Dialekt, Sprachmischungen und Spracheinstellungen
Am Beispiel deutscher Dialekte in Ungarn
1208
2010
978-3-8233-7572-2
978-3-8233-6572-3
Gunter Narr Verlag
Attila Németh
In diesem Buch werden die vielfältigen Sprachkontaktphänomene beschrieben, die bei älteren deutschen Dialektsprechern in Ungarn beobachtet werden können. Darüber hinaus erfasst er die Einstellungen, die bei Sprechern jeglichen Alters gegenüber Dialekt und Sprachmischung bestehen. Der Autor gelangt zur Erkenntnis, dass die bisherige Forschung die Einstellungen von bilingualen deutschen Dialektsprechern zur Sprachmischung noch nicht hinreichend genug beschrieben und erklärt hat.
<?page no="1"?> Beiträge zur Interkulturellen Germanistik Herausgegeben von Csaba Földes Band 2 <?page no="3"?> Attila Németh Dialekt, Sprachmischung und Spracheinstellungen Am Beispiel deutscher Dialekte in Ungarn <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. © 2010 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Druck: Universitätsdruckerei der Pannonischen Universität Veszprém Arbeitsnummer: 2010/ 108 Printed in Hungary ISSN: 2190-3425 ISBN: 978-3-8233-6572-3 <?page no="5"?> Inhalt Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Die Deutschen in Ungarn: soziolinguistische Lage . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.3 Zielsetzung und Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.4 Vorarbeiten und Forschungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.4.1 Sprachmischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.4.2 Spracheinstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2 Methode und Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.1 Analyse von Sprachmischungsphänomenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.1.1 Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.1.2 Daten und Informant(inn)en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.2 Spracheinstellungen und Akzeptabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.2.1 Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.2.2 Daten und Informant(inn)en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3 Typen von Sprachmischungsphänomenen in biographischen Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.1 Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.2 Implizite Sprachmischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3.2.1 Doppelnegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3.2.2 Präpositionalphrasen als Richtungs- und Ortsangaben . . . . . . . . . . . . 79 3.2.3 Serialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.3 Explizite Sprachmischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3.3.1 Diskursmarker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.3.2 Konnektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.3.3 Hybride Wortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 <?page no="6"?> Inhalt VI 3.3.4 Hybride Flexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3.3.5 Sonstige Lexeminsertionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3.3.6 Wortgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3.3.7 Alternation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4 Sprachmischung aus der Sprecherperspektive . . . . . . . . . . . . . 127 4.1 Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 4.2 Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung . . . . . . . . . . . . 135 4.2.1 Beurteilung des deutschen Dialekts mit ungarischem Kontakteinfluss mittels Vergleich von Altersgruppen . . . . . . . . . . . . . . 136 4.2.2 Beurteilung des deutschen Dialekts mit und ohne Kontakteinfluss des Ungarischen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 138 4.2.3 Beurteilung des deutschen Dialekts von älteren und jüngeren Ungarndeutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 4.2.4 Beurteilung des deutschen Dialekts im Vergleich zum Ungarischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 4.3 Akzeptabilität von Sprachmischungsphänomenen . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 4.3.1 Hybride Wortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 4.3.2 Ungarische Konnektoren in deutschen dialektalen Sätzen . . . . . . . . . 168 4.3.3 Ungarische Verben in deutschen dialektalen Sätzen. . . . . . . . . . . . . . . . 170 4.3.4 Ungarische Nomina in deutschen dialektalen Sätzen . . . . . . . . . . . . . . 171 4.3.5 Doppeltransfers aus dem Ungarischen in deutschen dialektalen Sätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4.3.6 Die Beziehung zwischen Akzeptanz und Alter der Informant(inn)en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 5.1 Sprachmischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 5.2 Spracheinstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 7 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 7.1 Fragebögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 7.2 Belegkorpus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 7.3 Apparat: Matched-guise-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 <?page no="7"?> Vorwort des Herausgebers Die vorliegende Monographie unseres Institutsmitarbeiters Dr. Attila Németh geht auf seine gleichnamige Dissertation zurück, die er 2009 mit dem Prädikat „summa cum laude“ verteidigt hat. Die soziolinguistisch-kontaktlinguistisch orientierte empirische Arbeit verfolgt im Rahmen einer Doppelperspektive zwei Hauptziele: a) Zum einen handelt es sich um eine Analyse von Sprachkontaktphänomenen, in der Rede (älterer) bilingualer Sprecher deutscher Dialekte in Ungarn (im Raum Balaton-felvidék/ Plattensee-Oberland) anhand eines aus biographischen Interviews gewonnenen Korpus. Dabei wird gefragt, welche Prozesse und Typen von Sprachmischung in der Sprechproduktion dieser Informant(inn)en auftreten und welche Vorkommensvielfalt die einzelnen Sprachmischungstypen aufweisen. b) Zum anderen wird eine Analyse von Spracheinstellungen gegenüber dem deutschen Ortsdialekt - mit und ohne Sprachkontakteinfluss - sowie eine Beschreibung von Spracheinstellungen gegenüber dem deutschen Dialekt als Minderheiten- und dem Ungarischen als Mehrheitssprache angestrebt. Sowohl die Spracheinstellungsdaten als auch die ergänzend herangezogenen Akzeptabilitätsurteile über ausgewählte Typen der lexikalischen Sprachmischung wurden mit der unabhängigen Variable ‚Alter‘ in Beziehung gesetzt. Die Erkenntnisse der Abhandlung haben Relevanz für mehrere Disziplinen und können den bisherigen Wissensstand der internationalen linguistischen Forschung in zahlreichen Punkten erweitern: Die methodologisch sorgfältig durchgeführte und materialreiche Untersuchung wird wohl dem einschlägigen Wissenschaftsdiskurs zahlreiche weitere Impulse geben. Sowohl als Doktorvater wie auch als Institutsdirektor und nicht zuletzt als Herausgeber dieser Reihe freue ich mich sehr, den Lesern hiermit eine aspektreiche und innovative Arbeit von Attila Németh ihrer Aufmerksamkeit empfehlen zu können. Veszprém, im Sommer 2010 Csaba Földes <?page no="8"?> Danksagung Die vorliegende Arbeit stellt eine geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation dar, die im Mai 2009 an der Universität Szeged (Ungarn) angenommen wurde. Eine Arbeit, wie diese auch, kommt durch Mitwirkung vieler zu Stande, die mittels von Ratschlägen, Kritik und Unterstützung verschiedenster Natur zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. An dieser Stelle möchte ich all denen, die mir zur Seite standen, meinen Dank aussprechen. Meinem Doktorvater, Prof. Dr. Dr. Csaba Földes (Veszprém) für die Unterstützung, insbesondere für die Ermöglichung von Forschungsaufenthalten im Ausland, die meiner Arbeit sehr förderlich waren. Ich danke ihm auch für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe Beiträge zur Interkulturellen Germanistik. Dank gebührt auch Prof. Dr. Miklós Kontra (Budapest/ Szeged) und Dr. Anna Borbély (Budapest) für die großartige Hilfe bei der Planung der empirischen Datenerhebung. Ein besonderer Dank geht an Prof. Dr. Péter Bassola (Szeged), Dr. Maria Erb (Budapest) und Dr. Péter Maitz (Pécs) für ihre Gutachten und für ihre Verbesserungsvorschläge. Weitere Hinweise, von denen die Arbeit profitiert hat, verdanke ich Prof. Dr. Susan Gal (Chicago), Dr. Daniela Pelka (Opole) und Péter Kappel (Szeged). Ebenso danke ich Prof. Dr. Anne Betten (Salzburg) und Prof. Dr. Stephan Pfänder (Freiburg) für bereichernde Gespräche über Sprachkontakt. Schließlich gilt mein Dank Heide Bakai-Rottländer (Veszprém) für sprachlich-stilistische Hinweise und Ádám Tungli (Veszprém) für die Erstellung von Grafiken. Prof. Dr. Vilmos Ágel (Kassel), Prof. Dr. Péter Bassola und Prof. Dr. Mathilde Hennig (Gießen) bin ich sehr dankbar für die stete Ermutigung und den Beistand, die sie mir während meines Studiums in Szeged und auch danach entgegengebracht haben. Von ihnen habe ich nicht nur fachlich, sondern auch menschlich sehr viel gelernt, was die Durchführung des Projektes entschieden vorangebracht hat. Besondere Dankesworte verdienen meine Eltern, die mich lehrten, was Ehrlichkeit und Vertrauen bedeuten und dass sich harte Arbeit immer lohnt. Genauso danke ich meiner Frau und unserem Sohn, Bálint dafür, dass sie für mich immer da sind. Nicht zuletzt richtet sich mein Dank an Freunde, Kollegen für die Unterstützung ebenso wie an Kontaktpersonen und Informant(inn)en für wertvolle Daten. Im Herbst 2010 Attila Németh <?page no="9"?> 1. Einleitung 1.1 Gegenstand Hört man deutsche Dialektsprecher in Ungarn ihren Dialekt in den unterschiedlichsten Situationen sprechen, fällt in vielen Fällen der Einfluss des Ungarischen auf den jeweils gesprochenen deutschen Dialekt auf. Wie sich dieser Einfluss geltend machen kann, illustriert zunächst folgendes Beispiel: (1) E: und sprechen sie noch zu hause auch deutsch ↑ I: nein nein nein ich * habe es * erőltettem [forciert] na mit meini kinde ↑ als sie sin so ungarisch dass sie/ eine hot=s zugfrogt na minek kellett ezt most németül [wieso musste das jetzt auf Deutsch] ja wei so/ wei die deutschi sporoch nich brauchst * dann sprechen wir ungarisch (1929/ m/ Mór, Beleg 21) 1 Dieser Gesprächsausschnitt birgt gleichzeitig zwei, linguistisch wie metalinguistisch grundlegende Perspektiven auf das Phänomen ‚Sprachmischung‘ (im Weiteren verstanden als Sammelname für alle möglichen Sprachkontaktphänomene) in sich: Erstens sind an ihm unterschiedliche Ausprägungen des ungarischen Kontakteinflusses zu erkennen: Hier fügt der Sprecher, während er den deutschen Dialekt spricht, zunächst ein Lexem aus dem Ungarischen ein, dann versprachlicht er das Zitat mit Satzform ebenfalls auf Ungarisch. Zweitens belegt dieses Beispiel eine mehrmals beobachtete ‚Spracheinstellung‘ von jüngeren Sprecher(inne)n gegenüber dem deutschen Dialekt und der Zweisprachigkeit von Ungarndeutschen, indem sie, auch wenn sie den deutschen Dialekt einigermaßen noch sprechen und/ oder verstehen können, auch in informellen Gesprächen lieber beim Ungarischen bleiben (vgl. z.B. Mirk 1997: 196, Erb/ Knipf 2004: 84, Knipf-Komlósi 2004: 34, Földes 2005: 54). Wie der zur Zeit der Aufnahme 77 Jahre alte zweisprachige ungarndeutsche Sprecher aus __________ 1 Durch Siglen vom Format Geburtsjahr/ Geschlecht/ gegenwärtiger Wohnort (und Belegnummer) sollen im Weiteren Informantendaten angegeben (und soll auf Belege des Interviewkorpus im Anhang verwiesen) werden. I = Informant(in), E = Explorator(in). Alle zitierten Belege aus dem eigenen Korpus und aus anderen Arbeiten werden fortlaufend nummeriert. <?page no="10"?> Einleitung 2 Mór im oben zitierten Beleg erklärte, wird mit seinen Kindern zu Hause nicht mehr Deutsch gesprochen, weil er damit immer wieder auf Widerstand stößt. Den Gegenstand der Arbeit bildet der oben genannten Doppelperspektive entsprechend einerseits die Beschreibung von Sprachkontaktphänomenen, die in der Rede älterer ungarndeutscher Sprecher registriert werden können, andererseits die Untersuchung einschlägiger Spracheinstellungen, die Ungarndeutsche unterschiedlichen Alters gegenüber dem deutschen Dialekt und der Sprachmischung haben. Die vorliegende Arbeit hat die Analyse dieser Aspekte in einer ‚rezessiven‘ Sprachkontaktsituation vor, in der deutsche Dialekte und das Ungarische im Kontakt stehen. Während Formen und Funktionen von Sprachkontaktphänomenen in seit langer Zeit bestehenden Zweisprachigkeitssituationen bisher ausgiebiger untersucht worden sind, gebe es noch immer, wie Rindler Schjerve (2004: 13) den Forschungsstand resümierend feststellt, reichlich weiße Flecken in Bezug auf die Erforschung von Aspekten der Sprachmischung in rezessiven Sprachkontaktsituationen. Um diese unter verschiedenen Zweisprachigkeitssituationen verorten zu können, verdient die Unterscheidung zwischen ‚instabilen‘ und ‚stabilen‘ Zweisprachigkeitssituationen einen kurzen Kommentar. Mit Ersteren wird in der Regel die Phase des Erwerbs bzw. Verlustes der Zweisprachigkeit, mit Letzteren andauernde Zweisprachigkeitssituationen bezeichnet, wie folgende schematische Darstellung (entnommen aus Németh 2006) zeigt: Sprachwechsel: Verlust zweisprachiger Kompetenzen (rezessive Zweisprachigkeit) instabile Zweisprachigkeit rudimentäre Kompetenz: „nicht mehr wissen“ stabile Zweisprachigkeit Spracherwerb: Erwerb zweisprachiger Kompetenzen (progressive Zweisprachigkeit) instabile Zweisprachigkeit defizitäre Kompetenz: „noch nicht wissen“ Ist von ‚instabiler‘ Zweisprachigkeit (auf sozialer Ebene) die Rede, so bedeutet dies natürlich nicht zwingend, dass jeder Sprecher einer Sprechergemeinschaft <?page no="11"?> Gegenstand 3 über gleich schwache Kompetenzen in beiden Sprachen verfügt und umgekehrt dass in ‚stabiler‘ Zweisprachigkeit alle Sprecher einer Sprechergemeinschaft über gleich starke Kompetenzen in beiden Sprachen verfügen. Erschwerend kommt hinzu, dass die theoretische Unterscheidung zwischen ‚instabilen‘ und ‚stabilen‘ Zweisprachigkeitssituationen in die Praxis nur mühsam umzusetzen und am besten aus diachroner Perspektive anzugehen ist. Wie Gal (1996: 590) betont, ist es bei einem raschen Ablauf des Sprachwechselprozesses durchaus möglich, dass die letzten Sprecher einer Sprechergemeinschaft immer noch ausgeprägte Kompetenzen in der im Verschwinden begriffenen Sprache haben, wohingegen bei einem über Generationen hinweg andauernden Sprachwechselprozess die Sprecher sich kompetenzmäßig auf einer breiten Skala zwischen schwachem (oder keinem) und starkem Kompetenzniveau befinden. Das obige virtuelle Kontinuum vom Spracherwerbspol bis zum Sprachwechselpol ist daher bestimmt von der jeweiligen Proportion der Sprecher einer Sprechergemeinschaft mit schwachen bzw. starken Kompetenzen. Dabei ist man geneigt, Folgendes anzunehmen: Je instabiler eine Zweisprachigkeitssituation ist, desto mehr verbinden die Sprecher mit der Sprachmischung - als Zeichen des Noch-nicht-Wissens bzw. des Nicht-mehr-Wissens - negative Assoziationen. Und andersherum: In stabilen Zweisprachigkeitssituationen verbinden die Sprecher mit Sprachmischung in gruppeninterner Kommunikation eher positive Assoziationen, da Sprachmischung den wohl vertrauten ‚Gebrauchsnormen‘ der zweisprachigen Sprechergemeinschaft entspricht. Hier spielt nicht nur der (in)stabile Charakter der jeweiligen Zweisprachigkeitssituation eine wichtige Rolle, sondern auch die Frage, ob es um eine Zweisprachigkeit mit oder ohne Diglossie geht. In der Tat aber ist das Vorkommen von Sprachmischung in einer bilingualen Sprachgemeinschaft, wie bisherige Erfahrungen zeigen, allein kein verlässlicher Indikator für Sprachwechsel. Dies gilt wohl auch für negative oder positive Einstellungen der Sprachmischung gegenüber, d.h. sowohl puristische Sprachideologien als auch das Fehlen dieser kann zum Sprachwechsel führen und beide sind sowohl in ‚stabilen‘ als auch in ‚instabilen‘ Zweisprachigkeitssituationen vorhanden. Dass die Sprachmischungsgewohnheiten verschiedener Sprechergemeinschaften und die Einschätzung der Sprachmischung durch Mitglieder dieser Sprechergemeinschaften Unterschiede aufweisen, verwundert sicher keinen Sprachkontaktforscher. Diese Besonderheiten analysiert Gal (1987), eingebettet in soziale Zusammenhänge, am Beispiel des Sprachmischungsverhaltens von drei Sprechergemeinschaften, den Italienern in Deutschland, den Ungarn in Österreich (Oberwart) und den Deutschen in Rumänien (Siebenbürgen). Die erste befindet sich in der Phase der Herausbildung, die letzten zwei in der Phase der Aufgabe der Zweisprachigkeit, alle drei sind also dem Typ ‚instabile‘ Zweisprachigkeit zuzuordnen. Den drei Zweisprachigkeitssituationen ist ge- <?page no="12"?> Einleitung 4 meinsam, dass eine Varietät des Deutschen in allen drei eine wichtige Rolle spielt; sie unterscheiden sich aber darin, dass der Sprachmischung in allen drei Sprechergemeinschaften eine besondere, sich von den anderen zwei unterscheidende Funktion zukommt. Bei den italienischen Gastarbeitern in Süddeutschland (ebd. 640ff.) ist eine enge Verflechtung des Italienischen und des Deutschen zu beobachten. Neben dem Deutschen, als Sprache des Arbeitsplatzes und der Schule, gilt das Italienische als Sprache der Zusammengehörigkeit und intimer familiärer Kontexte, die Erwachsene an Jüngere bewusst weitergeben. Die für den Sprachgebrauch der Jugendlichen charakteristische Sprachmischung (Umschaltungen aus dem Deutschen ins Italienische) hat nicht nur eine diskursgestaltende Funktion, sondern sie dient auch dazu, neu angekommene Gastarbeiterkinder, die weder den einsprachigen Italienern in Italien noch den einsprachigen Deutschen in Deutschland angehören, zu integrieren. Für Ungarisch Sprechende in Österreich, das zweite Beispiel von Gal (ebd. 643ff.), ist Deutsch die Sprache der Elite und der Weg zum sozialen Aufstieg, wohingegen das Ungarische die Sprache der Solidarität ist. Die Älteren verwenden in Gesprächen mit Zweisprachigen immer das Ungarische, das Deutsche hingegen nur mit einsprachigen Deutschen. Die unter 35-Jährigen sprechen untereinander Deutsch, Ungarisch nur mit den Älteren. Die Generation dazwischen, die Sprachmischung im Vergleich zu den Älteren und Jüngeren am häufigsten (aber selten diskursfunktional) verwendet, schaltet in ungarischsprachigen Gesprächen ins Deutsche um, um Prestige oder Kompetenz zu demonstrieren. Das letzte Beispiel von Gal sind Deutschsprechende in Rumänien, Siebenbürgen (ebd. 646ff.), die neben dem Rumänischen (oder ggf. Ungarischen) drei Varietäten des Deutschen (Sächsisch in Dörfern vor Ort, Sächsisch in der Stadt und Standarddeutsch in der Kirche und Schule) sprechen. Die Sprachwahl unterliegt hier klaren Regeln: Es wird immer die Sprache des Gesprächspartners gesprochen. Dasselbe ist der Fall bei der Sprachmischung: Während standarddeutsche Wörter im Gespräch auf Sächsisch auf einen gebildeten Sprecher oder eine genaue Formulierung hinweisen, erscheinen Wörter aus der offiziellen Mehrheitssprache Rumänisch nie in dieser Funktion. Einstellungen zur Zweisprachigkeit haben in der Forschung, wie Romaine (1995: 288) resümiert, deutlich weniger Beachtung gefunden als andere Aspekte der Zweisprachigkeit. Warum beispielsweise in vielen Fällen selbst Zweisprachige die ziemlich negativen Einstellungen von Einsprachigen gegenüber Zweisprachigkeit teilen, gilt ebenso zu klären wie die Frage, welche Einstellungen bilinguale Sprecher gegenüber der Sprachmischung haben. Romaine (ebd. 301) gibt zu, dass die Einstellungsvarianz in instabilen Zweisprachigkeitssituationen, aber natürlich nicht nur in solchen, überaus groß sein kann. Dies belegen lediglich wenige mit Fragebogen erhobene Einzeldaten aus dem <?page no="13"?> Die Deutschen in Ungarn: soziolinguistische Lage 5 deutsch-ungarischen Sprachkontakt (vgl. Kap. 1.4.2), daher ist eine eingehende Beschäftigung mit diesen Fragen notwendig. 1.2 Die Deutschen in Ungarn: soziolinguistische Lage Die deutschen Dialekte in Ungarn blicken auf eine tausend Jahre lange Geschichte zurück, denn teilweise schon vor der, intensiver aber seit der Staatsgründung wurden bzw. haben sich in mehreren Etappen regelmäßig Deutschsprachige im Land angesiedelt. Die Mitglieder der heutigen deutschen Minderheit sind Nachkommen von Ansiedlern, die im Zuge von Ansiedlungsmaßnahmen v.a. im 18. Jh. ins Land kamen. Bei der Ansiedlung kam es damals desöfteren vor, dass in derselben Siedlung Sprecher zusammenkamen, die im Heimatland in unterschiedlichen Dialektgebieten lebten. Die deutschen Dialekte, die auf diese Weise ihre neue Heimat fanden, haben zudem auch ihre eigenen Entwicklungswege: Sie sind Kontaktvarietäten, die durch Konvergenzprozesse zwischen unterschiedlichen Dialektvarietäten der Ansiedler zu Stande kamen und mit der Zeit ihr eigenes Gesicht erhielten, aber im Grunde auch noch heute einen erkennbaren bairischen, fränkischen und schwäbischen Grundcharakter haben. Nach einer Bestandsaufnahme von Hutterer (1973/ 1991: 259ff.) für die zweite Hälfte des 20. Jhs. fanden sich die meisten ungarndeutschen Siedlungen in Transdanubien. Ungarnweit sind folgende ungarndeutsche Dialektgebiete zu unterscheiden: (1) Nordwestungarn mit südbairischen und ostmittelbairischen Dialekten, die eine unmittelbare Verbindung zu österreichischen Varietäten haben; (2) das Ungarische Mittelgebirge, zweigeteilt in einen Ost- und einen Westabschnitt mit donaubairischen ua- und ui-Dialekten; (3) die „Schwäbische Türkei“, südöstliches Transdanubien mit dem Zentrum Pécs/ Fünfkirchen mit mehrheitlich südfränkischen Dialekten; (4)einzelne Gebiete mit ungarndeutschen Siedlungen östlich der Theiß in der Batschka als unmittelbare Fortsetzung von (3) sowie ungarndeutsche Siedlungen entlang der südlichen Staatsgrenze als nördliche Grenzsiedlungen des Banats (vgl. auch Hessky 1997: 1729): <?page no="14"?> Einleitung 6 <?page no="15"?> Die Deutschen in Ungarn: soziolinguistische Lage 7 Viele deutsche Bewohner ließen sich im Zuge der Ansiedlungswellen im 18. Jh. in erster Linie aus ober- und mitteldeutschen Herkunftsgebieten in Ungarn nieder. Es kamen in diesen Regionen Ungarns seltener ethnisch und sprachlich heterogene, viel häufiger hingegen fast homogene deutsche Dorfgemeinschaften zu Stande, die ihre Geschlossenheit über lange Jahrzehnte hinweg auch noch im 19. Jh. bewahrten. Das bedeutete, dass der jeweilige deutsche Dialekt der Ansiedler lange das einzige Kommunikationsmittel blieb, der seine Ingroup-Funktion mangels intensiver Mobilität gut erfüllte. Das Ungarische fing erst nach dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich 1867 an, an Terrain zu gewinnen, jedoch mit unterschiedlicher Intensität je nach Region, Siedlungstyp und sozialer Schicht: Die Verbreitung des Ungarischen war beim Bürgertum der Hauptstadt die stärkste, noch immer beachtlich in den Ballungsgebieten um die Hauptstand herum, bzw. entlang den Ortschaften, die durch das neu ausgebaute Bahnnetz verbunden waren; sehr niedrig dagegen in den kompakten Dorfgemeinschaften, beispielsweise in Südungarn. Es ist ja kein Zufall, dass Ortsmonografien, die in der Zwischenkriegszeit erschienen, höchstens lexikalische Einflüsse des Ungarischen dokumentieren, keine aktive, d.h. kommunikationsfähige Ungarischkompetenzen. Die Zahl der Deutschen zeigt nach dem Friedensvertrag von Trianon (1920), dann nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eine beachtliche Abnahme. Die deutsche Bevölkerung verringerte sich etwa um die Hälfte der Zahl der Deutschen zwischen 1930-41 (ca. 500.000 Personen) infolge der Zwangsaussiedlung in die amerikanische (135.655 Personen) und die sowjetische Besatzungszone (ca. 50.000), ca. 30-40.000 Deutsche wurden in die Sowjetunion zur Zwangsarbeit verschleppt (vgl. Szarka 2004: 85). Studiert man die Bevölkerungsdaten der Volkszählungen ab 1941, so erkennt man, dass sich darin nicht nur diese Verluste widerspiegeln, sondern auch die jeweilige Einstellung der Ungarndeutschen zum öffentlichen Bekenntnis zur Nationalität bzw. zur ‚Muttersprache‘ (vgl. auch Gal 1993: 342f.). 1941 1949 1960 1980 1990 2001 Einwohner deutscher Muttersprache 475.491 22.455 50.765 35.594 31.231 33.792 Einwohner deutscher Nationalität 302.198 2.617 8.640 11.310 30.824 62.233 (Quelle: Veröffentlichungen des Ungarischen Statistischen Zentralamtes bzw. www.ksh.hu) <?page no="16"?> Einleitung 8 Sehr prägnant ist die Zäsur zwischen den Volkszählungsangaben 1941 und 1949, als die Zahl der Einwohner deutscher Nationalität wie auch jener mit deutscher Muttersprache drastisch zurückging. 1949 trauten sich infolge der traumatischen Kriegsgeschehnisse ca. 10% der in Ungarn verbliebenen Deutschen (etwa 250.000 Personen), Deutsch als Muttersprache anzugeben. Während ab 1960 die Zahl der Einwohner deutscher Nationalität „steigt“, ist von 1960 bis 1990 parallel dazu ein Rückgang, dann eine Stabilisierung der Zahl der Einwohner deutscher Muttersprache zu beobachten. Nicht nur die Statistik ist jedoch irreführend, sondern auch von der „Zahl von Einwohnern deutscher Nationalität/ Muttersprache“ zu sprechen: Denn tatsächlich stieg/ sank nicht die Zahl von Einwohnern deutscher Nationalität und Muttersprache, sondern die Zahl derjenigen, die sich zum Deutschtum bekannten oder Deutsch als Muttersprache angaben. Während die Zahl der Bevölkerung mit deutscher Muttersprache in der Zeit von 1941-2001 durchweg höher lag als die mit deutscher Nationalität, ist dies 2001 proportional umgekehrt. Dieses Ergebnis erklärt sich einerseits daraus, dass Deutsch als Muttersprache kein absolutes Kriterium mehr für die Zugehörigkeit zum Deutschtum darstellt, andererseits ist es wahrscheinlich auch ein Zeichen der abnehmenden Deutschkompetenz. In diese Tendenz fügt sich auch die Tatsache ein, dass 88.416 Personen ihre Verbundenheit zur deutschen Kultur geäußert haben - deutlich mehr als die Zahl der Personen deutscher Muttersprache. Insbesondere nach 1945 traten infolge markanter ‚Sprachwechselprozesse‘ (i.S. von Gal 1996) tiefgreifende Veränderungen im Sprachgebrauch der Deutschen in Ungarn ein, weswegen hier von einer rezessiven Zweisprachigkeit gesprochen werden kann. Während vor Mitte des 20. Jhs. das primäre Mittel der gruppeninternen Kommunikation und gleichzeitig der primäre Identitätsträger die deutschen Dialekte waren, erfüllen diese Funktionen ab Mitte des 20. Jhs. zunehmend die Varietäten des Ungarischen. Von deutschen Ortsdialekten als ‚Muttersprachenvarietäten‘ (d.h. Sprache der Primärsozialisation) kann heute lediglich bei recht wenigen, in erster Linie älteren Ungarndeutschen gesprochen werden. Während dies auf den Großteil von vor den 30er Jahren des 20. Jhs. Geborenen und auf einen Teil der Folgegeneration zutrifft, kann man bei den nach den 1970er Jahren geborenen eine Dominanz des Ungarischen als Sozialisationssprache beobachten (vgl. Deminger 2004: 65-68). Der produktive Gebrauch und die rezeptive Kenntnis ungarndeutscher Dialekte zeigen ebenso gewaltige Generationsunterschiede: Die produktive und rezeptive Dialektkompetenz nehmen in Richtung jüngerer Generationen ab, den Dialekt beherrschen die Enkelkinder der heutigen Großelterngeneration sporadisch, wohingegen die schulische Standarddeutschkompetenz bei ihnen am besten ausgeprägt ist (vgl. Deminger ebd. 56, 63, 79). Gleichzeitig haben einige empirische Arbeiten gezeigt, dass die deutschen Dialekte aus der Alltagskom- <?page no="17"?> Die Deutschen in Ungarn: soziolinguistische Lage 9 munikation ungarndeutscher Familien zunehmend durch das Ungarische verdrängt werden (vgl. z.B. Arnold Fuszenecker 2000 und Deminger 2004: 77). Zudem gibt es nicht nur in der Kompetenz deutscher und ungarischer Varietäten (teilweise generationsspezifische) Unterschiede, sondern auch im gesellschaftlichen Prestige dieser, wobei sowohl das Ungarische als auch das Standarddeutsch in der Regel für wertvoller (d.h. nützlicher) gehalten werden als deutsche Dialekte (vgl. z.B. Mirk 1997: 202 und Knipf-Komlósi 2004: 38). Dies erklärt sich in erster Linie, wie Erb (2006a) zeigt, aus einem Komplex gesellschaftlicher Vorgänge: u.a. aus den negativen Erfahrungen und Diskriminierung von Deutschen in der Nachkriegszeit, weswegen sie ihre Muttersprache, d.h. den deutschen Dialekt in der Öffentlichkeit immer seltener sprachen und an ihre Kinder weitergaben. Hinzu kamen auch weitere Umstände, die diese Tendenz verstärkten: der Druck der Mehrheitsgesellschaft, das Ungarische zu verwenden; der fehlende Deutschunterricht in den meisten Siedlungen nach dem Zweiten Weltkrieg und nicht zuletzt der fehlende Zugang deutscher Dialektsprecher zu Dialekten der Heimatländer und zu „höheren“ deutschen Sprachvarietäten des vom Ende des 19. Jhs. schnell assimilierten deutschen Bürgertums. Es ist ja kein Zufall, dass das Ungarische zunehmend als Innovationsquelle für die deutschen Dialekte erschien, was insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. unmittelbar zu intensivem Sprachkontakt führte. Ebenso trug zum Rückgang deutscher Dialekte bei, dass sie häufig als ‚Bauernsprachen‘ stigmatisiert werden (vgl. eine von Erb ebd. 111 dokumentierte Einstellung: Die schame sich, deutsch zu rede.). Zwischen dem Prestige deutscher Dialekte, des Standarddeutschen und -ungarischen gibt es heute als Folge minderheitenpolitischer und gesellschaftlicher Prozesse jüngster Zeit einen abnehmenden Unterschied, trotzdem machen sich diese auf dem ‚sprachlichen Markt‘ 2 keine Konkurrenz, sodass deutsche Dialekte als Sozialisationssprachen heute praktisch keine herausragende Rolle mehr spielen. Die Rede älterer zweisprachiger Ungarndeutscher, deren Kompetenzen in deutschen Dialekten und im Ungarischen heute am ausgeglichensten sind, bietet ein gutes Experimentfeld für die Untersuchung von Formen und Status von Sprachmischung in solchen zweisprachigen Sprachgemeinschaften, die sich in Auflösung befinden. __________ 2 Der ursprünglich von Pierre Bourdieu geprägte Terminus ‚sprachlicher Markt‘ bezieht sich auf das von Soziolinguisten beobachtete Phänomen, dass Sprecher der niedrigeren Gesellschaftsschichten im Interesse des gesellschaftlichen und finanziellen Aufstiegs auch Sprachvarietäten höherer Gesellschaftsschichten mit höherem Prestige beherrschen (vgl. Trudgill 2003: 81). <?page no="18"?> Einleitung 10 1.3 Zielsetzung und Forschungsfragen Die Wahl einer zu Beginn dieses Kapitels bereits angedeuteten Doppelperspektive auf das Phänomen Sprachmischung haben die Erkenntnisse der in der angelsächsischen Literatur in breiten Kreisen bekannten ‚folk linguistics‘ angeregt, die zeigen, dass man an die gleiche Sprachgebrauchsfrage aus unterschiedlichen, miteinander vielfach verflochtenen Perspektiven herangehen kann, und erst die integrative Betrachtung dieser im Stande ist, ein umfassenderes Bild über die soziale Seite des Sprachgebrauchs zu vermitteln. Dies veranschaulicht folgende Darstellung von Niedzielski und Preston (2000: 26): a’ - States and processes which govern a What people say a What people say about 1) What is said (a) 2) How it is done (a’) c b How people react 3) How they react to it (b) to what is said 4) Why they say what they say (b’ & c’) b’ & c’ - Beliefs, attitudes & strategies which govern b & c Nachholbedarf besteht in der deutsch-ungarischen Sprachkontaktforschung im Hinblick auf den Einbezug metasprachlicher Daten, die sich auf die Einschätzung der Sprachmischung durch Sprecher(innen), die ihr in ihrer Alltagsinteraktion begegnen, beziehen. Demzufolge verfolgt die vorliegende Untersuchung ein doppeltes Ziel: (1) Sie hat zunächst eine beschreibende Zielsetzung, die darin besteht, Typen von Sprachmischungsphänomenen, so wie sie in den analysierten ‚biographischen Interviews‘ auftreten, vorzustellen (Kap. 3); Der primäre Analyseschwerpunkt ist hier in erster Linie ein formaler. (2) Das zweite Ziel ist es, das Phänomen Sprachmischung - bezeichnet als charakteristisches Merkmal des Sprachgebrauchs vor allem älterer ungarndeutscher Sprecher - auch aus der Sprecherperspektive zu unter- <?page no="19"?> Zielsetzung und Forschungsfragen 11 suchen (Kap. 4). Die zwei Teilaspekte dieser Zielsetzung sind die folgenden: (2a) Es sollen Spracheinstellungen gegenüber der Sprachmischung untersucht werden, um auf den Stigmatisierungsgrad, verdecktes Prestige und allgemein auf sprachliche Stereotypen gegenüber ungarndeutschen Dialekten mit ungarischem Kontakteinfluss zu schließen. (2b) Diese Analyse soll mit einer Untersuchung von ‚Akzeptabilitätsurteilen‘ über ausgewählte Typen von Sprachmischung ergänzt werden, um herauszufinden, mit welchem Anteil die Informant(inn)en bestimmte konkrete Phänomene der Sprachmischung als in ihrer Sprachgemeinschaft ‚natürlich‘, d.h. als im Sprachgebrauch zweisprachiger Ungarndeutscher normkonformes Phänomen annehmen bzw. ablehnen. Die aktuelle Fragestellung zu den Teilzielen 2a und 2b erfolgt auf den Ebenen Akzeptabilität von Sprachmischung und Spracheinstellungen ihr gegenüber, ergänzt mit einer Analyse von Spracheinstellungen in Bezug auf den deutschen Dialekt und das Ungarische. In all diesen Analysen steht der Faktor Alter im Mittelpunkt der Betrachtung. Zur projektrelevanten Kombination dieser Aspekte sollen zunächst folgende Forschungsfragen formuliert werden: - unter dem Einstellungsaspekt: 1. Hat das Alter ungarndeutscher Sprecher einen bedeutenden Einfluss 3 auf ihre Einstellungen gegenüber dem Dialekt mit Sprachmischungsphänomenen? 2. Hat das Alter ungarndeutscher Sprecher einen Einfluss auf ihre Einstellungen gegenüber dem Dialekt ohne Sprachkontaktphänomene? 3. Gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen den Einstellungen ungarndeutscher Sprecher gegenüber dem Dialekt und dem Dialekt mit ungarischem Kontakteinfluss im Vergleich? 4. Schließlich: Gibt es Unterschiede zwischen einzelnen (sprach- und sprecherbezogenen) Einstellungskomponenten im Hinblick auf die obigen Varietäten innerhalb und zwischen Altersgruppen? __________ 3 Ist im Folgenden von ‚Einfluss‘ oder ‚Beziehung‘ die Rede, geht es durchweg um keinen kausalen, sondern lediglich um einen statistischen Zusammenhang zwischen den untersuchten Variablen. <?page no="20"?> Einleitung 12 - unter dem Akzeptabilitätsaspekt: 5. Hat das Alter ungarndeutscher Sprecher einen Einfluss auf ihre Akzeptabilitätsurteile über (ausgewählte) Sprachmischungsphänomene? 6. Gibt es beachtenswerte Akzeptabilitätsunterschiede zwischen einzelnen Typen der Sprachmischung? Zwischen diesen Forschungsfragen in Bezug auf den Einstellungsaspekt besteht eine Relevanzhierarchie: Zentral ist immer die Frage nach der Beurteilung des deutschen Dialektes mit Sprachkontaktphänomenen gegenüber anderen Sprachvarietäten bzw. nach der Akzeptanz bestimmter Typen der Sprachmischung im Zusammenhang mit der Variable Alter. Dass der Schwerpunkt auf dem Alter liegt, erklärt sich aus dem primären Interesse an der Frage, welche Veränderungen der Einstellungen verschiedener ungarndeutscher Generationen, hier der älteren und der jüngeren, nachzuweisen sind. Es ist kein erklärtes Ziel, graduelle Unterschiede zwischen Generationen nachzuweisen, sondern vielmehr zwei altersmäßig voneinander etwas weiter liegende Generationen zu vergleichen. Aus diesem Grund wurden Daten von Sprecher(innen) der Zwischengeneration mit von 30 bis 65 Jahren nicht mit einbezogen, um durch den Vergleich der beiden, altersmäßig stärker auseinander liegenden Generationen eventuelle Spracheinstellungsunterschiede, die mit dem Alter korrelieren, untersuchen zu können. Zu beiden oben genannten Hauptschwerpunkten liegen bereits Vorarbeiten innerhalb der einschlägigen Forschung vor, von denen im Weiteren lediglich jene erörtert werden sollen, die für die aktuelle Fragestellung unmittelbar Relevanz besitzen. 1.4 Vorarbeiten und Forschungslage 1.4.1 Sprachmischung Neben lange Zeit im Zentrum des Interesses stehenden Forschungsthemen wie Herkunft und strukturelle Beschreibung ungarndeutscher Dialekte sowie Sprachinselforschung mit soziolinguistischen Schwerpunkten wurde der Beschreibung von Sprachkontaktphänomenen, die in ungarndeutschen Dialekten gegenwärtig zu beobachten sind, lange weniger Aufmerksamkeit entgegengebracht. 4 Ausgehend vom im 20. Jh. vorherrschenden, vor allem von der __________ 4 Als Standardwerk der diachron ausgerichteten deutsch-ungarischen Sprachkontaktforschung gilt die Monografie von Mollay (1982) über deutsches Lehngut im Unga- <?page no="21"?> Vorarbeiten und Forschungslage 13 ‚klassischen‘ Dialektologie geprägten Forschungsinteresse mit Fokus auf lautliche, wortgeographische und seltener grammatische Aspekte war die Beschreibung sprachkontaktbedingter Besonderheiten ungarndeutscher Dialekte eher die Ausnahme als die Regel (vgl. dazu Hutterer 1960/ 1991: 161-183 und Erb 2006b: 213ff.). Claus Jürgen Hutterer, einem von den wenigen Bahnbrechern, kam es jedoch als größte Selbstverständlichkeit vor, bei der strukturellen Beschreibung einer ungarndeutschen Dialektvarietät am Anfang der 90er Jahre (Die deutsche Mundart von Gestitz im Schildgebirge (Ungarn), 2000, postum) auch auf den Einfluss der Umgebungssprache Ungarisch auf die untersuchte Dialektvarietät in Grammatik (ebd. 22) sowie Lexikon (ebd. 34-36) systematisch einzugehen. Er stellte im Wortschatzkapitel seiner Arbeit exemplarische Beispiele für das Lehngut (das teilweise auch über das Gestitzer hinausgeht) vor, das neben Kulturwörtern wie tschaardaasch (< ung. csárdás ‚ung. Nationaltanz‘, oidemaasch < ung. áldomás ‚Leitkauf‘) und Wörtern familiärer Kontexte wie z.B. apu (< ung. apu ‚Vati‘) oder anju (< ung. anyu ‚Mutti‘) viele Sachbereiche umfasst. Zahlreiche aus dem Ungarischen stammende Lexeme mit spezifischer Bedeutung belegt Hutterer in der ‚Alterssprache‘: z.B. hoost kfelelt ‚hast du ge-felel-t? , hast du [im schulischen Sinne] geantwortet? ‘ (< ung. felel ‚antworten‘); duast fejdeni? ‚tust du [Rätsel]lösen? ‘ (< ung. fejt ‚lösen‘). Dass der Sprachkontakt auch für den Wortbildungsbereich ziemlich prägend ist, zeigt Hutterer an Lehnübersetzungen wie aufpreina ‚(Licht) anzünden‘ nach ung. fel-gyújt, bénzinprunna ‚Tankstelle‘ nach ung. benzinkút (kút ‚Brunnen‘). Untersuchungen mit dem erklärten Hauptziel, gegenwartsbezogene Aspekte des Einflusses der Mehrheitssprache Ungarisch auf die Minderheitensprache Deutsch aufzudecken, haben bis zur Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts auf sich warten lassen. Eine Analyse linguistischer Aspekte des deutsch-ungarischen Sprachkontaktes legt Földes (1996, erweitert: 2005) vor. Er beschreibt diverse Sprachkontaktphänomene auf verschiedenen Ebenen des Sprachsystems, die im Sprachgebrauch älterer zweisprachiger ungarndeutscher Sprecher(inn)en in der donauschwäbischen Gemeinde Hajós in Südungarn belegt wurden. Der Akzent liegt dabei auf der formellen Beschreibung von ‚Sprachenmischungsphänomenen‘ auf den zwei Ebenen ‚Transferenzen‘ und ‚Kode-Umschaltungen‘. Bei den ‚Transferenzen‘ richtet Földes sein Augenmerk __________ rischen bis zum 16. Jh. In diese Tradition fügen sich die Untersuchungen von Maria Erb zum ungarischen Lehngut in ungarndeutschen Dialekten vom 18. Jh. bis zum Zweiten Weltkrieg ein (vgl. z.B. in Erb 2004 die Analyse des Bedeutungswandels ungarischen Lehnguts mit einem reichen Belegmaterial für qualitativen und quantitativen Bedeutungswandel). <?page no="22"?> Einleitung 14 auf „die Übernahme von Elementen, Merkmalen und Gesetzmäßigkeiten aus der/ den Kontaktsprache(n)“ (2005: 73), um auf der lexikalisch-semantischen, grammatischen und pragmatischen Ebene aufzuzeigen, dass dort vielfältige sprachliche Ausprägungen des ungarischen Einflusses auftreten können. Bei den ‚Kode-Umschaltungen‘, also beim „Wechsel zwischen zwei Sprach(varietät)en innerhalb eines Diskurses, eines Satzes oder einer Konstituente“ (ebd. 78) werden drei Erklärungsansätze ausgemacht, wobei Földes seine Belege anhand von „extern-soziolinguistischen“, „intern-psycholinguistischen“ Faktoren sowie durch die Integration beider erklärt (ebd. 220ff.). Im Anschluss an die Diskussion um diese Phänomene wirft er auch die Frage nach der Stabilisierung der belegten Sprachkontaktphänomene aus der Perspektive des Sprachsystems auf und zieht dabei die Schlussfolgerung, dass „die Zahl der spontanen und gelegentlichen Transferenzerscheinungen höher anzusetzen ist als die der in Form und Verwendung stabilisierten und etablierten Transferenzen“ (ebd. 250). Genauso werden ‚Kode-Umschaltungen‘ nur als spontane, kurzfristige Formen der Sprachalternation auf der Interaktionsebene betrachtet, die längerfristig zu Transferenzen führen könnten (ebd. 307). Dem okkasionellen Charakter der untersuchten Sprachkontaktphänomene zum Trotz bescheinigt Földes den untersuchten Phänomenen durchweg eine eigene ‚bilinguale Norm‘, die nicht vergleichbar sei mit ‚Normen der Einsprachigkeit‘ (ebd. 252ff.). Schließlich wird - wohl v.a. für die deutsch-ungarische Sprachkontaktforschung - die Herausforderung formuliert, den bilingualen Sprachgebrauch auf außersprachliche Parameter (wie Alter, Geschlecht, Bildung, Beruf etc., ebd. 324ff.) hin zu untersuchen. Dies ist in der Tat ein Versäumnis der einschlägigen Forschung, da über den Zusammenhang zwischen außersprachlichen Faktoren und dem bilingualen Sprachgebrauch in der internationalen Literatur mehr bekannt ist. Über dieses Projekt hinaus gibt es auch Einzelstudien, die sich der Sprachkontaktproblematik im deutsch-ungarischen Kontext aus jeweils unterschiedlichen Aspekten und in unterschiedlicher Tiefe widmen. Mirk (1997) wendete sich in ihrer Arbeit zum deutschen Sprachgebrauch in Sanktiwan unter anderem auch der Sprachmischung zu. Neben der Beschreibung einzelner Sprachmischungstypen ihres Korpus führt sie auch instruktive Sprecherkommentare zu den Umständen bilingualer Rede an (ebd. 202f.). Diese zeigen, dass die Sprecher(innen) ihr eigenes Sprachmischungsverhalten mit Gründen wie z.B. Konformität (auch andere vermischen die Sprachen) oder mit Bequemlichkeit (Gemischtsprechen falle einem leichter) erklären. Schließlich behauptet Mirk (ebd. 203ff.) durch einen Vergleich des Sprachmischungsverhaltens ihrer Informanten, dass die Häufigkeit von Umschaltungen und Einzelwort- Insertionen gleichzeitig von mehreren Faktoren (wie z.B. Teilnehmer, Thema, Geschlecht, Bildung etc.) mitbestimmt sei. Etwa die Frauen neigten viel öfter <?page no="23"?> Vorarbeiten und Forschungslage 15 zur Umschaltung als Männer. Schließlich untersuchten Kappel und Németh (2002) und Németh (2003) anhand kleinerer Interviewkorpora Phänomene des Sprachkontaktes aus zwei ungarndeutschen Dialektgebieten, im Plattenseeoberland und in der ‚Schwäbischen Türkei‘ in Südwestungarn, und beschreiben dabei einige Typen grammatischer Sprachkontakterscheinungen, darunter solche, die auch in anderen, voneinander geografisch entfernten ungarndeutschen Dialektgebieten beobachtet wurden. Weitere Untersuchungen in diesem Bereich sind aus zwei Gründen notwendig: Einerseits gelten die bisherigen Analysen aus geografischer Sicht nicht flächendeckend, da eine eingehende kontaktlinguistische Analyse deutscher Dialekte des Plattenseeoberlandes bisher noch nicht durchgeführt wurde. Andererseits taucht in der o.g. Literatur eine Vielzahl von Interpretationsproblemen auf, bei denen weiterer Klärungsbedarf besteht. 1.4.2 Spracheinstellungen Bisher wurde in der deutsch-ungarischen Sprachkontaktforschung nicht systematisch untersucht, welche Sprachmischungsphänomene Zweisprachige als für ihren Sprachgebrauch charakteristische Erscheinungen akzeptieren. Lediglich steht soviel fest, dass Sprachkontaktphänomene in erster Linie für die dialektale Rede älterer zweisprachiger Sprecher charakteristisch sind, die eine ausgeprägte zweisprachige Kompetenz haben (vgl. z.B. Knipf-Komlósi 2002: 295 und Földes 2005: 97), was gleichzeitig bedeutet, dass Sprachmischungsphänomene im Sprachgebrauch jüngerer Sprecher, die den deutschen Dialekt in der Regel nicht sprechen, seltener oder gar nicht auftreten. 5 Hier taucht offenbar die Frage auf, dass die Unvertrautheit jüngerer Ungarndeutscher mit Sprachmischung auf der Ebene der täglichen Sprachpraxis auch mit stärkerer Ablehnung dieses Phänomens oder eben mit einem gewissen Grad der Akzeptanz einhergeht. Ebenso wenig ist darüber bekannt, welche Einstellungen zweisprachige Sprecher gegenüber deutschen Dialektvarietäten mit ungarischem Kontakteinfluss haben. Dazu lassen sich wie eingangs angedeutet in einschlägigen Arbeiten lediglich sporadisch empirische Daten finden. Zum Vor- __________ 5 In anderen Zweisprachigkeitssituationen, z.B. bei zweisprachigen Rumänen in Ungarn, die in beiden Sprachen in allen Generationen gute Kompetenzen haben, wurde nicht nur ein beachtlicher Einfluss des Alters auf die Gebrauchsfrequenz bestimmter Sprachmischungsphänomene nachgewiesen (manche sind in der Rede der Jüngeren häufiger), sondern auch gezeigt, dass sich bei Einstellungen gegenüber Varietäten in der betreffenden Zweisprachigkeitssituation die Interaktion des Alters und des Geschlechts geltend macht (Borbély 2001: 173-177). <?page no="24"?> Einleitung 16 kommen ungarischer lexikalischer Elemente im deutschen Dialekt äußern die Sprecher, dass diese die lexikalischen Mängel ungarndeutscher Dialekte kompensieren können (vgl. Knipf-Komlósi 2002: 296 und 2004: 34), ja sogar, dass die Verwendung dieser „Mischsprache“ die Kommunikation einfacher und reibungsloser machen könne und sich einer allgemeinen Akzeptanz erfreue (vgl. Knipf/ Erb 1998: 263). Wieder andere Sprecher meinen, dass die Mischung des Deutschen und des Ungarischen ein Zeichen für den Niedergang des Dialekts sei: Wir haben eine verdorbene Sprache, kein Ungarisch und kein Schwobisch (s. Mirk 1997: 202f.). Eine neuere empirische Untersuchung im Rahmen eines sechs Minderheiten Ungarns vergleichenden Projekts, in der Fragen nach der Beurteilung der Sprachmischung durch die Sprecher gezielt gestellt wurden, ist Erb (2006a) zu verdanken. Analysiert wurden dabei Antworten von 70 ungarndeutschen Informant(inn)en (eingeteilt in drei gleich große Altersgruppen) im Dorf Tarján auf die Frage, wie sie das Vorkommen erstens von ein paar, zweitens von vielen ungarischen Wörtern in deutschsprachiger Rede beurteilen. Den ersten Fall hatten 55,9% der Informanten, den zweiten dagegen nur noch 32,9% akzeptiert (ebd. 129). Die Gründe der Akzeptanz und der Ablehnung decken sich teilweise mit den oben aufgeführten Sprecherkommentaren: Hauptsach’, man kann sich verständige’, Viel besser, wenn sie so Schwäbisch sprechen als wenn gar nicht oder auf der anderen Seite: schlechte Angewohnheit, sie sollten entweder ungarisch sprechen oder deutsch (ebd. 116). Zudem fällt auf, dass der Anteil der die Sprachmischung tolerierenden Informant(inn)en relativ hoch liegt, wobei er sich jedoch sofort halbiert, wenn es um die Akzeptanz von Sprachmischung höheren Grades geht. In diesem Effekt können sich puristische Sprachideologien widerspiegeln, wobei die Sprecher(innen) die markante Sprachmischung als Zeichen des Sprachverlustes ansehen, daher mit aller Deutlichkeit diskriminieren (wie dies aus Fallstudien über Ungarn in New Brunswick, New Jersey bekannt ist, vgl. Bartha 1999). Die soeben zitierten Spracheinstellungen haben aber eins deutlich gemacht, nämlich dass die Beurteilung der Sprachmischung innerhalb einer Sprechergemeinschaft, wie auch in der der Ungarndeutschen, alles andere als einheitlich ist und von Sprecher zu Sprecher variieren kann, wobei der Generationsaspekt und der soziale Hintergrund der Sprecher(innen) eine wichtige Rolle spielen. Etwas besser bestellt ist es um die Frage, welche Einstellungen die Sprecher gegenüber deutschen Dialekten in Ungarn im Allgemeinen haben. Nach einschlägigen Arbeiten seien die Sprecher der Meinung, dass die ungarndeutschen Dialekte vor allem im Kontrast zum Standardungarischen und -deutschen defizitär sind (vgl. Knipf/ Erb 1998: 262 und 2000: 227, Deminger 2004: 99), sie hätten einen restringierten Verwendungsbereich, da sie über keine verschriftlichte Form verfügen und sich für die Kommunikation mit Deutschsprachigen nicht eignen würden. Nicht zuletzt vertreten einige Sprecher die Meinung, der <?page no="25"?> Vorarbeiten und Forschungslage 17 deutsche Standard sei „wertvoller“ und „wichtiger“ als die deutschen Dialekte (so z.B. Knipf/ Erb 2000: 227f.). Andere Sprecher meinen hingegen ausdrücklich, dass die Kenntnis ungarndeutscher Dialekte die Kommunikation in deutschsprachigen Ländern effektiver macht (vgl. Erb/ Knipf 1999). Während manche von diesen Einstellungen nahe legen, dass die befragten Sprecher eine klare (Prestige-)Hierarchie den deutschen Dialekten und dem deutschen Standard zugunsten des Letzteren zuschreiben, ist auch zu sehen, dass die Einstellungsdaten manchmal in einem krassen Widerspruch zueinander stehen, denn die ungarndeutschen Dialekte werden mal für nützlich, mal - vor allem gegenüber dem Standarddeutsch - für weniger wertvoll und unterentwickelt gehalten. Knipf und Erb (2000: 226) kommen bei der Erörterung der Wechselwirkung zwischen Sprachgebrauch, Sprachkompetenz und Spracheinstellungen zu der folgenden Verallgemeinerung: Je öfter die Sprecher eine bestimmte Sprachvarietät verwenden und je bessere Kompetenzen sie in dieser haben, desto positivere Einstellungen formulieren sie ihr gegenüber. Hier spielen aber wieder weitere Faktoren eine zentrale Rolle, wie beispielsweise der Ort und Kontext der Befragung, sowie der soziokulturelle Hintergrund der Sprecher(innen). In Erbs (2006a) Studie wurde beispielsweise gezeigt, dass die Tarjaner Deutschen im Falle des deutschen Dialektes eine höhere affektive Präferenz haben als gegenüber dem deutschen Standard, während dieses eine höhere instrumentelle Präferenz erfährt als der deutsche Ortsdialekt (ebd. 119), auch dann, wenn die einzelnen Generationen nicht über die gleichen Standarddeutsch- und Dialektkompetenzen verfügen. Darüber hinaus bleibt auch die Frage offen, zu welchem Ergebnis eine vergleichbare Erhebung führen würde, die Einstellungen nicht an direkt, sondern indirekt erhobenen Daten untersucht. Denn eine direkte Erhebung von Einstellungen gegenüber einer Varietät müsste wohl in Kauf nehmen, dass sie Einstellungen gegenüber einem idealisierten Gegenstand misst, wohingegen dieser Effekt bei indirekter Einstellungsmessung mit konkreten Sprechproben etwas verringert werden könnte. In der vorliegenden Arbeit soll Letzteres versucht werden, mit dem Anspruch, die Ergebnisse bisheriger direkter Einstellungsanalysen zu ergänzen. Im nächsten Kapitel folgt zunächst eine Darstellung der grundlegenden methodischen Instrumente der vorliegenden Untersuchung, jeweils im Zusammenhang mit den zwei Hauptzielen, nämlich mit der Beschreibung von Typen der Sprachmischung in der Rede älterer ungarndeutscher Zweisprachiger anhand eines Korpus, zusammengestellt aus biographischen Interviews bzw. mit der Analyse einschlägiger Spracheinstellungen von zwei ungarndeutschen Generationen. <?page no="26"?> 2 Methode und Daten 2.1 Analyse von Sprachmischungsphänomenen 2.1.1 Instrumentarium Die Erscheinungsformen des Sprachkontaktes, 6 die hier alle unter dem „Decknamen“ ‚Sprachmischung‘ zusammengefasst werden, sind eines der meist erforschten Zentralthemen der Sprachkontaktforschung, dem seit den Anfängen der Beschäftigung mit Sprachkontakt reges Interesse entgegengebracht wurde und auch noch heute entgegengebracht wird. Seit den Anfängen der Forschung wendete sich eine Reihe von Arbeiten, selbst zum Deutschen in Kontakt mit anderen Sprachen, den unterschiedlichsten Sprachkontaktsituationen zu, um hier nur einige zu nennen: Deutsch in Australien (Clyne 1967, 1981), Deutsch in Kanada (Hufeisen 1995), Deutsch in Israel (Du-nour 2000 und Betten/ Mauser 2002), Deutsch in Kontakt mit dem Türkischen in Deutschland (Keim/ Cindark 2003, Hinnenkamp 2003), Deutsch in Ungarn (Földes 2005), Deutsch in Amerika (Tracy 2006) und Deutsch in Dreisprachigkeitssituationen (Clyne 1997, 2002). Noch ausgiebiger konzentrierten sich Forscher auf den Kontakt des Englischen beispielsweise mit Sprachen wie Suaheli in Kenya (Myers Scotton/ Ury 1977), Spanisch in New York und das Französische in Ottawa-Hull (Poplack 1988) etc. Die Terminologie zur Beschreibung von Sprachkontaktphänomenen ist jedoch, wie weiter oben bereits angedeutet, mittlerweile so komplex geworden, dass es recht schwierig ist, damit fertig zu werden. Sichtet man die einschlägige umfangreiche Fachliteratur, so stößt man auf eine entsprechend große Fülle von Ansätzen, die Sprachmischung aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven mit manchmal inkompatibler Terminologie angehen. 7 Diese erschöpfend zu referieren ist jedoch kein Ziel dieses Kapitels, es werden hier vielmehr ohne Anspruch auf Vollständigkeit die geläufigsten Ansätze vorgestellt, die die gegenwärtige Forschung prägen. Im Grunde lassen sich min- __________ 6 Einen ausführlichen Überblick über diese bietet z.B. Sankoff (2002). 7 Vgl. dazu z.B. Myers-Scotton (1993/ 1995, Kap. 3, 45ff.) mit Fokus auf die sozialen Funktionen von Code-switching; zu weiteren Forschungsschwerpunkten bzw. zur Terminologie liefern z.B. Heller/ Pfaff (1996), Kovács (2001: 61ff.), Clyne (2003, Kap. 3, 70ff.), Milroy/ Gordon (2003: 209ff.) und Poplack (2004) einen guten Überblick. <?page no="27"?> Methode und Daten 20 destens drei Hauptlinien der Forschung unterscheiden, die offenbar viele Berührungspunkte haben und sich im Großteil der Fälle von soziolinguistischen Fragestellungen kaum trennen lassen. (1) Verwendungsorientierte Ansätze Analysen, die eine Beschreibung bilingualer Rede auf der makro- und mikrosoziolinguistischen Ebene anstreben, sind zahlreich. Bereits in ersten Beschreibungen von Sprachmischung sogar in stabiler Zweisprachigkeit hat man Beispiele für Alternation zwischen zwei Sprachen in demselben Gespräch registriert, in denen innerhalb derselben Konversationssequenz bei gleichbleibenden Situationsparametern (wie z.B. Teilnehmer, Situation, Thema etc.) die Sprecher beide Sprachen abwechselnd verwendeten (vgl. die Fallbeispiel- Analyse in Gumperz/ Hernandez 1982). In bestimmten Fällen, wie z.B. Myers- Scotton und Ury (1977) in ihrer Kenya-Studie zeigen, gilt Sprachmischung der Redefinition der Interaktion, d.h. durch sie werden die Veränderung des sozialen Umfeldes und die des sozialen Abstands markiert. Es ist empirisch untermauert (ebd. 14ff.), dass die nativen bilingualen Sprecher diese Funktion der Sprachmischung gut reflektieren können. Die früheren Ansätze in der verwendungsorientierten Richtung legten zwei grundlegende Perspektiven auf Sprachmischung fest: Wie aus dem Überblick von Milroy und Gordon (2003: 212ff.) hervorgeht, wird Sprachmischung (hier: Alternation zwischen Sprachen in derselben Interaktion) von manchen als eine von sozialen und sprachlichen Normen determinierte Erscheinung betrachtet, manch andere betonen hingegen ihre diskursstrategischen Funktionen. Milroy und Gordon (ebd. 221) geben aber zu, dass diese beiden Betrachtungsweisen, die einerseits die äußere Symbolik, andererseits die Diskursfunktionen der Sprachmischung betonen, einander nicht ausschließen, da beide ihrerseits verstehen helfen, wie Sprachmischung funktioniert. Zu dieser Forschungsrichtung gehören auch die Arbeiten von Gumperz (z.B. 1982), der die berühmte Unterscheidung zwischen ‚situativem‘ und ‚metaphorischem‘ Code-switching (= Alternation zwischen zwei Sprachen) entworfen hat. Ersteres steht ähnlich wie bei Fishmans Domain-Konzept (vgl. z.B. Fishman 1982) mit äußeren Faktoren wie Thema, Anwesende etc. im Zusammenhang, beim zweiten steht dem Sprecher frei, welche Sprache er innerhalb eines Gesprächs wählt, sodass diese Art Code-switching nicht vorhersagbar ist. Gumperz (1982: 75ff.) illustrierte dies mit verschiedenen Gesprächsfunktionen von Code-switching, wie z.B. Markierung von Zitaten, Adressatenspezifizierung, diskursive Wiederholungen oder Korrekturen und Ergänzungen). Gumperz’ Distinktion zwischen situativer und metaphorischer Alternation wurde von Auer (1984: 90f.) erstens mit dem Argument kritisiert, dass die ‚Situationen‘, und somit auch ihre Parameter, nie geschlossen sind, sondern die <?page no="28"?> Analyse von Sprachmischungsphänomenen 21 Partizipanten gestalten sie ständig mit. Dies erschwere auch die Erklärung von Code-switching mit einem festgesetzten Set von Situationsparametern. Zweitens sei es fraglich, ob die zwei Typen von Code-switching überhaupt sauber getrennt werden können. Auer zeigte anhand von deutsch-italienischen Daten auch, dass in bestimmten Fällen keine Eins-zu-eins-Beziehung zwischen Sprachwahl und Situation besteht (vgl. auch Auer 1988). (2) Systemorientierte Ansätze Eine andere markante Richtung der Beschäftigung mit Sprachkontaktphänomenen bilden Arbeiten, die an sie aus der Perspektive des Sprachsystems herangehen und dabei sich auf ihre formale Varianz v.a. im intrasentenziellen Bereich konzentrieren (zu einem Überblick vgl. Muysken 1996). Z.B. Muysken (1997: 361f.) unterscheidet drei Formen von ‚Code-switching‘ innerhalb von Sätzen auf struktureller Grundlage (hier Beispiele von spanisch-englischen Bilingualen): (2) ,alternation‘ Andale pues and do come again ‘That’s all right then, and do come again‘ (3) ,insertion‘ Yo anduve in a state of shock pa dos días ‘In walked in a state of shock for two days‘ (4) ,congruent lexikalization‘ Bueno, in other words, el flight [que sale de Chicago around three o’clock] ‘Good, in other words, the flight that leaves Chicago around three o’clock‘ In (2) geht es um eine Umschaltung von der einen Sprache in die andere innerhalb eines Satzes, für beide Sequenzen gilt jeweils die eigene Grammatik und Lexik, keine von ihnen ist in die anderssprachige Sequenz eingebettet, während in (3) der englische Redeteil in den spanischen eingebettet ist. Beispiel (4) bietet abweichend von (2) und (3) eine Doppelinterpretation: Entweder geht es hier um eine Kombination von Alternation und Insertion, oder geht es wie Muysken argumentiert um eine ‚geteilte‘ Struktur, die abwechselnd mit Elementen aus beiden Sprachen gefüllt wird. Dies ist zu vergleichen mit Stil- oder Registerwechsel in monolingualer Rede. Anhand einer Analyse verschiedener Belege aus unterschiedlichen Sprachkontaktsituation kommt Muysken zu einigen diagnostischen Kriterien, die die Fälle (2) bis (4) unterscheiden helfen (ebd. 373): Die drei Typen haben demnach beispielsweise Merkmalsunterschiede hinsichtlich Anzahl und Typ von Konstituenten, Art der Einbettung anderssprachiger Sequenzen, der linearen Äquivalenz oder Komplexität. <?page no="29"?> Methode und Daten 22 Einen weiteren bedeutenden grammatikorientierten Ansatz in dieser Richtung hat Carol Myers-Scotton (1993) entwickelt. Dieser hat seit seinem ersten Entwurf rege Diskussionen ausgelöst und wurde weiter präzisiert (vgl. Myers- Scotton 2004). Dieses Modell geht von der Unterscheidung zwischen der ‚Matrixsprache‘ (ML) und der ‚eingebetteten‘ Sprache (EL) aus. Die ML steckt den morphosyntaktischen Rahmen für die entstandene grammatische Struktur mit Beteiligung der ML bzw. der EL oder mehrere ELs. Im Prinzip sind folgende drei Distributionen möglich: EL-Inseln mit eigenen Konstituenten und eigener Grammatik, ML-Inseln mit eigenen Konstituenten und eigener Grammatik, schließlich gemischte ML-EL-Konstituenten. Folgendes Beispiel (zitiert aus Myers-Scotton 2004: 114) zeigt, dass in gemischten Konstruktionen die ML die Quelle aller Systemmorpheme, während die EL die der Inhaltselemente ist: (5) Costs me education i-private institutions tye high tena ‘The costs of education in private institutions is high once more’ In diesem Beispiel erfüllt das Acholi (Uganda) die ML-Rolle und das Englische die EL-Rolle. Das ursprüngliche Modell beabsichtigt, wie Myers-Scotton mehrfach betont hat, keine allgemeine Anwendung auf alle möglichen Formen von Code-switching, ist aber im intrasentenziellen Bereich (‚classic codeswitching‘) wohl aussagekräftig. Dieses Modell hat in letzter Zeit vielfach Anwendung gefunden, z.B. die Beschreibung verschiedener Formen von intrasentenziellem Code-switching im Finnischen und Ungarischen in Australien vor dem Hintergrund des Sprachwechsels (language shift) hat Kovács (2001) vorgelegt. Auch Backus’ (2003) Arbeit zu komplexen morphematischen Strukturen in Codeswitching greift auf diese Theorie zurück. Er zeigt z.B. anhand von pluralischen EL-Substantiven, dass EL-Substantive mit EL-Pluralmarkern Einheiten des EL- Lexikons sind, während EL-Substantive mit ML-Pluralmarkern nicht. Dies veranschaulichen folgende zwei Beispiele (Türkisch-Niederländisch): (6) Abi, zaten led-en-ler-in yarı-si … ‘brother, half of the members…’ (7) Bunlar-ın ne-si güzel ol-uyor biliyonmu, verjaardag-en, bunlar-in verjaardag-ena git-me-si güzel ol-uyor ‘Do you know, what’s nice about them? Birthdays; it’s nice that they go to birthday parties.’ Im ersten Beispiel ist der Plural am nl. Wort lid ‚Mitglied‘ doppelt markiert, zunächst durch das nl. -en, dann durch das türk. -ler. Das nl. Pluralflexiv ist syntaktisch inaktiv, es ist Teil einer Lexikoneinheit. Im zweiten Fall ist das nl. Pluralflexiv -en der einzige Pluralmarker, der syntaktisch aktiv ist. Diese An- <?page no="30"?> Analyse von Sprachmischungsphänomenen 23 nahme (‚unit hypotesis‘) Backus’ ließ sich auch auf Komposita und bestimmte Kollokationen als EL-Einheiten in Code-switching-Belegen anwenden (ebd. 122). Einen integrativen, d.h. sowohl systemals auch verwendungsorientierten Ansatz stellt das Beschreibungs- und Interpretationsmodell von Auer (1998a) dar. Er hat ein Kontinuum entworfen, auf dem verschiedene Sprachkontaktphänomene angesiedelt werden können. Es geht dabei um drei Prototypen von Sprachkontaktphänomenen, zwischen denen zahlreiche Übergangsformen existieren. Diese drei Prototypen illustrieren folgende Beispiele: (8) Deutsch/ Italienisch: 01 Ag.: noja am spielplatz 02 Cl.: am (spielplatz) 03 Ag.-m: wissen Sie wo der spielplatz isch? 04 m: das is: [: 05 Cm.: [der kann ja h[ingehe 06 m: [äh: : 07 Ag.-Cm.: se: mo va ccamená propri [llá (9) Schweizerdeutsch/ Italienisch: perché meinsch che se tu ti mangi emmentaler o se tu ti mangi una fontina isch au en unterschied, oder? schlussändlich è sempre dentro lì però il gusto isch andersch. (10) Deutsch/ Roma und Sinti-Varietät: Und koi his švaiso ap leste. Und da war Schweiß auf ihm. Draus i naseloxe phudehs o grai. Aus den Nasenlöchern schnaubte das Pferd. O khas tel leste his vegšlaifedo, futer grabrehso. Das Heu unter ihm war weggeschliffen, so sehr hatte es gegraben. Ach tšave, pandel miro dad kote fest und me kate fest. Ach Jungs, mein Vater bindet es dort fest und ich hier fest. Die obigen Erscheinungsformen des Sprachkontaktes - mit Auers Termini: Code-switching wie in (8), Code-mixing wie in (9) und Fused Lects wie in (10) - sind Prototypen und bilden ein Kontinuum von der Pragmatik zur Grammatik (vgl. Auer 1998a: 21). Das Code-switching-Beispiel in (8) ist eines für eine diskursiv funktionale Alternation zwischen zwei Sprachen. Bei Beispiel (9) ist dagegen schwer zu sagen, welche Sprache die der Interaktion ist, zudem hat die Alternation zwischen Schweizerdeutsch und Italienisch keine lokale Funktion, <?page no="31"?> Methode und Daten 24 sondern ist lediglich funktional als Stil der Gruppenkommunikation. In Beispiel (10) hat die Alternation ebenfalls keine Diskursfunktion, der Sprecher hat keine Wahl zwischen Formen der beiden Sprachen, da alle Formen Teile der Grammatik der Interaktion sind. (3) Psycholinguistisch und sozialpsychologisch orientierte Ansätze Schließlich sind auch Ansätze zu erwähnen, die sich auf psychologische Aspekte der Sprachmischung konzentrieren. Das Spektrum der relevanten Themen reicht von der Untersuchung bilingualer Sprachproduktion über die Messung der Akzeptabilität von Sprachkontakterscheinungen durch Bilinguale (z.B. Aguirre 1985) oder die Analyse von Erkennungsmechanismen bei Insertionen in bilingualer Rede (vgl. Li 1996) bis zu neurolinguistischen Fragestellungen in Bezug auf die bilinguale Rede (z.B. Franceschini et al. 2004). Eine nicht minder wichtige, allerdings im Vergleich zu den weiter oben skizzierten Ansätzen etwas vernachlässigte Richtung innerhalb dieses Forschungsfeldes stellen Analysen dar, die Spracheinstellungen gegenüber Code-switching zum Gegenstand haben (zu einem Überblick vgl. z.B. Romaine 1995, Kap. 7, Baker/ Prys Jones 1998, Kap. 8). Ausführlicher sollen diese Forschungen in Kap. 2.2.1 referiert werden. 2.1.2 Daten und Informant(inn)en Sprachkontaktphänomene, die in der vorliegenden Arbeit analysiert werden, werden in erster Linie unter formalem Aspekt angegangen, sie schließen sich also den systemorientierten Ansätzen an. Das Material für die Analyse von Sprachkontaktphänomenen liefern biographische Interviews, die einerseits im Zeitraum 2000-2005 vom Verfasser dieser Arbeit, andererseits im Rahmen eines (vom Sommersemester 2002 bis zum 2006 laufenden) Projektseminars am Germanistischen Institut der Pannonischen Universität Veszprém von Student(inn)en durchgeführt wurden. Dabei wurden in unterschiedlichen Erhebungsorten mit ungarndeutscher Bevölkerung an und westlich der Donau ältere zweisprachige Dialektsprecher interviewt, mit dem Ziel, das Interviewmaterial späteren Analysen für Abschlussarbeiten und Dissertationen zugänglich zu machen. Bei der Erhebung ging es technisch um teilgesteuerte, thematisch auf die Sprecherbiographie abzielende Interviews mit einem Umfang von je 30 bis 60 Minuten, die geeignet sind, die Interviewten außer den Standard-Interviewschwerpunkten bezogen auf die Sprecherbiographie über Themen aus dem eigenen privaten Umfeld möglichst frei sprechen zu lassen. Abgefragt wurden jeweils auch sprachbiographisch relevante Daten der Spre- <?page no="32"?> Analyse von Sprachmischungsphänomenen 25 cher(innen), die es ermöglichen, ihren Sprachgebrauch unter soziolinguistischen Aspekten zu charakterisieren. Die Interviews zeichnen sich im Großteil der Fälle durch einen geringen Formalitätsgrad aus, insbesondere gilt es für Interviewer ungarndeutscher Abstammung, die Gespräche mit Familienangehörigen führten. Die familiäre oder freundschaftliche Beziehung zwischen Interviewer und Informant ermöglichte es, die Sprecher(innen) aus der anfänglichen Verlegenheit (etwa durch Mikrofonbefangenheit etc.) zu helfen, vgl. folgenden Interviewausschnitt: (11) I: akkó nekem svábul köll beszélni ↑ MUSS ICH DANN SCHWÄBISCH SPRECHEN ? E: igen * igen ja, ja I: egy kicsit * olyan * van német szó is közbe a svábba |igen ↓ EIN BIßCHEN …, ES GIBT MANCHMAL AUCH DEUTSCHE W ÖRTER IM S CHWÄBISCHEN , JA E: |az nem baj * nem baj ↓ DAS MACHT NICHTS , MACHT NICHTS az a lényeg hogy/ H AUPTSACHE , DASS I: nem baj ↑ na hát csak kérdezzél ↓ (…) MACHT NICHTS , NA DANN FRAG MICH NUR E: na also meine frage ist wie feiern sie weihnachten ↓ I: weihnachten ↑ ** (LACHT) ja ha most én is akarok németül beszélni (LACHT) WENN ICH JETZT AUCH DEUTSCH SPRECHEN WILL E: nyugodtan * nyugodtan * auf deutsch/ ruhig, ruhig I: vorigen tag tu man backen * kuchen ↑ gänse wird immer geschlachtet am weihnachten * dann wir/ dann weihnachtsbaam ** mi sochn chrisbaam (LACHT) svábul ↓ [schwäbisch] weihnachtsbaam das is deutsch (…) wei ich hab deutsch gelernt in der schule hochdeutsch * ja ↓ (1921/ w/ Ajkarendek, Beleg 11) Die auch hier erwähnten Standarddeutschkenntnisse, die viele ältere Informant(inn)en durch früheren Grundschulunterricht erworben haben, wurden vor allem zu Beginn der Interviews (als erwarterer Intervieweffekt) merklicher aktiviert. Wie aber auch folgender Beleg zeigt, stand einem fließenden Übergang von Standarddeutsch zum Ortsdialekt nichts im Wege: (12) unt bei uns bei an anderen sohn dort haben an/ haben/ hobn mir=ma a auch viel zu macha ↑ wal * den ene vodr de is *3* mit die aucha krank warn ↑ und sieht nicht ↓ ** nur ein bißchen * er kann niemehr auto foahrn un konn=na in feld nichs mehr arweiten * un dort helfe ma auch a bißl ↓ un das * mit den <?page no="33"?> Methode und Daten 26 ham=mir a haufe/ nich genug ↑ * mit noch unses auch dazu ↑ das war stark notewendig unses zu verkafe * wal mir do viel helfe messe ↓ (1935/ w/ Veszprém) Man erkennt Standarddeutsch-Merkmale insbesondere an Wortformen der ersten Belegzeile (bei uns, anderen sohn, haben), dann den o.g. Übergang von standarddeutschgefärbter Rede zum Dialekt an der Verwandlung des Hilfsverbs haben zu hobn. In wieder anderen Fällen waren eben die Standarddeutschkenntnisse der Sprechenden behilflich, Missverständnisse zu klären. Z.B.: (13) E: äh früher äh wohnten sie auch hier in kislőd 8 I: auch hier in kislőd bis och/ ochtunvierzich in jäner uns is auskliefert ↓ E: wann ↑ I: ochtunvierzich * januar ↓ (1926/ w/ Kislőd) Hier hat E das v.a. im österreichischen Deutsch und dem Süddeutschen geläufige Wort jäner (‚Jänner, Januar‘) offensichtlich nicht sofort verstanden, so hat I es ihr durch Angabe der standarddeutschen Entsprechung erklärt. Abgesehen von wenigen ähnlichen Interviewtextstellen, die in ihrer Gesamtheit aber keineswegs stören, eignet sich das Korpus für die angestrebte Analyse des Dialektgebrauchs von zweisprachigen ungarndeutschen Sprecher(innen). Das Projektseminar-Korpus besteht aus 60 Interviews, die nach obigen Kriterien durchgeführt wurden. Ausgewertet werden soll hier unter kontaktlinguistischem Aspekt lediglich ein Teil dieses Materials (mit 29 Informant(inn)en, 70% des aktuellen Korpus), ergänzt mit eigenen Interviews (mit 12 Informant(inn)en, 30% des aktuellen Korpus), aufbauend auf Daten von folgenden Sprecher(inne)n: __________ 8 Kislőd = ung. Ortsname. <?page no="34"?> Analyse von Sprachmischungsphänomenen 27 ggw. Wohnort Geburtsort Geburtsjahr Geschlecht Schulabschluss Ajka Kislőd 1928 w 6 Klassen Grundsch. Ajkarendek Ajkarendek 1921 w 6 Klassen Grundsch. Ajkarendek Ajkarendek 1950 w Abitur Bánd Bánd 1933 w 6 Klassen Grundsch. Bánd Bánd 1929 w 8 Klassen Grundsch. Bánd Bánd 1927 w 8 Klassen Grundsch. Bánd Bánd 1920 w 6 Klassen Grundsch. Bánd Bánd 1942 w Berufsschule Bánd Bánd 1930 w 8 Klassen Grundsch. Bánd Bánd 1937 w 6 Klassen Grundsch. Eplény Lókút 1924 w 6 Klassen Grundsch. Eplény Lókút 1923 m 6 Klassen Grundsch. Kimle Kimle 1926 w 8 Klassen Grundsch. Kimle Kimle 1932 w 8 Klassen Grundsch. Kimle Kimle 1930 w 8 Klassen Grundsch. Kislőd Kislőd 1926 w 6 Klasse Grundsch. Lánycsók Rácgörcsöny 1931 w 7 Klassen Grundsch. Lókút Lókút 1932 w 7 Klassen Grundsch. Magyarpolány Magyarpolány 1932 w keine Angaben <?page no="35"?> Methode und Daten 28 ggw. Wohnort Geburtsort Geburtsjahr Geschlecht Schulabschluss Mór Mór 1929 m Abitur Nagytevel Nagytevel 1928 w 6 Klassen Grundsch. Paks Györköny 1935 w 8 Klassen Grundsch. Pusztavám Pusztavám 1923 m 5 Klassen Grundsch. Siklós Apatin 1927 w Berufsschule Siófok Sérsekszöllős 1928 w 8 Klassen Grundsch. Sopron Sopron 1938 w Berufsschule Szigetszentmárton Szigetszentmárton 1928 m Berufsschule Szigetújfalu Szigetújfalu 1928 m keine Angaben Tótvázsony Tótvázsony 1933 w 8 Klassen Grundsch. Tótvázsony Tótvázsony 1929 w 7 Klassen Grundsch. Városlőd Városlőd 1932 w 6 Klassen Grundsch. Városlőd Városlőd 1930 w 7 Klassen Grundsch. Városlőd Városlőd 1931 w 7 Klassen Grundsch. Városlőd Városlőd 1931 w 7 Klassen Grundsch. Városlőd Városlőd 1933 w 7 Klassen Grundsch. Városlőd Szarvaslak (SLO) 1924 w 5 Klassen Grundsch. Városlőd Városlőd 1917 w 6 Klassen Grundsch. Városlőd Városlőd 1920 w 6 Klassen Grundsch. Városlőd Herend 1927 w 8 Klassen Grundsch. <?page no="36"?> Analyse von Sprachmischungsphänomenen 29 ggw. Wohnort Geburtsort Geburtsjahr Geschlecht Schulabschluss Vértessomló Vértessomló 1937 w 8 Klassen Grundsch. Veszprém Bánd 1935 w 8 Klassen Grundsch. Studiert man die Verteilung dieser Informant(inn)en nach Wohnortskonstanz, Alter, Geschlecht und Schulabschluss, ergibt sich folgendes Bild: (1) Knapp drei Viertel der Informant(inn)en (31 Personen) leben von Geburt an in ihrem Heimatdorf, eine Mobilität war nur bei eventueller Erwerbstätigkeit in anderen Siedlungen in der Gegend vorhanden. (2) Ein Blick auf die Verteilung der Informant(inn)en nach ihrem Alter zeigt, dass den stabilen Kern des Interviewkorpus Informant(inn)en aus den Geburtsjahren von 1921 bis 1940 bilden (36 Personen), also diejenigen Sprecher(innen), die z.Z. der Erhebung von 66 bis 85 Jahre alt waren. Nur am Rande dieses Kerns gibt es insgesamt fünf Informanten, die jünger oder älter sind. Dies ist eine in Bezug auf eine gute Dialektkompetenz der Sprecher(innen) günstige Basis für Analysen. (3) Unter dem Aspekt des Geschlechts sind aber im Korpus die Informantinnen (36 Personen) überrepräsentiert. (4) Auch die Verteilung der Informant(inn)en nach Schulabschluss zeigt ein fast einheitliches Bild (N=39, da zweimal keine Angaben), wobei neben vielen Grundschulabsolvent(inn)en (33 Personen) wenige Informant(inn)en über einen Abschluss auf Mittelschulniveau (6 Personen) und niemand unter ihnen einen auf Hochschulniveau haben. Der obigen Übersichtstabelle ist wohl auch zu entnehmen, dass hier die einzelnen Informant(inn)en unter den Grundschulabsolventen wieder unterschiedlich von vier bis acht Jahre Grundschulunterricht absolviert haben. Folgende Karte veranschaulicht die geographische Verteilung der Erhebungsorte: <?page no="37"?> Methode und Daten 30 <?page no="38"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 31 2.2 Spracheinstellungen und Akzeptabilität 2.2.1 Instrumentarium Auf Grund der in 1.2 genannten Forschungsziele sollen nicht nur sprachliche, sondern auch sozialpsychologische Aspekte des Phänomens Sprachmischung untersucht werden. Dies erfolgt in Bezug auf zwei Problemfelder, und zwar auf die Spracheinstellungen der Sprachmischung gegenüber und auf die Akzeptabilität bestimmter Typen der Sprachmischung. Vor der Erörterung der in der vorliegenden Arbeit angewendeten Methode sollen einige, für die aktuellen Aspekte relevante Ansätze umrissen werden. Spracheinstellungen Eine mögliche Perspektive auf Sprachmischung, wo die vorliegende Arbeit ansetzt, eröffnen sozialpsychologische Ansätze, die es ermöglichen, die Sprachmischung als Merkmal bilingualer Rede aus der Eigenperspektive bilingualer Sprachgemeinschaften oder bilingualer Sprecher zu charakterisieren, mit dem Ziel, subjektive Bewertungen und teilweise Stereotypen aufzudecken, die mit diesem Phänomen assoziiert sind. Das sozialpsychologische Konzept, unter dem das alles zusammengefasst werden kann, ist das Konzept der ‚Einstellungen‘ bzw. ihre Anwendung auf spezifische ‚Spracheinstellungen‘, die sich auf Sprachvarietäten bzw. auf ihre Sprecher beziehen. Der Einstellungsbegriff tauchte in der Psychologie gegen Ende des 19. Jhs. zunehmend auf, fand kurz darauf ab den 20er Jahren des 20. Jhs. auch in die Soziologie und in die Sozialpsychologie Eingang und avancierte zu einem sehr beliebten Konzept, das jedoch innerhalb kurzer Zeit eine erhebliche Varianz im Begriffsinhalt erfuhr. Von der klassischen Definition Allports in seinem Werk 1935 9 führte ein krummer Weg zur neueren Auffassung von Einstellungen, die sie einfach auf das Affektive oder höchstens auf ein Bündel affektiver und kognitiver Komponenten reduzieren. Abweichend beispielsweise von früheren Drei-Komponenten-Ansätzen der 60er Jahre, die von der Trias Affekt-Kognition-Verhalten ausgingen und eine Konsistenz zwischen diesen voraussetzten. Die erste Begeisterung über das Verständnis von Einstellungen als eine konsistente Einheit affektiver, kognitiver und Verhaltenskomponenten kühlte ab, sobald Stimmen laut wurden, die auf die offensichtliche Nichtüberein- __________ 9 „Einstellung ist ein seelischer und nervlicher Bereitschaftszustand, der, durch die Erfahrung organisiert, einen richtenden oder dynamischen Einfluß auf die Reaktion des Individuums auf alle Objekte und Situation ausübt, mit denen es verbunden ist.“ (zit. nach Bierhoff 1984: 195) <?page no="39"?> Methode und Daten 32 stimmung oder partielle Übereinstimmung von Einstellung und Verhalten aufmerksam machten und diese auch empirisch nachwiesen (für Beispiele vgl. Bierhoff 2000: 313ff.). Wie weitere Untersuchungen zur Genüge zeigten, bewegt sich die Stärke der Korrelation zwischen Einstellung und Verhalten je nach Einstellungsobjekt von schwach bis eng. Dies kann, wie Bierhoff (ebd. 316ff.) zeigt, vielfältige methodische Gründe haben: Es wurde von mehreren Untersuchungen bestätigt, dass schriftliche Befragungen, die in der Regel kontextentbunden sind, das Einstellungsobjekt idealisieren können, was dem Verhalten, das nicht auf Idealisierungen, sondern auf Erlebtem beruht, nicht immer entspricht. Zudem konnte mehrfach nachgewiesen werden, dass je mehr Erfahrungen aus erster Hand über das gegebene Einstellungsobjekt vorliegen, desto stärkere Korrelation zwischen Verhalten und Einstellung zu erwarten ist (so auch z.B. Stroebe 1980: 179 und Aronson et al. 2004: 253ff.). Benninghaus (1976: 279ff.) erörtert Messprobleme von Einstellungsmessungen und zieht dabei anhand von Analyseergebnissen von ca. 100 verschiedenen Einstellungsanalysen den Schluss, dass eine hohe Reliabilität der jeweiligen Messungen (ermittelt durch die Test-Retest-Methode, Split-half-Methode, Paralleltest- Methode und die Interne-Konsistenz-Methode) nicht auf jeden Fall mit einer hohen Korrelation von Einstellung und Verhalten einhergeht. Durchaus uneindeutig ist also nicht nur das Verhältnis zwischen Zuverlässigkeit von Einstellungsmessungen und der Korrelation zwischen Einstellung und Verhalten, sondern selbst das Verhältnis der letzten zwei. Manche Forscher (z.B. Stroebe 1980: 142) sprechen sich daher für die Ausklammerung der Verhaltenskomponente aus der Einstellungsdefinition aus, da das Verhalten nicht nur von den Einstellungen abhänge, was ein weiteres Gegenargument gegen die Annahme der Konsistenz der oben genannten drei Faktoren ist. So definiert Stroebe Einstellungen als Bereitschaft zur positiven oder negativen Bewertung eines Einstellungsobjektes, die auf Gefühlen (Affekt) und Meinungen (Kognition) über Einstellungsgegenstände beruht. Was den Status der Kognition angeht, kommt erschwerend hinzu, dass Einstellungen zu bestimmten Einstellungsobjekten nicht nur Personen formulieren können, die direkte Erfahrungen in Bezug auf das gegebene Einstellungsobjekt haben, sondern auch diejenigen, die so etwas offensichtlich nicht haben. Zudem können auch Personen auf Einstellungsmessinstrumente reagieren, die keine Einstellungen haben, oder zumindest keine erfahrungsbasierten (‚non-attitudes‘, vgl. Benninghaus 1976: 279). Trotz zahlreichen methodischen Klippen, die in Einstellungsanalysen der letzten Jahrzehnte deutlich wurden, blieb in der Sozialpsychologie die Klärung des Verhältnisses zwischen Einstellung und Verhalten eines der Zentralthemen. Eine der bekanntesten Theorien der Sozialpsychologie zur Vorhersage von Handlungen anhand von Einstellungen ist die Theorie des überlegten Handelns <?page no="40"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 33 bzw. ihre weiterentwickelte Version die Theorie des geplanten Verhaltens (erstere: Ajzen/ Fishbein 1980, letztere: Ajzen 1985 und Ajzen/ Madden 1986; hier beide vereinfacht, in Frey et al. 2001: 367ff. jedoch eingehend referiert). Die Theorie des überlegten Handelns thematisiert Einstellungen gegenüber Verhaltensweisen und geht von einer kausalen Beziehung zwischen Einstellung, Meinung, Verhaltensintentionen und faktischem Verhalten aus. Dabei wird vorausgesetzt, dass Handlungen von Intentionen gesteuert werden, und eine Verhaltensvorhersage erst möglich ist, wenn Faktoren gefunden werden, die diese Intentionen direkt steuern. Als solche werden in der Theorie des überlegten Handelns zunächst die Einstellung selbst und die ‚subjektive Norm‘ angesehen. Hat jemand demnach positive/ negative Einstellungen zu einem bestimmten Einstellungsobjekt und meint gleichzeitig, die Durchführung der gegebenen Handlung werde von der Umgebung (sprich von Autoritäten) ebenso positiv/ negativ bewertet, wird dann die Handlung (nicht) ausgeführt. Diese Theorie hat aber auch ihre Grenzen: Sie kann Verhalten aus Intentionen nur dann vorhersagen, wenn diese kurz vor Ausführung der Handlung reflektiert werden und wenn das Verhalten unter willentlicher Kontrolle steht. So lässt sich die Theorie beispielsweise auf Gewohnheitshandlungen wohl nicht anwenden. Deshalb wurde die Theorie des geplanten Verhaltens um eine neue Komponente, um die ‚wahrgenommene‘ bzw. ‚tatsächliche‘ willentliche Verhaltenskontrolle (also inwieweit die vorherzusagende Handlung unter Kontrolle der Handelnden steht) ergänzt. Diese kann das Verhalten direkt oder indirekt über die Intention determinieren. Empirische Analysen zeigten, dass Handlungen aus der Verhaltenskontrolle besser vorhergesagt werden können als aus Intentionen. Frey et al. (2001: 392f.) geben aber zu bedenken, dass es in vielen Fällen funktional äquivalente Verhaltensalternativen gibt und dass nicht immer nur so gehandelt wird, wie dies aus Einstellung, subjektiver Norm, Intention und Verhaltenskontrolle folgt: Beispielsweise kommt es vor, dass Menschen positive Einstellungen zum umweltbewussten Verhalten haben, das auch von anderen geteilt wird. Es liegt zwar auch die persönliche Motivation vor, umweltbewusst zu handeln, Menschen verhalten sich aber schließlich aus Trägheit, Sparsamkeit etc. doch nicht umweltbewusst. Dies deutet darauf hin, dass zu einer positiven oder negativen Handlung nicht nur eine Konsistenz der Faktoren Einstellung, subjektive Norm, Verhaltenskontrolle und Intention führen kann, sondern auch ihre Inkonsistenz und dass auch eine Hierarchie zwischen ihnen und zwischen Verhaltensalternativen zu berücksichtigen ist. Eine aktuelle linguistische Anwendung der Theorie des geplanten Verhaltens auf den Sprachwechsel des deutschen Bürgertums in Ungarn bzw. den Spracherhalt der deutschen bäuerlichen Dorfbevölkerung im Zeitraum von 1867 bis 1918 führte Maitz (2005) durch. Er ging aber methodisch gesehen den umgekehrten Weg, indem er den Sprachwechsel (als erfolgte Handlung) und <?page no="41"?> Methode und Daten 34 den Spracherhalt (als fortdauernde Handlung) aus der Rekonstruktion der Faktoren Sprachverhaltenseinstellung, subjektive Sprachverhaltensnorm und wahrgenommene Sprachverhaltenskontrolle erklärte. Da es sich sowohl beim Sprachwechsel als auch beim Spracherhalt um Prozesse handelt, die wegen des festgelegten Zeitraums nur diachron angegangen werden konnten, war wie Maitz (ebd. 181f.) selbst anmerkt keine quantitative, sondern nur eine qualitative Analyse der zentralen Faktoren anhand von historischen Quellen möglich, allerdings nur auf das Bürgertum bezogen, da vergleichbare Daten von deutschen Bauern gänzlich fehlten. Somit musste die Rekonstruktion der Faktoren (inkl. Spracheinstellungen), die mit dem Spracherhalt in Beziehung gesetzt werden, in diesem Fall auf der Ebene indirekter Schlüsse stecken bleiben. Die Annahme der Anwendbarkeit der Theorie des geplanten Handelns auf den Spracherhalt müsste aber von gegenwärtig zugänglichen Daten eine empirische Verstärkung erbringen. Sie müsste wohl auch die Kritik an der angewendeten Theorie besser reflektieren, der zufolge zu einer bestimmten Handlung (hier: Sprachwechsel und Spracherhalt) nicht nur eine Konsistenz der genannten Faktoren führen kann. Das Wissen über gegenwärtig beobachtbare ‚Spracheinstellungen‘, d.h. über spezifische Einstellungen zu Sprach(varietät)en und ihren Sprechern wird von Soziolinguisten deswegen für nützlich gehalten, weil sie wichtige Ergänzungsinformationen für das Sprachverhalten von Sprechern und Sprachgemeinschaften sowie für den Sprachwandel liefern können (Trudgill 2003: 73). Spracheinstellungen haben angenommenerweise Einfluss auf Spracherwerb, Sprachverlust, Revitalisierung oder Tod von Sprach(varietät)en in bestimmten geografischen Gebieten. Spracheinstellungen wie auch Einstellungen sind aber bekanntlich keine konstanten Größen und können nicht direkt beobachtet werden: Nur Spracheinstellungen als ‚prädisponierende‘ Faktoren (wie Baker/ Prys Jones 1998: 174 sagen) können das Verhalten determinieren, sonst können sie bloße Folgen eines positiv bewerteten Verhaltens sein. Wer z.B. positive Einstellungen zum Erlernen einer Zweitsprache hat, erzielt im Zweitspracherwerb vermutlich Erfolge, positive Einstellungen können aber auch nach erfolgreichem Zweitspracherwerb entstehen. In welchem Verhältnis Spracheinstellungen zum Sprachverhalten genau stehen, blieb jedoch eine der Fragen, bei der weiterhin Klärungsbedarf besteht, teils aus vergleichbaren methodischen Gründen wie in sozialpsychologischen Untersuchungen. Nicht besser bestellt ist es, zumindest in der Linguistik, um die Frage nach dem Verhältnis <?page no="42"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 35 zwischen Spracheinstellungen und ‚Stereotypen‘, die sich in manchen Fällen nicht sauber trennen lassen. 10 Spracheinstellungen sind in zahlreichen soziolinguistischen Untersuchungen thematisiert worden, 11 zum ersten Mal in Verbindung mit Zweisprachigkeit in den klassischen Studien von W. Lambert und Mitarbeitern. Lambert et al. (1960) untersuchten die Bewertung von Englisch und Französisch durch zweisprachige Studenten in Montreal, dann mit jüngeren Informant(inn)en (Lambert et al. 1975). Später wurde dieselbe Methode auch auf die Bewertung verschiedener Varietäten des Englischen angewendet: z.B. Tucker und Lambert (1972) analysierten subjektive Reaktionen von Weißen im Norden und Süden sowie von Schwarzen im Süden Amerikas auf manche amerikanisch-englische Varietäten; Ryan und Carranza (1975) die von in Amerika lebenden Mexikanern, Schwarzen und Amerikanern auf das Standardenglische und auf seine mexikanisch gefärbte Variante in jeweils zwei Kontexten: in einem schulischen und einem familiären. Der wichtigste Ertrag dieser Untersuchungen liegt im Nachweis, dass z.B. Standardvarietäten in der Regel positiver beurteilt werden als Nichtstandard-Varietäten, wobei gezeigt wurde, dass der Prestigevorrang von Standardvarietäten den Nichtstandard-Varietäten gegenüber in den meisten Fällen auch in Form von Spracheinstellungsunterschieden in Bezug auf diese Varietäten zum Vorschein kommt. Auch William Labovs Untersuchungen zur Evaluation phonologischer Variablen im Englischen haben seit den 60er Jahren empirische Evidenzen für die soziale und stilistische Variation geliefert (vgl. Labov 2006, bes. Kap. 11, 265ff.), was sich in der subjektiven Bewertung dieser Variablen durch verschiedene Sprecher des Englischen niederschlägt. Seit den 60er Jahren wendeten sich Forscher den Spracheinstellungen in den verschiedensten Sprachsituationen zu. Um hier nur einige weitere zu nennen: Baetens Beardsmore untersuchte gegen Ende der 70er Jahre (zusammengefasst in Baetens Beardsmore 1982: 88ff.) die Evaluation der Verständlichkeit, der Akzeptabilität und der Muttersprachenkompetenz der Rede englisch-niederländischer Zweisprachiger durch verschiedene bi- und monolinguale Sprecher und fand eine Reihe auffälliger Unterschiede zwischen diesen Gruppen, z.B. dass die Urteile von Monolingualen über bilinguale Rede viel rigoroser waren als die von bilingualen Informanten. Vandermeeren (1993) analysierte Spracheinstellungen links und rechts der französisch-niederländischen Sprachgrenze in __________ 10 Es sei hier lediglich verwiesen auf einige Arbeiten, die unter anderem auch diesen Fragen nachgehen: vgl. z.B. Vandermeeren (1996, 2005), Garrett et al. (2003: 2ff.) und Lasagabaster (2004). 11 Zu einem Forschungsüberblick mit weiteren Fallbeispielen vgl. z.B. Fasold (1984, Kap. 6, 147ff.), Appel/ Muysken (1987: 16ff.) und Bradac (1990: 388-394). <?page no="43"?> Methode und Daten 36 Ostbelgien anhand von Daten aus dem Vurgebiet (Gemeinde Teuven) und Altbelgien-Nord (Sippenaken), wo in beiden Ortschaften der gleiche südniederfränkische Dialekt gesprochen wird. Neben vielen anderen Ergebnissen konnte Vandermeeren beispielsweise nachweisen, dass nicht alle wallonischgesinnten und Sippenakener Befragten, die behaupten, in bestimmten Situationen immer Dialekt zu sprechen, den Dialektgebrauch gleichzeitig als erwünscht betrachten. Beckford Wassink (1999) ermittelte Spracheinstellungen zum jamaikanischen Kreol anhand von Daten ortsansässiger Sprecher, woraus sich manchmal sehr ambivalente Einstellungen der Sprecher ergaben. Dass die Ambivalenz von Spracheinstellungen zum gleichen Objekt in vielen Fällen mit methodischen Aspekten im Zusammenhang steht, wurde vielfach gezeigt, etwa in Hofers (2002) Untersuchungen zum Baseldeutschen. Bei manchen Varietäten des Baseldeutschen fand er, dass sie in verschiedenen Kontexten anders beurteilt werden, z.B. das ‚gewöhnliche‘ Baseldeutsche in Hörproben schlechter als die stereotypisierte vorgestellte Varietät (ebd. 290f.). Was die Einschätzung der Sprachmischung durch native Sprecher angeht, stellt Romaine manche Zweisprachigkeitssituationen vor, die mit divergierenden Einstellungen zur Sprachmischung charakterisiert werden können. Als exemplarisches Beispiel dafür erwähnt sie (1995: 169) etwa die von Shana Poplack beschriebene Situation der englisch-französischen Zweisprachigkeit in Ottawa/ Hull, als Ergebnis eines langfristigen Kontaktes des Englischen und des Französischen in einer ‚stabilen‘ Zweisprachigkeitssituation. Hier sind mit Sprachmischung (gemeint sind Umschaltungen aus dem Französischen ins Englische) in den zwei Sprechergemeinschaften verschiedene Funktionen und Einstellungen verbunden: Während die Sprecher in Ottawa Sprachmischung verwenden, um kommunikative Effizienz zu erzielen, beschränkt sich die Verwendung von Sprachmischung in Hull lediglich auf metasprachliche Kommentare, die demonstrieren, dass sich die Sprecher der Verwendung des Englischen bewusst sind. Darüber hinaus herrscht zwischen ihrem Verhalten und ihren positiven Einstellungen zum ‚richtigen‘ Sprechen Einklang, indem sie meinen, englischsprachige Einschaltungen dienten nur zur Überwindung momentaner Ausrutscher, da ‚richtiges‘ Französisch frei von Anglizismen sei. Aber z.B. bei Panjabi-Sprechern in Großbritannien besteht ein ständiger Konflikt zwischen der Bereitschaft, englische Wörter als ‚Prestigemarker‘ zu verwenden und sie gleichzeitig als Gefahrquelle für die Reinheit der entlehnenden Sprache Panjabi anzusehen (vgl. Romaine 1995: 290ff.). Auch bei russlanddeutschen Aussiedlern in Deutschland beobachteten Meng und Protassova (2005) ambivalente Einstellungen zur Sprachmischung. Ihre Informant(inn)en wurden zu Motiven gemischtsprachigen Sprechens befragt (ebd. 246-251), von denen viele behaupteten, dass Sprachmischung sehr hilfreich sein kann, um kommunikative Aufgaben effektiver als nur in der einen Sprache zu lösen (etwa könnten <?page no="44"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 37 Lexemübernahmen aus dem Deutschen lexikalische Lücken im Russischen und umgekehrt schließen oder Sprachmischung ermöglicht es, besondere stilistische Effekte zu erzielen bzw. sogar den Spracherwerb zu fördern). Aber diesen positiven konativen Einstellungskonzepten standen immer auch negative affektive Einstellungen der Informant(inn)en gegenüber: (14) Oje, na wir sprechen sicher lächerlich, furchtbar sprechen wir.“; Mischen is überhaupt schlecht. Wenn du kannst, dann zeig mal, was du kannst, auf Deutsch oder auf Russisch, aber Mischen, das is nit gut. Das tut Katja, weil sie kann annersch nit. Okay. Bei kleine Kind [wie die fünfjährige Katja] sag ich nix dazu. Aber bei Erwachsene, wenn du hast ganze Leben gesprochen auf Russisch, und da, mit zwee oder drei Jahr später machst du so eine Quatsch, kann man sage, - ich finde das nicht normal (Meng/ Protassova 2005: 253f.). Zur Untersuchung von Spracheinstellungen gibt es eine in der empirischen Sozialforschung, so auch in der Soziolinguistik vielfach erprobte Methode, die so genannte ‚matched-guise-Technik‘ (im Weiteren MGT), mit deren Hilfe Einstellungen gegenüber verschiedenen Sprachvarietäten gemessen und verglichen werden können und die auch in der vorliegenden Arbeit Einsatz finden soll. Die Pionierarbeit hierzu haben in den 50er Jahren des vergangenen Jhs. Lambert und Mitarbeiter (vgl. Lambert et al. 1960) geleistet. In der klassischen Version dieses Experiments ging es den Forschern darum, den Informant(inn)en eine bestimmte Anzahl von gesprochenen (aber vorgelesenen) Texten mit gleichem Inhalt und gleicher Länge, aber in unterschiedlichen Sprachvarietäten vorzuspielen, um Einstellungen von Informant(inn)en zu verschiedenen Sprachvarietäten und ihren Sprechern zu beschreiben. Um Einstellungsunterschiede in Form von Charakterisierung von Sprechereigenschaften zu ermitteln, die laut Erwartungen nur auf sprachliche Unterschiede zwischen den zu beurteilenden Varietäten zurückgeführt werden können, sprach ein Sprecher gleichzeitig in zwei Varietäten, ohne dass sich die Informant(inn)en dessen bewusst waren. Die unterschiedliche Bewertung desselben Sprechers wurde darauf zurückgeführt, dass er jeweils unterschiedliche Sprachvarietäten sprach. Auf diese Weise galt die Bewertung, wie Lambert und Mitarbeiter erhofften, nicht der konkreten Person, sondern der Sprechweise, mit der die Informant(inn)en bestimmte Eigenschaften assoziierten. Diese Methode fand seit der Pionierstudie in verfeinerter Form am Beispiel vieler Sprachsituationen vielfach Verwendung und gilt heute trotz einiger Schwächen als verlässliches Instrumentarium zur Ermittlung von Spracheinstellungen zu verschiedenen <?page no="45"?> Methode und Daten 38 Sprachvarietäten. 12 Garrett et al. (2003: 57ff.) erörtern einige methodische Probleme, die eine MGT-Analyse in Kauf nehmen muss: (1) Das Kontrast-Problem: Das wiederholte Anhören desselben Inhalts in verschiedenen Sprachvarietäten kann dazu führen, dass eventuelle sprachliche Unterschiede zwischen diesen viel auffälliger werden als im Alltag außerhalb des experimentellen Kontextes. (2) Das Perzeptionsproblem: Es ist nicht immer klar, wie verlässlich die Urteile der Hörer sind, die sich auf eine manipulierte Variable (z.B. Nicht-Standard vs. Standard) beziehen, insbesondere wenn der Forscher die Kriterien der Hörer nicht kennt, nach denen sie etwa die gehörten Varietäten regional einordnen. Dies ist v.a. bei Studien ein Problem, die regionale Aussprachevarianten einer Sprache vergleichen, weniger bei Arbeiten, die verschiedene Sprachen vergleichen. (3) Das Problem der Ausspracheauthentizität: Der Vorteil, die Effekte der idiolektalen Variation zu minimieren, wird sofort zu einem Nachteil, indem einige andere Merkmale, die zusammen mit Aussprachevariation auftreten, außer Acht gelassen werden. (4) Das Problem der Imitationsauthentizität: Es ist sehr selten möglich, Sprecher für MGT-Texte zu finden, die in der Lage sind, all die nötigen Texte genau zu „übersetzen“, sodass eine volle grammatische und stilistische Äquivalenz besteht und ein authentischer Text produziert wird. Wie aber Garrett et al. (2003: 59) selbst anmerken, ist es durchaus möglich, dass die Hörer davon nichts merken und die Texte trotz alledem authentisch finden. (5) Das Problem der Varietätenbenennung (community-authenticity problem): Insbesondere in Arbeiten, die auf eine Identifizierung bestimmter Varietäten anhand der Sprechproben abzielten, trat das Problem auf, dass die von den Linguisten benutzten Benennungen für die in Frage stehenden Varietäten zu vage waren und nicht mit denen der Sprecher korrespondierten. (6) Das Problem der Stilauthentizität: In einigen Arbeiten waren die Hörtexte als vorgelesene Texte vorbereitet und später den Hörern unter Umständen als spontan gesprochene Texte präsentiert. Dies mündet in einen Verlust an Authentizität der Texte, da sich die eigenen Stilnormen vorgelesener Texte mit denen der spontan produzierten Texte bei weitem nicht decken. (7) Das Neutralitätsproblem: Es ist fraglich, dass es in jeder Hinsicht neutrale Texte gibt, die auf alle Sprecher genauso wirken und die die gleichen Assoziationen erwecken. Anhand einschlägiger Arbeiten wurde klar, dass es __________ 12 Zu einem Überblick mit Diskussion vgl. z.B. Kolde (1981: 387ff.), Fasold (1984: 149ff.), Chambers (2000) und Garrett et al. (2003: 53ff.). <?page no="46"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 39 in mehrere Altersgruppen umfassenden Analysen unmöglich ist, altersneutrale Texte für die MGT zu finden. Sogar derselbe Satz kann unterschiedlich interpretiert werden, wenn ihn ein jüngerer oder ein älterer Sprecher sagt, dies kann dementsprechend auch unterschiedliche Bewertungen auslösen. Im aktuellen Projekt geht es darum, zwei generell varietätenbezogene Fragen zu Spracheinstellungen im deutsch-ungarischen Sprachkontakt mit Hilfe der MGT zu beantworten: (1) Gibt es einen Unterschied bei der Beurteilung des ungarndeutschen Dialekts ohne und mit Sprachkontaktphänomenen? Die Antwort auf die erste Frage kann die Annahme bestätigen oder entkräften, der zufolge die Sprecher - insbesondere in einer fortgeschrittenen Sprachwechselsituation wie der hier thematisierten - den ‚gemischten‘ Dialektgebrauch gegenüber einem ‚reinen‘ (d.h. ohne Sprachkontaktphänomene) negativer beurteilen. (2) Gibt es einen Unterschied bei der Beurteilung des ungarndeutschen Dialekts und des Standardungarisch? Die Antwort auf die zweite Frage kann die Annahme bestätigen oder entkräften, der zufolge für die Sprecher das Ungarische als ‚Prestigevarietät‘ mit positiveren Einstellungen als die Minderheiten- und gleichzeitig Nichtstandard-Varietät deutscher Dialekt einhergeht. Diesem Anliegen folgend entfallen einige von Garrett et al. (ebd.) aufgeworfene Probleme (2), (3) und (5), da die vorliegende Untersuchung weder auf phonetische Kontraste noch auf Aspekte der Varietätenbenennung abzielt. Die Verwendung einer von den Testsprecherinnen selbstständig verbalisierten Bildgeschichte versucht das Problem der Stilauthentizität (Problem 6) dadurch zu umgehen, dass die Verbalisierung einer Bildgeschichte spontaner verläuft, also aus grammatischer Sicht authentischer ist als das Vorlesen im Voraus vorbereiteter konzeptionell schriftlicher Texte, die in manchen früheren MGT- Studien angewendet wurden. Die zur MGT herangezogenen vier Texte sind zudem in hohem Maße inhaltlich äquivalent (Problem 4), eventuelle grammatische Unterschiede resultieren aus der spontanen Verbalisierung und aus dem Varietätenstatus der verwendeten Texte. Auch die Textauswahl (Problem 7) richtet sich nach thematischer Neutralität, wobei das Thema des Textes hoffentlich altersneutral genug ist. Die zu den aktuellen Analysezwecken verbalisierte Bildgeschichte (vgl. weiter unten) ist darüber hinaus den meisten Informant(inn)en bekannt, wodurch sie auf ihrer gemeinsamen Wissensbasis aufbaut. Nur Problem (1) bildet einen deutlichen Schwachpunkt des Experiments, da durchaus unklar bleibt, welchen Effekt das wiederholte Anhören auf die Merkmalswahrnehmung der Informant(inn)en ausübt. <?page no="47"?> Methode und Daten 40 Aus dem oben beschriebenen Anliegen und dem Grundkonzept der MGT ergab sich die Anzahl der Testsprecher: So war ein Sprecher nötig, von dem ein Text in deutschem Ortsdialekt und einer in deutschem Ortsdialekt mit Sprachkontaktphänomenen aufgezeichnet wurde, um diese später den Informant(inn)en vorzuspielen. Auch ein zweiter Testsprecher war nötig, von dem ein Text in deutschem Ortsdialekt und einer in ungarischem Standard aufgenommen wurde, um sie den Informant(inn)en nach Anhören der Texte ebenfalls zur Beurteilung vorzulegen. Die beiden Texte des ersten Testsprechers ermöglichen es, Einstellungen gegenüber dem deutschen Ortsdialekt ohne Sprachkontaktphänomene und dem deutschen Ortsdialekt mit Sprachkontaktphänomenen zu vergleichen, die beiden Texte des zweiten Testsprechers hingegen bieten einen Vergleich von Einstellungen gegenüber dem deutschen Ortsdialekt und dem ungarischen Standard. Die Vergleichbarkeit von auf diese Weise ermittelten Einstellungen auf Grund der einzelnen Texte ist erst gegeben, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: - Das Thema der einzelnen Texte soll identisch sein, - Die Länge der einzelnen Texte soll (annähernd) identisch sein, - Die Texte sollen den Testpersonen in einer Reihenfolge präsentiert werden, dass sie die Testsprecher, die zweimal zu hören sind, nicht erkennen; - Es werden so viele Texte (inkl. ‚fillers‘) 13 zum Anhören benutzt, dass die Gesamtdauer des Tests nicht zum Motivationsverlust der Informant(inn)en führt. Es wurden insgesamt sechs Sprecherinnen gebeten, die gleiche Bildgeschichte (s. Anhang) in unterschiedlichen, für die Analyse relevanten Varietäten zu verbalisieren. Jeweils zwei Texte stammen dabei von derselben Sprecherin: (1) einer in deutschem Dialekt und (2) in deutschem Dialekt mit Sprachkontaktphänomenen sowie (3) einer in deutschem Dialekt und (4) im ungarischen Standard. Diese vier Texte wurden um weitere vier ‚fillers‘ ergänzt (drei Texte im ungarischen Standard und einer in einem deutschen Dialekt mit den gleichen Parametern wie oben). Auf diese Weise entstanden folgende acht Texte von insgesamt sechs Sprecherinnen. Um der Erkennbarkeit der Sprecherinnen durch die Beurteilenden vorzubeugen, wurden die acht Texte in eine Reihenfolge gestellt, dass sich die vier Texte so weit wie möglich voneinander __________ 13 ‚Fillers‘ sind Texte in vergleichbaren Tests, die dazu dienen, die für die Analyse relevanten Texte voneinander zeitlich zu trennen, sodass die Beurteilenden die Sprecher, die zweimal sprechen, möglicherweise nicht erkennen. <?page no="48"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 41 befinden. Auf Grund der mathematisch möglichen Kombinationen ergab sich nun folgende Reihenfolge: Text Sprecher Varietät Dauer 1. Test-Text Testsprecher 1 dt. Ortsdialekt 2: 59 2. ‚filler’ No. 1 ung. Standard 2: 00 3. Test-Text Testsprecher 2 dt. Ortsdialekt 2: 55 4. ‚filler’ No. 2 ung. Standard 3: 39 5. ‚filler’ No. 3 dt. Ortsdialekt 2: 19 6. ‚filler’ No. 4 ung. Standard 2: 05 7. Test-Text Testsprecher 1 dt. Ortsdialekt mit Sprachkontaktphänomenen 3.46 8. Test-Text Testsprecher 2 ung. Standard 2: 21 Wie zu sehen, liegt zwischen den beiden ‚Test-Texten‘ der ersten Sprecherin ein Abstand von fünf, zwischen denen der zweiten einer von vier Texten. Im Folgenden sollen zunächst die vier Texte, an denen Einstellungen gegenüber den analyserelevanten Varietäten untersucht werden, vorgestellt und kurz kommentiert werden. Alle vier Texte wurden von Sprecherinnen aus der Siedlung Bánd aufgezeichnet, beide sind ortsgebürtige, 60 bis 70 Jahre alte Rentnerinnen mit aktiver Kompetenz im bairisch-fränkischen Ortsdialekt. Sie wurden um Verbalisierung der oben genannten Bildgeschichte gebeten. Davor konnten sie Einsicht in die Geschichte nehmen, um gemeinsam mit dem Versuchsleiter eventuelle missverständliche Momente im Ablauf der Geschichte zu klären. Auf diese Weise konnten inhaltlich annähernd identische Texte aufgezeichnet werden, die sich für einen Vergleich der Einstellungen gegenüber den zu untersuchenden Varietäten eignen. Testsprecher 1, deutscher Ortsdialekt Aufgabe der ersten Testsprecherin war es, die oben erwähnte Bildgeschichte in ihrem Ortsdialekt zu erzählen. Überall, wo offensichtliche Wortschatzlücken im Dialekt bestanden, hat sie aus dem Standarddeutschen bestimmte Elemente spontan übernommen (Telefonzelle, Fahrkarte, Kontrolleur). Die Wörter Bus und Metro, die in diese Kategorie fallen, sind auch im Ungarischen vorhanden. Folgender Text zeigt darüber hinaus die (phonologischen und grammatischen) Primärmerkmale des Ortsdialekts: (15) tes is=e lustige kschichte ↑ * * vo=den hos * unt vo=den wojf ↓ *3* de wojf möcht den has fresse ↑ *2* de hot=n große hunge ↑ *2* de ha den sack hie * * vo die stieche ↑ * * un de hos rutsch nei ↓ *4* de wojf * ist stark froh ↑ de=nemmt den <?page no="49"?> Methode und Daten 42 sack * um buckl ↑ * * und geht damit weide ↓ * * owe der hos der konn sich freimoche ↑ * * spring davon ↑ *2* geht in de telefonzelle ↑ *2* un *2* tut den wojf ausspotte ↓ *3* de wojf is stark bes ↑ *2* öh der hot drei zigarettl in de hand ↑ * unt blos den rauke * * öh * * nei in die telefonzelle ↑ =das de hos * enlich raskummt ↓ *4* der hos * kummt schnell ra/ ras ↑ unt springt davon ↑ * * der wojf hat die/ * * den höre hat=de in de hand ↑ *2* unt *3* lusst=te scho olles folle und * springt den hos noch ↑ * unt de hos steigt in den bus ↑ * * de konn noch ruhig neisteiche ↑ * * unt so wie de * wojf hikummt ↑ * ginge die tier zu unt den wojf sa schel * * drezwische=drin de tier drinne=hegezwickt ↓ *3* der hos hot der * fahrkarte in de hand ↑ unt de * äh * lusste mit den * wojf seine zehn turichbese ↓ *2* uf=n nächste bild da san=se scha * alli zwei in bus ↑ * de hos steigt wiede=as ↑ * der wojf will ihm noch ↑ unt wide is se schel neigezwickt ↓ *4* de hos is awe * bei uf unt davon ↑ *2* uf=n nächste bild san=se in de metro ↑ *3* den san schwa ham=se do * neigezwickt ↑ den wojf sein schwa vomsa neigezwickt ↑ * * kora wiede ned los ↑ *3* non hot=dere * a weib kseh ↓ * mit a große schissl des weib is umkfalla die schissl/ * in ti schissl hot=a se neikuckt ↑ is kschwint nokfarn * * uf dene stieche ↑ *2* un *3* de hos steht scho do wieder in de metrotier ↑ * * unt *2* den wojf mit de schissl * d=erwischt nun öh kontrolleur ↓ Testsprecher 1, deutscher Ortsdialekt mit Sprachkontaktphänomenen Anschließend wurde unsere Testsprecherin gebeten, die Geschichte noch einmal zu erzählen, diesmal aber so, dass sie auch ungarische Elemente verwendet. Vor der Aufnahme dieses Textes wurde auf Grund der Vorschläge der Sprecherin festgelegt, an welchen Stellen dies möglich ist, sodass der zweite Text nicht an Authentizität verliert. Dabei wurde weitgehend im Auge behalten, dass der Text weder in seinem Tempo noch seinem Inhalt nach vom ersten wesentlich abweicht. Schließlich finden sich Sprachkontaktphänomene an 13 Stellen im folgenden Text (über die zwei Wörter Bus und Metro hinaus, die in beiden Sprachen existieren): (16) tes is=e lustige kschichte ↑ * iwe den ho: s unt iwe den fuchs ↓ * * ned de fuchs hanem [sondern] der wolf ↓ * * äh * * uf ten zwete bild hot der has * äh valószínű [wahrscheinlich] mit seine kumerade kspielt ↓ * und ischt ti stiech hero: kret zu nei in den sack * der wojf war stark froh ↑ * * da=r endlich den ha: s erwischt hot ↓ *4* awa der hos * hat=sich trotzdem losmacha kene ↑ *4* der wojf * * hot=em gedenkt ↑ * * ich werd=i úgyis [trotzdem] fanga ↓ *6* der hos=is schnell ine telefonfülke [Telefonzelle] neiksprunga * * hot die tir zugmocht ↑ * und der wojf war stark be: s da=ra net * hot neigekennt ↑ *2* un=hot d drei zigarette ferignumma ↑ * * cigaretta [Zigaretten] ferignumma ↑ * un hot den rauke * in des telefonfülke [Telefonzelle] nei*geblose ↓ * * der has is erschrocke ↑ *2* und is * * schnell raus und davonksprunga ↓ * * der wojf hot den telefonkagyló [Hörer] * in die hand numma ↑ *3* un hot wille mit wen rede ↑ *3* vagy [oder] hot der wille *2* san kumerad anrufe ↓ * * no hot=d kse(he) * das der * hos=scho in die iskolabusz [Schulbus] neispringt ↓ *11* äh der wojf hot dem net nochgekennt * <?page no="50"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 43 akárwie [wie auch immer] dara=ka probiert hot ↑ äh * hot=e den ho: s net fange kenne ↓ der hos äh sitzt scho in bus drin unt der wojf hot sei schel neigezwickt ↓ *2* äh *2* der hos * * socht den wojf ↑ * ugye [nicht wahr] du konnst mi net fange ↓ und recht ihm sa fahrkarte hin ↓ *4* af=te nächste bild sand se * äh * scho alli zwei in bus drin ↑ * der hos springt wide ras * unt tel/ dem wolf sach sche bleibt wiede in di tier * neigezwickt ↓ *2* unt der has springt scha * turich den bejárat [Eingang] in den metro ↓ * in den metro *4* äh werd den * wojf sa schwaw neigezwickt da=r ihn wider/ den hos wide net nochkonn ↑ * * na sei de toa * * a weib ↑ * * dere=hot do die großi schissl wegnumma nu si neikunn mit dere schissl widr nokfoahrn ↓ * * durch tie stieche ↓ *2* der hos steht wiedr lustich in de metrotier ↑ *2* der wolf fohrt mit=dere schissl vorbei ↑ * * unt de ellenőr [Kontrolleur] hot do ihn derletzt erwischt ↓ Testsprecher 2, deutscher Ortsdialekt Die Aufgabe der zweiten Testsprecherin bestand darin, dieselbe Bildgeschichte in ihrem Ortsdialekt zu erzählen, so wie sie es natürlich findet. Eine extra Anweisung, sie dürfte keine ungarischen Elemente verwenden, wurde ihr nicht erteilt, das Ziel war ja wieder eine möglichst spontane Verbalisierung der Geschichte. Als ‚natürlich‘ wurde betrachtet, wenn auch Sprachkontaktphänomene aufkommen: So sind im Text an fünf Stellen Phänomene zu finden, die in erster Linie aus ungarischen Kontakteinflüssen resultieren: (17) do sehr=ich en has ↑ * un do sehr=ich en wojf ↓ * der wojf * de will den has fange ↑ * do hot der schon=ran sack dar=a na schnell reitut in den sack ↑ * unt do hat se (…) wei do jene schon drinne der hos ↓ in den sack ↓ * abe der der hos de war sehr * flinge ↑ unt der schnell * hot de sie * annyira [so sehr] weg von den wojf ↓ * * und wide wegsprunge ↑ in=neisprunge ↑ in=eine telefon *3* telefon ↓ *5* fülke [(Telefon)Zelle] * telefon ↓ * * un e * do * * er ihn noch ↑ * abe do hot der kene nich mehr nei ↓ * * noch dann wiede hot net gut acht/ * acht öh öh öh * achtung hat ↑ noch ten is der kschwind nach ↑ * de der has ↑ * un naja hot getelefoniert ↑ * unt er=is der den telefoniert grad is de has gschwind wegsprunga ↑ * unt der wojf is ihm hinne noch ↑ * unt do ihr=kschwind ufsprang in bus ↓ *2* do in bus ire=nein ↑ * und de wojf den den wojf * san * san * kopf is hiegezwickt warn sa kopf war drinne ↑ un sa anre/ *2* war ras *4* unt so ↑ *4* do de de wojf ↑ *2* ja do hot der kschwind korte kaft ↑ * * fahrkorte ↑ der der fuch/ der der has ↑ * unt der mit sene zähn kschwind *3* turichgezwickt ↓ *2* do no do springe de wiedem * springe de wiedem ↑ * de de de has schnell ↑ unt der wojf ihne noch ↓ * * unt do ire kschwind nei ↑ *5* ire kschwind nei ↑ *2* un metro ↑ *2* ja do spring=de kschwind nei abe den wojf sa * * sa *2* farka ↑ [Schwanz] de schwaz is hiegezwickt ↑ * un konnt nich mehr so schnell den den * * den has noch ↓ nu san se=neikumma in metro ↑ do war fra/ d frau die * großi schissl khot ↑ hot sie der fuchs schnell weg*numma ↑ hot sie neukuckt ↑ sie sie net st/ stieche napkrutscht ↑ * i wara schnell drunna ↑ unt de has de de is wiedem * wie die si=kumma is wiedem de has schnell weg ↑ * awa de has war schnell weg ↑ awa <?page no="51"?> Methode und Daten 44 de * de * de jegyellenőr [Kontrolleur] (LACHT) de wa glei=do noppn lekapcsolta ↓ [erwischt] Testsprecher 2, ungarischer Standard Die zweite Testsprecherin wurde nachher gebeten, die Geschichte auf Ungarisch zu erzählen. Dieser zweite Text unterscheidet sich weder in seinem Tempo noch in seinem Inhalt wesentlich vom ersten. Er enthält keine stigmatisierten sprachlichen Formen, eine regional markierte Form (ung. kinyitt mit Gemination des auslautenden -t, dt. ‚öffnen‘, ‚aufmachen‘) kommt nur einmal vor. Im Übrigen zeigt der Text Merkmale des gesprochenen Standardungarisch (z.B. Tilgung des auslautenden -t viermal in megin ‚wieder‘, ‚noch mal‘; Tilgung des auslautenden -n einmal in közbe ‚inzwischen‘): (18) ezen a képen * látok az első képen látok egy farkast és egy nyulat ↓ * a nyúl/ nyuszi el próbál menekülni a farkas elől ↑ de * öh a farkas gyorsan * kinyitt egy zsákot ↑ és * szegény nyuszi belekerül a zsákba ↓ * * és a farkas el akar a vele menekülni ↑ de * nem sikerül neki ↓ *2* a nyuszi * kiugrik a zsákból ↑ és elmenekül ↑ * és * * eh * bemegy egy * telefonfülkébe ↓ * a telefonfülkébe nem tud bemenni=a * a farkas ↑ * de azért próbálkozik=utánamegy és rágyújt három cigarettára ↑ hogy majd a füsttel kiűzi onnan ↑ a füstöt * öh beengedi a fülkébe ↑ és a nyuszi gyorsan kiszabadul ↓ (LACHT) hát fut * * a=a farkas meg bennmarad ↑ és ő meg megpróbál telefonálni ↑ de * * míg ő telefonál ↑ addig megin a nyuszi * szépen gyorsan el tud futni ↑ és rohan=rohan a farkas utána de * a nyuszi gyorsan fölugrik a buszra ↓ * * a busz után fut a farkas ↑ de az ajtó becsukódik előtte=úgyhogy nem tud be/ bemenni ↓ * * akkor a megin a farka/ a nyuszi odatartja neki=a a menetjegyét ↑ a farkas beleharap ↑ és a nyuszi kiugrik=és elfut ↓ (LACHT) * és * * és * * elfut ↑ *2* a *2* buszlépcsőn ↓ * * a buszlépcsőn ↑ * és a farkas utána ↑ de nem tudja elkapni ↑ * és és lefut a buszlépcsőn * gyorsan be a metróba a metróajtó * meg becsukódik és odaf/ oda/ oda/ fogja a farkasnak a farkát ↓ * * hát akkor a farkas megin * el akarja fogni a nyuszit ↑ de * a nyuszi gyorsan * elfut a farkas föllök egy asszonyt ráugrik egy tálra olyan gyorsan csúszik le a lépcsőn hogy=még túlhaladja a nyuszit is a=nyuszi megin meg=tud menekülni és szépen közbe előjött az ellenőr és elkapta a farkast ↓ Deutsche Übersetzung: Auf diesem Bild sehe ich, auf dem ersten Bild sehe ich einen Wolf und einen Hasen. Der Hase versucht vor dem Wolf zu fliehen, aber der Wolf öffnet schnell seinen Sack und tut den Hasen hinein, und der Wolf will damit weglaufen, aber er schafft es nicht, der Hase macht sich frei und läuft davon und springt in eine Telefonzelle rein, der Wolf kann in die Telefonzelle nicht rein, aber er versucht es trotzdem, zündet drei Zigaretten an, um ihn (den Hasen) mit dem Zigarettenrauch herauszulocken, er hat den Rauch in die Zelle reingeblasen, der <?page no="52"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 45 Hase macht sich schnell frei, läuft weg, der Wolf bleibt drin, versucht jemanden anzurufen, während der Hase wieder schön schnell weglaufen kann, der Wolf dem Hasen nach, aber der Hase springt in den Bus rein, der Wolf läuft nach, die Tür schließt direkt vor ihm, da er nicht in den Bus kann, dann (hat er sich) wieder sein Schwanz (eingeklemmt), der Hase hält ihm seine Fahrkarte hin, der Wolf beißt darauf, der Hase springt raus und läuft weg, läuft weg auf der Bustreppe, auf der Bustreppe, der Wolf läuft ihm nach, aber er kann ihn nicht schnappen, und er springt auf der Bustreppe runter, schnell in die Metro rein, aber die Metrotür schließt und klemmt dem Wolf seinen Schwanz ein, dann will der Wolf den Hasen noch mal schnappen, der Hase läuft schnell weg, stößt einer Frau in die Seite, springt in eine Schüssel rein, rutscht die Treppe so schnell runter, dass er sogar dem Hasen vorbeifährt, der Hase kann wieder weglaufen, inzwischen ist der Kontrolleur da und erwischt den Wolf. Die Standardisiertheit der zu vergleichenden MGT-Texte, d.h. die Homogenität hinsichtlich des Geschlechts, Alters und der Sprachkompetenz der Sprechenden sowie die des Themas verschafft eine angemessene Grundlage des Vergleichs von Spracheinstellungen in Bezug auf die für die Analyse relevanten Parameter. Auch die Auswahl von Eigenschaften, an denen Spracheinstellungen gemessen werden, ist ein permanentes Problem für MGT-Untersuchungen. In der Studie von Lambert et al. (1960: 44) z.B. wurden 14 Eigenschaften getestet, von denen einige (z.B. Religiosität, Aussehen etc.) eine sehr intensive Assoziationsfähigkeit von den Hörern erfordern. Es ist kein Zufall, weil dieses Forschungsdesign ursprünglich für jüngere Informant(inn)en konzipiert wurde. Im vorliegenden Experiment ist das Set der getesteten Eigenschaften das Ergebnis einiger Kompromisse: Es berücksichtigt die erwünschte Transparenz und eine möglichst kleine Anzahl der Eigenschaften, die ältere Informant(inn)en nicht auf die Probe stellen. Zur Bewertung der einzelnen MGT-Texte wurden insgesamt zehn Eigenschaften herangezogen. Unter dem Aspekt der P e r s o n e n w a h r n e h m u n g bewerteten die Informant(inn)en die Eigenschaften (1) intelligent, (2) freundlich, (3) gebildet, (4) zuverlässig, (5) selbstbewusst und (6) überzeugend und hatten auf einer 5-Punkte-Skala (1= trifft nicht zu, 5= trifft zu) anzugeben, welche Eindrücke sie beim Anhören der einzelnen Texte in Bezug auf den jeweils gehörten Sprecher hatten bzw. inwieweit die einzelnen Eigenschaften ihrer Einschätzung nach auf den Sprechenden zutreffen. Analog dazu unter dem Aspekt der S p r a c h p e r z e pti o n machten sie Angaben zu den Redeeigenschaften (7) genau, (8) verständlich, (9) richtig und (10) schön auf einer 5-Punkte-Skala, wobei sie anzugeben hatten, inwieweit die Eigenschaften auf die aktuelle Rede zutreffen. <?page no="53"?> Methode und Daten 46 Akzeptabilität einzelner Typen der Sprachmischung Wie in der Zielsetzung ausgeführt, soll das Phänomen Sprachmischung aus zwei Perspektiven angegangen werden, im Weiteren also auch auf der Ebene von Akzeptabilitätsurteilen, die Sprecher(innen) nach Anhören einzelner zweisprachiger Äußerungen formulieren können. Die Idee des Einbezugs von Sprecherurteilen (Grammatikalitäts- und Akzeptabilitätsurteilen) bei der Untersuchung des Sprachgebrauchs ist gar nicht neu. Sie fand jedoch aus unterschiedlichen Gründen, die hier nicht eingehend diskutiert werden, in die linguistische Methodologie in unterschiedlichem Maße Eingang. Einleitend zur Untersuchung der Akzeptabilität einzelner Sprachmischungstypen durch zweisprachige Sprecher(innen) sollen drei Projekte (mit Fokus auf jeweils unterschiedliche Sprachkontaktsituationen) kurz vorgestellt werden. Alle drei erbringen methodische Konsequenzen, von denen die vorliegende Untersuchung profitieren kann. Das erste zu diskutierende Projekt aus den 80er Jahren hat Aguirre (1985) in Anknüpfung an die Vorarbeiten von Gumperz und Mitarbeitern in Angriff genommen, mit dem Ziel, bestimmte Sprachkontaktphänomene (im Konkreten ‚intrasententielle‘ Umschaltungen) in der Rede zweisprachiger Chicanos in Kalifornien auf ihre Akzeptabilität hin zu untersuchen. Aguirre hat die von seinen Vorläufern nicht gebührend wahrgenommene Forschungslücke erkannt, dass dem Sprachwissen von Zweisprachigen, grammatisch akzeptable Formen der Sprachmischung von den grammatisch nicht akzeptablen unterscheiden zu können, bisher recht wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde (ebd. 61). Er hat angenommen, dass eine (statistisch beachtliche) Akzeptabilität bestimmter Formen intrasententieller Sprachmischung ein Zeichen für sprachliche Regularitäten, die hinter diesen Phänomenen stecken, darstellt. In seine Liste von Testbelegen hat daher Aguirre drei Satzpaare aufgenommen, die in einem Vortest unterschiedlichen Akzeptanzgrad erreichten. Diese Testbeispiele wurden dann 70 Informant(inn)en (je ein Drittel war englisch- oder spanischdominant oder balanciert zweisprachig) mündlich zur Beurteilung vorgelegt. Aguirre hat herausgefunden (ebd. 73), dass die Richtung der Umschaltung einen Einfluss auf die Akzeptabilität hat (z.B. Alternationen aus dem Spanischen ins Englische wurden mit größerer Wahrscheinlichkeit als umgekehrt akzeptiert). In all diesen Ergebnissen sah Aguirre (ebd. 76f.) die Richtigkeit seiner Überzeugung bewahrheiten, dass der Systematik von Akzeptabilitätsurteilen eine ‚Sprachmischungsgrammatik‘ zu Grunde läge. Romaine (1995) stellt in ihrem Buch „Bilingualism“ ein gemeinsames Projekt mit Chana aus dem Jahre 1984 vor, das zum Ziel hatte, Einstellungen gegenüber Sprachmischung bei Panjabi-Englisch-Zweisprachigen zu erfassen. Sie haben ihre Informant(inn)en acht mündliche Sprechproben aus einem früher im familiären Kontext aufgezeichneten gemischtsprachigen Material bewerten las- <?page no="54"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 47 sen. Die acht Sprechproben mit relativ neutralem Inhalt und überschaubarer Syntax repräsentierten verschiedene Typen von Sprachmischung so wie sie nach Einschätzung der Autorinnen für den Sprachalltag der untersuchten Sprecher charakteristisch waren (Romaine 1995: 295f.): (1) ‚intrasententielles tag-switching‘: englische Lexeminsertion in Panjabi- Umgebung (2) ‚intrasententielles tag-switching‘: Panjabi-Lexeminsertion in englischer Umgebung (3) ‚intersententielle Umschaltung‘ aus Panjabi ins Englische mit englischem Teilsatz (4) ‚intersententielle Umschaltung‘ aus dem Englischen ins Panjabi und zurück, also mit englischem Teilsatz am Anfang und am Ende (5) ‚intrasententielle‘ Insertion einer NP und Postposition aus Panjabi ins Englische (6) ‚intrasententielle‘ Insertion mehrerer Konstituentengruppen aus dem Englischen ins Panjabi (7) ‚inter- und intrasententielle‘ Insertion eines gemischten Verbalkomplexes ins Englische (8) ‚intrasententielle‘ Insertion eines gemischten Verbalkomplexes ins Panjabi mit grammatisch integriertem englischem Verb. Den Informant(inn)en wurden dann acht Fragen zur Bewertung des Gehörten gestellt. Die Hälfte der Fragen bezog sich auf den habituellen Gebrauch von Englisch und Panjabi bzw. die Identifizierung der Sprechproben als solche (z.B.: Spricht der Sprecher eher Englisch oder Panjabi? ). Die restlichen Fragen zielten darauf ab, Reaktionen darüber hervorzulocken, wie genau sich die vorgespielten Sprecher ausdrücken bzw. über die eingeschätzte Kompetenz des Sprechenden auf Grund des gehörten Sprachmaterials. Es hat sich gezeigt (ebd. 300ff.), dass als das ‚am meisten Panjabi‘ Beispiel (8) bewertet wurde, wobei das grammatisch integrierte englische Verb, wie Romaine vermutet, gerade wegen seiner Integriertheit nicht befremdlich empfunden wurde. Eine hohe Kompetenz in Panjabi wurde genauso den Sprechern von Bsp. (8) sowie (4) bescheinigt, bei Letzterem vermutlich deswegen, weil die Panjabi-Sequenz durch kein englisches Element durchbrochen wurde. Beispielsweise der Vergleich der Bsp. (3) und (4) hat zu der Erkenntnis geführt, dass auf die Beurteilung der Angemessenheit der Sprechproben die Lexemwahl einen beachtlichen Einfluss hat, denn dem Sprecher von Bsp. (4), der Wörter wie ein ‚gebildeter‘ Panjabi-Sprecher benutzt hat, wurde eine höhere Kompetenz zugesprochen. All das liefert einen sowohl theoretisch wie auch methodisch wichtigen Nachweis dafür, wie Romaine (ebd.) schlussfolgert, dass dieselbe Person in Abhängigkeit von ihrer <?page no="55"?