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Die Kriterien der Rechtschreibung

Eine vergleichende Analyse des neuen und des alten Regelwerks

0616
2010
978-3-8233-7594-4
978-3-8233-6594-5
Gunter Narr Verlag 
Jörn Stegmeier

Schreibe regelkonform! Diese Forderung muss erfüllen, wer korrekt schreiben will. Doch gelingt dies nur, wenn die zugrunde liegenden Regeln anwendbar sind. Weder das alte noch das neue Regelwerk bieten solche Regeln. Anwendbar sind Regeln nur, wenn eine Handlungsanweisung in Verbindung mit einem Kriterium genannt wird. Im Zentrum der vorliegenden Untersuchung stehen daher die Kriterien, die vollständig auf ihre Beschaffenheit hin untersucht werden. Der abschließende Vergleich zeigt anhand der wechselnden Kriterien, wodurch sich die reformierte von der alten Schreibung unterscheidet. Eine ausführliche Analyse des neuen und des alten Regelwerks liegt auf der beiliegenden CD - Rom vor.

<?page no="1"?> Die Kriterien der Rechtschreibung 035610 TBL 523 - Stegmeier: 035610 TBL 523 - Stegmeier Titelei 21.05.2010 8: 09 Uhr Seite 1 <?page no="2"?> Tübinger Beiträge zur Linguistik herausgegeben von Gunter Narr 523 035610 TBL 523 - Stegmeier: 035610 TBL 523 - Stegmeier Titelei 21.05.2010 8: 09 Uhr Seite 2 <?page no="3"?> Die Kriterien der Rechtschreibung Eine vergleichende Analyse des neuen und des alten Regelwerks Jörn Stegmeier 035610 TBL 523 - Stegmeier: 035610 TBL 523 - Stegmeier Titelei 21.05.2010 8: 09 Uhr Seite 3 <?page no="4"?> © 2010 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 0564-7959 ISBN 978-3-8233-6594-5 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.d-nb.de> abrufbar. 035610 TBL 523 - Stegmeier: 035610 TBL 523 - Stegmeier Titelei 21.05.2010 8: 09 Uhr Seite 4 <?page no="5"?> Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung...........................................................................................7 Einleitung....................................................................................................9 1 Aspekte der Rechtschreibung..........................................................13 1.1 Schreibung als Formseite eines sprachlichen Zeichens................13 1.2 Abriss der Geschichte der Rechtschreibung...................................19 1.3 Einheitliche Schreibungen ...............................................................22 1.4 Wichtige Prinzipien der Rechtschreibung......................................25 1.5 Kriterien der Schreibung als Bündel von Eigenschaften..............26 2 Grundlegende Kategorien der Analyse.........................................29 2.1 Die Normalform einer Rechtschreibregel.......................................29 2.2 Aufbau und Arten von Handlungsanweisungen..........................30 2.3 Aufbau und Arten von Kriterien.....................................................31 2.4 Aufbau und Arten von Regeln ........................................................34 3 Vorgehen..............................................................................................43 3.1 Datenbank "Rechtschreibung"..........................................................43 3.2 Erläuterung der Datenbank..............................................................45 3.3 Analyseschritte ..................................................................................49 4 Exemplarische Analysedarstellung................................................55 4.1 Tabelle Grundregeln............................................................................56 4.2 Tabelle Analyse Grundregeln..............................................................57 4.3 Tabelle Kriterien..................................................................................58 4.4 Tabelle Teilregeln................................................................................62 5 Auswertung.........................................................................................73 5.1 Betrachtung der Kriterien und der Kriterienelemente..................74 5.2 Vergleich der Regelwerke insgesamt..............................................77 5.3 Vergleich der Regelwerke nach Teilgebieten ................................82 6 Schlusswort.......................................................................................109 7 Literaturverzeichnis ........................................................................113 7.1 Primärliteratur..................................................................................113 7.2 Sekundärliteratur.............................................................................113 5 <?page no="6"?> Inhaltsverzeichnis der beiliegenden CD-ROM Analyse des alten Regelwerks Teilgebiet A: Laut-Buchstaben-Zuordnungen....................................3 Teilgebiet B: Getrennt- und Zusammenschreibung........................15 Teilgebiet C: Schreibung mit Bindestrich..........................................45 Teilgebiet D: Groß- und Kleinschreibung.........................................66 Teilgebiet E: Zeichensetzung..............................................................100 Teilgebiet F: Worttrennung am Zeilenende.....................................210 Teilgebiet G: Ohne Zuordnung zu einem Teilgebiet....................223 Analyse des neuen Regelwerks Teilgebiet A: Laut-Buchstaben-Zuordnungen....................................2 Teilgebiet B: Getrennt- und Zusammenschreibung........................77 Teilgebiet C: Schreibung mit Bindestrich........................................122 Teilgebiet D: Groß- und Kleinschreibung.......................................138 Teilgebiet E: Zeichensetzung..............................................................190 Teilgebiet F: Worttrennung am Zeilenende.....................................270 6 <?page no="7"?> Vorbemerkung 1996 wurde ich als freiberuflicher Lektor und Korrektor für einen Lehrmittelverlag tätig. In den anschließenden Jahren kamen weitere Auftraggeber aus unterschiedlichen Branchen hinzu, darunter PR-Agenturen und ein großer deutscher Wörterbuchverlag. Aus der anfänglichen Nebenbeschäftigung wurde eine selbstständige Tätigkeit in Vollzeit, deren Aufgabengebiet sich immer mehr hin zu dem eines Redakteurs verschob. Je nach Branche waren hinsichtlich der Behandlung von Rechtschreibung unterschiedliche Schwerpunkte zu beachten - zwei Forderungen wa ren jedoch immer gleich: die Forderungen nach Regelkonformität und Einheitlichkeit. Alle Schreibweisen mussten dem jeweils gültigen Regelwerk entsprechen und gleichzeitig durften im selben Text (oder derselben Publikation) keine sogenannten Schreibvarianten auftreten. Ließ das Regelwerk mehrere Schreibweisen zu, musste eine davon ausgewählt und einheitlich im ganzen Text verwendet werden. Entsprechende Terminuslisten wurden in Absprache mit dem jeweiligen Kunden erstellt. Der Wunsch nach Einheitlichkeit innerhalb einer Publikation oder innerhalb eines Textes steht konträr zur allgemeinen Regelung der deutschen Rechtschreibung, wie sie im alten oder im neuen Regelwerk vorliegt. In beiden Regelwerken sind Variantenschreibungen und Einzelfallregelungen integraler Bestandteil. Die Erfahrung zeigt, dass während der Textproduktion Variantenschreibungen im selben Text sehr häufig gebraucht werden, daher resultiert der Wunsch nach Einheitlichkeit in der redaktionellen Aufgabe, stets eine bestimmte Schreibweise zu gebrauchen, wenn mehrere "erlaubt" sind. Zur Einheitlichkeit der Schreibweisen in einem Text führt demnach aufmerksames Lesen mehr als aufmerksames Schreiben. Der zweite Wunsch, die Regelkonformität, ist nur dann adäquat zu erfüllen, wenn das zugrundeliegende Regelwerk anwendbar ist. Nur Schreibweisen, die nachweislich auf den Inhalt eines Regelwerks zurückgeführt werden können, sind im Zweifelsfall als regelkonform einzustufen. Aus dieser scheinbar banalen Feststellung entwickelte sich die dieser Untersuchung zugrundeliegende Fragestellung und Herangehensweise: Was macht ein Regelwerk, was macht eine Rechtschreibregel anwendbar? 7 <?page no="9"?> Einleitung Unter Orthographie verstehen wir die Norm der Schreibung einer Sprache Dieter Nerius 1 Sprachliche Normen sind, mit den Worten Dieter Nerius', "ein Teil der sozialen Normen einer Gesellschaft [und] im Prinzip Verallgemeinerungen, die aus der sprachlich-kommunikativen Tätigkeit einer Gemeinschaft gewonnen werden und gleichzeitig dieser Tätigkeit wieder als Richtschnur zugrunde liegen. Die Wechselseitigkeit dieses Prozesses ist in der Orthographie in besonderer Weise ausgeprägt." 2 Was aber ist unter Norm, was unter Gebrauch zu verstehen? Der Gebrauch - der Usus - war bereits im 17. Jahrhundert eine feste Größe in den Überlegungen zur Rechtschreibung. Grammatikschreiber wie Johann R. Sattler oder Christian Gueintz verstanden darunter hauptsächlich den Schreibgebrauch herausragender Autoren wie beispielsweise Luther. 3 Auch heute ist der Schreibgebrauch ausdrücklich zu berücksichtigen, wenn es um die Regelung der Orthographie geht. Im Statut des Rats für deutsche Rechtschreibung heißt es unter "Aufgaben des Rats und Gel tungsbereich der Regelung": Zur Beobachtung und Weiterentwicklung der deutschen Rechtschreibung wird ein Rat für deutsche Rechtschreibung eingerichtet. [...] Dieser Rat hat die Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks [...] im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln. Hierzu gehören insbesondere - die ständige Beobachtung der Schreibentwicklung, - die Klärung von Zweifelsfällen (der Rechtschreibung), - die Erarbeitung und wissenschaftliche Begründung von Vorschlägen zur Anpassung des Regelwerks an den allgemeinen Wandel der Sprache. 4 Der Schreibusus soll vom Rat für deutsche Rechtschreibung aus der "ständigen Beobachtung der Schreibentwicklung" erschlossen werden. Auf welche Weise dies geschehen soll, wird nicht näher festgelegt. In den Beschrei bungen der Redaktionen von Duden und Bertelsmann, wie sie bei der 1 Nerius 1994, S. 720 2 Nerius 1994, S. 721 3 vgl. Moulin 1992, S. 31-35 4 Statut des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 17.06.2005 in der Fassung vom 16.01.2006, S. 2. 9 <?page no="10"?> Erstellung eines Wörterbuchs vorgehen, wird aber deutlich, dass heutzutage nicht mehr einzelne herausragende Autoren als Autorität herangezogen werden, sondern vielmehr "repräsentative Zeitungen und Zeitschriften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz" 5 (Wahrig) oder "schriftlichen Quellen aller Art" 6 (Duden). Eine Norm ist laut Duden Universalwörterbuch eine allgemein anerkannte, als verbindlich geltende Regel. Regel wiederum wird wie folgt erläutert: "[eine] aus bestimmten Gesetzmäßigkeiten abgeleitete, aus Erfahrungen und Erkenntnissen gewonnene, in Übereinkunft festgelegte, für einen jeweiligen Bereich als verbindlich geltende Richtlinie." 7 Es wird deutlich, dass sowohl eine wahrnehmbare Regelhaftigkeit (= "aus bestimmten Gesetzmäßigkeiten abgeleitet") als auch normative Kraft (= als verbindlich geltend) und Akzeptanz (= "allgemein anerkannt"; "in Übereinkunft festgelegt") als bestimmende Größen herangezogen werden. Dies geht konform mit der sprachwissenschaftlichen Auffassung des Regelbegriffs der deskriptiven, also beschreibenden Regeln auf der einen und normativen, also vorschreibenden Regeln auf der anderen Seite. Im oben angeführten Zitat aus dem Statut zum Rat der Recht schreibung heißt es auch, er habe die Aufgabe "die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren". 8 Eine solche Einheitlichkeit der Rechtschreibung ist dabei nicht selbstverständlich, sondern das Ergebnis eines langen Prozesses. Denn der Versuch, eine einheitliche Rechtschreibung herzustellen, gleicht dem Versuch, eine Standardsprache des Deutschen zu finden. Be reits die Grammatiker der Fruchtbringenden Gesellschaft zerfielen in die sogenannten "Analogisten" auf der einen und die sogenannten "Anomalisten" auf der anderen Seite. Die Analogisten begriffen eine solche zu findende Standardsprache als ein musterhaftes System, das allen dialektalen Realisierungen zugrundeliegt. Die Anomalisten hingegen erklärten einen ihnen vorzüglich erscheinenden Dialekt zur Standardsprache und argumentierten auf der Grundlage konkreter Einzelfälle. 9 An diesen beiden grundlegenden Haltungen gegenüber sprachlicher Korrektheit im Allgemeinen und gegenüber Rechtschreibung im Besonderen hat sich auch heute nichts geändert. Noch immer sehen "Analogis ten" vor allem die Vorteile systematischer Regeln auf der Grundlage von Analogien, wohingegen "Anomalisten" den feststellbaren oder wahrgenommenen Schreibgebrauch als Richtschnur heranziehen. Evident wird die Unterschiedlichkeit dieser Positionen unter anderem am Umgang mit 5 vgl. "Wie kommt das Wort in den Wahrig", http: / / www.wissenmedia.de/ wahrig/ service/ wie_kommt_das_wort_in_den_ wahrig.html (07.10.2008) 6 vgl. "Interview mit Matthias Wermke", http: / / www.duden.de/ service/ presse/ detail.php? nid=1&id=194 (07.10.2008) 7 vgl. Eintrag "Regel" in Kunkel-Razum (2007) 8 Statut des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 17.06.2005 in der Fassung vom 16.01.2006, S. 2. 9 vgl. Gardt 1999, S. 128 ff 10 <?page no="11"?