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Dialog als Prinzip

Für eine emanzipatorische Praxis und Didaktik des Dolmetschens

0119
2011
978-3-8233-7561-6
978-3-8233-6561-7
Gunter Narr Verlag 
Mira Kadric

Theaterpädagogische Ansätze als Teil einer modernen translatorischen Didaktik - das ist einer der zentralen Gedanken dieses Werks. Das Buch beschäftigt sich mit den verschiedenen Lebensbereichen, in denen dialogisches Dolmetschen zur Anwendung kommt und entwirft eine spezifizierte Didaktik. So wird anschaulich gezeigt, wie Elemente des Theaters der Unterdrückten in den Dolmetschunterricht eingebaut werden können. Das Buch plädiert für eine kritischkonstruktive Didaktik und zeigt verschiedene Wege zu erfolgreicher transkultureller Tätigkeit auf, die die Zielsetzungen aller an der Kommunikation Beteiligten berücksichtigen und es gleichzeitig ermöglichen, Beeinflussungen im Translationsakt zu vermeiden.

<?page no="0"?> M i r a K a d r i ć Dialog als Prinzip Für eine emanzipatorische Praxis und Didaktik des Dolmetschens Translationswissenschaft 6 <?page no="1"?> Dialog als Prinzip <?page no="2"?> herausgegeben von Klaus Kaindl und Franz Pöchhacker (Universität Wien) Band 6 Wissenschaftlicher Beirat Gyde Hansen (Kopenhagen) Christiane Nord (Magdeburg) Erich Pruncˇ (Graz) Hanna Risku (Krems) Christina Schäffner (Birmingham) Robin Setton (Genf) Translationswissenschaft <?page no="3"?> Mira Kadri ć Dialog als Prinzip Für eine emanzipatorische Praxis und Didaktik des Dolmetschens <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.d-nb.de> abrufbar. Veröffentlicht mit Unterstützung des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. © 2011 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Druck und Bindung: Ilmprint, Langewiesen Printed in Germany ISSN 1614-5909 ISBN 978-3-8233-6561-7 <?page no="5"?> Im Andenken an Augusto Boal <?page no="7"?> Vorwort Das vorliegende Buch fasst die Foschungsergebnisse aus meiner praktischdidaktischen Arbeit der letzten Jahre zusammen. Impulsgebend für die hier vorgestellten Überlegungen war das Kennenlernen theaterpädagogischer Ansätze, insbesondere die Begegnung mit Augusto Boal, einem der bedeutendsten Theaterpädagogen unserer Zeit. Ich konnte im Jahr 2001 mehrere Vorträge von Augusto Boal anlässlich der Veranstaltungsreihe „Visionen zur Veränderung“ in Österreich hören und in den Jahren 2004 und 2008 an mehreren von ihm geleiteten Workshops teilnehmen. Mein Interesse für das Theater der Unterdrückten führte mich schließlich zum Besuch eines theaterpädagogischen Lehrgangs; die Auseinandersetzung mit den Ansätzen Boals regte mich zur Verbindung translationswissenschaftlicher und theaterpädagogischer Konzepte an und bot die Grundlage für den hier vertretenen interdisziplinären Zugang. Meine Begeisterung für theaterpädagogische Ansätze wurde von einer Gruppe von Menschen geteilt, die die Entstehung dieser Arbeit unterstützt haben: An erster Stelle gilt mein Dank Mary Snell-Hornby, die mich seit dem Beginn meiner Tätigkeit am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien wohlwollend begleitet. Meinen besonderen Dank spreche ich meinen Kollegen Klaus Kaindl und Franz Pöchhacker aus, die mir immer und beim Werden dieser Arbeit im Besonderen freundschaftlich und mit hilfreichen Anregungen zur Seite gestanden sind. Verbunden bin ich auch den vielen weiteren Personen, die zum Gelingen dieser Arbeit wesentlich beigetragen haben und hier nicht namentlich erwähnt werden können: Kolleginnen und Kollegen am Wiener Zentrum für Translationswissenschaft, die mir ermöglicht haben, meinen Ansatz in ihren Lehrveranstaltungen auszuprobieren sowie den Studierenden, die für neue Ansätze und Experimente offen waren. Ohne sie wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Der hier vertretene Ansatz ist unsere gemeinsame Errungenschaft und soll zur Verständigung über ein modernes universitäres Leitbild der Translation und damit verbundene Reformvorschläge beitragen sowie das Rollenverständnis der translatorisch Tätigen in der Gesellschaft verdeutlichen. Wissenschaftliches Arbeiten bedeutet für das Privatleben immer auch Einschränkung und Belastung. Dass mir in dieser Zeit soviel Rückhalt, Unterstützung und Geduld entgegengebracht wurde, war immer Hilfe und Motivation. Dafür bedanke ich mich vor allem bei dir, Oliver. Wien, im Oktober 2009 Mira Kadri <?page no="9"?> Inhaltsverzeichnis Vorwort Inhaltsverzeichnis 1 Die Universität als Ort des Dialogs - Eine Einführung 1.1 Einleitung 1.2 Der gesellschaftliche Auftrag an die Universität 1.3 Translationswissenschaft als universitäres Fach 1.4 Der Einfluss des Bologna-Prozesses 1.5 Ergebnis: Bildungsauftrag in einer gewandelten Gesellschaft 2 Dolmetschen, Dolmetschdidaktik und soziale Machtverhältnisse 2.1 Curriculare Aspekte 2.1.1 Breite Kompetenz als übergreifende Zielsetzung ............ 26 2.1.2 Ein ganzheitliches Kompetenzprofil.................................. 27 2.2 Klassifizierung des Dolmetschens als Vorfrage einer Dolmetschdidaktik 2.2.1 Dolmetschforschung............................................................. 29 2.2.2 Dialogdolmetschen und neue Formen der Kommunikation .................................................................... 33 2.3 Dolmetschen und soziale Machtverhältnisse 2.3.1 Formen der sozialen Macht ................................................. 39 2.3.2 Anwendungsmechanismen der sozialen Macht .............. 42 2.4 Kommunikations- und Translationskultur 2.4.1 Treu und loyal - zu wessen Vorteil? .................................. 46 2.4.2 Ist Loyalität lehrbar? Lehren und Lernen in Interaktion 49 2.4.2.1 Dolmetschen als Interaktion.........................................52 2.4.2.2 Dolmetschen und Interdisziplinarität.........................54 2.4.2.3 Dolmetschen und Interaktionstypen ..........................55 2.5 Welche (Dolmetsch-)Didaktik? 2.6 Ergebnis: Didaktik im sozialen und interdisziplinären Dialog <?page no="10"?> 3 Translation in Interaktion: Selbstbestimmung, Mitbestimmung, Solidarität 3.1 Interaktion in der pädagogischen Praxis 3.1.1 Szenische Darstellung als didaktische Form .................... 69 3.1.2 Kraftelemente der szenischen Darstellung ....................... 70 3.2 Pädagogik der Unterdrückten 3.3 Theater der Unterdrückten 3.3.1 Methoden des Theaters der Unterdrückten...................... 78 3.3.1.1 „Seinen Körper kennen lernen“...................................79 3.3.1.2 „Den Körper ausdrucksfähig machen“ ......................81 3.3.1.3 „Theater als Sprache begreifen“ ..................................84 3.3.1.4 „Theater als Diskurs begreifen“ ..................................87 3.3.2 Stationen des Veränderungsprozesses .............................. 88 3.3.3 Theater der Unterdrückten als ganzheitliche Lernerfahrung........................................................................ 89 3.4 Ergebnis: Pädagogik der Befreiung in der Translation 4 Dolmetschen im emanzipatorischen Dialog 4.1 Kommunikationskulturen in dialogischen Situationen 4.2 Hörsaal als Ort des Dialogs 4.2.1 Kreativität im Hörsaal .......................................................... 98 4.2.2 Nonverbale Improvisationsspiele .................................... 101 4.2.3 Verbale Improvisationsspiele............................................ 102 4.3 Evaluation translatorischer Prozesse 4.4 Dolmetschen in szenischer Darstellung 4.4.1 Material und Methode........................................................ 113 4.4.2 Soziale Macht und ihre Anwendungsmechanismen..... 116 4.4.2.1 Dolmetschung eines Ärztin-Patientin-Gesprächs: Situative Einbettung ....................................................116 4.4.2.2 Szenario .........................................................................117 4.4.2.3 Szene 1: Emotionale Dominanz und Vereinnahmungsmechanismen .................................118 4.4.2.4 Szene 2: Übermittlung einer extremen Nachricht und Emanzipationsversuche ...................124 <?page no="11"?> 4.4.3 „Was wäre, wenn ...“: Dolmetschung bei einer Weinverkostung .................................................................. 139 4.4.3.1 Situative Einbettung ....................................................139 4.4.3.2 Szenario .........................................................................140 4.4.3.3 Szene 1: „Was wäre, wenn ...“....................................141 4.4.3.4 Szene 2: Versuch, ‚die Kommunikation zu retten’..143 4.4.3.5 Szene 3: „Ja, das ist eine gute Frage ...“ ....................144 4.4.3.6 Szene 4: „Ähm, gibt’s ein Problem? “ ........................146 4.4.3.7 Szene 5: „Wir können es als Scherz belassen ...“ .....147 4.4.3.8 Szene 6: „Das kann ich nicht beantworten“.............147 4.4.4 Institutionelle Kommunikation und soziale Machtverhältnisse: Dolmetschen für einen Untersuchungshäftling....................................................... 149 4.5 Ergebnis: „Führung zur Wirklichkeit und Verwirklichung“ 5 Schlusswort und Neubeginn 5.1 Das Prinzip der Kooperation und der Dialogizität 5.2 Theaterpädagogik: ein Puzzle im Bild 5.3 Unteilbarkeit von Theorie und Praxis 5.4 Schlusswort und Neubeginn Literatur <?page no="13"?> 1 1 Die Universität als Ort des Dialogs - Eine Einführung Der Mensch ist zu bilden, der zwischen Schein und Wirklichkeit, zwischen Scheinverwirklichung und echter Verwirklichung zu scheiden weiß, der den Schein verwirft und die Wirklichkeit erwählt und ergreift, gleichviel welche Weltanschauung er erwähle. (Buber, 1995 8 : 62f) Die Anforderungen an Studierende sind in den letzten Jahren in jeder Hinsicht gestiegen; umso mehr sind die Universitäten und die dort lehrenden Personen gefordert, Bedingungen für produktive Lernprozesse zu schaffen. Immer mehr dringt ins universitäre Bewusstsein, dass Ausbildung und Bildung über die Vermittlung von wissenschaftlichem und berufsspezifischem Fachwissen und fachspezifischer Methodik hinausgehen; Bildung bedeutet nach modernem Verständnis mehr als Ausbildung und umfasst auch die Entwicklung der Urteilsfähigkeit und die Fähigkeit zur kritischen Gesamtschau. Dieses moderne Verständnis bedeutet zugleich eine Absage an eine Verschulung und Entwissenschaftlichung. 1.1 Einleitung Die wichtigste Aufgabe der modernen Universität neben der Forschung ist es, Lehre in höchster Qualität zu bieten und zu erhalten. Die Organisation und Steuerung der Lehre geschieht vor dem Hintergrund einer immer komplexer werdenden Gesellschaft, die stetig neue Inhalte produziert, die sohin auch ein neues Verständnis von Forschen, Lehren und Lernen mit sich bringt. Unter bildungssoziologischer Perspektive heißt das auch Stärkung der individuellen Selbststeuerung oder Verhaltensstabilisierung - insbesondere im Hinblick auf die Zunahme der sozialen Mobilität und der dadurch bedingten Abnahme der Kontrolle durch soziale Instanzen von außen. Eine komplexe Darstellung des translatorischen Handelns im interkulturellen Raum der Dialoge erfordert notwendigerweise auch den Dialog mit der Gesellschaft. In den in dieser Arbeit vorzustellenden Curricula einiger translationswissenschaftlicher Studien spiegelt sich die Auffassung wider, dass die Universität ihre Aufgabe nicht nur in der Vermittlung fachspezifischen Wissens, sondern auch in der Lösung gesellschaftlicher Problemstellungen sieht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage nach den Handlungen, die in der Realisierungsform gesetzt werden sollen, damit die transkulturelle Kommunikation erfolgreich wird. Zunächst werden die sozialen (Macht)- <?page no="14"?> 2 Verhältnisse diskutiert und eine Kategorisierung des Dolmetschens vorgenommen, aus der sich unter anderem die Spezifik des modernen (Dialog)- Dolmetschens ergibt. Die dabei geführte Diskussion berücksichtigt die Zielsetzungen aller an der Kommunikation Beteiligten und behandelt insbesondere auch die Frage, welche Faktoren den Erfolg der transkulturellen Tätigkeit determinieren. Und schließlich geht es auch um die Möglichkeiten, wie diese Kompetenzen erlangt werden können. Damit kann in der Folge eine nach Dolmetschbereichen spezifizierte Didaktik erstellt werden. Diese Arbeit wird dabei vorschlagen, Ansätze aus anderen Disziplinen - allen voran der Theaterpädagogik - zu übernehmen und für die Didaktik der Translationswissenschaft anzupassen und zu nutzen. Die fachübergreifenden Elemente werden dabei nicht bloß additiv zusammengeführt, sondern ergänzend: sie verstehen sich aus der Teilnehmendenperspektive als dialogisch strukturierte Lebenswelt und aus der Beobachtungsperspektive als System. Dieser Gedanke wird an Hand der Methoden des Theaters der Unterdrückten näher ausgeführt. Anschließend wird mit Beispielen aus dem Dolmetschunterricht die praktische Umsetzung dieses Ansatzes illustriert. Somit wird - neben dem Eingehen auf grundsätzliche translationswissenschaftliche und didaktische Fragestellungen - ein interdisziplinäres didaktisches Modell entfaltet, welches die translatorische Realität simuliert und ein Abbild von Abläufen und Strategien enthält, die in der Realität stattfinden (können). Der Grundgedanke bei der Entwicklung dieses didaktischen Modells ist es, den heutigen gesellschaftspolitischen und translationswissenschaftlichen Anforderungen Rechnung zu tragen und einer kritisch-konstruktiven Didaktik zu entsprechen, wie sie etwa von Wolfgang Klafki prominent vertreten wird. Nach ihm liegen den Bildungstheorien vier unverzichtbare, gemeinsame Charakteristika zugrunde, nämlich, dass 1) Bildung auf die Befähigung zu vernünftiger Selbstbestimmung abzielt; 2) Bildung im Rahmen der historisch-gesellschaftlich-kulturellen Gegebenheiten erworben wird; 3) Bildung jede(r) nur für sich selbst erwerben kann; 4) der Bildungsprozess aber in der Gemeinschaft erfolgt (vgl. Klafki, 1986: 458ff). Der Erfolg des Bildungsprozesses in der Gemeinschaft hängt von den Rahmenbedingungen ab. In den in Kapitel 4 vorgestellten Beispielen wird gezeigt, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden können, die es im Sinne eines dialogischen Ansatzes ermöglichen, im Translationsakt Beeinflussungen zu vermeiden und dennoch zufriedenstellende und professionelle Arbeit zu leisten. Der dahin führende Unterricht wird in der vorliegenden Arbeit niemals als Monolog, sondern als eine Hälfte eines Dialogs aufgefasst, angelegt und diskutiert. Das Ziel einer solchen Didaktik soll die Fähigkeit fördern, selbstständig zu arbeiten, kritisch zu denken, Zusammenhänge zu erkennen und eigenständig Probleme zu lösen. Durch diese Fähigkeiten werden Kreativität entfaltet und selbstbewusstes Auftreten <?page no="15"?> 3 geübt, reale Kenntnis des Berufsbildes, der beruflichen und gesellschaftlichen Anforderungen erworben. Mit diesen Erkenntnissen soll der Selbststeuerungsprozess eingeleitet und unterstützt sowie ein Konzept eines kreativen Unterrichts entworfen werden - insbesondere die Setzung verschiedener Schwerpunkte im Rahmen der Ausbildung, die von der Identifikation von Lehrzielen und Sequenzierung von Inhalten über die Zuordnung von Methoden bis zur Überprüfung der angewendeten Methoden reicht und sowohl der Gesellschaft im Allgemeinen als auch den einzelnen Translatorinnen und Translatoren dient. 1.2 Der gesellschaftliche Auftrag an die Universität Die Stärkung des Selbststeuerungsprozesses kann vor den translatorischen Ausbildungsstätten nicht Halt machen, sondern ist gerade in diesem Bereich besonders wichtig. Die hier geformten Welten und die berufliche Enkulturation als ‚sozial werden’ der Einzelnen beginnen in einer Didaktik, die als ‚sozial machen’ verstanden werden kann. Im europäischen Kontext wird Sprache bzw. Translation - trotz Internationalisierung und Globalisierung - als kultureller Wert und ein Element der nationalen Identität (nicht nur für Unionsbürgerinnen und -bürger), die das EU-Recht achtet, betrachtet. Die Grundrechtscharta z.B. verpflichtet die EU zur Achtung der Sprachenvielfalt, der EG-Vertrag verbietet die Diskriminierung nach Staatsangehörigkeit. Die Translation führt somit im höchsten Maße auch einen - nicht immer sichtbaren - politischen und juristischen Diskurs. In der Translationswissenschaft wurde schon längst festgehalten, dass Translatorinnen und Translatoren in Korrespondenz mit ihrer Rolle im Hinblick auf übergeordnete Ziele agieren, die nur vor dem Hintergrund der einzelnen im Handlungsrahmen vertretenen Rollen verständlich werden (vgl. Holz-Mänttäri, 1984a). In den letzten beiden Jahrzehnten wird immer häufiger die Translation als soziale Kategorie und die Rolle der Translatorin und des Translators im sozialen Gefüge hervorgehoben. Translation als Ganzheit und translatorische Lösungen im Besonderen behandeln weder einzelne Wörter oder Sätze, häufig nicht einmal isolierend ganze Texte. Sie sind vielmehr als „Neuordnung der Relationen“ (Reiß & Vermeer, 1984: 65) zu verstehen. Die translatorische Tätigkeit entwickelt sich vor dem Hintergrund eines bi- oder multikulturellen Wissens, einschließlich - und dieser Parameter wird in Situationen, wo direkter Kontakt der Menschen stattfindet, immer wichtiger - sozial akzeptierter Konventionssysteme. Theo Hermans betrachtet Translation beispielsweise als primär sozial regulierte Tätigkeit (1997: 10). In Tourys normgeleitetem Konzept (1999: 13) ist Translation soziokulturell bedingt, die Normen als soziale Kategorien bestimmen auch das Verhalten der Translatorin oder des Translators und bedürfen in der Ausbildung besonderer Berücksichti- <?page no="16"?> 4 gung. 1 Und schließlich darf nicht vergessen werden, dass Translation niemals neutral sein kann: Translation thus is not simply an act of faithful reproduction but, rather, a deliberate and conscious act of selection, assemblage, structuration, and fabrication - and even, in some cases, of falsification, refusal of information, counterfeiting, and the creation of secret codes. (Gentzler & Tymoczko, 2002: XXI) Die Aufgabe der Translatorin und des Translators richtet sich in erster Linie nach dem Zweck der Kommunikation. Das intendierte Ziel der translatorisch handelnden Expertin und des translatorisch handelnden Experten ist es, die kommunikativen Einheiten der Fremdsprache und -kultur für die Zielrezipientin und den Zielrezipienten so aufzubereiten, dass die Bedeutung der Äußerungen auch verstanden wird, damit auf diese Weise die Vermittlung der Kommunikation erfolgreich stattfindet. Die Ziele der an der transkulturellen Kooperation Beteiligten sind in der Regel nicht oder nur partiell identisch. Im übergreifenden Handlungsgefüge der Kommunikationssituation gibt es jedoch eine Metaebene, eine übergeordnete Gesamtzielsetzung, über deren Einhaltung eine generelle Akzeptanz herrscht und deren Erreichung alle an der Kommunikation Beteiligten bewusst oder unbewusst anstreben. Eine solch umfassende Tätigkeit und die damit verbundene Verantwortung der Translatorinnen und Translatoren unterscheiden sich nicht von den Forderungen anderer anerkannter Berufe: Mit der Erarbeitung eines Standpunkts eigenen Rechts hat der Translator einen Status im Handlungsgefüge, der mit dem eines jeden Experten in einer arbeitsteiligen Gesellschaft vergleichbar ist (Arzt, Physiker, Wissenschaftler). Seine sachtheoretische Kompetenz wird ergänzt durch pragmatische Qualifikation. Das fachliche Handlungskonzept kommt auf allen Ebenen vor, angefangen von schablonenhafter, ohne Bewusstheit bezüglich der dahinterstehenden Theorien ausgeführter Routinearbeit bis hinauf zu Aufgabenstellungen, die nur mit Einsatz wissenschaftlicher Methoden zu bewältigen sind. (Holz-Mänttäri, 1984a: 51) Die Notwendigkeit zur Hinführung der Studierenden zu Unabhängigkeit und eigenständigem kritischem (wissenschaftlichem, aber nicht nur wissenschaftlichem) Denken finden wir heute auch in den Satzungen der Universitäten wieder. So heißt es etwa in der Grundordnung der ältesten Universität Deutschlands, der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (gegründet 1386): „Sie [die Universität] führt ihre Studierenden zu eigenständigem wissenschaftlichem Denken und bereitet sie so auf ihre künftigen Tätigkeiten vor.“ 2 1 Zur „Soziologie“ der Translation vgl. insbesondere Gouanvic (1999; 2005) und Wolf (1999; 2005); spezifisch zum Habitus der an der Kommunikation Beteiligten Simeoni (1998) und Inghilleri (2003). 2 Vgl. http: / / www.uni-heidelberg.de/ imperia/ md/ content/ zentral/ uni/ grundordnung.pdf (Stand: 20.10.2009). <?page no="17"?> 5 Im Statut der Universität Paris IV (Sorbonne), 3 der ältesten Universität Frankreichs, heißt es in Art. 6: L'Université Paris IV a pour mission générale l'élaboration et la transmission du savoir, la formation initiale et continue, le progrès de la culture, l'avancement et la valorisation de la recherche dans le domaine des lettres, des langues et des sciences humaines et sociales. (…) Elle entend accomplir sa tâche éducative comme sa tâche scientifique dans un esprit de liberté, en se donnant pour règle absolue, l'objectivité et le respect réciproque de chacun de ses membres dans leurs convictions ainsi que dans l'objet, la méthode et l'expression de leur travail. Die Universität Paris IV versteht ihren Auftrag demnach nicht nur in Vermittlung und Weitergabe von Wissen, sondern auch als Entwicklung der Kultur. Die Bildungssowie ihre Forschungsaufgabe will die Universität Paris in einem Geist der Freiheit und Objektivität und im gegenseitigen Respekt ihrer Mitglieder in ihren Überzeugungen genauso wie im Objekt und in der Methode ihrer Arbeit erfüllen. Im Leitbild der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck 4 findet sich der vielleicht für die heutige Zeit zentrale Satz im Schluss-Statement: „Die Universität Innsbruck ist überzeugt, dass die Gesellschaft leistungsfähige, nachdenkliche und mutige Universitäten benötigt.“ Diese wichtige Positionierung der Hochschule wird im Abschnitt „Grundwerte“ des Leitbilds näher ausgeführt: Sie [die Universität] verpflichtet sich daher zu aktiver Parteinahme als Institution, wenn wissenschaftliche oder gesellschaftliche Grundwerte gefährdet sind, und bekennt sich zur Verantwortung der Wissenschaftler, die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit zu informieren, Schwierigkeiten der Gesellschaft aufzugreifen und auf die Weise einen spezifischen Beitrag zur Urteils- und Meinungsbildung der Öffentlichkeit zu leisten und die Ergebnisse ihrer Arbeit zum allgemeinen Nutzen umzusetzen. Die Universität Wien, mit ihrem Gründungsjahr 1365 die älteste Universität im heutigen deutschen Sprach- und Kulturraum, bekennt sich in ihrem vom Senat am 2.12.1999 beschlossenen aktuellen Leitbild ebenfalls zum Auftrag der Universität, „das Verhältnis von Politik, Macht und Wissenschaft kritisch und selbstkritisch zu reflektieren“ und ihre Studierenden „zu mündigen, kritikfähigen und ethisch bewussten Menschen zu bilden, eigenständige Leistungen der Forschenden und Studierenden anzuerkennen und zu fördern, andere Meinungen und Positionen zu respektieren.“ 5 3 Vgl. http: / / www.paris-sorbonne.fr/ fr/ spip.php? article48 (Stand 20.10.2009). 4 Zu diesem und folgenden Zitaten aus dem Leitbild der Universität Innsbruck vgl. den Volltext unter: http: / / www.uibk.ac.at/ fakten/ leitbild/ (Stand 20.10.2009). 5 Zu diesem und weiteren Bezugnahmen auf das Leitbild der Universität Wien vgl. http: / / www.univie.ac.at/ unileitbild.html (Stand 1.9.2008). <?page no="18"?> 6 „Zur Erreichung und zur Beibehaltung hoher Qualitätsstandards in Forschung und Lehre“ sieht es die Universität Wien als „unabdingbar, die akademische Mobilität in jeder Weise zu fördern und zu unterstützen.“ Während das Leitbild zur Forschung betont, dass sich das eigenständige Profil der verschiedenen Disziplinen in fachspezifischer Forschung entfalte, und, um diese in einen transdisziplinären Zusammenhang eingliedern zu können, die Universität „ihre spezifischen Prämissen und Methoden kritisch und selbstkritisch reflektieren“ müsse, wird zur Lehre betont, dass diese der Bildung und Berufsvorbildung der Studierenden und der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses diene. Zum Verhältnis der Universität Wien zur Öffentlichkeit heißt es: Die Universität Wien ist Teil der Gesellschaft, muss zu Problemen der Gesellschaft Stellung nehmen und sich am gesellschaftlichen Dialog beteiligen. Sie ist gegenüber der Gesellschaft und ihren Institutionen autonom, versteht sich aber als Mitgestalterin der Politik. Gesellschaftliche Entwicklungen müssen mit kritischer Aufmerksamkeit verfolgt werden, gesellschaftliche Probleme auf lokaler und globaler Ebene gestellt und die Kommunikation mit Öffentlichkeit und Politik gefördert werden. Mit einer akademischen Ausbildung ist auch der Glaube an ein Ideal verbunden. Durch Ausbildung wird einerseits ein Monopol geschaffen und auch (gewollt) der Eindruck in der Öffentlichkeit vermittelt, dass durch die Ausbildung zuverlässige und kompetente Fachleute ihre Dienste anbieten. Die Außenwelt nimmt sowohl das aktive Handeln als auch das Gesamtverhalten einer Berufsgruppe wahr und erstellt danach ihr Bild des Berufsstandes. Die universitäre Ausbildung soll auch danach trachten, Translatorinnen und Translatoren auszubilden, die sich bewusst sind, dass sie durch jedes Verhalten kommunizieren, neben der transkulturellen Kompetenz auch die Fähigkeit entwickeln, sich nach außen aktiv und selbstbewusst gegenüber Auftraggeberinnen und Auftraggebern, Rezipientinnen und Rezipienten und ganz allgemein in der Gesellschaft zu präsentieren. 1.3 Translationswissenschaft als universitäres Fach Das Studium der Translation hat innerhalb der Universität(en) viele Jahre einen - milde ausgedrückt - Sonderstatus gehabt. Die praktische Ausbildung wurde den „Dolmetschinstituten“ zugebilligt, die wissenschaftliche und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Translation, wenn diese überhaupt stattfand, beanspruchten andere Disziplinen - vielfach die Philologien, vor allem die Sprachwissenschaft und die Literaturwissenschaft. Translationswissenschaft hat in den letzten Jahren einen deutlichen Aufschwung erfahren. Inzwischen füllt sie ganze Bibliotheken zu verschiedenen Bereichen und Aspekten der Translation und bildet eine Disziplin mit mannigfaltigen Ausprägungen. Die Entwicklungen der letz- <?page no="19"?> 7 ten Jahre führten nun dazu, dass auch Studienpläne einer Neukonzeption bedurften. 6 Die in den neuen Leitbildern und Curricula definierten Ziele und die sich daraus ergebende Einforderung einer hohen Qualität der forschungsgeleiteten Lehre müssen dazu führen, dass Forschung und Lehre kommunizieren, dass die an den Universitäten tätigen Lehrenden und Forschenden die Auseinandersetzung um Leitbilder und Definitionskriterien gemeinsam mitgestalten und dass Forschung und Lehre in ihrer Bedeutung strukturiert und kompatibel zueinander sind. Die Entwicklung der einzelnen Studienrichtungen zur Translation in Europa könnte man zusammenfassend wie folgt beschreiben: 7 die 1930-er bis 1950er-Jahre als Gründungsphase der ersten Institute, die Sechziger Jahre als Stabilisierungsversuch im Bemühen, Übersetzungs- und Dolmetschfertigkeiten „praktisch“ zu vermitteln. Die Siebziger Jahre brachten eine Reorganisation und neue Studienpläne, 8 dennoch begann die echte Emanzipierung des Faches erst Ende der Achtziger Jahre („Neuorientierung“). 9 Die Neunziger Jahre können als Konsolidierungsphase des Faches bezeichnet werden: translationswissenschaftliche Theorien und Anwendungsmodelle mit interdisziplinärer Ausrichtung finden Verbreitung. Die Curricula der einschlägigen Ausbildungsstätten weisen bei all ihrer Verschiedenheit unverkennbare gemeinsame Züge auf. Trotz länderspezifisch abgestimmter Konzeptionen der Studien ist allen universitären Translationsausbildungen die Vorbereitung auf die berufliche Wirklichkeit gemeinsam. Im Wesentlichen stimmen auch die fachlichen Lehrinhalte dahingehend überein, dass das Studium die Vermittlung von Sprach-, Kultur- und Sachkompetenz, Recherchierkompetenz, das Trainieren von Dolmetschtechniken, das Erlernen von Translationsstrategien usw. umfasst. 10 Allerdings sollen universitäre Lehre und Studium im Rahmen der Erlangung einer Gesamtkompetenz den Studierenden ermöglichen, über sich selbst, ihre Rolle in der Gesellschaft und ihre Verantwortung sich selbst und der Gesellschaft gegenüber nachzudenken. 6 Zur Entwicklung einzelner universitärer Institute vgl. Petioky (1983) und Snell- Hornby (1993; 2008) für Wien; Salevsky (1996) für Berlin; Leikauf (1997) für Graz; Wilss (2000) für Saarbrücken. Zur Ausbildung im Wandel der Zeit vgl. insbesondere Snell-Hornby (1997a). 7 Selbstverständlich gab es auch früher vereinzelte Ausbildungsstätten in Translation, die älteste soweit überblickbar in Berlin, die von Salevsky (1996: 19) mit 1887 als Gründungsjahr der Berliner Universität datiert wird, die eine Dolmetscher- und Übersetzerstätte umfasste. 8 Prun (2004: 11) nennt die in Österreich 1972 durchgeführte Studienreform zurecht „halbherzige Akademisierung“. 9 Vgl. dazu insbesondere Snell-Hornby (1986). 10 Zu unterschiedlichen Bezeichnungen vgl. Jettmarová (1997), die von confusion und diffusion spricht. <?page no="20"?> 8 1.4 Der Einfluss des Bologna-Prozesses Die Entwicklung der Translationswissenschaft als universitäres Fach wird derzeit maßgeblich vom Bologna-Prozess mitbestimmt. 30 europäische Staaten haben sich 1999 in der Bologna-Erklärung zu einem gemeinsamen Bezugsrahmen für den Hochschulbereich bekannt; vorrangige Ziele der Erklärung sind die Vereinheitlichung und gegenseitige Anerkennung der akademischen Grade, und damit mehr Transparenz im Bildungssektor sowie eine höhere Mobilität der Studierenden. Um dies zu erreichen, sieht die Erklärung eine Modularisierung des Lehrangebots, ein eigenes Leistungspunktesystem sowie die Einführung vergleichbarer Bachelor- und Masterstudiengänge vor. Das Bologna-System hat sich rasch durchgesetzt; weitere europäische Staaten haben es übernommen, in ganz Europa laufen die Umsetzungsprozesse, in vielen Ländern sind sie bereits abgeschlossen. 11 Erster akademischer Grad ist im Bologna-System der Bachelor (BA), der nach einer Studienzeit von sechs bis acht Semestern verliehen werden kann. Das anschließende Masterstudium (MA) soll zwei bis vier Semester betragen. Eine weitere Bologna-Vorgabe besagt, dass die Regelstudienzeit für Bachelor- und Masterstudium insgesamt fünf Jahre nicht überschreiten darf. Die Universitäten verfügen also über eine gewisse Autonomie bezüglich der Länge von Bachelor- und Masterstudien. Es wird sich erst zeigen, wie groß die Nachfrage eines bloßen Bachelor-Abschlusses am Arbeitsmarkt sein wird. Das neue europäische Doktoratsstudium ist nach Bologna als post-graduate-Studium zu konzipieren, das nur Masterabsolventinnen und -absolventen offen steht. Der Bologna-Prozess betrifft den gesamten universitären Bereich. Die Translationswissenschaft hat die Bologna-Umsetzung freilich aus einer besonderen Ausgangslage heraus begonnen. Durch das Berufsbild der Übersetzerinnen und Übersetzer, Dolmetscherinnen und Dolmetscher war die Translationswissenschaft immer schon ‚internationaler’ als viele andere Studienrichtungen. Der Anteil ausländischer Studierender ist in der Translationswissenschaft in vielen europäischen Staaten traditionell sehr hoch; diese Studierenden waren wohl schon bisher mobiler als in vielen anderen Disziplinen. So betrug etwa der Anteil ausländischer Studierender im Fachbereich Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Germersheim im Studienjahr 2004/ 2005 rund 50%; die ausländischen Studierenden stammten aus 91 Ländern (Stoll, 2006: 10). Für Gesamtdeutschland wird angenommen, dass der Anteil der Studierenden, die mit nichtdeutscher Muttersprache ein translatorisches Studium betreiben, jedenfalls über 30% liegt (vgl. Mayer, 2006: 16). In Österreich ist die Situation ähnlich: Am Zentrum für Translationswissenschaft 11 Beteiligt sind inzwischen 45 Länder; vgl. dazu u.a. Stoll (2006: 5). <?page no="21"?> 9 der Universität Wien waren rund 48% der insgesamt 2.264 Studierenden des Wintersemesters 2007/ 2008 nicht-österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger; der Anteil der Studierenden mit nichtdeutscher Muttersprache ist noch höher zu veranschlagen. Die Translationswissenschaft muss daher ein besonderes Interesse an der Umsetzung der Bologna-Ziele haben; ihre Absolventinnen und Absolventen arbeiten zu einem großen Teil transnational, die grenzüberschreitende Anerkennung der Studienabschlüsse ist für sie entsprechend wichtig. Überdies entsteht für jene Länder, die eine translatorische Ausbildung bisher nicht an Hochschulen anbieten, ein Druck, universitäre Ausbildungen einzurichten; andernfalls berauben sie ihre Studierenden der Möglichkeit, sich am europäischen Bildungsmarkt gleichberechtigt zu bewegen. 12 Um dem vorrangigen Bologna-Ziel der größeren Mobilität zu entsprechen, sind die meisten bisherigen Studienprogramme nicht einfach zu übernehmen und umzubenennen, vielmehr ergibt sich in den meisten Fällen die Notwendigkeit, die Studiengänge neu zu strukturieren und um weitere Inhalte zu ergänzen. Schmitz (2006a: 3) ist zuzustimmen, dass es sich anbietet, die Bachelorstudiengänge eher breit und ähnlich anzulegen, während die einzelnen Hochschulen bei den Master-Programmen Spezialisierungen anbieten und so unterschiedliche Profile entwickeln könnten. Für eine vergleichsweise junge universitäre Disziplin wie die Translationswissenschaft ist es wichtig, ein breites Angebot an Masterstudien zu etablieren. Schmitz (2006a: 2 und 2006b: 10) weist zu Recht darauf hin, dass eine „Herabstufung“ der Abschlüsse von Übersetzerinnen und Übersetzern sowie Dolmetscherinnen und Dolmetschern auf Bachelor-Niveau viel von der Aufbauarbeit der letzten Jahrzehnte zunichte machen würde. Abgesehen davon ist die Spezialisierung, die das breite Einsatzgebiet von Translatorinnen und Translatoren heute erfordert, schwerlich ohne diese höheren Studiengänge umzusetzen. 13 Bei den Master-Programmen haben die Universitäten die Möglichkeit, den Schwerpunkt eher bei der Ausbildung für die Praxis (etwa Konferenzdolmetschen) oder bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, also mit spezifischen Masterstudiengängen „Translationswissenschaft“, zu setzen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Bachelorstudium nicht für die translatorischen Kernberufe wie Konferenzdolmetschen oder Literaturübersetzen ausreichen wird; vielmehr wird der Bachelor- Abschluss eher auf allgemeine transkulturell-sprachliche Aufgaben zugeschnitten sein, etwa für Sachbearbeitungsaufgaben in der Wirtschaft bzw. in transnationalen Unternehmen. Das Masterprogramm wird für die trans- 12 Vgl. etwa zur Situation Deutschlands Kalina (2005: 22), speziell für Bayern Mayer (2005: 73ff). 13 Siehe dazu etwa Hagemann (2006: 20). <?page no="22"?> latorischen Kernberufe qualifizieren und zugleich den Grundstein für wissenschaftliches Arbeiten legen (vgl. Kalina, 2005: 22). 14 Aktuell ist in ganz Europa das Entstehen verschiedenster Bachelor- und Masterprogramme im Bereich der Translationswissenschaft zu beobachten; das heterogene Bild scheint dem ursprünglichen Bologna-Ziel der besseren Vergleichbarkeit zu widersprechen. Dennoch besteht durch das Leistungspunktesystem die angestrebte leichtere Anrechenbarkeit von Studien; gleichzeitig hat der Wettbewerb der Universitäten bei der Ausarbeitung der neuen Studienprogramme wohl insgesamt zu einer Steigerung der Qualität des universitären Angebots geführt. Die Masterprogramme nutzen etwa viele Universitäten zum Einbau eines (in manchen Fällen auch verpflichtenden) Auslandssemesters; nicht zuletzt durch Bologna hat auch die Zahl der internationalen Kooperationen der Universitäten stark zugenommen (vgl. Mayer, 2006: 16). Jedenfalls erscheint es sinnvoll, dass die Universitäten sowohl Bachelorals auch Masterstudien im Bereich der Translationswissenschaft anbieten. Ein qualitativ hochwertiger Bachelorstudienbetrieb wird ohne korrespondierenden Masterbereich, in dem forschungsgeleitete Lehre und Forschung stattfindet, nicht sehr sinnvoll sein. Umgekehrt hinge ein isoliertes Masterprogramm ohne vorangehende mitbedachte Bachelorausbildung und somit mit äußerst heterogenem Ausbildungshintergrund gleichsam in der Luft. 15 Als Nebenprodukt des Bologna-Prozesses ergeben sich für die Translationswissenschaft verschiedenste Neuerungen: so stehen in Deutschland etwa die Masterstudien nicht nur Absolventinnen und Absolventen des Bachelorstudiums der Translationswissenschaft offen, sondern auch Absolventinnen und Absolventen fremder Studienrichtungen. An manchen Universitäten überwiegen in bestimmten translatorischen Masterprogrammen Studierende, die mit einem Abschluss aus Wirtschaft, Rechtswissenschaft oder Kunst gleichsam quereingestiegen sind (vgl. Stoll, 2006: 9). In Österreich ist eine solche Studienabfolge derzeit rechtlich nicht möglich: § 64 Abs. 5 Universitätsgesetz 2002 schreibt als Voraussetzung für jedes Masterstudium den Abschluss eines fachlich gleichwertigen Vorstudiums vor: Die Zulassung zu einem Masterstudium setzt den Abschluss eines fachlich in Frage kommenden Bachelorstudiums oder eines fachlich in Frage kommenden Fachhochschul-Bakkalaureatsstudienganges oder eines anderen gleichwertigen Studiums an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung voraus. 14 Es gibt auch Stimmen, die nicht generell ausschließen, dass auch ein Bachelorstudium - vor allem wenn es mit sechs bis acht Semestern konzipiert ist - eine vollwertige Übersetzungsausbildung bieten kann. Vgl. dazu Nords Ausführungen „Mit BA fit für die Übersetzungspraxis“ (2006: 7). 15 In diesem Sinne auch Schmitz (2006a: 4). <?page no="23"?> 1 Die Konzeption der Masterprogramme der österreichischen Universitäten entspricht diesen Vorgaben. Für fächerverbindende Studienkombinationen gibt es allerdings die bisher noch wenig genutzte Möglichkeit der Einrichtung universitärer Lehrgänge, 16 die die Chance bieten, bedarfsorientierte Ausbildungen einzurichten. 1.5 Ergebnis: Bildungsauftrag in einer gewandelten Gesellschaft Die europäische Gesellschaft hat sich in den letzten beiden Jahrhunderten von einer industriellen und agrarischen zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft entwickelt. Der Begriff der Wissensgesellschaft spielt in den letzten Jahrzehnten in der nationalen, wie auch in der europäischen politischen Diskussion eine zentrale Rolle. Einigkeit besteht, dass künftig der politische und wirtschaftliche Erfolg Europas vom Stand des Bildungsbzw. Ausbildungsniveaus der breiten Bevölkerung abhängig sein wird. Die skandinavischen Staaten, die sowohl in den einschlägigen Bildungsrankings als auch bei der Lebensqualität regelmäßig an der Spitze liegen, belegen diesen Zusammenhang. In unserer veränderten Gesellschaft kommt den Universitäten auf Grund ihres Bildungsauftrags eine zentrale Rolle zu: Die Hochschulen haben die Verpflichtung, den Studierenden bestmögliche Ausbildungsbedingungen und die höchste Qualität in der Lehre anzubieten. Sie sind gefordert, den in diesem Kapitel dargestellten Entwicklungen Rechnung zu tragen und Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen, die gesellschaftliche Prozesse und Veränderungen berücksichtigen und sich am Bedarf orientieren. 16 Vgl. dazu § 56 UG 2002, der die Einrichtung von Universitätslehrgängen regelt. <?page no="25"?> 23 2 Dolmetschen, Dolmetschdidaktik und soziale Machtverhältnisse Die lange Geschichte der Translation zeigt, dass Translatorinnen und Translatoren schon immer Vereinnahmungen ausgesetzt waren. Translatorinnen und Translatoren erzeugen Misstrauen, unter anderem weil sie an einer Schaltstelle sitzen und auch eine Macht ausüben können, die in der Regel keiner unmittelbaren Kontrolle ausgesetzt ist. Sie werden gebraucht und missbraucht, als „official scapegoat“ (Gile, 1995: 31f) für ungewollte Äußerungen eingesetzt, für Zeitverzögerungen verwendet, um in der Verhandlung Zeit zum Nachdenken zu gewinnen usw. Nicht zuletzt ist aus diesem Grund eine Sichtbarmachung der translatorischen Leistungen notwendig und es ist nach Strategien zu suchen, die Vertrautheit mit dem Imageobjekt Translation aufbauen, pflegen und weiterentwickeln und damit auch dazu verhelfen, adäquate und realistische Erwartungen zu definieren. Die immer noch herrschende Dolmetschdidaktik nimmt darauf zuwenig Bedacht; sie ist von früheren Haupttätigkeitsfeldern geprägt. Zum Verständnis der hier anzustellenden Überlegungen zur Dolmetschdidaktik ist daher eine kurze Zusammenschau auf die Entwicklung des Dolmetschens in Forschung und Didaktik notwendig. 2.1 Curriculare Aspekte Das in der Einführung mittels der Leitbilder und Satzungen der Universitäten skizzierte moderne Verständnis des Auftrags von Lehre und Forschung wird in den einzelnen Studienplänen für die translationswissenschaftlichen Studien konkretisiert. Dabei wird die Bedeutung von über das reine technische Wissen hinausgehenden kommunikativen Fähigkeiten betont und insbesondere im Hinblick auf das Dolmetschen und Übersetzen die Wichtigkeit des Verständnisses für die Vermittlung zwischen den Kulturen hervorgehoben. So formuliert etwa die Studienordnung für den Diplomstudiengang Interkulturelle Fachkommunikation (Übersetzen und Dolmetschen) der Freien Universität Berlin folgende Studienziele: 17 (1) Im Diplomstudiengang Interkulturelle Fachkommunikation (Übersetzen und Dolmetschen) werden die wissenschaftlichen Grundlagen, die fachspezifischen Kenntnisse sowie die Methoden und Fertigkeiten schriftlicher und mündlicher mehrsprachiger Informationsverarbeitung vermittelt. Ziel ist es, die Studierenden zu professioneller und wissenschaftlich reflektierter Übertragung von Text 17 Vgl. https: / / www.philfak1.hu-berlin.de/ philfak2/ lehre/ magister_lehramt_diplom/ download/ diplom_allgemein/ IFK_STO.pdf/ (Stand 20.10.2009). <?page no="26"?> 24 und Rede aus der jeweiligen Ausgangssprache in die Zielsprache, bezogen auf die unterschiedlichen kulturellen Kontexte, zu befähigen. (§ 4 Studienziele) Der Studienplan für das Diplomstudium Übersetzen und Dolmetschen an der Karl-Franzens-Universität Graz 18 formuliert ein eigenes Leitbild für das Studium der Translationswissenschaft, in dem unter anderem betont wird, dass Übersetzen und Dolmetschen auf Grund des Wandels der gesellschaftlichen und technologischen Bedingungen der transkulturellen Kommunikation zu hochkomplexen Aktivitäten geworden seien. Das Studium solle die Absolventinnen und Absolventen in die Lage bringen, als selbstverantwortliche Akteurinnen/ Akteure der transkulturellen Kommunikation in der globalisierten Gesellschaft zu handeln, Informationen kultursensitiv zu verarbeiten und zu vermitteln, während des Studiums erworbenes Wissen angesichts immer kürzer werdender Wissenszyklen kreativ anzuwenden und flexibel in neue Tätigkeitsfelder zu integrieren. (§ 1 Absatz 1 des Studienplans) Hier wird ein wesentlicher Aspekt des Studiums nicht nur in der konkreten Befähigung für ein spezifisches Berufsfeld gesehen, sondern als leitendes Studienziel vielmehr die Erlangung grundlegender sowie spezifischer Fach- und Methodenkompetenzen bestimmt, die zum Einsatz in verschiedenen Bereichen des translatorischen Berufes befähigen. § 1 Abs. 2 Z 1 des Studienplans des Grazer Instituts bringt ein modernes Verständnis des Berufsbilds von Translatorinnen und Translatoren zum Ausdruck: 1. Übersetzerinnen/ Übersetzer und Dolmetscherinnen/ Dolmetscher (Translatorinnen/ Translatoren) sind Fachleute für die Kommunikation zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen und Sprachen und übernehmen als Expertinnen/ Experten die Verantwortung für die von ihnen erbrachte Leistung. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Kenntnisse verfügen Translatorinnen/ Translatoren über die entsprechende fachliche, mentale und soziale Disposition, um den gegenwärtig geforderten und künftig zu erwartenden Anforderungen auf dem Translationsmarkt professionell begegnen zu können. (§ 1 Abs. 2 Z 1 des Studienplans) Die bloße Vermittlung einzelner Inhalte ist kein ausschlaggebendes Kriterium für ein angemessenes translationswissenschaftliches Studium. Gefordert ist vielmehr eine „fachliche, mentale und soziale Disposition“, die die Voraussetzung für ein verantwortliches Handeln im beruflichen Tätigkeitsfeld darstellt. Die notwendigen berufsspezifischen Voraussetzungen sind kommunikative und interaktive Fähigkeiten, die auch eine Grundlage für die Flexibilität bilden. Diese Kompetenzen sollten nicht geringer als kognitiv abfragbares Wissen oder translationstechnische Strategien gewertet werden. Sie verstehen sich als Ergänzung zu den Theorien und kognitiv 18 Der Studienplan für das Diplomstudium Übersetzen und Dolmetschen der Karl- Franzens-Universität Graz ist unter http: / / www-gewi.uni-graz.at/ uedo/ abrufbar (Stand 20.10.2009). <?page no="27"?> 25 vermittelten Lerninhalten, um neben der Wissensvermittlung kritische Denkprozesse zu fördern. Der damit verbundene Lernbegriff erfasst neben der fachlich-inhaltlichen Fachkompetenz auch die methodisch-strategische sowie die sozial-kommunikative Kompetenz. Daraus leitet sich ein weiterer Leistungsbegriff, der Begriff der Schlüsselqualifikationen ab, der auf das Produkt, den Prozess und die Präsentation gerichtet ist und ein selbsterfahrendes und selbstbeurteilendes Lernen umfasst. Unter dem Begriff „Schlüsselqualifikationen“ 19 werden überfachliche Strategien, Einstellungen, Fähigkeiten und Kompetenzen verstanden, die beim Wissenserwerb und bei der Lösung von inhaltlich unterschiedlichen Problemen eingesetzt werden können. Dazu gehören sowohl kognitive als auch emotionale Kompetenzen - problemlösendes, logisches und analytisches Denken, umhüllt von emotionaler Intelligenz, die Kommunikations-, Team-, Durchsetzungsfähigkeit und Ausdauer umfasst. Ein derartiges Lernverständnis berücksichtigt die Individualität der Studierenden und schließt Gruppenprozesse ein. In diesem Sinne formuliert der Studienplan für das Diplomstudium Übersetzen und Dolmetschen an der Karl-Franzens-Universität Graz als Schlüsselkompetenzen der Translatorinnen und Translatoren: Neben einer fundierten sprachlichen und kulturellen Kompetenz besitzen sie die notwendige wissenschaftliche (translatologische) Kompetenz sowie allgemeine und spezielle translatorische Kompetenzen. Als wesentlich für die Realisierung dieser Kompetenzen werden Flexibilität, Kooperationsfähigkeit und andere Schlüsselkompetenzen erachtet. (§ 1 Abs. 2 Z 1 des Studienplans) Mentale Kompetenzen (Reflexion, Abstraktion, autonome Weiterbildung) Soziale Kompetenzen (Kooperation, Kommunikation, Verantwortung) Technische Kompetenzen (Recherche, Umgang mit technischen Arbeitsmitteln) (§ 1 Abs. 3 des Studienplans) Die Voraussetzung für den Erwerb von Schlüsselqualifikationen bildet für translatorisch Handelnde die Beherrschung von mindestens zwei Sprachen und Kulturen; translatorische Kompetenz baut auf Sprach- und Kulturkompetenz auf und umfasst den kognitiven und emotionalen Umgang mit dem Gegenstand der Translation und den für die translatorische Tätigkeit notwendigen Wissensgebieten. Die in den Curricula geforderten Fähigkeiten finden sich nicht immer im Translationsunterricht wieder. Umgekehrt wird die Lehr- und Lernbarkeit der emotionalen Kompetenz in keinem Studienplan explizit genannt, vielmehr verläuft der Erwerb dieser Kompetenz - wenn überhaupt - komplementär und parallel. 19 Das Konzept „Schlüsselqualifikationen“ ist in der pädagogischen Diskussion inzwischen zu einem Modebegriff geworden; zu einer kritischen Auseinandersetzung mit diesem Konzept vgl. Gruber (1995), zu einer Neuorientierung auf der Grundlage der Erkenntnisse der Wissenstheorie vgl. insbesondere Dörig (1994); zu Schlüsselqualifikationen im Bildungswandel vgl. Beck (19973). <?page no="28"?> 26 Wie kann diesen Anforderungen in der translatorischen (Aus-)Bildung Rechnung getragen werden? Dazu gehört ein variables Repertoire von Lehr- und Lernformen, z.B. Methoden und Inszenierungsformen, die weniger stofflich-fachliche, materiale Ziele verfolgen, sondern eher überfachlich, formale Ziele, die die Stärkung der angehenden Translatorinnen und Translatoren als personenbezogene Bildungsziele anstreben. Die klassischen translatorischen Unterrichtskonzepte, die die Vermittlung von Faktenwissen und Techniken sowie das Einüben dieser zum Gegenstand haben, reichen nicht aus - gefordert ist die Befähigung zur Selbstbestimmung. Die ethische Verankerung kommt in der Umsetzung prinzipiell auf allen Ebenen, sowohl bei der Theoriebildung als auch in der praktischen Anwendung, vor. 2.1.1 Breite Kompetenz als übergreifende Zielsetzung Die in den Curricula formulierten Forderungen bedeuten den Abschied von den traditionellen Einstellungen zu Stoff und Funktion, zu Inhalt und Form, zu Produkt und Prozess. Die neuen Formen der universitären Lehre sind Denken in Synthesen, Wechselwirkungen und Balancen. 20 Die Definition übergreifender Zielsetzungen zeigt eine Präferenz für breit gefasste, nicht bloß an den konkreten Inhalten eines Studiums orientierten Zielbeschreibungen; diese sind durchaus im Einklang mit der primären Aufgabe der Universität in der Vermittlung einer wissenschaftlich fundierten Vorgehensweise nicht nur bei der Lösung wissenschaftlicher, sondern auch gesellschaftlicher Problemstellungen in verschiedenen Fachbereichen. Eine solche breite Kompetenz als Ziel der translatorischen Ausbildung formulieren etwa die Studienpläne der Universitäten Innsbruck und Wien. So heißt es im Curriculum für das Bachelorstudium Transkulturelle Kommunikation an der Universität Wien 21 unter anderem: Transkulturelle Kommunikation ist gekennzeichnet durch professionellen Umgang mit sprachlicher und kultureller Vielfalt in allen Bereichen der Gesellschaft. Absolventinnen und Absolventen des Bachelor-Studiums Transkulturelle Kommunikation sind praxisorientierte Fachleute im Bereich der internationalen mehrsprachigen Kommunikation. (§ 1 Abs. 2 des Curriculums) Im Curriculum für das Masterstudium Dolmetschen mit den Schwerpunkten Konferenzdolmetschen und Dialogdolmetschen wird als Ziel des Masterstudiums definiert, 20 Die neuen Ansätze betreffen nicht nur translationswissenschaftliche, sondern die universitären Studien im Allgemeinen. 21 Zu den hier und im Folgenden erwähnten Curricula der Universität Wien vgl. http: / / transvienna.univie.ac.at/ studieninformation/ studienplaene/ studienplan- 2007-bama/ (Stand: 20.10.2009). <?page no="29"?> 27 professionelle DolmetscherInnen als Fachleute für die Kommunikation zumeist zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen und Sprachen auszubilden. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Kenntnisse verfügen sie über die entsprechende fachliche, mentale und soziale Disposition, um den gegenwärtig geforderten und künftig zu erwartenden Anforderungen auf dem Translationsmarkt professionell begegnen zu können. Neben einer fundierten sprachlichen und kulturellen Kompetenz besitzen sie die notwendige wissenschaftliche (translatologische) Kompetenz sowie allgemeine und spezielle translatorische Kompetenzen, insbesondere im Bereich des Dolmetschens. Als wesentlich für die Realisierung dieser Kompetenzen werden Flexibilität, Kooperationsfähigkeit und andere Schlüsselqualifikationen (wie Belastbarkeit in Stresssituationen) erachtet (...) (§ 1 des Curriculums) Die Studienpläne bieten die Freiheit, Methoden zu entwickeln und zu lehren, wie kreative Prozesse bei den Studierenden ausgelöst werden können. Lernen wird nicht allein als Prozess der Wissensaufnahme gesehen, sondern als ein Entwicklungsprozess, der in einem sozialen Kontext erfolgt und das bewusste Erlebnis und die Aneignung eines fundierten theoretischen Verständnisses über das Fachwissen und exemplarischen Wissens ausgewählter wichtiger Teilbereiche fördert. 2.1.2 Ein ganzheitliches Kompetenzprofil Wenn wir als Ziel der translatorischen Ausbildung die Vermittlung einer Gesamtkompetenz, 22 die die vollwertige translatorische Kompetenz umfasst, ansehen, so können wir festhalten, dass dies Lernziele höherer Ordnung sind, über fachspezifische Fähigkeiten hinausgehende Kenntnisse, die wegen ihrer Abstraktheit schwer messbar und damit teilweise auch schwer lehrbar sind. Diese Tatsache ist eine nicht zu unterschätzende Größe, insbesondere wenn man bedenkt, dass viele Lehrende an den Universitäten über keine pädagogische Ausbildung verfügen und zu keiner Weiterbildung verpflichtet sind. 23 Die translatorische Gesamtkompetenz als Handlungsfähigkeit ist solchem Verständnis nach eine ganzheitlich integrative Fähigkeit mit den Komponenten Fach-, Methoden-, Sozial- und Individualkompetenz. Zusammenfassend können wir ein ganzheitliches 22 Vgl. dazu insbesondere die Überlegungen von Hönig (1995: 169). 23 Vgl. zur Illustration folgendes Zitat: „In Österreich ist es den Dozenten selbst überlassen, sich Didaktik anzueignen. Alle wissenschaftlichen Univ. haben Stellen, die Weiterbildungen anbieten. Bei der Evaluierung ihrer Lehre können die Dozenten davon profitieren, doch gute Didaktiker haben hierzulande bloß den ‚Vorteil’, dass man mehr Studenten betreuen muss und weniger Zeit für die Forschung oder andere Aktivitäten bleibt. Andere Belohnungen für gute Didaktik sind nicht vorgesehen.