> Methode und Daten 48 Sprechweise unterschiedlich bewertet wird, wobei es nicht um die Verwendung unterschiedlicher Sprach(varietät)en, sondern lediglich um Sprachmischung unterschiedlichen Grades geht. Meng/ Protassova (2005) haben dem obigen Projekt folgend die Bewertung und die Akzeptanz von Sprachmischung bei ‚russlanddeutschen‘ Aussiedlern analysiert. Diese Sprachkontaktsituation unterscheidet sich von der, die Aguirre und Chana/ Romaine untersuchten, in manchen Zügen: Es ging um Aussiedlergenerationen deutscher Herkunft aus der Sowjetunion und den Nachfolgestaaten, die ihre jeweiligen russischen bzw. althergebrachten russlanddeutschen Varietäten und auch das Standarddeutsch mit unterschiedlich ausgeprägten Kompetenzen sprechen. Meng und Protassova ging es darum festzustellen, welche Typen der Sprachmischung die Aussiedler als typisch ‚Aussiedlerisch‘ empfinden, was für Autostereotypen sie einem solchen ‚gemischten‘ Sprachgebrauch gegenüber formulieren und inwieweit dieses Selbstbild mit dem Fremdbild des Forschers übereinstimmt. Sie haben ihren Informant(inn)en (N= 22, davon die Antworten von 12 Erwachsenen ausgewertet) zehn Typen von Beispieläußerungen vorgespielt, um sie zu Kommentaren zu den untersuchten Phänomenen anzuregen. Dies hat zu folgendem Ergebnis geführt (ebd. 240): Strukturtyp Typizität (B02) deutscher Satz + russisches Augment (B03) deutscher Teilsatz + russischer Teilsatz (B05) russische Sätze mit deutschen Konstituenten (B07) russischer Satz mit einem deutsch-russisch gemischten Wort (B10) russischer Satz mit deutschen und deutsch-russischen gemischten Wörtern „höchst typisch für sich selbst“ (B01) russischer Satz + deutsches Augment (B04) russischer Teilsatz + deutscher Teilsatz „bedingt typisch für sich selbst“ (B06) deutscher Satz mit einem russischen Wort (B08) deutscher Satz mit einem deutsch-russisch gemischten Wort (B09) russischer Satz mit einem deutsch-russisch gemischten Wort „nicht typisch für sich selbst“ Dass die einzelnen Sprachmischungstypen diverse Typizitätsgrade zeigten, erklären Meng und Protassova (ebd. 241f.) damit, dass die Beispieläußerungen mit überwiegend russischer syntaktischer Basis als ‚typischer’ gegenüber jenen mit überwiegend deutscher syntaktischer Basis empfunden werden. Allerdings fällt ihnen auf, dass drei Beispiele mit geringem Strukturunterschied keine einheitliche Typizität zeigen: (B09) ты уже с-ге-кох-ала ↑ (ty uže s-ge-koch-a-l-a) = hast du schon ge-ge-koch-t? <?page no="56"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 49 (B07) когда ты анмельд-уешься ↑ (kogda ty anmel’d-neš’sja) = wann meldest du dich an? (B10) у меня по deutsch-у not-ы один bis два ↓ (u menja po deutsch-u not-y odin bis dva) = Ich habe in Deutsch die Not-en eins bis zwei). Sie stellen fest, dass Bsp. (B09) aus der Reihe tanzt, weil es trotz russischer Syntax und Lexembasis von den Informant(inn)en als nicht typisch eingestuft wird, während (B07) und (B10) als höchst typisch bewertet wurden. Doch wodurch erklärt sich das? Während in (B07) und (B10) nur die Stammorpheme deutsch sind, tritt in (B09) auch ein deutsches grammatisches Morphem -ge auf. Der Grund für die unterschiedliche Typizität sei den Autorinnen zufolge darin zu suchen, dass in (B09) von einer ‚Arbeitsteilung‘ zwischen Russisch und Deutsch wie in (B07) und (B10) nicht die Rede sein darf. Das ist jedoch nicht der einzige Widerspruch, der in diesen Daten steckt, denn es ist m.E. ebenso unerklärlich, warum es zwischen einem deutschen Satz mit russischem Augment (B02) was willsch=du ↓ maultasche ↑ á нé T ( á nét) ‚Was willst du? Maultaschen? Ja? Nein? ’ (ebd. 233) und einem ebenfalls deutschen Satz mit einem russischen Wort wie z.B. (B06) er bruddelt wie ä свекровка (svekrovka) ‚Er meckert wie eine Schwiegermutter’ (ebd. 234) einen dermaßen eklatanten Typizitätsunterschied, zu dem die Autorinnen kommen, gibt. Anhand dieser drei Projekte können (mindestens) drei methodische Konsequenzen gezogen werden: (1) Die Beurteilung einzelner Formen der Sprachmischung durch bilinguale Sprecher(innen) führt zu unterschiedlicher Typizität. Wie dies mit der eventuellen Dekontextualisiertheit der Testbeispiele zusammenhängt, bleibt jedoch dahingestellt. (2) Die unterschiedliche Typizität kann von außersprachlichen, aber auch rein methodischen Faktoren abhängen. Es ist z.B. sehr unwahrscheinlich, dass ein Plus an einem einzigen deutschen Morphem im Russischen wie beim Vergleich von (B07) und (B10) bei Meng/ Protassova zu einem gravierenden Unterschied der Typizität führt; ebenso bleibt offen, worauf der auffällige Typizitätsunterschied zwischen den einzelnen Testbeispielen desselben Typs wie bei (B02) und (B06) zurückgeführt werden kann. Hier müsste m.E., wie es Chana und Romaine tun, überlegt werden, welchen Einfluss die Lexemwahl auf die Sprecherurteile haben kann. (3) Die Klärung des Hintergrunds methodisch verdächtiger Ergebnisse ist vielleicht besser möglich, wenn sichergestellt wird, dass die beobachteten Unterschiede nicht dem puren Zufall zu verdanken sind. Es muss also zunächst eine statistisch handhabbare Datengröße zur Verfügung stehen, die es <?page no="57"?> Methode und Daten 50 ermöglicht, Interpretationsprobleme, die aus einer zu kleinen Datenbasis resultieren, auszuschließen. Wie in Kap. 1.3 ausgeführt, wird unter dem zweiten Hauptaspekt der vorliegenden Arbeit die generelle Frage untersucht, welche Akzeptabilitätsurteile die Informant(inn)en über ausgewählte Typen für Sprachmischung formulieren. Diese Frage wird durch mündliche Testbeispiele geprüft (s. unten), wobei getestet wird, ob die Befragten die Testbeispiele als akzeptable Formen bilingualer Rede einschätzen oder nicht. Um möglichst alle äußeren Faktoren, die auf die Akzeptabilitätsurteile der Befragten Einfluss haben können, auszuschließen, richtete sich die Auswahl der Testbeispiele nach folgenden Prinzipien: - Die verwendeten Testsätze stammen nicht aus Spontangesprächen mit jeweils unterschiedlichem Kontext, sondern alle sind dekontextualisiert und wurden von derselben Sprecherin aufs Tonband gesprochen. Dies verschafft Homogenität in Bezug auf Alter, Geschlecht und Dialektkompetenz der Testsprecherin, denn eine jeweils andere Sprecherstimme bei jedem einzelnen Testbeleg kann einen nicht kontrollierbaren Einfluss auf die Akzeptabilität haben. - Die Befragten und die Testsprecherin stammen nicht aus derselben Sprachgemeinschaft. Die Testsprecherin der Akzeptabilitätsbeispiele stammt daher aus dem Dorf Bánd, wohingegen alle Informant(inn)en aus dem Dorf Városlőd stammen (s. Karte in Kap. 2.1.2). Es dürfen zudem keine gravierenden Unterschiede zwischen der Dialektvarietät der Testsprecherin und der der Informant(inn)en bestehen. 14 Diese beiden Dörfer werden dieser Forderung insofern gerecht, dass sie in der Nähe liegende Siedlungen einer bairisch und fränkisch geprägten Kleinregion sind, allerdings mit etwas stärkerer fränkischer Prägung in Városlőd. Auf jeden Fall ist aber mit gegenseitig vertrauten Sprechweisen zu rechnen, was jedoch keineswegs bedeutet, dass die Akzeptabilitätsurteile von Informant(inn)en aus Városlőd mit denen aus Bánd identisch wären. __________ 14 Folgendes triviales Beispiel kann dies leicht veranschaulichen: Z.B. beim Testen eines ‚hybriden Kompositums‘ wie törpegule (nach ung. törpekakas, dt. ‚Zwerghahn‘, vö. Földes 2005: 117) aus einem schwäbischen Dialekt in nichtschwäbischer Umgebung auf seine Akzeptabilität hin können die Urteile der Befragten fehlinterpretiert werden. Lässt man außer Acht, dass für nicht-schwäbische Sprecher der Hahn nicht Gule ist, so kann eine Ablehnung nicht unbedingt der Auftritt einer hybriden Wortform, sondern vielmehr die Wahl des Testwortes motivieren. <?page no="58"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 51 - Die Testbeispiele müssen hinsichtlich ihrer Lexik neutral und ihrer Struktur nach möglichst einfach sein, um zu gewährleisten, dass die Aufmerksamkeit der Befragten auf die in Frage stehende Erscheinung gerichtet werden kann. Die Berücksichtigung dieses Grundprinzips geht - trotz seiner Vorteile - mit einem notwendigen Kompromiss einher, dass bestimmte Typen der Sprachmischung in die Untersuchung nicht aufgenommen werden können. Man denke hier insbesondere an jene Typen, die sich der Aufmerksamkeit eines Alltagssprechers vermutlich eher entziehen (z.B. das Vorkommen von Morphemen aus der jeweils anderen Sprache). Mit gutem Grund ist in solchen Fällen zu erwarten, dass die Aufmerksamkeit der Befragten nicht unbedingt auf die in Frage stehende Erscheinung, sondern auf andere Sprachmerkmale gerichtet wird, was wiederum zu Fehlschlüssen bei der Interpretation führen kann. Die herangezogenen Testbeispiele wurden aus den obigen Gründen durch sorgfältige Diskussion mit einer zweisprachigen Sprecherin aus Bánd, die ausgezeichnete Kompetenzen im Ortsdialekt hat, gewonnen. Sie hat ihre Vorschläge nach Beratung mit zweisprachigen Sprecher(inne)n vor Ort für die endgültige Liste der Testbeispiele unter Berücksichtigung des Authentizitätsanspruchs gemacht. Auf diese Weise wurde folgende Liste der Testbelege für Zwecke der Analyse zusammengestellt: (1) Du konnst geh, akárwohin du willst. (‚Du kannst gehen, wohin du auch immer willst.‘) (2) Is de Nochbar net do? Dehogynet, er is do. (‚Ist der Nachbar nicht da? Doch, er ist da.‘) (3) Di hot tes Hojz zamhasogatott. (‚Sie hat das Holz zerhackt.‘) (4) Pedig ich wor daham. (‚Aber ich war daheim.‘) (5) Ich hob de ksacht, hogy kumm. (‚Ich habe ihr gesagt: komm! ‘) (6) Ich muss daham blewe, mert tes Kind is krank. (‚Ich musste daheim bleiben, weil das Kind ist krank.‘) (7) De is net krank, hanem stark fai. (‚Es ist nicht krank, sondern sehr faul.‘) (8) De bleibt daham, vagy geht awete. (‚Er bleibt daheim oder geht arbeiten.‘) (9) De hot mi so lecseszett. (‚Sie hat mich sehr beschimpft.‘) (10) I was net wie tes működni tut. (‚Ich weiß nicht, wie das funktioniert.‘) (11) Du musst alkalmazkodni. (‚Du musst dich anpassen.‘) (12) Wie hom heit szabad szombat. (‚Wir haben heute freien Samstag.‘) (13) Tes Esse is noch in fagyasztó. (‚Das Essen ist im Gefrierfach.‘) (14) Stell nei die Suppe in den hűtő. (‚Stell die Suppe in den Kühlschrank rein! ‘) (15) I hob an ötös kriecht. (‚Ich habe eine Fünf bekommen.‘) (16) Troch nas den kuka. (‚Bring den Mülleimer hinaus! ‘) (17) Mach as den rádió. (‚Mach das Radio aus! ‘) (18) Ihre gerinc is anet tökéletes. (‚Ihre Wirbelsäule ist auch nicht perfekt.‘) <?page no="59"?> Methode und Daten 52 (19) Me unoka geht uf die egyetem. (‚Mein Enkel geht auf die Universität.‘) (20) Ich muss in die SZTK uf ti felülvizsgálat. (‚Ich muss in die Klinik zur Untersuchung.‘) An den Testbeispielen (1)-(3) soll zunächst die Akzeptanz der hybriden Wortbildung untersucht werden. Bei Bsp. (1) akárwohin geht es um ein hybrides Kompositum, bestehend aus dem ung. akár und dem dt. wohin mit der Bedeutung ‚egal wohin/ wohin du auch immer willst‘; Beispiel (2) dehogynet setzt sich aus dem ung. dehogy und dem dt.dial. net ‚nicht‘ mit der Gesamtbedeutung ‚doch, natürlich‘ (als Negationsverstärkung) zusammen; schließlich verkörpert Beispiel (3) zamhasogatott ein hybrides Präfixverb, wobei das Präfix zam ‚zusammen‘ der dt. Dialekt, den Verbalstamm das ung. hasogatott ‚zerhackt‘ liefert. All das entspricht semantisch dem zu Grunde liegenden ung. Pendant összehasogatott ‚vollständig in Stücke zerspalten‘. Getestet wird auch die Akzeptanz ungarischer Konnektoren in deutsch-dialektaler Umgebung (Bsp. 4-8), die von ungarischen Verben (Bsp. 9-11) und ungarischen Nomina in deutsch-dialektalen Sätzen (Bsp. 12-17). Schließlich soll durch die Testbeispiele 18-20 geprüft werden, ob die Komplexität der Struktur, hier: ein doppelter Transfer ungarischer Lexeme in deutsch-dialektale Sätze auf die Akzeptanz einen Einfluss hat. Wie zu sehen, ist bei obigen Testbeispielen auch hinsichtlich der Struktur eine Homogenität gegeben: Bei keinem der Typen liegt eine ‚Alternation‘ vor, d.h. Umschaltungen in beiden Richtungen gleichzeitig, sondern lediglich um intrasentenzielle Insertionen mit gleichbleibender Basisvarietät. Auch ein zweites Set von 18 Testsätzen wurde zu einem anderen Zeitpunkt zur Klärung mancher methodischer Fragen im Zuge der empirischen Analyse (in Kap. 4) eingesetzt. Neun von den 18 Sätzen bilden drei Triplette, mit jeweils drei Varianten einer Variablen, die untereinander Minimalpaare bilden: 1. Wan ich aa gewelt ho, ho ich net khene in te kirp khe. 2. Akárwie ich gewelt ho, ho ich net khene in te kirp khe. 3. Wie ich auch immer gewelt ho, ho ich net khene in te kirp khe. 4. Nomitach warma in te koarte, net in te kase. 5. Nomitach warma net in te kasse, hanem in te koarte. 6. Nomitach warma net in te kasse, sondern in te koarte. 7. Ti hon wele rete mit thain kumerat awe hontse welle ufrufe. 8. Ti hon wele rete mit thain kumerat vagy hontse welle ufrufe. 9. Ti hon wele rete mit thain kumerat oder hontse welle ufrufe. Diese neun Sätze wurden um weitere neun ‚fillers‘ ergänzt: <?page no="60"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 53 10. Mit ten apetit is es so, hogy amol is kut, amol schlecht. 11. Mit ten apetit is es so, hogy amol kut is, amol schlecht. 12. Mit ten apetit is es so, tas amol kut is, amol schlecht. 13. Viel san in te tausand neihuneter jahren in ungarn kume. 14. In te schul wantse zum siwete in aner klass. 15. Tomolcht wa in haus ka tévé n ka rádió. 16. Ka mensch hat net kewist, was kepassiert is. 17. Ti hon sich so ketumelt, tas se alles tuotkelose hon im haus. 18. Ninders hon ich kan kscheide zwete kfune. Die Akzeptabilitätsurteile zu den Sätzen 1-9 wurden zur Ergänzung einer Spracheinstellungsanalyse in Kap. 4.2.2 herangezogen. Vor der Befragung wurde die Reihenfolge dieser Sätze geändert, sodass die auf die Akzeptabilität hin untersuchten Sätze mit den jeweiligen Varianten der Variablen mindestens fünf Sätze Abstand zueinander haben (s. Anhang). Die Sätze wurden dann den Informant(inn)en mündlich präsentiert, wobei sie eine native Sprecherin vor Ort laut vorgelesen und nach den Akzeptanzurteilen der Informant(inn)en („Finden Sie den gehörten Satz akzeptabel? “) anhand von binären Antwortmöglichkeiten gefragt hat. 2.2.2 Daten und Informant(inn)en Die für die Analyse von Spracheinstellungen gesammelten Daten wurden, wie in Kap. 2.2.1 bereits angegeben, in zwei von zweisprachigen Deutschen bewohnten benachbarten Siedlungen Bánd und Városlőd erhoben. Den Angaben zur Stichprobe soll zunächst eine Skizze zur Geschichte und sprachlichen Lage dieser zwei Ortschaften vorausgehen. 15 Die Neubesiedlung von Bánd (dt. Bandau) nach der Türkenherrschaft erfolgte ab Mitte des 18. Jhs. aus dem in der Nähe liegenden Tótvázsony. Die Ansiedler stammen dem Volksmund nach aus dem Schwarzwald (Region Lauterbach) und sprachen einen bairisch-fränkischen Mischdialekt. Laut weiteren Forschungen kamen die Ansiedler zum Großteil aus heutigen süddeutschen katholischen Gebieten: Niederbayern, Mainz, Gegend von Münichberg und Steigerwald. Die meisten Nachbardörfer der Gegend, aus denen die internen Ansiedler stammen, wurden ab 1710 bereits von Deutschen besiedelt. Externe Ansiedler kamen auch vor allem aus Mainz hinzu, dann auch kleinere Gruppen aus dem Deutsch-Römischen Reich bzw. aus Nieder- und Oberösterreich sowie __________ 15 Ich stütze mich dabei auf einschlägige Arbeiten von Koppányi (1991) und Hudi (1998). <?page no="61"?> Methode und Daten 54 aus Schlesien. Bánd hatte bereits ab 1767 eine römisch-katholische Volksschule mit einem Lehrer aus Mainz. In der zweiten Hälfte des 18. Jhs. war die Schule allerdings schwach und unregelmäßig besucht, insbesondere zur Zeit der Feldarbeiten im Frühling. Die meisten Dorfbewohner sprachen zu dieser Zeit kaum Ungarisch, es herrschte ihm gegenüber eine ziemliche Abneigung. Eine offizielle Bestandsaufnahme in der Schule wies 1838 nach, dass der Lehrer (zugleich Notar) zwar Ungarisch kann, auf Ungarisch jedoch nur das Lesen unterrichtet, da der Großteil der Eltern nur Deutsch spricht. 16 Diese sprachliche Lage war für die meisten geschlossenen deutschen Dorfgemeinschaften typisch, die Zweisprachigkeit der Deutschen gilt erst Anfang des 20. Jhs. als verbreitet. So auch in Bánd, wo 1907 wie an allen Volksschulen der ungarischsprachige Unterricht eingeführt wurde: Zu dieser Zeit ist der Großteil der Deutschen vor Ort bereits zweisprachig. Zur Zeit der Volkszählung 1941 gaben von den 705 Dorfbewohnern 212 deutsche Nationalität, 616 Deutsch als Muttersprache an, wobei 91,6% der Dorfgemeinschaft Ungarisch konnte. Gleichzeitig wurde vom 1940 auch in Bánd gegründeten „Volksbund der Deutschen in Ungarn“ (VDU) für das deutsche Nationalbewusstsein stark agitiert. Im Schuljahr 1943/ 44 hatten von den 113 Schülern 93 Deutsch als Muttersprache, die die Fächer bereits in ungarischer Sprache absolvierten. Tief greifende Umwälzungen in der sprachlichen Lage brachten der Zweite Weltkrieg und die Aussiedlungen der Nachkriegszeit mit sich. Bereits gegen Ende des Zweiten Weltkriegs flüchteten viele nach Westen, die Verbliebenen mussten mit den neuen Ansiedlern aus dem Oberland viele Konflikte eingehen. Von der ab 1947 vorbereiteten planmäßigen Aussiedlung waren 158 Deutsche betroffen, in der Tat aber wurden ca. 100 Personen ausgesiedelt, die erst 1961 wieder ihr Zuhause besuchen konnten. 1949 machten die Deutschen noch immer die Mehrheit der Dorfbevölkerung aus, die untereinander Deutsch sprachen, nicht aber in der Öffentlichkeit. Das Dorf Városlőd (dt. Waschludt) wurde ebenso wie Bánd im 18. Jh. neu besiedelt, die Deutschen kamen hier ab 1725 an. Taufbücher aus dem Jahre 1735 hielten fest, dass es einerseits Franken aus dem Rheingebiet (Mainz, Spessart, Aschaffenburg), andererseits Bayern waren. Erstere siedelten sich nördlich der Ruinen des Karthäuser-Klosters nieder, letztere südwestlich. Dies hatte in sprachlicher Sicht zur Folge, dass zwei, Rheinfränkisch und Bairisch sprechende Dorfteile entstanden. Um 1730 hatte Várőslőd bereits eine Schule mit __________ 16 Im erwähnten Protokoll hieß es: „Die Verbreitung der ungarischen Sprache steht auf recht schwachen Füßen und man spricht Ungarisch gar nicht, diejenigen, die Ungarisch können, verwenden es nur aus zwingender Notwendigkeit und auch Angelegenheiten der Dorfverwaltung werden in deutscher Sprache erledigt.“ (vgl. Hudi 1998: 156, Übersetzung ins Deutsche von A.N.). <?page no="62"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 55 deutschem Lehrer. Obwohl im 19. Jh. besonders erwünscht war, dass die Lehrer auch Ungarisch sprechen und unterrichten, dokumentierte eine schulische Bestandsaufnahme 1838 Ähnliches wie in Bánd: In der römisch-katholischen Schule ist der Unterricht mittelmäßig effizient. Die Religion und Mathematik werden in deutscher Sprache, Lesen und Schreiben in beiden Sprachen unterrichtet. Es wurde aber festgestellt, dass der Unterricht des Ungarischen nicht besonders erfolgsversprechend sei, wobei der Meister kaum Ungarisch könne. Auch die Schüler verstehen wenig vom Ungarischen, wie auch der Großteil der Dorfbewohner. Beim Zensus 1910 gaben 88,5% von den 2102 Personen deutsche Nationalität an, 55% beherrschen die ungarische Sprache. Der deutsche Anteil der Gesamtbevölkerung blieb in der ersten Hälfte des 20. Jhs. konstant hoch (1990: 257 Ung., 1888 Dt.; 1910: 271 Ung., 1831 Dt.; 1920: 474 Ung., 1520 Dt.; 1930: 280 Ung., 1614 Dt.), sodass die Gemeinde ihren deutschen Nationalitätencharakter bis 1945 bewahren konnte. Es wurde nicht einmal befürchtet, dass die Aneignung des Ungarischen den Erhalt der deutschen Kultur und Sprache gefährdete. Auch die Assimilationsbestrebungen des 19. Jhs. scheiterten, denen sich die geschlossene, vorwiegend aus Bauernfamilen bestehende deutsche Dorfgemeinschaft lange mit Erfolg erwehren konnte. Einen entscheidenden Einschnitt in dieser Situation brachte auch hier die Aussiedlung, die offiziell 50% der hiesigen Deutschen betraf: Im Januar 1945 wurden 452 Personen nach Deutschland, zum Großteil in die westliche Besatzungszone ausgesiedelt. Während bis 1945 alle Kinder perfekt Deutsch sprachen und sich das Ungarische im Kindergarten und in der Schule zugleich aneigneten, wurden Deutsch Sprechende verspottet. Einige ältere Deutsche, die vor der Aussiedlung in die Nachbardörfer flüchteten, zogen nach einer Weile ins Dorf zurück, viele jüngere ließen sich (zunehmend ab den 60ern) in den umgebenden Städten nieder. Nach Angaben der Zensus 2001 belief sich die Zahl der Dorfbevölkerung auf 1.433 Personen, davon bekannten sich 123 Personen zur deutschen Minderheit. 38 Personen gaben Deutsch als Muttersprache an, schließlich gaben 71 Personen an, die deutsche Sprache im Familien- und Freundeskreis zu verwenden (Quelle: www.ksh.hu). Dem gegenüber wurde der Anteil von Deutschen im Dorf gegen Ende des 20. Jhs. auf 70% geschätzt (vgl. Tölgyesi 1997: 132). Die Untersuchung sowohl der Spracheinstellungen als auch der Akzeptabilitätsurteile soll mit Hilfe einer Quotenstichprobe durchgeführt werden. Dabei wird der Anspruch berücksichtigt, dass die Proportion der Informant(inn)en ausgewogen sein muss, um eine statistisch verlässliche Vergleichbarkeit zwischen Informantengruppen zu gewährleisten. Im Einzelnen bedeutet das, dass der Vergleich von Akzeptabilitätsurteilen und den Spracheinstellungen auf <?page no="63"?> Methode und Daten 56 Grund gleicher zahlenmäßiger Verteilung der Informant(inn)en nach der für die vorliegende Arbeit zentralen Variablen Alter 17 erfolgen muss. Die Zusammenstellung der Stichprobe folgt aus den unter 1.2 formulierten Forschungsfragen, woraus sich folgende zwei Informantengruppen ergaben: (1) 30 Personen aus der z.Z. ältesten Generation ungarndeutscher Sprecher(innen) mit über 65 Jahren (im Weiteren: G1), geboren im Zeitraum von 1923 bis 1942, aus dem ungarndeutschen Dorf Városlőd mit nichtschulisch erworbenen deutschen Dialektkompetenzen, schulisch und gleichzeitig nicht-schulisch erworbenen ungarischen Kompetenzen und teilweise schulisch erworbenen Standarddeutsch-Kompetenzen (s. weiter unten). Die Dialektvarietät dieses Dorfes steht der der Testsprecherinnen im Dorf Bánd sehr nahe. In beiden Ortschaften wird ein bairisch-rheinfränkischer Mischdialekt gesprochen, in Bánd mit markanteren bairischen Zügen (Hutterer 1973/ 1991: 267). (2) Die Vergleichsgruppe bilden 30 Personen aus der jüngsten Generation ungarndeutscher Sprecher(innen) unter 30 Jahren (im Weiteren: G3), geboren im Zeitraum von 1977 bis 1991, aus demselben Dorf mit nicht schulisch und nicht-schulisch erworbenen Ungarisch-Kompetenzen, mit in erster Linie schulisch erworbenen Standarddeutsch-Kompetenzen und seltener mit tendenziell passiven Kompetenzen im ungarndeutschen Dialekt vor Ort (s. weiter unten). Alle Informant(inn)en sind in Városlőd aufgewachsen, ein Teil von ihnen ist schon umgezogen, hat aber zum Elternhaus noch immer regelmäßige Kontakte. Dies ist eine geringe Stichprobe, jedoch mit einer statistisch gesehen einwandfrei handhabbaren Datengröße, die durch Heranziehung weiterer Informant(inn)en aus anderen Gegenden im Prinzip erweitert werden könnte. Warum dies trotzdem nicht erfolgt ist, hat folgenden Grund: Die Ausdehnung der Stichprobe durch den Einbezug von Sprecher(innen) aus anderen Regionen __________ 17 Die Stichprobe wurde nur nach diesem für die aktuelle Fragestellung relevanten Faktor ausgewertet. Ein offensichtlicher Schwachpunkt hierbei ist die ungleiche Verteilung der Informanten nach ihrem Geschlecht (zwischen 1977 und 1991 geborene jüngere Informant(inn)en: 18 Personen weiblich, 12 Personen männlich; zwischen 1923 und 1942 geborende ältere Informant(inn)en: 21 Personen weiblich, 9 Personen männlich). Ebenso beim Faktor Qualifizierungsstand: 14 Personen Hochschulabschluss, 14 Personen Mittel- und 2 Personen Grundschulabschluss bei den jüngeren Informant(inn)en; 23 Personen Grundschul- und 7 Personen Mittelschulabschluss. Diesen Unebenheiten muss bei der Interpretation der Ergebnisse natürlich Rechnung getragen werden. <?page no="64"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 57 könnte nicht nur die Vergleichbarkeit der Ergebnisse durch die offensichtlich vorhandenen dialektalen Unterschiede gefährden, sondern sie hätte auch dazu geführt, dass die registrierten Spracheinstellungen ihren Bezug auf ein ziemlich geschlossenes Interaktionsnetzwerk verloren hätten, was wiederum zahlreiche Schlussfolgerungen entkräften könnte. Die primäre Zielgruppe der Untersuchung ist, wie oben angedeutet, immer die z.Z. älteste Generation ungarndeutscher Sprecher(innen), denen die ausgeprägteren zweisprachigen Kompetenzen bescheinigt werden können. Die zweite Gruppe dient als Vergleichsgrundlage, um die Frage zu klären, ob es Akzeptanz- und Spracheinstellungsunterschiede gibt, die man mit dem zentralen Faktor Alter verbinden kann. Um ein Bild über das Verhältnis dieser Informant(inn)en zu verschiedenen, ihnen geläufigen Sprachvarietäten (im Einzelnen zum Standarddeutsch, dem Standardungarisch und dem deutschen Dialekt) auf der Ebene ihrer Einstellungen zu erhalten, wurden ihnen zunächst in der Prätest-Phase Orientierungsfragen mittels Fragebogen (s. Anhang, 7.1) zu folgenden wesentlichen Punkten gestellt: (1) Kenntnis deutscher Sprachvarietäten, (2) Häufigkeit des Dialektgebrauchs (nach Selbstangabe), (3) instrumentelle Präferenz von Sprachen/ Sprachvarietäten, (4) subjektive Gebrauchspräferenz von Sprachen/ Sprachvarietäten, (5) affektive Präferenz von Sprachen/ Sprachvarietäten; (6) Identität der Sprecher(innen). (1) Kenntnis deutscher Sprachvarietäten Unter ‚Kenntnis‘ sollten, so lautete die Anweisung an die Befragten, aktive, also sowohl rezeptive als auch produktive Kompetenzen in der gegebenen Varietät verstanden werden, die eine reibungslose Verständigung und reibungsloses Verständnis ermöglichen. Es wurde dabei keine Einzelbewertung der Sprech-, Lese- und Schreibkompetenz gefordert, sondern eher generalisierend nach der kommunikativen Kompetenz gefragt und eine ziemlich starke Subjektivität, wie bei der Selbsteinschätzung üblich, erwartet. 18 Es ergab sich folgendes Bild: __________ 18 Beispielsweise Manz (2007: 258) hat in ihrer Untersuchung von Sprachkompetenz und Spracheinstellungen zu Dialekt und Standarddeutsch in der südungarischen Kleinstadt Baja beobachtet, dass ältere, vor 1948 geborene Informant(inn)en ihre Standarddeutsch-Kompetenzen eher zu hoch als real einschätzten. <?page no="65"?> Methode und Daten 58 Diagramm 1: Kenntnis deutscher Sprachvarietäten Prozentwerte innerhalb Gruppe, N= 60 (χ2= 13,99, df= 1, p < 0,01) Dem Diagramm kann wie erwartet neben einem bedeutenden Unterschied in Bezug auf die Standarddeutschkenntnisse zu Gunsten der Jüngeren (G1: 16, G3: 29) bei den Dialektkenntnissen auch ein augenfälliger Unterschied entnommen werden (G1: 30, G3: 8), wobei aktive Dialektkompetenzen bei jüngeren Ungarndeutschen eher eine Seltenheit sind. Aus dem Grund, wie ältere Leute erklärten, weil der öffentliche Gebrauch des Dialekts besonders nach dem Zweiten Weltkrieg aus Angst vor Aussiedlung und Verschleppung selten war, was auch zur Folge hatte, dass ungarndeutsche Dialekte an die jüngeren Generationen nicht gern weitergegeben wurden. Erst ab Mitte der 80er Jahre, insbesondere aber nach der politischen Wende in Ungarn entstand ein günstiges sprachpolitisches Klima, sodass man beim öffentlichen Bekenntnis der Zugehörigkeit zum Ungarndeutschtum mit keinen negativen Folgen mehr (wie Diskriminierung durch die Umgebung) zu rechnen hatte (vgl. auch Kap. 1.2). Auch die vor dem Zweiten Weltkrieg geborene Generation, die die älteste Altersgruppe dieser Befragung bildet, bescheinigt heute dem deutschen Dialekt einen positiven „Nutzungswert“: Knapp 90% der älteren Informant(inn)en (27 Personen) behaupteten in dieser Stichprobe, den Dialekt zu beherrschen habe einen absoluten Vorteil, man könne sich nämlich mit Deutschen (Freunden, Bekannten, Verwandten und Gästen) besser verständigen. Daneben, wenngleich viel seltener genannt, hätten Dialektkenntnisse eine wichtige Rolle bei der Vermittlung der ungarndeutschen Kultur. Meinungen zu derselben Frage 100 26,6 53,3 96,6 0 20 40 60 80 100 120 G1 G3 deutscher Dialekt Standarddeutsch <?page no="66"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 59 gehen bei den Jüngeren stärker auseinander: Hier nannten 53,3% der Befragten (16 Personen) einen Vorteil des Dialektkönnens. Ausgesprochen ambivalent zu bewerten ist auch die Einschätzung der Nützlichkeit des schulischen Dialektunterrichts, wie folgende Antworten auf die Frage „Wäre es notwendig, die ungarndeutschen Dialekte in der Schule zu unterrichten? “ belegen: Diagramm 2: Einschätzung der Nützlichkeit des schulischen Dialektunterrichts Prozentwerte innerhalb Gruppe, N= 60 (χ 2 = 6,73, df= 1, p < 0,01) Hier ergaben sich ebenfalls signifikante Unterschiede zwischen den Altersgruppen: Während zwei Drittel der Älteren (22 Personen) denken, dass die Dialekte in der Schule zu unterrichten unnötig wäre, meinen fast genauso viele Jüngere (19 Personen) das Gegenteil. Eine mögliche Erklärung dieses Befundes liefert der Umstand, dass die Jüngeren über Dialektkenntnisse zwar sporadisch verfügen, jedoch noch immer Interesse am Erwerb des deutschen Dialekts haben, der für sie einen symbolischen Wert als Zeichen der Zugehörigkeit zum Deutschtum darstellen kann. (2) Häufigkeit des Dialektgebrauchs Wie oben erwähnt, sind aktive Dialektkenntnisse bei den jüngeren Ungarndeutschen eher die Ausnahme als die Regel. Von den 30 Befragten gaben Dialektkenntnisse lediglich 26,6%, d.h. acht Personen an, wohingegen sich Dialektkenntnisse mit Verstehens- und Verständigungskompetenz alle älteren 26,6 63,3 73,4 36,7 0 10 20 30 40 50 60 70 80 G1 G3 stimmt zu stimmt nicht zu <?page no="67"?> Methode und Daten 60 Informant(inn)en bescheinigten (vgl. Diagramm 1 weiter oben). Folgendes Diagramm fasst die Angaben dieser Informant(inn)en zur Häufigkeit des Dialektgebrauchs zusammen: Diagramm 3: Häufigkeit des Dialektgebrauchs (Prozentwerte) (G1: N= 30, G3: N= 8) Die Auswertung der Frage nach dem täglichen Gebrauch des Ortsdialekts ergab, dass die wenigen Jüngeren, die angaben, Dialekt zu sprechen, ihn gelegentlich verwenden. Wie aus einschlägigen Fragebogendaten hervorging, beschränkt sich dies auf Gespräche mit den Großeltern, seltener mit den Eltern, bzw. auf die Kommunikation mit Sprecher(innen) im Alter der Großelterngeneration. Die Daten von älteren Sprecher(inne)n zeigen, dass sich mehr als die Hälfte der älteren Befragten (17 Personen) des Dialekts seltener als täglich bedient. Dies steht im Einklang mit der vielfach festgestellten Zurückdrängung ungarndeutscher Dialekte als tägliches Kommunikationsmittel im kommunikativen Netzwerk älterer Sprecher. Wie aus vielen persönlichen Gesprächen hervorging, ist der Kreis potenzieller Gesprächspartner vor Ort immer begrenzter, der Dialekt wird in ingroup-Kontexten mit Freunden oder Nachbarn im Dorf Városlőd bevorzugt, seltener jedoch über dieses ziemlich geschlossene Netzwerk hinaus. Aus diesen Gründen ist nun ein, in erster Linie im Vergleich mit dem Ungarischen als Mehrheitssprache bzw. dem Standarddeutschen, niedriger instrumenteller Wert des Ortsdialektes zu erwarten, was sich aus seinem restringierten Verwendungsbereich erklärt. 0 100 43 57 0 20 40 60 80 100 120 täglich seltener als täglich Jüngere Informant(inn)en (G3) Ältere Informantinnen (G1) <?page no="68"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 61 (3) Instrumentelle Präferenz von Sprachen/ Sprachvarietäten Auch bei der Beurteilung der ‚Nützlichkeit’ der Sprachvarietäten Standardungarisch, deutscher Ortsdialekt und Standarddeutsch scheint es Unterschiede zwischen Altersgruppen zu geben: Diagramm 4: Beurteilung der Nützlichkeit einzelner Sprachvarietäten Prozentwerte innerhalb Gruppe, N= 60 (χ 2 = 35,7, df= 2, p < 0,01) Während die meisten älteren Befragten dem Ungarischen einen positiven instrumentellen Wert zuschreiben (G1: 22, G3: 2) hat bei den Jüngeren eben das Standarddeutsch einen solchen Status (G1: 5, G3: 28). Worin sich alle beide Altersgruppen einig sind, ist, dass der Dialekt an unterster Stelle in dieser Hierarchie steht (G1: 3, G3: 0). Bei den jüngeren Informant(inn)en steht jedoch dieser Befund im krassen Widerspruch zu den Daten des Diagramms 2 in Bezug auf die Einschätzung der Nützlichkeit des schulischen Dialektunterrichts. Dies liefert ein weiteres Argument für die Annahme, dass erwünschte Dialektkenntnisse bei den Jüngeren eher auf den symbolischen Wert des deutschen Dialekts als wichtige Identitätskomponente hinweisen als auf den tatsächlich bestehenden Anspruch, im deutschen Dialekt im Alltag kommunizieren zu wollen. (4) Subjektive Gebrauchspräferenz von Sprachen/ Sprachvarietäten Bei der Frage, welche Sprachvarietät die Befragten lieber sprechen, hat das Ungarische bei den jüngeren Ungarndeutschen Informant(inn)en keine Kon- 73,3 10 16,7 6,7 0 93,3 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Ungarisch deutscher Dialekt Standarddeutsch G1 G3 <?page no="69"?> Methode und Daten 62 kurrenz (G1: 8, G3: 28). Hingegen sind die Antworten bei den Älteren besser verteilt, wobei die meisten Informant(inn)en den Dialekt (G1: 19, G3: 0), etwa ein Viertel der Befragten das Ungarische und nur drei Personen das Standarddeutsch genannt haben (G1: 3, G3: 2). Alle drei haben jedoch einen engeren Kontakt mit Deutschland, da sie dort jahrelang gearbeitet hatten. Dass der Dialekt bei vielen älteren Sprechern trotz niedrigen instrumentellen Werts doch lieber als die anderen zwei Varietäten gesprochen wird, erklärt sich aus der starken emotionellen Verbundenheit mit dem Dialekt: Diagramm 5: Subjektive Gebrauchspräferenz einzelner Sprachvarietäten Prozentwerte innerhalb Gruppe, N= 60 (χ 2 = 30,31, df= 2, p < 0,01) 26,7 63,3 10 93,3 0 6,7 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Ungarisch deutscher Dialekt Standarddeutsch G1 G3 <?page no="70"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 63 (5) Affektive Präferenz von Sprachen/ Sprachvarietäten Diagramm 6: Affektive Präferenz einzelner Sprachvarietäten Prozentwerte innerhalb Gruppe, N= 60 (χ 2 = 11,05, df= 2, p < 0,01) Insgesamt findet, wie erwartet, ca. die Hälfte der Informant(inn)en in beiden Altersgruppen das Ungarische schöner als die beiden anderen Varietäten (G1: 14, G3: 18). Während der deutsche Dialekt in Bezug auf die affektive Präferenz eine Zwischenstellung hat (G1: 16, G1: 6), spielt das Standarddeutsch insgesamt keine bedeutende Rolle (G1: 0, G3: 6). Bei genauem Hinsehen fällt auf, dass sich die Antworten der Älteren auf das Ungarische und auf den deutschen Dialekt verteilen, wohingegen bei den jüngeren Informant(inn)en das Ungarische eine eindeutige Vorrangstellung gegenüber dem deutschen Dialekt und dem Standarddeutsch hat. (6) Identität Es gilt schließlich, auch auf die Frage nach der Identität der Befragten einzugehen. Eine gute Vergleichsgrundlage hierfür stellen die einschlägigen Daten von Deminger (2004) dar, die von drei ungarndeutschen Generationen in drei Ortschaften aus jeweils unterschiedlichen Regionen Ungarns (Nord-, Süd- und Westungarn) erhoben wurden. Die Analyse ergab (ebd. 120), dass 58% der Informant(inn)en eine doppelte Identität hat, während sich 23% mit den Ungarndeutschen und 19% mit den Ungarn identifizierten. Deminger betont bei der Interpretation dieses Ergebnisses, dass für eine doppelte Identität (d.h. eine 46,6 53,3 0 60 20 20 0 10 20 30 40 50 60 70 Ungarisch deutscher Dialekt Standarddeutsch G1 G3 <?page no="71"?> Methode und Daten 64 erlebte Verbundenheit sowohl mit der ungarischen als auch der deutschen Kultur) die Beherrschung eines der wichtigsten Identitätsmarker, nämlich des deutschen Dialektes, trotz Erwartungen gar nicht ausschlaggebend sei. Das bedeutet, dass auch jüngere Ungarndeutsche, die bekanntlich keine oder lediglich sporadisch eine aktive Dialektkompetenz haben (vgl. ebd. 56), genauso wie die Älteren mit guter Dialektkompetenz, eine solche doppelte Identität haben können (was auch andere empirische Untersuchungen nachgewiesen haben, vgl. z.B. Bindorffer 2007: 111). Die Analyse des Zusammenhangs von Identität und Dialektkompetenz konnte ebenso ermitteln, dass sich 68% der Informant(inn)en mit keiner Dialektkompetenz und 50% der Informant(inn)en mit guter/ sehr guter Dialektkompetenz zur ‚doppelten Identität‘ bekannten. Auch im vorliegenden Projekt wurde die Frage nach der Identität der Sprecher(innen) gestellt. Doch hier wurden etwas eindeutigere Kategorien (als der subjektiv verschieden wahrnehmbare Unterschied zwischen den Deminger’schen Kategorien ‚Ungarndeutsch‘ und ‚doppelter Identität‘, die dasselbe meinen können) verwendet. Folgende Antworten konnten belegt werden: Diagramm 7: Angabe der Identität Prozentwerte innerhalb Gruppen, N= 60 (χ 2 = 2,04, df= 2, p= 0,3606, n.s.) Wie zu sehen, zeigt sich zwischen den Altersgruppen kein bedeutender Unterschied bei der Identitätsangabe (Ungarisch: G1: 9, G3: 9; Deutsch: G1: 4, G3: 1), wobei die Mehrheit beider Gruppen angibt, eine doppelte Identität zu haben (G1: 17, G3: 20), was bei den Jüngeren bedeutet, auch ohne deutsche Dialektkenntnisse zu den Ungarndeutschen gehören zu wollen. Allerdings: Hinter den 30 13,3 56,6 30 3 67 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Ungarisch Deutsch Beides G1 G3 <?page no="72"?> Spracheinstellungen und Akzeptabilität 65 puren Zahlen stecken bekanntlich in vielen Fällen persönliche Schicksale ebenso wie die immer noch kräftig wirkende Angst vor Konsequenzen des öffentlichen Bekenntnisses der Identität. Besonders alte Leute sagten, dass diese Frage alte Wunden aufgerissen hat, da von der Aussiedlungswelle nach dem Zweiten Weltkrieg viele von ihnen persönlich bzw. ihre Familienangehörigen betroffen waren. Im Dorf Városlőd, wo die 30 Älteren dazu befragt wurden, sind nämlich 1948 viele, die sich bei der Volkszählung zum Deutschtum bekannten und Deutsch als Muttersprache angaben, ausgesiedelt worden, sodass sie Haus und Wertsachen hinter sich lassen mussten, bevor Ansiedler aus dem Süden der heutigen Slowakei in ihre Häuser einzogen. Wie den obigen Angaben zu entnehmen, ist der Status deutscher Dialekte im Spiegel der Sprecherurteile komplex zu bewerten. Während der instrumentelle Wert dieser Sprachvarietät niedriger als der des Standarddeutschen und -ungarischen liegt, wurde ihm eine höhere subjektive und affektive Präferenz bescheinigt, was auch bedeuten kann, dass die deutschen Dialekte, insbesondere für ältere Ungarndeutsche immer noch einen wichtigen symbolischen Wert haben. Es ist bekannt, dass auf diese ungarndeutschen Dialekte das Ungarische vielfach seinen Einfluss geltend macht, wobei sich die Frage stellt, ob die Einschätzung ungarischgefärbter deutscher Dialekte durch Ungarndeutsche genauso ausfällt wie wir das bei dem niedrigeren instrumentellen Wert des Dialekts gesehen haben. Bevor auf diese Frage eingegangen wird, sollen im nächsten Kapitel zunächst die Ergebnisse einer Korpusanalyse zum Kontakteinfluss des Ungarischen auf ungarndeutsche Dialekte präsentiert werden, um die belegten Formen und Typen deutsch-ungarischer Sprachkontakterscheinungen vorzustellen. <?page no="73"?> 3 Typen von Sprachmischungsphänomenen in biographischen Interviews 3.1 Vorüberlegungen Phänomene der Sprachmischung werden in der Forschung, wie in Kap. 2.1.1 gezeigt, manchmal sehr unterschiedlich konzeptualisiert, was in diverse terminologische Konzepte mündet. Selbst in der deutschsprachigen Forschungstradition gibt es vielfältige terminologische Zugänge, um nur die geläufigsten Termini zu nennen: auf der einen Seite ‚Transfer‘, ‚Transferenz‘‚ ‚Interferenz‘, ‚Entlehnung‘, auf der anderen ‚Kodeumschaltung‘ oder ‚Kodewechsel‘, schließlich auch ‚Code-switching‘ als Oberbegriff für fast alle obigen Phänomene (vgl. z.B. Oksaar 1984 und Riehl 2004, Kap. 2 und 6). Zur Unterscheidung dieser werden in der Regel verschiedene Kriterien herangezogen: in den meisten Fällen linguistische, aber gelegentlich auch nichtlinguistische. Unter ersterem Aspekt gelten als Abgrenzungskriterien z.B. Umfang und Position der L2-Elemente in L1-Redesequenzen (Transfer vs. Kodeumschaltung), Habitualisierungsgrad oder Verwendungsfrequenz von transferierten Lexemen in der betreffenden Sprachgemeinschaft (ad-hocvs. konventionalisiere Entlehnung) sowie die Diskursfunktion von Alternationen (Kodeumschaltung als Diskursphänomen). Die Unterscheidung zwischen den Phänomenen Transfer o.Ä. auf der einen Seite und Kodeumschaltung o.Ä. auf der anderen ist mit zahlreichen Widersprüchen behaftet, von denen hier lediglich drei, mit Fokus auf die Terminologie der deutsch-ungarischen Sprachkontaktforschung, kurz angesprochen werden. (1) Die Grenzziehung zwischen ihnen, wie diese Tabelle zeigt, kann je nach Definition anders ausfallen: Phänomentyp Transfer o.Ä. Kodeumschaltung o.Ä. (1) Anwendung phonologischer Merkmale von L2 auf L1, Basisgrammatik L1 + - (2) Anwendung von Wortstellungs- und Wortbildungsmustern von L2 auf L1, Basisgrammatik L1 + - (3) Vorkommen von L2-Flexiven in L1, Basisgrammatik L1 + - <?page no="74"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 68 (4) Insertion von Einzellexemen von L2 in L1, Basisgrammatik L1 + + (5) Insertion von (festen) Wortgruppen/ Phrasen von L2 in L1, Basisgrammatik L1 + + (6) Alternation zwischen L1 in L2 an syntaktischen Fugen (Konstituenten-, Hauptund/ oder Nebensatzgrenzen), davor Basisgrammatik L1, danach Basisgrammatik L2 - + Für die Einstufung von Sprachmischungsphänomenen als Kodeumschaltung schon ab der Ebene (4) lassen sich auch in der für den deutsch-ungarischen Sprachkontakt einschlägigen Fachliteratur Beispiele finden. Während der Beleg S Was: r hät glotsch: iled ‚das Wasser hat geplätschert‘ (Földes 2005: 162, Originaltranskription beibehalten) einmal als ‚grammatische Transferenz‘ eingestuft werden kann, wird das Beispiel, I: ha: n scha ausgmosned ‚Ich habe schon ausgewaschen‘ (wenngleich mit gewissen Bedenken) als ‚Kodeumschaltung‘ klassifiziert (vgl. ebd. 215), obwohl kein Unterschied in der Morphemstruktur beider Wortformen nachzuweisen ist, nur der Wortstamm stammt jeweils aus dem Ungarischen, wobei er flexivisch in den deutschen Dialekt integriert wird. (2) Zudem ist es üblich, innerhalb der Kategorie Transfer o.Ä. eine weitere Unterteilung (auf den Ebenen Phonologie, Prosodie, Lexikon und Grammatik) vorzunehmen, je nachdem, welche Ebene der jeweilige Typ in der betreffenden Äußerung trifft. Es ist ein altes Problem, dass es dabei nicht selten zu einer Doppelklassifizierung der einzelnen Phänomene kommt, indem bestimmte Belege gleichzeitig auf zwei Analyseebenen thematisiert werden können. Ein Beispiel aus dem deutsch-ungarischen Sprachkontakt soll dies kurz verdeutlichen: Beispielsweise die als ‚lexikalisch-semantische Transferenz‘ bezeichneten so genannten ‚hybriden Komposita‘ vom Typ Bearg-féle ‚eine Art Berg, etwas Berg-Ähnliches‘ (Földes 2005: 118f.) können m.E. auch als grammatische Transferenzen betrachtet werden, da sie in der Übergangszone zwischen Wortbildung und Syntax anzusiedeln sind (für vergleichbare Beispiele vgl. z.B. Weinreich 1953/ 1977: 49). (3) Schließlich ist das noch ältere Problem der Unterscheidung zwischen Transfer(enz)/ Interferenz und Entlehnung zu erwähnen. Versuche, die Grenze zwischen diesen beiden Phänomenen zu finden, waren und sind unzählig. Das zentrale Problem dabei hat historische Wurzeln und ergibt sich daraus, dass <?page no="75"?> Vorüberlegungen 69 der Begriffsinhalt einer primär diachronisch und monolingual orientierten Perspektive auf das Phänomen Entlehnung 19 nicht ohne Weiteres auf eine primär synchronisch und bilingual orientierte Perspektive übertragen werden kann. Im Klartext bedeutet das, dass sich die Merkmale eines historisch eingebürgerten Elementes in einer bestimmten Sprachvarietät in einer Einsprachigkeitssituation (wie grammatische Integriertheit, Verbreitung und Akzeptanz als Übliches durch die Sprecher/ Schreiber etc.) nicht unbedingt mit denen eines etablierten synchronisch eingebürgerten Elementes in Zweisprachigkeitssituation decken. Daher ist es üblich zu betonen (vgl. z.B. Thomason 2001: 132ff. und Auer 2006: 9ff.), dass die Grenze zwischen Sprachkontaktphänomenen wie ‚Transfer‘ und ‚Entlehnung‘ einerseits sehr unscharf, da nicht kategorisch ist, andererseits dass die Grenzziehung nur durch untereinander recht widersprüchliche Kriterien (Bekanntheitsgrad, Vorkommenshäufigkeit, Integrationsgrad etc.) versucht werden kann. Um nur einen der Gemeinplätze der Sprachkontaktforschung zu erwähnen: Zahlreiche empirische Evidenzen sind in letzter Zeit dafür geliefert worden, dass in einer zweisprachigen Sprachgemeinschaft verbreitete Lexeme in unterschiedlichen Gesprächskontexten sowohl in integrierter als auch unintegrierter Form auftreten. Umgekehrt können Lexeme mit geringer Verbreitung dasselbe tun. Auers Beispiele (2006: 11ff.) zeigen beispielsweise, dass ein Lexem innerhalb desselben Gesprächs in morphologisch markierter, aber auch unmarkierter Form erscheinen kann und dass sich das erste individuelle Vorkommen eines Lexems in einem Gespräch unter Zweisprachigen durch diskursive Wiederholung in demselben Gespräch in einen Gebrauch als etablierte Einheit des Lexikons umwandeln kann. Aus diesen Überlegungen lässt sich das Fazit ziehen, dass die Doppelzugehörigkeit eines Phänomens zu Analysekategorien nicht in der Natur des Phänomens liegt, sondern in der Unschärfe der jeweiligen Kategorisierung selbst. Im unter 2.1 beschriebenen Korpus lassen sich Beispiele für zahlreiche Sprachmischungsphänomene finden. Einer durchschaubaren Terminologie wegen sollen sie zunächst nach rein formalen Kriterien in zwei Großgruppen eingeteilt werden: __________ 19 Zur ‚traditionellen‘ Terminologie der historischen Lehnwortforschung vgl. z.B. Oksaar (2004: 3161ff.). <?page no="76"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 70 Sprachmischung (SM) Implizite SM Explizite SM punktuell linear Die Entscheidung für diese Grobeinteilung auf Grund struktureller Gesichtspunkte liegt darin begründet, dass sie (zumindest) die oben diskutierten Widersprüche der Terminologie ausräumt. Die implizite SM meint die Anwendung von L1-Strukturen auf L2-Strukturen, wobei die sprachlichen Ausdrucksmittel durchweg die L2 liefert. Die explizite SM umfasst overte Transfers aus der L2 in L1: die von Flexiven, Einzellexemen oder Wortgruppen (punktuell) sowie die Alternation zwischen L1 und L2 in einem Gespräch oder Redebeitrag (linear). Diese formale Unterscheidung zwischen punktueller und linearer SM knüpft abweichend von der gängigen Differenzierung zwischen intra- und intersentenzieller SM bewusst an keinen Satzbegriff an. Eine funktionale Klassifizierung kann dann einzeln innerhalb beider Grundtypen erfolgen, insofern es möglich ist, Funktionen oder Anlässe für die einzelnen Realisationen von Sprachmischung aus einer externen Linguistenperspektive zu bestimmen. Die Proportionen des Vorkommens der beiden Typen von Sprachmischung bzw. ihre interne Variabilität sind zudem in hohem Maße durch die Korpuserstellung bestimmt. Interviewkorpora mit formellem oder halbinformellem Kommunikationskontext, wie im vorliegenden Fall, sind deshalb nicht unkritisch vergleichbar mit jenen, die informelle Alltagsgespräche festhalten. Dies geht auch hier mit der Einschränkung einher, dass im vorliegenden Interviewkorpus bestimmte Sprachmischungsphänomene mit besonderen Diskursfunktionen ausgeklammert bleiben müssen. Ebenso aus der spezifischen Textsorte ‚Interview‘ folgt, dass sich manche Typen der Sprachmischung zum Teil auf interviewspezifische Gesprächsstrategien beschränken. 3.2 Implizite Sprachmischung Unter impliziten Sprachkontakterscheinungen wird der Einfluss einer Varietät auf die andere verstanden, wobei auf Grund der strukturellen Realisierung bestimmter Sprachformen in L1 Spuren von L2 nahe gelegt werden können. Dies kann z.B. die Wortbildung genauso wie die Serialisierung betreffen. Riehl (2004: 86f.) führt für einen solchen Effekt im Bereich der Syntax folgende Beispieltypen an: <?page no="77"?> Implizite Sprachmischung 71 (1) Ausklammerung (1a) wie sie es auch im Deutschen gebe: z.B. Schade war [...], daß es sehr unruhig war im Saal. (Namibiadeutsch) (1b) und wie sie es im Deutschen (angeblich) nicht gebe: z.B. Am besten hat gesprochen die Älteste. (Russlanddeutsch); (2) Ablösung der Verbenddurch Verbzweitstellung: z.B. Wissen Sie, weshalb schrieb ich? (Russlanddeutsch); (3) Stellung des Negators nicht: z.B. Du mußt nicht das jetzt machen. (Namibiadeutsch); (4) Doppelnegation: z.B. In meiner Familie spricht keiner nicht. (Russlanddeutsch); (5) Um+zu+Inf (5a) keine finale oder konsekutive Verwendung: z.B. Schwierigkeiten, um Freundschaften zu knüpfen (Ostbelgiendeutsch) (5b) generalisierende Verwendung für Standarddeutsch zu+Inf: z.B. Ich habe keine Lust, um naß zu werden (Namibiadeutsch); (6) Einfacher Inf. statt zu+Inf: z.B. Wir haben es nicht geschafft, hineingehen. (Russlanddeutsch); (7) Um+Inf statt um+zu+Inf: Un doa seinsch bljibben um etsen ds höi. (Walserdeutsch). Riehl sagt, es gebe Erscheinungen, die auch in Varietäten des Deutschen existieren, sodass sie das Vorkommen derselben Phänomene im Sprachkontakt verstärken können. Davon spricht sie explizit bei den Phänomenen (1a) Adverbial-Ausklammerung, die gang und gäbe ist v.a. im gesprochenen Deutsch, dem Englischen und Afrikaans sowie (4) Doppelnegation, die es nicht nur im Russischen, sondern auch in der russlanddeutschen Dialektvarietät gibt. Vergleichbar sind aber auch die Beispiele (1b) sowie (6). Hier könnte man den indirekten Einfluss des Russischen erst wiedererkennen, sofern man nachweisen könnte, dass die Subjekt-Ausklammerung und der satzwertige Infinitiv ohne zu in der betreffenden russlanddeutschen (Dialekt)Varietät nicht üblich sind. Ein Teil der Strukturen, die man in der Rede deutscher Dialektsprecher in Ungarn hört, legt zumindest auf den ersten Blick den Einfluss des Ungarischen nahe. Man denke beispielsweise an die formale Numerusinkongruenz, wie im folgenden Beleg: (19) siewe person war ei gruppe (1928/ w/ Ajka). Da die Numerusinkongruenz zwischen Subjekt und sonstigen Satzgliedern zu den syntaktischen Grundmerkmalen des Ungarischen gehört und im obigen Beispiel sieben, Person und war formal gesehen offenbar nicht kongruent sind (wie auch im ungarischen Äquivalent hét ( NUM . SG .) ember ( SUBST . SG .) volt ( VERB . SG .) der Fall ist), ist man geneigt, dieses Beispiel als kontaktbedingtes <?page no="78"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 72 Kongruenzphänomen zu interpretieren. Warum bei der Interpretation solcher Fälle als impliziter Sprachkontakteffekt jedoch äußerste Vorsicht nötig ist, machen zwei Argumente deutlich: (1) Es sind Prädikativstrukturen wie siewe person war ei gruppe grammatisch und semantisch gut motivierbar und vergleichbare Beispiele sind auch in der deutschen Standardsprache zu belegen (z.B. Das Beweismaterial ist/ sind drei Tonbänder, vgl. Schrodt 2005: 233, dort unter den ‚nicht-okkasionellen‘ Inkongruenzfällen untergebracht). (2) Da deutsche Dialekte sonst mit einem (im Vergleich zum Standarddeutschen) ‚einfacheren‘ Flexivbestand überleben, was auch zu unmarkiertem Plural führen kann (vgl. auch in diesem Korpus z.B. paar johr ‚paar Jahre‘, sechzeh johr ‚sechzig Jahre‘, 1927/ w/ Bánd, Beleg 8), ist die morphologische Inkongruenz zwischen Zahlwort, Nomen und Verb an sich noch kein Nachweis eines ungarischen Einflusses. Von diesen sind jedoch andere Numerusinkongruenzfälle bei Insertionen zu unterscheiden, in denen zwischen den deutschen und ungarischen Elementen keine Kongruenz besteht: z.B. drei generáció ‚drei Generationen‘ (1929/ w/ Bánd, Beleg 7), zwa unoka ‚zwei Enkel‘ (1921/ w/ Ajkarendek, Beleg 11), dreißig kardvirág ‚dreißig Gladiolen‘ (1927/ w/ Siklós, Beleg 90) etc. In all diesen Belegen stehen die ungarischen Substantive trotz pluralischen Zahlangaben durchweg im Singular, ihre kongruenten Entsprechungen wurden aber nicht belegt: drei generációk, zwa unokák und dreißig kardvirágok. Földes (2005: 167) führt Strukturen dieses Typs (zwua pénztárca ‚zwei Geldbörsen‘, tausid rendőr ‚Tausend Polizisten‘, a paar palacsinta ‚ein paar Palatschinken‘, älligi tanuló ‚alle Schüler‘) auf die mitgebrachte Inkongruenz im Ungarischen zwischen Zahlwort und Nomen zurück. Andere Belege zeigen aber (Földes ebd.), dass mit der Pluralmarkierung so gut wie uneinheitlich umgegangen wird, z.B. im Beleg mit einem dt. pluralischen Determinanten der NP, aber einem ung. Nomen im Singular: (20) Vil kripta machid sie jetz em kiarchof dena ‚Viele Grüfte/ Krypten machen sie jetzt auf dem Friedhof‘ Aber: dt. pluralischer Determinant mit einem ung. Nomen im Plural d csibék seand…,die Küken sind…‘, d tanárok haud…,die Lehrer haben…‘, d oroszok seand ‚die Russen sind…‘ (ebd. 167); aber wieder: dt. pluralischer Determinant mit einem ung. Nomen im Singular: (21) ihn haud d ávós futtgnama ‚Ihn haben die Staatssicherheitsleute fortgenommen‘. Fazit: Entweder nimmt man an, dass die (In)Kongruenz manchmal das „Werk“ des Ungarischen ist, manchmal nicht, oder man nimmt an, dass Substantive in <?page no="79"?> Implizite Sprachmischung 73 manchen Fällen (wie tendenziell viele andere, wie Földes an anderer Stelle anmerkt, vgl. 2005: 165) einfach als Grundform im N.Sg. ohne Plural- und Kasusmarker eingefügt werden, somit liegt dann kein impliziter Einfluss des Ungarischen vor. Über die obigen Fälle hinaus gibt es wieder andere Beispiele für einen möglichen impliziten Einfluss des Ungarischen auf deutsche Dialekte in Ungarn: Beispielsweise wenn auf jdn. warten rein akkusativisch ohne Realisierung der Präposition ausgedrückt wird, analog zu ung. vár ‚warten‘ + reiner Akkusativ, vgl. (22) dort habn sie mich gewartet ↓ das war schön ↓ (1928/ w/ Sérsekszöllős, Beleg 74). Ähnlich auch in der Wortbildung, wobei in bestimmten Strukturen ein aus dem Ungarischen bekanntes Wortbildungsmuster erkannt werden kann. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie analog zu L2-Wortbildungsmustern, aber mit L1-Mitteln gebildet werden, vgl.: (23) sie hot nich verstana was sie ksacht hat ↓ abr sie hots mi nit ausgebessert das is jetz nit gut ke/ ksach/ ksacht ↓ (1927/ w/ Siklós, Beleg 91) Hier nach dem ung. kijavít (‚aus-bessern‘), jedoch nicht mit der Grundbedeutung ‚Beschädigtes reparieren‘, sondern ‚jdn. (formulierungsmäßig) korrigieren, verbessern‘. Dasselbe geschieht auch im Beleg (24): (24) sie tun sich eine gasthaus rausnehmen (1928/ w/ Sérsekszöllős, Beleg 77). Das Wort rausnehmen entspricht wortbildungsmäßig dem ung. kivesz (‚herausnehmen‘), nicht im Sinne von ‚entfernen‘, sondern etwas ‚mieten‘, in diesem Kontext ein Gasthaus zu einem bestimmten Anlass, vgl. auch: (25) für die kindr ham=s extras * stum ausekniomma ↓ (1932/ w/ Lókút, Beleg 58). Vergleichbar ist schließlich der Ausdruck dort gelasse, der dem ung. otthagy (‚dort-lassen‘) entspricht und anhand des Kontextes die Bedeutung ‚etw. nicht mehr weitermachen‘ hat: (26) un mei tochter hot *2* äh verkauferin klernt ↑ * awa sie hot=s dort gelasse (1924/ w/ Városlőd, Beleg 150). Kann nachgewiesen werden, dass diese Formen mit den aktuellen Bedeutungen im deutschen Sprachraum nicht existieren, könnte im Prinzip von impliziten <?page no="80"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 74 Sprachkontakterscheinungen die Rede sein. Prinzipiell ist es aber nicht auszuschließen, dass es in solchen Fällen um eine nicht-kontaktbedingte varietätsinterne Innovation geht, die darüber hinaus mit einer Struktur des Ungarischen zusammenfällt. 20 Dass das Können nicht immer ein Muss ist, zeigen weitere Beispiele aus dem deutsch-ungarischen Sprachkontakt. In einem Teil der Belege können Parallelitäten zwischen dem Ungarischen und den deutschen Dialektbeispielen rein formal gesehen zwar angenommen werden, ein Nachweis eines ungarischen Kontakteinflusses bleibt jedoch fraglich. Es sollen hier lediglich drei Problemfelder etwas eingehender behandelt werden, die Doppelnegation, die Rektion des Nomens (bei Richtungs- und Ortsangaben) sowie die Serialisierung (Stellung des deutschen Finitums nach transferierten Konjunktionen aus dem Ungarischen). 3.2.1 Doppelnegation Die Doppelnegation ist im Deutschen sowohl historisch als auch gegenwärtig in Dialekten, insbesondere im Oberdeutschen als Negationsverstärkung gebräuchlich (vgl. Eroms 2000: 461), während sie im Zuge der Normierung aus dem Standarddeutschen verschwand. Sie kommt auch in deutschen Dialektvarietäten in Sprachinsellage vor, die in Kontakt mit anderen Sprachen stehen. In manchen dieser Kontaktsprachen existiert eine Doppelnegation ebenfalls, so etwa im deutsch-russischen Sprachkontakt, vgl. (27) in meiner Familie spricht keiner nicht, und niemals waren keine Probleme (Riehl 2004: 88) oder im oberschlesischen Deutsch (Oberglogau): __________ 20 Erb (2006b: 218) erblickt in solchen Erscheinungen einen insbesondere nach 1945 zunehmend beobachtbaren Lexikalisierungsprozess, wobei das immer häufigere Vorkommen vergleichbarer Lehnprägungen auf die immer höhere Ungarischkompetenz deutscher Dialektsprecher(innen) in Ungarn bzw. auf den Dialektverlust zurückgeführt werden kann. Auch der Ungarndeutsche Sprachatlas (UDSA) dokumentiert vergleichbare Phänomene: z.B. Luft nehmen (nach ung. levegőt vesz ‚Atem schöpfen‘, S. 48), Injektion eingeben (nach ung. injekciót bead ‚impfen‘), Wagenspur (nach ung. kocsinyom ‚Wagengleis‘, S. 278), Siebbinder (nach ung. szitakötő ‚Libelle‘, S. 318); Herbstbaratske (nach ung. őszibarack ‚Pfirsich‘, S. 210) und Gelbamsel (nach ung. sárgarigó ‚Goldamsel‘, S. 337). <?page no="81"?