> Einzelschreibungen: Aus "anomalistischer" Sicht müssen bestehende, also im Schreibgebrauch wahrnehmbare Ausnahmen eher in ein Regelwerk zur Rechtschreibung integriert werden, wohingegen die analogistische Haltung gerade diese Ausnahmen zugunsten allgemeiner Regeln aufzugeben bestrebt ist. In der Konsequenz bedeutet dies, dass ein Regelwerk auf der Grundlage analogistischer Herangehensweise mehr ungewohnte Schreibungen erzeugt als ein anomalistisch geprägtes Regelwerk. Gleichzeitig sind die analogistischen Schreibweisen aber nachvollziehbarer und ohne Einzelfallkenntnis erschließbar. Konrad Dudens Intention war anomalistisch, zumindest was die praktische Anwendbarkeit seines Wörterbuchs angeht. Im Vorwort zur ersten Auflage heißt es, das Werk biete all jenen Hilfe, die „ohne den langsamern und schwierigern Weg der Anwendung allgemeiner Regeln auf einzelne Fälle zu betreten, mitten in der Arbeit des Schreibens, Korrigierens oder Setzens schnell und zuverlässig über ein bestimmtes Wort, dessen Schrei bung ihnen im Augenblick unsicher ist, Aufschluß haben wollen …” 10 . Analogistische Rechtschreibregeln beziehen sich auf Fallgruppen, sie beschreiben anhand bestimmter übergeordneter Größen, welche konkreten Fälle, also Schreibweisen von Wörtern, von ihnen erfasst sind. Auf Fragen nach konkreten Fällen geben sie erst dann die richtige Antwort, wenn die Fallgruppe, zu der dieser konkrete Fall gehört, auf genau die Weise be schrieben wird, auf die sie auch die Regel beschreibt. Rechtschreibfragen werden höchst selten auf der Ebene dieser übergeordneten Größen gestellt. Fragen wie "Schreibt man Adjektive, die das Resultat des Verbalvorgangs beschreiben, mit dem Verb zusammen? " sind zwar denkbar, entsprechen aber, wie auch die oben zitierte Anmerkung Konrad Dudens zeigt, nicht dem realen Umgang mit Rechtschreibung, da im Schreibprozess zuerst der konkrete Fall auftritt. In diesem Beispiel würde die erste Frage des Anwen ders lauten "Schreibt man blank putzen oder blankputzen? ", woraufhin er aus diesem konkreten Fall die Fallgruppenbeschreibung Adjektive, die das Resultat des Verbalvorgangs beschreiben erschließen können muss, um herauszufinden, welche Regel zutrifft. Die bestimmenden Größen, die zur Beschreibung der Fallgruppen, die eine Regel anspricht, herangezogen werden, sind die Kriterien der Rechtschreibung. Sie sind die Verbindung zwischen konkretem Fall, also der Schreibweise eines bestimmten Wortes und übergeordneter Regel, zu der diese Schreibweise eine Instanz bildet. An diesen bestimmenden Größen, an den Kriterien, entscheidet sich, wie nachvollziehbar, wie anwendbar und wie widerspruchsfrei ein Regelwerk ist. Kriterien sind eine Umstandsbeschreibung; trifft sie zu, wird die Re gel, zu der sie gehören, aktiviert und ihre Anweisung muss umgesetzt werden. Je feiner verschiedene Fallgruppen voneinander unterschieden werden, desto komplexer und zahlreicher werden die Regeln. Diese Komplexität 10 Duden 1880, S. VI 11 <?page no="12"?> lässt sich sehr gut am Aufbau der Kriterien untersuchen. Je mehr Parameter eine solche Fallgruppenbeschreibung enthält, umso komplexer ist die Regel und letztendlich auch das Regelwerk. Die Kriterien eines Regelwerks sind, neben Regelhierarchien und Ana logiebildungsmöglichkeiten, zentrale Punkte hinsichtlich seiner Anwendbarkeit, daher konzentriert sich diese Untersuchung darauf, die Regeln vor und die Regeln nach der Reform auf ihre Kriterien hin zu analysieren und auf dieser Grundlage zu vergleichen. Die Annäherung an den Gegenstand ist dabei grundsätzlich deduktiv: Aus der Oberkategorie der Anwendbarkeit werden die hierzu notwendigen Subkategorien "eindeutiger Regelbegriff", "Vollständigkeit", "eindeutige Handlungsanweisung" und "ausschlaggebendes Kriterium" entwickelt und der Analyse zugrundegelegt. Jeder Eintrag im Regelwerk wird daraufhin geprüft, ob er eine Instanz einer dieser Klassen ist und welche Rela tionen zwischen den einzelnen Klassen jeweils konstituiert werden. Der Oberkategorie "Anwendbarkeit" sind dabei nur solche Einträge zugehörig, die der Kategorie "eindeutige Handlungsanweisung" und "ausschlaggebendes Kriterium" zugehören, wodurch sie auch der diesen Kategorien übergeordneten Kategorie "Vollständigkeit" zugeordnet sind. Gleichzeitig muss ein Eintrag auch der Kategorie "Regel" im Sinne des für diese Arbeit entwickelten eindeutigen Regelbegriffs zugeordnet sein, um insgesamt der Kategorie "Vollständigkeit" zuzugehören. Der Vergleich der Regelwerke erfolgt auf der Grundlage der Kriterien vor allem hinsichtlich der Vollständigkeit oder Unvollständigkeit von Re geln. Nennt eine Regel kein Kriterium, kann sie nicht angewendet wer den, da sie keine nachvollziehbare Fallgruppe beschreibt, sondern, in anomalistischer Tradition, eine Feststellung hinsichtlich einer wahrnehmbaren Schreibung trifft. Je mehr nicht anwendbare Regeln es in einem Regelwerk gibt, desto weniger anwendbar wird das Regelwerk insgesamt. Die folgende Untersuchung stellt zunächst wichtige Aspekte der Rechtschreibung dar. Auf dieser Basis wird in zwei Kapiteln beschrieben, welche Größen für die Betrachtung der Regelwerke eine Rolle spielen sollen und wie sie für die Analyse genutzt werden. Die Analyse ist sehr umfangreich; eine komplette Darstellung findet sich in Form zweier PDF-Dokumente auf der beigelegten CD. Das konkrete Vorgehen bei der Analyse wird in Kapitel 4 anhand von Auszügen aus den Analysedarstellungen exemplarisch erläutert. Die Auswertung in Kapitel 5 stellt zum einen dar, wie viele vollständige und unvollständige Regeln es in den beiden Regelwerken gibt. Sie berücksichtigt dabei die Teilgebiete der Rechtschreibung, wie sie im neuen Regelwerk definiert werden. Zum anderen gibt sie auf der Grundlage die ser Darstellung eine Antwort auf die folgende Frage: Wodurch unterscheidet sich das neue Regelwerk zur deutschen Rechtschreibung vom alten Regelwerk hinsichtlich seiner Vollständigkeit und damit Anwendbarkeit auf der Basis der hierfür isolierten Kriterien als tertium comparationis? 12 <?page no="13"?> 1 Aspekte der Rechtschreibung 1.1 Schreibung als Formseite eines sprachlichen Zeichens Die Rechtschreibung regelt die schriftliche Darstellung von Sprache. Daher soll zu Beginn kurz untersucht werden, worum es sich bei der schriftlichen Darstellung von Sprache handelt und inwiefern Rechtschreibung ein Teil davon ist. Dabei ist vor allem zu beachten, ob zwischen der schriftlichen und der lautlichen Darstellung von Sprache eine Beziehung existiert. Peter Eisenberg stellt fest, dass die lautliche Darstellung von Sprache, also ihre phonologische Formseite, generell als eine "Folge von Lauten mit einer Akzentstruktur" 11 aufgefasst wird. Dabei werden Laute als Grundelemente der gesprochenen Sprache verstanden. Die geschriebene Spra che hingegen kann von unterschiedlichen Grundelementen Gebrauch machen. Es werden drei Grundtypen von Schriften im Sinne von geschriebenen Sprachen unterschieden: Alphabetschriften, Silbenschriften und logographische Schriften. Die Grundelemente Letzterer tragen Bedeutung und können nicht in kleinere Einheiten zerlegt werden. Silbenschriften machen von Grundelementen Gebrauch, die sich, wie die Benennung schon zeigt, auf (Sprech-) silben beziehen. "Grundformen mit distinktiver Funktion, die sich systematisch auf Phoneme beziehen lassen" verwenden hingegen Alphabetschriften. 12 Welcher Art dieser Bezug zwischen Graphem und Phonem ist, soll im Folgenden untersucht werden. Der Zeichenbegriff von de Saussure stellt in seiner einfachsten Form fest, dass ein sprachliches Zeichen aus einer Form seite und einer Inhaltsseite besteht, deren Zuordnung arbiträr erfolgt, also nicht aus einer Regel abgeleitet werden kann. In diesem Sinne kann also nicht nur eine Lautfolge, sondern auch eine Buchstabenfolge die Formseite eines sprachlichen Zeichens sein, denn es gehört "zu den Eigenschaften verschrifteter Sprachen, dass viele ihrer Einheiten zwei Formseiten haben: eine phonologische und eine graphematische" 13 . Ähnlich formuliert Dieter Nerius: Die Sprache eines Volkes, das eine entsprechende Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung erreicht hat, existiert in zweifacher Weise: als gesprochene und als geschriebene Sprache. Dem Wesen der Sprache gemäß haben wir es in beiden Fällen jeweils mit einer Verbindung von zwei Seiten zu tun, einer materiell wahrnehmbaren Form einerseits und einer Bedeutung [...] auf der anderen Seite. 14 Es ist zu beachten, dass diese Auffassung die beiden Darstellungsformen - Laute auf der einen, Schriftzeichen auf der anderen Seite - als sehr 11 Eisenberg 1996b, S. 1368 12 Eisenberg 1996b, S. 1371 13 Eisenberg 1996b, S. 1368 14 Nerius 1975, zitiert nach Nerius 2000, S. 32 13 <?page no="14"?> eigenständig betrachtet. Christian Stetter leitet aus dieser Eigenständigkeit sogar den "arbiträren Charakter orthographischer Normen" 15 als einen Grundsatz der Orthographie ab. Der Ausdruck "orthographische Norm" ist hier eng als die Zuordnung von Buchstabenfolgen zu einer bestimmten Bedeutung zu verstehen. Die folgende Abbildung 1.1 verdeutlicht diese Auffassung zweier getrennter Darstellungssysteme von der Formseite von sprachlichen Zeichen. Nerius schränkt die Eigenständigkeit der beiden Formseiten jedoch ein: Wir vertreten die Auffassung, daß das Phonem- und Graphemsystem relativ ei genständige, wenn auch miteinander in Beziehung stehende sprachliche Teilsysteme darstellen, deren spezifische Struktur auf den unterschiedlichen Funktionen der gesprochenen und der geschriebenen Form der Sprache in der gesellschaftlichen Kommunikation basiert. 16 Eine indirekte Beziehung dieser beiden Formseiten resultiert dabei aus der Bedeutungsseite, wie im Folgenden gezeigt wird: Nimmt man eine Bedeutung [A] an, so wird dieser in der gesprochenen Sprache eine bestimmte Lautfolge als Formseite [AF akustisch] arbiträr zugeordnet. Derselben Bedeutung kann eine bestimmte Buchstabenfolge als Formseite [AF grafisch] ebenfalls arbiträr zugeordnet werden, womit also zwei Teilsysteme vorlägen, die über die Bedeutungsseite miteinander in Beziehung stünden. Abbildung 1.2 zeigt zur Verdeutlichung ein solches System. Allerdings muss gleich darauf hingewiesen werden, dass darin nicht alle feststellbaren Beziehungen zwischen diesen Systemen dargestellt werden. Die Abbildung dient vielmehr dazu, Stetters Feststellung des arbiträren Charakters orthographischer Normen näher untersuchen zu können. In Abbildung 1.2 wird unterstellt, dass beide Formseiten einer bestimmten Bedeutung arbiträr zugeordnet werden. Verhältnisse dieser Art müss ten herrschen, wenn orthographische Normen tatsächlich von arbiträrem Charakter wären. Dies kann jedoch so nicht der Fall sein, da den 15 Stetter 1994, S. 688 16 Nerius 1975, zitiert nach Nerius 2000, S. 33 14 Abb. 1.1: Voneinander unabhängige Formseiten sprachlicher Zeichen Bedeutung akustische Form schriftliche Form arbiträre Zuordnung Bedeutung <?page no="15"?> Buchstabenkombinationen unseres Alphabets nicht unabhängig von den Lauten eine Bedeutung zugeordnet wird. Dieter Nerius nimmt an, dass der Schreibenlernende "die anzuzeigenden Schriftzeichen auf lautliche Gegebenheiten der gesprochenen Sprache bezieht" 17 . Die beiden oben erwähnten Formseiten sprachlicher Zeichen sind also nicht nur durch die Bedeutung miteinander verbunden. Setzt man weiter voraus, dass dieser Bezug zwischen lautlicher Gegebenheit und anzuzeigendem Schriftzeichen dem sogenannten phonografischen 18 Prinzip folgt, so deutet man Christian Stetter zufolge Schreiben als Funktion, "welche die Elemente der Definitionsmenge {Buchstaben} auf die der Wertemenge {Laute/ Phoneme} abbildet" 19 . Die Abbildung der Buchstaben auf die Wertemenge der Laute erfolgt dabei regelhaft; bestimmten Graphemen werden also eindeutig bestimmte Phoneme zugeordnet (Graphem- Phonem-Korrespondenz-Regeln 20 ). Abbildung 1.3 veranschaulicht das phonografische Prinzip auf der Formebene, ohne die Zuordnung zwischen Form und Bedeutung zu berücksichtigen. 17 Nerius 1987, S. 79 18 statt "phonografisch" findet sich auch häufig die Bezeichnung "phonematisch" 19 Stetter 1994, S. 688 20 Eisenberg 2006, S. 68 15 Abb. 1.3: Zuordnungen auf der Formseite nach dem phonematischen Prinzip bestimmte Laute werden durch bestimmte Buchstaben wiedergegeben Abb. 1.2: Indirekt verbundene Formseiten sprachlicher Zeichen akustische Form Bedeutung schriftliche Form arbiträre Zuordnung akustische Form schriftliche Form <?page no="16"?> Ein Darstellungssystem, das vollständig dem phonografischen Prinzip folgt, ordnet jedem Laut genau einen Buchstaben zu. Im Deutschen ist das nicht immer der Fall, Abbildung 1.3 trifft für die deutsche Sprache also nur im Grundsatz zu. Das aus dem phonografischen Prinzip resultierende Zuordnungssystem von Form und Bedeutung wird in der folgenden Abbildung 1.4 gezeigt: Die schriftliche Form eines sprachlichen Zeichens hängt hier vollständig von der akustischen Form ab. Der Bezug zwischen schriftlicher Form und Bedeutung ist nur indirekt über die akustische Form herzustellen. Jedoch entspricht auch dieses Modell nicht dem feststellbaren Gebrauch der schriftlichen Ausdrucksseite. Ein Blick auf die Entwicklung vor allem des Graphembestands zeigt, dass die uneingeschränkte Umsetzung des phonografischen Prinzips in der deutschen Schriftsprache wie sie heute verwendet wird, unmöglich ist. Dies erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte des deutschen Schreibens. Die Verschriftung des Deutschen ruht auf dem lateinischen Alphabet, was unter anderem zu einem Missstand zwischen Graphem- und Phonembestand führte: "Die Anfänge geschriebener deutscher Sprache vollziehen sich zwischen lateinischer Schriftkultur und heimischer mündlicher Tradition." 