Musterautor nicht Französisch ge- 1974, widmet sich sprachhistorisch konzipierten Standardquellen wie FEW, REW, DDM usf. 11 So Rivarol, der die Problematik allerdings in das akademielose England verschob (zitiert bei B. Quémada, Les dictionnaires du français moderne, 1539-1863, Didier 1967, S. 226). 12 La Deffense et Illustration de la langue françoyse, hg. H. Chamard, Paris 1904 (reprint Genève 1969), S. 82; vgl. auch ebd. Chap. VI „Des mauvais traducteurs“. 13 Poitevin [Anm. 9], Préface S. 2 f.; zum Folgenden: Fér 1787, Préface S. XII; Besch 1846, Préface S. 4. Quémada [Anm. 11] geht auf das Problem von Zitaten der „auteurs anciens et étrangers“ nur ein mit der Randbemerkung, die „maîtres à penser“ seien eben nicht stets identisch mit den „maîtres à écrire“ (S. 534). <?page no="201"?> 195 schrieben. Manch anderer Lexikograph wieder benutzte fast ausschließlich frankophone Quellen. 14 Dies gilt auffallender Weise gerade für einige zeitlich benachbarte Wörterbücher, nämlich Planche 1819, Noël/ Chapsal 1826 oder Rivarols postum 1828 erschienene Listen. Hier liegt die Frage nahe, wieweit bei Lexikographen oder Verlegern der Restaurationszeit der Zusammenbruch eines europäisch ambitionierten Empire solch entschiedenen Rückzug auf das nationale sprachlich-geistige Erbe und ängstliche Abkapselung gegenüber der Außenwelt mit bedingt haben könnte. Bei weiteren Wörterbuchmachern divergierten die zitierten Vertreter anderer Idiome zwischen einigen wenigen Namen und stolzen 238 Autoren bei Boiste. Der Löwenanteil an Zuwanderern entfiel erwartungsgemäß auf Verfasser lateinischer Originale, gefolgt von denen englischer, griechischer, italienischer, deutscher und spanischer. 15 Wenig überraschend ist, dass Autoren der antiken Sprachen nicht nur bei Rich 1685 und im DCom 1752 als einzige gewürdigt wurden, sondern insgesamt auch durchgehend vor denen neuzeitlicher Sprachen europäischer Nachbarländer lagen. Entsprach doch diese Bevorzugung einer bis ins erste Drittel des 18. Jahrhunderts anhaltenden Dominanz antiker Sprachen auf dem Übersetzungsmarkt ebenso wie der hergebrachten Idealisierung antiker Literatur und Kultur. Die neueren Sprachen erreichen ihre Spitzenanteile erst relativ spät, bei Boiste 1836 (15 % des Gesamtkanons und 60 % der nichtfrankophonen Autoren). Die Spitzenwerte unter den Autoren fremder Idiome erzielte das Lateinische bei frühen Lexikographen. 16 Für das Griechische lautet die Rangfolge Néol 1728 (33 %), überraschenderweise gefolgt noch von Besch 1846 (30 %), erwartungsgemäß Rich 1685 (25 %) und schließlich Boiste 1836 (21 %). Anglophone Autoren erreichten Spitzenwerte schon im Zeitalter früher Anglomanie, etwa bei Lacombe 1767 (75 %) oder Fér 1787 (33 %), dann bei Boiste 1836 (36 %) und Besch 1846 (24 %). Italienisch schreibende Autoren fanden die stärkste Beachtung bei La Loy 1843 (50 %) und Lacombe 1787 (25 %), deutsche erhielten einen nennenswerten Anteil erst bei Besch 1846 (8 %); spanische mussten sich mit einem noch dürftigeren Spitzenwert begnügen, den ihnen Fur 1690 einräumte (4,3 %). Doch die Autorenskala reichte über jenes Halbdutzend auf dem Übersetzungsmarkt führender Literaturen hinaus und umfasste immerhin ein gutes 14 Hier die Rangfolge nach Anteilen: Fur 1690 = 58,6 %; Rich 1685 = 26,3 %; Boiste 1836 = 25,7 %; Néol 1728 = 10,8 %; Besch 1846 = 7,5 %; DCom 1752 = 5,7 %; Lacombe 1767 = 5,1 %; Fér 1787 = 4,6 %; Trév 1721 = 4,0 %; La Loy 1843 = 3,7 %; Li 1873 = 1,2 %; Planche 1819, Noël/ Chapsal 1826, Rivarol 1828 = 0 %. 15 Rangfolge nach absoluten Zahlen: Latein 161 Nennungen, Englisch 106, Griechisch 82, Italienisch 30, Deutsch 19, Spanisch 10. 16 Im DCom 1752 (100 %), bei Rich 1685 (75 %) und Fur 1690 (73 %). <?page no="202"?> 196 Dutzend Ausgangssprachen. Zu nennen sind Arabisch, Hebräisch, Chinesisch und Persisch (als Idiome des Altertums), aber auch Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch und Russisch. Allerdings fanden sich Vertreter dieser Sprachen fast nur bei Boiste, von allgemeiner Ausweitung des Blickfelds kann also nicht gesprochen werden. Keinem einzigen unter allen Musterautoren gelang es, auch nur durch die Hälfte der Wörterbücher beachtet zu werden. Einzig Cicero, Ovid und Augustinus wurden von immerhin fünf Lexikographen zitiert. Auf vier brachten es acht weitere Repräsentanten der Antike, 17 auf drei sieben Autoren (unter ihnen Bacon als erster Vertreter der Neuzeit), auf zwei 33 weitere. Über fünf Sechstel aller Namen (86,4 %) erscheinen nur in einem der Wörterbücher. Was ihre in fremden Sprachen beheimateten Gewährsleute angeht, erweist sich also der verbreitete Verdacht als unberechtigt, Kompilatoren von Wörterbüchern pflegten das meiste voneinander abzuschreiben. Wieweit die Musterkollektionen durch Lektüre vorliegender Übersetzungen oder gar vom Lexikographen selbst übertragener Originalpassagen entstanden, soll uns später beschäftigen. Betrachten wir einige der auffälligsten Dictionnaires gesondert. Richelet soll, nach Ansicht eines namhaften Lexikographen unserer Tage, seine Beispiele bezogen haben aus den Werken von „écrivains contemporains pour la plupart encore vivants“. 18 Diese Formulierung ist, wie wir gesehen haben, zumindest missverständlich - stammte doch über ein Viertel der von ihm zitierten Autoren aus Antike und Spätantike. Doch rückte seine Liste 1685 bei anderssprachigen Autoren, wie schon erwähnt, deren ausnahmslos zeitgenössischen Übersetzer in die Spalte französischer Autoritäten. Schon dadurch unterstrich sie, dass nicht dem Originalautor, sondern dem Sprachmittler das Verdienst der zitierten Formulierung gebührte. Darüber hinaus sicherte Richelet sich fast ausnahmslos dadurch ab, dass er die Urheber der französischen Version als Mitglieder der Académie française präsentierte: insbesondere Perrot d’Ablancourt als Übersetzer von zehn fremden Autoren, 19 aber auch Boileau (für Epiktet), Louis Giry (für Cicero und Tertullian), Pierre du Ryer (für Titus Livius) und Vaugelas (für Quintus Curtius). 20 Furetière, aufmüpfiges Mitglied jenes erlauchten Gremiums von Stilrichtern, sollte fünf Jahre später auf eine ähnliche Absicherung verzich- 17 Aristoteles, Epiktet, Homer, Plinius, Plutarch, Tacitus, Titus Livius, Vergil. 18 Quémada [Anm. 11] , S. 224. 19 Flavius Arreanos, Augustinus, Caesar, Sextus Julius Frontius, Lucian, Minus Felix, Tacitus, Thukydides, Xenophon, des Spaniers Marmol y Carvajal. 20 Berufung auf Akademie-Mitgliedschaft zitierter Übersetzer wird sich danach nur noch zweimal finden: Trév 1721 für De Sacy (Fér 1787 verzichtete beim selben Übersetzer auf den Hinweis) und Fér 1787 für den Abbé d’Olivet. <?page no="203"?> 197 ten, die schwierig gewesen wäre schon aufgrund der Fülle übersetzt zitierter Autoritäten. Bei ihnen fällt ins Auge, dass weit mehr als die Hälfte Lateinisch schreibender Musterautoren Neulateiner des 16. und seines eigenen Jahrhunderts waren. Dabei beschränkte er sich keineswegs auf Landsleute. Die erdrückende Mehrheit seiner Kronzeugen waren Angehörige anderer Nationen: Italiener vor allem (13), 21 aber auch Briten und Deutsche (je 7), 22 Holländer (6), Flamen und Schweizer (je 3) sowie zwei Spanier, ein Portugiese und ein Däne - eindrucksvolle Demonstration der Einheit einer lateinisch verfassten République des Lettres im Europa jener Zeit. Aufschlussreich ist auch das Spektrum der Gattungen und Textarten, die von den erfassten fremdsprachigen Autoren praktiziert wurden. Unter den Autoritäten der Antike billigte Furetière den Poeten Rang eins zu, 23 Rang zwei nahmen die Philosophen ein. Unter den Zitatlieferanten des 16. und 17. Jahrhunderts dagegen fehlten sie. Es führten mit weitem Abstand reichlich zwei Dutzend Mediziner und Anatomen, gefolgt von Mathematikern und Astronomen, Physikern und Mineralogen, Botanikern und Philologen, vereinzelten Historiographen und Juristen. Unnötig zu betonen, dass sich in diesem Umschlag der Rangfolge ein Wissenszuwachs über die genannten Disziplinen und deren Statusgewinn in der Öffentlichkeit ebenso spiegelt wie das Interesse, fremdes Fachvokabular der Volkssprache einzuverleiben. Betrachten wir aus den gleichen Blickwinkeln noch das Wörterbuch von Boiste. Sollte ihm doch Bescherelle vorwerfen, seine Beispiele sündigten „par la source d’où ils découlent; ce ne sont guère que des auteurs étrangers qui les ont fournis“. 24 Dieser Vorwurf war zwar insofern überzogen, als drei Viertel der bei Boiste zitierten Namen Autoren französischer Sprache gehörten, sein Anteil fremdsprachiger Autoritäten damit unter dem von Furetière und Richelet blieb. Deren absolute Zahl allerdings lag bei Boiste mit 236 in weitem Abstand an der Spitze aller Namenlisten. Viele jener Autoren sind nicht mit Sicherheit identifizierbar, 25 fast 200 nur bei Boiste belegt. Unter den anderen fiel der noch immer weitaus größte Anteil Vertretern von Antike und Spätantike zu (38,5 %), auch ihre absolute Zahl war höher als bei allen anderen Wörterbüchern. Rang zwei besetzten Autoren nicht der Klassik, sondern 21 Alciati, Aranzio, Baronio, Borelli, Brassavola, Cardano, Columbus, Faloppio, Malpighi, Mattioli, Riccioli, Varoli. 22 Agricola, Bauschius, Bayerus, Fuchsius, Guericke, Kepler, Kircher. 23 Homer, Horaz, Juvenal, Ovid, Plautus, Vergil. - Zum Folgenden: Aristoteles, Plato, Pythagoras, Seneca, Theophrast. 24 Besch 1850, Préface S. 4. 25 Da der Herausgeber auf Vornamen verzichtete, kommen nicht selten mehrere Autoren in Frage; andere Namen fehlen in gängigen biographischen Handbüchern. <?page no="204"?> 198 des 18. Jahrhunderts (25,2 %). Doch das Werk von immerhin über dreißig Vorbildern gehörte schon in das 19. Jahrhundert, und eine Reihe von ihnen war bei Erscheinen der Boiste-Auflage noch am Leben (Hope, D’Israeli, Kryloff, Lockart, Manzoni). Im Vergleich zu Furetière ergeben sich beachtliche Verschiebungen auch beim sozialen Ort der Zitierten sowie den von ihnen praktizierten Texttypen und Genres. Rang eins wurde zwar noch immer von Poeten, Rang zwei von Philosophen gehalten. Mediziner und Naturwissenschaftler dagegen waren fast verschwunden. Dafür tauchten je zwei Dutzend Dramatiker (fast ausnahmslos der Neuzeit) einerseits, andererseits weltlicher Herrscher, Staatsmänner und Politiker auf - eindrucksvolles Indiz einer internationalen Öffnung des Theater-Repertoires 26 wie einer Ausweitung des politisch-historischen Horizonts von Verfasser wie Öffentlichkeit. 27 Kehren wir kurz zum Gesamtkorpus zurück, um diverse Ersterwähnungen von Genres und Nationalliteraturen zu registrieren. Das neuzeitliche Theater der Nachbarnationen rückte, wie angedeutet, erst bei Boiste 1836 ins Blickfeld, ebenso wie der Roman. 28 Erste Vertreter der wichtigsten nachantiken Nachbarsprachen zählen fast alle unter die heutzutage längst Vergessenen. Anders gesagt: der Kanonisierungseffekt ihrer Wörterbuchaufnahme war wohl nur gering und kurzzeitig. Die Vertreter der Nachbarliterturen erschienen wie folgt: zuerst für das Spanische Luis del Marmol y Carvajal (dort als einziger Repräsentant einer lebenden Sprache) bei Rich 1685; 29 dann für das Italienische Vanuccio Biringuccio und Francesco Reddi, 30 für das Englische Robert Boyle 31 bei Fur 1690. Für das Deutsche Adam Olearius und schließlich der Franzose Alexandre-Olivier Oexmelin (dessen Werk in Niederländisch erschienen, ins Spanische und von dort ins Französische übersetzt worden war) bei Trév 1721. Zum Zeitpunkt ih- 26 Verzeichnet wurden die Engländer Ben Jonson, Farquhar, Fletcher, Garrick, Home, Otway, Rowe, Sheridan, Shakespeare, Steel; die Italiener Federici, Goldoni, Riccoboni, Pindemonte; die Deutschen Kotzebue und Werner, die Russen Schakoskoi und Ozeroff sowie Lope de Vega und der Skandinavier Lindegren. 27 Verzeichnet waren u. a. die Engländer Bolingbroke, Canning, Chesterfield, Petersborough, Pulteney, Temple, die Amerikaner Jefferson, Penn und Washington. 28 Mit Cervantes und den Engländern Goldsmith, Fielding, Radcliffe, Richardson und Swift. 29 Es folgen Corvarruvias y Horozco, Lopez de Gomara, Herrera y Tordesillas bei Fur 1690, Quevedo im DCom 1752. 30 Es folgt Tasso, erst bei Fér 1787. 31 Bacons Morale fand sich nach Quémada [Anm. 11] S. 303 f. schon in den Listen von Rich 1706 und Trév 1704. Es folgen Cavendish Duke of Newcastle und Davidson bei Trév 1721, weitere Autoren bei Lacombe 1767, nach Quémada a. a. O. Baker bei Trév 1771. <?page no="205"?> 199 rer Aufnahme in das jeweils genannte Wörterbuch weilten einzig Reddi und Boyle noch unter den Lebenden. Prüfen wir daher, anhand weiterer Stichproben, den Zeitraum zwischen erster französischer Fassung von Autoren neuzeitlicher Nachbarliteraturen und deren Beachtung durch Lexikographen. Manchmal tauchten die ersten Zitate erst Jahrhunderte nach der Übertragung auf. So existierten etwa französische Versionen von Biringuccio oder Paracelsus schon im 16. Jahrhundert, lange bevor sie 1690 bei Furetière Spuren hinterließen. Gleiches gilt etwa für Burnet und Gio, für Cervantes, Calderón und Gracián, die bereits seit dem 17. Jahrhundert in Französisch vorlagen, aber erst auf der Liste von Boiste 1836 Beachtung fanden. An anderer Stelle beeindruckten mehrere Lexikographen durch die Gegenwartsnähe ihrer von französischen Fassungen begünstigten Lektüren. Innerhalb der beiden letzten Jahrzehnte vor Erscheinen der betreffenden Wörterbuch-Ausgabe wurde 32 die erste französische Version zumindest eines Werkes folgender Autoren am Buchmarkt angeboten: Rich 1685: Marmol Carvajal (französisch 1667); Fur 1699: Boyle (frz. 1679); Malpighi (frz. 1686); Vitruv (frz. 1678/ 84); Fér 1787: Pope (frz. 1779); Boiste 1836: Aikin (frz. 1817); Bellamy (frz. 1822); Byron (frz. 1819); Canning (frz. 1827); Edgeworth (frz. 1827); Hope (frz. 1820); Federici (frz. 1821); Manzoni (frz. 1822); Schakoskoi (frz. 1828); Hooft (frz. 1827). Für eine Reihe weiterer Zitatquellen sind französische Fassungen nicht oder erst zu einem Zeitpunkt nachweisbar, der lange nach dem Erscheinungsjahr des betreffenden Wörterbuchs lag. 33 Dies lässt vermuten, dass Furetière die von solchen Autoren zitierten Passagen (etwa aus dem Italienischen oder Spanischen) selbst übertrug, ebenso wie der Boiste-Herausgeber Beispielsätze aus dem Englischen. Interessant wäre natürlich, sich nicht auf die Analyse von Namenlisten zu beschränken, sondern sämtliche konkreten Zitate in einzelnen Wörterbuchartikeln zu sichten - etwa daraufhin, wie hoch der Anteil an prägnanten Maximen, Sentenzen, Aphorismen oder an originellem Metapherngebrauch war. 34 Doch dies ließe sich nur im Rahmen von Forschungsverbünden leisten, denen einige Stichproben als Anregung dienen mögen. So fehlte Cervantes in der Autorenliste von Trév 1752 und DCom 1752 ebenso wie Defoe in derjenigen von Besch 1846. Dennoch 32 Dem Katalog der Pariser Nationalbibliothek zufolge. 33 Bei Fur 1690 etwa für Aldrovandus, Covarruvius, Grimaldi oder Reddi, bei Boiste 1836 für Home, Hervey oder Morris, für Firnian, Kang-hi oder Felinski. 34 Vgl. dazu F. Nies, Sévigné et quelques autres: les épistolières des lexicographes, Romanist. Zs. für Literaturgeschichte 22, 1998, S. 315-20. <?page no="206"?> 200 wurde der Don Quichotte von Leroux und im Wörterbuch von Trévoux, Robinson Crusoe (als „traduit dans toutes les langues“) von Bescherelle in einem seiner Artikel zitiert. 35 Dies lässt vermuten, dass bei Überprüfung der jeweiligen Wörterbuch-Mikrostruktur die Ernte an Zitaten fremdsprachigen Ursprungs einen weit reicheren Ertrag an importierten Autoren erbringen würde, als der hier erfasste es ist. Zu verfolgen wäre schließlich, wieweit durch Wörterbuch-Zitate die Verbreitung importierter Lexeme im Französischen eingeleitet oder befördert wurde. Illustrieren wir dies an einem Beispiel. Der in sämtlichen historischen Standardwörterbüchern verzeichnete Erstbeleg für fr. siesta erweist sich bei näherem Hinsehen als Phantom. 36 Als frühesten Beleg für die französisierte Schreibung sieste wiederum nennen mehrere der historischen Wörterbücher Lesage 1715. 37 Diese Angabe dürfte zurückgehen auf Trév 1743, der u. a. folgendes Zitat anbot: „Lorsque nous eumes mangé comme deux affamés & bu à proportion, nous nous levâmes de table pour aller au jardin faire voluptueusement la sieste dans quelque endroit frais & agréable. Histoire de Gil Blas de Santillane t. 4, p. 33“. Ergiebiger für unser Thema aber ist, dass die Folgeausgabe Trév 1752 ihren Artikel ergänzte durch die Passage: „Le traducteur françois de l’Histoire de D. Quichotte n’a pas francisé ce mot. Il dit dans le 3 e Tome, à la fin du chap. 3 p. 47 que D. Quichotte et le Bachelier Samson Carrasco, après avoir dîné, firent la siesta.“ Neben dem in Spanien angesiedelten französischen Schelmenroman Lesages präsentierten die Jesuiten von Trévoux also nun noch ein Zitat, das für siesta ein weit früheres Belegdatum als 1715 oder das falsifizierte von 1660 versprach. Stammte doch Oudins erste französische Übersetzung des Don Quijote schon von 1614. In unserer Perspektive wäre es also zweifellos lohnend, sämtliche Trévoux-Auflagen gründlich zu durchforsten. Denn für die Wahrscheinlichkeit eines durch solche Zitate ausgelösten Lexikalisierungs- Schubs spricht nicht zuletzt die starke Verbreitung von Dictionnaires im hier erfassten Zeitraum. Schon im 18. Jahrhundert waren sie integraler Bestandteil der Privatbibliotheken von Frankreichs sozialen Eliten, in denen sie nach Tausenden zählten (fast 90 % der damaligen Bibliotheken enthielten Wörterbücher). 38 35 Trév 1752 s .v. sieste, DCom 1752 s. v. rossinante, Besch 1846 s. v. robinson. 36 Er soll (nach FEW, Robert und Petit Robert, Bloch-Wartburg und Dauzat/ Dubois/ Mitterand sowie DG) aus einem Sévigné-Brief von 1660 stammen, ist aber in der Sévigné-Korrespondenz nicht nachzuweisen. Robert bezieht sich bei seiner Zuweisung auf Littré, der keine Datierung gab. 37 Bloch-Wartburg, Dauzat/ Dubois/ Mitterand, FEW, Robert. 38 Siehe Beckmann [Anm. 5], S. 84 und passim, zum sozialen Ort der Bibliotheksbesitzer ebd. S. 104 ff. <?page no="207"?> 201 Gleichzeitig jedoch sind die Autoren- und Werklisten von Dictionnaires wertvolle Indikatoren einer durch Zitate bewirkten literarischen Kanonisierung. Denn diese trugen dazu bei, fremden Autornamen - und den mit ihnen verbundenen Merksätzen - zu einem höheren Bekanntheitsgrad zu verhelfen. Als Mikro-Texte waren sie leicht im Gedächtnis zu speichern. Und zweifellos blieb die Wirkung von Zitaten nicht auf Vokabelfans beschränkt, sondern reichte in vielen Fällen weiter. Wurden und werden doch Wörterbücher oft gerade von Text-Produzenten konsultiert, die eine Tischrede, eine Predigt, einen wichtigen Brief, eine Abhandlung vorbereiten. 39 Auf der Suche nach „goldenen Worten“ zur Illustration, Beglaubigung, Veredlung eigener Gedanken dürfte nichts näher liegen als ein Griff nach dem Handbuch mit Musterbeispielen. Dessen Reduktion literarischer Werke auf die homöopathische Dosis einzelner Sentenzen erreicht so ein mehr oder weniger breites Publikum von Lesern und Zuhörern, das sich in den meisten Fällen nie an Ganzlektüren der betreffenden Werke wagen wird. Wörterbuch-Zitaten dürfte daher im kollektiven Gedächtnis Frankreichs eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommen für die Präsenz gerade jener Autoren, die nicht in das heimische Idiom und dessen Schulkanon hineingeboren waren. Bedauerlich wäre also, wenn Literaturexperten die Zitierpraxis lexikographischer Quellen ausschließlich ihren linguistischen Kollegen überließen. Andererseits mögen Skizzen wie diese dazu beitragen, ein von moderner Sprachwissenschaft eingestandenes Manko zu beseitigen: die „Subjektgebundenheit der Sprache“ nicht „ausreichend bedacht“ zu haben. 40 Sie könnten Linguisten in Erinnerung rufen, dass Literatursprache nicht nur einen sehr konkret fassbaren „Anteil am Tradieren von Kultur“ hat, 41 sondern auch den Löwenanteil jener Materialien liefert, aus denen linguistische Architekten ihre Sprachsysteme zu konstruieren pflegen. Entstehen müsste daraus eine fruchtbare Reflexion über Standardisierungsprozesse des Modellhaft-Außergewöhnlichen, 42 über die Wechselspiele von Abweichung und Norm, das Ineinander von 39 Zur Nutzung von Wörterbüchern durch Schriftsteller wie Th. Gautier, Baudelaire, A. France vgl. den letzteren, demzufolge auf solche Hilfsmittel verzichtende Literaten „indignes de vivre“ seien (zitiert nach Robert s. v. dictionnaire). 40 H.-M. Gauger, Die vielen und die eine: Zum Problem der Sprache, Merkur Jg. 51, 1997, S. 476. 41 G. Haßler, die beklagt, diese Einsicht sei „in konkreten Forschungen“ schwer einlösbar. (Sprache und „réécriture“ bei Fernando Pessoa, in : Kunst und Kommunikation, Tübingen 1997, S. 153. 42 Vgl. dazu F. Nies, Des Amadis aux Zoïles: standardisation de l’exceptionnel en littérature; in: Normes et transgressions en langue et en littérature, Université de Nantes 1986. <?page no="208"?