> Implizite Sprachmischung 75 (28) da hat sie niemals nischt gehabt (Pelka 2006: 174). In solchen Fällen ist man geneigt, den Auftritt der Doppelnegation mit dem Einfluss der Kontaktsprache (in den obigen Beispielen mit dem des Russischen und des Polnischen) zu erklären, allerdings unter dem Vorbehalt, dass beim Auftreten der Doppelnegation im Prinzip zwei Faktoren mit im Spiel seien. So z.B. Riehl (ebd.): „Möglicherweise wird diese im Russischen übliche Konstruktion auch gestützt durch ähnliche Muster in den deutschen Basisdialekten der Sprecher“. Die Frage jedoch, in welchen Fällen welcher Faktor entscheidend ist, bleibt offen. Die Doppelnegation ist auch im Gegenwartsungarischen schriftlich wie mündlich normkonform, dementsprechend wäre in deutsch-ungarischen Kontaktsituationen zu erwarten, dass die im Ungarischen geläufige Doppelnegation auch in der Negation in ungarndeutschen Dialekten strukturelle Spuren hinterlässt. Zum Beispiel im Hörbeleg, in dem niemand und net semantisch wie topologisch den ungarischen Negationswörtern senki ‚niemand‘ und sem ‚nicht (einmal)‘ entsprechen, die bei Doppelnegation in ungarischen Sätzen in genau dieser Reihenfolge stehen können: (29) kann=s niemand net saga (Bánd) Auch in den für die vorliegende Arbeit ausgewerteten Interviews finden sich vereinzelt Belege, bei denen es sich von einer Doppelnegation sprechen lässt, vgl. (30) tes kann ka mensch nit verstehe (1927/ w/ Siklós, Beleg 88) ‚das kann keiner verstehen‘ (31) i hob ka mensche net da mit wem das i rede det (1924/ w/ Városlőd, Beleg 148) ‚ich habe keinen dabei, mit dem ich Dialekt reden würde‘ (32) unt kai hűtőszekrény hama ja ni khabt (1938/ w/ Sopron, Beleg 39) ‚und keinen Kühlschrank haben wir gehabt‘ (33) un vor dem war kein tévé ned (1929/ w/ Tótvázsony, Beleg 50) ‚davor gab es keinen Fernseher‘ (34) Versteht kein einzige wort net (1928/ m/ Szigetszentmárton, Beleg 63) ‚versteht kein einziges Wort‘ (35) netmol ka tévé hon i kschaut (1931/ w/ Lánycsók, Beleg 105) ‚Ich habe nicht einmal ferngesehen‘ <?page no="82"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 76 In diesen Fällen ist eine semantische und topologische Äquivalenz nicht mehr präsent, da z.B. in Beleg (31) der Äußerungsteil ka mensche net (= keine Menschen nicht) kein doppelnegiertes Pendant im Ungarischen hat, das das Vorkommen dieser Form bei Zweisprachigen „stützen“ könnte. Dasselbe gilt auch für die restlichen Belege in der obigen Liste. Földes (2005: 177) kommt anhand der Analyse vergleichbarer Belege aus dem schwäbischen Dialekt in Hajós zu dem Schluss, dass „die doppelte Negation sich im Hajoscher Dialekt - wohl in Analogie zum Ungarischen - [ausbreitet]“. Er merkt auch an (ebd. 178), dass das Vorkommen der Doppelnegation mit der Stellung der Negatoren korreliere, sodass in bestimmten Fällen nur die Doppelnegation vorkommt, wie in folgenden Belegen: 21 (a) Niiana han ii kuuein gschaida Zwettr ‚Nirgendwo habe ich einen gescheiten Pullover gefunden.‘ (b) Diar hat kuueinr niks tau ‚Dir hat keiner etwas getan.‘ während in anderen Fällen sowohl die doppelte als auch die ‚einfache‘ Negation möglich sei: (c) Kuueinr hat diar noo eappis/ niks tau ‚Keiner hat dir etwas getan.‘ (d) En gschaida Zwettr haan ii niiana (itt) gfanda ‚Einen gescheiten Pullover habe ich nirgendwo gefunden.‘ Ein entscheidendes strukturelles Kriterium für das Vorkommen der Doppelnegation ist bei genauerem Hinsehen nicht allein die Topologie der einzelnen Negatoren, sondern auch die Adjazenz der beiden Negatoren nach folgendem Schema: nur doppelte Negation möglich sowohl doppelte als auch einfache Negation möglich (a) Nirgendwo (Vorfeld) + kein (Mittelfeld) nicht adjazent (c) Kein (Vorfeld) (+ nichts) (Mittelfeld) nicht adjazent (b) Kein + nichts (Mittelfeld) adjazent (d) Nirgendwo (+ nicht) (Mittelfeld) adjazent __________ 21 Originaltranskription beibehalten. <?page no="83"?> Implizite Sprachmischung 77 Földes (ebd.) räumt weiterhin Folgendes ein: „Die verschiedenen Formen der doppelten Verneinung gewinnen (auf Kosten der einfachen Negation) zunehmend die Oberhand“ und führt als Nachweis dafür folgende Beispiele an: (36) Jetzz tuar ii niks itt ‚Jetzt tue ich nichts.‘ (37) Deanni haaud nia niks ghätt ‚Diese haben nie etwas gehabt.‘ (38) Van deanni kaa ma nia niks enna weeara ‚Von diesen kann man nie etwas erfahren.‘ (39) Da kann niamrd niks saga ‚Da kann niemand nichts (= etwas) sagen.‘ (40) Diia Haut kaa ma wedr brata wedr niks ‚Diese Haut kann man weder braten noch nichts (= für etwas anderes verwenden).‘ Allen obigen Beispielen sei gemeinsam, sagt Földes (ebd. 179), dass das Vorkommen der Doppelnegation der Einfluss des Ungarischen gestützt habe. Einen einleuchtenden Einfluss des Ungarischen hinter den doppelnegierten Formen zunächst nur in den Beispielen (36)-(39) zu vermuten ist möglich, wenn solche Strukturen vorliegen, die unter den obigen topologischen Bedingungen alternativ mit simpler oder doppelter Negation stehen können und bei der doppelnegierten Form eine topologische Parallele zum Ungarischen (Adjazenz der Negatoren) aufweisen. Wenn die Möglichkeit besteht, zwischen zwei Negationsalternativen zu wählen, wobei eine mit dem Ungarischen konvergente Struktur gewählt wird, könnte man mit größerer Wahrscheinlichkeit von einem Sprachkontakteinfluss sprechen. Es kommt also im Grunde nur Typ c in Frage (Typ adjazentes nirgendwo/ niemand/ nie + nichts). In Fällen (a)-(b), die mangels Alternative nur doppelnegiert existieren, kann dagegen nicht ausgeschlossen werden, dass es bei der Doppelnegation bloß um Formen geht, die es in Dialekten auch ohne Sprachkontakt gibt. Unterzieht man die Belege (36) bis (39) dieser Probe, ergibt sich Folgendes: (36) Jetzz tuar ii niks itt. ung. *Most teszek semmit sem. Most nem teszek semmit sem. Das adjazente niks itt ‚nichts nicht‘ entspricht in Beleg (36) zwar dem adjazenten ung. semmit sem, eine vollständige Negationsäquivalenz zum Ungarischen als Sprachkontakteffekt läge nur bei negierter Verbalform vor. <?page no="84"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 78 (37) Deanni haaud nia niks ghätt. ung. *Ezeknek soha semmijük volt. Ezeknek soha semmijük nem volt. Ähnlich wie im obigen Beispiel entspricht zwar das adjazente nia niks ‚nie nichts‘ dem adjazenten ung. soha semmi(jük), eine vollständige Negationsäquivalenz zum Ungarischen (als Sprachkontakteffekt) läge nur bei negierter Verbalform vor. (38) Van deanni kaa ma nia niks enna weeara. ung. *Ezektől lehet soha semmit megtudni. Ezektől nem lehet soha semmit megtudni. Dasselbe ist auch in Beleg (38) der Fall: Es besteht eine topologische und semantische Entsprechung zwischen ung. soha semmit und dt. dialektalem nia niks, eine vollständige Negationsäquivalenz besteht jedoch hier auch nicht, da das Hauptverb nicht extra negiert wird. (39) Da kaan niamrd niks saga. ung. *Erre tud senki semmit mondani. Erre nem tud senki semmit mondani. Es gilt auch für den Beleg (39), dass trotz semantischer und topologischer Übereinstimmung der Negatoren keine Vollentsprechung besteht, und zwar aus demselben Grund, wie beim obigen Beispiel. Eine vollständige Äquivalenz der deutschen und ungarischen Negation besteht also bei keinem der obigen Beispiele, denn bei allen wäre eine dreifache Negation (einschl. des negierten Verbs in ung. nem teszek ‚ich tue nicht‘, nem volt (nekik) ‚haben nicht gehabt‘, nem lehet ‚kann man nicht (erfahren)‘, nem tud ‚kann man nicht (sagen)‘) notwendig, um von vollständiger Negationsäquivalenz sprechen zu dürfen. Da aber den ungarischen Kontakteinfluss nicht nur eine vollständige (topologische und semantische) Negationsäquivalenz begründet, ergeben sich hier folgende Interpretationsmöglichkeiten: (1) Man nimmt an, dass das aktuelle Vorkommen der adjazenten Negatoren niks itt, nie niks, niamrd niks in den Belegen (36)-(39) auf die Parallele des Ungarischen zurückzuführen ist, somit liegt eine formal partiell äquivalente, aber kontaktinduzierte Negation vor. <?page no="85"?> Implizite Sprachmischung 79 (2) Man nimmt an, dass das aktuelle Vorkommen dieser Negatoren mit keinem Kontakteinfluss des Ungarischen zu tun hat, somit liegt zwar eine formal partiell äquivalente, aber nur scheinbar kontaktinduzierte Negation vor. Für (1) spricht das weiter oben bereits formulierte Argument, dass zum Vorkommen der Doppelnegation in ungarndeutschen Dialekten im Prinzip auch eine analogische Übertragung der im Ungarischen existierenden Doppelnegation auf deutsch-dialektale Strukturen führen kann. Um dies nachzuweisen, wäre der Einbezug historischer Daten aus den untersuchten Dialekten notwendig, um das (Nicht)Vorkommen der Doppelnegation als entscheidendes Argument für oder gegen obige Behauptung heranziehen zu können. Für (2) spricht das Argument, dass beispielsweise das adjazente nie nichts auch in deutschen Dialekten ohne Sprachkontakt als Satznegation existiert, so etwa im Bairisch-Österreichischen (Haider 2004: 85f.): (41) I hob neambd nia nix gsogt ‚Ich habe niemandem nie nichts gesagt‘ = ‚Ich habe niemandem je etwas gesagt‘ Wie Weiß (1998: 183ff.) zeigt, ist der Standardnegator ned im Bairischen mit drei Quantorenklassen kombinierbar: (1) koa ‚kein‘, neamd ‚niemand‘, nix ‚nichts‘; (2) niegads ‚nirgends‘ und (3) nie(mois) ‚nie(mals)‘, allerdings mit festen Abfolgemöglichkeiten, vgl. folgende Muster: do is nie/ niegads neamd/ nix (ned) gwen und do bin’e nie ned gwen (ebd. 205). So können auf Grund bestimmter Kombinationsmöglichkeiten im Prinzip Strukturen entstehen, die zwar deutliche Parallelen zu Strukturen in Sprachkontaktsituationen aufzeigen, aber in der Tat nicht eindeutig auf den Kontakteinfluss der autochthonen Sprachvarietät zurückführbar sind - soweit die Aussagekraft möglicher Erklärungen aus linguistischer Sicht. Es bleibt im Endeffekt auch schwer zu klären, ob die im deutsch-ungarischen Vergleich quasi-äquivalenten Typen der Doppelnegation im Sprachkontakt tatsächlich häufiger vorkommen als vergleichbare Formen der Doppelnegation in deutschen Dialekten ohne Sprachkontakt. 3.2.2 Präpositionalphrasen als Richtungs- und Ortsangaben Ebenso fragwürdig sind Fälle, in denen die Dialektsprecher eine Richtungsangabe bei Ortsnamen, die im Standarddeutschen durch die Präpositionalphrase nach + N formuliert wird, neben dieser auch mit (a)uf + N oder in + N realisieren, z.B. auf Ungarn (kommen). Vergleichbare Fälle lassen sich in allen <?page no="86"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 80 von Ungarndeutschen bewohnten Gebieten Ungarns finden, so auch in ungarndeutschen Dialekten fränkischer Prägung in Südungarn, vgl. Wild (2004: 338) (42) Ower friehr woan alls, wu a hii sen uff Narad komme daitsch leane ‚Aber früher waren [gab es] alleweil, die auch hin sind nach Nagynyárád gekommen Deutsch lernen.‘ aber gleichzeitig können nach-PPn mit derselben Funktion belegt werden (ebd. 342): (43) Wu me noch Kemend wallt um Weschender Hutter, duet hommr als Raisig gemocht ‚Wo man nach Máriakéménd wallfahrt auf dem Versender Hotter, dort haben wir allemal Reisig gemacht.‘ Wohl bekannt sind auf-PPn jedoch nicht nur in Sprachinseldialekten, sondern auch in Dialekten innerhalb des deutschen Sprachgebiets gegenwärtig wie auch historisch. Daraus erklärt sich, dass Belege mit vergleichbaren auf-PPn bereits in zahlreichen Ortsgrammatiken deutscher Dialekte in Ungarn aus der Zwischenkriegszeit auftauchen. 22 Hier geht es aller Wahrscheinlichkeit nach um „mitgebrachte“ Strukturen im Dialekt der deutschen Ansiedler, die parallel zu funktional äquivalenten nach-PPn erscheinen. Etwa bei Kriss (1937): Nachher sind sie zurückgekommen auf Ungarn (ebd. 77) und Sie ist auf Perin gegangen (ebd. 84); bei Bonomi (1933: 223): ə f Keschtitz keeni. Zudem kommen diese auf- PPn beispielsweise auch in den von Karl und Grete Horak 1931-34 gesammelten Kinderreimen an zahlreichen Stellen vor (vgl. Horak/ Horak 1988 2 : 54, 71, 72). Eine mit einer standarddeutschen nach-PP äquivalente auf-PP ließ sich auch im ungarndeutschen Dialekt mit schwäbischer Basis in Hajós belegen, vgl. Földes (2005: 179): (44) Jetzz gaaud ja scha äll uff Baja ‚Jetzt gehen sie ja schon alle nach Baja‘ Földes (ebd.) wertet seinen Beleg als ein Sprachmischungsphänomen, das im Transfer von grammatischen Beziehungen und Funktionen zur Geltung komme. Hier wird nämlich der im Ungarischen flexivisch realisierte Sublativ mit der deutschen Präposition auf ausgedrückt. Földes merkt zudem an, dass eine solche Verwendung von auf statt nach in den deutschen Dialekten im deutschsprachigen Sprachgebiet „nicht unbekannt“ sei. Ob in Fällen wie oben zitiert __________ 22 Ich danke Maria Erb dafür, dass sie mich auf diese Quellen freundlicherweise hingewiesen hat. <?page no="87"?> Implizite Sprachmischung 81 eine Übertragung ungarischer grammatischer Muster auf deutsches Sprachmaterial als Ergebnis des Sprachkontaktes die Regel oder die Ausnahme ist, bleibt jedoch offen. Um eine Systematik des Vorkommens von auf-PPn zu erkennen, ist zunächst unerlässlich, es in einem breiteren Zusammenhang zu betrachten. Folgende Tabelle zeigt nun das Vorkommen aller drei in Frage kommenden PP- Typen für Richtungsangaben im aktuellen Belegkorpus bei Ortsnamen und ergänzend auch bei sonstigen Nomina, um einige genauere Schlüsse formulieren zu können: Verteilung von wohin-PP im Belegkorpus nach-PP auf-PP in-PP Ortsnamen 6 7 3 sonst. Nomina 0 2 17 Gesamt 6 9 20 Richtungsangaben bei Ortsnamen, wie oben gesagt, werden im Ungarischen durch die synthetischen Flexive -ra, -re (Sublativ) und -ba, -be (Illativ) ausgedrückt, indem sich dt. auf semantisch nur mit dem Sublativ deckt. Dies ist bei einigen auf-PPn mit sublativischer flexivischer Entsprechung der Fall, hier: Magyarországra ‚nach Ungarn‘ und Siklósra ‚nach Siklós‘; Cseresnyésre ‚nach Cseresnyés‘: (45) und da kam ich auf ungarn (1927/ w/ Siklós, Beleg 80) (46) wie mir sin herkommen hier * auf siklós ↑ * da hab ich die prüfung müsse ablegn (1927/ w/ Siklós, Beleg 81) (47) ich war *2* wie alt war ich gewest * ja äh drei johr bin ich in jerkenj die schul ganga ↑ ** vieri * na san=mir rauskumma uf cseresnyés in máriatelep ↑ (1935/ w/ Györköny, Beleg 167) Vergleichbare auf-PPn kommen nicht nur bei Eigennamen, sondern auch, wenngleich seltener, bei anderen Nominalgruppen vor. In folgenden Beispielen wird eine wohin-PP akkusativisch durch auf + N realisiert, was deutliche semantische Parallelen zum Ungarischen aufweist, in dem derselbe Sublativ flexivisch durch ein funktional äquivalantes N + -ra/ -re ausgedrückt wird, vgl. (48) un nachtem ** war mir/ sin mir uf ten szállás [Unterkunft] zuganga ↓ (1927/ w/ Siklós, Beleg 85) (49) jetz war in tab ein * neue pfarrer eingeweihtet worden ↑ a bin ich gerade dar=in a/ auf das einweihen hingegangen ↑ (1928/ w/ Sérsekszöllős, Beleg 73) <?page no="88"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 82 Doch darf beim Rest mit einer auf-PP bei einer Richtungsangabe von einer solchen Entsprechung wie in den obigen Belegen nicht die Rede sein (vgl. Németországba ‚nach Deutschland‘ und Veszprémbe ‚nach Veszprém‘), wobei die Richtungsangabe im Ungarischen mit dem Illativ -ba/ -be zu realisieren wäre, vgl. (50) un von * unsern dorf hob se/ habn sie die schwäbische leide auf deutschland *3* telepítették ↓ [angesiedelt] (1935/ w/ Veszprém, Beleg 128) (51) un dann sind wir * äh herkummen uf veszprém ↓ wohnen un arbeiten ↓ (1935/ w/ Veszprém, Beleg 129) Für den besagten Illativ ist im Deutschen jedoch eine andere, eine in-PP reserviert, wie auch in folgenden drei Korpusbelegen, vgl. (52) unseri * öltn/ mir sei mit unseri öltn in virágvölgy ganga ↓ (1938/ w/ Sopron, Beleg 41) (53) die ** größ/ öltri geht hát in veszprim * die egyetem ↑ * [Universität] (1932/ w/ Magyarpolány, Beleg 107) Während die in-PP in Beleg (52) eine eindeutige illativische Entsprechung im Ungarischen hat, ist sie bei Beleg (53) zumindest ambig, da das ung. Äquivalent des Verbs gehen eine sowohl akkusativische (‚regelmäßig irgendwo hingehen‘) als auch dativische (‚irgendwo studieren‘) Ergänzung haben kann. Es lässt zudem auch eine labile Verwendung von in- und nach-PP belegen mit einer Korrektur von in zu nach, vgl. (54) so wie wie ich jetz in * nach budapest fahre (1928/ w/ Sérsekszöllős, Beleg 74). Wie zu sehen, kann von eindeutigen Entsprechungen zwischen ungarischen synthetischen und deutschen analytischen Realisierungen einer Richtungsangabe nicht in jedem Fall gesprochen werden. Gibt es eine sprachkontaktbedingte Übertragung der Semantik von L2-Flexiven auf L1-Präpositionen bei Richtungsangaben mit einer PP, wäre dies auch bei Ortsangaben mit vergleichbarer Struktur zu erwarten. Folgende Tabelle zeigt die Verteilung von wo-PPn, die für diesen Exkurs ebenso relevant sind: Verteilung von wo-PP im Belegkorpus in-PP auf-PP Eigennamen 26 4 sonst. Nomina 23 0 Gesamt 49 4 <?page no="89"?> Implizite Sprachmischung 83 An den Vorkommenszahlen erkennt man, dass die wo-PPn in deutlich mehr Fällen mit in gegenüber auf realisiert werden und dass auf-PPn nur bei Eigennamen vorkommen. Alle vier auf-PPn kommen darüber hinaus bei derselben Sprecherin vor, wobei eine in-auf-Variabilität der wo-PP auch nicht zu übersehen ist (s. in Kislőd und die Korrektur von in zu auf bei Veszprém): (55) I: un die ** ja * des war * dorfs *2* musikante warn=s ** | E: | hier in kis|lőd I: |sie san in kislőd die san weit un braat un balaton na un in vesz/ uf veszprém ** uf fajsz uf csopak uf * marka iwerall san=se * warn sehr=sehr bekannte musikante ↓ (1926/ w/ Kislőd, Beleg 137) Bilanz: Die oben analysierte Varianz warnt vor einer voreiligen Verallgemeinerung hinsichtlich einer ‚eindeutigen‘ Stimulierung von wohin- und wo-PPn durch die Semantik einschlägiger ungarischer Flexive. Vielmehr sind einige auf den ersten Blick kontaktbedingte Verwendungen mit Vorsicht zu behandeln, weil es in bestimmten Fällen um (evtl. dialektale) Verwendungsweisen geht, die im Deutschen sowohl im Sprachkontakt als auch ohne Sprachkontakt existieren (z.B. auf Urlaub fahren im Österreichischen Deutsch, vgl. Ammon 2004: 823). Analog zum unter 3.1.1 Gesagten darf aber auch bei den oben aufgeführten Beispielen die Möglichkeit varietätsinterner Sprachinselinnovation nicht ausgeschlossen werden. 3.2.3 Serialisierung Unter den eingangs zitierten Fallbeispielen von Riehl (2004: 87) fanden sich auch welche, bei denen von einer Tendenz der Ablösung der Verbletztstellung durch Zweitstellung des Finitums im Sprachkontakt die Rede war. An einschlägigen Beispielen mangelt es auch im deutsch-ungarischen Sprachkontakt nicht. Földes (2005: 176) spricht davon beispielsweise bei mit dem Konnektor hogy eingeleiteter Subordination: Die ungarische subordinierende Konjunktion hogy (= dass) ist immer häufiger auch in sonst vollständig deutschsprachigen Sätzen anzutreffen. In solchen Fällen herrscht im Nebensatz allerdings nicht die im binnendeutschen Standard normative Endstellung des Finitums, sondern die Zweistellung [...]. Er zitiert hierfür zwei Belege: <?page no="90"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 84 (56) Des kaa ma so itt macha hogy jetzz gangg e and tuuar dr aawäschlampa steahla. ‚Das kann man so nicht machen, dass jetzt gehe ich und tue den Abwaschlappen stehlen.‘ (57) Mit am apadickk isch aau so, hogy iiamal isch bessr iiamal schleeachtr. ‚Mit dem Appetit ist es auch so, dass einmal ist besser, einmal schlechter.‘ Bei genauer Betrachtung dieser Beispiele fällt jedoch auf, dass eine Wortstellungsäquivalenz bei der Zweitstellung des Verbs lediglich im ersten Fall in Beleg (56) vorliegt, nicht aber im zweiten, bei dem im ungarischen Pendant (ung. hogy egyszer jobb, egyszer rosszabb) im Nebensatz kein verbaler Teil zu finden ist, der eine topologische Vergleichbarkeit überhaupt ermöglichen würde. Studiert man diese Beispiele in Bezug auf die Topologie im Nebensatz, zeigt sich folgendes Bild: Vor- Vorfeld Vorfeld linke Klammer Mittelfeld rechte Klammer hogy jetzt gehe ich und tue den Abwaschlappen stehlen hogy einmal ist besser, einmal schlechter In diesen Beispielen mit nicht-adjazenter so…dass-Struktur nimmt der ung. subordinierende Konnektor hogy die Vor-Vorfeldposition ein, indem das Finitum (gehe bzw. ist) nicht die rechte, sondern die linke Klammer besetzt. Földes (ebd.) räumt ein, dass die Zweitstellung des Finitums in diesen Beispielen ein Zeichen des durchgreifenden Sprachkontaktes auf syntaktischer Ebene sei, eines des ungarischen Einflusses also, was sich auch daran erkennen ließe, dass der Gebrauch des ebenfalls gängigen deutschen Konnektors dass in vergleichbaren Beispielen aus dem untersuchten schwäbischen Ortsdialekt eine Verbletztstellung erfordere. Dies impliziert einen eindeutigen Effekt des verwendeten ungarischen Konnektors auf die Stellung des deutschen Finitums, somit auch eine formale Differenzierung in zwei Wortstellungstypen, einer kontaktbedingten und einer nicht kontaktbedingten. Ob diese formale Differenzierung auch mit einer funktionalen einhergeht, bleibt dahingestellt. Weiterhin stellt sich die Frage, ob sich die Wortstellungsvarianz von hogybzw. dass-Sätzen wirklich nur auf die zwei o.g. Formen beschränkt oder diese Varianz größer ist. Eine Durchsicht des hier analysierten Belegkorpus hat folgende Verteilung vergleichbarer dass- und hogy-Sätze ergeben: <?page no="91"?> Implizite Sprachmischung 85 Verteilung von dass- und hogy-Belegen im Belegkorpus nach Stellung des Finitums dass + VL dass + V2 dass + V3 hogy + VL hogy + V2 hogy + dass + VL 7 4 1 2 2 1 Hier ist trotz geringer Belegzahl zu sehen, dass die Variabilität von einschlägigen Konnektoren und der Stellung des Finitums über eine Zweiteilung in hogy + V2 und dass + VL hinausgehen kann und neben dass + VL: (58) aber ** ich mag=s net wal so laut is ↑ ** wal ich seh ↑ dass e ihnen net ganz passt ↓ net ↑ (1917/ w/ Városlőd, Beleg 177) (59) ei/ eim somstag war das ↑ * dass ich diese kirche wider sehen kann ↑ wo ich gekonfirmiert ware ↓ (1928/ w/ Sérsekszöllős, Beleg 73) und hogy + V2 (hier ‚quasi-V2‘ bei Nichtbesetzung des Vorfeldes und Nichtrealisierung der Subjekte es und ich): (60) wal * am montag traut er sich wide nit gehe wal=s sach hogy is großes ellenőrzés [(Finanz)Kontrolle] in táppénz ↓ [Krankengeld] (1927/ w/ Siklós, Beleg 93) (61) unt des ** hoit mir einigemaßen dass i mi vü beweg ↑ * hogy bin einigemaßen jung=un hoffentlich * werd des en paar joahr weitegein ↓ (1928/ m/ Szigetújfalu, Beleg 68) auch hogy + VL: (62) die deutschi warn so veheiet * hogy der mann * owe die fra ungar ist ↓ net ↑ (1930/ w/ Bánd, Beleg 1) dass + V2: (63) hát zur meine zeit isch e so kewest dass * in a wuchn war nur zwa moi a stund ↓ * a deitschi ↓ *3* deitschi unterricht ↓ owa nur a stund ↓ * szóval egy-egy óránk volt csak ↓ * hetente kétszer ↓ [also wir hatten je eine Stunde, zweimal die Woche] (1930/ w/ Kimle (I2), Beleg 125) (64) des is interessant ↓ dass das is kschwisterkind ↓ * nit cousin ↑ net net *2* kschwisterkind ↓ (1926/ w/ Kimle, Beleg 121) <?page no="92"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 86 sogar einmal auch dass + V3 23 vorkommt, vgl. (65) glaubscht dass ich angscht hab khat ↑ (1927/ w/ Siklós, Beleg 87) Diese empirisch belegte Stellungsvariation entkräftet also die Verallgemeinerung (oder genauer gesagt: erlaubt ihre Anwendung auf das hier analysierte Material nicht), der zufolge sich die Topologie des Finitums in ungarndeutschen Dialektsätzen mit den Konnektoren dt. dass bzw. ung. hogy nur auf zwei Muster beschränke. Es ist im Gegenteil zu konstatieren, dass die Verwendung eines bestimmten Konnektors (ob dass oder hogy) nicht nur mit einem einzigen Wortstellungstyp einhergehen kann, was eine Interpretation als indirekten syntaktischen Einfluss des Ungarischen auf die Wortstellung erschwert. Gebe es nur zwei Verwendungsweisen, nämlich hogy + V2 und dass + VL und gebe es im ersten Fall immer augenfällige Übereinstimmungen mit ungarischen syntaktischen Mustern, wäre ein Kontakteinfluss des Ungarischen mit größerer Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Darüber hinaus gibt es nur bei einem von den oben zitierten hogy + V2-Strukturen einen Grund, eine topologische Äquivalenz zwischen dem deutschen Beleg und ihrem ungarischen Pendant anzunehmen, vgl. noch einmal Beleg (56): Vor-Vorfeld Vorfeld linke Klammer Dt. dial. Matrixsatz hogy jetzz gangg Ung. Matrixsatz hogy most megyek Der Vergleich zeigt, dass das Finitum in beiden Fällen eine Zweitstellung annimmt, wobei es die linke Satzklammer besetzt. Nicht nur die obige Übersicht (Belege 58-65), sondern auch weitere Arbeiten zeigen, dass in ungarndeutschen Dialekten sowohl mit dass als auch mit hogy eingeleitete deutsch-dialektale Nebensätze durchaus möglich sind und dass bei beiden V2- und VL-Strukturen parallel vorkommen. Beispielsweise Hutterer (2000: 32) merkt an, dass die dass-Sätze in seinem Korpus eine VL-V2- Varianz zeigen. Neuere Untersuchungen deuten zudem darauf hin, dass die VL-V2-Varianz in deutschen komplexen Sätzen nicht ohne Folgen für eine funktionale Differenzierung bleibt. Freywald (2008) analysiert dass-V2-Sätze im Deutschen als typische Phänomene gesprochener Sprache, wobei sie für eine eigene Gesprächsfunktion dieser Konstruktion plädiert. Sie zeigt, dass sich __________ 23 Ähnliche V3-Muster als Teil des Verbalkomplexes mit Modalverb sind auch im bairischen Dialektraum belegt, vgl. den Typ …dass er nicht muß arbeiten (vgl. Patocka 2000: 253f.). <?page no="93"?> Implizite Sprachmischung 87 dass-V2-Sätze von ‚unechten‘ dass-V2-Sätzen unterscheiden und unter regelhaften Bedingungen vorkommen (ebd. 284ff.): praktisch nie nach negiertem/ negierendem Matrixverb, wobei im Matrixsatz überwiegend Einstellungsverben (verba dicendi und sentiendi), Kopulakonstruktionen mit Adjektiven wertender Bedeutung sowie semantisch blasse Nomina stehen. Dass-V2-Sätze haben zudem spezifische Diskurseigenschaften (vgl. ebd. 252ff.) wie pragmatische Gewichtung des V2-Satzes oder deren informationsstrukturelle Gliederung (z.B. Topikalisierung), wobei dass als Assertionsmarker fungiert und der dass-V2-Satz eine illokutive Selbstständigkeit erfährt. Hingegen treten die Matrixsätze in den Hintergrund, wobei sie einen geringen semantischen Beitrag leisten und meist über einen reduzierten Umfang verfügen. Sie haben die Aufgabe, den dass-V2-Satz einzuleiten, der das Relevanzzentrum der Aussage darstellt. Dies unterstützen kataphorische Elemente (z.B. Nomina, Pronominaladverbien oder kataphorisches so), die im Matrixsatz gehäuft vorkommen. Wirft man noch einmal einen Blick auf die oben zitierten Belege für dass-V2 (63-64) und hogy-V2 (56, 57 und 60), erkennt man, dass sie sich in die obige funktionale Beschreibung der Assertionsmarkierung gut einfügen. Es darf nicht ausgeschlossen werden, dass die assertive Funktion von dass-V2-Sätzen auf hogy-V2-Sätze übertragen wird, sodass die Zweitstellung des Finitums nicht unbedingt der ungarische Konnektor hogy, sondern die sprachübergreifende Diskursfunktion motiviert, unabhängig davon, ob im deutsch-dialektalen Satz dt. dass oder ung. hogy steht. Vorausgesetzt, die assertive Funktion von dass- V2-Sätzen existierte bereits zur Zeit der Ansiedlung deutscher Dialektsprecher in Ungarn, d.h. es geht nicht um eine eigene Innovation der betreffenden Sprachinseldialekte. Diese Überlegungen deuten erneut darauf hin, dass die belegten Strukturen einer vorsichtigen Interpretation bedürfen und vor einer vorschnellen Verallgemeinerung des ungarischen Kontakteinflusses warnen. 3.3 Explizite Sprachmischung Über die im Vorangehenden diskutierten, nicht immer eindeutig als Sprachkontakterscheinungen interpretierbaren Fälle hinaus gibt es jedoch eine umfangreichere Gruppe ‚expliziter‘ Sprachkontakterscheinungen. Sie alle haben das gemeinsame Merkmal, dass L2-Elemente in L1-Kontexten explizit realisiert werden, was viele Ebenen des Sprachsystems betreffen kann. Im analysierten Korpus wurden im Einwort-Bereich Diskursmarker, Konnektoren, hybride Wortbildung und Flexion, sonstige Einzellexem-Insertionen, dann Wortgruppen und Alternationen belegt. Sie sollen im Folgenden eingehender diskutiert werden. <?page no="94"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 88 3.3.1 Diskursmarker ‚Diskursmarker‘ sind aus vielen Sprachen bekannt. Ihr Umfang kann sehr unterschiedlich sein, von Einwort-Einheiten (z.B. engl. well) ganz bis zu jenen mit (Teil)Satzformat (z.B. dt. ich weiß nicht). Das Gemeinsame an ihnen ist, dass sie ihre Gesprächsfunktion nicht durch ihre (primäre) lexikalische Bedeutung erhalten, sondern durch ihre besondere pragmatische Rolle wie Gesprächstrukturierung, Signalisierung der Sprecherintention etc. (vgl. z.B. Bublitz 2001: 1338, Trudgill 2003: 40). Etwa auf den deutschen bereits pragmatisierten Diskursmarker ich weiß nicht trifft durchaus zu, dass er im Gesprächskontext seine lexikalische Gesamtbedeutung ‚Nichtwissen von etwas‘ verloren hat, aber seine Diskursfunktion ‚Abschlussmarkierung in Gesprächen‘ neben syntaktischer Unabhängigkeit zunehmend geltend macht (vgl. Auer 1998b: 302). Auch im Ungarischen existiert dasselbe Phänomen mit denselben Diskursfunktionen, inkl. einer Verzögerungsmarkierung, also nicht als Ausdruck des Nichtwissens des Sprechenden, sondern als Ausdruck des Nachdenkens oder der Unsicherheit in bestimmten Gesprächskontexten. Die einzelnen Sprach(varietät)en, die sich im Sprachkontakt treffen, können ein Diskursmarkerinventar unterschiedlichen Umfangs haben, sodass es häufig zum Einsatz bestimmter L2-Diskursmarker in L1 kommen kann. Dies ist in der Fachliteratur sehr gut empirisch dokumentiert (vgl. dazu Blankenhorn 2003: 146ff.). Was die Verwendung ungarischer Diskursmarker in anderen Sprachen angeht, wurde am häufigsten das Vorkommen des ung. hát z.B. im Rumänischen in Ungarn (vgl. Bartha/ Borbély 1995: 286f.), im Deutschen in Rumänien/ Sathmar (Knecht 2001: 97), aber auch in deutschen Dialekten Ungarns dokumentiert (vgl. Mirk 1997: 206-209, Hutterer 2000: 27, Kappel/ Németh 2002: 90, Wild 2004: 340f., Földes 2005: 135f., 224). Bei diesem Diskursmarker geht es um ein im normativen Schulunterricht stigmatisiertes Phänomen, das seinen ‚schlechten Ruf‘ mit einem vielfältigen pragmatischen Funktionsinventar kompensiert. Mirk umschreibt seine Bedeutung mit ‚wohl, ja, na, nun, halt‘, Földes dagegen mit ‚also‘ und charakterisiert ihn als Verzögerungssignal, als Redeeinstieg. Studiert man das Vorkommen dieses Diskursmarkers anhand des untersuchten Korpus, so wird deutlich, dass er nicht bloß als Redeeinstieg erscheint, sondern auch weitere Gesprächsfunktionen übernehmen kann. Der Diskursmarker hát, auch in reduzierter Form há, kommt im analysierten Belegkorpus bei 27 Sprechern (65,8% aller Informanten) mindestens einmal vor. Folgende Tabelle liefert zuerst eine Übersicht seiner Funktionen in den Interviews, dann folgen einige Beispiele für alle dieser Funktionstypen. <?page no="95"?> Explizite Sprachmischung 89 Funktionen von há(t) Belegzahl (1) Redeeinstieg und Markierung von Anschlüssen in der Gesprächsstruktur 37 (2) Resümee (‚also‘) 5 (3) Korrektur 6 (4) Nachdenken, Verzögerung, Unsicherheit 8 (5) Zustimmung in Antworten 3 (6) Angabe des Grundes in Antworten 1 Gesamt 60 (1) Redeeinstieg und Markierung von Anschlüssen in der Gesprächsstruktur Den weitaus größten Anteil in diesem Korpus haben Vorkommensbeispiele für die Funktion (1), während Beispiele für andere Funktionen seltener auftauchen. Die Signalisierung des Redebeginns bzw. die von Anschlüssen in der Narration dürfte wohl die Grundfunktion dieses Diskursmarkers sein. Dafür, dass há(t) als Redeeinstieg nicht immer (auch) Verzögerung ausdrückt, gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, die zeigen, dass há(t) die Hauptfunktion hat, den Gesprächsbeitrag des Sprechenden einzuleiten: (66) hát ich bin jetz in de rente schon schon paar johr schon wie lang wieviel schon * is sechzeh johr achzeh johr in de rente net ↑ (1927/ w/ Bánd, Beleg 8) Há(t) kann zudem nicht nur am Anfang von Äußerungen stehen, sondern auch mitten in längeren Redesequenzen, um zu signalisieren, dass dort einfach ein neuer Gedanke ansetzt: (67) es geht nimmer des mundart des * des geht ganz un gar net ↓ so es funktioniert net weel äh wer sant zu zankmischt ↓ hát de/ ti schwäbische orten san verschwundn ↓ wo san in en/ in en ortschaft ↓ * zehni ↑ zwanzich ↑ eventl ↓ * deitsch verstande hier ja sehr viel iwehaupt die jugend glernt ja schan ↓ owa tes is kein mundart mehr ↓ (1928/ m/ Szigetszentmárton, Beleg 64) (2) Resümee (‚also‘) In deutlich weniger Fällen liegt bei há(t) eine resümierende Funktion vor, wobei es (wie bei einer der Funktionen des dt. also) Vorausgegangenes zusammenfasst: (68) na dann san die weihnachtn kumma * hát die weihnachtn san so kwest ↓ (1937/ w/ Vértessomló, Beleg 25) <?page no="96"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 90 (3) Korrektur Há(t) erscheint in einigen Fällen, im folgenden Beispiel auch in seiner reduzierten Form, als Korrektursignal zur Verstärkung von Selbstkorrektur, indem die Sprecherin sich verbessert und zugibt, ihre Enkel seien nicht alle volljährig, der eine sei erst sechzehn Jahre alt, während die anderen zwei älter als 18 Jahre seien: (69) ich habe zwei enkelskinder ↑ zwei von der tochter * un eins vom sohn ↓ * an alle/ alle schon kroßjährig ** hát nicht kroßjährig ↑ há sint sechzehn ↑ * einundzwanzig * un vierunzwanzig ↓ (1927/ w/ Siklós, Beleg 79) (4)Nachdenken, Verzögerung, Unsicherheit Einige Belege zeigen, wie oben gesagt, dass sich die Verzögerungsfunktion von há(t) von der eines Redeeinstiegs trennen lässt. Im nachstehenden Beispiel geht es darum, dass die Sprecherin über den Zeitpunkt eines Geschehnisses nachdenkt (s. Pause), d.h., hier hat man es mit keinem Wortsuchprozess, mit keiner Ausdrucksschwierigkeit o.Ä. zu tun: (70) E: und wann war das ↑ I: hát wann war des ↑ *5* wann war des * in de dreiunddreisige ↑ (1933/ w/ Bánd, Beleg 2) In anderen Fällen tritt há(t) schon als Marker der Unsicherheit auf. Im folgenden Beispiel erkennt man das auch an einem Metakommentar des Sprechers, indem er deutlich zum Ausdruck bringt, dass er ung. észak felé im deutschen Dialekt nicht ausdrücken kann: (71) bis west * und und und nord ↑ ne nord ↓ * no/ nord (…) hát ah teitschi hát ah schwobisch waß i nimmer wie es haßt * észak felé * [in Richtung Norden] hat ma noch ausgei kene ↓ (1923/ m/ Eplény, Beleg 114) (5)-(6) Zustimmung, Angabe des Grundes in Antworten Einige hát-Belege lassen sich auch für die Einleitung von Antworten finden, wobei es einerseits um Zustimmung bzw. Bejahung als unmittelbaren Anschluss an Fragen geht. Hier tritt hát in Ergänzung zum Responsiv ja auf: (72) E: und wie sieht es aus ↓ aus ↓ haben sie spezielle tanzen oder essen ↑ I: ja hát unsere/ * mei schwester ihr äh enkelkind dieses tanz szó/ * népitáncos ↓ Volkstänzer <?page no="97"?> Explizite Sprachmischung 91 E: uhm ** volkstanz ↑ I: ja=ja * ja (1935/ w/ Györköny, Beleg 165) Andererseits konnte hát auch einleitend zu einem kausalen Nebensatz belegt werden, vgl. folgendes Beispiel: (73) I: heut hawa nichs kene macha ↓ E: warum ↑ I: há wa=s naß is ↓ (1927/ w/ Siklós, Beleg 89) In Abständen seltener (N= 5 nur bei 4 Sprechern, 9,7% aller Informant(inn)en) konnte ein anderes, hier ebenfalls als Diskursmarker eingestuftes Element, das ung. izé (etwa dt. ‚Dings‘) belegt werden (vgl. auch Knecht 2001: 97). Dieses wird wie hát im normativ orientierten Schulunterricht als Zeichen für nachlässiges Sprechen angeprangert, während ihm aus linguistischer Sicht eine eigene Diskursfunktion, nämlich die eines Verzögerungsmarkers bei Wortsuche, bescheinigt werden kann. Den Wortsuchprozess können außer izé auch sonstige Gesprächspartikeln (wie etwa na im Beleg 76) und/ oder Kurzpausen begleiten, vgl. (74) hát jetz is fünfunzwanzig joahr des äh * is wos popst ** er is izé gewesn ↓ * lengyel *2* lengyel származású ↓ [polnisch, polnischer Abstammung] (1930/ w/ Kimle, Beleg 126) (75) mondag ↑ * ostermondag ↑ * nocht san die kindr * gange * zu=dr * freindschaft un iwerall hie un nochmal izé ↑ ** o gewunsche die osterne ↑ (1931/ w/ Lánycsók, Beleg 96) Oder ihm können, wie in diesem Beleg, auch Sprachmischungsphänomene folgen, vgl. (76) E: mir muscht ka angscht mehr hawe ↑ I: ja anci ↓ * [Mutti] sagscht du ↓ ** awer wie dort die front war=in *2* driwe ** in izé=in ** na * in harvátország ↑ [Kroatien] glaubscht dass ich angscht hab khat ↑ ich hab ksacht| E: |aanit net du ↑ alli leit hen aa angscht khat ↓ (1927/ w/ Siklós, Beleg 87) Izé kann aber auch bei Anakoluth (hier: Retraktion) auftreten, um zu signalisieren, dass an solchen Stellen eine neue Konstruktion beginnt: <?page no="98"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 92 (77) E: was machen sie * im alltag ↓ I: ich ↑ * ich * bi izé/ * i tu meine tochter noch koche ↑ vormittag geht mit koche rum ↑ ** nomittoch ruh=i e pi/ pißchen ↑ * un * i hob viel * zum arwen * guorte alles ↑ durt find=ma die orwet genug (1924/ w/ Városlőd, Beleg 153) Neben Diskursmarkern treten im Einwort-Bereich auch Konnektoren aus dem Ungarischen in den deutschsprachigen Interviewtexten auf. Im Folgenden soll es um diese gehen. 3.3.2 Konnektoren Sprachkontaktforscher haben vielfach beobachtet, dass in bilingualer Rede auch Konnektoren aus L2 in L1 erscheinen, meist in Verbindung mit anderen Sprachmischungsphänomenen, häufig aber auch isoliert in anderssprachiger Umgebung. 24 Dies widerspricht früheren Ansätzen, die vermeinten, Konnektoren stimmen mit der Sprache des Satzes überein, den sie einleiten (vgl. dazu Romaine 1995: 147). Lattey und Tracy (2005: 361) zufolge kann das parallele Vorkommen weitgehend homonymer Konnektoren wie z.B. engl. and vs. dt. und damit begründet werden, dass bei besonders langen narrativen Sequenzen für die Sprecher nicht mehr nachvollziehbar ist, in welcher Sprache sich die Gesprächsplanung vollzog, sodass das Risiko des Vergessens sehr hoch ist. Dies mündet letztlich in eine Varianz homonymer Konnektoren innerhalb desselben Gesprächsbeitrags. Etwas umständlich ist die Erklärung des gleichzeitigen Vorkommens nicht homonymer Konnektoren, denn das Argument, L2-Konnektoren leisten mehr als ihre L1-Pendants, scheint nicht immer plausibel zu sein. Im analysierten Korpus wurden folgende Konnektoren belegt: Konnektor vagy hanem hogy Belegzahl 12 9 5 Diese scheinen zudem weit verbreitet zu sein, da sie auch in anderen nicht immer benachbarten deutschen Dialekten belegt werden konnten. Vagy: Mirk __________ 24 Vgl. z.B. Clyne (1967: 37-39) mit deutsch-englischem, Kovács (2001: 182ff.) mit finnisch-englischem und englisch-ungarischem, Du-nour (2000: 462) mit deutsch-hebräischem, Pelka (2006: 148) mit deutsch-polnischem und Blankenhorn (2003: 95) mit deutsch-russischem Material. <?page no="99"?> Explizite Sprachmischung 93 (1997: 208), Földes (2005: 177), UDSA (2008: 28); hanem: Wild (2003: 156, 161), Knecht (2001: 97), Kappel/ Németh (2002: 92f.), Földes (2005: 177); hogy: Mirk (1997: 206), Földes (2005: 176). Bei hanem merken Mirk (ebd.) und Földes (ebd.) an, dass es neben seinem deutschen Gegenstück sondern/ sandr existiert, das es jedoch viel seltener vorkommt. Kappel/ Németh (ebd.) merken hierzu an, dass das Vorkommen der zwei Alternativen individuell stark variieren kann. Es gibt jedoch abweichend davon auch Fälle, in denen der Ortsdialekt (wie beispielsweise der rheinfränkisch geprägte von Városlőd) grundsätzlich über keine dt. dialektale Variante für das ung. hanem verfügt, sodass die im Ungarischen konjunktional markierten Gegensätze zwischen Teilsätzen im deutschen Dialekt durch die Wortstellung ausdrückt werden (vgl. Anhang, 7.1.2, Satz 14). Dies begründet in solchen Fällen das gehäufte Vorkommen des ungarischen Konnektors hanem. (1) Vagy ‚oder‘ Ein geringer Teil der vagy-Belege kommt zunächst nicht punktuell, sondern als Teil sonstiger EL-Inseln vor. In den nachstehenden Beispielen leitet vagy unmittelbar einen Übergang ins Ungarische oder weitere Transfers ein: (78) aber noch äh * szájhagyomány ↓ [mündliche Überlieferung] wie sacht man denn tes af daitsch ↓ ** sprach * überlassung vagy valamit ilyet ↑ [oder so etwas] (1929/ m/ Mór, Beleg 20) oder: (79) unt a kraut wird gekucht * vagy a pörkölt [oder Fleischgericht aus kleinen Fleischwürfeln gebraten in Paprikaschmalz] na * tes is a mittagmai ↓ (1932/ w/ Magyarpolány, Beleg 27) Diese zwei Beispiele illustrieren zugleich zwei Typen der vagy-Verwendung, in Beleg (78) leitet vagy eine Einschätzung des Sprechenden, unmittelbar einem Metakommentar folgend, ein, während es in Beleg (79) eine Selbstkorrektur (mit ‚exklusiver‘ Lesart) signalisiert. Beim Rest der Belege erscheint vagy isoliert in sowohl ‚exklusiver‘ als auch ‚inklusiver‘ Lesart, zu letzterer vgl. z.B. (80) un wann kumme sen ti ** puwe ↑ * spritze * vagy [oder] oschter*feiertach wunsche ↑ ta hawe wir erst kewe en rodei un ** so war des konge ↓ (1929/ w/ Tótvázsony, Beleg 44) Hier und auch in vergleichbaren Fällen im Belegkorpus trennt vagy Alternativen, während es im folgenden Beleg bei einer ungefähren Angabe (hier bei der eines zeitlich weit zurückliegenden Zeitpunktes) auftritt: <?page no="100"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 94 (81) E: und d=äh die verwandten in deutschland die äh die sind äh dort geboren I: ja ja ja in/ hú wann *2* ich/ wann vierunvierzig vagy [oder] sechsunvierzig wie=se aus sein * ganga * no äh * uns is a/ fort * geliefert ↓ (1935/ w/ Györköny, Beleg 161) (2) Hanem ‚sondern‘ Der zweite koordinierende Konnektor ist ung. hanem, der im analysierten Korpus belegt wurde. Er hat die Grundfunktion, eine Unverträglichkeit der durch hanem verbundenen Äußerungsteile zu markieren. In sämtlichen Fällen ist eine negationsinduzierte Korrektur-Funktion von hanem zu erkennen, vgl. (82) ka handwerik hanem [sondern] die des des számítástechnikát [Informatik] (1933/ w/ Bánd, Beleg 5) oder: (83) de hat hundet ** un zweihundet ungarische * liede hat=e was die alde liede san ↑ net wie jetzt liede ↑ hanem [sondern] die alde ↓ (1928/ w/ Ajka, Beleg 23) Die Rekurrenz auf die Negation (s. den Negator ka ‚kein‘ in Beleg 82 bzw. net ‚nicht‘ in Beleg 83) zeigt, dass es hier um die Gegenüberstellung von zwei Sachverhalten geht. Auch die restlichen Fälle im Belegkorpus beschränken sich auf diese Korrekturfunktion. (3) Hogy ‚dass, wie‘ Schließlich ließ sich bei Subordination das ung. hogy belegen. Offenbar gilt er auch als derjenige Konnektor, der die größte Vorkommensvielfalt zeigt, vgl. folgende Belege: Äquivalent einem nicht adjazenten so ... dass: (84) die deutschi warn so veheiet * hogy [dass] der mann * owe die fra ungar ist ↓ net ↑ (1930/ w/ Bánd, Beleg 1) In Begleitung von Diskursmarkern: (85) in ** unse deitschi sproch * hát hogy * [nun dass] ühm * wi/ wide ** immer wide ein ungarische wort kommt aa nei * (1928/ m/ Szigetújfalu, Beleg 65) <?page no="101"?> Explizite Sprachmischung 95 In Subjektsätzen: (86) unt des ** hoit mir einigemaßen dass i mi vü beweg ↑ * hogy [dass] bin einigemaßen jung=un hoffentlich * werd des en paar joahr weitegein ↓ (Ders., Beleg 68) In Objektsätzen (nach verba dicendi): (87) wal * am montag traut er sich wide nit gehe wal=s sach hogy [dass] is großes ellenőrzés [(Finanz)Kontrolle] in táppénz ↓ [Krankengeld] (1927/ w/ Siklós, Beleg 93) In Objektsätzen (Interrogativsatz, hier formal gesehen Satzverschränkung + Drehsatz): (88) ich waaß/ ingrid ↑ hogy [wie] wie das=se haßt ich waaß es net (1935/ w/ Györköny, Beleg 171) In einem Fragesatz kommt hogy schließlich auch als Entsprechung für ein satzeinleitendes W-Interrogativum vor, vgl. (89) ich muss ken ** mesterember [Meister] hole hogy [wie] is des mesterember ↓ werksmann ↓ (1935/ w/ Veszprém, Beleg 131) In einem nächsten Schritt sollen innerhalb von Einwort-Einheiten einige Belege für die hybride Wortbildung und Flexion, dann für sonstige Einzellexem-Insertionen vorgestellt und kurz kommentiert werden. 3.3.3 Hybride Wortbildung Die hybride Wortbildung ist den Sprachkontaktforschern bereits von den Anfängen kontaktlinguistischer Forschung an bekannt und wurde in unterschiedlichen Sprachkontaktsituationen vielfach beobachtet (vgl. z.B. Weinreich 1953/ 1977: 74f., Clyne 1967: 34f., Naiditsch 1994: 40, Betten/ Mauser 2002: 191f., Backus 2003: 104ff.). In der Regel sind solche hybriden Formen der Wortbildung seltener anzutreffen als andere Einzellexeminsertionen. Zum Beispiel belegen Betten und Mauser (2002) in ihrem Israel-Korpus eine Vielzahl von hybriden Wortbildungsprodukten mit einem Erst- oder Zweitglied aus dem Iwrit und dem Englischen, von denen manche (wie etwa Jugend-Alija oder Kibbuz-Bewegung) nicht markiert sind und die wegen Nominalisationslücken durch eine deutsche Entsprechung nur schwer ersetzt werden können. Belegt werden konnten aber auch auffälligere, markierte Konstruktionen, bei denen die hybriden Bildungen ihren deutschen Pendants gegenüberstehen (z.B. <?page no="102"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 96 crash-Kurs oder Fahrer-licence). Backus (2003) konnte in seinem niederländisch-türkischen Korpus jedoch nur wenige (N=4) hybride Komposita belegen, wobei alle den türkischen Grammatikregeln folgten und erhielten ein türkisches Possessivsuffix, während voll niederländische Komposita keine türkischen Possessivsuffixe angehängt bekamen. Wie Pelkas (2006: 117ff.) Daten dagegen zeigen, erhalten manche aus dem Polnischen transferierten Konstituenten hybrider Komposita eine grammatische Markierung aus dem Deutschen, andere jedoch nicht. Dies relativiere, so Pelka, Bellmanns (1980: 682) Annahme, der zufolge die Fähigkeit eines Lexems, hybride Komposita zu bilden, ein Ausdruck seines Status als integrierte Einheit sei. Dies gilt jedoch unabhängig davon, ob die einzelnen Konstituenten eines hybriden Wortbildungsprodukts in ihrer Grundform oder grammatisch markiert erscheinen. Ebenso vertritt Erb (2006b: 229) die Meinung, dass [d]ie Usualisierung und die feste Eingliederung der Lehnwörter in die deutschen Dialekte sich auch daran [zeigt], dass diese sowohl mit freien als auch mit gebundenen indigenen Morphemen Verbindungen eingehen. Sie stellt (wie auch Földes 2005: 117) fest, dass hybride Komposita frequent vorkommen (in ihrem Korpus N= 34, vgl. Erb 2002: 152). Belegt wurden hybride Komposita wie z.B. bikastall, csizmamacher, mákkuchen, bei denen das Kompositum semantisch prägende Erstglieder tendenziell das Ungarische liefert, daneben seltener semantisch redundante Zusammensetzungen mit bedeutungsmäßig äquivalenten Konstituenten, vgl. z.B. kocsiwagen oder gatyahose (vgl. Erb 2006b: 229). 25 Im vorliegenden Korpus wurden vergleichbare Erscheinungen spärlicher belegt. Bei genauerer Betrachtung der wenigen Korpusbelege (N=14) für hybride Wortbildung ist zunächst das Übergewicht nominaler Strukturen augenfällig. Einige von den einschlägigen Belegen hat darüber hinaus ein homophones oder quasi-homophones Erst- oder Zweitglied. Eine Quasi-Entsprechung liegt bei folgenden, an den hybriden Komposita beteiligten Lexemen vor wie: ung. táska [ta: SkO] vs. dt. Tasche, ung. protézis [prote: zIS] vs. dt. Prothese: (90) mit der san=wir in de schuj ganga ↓ des war unse schujtáska ↓ olli kinde han sowas khot ↓ (1921/ w/ Ajkarendek, Beleg 14) (91) awa noch bin i operiert wordn mei fußprotézis hob i kriecht ↓ (1921/ w/ Ajkarendek, Beleg 16) __________ 25 Vgl. auch Belege des UDSA: nyírbaum (nach ung. nyírfa ‚Birke‘, S. 138) oder gatyehose ‚(lange) Unterhose‘ (S. 254). <?page no="103"?> Explizite Sprachmischung 97 ung. dial. sunka [SuNkO] vs. dt. Schinken: (92) do san ei kocht warn die eier ** unt * an sunkafleisch 26 * und äh ** äh brotwirscht ↑ unt a krei ↑ (1932/ w/ Magyarpolány, Beleg 30) ung. kölni [kPKni] vs. dt. kölnisch: (93) E: gießen I: tes * gießen ja ↑ gange se kölniwassr gießen ↑ (1938/ w/ Sopron, Beleg 34) ung. csokoládé [t°SokoKa: de: ] vs. dt. Schokolade: (94) mei frau de hot in budapest gearwat * de woar in csokoládéwerk (1928/ m/ Szigetszentmárton, Beleg 62) schließlich ung. ukrán [ukran] vs. dt. ukarainisch: (95) in de nochbarschoft is a bauershaus gewest un is a äh an ukránischi äh *2* frau * hát a frau a mädel ↓ no ** die scho deitsch kene * a ukrán [Ukrainerin] is gewest ↓ (1923/ m/ Eplény, Beleg 116) Besonders interessant ist dieses letzte Beispiel aus folgendem Grund: Während im Ungarischen manche Nomen und Adjektive die gleiche Form haben, braucht der deutsche Dialekt bei der Denominalisierung zur Adjektivbildung Suffixe. Da die ung. Wortform den Adjektivstatus in diesem Beispiel formal nicht markiert, konnte sie als unanalysiert betrachtet werden und erhielt das dt. dial. Suffix -ischi, das diese grammatische Information eindeutig markiert. Die Teilnahme fast-homophoner Lexeme an der Bildung hybrider Formen erklärt sich aus ihrem ambigen/ neutralen Charakter, wobei die ungarischen und deutschen äquivalenten Lexeme phonologisch sehr nahe stehen und lexikalische „Grauzonen“ zwischen dem Ungarischen und Deutschen darstellen (vgl. auch das hybride Kompositum herzinfarktus bei Németh 2003: 142). __________ 26 Vergleichbar ist dieser Beleg mit Clynes (1967: 35) Beispielen für eine, allerdings sporadisch belegte Sonderform hybrider Komposita, die er ‚bilinguale Tautologien‘ nennt. Gemeint sind Formen, deren Erst- und Zweitglieder semantisch sehr nahe stehen oder gar deckungsgleich sind, vgl. z.B. taxicar ‚Taxi‘. Zu semantisch redundanten hybriden Zusammensetzungen in ungarndeutschen Dialekten vgl. auch Erb (2006b: 229) und UDSA: Lutzfichte nach ung. lucfenyő ‚Fichte‘ (S. 222). <?page no="104"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 98 In einigen Belegen liegt eine phonologische (Quasi)Entsprechung offenbar nicht vor. In diesen Fällen bilden die Erst- oder Zweitglieder der Komposita Nomen aus dem Ungarischen, die verschiedenen Sachbereichen angehören, vgl. (96) frie is de tracht is kwest ↑ die csizma * [Stiefel] un csizmahosen ↑ [Stiefelhose] (1932/ w/ Magyarpolány, Beleg 29) (97) I2: des war die kosch/ kost I1: hehnepörkőt [Huhnfleischgericht gebraten in Paprikaschmalz] (1929/ w/ Tótvázsony = I1, 1933/ w/ Tótvázsony = I2; Beleg 47) (98) i moch jetz * daham bei uns jetz do * machs mal en * en arbessterz↓ a * kindr essn es gern↓ owa tes is a borsó*sterz * [Erbsensterz] ja↓ (1938/ w/ Sopron, Beleg 37) (99) E: und was waren sie dort ↓ was haben sie gemacht im kindergarten ↓ I: hát uf die kinder * wachgegewe ↓ * newe de óvodalehrerin [Kindergärtnerin] warn=ich * so beihilf ↓ E: aha ↓ wie haben sie gesagt * óvodalehrerin ↑ I: oh/ äh * hát ne an so ki/ kindergärtnerin| * na kinder|gärtnerin |ja ↓ E: |kin/ aha aha| |uhm * gut ↓ (1926/ w/ Kislőd, Beleg 135) (100) I: i=hab bloß k/ * dreißig kardvirág [Gladiolen] setzt un mir sin hom komma ↓ *3* E: hascht noch kardvirágzwiefel ↑ [Gladiolenzwiebeln] (1927/ w/ Siklós, Beleg 90) Bei den ungarischen Konstituenten der hybriden Komposita in den Belegen (96), (97) und (99) geht es um vermutlich verbreitete, in ungarndeutschen Dialekten häufiger belegte Lexeme: csizma ‚Stiefel‘ (vgl. Hutterer 2000: 34, Erb 2002: 148), pörkölt ‚Fleischgericht aus kleinen Fleischwürfeln gebraten in Paprikaschmalz‘ (vgl. Hutterer ebd., Németh 2003: 142 als schweinespörkölt) und óvoda ‚Kindergarten‘ (vgl. Földes 2005: 207). Der usualisierte Status dieser, so die weiter oben zitierte Annahme von Erb (2006b: 229), befähigt sie, hybride Komposita zu bilden. Die letzten zwei Belege (99)-(100) verlangen zudem nach einer weiteren Erklärung, weil sie auf einige Verwendungsmodalitäten hybrider Komposita schließen lassen. In Beleg (99) verwendet die Informantin (I) das hybride Kompositum óvodalehrerin (ung. óvoda ‚Kindergarten‘ + dt. Lehrerin), indem sie es ohne metapragmatische Markierung in ihrer Rede einsetzt. Dies <?page no="105"?> Explizite Sprachmischung 99 lässt vermuten, dass es sich um eine, zumindest in ihrem Idiolekt usualisierte Verbindung handelt. Der Kontrast zwischen dieser und dem entsprechenden deutschen Wort Kindergärtnerin wird erst dann deutlich, wenn ihr Gesprächspartner (E) nachfragt: wie haben sie gesagt * óvodalehrerin ↑ . Auffällig ist, dass sich I nach dieser Rückfrage sofort korrigiert und das früher verwendete hybride Kompositum durch das Wort Kindergärtnerin ersetzt. Dies lässt sich als ein Zeichen der Normorientiertheit der Dialektsprecherin an ihren standarddeutschkundigen Gesprächspartner zu werten, was nahe legt, dass sie sich im Gespräch mit einem ebenfalls zweisprachigen dialektkundigen Gesprächspartner nicht korrigiert hätte. Bei Beleg (100) bietet sich erneut eine aus der Gesprächssituation folgende Erklärung an. In diesem Fall darf nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass der Partnerbezug die Bildung des hybriden Kompositums kardvirágzwiefel motiviert hat: In diesem Sinne kann es durchaus auch darum gehen, dass die ungarische Konstituente ein diskursives „Recycling“ erfuhr, was auf die Vorerwähnung des Wortes ung. kardvirág zurückgeführt werden kann. Es erscheint unter den Belegen auch ein Diskursmarker als Wortbildungselement, vgl. (101) izéstrudel [Dings-Strudel] war ↑ mákos ↑ diós ↑ [mit Mohn, mit Nuß] (1931/ w/ Lánycsók, Beleg 97) Dieses kann, abgesehen davon, dass zwischen den Wortbildungskomponenten keine Pause auftritt, als Hesitationsphänomen gewertet werden, wobei das Wortsuchproblem durch den Einsatz dieses Hesitationsmarkers überbrückt wird. Über die weiter oben aufgeführten Typen hinaus konnte ein hybrides Kompositum mit dem Erstglied dehogy als Negationswort im Ungarischen in der Zusammensetzung dehogy(is)nem etwa mit der Bedeutung ‚doch, natürlich‘ als Erwiderung (eine bejahende Antwort auf eine Frage) belegt werden, vgl. (102) I2: mitternacht ** um mitternacht ja=ja| I1: |mitternacht ↑ I2: mitternacht sint die burscht/ de dehogyisnet * [ach nein] da hawa sie nocht ksunge draus vom fenstr (1933/ w/ Tótvázsony, Beleg 48) Der isolierte Auftritt von ung. dehogy (vgl. Knecht 2001: 98) bzw. dehogyitt < ung. dehogy + dt.dial. itt ‚nicht‘ (vgl. Földes 2005: 174) ist auch anderen deutschen Dialekten, die mit dem Ungarischen in Kontakt stehen, nicht fremd. Insbesondere die letztere Form ist im Stande, als Negationsverstärkung zu fun- <?page no="106"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 100 gieren, wobei sie ein deutliches pragmatisches Plus durch ihre Bedeutung ‚warum denn nicht‘ erzielt. Es müssen schließlich auch formal gesehen vergleichbare Beispiele für hybride verbale Wortbildung an dieser Stelle Erwähnung finden, bestehend aus einem deutschen dialektalen Präfix und einem ungarischen Stamm, vgl. Beleg (103): (103) de san fuort/ de san fuortmenekült ↓ [davongelaufen] (…) die tuchter un die * de zeug alles un * die kranke warn aa fuort ↓ (1923/ m/ Eplény, Beleg 119) Inwieweit die aktuelle Verbindung mit dem dt.dial. Verbalpräfix fuort- ‚fort‘ und einem Verbalstamm aus dem Ungarischen usualisiert ist, lässt sich ohne ergänzende Analysen mühsam nachweisen. Das Anakoluth und der Neuanfang als Zeichen der Selbstkorrektur zu Beginn dieses Belegs deuten zumindest auf die Bewältigung eines Wortsuchprozesses durch die Bildung eines hybriden Kompositums hin. Obwohl im Korpus, wie am Anfang dieses Unterkapitels festgestellt, eine geringe, somit nicht repräsentative Anzahl von Belegen zur Analyse vorliegt, entspricht ihr Aufbau tendenziell den bereits zitierten Prognosen von Erb (2006b: 229): Ein Blick auf die Reihenfolge der Konstituenten zeigt, dass in zehn von den vierzehn Fällen der Lieferant des bedeutungsspezifizierenden Erstgliedes das Ungarische ist, in den restlichen Fällen erfolgt dies umgekehrt: vgl. schujtáska, fußprotézis, hehnepörkőt, fuortmenekült. Es ist schließlich nicht zu übersehen, dass die eingangs aufgeführten sechs Beispiele für hybride Wortbildung, bei denen entweder das Erstglied (Belege 92-95) oder das Zweitglied (Belege 90-91) (quasi)homophone Lexeme bilden. In diesen Fällen ist es schwierig zu entscheiden, welche Rolle die (Quasi)Homophonie bei der Bildung dieser Wortformen gespielt hat. Nur umfangreiche Korpusanalysen können die Frage befriedigend beantworten, wie produktiv sich (quasi)homophone Lexeme bei der Wortbildung erweisen und wie massiv sie entsprechende Dialektwörter verdrängen. 3.3.4 Hybride Flexion In der Fachliteratur sind auch Beispiele für hybride Flexion bekannt, wobei entweder L1-Flexive an L2-Wortstämmen (s. auch Kap. 3.3.5) oder umgekehrt L2-Flexive an L1-Wortstämmen erscheinen. (für Belege vgl. z.B. Clyne 2003: 142ff. und Riehl 2004: 79ff.). So auch im deutsch-ungarischen Sprachkontakt (vgl. Földes 2005: 152): <?page no="107"?> Explizite Sprachmischung 101 (104) Kai ‘s nuu a mischthaufara ‚Wirf es nur auf den Misthaufen! ‘ Hier wird an das Wort mischthaufa ‚Misthaufen‘ das ung. Sublativsuffix -ra angehängt, wobei das Wort, wie Földes vermutet, als Lexikoneinheit (des Ungarischen? ) behandelt und daher grammatisch integriert wird. Vergleichbare Fälle wurden im aktuellen Korpus jedoch spärlich belegt. Nur in einem Fall tritt eine solche hybride Flexion auf, Hand in Hand mit doppelter Markierung grammatischer Funktionen: (105) de is zu de nonnenekhez ganga ↓ ‚Der ist zu den Nonnen gegangen.‘ (Hörbeleg, Városlőd). Hier wird die Richtungsangabe einmal mit einer dativischen zu-PP, zugleich aber flexivisch durch das ung. Suffix -hez realisiert. Gemeinsam ist an solchen Belegen die grammatische Redundanz, deshalb wäre eine Erklärung aus funktionaler Perspektive sicherlich sehr mühsam. Eine mögliche Erklärung für solche Fälle könnte die Überlegung liefern, dass der Konflikt zwischen der deutschen analytischen Struktur (PP + Nomen) und der ungarischen synthetischen (Nomen + Flexiv) auf diese Weise neutralisiert wird. 3.3.5 Sonstige Lexeminsertionen Ein weiterer Gemeinplatz der Sprachkontaktforschung ist, dass in bilingualer Rede grammatisch nicht integrierte Einzellexeme mit großem Anteil vertreten sind. Dies ist auch in unserem Fall nicht anders, im analysierten Korpus sind zahlreiche Lexeminsertionen aus dem Ungarischen in den deutschen Dialekt anzutreffen (N= 125, Tokens). 27 Kennzeichend ist die Wortschatzzugehörigkeit dieser Lexeme, wobei die meisten spezifischen Sachbreichen zugeordnet werden können (wie beispielsweise Kleidung, Esskultur oder Landwirtschaft), aus denen ungarndeutsche Dialekte gern schöpften (vgl. Erb 2006b: 218-220) und auch heute noch schöpfen. Die nachstehende Übersicht listet die belegten Wörter in alphabetischer Reihenfolge auf: __________ 27 Nicht aufgeführt werden hier aus praktischen Gründen Personennamen und Namen von Institutionen aus dem Ungarischen. Sie alle werden aber im Belegkorpus als Sprachkontakterscheinungen markiert (s. Anhang). <?page no="108"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 102 ung. Lemma dt. Äquivalent Informant Beleg-Nr. agyvérzés ‚Gehirnblutung‘ 1931/ w/ Lánycsók **99 anci ‚Mutti‘ 1927/ w/ Siklós 87, 88 autósztráda ‚Autobahn‘ 1926/ w/ Kimle 122 bácsi ‚Onkel‘ 1927/ w/ Siklós 83 becsináltleves ‚Einmachsuppe‘ 1923/ m/ Pusztavám 146 biológia ‚Biologie‘ 1935/ w/ Veszprém 129 borverseny ‚Weinwettbewerb‘ 1928/ m/ Szigetújfalu 67 búcsú ‚Kirmes, Kirchweih‘ 1926/ w/ Kislőd 138 büszke ‚stolz‘ 1932/ w/ Lókút 57 cirkuszol ‚einen Zirkus machen‘ 1931/ w/ Lánycsók 101 csikó ‚Fohlen‘ 1938/ w/ Sopron 35 csizma ‚Stiefel‘ 1932/ w/ Magyarpolány 29 csokoládé ‚Schokolade‘ 1921/ w/ Ajkarendek 12 deci ‚Deziliter‘ 1923/ m/ Eplény 112 diós ‚etw. mit Nuß‘ 1931/ w/ Lánycsók 97 diploma ‚Diplom‘ 1933/ w/ Bánd 3 egyetem ‚Universität‘ 1932/ w/ Magyarpolány ***107 ellenőrzés ‚Kontrolle‘ 1927/ w/ Siklós 93 emlék ‚Erinnerung‘ 1938/ w/ Sopron 42 Erdély ‚Siebenbürgen‘ 1935/ w/ Veszprém 128 érettségi ‚Abitur‘ 1926/ w/ Kislőd 140 erőltettem ‚habe forciert‘ 1929/ m/ Mór 21 falunap ‚Dorftag‘ 1932/ w/ Lókút 59 felvidék ‚Oberland‘ 1935/ w/ Veszprém 128 fodrász ‚Friseur‘ 1927/ w/ Siklós 94 főnök ‚Chef‘ 1935/ w/ Veszprém 128 fürdő ‚Badezimmer‘ 1932/ w/ Lókút 53 generáció ‚Generation‘ 1929/ w/ Bánd 7 1935/ w/ Györköny 173 gimi ‚Gymnasium‘ 1935/ w/ Györköny 170 gombaleves ‚Pilzsuppe‘ 1931/ w/ Lánycsók 102 gróf ‚Graf‘ 1928/ w/ Sérsekszöllős 71 hetvenhét ‚siebenundsiebzig‘ 1935/ w/ Györköny 162 hiába ‚umsonst‘ 1927/ w/ Siklós 84 hú Interjektion 1935/ w/ Györköny 161 hűtőláda ‚Gefrierschrank‘ 1931/ w/ Lánycsók 104 hűtőszekrény ‚Kühlschrank‘ 1938/ w/ Sopron 39 <?page no="109"?