21 Somit war es von Beginn unmöglich, in der Schreibung das phonografische Prinzip ideal umzusetzen und genau einen Buchstaben genau einem Laut zuzuordnen. Um den Anforderungen des Phonembestandes gerecht zu werden, kombinierten die ersten Anwender der deutschen Schriftlichkeit die ihnen zur Verfügung stehenden lateinischen Buchstaben; teilweise setzten sich auch leichte Modifikationen und Erweiterungen dieser Buchstaben durch. So wurden Umlaute zu Anfang noch als Kombination zweier Schriftzeichen dargestellt; die uns heute bekannte Form entwickelte sich erst mit der Zeit. 21 Augst 1996, S. 1500 16 Abb. 1.4: Voneinander abhängige Formseiten sprachlicher Zeichen akustische Form Bedeutung arbiträre Zuordnung schriftliche Form bestimmte Laute werden durch bestimmte Buchstaben wiedergegeben - Buchstaben können in Laute zurückverwandelt werden <?page no="17"?> Von Anpassungen dieser Art abgesehen, verfestigte sich das Graphemsystem im Laufe der Anwendung jedoch. Dabei ist zu betonen, dass sich die Benutzung des Graphembestandes fast zwangsläufig je nach Ort auf eine andere Art entwickelte. Eine zentrale Regelung, wie die deutsche Sprache schriftlich darzustellen sei, gab es nicht, daher bildeten sich lokal begrenzte Schreibstubentraditionen aus. Es gab bis ins 16. Jahrhundert im deutschen Sprachgebiet keine einheitliche Schreibsprache, sondern nur verschiedene Schreib- und Schriftdialekte [...]. Eine einheitliche Form der geschriebenen Sprache setzte sich, befördert durch die schon im 17. Jahrhundert rapide anwachsende Buchproduktion, erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts durch: die deutsche "Schriftsprache". 22 Das Verhältnis zwischen Laut und Buchstabe ist demgemäß auch das Er gebnis eines jahrhundertelangen Entwicklungsprozesses und entspringt letztlich der Anwendung. Das bedeutet, dass keine übergreifende Systemtheorie geschaffen und nach langer Prüfung in die Praxis umgesetzt wurde, sondern dass im Gegenteil aus der Praxis ein Schreibsystem entstand, das nun zwar eine Verbindung zwischen Lauten und Buchstaben herstellt, gleichzeitig aber auch die Möglichkeit nutzt, allein auf graphischer Ebene zu operieren. Denn es sind eben nur "viele Einheiten" und nicht alle, die zwei Formseiten haben. Dieses Phänomen bezeichnet Dieter Nerius als "phonologisches Grundprinzip" bzw. "semantisches Grundprinzip" und führt weiter aus: "Während das phonologische Grundprinzip Beziehungen zwischen Elementen der phonologischen und der graphischen Ebene umgreift, erfaßt das semantische Grundprinzip die Beziehungen der graphischen Ebene zu der semantischen Seite [...]" 23 So ist es möglich, in der geschriebenen Sprache unterschiedliche Bedeutungen gleichklingender Wörter voneinander abzugrenzen. Der Lautfolge / liːt / werden beispielsweise nicht nur zwei völlig verschiedene Bedeutungen, sondern auch unterschiedliche schriftliche Ausdrucksseiten zugeordnet: ⎼ sangbares, vertontes Gedicht ("Lied") ⎼ zum Schutz des Auges dienende Hautfalte ("Lid") Die folgende Abbildung 1.5 zeigt einen Überblick darüber, welche Beziehungen zwischen den Teilsystemen der akustischen bzw. schriftlichen Darstellung der deutschen Sprache feststellbar sind. 22 Augst 1996, S. 1500 23 Nerius 2000, S. 142 17 <?page no="18"?> Wie in Abbildung 1.5 gezeigt wird, ist die schriftliche Formseite also nicht unabhängig von der lautlichen. Der Charakter orthographischer Normen, speziell die Zuordnung von Buchstaben zu bestimmten Lauten, ist nicht wie von Christian Stetter angenommen arbiträr, sondern Teil eines Ge samtsystems. Die schriftliche Darstellung von Sprache endet jedoch nicht mit der Zuordnung von Buchstaben zu Lauten: [...] zur Schreibung gehört nicht nur die graphische Wiedergabe von Morphemen und Wörtern mittels Buchstaben, zu ihr gehören auch solche graphischen Gegebenheiten wie die Getrennt- und Zusammenschreibung, die 18 Abbildung 1.5: Verbund voneinander abhängiger Formseiten Bedeutung sangbares, vertontes Gedicht zum Schutz des Auges dienende Hautfalte akustische Form / li: t/ bestimmte Laute werden durch bestimmte Buchstaben wiedergegeben - Buchstabenfolgen können in Laute zurückverwandelt werden einem bestimmten Laut können grundsätzlich mehrere Buchstabenfolgen zugeordnet werden diese Möglichkeit wird genutzt, um auf schriftlicher Ebene unterschiedliche Bedeutungsbezüge herzustellen arbiträre Zuordnung schriftliche Form "Lid" "Lied" <?page no="19"?> Groß- und Kleinschreibung, die graphische Worttrennung am Zeilenende und die Interpunktion. Das gleiche gilt für die Orthographie [...] 24 Demgemäß sind alle genannten grafischen Gegebenheiten der Gegenstand der Rechtschreibung. Das Zitat, das diesem Kapitel vorangestellt ist, sei daher abschließend wiederholt: "Unter Orthographie verstehen wir die Norm der Schreibung einer Sprache". 25 1.2 Abriss der Geschichte der Rechtschreibung Für Dieter Nerius ist die Rechtschreibung eine beinahe zwingende Nebenerscheinung des Verschriftungsprozesses, zumindest, was Alphabetschriften betrifft: Da Schreibung [...] normalerweise der graphischen Fixierung und Übermittlung von Inhalten für andere dient, ergab sich im Zuge der Entwicklung der schriftlichen Kommunikation sehr bald die Notwendigkeit einer gewissen Angleichung der graphischen Formen sprachlicher Einheiten und der Entwicklung von Schreibungskonventionen zwischen den Partnern des Schriftverkehrs. 26 Diese "gewisse Angleichung der graphischen Formen", die einheitliche Schreibung von Wörtern, ist nicht nur die Grundlage der Orthographie. In Verbindung mit der fortschreitenden Alphabetisierung und einem immer größeren Bestand an Geschriebenem sorgt sie auch für die Verbreitung der sogenannten Standardvarietät. Bei der genauen Ausbildung dieser Standardvarietät kommt "der Kodifizierung der Rechtschreibung [...] eine spe zielle symbolische Funktion für die Einheitlichkeit der Sprache" 27 zu. Die Kodifizierungen der Orthographie wiesen inhaltlich und strukturell erhebliche Differenzierungen auf, die Variabilität der Schreibungsnormen im deutschen Sprachgebiet war noch bis weit ins 17. Jahrhundert hinein sehr be trächtlich, und der Verbindlichkeitsgrad war noch relativ gering und weitgehend konventionell gestützt, d. h. nicht durch behördliche Verordnungen gesichert. 28 [...] Die erste orthographische Kodifikation bestand zunächst vor allem in Wortlisten und kleineren Schreibanweisungen, an deren Herstellung die Drucker selbst maßgeblich beteiligt waren und die anfänglich sehr stark regional, örtlich oder sogar durch die jeweilige einzelne Druckerei geprägt waren. Der so eingeleitete Prozeß der orthographischen Kodifikation und Etablierung externer Schreibungsnormen [...] ging in die Hände der sich im Zuge dieser Entwicklung der Schriftlichkeit herausbildenden Zunft der Sprachgelehrten und Sprachlehrer 24 Nerius 1994, S. 720 f 25 Nerius 1994, S. 720 26 Nerius 1994, S. 725 27 Mattheier 2000, S. 1105 28 Nerius 1994, S. 726 19 <?page no="20"?> über. [...] Die Ausarbeitung solcher kodifizierter Orthographien [...] war vor allem für den Unterricht im Lesen und Schreiben gedacht. 29 Die Uneinheitlichkeit der Sprache wurde bereits sehr früh als eine Schwierigkeit in der Beschäftigung mit Sprache begriffen: Die am Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts beginnende grammatische Reflexion über die deutsche Sprache betont immer wieder die Schwie rigkeit der Kodifizierung einer an sich in allen Bereichen des Systems noch un einheitlichen Sprache. 30 Die Grammatikschreibung stößt so oft auf diese Schwierigkeit, dass sie selbst zu einem Teil der Suche nach einer deutschen Standardsprache wird. Zwei grundlegend unterschiedliche Annahmen bilden sich heraus: Einerseits wird die vorbildliche, normgebende deutsche Sprache als eine über den verschiedenen Dialekten stehende, also faktisch nicht realisierte Hochsprache betrachtet, deren Beschreibung und Festlegung Aufgabe des Grammatikers ist. Andererseits kristallisiert sich, besonders im ostmitteldeutschen Raum, vorzugsweise bei Meißnern und Schlesiern, die Meinung heraus, daß der dort bei den gebildeten Ständen vorhandene Sprachgebrauch als vorbildlich zu betrachten sei. 31 Beide Auffassungen fanden sich in den Reihen der der 1617 gegründeten Fruchtbringenden Gesellschaft, die ihre Aufgabe vor allem in der Sprachpflege sah. Als Vertreter der ersten Position ist herausragend Justus Georg Schottelius z. B. in seinem Werk "Teutsche Sprachkunst" (1641) zu nennen; der zweiten Auffassung schloss sich Christian Guentz in seiner Grammatik "Deutscher Sprachlehre Entwurf" (1641) an. Auf dem Weg hin zu einer deutschen Standardsprache nimmt ein Paradigmenwechsel in der Schuldidaktik eine wichtige Position ein: Immer mehr Didaktiker, unter ihnen Wolfgang Ratke, vertraten die Ansicht, dass der Schulunterricht in der Muttersprache abzuhalten sei. Auf einer anderen gesellschaftlichen Ebene begünstigt das Kanzleiwesen die Suche nach einer deutschen Standardsprache. Gerade hier spielt die Einheitlichkeit als Garant für die allgemeine Verständlichkeit eine große Rolle. Im 18. Jahrhundert war die Rechtschreibung nicht zuletzt aufgrund der Wechselwirkung zwischen schriftlicher und mündlicher Sprache ein präsentes Thema der Forschung: Das auffällige Interesse des 18. Jahrhunderts an den Belangen der deutschen Rechtschreibung dürfte zum einen auf das damals dominierende Bedürfnis nach einer einheitlichen deutschen Literatursprache (im Sinne von Standardsprache) zurückgehen, da sich deren Herausbildung und Konsolidierung primär in der geschriebenen Existenzweise vollzog. [...] Zum anderen sah die Mehrzahl der zeitgenössischen Grammatiker in einer (vereinheitlichten) Recht schreibung das entscheidende Instrument zum Abbau der gravierenden, mundartlich bedingten 29 Nerius 1994, S. 726 30 Moulin 1992, S. 24 31 Moulin 1992, S. 24 f. 20 <?page no="21"?> Unterschiede in der phonischen Realisierung der sich entwickelnden Einheitssprache. 32 Die Rückwirkung der geschriebenen Sprache auf die Aussprache wird generell als gegeben angenommen. Bewertet wird sie hingegen unterschiedlich: Gottsched hält dies für wünschenswert 33 , wohingegen andere, zum Beispiel Manuel Raschke, darin einen verderblichen Einfluss sehen 34 . Im 19. Jahrhundert wurde der Ruf nach einer einheitlichen deutschen Schreibung immer lauter. Schreib- und Lesekenntnisse nahmen in der Gesellschaft einen immer höheren Rang ein; nicht zuletzt sorgte auch die Einführung der allgemeinen Schulpflicht um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert dafür, dass immer mehr Menschen des Lesens und Schreibens mächtig waren. Eine standardisierte Schreibung war schon allein aus Sicht des Schreibunterrichts wünschenswert, von der einfacheren Verständigung über Dialektgrenzen hinweg ganz zu schweigen. Es verwundert also nicht, dass diejenigen, die sich um die Orthographie bemühten, versuchten, allgemeine Schreibprinzipien zu erkennen und für die Rechtschreibung nutzbar zu machen (s. hierzu näher Kapitel 1.4). Zu der Gruppe derer, die der Orthographie immer mehr Aufmerksamkeit widmeten, gehörten zunehmend auch staatliche Stellen. Höhepunkt dieser Entwicklung ist die I. Orthographische Konferenz, die 1876 in Berlin stattfand. Obwohl die Vorlage für die Konferenz - von Rudolf von Raumer erarbeitet - eng am herrschenden Schreibgebrauch orientiert war, wurden Beschlüsse gefasst, die auf großen Widerstand in der Öffentlichkeit stießen. Mit den größten Unwillen erzeugte "die Neuregelung der graphischen Kennzeichnung der langen Vokalphoneme" 35 . Statt einer staatlich vereinheitlichten Schreibung entstanden zunächst Schulorthographien der einzelnen Länder, die sich zwar teilweise voneinander unterschieden, aber im Grunde eng an Raumers Vorschlag für die I. Orthographische Konferenz orientiert waren. Dies gilt vor allem auch für Konrad Dudens "Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache", das 1880 erschien und sich rasch "im gesamten deutschen Sprachgebiet" 36 ausbreitete. Die Vereinheitlichung der Schreibung, die durch diese Entwicklung der Schulorthographien de facto stattfand, wurde dadurch eingedämmt, dass Bismarck, der damalige Reichskanzler, sich nicht mit den so entstehenden Schreibweisen anfreunden konnte und den Gebrauch in den Ämtern verbot. In den folgenden zwanzig Jahren erreichte Konrad Dudens Wörterbuch den Rang eines Standardwerkes der Rechtschreibung. Dies verwundert nicht, schließlich ging es mit der damaligen preußischen Schulorthographie, die ebenfalls immer weitere Verbreitung fand, Hand in Hand. Die II. Orthographische Konferenz fand 1901 statt und brachte einen Wechsel in 32 Ewald 1992, S. 61 f 33 vgl. Ewald 1992, S. 62 34 Raschke 1862, S. 2 35 Nerius, Möller 1983, S. 117 36 Nerius, Möller 1983, S. 126 21 <?page no="22"?