> 202 Individuellem und Allgemeinem, Ereignis und Struktur, Ausnahme und Regel, Nationalem und Transnationalem, kurz: ein gemeinsames Aufgabenfeld für die auseinanderdriftenden Teildisziplinen Sprach- und Literaturwissenschaft. * * * Werfen wir noch einen flüchtigen Blick auf Blütenlesen, denen Linguisten keine Beachtung schenken, weil in ihnen nicht einzelne Literaturzitate als Illustration angemessenen Wortgebrauchs dienen, sondern möglichst viele Merksätze, unter Schlagworten wie adieu, amour, gloire, livre usf. gruppiert, für sich selbst stehen. Die Beispiele jener bis in unsere Zeit beliebten Zitatlexika 43 können als Reflex bereits vorhandener Ansätze von Kanonisierung gelten, zugleich aber tragen sie zweifellos bei zur weiteren Konsekration von Autoren, Werken und deren Kernsentenzen. Herausgegriffen sei ein kleineres dieser Handbücher von Karl Petit. 44 Laut Deckblatt soll es als „instrument de travail irremplaçable“ Material bereitstellen „de quoi commencer un discours ou achever un article“ oder auch dabei helfen, eine „soirée entre amis“ zu erheitern. Und das Vorwort rühmt eine Anwendungsweise „qui peut être ingénieuse“, vorausgesetzt ein „jeu d’esprit est utilisé bien à propos“. Zielgruppe sei „le grand public“, das sich heutzutage den Luxus einer „longue pratique des bons écrivains“ nicht mehr leisten könne. Petits unter dem Titel „citations françaises“ firmierendes Florilegium nun enthält auch übersetzte Zitate von 550 nichtfranzösischen Autoren aus 35 Ländern mit 25 verschiedenen Literatursprachen. Manche Schwerpunkte seiner Sammlung sind aus der Biographie des Autors ableitbar, eines gebürtigen Belgiers, der in England studierte und als einer der besten Kenner japanischer und ostasiatischer Literatur galt. Er berücksichtigte so eine Reihe von Landsleuten, daneben waren asiatische Literaturen reich vertreten, mehr noch die anglophoner Länder. Erwartungsgemäß lag noch immer ein klarer Akzent auf Literaturen europäischer Nachbarsprachen. Doch der Gesichtskreis war - ebenso erwartbar - gegenüber den oben analysierten Wörterbüchern vergangener Epochen beträchtlich erweitert, auch nach Südosteuropa, Lateinamerika und in den arabischen Raum. Von den zitierten Autoren und Werken sind 22 mit zehn und mehr Merksätzen vertreten. Die Spitzenränge auf deren Hitliste enthalten allerdings keine allzu großen Überraschungen. Sie wird mit weitem Abstand angeführt durch Shakespeare 43 Nennen wir nur aus den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Jean-Yves Dournon, Le Grand Dictionnaire des Citations françaises, Paris, Acropole 1982; Pierre Oster (Hg.), Dictionnaire des citations, Paris: Le Robert 1990. 44 Le dictionnaire des Citations françaises, Verviers 1960. Folgende Zitate ebd. S. 6, 8. <?page no="209"?> 203 (61x), gefolgt von Oscar Wilde (47), Neuem und Altem Testament (44, 31), Goethe (27), Hafis (26) und George B. Shaw (22). Ein nur noch bescheidener Raum wird Autoren der Antike zugestanden. Das mag genügen, um die Wünschbarkeit umfassender Analysen einer noch unbeachteten Quellenkategorie zu verdeutlichen. Greifen doch gerade für importierte Werke manch andere Mechanismen literarischer Konsekration 45 nur in wenigen Ausnahmefällen. 2. Konsekration durch Buchreihen (1775-1921) Mehr noch als Anthologien verdienen Buchreihen die Kennzeichnung als „neglected medium“, obwohl beide Verbreitungsmodi einen Ehrenplatz im Reich der „translation culture“ verdient hätten. 46 Denn sie haben zweifellos als beachtenswerte Faktoren der Kanonbildung zu gelten. Nicht von ungefähr lässt noch heute die Bibliothek manchen Privatsammlers wie mancher Hochschule ausgesprochene Vorliebe für das Abonnement von Buchreihen erkennen, kann man sich doch so mit verringertem Aufwand eine Maximalmenge von Bänden zulegen. Die Gattungsgrenzen zur Anthologie verschwimmen zwar in Einzelfällen. Prinzipielle Unterschiede allerdings erweisen sich bei genauem Hinsehen als mehr denn „a matter of magnitude“ 47 . Zwar kam manch hochgemut lancierte Buchreihe letztlich auf weniger Bände, als eine stattliche Anthologie sie aufzuweisen hat. Der Kanonisierungseffekt von Anthologie und Reihe zielt jedoch nur zum Teil auf die gleichen Textarten, Autoren und Lesertypen. Richten sich Anthologien doch primär an Einmalkäufer, an Leser relativ knapper Sequenzen verschiedenartigster Kurztexte - von Gedichten, Kurzgeschichten, Sprüchen, Anekdoten, Märchen usf. Buchreihen dagegen spekulieren, wie angedeutet, auf den Kauf von Folgebänden, auf einen Sondertypus des Viellesers und Serienkäufers, den Liebhaber auch epischer und dramatischer Großformen, den Büchersammler. Er will - für sich und andere - Zusammenhang und Erlesenheit seiner extensiven Lektüren in deren gleichartiger Aufmachung gespiegelt sehen. Die folgende Skizze stellt französische Reihen vor, deren Gründungsjahr zwischen dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts und dem 45 Lehrpläne, Literaturpreise, Jubiläen, Denkmalkult, Benennung von Straßen usf. 46 Zitate: A. P. Frank/ H. Essmann, Translation Anthologies: A Paradigmatic Medium of International Literary Transfer, Amst Jg. 35, 1990, S. 21. 47 H. Essmann/ A. P. Frank, Translation Anthologies: An Invitation to the Curious and a Case Study, Target 3, 1991, S. 1. <?page no="210"?> 204 Beginn der 1920er Jahre lag. Einsatzpunkt der Analyse ist also eine Zeit, die gilt als „époque privilégiée pour les ouvrages publiés en collection“. 48 Schon 1910 trug John M. Clapp fünfundsechzig solcher Reihen für das 18. Jahrhundert zusammen, von denen ich aus dessen letztem Viertel nur einige bekanntere in Erinnerung rufe: die im Abonnement käufliche Bibliothèque universelle des romans (224 Bände 1775-1789), das Cabinet des fées (22 Bände ab 1788), die Voyages imaginaires, romanesques, merveilleux (39 Bände 1787-89). Endpunkt meines Überblicks ist ein Stichjahr, mit dem der Erhebungszeitraum eines grundlegenden bibliographischen Standardwerks für Reihenerschließung 49 endet. Um nicht ins Uferlose zu geraten, beschränke ich mich auf Reihen, die schon im Titel plakativ einen Wertanspruch verkündeten, etwa durch Schlüsselbegriffe wie classique(s), chefs-d’oeuvre, grands, extraordinaires o. ä. Quantitative Aussagen beziehen sich, wo nicht anders vermerkt, auf ein Korpus von 267 solcher Reihen. 50 Seit Beginn des 18. Jahrhunderts hatten mindestens ein Dutzend französischer Anthologien Erzählungen arabischen, türkischen, persischen, spanischen, italienischen, englischen, deutschen Ursprungs offeriert. Ähnlich waren auch die Buchreihen des letzten Jahrhundertviertels weit offener für außerfranzösische Literatur als die zahlreichen Reihen im damaligen England. 51 Um dies zu illustrieren, beginne ich mit einer ausführlichen Vorstellung der Bibliothèque universelle des romans. Von der Größenordnung her war sie eine der bedeutendsten Unternehmungen des französischen Verlagswesens im gesamten Jahrhundert. Geboten wurden, in Bänden von durchschnittlich 200 Seiten, Kurzfassungen von bzw. Auszüge aus umfänglichen Erzähltexten, ergänzt durch eine „analyse raisonnée“ des Werkes. 52 Im Unterschied zu ihrer nicht weniger berühmten Namensschwester, der Bibliothèque bleue, war die Bibliothèque universelle gedacht für eine wohlhabende Leserschaft von Neureichen und Damen. Ihr Erfolg strahlte weit über Frankreich hinaus. 53 Von insgesamt 43 000 Textseiten war ein rundes Viertel Werken außerfranzösischen Ursprungs vorbehalten. Dazu kamen rund 48 Dictionnaire des Lettres françaises publié sous la direction du Cardinal G. Grente: le XVIIIe Siècle, Paris 1960, S. 123. 49 E. Champion/ H. Stein, Catalogue général de la librairie française, Paris 1865-1927 (Erhebungszeitraum 1840-1921). 50 Auf der Grundlage von K.-J. Schneiders, Französische Buchreihen mit besonderem Wertanspruch, Düsseldorf 1976 (maschinenschriftliche Examensarbeit). 51 Vgl. dazu J. M. Clapp, An XVIIIth Century attempt at a critical view of the novel: the „Bibliothèque universelle des romans“, PMLA 35, 1910, S. 65, 91-96. 52 Nach R. Poirier, La bibliothèque universelle des romans. Rédacteurs, Textes, Public, Genève 1976, S. 6 f. Zum Folgenden siehe ebd. Quatrième Partie: le Public. 53 Als ein Indiz von vielen mag die 1780 in London erschienene Übersetzung ins Englische genügen (nach R. Poirier S. 107). <?page no="211"?> 205 3000 Seiten echter oder vorgeblicher Übersetzungen, meist aus dem Englischen. 54 Sie fanden sich alle in jener „première classe“ der Reihe, die ursprünglich griechischen und römischen Erzählungen vorbehalten sein sollte. Doch schon bald begannen die Herausgeber aus Stoffknappheit, die gesamte „Europe romancière“ und, über sie hinaus, Romane „de toutes les nations“ ins Visier zu nehmen. Ihrer Erschließung wurde eine strenge Rangfolge zu Grunde gelegt - gemäß vorgeblich ungleicher Affinität der Nationen zur Romangattung. In jener Rangordnung folgten, wie erinnerlich, auf spanische Romane italienische, englische, deutsche und schließlich „romans en langue orientale“. Denn bestens für das Genre befähigt galten, wie schon erwähnt, die Spanier - aufgrund vorgeblicher Wesenszüge ihrer Nation. Die Belegserie präsentierte also 1776 mit Persiles et Sigismonde und Don Quichotte zweimal Werke von Cervantes, Montemajors Diane sowie die Schelmenromane Guzman de Alfarache und Lazarillo de Tormes. 55 Zu ihnen kamen weitere fünfzehn Titel, deren spanische Herkunft nur zum Teil echt war. Italien hatte, wie erwähnt, nach Ansicht der Herausgeber aufgrund einer „mollesse des moeurs“ Mangel an echten Romanen, was eine Bestandsauffüllung mit Novellen und Epen erfordere. Die Stärke de Engländer seien Romane „mêlés de comique et de morale“. Ihr Anteil umfasste 45 Titel, von denen etwa die Hälfte tatsächlich englischen Ursprungs war. Zu den noch heute bekannten Titeln gehörten Fieldings Tom Jones, Swifts Voyages de Gulliver, Defoes Robinson Crusoe und Goldsmiths Vicaire de Wakefield. 56 Die Deutschen schließlich seien zu solide für ein Genre, das vor allem aus der Phantasie lebe. Unter nur 22 Titeln angeblich oder tatsächlich deutschen Ursprungs stammten allein zehn von Wieland. Ungeachtet solcher Vorurteile und daraus entstandener Schieflagen präsentierte die Bibliothèque universelle, durch ihre massiven Übertragungen ins Französische, für das Leitgenus der Moderne erstmals einen übergreifenden Lektürekanon, der als Kernbestand europäischer Literatur gelten konnte. Denn ungeachtet aus heutiger Sicht erstaunlicher Lücken - so fehlten etwa Sterne, Richardson oder Werthers Leiden - kam die Spannweite dieses Kanons immerhin bereits dem nahe, was Jahrzehnte später in Goethes Blickfeld als „Weltliteratur“ 57 aufscheinen sollte. Lasen doch im vorrevolutionären Europa Deutsche die spa- 54 R. Poirier [Anm. 52], S. 34. - Zum Folgenden ebd. S. 37-40. 55 All diese Romane lagen übrigens seit einem Jahrhundert und mehr in französischer Sprache vor. 56 Auch sie bis auf den letztgenannten Titel zuvor in französischer Fassung greifbar. 57 Zum Begriff bei Goethe siehe etwa J. und W. Grimm, Deutsches Wörterbuch Bd. 14/ I, Leipzig 1955, s. v. Weltliteratur. - Zum Vorangehenden R. Poirier [Anm. 52], S. 95 f. <?page no="212"?> 206 nischen Romane ebenso in französischer Fassung wie Russen die Produkte Englands. 58 Natürlich durfte man, im Zeitalter der Belles infidèles, Buchstabentreue noch weniger als sonst erwarten bei einer gezielt auf quantitative Verdichtung angelegten Reihe. Die chirurgischen Eingriffe der Bearbeiter waren manchmal so radikal, dass etwa von einer 20zeiligen Passage in Tom Jones nur ganze drei Zeilen übrig blieben. Anders gesagt: Hier wurden schon erfolgreich Vorformen eines zukunftsträchtigen Genres erprobt - des „Digest“, für das sich Anfänge zweifellos auch im Bereich der Anthologien nachweisen ließen. Kommen wir zu den zahlreichen Reihen der Folgeperiode. Die Statistik 59 bestätigt eine nahe liegende Vermutung. Wertstolze Reihen wurden nur selten lanciert, gelegentlich (so die Bibliothèque universelle des romans) sogar eingestellt in Zeiten politischer, ökonomischer oder sozialer Instabilität: in Revolutionsperiode und Premier Empire, den Jahren der kurzlebigen Zweiten Republik oder des Kriegs von 1870-71. Ein wahrer Boom von Reihengründungen prägte dagegen die bourbonische Restauration der 1820er Jahre, das Zweite Kaiserreich, die Belle Epoque vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Darin spiegelte sich wohl zweierlei: zum einen Vertrauen in wiedererlangte wirtschaftliche Stabilität und Prosperität, die Grundlagen für längerfristig angelegte Verlagsstrategien, zum andern eine Offerte an erhoffte Käuferwünsche nach Qualitätsstandards. Natürlich erreichten nicht alle Reihen die erwünschte Langlebigkeit. Eine ging schon nach dem ersten Band wieder ein, 60 andere verschwanden nach wenigen Titeln und Jahren. 61 Viele aber überdauerten bei den großen Pariser Verlagen Jahrzehnte, 62 öfters ein reichliches Menschenalter, 63 kamen auf Hunderte von Bänden 64 und prägten sich derart dem Bewusstsein des Publikums tief und dauerhaft ein. Wie schon angedeutet, kündigte mehr als die Hälfte aller Titel die Reihe an als Collection thematisch verwandter Werke oder als Bibliothèque, beides seit dem 18. Jahrhundert geläufige Ordnungsbegriffe für Büchersammlungen, die damit einen impliziten Wertanspruch vertra- 58 R. Poirier [Anm. 52], S. 69. - Zum Folgenden ebd. S. 84 f., 124 u. ö. 59 Siehe dazu F. Nies, Superlativ in Serie, Romanist. Zs.für Literaturgeschichte 1992, Schaubild 1. 60 Bibliothèque des Classiques Dieudonné, Paris, Pichard 1821. 61 Etwa die Collection des classiques de demain, 1919-21 (6 Titel). 62 Etwa die Collection des classiques français ou Collection du Prince Impérial, Plon 1861-81, die Bibliothèque choisie des chefs-d’œuvre français et étrangers, Dentu 1882- 90, u. a. m. 63 Etwa die Bibliothèque des meilleurs romans étrangers, Hachette 1856-1939, u. a. m. 64 Etwa die Bibliothèque des meilleurs romans étrangers (279 Bde), die Classiques pour tous (380 Bde), die Select-Collection (131 Bde), Les Maîtes du roman populaire (138 Bde). <?page no="213"?> 207 ten. Wurden doch Bibliotheken damals noch primär Fürsten oder Gelehrten zugeschrieben und weckten Vorstellungen von Fülle und Wohlgeordnetheit, Kostbarkeit und zeitüberdauerndem Wert. 65 Seit etwa 1830 allerdings sollten, bis zum Ende des Jahrhunderts, rund zwei Dutzend Titel die betreffende Reihe ausdrücklich schon als nouvelle anpreisen, insistierten also im offenbar verschärften Konkurrenzkampf, entgegen der Tradition, weniger auf der überzeitlichen Wertanlage als dem Aktualitätsgrad ihrer Sammlung. Als petite wurden Reihen einzig zu Beginn der Dritten Republik mehrfach angepriesen. Vermutlich wollte man so neu entstandene Käuferschichten mit geringem Lektüre-Ehrgeiz und kleinem Geldbeutel ermuntern, sich wohlfeil einen als erlesen deklarierten Bücherschatz zu sichern. Das seit der Restaurationszeit in Reihentiteln häufige classiques war, was den Autoren- und Werkkanon betraf, weniger Hinweis auf Vorbildlichkeit der Antike und des eigenen Grand Siècle als vielmehr auf eine Zweckbestimmung für den Unterricht an höheren Schulen und erzieherischen Nutzen des Gebotenen. Generelle Vorbildlichkeit wurde eher durch Ankündigung von chefsd’oeuvre, les meilleurs oder grands auteurs, maîtres o. ä. signalisiert. Soweit in Reihentiteln bestimmte Genres genannt waren, führten erwartungsgemäß von Anbeginn Romane mit der Hälfte aller Fälle, seit der Restauration gefolgt von Reihen, die Theaterstücke offerierten. Nicht selten nannten Reihentitel ihre Zielgruppen, wenn nicht der Verlagsnamen entsprechende Hinweise gab. So erschienen ab 1884 die Chefs-d’oeuvre de la littérature étrangère beim Verlag L’Ami des Campagnes. Häufig waren, wie angedeutet, classiques für Schüler oder Lehrer, aber auch für Kinder und Jugendliche ohne Schulbezug gedacht. Seltener angesprochen wurden Damen, Bibliophile, vereinzelt nur die ganze Familie, die Frontsoldaten des Weltkriegs. Zugunsten von Handlichkeit verzichteten die Reihen darauf, den Wert des Bandinhalts äußerlich durch imposantes Großformat zu unterstreichen. 66 Ebenso selten wie ein Werben mit luxuriöser Ausstattung blieb das mit Niedrigpreisen: Offenbar entsprachen, nach Ansicht von Verlegern, Extremwerte der materiellen Skala nicht der Mentalität typischer Serienkäufer. Die Verlagsmassierung in Paris war noch höher als bei der Buch- Gesamtproduktion. Sie lag bei über 90 %, und mehr als ein Fünftel aller Reihen erschien in nur sieben Verlagen. 67 Richten wir den Blick nun ausschließlich auf jene Reihen, die eine Aufnahme fremder Werke schon im Titel anpriesen oder ohne besonde- 65 Siehe zu alledem F. Nies [Anm. 59], S. 231 f. 66 Sie bevorzugten insbesondere Oktav und Sedez. 67 Hachette, Delagrave, Garnier, Delalain, Dentu, Lefèvre, Librairie des Bibliophiles. <?page no="214"?> 208 re Erwähnung vornahmen. 68 Ausgespart bleiben dabei jene Serien, die für Zielgruppen mit hoher fremdsprachlicher Lesekompetenz Werke in der Originalsprache 69 anboten. Ausdrücklich angekündigt wurden Titel außerfranzösischer Literaturen im Erhebungszeitraum, etwa gleich bleibend, in etwa jedem zehnten Fall (insgesamt in 28 Reihen). Siebzehn von ihnen konzentrierten sich voll auf Titel außerfranzösischen Ursprungs, elf beschränkten sich dabei auf Autoren einer einzigen Nationalliteratur: der römischen (5x), der englischen (3x), griechischen, italienischen und deutschen (je 1x). Gattungsschwerpunkte lagen bei jenen Reihen, einmal mehr, durchgehend beim Roman (6x), gefolgt vom Theater (5x). Die vom meist knappen Textumfang her eher für Anthologien geeigneten poètes wurden nur zweimal avisiert. 70 Aus griechischer und lateinischer Literatur bot man (teils zweisprachig) fast nur classiques an, aus deutscher nur Dramen, aus englischer zweimal Romane. Beginnend mit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts hielten es Reihen oft nicht mehr für angebracht, im Titel die Aufnahme ausländischer Werke eigens zu verkünden, obwohl deren Anteil nicht selten recht stattlich war. Bei der Collection du Panthéon littéraire etwa (ab 1836), den Maîtres de l’Amour (ab 1910) oder den Maîtres du Livre (ab 1912) lag er bei rund einem Drittel, bei Les Classiques pour tous (ab 1877, mit 89 Autoren) sogar bei reichlich zwei Dritteln. Die folgenden Verhältniszahlen fassen nichtfranzösische Autoren aus beiden Reihentypen zusammen: jenen, die sie ankündigten und jenen, die sie stillschweigend aufnahmen. Die erste Erhebung gilt einer Stichprobe von 23 Reihen, die zwischen 1836 und 1920 entstanden und nicht nur einer einzigen fremden Literatur gewidmet waren. Ihr Werkkanon wurde, soweit möglich, vollständig erfasst. Die Titel von 437 Autoren stammten zu einem reichlichen Drittel von Nichtfranzosen. Was deren Epochenzugehörigkeit angeht, lag ein Hauptschwerpunkt im 19. Jahrhundert, ein Nebenschwerpunkt im frühen zwanzigsten. Die Lebensspanne einer klaren Mehrheit ausländischer Autoren fiel also in eben jenen Zeitraum, in dem ihre Werke bereits in französische Edel- Kollektionen Zutritt erhielten. Das unterschied sie auffallend von ihren Reihengenossen aus Frankreich selbst, deren ebenso klare Mehrheit aus früheren Epochen stammte. 71 Besonders auffällig ist dieser Unterschied im Bereich des Romans, dessen Autoren zu zwei Dritteln Nichtfranzo- 68 Zum Folgenden K. J. Schneiders [Anm. 50], S. 51 f. und ebd. Anhang. 69 Vor allem in Latein, aber auch Griechisch, Spanisch, Italienisch, Englisch und Deutsch. 70 In der ersten Hälfte des Erhebungszeitraums: 1785 und 1838, aus englischer und italienischer Literatur. 71 Siehe dazu Nies [Anm. 59], S. 230, Schaubild 2. <?page no="215"?> 209 sen waren. 72 Anders gesagt: Bei heimischen Werken dürfte deren Aufnahme in Reihen eher Folge vorgängiger Kanonisierung gewesen sein. Bei nichtfranzösischen, in Frankreich noch kaum bekannten gegenwartsnahen Texten, vor allem eines noch immer nicht voll anerkannten Genres dagegen sollte deren Konsekration befördert werden durch den Abglanz ihrer Nähe zu bereits geschätzten Einheimischen. Erwähnen wir einen Extremfall: 1853 wurde das Erstlingswerk The lamplighter von Maria Cummins in den USA zum Massenerfolg. Schon im Folgejahr präsentierte die Bibliothèque des meilleurs romans étrangers eine Übersetzung der noch nicht dreißigjährigen Jungautorin. 73 Ein Eintrittsbillet erhielten also keineswegs nur solche fremden Autoren, deren zeitresistenter Wert zumindest im Herkunftsland bereits als gesichert galt. Hinsichtlich der Nationalität fällt eine klare Dominanz des angloamerikanischen Raums auf mit rund 47 %, gefolgt von Autoren der Antike mit 20 % und Italiens mit knapp 13 %. Lehrreich ist eine Statistik der Mehrfachnennungen. Unter den Verfassern, die Aufnahme in eine oder zwei der 23 Reihen fanden, lag der Ausländer-Anteil noch über 40 %. In drei Reihen stießen dagegen nur vier Nichtfranzosen vor: die längst konsekrierten Plato und Boccaccio sowie die Zeitgenossen Heinrich Heine und Alessandro Manzoni. In vier Reihen schaffte es Goethe als einziger Ausländer. Unter den mehrfach geadelten Autoren wurden also die Vertreter des anglo-amerikanischen Raums verdrängt von Kontinental-Europäern. 