> Explizite Sprachmischung 103 ung. Lemma dt. Äquivalent Informant Beleg-Nr. informatika ‚Informatik‘ 1924/ w/ Városlőd 152 járólapozni ‚Bodenfliesen legen‘ 1926/ w/ Kislőd 142 kalács ‚Zopf‘ 1933/ w/ Tótvázsony 47 kamraféle ‚eine Art Schuppen‘ 1924/ w/ Városlőd 157 kardvirág ‚Gladiole‘ 1927/ w/ Siklós 90 kárpótlás ‚Entschädigung‘ 1928/ w/ Sérsekszöllős 72 kertesház ‚Einfamilienhaus‘ 1928/ m/ Szigetújfalu 67 kész ‚fertig‘ 1931/ w/ Lánycsók 105 kiló ‚Kilogramm‘ 1928/ w/ Sérsekszöllős **71 kiváló ‚ausgezeichnet‘ 1927/ w/ Siklós 82 kocsma ‚Kneipe‘ 1938/ w/ Sopron 41 kolács ‚Zopf‘ 1932/ w/ Magyarpolány 108 korbács ‚Peitsche‘ 1932/ w/ Lókút 56 közbe[n] ‚inzwischen‘ 1924/ w/ Városlőd 155 krumplistészta ‚Mehlspeise aus Kartoffeln‘ 1927/ w/ Siklós 92 lány ‚Mädchen‘ 1923/ m/ Eplény 118 lekvár ‚Marmelade‘ 1938/ w/ Sopron 38 1928/ m/ Szigetújfalu **65 1931/ w/ Lánycsók 95 1935/ w/ Györköny 174 lengyel ‚Pole‘ 1930/ w/ Kimle 126 locsolás ‚Gießen‘ 1926/ w/ Kislőd 139 locsolni ‚gießen‘ 1938/ w/ Sopron 34 1932/ w/ Lókút 56 lotaringia ‚Lothringen‘ 1935/ w/ Veszprém 128 magyarok ‚(die) Ungarn‘ 1938/ w/ Sopron 36 mákos ‚etw. mit Mohn‘ 1931/ w/ Lánycsók 97 megszólni ‚jdn. schlecht machen‘ 1935/ w/ Veszprém 132 mesterember ‚Meister‘ 1935/ w/ Veszprém **131 néni ‚Tante‘ 1927/ w/ Siklós 86 1931/ w/ Lánycsók 101 nénje ‚Tante‘ 1928/ w/ Sérsekszöllős 78 népitáncos ‚Volkstänzer‘ 1935/ w/ Györköny 165 nyócvanegybe[n] ‚(im Jahr) einundachtzig‘ 1935/ w/ Veszprém 133 nyugdíj ‚Rente, Pension‘ 1932/ w/ Lókút 55 1935/ w/ Györköny 170 1920/ w/ Városlőd 180 <?page no="110"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 104 ung. Lemma dt. Äquivalent Informant Beleg-Nr. önkormányzat ‚Selbstverwaltung‘ 1933/ w/ Bánd 4 ötvenhatba[n] ‚(im Jahr) sechsundfünfzig‘ 1935/ w/ Györköny 168 pénztáros ‚Kassierer‘ 1929/ m/ Mór 22 piskóta ‚Biskuit‘ 1928/ w/ Sérsekszöllős 69 probléma ‚Problem‘ 1935/ w/ Veszprém **132 rádió ‚Radio(apparat)‘ 1929/ w/ Bánd 10 semmi ‚nichts‘ 1931/ w/ Lánycsók 98 sunka ‚Schinken‘ 1937/ w/ Vértessomló 26 svábbál ‚schwäbischer Ball‘ 1935/ w/ Györköny 165 svábok ‚Schwabe‘ 1938/ w/ Sopron 40 svábul ‚schwäbisch‘ 1921/ w/ Ajkarendek 11 szájhagyomány ‚mündl. Überlieferung‘ 1929/ m/ Mór 20 szállás ‚Unterkunft‘ 1927/ w/ Siklós 85 számítástechnika ‚Informatik‘ 1933/ w/ Bánd 5 szembeforgalom ‚Gegenverkehr‘ 1926/ w/ Kimle 122 szóval ‚also‘ 1931/ w/ Lánycsók 100 születésnap ‚Geburtstag‘ 1921/ w/ Ajkarendek 17 szülőfalu ‚Heimatdorf‘ 1935/ w/ Veszprém 128 tanyáz ‚hausen‘ 1923/ m/ Eplény 115 tájszólás ‚Dialekt‘ 1930/ w/ Kimle 123 táppénz ‚Krankengeld‘ 1927/ w/ Siklós 93 telepes ‚Ansiedler SG .‘ 1926/ w/ Kislőd 141 telepesek ‚Ansiedler PL .‘ 1935/ w/ Györköny 163 telepítés ‚Ansiedlung‘ 1935/ w/ Györköny 172 telepítették ‚angesiedelt‘ 1935/ w/ Veszprém 128 televízió ‚Fernseher‘ 1929/ w/ Bánd 10 tévé ‚Fernseher‘ 1929/ w/ Tótvázsony 50 1931/ w/ Lánycsók 105 1926/ w/ Kislőd 134 1917/ w/ Városlőd **176 tolmács ‚Dolmetscher‘ 1928/ w/ Sérsekszöllős 76 törek ‚Rüttstroh‘ 1932/ w/ Lókút 52 tsz ‚LPG‘ 1932/ w/ Lókút 54 1932/ w/ Lókút 55 1935/ w/ Györköny 170 ugye ‚nicht (wahr)‘ 1928/ w/ Sérsekszöllős 70 1926/ w/ Kislőd 140 <?page no="111"?> Explizite Sprachmischung 105 ung. Lemma dt. Äquivalent Informant Beleg-Nr. ukrán ‚Ukrainer(in)‘ 1923/ m/ Eplény 116 unoka ‚Enkel(kind)‘ 1921/ w/ Ajkarendek 13 1931/ w/ Lánycsók 106 üzemvezető ‚Betriebsleiter‘ 1928/ m/ Szigetszentmárton 60 vasút ‚Bahn‘ 1935/ w/ Györköny 166 ** 2-mal in einem Beleg *** 3-mal in einem Beleg Will man die weiter oben aufgelisteten Belege etwas eingehender betrachten, bieten sich einige Fragen unter formalen Gesichtspunkten sofort an, (1) nach dem Anteil (quasi)homophoner Lexeme, (2) nach Merkmalen der grammatischen Integration dieser Lexeme, (3) nach den Markern bestimmter grammatischer Funktionen, sowie (4) unter dem Verwendungsaspekt die Frage nach dem Habitualisierungsgrad dieser Lexeme. Zu (1): In vielen bilingualen Sprachgemeinschaften wurde beobachtet, dass einen Teil der Einwort-Insertionen (quasi)homophone Wörter ausmachen, die in den betreffenden Sprachvarietäten eine ähnliche oder die gleiche Lautform haben. Die Proportionen solcher (quasi)homophoner Wörter können natürlich je nach typologischer und genetischer Nähe der Sprach(varietät)en unterschiedlich groß sein, etwas höher sind sie einzuschätzen bei Sprachen, die über einen größeren, in diesem Zusammenhang überlappenden Wortbestand verfügen. Etwa in deutsch-englischen Zweisprachigkeitssituationen bietet sich bei (Quasi)Homophonie im Durchschnitt ein größeres gemeinsames Inventar neutraler bzw. ambiger lexikalischer Einheiten an als bei nicht verwandten Sprachpaaren (vgl. z.B. Lattey/ Tracy 2005: 354). Clyne (2003: 164) nennt solche lexikalischen Einheiten ‚bilingual homophones‘, was er z.B. durch das Wortpaar engl. come [køm] und dt. kam [kÓa: m] illustriert, vgl. folgendes Beispiel (Herv. im Original): (106)Keine Apfelsinen. Wir haben se gehabt but oh großes Feuer come through and killed all the trees Beim deutsch-ungarischen Sprachkontakt geht es dagegen um keine genetische Nähe der teilnehmenden Varietäten, so haben sie aus den oben erwähnten Gründen ein kleineres gemeinsames Inventar von (quasi)homophonen Lexemen. Folgende Tabelle zeigt, dass gut ein Fünftel aller Einzellexeme im Korpus (Tokens) (quasi)homophon sind: <?page no="112"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 106 Verteilung nicht homophoner und (quasi)homophoner Einzellexeme nicht homophon (quasi)homophon 99 (79,2%) 26 (20,8%) Nach obiger Zweiteilung stehen folgende Lexeme für eine (Quasi)Homophonie, die eine auffällige Ähnlichkeit in ihrer Lautform mit den (standard)deutschen Äquivalenten haben (hier nur die Types aufgelistet): biológia, csokoládé, deci, diploma, generáció, gimi, gróf, informatika, kiló, kongresszusi, lotaringia, mester(ember), palota, piskóta, probléma, sunka, svábbál, sváb, televízió, tévé, tolmács, ukrán. Zu (2): Im analysierten Korpus haben Belege für explizite grammatische Integration einen deutlich geringeren Anteil als andere Typen. Sie scheint sich zudem in diesem Korpus auf eine geringe Zahl von Sprechern (N= 2) zu beschränken, vgl. folgende Korpusbeispiele: (107) heit hat die khadi néni * die szabó wiedr gcirkuszolt ↓ [einen Zirkus gemacht] (1931/ w/ Lánycsók, Beleg 101) (108)ham=a sa=ma duort ha=ma duort äh (…) ha=ma dort gtanyázt ↓ [gehaust] (1923/ m/ Eplény, Beleg 115) Solche Formen werden in der Regel als grammatisch integrierte Formen betrachtet, wobei für die grammatische Integration von L2-Lexemen die Suffigierung durch L1-Flexive spreche. In den obigen zwei Belegen geht es um eine Partizipform der ung. Verben cirkuszol (Beleg 107) und tanyáz (Beleg 108), beide von den deutschen Flexiven g(e)- und -t umgeben: g-cirkuszol-t und gtanyáz-t. Bei Beleg (107) bietet sich jedoch eine Doppelinterpretation an, denn das Suffix -t kann sowohl als deutsches Partizipsuffix als auch als ungarischer Tempusmarker aufgefasst werden. Parallelbeispiele für eine ähnliche Partizipbildung ließen sich sowohl in Dialekten aus der „Schwäbischen Türkei“ im südlichen Transdanubien beobachten (vgl. Kappel/ Németh 2002: 96f.) als auch im Hajóser ungarndeutschen Dialekt (vgl. Földes 2005: 131f.): (109) Sie haaud ällawail gstritta mitanand and jetz seand sie elválned ‚Sie haben miteinander immer gestritten und jetzt sind sie geschieden.‘ (110) Geschtr hat sie gvizsgázned ‚Gestern hat sie die Prüfung abgelegt.‘ (111) Wia schiia haaud’r meeini Biim gmetszened ‚Wie schön habt ihr (= haben Sie) meine Bäume ge- (ver-)schnitten! ‘ <?page no="113"?> Explizite Sprachmischung 107 Hier erfolgt die Kennzeichnung des Partizip Perfekts durch das Präfix g- (Belege 110-111) bzw. durch das dt. dialektale Suffix -d. Den Verbstamm bildet in allen drei Fällen die Infinitivform aus dem Ungarischen. Diese Erscheinung mit der Suffixvariante -t ist auch aus dem Sathmarschwäbischen bekannt: fertőznet ‚infiziert‘, gyarapítanot ‚vermehrt‘, magyarosítanot ‚magyarisiert‘ (vgl. Knecht 2001: 100-102). Ein flüchtiger Blick auf die Grundlexeme dieser Flexionsformen genügt, um festzustellen, dass alle aus einer Wortschatzschicht kommen, die eher im Ungarischen aktiv ist, vergleichbare Dialektwörter oder der Zugriff der Sprechenden auf diese fehlen. Es könnte jedoch nur anhand eines größeren Korpus geklärt werden, ob auf diese Weise jene Lexeminsertionen markiert werden, die einen ad-hoc-Charakter haben, wobei die Integration gerade ein Zeichen für den ad-hoc-Charakter ist und keines für die Etablierung. Klärende Korpusuntersuchungen zu dieser Frage stehen noch aus. Eine andere Erklärung für ein gehäuftes Auftreten integrierter Verben liefert Romaine (1995: 144), indem sie anmerkt, dass der Bedarf an Markierung von Tempus, Aspekt etc. die morphologische Integration von Verben begründen kann. Zu (3): Wie bereits angemerkt, zeigen viele Analysen bilingualer Daten, dass der Großteil der transferierten Lexeme grammatisch nicht markiert wird, d.h. sie werden in ihrer Grundform eingefügt. Darüber, ob eine Markierung z.B. von Numerus oder Kasus überhaupt nötig oder möglich ist, entscheidet die (In)- Kompatibilität grammatischer Vorgaben der kontaktierenden Sprach(varietät)en. Im Falle des Deutschen und des Ungarischen besteht keine vollständige Kompatibilität der grammatischen Systeme. Vergleicht man die Flexion des Nomens in beiden Sprachen, fällt Folgendes auf: Z.B. der Akkusativ wird im Deutschen pronominal markiert, im Ungarischen dagegen durch das Suffix -t. Der Genitiv hat im Deutschen sowohl pronominale als auch flexivische Kasusmarker, das Ungarische nur flexivische. Auf der anderen Seite gibt es auch Übereinstimmungen, man denke z.B. an Nomen im Nominativ, die in diesem Fall wie auch bei vielen anderen Sprachpaaren nicht markiert sind, nur die Pronomen und Artikel, wenn sie mit Nomen auftreten, haben im Deutschen jeweils nominativische Formen. Näher betrachtet wird hier zunächst nur die Kasus- und Numerusmarkierung transferierter Nomen außer dem Nominativ, wobei im Prinzip folgende Fälle zu unterscheiden sind: Kasus und Numerus werden entweder von der ML (deutscher Dialekt) oder von der EL (Ungarisch) markiert, aber es ist auch möglich, dass der Kasus und Numerus von beiden oder von keinen der beiden markiert werden. Von insgesamt 125 transferierten ung. Lexemen (Tokens) sind zunächst 105 wichtig, die hinsichtlich der Kasus- und Numerusmarkierung in Frage kommen. Von den 105 stehen 57 Formen im Nominativ, sie bleiben hier also ausgeklammert. Die restlichen 48 Fäl- <?page no="114"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 108 le, die hier zunächst auf die Kasusmarkierung hin analysiert werden, gehören zu folgenden vier Markierungstypen: ML-Markierung EL-Markierung ML+EL- Markierung keine Markierung 32 2 5 8 Laut Myers-Scottons Prognosen (vgl. Kap. 2.1.1) wird erwartet, dass in den meisten Fällen die Matrixsprache der Lieferant grammatischer Marker ist. Wie zu sehen, tritt eine Vielzahl dieser Nomen tatsächlich nur mit Kasusmarkern aus der Matrixsprache dt. Dialekt auf oder ist in wenigen Fällen nicht markiert, noch seltener doppelt markiert, schließlich liefert die Kasusmarker lediglich in zwei Fällen ausschließlich die eingebettete Sprache. Im Weiteren werden für all diese Typen einige Beispiele genannt. Den weitaus häufigsten Fall verkörpert die Kasusmarkierung nur durch die ML, am häufigsten den Akkusativ wie im folgenden Beleg: (112) not hom=a missen den törek [Rüttstroh] auseputzn ↓ (1932/ w/ Lókút, Beleg 52) Hier markiert den Akkusativ nur der Artikel den, während das Suffix -t am ungarischen Nomen fehlt. Auch wird, wenngleich etwas seltener, der Dativ nur in der Matrixsprache expliziert, wie z.B. (113) st/ strudel hat man da sonntags auch kmacht aber * die feine backerei * pis/ so mit piskóta [Biskuit] (1928/ w/ Sérsekszöllős, Beleg 69) Wäre hier der (dt.) Dativ auch am ungarischen Nomen markiert, müsste das Flexiv -val ans Nomen piskóta ( → piskótával) angehängt werden, was hier offensichtlich nicht der Fall ist. In manchen Fällen werden die Nomen weder mit MLnoch mit EL-Zeichen markiert, was wie gesagt viel seltener vorkommt als die Markierung nur durch die Matrixsprache. Ein Teil dieser Fälle rührt daher, dass das Nomen im deutschen Satz in spezifischen Zusammenhängen ohnehin auch ohne Determinanten stehen kann, der den Akkusativ ausdrücken könnte, sodass der einzige Kasusträger das Verb ist (vgl. folgende Belege im Anhang: 26, 38, 65, 90, 92 und 166). Der einzige Fall, in dem sowohl ein dt. als auch ein ung. Kasusmarker fehlt, ist im folgenden Beleg gegeben: (114) awe so sie hat agyvérzés ↓ [Gehirnblutung] seit awe agyvérzés hat dann bleibt da etwas zurick ↓ (1931/ w/ Lánycsók, Beleg 99) <?page no="115"?> Explizite Sprachmischung 109 Im obigen Beispiel fehlt die Akkusativmarkierung durch den dt. unbestimmten Artikel wie auch durch das ung. Akkusativsuffix -t. Dies ist vergleichbar mit den ‚bar forms‘ (in Myers-Scottons Sinne), die den grammatischen Konflikt zwischen der ML- und der EL-Grammatik neutralisieren, was dazu führt, dass z.B. der Kasus weder in der Matrixnoch in der eingebetteten Sprache markiert wird, sodass Strukturen entstehen, die in keiner der Sprachen grammatisch sind (vgl. dazu auch Kovács 2001: 194f. in finnisch-englischer Relation). Auch Auer (2006: 13ff.) bringt Beispiele u.a. für dieses Phänomen, die darauf schließen lassen, dass keine der Kontaktsprachen mit den jeweiligen monolingualen Referenzsprachen identisch ist, obwohl man paradoxerweise versucht, Kontaktsprachen mit Begriffen letzterer zu beschreiben. Noch seltener stößt man auf doppelt markierte Fälle. Diese sind grammatisch gesehen wohl redundant, da dieselbe grammatische Funktion zweimal, jeweils mit ML- und EL-Mitteln expliziert wird. Solche Fälle demonstrieren erneut, dass die Matrixsprache und die eingebettete Sprache auch gleich „stark“ sein können, was zu diesen Redundanzen führt. Wie die wenigen einschlägigen Belege zeigen, können grammatische Funktionen pränominal im Deutschen und flexivisch im Ungarischen gleichzeitig markiert werden, vgl. (115) ich war sehr gern ** dort gewohnt * in bánd ↑ * das ist mein * szülőfalum ↓ (1935/ w/ Veszprém, Beleg 128) Hier ist das Possessiv einmal durch einen deutschen Possessivartikel (mein), einmal durch ein ungarisches Possessivsuffix (-m) am ungarischen Wortstamm markiert. Dasselbe ist der Fall in Beleg (116), in dem die Zeitangabe sowohl präpositional (dt. in) als auch flexivisch (ung. -be) realisiert wird: (116) hát des * des is geschehen in nyócvanegybe ↓ [(im Jahre) 1981] in einunachzigen jahr hat sie das angefangt ↓ (1935/ w/ Veszprém, Beleg 133) Vergleichbar ist auch folgender Beleg, in dem genau dieselbe Art Doppelmarkierung vorkommt: (117) E: wann war das ↑ I: hh in äh ötvenhatba ↓ [sechsundfünfzig] E: sechsundfünfzig I: in sechsunfufzich ↓ (1935/ w/ Györköny, Beleg 168) Hier wird die Zeitangabe ebenfalls sowohl präpositional (dt. in) als auch flexivisch (ung. -ba) ausgedrückt. Im ambigen Beleg (118) - von derselben Spre- <?page no="116"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 110 cherin wie oben -, in dem eine Zeitangabe sowohl auf Deutsch (siebenunsiebziche) als auch auf Ungarisch (hetvenhét) formuliert wird, wird der Kasus jedoch nur von der dt. Präposition in getragen, wobei fraglich ist, ob sich deren Geltung auch auf das ung. Lexem erstreckt: (118) un äh *2* un mei vatr da=is in *3* siebenunsiebziche ** hetvenhét *4* starwe ↓ (1935/ w/ Györköny, Beleg 162) Recht selten scheint im vorliegenden Korpus die Kasusmarkierung nur mit einem EL-Flexiv zu sein, die sich nur auf zwei Belege beschränkt, vgl. (119) I2: was kochst ↓ I1: semmit koch ich ↓ [nichts koche ich] (1931/ w/ Lánycsók, Beleg 98) (120) mir redn so in kimling ↓ * tájszólással [in Dialekt] (1930/ w/ Kimle (I2), Beleg 123) Im ersten Beispiel wird der Akkusativ, den das Verb kochen regiert, am ung. Nomen markiert (semmit), im zweiten der Dativ für ‚in Dialekt‘ durch das ung. Suffix -val (hier aus phonologischen gründen als -sal) am ungarischen Nomen. Schließlich verdient auch die Pluralmarkierung eine kurze separate Diskussion, die an Backus’ (2003) in Kap. 2.1.1 zitierten Analysen zu multimorphemischen Einheiten in Code-switchings anknüpfen kann. Er hat u.a. die Morphemstruktur von Nomen im Plural und dabei den Status von ML- und EL- Konstituenten untersucht. Als Beispielmaterial dienten Backus pluralische niederländische EL-Nomen in türkischen ML-Sätzen. Über die Hälfte der Belege erhielt ML-Pluralmarker (N= 14), die andere dagegen EL-Pluralmarker (N= 11), der Rest (N= 2) eine Doppelmarkierung durch ML- und EL-Pluralsuffixe. Backus’ Hypothese prognostiziert auf Grund semantischer Argumente (ebd. 93), dass pluralische EL-Nomen ihren EL-Pluralmarker dann behalten, wenn die meist unzählbaren Nomen inhärente pluralische Konzepte mit evtl. idiomatischer Bedeutung darstellen (z.B. nl. Nieuwkomers ‚Neuankömmlinge‘ oder groetjes ‚Grüße‘). Alle haben das gemeinsame Merkmal ‚undifferenzierte Menge‘, sie rekurrieren also auf keine diskreten Einheiten (wie z.B. drei Bäume). Auf EL-Nomen mit ML-Plural treffe das Gegenteil zu, sagt Backus, sie haben immer einen auffälligen semantischen Bezug zur Diskretheit (z.B. politiek gesprekleri ‚politische Gespäche‘, wobei das türk. -ler ein Plural-, das türk. -i ein Akkusativmarker ist). Diese Hypothese kann aber Backus zufolge lediglich Tendenzen vorhersagen: Bei zehn von den 14 Belegen besitzt sie in Backus’ Korpus Gültigkeit, in vier Fällen haben die EL-Nomen ML-Pluralmarker, obwohl die Nomen semantisch undifferenziert sind. Ein Blick auf die wenigen vergleichbaren <?page no="117"?> Explizite Sprachmischung 111 Plural-Belege (N= 4) aus diesem Korpus ermöglicht es nicht, diese Hypothese zu prüfen, nur zu fragen, wie sich die Belege in diese Erklärung einfügen: (121) mir seid jetz magyarok * [Ungarn] net ↓ ungarn ↓ unt mir sei na ungarn ↓ (1938/ w/ Sopron, Beleg 36) (122) die schwobn ↑ * die svábok ↑ [Schwaben] * dei hom * recht des=warn sparsame leit gwein ↑ (1938/ w/ Sopron, Beleg 40) (123) hát äh äh es ka=ma saga äh viel abr hát gell da san scho tie telepesek [Ansiedler] dort (1935/ w/ Györköny, Beleg 163) (124) un d underungarn ↑ unse * telepes [Ansiedler] da ham=se ksacht det * unsere hergeprunge (1926/ w/ Kislőd, Beleg 141) Die Nomen in den ersten drei Belegen (magyarok, svábok, telepesek) 28 tragen alle die entsprechenden EL-Pluralmarker und haben semantisch gesehen einen klaren Mengenbezug wie bei Backus’ Beispielen. Dem dritten steht jedoch ein zweites Vorkommen desselben Nomens mit pluralischer Verwendung gegenüber, das unmarkiert bleibt. Sucht man nach grammatischen Gründen, die für den Auftritt der Pluralformen sprechen, bieten die den Plural regierenden ML- Determinanten, die allen vier Beispielen vorangehen, auch kein ausreichendes Argument: seid … magyarok, die svábok, tie telepesek, aber: unse telepes. Wie auch Kovács’ (2001: 147f.) finnisch-englische Beispiele zeigen, treten EL-Nomen im Plural unter den verschiedensten grammatischen Bedingungen auf: z.B. engl. EL-Nomen sowohl ohne als auch mit finnischen Determinanten. Zu (4): Es wurde am Anfang dieses Exkurses auch danach gefragt, in welchem Maße die oben aufgelisteten Lexeme rekurrent verwendet werden, inwieweit sie also einen festen Platz im Lexikon der Sprecher haben. Es ist kein Zufall, dass die Sprachkontaktforscher immer wissen wollten, welche Wörter in Zweisprachigkeitssituationen diejenigen sind, die nicht bloß ad-hoc verwendet werden, sondern einer Vielzahl von Sprechern gleichermaßen zugänglich sind. Einer der Anhaltspunkte hierfür bietet die Verbreitung der betreffenden ungarischen Lexeme, die als Transfers in deutschen Dialekten vorkommen. Eine Durchsicht des obigen, in der Übersichtstabelle präsentierten Wortmaterials und sein Vergleich mit einigen anderen Korpora (vgl. Anm. 29) haben gezeigt, dass bestimmte Lexeme eine erhebliche geographische Verbreitung haben. Relevant sind in diesem Zusammenhang folgende Belege: 29 __________ 28 Allerdings sind auch Belege für eine ML-Pluralmarkierung (dt. -en) von EL-Nomina (ung. telepes ‚Ansiedler‘) bekannt, vgl. z.B. telepesen (Kappel/ Németh 2002: 97). 29 Die Siglen bestehen aus der Angabe folgender Quellen: E= Erb (2006b), F= Földes (2005), H= Hutterer (2000), K= Knecht (2001), KN= Kappel/ Németh (2002), M= <?page no="118"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 112 Anci/ anyu (H34), bácsi (M205, K89, H34, E228, W155, UDSA98), búcsú (UDSA i.V.), 30 csikó (E219, H34, UDSA242), csizma (E218, H34), csokoládé (K77), egyetem (K77), hiába (F134), kalács/ kolács (K95, H34, UDSA264), lekvár (H34), magyar (K99), néni (M205, K89, H34, UDSA100), nyugdíj (K102), probléma (F130), rádió (K84), sonka/ sunka (N139), szóval (F135, W159), telepes (H34, F165, KN97), tévé (K 84, F119), tolmács (K 90), tsz (F157), unoka (K 89, UDSA88). Diese Art Verbreitung liefert jedoch nur bedingt Nachweise für die Etabliertheit dieser Lexeme, da sie nur eine besondere Lesart der rekurrenten Verwendung ungarischer Lexeme in deutschen Dialekten darstellt. Auers (2006: 9ff.) bereits zitierte Argumente deuten darauf hin, dass die Rekurrenz der Verwendung von ‚Entlehnungen‘ aus der diskursiven Praxis individueller Sprecher(innen) besser abgeleitet werden kann als von in sich widersprüchlichen Lehnwort-Kriterien. Da eine Habitualisierung sogar innerhalb ein und desselben Gesprächs stattfinden kann, sind metapragmatische Markierungen bezogen auf den Gebrauch bessere Indikatoren der Sedimentierung als formale Merkmale wie z.B. die grammatische Integration, die die frühere Lehnwortforschung als zentral einschätzte. Erschwerend kommt hinzu, dass die traditionelle Definition von ‚Lehnwörtern‘ den Unterschied zwischen der Makro- (Sprachgemeinschaft) und Mikroperspektive (individuelle Sprecher) auf den Gebrauch nicht reflektiert. Aus diesen Gründen werden die einzelnen Tokens, die aus dem Ungarischen in den dt. Dialekt transferiert wurden, unter letzterem Aspekt analysiert, allerdings unter dem Vorbehalt, dass eine solche Analyse umfangreichere Korpusanalysen nicht ersetzt. Nachstehend werden jene Items angegeben, die metasprachlich markiert sind: Lemma Metapragmatische Markierung autósztráda Kurzpause (*) und ung. Verzögerungsmarker hát davor becsináltleves Kurzpause (**), äh davor, Wiederholung auf Dt. búcsú Kurzpause (**) davor, Vorerwähnung auf Dt. csikó Kurzpause (*), Korrekturmarker äh davor, Vorerwähnung auf Dt. deci äh, Kurzpause (**), äh davor emlék Konstruktionsabbruch, Neuanfang, Kurzpause (*), äh, Kurzpause (*) davor érettségi Als Rückfrage an Gesprächspartner nach agrammatischer Wortbildung (ablegatur statt Abitur) __________ Mirk (1997), N= Németh (2003), UDSA= Ungarndeutscher Sprachatlas (2008), W= Wild (2003) und den einschlägigen Seitenzahlen. 30 Ich danke Maria Erb, die mir die Einsicht in den Lemmabestand des in Vorbereitung befindlichen zweiten Halbbandes des UDSA freundlicherweise ermöglicht hat. <?page no="119"?> Explizite Sprachmischung 113 Lemma Metapragmatische Markierung erőltettem Kurzpause (*) davor, na (als ‚endlich‘) danach főnök Kurzpause (**) davor, Rückfrage an Gesprächspartner danach (wie haßt es en uf daitsch) fürdő Kurzpause (*) davor gimi äh und Kurzpause (*) davor hetvenhét Vorerwähnung auf Dt. und Kurzpause (**) davor hiába Kurzpause (*) und Abbruch davor informatika Kurzpause (**) und Abbruch davor járólapozni 2-Sekunden-Pause davor kalács Kurzpause (**) davor kamraféle Kurzpause (*) und Determinant so davor kárpótlás Kurzpause (**) davor kertesház Vorerwähnung auf Dt., als Teil des Kommentars: des haßt af ungarisch kertesház kiváló Als Teil der Rückfrage: wie sagt ma de kiváló kocsma äh davor korbács Vorerwähnung auf Dt., 2-Sekunden-Pause davor közbe[n] 2-Sekunden-Pause davor lány Kurzpause (*) davor lengyel Kurzpausen und ung. Verzögerungsmarker izé davor locsolni zweimal äh, 2-Sekunden-Pause davor und Metakommentar wie heiß tes * gießen danach (allerdings: locsolás und locsolni in den Belegen 56 und 139 bei zwei weiteren Sprechern nicht mehr metasprachlich markiert) magyarok davor nicht markiert, danach dem dt. Pendant gegenübergestellt megszólni Kurzpause (**), äh, Kurzpause (**) davor, Metakommentar wie/ hogy mondják azt németül danach mesterember Kurzpause (**) davor, Metakommentar hogy [wie] is des mesterember und dt. Variante werksmann danach népitáncos Abbruch und Kurzpause (*) davor nyugdíj Kurzpause (*) (Beleg 170, 180), Hesitationsmarker na und 2- Sekunden-Pause davor (Beleg 55) önkormányzat Kurzpause (*), Hesitationsmarker na und Metakommentar wie is tes önkormányzat ↑ ötvenhatba[n] äh davor piskóta Kurzpause (*), Abbruch + Teilwiederholung svábbál 2-Sekunden-Pause davor svábok Kurzpause (*) und Vorerwähnung auf Dt. szájhagyomány äh und Kurzpause (*) davor, Metakommentar wie sacht man denn tes af daitsch ↓ danach <?page no="120"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 114 Lemma Metapragmatische Markierung számítástechnika Dreifache Setzung des Artikels als Hesitationsphänomen szembeforgalom Kurzpause (*) und äh davor szülőfalu Kurzpause (*) davor tájszólás Kurzpause (*) davor telepes Kurzpause (*) davor telepítették 3-Sekunden-Pause davor ukrán Kurzpause (*) davor üzemvezető Hesitationspausen, Kurzpause (*), ähh davor, 6-Sekunden-Pause und Metakommentar ik weiß net=ich kann=s net aussagn wes denn des is ↓ auf Dt. danach vasút Rückfrage an Partner wie sagt ma und Kurzpause (*) davor 48 Tokens von den 128 (37,5%) gehen mit einer metapragmatischen Markierung einher, die im Einzelnen eine einzige Kurzpause (z.B. fürdő ‚Badezimmer‘, lány ‚Mädchen‘, szülőfalu ‚Heimatdorf‘ etc.), längere Pausen (járólapozni ‚Bodenfliesen legen‘, közbe ‚inzwischen‘, svábbál ‚schwäbischer Ball‘) oder sonstige Hesitationsmarker bedeuten, die dem Transfer vorausgehen. In einer Vielzahl der Fälle tritt eine Kombination dieser auf. Am auffälligsten sind diejenigen markiert, bei denen mit größerer Wahrscheinlichkeit ein ad-hoc-Charakter angenommen werden kann. Am wenigsten wahrscheinlich ist dies bei Wörtern, denen nur eine Kurzpause vorangeht, die in einigen Fällen sogar ein individuelles Redephänomen sind, also keine Hesitationspausen. Die Nichtmarkiertheit bestimmter Transfers bedeutet zudem nicht unbedingt, dass sie die einzige Möglichkeit darstellen, etwas zu bezeichnen: Z.B. das ung. Wort születésnap ‚Geburtstag‘ wurde einmal ohne Markierung eingefügt: (125) wie i mei születésnap hob khot (1921/ w/ Ajkarendek, Beleg 17) Später hat dieselbe Sprecherin die dt. dialektale Variante des ungarischen Wortes in derselben Konversation verwendet: dies a mei geburtstog ↓ . Solche Übernahmen ohne Bedarf, wie in Beleg (125) gegeben, zeigen, dass einem Sprecher beide Varianten eines Lexems zur gleichen Zeit zugänglich sind und sogar innerhalb desselben Gesprächs oder Redebeitrags variierend verwendet werden können, vgl. (126) es war ei ** becsináltleves ↓ [Einmachsuppe] äh ** eimachsuppe ne ↑ (1923/ m/ Pusztavám, Beleg 146) (127) noch do is user kirp ↓ ** tes kirchweihfest ↓ ** búcsú ↓ [Kirchweih] (1926/ w/ Kislőd, Beleg 138) <?page no="121"?> Explizite Sprachmischung 115 In Beleg (126) folgt auf das aus dem Ungarischen transferierte Wort becsináltleves ‚Einmachsuppe‘ nach der Gesprächspartikel äh und einer Kurzpause seine dt. dialektale Version eimachsuppe. Hier hielt es der Sprecher offenbar für nötig, sich durch den Einsatz des entsprechenden Dialektwortes zu korrigieren. In Beleg (127) sind gleichzeitig alle drei, d.h. dt. dialektale (kirp), standarddeutsche (Kirchweihfest) sowie ungarische (búcsú) Versionen des Wortes präsent. Dies ist ebenfalls als Zeichen einer Gesprächspartnerorientierung zu werten, wobei sich die Sprecher(innen) um Verständnissicherung bemühen. Diese Beispiele zeigen, dass ein metapragmatisch nicht auffällig markiertes ungarisches Lexem, dem man einen usualisierten Status zuschreibt, nicht unbedingt sein deutsches Gegenstück im Idiolekt des Sprechers verdrängt haben muss. Es ist zudem schwierig, ja sogar problematisch, anhand idiolektaler Variation auf die Etabliertheit von Lexikoneinheiten auf der Ebene einer Sprachgemeinschaft zu schließen. 3.3.6 Wortgruppen Die selten belegten Wortgruppen werden, wie zu Beginn dieses Kapitels erwähnt, nur aus rein formaler Sicht von Einzellexem-Insertionen unterschieden. In Beleg (128) geht es um eine quasi-homophone Wortverbindung ung. kongresszusi palota ‚Kongresspalast‘: (128) E: und äh und wo * wo machen |sie aufführungen| I: |sie/ |jetz in januar warn=se in ** budapest * in die * kongresszusi palota ↓ K ONGRESSPALAST (1926/ w/ Kislőd, Beleg 136) Der Kasus ist in diesem Beleg von der ML getragen (s. die PP in die), während die Kasusrolle an der EL-Insel nicht markiert wird (also nicht kongresszusi palotában). In folgendem Beispiel sind ung. ukrán und dt. ukrainisch ebenfalls quasi-homophone Konkurrenzformen: (129) die russischi * lány [Mädchen] die * was hot geawat die * ukrán lány [ukrainisches Mädchen] ba den bauer (1923/ m/ Eplény, Beleg 118) In Beleg (130) ist jedoch schon von in beiden Varietäten realisierten lexikalischen Alternativen die Rede, wobei im Zuge eines Wortsuchprozesses die <?page no="122"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 116 deutsche Variante teilweise, dann die ungarische Nominalphrase vollständig formuliert wird, vgl. (130) bis west * und und und nord ↑ ne nord ↓ * no/ nord (…) hát ah teitschi hát ah schwobisch waß i nimmer wie es haßt * észak felé * [in Richtung Norden] hat ma noch ausgei kene ↓ (1923/ m/ Eplény, Beleg 114) In gleicher Weise kann in folgenden zwei Belegen von einem Ausdruckslapsus gesprochen werden. In beiden Fällen werden die aus dem Ungarischen transferierten Teile von Markern eines Wortsuchprozesses begleitet: Bei Beleg (131) von einer längeren Pause, bei Beleg (132) außer der Pause auch vom ung. Verzögerungsmarker izé, vgl. (131) E: was war ihr mann von beruf I: hát de war aa so=hat gearwat *4* hh a borosoknál [bei den Weinbauern] wo wei is ↓ (1923/ m/ Eplény, Beleg 114) (132) hát jetz is fünfunzwanzig joahr des äh * is wos popst ** er is izé gewesn ↓ * lengyel *2* lengyel származású ↓ [Pole, polnischer Abstammung] (1930/ w/ Kimle, 126) Auffällig ist in Beleg (131) an der ung. Nominalphrase a borosoknál, dass sie sich der Grammatik der Matrixsprache „widersetzt“, da die Ortsangabe nicht mit einer dt. bei-Phrase ausgedrückt wird, sondern flexivisch innerhalb der EL-Insel (s. Suffix -nál). Schließlich ist im letzten Beispiel auch eine Ausdrucksschwierigkeit der Sprecherin zu vermuten, indem bei der ungarischsprachigen Realisierung der Wortgruppe szomszédos intézetbe nicht nur der registeruntypische Charakter des dt. Wortes Institut, sondern auch die lückenhafte Dialektkompetenz der Sprecherin (s. Belege 128-133 im Anhang) eine Rolle gespielt haben muss, vgl. (133) er hat ** äh in der *2* szomszédos intézetbe [im Institut nebenan] *2* neben * máfki war eine andri * fabrik * dis * heißt * neviki ↑ er hat * dort gearbeitet ↑ (1935/ w/ Veszprém, Beleg 129) Der Kasus wird in diesem Beleg doppelt markiert: Der ung. Wortgruppe szomszédos intézetbe ‚im Institut nebenan‘ geht hier die dt. PP in der voran, die semantisch dem ung. Flexiv -be (standardspr. -ben) äquivalent ist. Im Weiteren soll es auch um Phänomene gehen, die Beispiele für die Alternation zwischen zwei Sprachen in den Interviews liefern. <?page no="123"?> Explizite Sprachmischung 117 3.3.7 Alternation Aufgrund der einleitenden Überlegungen zur Unterscheidung zwischen punktueller und linearer Sprachmischung zu Beginn des Kapitels 3 sind mit Letzterem die Alternationen zwischen L1 (dt. Dialekt) und L2 (Ungarisch) an syntaktischen Fugen gemeint, wobei durchweg die Grammatik und das Lexikon der anderen Sprache aktiviert wird. Die Beispiele werden zeigen, dass die Beschreibung dieser - da es hier um eine primär mündliche Kommunikationsform geht - mit traditionellen schriftorientierten syntaktischen Begriffen, die an ‚Wohlgeformtheitskriterien‘ gebunden sind, nicht immer möglich ist. Viele empirische Arbeiten der letzten Zeit haben gezeigt, dass die Alternation zwischen Sprachen unterschiedlich motiviert werden kann. Manchmal hat sie einfach die Funktion, die Sprachwahl offen zu halten, während andere aus dem Kontext erklärt werden können, da sie innerhalb des Gesprächs eine lokale Funktion haben. Zudem können auch Alternationen metapragmatisch markiert oder unmarkiert sein. Es kommen auch unmarkierte Fälle vor, die in der Regel aus der umgebenden Struktur erklärt werden können. Nach dem bekannten Ansatz von Clyne (1967) gehe es in solchen Fällen um eine Art Auslösung (triggering), wobei direkt vor der Umschaltstelle und/ oder im vorausgehenden Äußerungsteil anderssprachige Elemente (Transfers, Eigennamen oder bilinguale Homophone/ Diamorphe) stehen, die eine Umschaltung in L2 auslösen. Von einer Auslösung zu sprechen impliziert jedoch, es läge hier eine Kausalität vor, m.a.W. müsste in diesem Sinne in gleicher syntaktischer Umgebung immer eine Umschaltung folgen. Jedoch konnte gezeigt werden, dass eine Korrelation zwischen dem Vorkommen von potenziellen Auslösern und einem Übergang zur anderen Sprache nicht immer besteht (vgl. z.B. Lattey/ Tracy 2005: 363ff.). Daher wurde diese Terminologie in letzter Zeit einigermaßen modifiziert und verfeinert: Heute ist nicht mehr von Auslösung die Rede, sondern vielmehr um ‚Ermöglichung‘ (facilitation), was nicht bedeutet, wo es solche Auslöser gebe, gebe es auch immer Umschaltungen, sondern Auslöser könnten den gleitenden Übergang in die andere Sprache erleichtern (vgl. Clyne 2003: 162ff.). Gut beobachtet werden kann dies z.B. an homophonen Wortformen, die eine Brücke zwischen Sprache A und B schlagen können. Auers (2006) Überlegungen zu dieser Frage führten zu zwei einschneidenden Konsequenzen für die linguistische Interpretation dieser Art Konvergenz. Erstens zu der Erkenntnis, dass auch quasi-homophone Diamorphe den Übergang von der einen in die andere Sprache erleichtern, was dafür spricht, dass es nicht die Linguisten sind, die über die nötige Stärke der Konvergenz entscheiden, sondern die von den Sprechern wahrgenommene Distanz zwischen den Sprachen. Zweitens gibt es eine Vielzahl aus linguistischer Sicht ambiger bilingualer Daten, die dafür sprechen, dass die Untrennbarkeit von Sprache A und B nicht <?page no="124"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 118 nur auf der Ebene der Sprachpraxis gilt, sondern auch auf der Ebene der linguistischen Beschreibung dieser Praxis. Dies bedeutet für die Analysen, dass sie nicht auf die jeweiligen monolingualen Referenzsprachen zurückgreifen dürfen, sondern sie müssen die Kontaktsprachen als eine Sprechweise auffassen, die eigene Spielregeln hat. Die aktuellen Korpusbelege werden nachstehend unter zwei Aspekten behandelt, erstens nach ihrer grammatischen Umgebung, zweitens nach dem Kontext, indem sie auftreten. Ihrer Form nach kann eine Alternation zunächst zwischen Äußerungseinheiten desselben Sprechers, aber nicht nur an Teilsatzgrenzen, sondern auch davor auftreten, vgl. (134) i=mag den tévé [Fernseher] aa net wal i kun net mit mit den tévé ** ich kon net követni ↓ * hogy ez most/ [folgen, ob das jetzt] *7* s=muss/ misste ja so laut geh ↑ wal ich * ich=s sa schwe heer ↓ (1917/ w/ Városlőd, Beleg 176) Der Übergang ins Ungarische beginnt hiermit dem ung. Verb követni, das syntaktisch noch zum deutschen Matrixsatz gehört, und wird mit dem ung. Konnektor hogy als Anschluss zur Unterordnung fortgesetzt. Auf den ersten Blick ist schon klar, dass hier von keiner einleuchtenden funktionalen Ursache für die Umschaltung die Rede sein kann. Die Frage, ob die Umschaltung ins Ungarische der ung. Transfer tévé ‚Fernseher‘ ermöglicht hat, bleibt offen. Dieses Beispiel zeigt zugleich auch, dass die umgeschaltete Sequenz syntaktisch unabgeschlossen bleiben kann, im aktuellen Beispiel erkennt man das am Anakoluth hogy ez most/ . Im nächsten Beispiel für eine ‚monologische‘ Alternation folgt der Übergang auf die Wortgruppe ung. adóügyi ügyintéző, die das Prädikativ im vorangehenden Äußerungsteil ist und mit einer Teilwiederholung von ung. tavasszal in dt. in frühjohr endet, vgl. (135) und do * hab mer/ hab i no zwa mäedl * mädchen* ↑ die ani die arwet in te * na wie is tes önkormányzat ↑ [Selbstverwaltung] dort arwet sie scha adóügyi *3* ügyintéző ↓ [Sachbearbeiterin für Steuern] ja igen ↓ a kicsi meg most fog érettségizni a kislány * tavasszal * [ja, die Kleine wird jetzt im Frühjahr ihr Abitur machen das Mädchen] in frühjohr ↓ (1933/ w/ Bánd, Beleg 4) Hier könnte man im Sinne Clynes davon sprechen, dass die Umschaltung ein dieser vorangehender Transfer ermöglicht hat, da die Umschaltung rein formal gesehen tatsächlich unmittelbar auf eine transferierte Wortgruppe (ung. adóügyi ügyintéző) folgt. Während die oben diskutierten Formen der Alternation zwischen Deutsch und Ungarisch, die innerhalb Konstituenten einsetzen, im Korpus selten auftreten, zeigt eine Vielzahl der restlichen Belege, dass bei der Alternation die <?page no="125"?> Explizite Sprachmischung 119 Konstituentengrenzen grundsätzlich intakt bleiben und die Alternation meist zwischen Teilsatz- oder Satzgrenzen auftritt. Dies illustriert folgendes Beispiel: (136) aber ** ich mag=s net wal so laut is ↑ ** wal ich seh ↑ dass e ihnen net ganz passt ↓ net ↑ * glaub=s ja gell ↑ aki jól hall ↑ * annak egy kicsit * hát/ *3* hát [wer gutes Gehör hat, für ihn ist es ein bißchen so…] noch * die hírek [Nachrichten] schau ich meist doch ↑ dass ich igendwos heer (1917/ w/ Városlőd, Beleg 177) Hier erfolgt die Alternation an den Fugen zwischen syntaktisch abgeschlossen dt. dialektalen und ungarischen Äußerungsteilen: dt. glaub=s ja gell ↑ | ung. aki jól hall ↑ …| dt. noch * die hírek schau ich meist doch ↑ . Schaut man sich den Kontext, in dem die Alternation zwischen Deutsch und Ungarisch erscheint an, lassen sich monologische, quasi-dialogische und dialogische Kontexte unterscheiden. Monologische Alternation Als einer der grundlegenden Typen für nicht markierte Alternation sind zuerst jene Fälle anzusehen, bei denen kein Partnerbezug festgestellt werden kann. Im Korpus sind Zitate in der L2 im L1-Kontext oft anzutreffen (aber auch Zitate ohne Alternation, vgl. z.B. Beleg 83 im Anhang). Formal gesehen fällt auf, dass sämtliche Zitate in der L2 durch entsprechende verba dicendi eingeleitet werden, vgl. (137) E: und tun sie [= die Kinder] auch schwäbisch sprechen ↑ oder die verstehen es nicht mehr ↓ I: ah die verstehn des nich mehr uhm un die sagn mit mondtál mama [was hast du gesagt, Oma? ] (1933/ w/ Bánd, Beleg 6) In Beleg (138) wird das Zitat, in dem die Anweisungen einer ärztlichen Sprechstunde im Originalkontext zitiert werden, in Form eines Drehsatzes doppelt markiert, einmal eingeleitet, dann durch die Einleitungssequenz abgerundet: e hot ksacht + Zitat + hot e ksacht ↓ , vgl. (138) un e hot ksacht ** egy kávét minden nap megihat nyugodtan reggel ↓ *7* egy rendes kávét ↓ [einen Kaffee können Sie jeden Tag morgens ruhig trinken, einen normalen Kaffee] hot e ksacht ↓ (1917/ w/ Városlőd, Beleg 179) Bei solchen Zitaten stellt sich die Frage, ob die Sprache des Zitats tatsächlich die der ursprünglichen Konversation ist oder die Alternation einfach zur Markierung des Zitats als solche dient. Während beispielsweise Mirk (1997: 206) <?page no="126"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 120 anmerkt, dass die Sprecher(innen) bei Zitaten in Form von Alternation an der Sprache des Zitierten festhalten, zeigen einige Beispiele aus anderen Sprachkontaktsituationen (vgl. z.B. Romaine 1995: 162 und Tracy 2006: 50), dass die nach dem Wechsel gesprochene Sprache mit der tatsächlichen Konversationssprache nicht immer identisch ist. Die Rekonstruktion dessen ist aber im Nachhinein sehr schwierig und nicht immer möglich, nur wenn die Sprecher extra dazu befragt werden. In Fällen wie in den obigen zwei Beispielen (Beleg 137 und 138) ist aber aus dem Kontext heraus zu bestimmen, dass die Zitate auf die Originalsprache Bezug nehmen, im ersten Fall werden Enkelkinder zitiert, die den Dialekt nicht verstehen, d.h. auch nicht sprechen; im zweiten Beispiel geht es ebenfalls um einen Ungarisch sprechenden Arzt. Ganz klar sind dagegen Fälle, in denen die zitierte Sprache (hier: Ungarisch) auch metasprachlich kommentiert wird (des hot er ungarisch ksacht ne ↑ ), vgl. (139) de oberlehrer de was käme ** zu unse leit sagte ↑ ** te jutka * nekem kéne egy pár énekes ↓ [Du, Jutka, ich brauche Paar Sänger] des hot er ungarisch ksacht ne ↑ * kőne egy pár énekes ↓ nincs neked egy ↑ amennyi kő * dehogynem itt van/ vannak itt ↑ [brauche Paar Sänger, hast du einen, wieviel du brauchst, na klar, hier ist er, hier sind sie] hat er auch kriecht ↑ aba meistens in de vierti klasse net ↑ (1923/ m/ Pusztavám, Beleg 144) Vergleichbar ist auch folgender Beleg vom selben Sprecher: (140)un * sagte * du leszel/ [wirst sein] ah ungarisch sagte * te leszel vigyázó * de hogyha ** egy is megmozdul ↑ tessék fölírni a táblára ↓ [du sollst der Aufpasser sein, wenn aber sich nur einer bewegen würde, schreib ihn (= seinen Namen) an die Tafel] (1923/ m/ Pusztavám, Beleg 145) Hier fängt das Zitat zuerst einmal mit dem dt. Pronomen du an und nach einem Abbruch und einem Metakommentar zur Reflexion der zitierten Sprache noch einmal vollständig auf Ungarisch zu Ende geführt wird. (Quasi-)Dialogische Alternation Beispiele für diese Art Alternation sind typisch für den Fall, wenn der Sprecher trotz durchgehend monologischer Sprechweise durch längere Redesequenzen hindurch den passiven Gesprächspartner (Interviewer) zwar wahrnimmt, aber nicht wirklich mit einbeziehen will. Ein solcher Partnerbezug kann in manchen Fällen als Begleitumstand bei der Umschaltung angesehen werden. Im folgenden Beispiel geht es darum, dass die Sprecherin eine Rückfrage an den Interviewleiter richtet, das aber schon auf Ungarisch, dann setzt sich die Äußerung im dt. Dialekt fort. Formal gesehen kann hier wieder von einem Anakoluth gesprochen werden, vgl. <?page no="127"?> Explizite Sprachmischung 121 (141) owe nur * goawat ham=ma * ham=ma net zeit khot zum lebn * nur nur war die oarwet ↑ dass ma hat mitkeme * und ** wal ma hat san ezt is * mondjam hogy/ *3* [soll ich auch sagen, dass] wa ma s/ ha=ma a fö: d khot * und ham=s ksacht reich san ma ** äh darum habn=se uns auskliefert ↓ (1924/ w/ Eplény, Beleg 110) Quasi-dialogisch ist diese Alternation vor allem deswegen, weil auf die auf Ungarisch gestellte, aber nicht zu Ende geführte Frage ezt is mondjam hogy… keine Antwort erwartet wird, es wird lediglich die Aufmerksamkeit dem Partner gegenüber demonstriert. Öfter stehen Umschaltungen mit bestimmten metasprachlichen Kommentaren der Sprechenden in Verbindung, die keinen erklärenden Charakter haben, sondern einfach eine Ausdrucksschwierigkeit versprachlichen. Im ersten Beleg kann die Sprecherin das Wort traditionspflegerisch in Dialekt nicht ausdrücken, das offenbar nicht zum dialektalen Grundwortschatz gehört, vgl. (142) I: diese chor ↑ ** äh is äh *2* jaj jaj jaj ↓ * mondjam hogy hagyományőrző ↓ *2* (wie) sage ich mal traditionspflegerisch nem tudom megmondani ↓ (LACHT) ich kann es nicht sagen E: ein klassischer ↑ I: nein nein nein nein nein nein ↓ * wir * sangen die oiden * volksliede wos dort gesungen wordn ↓ (1926/ w/ Kimle, I1, Beleg 120) Das Gleiche gilt auch für Beleg (143), in dem der Dialektausdruck für jdn. schlecht machen ebenfalls fehlt. Hier wird auf diese Ausdrucksschwierigkeit durch den ungarischsprachigen Kommentar hogy mondják azt németül explizit hingewiesen, vgl. (143) andere leute tue=rich nich gern ** äh ** megszólni [schlecht machen] wie/ hogy mondják azt németül [wie sagt man es auf Deutsch? ] *2* v/ von andere leit ine probléma [Problem] und ine fehler das tue=rich nich gern sprechen nur v/ meine probléma ↓ (1935/ w/ Veszprém, Beleg 132) Ähnlich schwierig erwies sich der Ausdruck von dt. Zentralheizung für die Sprecherin im nächsten Beleg, indem sie einräumt, sie kenne das entsprechende Wort nicht einmal im Dialekt, vgl. (144) E: was machen ihre kinder I: hát de älteri wohnt in celldömölk *2* de is *3* na ↑ elektrischi leite *2* un de zwaati **dort de is *4* wasseleitung ↑ *2* un des wos e * na we/ még svábul se <?page no="128"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 122 tudom ↓ [ich kann es nicht einmal auf Schwäbisch] * központi fűtés ↓ [Zentralheizung] (1924/ w/ Városlőd, Beleg 150) Wie obige Beispiele zeigen, geht es in solchen Fällen nicht immer um individuelle Ausdrucksschwierigkeiten in dem Sinne, dass die Sprechenden Wortschatzlücken hätten, sondern es gibt Ausdrücke z.B. technischer Modernisierung, die dem Dialektwortschatz ganz einfach fehlen, sodass dann auf Ausdrücke des lexikalisch besser ausgebauten Ungarischen zurückgegriffen wird. Eine Alternation zwischen Deutsch und Ungarisch, i.S. einer Umschaltung ins Ungarische als Metakommentar, wird in solchen Fällen häufig eingesetzt. Etwas schwächer belegt wurden Wiederholungen, bei denen die Sprechenden einen Teil des Gesagten noch einmal entweder in L1 oder L2 formulieren. Dies scheint eine für zweisprachige typische Diskursstrategie zu sein (vgl. z.B. auch bei Borbély 2001: 204-206), wobei die Sprecher ihre Absicht, das Verständnis zu sichern, durch diskursive Wiederholungen signalisieren. Solche Wiederholungen sind in der Regel inhaltlich redundant, aber gleichzeitig pragmatisch begründet, denn sie erzielen Verständnissicherung (vgl. Németh 2003: 143f.). In Beleg (145) z.B. wird der Äußerungsteil weni pension ham=sie kriecht auf Ungarisch wiederholt, wobei die beiden Teile eine Doppelrealisierung von wenig im Dialekt und auf Ungarisch verbindet, vgl. (145) gonzen tag daham sitze un weni * pension ham=sie kriecht * weni kevés nyugdíjat kaptak ↓ [sie haben wenig Pension bekommen] (1921/ w/ Ajkarendek, Beleg 15) Eine Wiederholung kann auch am Anfang sonstiger Umschaltungen stehen, wobei der wiederholte Äußerungsteil einer längeren Sequenz in der anderen Varietät vorausgeht und sie auf diese Weise einleitet, vgl. (146)közbe a félelem is fogott el ↑ [da hat mich die Angst gepackt] weil * so fühl/ so mi sa * sa anst ↑ wie war zsamm kfarn ↑ [...] (1926/ w/ Kimle, Beleg 122) Eine Wiederholung kann auch Teil eines Zitats sein, wobei das Wiederholte deutlich macht, dass davor die Originalsprache zitiert wurde, diesmal ohne Metakommentare, vgl. (147) hot=e ksacht mingyá megnézzük * mingyá [gleich schauen wir uns es an, gleich] wern mir=s anschaue (1923/ m/ Eplény, Beleg 117) <?page no="129"?> Explizite Sprachmischung 123 Hier ist die Doppelrealisierung desselben Inhalts zwar redundant, jedoch funktional, da die Teilwiederholung des ung. Redeteils mingyá megnézzük auf Deutsch den Zitatcharakter des Vorausgehenden wohl unterstützt. Schließlich ist auch eine resümierende Funktion von Wiederholungen anzutreffen, indem sie Vorausgegangenes zusammenfassend noch einmal formulieren, vgl. (148) in a wuchn war nur zwa moi a stund ↓ * a deitschi ↓ *3* deitschi unterricht ↓ owa nur a stund ↓ * szóval egy-egy óránk volt csak ↓ * hetente kétszer ↓ [also wir hatten je eine Stunde, zweimal die Woche] (1930/ w/ Kimle, Beleg 125) Vergleichbar sind auch einige Alternationen, die mit der Funktion ‚Erklärung‘ erscheinen. Diese sind zum Teil inhaltlich motiviert, andererseits dienen sie als helfende Verständnisstütze für die Gesprächspartner, die manchmal keine Dialektsprecher sind. In zwei Belegen geht es in diesem Sinne um Erklärungen, die spezifische Dialektwörter erläutern, die nach Einschätzung der Sprechenden dem Gesprächspartner nicht vertraut sein dürften. Etwa in Beleg (149) wird auf Ungarisch erklärt, wie der Name eines Schuhmacherwerkzeugs im Dialekt heißt, vgl. (149)das ärtl wissen sie was tes bedeutet ↑ des ärtl ↑ az [das] ärtl es is ein ein ein werkzeug ↑ mit wos der schuister (…) lede durchsticht ↓ magyarul úgy mondják hogy ár ↓ az az ärtl ↓ [auf Ungarisch nennt man es ár, das ist die Ahle] (1929/ m/ Mór, Beleg 19) In Beleg (150) werden schließlich zwei Ausdrücke gegenübergestellt, der im Dialekt übliche kschwisterkind und der standarddeutsche Cousin, wobei erklärt wird, dass letztere im Ortsdialekt nicht verwendet wird, nur die erste Variante, vgl. (150) des is interessant ↓ dass das is kschwisterkind ↓ * nit cousin ↑ net net *2* kschwisterkind ↓ *2* tulajdonképpen azt mondom ↑ hogy * a testvéremnek a gyereke ↓ [eigentlich sage ich, das Kind meines Bruders/ meiner Schwester] ** geschwister és a [und das] kind ↓ ** nem mondták mást ↑ * [keiner hat es anders gesagt] die cous/ die cousin ode ähm (1926/ w/ Kimle, Beleg 121) Solche Alternationen stellen also nicht die Redundanz der Redebeiträge in den Fokus, sondern zeugen von einer bewussten Orientiertheit der Sprecher(innen) an die Herstellung kommunikativer Effizienz. <?page no="130"?> Typen von Sprachmischungsphänomenen 124 Dialogische Alternation In einem Teil der Belege geht es um einen ‚echten‘ Partnerbezug auch in dem Sinne, dass die Sprachwahl unmittelbar in Rekurrenz auf die vom Partner gesprochene Sprache erfolgt. Im folgenden Beleg lässt sich nicht mehr wie oben von einer Umschaltung innerhalb Äußerungseinheiten desselben Sprechers sprechen, sondern von einer zwischen Äußerungseinheiten von Gesprächspartnern, vgl. (151) I1: seit wann is unse chor ↓ * de deitschi chor ↓ I3: má öt évesek vagyunk nem ↑ *3* WIR SIND SCHON FÜNF J AHRE ALT , NICHT ? I1: hát talán hat ↓ * vagy hét ↓ VIELLEICHT SECHS ODER SIEBEN (1926/ w/ Kimle = I1, 1932/ w/ Kimle = I3; Beleg 127) Hier hat man es mit einer Umschaltung von I1 ins Ungarische als Effekt des Partnerbezugs, d.h. als Anknüpfung an die ungarischsprachige Äußerung von I3 zu tun. Auch folgendes Beispiel demonstriert eine dialogisch bedingte Funktion der Alternation, wobei sie die Handlungsabsicht der Sprecherin (I) unterstreicht: (152) E1: kapcsold ki amíg kávét iszik (LACHT) SCHALTE ES AUS , WÄHREND SIE K AFFEE TRINKT E2: má megitta ↓ SIE HAT IHN SCHON AUSGETRUNKEN I: megittam hát ↓ *2* awer ich will a bißl esse ↓ nicht nur meginni ↓ KLAR , ICH HABE IHN SCHON AUSGETRUNKEN AUSTRINKEN (1931/ w/ Lánycsók, Beleg 103) In der besagten, vor dem ungarischsprachigen Redebeitrag von E1 und E2 dauernd deutschsprachigen Gesprächssequenz reagiert die Sprecherin I auf diese ungarischsprachigen Beiträge ebenfalls auf Ungarisch (megittam hát ↓ ), schaltet aber danach wieder ins Deutsche um, damit sie auf diese Weise ihre Absicht gegenüber ihren Gesprächspartnern E1 und E2 demonstriert (awer ich will a bißl esse ↓ ). Die Wiederaufnahme des ungarischen Wortes meginni, welches die Umschaltung abrundet, stellt die Rekurrenz auf die vorausgehenden Beiträge der Gesprächspartner dar. Nach der Diskussion der in diesem Abschnitt zitierten Belege stellt sich die Frage, welche Konsequenzen daraus in Bezug auf das Sprachmischungsverhalten dieser Art gezogen werden können. Es fällt zunächst auf, dass Kor- <?page no="131"?> Explizite Sprachmischung 125 pusbeispiele für die Alternation einen zahlenmäßig geringeren Anteil haben (N= 32 bei ca. 40% aller Informant(inn)en) als Belege für den punktuellen Auftritt der expliziten Sprachmischung (N= 125, vgl. Kap. 3.3.5). Zudem ist eine starke individuelle Varianz hinsichtlich des Hangs zum Einsatz alternierenden Sprechens auffällig: Während bestimmte Sprecher(innen) häufiger zwischen den Sprachen alternierten, unterblieb ein solches Verhalten bei anderen oder war sehr selten. Dies korreliert aber, wie die Daten zeigen, nicht mit dem Alter der Sprecher(innen), sodass man annehmen könnte, der Einsatz der Alternation erkläre sich aus der abnehmenden Dialektkompetenz jüngerer Sprecher(innen) in der untersuchten Altersgruppe der zur Zeit der Erhebung 66 bis 85 jährigen Informant(inn)en. Das etwa 20 Jahre umfassende Altersspektrum von Informant(inn)en des vorliegenden Korpus begründet ohnehin nicht, gravierende Kompetenzunterschiede anzunehmen, die auf eventuelle Unterschiede im Sprachmischungsverhalten hinweisen könnten. Evidenzen dafür, dass die Häufigkeit der Sprachmischung nicht automatisch mit dem Alter der Sprecher(innen) korreliert, haben auch andere Untersuchungen (wie z.B. die von Mirk 1997: 204) geliefert. Die obigen Daten haben im Einklang mit diesen Ergebnissen gezeigt, dass die Alternation in diesem Korpus tendenziell diskursfunktional eingesetzt wird und selten in Fällen, in denen die Sprecher eventuelle Kompetenzlücken in ihrem Dialekt durch Alternation überbrückten. Eine Vielzahl der Alternationen resultiert dagegen aus dem narrativen Charakter der Korpustexte bzw. aus spezifischen Diskursmerkmalen von Interviews, die in der vorliegenden Arbeit ausgewertet worden sind. Da es sich um ein geschlossenes Korpus mit gleichbleibendem Textsortencharakter handelt, dürfen daraus keine weitreichenden Konsequenzen für das alltägliche Sprachmischungsverhalten der Sprecher(innen) gezogen werden. Allerdings zeigten beispielsweise die anhand teilnehmender Beobachtung gesammelten Daten von Földes (2005: 230ff.), dass zu einem gehäuften Auftreten von Alternation (bei ihm: Kodeumschaltung) in der von ihm untersuchten zweisprachigen Sprachgemeinschaft das Ausnutzen eines großen Inventars an Diskursfunktionen und der Kompetenzverlust der Sprecher(innen) gleichzeitig führen kann. Im nächsten Kapitel soll es um Sprachmischung aus einer ganz anderen Perspektive gehen. Aus der in der Einleitung dieser Arbeit bereits festgelegten Doppelperspektive folgend sollen nicht nur die Formen von Sprachmischung beschrieben werden, sondern auch ihre sozialpsychologischen Aspekte thematisiert werden. Dies wird im Weiteren auf zwei Ebenen versucht: Einerseits sollen Einstellungen zweisprachiger Sprecher(innen) zum Phänomen Sprachmischung allgemein, dann konkreter ihr Normwissen anhand der Akzeptabilität ausgewählter Typen von Sprachmischung untersucht werden. <?page no="132"?> 4 Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 4.1 Vorüberlegungen Ziel dieses Kapitels ist es, die Beurteilung der Sprachmischung durch die zwei (z.Z. ältesten und jüngsten) ungarndeutschen Generationen zu analysieren, mit Fokus auf den Gebrauch ungarndeutscher Dialekte mit Kontakteinfluss des Ungarischen. Die Hauptfrage dabei ist, wie ungarndeutsche Sprecher die bilinguale Rede aus ihrer eigenen Perspektive bewerten und ob dabei altersbedingte Unterschiede bei Akzeptanz und Spracheinstellungen gegenüber Sprachmischung nachzuweisen sind. 31 Bevor dieser Frage mit Hilfe des in Kap. 2.2.1 vorgestellten Instrumentariums nachgegangen wird, lohnt sich ein Blick auf allgemeine Einstellungen dieser zwei Altersgruppen gegenüber dem Phänomen Sprachmischung, erhoben durch mündliche Befragung. Um sich über diese ein Bild machen zu können, wurden 60 Informant(inn)en (vgl. Kap. 2.2.2) in der Prätest-Phase vier Orientierungsfragen zur Sprachmischung gestellt, mit jeweils binären Antwortmöglichkeiten. Im Einzelnen bezogen sich diese Fragen (1) auf die Beurteilung der Verständlichkeit gemischten Sprechens, (2) auf die der Beurteilung der Sprachkompetenz von gemischt Sprechenden, schließlich (3) auf die Tolerierbarkeit unterschiedlicher Grade der Sprachmischung, also des Vorkommens einiger (3a) bzw. vieler (3b) ungarischer Wörter im deutschen Dialekt. Zu (1): Es fällt zunächst ins Auge, dass in beiden Gruppen mindestens 80% der Informant(inn)en behaupteten, es falle ihnen leicht, diejenigen zu verstehen, die in ihrer dialektalen Rede auch Elemente aus dem Ungarischen verwenden bzw. die beiden Sprachen mischen: __________ 31 Ergebnisse der nachstehenden Analysen wurden auf zwei Tagungen diskutiert: Nyelvideológiák, attitűdök és sztereotípiák [Sprachideologien, Einstellungen und Stereotypen] vom 4.-6. September 2008 in Párkány/ Štúrovo (Slowakei) und IVF-Tagung Minderheitensprachen unter soziolinguistischen Gesichtspunkten vom 28.-29. November 2008 in Veszprém (Ungarn) und veröffentlicht in Németh (2009) und in Földes (2010). <?page no="133"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 128 Diagramm 8: Verteilung der Antworten auf die Frage: Diejenigen zu verstehen, die das Ungarische und den Dialekt mischen, ist... (χ 2 = 0,12, df= 1, p= 0,729, n.s.) Es zeigte sich zudem, dass die jüngeren Ungarndeutschen mit einem in statistischem Sinne vernachlässigbaren Unterschied etwas mehr geneigt sind, keine Verständnisschwierigkeiten dem Gemischtsprechen zuzuschreiben (G1: 24, G3: 26). Zu (2): Wie verhält sich das zu dem, wie die Informant(inn)en die Sprachkompetenz von gemischt Sprechenden im Dialekt einschätzen? Vgl. folgende Antworten auf die einschlägige Frage: 80 86,7 20 13,3 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 G1 G3 leicht schwierig <?page no="134"?> Vorüberlegungen 129 Diagramm 9: Verteilung der Antworten auf die Frage: Ist jemand, der Dialekt spricht und dabei auch ungarische Wörter verwendet, ein guter oder ein schlechter Dialektsprecher? (χ 2 = 0, df= 1, p= 1, n.s.) Hier sieht man wiederum, dass gut drei Viertel der Informant(inn)en in beiden Gruppen (mit einem statistisch nicht bedeutenden Unterschied zugunsten der älteren Ungarndeutschen: G1: 23, G1: 22), der Meinung sind, diejenigen, die in ihrem Dialekt auch Wörter aus dem Ungarischen verwenden, seien gute Dialektsprecher. Wie obige Daten zeigen, konnte weder bei der Beurteilung der Verstehbarkeit gemischten Sprechens noch bei der der Sprachkompetenz von gemischt Sprechenden signifikante Unterschiede in Bezug auf den Faktor Alter ermittelt werden. Gemeinsam ist jedoch beiden Gruppen, dass sie die Sprachmischung in Bezug auf beide Aspekte fast einhellig akzeptieren, sodass die Mehrheit der Informant(inn)en (80/ 86,7% bzw. 76,6/ 73,3%) mit der Sprachmischung keine Verständnisschwierigkeiten bzw. keine Kompetenzmängel zweisprachiger Sprecher(innen) verbindet. Zu (3): Schließlich wurden zwei Fragen zur Beurteilung des Vorkommens einzelner ungarischer Wörter in der Rede ungarndeutscher Dialektsprecher gestellt und die Antworten auf diese Frage mit denen zum Vorkommen vieler ungarischer Wörter in der Rede ungarndeutscher Dialektsprecher verglichen. Das mit der Absicht, herauszufinden, welche Grade der Sprachmischung die Befragten (hinsichtlich des Anteils ungarischer Wörter im deutschen Dialekt) in welchem Maße tolerieren. Zu Antworten auf diese beiden Fragen liegen 76,6 73,3 23,4 26,7 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 G1 G3 ein guter ein schlechter <?page no="135"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 130 empirische Angaben aus Tarján vor, die aus dem unter Kap. 1.4.2 referierten Aufsatz von Erb (2006a) bereits zitiert wurden. Aus diesem ging hervor, dass den ersten Fall 55,9% der Informant(inn)en (N= 70), den zweiten dagegen nur noch 32,9% akzeptierten (ebd. 129). Auf Grund dieses Ergebnisses ist zu erwarten, dass der Grad der Sprachmischung auf die Toleranz ihr gegenüber einen Einfluss hat. Hier interessiert auch die Frage, ob vergleichbare Unterschiede bei der Beurteilung derselben Fragen auch in der aktuellen Stichprobe nachzuweisen sind, die mit dem Alter in Beziehung gesetzt werden können. Folgendes Diagramm präsentiert die Antworten der Informant(inn)en auf die erste Frage: Diagramm 10: Verteilung die Antworten auf die Frage: Finden Sie es akzeptabel, wenn jemand, der Dialekt spricht, auch ein paar ungarische Wörter verwendet? (χ 2 = 5,253, df= 1, p < 0,05) Die Analyse dieser Daten hat signifikante Unterschiede auf dem 0,05-Niveau gebracht. Es zeigte sich, dass die jüngeren ungarndeutschen Informant(inn)en gegenüber dem Vorkommen einzelner ungarischer Wörter im deutschen Dialekt toleranter sind als die älteren (G1: 17, G3: 26). Es zeigte sich auch, dass sich die Mehrheit in beiden Gruppen, sehr augenfällig aber in der Gruppe jüngerer Ungarndeutschen, diese Art Sprachmischung akzeptiert. 32 Merkwürdigerweise __________ 32 Eine genauere Betrachtung der oben zitierten Daten von Erb (2006a) in Bezug auf das Alter der Informant(inn)en ergab Folgendes (persönliche Mitteilung von Maria 56,6 86,7 43,3 13,3 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 G1 G3 stimmt zu stimmt nicht zu <?page no="136"?