> der Herangehensweise mit sich. Von den 14 Teilnehmern der I. Orthogra phischen Konferenz von 1876 waren relativ viele als sprachwissenschaftliche Fachleute hinzugezogen worden. 1901 trafen sich 26 Teilnehmer, um über die Reform der Rechtschreibung zu beraten; ganze vier davon waren Sprachwissenschaftler. 37 Das Ziel dieser Konferenz war, die Rechtschreibung zu vereinheitlichen; es ging jedoch nicht mehr darum, die Schreibungen durchgängig an ein übergeordnetes Schreibprinzip anzupassen. Größere Änderungen in der Orthographie, insbesondere in den Phonem-Gra phem-Beziehungen, auf die der Begriff der Orthographie vor allem bezogen wurde, konnten in dieser Zeit nicht mehr durchgesetzt werden. Damit im Zu sammenhang ging der Einfluß der Sprachwissenschaft auf die Gestaltung der Orthographie immer mehr zurück, während die Einflußnahme amtlicher bzw. staatlicher Stellen und Behörden auf die orthographische Entwicklung immer mehr zunahm. 38 Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass Rechtschreibung ein ebenso ge sellschaftliches wie sprachliches Phänomen ist. Aus diesem Grund entwickelten sich Auffassungen von Orthographie, die weniger sprachwissenschaftlich und mehr gesellschaftlich orientiert sind. So ist vor allem die Auffassung der Rechtschreibung als Kulturgut zu nennen, nach der die schriftliche Wiedergabe von Sprache eine hohe Verpflichtung nicht nur gegenüber der Schreibtradition, sondern auch gegenüber des kommunikativen Selbstverständnisses hat. Zu den generellen Merkmalen sprachlicher Normen gehört, daß sie ein Teil der sozialen Normen einer Gesellschaft sind [...]. Solche Normen sind im Prin zip Verallgemeinerungen, die aus der sprachlich-kommunikativen Tätigkeit einer Gesellschaft gewonnen werden und gleichzeitig dieser Tätigkeit wieder als Richtschnur zugrunde liegen. Die Wechselseitigkeit dieses Prozesses ist in der Orthographie in besonderer Weise ausgeprägt. 39 Normen dieser Art sind für manche Sprachteilnehmer von identitätsstiftender Wirkung; eine Änderung der Rechtschreibung kann dementsprechend als Bedrohung des eigenen Selbstverständnisses angesehen werden. Dies erklärt die teilweise heftigen Reaktionen, die gerade die jüngste Reform begleiteten. 1.3 Einheitliche Schreibungen Wie bereits in der Einleitung zitiert, ist es der ausdrückliche Auftrag des Rates für deutsche Rechtschreibung, die "Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren". 40 Einheitliche 37 Nerius, Möller 1983, S. 128 38 Nerius, Möller 1983, S. 129 39 Nerius 1994, S. 721 40 Statut des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 17.06.2005 in der Fassung vom 16.01.2006, S. 2. 22 <?page no="23"?> Schreibungen werden für die schriftliche Darstellung von Sprache offensichtlich als wichtige Größe angesehen. Dabei kann "einheitlich" auf verschiedene Weisen verstanden und verschiedenen Ebenen der schriftlichen Sprache zugeordnet werden: Der Gemeinschaft der Schreibenden an sich, einem einzelnen Text oder dem System der Rechtschreibung. Bezieht man "einheitlich" auf die Gemeinschaft der Schreibenden, so soll ein gegebenes Wort von jedem gleich geschrieben werden. Das Wort "Haus" soll beispielsweise von jedem mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben werden. Dabei ist es nicht wichtig, ob ein anderes Wort, das ähnliche Eigenschaften hat, auch mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben wird - solange es alle mit kleinem Anfangsbuchstaben schreiben. Diese Annäherung an die Rechtschreibung ist eine grundsätzlich "anomalistische", wie dies bereits in der Einleitung beschrieben wurde. Ähnlich verhält es sich mit der Ebene eines einzelnen Textes. Hier scheint es mit am leichtesten zu sein, einheitliche Schreibungen herzustellen. Nicht zuletzt darum, weil diese Schreibungen weder mit den übrigen Teilnehmern der schriftlichen Sprache noch mit einem übergeordneten System von Rechtschreibung abgeglichen werden müssen. Eine einheitliche Schreibung innerhalb eines Textes zu erreichen wird jedoch zu einer sehr komplexen Aufgabe, wenn es sich um einen sehr umfangreichen Text handelt, der beispielsweise über einen Zeitraum von mehreren Jahren in verschiedenen Abschnitten erstellt wurde. Um für einen solchen Text einheitliche Schreibungen umsetzen zu können, bedarf es einer bewussten Auswahl und letztendlich eines Rechtschreibsystems, das auf diesen Einzeltext zugeschnitten ist. So finden sich auch bei Luther Schreibvarianten, obwohl dieser von vielen der frühen Orthographiker als Vorbild hinsichtlich der Wortschreibung angeführt wird. 41 Bezieht man "einheitlich" auf das System der Rechtschreibung, so soll ein gegebenes Wort wie alle anderen Wörter geschrieben werden, die seine Eigenschaften teilen. Dabei kann es sich auch nur um eine einzige Eigen schaft handeln, wenn diese unter mehreren Eigenschaften als ausschlaggebend für die Rechtschreibung angesehen wird. Wird ein solches System von der Gemeinschaft der Schreibenden konsequent angewandt, so wird jedes gegebene Wort von jedem Schreibenden gleich geschrieben. Diese Annäherung ist eine grundsätzlich "analogistische", wie in der Einleitung bereits beschrieben. Damit ist auch gesagt, dass Regeln, die eine solche systematische Ein heitlichkeit erzeugen wollen, die für die Schreibung ausschlaggebenden Eigenschaften des zu schreibenden Wortes genau und eindeutig nennen und auf ebenso eindeutige Weise genau einer Schreibweise zuordnen müssen. Die Kriterien, die in Rechtschreibregeln genannt werden, sind gleichzeitig eine solche Beschreibung der Eigenschaften eines Wortes bzw. der zu schreibenden Phrase oder Fügung. 41 vgl. Moulin 1992, S. 35 23 <?page no="24"?> Eine durchgängig systematische Rechtschreibung produziert keinerlei Schreibvarianten, solange der Anwender sich an das System hält. Betrachtet man die Entstehungsgeschichte der Rechtschreibung und wie hoch der Grad der Uneinheitlichkeit zu Beginn der deutschen Grammatikschreibung war, so scheint die Anzahl an Schreibvarianten heutzutage gering. [...] die Zahl der variativen Schreibungen bei konstanter Bedeutung und konstanter Lautung der entsprechenden sprachlichen Einheiten, also der fakultativen Varianten, die nicht als Normabweichungen anzusehen sind, ist insgesamt z. B. in der deutschen Orthographie sehr klein. 42 Doch es gibt Bereiche in der deutschen Rechtschreibung, in der Einheitlichkeit schon immer nur schwer zu erreichen war. [...] eine gewisse zahlenmäßige Relevanz besitzen sie [= die Schreibvarianten] im Deutschen vor allem in der Fremdwortschreibung als Resultat der Tendenz der allmählichen fremder Phonem-Graphem-Beziehungen an heimische (Photo - Foto, Friseur - Frisör) und in der Getrennt- und Zusammenschreibung infolge des Übergangs von Wortgruppen zu Wörtern (auf Grund - aufgrund, [...], danksagen - Dank sagen, [...]). Neuerdings treten solche Varianten auch des öfteren in der Groß- und Kleinschreibung terminologischer oder phraseologischer Wortgruppen auf (künstliche Intelligenz - Künstliche Intelligenz, [...], weißer Tod - Weißer Tod). 43 [Hervorhebungen im Original] Unterschiedliche Schreibungen sind in großer Anzahl und großer Variationsbreite kommunikationshemmend, da sie den Lesefluss stören und auch die Informationsentnahme beeinträchtigen können. In kleinerer Anzahl stören sie zwar die Einheitlichkeit und erschweren es, allgemeingültige Rechtschreibregeln aufzustellen; sie scheinen jedoch eine selbstverständliche Erscheinung von Schreibung zu sein, die vollständig zu unterbinden nur dann möglich wäre, wenn alle Schreibungen aus einfachen Regeln ableitbar wären. Eine Entwicklung hin zu mehr Einheitlichkeit lag schon immer im Bestreben derjenigen, die sich der Rechtschreibung angenommen haben. Daran hat sich bist heute auch nichts geändert: Im Grunde kann man sogar sagen, daß der jüngere Kodifizierungsprozeß der deutschen Orthographie nicht zuletzt die fortgesetzte Reduzierung der orthographischen Variabilität zum Ziel gehabt hat. Das ist natürlich auch für Ortho graphiereformüberlegungen von großer Bedeutung, und eine Reform, die diesen Prozeß etwa umkehren wollte, hätte sicher wenig Realisierungschancen. 44 Trotzdem erzeugt das im März 2006 von den Kultusministern beschlossene Regelwerk mehr Varianten als in der ursprünglichen Reform der Jahre 1998 und 2004 vorgesehen. Auch Konrad Dudens "Deutsches Wörterbuch", das zur Grundlage der Beschlüsse der I. Orthographischen Konferenz wurde, beinhaltete eine hohe Anzahl an Schreibvarianten, dokumentierte also einen Schreibgebrauch, wo es unsicher schien, sich auf eine einzige Schreibung festzulegen. Einheitlichkeit wird in der Rechtschreibung zwar 42 Nerius 1994, S. 723 43 Nerius 1994, S. 723 44 Nerius 1994, S. 723 24 <?page no="25"?> gefordert - jedoch scheint sie nicht über der jeweils eigenen Auffassung von Richtigkeit zu stehen. 1.4 Wichtige Prinzipien der Rechtschreibung Die Frage, nach welchen Prinzipien geschrieben wird bzw. ge schrieben werden soll, berührt zunächst die Verschriftlichung im der gesprochenen Sprache ganz allgemein. Für die deutsche Schriftsprache wurde bereits festgestellt, dass es sich um eine Alphabetschrift handelt; einer Ausprägung von Schriftlichkeit also, die darauf beruht, bestimmten lautlichen Elementen bestimmte schriftliche Elemente zuzuordnen. Diese als phonografisches Prinzip bezeichnete Vorgehensweise ist in Alphabetschriften naheliegend und dadurch eine der prominentesten überhaupt. Wie in den Anmerkungen zur Geschichte der Rechtschreibung schon festgestellt, besteht eines der Probleme bei der Anwendung des pho nografischen Prinzips darin, eine Referenzaussprache festzulegen. Problematisch wird dies vor allem dann, wenn die schriftliche Sprache über regional eingesetzt werden soll. Die einfachste Umsetzung des phonografischen Prinzipien besteht darin, jedem Phonem genau ein Graphem zuzuordnen. Spezielle Probleme des Deutschen hinsichtlich der Umsetzung des phonografischen Prinzips wurden in Kapitel 1.1 behandelt. Das phonografische Prinzip ist - als Urpfeiler der Verschriftlichung einer Sprache durch eine Alphabetschrift - bei allen frühen Grammatikschreibern zu finden. 45 Üblicherweise wird es als Schreibung gemäß der Aussprache umschrieben, die Lautung ist also ausschlaggebend dafür, welcher Buchstabe geschrieben werden muss. Doch gibt es neben dem phonografischen Prinzip noch weitere Schreib prinzipien, deren wichtigste hier kurz erläutert werden sollen. Die aktuelle Dudengrammatik 46 stellt drei Prinzipien der (Recht)schreibung dar: das phonografische Prinzip, das silbische Prinzip und das morphologische Prinzip. Von diesen drei ist das silbische Prinzip als eine Ausnahme zu betrachten; insofern, als es im Unterschied zu den anderen beiden Prin zipien weniger ein Leitfaden zur Schreibung, sondern mehr ein Erklärungsansatz für dieselbe ist. Das silbische Prinzip stellt den Silbenaufbau in den Mittelpunkt und erklärt hierdurch Besonderheiten der deutschen Schreibung. So wird beispielsweise die Schreibung <sp> für die Lautfolge / ʃp / in der Silbe <spalt> dadurch erklärt, dass die Lautfolge / ʃp / in der deutschen Standardsprache als Silbenanfangsrand nicht vorkommt. Die Schreibweise <sp> für / ʃp / reduziert die die Komplexität des Silbenanfangsrandes, weshalb sie vorgezogen wird, obwohl sie der üblichen Graphem-Phonem-Kor respondenz zuwiderläuft. Es ist deutlich zu erkennen, dass es sich beim silbischen Prinzip nicht im selben Maße wie zum Beispiel bei dem pho nografischen Prinzip um ein Rechtschreibprinzip handelt. Vielmehr ergänzt 45 vgl. Moulin 1992, S. 28 ff; Ewald 1992, S. 62 f; Nerius 2000, S. 120 46 Eisenberg 2006, S. 66 ff 25 <?page no="26"?> das silbische Prinzip in den meisten das phonografische Prinzip, indem es bestimmte Umsetzungen oder auch Brüche der Graphem-Phonem-Korrespondenz-Regeln verdeutlicht. Das morphologische Prinzip wiederum ist eine Richtschnur, entspricht in der Art also dem phonografischen Prinzip. Es dient dazu, Verwandt schaftsbeziehungen zwischen Wörtern (bspw. Derivata) auf graphischer und graphematischer Ebene zu verdeutlichen. Im Unterschied zum silbischen Prinzip ergänzt es das phonografische Prinzip nicht, sondern steht ihm gegenüber und führt zu von ihm abweichenden Formen. Als Beispiel sei die Schreibung <äu> für den Diphthong / ƆY / angeführt. Die Graphem- Phonem-Korrespondenz-Regel ordnet diesem Laut die Schreibung <eu> zu. Um jedoch Verwandtschaftsbeziehungen wie in <Haus> - <Häuser> besser aufzeigen zu können, wird in diesem und ähnlichen Fällen das morphologische Prinzip über das phonografische Prinzip gesetzt. Das vor allem in der frühen Orthographieschreibung oft vertretene his torische Prinzip hat das Ziel, die Schreibungen des Mittelhochdeutschen zur Grundlage der Rechtschreibung zu machen. Ein bekannter Vertreter dieser Richtung war Jakob Grimm. Im Wesentlichen geht es beim historischen Prinzip um Fragen der Laut-Buchstaben-Zuordnung und um Fragen der graphischen Kennzeichnung der Vokalquantität und -qualität. Der Schreibgebrauch (auch Schreibusus) zieht sich als Schreibprinzip durch alle Jahrhunderte der Orthographieschreibung. Bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts wird der Gebrauch als Richtschnur für die eigene Schreibung genannt. Zu dieser Zeit ist damit meist gemeint, man solle sich an der Schreibung vorbildlicher "Scribenten" orientieren (z. B. Luther). Erst im Laufe der Zeit und mit wachsender Schreibgemeinschaft wird unter Schreibusus immer mehr die Schreibung einer Art von gebildeter Mehrheit verstanden. 