“ (heureka. Das Wissenschaftsmagazin im Falter 4/ 02) <?page no="30"?> 28 Lernen, das nicht nur auf den Erwerb von Fachkompetenzen abzielt, in vier Dimensionen einteilen. 24 Fachlich-inhaltliches Lernen (Fachkompetenz) Methodisch-problemlösendes Lernen (Methodenkompetenz) Sozial-kommunikatives Lernen (Sozialkompetenz) Affektiv-ethisches Lernen (Individualkompetenz) Die Fachkompetenz als Teil der materiellen Bildung fragt nach dem Wissen, das die Studierenden ansammeln; die Methodenkompetenz meint Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Wissen; die Sozialkompetenz vermittelt durch die Wahl der Sozial- und Aktionsformen im Unterricht insbesondere die Team- und Kooperationsfähigkeit, umhüllt von einer Individualkompetenz, die darauf Wert legt, dass Themen nicht nur sachadäquat, sondern vor allem auch interaktions- und kommunikationsadäquat behandelt werden. Damit ergeben sich für eine translationsrelevante Allgemeindidaktik folgende zu beachtende Dimensionen: DIDAKTIK WAS WIE Die Umsetzung einzelner Punkte hängt davon ab, wie abstrakt oder konkret die jeweiligen Ziele formuliert werden. Das Abstraktionsniveau enthält in der Regel Richtziele, die allgemein und nicht überprüfbar sind; Grobziele, die allgemein und schwer überprüfbar sind, und Feinziele, die konkret, nachvollziehbar und leicht überprüfbar sind. Die Abstimmung darüber hängt u.a. von aktuellen gesellschaftspolitischen Gegebenheiten ab. 24 In diesem Sinne auch Ott (2000: 12), der berufliches Lernen in diese Kategorien einteilt. Vorgaben des Curriculums Auswahl der Methode Erwartungen der Gesellschaft Wahl der Medien Auswahl des Lernstoffs Konzeption v. Lernsituationen Formulierung von Lernzielen Sicherung der Motivation Sequenzierung des Lernstoffs Evaluierung v. Lernsituationen <?page no="31"?> 29 2.2 Klassifizierung des Dolmetschens als Vorfrage einer Dolmetschdidaktik Im Folgenden wird keine wissenschaftstheoretische Auseinandersetzung über den Stand der Dolmetschwissenschaft geführt; die diesbezüglichen Arbeiten sollen hier nicht referiert werden, vielmehr soll hier eine für didaktische Fragestellungen notwendige Klassifizierung vorgenommen und auf diesbezügliche Arbeiten, seien sie auch älterer Natur, rekurriert werden. 25 2.2.1 Dolmetschforschung Die Dolmetschforschung im Allgemeinen war (und ist es teilweise immer noch), wie auch die Dolmetschdidaktik, jahrzehntelang schwerpunktmäßig auf das Konferenzdolmetschen ausgerichtet. Dies hat u.a. auch damit zu tun, dass die ersten dolmetschdidaktischen Arbeiten aus der beruflichen Praxis der Praktikerinnen und Praktiker stammen, die ihre Erfahrungen in die Ausbildung einbrachten. Die ‚Praxis’ damals unterschied sich wesentlich von der heutigen: vorwiegend wurde bei internationalen Konferenzen und politischen Treffen gedolmetscht. Behördendolmetschen im heutigen Verständnis war kaum vorhanden - auch die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse waren organisationstechnisch eher dem Konferenzdolmetschen zuzuordnen. Sohin konzentrierten sich die ersten dolmetschdidaktischen Arbeiten auf die Speicherung bzw. Notation als Aufbereitung für die Übertragung von Informationen (Herbert, 1952; Rozan, 1956; Ilg, 1959) und die Bildung theoretischer Modelle, die auf persönlichen Erfahrungen beruhten (Seleskovitch, 1968), die in den späteren dolmetschwissenschaftlichen Arbeiten nicht von Kritik verschont blieben. 26 Auch spätere Arbeiten zu spezifischen Themen wie Vom-Blatt-Dolmetschen (Coughlin, 1989), Antizipation beim Simultandolmetschen (Chernov, 1994; Jörg 1997), Shadowing (Seleskovitch und Lederer, 1989; Schweda Nicholson, 1990; Kurz, 1992; Kalina, 1994, Gile, 1995) sind als Produkt jahrelanger praktischer Erfahrung und psycholinguistisch orientierter Forschung entstanden. Dabei erfolgt als grundlegende - wohl älteste dolmetschwissenschaftliche - Klassifizierung die Unterteilung nach der Realisierungsform: Konsekutivdolmetschen und Simultandolmetschen. Mit Simultandolmetschen wird vorwiegend das unilaterale und mit Konsekutivdolmetschen sowohl das 25 Für eine ausführliche Konzeption des Dolmetschens, insbesondere zur Geschichte des Dolmetschens, zum Dolmetschen als Begriff, Dolmetschen als Funktion, Dolmetschen als vielgestaltigem Phänomen, Dolmetschen als beruflicher Tätigkeit sowie zur Entwicklung und zum Zustandsbild der Dolmetschwissenschaft vgl. Pöchhacker (2000a). 26 Vgl. dazu insbesondere die kritischen Anmerkungen von Gile (1990). <?page no="32"?> 30 unilaterale als auch das bilaterale Dolmetschen bezeichnet. Diese Unterscheidung wird grundsätzlich auch in der Lehre verwendet 27 bzw. ist diese Kategorisierung auch im Hinblick auf die Auswahl didaktischer Strategien vonnöten. Ausgehend von der in der Translationswissenschaft häufig als Ausgangsbasis verwendeten Definition, wonach Dolmetschen „die Translation eines einmalig (...) dargebotenen Textes der Ausgangssprache in einen wegen Zeitmangels kaum kontrollierbaren und nur begrenzt korrigierbaren Text der Zielsprache“ (Kade, 1968: 35) ist, werden in der Literatur die beiden Realisierungsformen 28 des Dolmetschens im Allgemeinen übereinstimmend definiert. Der Simultanmodus wird als die gleichzeitige Realisierung des Hörens des Ausgangstextes und der Produktion des Zieltextes verstanden. So spricht z.B. Salevsky (1992: 110) vom parallelen Verlauf der translatorischen Basishandlung; Kalina (1998: 25) hält dazu fest: „Beim Simultandolmetschen wird die zielsprachliche Version realisiert, während der Originaldiskurs vorgetragen wird [...]“. Pöchhacker (1998: 301) definiert Simultandolmetschen als „jene Ausführungsweise des Dolmetschens, bei der die Verdolmetschung nicht erst nach, sondern während der verstehenden Aufnahme der ausgangssprachlichen Rede produziert wird.“ Zum Simultandolmetschmodus werden wegen der Gleichzeitigkeit der Rezeption der Ausgangssprache und der Produktion der Zielsprache auch das Vom-Blatt- Dolmetschen und das Flüsterdolmetschen gezählt. 29 Die beiden Realisierungsformen des Dolmetschens, Simultan- und Konsekutivdolmetschen, kommen in verschiedenen Umgebungen bzw. kommunikativen Situationen zur Anwendung. Als Haupteinsatzgebiete für das Simultandolmetschen gelten vorwiegend Konferenzen, 30 also multilinguale Veranstaltungen mit Massenbetrieb, bei denen technische Anlagen zur Verfügung stehen, die eine Simultaneität der Hör- und Sprechhandlungen der dolmetschenden Person ermöglichen, ohne dass durch die Dolmet- 27 Diese beiden Modi werden aber auch im Zusammenhang mit Dolmetscheinsatzbereichen und Dolmetschprozessen genannt. Für ausführliche Positionierungen und Definitionen der beiden Dolmetschmodi vgl. u.a. Pöchhacker (1994) und Kalina (1998). 28 Hier werden keine Definitionen der Übersetzungswissenschaft, die das Dolmetschen miteinschließen, oder Arbeiten, die die Begriffe Übersetzen, Dolmetschen und Sprachmitteln undifferenziert gebrauchen, berücksichtigt. Zu dieser Diskussion vgl. Feldweg (1996: 18ff). 29 Pöchhacker (1998: 301) spricht von „Vom-Blatt-Übersetzen“ bzw. „Stegreifübersetzung“; Matyssek (1989: 7) bezeichnet das Flüsterdolmetschen als „eine besondere Spezies“, Kalina (1998: 27) als eine „(Ab-)art“ des Simultandolmetschens. 30 „Konferenzdolmetschen“, „Simultandolmetschen“ und „Kabinendolmetschen“ werden in der Praxis und Ausbildung synonym verwendet. Darauf weist bereits Kade (1967: 9) hin. <?page no="33"?> 31 schung die ausgangssprachlichen Sprecherinnen und Sprecher oder die Hörerinnen und Hörer des ausgangssprachlichen Textes gestört werden. 31 Für Konferenzen und konferenzartige Veranstaltungen ist charakteristisch, dass eine Person zu einer Menschenmenge spricht und vor einem Turnwechsel in der Regel abgeschlossene Redebeiträge, die unterschiedliche Längen aufweisen können, liefert. Diese ‚Vorträge’ sind vorwiegend monologisch organisiert, die Rednerin oder der Redner tritt mit dem ‚Publikum’ erst nach den Ausführungen zu einem bestimmten Thema in Kontakt. Für das Dolmetschen von monologisch organisierten Texten ist charakteristisch, dass die Kommunikation vorwiegend einseitig, unilateral verläuft. Monologisch organisierte Kommunikation hat für die Dolmetschung den Vorteil, dass die Dolmetscherin oder der Dolmetscher in der Regel davon ausgehen kann, dass das Thema der Ausführungen grundsätzlich nicht wechselt und keine Überraschungen auftreten. Ein weiterer großer Einsatzbereich des (vorwiegend simultanen) Dolmetschens sind die Medien. War Mediendolmetschen vor zehn Jahren noch „eine vergleichsweise marginale, aber nichtsdestoweniger wichtige Sonderform des Dolmetschens“ (Kurz, 1998: 311), ist es heute durch die Dynamik der interkulturellen Beziehungen und täglich neuer Entwicklungen des interkulturellen Zusammenkommens eine Dolmetschform, die aus dem Dolmetschalltag nicht mehr wegzudenken ist. Zu Beginn des Zeitalters des Fernsehdolmetschens waren es außerordentliche, vorwiegend politische Ereignisse, die übertragen und gedolmetscht wurden. Heute ist Dolmetschen Teil des täglichen Fernsehprogramms: Nicht nur wichtige politische Sendungen und Gesprächsrunden enthalten gedolmetschte Teile, sondern alle Programmarten, von Kultur-, Religions- oder Sportsendungen bis hin zu Unterhaltungssendungen, die mit prominenten ausländischen Gästen locken. Haupteinsatzgebiete des konsekutiven Dolmetschens sind multilinguale Kommunikationssituationen, an denen vorwiegend kleinere Personengruppen teilnehmen. Matyssek sieht für das Konsekutivdolmetschen - das er aus dem Blickwinkel der Notiznahme, die wiederum in den didaktischen Überlegungen eine wichtige Rolle spielt, betrachtet - neben Konferenzen als Einsatzgebiete jegliche Veranstaltungen, wo die Atmosphäre des „Plenums“ eingetauscht wird gegen die Arbeitswelt des „runden Tisches“, wo Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur sich zu erfolgsorientiertem oder auch nur detailbemühtem Gespräch „unter vier Augen“ oder im kleinen Kreis zusammentreffen, aber auch überall 31 Zum Simultandolmetschen werden auch Subsorten des Dolmetschens gezählt wie das simultane Flüsterdolmetschen oder verschiedene Erscheinungen des Vom-Blatt- Dolmetschens (vgl. van Hoof, 1962; Lamberger-Felber, 1998; Pöchhacker, 1997), aber auch die Simultanuntertitelung (Kurz & Katschinka, 1988; Luyken et al., 1991). <?page no="34"?> 32 da, wo aus hier nicht zu erörternden Gründen eine Simultanverdolmetschung nicht möglich (...) ist (...). (Matyssek, 1989: 10) Für die Kommunikation im ‚kleinen Kreis’ ist die gegenseitige Kommunikation von Angesicht zu Angesicht charakteristisch. Es überwiegen die Dialoge, sodass man hier von dialogisch organisierten Texten sprechen kann. Für diese Texte ist charakteristisch, dass sie mehr freie bzw. spontane Formulierungen enthalten, da - auch bei vorbereiteten Redebeiträgen - den initiativen Textbeiträgen naturgemäß reaktive Textbeiträge folgen, dass Gespräche jederzeit eine unerwartete Wendung nehmen und die Mitteilungen häufig Doppeldeutigkeiten und Gegensätzlichkeiten enthalten können. Dazu kommt, dass die Kommunizierenden die verbalen Äußerungen durch die Körpersprache begleiten oder ersetzen und so die Einstellung und Beziehung zueinander stärker demonstrieren als in einer monologischen Situation. Grundsätzlich können als in der translationswissenschaftlichen Literatur genannte und im Unterricht berücksichtigte Merkmale des konsekutiven Dolmetschens festgehalten werden: die Phasenverschiebung zwischen der Rezeption des Ausgangstextes und der Produktion des Zieltextes, die grundsätzliche Einmaligkeit der Darbietung beider Texte, die Mündlichkeit als Produktionsform beider Texte. Auch Konsekutivdolmetschen wird nicht nur als die Bezeichnung des Dolmetschmodus, sondern auch als die Bezeichnung für den Vollzug der Tätigkeit selbst verwendet. Prozessorientierte Untersuchungen finden sich bereits bei Gerver (1975), Moser (1978) sowie in späteren Arbeiten: Gile (1991), Kalina (1991; 1998), Pöchhacker (1994; 2000a), Pöllabauer (2005). Je detaillierter die Dolmetschtätigkeit beschrieben wird, desto schwieriger ist es, zu einer genauen, alle Aspekte umfassenden Definition zu gelangen. So beschreibt Kalina das Konsekutivverfahren folgendermaßen: Beim Konsekutivdolmetschen hört der Dolmetscher entweder einen vollständigen Diskurs in der Ausgangssprache und gibt ihn wieder, oder es werden Teilstücke des Diskurses von einer Länge zwischen ca. drei und zwölf Minuten vorgetragen, wobei vom Redner jeweils Pausen für die Verdolmetschung eingelegt werden. (Kalina, 1998: 23) Als Sondersorte des Konsekutivdolmetschens sieht Kalina (in Anlehnung an Herbert [1952]) das Satz-für-Satz-Dolmetschen (1998: 24). Die zeitliche Quantifizierung der Dolmetschsequenzen ist schwierig zu treffen: In der Dolmetschpraxis, bei wirtschaftlichen Verhandlungen, behördlichen Anhörungen und Vernehmungen werden als Regel Texte unterschiedlicher Länge gedolmetscht, sodass eine zutreffende Definition des zeitlichen Rahmens kaum möglich ist. Minjar-Beloru ev (1980: 148f) versuchte eine Einteilung, die der Praxis und der didaktischen Herangehensweise am nächsten liegt, und wie folgt zusammengefasst werden kann: extensives Konsekutivdolmetschen, das längere monologische Text- <?page no="35"?> 33 passagen umfasst und eine ganzheitliche Erfassung und Wiedergabe des Ausgangstextes unter Zuhilfenahme von Notizen anstrebt; absatz-phrasenmäßiges Konsekutivdolmetschen; bidirektionales Konsekutivdolmetschen, das sich jeweils auf die dialogische Kommunikation bezieht und in der Zieltextproduktion auf Gedächtnisleistung stützt. 32 Mit Kade (1980: 166) kann man hier die grundsätzlichen Charakteristika des Konsekutivdolmetschens festhalten: die Aufeinanderfolge der rezeptiven und produktiven Redetätigkeit und die Einmaligkeit des Ausgangstextes. Von diesen Annahmen ausgehend betonen Reiß & Vermeer (1984: 9) und Vermeer (1986b: 234) als wichtigen Faktor die Kontrollierbarkeit und Korrigierbarkeit des Translats nach Abschluss der Translation. Die Einsatzbereiche wie politische und wirtschaftliche Treffen, Gerichtsverhandlungen, Gespräche im Gesundheitsbereich, und viele andere interkulturelle Kontakte im Rahmen von Zusammenarbeit oder Auseinandersetzungen, wo Dolmetschleistungen nötig sind, bringen auch eine differenzierte Betrachtungsweise des Dolmetschens mit sich. Die Betrachtung und Untersuchung von translatorischen Leistungen werden immer mehr auf ein bestimmtes Thema oder einen bestimmten Einsatzbereich gelenkt. In diesem Zusammenhang wird die wissenschaftliche Betrachtung der Dolmetschleistungen immer weiter differenziert und einem bestimmten Einsatzbereich oder einer bestimmten Methode zugeordnet. Daher wird in der neueren Literatur das Dolmetschen immer klassifizierender behandelt, wobei mit der speziellen Bezeichnung die situative Kommunikationskonstellation, in der gedolmetscht wird, oder die Realisierungsform beschrieben wird. 2.2.2 Dialogdolmetschen und neue Formen der Kommunikation Ausgehend von der van Hoofschen (1962) Einteilung in „Kategorien von Dolmetschen“ und „Methoden des Dolmetschens“ wird mit jeder neuen Arbeit - entsprechend den neuesten gesellschaftlichen Entwicklungen - der Versuch unternommen, das Dolmetschen nach weiteren Kriterien zu definieren. Neben älteren, allgemeinen Werken sind dies umfassende dolmetschwissenschaftliche Arbeiten, die nach situativen Umständen, Verfahren und Sachbereichen untergliedern und auch spezifische Themenaufarbeitungen berücksichtigen, exemplarisch Konferenzdolmetschen (Seleskovitch, 1988b; Feldweg, 1996), Simultandolmetschen (Pöchhacker, 1994; Kurz, 1996; Jones, 1998), Verhandlungsdolmetschen (Gentile et al., 1996), Gerichtsdolmetschen (González et al., 1991; Mikkelson, 2000; Kadri , 2001 32 Hier ist zunächst nicht von Bedeutung, ob es sich bei der Dolmetschrichtung um die Übertragung in die nach Sprachklassifikationen des Internationalen Verbandes der Konferenzdolmetscher (AIIC) A, B oder gar C-Sprache handelt. Auch das Relaisdolmetschen, wo das Translat über eine Zwischensprache erfolgt, ist nicht Gegenstand der Untersuchung. <?page no="36"?> 34 bzw. 2006²), Dialogdolmetschen (Wadensjö, 1998), Gesprächsdolmetschen (Pöchhacker 2000a), Asyldolmetschen (Pöllabauer, 2005), um an dieser Stelle nur einige zu nennen. 33 Die Teilbereiche lassen sich weiter zerlegen bzw. nach spezifischen Betrachtungspunkten untergliedern. Pöchhacker (2000a: 25) nennt mit Belegstellen in diesem Zusammenhang etwa 50 verschiedene Bezeichnungen. Bei diesen Bezeichnungen werden sowohl Realisierungsformen als auch Fachbereiche, Themen, Anlässe, Sprachrichtungen oder Einsatzgebiete genannt. Viele dieser Bezeichnungen werden synonym verwendet. Zur Veranschaulichung: Apfelbaum (1997: 268) versteht Gesprächsdolmetschen „synonym zu bilateralem Dolmetschen [...], Verhandlungsdolmetschen [...], liaison interpreting [...], dialogue interpreting [...], community interpreting [...] und Sprachmitteln.“ Obwohl sie Gesprächsdolmetschen vorwiegend im institutionellen Rahmen ansiedelt, zu dem sie auch explizit Gerichte zählt, führt Apfelbaum Gerichtsdolmetschen nicht synonym zu Gesprächsdolmetschen. 34 Riccardi (2000: 77) wiederum bezeichnet community interpreting als Verhandlungsdolmetschen; Pöchhacker (2000a: 40) führt im Deutschen die Bezeichnung Kommunaldolmetschen ein. In der breiten wissenschaftlichen Diskussion werden insbesondere folgende zwei Bezeichnungen verwendet: community interpreting und liaison interpreting. Die Bezeichnung community interpreting entstand in den 1980er Jahren in Großbritannien (vgl. Shackman 1984) und wurde insbesondere im Laufe der neunziger Jahre auf mehreren Kontinenten vielfach für Einsatzbereiche verwendet, die sich auf Kontakte zwischen Zugewanderten und Einheimischen eines Bezugslandes - in der Regel auf institutioneller Ebene - beziehen und sohin häufig an nationale Gegebenheiten des Bezugslandes bzw. des Gastlandes geknüpft sind. Die Beschreibungen des community interpreting divergieren - nicht zuletzt durch ständige Weiterentwicklung und Aufarbeitung des Bereichs sowie länderspezifische Auffassungen - sowohl in der Definition der Tätigkeit (vgl. Mikkelson, 1996; Roberts, 1997; Bowen, 1998; Wadensjö, 1998) als auch in der Bezeichnung und Eingrenzung der Einsatzbereiche, wie z.B. Krankenhausdolmetschen 33 Moser-Mercer (1994: 17ff) hat bereits vor mehr als einem Jahrzehnt in der neueren Simultandolmetschforschung zwei Richtungen identifiziert: eine Gruppe nennt sie „the liberal arts group“, zu der sie eher Theoretikerinnen und Theoretiker wie Seleskovitch (1976), Lederer (1990) und Vermeer (1983) zählt, die zweite Gruppe, „the natural science community“, in die sie Moser (1978), Gile (1990), Barik (1994) und Lambert (1994) einordnet, die versuchen, durch Experimente einen Phänomenkatalog zu schaffen, auf dessen Grundlage eine Theorie zu bilden sei. Nach dieser Einteilung würden die neueren Arbeiten wohl zur zweiten Gruppe gehören. 34 Das mag wohl daran liegen, dass man bei gerichtlichen - und sonstigen institutionalisierten - Vernehmungen, deren Formen ausschließlich regulative oder begehrende Inhalte zum Gegenstand haben und somit immer eine ungleiche Kommunikation darstellen, schwerlich von „Gesprächen“ sprechen kann. <?page no="37"?> 35 (Ergueta, 1992), Bildungsdolmetschen (Schodterer, 1997), Behördendolmetschen (Bowen, 1998), soziales Dolmetschen (Kalina, 1998). 35 Gentile et al. (1996) greifen dieses Thema auch aus einer globalen Perspektive auf, die insbesondere didaktische Relevanz besitzt: Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen Dolmetschformen, die Gentile et al. unter der Bezeichnung liaison interpreting zusammenfassen. 36 Gentile et al. (1996: 17) geben dazu eine allgemeine Begriffserklärung, die wie folgt lautet: „Liaison interpreting is the name given to the genre of interpreting where the interpreting is performed in two language directions by the same person“. Liaison interpreting umfasst alle Formen des Dolmetschens „where the interpreter is physically present in an interview or meeting, and usually uses the consecutive mode of interpreting“ (Gentile et al., 1996: 1) und erstreckt sich auf verschiedene Einsatzbereiche. Es kommt zum Einsatz in business settings, where executives from different cultures and languages meet each other; in meetings between a society’s legal, medical, educational and welfare institutions and its immigrants who speak a different language; in relations between a dominant society and indigenous people speaking different languages; in a whole host of less formal situations in tourism, education and cultural contacts. (Gentile et al, 1996: 1) Die zitierten AutorInnen verstehen ihre Konzeption des liaison interpreting so, dass sie - im Unterschied zum Konferenzdolmetschen - praktisch alle Bereiche, wo bidirektionales konsekutives Dolmetschen zum Einsatz kommt, umfasst; also alle Tätigkeitsfelder, in denen die Kommunikation und folglich auch die translatorischen Leistungen in vorwiegend dialogischer Form erbracht werden. Von der Einteilung des Dolmetschens in Konferenzdolmetschen und liaison interpreting nach Gentile et al. (1996) ausgehend und unter Berufung auf frühere Arbeiten 37 nimmt Pöchhacker (2000a: 26ff) die Einteilung in Modus und Metier vor und unterscheidet im Metier (2000: 39) zwischen internationalem (Konferenz-)Dolmetschen und intrasozietärem (Kommunal-)Dolmetschen, 38 wobei er das „Gesprächsbzw. Verhandlungsdolmetschen“ (2000a: 40) in einen Übergangsbereich setzt, der je nach „nationalterritorialem institutionellem Kontext“ in beide oben genannten Bereiche 35 Zu beachten ist, dass häufig Behördenbzw. Gerichtsdolmetschen ausgeklammert wird. Das liegt daran, dass die Kommunikation und sohin auch die Beiziehung von Dolmetschenden in behördlichen Verfahren in den meisten Ländern gesetzlich geregelt ist. Vgl. dazu Kadri (2006 2 ) mit weiteren Belegen zur einschlägigen Literatur. 36 Eine Zusammenfassung dieses Dolmetschtyps im Begriff interprète de liaison findet sich bereits bei van Hoof (1962), liaison interpreting bei Lang (1978) und Keith (1984). 37 Nämlich auf Haensch (1957) und Seleskovitch (1962, 1968) sowie Feldweg (1996). 38 Als Lehnübersetzung der inzwischen feststehenden Bezeichnung community interpreting. <?page no="38"?> 36 fallen kann. 39 Die Unterscheidung zwischen Konferenz- und Kommunaldolmetschen wird mit Bezug auf die Feststellung von Fletcher (1989: 129) „I regard community interpreting as any kind of interpreting where one of the parties involved is an individual acting on his or her own behalf“ aufgrund eines aktantenbezogenen Handlungszusammenhangs getroffen und zwar so, dass für das Kommunaldolmetschen folgende Rollenkonstellation charakteristisch ist: auf der einen Seite (Privat-)Personen, die in eigener Sache auftreten, und auf der anderen Seite Behördenvertreterinnen und -vertreter, die im Namen der und für die Behörde in Erscheinung treten. Während Pöchhacker (2000a: 4f) die Einteilung in inter- und intrasozietär vornimmt, spricht Riccardi (2000: 76) von zwei Ausrichtungen des Dolmetschberufes - auf nationaler Ebene, lokalisiert, und auf internationaler Ebene, globalisiert. Aufgrund des unterschiedlichen Verlaufs der Etablierung des Tätigkeitsfelds, Forschungsstands und rechtlicher Rahmenbedingungen gibt es auch verschiedene Bezeichnungen bzw. Eingrenzungen der Tätigkeits(teil)bereiche. 40 Schreiber (2001: 30) weist im Zusammenhang mit dem community interpreting berechtigterweise darauf hin, dass es gefährlich wäre, diesen Bereich als neues Berufsfeld einzustufen, es handle sich vielmehr um ein neues Tätigkeitsfeld. Auch über die Bezeichnung der translatorischen Leistungen divergieren die Meinungen. 41 Einteilungen sind zwar notwendig, aber je konkreter sie vorgenommen werden, desto schwieriger ist es, im Rahmen der gewählten Kategorie ein Thema oder einen Bereich in allen seinen Facetten zu erfassen. 42 Wenn wir beispielsweise die Einteilung des Dolmetschberufs in eine nationale und eine globale Ebene vornehmen bzw. das Dolmetschen in intra- und inter- 39 Eine Weiterentwicklung bzw. Präzisierung der settings and constellations findet sich bei Pöchhacker (2004: 13ff.). 40 Zu den Bezeichnung(en) und Abgrenzung(en) der Tätigkeitsfelder vgl. Roberts (1993; 1997), Mikkelson (1996), Corsellis (1997), Smirnov (1997), Downing (1998), Pöchhacker (2000a). 41 Vgl. etwa Pöchhacker (2000a: 39), Bahadir (2000: 217) oder Leanza (2005: 170ff.), wo es um FachdolmetscherInnen, KommunaldolmetscherInnen, KulturdolmetscherInnen oder kulturelle MediatorInnen geht, um nur einige Bezeichnungen zu nennen. Gentile (1997: 117) hingegen ist gegen ein Splitting und fordert in diesem Zusammenhang die bewährte und einfache Bezeichnung „Dolmetschen“ bzw. „Dolmetscher“. In diesem Sinne auch Mikkelson (oJ). 42 Dass es schwierig ist, begrifflich scharf abzugrenzen, zeigen zahlreiche Arbeiten zu spezifischen Themen. Harris (1994) ordnet beispielsweise große erstinstanzliche sowie berufungsinstanzliche Prozesse dem Konferenzdolmetschen zu. Hier ist Gile (1998: 40f) zuzustimmen, der die Bezeichnung conference interpreting als irreführend und falsch ablehnt. Als weiteres Beispiel sei hier das Mediendolmetschen angeführt, welches Kurz (1985) zum Konferenzdolmetschen zählt, während Pöchhacker (2000a: 41) es an den „nationalen institutionellen Kontext“ bindet und sohin auch die Möglichkeit offen lässt, es dem Kommunaldolmetschen zuzuordnen. <?page no="39"?> 37 sozietären Bereiche einteilen, müssen wir auch die Auswirkungen dieser Einteilung hinterfragen. Nach einer solchen Einteilung könnte eine gedolmetschte Gerichtsverhandlung an einem internationalen Gerichtshof wie z.B. in Den Haag als internationales und intersozietäres (Konferenz)- Dolmetschen betrachtet werden, eine gedolmetschte Gerichtsverhandlung in Berlin, wo es um organisierte Kriminalität unter Beteiligung von Menschen verschiedener Nationalität bzw. Sprache und Kultur geht, wo ausländische Zeuginnen und Zeugen zur Gerichtsverhandlung anreisen, hingegen als lokales oder intrasozietäres Dolmetschen. Eine Dolmetschung für einen ukrainischen Politiker und (Privat-)Patienten, der sich in einem Wiener Krankenhaus einer Operation unterzieht und wo die Arzt-Patient- Gespräche mittels Dolmetschung ablaufen, wäre international bzw. intersozietär (ungeachtet der Einbettung in eine lokale Einrichtung), bei einer vergleichbaren Operation und ähnlichen Gesprächen zwischen Arzt und einer in Wien lebenden Patientin türkischer Abstammung würde das Setting als lokal bzw. intrasozietär bezeichnet werden. Die Qualität dieser Einteilung - und häufig der tatsächlichen Ausübung der translatorischen Tätigkeit - lässt Raum für eine Entwicklung der hierarchischen und ungleichmäßigen sozialen Machtverteilung. 43 2.3 Dolmetschen und soziale Machtverhältnisse Die erwähnten Arbeiten stellen in selektiver Weise wichtige Beiträge zu einem sehr komplexen Thema dar. Die Ausführungen illustrieren aber, wie schwierig es ist, präzise Grenzen für Dolmetschhandlungen und -bereiche zu ziehen und umfassende Kategorien zu bilden, insbesondere weil ständig neue Tätigkeitsfelder entstehen und weil Translation per definitionem inter- und transkulturell abläuft und somit schwer in ein ‚lokales’ oder ‚globales’ Schema hinein gepresst werden kann. Einerseits werden selbstverständlich die einzelnen Dolmetschsituationen in einen soziokulturellen Lebenskontext gestellt, andererseits ist es nicht zielführend, die Unterscheidung des kommunikativen Handelns der Menschen lediglich nach ihren spezifischen Lebenswelten vorzunehmen. Eine weitere Dimension in der Wahl der Kategorisierung ist die Dimension der sozialen Macht, die in und mit der Translation ausgeübt und reproduziert wird. Insbesondere im Bereich des community bzw. liaison interpreting stehen - auch global betrachtet - im Mittelpunkt der Fragestellungen die gedolmetschte face-to-face Kommunikation und die damit im Zu- 43 Auf das Thema der sozialen Machtverhältnisse wird später noch zurückzukommen sein. An dieser Stelle sei nur der Hinweis auf die Realität der Dolmetschwelten gegeben, die von Pöchhacker (1997: 215) treffend als „First World“ für Konferenzdolmetschen und „Third World“ für Community Interpreting bezeichnet wurden. <?page no="40"?> 38 sammenhang stehenden Implikationen. Dazu gehören insbesondere transkulturelle Kontakte im Bereich des Verhandlungsdolmetschens (politischrechtliche und wirtschaftliche Verhandlungen), des Behördendolmetschens (Dolmetschen bei Gericht, Polizei, Asylamt), des Dolmetschens in medizinischen und sozialen Einrichtungen (in Krankenhäusern, in Arztpraxen, in psychologischen und psychiatrischen Beratungs- und Therapiestellen usw.), aber auch Teile des Mediendolmetschens (Interviews, Unterhaltung, eingebettete Berichterstattung) - Dolmetschsituationen in diesen spezifischen Gesprächsbzw. Vernehmungskonstellationen und ihre Dynamiken bilden weltweit eine Sondersorte der vermittelten Kommunikation. In den meisten Fällen handelt es sich um ungleichberechtigte Kommunizierende, die keine gemeinsame Zielsetzung in der Kommunikation haben. Diese Konstellationen bieten einen ‚idealen’ Raum für soziale Machtausübung. Keith (1984) hat in seinem Aufsatz „Liaison Interpreting - an Exercise in Linguistic Interaction“ bereits vor mehr als 20 Jahren festgestellt, dass in der Didaktik zwischen conference consecutive und liaison interpreting (1984: 312) als unterschiedliche Translationstypen zu differenzieren ist. Keith beschreibt liaison interpreting aus didaktischer Perspektive als eine Realisierungsform des konsekutiven Dolmetschens, und zwar anhand der Kriterien des Textstatus und der Interaktivität, wobei er sich auf Dialogdolmetschen kurzer Textpassagen unter Verzicht auf Notizen konzentriert. 44 Interessant ist in diesem Zusammenhang der didaktische Ansatz: „[...] it is useful to establish for teaching purposes two completely distinct categories of consecutive interpreting: conference consecutive and liaison interpreting“ (Keith, 1984: 312). Dieser Vorschlag entspricht der Forderung von Gentile et al. (1996), liaison interpreting neben Konferenzdolmetschen als eigenständigen Berufszweig zu etablieren. 45 ‚Conference consecutive’ ist in diesem Sinne als Monolog dolmetschen, ‚liaison interpreting’ als Dialogdolmetschen im Konsekutivmodus unter Berücksichtigung der Interaktionstypen zu verstehen. Mit dieser Differenzierung wird insbesondere in der didaktischen Fragestellung den neueren Entwicklungen Rechnung getragen. 46 Ein solches Verständnis der Translation erlaubt es auch, für die detaillierte Beschreibung von Dolmetschleistungen die Tätigkeitsbereiche 44 Vgl. auch Lang (1978). 45 Die Bemühungen früherer Arbeiten zum bilateralen Dolmetschen gehen auf die Einteilung von van Hoof (1962) zurück und konzentrierten sich auf Geschäfts- und Wirtschaftsverhandlungen sowie politische Gespräche. Der Fokus der neueren Arbeiten greift die Erfordernisse der Zeit auf und untersucht das Dolmetschen in allen interaktiven transkulturellen Kommunikationssituationen. 46 Im Zusammenhang mit der Vermittlung der Konsekutivtechnik vgl. auch Gile (1995: 15): „Components should be directly relevant to the students’ needs“ und „Components should be easy to grasp.“ <?page no="41"?> 39 didaktisch näher einzugrenzen und die Anforderungsprofile bzw. die Art der Tätigkeit spezifischer zu beschreiben. Durch die stetig neuen Einsatzbereiche benötigt eine zeitgemäße Didaktik einen weit gefassten Rahmen; die didaktische Auseinandersetzung sollte Kriterien folgen, die auf die neuesten Entwicklungen adäquat reagieren: Studierende sollen mit allen (transkulturellen und institutionellen) Kommunikationsformen vertraut gemacht werden. Nicht nur in den ungleichen Kommunikationssituationen können Kontexte verschiedene Bedeutungen erfahren. Eine Differenzierung dessen, was die ausgangssprachliche Autorin oder der ausgangssprachliche Autor einem Text oder was die Dolmetscherin oder der Dolmetscher dem ausgangssprachlichen Text unterlegt und wie sich das im Translat wieder findet, ist für den Ausgang eines Gesprächs entscheidend. Je größer die kommunikativen Unterschiede und je stärker die soziale Hierarchie der an der Kommunikation Beteiligten, umso größer ist die Herausforderung für die Dolmetschenden, die diese Differenz überbrücken müssen. Das Ziel einer holistischen Translationsdidaktik ist es, die angehenden Translatorinnen und Translatoren mit allen Faktoren des Translationsgefüges im gesellschaftlichen Kontext bekannt zu machen sowie sie mit allen Eigenschaften der kommunikationsrelevanten Translationskompetenz auszustatten. Die Entwicklung einer solchen Didaktik kommt nicht ohne Berücksichtigung der sozialen Machtverhältnisse aus, in denen sich Dolmetschtätigkeit abspielt. Im folgenden Abschnitt werden daher einige Erkenntnisse aus der Sozialpsychologie, die für translatorische Berufe von Relevanz sind, diskutiert. 2.3.1 Formen der sozialen Macht Zunächst kann festgehalten werden, dass es sich bei Macht um bestimmte Formen der Einflussnahme handelt, die häufig schwer allgemein fassbar und benennbar sind. In Sozialpsychologie der Machtbeziehungen definiert Schneider (1977: 35) unter sozialer Macht eine „aufgrund ihrer Verfügungsgewalt über Ressourcen von den Partnern zugeschriebene Fähigkeit von Personen oder Gruppen, auf kognitive oder Verhaltensaspekte dieser Partner einzuwirken“. Die Begriffe „Macht“, „Kontrolle“, „Dominanz“ oder „Herrschaft“ werden häufig synonym verwendet (vgl. French, 1985: 807f). 47 Diese Eigenschaft gestattet der Person oder der Gruppe, die sie besitzt, Druck in Bezug auf die Bildung von Meinungen, Ausführungen von Handlungen oder Treffen von Entscheidungen auszuüben. 47 Zur Wahrnehmung dieser Eigenschaft vgl. folgende Ausführungen von French (1985: 808) .: „Herrschaft gilt gewöhnlich als etwas Erstrebenswertes: (...) Nicht als positiv gilt solches Dominanzstreben dann, wenn es von Untergebenen’ - Frauen, Kindern oder Bediensteten - gegenüber ‚Übergeordneten’ - Männern, Erwachsenen oder Arbeitgebern - entfaltet wird.“ <?page no="42"?> 40 In der von French & Raven (1968) und Raven (1992) entwickelten Theorie der sozialen Macht werden folgende Mittel, die Personen einsetzen könnten, um andere zu beeinflussen, genannt: Macht durch Belohnung, die die Fähigkeit umfasst, eine andere Person mit positivem Einfluss zu versehen oder Negatives fernzuhalten. Macht durch Zwang, die sich aus der Möglichkeit ergibt, dass eine Person negative Sanktionen gegenüber einer anderen Person verfügen kann. Legitime Macht, die in der Regel durch formale Anweisungen konstituiert wird. Identifikationsmacht, die auf einer Stellung bzw. Wertschätzung beruht. Expertenmacht, die dann ausgeübt werden kann, wenn die spezifischen Kenntnisse einer Person eingesetzt werden. Informationsmacht, die dann eintritt, wenn eine Person über einen Informationsvorsprung verfügt, den sie durch Auswahl oder Verfälschung zum gezielten Einfluss nimmt. Die Grundintentionen der Macht hat insbesondere Michel Foucault (1978) seinen Analysen gesellschaftlicher Zusammenhänge zugrunde gelegt: er erschließt eine globalere Sicht auf jene Prozesse, die institutionalisierten Kontakten in der Gesellschaft zugrunde liegen und unter den Begriff „Kommunikation“ subsumiert werden können. Die Macht ist nach Foucault in Wahrheit ein komplexes und strategisches Kräfteverhältnis, das in einer gegebenen Gesellschaft herrscht. Dabei geht es nicht um die massive Tatsache einer globalen Herrschaft eines einzigen über alle anderen, oder einer Gruppe über eine andere, sondern [um] die vielfältigen Formen der Herrschaft, die im Inneren einer Gesellschaft ausgeübt werden können. (Foucault, 1978: 79) Macht äußert sich also als Einflussnahme einer Person oder einer Gruppe auf eine andere Person oder eine Gruppe; dies bedingt, dass diese Personen oder Gruppen nicht isoliert betrachtet werden, denn die Voraussetzung für Machtausübung ist der (soziale) Kontakt zwischen den betreffenden Personen oder Gruppen. Macht zirkuliert wie Energie. Wer gerade an der Macht ist, ist gleichzeitig in der Position zu unterliegen oder zu obsiegen. Die Macht funktioniert, die Macht übt sich als Netz aus, und über dieses Netz zirkulieren die Individuen nicht nur, sondern sind auch stets in der Lage, diese Macht zu erleiden und auch sie auszuüben; sie sind niemals die träge oder zustimmende Zielscheibe der Macht; sie sind stets deren Überträger. Mit anderen Worten, die Macht geht durch die Individuen hindurch, sie wird nicht auf sie angewandt. (Foucault, 2005: 114) Foucault kommt zu dem Ergebnis, dass die unterschiedlichen Machtverhältnisse in einer Interaktion gleichzeitig wirken können. Auch kann sich Macht als positive oder negative Einwirkung äußern. Mit dieser Ein- <?page no="43"?> 41 wirkung kann Druck in Bezug auf die Bildung von Meinungen, Ausführungen von Handlungen oder Treffen von Entscheidungen ausgeübt werden. Diese Definition lässt Raum für Interpretationen: sie unterscheidet nicht zwischen einer positiven oder negativen Einwirkung. Für eine Differenzierung der Macht in Organisationen schlägt Buschmeier (1995) als Oberbegriff „soziale Einwirkung“ vor. Als Grundlage für die Unterscheidung führt sie die so genannten weichen oder harten Taktiken an bzw. ob die Beeinflussung als Unterstützung oder Behinderung gesehen wird. Die Sichtweise dabei ist die eines Akteurs oder einer Akteurin, eines Rezipienten oder einer Rezipientin (Opfer) und die einer unabhängigen Beobachterin oder eines unabhängigen Beobachters. Die drei Sichtweisen konvergieren nicht immer; wenn beispielsweise selbst eine Akteurin und eine Rezipientin den Einfluss gleich positiv interpretieren, kann eine unabhängige Beobachterin zu einem anderen Schluss kommen. Logischerweise sollte der Machtbegriff daher grundsätzlich aus der Beobachtungsperspektive untersucht werden: denn Macht ist eine gezielte und intendierte Einflussnahme auf eine Rezipientin oder einen Rezipienten, die aus einer Beobachtungsperspektive als Macht interpretiert wird. In der vorliegenden Arbeit wird ein Perspektivenwechsel bzw. eine -verknüpfung versucht: In der Translationsausbildung stehen die angehende Translatorin und der angehende Translator im Zentrum des Interesses - ihnen gilt unsere Aufmerksamkeit, die Untersuchung der Ausübung der sozialen Macht gilt daher den Beeinflussungsmechanismen auf die Translatorin oder den Translator. Nur wenn die Mechanismen der sozialen Einflussnahme erkannt werden, kann damit im Akt der Translation kreativ und selbstbewusst umgegangen werden. E. Witte (2001) schlägt einen Rahmen zur Einordnung der unterschiedlichen Konzepte der Macht wie folgt vor: In der Darstellung einer systematischen Auswahl von machttheoretischen Ansätzen spricht er von Systemen, die er nach ihrem Umfang in Individualbzw. Mikro-, Meso- und Makrosysteme einteilt sowie nach ihrer Qualität, die menschliche Eigenschaften umfasst: affektives, kognitives und konatives Subsystem. In Kombination beider Systeme werden Aussagen darüber getroffen, welche Perspektive ein machttheoretischer Ansatz im Schwerpunkt gewählt hat. Hier zur Illustration die von E. Witte (2001: 5) vorgeschlagene Kombination von Qualität und Quantität: <?page no="44"?> 42 (1) Individualsystem = Einzelperson mit der engen Wechselwirkung der drei Subsysteme: affektiv, kognitiv, konativ. (2) Mikrosystem = eine kleine überschaubare Einheit mit direktem Kontakt der Individuen (Kleingruppen). (3) Mesosystem = eine mittlere Institution, z.B. eine Schule, die konkret abgrenzbar ist und bei der auch indirekte Kontakte über allgemeine Anweisungen beobachtbar sind. (4) Makrosystem = eine nicht mehr konkret abgrenzbare Organisation, z.B. der Bereich der Rechtsprechung, der Bildung etc., die Einfluß nimmt. Hierunter soll auch die Gesamtgesellschaft als das Staatssystem verstanden werden. Die Machtmittel bzw. die konkrete Beeinflussung müssen in der direkten Interaktion nicht sichtbar werden. Die Wirksamkeit wird in der Regel durch das Wissen um ihren Besitz und ihre Wirkung aktiviert: es genügt zu wissen, dass uns jemand Vorteile, Wohlstand, Beförderung oder Nachteile verschaffen kann. 2.3.2 Anwendungsmechanismen der sozialen Macht Häufig ist es schwierig zu bestimmen (bzw. zu beweisen), wo eine sozial gebilligte Einflussnahme, auf die sich eine Gesellschaftsgruppe geeinigt hat, vorliegt, und wo eine von der sozialen Regel abweichende Unterdrucksetzung stattfindet. Wenn ein Richter vor der Verhandlung die Dolmetscherin daran erinnert, dass sie das „Hilfsorgan des Gerichts“ ist, übt er dann Macht aus? Wenn derselbe Richter in der anschließenden Verhandlung die vollständige Dolmetschung untersagt, indem er die Dolmetscherin anweist, nur eine kurze Zusammenfassung einer langen Zeugenaussage für den Angeklagten wiederzugeben 48 mit dem Zusatz: „der hat es schon verstanden“, welche Qualität hat diese Art der Machtausübung? Im ersten Fall - Erinnerung an die Funktion vor der Verhandlung - könnte man von einer sozial geregelten Machtausübung, die sowohl gesellschaftlich als auch gesetzlich geregelt ist, ausgehen. Im zweiten Fall dagegen müsste man die Machtausübung durch die Erklärung des Richters „Der hat es schon verstanden“, der sich die Dolmetscherin kaum widersetzen kann, differenzierter betrachten: Für den Richter kann es sich bei der Frage, wie 48 Aus einer flächendeckenden Befragung der Strafrichterinnen und -richter in Österreich geht z.B. hervor, dass nur 21% der Befragten die von ihnen geleiteten Verhandlungen vollständig dolmetschen lassen (Kadri , 2008). <?page no="45"?> 43 viel tatsächlich in ‚seiner’ Verhandlung gedolmetscht wird, um eine Ermessensentscheidung handeln, die sicherstellt, dass der Angeklagte im Sinne eines fairen Verfahrens das gegen ihn vorgebrachte Beweismaterial oder Zeuginnen und Zeugen versteht; für die Dolmetscherin, die sich in der Ausübung ihres Berufs u.a. zur Vollständigkeit und gleicher Behandlung aller an der Kommunikation Beteiligten bekennt, stellt sich das Vorgehen des Richters als Unterdrucksetzung und Behinderung dar, die als Handlungseffekt sichtbar ist. Die Machtmittel des Richters wirken in dieser Situation sowohl auf das kognitive - als Jurist kann er die verkürzte Dolmetschung argumentieren - als auch auf das konative Subsystem: die Nichtbefolgung seiner Anweisungen kann sanktioniert werden - etwa durch den Entzug weiterer Dolmetschaufträge. Man darf die Tatsache nicht unterschätzen, dass Macht oft auf Prestige und Ehre aufbaut. Beides bekommt man über Menschen oder Beziehungen, die etwas ‚bringen’. Je mehr man ins Zentrum eines Netzwerkes rückt - z.B. je etablierter man als Dolmetscherin oder Dolmetscher in einer Institution ist - desto mehr (Aufträge) bekommt man, desto mehr Ressourcen kontrolliert man. Das lässt den umgekehrten Schluss zu: ohnmächtig ist jener Mensch, der nichts geben kann. Und wenn man nichts (zurück-)geben kann, entsteht automatisch eine Hierarchie. Das ist wahrscheinlich das Unbewusste der Macht, das sich reproduziert. Allerdings ist es im Mikrosystem, im direkten Kontakt der Individuen in Kleingruppen möglich, dass ‚Machtverhältnisse’ im Verlauf des Diskurses ständig wechseln. Hier können - nicht nur aufgrund der hierarchischen, sondern auch sprachlichen, fachlichen oder emotionalen Dominanz - auch Personen Macht ausüben, die im System, also strukturell, eigentlich keine Macht besitzen. Dies ist insbesondere in Konstellationen, in denen Emotionen eine große Rolle spielen bzw. in Situationen, wo ‚nichts mehr zu verlieren ist’, zu beobachten. ‚Macht’ ist also vor allem der Raum, in dem sich bestimmte Tätigkeiten entfalten können. Die Auseinandersetzung mit den Formen sozialer Macht ist daher insbesondere in der Translationsausbildung wichtig: Vermeidung oder Beseitigung der Dispositionen, die die Beeinflussung ermöglichen, kann nur dann geschehen, wenn die Beeinflussung erkannt wird. Der Translationsunterricht sollte daher auch einen Spielraum bieten, in dem Studierenden ermöglicht wird, die Strukturen der sozialen Macht zu erkennen, insbesondere diese Seite des Berufes kennenzulernen, damit sie als verantwortliche Menschen das Streben nach Selbstbehauptung aufnehmen können und auf diese Weise Beeinflussung vermeiden lernen. <?page no="46"?> 44 2.4 Kommunikations- und Translationskultur Neben den ausführlichen Ansätzen der funktionalen Translationswissenschaft, die sich mit den kulturellen Aspekten 49 der Translation beschäftigt und zusammenfassend die Einbettung eines jeden Translats in die Kultur, Situation und Kontext betont („Translation as an activity is always doubly contextualized, since the text has a place in two cultures” [Bassnet & Lefevere, 1990: 11]), wird seit über einem Jahrzehnt die Translation im Kontext als soziale Kategorie und die Rolle der Translatorin und des Translators im sozialen Gefüge intensiv untersucht. Nicht zuletzt durch den Einfluss der soziologischen Ansätze 50 rückt immer mehr der Habitus der Beteiligten im translatorischen Gesamtgefüge in den Mittelpunkt der Untersuchungen. Translation wird als sozial regulierte Tätigkeit, die u.a. soziokulturell bedingt ist, betrachtet. Die sozialen Kategorien bestimmen auch das Verhalten der Translatorin oder des Translators und bedürfen in der Ausbildung besonderer Berücksichtigung. Prun (1997) nennt die Gesamtheit der Prozesse, die dazu dienen, translatorische Berufe sowie jene, die sie ausüben, gezielt in der Gesellschaft zu positionieren, die Entwicklung einer Translationskultur, die er wie folgt definiert: Unter Translationskultur wollen wir das historisch gewachsene, aktuell gegebene und grundsätzlich steuerbare Subsystem einer Kultur verstehen, das sich auf das Handlungsfeld Translation bezieht und aus einem Set von gesellschaftlich etablierten Normen, Konventionen, Erwartungshaltungen und Wertvorstellungen aller in dieser Kultur aktuell oder potentiell an Translationsprozessen beteiligten Handlungspartner besteht. (Prun , 1997: 107) Wenn im gesellschaftlichen Gesamthandlungsgefüge Translationsbedarf auftritt, wird Translation initiiert. 51 Ausgehend von der Prämisse, dass Translation immer eine „konventionalisierte, interlinguale und transkulturelle Interaktion, die in einer Kultur als zulässig erachtet wird“ (Prun , 49 Die Translationswissenschaft hat sich dazu schon ausführlich geäußert. Vgl. exemplarisch H. Witte (2000) und Göhring (2002). 50 Mit der Soziologie der Translation beschäftigt sich mittlerweile eine ganze Reihe von Translationswissenschafterinnen und -wissenschafter. Vgl. dazu insbesondere Venuti (1995), Hermans (1997), Pym (1998), Toury (1999), Wolf (1999, 2005, 2006), Casanova (2002), Gouanvic (2005) und Chesterman (2006). Impulsgebend diente für viele Translationswissenschafterinnen und -wissenschafter Pierre Bourdieus (1990; 1992) Ansatz des Habitus. Eingeführt wurde das Habitus-Konzept in die Translationswissenschaft von Simeoni (1998). Der „social turn“ (Wolf 2006) hat sich seither in einer Vielzahl von Publikationen niedergeschlagen. 51 Bei Holz-Mänttäri (1984: 109) würde dies der Bezeichnung „Bedarfsträger“, der als Aktant die Translation braucht, entsprechen; bei Nord (1988: 8f) ist es der „Initiator“, der darüber hinaus den Translationsvorgang grundsätzlich auch steuert, jedoch kann die translatorisch handelnde Person „gegebenenfalls die Angaben des Initiators zu Translatfunktion in brauchbare Zieltextvorgaben ‚umformulieren‘“. <?page no="47"?> 45 1997: 108) ist und daher auch immer kulturspezifisch arbiträren Konventionen und Normen unterliegt, muss eine Translationskultur ebenfalls kulturspezifisch sein. Aufgrund der unterschiedlichen Konventionen in den verschiedenen Kulturen kann Kommunikation und Translation zwischen Kulturen nur funktionieren, wenn sich die Handlungspartnerinnen und -partner kooperativ und loyal verhalten. Wie der Prozess genau abzulaufen hat, richtet sich nach der Zielgabe der Translation, dem Translatskopos. Durch den vorgeblichen Abbildcharakter der Translation werden reale Machtverhältnisse, ob sie nun zwischen den einzelnen Individuen, Institutionen oder auch ganzen Kulturen zum Tragen kommen, verschleiert. Es ist eine Illusion, wenn Translatoren meinen, in einem interessenslosen Raum agieren zu können, sie stehen, ob sie nun wollen oder nicht, im Spannungsfeld divergierender Interessen und müssen lernen, damit kreativ umzugehen. (Prun , 1997: 122) Prun setzt sich für den Aufbau einer Translationskultur ein, in der Theorie, Praxis und Ausbildung zusammengeführt werden sollen. In der Translationskultur konstituiert sich ein Subsystem einer Kultur im Handlungsfeld Translation, das aus verschiedensten „gesellschaftlich etablierten, gesteuerten und steuerbaren Normen, Konventionen und Erwartungshaltungen aller in dieser Kultur aktuell oder potentiell an Translationsprozessen beteiligten Handlungspartner“ (Prun , 1997: 107) besteht. So können auch Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen den verschiedenen Kulturen identifiziert und beschrieben werden. Dieses System der Translationskultur sollte dann dazu genutzt werden, Prozesse im Handlungsfeld Translation zu beschreiben, zu steuern und so zu einer dauerhaften öffentlichen Bewusstseinsbildung für das Tätigkeitsfeld beizutragen. In diesem Handlungsfeld, an dem außerdem noch TextautorInnen, InitiatorInnen sowie KonsumentInnen beteiligt sind, treten Translatorinnen und Translatoren als selbstverantwortliche Handlungspartnerinnen und -partner auf. Um das zu erreichen, lernen angehende Translatorinnen und Translatoren, dass, wie es die funktionale Translationswissenschaft bereits vor Jahrzehnten festgestellt hat, 52 eine Translation nie ein bloßes Abbild eines Textes sein kann und bei translatorischen Prozessen immer bestimmte Intentionen und Interessen verfolgt werden. Darüber, wie genau in bestimmten Situationen zu entscheiden ist, können keine allgemeingültigen Regeln aufgestellt werden, da jede Situation anders ist und jeweils unterschiedliche Intentionen und Interessen bestehen. Der Translatorin und dem Translator muss die Kompetenz eingeräumt werden, selbstständig zu entscheiden. Die Translatorinnen und Translatoren sollen in Ausübung ihrer Tätigkeit fähig sein, die verschiedenen „Interessens- und Machtkonstellationen“ zu erkennen, richtig zu beur- 52 Vgl. insbesondere Holz-Mänttäri (1984), Vermeer (1978; 1986), Reiß & Vermeer (1984), Snell-Hornby (1986), Nord (1988; 1993). <?page no="48"?> 46 teilen und entsprechend „selbstverantwortlich und ethisch“ zu handeln (Prun , 1997: 112). Wann und wie sie dies können, wann sie in den Hintergrund zu treten und wann sie nicht umhin können, interpretierend, vermittelnd oder steuernd in den Kommunikationsprozeß einzugreifen, ist eine Angelegenheit der Spielregeln, die es innerhalb der Translationskultur zu etablieren und in einer demokratischen Gesellschaft durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit allen beteiligten Handlungsparntern bewußtzumachen gilt. (Prun , 1997: 112) Dies kann laut Prun - und wir schließen uns dieser Ansicht an - mithilfe einer gelernten Translationskultur geschehen. Zu diesem Rahmen gehört ein theoretisches Basiswissen, das den Translatorinnen und Translatoren die Wege ebnet, ihre Freiheit verantwortungsvoll zu nutzen, damit sich alle an der Kommunikation Beteiligten voll und ganz auf sie verlassen können. Damit Translatorinnen und Translatoren die dazu notwendige Kompetenz erreichen, kann die Ausbildung Freiräume schaffen, die es den Lernenden ermöglichen, die Konstellationen und die Machtverhältnisse der an transkulturellen Kommunikation Beteiligten zu studieren und mit diesen kritisch umgehen zu lernen, indem sie bereits in ihrem Studium nach Strategien suchen, auch eigene Interessen in die Kommunikation einzubringen. 2.4.1 Treu und loyal - zu wessen Vorteil? Die Erwartungen der Bedarfstragenden sind zum großen Teil dahingehend zu interpretieren, 53 dass die dolmetschende Person sowohl den jeweiligen Auftraggebenden als auch dem Text ‚treu’ zu sein hat. Wie treu und vor allem wem ein Translat treu sein muss, ist eine zentrale Frage der funktionalen Translationswissenschaft. Dazu sind hier insbesondere Ausführungen von Nord (1989) von Bedeutung. 54 Die Erwartungen der Laien entsprechen der Vorstellung der Äquivalenz, 55 die jedoch in der Regel nicht in dieser vereinfachten Vorstellung zu realisieren ist. Selbstverständlich können nie alle Aspekte eines Textes gleichermaßen in der Zielsprache wiedergegeben werden, da die Gewichtung in der Regel auf eine bestimmte Facette gelegt wird. Ein ‚äquivalenter’ 53 Das ergab u.a. eine von der Autorin durchgeführte Studie zu Dolmetschleistungen; befragt wurden etwa 1000 Personen aus sechs verschiedenen Gesellschaftsbzw. Berufsgruppen (vgl. Kadri , 2008). 54 Wir beschränken uns an dieser Stelle auf den Ansatz von Nord (1989) und dessen Erweiterung von Prun (1997), da die praktischen Beispiele insbesondere diese Ansätze berücksichtigen werden. 55 Die „Äquivalenz-Diskussion“ ist auch in der Translationswissenschaft nicht neu. Zu diesem vielfach interpretierten, schwer fassbaren und umstrittenen Begriff vgl. insbesondere Nida (1964), Jäger & Neubert (1982), Koller (1983), Reiß & Vermeer (1984), Snell-Hornby (1986), Reiß (1995), Börner & Vogel (1998), Kocijan i Pokorn et al. (2005). <?page no="49"?