74 Es lag nahe, das Datenmaterial der Stichprobe anzureichern durch Autoren, deren Aufnahme in den übrigen 244 Reihen gesichert ist, auch wenn von diesen Reihen noch keine vollständige Verfasserliste erstellt werden konnte. 75 Unter den Spitzenreitern der dort vielfach auftauchenden Namen, bezogen auf ein Gesamt von 267 Reihen, war allerdings kein einziger Ausländer. Erst die Ränge 9-14 teilten sich fünf Autoren der Antike 76 mit Franzosen des 16. bis 18. Jahrhunderts. Auf Rang 15 tauchte erstmals, neben Sallust und Sueton, mit Walter Scott der Vertreter einer nachantiken Literatur und zugleich erste Repräsentant der 72 Unter den Titeln ausländischer Herkunft blieben hier rund 86 % Autoren des 19./ 20. Jhs. vorbehalten (nach K. J. Schneiders S. 39). 73 K. J. Schneiders [Anm. 50], S. 75, zum Folgenden ebd. S. 71. 74 Die Ehre einer Aufnahme in fünf oder sechs Reihen widerfuhr nur Franzosen, acht Reihen schaffte einzig La Fontaine (nach K. J. Schneiders [Anm. 50], S. 77ff., ebd. Anhang S. 1f.). 75 Immerhin war oft die Erfassung von Teilverzeichnissen möglich, etwa aufgrund von Abdruck des jeweiligen Reihenstands auf Vorblatt, Buchrücken oder Schlussseiten eingesehener Exemplare. 76 Vergil (15 Reihen), Plutarch und Livius (je 13x), Platon (11x), Homer und Phaedrus (je 10x). <?page no="216"?> 210 eigenen Epoche auf. Er konnte in mindestens neun Reihen vorstoßen, gefolgt von Schiller und Shakespeare (je 8 Reihen). 77 Auch in dieser fragmentarischen Tabelle schlägt sich also die generelle Dominanz gegenwartsnaher Vertreter des anglo-amerikanischen Raums kaum nieder. Doch ohne das Ergebnis umfassender Analysen sämtlicher Reihen vorwegnehmen zu wollen, möchte ich vermuten, dass der scheinbare Widerspruch leicht auflösbar sein würde. Zwar dürfte die Titelzahl angelsächsischer Autoren auch nach der Gesamterfassung vergleichsweise hoch bleiben. Doch aufgrund ihres noch geringen Konsekrationsgrads mag sich deren Aufnahme für den Durchschnitts-Reihenplaner nicht im gleichen Maße aufgedrängt haben wie für französische Klassiker oder seit Jahrhunderten verehrte Spitzenautoren der Antike. Werfen wir noch einen Blick auf den Zeitpunkt der jeweils ersten Ausländer-Aufnahmen. Natürlich bekamen fremdländische Autoren neben einheimischen kaum eine Chance, wenn es um die Wahl von Band eins ging. Für ihn scheute man jedes Risiko und pflegte auf wohlbekannte Namen der eigenen Nationalliteratur oder ersatzweise der Antike zu setzen. Dafür zwei Beispiele: Die Bibliothèque des chefs-d’oeuvre français et étrangers begann 1882 mit André Chénier, darauf folgte Ovid, und erst mit Band drei wagte man sich an die Memoiren des „Halbfranzosen“ Hamilton. 78 Die 1919 begründete Reihe Les Maîtres de l’Amour suchte wohl dem Anfangsverdacht von Zwielichtigkeit dadurch zu begegnen, dass sie für den Start in Lukian einen Autor mit antiker Aura wählte. Danach erst kamen Aretino und eine Phalanx italienischer und französischer Autoren, ein bisschen Orient und John Clelands Mémoires de Fanny Hill. Ging es um die Aufnahme von Heroen vergangener Zeiten, nutzte man offenbar nicht selten (wie bei Franzosen) das durch Gedenkjahre neu belebte Interesse der Öffentlichkeit: die 600. Wiederkehr von Dantes Todesjahr, den 375. Geburtstag Ariosts, den 175. von Laurence Sterne, den 75. von Thackeray oder ein Heine-Jubiläum. Fassen wir zusammen: Die Bedeutung distinguiert auftretender Buchreihen für die Aufwertung übersetzten Literaturguts dürfte deutlich geworden sein. Allerdings kann meine Skizze nur wenige und vorläufige Antworten andeuten, die noch mancherlei Fragen und Probleme sichtbar machen. Diese Schwierigkeiten beginnen mit der materiellen Erschließung des Reihen- und Titelkorpus. Bibliographien und Bibliothekskataloge erwähnen Buchreihen, wenn überhaupt, fast nur als Zusatzinformation bei ihnen zugehörigen Einzeltiteln. Das heißt, dass Entstehungsjahr, mehr noch Auslaufen der Reihe nicht selten ebenso in 77 Zu alledem K. J. Schneiders [Anm. 5], S. 80. 78 K. J. Schneiders [Anm. 5], S. 82, zum Folgenden ebd. S. 76f. <?page no="217"?> 211 Grauzonen verschwinden wie exakter Umfang und Struktur des Titelkorpus. Solche Daten sind oft nur aufzuspüren über lange Umwege - etwa Autopsie einzelner Buchexemplare, in denen werbende Hinweise auf frühere oder geplante Bände auftauchen. Erst nach Erfassung aller Titel und ihrer Abfolge für eine weit größere Reihenzahl könnte eine Fülle von Fragen solider beantwortet werden - so nach der Evolution von Anteilen fremdländischer Literatur, einzelner Nationalliteraturen, deren Newcomern und Etablierten, Epochen und Gattungen, Einzelautoren und Einzelwerken wie Zielgruppen. Dann erst ließe sich nach auffälligen Leerstellen und deren vermutlichen Gründen fragen. Nach Aufspüren von Übersetzernamen könnte man der Frage nachgehen, ob der Typus des übersetzerischen Reihenspezialisten existierte, ob bereits Einzel-Übersetzungen des betreffenden Werkes vorlagen oder die Reihe es erstmals in französischer Sprache erschloss, ob eine Neuübersetzung angefertigt oder eine vorhandene übernommen wurde. An Forschungsperspektiven besteht also auch hier, wie schon oft, kein Mangel. <?page no="218"?> 212 Nachwort Der Untertitel des Buches könnte Erwartungen geweckt haben, meine historischen Streifzüge wollten eine perfekt gerundete Geschichte des Übersetzens ins Französische wie aus dem Französischen erzählen. Geliefert werden sollte jedoch nur eine Abfolge von Kurzgeschichten zu diesem Thema, eine Art erster Ladung von Bauteilen für einen solchen narrativen Monumentalbau. Desiderata Nicht von ungefähr endete fast jedes Kapitel mit Hinweisen in Fülle auf all das, was bis zu dessen Richtfest noch fehlt. Diese Wunschlisten sind durch mancherlei Positionen zu verlängern. Dringlich wäre nicht nur ein Abgleich greifbarer Bibliographien und Buchkataloge, sondern auch die Durchforstung von Anthologien, 1 Ana-Sammlungen, Kalendern und Almanachen auf Kurztexte, seit dem 18. Jahrhundert erschienener Zeitschriften (auch auf Rezensionen), oder erhaltener Theater-Spielpläne vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, für die jüngste Vergangenheit schließlich eine Registrierung und Interpretation importierter Hörspiele und Hörbücher, Videos, synchronisierter oder untertitelter Kino- und Fernsehfilme. Der Anteil geographischer Randzonen zwischen Literatursprachen beim Transfer wäre systematischer zu erfassen, ebenso wie der von Emigranten in und aus Frankreich oder die fachliche Zugehörigkeit sowie regionale Verwurzelung auch von Übersetzungsforschern, Theoretikern und Kritikern. Oder: Welches waren die thematischen Brennpunkte linguistischer und literarischer Übersetzungsanalyse, und wie entwickelten sie sich? Wiederholt habe ich beim historischen Durchgang auf dem Geschwindschritt insistiert, in dem eine Vielzahl von Titeln sprachlich eingebürgert wurde. Doch daneben steht eine Geschichte auch jener Titel aus, die im heimischen Sprachraum unter die Spitzenwerke zählten und doch ins benachbarte Französisch entweder nie übertragen wurden oder bis dahin eine nicht enden wollende Quarantäne zu überstehen hatten. Warum musste etwa Kleists Der zerbrochene Krug 110 Jahre, Dantes Divina Commedia 125 Jahre, Robert Burtons Anatomy of Melancholy gar 385 Jahre bis zur Übersetzung ins Französische warten? Einmal mehr legten meine Beispiele stark verspäteter Importe nahe, dass in sol- 1 Siehe etwa schon Pierre Breslin, L’Anthologie ou recueil de plusieurs discours notables, tirez de divers bons autheurs grecs & latins, Paris 1574. <?page no="219"?> 213 chen Fällen oft über den Einzeltitel hinausgehende Gesetzmäßigkeiten herrschten. Gründlicher zu beackern bleibt ein weiteres Forschungsfeld, das auf reiche Erträge hoffen lässt: das des Übersetzens, auch aus nachantiken Sprachen, als pädagogisches Instrument aller Epochen, seiner Strategien und Bildungsziele. Und vor allem: Welche Autoren, Werke und Textauszüge wurden von Lehrplänen und Schulbüchern angeboten? Formten sie doch den Geist ganzer Generationen in einem Alter besonderer Empfänglichkeit. Begnügen wir uns mit einigen Beispielen des 20. Jahrhunderts, besonders aus dessen letztem Drittel. Schon Lehrpläne für die Classe de Seconde von 1925 hatten eine ganze Serie übersetzter Texte vorgesehen, vom Nibelungenlied bis zu Kipling, über Shakespeare und Goethe, Dante und Cervantes, Tolstoi und Dostojewski. Die Reformen der 1970er und 1980er Jahre sollten einer weiteren Gruppe fremdsprachiger Autoren das Heimatrecht im Cycle d’orientation einräumen. Sogar für den Cycle d’observation sah man schon eine stattliche Zahl von Übersetzungen vor. 2 Eine Sichtung der rund drei Dutzend Verfassernamen aller Epochen aus dreizehn Nationen macht erste Schwerpunkte sichtbar: Werke des Mittelalters tauchten einzig 1925 auf; danach gehörte die große Mehrheit aller Autoren ins 20. Jahrhundert, an der Spitze lagen klar Vertreter des anglophonen Raums. Nicht wenige der Erwählten trugen das Gütesigel eines Literatur-Nobelpreises. 3 Doch als Trumpfkarte literarischer Heroen aus der Fremde galt wohl vor allem, wenn sie länger in Frankreich und möglichst in Paris verweilt, es vielleicht gar zur Wahlheimat erkoren hatten. 4 Zu Poes Aufnahme mag beigetragen haben, dass Paris Schauplatz seiner berühmtesten Kurzgeschichte und Baudelaire sein Übersetzer war. Zu prüfen wäre, wo politisches, meist „linkes“ Engagement den Ausschlag gegeben haben dürfte, 5 wo stattdessen der Ruf als Kinderbuch-Autor, als Verfasser phantastischer Literatur usf. Wünschbar ist ferner eine Sammlung fiktionaler Belege für die Rolle, die das Übersetzen und seine Resultate generell im französischen Vorstellungsraum spielten. Nennen wir auch dafür nur wenige Beispiele. 2 Siehe zu alledem D. Röseberg, Literarische Kultur in Frankreich. Literatur als Institution in der Sekundarschule des 19./ 20. Jahrhunderts, Frankfurt/ M. u. a. 1992, S. 59, 204 u. ö. Detaillierte Listen der Autorennamen und Lesebücher siehe F. Nies, La Mer à boire. Conclusion et perspectives, Revue d’Histoire littéraire de la France 97, 1997 (=numéro spécial : Les traductions dans le patrimoine français). 3 Kipling, Churchill, Hemingway, Jimenez, Neruda. 4 Calvino, Gandhi, Goldoni, Hemingway, Neruda, Rilke, Sabáto, Steinbeck, Stevenson, Taha Hussein, Trotzki. 5 Etwa bei Calvino, Churchill, Gandhi, Mao Tse-Tung, Kate Millet, Neruda, Steinbeck, Tolstoi, Trotzki. - Zum Folgenden: Carroll, Defoe, Kipling, Stevenson, Swift. <?page no="220"?> 214 Die Fabel von Françoise Sagans Roman Le Miroir égaré entwickelt sich 1996 aus der Übersetzung eines tschechischen Theaterstücks. Und schon drei Jahrhunderte zuvor las im Roman comique Dona Inézilla den Komödianten vor aus einer „historiette espagnole, de celles qu’elle […] traduisait tous les jours“. Auf zahlreiche Originalwerke, die sich schon im Titel (und somit leicht erfassbar) als Importe gerierten, bin ich zwar mehrfach eingegangen. Doch sie wären natürlich zu ergänzen durch all jene, die diskreter waren und erst im Textteil ihre Übersetzungs-Maske aufsetzten. Erinnern wir nur an die Lettres portugaises, die Lettres persanes oder Lettres péruviennes, an den als übersetzt zu denkenden Gil Blas oder das lange verschollene Manuskript von Balzacs Jugendroman Falthurne. Erwünscht wäre schließlich eine Sichtung all jener Prototypen fremder Literaturen, die via Übersetzung französische Autoren zu anschließender Umgestaltung in eigenen Werken reizten - von Figuren der Antike und dem Cid bis zu Robinson, über Don Juan, Don Quijote und Tamerlan. Zeigte sich doch am Beispiel von Gestalten deutschen Ursprungs, dass auch hier historische Gesetzmäßigkeiten zu vermuten sind, die weit über den Einzelfall hinausgingen. Falsifizierte Gemeinplätze Bei aller Vorläufigkeit der erzielten Resultate konnte eine Reihe wissenschaftlicher wie populärer Gemeinplätze hinterfragt oder ausgeräumt werden. Erinnern wir nur an die Trugschlüsse, das Mittelalter habe weder Kenntnisse über die vorchristliche Antike verbreitet, noch habe es damals volkssprachliche Bibelversionen gegeben oder sogar überhaupt keine nennenswerte Übersetzeraktivität, oder in der Renaissance wie deren Folgepochen seien christliche Texte völlig in den Hintergrund gedrängt worden. Oder denken wir an die nahe liegende Vermutung, Akkordarbeit „im Hamsterrad“ beim Übersetzen sei wohl ein Phänomen erst der Ära moderner Massenliteratur. Oder nehmen wir schließlich das Klischee von beträchtlichen Zeiträumen literarischer Autarkie Frankreichs. Für dessen Herausbildung mag akademische Literaturhistorie zum Gutteil Mitverantwortung tragen. Verdankte sie doch ihre Institutionalisierung dem nationalen Enthusiasmus des 19. Jahrhunderts. Auch ihren französischen Gründervätern lag so der Bau von Schutzwällen gegen kulturelle Unterwanderung am Herzen. Andererseits ließ man sich über ein Jahrhundert hin angelegen sein, die europa- und weltweite Ausstrahlung der eigenen Literatur zu feiern: Man schrieb über Marivaux, Diderot oder Valéry in Deutschland, über Racine in England, Spanien oder Mexiko, über Rimbaud in <?page no="221"?> 215 China, 6 und man thematisierte ebenso häufig den enthusiastischen Empfang eigener Sendboten in anderen Kulturen wie selten eine Aufnahme fremder Werke im eigenen Land. Erst seit den 1960er Jahren begann sich, mit einem Dutzend von Studien, eine Gegenbewegung abzuzeichnen. Im letzten Jahrhundertviertel erschienen dann über zweihundert Studien zum Transfer in beiden Richtungen - Belege für schnell wachsendes Interesse an diesem Arbeitsfeld. Allerdings signalisierten die Namen von Verfassern oder Verlagsorten bei einem Gutteil jener Studien, dass sie nicht von hexagonalen Spezialisten des eigenen Literaturerbes stammten, sondern von Vertretern anderer Disziplinen oder zweisprachiger Randzonen, in denen frankophone Literatur in ständigem Kontakt mit anderen Literatursprachen steht: aus Belgien, Kanada, der Schweiz oder dem Maghreb. Variable Sie zeichneten sich ab etwa bei den Anteilen wichtiger Spenderliteraturen, der wechselnden Beliebtheit bestimmter Spitzenautoren oder Texttypen, der Wirkungsintensität von Erfolgstiteln, den führenden Verlagsorten, den Auftraggebern und Zielgruppen der Übersetzer, bei deren Geschlecht, Konfession und Einstiegsalter, Stand und (Haupt-) Beruf, ihrer Herkunft und Auslandskenntnis, ihrem Spezialisierungsgrad nach Titel- und Sprachenzahl usf. Das alles bedürfte natürlich weiterer Präzisierung und Systematisierung. Konstanten und Langzeitphänomene Auf anderen Feldern dürfte es gelungen sein, eine Fülle teils unerwarteter Konstanten augenfällig zu machen. Das Dilemma zwischen Treue und Freiheit des Übersetzens entwickelte sich keineswegs erst als Folge der „Erfindung des Originals“ im Deutschland des 18. Jahrhunderts, 7 sondern bestand bereits seit dem Mittelalter. Seit damals schon wurde die Unzulänglichkeit interkultureller Verkehrssprachen offenkundig, 6 Siehe etwa A. Monchoux, Une récente traduction allemande de Racine, Revue de littérature comparée 19, 1939; J. Lacant, Marivaux en Allemagne, 1972. Zur internationalen Ausstrahlung Racines oder Diderots vgl. einige Dutzend Studien in der Bibliographie Cioranescus. Einzelnachweise zu alledem und zum Folgenden siehe F. Nies [Anm. 2] 7 Vgl. dazu A. Poltermann, Die Erfindung des Originals. Zur Geschichte der Übersetzungskonzeptionen in Deutschland im 18. Jahrhundert. In B. Schultze (Hg.): Die literarische Übersetzung. Fallstudien zu ihrer Kulturgeschichte, 1987, S. 14-52. <?page no="222"?> 216 und von Anbeginn bediente man sich beim Übersetzen vorhandener Versionen in Drittsprachen. Schon seit dem Mittelalter gab es Formen der Kooperation, hatten Spitzenliteraten einen beträchtlichen Anteil am Übersetzergeschäft, standen Importeure und ihre Ware oft unter hochgradiger Gefährdung, war ihr Selbstwertgefühl ebenso ausgeprägt wie ihr Beitrag zur Sprachbereicherung. Früh erkennbar wurde das Gewicht des Zeitfaktors und günstiger Rahmenbedingungen für den Transfer oder ein chronischer Zwiespalt zwischen Verlockung und Abweisung des Fremden wie der Einfluss nationaler Stereotypen. Gleiches gilt für diverse Anpassungs-Strategien der Mittler, die nicht auf Schleiermachers Gegensatzpaar von einbürgernder oder verfremdender Übersetzung warteten, um sich für eine von beiden zu entscheiden. Der Nutzen einer ausstehenden Sozialgeschichte von Übersetzern wie von Liebhabern ihrer Produkte wurde deutlich durch die Epochen übergreifende Schlüsselfunktion von Konfessionen, Standes- und Berufsgruppen. Schließlich trat über die Zeiten hin eine starke sprachliche, ästhetische, ideologische und politische Wirkkraft der Importe, ihre vielfältige Tiefenwirkung auf die französische Kultur in exemplarischen Ausschnitten klar zutage. * * * Ein Glücksfall wäre es, wenn manche Erträge meiner historischen Probebohrungen dazu reizen könnten, die planmäßige Erschließung des Forschungsfeldes weiter voranzutreiben. Scheint es doch reich an Goldadern der Erkenntnis, die es auszumünzen gilt gerade in einer Zeit, die sich als Ära der interkulturellen Kommunikation versteht. <?page no="223"?> 217 Veröffentlichungsnachweis von (Passagen aus) Vorarbeiten Einleitung/ Nachwort: unter dem Titel „La Mer à boire“, RHLF 97, 1997; I.1: unter dem Titel „Im Anfang war das Übersetzen“, RZL 27, 2003; I.2: unter dem Titel „Das Land der Griechen in Italien suchend“, ZfSL 111, 2002; I.3: unter dem Titel „Geschäft des Königs“, GRM 53, 2003; I.4.1.1: unter dem Titel „Une France européenne“ in Ch. Montalbetti u. a., Le bonheur de la lecture (Fs. B. Didier), Paris 2005; I.4.1.2: unter dem Titel „L’Allemagne a succédé à la gloire de l’Italie“ in E. Dautel/ G. Volz, Horizons inattendus (Fs. J.-P. Barbe), Tübingen 1999; I.4.1.3: unter dem Titel „Versuch am untauglichen Objekt? “ in A. Bandau u. a., Korrespondenzen (Fs. H. Harth), Tübingen 2000; I.4.3.1: unter dem Titel „Schöngeister und Brandstifter“ in J. Engelbrecht/ S. Laux, Landes- und Reichsgeschichte (Fs. H.-G. Molitor), Bielefeld 2004; I.4.3.2: in FS. H. Hofer (erscheint demnächst); I.4.3.3: unter dem Titel „A l’aube du romantisme: l’Italie vue par le prisme des traductions“ in H. P. Lund, L’Italie dans l’imaginaire romantique, Kopenhagen 2008; I.6.2: „Einleitung“ und „Bilanz“ in F. Nies, Spiel ohne Grenzen? , Tübingen 2002; II.1.1: unter dem Titel „Drang ins Weite“ in M. Schmitz- Evans u. a., Komparatistik als Humanwissenschaft, (Fs. M. Schmeling) Würzburg 2008; II.1.3: unter dem Titel „Im Magnetfeld von Abwehr und Faszination“ in E. François u. a., Marianne - Germania, Leipzig 1998; II.2. unter dem Titel „Vernetzung und Affinitäten“ in A. Gil/ M. Schmeling, Kultur übersetzen, Berlin 2009; III.1. unter dem Titel „Internationalität nationaler Lexikographie“ in M. Guille/ R. Kiesler, Romania una et diversa (Fs. Th. Berchem), Tübingen 2000; III.2: unter dem Titel „Superlativ in Serie“, RZL 16,1992. <?page no="224"?> 218 Personenregister Forschungsliteratur (im Anmerkungsteil aus Raumgründen abgekürzte Vornamen sind soweit möglich ergänzt) Adam, Antoine 42, 50, 90, 121 Albrecht, Jörn 3, 4, 68, 133, 138, 141 Angelet, Christian 56, 57, 58, 63, 84, 86 Angenot, Marc 4 Arnold, Heinz Ludwig 138 Asholt, Wolfgang 141 Audra, Emile 62, 67 Baar, Georg Ludwig v. 58 Bachleitner, Norbert 138 Baldinger, Kurt 193 Ballard, Michel 40, 64 Balteau, Jules 5 Balzo, Carlo del 121 Bandau, Anja 87, 217 Bandet, Jean-Louis 133 Banoun, Bernard 122 Barbier, Frédéric 121 Bartels, Adolf 173, 175, 177, 179, 182, 183 Baudoin, Patricia H. 25 Baum, Richard 147 Bausch, Karl Richard 63 Becker, Ulrike 173, 181 Beckmann, Friedhelm 60, 140, 193, 200 Béguin, Albert 130 Bellanger, Justin 133 Bereaud, J. 133 Berger, Günter 95 Bihl, Liselotte 7, 132, 175 Bini, Walter 121 Birch-Hirschfeld, Adolf 8, 9 Birkenhauer, Klaus 138 Bisi, Alceste 120 Bloch, Oscar 218 Bonno, Gabriel 67 Böschenstein, Bernhard 133 Bossuat, Robert 9 Braem, Helmut 62, 67 Bray, Bernard 56 Brock-Sulzer, Elisabeth 133 Brown, H. 99 Brüch, Josef 61 Brugère, Fabienne 62 Brunot, Ferdinand 53 Cantagrel, Laurent 130 Cary, Edmond 36, 133 Chamard, Henri 32, 194 Champion, Edouard 65, 204 Chartier, Roger 71, 96, 121 Chavy, Paul 15, 25, 28 Chevrel, Yves 3 Cioranescu, Alexandre 5, 7, 25, 40, 55, 56, 58, 61, 87, 121, 122, 154, 215 Clapp, John M. 204 Cobb, Lillian 67 Contamine, Geneviève 15 Coppin, Joseph 36 Courcelles, Dominique de 218 Cozzini, P. 67 Curtis, Jean-Louis 64 D’Hulst, Lieven 40, 133 Darbelnet, Jean 48 Dautel, Ernst 105 Delaissé, Léon M. J. 22 Delon, Michel 106, 126 Denis, Andrée 114 Döring, Detlef 102 Dörr, Stephen 13 Dow, Gillian Elizabeth 99 Dubois, Jean 13 Emrich, Wilhelm 183 Engelbrecht, Jörg 81, 162, 217 Engler, Winfried 120 Epting, Karl 7, 175 Escarpit, Robert 52 Essmann, Helga 203 <?page no="225"?