> Vorüberlegungen 131 ändert sich dieses Bild bei der zweiten Frage (Ist auch das Vorkommen vieler ungarischer Wörter im deutschen Dialekt akzeptabel? ) folgendermaßen: Diagramm 11: Verteilung die Antworten auf die Frage: Finden Sie es akzeptabel, wenn jemand, der Dialekt spricht, viele ungarische Wörter verwendet? (χ 2 = 0,675, df= 1, p= 0,409, n.s.) Zwischen den Gruppen konnte ein im statistischen Sinne nicht bedeutender Unterschied zu Gunsten der älteren Informant(inn)en ermittelt werden, wobei gleichzeitig eine Umkehr der Mehrheitsmeinung in beiden Gruppen zu sehen ist (G1: 12, G3: 8 Zustimmende). __________ Erb): Das Vorkommen einzelner ungarischer Wörter im deutschen Dialekt akzeptieren 25% der Älteren, 70% der Jüngeren; 75% der Älteren und 20% der Jüngeren akzeptieren es nicht (10% der Jüngeren: weiß nicht). Das Vorkommen vieler ungarischer Wörter im deutschen Dialekt akzeptieren 10% der Älteren, 40% der Jüngeren; 85% der Älteren und 55% der Jüngeren akzeptieren es nicht (je 5% der Älteren und der Jüngeren: weiß nicht). Diese Proportionen prognostisieren zwar ähnliche Tendenzen, sie weichen jedoch an einigen Stellen von den oben diskutierten Daten ab. Dies weist verstärkt auf die Notwendigkeit einschlägiger Erhebungen in unterschiedlichen zweisprachigen deutschen Sprachgemeinschaften hin, was durch den Einbezug weiterer soziolinguistischer Parameter wichtige Korrelationen zwischen den Spracheinstellungen und dem makrosoziolinguistischen Umfeld zu Tage fördern könnte. 40 26,7 60 73,3 0 10 20 30 40 50 60 70 80 G1 G3 stimmt zu stimmt nicht zu <?page no="137"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 132 Von einer radikalen Umkehr kann jedoch bei der älteren Altersgruppe nicht gesprochen werden, wie folgender Vergleich ihrer Antworten zeigt (ein paar ung. Wörter, stimmen zu: 17, viele ung. Wörter, stimmen zu: 12 Personen): Diagramm 12: Akzeptanz des Vorkommens unterschiedlicher Grade der Sprachmischung durch ältere Informant(inn)en (G1) (χ 2 = 1,068, df= 1, p = 0,301, n.s.) Der Unterschied zwischen der Akzeptanz des Vorkommens von einigen bzw. vielen ungarischen Wörtern im deutschen Dialekt ist auf dem 0,05-Niveau nicht signifikant, sodass ein Einfluss des Grades des ungarischen lexikalischen Einflusses auf die Urteile der älteren Informant(inn)en nicht angenommen werden kann. Während die Verteilung der Antworten der Älteren ausgeglichener ist, kehrt sich der Anteil der Akzeptierenden in der jüngeren Altersgruppe der Informant(inn)en merklich um, indem nur noch 26,7% der Befragten (8 Personen) das gehäufte Vorkommen ungarischer Wörter im deutschen Dialekt (gegenüber 86,7%, 26 Personen bei Frage 3a) tolerieren: 56,6 40 43,4 60 0 10 20 30 40 50 60 70 ein paar ung. Wörter viele ung. Wörter stimmt zu stimmt nicht zu <?page no="138"?> Vorüberlegungen 133 Diagramm 13: Akzeptanz des Vorkommens unterschiedlicher Grade der Sprachmischung durch jüngere Informant(inn)en (G3) (χ 2 = 19,615, df= 1, p < 0,01) Aus diesem statistisch bedeutenden Unterschied zwischen den Zustimmenden und Ablehnenden dürfte folgen, dass sich die Jüngeren gegenüber der (lexikalischen) Sprachmischung höheren Grades sehr intolerant verhalten, was ein Zeichen für eine stärkere Normativität gegenüber Sprachmischung dieser Art sein dürfte. Dies kann damit erklärt werden, dass ein geringer Grad des Vorkommens ungarischer Lexeme möglicherweise sogar positive affektive Reaktionen auslöst, die aus Sympathie und Loyalität den Alten gegenüber schöpfen, eine größere Intensität des ungarischen lexikalischen Einflusses in Form des gehäuften Auftretens ungarischer Lexeme im deutschen Dialekt aktiviert dagegen Reaktionen, denen puristische Ideologien zu Grunde liegen und die schließlich in eine Intoleranz gegenüber Sprachmischung dieser Art münden. Diese Annahme bestätigen folgende Kommentare jüngerer Informanten, die sie als Antwort bei der Fragebogenerhebung auf die Frage: Was halten Sie von denjenigen, die Wörter aus dem Ungarischen verwenden, während sie den deutschen Dialekt sprechen? (vgl. Anhang, 7.1.1, Frage 19) gegeben haben. Nachstehend werden einige von diesen zitiert, die mehrmals vorkommen: Ich bin daran gewöhnt, viele sprechen so, auch mein Großvater. Es gefällt mir. (1985/ w) Ich denke, es ist normal, das Schwäbische ist überholt, es hat keine Entsprechungen für neue ungarische Wörter (1983/ m) 86,7 26,7 13,3 73,3 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 ein paar ung. Wörter viele ung. Wörter stimmt zu stimmt nicht zu <?page no="139"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 134 Kein Problem, sie werden so besser verstanden von anderen. Wenn es Wörter gibt, die keine schwäbische Entsprechung haben, dann ist es besser. (1983/ w) Es bringt mich zum Lachen, es stört mich nicht. (1979/ w) Es klingt witzig, es ist aber wegen den Eigenschaften des Schwäbischen notwendig. (1978/ m) Während die obigen Kommentare die Mehrheitsmeinung zu prägen scheinen, tauchen neutrale oder abqualifizierende Beiträge, in denen puristische Ideologien zum Vorschein kommen, seltener auf: Ich finde es interessant. So etwas höre ich sehr selten, da wenn in meinem Umfeld Schwäbisch gesprochen wird, keine ungarischen Wörter im Schwäbischen vorkommen. (1986/ w) Es [das Schwäbische] wird immer mehr magyarisiert. Das Schwäbische wird verlernt. (1986/ w) Sie müssten zwischen den zwei Sprachen unterscheiden! (1980/ w) Kennzeichnend ist, dass auch diejenigen, die sich über den lexikalischen Einfluss des Ungarischen in den oben aufgeführten Kommentaren positiv oder neutral äußerten, das gehäufte Auftreten ungarischer Lexeme im deutschen Dialekt nicht tolerierten (vgl. Diagramm 13 weiter oben). Demgegenüber ließen sich bei den Antworten älterer Informanten keine Aussagen finden, die auf eine Stigmatisierung dieses Phänomens hingewiesen hätten. Die wenigen älteren Informant(inn)en, die diese Frage überhaupt kommentierten, führten die Einfügung ungarischer Lexeme in deutsche dialektale Sätze einhellig auf die Zweisprachigkeit von Ungarndeutschen zurück und etikettierten es als akzeptables Phänomen. Lediglich eine Informantin (1928/ w) hat angemerkt, dass dies ein Zeichen des Verlernens des deutschen Dialekts sei. Nach diesem Exkurs über allgemeine Einstellungen unserer Informant(inn)en gegenüber einigen Aspekten der Sprachmischung sollen nun ihre Spracheinstellungen gegenüber den wichtigsten, ihnen (in unterschiedlichem Maße) geläufigen Sprachvarietäten, im Einzelnen dem ungarndeutschen Dialekt mit und ohne Sprachmischung bzw. ergänzend dazu gegenüber der ungarischen Standardsprache anhand von konkreten Sprechproben mithilfe eines MGT-Apparats analysiert werden. Der Schwerpunkt soll auch hier, wie eingangs angedeutet, auf der Beurteilung des Gemischtsprechens, d.h. des Gebrauchs ungarndeutscher Dialekte mit Kontakteinfluss des Ungarischen liegen. Da Spracheinstellungen zu demselben Einstellungsobjekt bei Veränderung von Kontextvariablen jeweils anders geäußert werden können (wie z.B. Vandermeeren 2005: 1321f. zeigt), wird von einem Vergleich dieser (indirekt durch MGT erhobenen) Einstellungsdaten mit den oben diskutierten allgemeinen (direkt durch mündliche Befragungerhobenen) Spracheinstellungen der Infor- <?page no="140"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 135 mant(inn)en erwartet, die Frage zu beantworten, ob die Spracheinstellungen der Informant(inn)en in unterschiedlichen Erhebungskontexten unterschiedlich sein können oder ob sie die annähernd gleichen Tendenzen aufzeigen. 4.2 Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung Untersucht werden sollen zunächst zwei Aspekte, die sich aus den Hauptforschungsfragen der Untersuchung (vgl. Kap. 1.3) ergeben: (1) Der Akzent der Fragestellung liegt demnach jeweils auf der Beurteilung des Gemischtsprechens mittels Vergleich von Altersgruppen. Es wird gefragt, ob es einen Unterschied gibt zwischen der Beurteilung des Gemischtsprechens von älteren ungarndeutschen Sprecher(inne)n und von jüngeren Ungarndeutschen. (2) Im Weiteren wird in beiden Altersgruppen einzeln danach gefragt, ob ein Unterschied nachzuweisen ist zwischen ihren Einstellungen zum deutschen Dialekt mit Kontakteinfluss im Vergleich zum deutschen Dialekt ohne Sprachkontaktphänomene. (3) Eine hintergründige, aber nicht minder interessante Fragestellung im Kontext der untersuchten rezessiven Zweisprachigkeitssituation ist es, ob es altersspezifische Unterschiede gibt zwischen Spracheinstellungen bezogen auf den ungarndeutschen Dialekt. (4) Nicht zuletzt soll auch die Frage gestellt werden, ob innerhalb der einzelnen Altersgruppen Einstellungsunterschiede zwischen dem deutschen Dialekt und dem ungarischen Standard aufgezeigt werden können. Alle diese Fragen werden mittels einer MGT, wie unter 2.2 beschrieben, empirisch geprüft. Die einzelnen Einstellungsausprägungen werden auf den Ebenen der Personen- und der Sprachperzeption untersucht: unter dem Aspekt der Personenwahrnehmung in Bezug auf die Eigenschaften (1) intelligent, (2) freundlich, (3) gebildet, (4) zuverlässig, (5) selbstbewusst und (6) überzeugend; unter dem Aspekt der Sprachperzeption hinsichtlich der Redeeigenschaften (7) genau, (8) verständlich, (9) richtig und (10) schön. Die einzelnen, im Nachstehenden beschriebenen Fragestellungen wurden mithilfe eines t-Tests durch Signifikanzprüfung der Unterschiede der Mittelwerte einzeln auf alle oben aufgelisteten Eigenschaften hin geprüft. <?page no="141"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 136 4.2.1 Beurteilung des deutschen Dialekts mit ungarischem Kontakteinfluss mittels Vergleich von Altersgruppen Es ist bekannt, dass die Dialektkompetenz von Ungarndeutschen mit dem Alter der Sprecher(innen) korreliert, was in diesem Falle bedeutet, dass die Dialektkompetenz in Richtung ältere Sprecher(innen) zunimmt, wohingegen die Jüngeren in der Regel eine rezeptive, seltener eine produktive Dialektkompetenz haben. Sprachkontaktphänomene im Dialekt, die aus dem Einfluss des Ungarischen resultieren, sind deshalb zunehmend bei Älteren zu erwarten, so z.B. Knipf-Komlósi (2002: 295): Der häufige Gebrauch ungarischer lexikalischer Elemente in deutschen Mundartäußerungen ist eher charakteristisch für ältere Menschen im Gespräch über heutige Alltagsthemen, in der mittleren Generation typisch für SprecherInnen, die mangelhafte Dialekt- und Deutschkenntnisse haben, aber nicht typisch ist die Mischsprache im Sprachgebrauch der Jugendlichen. In diesem Sinne ist mit dem Vorkommen der Sprachmischung als vertraute Sprechweise und Begleiterscheinung der täglichen Kommunikationspraxis eher bei den älteren Sprecher(inne)n zu rechnen. Es stellt sich die Frage, ob diese Vertrautheit mit positiveren Einstellungen gegenüber dem Phänomen Sprachmischung einhergeht als bei den jüngeren Sprechern, die so etwas höchstens in der Rede ihrer Eltern oder Großeltern hören. Im Folgenden soll dieser Frage nachgegangen werden, indem die Einschätzung der weiter oben angegebenen Eigenschaften in den beiden Altersgruppen verglichen wird. In folgender Übersichtsdarstellung werden die Mittelwerte für die einzelnen Eigenschaften im Vergleich beider Altersgruppen präsentiert: <?page no="142"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 137 Diagramm 14: Einstellungswerte für die Beurteilung des deutschen Dialekts mit ungarischem Kontakteinfluss im Vergleich zwischen Altersgruppen (N= 60) Auf den ersten flüchtigen Blick erkennt man die Tendenz, dass die älteren Ungarndeutschen die Testsprecherin, die den Dialekt mit ungarischem Kontakteinfluss spricht, in Bezug auf sämtliche oben aufgelistete Eigenschaften positiver beurteilen als die jüngeren Informant(inn)en. Allgemein darf aber im Vorfeld lediglich behauptet werden, dass sowohl hinsichtlich der Personenperzeption als auch der Sprachperzeption auffällig große Unterschiede zwischen den Einstellungswerten beider Gruppen bestehen. Schauen wir uns nun an, ob diese Unterschiede tatsächlich mit dem Faktor Alter in Beziehung gesetzt werden können oder ob sie durch Zufall entstanden sind. Folgende Übersicht zeigt die Ergebnisse des t-Tests im Hinblick auf die einzelnen Eigenschaften: 4,86 2,93 2,26 2,46 2,8 3,06 3,73 3,2 2,73 3,46 3 4,76 3,63 4,76 4,7 4,63 4,5 4,36 3,76 4,63 0 1 2 3 4 5 6 intelligent freundlich gebildet zuverlässig selbstbewusst überzeugend genau verständlich richtig schön 3. Generation 1. Generation <?page no="143"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 138 Mittelwert Eigenschaft 1. Gen. 3. Gen. Unterschied der Mittelwerte t-Wert df p-Wert intelligent 4,76 3,06 1,7 12,8473 58 p < 0,01 freundlich 4,76 3,73 1,03 6,3233 58 p < 0,01 gebildet 3,63 2,93 0,7 4,7577 58 p < 0,01 zuverlässig 4,7 3,2 1,5 8,8311 58 p < 0,01 selbstbewusst 4,63 2,26 2,37 14,0081 58 p < 0,01 Person überzeugend 4,5 2,46 2,04 11,5493 58 p < 0,01 genau 4,36 2,73 1,63 9,3003 58 p < 0,01 verständlich 4,86 3,46 1,4 8,2698 58 p < 0,01 richtig 3,76 2,8 0,96 5,0273 58 p < 0,01 Sprache schön 4,63 3,0 1,63 8,6574 58 p < 0,01 Wie obigen Tabellenwerten zu entnehmen ist, lässt sich bei allen Eigenschaften einhellig ein hoch signifikanter Unterschied zwischen Mittelwerten der Altersgruppen feststellen, sodass die Wahrscheinlichkeit dessen, dass diese Unterschiede auf den Zufall zurückzuführen sind, sehr gering ist (1: 10.000). Dies lässt die Verallgemeinerung zu, dass zwischen dem Alter und den Einstellungen der Informant(inn)en zum deutschen Dialekt mit Sprachkontaktphänomenen ein Zusammenhang besteht, nämlich in der Richtung, dass ältere ungarndeutsche Informant(inn)en die zweisprachige Sprecherin, die sie auf dem Tonband hörten, anhand sämtlicher Eigenschaften positiver beurteilen als die Informant(inn)en der jüngeren Altersgruppe. Dies legt also nahe, dass die Vertrautheit älterer ungarndeutscher Sprecher(innen) mit der Sprachmischung, als einem für die eigene Kommunikationspraxis charakteristischen Phänomen, im Vergleich zu den Einstellungen der Jüngeren mit positiveren Spracheinstellungen einhergeht. 4.2.2 Beurteilung des deutschen Dialekts mit und ohne Kontakteinfluss des Ungarischen Die bereits in Kap. 1.4.2 zitierten Spracheinstellungen gegenüber der Sprachmischung zeigten, dass die Einschätzung des Gemischtsprechens in derselben Sprachgemeinschaft alles andere als einheitlich ist. Es gibt immer wieder Sprecher(innen), die sie tolerieren, abweichend von anderen, die sie abqualifizieren. Wie im einschlägigen Kapitel ausgeführt, ist auf Grund einzelner Einstellungsäußerungen sehr mühsam zu entscheiden, welche Einstellungen nun in einer gegebenen Sprachgemeinschaft ausschlaggebend sind, da grundsätzlich sowohl negative als auch positive Spracheinstellungen gleichzeitig belegt werden <?page no="144"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 139 können. Es wird zudem angenommen, dass etwaige Spracheinstellungsunterschiede in Bezug auf die dialektale Rede mit und ohne Sprachkontaktphänomene anders zum Vorschein kommen, wenn sich der Kontext ihrer Erhebung ändert. Im vorliegenden Fall geht es um die bewusste Gegenüberstellung zweier Texte, die von derselben Sprecherin stammen, sich jedoch im Vorkommen des ungarischen Kontakteinflusses unterscheiden. Es wird gefragt, ob es Unterschiede zwischen den Einstellungen unserer Informant(inn)en bei der Beurteilung des deutschen Dialekts ohne Kontakteinfluss einerseits und bei der Beurteilung des deutschen Dialekts mit Kontakteinfluss des Ungarischen andererseits gibt. Anders formuliert: Es stellt sich für beide Altersgruppen die Frage, ob das Vorkommen von Sprachmischungsphänomenen im deutschen Dialekt zu einer negativeren Beurteilung dieser Art Sprachverwendung führt als die des deutschen Dialekts ohne Sprachkontakteinfluss. Zunächst sollen die Einstellungswerte der älteren Altersgruppe (G1) bezogen auf die Einschätzung dialektaler Rede mit und ohne Kontakteinfluss des Ungarischen anhand folgender Werte des Diagramms 15 verglichen werden: Diagramm 15: Einstellungswerte der älteren Ungarndeutschen für die Beurteilung des deutschen Dialekts mit und ohne Kontakteinfluss (N= 60) Studiert man obige Unterschiede zwischen Einstellungswerten im Zusammenhang mit den einzelnen Varietäten, fällt auf, dass bei der Einschätzung der getesteten Eigenschaften in manchen Fällen mehr oder weniger große Unterschiede zu verzeichnen sind. Man sieht schon auf den ersten Blick, dass der 4,93 3,86 4,76 4,73 4,76 3,63 4,5 4,36 3,76 4,86 4,76 4,86 4,56 4,66 4,9 4,63 4,86 4,63 4,7 4,76 3 3,2 3,4 3,6 3,8 4 4,2 4,4 4,6 4,8 5 intelligent freundlich gebildet zuverlässig selbstbewusst überzeugend genau verständlich richtig schön deutscher Dialekt deutscher Dialekt mit ung. Kontakteinfluss <?page no="145"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 140 Unterschied der Mittelwerte einerseits nicht nur in die eine Richtung geht (bei den Eigenschaften zuverlässig und selbstbewusst liegen die Mittelwerte beim Dialekt mit Kontakteinfluss leicht höher, bei verständlich sind sie gleich) andererseits ist zu sehen, dass es auffällige Unterschiede zwischen den Einstellungswerten nur noch bei wenigen Eigenschaften gibt. Die Interpretation dieser Daten ist aber erst nach genauer statistischer Analyse der Unterschiede möglich. Vgl. dazu die Ergebnisse des t-Tests, dargestellt in der nachstehenden Übersichtstabelle: Mittelwert Eigenschaft D DK Unterschied der Mittelwerte t-Wert df p-Wert intelligent 4,9 4,76 0,14 1,3847 58 0,1715 (n.s.) freundlich 4,93 4,76 0,17 1,8278 58 0,0727 (n.s.) gebildet 3,86 3,63 0,23 1,8216 58 0,0752 (n.s.) zuverlässig 4,67 4,7 0,03 0,2541 58 0,8003 (n.s.) selbstbewusst 4,56 4,63 0,07 0,4866 58 0,6284 (n.s.) Person überzeugend 4,76 4,5 0,26 2,0400 58 p < 0,05 genau 4,73 4,36 0,37 3,0190 58 p < 0,01 verständlich 4,87 4,87 0,00 0,0000 58 1,0 (n.s.) richtig 4,76 3,76 1,00 7,6844 58 p < 0,01 Sprache schön 4,86 4,63 0,23 2,1307 58 p < 0,05 Der Vergleich der Mittelwerte für die Einschätzung der einzelnen Eigenschaften hat im Großteil der Fälle keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Einstellungswerten beim deutschen Dialekt (D) und dem deutschen Dialekt mit ungarischem Kontakteinfluss (DK) erbracht. Im Bereich P e r s o n e n w a h r n e h m u n g ließ sich ein signifikanter Unterschied auf dem 0,05-Niveau lediglich bei der Eigenschaft überzeugend nachweisen, indem die Informant(inn)en die Sprechende im Dialekt ohne Sprachkontaktphänomene überzeugender fanden. Beim Rest konnte festgestellt werden, dass die Informant(inn)en die Sprechende, die im deutschen Dialekt auch Elemente aus dem Ungarischen verwendete, für etwas weniger intelligent, freundlich, gebildet hielten, aber gleichzeitig etwas mehr zuverlässig und selbstbewusst. Diese Unterschiede sind aber, wie oben festgestellt, im statistischen Sinne nicht signifikant, deshalb scheint sehr unwahrscheinlich zu sein, dass die Spracheinstellungen in Bezug auf die o.g. Eigenschaften und das Vorkommen von Sprachmischung in den MGT-Texten korrelieren. Auffällig ist zudem der Mittelwertunterschied zwischen der Einschätzung des Personenmerkmals gebildet (D: 3,86 - DK: 3,63) und den restlichen Personenmerkmalen (sowohl der Dals auch der DK-Mittelwert ≥ 4,5) im Falle beider Varietäten. Dass der Wert für das Merkmal gebildet bei beiden Varie- <?page no="146"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 141 täten mit einem statistisch vernachlässigbaren Unterschied gleich niedrig liegt, bedeutet, dass Dialektsprecher grundsätzlich als weniger gebildet eingeschätzt werden als intelligent, freundlich etc., unabhängig davon, ob in ihrer Rede die Sprachmischung vorkommt oder nicht. Die auffällig niedrige Einschätzung des Merkmals gebildet in beiden Fällen lässt auf ein in der Sprachgemeinschaft verankertes (stereotypisiertes? ) Selbstbild schließen, das mit dem deutschen Dialekt und seinen Sprecher(inne)n einen niedrigeren Qualifikationsgrad verbindet. Bei der S p r a c h p e r z e pti o n zeigen sich bis auf einen Fall (Verständlichkeit) immer statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Mittelwerten in Bezug auf den deutschen Dialekt und den deutschen Dialekt mit Kontakteinfluss, wobei mit dem letzteren immer niedrigere Einstellungswerte einhergingen. Der prägnanteste Unterschied (1,00) zwischen diesen Werten besteht bei der Einschätzung der Richtigkeit dialektaler Rede mit und ohne Sprachkontakteinfluss, woraus gefolgert werden kann, dass die Richtigkeitseinschätzung der Informant(inn)en das Vorkommen ungarischer Elemente im deutschen Dialekt wesentlich beeinflussen. Dies kann möglicherweise damit erklärt werden, dass die Richtigkeit des Sprachgebrauchs in den Augen der Sprecher(innen) sehr stark an die ‚Reinheit‘ des Dialekts gekoppelt ist, was bedeuten kann, dass richtiges Dialektsprechen frei von Einflüssen einer anderen Sprache, in diesem Falle des Ungarischen, sei. Es ist ja kein Zufall, dass manche Sprecher, wie in Kap. 1.4.2 gezeigt, von einer puristischen Ideologie geleitet von Sprachmischung als einer „schlechten Gewohnheit“ sprechen. Die Frage also, wie das Vorkommen von Elementen aus dem Ungarischen im deutschen Dialekt die Spracheinstellungen der älteren ungarndeutschen Sprecher beeinflusst, kann nur komplex beantwortet werden: Um einen statistisch bedeutenden Einstellungsunterschied im Sinne einer positiveren Einschätzung zugunsten des deutschen Dialekts ohne Sprachkontakteinfluss kann es eher bei der Sprachperzeption gehen, indem die Informant(inn)en die dialektale Rede mit Sprachkontaktphänomenen weniger genau, richtig und schön beschrieben als die ohne Einfluss des Ungarischen. Eine Abqualifizierung der Sprachmischung im deutschen Dialekt gegenüber dem deutschen Dialekt ohne Sprachkontakteinfluss durch die älteren Informant(inn)en gilt also tendenziell nicht der Person, die auf dem Tonband sprach, sondern der Sprechweise selbst. Hier fiel jedoch, wie oben gesagt, auf, dass die negativere Bewertung nicht die Verständlichkeit betraf, sondern Merkmale, deren Einschätzung u.a. an Korrektheitsvorstellungen der Informant(innen) gebunden ist. In einem zweiten Schritt zur Beantwortung der weiter oben gestellten Frage sollen auch die einschlägigen Einstellungen der jüngeren Altersgruppe (G3) einzeln analysiert werden. <?page no="147"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 142 Diagramm 16: Einstellungswerte der jüngeren Ungarndeutschen für die Beurteilung des deutschen Dialekts mit und ohne Kontakteinfluss (N= 60) Es fällt auf, dass bei allen Eigenschaften ein mehr oder weniger großer Unterschied zwischen den Einstellungswerten für den Dialekt mit und ohne Sprachkontakteinfluss erkennbar ist, immer zugunsten des ersteren. Eine empirische Prüfung dieser Unterschiede führte nun zu folgendem Ergebnis: Mittelwert Eigenschaft D DK Unterschied der Mittelwerte t-Wert df p-Wert intelligent 3,46 3,06 0,4 2,1784 58 p < 0,05 freundlich 4,2 3,73 0,47 2,6655 58 p < 0,01 gebildet 3,23 2,93 0,3 1,5833 58 0,1188 (n.s.) zuverlässig 3,96 3,2 0,76 3,7812 58 p < 0,01 selbstbewusst 3,2 2,26 0,93 4,5463 58 p < 0,01 Person überzeugend 3,26 2,46 0,8 3,7624 58 p < 0,01 genau 3,66 2,73 0,94 4,8265 58 p < 0,01 verständlich 4 3,46 0,54 2,5041 58 p < 0,05 richtig 3,76 2,8 0,96 4,2903 58 p < 0,01 Sprache schön 3,93 3 0,93 4,3600 58 p < 0,01 Mit Ausnahme der Eigenschaft gebildet ließ sich bei allen hier analysierten Eigenschaften ein signifikanter Unterschied der Mittelwerte in Bezug auf die zwei Varietäten Dialekt (D) und Dialekt mit Kontakteinfluss (DK) ermitteln. Die im statistischen Sinne gleiche Einschätzung der auf dem Tonband gehörten Spre- 4,2 3,96 3,2 3 3,93 3,76 4 3,66 3,26 3,2 3,23 3,46 2,8 3,46 2,73 2,46 2,26 2,93 3,73 3,06 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 intelligent freundlich gebildet zuverlässig selbstbewusst überzeugend genau verständlich richtig schön deutscher Dialekt deutscher Dialekt mit ung. Kontakteinfluss <?page no="148"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 143 cherin auf die Eigenschaft gebildet hin lässt sich, wie bei den älteren Informant(inne)n, damit erklären, dass sowohl der Dialekt mit als auch der Dialekt ohne Sprachkontakteinfluss als eine, für die gleiche Sprechergruppe typische Sprechweise erkannt werden. Dahinter kann möglicherweise die Beobachtung dieser Informant(inn)en stecken, dass Sprachmischung bei vielen zweisprachigen Sprechern vorkommt, unabhängig von ihrem Qualifikationsstand. Abweichend davon zeigte sich ein signifikanter Unterschied auf dem 0,01-Nievau bei den Eigenschaften selbstbewusst, genau, richtig, schön, zuverlässig, überzeugend, freundlich und schließlich auf dem 0,05-Niveau bei intelligent und verständlich. Vergleicht man dieses Bild mit den Daten der älteren ungarndeutschen Informantengruppe, so springt der allgemeine Einstellungsunterschied in Bezug auf den Dialekt mit Kontakteinfluss ins Auge, dass bei den Jüngeren, in krassem Unterschied zu den älteren Informant(inn)en, die Beurteilung dialektaler Rede mit ungarischem Kontakteinfluss (bis auf die Eigenschaft gebildet) sowohl im Bereich Personenwahrnehmung als auch bei der Sprachperzeption immer mit einem abrupten Wandel der Spracheinstellungen einherging, sodass die Eigenschaften der Sprecherin immer niedrigere Einstellungswerte erhielten. Aus diesen Ergebnissen lässt sich nun schlussfolgern, dass eine negativere Beurteilung des Dialekts mit ungarischem Sprachkontakteinfluss im Vergleich zu der des ‚reinen‘ Dialekts mit dem Vorkommen der Sprachmischung in Beziehung gesetzt werden kann. Während eine eindeutig negativere Beurteilung der Sprachmischung durch die Jüngeren im Vergleich zu Daten der älteren Ungarndeutschen (wie zu Beginn des Kapitels 4 thematisiert) laut direkt erhobenen Fragebogendaten nicht immer zu beobachten war, zeichnete sich anhand obiger indirekt erhobener Einstellungsdaten eine grundsätzlich andere Tendenz ab: Anhand konkreter Sprechproben werden Gemischtsprechende und auch das Gemischtsprechen selbst von den Jüngeren tendenziell negativer beurteilt, während sie sich nach den dekontextualisierten Fragebogenantworten gegenüber des Vorkommens einzelner ungarischer Lexeme im deutschen Dialekt sogar noch toleranter verhielten als die älteren Informant(inn)en (vgl. Diagramm 10). Dies lässt darauf schließen, dass die im Fragebogen geäußerte Toleranz gegenüber der (lexikalischen) Sprachmischung nicht auf jeden Fall dem Phänomen galt, sondern der Solidarität gegenüber den Personen und ihrer Sprechweise (d.h. der Großelterngeneration), während die in den Hörtexten vorkommenden konkreten Manifestationen der Sprachmischung sofort negativere Spracheinstellungen ausgelöst haben. Die obigen Analysen lieferten zudem einen sowohl theoretisch wie auch methodisch wichtigen Nachweis dafür, dass dieselbe Person in Abhängigkeit von ihrer Sprechweise unterschiedlich bewertet wird, wobei es nicht um die Verwendung unterschiedlicher Sprach(varietät)en, sondern lediglich um das (Nicht)Vorkommen von Sprachmischung geht. Dies unterstreicht <?page no="149"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 144 die Beobachtungen der Zweisprachigkeitsforschung am Beispiel unterschiedlicher Zweisprachigkeitssituationen (vgl. Romaine 1995: 300f.). Man ist in Kenntnis obiger Ergebnisse sehr wohl geneigt (vorschnell) zu schlussfolgern, der ungarische Kontakteinfluss im deutschen Dialekt der MGT- Texte hätte einen unverkennbaren Effekt auf die Urteile der Informant(inn)en. Aus methodischer Sicht besteht hier jedoch offensichtlich Klärungsbedarf: Inwieweit ist man nämlich berechtigt, anzunehmen, dass die Urteile der Informant(inn)en das Vorhandensein bestimmter Sprachmerkmale, d.h. das Vorkommen der aktuellen ungarischen Elemente im deutschen Dialekt, die die gegebene Testsprecherin verwendet, beeinflusst haben? Anders formuliert: Darf angenommen werden, dass die Informantengruppe, die einzelne Merkmale der Testsprecherin bzw. ihrer Rede negativer beurteilte als die andere, ihre Urteile wegen des Vorhandenseins des ungarischen Kontakteinflusses getroffen hat? Ein Nachweis dessen kann jedoch nur indirekt durch einen zusätzlichen Test versucht werden, indem gefragt wird, ob das Vorkommen bestimmter Elemente aus dem Ungarischen in deutschen Dialektsätzen tatsächlich einen Einfluss auf die Akzeptabilitätsurteile der Informant(inn)en hat. Kann nachgewiesen werden, dass deutsche Dialektsätze, in denen kontaktbedingte Varianten einer Variablen vorkommen, weniger akzeptabel sind als deutsche Dialektsätze mit nicht-kontaktbedingten Varianten derselben Variablen, so kann indirekt darauf geschlossen werden, dass das Vorhandensein der kontaktbedingten Sprachmerkmale auch die Spracheinstellungen in dieser Richtung beeinflusst. 33 Zur Beantwortung dieser Frage wurden drei hervorstechende Merkmale des ungarischen lexikalischen Einflusses aus dem zweiten MGT-Text (vgl. unter 2.2) isoliert, an denen die obige methodische Frage geklärt werden kann: (1) Das Vorkommen des hybriden Kompositums akárwie ‚wie auch immer‘, (2) des ungarischen Konnektors hanem ‚sondern‘ und (3) die des ungarischen Konnektors vagy ‚oder‘. Zu beiden wurde, wie in Kap. 2.2.1 beschrieben, Testsätze konstruiert, jeweils mit einer kontaktbedingten und einer dialektalen, aber nicht kontaktbedingten Variante der Variablen: __________ 33 Hier könnte man natürlich weiter fragen, ob sich eine niedrigere Akzeptanz von Dialektsätzen, in denen Sprachkontaktphänomene erscheinen, wirklich wegen des Vorkommens dieser ergibt. Da der Nachweis dieser Annahme recht schwierig ist, darf es hier ausdrücklich um einen doppelt indirekten Nachweis gehen. <?page no="150"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 145 Variable akárwie/ wan ich aa 34 ‚Wie ich auch immer wollte, konnte ich nicht auf die Kirchweih gehen.‘ 1. Akárwie ich gewelt ho, ho ich net khene in te kirp khe. 2. Wan ich aa gewelt ho, ho ich net khene in te kirp khe. Variable hanem/ Ø ‚Am Nachmittag waren wir nicht auf der Straße, sondern im Garten.‘ 3. Nomitach warma net in te kasse, hanem in te koarte. 4. Nomitach warma in te koarte, net in te kase. 35 Variable vagy/ awe ‚Sie wollten mit deinem Freund reden oder wollten ihn anrufen.‘ 5. Ti hon wele rete mit thain kumerat vagy hontse welle ufrufe. 6. Ti hon wele rete mit thain kumerat awe hontse welle ufrufe. Der Vergleich von Informantenurteilen bezogen auf einzelne Varianten der Variablen innerhalb und zwischen Altersgruppen kann darüber Aufschluss geben, ob zwischen Akzeptanz und bestimmten Varianten der o.g. Variablen eine Beziehung anzunehmen ist. __________ 34 Bei der Angabe dieser Form zögerten meine Kontaktpersonen ziemlich lange, indem sie erklärten, dass diese dialektale Variante wenn überhaupt, recht selten verwendet wird, wohingegen akárwie fast ausschließlich. 35 In diesem Beispiel unterscheiden sich die beiden Sätze jedoch nicht nur im Vorkommen der kontaktbedingten Variante, sondern auch in der Wortstellung. Es ist also nicht eindeutig festzustellen, ob zum Akzeptanzunterschied das (Nicht)Vorhandensein der in Frage stehenden Variante, der Wortstellungsunterschied oder beides führt. <?page no="151"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 146 Ältere Informantengruppe (G1) Diagramm 17: Akzeptanzunterschiede (%) Variable akárwie/ wan ich aa (χ 2 = 0, df= 1, p= 1) Diagramm 18: Akzeptanzunterschiede (%) Variable hanem/ Ø (χ 2 = 2,09, df= 1, p= 0,14) 67 33 70 30 0 10 20 30 40 50 60 70 80 akzeptabel nicht akzeptabel akárwie… wan ich aa… 77 23 93 7 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 akzeptabel nicht akzeptabel …hanem… ...Ø… <?page no="152"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 147 Diagramm 19: Akzeptanzunterschiede (%) Variable vagy/ awe (χ 2 = 21,68, df= 1, p < 0,01) Der Vergleich zeigt, dass die Informant(inn)en in allen drei Fällen die nichtkontaktbedingte Form akzeptabler fanden als die kontaktbedingte (akárwie: 20 vs. wan ich aa: 21, hanem: 23 vs. Ø: 28, vagy: 11 vs. awe: 29). Die statistische Analyse dieser Unterschiede zeigt auch, dass sich in den ersten zwei Fällen zwischen den Urteilen in Bezug auf die kontaktbedingte und dialektale und nicht-kontaktbedingte Variante der Variablen keine signifikanten Unterschiede auf dem 0,05-Niveau ermitteln ließen, nicht aber im dritten Fall, in dem sich die Urteile der Informant(inn)en zugunsten der dialektalen und nicht-kontaktbedingten Form awe gegenüber der kontaktbedingten vagy signifikant unterscheiden. Dieses Ergebnis zeigt also nicht, dass die grundsätzlich gleiche Beurteilung des kontaktgefärbten gegenüber dem ‚reinen‘ Dialekttext (MGT) durch die älteren Informant(inn)en mit der gleichen (also statistisch nicht bedeutend unterschiedlichen) Akzeptabilität kontaktbedingter und nicht-kontaktbedingter Varianten im Einklang stehen würde. Derselbe Vergleich hat bei den jüngeren Informant(inn)en zum gleichen Ergebnis geführt: 37 63 97 3 0 20 40 60 80 100 120 akzeptabel nicht akzeptabel …vagy… …awe… <?page no="153"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 148 Jüngere Informantengruppe (G3) Diagramm 20: Akzeptanzunterschiede (%) Variable akárwie/ wan ich aa (χ 2 = 4,51, df= 1, p < 0,05) Diagramm 21: Akzeptanzunterschiede (%) Variable hanem/ Ø (χ 2 = 0,07, df= 1, p= 0,79) 47 53 77 23 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 akzeptabel nicht akzeptabel akárwie… wan ich aa.. 60 40 67 33 0 10 20 30 40 50 60 70 80 akzeptabel nicht akzeptabel …hanem… ...Ø… <?page no="154"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 149 53 47 60 40 0 10 20 30 40 50 60 70 akzeptabel nicht akzeptabel …vagy… …awe… Diagramm 22: Akzeptanzunterschiede (%) Variable vagy/ awe (χ 2 = 0,07, df= 1, p= 0,79) Bei der Betrachtung dieser Vergleichswerte fällt zunächst ins Auge, dass die kontaktbedingten Varianten in allen drei Fällen einen niedrigeren Akzeptanzgrad haben als ihre nicht-kontaktbedingten Gegenstücke (akárwie: 14 vs. wan ich aa: 23, hanem: 18 vs. Ø: 20, vagy: 16 vs. awe: 18). Nur im ersten Fall, bei der Variablen akárwie/ wan ich aa, ließ sich ein signifikanter Unterschied zwischen der Beurteilung der Varianten akárwie und wan ich aa registrieren, wobei die Informant(inn)en letztere akzeptabler fanden. In den restlichen zwei Fällen konnte keine statistisch bedeutende Beziehung zwischen den einzelnen Varianten und der Akzeptabilität festgestellt werden. Dies erlaubt es wiederum nicht anzunehmen, dass auf die Bewertung der MGT-Texte durch die jüngsten Informant(inn)en das (Nicht-)Vorkommen der kontaktbedingten Varianten einen Einfluss hat. Will man also die unterschiedliche Beurteilung kontaktgefärbter Rede im Vergleich zum Sprechen in ‚reinem‘ Dialekt in den einzelnen Altersgruppen erklären, bietet die Analyse der Akzeptanz einiger kontaktbedingten Varianten, die im MGT-Text vorkommen, bei keiner der Altersgruppen ein statistisch abgesichertes Argument. Das einzige Argument, das aber in der vorliegenden Arbeit keiner zusätzlichen Prüfung unterzogen wurde, ist, die Spracheinstellungsunterschiede zwischen Altersgruppen mit dem unterschiedlichen Gesamteindruck der Informant(inn)en unterschiedlichen Alters gegenüber kontaktgefärbter Rede zu erklären, was mit dem Vorhandensein einzelner (kontaktbedingter oder nicht-kontaktbedingter) Variablen in diesem Fall nicht in Zusammenhang gebracht werden kann. <?page no="155"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 150 4.2.3 Beurteilung des deutschen Dialekts von älteren und jüngeren Ungarndeutschen Als weiteres Ziel der vorliegenden Untersuchung wurde in Kap. 1.3 angegeben, auch eventuelle Spracheinstellungsunterschiede in Bezug auf den deutschen Dialekt zu finden, die mit dem Faktor Alter in Beziehung gesetzt werden könnten. Einige Arbeiten, in denen Spracheinstellungen gegenüber dem jeweils untersuchten deutschen Dialekt erhoben wurden, bieten hierzu den Anhaltspunkt. Knipf und Erb (2000) belegten in ihrer Analyse von Spracheinstellungen zum deutschen Ortsdialekt im Ofner Bergland in allen ungarndeutschen Altersgruppen neben positiven auch kritische Einschätzungen, die die Informant(inn)en über den deutschen Ortsdialekt geäußert haben. Dies begründeten Knipf und Erb (ebd. 228-229) folgendermaßen: Im Hintergrund der mitunter kritischen Stimmen dieser Äußerungen zum lokalen Dialekt steht oft ein verändertes und ein vorhandenes Sprachmängel- und Sprachnormbewusstsein. Das Sprachmängelbewusstsein kann induziert werden durch die Kenntnis der deutschen Standardsprache, die für die jüngere Generation, die diese Sprache in einem gesteuerten Zweitspracherwerb gelernt hat, die Norm repräsentiert, und an diesem Maßstab gemessen, weisen die lokalen Mundarten der Ungarndeutschen erhebliche Defizite und sprachliche Mängel auf, sowohl im Bereich der Lexik als auch im Bereich der Schriftlichkeit. Die mittleren und älteren Generationen gehen von ihrer funktional ersten Sprache, der ungarischen, aus und vergleichen ihren Dialekt damit: auch hier schneiden selbstverständlich die Dialekte schlecht ab. So gesehen kann in dem untersuchten Gebiet behauptet werden, dass der lokale Dialekt der Ungarndeutschen für keine der Altersklassen mehr eine Sprachnorm darstellt. Die jahrzehntelange Stigmatisierung der ungarndeutschen Mundarten ist zwar verschwunden, doch gelangten diese Dialekte nicht einmal in unseren Tagen zu einem nennenswerten Prestige, der sich z.B. in einer Revitalisierung dieser Dialekte zeigen würde. Diese starke Orientiertheit an die deutsche und ungarische Standardsprache bei der Bewertung des deutschen Dialektes mag mit dem sozialsymbolischen Primat von Standardsprachen als Bewertungsmaßstab schlechthin zusammenhängen (vgl. Mattheier 1990 und 1994). Weiter verstärkt wird dieser Effekt durch Erkennung lexikalischer und Domänendefizite deutscher Dialekte, die besonders durch explizite Vergleiche mit dem Standarddeutsch und Standardungarisch zu Tage gefördert werden. Gleichzeitig ist aber, wie Knipf und Erb in einem ihrer Artikel (Erb/ Knipf 2004) anmerken, in vielen Fällen eine starke emotionale Bindung an deutsche Dialekte auch unter jungen Ungarndeutschen präsent, die den Dialekt höchstens nur verstehen, aber nicht sprechen. Die Rolle des Dialekts als wichtiger <?page no="156"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 151 identitätsstiftender Faktor wird von vielen Ungarndeutschen anerkannt. Wird aber der Dialekt mit dem Standarddeutschen gegenübergestellt, kommen dem Ersteren gegenüber verstärkt negative Einstellungen zum Vorschein (vgl. ebd. 87). Immerhin ist zu erwarten, dass je älter die Sprecher(innen) sind, desto positivere Einstellungen sie dem Dialekt gegenüber formulieren werden. Auch Demingers (2004: 97ff.) Analyse konnte dies empirisch nachweisen. Während die Daten für die o.g. Arbeiten Interview- und Fragebogenerhebungen lieferten, werden in der nachstehenden Analyse indirekt erhobene Daten diskutiert, wobei gefragt wird, welche Spracheinstellungen die Informant(inn)en nach dem Anhören der Textproben gegenüber dem deutschen Dialekt formulieren. Die zentrale Frage dabei wird auch in diesem Falle sein, ob sich dabei Spracheinstellungsunterschiede aufzeigen lassen, die mit dem Alter in Beziehung gesetzt werden können. Ausgehend von der Anzahl der zur Verfügung stehenden MGT-Texte ist es möglich, die obige Frage gleichzeitig anhand von zwei Testsprechern zu beantworten, denn es gibt im MGT-Sample zugleich zwei Texte, einen von der Testsprecherin 1 und einen zweiten von der Testsprecherin 2 (vgl. Kapitel 2.2). Der Vergleich der Daten für diese zwei Texte ermöglicht es, einige provisorische Aussagen über den Effekt persönlicher Redemerkmale von Sprechern derselben Varietät auf die Spracheinstellungen der Informant(inn)en zu machen. Während beide Sprecherinnen den gleichen Ortsdialekt sprachen, gab es offenbar subjektiv wahrnehmbare, idiolektal bedingte Unterschiede zwischen ihren Texten, wobei Testsprecherin 2 im akustischen Sinne weniger verständlich sprach als Testsprecherin 1. Zunächst wurden die Einstellungswerte beider Informantengruppen anhand des Textes der ersten Testsprecherin verglichen. Vgl. dazu folgendes Diagramm: <?page no="157"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 152 Diagramm 23: Einstellungswerte für die Beurteilung des deutschen Dialekts (Testsprecherin 1) zwischen Altersgruppen (N= 60) Hier zeigen sich bei allen Eigenschaften sowohl in Bezug auf die Personenperzeption als auch in Bezug auf die Bewertung der Redeeigenschaften Unterschiede der Mittelwerte zwischen den zwei Altersgruppen, wobei die älteren Informant(inn)en den deutschen Dialekt immer positiver bewerteten: Mittelwert Eigenschaft 1. Gen. 3. Gen. Unterschied der Mittelwerte t-Wert df p-Wert intelligent 4,9 3,46 1,44 8,9796 58 p < 0,01 freundlich 4,93 4,2 0,73 6,6229 58 p < 0,01 gebildet 3,86 3,23 0,63 3,6062 58 p < 0,01 zuverlässig 4,66 3,96 0,7 4,0781 58 p < 0,01 selbstbewusst 4,56 3,2 1,36 7,5955 58 p < 0,01 Person überzeugend 4,76 3,26 1,5 8,4781 58 p < 0,01 genau 4,73 3,66 1,07 7,3082 58 p < 0,01 verständlich 4,86 4,0 0,86 5,5173 58 p < 0,01 richtig 4,76 3,76 1,0 5,7047 58 p < 0,01 Sprache schön 4,86 3,93 0,93 6,2610 58 p < 0,01 Wie die Tabellenwerte zeigen, konnten bei allen Eigenschaften signifikante Unterschiede der Mittelwerte (mindestens auf dem 0,01-Niveau) ermittelt werden. Dies erlaubt es, die Nullhypothese, nach der es keine Generationsunterschiede bei der Bewertung des Dialekts gibt, zu verwerfen, was gleichzeitig eine Beziehung zwischen der Bewertung des Dialekts und der Variablen Alter 3,46 4,2 3,23 3,96 3,2 3,26 3,66 4 3,76 3,93 4,9 4,93 3,86 4,66 4,56 4,76 4,73 4,86 4,76 4,86 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 intelligent frendlich gebildet zuverlässig selbstbewusst überzeugend genau verständlich richtig schön 3. Generation 1. Generation <?page no="158"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 153 nahelegt. Wird dieselbe Hypothese anhand der zweiten Testsprecherin geprüft, ergibt sich Folgendes: Diagramm 24: Einstellungswerte für die Beurteilung des deutschen Dialekts (Testsprecherin 2) zwischen Altersgruppen (N= 60) Hier fällt die gleiche Tendenz auf, jedoch mit dem Unterschied, dass die Bewertung der Dialektsprecherin durch die jüngeren Informant(inn)en bei manchen Eigenschaften wesentlich negativer als im ersten Fall ausfällt, vgl. folgende Vergleichswerte des t-Tests: Mittelwert Eigenschaft 1. Gen. 3. Gen. Unterschied der Mittelwerte t-Wert df p-Wert intelligent 4,13 2,73 1,4 8,5487 58 p < 0,01 freundlich 4,66 3,96 0,7 4,4391 58 p < 0,01 gebildet 4,33 2,53 1,8 10,3857 58 p < 0,01 zuverlässig 4,66 3,86 0,8 5,0156 58 p < 0,01 selbstbewusst 4,56 2,26 2,3 13,5052 58 p < 0,01 Person überzeugend 4,23 2,6 1,63 8,7139 58 p < 0,01 genau 4,33 2,73 1,6 8,8349 58 p < 0,01 verständlich 4,56 2,73 1,83 11,7352 58 p < 0,01 richtig 4,1 2,6 1,5 9,0501 58 p < 0,01 Sprache schön 4,43 2,8 1,63 8,7714 58 p < 0,01 Der Vergleich der Bewertung von zwei verschiedenen Dialektsprecherinnen durch die gleichen Personen kann einen Nachweis dafür liefern, dass die per- 2,73 3,96 2,53 3,86 2,26 2,6 2,73 2,73 2,6 2,8 4,13 4,66 4,33 4,66 4,56 4,23 4,33 4,56 4,1 4,43 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 intelligent freundlich gebildet zuverlässig selbstbewusst überzeugend genau verständlich richtig schön 3. Generation 1. Generation <?page no="159"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 154 sönlichen Redemerkmale (z.B. Stimme, Artikulation und Stil), die sich bei Testsprecherin 1 und 2 deutlich unterscheiden mit abweichender Bewertung einhergehen können, da sie vermutlich jeweils unterschiedliche Stereotypen aktivieren. Dies erfolgt aber in den zwei Altersgruppen nicht auf die gleiche Weise. Vgl. zunächst die Bewertung der zwei Testsprecherinnen durch ältere Informant(inn)en: Diagramm 25: Einstellungswerte für die Beurteilung des deutschen Dialekts durch ältere Informant(inn)en: Testsprecherin 1 vs. Testsprecherin 2 (N= 60) Beim Vergleich der obigen Mittelwerte ist zu sehen, dass Testsprecherin 2 mit Ausnahme von drei Personeneigenschaften negativer bewertet wurde als die erste Testsprecherin, in all diesen Fällen unterschieden sich die Bewertungen signifikant (mindestens auf dem 0,01-Niveau): 3,86 4,66 4,56 4,33 4,66 4,56 4,86 4,76 4,86 4,73 4,76 4,93 4,9 4,43 4,1 4,56 4,33 4,23 4,66 4,13 3 3,5 4 4,5 5 5,5 intellig ent freun dlich g e bildet z uve rläss ig s elbstbe wus st üb erz eug e nd g e nau v ers tän dlich ric htig s chön Mittelwerte Tes ts prec herin 1 Tes ts prec herin 2 <?page no="160"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 155 Mittelwert Eigenschaft TS 1 TS 2 Unterschied der Mittelwerte t-Wert df p-Wert intelligent 4,9 4,13 0,77 7,9130 58 p < 0,01 freundlich 4,93 4,66 0,27 2,6926 58 p < 0,01 gebildet 3,86 4,33 0,47 3,2324 58 p < 0,01 zuverlässig 4,66 4,66 0 0,2487 58 0,8045 (n.s.) selbstbewusst 4,56 4,56 0 0,0000 58 1,0000 (n.s.) Person überzeugend 4,76 4,23 0,53 4,4085 58 p < 0,01 genau 4,73 4,33 0,4 3,0948 58 p < 0,01 verständlich 4,86 4,56 0,3 2,6884 58 p < 0,01 richtig 4,76 4,1 0,66 6,1976 58 p < 0,01 Sprache schön 4,86 4,43 0,43 3.3187 58 p < 0,01 Bei der Einschätzung der Eigenschaften zuverlässig und selbstbewusst gab es, wie gesagt, keine Unterschiede, während die Sprecherin bei der Eigenschaft gebildet positiver (p < 0,01) bewertet wurde als die erste Testsprecherin. Somit liegt ein Widerspruch zwischen der Bewertung der Eigenschaften intelligent und gebildet vor: Während Testsprecherin 1 deutlich intelligenter gefunden wurde als Testsprecherin 2, erhielt sie signifikant niedrigere Werte bei der Eigenschaft gebildet. Dies kann schließlich entweder mit der Inkonsequenz der Informant(inn)en oder mit einem möglichen Reihenfolgeneffekt der MGT erklärt werden. Wie in Kap. 2.2.1 ausführlich beschrieben, haben die Informant(inn)en deutsche dialektale und ungarische Texte abwechselnd vorgespielt bekommen, zuerst einen Text von Testsprecherin 1, dann (nach einem ungarischen Text) einen von Testsprecherin 2. Die Mittelwerte der obigen Übersichtstabelle für Testsprecherin 2 legen nahe, dass hier die bei Testsprecherin 1 deutlich differenzierten Merkmalsunterschiede anscheinend neutralisiert wurden, sodass Testsprecherin 2 durchweg Mittelwerte über 4,10 erhielt. Auch der prägnante Mittelwertunterschied bei der Eigenschaft richtig verlangt nach einer Erklärung. Hier kann vermutet werden, dass der Wahrnehmungsunterschied, der aus dem unterschiedlichen akustisch bedingten Verständlichkeitsniveau der beiden Texte resultiert, auch auf andere Redemerkmale übertragen wurde. Derselbe Vergleich hat bei der jüngeren Altersgruppe zu folgenden Ergebnissen geführt: <?page no="161"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 156 Diagramm 26: Einstellungswerte für die Beurteilung des deutschen Dialekts durch jüngere Informant(inn)en: Testsprecherin 1 vs. Testsprecherin 2 (N= 60) Auf den ersten flüchtigen Blick zeigt sich auch hier die gleiche Tendenz, wobei die zweite Testsprecherin in der Mehrzahl der Fälle viel negativer beurteilt wird als die erste: Mittelwert Eigenschaft TS 1 TS 2 Unterschied der Mittelwerte t-Wert df p-Wert intelligent 3,46 2,73 0,73 3,5401 58 p < 0,01 freundlich 4,2 3,96 0,24 1,4117 58 0,1634 (n.s.) gebildet 3,23 2,53 0,7 3,4983 58 p < 0,01 zuverlässig 3,96 3,86 0,1 0.5027 58 0,6171 (n.s.) selbstbewusst 3,2 2,26 0,94 4.8166 58 p < 0,01 Person überzeugend 3,26 2,6 0,66 2.9291 58 p < 0,01 genau 3,66 2,73 0,93 4.8265 58 p < 0,01 verständlich 4,0 2,73 1,27 6.4954 58 p < 0,01 richtig 3,76 2,6 1,16 5.4028 58 p < 0,01 Sprache schön 3,93 2,8 1,13 5.6776 58 p < 0,01 Abgesehen von zwei Personeneigenschaften (freundlich und zuverlässig), bei denen es zwar einen kleinen, aber statistisch gesehen vernachlässigbaren Unterschied gibt, wurde auch hier die zweite Sprecherin (mindestens auf dem 0,01-Niveau) negativer bewertet. Wie weiter oben bereits angedeutet, hatten die beiden Texte aus akustischen, nicht aber grammatischen Gründen ein deutlich unterschiedliches Verständlichkeitsniveau, was von den zwei Altersgruppen zwar anders, aber auf 2,26 3,2 3,96 3,23 3,93 3,76 4 3,66 3,26 4,2 3,46 3,86 2,53 2,8 2,6 2,73 2,73 2,6 3,96 2,73 2 2,5 3 3,5 4 4,5 intellig ent freun dlich g e bildet z uve rläss ig s elbstbe wus st üb erz eug e nd g e nau v ers tän dlich ric htig s chön Mittelwerte Tes ts prec herin 1 Tes ts prec herin 2 <?page no="162"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 157 jeden Fall wahrgenommen wurde. Glücklicherweise fand sich unter den zu testenden Redeeigenschaften eine (verständlich), an deren Bewertung dies abgelesen werden kann. Das Merkmal Verständlichkeit wurde von beiden Informantengruppen im Falle der Testsprecherin 2 jeweils negativer bewertet als bei Testsprecherin 1. Zudem wurden alle vier Redeeigenschaften der zweiten Testsprecherin, inkl. Verständlichkeit, immer negativer eingeschätzt und unterscheiden sich von denen der ersten Testsprecherin jeweils signifikant (ältere Informant(inn)en: genau, verständlich, schön und richtig: p < 0,01; jüngere Informanten: p < 0,01 bei allen vier Redeeigenschaften). Hier bietet sich als mögliche Interpretation an, dass die Informant(inn)en in beiden Altersgruppen das deutlich niedrigere Verständlichkeitsniveau auf sämtliche Redeeigenschaften projiziert haben, sodass diese bei Testsprecherin 2 immer bedeutend niedriger liegen. Bei genauerer Betrachtung der unterschiedlichen Bewertung von Testsprecherin 2 mit einem deutlich niedrigeren Verständlichkeitsgrad durch Ältere und Jüngere Informant(inn)en (vgl. Diagramme 23-24) bietet sich eine ergänzende Erklärung für die registrierten Unterschiede an. Beim Studieren der Daten fiel auf, dass die Älteren auf Grund ihrer hohen Dialektkompetenz auch die weniger verständliche Testsprecherin 2 besser verstanden haben als die Jüngeren. Dies untermauert die Beobachtung erneut, dass jüngere Ungarndeutsche über eine niedrige oder ggf. über gar keine deutsche Dialektkompetenz verfügen, wobei es ihnen schwer fällt, längere narrative Sequenzen zu verfolgen und in sich vollständig zu verstehen, für die eine für die Jüngeren unvertraute Lexik und Grammatik typisch ist. 4.2.4 Beurteilung des deutschen Dialekts im Vergleich zum Ungarischen Schließlich soll auch die Frage beantwortet werden, ob sich die Einschätzung des deutschen Dialekts von der des Standardungarischen unterscheidet und ob dabei, wie im Großteil der obigen Fälle, eine Korrelation zwischen den Spracheinstellungen und dem Alter der Informant(inn)en festzustellen sind. Ausgegangen wird von der mehrmals nachgewiesenen Erkenntnis, dass Standardvarietäten einer historischen Einzelsprache in der Regel positiver beurteilt werden als ihre Nichtstandard-Varietäten. Beispielsweise beim Ungarischen werden seine Nichtstandard-Varietäten außerhalb der Staatsgrenzen, z.B. das Ungarische in Serbien und ihre Sprecher negativer beurteilt als die Sprecher des Mutterlandes (vgl. Sándor/ Langman/ Pléh 1998). Dieses Verhältnis von Varietäten derselben Sprache hinsichtlich der mit ihnen assoziierten Spracheinstellungen gilt aber für ein Nebeneinander innerhalb eines Landes nicht <?page no="163"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 158 unbedingt, wie Jäger und Schiller (1983) zeigten. Sie sind bei der Analyse von Spracheinstellungen alemannischer Dialektsprecher zu ihrem Dialekt und zur deutschen Standardsprache zu dem Schluss gekommen, dass die Charakterisierung des Dialekts als ‚Stigma-Soziolekt‘ und die der Standardsprache als ‚Prestige-Soziolekt‘ sehr vage, daher unzureichend ist, denn die Befragten betrachten dieses Verhältnis nicht kategorisch, sondern sehr differenziert und bewerten manche Dialektmerkmale (z.B. echt, lebendig, anschaulich etc.) sogar positiver als die des deutschen Standards. Ähnliches haben mehrere Untersuchungen in Zweisprachigkeitssituationen nachgewiesen: In bestimmten Fällen wurden einige Eigenschaften von Nicht-Standardsprechern positiver beurteilt, was als Zeichen für die Solidarität unter Nicht-Standardsprechern gesehen werden kann. Es ist bekannt, dass makrosoziologische Prozesse, die insbesondere in einer Sprachwechselsituation wie im deutsch-ungarischen Sprachkontakt ablaufen, einen markanten Einfluss auf die Bewertung der einzelnen Sprach(varietät)en durch ihre Sprecher haben (vgl. Gal 1996: 588). Dies schlägt sich in der Wandlung von Spracheinstellungen gegenüber Sprachvarietäten nieder, die im Zuge des Sprachwechsels an Terrain verlieren und mit der Zeit einen immer niedrigeren sozialen Status einnehmen können. Wie aber weitere bekannte Beispiele aus Immigrantenszenen zeigen (vgl. Fishman 1975: 144), kann eine anhaltende Divergenz zwischen Spracheinstellung und Sprachverhalten bestehen, d.h. eine verstärkte Wertschätzung der mitgebrachten Muttersprachen trotz fortschreitendem Funktionsverlust (also niedrige Verwendungsfrequenz und gleichzeitig positive Bewertung, aber auch das Gegenteil), die über Generationen hinweg durchhält. Wie auch Berend (1998: 54ff.) bei russlanddeutschen Spätaussiedlern zeigt, bestehen signifikante Unterschiede zwischen Altersgruppen bei der Beurteilung der mitgebrachten russlanddeutschen Varietät, wobei die höchsten Werte die jeweils älteste Gruppe über 55 Jahren hat. Auch die Beurteilung des Standarddeutschen zeigt ähnliche Tendenzen: Dort ließ sich auch ein signifikanter Einfluss des Alters auf die Spracheinstellungen nachweisen, die höchsten Werte haben aber nicht mehr die über 55 Jährigen, sondern die etwas jüngeren Informant(inn)en mit 40 bis 54 Jahren. Im vorliegenden Fall erfüllt das Ungarische als Standardvarietät gleichzeitig die Rolle der Mehrheits- und Prestigesprache, während der deutsche Dialekt als Nicht-Standardvarietät gleichzeitig die Minderheitensprache ist. Wie unter 4.1.3 bereits erörtert, weisen Knipf und Erb (2000: 228f.) darauf hin, dass die deutschen Dialekte in keinen der ungarndeutschen Generationen ein nennenswertes Prestige gegenüber dem Standarddeutschen und -ungarischen aufweisen. Dies resultiert zum Teil aus einem, in erster Linie für die Jüngeren charakteristische ‚Sprachmängelbewusstsein‘, dem zufolge die kommunikativen Mängel des deutschen Dialekts im Kontrast zum Standarddeutschen und -un- <?page no="164"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 159 garischen deutlich zum Vorschein kommen. Eventuelle Spracheinstellungsunterschiede der einzelnen Altersgruppen bei der Einschätzung des deutschen Dialekts im Kontrast zum Ungarischen erklären sich zudem aus ihren unterschiedlichen Sprachrepertoires bei der sprachlichen Sozialisation. Knipf- Komlósi (2004: 39ff.) unterscheidet dabei vier ungarndeutsche Generationen (für die Region südliches Transdanubien): „Dialektgeneration“ (Vorkriegsgeneration, geboren vor 1930) - Erstsprache: deutscher Dialekt, Zweitsprache: Ungarisch, erworben in der sekundären Sozialisation (Schule, Arbeitsplatz). Diese Sprecher(innen) sind „mundartdominante“ Zweisprachige. „Stumme Generation“ (Kriegsgeneration, geboren von 1930-1945) - Ihre primäre Sozialisation verlief im lokalen deutschen Dialekt, ihre funktional erste Sprache ist durch Sekundärsozialisation das Ungarische geworden, sodass es den deutschen Dialekt verdrängte. „Passiv-zweisprachige Generation“ (Nachkriegsgeneration, geboren von 1946-1960) - Sie wurden durch Schule und Arbeitsplatz auf Ungarisch sozialisiert, haben in der Regel nur eine passive (rezeptive) Dialektkompetenz (den Ortsdialekt nur von den Großeltern gehört), aber zunehmend gute Standarddeutschkompetenzen. „Deutsch-als-Fremdsprache-Generation“ (geboren von 1960) - Ihre primäre und sekundäre Sozialisation erfolgte in Ungarisch mit sporadischen deutschen Dialektkompetenzen rezeptiver Natur. Sie haben demgegenüber fundierte Standarddeutschkenntnisse, erworben durch Schule, Medien und Mobilität. In dieser Generation gebe es Anzeichen einer Mundart-Revitalisierung. Wie zu sehen, verfügen die einzelnen Generationen über mitunter gravierend unterschiedliche sprachliche Sozialisationsprofile, was das Ungarische und den deutschen Dialekt angeht. Hieraus folgt, dass sie das Verhältnis dieser Sprachen anders sehen, was sich angenommenerweise auch in ihren Spracheinstellungen diesen gegenüber widerspiegelt. Im nachstehenden Vergleich werden Daten von Sprecher(inne)n herangezogen, die einerseits im Zeitraum 1923- 1942 (G1), andererseits im Zeitraum 1977-1991 (G3) geboren sind (vgl. Kap 2.2). Die ältere Informantengruppe umfasst also die obigen Generationen A-B (jedoch mit nur sieben vor 1930 und mit 23 im Jahre oder nach 1930 geborenen Personen), die Jüngeren sind dagegen der Generation D zu rechnen. Wie in Kap. 2.2.2 ausgeführt, konnten bei diesen Informant(inn)en nennenswerte Unterschiede zwischen den Altersgruppen G1 und G3 hinsichtlich der instrumentellen Präferenz, der subjektiven Gebrauchspräferenz und der affektiven Präferenz des Ungarischen und des deutschen Dialekts belegt werden (vgl. Diagramme 4-6). Dies begründet also die Frage, ob es innerhalb dieser Altersgruppen Einstellungsunterschiede im Vergleich des deutschen Dialekts und des Standardungarischen gibt, die anhand konkreter Sprechproben festgestellt werden können. <?page no="165"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 160 Der Vergleich der Mittelwerte bezogen auf die einschlägigen Eigenschaften des deutschen Dialektes/ der Dialektsprecherin und des Standardungarischen und seiner Sprecherin hat bei der älteren Informantengruppe Folgendes ergeben: Diagramm 27: Einstellungswerte für die Beurteilung des deutschen Dialekts im Vergleich zum Standardungarischen durch ältere Informant(inn)en (N= 60) Auf den ersten Blick ist zu sehen, dass es bei jeder Eigenschaft sowohl für die Personenals auch für die Sprachperzeption jeweils Unterschiede zwischen den Varietäten gibt: Die Werte für den deutschen Dialekt liegen jeweils niedriger als die für das Ungarische. Ob diese Unterschiede bedeutsam sind, sagt erst die statistische Hypothesenprüfung wie folgt: 4,13 4,66 4,33 4,66 4,56 4,23 4,33 4,56 4,1 4,43 4,86 4,96 4,66 4,96 4,76 4,76 4,96 4,76 4,9 4,8 3 3,5 4 4,5 5 5,5 intelligent freundlich gebildet zuverlässig selbstbewusst überzeugend genau verständlich richtig schön Mittelwerte deutscher Di al ekt ung. Standard <?page no="166"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 161 Mittelwert Eigenschaft U D Unterschied der Mittelwerte t-Wert df p-Wert intelligent 4,86 4,13 0,73 7,2369 58 p < 0,01 freundlich 4,96 4,66 0,3 3,2028 58 p < 0,01 gebildet 4,66 4,33 0,33 2,3616 58 p < 0,05 zuverlässig 4,96 4,66 0,3 3,2028 58 p < 0,01 selbstbewusst 4,76 4,56 0,2 1,4421 58 0,1546 (n.s.) Person überzeugend 4,76 4,23 0,53 4,4085 58 p < 0,01 genau 4,96 4,33 0,63 6,0187 58 p < 0,01 verständlich 4,76 4,56 0,2 1,6532 58 0,1037 (n.s.) richtig 4,9 4,1 0,8 8,6743 58 p < 0,01 Sprache schön 4,8 4,43 0,37 2,6898 58 p < 0,01 Den Vergleichswerten ist zu entnehmen, dass sich die Spracheinstellungen in der Mehrzahl der Fälle signifikant (mindestens auf dem 0,5-Niveau) unterscheiden, mit Ausnahme von zwei Eigenschaften (selbstbewusst und verständlich), dort ließen sich zwar Unterschiede zu Gunsten des Ungarischen nachweisen, sie sind jedoch nicht signifikant. Eine statistisch gestützte Verallgemeinerung also, der deutsche Dialekt wird einhellig negativer beurteilt als das Standardungarische, ist hier nicht restlos möglich. Lediglich kann die Tendenz in dieser Richtung mit gutem Grund angenommen werden. Derselbe Vergleich in der jüngeren Altersgruppe zeigt ebenso wie in der älteren eine tendenziell negativere Bewertung von Dialekt gegenüber dem Standardungarischen, es zeigt aber bereits auf den ersten flüchtigen Blick, dass dies nicht für jede der getesteten Eigenschaften gilt: <?page no="167"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 162 Diagramm 28: Einstellungswerte für die Beurteilung des deutschen Dialekts im Vergleich zum Standardungarischen durch jüngere Informant(inn)en (N= 60) Es fällt zudem Folgendes auf: Es gibt zwar mit Ausnahme der Eigenschaft zuverlässig durchweg höhere Werte für den ungarischen Standard, der Verlauf der Mittelwertlinien ist aber nicht mehr so ausgeglichen wie bei den Älteren, sodass bei bestimmten Eigenschaften markante Mittelwertunterschiede vorliegen (sehr auffallend bei den Redeeigenschaften verständlich, richtig und schön). Die Hypothesenprüfung mittels t-Tests hat nun zu folgenden Ergebnissen geführt: 2,73 3,96 2,53 2,26 2,6 2,73 2,73 2,6 2,8 3 4,26 2,86 3,06 3,33 3,06 4,26 3,53 3,6 3,86 3,46 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 intelligent freundlich ge bildet z uve rläs s ig s elbstbe wus s t überz euge nd ge nau v ers tän dlich ric htig s chö n Mittelwerte deuts c her D ialek t ung. S tandard <?page no="168"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 163 Mittelwert Eigenschaft U D Unterschied der Mittelwerte t-Wert df p-Wert intelligent 3,0 2,73 0,27 1,3516 58 0,1818 (n.s.) freundlich 4,26 3,96 0,3 1,8518 58 0,0691 (n.s.) gebildet 2,86 2,53 0,33 1,8945 58 0,0631 (n.s.) zuverlässig 3,46 3,86 0,4 1,8909 58 0,0636 (n.s.) selbstbewusst 3,06 2,26 0,8 4,0627 58 p < 0,01 Person überzeugend 3,33 2,6 0,73 3,0631 58 p < 0,01 genau 3,06 2,73 0,33 1,4867 58 0,1425 (n.s.) verständlich 4,26 2,73 1,53 8,0286 58 p < 0,01 richtig 3,53 2,6 0,93 4,3170 58 p < 0,01 Sprache schön 3,6 2,8 0,8 3,9328 58 p < 0,01 Abweichend von den älteren Informant(inn)en ließen sich hier bei der Personenrezeption bei vier von den sechs Eigenschaften keine signifikanten Unterschiede der Mittelwerte nachweisen. Hier scheint also im Allgemeinen keine bedeutsame Beziehung zwischen der Bewertung der Personenmerkmale und den Varietäten (ob deutscher Dialekt oder ungarischer Standard) zu bestehen. Insbesondere trifft das auf die ersten vier Eigenschaften zu, darunter auf die affektiven Einstellungskomponenten freundlich und zuverlässig, bei denen zwischen den Sprechern des Ungarischen und des deutschen Dialektes grundsätzlich nicht unterschieden wird. Sogar die Zuverlässigkeit der Sprecherin wird höher eingeschätzt, wenn sie den deutschen Dialekt sprach. Dies kann möglicherweise mit der vielfach angesprochenen affektiven Verbundenheit jüngerer Ungarndeutscher mit dem deutschen Dialekt erklären. Ein anderes Bild zeichnet sich dagegen bei den Redeeigenschaften ab: Dort wird zwar den beiden Sprachen die gleiche inhaltliche Aussagekraft zugesprochen (Genauigkeit), jedoch erfuhr der deutsche Dialekt eine niedrigere Bewertung in Bezug auf die Merkmale verständlich, richtig und schön, was sich aus der im Vergleich zu den Älteren niedrigeren deutschen Dialektkompetenz der Informant(inn)en (vgl. die Werte für verständlich), aus ihrer stärkeren Standardorientiertheit (vgl. die Werte für richtig), schließlich aus ihrer ganz spezifischen affektiven Einstellung zum deutschen Dialekt (vgl. die Werte für schön) erklärt. Letztere stehen auch mit den im Fragebogen festgehaltenen Antworten der jüngeren Informant(inn)en im Einklang (vgl. Diagramm 6). Zwischenbilanz: Ein kurzer Rückblick auf die oben diskutierten Ergebnisse erlaubt es, einige Tendenzen zu erkennen. Beim Vergleich von Spracheinstellungen der zwei Altersgruppen gegenüber dem Dialekt mit Sprachkontakterscheinungen ließ sich ein bedeutender Unterschied nachweisen, wobei die Jüngeren den mit Sprachkontaktphänomenen gefärbten Dialekt immer nega- <?page no="169"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 164 tiver beurteilten als die Älteren. Dies kann als Nachweis dessen interpretiert werden, dass die Spracheinstellungen der jüngeren Informant(inn)en ihre Korrektheitserwartungen, die angenommenerweise auf einer Normorientiertheit an der deutschen Standardsprache beruhen, unverkennbar beherrschen. Gegenüber dem im deutschen Dialekt vorkommenden Sprachkontakteinfluss des Ungarischen verhalten sie sich weniger tolerant als die älteren Ungarndeutschen. Wie in Kap. 4.2.2 resümiert, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass puristische Sprachideologien der Jüngeren, die die Sprachmischung eindeutig diskriminieren, in ihren Fragebogendaten zwar latent blieben, nach einer Konfrontation mit konkreten Sprechproben mit Sprachmischung jedoch sofort zu Tage treten, was eine Abwertung des Gemischtsprechens im Vergleich zu den älteren Ungarndeutschen nach sich zieht. Die im Grunde positive Bewertung der Sprachmischung ihrerseits lässt sich mit der Vertrautheit mit dieser Sprechweise in der täglichen Interaktionspraxis begründen. Ein Vergleich der Spracheinstellungen zum Dialekt mit und ohne Sprachkontaktphänomene ergab bei den Älteren tendenziell keine bedeutenden Unterschiede, eher nur bei der Sprachperzeption. Derselbe Vergleich hat bei den jüngeren Informant(inn)en eine entgegengesetzte Tendenz aufgezeigt: Der kontaktgefärbte Dialekt sowie seine Sprecherin wurden fast immer negativer bewertet als der Dialekt ohne Sprachkontaktphänomene und seine Sprecherin. Die Diskriminierung der Sprachmischung gilt hier also nicht nur der Sprechweise, sondern auch den Sprechern, in deren Rede die Sprachmischung vorkommt. Auch zwischen den Spracheinstellungen zum Dialekt und dem Alter der Informant(inn)en zeigte sich eine Korrelation: In beiden Tests haben die älteren Informant(inn)en den Dialekt anhand sämtlicher Eigenschaften signifikant positiver bewertet als die jüngeren. Ein möglicher Grund für dieses Ergebnis ist, dass sich die Bewertung des deutschen Dialektes auf der affektiven Ebene und in Bezug auf die restlichen Einstellungskomponenten bei den Jüngeren deutlich unterscheidet, während diese bei den älteren im Einklang stehen (vgl. Diagramme 23-24). Schließlich hat ein Vergleich von Spracheinstellungen zum deutschen Dialekt und dem Ungarischen in beiden Altersgruppen die Tendenz aufgezeigt, dass der deutsche Dialekt negativer bewertet wird als das Ungarische. Bei den Jüngeren ist diese negative Bewertung, abweichend von den älteren Ungarndeutschen, in erster Linie auf die Sprechweise fokussiert. Dies erklärt sich bei den älteren Ungarndeutschen daraus, dass ihr Dialekt infolge des Sprachwechselprozesses wichtige Verwendungsdomänen eingebüßt hat, wobei das Ungarische immer mehr in den Vordergrund trat. Dies spiegelt sich dementsprechend auch in den Einstellungsunterschieden in Bezug auf diese Sprachen wider. Die sich nicht auf allen Ebenen durchsetzende negativere Bewertung des deutschen <?page no="170"?