> 47 Text müsste nicht nur auf sprachlicher und kulturspezifischer Ebene den Ausgangstext abbilden, sondern sich auch an dasselbe Zielpublikum richten. Daher fordert Nord (1989) nach dem Prinzip der Funktionsgerechtigkeit zu arbeiten. Demnach ist Translation „die Produktion eines funktionsgerechten Zieltextes in Anbindung an einen vorhandenen Ausgangstext“ (Nord, 1989: 102), das heißt, dass Translate 56 an die Zielsituation je nach Funktion in der Zielkultur angepasst werden. Schließlich soll ja das Translat eine bestimmte Funktion in der Zielkultur erfüllen. Als determinierende Faktoren für den Vollzug der Translation gelten Empfängerinnen und Empfänger, Ort, Zeit der Rezeption usw. Ein grundlegendes Element des Ausgangstextes ist die Anbindung an den Zieltext. Welche Elemente des Ausgangstextes bewahrt und welche einer Veränderung unterzogen werden, ist vom Translationsskopos abhängig. Nord spricht in diesem Zusammenhang von der „Kompatibilität“ des Zieltextes mit dem Ausgangstext. Der Grad der „Kompatibilität“ variiert und kann von Kultur zu Kultur, von Auftrag zu Auftrag unterschiedlich ausfallen. Die jeweiligen Handlungspartnerinnen und -partner der translatorisch Handelnden, nämlich Aufftraggebende, Zieltextempfängerinnen und -empfänger, Ausgangstextautorinnen und -autoren erwarten selbstverständlich einen funktionsgerechten Text, der an den Ausgangstext angebunden ist. Allerdings können die Handlungspartnerinnen und -partner nicht selbst überprüfen, ob diese Anforderungen an das Translat erfüllt werden, was die Translatorin und den Translator gegenüber Handlungspartnerinnen und -partnern zur Loyalität verpflichtet. Die Loyalität wird in dreifacher Weise erfüllt, nämlich gegenüber den drei „Handlungspartnern“ (Nord, 1989: 102): Autorinnen und Autoren, Auftraggeberinnen und Auftraggebern, Zieltextempfängerinnen und Zieltextempfängern. Nord fasst den Begriff der Translation weiter, da eine ‚äquivalente’ Übersetzung weder umsetzbar noch sinnvoll ist. Mit einer Translation wird schließlich immer ein bestimmtes kommunikatives Ziel verfolgt. Nord gesteht den Translatorinnen und Translatoren deshalb eine gewisse Freiheit zu, allerdings nur im Rahmen der drei Loyalitäten. Auch Prun (1997) hält die Forderung nach einer äquivalenzorientierten Translation für wenig zielführend, da bei diesem Begriff viele Aspekte einer translatorischen Handlung ausgeklammert werden. Der Prozess der Translation wird immer von den Normen der jeweiligen Kultur bestimmt und kann nur entsprechend dieser Konventionen erfolgen. Darüber hinaus verfolgen die an einer Translation Beteiligten verschiedene Interessen, die sie umgesetzt sehen wollen. 56 Nord beschäftigt sich vorwiegend mit dem Bereich Übersetzen, die hier behandelten Fragestellungen betreffen die Translation im Gesamten, also auch das Dolmetschen. <?page no="50"?> 48 Das Konzept von Nords Loyalität wird von Prun erweitert: Translatorinnen und Translatoren sollen im Akt der Translation nicht nur gegenüber ihren Handlungspartnerinnen und -partnern loyal sein, sondern auch zu sich selbst. Diese vierte Loyalitätskomponente erlaubt es Translatorinnen und Translatoren, ihre eigene Identität zu wahren und selbstverantwortlich zu handeln: Das Prinzip der Loyalität zu sich selbst erlaubt es dem Translator, aus ethischen Motiven das Loyalitätsprinzip gegenüber übermächtigen Handlungspartnern aufzukündigen und zu adäquaten Formen des Widerstandes (…) oder zu Mitteln der Subversion (...) zu greifen. (Prun , 1997: 113) So verschaffen sich Translatorinnen und Translatoren mehr Freiraum und gleichzeitig auch mehr Macht. Sie gestalten die transkulturelle Kommunikation aktiv mit und übernehmen gleichzeitig auch die Verantwortung für ihre Handlungen. Die Translatorinnen und Translatoren haben nun die Möglichkeit, in den jeweiligen Situationen selbstverantwortlich Entscheidungen zu treffen, und die Aufgabe, sich der moralischen Verantwortung für das translatorische Handeln zu stellen. Sie können sich an den Translationskonventionen orientieren; die endgültige Entscheidung in einer bestimmten Situation tragen sie selbst. Das Ergebnis der Befragung der Bedarfstragenden bestätigt diesen Standpunkt. Die vereinfachte Vorstellung von translatorischer Tätigkeit und die vereinnahmende Sichtweise führen u.a. dazu, dass das Image der Translatorinnen und Translatoren in unserer Gesellschaft leidet. Prun ist zuzustimmen, wenn er diesen Umstand auch auf Defizite in der Ausbildung zurückführt. Die Ausbildungsstätten haben die Möglichkeit, das Bild der Translatorinnen und Translatoren und ihrer Tätigkeit, das in unserer Gesellschaft vorherrscht, zu korrigieren und somit zu einer Aufwertung des Berufs beizutragen, viele Jahre lang einfach nicht genutzt. Durch Rezeption lediglich praktischer Erfahrungen und einzelner konkreter Beispiele aus der Praxis, läuft man Gefahr, veraltete und defizitäre Kenntnisse weiterzugeben. Diese Strategie ist also nicht zielführend. Loyal zu sein bedeutet, dass die Translatorinnen und Translatoren im Sinne eines kleinsten gemeinsamen Nenners, der zwischen den verschiedenen Interessen- und Machtkonstellationen der Handlungspartnerinnen und -partner und den unterschiedlichen kulturellen Normen gefunden werden kann, handeln. Dies wird unter einem „impliziten Skopos“ verstanden (Prun , 1997: 117). 57 Unter dem „expliziten Skopos“ sind wiederum 57 Über die Bestimmung des Skopos einer Translation vgl. folgende Ausführungen von Vermeer (1990: 122): „Bei fehlender Spezifikation kann in vielen Fällen von einem ‚impliziten’ (...) Skopos gesprochen werden. Trotzdem scheint es angebracht, hier explizit auf die Notwendigkeit eines Sinneswandels bei (vielen) Translatoren und Auftraggebern hinzuweisen: Man sollte sich, soweit eben möglich, immer detailliert über den Skopos zu informieren suchen.“ <?page no="51"?> 49 jene Beziehungen zwischen Ausgangs- und Zieltext zu verstehen, die über den impliziten Skopos hinausgehen. Der explizite Skopos dient dazu, den Handlungspartnerinnen und -partnern zu verdeutlichen, wie die Translation einzuschätzen ist. Im Sinne einer transparenten Loyalität wird der explizite Skopos deklariert: Wenn im Zieltext ein Aspekt kommuniziert wird, der im Ausgangstext nicht vorkommt oder anders gemeint war, der Ausgangstext im Zieltext beispielsweise kommentiert wird, dann muss dies im Sinne der Loyalität verdeutlicht werden (Prun , 1997: 117f). 2.4.2 Ist Loyalität lehrbar? Lehren und Lernen in Interaktion Realistische, authentische Situationen helfen, selbstgesteuert und eigenaktiv zu arbeiten, Problemstellungen zu erkennen und als Denkende, als geistig Tätige die Probleme zu lösen. Eine qualifizierte Lehre ist nur durch einen ständigen Dialog der Studierenden miteinander und der Studierenden mit der lehrenden Person sicherzustellen. Die Rolle der lehrenden Person ist es, dabei Lernkonzepte und Strategien zu wählen, die die Lernenden befähigen, in variablen Situationen die kritischen Fragen und Aufgaben selbstständig zu finden und sich im Dialog mit allen Beteiligten neue Kenntnisse und Fertigkeiten zu erarbeiten. Sowohl im Übersetzungsals auch im Dolmetschunterricht wird neben stofflichem Inhalt und Wissen ein Können vermittelt und erlernt. Als Produkt des Lernens kann jedoch sowohl eine Wissensals auch eine Verhaltensänderung angestrebt werden. Lernen ist nicht nur ein rationaler, sondern auch ein emotionaler Vorgang. Das Lernen und die durch das Lernen hervorgerufene Veränderung können nur innerhalb des eigenen Denkrahmens stattfinden - sie bedeuten Entscheidung und Wahl. Translation ist keine Sache der Äquivalente, Phrasen oder Konstrukte. Es ist ein Prozess im Meer von Möglichkeiten und die Auswahl der passenden Lösung ist ein ganzheitlicher Vorgang, in dem Prozess und Produkt aufeinander bezogen werden. Eine Dolmetschung ist einerseits als Produkt des Dolmetschprozesses und andererseits als Rezeption und Wirkung des Produktes bei einem konkreten Menschen (nicht nur allgemein „in der Zielkultur“) anzusehen. Die Handlungsperspektive birgt auch eine ethisch relevante Komponente. Die Arbeit mit und an Menschen, insbesondere im Rahmen der Bildung und Sozialisierung heißt auch immer eine Auswahl darüber zu treffen, was an menschlichen Fähigkeiten als wertvoll erachtet und gefördert werden soll. Im Bemühen um eine Zielformulierung und Denkansätze ergeben sich demnach mehrere relevante Fragestellungen: die Frage nach allgemeingültig argumentierbaren Aussagen über die Didaktik, die Frage nach dem Fachspezifisch-Pädagogischen, die Frage nach dem Individual- Ethischen und die Frage nach ihrem Umsetzungspotential. Das Lernen im Bereich Translation erfordert selbstbewusste und sozial handelnde Studierende, die eine hohe Identifikation mit dem Fach aufwei- <?page no="52"?> 50 sen; damit wird nicht nur die fachliche Eigenständigkeit der Studierenden gefördert, es werden vielmehr auch Persönlichkeiten geformt. Martin Buber, 58 einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts, Reformpädagoge und Übersetzer, vertrat die Meinung, dass Erziehung die größte Aufgabe der Bildung sei. Und „Erziehung, die diesen Namen verdient, ist wesentlich Charaktererziehung“, meint Buber. Den Charakter beschreibt er „als den Zusammenhang zwischen der Wesenseinheit dieses Einzelnen und der Folge seiner Handlungen und Haltungen“ (Buber, 1995 8: 65f). Im Unterricht im Allgemeinen ist es eine der schwierigsten Aufgaben, abstrakte Konzepte in den Dialog einzubringen. Diese Konzepte betreffen insbesondere metafachliche Kompetenzen: Rollenbewusstsein ist dabei eine Konstante, die alle Bereiche der translatorischen Tätigkeit betrifft und in den dialogischen Dolmetschsituationen eine zentrale Bedeutung einnimmt. Ethische Fragestellungen in reger Diskussion sind ein ständiger Begleiter eines jeden Dolmetschunterrichts. Im Reden über Erziehung spricht Buber über die Schwierigkeit, „Ethos“ zu unterrichten: Wenn aber die Schüler merken, daß ich ihren Charakter erziehen will, lehnen sich gerade manche von denen auf, die am ehesten in sich das Zeug zu einem echten selbständigen Charakter haben; sie wollen sich nicht erziehen lassen, genauer: sie wollen nicht, daß man sie erziehen wolle. Auch diejenigen, denen die Frage um Gut und Böse ernstlich zu schaffen macht, empören sich - gerade weil sie immer wieder erfahren wie schwer es ist den Weg zu finden -, dagegen, daß man ihnen als etwas längst Feststehendes diktiere, was gut und was böse ist. (Buber, 1995 8 : 67f) Die Strategien des prozess- und produktorientierten Lernens lenken die Aufmerksamkeit nicht nur auf die Qualität des angestrebten Lernprodukts, sondern auch auf die Merkmale des Prozesses. Es geht also nicht darum, dass Studierenden schematisch eingeprägt wird, was im Translationsakt ‚richtig’ und was ‚falsch’ ist, es geht um das Nachdenken darüber, was für sie ‚richtig’ und für sie ‚falsch’ ist. Der Lehrprozess verläuft in der Regel unsichtbar: er unterstützt im Explizitmachen dessen, was beim Problemlösen implizit handlungswirksam wird. Diese beiden Konzepte stehen jedoch in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Die Metakognition und die Rezeption der Texte des Gegenübers spielen dabei eine Schlüsselrolle. Darum orientiert sich ein handlungsperspektivischer Unterricht nicht nur an dem, was gesagt, sondern auch an dem, was getan wird. Als pädagogische Kategorie ist diese Betrachtung mit den Begriffen Lernendenorientierung in authentischen Settings, Transparenz, Initiative 58 Die pädagogische Arbeit von Martin Buber dient zum großen Teil dem Dialog. Martin Bubers Denken hier in Kürze auch nur annähernd vorstellen zu wollen, wäre ein kaum realisierbares Unterfangen. Das Werk Bubers umfasst die Schriften zu Philosophie, die Schriften zur Bibel und die Schriften zum Chassidismus. In dieser Arbeit wird lediglich auf einige dialogphilosophische Gedanken Bubers Bezug genommen. <?page no="53"?> 51 bzw. Eigeninitiative, Kooperation, Selbstbestimmung, Selbststeuerung, Evaluation und Selbstevaluation eng verbunden. 59 Die Auffassung von persönlichkeitsorientierten Lernsituationen und die Förderung der Beziehung der Studierenden zum kritischen Denken, das im Mittelpunkt des Lernens steht, werden in der Translationswissenschaft seit ihrem Entstehen gefordert. Eine Forderung ist allen translationswissenschaftlichen Ansätzen - auch wenn sie didaktische Fragestellungen nur am Rande erwähnen - gemeinsam: das Lernen in authentischen Situationen. Didaktisch wird Übersetzen und Dolmetschen grundsätzlich sowohl als Übungsform zur Verbesserung der Sprachkenntnisse als auch als professionelle Translation mit Translationsauftrag betrachtet; Belege dafür finden sich für den Übersetzungsbereich bereits bei Königs (1979), der in diesem Zusammenhang zwischen Übersetzung als Übungsform und Übersetzung als Selbstzweck unterscheidet. House (1981: 193) nennt die erste Form „pädagogische“ Übersetzung und die zweite „kommunikative“ Übersetzung. Hönig & Kußmaul (1982: 133) fordern die Auswahl der Texte und Situationen so, dass sie grundsätzlich zu übersetzen bzw. dolmetschen sind, d.h. ein natürlicher Kreis von Adressatinnen und Adressaten für die zu übersetzenden oder dolmetschenden Informationen identifizierbar und beschreibbar ist. Zusammenfassend kann die Forderung der modernen Translationswissenschaft wie folgt wiedergegeben werden: „Nicht isolierte Textfragmente, die ins Blaue hinein ‚mustergültig’ übersetzt werden, sondern spezifische Übersetzungsaufträge“ (Snell-Hornby, 1986: 27), sohin Texte und Situationen, die klar und eindeutig einer bestimmten Kommunikationssituation zuzuordnen sind, werden bearbeitet. 60 In allen Bereichen des Translationsunterrichts zeigen sich also in immer stärkerem Maße Tendenzen, den Studierenden mehr Eigenverantwortlichkeit bei der Gestaltung des eigenen Lernprozesses zu überlassen. Neben dem Fachwissen, das systematisch vermittelt wird, da es für eine Disziplin konstitutives, chronologisch geordnetes Wissen darstellt, sind es insbeson- 59 Folgende Forderungen nach einem Minimalkatalog, der die Grundbedingungen für kooperatives Lernen enthält, und alle Ansätzen, die kooperatives Lernen befürworten, können wie folgt zusammengefasst werden: 1) Spielraum für Entscheidungen 2) Wechselseitige Verantwortlichkeit der Gruppenmitglieder 3) Individuelle Verantwortlichkeit für die Gruppenleistung. Vgl. dazu Johnson & Johnson (1991), die einen Grundsatzkatalog für kooperatives Lernen ausgearbeitet haben oder im Bereich der Translation das Collaborative Learning bei Kiraly (1997; 2000). 60 Sogar (auf den ersten Blick) unterschiedliche Ansätze, wie z.B. Deconstruction bei Arrojo (1997) oder constructivism bei Kiraly (1998; 2000) weisen Ähnlichkeiten insbesondere in Bezug auf das kooperative und situative Lernen und die authentischen Settings im Unterricht auf. <?page no="54"?> 52 dere die translatorischen Entscheidungen sowie das Gesamtverhalten in einer Kommunikationssituation, die im Dialog bearbeitet werden. 61 Die Interaktion und die Fokussierung auf die Studierenden versteht das Lernen als aktive kognitive Auseinandersetzung mit Informationen unter Einbeziehung der bereits vorhandenen Wissensstrukturen und Emotionen. Aus dieser Sicht ist das Lernen ein Informationsverarbeitungsprozess, der als Interaktion zwischen dem bereits gespeicherten Wissen, den zu lernenden Elementen und den beteiligten Personen zu verstehen ist. 62 Die Interaktion und die Beispiele deuten und typisieren die Phänomene; Studierende lernen dabei selbstbewusst zu handeln, damit werden sie auch authentisch. 2.4.2.1 Dolmetschen als Interaktion Eine Vielzahl von Strategien und Prozessen müssen eingesetzt werden, um dolmetschend tätig zu werden. Die Einbeziehung solcher Strategien und Prozesse in die Planung und die Durchführung des Unterrichts sowie die Förderung des strategischen Verhaltens der Studierenden steht im Mittelpunkt einer stärker prozessorientierten Dolmetschdidaktik. Insbesondere im Bereich des Dialogdolmetschens (ohne ‚Schutz der Kabine’), wo es im wahrsten Sinne des Wortes um ‚Verhandeln’ und ‚Aushandeln’ geht und ein persönliches Engagement auch unter Anwendung gelernter Methoden schwer vermeidbar ist, wird das Translat nicht nur als Produkt des Dolmetschprozesses, sondern auch als Rezeption und Wirkung des Produktes bei der Zielperson oder -gruppe, die als aktive Beteiligte in die Diskussion eingehen, verstanden. Somit wird gewährleistet, dass die translatorischen Entscheidungen nicht übernommen, sondern - im Sinne eines kritischkonstruktiven Zugangs - innerhalb des eigenen Denkrahmens stattfinden, dass das gewählte Translat Entscheidung und Wahl bedeutet, die translatorische Entscheidung aber nicht nur ein rationaler, sondern auch ein emotionaler Vorgang ist. Das bedeutet, dass das translatorische Lernen Kontinuität und ein Prozessdesign benötigt, die auf der Wichtigkeitsskala vor der Präsentation von Inhalten stehen. 63 Ausgehend von der Definition des Dolmetschens nach Kade betonen Reiß & Vermeer (1984: 9) sowie Vermeer (1986: 234) als wichtigen Faktor die Kontrollierbarkeit und Korrigierbarkeit des Translats nach Abschluss der 61 Unter den Methoden, Lernwege zu untersuchen, ist im Übersetzungsbereich das so genannte laute Denken hervorzuheben: das Lernen und die Suche nach Strategien und Lösungen wird laut kommentiert, Protokolle werden aufgenommen und danach ausgewertet. Vgl. dazu insbesondere Krings (1986) und Lauer (1996). 62 Zu Qualifikation, Kognition und translatorischer Kompetenz vgl. insbesondere Schmitt (1998) und Risku (1998). 63 Auch Ammann (1995 3 : 11) betrachtet die Vorgehensweise der dolmetschenden Person als erstrangig, ihre situativen Anwendungsmöglichkeiten kommen an zweiter Stelle. <?page no="55"?> 53 Translation. Während die praktischen Dolmetschsituationen einmalig und in der Regel auch endgültig und nicht wiederholbar sind, müssen didaktisierte Situationen selbstverständlich die Möglichkeiten enthalten, diese Situationen zu wiederholen und zu korrigieren. Problemstellungen können erörtert und Sequenzen wiederholt werden, bis ein zufriedenstellendes Ergebnis erreicht ist. Nicht das perfekte Ergebnis steht als Ziel im Vordergrund, sondern das Ziel, eine breitere Sichtweise zu entwickeln und in Alternativen zu denken. Im Lernprozess soll also die Möglichkeit bestehen, das Translat jederzeit zu korrigieren bzw. zu kontrollieren. Es ist Kaiser- Cooke (2007: 73) zuzustimmen, dass die situationsspezifischen Entscheidungen benannt werden müssen, damit sie als „translatorische Probleme erkannt und gelöst werden“ können. Dadurch können die Zusammenhänge zwischen den Handlungen aufgedeckt werden, die als Basis für die Entscheidungen von Translatorinnen und Translatoren dienen. Translatorinnen und Translatoren wird auf diese Weise nicht gesagt, was sie tun oder denken sollen. Vielmehr wird festgehalten, was sie wirklich tun bzw. denken. So wird ihnen ein Zugang zu ihrer eigenen Tätigkeit geschaffen, der ihnen ermöglicht, das translatorische Handeln transparenter und nachvollziehbarer zu machen. Um dauerhaft professionell handeln zu können, müssen sich Translatorinnen ihres eigenen Handelns bewusst sein. Solange das translatorische Handeln nicht benannt und beschrieben wird, bleibt es unzugänglich und ist anfällig für Fehler. 64 Dabei ist es wichtig, dass bewusst Aufmerksamkeit auf die kritischen Merkmale gelenkt wird und diese Erscheinungen anderen Erscheinungen gegenübergestellt werden, mit denen sie verwechselt werden können. Nicht das ‚perfekte’ Translat ist das Ziel der Arbeit, sondern das, was die Studierenden auf dem Weg dorthin erfahren und lernen. Durch die Reflexion, Wiederholung und Korrektur von Texten und Situationen können Denk-, Sprach- und Handlungsstrukturen freigelegt werden, wie sie für unterschiedliche Kommunikationsgruppen kennzeichnend sind und somit helfen, eine Konstruktion von Realitäten zu schaffen. Im Unterricht wird gelernt, Realitäten auszuhandeln; dies trägt dazu bei, dass sich die Studierenden in der späteren Realität leichter Hypothesen über das Ziel des Textes und der intentionalen Einstellung der Sprecherinnen und Sprecher bilden können. Die Zielsetzung eines interaktiven (Dolmetsch)-Unterrichts ist es insbesondere, Muster der spezifischen Handlungen zu rekonstruieren und auf Grund gewonnener Erkenntnisse Prognosen anzufertigen, damit sowohl Fachals auch Methodenwissen sowie Sozial- und Individualwissen gestärkt werden. Die Qualifizierung des Wissens hängt unter anderem auch mit der Fähigkeit, es zu artikulieren, zusammen. Die Aufgabe, die der lehrenden Person dabei zukommt, ist es, auf die aktive Beteiligung der Studierenden am Unterricht hinzuwirken. Die Kunst und Herausforderung dabei 64 Vgl. dazu insbesondere Kaiser-Cooke (2007: 72ff). <?page no="56"?> 54 liegt darin, den dialogischen Prozess einzuleiten bzw. zu unterstützen und mit den Studierenden ein gemeinsames, interdisziplinäres Konzept der ‚Inszenierung’ zu entwerfen. 2.4.2.2 Dolmetschen und Interdisziplinarität In der universitären Sozialisation ist auch die Grenze verschiedener Fachkulturen, die sich entlang der Fächergruppen ausdifferenzieren und jeweils prägende Lernumwelten für Lehrende und Studierende bilden, fließend. In der vorliegenden Arbeit geht es schwerpunktmäßig um Dolmetschdidaktik. Dennoch werden häufig Beispiele aus der Übersetzungswissenschaft und -didaktik sowie der Oberbegriff Translationswissenschaft bzw. Translation verwendet. Eine strikte Trennung zwischen Dolmetsch- und Übersetzungswissenschaft scheint auf der Ebene der Didaktik auf der Grundlage gemeinsamer disziplindidaktischer und disziplinpolitischer Anliegen nicht sinnvoll. 65 Den meisten translationswissenschaftlichen Arbeiten ist das Prinzip der Interdisziplinarität und der Nähe zur Berufspraxis inhärent. Mit Interdisziplinarität 66 wird in der Regel die Integration von Forschungsergebnissen aus anderen Disziplinen gemeint. War Interdisziplinarität aus der Sicht des übersetzungswissenschaftlichen Pioniers James Holmes (1988: 101) eher als Zusammenarbeit zwischen Spezialistinnen und Spezialisten verschiedener Disziplinen zu betrachten, so bedeutet Interdisziplinarität heute immer mehr die fächerübergreifende Kompetenz der TranslatorInnen und TranslationswissenschafterInnen. Die theoretischen und methodischen Überlegungen der Translationswissenschaft greifen sohin in andere Disziplinen und kombinieren Ideen und wissenschaftliche Traditionen. 67 Die Ausrichtung zur Interdisziplinarität bringt die Translationswissenschaft auf neue Pfade, die neben Perspektivenreichtum und Flexibilität auch Komplexität mit sich bringen. Die Konzeption einer jeden Translationsdidaktik ist ebenfalls von interdisziplinären Verbindungen gekennzeichnet. Die integrative Perspektive soll sich in der vorliegenden Arbeit nicht in der Ansammlung fachfremder Erkenntnisse, die den translationswissenschaftlichen Erkenntnissen additiv 65 Zu ‚Tradition, Gaps and Synergies’ zwischen Übersetzungs- und Dolmetschwissenschaft vgl. Schäffner (2004), darin insbesondere Gile (2004: 31). 66 „Interdisziplin“ ist in der Translationswissenschaft mitunter zu einem viel diskutierten Wort geworden, wobei nicht immer eindeutig dargelegt wird, was darunter verstanden wird bzw. wobei nicht immer das gleiche gemeint ist. Vgl. dazu insbesondere die Ausführungen von Snell-Hornby (1996a; 2006), Wilss (1997 und 2000) sowie Kaindl (2004). 67 Als Beispiele für fachübergreifende, interdisziplinäre Zugänge aus der jüngsten Forschung seien hier zur Veranschaulichung die Arbeiten von Kaindl (1995), Kurz (1996) und Kadri (2006 2 ) erwähnt. <?page no="57"?> 55 angeschlossen werden, erschöpfen, sondern eine Adaptabilität und Verflechtung der jeweiligen Kontexte bedeuten. Unter Einbeziehung primär theaterpädagogischer Ansätze sollen Wege zu einer Unterrichtsform aufgezeigt werden, die die Studierenden Flexibilität, Ausdrucks- und Gestaltungskraft sowie Kritikfähigkeit lehrt und sie zu selbstbewussten, verantwortungsvollen und entscheidungsfähigen Translatorinnen und Translatoren macht. Darüber hinaus wird hier die Integration von Theorie und Praxis betrieben: von einem neu definierten didaktischen Referenzrahmen ausgehend werden zunächst die allgemeinen Ziele, die zu gesellschaftlich und translationswissenschaftlich relevanten Grundsätzen führen, definiert. Der Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis wird durch Beispiele veranschaulicht, wobei im Verlauf der Ausführungen die Theorie immer weiter in den Hintergrund treten und die Untersuchung vor allem auf die praktische Unterrichtsarbeit ausgerichtet wird. Im Sinne der oben angeführten Berücksichtigung der Translationswissenschaft als Forschungsbzw. Theorieform geht es also auch hier nicht darum, didaktische Forschung in ihren Grundlagen weiter zu führen, sondern Möglichkeiten für die Anwendung im Bereich der didaktischen und pädagogischen Dolmetschpraxis aufzuzeigen und allenfalls weitere anwendungsbezogene Forschung anzuregen. Das dolmetschdidaktische Konzept wird in der funktionalen Translationstheorie situiert, sodass keine theoretische Standortbestimmung der Gesamtdisziplin vorgenommen, sondern vielmehr versucht wird, die Entwicklung und Brauchbarkeit eines neuen didaktischen Ansatzes im bereits evidenten Rahmen unter Beweis zu stellen. Selektiv wird jedoch bei bestimmten Aspekten auf die Beschreibung und Analyse des Dolmetschens, insbesondere bei unterschiedlichen Positionen, eingegangen. Die den folgenden Kapiteln zugrunde liegende interdisziplinäre Perspektive und Kombination von Ansätzen sind im Sinne eines gemeinsamen Ziels vorrangig an didaktischen Erkenntnissen interessiert. Didaktik ist keine messbare Größe, dennoch wird hier versucht, Grenzen zu ziehen bzw. Vorschläge zu unterbreiten, die im Rahmen der Translationsdidaktik allgemeine Anerkennung beanspruchen. 2.4.2.3 Dolmetschen und Interaktionstypen Obwohl eine Abgrenzung und Kategorisierung - auch aufgrund der Komplexität und Vielschichtigkeit der verschiedenen Einsatzbereiche - kaum möglich ist, ist diese im Lehr-Lern-Prozess vonnöten. In der vorliegenden Arbeit wird eine Unterteilung vorgenommen, die Fachbereiche und konkretere Settings ausklammert und die translationsstrategische Gemeinsamkeit aller Tätigkeitsbereiche in den Mittelpunkt setzt: der Interaktionstyp der Translation. Somit ergibt sich bei einer Kategorisierung zunächst die Beachtung folgender Faktoren: monologische versus dialogische Form der <?page no="58"?> 56 zu dolmetschenden Kommunikation, darin die Beachtung der unterschiedlichen Zielsetzungen der Kommunizierenden, was sich wiederum auf das Gesamtverhalten der Dolmetscherin oder des Dolmetschers auswirkt. Die grundsätzlichen Methoden im Unterricht konzentrieren sich in erster Linie auf die beiden Realisierungsformen des Dolmetschens, nämlich simultanes und konsekutives Dolmetschen mit den dazugehörigen Subformen der beiden Dolmetschmodi, die Notizentechnik, Flüsterdolmetschen und Vom-Blatt-Dolmetschen umfassen. Die Vermittlung der für die Realisierung der einzelnen Dolmetschmodi benötigten Techniken berücksichtigt nur bedingt die Interaktionstypen. Hier wird daher eine Einteilung nach dem Interaktionstyp vorgenommen, da sich diese für didaktische Zwecke am besten nutzen lässt: Monologdolmetschen und Dialogdolmetschen. Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt dem Dialogdolmetschen (im Rahmen dieser Einteilung können selbstverständlich weitere Spezifizierungen und Schwerpunktsetzungen vorgenommen werden). Die Bezeichnung Dialogdolmetschen wird einerseits aufgrund der dialogischen Gesprächsstruktur gewählt, in der es in der Regel um spontan formulierte Texte geht, und andererseits, weil es im Gegensatz zum tradierten Dolmetschen in eine Richtung bidirektional, also in die A- und B- Sprache erfolgt. Obwohl es sich in der Kommunikationssituation um triadische 68 Kommunikation handelt, wird hier bewusst von dialogischer Kommunikationsform gesprochen, um die Dolmetschperspektive von den Primärkommunizierenden zu unterscheiden und zwecks eigener Definierung eindeutiger zu positionieren. In dialogisch organisierten Texten sind die einzelnen Redebeiträge unterschiedlich lang, die Kommunizierenden wechseln sich beim Sprechen ständig ab. Zwischen diesen Kommunizierenden besteht häufig ein Machtgefälle, sodass die dolmetschende Person, die „sozusagen keine stabile Mitte“ (Pöchhacker, 2000a: 41) verkörpert, über eine besondere Ausbildung und Fokussierung auf eben diese Konstellation verfügen muss. Unabhängig davon sind in solchen Settings unerwartete Wendungen, die die Dolmetscherin oder der Dolmetscher zu bewältigen hat, die Regel. Im Bereich des Dialogdolmetschens ist die vorwiegende Realisierungsform die Konsekutivtechnik. Besonderes Augenmerk wird dabei auf das Verstehen und die Memorierung von Informationen gerichtet. Zeitgemäße Didaktikansätze haben entsprechend den gesellschaftlichen und curricularen Entwicklungen auch metafachliche Kompetenzen zu vermitteln und können sohin gesellschaftlich relevante Fragen, die sich u.a. in der Aus- 68 Ausgehend von Andersons (1976) Zugang, der die dialogische Kommunikationssituation unter Beiziehung einer dolmetschenden Person als „Three-party interaction“ betrachtet, gibt es auch in der neueren Literatur Stimmen, die von einem „Trialog“ sprechen. Vgl. dazu Mason (2000: 216) sowie Apfelbaum & Bischoff (2002: 16). <?page no="59"?> 57 einandersetzung mit Interaktionstypen und sozialen Machtverhältnissen widerspiegeln, nicht (mehr) ausschließen: Was, wie, für wen, wann, warum und unter welchen Bedingungen dolmetschen Dolmetscherinnen und Dolmetscher, wie und was dolmetschen sie, sind demzufolge Fragen, die im Unterricht keinesfalls vernachlässigt werden können. Das Handlungswissen bzw. Wissen über die Kommunikationssituation betrifft insbesondere Einstellungen und Wertungen, die zu erlangende transkulturelle Gesamtkompetenz umfasst sowohl kommunikative als auch Verhaltenskompetenz. Eine Betrachtung des Dolmetschens aus einer dialogischen Perspektive - eine Weiterentwicklung der Forderung von Keith (1984) und Gentile et al. (1996) - nimmt Wadensjö (1992/ 1998) vor: im Zusammenhang mit dem Interaktionstyp der Kommunikation teilt sie das Dolmetschen in Monologdolmetschen und Dialogdolmetschen ein. Basierend auf den Arbeiten der russischen Sprachphilosophen Bachtin und Woloschin über die Dialogizität von Sprache und Handeln untersucht Wadensjö dialogische Dolmetschsituationen nach „speech genres“; dabei unterscheidet sie „talk as text“ und „talk as activity“ (1998: 21f). „Talk as text“ ordnet sie der monologischen Textrealisierungsform zu, während „talk as activity“ der dialogischen Form verpflichtet ist, die eine funktionale Dolmetschung erfordert. Wie Wadensjö zeigt, sind im Bereich des Dialogdolmetschens Dolmetschhandlungen von zwei voneinander abhängigen und gegenseitig beeinflussenden Aktivitäten geprägt: Gesprächswiedergabe und Koordination des Gesprächs (Wadensjö, 1998: 195f). Dabei ist nicht zu vergessen, dass in diesen Kommunikationssituationen die Kommunizierenden in der Regel verschiedene Positionen vertreten (dies muss nicht zwingend bedeuten, dass eine Seite dominiert und die andere sich fügen muss, allerdings geschieht dies nicht selten), unabhängig davon, ob es um die institutionelle Kommunikation oder um sonstige Verhandlungen geht. Kommunikation mit unterschiedlichen Zielsetzungen oder in komplementären Beziehungen an sich unterliegt einer komplexen Gesetzmäßigkeit. Wenn in solchen Kommunikationssituationen gedolmetscht wird, so bedeutet das ein stetes Abwägen und Balancieren der Dolmetscherin oder des Dolmetschers zwischen den kommunizierenden Parteien. In der institutionellen Kommunikation spielen das Institutionswissen und die Fachsprachen, welche „Herrschaftskennzeichen“ (Ehlich & Rehbein, 1986: 103) sind, eine außerordentliche Rolle. Die Grundgesprächskonstellation ist in Institutionen immer gleich: Vertreterinnen und Vertreter der Institution initiieren und geben das Gesprächsthema vor, Klientinnen und Klienten versuchen, adäquat zu reagieren. Es geht also um eine asymmetrische Gesprächsorganisation, in der eine Partei den Austausch von Informationen reguliert und filtert sowie diese dazu benutzt, Entscheidungen für die eigenen Handlungen zu tref- <?page no="60"?> 58 fen. 69 „Details carry a potential of evidentiality in them, even when clients reveal them as part of a story they are trying to get across.“ (Sarangi & Slembrouck, 1996: 45). Die Erschwernis bei der Vorbereitung und der Vorausplanung bei gedolmetschten Dialogen liegt auch darin, dass die Texte in solchen ‚Dialogen’ in der Regel defekt sind, selten bilden sie ein geschlossenes Ganzes, die Themen überlappen sich bzw. werden nicht deutlich ausgeführt, die Gliederung ist in der Regel nicht gut organisiert, die Länge nicht vorhersehbar. Die Schwierigkeit beim dialogischen Dolmetschen wächst in dem Ausmaß, in dem defekte Texteinheiten aufeinander stoßen. Je größer die Inkongruenz von defekten Texteinheitsfolgen und syntaktischer Struktur, desto schwieriger ist die zielsprachliche Organisation der einzelnen Informationselemente und ihre Integration zu kommunikativen Einheiten. Wenn zu diesen Schwierigkeiten in der Textorganisation die Zielsetzungen der Kommunizierenden so unterschiedlich sind, dass die Textakzeptanz darunter leidet, erschwert sich die Arbeit der Dolmetscherin oder des Dolmetschers erheblich. Dabei ist der Faktor der Beeinflussung und der potenziellen (auch unbewussten) Machtausübung in der Kommunikation nicht zu vernachlässigen. 2.5 Welche (Dolmetsch-)Didaktik? In der (konventionellen) Dolmetschausbildung liegt der Schwerpunkt auf der Vermittlung einer messbaren Leistung, z.B. einen gesprochenen Text grammatikalisch und semantisch in einer bestimmten Länge bzw. Zeit wiederzugeben. Wie auch die Befragung der Bedarfstragenden ergeben hat, sind die Erwartungen an Dolmetschungen höher. Die Komplexität der transkulturellen Bewegungen bringt die Forderung mit sich, mehr Aufmerksamkeit den beteiligten Personen zu widmen, die die Kommunikation einschließlich Dolmetschung zu vollbringen haben: den Menschen selbst und der Interaktivität in der Kommunikation. Im Unterricht ist diese Dimension zentral: Communication of course is much wider than words and expressions; it includes the body, the time and space that surrounds each of us. (...) Language is not the manipulation of tongue, teeth, hard and soft palates ... Language is the whole body. When we express ourselves we use affective melodies, intonations, pauses, rhythms, gestures, facial expressions and physical movements. It is “I” who am speaking, both body and spirit. (Kiraly, 2000: 175) 69 Hinnenkamp (1985: 283) bezeichnet institutionelle Kommunikation als „Zwangkommunikation“. Kälin (1995: 308) wiederum vergleicht vernehmende BeamtInnen mit RegisseurInnen, die alle Fäden in der Hand halten. <?page no="61"?> 59 Daraus ergibt sich für die Translationsausbildung die Forderung, Ansätze zu suchen, die Instrumente für eine Lehr-Lern-Umgebung schaffen, in der die Handlungsperspektive zentral ist und ein Lernprozess so organisiert wird, dass die Lernenden sowohl die fachlichen als auch metafachlichen Herausforderungen kennen und nutzen lernen: „Instruction today preparing for the work of tomorrow” (Kiraly, 2000: 139). Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass der Zusammenhang von Translation und Macht evident ist. Abgesehen von der sozialen Macht stellen Texte eine eingegrenzte Macht dar, die die Translatorin oder der Translator ‚auszulegen’ hat. Und gerade darin, im Auslegungspouvoir innerhalb eines sprachlichen und insbesondere kulturellen und fachlichen Spielraums, liegt eine weitere unbestreitbare Machtdimension. Translation ist damit auch ein eigenständiger Beitrag zur Gestaltung der Gesellschaft. Wie weit können wir heute noch meinen, wir agierten wertfrei, nur der Interpretation des Textes verpflichtet, als ob man Texte außerhalb der Situation, des sozialen und kulturellen Kontextes wiedergeben könnte? Die Dimensionen der sozialen Macht zeigen, dass das Ideal einer wertfreien Translation ein Mythos ist: Eine Translatorin oder ein Translator ohne dieses Bewusstsein, ohne Wissen von der gesellschaftlichen Relevanz ihrer oder seiner Translation, weist damit auch die Verantwortung für das Produkt der Translation von sich. Welche Translationsdidaktik eignet sich nun für die Translatorin oder den Translator „caught between conflicting interests and pressures“ (Gile, 1995: 29) und die damit dringend benötigten Translationsstudien? Pöchhacker (2000a: 45) beschreibt in einem Kompetenzanforderungsmodell die Struktur einer Gesamtkompetenz als die Sprach- und Kulturkompetenz, gefolgt von translatorischer Kompetenz und umhüllt von Rollenbewusstsein und Berufsethik. Die unterschiedliche Gewichtung in der Vermittlung von translatorischer Kompetenz ließe sich in pointierter Form dahingehend charakterisieren, daß für Konferenzdolmetschen vor allem eine Dolmetschtechnik zur Informationsmittlung, für das Kommunaldolmetschen hingegen vor allem Dolmetschverhalten in der Sprach- und Kulturmittlung auf dem Unterrichtsprogramm steht. (Pöchhacker, 2000a: 51) Obwohl die Realität - wie auch Pöchhacker anschließend resümiert - vielschichtiger ist, ergibt sich dadurch für jedes didaktische Denken eine Verantwortlichkeit, die zumindest eine gewisse Richtung vorgibt und Inhalte bestimmt. Es ist dabei nicht wichtig, an welche der Ansätze man anknüpft, sondern dass die im jeweiligen Ansatz vertretene Methode auch tatsächlich die angestrebten Lernaktivitäten und die Entfaltung, Überprüfung und Weiterentwicklung von translationsstrategischen Thesen einschließlich Dolmetschverhalten gestattet. In Verbindung mit dem Erwerb von translatorischen Schlüsselqualifikationen wird ein Zugang benötigt, der die Forderung nach der Auseinandersetzung mit den rollenspezifischen Fragestel- <?page no="62"?> 60 lungen als erforderliche ethische Schlüsselqualifikation einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers erhebt. Martin Buber würde dabei den Menschen in seiner Ganzheit und seiner moralischen Anlage als entscheidende Dimension betrachten: Der große Charakter ist weder als ein System von Maximen noch als ein System von Gewohnheiten zu erfassen. Es ist ihm eigentümlich, mit seiner ganzen Substanz zu handeln. Das heißt, es ist ihm eigentümlich, auf jede Situation, die ihn als handelnden Menschen anfordert, ihrer Einmaligkeit gemäß zu reagieren. Freilich gibt es zwischen Situationen allerhand Ähnlichkeiten, man kann Typen von Situationen konstruieren, man kann jeweils ermitteln, in welche Abteilung die Situation dieses Augenblicks gehört, und aus dem Schatz der ausgebildeten Maximen und Gewohnheiten das Passende holen, die passende Maxime ausmünzen, die passende Gewohnheit in Gang bringen. Aber das Untypische der Situation dieses Augenblicks bleibt dann unbeachtet und unerwidert. (Buber, 1995 8 : 83f) Das Lernen und der Dialog, insbesondere über metafachliche Ziele, nehmen einen großen Stellenwert ein, da es den einzelnen Studierenden größere Selbstgestaltungsfreiräume bietet und Möglichkeiten für die dialogische Klärung von Motiven, Zielen und Inhalten bereitstellt. Die Stärkung eines „Charakters“ im Sinne von Martin Buber geht über ungewohnte Lernwege und Varianten zu den eigenen Vorgehensweisen und Ergebnissen, über das Herantasten an neue Verfahren und deren Potential. Das Lernen definiert sich damit durch Prozessorientierung und selbstständiges, reflexives und dialogisches Handeln, das langfristig auch den Aufbau und Ausbau der Denkfähigkeit fördert. Es beinhaltet Strategien, die die bewusste Wahrnehmung und Reflexion der fachlichen und metafachlichen Fähigkeiten fördert. In diesem Prozess ist der Kontrast von Gleichheit und Differenz im positiven Sinne aufgehoben. In diesem Geist hat sich wohl die bekannteste bildungstheoretische Didaktik der letzten Jahrzehnte entwickelt: die kritisch-konstruktive Didaktik, 70 die als Bildungsziel die Emanzipation definiert und diese als drei Grundfähigkeiten, nämlich Selbstbestimmungsfähigkeit, Mitbestimmungsfähigkeit und Solidaritätsfähigkeit begreift. Der prominenteste Vertreter dieser Richtung, Wolfgang Klafki (1996 5 : 19), versteht die Bildung als „Befähigung zu vernünftiger Selbstbestimmung“. Nach dieser Auffassung dienen Lehr- und Lernprozesse dazu, vorhandene Wirklichkeiten kritisch zu reflektieren und sie in anspruchsvollere Möglichkeiten zu transformie- 70 Diese Ansätze versuchen, ein Konzept zur Unterrichtsvorbereitung auf der Basis einer Theorie der Bildung im Sinne der Aufklärung und wie es die klassischen Bildungstheoretiker wie Humboldt, Pestalozzi, Schleiermacher oder Herbart verstanden haben, zu entwickeln. Die (Weiter-)Entwicklung der geisteswissenschaftlichen Didaktik hat heute viele Facetten: zu erwähnen sind insbesondere die kritische Erziehungswissenschaft und kommunikative Didaktik von Schäfer & Schaller (1971) oder die kritisch-kommunikative Didaktik von Gudjons & Winkel (1997 9 ). <?page no="63"?> 61 ren. Dabei ist der Unterricht als kommunikativer, dialogischer Prozess aufzufassen, der das emanzipatorische Bewusstsein fördert und die Lernenden befähigt, durch Selbstreflexion und Selbsttätigkeit den gegenwärtigen Zustand zu erkennen, sich von ungerechtfertigten Zwängen zu befreien und ihre Geschichte mit Bewusstsein und Willen selbst in die Hand zu nehmen. Dieser Zugang versteht sich nicht als Gegenpol zu anderen Ansätzen, sondern will vielmehr als Ergänzung zu anderen Theorien verstanden werden. In Anbetracht der Anforderungen des Arbeitsmarktes, die dazu führen, dass sich auch die Qualifikationen, die in der beruflichen Bildung vermittelt werden, wandeln müssen, ist es zwar äußerst wichtig, fachliche Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben, doch dies allein genügt immer weniger. Breite Verwendungsmöglichkeit am Arbeitsmarkt benötigt - neben Fach- und Methodenkompetenz - auch die sozialkommunikative und affektiv-ethische Ausbildung. Das bedeutet, dass man selbstständiges Handeln nur dann lernen kann, wenn man bereits in der Ausbildung interaktiv und selbstverantwortlich agiert und Probleme selbstständig löst. Somit wird dieser Ansatz zu einer Handlungstheorie aus der Praxis für die Praxis. „Die Bestimmung ‚konstruktiv’ weist auf den durchgehenden Praxisbezug, auf das Handlungs-, Gestaltungs-, Veränderungsinteresse hin, das für diese didaktische Konzeption konstitutiv ist“ (Klafki, 1996 5 : 90). Wie auch in den traditionellen Berufen, gibt es in translatorischen Berufen ein Ensemble von Standards und Normen, die festlegen, was gutes und richtiges Ausüben des Berufes ist und wie die Handlungen zu bewerten sind. Die Idee der Berufsethik ist durch den Rekurs auf einen rationalen Konsens - in der Regel von verwandten Berufen bzw. Berufen, mit denen man eng zusammenarbeitet, übernommen - unter idealistischen Bedingungen entstanden. In Kodizes festgehaltene Standards legen die Vermutung nahe, dass sie zum impliziten Wissen jeder translatorisch handelnden Person gehören. Schlagworte wie „Unabhängigkeit“, „Neutralität“ usw. verlangen ein bestimmtes Niveau der Wertgeneralisierung, sie bedeuten aber damit auch eine Tugendethik, die in der Regel nicht möglich ist, bedeutet sie doch, dass das Handeln so beschaffen sein soll, dass es zu einem allgemeinen Gesetz werden kann - demnach also ein Instrumentalisierungsverbot. 71 Abgesehen davon, dass die „natürliche“ Moral niemals stark genug ist, um uns dann noch zu einem humanen Verhalten dem an- 71 Bekanntlich haben einige große Denker versucht, eine objektivistisch-metaphysische Ethiktheorie zu entwickeln. Am einflussreichsten unter den Ethiktheoretikern ist heute wohl immer noch Immanuel Kant. Seinem kategorischen Imperativ zufolge gilt: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“ und „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest“ (Kant, 1956: 61). <?page no="64"?> 62 deren gegenüber zu verpflichten, wenn wir von ihm oder ihr nichts brauchen, ist in der Gesellschaft das Ökonomische immer mehr das Entscheidende. Marktwirtschaftlich geprägte Werte werden immer mehr auch zu moralischen Werten. 72 Das grundlegende Prinzip der translatorischen Tätigkeit beruht auf der Verpflichtung, die Interessen aller an der Kommunikation Beteiligten zu wahren. Dabei ist die Dolmetscherin oder der Dolmetscher vollkommen beteiligt und doch distanziert - nicht Teil und doch nicht unbeteiligt. Im Mittelpunkt des Verhältnisses zwischen der ausgangskulturellen und der zielkulturellen Botschaft steht die Arbeit der Translatorin oder des Translators im Sinne des Gemeinwohls. Diese Arbeit ist als zieltextorientierte Handlung festgelegt, d.h. die Intention und Funktion des Translats ist stets prospektiv auf den Skopos gerichtet. Als Kontrollmechanismus im Translationsprozess kann weniger der Ausgangstext dienen als die Funktion des Textes in der neuen Situation. Erfolgreiche Herstellung von Kommunikation bedeutet im Allgemeinen verständnisorientiertes, kommunikatives transkulturelles Handeln, das Verständigung unter Berücksichtigung der Vereinbarkeit der Handlungspläne, Zielsetzungen und Interessen aller Beteiligten umfasst. Worin immer der Erfolg bestehen mag, er darf niemals auf Basis des Misserfolgs beteiligter Personen erreicht werden. Dadurch würden Menschen, die auf Translationsleistungen angewiesen sind, in ihrem Recht verletzt, im Rahmen der Möglichkeiten für sich selbst das Beste herauszuholen. Ihre Autonomie wäre dadurch künstlich eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund geschieht die Arbeit der Translatorin und des Translators. Wirtschaftliche Interessen oder gesellschaftlicher Druck usw. dürfen diese Prinzipien nicht unterlaufen. Für eine Wertgeneralisierung muss zuerst die eigene Prägung erkannt werden. Der Erkenntnisakt, der sich von der reinen Wahrnehmung unterscheidet, wird im Durchlaufen verschiedener Phasen vollzogen: die Identifikation dessen, was erkannt werden soll; die Zielsetzung dessen, wozu erkannt werden soll und die Möglichkeit, wie die Erkenntnis erreicht werden kann. Nicht zuletzt sollte klar sein, für wen die Erkenntnis angestrebt wird. 2.6 Ergebnis: Didaktik im sozialen und interdisziplinären Dialog Wie bereits festgestellt, ist ein translatorisches und im Speziellen ein Dolmetschstudium als ein Gesamtpaket zu verstehen, das verschiedene Bereiche umfasst und wo die Summe aller Bereiche ein Ganzes ergibt. Die metafachlichen Kompetenzen spielen insbesondere im Dolmetschstudium eine 72 Zum „ethischen Horizont“ vgl. Strasser (2004), zu Strategien und Moral in der Wirtschaft Bausch (2004), zu Unternehmensethik und Unternehmenspraxis Albach (2005). <?page no="65"?> 63 zentrale Rolle. In der Definition der translatorischen Kompetenz aus didaktischer Perspektive sind alle Faktoren, die die translatorische Arbeit selbst und alle an der Kommunikation Beteiligten betreffen, auch bei der didaktischen Entscheidungsfindung zu berücksichtigen; diese metafachlichen Kompetenzen spielen allgemein, besonders aber in allen Formen des Dialogdolmetschens eine große Rolle. Worum geht es konkret? Angehende Translatorinnen und Translatoren benötigen Richtlinien und Regeln, die sie zu einer verantwortungsvollen Ausübung der translatorischen Tätigkeit und zu einem souveränen Umgang mit den divergierenden Interessen der an einer Kommunikation beteiligten Personen befähigen. Etwaige Konzepte, die ein Handeln ‚nach bestem Wissen und Gewissen’ postulieren, taugen nicht. Sie sind, da sie dem einzelnen Translator bzw. der einzelnen Translatorin völlige Freiheit einräumen, zu unbestimmt. Gleiches gilt für alle Forderungen nach einer Berufsausübung, die sich an moralischen Begriffen orientiert. Es ist nämlich außerordentlich schwierig, Moralnormen rational zu begründen. Beim subjektiven Empfinden unterscheiden sich die Moralnormen grundlegend dadurch, dass sie nicht zwingend Bestandteil einer objektiven Wirklichkeit sind. Für die Betroffenen stellen sie aber ‚echte’ Wirklichkeit dar. Zu unterschiedlich und inhaltlich divergierend sind die moralischen Ansichten: ein und dasselbe Verhalten kann in einer Gesellschaft erlaubt, in einer anderen aber kategorisch verboten sein, eine Person sieht ein Verhalten als moralisch an, die nächste als moralisch unvertretbar. Die Forderung nach einer ‚moralischen’ Berufsausübung öffnet im Ergebnis die Tür zur Willkür. Eine gehaltvolle Diskussion kann nur geführt werden, wenn sich die Translationsdidaktik darüber im Klaren ist, dass sie sich mit einem Gegenstand beschäftigt, der nicht dem Bereich der Moral allein zugehörig ist; vielmehr geht es um Regeln und Prinzipien der Berufsausübung, die mit Hilfe der Wissenschaft und unter Einbeziehung ethischer Fragestellungen entwickelt werden; es geht um die Entwicklung und Lehre einer spezifischen Berufsethik für Translatorinnen und Translatoren. Durch eine solche Ausbildung wird die Sicherheit geschaffen, dass wir nicht nach ‚bestem Wissen und Gewissen’, sondern nach wissenschaftlichen Methoden und begründbaren Werten handeln. Je transparenter ein translationsethisches Arbeiten gemacht wird, desto eher wird die gefundene Lösung für alle Beteiligten, also für die Translatorinnen und Translatoren genau so wie für die Bedarfstragenden der translatorischen Tätigkeit, konsensfähig sein. Und je durchdachter der in der ethischen Norm verankerte Kompromiss zum Ausdruck gebracht wird, desto weniger läuft die Entscheidung Gefahr, als Verstoß gegen allgemeine ethische Grundsätze oder gar als verhaltenswidrig beurteilt zu werden. Es liegt also an der Ausbildung, diese metafachliche Kompetenz zu vermitteln. Dazu ist ein umfassender didaktischer Ansatz notwendig; auf ihn <?page no="66"?> 64 kann eine moderne universitäre Translationsausbildung nicht verzichten. Bisherige didaktische Bemühungen gestalten sich unterschiedlich, Konzepte werden in der Regel von einzelnen Lehrenden nach eigener Erfahrung und Zielvorstellung konstruiert und realisiert. Bei aller Heterogenität der didaktischen Ansätze und Vorgehensweisen lässt sich jedoch die einvernehmliche Bemühung herausfiltern: Translation ist immer auf ein entsprechendes Handeln sowie dessen Reflexion angelegt. Aus dieser Implikation heraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Handlungsorientierung. Der (Translations-)Unterricht in der Dialogischen Didaktik orientiert sich am Grundmuster des menschlichen Gesprächs, in welchem die Kommunizierenden im Prozess der Genese eines gemeinsamen Wissens abwechselnd die Rolle der sprechenden und der zuhörenden Person übernehmen und sich dazwischen immer wieder auf die Position einer außenstehenden, beobachtenden Person zurückziehen, um über den reibungslosen Fortgang der Kommunikation zu wachen und Bilanz zu ziehen. Für den Pädagogen Martin Buber steht im Mittelpunkt einer funktionierenden Pädagogik der Mensch mit dem Menschen. „Das Dialogische ist nicht auf den Verkehr der Menschen miteinander beschränkt: es ist (...) ein Verhalten der Menschen zueinander, das sich in ihrem Verkehr nur eben darstellt“ (Buber, 1994 7 : 149). Das Studium der Translation unterscheidet sich von vielen anderen Disziplinen dadurch, dass die Studienwahl dem praktischen Interesse an der Sache und dem Vergnügen am Ausüben dieser Tätigkeit entspringt. Für den Vollzug der Tätigkeit, also für die Kommunikation im Allgemeinen und die transkulturelle Kommunikation im Besonderen sind bestimmte soziale Voraussetzungen erforderlich. Die transkulturelle Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit sind insbesondere durch Kooperationsfähigkeit, ethische Einstellung und Aufbau von Werthaltungen gekennzeichnet. Dabei darf nicht die eigene Prägung unterschätzt werden. „Alles prägt“, sagt Martin Buber (1995 8: : 69): die Natur und die soziale Umwelt, das Haus und die Straße, die Sprache und die Sitte, die Welt der Geschichte und die Welt der täglichen Nachrichten aus Gerücht, Radio und Zeitung, die Musik und die Technik, das Spiel und der Traum, alles miteinander, - manches, indem es Übereinstimmung, Nachahmung, Sehnsucht, Streben erweckt, anderes indem es Fragen, Zweifel, Abneigung, Widerstand erzeugt; gerade durch das Ineinandergreifen der verschiedenartigen, einander entgegengesetzten Wirkungen wird der Charakter geprägt. (Buber, 1995 8: : 69) Häufig zeigt sich die (translatorische) Wirklichkeit als fest gefügt und undurchdringlich. Für die Analyse einer solchen Situation müssen die entscheidenden Dimensionen, aus denen sich die textinterne und textexterne Realität zusammensetzen, erkannt werden. Deren Erfassung ermöglicht es, das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten zu erkennen. Trans- <?page no="67"?