> 219 Feldmann, Claudia 140 Fink, Gonthier-Louis 121, 127, 179 Fink-Langlois, Antoinette 127 Fletcher, Dennis J. 67 Floeck, Wilfried 138 Frank, Armin Paul 138, 203 Fromm, Hans 174 Frühsorge, Gotthardt 75 Fuchs, Gerhard 103 Gaillard, Françoise 4 Gauger, Hans Martin 63, 201 Geißler, Rolf 107 Gérardy, P. 173, 181 Gil, Alberto 138, 217 Goulding, Sybil 67 Graeber, Wilhelm 57, 59, 60, 61, 62, 63, 70, 71, 73, 85, 86, 96, 98, 172, 184 Graf, Marion 138 Grappin, Pierre 82 Greilich, Susanne 134 Grell, Chantal 41, 50, 54, 55 Grente, Georges 204 Gresset, Michel 138 Grieder, Josephine 61, 62 Grimm, Jakob und Wilhelm 177, 205 Grunewald, Michel 132 Guelloz, S. 40 Guillerm, Luce 25 Guillevic, Eugène 138 Guiral, Pierre 179 Haefs, Wilhelm 105 Häseler, Jens 68, 69, 107 Hasquin, Hervé 62, 67 Haßler, Gerda 201 Hausmann, Frank Rutger 29, 36, 154 Hausmann, Franz Josef 193 Havens, George Remington 67 Heiss, Hanns 78 Heitmann, Klaus 181 Herman, Jan 56, 57, 58, 63, 67, 84, 86 Hermans, Theo 25 Hess, Gerhard 123, 128 Hirdt, Willi 87 Holtus, Günter 177 Hüfner, Agnes 133 Hunter, Alfred C. 67 Janssens-Knorsch, Uta 169 Jauss, Hans Robert 4, 9 Joliat, Eugène 67 Jost, F. 67 Jurt, Joseph 184 Kafker, Frank A. 83, 107, 164 Kafker, Serena L. 83, 164 Kelly, Raymond 57, 61, 63 Kiefer, Jürgen 73 Killen, Alice M. 120, 129 Kinsky, Esther 40 Kittel, Harald 3, 40, 61, 63 Klesczewski, Reinhard 29, 39, 87 Knapp, Richard Gilbert 67 Köhler, Erich 9, 154 Köhler, Werner 73 Kortländer, Bernd 141 Kowitzka, Gerlinde 145 Krauß, Henning 140 Krauss, Werner 57, 103, 154 Kuhn, Irène 173, 180, 182 Kulessa, Rotraud v. 184 Lacant, Jacques 215 Ladborough, R. N. 41 Lahana, Jacqueline 133 Lambert, José 4, 133 Lanson, Gustave 36, 120 Larwill, Paul Herbert 25 Lauber, Cornelia 144 Launay, Marc de 138, 144 Laux, Stephan 81, 162, 217 Lefevere, André 4, 36 Legros, René Pierre 67 Leiner, Wolfgang 181 Lemonnier, Léon 133 Le Rider, Jacques 133 Letsch, Karl 54 Lévy, Raphael 17 Lichtenberger, Henri 183 Lohner, Edgar 176 Lombez, Christine 184 Lüsebrink, Hans-Jürgen 121, 134 Mair, Walter 138 Malherbe, Michel 62 Malles, Hans Jürgen 133 Mandrou, Robert 55 Martin, Henri-Jean 71, 96, 121 Mass, Edgar 105 Massmann, Klaus 133 Mc Kenna, Antony 69 <?page no="226"?> 220 Minckwitz, Marie-Johanna 36 Mitterand, Henri 13, 200 Mix, York Gothart 105, 134 Mölk, Ulrich 8, 9, 19, 20, 21, 22, 23 Monchoux, André 80, 178, 181, 215 Mondot, Jean 76 Monfrin, Jacques 12 Montalbetti, Christine 167, 217 Mornet, Daniel 66 Mortier, Roland 62, 67, 129 Muntaneo, B. 55 Nais, Hélène 25 Neumann, Gerhard 138 Neuschäfer, Hans-Jörg 134 Norton, Glyn P. 27, 28 Oellers, Norbert 179 Orf, R.-J. 67 Patterson, Warner Forrest 32 Peyre, Henri 133 Pfeiffer, Helmut 4 Picquet, T. 125 Plückebaum, G. 104 Pöckl, Wolfgang 138 Poirier, Roger 88, 204, 205, 206 Poltermann, Andreas 215 Potthoff, Wilfried 120, 122 Préclin, Edmond 69 Quémada, Bernard 194, 196, 198 Rambures, Jean-Louis de 140 Regius, K.Worth, V. 36 Reichardt, Rolf 121 Reichel, Edward 141 Reisch, P. 64 Ribot, Th. 183 Rivara, A. 60 Robert, Paul 192, 200, 201 Roche, Daniel 57, 75 Roche, Geneviève 57, 71, 94, 96, 184 Roddier, H. 67 Roloff, Hans Gert 4 Roloff, Volker 186 Röseberg, Dorothee 213 Rosières, Raoul 62 Rousselet, M. 154 Ruhe, Ernstpeter 12 Sallager, Edgar 138 Sapiro, Gisèle 133 Schlobach, Jochen 132 Schmeling, Manfred 138, 217 Schmidgall, Renate 39 Schneider, L. 28 Schneiders, Klaus Jochen 204, 208, 209, 210 Schneiders, Werner 169 Schnyder, Peter 138 Schöning, Udo 122 Schreiber, Michael 138 Schultze, Brigitte 27, 215 Schulz-Buschhaus, Ulrich 151 Schuré, Edouard 173 Schwarz, Werner 9 Soellner, Rolf 141, 144 Staccioli, Giuliano 29 Stackelberg, Jürgen v. 4, 25, 36, 40, 55, 61, 63, 64, 96 Stein, Henri 204 Steinen, Thomas R. 46 Stenger, Gerhardt 62 Stock, Frithjof 179 Stockwell, Enid L. 120 Suchier, Hermann 8, 9 Tgahrt, Reinhard 71, 94, 98, 100, 103 Tintemann, Ute 104 Todd, Henry Alfred 21 Trabant, Jürgen 104 Utz, Peter 138 Vacek, Alena 135 Valentin, Jean-Marie 76 Van Hoof, Henri 3, 13 Vermeer, Hans J. 25 Vielliard, Françoise 9 Volz, Gunter 105, 217 Volz, Gustav Bernhard 72 Voss, Jürgen 49, 73, 76 Warning, Rainer 138 Wartburg, Walter v. 8, 43, 154, 200 Webster, C. M. 67 Wehle, Winfried 126 Weinrich, Harald 71, 80 West, Constance W. 57, 63 Wiedemann, Conrad 104 Wilcox, Frank Howard 67 <?page no="227"?> 221 Wilhelm, Raymund 13 Wilpert, Gero v. 180 Worth-Stylianu,Valéry 36 Zazzo, Bianka 134 Zimmer, Dieter E. 137, 140 Zuber, Roger 40, 163 <?page no="228"?> 222 Übersetzer (und Pseudo-Übersetzer) ins Französische (größtmögliche Vollständigkeit wurde angestrebt bis zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Kursivierte Zahlen verweisen auf Seiten des Textteils, auf denen der betreffende Übersetzer erwähnt ist. Mittelalterliche Übersetzer sind unter dem Vornamen rubriziert) Abbt, Thomas (1738, Louis-Paul (1719- 1807) 76 Abelly, Louis (1603-91) Açarq, Jean-Pierre d’ (1717? -1797) Accarias de Sérionne, Jacques (1706-1796) Accarias de Sérionne, Jean-Jacques (1751- 1824) Adam, Antoine (1705-fl. 1772) 42, 90, 121 Adam, Jacques (1663-1735) 90 Adam, Jean (1605-84) Adam, Nathanael (? -1629? ) Aiguillon, A.-Ch.-de Crussol-Florensac, duchesse d’ (1700-1772) Albénas, Jean Poldo d’ (1512-63) Albéric de Besançon (fl. ca. 1100) Albi, Henri (1590-1659) Albiac, Acasse d’ (? -1562) Albon, Claude-Camille-François d’ (1753-89) Aldibert, G. (15..-fl. 1621) Aleaume, Jacques (1562-1627) Alègre, d’ (? -1736) Alemand, Louis-Augustin (1653-1728) Alembert, Jean Le Rond d’ (1717-83) 58, 60, 154 Alere, Imbert (14..-fl. 1549) Algay de Martignac, Etienne (1620-98) Allaneau de la Bonnodière, Jean René (fl. 1701) Allègre, Antoine (1500-1570) Allemandi (de Saluzzi), Stefano (fl. 1597- 1601) Alletz, Pons-Augustin (1703-85) Alphonse-Karr, Thérèse (fl. xixe) Alquié, François-Savinien d’ (fl. 1669- 17..) Alyon, Mlle (fl. 1810-1818) Amar de Rivier, Jean-Augustin (1756- 1837) Amboise, François d’ (1550-1620) Amboise, Michel d’ (ca. 1509-1547) 31, 35, 187 Amboise, Pierre d’, sieur de la Magdelaine (fl. 1631) Amelin/ Hamelin, Jean d’ (fl. 1554-1568) Amelot de la Houssaye, Abraham- Nicolas (1634 1706) 50, 53 Amelote, Denis (1609-79) Amyot, Jacques (1513-93) 31, 32, 34, 35, 38 André, Jean-François (1744-18..) 114 Andrieux, François-Guillaume-Jean- Stanislas (1759-1833) 90 Andry de Boisregard, Nicolas (1658- 1742) Andry, A. (fl. 1672-17..) Aneau, Barthélémy (ca. 1505? -61) 33, 36 Angier, Frère (fl. 1212-14) Ango, J. (fl. 1649) Anquetil-Duperron, Abraham-Hyacinthe (1731-1805) Ansart, André-Joseph (1723-1790? ) Anseaume, Louis (1721-84) Anson, Pierre-Hubert (1744-1813) 112, 119 Ansquer de Ponçol, Henri-Simon-Joseph (1730-83) Antelmy, Pierre-Thomas (1730-83) Antier, Benjamin = Chevrillon, Benjamin, dit (1787-1870) 189 Antoine de Paris, Caluze (1618-78) Antoine de Saint-Gabriel, Desprez (fl. 1667-77) Antraigues, Louis-Emmanuel-Henri- Alexandre de Launai d’ (1753-1812) Araignon, Jean-Louis (1720-1792) 121 Argens, Jean-Baptiste de Boyer d’ (1704- 71) 60, 97 Arbonival, sieur d’ (fl. 1620) Arcons de Genestet (fl. 1699) Arçonville, Marie-Geneviève-Charlotte (Darlus) Thiroux d’ (1720-1805) Ardène, Esprit-Jean de Rome d’ (1684- 1748) Argenson, René Voyer d’ (1596-1651) <?page no="229"?> 223 Arnaud, Claude (1601-44) Arnaud, François (1721-85) Arnaudin, d’ (1690-1717) Arnauld d’Andilly, Robert (1585-1674) 50, 54 Arnauld, Antoine (1612-41) Arnault de la Borie, François (1518? - 1607) Arnay, Jean-Rodolphe (1710-65) Arnex, Auguste-Simon Arnay ou (1750? - fl. 1794) 76, 82, 83, 168 Assignies, Jean d’ (1562-1642) Assoucy, Charles Coypeau d’ (1605-77) Astroy, Barthélemy d’ (? -1681) Aubert de la Chesnaye des Bois, François-Alexandre (1699-1784) 84 Aubert, Claude (? -1626) Aubert, Guillaume (ca. 1534-97) Aubert, Jean-Louis (1731-1814) Aubert, Noël de Versé (1650-1714) Aubert, Philippe-François (1744-1812) Aubespin, Nicolas (fl. 1613) Aubri, Claude (? -1596) Aubry, Philippe-François (1744-1812) Audiguier, Pierre d’ (15..-fl. 1633-46) Audiguier, Vital d’ (1569? -1624? ) Augé, Daniel d’ (? -1595) Auger, Athanase (1734-92) Auger, Edmond (1530-91) Aurigny, Gilles d’ (14..-1553) Auton, Jehan d’ (1466-1527) 35 Auxirion, Claude-François-Joseph d’ (1728-78) Avenaire, Jean (fl. 1590) Avenelles, Albin des (1488-fl. 1560) Avenelles, Philippe des (fl. 1558-1560) Avost, Hierosme d’ (1558-92) Avril, Louis (1722-fl. 1772) Bachet, Claude-Gaspar (1581-1638) Bachou, Jean (16..-fl.1644) Bachou, Jean-Antoine (fl. 1649-1656) Baculard d’Arnaud, François-Thomas- Marie (1718-1805) Bade/ Badius, Conrad (1510-68) Badère, Baptiste (fl. 1588) Baer, Frédéric-Charles/ Friedrich Karl (1719-97) Baïf, Jean-Antoine de (1532-1589) 27, 34, 35, 36 Baïf, Lazare de (1496-1547) Bail, Louis (1610-69) Baillet de Saint-Julien, Louis-Guillaume (ca. 1715-fl. 1753) Baillet, Adrien (1649-1706) 54 Balesdens, Jean (ca. 1600-1674) Balin, Jean (1570? -fl. 1607) Balinghem, Antoine de (1571-1630) Ballière de Laisement, Charles-Louis- Denis (1729-1800) Banier, Antoine (1673-1741) Baour-Lormian, Pierre-Marie-François- Louis (1770-1854) 90, 122 Bar(r)et, Paul (1718-1795? ) Barattier, Jean-Philippe (1721-40) Barbe, Philippe (1723-92) Barbeau de la Bruyère, Jean-Louis (1710- 81) Barbé-Marbois, François de (1745-1837) 77, 167 Barbeau de la Bruyère, Jean-Louis (1710- 81) 84 Barbeu du Bourg, Jacques (1709-90) 69 Barbeyrac, Jean (1674-1744) 77, 104, 167 Bardou, Jean (1621-68) 47 Barère de Vieuzac, Bertrand (1755-1841) 119, 155, 156, 157, 158, 161 Barnabé de Saulces O. P. (fl. 1559) Barnaud, Nicolas (1538/ 39-1605? ) Barral, Pierre-Alexandre (1724-72) Barrin, Jacques (1640-1718) Barruel, Augustin (1741-1820) Bartelon de Rivière, Pantaleon (fl. 1582) Barthélemy, Jean-Jacques (1716-95) Barthez de Marmorières, Antoine de (1736-1811) Barthez, avocat (fl. 1759) Basilicos, Jacques, dit Héraclite Despote (? -1565) Basnage de Beauval, Jacques (1653-1723) Baston, Guillaume-André-René (1741- 1825) 121 Bataille de Chambesnart, Marie-Agnès (? -1745? ) Bathélemy (fl. XVIIIe) Batteux, Charles (1713-80) 60, 98 Baudelaire, Charles (1821-67) 133, 173, 180, 182, 201, 213 Baudo(u)in, François (1520-73) Baudo(u)in, Jean (1590? -1650) 43, 50, 52, 53 Bauvin, Jean-Grégoire 74 Baudoin (fl. XVIIIe) Baudon, Julian, d’Angers (fl. 1583) Bauduyn, Benoit (? -1632) <?page no="230"?> 224 Bauf(f)remont de Senecey, Nicolas (1520- 82) Bauldry, Louis (? -ca. 1648) Baulgite, Alexandre (fl. 1657-1683) Baurans, Jacques (1710? -1764) Bauter, Charles (ca. 1580-ca. 1630) Bauvin, Jean-Grégoire (1714-76) Bayeux, George-Louis (1752-92) Bayle, Pierre (1647-1706) 54 Bazire, Gervais de (? -1649) Beaufort, Joseph de (? -1714) Beaulaton, Gabriel (1733-82) Beaumanoir, de (1720? -? ) Beausobre, Charles-Louis de (1690-1753) 68, 76, 94, 167, 169 Beausobre, Isaac de (1659-1738) Beauvais, de (fl. 1596) Beauzée, Nicolas (1717-89) 82, 107 Beccary, Mme (fl. 1770-1791) Bed(d)evolle, Jean (1697-fl. 1742) Béguelin, Nicolas (1714-89) Belin de Ballu, Jacques-Nicolas (1753- 1815) Belin de Monterzi (fl. 1763) Belleau, Rémy (1528? -1577) 34, 39 Bellefleur, J.-Jacques de (fl. 1621-22) Belleforest, François de (1530-83) 26, 30, 34, 35, 36, 155, 158, 160, 187, 189 Bellegent, Paul de (fl. 1624-1627) Bellenger, François (1688-1749) Bellepierre de Neuv(e-)église, Louis- Joseph de (1727-fl. 1769) Bellet de Sainte-Foy, Jules (1672-1752) Bellet, Isaac (? -1778) Belletier (fl. 1772) Belliard, Guillaume (fl. 1578-1609) Belot, Octavie Guichard, dame (1719- 1804) Bénard, Laurent (1573-1620) Benech, Antoine-Alexandre-Robert (fl. 1773) Beneit (fl. 1184) Bénévent, Jérôme Bienvenu, dit Hierosme de (fl. 1609-1644) Benistant, Godefroi (fl. 1775) Benoist, Pierre-Vincent, comte (1758- 1834) Benoist, René (1521-1608) 26, 27, 35, 114 Benoît de Sainte-More (1154-73) Benoit, Louis de (fl. 1646) Benserade, Isaac de (1612-91) Béranger, Jean-Pierre (1737-1807) Bérardier de Bataut, François-Joseph (1720-94) Bérauld, Michel (1537/ 38-1611) Bérault, Jean (fl. 1640-42) Bérault-Bercastel, Antoine-Henri de (1722-1795) Bérenger, Jean-Pierre (1737-1807) Bérenger, Laurent-Pierre (1749-1822) Bergier, Nicolas (1567-1623) Bergson (fl. 1857) Bermyer, Philipp (fl. 1640-1649) Bernard (fl. 1717) Bernard de Tours (ca. 1147-ca. 1177) Bernard, François (17..-fl.1775) Bernard, Jean-Frédéric (1690-1752) Bernard, Nicolas (1576-1660) Bernard-Derosne, Charles (1825-1904) 136 Bernard de Tours (ca. 1147-ca. 1177) 18 Bernières, Jean de (1602-59) 48 Bernoulli, Johann/ Jean (1710-90) 169 Béroalde de Verville, François Brouard, dit (1558-1624) 36 Berquin, Arnaud (1747-91) Berquin, Louis de (1498-1529) 27, 31 Berr, Michel (1781-1843) Berruyer, Isaac-Joseph (1681-97) Bert(h)et, Jean (1642-92) Bertaut, François (1628-1701) Bertaut, Jean (1552-1611) Berthau(l)t, René de la Grise (? -1536) 38 Berthier, Guillaume-François (1704-82) Bertholet, Jean (1688-1755) Bertin, Antoine, dit le Chevalier (1752- 90) Bertin, Théodore-Pierre (1751-1819) Bertrand, François-Séraphique (1702-52) Bertrand, Jean (1708-77) Bertrand, Nicolas (14..-1527) Besgue de Majainville (17..-1794) Besnier , Pierre (1648-1705) Besoigne, Jérôme (1686-1763) Bessy (fl. 1854) Béthencourt, Jean de (fl. 1595) Bex, Henry (? -1705) 169 Beys, Charles (1610? -1659) Beys, Christofle (fl. 1632) 169, 170 Bèze, Théodore de (1519-1605) 26, 27, 30, 35, 155 Bideran, René de (1629-61) Bielfeld, Jakob Friedrich von (1717-70) 72, 76, 78, 95, 102, 168 Bienassis, Paul (fl. 1536-86) <?page no="231"?> 225 Bienvenu, Etienne (fl. 1633-39) Bienvenu, Jacques (ca. 1525? -fl. 1568) Bièvre, François-Georges Maréchal de (1747-89) Bignon, Jean-Paul (1662-1743) 57 Bilderbeck, Ludwig Benedikt Franz von (1764-1856) 76, 126, 189 Billardon de Sauvigny, Edme-Louis (1736-1812) Billy, Jean de (ca. 1530-1580) Binet, René (1732-1812) Binninger (fl. 1782) 76, 167 Bion, Jean-François (1668-1735) Bissy, Claude de Thyard de (1721-1810) Bitaubé, Paul-Jérémie (1732-1808) 58, 133 Bizet (? -1842) Blaise Ermengaud, dit Blaise de Montpellier (fl. XIIIe-XIVe) 16 Blanchet, François (1707-84) Blancone, Jean (fl. 1599-1632) Blassière, Jean-Jacques (1736-91) Blendecq, Charles (fl. 1600) Blin de Sainmore, Adrien-Michel- Hyacinthe (1733-1807) Blonde, André (1734-94) Blondelu, L. (fl. 1788) Boaistuau, Pierre de, dit Launay (1517? - 1566) Boaton, Pierre-François de (1734-94) 77, 167 Bochat, Charles-Guillaume Loys de (1695-1754) Bochetel, Guillaume (? -1558) Bock, Jean-Nicolas-Etienne de (1747- 1809) 77, 78, 113, 114, 167 Bodin, Jean (1530-96) 34, 36 Boet, Lazare (15..-16..) Bohier, François (1535-69) Böhm, François-Joseph (fl. 1733-1788) 76 Boiceau de la Borderie, Jean (1513-89) Boileau de Bouillon, Gilles (1510-63) Boileau, Gilles (1631-69) Boileau, Gilles de Bullion (15..-fl. 1550) Boileau, Jacques (1635-1716) Boileau-Despréaux, Nicolas (1636-1711) 50, 87, 154, 196 Boisgelin de Cucé, Jean-de-Dieu- Raymond (1732-1804) 112 Boisguillebert, Pierre Le Pesant de (1646- 1714) Boisjolin, Jacques-François-Marie Vieilh de (1760-1841) 119 Boisrobert, François Le Métel de (1592- 1662) Boitet de Frauville, Claude (1570-1625) Boivin, Jean, dit de Villeneuve (1663- 1726) Bologne, Pierre de (1706? -1792) Bonaventure de Sienne (1221-74) Bonfons, Pierre (fl. 1605-1609) Bonivard, François de (1493/ 94-1570) 77, 167 Bonnay, Charles-François de (1750-1825) Bonneau, François (fl. 1660) Bonnefons, Amable (1600-1653) Bonnel du Valguier, D. (fl. 1757-61) Bonnet de Chemilin, abbé (? -ca. 1765) Bonnet, Guillaume de (fl. 1611) Bonnet, Pierre (fl. 1657) Bonneville, Nicolas de (1760-1828) 79, 107, 110, 130, 155, 156, 158, 161, 162 Bontemps, Marie-Jeanne de Châtillon, dame (1718-68) Bonyer, Nicolas (fl. 1562) Bordenave, Toussaint (1728-82) 169 Bordes, Charles (1711-81) Borne, Pierre de (1525? -fl. 1567) Bosc, Claude (1642? -1715) Bose, Georg Matthias (fl. 1738-54) Bosquet, Jean père (1559-fl. 1581) Bossuet, Jacques-Bénigne (1627-1704) Bouchard de Bussy (fl. 1757) Bouchaud, Mathieu-Antoine de (1719- 1804) 107 Boucher de la Richarderie, Gilles (1733- 59) Boucher, Jean (1551? -1644) Bouchet, Jean (1476-1557/ 59) Bouchindhomme, Christian (1954-….) 144 Boudet, Claude (fl. 1746-1774) Boudot, Jean (1631-1706) Boufflers, Stanislas-Jean de (1738-1815) 106 Bouffonidor (fl. 1780-1782) Bougainville, Jean-Pierre de (1722-65) Bougoin(g)/ Bougouyn, Simon (fl. 1508- 1530) Bouhereau, Elie (1643-1719) Bouhier, Jean (1673-1746) Bouhours, Dominique (1628-1702) 50, 87 <?page no="232"?> 226 Bouillé, Théodose de la Mère-de-Dieu (? - 1743) Bouillon, François (1606? -1699) Bouillon, Jean (fl. 1641) Boulainvilliers, Henri de (1658-1722) Boulard, Antoine-Marie-Henri (1754- 1825) Boulenger de Rivery, Claude-François- Félix (1725-58) 71, 73, 78, 94 Boullier, David-Renaud (1699-1759) Bounin, Gabriel (1520? -1604? ) Bourdeaux, Etienne de (fl. 1743) Bourdic-Viot, Marie-Anne-Henriette Payan de l’Estang, Mme Extrement, puis Mme Bourdic, puis Mme Viot (1747-1802) Bourdin, Nicolas (? -1676) Bourdon de Sigrais, Claude-Guillaume (1715-91) Bourdon, François (? -1621) Bourdonneau, Philippe (fl. 1690? ) Boureau-Deslandes, André-François (1690-1757) 68 Bourgeois du Chastenet, Louis (? -1725) Bourgeois, Samuel (fl. 1749-50) Bourges, Jehan de (1479-fl. 1548) Bourgoing, François (? -1565) Bourgoing, Jean-François (1748-1811) 77, 84, 85, 107, 167, 168 Bourgueville, Charles de (1504-93) Bourlet de Vaucelles, Simon-Jérôme (1734-1802) Bourlier, Jean (fl. 1566) Bourlin, Antoine-Jean = Dumaniant (1752-1828) 189 Boursault(-Mallerbe), Jean-François (1752-1842) Bousquet, Jean-Baptiste-Edouard (fl. 1815-21) Bouvot, Frédéric? (1608-fl. 1660) Bovier, Gaspard (1733? -1803) 121 Boyer de Prébandier, Pierre (fl. 1740-57) Boyssières, Jean de (1555-ca. 1585) Boysson, Abbé (fl. 1789) Boyvin du Vauvroüy, Henry de (1624-fl. 1636) Brach, Pierre de (1547-1605) Brachet, Théophile (1588-1665) Bralion, Nicolas de (1600-1672) Brazier, Nicolas (1789-1838) Brébeuf, Georges de (1617-61) Brébeuf, Jean de (1593-1649) Brébeuf, Saint Jean de (1593-1649) Brèche, Jean (1514? -1553? ) Breme, Luigi Arborio di Gattinara di (1780-1820) Bréquigny, L.-D. (17..-fl. 1748) Breslay, Pierre (fl. 1574) 32 Bret, Antoine (1717-92) Bretin, Philibert (ca. 1540-95) Breton (fl. 1789) Breton (fl. 1807) Breton de la Martinière, Jean-Baptiste- Joseph (1777-1852) Brézillac, Jean-François (1710-80) Briatte, Jean-Baptiste (fl. 1772-1802) Bricaire de la Dixmerie, Nicolas (1731-91) Briçonnet, Guillaume (1472-1534) Bridel, Jean-Louis (1759-1821) Bridel, Philippe Cyriaque (1757-1845) Bridoul, Toussaint (1595-1672) Briel, J.-H.-D. (fl. 1784-1787) Briencour(t), sieur de (fl. 1664) Brienne, Louis-Henri de Loménie de (1635-98) Brignon, Jean (1626-1712) 82, 170 Brinon de Beaumartin, Pierre de (1574- 1658) Brinon, Yves de (fl. 1577-1615) Brion, Charles de (1647-1728) Briot, Pierre (fl. 1666-70) Brisset, Roland (1560-1643) 31, 36 Brissot de Warville, Pierre-Jacques (1754- 93) Brizard, Gabriel (1744? -1793) Brodeau, Julien-Simon (fl. 1644) Broë, Pierre (fl. 1552-1584) Broë, Samuel (fl. 1678-1700) Brosse, Louis G.abrie1 (1619-85) Brosselard, Emmanuel (1763-ca. 1840) Brosses, Charles de (1709-77) Broussonet, Pierre-Marie-Auguste (1761- 1807) Brugière de Barante (1670-1745) Bruhier d’Ablaincourt, Jean-Jacques (? - 1756) Brühl, Friedrich Aloysius von (1739-93) 75, 76, 77, 166 Brühl, Hans Moritz von (1736-1809) Bruix, Chevalier de (1728-80) Brumoy, Pierre (1688-1742) Brun, Antoine (1599-1654) Brunel, Simon (fl. 1544) Brunet, Jean (fl. 1763) Brunet, Joseph (fl. 1741-43) <?page no="233"?> 227 Bruslé de Montpleinchamp, Jean- Chrysostome (1641-1724) Bruté de Loirelle, (? -1783) Brutel de la Rivière, Jean-Baptiste (1669- 1742) Bruys, François (1708-38) Bruzeau, Paul (fl. 1673-1740) Bruzen de la Martinière, Antoine- Augustin (1682-1746) Brye, de (fl. 1695) Budé, Louis (….-1552) 35 Bueil, Claude de (fl. 1625-37) Buet, Charles (1846-1897) 136 Buffardin, Sextius (fl. 1796) Buffier, Claude (1661-1737) 53 Buffon, Jean-Louis Leclerc de (1707-88) 67, 107, 109 Bullandre, Simon de (1545-fl. 1581) Bure de Saint-Fauxbin, de (1741-1824) Burette, Pierre-Jean (1665-1747) Burnand (fl. 1741) Bursay, L. de ? (? -1807) 77, 114, 167, 169 Bussy-Rabutin, Roger de Rabutin, comte de Bussy, dit (1618-1693) Butel-Dumont, Georges-Marie (1725-88) Butini, Jean-François (1747-1805) 130 Cabanis, Pierre-Jean-Georges (1756- 1808) 113 Cacault, François (1743-1805) 77, 107, 167 Cachet, Jean (1597-1634) Cadenet, Pierre de (1598-1664) Cadet-de-Vaux, Antoine-Alexis-François (1743-1828) 169 Cahusac, Louis de (1706-59) 107 Caigniez, Louis-Charles (1762-1842) Cailhava de L’Estendoux, Jean-François (1731-1813) Caillard, M. (fl. 1781-1803) Caille, André (1515-80) 52 Cailleau, André-Charles (1731-98) 57, 169 Cailleau, Gilles (fl. 1538-74) Cailloue, Dénis (fl. 1649-76) Callenberg, Henri de/ Heinrich von (1744-95) Calvin, Jean (1509-64) 9 Camaille-Saint-Aubin, M.-C. (fl. XVIIIe) Cambis-Velleron (Joseph-Louis- Dominique de (1706-72) 124 Cammaille-Saint-Aubin, Nicolas? (1770- 1832) Campagne, Alexandre-Auguste de (1701- 81) Campan, Jeanne-Louise-Henriette Genest, Mme (1752-1822) Camus de Villiers, Pierre (16..