47 1.5 Kriterien der Schreibung als Bündel von Eigenschaften Als Kriterium für die Schreibung kann die Beschreibung eines Wortes herangezogen werden. Unter Beschreibung wird hier verstanden, dass ein Wort über eine Beschreibung als relevant betrachteter Eigenschaften bestimmten Klassen zugeordnet wird, wobei die Klassen die Möglichkeiten der Schreibung sind. Das so entstehende Bündel von Eigenschaften bestimmt die Bedingungen, die ein Wort oder ein zu schreibendes Element erfüllen muss, um von einer bestimmten Regel erfasst zu werden. Dies sei kurz an einem Beispiel illustriert: Laut § 55 schreibt man Substantive groß. Die Beschreibung eines Wortes als Substantiv ordnet es also einer Klasse von Wörtern zu, die mit großem Anfangsbuchstaben zu schreiben sind. Laut § 61 schreibt man "Ableitungen von geografischen Eigennamen, die auf -er enden" groß; beispielsweise "Schweizer" in der Wortgruppe "die Schweizer Industrie". Auch dieses Wort wird aufgrund 47 vgl. Moulin 1992, S. 31 ff 26 <?page no="27"?> seiner Beschreibung der Klasse der Wörter zugeordnet, die mit großem Anfangsbuchstaben zu schreiben sind. Eine solche Zuordnung trifft nicht auf "deutsch" zu, da es sich hierbei um die Ableitung eines geografischen Eigennamens, der nicht auf -er endet, handelt. Obwohl eine strukturelle und nach anderen Maßstäben auch übereinstimmende Beschreibung der Wörter "Schweizer" und "deutsch" möglich ist, werden sie innerhalb der Rechtschreibung unterschiedlichen Klassen zugeordnet. Es heißt also "die deutsche Industrie" vs. "die Schweizer Industrie" - obwohl beispielsweise die Beschreibung der beiden Wörter als "adjektivisch gebrauchte Ableitungen von Eigennamen" beide umfasst. Die Kriterien, die über ein Bündel von Eigenschaften bestimmte Wörter bestimmten Klassen zuordnen, bestimmen darüber, welche Beschreibungsmöglichkeiten für die Rechtschreibung für welche Klasse von Belang ist. Auch wenn der Anwender eine andere Beschreibung, ein anderes Bündel von Eigenschaften als angemessener ansieht, bleibt nichts übrig, als die tatsächlich verwendeten Beschreibungen nachzuvollziehen. Eigenschaften von Wörtern sind grundsätzlich ein Thema der Sprach wissenschaft und in vielen Fällen ein Thema der Grammatik. Dies gilt auch für die Eigenschaften, die in Rechtschreibregeln herangezogen werden. Sprachwissenschaftliche und grammatische Einheiten sind zwar durchaus geeignet, Wörter zu beschreiben und so Kriterien für die Schreibweise ganzer Klassen zu bilden; sie haben jedoch den Nachteil, dass nicht immer Ei nigkeit über ihre Definition besteht. Hinzu kommt, dass die Anwender von Rechtschreibregeln normalerweise keine Sprachwissenschaftler sind. Soll ein Regelwerk also für jeden Anwender verständlich sein, lässt sich nur allgemeine Schulbildung, aber keine vertiefte wissenschaftliche Ausbildung voraussetzen. Kriterien der Rechtschreibung können höchstens den Stand der Grammatikforschung inhaltlich widerspiegeln; die Bezeichnungen grammatischer Einheiten müssen sorgfältig gewählt sein, um normal gebildete An wender in die Lage zu versetzen, die Regeln ohne fachliche Vorbildung zu verstehen. 48 Doch selbst dann ist die Anwendung der Regeln problematisch. Selbst wenn die Kriterien bei der Lektüre einer Regel grundsätzlich verstanden werden, so heißt das nicht, dass ein Anwender in der Lage ist, sein spezielles Rechtschreibproblem den Kriterien zuzuordnen, die laut Regelwerk für die Schreibung ausschlaggebend sind. In den Kernbereichen der Rechtschreibung stehen sich widersprüchliche Schreibungen gegenüber: Man kann entweder groß- oder klein-, ge trennt oder zusammen-, mit oder ohne Bindestrich schreiben. Ist ein Anwender unsicher, wie etwas geschrieben wird, fragt er sich zum Beispiel, ob groß -, getrennt oder mit Bindestrich geschrieben wird oder wie die genaue Buchstabenfolge eines Wortes lautet. Er ordnet sein Problem automatisch bestimmten Teilgebieten der Rechtschreibung zu. Innerhalb dieser Teilbereiche hängt die Orientierung jedoch davon ab, ob der 48 eine ausführliche Untersuchung hierzu ist Mayr 2007 27 <?page no="28"?> Anwender sein spezielles Rechtschreibproblem verallgemeinern kann und die so erkannte Sachlage noch dazu in denselben Kategorien beschreibt wie das Regelwerk. Erst dann gelingt es ihm, die Handlungsanweisung herauszufinden, die das Regelwerk für diese Sachlage vorsieht. Es ist die Aufgabe des Regelwerks, eine bestimmte Sachlage so eindeutig wie möglich zu beschreiben. Wie die Auswertung der Kriterienelemente (vgl. Kapitel 5.1.2 ff) zeigen wird, werden hierzu häufig Wortartkategorien verwendet. Doch gerade diese sind nur sehr schwer einheitlich zu definieren. Bereits im zweiten Jahrhundert vor Christus wurden von Dionysios Thrax die ersten Einteilungen von Wörtern nach verschiedenen Kate gorien vorgenommen. Er konzentrierte sich bei dieser Einteilung auf analoge Eigenschaften von Wörtern. 49 "Als analoge Eigenschaften [werden] zunächst solche der Form [...] und der Bedeutung identifiziert [...] wobei die Eigenschaften der Form Flexionseigenschaften und Wortbildungseigenschaften umfassen. Sind solche nicht als analoge Eigenschaften identifizierbar, so werden andere gesucht und im Falle von Präpositionen positionale und im Falle von Adverbien relationale Eigenschaften als kategorienbildend identifiziert". 50 Auch heute noch ist eine solche Einteilung gültig. Markus Hundt stellt "drei Hauptkriterien" fest, nach denen Wortarten eingeteilt werden: das morphologische, das semantische und das syntaktische. 51 Zwar gibt es eine Fülle anderer Modelle der Wortartenklassifikation, keinem davon ist es jedoch gelungen, diese Annäherung an die Fragestellung abzulösen. Doch bleiben die Trennlinien der einzelnen Kategorien unscharf; eine hundertprozentig eindeutige Zuordnung aller Wörter zu einer solchen Kategorie der Wortartenklassifikation ist nicht möglich. Es kommt hinzu, dass diese drei Hauptkriterien zu einer "tendenziell als unwissenschaftlich gescholtenen Mischklassifikation" 52 führen. Die Schwierigkeiten, Wortarten eindeutig zu bestimmen, sind so groß, dass sie unüberwindbar scheinen: "Der Anspruch, Wortarten als eindeutig voneinander abtrennbare Kategorien zu etablieren, die mit Hilfe von notwendigen und hinreichenden Merkmalen definiert werden können, muss scheitern." 53 Dementsprechend wenig trennscharf sind Wortartenkategorien auch als Kriterienelemente in einer Rechtschreibregel. Gleichzeitig ist gerade aufgrund der langen Tradition dieser Einteilungsweise ein gewisses Grundverständnis voraussetzbar, wohingegen andere Modelle der Wortartenklassifikation umständlicher Erläuterungen bedürften, die aufgrund der genannten Schwierigkeiten kaum eindeutigere Ergebnisse erzielten. 49 vgl. Rauh 2000, S. 23 f 50 Rauh 2001, S. 24 51 vgl. Hundt 2000, S. 3 52 Hundt 2000, S. 6 53 Hundt 2000, S. 6 28 <?page no="29"?> 2 Grundlegende Kategorien der Analyse Wie in der Einleitung bereits festgestellt, soll durch diese Untersuchung herausgefunden werden, welche Kriterien die Regeln der "alten" und der "neuen" Rechtschreibung als ausschlaggebend für ihre Anwendung nennen. Darauf aufbauend soll ein Rückschluss auf die Vollständigkeit der Regeln und damit der Anwendbarkeit der Regelwerke gezogen werden. "Alt" bezieht sich dabei auf die "Richtlinien zur Rechtschreibung, Zeichensetzung und Formenlehre" wie sie vor der Rechtschreibreform in ihrer letzten Fassung in Duden Band 1 "Die deutsche Rechtschreibung" verzeichnet sind. "Neu" bezieht sich auf das Regelwerk der reformierten Rechtschreibung, wie es zum 1. August 2006 in Kraft getreten ist. In beiden Regelwerken gibt es Teilregeln, die nicht als solche gekennzeichnet sind. Das alte Regelwerk weist Teilregeln nur mit Aufzählungspunkten aus, wobei jedoch nicht jede Teilregel einen solchen Punkt erhält. Das neue Regelwerk verzichtet teilweise ebenfalls darauf, eindeutig identifizierbare Teilregeln anzugeben. Daher wird zur Kennzeichnung der Regelwerke, Regeln und Teilregeln folgendes System verwendet: Die Regeln des alten Regelwerkes werden mit einem "R" bezeichnet, "R 1" steht also für die erste Regel des alten Regelwerkes. "R 145.1" steht dementsprechend für die erste Teilregel der Regel 145 des alten Regelwerkes. Den Regeln des neuen Regelwerkes steht ein Paragrafenzeichen voran; "§ 1" bezeichnet also die erste Regel des neuen Regelwerkes. "§ 34 E2 (2)" bezeichnet die zweite Teilregel der zweiten Ergänzung (= "E") des Paragrafen 34. 2.1 Die Normalform einer Rechtschreibregel Nicht alle Einträge in den Regelwerken sind Rechtschreibregeln. Es gibt Grundregeln, die lediglich auf ihre Teilregeln verweisen. Solche Einträge sind keine Regeln im Sinne dieser Untersuchung. In der Auswertung werden sie als "Nichtregeln" gesondert ausgewiesen. Eine Rechtschreibregel ist im Sinne dieser Untersuchung nur dann vollständig und anwendbar, wenn ein Schreibender durch sie regelgerecht schreiben kann. Dementsprechend muss sie also zwei Dinge leisten: Sie muss eine eindeutige Schreibweise als Ergebnis ihrer Anwendung bestimmen und sie muss ein Kriterium nennen, wann dieses Ergebnis herbeizuführen ist. Diese Form einer Regel wird für die vorliegende Analyse als Normal form einer anwendbaren Rechtschreibregel angesehen. Fehlt in einer Regel entweder das aussagekräftige Kriterium oder die eindeutige Handlungsan- 29 <?page no="30"?> weisung, so liegt sie nicht in der Normalform vor und gilt als unvollständig und nicht anwendbar. Sowohl Kriterium als auch Handlungsanweisung müssen ausformuliert sein, damit eine Regel in der Normalform vorliegt. Werden Kriterien ledig lich durch Beispiele implizit genannt, ist der Interpretationsspielraum sehr groß, weshalb das Kriterium einer solchen Regel als aussagelos gilt. Ebenso wird bei Handlungsanweisungen verfahren, die nicht ausdrücklich in Worte gefasst sind. Beispiele gelten also nicht als Teil einer Regel. Die Regelwerke präsentieren jeweils eine Anzahl verschiedener Regelformen. Welche dieser Regelformen der oben erläuterten Normalform entsprechen und welche nicht, wird in den folgenden Teilkapiteln näher erläutert. Zuvor werden jedoch die Bestandteile von Regeln, also Kriterien und Handlungsanweisungen, näher beleuchtet. 2.2 Aufbau und Arten von Handlungsanweisungen In den Rechtschreibregeln finden sich sowohl eindeutige als auch uneindeutige Handlungsanweisungen. In vollständigen Regeln fordern eindeutige Handlungsanweisungen eine bestimmte Schreibweise für den Fall, dass die davor genannten Kri terien erfüllt sind. Eindeutige Handlungsanweisungen können auch in Regeln stehen, die keine Kriterien nennen. Wie oben festgestellt, werden diese Regeln als unvollständig angesehen. Die Aussage über eine be stimmte Schreibweise ist im Falle solcher Regeln streng genommen nicht als Handlungsanweisung, sondern eher als Teil einer Zustandsbeschreibung zu sehen. Die Bezeichnung "(eindeutige) Handlungsanweisung" wird jedoch auch in solchen Fällen verwendet, da diese Unterscheidung für die Analyse und Auswertung nicht von Bedeutung ist. In den beiden Regelwerken ist das Spektrum der Handlungsanweisungen erwartungsgemäß nicht sehr groß. Von den zahlreichen Laut-Buchstaben-Zuordnungen abgesehen, bringen die Handlungsanweisungen in Formulierungen wie "... schreibt man groß", "... schreibt man zusammen" zum Ausdruck, ob getrennt, zusammen, klein, groß oder mit Bindestrich geschrieben, oder ob ein Satzzeichen oder ein Trennstrich gesetzt werden soll. 30 Abbildung 2.1: Normalform einer anwendbaren Rechtschreibregel aussagekräftiges Kriterium eindeutige Handlungsanweisung befähigt zur Entscheidung gibt genau eine Schreibweise an + <?page no="31"?> Dies entspricht den Teilgebieten der Rechtschreibung, wie sie für das neue Regelwerk gewählt wurden. Auch das alte Regelwerk beschränkt sich weitgehend auf Handlungsanweisungen aus diesem Bereich, wobei dort jedoch zusätzlich noch Angaben zur Flexion von Wörtern gemacht werden. Allgemeine Aussagen wie "folgt im allgemeinen dem heutigen Schreibgebrauch" (R 145) gelten nicht als Handlungsanweisungen im Sinne dieser Untersuchung. Regeln, die solche Handlungsanweisungen geben, können nicht vollständig sein. Handlungsanweisungen, die Alternativen zulassen, führen zu sogenannten Kann-Bestimmungen, die in Kapitel 2.4.5 näher erläutert werden. 