> 65 latorische Kompetenz umfasst die Kenntnis der Normen, nicht nur um diese zu kennen, sondern insbesondere um in der Zielkultur neue zu formulieren bzw. die Normen nach Notwendigkeit zu brechen (vgl. Toury, 1992 und Chesterman, 1993). Die kritische Analyse ermöglicht es, die Auffassung und das Verständnis der Wirklichkeit zurechtzurücken und manchmal Elemente als Gegensätze bestehen zu lassen oder aufeinander zu beziehen. Ein brauchbarer translationsdidaktischer Ansatz orientiert sich daher nicht nur an dem, was Studierende und Lehrende im Unterricht sagen, sondern an dem, was sie tun. Diese Didaktik unterstützt Studierende im Explizitmachen der Probleme und in der Kreativität bei der Problemlösung - im Bewusstsein dessen, was etwa in den im Leitbild der Universität Innsbruck 73 formulierten Grundwerten zum Ausdruck kommt: Die Universität und ihre Aktivitäten dürfen sich allerdings keinesfalls ausschließlich an jeweils aktuellen Erfordernissen der Gesellschaft oder der Wirtschaft orientieren, um die Innovationskraft der Wissenschaft nicht zu lähmen. 73 Vgl. http: / / www.uibk.ac.at/ fakten/ leitbild/ (Stand 20.10.2009). <?page no="69"?> 67 3 Translation in Interaktion: Selbstbestimmung, Mitbestimmung, Solidarität Der Erwerb eines Großteils translatorischer Fähigkeiten und darin insbesondere der Dolmetschkompetenz ist kein rezeptives Lernen, kein Erwerb eines trägen Wissens, das in realen Handlungssituationen nur schwer nutzbar gemacht werden kann. Der Erwerb translatorischer Kompetenz passiert mittels situierten Lernens, wobei das Wissen im Kontext von Problemlösungsbzw. Anwendungszusammenhängen strukturiert wird. Daher ist eine Didaktik der Problemorientierung eine günstige Bedingung, um Interesse und vertieftes Verständnis für Fragestellungen zu erreichen. In diesem Sinne geht es in diesem spezifischen Teil der vorliegenden Arbeit insbesondere um die Auseinandersetzung mit verschiedenen pädagogischen Ansätzen, deren Erkenntnisse für die Translationsdidaktik zum Zwecke von Verhaltensexperimenten als Übungsfeld für eine andere Art von Kommunikation nutzbar gemacht werden können - wir sprechen von emanzipatorischer Didaktik. In diesem Kapitel wird daher zunächst versucht, die aus didaktischer Perspektive bzw. für den in dieser Arbeit vertretenen dialogischen Ansatz wichtige Forschung zu erfassen, um eine translationsdidaktische Einteilung und eine ganzheitliche Betrachtung erlaubende Definition dieser emanzipatorischen Didaktik zu ermöglichen. 3.1 Interaktion in der pädagogischen Praxis Interaktiver Unterricht wird mittlerweile in schier allen Fachbereichen gepflegt. Die Interaktionspädagogik gründet sich auf kommunikative Beziehungen und Wechselwirkungen. Szenische Darstellung ist ein Teil der Interaktionspädagogik, sie ist eine Lehrform, die einen Teil des Unterrichts dem konventionellen Unterricht entnimmt und diesen nach teilweiser Aufhebung der traditionellen Regeln mit neuen ausstattet. Das Spiel im Unterricht hat verschiedene Bezeichnungen: von Interaktionspädagogik und szenischem Spielen über Rollen- und Simulationsspiel zu Psycho- oder Soziodrama. In dieser Arbeit wird das Spiel unter den Begriff der „Szenischen Darstellung“ subsumiert. Szenische Darstellung bietet Übungsstücke für den Umgang mit Personen, Texten, Inhalten, Situationen, Absichten, Stimmungen. Im Erwachsenenunterricht gibt es eine ganze Reihe von Ideen und Konzepten, die man dem Begriff der szenischen Darstellung zuordnen kann. Helma Behme (1992) hat das „Sprechspiel“ entwickelt, das im mut- <?page no="70"?> 68 ter- und fremdsprachlichen Unterricht eingesetzt wird. Das Sprechspiel findet Anwendung in Kleingruppen; es setzt interaktive Sprach- und Sprecharbeit ein und fördert durch konzentrierte und engagierte Arbeit sowohl das Lernen als auch soziale und emotionale Gruppenprozesse. Schuster (1994) hat das „literarische Rollenspiel“ kreiert, eine Form des ganzheitlichen Lernens, die für den Deutschunterricht vorgesehen ist und literarische, kommunikative und soziale Kompetenzen fördert. Dabei sind sowohl die traditionellen Techniken wie Monolog, Dialog und Pantomime als auch neuere Formen wie Alter-Ego-Technik und Rollenspiel wichtig. In der Erwachsenenbildung nimmt die szenische Darstellung eine außerordentlich wichtige Rolle ein: die reichen Möglichkeiten erstrecken sich von sozialen und psychologischen Theorien bis zum Einsatz des Konfliktrollenspiels, Psychodramas, Interaktions- und Selbsterfahrungsspiels. HochschullehrerInnen verschiedener Richtungen, vor allem aus der Psychologie, Pädagogik und Philologie, haben sich szenisches Spiel in ihrer Unterrichtspraxis zunutze gemacht. Die theoretischen Gemeinsamkeiten verschiedener Disziplinen ergeben sich insbesondere durch die in der Didaktik (meta-)theoretische Orientierung in Richtung personenzentrierten Unterrichts. Diese didaktische Offenheit ist es auch, die eine relativ breite Vielfalt unterschiedlicher Ansätze erlaubt. Eine Explikation verschiedener Konzepte, die die szenische Darstellung in der Unterrichtspraxis zum Gegenstand haben, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Für die Zwecke der translationsdidaktischen Forschung stellen sich jedoch ganz ähnliche Fragen, wie sie etwa Schuster (1994), Mogel (1994) und G. Schmidt (1998) im schulischen Unterricht, Gipser (1996) im Bereich der FremdsprachenlehrerInnenausbildung, Koch (1996) auf dem Gebiet der Gruppenbzw. Theaterpädagogik, Kriwet (1996) in ihrer Psychodramaarbeit im Fachbereich Sonderpädagogik oder Ottersbach (1996) im Bereich der Theaterregie formuliert haben. Diese Arbeiten behandeln unterschiedliche Einsatzgebiete, in denen Theaterarbeit Verwendung finden kann; allen gemeinsam sind der experimentelle Charakter des Unterfangens und die Suche nach Möglichkeiten, wie man die soziale Wirklichkeit erkunden und letztendlich auch verändern kann. In den Schulen bedient man sich des Theaterspielens, um die Erschließung von Dramen zu unterstützen. Szenische Darstellung in der Erwachsenenbildung unterscheidet sich jedoch nicht wesentlich von den Unterrichtsformen des szenischen Spiels in der Schule. Eine grundlegende Aufarbeitung der didaktischen Möglichkeit mit Hilfe des darstellenden Spiels in der Schule bietet G. Schmidt (1998). Seine Arbeit, auf die wir später zurück kommen werden, bietet wertvolle Impulse für die Dolmetschdidaktik. Über den besonderen Zusammenhang zwischen dem spielenden Kind und seiner Umwelt - und dies kann man auf jedes ganzheitliche Lernen übertragen - lautet Mogels Feststellung folgendermaßen: <?page no="71"?> 69 Im Spiel gestaltet das Kind zugleich sich selbst und seine Umwelt, das heißt, daß das Spielgeschehen mit einer zugleich stattfindenden Selbstveränderung und Umweltveränderung verknüpft ist. Es stiftet einen Zusammenhang zwischen den inneren Veränderungen, die es selbst betreffen, und den äußeren Veränderungen, die seine Umwelt betreffen. Die psychologische Bedeutung dieses Zusammenhangs ist, daß das Kind und seine Umwelt durch die spielerische Gestaltung zu einer (nicht weiter unterteilbaren) Handlungseinheit werden. (Mogel, 1994: 11f, Hervorhebungen vom Autor) Die Psychologie des Kinderspiels unterscheidet sich nicht wesentlich von der Psychologie des Erwachsenenspiels: wenn ein Handlungsrahmen angeboten wird, in dem eine Auseinandersetzung mit der Umwelt sanktionsfrei und mit Freude geschieht, werden das Engagement ernst und die Ergebnisse dementsprechend echt. Obwohl die szenische Darstellung auch das Spiel bzw. ‚Schauspielerei’ enthält, geht es hier nicht um Konzepte und Konstrukte, die die Spielbarkeit, Sprechbarkeit oder Inszenierung bzw. Formen des professionellen Schauspielens oder professioneller Regieführung betreffen. Vielmehr wird die szenische Darstellung als Unterrichtsform dazu genutzt, um ganzheitliche Lernerfahrungen zu ermöglichen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Schaffung einer persönlichkeitsorientierten Lernsituation. 3.1.1 Szenische Darstellung als didaktische Form Rollen- und Simulationsspiele greifen auf psychologische Grundlagen zurück. Das Rollenspiel geht auf das von Moreno (1959) entwickelte Psychodrama zurück, das zunächst zu psychotherapeutischen Zwecken eingesetzt wurde, wobei die Patientinnen und Patienten im Rollentausch die Motivation ihrer Gegenspielenden besser erfahren lernen. Die Entwicklung des Rollenspiels führte in den 60er und 70er Jahren zum Konfliktrollenspiel. Die Techniken des Psychodramas sind in erster Linie Rollentausch und Spiegeln. Durch Rollentausch erreichen die Akteurinnen und Akteure eine Vielfalt an Erlebnisperspektiven und somit intensivere Betrachtungsweisen. Die Bedeutungen werden nicht subjektiv zugeschrieben, sondern an die Perspektive des Individuums gebunden. Gleichzeitig wächst die Bereitschaft, die eigene Perspektive in immer neuen Situationen und Rollen zu erproben. Dieser Ansatz korrespondiert mit dem Prinzip der Katharsis in der Theorie der Tragödie, wonach mit der nachahmenden Darstellung einer Handlung durch Mitleid oder Furcht die Reinigung von Affekten erfolgt. Wie das Reinigen in der Dramatik, das als die Befreiung von Schmerz und Kummer verstanden wird, werden auch im Psychodrama Emotion, Identifikation, Reflexion, Ergriffenheit und Betroffenheit angesprochen, die zu einer Reinigung und durch Handeln zu einer Änderung führen. Die Methoden des Psychodramas können im Unterricht dazu genutzt werden, „um allzu illusionären Hoffnungen und manipulativen Be- <?page no="72"?> 70 ziehungsmustern durch eine Bewußtseinserweiterung hinsichtlich der äußeren und inneren Realität entgegenzuwirken“ (Kriwet, 1996: 97). Diese grundlegenden Absichten des Psychodramas finden sich in allen später weiterentwickelten Ansätzen des szenischen Spiels im Unterricht teilweise wieder. Das szenische Spiel als übereinstimmender Theorierahmen für verschiedene Disziplinen gibt es jedoch nicht. Vielmehr greifen verschiedene Disziplinen die für sie interessanten und nützlichen Aspekte heraus und verarbeiten diese unter Berücksichtigung der eigenen Normen und Konventionen. Allen Anwendungen gemeinsam bzw. das Tragende in der szenischen Darstellung ist die Einbindung des ganzen Menschen mit seinem Körper, seinen Emotionen und sozialen und kommunikativen Bedürfnissen. Es ist also die Mischung von Intellekt und Gefühl, die Einbindung des Rationalen in ein emotionales Netz. Die handelnde kognitive und die emotionale Seite des Lernprozesses ergänzen sich gegenseitig und bilden eine ganzheitliche Lernsituation. Denn es ist leichter, sich mit Themen und Handlungen durch Situationen, in denen Kommunikation, Beziehungen und Aktionen gelebt werden, zu identifizieren, als diese abstrakt zu behandeln. Die Spontaneität und Kreativität der Teilnehmenden sind abhängig von ihrer Rollenflexibilität. Auf der Grundlage dieser Theorie können Rollenspiele einen wichtigen Faktor in der Entwicklung der sozialen Kompetenzen sein. Der Spielcharakter ermöglicht, dass zur Intensivierung einer Szene unterbewusste Gefühle, Verhaltensweisen oder sogar Phantasien ans Licht kommen. Diese können entdeckt, interpretiert und revidiert werden. „Der Mensch, das Geschöpf, welches Geschaffenes gestaltet und umgestaltet, kann nicht schaffen. Aber er kann, jeder kann sich und kann andere dem Schöpferischen öffnen.“ (Buber, 1995 8 : 49). 3.1.2 Kraftelemente der szenischen Darstellung Im Zusammenhang mit der szenischen Darstellung im Unterricht kann grundsätzlich von drei menschlichen Kraftelementen, die sich im Spiel abwechseln, ausgegangen werden: Emotion, Identifikation und Reflexion (vgl. auch G. Schmidt, 1998: 220ff). Diese drei Elemente führen im Spiel der Wechselwirkungen zu Betroffenheit und lösen Handlungen aus. Der Weg von Emotion und Identifikation zur Reflexion entspricht einer Steigerung des Bewusstseinszustandes. Aus dem Zusammenspiel dieser drei Bewusstseinsebenen ergibt sich nach G. Schmidt die Betroffenheit, die schließlich zu Tat und Verwandlung führt. Selbstverständlich sind diese Ebenen des Bewusstseins selten zur Gänze von nur einem Gemütszustand besetzt. Vielmehr befinden sich Gedanken, Emotionen und Handlungen der Menschen zwischen den Polen, die Grenzen sind fließend. Über Emotion in der Translationswissenschaft zu diskutieren ist im Hinblick auf die Natur der translatorischen Tätigkeit ein dringend notwendiges, aber schwieriges Unterfangen, gebieten doch das Rollenver- <?page no="73"?> 71 ständnis und die gesellschaftliche Norm die „Neutralität“ der Translatorin oder des Translators. Emotionen haben aber die Wissenschaft schon immer beschäftigt. Gefühle galten in der aufgeklärten Welt zunächst als etwas Negatives und wurden den Ungebildeten zugeordnet; die Kontrolle der Emotionen wurde als Eckpfeiler der Gesellschaft betrachtet. Mittlerweile herrscht dagegen Konsens darüber, dass, wenn man das Denken verstehen will, auch die Gefühle berücksichtigt werden müssen (vgl. Fiehler, 1990). Gefragt sind nicht mehr nur Fakten und Tatsachen. Basisemotionen, die den Großteil unserer täglichen Entscheidungen beeinflussen, werden auch im Berufsleben immer mehr berücksichtigt. Ärger, Überraschung, Freude, Trauer sind wichtige Bestandteile des Lebens. Diese Basisemotionen sind kulturübergreifend und bei jedem Menschen zu finden. Zusammenfassend werden Emotionen als Vorformen der Erkenntnis oder handlungsregulierende Steuerungsmomente bezeichnet, die sich in einer Handlung entladen und Veränderungen herbeiführen können. 74 Die Identifikation mit der Rolle, mit Aussagen und Verhalten schafft einen persönlichen Bezug. Darüber hinaus spiegeln allgemeine Aussagen immer auch persönliche Erfahrungen wider. Einen Verhaltens- und Handlungsakt zu spielen, in dem sich die Teilnehmenden mit der Rolle identifizieren, trägt dazu bei, eine Situation zu verstehen, sich in die Lage einer anderen Person zu versetzen und die Emotionalität und Identifikation mit der Person anzustreben. Die Reflexion ist als Gegenpol zur Emotion zu betrachten, wird also mit Objektivität und Distanz zur Emotion in Verbindung gebracht. Nach Identifikation wird der Prozess der Handlung mit Reflexion beendet, wobei neue Haltungen und damit auch neue Bedeutungen entstehen. In einem Kommunikationsgeflecht werden Fragestellungen neu definiert und dieses Neustellen von Fragen kann wichtiger sein als Antworten zu finden. 75 Die Systematik der Ziele in der szenischen Darstellung wird als Wechselwirkung zwischen Emotion, Identifikation und Reflexion verstanden, wobei natürlich besonderes Augenmerk auf die Reflexion gelegt wird. Das Prinzip des Nachvollziehens versucht zu erklären, wie durch szenische Darstellung Veränderungen des Menschen bewirkt werden können. Dabei wechseln in dieser Interaktion die rationale und die emotionale Ebene, wobei die Einbeziehung des emotionalen Beziehungsaspekts von vordergründiger Bedeutung ist. Durch das ungehinderte Zusammenspiel von Verstand und Gemüt finden sich hier als pädagogische Dimensionen Wissen, Einstellung und Verhalten wieder. Szenische Darstellung als soziales 74 Emotionen sind fixer Bestandteil einer jeden dialogischen Dolmetschsituation. Dem Thema „Wie dolmetsche ich Emotionen“ wird auch in der Diskussion der Praktikerinnen und Praktiker Beachtung geschenkt (vgl. Bankhamer, 2005; Grießner, 2005). Ausführlicher zu „Emotionen“ aus didaktischer Sicht in G. Schmidt (1998). 75 Mehr zur Reflexion bei G. Schmidt (1998). <?page no="74"?> 72 Rollentraining bringt als Ergebnis ein (verändertes) Verhalten und Handeln. Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Interaktionspädagogik ist die Schaffung eines Freiraums für die ungehinderte Entfaltung. Im Reden über Erziehung sagt Martin Buber über das Nichtbehindertsein und Nichteingeschränktsein, also über die Möglichkeiten der Entfaltung, Folgendes: Man ist geneigt, diese Freiheit, die man die evolutive nennen mag, als den Gegenpol von Zwang, von Unter-dem-Zwang-sein zu verstehen. Aber der Gegenpol von Zwang ist nicht Freiheit, sondern Verbundenheit. Zwang ist eine negative Wirklichkeit, und Verbundenheit ist die positive; Freiheit ist eine Möglichkeit, die wiedergewonnene Möglichkeit. (Buber, 1995 8 : 26) Im Folgenden wird ein Konzept vorgestellt, das sich insbesondere auf einige Ansätze aus der Befreiungspädagogik stützt und dem dialogischen Grundprinzip 76 verpflichtet ist. 3.2 Pädagogik der Unterdrückten Den Dialog zum Prinzip macht auch der brasilianische Pädagoge Paulo Freire: „Der Mensch ist ein Dialogwesen, das mit seinen Mitmenschen über die Umwelt durch den Dialog mit den Menschen verbunden ist“ (Freire, 1973: 20). Freire hat einen Ansatz entwickelt, den er „Pädagogik der Unterdrückten“ 77 nennt, „eine Pädagogik, die mit den Unterdrückten und nicht für sie“ (Freire, 1973: 35) gestaltet wird. Von der pädagogischen Herangehensweise her rekurriert Paulo Freire auf das dialogische Prinzip und die Methode von Martin Buber. 78 Paulo Freire betont ebenso wie Buber, dass wirkliche Bildung das Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden 76 Das Prinzip des dialogischen Lernens wurde bereits zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts von den Vertretern der Reformpädagogik eingesetzt. Die Reformer unterschieden zwei verschiedene Arten der Kommunikation, das monologische Sprechen, das aus einem monologischen Denken hervorgeht und auch ein solches erzeugt und somit Schlüsse zieht, die anderen vorgegeben werden. Das dialogische Sprechen dagegen basiert auf einer wechselnden Gesprächsführung, die mit einem produktiven Denken, das durch die Gedanken der anderen in Bewegung kommt, korrespondiert (vgl. Bollnow, 1983: 107f). 77 Diese Bezeichnung legt die Vermutung nahe, dass es sich dabei um eine „Opfer- Pädagogik“ handelt. Obwohl Freire als Ausgangsbasis natürlich die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse des lateinamerikanischen Raums im Auge hatte, geht es in dem von ihm entwickelten Ansatz nicht (nur) um eine gesellschaftlich benachteiligte Gruppe, sondern um alle Bereiche, wo starke Beeinflussung oder Manipulation stattfindet. 78 Das pädagogische Denken und das Menschenbild Freires ist auch von anderen philosophischen Strömungen beeinflusst. Eine Analyse der Einflüsse verschiedener Theorien auf die pädagogische Arbeit von Paulo Freire findet sich bei Hernández (1977) und Figueroa (1989). <?page no="75"?> 73 dahingehend gestaltet, dass beide gleichzeitig sowohl die eine als auch die andere Rolle einnehmen; beide lehren und lernen also gleichzeitig. Die antidialogische Pädagogik bezeichnet Freire als Unterdrückungspraxis und nennt dialogische Prozesse konstitutive Voraussetzungen einer emanzipatorischen Praxis. Eine grundlegende Aussage von Paulo Freire über die Bildung und Erziehung ist, dass sie niemals neutral sein kann bzw. dass das Wissen keine neutrale Fertigkeit ist, die als solche weitergegeben werden kann. Ganz grundsätzlich müssen sich die pädagogisch Tätigen immer entscheiden, ob mit den vermittelten Fertigkeiten auch eine Veränderung der Gesellschaft angestrebt wird oder ob der Status quo erhalten werden soll. Sohin kann die Methode, nach der gelehrt wird, niemals neutral sein: sie ist immer ein Instrument der Beeinflussung, entweder ein Instrument für die Befreiung des Menschen oder - schärfer formuliert - ein Instrument seiner Vorbereitung auf die Unterdrückung. Freire unterscheidet zwei Arten von Bildung und Erziehung: educaç-o bancaria und educaça problematizadora: „Bankierserziehung“ nennt Paulo Freire jene Form der Erziehung, in der die Wissensvermittlung als Programmierung mit fremdem Wissen, wie ein „Fütterungsvorgang“, erfolgt. Werte, Vorstellungen, Urteile und Vorurteile der Lehrenden bzw. des Systems werden in die Lernenden wie Spareinlagen eingelegt: damit ergibt sich das Bild der Lehrenden als Anleger und der Lernenden als Anlageobjekte (Freire, 1973: 57). 79 Die Lernenden werden nicht in die Lage versetzt, kritisch zu denken und eigenständig zu handeln, sie werden mit Lernstoff gefüttert. Eine solche Konstellation zwischen Lehrenden und Lernenden führt dazu, dass Lehrende denken, reden, handeln und die Inhalte, die vermittelt werden sollen, auswählen und durchsetzen. Die Lernenden hingegen denken nicht, über sie wird gedacht, sie hören und stimmen allem zu und werden dadurch zu passiven Objekten, die man nach Belieben beeinflussen kann. Das Lernen reduziert sich auf das Wiederholen der Kommuniqués der Lehrenden. Wissen ist keine Erkenntnis, sondern wird bloß gesammelt. Der so „erzogene Mensch ist der angepaßte Mensch, denn er paßt besser in die Welt“ (Freire, 1973: 61). Sein Wissen ist zwar seinem Bewusstsein zugänglich, aber nicht in das Bewusstsein eingetreten. Sohin wird der Mensch zum Besitzer von Bewusstsein, der mit den verschiedenen Inhalten gefüttert und so auch manipuliert werden kann. Ergebnis dieses Bildungskonzepts ist die Fremdbestimmung. 79 Freire bezieht sich primär auf das koloniale und postkoloniale Bildungswesen und es ist natürlich nicht möglich, diese Gedanken zur Gänze in andere Verhältnisse zu übertragen. Dennoch lassen sich hier Identitätsmerkmale eines jeden Bildungssystems erkennen: Anpassung der Lernenden an bestehende politische und gesellschaftliche Verhältnisse. <?page no="76"?> 74 Als Gegenpol zur „Bankiers-Erziehung“ betrachtet Freire die problemformulierende Bildungsarbeit, in der Lernen durch eigene Erkenntnisse und Handlungen geschieht. Dabei sind Lehrende und Lernende gleichberechtigte Subjekte, die gemeinsam nach Lösungen suchen. Als Alternative zum Programmieren bietet er ein offenes Lernmodell des Problematisierens. Er nennt es educaça problematizadora. In diesem Modell ist das Lernen keine Fütterung mit fremdem Wissen, sondern die Wahrnehmung der eigenen Lebenssituation als Problemformulierung. Die Lösung des Problems liegt in der Reflexion und in der anschließenden Aktion. Das erste Ziel der educaça problematizadora ist die kritische Bewusstmachung, conscientizaç-o. Der Begriff „conscientizaç-o“ bedeutet den Lernvorgang, der nötig ist, um soziale, politische und wirtschaftliche Widersprüche zu begreifen und um Maßnahmen gegen die unterdrückerischen Verhältnisse der Wirklichkeit zu ergreifen. (Freire, 1973: 25) Conscientizaç-o ist also eine Vertiefung des Bewusstseins, es enthüllt die Wirklichkeit, beseitigt die Mythen. Der Prozess des Lernens besteht nicht darin, vorgegebene und fertige Antworten parat zu haben, sondern das Aufwerfen von Fragen und die Suche nach Selbstbestimmung. Freire fordert für seine Pädagogik einen kritischen, befreienden Dialog, der sich in gleichberechtigter Kommunikation manifestiert - im Unterschied zum Monolog, der Schlagworte und Kommuniqués zum Inhalt hat. Aber auch die Dialogfähigkeit muss erst gelernt werden: wie die Denkstrukturen ist auch das Gesprächsverhalten durch die Geschichte geprägt. Um sich in die Realität zu integrieren, bedarf es nach Freire einer „maximalen Befähigung zu kritischem Denken“ (Freire, 1983: 29). Die Pädagogik Paulo Freires basiert auf dem Dialog - es gibt keine passiven Lernenden, alle sind aktive Teilnehmende - und der Dialog ist grundlegender Bestandteil der Kommunikation (im Unterschied zu monologischer Bildungsarbeit mit ihren Kommuniqués). Nur mit Hilfe des Dialogs ist es möglich, eine kritische Haltung hervorzubringen und das eigene Wissen zu problematisieren, das in eine konkrete Realität eingebettet ist. Dem Denken von Martin Buber verpflichtet, ist der Dialog bei Freire eine Interaktion zwischen Menschen, eine Ich-Du-Beziehung, bei der weder das Du noch das Ich in ein Objekt verwandelt werden darf (vgl. Freire, 1983: 57). Freire versteht den Dialog als eine dialektische Einheit von zwei Dimensionen: einerseits die Reflexion, andererseits die Aktion. Bestünde der Dialog nur aus Reflexion, so würde er zu einem reinen Lippenbe- <?page no="77"?> 75 kenntnis degradiert werden, ohne Reflexion wird er zum Aktionismus, dem die Kritik fehlt. 80 3.3 Theater der Unterdrückten Der Theaterpädagoge Augusto Boal übertrug die Sichtweise von Freire auf die Ebene des Theaters und nannte seine Theaterarbeit „Theater der Unterdrückten“. 81 Boal setzte sich mit Theorien Stanislawskis und Brechts auseinander und verknüpfte diese Ansätze mit den Ideen der Pädagogik der Unterdrückten: er setzte auf den dialektischen Zusammenhang von Spiel und Publikum. Die von Boal durchgeführten Theatervorstellungen dienten dem Erkennen und der Bewältigung gesellschaftlicher Konfliktsituationen. 82 Dabei soll das Theater weder Propaganda noch Manipulation sein, es ist eine gemeinsame, durch den Dialog definierte Suche nach Wahrheit oder nach der Lösung eines Problems: Ich habe nicht den Stein der Weisen bei mir, ich verfüge lediglich über ein paar Techniken, die helfen können, mir und meinen Zuschauern, der Wahrheit auf die Spur zu kommen - die Techniken des Theater der Unterdrückten. 83 (Boal, 1989²: 8) Boal stellte sein Theater in den „Dienst der Unterdrückten“, „damit sie sich ausdrücken lernen und damit sie mittels dieser neuen Sprache zugleich neue Inhalte entdecken“ (Boal, 1989²: 42f). Das heißt, Wege zur Freiheit entdecken und Handlungen proben, die zur Befreiung führen. 84 Somit ist dieses Theater eigentlich ein Theater der Befreiung. Einige Formen und Techniken dieses Theaters haben zeitlose Gültigkeit und man kann sie an beliebigen Orten und in beliebigen Systemen anwenden. Die von Boal seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts unter dem Einfluss seiner langjährigen Tätigkeit in Europa entwickelten neuen Techniken werden in der Theaterpädagogik, im Schauspieltraining, in der Pädagogik, in der politi- 80 Bei Martin Buber (1995 8 : 59) beginnt diese Arbeit mit der Weltanschauungsentscheidung, die zuerst in der Klärung der Fragen: „Worauf steht deine Weltanschauung? “ und „Was fängst du mit deiner Weltanschauung an? “ besteht. 81 Auch als Theater der Befreiung und Theater der Begegnung bezeichnet. 82 Der Brasilianer Augusto Boal hat diese Theaterform zunächst in seinem Heimatland praktiziert und verstand sie als kulturellen Beitrag zur Demokratisierung Lateinamerikas. Die Boalschen Methoden gehören mittlerweile zu den Klassikern der Theaterpädagogik. 83 Vgl. dazu Buber (1962: 114) „Ich habe keine Lehre. Ich zeige nur etwas. Ich zeige Wirklichkeit, ich zeige etwas an der Wirklichkeit, was nicht oder zu wenig gesehen worden ist. Ich nehme ihn, der mir zuhört, an der Hand und führe ihn zum Fenster. Ich stoße das Fenster auf und zeige hinaus. Ich habe keine Lehre, aber ich führe ein Gespräch.“ 84 Ausführlicher zum Theater der Unterdrückten als Befreiungsform vgl. Boal (1989²: 68f). <?page no="78"?> 76 schen Arbeit, in der Personal- und Teamentwicklung und im therapeutischen Bereich eingesetzt. Feldhendler (1992 2 ) fasst die Bereiche, die mit Boals Methoden arbeiten, in vier größere Gruppen zusammen: Theaterarbeit, politische Arbeit, Erziehungswesen und psychosozialer Bereich. Allen Bereichen gemeinsam ist das Konzept der Darstellung der Probleme auf der Bühne, Lösungen sollen die Betroffenen selbst finden. Boal setzt mit seinem Ansatz bereits beim klassischen Theater an. Im Regebogen der Wünsche (2006: 79ff) unterscheidet Boal zwischen vier verschiedenen Formen der Katharsis: der medizinischen Katharsis, die die Gründe für psychisches, physisches und psychosomatisches Leiden der Individuen beseitigt; der Katharsis bei Moreno, bei der der Mensch durch das Theaterspielen von seinen Emotionen gereinigt wird; der Katharsis bei Aristoteles, bei der sich das Publikum in den Helden einfühlt. Dieser beginnt bei der Erhöhung des tragischen Fehlers, führt über die Peripetie zum Geständnis des Fehlers und endet mit dem Erkennen der Schuld. Laut Boal ist die Katharsis solange sinnvoll, als das Publikum mit den im Stück vermittelten Werten einverstanden ist. Ist dies nicht der Fall, führt die Katharsis zur Aufrechterhaltung einer Realität, mit der man nicht einverstanden ist und der Wunsch nach Veränderung geht verloren. Die vierte Katharsisdimension ist jene im Theater der Unterdrückten. Boal fordert, dass die Zuschauerin oder der Zuschauer von dem gereinigt wird, was sie oder ihn blockiert, und nicht von dem Verlangen, etwas zu verändern. Das Publikum soll also dazu motiviert werden, sich aktiv gegen die Verhältnisse, mit denen es nicht einverstanden ist, zu wehren. Im konventionellen Theater präsentieren wir Bilder der Welt zu Kontemplationszwecken. Im Theater der Unterdrückten hingegen werden Bilder präsentiert, damit sie zerstört und durch andere ersetzt werden können. Im ersten Fall ist die dramatische Handlung eine „fiktionale“ Handlung, die eine „echte“ Handlung ersetzt. Im zweiten Fall ist die auf der Bühne gezeigte Handlung eine Möglichkeit, und die eingreifenden Zuschauer sind aufgefordert, neue Alternativen zu erfinden, die kein Ersatz für reales Handeln, aber immerhin Probehandlungen sind, die dem Handeln in der Realität vorausgehen. (Boal, 2006: 81) Impulse für die Entwicklung des „Theater der Unterdrückten“ gab - neben Freire - die theaterpädagogische Arbeit von Berthold Brecht. Brecht entwickelte im Zuge seiner experimentaldramatischen Arbeit Lernspiele, die unter der Bezeichnung Lehrstückpädagogik bekannt sind. Die Lehrstückpädagogik gibt zu den Stückmodellen auch Spielempfehlungen. Die Lehrstücke von Brecht sind Übungen im Unterscheiden, sie nehmen ungewohnte Verläufe an. Die Lehrstückvorlagen verändern sich; ein gespielter Text ist ein anderer als der, der er zu Beginn war. Das Brechtsche Lehrstücktheater versteht sich als szenisch unterstützte Sozialisation. Brecht hat mit dem Lehrstück eine Veränderung der Alltagswelt versucht. Bei Brecht geht es im Theater um Nachahmung und Reflexion von Sachverhalten. Die <?page no="79"?> 77 Verfremdung, die Nachahmung „asozialer“ Verhältnisse, wird eingesetzt, damit man sich distanzieren und nachdenken kann. 85 Brecht forderte eine kritische Distanz des Publikums zum Bühnengeschehen. In Anlehnung an die „Pädagogik der Unterdrückten“ von Freire und an die „Lehrstückpädagogik“ von Brecht hat Augusto Boal seine Methode für szenische Darstellung dahingehend weiter entwickelt, dass im Zentrum der Aufführungspraxis die wechselseitige Beeinflussung von Sprache, Handlung und Bewusstsein steht. Die sozialkritischen Stücke handelten - zunächst - von brasilianischen Zuständen und die Schauspielerinnen und Schauspieler waren dazu ausgebildet, so zu sprechen wie die Leute von der Straße. Boal hatte es sich zur Aufgabe gemacht, eine Annäherung zwischen Darstellerinnen und Darstellern und dem Publikum zu erreichen. Damit verfolgt Boal sein Hauptziel, nämlich „das passive Wesen im Theater zum Subjekt zu machen, zum Akteur, zum Veränderer der dramatischen Handlung“ (Boal, 1989²: 43). Diese Arbeit nennt Boal in Anlehnung an Aristoteles‘ Poetik, in der das Publikum eine Figur ermächtigt, für das Volk zu denken und zu handeln, „Poetik der Unterdrückten“. Auch fließt hier die Arbeit von Brecht ein, der sich zwar selbst das Vorrecht behält, zu denken, das Publikum darf jedoch für ihn stellvertretend handeln. Boal geht in seiner Arbeit einen Schritt weiter als die Poetik der Bewusstmachung: „Kurz, der Zuschauer probt die wirkliche Handlung“ (Boal, 1989²: 43). Entsprechend dem Boalschen gemeinsamen Lernprozess zwischen Publikum und Akteurinnen und Akteuren sollen alle am Spiel Beteiligten gleichermaßen in den Lernprozess eingebunden werden. Der Zuschauer, das passive Wesen par excellence, ist weniger als ein Mensch. Es tut not, ihn wieder zum Menschen zu machen, ihm seine Handlungsfähigkeit zurückzugeben. Er muß Subjekt, Protagonist werden. (Boal, 1989²: 66) Eine vergleichbare Position ist die Lehrstücktheorie von Brecht, wonach ein Lehrstück dadurch lehrt, dass es gespielt, nicht dadurch, dass es gesehen wird. Die Methoden von Brecht und Boal zielen aber im Grunde auf das gleiche Ergebnis hin: auf die Erkenntnis der sozialen Wirklichkeit unter Einbeziehung subjektiver Bewusstseinsphänomene und nach Bewusstwerdung dieser auf ihre Veränderung. Die Lehrstücke von Brecht haben die gleiche Idee wie Boal, jedoch kritisiert Boal, dass Brechts Theater ein katharsisches geblieben ist. Die Zuschauerinnen und Zuschauer denken zwar mit den Schauspielerinnen und Schauspielern mit, jedoch werden sie nicht ermächtigt, ihr Denken in die Tat umzusetzen, zu handeln. Brecht, Freire und Boal haben viele Gemeinsamkeiten: Boal wurde von ersteren beiden stark beeinflusst, nicht zuletzt hat Boal analog zur „Päda- 85 Ausführlicher zu Brechts Modell der Lehrstücke vgl. Steinweg (1976); zu Lernübungen nach diesem Modell vgl. Koch (1996). <?page no="80"?> 78 gogik der Unterdrückten“ die Bezeichnung „Theater der Unterdrückten“ gewählt. Freire und Boal entwickelten Brechts Ideen weiter, indem sie Konzepte vorstellten, die die Möglichkeit der Bewusstmachung und der Veränderung der Wirklichkeit bieten. Freire und Boal fordern, dass die Themen der Erziehung sowie weitere Themen, die im Theater behandelt werden, nur von und mit den Betroffenen ausgewählt werden. Auch wenn die Unterdrückung nicht bewusst ist, so muss sie doch aus der Lebenswelt der Beteiligten kommen. Freire hat auch eine eigene Technik für die Suche nach „generativen Themen“ entwickelt. In beiden Methoden verlieren Lernende die Rolle der passiven Rezipientinnen und Rezipienten, die die Informationen lediglich aufnehmen, vielmehr sind sie gleichwertig an der Mitgestaltung des pädagogischen Prozesses beteiligt. Bei beiden steht nicht die Wissensvermittlung im Vordergrund, sondern das gemeinsame Erarbeiten von Themen und Problemlösungen. Boals Theaterkonzept ist eine Umsetzung der Konzeption der Pädagogik der Unterdrückten. Beide sehen die Welt als etwas Veränderbares: Bei Freire ist es die Natur und die Kultur mit allen ihren Errungenschaften, die verändert werden kann; Boal vermittelt im Theater keine fertige Welt, sondern gebraucht das Theater als Mittel, mit dem man in einem geschützten Raum die Veränderungsmöglichkeiten ausprobieren kann, um sie dann in der Wirklichkeit umzusetzen. Beide Methoden basieren auf der Grundlage des Dialogs: Kommunikation statt Kommuniqués. Bei Freire sind die Lernenden schon bei der Erstellung des Lehrmaterials dabei und werden in den gesamten Prozess einbezogen; dasselbe geschieht bei Boal: Schauspielerinnen und Schauspieler bringen gemeinsam mit Zuschauerinnen und Zuschauern ihre Ideen, Gedanken und Unterdrückungssituationen ein. Beide haben das gleiche Ziel: Aktivierung der Menschen in ihrer Wirklichkeit. 3.3.1 Methoden des Theaters der Unterdrückten Boals Theaterarbeit ist von zwei Grundprinzipien geleitet: das Publikum sukzessive von passiven Zuschauerinnen und Zuschauern zu Protagonistinnen und Protagonisten der Handlung und das Theater zu einer Form zu machen, die nicht nur die Realität interpretiert, sondern die Realität verändert: „Theater ist Wirklichkeitsprobe“ (Boal, 1989²: 66). Boal will mit dem Theater erreichen, was Brecht nicht gelungen ist: dass das Publikum nicht nur denkt, sondern auch handelt. Insbesondere im Forumtheater - das im didaktischen Dolmetschkonzept der vorliegenden Arbeit eine besondere Rolle einnehmen wird - kann das Publikum in den Ablauf eingreifen. Den problemformulierenden, dialogischen Ansätzen in der Pädagogik gemein ist eine Wirklichkeit, die sich im Prozess und in der Umwandlung befindet, also keine statische Wirklichkeit. Die Mitwirkenden entwickeln die Kraft, die Welt, in der sie existieren, kritisch zu begreifen. Auf der Suche nach Strategien der Annäherung zwischen Akteurinnen und Akteuren <?page no="81"?> 79 und Publikum hat Boal verschiedene Techniken ausprobiert. Dabei orientiert er sich in Anlehnung an Paulo Freire am sozialen Konflikt und nicht an ‚heiligen’ Konventionen, deren Relevanz Boal erst am Konflikt überprüft haben will. Von Brecht übernahm er die Aktivierung der Reflexionstätigkeit der Darstellerinnen und Darsteller und des Publikums. Indem in der Aufführung eines Stücks Reflexionstätigkeit aller Anwesenden und somit Mitwirkenden gefordert wird bzw. durch die Technik der Verfremdung das Gefühl der Unbehaglichkeit hervorgerufen wird, wird das Bedürfnis nach Veränderung und Handlung geweckt. Die Reflexion wird durch Distanzieren und Nachdenken über mögliche Folgen einer bestimmten Situation ausgelöst. 3.3.1.1 „Seinen Körper kennen lernen“ Die Entwicklung von Zusehenden zu Handelnden betreibt Boal in vier Phasen: 1) seinen Körper kennen lernen 2) den Körper ausdrucksfähig machen 3) Theater als Sprache und 4) Theater als Diskurs begreifen. In der ersten Phase „Seinen Körper kennenlernen“ werden einerseits Möglichkeiten gezeigt, Körperfunktionen, die so selbstverständlich sind, dass man sie nicht mehr wahrnimmt, bewusster zu machen; andererseits werden Übungen vollzogen, die die Fähigkeiten und Grenzen des eigenen Körpers zum Bewusstsein bringen. Mit den Übungen wird die so genannte „Muskel-Entfremdung“ betrieben, die eigenen Muskelstrukturen werden bewusst wahrgenommen, um zu spüren, wie der Körper von seiner Arbeit beherrscht wird. Körperhaltung wird situativ aktiviert. Gestik und Mimik stellen einen wichtigen Kommunikationsteil im Allgemeinen dar: In einer entspannten Kommunikation entwickelt sich auch eine natürliche Gestik, ohne dass man darüber nachdenkt, was man tut. „Wir denken nicht nur mit dem Gehirn, atmen nicht nur mit der Lunge, singen nicht nur mit den Stimmbändern. Unser ganzer Körper denkt, atmet, singt, liebt ... und leidet“ (Boal, 1989²: 174). Mit dem Körper arbeiten heißt, sich seines Körpers bewusst zu werden, sowohl der körperlichen Möglichkeiten als auch der Grenzen und allfälliger Deformationen. Dazu gehören sowohl Atemübungen als auch Stimmübungen, Raumerfahrung, Koordinations- oder Orientierungsübungen. Im (Dialog-)Dolmetschtraining ist von der Prämisse auszugehen, dass der Mensch als Ganzheit kommuniziert, und zur Ganzheit zählen sowohl der optische als auch der akustische Ausdruck. Entsprechend dem Charakter der Person und dem Charakter der Kommunikationssituation werden in jeder Kommunikationskonstellation unterschiedliche akustische und optische Signale auftreten. Die nonverbale Dimension ist unverzichtbarer Bestandteil jeder Kommunikationssituation. Dieses wichtige Ausdrucksmedium kann mitunter bedeutender als die verbale Sprache sein: Man <?page no="82"?> 80 drückt immer mehr aus, als man mit Worten sagt. 86 Die nonverbale Komponente in der Kommunikation hat eine Struktur, durch diese führt sie einen eigenen Diskurs. In den Haltungen und Bewegungen der Menschen, in der Art sich zu kleiden, in architektonischen Strukturen, in Arbeitstempo und -organisation, im Umgang mit Gefühlen und dem eigenen Körper steckt ein System von Körpernormen. Es nimmt für die Entwicklung einer Kultur zentrale Bedeutung an. (Gipser, 1996: 11) In unterschiedlichen Kulturen wird unterschiedlich viel nonverbal mitgeteilt. Die Mimik- und Gestiksignale, die aus der Natur des menschlichen Gesichtsausdrucks entstehen, unterliegen auch einer kulturspezifischen Verhaltensweise und drücken dementsprechend kulturspezifische Inhalte und die dazu gehörenden Emotionen, Einstellungen oder Werthaltungen aus. Unter nonverbaler Kommunikation verstehen wir alle Äußerungen, die von einer Sprecherin oder einem Sprecher signalisiert, aber nicht immer bewusst eingesetzt werden. Körperbezogene Übungen dienen dazu, den Körper bewusst kennen zu lernen, automatisiertes Verhalten zu entlarven und gegebenenfalls anders ausdrucksfähig zu machen. Bei Boal steht der nonverbale Ausdruck im Mittelpunkt, denn durch die Körpersprache werden Gefühle wesentlich leichter ausgedrückt als durch Worte und in den Gesamtausdruck aller ausgesandten Kommunikationssignale eingebaut. Bewusstmachung der nonverbalen Informationen besteht in der Beobachtung all jener Signale, die durch Mimik, Gestik, Körperhaltung, Stimme usw. in der Regel unbewusst gesendet werden. In Kommunikationssituationen, in denen die emotionale Verfassung eine besondere Rolle spielt, steigt der nonverbale Anteil an der Kommunikation erheblich. Diese Informationen wenden sich in der Regel an die Beziehungsebene. Durch sie werden emotionale Wertungen und Einstellungen angesprochen und auch beeinflusst. Die Signale geben auch Aufschluss darüber, wie sich die Kommunikationspartnerinnen und -partner miteinander ‚identifizieren’. Bei den Übungen geht es nicht darum, eigenes Verhalten zu unterdrücken oder anderen aufzuzwingen, sondern um die Möglichkeit, Anderes zu erfahren und eigene, gewünschte Verhaltensänderungen zu probieren. Sohin beginnt das Training zur (transkulturellen) Kommunikationsfähigkeit mit dem Kennenlernen der eigenen nonverbalen Ausdrucksmöglichkeiten. Alles kann ausgedrückt werden - so wie alles übersetzt und gedolmetscht werden kann. Nonverbale Mitteilungen sind Teil der Kommunikation und sollen ausgedrückt werden. 86 Zur Bedeutung der Körpersprache als Teil der nonverbalen Kommunikation in interkulturellen Begegnungen vgl. u.a. Apeltauer (1997), Argyle (2002) und Heringer (2004); zur nonverbalen Kommunikation in der Translation insbesondere Poyatos (1988; 1997). <?page no="83"?> 81 3.3.1.2 „Den Körper ausdrucksfähig machen“ Zu den wichtigsten inhaltlichen Ausgangspunkten der nonverbalen Dimension gehört die Hypothese, dass neben Wissen und Ratio Gefühl und Intuition herrschen. Wir haben alle die Fähigkeit, die Mimik anderer Menschen zu lesen und - in der Regel - sofort zu deuten. Wir nennen das ‚die innere Stimme’, ‚Intuition’, ‚der sechste Sinn’ oder ‚Bauchgefühl’. 87 Intuitives Handeln wird häufig als Basis des kreativen Schaffens angesehen - ohne dieses wären so manche Literatur- oder Kunstwerke nicht entstanden. Aus der Kognitionswissenschaft wissen wir, dass es bei den ‚intuitiven’ Vorgängen im Gehirn um Bruchteile geht, die ein Ganzes bilden: die ankommenden Informationen werden - gleich einer Schaltstelle - daraufhin bewertet, ob das Gehirn schon etwas Ähnliches kennt und werden dementsprechend dort abgespeichert (vgl. Gardner, 1989; Thagard, 1999 oder Gigerenzer, 2007). Während die linke Gehirnhälfte bewusstes Denken verwaltet, agiert die rechte gefühlsbezogen, ganzheitlich, intuitiv. Nachdenken kostet Zeit. Auch beim Dolmetschen ergänzen sich Wissen und Intuition: mit vielen kleinen Entscheidungen, die wir blitzschnell treffen müssen, bewahrt uns in der Regel unsere innere Stimme vor kommunikativen Fallen. Sie lässt uns auch bei den unterschiedlichsten Zielsetzungen der Kommunizierenden den richtigen Ton treffen und noch nie da gewesene Situationen richtig einschätzen. Es handelt sich um ein Wissen, das ohne Erklärungen und Berechnungen auskommt, es sitzt tief in unserem Unterbewusstsein: Etwas, das sich nicht genau formulieren lässt, Zusammenhänge aber blitzschnell erkennt und richtig deutet. Der Verstand hat also einen Berater, der schnell, aber kompetent, ohne nachzudenken, ganzheitlich, in Zusammenhängen erkennt. Wir sprechen dabei vom expliziten und impliziten Wissen; das letztere wird mit ‚Intuition’ gleichgesetzt, die dann einsetzt, „wenn wir auf der Basis rationaler Problemlösungsstrategien zu keinem brauchbaren Ergebnis gelangen“ (Wilss, 1988: 142). Hönig (1990: 155) kam nach einer Reihe psycholinguistischer Tests zur Auffassung, dass sich Kognition und Intuition ergänzen bzw. parallel verlaufen. Die Kunst der ‚Intuition’ besteht also darin, individuell und in jeder Situation die passende Faustregel parat zu haben. Auch Hönig (1995: 47) ist der Meinung, dass Intuition „als ein Ausdruck der Individualität“ ein wichtiger Faktor beim Übersetzen ist und sohin grundsätzlich - oder noch mehr - auch beim Dolmetschen. Allerdings: nur wer bereits auf einem Gebiet Expertise besitzt, darf und kann seiner Intuition folgen. Denn die Intuition ist eben nur so gut, so gut 87 Vgl. dazu insbesondere den Bestseller von Malcolm Gladwell (2002), Blink! Die Macht des Moments, in dem er überzeugend ausführt, dass nicht langes Nachdenken, sondern während eines Wimpernschlags getroffene, sekundenschnelle Entscheidungen unser Leben bestimmen. Intuition ist nach Gladwell die Macht des Denkens ohne nachzudenken. <?page no="84"?> 82 die Expertise im Unterbewusstsein vorhanden ist. Die Phase „seinen Körper ausdrucksfähig machen“ umfasst bei Boal Übungen, die den Körper lehren, auf gewohnte Mitteilungsformen zu verzichten und sich neu auszudrücken. Das umfasst beispielsweise Übungen, die auf verbale Kommunikation verzichten und lehren, den Körper als Ausdrucksmittel zu gebrauchen. Die Übungen können alle für die Translation wichtigen Formen des nonverbalen kulturspezifischen Verhaltens umfassen: Emotion in Reinform, blinder Hindernislauf, gezielte körpersprachliche Unterstützung der Aussagen, Raumverhalten, Offenheit vs. Verschränkungen, u.v.a. Körperarbeit und Denkarbeit stehen also im Wechselspiel miteinander, ebenso der nonverbale und verbale Ausdruck. Die Reflexion nonverbaler Ausdrucksmöglichkeiten wird kritisch untersucht, durch Betrachten und Wiederholung der Szenen, das heißt im Ausprobieren von gedachten, erwünschten und als Endprodukt der Übung auch von real möglichen Handlungsalternativen, indem Verhaltensweisen verfügbar und bearbeitbar gemacht werden. Diese Übungen eignen sich insbesondere für die Erlangung der transkulturellen Kulturkompetenz. Studierende translatorischer Studien lernen viel über interkulturelle und transkulturelle Kommunikation aus Büchern, wissen, was ‚falsch’ und was ‚richtig’ ist, verfügen alle über ein Umsetzungspotenzial. Eine Möglichkeit der Erlangung der translatorischen Kulturkompetenz geht über das Erlernen der bewussten Vertrautheit der eigenen und der Fremdheit einer anderen Kultur. Die Auswahl kann für didaktische Zwecke extrem vorgenommen, die Inkongruenz so herausgearbeitet werden, dass sie als ‚Schock’ erlebt wird. 88 Das Betreten eines fremden geistigen Raums erfordert zunächst eine Eingrenzung des Betrachtungskomplexes. Denn auch Studierende sind durch die Enkulturation in ihre jeweilige Kultur und die Sozialisation in ihrer jeweiligen Gesellschaft, in der sie sich bewegen, geprägt und erleben in der Regel die eigene Kultur als Maßstab, als das ‚Normale’. Diese ethnozentrische Einstellung ist zu verstehen als eine unbewußte Tendenz, andere Völker aus der Sicht der eigenen Gruppe zu betrachten und die eigenen Sitten und Normen zum Standard aller Beurteilungen zu machen. Wir stellen uns selbst [...] in den Mittelpunkt des Universums und stufen alle anderen dementsprechend ein. Je ähnlicher diese uns sind, um so näher platzieren wir sie in diesem Modell; je größer die Verschiedenheiten, um so ferner lokalisieren wir sie. (Porter/ Samovar, 1972: 10, zitiert in Maletzke, 1996: 23, Übers. G. Maletzke) 88 Plakative Beispiele zu Traditionen und Konventionen, die als „Kulturschocks“ gelten und sich somit für die Sensibilisierung und den anfänglichen Unterricht der Kulturkompetenz eignen, bieten z.B. Chen (1996), Drouve (2002), Heringer (2004), Brunswig-Ibrahim (2007). Beispiele für die Anwendung theaterpädagogischer Ansätze, insbesondere des Theaters der Unterdrückten, finden sich in Bahadir (2007). <?page no="85"?> 83 Die Darstellung des Begriffskomplexes „Kultur“ 89 ist in vielfacher Hinsicht schwierig, denn „für einen Begriff, der alle Bereiche menschlicher Existenz betrifft, kann es wohl keine umfassende Definition geben“ (Holz-Mänttäri, 1984b: 34). 90 Zudem kann ein gegenwärtiger Kulturbegriff keine geschlossene, authentische Einheit, sondern die Vielfalt der Kulturen und die Pluralität ihrer spezifischen Differenzen bedeuten. Dennoch ist es aus einer translationsdidaktischen Perspektive wichtig, dass Kultur erlernbar und transponierbar ist (vgl. H. Witte, 2000: 161ff). Bei Freire beginnt der Unterricht meist mit der Unterscheidung zwischen der natürlichen Welt und der Welt der Kultur. Die Lernenden sollen zuerst verstehen, was Kultur bedeutet: ein Werk des Menschen, das durch Veränderung und Transformierung der Natur entsteht (Freire, 1983: 51). Die Transformierbarkeit der Welt ist eine Voraussetzung, um das Ziel der Bildungsarbeit zu erreichen. In Anlehnung an Freire arbeitet Boal mit Hilfe kodierter Bilder, die dargestellt, diskutiert und dekodiert werden. Die Kodierung wird eingesetzt, damit die scheinbar unveränderbare und festgelegte Wirklichkeit besser verstanden wird und zum kritischen Denken anregt. Die Bilder, oder das Behauptete, werden zunächst zur Kenntnis genommen; im Prozess der Dekodierung wird die Situation, die in der Kodierung dargestellt wurde, beschrieben und festgehalten, was das Behauptete nicht behauptet, was es verneint oder was es auslässt. Damit kommt das Nichtgesagte zur Sprache; die Lernenden äußern ihre Sicht der Welt und sprechen Gefühle und Meinungen über sich und andere aus. Durch die Analyse ihres Verhaltens gelangen sie zu einem (anderen) Verständnis der Wirklichkeit und zu einer Erweiterung des Horizonts der Wahrnehmung. Mit diesem Bewusstsein ist es möglich, über die unerprobte Möglichkeit nachzudenken. Die Beteiligten sind nämlich nicht mehr in der Situation gefangen, sondern sehen sie als unbeteiligte Dritte. Diese Fähigkeit hilft, über andere Problemlösungen nachzudenken und sie zu diskutieren, und in einer zukünftig ähnlichen Situation anders als auf die herkömmliche Weise zu reagieren. Die Wahrnehmung der Bedürfnisse beschränkt sich jedoch nicht auf die Gefühlsebene: der nächste Schritt in der dekodierenden Diskussion ist das Erkennen globaler Zusammenhänge. 91 Kriterien für die Beantwortung der Frage, worin sich Kulturen im All- 89 Vgl. dazu die in der Translationswissenschaft viel diskutierte Definition der Kultur in der Fassung von Göhring (1978: 10); diese lautet: „Kultur ist all das, was man wissen, beherrschen und empfinden können muß, um beurteilen zu können, wo sich Einheimische in ihren verschiedenen Rollen erwartungskonform oder abweichend verhalten, um sich selbst in der betreffenden Gesellschaft erwartungskonform verhalten zu können, sofern man dies will und nicht etwa bereit ist, die jeweils aus erwartungswidrigem Verhalten entstehenden Konsequenzen zu tragen.“ 90 Vgl. auch Koskinen (2004). 91 Hier können Impulse aus dem Dekonstruktivismus (Derrida, 1976) wieder erkannt werden. Im Bereich der Translation ist besonders die Dekonstruktion der Vorstellung <?page no="86"?> 84 gemeinen und somit auch die von ihrer Kultur geprägten Menschen voneinander unterscheiden, können unter verschiedenen Kategorien zusammengefasst werden, z.B. Wahrnehmung, Zeiterleben, Raumerleben, Denken, Sprache, Wertorientierungen, aber auch Verhaltensmuster wie Sitten, Normen, Rollen sowie soziale Gruppierungen und Beziehungen. Die Studierenden lernen die Haltungen zur eigenen Welt und zur Welt anderer Kulturangehöriger auf eine andere Weise kennen, und das nicht abstrakt, sondern konkret, am eigenen Leib. Sie schauen hinein, sehen diese Figuren von innen. Der kreative Prozess muss keine Eindeutigkeiten enthalten, sondern Widersprüche vereinigen. Es ist wichtig, einen Prozess nachzustellen, um den Blick für bestimmte Punkte zu schärfen. Es ist dabei wesentlich, dass Übungen sowohl ausgangsals auch zielkulturorientierte Fragestellungen enthalten, damit Studierende sowohl die Rolle der ‚ethnozentrischen’ als auch der fremden und somit ‚natürlich falschen’ Rezipientinnen und Rezipienten aktiv erfahren. Die Übung kann auch darin bestehen, dass zunächst zu Vorurteilen gegriffen und die Störung der transkulturellen Kommunikation verursacht wird. Die so entdeckten Problemstellungen werden rekonstruiert und bewusst gemacht sowie durch Förderung der kreativen Wahrnehmung bewusst verarbeitet und wenn nötig verändert. 3.3.1.3 „Theater als Sprache begreifen“ Wenn die kulturellen Universalien „dekodiert“ werden, ergibt sich auch eine Benennung für diese in jeder Kultur vorkommenden Phänomene. Deren Ausprägung kann sich in verschiedenen Gesellschaftsformen und auch innerhalb einer Gesellschaft zu verschiedenen Zeiten sehr unterschiedlich manifestieren. Sie sind nicht nur nicht auf derselben Ebene angesiedelt, vielmehr stehen diese auf einen Nenner gebrachten Phänomene in verschiedenen Kulturen nebeneinander und sind in der Regel durch bedeutende Unterschiede gekennzeichnet. Dass und warum es diese Unterschiede in verschiedenen Kulturen gibt, lässt sich erst in der Sprache offen legen. In der Sprache manifestiert sich, dass es auch andere Formen des Lebens, des Erlebens sowie Denkens und Verhaltens gibt. Im sprachlichen Ausdruck 92 können die Übungen die richtige Betonung, Modulation, Lautstärke, Pausen, Aussprache, prägnante und eindeuvon einem vollendeten Original in die Diskussion eingegangen: Insbesondere Derrida (1997) und de Man (1997) sprechen dem Original die Unvollständigkeit, Beweglichkeit zu und Verlangen nach einer Ergänzung und Differenz. In dieser Welt ist die Übersetzung frei - frei vom Zwang, eine in sich geschlossene Identität aus einem fremden Text zu rekonstruieren. Zur didaktischen Umsetzung siehe insbesondere Arrojo (1994). 92 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch das (Ver-)Schweigen oder die Kaschierung durch Worte; vgl. dazu Schröder (1997). <?page no="87"?