> Einstellungen gegenüber Dialekt und Sprachmischung 165 Dialekts gegenüber dem Ungarischen bei den Jüngeren deutet dagegen auf den verstärkten Ausdruck der emotionellen Verbundenheit dieser Generation mit dem deutschen Dialekt hin. 4.3 Akzeptabilität von Sprachmischungsphänomenen Es wurde in Kap. 1.3 danach gefragt, inwieweit einzelne Erscheinungsformen von Sprachmischung von ungarndeutschen Sprecher(inn)en akzeptiert werden. Abgeleitet wurde diese Frage aus der Annahme, dass es bestimmte Typen der Sprachmischung gibt, die auf Grund des Normwissens der Sprecher jeweils unterschiedlich beurteilt werden. Um die obige Ausgangsfrage zu beantworten, wurde die Akzeptanz von 20 Sprachmischungsitems (vgl. Kap. 2.2.1) getestet: (1) Du konnst geh, akárwohin du willst. (‚Du kannst gehen, wohin du auch immer willst.‘) (2) Is de Nochbar net do? Dehogynet, er is do. (‚Ist der Nachbar nicht da? Doch, er ist da.‘) (3) Di hot tes Hojz zamhasogatott. (‚Sie hat das Holz zerhackt.‘) (4) Pedig ich wor daham. (‚Aber ich war daheim.‘) (5) Ich hob de ksacht, hogy kumm. (‚Ich habe ihr gesagt: komm! ‘) (6) Ich muss daham blewe, mert tes Kind is krank. (‚Ich musste daheim bleiben, weil das Kind ist krank.‘) (7) De is net krank, hanem stark fai. (‚Es ist nicht krank, sondern sehr faul.‘) (8) De bleibt daham, vagy geht awete. (‚Er bleibt daheim oder geht arbeiten.‘) (9) De hot mi so lecseszett. (‚Sie hat mich sehr beschimpft.‘) (10) I was net wie tes működni tut. (‚Ich weiß nicht, wie das funktioniert.‘) (11) Du musst alkalmazkodni. (‚Du musst dich anpassen.‘) (12) Wie hom heit szabad szombat. (‚Wir haben heute freien Samstag.‘) (13) Tes Esse is noch in fagyasztó. (‚Das Essen ist im Gefrierfach.‘) (14) Stell nei die Suppe in den hűtő. (‚Stell die Suppe in den Kühlschrank rein! ‘) (15) I hob an ötös kriecht. (‚Ich habe eine Fünf bekommen.‘) (16) Troch nas den kuka. (‚Bring den Mülleimer hinaus! ‘) (17) Mach as den rádió. (‚Mach das Radio aus! ‘) (18) Ihre gerinc is anet tökéletes. (‚Ihre Wirbelsäule ist auch nicht perfekt.‘) (19) Me unoka geht uf die egyetem. (‚Mein Enkel geht auf die Universität.‘) (20) Ich muss in die SZTK uf ti felülvizsgálat. (‚Ich muss in die Klinik zur Untersuchung.‘) Zunächst soll die Verteilung der Akzeptabilitätsurteile unserer Informant(inn)en auf die Gesamtstichprobe (N= 60) bezogen betrachtet werden. Werden die Items in eine Reihenfolge nach ihrem Akzeptanzgrad gestellt, ergibt sich folgendes Bild: <?page no="171"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 166 Diagramm 29: Akzeptanzwerte der zwei Altersgruppen in Bezug auf einzelne Typen der Sprachmischung in Testsätzen (N= 60) Wie aus den in Kap. 1.4.2 referierten Studien von Knipf-Komlósi (2002 und 2004) sowie von Knipf/ Erb (1998) hervorging, findet das Vorkommen ungarischer Lexeme in deutschen Dialekten von Seiten der ungarndeutschen Sprecher(innen) dadurch Rechtfertigung, dass diese offenbar bestehende lexikalische Mängel des Dialekts kompensieren können. Deshalb sei mit einer allgemeinen Akzeptanz dieses Phänomens zu rechnen. Auch Sprecherkommentare, die zu Beginn des Kapitels 4 einführend erörtert wurden, scheinen dies zu unterstreichen. Wie die obigen Akzeptanzwerte zeigen, wurden die aktuell getesteten Items in beiden Altersgruppen von mindestens 40% der Informant(inn)en akzeptiert. Auf den ersten Blick ist jedoch aus Diagramm 29 ersichtlich, dass es zwischen dem Akzeptanzgrad bestimmter Items bei beiden Altersgruppen mehr 28 24 24 24 22 18 18 18 18 22 16 18 18 12 18 16 22 18 14 14 30 30 30 30 30 25 30 30 29 24 29 24 24 29 21 22 15 18 21 12 0 10 20 30 40 50 60 70 h ő t ı fagyasztó rádió SZTK…felülvizsgálat unoka…egyetem hogy szabadszombat m ő ködni kuka dehogynet hanem mert pedig lecseszett alkalmazkodni akárwie ötös vagy gerinc…tökéletes zamhasogatott G3 G1 <?page no="172"?> Akzeptabilität von Sprachmischungsphänomenen 167 oder weniger große Unterschiede gibt. Selbst innerhalb bestimmter Typen wie Konnektoren, Autosemantika und doppelte Transfers haben die einzelnen Formen einen jeweils unterschiedlichen Akzeptanzgrad. Diese sollen im Weiteren etwas eingehender betrachtet werden. 4.3.1 Hybride Wortbildung Die Akzeptanz der hybriden Wortbildung wurde an folgenden drei hybriden Komposita, die in Kap. 2.2.1 bereits beschrieben worden sind, getestet: Diagramm 30: Akzeptanzwerte für hybride Komposita in den zwei Altersgruppen (G1: N= 30, G3: N= 30) Die Hybriden Komposita akárwie und dehogynet gelten laut empirischen Arbeiten als recht verbreitete Phänomene, die in sämtlichen ungarndeutschen Dialekten belegt werden können (vgl. z.B. Kappel/ Németh 2002: 97f., Wild 2003: 156, Földes 2005: 174 und Kap. 3.3.3). Für dehogynet/ dehogynit lässt sich bereits am Ende des 19. Jhs. eine beachtliche Verbreitung unter deutschen Dialektsprechern in Ungarn annehmen (vgl. Horger 1899: 707). 36 Die beiden __________ 36 Dies belegt eine von Horger (ebd.) aufgezeichnete Erinnerung: „Egy Ausztriából nemrég Lugosra került kapitány egyszer azt kérdezte tőlem [Ein vor Kurzem aus Österreich nach Lugos umgezogener Kapitän fragte mich einmal]: Sagen Sie mir, 14 16 22 12 22 24 0 5 10 15 20 25 30 zamhasogatott akárwie dehogynet Jüngere Informanten (G3) Ältere Informanten (G1) <?page no="173"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 168 Items erfuhren, wie erwartet, in beiden Altersgruppen, insbesondere aber bei den älteren Informant(inn)en, eine hohe Akzeptanz. Das hybride Präfixverb zamhasogatott im Testsatz Di hot tes Hojz zamhasogatott ‚Sie hat das Holz zerhackt‘, bestehend aus dem dt. dialektalen Präfix zam ‚zusammen-‘ und dem ung. Verbstamm hasogat (+ -o- + Tempusmarker -tt) wurde weniger akzeptiert als die obigen zwei Beispiele. Die niedrigere Akzeptanz kann möglicherweise linguistische Gründe haben: (1) in der untersuchten Dialektvarietät gibt es wohl ein entsprechendes Dialektwort für ‚zerhacken‘, nämlich hojz spaate ‚Holz (zer)spalten‘. Bei denjenigen Informant(inn)en, die es kennen und verwenden, konnte diese Kenntnis ein Grund für die Ablehnung sein. Darüber hinaus gibt es Verwendungen vergleichbarer hybrider Präfixverben, in denen sich zwischen das jeweilige trennbare Verbalpräfix und den Verbstamm das Präfix -geeinfügt, sodass Formen wie zam-ge-hasogatott entstehen. Ist diese Struktur in der Sprachgemeinschaft geläufiger, so wird die Form ohne das -gemöglicherweise als weniger gebräuchlich empfunden. (2) Es besteht ein grammatischer Konflikt durch den gleichzeitigen Ausdruck von Bestimmtheit (tes) und Unbestimmtheit (s. das einschlägige ung. Verbalsuffix -ott, das im Gegensatz zum erwartbaren -ta mit dem dt. dialektalen bestimmten Artikel nicht kongruent ist). Dass dieser (scheinbare) grammatische Konflikt von manchen Informant(inn)en nicht unbedingt als ‚sprachkontaktgrammatischer‘ Konflikt gewertet wurde, zeigt, dass dieses Phänomen in beiden Altersgruppen mindestens ein Drittel der Informant(inn)en akzeptiert hat. Dies unterstützt die mehrmals formulierte Annahme (vgl. z.B. Romaine 1995: 160f.), dass Kontaktsprachen nicht immer mit grammatischen Konzepten der sie konstituierenden Sprachen erfasst werden können. Über Grammatikalität/ Akzeptanz eines Sprachkontaktphänomens entscheiden also nicht Grammatikalitätsbedingungen separat in den einzelnen Sprachen, sondern die Grammatikalität des aktuellen Sprachkontaktphänomens als ‚drittes-System-Phänomen‘. 4.3.2 Ungarische Konnektoren in deutschen dialektalen Sätzen Zur Analyse der Akzeptanz dienten fünf Konnektoren aus dem Ungarischen, die in die deutschen Testsätze eingefügt wurden: pedig ‚aber‘, hogy ‚dass‘, mert ‚weil‘, hanem ‚sondern‘ und vagy ‚oder‘ (Es geht um in den deutschen Dialekten verbreitete ungarische Konnektoren bei vagy, hanem und hogy, vgl. Kap. 3.3.2; __________ was wollen die Leute mit ihrem ewigen dehogynit eigentlich sagen? ” (Diesen Hinweis verdanke ich Maria Erb.) <?page no="174"?> Akzeptabilität von Sprachmischungsphänomenen 169 zum schwächer belegten mert vgl. Németh 2003: 141 und Földes 2005: 237). Die Akzeptabilität einschlägiger Testsätze zeigt folgendes Diagramm: Diagramm 31: Akzeptanzwerte für Konnektoren aus dem Ungarischen in den zwei Altersgruppen (G1: N= 30, G3: N= 30) Das Gesamtbild zeigt hier ebenso eine stabile Akzeptanz der Einfügung ungarischer Konnektoren in deutsche dialektale Sätze. Während die Jüngeren die einzelnen Items ziemlich konstant akzeptiert haben, divergieren die Werte bei den älteren Informant(inn)en stärker. Den höchsten Akzeptanzwert erhielt hier der Konnektor hanem ‚sondern‘, den niedrigsten dagegen vagy ‚oder‘. Ein signifikanter Unterschied in Akzeptanz zwischen vagy und den restlichen vier Konnektoren besteht jedoch nur in der Relation vagy vs. hanem (χ 2 = 9,82, df=2, p < 0,01), beim Rest nicht. Hier stellt sich erneut die Frage, in welchem Maße die Informant(inn)en in der Lage sind, die funktionale Angemessenheit der Verwendung dieser Konnektoren im gegebenen Kontext einzuschätzen. Dies wird auf jeden Fall eher bei den älteren Sprechern vorausgesetzt, in deren Rede solche Phänomene tendenziell vorkommen. Bei den Jüngeren dagegen galt die Bewertung angenommenerweise generell dem Phänomen ‚Einfügung ungarischer Konnektoren in deutsche dialektale Sätze‘, was das gleichbleibende Akzeptanzniveau unterstreichen kann. 18 18 18 16 18 18 24 24 29 25 0 5 10 15 20 25 30 35 vagy pedig mert hanem hogy Jüngere Informanten (G3) Ältere Informanten (G1) <?page no="175"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 170 4.3.3 Ungarische Verben in deutschen dialektalen Sätzen Hier wurden drei Testsätze herangezogen, die jeweils ein ungarisches Verb enthielten: De hot mi so lecseszett ‚Sie hat mich sehr beschimpft‘, I was net wie tes működni tut ‚Ich weiß nicht, wie das funktioniert‘ und Du musst alkalmazkodni. ‚Du musst dich anpassen‘. Die jeweiligen Akzeptanzwerte zeigt Diagramm 32: Diagramm 32: Akzeptanzwerte für Verben aus dem Ungarischen in den zwei Altersgruppen (G1: N= 30, G3: N= 30) Zwischen den Akzeptanzwerten für die einzelnen Testbeispiele gibt es bei den Jüngeren keine signifikanten Unterschiede, wohingegen sich die Akzeptanz des Testsatzes mit dem ungarischen Verb alkalmazkodni bei den älteren Informant(inn)en von der der beiden anderen signifikant unterscheidet (im Vergleich zu lecseszett: χ 2 = 7,68, df= 2, p < 0,01; zu működni: χ 2 = 10,58, df= 2, p < 0,01). Dafür, warum das Vorkommen dieses Verbs im gegebenen Testsatz signifikant weniger akzeptiert wurde, liefern distributionelle Merkmale der Einfügung dieser drei Verben keine Erklärung: Sowohl alkalmazkodni als auch működni sind auf der einen Seite Teile eines Verbalkomplexes (musst alkalmazkodni und működni tut), auf der anderen Seite treten sowohl alkalmazkodni als auch lecseszett als Transfers in einem einfachen Satz auf. Diesen gemeinsamen Merkmalen zum Trotz gibt es signifikante Unterschiede in der Akzeptanz der Satzpaare. Gäbe es hier syntaktische Parallelitäten der Distribution und gleichzeitig keine Akzeptanzunterschiede, bestünde noch immer die Gefahr einer vorschnellen Verabsolutierung irrelevanter Korrelationen, die im linguistischen 18 12 18 21 29 30 0 5 10 15 20 25 30 35 alkalmazkodni lecseszett m ő ködni Jüngere Informanten (G3) Ältere Informanten (G1) <?page no="176"?> Akzeptabilität von Sprachmischungsphänomenen 171 Sinne zwar bestehen, bei den Akzeptanzurteilen der Informant(inn)en jedoch keine Rolle spielen. Abgesehen von diesen Bedenken steht jedoch fest, dass alle drei Fälle in der älteren Altersgruppe mindestens von 60% der Informant(inn)en als normkonformes Phänomen bewertet wurden. Schließlich kann die hohe Akzeptanz des ung. Verbs működni insbesondere durch ältere Informant(inn)en damit erklärt werden, dass es im einschlägigen Testsatz als Teil einer tun-Periphrase erscheint (vgl. működni tut), die sowohl in den vor allem oberdeutschen Dialekten als auch in ihren Sprachinselvarietäten recht verbreitet ist, so auch im deutschen Dialekt des Unteruchungsortes Városlőd. Die Vertrautheit mit dieser Struktur als inhärentes Merkmal des Ortsdialekts konnte die ‚Fremdheit’ des begleitenden ungarischen Verbs működni verringern, sodass die Struktur im Endeffekt eine hohe Akzeptanz erfuhr. 4.3.4 Ungarische Nomina in deutschen dialektalen Sätzen Insgesamt sechs ungarische Nomina (ötös ‚(Bewertungsnote) Fünf‘, kuka ‚Mülleimer‘, szabadszombat ‚freier Samstag‘, rádió ‚Radio‘, fagyasztó ‚Gefrierfach‘ und hűtő ‚Kühlschrank‘) wurden in die Liste der Testsätze aufgenommen. Die Akzeptanzwerte der deutschen Dialektsätze, in denen sie vorkamen, präsentiert Diagramm 33: Diagramm 33: Akzeptanzwerte für Nomina aus dem Ungarischen in den zwei Altersgruppen (G1: N= 30, G3: N= 30) 22 18 18 24 24 28 15 29 30 30 30 30 0 5 10 15 20 25 30 35 ötös kuka szabadszombat rádió fagyasztó h ő t ı Jüngere Informanten (G3) Ältere Informanten (G1) <?page no="177"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 172 Sie haben bei den älteren Informant(inn)en mit Ausnahme von ötös ‚(Bewertungsnote) Fünf‘ eine ziemlich hohe Akzeptanz erfahren, was als Hinweis auf ihren Status als etablierte Wortschatzeinheit gewertet werden kann. Ihre Akzeptanz unterscheidet sich von der des vorher genannten Lexems jeweils signifikant. Hier lassen sich strukturelle Unterschiede beim Auftritt des Transfers ebenfalls nicht finden, die den Akzeptanzunterschied aus linguistischer Sicht begründen könnten. Die niedrigere und bei den jüngeren Informant(inn)en gleichzeitig höhere Akzeptanz des Testsatzes mit dem Item ötös erklärt sich möglicherweise daraus, dass es sich bei der Bewertungsnote Fünf um ein einfaches Zahlwort handelt, bei dem aus der Sicht der Älteren nicht notwendig sein mag, es durch ein ungarisches zu ersetzen. 37 Die hohe Akzeptanz der letzten drei Sätze mit den ung. Transfers rádió, fagyasztó und hűtő in beiden Altersgruppen findet ihre Erklärung darin, dass diese täglich benutzte Gebrauchsgegenstände sind, die in der Rede von Ungarndeutschen, wie empirische Analysen gezeigt haben (vgl. Kap. 3.3.5), häufig erscheinen. Allerdings kann bedacht werden, dass das Wort rádió ‚Radio‘ als bilinguales Homophon anders empfunden wird als die restlichen Transfers aus dem Ungarischen. 4.3.5 Doppeltransfers aus dem Ungarischen in deutschen dialektalen Sätzen Um die Akzeptanz von Doppeltransfers zu testen, wurden den Informant(inn)en drei Testsätze zum Anhören vorgelegt, in denen zwei Konstituenten des Satzes jeweils aus dem Ungarischen transferiert wurden. Folgendes Diagramm präsentiert die eindeutigen Akzeptanzwerte: __________ 37 In diesem Falle wäre aus methodischen Überlegungen glücklicher gewesen, die andere, gleichzeitig auch eindeutigere Variante für die Note Fünf, ung. jeles in den Testsatz aufzunehmen. <?page no="178"?> Akzeptabilität von Sprachmischungsphänomenen 173 Diagramm 34: Akzeptanzwerte für Doppeltransfers aus dem Ungarischen in den zwei Altersgruppen (G1: N= 30, G3: N= 30) Ein Blick auf die Akzeptanz von Doppeltransfers bestätigt, dass die Struktur der Items keinen eindeutigen Effekt auf die Akzeptanz hat. Denn die drei einschlägigen Testsätze haben zwar gemeinsam, dass in ihnen jeweils zwei Transfers aus dem Ungarischen (nicht-adjazent) vorkommen, sie erwiesen sich jedoch unterschiedlich normkonform in beiden Altersgruppen. In der älteren Altersgruppe besteht ein signifikanter Unterschied (χ 2 = 10,58, df= 2, p < 0,01) der Akzeptanz des Testsatzes Ihre gerinc is anet tökéletes. ‚Ihre Wirbelsäule ist auch nicht perfekt.‘ zu Gunsten der anderen zwei Sätze Me unoka geht uf die egyetem. ‚Mein Enkel geht auf die Universität.‘ und Ich muss in die SZTK uf ti felülvizsgálat. ‚Ich muss in die Klinik zur Untersuchung.‘. Die höhere Akzeptanz dieser letzten zwei Sätze auch in der jüngeren Informantengruppe (mit signifikanten Unterschieden auf dem 0,05bzw. 0,01-Niveau) kann mit der Geläufigkeit der ungarischen Lexeme bei den Ungarndeutschen erklärt werden, die in den Testsätzen als Transfers auftreten. Für die Geläufigkeit dieser Lexeme im ungarndeutschen Gesamtwortschatz spricht zudem ihr Vorkommen in Korpora (vgl. Kap. 3.3.5, Anm. 29). Ein Vergleich der Akzeptanzwerte für die obigen Doppeltransfers mit denen für die anderen Transfertypen ermöglicht es schließlich nicht zu behaupten, je komplexer eine Struktur ist, desto weniger oder mehr wird sie akzeptiert (als normkonformes Phänomen der bilingualer Rede) als andere Formen der Sprachmischung. Vermutet werden kann nur, dass die Akzeptanz einzelner Items die Auswahl der Lexeme durchgehend bestimmen kann: Es kann also Lexeme geben, die unabhängig davon, ob sie als Einzeltransfer oder als Teil 14 22 24 21 30 30 0 5 10 15 20 25 30 35 gerinc…tökéletes unoka…egyetem SZTK…felülvizsgálat Jüngere Informanten (G3) Ältere Informanten (G1) <?page no="179"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 174 eines Doppeltransfers präsentiert werden, sich als akzeptabler erweisen als andere und umgekehrt. Hier besteht offensichtlich Bedarf an weiteren Untersuchungen, die gezielt der Frage nachgehen, welchen Effekt die Zusammenstellung von Testsamples auf die Akzeptanz einzelner Sprachmischungstypen und -beispielen haben kann. Der Schluss scheint aber selbst anhand der oben diskutierten Daten angebracht zu sein: Die Sprachmischung gilt als ein, wenngleich nicht allgemein, aber von einer Vielzahl ungarndeutscher Sprecher(innen) akzeptiertes Sprachgebrauchsphänomen. 4.3.6 Die Beziehung zwischen Akzeptanz und Alter der Informant(inn)en Es stellt sich die Frage, ob es Akzeptanzunterschiede gibt, die mit der für die vorliegende Fragestellung zentralen unabhängigen Variablen Alter in Beziehung gesetzt werden können. Dabei wird angenommen, dass das regelmäßige Vorkommen von Sprachmischungsphänomenen in ungarndeutschen Dialekten mit nicht vernachlässigbarer Akzeptanz einhergeht, so wird erwartet, dass Sprachmischungsphänomene von älteren Sprechern mehr als von jüngeren akzeptiert werden. Dies begründen zweierlei: (1) Mitglieder der älteren ungarndeutschen Generationen verfügen über eine ‚natürliche‘ (d.h. außerhalb der Schule erworbene) zweisprachige Kompetenz, zu deren Merkmalen auch die Sprachmischung gehört. (2) Die Sprachmischung kann von der (normativen) schulischen Spracherziehung der Jüngeren her auf der Grundlage des Standarddeutschen abqualifiziert werden. Dieser normative Effekt des Standarddeutschen auf die Akzeptabilitätsurteile über Sprachmischung kann bei den älteren Generationen ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Trotzdem wird erwartet, dass die Sprachmischung von den älteren ungarndeutschen Sprechern mit einem größeren Anteil akzeptiert wird als von den jüngeren. Der Vergleich der Akzeptabilitätsurteile zwischen den beiden Altersgruppen brachte folgende Ergebnisse: <?page no="180"?> Akzeptabilität von Sprachmischungsphänomenen 175 akzeptabel nicht akzeptabel Item G3 G1 G3 G1 df χ 2 p-Wert zamhasogatott 14 12 16 18 1 0,07 n.s./ 0,79 gerinc…tökéletes 14 21 16 9 1 2,47 n.s./ 0,11 vagy 18 18 12 12 1 0 n.s./ 1 ötös 22 15 8 15 1 2,54 n.s./ 0,11 akárwie 16 22 14 8 1 1,79 n.s./ 0,11 alkalmazkodni 18 21 12 9 1 0,29 n.s./ 0,59 lecseszett* 12 29 18 1 1 19,72 p < 0,01 pedig 18 24 12 6 1 1,98 n.s./ 0,15 mert 18 24 12 6 1 1,98 n.s./ 0,15 hanem* 16 29 14 1 1 12,8 p < 0,01 dehogynet 22 24 8 6 1 0,09 n.s./ 0,76 kuka* 18 29 12 1 1 9,82 p < 0,01 működni* 18 30 12 0 1 12,6 p < 0,01 szabadszombat* 18 30 12 0 1 12,6 p < 0,01 hogy 18 25 12 5 1 2,95 n.s./ 0,08 unoka…egyetem* 22 30 8 0 1 7,07 p < 0,01 SZTK…felülvizsgálat* 24 30 6 0 1 4,63 p < 0,05 rádió* 24 30 6 0 1 4,63 p < 0,05 fagyasztó* 24 30 6 0 1 4,63 p < 0,05 hűtő 28 30 2 0 1 0,52 n.s./ 0,47 Auf Grund obiger Vergleichswerte ist zu sehen, dass die Älteren mit Ausnahme von zwei Fällen (zamhasogatott ‚zerhackt‘, ötös ‚(Bewertungsnote) Fünf‘, allerdings mit keinem signifikanten Unterschied) die einzelnen Items immer häufiger akzeptierten als die Jüngeren. Diese Tendenz steht mit den zu Beginn des Kapitels 4 erörterten allgemeinen Spracheinstellungen der älteren ungarndeutschen Informant(inn)en gegenüber lexikalischer Sprachmischung im Einklang (vgl. Diagramme 10-13). Diese ließen eine hochgradige Toleranz von älteren gegenüber Sprachmischung dieser Art erkennen, was auch in ihren Akzeptanzurteilen zum Vorschein kommt. Eine höhere Akzeptanz einzelner Vorkommen lexikalischer Sprachmischung durch die älteren ungarndeutschen Informant(inn)en erfuhr nur bei ca. der Hälfte der untersuchten Fälle eine empirische Unterstützung, in denen sich die Akzeptanzurteile der älteren Altersgruppe von denen der jüngeren minimal auf dem 0,05-Niveau signifikant unterscheiden. In weiteren drei Fällen (vgl. die Akzeptanz der Konnektoren: pedig, mert und hogy) durfte anhand einer schwächeren Beziehung (p= 0,15 und p= 0,08) angenommen werden, dass die höhere Akzeptanz der Items durch die älteren Informant(inn)en nicht dem Zufall zu verdanken ist. Auf Grund dieses Ergebnisses ist es jedoch berechtigt, von einer Tendenz in der oben beschriebenen Richtung zu sprechen. <?page no="181"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 176 Schließlich interessiert die Frage nach der Konsistenz der Informantenurteile, d.h. ob einzelne Items von den gleichen Informant(inn)en anders beurteilt und akzeptiert werden, je nachdem, wie und in welchem Kontext sie die Testbeispiele präsentiert bekommen haben. Stellt sich heraus, dass die gleichen Personen die gleichen Erscheinungen in verschiedenen Erhebungskontexten anders beurteilen, könnte dies bedeuten, dass die Methode einen Effekt auf die Akzeptanzurteile hat. Auf Grund der zur Verfügung stehenden Daten ist es möglich, die Akzeptabilität von drei Sprachmischungsphänomenen (die des hybriden Pronominaladverbs akárwie ‚wie auch immer‘ und die der Konnektoren hanem ‚sondern’ sowie vagy ‚oder‘) in zwei Erhebungskontexten und zu unterschiedlichen Erhebungszeitpunkten zu vergleichen: (1) unter 20 verschiedenen, mündlich präsentierten Testsätzen (vgl. Tabelle oben), die alle nur kontaktbedingte Varianten einer Variablen enthalten; (2) unter 18 mündlich präsentierten Testsätzen einer späteren Kontrollerhebung (s. Anhang), unter denen es auch jeweils zwei weitere Varianten einer Variablen (eine nicht-kontaktbedingte dialektale und eine standarddeutsche) gab, es waren also auch immer die nicht-kontaktbedingten Kontraste zu jedem Testsatz da. Ältere Informantengruppe (G1) Diagramm 35: Akzeptanz des hybriden Pronominaladverbs akárwie in zwei Erhebungskontexten (Prozentwerte) (χ 2 = 0,08, df= 1, p= 0,77) 73 27 67 33 0 10 20 30 40 50 60 70 80 akzeptabel nicht akzeptabel akárwie…(Kontext 1) akárwie…(Kontext 2) <?page no="182"?> Akzeptabilität von Sprachmischungsphänomenen 177 Diagramm 36: Akzeptanz des ungarischen Konnektors hanem in zwei Erhebungskontexten (Prozentwerte) (χ 2 = 3,61, df= 1, p= 0,057) Diagramm 37: Akzeptanz des ungarischen Konnektors vagy in zwei Erhebungskontexten (Prozentwerte) (χ 2 = 2,4, df= 1, p= 0,12) Wie die Vergleichswerte zeigen, konnte bei der Akzeptanz der gleichen Varianten in diversen Kontexten Unterschiede gefunden werden (akárwie 22-mal akzeptiert in Kontext 1, 20-mal in Kontext 2; hanem 29-mal akzeptiert in 97 3 77 23 0 20 40 60 80 100 120 akzeptabel nicht akzeptabel …hanem…(Kontext 1) …hanem…(Kontext 2) 60 40 37 63 0 10 20 30 40 50 60 70 akzeptabel nicht akzeptabel …vagy… (Kontext 1) …vagy… (Kontext 2) <?page no="183"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 178 Kontext 1, 23-mal in Kontext 2; vagy 18-mal akzeptiert in Kontext 1, 11-mal in Kontext 2). Diese Unterschiede sind aber in keinem der Fälle auf dem 0,05- Niveau signifikant. Allerdings steht der p-Wert sehr nah zur 0,05-Grenze bei hanem und Fishers χ 2 -Test prognostisiert 12% Wahrscheinlichkeit des Zufalls bei vagy. Deshalb wird unter Vorbehalt angenommen, dass die Unterschiede keine beachtenswerten Differenzen nahe legen. 38 Jüngere Informantengruppe (G3) Diagramm 38: Akzeptanz des hybriden Pronominaladverbs akárwie in zwei Erhebungskontexten (Prozentwerte) (χ 2 = 0,07, df= 1, p= 0,79) __________ 38 An dieser Stelle muss auf ein permanent auftretendes Dilemma statistischer Hypothesenprüfungen hingewiesen werden: Die willkürliche Festlegung der starren Signifikanzgrenze auf das 0,05-Niveau führt gegebenenfalls dazu, in diesem Sinne statistisch nicht, aber wissenschaftlich relevante Schlüsse zu verwerfen und umgekehrt: wissenschaftlich irrelevante Ergebnisse auf Grund statistischer Aussagekraft aufzuwerten und als entscheidende Argumente heranzuziehen. 53 47 47 53 20 30 40 50 60 70 80 akzeptabel nicht akzeptabel akárwie… (Kontext 1) akárwie… (Kontext 2) <?page no="184"?> Akzeptabilität von Sprachmischungsphänomenen 179 Diagramm 39: Akzeptanz des ungarischen Konnektors hanem in zwei Erhebungskontexten (Prozentwerte) (χ 2 = 0,07, df= 1, p= 0,79) Diagramm 40: Akzeptanz des ungarischen Konnektors vagy in zwei Erhebungskontexten (Prozentwerte) (χ 2 = 0,07, df= 1, p= 0,79) Der Vergleich der Akzeptanzwerte bei der jüngeren Informantengruppe hat zu demselben Ergebnis geführt: Hier sind die Unterschiede ebenfalls nicht bedeutend (akárwie 16-mal akzeptiert in Kontext 1, 14-mal in Kontext 2; hanem 16-mal 53 47 60 40 20 30 40 50 60 70 80 akzeptabel nicht akzeptabel …hanem… (Kontext 1) …hanem… (Kontext 2) 60 40 53 47 20 30 40 50 60 70 80 akzeptabel nicht akzeptabel …vagy… (Kontext 1) …vagy… (Kontext 2) <?page no="185"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 180 akzeptiert in Kontext 1, 18-mal in Kontext 2; vagy 18-mal akzeptiert in Kontext 1, 16-mal in Kontext 2). Auf Grund dieses Ergebnisses darf mit größerer Wahrscheinlichkeit behauptet werden, dass die gleichen Informant(inn)en relativ zuverlässig antworten, was die annähernd gleiche Bewertung derselben Erscheinungen durch die Informant(inn)en zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Erhebung belegt. Da für potenzielle Transfers in deutsche Dialekte in Form von isolierten Lexeminsertionen (wie Erfahrungen und zahlreiche empirische Belege zeigen) in erster Linie das Ungarische und nicht das Standarddeutsche sorgt, ist zu erwarten, dass die Informant(inn)en den ersteren Fall in höherem Maße akzeptieren. Dies bedeutet, dass standarddeutsche Wörter weniger „transfertauglich“ sind als entsprechende ungarische Lexeme, die tendenziell häufiger als erstere transferiert werden. Um diese Frage zu beantworten, wird abschließend die Akzeptanz von deutschen Dialektsätzen des in Kap. 2.2.1 vorgestellten zweiten Fragebogens verglichen (vgl. auch Anhang 7.1.2), die inhaltlich äquivalent sind und sich nur hinsichtlich des transferierten Lexems unterscheiden: Ti hon wele rete mit thain kumerat vagy hontse welle ufrufe. Ti hon wele rete mit thain kumerat oder hontse welle ufrufe. Akárwie ich gewelt ho, ho ich net khene in te kirp khe. Wie ich auch immer gewelt ho, ho ich net khene in te kirp khe. Nomitach warma net in te kasse, hanem in te koarte. Nomitach warma net in te kasse, sondern in te koarte. Das erste Satzpaar unterscheidet sich im Hinblick auf die Einfügung von ung. vagy und dem standarddeutschen oder, im zweiten Satzpaar stehen das hybride Pronominaladverb akárwie und das standarddeutsche wie auch immer, im dritten das ung. hanem und das standarddeutsche sondern gegenüber. Es wird davon ausgegangen, dass die älteren Informant(inn)en mit dieser Einfügungsstrategie produktiv, die jüngeren hingegen höchstens rezeptiv zu tun haben. Auf Grund der Sprachpraxis älterer Sprecher(innen) wird angenommen, dass sie solche Funktionswörter weniger aus dem Standarddeutschen, sondern eher aus dem Ungarischen einfügen. Deshalb ist zu erwarten, dass sie deutsche dialektale Sätze mit Insertionen aus dem Ungarischen eher akzeptieren als jene aus dem Standarddeutschen, das in Sprachkontaktphänomenen weniger aktiv ist als das Ungarische. Folgende Tabelle fasst nun die Ergebnisse des Akzeptabilitätstests in Bezug auf die Sätze, die obige Varianten enthalten, zusammen: <?page no="186"?> Akzeptabilität von Sprachmischungsphänomenen 181 Akzeptanzwerte einzelner Konnektoren: G1 (N= 30) vagy oder akárwie wie auch immer hanem sondern akzeptiert 11 6 20 10 23 3 nicht akzeptiert 19 24 10 20 7 27 Auf den ersten Blick bestätigt sich hier die oben formulierte Erwartung, der zufolge standarddeutsche Varianten der in Frage stehenden Variablen weniger in dt. dialektale Sätze passen als ihre Gegenstücke aus dem Ungarischen. Diese Unterschiede sind aber nur bei zwei von den drei Fällen auf dem 0,05-Niveau signifikant: akárwie vs. wie auch immer (χ 2 = 5,4, df= 1, p < 0,05), hanem vs. sondern (χ 2 = 24,5, df= 1, p < 0,01), aber vagy vs. oder (χ 2 = 1,31, df= 1, p= 0,25). Die gleich niedrige Akzeptanz von vagy und oder, durch die der Akzeptanzunterschied fast verschwand, erklärt sich aus der hohen Akzeptanz ihres dialektalen Gegenstücks awe (vgl. Diagramme 19 und 22 in Kap. 4.2.2). Seine hohe Akzeptanz durch die älteren Informant(inn)en dürfte zugleich ein Zeichen dafür sein, dass das ung. oder das dt. dial. awe nicht wirklich verdrängen konnte, weil der ungarische Konnektor funktional nicht mehr leistet als sein dt. dialektales Gegenstück. Die höhere Akzeptanz von akárwie und hanem kann dagegen damit erklärt werden, dass sie im syntaktischen System des Ortsdialekts von Városlőd eine funktionale Lücke schließen (vgl. Kap. 3.3.2 und Anm. 34 in Kap. 4.2.2). Die gleiche Tendenz ist auch in den Antworten der jüngeren Informant(inn)en zu erkennen, wobei die standarddeutschen Varianten auch hier einen jeweils niedrigeren Akzeptanzgrad haben als die kontaktbedingten aus dem Ungarischen: Akzeptanzwerte einzelner Konnektoren: G3 (N= 30) vagy oder akárwie wie auch immer hanem sondern akzeptiert 16 10 14 7 18 4 nicht akzeptiert 14 20 16 23 12 26 Hier erfährt die obige Annahme jedoch noch weniger empirische Unterstützung, da der Unterschied nur beim Vergleich der Akzeptanz von hanem vs. sondern signifikant ist: vagy vs. oder (χ 2 = 1,7, df= 1, p= 0,19), akárwie vs. wie auch immer (χ 2 = 2,64, df= 1, p= 0,10), hanem vs. sondern (χ 2 = 12,13, df= 1, p < 0,01). Dieses Ergebnis könnte mit der Unsicherheit der Informantenurteile erklärt werden, die nicht nur aus der höchstens rezeptiven Dialektkompetenz jüngerer Ungarndeutscher, sondern auch aus dem möglicherweise aktiven Effekt ihrer Standarddeutsch-Kompetenz resultiert. Diese beiden Umstände könnten dazu <?page no="187"?> Sprachmischung aus der Sprecherperspektive 182 beigetragen haben, dass zwischen der Akzeptanz kontaktbedingter ungarischer und standarddeutscher Transfers keine nennenswerten Unterschiede gefunden werden konnten. Zwischenbilanz: Die Analyse von Akzeptabilitätsurteilen von zwei Generationen ungarndeutscher Sprecher über ausgewählte Exemplare lexikalischer Sprachmischung hat in diesem Kapitel eine Beziehung des Alters und der Akzeptanz von Sprachmischung aufgezeigt. Es zeigte sich die Tendenz, dass jüngere Ungarndeutsche die aktuelle Auswahl an Typen lexikalischer Sprachmischung tendenziell weniger akzeptieren als ältere Sprecher(innen), in deren Rede solche Erscheinungen typischerweise vorkommen. Eine Detailanalyse von Akzeptabilitätsurteilen zu den getesteten Sprachmischungstypen konnte ihre Beziehung mit dem Alter der Informant(inn)en ca. bei der Hälfte der Belege auch statistisch bestätigen. Die oben genannte Tendenz erklärt sich aus zwei Faktoren: Erstens daraus, dass die Sprachmischung dieser Art (d.h. die Einfügung ungarischer Lexeme in den deutschen Dialekt) in erster Linie für die Sprechweise von älteren Ungarndeutschen charakteristisch ist, nicht jedoch für die der Jüngeren, bei denen von einer Vertrautheit mit dieser Kommunikationsstrategie auf der Ebene der täglichen Sprachpraxis nicht die Rede sein darf. Verstärkend kommt die durch die schulische Sprachsozialisation geprägte stärkere Orientiertheit von Jüngeren an Normen von Standardsprachen hinzu, was die Unverträglichkeit von Sprachmischung und Standardnormen betont. Wie die Ergebnisse des Diagramms 29 zeigten, wurde die lexikalische Sprachmischung den oben skizzierten Umständen zum Trotz im Durchschnitt von der Hälfte der jüngeren Informant(inn)en als normkonform eingeschätzt, was für die Usualisierung dieses Phänomens in der untersuchten Sprachgemeinschaft spricht. Schließlich lassen die Ergebnisse der zwei soeben diskutierten Kontrolltests auf ein im Grunde verlässliches Normwissen der Informant(inn)en schließen, indem ihre Akzeptanzurteile zu den gleichen Erscheinungen zu unterschiedlichen Erhebungszeitpunkten relativ konstant blieben. Insbesondere die zuletzt analysierten Daten von älteren Informant(inn)en haben die Erfahrung bisheriger Korpusanalysen bestätigt, dass als Quelle für lexikalische Transfers in den deutschen Dialekt eher das Ungarische, nicht das Standarddeutsche gilt. Dies lässt sich wohl darauf zurückführen, dass die Sprecher(inn)en das Ungarische in hohem Maße beherrschen, das Standarddeutsche dagegen nicht und dass die beiden Varietäten in der Prestigehierarchie, wie weiter oben vielfach diskutiert, eine jeweils andere Position einnehmen. <?page no="188"?> 5 Zusammenfassung Dieses Kapitel hat abschließend die Aufgabe, die Ergebnisse der in der vorliegenden Arbeit durchgeführten Analysen zusammenfassend darzustellen und diese in einen breiteren Diskussionszusammenhang zu stellen. Der Diskussion der Ergebnisse soll zunächst ein Rückblick auf das eingangs erörterte Anliegen vorausgehen. Es wurden zwei Hauptziele verfolgt: (1) Die Analyse von S p r a c h k o nt a ktp h ä n o m e n e n in der Rede älterer bilingualer Sprecher deutscher Dialekte in Ungarn anhand eines aus biographischen Interviews zusammengestellten Korpus (Kap. 3). Dabei wurde gefragt, welche Typen der Sprachmischung in der Rede dieser Informant(inn)en beobachtet werden können und welche Vorkommensvielfalt sie zeigen. Motiviert wurde die Wahl der Erhebungsorte, in der Mehrzahl aus dem Plattenseeoberland, dadurch, dass Forschungsergebnisse zur Sprachmischung aus dieser Region bisher spärlich zur Verfügung standen. Von dieser Analyse wurde nicht zuletzt erhofft, unter Einbezug bisheriger Forschungsergebnisse der deutsch-ungarischen Sprachkontaktforschung auch einige offene Fragen der Beschreibung und Erklärung von Sprachkontaktphänomenen zu diskutieren. (2) Die Analyse von S p r a c h e in s t e ll u n g e n gegenüber dem deutschen Dialekt mit und ohne Sprachkontakteinfluss sowie von Spracheinstellungen gegenüber dem deutschen Dialekt als Minderheiten- und dem Ungarischen als Mehrheitssprache (Kap. 4). Sowohl die Spracheinstellungsdaten (Kap. 4.2) als auch die ergänzend herangezogenen Akzeptabilitätsurteile über ausgewählte Typen der lexikalischen Sprachmischung (Kap. 4.3) wurden mit der unabhängigen Variablen Alter in Beziehung gesetzt. Der Fokus auf diese Aspekte erklärt sich aus der aktuellen Sprachkontakt- und Sprachwechselsituation, wobei gefragt wurde, ob und inwieweit sich die Spracheinstellungen älterer und jüngerer Ungarndeutscher gegenüber den obigen Varietäten unterscheiden. Bevor die Ergebnisse dieser Analysen nachstehend zusammengefasst und einige, sich aus diesen ergebende Diskussionspunkte erörtert werden, möchte ich an dieser Stelle einen Punkt kurz ansprechen, der künftig weiter zu diskutieren wäre und auf den in der vorliegenden Arbeit nicht eingegangen werden konnte. <?page no="189"?> Zusammenfassung 184 Dieser betrifft die Nichtidentität der Informant(inn)en, deren Sprachdaten in Kap. 3 analysiert wurden und die die Spracheinstellungsdaten für Kap. 4 geliefert haben. Dieser Umstand stand leider dem Anliegen im Wege, die Spracheinstellungen der Sprecher zu analysieren, deren Sprachverhalten auch empirisch dokumentiert wurde. Eine weitere empirische Analyse, die auf diese Aspekte gleichermaßen Bezug nimmt, wird im Stande sein, einige Fragen nach dem Verhältnis zwischen Spracheinstellungen u.a. zur Sprachmischung und dem Sprachverhalten derselben Personen zu beantworten. Mit den Analysen in der vorliegenden Arbeit hoffe ich, die ersten Schritte in diese Richtung getan zu haben. 5.1 Sprachmischung Bei der Analyse der belegten Sprachkontaktphänomene in Kap. 3 wurde von einer grundlegenden Differenzierung zwischen ‚impliziter‘ und ‚expliziter‘ Sprachmischung ausgegangen. Unter ersterer wird der (mögliche) Einfluss des Ungarischen auf den deutschen Dialekt verstanden, wobei die sprachlichen Ausdrucksmittel durchgängig der deutsche Dialekt liefert; unter letzterer dagegen overte Transfers (Flexive, Wörter und Wortgruppen) in den deutschen Dialekt aus dem Ungarischen sowie die Alternation zwischen den zwei Sprachen. Zur Diskussion um Phänomene, die zur impliziten Sprachmischung gehören können, wurden drei Fallbeispiele eingehender erörtert: die Doppelnegation vom Typ kann=s niemand net saga ‚Es kann niemand sagen‘ (Kap. 3.2.1), Präpositionalphrasen als Richtungs- und Ortsangaben vom Typ und da kam ich auf Ungarn ‚und da kam ich nach Ungarn‘ (Kap. 3.2.2), schließlich die Serialisierung in deutschen Dialektsätzen nach dem ungarischen Konnektor hogy ‚dass‘ vom Typ Des kaa ma so itt macha hogy jetzz gangg e and tuuar dr aawäschlampa steahla ‚Das kann man so nicht machen, dass jetzt gehe ich und tue den Abwaschlappen stehlen‘ (Kap. 3.2.3). Diese Phänomene können im Prinzip als potenzielle Kandidaten für paradigmatische Konvergenz des Deutschen und des Ungarischen im Sprachkontakt betrachtet werden. Jedoch haben die analysierten Daten in klarer Weise gezeigt, dass diese aus grammatischer Sicht eine „Grauzone“ darstellen, da bei manchen Typen dieser Art Sprachmischung nur ergänzende korpusbasierte Analysen und/ oder der Einbezug historischer Daten entscheiden können, ob die gegebenen Strukturen tatsächlich als Sprachkontaktphänomene zu werten sind oder als Beispiele für dialektinterne Innovation oder als zufällige formale Parallelitäten zwischen Strukturen, die sowohl im Sprachkontakt als auch in monolingualen Situationen existieren. Die Relevanz dieser Ergebnisse zeigt sich darin, dass sie <?page no="190"?> Sprachmischung 185 vor einer, für einige Vorgängerarbeiten typischen vorschnellen Verabsolutierung des Sprachkontakteinflusses warnen, indem die Ergebnisse für den Bedarf der Erwägung mehrerer Interpretationsmöglichkeiten anhand mehrerer Parameter sprechen. Die Thematisierung dieser Interpretationsprobleme besitzt nicht nur für die einschlägige Forschung, sondern auch für die Sprachkontaktforschung schlechthin Relevanz, da latente Konvergenz im Sprachkontakt, abgesehen von wenigen Ausnahmen, seltener thematisiert wird als overt auftretende Konvergenzphänomene (vgl. dazu z.B. Romaine 1995: 177ff. und Salmons 2003). In einem zweiten Schritt wurden auch Belege für die explizite Sprachmischung analysiert, im Einzelnen Diskursmarker, Konnektoren, hybride Wortbildungsprodukte, sonstige Einzellexeminsertionen und transferierte Wortgruppen (3.2.1-3.2.6), schließlich für die Alternation zwischen dem deutschen Dialekt als Grundsprache der Interaktion und dem Ungarischen (3.2.7). Unter quantitativem Aspekt hat sich gezeigt, dass erstere den Großteil aller Sprachmischungsbelege ausmachen (N= 273, einschließlich 31 Eigennamen aus dem Ungarischen), wohingegen sich Belege für die Alternation seltener finden ließen (N= 32 bei ca. 40% aller Informant(inn)en). Einen beachtlichen Anteil der Worttransfers bildeten Funktionswörter wie der massiv transferierte ung. Di s k u r s m a r k e r hát (N= 60 bei ca. Zweidrittel der Informant(inn)en) und seltener ung. izé (N= 5). Der frequente Transfer von hát erklärt sich aus seinem komplexen Funktionsinventar, über das kein entsprechendes Dialektwort verfügt. Da eine eingehende Beschreibung dieses Diskursmarkers bisher noch nicht erfolgt ist, wurde in der vorliegenden Arbeit eine Detailanalyse unternommen. Die spezifische pragmatische Leistung dieses Diskursmarkers begründet zudem auch die Tatsache, dass er in vielen anderen Sprachkontaktsituationen mit dem Ungarischen als Transfer erscheint und dadurch das Diskursmarkerinventar der jeweiligen Kontaktsprachen bereichert. Ca. ein Viertel der Funktionswörter des Korpus liefert der Transfer der in der einschlägigen Literatur bereits belegten ungarischen K o n n e kt o r e n vagy ‚oder‘, hanem ‚sondern‘ und hogy ‚dass‘ (N= 26). Die Analyse hat gezeigt, dass die ersten zwei häufiger mit einer Korrekturfunktion erscheinen, was sich bei hanem auf negierte Kontexte beschränkt. Die Variation der deutschen und ungarischen Varianten dieser Konnektoren erklärt sich möglicherweise aus ihrer über dem Einzelsprachlichen stehenden Funktion, logische Verknüpfungen zu markieren (vgl. auch Németh 2003: 141). Mit geringerer Anzahl (N= 14) wurden im vorliegenden Korpus Beispiele für h y b ri d e W o rtb il d u n g (wie z.B. csokoládéwerk ‚Schokoladefabrik‘) belegt, die sich jedoch in die bereits formulierten Annahmen der Forschung (vgl. z.B. Erb 2002: 152, 2006b: 229) gut einfügen: Somit ließ sich feststellen, dass den größten semantischen Beitrag zur Bedeutungsspezifizierung dieser Komposita <?page no="191"?> Zusammenfassung 186 in der Mehrzahl der Fälle das Ungarische leistet, indem es das Erstglied der Zusammensetzung liefert. Ein geringer Anteil der Belege mit (fast)homophonen Erst- oder Zweitglied (N= 6) lässt darauf schließen, dass die (Quasi)Homophonie bei der Konstituierung der hybriden Wortbildung eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Um diese Annahme zu prüfen, sind jedoch weitere erweiterte Korpusuntersuchungen vonnöten. Der Großteil s o n s ti g e r E in z e ll e x e m - I n s e rti o n e n betraf die Einfügung einzelner Inhaltswörter aus dem Ungarischen in deutsche Dialektsätze (N= 125, Tokens) bzw. seltener die Teilnahme ungarischer Lexeme an der Bildung hybrider Komposita und hybrider Präfixverben (N= 14). Die formale Analyse der Einzellexem-Insertionen hat zunächst gezeigt, dass ein Fünftel aller Inhaltswörter (quasi)homophone Lexeme vom Typ generáció ‚Generation‘ ausmachten. Dieser Anteil ist relativ hoch einzuschätzen, da es beim Deutschen und Ungarischen nicht um Sprachen mit genetischer oder typologischer Nähe geht. Der relativ hohe Anteil (quasi)homophoner Lexeme ist mit ihrem (sprach)neutralen/ ambigen Lexikonstatus zu erklären, wobei die Wahrscheinlichkeit der Varianz von ungarischen und deutschen Entsprechungen höher liegt als bei nicht (fast)homophonen Lexemen. Die formale Analyse der hinsichtlich der Kasusmarkierung wichtigen Einzellexem-Insertionen (N= 48) hat nachgewiesen, dass der Großteil dieser Lexeme die Kasusmarkierung von der Matrixsprache erhielt. Dies steht mit den Prognosen der einschlägigen Forschung (Kap. 2.1.1) im Einklang und weist auf einen geringen Beitrag des Ungarischen zur Markierung grammatischer Funktionen von Einzellexem-Insertionen hin. Es ist gleichzeitig als Zeichen dafür zu werten, dass sich das grammatische System der untersuchten Ortsdialekte, zumindest anhand dieses Korpus, abgesehen von wenigen Ausnahmen gegen Systemeinflüsse des Ungarischen wehren kann, sodass das Kasusmarkersystem der deutschen Dialekte im Grunde intakt bleibt. Das Ungarische macht seinen Einfluss eher auf lexikalischer Ebene geltend, zu ambigen Fällen (i.S.v. code-mixing, Auer 1998), in denen nicht mehr festzustellen ist, welche Sprache letztendlich gesprochen wird, kommt es im Grunde nicht. Die Analyse der Korpusbelege lässt den Schluss zu, dass die Kontaktsprache tendenziell die grammatische Dominanz des Deutschen zeigt, wobei auch die interne Grammatik der wenigen ung. Wortgruppen im Korpus abgesehen von wenigen Fällen autonom bleibt. Höchstens geht die Konvergenz der zwei Sprachen soweit, dass in wenigen Fällen z.B. eine doppelte Kasusmarkierung entsteht. Vereinzelt vorkommende Belege wie ‚bar forms‘ sprechen aber - wie auch Auers (2006: 13ff.) Beispiele zeigen - für die Nichtidentität sowohl der Matrixsprache als auch der eingebetteten Sprache mit ihren monolingualen Referenzsprachen. Dies ist auch dann nicht zu bezweifeln, wenn der Großteil der Strukturen eine interne grammatische Autonomie der beteiligten Sprachen aufweist. Selbst die Tatsache, dass die jeweilige Matrixsprache Struk- <?page no="192"?> Sprachmischung 187 turen zulässt, die in ihrer monolingualen Referenzsprache nicht existieren und Platz für Elemente aus der anderen Sprache macht, legt dafür ein beredtes Zeugnis ab. Über diese formalen Aspekte hinaus wurde auch nach der rekurrenten Verwendung der belegten Einzellexem-Insertionen gefragt, wobei durch einen Vergleich des belegten Wortmaterials mit einigen Korpora aufgezeigt wurde, dass manche Lexeme in geographisch entfernten Dialektgebieten gleichzeitig vorkommen. Diese können mit gutem Grund als Elemente des ungarndeutschen Gesamtwortschatzes betrachtet werden. Bei der Diskussion um die rekurrente Verwendung der belegten Lexeme auf der Ebene des Idiolekts wurde mit Auer (2006) davon ausgegangen, dass hierfür die metapragmatische Markierung der transferierten Lexeme gute Anhaltspunkte bietet. Es zeigte sich, dass knapp 40% der belegten Tokens metapragmatisch markiert sind. In solchen Fällen kann vorsichtig darauf geschlossen werden, dass es um eine adhoc-Verwendung der Wörter geht. Dies gilt zunehmend für Einzellexeme, die eine gehäufte metapragmatische Markierung durch diverse Hesitationsphänomene (Diskurspartikeln, Pausen etc.) und/ oder durch Metakommentare erfuhren. Dieser Schluss wurde unter dem Vorbehalt gezogen, dass die Rekurrenz der Verwendung nur nach umfangreicheren Korpusanalysen befriedigend geklärt werden kann, weil geschlossene Korpora, wie im vorliegenden Fall, höchstens Einblicke ins Sprachmischungsverhalten der Informant(inn)en gewähren, d.h. keine weitreichenden Schlüsse auf den Status der belegten Worttransfers in der Alttagsinteraktion der Informant(inn)en zulassen. Schließlich wurden auch Alt e r n a ti o n e n anhand von zwei Aspekten analysiert: Erstens nach ihrer grammatischen Umgebung, dann nach dem Kontext, in dem sie auftreten (monologisch, quasi-dialogisch und dialogisch). Unter quantitativem Aspekt zeigte sich, dass die Alternation in der Rede der Informant(inn)en viel seltener Auftritt als die punktuelle Sprachmischung und dass sie mit einer individuellen Varianz hinsichtlich der Vorkommensfrequenz einhergeht. Zudem waren Fälle für einen gleitenden Übergang (im Sinne Clynes 2003: 162ff.) durch formale Konvergenz zwischen den beiden Sprachen bei der Alternation sehr selten belegt. Dies erklärt sich wieder aus der genetischen Distanz des Ungarischen und des Deutschen, was durch ein geringeres Inventar neutraler/ ambiger Wörter seltener den Weg zu solchen gleitenden Übergängen eröffnet. Das geringe Vorkommen von Alternation in diesem Korpus (N= 32 bei 40% der Sprecher(innen)) mit ebenfalls geringer Funktionsvarianz, wie darauf weiter oben bereits hingewiesen wurde, lässt sich auf zwei Gründe zurückführen: Erstens darauf, dass die Texte des Interviewkorpus im Großteil der Fälle einen monologischen Grundcharakter haben, für den längere narrative Sequenzen typisch sind. Deshalb haben diese Texte nur selten ‚echte‘ dialogische Züge, sodass manche diskurspragmatisch bedingte Alternationsty- <?page no="193"?> Zusammenfassung 188 pen (vgl. Myers-Scotton/ Bolonyai 2001) grundsätzlich nicht zum Einsatz kamen. Zweitens ist der Anteil von Alternationen, die die Funktion haben, momentanen Wortschatz- oder Ausdrucksmängeln abzuhelfen, relativ gering. Hingegen treten in den Interviews in erster Linie Alternationen mit anhand vorliegender Forschungsergebnisse (vgl. z.B. Gumperz 1982: 75ff.) ‚universalen‘ Funktionen wie beispielsweise Zitate, pragmatisch bedingte Wiederholungen, Korrekturen und inhaltliche Spezifizierungen auf. Daran ist auch zu erkennen, dass die Informant(inn)en trotz der bekanntlich restringierten Verwendungsfrequenz ungarndeutscher Dialekte (vgl. Kap. 1.2) noch immer eine verlässliche Dialektkompetenz haben (abgesehen von einigen wenigen Sprecher(inn)en mit manchen Attritionsmerkmalen). Es gibt also kein Zeichen dafür, dass die Häufigkeit der Alternation bei diesen Sprechern einen funktionalen Dialektverlust nahelegen würde. Insgesamt gesehen lässt sich auch am Gesamtanteil des overten Einflusses des Ungarischen (d.h. expliziter Sprachmischung) das Gleiche ablesen, da sich die insgesamt ca. 300 Sprachmischungsbelege auf ein Korpus mit 41 Sprecher(inne)n und über 30 Stunden Aufnahmezeit verteilen. Auch die analysierten Belege liefern Nachweise dafür, dass der Auftritt von Sprachmischung nicht unbedingt als Zeichen für sprachliche Inkompetenz gilt, auch wenn es sich um eine Sprachwechselsituation handelt (vgl. Baker/ Prys 1998: 59). Es bleibt für künftige Forschungen zu klären, in welchem Zusammenhang die nicht diskursfunktionalen Typen der Sprachmischung mit dem Sprachwechselprozess stehen, d.h. ob es grammatische Konvergenzphänomene gibt, die mit den einzelnen Phasen des Sprachwechsels korrelieren, wie dies in einer Vielzahl einschlägiger Arbeiten in der Nachfolge Susan Gals gezeigt werden konnte (vgl. zusammenfassend Borbély 2001: 35f.). In ungarisch-deutscher Relation ist ebenfalls wenig darüber bekannt, in welcher Beziehung Konvergenzphänomene mit unabhängigen Variablen (wie Alter, Geschlecht etc.) stehen können. 5.2 Spracheinstellungen Im Fokus dieses Analyseaspektes standen S p r a c h ein s t e ll u n g e n der Informant(inn)en gegenüber dem deutschen Dialekt mit und ohne Sprachkontaktphänomene(n) sowie dem deutschen Dialekt und dem Ungarischen im Vergleich. Nicht nur den Spracheinstellungen der einzelnen Altersgruppen separat, sondern auch einem Vergleich von Spracheinstellungen zwischen den Altersgruppen wurde Aufmerksamkeit gewidmet. Die analysierten Spracheinstellungen wurden anhand konkreter Sprechproben mit Hilfe der matchedguise-Technik (MGT) erhoben, wobei die Informant(inn)en eine Auswahl von Eigenschaften auf der Ebene der Personenwahrnehmung und der Sprachper- <?page no="194"?> Spracheinstellungen 189 zeption bewerteten. Im Folgenden sollen nun die wichtigsten Ergebnisse der Spracheinstellungsanalysen kurz zusammengefasst und die sich daraus ergebenden Konsequenzen erörtert werden. Es wurde zunächst in Kap. 4.2.1 gefragt, ob es Unterschiede gibt zwischen der Beurteilung des Gemischtsprechens von älteren ungarndeutschen Sprechern und von jüngeren Ungarndeutschen. Den Ausgangspunkt für diese Fragestellung lieferte die Erfahrung, dass die Sprachmischung (d.h. Einfluss des Ungarischen auf deutsche Dialekte) ein typisches Merkmal der Rede älterer Ungarndeutscher ist, wobei sich die Frage stellt, ob sich die Vertrautheit älterer Sprecher(innen) mit dieser Sprechweise in ihrer Sprachpraxis und die nur rezeptive Vertrautheit von Jüngeren mit dieser Art Sprachmischung auch in ihren Spracheinstellungen widerspiegelt. Die empirische Prüfung dieser Frage hat ergeben, dass die älteren Informant(inn)en sowohl die auf dem Tonband gehörte Sprecherin als auch ihre Sprache signifikant positiver bewerteten als die Jüngeren. Dies lässt sich möglicherweise darauf zurückführen, dass sie die Sprachmischung als normale Begleiterscheinung ihrer Zweisprachigkeit ansehen, weil sie sich ihrer in ihren alltäglichen Interaktionen im deutschen Dialekt regelmäßig bedienen. In Kap. 4.2.2 wurde für beide Altersgruppen die Frage gestellt, ob Unterschiede zwischen ihren Einstellungen bei der Beurteilung des deutschen Dialekts ohne Kontakteinfluss einerseits und bei der Beurteilung des deutschen Dialekts mit Kontakteinfluss des Ungarischen andererseits bestehen, d.h., ob das Vorkommen von Sprachmischungsphänomenen im deutschen Dialekt zu einer negativeren Beurteilung dieser Art Sprachverwendung führt als die des deutschen Dialekts ohne Sprachkontaktphänomenen. Von diesem Vergleich wurde erhofft, dass er Einstellungsunterschiede bei der Bewertung dieser zwei Sprechweisen zu Tage fördert. Die Auswertung der empirisch erhobenen Daten hat gezeigt, dass die jüngeren Informant(inn)en die Dialektsprecherin und ihre Sprache einhellig negativer bewerteten, indem sie in ihrer Rede auch Sprachmischungsphänomene einsetzte. Hingegen machte sich eine negativere Bewertung des deutschen Dialekts mit Sprachkontakteinfluss bei den älteren Informant(inn)en nicht mehr bei der Personenwahrnehmung, zunehmend jedoch in Bezug auf die Sprachmerkmale geltend. Besonders hervorstechend war die Disqualifizierung der Sprachmischung im Dialekt anhand des Merkmals Richtigkeit, an dem puristische Ideologien der ‚Sprachreinheit’ deutlich zum Vorschein kamen. Dies ist als Zeichen der Loyalität den Gemischtsprechenden gegenüber zu werten, aber gleichzeitig als Intoleranz der Sprechweise gegenüber, die nicht frei vom Sprachkontakteinfluss ist. Diese Ergebnisse unterstützen die in der Zweisprachigkeitsforschung mehrfach beobachtete Tendenz, dass dieselben Personen in Abhängigkeit ihrer Sprechweise unterschiedlich <?page no="195"?