-fl. 1665) Camus, Jean-Pierre (1584-1652) 50 Camus/ Camuz, Philippe (fl. 1572-1620? ) Camuset, Joseph-Nicolas (1746-fl. 1786) Canappe, Jean (1495-1552) Canterel, Robert (fl. 1614-1619) Cantillon, Richard (1680? -1734) Cantwell, André-Samuel-Michel (1744- 1802) 114 Caoult, Walrand (fl. 1604-1606) Cappel, Ange, sieur de Luat (1586-1622) Caraccioli, Louis-Antoine (1723-1803) Cardonne, Denis-Dominique (1720-83) Carentenne, Gaspard (fl. 1577) 31 Carigny, P.D.P. (fl. 1649) Carle, Lancelot de (1508-68) Carmouche, Pierre-Frédéric-Adolphe (1797-fl. 1822) Carneau, Etienne (1610-71) Carra, Jean-Louis (1742-93) Carrière-Doisin, A., dit Croisier (fl. 1767-1790) Carrion-Nisas, André (1796-1867) Carron de Gibert (fl. 1771-1777) Casanova de Seingalt, Jacques (1725-98) Casaubon, Isaac (1559-1614) 35 Caseneuve, Louis de (fl. 1620-1626) Cassa(i)gnes, Jacques (1636-79) Cassal, Jean (15..-fl. 1592) Cassandre, François (? -1695) Castan de la Courtade, Toussaint (17..-fl. 1789) 122 Castellion, Sébastien (1515-63) Castelnau, Michel de (1519? -1592) 35 Castéra, Jean-Henri (1755-fl. 1799) 64, 69, 113, 114 Castilhon, Jean (1718-99) Castilhon, Jean-Louis (1720-92) Catel, Charles (fl. 1644) 44 Catrou, François (1659-1737) Catuélan, conte de (fl. 1776-1782) Cauvigny, François de (1588? -1648? ) Cavailhon , de (fl. 1777) Cavier, Frère Loup (fl. 1576-1585) Cayer/ Cayet, Pierre-Victor de la Palme (1515-1610) Caylus, Anne-Claude-Philippe de Tubières de (1692-1765) Cazotte, Jacques (1719-92) 67 <?page no="234"?> 228 Cedors, de (fl. 1758) Celles, Jean-Pierre de Reviglias (fl. 1646) 48 Cenamy, Charles-Candide (1651-1705) Céneau, Robert (1483-1560) Cerenville, Jeanne Eléonore de (1738- 1807) 75, 76, 77 Cérisier, Antoine-Marie (1749-1828) Cerisiers, René (1603-62) Certon, Salomon (1550? -1610? ) Cerutti, Joseph-Antoine-Joachim (1738- 92) Chabanel, Jean de (1560-1615) Chabanon de Maugris, A. J. (1736-80) Chais, Charles (1701-85) Challine, Charles (1596-fl. 1642) Challine, Denis (1613-83) Chalumeau, Marie-François (1741-1818) Chalvet, Mathieu de (1528-1607) Champagne (fl. 1746) Champflour, François de (? -1648? ) Champier, Symphorien (1472-1539) Champigny, Jean de (1712-87) Champion de Nilon, Charles-François (1724-94) Changy, Pierre de (1482-1543) Chansonnette, Claude (1497? -1550) Chanteclair/ Chantecler, Charles de (? - 1620) Chantreau, Pierre-Nicolas (1741-1808) 113 Chanut, Pierre-Martial (1611-1695) 48 Chapelain, Jean (1595-1674) 49, 56 Chaperon, Jean (fl. 1537-49) Chappelain, Geneviève (fl. 1625) Chappotin de Saint-Laurent, Michel (fl. 1745-1770) Chappuys, Antoine (1550-1611) 187 Chappuys, Gabriel (1546? -1613? ) 30, 31, 35, 36, 39, 187 Charbuy, François-Nicolas (1715? -1786) Chardon, Louis (1595-1651) 169 Charles Soillot (fl. 1468) 16 Charlot, Jacques (15..-fl. 1581) Charnes, Jean-Antoine de (1641-1728) 122 Charon, Jean (fl. 1602) Charpentier, François (1620-1702) Charpentier, Louis (17..-fl. 1768) Charpy, Gaëtan (? -1683) Charrier, Jean (fl. 1544-46) 30, 34 Chassain, Louys (fl. 1685-1705) Chassignet, Jean-Baptiste (1571-1635) Chastanier , Bénédict (1739-fl. 1797) Chastelain, Charles (1638-1712) Chastellux, François-Jean de (1734-88) 90 Chastenay de Lenty, Louise-Marie- Victorine (1770? -1738? ) Chastenet, du (fl. 1675) Chastillon, Jérôme de (? -1587) Chauffepié, Jacques-Georges (1702-83) Chaulmer, Charles (? -1680? ) Chaussier, Hector (1775-1860) Chauveton, Urbain (fl. 1579) Chavigny, Jean-Antoine de (1524-1604) Chazet, le Père (fl. 1802) Chénier, Marie-Joseph-Blaise (1764-1811) 60, 67, 94, 111, 112, 119, 121 Chéradame, Jean (fl. ca. 1517-20) Cherbuliez, Andrienne (1804-fl. 1832) 76, 169 Chéron de la Bruyère, Louis-Claude (1758-1807) Chéron, Elisabeth-Sophie, dame Le Hay (1648-1711) 51 Chéron de la Bruyère, Louis-Claude 187 Chesneau, Nicolas (fl. 1562-80) 37 Chesneau, René (1578-1617) Chevalier (fl. 1761) Chevalier, P. (fl. 1807) Chevigny, S. D. V. de (fl. 1707-ca. 1713) Chevreau, Urbain (1613-1701) Chevrier, François-Antoine (1721-62) Chevrières, Jean-Guillaume de (fl. 1731- 34) Chicheré, Pierre (fl. 1601) Chiflet, Jules (1610-76) Chiflet, Laurent (1598-1658) Chiflet, Philippe (1597-1667? ) 82, 164 Chiniac de la Bastide du Claux, Pierre de (1741-1811) Chocquet, Louis (fl. 1541) Choiseul du Plessis-Praslin, Gilbert de (1613-89) Choiseul-Meuse, Jean-Baptiste-Armand de (1735-1815) Choisy, François-Timoleon de (1644- 1724) 164 Chomedey, Jérôme de (fl. 1541-93) Chomel, Antoine-Angélique (1729-fl. 1769) Chompré, Pierre-C. (1698-1760) Choquart, Charles (15..-fl. 1562) Chrestien, Florent (1541-96) Chrestien, Guillaume (1550-1556) <?page no="235"?> 229 Chrétien de Troyes (ca. 1140-ca. 1190) 10, 18 Chrétien, Nicolas (fl. 1608) Cianeus, Loys (14..? -fl. 1568) Claude de Saint-Bernard (fl. 1613) Claude de Seyssel (1450-1520) Clausier, Jean-Louis (fl. 1741-1749) 76 Claveret, Jean de (1590-1666) Clémence de Barking (fl. ca. 1160) 17, 23 Clément, Denis-Xavier (1706-72) Clément, Jean-Marie-Benoît (1742-1812) 58, 122, 130 Clément, Nicolas (fl. 1583) Clément, Pierre (1707-67) Cochois, Nicolas (fl. 1674) Cocquard, François-Joseph (1700-1781) Coeffeteau/ Coiffeteau, Nicolas (1574- 1623) Coffier/ Coiffier de Verseux, Henri-Louis (1770-1831? ) 188 Coger, François-Marie (1723-80) Cogolin, Joseph de Cuers de (1702-60) Coignac, Joachim de (ca. 1520-ca. 1580) Col(l)et, Claude (15..? -1554? ) Col(l)in, Jean (fl. 1537-58) 29, 31, 36, 39 Col(l)in, Sébastien (1519? -1578? ) Colard Mansion (? -1484) 10, 16, 17, 24 Colardeau, Charles-Pierre (1732-76) Colbert d’Estouteville, Paul-Edouard (1688-1756) Colin, Antoine (15..-fl. 1612-19) Colin, Jacques (? -1547) Colin, Nicole (? -1608) Colladon, Nicolas (? -1586) Collange, Gabriel de (1521-72) 31 Collart, Denis (fl. 1682) Collet de Messine, Jean-Baptiste (1722- 87) Colletet, Guillaume (1596-1659) 46, 50 Colleville, Anne-Hyacinthe de Saint- Léger de (1761-1824) 74 Collin, Heinrich Josef (1731-81) 76 Collot d’Herbois, Jean-Marie (1749-96) Colomb de Saillans (? -1758) Colomiès, Paul (1638-92) Colomiez, Raymond (15..-163.? ) Colonna/ Colonne, François-Marie- Pompée (ca. 1660-1726) Combes (fl. 1750-51) Compain de Saint-Martin (fl. 1707) Conart, Louis (1612-60) Condential, Jean (fl. 1609) Condillac, Etienne Bonnot de (1714-80) 67 Conra(r)d, Olivier (fl. 1526-46) Conrart, Valentin (1603-75) Constans, Isaac (1564-1630) Constant d’Orville, André-Guillaume (1730-1800) Constant, Léonard (? -1610) Coppé, Estienne (fl. 1555) Coppier (fl. 1757) Coppin, Pierre (fl. 1636-55) Coras, Jean de (1513-72) Corbin, Jacques (1580? -1653) Cordemoy, Louis-Géraud de (1651-1722) Cormilliole, Pierre-Louis (1739-1822) Corneille, Pierre (1606-84) 47, 102, 154 Corneille, Thomas (1625-1709) 50 Cornu, Albine-Hortense Lacroix, Mme (fl. 1841) Cornuère, Gaspard (fl. 1610-22) Corrozet, Gilles (1510-68) 36 Coste d’Arnobat, Charles-Pierre (1731- 1808? ) Coste, junior (fl. 1752) Coste, Pierre (1668-1747) Cot(t)ereau, Claude (1499-1550) Cotel, Antoine de (1550-1610) Cotolendi, Charles (16..-1710? ) Coudemberg/ Coudenberg, Pierre (fl. 1575-78) Cougnée, Jacques de (fl. 1628) Coupé, Jean-Marie-Louis (1732-1818) 114 Courcelles, Pierre de (? -1581) Couret de Villeneuve, Louis-Pierre (1749-1806) Cournand, Antoine de (1747-1814) Court de Gébelin, Antoine (1725-84) Courte de la Blanchardière, abbé (fl. 1751) Courtin, Jacques de (1560? -84) Cousin-Despréaux, Louis (1743-1818) Coustard de Massi, Anne-Pierre (1741- 93) Coustel, Pierre (1621-1704) Coveliers, Félix (fl. 1869-1883) 136 Coyer, Gabriel-François (1707-82) Coyssard, Michel (1547-1623) Cramer, Charles-Frédéric/ Karl Friedrich (1752-1807) 75, 76, 77, 81, 114, 127, 169 Crappier, Antoine (fl. 1551) Crébillon, Claude-Prosper Jolyot de (1701-77) 62 <?page no="236"?> 230 Crenne, Hélisenne de (ca. 1510-ca. 1560) 34 Crespet, Pierre (1543-97) Crespin, Jean (1520-72) Creuzé de Lesser, Auguste-François (1771-1839) 78, 114, 118 Crignon d’Ouzouer, Anselme (1755- 1826) Croisilles, Jean-Baptiste de (? -1650) Crommelin, Isaac-Mathieu (1730-1815) Crousaz, Jean-Pierre de (1663-1750) Cubières-Palmezeaux, Michel de Cubières, dit (1752-1829) 187 Cuinet-Dorbeil (fl. 1781-1799) 74 Cursol, Guillaume de (? -ca. 1610) Cusson, Jean-Baptiste (1663-1732) Cuzzi, Claude de (fl. 1537-1541) Cyprien de la Nativité (=Compans, René) (1605-80) Dacier, André (1651-1722) Dacier, Anne Tanneguy Le Febvre, dame (1647-1720) 4, 50, 51 Dagoneau, G. (fl. 1608) Daignan d’Orbessan, marquis Anne- Marie (1709-1801) Daillnoy (fl. 1806) Daine, Marius-Jean-Baptiste-Nicolas (1730-1804) Dalechamps/ Dalichamps, Jacques (1513- 88) Damalis, Gilbert (fl. 1558) Damiens de Gomicourt, Auguste-Pierre (1723-90) Daneau, Lambert (1530-95) 26, 35 Dariot, Claude (1533-94) Daru, Pierre-Antoine-Noël-Bruno, comte (1767-1829) 114 Dassi/ Dassy, François (fl. 1527) Daurand-Forgues, Emile (1813-1883) 136 David, Jean-Baptiste-François-Claude (1725? -fl. 1771) 114, 169 Debonnaire, Louis (1679-1752) Deboze, François (fl. 1671-83) Decreil, Loys (fl. 1574) Deguerle, Jean-Marie-Nicolas (1766- 1824) Deguileville (fl. XIVe) Dehénault, Jean (1611? -1682) Dejaure, Jean-Elie-Bédéno (1761-99) Delage, J. (fl. 1717) Delagrange, Joseph-M. (fl. 1794) Delaigue, Etienne (? -1537) Delamarre, L. H. (fl. 1780) Delestre-Poirson, Charles (fl. 1813) Deleyre, Alexandre (1726-93) 106 Delille, Jacques (1738-1813) 60, 67, 69, 70, 130, 188 Delisle de Sales, Jean-Baptiste-Claude Izouard, dit (1739? -1816) 74 Delivoy, Timothée (fl. 1770) Delmas, Pierre (1733-90) Delpeux, Albane (fl. 1822) Delprat, Guillaume (1655? -? ) Delrieu, Etienne-Joseph-Bernard (1760- 1836) Demachy, Jacques-François (1728-1803) 169 Demalespert (fl. 1623) Démeunier, Jean-Nicolas comte (1751- 1814) 64, 69, 112, 114, 155, 158, 161, 162 Denis Foulechat (fl. XIVe) 15 Denis Piramus (fl. 1175) 11, 14, 15, 23 Denise, Louis-Tranquille (? -1742) Denon, baron Dominique-Vivant (1747- 1825) Denys de la Mère de Dieu (fl. 1616) Deroziers, Claude (fl. 1542) Derrey/ Desray/ Desrey, Pierre (1450- 1514) Dert, Gilbert (fl. 1558-61) Des Accords, Estienne Tabourot (1549- 90) Des Billons, François-Joseph Terrasse (1711-89) Des Bordes, Guillaume (fl. 1576) Des Champs (fl. 1670) Des Champs, Jean (1707-67) 104, 114, 167, 169 Des Coutures, Jacques Parrain (1645- 1702) Des Fourniers, Charles (fl. 1550) Des Freux/ Freuz, René (fl. 1561-64) Des Gallar(d)s, Nicolas (1520? -1580? ) Des Goys, Antoine (fl. 1545) Des Hayes, Jacques (fl. 1686) 169 Des Hayons, Thomas (ca. 1612-ca. 1671) Des Innocens, Guillaume (15..-ca. 1610) Des Maiseaux/ Maizeaux, Pierre (1673- 1745) Des Marets, Henry (? -1725) Des Marets, Samuel (1599-1673) Des Masures, Louis (1515-74) <?page no="237"?> 231 Des Périers, Bonaventure (1500? -ca. 1544) 26 Des Roches, Catherine (1542-87) Des Roches, Madeleine Neveu Fraudonnet (1520-87) Desbillons (fl. XVIIIe) Descazeaux des Granges (fl. 1737) Deschamps de Saucourt (? -1784) Deschamps, Emile (1791-1871) 123, 129 Deschamps, Jacques (1677-1759) Deschamps, Jacques-Marie (1750? -1826) Deschamps, Jean (1707-67) 104, 114, 169 Desfontaines, Pierre-François Guyot (1685-1745) 62, 192 Desforges, Pierre-Jean-Baptiste Choudard (1746-1806) Desgouttes, Jean (1509-1563) Désiré, Artus (1510? -ca. 1579) Deslandes, Lancelot (fl. 1756) Desmares, C. (fl. 1672) Desmarets de Saint-Sorlin, Jean (1595- 1676) 49 Desmay, Jacques (fl. 1607) Desmoulins, Laurent (145.? -1525? ) Desormes (? -1764? ) Desportes, Philippe (1547-1606) 26, 27, 36 Despreaux (fl. 1742) Desprès, Jean-Baptiste-Denis (1752-1832) 114 Desriaux, Philippe (fl. 1802) Desroches de Parthenay, Jean-Baptiste- Blaise (1690-1766) Desroziers, Cl. (fl. XVIe) Desruelles, Baudouin (1632-1702) 169 Destrees, Frère (14..-fl. 1501/ 04) 20, 31 Desvergers, Armand Chapeau, dit (fl. 1824-28) Devaux, Jean (1649-1729) Devineau de Rouvray, C.-A. (1742-1830) 122 Deyverdun, Georges (ca. 1735-1789) Dezèdes/ Dezaides, Alexandre de (ca. 1740-1792) Dhaulon (fl. 1760) Diderot, Denis (1713-84) 60, 62, 67, 68, 77, 107, 109, 167, 214 Didot, Pierre (1762-1853) Dietrich, Philippe-Frédéric de (1748-93) 169 Digard de Kerguette, Jean (1717-ca. 1780) Digeon, J.-M. (ca. 1730-1812? ) Dinouart, Joseph-Antoine-Toussaint (1716-86) Doigny du Ponceau (1750? -1830) Dolet, Etienne (1509-54) 26, 27, 33, 35, 36 Dominique (fl. 1768) Dorat, Claude-Joseph (1734-80) Doray de Longrais, Paul-Jean-Baptiste (1736-1800) 76, 170 Dorvo, Hyacinthe-Madeleine (1769- 1851) Dotteville, Jean-Henri (1716-1807) Doublet, Jean (1528-1583? ) Douin (fl. 1773) 130 Doujat, Jean (1609-88) Doullay, François (1647-1713) Dounot, Didier (1574-1640) Doye, Jean (? -1643) Drelincourt, Charles (1595-1669) Dreux du Radier, Jean-François (1714-81) 124 Dreux, P.-F. (fl. 1766-67) Drouart la Vache (fl. 1290) Drouet de Maupertuy, Jean-Baptiste (1650-1730) 123 Drouyn, Jehan (1478-ca. 1513) Du Bellay, Claude (1573-1609) Du Bellay, Guillaume (1491-1543) Du Bellay, Joachim (1522-60) 32, 33, 35, 36, 38, 102 Du Bocage 69 Du Bocage, Marie-Anne Le Page, dame (1710-1802) Du Bocage, Michel-Joseph (1707-56) Du Bocage, Pierre-Joseph Fiquet (1700- 67) Du Bois de Saint-Gelais, Louis-François (1669-1737) Du Bois, J. P. L. (fl. 1769) Du Bois, Siméon (ca.1535-ca. 1580) Du Bosc, Jacques (160.-1664? ) Du Breton, Antoine (fl. 1641) Du Buat-Nançay, Louis-Gabriel (1732- 87) Du Cambout de Pontchateau, Sébastien- Joseph (1634-90) Du Canda, Charles (1565? -ca. 1615) Du Cerceau, Jean-Antoine (1670-1730) Du Chatelet, Gabrielle-Emilie Le Tonnelier de Breteuil, marquise (1706- 49) Du Chesne, Leger (? -1588) Du Clercq, Jacques (1420-1501) <?page no="238"?> 232 Du Cortas, Jean-Baptiste (1599-1614) 169 Du Coudray, Alexandre-Jacques (1744- 90) Du Coudray, Pierre (fl. 1613) Du Cros, Simon (fl. 1628-65) Du Ferrier, Arnaud (ca. 1506-1585) Du Fort, François (fl. 1598) Du Four de la Crespelière, J. (fl. 1666-94) Du Four, Antoine (? -1509) Du Fresne de Francheville, Joseph (1704- 81) Du Haillan, Bernard de Girart (1535- 1610) Du Jardin, Bénigne, dit de Boispréaux (1689-1771? ) Du Jardin, Roland (1560-fl. 1590) Du Jarric, Pierre (1566-1617? ) 169 Du Marsais, César Chesneau (1676-1756) 107 Du Mas, Hilaire (16..-1742) Du Mas, S. (15..-fl. 1609) Du Molar, Estienne (fl. 1615) Du Mont, Paul (1532-1602) Du Montelet, Md. (fl. 1779) Du Mothier, Gérard (fl. 1668-69) Du Moulin, Antoine (1510-78) 36 Du Parquet, Marguerite (fl. 1879-89) 136 Du Pelliel, P. (fl. 1626) Du Peron de Castéra, Louis-Adrien (1705-52) Du Perron, Jacques Davy (1566-1618) Du Peschier, N. (fl. 1629) Du Petit-Puy de Roseville, A. F. (fl. 1666) Du Peyrat, Jean (1493-1550? ) Du Pin, Louis Ellies (1657-1719) Du Pinet de Noroy, Antoine (1510? - 1584? ) Du Poix, Berthelémy (ca. 1520-ca. 1570) Du Poncet, Jean-Nicolas (1666-1723) Du Pradel, Jean (fl. 1685) Du Prat de Chassigny, Melchior (1628? - 1703) Du Prat, Pardoux (1520? -1570? ) Du Préau, Gabriel (1511-88) Du Resnel, Jean-François du Bellay, sieur (1692-1761) 172 Du Rit, Michel (? -1598) Du Ryer, André (ca. 1580-fl. 1634) Du Ryer, Pierre (1606-58) 50-52, 54, 196 Du Saix, Antoine (1505-79) Du Sault, Philibert (fl. 1615) Du Souhait, François (1570/ 80-1617? ) Du Suel, François (fl. 1665-82) Du Teil, Bernard (fl. 1641-70) 171 Du Tertre (fl. 1626) Du Tillet, Jean (? -1570) Du Tronchet, Etienne (1510? -1585) 33, 35 Du Troncy, Benoît (1525? -1599? ) Du Vair, Guillaume (1556-1621) Du Val, Antoine (1520-ca. 1600) Du Val, Jean (fl. 1609) Du Val, Pierre (? -1564) Du Vigneau, Jean (fl. 1595) Dubois de Jancigny, Jean-Baptiste (fl. 1783) 169 Dubois, Francois Nicolas (fl. 1711) Dubois, J.-P.-L. (fl. XVIIIe) Dubois, Jean-Baptiste (1778-1850) Dubois-Fontanelle, Joseph-Gaspard (1737-1812) Dubourg, Victor de la Castagne, dit (1715? -1746) Dubuisson, Paul-Ulric/ Ulrich (1746-94) 113 Ducange, Pierre-Auguste Brahain, dit (fl. 1776) Duchat, Yves (fl. 1629) Duché de Vancy, Joseph-François (1668- 1704) Duchesne, André (1584-1640) Duchosal, Marie-Emilie-Guillaume (1763-1806) Ducis, Jean-François (1733-1816) 130 Duclos, Chevalier (fl. 1756) Duduit de Maizières (fl. XVIIIe) Duez, Paul (fl. 1621) Dufour, Nikolaus Graf (fl. 1787) Dugué, Yves (fl. 1638) Duguet, Jacques-Joseph (1649-1733) Duhan de Jandu, Jacques-Egide (1685- 1745) Dulac, abbé (fl. 1768) Dulon (fl. 1776) Dumaniant, Antoine-Jean-André Bourlin, dit (1752-1828) 169, 189 Dumas de la Gauterie, Guillaume (fl. 1637) Dumas, Charles-Guillaume-Frédéric (? - ca. 1780) Dumas, Hilaire (fl. 1685-1715) 47, 48, 164 Dumollard-Bert, Charles (1709-72) Dumont, Jean baron de Carlscron (1667- 1726) <?page no="239"?> 233 Dumont, Paul (1532-1602) 33, 36 Dumouriez, Charles-François (1739- 1823) 77, 81, 93, 167 Duperche, J.-J. M. (fl. 1802) Duperrier-Dumouriez, Anne-François (1707-69) 92 Dupont de Nemours, Pierre-Samuel (1739-1815) Duport du Tertre, François-Joachim (1715-59) Dupré de Saint-Maur, Nicolas-François (1695-1774) 60, 70 Dupuy, Germain (? -1713) Dupuy, Louis (1709-95) Dupuy-Demportes, Jean-Baptiste (? - 1770) Dupuys, Claude (fl. 1563) Dupuys, Claude (fl. 1647) Dupuys, Loys (fl. 1546) Durand, David (1680? -1763) Durand, Guillaume (1525-fl. 1575) Durand, Jacques (? -1614) Duranty de Bonrecueil, Joseph (1662- 1756) Dureau de la Malle, Jean-Baptiste-Joseph- René (1742-1807) 58 Durey d’Harnoncourt, Pierre (1681-1765) Durey de Meynières, Octavie Guichard, dame Belot, présidente (1719-1805) Durey de Morsan, Joseph-Marie (1717- 95) Durival, Jean-Baptiste Luton, sieur (1725- 1810) Durival, Nicolas Luton (1723-95) Dusaulx, Jean (1728-99) Dutens, Louis (1730-1812) Duval, Alexandre-Vincent Pineu (1767- 1842) 107, 114, 119 Duval, Antoine (1520-ca. 1600) Duvau, Auguste (1771-1831) 77, 167 Duverdier, Antoine (1544-1600) Duvernet (fl. 1788-92) Duvernoy, Jean-Jacques (1709-1805) Duvoule, F. (fl. 1689) Eberts, Johann Heinrich (fl. 1759-89) 77, 167 Echard, Michel dit Abbé de Commanville (16..-1708) Edoard, Nicolas (15..-156.? ) Ehlers, Martin (1732-1800) Eidous, Marc-Antoine (ca.1724-1790) 64, 67, 69, 78, 83, 86, 107, 108, 109, 164, 167 Elie de Wincestre (fl. 1140) 17 Elisabeth Christine, Preuß. Königin (1715-97) 76 Elisée de Sainct-Bernard = Pacharon, Pierre (1598-1669) Emery, Jacques-André (1732-1811) Enanchet (fl. XIIIe) 15 Ennetières, Jean d’ (1585-1661) Esmenard, Joseph-Alphonse (1769-1810) Esne de Bethencourt, Michel d’ (1540- 1614) Espence, Claude d’ (1511-71) Espinaud, I. d’ (fl. 1601) Estienne, Charles (ca. 1504-64) 35 Estienne, François II (1536-82) Estienne, Henri II (1531-1598) 26 Estienne, Robert I (1503-59) 26, 27, 35, 37 Estienne, Robert III (1560-1630) Estourneau, Jacques (fl. 1571) Esturmy de Villecour, René (fl. 1676) Eudemar, François (? -1635) Eustache Deschamps (ca. 1345-1404) 18 Evrart de Conty (fl. 1357-80) 11 Evrart de Kirkham (fl. 1145) 17 Fabre d’Olivet, Antoine (1768-1825) Fabre, Antoine de Colines (fl. 1532) Fabre, Jean-Claude (1668-1753) Fabrot, Charles-Annibal (1580-1659) Faesch, Georg Rudolf (1715-87) 76 Fagnan, Marie-Antoinette (1710? -1770? ) Falconet, Etienne-Maurice (1716-91) Fallet, Nicolas (1746-1801) Falques/ Fauque de la Cépède, Marianne- Agnès Pillement, dite Mlle (1721? - 1773) Fame, René (1499? -1540? ) 39 Famin, Pierre-Noël (1741-1830) Fantin-Desodoards, Antoine-Etienne- Nicolas (1738-1820) Faret, Nicolas (1596? -1646) Fassardi, François (15..-fl. 1609-11) Fauchet, Claude (1530-1601) Fauvel, Pierre-André de (fl. 1670) Fauvelet de Bourienne, Louis-Antoine (1769-1834) Favart, Charles-Simon (1710-92) Favier du Boulay, Henri (1670-1753) Favier, Jean-Louis (ca. 1710-1784) <?page no="240"?> 234 Favoral, de (15..-fl. 1610) Fayard, Ervé (fl.1548) Faydit, Pierre-Valentin (1644-1709) Faye, jeune (fl. an VIII) Félibien, André (1619-95) Félix (fl. 1770) Feller, François-Xavier de (1753-1802) Féraud, Jean-François (1725-1807) Féret, Denys (1573-1630) Ferraige, Jacques (15..-fl. 1623-24) Ferrand, Antoine-François-Claude (1741- 1825) Feuillet, Marie-Madeleine (1650? -fl. 1691) 51 Feutry, Aimé-Ambrose-Joseph (1720-89) 69, 130 Fichet, François (fl. 1635) Figuier/ Figueyra, Bernard (fl. 1628) Filleau de Saint-Martin, François (1632- 1695? ) Filleau, Jean (ca. 1520-1614) Fléchier, Valentin-Esprit (1632-1710) 50 Fleuriau, Chevalier de (fl. 1754) Fleuriot, Jean-Marie-Jérôme, dit Marquis de Langle (1749-1807) Fleury, Claude (1640-1723) Flint, James Mather (fl. 1726) Florian, Louis-Pierre de (1755-94) Flory de Riquebourg-Trigault, David (1577-1628) Foix-Candale, François de (1511-94) Fontaine de Saint-Fréville, Louis (1749-fl. 1784) Fontaine, Charles (1513-89) 25, 31 Fontaine, Nicolas (1625-1709) 52, 164 Fontaine-Malherbe, Jean (1740? -1780) 130 Fontallard, Jean-François de (ca. 1775-fl. 1814) Fontanes, Louis-Jean-Pierre de (1757- 1821) Fontanieu, Gaspard-Moïse-Augustin de (1693-1767) Fontanon, Antoine (fl. 1576-1590) Fontefoide, de (fl. 1703) Fontenettes, Louis de (1612-61) Fontenu, Louis-François de (1667-1759) Fonteny, Jacques de (157.