> 85 tige Aussagen, Vermeidung der Füllwörter usw. umfassen. In den transkulturellen Begegnungen können alle diese Faktoren zu Missverständnissen führen, obwohl die Kommunizierenden ‚richtig’ handeln. Die Sprache und alles Gesprochene können alles und nichts bedeuten, je nach Situation. In den kommunikativen Situationen ist die Sprache Treffpunkt der Begegnung. In dieser Begegnung kommt viel zusammen, was nicht verbalisiert wird, aber zur Sprache gehört. Die Phase „Theater als Sprache begreifen“ dient dazu, das Theater als gegenwärtigen unabgeschlossenen Prozess und nicht als fertiges Produkt kennen zu lernen. Diese Phase enthält drei Stufen: 1. Statuentheater, in dem das Publikum direkt eingreifen kann und die Statuen ‚sprechen’ können; 2. Simultane Dramaturgie, in der Zuschauerinnen und Zuschauer ‚schreiben’ und Darstellerinnen und Darsteller agieren; 3. Forumtheater, in dem die Zuschauerinnen und Zuschauer in die Handlung eingreifen, indem sie die Darstellerinnen und Darsteller ersetzen und selbst agieren. Mit diesen drei Schritten werden durch ein Diskussionsthema Zuschauerinnen und Zuschauer sukzessive zum Handeln geleitet. Im Statuentheater formen die Darstellerinnen und Darsteller eine Figurengruppe, die eine Unterdrückung, einen Konflikt oder gesellschaftliche Normierung ausdrückt. In der Simultanen Dramaturgie stehen gruppendynamische Prozesse im Vordergrund: vor der Übung wird nur das Thema formuliert, die Handlung und der Ablauf werden von den Zuschauerinnen und Zuschauern getragen. Diese Technik ist kreativitätsfördernd und dient der Vorbereitung von Forumtheaterszenen. Das Forumtheater 93 als eine der zentralen Formen des „Theaters der Unterdrückten“ trägt diese Bezeichnung, weil hier die szenische Darstellung einer Situation vor einem ‚Forum’ aufgeführt werden soll, wobei das Forum, die Zuschauerinnen und Zuschauer entscheiden, wie die Szene ausgeht. Die Spielregeln sind variabel und doch so unabdingbar, dass ein bestimmtes methodisches Verfahren und ein gemeinsames Ziel möglich sind. Dazu werden Konfliktsituationsszenen so gestaltet, dass sich das Publikum mit der Situation, mit dem dargestellten Problem nicht nur identifizieren kann, sondern veranlasst fühlt, Widerspruch anzumelden. Dabei wird die Ausdrucksfähigkeit geübt. (Transkulturelle) Kommunikation wird grundsätzlich als Vorgang der vermittelten Verständigung, wobei im Mittelpunkt der Verständigung eine Information steht, definiert. Die Sprache eines Individuums - und über das Individuum hinaus auch eine Gemeinschaft relativ repräsentierend - wird im Text des Individuums als Teil der Kommunikation durch seine Kommunikationskompetenz sichtbar und zuordenbar. Mit Reiß & Vermeer (1984: 24) kann man generell festhalten, dass mit und in den Texten und 93 Auch als „Theater der Intervention“ bezeichnet. <?page no="88"?> 86 sohin in der Sprache kulturspezifische Konventionen und Normen, individuelle Einstellungen, fixierte Traditionen, Wertvorstellungen und Varianten der Realität manifestiert werden. Im Rahmen der Translationsausbildung spielt die Entdeckung der geistigen Qualitäten anderer Sprachen und Kulturen eine besonders wichtige Rolle. Die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen beginnt für die Studierenden damit, dass sie zunächst die spezifischen Leistungen jener Sprach- und Kulturgemeinschaften kennen lernen, deren Sprache sie zum Gegenstand ihres Studiums gewählt haben. Erst wenn das kulturelle Terrain erschlossen ist und man sich darin frei zu bewegen vermag, kann eine Bewertungsgrundlage geschaffen werden, auf deren Basis die sprachlichen und translatorischen Entscheidungen getroffen werden. Der Weg dorthin führt über eine Auseinandersetzung mit Eigen- und Fremdsprache, das In- Beziehung-Setzen der Eigen- und Fremdsprache hin zum Ergebnis, das im Einnehmen einer neuen Haltung im Umgang mit Kulturphänomenen und ihrer Manifestation in der Sprache besteht. Translation ist Mitteilen. Translatorinnen und Translatoren entschlüsseln die ausgangskulturelle Mitteilung und formulieren sie in der Zielsprache und -kultur um. In jeder Mitteilung und jeder Kommunikation laufen Implikationen und Bündel von Hintergrundinformationen und -wissen mit, die einen wesentlichen Anteil der Verständigung ausmachen. Im translatorischen Handeln geht es um mehr als Erkennen der Fremdheit; die zu transferierenden Lexeme und Kultureme werden vielmehr miteinander in der Weise in Bezug gesetzt, dass vermeintliche Unterschiede bzw. Gleichheiten so transportiert werden, dass sie in der Zielkultur Aufschluss über die Bedeutung in der Ausgangskultur geben. Zur Illustration eine Technik des „Theater der Unterdrückten“, das so genannte „Zeitungstheater“: Durch szenische Darstellung lernen Zuschauerinnen und Zuschauer Zeitung zwischen den Zeilen zu lesen, die so genannten objektiven Meldungen zu überprüfen. Die Rezeption der Zeitungsmeldungen wird neben offensichtlichen Faktoren wie allgemeine politische und thematische Richtung der Zeitung auf Faktoren wie Platzierung der Meldungen, Wahl der Schriftgröße und -type u.ä. gelenkt. Die szenische Darstellung erfolgt durch verschiedene Techniken des „Zeitungstheaters“, mit denen die Realität der Fakten wieder hergestellt wird; die einzelnen Texte werden aus dem Zeitungskontext herausgelöst und ohne Verzerrung direkt den Zuschauerinnen und Zuschauern präsentiert. Boal nennt elf Techniken des „Zeitungstheaters“: einfaches Lesen, vervollständigendes Lesen, gekoppeltes Lesen, rhythmisches Lesen, untermaltes Lesen, pantomimisches Lesen, improvisierendes Lesen, historisches Lesen, konkretisierendes Lesen, pointiertes Lesen und Kontext-Lesen. 94 94 Zu den einzelnen Techniken vgl. Boal (1989²: 30ff). <?page no="89"?> 87 3.3.1.4 „Theater als Diskurs begreifen“ Ein wesentliches Ziel der emanzipatorischen Pädagogik im Allgemeinen und des Theaters der Unterdrückten im Besonderen besteht darin, anerzogene Rollenklischees und angepasste Verhaltensmuster aufzuspüren und einer kreativen Wahrnehmung zu unterziehen. Wenn wir Translation als verständigungsorientierte Handlung auffassen, können wir als das primäre Ziel der Verständigung eine (möglichst) einheitliche Bewertung der ausgetauschten Informationen durch die Kommunizierenden betrachten: 95 Verständigung funktioniert als handlungskoordinierender Mechanismus in der Weise, daß sich die Interaktionsteilnehmer über die beanspruchte Gültigkeit ihrer Äußerungen einigen, d.h. Geltungsansprüche, die sie reziprok erheben, intersubjektiv anerkennen. (Habermas, 1981a: 148) „Communicare“ heißt „teilen“, die Kommunizierenden sollten an der Kommunikation tatsächlich „teilhaben“, aktiv teilnehmen. Kommunikation wird hier als Austausch von Signalen zwischen mindestens zwei Beteiligten, der eine Rückmeldung verlangt, verstanden. Dabei spielen alle verbalen und nonverbalen Äußerungen, die einen unmittelbaren kommunikativen Wert in der konkreten Situation haben, eine Rolle. „Die kommunikativ Handelnden bewegen sich stets innerhalb des Horizonts ihrer Lebenswelt; aus ihm können sie nicht heraustreten“ (Habermas, 1981b: 192). „Theater als Diskurs“ bietet Formen, mit deren Hilfe bestimmte Themen oder bestimmte Aktionen in Theaterhandlungen umgesetzt und ausprobiert werden können. Dabei verwendet Boal folgende Theaterformen: Unsichtbares Theater, Fotoroman-Theater, Mythos-Theater, Masken und Rituale. Unsichtbares Theater ist eine Theaterform, in der die Zuschauerinnen und Zuschauer glauben, einem realen Geschehen beizuwohnen. Sie beteiligen sich - unwissend - am Spiel und sind somit auch Darstellerinnen und Darsteller. Das Unsichtbare Theater geht von einer konkreten Konfliktsituation aus, wobei die Szene so vorbereitet wird, dass das Zusammenspiel der Akteurinnen und Akteure und die mögliche Mitwirkung des Publikums in verschiedensten Variationen vorgesehen sind. Gespielt kann an jedem beliebigen Ort werden, es braucht keine Bühne. 96 Die Rollen werden präpariert; die Umgebung, in der gespielt wird, weiß davon nichts. Auf diese Weise sollen die „unbeteiligten“ Personen aus der Umgebung dazu gebracht werden, Impulse aufzugreifen und selbstständig neue Rollen zu entwickeln. 95 Vgl. die Überlegungen zum transkulturellen Handeln von Kadri (2006 2 ), die in Anlehnung an die Handlungstheorie von Jürgen Habermas getroffen wurden. 96 Boal (1989²: 32ff.) berichtet über Experimente in der Pariser Métro, auf Fähren in Stockholm, in Restaurants, auf den Straßen. <?page no="90"?> 88 Das Fotoroman-Theater behandelt die manipulativen Techniken, die in den in Lateinamerika populären Schund-Comics angewendet werden. Die Technik des Fotoroman-Theaters besteht darin, den Zuhörerinnen und Zuhörern eine Geschichte zuerst durch das Vorlesen der Sprechblasentexte und szenische Darstellung zu erzählen und anschließend das Original zu präsentieren. Durch diese Theaterform wird eine kritische Haltung gefördert und diese Art von kultureller und ideologischer Manipulation durch ein Massenmedium bewusst gemacht. Das Mythos-Theater ist eine Form, die Aufdeckungsmethoden enthält, um Geschichten aus Märchen, Sagen oder Volksaberglauben zu entmystifizieren. Die Theatertechnik, die Masken und Rituale zum Gegenstand hat, zielt darauf ab, soziale Masken zu zerlegen bzw. die Rituale, die menschliche Beziehungen verdinglichen, durchschaubar zu machen. Damit werden gesellschaftliche Normen, Konventionen, soziales Verhalten hinterfragt. Im Zentrum des Forumtheaters steht nicht das angelernte Rollenverhalten, sondern es werden wirkliche Fähigkeiten auf der Sprach- und Verhaltensebene gefördert. Natürlich sind die Übungen Spiele und kein Ernst, hinter dem Spiel verbergen sich jedoch deutlich die individuellen Auswirkungen, die die jeweiligen Konstellationen erzeugen, egal ob es um Resignation, Selbstbehauptung, Besserwisserei, Angeberei oder Trotz geht. Gefühle und ihre Auswirkungen haben eine Orientierungsfunktion, die zum Handeln bewegt. Wenn die Auswirkungen nicht ausgelebt werden, leben sie unterbewusst weiter oder schaffen sich die Möglichkeit zur Aktion. Das Spielen wird zur Vorbereitung für den Ernstfall. Der Zuschauer, der in einer Forumtheater-Sitzung fähig gewesen ist zu einem Akt der Befreiung, will diesen auch draußen, im Leben vollbringen, nicht nur in der fiktiven Realität des Theaters. Die „Probe“ bereitet ihn auf die Wirklichkeit vor. (Boal, 1989²: 68f) 3.3.2 Stationen des Veränderungsprozesses Damit die Anwendung der Befreiungsmethoden auch möglich ist, spricht Freire vom Freiraum-Konzept: Es besagt, dass innerhalb der Institutionen Freiräume genutzt werden müssen, um an einer Veränderung der bestehenden Verhältnisse zu arbeiten. Es wäre kontraproduktiv, bestimmte Grenzen zu überschreiten, denn das würde lediglich zu Sanktionen führen. Das Freiraum-Konzept umfasst aber - wie schon eingangs erwähnt - auch die Schaffung eines Freiraums für die ungehinderte Aktion und Entfaltung. Wir haben mit dem Postulat der Loyalität 97 die erste Phase des Erkenntnisakts vollzogen: das Problem kann formuliert, auch die Frage, wozu die Erkenntnis dient, beantwortet werden. Eine Methode, nach der wir erkennen können, liegt in den Techniken des Theaters der Unterdrückten und 97 Vgl. dazu insbesondere die Ausführungen zur sozialen Macht in Kapitel 2. <?page no="91"?> 89 seinen verschiedenen Formen. Hier kann die Entwicklung sowohl der persönlichen als auch der beruflichen Identität gefördert werden. Die szenische Darstellung, insbesondere nach den Methoden des Forumtheaters, ist ein Bereich des Unterrichts, in dem die Studierenden sanktionsfrei Lösungen erproben können. Der Prozess des Spielens enthält verschiedene Verhaltensmuster, die ohne Konkurrenz und ohne Konsequenz erprobt werden. Neben dem beruflichen Selbstbewusstsein wird auch die persönliche Selbstfindung gefördert. Im Sinne des gestaltpsychologischen Ansatzes steht dabei die Einbindung des ganzen Menschen im Vordergrund: [D]enkt weder über einen abstrakten Menschen nach noch über eine Welt ohne Menschen, sondern über Menschen in ihren Beziehungen mit der Welt. In diesen Beziehungen sind Bewußtsein und Welt simultan. (Freire, 1973: 66) In der Freireschen Pädagogik läuft der Veränderungsprozess über drei Stationen: Distanz - Reflexion - Aktion ab. Die Distanz ist notwendig, damit Lernende ihre Situation begreifen; die Reflexion hilft ihnen, die Situation zu verstehen und Überlegungen zu ihrer Veränderung anzustrengen. Als letzte Station und Ziel fordert Freire die Aktion in der Realität. Boal unterscheidet fünf Stationen des Veränderungsprozesses: Reflexion - Improvisation - Probehandeln - Reflexion - Aktion. Die erste Reflexion findet in der Darstellung einer Szene im Forumtheater oder in der Erarbeitung des Realbildes im Statuentheater statt. Hier wird überlegt, wie die Szene bzw. das Bild verändert werden kann. Die Distanz ist bei Boal nicht wichtig, weil er meint, dass die Unterdrückungssituation klar ist - die Zuschauerinnen und Zuschauer sollen improvisieren, wobei sie sich mit der Rolle identifizieren. So läuft das Probehandeln für die Realität ab. In der zweiten Reflexion wird die Effektivität der unerprobten Möglichkeit überprüft. Die Aktion in der Realität ist auch das endgültige Ziel von Boal. Echte Reflexion führt zur Aktion in der Praxis. Echte Praxis kann wiederum nur dann stattfinden, wenn ihre Konsequenzen zum Gegenstand kritischer Reflexion werden. Diese Bildungsarbeit ist, um mit Martin Buber (1995 8 : 62) zu sprechen, die „Führung zu Wirklichkeit und Verwirklichung.“ 3.3.3 Theater der Unterdrückten als ganzheitliche Lernerfahrung Das von Buber geprägte dialogische Prinzip wird im Freiraum-Konzept von Freire und den Theatermethoden von Boal gelebt. Unter der Voraussetzung, dass es in dieser Unterrichtsform keine Sanktionen gibt, öffnet sich im Spiel ein weites Feld der Trainingsmöglichkeiten: kritischer Dialog ist dabei Voraussetzung für die Aktion. Immer neue Regeln können erprobt und ihre Anwendung wiederholt, insbesondere Fragestellungen bearbeitet werden, die in den Bereich der Ethik reichen. Das wiederum bietet Raum für das Trainieren der bereits diskutierten Loyalitäten. <?page no="92"?> 90 Wer sich für einen translatorischen Beruf entscheidet, bringt Offenheit und Bereitschaft für die Auseinandersetzung mit neuen Sprachen, Kulturen, neuen Lebensformen mit. Die Bereitschaft zur Auseinandersetzung ist auch die Bereitschaft zum Verstehen und zur Anwendung der Strategien, die dies ermöglichen. Das ist der erste Schritt in der Erlernung des Berufes, der Eintritt in die für eine Gruppe gemeinsame bestimmte Art und Weise, die einzelnen Dinge in ihrem situativen alltäglichen Zusammenhang zu sehen. Die Basis für die translatorische Arbeit bildet das Interesse am Kontakt. Der Weg zur Erlangung der erforderlichen Kompetenzen wird ganzheitlich beschritten. Die Basis für die dialogische Arbeit bildet ebenfalls der Kontakt: Entspannung, Berührung, Begegnung und Bewusstwerdung der eigenen inneren Prozesse und der eigenen inneren Wahrnehmung eines Themas oder einer sozialen Begebenheit. In der translatorischen Ausbildung soll zunächst eine Fremdsprache mit ihrem kulturellen Hintergrund erschlossen werden. Die Erschließung des Fremden kann erst vollzogen werden, wenn der eigene Standpunkt gefestigt ist. Ein erster Schritt in Richtung Dialog im Unterricht ist die Aufhebung der Vorschrift. Die Vorschrift ist nach Freire die entscheidende Komponente für die Ungleichheit: Jede Vorschrift bedeutet, daß die Entscheidung eines Menschen einem anderen aufgezwungen wird. Dabei wird das Bewußtsein des Menschen, dem man eine Vorschrift macht, in ein Bewußtsein verwandelt, das mit dem Bewußtsein dessen, der die Vorschrift erläßt, konform geht. Deshalb ist das Verhalten des Unterdrückten ein vorgeschriebenes Verhalten, folgt es doch den Richtlinien des Unterdrückers. (Freire, 1973: 34) Freire fordert also als erstes die Aufhebung der Vorschrift und eine Freiheit des Lernens. Gleichzeitig betont er aber, dass das Lehren und Lernen in der Praxis der Freiheit nicht Willkür bedeute, sondern im Buberschen Sinne das Nichteingeschränktsein, das die ungehinderte Entfaltung ermöglicht. In dieser Freiheit konstituiert sich die Verbundenheit. In der Aufhebung des „Lehrer-Schüler“-Unterrichtsprinzips wird auch das Prinzip aufgehoben, „etwas vom ‚Thron des Wissens’ zum ‚Hocker der Unwissenheit’ zu reichen, um diejenigen, die darauf sitzen, zu ‚erretten’“ (Freire, 1973: 24). In der problemformulierenden Bildungsarbeit wird an der Lebenswirklichkeit gelernt, wobei die Lernenden (selbst-)bewusste Wesen sind, die mit den Lehrenden in Kommunikation treten. Sie sind keine geduldigen Rezipientinnen und Rezipienten, die ein Wissen passiv aufnehmen, sondern gleichwertige Interaktionspartnerinnen und -partner. Durch die symmetrische Kommunikation hebt sich auch das Prinzip der Lehrenden als Wissende und der Lernenden als Unwissende auf. Freire will aber diese Einstellung nicht als Aufforderung zur Selbsterziehung verstanden haben, sondern vielmehr als eine Anregung zur Selbstbestimmung. Die zentrale <?page no="93"?> 91 Botschaft der problemformulierenden Bildung lautet: Zu jedem Handeln gibt es auch eine Alternative: Jede Entscheidung, jedes Ereignis, jede Geschichte hätte auch anders verlaufen können. Die Möglichkeit der Veränderung war vorhanden und wird immer bestehen. Die von Boal entwickelten Methoden entsprechen einer ganzheitlichen Herangehensweise, die auch der translatorischen Ausbildung inhärent sind. Die Bedeutung dieser vor dem Hintergrund der Gestaltpsychologie entwickelten Ansätze wurde in der Translationswissenschaft von verschiedenen Autorinnen und Autoren aufgegriffen und diskutiert: Allen Diskussionen ist das Grundkonzept des aristotelischen Prinzips der Übersummativität („Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“) und Transponierbarkeit („Gestalten sind transponierbar“) gemeinsam. 98 In der Skopostheorie von Reiß und Vermeer (1984), in Snell-Hornbys „integrated approach“ (1988) wird ein Top-down-Ansatz vom Ganzen zu den Teilen vertreten: Ähnlich Hatim & Mason (1990), die die Analyse der translatorischen Probleme und Strategien im Zusammenhang mit Texttypen und der kulturellen Einbettung der Texte sehen. Die Forderung nach einem holistischen Ansatz der modernen Translationsdidaktik spiegelt sich auch in Arbeiten zur Ausbildung und Didaktik wider, so z.B. Ammann & Vermeer (1990), Freihoff (2001), Wußler (2002). Die Formulierung der grundlegenden Fragen der translatorischen Ausbildung unterscheidet sich nicht von den grundlegenden Fragestellungen, die die Basis der Freireschen Pädagogik bilden: Die erste Frage richtet sich an den Inhalt, der erkannt werden soll; die zweite nach der Zielsetzung; die dritte nach der Methode und schließlich und hauptsächlich: in wessen Interesse soll der Erkenntnisakt vollzogen werden und wem kommt die Erkenntnis zugute. Wenn Studierende die Welt auch gefühlsmäßig wahrnehmen und sie zum Objekt der Erkenntnis machen, sind sie gleichzeitig herausgefordert, die Zusammenhänge zu begreifen, sie bewusst zu erleben und zu erkennen, selbst in einer fremden Wirklichkeit. Durch das Erlebnis der Vertiefung der Bewusstwerdung und des Begreifens der Bedeutung der gesellschaftlichen und historischen Zusammenhänge wird ein kritisches Bewusstsein der Umwelt entwickelt. Der Erkenntnisakt, der sich von der reinen Wahrnehmung unterscheidet, wird also im Durchlaufen folgender Phasen vollzogen: Was wollen wir erkennen? Wozu wollen wir erkennen? Wie können wir erkennen? Für wen wollen wir erkennen? Die Forderung zur Schaffung einer demokratischen Translationskultur von Prun (1997) korrespondiert in ihrem Wesen mit dem Erkenntnisverständnis von Freire und bildet mit seinem problemformulierenden Zugang einen ersten Schritt zum Erkenntnisakt, mit dem Ziel „Erkennen um 98 Vgl. dazu insbesondere Paepcke (1986), Stolze (1982: 31f.) und Snell-Hornby (1992b: 91). <?page no="94"?> 92 zu verändern“ (Freire, 1981: 212). Die Ziele der emanzipatorischen Pädagogik führen zum einen zur Erkenntnis und Weiterentwicklung, zum anderen zur Veränderung der Welt. Dadurch wird die Emanzipation, Humanisierung und Befreiung aus unterdrückenden Situationen betrieben. Die ‚Unterdrücker’ haben an einer Veränderung der Situation keinerlei Interesse, es liegt demnach an den ‚Unterdrückten’, neue Wege des Zusammenlebens zu finden. Pädagogik der Unterdrückten ist eine Erziehung zur Befreiung, in deren Mittelpunkt das Formulieren von Problemen steht. Die Rolle dieser Lehrmethode besteht darin, gemeinsam mit den Lernenden „die Bedingungen zu schaffen, unter denen Erkenntnis auf der Ebene der Doxa durch wahre Erkenntnis auf der Ebene des Logos überholt wird“ (Freire, 1973: 14). Mit den Methoden von Freire und Boal können in der praktischen Umsetzung insbesondere die Normen und Konventionen der eigenen Sprache und Kultur reflektiert werden. Als erster Schritt wird die Erschließung des Eigenen, das Begreifen der eigenen Situation und der eigenen Kultur als Teil des Lernprozesses angesehen. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass die erwähnte Erschließung des Eigenen 99 kein selbstverständlicher Vorgang ist, sondern ein Lernprozess, der unter anderem darauf abzielt, die Fähigkeit zu entwickeln, Denkweisen und Werthaltungen zu begreifen. Erst die in der Muttersprache und -kultur erworbenen Fähigkeiten können für die weiteren Fremdsprachen und -kulturen nutzbar gemacht werden und in den transkulturellen Kommunikationssituationen den gewünschten translatorischen Erfolg finden. Die Aufgabe der Unterrichtspraxis ist es, Zugänge zu schaffen und Wege aufzuzeigen, wie man dorthin gelangt. Wenn man denjenigen Teil der szenischen Darstellung, der die Aspekte des menschlichen (verbalen und nonverbalen) Verhaltens oder Handelns beleuchtet, für didaktische Zwecke aufbereitet, so kann die szenische Darstellung aus der Fremdperspektive wertvolle Impulse bieten und helfen, eine neue Dimension des methodischen Zugangs in der eigenen Disziplin, im eigenen Unterricht zu finden. 3.4 Ergebnis: Pädagogik der Befreiung in der Translation Die Methoden des „Theaters der Unterdrückten“ finden sich inzwischen in vielen didaktischen Konzepten universitären Unterrichts. Wie die bisherigen Ausführungen zeigen, können diese Methoden mit verschiedenen thematischen Schwerpunkten eingesetzt werden. 99 Dabei spielt die muttersprachliche Kompetenz eine entscheidende Rolle. Vgl. dazu insbesondere Will (1997) und Resch (2006). <?page no="95"?> 93 Selbstverständlich lassen sich die Methoden von Boal auch kritisieren. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die Methoden der Pädagogik der Unterdrückten nicht zu ‚exotisch’ sind und die Beziehungen in komplexen Gesellschaften auf ein Unterdrücker-Unterdrückte-Schema reduziert werden können. Hier entgegnen wir, dass in der Anwendung Boalscher Methoden gesellschaftliche und tief menschliche Themen angesprochen werden: neben der rationalen (Sach-)Ebene wenden sich die Erwartungen der Menschen und somit der Gesellschaft an die Beziehungsebene, die sich in Familien, Arbeitsverhältnissen, Institutionen manifestiert. Und die menschlichen Beziehungen sind an kein bestimmtes Land gebunden. Es geht auch nicht um die eindeutigen Unterdrückungen, wie sie Boal anspricht, 100 sondern vieler Orts um unbewusste Vereinnahmungen, denen alle Menschen ausgesetzt sind. Auch wenn es sich seitens der ‚Unterdrücker’ um unbewusste Vereinnahmungsversuche handelt, müssen sie als Manipulation erkannt und benannt werden. Durch Manipulation wird die Objektivierungsfähigkeit und somit die Freiheit eingeschränkt, obwohl man glaubt, rationale Entscheidungen gefällt zu haben. Augusto Boal schafft im Theater der Unterdrückten eine Situation des Dialogs, indem sich die Zuschauenden aktiv an dem Stück beteiligen und ihre eigene Möglichkeit zur Beseitigung des dargestellten Konflikts versuchen. Analog zum Freireschen „Lehrer-Schüler“-Konzept existieren bei Boal keine Zuschauerinnen und Zuschauer und keine Schauspielerinnen und Schauspieler, sondern „Zuschauspieler“. Das Ziel des Boalschen Theaters ist es, eine veränderbare Welt zu zeigen, indem in einer gemeinsamen Diskussion neue Denkansätze gefördert werden. Die Begegnung findet bei Boal statt, indem durch eine selbst gemachte Erfahrung und aus der Erinnerung an diese Erfahrung bei künftigen ähnlichen Erlebnissen verändert reagiert wird. Studierende translatorischer Berufe sind keine Schauspielerinnen und Schauspieler. Aus diesem Grund und im Sinne der dialogischen Unterrichtsstruktur sind Übungen und Spiele insbesondere am Beginn in der Weise spielerisch zu gestalten, dass kein Druck entsteht und ein Vertrauensverhältnis aufgebaut wird. Buber (1995 8 : 70) sieht nur einen Zugang zum ‚Zögling’, nämlich dessen Vertrauen: „(...) und so lernt er fragen“. Die Übungen setzen auch ein vertrauensvolles Verhältnis der Gruppenmitglieder zueinander voraus. Boal weist berechtigterweise darauf hin, dass es bei den Übungen gefährlich sein kann, wenn dabei die Intimsphäre verletzt wird. Daher ist es wichtig, dass, wenn emotionale Spannungen auftreten, sie durch das Spiel auch gelöst werden. Das Thema „Vertrauen“ nimmt auch in der allgemeinen Didaktik eine zentrale Rolle ein - zum 100 „Wer sagt: ‚Hier in Europa gibt es keine Unterdrückten’, ist ein Unterdrücker. Frauen, Gastarbeiter, Farbige, Arbeiter, Bauern sagen nicht, hier gibt es keine Unterdrückung“ (Boal, 1989²: 68). <?page no="96"?> 94 folgenden Ergebnis kamen Johnson & Johnson (1991: 154) nach einer Studie, in der sie 500 Projekte zum kooperativen Lernen untersucht haben. Trust is a necessary condition for stable cooperation and effective communication. The higher the trust, the more stable the cooperation and the more effective the communication. Students will more openly express their thoughts, feelings, reactions, opinions, information and ideas, when the trust level is high. (Johnson & Johnson, 1991: 154) Einiges lernen Studierende in der translatorischen Ausbildung aus Büchern, vorwiegend jedoch aus den Ausführungen und ‚Tipps’ der Lehrenden. Vertrauen bedeutet auch, dass man den Studierenden ermöglicht, Situationen selbst, mit eigenen Erfahrungen und Einstellungen in ihren verschiedenen (manchmal auch nicht gesellschaftlich gerade opportunen) Möglichkeiten nachzustellen, nicht nur etwas über Handlungsalternativen zu erfahren, sondern auch über deren Entstehung, Bau und Zusammenhang auf eine Weise, wie es lediglich betrachtend und analysierend nicht gelingt: „Erlebend sind wir Angeredete; denkend, sagend, handelnd, hervorbringend, einwirkend vermögen wir Antwortende zu werden“ (Buber, 1995 8 : 29). <?page no="97"?> 95 4 Dolmetschen im emanzipatorischen Dialog Im Mittelpunkt der didaktischen szenischen Darstellung steht der Mensch, dessen individuelle und berufliche Entwicklung durch die Techniken der szenischen Darstellung gefördert werden soll. Die im vorangehenden Kapitel beschriebenen didaktischen Vorteile der Formen szenischer Darstellung im universitären Unterricht sollen hier auf ihre pädagogische Relevanz überprüft werden: Beispiele gedolmetschter Situationen in szenischer Darstellung werden präsentiert, die Entfaltung der Studierenden durch das Spiel aufgezeigt und didaktische Überlegungen angestellt. Die Beispiele sind Dolmetschübungen entnommen, die authentische Situationen nachstellen, und stammen damit aus einer Faktensammlung; gleichzeitig stellen die Beispiele den Versuch dar, subjektive Erfahrungen zu reflektieren und Zusammenhänge mit den theoretischen Ansätzen aufzuzeigen und zu interpretieren: Auch Lernen ist nicht nur ein rationaler, sondern zugleich ein emotionaler Vorgang. 4.1 Kommunikationskulturen in dialogischen Situationen Das primäre (und ideale) Ziel einer jeden Verständigung ist eine einheitliche Bewertung der ausgetauschten Informationen durch die Kommunizierenden. Habermas (1981a) entwickelte die These der kommunikativen Kompetenz, 101 die besagt, dass für die Akteurinnen und Akteure des kommunikativen Handelns die Verständigung das Herbeiführen des Einverständnisses bedeutet, welches in der intersubjektiven Gemeinsamkeit des gegenseitigen Verstehens in Bezug auf das geteilte Wissen besteht. Habermas unterscheidet in diesem Zusammenhang zwei grundlegende Mechanismen der Handlungskoordinierung, die sich in der Weise voneinander unterscheiden, ob sie die Koordinierung der Einzelhandlungen mit Egos Einwirkung auf Alter oder mit der Herstellung eines rational motivierten Einverständnisses zwischen Ego und Alter bestimmen. Im ersten Fall ist die Einstellung der Interaktionsteilnehmenden erfolgsorientiert und im zweiten Fall verständigungsorientiert. In der erfolgsorientierten Einstellung sind „die Handlungen der Gegenspieler, wie die übrigen Situationsbestandteile, lediglich Mittel und Beschränkungen für die Realisierung des eigenen Handlungsplanes“; im Fall der verständigungsorientierten 101 Die von Habermas entwickelte These der kommunikativen Kompetenz beruht auf der Sprechakttheorie von Austin und Searle sowie auf der Sprachkompetenztheorie Chomskys. <?page no="98"?> 96 Einstellung sind die Interaktionsteilnehmenden voneinander abhängig, „weil sie nur auf der Grundlage der intersubjektiven Anerkennung von Geltungsansprüchen Konsens erzielen können“ (Habermas, 1984: 575). 102 Eine einheitliche Bewertung der ausgetauschten Informationen kann demnach nur dann stattfinden, wenn die Kommunizierenden bereit sind, verständigungsorientiert zu rezipieren; nur so verläuft der Kommunikationsakt reziprok. Das Prinzip der reziproken Verständigung ist jedoch nicht in jeder Kommunikationssituation impliziert, vielmehr bildet die Reziprozität eine Ausnahme. Insbesondere im institutionellen Rahmen bzw. durch seine Normen und Konventionen, soziale Relationen und (unterschiedliche) institutionelle und individuelle Zielsetzungen ergeben sich zum Teil diametral entgegengesetzte Handlungsrollen: Im Bereich des Behördenwesens treten Fachleute als Repräsentanten von Vorschriften und Gesetzen in Kommunikation mit Laien, wobei die Beziehungen, wie sie für dialogische Kommunikation typisch sind, fehlen: Die Sprache der Institution ist in der Regel die Sprache der Anweisungen und Erklärungen, keine Sprache der symmetrischen Kommunikation. Bei Vernehmungen beispielsweise bekommt der Prozess der Kommunikation den Charakter einer Rechtfertigung. Die Kommunikation läuft also nicht auf einen Endzustand der Übereinstimmung hinaus, sondern eine an der Kommunikation beteiligte Person führt das Gespräch, macht sich ein Bild und kommt zu einem bestimmten Ergebnis. 103 In den meisten anderen Kommunikationssituationen, wo Dolmetschen zum Einsatz kommt, wie z.B. in politisch-rechtlichen, wirtschaftlichen Settings, bei Fachtagungen, ist der Wissensstand der Kommunikationspartnerinnen und -partner vergleichbar, sie begegnen sich auf gleicher Ebene. Die verschiedenen Konstellationen und Machtverhältnisse können im Unterricht veranschaulicht und geübt werden bzw. Strategien ausprobiert werden, die der dolmetschenden Person ermöglichen, eine für ‚beide Seiten’ zufrieden stellende Kommunikation herzustellen. Transkulturelle Kommunikation ist grundsätzlich verständigungsorientiert, somit bestrebt, eigene Handlungskonzepte mit denen anderer zu koordinieren, wobei sich dieses Bestreben ausschließlich auf die Befriedigung des transkulturellen Verständigungsinteresses der einzelnen an der Kommunikation Beteiligten bezieht. 102 Impulse aus der Handlungstheorie von Habermas wurden von der Autorin bereits für die Definition der transkulturellen Kommunikation im Gerichtssaal herangezogen, vgl. dazu Kadric (2006 2 ). 103 Vgl. zur Illustration die Ausführungen von Schubert (1983: 181ff), der in einem Ratgeber für Polizei- und Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft folgende Taktiken bei der Vernehmungsführung im Ermittlungsverfahren anführt: Überrumpelungstaktik, Sondierungstaktik, Festlege-/ Verstrickungstaktik, Reaktionstaktik, „Beichtvater-- Taktik“, Verunsicherungstaktik, Kreuzverhör, abtastende Vernehmung. <?page no="99"?> 97 4.2 Hörsaal als Ort des Dialogs Den vorzustellenden Beispielen und der damit zusammenhängenden Unterrichtsform liegt ein ‚spielerischer’ Diskurs zugrunde. Auch wenn die Ausdrucksmöglichkeiten eines Menschen eingeschränkt 104 sein können, besitzt jeder Mensch künstlerische Begabungen, denn jeder Mensch verfügt über Spontaneität und kreative Fähigkeiten. Es geht dabei nicht darum, gut oder professionell Theater zu spielen, es geht vielmehr darum, mit der Darstellung etwas erkennbar zu machen. Das Hauptziel der in szenischer Darstellung erprobten Möglichkeiten besteht darin, die Studierenden zu aktiven Mitgestalterinnen und Mitgestaltern der kommunikativen Situation zu machen und somit aus einer nicht selten von Bedarfstragenden zugeteilten Rolle als Zuschauerinnen und Zuschauer der sozialen Machtverhältnisse zu befreien, denn „Zuschauen ist eine Form von Unterdrückung“ (Boal, 1989²: 119). Eine der wichtigsten Regeln dieser Unterrichtsform ist das Prinzip der Dialogizität, der Authentizität und der Spontaneität: Es wird mit keinen ausformulierten oder niedergeschriebenen Texten, sondern mit erlebten Ereignissen, die szenisch aufbereitet werden, gearbeitet. Das ist besonders wichtig, weil einerseits die Texte glaubwürdig zu vermitteln sind 105 und sich die Authentizität andererseits als Teil eines ganzheitlichen Zugangs versteht, der überall dort, wo dies die Umstände erlauben, gefordert wird. G. Schmidt betont beispielsweise, dass Ausdruck und Glaubwürdigkeit im szenischen Spiel deshalb wichtig sind, weil die Einheitlichkeit des Ausdrucks maßgeblich beeinträchtigt wird, wenn ein unwahrer Sachverhalt als Wahrheit gespielt wird. Es kann dabei oft nur der Blickkontakt oder eine andere Kleinigkeit in der Körpersprache wichtig sein. G. Schmidt vertritt darüber hinaus die These, dass die Ganzheit des Menschen auch eine Grundlage seiner Ausdrucksmöglichkeiten ist: Wer die Wahrheit spricht oder sich ganz in die Situation einlebt, drückt sich mit widerspruchsloser Einheitlichkeit der verschiedenen Medien aus. Die Ganz- und Einheit Mensch spiegelt sich in der Ganz- und Einheit seines Ausdrucks. Dem widerspricht nicht, daß der Mensch wie auch sein Ausdruck strukturiert sind. (G. Schmidt, 1998: 374) Die bereits erwähnte Spontaneität und Authentizität bedeuten jedoch keine Willkür. In der praktischen Bearbeitung eines Themas kommen mindestens drei Wissensformen zur Anwendung: erstens das so genannte Weltwissen, über das wir verfügen und welches aus den praktischen Erfahrungen, also 104 Nach Boal (1989²: 69) geht diese Einschränkung auch auf die bereits im Kindesalter einsetzende Unterdrückung in der Familie, Schule, Arbeit zurück. 105 Es ist eine Binsenweisheit, dass es sogar für professionelle Schauspielerinnen und Schauspielern eine der schwierigsten Aufgaben ist, Texte so darzustellen, zu vermitteln, als stammten sie von ihnen selbst. <?page no="100"?> 98 aus Wahrnehmungsform und Denken entsteht. Zweitens ein für die Übung notwendiges (translationswissenschaftliches) Fachwissen, das systematisch und methodisch kontrolliert und nachprüfbar ist; drittens das unterrichtende Wissen der Lehrenden, welches vor allem Entscheidungen darüber enthält, was von einem Thema in welcher Form und welchem Umfang vermittelt werden soll. Wie auch in der allgemeinen menschlichen Kommunikation umfassen die Ausdrucksmöglichkeiten in szenischer Darstellung sowohl verbale als auch nonverbale Formen sowie einen bewussten Körpereinsatz. Die nonverbalen Formen können in einen akustischen (auditiven) und einen optischen (visuellen) Bereich gegliedert werden. Für beabsichtigte Kommunikation ist es unerlässlich, dass eine Botschaft nicht nur gesendet wird, sondern dass sie auch ein bestimmtes Ziel hat. Für gelungene Kommunikation reicht es nicht, dass etwas gesagt oder gedeutet wird, die Kommunikation ist erst dann gelungen, wenn die Zielperson das Gesagte oder Gedeutete auch aufnimmt und ausreichend versteht. Es muss also immer eine Botschaft von jemandem an jemanden sein. Das wesentliche der (transkulturellen) Kommunikation ist, dass sich die Kommunizierenden in den Mitteilungen begegnen. Die Begegnung findet in den konstitutiven Verständigungselementen statt. Dabei ist eine Vernunftorientierung von zentraler Bedeutung: Für das kommunikative Handlungsmodell ist Sprache allein unter dem pragmatischen Gesichtspunkt relevant, daß Sprecher, indem sie Sätze verständigungsorientiert verwenden, Weltbezüge aufnehmen, und dies nicht nur wie im teleologischen, normengeleiteten oder dramaturgischen Handeln direkt, sondern auf eine reflexive Weise. (Habermas, 1981a: 148) 4.2.1 Kreativität im Hörsaal Translation und Kreativität sind untrennbar miteinander verbunden. Kreatives Verhalten in der Translation ist die Suche nach Strategien, die als Ziel eine Problemlösung beabsichtigen. Dabei wird originell, kreativ und selbstbewusst vorgegangen. Die kreative Dimension im Theater der Unterdrückten korrespondiert im Grundsatz mit der Beschreibung der Kreativität durch Vertreterinnen und Vertreter verschiedener anderer Disziplinen. 106 Zusammenfassend kann man den Prozess der Kreativität als innovative denkerische Intelligenz bezeichnen und mit dem Lexikon der Psychologie als Fähigkeit, Gegenstände in neuen Beziehungen und auf originelle Art zu erkennen (Originalität, Neukombination), sie auf ungewöhnliche Art sinnvoll zu gebrauchen (Flexibilität), neue Probleme zu sehen, wo scheinbar keine sind 106 Vgl. dazu insbesondere Preiser (1976), Ullrich (1988), Schischkoff (1991), Boden (1992) und Kußmaul (1997, 2000). <?page no="101"?> 99 (Sensitivität), vom gewohnten Schema abzuweichen und nichts als fest zu betrachten (Flüssigkeit) und aus der Norm fallende Ideen zu entwickeln, selbst gegen den Widerstand der Umwelt (Nonkonformismus), wenn es gilt etwas Neues zu finden, das eine Bereicherung für Kultur und Gesellschaft darstellt. (Ullrich, 1980 8 : 1156f) In der Übersetzungswissenschaft wurden Erkenntnisse aus der Kreativitätsforschung für das Verständnis und die Optimierung von Übersetzungsprozessen fruchtbar gemacht (Kußmaul, 1997 und 2000). Kußmaul (2000: 65) schlägt vor, Studierende im so genannten „lateralen Denken“, dem Finden neuer Wege und Wechsel der Ansatzpunkte, zu schulen. Dabei wird davon ausgegangen, dass das traditionelle, vertikale Denken durch divergente oder laterale Denkmuster ergänzt wird. Das laterale Denken setzt nicht erst bei der Problemlösung an, sondern bereits bei der Problemwahrnehmung. Diese Denkform ist flexibel, sie ermöglicht es, gewohnte Denkmuster zu verlassen und neue Perspektiven zu eröffnen. Kreatives Denken und Handeln ist aber durch die Macht der Gewohnheit keine leichte Sache: Mit anderen Worten, Routine hat eine starke Macht über uns, und selbst wenn es uns gelungen ist, aus ihr auszubrechen, ist das neue Denken gefährdet, weil das alte Denken, ohne daß wir es wollen, immer wieder seine Machtansprüche geltend macht. (Kußmaul, 1997: 607) Das laterale Denken kann durch Übung erlernt werden. Kreativität und Spiel sind eng miteinander verbunden: gerade im Spiel werden schöpferische Lösungen gesucht und ausprobiert. Zur Veranschaulichung ein Beispiel für die Übung des lateralen Denkens im spielerischen Diskurs durch Studierende: die Übersetzung einer Textpassage von Tom Stoppards The Jumpers. Der Text beschäftigt sich mit Existenzfragen, anknüpfend an die Betrachtung einer Socke: Consider my left sock. My left sock exists but it need not have done so. It is, we say not necessary but contingent. Why does my sock exist? Because a sockmaker made it, in one sense; because in another, at some point previously, the conception of a sock arrived in the human brain; to keep my foot warm in a third, to make profit in a fourth. There is reason and there is cause and there is the question, who made the sock-maker’s maker? (Tom Stoppard, “The Jumpers”) Der linguistisch einfache Text gewinnt seine Tiefe durch Anspielungen auf Gewohnheiten zeitgenössischer britischer Philosophen und vor allem durch die phonetische Nähe von „clock“ und „sock“; auf diese Weise entsteht für die mit Hintergrundwissen ausgestatteten Leserinnen und Leser die Verbindung zum bekannten clockmaker-Vergleich und damit zur philosophischen Frage der Existenz Gottes und zur Schöpfung (vgl. Snell- Hornby 1988: 54ff.). Diese satirische Komponente, die bei Stoppard durch <?page no="102"?> 100 den Ersatz von „clock“ durch „sock“ entsteht, geht in der folgenden Übersetzung von Hilde Spiel verloren: Betrachten Sie meine linke Socke. Meine linke Socke existiert, aber eigentlich müßte sie das nicht. Es ist, wie wir sagen, nicht notwendig, sondern zufällig. Warum existiert meine Socke? In einem Sinn, weil ein Sockenmacher sie gemacht hat, in einem anderen Sinn, weil sich zu irgendeinem früheren Zeitpunkt der Begriff Socke im menschlichen Gehirn gebildet hat, in einem dritten, um einen Fuß warm zu halten, in einem vierten, um einen Gewinn zu erzielen. Es gibt die Vernunft und es gibt das Kausalprinzip und es gibt die Frage, wer hat den gemacht, der den Sockenmacher machte? In einer Übersetzungsübung 107 wurde dieses Beispiel besprochen. Anschließend erhielten die Studierenden die Aufgabe, den Text binnen 15 Minuten neu zu übersetzen, wobei sowohl die Vermittlung der Anspielung auf die Schöpfungsfrage bzw. die Existenz Gottes als auch die Sprechbarkeit des Textes (es handelt sich um Theatersprache) beachtet werden sollten. Zur Illustration ein Ergebnis dieser Aufgabe: Man betrachte z.B. diesen Suppenlöffel. Dieser Schöpfer existiert, aber eigentlich müsste dem gar nicht so sein. Es ist wie wir sagen, nicht notwendig, sondern zufällig. Warum existiert dieser Suppenlöffel? Einerseits wurde er geschöpft, um Suppe zu schöpfen, andererseits weil zu irgendeinem früheren Zeitpunkt die Idee des Löffelns im menschlichen Bewusstsein geschöpft wurde, drittens, um die Nahrung im flüssigen Aggregatzustand aus dem Rezipienten oral aufzunehmen und viertens, um einen Gewinn zu erzielen. Wir haben die Vernunft und wir haben das Kausalprinzip und zuletzt bleibt noch die Frage zu beantworten, wer des Schöpflöffels Schöpfers Schöpfer ist? Den Studentinnen ist es gelungen, neue Ansatzpunkte zu finden bzw. neue Wege einzuschlagen, ohne das vorgegebene Ziel - eine funktionale Übersetzung - aus den Augen zu verlieren. Für die Übung, Gestaltung und Realisierung von Dolmetschleistungen ist es unerlässlich, dass Studierende zu einem schnellen kreativen Vorgehen und zur Entfaltung eigener Ideen geführt werden. Es darf dabei nicht übersehen werden, dass der kreative Prozess Sachwissen und Regeln braucht. Regeln, ihre Grenzen und die Auseinandersetzung mit vielfältigen Möglichkeiten werden erst im Experimentieren sichtbar. Das Überschreiten von Grenzen wird erst möglich, wenn sie errichtet sind. Für eine dialogische Atmosphäre im Unterricht ist es wichtig, im Hörsaal ein Klima zu schaffen, das es allen ermöglicht, an der Lösungsproduktion zu arbeiten. Als häufigste Hemmungsfaktoren können Gruppendruck, Konzentrationsstörungen und Ablenkungen, aber auch die jeweilige Phase des Studiums auftreten. Wenn man sich dieser Störungen bewusst ist, kann man ihnen mit Gegenmaßnahmen, durch fördernde Gruppeneinflüsse, wie gegensei- 107 Lehrveranstaltung “Translation und Text“ von Mary Snell-Hornby am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien im Sommersemester 2000. <?page no="103"?> 101 tige positive Unterstützung, Stimulierung und Aktivierung einzelner Studierender oder Gruppen entgegentreten - und so kommunikative Freiräume schaffen, die Verständnis und Akzeptanz in der Gruppe fördern. 4.2.2 Nonverbale Improvisationsspiele Im Folgenden werden zur Illustration einige Körper bezogene und verbale Übungen, die zur Lockerung und zum darstellerischen Aufwärmen dienen, vorgestellt. 108 Zu Beginn ist es wichtig, dass bewusst ‚lustige’ Beispiele gewählt werden, damit die Übungen in entspannter Atmosphäre und ohne Druck vollzogen werden und die Studierenden sich frei von Sanktionen fühlen bzw. sich für die nachfolgenden Übungen öffnen. Denn einer der wichtigsten Grundsätze der späteren Dolmetschübungen ist die Authentizität der Beispiele und die Spontaneität der Entscheidungen. Typische Geste: Die Gruppe wird in eine Männer- und eine Frauengruppe eingeteilt. Alle schließen die Augen. Eine Frau macht eine ‚typisch weibliche’ Geste, begleitet von einem entsprechenden (lauten) Geräusch; die Männergruppe versucht zu erraten, welche Geste das war. Im zweiten Durchgang schließen wieder alle die Augen, ein Mann macht eine ‚typisch männliche’ Geste mit einem dazupassenden Geräusch, die wiederum von Frauen erraten wird. Dieses Spiel kann in verschiedenen Variationen gespielt werden, z.B. dass Frauen die ‚männlichen’ Gesten und umgekehrt machen, oder dass Studierende eine Geste aus jenen Kulturen machen, deren Sprachen sie studieren. Das nähere Betrachten kann die Interpretation, Analyse und den Vergleich mit der Eigenkultur umfassen, oder einfach die Wahrnehmung, dass der Mensch in seiner individuellen Ausformung ein sich stetig veränderndes Produkt der Gesellschaft ist und sich die herrschenden Normen und Konventionen in ihm abbilden. Spiegel - Gespiegelte: Die Studierenden stehen in zwei Reihen und blicken dem jeweiligen Gegenüber in die Augen: „Spiegel“ und „Gespiegelte“. Die „gespiegelte“ Person bewegt sich wie vor einem Spiegel, verändert durch langsame Bewegungen den Gesichtsausdruck usw. Der „Spiegel“ reproduziert alles so genau wie möglich, sodass man beim Zusehen den Spiegel vom Gespiegelten kaum auseinander zu halten vermag. Dabei ist es wichtig, dass nicht karikiert, sondern möglichst getreu nachgeahmt wird. Auf ein Zeichen und ohne Übergang wird gewechselt, d.h. die begonnenen Bewegungen werden in umgekehrter Rolle fortgesetzt. Blick- und Raumverhalten: Studierende stehen wieder in zwei Reihen und fassen links und rechts die Hand der Nachbarin oder des Nachbarn. Die eine Reihe bildet ein U, die gegenüberliegende stellt sich spiegelbildlich auf. Die erste Rei- 108 Hier werden nur jene Übungen und Spiele vorgestellt, die sich als Vorbereitung zu Dolmetschübungen oder zur Sensibilisierung für den Bereich der transkulturellen Kommunikation eignen. Eine Reihe weiterer Übungen findet sich in Boal (1989²: 222ff). Zum Einsatz dieser Übungen im Translationsunterricht vgl. Bahadir (2007: 266ff). <?page no="104"?> 102 he beginnt sich zu bewegen, die gegenüberstehende macht die Bewegungen nach, wobei die Symmetrie erhalten bleiben soll. Diese Übung dient, nachdem in der ersten Übung der individuelle Blickkontakt dargestellt wurde, dazu, einzuüben, gleichzeitig zum Blickkontakt zum jeweiligen Gegenüber auch den Körperkontakt zu den Personen links und rechts kontrolliert zu halten. Übertragen auf die translatorische Ebene geht es darum, sich auf mehrere Kommunikationspartnerinnen oder -partner zu konzentrieren. Zerrspiegel: In diesem Teil geht es darum, dass der „Spiegel“ jetzt nicht mehr getreu reproduziert, sondern karikiert, parodiert und zu jeder gestischen oder mimischen Bewegung ein Gegenbild schafft. Rituale ‚übersetzen’: Eine Person macht eine rituelle Geste, die für die Kultur und Sprache, die sie studiert, spezifisch ist. Wenn die übrigen Studierenden die Geste erkannt haben, werden der Hintergrund und die Geschichte der Geste diskutiert: Was sind Ausdrucks-, was Kommunikationsmittel? Wie geht man mit ungewollten Mitteilungen um? Signale werden auf unterschiedliche Weise ausgesendet und auch nicht nur mit Ohren und Augen empfangen, einige Signale können auch ‚gefühlt’ werden. Anschließend wird nach Lösungen gesucht, wie solche Signale gedolmetscht werden können. Die Dolmetschbarkeit nonverbaler Texte setzt das Verstehen, die Verstehbarkeit und Ausdrucksfähigkeit voraus. 4.2.3 Verbale Improvisationsspiele Verbale Improvisationsübungen dienen dem emotionalen und darstellerischen Aufwärmen sowie der inhaltlichen und argumentativen Erarbeitung von Szenen. Es wird dabei nicht mit fertigen Texten, sondern mit Szenarien gearbeitet. Zur Stärkung von Gedächtnis, Imagination und Emotion in Hinsicht auf den Einsatz in einer Szene eignen sich folgende Übungen, die Boal (1989²: 236) als Sinnesgedächtnis zusammenfasst: Beobachten und beschreiben: Eine Studierende fixiert einige Sekunden lang eine oder mehrere Personen aus der Gruppe und versucht dann, mit geschlossenen Augen, diese Person/ en detailliert zu beschreiben. Konzentrationsübung: Hierbei wird die Aufmerksamkeit auf einzelne Dinge im Raum gerichtet, um so viele Details wie möglich zu entdecken. Durch unsere selektive Wahrnehmung tendieren wir dazu, die Wirklichkeit zu vereinfachen. Diese Übung hilft, sie bewusster wahrzunehmen. Gedächtnis: Sich an gestern erinnern: Alle Studierenden sitzen entspannt, mit geschlossenen Augen, und versuchen, sich an den gestrigen Abend zu erinnern. Dabei wird auch versucht, sich körperliche Empfindungen bei Vorgängen wie im Zimmer gehen, duschen, Essen schmecken usw. in Erinnerung zu rufen. Die weitere Erinnerung dient dem heutigen Morgen. In Erinnerung wird gerufen, wie man geweckt wurde, das Gesicht der ersten Person, die man gesehen hat, die Einzelheiten, die Farben, Geräusche, Gerüche des Zimmers usw. <?page no="105"?> 103 Gedächtnis-Emotion: Ein Tag aus der Vergangenheit: Dabei wird ein Tag aus der (am besten jüngsten) Vergangenheit vergegenwärtigt, an dem etwas vorgefallen ist, das besondere Beachtung verdient. Das kann bedeuten, dass dieser Vorfall besonders beeindruckend war, oder dass man eine Unterdrückung, gegen die man sich nicht gewehrt hat, erfahren hat. Jede Person bekommt eine ‚Kopilotin’ oder einen ‚Kopiloten’, der oder dem sie ihr Erlebnis schildert. Der/ die KopilotIn hilft durch Fragen nach Einzelheiten und versucht, die Emotion nachzuempfinden. In der Regel sieht trotzdem jede Person unterschiedliche Bilder vor sich und erfährt unterschiedliche Empfindungen. Gedächtnis-Emotion-Imagination: Eine Person versucht mit Hilfe der Kopilotin oder des Kopiloten, sich an eine reale Situation zu erinnern, in der man sich ungerecht behandelt gefühlt hat. Dabei wird versucht, sich an vergessene Emotionen und Empfindungen zu erinnern. Der/ die KopilotIn führt neue Personen, Details usw. ein; diese neuen Elemente versucht die erste Person in ihre imaginäre Welt zu integrieren. Der/ die KopilotIn schlägt ein mögliches Verhalten vor, das die Unterdrückung bricht. Die erste Person versucht, sich die Situation noch einmal zu vergegenwärtigen und sich mit Hilfe der Vorschläge der Kopilotin oder des Kopiloten zu wehren. Die Übung beginnt mit dem Möglichen und Wahrscheinlichen, erst später kann zum Unmöglichen und Unwahrscheinlichen übergegangen werden. Imaginäre Lösungen durchspielen: Alles, was sich eine Studentin oder ein Student im Sitzen mit geschlossenen Augen vorgestellt hat, wird in der Gruppe durchgespielt. Der Verlauf der Szene wird getreu nachgespielt, es wird aber versucht, einen anderen, befriedigenden Ausgang, zu erreichen. Halblautes Sprechen: Hier wird eine ganze Szene halblaut und gestisch und mimisch zurückgenommen gespielt, damit sich die Studierenden auf das Inhaltliche konzentrieren können, statt darauf zu achten, dass Stimme, Mimik und Gestik passen. Selbstbefragung: Mit dieser Übung wird geübt, Automatisierungen zu vermeiden. Dabei stellt sich in der künstlichen Pause der/ die DolmetscherIn selbst Fragen zu dem, was er/ sie gehört hat und überlegt halblaut, was man darauf entgegnen könnte. Kommentierte Handlung: Alle Studierenden, die an einer Szene beteiligt sind, aber nicht sprechen, kommentieren mit leiser Stimme die Handlung und die Texte derer, die das Wort haben. So sprechen alle die ganze Zeit gleichzeitig, halten dadurch die Spannung und erhöhen die Konzentration aller. So wird mehr Bezug der Szene zur Haupthandlung erreicht. Reine Emotion: Es wird versucht, eine Emotion im ‚Reinzustand’ wiederzugeben: Ungeduld, Nervosität, Gleichgültigkeit, Liebe, Hass, Angst, Feigheit, Kleinlichkeit, Draufgängertum usw. Von diesen Gefühlen ausgehend wird eine Texteinheit (z.B. Zeugenaussage) gespielt. Dabei versuchen die Studierenden, den Zugang zu einer Figur zu finden. Zuerst wird die Szene mit nur einem dieser Gefühlszustände (Nervosität, Ungeduld) gespielt, dann jedes Wort, jede Geste voll Hass, Liebe usw. Wenn Rollen mit einseitig gezeichnetem Charakter gespielt werden, indem Gefühle, Gesten, Konflikte übertrieben werden, gelangt man leichter zur ‚Feineinstellung’. <?page no="106"?