2.3 Aufbau und Arten von Kriterien Wie oben in Abbildung 2.1 gezeigt, nennt eine Rechtschreibregel in der Normalform ein aussagekräftiges Kriterium, das den Schreibenden zur Entscheidung befähigt, ob die Handlungsanweisung umgesetzt werden soll oder nicht. Das aussagekräftige Kriterium kann dabei aus einem einzelnen Kriterium bestehen oder aus mehreren Elementen zusammengesetzt sein. Diese Kriterienelemente sind die Bausteine von aussagekräftigen Kri terien; sowohl ein einzelnes Kriterienelement als auch eine Kombination aus mehreren Kriterienelementen können ein aussagekräftiges Kriterium ergeben. Manche Kriterienelemente kommen ausschließlich in Kombinationen vor, andere können auch als Einzelkriterium verwendet werden. Abbildung 2.2 verdeutlicht den möglichen Aufbau eines aussagekräftigen Kriteriums: Jede der angeführten Möglichkeiten führt zu einem aussagekräftigen Kri terium; die Normalform einer Regel wird auf der Kriterienseite also durch eine Kombination ebenso erfüllt wie durch ein Einzelkriterium. Ein 31 Abb. 2.2: Möglicher Aufbau eines Kriteriums aussagekräftiges Kriterium eindeutige Handlungsanweisung befähigt zur Entscheidung, ob Handlungsanweisung umgesetzt werden soll gibt genau eine Schreibweise an + Kriterienelement 1 Kriterienelement 2 Kriterienelement n Kriterienelement als Einzelkriterium oder <?page no="32"?> Anwender kann aufgrund dieser Kriterien feststellen, was der Fall sein muss, um die Handlungsanweisung umzusetzen. Ein Beispiel für ein aussagekräftiges Einzelkriterium zeigt die folgende Abbildung 2.3: Ein aussagekräftiges Kriterium, das aus mehreren Elementen zusammengesetzt ist, zeigt Abbildung 2.4: Ein aussagekräftiges Kriterium, das aus mehreren Elementen besteht, kann auf verschiedene Weisen in seine Bestandteile zerlegt werden. Zum einen kann jedes feststellbare Element dokumentiert und bezeichnet werden, wobei alle Elemente als gleichbedeutend behandelt werden. Zum anderen ist es möglich, bereits in der Zerlegung zu berücksichtigen, dass verschiedene Elementebenen feststellbar sind. Die folgende Abbildung demons triert am Kriterium des § 2 diese beiden Möglichkeiten: 32 Abbildung 2.3: Aussagekräftiges Einzelkriterium Abbildung 2.4: Aussagekräftiges Kriterium aus mehreren Elementen § 2 Folgt im Wortstamm auf einen betonten kurzen Vokal nur ein einzelner Konsonant, so kennzeichnet man die Kürze des Vokals durch Verdopplung des Konsonantenbuchstabens. aussagekräftiges Kriterium aus mehreren Elementen Handlungsanweisung Substantive schreibt man groß § 55 aussagekräftiges Kriterium Handlungsanweisung <?page no="33"?> Diese Untersuchung folgt der zweiten Möglichkeit, da sie die Schwerpunkte der Kriterien bereits widerspiegelt. Durch diese Schwerpunkte lassen sich die Kriterienelemente in Kernelemente und Einzelelemente unterscheiden. Ein Kernelement ist ein Kriterienelement, das in verschiedenen Variationen auftritt, aber im Kern stets dasselbe Thema hat. Ein Einzelelement hingegen steht für sich allein. Im obigen Beispiel ist Vokal ein Kernelement und im Wortstamm ein Einzelelement. Dieser Vorgehensweise folgt auch die Analyse. Ein Kriterienelement vor einem Doppelpunkt ist dem entsprechend ein Kernelement; was nach dem Doppelpunkt aufgeführt wird, ist die Kontextbestimmung, also die Variation, in der dieses Kernelement auftritt. Nicht aussagekräftige Kriterien hingegen werden nicht näher untersucht; es wird lediglich festgestellt, dass sie einen Anwender nicht in die Lage versetzen, eine Entscheidung zu treffen. Ein Beispiel für ein solches nicht aussagekräftiges Kriterium findet sich in § 14 (s. die folgende Ab bildung). 33 Abbildung 2.5: Möglichkeiten, Kriterienelemente festzustellen Folgt im Wortstamm auf einen betonten kurzen Vokal nur ein einzelner Konsonant Möglichkeit 1 Möglichkeit 2 KE 1 Folgt Wortstamm Betonung Vokal einzeln Konsonant Kürze KE 2 KE 3 KE 4 KE 5 KE 3 KE 7 im Wortstamm Vokal: kurz, betont Konsonant: einzeln, nachstehend KE 1 KE 2 KE 6 Kriterium Abbildung 2.6: Nicht aussagekräftiges Kriterium § 14 In wenigen Wörtern schreibt man ausnahmsweise ä. nicht aussagekräftiges Kriterium Handlungsanweisung <?page no="34"?> 2.4 Aufbau und Arten von Regeln Die Regeln in den Regelwerken sind formal und inhaltlich unterschiedlich aufgebaut. Betrachtet man die Form der präsentierten Regeln, wird deutlich, dass die Abfolge Kriterium + Handlungsanweisung nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist. Die Abweichungen von der Normalform beschränken sich dabei nicht nur darauf, dass das Kriterium einer Regel aus mehreren Elementen gebildet wird. Es gibt auch Regeln, die das ausschlaggebende Kriterium auf eine Grund- und eine Teilregel aufteilen. Außer formalen Unterschieden lassen sich auch inhaltlich unterschiedliche Arten feststellen. In beiden Regelwerken finden sich als anomalistisch zu bezeichnende Regeln ebenso wie solche, die der Auffassung der Analo gisten entsprechen (vgl. S. 10 ff.). So stehen Regeln, die den sogenannten "Schreibgebrauch" beschreiben, anderen Regeln gegenüber, die eine bestimmte Schreibweise erzwingen. Im Folgenden werden die einzelnen Regelarten kurz erläutert. Anschließend wird gezeigt, wie die genannten Unterschiede in der Analyse der Regelwerke berücksichtigt werden. 2.4.1 Einfache Regeln im Kontrast zu komplexen Regeln Eine grundlegende Unterscheidung der in den Regelwerken präsentierten Regeln kann nach der Komplexität vorgenommen werden. Komplexe Regeln entstehen meistens durch komplexe Kriterien. In der vorliegenden Untersuchung werden Regeln nicht auf den Grad ihrer Komplexität hin betrachtet, sondern lediglich in "einfach" und "komplex" eingeteilt. Die in Abbildung 2.7 gezeigte Regel ist in diesem Sinne einfach; sie nennt genau ein aussagekräftiges Kriterium - nämlich "Substantiv" im Sinne von "Gehört das zu schreibende Wort der Wortklasse 'Substantiv' an" - und genau eine eindeutige Handlungsanweisung - also "schreibt man groß" im Sinne von "schreibt man mit einem großen Anfangsbuchstaben". Das folgende Beispiel illustriert hingegen eine komplexe Regel: 34 Abbildung 2.7: einfache Regel Substantive schreibt man groß § 55 aussagekräftiges Kriterium Handlungsanweisung <?page no="35"?> § 61 ist komplex, weil das ausschlaggebende Kriterium aus mehreren Ele menten besteht. Wie in Kapitel 2.3 bereits allgemein dargestellt, ergibt die Kombination solcher Elemente jedoch ein einziges aussagekräftiges Kriterium. Die folgende Abbildung zeigt, in welche Kriterienelemente dieses wiederum zerlegt wird. 2.4.2 Zusammengefasste Regeln Das Regelwerk präsentiert häufig Regeln, die mehrere aussagekräftige Kri terien - komplexe ebenso wie einfache - aneinanderreihen und solcherart zusammengefasst einer Handlungsanweisung zuordnen. Die Grund- und Teilregeln von § 53 illustrieren diese Regelart. 35 Abbildung 2.8: komplexe Regel Abbildung 2.9: komplexes Kriterium Ableitungen von geografischen Eigennamen auf -er schreibt man groß § 61 aussagekräftiges Kriterium Handlungsanweisung § 61 Kriterienelement 4 Ableitungen Kriterienelement 1 geografischen Eigennamen aussagekräftiges Kriterium auf -er von Kriterienelement 2 <?page no="36"?> Die Grundregel nennt Überschrift, Werktitel, Anschrift und Ähnliches als Kriterien. Obwohl alles in einer einzigen Regel präsentiert wird, handelt es sich dabei um eine Zusammenfassung von vier Einzelregeln in Normalform: Schreibt man jede dieser Regeln aus, erhält man die folgenden Regeln, die innerhalb dieser Untersuchung als "Feinregeln" bezeichnet werden: § 53.1 Das erste Wort einer Überschrift schreibt man groß. § 53.2 Das erste Wort eines Werktitels schreibt man groß. § 53.3 Das erste Wort einer Anschrift schreibt man groß. § 53.4 Das erste Wort einer Überschrift, einem Werktitel oder einer Anschrift Ähnlichem schreibt man groß. In der Analyse wird jede Feinregel ausformuliert; in der Analysedarstellung (s. die PDF-Dateien auf der beiliegenden CD-ROM) wird jede ausformulierte Feinregel aufgeführt. 2.4.3 Aufgeteilte Regeln Eine Regelart, die häufig in Kombination mit zusammengefassten Regeln auftritt, ist die der aufgeteilten Regeln. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie sowohl in der Grundals auch in einer Teilregel Kriterien nennt, die insgesamt eine Gesamtregel in Normalform ergeben. Anhand der Grundregel von § 5 wird dies in der folgenden Abbildung verdeutlicht. 36 Abbildung 2.10: zusammengefasste Regel Das erste Wort § 53 Kriterienelement 1 einer Überschrift mehrere Regeln in Normalform eines Werktitels schreibt man groß. jeweils ein Kriterienelement 2 Handlungsanweisung einer Anschrift und dergleichen <?page no="37"?> Die Grundregel ist ohne dazugehörige Teilregeln unvollständig, da die in der Grundregel genannten Kriterienelemente kein aussagekräftiges Kriterium ergeben. Erst in Verbindung mit einer Teilregel entsteht ein aussagekräftiges Kriterium und somit eine Regel in Normalform: 37 Abbildung 2.11: aufgeteilte Regel Abbildung 2.12: aufgeteilte Regel in Normalform (paraphrasiert) In vier Fallgruppen § 5 Kriterienelement 1 den Buchstaben für den einzelnen Konsonanten obwohl Kriterienelement 3 Kriterienelement 5 allgemein der vorausgehende kurze Vokal nicht betont ist. Kriterienelement 2 Kriterienelement 4 Dies betrifft das scharfe (stimmlose) s (1) in Fremdwörtern, zum Beispiel Kriterienelement 5 konkret Kriterienelement 6 verdoppelt man Handlungsanweisung § 5 (1) Kriterienelement 2 verdoppelt man den Buchstaben für obwohl Kriterienelement 3 Handlungsanweisung der vorausgehende kurze Vokal nicht betont ist. Kriterienelement 4 In Fremdwörtern das scharfe (stimmlose) s Kriterienelement 5 Kriterienelement 1 Kriterienelement 6 <?page no="38"?> Das aussagekräftige Kriterium der gesamten Teilregel § 5 (1) besteht also aus 6 Kriterienelementen, wovon vier in der Grundregel und zwei in der Teilregel selbst aufgeführt werden. 2.4.4 Feststellungen im Kontrast zu Vorschriften In den Regelwerken stehen zwei grundlegend verschiedene Arten von Regeln nebeneinander: Feststellungen auf der einen und Vorschriften auf der anderen Seite. Feststellungen kommen dabei oft ohne Kriterien aus, während Vor schriften ein aussagekräftiges Kriterium und eine eindeutige Handlungsanweisung nennen müssen, um umgesetzt werden zu können. Vorschriften liegen also immer in der Normalform vor. Feststellungen der schriftlichen Wiedergabe von Sprache liegen nicht in der Normalform vor. Feststellungen sind nicht anwendbar. Sie können nicht anwendbar sein, da sie eine Anwendung lediglich beschreiben. Ändert sich der Schreibgebrauch, ändert sich damit automatisch auch eine solche Feststellung. Der Unterschied zwischen einer Feststellung und einer Vorschrift liegt dabei in der Form und nicht etwa in der Formulierung der Handlungsanweisung. Der Formulierung nach handelt es sich auch bei § 55 - "Substantive schreibt man groß" - um eine Feststellung. Da jedoch ein aussagekräftiges Kriterium in Kombination mit einer eindeutigen Handlungsanweisung auftritt, wird diese Regel anwendbar und im Kontext eines amtlichen Regelwerkes somit zur Vorschrift. Dies trifft dann auch für eine eher schwache Formulierung der Handlungsanweisung zu, wie sie beispielsweise in R 171 zu finden ist: Bei abgekürzten Parteinamen ist der Schrägstrich üblich geworden, um Fraktionsgemeinschaften o.ä. zu kennzeichnen. Obwohl die Formulierung "ist ... üblich geworden" im eigentlichen Sinne keine Handlungsanweisung darstellt, wird diese Regel im Kontext eines Rechtschreibregelwerks zur Vorschrift, da sowohl ein aussagekräftiges Kriterium als auch eine Handlungsanweisung genannt werden. Da Feststellungen nicht der Normalform entsprechen, gelten sie nicht als Regeln im Sinne dieser Untersuchung. 38 Abbildung 2.13: Feststellung einer Regelhaftigkeit In wenigen Wörtern schreibt man man ausnahmsweise ä § 14 Feststellung des Vorkommens Feststellung der Schreibweise <?page no="39"?> 2.4.5 Kann-Bestimmungen Als Kann-Bestimmungen werden Regeln bezeichnet, die alternative Schreibungen zulassen. Kann-Bestimmungen liegen nicht in der Normalform vor. Im Detail wird diese Unterscheidung anhand von § 76 verdeutlicht: § 76 Bei formelhaften Nebensätzen kann man das Komma weglassen. Die Formulierung als Kann-Bestimmung macht eine Regel unvollständig und nicht anwendbar im Sinne dieser Untersuchung. Kann-Bestimmungen sind auch nicht eindeutig als deskriptive Rechtschreibregeln zu verstehen. Denn sie können sowohl vorschreiben als auch lediglich feststellen, dass zwei unterschiedliche Schreibweisen bei gleichen Kriterien möglich sind. Dem Gedanken der Einheitlichkeit, der grundsätzlich gültig ist, wenn die Rechtschreibung geregelt wird, widersprechen Kann-Bestimmungen auf jeden Fall. Dabei ist es unerheblich, ob sich "einheitlich" in diesem Fall auf die Gemeinschaft der Schreibenden oder auf das System der Recht schreibung bezieht (siehe die Ausführungen in Kapitel 1.3). In beiden Fällen durchbrechen Kann-Bestimmungen die Einheitlichkeit. Im Rahmen dieser Untersuchung werden Kann-Bestimmungen als unvollständige und nicht anwendbare Regeln angesehen, die eine uneindeutige Handlungsanweisung geben. Wird ein Kriterium genannt, gilt dies als aussagekräftig, da davon auszugehen ist, dass alle zugänglichen Kriterien auch genannt werden. Die folgende Abbildung veranschaulicht diese Ein ordnung: Mit den Kann-Bestimmungen verwandt sind Regeln wie die Grundregel § 34, die vor allem im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung zu finden sind. § 34 Partikeln, Adjektive, Substantive oder Verben können als Verbzusatz mit Verben trennbare Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie nur in den Infinitiven, den Partizipien sowie im Nebensatz bei Endstellung des Verbs zusammen. Im Unterschied zu den "normalen" Kann-Bestimmungen wie sie oben erläutert wurden, wird hier keine uneindeutige Handlungsanweisung gegeben. Ein Vergleich zwischen der Grundregel § 34 und den zugehörigen Teilregeln § 34 (1.1) und § 34 (2.1) verdeutlicht dies (s. u. ). 