-165.) Forgues, Paul-Emile Daurand (fl. 1813- 83) 136 Formey, Jean-Henri-Samuel (1711-97) 68, 72, 76, 77, 78, 83, 94, 104, 107, 109, 167, 168, 169 Fornier, Jean (1530? -1584? ) Foucault, Cyre (fl. 1597) Fougasses, Thomas de (fl. 1608-15) Fougeret de Montbron, Louis-Charles (? - 1761) Fougerolles, François de (? -1620) Fougeroux de Bondaroy, Auguste-Denis (1732-89) Foul(l)on, Abel (ca. 1513-fl.1544) 38 Fourneau, Matthieu-Lambert (fl. 1780) Fournier de Tony (fl. 1785) Fournier, Barthélémy (fl. 1577) Fraischot/ Freschot, Casimir (1640? -1720) Framery, Nicolas-Etienne (1745-1810) 91, 121 Franc, Louis (1596-1676) François de Neufchateau, Nicolas-Louis (1752-1828) François de Saint-Claude (fl 1672) Frasnay, Pierre de (1676-1753) Fréart, Roland (1606-76) Frédéric II (1712-86) 72, 95, 102 Frenais, Joseph-Pierre (? -1788) 64, 69 Fréret, Nicolas (1688-1749) Fresnoy, seigneur de (fl. 1582) Frey (des Landres), Johann-Rudolf (1727-1799) 78, 170 Friedel, Adrien-Chrétien (1753-86) 76, 77, 79 Frieswinkel, J. D. = Friéville (fl. 1818) 76 Frizon, Pierre (fl. 1621) Fromaget, Nicolas (? -1759) Frontignières, de (fl. 1684-86) Fumée, Martin (? -1562) 187 Fuss, Nicolas von (1755-1826) Fuzy, Antoine (1560-1628) Gabiot, Jean-Louis (1759-1811) Gabriel de la Croix = Lecomte, Gaspar (1617-97) Gabriel de Saint-Malachie = Gemme (? - 1657) Gacon, François (1667-1725) Gagnier, Jean (ca. 1670-1740) Gain de Montagnac, Louis-Laurent- Joseph (1731-80? ) Galaut, Jean (1575-1605) Galiani, Ferdinand (1728-87) Galland, Antoine (1646-1715) Galland, Julien-Claude (fl. 1757) Galli de Bib(b)iena, Jean (1709-63) Galtier, Jean-Louis dit Galtier de Saint- Symphorien (1720? -1782) <?page no="241"?> 235 Ganay, Jean de (? -1549) Ganes, de (fl. 1630) Garay de Montglave, Eugène-François (1796-1878) Garcin, Jean-Laurent (1733-81) Garon, Louis (1574? -1636) Garrigues de Froment (fl. 1751) Garros, Pey de (ca. 1530-81) Garve, Christian (1742-98) 76 Gasc, Jean-Charles (1780-1848) 77, 167 Gaspard d’Auvergne (ca. 1535-ca. 1596) Gaspard de la Mère de Dieu (fl. 1644-45) Gau(l)tier de Saint-Blancard, François de (fl. 1744) Gaubier de Barrault, Sulpice-Edme (? - 1773) Gaubil, Antoine (1689-1759) Gaudard/ Goudas, Benjamin (fl. 1745) Gaudin, Jacques-Maurice (1740? -1810) Gault de Saint-Germain, Pierre-Marie (1754-1842) Gaulteron de Cenquoins, Guillaume (fl. 1544) Gaultier 158 Gaultier, Jacques (1560? -1636) Gaultier, René (1560? -1638) 155 Gauné de Cangy, (fl. 1763) Gauthier de la Peyronie (ca. 1740-1804) Gautier de Coinci (1177-1236) 15, 18, 19, 23 Gautier de Montdorge, Antoine (1700- 68) Gautier le Breton (fl. 1347) Gazon-Dourxigné, Sébastien-Marie- Mathurin (ca. 1710-1784) Gedoyn, Louis (15..-1628) Gédoyn, Nicolas (1667-1744) 56, 58 Geffrey Gaimar (fl. 1147-51) 14, 15 Gemma, Regnier (1508-55) Genebrard, Gilbert (1537-97) Genest, Edme-Jacques (? -1781) Gentillet, Innocent (1535-95) 82, 164 Geoffroi des Nés (fl. 1326) 19 Geoffroy, Etienne-François (1672-1731) Gerbais, Jean (1629-99) Gerberon, Gabriel (1628-1711) Gerhardt, Charles-Frédéric (1816-56) 77, 167 Germes, Gilles de (fl. 1610) Gervais, Martin (1515-85? ) Gervaise, François-Armand (1660? -1751) Geuffroy, Antoine (fl. 1543) Gibelin, Jacques (1744-1828) Gide, André (1869-1951) 133, 142, 154, 174, 175 Gilbert, Gabriel (1620? -1680? ) Gilbert, Nicolas-Joseph-Laurent (1751- 80) Gillebert de Cambres (ca. 1200-1250) 12 Gilles le Bouvier ((1386-1460) 17 Gillet de Moivre, Jean-Baptiste (fl. 1727- 44) Gillet, Pierre-François (1648-1720) Gin, Pierre-Louis-Claude (1726-1807) Ginguené, Pierre-Louis (1748-1816) 119 Girard de Propiac, Joseph-F. (1759-1823) Girard, Antoine (1603-80) 169, 170 Girard, Claude (? -1690? ) Girard, Guillaume (? 1663) Girard, Roger (fl. 1606) Girard-Raigné, R. (fl. 1790) Giraud, Antoine (fl. 1623) Giraud, Claude-Marie (1711-80) Giraud, Jacques (fl. 1603-04) Girault, Gilbert (1627-89) Girodon, Antoine (fl. 1672) Giry, François (1635-88) Giry, Louis (1596-1665) 50, 155, 158, 160, 163, 196 Glen, Jean-Baptiste de (1552? -1613) Gobillon, Nicolas (fl. 1662) Godard de Beauchamps, Pierre-François (1689-1761) Godeau, Antoine (1605-72) 50 Godescard, Jean-François (1728-1801) Godin, Nicolas (fl. 1514-25) Goertz, Jean-Eustache de (1737-1821) 76 Goeurot, Jean (? -1551? ) Goffaux, François-Joseph (1755-1836) Gohor(r)y, Jacques (1520-76 ) 36 Goibaud(-Dubois), Philippe (1626-94) 50, 52 Golefer, Gilbert de (fl. 1620-67) 45, 46, 54 Gomberville, Martin Le Roy de (1600- 1674) 50 Gomez de Vasconcellos, Louise- Geneviève de = Mme Grillot de Beaucour (? -1718) 51 Gomez, Madeleine-Angélique dame Gabriel de (1684-1770) Gondot, Pierre-Thomas (fl. 1752-60) Gonnelieu, Jérôme de (fl. 1712) 170 Gontier, Antoine-Ignace (fl. 1681) Gosselin, Jean (ca. 1510-1604) Goudar, Pierre-Ange (1720-91) <?page no="242"?> 236 Goujet, Claude-Pierre (1697-1767) 124 Goulart, Simon (1543-1628) 30, 35, 36, 82, 164 Goulu, Jean = Jean de saint-François (1576-1629) Goupil, Jacques (1525? -1564) Gourcy, François-Antoine-Etienne de (ca. 1720-ca. 1794) Gourlay de Kéralio (fl. 1757) Gournay, Marie Le Jars de (1566-1645) 51 Grainville, Jean-Baptiste-Christophe (1760-1805) 114 Grancolas, Jean (1660? -1732) Grandval, Charles-François Ragot de (1710-84) Grandvoinet de Verrière, Jules-Claude (? - 1745) 121 Granet, François (1692-1741) Grangier, Balthazar (fl. 1580-96) Granié, Pierre? (fl. 1785) Granjon, Ambroise (? -1686) Grasset, François (1722-89) Grasset-Saint-Sauveur, Jacques (1757- 1810) Grégoire, Henri-Baptiste (1750-1831) Grégoire, Martin (? -1552) Grellet-Desprades, Joseph (1733-1810) Grenaille, François de (1616-1680? ) Gresset, Jean-Baptiste-Louis (1709-77) Grévin, Jacques (1538-70) 35 Griffet de Labaume, Antoine Gilbert dit (1756-1805) 69, 78, 81, 83, 114, 121, 188 Grillet, Jean (1624-77) Gringore, Pierre, dit Vaudemont (1475? - 1539) Grognet/ Grosnet, Pierre (? -ca. 1540) 31 Grosley, Pierre-Jean (1718-85) Gross, Albrecht David Gabriel von (fl. 1783) Grou, Jean-Nicolas (1731-1803) Grouber de Groubentall de Linière, Marc-Ferdinand (1739-1815? ) Grouchy, Nicolas de (1509-1572) 35 Grouvelle, Philippe-Antoine (1757-1806) 74, 113, 118 Grozelier, Nicolas (1692-1778) Gruget, Claude (1525-60) 34, 36 Gruvel, Dr (17..-fl. 18..) Guasco, Octavien de (1712-81) Guedeville, Nicolas (1654-1721? ) Guéneau de Montbeillard, Philibert (1720? -1785) Guénée, Antoine (1717-1803) Guérin, François (1681? -1751) Guérineau de Saint-Péravie, Jean-Nicolas- Marcelin (1735-89) Guéroult, Guillaume (1507-69) Guerrier, Jean (fl. 1630) Gueudeville, Nicolas (1654? -1721? ) Gueullette, Thomas-Simon (1683-1766) Gui de Cambrai (fl XIIIe) Guibaudet, François (fl. 1591) Guibert, Louise-Alexandrine de (1765? - 1826) 114 Guide, P. H. (fl. 1544) Guilbert, Pierre (1697-1759) Guillaume Coquillart (1452-1510) Guillaume de Meerbeke (? -ca. 1300) 17 Guillaume de Poitiers (fl. 1556) Guillaume de Tignonville (fl. 1401-08) Guillaume Deguileville (1295-ca. 1358) Guillaume le Clerc (fl. ca. 1210) 24 Guillaume le Menand, Frère (fl. 1487) Guillaume Tardif (1440-92) 16 Guillaume Yvoire (fl. 1479) 16 Guillebert, Nicolas (fl. 1617-53) Guillemard, Louis-Nicolas (1729? -1802) Guilleragues, Gabriel-Joseph de la Vergne de (1628-85) Guillet de Saint-Georges, Georges (1625? -1705) 187 Guillevic, Eugène (1907-97). 138 Guiot de Provins (fl. 1206) Guiraud, F. (fl. 1639) Guiraudet, Charles-Philippe-Toussaint (1764-1804) 112, 114 Guischardt, Charles-Théophile (1724-75) Guizot, Jean-Jacques (1739-1835) Gutteri/ Guttery, Gabriel de (ca. 1550- 1589) Guttery, Jean de (? -1581) Guy de Cambray (fl. ca. 1225-1250) 19 Guyard des Moulins (1251-97) 9 Guyon, Claude-Marie (1699-1771) Guyon, Ferdinand (fl. 1631-32) Guyon, Jeanne Bouvier de La Mothe, dame (1648-1717) Guyot, Alexis-Toussaint (? -1734) Guyot, Thomas (fl. 1666-78) 51 Guyot-Desherbiers, Claude-Antoine (1745-1828) 187 <?page no="243"?> 237 Guyton de Morveau, Claudine Poulet, Mme Picardet puis Mme (ca. 1770- ca. 1820) Guyton de Morveau, Louis-Bernard (1737-1816) 156 Guytot/ Guitot, Jean (fl. 1571-1582) 31 Habert, François (1520-62) 29, 155, 158, 160 Hallier, Jacques (? -1683) Hardion, Jacques (1686-1766) Hardouin, Jean (1646-1729) Hardouin, Jean-Etienne (1735-fl. 1794) Hardy, Claude (1604? -fl. 1614) Hardy, Sébastien (fl. 1617-1650) Harel, Maximilien-Marie, dit le P. Elie (1749-1823) 93, 123 Harlay, Achille de (? -1657) Harlay, Christophe de Beaumont de (fl. 1603-05) Harlay, François de (1585-1653) Harny de Guerville (17..-1788) Harrepeter, Johann Conrad (1735-94) 76 Haudent, Guillaume (? -1557) 34 Haudry, Mlle (fl. 1786-88) Hay du Chastelet, Paul (1592-1636) Hedelhofer, Jean-François (fl. 1787-an XI) 76 Hédelin, François (1604-76) Hedgeland, Isabella (fl. 1801) Heinzmann, Johann Georg (1757-1802) Hélaine, abbé (fl. 1773-77) Hellot, Jean (1685-1766) Hellot, Jean (fl. 1651) Hémard de Danjouan, Claude-Charles (1690-fl. 1736) Hénault, François (fl. 1664) Hennequin, Aimar (1544-96) 31 Hennequin, François (fl. 1651-77) Henri d’Arci (fl. 1250) Henri de Gauchy (fl. 1282) 11 Henri de Mondeville (fl. 1285-1314) 17 Herberay des Essarts, Nicolas d’ (14..- 1557) 189 Héret, Mathurin (1518-85) Héris, C. de, dit Coqueriomont (fl. 1595) Hérissant, Louis-Théodore (1743-1811) Hermant, Godefroy (1617-90) Hermilly, Vaquette d’ (1710-73) Hernandez, Philippe (1724-82) Héroët, Antoine (1492-1568) Hersent/ Hersan, Charles (? -1660? ) Hervet, Gentien (1499-1584) 26, 31, 32, 35, 39 Hess, Ludwig von (1756-1823) 76 Hesteau, Clovis (fl. 1584-1623) Heubel, Johann Georg (1722-1762) Hilaire, Claude (fl. 1544) Hobier, Ithier (? -1644) 82, 164 Hoffman, François-Benoît (1760-1828) Holbach, Paul-Henri-Dietrich d’ (1723- 89) 56, 60, 64, 67, 68, 69, 72, 76, 77, 84, 86, 107, 109, 110, 167, 169 Hornemann Fr. K. (fl. 1803) Hornot, Antoine (17..-fl. 1757) Hotman 53 Hotman, Antoine (1525? -1596) 34 Hotman, François (1524-89) Hotman, Jean (1552-1636) Hottinger, Johann Jacob II (1740-1819) Huart, Claude (? -1727) Huber, Mich(a)el (1727-1804) 72, 76, 77, 78, 82, 114, 167, 168, 169 Hübner, Johann d. Ä. (1668-1731) Hugo, Charles-Louis (1667-1729) Huisseau, Jean d’ (? -1672) Huon le Roi (fl. ca. 1270-75) Hurtault, Pierre-Thomas-Nicolas (1719- 91) Imbert, Guillaume (1743? -1803) Imbert, Jean (ca. 1522-fl. 1559) Isenflamm, Jakob Friedrich (1726-93) 76 Ivernel, Philippe (fl. 1971-2006) 144 Ivry, Jean d’ (1472? -1547? ) Jaccottet, Philippe (1925-….) Jacob, Paul (16..-fl. 1647-1652) Jacquemart, Nicolas-François (1735-99) Jacquemot, Théodore (1597-1676) Jacques de Saint-Dominique = Maison, Charles (1617-1704) Jacquet, Jean-Martin (fl. 1679) Jacquet/ Jacquin, Jacques (fl. 1613-23) Jager, Jean-Nicolas (1790-1868) Jamet, Pierre-Charles (1701-81) Jamin/ Jamyn, Benjamin (ca. 1545-fl. 1566) Jamyn, Amadis (1540-93) Janiçon, François-Michel (1674-1730) Jansen, Hendrik (1741-1812) 78, 169, 171 Jant, Jacques de (1626-76) Jardin, Thomas (fl. 1584) Jaubert, Pierre (1715? -1780? ) Jaudin, Guillaume (fl. 1546) <?page no="244"?> 238 Jauffret, Louis-François (1770-1850) 114 Jaussaut, Louis de (1580-1665) Jean = Johannis (fl. 1206) Jean Courtecuisse (ca. 1350-1423) 17, 19, 24 Jean Daudin (? -1382) Jean de Flixécourt (fl. 1262) Jean de Harenc (fl. 1282-85) Jean de Hersin (fl. 1489) Jean de Meun, Jean Clopinel dit (ca. 1250-fl. ca. 1275-98) 10, 18, 24 Jean de Rély (1430-99) 9 Jean de Rovroy (fl. 1440) Jean de Saint-Denys (fl. 1529) Jean de Salesbury (ca. 1110-80) Jean de Sy (fl. 1350-80) 9 Jean de Vignay (ca. 1282-1350) 9, 10, 16, 17, 20, 24 Jean Drouin (fl. XVe) Jean du Chastelet (fl. 1260) Jean Duchesne (fl. 1472) 10, 18 Jean Gerson (1384-1434) 17 Jean Golein (1320-1403) 16 Jean Le Begue (fl. 1445) Jean Mielot (fl. 1448-63) 16, 18, 19, 24 Jean Wauquelin (fl. 1450) Jean, de Neufchâteau (fl. 1389) Jehan Belet (fl. ca. 1300) Jehan Corbichon (fl. 1372) Jehan de Hersin (fl. XVe) Jehan de Prouvile (fl. ca. 1300) Jehan Fleury (fl. 1493) 18 Jehan Freron (fl. 1347) Jehan Le Long (fl. 1351) Jean Malkaraume (fl. XIIIe) 9, 15, 18 Jennis, Lucas (fl. 1616) 169 Jérôme, C. (1761-1808) Jobé, Jean-Baptiste (16..-fl. 1686) Jofroy de Watreford (fl. 1300) Johnstone, Charles (fl. XVIIIe) Joly, Claude (1607-1700) Joly, Jean-Pierre de (1697-1774) Joncourt, Elie de (1700? -1775) 69 Josse, Louis (1685-1749) Joubert, Laurent (1529-82) Joulet de Chastillon, François (1550? - 1627) Jourdan, Antoine-Jacques-Louis (1788- 1848) 77, 167 Jourdan, Jean-Baptiste (1711-93) Jouye, Charles (15..-fl. 1615-23) Juillard, Laurent dit abbé Du Jarry (1658? -1730) Juliani, Anselme (fl. 1546) Julien, Frère (fl. 1484) 18 Julyot, Ferry (? -1557) Junker/ Juniker, Georg Adam (1720-1805) 76, 78 Jurain, Henri (fl. 1703-55) Jurieu, Pierre (1637-1713) 50, 54 Justinien de Tours = Febvre, Michel (ca. 1640-fl. 1684) Kentzinger, abbé François-Joseph de (1757-1839) 167, 169 Keralio, Louis-Félix Guinement de (1731-95) Kerquifinen, Claude de (? -1584? ) Kilg, Georges-Louis (1745-1816) 76 Kolbe, Carl Wilhelm (1759-1835) 76 König, Frédéric (fl. 1780-82) 76 Koraès/ Korais/ Coray, Adamantios (1748-1833) Kruthoffer, Franz (1740-1815? ) L’Alement, Jean (fl. 1549) L’Allemand (fl. 1776) L’Ardeur, Nicolas de (fl. 1552-85) L’Ecuy, Jean-Baptiste (1740-1834) L’Esperonnier, Jean (fl. 1548) L’Héritier (fl. XVIIIe) L’Héritier de Nouvelon, Nicolas (1613? - 1680) L’Héritier de Villandon, Marie-Jeanne (1664? -1734) 51 L’Héritier, Alexandre-Joseph (fl. 1772) La Barre de Beaumarchais, Antoine de (? - 1757) La Barre, Jean de (fl. 1670-1711) La Beaumelle, Laurent Angliviel de (1726-73) La Bléterie, Jean-Philippe-René de (1696- 1772) 121 La Boétie, Etienne de (1530-68) 34 La Bruyère, Jean de (1645-96) 49, 50, 154 La Borde, Adelaide de (fl. 1785) La Borde, Jean-Bejamin de (1734-94) La Bouthière, Georges de (fl. 1553-56) La Brosse, de (fl. 1612-27) La Brosse, François-Gilbert de (fl. 1582- 99) La Chaise, J. (fl. 1799-1800) La Chapelle, Armand Boisbeleau de (1676-1746) 69 La Chassagne, Geoffroy de (fl. 1582-94) <?page no="245"?> 239 La Chétardie, Joachim Trotti de (1636- 1714) La Coste, Nicolas de ? (? -1670? ) La Coudraye, François de (fl. 1537) La Croix, Antoine de (1598-1641) La Croix-Christ, Guillaume (fl. 1663) La Faille, Germain de (1616-1711) La Faye, Antoine de (fl. 1593-1615) 35 La Faye, L. R. (fl. 1789-1802) La Flotte, de (fl. 1765-73) La Fontaine, Jean de (1621-95) 49, 154, 209 La Forest, Jean de (? -1537) La Forest, Pierre de (fl. 1537) La Forge, Georges de (fl. 1514) La Fosse, Antoine de (1653-1708) La Fosse, Je(h)an de (fl. 1557) La Fouleresse, Jean Payen de (1650-1701) La Garde, Guy de (1491-1561) La Gausie, Pierre de (fl. 1626) La Geneste, de (fl. 1632-46) 43, 187 La Grange (1738-75) La Grange, Isaac de (15..-fl. 1637) La Grange, Nicolas de (1707-67) La Gravière, Jean-Laurent-Claude de (1737-fl. 1783) La Gravière, Laurent de (fl. 1558) La Grue, Thomas de (1620-80) La Guesnerie, Charlotte-Marie-Anne Charbonnière de (1710-85) La Harpe, Jean-François de (1739-1803) 60, 89, 90, 122 La Haye, Pierre de (15..-fl. 1623) La Hogue, Louis-Egidius de (fl. 1797) La Lande, Mathieu de (fl. 1538) La Landelle de St-Rémy, Jean-Baptiste de (1666-fl. 1736) La Luzerne, César-Henri de (1737-99) La Martellière, Jean-Henri-Ferdinand (1761-1830) 76, 77, 85, 118, 167, 168 La Mettrie, Julien Offray de (1709-51) La Monnerie, de (fl. 1731) La Montagne, Jean de (1590? -fl. 1655) La Montagne, Pierre Latour de (1755- 1825? ) La Morlière, Charles-Jacques-Louis- Auguste de la Rochette de (1719-85) La Mothe le Vayer, François de (1588- 1672) 50 La Mothe Le Vayer, François de, fils (1629-64) La Motte, Antoine Houdar de (1672- 1731) 4 La Mottraye, Aubry de (1674? -1743) La Noue, Pierre de (15..-fl. 1617) La Paumerelle, B. de (fl. 1770) La Perrière, Guillaume de (1499? -1565) La Pillonnière, François de (fl. 1717-35) La Place, Pierre de (1520-72) La Place, Pierre-Antoine de (1707-93) 63, 67, 69 La Planche, Etienne de (fl. 1548) La Popelinière, Lancelot du Voisin de (1541-1608) 31 La Porte du Theil, François-Jean-Gabriel (1742-1815) La Porte, Luc de (fl. 1584-88) La Porte, Marc de (fl. 1622-44) La Richardière, de (15..-fl. 1617-21) 189 La Rivière (fl. 1761-62) La Rivière, de (fl. 1734) La Rivière, Jean de (fl. 1620) La Roche, Guy de (fl. 1579) La Roche, Jean-Baptiste-Louis de (1700? - 1780) La Roche, Michel de (fl. 1716-20) La Rochefoucauld, François-Alexandre Frédéric de (1747-1827) La Ronce, de (fl. 1619) La Roque, Jean de (1661-1745) La Rue, Nicolas de (fl. 1593-1622) La Salle, Adrien-Nicolas de (1735-1818) La Salle, Antoine de (1754-1829) La Salle, Pierre de (fl. 1613) La Serre, de (? -1738) La Solle, Henri-François de (? -1761) La Tapie, Jacques de (fl. 1599) La Tayssonnière, Guillaume de (153.- 158.? ) La Touche-Loisy, Jacques-Ignace de (1694-1781) 57 La Vallée du Maine (fl. 1589) La Valterie, de (fl. 1680-1711) La Vicomterie de Saint-Samson, Louis- Thomas-Hébert de (1732? -1809) La Ville, Léonard de (15..-fl. 1571) Labat, Jean-Baptiste (1663-1738) Labbe, Philippe (1607-67) Lablée, Jacques (1751-1841) Laboreau, Jean-Baptiste (? -1814) Laborie, Charles-Honoré (fl. 1802) Labrune, Jean de (16..-fl. 1693) Lacaille, André de (1515-80) Lacombe, François (1729-95) Lacombe, Jacques (1724-1811) Lacroix, Jean-Louis (1766-1813) <?page no="246"?> 240 Lafite, J.-Daniel de (fl. 1781-87) Lafite, Marie-Elisabeth Bouvée, dame de (1750? -1794) 82, 85 Laflize, Dominique (1736-93) Lagrange (fl. 1741) Lagrange, Nicolas (1707-67) Lagrave, comtesse de (17..-fl. 1803) Lahier, François (1589-1656) Laistre, Juste de (fl. 1693) Lallemant, Jacques-Philippe (1660-1748) 164, 170 Lally-Tollendal, Trophime-Gérard de (1751-1830) 111, 112, 118 Lamar(r)e, Pierre-Bernard (1753-1809) 114 Lambert, Claude-François (1705? -1765) Lambert, Jean-Gaspard de (15..-1574? ) Lancelin, de Laval (fl. 1755-74) Lancelot, Antoine (1675-1740) 123 Lancelot, Nicolas (ca. 1587-ca. 1640) Landré, Guillaume (1520? -156.? ) Langlard (fl. 1759) Languet de Gergy, Jean-Joseph (1677- 1753) Languet, Hubert (1518-81) Lanjuinais, Joseph (1730-1808) Lannel, Jean de (fl. 1625) Lantier, Etienne-François de (1734-1826) Laplonce-Richette, Etienne (15..-fl. 1616) Larbaud, Valéry (1881-1957) 133 Larben, François de (fl. 1550) Larcher, Pierre-Henri (1726-1812) Larivey, Pierre Giunta, dit de (1541-1619) 36 Larrey, Isaac de (1638-1719) 77, 167 Larroque, Daniel de (1660-1731) Larudan, abbé (fl. 1747) Lasalle, Armand-François Jouslin de (fl. 1822) Lasne, Guillaume (fl. 1544) Lattaignant, Gabriel-Charles de (1697- 1779) Laudismann, Caspar (fl. 1616-18) Laugier, Marc-Antoine (1713-69) Launay, Buhot Marc de (fl. 1978-2006) 138, 144 Launay, de (fl. 1642) Launay, Louis de (1740-1805) Launay, Pompée de (fl. 1612) Laurel, abbé (fl. 1762) Laurent de Premierfait (ca. 1380-1419) 10, 16, 17, 18, 24 Laurie, André = Paschal Grousset (1844- 1909) 136 Laus de Boissy, M.-A. de (1747-1800) Laval, Antoine (Mathé) de (1550-1631) 44 Lavale, J.-G. de (fl. XVIe) Lavallée, Joseph de Boisrobert (1747- 1816) Lavardin, Jean de Ranay de (fl. 1572-89) Lavaur, Guillaume Delort de (1653-1730) Laveaux, Jean-Charles Thibault de (1749- 1827) 77, 114, 167, 169 Lavery (fl. 1752) Le Bailly, Antoine-François (1756-1832) Le Beau, Charles (1701-78) Le Bègue de Presle, Achille-Guillaume (1735-1807) Le Bel, Philippe (fl. 1622) Le Bel, Jean-Louis (? -1784) Le Berger, Thomas (fl. 1687) Le Blanc de Guillet, Antoine Blanc, dit (1730-99) Le Blanc, Hugues (fl. 1684) Le Blanc, Jean-Bernard (1707-81) Le Blanc, Richard (1510? -1580) Le Blanc, Thomas (1599-1669) Le Blond, Jean (1502-53) Le Bon, Jean (ca. 1530-1583? ) Le Breton 53 Le Breton, Charles (1604-86) Le Breton, François (fl. 1542) Le Breton, Guillaume (? -1578) Le Breton, Jean (? -1684) Le Brun, Antoine-Louis (1680-1743) Le Carpentier, Nicolas (? -1630? ) Le Cène, Charles (1647? -1703) 53 Le Cerf, N. (fl. 1586) Le Chastelain de Crécy (16..-fl. 1666) Le Chevalier d’A(i)gneaux, Antoine (1542-1591) Le Chevalier d’A(i)gneaux, Robert (1541- 1590) Le Clerc, Jean (1657-1738) 53, 54 Le Clerc, Nicolas-Gabriel (1726-98) 97 Le Clou, Etienne (? -1616) Le Cointe, Gédéon (1714-82) Le Comte, François (fl. 1666) Le Cop, Luc (fl. 1582) Le Coq de Villeray de Rouer , Pierre- François (1703-78) Le Courayer, Pierre-François (1681-1776) Le Cozic (fl. 1753) Le Duc, Claude (16..-fl. 1698) <?page no="247"?> 241 Le Duc, Nicolas (16..? -1744) 170 Le Fe(b)vre, Turrien (1608-72) Le Febvre de Villebrune, Jean-Baptiste (1732-1809) Le Febvre, Philippe (1705-84) Le Fèvre de la Boderie, Antoine (1555- 1615) Le Fèvre de la Boderie, Guy (1541-98? ) 34, 37 Le Fèvre de la Boderie, Nicolas (1550- 1615) 26 Le Fèvre, François (? -1569) Le Fèvre, Tanneguy (1615-72) Le Franc de Pompignan, Jean-Jacques (1709-84) Le Frère, Jean (? -1583) Le Geai d’Ourxigné, Mlle (fl. 1769) Le Gendre, fils (fl. 1701) Le Givre de Richebourg, Mme (fl. 1733) Le Goulx, Pierre (fl. 1505) Le Grand, Joachim (1653-1733) Le Gros, Nicolas (1675-1751) 164, 170 Le Guay de Prémonval, André-Pierre (1716-64) 74, 77, 167 Le Hayer, Pierre (1603-1679? ) Le Jay, Gabriel-François (1657-1734) Le Loyer, Pierre (1550-1634) Le Maçon, Antoine (? -1559) 32, 39 Le Maçon, I. (fl. XVIIe) Le Maistre de Sacy, Isaac-Louis, pseud. Beuil (1613-84) 50, 52, 170 Le Maistre, Antoine (1608-58) Le Maistre, Rodolphe (1570-1632) Le Maistre. Martial (fl. 1605) Le Marcis, Pierre-Marie-Louis (1762- 1826) 112, 115 Le Mascrier, Jean-Baptiste (1697-1760) Le Masson, abbé (16..