> 104 Widerstreit zwischen Wollen und Müssen: Einen Verhaltens- und Handlungsakt spielen, in dem sich die Studierenden mit der Rolle identifizieren. Zuerst wird die Szene so gespielt, dass die Figur an die Notwendigkeit der Handlung glaubt, die von ihr erwartet wird und dies auch argumentativ untermalt. Anschließend wird die innere Wirklichkeit der Figur als Privatmensch gespielt. Stilwechsel: Wenn die Übung bereits im fortgeschrittenen Stadium ist, wenn die Studierenden schon fast auswendig wissen, wie die Szene ablaufen wird, wie die Mitspieler in einzelnen Konfliktsituationen agieren und reagieren werden, kann ein Stilwechsel stattfinden, um die Routine zu durchbrechen. So kann beispielsweise die Stimmungslage verändert werden oder die gleiche Szene mit einem anderen Text, anderer Gestik oder in einem anderen Genre wiederholt werden. Was wäre, wenn: In dieser Übung wird die jeweils andere Handlung, die nicht stattfindet, gespielt - also eine Gegengeschichte, die die stattgefundene Geschichte nicht akzeptiert. Diese Übung dient dazu, das Bewusstsein darüber zu erlangen, dass jede Geschichte auch einen anderen Verlauf hätte nehmen können. Damit wird die Möglichkeit sichtbar, was hätte sein können, aber nicht ist. (Boal arbeitet hier mit Beispielen aus der Theaterwelt: Hamlet heiratet Ophelia, Othello verzeiht Desdemona usw.) Denken, Sprechen, Handeln: Begonnen wird mit einem leisen Monolog, ohne sich zu bewegen, ohne Gestik und Mimik, mit einem starren Gesichtsausdruck. Der Monolog geht langsam in den Dialog über. Die Studierenden sprechen miteinander, so dass die Diskrepanz zwischen gesprochenem Wort und Körperausdruck sichtbar wird. Anschließend wird begonnen, Bewegungen in Zeitlupe zu machen, sodass jede Bewegung überlegt werden kann. Somit wird der Text, der ‚draußen’ ist, sichtbar vom Körper getrennt, der ausdrückt, was ‚drinnen’ ist. Die Rolle laut planen: Es geht darum, sich die Sätze, die Bewegungen und Gesten zu vergegenwärtigen und zu markieren. Dabei können kurze Sätze gewählt werden, die dem Gebrauch der gesprochenen Sprache entsprechen. Die Satzlänge kann selbstverständlich auch variieren, die Verständlichkeit darf jedoch nicht darunter leiden. Lebendigkeit kann in lange Sätze durch Übung von Kontrasten wie Pausen, Tempoveränderung, Lautstärke oder Betonung gebracht werden. Da sich die Verständlichkeit primär in der Sprache manifestiert, die Sprache wiederum dazu dient, unsere Gedanken mitzuteilen, soll in dieser Übung insbesondere darauf geachtet werden, dass die sprachlichen Elemente den Sinn des Gedankengangs nicht verändern; die Gedanken und die Aussagen sollen synchron zur Äußerung verlaufen. Rollen können in allen diesen Übungen unterschiedlich erprobt werden: distanziert, hochnäsig, unterwürfig, lässig, exotisch, ausgeflippt, freundlich, verliebt ... Wichtig ist bei den Vorübungen, dass Studierende im Verlauf der Übung die Rollen tauschen. Auch deshalb ist es einfacher, dass nicht fertige Texte eingeübt werden, sondern Szenarien. Wie auch in realen Lebens- und Dolmetschsituationen kommt es in den gespielten Szenen vor, dass sich die Teilnehmenden von irrationalen Augenblicksempfindungen <?page no="107"?> 105 beeinflussen lassen, was wiederum kreative Momente freisetzt. Boal (1989²: 234) betont, dass dabei wichtig ist, dass die Grundidee der Übung allen klar und präsent ist. Im Verlauf der Übung wird der Akzent immer stärker auf Inhaltliches gelegt. Um eine Dolmetschsituation als Ganzes zu entschlüsseln und nicht an der Oberfläche zu bleiben, muss zu den Ursachen von Störungen und Problemen vorgedrungen werden und es müssen Möglichkeiten erarbeitet werden, die Ursachen sichtbar zu machen. Wichtig ist es, unterschiedliche Handlungswege und Lösungsungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Themen können als Polaritäten formuliert werden (der/ die Einzelne - die Gruppe; Zustimmung - Widerstand; Dazugehören - Ausgeschlossensein usw.). Die Studierenden sollen die Erfahrungen, die die Figuren machen, erforschen und erleben. Wie ist es, jemand zu sein, der immer ausgeschlossen bleibt? Welche Vorurteile stecken in uns? Was bedeutet es, Stellung zu beziehen? Und: Was passiert, wenn man Stellung bezieht? In diesen Aufwärm- und Lockerungsübungen - es genügt, eine oder zwei der oben vorgestellten Übungen auszuwählen - geht es primär um den Kontakt mit den Mitspielenden, das Kennenlernen der (neu gestalteten) Räumlichkeiten, der nonverbalen und verbalen Dimension der Kommunikation aus einer anderen Perspektive als im üblichen Unterricht und um Möglichkeiten zur gemeinsamen Reflexion von Lehr- und Lernprozessen. Die wichtigste Regel dabei ist, dass alle spielen und alle analysieren. Einmal befinden sich Studierende in der Rolle der Spielerinnen und Spieler mitten in der Spielsituation, die ihren eigenen Regeln folgt, das nächste Mal befinden sie sich außerhalb des Spiels, von wo sie die Spielsituation betrachten. Wenn Studierende beide Situationen durchwandern, erfahren sie einerseits die konkrete Arbeit und andererseits werden sie durch den Rollenwechsel auch auf eine Metaebene gehoben, die außerhalb der Situation liegt. Durch die Analyse und die Reflexion werden Alternativen leichter erkannt und Zusammenhänge neu und anders betrachtet. Darüber hinaus lernt man durch die Übungen sich selbst kennen, man lernt, wie man unbewusste Präferenzen und Aversionen ins Bewusstsein holt; das Erkennen wiederum heißt, persönliche, verinnerlichte Einstellungen zu verändern und ihren Einfluss auf das eigene Verhalten zu steuern. All diese Fähigkeiten sind nicht angeboren, sie werden gelernt. Auch ein konkretes Handeln zur Veränderung muss eingeübt werden; das ist das Ziel der Übungen. Nicht zu vergessen ist, dass auch Aufwärmspiele und Vorübungen zu didaktisieren sind: z.B. indem Pausen gemacht werden, bevor der Ermüdungszustand zur Gänze erreicht und die Konzentrationsleistung bei der Unterbrechung noch da ist, Spielrunden von Analyserunden getrennt werden, Theorie mit Praxis verbunden wird usw. Die Verbindung von Theorie und Praxis im Unterricht geschieht in der Weise, dass die Studierenden <?page no="108"?> 106 Ideen wie Gegenstände manipulieren. Dahinter steht der Gedanke, dass Ideen (Konzepte) zur Handlungsregulation eingesetzt werden. Die Verbindung von theoretischem Wissen und praktischen Beispielen gelingt, wenn die Lernenden ihr Wissen über theoretische Zusammenhänge nutzen, um die eigene Handlung zu regulieren. Das Theater der Unterdrückten und seine wohl populärste Form, das Forumtheater, dienen entweder der Konfliktaufarbeitung oder der Vorbereitung auf eine konkrete Situation und der Suche nach Verhaltensstrategien. Die Techniken des Forumtheaters sind Techniken der Intervention: die offene Form der szenischen Darstellung ermöglicht den Zuschauerinnen und Zuschauern, in den Ablauf des Spiels einzugreifen, das Spiel zu wiederholen oder zu verändern. Für die Erarbeitung der Spielszenen können Vorschläge für Probleme und Konfliktbereiche gesammelt werden, die die Studierenden in ihren persönlichen Lebenssituationen erfahren haben. Die Ausarbeitung des Falles und die Entwicklung einer forumreifen Szene gehört zu den schwierigsten Arbeitsphasen. Das Handlungsmodell in der Übung geht immer von einem konkreten Fall aus. Mit Hilfe des Forumtheaters wird seine Ausführung geprobt. Als Einstieg könnte eine Szene gespielt werden, die Stereotypen, Vorurteile und tradierte Klischees betont. Dieser Teil der Arbeit ist sehr schwer, denn die meisten Menschen leben unbewusst mit und in den Klischees. Als erster Schritt ist dann eine überzogene Darstellung notwendig, 109 erst in einem zweiten Schritt kommt es zur kritischen Distanz, in der tradierte Klischees korrigiert werden können. Sobald es um ein konkretes Problem geht, das persönlich betrifft, wird Kreativität entfaltet. Abstrakte oder allgemeine Themen eignen sich deshalb nicht gut, weil die Übungen darauf abzielen, Handlungsmodelle für die Zukunft zu entwerfen: „Es genügt nicht zu wissen, daß die Welt verändert werden soll; wichtig ist, sie tatsächlich zu verändern“ (Boal, 1989²: 69). Die Szenen werden daher so konzipiert, dass eine Konfliktszene dargestellt wird, die den Widerspruch der Zuschauerinnen und Zuschauer provoziert und sie dadurch animiert, alternative Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Der Findungsprozess beginnt dabei mit der Bewusstmachung des Problems, verläuft über die Reflexion und Improvisation zum Probehandeln und führt über die anschließende nochmalige Reflexion zur Aktion: Was passiert, wenn ich selbstbewusst handle? Dabei werden Gesetzmäßigkeiten, Normen und Konventionen in Frage gestellt und ein abweichendes Verhalten geprobt (wobei es im Endprodukt nicht darum geht, dass Konventionen oder Regeln verletzt werden; darüber wird später ausführlicher diskutiert). 109 Hier ist natürlich die Gefahr groß, dass dadurch manche Szenen nur zur Unterhaltung im Unterricht verkommen. <?page no="109"?> 107 Die Übungen dienen zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, es sind Orientierungsübungen. So wird in grundsätzlicher Weise die Erkundung und Veränderung der sozialen Wirklichkeit mit szenischer Darstellung entwickelt. Jedes Produkt wird zur Vorlage für einen neuen Prozess; jede Reflexion bzw. Interpretation kann eine Umsetzung im neuen Spiel finden. Die Themenauswahl liegt bei den beteiligten Studierenden. Die Szenen können realistische oder fiktive Situationen nachahmen, sie sollten nur nicht absurd oder zu abstrakt sein, denn sie sollen dazu führen, in der Praxis zur Veranschaulichung konkreter Probleme beizutragen. Die einzelnen Lösungen, die in der Textarbeit oder in szenischen Übungen gefunden werden, vertiefen und erweitern das jeweilige Thema, wobei emotionale Faktoren berücksichtigt werden. Dieser Zugang ist auch in der Translationswissenschaft nicht fremd: Ich betone die persönlichen Gegebenheiten, denn entgegen der landläufigen Meinung etwa in Auftraggeberkreisen ist weder das auf der Universität erworbene Sprach- und Sachwissen noch das Wörterbuch das wichtigste Arbeitsmittel des Berufstranslators. Er braucht seinen Kopf. Und sein Herz. (Holz-Mänttäri, 1984a: 177) Die Berücksichtigung emotionaler Faktoren zeugt aber keinesfalls von Willkür. Die lerntranslatorische Arbeit im Forumtheater setzt selbstverständlich translationstheoretische Kenntnisse der Studierenden voraus, die lehrtranslatorische Arbeit ein Regelwerk für die Evaluation translatorischer Leistungen. 110 Entsprechend dem Ansatz eines spielerischen Diskurses wird der theoretische Hintergrund in Ansätzen dargeboten und erschlossen, die Verbindung zur Theorie erst in Spielform hergestellt. Die Theorie dient dabei zur Erklärung der Regeln, arbeiten müssen die Studierenden selbst. Die ersten Schritte in der Arbeit sind natürlich unsicher, dabei wird aber viel gelernt und die Studierenden werden immer besser und (selbst)sicherer. Solange sie nicht selbst handeln, bleibt jede Theorie eine abstrakte Vorschrift. Die didaktische Auseinandersetzung, bestehend aus theoretischem Durchleuchten der Fragestellungen und dessen Kontrolle durch die Praxis, fördert nicht nur die wissenschaftliche Analyse, sondern führt zur Hypothesenbildung, und dies wiederum ist ein unumgängliches Wechselspiel zwischen Theoriebildung und -anwendung sowie didaktischer Arbeit. 110 Vgl. dazu insbesondere die Kritik von Hönig (1995: 131). Im vorliegenden didaktischen Konzept geht es nicht um die Beurteilung von Fehlern, sondern darum, alle in der Situation vorkommenden Beziehungen zu durchleuchten. <?page no="110"?> 108 4.3 Evaluation translatorischer Prozesse Unterrichten stellt grundsätzlich eine Form der institutionellen Kommunikation dar. Die im Rahmen des traditionellen Unterrichts ausgetauschten Informationen zwischen der lehrenden Person und den Studierenden können als asymmetrische Kommunikation bezeichnet werden, insbesondere wenn die lehrende Person die Informationen gibt und die Studierenden diese aufnehmen und darauf reagieren, auch wenn sie die von der lehrenden Person gelieferten Informationen prüfen und bewerten. Die hier vertretene dialogische Didaktik versucht, Lernen als konstruktiven Prozess zu betrachten, in dem nicht passiv Wissen erworben wird, sondern in dem die Studierenden aktiv, unterstützt durch eigene Erfahrungen, neue Zusammenhänge konstruieren. 111 Am Ende eines Lernprozesses soll damit als pädagogisch-didaktisches Ziel das Verstehen des behandelten Sachverhaltes, die Einsicht stehen. Es geht dabei nicht um die bloße Speicherung neuer Inhalte im Gedächtnis, sondern um den Erwerb neuer Lösungskonzepte, die gestaltpsychologisch als Einsicht definiert werden können. Bräuer (1994: 94) beschreibt den gestaltpsychologischen Lern- und Lehrprozess in etwa folgendermaßen: Die Einsicht bedeutet, dass ein gegebenes Problem unmittelbar erfasst und die Zusammenhänge im Problemfeld erkannt werden, sodass sich die Lösungshandlung als ein mehr oder weniger glatter Verlauf zum Ziel bezeichnen lässt. Als Endprodukt wird eine Änderung des Verhaltens angesehen. Dabei ist das Verhalten der problemlösenden Person der Aufgabe angepasst. In der Beschreibung der erwünschten (Vor-)Kompetenzen der Studierenden wird als Idealzustand sehr gute Sprachkenntnis der angehenden Translatorinnen und Translatoren beschrieben. Idealiter sollte der Sprachunterricht im Gebiet der Philologien angesiedelt und einem Translationsstudium vorgelagert werden (vgl. Snell-Hornby, 1997a). Die Praxis sieht allerdings so aus, und darin besteht wohl allgemein Konsens, dass die fremdsprachlichen Kenntnisse in den angebotenen Translationsstudien noch nicht gefestigt sind bzw. laufend verbessert werden. Sohin lassen sich Überschneidungen von Translations- und Fremdsprachenunterricht kaum vermeiden. In der Translationsdidaktik ist die Bewertung von sprachlichen Fehlern ein weit verbreitetes didaktisches Konzept (vgl. Hönig, 1995: 131). Transla- 111 Dieser Ansatz entspricht den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in der Didaktik im Allgemeinen: Vgl. dazu insbesondere „Selbstgesteuertes Lernen“ (Weinert, 1982; Mandl & Fischer 1982; Mayr, 1989; Wang, 1982), „Self-regulated learning“ (Zimmerman & Schunkt, 1989), „Eigenständig lernen“ (Beck & Guldimann & Zutavern, 1995) „Selbstorganisiertes Lernen“ (Heursen, 1996), „Aktives Lernen“ (Huber 1997); „Selbstbestimmtes Lernen“ (Bannach, 2002); „Ermöglichtes Lernen“ (Arnold & Schüßler, 2003; Arnold 2007) „Cooperative learning“ (Johnson & Johnson, 1989); „Collaborative Learning“ (Kiraly, 1997; 2000) u.v.a. <?page no="111"?> 109 tion ist mehr als Sprachbeherrschung. 112 Auch jemand, die oder der eine Sprache nicht einwandfrei beherrscht, kann einen Text gut erfassen, verstehen und wiedergeben. Die Problematik liegt vielmehr in der Forderung vieler Lehrender, an der Oberfläche ‚perfekte’ Texte zu verlangen, die aber inhaltlich nicht eindeutig sind. Keine Grammatikfehler zu machen oder einen orthografisch einwandfreien Text zu liefern, ist nicht das, worauf es im Translationsakt tatsächlich ankommt. Dennoch wird diesen Fassaden und ritualisierten Korrekturgewohnheiten in der Lehrpraxis viel Bedeutung beigemessen. 113 Betrachtet man als Lehrender lediglich das Ergebnis einer translatorischen Handlung, so weiß man nicht, warum gerade diese Lösungen gewählt wurden und wie sie gefunden wurden. Da die meisten Studenten ihre Arbeitssprachen noch nicht fehlerfrei verwenden können, werden in der Unterrichtspraxis oft gerade ihre sprachlichen Fehlleistungen moniert und quittiert. Damit wird aber die translatorische Leistung nicht erfasst. (Holz-Mänttäri, 1984a: 180; Hervorhebung J.H-M.) Bereits bei dieser translationswissenschaftlichen Pionierin finden sich Ansätze einer dialogischen Evaluierung. Holz-Mänttäri schlägt für die Beurteilung translatorischer Leistungen die Kommentiermethode vor. Diese umfasst die Faktorisierung bzw. Kategorisierung der Probleme und der Lösungsvorschläge sowie eine Begründung der Entscheidungen. Die translatorische Leistung also gilt es sichtbar zu machen. ‚Etwas leisten’ ist kein Ergebnis, sondern ein Vorgang. Wird der Vorgang beschrieben und begründet, dann wird er nachvollziehbar. Ist er nachvollziehbar, werden Fehlläufe sichtbar. Und diskutierbar. Und beurteilbar. Und korrigierbar. (Holz-Mänttäri, 1984a: 181) In einer Forumszene wird nach ähnlichen Grundsätzen bewertet, wobei nach der Reflexion statt einer konventionellen Analyse jene Teile, die von den Darstellenden selbst und vom Publikum als unbefriedigend empfunden wurden, nachgespielt werden und somit die ‚Analyse’ ins Geschehen gebracht wird. Somit setzt man sich ständig mit verschiedenen Sichtweisen auseinander. Jeder neue Lösungsvorschlag muss in szenischer Darstellung ‚bewiesen’, auf seine Tauglichkeit hin getestet werden. Es ist immer zu bedenken, dass die Mitwirkenden Wünsche, Sehnsüchte und Geheimnisse preisgeben, die einfühlend aufgenommen werden sollten. Damit wird auch die Solidarität in der Gruppe gefördert; das beinhaltet insbesondere die Art zu kritisieren. 112 Im Zusammenhang mit dem ‚Grad’ der Sprachbeherrschung vgl. insbesondere Hönig (1986: 231): „Absolute Sprachkompetenz gibt es nicht.“ 113 Davon zeugen u.a. zahlreiche Diskussionen der letzten Jahre im Rahmen der internen Workshops für Lehrende am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien, insbesondere wenn es um die Bologna-Studiumarchitektur geht. <?page no="112"?> 110 Die sprachlichen Mängel sind also nicht das Hauptaugenmerk der Analyse der Dolmetschleistungen in dieser Arbeit, dennoch ist die Herangehensweise ganzheitlich. Auch eine ganzheitliche Herangehensweise benötigt Richtlinien und klare Regeln bzw. die Sequenzierung und Evaluierung von Inhalten. Als methodische Herangehensweise für eine Bewertung translatorischer Leistungen schlägt Gerzymisch-Arbogast (1997: 573) - und wir schließen uns diesem Vorschlag an - folgende Maßstäbe vor: 114 die Angabe der Bewertungsbasis, also des Textes bzw. des Textausschnittes, der einer Bewertung unterzogen wird; die Angabe der Bewertungskriterien, die der Evaluation zugrunde liegen; den Nachweis der wissenschaftlichen Systematik, d.h. das Anlegen aller Bewertungskriterien an alle Textstellen; die Vorlage einer Bewertungsskala, d.h. die Angabe von Werteprädikaten und schließlich die mögliche Pauschalierung der Wertung in unterschiedlichen Abstufungen. In didaktisierten dialogischen Dolmetschkonstellationen gibt es eine ganze Reihe von wichtigen bewertungswürdigen Inhalten, die sowohl verbale als auch nonverbale und situative Kommunikationsfaktoren umfassen und zur Erreichung einer erfolgreichen Herstellung von Kommunikation wichtig sind. Die verbalen Inhalte betreffen die Sprache in ihrer Gesamtheit, die demnach sowohl lexikalische als auch syntaktische, stilistische oder pragmatische Aspekte umfassen können. Gegenstand der Evaluierung können also sowohl die Ausdrucksweise und der Stil als auch die Terminologie und das Fachwissen sein, aber auch die Gesprächsführung und die Argumentationstechniken und verbale Kommunikationsstrategien zur Konfliktlösung. (Natürlich können Gegenstand der Evaluierung auch Sprachbeherrschungsaspekte sein, etwa grammatikalische Auffälligkeiten oder überflüssige Laute und Verlegenheitswörter wie z.B. ähm, hmm, jaa, ooh, also, eigentlich, dann, irgendwie usw.). Als nonverbale Kommunikationsfaktoren können insbesondere Gestik und Mimik, Pausen und Schweigen als intendiertes oder unbewusstes Verhalten untersucht werden, weiters Lautstärke der Stimme, Stimmhöhe, Deutlichkeit, Geschwindigkeit, Betonung, Satzmelodie, Sprechrhythmus oder Blickverhalten, Körperhaltung und Raumverhalten. An situativen Faktoren interessieren vor allem die Gesprächskoordination und die Vorgehensweisen, die zu einem verständigungsorientierten transkulturellen Handeln führen (oder auch nicht führen) und das Verhal- 114 Gerzymisch-Arbogast beschäftigt sich mit der Evaluierung von Übersetzungsleistungen, es spricht aber nichts dagegen, ihre grundlegenden Thesen auch auf das Dolmetschen zu übertragen. <?page no="113"?> 111 ten der Dolmetscherin oder des Dolmetschers im Hinblick auf die dolmetschtechnischen und dolmetschethischen Prinzipien und Praxisnormen. Bei der Auswahl der Evaluationskriterien für die Strukturierung der Diskussionen ist es im Sinne der oben geforderten wissenschaftlichen Systematik wichtig, dass die gewählten Kriterien klar sind und auf alle Textstellen und Situationen angewendet werden können. Videoaufnahmen können als Grundlage für die Erstellung von Analyseprotokollen der translatorischen Leistung dienen. Anhand eines solchen Protokolls lassen sich die translatorischen Entscheidungen analysieren und die Angemessenheit der Entscheidung gut beurteilen. Im Forumtheater stellen die angeführten Loyalitäts- und Ethikprinzipien die Ausgangsbasis für die Diskussion der Dolmetschvorschläge dar. Nachdem es bei dem hier vorgestellten Ansatz nicht um die Benotung von ‚Leistungen’ geht, ist eine Evaluation translatorischer Vorschläge im Unterricht kein leichtes Unterfangen. Die Werteskalen sind für die Evaluierung in der Regel unbefriedigend, dennoch muss eine Bewertung stattfinden. In der Lehrveranstaltung kann die Bewertung aus unkonventionellen Prädikaten bestehen; wichtig ist lediglich die Transparenz sowie die gleiche Bewertungsbasis für alle Teilnehmenden und dass sich die Bewertung nicht im Schema ‚gut - schlecht’ bewegt. Das ist insbesondere deshalb wichtig, damit pauschale Urteile und Solidaritätsbekundungen der Studierenden vermieden werden: „Es war super“, „Es war in Ordnung“ usw. Solche pauschalen Urteile sind auch bei definierten Bewertungskriterien keine Seltenheit und korrespondieren mit der Gruppensolidarität - man hält zusammen. Durch eine dem Dialog verpflichtete Einschätzung soll auch eine Veränderung im Zugang zur Evaluierung sowie eine größere Kritikfähigkeit und Horizonterweiterung erreicht werden. Die Evaluierungsbasis wird für die Zwecke der vorliegenden Arbeit dahingehend eingegrenzt, dass sich die Betrachtung auf die Verhaltensweisen der Dolmetscherinnen und Dolmetscher im Hinblick auf Beeinflussungsmechanismen der an der Kommunikation Beteiligten konzentriert. Wenn ein Bewertungskriterium wichtig erscheint, wird im gesamten Betrachtungsbereich festgestellt, wie häufig dieses Kriterium greift. In Anlehnung an Gerzymisch-Arbogast (1997: 575) wird für diese Vorgangsweise der Text segmentiert. Der Gegenstand der Betrachtung ist in den folgenden Beispielen jeweils eine Textsequenz, die in transkribierter Form präsentiert wird, die aber gleichzeitig einen abgeschlossenen thematischen Redebeitrag im Sinne eines dialogischen, problem- und lösungsorientierten Ansatzes darstellt. Wie bereits ausgeführt, ist es wichtig, dass die translatorische Arbeit transparent und in Kooperation, Eigeninitiative und Initiative, Selbstbestimmung und Selbststeuerung, Evaluation und Selbstevaluation geschieht. Wie schon mehrfach betont, geht die Arbeit im Forumtheater von <?page no="114"?> 112 der Annahme aus, dass Handeln befreiender ist als Reden. Es ist ein praktisches, reflektierendes translatorisches Alltagshandeln. Dennoch setzt es ein theoretisches Basiswissen voraus, das dabei als Bezugspunkt und Korrektiv dient: 115 Der ‚theoretische Rahmen’ für Studierende in den folgenden Beispielen - neben grundlegenden translationswissenschaftlichen Fragestellungen - war die Auseinandersetzung mit den Loyalitätsprinzipien nach Nord (1989) und Prun (1997) sowie den allgemein anerkannten berufsethischen Prinzipien, wie sie etwa in den Berufskodizes des internationalen Berufsverbandes AIIC und des österreichischen Berufsverbandes UNIVERSITAS festgeschrieben sind. Neben den erwähnten Loyalitätsprinzipien, also der Loyalität gegenüber den Autorinnen und Autoren, Auftraggeberinnen und Auftraggebern, Zieltextempfängerinnen und Zieltextempfängern (Nord, 1989: 102) sowie der Wahrung der eigenen Integrität und Identität und somit der Loyalität der Translatorin oder des Translators zu sich selbst (Prun , 1997: 112) wurden eine Reihe von konsensfähigen berufsethischen Maximen, die zur Erreichung einer (auch ethisch-moralischen) Professionalität notwendig sind, berücksichtigt, wie z.B. die Wahrung der Interessen aller und des Respekts gegenüber allen an der Kommunikation Beteiligten, Vollständigkeit der wiedergegebenen Informationen u.ä. Weiters werden Kenntnisse der Translationstypisierung vorausgesetzt - insbesondere die funktionale Translationstypologie nach Nord (1993: 24ff), wonach die Translation in Funktionsrelation zum Ausgangstext bzw. zum Zieltext gesehen wird. 116 Aus diesem Blickwinkel kann ein Translat entweder wie ein ‚Dokument’ oder wie ein ‚Instrument’ in die Zielkultur übertragen werden: Die dokumentarische Translation behandelt den Ausgangstext als Dokument, über das in der Zielkultur berichtet wird. Ein Ausgangstext, der dokumentarisch übersetzt oder gedolmetscht wird, wird in Form und Inhalt möglichst unverändert abgebildet. Die instrumentelle Translation hingegen behandelt den Zieltext als ‚Instrument’ für eine kommunikative Handlung in der Zielsituation. Diese Übersetzung oder Dolmetschung ist eine solche, die an die Situation, die Vertextungskonventionen der Zielkultur und die Wissensvoraussetzungen der Zieltextempfängerinnen und -empfänger angepasst ist. 115 „Theorie war und ist der Schlüssel zur Praxis. Und Praxis der Prüfstein der Theorie. [...] Theorie und Praxis sind unteilbar“ (Kaiser-Cooke, 2003: 9). 116 Das Voraussetzen dieser Kenntnisse erfolgt, weil am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien in den praktischen Übungen vorwiegend mit den funktionalen Ansätzen gearbeitet wird und sich die Ansätze der Didaktikerin Nord dafür im Besonderen eignen. Nords Beschäftigung gilt vor allem Übersetzungen, ihr Konzept ist aber auch für die Anwendung in Dolmetschübungen passend. <?page no="115"?> 113 4.4 Dolmetschen in szenischer Darstellung 4.4.1 Material und Methode Wie bereits erwähnt, werden in der Übung Szenarien entwickelt und bekannt gemacht. Gemäß der Kernaussage des Theaters der Unterdrückten geht es dabei immer um eine erlebte Unterdrückungssituation im (beruflichen) Alltag, gegen die man sich nicht gewehrt hat; diese Situation wird nachgestellt und kreativ bearbeitet. Das befreiende Moment entsteht dadurch, dass statt Reden eine Aktion gesetzt wird. Es gibt keine ausformulierten Texte als Lesevorlagen, sondern Szenarien als Spielvorlagen. Alle Mitwirkenden kennen alle Rollen, damit die Flexibilität der Akteurinnen und Akteure im Hinblick auf mögliche Konflikthaltungen überlegt werden kann. In diesen nach Boals Techniken organisierten szenischen Darstellungen werden die Grundsequenzen so oft wiederholt, bis das Publikum für das Grundproblem eine für alle befriedigende Lösung gefunden hat. Dabei wird von der Grundannahme ausgegangen, dass sich ‚Unterdrücker’ nicht ändern (wollen) bzw. dass gar nicht versucht wird, die Unterdrücker zu etwas zu bewegen, sondern Lösungen für die Unterdrückten gesucht werden; Verhalten, Vorgehen, verbale und nonverbale Botschaften der Unterdrückten werden im ‚Forum’ thematisiert; das mehrmalige Durchspielen dieser Rollen bzw. der Kernunterdrückungssituation durch verschiedene Darstellerinnen und Darsteller erlaubt deren theatrale Vertiefung, aber auch die rationale und emotionale Auseinandersetzung mit dem dargestellten Sachverhalt. Für die Konfliktbearbeitung eines translationsrelevanten Themas heißt das, dass hier nur die Rolle der Dolmetscherin oder des Dolmetschers interessiert - die Zuschauerinnen und Zuschauer greifen hier also ein, indem sie diese Rolle neu spielen und versuchen, eine optimale Lösung zu finden. In jeder neuen Szene dolmetscht daher eine andere Person. (Natürlich können andere Rollen auch wechseln, diese sind aber nicht Gegenstand unserer Untersuchung). Im Folgenden werden drei Fallbeispiele für Dolmetschübungen in szenischer Darstellung mit den Techniken des Theaters der Unterdrückten, und zwar des Forumtheaters, vorgestellt. Damit die Techniken des Theaters der Unterdrückten klar und prägnant illustriert werden, wurden plakative und einfache Beispiele ausgewählt, die in ihrem Wesen sehr ähnlich sind. Die Beispiele stammen aus drei verschiedenen Lehrveranstaltungen mit Übungscharakter, in denen mit den Techniken des Theaters der Unterdrückten gearbeitet wurde. Diese Übungen wurden am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien zwischen 2005 und 2007 abgehalten und umfassten folgende Sprachenpaare: Deutsch-Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch, Deutsch-Französisch und Deutsch-Ungarisch. Die Tonbandbzw. Videoaufzeichnung der gegenständlichen gedolmetschten Szenen erfolgte während der Übung. <?page no="116"?> 114 Alle Übungen wurden als Blended Learning-Lehrveranstaltungen 117 angeboten. Dabei wurden die Präsenzen durch ergänzenden online-Content begleitet: insbesondere durch Informationen zur für die praktischen Übungen wichtigen translationswissenschaftlichen Literatur und durch Zurverfügungstellen von Materialien, wie z.B. der den Übungen vorangegangenen und von den Studierenden erstellten Glossare. Darüber hinaus bot die eLearning-Plattform die Möglichkeit eines Austausches vor und der Analyse nach den Übungen. Mit der Zurverfügungstellung der Lerninhalte und Diskussionsmöglichkeit auf der Plattform war es möglich, höhere Produktivität und Effektivität, ohne eine Reduktion der Präsenzen zu erzielen. Je nach technischer Möglichkeit erfolgte eine Audio- oder Videoaufnahme der Übungen. Aufnahmen bringen eine zusätzliche didaktisch relevante Dimension in die Übung: Die ersten Aufnahmen der eigenen Person erscheinen den Studierenden in der Regel meist fremd. Die Aufzeichnung klingt anders als die beim Sprechen mitgehörte eigene Stimme; das eigene Bild ist manchmal noch verblüffender als die Stimme; die eigene Mimik und Gestik erlebt man geradezu als fremdartig. Durch die Analysen von Szenen lernt man auch, verschiedene Gestaltungselemente einzusetzen. In der folgenden Besprechung der Beispiele werden nur jene Stellen, die für die Fragestellungen dieser Arbeit von Interesse erscheinen, besprochen. Es ist nicht Gegenstand dieser Analyse, jede Kommunikationseinheit der gedolmetschten Verhandlung auszuwerten oder die Dolmetschung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, sondern vielmehr ein Gesamtbild des Kommunikationsszenarios zu zeichnen, um daraus Impulse für die Erkennung sozialer Machtkonstellationen und - im Sinne des Boalschen Ansatzes - der Unterdrückungsmechanismen zu gewinnen, damit ein emanzipatorisches Lernen eingeleitet und ein von den Auftraggeberinnen und Auftraggebern erwarteter bzw. aus translationswissenschaftlicher Sicht möglicher Handlungsrahmen der Dolmetscherin bzw. des Dolmetschers definiert werden kann. In direktem Zusammenhang mit dem Handlungsrahmen steht die Machtkonstellation zwischen den Gesprächsteilnehmenden, die im Laufe des Gesprächs einigen Veränderungen unterworfen ist. In der Analyse wird ermittelt, welche Faktoren dafür verantwortlich sind und warum sich ein bestimmtes Machtgefälle herauskristallisiert. Die wesentlichen Untersuchungsziele - die Rolle der Dolmetscherin und damit zusammenhängende Interventionen von Seiten der Kommunizierenden und Vereinnah- 117 Blended Learning bezeichnet eine didaktisch relevante Verknüpfung von Präsenzlehre und der Vernetzung über Internet. Durch die geeignete Kombination dieser Medien und Methoden werden deren Vorteile verstärkt und die Nachteile minimiert. Blended Learning „ermöglicht Lernen, Kommunizieren, Informieren und Wissensmanagement, losgelöst von Ort und Zeit in Kombination mit Erfahrungsaustausch, Rollenspiel und persönlichen Begegnungen im klassischen Präsenztraining.“ (Sauter et al., 2003 2 : 68) <?page no="117"?> 115 mungsmechanismen in direkten Gesprächen - sind sehr eng ineinander verstrickt und können daher nur schwer getrennt behandelt werden. Die Transkription orientiert sich im Ansatz an den Konventionen der Halbinterpretativen Arbeitstranskriptionen, wurde jedoch einfach gehalten. Grundsätzlich kommt es bei Dialogsituationen häufig vor, dass mehrere Personen gleichzeitig sprechen oder dass sie sich gegenseitig ins Wort fallen. Um das Gesamtbild der Kommunikation korrekt zu erfassen, müssten diese simultanen Sprechvorgänge möglichst genau in ihrer Gleichzeitigkeit wiedergeben werden, etwa nach der von Ehlich (1994) entwickelten Wiedergabeform, welche auf dem Prinzip der Partiturschreibweise in der Musik beruht. Hier wurde ein einfacheres Transkriptionsverfahren, nämlich die Vertikalanordnung und Fließtext mit eingeschobenen Hinweisen gewählt. Der Grund für die Wahl eines einfacheren Transkriptionsverfahrens liegt darin, dass es (insbesondere im Ungarisch-Beispiel) längere Textpassagen gibt und häufig mehrere Personen gleichzeitig sprechen. Die ‚korrekte’ Transkription und die dazu gehörige Interlinearübersetzung bzw. die Dolmetschung der Originaläußerungen würden die Lesbarkeit der Textbeispiele erheblich beinträchtigen und die Aufmerksamkeit auf syntaktische und semantische Merkmale bzw. ‚Unzulänglichkeiten’ lenken. Die hier zu untersuchende Dimension, nämlich die Machtkonstellationen und die ‚Unterdrückung’ der Dolmetschers oder der Dolmetscherin, ginge aus dem Blick verloren. Das Material wird im Ungarisch-Beispiel, wo es um lange Textpassagen geht, segmentiert, im (kurzen) französischen Beispiel - um die vollständige Situation zu veranschaulichen - wird der gesamte gedolmetschte Teil chronologisch dargeboten. 118 Im Anschluss an die dargestellten Abschnitte erfolgt die Interpretation des kommunikativen Geschehens, soweit ihm hier themenspezifische Relevanz zukommt. Mündliche Originaläußerungen werden in schwarzer Standardschrift, die Übersetzungen zur besseren Einordnung in grauer Standardschrift wiedergegeben. Neben den Interpunktionszeichen der Standardorthographie werden auch andere Zeichen, mit denen gesprochene Sprache gekennzeichnet wird, verwendet. Die ausgangssprachlichen Äußerungen werden - unabhängig von der Dolmetschung und vor dieser - als Arbeitsinstrument in Übersetzung geboten. Sprachliche Unebenheiten, grammatikalische und syntaktisch defekte oder dialektale Verwendung der Sprache als solche sind nicht Gegenstand der Untersuchung dieser Arbeit; sohin werden diese Erscheinungen in der Analyse - soweit es sich dabei nicht um translatorisch bzw. emanzipatorisch relevante Wissensrelationen handelt - nicht berücksichtigt. 118 Das Beispiel im Sprachenpaar Bosnisch-Kroatisch-Serbisch - Deutsch wird in zusammengefasster Form dargeboten, weil hier keine Aufnahme bzw. Transkription vorliegt, sondern lediglich eine Mitschrift der Übung. <?page no="118"?> 116 (1s) bzw. ••• Pausen: Sind Pausen länger als eine Sekunde, so wird die Länge in Klammern notiert. Kürzere Pausen, also kurze Stockungen im Redefluss, werden je nach Länge mit einem bis drei Punkten notiert. / Abbruch: Syntaktisch unabgeschlossene Äußerungen werden mit einem Schrägstrich gekennzeichnet. / / Unterbrechung: Wenn die Sprecherin oder der Sprecher während des Sprechens unterbrochen wird, wird dies durch zwei Schrägstriche nach dem letzten Buchstaben des unterbrochenen Wortes angezeigt. (xxx) Unverständliche Äußerung: Akustisch nicht verständliche Äußerungen werden mit drei x-Buchstaben in Klammern notiert. (Hinweis) Hinweise: Paraverbale Phänomene oder Situationskontexte werden in Klammern und kursiv angegeben. = = Gleichzeitige Äußerung: Überschneiden sich die Äußerungen oder werden sie gleichzeitig getätigt, so wird dies durch diese Zeichen angezeigt. ? fragende Intonation ! Ausrufintonation Bleibt die Intonation gleich, wird dies nicht angezeigt; fragende und ausrufende Intonationen werden gekennzeichnet. 4.4.2 Soziale Macht und ihre Anwendungsmechanismen 4.4.2.1 Dolmetschung eines Ärztin-Patientin-Gesprächs: Situative Einbettung In der folgenden Kommunikationssituation, die einer wahren Begebenheit im Wiener Allgemeinen Krankenhaus nachempfunden ist, geht es um eine schwere Erkrankung einer jungen Frau und das diesbezügliche gedolmetschte Gespräch zwischen der Patientin, zwei Fachärztinnen sowie der Mutter und der Schwester der Patientin. Als mitwirkende Personen waren zwei fremde bzw. ‚authentische’ Rollenträgerinnen anwesend: zwei Medizinstudentinnen, die die beiden Fachärztinnen (eine Nephrologin und eine Transplantationschirurgin) spielten; die übrigen Rollen übernahmen die an <?page no="119"?> 117 der Übung teilnehmenden Studierenden abwechselnd: neben der ‚Hauptrolle’ als Dolmetscherin, die alle an der Übung Beteiligten zumindest einmal übernahmen, waren dies die Rolle der Mutter und der Schwester der Patientin. Das Interaktionsziel bzw. die problematische Aufgabe dabei ist das Übermitteln von extremen Nachrichten und der Umgang mit Emotionen: Eine ungarischsprachige Frau Anfang 20, die stationär aufgenommen und seit einiger Zeit untersucht wird, ist schwerkrank: Sie leidet an nutritivem, medikamentös verursachtem Nierenversagen mit fraglich ererbter Disposition. Ergebnisse der Untersuchungen sollen der Frau übermittelt werden. Nach Mitteilung dieser Diagnose möchte die Nephrologin, die in Begleitung einer Transplantationschirurgin an die Patientin herantritt, zur weiteren Vorgehensweise überleiten. Die Nephrologin möchte die Einwilligung zur Dialyse erwirken, die Transplantationschirurgin würde sobald wie nur möglich transplantieren. Es geht also sowohl um eine Dialysetherapie als auch um die Möglichkeiten einer Nierentransplantation, Nahrungsumstellung, Hygienevorkehrungen, Veränderungen im Lebenswandel der jungen Frau und ihrer Familie. 4.4.2.2 Szenario 119 Die Patientin, eine ungarische Studentin, die seit einem halben Jahr in Österreich lebt und sich noch immer fremd fühlt, eingeschüchtert durch Mutter und Schwester, wirkt während der gesamten Kommunikationssituation apathisch; durch ihre Unselbstständigkeit kommt sie nicht gegen Mutter und Schwester an, versucht jedoch immer wieder, unauffällig (nonverbal) Hilfe von der Dolmetscherin zu erbitten. Die überbesorgte Mutter spricht viel und laut; ‚liebt’ ihre Tochter über alles; möchte sie am liebsten wieder zu Hause in ihrer Obhut haben. Sie fühlt sich etwas gestört durch die Anwesenheit der Dolmetscherin, weil ‚Familiengeheimnisse’ thematisiert werden. Die Schwester der Patientin fühlt sich noch mehr und noch deutlicher als die Mutter durch die Dolmetscherin gestört. Sie reagiert fast feindselig. Sie versteht Deutsch und mischt sich häufig in die Dolmetschung für die Schwester ein. Darüber hinaus ist sie ungeduldig und misstraut auch den Ärztinnen. Erschwerend an der Kommunikation ist, dass die Ärztinnen und die Dolmetscherin an der Kontaktaufnahme mit der durch den Schock völlig 119 Ich danke den Studentinnen der Medizinischen Universität Wien, Sophina Trubel und Patrizia Melchert, für ihre Zeit und Mitwirkung an der Übung „Ärztin- Patientin-Gespräch“; den Studierenden der Lehrveranstaltung „Interdisziplinäre Dolmetschübung“ in den Studienjahren 2005/ 2006 und 2006/ 2007 für die engagierte Teilnahme. Für die Durchsicht und Korrektur der Transkription der ungarischen Texte danke ich herzlichst Erna-Maria Trubel. <?page no="120"?> 118 fassungslosen, auch generell unter dem Druck von Mutter und Schwester verschüchterten jungen Frau durch Eingriffe und Kommentare von Mutter und Schwester gehindert werden. Die beiden Ärztinnen sind dennoch zunächst bereit, lange und einfühlsam mit der Patientin zu sprechen, sie zu beruhigen und zu beraten, empfinden jedoch die Anwesenheit und die Eingriffe der Angehörigen als störend und werden mit der Zeit ungeduldiger, sie versuchen über die Dolmetscherin an die Patientin ‚heranzukommen’. Darüber hinaus vertreten sie unterschiedliche Standpunkte hinsichtlich der Therapie der jungen Frau, die ohnehin schon im Kreuzfeuer der sich aufgeregt einmischenden Mutter und ihrer misstrauischen Schwester steht. 4.4.2.3 Szene 1: Emotionale Dominanz und Vereinnahmungsmechanismen Bevor die eigentliche Kontaktaufnahme stattfindet bzw. die Ärztin mit ihren Ausführungen beginnt, unterhalten sich Mutter und Schwester in ungarischer Sprache und überlegen laut, ob die vorzuschlagende Therapie wohl die Dialyse sein wird. Die Dolmetscherin hört bei diesem Gespräch mit und gibt dazu eine kurze beruhigende Erklärung ab: („Várjon, mindjárt elmagyarázom“ / „Warten Sie, ich erkläre gleich alles“). Bemerkenswert erscheint zunächst, dass die Dolmetscherin nicht mitteilt, dass sie gleich alles dolmetschen, sondern alles erklären wird. Bereits in diesem kurzen Statement werden das Sprachregister und der Grad der Professionalität in der vermittelten Kommunikation, insbesondere für die Patientin und ihre Angehörigen, festgelegt. Im Folgenden betrachten wir die Ausführungen der Ärztin und das Agieren der Dolmetscherin: ‚Erklärt’ oder dolmetscht sie? Ärztin: Also Sie brauchen jetzt eine Dialyse ••• das ist im Prinzip ein Zugang zu Ihr/ in Ihr Blut/ / ••• das also die Aufgabe der Niere ist/ / Mutter der Patientin: Vagy mit csinálnak? [Oder sie machen was? ] Ärztin: (setzt fort) Ihr Blut von Schadstoffen zu reinigen, ja? Ihre Niere kann das jetzt nicht mehr machen und somit müssen die Schadstoffe/ die würden sich jetzt ansammeln in Ihrem Körper und würden Sie langsam • aber doch sehr, sehr krank machen und dann, wenn wir nichts tun, würden Sie daran sterben, das ist • eine/ ein harter Schlag, aber deswegen ist es jetzt wichtig, dass wir sofort etwas tun/ / <?page no="121"?> 119 Schwester der Patientin: Te jó ég! Szerintem meg fog halni! [Du lieber Himmel! Sie wird sterben! ] Mutter der Patientin: Meg fog halni? [Sie wird sterben? ] Ärztin: und Ihr/ und Entschuldigung, ja, und Ihre Niere •• ja/ und jetzt haben wir die Möglichkeit/ , wir haben ein Gerät • das als quasi • außen stehende Niere Mutter der Patientin: = = na akkor menjünk Magyarországra, mert ha itt meghallom, hogy (xxx) = = [= = na dann gehen wir nach Ungarn, weil ich, wenn ich hier höre, dass (xxx)] Ärztin: = = diese Funktion übernimmt und Ihr Blut kommt raus aus Ihrem Körper, also ich mein ein Teil natürlich nur • und wird gewaschen • und kommt als/ kommt wieder hinein, frisch, ja? Und das heißt, •• als ob/ wir übernehmen/ die Medizin übernimmt quasi Ihre Nierenfunktion (blickt die Dolmetscherin an) wenn Sie das mal rüberbringen könnten irgendwie/ Dolmetscherin: Ja, úgyhogy nagyon súlyos az állapota/ [Das heißt, Ihr Zustand ist sehr ernst/ ] Mutter der Patientin: Na mondtam, Magyarországra kell menni. [Na ich sagte doch, dass wir nach Ungarn gehen müssen.] Dolmetscherin: Nem kell • várjon csak •• nagyon súlyos az állapota és mivel rögtön • elhatározottan • kell m ködni, úgy döntöttük, hogy, tehát/ hogy több terápia lehet ség van, de mostantól/ most az els , amit fogunk csinálni, és amit kell is, hogy csináljunk/ / [Nein müssen Sie nicht, warten Sie kurz, Ihr Zustand ist sehr ernst und da man sofort entschlossen handeln muss, haben wir die Entscheidung getroffen, dass/ das heißt, dass es mehrere Therapiemöglichkeiten gibt, aber von jetzt an/ das erste ist jetzt, was wir machen werden und was wir auch machen müssen/ / ] Die Dolmetscherin beginnt nicht mit der Wiedergabe der Textsequenz, mit welcher die Ärztin begonnen hat „Also Sie brauchen jetzt eine Dialyse …“, sondern sie reagiert vielmehr auf die Unterhaltung und die Befürchtungen der Mutter und Schwester, die vom Sterben und der Rückkehr nach Ungarn sprechen, indem sie diese Befürchtungen zum Anlass nimmt, auszuführen, dass der Zustand der Patientin zwar „sehr ernst“ ist; sie wird sofort <?page no="122"?> 120 von den Familienangehörigen der Patientin unterbrochen. Bezug nehmend auf den Einwurf der Angehörigen, sie müssten sofort nach Ungarn fahren, nimmt die Dolmetscherin selbst Stellung, wendet sich aber dabei an die Patientin: „Nein, müssen Sie nicht (...)“ Mutter der Patientin: (xxx) hogy elmegyünk Magyarországra. [(xxx) dass wir nach Ungarn fahren.] Patientin: Anyu, várj egy picit, figyelj! [Mama, warte ein bisschen, pass auf.] Dolmetscherin: Nyugodjon meg, nem is olyan vészes a helyzet, hanem úgy fog (xxx) [Beruhigen Sie sich, die Lage ist nicht so schlimm, sondern es wird so (xxx)] Mutter der Patientin: De azt mondta, hogy a kislányom meg fog halni! [Aber sie hat gesagt, dass meine Tochter sterben wird! ] Dolmetscherin: Nem, nem fog meghalni [Nein, sie wird nicht sterben] Schwester der Patientin: Hát úgy értettem (2s) nem tudok olyan jól németül [Ich habe es so verstanden (2s) ich kann nicht so gut Deutsch] Das Eingehen der Dolmetscherin auf die Ausführungen der Mutter und Schwester, der familiäre Ton, in dem sie sich an die Familienangehörigen wendet, entspricht nicht den Formalitäten, die für eine professionell gedolmetschte Situation charakteristisch sind. Genauso wie das familiäre Sprachregister wird dieser ungewöhnlich vertrauliche Ton bis zum Ende des Gesprächs unverändert bleiben. Im folgenden Abschnitt beginnt die Dolmetscherin mit der tatsächlichen Wiedergabe der Originaläußerung durch die Ärztin: Dolmetscherin: Dialízist fognak bevezetni, az orvosok úgy vélik, hogy a dialízis a legjobb lehet ség itt/ [Eine Dialyse wird eingeleitet werden, die Ärzte sind der Meinung, dass die Dialyse/ ] Mutter der Patientin: Tudsz te jól, tudsz te jól! [Du kannst es gut, du kannst es gut! ] Dolmetscherin: A legjobb lehet ség itt •• az azt jelenti, hogy a vér/ a vérben nagyon sok káros anyag van és a vesének az a feladata, hogy azt a káros anyagot sz rje ki, mivel hm az Ön veséje most nem m ködik úgy, ahogy kellene, vagyis legalábbis nem is <?page no="123"?> 121 m ködik egyáltalán, valami más lehet séget kell, hogy találjunk, hogy az a/ azok a káros anyagok sz r djenek ki, s most következik a dialízis, ami/ az olyan, mint egy m vese, de nem egy vese, hanem egy/ egy eszköz, ami kimossa a vért, az azt jelenti, hogy/ hogy a/ egy t fog belekerülni a szervezetbe és a t n keresztül fog a vér átfolyni és az a/ az az eszköz, hm, most ki fogja mosni a vért (1s) és ez által jobban tud m ködni a szervezet és hm nem is betegedik meg a hm a lánya, mivel ha nem történik most semmi, akkor ezek a káros anyagok csak felhalmozódnak és ez a halálig tud vezetni, de mivel ez a lehet ség létezik, és reméljük, hogy élni is tudunk vele/ / [Die beste Möglichkeit ist •• das bedeutet, dass das Blut/ im Blut gibt es viele Schadstoffe und die Aufgabe der Niere ist, dass sie diese Schadstoffe filtert, da hm Ihre Niere jetzt nicht so funktioniert, wie sie sollte, beziehungsweise zumindest gar nicht funktioniert, müssen wir eine neue Möglichkeit finden, damit die/ diese Schadstoffe gefiltert werden, und jetzt folgt die Dialyse, die/ das ist so, wie eine Kunstniere, aber nicht eine Niere, sondern ein/ ein Gerät, das das Blut wäscht, das bedeutet, dass/ dass ein/ eine Nadel hineinkommen wird in den Organismus und durch diese Nadel hindurch wird das Blut fließen und dieses/ das/ das Gerät, hm, wäscht jetzt das Blut (1s) und dadurch kann der Organismus besser funktionieren und Ihre/ Ihre Tochter wird auch nicht krank werden, da, wenn jetzt nichts passiert, dann summieren sich diese Schadstoffe nur und das kann bis zum Tod führen, aber da es diese Möglichkeit gibt, und wir hoffen, dass wir diese auch nutzen können/ / ] Mutter und Schwester der Patientin unterhalten sich aufgeregt weiter, beide sind um die Patientin besorgt, glauben, dass sie sterben wird und sehen als einzige Möglichkeit eine unverzügliche Rückkehr nach Ungarn. Die Dolmetscherin versucht zu beruhigen, geht auf die Schwester und die Mutter ein, indem sie sich ihnen ganz zuwendet und mit ihnen spricht. Dolmetscherin: Semmi sem fog történni, jó? (1s) Az fog történni, hogy ezt a dialízist/ / [Es wird nichts passieren, ja? (1s) Was passieren wird, ist, dass diese Dialyse/ / ] Mutter der Patientin: Meg fog halni! [Sie wird sterben! ] Dolmetscherin: Nem fog meghalni, mert éppen ez/ / [Sie wird nicht sterben, da gerade das] Mutter der Most mondta a doktorn , hogy meg fog halni! <?page no="124"?> 122 Patientin: [Die Frau Doktor hat gerade gesagt, dass sie sterben wird! ] Dolmetscherin: Nem mondta azt, azt mondta, hogy meg fog halni, ha nem történik semmi, de létezik az a lehet ség/ / [Nein, das hat sie nicht gesagt, sie sagte, dass sie sterben wird, wenn nichts passiert, aber es gibt die Möglichkeit/ / ] Nachdem diese Vorgangsweise mit beschwichtigenden Worten nicht hilft, versucht die Dolmetscherin eine neue Taktik: Überraschend steht sie auf und geht zu Mutter und Schwester, kniet sich vor die beiden und versucht, mit beruhigenden Worten und leiser Stimme die beiden inzwischen sehr aufgeregten Frauen zu beruhigen: Dolmetscherin: (xxx) elnézést, nyugodjanak meg, így nem fogunk semmire sem jutni, jó? (1s) Próbálkozzunk egymásra hallgatni, jó, és hogy hogy hogy Önöknek hm tudjam magyarázni, hogy mit mondtak az orvosok és hogy tudjam is az orvosoknak magyarázni, hogy Önök mit l félnek, mert ha mindenki egyszerre beszél, nem értem, hogy hogy ki kinek milyen panaszai vannak és ki hogyan/ / [(xxx) verzeihen Sie, beruhigen Sie sich, so werden wir nichts erreichen, ja? Versuchen wir, gegenseitig aufeinander zu hören, ja, und damit damit damit ich Ihnen hm erklären kann, was die Ärzte gesagt haben und/ damit ich auch den Ärzten erklären kann, wovor Sie Angst haben, denn, wenn jede auf einmal spricht, verstehe ich nicht, was was/ wer welche Beschwerden hat und wer wie/ / ] Durch diese unerwartete Wendung schienen die beiden Familienangehörigen in ihren Vermutungen, dass die kranke Tochter bzw. Schwester sterben wird, 120 eher bestätigt als beruhigt, ihre Unterhaltung wird immer heftiger und chaotischer, bald konnte man dem aufgeregten Gespräch nicht mehr folgen. Diese Strategie der Dolmetscherin schien keine Beruhigung zu bringen, im Gegenteil, die beiden aufgebrachten Familienangehörigen setzen ihre aufgeregte Diskussion fort; als die Situation zu eskalieren scheint, mischt sich die Ärztin ein, indem sie nachfragt, was los sei. Mutter und Schwester der Patientin hören in ihrer Aufregung die Frage der Ärztin gar nicht, sie unterhalten sich laut weiter. Die Dolmetscherin blickt flehend zu den beiden aufgeregten Frauen, wartet, dass sie ruhig werden und antwortet der Ärztin erst nach etwa fünf Sekunden: „Es gibt hier einige familiäre Konflikte ...“ Die Ärztin schlägt eine Pause vor, damit sich die angespannte Lage bzw. alle Beteiligten beruhigen können. 120 Zum Thema Tabu und Euphemismus in der Arzt-Patient-Kommunikation im interkulturellen Vergleich zwischen Österreich und Ungarn vgl. Trubel (2004). <?page no="125"?> 123 Das familiäre Sprachregister und das informelle Verhalten der Dolmetscherin - zwei bezeichnende Merkmale des vorliegenden Beispiels - ergeben sich aus der Ohnmacht der Dolmetscherin, ihren Teil der Kommunikation zu leiten. Für gewöhnlich nimmt die Dolmetscherin - ähnlich wie die Ärztin, die das Gespräch initiativ führt, die Fragen stellt und Erklärungen abgibt und somit die Kommunikation leitet - durch ihre Expertise in einem solchen Gespräch eine deutlich höhere Machtposition ein als etwa eine Patientin oder Familienangehörige. In diesem Fall jedoch sind es die Mutter und die Schwester der Patientin, die dem Gespräch eine Wende geben und die Kommunikation in eine neue Richtung lenken. Anstatt zuzuhören, suchen die beiden Frauen nach einer Lösung des Problems, die im ‚nach Ungarn Zurückkehren“ besteht. Da die Dolmetscherin weniger auf die Weiterführung der Dolmetschung achtet, sondern vielmehr versucht - indem sie auf die Einwände der Familienangehörigen eingeht - ihr Verständnis für die Argumentation auszudrücken, akzeptiert sie auch die Verringerung des Machtunterschieds zwischen sich und den Familienangehörigen der Patientin. Dieses Beispiel zeigt, dass es in einer - insbesondere unmittelbaren, dialogischen - Kommunikationssituation bei der sozialen Machtausübung nicht immer um sprachliche, fachliche oder hierarchische Überlegenheit gehen muss, sondern dass es sich dabei - wie bereits in den Ausführungen zu Konstellationen der sozialen Macht dargelegt - um eine psychologische Universalie handelt, die potentiell jede/ r ausüben kann. Dem vorliegenden Ausschnitt kann entnommen werden, dass sich die Mutter und Schwester der Patientin im Laufe des Gesprächs sukzessive und stetig mehr Macht verschaffen. Die Tatsache, dass die anwesende (und wie dem Text zu entnehmen ist, sehr passive) Patientin lebensbedrohlich krank ist, wirkt sich in der kommunikativen Machtkonstellation zu ‚Gunsten’ der Schwester und der Mutter aus. Durch die Macht der Identifikation gelingt es den beiden Familienangehörigen, bei der Dolmetscherin ein Gefühl der Verbundenheit hervorzurufen und ihre Einstellungen und folglich auch ihre Handlungen zu beeinflussen. Damit gleitet die Dolmetscherin im Laufe der Kommunikation langsam aber stetig in eine untergeordnete Rolle. Die erste szenische Darstellung einer kommunikativen Situation dient in der Regel dazu, das Problem zu präsentieren, allenfalls einen ersten Versuch zu unternehmen, eine Lösungsmöglichkeit zu finden. In der darauf folgenden Phase geht es darum, die dargestellte Szene zu reflektieren, anschließend wird - statt bloß Vorschläge zu erstatten, wie die Kommunikationssituation hätte verlaufen können oder wie sie verlaufen sollte - die Szene, gemäß dem Boalschen Ansatz, wonach das Handeln wichtiger ist als das Reden, wiederholt und eine andere Dolmetscherin wird in das Spiel eingebunden, indem sie ihre eigenen Lösungsvorschläge spielt; die übrigen Interaktionsbeteiligten müssen auf die neu geschaffene Situation eingehen. <?page no="126"?