> Zusammenfassung 190 bewertet werden (vgl. z.B. Romaine 1995: 300ff.). Hier gilt das im Falle des deutschen Dialekts mit und ohne Sprachkontaktphänomene in hohem Maße. An dieser Stelle sei auf eine, in den einleitenden Kapiteln (vgl. 1.3.2) formulierte wichtige methodische Frage hingewiesen, die sich auf eventuell erwartbare Spracheinstellungsunterschiede zum gleichen Einstellungsobjekt bei den gleichen Personen bezog, wobei sich nur der Kontext der Erhebung von Spracheinstellungen (ob direkt oder indirekt eruiert) veränderte. Dieser Effekt der Veränderung des Erhebungskontextes zeigte sich bei den jüngeren Informant(inn)en in klarer Weise: Während eine negativere Beurteilung der Sprachmischung durch die Jüngeren im Vergleich zu Daten der älteren Ungarndeutschen laut direkt erhobenen Fragebogendaten nicht immer zu beobachten war (vgl. Kap. 4.1), zeichnete sich anhand obiger indirekt erhobener Einstellungsdaten eine entgegengesetzte Tendenz ab: Anhand konkreter Sprechproben wurden Gemischtsprechende und auch das Gemischtsprechen selbst von den Jüngeren tendenziell negativer beurteilt, während sie sich nach den dekontextualisierten Fragebogenantworten gegenüber dem Vorkommen einzelner ungarischer Lexeme im deutschen Dialekt sogar noch toleranter verhielten als die älteren Informant(inn)en (vgl. Diagramm 10). Hier dürfte der Schluss angebracht sein, dass die im Fragebogen geäußerte Toleranz gegenüber der (lexikalischen) Sprachmischung nicht auf jeden Fall dem Phänomen galt, sondern der Solidarität gegenüber der Großelterngeneration und ihrer Sprechweise, wohingegen die in den Hörtexten vorkommenden konkreten wahrnehmbaren Sprachmischungsphänomene negativere Spracheinstellungen hervorriefen. Ziel des Kapitels 4.1.3 war es, Spracheinstellungen von älteren und jüngeren ungarndeutschen Informant(inn)en gegenüber dem deutschen Dialekt zu vergleichen. Dieser Vergleich konnte auf früheren mit Fragebogen erhobenen Daten der Forschungsliteratur aufbauen, die darauf schließen lassen, dass sich die Ungarndeutschen der Defizite ihrer deutschen Dialekte (Nominationslücken, nicht innovationsfähiger Wortschatz, restringierte Verwendungsdomänen etc.) bewusst sind. Hinzu kommt noch insbesondere bei den Jüngeren der latente Vergleich mit den Standardsprachen Ungarisch und Deutsch, wodurch die o.g. Defizite verstärkt bewusst gemacht werden. Der Vergleich von Spracheinstellungen hat gezeigt, dass die Jüngeren den deutschen Dialekt anhand sämtlicher Eigenschaften negativer einschätzen als die Älteren. Auffallend ist zudem in beiden Altersgruppen die Abwertung der Eigenschaften intelligent und gebildet im Vergleich zu den restlichen Personenmerkmalen (vgl. Diagramme 23-24), was der unter Ungarndeutschen auch noch heute verbreitete Autostereotyp „Deutsche Dialekte sind Bauernsprachen“ (vgl. Erb 2006a: 111) unterstützt haben mag. <?page no="196"?> Spracheinstellungen 191 In Kap. 4.2.4 wurde danach gefragt, inwieweit sich die Einschätzung des deutschen Dialekts von der des Standardungarischen unterscheidet und ob dabei, wie im Großteil der obigen Fälle, eine Korrelation des Alters und der Spracheinstellungen beobachtbar ist. Hierbei wurde vom unterschiedlichen sprachlichen Sozialisationsprofil der jüngeren und älteren Ungarndeutschen ausgegangen, somit auch davon, dass bei Kontrastierung des deutschen Dialekts mit dem Standardungarischen in Form konkreter Textproben die oben bereits erwähnten Vorstellungen vom defizitären Charakter ungarndeutscher Dialekte verstärkt zum Ausdruck kommen. Die Ergebnisse der statistischen Analysen haben mit hoher empirischer Aussagekraft gezeigt, dass der deutsche Dialekt von den älteren Informant(inn)en sowohl auf der Ebene der Personenwahrnehmung als auch auf der der Sprachperzeption eine signifikant negativere Bewertung gegenüber dem Ungarischen erhielt als von den Jüngeren, bei denen eine negativere Einschätzung des deutschen Dialektes eher auf die Sprechweise fokussiert ist. Dies legt nahe, dass personenbezogene Stereotypen gegenüber deutschen Dialektsprechern bei den älteren Ungarndeutschen im Kontrast zum Ungarischen stärker aktiviert wurden. Dafür, dass einzelne Einstellungskomponenten (wie in diesem Falle die Personen- und Sprachperzeption) nicht im Einklang stehen müssen, gibt es in der Zweisprachigkeitsforschung genügend empirische Evidenzen (vgl. z.B. Romaine 1986, Baker/ Prys Jones 1998: 175), die zugleich auf die Notwendigkeit der Interpretation dieser Unterschiede unter Berücksichtigung soziokultureller Faktoren hinweisen. Dasselbe haben auch einschlägige Arbeiten zum Deutschen in Ungarn (wie z.B. Erb 2006a: 119) zum Verhältnis einzelner Einstellungskomponenten aufgezeigt: Beispielsweise sind die Spracheinstellungen der Tarjáner Deutschen dem Dialekt gegenüber eher emotionell-affektiv, dem Standarddeutsch gegenüber eher instrumentell geprägt. Ein Rückblick auf die Ergebnisse der Varietätenpräferenz in Kap. 2.2.2 hat in der vorliegenden Arbeit ebenfalls unterschiedliche Präferenzen des Ungarischen, des Standarddeutschen und des deutschen Dialekts nachgewiesen: Die größte instrumentelle Präferenz erfuhr bei den Älteren das Ungarische, bei den Jüngeren das Standarddeutsch; die größte subjektive Gebrauchspräferenz galt bei den Älteren dem deutschen Dialekt, bei den Jüngeren dagegen dem Ungarischen; schließlich wurden das Ungarische und der deutsche Dialekt von den Älteren gleich schön gefunden, bei den Jüngeren das Ungarische viel schöner als der deutsche Dialekt oder der deutsche Standard. Wie an den oben erörterten Ergebnissen der MGT-Analyse abzulesen ist, ließen sich die anhand konkreter Textproben erhobenen Spracheinstellungen unserer Informant(inn)en aus diesen, via Fragebogen erhobenen Präferenzen nicht ohne Weiteres ableiten: Denn das auf eigenen Angaben beruhende Sprachverhalten der Informant(inn)en stand mit ihren Spracheinstellungen nicht immer im Einklang. <?page no="197"?> Zusammenfassung 192 Zuletzt wurden in Kap. 4.3 einzelne Sprachmischungsitems auf ihre Akzeptabilität hin analysiert. Das Ziel dieser Analysen war es, festzustellen, inwieweit diese Phänomene dem Normwissen der Informant(inn)en zugänglich sind und inwieweit das Alter der Informant(inn)en mit ihren Akzeptanzurteilen korreliert. Bekanntlich sind solche Erscheinungen für die Sprechweise älterer ungarndeutscher Dialektsprecher typisch, sodass sie diese tendenziell häufiger akzeptierten als jüngere Informant(inn)en, deren Korrektheitsurteile angenommenerweise in höherem Maße durch ihre Standardorientiertheit geprägt sind. Die größere Toleranz älterer Sprecher(inn)en gegenüber Sprachmischung in den MGT-Texten geht laut Analyseergebnissen mit einer größeren Akzeptanz einzelner Sprachmischungsphänomene Hand in Hand. Die Analysen haben immerhin gezeigt, dass die getesteten Sprachmischungstypen zwar in unterschiedlichem Maße, aber in ihrer Gesamtheit ca. von der Hälfte der Informant(innen) als normkonform akzeptiert werden. Dieser Befund lässt den Schluss zu, dass die untersuchte Sprachgemeinschaft puristische Sprachideologien nicht in dem Maße beherrscht, dass dies zu einer markanten Abqualifizierung des Phänomens Sprachmischung führen könnte. Schließlich ist es unumgänglich, kurz auf den theoretischen Status der hier untersuchten Spracheinstellungen einzugehen. Es gilt in den soziolinguistischen Forschungen noch immer als durchaus strittig, welches Erklärungspotenzial den Spracheinstellungen beim Verständnis von Sprachwechselprozessen zugesprochen werden darf. Ist es berechtigt, sie als Indikatoren des Sprachverhaltens (d.h. Aufgabe oder Erhalt einer Sprache auf der Ebene einer Sprachgemeinschaft) zu werten oder gilt es, sie als Folgen oder Begleiterscheinungen des Sprachverhaltens aufzufassen? Die Bejahung der ersten Frage würde in unserem Fall beispielsweise bedeuten, dass die Tatsache, dass vor allem ältere Sprecher(innen) positive Spracheinstellungen dem deutschen Dialekt gegenüber haben, zum Erhalt deutscher Dialekte in Ungarn führt. Die Bejahung der zweiten Frage würde dagegen bedeuten, dass sich positive Spracheinstellungen der Ungarndeutschen dem deutschen Dialekt gegenüber gerade aus dessen Erhalt erklären. Die Kenntnis der Sprachpraxis, d.h. dass sich die Ungarndeutschen in den letzten Phasen des Sprachwechsels befinden, erlaubt es, keiner der beiden Antworten zuzustimmen, was mit aller Deutlichkeit gegen die Simplifizierung der Beziehung zwischen Spracheinstellungen und Sprachverhalten spricht. Mit Maitz (2008) wird deshalb angenommen, dass empirisch beobachtete Spracheinstellungen bei der Erklärung des Sprachverhaltens zwar wichtige, aber keineswegs die stichhaltigsten Argumente liefern, weshalb sie in ihrer Interaktion mit weiteren soziologischen Faktoren betrachtet werden müssen. Dies scheint das Resümee der Ergebnisse mancher Spracheinstellungsanalysen von Romaine (1995: 289f.) zu bestätigen, der zufolge Spracheinstellungen mehr über den sozialen Kontext sagen, in dem <?page no="198"?> Spracheinstellungen 193 Sprachen existieren, als über die Sprachen selbst, wobei sie zugleich als Repräsentanten gruppeninterner Beziehungen anzusehen sind. Auch der fortschreitende Sprachwechsel der Ungarndeutschen unterstreicht diese Annahme, wobei der Wandel von Spracheinstellungen dem Tempo des Sprachwechsels nicht eindeutig folgt. Auch die in Kap. 4.2.4 analysierten Daten scheinen dies zu belegen. <?page no="199"?> 6 Literatur Aguirre, Adalberto Jr. (1985): An Experimental Study of Code-Alternation. In: International Journal of the Sociology of Language 53, 59-82. Ajzen, Icek (1985): From Intentions to Actions: A Theory of Planned Behavior. In: Kuhl, J./ Beckmann, J. (Hrsg.): Action Control. Berlin/ Heidelberg/ New York/ Tokyo: Springer, 11-39. Ajzen, Icek/ Fishbein, Martin (1980): Understanding attitudes and predicting social behavior. Englewood-Cliffs, N.J.: Prentice-Hall. Ajzen, Icek/ Madden, Thomas J. (1986): Prediction of goal directed behavior: attitudes, intentions and perceived behavioral control. In: Journal of Experimental Social Psychology 22, 453-474. Ammon, Ulrich (zus. mit Hans Bickel, Jakob Ebner u.a.) 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Sprachkompetenz (Selbsteinschätzung): 1= keine, 5= sehr gut 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 15. Welche Sprache sprechen Sie am häufigsten? 16. Wie oft sprechen Sie den deutschen Dialekt? täglich seltener als täglich 17. Mit wem sprechen Sie den deutschen Dialekt? 18. Gibt es Situationen, in denen Sie sich im Dialekt besser ausdrücken können als im Ungarischen? 19. Was halten Sie von denjenigen, die Wörter aus dem Ungarischen verwenden, während sie den deutschen Dialekt sprechen? 20. Gibt es heutzutage Vorteile des Dialektkönnens? 21. Gibt es Situationen, in denen Sie sich im Ungarischen besser ausdrücken können als im Dialekt? <?page no="212"?> Fragebögen 209 III. DIREKTE SPRACHEINSTELLUNGSFRAGEN 22. Welche Sprachen sprechen Sie lieber? Ungarisch Hochdeutsch Schwäbisch 23. Welche Sprache finden Sie schöner? 24. Welche Sprache finden Sie nützlicher? 25. Wäre es notwendig, die ungarndeutschen Dialekte in der Schule zu unterrichten? ja nein 26. Diejenigen zu verstehen, die das Ungarische und den Dialekt mischen ist… leicht schwierig 27. Finden Sie es akzeptabel, wenn jemand, der Dialekt spricht, auch ein paar ungarische Wörter verwendet? ja nein 28. Finden Sie es akzeptabel, wenn jemand, der Dialekt spricht, viele ungarische Wörter verwendet? ja nein 29. Ist jemand, der Dialekt spricht und dabei auch ungarische Wörter verwendet ein … Dialektsprecher. guter schlechter <?page no="213"?> Anhang 210 7.1.2 Finden Sie den gehörten Satz akzeptabel? ja nein 1. Wan ich aa gewelt ho, ho ich net khene in te kirp khe. 2. Nomitach warma net in te kasse, hanem in te koarte. 3. In te schul wantse zum siwete in aner klass. 4. Ti hon wele rete mit thain kumerat awe hontse welle ufrufe. 5. Ka mensch hat net kewist, was kepassiert is. 6. Mit ten apetit is es so, hogy amol is kut, amol schlecht. 7. Wie ich auch immer gewelt ho, ho ich net khene in te kirp khe. 8. Nomitach warma net in te kasse, sondern in te koarte. 9. Ti hon sich so ketumelt, tas se alles tuotkelose hon im haus. 10. Ti hon wele rete mit thain kumerat oder hontse welle ufrufe. 11. Tomolcht wa in haus ka tévé n ka rádió. 12. Mit ten apetit is es so, tas amol kut is, amol schlecht. 13. Akárwie ich gewelt ho, ho ich net khene in te kirp khe. 14. Nomitach warma in te koarte, net in te kase. 15. Viel san in te tausand neihuneter jahren in ungarn kume. 16. Ti hon wele rete mit thain kumerat vagy hontse welle ufrufe. 17. Ninders hon ich kan kscheide zwete kfune. 18. Mit ten apetit is es so, hogy amol kut is, amol schlecht. <?page no="214"?> Belegkorpus 211 7.2 Belegkorpus Transkriptionskonventionen 40 * Pause bis zu einer halben Sekunde ** Pause bis zu 1 Sekunde *2* Pause mit Angabe der Dauer in Sek. ↑ steigende Intonation ↓ fallende Intonation = Verschleifung (…) unverständliche Äußerung, Dauer: 1 Silbe (…2,5) unverständliche Äußerung mit Angabe der Dauer in Sek. | Anfang und Ende von Redeüberlappung / Abbruch aa, hh Vokal- und Kosonantendehnung 41 (zusätzliche Zeichen, die in DIDA nicht enthalten sind) kursiv ungarischsprachige Redeteile (überall nach ung. Rechtsschreibung) Fettdruck sonstige Sprachkontakterscheinungen und Hervorhebung [ ] standarddeutsche Übersetzung ungarischsprachiger Redeteile 42 […] Auslassung 1930/ w/ Bánd 1. die deutschi warn so veheiet * hogy [dass] der mann * owe die fra ungar ist ↓ net ↑ 1933/ w/ Bánd 2. E: und wann war das ↑ I: hát wann war des ↑ *5* wann war des * in de dreiunddreisige ↑ __________ 40 Nach DIDA, vgl. Dittmar (2004: 125-137). 41 Vor allem an Stellen markiert, an denen die Markierung als Einzellaut zu Missverständnissen oder Mehrdeutigkeiten führen könnte. Z.B. a kann sowohl für den ung. best. Artikel ,der/ die/ das‘ als auch für dt. dial. ‚ein‘ stehen, während dt. dial. ,auch‘ als aa transkribiert wird. Zudem werden Stellen bei auffälliger (dialektspezifischer) Dehnung ebenfalls als Doppellaut markiert. 42 Die Übersetzung ungarischsprachiger Redeteile in Dialogbelegen erfolgt in Kommentarzeilen direkt unter den betroffenen Textstellen mit K APITÄLCHEN . <?page no="215"?> Anhang 212 3. die hot a diploma [Diplom] in englisch und deutsch 4. und do * hab mer/ hab i no zwa mäedl * mädchen* ↑ die ani die arwet in te * na wie is tes önkormányzat ↑ [Selbstverwaltung] dort arwet sie scha adóügyi *3* ügyintéző ↓ [Sachbearbeiterin für Steuern] ja igen ↓ a kicsi meg most fog érettségizni a kislány * tavasszal * [ja, die Kleine wird jetzt im Frühjahr ihr Abitur machen das Mädchen] in frühjohr ↓ 5. akkor mikor ő kezdte [damals als sie angefangen hatte] wie sie hot onkfandt ↑ * des lerne noch ten * ist des solch schuj ganga das des *2* ka handwerik hanem [sondern] die des des számítástechnikát [Informatik] 6. E: und tun sie [= die Kinder] auch schwäbisch sprechen ↑ oder die verstehen es nicht mehr ↓ I: ah die verstehn des nich mehr uhm un die sagn mit mondtál mama [was hast du gesagt, Oma? ] 1929/ w/ Bánd 7. arbeit/ arwet hamme=immer ↑ a großes haus mit=m garde des wor vorhe n familienshaus mit drei generáció [Generationen] (LACHT) * unt tes sind alle wegstorbe und i bin hier gebliewe ↓ 1927/ w/ Bánd 8. hát ich bin jetz in de rente schon schon paar johr schon wie lang wieviel schon * is sechzeh johr achzeh johr in de rente net ↑ 9. un in die arbet bin ich geganga in de herender 43 fabrik un wann ich bin zu ha/ ham kumma noch dann hab ich müsse so olles die arwet mocha net ↑ ja wel mei vater der war in die tsz [LPG] noch dann die viehe khot un mir messe zu haus helfe ja ↓ 10. hát fr/ frie war=s halt so net ↑ do war ka fernsehe war ka televízió [Fernseher] und rádió [Radio(apparat)] 1921/ w/ Ajkarendek 11. I: akkó nekem svábul köll beszélni ↑ DANN MUSS ICH SCHWÄBISCH SPRECHEN ? __________ 43 Herend = ung. Ortsname. <?page no="216"?> Belegkorpus 213 E: igen * igen JA , JA I: egy kicsit * olyan * van német szó is közbe a svábba |igen ↓ DAS IST EIN BIßCHEN SO , ES GIBT MANCHMAL AUCH DEUTSCHE W ÖRTER IM S CHWÄBISCHEN , JA E: |az nem baj * nem baj ↓ DAS MACHT NICHTS , MACHT NICHTS az a lényeg hogy/ H AUPTSACHE , DASS … I: nem baj ↑ na hát csak kérdezzél ↓ (…) MACHT NICHTS , NUN FRAG MICH E: na also meine frage ist wie feiern sie weihnachten ↓ I: weihnachten ↑ ** (LACHT) ja ha most én is akarok németül beszélni (LACHT) WENN ICH JETZT AUCH DEUTSCH SPRECHEN WILL E: nyugodtan * nyugodtan * auf deutsch/ RUHIG , RUHIG I: vorigen tag tu man backen * kuchen ↑ gänse wird immer geschlachtet am weihnachten * dann wir/ dann weihnachtsbaam ** mi sochn chrisbaam (LACHT) svábul ↓ [schwäbisch] weihnachtsbaam das is deutsch (…) wei ich hab deutsch gelernt in der schule hochdeutsch * ja ↓ 12. na a christbaam * te werd allehand kschmuckt mit zucke csokoládé * [Schokolade] für die kinde 13. un noch de zwa unoka [Enkel] denn ↓ ** gábor 44 und den tamás 45 i hob net viel kinde 14. mit der san=wir in de schuj ganga ↓ des war unse schujtáska ↓ [Schultasche] olli kinde han sowas khot ↓ 15. weni * pension ham=sie kriecht * weni kevés nyugdíjat kaptak ↓ [sie haben wenig Pension bekommen] 16. awa noch bin i operiert wordn mei fußprotézis [Fußprothese] hob i kriecht ↓ 17. wie i mei születésnap [Geburtstag] hob khot 1950/ w/ Ajkarendek 18. E1: und wissen sie * äh * wie viele bewohner * dieses dorf hat ↑ __________ 44 Ung. männlicher Vorname. 45 Ung. männlicher Vorname. <?page no="217"?> Anhang 214 I: i glaub * tausend leit E2: und wie viele leute sprechen diesen dialekt ↓ I: hát die aiden * die redn noch ganz * schwäbisch mitanande * die junge * hát * glaub die hälfti vielleicht ↓ E1: also nicht nur die älteren leute sondern die kinder auch oder/ I: hát die kinder sovü was in de schui klernt ham ↓ vü ↑ * meini kindr hom aa deitsch glernt ↑ des wor gonz wirklich/ wei die oma ↑ die aldi mädl ↑ die hom deitsch kredt mit sie ↑ also schwobisch ↑ unt ham=se gsacht die versteht die/ nit was die alti leit redt die redt ehe ungrisch ↓ 1929/ m/ Mór 19. das ärtl wissen sie was tes bedeutet ↑ des ärtl ↑ az [das] ärtl es is ein ein ein werkzeug ↑ mit wos der schuister (…) lede durchsticht ↓ magyarul úgy mondják hogy ár ↓ az az ärtl ↓ [auf Ungarisch nennt man es ár, das ist die Ahle] 20. E: und * was wissen sie über den dialekt in mór 46 ↓ also wie sprechen sie ihre dialekte ↓ I: also wie i scha gsocht hob die=die dreiviertl des dorf kann=ma sochn de moorer deutschen stammt aus österreich ↑ aus niederösterreich und burgenland ↑ und sie kamen früher aus bayern ↓ also * wir sind überwiegend bayern ↑ aber noch äh * szájhagyomány ↓ [mündliche Überlieferung] wie sacht man denn tes af daitsch ↓ ** sprach * überlassung vagy valamit ilyet ↑ [oder so etwas] 21. E: und sprechen sie noch zu hause auch deutsch ↑ I: nein nein nein ich * habe es * erőltettem [forciert] na mit meini kinde ↑ als sie sin so ungarisch dass sie/ eine hot=s zugfrogt na minek kellett ezt most németül [wieso musste das jetzt auf Deutsch] ja wei so/ wei die deutschi sporoch nich brauchst * dann sprechen wir ungarisch 22. E: und ** sie sind schon rentner ↑ I: ja ↑ E: und was haben sie vorher gemacht ↓ I: i bi kassierer in de pusztavámer 47 äh kohlenbergwerk ↓ da späte ham=wie zusammnkschließn mit oroszláner 48 bergwerk ↑ da bin ich nach oroszlán kommen die/ wie ich nach oroszlán fahrn ↓ * und bis zum ende war ich n kassierer ↓ * eine frau wie=rich das haus gebaut habe in einuntsechziger johr ↑ * hot=s gsacht die eine __________ 46 Mór = ung. Ortsname. 47 Pusztavám = ung. Ortsname. 48 Oroszlány = ung. Ortsname. <?page no="218"?> Belegkorpus 215 nochbarin joa bei de bauen die laite de is a pénztáros * [Kassierer] ned a kassierer ↑ a pénztáros ugye ↑ [der Kassierer, nicht wahr? ] E: ja ↓ 1928/ w/ Ajka 23. de hot auch die viele/ de hat hundet ** un zweihundet ungarische * liede hat=e was die alde liede san ↑ net wie jetzt liede ↑ hanem [sondern] die alde ↓ 24. hát jetzt nicht jetzt kenn ich schon zu meine tochter ahm wochaint ↑ owa jedn tach bin ich/ * allein=ich bin ich jetzt do in de wohnung ↑ 1937/ w/ Vértessomló 25. na dann san die weihnachtn kumma * hát die weihnachtn san so kwest ↓ 26. hat sunka [Schinken] unt ei unt brot zsam khot ↓ 1932/ w/ Magyarpolány 27. unt a kraut wird gekucht * vagy a pörkölt [oder Brägeltes] na * tes is a mittagmai ↓ 28. des wird * ge*brannt unt auch * gkriecht fürsch silvester vagy [oder] neiksjohr ↓ die neiksjohr wird des/ owa es is silvester genge die junge ↑ * hát silvester heun * nicht ↑ unt *2* in wirtshaus und wirts/ auch getanzt * woarn ↑ unt in * mittrinacht vagy * [oder] genge zu haus das wiederm in die kirchi hinein ↑ 29. frie is de tracht is kwest ↑ die csizma * [Stiefel] un csizmahosen ↑ [Stiefelhose] 30. do san ei kocht warn die eier ** unt * an sunkafleisch * [Schinkenfleisch] und äh ** äh brotwirscht ↑ unt a krei ↑ 31. unt dann * is/ ham=se es sumktrachn ↑ un schen afdeckt am tisch ↑ (…) und äh * en schnitz äh sunkafleisch ↑ [Schinkenfleisch] des is schei brannt vagy [oder] kocht warn des sunkafleisch 32. hát noch sei=se in die kirche ganga ↑ die spüleit ham schei blos die marsch unt in die kirche ganga 1938/ w/ Sopron 33. E: ja und dann äh gab=s die aussiedlung ↑ und dann wieso sind sie nicht ausgesiedelt worden <?page no="219"?> Anhang 216 I: hát ja ↑ mir san ↑ i was net=mir san vegeissn warn ↓ uns habn=se nich kfundn ↓ 34. I: ham=we nicht viel göd=also da ham mehr göd kriegt nicht wie jetz * die bui die gange jetz * äh äh *2* locsolni wie heiß| GIEßEN E: |gießen I: |tes * gießen ja ↑ gange se kölniwassr gießen ↑ K ÖLNISCHWASSER E: sie bekommen geld dafür I: ja ↑ da krieg=sie recht vie göd des is jetzt scha ganz gar nich schein was sie jetz macha ↓ 35. das war ei kleines tschikel * äh csikó [Fohlen] sags tes ungarisch ↓ 36. mir seid jetz magyarok * [Ungarn] net ↓ ungarn ↓ unt mir sei na ungarn ↓ 37. i moch jetz * daham bei uns jetz do * machs mal en * en arbessterz ↓ a * kindr essn es gern ↓ owa tes is a borsó*sterz * [Erbsensterz] ja ↓ 38. und am freitoch ↑ * do war de nudeltoch ↓ grießnudl ↑ * topfenudln ↑ * not not momnudln ↑ * noch hom=mir äh *2* äh * nußnudl ham=mir aa geissn ↑ und nocht ham=mi lekvár [Marmelade] ha=ma die nudl geissn und tes war olles recht guit 39. unt kai hűtőszekrény [Kühlschrank] hama ja ni khabt 40. die schwobn ↑ * die svábok ↑ [Schwaben] * dei hom * recht des=warn sparsame leit gwein ↑ 41. unseri * öltn/ mir sei mit unseri öltn in virágvölgy 49 ganga ↓ ** dort war es äh kocsma ↑ * [Kneipe] unt dort ham/ dort san sie hieganga unt dort hama/ * ich ham guit erinnern dort ham sogar bier trunka unt des war eine sonntag * nachmitag e vergnügn ↓ 42. mit unseri öltn * tes is tes is hot a scheins * äh * emlék ↓ [Erinnerung] (LACHT) __________ 49 Virágvölgy = ung. Ortsname. <?page no="220"?> Belegkorpus 217 43. I: was mir vo unseri öltn klernt ham tes hom=mir unsern kindern aa weitergein ↑ unt dei/ äh az szokás ugye ↑ hogy dass=s gsein hom ↑ * és akkor **| DIE T RADITION IST JA , DASS UND DANN E: |az ott töltött| idő a szülőknél DIE DORT VERBRACHTE Z EIT BEI DEN E LTERN I: |das es ja ja naja 1929/ w/ Tótvázsony (I1) 1933/ w/ Tótvázsony (I2) 44. I1: un wann kumme sen ti ** puwe ↑ * spritze * vagy [oder] oschter*feiertach wunsche ↑ ta hawe wir erst kewe en rodei un ** so war des konge ↓ 45. E: und was habt ihr gegessen ↓ I1: hát was mir gegessn ↓ um freitach hawa=mir kein fleisch und ka schmalz/ a schmalz net gekocht ↑ des war ein feiertach ↓ 46. I1: da hewe tie * puwe ten a mädli en maiepum stecke=net en so en kroße was e jetzt stecke hanem oly/ [sondern solch] zum dach hewe se als ein * metr long * gwest (…) 47. I2: der herr vagy die frau hat nochdem ein gute gulasch gekocht ** ein kalács [Zopf] dazu ** des war die kosch/ kost I1: hehnepörkőt [Brägeltes aus Huhn] 48. I1: bis in de frie ↑ * bis sichsi hewe mir getonzt ↓ ** da se mir ** hom * homkonge ↑ I2: ja ↑ um mitternacht * um mitternacht sie hewe die mädli rumgehn mess ↑ wal da sen die burscht * mit den=äh musikante von haus zu haus zu den a mädlis haus gkonga un hewe * nejohr kwünsche ↑ I1: ned I2: mitternacht ** um mitternacht ja=ja| I1: |mitternacht ↑ I2: mitternacht sint die burscht/ de dehogyisnet * [ach nein] da hawa sie nocht ksunge draus vom fenstr 49. I1: un die hochzeit war net um somstag hanem [sondern] um * dienstag un mittwuche ↓ un die war immen * vormittag um zehni un elfi war die mess ↑ <?page no="221"?> Anhang 218 50. I1: un so so is die winter komme ↓ un vor dem war kein tévé * [Fernseher] ned un sowas war ned=un so sint wir zumkommen so hewe mir uns * in a * zeit vertrage ↓ 1932/ w/ Lókút 51. not hob i nur simi klass ned ochti hanem [sondern] simi hams mir eikeschribn ↓ 52. not ham=a druschn not ham=a mit de großn dreschmaschine druschen ↓ ** tes hot scho wide stoak staubt * not hom=a missen den törek [Rüttstroh] auseputzn ↓ 53. not is ke * fürdő [Badezimmer] kwest das ma se han bane kinne ↓ das ma se halt auswaschn net ↑ 54. no=s die tsz [LPG] woar ↓ not ham=a noa müsse mehr oawatn ↓ 55. not * not hob i/ hob i missn da ham bleib ↓ * nod a/ * hob i keini renten kriegt ↓ * nod=e * wir=i bin kind woar sechzich joahr wor=i kwest not ham=we se kinder sechzich/ * not hama se kine eischreibt in e tsz ↓ [LPG] un vo dort hab=i hier sie bis/ * die hot uns do na *2* de nyugdíj [Rente] gebn ↓ 56. not * san ned locsolni * [gießen] gange ** korwatschn ↑ * not san die buime käme * in ostemoodoch ostemoodoch ↓ * end die leit * ostemoodoch * not san die buime ganga san die junge ↑ *2* was tes joa die korwaatsch ↑ *2* korbács ↑ [Peitsche] 57. unt to bin=i stoak büszke [stolz] auf meini enkelskinde 58. not ham=s ned * ned in * wirtschoft san=ma tanzen ganga hanem * [sondern] für die kindr ham=s extras * stum ausekniomma ↓ un dort ham=se hieganga tanzn ↓ 59. olli joahr is de falunap ↑ * [Dorftag] no käme so vü teutsche mit de bussn 1928/ m/ Szigetszentmárton 60. und is=a *4* ähm *2* holzwerk * holzwerk * ähh üzemvezető ↓ [Beitriebsleiter] *6* ik weiß net=ich kann=s net aussagn wes denn des is ↓ 61. hát=äh früe ham=a wunderboar schen glebt ↓ 62. mei frau de hot in budapest gearwat * de woar in csokoládéwerk [Schokoladenfabrik] 63. wie wir * mir san eigene mundart spricht * versteht kein einzige wort net ↓ <?page no="222"?> Belegkorpus 219 64. es geht nimmer des mundart des * des geht ganz un gar net ↓ so es funktioniert net weel äh wer sant zu zankmischt ↓ hát de/ ti schwäbische orten san verschwundn ↓ wo san in en/ in en ortschaft ↓ * zehni ↑ zwanzich ↑ eventl ↓ * deitsch verstande hier ja sehr viel iwehaupt die jugend glernt ja schan ↓ owa tes is kein mundart mehr ↓ 1928/ m/ Szigetújfalu 65. in ** unse deitschi sproch * hát hogy * [nun dass] ühm * wi/ wide ** immer wide ein ungarische wort kommt aa nei * wie zum beispiel dass mir * nit marmalad sagn mi sogn lekvár * [Marmelade] des stammt wohrscheinlich von lekvár 66. un mir sagn nit gehn * inkább [eher] gehr=i zu den andern hát is n inkább [eher] is ungarisch ↓ owa des * merken wir goar nimme ↓ ** das ma ungarisch ah ** ungarischi wert da drin ham ↓ 67. daham i hob a ** a haus * des haßt af ungarisch kertesház * [Einfamilienhaus mit Garten] hob i a weingartn drin ↓ ** unt * tes mocht mir a freid ↓ is ham=a borverseny [Weinwettbewerb] khot * unt do hob i * vier sülwe * un zwa gold * gwonne ↓ unt da bin i stolz drauf ↓ * des wein *2* oarwet * des hob i von mein großvoder un mei voder klernt ↓ 68. unt des ** hoit mir einigemaßen dass i mi vü beweg ↑ * hogy [dass] bin einigemaßen jung=un hoffentlich * werd des en paar joahr weitegein ↓ 1928/ w/ Sérsekszöllős 69. st/ strudel hat man da sonntags auch kmacht aber * die feine backerei * pis/ so mit piskóta [Biskuit] solche war noch große feiertage ↓ 70. und da war erste weihnachttag ist in die kirche gegangen * zweite tach auch * da hat ma ugye [nämlich] viel * bessere kochen un alles schön zugericht ↑ * das warn richtig feiertage ↓ da konnte ma nicht arbeiten des sonntag bei mein vater kannt ma nicht arbeite nur feiertag machen ↓ 71. da sint wir nach gyügypuszta 50 gezogen mit dreißich kiló [Kilogramm] paket ↑ * mit dreißich kilo paket ↑ * do war ein gróf ↑ [Graf] de hat uns eine stube geben * und do haben wir * in der eine stube zu vierten gewohnt ↓ das war unsre stube unser küche unt alles ↓ 72. ausgeliefert sint wir nicht geworden wei mei vatr richter war in dorf * un da habn ** unsr * familie weggenomme aber mir habn nicht bekommen * nur jetzt sint mer/ __________ 50 Gyügypuszta = ung. Ortsname. <?page no="223"?> Anhang 220 jetz schon ** des kárpótlás [Entschädigung] jetz is ↑ jetz haben mir auch bißen bekommen aber * is/ hats des kei wert mehr ↓ 73. jetz war in tab 51 ein * neue pfarrer eingeweihtet worden ↑ a bin ich gerade dar=in a/ auf das einweihen hingegangen ↑ ei/ eim somstag war das ↑ * dass ich diese kirche wider sehen kann ↑ wo ich gekonfirmiert ware ↓ 74. da haben sie mich abgeholet so wie wie ich jetz in * nach budapest fahre soweit sint bin sie auch * mich abholen gekommen ↓ dass ich nich umsteige immer sonder * dort habn sie mich gewartet ↓ das war schön ↓ 75. manchmal geh ich zu meine ** sohn/ söhne nach budapest odr fahre ich nach földvár 52 * unt ein=zwei tag * na komm ich wieder zu hause 76. abr jetz waren von * deutschland ↑ von der ddr * seine geschwisterkinder hier ↑ aber waren sie so glücklich musst ich alle tag tolmács [Dolmetscher] sein 77. abr das is heute schon schöner * man * sie tun sich eine gasthaus rausnehmen unt zu hause is alles in ordnung bleibt alles in ordnung ja ↑ 78. E: die familie war größer ↓ oder ↑ I: hát die familie war auch nicht viel größer abr die warn auch schon zweiti gschwister die oma unt de/ die emma nénje [Tante] die olle nur zweite/ mir auch nur zweite gschwister ↓ 1927/ w/ Siklós 79. ich habe zwei enkelskinder ↑ zwei von der tochter * un eins vom sohn ↓ * an alle/ alle schon kroßjährig ** hát nicht großjährig ↑ há sint sechzehn ↑ * einundzwanzig * un vierunzwanzig ↓ 80. und da kam ich auf ungarn 81. un ei bißn halt hab ich schwarz gearbeit ↑ un * (LACHT) wie mir sin/ wie mir sin herkommen hier * auf siklós ↑ 53 * da hab ich die prüfung müsse ablegn * wal ich hab keine schriften hab kenne aufzeign ↓ __________ 51 Tab = ung. Ortsname. 52 Földvár = ung. Ortsname. 53 Siklós = ung. Ortsname. <?page no="224"?> Belegkorpus 221 82. un habe sie * dann ganz * ganz die * wie sagt ma de kiváló * [ausgezeichnet] die prüfung ↓ * ausgezeichnete prüfung 83. na wie mir=uf tanasitz sin mir mehl hole ganga ↓ * un hot er ksacht ↓ ** rosl jetzt kummscht mit mir ↓ * ha sa=ich hob wohin strahl bácsi [Onkel] strahl hat=r khaasa ↓ 84. ja ti hens awa no=nit verstecke mai kint ↓ ti hent * hi/ hiába [umsonst] hab ich tes ksacht ↓ tes tes tes halt tes kann ma nur/ tes hent sie nit versteh kenne ↓ 85. un nachtem ** war mir/ sin mir uf ten szállás [Unterkunft] zuganga ↓ 86. uf aamal is tie * rosi néni [Tante] kumma ↓ 87. E: mir muscht ka angscht mehr hawe ↑ I: ja anci ↓ * [Mutti] sagscht du ↓ ** awer wie dort die front war=in *2* driwe ** in izé 54 =in ** na * in harvátország ↑ [Kroatien] glaubscht dass ich angscht hab khat ↑ ich hab ksacht| E: |aanit net du ↑ alli leit hen aa angscht khat ↓ 88. anci [Mutti] tes * tes kann ka mensch nit verstehe nur der wos es mitkmocht hot ↓ 89. I: heut hawa nichs kene macha ↓ E: warum ↑ I: há wa=s naß is ↓ 90. I: i=hab bloß k/ * dreißig kardvirág [Gladiolen] setzt un mir sin hom komma ↓ *3* E: hascht noch kardvirágzwiefel ↑ [Gladiolenzwiebeln] 91. E: kitő tanútá meg magyarul ↓ *2* VON WEM HAST DU U NGARISCH GELERNT ? I: hát ↑ * so langsam halt/ * ich hab lang nit * wasch wo ich hab kenne mit meini kindr haw ich kann ** gut ungarisch rede ↓ *2* he ↓ sie hot nich verstana was sie ksacht hat ↓ abr sie hots mi nit ausgebessert das is jetz nit gut ke/ ksach/ ksacht ↓ 92. i hab/ i hab aner oni gekaft ↑ wal=ich * wal=ich ksacht hab ich will krumplistészta ↓ [Mehlspeise mit Kartoffeln] __________ 54 Ung. izé = Füllwort, Verzögerungsmarker (,Dingsbums‘, ,ich weiß es nicht‘) <?page no="225"?> Anhang 222 93. wal * am montag traut er sich wide nit gehe wal=s sach hogy [dass] is großes ellenőrzés [(Finanz)Kontrolle] in táppénz ↓ [Krankengeld] 94. E1: na * komm mami ↓ *2* I: na * tes is a nimmer mit tes e/ hot sie/ ti fodrász [Friseur] ksacht du habi kschiepe ↓ ** des is so| E2: |az mi az *4* WAS IST DAS ? E3: korpa ↓ S CHUPPEN 1931/ w/ Lánycsók 95. I1: hát ne de lekvár [Marmelade] hon ich dra gebrocht ↓ I2: so ist es weil ich den lekvár gern ess ↓ 96. mondag ↑ * ostermondag ↑ * nocht san die kindr * gange * zu=dr * freindschaft un iwerall hie un nochmal izé ↑ ** o gewunsche die osterne ↑ 97. izéstrudel [Dingsbums-Strudel] war ↑ mákos ↑ diós ↑ [mit Mohn, mit Nuß] 98. I1: mit főzök ↑ WAS KOCH ICH ? I2: was kochst ↓ I1: semmit koch ich ↓ NICHTS I2: auf de wochenende ↓ 99. awe so sie hat agyvérzés ↓ [Gehirnblutung] seit awe agyvérzés hat dann bleibt da etwas zurick ↓ 100. szóval [also] krank is er ↓ 101. heit hat die khadi néni * [Tante] die szabó 55 wiedr gcirkuszolt ↓ [einen Zirkus gemacht] 102. es war gombaleves ** [Pilzsuppe] des esst sie net ↓ __________ 55 Szabó [,Schneider‘] = ung. Familienname <?page no="226"?> Belegkorpus 223 103. E1: kapcsold ki amíg kávét iszik (LACHT) SCHALTE ES AUS , WÄHREND SIE K AFFEE TRINKT E2: má megitta ↓ SIE HAT IHN SCHON AUSGETRUNKEN I: megittam hát ↓ *2* awer ich will a bißl esse ↓ nicht nur meginni ↓ KLAR , ICH HABE IHN SCHON AUSGETRUNKEN AUSTRINKEN 104. des hon ich in die hűtőláda [Gefrierschrank] nei ↓ 105. noch * des war mir schon/ * war i so mied * ausgezogen un neigelegt * net=mol ka tévé [Fernseher] hon i kschaut geschlofe han kész [fertig] warn ich ↓ 106. ja ↓ des is sein unoka [Enkel] von=de rézi ↓ 56 1932/ w/ Magyarpolány (Inf. wie bei den Belegen 27-32) 107. un do meini en/ drei enkelskinder hat die ** größ/ öltri geht hát in veszprim * die egyetem ↑ * [Universität] und he *2* die vierti klass ede/ egyetem ↑ die is da zweiti mädl * is/ geht de zweiti * jahr egyetem 108. de * is e hehnesuppn gwest un fleischsuppn * do is a kolács [Zopf] noch gewest und kuglupf is pocha woarn 109. finf einer un do * is/ hat das ** is auch van öl ausepocha woarn vagy [oder] von smojz ↓ 1924/ w/ Eplény 110. owe nur * goawat ham=ma * ham=ma net zeit khot zum lebn * nur nur war die oarwet ↑ dass ma hat mitkeme * und ** wal ma hat san ezt is * mondjam hogy *3* [soll ich auch sagen, dass] wa ma s/ ha=ma a fö: d khot * und ham=s ksacht reich san ma ** äh darum habn=se uns auskliefert ↓ 1923/ m/ Eplény 111. hát in ** n/ finfunfürzige joahr *2* in * aprü san ma in de kfangeschoft keme in deutschland ↓ 112. jede mann hat krecht a äh ** äh drei deci [Deziliter] wei ↑ __________ 56 Kosename von Teresia. <?page no="227"?> Anhang 224 113. mir kamma net *2* a mir kamma net zuruck a a a west/ a passau hanem [sondern] wie wort ma do ↑ bis die fraun driwegeht nach uns ↓ 114. bis west * und und und nord ↑ ne nord ↓ * no/ nord (…) hát ah teitschi hát ah schwobisch waß i nimmer wie es haßt * észak felé * [in Richtung Norden] hat ma noch ausgei kene ↓ 115. ham=a sa=ma duort ha=ma duort äh (…) ha=ma dort gtanyázt ↓ [gehaust] 116. in de nochbarschoft is a bauershaus gewest un is a äh an ukránischi äh *2* frau * hát a frau a mädel ↓ no ** die scho deitsch kene * a ukrán [Ukrainerin] is gewest ↓ 117. hot=e ksacht mingyá megnézzük * mingyá [gleich schauen wir uns es an, gleich] wern mir=s anschaue 118. die russischi * lány [Mädchen] die * was hot geawat die * ukrán lány [ukrainisches Mädchen] ba den bauer 119. de san fuort/ de san fuortmenekült ↓ [davongelaufen] (…) die tuchter un die * de zeug alles un * die kranke warn aa fuort ↓ 1926/ w/ Kimle (I1) 120. I: diese chor ↑ ** äh is äh *2* jaj 57 jaj jaj ↓ * mondjam hogy hagyományőrző ↓ *2* ( WIE ) SAGE ICH MAL TRADITIONSPFLEGERISCH nem tudom megmondani ↓ (LACHT) ICH KANN ES NICHT SAGEN E: ein klassischer ↑ I: nein nein nein nein nein nein ↓ * wir * sangen die oiden * volksliede wos dort gesungen wordn ↓ 121. des is interessant ↓ dass das is kschwisterkind ↓ * nit cousin ↑ net net *2* kschwisterkind ↓ *2* tulajdonképpen azt mondom ↑ hogy * a testvéremnek a gyereke ↓ [eigentlich sage ich, das Kind meines Bruders/ meiner Schwester] ** geschwister és a [und das] kind ↓ ** nem mondták mást ↑ * [keiner hat es anders gesagt] die cous/ die cousin 122. közbe a félelem is fogott el ↑ [da hat mich die Angst gepackt] weil * so fühl/ so mi sa * sa anst ↑ wie war zsamm kfarn ↑ tes is/ * hát liebe autósztráda [Autobahn] wei tes is so das * äh szembeforgalom ↑ [Gegenverkehr] und des war so schmal __________ 57 Ung. Ausruf der Verunsicherung und Angst. <?page no="228"?> Belegkorpus 225 1930/ w/ Kimle (I2) 123. mir redn so in kimling ↓ * tájszólással [in Dialekt] (LACHT) *3* wo is kind bin i/ is tes gwesn in * holosn holosn ham=ma ksacht ↓ * teitsch ↓ * halászi 58 holosn ↓ 124. hát ** die évike 59 kann noch de schrift sehr gut 125. hát zur meine zeit isch e so kewest dass * in a wuchn war nur zwa moi a stund ↓ * a deitschi ↓ *3* deitschi unterricht ↓ owa nur a stund ↓ * szóval egy-egy óránk volt csak ↓ * hetente kétszer ↓ [also wir hatten je eine Stunde, zweimal die Woche] 126. hát jetz is fünfunzwanzig joahr des äh * is wos popst ** er is izé gewesn ↓ * lengyel *2* lengyel származású ↓ [Pole, polnischer Abstammung] 1932/ w/ Kimle (I3) 127. I1: seit wann is unse chor ↓ * de deitschi chor ↓ I3: má öt évesek vagyunk nem ↑ *3* WIR SIND SCHON FÜNF J AHRE ALT , NICHT ? I1: hát talán hat ↓ * vagy hét ↓ VIELLEICHT SECHS ODER SIEBEN 1935/ w/ Veszprém 128. I: unt *2* ich war sehr gern ** dort gewohnt * in bánd 60 ↑ * das ist mein * szülőfalum ↓ H EIMATDORF E: ja ↓ I: mein geburts| E: |geburtsort ↓ I: zuh/ hause ↑ *2* unt ** sehr ** endlich vagy [oder] undlichen ** und freundlichen leuten wohnen ↑ ** sie kummen von lotaringia [Lotharingen] *2* in maria teresia ihre zeit ↓ *2* und ** erschte ** familien ware zehn familien was von dort ** sind gekummen und * nach sint noch ** von jeden ort ** eenige * familia gekommen un ** in sieben * vierzigen jahre da haben sie ** wegen trianon ** von erdély [Siebenbürgen] von felvidék [Oberland] *2* sehr viel leute hergebrocht un von * unsern dorf hob se/ habn sie die schwäbische leide auf deutschland *3* telepítették ↓ [angesiedelt] __________ 58 Halászi = ung. Ortsname. 59 Koseform des Vornamens Éva. 60 Bánd = ung. Ortsname. <?page no="229"?> Anhang 226 E: ja ↓ I: und *2* so sind wir * großgewarden ↑ ** un sechzehn * jahr ware ich da/ bin ich schon in die arbeit gangen ↑ in de máfki 61 ↑ das war ei erdöl un erdgas * fabrik oder was ↓ E: ja forschungsinstitut ↓ I: ja ↓ *2* dort ware ich *2* labor/ *2* labo|rieren ↑ E: |laborantin I: laborantin ↓ ** un ** i habe dort gearbeiten *2* äh äh bereits vierzig jahr ↑ * bis ich in/ bin in pension gegangen ↓ * ich ware sehr gern dort ↑ * des war en guten arbeitplatz * ich habe sehr viel * gude kollegen khabt * und mein ** főnök ↑ [Chef] wie haßt es en uf daitsch ↓ E: chef chef ↓ 129. I: und dann * bin ich mit mein mann zusannkommen er is auch von bánd ↑ * un fünfundreißig joahr is er geboren ↑ er hat ** äh in der *2* szomszédos intézetbe [im Institut nebenan] *2* neben * máfki war eine andri * fabrik * dis * heißt * neviki 62 ↑ er hat * dort gearbeitet ↑ * wir * haben um * sieben * fufzigen jahr * geheiratet ↑ * un dann sind wir * äh herkummen uf veszprém ↓ wohnen un arbeiten ↓ * un zwei * kinder haben wir * uf/ aufgezogen * zwei sohne ↑ eine hat gelernt biológia [Biologie] un de andere * zähne * machen ↑ der greßte * der wohnt in budapest ** er is direktor in ** na ezt most hogy mondjam ha ezt nem is vettük be a *3* kokiba 63 ↓ [na, wie soll ich es jetzt sagen, wenn wir das gar nicht erwähnt haben, in KOKI] E: hm das weiß ich auch nicht koki ↓ I: koki es heißt äh központi orvoskutató intézet ↓ E: ja ↓ I: dort * arbeitet er ↑ un der kleine arbeit in * nemesvámos 64 ↑ * dort hot er ähm einen * labor * gemacht und er tut zähne machen ↓ jeder kann leben von sein verdienst ↑ *2* drei enkelkinder habe de große hot eine tochter mit zwanzig jahre * die geht in die * hochschul ↑ *4* hogy hívják * művészeti képzőművészeti főiskola vagy most már egyetem ↓ [wie heißt es, Hochschule für Kunst, bildende Kunst oder sie ist schon eine Universität] 130. hát wir sint schon d/ äh * mein mann ist siebzig jahre alt ich bin neunundsechzig alt und dann ** mir wern schon sehr müde * von unserer arbeit __________ 61 MÁFKI = Initialwort aus ung. Magyar Ásványolajés Földgázkísérleti Intézet [Ungarisches Institut für Mineralöl- und Erdgasforschung] 62 NEVIKI = Initialwort aus ung. Nehézvegyipari Kutatóintézet [Forschungsinstitut für chemische Schwerindustrie] 63 KOKI = Initialwort aus ung. Központi Orvoskutató Intézet [Zentrale Forschungsinstitut für Medizin] 64 Nemesvámos = ung. Ortsname. <?page no="230"?> Belegkorpus 227 131. E: und=äh ** äh kocht auch * äh ** ihr mann ↑ * also hat er auch eine kleine hausarbeit ↑ I: meine mann * der hat aane kleine hausarbeit ↑ er is sehr geschickt * er kann alles mache in de haus das is sehr gut * ich muss ken ** mesterember [Meister] hole hogy [wie] is des mesterember ↓ werksmann ↓ muss ken/ er macht des elektrisch es macht de viel schneller er macht des gas * er macht alles und tut sehr gern kochen ↓ mehr ess die fleisch ↑ un fleisch un wieder fleisch kochen ↑ ober dann probiert er es schon ** sonst wos auch eine gesch/ na a kifőtt tésztát hogy hívják [wie heißt gekochter Teig] *4* eine mehlspeis ** mehlspeis kucht er auch schon dann un wann ↓ * so geht der tag ** rum ↓ 132. E: und äh kommt ihre schwester * oft zu besuch ↓ I: ja sie kommt ↓ * nich so stark oft aber kommt ↓ E: und was machen sie dann ↓ I: dann tun mir spreche (LACHT) E: worüber ↓ I: hát von alles * von alles was * die familie ongeht ↓ ** andere leute tue=rich nich gern ** äh ** megszólni [schlecht machen] wie/ hogy mondják azt németül [wie sagt man es auf Deutsch? ] *2* v/ von andere leit ine probléma [Problem] und ine fehler das tue=rich nich gern sprechen nur v/ meine probléma ↓ 133. hát des * des is geschehen in nyócvanegybe ↓ [einundsechzig] in einunachzigen jahr hat sie das angefangt ↓ 1926/ w/ Kislőd 134. des war awa a scheni zeit ↓ war ka tévé [Fernseher] ka fernseher war sowas alles net * da sa=ma in winder a sa=ma in/ jeden tag zsumm kwest ha=ma karte kspielt * ksunge un * allehand * allehand erzählt 135. E: und was waren sie dort ↓ was haben sie gemacht im kindergarten ↓ I: hát uf die kinder * wachgegewe ↓ * newe de óvodalehrerin [Kindergärtnerin] warn=ich * so beihilf ↓ E: aha ↓ wie haben sie gesagt * óvodalehrerin ↑ I: oh/ äh * hát ne an so ki/ kindergärtnerin| * na kinder|gärtnerin |ja ↓ E: |kin/ aha aha| |uhm * gut ↓ 136. I: hát ist eine *3* äh eine singgruppe mei tochter geht auch in de schwäbische singgruppe und scho sehr viel gold * medalien un allehand bekommen ↓ sind sehr berihmte ** sängerin ↓ <?page no="231"?> Anhang 228 E: und äh und wo * wo machen |sie aufführungen| I: |sie/ |jetz in januar warn=se in ** budapest * in die * kongresszusi palota ↓ K ONGRESSPALAST 137. I: un die ** ja * des war * dorfs *2* musikante warn=s ** | E: | hier in kis|lőd 65 I: |sie san in kislőd die san weit un braat un balaton na un in vesz/ uf veszprém 66 ** uf fajsz 67 uf csopak 68 uf * marka iwerall san=se * warn sehr=sehr bekannte musikante ↓ 138. un des mache ma ach te ostern aa * uf ter kirp * noch do is user kirp ↓ ** tes kirchweihfest ↓ ** búcsú ↓ [Kirchweih] 139. ha=ma se gonze hauwa eier mitgenumma (…) do war ka locsolás * [Gießen] sa=ma so eier sammeln gangn ↓ 140. I: alli zwa ** richtet sich schon die * erika ihre * ablegatur ↑ * wie soll tes ↑ | E: |abitur ↓ | I: |äh abitur * ja ↓ * érettségi ugye ↑ [Abitur, nicht? ] un die * kata 69 die werd * jetz mit dere hochschul ** jetz tut se bis dunnerschtag a freitoch müsse uf sopron 70 fahrn * dort sie e/ *3* | E: |viel lernen ↓ I: ja ↓ * a szakdolgozatot le kell adni ↓ | DIE D IPLOMARBEIT MUSS ABGEGEBEN WERDEN E: | ühm ühm 141. in achtenvierziger joahr do ham=se viel=viel schwower auskliefert * von dorf *2* mehr wie die hälfte ↓ *3* ja ↓ * und meine * verwandtschaft sint/ san viel drauß in deitschland da ↓ un uns hon=se aa ausgetut unsern haus ↑ un un sint alde heise neigezogn ↓ i was daham san gebliewe ↓ un d underungarn ↑ unse * telepes [Ansiedler] da ham=se ksacht det * unsere hergeprunge __________ 65 Kislőd = ung. Ortsname. 66 Veszprém = ung. Ortsname. 67 (Veszprém)Fajsz = ung. Ortsname. 68 Csopak = ung. Ortsname. 69 Kata = Koseform des ung. Vornamens Katalin. 70 Sopron = ung. Ortsname. <?page no="232"?> Belegkorpus 229 142. gefliese die ha=me olles neikmocht da * vorige jahr ha=me draß alles dazu kmocht * no hát [nun] jetz * da ma ufhörn ↓ * drauß müssn=ma noch jetz *2* járólapozni ↑ [Bodenfliesen legen] wie des äh * des nur noch kmocht un *2* jetz hom=mer un neie auto kaaft 1923/ m/ Pusztavám 143. hát * mit de kultur * mit de kultur schaut=s so au/ aus ↑ ** jetzt ↑ ** wal mir des nachholen ** was man in die * fufzige jahren verboten * verboten haben ** die kommunisten 144. de oberlehrer de was käme ** zu unse leit sagte ↑ ** te jutka 71 * nekem kéne egy pár énekes ↓ [Du, Jutka, ich brauche Paar Sänger] des hot er ungarisch ksacht ne ↑ * kőne egy pár énekes ↓ nincs neked egy ↑ amennyi kő * dehogynem itt van/ vannak itt ↑ [brauche Paar Sänger, hast du einen, wieviel du brauchst, na klar, hier ist er, hier sind sie] hat er auch kriecht ↑ aba meistens in de vierti klasse net ↑ 145. un * sagte * du leszel/ [wirst sein] ah ungarisch sagte * te leszel vigyázó * de hogyha ** egy is megmozdul ↑ tessék fölírni a táblára ↓ [du sollst der Aufpasser sein, wenn aber sich nur einer bewegen würde, schreib ihn (= seinen Namen) an die Tafel] 146. suppe ist es ↓ es war ei ** becsináltleves ↓ [Einmachsuppe] äh ** eimachsuppe ne ↑ 1924/ w/ Városlőd 147. vierunzwanzich joahr ↑ *2* äh * großjährich ** nit so wie jetz mit ochzehn joahr ↑ hanem [sondern] vierunzwanzich joahr ↓ 148. E: und äh pflegen sie äh slowenisch zu sprechen ↑ * irgendwann ↑ I: hát ↑ ** i hob ka mensche net da mit wem das i rede det ↑ 149. deutsch schreib i slowenisch ↓ ungarisch konn i net schreibe ↑ hát schreibe konn i hau ↑ noch besser wie de frank jancsi 72 kschriewe hot ↑ 150. E: was machen ihre kinder I: hát de älteri wohnt in celldömölk 73 *2* de is *3* na ↑ elektrischi leite *2* un de zwaati **dort de is *4* wasseleitung ↑ *2* un des wos e * na we/ még svábul se tudom ↓ [ich __________ 71 Jutka = Koseform des Vornamens Judit. 72 Jancsi = Koseform des Vornamens János [,Hansi‘]. 73 Celldömölk = ung. Ortsname. <?page no="233"?> Anhang 230 kann es nicht einmal auf Schwäbisch] * központi fűtés ↓ [Zentralheizung] un no hat/ de dritti is a maure ↑ *2* un mei tochter hot *2* äh verkauferin klernt ↑ * awa sie hot=s dort gelasse * wie ich in herender 74 gearwet hon ↑ * sie hot so wenig verdiet ↑ ** in kschäft ↑ 151. un de zwaati ** wär jetz ochunzwanzich ↑ ** e war mit finfunzwanzich joahr is=e gstorbe ↑ owa ** mit * große *3* na hogyan * van *4* motorbicikli [na, wie ist es, Motorrad] is=e * kfalle ↑ * un is=e kstorwe ↓ 152. de tut dort ** in/ informatika [Informatik] englisch lerne ↓ 153. E: was machen sie * im alltag ↓ I: ich ↑ * ich * bi izé * i tu meine tochter noch koche ↑ vormittag geht mit koche rum ↑ ** nomittoch ruh=i e pi/ pißchen ↑ * un * i hob viel * zum arwen * guorte alles ↑ durt find=ma die orwet genug 154. war net so groß die * porzelanfabrik ↑ ** hanem [sondern] *3* zwa zwa zwa san se zsam gange vormittag ↑ ** gearwat 155. ja ↑ durt is ka zug mehr gange ↓ ** noch wie i in österreich nie will kumma no hob=i mir gedenkt ↑ geh zu meine tante hie ↑ *2* közbe [inzwischen] * durt wo mei tante gewohnt war ↑ durt warn vü die russe 156. zwa männe warn ↑ un drei * weiwe warn ↓ * hát i war die jingsti ↓ 157. de hot mi ** rausgelasse ↓ wal die andern san drin gebliewe so ↓ * so kamraféle [eine Art Schuppen] war un durt ha=ma/ wa=ma eigespirrt ↓ 1928/ w/ Nagytevel 158. und * hát vo deitschland *2* da * krieg ja * a zeitung jedes joahr ↑ aamoi ↑ 159. mei bruide ↑ * der jingri * bruide ↑ * de is in sechsunfufzige joahr noch noch deitschland ** kumme ↑ * un hát de hod en sohn ↑ * hát sagt ma de is/ de haßt eisenporth ↓ __________ 74 Herender = gemeint ist die Porzellanmanufaktur in Herend. <?page no="234"?> Belegkorpus 231 1935/ w/ Györköny 160. E: und äh benutzen sie auch noch diese * schwäbische sprache ↓ I: eh ja ↓ hát äh ma brudr sa äh te te ti san zwo san in deitschland ↓ 161. E: und d=äh die verwandten in deutschland die äh die sind äh dort geboren I: ja ja ja in/ hú 75 wann *2* ich/ wann vierunvierzig vagy [oder] sechsunvierzig wie=se aus sein * ganga * no äh * uns is a/ fort * geliefert ↓ 162. un äh *2* un mei vatr da=is in *3* siebenunsiebziche ** hetvenhét [siebenundsiebzig] *4* starwe ↓ 163. E: mehr deutsche oder mehr ungarische familien waren da in györköny 76 ↓ I: hát äh äh es ka=ma saga äh viel abr hát gell da san scho tie telepesek [Ansiedler] dort 164. so in mai vagy [oder] august is das ganzi dorf voll ↓ 165. I: hát da san aa viel deitsche ↓ da kumme=s aa ham ↓ * da=s *2* svábbál * SCHWÄBISCHER B ALL un sowas ** no komm/ als wir viel leit ham |vagy äh ODER E: |svábbál haben sie noch * immer ↓ SCHWÄBISCHEN B ALL I: ja ja in jerkenj war aa ↑ * ja in jerkenj war |aa ↑ E: |und wie sieht es aus ↓ aus ↓ haben sie spezielle tanzen oder essen ↑ I: ja hát unsere/ * mei schwester ihr äh enkelkind dieses tanz szó/ * népitáncos ↓ V OLKSTÄNZER E: uhm ** volkstanz ↑ I: ja=ja * ja 166. I: wie sagt ma * vasút ↓ [Bahn] E: äh zug ↑ bahn ↑ I: äh bahnhof ↑ ** bahnhof ↑ * da san=se gewest __________ 75 Ung. Ausruf des Nachdenkens. 76 Györköny = ung. Ortsname. <?page no="235"?> Anhang 232 167. ich war *2* wie alt war ich gewest * ja äh drei johr bin ich in jerkenj die schul ganga ↑ ** vieri * na san=mir rauskumma uf cseresnyés in máriatelep ↑ 77 168. E: wann war das ↑ I: hh in äh ötvenhatba ↓ [sechsundfünfzig] E: sechsundfünfzig I: in sechsunfufzich ↓ 169. E: was war ihr mann von beruf I: hát de war aa so=hat gearwat *4* hh a borosoknál [bei den Weinbauern] wo wei is ↓ 170. I: joa ↓ ich ich war zwaunzwanzich joahr ** in dr tsz [LPG] gewest ↑ | E: |ühm ↑ | I: |un noch bin ich/ E: zweiundzwanzig jahre ↑ I: ja ↓ ** un noch bin ich äh in die * gimi [Gymnasium] 78 kumme pe=dr kuche ↑ hát da war=ich a *2* zehn joahr ↓ *3* ja ich war schon in * nyugdíj [Rente] rente ↓ 171. ich waaß/ ingrid ↑ hogy [wie] wie das=se haßt ich waaß es net 172. da war die telepítés [Ansiedlung] gewest 173. aber san se scha alti z/ ** hát der/ dat=is aa scho nei generáció ↑ * [Generation] die alti san scho starbe ↑ 174. zamtrikeln und mit mehl äh zammache un=noch kocha han/ vagy lekvár vagy [oder Marmelade oder] nei jetz ribl äh schmalz äh=äh muss dro __________ 77 Cseresnyés = ung. Ortsname, Máriatelep = ung. Ortsname. 78 Ung. gimi: Kurzform für ung. gimnázium (analog zu dt. Uni < Universität). <?page no="236"?> Belegkorpus 233 1917/ w/ Városlőd (I1) 1920/ w/ Városlőd (I2) 1927/ w/ Városlőd (I3) I1: 175. ich seh dopplt ** oftmol ↓ *2* ketteslátásom van sokszor ↓ * a tévét nézem * na hányan voltak ↓ [ich sehe doppelt oftmals, ich gucke Fernseh, na wie viele waren da? ] 176. i=mag den tévé [Fernseher] aa net wal i kun net mit mit den tévé ** ich kon net követni ↓ * hogy ez most/ [folgen, ob das jetzt] *7* s=muss/ misste ja so laut geh ↑ wal ich * ich=s sa schwe heer ↓ 177. aber ** ich mag=s net wal so laut is ↑ ** wal ich seh ↑ dass e ihnen net ganz passt ↓ net ↑ * glaub=s ja gell ↑ aki jól hall ↑ * annak egy kicsit * hát/ *3* hát [wer gutes Gehör hat, für ihn ist es ein bißchen so…] noch * die hírek [Nachrichten] schau ich meist doch ↑ dass ich igendwos heer 178. akkor jajgattam ↓ ** akkor azt mondta ↑ ** hogy mér jajgat mindig [da habe ich geschrien, da hat sie gesagt, warum schreien Sie immer] hot e ksacht ↓ ** minek való ez ↓ ** az/ aztán *2* mondom hogy asziszi ha nekem nem fájna semmi akkor jajgatnék ↓ ** [für was/ wofür ist das gut? Dann sage ich, glauben Sie, hätte ich keine Schmerzen, würde ich schreien? ] no no war se ei bißl beleidigt * wal ich des ksacht hob ↓ 179. un e hot ksacht ** egy kávét minden nap megihat nyugodtan reggel ↓ *7* egy rendes kávét ↓ [einen Kaffee können Sie jeden Tag morgens ruhig trinken, einen normalen Kaffee] hot e ksacht ↓ 180. I2: aber ich mei is er nimmer ↓ ** is er doktor ↑ I3: er war noch wie i letzt mal da war doktor ↓ I2: wal i hob scho khört de is in * nyugdíj [Rente] ganga ↓ 181. I2: un bin ich aa hieganga dass i/ dass er ** blut nehme ↑ meg a * azt a * mit csinálnak ↑ na ↓ UND , WAS MACHEN SIE DA , NA I1: ekg ↓ I2: ekg-t csinálják ** |és azt a/ DAS EKG MACHEN SIE UND DAS … I3: |ah mit akarsz súgni ↓ HE , WARUM WILLST DU IHR ZUFLÜCHTERN <?page no="237"?> Anhang 234 I2: nem volt orvos ↑ ** [kein Artzt war da] un de is grad rauskumma vo dort ↓ ** sie hot scho rausgeredt * hogy nincs orvos hogy nem tudnak rendelni * [dass der Artzt nicht da ist, dass sie keine Sprechstunde machen können] un de is grad rauskumma ich war da vo de tier kstanda ↓ * un er mich frogt hogy mi a baj mi van * [was ist das Problem, was ist los? ] hot se mi ksacht ↑ jöjjön csak be * [kommen Sie mal rein] hot e mich neigerufen un er hot mi aa untesucht 182. I2: i hob selber ksacht ↓ * mér kell egész éjjel jajgatni hogy a másik se tudjon nyugodni ↓ WARUM SCHREIEN S IE DIE GANZE N ACHT , DER ANDERE HAT KEINE R UHE I1: ja ↓ I2: akkor se jobb ↑ * ha jajgat ↑ ES IST AUCH NICHT BESSER , WENN S IE SCHREIEN 183. I2: i hob owa kfrocht hogy ** ki evette azt a rosszat ** rosszat ami van benn [wer hat das schlechte Essen aufgegessen? Das Schlechte, was drin ist] hot=r ksacht nem ** há mér nem dobta ki a fenébe [nein, warum haben Sie es nicht weggeschmissen? ] <?page no="238"?> Apparat: Matched-guise-Test 235 7.3 Apparat: Matched-guise-Test 7.3.1 Bildgeschichte zur Verbalisierung http: / / www.ddr-comics.de/ hasewolf.htm <?page no="239"?> Anhang 236 <?page no="240"?> Apparat: Matched-guise-Test 237 <?page no="241"?> Anhang 238 <?page no="242"?> Apparat: Matched-guise-Test 239 7.3.2 Bewertungen und Mittelwerte für die MGT-Hörtexte Ältere Informant(inn)en (G1) Deutscher Dialekt (Testsprecherin 1) Intelligent Freundlich Gebildet Zuverlässig Selbstbewusst Überzeugend genau Verständlich richtig schön 5 5 3 4 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 3 4 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 4 5 4 5 5 5 5 5 4 5 3 4 5 5 4 5 5 5 4 4 5 5 5 5 4 4 5 5 4 5 4 4 4 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 4 4 4 4 5 4 5 5 5 5 5 5 4 5 4 5 4 5 4 5 5 5 4 4 5 5 4 5 5 5 5 5 4 4 5 5 5 5 5 5 4 5 4 5 4 5 5 5 5 5 5 5 4 5 4 4 5 5 5 5 5 5 4 4 5 4 5 4 5 4 5 5 4 5 4 5 4 5 5 4 5 4 3 4 4 5 5 5 5 5 5 5 3 4 5 5 4 5 4 5 5 5 3 4 5 4 5 4 5 4 5 5 4 5 5 5 5 5 4 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 4 5 4 5 4 5 5 4 5 5 5 5 4 5 4 5 4 5 5 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 5 4 5 5 5 4 5 4 5 4 5 4 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 3 5 4 5 5 5 5 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 4,9 4,933 3,8666 4,6666 4,5666 4,7666 4,73333 4,8666 4,7666 4,8666 <?page no="243"?> Anhang 240 Deutscher Dialekt (Testsprecherin 2) Intelligent Freundlich Gebildet Zuverlässig Selbstbewusst Überzeugend genau Verständlich richtig schön 4 5 5 4 5 4 4 4 4 5 4 5 5 5 4 4 4 5 4 5 4 5 5 5 5 4 4 5 4 5 4 5 3 4 5 4 5 4 4 5 4 5 4 5 5 4 4 4 5 4 3 4 5 5 4 5 4 5 4 4 4 4 3 4 5 5 4 5 4 3 5 4 5 5 3 4 5 4 4 4 5 5 4 5 5 4 5 5 4 5 4 5 4 5 5 4 4 5 4 4 4 5 5 5 5 4 4 5 4 4 4 5 5 5 5 4 4 5 4 4 4 5 5 5 4 4 5 4 4 4 4 5 5 5 5 3 5 5 4 5 4 4 5 4 4 4 5 5 5 3 4 4 4 4 3 4 5 5 4 5 4 5 4 5 4 4 4 4 5 5 5 5 4 4 4 4 5 5 4 5 4 5 4 4 4 5 3 5 4 4 4 5 4 5 4 4 4 4 3 5 4 5 4 4 5 5 5 5 4 4 5 5 4 5 5 4 4 4 4 5 4 4 5 4 5 5 4 5 5 4 5 4 4 5 5 5 4 5 4 5 4 4 4 5 5 4 4 5 4 4 4 4 4 5 5 4 4 4 4 5 4 4 4 5 5 5 5 4 4 5 4 5 5 5 5 5 5 4 4 5 4 5 4 4 4 4 4 4 4 4 4 5 4 5 5 4 4 4 4 4 4,1333 4,666 4,3333 4,666 4,566 4,2333 4,3333 4,566 4,1 4,4333 <?page no="244"?> Apparat: Matched-guise-Test 241 Ungarische Standardsprache (Testsprecherin 2) Intelligent Freundlich Gebildet Zuverlässig Selbstbewusst Überzeugend genau Verständlich richtig schön 5 5 4 5 4 4 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 4 5 4 5 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 4 5 5 4 5 4 5 5 4 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 5 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 4 4 5 5 5 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 5 4 5 5 4 5 4 5 5 4 5 4 5 4 5 5 4 5 4 5 5 4 5 4 5 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 5 4 5 4 5 5 5 4 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 4 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 4 5 5 5 5 4 5 5 5 5 4 5 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 4 5 5 5 5 5 5 5 4,8666 4,9666 4,6666 4,9666 4,7666 4,7666 4,9666 4,7666 4,9 4,8 <?page no="245"?> Anhang 242 Deutscher Dialekt mit Sprachkontaktphänomenen (Testsprecherin 1) Intelligent Freundlich Gebildet Zuverlässig Selbstbewusst Überzeugend genau Verständlich richtig schön 4 5 4 5 4 5 4 5 4 5 5 4 3 5 4 3 4 5 4 4 5 5 3 5 4 4 4 5 3 4 4 4 3 4 5 4 4 5 3 4 5 5 4 5 5 5 5 4 4 5 5 5 4 5 5 5 5 5 4 5 5 5 4 5 5 5 4 5 4 5 5 5 4 4 5 5 5 5 4 5 4 5 4 3 5 4 4 5 5 5 5 5 4 5 5 5 4 5 4 5 5 5 4 5 5 5 4 5 4 5 5 5 4 4 5 5 4 5 5 5 4 5 3 5 5 5 5 5 4 5 5 5 3 5 5 5 5 5 4 4 5 4 4 5 4 5 4 5 3 5 5 5 4 4 4 5 4 5 3 5 5 4 4 5 5 4 5 4 3 5 4 5 4 4 4 5 4 5 4 4 5 5 4 5 5 4 5 5 4 5 5 5 3 5 4 4 4 5 4 5 5 5 3 5 5 4 5 5 3 5 5 5 3 5 5 4 4 5 3 5 5 4 3 5 5 4 4 4 4 4 5 5 4 5 4 5 5 4 3 5 5 4 3 5 4 4 4 5 4 5 5 5 4 4 4 4 5 5 4 4 4 5 4 5 5 4 4 5 4 4 5 5 4 4 5 5 5 5 3 4 5 4 3 5 4 4 4 5 4 4 4 5 4 5 5 5 4 5 4 4 4,7666 4,7666 3,6333 4,7 4,6333 4,5 4,3666 4,8666 3,7666 4,6333 <?page no="246"?> Apparat: Matched-guise-Test 243 Jüngere Informant(inn)en (G3) Deutscher Dialekt (Testsprecherin 1) Intelligent Freundlich Gebildet Zuverlässig Selbstbewusst Überzeugend genau Verständlich richtig schön 4 4 4 3 4 2 4 3 4 4 4 4 3 5 5 4 4 3 3 3 5 4 4 2 2 3 5 2 5 2 3 5 3 4 3 3 3 5 3 4 3 4 3 4 3 3 3 5 3 5 4 5 4 3 3 3 5 5 5 4 3 4 3 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 5 3 2 4 4 2 4 4 4 3 4 2 2 4 4 4 4 3 4 3 5 4 3 3 5 4 5 4 5 5 4 3 3 3 3 4 4 2 4 2 3 3 4 4 4 3 5 3 5 2 5 4 4 3 4 5 5 3 5 3 5 2 4 4 5 3 3 3 4 2 4 4 5 4 4 4 3 3 3 3 4 3 4 4 5 3 4 2 4 2 5 3 2 3 3 4 4 4 4 4 3 2 3 5 4 4 5 5 5 3 3 4 3 4 3 4 4 2 4 4 4 4 3 3 4 5 5 4 3 4 4 3 4 4 5 5 3 3 4 2 4 3 5 3 5 3 3 4 4 3 5 5 2 4 4 2 4 5 5 3 3 2 3 3 4 3 4 3 4 5 4 3 4 3 4 4 4 3 4 3 3 3 4 4 4 4 4 4 5 3 5 3 3 4 4 4 4 3 4 3 4 4 4 3 3 5 4 4 4 4 4 3 2 3 4 3 3 3 4 3 4 3 3 3 4 4 4 3,466 4,2 3,2333 3,9666 3,2 3,2666 3,6666 4 3,7666 3,9333 <?page no="247"?> Anhang 244 Deutscher Dialekt (Testsprecherin 2) Intelligent Freundlich Gebildet Zuverlässig Selbstbewusst Überzeugend genau Verständlich richtig schön 4 4 3 3 3 4 4 4 3 3 2 5 1 5 2 3 5 2 1 5 3 4 3 4 2 3 4 3 4 3 2 3 2 5 2 5 2 3 4 3 2 4 2 3 2 2 2 4 2 3 3 2 2 2 1 1 2 1 1 1 3 4 3 4 2 1 2 2 2 2 4 5 4 5 2 3 2 3 3 2 2 3 2 3 2 2 2 3 2 3 3 4 4 4 3 3 2 3 2 2 4 5 3 5 2 2 3 3 4 3 1 4 1 3 2 1 2 2 2 2 4 5 3 4 4 3 4 4 4 4 2 4 2 4 3 3 3 2 3 2 2 5 3 4 2 3 2 2 2 4 3 4 3 4 3 3 4 3 2 3 3 4 3 4 3 2 3 3 3 2 2 4 2 5 2 3 2 3 3 3 4 5 3 4 3 1 2 2 3 3 2 3 2 4 2 3 3 3 2 2 3 4 2 3 1 3 2 3 3 2 2 4 3 4 2 3 2 2 3 3 3 4 3 4 2 2 3 3 3 3 3 4 2 4 3 3 3 3 2 4 2 3 3 3 2 3 2 2 3 3 3 4 3 4 3 3 3 3 3 2 3 4 2 4 2 2 3 3 2 3 3 4 2 3 2 3 3 2 2 3 3 4 2 4 3 3 3 3 2 3 2 3 3 4 1 2 3 3 3 3 2,7333 3,966 2,5333 3,8666 2,2666 2,6 2,7333 2,7333 2,6 2,8 <?page no="248"?> Apparat: Matched-guise-Test 245 Ungarische Standardsprache (Testsprecherin 2) Intelligent Freundlich Gebildet Zuverlässig Selbstbewusst Überzeugend genau Verständlich richtig schön 3 5 3 4 3 4 4 5 5 5 2 3 3 3 4 4 5 5 4 4 2 4 2 1 1 1 1 5 2 2 2 5 2 3 3 3 3 5 4 3 5 4 3 3 4 5 5 5 5 4 4 5 4 4 4 4 5 5 5 5 3 4 3 3 2 2 2 3 3 3 4 5 3 5 3 4 3 5 4 2 2 4 3 4 3 3 2 2 2 3 3 4 3 3 2 2 2 4 3 4 3 5 4 5 4 5 3 5 4 5 3 4 3 4 5 4 3 4 3 4 3 4 2 3 2 3 3 4 2 3 3 4 2 3 3 2 2 3 4 3 3 4 3 4 3 4 3 4 3 4 3 4 3 3 3 3 3 4 3 4 4 5 2 4 3 4 4 4 4 3 3 4 3 4 3 3 3 5 3 4 2 4 3 3 4 5 2 4 3 3 3 4 3 2 3 3 3 4 4 4 4 5 2 5 2 3 3 4 5 3 3 4 3 3 3 2 3 4 4 4 2 4 2 2 4 4 3 5 3 3 3 4 2 4 3 3 4 4 4 4 2 4 3 4 3 3 3 4 3 4 3 5 4 3 3 3 3 5 4 4 4 5 3 4 2 3 3 3 3 3 3 4 3 4 4 4 3 5 3 4 3 4 4 3 3 3 3 5 4 3 3 4 3 4 3 4 3 4 3 4 3 4,2666 2,8666 3,4666 3,0666 3,3333 3,0666 4,2666 3,5333 3,6 <?page no="249"?> Anhang 246 Deutscher Dialekt mit Sprachkontaktphänomenen (Testsprecherin 1) Intelligent Freundlich Gebildet Zuverlässig Selbstbewusst Überzeugend genau Verständlich richtig schön 4 5 4 3 3 3 3 5 4 4 3 3 4 4 4 4 4 5 4 5 2 4 2 2 3 1 2 3 2 2 2 5 3 4 2 2 3 4 2 2 3 4 3 3 3 2 3 4 3 3 3 4 3 3 2 3 2 2 2 2 3 3 3 3 2 3 3 3 3 2 3 4 3 4 2 3 2 3 2 2 3 2 2 2 1 1 1 2 1 1 4 4 3 3 2 2 2 4 3 3 3 4 3 3 2 3 3 3 4 3 3 3 3 2 1 3 3 3 4 4 3 4 2 4 2 2 3 4 2 4 4 3 3 4 2 2 4 3 3 4 3 4 3 4 3 3 3 4 3 4 2 3 3 3 2 3 2 5 2 3 3 4 4 2 2 2 2 3 3 3 3 2 3 2 1 2 2 3 4 2 3 3 2 3 3 2 3 2 3 3 4 4 3 4 1 1 4 4 1 2 3 5 3 3 4 3 1 3 2 2 2 4 2 3 3 2 3 4 2 3 3 5 4 4 2 3 4 3 4 4 3 3 3 4 3 2 2 3 2 3 4 4 3 2 2 2 3 4 3 3 4 4 2 3 2 2 3 4 3 3 3 4 3 3 3 4 3 3 3 4 3 4 3 4 2 3 4 5 4 4 3 3 4 4 2 3 3 3 3 3 3 4 2 4 2 3 2 3 3 3 3,0666 3,7333 2,9333 3,2 2,2666 2,4666 2,7333 3,4666 2,8 3