39 Abbildung 2.14: Kann-Bestimmung § 76 Bei formelhaften Nebensätzen kann man das Komma weglassen. aussagekräftiges Kriterium uneindeutige Handlungsanweisung <?page no="40"?> Die Formulierung der Grundregel legt nahe, dass die genannten Kriterien (Partikeln, Adjektive etc.) erst dann aussagekräftig werden, wenn sie um ein entscheidendes Element erweitert werden. Sobald dies der Fall ist, ist die genannte Handlungsanweisung umzusetzen; Zusammensetzungen der genannten Art sind dann also in den Infinitiven, den Partizipien so wie im Nebensatz bei Endstellung des Verbs zusammenzuschreiben. Diese Erwartung wird von Teilregel § 34 (1.1) erfüllt: Dies betrifft (1) Zusammensetzungen mit einer Verbpartikel als erstem Bestandteil. Verbpartikeln sind Bestandteile, die (1.1) formgleich mit Präpositionen sind, zum Beispiel: ab-, an-, auf-, aus-, bei-, durch-, ein- (zur Präposition in-), [...] Die Formulierung der Teilregel § 34 (2.1) zeigt hingegen, dass gerade dann, wenn ein aussagekräftiges Kriterium durch Hinzutreten eines weiteren Elementes erreicht wird, die Schreibung nicht festgelegt ist. (2) Zusammensetzungen mit einem adjektivischen ersten Bestandteil. Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden: (2.1) Es kann zusammenwie auch getrennt geschrieben werden, wenn ein einfaches Adjektiv eine Eigenschaft als Resultat des Verbalvorgangs bezeichnet (sog. resultative Prädikative). Die vollständige Teilregel § 34 (2.1) auf der Grundlage der oben ange führten Grundregel § 34 und der Teilregel § 34 (2) kann wie folgt ausformuliert werden: § 34 (2.1) vollständig: Ein adjektivischer Erstbestandteil [= "Adjektive" in der Grundregel] kann als Verbzusatz mit Verben trennbare Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie nur in den Infinitiven, den Partizipien sowie im Ne bensatz bei Endstellung des Verbs zusammen. Es kann zusammenwie auch getrennt geschrieben werden, wenn ein einfaches Adjektiv eine Eigenschaft als Resultat des Verbalvorgangs bezeichnet (sog. resultative Prädikative). Insgesamt gibt diese Regel das aussagekräftige Kriterium "Ein einfaches Adjektiv, das eine Eigenschaft als Resultat des Verbalvorgangs bezeichnet als Erstbestandteil" an. Ist dieses Kriterium erfüllt, soll die Handlungsanweisung "Es kann zusammenwie auch getrennt geschrieben werden" umgesetzt werden. Diese Handlungsanweisung ist uneindeutig. Teilregel § 34 (2.1) ist also eine "normale" Kann-Bestimmung; die Grundregel § 34 weicht hingegen vom Muster der Kann-Bestimmungen ab. Als Kann-Bestimmungen werden in der Analyse nur diejenigen Regeln bezeichnet, die dem zuerst erläuterten Typ entsprechen, d.h. durch die Formulierung mit "kann" eine uneindeutige Handlungsanweisung geben. Kann-Bestimmungen sind im Sinne dieser Untersuchung Regeln, die dem Anwender die Anweisung geben, dass man in einem bestimmten Fall so oder so schreiben könne. Regeln dieser Art können in zwei gleichermaßen gültige Regeln auf gelöst werden, die sich widersprechen: 40 <?page no="41"?> § 34 (2.1) [...] Es wird zusammengeschrieben, wenn ein einfaches Adjektiv eine Eigenschaft als Resultat des Verbalvorgangs bezeichnet (sog. resultative Prädikative). § 34 (2.1) [...] Es wird getrennt geschrieben, wenn ein einfaches Adjektiv eine Eigenschaft als Resultat des Verbalvorgangs bezeichnet (sog. resultative Prädikative). 41 <?page no="43"?> 3 Vorgehen 3.1 Datenbank "Rechtschreibung" Für die Analyse und Auswertung der beiden Regelwerke bietet sich auf grund der hohen Datenmengen eine relationale Datenbank an. Eine solche kann als Verbund untereinander verknüpfter Tabellen beschrieben werden, die nach Bedarf um zusätzliche Kategorien ergänzt werden können. (Zur Nomenklatur siehe Kapitel 3.2.) Die Datenbank muss zum einen sicherstellen, dass die einzelnen Regeln eindeutig identifiziert werden können. Es muss feststellbar sein, ob sie dem alten oder dem neuen Regelwerk angehören und an welcher Stelle sie in dem jeweiligen Regelwerk genannt werden. Darüber hinaus müssen die in Kapitel 2 dargestellten Kategorien für eine Analyse und anschließende Auswertung berücksichtigt werden. Die Tabellen der Datenbank umfassen also drei grundsätzlich zu unterscheidende Kategorien: 1. Dokumentation der Regelwerke 2. Analyse der Regelwerke 3. Auswertung der Regelwerke Die folgende Abbildung 3.1 erläutert den inhaltlichen Aufbau der Datenbank unter Berücksichtigung dieser drei Kategorien: 43 Abbildung 3.1: Aufbau der Datenbank "Rechtschreibung" Dokumentation Aufbau des Regelwerks Grundregeln Teilregeln Datenbank Rechtschreibung Analyse Auswertung Grundregeln Teilregeln Kriterien Kriterienelemente <?page no="44"?> Bei der obigen Darstellung ist zu beachten, dass sich alle Punkte je weils sowohl auf das alte als auch auf das neue Regelwerk beziehen. Für beide Re gelwerke gilt also, dass der Aufbau, die Grundregeln und die Teilregeln explizit erfasst und Regel für Regel auf die darin genannten Kriterien analysiert werden. Im Nachstehenden wird gezeigt, welche Tabellen für die einzelnen Punkte angelegt werden. Da die Regelwerke sich in ihrer Struktur unter scheiden, sind auch für die Datenbank teilweise unterschiedliche Tabellen erforderlich. 3.1.1 Kategorie 1 (Dokumentation): Aufbau des Regelwerks Der Aufbau der einzelnen Regelwerke wird durch diese Tabellen wider gespiegelt. Die Verbindungen zwischen diesen und den folgenden Tabellen sind so angelegt, dass die Inhalte der Tabellen mit den richtigen Überschriften versehen in der richtigen Reihenfolge ausgedruckt werden können. Neues Regelwerk Altes Regelwerk Überschriften Überschriften 1 Vorbemerkungen Überschriften 2 Teilgebiete Vorbemerkungen Titel Stichworte Unterzeichner 3.1.2 Kategorie 1 (Dokumentation): Regeln Diese Tabellen stellen sicher, dass jede Grund- und jede Teilregel eindeutig identifizierbar ist. Für beide Regelwerke ist die Tabelle Teilregel mit der Tabelle Grundregel verknüpft, sodass sie in der richtigen Reihenfolge ausge druckt werden können. Neues Regelwerk Altes Regelwerk Grundregeln Grundregeln Teilregeln Teilregeln 3.1.3 Kategorie 2 (Analyse): Regeln In diesen Tabellen wird die Analyse der einzelnen Regeln dokumentiert. Jede Analysetabelle ist mit der entsprechenden Regeltabelle verknüpft. Neues Regelwerk Altes Regelwerk Analyse Grundregeln Analyse Grundregeln 44 <?page no="45"?> Neues Regelwerk Altes Regelwerk Analyse Teilregeln Analyse Teilregeln 3.1.4 Kategorie 3 (Auswertung): Regeln In der Tabelle Kriterien werden die aus den Grund- und Teilregeln isolierten Kriterien dokumentiert. Diese Tabelle wird der dritten Kategorie zugerechnet, da sie bereits eine erste qualitative Auswertung der Regelanalyse darstellt. Sie ist mit den Tabellen Grundregeln und Teilregeln der Regelwerke verknüpft. Die Tabelle Kriterienelemente dient der weiteren qualitativen Auswertung der Kriterien. Sie ist mit der Tabelle Kriterien verknüpft, sodass sich zurückverfolgen lässt, welche Kriterien die Grundlage für ein bestimmtes Kriterienelement bilden. Neues Regelwerk Altes Regelwerk Kriterien [Die Kriterien werden zentral in einer Tabelle erfasst, wobei vermerkt wird, ob ein Kriterium dem alten, dem neuen oder beiden Regelwerken zuzuordnen ist.] Kriterienelemente [auch die Kriterienelemente werden zentral erfasst] 3.2 Erläuterung der Datenbank Im Folgenden werden anhand eines Ausschnitts aus der Tabelle Grundregeln die wichtigsten Ausdrücke erläutert, die in Zusammenhang mit einer Datenbank verwendet werden. Im Anschluss daran werden einzelne Tabellen der Datenbank exemplarisch näher dargestellt. Die Spaltenüberschriften einer Datenbanktabelle werden "Feldbezeich nungen" genannt. Für jedes Feld kann festgelegt werden, ob Zahlen oder Buchstaben oder beides eingetragen werden können. Feldbezeichnungen für die Tabelle Grundregeln sind beispielsweise: ID_GR ID_UE Paragraphennummer Grundregeltext 2 13 § 2 Folgt im Wortstamm auf einen betonten kurzen Vokal nur ein einzelner Konosonant , so [...] Einen Eintrag in ein Datenbankfeld nennt man Wert. Der Wert des oben aufgeführten Feldes Paragraphennummer ist also "§ 2". Die Zeile einer solchen Tabelle wird schließlich Datensatz genannt. Ein Datensatz wird also durch die Werte gebildet die in den Feldern einer Zeile stehen. 45 <?page no="46"?> Die folgenden Übersichten erläutern exemplarisch den Aufbau der Tabellen Grundregeln und Teilregeln im Detail. Links steht die Feldbezeichnung, rechts davon wird erklärt, wozu dieses Feld dient. Die beiden Tabellen beziehen sich auf das neue Regelwerk. Beide Tabellen dienen, wie oben gezeigt, der Dokumentation der Regeln; es wird also die im Regelwerk vergebene Bezeichnung einer Regel (z. B. die Paragrafennummer) ebenso hier eingetragen wie der Regeltext selbst und weitere Elemente, die im Regelwerk unter einer bestimmten Regel aufgeführt werden. 3.2.1 Tabelle Grundregeln ID_GR Steht für "Identität des Eintrages in der Tabelle Grundregeln". Die Werte dieses Feldes werden automatisch erzeugt. Jeder einzelne Datensatz erhält dadurch eine eindeutige Kennzahl. ID_UE Steht für "Identität des Eintrages in der Tabelle Überschriften". Der hier eingetragene Wert ordnet dem entsprechenden Datensatz dieser Tabelle einen Datensatz der Tabelle Überschriften zu. Die Grundregeln können also nach Überschriften geordnet oder ausgewertet werden. Darüber hinaus erlaubt diese Verknüpfüng die Zuordnung der einzelnen Grundregeln zu den Teilgebieten der Rechtschreibung, da die Tabelle Überschriften ihrerseits mit der Tabelle Teilgebiete verknüpft ist. Sortierung Der Wert in dieser Spalte ermöglicht eine manuelle Sortierung. Da der "ID"-Wert jedes Datensatzes automatisch vergeben wird, ist ein Sortierwert sinnvoll, um nachträglich eingetragene Datensätze an die richtige Stelle sortieren zu lassen. Paragrafennr. Hier wird die Nummer des Paragrafen vermerkt. Grundregeltext Hier wird der Grundregeltext eingetragen. Zusatztext Text, der weder direkt zur Regel noch zu den Beispielen gehört, wird hier eingetragen. Einleitung- Beispiele Werden die Beispiele mit einem Text eingeleitet (wie "zum Beispiel" o. Ä.), wird dies hier vermerkt. Beispiele Alle aufgeführten Beispiele werden hier vermerkt. Verweise Verweise werden hier eingetragen. 46 <?page no="47"?> 3.2.2 Tabelle Teilregeln ID_TR Steht für "Identität des Eintrages in der Tabelle Teilregeln". Die Werte dieses Feldes werden automatisch erzeugt. Jeder einzelne Datensatz erhält dadurch eine eindeutige Kennzahl. ID_GR Steht für "Identität des Eintrages in der Tabelle Grundregeln". Der hier eingetragene Wert ordnet dem entsprechenden Datensatz dieser Tabelle einen Datensatz der Tabelle Grundregeln (s. dort) zu. Die Teilregeln können also nach Grundregeln geordnet oder ausgewertet werden. Sortierung Der Wert in dieser Spalte ermöglicht eine manuelle Sortierung. Da der "ID"-Wert jedes Datensatzes automatisch vergeben wird, ist ein Sortierwert sinnvoll, um nachträglich eingetragene Datensätze an die richtige Stelle sortieren zu lassen. Meine Bezeichnung Manche Teilregeln werden in den Regelwerken nicht mit einer ausdrücklichen Bezeichnung versehen. Diesen Regeln wird in diesem Feld eine eindeutige Bezeichnung gegeben. Ausgewiesene Bezeichnung Hier wird die Bezeichnung der Teilregel vermerkt, wie sie im Regelwerk angegeben ist. Teilregeltext Dieses Feld führt den Text einer einzelnen Teilregel auf. Zusatztext Text, der weder direkt zur Regel noch zu den Beispielen gehört, wird hier eingetragen. Einleitung- Beispiele Werden die Beispiele mit einem Text eingeleitet (wie "zum Beispiel" o. Ä.), wird dies hier vermerkt. Beispiele Alle für eine Regel aufgeführten Beispiele werden hier vermerkt. Verweise Verweist eine Regel auf andere Regeln, wird der Verweis hier eingetragen. Die Tabellen Grundregeln und Teilregeln für das alte Regelwerk weisen grundsätzlich dieselbe Struktur auf. Leichte Abweichungen ergeben sich dadurch, dass die beiden Regelwerke unterschiedlich aufgebaut sind. In den Tabellen für das alte Regelwerk ist eine Verknüpfung zur Tabelle Teilgebiete angelegt. Auf diese Weise können auch die Grund- und Teilregeln des alten Regelwerks den Teilgebieten der Rechtschreibung zugeordnet werden. 47 <?page no="48"?> Die Ergebnisse der Analyse werden in den Tabellen "Analyse Grund regeln" und "Analyse Teilregeln" festgehalten. 