> 124 Das Forumtheater hat sich zur Aufgabe gemacht, für die, die in der gespielten Szene unterlegen sind - in der translatorischen Arbeit interessiert immer nur die Rolle bzw. die Unterdrückung der Dolmetscherin oder des Dolmetschers - Verhaltensweisen in einer Szene zu erproben, die die Dolmetscherin aus ihrer Ohnmacht befreien können. Boal (1989: 152) betont, dass auch auf den ersten Blick unsinnige Vorschläge oder Möglichkeiten durch szenische Darstellung als tatsächlich unsinnig erwiesen werden sollen, denn kein Vorschlag dürfe vorab abgelehnt werden. Das Selbstwertgefühl der Einzelnen soll gestärkt und nicht verletzt werden, ansonsten könnte es passieren, dass das Gegenteil dessen, was didaktisch geplant war, eintritt. Den genauen Kommunikationsverlauf und insbesondere den Ausgang der Situation entwickeln die Darstellerinnen und Darsteller durch ihre Interaktion miteinander und ihre individuellen Kommunikationsstrategien. Alle weiteren situationsspezifischen Reaktionsmöglichkeiten, Aspekte der Gesprächsführung, Besonderheiten der Beziehung zu und der Kontaktaufnahme mit den Gesprächsteilnehmenden bleiben der ‚Interpretation’ der Darstellenden überlassen. Trotzdem und insbesondere deswegen sollten die Darstellerinnen und Darsteller versuchen, die wenigen vorgegebenen Kriterien für die Handlungen selbst sowie die Kriterien der Evaluierung zu beachten. Als lehrende Person führt man dabei ‚Regie’ und versucht, einen Rahmen zu schaffen, der einen kreativen Spielraum ermöglicht. Boal verdeutlicht seine Rolle als Regisseur am Beispiel des Schachspiels, indem er lediglich Schachzüge erklärt, spielen müsse die oder der Schauspielende selbst: Ich erkläre ihm das Spiel, spielen muß er selbst. Zunächst wird er schlecht spielen und oft verlieren. Aber er wird viel dabei lernen und immer besser werden. Wenn ich ihm [...] nur die Spielregeln erkläre, ihn aber nicht spielen lasse, wird er niemals Schach spielen lernen. (Boal, 1989: 161) 4.4.2.4 Szene 2: Übermittlung einer extremen Nachricht und Emanzipationsversuche Die folgende gedolmetschte Situation ist der nächste Versuch, die gleiche Situation mit einer anderen Dolmetscherin und neuen Möglichkeiten, sich aus der ‚Unterdrückungssituation’ zu lösen, nachzustellen. Diese Interaktion dauert insgesamt 28 Minuten. Die Diskussion der Interaktion wird auf zwei sich durch die gesamte Kommunikation durchziehende Aspekte fokussiert: Zum einen werden die ‚Emanzipationsversuche’ der Dolmetscherin und ihr Erfolg oder Misserfolg untersucht, zum anderen eine von der Dolmetscherin zu Beginn der Kommunikationssituation gewählte Stra- <?page no="127"?> 125 tegie und der Erfolg oder Misserfolg dieser Strategie. Auch hier werden nur ausgewählte Beispiele präsentiert. In dieser szenischen Darstellung versucht die Dolmetscherin gleich zu Beginn der Interaktion die Rollenverteilung klar darzustellen; sie stellt in deutscher Sprache zunächst die Familienangehörigen und dann sich selbst der Ärztin vor, anschließend stellt sie sich selbst in ungarischer Sprache der Patientin und ihren Familienangehörigen vor. Nach der Vorstellung blickt sie zur Ärztin, von der nun die Gesprächsinitiative ausgehen soll. Die Schwester der Patientin reagiert auf die Vorstellung der Dolmetscherin mit der Bemerkung, dass die Dolmetschung nicht notwendig sein wird: Dolmetscherin: (zur Familie) Mein Name ist Rózsi Pongratz/ Én Rózsi Pongratz vagyok • én leszek itt a tolmács. [Mein Name ist Rózsi Pongratz • ich werde hier Ihre Dolmetscherin sein.] Schwester der Patientin: Nem hiszem, hogy lesz arra szükség. [Ich glaube nicht, dass das notwendig sein wird.] Mit der Vorstellung und der Erklärung der Rollen und Kompetenzen sowie der anschließenden Verhaltensstrategie, nämlich ihren Notizenblock und einen Stift in der Hand zu halten und die Ärztin in Erwartung ihres Statements anzusehen, dabei die Familienangehörigen bzw. den Einwurf der Schwester zu ‚überhören’, wendet die Dolmetscherin intuitiv ein ‚Machtmittel’ an, nämlich die Macht der Expertise. Die Schwester der Patientin versucht sogleich die Macht (und sohin die Autorität) der Dolmetscherin zu untergraben, indem sie auf die sehr höfliche und transparente Vorstellung der sozialen Rollen durch die Dolmetscherin mit ihrer abfälligen Bemerkung reagiert. In der szenischen Darstellung wird die Ebene des reflektierten Diskurses zeitweilig verlassen. Die Beteiligten spielen eine Szene, die sie aufgrund ihres (Fach-)Wissens und ihrer Erfahrungen in bestimmten Bereichen entwickelt haben. Die Darstellerinnen und Darsteller probieren die verschiedenen, in der Szene enthaltenen Rollen mit unterschiedlichen Haltungen. Sie sind weder bewusst machtorientiert noch sind sie auf die Möglichkeit des Einsatzes von Machtmitteln konzentriert. Vielmehr handeln sie intuitiv und einfach in der Weise, dass es ihnen zum Vorteil gereicht. Das Experimentieren zielt auf die Erkenntnis der sozialen Wirklichkeit unter Einbeziehung subjektiver Bewusstseinsphänomene und ihrer Veränderung ab. Wenn der Lehr-Lernprozess als handlungs- und subjektorientierter Sozialforschungsprozess verstanden und geleitet wird, ermöglicht er den Studierenden einen veränderten und produktiven Umgang mit ihrem Alltagshandeln und vergrößert den Erkenntnisgewinn insofern, als über das <?page no="128"?> 126 darstellende Auffassen hinaus auch subtile, indirekte Machtausübungen wahrgenommen und Situationen umdefiniert werden können. Im folgenden Abschnitt wird nachgezeichnet, wie die Dolmetscherin mit Sachinformationen und ihrer Einbettung in ein emotionales Netz umgeht. Das Gespräch wird nun von der Ärztin eingeleitet und die Wiedergabe durch die Dolmetscherin vorgenommen: Ärztin : Also • Sie sind zu uns gekommen • weil Sie Medikamente geschluckt haben • und weil Sie • dadurch Ihre Beschwerden bekommen haben und haben sich untersuchen lassen • und wir haben jetzt die verschiedenen Ergebnisse bekommen • und wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Nierenfunktion ziemlich kaputt ist • und das heißt, Ihre Niere kann nicht mehr gescheit arbeiten • und • ja • (blickt zur Dolmetscherin) wenn Sie das mal vielleicht (xxx) • Dolmetscherin: Igen • tehát •• ide kellett jönnie mert gyógyszert vett be azel tt, és • ezután •• az volt a probléma, hogy fájdalmai voltak, és most hm meg vannak a doktorn nek a/ • a/ • hm tehát megnézett mindent a doktorn és megvannak az eredmények • és hm sajnos azt kell mondani, hogy a veséjével nagy problémája van hm vese/ veseelégtelenségben szenved. [Ja • also• Sie mussten hierher kommen, weil Sie vorher Medikamente genommen hatten und • dann •• gab es das Problem, dass Sie Schmerzen hatten und jetzt hat die Frau Doktor die/ • die/ • hm also •• die Frau Doktor hat alles gründlich untersucht und sie hat die Ergebnisse • und hm leider ist zu sagen, dass Sie ein großes Problem mit Ihrer Niere haben •• Sie leiden an Niere/ Nierenver/ versagen.] Die Dolmetscherin wählt in der Wiedergabe die Strategie der Direktheit in der Übermittlung der schlechten Nachricht bei gleichzeitiger Beibehaltung der persönlichen Distanz: Sie überlegt kurz, wie sie die unangenehme Nachricht der Ärztin „wir haben jetzt die Ergebnisse bekommen • und wir müssen Ihnen leider mitteilen“ überbringen soll und entscheidet sich, diese Verantwortung auf die Ärztin zu übertragen, in dem sie diese Sequenz in der dritten Person wiedergibt: „Frau Doktor • hm •• also •• die Frau Doktor hat alles gründlich untersucht • und sie hat die Ergebnisse“. Dabei wandelt sie jedoch die gewählt vorsichtig ausgedrückte Diagnose der Ärztin: „und wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Nierenfunktion ziemlich kaputt ist, und das heißt, Ihre Niere kann nicht mehr gescheit arbeiten“ in ein „und leider ist zu sagen •• dass Sie ein großes Problem mit Ihrer Niere haben •• Sie leiden an Nierenversagen“ ab. Die institutionelle Kommunikation sieht für die Lösung der Konflikte und die Klärung der Sachverhalte in erster Linie die Sachebene und eine <?page no="129"?> 127 fachbezogene Rationalität vor. Dabei sind dennoch die Gesamtsituation und die psychische Lage der ‚Klientinnen’ und ‚Klienten’ zu berücksichtigen. Die Ärztin wendet sich im vorliegenden Textausschnitt in einem sachlichen Ton an die Patientin, dennoch ist sie bei der Mitteilung der Diagnose etwas zögerlich und versucht, das Nierenversagen euphemistisch mit „ziemlich kaputt“ und „kann nicht mehr gescheit arbeiten“ zu umschreiben. Kaum dass sie diese Diagnose und somit eine Art ‚Urteil’ ausgesprochen hat, wendet sie sich Unterstützung suchend an die Dolmetscherin: „Wenn Sie das mal vielleicht ...“ Wir haben an anderer Stelle festgestellt, dass die Kommunikation immer die Einbindung des ganzen Menschen mit seinen Emotionen und sozialen und kommunikativen Bedürfnissen bedeutet. Die Einbindung des Rationalen in ein emotionales Netz bildet eine ganzheitliche Kommunikationssituation. In der szenischen Darstellung wird grundsätzlich der Weg von Emotion und Identifikation über Reflexion zur (translatorischen) Tat beschritten. In dieser Kommunikationssequenz wechseln die rationale und emotionale Ebene, die Einbeziehung des emotionalen Aspekts ist von vordergründiger Bedeutung. In der vermittelten Kommunikation sind die Primärkommunizierenden auf die Dolmetscherin oder den Dolmetscher angewiesen. Durch die Sprachbarriere und die Vermittlung der Kommunikation wird ihnen die Möglichkeit genommen, die Steuerung der Verständigung beizubehalten. Die Entscheidung der Dolmetscherin, statt „ziemlich kaputt“ und „[die Niere] kann nicht mehr gescheit arbeiten“ von „Nierenversagen“ zu sprechen, bleibt nicht ohne Folgen: Mutter der Patientin: No de álljunk meg egy pillanatra • egyik napról a másikra jelentkeznek nála a •• tünetek? [Na, warten wir doch einen Moment • von einem Tag auf den anderen zeigen sich bei ihr die •• Symptome? ] Dolmetscherin: Igen. [Ja.] Mutter der Patientin: Hogyan/ milyen/ egyáltalán milyen vizsgálatot végeztek, hogy megállapítsák, hogy veseelégtelenségben szenved? [Wie/ Was/ Was wurde denn überhaupt für eine Untersuchung gemacht, um festzustellen, dass sie an Nierenversagen leidet? ] Dolmetscherin: (wendet sich an Die Mutter möchte gern fragen • also • von einem Tag auf den anderen kamen die Beschwerden • wie ist es möglich, <?page no="130"?> 128 die Ärztinnen) dass Sie durch Ihre Studien • hm • Ihre Untersuchungen zu diesem Ergebnis gekommen sind? Die Mutter ist von dieser Nachricht geschockt, fragt (sich) wie das „von einem Tag auf den anderen“ passieren konnte und möchte wissen, welche Untersuchungen durchgeführt wurden bzw. ob die Diagnose „Nierenversagen“ sicher ist. Ihre diesbezügliche Frage, welche Untersuchungen gemacht wurden, um „Nierenversagen“ feststellen zu können, gibt die Dolmetscherin an die Ärztin nach einer kurzen Überlegung als Frage nach den Untersuchungen, die „zu diesem Ergebnis“ geführt haben, wieder. Dass die Dolmetscherin gegenüber den Angehörigen das Wort „Nierenversagen“ verwendete, hält sie gegenüber den Ärztinnen verborgen. Emotionen sind ein fixer Bestandteil einer jeden dialogischen Dolmetschsituation. 121 In einer Ärztin-Patientin-Kommunikation können Sachverhalte auf mehreren Ebenen bestehen und mit großen emotionalen Anteilen der beteiligten PatientInnen und ihren Angehörigen durchzogen sein. Dadurch kann es zu einer Spaltung des Sachverhalts, der in seine sachlichen und emotionalen Teile getrennt wird, in der Weise kommen, dass jedenfalls der emotionale Anteil bei den nicht fachlichen Beteiligten verbleibt. Allerdings versuchen diese, den emotionalen Anteil an die anwesenden Fachpersonen zu übertragen. Als quasi ‚Abfallprodukt’ des emotionalen Anteils wird nicht selten Misstrauen erzeugt. Emotionen gelten als Vorformen der Erkenntnis und sind handlungsregulierende Steuerungsmomente, die sich in einer Handlung entladen bzw. eine Veränderung herbeiführen können. Die Dolmetscherin - die aus der Vorbereitung auf den Auftrag die Information hatte, dass es sich bei der Diagnose um Nierenversagen handelt - hat bereits in der ersten Wiedergabe die tatsächliche Diagnose genannt, die von der Ärztin nicht so formuliert wurde; die Diagnose wird nun von der Mutter der Patientin wiederholt. Die Dolmetscherin versucht hier zu steuern bzw. die abweichende Dolmetschung vor der Ärztin zu verbergen, indem sie das Gespräch in der Weise koordiniert und die Reparaturversuche unternimmt, dass sie ‚personenorientiert’ dolmetscht. Nach einem weiteren Einwurf der Mutter, dass die Tochter zu wenig trinkt, unternimmt die Ärztin einen weiteren Versuch, den Ernst der Lage zu erklären: Ärztin : Gut, also, wir haben/ wir haben hm Sie untersucht und direkt nach/ hm nachdem Sie mit diesen Symptomen hergekommen ist und Sie haben ja eine Über/ hm eine gewisse Überdosis von diesen Sättigungsmitteln genommen •• und hm wir haben Untersuchungen gemacht, wir haben Ihnen eine/ ein Kon- 121 Vgl. dazu die Ausführungen im Kap. 3 sowie Hermsen (1990), Schischkoff (1991) und G. Schmidt (1998). <?page no="131"?> 129 trastmittel in die Venen gespritzt und wir haben Ihnen eine Nierenszintigraphie gemacht • das heißt wir haben die Funktion der Nieren überprüft • und die Funktion ist herabgesetzt durch diese Medikamente und das kann auch von einem Tag auf den anderen sein. Dolmetscherin: Tehát • különös •• hm teszteket csináltak az orvosok • hm el sször is • be tetszett jönni ezekkel a tünetekkel • mert túl sok gyógyszert vett be •• és •• hm el ször is • különös tesztek alapján meg tudták állapítani/ hm állapítani, hogy a veseelégtelensége arra vezethet vissza •• hogy sok gyógyszert tetszett bevenni. [Also • die Ärzte haben • besondere hm Tests durchgeführt • hm Sie sind anfangs • mit diesen Symptomen gekommen • weil Sie zu viele Medikamente eingenommen haben •• und zuerst einmal hat man durch spezielle Tests festgestellt/ festgestellt, dass Ihr Nierenversagen darauf zurückzuführen ist •• dass Sie zu viele Medikamente eingenommen haben.] Auch hier setzt die Dolmetscherin ihre Strategie der ‚Personen orientierten’ Dolmetschung fort; für die Patientin und ihre Angehörigen bleibt die von der Ärztin mitgeteilte „herabgesetzte Funktion“ weiterhin „Nierenversagen.“ Das Verhalten der Mutter ist unverändert: Sie will diese Diagnose nicht wahrhaben und unterbricht die Dolmetscherin mit einem neuerlichen Einwurf: „Aber, vielleicht hat sie nur Nierensteine, sie hat oft Brechreiz“. Die Dolmetscherin reagiert sofort, unterbricht ihre ursprüngliche Wiedergabe, um nun diese Äußerung an die Ärztin weiterzugeben: Mutter der Patientin: De lehet, hogy csak veseköve van • sokszor van hányingere? [Aber vielleicht hat sie nur Nierensteine • sie hat oft Brechreiz? ] Dolmetscherin: Hm •• Es kann sein/ die Mutter meint, dass es vielleicht/ vielleicht • Nierensteine sind. Ärztin: Naja • Wir haben ja / wir haben eine Szintigraphie gemacht, das heißt wir haben uns die Funktion angeschaut • indem wir ein Kontrastmittel durch die Niere durchgeführt haben •• und dieses Kontrastmittel •• würde zeigen, dass wenn Nierensteine da sind • würde es eine Abflussbehinderung zeigen • und das war nicht der Fall •• und das hat eindeutig gezeigt, dass die Niere nicht mehr arbeiten kann, nicht dass irgendwelche Steine da sind. Dolmetscherin: Tehát/ / [Also/ / ] <?page no="132"?> 130 Schwester der Patientin: Tehát • én azt értettem, hogy • azt hiszem a tolmács rosszul tolmácsol itt valamit, én azt gondolom, hogy tényleg csak vesek r l beszél. [Also • ich habe es so verstanden • ich glaube, die Dolmetscherin dolmetscht hier was falsch, ich glaube es handelt sich wirklich nur um Nierensteine.] Die Rolle der Dolmetscherin wird erneut in Frage gestellt: Die Schwester der Patientin versucht, die Expertise der Dolmetscherin - weil sich hier die Macht der Expertin widerspiegelt - zu untergraben, indem sie dieses Mal sogar behauptet, dass die Dolmetscherin falsch dolmetscht. Für einen kurzen Moment gelingt es ihr, die Dolmetscherin zu verunsichern: Dolmetscherin: Hm. Schwester der Patientin: Nem gondolom, hogy = = [ich glaube nicht, dass = =] Dolmetscherin: Engedje meg, hogy elmondjam •• tehát hm azt mondják az orvosok, hogy egy hm bizonyos folyadékot engedtek be a vesébe, hogy meg tudják hm állapítani, hogy mi a baja •• és hm ezzel meg tudták állapítani, hogy hm ott nincs vesek , mert azt látták volna • hanem •• azt találták, hogy hm ezzel a veseelégtelenséggel az a baj, hogy nem tud lefolyni normalisan a • folyadék • a vesén belül. [Erlauben Sie mir, dass ich es Ihnen dolmetsche •• also hm die Ärzte sagen, dass man eine hm bestimmte Art von Flüssigkeit in Ihre Niere gelassen hat, um festzustellen, was Ihr Leiden ist •• und damit konnte man feststellen, dass hm es dort keine Nierensteine gibt, weil man das gesehen hätte • sondern •• man fand heraus, dass hm das Problem mit diesem Nierenversagen ist, dass die • Flüssigkeit • innerhalb der Niere nicht normal abfließen kann.] Die Dolmetscherin nimmt die Herausforderung an, indem sie die rhetorische Bitte, dolmetschen zu dürfen, explizit verbalisiert und unmittelbar danach die Wiedergabe der Ausführungen der Ärztin vornimmt. Im Verlauf dieser Interaktion wendet die Dolmetscherin diese Strategie mehrmals an: Insgesamt 18 Mal bittet sie die Angehörigen der Patientin in unterschiedlichen Formen und Höflichkeitsgraden, ihr das Wort zu lassen und ihr die Wiedergabe des Gesagten zu ermöglichen. Die Ärztin versucht in weiterer Folge zu erklären, dass sie durch verschiedene Untersuchungen, wie Magnetresonanz und Computertomographie die Diagnose mit Sicherheit feststellen konnte bzw. dass sie „Nierensteine“ mit ziemlicher Sicherheit ausschließen könne; sie erklärt auf Nachfrage der Patientin, was ein Kontrastmittel ist und wozu es bei der <?page no="133"?> 131 Untersuchung dient. Auch bei dieser Wiedergabe wird die Dolmetscherin unterbrochen; in weiterer Folge wird auch die Ärztin, die versucht, ihre Ausführungen fortzusetzen, immer wieder unterbrochen, ebenso die Dolmetscherin. Für die Dolmetscherin wird es schwierig, eine der Haupterwartungen der Bedarfstragenden - die reibungslose Herstellung der Kommunikation - zu erfüllen. Angesichts des Umfangs der hier diskutierten Interaktion werden im Folgenden zur Illustration lediglich die bereits erwähnten Aspekte nachgezeichnet: die Wiedergabe der Diagnose und die Versuche der Dolmetscherin, die Aufmerksamkeit der Familienangehörigen zu gewinnen, um ihre Arbeit fortsetzen zu können: Mutter der Patientin: Én már olvastam róla az interneten, hogy diétával hm •• lassítható a vese romlásának a folyamata. [Ich habe einmal im Internet davon gelesen, dass mit einer Diät hm •• der Prozess des Nierenversagens verlangsamt werden kann.] Dolmetscherin: Hm die Mutter sagt, dass sie im Internet gelesen hat, dass sie wei/ dass hm • durch eine Diät •• die Funktion der Niere hm verbessert werden kann. Ärztin: (xxx) Vielleicht ist es nicht ganz klar •• diese Niere ist kaputt (1s) sie funktioniert nicht mehr ••• durch eine Diät ist das leider • nicht mehr •• zu bremsen • • diese Medikamente haben diese Niere zerstört (1s) und im Moment hat die Patientin keine Möglichkeit •• die Schadstoffe aus ihrem Körper los zu werden (1s) über das, was normalerweise über den Harn abgegeben werden kann •• also an eine Diät ist dabei auf gar keinen Fall zu denken. (...) Dolmetscherin: Hm •• hm ••• tehát •• a veséje •• nem m ködik •• egyszer en nem m ködik •• a gyógyszerek tönkre tették •• hm a/ a vese már nem képes •• hm •• ki engedni a salakanyagokat és a különböz • hm káros anyagokat •• és ezért diétával •• és/ •• és hm más lehet ségekkel és ilyen hm/ ilyen szer lehet ségekkel nem lehet megoldani a szituációt. [Hm •• hm ••• also •• Ihre Niere •• funktioniert nicht •• sie funktioniert einfach nicht •• die Medikamente haben sie kaputt gemacht •• hm die/ die Niere ist nicht mehr in der Lage •• hm • die Schlackenstoffe und die verschiedenen • hm Schadstoffe loszuwerden •• und daher ist mit einer Diät •• und/ •• und hm anderen Möglichkeiten und solchen hm/ solchen Möglichkeiten die Lage nicht zu lösen.] (...) <?page no="134"?> 132 Ärztin: (xxx) besprechen • es ist einfach ein Faktum, dass das so ist • und wir würden Ihr jetzt gerne die Behandlungsmöglichkeiten anbieten = = Schwester der Patientin: = = Magyarországon (xxx) = = [= = in Ungarn (xxx) = =] Ärztin: = = die es bei uns im Spital gibt, weil wenn Sie innerhalb kürzester Zeit nicht behandelt werden, das fatale Folgen haben und das will ja eigentlich die Mutter auch nicht • glaub ich • weil die Mutter sorgt sich eher •• sie sorgt sich sicher um ihre Tochter •• und dass es glaub ich das Beste wäre • ihr die bestmögliche Behandlung zu bieten anstatt darüber überlegen • welche Ursachen das Ganze hat. Dolmetscherin: Tehát • veseelégtelenségben szenved • most vegyük úgy ahogy van • ez egy tény és • hm • a következ lépést amit meg kell tennünk és ami nagyon fontos az, hogy a doktorn most el fogja mondani a lehet ségeket, hogy hogyan lehet (xxx) segíteni a helyzetén. [Also • Sie leiden an Nierenversagen nehmen wir das jetzt so wie es ist • das ist eine Tatsache • und • der nächste Schritt, den wir machen müssen und der sehr wichtig ist, ist dass • die Frau Doktor jetzt sagen wird, welche Möglichkeiten es gibt, wie man (xxx) in Ihrer Situation helfen kann.] Ärztin: Also ich würd jetzt nicht über Vorteile/ ich weiß nicht, ob wir gesagt haben/ • ja Dolmetscherin: Was möchten Sie/ was/ Ärztin: Nein • ob Sie/ ob sie gesagt haben, dass jetzt quasi keine Wahl •• wenn Sie (xxx) Dolmetscherin: Tehát ez most nem egy olyan kérdés, hogy el ny-e vagy hátrány-e, hanem ez most fontos •• életfontos • tehát a lánya meg fog halni, hogyha nem (xxx) [Also es geht jetzt hier nicht darum, ob es von Vorteil oder von Nachteil ist, sondern das ist jetzt wichtig •• lebenswichtig • das heißt, ihre Tochter wird sterben, wenn (xxx)] Verstehensprozesse stellen beim Dolmetschen einen besonderen Untersuchungsgegenstand dar: das Interesse gilt dabei insbesondere der Abgeschlossenheit der Redebeiträge im Zusammenhang mit dem Hören, Verstehen und der Assimilation des Ausgangstextes. Dabei herrscht Konsens darüber, dass das Dolmetschen keine bloße Deverbalisierung von Sprach- <?page no="135"?> 133 einheiten ist, sondern vielmehr auf das Gesamtverständnis der Situation aufbaut: [I]m Verstehensvorgang werden nicht nur explizit im Text in sprachlicher Form enthaltene Informationen verarbeitet, sondern auch non-verbale Informationen und solche, die der Hörer aktiv aus dem Text heraus, dem Kontext oder seinem Wissen selbst inferiert. (Kalina, 1998: 82) Dolmetschen heißt also, den Ausgangstext zu verstehen, zu assimilieren und in der Zielsprache so aufzubereiten, dass er die Zieladressaten in seiner Gesamtheit erreicht. 122 Die Gesamtheit bedeutet aber keinesfalls nur eine fachlich-inhaltliche Sicht bzw. ein deklaratives Fachwissen, die translatorische Gesamtkompetenz als integrative Fähigkeit verlangt vielmehr auch ein prozedurales, methodisch-problemlösendes und sozial-kommunikatives Wissen unter Berücksichtigung eines affektiv-ethischen Vorgehens, das in der Regel schwieriger zu erlernen ist als das Fachwissen. Das fachlich-inhaltliche Wissen umfasst Faktenwissen, das methodische den Umgang mit dem Faktenwissen. Für die Ausübung des Berufes sind beide Wissensarten notwendig und bedingen einander: Um das Fachwissen zu operationalisieren, wird prozedurales methodisches Wissen benötigt, das in erster Linie die Transferkompetenz betrifft - das Erlernen einer generell anwendbaren Transferstrategie. Wie komme ich zum Translat, welche Entscheidungen treffe ich? Welche Lösungsmöglichkeiten bestehen? Kann ich die Entscheidungen rechtfertigen? Das tatsächliche Handlungswissen bzw. Wissen über die Kommunikationssituation betrifft - neben Einstellungen und Wertungen - nicht selten die Wahl der Ausdrücke im Translat, die, wie wir insbesondere in der Wahl der Wiedergabe der ‚richtigen’ Diagnose sehen, vom Original abweichen können. Ist es nun ungewöhnlich, dass sich die Dolmetscherin dafür entscheidet, die von der Ärztin nie beim Namen genannte Diagnose „Nierenversagen“ bzw. in späterer Folge den Zusatz „Also Ihre Tochter wird sterben, wenn wir nicht ...“ in dieser Direktheit auszusprechen? Wurde das Sprachverhalten der Dolmetscherin durch das Zusammenwirken von Sachwissen und sozialen Interaktionsstrukturen allein bestimmt? 123 Sie hätte auch die ursprünglich gewählte Strategie ‚reparieren’ können, z.B. in Form von Aufmerksammachen auf Fehler. In einem Gespräch bzw. dessen Dol- 122 Vgl. Seleskovitch (1980, 1984, 1988a), Hönig (1992, 1998), Kalina (1998). Vgl. auch Seleskovitch (1990: 40), die in ihrer Theorie vom Verstehen der dolmetschenden Person durch ihr Wissen, das als Deutungsschema wirkt, ausgeht. Die dolmetschende Person „weiß um den Sprecher, das behandelte Thema, das Vorher-Gesagte, den Zusammenhang und die Situation.“ 123 Vgl. dazu insbesondere Heinemann & Viehweger (1991: 93), die das dazu notwendige Wissen wie folgt definieren: sprachliches Wissen; enzyklopädisches Wissen bzw. Sachwissen; Interaktionswissen und darin: Illokutionswissen, Wissen über allgemeine kommunikative Normen; metakommunikatives Wissen; Wissen über globale Textstrukturen bzw. Textsortenwissen. <?page no="136"?> 134 metschung als Teil mündlicher Kommunikation treten häufig kommunikative Defekte auf. Dazu gehören Hinzufügungen durch die Dolmetscherin oder den Dolmetscher, Äußerungen, die dem Originaltextbeitrag nicht zu entnehmen sind, sondern die im Translat als Glättung des Textes oder ‚Mitgemeintes’ zu finden sind - Zusätze, die auf das (kon-)textuelle oder kulturelle Hintergrundwissen der dolmetschenden Person zurückgehen. 124 Insbesondere durch Kommentare und Unterbrechungen der Mutter und Schwester, die als starke Störfaktoren in der Kommunikationssituation aufgetreten sind, war die Dolmetscherin jedoch einem starken Druck unterworfen, der ihre Tätigkeit als Ganzes stark beeinflusst hat. Durch diese Form der Übermittlung der extremen Nachricht versuchte die Dolmetscherin u.a., sich Gehör zu verschaffen. Wir haben bereits an anderer Stelle festgestellt, dass im Mikrosystem, im direkten Kontakt der Individuen in Kleingruppen, ‚Machtverhältnisse’ ständig wechseln und die Personen sich behaupten müssen, wobei es nicht immer um hierarchische Dominanz geht, sondern auch um die emotionale Dimension, wo ‚nichts mehr zu verlieren ist’. In der Reflexion hat die Dolmetscherin die Gesamtsituation als sehr demotivierend, anstrengend und unzufriedenstellend bezeichnet. Viel Energie wurde darauf verwendet, Bedingungen für die translatorische Tätigkeit zu schaffen, insbesondere Ruhe und Respekt; dieses Manko schlug sich auf die Qualität der Dolmetschung und letztendlich auf die wiedergegebenen lexikalischen Einheiten in der Zielsprache nieder: „Ich fühlte mich schlecht, weil ich mir dessen bewusst war, dass ich meine Arbeit nicht so bewältigen konnte, wie ich es gerne wollte.“ Der durch die Familienangehörigen der Patientin ausgeübte Druck auf die Dolmetscherin und die dadurch bedingte Verunsicherung und Energieaufwendung sind ungewöhnlich stark ausgeprägt, in den Worten der Dolmetscherin, dass ich gar nicht merke, dass ich der Familie die ganze Zeit das Selbe dolmetsche und dass sich das Gespräch in einer Art Stagnation befindet, aus der nur die Ärztinnen herausführen können, ich jedoch unbewusst diese Aufgabe vielleicht etwas übernehme, indem ich ständig versuche, sowohl den Konflikt innerhalb der Familie, als auch den Konflikt mit den Ärztinnen zu schlichten. Im Folgenden sehen wir, wie die Dolmetscherin versucht, entsprechende Arbeitsbedingungen zu fordern. Die Dolmetscherin trachtet danach, die Kommunikation zwischen den Ärztinnen und der Patientin aufrecht zu erhalten, die Ausführungen der Ärztinnen an die Patientin, die eigentliche Gesprächspartnerin, weiterzuleiten. Hier zur Illustration die Versuche der 124 In Bezug auf die Übersetzung von literarischen Texten bezeichnet Frank (1992: 88) Zusätze, die im Ausgangstext nicht vorhanden sind, aber über den Hintergrund eigener Kulturkenntnisse der Übersetzerin oder des Übersetzers ins Translat Eingang finden, als „Kopftheater“. <?page no="137"?> 135 Dolmetscherin, Aufmerksamkeit und Raum für ihre Tätigkeit zu bekommen: Mindjárt •• várjon egy percet! [Einen Moment •• warten Sie einen Augenblick! ] (...) Kann ich bitte kurz dolmetschen? (wendet sich an die Ärztin) (...) Várja meg •• most el szeretném mondani a páciensnek hogy... (wendet sich an die Schwester der Patientin) [Bitte warten Sie, ich würde der Patientin gerne sagen, dass...] (...) Kérem, most nagyon fontos, hogy .. [ Ich bitte Sie •• es ist jetzt sehr wichtig, dass...] (...) Én csak segíteni akarok •• az a feladatom, hogy segítsek... [Ich will doch nur helfen •• meine Aufgabe ist es zu helfen...] (...) Én csak azt mondom, amit a doktorn mond •• tényleg csak segíteni akarok... also •• einen Moment ich muss das jetzt mal dolmetschen... [Ich sage nur das, was die Frau Doktor sagt •• ich möchte wirklich nur helfen...] (...) ...hogy a doktorn elmondhassa a helyzetet és hogy segíthessen... [...damit die Frau Doktor die Situation erklären kann und damit sie Ihnen helfen kann] (...) Lassen Sie mich kurz die Situation erklären (...) (...) Tehát engedjék meg, hogy elmondjam, amit a doktorn mondott. [ Also •• erlauben Sie mir bitte, dass ich Ihnen sage, was die Ärztin gesagt hat] (...) <?page no="138"?> 136 [...] aber erlauben Sie jetzt, dass ich Ihnen sage, dass •• danke (...) [...] die sehen meine Rolle hier als Störfaktor. (wendet sich an die Ärztin) (...) Hadd mondjam el, amit a doktorn mondott •• nagyon nagyon fontos •• köszönöm. [Lassen Sie mich sagen, was die Ärztin gesagt hat •• es ist sehr, sehr wichtig •• bitte •• danke.] (...) [Kérem, hogy most kooperáljanak a doktorn vel.] [Ich bitte Sie mit der Ärztin zu kooperieren.] (...) Hagyják, hogy elmagyarázzam a helyzetet •• kérem •• hogy tudjunk segíteni Önnön •• is... [Lassen Sie mich bitte die Situation erklären •• bitte •• damit wir Ihnen helfen können •• Ihnen auch... (...) Ähm, also ich denke doch, dass ich hier eine wichtige Rolle habe •• ich bin davon überzeugt (zur Schwester der Patientin) (...) Darf ich das kurz übersetzen, Frau Doktor? Dankeschön. (...) Legyen szíves, a doktorn elmondja, hogy elmondja hogy hogyan m ködik. [Bitte, lassen Sie doch, die Frau Doktor sagt Ihnen gleich, wie das alles funktioniert.] (...) Hagyják, hadd mondja el a doktorn , hogy mit akar... [Lassen Sie bitte die Ärztin alles erklären...] (...) <?page no="139"?> 137 Durch ihre wiederholten Bitten, dolmetschen zu dürfen bzw. die Ärztin sprechen zu lassen, versucht die Dolmetscherin zu ‚vermitteln’ und die Familienangehörigen von der Wichtigkeit der Dolmetschung und sohin ihrer Rolle zu überzeugen. In der Reflexion betont die Dolmetscherin wiederholt, wie stark sie das Misstrauen der Familienangehörigen spürte bzw. dass sie sich „gedemütigt, nicht gewürdigt, ignoriert“ fühlte. Auch in Bezug auf die Rolle und das Handeln der Ärztinnen ist die Dolmetscherin unzufrieden: Ich muss immer wieder auch die Funktion und Aufgabe der Ärztinnen betonen, was eigentlich nicht meine Aufgabe ist, sondern die Aufgabe der Ärztinnen, die hier eingreifen sollten. (...) Dies ist jedoch kein Vorwurf, der den Ärztinnen zu machen ist, da diese vielleicht nicht mit der Arbeit der Dolmetscherin derart vertraut sind oder noch nicht so viel Erfahrung haben bei der Arbeit mit Dolmetscherinnen. (...) Wir haben zu Beginn dieser Interaktion gesehen, dass die Dolmetscherin einen professionellen Auftritt startet - durch die Vorstellung, Blickkontakt, Körperhaltung usw. Im Verlauf der Interaktion, insbesondere durch die Eingriffe der Familienangehörigen in die Kommunikation, verliert sie sukzessive das Selbstvertrauen und gleitet in eine untergeordnete Position in der Kommunikationssituation. Hängt das mit der Tatsache zusammen, dass Translatorinnen und Translatoren grundsätzlich als Störfaktor in der Kommunikation empfunden werden? Nicht selten werden sie ja als ein zwar notwendiges, aber gleichzeitig nicht optimales Mittel der Verständigung betrachtet. 125 Oder hängt es damit zusammen, dass die Dolmetscherin die Aufgaben anderer an der Kommunikation Beteiligter übernahm, anstatt sich auf die eigene Aufgabe zu konzentrieren? Wie sieht nun die Dolmetscherin selbst ihre Rolle bzw. ihre Arbeit? Der Auftrag ist zu Ende, die wichtigsten Botschaften der Dolmetschung sind angekommen, dennoch kann ich als Dolmetscherin durch die nicht adäquaten Bedingungen, die geherrscht haben während des ganzen Gesprächs und die ich als Dolmetscherin zwar versucht habe zu ändern, dies jedoch nicht geschafft habe, mit meiner Leistung nicht zufrieden sein - vielleicht, weil ich mir unbewusst die Schuld dafür gebe, dass die Bedingungen so schlecht waren und ich es nicht geschafft habe, diese zu beeinflussen, obwohl es nicht meine Aufgabe war oder nicht lediglich meiner Rolle entsprochen hat. Kommunikation und Translation können nur funktionieren, wenn sich die Handlungspartnerinnen und -partner kooperativ und loyal verhalten. Wie der Prozess der Translation genau abzulaufen hat, richtet sich nach dem 125 Vgl. dazu folgende Festellung von Wilss (1999: 169): „Translators and interpreters are seen as a necessary evil: they only exist because the world is made up of different languages and cultures (...)“. Diesen uns bereits seit Jean Herbert (1952) bekannten Status bestätigt auch Prun (1997: 101). <?page no="140"?> 138 Translatskopos, der Zielvorgabe einer Translation. TranslatorInnen treten in diesem Handlungsfeld als „selbstverantwortliche Handlungspartner“ (Prun , 1997: 111) auf. Um das zu erreichen, handelt die Translatorin oder der Translator im Bewusstsein, dass eine Translation niemals bloßes Abbild eines Textes sein kann und bei translatorischen Prozessen immer bestimmte - in der Regel sehr individuelle - Intentionen verfolgt werden, das heißt, dass mit einer Translation verschiedene Handlungspartnerinnen und -partner unterschiedliche Interessen verfolgen. Die Translatorinnen und Translatoren sollen fähig sein, die verschiedenen „Interessens- und Machtkonstellationen“ zu erkennen, richtig zu beurteilen und entsprechend „selbstverantwortlich und ethisch“ zu handeln (Prun , 1997: 112). In Prun s Konzept sind die Translatorinnen und Translatoren nicht nur gegenüber ihren Handlungspartnerinnen und -partnern loyal, sondern auch zu sich selbst. Sie müssen zu den eigenen Handlungen stehen können, sich loyal verhalten, die Interessen der Handlungspartnerinnen und -partner vertreten, aber eben nur, solange keine Loyalität verletzt wird, auch nicht die Loyalität gegenüber sich selbst. Grundsätzlich ist der Dolmetscherin bzw. dem Dolmetscher die Kompetenz zuzusprechen, selbstständig zu entscheiden. Der lernenden Dolmetscherin bzw. dem lernenden Dolmetscher ist ein Spielraum zu gewährleisten, in dem sie in einem vorgegebenen Rahmen üben kann, wann sie beispielswiese „interpretierend, vermittelnd, steuernd auftreten oder wann sie vielleicht besser in den Hintergrund treten“ (Prun , 1997: 112) muss. Das, was für professionelle Translatorinnen und Translatoren im Berufsalltag gilt, soll für angehende Translatorinnen und Translatoren im Unterricht möglich sein. Darüber, wie genau in bestimmten Situationen zu entscheiden ist, können keine allgemeingültigen Regeln aufgestellt werden; auch nicht im professionellen Berufsalltag, da jede Situation anders ist und jeweils unterschiedliche Intentionen bestehen. Im Unterricht, insbesondere nach dem Prinzip des Forumtheaters, ist es wichtig, dass Emanzipationsmöglichkeiten ausprobiert werden - das Produkt selbst ist zweitrangig, das Ziel ist der Weg zum Produkt, der unterschiedlich verlaufen kann. Das Prinzip des sanktionsfreien Probierens dient dazu, zu lernen, dass durch szenische Darstellung Veränderungen des Menschen bewirkt werden können. Dabei wechseln in dieser Interaktion die rationale und die emotionale Ebene, wobei die Einbeziehung des emotionalen Beziehungsaspekts von besonderer Bedeutung ist. <?page no="141"?> 139 4.4.3 „Was wäre, wenn ...“: Dolmetschung bei einer Weinverkostung 4.4.3.1 Situative Einbettung Das folgende reale Beispiel wurde von zwei Studentinnen zur Verfügung gestellt. 126 Die reale transkulturelle Kommunikation spielte sich folgendermaßen ab: Ein französischer Weinhändler ohne Deutschkenntnisse stellt in einer österreichischen Firma französische Weine vor. Der Weinhändler, der hier den Namen „Monsieur Durand“ trägt, hat für die Verständigung mit den Firmenangehörigen zwei Dolmetscherinnen engagiert und fungiert für die Dolmetscherinnen als Auftraggeber. Neben Monsieur Durand und den zwei Dolmetscherinnen waren bei der Weinverkostung der Seniorchef der Firma anwesend, sein Sohn und Nachfolger sowie ein Dutzend weibliche und männliche Angestellte. Die Weinverkostung erfolgte in einem relativ kleinen Raum der Firma. Es ist ein heißer Sommertag. Während Monsieur Durand einen der ersten Weine in die Gläser füllt, kommt es zu einer unangenehmen Situation; der Weinhändler schwitzt stark, was auch den Anwesenden nicht verborgen bleibt. Der Seniorchef macht eine abfällige Bemerkung über den Weinhändler, indem er zur Belustigung der Gesellschaft meint: „Schwitzt der immer so oder hat er Angst vor uns? “ Es bricht schallendes Gelächter unter den Anwesenden aus. Der Zwischenrufer fügt dann noch, an die Dolmetscherinnen gewandt, hinzu: „Ähm, aber das brauchts jetzt nicht übersetzen, das bleibt unter uns.“ Die Dolmetscherinnen folgen der Anweisung des Mannes und geben diese Äußerung nicht wieder. Durch die Weglassung dieses Satzes in der Dolmetschung war die Kommunikationssituation zwar gerettet, die derart geprägte Stimmung in der geselligen Runde hat aber angehalten - die Leute haben sich im weiteren Verlauf der Weinverkostung ähnlich verhalten und unangebrachte Witze gemacht. Die Dolmetscherinnen haben in weiterer Folge versucht, eine allfällige Wiederholung des Konflikts so hintanzuhalten, indem sie mit den anwesenden Gesprächsparteien Blickkontakt bzw. jegliche Gespräche vermieden haben. 126 Im Rahmen eines Vortrags eines französischen Weinhändlers am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien im Studienjahr 2006/ 2007, der von Studierenden gedolmetscht wurde, lud der vortragende Weinhändler die Studierenden spontan ein, bei einer seiner folgenden Weinverkostungen für die österreichischen Gäste zu dolmetschen. Zwei Studentinnen ergriffen diese Gelegenheit, erste praktische Erfahrungen im Dolmetschen zu machen. Mein Dank gilt den beiden Studentinnen, die das Beispiel zur Verfügung gestellt haben sowie den Studierenden der Lehrveranstaltung „Interdisziplinäre Dolmetschübung“ des Studienjahrs 2006/ 07. Für die Durchsicht und Korrektur der Transkription danke ich herzlichst Klaus Kaindl. <?page no="142"?> 140 In dieser Kommunikationssituation kann davon ausgegangen werden, dass die Beteiligten eine grundlegende Höflichkeitsgrenze überschritten haben. Eine allgemeine Definition von Höflichkeit sieht diese als „Form des Umgangs mit den Mitmenschen, die von gegenseitiger Achtung, Rücksichtnahme und der Einhaltung bestimmter gesellschaftl. Konventionen (...) geprägt ist“ (Brockhaus Enzyklopädie, Band 10: 159). Ein soziokulturell bedingtes soziales Verhältnis der Kommunikationsteilnehmenden ist neben der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung der Ansichten oder kommunikativen Zielsetzungen insbesondere in face-to-face-Kommunikationen der Grad der Höflichkeit, also der Takt; die so genannte social politeness ist ein bedeutender Teil der Kommunikation. Die Höflichkeitsstrategien in sozialen Interaktionen werden in unterschiedlichen Texttypen sprach- und kulturspezifisch, kon- und kotextuell realisiert. 127 Ist es in der vermittelten Kommunikation einfacher, diese ungeschriebenen, jedoch jedem Mitglied der Gesellschaft bekannten Regeln nicht zu beachten? Das folgende Beispiel scheint dies zu bestätigen. 4.4.3.2 Szenario Die beschriebene Konfliktsituation entspricht dem Konzept der Unterdrückung im Sinne des Boalschen Ansatzes. Als erste Reflexion wird die Konfliktsituation im Forum nachgestellt. In der Diskussion kommen insbesondere die involvierten Dolmetscherinnen zu Wort. Beide Dolmetscherinnen empfinden das eigene Verhalten in der damaligen Situation als unbefriedigend - auf sie wurde Druck ausgeübt, dem sie nicht standhalten konnten: „Ich hatte das Gefühl, meine Aufgabe nicht richtig erfüllt zu haben. Gleichzeitig konnte ich diese Stelle aber nicht dolmetschen, da für mich die ganze Situation sehr unangenehm war“, so eine der involvierten Dolmetscherinnen. Die Szene wird zunächst so nachgespielt, wie sie sich tatsächlich abgespielt hat: im Spiel sind drei ‚Charaktere’, ein französischer Weinhändler, Monsieur Durand, ein österreichischer Gewerbetreibender, Herr Müller, und die Dolmetscherin. Die Einbindung der übrigen Anwesenden, des ‚Publikums’, erfolgt aktiv: sie werden gefragt, ob sie mit der angebotenen Lösung einverstanden sind. Da sie es nicht sind, weil ein Vorfall mit unbefriedigender Lösung dargestellt wird, werden sie eingebunden, indem sie ihre eigenen Lösungsvorschläge szenisch darstellen und die übrigen Mitwirkenden auf die neu geschaffene Situation eingehen müssen: Spielerisch wird überlegt, wie die Szene verändert werden kann. Die Distanz ist nicht wichtig, da die Unterdrückungssituation klar ist - es geht um die Improvi- 127 Zu verschiedenen Aspekten der Höflichkeit vgl. insbesondere Watts et al. (1992), Pöchhacker (1994), Krüger (1997), Locher (2004). <?page no="143"?> 141 sation, wobei sich die Darstellerinnen und Darsteller mit der Rolle identifizieren. Zu diesem Zweck werden ausgewählte Beispiele des Experiments diskutiert und analysiert. In diesen Beispielen probieren die Dolmetscherinnen verschiedene Möglichkeiten aus, um die Kommunikationssituation so zu managen, dass die vier genannten Loyalitäten eingehalten werden. Wir gehen dabei insbesondere den folgenden Fragen nach: Welche Strategien werden in den Versuchen umgesetzt? Werden die Loyalitäten nach Nord (1989) und Prun (1997) immer eingehalten? Können daraus Erkenntnisse für die Praxis gewonnen werden? 4.4.3.3 Szene 1: „Was wäre, wenn ...“ Das Forumtheater hat sich zur Aufgabe gemacht, für die, die in einer Konfliktsituation unterlegen sind, Verhaltensweisen in einer Szene zu erproben, die sie aus ihrer Ohnmacht befreien können. Es geht dabei um den Veränderungswillen, der den Konformismus besiegen soll. In der ersten Reflexion, als Teil des Veränderungsprozesses, hat die involvierte Dolmetscherin bereut, die betreffende Äußerung nicht gedolmetscht zu haben, sie sei sich „selbst gegenüber nicht loyal“ gewesen. In der Diskussion wird u.a. die Frage erörtert, was passieren würde, wenn in einer solchen Situation der Zusatz „Das brauchts jetzt nicht übersetzen“ ignoriert und alles gedolmetscht werden würde. 128 Gemäß der Prämisse des Forumtheaters, dass Handeln befreiender ist als Reden sowie dem Loyalitätsansatz von Prun (1997) folgend, nach dem die dolmetschende Person interpretierend, steuernd oder vermittelnd in den Dolmetschprozess eingreifen oder sich zurückhalten kann, wird vorgeschlagen, dass diese Möglichkeit ausprobiert wird. Die betroffene Studentin versucht daher nach dem Motto „Was wäre, wenn ...“ in der folgenden szenischen Darstellung eine Lösungsmöglichkeit, indem sie auf den Wunsch des Firmenchefs, die beleidigende Äußerung nicht wiederzugeben, nicht eingeht, sondern - im Gegenteil - neben einer ausführlichen Wiedergabe Erklärungen dazu abgibt bzw. sich auf ein Gespräch einlässt: 128 Erfahrungsgemäß erwarten Studierende bei solchen Fragen die Hilfestellung der lehrenden Person; wenn man als Lehrende keine Antwort bietet, ist es insbesondere für Studienanfängerinnen und -anfänger unbefriedigend. Die Einsicht, dass es keine Patentbzw. viele richtige Lösungen gibt, ist dabei ein Lernprozess. <?page no="144"?> 142 Durch die Dolmetschung trotz der Bitte, den ‚Scherz’ nicht zu dolmetschen, wurde zum einen der Firmenchef verärgert, darüber hinaus entstand eine allgemeine Verstimmung. Nach der gespielten Szene und einer kurzen Reflexion kommt die Gruppe zu dem Schluss, dass durch diese Vorgangsweise die Dolmetscherin zumindest dem Firmenchef gegenüber als Textautor illoyal war. Alle Beteiligten fühlten sich unwohl, Monsieur Durand wurde beleidigt, der Firmenchef peinlich vorgeführt und die Dolmetscherin fühlte sich dabei schlecht. Ich wollte wissen, wie es gewesen wäre, wenn ich wirklich alles gedolmetscht hätte. In der Situation habe ich mich noch unwohler gefühlt als zu dem Zeitpunkt als ich nichts gesagt habe. Ich hatte den Eindruck, ich würde den Zwi- Weinhändler: Et maintenant je vais vous faire goûter le nouveau Beaujolais. Je vais faire une petite dégustation. [Und jetzt lasse ich Sie den neuen Beaujolais verkosten. Ich gebe Ihnen eine kleine Kostprobe.] Dolmetscherin: Und jetzt hier der Beaujolais, eine kleine Verkostung. Firmenchef: Schwitzt er immer so oder hat er einfach so große Angst vor uns? [allgemeines Gelächter] Aber [lacht] übersetz’ das jetzt bitte nicht, das bleibt unter uns. Dolmetscherin: Ahm, il vient de dire si vous transpirez toujours comme ça ou si vous avez peur. [Ähm, er meinte gerade, ob Sie immer so schwitzen oder ob Sie Angst haben.] Weinhändler: Ah bon ? Je suis désolé, je suis désolé mais je n’y peux rien. C’est la nature et il fait chaud dehors. Donc, je suis désolé. [Tatsächlich? Es tut mir leid, es tut mir leid, aber ich kann nichts dafür. Das ist die Natur und es ist heiß draußen. Also, es tut mir leid.] Dolmetscherin: Es tut mir leid, ich kann nichts dafür, es tut mir leid… Firmenchef: Ich hab Sie doch gebeten, das nicht zu übersetzen. Dolmetscherin: Il m’a demandé de ne pas interpréter ce qu’il a dit avant. [Er hat mich gebeten, das, was er vorher gesagt hat, nicht zu dolmetschen.] Weinhändler: Mais vous avez bien fait. [Aber das haben Sie gut gemacht.] Dolmetscherin: Er meint, ich habs gut getan und es ist meine Aufgabe, alles zu dolmetschen, was gesagt wird. <?page no="145"?> 143 schenrufer und Herrn Durand selbst beleidigen, was nicht meine Absicht war. Außerdem war die Reaktion, er hätte mich doch gebeten, das nicht zu dolmetschen, auch unangenehm für mich. Insbesondere kam die Dolmetscherin zu dem Schluss, dass es nicht einfach sei, die Wunschrealität zu modellieren. Obwohl die Lösungen in der vorangegangenen Diskussion einfach erschienen, erweist sich die tatsächliche Strategiewahl nicht einfach - insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der vier Loyalitäten. Im Forum gelten die Gesetze der „theatralischen Demokratie“ (Boal, 1989²: 96). Neue Lösungen werden erprobt, indem die Protagonistin ersetzt wird, weil die Lösung nicht optimal ist. An der unterbrochenen Stelle wird die Szene wieder aufgenommen, diesmal mit einer anderen Person aus dem ‚Publikum’ als Dolmetscherin. 4.4.3.4 Szene 2: Versuch, ‚die Kommunikation zu retten’ Weinhändler: Et maintenant je vais passer à la présentation du nouveau Beaujolais. Je fais une petite dégustation peut-être? [Nun werde ich Ihnen den neuen Beaujolais vorstellen. Wie wäre es mit einer kleinen Verkostung? ] Dolmetscherin: Nun möchte ich Ihnen den neuen Beaujolais vorstellen. Möchten Sie ihn mal verkosten? Firmenchef: Ähm, sagts, schwitzt der eigentlich immer so oder hat er so große Angst vor uns? Aber, übersetz das jetzt nicht, das bleibt unter uns. Dolmetscherin: Ahm, il s´est moqué d´un collègue. C´était, äh, c´était pas grande chose, mais pas de vous. [Ähm, er hat sich über einen Kollegen lustig gemacht. Es war, äh, es war nichts Wichtiges, aber es war nichts über Sie.] Weinhändler: Et, qu´est-ce qu´il vient de dire? [Und, was hat er gerade gesagt? ] Dolmetscherin: Ahm, je n’ai pas compris très bien. [verlegen] C’était, oui, il s’est moqué, mais pas de vous. Gelächter [Ähm, ich habe es nicht gut verstanden. Es war, ja, er hat sich lustig gemacht, aber nicht über Sie.] Während der Wiedergabe „Ähm, er hat sich über einen Kollegen lustig gemacht. Es war, äh, es war nichts Wichtiges, aber es war nichts über Sie“ ist die Dolmetscherin für alle Beteiligten sichtbar verlegen: sie wird leicht rot und vermeidet den Blickkontakt. Sowohl der sprachliche als auch der para- <?page no="146"?> 144 sprachliche Ausdruck verraten, dass hier etwas nicht stimmt. Hier bestätigt sich die These von G. Schmidt (1998: 374), der die Authentizität der Darstellung mit der Wahrheit des wiedergegebenen Sachverhaltes im Zusammenhang sieht: Demnach beeinträchtigt ein unwahrer Sachverhalt, der als Wahrheit gespielt wird, die Einheitlichkeit des Ausdrucks. Die Stellungnahmen zur vorliegenden Dolmetschung warfen daher insbesondere die Frage auf, in wie weit die Dolmetscherin Inhalte, die dem Originaltextbeitrag nicht zu entnehmen sind, sondern die im Translat als Glättung der Kommunikationssituation fungieren, produzieren darf. Die fast einvernehmliche Feststellung war, dass diese Vorgangsweise nicht den ethischen Prinzipien entspreche und darüber hinaus den Stereotyp vom traduttore - traditore bestätige bzw. dem Image der Translatorinnen und Translatoren schade. Die Stellungnahmen zu dieser Dolmetschsequenz ergaben, dass die Dolmetscherin ihre Loyalitätspflicht gegenüber Monsieur Durand verletzte, weil sie eine Falschinformation lieferte. Auch dem Firmenchef gegenüber zeigte die Dolmetscherin keine Loyalität; ihr Versuch, die Kommunikationssituation zu retten, galt nicht dem Zwischenrufer, sondern Monsieur Durand und sich selbst. Der Versuch, die Loyalität zu sich selbst einzuhalten äußerte sich auch in der Wiedergabe des Gesagten in der dritten Person: die Dolmetscherin wollte sich damit auch von den Aussagen des Firmenchefs distanzieren. Ihr in dieser Situation sichtbar und hörbar nur geringes Selbstbewusstsein und ein generell schlechter Eindruck deuteten daraufhin, dass ihre Eigenwahrnehmung den Misserfolg ihrer Darbietung bestätigte. Die Reflexion der Dolmetscherin ergab, dass sie von der von Prun vorgeschlagenen Möglichkeit Gebrauch machen wollte, aus ethischen Motiven das Loyalitätsprinzip aufzukündigen und zur Subversion zu greifen. Das Ergebnis sei aber nicht zufrieden stellend, da sie das Gefühl hatte, dass sie sich mit der Veränderung der Information sowohl zu Monsieur Durand illoyal verhielt als auch zu sich selbst. Das, was sie erreichen wollte, nämlich ein ‚subversives’ Verhalten gegenüber dem Zwischenrufer als ‚Unterdrücker’, ist nicht gelungen - im Gegenteil, durch diese Vorgangsweise hat der Unterdrücker sein Ziel erreicht, nämlich, dass die von ihm geäußerte Beleidigung nicht weiter transportiert wird. 4.4.3.5 Szene 3: „Ja, das ist eine gute Frage ...“ Weinhändler: Alors, je vais vous présenter le nouveau Beaujolais maintenant. [Also, ich stelle Ihnen jetzt den neuen Beaujolais vor.] Dolmetscherin: Ich werde Ihnen jetzt den Beaujolais vorstellen. Firmenchef: Sagts, schwitzt der immer so oder hat er Angst vor uns? Aber das braucht ihr jetzt nicht dolmetschen. <?page no="147"?> 145 Dolmetscherin: Ähm, es ist ziemlich heiß, ich glaub´ wir schwitzen alle, also, ich denke, dass wir in der gleichen Situation sind, wie der Monsieur Durand. Ahm, oui, il.. ah…a constaté qu´il faisait très très chaud et on transpire beaucoup, vous aussi, donc je me demande si peut-être vous voulez que je demande si on veut bien ouvrir une fenêtre. [… Ahm, ja, er hat, ah, festgestellt, dass es sehr, sehr heiß ist und wir schwitzen alle sehr, auch Sie, also frage ich mich, ob Sie vielleicht wollen, dass ich frage, ob man ein Fenster öffnen könnte. ] Weinhändler: Oui, c’est une belle question, oui..äh… j’aimerais proposer le même, oui. [Ja, das ist eine gute Frage, ja, äh, ich würde dasselbe vorschlagen, ja.] Dolmetscherin: Ähm, Sie haben recht, dem Monsieur Durand ist sehr heiß, uns auch, glaub ich, allen, ähm, deswegen würd’ ich vorschlagen, dass wir vielleicht ein Fenster aufmachen. Firmenchef: Aber die Tür is’ eh schon offen. Dolmetscherin: Ja ein Fenster schadet sicher auch nicht. Äh, vous voulez bien qu’on, qu’on ouvre une fenêtre aussi même si la porte est déjà ouverte? [… Äh, Sie wollen doch, dass man, dass man ein Fenster öffnet, auch wenn die Tür schon offen ist? ] Weinhändler: Oui. Dolmetscherin: Ja bitte. Firmenchef: Wollen Sie es schnell aufmachen? Dolmetscherin: Ahm. Na also, ich, ich würd’ das weitergeben an jemanden, der sich hier mit der Fenstertechnik auskennt. Das ist nicht meine Aufgabe. Firmenchef: Ok, also bitte, mach das Fenster auf, Peter. Auch in der vorliegenden Dolmetschung ist durch die Unwahrheit die Einheitlichkeit des Ausdrucks zerrüttet. Selbst wenn man die ausgangssprachliche Äußerung nicht gehört hätte, würde man durch das Zwiegespräch wissen, dass etwas unklar sein müsste. Die Dolmetscherin maßregelt den Zwischenrufer „Ähm, es ist ziemlich heiß, ich glaub’ wir schwitzen alle, also, ich denke, dass wir in der gleichen Situation sind, wie der Monsieur Durand“ gleichzeitig fühlt sie sich verpflichtet, an Monsieur Durand eine Erklärung abzugeben, die allerdings nicht sehr kohärent erfolgt: <?page no="148"?> 146 „Ahm, ja, er hat, ah, festgestellt, dass es sehr, sehr heiß ist und wir schwitzen alle sehr, auch Sie, also frage ich mich, ob Sie vielleicht wollen, dass ich frage, ob man ein Fenster öffnen könnte.“ Dennoch wird dadurch die Situation entschärft und in der Reflexion wird diese Sequenz durchaus positiv bewertet: die Dolmetscherin sei steuernd und vermittelnd aufgetreten und es sei ihr besser gelungen, die Kommunikationssituation zu managen. 