-fl. 1721) Le Masson, Innocent (1627-1703) Le Métel d’Ouville, Antoine (1590? - 1656? ) 187 Le Mierre, Antoine-Marin (1723-93) Le Muet, Pierre (1591-1669) Le Nattier, Thibaut (fl. 1614) Le Noble, Eustache (1643-1711) Le Noble, Pierre-Louis (1715-56) Le Page de Lomesnil, L. (fl. 1682) Le Paige (fl. XVIIIe) Le Peletier, Louis-Antoine (fl. 1683-85) Le Petit, Claude (1638? -1662) 47 Le Plessis-Prévost, Philippe (fl. 1553-75) Le Prévost d’Exmes, François (1729-93) Le Prévost, Robert (fl. 1556-57) 171 Le Proux (fl. 1680) Le Pul, Charles (1640-1713? ) Le Riche, Guillaume (? -1558? ) Le Roi, Henri-Claude-Marie (1720-79) Le Rouge, Georges-Louis (fl. 1759) Le Roux, François (1632-96) Le Roy de Lozembrune, François-Claude (1751-1801) Le Roy, Alard (1588-1653) Le Roy, Guillaume (1610-84) Le Roy, J. (fl. 1483) Le Roy, Jacques-Agathange (1734-1812) Le Roy, Louis (1510-77) 35 Le Roy, Pierre-Louis (1699-1774) 169 Le Royer (fl. 1619) Le Ruite, Lambert (fl. 1598) Le Sage, Alain-René (1668-1747) 57, 59, 60, 67, 89, 154 Le Sage, Georges-Louis (1676-1759) Le Scène-Desmaisons, Jacques (1750- 1808) Le Secq, J. (fl. 1612) Le Sueur, Nicolas (ca. 1545-94) Le Tellier, Geoffroy (15..-fl. 1560-61) Le Tort, François (fl. 1577) Le Tourneur, Pierre-Prime-Félicien (1737-88) 64, 69, 130 Le Vasseur, A. (fl. 1727) Le Vassor, Michel (1648-95) Le Vayer de Marcilly, Jean-François (? - 1764) Le Vergueur, Nicolas (fl. 1575) Lebas (fl. 1840) Leblanc, Estienne (fl. 1544-45) Leblanc, R. (fl. XVIe) Leblond (fl. XVIe) Leblond de Saint-Martin, Nicolas- François (1748-fl. 1782-83) Lebreton (fl. 1644) Lebrun, Charles-François (1739-1824) 114, 122, 155 Lebrun-Tossa, Jean-Antoine (1760-1837) Leclerc de Sept-Chênes (fl. 1776-1788) Leclerc, Jacques-Théodore (1692-1758) Leclerc, Michel (1622-91) Leconte de Lisle, Charles-Marie-René (1818-94) 133 Lecouppey de la Rozière, Jean-René, dit Rosières (1739-1814) Lefebure, Pierre-Guillaume de Saint- Ildefont de (1744-1809) Lefebvre de Beauvray, Claude-Rigobert (1724-fl. 1754) <?page no="248"?> 242 Lefebvre de Villebrune, Jean-Baptiste (1732-1809) 124 Lefebvre, Jean-Pierre (1943-….) 139, 144 Lefebvre, Philippe (1705-84) Lefèvre d’Etaples, Jacques (1450? -1537) 26, 27, 35, 36, 39 Legouvé, Gabriel-Marie-Jean-Baptiste (1764-1812) Legras, Antoine (1680-1751) Lemierre d’Argny, Auguste-Jacques (1760? -1815) Lemonnier, Guillaume-Antoine (1721-97) Lemonnier, Pierre-René (1731-96) Lenfant, Jacques (1661-1728) Lenglet-Dufresnoy, Nicolas (1674-1755) Lerouge, Georges-Louis (1712-179.) Leroux, Adrien (fl. 1807) Leroy, Thomas (fl. 1500-1524) 169 Les(s)eurre de Mussey (fl. 1769) Lescalopier de Nourar, Charles-Armand (1709-79) Lescalopier, Nicolas (16..-fl. 1664) Lescarbot, Marc (1570-1642? ) Lescluse, Charles de (1516? -1609) 34, 36 Lescut, Nicolle de (ca. 1505-81) Lesfargues, Bernard de (ca. 1600-fl. 1642) Leslie, John (1527-96) Lespinasse de Langeac, Egide-Louis- Edme-Joseph de (1748? -1839) Lespleigney, Thibault (1496-1567) Lesueur, J.-L. (fl. 1745) Leuze, Fr.-Ange/ Jacques? de (? -1775) Leuze, Nicolas de (fl. 1550-1598) 26 Leveling, Pierre-Théodore/ Peter Theodor von (1767-1821) 76 Levesque, C. (fl. 1693) Levesque, Pierre-Charles (1736-1812) 130 Levrin, François-Adam (fl. 1645) Lezay-Marnézia, Adrien de (1770-1814) Lezay-Marnézia, Claude-François-Adrien de (1736-1800) 106, 167 Lezeau, Simon-François de (fl. 1714) Lézin de Sainte-Scholastique = Virdoux, Pierre (1619-74) Liebault, Jean (1534? -96) Ligne, Charles-Joseph prince de (1735- 1814) 77, 167 Limiers, Henri-Philippe de (1633-1725) Limoges, Chevalier L. de (fl. 1779-85) Linage de Vauciennes, Pierre (? -1680? ) Lindblom, Gabriel Axelsson (1750-1827) Lingendes, Jean de (1580? -1616? ) Linguet, Simon-Nicolas-Henri (1736-94) Lionne, Hugues de (1611-71) Lissoir, Remacle (1730-1806) Livoy, Timothée Hureau de (1715-77) Livre, Nicolas de (fl. 1675) Lobineau, Guy-Alexis (1666-1727) Lodé, Jean (fl. 1513-1538) Loen, Johann Michael von (1694-1776) Loeve-Veimars, François-Adolphe, baron (1801-54) Loigny, de (fl. 1644) Lombard, J. (fl. 1783-89) Lombert, Pierre (? -1710? ) 46 Longchamps, Pierre Charpentier de (1740-1812) Longepierre, Hilaire-Bernard de Requeleyne de (1659-1731) Longue, Louis-Pierre de (fl. 1728) Lordelot, Bénigne (1639-1720) Loreau (fl. XIXe) 136 Lottin, Antoine-Prosper (1739-1812) Louis XIV (1638-1715) 49, 52 Loutaud, de (fl. 1665-69) Louveau, Jean (fl. 1553-1604) 31, 36 Louvencourt, François de (1568-1638) Louvet, Pierre (? -1642) 169 Lowenborch, Sibert (fl. 1532) Loys de Beauvau (1410-62) 17 Lozier, Eleuthère (fl. 1609) Lubert, Mlle de (1710? -1779? ) Lubin, Augustin (1624-95) Luce de Lancival, Jean-Charles-Julien (1764-1810) 114 Luchet, Jean-Pierre-Louis de la Roche du Maine de (1749-92) 77, 167 Lucinge, René de (1553-1610? ) Luneau de Boisjermain, Pierre-Joseph- François (1732-1802) 122 Lurbe, Gabriel de (fl. 1572-1613) Lusignan, Etienne de (1537-90) Lustrac, Louis d’Escorbiac de (1697- 1775) Lutgendorf (fl. 1784) Luynes, Guyonne-Elisabeth-Josephe de Laval-Montmorency (1755-1830) Luynes, Louis-Charles d’Albert de (1620- 90) 114 Luzac, Elie (1723-96) Lyon(n)et, Pierre (1708-89) Mably, Gabriel Bonnot de (1707-85) Macault, Anthoine de (? -1550) 29, 31, 38 Macé de la Charité (fl. 1300) 9 <?page no="249"?> 243 Macé, François (1640? -1721) 47 Macé, René (? -1752) Macer, Jean (fl. 1555) Macéré, Audebert (fl. 1567) Machault, Guillaume de (1300? -1377) Machault, Jacques de (1599-1678) Machault, Jean-Baptiste de (1591-1640) Macquard, Henri-Jacques (1726-68) Macquer, Philipppe (1720-70) Magenise, Daniel (fl. 1757) Magnon, Jean (1620-62) Mahieu le Vilain (fl. 1270) 11 Mailhol, Gabriel (1725-91) Maillard, Jean (1618-1702) Maillard, Nicolas (fl. 1588-1605) Maillet-Duclairon, Antoine (1721-1809) Mailly, Jean-Baptiste (1744-94) Maimbourg, Claude (fl. 1666) Maimieux, Joseph de (1753-1820) Mairault, Adrien-Maurice de (1708-46) Maistre, Joseph de (1754-1821) 60 Malarmé, Charlotte de Bournon de (1733-1830? ) Malassis, le P. (fl. 1725) Maldeghem, Philippe de (1547-1611) Malescot, Etienne de (fl. 1566) Malésieu/ Malezieu, André (fl. 1571) Malfilatre, Jacques-Charles-Louis Clinchamps de (1723-67) Malherbe, François de (1555-1628) 40, 46, 49, 51, 154 Malingre, Claude (1580? -1653? ) Mallarmé, Stéphane (1842-98) 133 Mallemans de Messanges, Jean (1649- 1740) Mallet 77, 81, 107, 167 Mallet, Edme-François (1713-55) Mallet, Paul-Henri (1730-1807) Malleville, Claude de (1597-1647) Malmont/ Maumont, Jean de (1505-fl. 1577) Malot, François (1708-85) Mandar, Michel-Philippe dit Théophile (1759-1823) 113, 114, 119 Mandrillon, Joseph-Henri (1743-94) Manessier, Claude-François (1613? -fl. 1665-67) Mangin, Clément Cyriaque de (1570? - 1642) Maniald, Estienne (fl. 1576) Mannoni, Olivier (1960-….) 144 Mantauffel(d), Ernest de (fl. 1789) Manzon, Jean (fl. 1769) Marandé, Léonard de (fl. 1661) Marandon, Bruno Gabriel (1758-93) Marat, Jean-Paul (1743-93) 112 Marcassus, Pierre de (1554-1664) 52 Marcel de Boudenc, J. (fl. 1624) Marchand, Jean-Henri (? -1785? ) Marchant, Loys (fl. XVIe) Marchant, Pierre (1585-1661) Marcilly, Laurent (1731-fl. 1788) Marconville, Jean de (1520-1574? ) Marcys, Fr(ançois? ) de (fl. 1649) Maréchal, Pierre-Sylvain (1750-1803) Marerre E. (fl. XVIIe) Mareschal, Jan (fl. 1577) Mareuil, Pierre (1672-1742) Margalet, Jean (fl. 1584) Margat de Tilly, Jean-Baptiste (1689- 1747) Marie de France (1135-ca. 1200) 11, 17, 18, 23 Marie, Jean-François (1738-1801) Marigné, Jean-Etienne-François (1755- 1832? ) Marillac, Michel de (1563-1632) 43, 155 Marin, François (fl. 1617) Marin, François-Louis-Claude (1721- 1809) Marlin, François (1742-1827) Marmier, Xavier (1809-fl. 1870) Marmontel, Jean-François (1723-99) 60, 67, 106 Marolles, Michel de (1600- 1681) 32, 42, 47, 52 Marot, Clément (1496-1544) 26, 27, 35, 36 Marquets, Anne de (1493? -1588) Marret, Dr Jean (fl. 1730) Marsollier de Vivetières, Benoît-Joseph (1750-1817) 169 Marsy, François-Marie de (1714-63) Marteau, François-Joseph (1732-fl. 1774) Martelange, Etienne (fl. 1626) Martial du Mans (? -1680) Martianay, Jean (1647-1717) 58 Martin , J. 155, 158 Martin (fl. XVIIe) Martin de Chassonville, S. (fl. 1707-44) Martin de Saint-Gille (fl. 1365) Martin le Franc (fl. ca. 1460) Martin, Claude (fl. 1658) Martin, Frère Jehan (fl. 1510? ) Martin, Guillaume (fl. 1608) Martin, I. (fl. 1652) <?page no="250"?> 244 Martin, Jacques (1684-1751) Martin, Jean (14..-1553) 35 Martin, Louis (fl. 1650) Martin, Simon (1595-1653) Maruc, Jean-Martial de (fl. 1668) Massac, Charles de (fl. 1603-17) Massac, Raymond de (? -1606) Massé, Jean (fl. 1552) Massiet de la Garde (fl. 1760) Massieu, Guillaume (1665-1722) Massilian, L.-Ch.-C. Mathey de (fl. 1782) Massillon, Jean-Baptiste (1663-1742) Masson de Pezay, Alexandre-Frédéric- Jacques (1741-77) Masson, Pierre-Toussaint (1715-fl. 1765) Massuet, Pierre (1698-1776) Materre, Etienne (fl. 1607) 187 Mathé, Martin (fl. 1544-59) Mathias de Saint-Jean = Eon, Jean (fl. 1626) Mathieu de Saint-Jean (fl. 1627) Mathon de la Cour, Charles-Joseph (1738-93) Matné de Morville, Mlle, dame de Rome (1747? -fl. 1773) 189 Matthieu, Pierre (1563-1621) Maubert de Gouvest, Jean-Henry (1721- 67) Maucroix, François de (1619-1708) Maugars, André (1580? -1645? ) Maugin, Jean, sieur de Richebourg, dit le petit Angevin (1545-1566? ) 29, 36 Maulay (fl. 1827) Maulaz, Mme Louise, née Jossaud d’Auby (fl. 1827) 189 Mauléon, Michel-Pierre de (fl. 1549) Maulnour(r)y de la Bastille (fl. 1716) Maupertuis, Pierre-Louis Moreau de (1698-1759) Mauprié, marquis de (fl. 1750) Maurory, Guillaume de (fl. 1708) Mauroy, Charles-Louis de (1734-1813) Mauroy, Nicolas (fl. 1527) Mauvais, Félix-Victor (1809-54) 169 Mauvillon, Eléazar de (1712-79) 99 Mauvillon, Jacob (1743-94) 76 Maydieu, Jean (fl. 1781-1787) 77, 84, 85, 167 Mayerne, Louis Turquet de (ca. 1550- 1618) Mayeur de Saint-Paul, François-Marie (1758-1818) Mechel, Christian de (1737-1817) 76, 77, 169 Mège, Antoine-Joseph (1625-91) 169 Mégelé (fl. 1788) Méhégan, Guillaume-Alexandre de (1721-66) Meigret/ Meygret, Louis (ca. 1510-1561? ) Meister, Jakob Heinrich (1744-1826) 76, 77, 85, 167 Mélicque, Jacques de (fl. 1685-1705) Melliet, Laurent (1580? -fl. 1619) Mellinet, François-Anne (1763-1807) Melon, Jean-François (1675-1738) Meney, Etienne (1631-94) Meng, de (fl. 1782) Menin, Nicolas (? -1770) Ménissier, Constant (17..-fl. 1813) Mentelle, Edme Jany (1730-1815) Menu de Chomorceau, Jean-Etienne (1724-1802) 122 Mérard de Saint-Just, Simon-Pierre (1749-1812) Mercier de Compiègne, Claude-François- Xavier (1763-1800) Mercier, Christophe = Albert de Saint- Jacques (fl. 1675) Mercier, J.-B. (fl. 1788-90) Mercier, Louis-Sébastien (1740-1814) 60, 67, 112, 130 Mercier, S. (fl. XVIIIe) Merian, Johann Bernhard (1723-1807) 76, 94, 167, 169 Mérigon, Pierre-Bertrand (fl. 1618-1652) Mersenne, Marin (1588-1648) Mery de la Canorgue, Joseph (fl. 1764) Meslé, le Jeune (fl. 1763) Mesmes, Jean-Pierre de (1516-78? ) Métezeau, Jean (1567-fl. 1610) Méthivier, Jean-Léon de (? -1697) Meunier, Jean-Antoine (1707-80) Meurier, Gabriel (1530? -1610? ) Meusnier de Querlon, Anne-Gabriel (1702-80) 58 Meyssonier, Lazare (1602-72) Mézeray, François Eudes de (1610-83) Michel de la Rochemaillet, Gabriel (1562-1642) Michel, Guillaume dit Michel de Tours (? -fl. 1521-41) 31, 32 Miggrode, Jacques de (15..-fl. 1579) Mignault, Claude (1536-1606) Mignot, Vincent (1730? -1790) Mil(l)on de Lavalle (fl. 1730-1739) <?page no="251"?> 245 Mila, Guillaume/ Wilhelm (fl. 1769) Milcent, Jean-Baptiste-Gabriel-Marie de (1747-fl. 1796) 169 Milet de Marcilly, Barthélemy (fl. 1627- 29) Millet, Jean (1513-76) 37 Millon, Charles (1754-1839) Millot, Claude-François-Xavier (1726- 85) Millot, Pierre (fl. 1646) Mingard, Gabriel (1729-86) Mirabaud, Jean-Baptiste de (1675-1760) 90, 122 Mirabeau, Honoré-Gabriel Riqueti de (1749-91) Missant, David (fl. 1502-1509) Missant, Jacques (fl. 1550) Missy, César de (1703-75) Mizault, Antoine (1510-78) Modeste de Saint-Amable, Roger (1620? - 1684) Moet, Jean-Pierre (1721-1806) Moissy, Alexandre-Guillaume Mouslier de (1712-77) Moline, Pierre-Louis (ca. 1740-1820) Molinier, Jean-Baptiste (1675-1745) Mondot, Jacques (fl. 1579) Mongault, Nicolas-Hubert (1674-1746) Monnet, Antoine-Grimoald (1734-1807) Monod, Gaspard-Joël (1717-83) Montaigne, Michel de (1533-92) 36 Montamy, Didier-François d’Arclais de (1702-65) Montenclos, Charlemagne de (fl. 1786) 122 Montereul, Bernardin de (1596-1646) Montesson, Charlotte-Jeanne Béraud de La Haye de Riou de (1738-1806) Montfaucon de Villars, Nicolas-Pierre- Henri de Montfaucon, dit (1635-73) Montfaucon, Bernard de (1651-1741) Monthenault d’Egly, Charles-Philippe de (1696-1748) Monthières, Simon de (fl. 1556) Montignot, Henri (1720? -1790) Montigny, Louis de (fl. 1626-30) Montjay, Chevalier de B. de (fl. 1793) 74 Montolieu, Jeanne-Isabelle-Pauline Polier Montlyard, Jean de (ca. 1530-1612) Montmort, le fils (fl. 1688) Montolieu, Jeanne-Isabelle-Pauline Polier de (1751-1832) Montreux, Nicolas de (1561-1610) Mont-Vert, Raoul du (fl. ca. 1520) Monvel, fils (fl. 1798) 114 Morabin, Jacques (1687-1762) Moreau de la Vigerie, Jacques (fl. 1752) Moreau de Saint-Méry, Mérédic-Louis- Elie (1750-1819) 112 Moreau de Vautour, Philibert-Bernard (1654-1737) Moreau, Etienne (1639-99) Moreau, Pierre (? -1660? ) Moreau, Pierre (fl. 1573) Moreau, René (1587-1656) Morel de Rubempré, Mme J. (fl. 1802) Morel, Frédéric, dit l’Ancien (1523-83) 26 Morel, Frédéric, dit le Jeune (1552-1630) 35, 37 Morel, Jean (1539-1633) Morel, Robert (1653-1731) Morell, Julienne (1594-1653) Morellet, André (1727-1819) 63, 90, 109, 113, 114 Morelly, Etienne-Gabriel (1718? -1778) Moret, Pierre (ca. 1630-fl. 1684) Morice, Jacques (fl. 1585-1611) Morillon (fl. 1525) Morin, Guy de (? -1538) Morin, Pierre (1531-1608) 26, 35 Morvan de Bellegarde, Jean-Baptiste (1648-1734) 52, 164 Mosneron de Launay, Jean-Baptiste (1738-fl. 1786) 107 Moue, Jean (fl. 1623-25) Mouhy, Charles de Fieux de (1701-84) 121 Moulines, Guillaume de (1728-1802) 76, 167 Mourier, Ferdinand-Louis (1754-1831) Moutonnet de Clairfons, Julien-Jacques (1740-1813) 121 Moynet, Jean (fl. 1589) Mudry, François (fl. 1644) Muller (fl. 1764-69) Mulnier (fl. 1776) Mulot, François-Valentin (1749-1804) Muret, Marc-Antoine (1526-85) 35, 38, 115 Nadal, Augustin (1659-1740) Naigeon, Jacques-André (1738-1810) Nasse (fl. 1622) Nau Rigaudrie (fl. 1608) Naudé, François (fl. 1759-95) <?page no="252"?> 246 Naudé, Philippe (1684-1745) Nausell, de (fl. 1783) Navières, Charles de (1544-1616) Née de la Rochelle, Jean-François (1751- 1838) Nepveu, Charles (fl. 1596) Nerciat, André-Robert Andréa de (1739- 1800) Nerval, Gérard de (1808-55) 4, 120, 129, 130, 132, 134, 176, 192 Nervèze, Antoine de (ca. 1570-1623? ) Niceron, Jean-Pierre (1685-1738) Nicholas de Senlis (fl. 1200) Nicolaï, Nicolas de (1517-83) Nicolas de Gonesse (fl. 1375-1401) Nicolas de La Horbe (fl. 1327) Nicole (fl. XIIIe) 15, 23 Nicole le Huen (fl. 1488) Nicole Oresme (fl. 1325-82) 11, 16, 18, 22, 154 Nicole, Claude (1611-85) 155, 158 Nicole, Pierre (1625-95) Nirel/ Nivel? , C. H. (fl. 1778-94) Nisas (fl. 1823) 189 Nivernais, Louis-Jules Barbon Mancini- Mazarini de (1716-98) 114 Nobili, Robert de (fl. 1778) Nodier, Charles (1780-1844) 128, 129 Noël, François-Joseph-Michel (1756- 1841) 113, 114 Nonnotte, Claude-François (1711-93) Norville (fl. 1671) Nostredame, Jean de (? -1590) Nouguier, Pierre de (fl. 1653) Nury, Iean de (15..-15..) Obeilh, François d’ (1634-1716) Odde de Triors, Claude (? -1585) Ogerdias, Jérôme d’ (fl. 1697) Oiseau/ Quiseau, J. (fl. 1784) Olive, Jean (1586-fl. 1638) Olivet, Pierre-Joseph Thoulier de (1682- 1768) 196 Olivetan, Pierre-Robert (1506-38) Olivier de la Haye (fl. 1426) Olivier, L. H. F. (fl. 1782-88) Olivier, Mathieu (fl. 1619-24) Orbessan, Anne-Marie d’Aignan marquis d’ (1709-96) Orléans, Pierre-Joseph d’ (1644-98) Ostervald, Jean-Frédéric (1663-1747) Oudeau, Françoise (? -1644) Oudin, Antoine (? -1653) Oudin, César (? -1625) 48, 191, 200 Outreman, Pierre d’ (1591-1611) Oye, Jean d’ (fl. 1628) Pacifique de Provins = L’Escal, René de (1588-1648) Pader, Hilaire (1607? -1667) Pagès, François-Xavier (1751-1802) Paillardelle/ Piardelle (fl. 1789) Paillet (fl. 1788) Pajon 77, 167 Pajon, Henri (17..-1776) Pajon, Louis-Esaïe (1725-96) Panckoucke, Charles-Joseph (1736-98) Panckoucke, Henri (fl. 1768) 122 Papillon, Michel (fl. 1546) Papon, Jean (1505-90) Paradin, Guillaume (1510-90) Paradis, Crespin (fl. 1620) Parent, Anne (1585-fl. 1600) 34, 51 Parent, Nicolas (? -1663) Parfaict, François (1698-1753) Parmentier (fl. 1784) Parmentier, Jean (1494-1530) Parny, Evariste-Désiré de Forges de (1753-1814) Parradin, Jean (1510-88) Pascal, Jean-Baptiste (1737-fl. 1769) Pasquet, Arnault (fl. 1557) Pasquier, Etienne (1529-1615) Pasquier, T. (fl. 1598) Passerat, Jean (1534-1602) Pastoret, Claude-Emmanuel-Joseph- Pierre de (1755-1840) Pastoret, François (1748-1800) Patrat, Joseph (1732-1801) 114, 169 Patru, Olivier (1604-81) Patu, Claude-Pierre (1729-57) Paul de Lagny (? -1694) Paul, François (1734-77) Paulmy, Antoine-René de Voyer d’Argenson de (1722-87) 88, 172 Pecquet, Antoine 125 Paumerelle, Claude-Justin de Bethmont de (1745? -fl. 1770) Pavillon, Simon George (15..-fl. 1603) Péchantrés, Nicolas de (1628-1708) Pecquet, Antoine (1704-62) Pein, Théodore (fl. 1799-1824) Pèlerin, Jean, dit le Viateur (1445-1524) Peletier 33, 36 Peletier (du Mans), Jacques (1517-83) 32, 33, 35, 36, 39 <?page no="253"?> 247 Pélissier, Romain (fl. 1775? ) Pellegrin, Simon-Joseph (1663-1745) Pelletier ,Thomas (15..-1628? ) Pellevé, Philippe de (fl.1596-1627) Pellicot, François (fl. 1660-62) Pelloquin, Nicolas (fl. 1613) Peltier, Jean-Gabriel (1765-1825) Pérachon, Marc (1630-1700) Périès, Jean-Vincent (fl. 1825) Périn, Léonard (1567-1638) Pernay, F.-Daniel (fl. 1798-1802) Perne(t)ty, Antoine-Joseph (1716-1801) 77, 167 Perrault, Charles (1628-1703) Perrault, Claude (1613-88) Perrault, Claude (fl. 1786) Perrin, François (1533? -1606) Perrin, Pierre (1620-75) 42, 46 Perrin, René (18..-19..) Perrot d’Ablancourt, Nicolas (1606-64) 40, 46, 47, 50, 155, 158, 160, 163, 196 Perrot de la Salle, Paul (fl. 1613) Perrot, François (1530? -1612? ) Persky, Serge (1870-1938) 136 Personne, André-Louis (1641? -fl. 1664) Pesselière, Pierre (fl. 1543) Pétigny de Saint-Roman, Marie-Louise- Rose Levesque, Mme (1768-fl. 1807) Pétis de la Croix, Alexandre-Louis-Marie (1698-1751) Pétis de la Croix, François (1653-1713) Petit, Jean (fl. 1672) 51 Petitpierre, Louis-Frédéric (1712-95) Peuchet, Jacques (1758-1830) Peyron, Jean-François (1748-84) Pezénas, Esprit (1692-1776) Pezzi, Francesco (fl. 1786) Pfeffel, Gottlieb Conrad (1736-1809) 76, 167 Philieul, Vasquin (1522-82? ) 34 Philippe de Thaun (fl. 1112) Philippe Camus (fl. 1482) Philippe, Etienne (1676-1754) Philippe, Odet (? -1716? ) Philon, Louis (fl. 1740) Pic, Jean (16..-. 17..) Picard, Pierre (fl. 1650-53) Pichou, de (1596? -1631) Picot, Antoine (16..? -fl. 1664) Picou, Hugues de (fl. 1650-53) Picquet, Christophe (? -1779) Pidou de Saint-Olon, Isidore-François (1646-1720) Pierre Bersuire/ Bercheure (? -1362) 13, 14, 15, 16, 23 Pierre de Beauvais (fl. ca. 1210) 20 Pierre de la Mère de Dieu = Bertius, Abraham (1630-83) Pierre de Langtoft (12..-fl. XIVe) 17 Pierre de Paris (fl. 1305) 10 Pierre de Saint-André = Rampalle, Jean- Antoine (1624-78) Pierre Desrey (1450? -151.) Pierre Hangest (fl. 1367) Pierre Rivière (fl. 1497) Pierre, Anthoine (1520? -74? ) Pierre-Thomas de Sainte-Marie = San Pedro y Ustárroz, Juan de (fl. 1669) Pierrot, Fr. (fl. XVIe) Piet, Guillaume-Louis (fl. 1774-1778) Piètre, Roland (fl. 1555-1566) Pigenat, Pierre-François (? -1590) Pilé (fl. 1763-1772) Piles, Roger de (1635-1709) Pinchart, Pierre (fl. 1599-1601) Pinchesne, Etienne Martin de (1616- 1703) Pinel de la Martelière, P.-A. (fl. 1698- 1742) Pingeron, Jean-Claude (1730? -1795) 91, 125, 126, 130 Pinthereau, Nicolas (fl. 1564) Pintrel, Pierre (fl. 1681) 51 Pissevin, Jean (fl. 1600) Pithou, Pierre (1539-96) 31 Pixérécourt, René-Charles Guibert de (1773-1844) Plaisant de la Houssaye (fl. 1776-1793) Plaix, César de (? -1641) 44 Planchette, Bernard (1609-80) Plantavit de la Pause, Guillaume (1685? - 1760) Plantin, Christophe (1514-89) Platin, Claude (fl. 1515-ca. 1539) Ploucquet, C.-M. (fl. 1788) Pluche, Noël-Antoine (1688-1761) Plumard, Louis-Joseph (1722-78) Poan de Saint-Simon, Pierre (1728? -1814) 114 Podewils, Heinrich von (1695-1760) Pohle, Jean-Christophe (1706-80) 76 Poictevin, Jean (fl. 1551-54) Poinsinet de Sivry, Louis (1733-1804) 57 Poinsinet, Antoine-Alexandre-Henri (1735-69) Pointe (fl. 1802) <?page no="254"?> 248 Poirel, Eliphas (? -1614) Poiret, Pierre (1646-1719) Poirier, Hélie (fl. 1640-47) Poisson de la Chabeaussière, Auguste- Etienne-Xavier (1752-1820) 114, 115 Poisson, Pierre (fl. 1583) Poitevin, B. (15..-fl. 1608) Poivre, Pierre (1719-86) Poix, Barthélemy de (fl. 1569) Poizeaux (fl. 1756) Poleur, Jean (fl. 1555) Polier 113, 114 Polier, Antoine de (1705-1795) Polier, Marie-Elisabeth (1742-1817) 75, 77, 81, 167 Polier de Bottens, Charles-Godefroy- Etienne (fl. 1771) Poncelin de la Roche-Tilhac, Jean-Charles (1746-1828) Poncet de la Grave, Guillaume (1725-1803) Pons de Verdun, Philippe-Laurent (1759- 1844) Pons, L. de (fl. 1766) Pontoux, Claude de (1540? -1579? ) Pontus de Thiard/ Tyard (1521-1605) 36 Port de Loup, Pierre (fl. 1573) Portelance, Michel (1732-1821) Postel, Guillaume (1510-81) Pot, Gabriel (fl. 1573/ 74)) Pougens, Marie-Charles-Joseph de (1755- 1833) 81, 113, 114, 169 Pouget, François-Aimé (1666-1723) Poullain, Valérand (ca.1520-1556/ 57) 31 Poullin de Fleins, Henri-Simon-Thbault (1745-1823) Poupart, Spiridion (fl. 1706-12) Poupin, abbé (fl. 1760) Pournas, Léonard (15..-fl. 1614) Pouvillon, Antoine de (1560-1606) Povolozky, Jacques (1881-1945) 136 Préfontaine, S.-A. (fl. 1743) Prévost de Marsilly, Paul-Antoine (fl. 1694) 164 Prévost, Antoine-François, dit Prévost d’Exiles (1697-1763) 59, 60, 62, 67, 68, 69, 102, 120, 154 Prévost, Jean (1580? -1622) Prévost, Robert (fl. 1561) Priezac, Daniel Guiny de (1590? -1662) Priezac, Salomon de, sieur de Saugües (fl. 1640-1666) Privé, E. (fl. 1504) Provanchères, Siméon de (ca. 1540-1617) Puget de la Serre, Jean (1600-1665) Puisieux, Philippe-Florent de (1713-72) 69, 155, 158 Pure, Michel de (1620-80) 53 Puys, Benoît (? -1654) Quand, Gottfried/ Geofroi (fl. 1753) 71, 72, 73, 102 Querbeuf, Yves-Mathurin-Marie Tréaudet de (1726-97) Quesnel, Pasquier (1634-1719) 54 Quétant, François-Antoine (1733-1823) Quinet, Louis (1596? -1665) Quinet, Toussaint (1625-51) Rabbi, Pierre (fl. 1616-22) Rabelleau (fl. 1760-63) 74 Rabot, Guillaume (? -1585) Racine, Jean (1639-99) 49, 95, 102, 154, 214, 215 Racine, Louis (1692-1763) Raguet, Gilles-Bernard (1668-1748) Raigner de Malfontaine, Mlle (fl. 1773) Ralle, Claude (fl. 1631-35) Rambaud, Antoine (? -ca. 1630) Ramond de Carbonnières, Louis- François-Elisabeth (1753-1817) 112 Rampalle, Daniel (1603? -1660? ) 187 Rancé, Armand-Jean Le Bouthillier de (1626-1700) Ranchin, Jacques (1616? -1692) Raoul de Presles (ca. 1314-1382) 24 Rapin, Nicolas (1539-1608) Raspe, Rudolf Erich (1736-94) 77 Rasse de Brunhamel (fl. 1456) 15, 24 Rasséguier, Clément-Ignace de (1724-97) Rauquil-Lieutaud (17..-fl. 1790) 74, 114 Ravaud, Abraham (1600-46) Raymond d’Avignon (fl. XIIIe) Raynal, Guillaume-Thomas-François (1711-96) Rayneval, Joseph-Matthias Gérard de (1746-1812) 77, 167 Raynssant, Oudart de Viezmaison (fl. 1591) Rayssiguier, N. de (fl. 1632) Re(i)nfner, Henri (fl. 1781-1803) 77 Reclam, Pierre-Christian-Frédéric (1741- 89) 77, 167 Reganhac, Géraud Valet de (1719-84) Regley, Abbé (ca. 1720-fl.1769) Régnault, J. (fl. XVIIe) Régnault, Louis (fl. 1615) <?page no="255"?> 249 Régnier, Nicolas (? -1683? ) Régnier-Desmarais, François-Séraphin (1632-1713) Reichel, Chrétien-Henri (1734-1807) 76 Rémond de Sainte-Albine, Pierre (1699- 1778) Rémond des Cours, Nicolas (? -1716) Rémy/ Rémi, Joseph-Honoré (1738-82) Renaudot, Eusèbe (1646-1720) Renault, Jacques (1598-1660) Renaut (fl. ca. 1200) 23 Renaut de Louens (fl. 1337) 10 Reneaume de La Tache, Jacques (1725- 1796) René-Perrin, Jacques-Antoine (fl. 1801) 188, 189 Renouard, Nicolas (fl. 1606-13) Renoult, Jean-Baptiste (fl. 1701) Requier, Jean-Baptiste (1715-99) 124 Rességuier, Clément-Ignace de (1724-97) Restif de la Bretonne, Nicolas-Edme (1734-1806) Rethelois, Martin (? -1683) Revigliasc, Jean-Pierre de (fl. 1646) Reyrac, François-Philippe de Laurens de (1734-82) Ribauld de la Chapelle, Jacques, dit Ribauld de Rochefort (1704-81) Ribié, César-François (fl. 1801) Ricard, Dominique (1741-1803) Riccoboni 70, 131, 198 Riccoboni, Antoine-François (1707-72) Riccoboni, Luigi (1674-1753) Riccoboni, Marie-Jeanne Laboras de Mézières, Mme (1713-92) Richard d’Annebaut (fl. 1280) 24, 155 Richard, Jérémie (17..- ca. 1800) Richelet (fl. XVIIIe) Richelet, Pierre-César (1631-98) 44, 47, 50, 53, 192, 194, 196, 197 Richer, Christophe (1523-52) Richer, Henry (1685-1748) Richer, Louis (16..-fl. 1662) Richou de Lamberdrye, Louis-Joseph (1748-1839) Richter, Christoph Gottlieb (1717-74) Ricotier, Pierre (1673? -1720? ) Rieu, Henri (1720/ 21-1787) Rieux, Antoine-Pierre de (fl. 1544) Riflant, Meury (fl. 1543) Rigaud, Antoine-François (1767-1832) Ritter, Johann Balthasar (1644-1719) Rivals, de (17..-18..) Rivarol, Antoine de (1754-1801) 67, 89, 94, 192, 193, 194, 195 Rivaudeau, André de (1538? -1580) Rivers, abbé (fl. 1756) Rivet, André (fl. 1625-52) Rivière, Edmond (1659-1746) Rivière, Jean (fl. 1570) Rivrain, Pierre (fl. 1547) Robert Gaguin (1435-1501) 10, 17, 24 Robert, Louise-Félicité Guinement de Kéralio, dame (1758-1821) 124 Robert, Marie-Anne Roumier, Mme (1705-71) Robert, Philippe (? -1594) Robin, Charles-César (fl. 1781-87) Robineau de Beaunoir, Alexandre-Louis- Bertrand (1746-1823) 74 Robineau de Boesne, Jean-Baptiste (fl. 1767) Robinet, Jean-Baptiste-René (1735-1820) Rochechouart-Mortemart, Marie- Madeleine-Gabrielle de (1645-1704) Rochefort, Guillaume Dubois de (1731- 88) Rochemore, Jacques de (1510-71) 33 Rochlitz, Rainer (1946-2002) 144 Rochon de Chabannes, Marc-Antoine- Jacques (1730-1800) 77, 167 Rocquigny de Bulonde, Henri (1718- 1810) Roger, Claude-Félix (1724-1810) Roger, Nicolas (1602-79) Roger, Pierre (fl. 1616) Roger, Urbain (? -1758) Roguenant, Jean (fl. 1616) Rohan, Marie-Eléonore de (1628-81) 51 Rolle, Jean (fl. 1630) Romain, Henry (fl. 1509) 31 Roman, Jean-Joseph-Thérèse (1726-87) 77, 78, 84, 130, 167 Romance, Germaine-Hyacinthe de (1745- 1831) Romieu, Lanteaume de (15..-fl. 1555) Romieu, Marie de (1545? 1590? ) 51 Ronsin, Charles-Philippe (1752-94) Roques dit de Maumont, Jacob/ Jacques- Emmanuel (1727-1805) Rosemond, Jean-Baptiste de (1657-fl. 1682-92) Rosny, Antoine-Joseph-Nicolas de (1771- 1814) Rosset, François de (ca. 1570-ca. 1619) 52, 82, 155, 158, 164 <?page no="256"?> 250 Rosset, Jean-Alphonse (1709-66) Rothe, Johann Justus (fl. 1769) Rou, Jean (1638-1711) Roubaud de Fresséol, Pierre-Ignace (1740-88) Roubaud, Joseph-Marie (1735-97) 123 Roucher, Jean-Antoine (1745-93) Roud, Gustave (1897-1976) 138 Rougemont, Joseph-Claude (1756-1818) 77, 167 Rouguenant, J. (fl. XVIIe) Rouhait, Pierre (fl. 1581) Rouhet, J. (fl. 1560) Rouspeau, Yves (fl. 1579) Rousseau, Jean-Jacques (1712-78) 39, 60, 62, 89, 107, 118, 121, 131 Rousseau, Pierre (1716-85) Rousseau, Thomas (1750? -1800) 113 Roussel, Guillaume (1658-1717) Rousselot de Surgy, Jacques-Philibert (1737-1791) 86 Rousset de Missy, Jean (1686-1762) Roussin, Pierre (fl. 1618) Roussy, Jean (1705-77) Rouxel, Claude (fl. 1689-1735) Roveyrol (fl. 1649) Royhier, Guillaume (1529-fl. 1554) Rozard, Nicolas (fl. 1649) Ruchat, Abraham (1678-1750) Rutlidge, Chevalier James (1743-94) Ruyr, Jean (1560-fl. 1594) Ruzé, Guillaume (1530? -1587? ) Sabatier de Cabre(s) (fl. 1769-72) Sabatier de Castres, Antoine (1742-1817) Sablier, Charles (1693-1786) Sablon, Vincent (1619-93) Sachet, Jean (fl. 1560) Saconay, Gabriel de (ca. 1500-1580) Sacy, Louis-Sylvestre de (1654-1727) 196 Sade, Jacques-François-Paul-Adonce de (1705-78) 60, 130, 180 Saint-Amand, de (fl. 1784-89) Saint-Ange, Ange-François-Fariau de (1747-1810) Saint-Blanchard (fl. XVIIIe) Sainte-Colombe, Etienne-Guillaume Colombe, dit (1725-fl. 1750-66) Sainte-Croix, Guillaume-Emmanuel- Joseph Guilhem de Clermont-Lodève de (1746-1809) 112 Sainte-Marthe, Abel de (1630-1706) Sainte-Marthe, Charles de (1512-55) Sainte-Marthe, Gaucher-Scévole de (1536-1623) Saint-Ener, abbé (fl. 1770) Saint-Evremond, Charles de Marguetel de Saint-Denis d’ (1613-1703) Saint-Foix, Germain-François Poullain de (1698-1776) Saint-Gelais, Mellin de (1491-1558) 32, 35 Saint-Gelais, Octavien de (1468-1502) 28 Saint-Germain, Charles de (fl. 1655) Saint-Germain, Chevalier de (fl. 1753) Saint-Germain, I. de (fl. 1587) Saint-Germain, Mme G. D. de (fl. 1763) Saint-Glain/ Glen, Gabriel de (1620? - 1684) Saint-Hilaire, Armand de Mormès de (1651-1740) Saint-Hyacinthe, Hyacinthe Cordonnier, dit Thémiseuil de (1684-1746) Saint-John de Crèvecoeur, Michel- Guillaume Crèvecoeur, dit (1735-1813) Saint-Jorre, C.-A. de (17..-fl. 1761) Saint-Julien de Balleure, Pierre de (1519? - 1593) Saint-Jure, Jean-Baptiste (1588-1657) Saint-Lambert, Jean-François de (1716- 1803) Saint-Laurent (fl. 1821/ 41) Saint-Marcel, André-Philippe Tardieu (1752-1834) 114, 124 Saint-Martin 77, 167 Saint-Martin de Chassonville (fl. 1707-09) Saint-Martin, Louis-Claude de (1743- 1803) Saint-Martin, Marie-Madeleine Germain de (fl. 1685) Saint-Massens, Jean de (? -1652) Saint-Michel, Marie-Madeleine Germain de (fl. 1647) Saint-Pard, abbé de = Van Blotaque, Pierre-Nicolas (1734-1824) Saint-Paterne, Pigeon de (fl. 1796) Saint-Quentin, de (fl. 1682) Saint-Réal, César-Vichard de (1629-92) Saint-Simon, Maximilien-Henri de (1720? -1799) Saix, Antoine de (fl. 1537) Salaville, Jean-Baptiste (1755-1832) Salazar, Ambrosie de (1573-1643) 53 Salbray, de (fl. 1673) Salel, Hugues (1504-73) Sales, Auguste-Charles de (1606-60) <?page no="257"?> 251 Saliat, Pierre (fl. 1537-56) Sallaire, Balthasar de (fl. 1620) Sallengre, Albert- Henri (1694-1723) Sallvard, Jean-François (fl. 1577) Salmon, abbé (? -1782) Salvemini di Castiglione, Giovanni- Francesco-Mauro-Melchiorre (1708- 91) Samson, Pierre-Auguste (fl. 1700-1709) Samxon, Jehan (fl. 1530) Sanadon, Noël-Etienne (1676-1733) Sanchamau, Jean-Baptiste (fl. 1797) Sanchez, Marcello (fl. 1751) Sanguin, Claude (? -1680) Santeul, D. (fl. 1600-1644) Sarcilly, de Montgautier, C. de (fl. 1631) Saugrain, Jean (1518-1588) Saulnier, Jean (15..-fl. 1631) Saurin, (fl. 1689-93) Saurin, Bernard-Joseph (1706-81) Sauseuil, Jean-Nicolas Jouin de (1731-fl. 1784) Sauva(i)ge, Denys (1520? -1587? ) 30 Sauvage, Thomas (1794-1877) Sauvaige, François (fl. 1520) 29 Sauvin, François (ca. 1636-1707) Savary, Claude (1750-88) Savin (fl. 1758) Scève, Claudine (ca. 1500-1551) 34 Scève, Maurice (1503-60) 154 Scheurleer, Hendrik/ Henri (16..-1741? ) Schmettau, Friedrich Wilhelm Carl von (1743-1806) Schreiber, Jean-Godefroy (1746-1827) 77 Schwab, J. C. (fl. 1781) 77, 167 Schwan, Christian Friedrich (1733-1815) 77 Scopon, Julien de (fl. 1713-1728) Scudéry, Georges de (1601-67) 49 Sébastien Mamerot (fl. 1458-88) 17 Sébillet/ Sibilet, Thomas (1512-89) 32, 33, 154 Seckendorf, S. Adebar de? (fl. 1776) Segrais, Jean Regnault de (1624-1701) 50 Seguenot, Claude (1596-1676) 46 Séguier, Nicolas (fl. 1614-1622) Ségur, Alexandre-Joseph-Pierre de (1756- 88) 112, 119, 121 Seigneux de Correvon, Gabriel (1695- 1776) 84, 94, 169 Sélis, Nicolas-Joseph (1737-1802) Sellius, Gottfried (? -1767) Selve, Claude de (1515? -fl. 1566) Selve, Georges de (1506-41) Sénac de Meilhan, Gabriel (1736-1803) Sénac, Jean-Baptiste (1693-1770) Senebier, Jean (1742-1809) 93 Senolières, de (fl. 1764) Sepher, Pierre-Jacques (1710? -81) Séran de la Tour, abbé (ca. 1700-ca. 1775) Sergent, Ambroys (fl. 1510) Sérionne, Mme de (fl. 1769) Serré de Rieux, Jean de (fl. 1739-41) Serres de la Tour, Alphonse (17..-fl. 1765- 88) Serres, Louis de (1600-fl. 1628) Sévin, Adrien (fl. 1542) Seyssel, Claude de (1450? -1520) 35, 155, 158, 159 Shchepot’ev, Semen (fl. 1773) Sibille (Pseud.) (fl. 1788) Siebert, F. (fl. 1830) Silhouette, Etienne de (1709-67) 58 Silvecane, Constant de (fl. 1669-93) Siméon, Antoine (1575-fl. 1611) Simon de Hesdin (fl. XIVe) Simon, Etienne-T., dit Simon de Troyes (1740-1818) Simon, Richard (1638-1712) Simond, Pierre (fl. 1688-1703) Sinclair(e), Baron Carl Gideon de (1730- 1803) Sinner, Jean-Rodolphe (1730-87) Sinson (1748? -1813) Sirmond, Jean (1589-1649) Smeets, A. L. (fl. 1778) Solier, François (1558-1638) Solinhac, Jean (fl. 1634) Solomeau, Pierre (fl. 1610) Sorbière, Samuel (1615-70) Sorbin, Arnaud (1532-1606) Soreau, Antoine (fl. 1663) Sorel, Charles (1582-1674) 40, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 54, 75 Sorel, Pierre (? -1568? ) Souchay, Jean-Baptiste (1687-1746) Souchay, Robert de (fl. 1545) Soulas, Hilaire (fl. 1628-1633) Soulès, François (1750? -1809) 64, 69, 113, 114 Soulfour, Nicolas de (1549-1613) Spifame, Jacques-Paul (1502-66) Spon, Jean-François de (1703-fl. 1728) Sponde, Henry de (fl. 1595-1608) Staeber, Ehrenfried (fl. 1833) <?page no="258"?> 252 Staël, Germaine Necker, Mme de (1766- 1817) 77, 120, 122, 125, 126, 131, 174, 176, 181 Starach, Jean de (fl. 1553) Sticotti, Antoine-Fabio (1708-72) Suard, Jean-Baptiste-Antoine (1734-1817) 64, 67, 69 Suarez de Sainte-Marie, Jacques (1552- 1614) 51, 53 Suckau, Wilhelm (fl. 1830-34) Sue, Pierre (1739-1816) Suhm, Ulrich Friedrich von (1691-1740) Superville, Daniel de (1657-1728) Sy, Alexandre-César-Annibal Frémin de (1745-1821) Symeoni, Gabriel (1509-70? ) Symes, Michael (fl. 1800) Tachard, Guy (1651-1712) Taillade d’Hervilliers (? -1776) Taillasson, Jean-Joseph (1745-1809) Taillepied, Noël (1540-89) Tallemant, François (1620-93) Talon, Jacques (1598-1671) Tamisier, Pierre (1541-91) Tanneguy Duchâtel (1366-1458) 10 Tannevot, Alexandre (1692-1773) Tarboicher (fl. 1712) Tarde, Jean (1561-1636) Targe, Jean-Baptiste (1714-888) Tarin, Pierre (ca. 1700-1761) Tarteron, Jérôme (1644-1720) 42, 47, 48, 49, 52 Teissier, Antoine (1632-1715) 155, 158, 167 Temporal, Louis (fl. 1556) Tencin, Claudine-Alexandrine Guérin de (1685-1749) Tende, Gaspar de (1618-97) 42, 46, 47, 48 Térond, François (1639-1720) 54 Terrasson, Jean (1670-1750) 57, 103 Testard, François (fl. 1691-94) Thaléa, Ermelinde =Marie-Antoinette de Bavière (1724-fl. 1764) Thévart, Anselme (1618-85) Thibault, François-Timothee (1701-74) Thiboust, Claude-Charles (1701-57) Thibouville, Henri-Lambert d’Erbigny de (1710-84) Thierry de Vaucouleurs (fl. ca. 1225) 20, 23 Thiersault, François (fl. 1671) Thiroux d’Arconville, Marie-Geneviève- Charlotte Darlus, dame (1720-1805) 69 Thomas Leroy (fl. 1481) Thomas, Antoine-Léonard (1732-85) Thomas, Antonin (fl. 1706) Thomas, Artus (fl. 1611-27) Thomson, George (? -1616? ) Thorel de Campigneulles, Charles- Claude-Florent de (1737-1809) 74, 90, 121 Thorentier, Jacques (1626-1713) Thourin, Georges (1540? -fl. 1585) Throt, Alexandre-Pierre (1786-1847) Thuillier, Antoine-Vincent (1685-1736) Thuring de Ryss, Henri-Joseph (1765- 18..) 189 Thyvon, abbé (fl. 1730) Tigeou, Jacques (? -1593) 26, 29 Tissot, Samuel-Auguste-André-David (1728-97) Tixier, Antoine (fl. 1653) Tod, André (fl. 1614-1630) Tolet, Pierre (fl. 1540-72) Tompère, Jean-Baptiste (fl. 1696) 42, 47 Torche, Antoine (1635-75) Torchet de Boismeslé, Jean-Baptiste (fl. 1749) Tory, Geoffroy (1480-1533) 29, 35, 192 Touchard, Jean (15..-1597) Tournes, Jean des (1539-1615) Tournet, Jean (1607-35? ) Tourval, Jean- Loiseau de (1603-31) Toussain, Daniel (1541-1602) Toussaint, François-Vincent (1715-72) 77, 107, 109, 167 Townley, Jean (1697-1782) Tranchant de Laverne, Léger-Marie- Philippe (1769-1815) 77, 167 Trédeham, Pierre (fl. 1560-80) Tremblay, Lucas (fl. 1588) Tremellius, Immanuel (ca. 1510-1580) Trenck, Friedrich von der (1726-94) Tressan, Louis-Elisabeth de la Vergne de (1705-83) 90 Tresséol, Pierre-Ignace Roubaud de (1740-88) Treuchses, Philippe-Henry (fl. 1665) 77 Trier, Gomes de (fl. 1605) Trochereau de la Berlière, Jean-Arnould (1718-fl. 1792) Tscharner, Vinzenz Bernhard (1728-78) 76 <?page no="259"?> 253 Tschudi/ Tschudy, Louis-Théodore de (1724-69) Turben, François (1723-1803) Turgot, Anne-Robert-Jacques de l’Aulne (1727-81) 60, 67, 77, 155, 158, 160, 167 Turnèbe, Adrien (1512-65) Turpin, François-René (1709-99) Turquet de Mayerne, Louis (ca. 1550- 1618) Tuygaut (fl. 1527? ) Tyron, Antoine (fl. 1564-77) Uriot, Joseph (1713-88) Ussieux, Louis d’ (1744-1805) 77, 167 Ussieux-Duchesnay d’ (fl. 1771) Vacquerie, Antoine de la (fl. 1642) Vaillant (fl. 1724) Valdory, Guillaume de (fl. 1717-22) Valeri, Louis-Guillaume-René Cordier de Launay de (1750? -1826) Valéry, Paul (1871-1945) 154, 163, 214 Valette, Jean-Philippe (1699-fl. 1728) Valgelas, Claude (fl. 1559) Vallambert, Simon (fl. 1542-58) Vallières, Adrien de (fl. 1611-22) Van Ceulem, Pierre (fl. 1564-66) Van der Meeren, Jean (fl. 1598) Van Effen, Juste (1684-1735) 59, 69 Van Gheele, Joachim (fl. 1591) Van Shore, Bartholomé (fl. 1592) Vanderbourg, Martin-Marie-Charles de Boudens de (1765-1827) 77, 85, 167, 168 Vanel, Claude (fl. 1680-17..) Vanière, Ignace (? -1768) Varenne, Jacques de (17..-1780? ) Varenne, Jacques de Béost (1700? -1791) Varet, Alexandre (1632-76) Varin, Charles-Victor (1798-1869) Varnay, Jean-Baptiste (1756-fl. 1810) Vaslet, Louis (fl. 1723) 84 Vasque de Lucène (1410-99) 17 Vassé, Cornélie Wouters, baronne de (1739-1802) Vassoult, Jean-Baptiste (1667-1745) Vassy, René Le Foul de (fl. 1632-34) Vatable, François (? -1547) Vattier, Pierre (1623-67) Vaubrières (fl. 1727) Vaugelas, Claude Favre de (1585-1650) de 39, 44, 47, 49, 56, 163, 196 Vaulcher, Mathieu (fl. 1550) 34 Vauquelin de la Fresnaye, Jean (1536- 1606) 33, 36 Vauvilliers, Jean-François de (1737-1801) 58 Vauzelles, Jean de (ca. 1495-ca. 1557) Vayrac, Jean de (1664-1734) Velledor, Frédéric Bouvot de (fl. 1660) Velly, Paul-François (1690-1749) Vendange de Malepeyre, Gabriel de (1624-1702) Verboquet (fl. 1625-26) Verdier de la Blaquière, Mathieu (fl. 1759- 67) Vergy, de (? -fl. 1727-1752) Verjus, Antoine (1632-1706) Vernassal, François de (1520? -156.? ) Vernède, Jean-Scipion (1714-79) Vernes, Jacob (1728-91) Vernet, Jacob (1698-1789) Verney, Pierre (14..-fl. 1539) Vernou, Jean (fl. 1545) Vernuilh/ Verneuil, Jean (fl. 1633-36) Véron, Charles (? -1627) Véron, Duverger de Forbonnais, François (1722-1800) Véron, François (1575-1649) Verstegan, Richard (ca. 1550-1640) Verteuil, Joseph Douzy de (? -1818) Veyras(se) d’Al(l)ais, Denis (163.-169.) Veyras, Jacques (fl. 1625) Viaixnes, Thierry-Joseph-François Fagnier de (1659-1735) Viannes (fl. 1701) Vicat, Pierre-Rodolphe (fl. 1776-82) Vicq d’Azyr, Félix (1748-94) 90 Vidal, Pierre (fl. 1572) Videl, Louis (1598-1675) Vidoue, Pierre (14..-1543) Viel de Saint-Maux, Etienne-René (fl. 1783) Vienne, B. de (fl. 1681-1701) 169 Vienne, Philibert de, dit l’Amoureux de Vertu (15..-fl. 1543/ 45) Viette, Barthélemy de (fl. 1608-11) Vieux-Maisons, Gilles de Rainssant de (fl. 1638) Vigenère, Blaise de (1523-1596) 35, 36 Vigneron, dit Veneroni, Jean (1642-1708) 42 Vigny, Alfred de (1797-1863) 122, 123, 129, 130, 174 Villaret, Claude 97 Villamont, Jacques de (1558-fl. 1609) <?page no="260"?> 254 Villaret, Claude (1715-1766) Villebresme, Macé de (? -1518? ) Villefore, Joseph-François Bourgoing de (1652-1735) Villegagnon, Nicolas Durand de (ca. 1540? -1571) Villemain d’Ablancourt, François-Jean (1745-1803) Villènes, Nicolas Bourdin de (? -1676) Villers, Charles-François-Dominique de (1765-1815) 77, 83, 84, 164, 167, 168, 169, 181 Villers, de (fl. XVIIe) Villers, Jean de (1547-? ) Villers-Lafaye, Simon de (fl. 1607) Villetard, Edme-Joseph (1771-1826) 112, 124 Villeterque, Alexandre-Louis de (1759- 1811) Villette, Charles de (1736-93) Villiers, Claude Deschamps dit de (1600? -1681) Villiers, Hubert Philippe, dit de (fl. 1553- 56) Villiers, Jacques-François de (1727-97) Vincart, Jean (1593-1679) Vincent de Gournay, Jacques-Claude- Marie (1712-59) Vincent 79 Vincent, Jacques (? -1556) 39 Vincent, N. (fl. 1765-77) Vinet, Elie (1509-87) Vintimille, Jacques de (1512-82) 35, 38 Vion d’Alibray, Charles (159-1654) 189 Vireau, Jean (1558-1638) Virion, Didier (fl. 1621) Vitray, Antoine (fl. 1623) Vivant, Louis (fl. 1578) Vivien, Antoine (1586-1623) 170 Vixouze, François-Xavier Pagès de (1745-1802) Vogel, Heinrich August (1778-1867) Voisin, Joseph (1610? -1685) Volcyr, Nicolas (1480-1540? ) Volney, Constantin-François Chasseboeuf de (1757-1820) 119 Voltaire, François-Marie Arouet, dit (1694-1778) 59, 60, 62, 64, 68, 74, 89, 90, 91, 94, 95, 102, 104, 107, 121, 165, 181 Vougny, Louis-Valentin de (1705-54) Voyer de Paulmy, René L. (1623-1700) Voyer, J. de (fl. XVIe) Wace (11..-fl. 1155) 14, 17 Wagner, Heinrich Leopold (1747-79) 77 Walther, Conrad Salomon (1710-78) 77 Wapy, Jean de (15..-1631? ) 169 Warin (fl. 1828) Warnier, Julien (? -1648) Watelet, Claude-Henri (1713-86) 90 Watreford 17 Waustry, Bonaventure (fl. 1633) Weiller (fl. 1787) 77 Weiss, Mathias (fl. 1798-99) 77, 114, 167, 169 Weltzien (fl. an VIII) Wgliengue, Louis (fl. 1604) Wicquefort , Abraham de (1598-1682) 53, 54 William de Briane (fl. 1218) Willot, Baudouin (1585-1663) Winther von Andernach, Johann (fl. 1547) Witard, Claude (fl. 1578-81) Wynmann, Jean-Baptiste (fl. 1651) 77 Yart, Antoine (1710-91) 59 Zettré, Jacques de (fl. 1617) Zimmermann, Eberhard von (1743-1815) 77, 106 Zoutelandt, Jeanne-Dorothée, dame Boisson (fl. 1709-30) Zubrodt, Johann Peter (16..-fl. 1681) 77, 167, 169