4.4.3.6 Szene 4: „Ähm, gibt’s ein Problem? “ Weinhändler: Après avoir parlé du Beaujolais, je vais vous faire goûter maintenant le Pineau des Charentes. [Nachdem ich über den Beaujolais gesprochen habe, kommen wir jetzt zur Verkostung des Pineau des Charentes.] Dolmetscherin: Also, nachdem wir nun über den Beaujolais gesprochen haben, werde ich Ihnen nun einen Pineau des Charentes zum Kosten geben. Firmenchef: Du, jetzt sag, schwitzt der immer so, oder hat er so große Angst vor uns? (Gelächter im Publikum) Aber, übersetz’ das jetzt nicht, das bleibt unter uns. Dolmetscherin: Aber normalerweise übersetze ich wirklich alles. Was soll ich jetzt zum Beispiel tun, wenn er mich fragt, warum alle gelacht haben? Weinhändler: Est-ce qu’il y a un problème? [Gibt es ein Problem? ] Dolmetscherin: Ähm, gibt’s ein Problem? Firmenchef: Nein, dann würd’ ich sagen, lass’ ma das. Dolmetscherin: Non, il n’y a pas d’ problème. [Nein, es gibt kein Problem.] Im vorliegenden Beispiel wendet sich der Firmenchef duzend, um Vertrauen zu gewinnen, an die Dolmetscherin. Die Dolmetscherin fühlt sich auch tatsächlich angesprochen, sie versucht einerseits ihre Rolle als Dolmetscherin zu erklären, nämlich dass es ihre Aufgabe ist, alles zu dolmetschen; zudem appelliert sie an den Zwischenrufer, indem sie ihm die rhetorische Frage stellt, was sie nun machen solle, wenn Monsieur Durand nach dem Grund für das Gelächter fragt. Es soll hier betont werden, dass es wichtig ist, dass Protagonistinnen und Protagonisten keine Heldinnen oder Helden sind, sondern wie auch in <?page no="149"?> 147 einer Lebenssituation Durchschnittsmenschen, denen Fehler 129 passieren; die übrigen Beteiligten erhalten damit die Möglichkeit, das Verhalten und Handeln der Protagonistinnen und Protagonisten zu korrigieren. 4.4.3.7 Szene 5: „Wir können es als Scherz belassen ...“ Durch die spielerische Veränderung von Situationen wachsen auch die Phantasie und Kreativität, sohin auch der Mut und das Bewusstsein, sich in realen Situationen bewusst in einer bestimmten Weise zu verhalten. Weinhändler: Pour terminer, je veux maintenant parler du Pineau des Charentes. [Zum Abschluss möchte ich nun über den Pineau des Charantes sprechen.] Dolmetscher: Und zum Abschluss werde ich nun den Pineau des Charantes zur Verkostung bringen. Firmenchef: Ist ihm so heiß oder fürchtet er sich so wahnsinnig vor uns? Dolmetscher: Das weiß ich nicht, wollen Sie, dass ich nachfrage? (allgemeines Gelächter; der „Firmenchef“ ist von der Gegenfrage des Dolmetschers sichtlich überrascht.) Firmenchef: Nein, ich glaube, wir können es als Scherz belassen - danke. Dolmetscher: Gut, dann belassen wir es dabei. Das vorliegende Beispiel illustriert anschaulich, welchen Gestaltungsrahmen die dolmetschende Person im Rahmen des Loyalitäts- und des Kooperativitätsprinzips hat. Obwohl der Dolmetscher nicht direkt angesprochen wurde, ergriff er die Möglichkeit, seinen Standpunkt zu kommunizieren. Er trat zwar unüblicher Weise in ein Zwiegespräch mit einem der Kommunikationspartner, diese Vorgangsweise wurde aber in der Reflexion als „adäquate Form des Widerstandes“ (Prun , 1997: 113) qualifiziert. 4.4.3.8 Szene 6: „Das kann ich nicht beantworten“ Bei einer weiteren Wiederholung des Fallbeispiels wird die Dolmetscherin erneut an der ‚kritischen’ Stelle direkt angesprochen. 129 „Fehler“ können aus verschiedensten Beweggründen, wie z.B. wirtschaftlichen oder moralischen Überlegungen entstehen, bei Lernenden aus Verlegenheit, Scham usw. Wichtig ist, dass das zum Thema gemacht wird. Vgl. auch die Beispiele von Boal (1989²: 89f). <?page no="150"?> 148 Weinhändler: Je vais vous présenter le nouveau Beaujolais. Peut-être que vous souhaitez goûter un peu? [Ich werde Ihnen jetzt den neuen Beaujolais vorstellen, vielleicht möchten Sie ihn kosten? ] Dolmetscherin: Ah, ich werde Ihnen jetzt den neuen Beaujolais vorstellen, vielleicht möchten Sie ihn ein bisschen kosten. Firmenchef: Du, schwitzt der immer so, oder hat er Angst vor uns? Dolmetscherin: Das kann ich nicht beantworten. Firmenchef: Aha. In diesem Fall fungiert die Dolmetscherin als eigenständige, selbstbewusste Handlungspartnerin. Auf die unangemessene Frage des Firmenchefs, der sie direkt anspricht und duzt, antwortet sie kurzerhand mit „Das kann ich nicht beantworten.“ Der Firmenchef wurde mit dieser Antwort sichtbar überrascht, den Zusatz „Das bleibt unter uns“ konnte er nicht mehr anbringen, sondern nur ein überraschendes „Aha“. Indem eine Situation geschildert, gespielt, besprochen, eine Realsituation und anschließend gemeinsam eine Idealsituation entwickelt wird, in der die ursprünglichen Probleme überwunden sind, wird eine neue Aktionsmöglichkeit erschaffen: „Das Forumtheater bewirkt keine Katharsis; es weckt den Wunsch, die Realität zu verändern“ (Boal, 1989²: 90). 130 Die bisher besprochenen Beispiele aus der Dolmetschübung zeigen, dass es verschiedene Reaktionsmöglichkeiten und Lösungsansätze gibt. In der theoretischen Auseinandersetzung erwerben Studierende durch das Studium der Fachliteratur die Fähigkeit, Problemfälle abstrakt zu analysieren und ‚richtige’ Lösungen anzubieten. Insbesondere sollen die Übungen zur Erkenntnis führen, dass das praktische Handeln eine Fertigkeit ist, die sich von der Fähigkeit, Dinge zu verstehen und zu benennen, unterscheidet, und die eingeübt werden muss. Zur Illustration nur eine Meinung einer Studentin, die aber stellvertretend für mehrere ähnliche Äußerungen steht: Ich habe mir das Experiment viel leichter vorgestellt, als es tatsächlich war. Jedes Mal habe ich mir eine gute Strategie zurechtgelegt, konnte diese aber in der konkreten Situation nicht umsetzen. Bei meiner Planung war ich alleine und habe das mit mir selbst ausgemacht; in der konkreten Situation war ich dann nicht mehr alleine und musste agieren und reagieren. 130 Diese Technik geht auf das Statuentheater zurück, in dem eine konkrete Vorstellung von Unterdrückung ins Bild übertragen wird. Boal spricht dabei von Realbild, Idealbild, zurück zum Realbild und anschließend Wunsch-Realität (1989²: 71). <?page no="151"?> 149 Bereits Thorndike (1970 3 ) postulierte die These, dass Lernen immer spezifisch, niemals allgemein sei; wenn es als allgemein erscheint, ist es ein Ausdruck von in früheren Situationen vorhandenen identischen Elementen. Daher ist als erster Schritt im Unterricht ein Muster bzw. Wiedererkennen wichtig. 131 Regeln sind didaktisch wichtig - auch motivierend als Bestätigung und Instruktion für weitere Handlungen. In den Translationsstudien sind es neben dem Faktenwissen die Lebenssituation der (vielen bikulturellen) Studierenden, ihre Erfahrungen dieser Situation, ihr Bewusstsein mit allen darin enthaltenen Verschiedenheiten und Widersprüchen, die das tragende Element des Unterrichts bilden. 4.4.4 Institutionelle Kommunikation und soziale Machtverhältnisse: Dolmetschen für einen Untersuchungshäftling Ein drittes Beispiel wird - da sich einige Strategien aus den vorherigen Fallbeispielen wiederholen und nicht notwendigerweise noch einmal referiert werden müssen - in zusammengefasster Form wiedergegeben werden. Dieses Beispiel zeigt insbesondere, dass auch im Rahmen der institutionellen Kommunikation Machtverhältnisse im Diskursverlauf ständig wechseln können bzw. dass die dolmetschende Person nicht nur von der ‚mächtigen’ Institution, sondern von einer ‚schwachen’ Kommunikationsteilnehmerin oder einem ‚schwachen’ Kommunikationsteilnehmer unterdrückt werden kann. Auch diesem Übungsbeispiel liegt ein authentischer Sachverhalt zu Grunde, der von einem Dolmetscherkollegen im Rahmen eines Fortbildungsseminars des Österreichischen Gerichtsdolmetscherverbandes berichtet wurde: Ein Untersuchungshäftling soll im Wiener Landesgericht für Strafsachen von einer Richterin vernommen werden. Ins Vernehmungszimmer, wo der Häftling bereits wartet, treten der Dolmetscher und die Richterin ein. Die Richterin grüßt auf Deutsch, der Dolmetscher auf Farsi. Der U-Häftling fragt daraufhin den Dolmetscher in Farsi, wer denn „die Schlampe da“ sei. Der Dolmetscher erwidert, dass das die Richterin sei und dass man so „nicht reden darf“, dass der Häftling „das nie wieder sagen darf“ und er ‚droht’ dem Mann beim nächsten Mal das Gesagte einfach zu übersetzen und dann „Gnade ihm Gott“. Dieser reale Fall wurde von Studierenden in einer Dolmetschübung im Sprachenpaar Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch-Deutsch bearbeitet. Das Szenario, das die Studierenden als Vorgabe erhielten, war der authentischen Situation entnommen: Eine junge Untersuchungsrichterin betritt gemeinsam mit dem Dolmetscher das Vernehmungszimmer, beide grüßen, wor- 131 In der translationsrelevanten Kulturtheorie kennen wir das aus der Auseinandersetzung mit Stereotypen. Nach der Einübung der Stereotypen kann in der Folge zwischen Stereotyp, Prototyp und Idealtyp unterschieden werden. <?page no="152"?> 150 auf der Häftling die Frage „Wer ist denn diese Schlampe“ an die Dolmetscherin richtet. Auch hier lautete die Aufgabenstellung an die Studierenden, die gleiche Szene analog dem Forumtheater so lange zu wiederholen, bis eine für alle befriedigende Dolmetschung gefunden wird. Die Studierenden waren also gefordert, im szenischen Spiel verschiedene Möglichkeiten des Umgangs mit der beleidigenden Äußerung des Häftlings zu entwickeln. Als ‚theoretischer’ Impuls wurde der Berufs- und Ehrenkodex des Österreichischen Gerichtsdolmetscherverbandes diskutiert. Die Umsetzung der einzelnen Richtlinien wurde nach der von Nord (1989) geforderten dreifachen Loyalität zum Initiator, Autor und Rezipienten vorgenommen, erweitert durch das von Prun (1997: 112) vorgeschlagene Prinzip der Loyalität zu sich selbst. Als Zielsetzung einer erfolgreichen Dolmetschung wurde die Beachtung dieser Prinzipien definiert. Die erste Szene wurde so gespielt, wie sie im Szenario vorgegeben wurde. Nach dem ‚inkriminierenden’ Satz handelt die Dolmetscherin ähnlich wie in der Ausgangssituation, sie sagt dem Häftling, dass das die Richterin sei und was er sich dabei denke, so zu reden bzw. dass er sich damit nur schade. Wenig überraschend waren alle beteiligten Studierenden mit dem Dolmetschergebnis unzufrieden. Ab nun versuchten Studierende eine eigenständige Lösung zu finden; verschiedene Studierende übernahmen die Rolle der Dolmetscherin bzw. des Dolmetschers. Diese weiteren Szenen liefen wie folgt ab: In der zweiten Szene, mit einer neuen Dolmetscherin, überträgt die Dolmetscherin den vom Häftling in bosnischer Sprache geäußerten Satz „Wer ist diese Schlampe“ ins Deutsche. Die Richterin ist empört, die Situation eskaliert ... Der dritte Versuch gestaltete sich folgendermaßen: Der Dolmetscher gibt den bosnischen Satz „Wer ist diese Schlampe“ auf Deutsch wieder und liefert dazu eine ‚kulturspezifische’ Erklärung: Dass in der Ausgangskultur Frauen als Autoritäten nicht akzeptiert würden und dass der Ausdruck „Schlampe“ in bosnischer Sprache, in der grundsätzlich sehr viel geflucht werde, nicht so schlimm sei. Auch das führte in der Darstellung zur Eskalation. In der vierten Szene betritt die Dolmetscherin gemeinsam mit der Richterin den Raum, beide begrüßen den Häftling, die Richterin auf Deutsch, die Dolmetscherin in bosnischer Sprache. In Fortsetzung der Begrüßung übernimmt die Dolmetscherin für den Häftling unmittelbar die Vorstellung in bosnischer Sprache: „Das hier ist die Richterin, ich bin Ihre Dolmetscherin, ich werde alles, was Sie/ was hier und jetzt in diesem Raum gesagt wird, dolmetschen.“ Und der Häftling antwortet überrascht (Bosnisch): „Gut, in Ordnung ... danke.“ Mit dieser Lösung waren alle Beteiligten zufrieden. <?page no="153"?> 151 Wir haben an anderer Stelle festgestellt, dass die Gesprächsführung in Institutionen grundsätzlich von den Vertreterinnen und Vertreter der Institution bestimmt wird. Sie initiieren und geben das Gesprächsthema vor, Parteien versuchen, adäquat zu reagieren. Es geht also grundsätzlich um eine asymmetrische Gesprächsorganisation, dennoch können auch hier die ‚Machtverhältnisse’ im Laufe des Diskurses wechseln. Wir haben mit dem vorliegenden Beispiel bewusst eine Situation gewählt, in der die dolmetschende Person nicht von der ‚mächtigen’ Institution, sondern von einem ‚armen’ Menschen unter Druck gesetzt wird - im Kommunikationsakt manifestiert sich hier insbesondere die Emotionalität. 132 Nach Holz-Mänttäri (1984: 54) dient die Kommunikation als Instrument zur Steuerung von Kooperation. Der Begriff Kooperation legt identische Zielsetzungen nahe, die in vielen (nicht nur dialogischen) Kommunikationssituationen nicht oder nur teilweise vorliegen. Die Translatorin oder der Translator hat als Metaskopos stets die erfolgreiche Verständigung der an der Kommunikation Beteiligten vor Augen, idealiter unter Berücksichtigung der jeweiligen Ziele und Interessen aller Beteiligten, inklusive der eigenen. Der Prozess der Translation ist demnach ein umfassender kommunikativer Akt und ist nicht ausschließlich auf die Phase der Textrezeption und -produktion zu beschränken, sondern als umfassenderer Kommunikationsakt mit einer Vielzahl von Beteiligten, mit unterschiedlichen Erwartungen, Zielsetzungen und Bedürfnissen zu betrachten und dabei auch Faktoren einzubeziehen, die dem eigentlichen Dolmetschprozess vorbzw. nachgelagert sind. (Kalina, 2002: 40) Die Studierenden als Individuen erhalten durch die szenische Darstellung die Möglichkeit, innerhalb der Gruppe (und vor Publikum) in Erscheinung zu treten und ihre Sprach- und Kulturkompetenz einzusetzen, ihre individuelle und professionelle Ethik zu entfalten. Durch die Möglichkeit, im szenischen Prozess mitzuwirken, wird ein Beitrag zur Entfaltung der Persönlichkeit geleistet, kommunikative, translatorische und berufsethische Kompetenz gesteigert und die Sicherheit im Auftreten vor anderen gewonnen. Und schließlich kann der gespielte Umgang mit Gefühlen und Veränderungen im Studium dazu beitragen, dass die angehenden Dolmetscherinnen und Dolmetscher später in der Praxis auch aktuelle Problemsituationen besser reflektieren und die Probleme leichter bewältigen. Der Vorteil dieses Ansatzes liegt vor allem darin, dass das ‚Spiel’ ein sanktionsfreier Bereich ist, in dem man ohne Konsequenzen üben und Fehler machen darf. Es ist ein Wechselspiel zwischen Konzentration, Spannung und Entspannung. Die Szenen werden vor dem Hintergrund des theoretischen Wissens über (institutionelle) Kommunikation, Sprache, Kultur, Machtverhältnisse 132 Zur Asymmetrie in der Diskursstruktur in Institutionen vgl. Körfer (1994). <?page no="154"?> 152 gespielt, es sind also bestimmte Werte einzuhalten. Es wird wiederholt nach bestimmten Wertehaltungen gehandelt. Durch das Spielen lernt man auch, sich neu zu orientieren. Langfristig wird das im Spiel wiederholte Handeln zu einer Haltung, aus der heraus die Studierenden der beruflichen Wirklichkeit gerecht werden. Die Strukturen einer realen Dolmetschsituation sind damit nicht eine Unbekannte, sondern voraussagbar. Die konkreten Fragestellungen in Dolmetschsituationen werden, indem man bestimmte grundlegende Widersprüche aufgreift und als konkrete Probleme darstellt, die eine Antwort verlangen, in der Übung nicht nur auf der intellektuellen Ebene behandelt, sondern auf der Ebene des Handelns. 4.5 Ergebnis: „Führung zur Wirklichkeit und Verwirklichung“ Gespielte Szenen im Unterricht sind ein Bild der Berufswelt, das natürlich vereinfacht bzw. auf wesentliche Punkte reduziert ist. Dennoch hilft die szenische Darstellung, dass Studierende lernen, Muster und Bilder zu erkennen, zu verstehen und in den Dolmetschprozess eingebettete Faktoren einzubeziehen. Die Szenen sollen immer dazu dienen, alle Lernenden dazu zu bringen, immer wieder eine Reflexionshaltung einzunehmen. In der reflektierenden Diskussion ergeben sich neue Themen, denn jede Frage impliziert eine weitere, die noch nicht bekannt ist und sich bei der Reflexion der ersten herausbildet. In der szenischen Darstellung werden Lösungen der diskutierten Probleme erprobt. Dabei werden insbesondere subtile, verbale und nonverbale Signale wahrgenommen, definiert und umdefiniert, damit neue Verhaltensweisen ausprobiert werden können. Am Ende einer gespielten Szene kommt man in der Regel zu der Erkenntnis, dass Wissen verschiedene Formen haben kann und jede neue Form zur Generierung von neuem Wissen führt. Die Ziele in der szenischen Darstellung werden als Wechselwirkung zwischen Emotion, Identifikation und Reflexion verstanden, woraus ein bestimmter Handlungsprozess resultiert, der wiederum zum Bewusstwerdungsprozess führt. Durch das ungehinderte Zusammenspiel von Verstand und Gemüt finden sich hier als pädagogische Dimension Wissen, Einstellung und Verhalten wieder. Szenische Darstellung als soziales Rollentraining soll als Ergebnis eine neue Einstellung bzw. ein verändertes Verhalten und Handeln erzeugen. In den hier besprochenen Übungen geht es daher nicht primär darum, die (ästhetische) Schönheit der Sprache oder die ‚Korrektheit’ der Translation zu untersuchen, sondern es geht um den Versuch, kulturelle und sprachliche Muster sowie Loyalitäten zu erkennen bzw. die eigene Rolle darin zu definieren. Ein Problem aufzuzeigen, sich dagegen theoretisch aufzulehnen, ist einfacher als aufzustehen und ‚Widerstand’ zu leisten, indem eine Szene wie- <?page no="155"?> 153 derholt und neue Lösungen erprobt werden. Wir haben auch gesehen, dass es nicht einfach ist, die translatorische Einstellung, die dem Prinzip der vierfachen Loyalität verpflichtet ist, in die Tat umzusetzen. Die Arbeit in den Übungen gilt der Verpflichtung, die angehenden Dolmetscherinnen und Dolmetscher sukzessive von (teils passiven) Mittlerinnen und Mittlern zu Protagonistinnen und Protagonisten der Handlung und die Übungen zu einer Form zu machen, die nicht nur die Realität interpretiert, sondern versucht, die Realität zu verändern. Echte Reflexion führt zur Aktion in der Praxis. Praxis kann wiederum nur dann stattfinden, wenn ihre Konsequenzen zum Gegenstand kritischer Reflexion werden. Diese Bildungsarbeit ist, um mit den Worten Martin Bubers (1995 8 : 62) zu sprechen, die „Führung zu Wirklichkeit und Verwirklichung.“ Die Übungen mit Hilfe des Theaters der Unterdrückten stellen eine Form dar, die nicht finalisiert ist, die immer Übung und Experiment bleibt, „von denen man zwar weiß, wie sie beginnen, aber nicht, wie sie enden“ (Boal 1989²: 58). Eine Szene, eine bestimmte Thematik, ein soziales, politisches, persönliches Problem wird nicht nur durch die Vorschläge und Kritik bearbeitet, sondern durch die Übernahme von bestimmten Rollen immer wieder durchgespielt: „Gehandelt wird in der Fiktion, aber die Erfahrung ist konkret“ (Boal, 1989²: 58). Unterschiedliche Konfliktlösungen und Interaktionsmöglichkeiten werden erprobt. Die Suche nach Lösungen verläuft durchaus im Sinne des bereits beschriebenen Kreativitätsansatzes. Allen Teilübungen ist gemeinsam, dass die Sensitivität als die Fähigkeit, Probleme zu erkennen (Ullrich, 1980: 1156f), eindeutig festgestellt werden konnte. Die Versuche zeigen insbesondere, dass Studierende in der Regel mit der Übung der Teilfähigkeit Nonkonformismus beginnen. Sie beziehen sich auf den Sachverhalt der Unterdrückung zunächst in einer rein nonkonformistischen Weise, ohne Rücksicht auf mögliche weitere Konflikte. Im Laufe der Übung stellt sich sukzessive eine objektivierende Einstellung ein, Vorstellen und Handeln werden koordinierter, wobei immer mehr von gewohnten Kommunikationsschemata, die nicht mehr als vorgegeben betrachtet werden, abgewichen wird. Diese Bewegung, dieses Fließen, hilft, sich der Situation zu bemächtigen und aus der Passivität herauszutreten. Originalität und Neukombination, die dazu befähigen, Beziehungen oder Texte originell zu kombinieren und die Flexibilität als die Fähigkeit, kommunikative Einheiten auf ungewöhnliche Art zu gestalten, runden die beiden Dimensionen des Geistes ab: Vorstellen und Handeln. Dabei dürfen die Irrwege bei der Erforschung der Problematik und bestimmte Phasen von Lernprozessen nicht als Fehler angesehen werden. Im Vordergrund stehen spielerische Versuche, Selbsterfahrung und eine schrittweise Erweiterung des eigenen sprachlichen, körperlichen und persönlichkeitsfördernden Ausdrucks. Perfektion oder Professionalität stehen zunächst nicht zur Diskussion. <?page no="156"?> 154 Indem die beteiligten Personen eine Szene spielen, probieren sie verschiedene Rollen mit unterschiedlichen Haltungen aus. Die Identifikation mit den Aussagen und dem Verhalten schafft einen persönlichen Bezug. Darüber hinaus spiegeln allgemeine Aussagen immer auch persönliche Erfahrungen wider. Anschließende Selbstreflexion durch Beobachtung und Interpretation machen die in der Szene aufgetretenen Fragestellungen und Widersprüche im Verhalten deutlich. Es geht nicht um bloße Simulation, oberstes Ziel der szenischen Darstellung einer Dolmetschsituation ist es, Dolmetschfallen, -probleme usw. sichtbar zu machen, damit die angehenden Dolmetscherinnen und Dolmetscher diese Techniken im Dolmetschalltag beherrschen und anwenden lernen. Die Einsicht in der dargestellten Szene ist strukturell auf die Möglichkeit von Eingriffen in die Gesamtheit der Dolmetschwelt bezogen. Im Rahmen von Dolmetschübungen für die Ausbildung von DolmetscherInnen als Kommunikationsexpertinnen und -experten ist eine multidimensionale und multiperspektivische Simulationsübung insbesondere zur Bewusstseinsbildung für die Vielschichtigkeit und Komplexität der Kommunikationssituation während, vor und nach dem Dolmetschprozess geeignet. In dieser Art des Unterrichts gibt es keine alles bestimmenden Lehrenden, alle Beteiligten spielen mit, analysieren mit und suchen nach Lösungen: Die „Inszenierung“ ist Teamarbeit, die Lehrkraft sucht in der Gruppe nach kreativem Potential und ist daher immer mit der Dynamik in der Gruppe konfrontiert. Die Lehrkraft zeigt, wie eine Szene ausgeführt werden kann, ausführen müssen sie die Studierenden selbst. Die Rolle der lehrenden Person kann mit der Rolle des „Spielleiters“ bei Boal verglichen werden. Seine Einflussmöglichkeit bzw. Macht relativiert Boal ebenso wie die Absolutheit einer Interaktionsform oder Kommunikationsstrategie: Er hat nicht die Wahrheit für sich gepachtet, sondern ermutigt die Beteiligten, ihren Standpunkt zu vertreten und ihn durchzusetzen. [...] Den Zuschauer- Mitwirkenden muß klar werden, daß es an ihnen liegt, die Wirklichkeit zu verändern. (1989 2 : 85) Dabei geht es nicht um Propaganda oder Manipulation: Es wird keine Überzeugungsarbeit geleistet, sondern es werden Probleme aufgezeigt, aber keine Schlussfolgerungen aufgedrängt. Die Studierenden suchen selbst nach Lösungen: Veränderung ist ein weiter Weg. <?page no="157"?> 155 5 Schlusswort und Neubeginn Als Bildung kann grundsätzlich all das bezeichnet werden, was der Mensch sich in der Auseinandersetzung mit der Welt aneignet und erarbeitet. Im gesellschaftlichen Kontext geht es dabei insbesondere um die Übernahme von Wissen und Verhaltensweisen durch das in eine Gesellschaft hineinwachsende Individuum. Die Gesellschaft reproduziert sich in diesem Prozess, das Individuum erwirbt Wissen, Einstellungen und Haltungen zur Erlangung einer Qualifikation und Gestaltung seines Lebens. Auch eine Berufsgruppe ist immer in gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge eingebettet. Das professionelle Selbstverständnis eines Berufs leitet sich daraus ab, in welcher Form und Akzeptanz sich diese Berufsgruppe in der Gesellschaft positioniert. Aus dem (bildungs-)ökonomischen Blickwinkel bedeutet Bildung Qualifikation und Rüstzeug für wirtschaftliche und soziale Prozesse. 5.1 Das Prinzip der Kooperation und der Dialogizität In Anbetracht der Eigenständigkeit und der sozialen Komponente der translatorischen Berufe ist die moderne Didaktik auf eine Selbsterziehung ausgerichtet. „Selbsterziehung aber kann hier, wie überall, nicht dadurch geschehen, daß einer sich mit sich selber, sondern dadurch allein, er, wissend um was es geht, sich mit der Welt befaßt“, stellte schon Martin Buber (1995 8 : 45) fest. Dialogisches Lernen ist soziales Lernen und verlangt von einzelnen Studierenden und Lehrenden Arbeit an sich selbst und (Zusammen-)Arbeit mit anderen. Neben dem kreativen Verhalten fordert es auch kooperatives Verhalten. Hier finden sich Menschen zusammen, die die Welt benennen und sie verändern. So wie der Mensch in der Philosophie Bubers nicht im Idealen, sondern in der Wirklichkeit existiert, so beschränkt sich das Dialogische nicht nur auf den Umgang der Menschen miteinander, sondern es ist vielmehr ein Verhalten der Menschen zueinander, das sich in ihrem Umgang widerspiegelt. In der Translation bezieht sich dieser Prozess nicht nur auf die Sprachverarbeitungs- und Sprachproduktionsprozesse im transkulturellen Gefüge, sondern wird erweitert um das Verhalten im Gesamtgefüge. 133 Bei der Findung dessen, was translatorischer Dialog sein kann, ist eine Auseinandersetzung mit dem Eigenen und dem Anderen und als Folge eine Veränderung unumgänglich. Verhaltensänderung oder Veränderung ist 133 Vgl. insbesondere die Forderung: „Sie [TranslatorInnen] sollen nicht mitreden, aber alles mitteilen“ (Hönig, 1995: 140). <?page no="158"?> 156 kein einmaliges Ereignis, auch keine Vielzahl von einmaligen Ereignissen - Veränderung ist ein Prozess. Ein von der Existenzphilosophie entlehnter und in der Reformpädagogik geprägter Begriff ist die Begegnung - als Zusammentreffen mit einem Werk, Menschen, einer Situation, das eine einschneidende Veränderung im Leben des Menschen mit sich bringt. Die Begegnung mit Bildungsstoff bedeutet, dass das Wissen nicht passiv gespeichert wird, sondern dass es den Menschen dazu bringt, eine neue Einsicht zu gewinnen und allenfalls sein Verhalten zu ändern. Diese Didaktik versucht, den einzelnen Menschen innerhalb der (Lern)- Gruppe zu stärken: sie stellt keine Gebote auf, fordert zu keiner Unterwerfung auf. Im Gegenteil: der Dialog stärkt den Zusammenhalt der Gruppe, er lehrt nicht, er zeigt nur etwas. Der Dialog zeigt etwas an der Wirklichkeit, was nicht sichtbar war oder zuwenig gesehen worden ist. Durch den Dialog kann der Lerngegenstand in Diskursen geübt werden. Durch Experimente wird der Lerngegenstand tatsächlich vergegenständlicht. Indem das Wissen, die Erfahrungen und das Bewusstsein der Studierenden im Unterricht einbezogen, explizit zum Thema gemacht werden, wird der Unterricht zum Dialog. Es sind die Studierenden mit ihren Erfahrungen, ihren Problemen und Lösungen, die nur sie selbst kennen, die zum Teil zu Lehrenden werden. 134 Im dialogischen Lernen stehen sich Lehrende und Lernende daher nicht in einer unaufhebbaren Rollenverteilung gegenüber. Buber betont, wie wichtig in der Erziehung das Vertrauen ist. Dabei ist aber nicht zu vergessen, dass das Vertrauen nicht Übereinstimmung oder Zustimmung bedeutet, sondern ein Herausgehen aus der Verschlossenheit, eine offene Diskussion. Wenn das Vertrauen hergestellt ist, wirkt sich das im Unterricht unmittelbar aus. Somit ist gewährleistet, dass die lehrende Person „nicht ein Geschäft an ihm [Zögling] betreibt, sondern an seinem Leben teilnimmt; daß dieser Mensch ihn bestätigt, ehe er ihn beeinflussen will. Und so lernt er fragen.“ (Buber, 1995 8 : 70) Das ergibt eine Didaktik der Problemorientierung, die Rätsel aufgibt, verfremdet und Neugier erzeugt, die das Interesse fördert, eine günstige Bedingung für vertieftes Verständnis von Sachverhalten und vor allem Vertrauen schafft. 5.2 Theaterpädagogik: ein Puzzle im Bild Das Theater der Unterdrückten, auch Theater der Intervention, Theater der Begegnung oder Theater der Befreiung genannt, wird als emanzipatorischer Lern- und Forschungsprozess definiert, in dem Selbstreflexion 134 Martin Buber prägte den Begriff des Dialogs für das Prinzip der Umkehrung der Lehr-Lernbeziehung. In diesem Sinne ist ein echter Dialog die gegenseitige Akzeptanz und die Hinwendung zum jeweiligen Gegenüber. <?page no="159"?> 157 und Experimentieren im Hinblick auf eine mögliche Veränderung der sozialen Realität verknüpft sind. Eine Aufnahme der Techniken des Theaters der Unterdrückten als alternative Kommunikationsmethode im Unterricht ist sehr leicht umzusetzen, weil insbesondere im anfänglichen Dolmetschunterricht kein Leistungsprinzip herrschen muss; auch ist dieser Unterricht in Inhalt, Methodik und Didaktik nicht institutionell festgelegt. Die Leistungen, die durch die Arbeit mit der Methode der Pädagogik der Unterdrückten hervorgebracht werden, können nicht nach dem herkömmlichen Maßstab beurteilt werden. Das Theater der Unterdrückten kann dazu verhelfen, die Werte, Haltungen, Einstellungen, Nöte und Bedürfnisse, die in der Routine des täglichen Lebens untergehen, sichtbar und bewusst zu machen. „Jeder von uns steckt in einem Panzer, den wir bald vor Gewöhnung nicht mehr spüren“ hat bereits Buber (1994 7 : 153) festgestellt. Durch die Auseinandersetzung mit authentischen, exemplarisch dargestellten Sachverhalten geht es nicht nur um die Aneignung von Einstellungen und Fähigkeiten, sondern um strukturelle Erkenntnisse. Durch das Nachstellen ‚asozialer’ Verhältnisse in szenischer Darstellung wird deren Bewusstmachung betrieben und ein Sensibilisierungsprozess in Gang gesetzt. Nach Ansicht Boals ist allen ‚Unterdrückten’ eines gemeinsam, nämlich die (unbewusste) Angst, egal worauf sie sich bezieht, ob es sich dabei um die Angst des Verlustes eines Auftrags oder der Liebe eines Menschen handelt. Und diese Angst darf nicht unterschätzt werden. Erst nach Bewusstwerdung dessen kann an der Beseitigung eben dieser Verhältnisse gearbeitet werden. In einem Kommunikationsgeflecht werden Fragestellungen neu definiert und dieses Neustellen von Fragen kann wichtiger sein als Antworten zu finden. Es geht darum, neue Formen aufzuspüren, nach Möglichkeiten zu suchen, Horizonte zu öffnen und ein facettenreiches Profil der eigenen Rolle zu finden. Es geht darum, nichts als gegeben hinzunehmen, sondern immer zu wissen, dass alles einen anderen Verlauf nehmen kann, dass die Dolmetscherin oder der Dolmetscher die Möglichkeit der Veränderung hat. In der Übung wird darauf hingearbeitet. Dabei geht es nicht um bloße Wiederholung. Dieser Ansatz korrespondiert vielmehr mit den lernpsychologischen Grundsätzen, die auf den Erkenntnissen der Kognitiven Lerntheorie beruhen und von Vogel & Vogel wie folgt formuliert werden: 1. Es ist nicht entscheidend, wie häufig eine Erscheinung wiederholt wird [...]; entscheidend ist vielmehr, wie häufig eine Erscheinung anderen Erscheinungen gegenübergestellt wird, mit denen sie verwechselt werden kann. 2. Lernen wird oft erleichtert, wenn bewußt die Aufmerksamkeit auf die kritischen Merkmale gelenkt wird und wenn diese verstanden werden. (Vogel & Vogel, 1975: 57) <?page no="160"?> 158 Methoden des Theaters der Unterdrückten sind kunstvolle und konsequente Versuche, dialogisches Lernen in der Praxis ernst zu nehmen und den Lernvorgang in jeder seiner Phasen zu überprüfen. Die Anwendung dieser Lernmethode bezieht einen guten Teil ihrer Faszination und ihrer Wirksamkeit aus den Eigenheiten des dolmetschenden Berufs: die Erwartungen der Bedarfstragenden und die sich daraus ergebenden Widersprüche sind so offenkundig, dass ein Lernimpuls, der diese Situation in ihren verschiedenen Facetten sieht, nur Früchte tragen kann. Dieser Methode kommt außerdem zugute, dass sich das Emanzipationsbedürfnis immer stärker verbreitet und der Dialog eine Kommunikationsplattform schafft, die Wissensflüsse kanalisiert und aktuelle Themen, die über den Status des vorgegebenen Fachthemas hinaus für die Gesellschaft prägende Wirkung entfalten, bespricht. Die Befragungen von Bedarfstragenden von Dolmetschleistungen (vgl. Kadri , 2008) zeigen u.a., dass die Ausprägungen der Mentalität eines „dienenden Berufs“ oft mit einer kausalen Erwartungshaltung eines unmittelbaren persönlichen Vorteils einhergehen, wie etwa Parteiergreifung oder weitere Aufträge. Da kann es leicht passieren, dass unter dem Deckmantel der „Neutralität“ sozial abweichendes Verhalten geduldet bzw. erwartet wird. In der Ausbildung ist daher eine Auseinandersetzung mit allen Bereichen des Berufslebens gefragt. Das Ausmaß der Praxisorientierung wird sohin nicht nur nach seiner Verwertbarkeit, sondern vor allem nach seinem emanzipativen Charakter und Gehalt sowie der Kreativität gemessen. Boal verzichtet ausdrücklich auf individuelle Lösungen, es geht primär um (kreative) Bewusstmachung und Veränderung gesellschaftlicher Zusammenhänge. Kreative Arbeit setzt jedoch Sachkenntnis voraus: je größer die Sachkenntnis, desto beeindruckender die Kreativität - das eine fördert das andere. Eine empirische Erhebung zu diesem Ansatz (und über Bildung im Allgemeinen) ist jedoch kaum möglich, da hierbei die Langzeitwirkung von Bedeutung wäre. Ein so gestalteter Unterricht kann nur die Motivation der Studierenden zu einer veränderten Handlungsweise in der Dolmetschrealität wecken und allenfalls bestärken, sie jedoch nicht auf ihre Durchführbarkeit überprüfen. 135 Ob die Begegnung stattfindet, muss jeder einzelnen Person selbst überlassen werden, auch wie sie in ihrem Leben mit dem Erlebten umgeht. Wie soll man, wenn das Verhalten tatsächlich geändert wurde, untersuchen, ob nach längerer Zeit der Unterricht Wirkung zeigt bzw. ob es wirklich dieser war, auf Grund dessen man sein Verhalten geän- 135 Die Befragung der Studierenden zu den in Kap. 4 besprochenen Dolmetschübungen hat eine 100%-ige Zustimmung und Zufriedenheit ergeben. Die Bewertung einer ‚spielerischen’ Übung, die allen Beteiligten einfach Spaß macht, kann wohl kaum anders ausgehen. Die ‚Ergebnisse’ dieser Evaluierung werden daher hier nicht diskutiert. <?page no="161"?> 159 dert hat? Wir sind so vielen Einflüssen ausgesetzt, dass man eine Verhaltensänderung nicht konkret auf einen zeitlich begrenzten Unterricht zurückführen kann. Analog zu Boal, der das Theater nicht als eine Instanz sieht, die etwas unmittelbar verändern kann, sondern lediglich an der Veränderung teilhaben könne, so kann für den hier vorgestellten Ansatz festgehalten werden, dass die Überprüfung tatsächlicher didaktischer Relevanz und Nutzbarkeit kaum möglich ist, dass dieser Ansatz aber zur Veränderung beitragen kann. Selbstverständlich ist die didaktische Relevanz stets zu überprüfen und sind die Ergebnisse im Sinne eines Dialogs, der einen kleinen Beitrag zur Hochschuldidaktik liefert, zu betrachten. Für den Dialog muss sich ein Raum öffnen, der nicht nur die Nähe, sondern auch die Distanz voraussetzt und somit die Handlung möglich macht. Im Geiste von Martin Buber wird das Zwischen zu einem Handlungsraum, der offen für alle Beteiligten ist; der Begegnung im Zwischen geht ein Distanzierungsvorgang voraus, der notwendig ist, damit eine eigenständige Welt entsteht und die Begegnung ermöglicht wird. Die hier vorgestellte ‚Theaterarbeit’ führt insgesamt zu Selbstachtung, Festigung, Bildung eines kritischen Selbstbewusstseins. Damit werden die Bereitschaft und Fähigkeit der Studierenden zur Kritik und Selbstkritik, Argumentationsbereitschaft und -fähigkeit sowie die Empathiefähigkeit gesteigert (vgl. auch Klafki, 1996 5 : 63). Sohin wird in der Struktur des Translationsstudiums in seiner Gesamtheit eine eindeutige Identität geschaffen: klare Kommunikationsstrukturen und Spielregeln des operativen Handelns werden nicht propagiert, sondern gelebt. Auf diese Weise leisten Studierende auch einen Beitrag zu Selbstbestimmung, Solidarität und Aufbau von Werten innerhalb des Berufes und der Gesellschaft insgesamt. Gewiß ist es wichtig, was einer bekennt; aber noch wichtiger ist es, wie er es bekennt. Dieses Wie ist kein ästhetisches und nicht einmal ein ethisches; es geht um Realität, im Verhältnis zu der das Ästhetische und das Ethische nur Abstraktionen sind. Wohnt eine Weltanschauung im Kopf oder im ganzen Menschen? Lebt sie in den Stunden der Proklamation oder noch in den stillen Privatzeiten seines Lebens? Verwendet er sie oder gibt er sich ihr her? Das ist die Scheidung zwischen Realgesinnung und Fiktivgesinnung, zwischen der Gesinnung, die verwirklicht wird, bis sie ganz in die Wirklichkeit eingegangen ist, und der Gesinnung, die flott durchgesetzt und durchgesetzt wird, bis nichts von ihr übriggeblieben ist. (Buber 1995 8 : 61) 5.3 Unteilbarkeit von Theorie und Praxis Die translationswissenschaftlichen Fächer waren seit der Gründung der Ausbildungsstätten immer praxisorientiert, jedoch beschränkte sich die Ausbildung nicht immer auf die Anforderungen der Praxis, vielmehr bestand die ‚Praxisorientierung’ jahrzehntelang in der Kultivierung des Ge- <?page no="162"?> 160 gensatzes ‚Theorie’ und ‚Praxis’. Das hängt unter anderem auch damit zusammen, dass sich die ersten Ausbildungsstätten für Übersetzen und Dolmetschen aus einer dringenden praktischen Notwendigkeit herausgebildet haben und zunächst nur die ‚praktische’ Seite der Translation 136 betont und gefördert wurde. In den Übersetzungsübungen wurde das Meisterklassenprinzip gepflegt, und die Leitvorstellung der Translationsdidaktik erschöpfte sich in der möglichst interessanten Weitergabe der Tipps und Tricks erfahrener Praktiker. (Prun , 2004: 11) Die Forderung nach der Integration von Theorie und Praxis im Translationsunterricht findet sich bereits in den ersten translationswissenschaftlichen Arbeiten. 137 Umgekehrt war für „Theoretiker“ die Praxisrelevanz und die Einbeziehung der Berufspraxis im Unterricht eine Selbstverständlichkeit: Meine eigenen theoretischen Überlegungen haben ihre Wurzeln im Boden der Berufspraxis, und ich versuche die Ausbildung so anzulegen, daß der Studierende lernt, sich ein Arbeitsmethodensystem aufzubauen, das seinen persönlichen Gegebenheiten gemäß ist, das ihm erlaubt, im Fachbereich verantwortlich zu handeln. (Holz-Mänttäri, 1984a: 177) Nach wie vor besteht eine große Diskrepanz zwischen Translationstheorie und -praxis; diese wird von vielen Translationswissenschaftlerinnen und wissenschaftlern konstatiert. Wilss (1991: 2) bezeichnet diese Diskrepanz als unterschiedliche Realitätswahrnehmung von Forschern und Praktikern. „In einem Fall geht es um die Ansammlung von Wissen über Realität, im anderen Fall um die Gestaltung und Bewältigung von Realität.“ Die in einer akademischen Ausbildung selbstverständliche Integration von Theorie und Praxis ist in der Translationswissenschaft also gar nicht so selbstverständlich. Dieser Umstand hängt wohl mit der ursprünglichen „praktischen“ Ausrichtung der letzten Jahrzehnte zusammen. Im Bereich der Translationswissenschaft ist forschungsgeleitete Lehre also ein Novum, das einer stärkeren Verankerung und Institutionalisierung bedarf. Denn es ist ein Irrtum zu glauben, dass (auch praxisorientierter) Unterricht ohne Regeln bzw. ohne theoretische Fundierung auskomme: Für die Vermittlung einer Gesamtkompetenz sind sowohl erkenntnistheoretische Grundlagen (mit einer Sendungsperspektive) als auch die Theorie als Anwendungsmaßstab mit Empfangsperspektive und deren Umsetzung in der Praxis notwendig. Lehrende, die nur implizit theoretisches Wissen an die Studierenden vermitteln, geben diesen keine wirklichen Entscheidungskriterien in die Hand, um ihre 136 Die folgenden Zitate beziehen sich primär auf das Übersetzen, das Problem ist aber grundsätzlicher Natur und betrifft gleichermaßen auch das Dolmetschen. 137 Vgl. insbesondere Reiß & Vermeer (1984) und Snell-Hornby (1988). <?page no="163"?> 161 übersetzerischen Lösungen auch argumentativ begründen zu können; Lehrende, die lediglich theoretisches Wissen ohne Bezug auf die praktische Tätigkeit vermitteln, befähigen zwar die Studierenden, über das Übersetzen zu reden, nicht jedoch, es auch tatsächlich zu tun. (Kaindl, 1996: 190f) In ihrer Theorieform ist die Translationswissenschaft - wie jede andere Disziplin auch - Ausdruck von Begründungsrationalität. 138 Wenn wir mit Mittelstraß die Wissenschaft in eine Theorieform und eine Forschungsform einteilen, so können wir festhalten, dass die Translationswissenschaft in ihrer Forschungsform herauszufinden versucht, „was der Fall ist“, „in ihrer Theorieform stellt Wissenschaft dar, was sie herausgefunden hat, was sie weiß und wie, d.h. in welcher Form, sie etwas weiß“ (Mittelstraß, 1998: 104). Dabei kommt sowohl der Translationstheorie als auch der translatorischen Praxis eine besondere Bedeutung zu: die Translationstheorie im Sinne von Basiswissen, Bezugspunkt und Korrektiv, und die Praxis als reflektierendes translatorisches Alltagshandeln gründen gemeinschaftlich den didaktischen Impetus. Eine didaktikrelevante Translationswissenschaft kann u.a. transkulturelle Realitäten beobachten und erklären, indem sie Zusammenhänge zwischen Phänomenen, Ereignissen, Tatbeständen (verschiedener Kulturen) formuliert und aufeinander bezieht oder vergleicht: „Theorie war und ist der Schlüssel zur Praxis. Und Praxis der Prüfstein der Theorie. [...] Theorie und Praxis sind unteilbar“ (Kaiser-Cooke, 2003: 9). 139 Ein Schlüssel öffnet jedoch die Tür nicht von selbst. Die Person, die den Schlüssel benutzt, öffnet die Tür. Die theoretische Auseinandersetzung mit translatorischen Phänomenen kann also bereits im Studium zur Überprüfung und Weiterentwicklung von Theorien anregen. Die Verbindung von Theorie, Praxis und gesellschaftlichen Fragestellungen in der Lehre führt zu einer verstärkten Vernetzung von Wissenschaft, Praxis und Gesellschaft, womit sich für die Studierenden ein umfassenderer Lerneffekt ergibt. 140 Eine Theorie und ihre didaktische Umsetzung, die den Wunsch nach Erkenntnis weckt und eine genaue Vor- 138 Detailliert zur Theorie vgl. Böttger & Lobermeier (1996); zu Theorieformen Mittelstraß (1998). 139 Vgl. dazu Einstein: „Alle Wissenschaft ist nur eine Verfeinerung des Denkens des Alltags“ (Einstein 1936/ 1993a: 63, zit. in Salevsky, 2002: 81). 140 Der Erfolg der Verbindung von Theorie und Praxis kann insbesondere in den Rechtswissenschaften beobachtet werden, z.B. anhand der nach amerikanischem Vorbild gestalteten Lehr- und Lernmodelle der Law Clinics. Ein solches Projekt wurde am Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der KFU Graz unter der Bezeichnung „Refugee Law Clinic“ durchgeführt. Dabei wurden Studierende nach intensiver Schulung und unter Aufsicht eines praktizierenden Rechtsvertreters im Asyl- und Flüchtlingsrecht zur Rechtsberatung von AsylwerberInnen und Flüchtlingen in allen Stadien eines Verfahrens herangezogen (vgl. Weritsch, 2003). <?page no="164"?> 162 stellung von Richtung und Ziel bzw. auch den Nutzen für die eigene Berufspraxis erkennen lässt, kann Motivation und das Interesse nach Information und Reflexion fördern. Wenn ein Student motiviert ist (oder motiviert werden kann), (...) und wenn taugliche Methoden für die Steuerung des übersetzerischen Lernprozesses zur Verfügung stehen (oder die Bereitschaft besteht, diese im Rahmen des Möglichen zu entwickeln), kann ein Student eine bemerkenswert hohe Festigkeitsebene erreichen, auch wenn zu Beginn des Studiums deutliche Unterschiede in den individuellen Ausgangspositionen festzustellen waren. (Wilss, 1992: 59) In der vorliegenden Arbeit wurde versucht, Möglichkeiten aufzuzeigen, die im Einklang sowohl mit den empirischen Ergebnissen als auch mit dem theoretischen Hintergrund des Faches stehen. Es geht dabei nicht darum, die Adäquanz eigener Konzepte zu überprüfen oder die Korrektur fehlerhafter Ansätze zu fordern, sondern vielmehr darum, die Bildung neuer Konzepte zu ermöglichen und zu unterstützen. Die didaktische Auseinandersetzung bestehend aus theoretischem Durchleuchten der Fragestellungen und dessen Kontrolle durch die Praxis soll die wissenschaftliche Analyse fördern und zu Hypothesenbildungen führen, die ein unumgängliches Wechselspiel zwischen Theoriebildung und didaktischer Arbeit bilden. Wenn die einstigen Dolmetscherinstitute zunächst gezielt zur Ausbildung gegründet wurden, wäre es jetzt ihre Aufgabe, die in den letzten 40 Jahren gewonnenen theoretischen Erkenntnisse - auch aus den relevanten Nachbardisziplinen - in ihre Lehrprogramme so zu integrieren, daß sie informierte, verantwortungsbewußte Akademiker ausbilden, die gleichzeitig fähige Praktiker sind. (Snell-Hornby, 1997: 34) 5.4 Schlusswort und Neubeginn Der Lehre liegt schon längst kein ‚Sender-Empfänger-Ansatz’ mehr zugrunde. Dialog und Partizipation sind Selbstverständlichkeiten. Insgesamt lässt sich über die translatorische Ausbildung mit der Pionierin der Translationswissenschaft Holz-Mänttäri (1984a: 184) festhalten, dass es sich dabei um ein Bemühen handeln sollte, „die Grundlagen des Faches theoretisch zu durchdenken, Methoden für die theoretischen und praktischen Aufgaben zu erarbeiten und beides am Fall zu überprüfen.“ Mit dieser Arbeit wird der Versuch unternommen, vor dem Hintergrund eines neu gebildeten Referenzrahmens der Didaktik einen Ausschnitt von Realität im Unterricht zu erfassen. Dieses Modell dient einerseits als Rahmen für die Erforschung klärungsbedürftiger Aspekte und andererseits dazu, den Studierenden die Möglichkeit einzuräumen, alternative Lehr- und Lernstrategien kennenzulernen: obwohl dieses dynamische <?page no="165"?> 163 Modell konkrete theoretische Überlegungen in praktischer Absicht in sich trägt, sollte damit keinesfalls eine Rezeptologie vermittelt werden. Wie bereits eingangs dieser Arbeit festgestellt, ist ein translatorisches und im Speziellen ein Dolmetschstudium als ein Gesamtpaket zu verstehen, das verschiedene Bereiche umfasst und wo die Summe aller Bereiche ein Ganzes ergibt. Die metafachlichen Kompetenzen spielen insbesondere im Dolmetschstudium eine zentrale Rolle. In der Definition der translatorischen Kompetenz aus didaktischer Perspektive sind alle Faktoren, die die translatorische Arbeit selbst und alle an der Kommunikation Beteiligten betreffen, auch bei der didaktischen Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. In den meisten Formen des Dolmetschens 141 geht es gleichermaßen um Verhalten. Im Empfinden eines Verhaltens stehen die objektiven und subjektiven Züge dieses Verhaltens (und somit auch moralischer Normen) in einem eigentümlichen Spannungsverhältnis: Es ist außerordentlich schwierig, Verhalten rational zu begründen. Beim subjektiven Empfinden in einer kommunikativen Situation unterscheidet sich das Verhalten grundlegend dadurch, dass es nicht zwingend Bestandteil einer objektiven Wirklichkeit sein muss. Für die Betroffenen stellt es aber ‚echte’ Wirklichkeit dar. Es ist eine Binsenweisheit, dass Menschen unterschiedliche, inhaltlich divergierende Ansichten vertreten: ein und dasselbe Verhalten kann in einer Gesellschaft erlaubt, in einer anderen aber kategorisch verboten sein. Es geht hier daher nicht um ‚gute’ oder ‚schlechte’ Moral, sondern um gesellschaftliche Konsenskonstrukte und letztendlich häufig gesetzliche Regelungen. Daher können z.B. ethische Fragen im Bereich Translation unter Berufung auf eine vorgeschriebene Berufsethik (und somit auf einen Imperativ) nicht einmal annähernd gelöst werden. Angehende Translatorinnen und Translatoren benötigen selbstverständlich Richtlinien und Regeln und können sohin auf ein Kennenlernen eines ethischen Verhaltens nicht verzichten. Daher müssen sie zunächst wissen, welches Verhalten gesellschaftlich erlaubt, geboten oder verboten ist. Welchen Erfordernissen muss eine Norm, von der wir sagen wollen, sie sei eine gültige Norm in der Berufsausübung, nun entsprechen? Es gibt einerseits Interessen, die von der (Moral-)Norm zu berücksichtigen sind, aber es gibt auch Interessen, die, von einem unparteilichen Standpunkt aus betrachtet, moralisch gar nicht zählen. Das sind solche Interessen, die im Konflikt mit anderen ‚höheren’ Interessen stehen. Da es keine empirische Methode gibt, das ‚Gewicht’ von Interessen zu wiegen, können wir auch nicht feste Regeln aufstellen, weil es keine ewigen Normen gibt und weil Normen häufig nicht objektiv erkennbar sind. Ihr Gewicht wird vielmehr von den - wohl wahrnehmbaren - Interessen bestimmt, die im Laufe der 141 Insbesondere beim Dialogdolmetschen, also bei politischen und wirtschaftlichen Verhandlungen, Behördendolmetschen sowie beim Dolmetschen in sozialen und Gesundheitseinrichtungen. <?page no="166"?> 164 Zeit für einen Menschen wandelbar sind, wie es in einer Institution oder Gesellschaft gegensätzliche Interessen gibt, die nicht gleichzeitig erfüllt werden können. Welches Interesse höher zu bewerten ist, wird durch die jeweils herrschenden Machtverhältnisse entschieden. Wir haben in der vorliegenden Arbeit eine Didaktik des Nachdenkens für translationswissenschaftliche Studien eingefordert, um damit die Stellung der Translation im universitären und gesellschaftlichen Gefüge zu verdeutlichen. In diesem Sinne wurde versucht, im Zusammenhang mit den Vorschlägen eine Diskussion zu führen, die sich mit einem Gegenstand beschäftigt, der nicht ausschließlich dem Bereich der ‚reinen’ Wissenschaft zugehörig ist, sondern die Regeln und Prinzipien der Berufsausübung auf wissenschaftliche Methoden verlagert und unter Einbeziehung dieser auch ethische Fragestellungen umfasst; durch eine solche Ausbildung wird auch die Sicherheit geschaffen, dass wir nicht nach ‚bestem Wissen und Gewissen’, sondern nach wissenschaftlichen Methoden und begründbaren Werten handeln. Je transparenter die translatorische Arbeit gemacht wird, desto eher wird die gefundene Lösung - für alle Beteiligten - konsensfähig sein. Und je durchdachter der in der ethischen Norm verankerte Kompromiss zum Ausdruck gebracht wird, desto weniger läuft die Entscheidung Gefahr, als Verstoß gegen allgemeine ethische Grundsätze oder gar als verhaltenswidrig beurteilt zu werden. Bei der Einführung von Theatermethoden geht es darum, theoretische und praktische Aufklärungsarbeit zu leisten, die Studierenden für den Beruf so vorzubereiten, dass man sie mündig macht, anstatt besänftigende zu Gehorsam erziehende Attitüden des Translationsaktes oder Translationsberufes zu fördern. Das hat zur Folge, dass es keinen starren Unterrichtsplan geben kann, denn die Themen, die behandelt werden, werden nicht nur an die jeweilige Zielgruppe und ihre Bedürfnisse angepasst, sondern es wird darüber hinaus - wie es im Leitbild der Universität Wien 142 heißt - eine „intensive Interaktion und Kommunikation mit den gesellschaftlichen Kräften des Landes“ betrieben. Somit muss auch die universitäre Lehre als „Forum einer öffentlichen Diskussion aller gesellschaftsrelevanten Bereiche und Probleme“ angesehen werden. Das setzt voraus, dass Wissen nicht als etwas Absolutes, Statisches und Abgeschlossenes verstanden wird, sondern als „ein Prozeß, der aus der Praxis der Menschen bei der Veränderung der Wirklichkeit erwächst“ (Freire, 1981: 73). Es ist dies die allseitige Entfaltung der Studierenden und Förderung der metafachlichen Kompetenzen, konkreter Fertigkeiten und Fähigkeiten, und als Gesamtziel die Erreichung einer translatorischen Gesamtkompetenz, die die Bedeutung der eigenen Rolle in der Gesellschaft und ihre Verantwortung für sich selbst und der Gesellschaft gegenüber beinhaltet. Die 142 Vgl. http: / / www.univie.ac.at/ unileitbild.html (Stand 1.9.2008). <?page no="167"?> 165 Prozesse des Erkennens und des Handelns als Teil der geforderten Gesamtkompetenz verlangen die Kenntnis des Spielraums, in den interveniert wird. In ausführlichen Diskussionen kann gemeinsam über Verbesserungen nachgedacht und beraten werden. Da Szenarien nur einen Raum des Unvollständigen beinhalten, wird durch Diskussion und Probehandeln das Unvollständige mit Sachverhalten, wie sie sich ereignen könnten, gefüllt. Es ist heute eine didaktische Selbstverständlichkeit, gesellschaftliche Fragestellungen in den Unterricht einzubeziehen. Aus fachlich-inhaltlicher und (lehrenden-)berufsethischer Perspektive ist dies natürlich ein ständiges Abwägen, eine Dynamik zwischen der gesellschaftlichen und fachlichen Komplexität, die es in Beziehung zu setzen gilt, um daraus eine neue Welt zu schaffen und zu ihr zu führen. „Aber kann man denn zu einer Welt hinführen? “ fragt Martin Buber (1995 8 : 55) und wir schließen uns seiner Antwort an: Ist es denn möglich, weltanschauungsfrei zu lehren - und wäre es, wenns möglich wäre, erwünscht? Nein, es ist nicht möglich, und nein, es wäre nicht erwünscht. <?page no="169"?> 167 Literatur Albach, Horst (Hrsg.). 2005. Unternehmensethik und Unternehmenspraxis. Zeitschrift für Betriebswirtschaft. 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Jedoch ist bislang unklar, wie dies bewerkstelligt wird, d. h. welche Wissensstrukturen innerhalb eines Dolmetscheinsatzes wie erarbeitet und verwendet werden. Das vorliegende Buch erörtert deswegen zunächst die grundlegenden Wissensstrukturen von Fachtexten sowie deren Bezug zu den einzelnen „Phasen“ eines Dolmetscheinsatzes und leitet daraus ein Modell der dolmetschorientierten Terminologiearbeit (DOT ) ab. Anhand einer methodischen Schrittfolge sowie eines dedizierten Eintragungsmodells wird sodann dargelegt, wie die einzelnen Wissensstrukturen erfolgreich erarbeitet und - während der Dolmetschung - ver wendet werden können. Zum Schluß werden Modell und Methode beispielhaft auf authentische Konferenztexte angewendet und ihre prinzipielle Eignung für die Praxis belegt. Martin Will Dolmetschorientierte Terminologiearbeit Modell und Methode Translationswissenschaft, Band 5 2009, XVIII, 223 Seiten, €[D] 58,00/ SFr 98,00 ISBN 978-3-8233-6506-8 115509 Auslieferung November.indd 5 21.11.09 10: 41