3.2.3 Tabelle Analyse Grundregeln ID_AG Steht für "Identität des Eintrages in der Tabelle Analyse Grundregeln". Die Werte dieses Feldes werden automatisch erzeugt und vergeben so eine eindeutige Bezeichnung für jeden einzelnen Datensatz der Tabelle. ID_GR Steht für "Identität des Eintrages in der Tabelle Grundregeln". Der hier eingetragene Wert ordnet dem entsprechenden Datensatz dieser Tabelle einen Datensatz der Tabelle Grundregeln (s. dort) zu. Die Teilregeln können also nach Grundregeln geordnet oder ausgewertet werden. Anmerkung In diesem Feld wird die Analyse der entsprechenden Teilregel erläutert. Vollständigkeit In diesem Feld wird festgehalten, ob eine Regel vollständig ist oder nicht. Es können ausschließlich die Werte ja oder nein eingetragen werden (= sogenanntes "ja/ nein"-Feld). Eindeutige Handlungsanweisung Ist ebenfalls ein "ja/ nein"-Feld und dokumentiert, ob die entsprechende Regel eine eindeutige Handlungsanweisung nennt. Nichteindeutige Handlungsanweisung Ist ebenfalls ein "ja/ nein"-Feld und dokumentiert, ob die entsprechende Regel eine nichteindeutige Handlungsanweisung nennt. Vor allem Kann- Bestimmungen können durch diese Angaben identifiziert werden. Aussagekräftiges Kriterium In diesem Feld wird festgehalten, ob die entsprechende Teilregel ein aussagekräftiges Kriterium nennt. Anzahl der vollständigen Feinregeln In diesem Feld wird festgehalten, wie viele vollständige Feinregeln eine Regel nennt, die mehrere Regeln zusammenfasst. Anzahl der unvollständigen Feinregeln In diesem Feld wird festgehalten, wie viele unvollständige Feinregeln eine Regel nennt, die mehrere Regeln zusammenfasst. 48 <?page no="49"?> Die Analysetabellen für die Teilregeln und die Regeln des alten Regelwerkes unterscheiden sich nur in den Identifikationsfeldern. Die im Folgenden dargestellten regelwerksübergreifenden Tabellen Kriterien und Kriterienelemente und die dazugehörige Verknüpfungstabelle dienen der weitergehenden Analyse der aus den Regeln isolierten Kriterien. 3.2.4 Tabelle Kriterien ID_KR Steht für "Identität des Eintrages in der Tabelle Kriterien". Die Werte dieses Feldes werden automatisch erzeugt und vergeben so eine eindeutige Bezeichnung für jeden einzelnen Datensatz der Tabelle. Kriterium In diesem Feld werden die Kriterien dokumentiert, die aus den Regeln isoliert werden. 3.2.5 Tabelle Kriterienelemente ID_KE Steht für "Identität des Eintrages in der Tabelle Kriterienelemente". Die Werte dieses Feldes werden automatisch erzeugt und vergeben so eine eindeutige Bezeichnung für jeden einzelnen Datensatz der Tabelle. Kriterienelement In diesem Feld werden die Kriterienelemente festgehalten, die aus der Tabelle Kriterien isoliert werden (zu Kriterien und Kriterienelementen vgl. Kapitel 2.3). Kernelement Dieses Feld ist ein "ja/ nein"-Feld. Ein ja markiert das entsprechende Kriterienelement als Kernelement (zu Kernelementen vgl. Kapitel 2.3) Einzelelement Dieses Feld ist ein "ja/ nein"-Feld. Ein ja markiert das entsprechende Kriterienelement als Einzelelement (zu Einzelelementen vgl. Kapitel 2.3) Im folgenden Teilkapitel wird erläutert, wie die hier dargestellte Datenbank für die einzelnen Analyseschritte eingesetzt werden. 3.3 Analyseschritte Im Folgenden wird beschrieben, in welchen Schritten die Analyse der Regelwerke erfolgt und welche Ergebnisse durch die einzelnen Schritte erzeugt werden. Grundsätzlich liefern die Regelwerksanalysen Daten zu den folgenden Punkten: 49 <?page no="50"?> ⎼ Anzahl der Nichtregeln (vgl. Kapitel 2.1) ⎼ Anzahl der Regeln inklusive "Feinregeln". (vgl. Kapitel 2.4.2) 54 ⎼ Anzahl der vollständigen bzw. unvollständigen Regeln (vgl. Kapitel 2.1) ⎼ Anzahl und Art der in den Regeln genannten Kriterien (vgl. Kapitel 2.3) ⎼ Verteilung der oben genannten Punkte auf die Teilgebiete der Rechtschreibung Diese Ergebnisse liegen nach der Analyse gleichermaßen für das alte wie für das neue Regelwerk vor. Es ist also möglich, die einzelnen Punkte di rekt miteinander zu vergleichen und so Aussagen über die Unterschie de zwischen den beiden Regelwerken zu treffen. Im Folgenden werden die einzelnen Analyseschritte zuerst in einem Überblick zusammengefasst. Detailliertere Beschreibungen der einzelnen Schritte folgen im Anschluss daran. 3.3.1 Analyseschritte im Überblick ⎼ Herstellen der Normalform ⎼ Ist dies nicht möglich, wird die Regel als Nichtregel markiert ⎼ Handelt es sich um eine zusammengefasste Regel, wird jede Regel für sich in die Normalform gebracht und als Feinregel explizit in den Anmerkungen zur Analyse aufgeführt. ⎼ Handelt es sich um eine aufgeteilte Regel, also eine Regel, deren Kriterium oder Handlungsanweisung auf mehrere Regeln aufgeteilt ist, wird die Regel in der Normalform explizit in den Anmerkungen zur Analyse aufgeführt. ⎼ Vollständigkeitsanalyse ⎼ Es wird geprüft, ob das Kriterium aussagekräftig oder nicht aussagkräftig ist; das Ergebnis wird dokumentiert. ⎼ Die Handlungsanweisung wird darauf geprüft, ob sie eindeutig oder uneindeutig ist; das Ergebnis dieser Prüfung wird dokumentiert. ⎼ Die Vollständigkeit bzw. Unvollständigkeit wird festgestellt. ⎼ Ist das Kriterium aussagekräftig und die Handlungsanweisung eindeutig, wird die Regel als vollständig, In allen anderen Fällen wird sie als unvollständig markiert. ⎼ Dokumentation der Feinregeln ⎼ Handelt es sich um eine zusammengefasste Regel, wird für jede Feinregel festgestellt, ob sie unvollständig oder vollständig ist. Die Anzahl der vollständigen bzw. unvollständigen Feinregeln wird vermerkt. 54 Eine weitere Darstellung zur Anzahl der Regeln mitsamt Unterregeln, Spezifikationen, Verweisen und weiteren Feinheiten findet sich in Veith (1997); dort wird allerdings auf eine Erläuterung der einzelnen Kategorien verzichtet. 50 <?page no="51"?> ⎼ Dokumentation der aussagekräftigen Kriterien jeder Feinregel ⎼ Untersuchung der gesammelten Kriterien auf gemeinsame Elemente hin ⎼ Dabei werden Kernelemente herausgearbeitet. Die Grundlage der einzelnen Analyseschritte bildet die in Kapitel 3.2 beschriebene Datenbank. Vor der Analyse wurden die Regelwerke wie in den Erläuterungen beschrieben in den entsprechenden Tabellen Grundregeln und Teilregeln erfasst. Dabei wurden Teilregeln, die in den Regelwerken nicht eindeutig bezeichnet sind, mit einer eindeutigen Bezeichnung versehen. Am Beispiel der ersten Regel des alten Regelwerkes wird erläutert, wie in solchen Fällen verfahren wurde. R 1 Nach Abkürzungen, bei denen statt der Abkürzung der volle Wortlaut gesprochen wird, steht ein Punkt. [...] Das gilt auch für Abkürzungen von Zahlwörtern und für fremdsprachige Abkürzungen im deutschen Text. [...] • Kein Punkt steht nach Abkürzungen der metrischen Maße und Gewichte, der Einheiten in Naturwissenschaft und Technik, der Himmelsrichtungen und der meisten Währungen. Die Grundregel trägt als einzige Regel eine eindeutige Bezeichnung. Diese wird auch in der Datenbank beibehalten. Die beiden hier aufgeführten Teilregeln werden gleich behandelt und jeweils mit einer eindeutigen Bezeichnung versehen. Die Nomenklatur folgt dabei den Gliederungsangaben mit Ziffern. In der Datenbank sind die beiden Teilregeln also wie folgt bezeich net: R 1.1 Das gilt auch für Abkürzungen von [...] [...] R 1.3 Kein Punkt steht nach Abkürzungen der [...] Auf dieser Grundlage wird in der Analyse jede einzelne Teilregel auf die eingangs genannten Punkte untersucht. 3.3.2 Analyseschritte im Einzelnen Wie in Kapitel 2.1 festgestellt wurde, können Vollständigkeit und Anwendbarkeit einer Regel erst beurteilt werden, wenn sie in der Normalform vorliegt. Der erste Schritt in der Analyse besteht daher darin, eine zu untersuchende Teilregel in die Normalform zu bringen. Dabei sind die Unterschiede im Aufbau einer Regel zu berücksichtigen, wie in Kapitel 2.4 dargestellt wurde. Vor allem die dort erwähnten zusammengefassten Regeln müssen in einzelne Regeln zerlegt und anschließend darauf geprüft werden, ob sie der Normalform entsprechen oder nicht. Jede einzelne Regel wird in den Anmerkungen zur Analyse explizit aufgeführt. Aufgeteilte Regeln, deren Kriterium oder Handlungsanweisung auf mehrere Regeln verteilt ist, werden ebenfalls explizit in der Normalform aufgeführt. 51 <?page no="52"?> Kann eine Regel nicht in der Normalform dargestellt werden, so ist sie keine Regel im Sinne dieser Untersuchung und wird entsprechend markiert. Sobald eine Regel in die Normalform gebracht oder als Nichtregel identifiziert wurde, wird eine Vollständigkeitsanalyse durchgeführt. Die beiden Faktoren Kriterium und Handlungsanweisung, von denen die Vollständigkeit abhängt, werden einzeln überprüft. Es wird dokumentiert, ob die Regel ein aussagekräftiges Kriterium, eine eindeutige Handlungsanweisung oder eine uneindeutige Handlungsanweisung nennt. Im Anschluss wird festgehalten, ob die Regel als vollständig, unvollständig oder als Nichtregel eingestuft wird. Insgesamt ergeben sich so fünf Möglichkeiten, da es bei den unvollständigen Regeln drei unterschiedliche Arten gibt. Alle fünf Möglichkeiten werden im Folgenden kurz erläutert. 3.3.2.1 Möglichkeit 1: Nichtregel Nennt der zu untersuchende Regeltext weder ein aussagekräftiges Krite rium noch eine eindeutige Handlungsanweisung und auch keine uneindeutige Handlungsanweisung, so wird in jedes Feld der Vollständig keitstabelle ein "nein" eingetragen: Vollständig aussagekräftiges Kriterium eindeutige Handlungsanweisung uneindeutige Handlungsanweisung nein nein nein nein Es handelt sich hierbei also um eine Nichtregel, da keines der eine Regel konstituierenden Elemente genannt wird. 3.3.2.2 Möglichkeit 2: Vollständige Regel Bei einer vollständigen Regel wird hingegen lediglich der Faktor Uneindeutige Handlungsanweisung mit "nein" gekennzeichnet. Die untersuchte Regel gibt also eine eindeutige Handlungsanweisung und nennt ein aussagekräftiges Kriterium zu ihrer Umsetzung. Vollständig aussagekräftiges Kriterium eindeutige Handlungsanweisung uneindeutige Handlungsanweisung ja ja ja nein 3.3.2.3 Möglichkeit 3: Unvollständige Regel, Fall 1 Nennt eine Regel kein aussagekräftiges Kriterium, aber eine eindeutige Handlungs anweisung, ist sie unvollständig, da über die Umsetzung der Handlungsanweisung nicht entschieden werden kann. 52 <?page no="53"?> Vollständig aussagekräftiges Kriterium eindeutige Handlungsanweisung uneindeutige Handlungsanweisung nein nein ja nein 3.3.2.4 Möglichkeit 4: Unvollständige Regel, Fall 2 Nennt eine Regel kein aussagekräftiges Kriterium und eine uneindeutige Handlungsanweisung, ist sie unvollständig. Dass eine Regel mit dieser Kombination an Vollständigkeitsfaktoren doppelt unvollständig ist, spielt für die Anwendbarkeit eine vernachlässigbare Rolle. Vollständig aussagekräftiges Kriterium eindeutige Handlungsanweisung uneindeutige Handlungsanweisung nein nein nein ja 3.3.2.5 Möglichkeit 5: Unvollständige Regel, Fall 3 Nennt eine Regel ein aussagekräftiges Kriterium, gibt aber eine uneindeu tige Handlungsanweisung, ist sie unvollständig. Vollständig aussagekräftiges Kriterium eindeutige Handlungsanweisung uneindeutige Handlungsanweisung nein ja nein ja Bei zusammengefassten Regeln wird im Anschluss an die Vollständigkeitsanalyse vermerkt, wie viele vollständige und wie viele unvollständige Feinregeln für die zu untersuchende Regel festgestellt wurden. In einem letzten Schritt wird das aussagekräftige Kriterium der zu untersuchenden Regel aus der Normalform isoliert und für die zu un tersuchende Regel ausdrücklich aufgeführt. Handelt es sich um eine zusammengefasste Regel, werden alle aussagekräftigen Kriterien so dokumentiert. Die Kriterien werden wie oben gezeigt in einer eigenen Tabelle erfasst und nach Abschluss der Analyse aller Grund- und Teilregeln sowohl des alten als auch des neuen Regelwerkes auf gemeinsame Elemente geprüft. 53 <?page no="55"?> 4 Exemplarische Analysedarstellung Die Gesamtdarstellung der Analyse umfasst über 500 Seiten, die sich beinahe gleich auf die beiden Regelwerke verteilen. Sie bildet die wahrnehmbare Repräsentation des Herzstückes dieser Arbeit, nämlich der Datenbank, in der der gesamte Regeltext beider Regelwerke dokumentiert und auf ange messen ausführliche Weise analysiert, interpretiert und bewertet wird. Der beiliegende Datenträger enthält die Darstellungen dieser Schritte im Form zweier PDF-Dateien mit jeweils eigenem Inhaltsverzeichnis. Beide Inhaltsverzeichnisse finden sich auch in diesem Band zu Beginn abgedruckt. Aufgrund des Umfangs der Gesamtdarstellung werden hier nur exemplarisch die Analysedarstellungen mehrerer Regeln aufgeführt. Dabei werden die wichtigsten Analysekategorien berücksichtigt: es werden Nichtregeln, vollständige und unvollständige Regeln und zusammengefasste und aufgeteilte Regeln aufgeführt (Näheres zu den Kategorien vgl. Kapitel 2). In der Analysedarstellung im Anhang werden die Informationen aus den in Kapitel 3.2 erläuterten Tabellen der Datenbank zusammengeführt. Hierfür werden nur die für die Darstellung relevanten Felder übernommen; alle Felder, die der datenbankinternen Organisation dienen, also beispielsweise Identitätsfelder, die die Grundlage der Verknüpfung mehrerer Tabellen sind, werden in der Analysedarstellung nicht aufgeführt. Welche Felder für die Darstellung im Einzelnen relevant sind, wird, bezogen auf die im vorangegangenen Kapitel aufgeführten Tabellen, im Folgenden durch graue Hinterlegung angezeigt. Für die Erläuterung der exemplarischen Analysedarstellungen werden für alle relevanten Felder eindeutige Bezeichnungen vergeben. Die Ausführungen aus Kapitel 3.3 werden hier nun aus Sicht des Endprodukts, also der Analysedarstellung wieder aufgegriffen und entsprechend als Erläuterung herangezogen. Zunächst werden die Tabellen Grundregeln, Analyse und Kriterien näher betrachtet. 55 <?page no="56"?> 4.1 Tabelle Grundregeln Bezeichnung für Erläuterung der Analysedarstellung Datenfeldbezeichnung innerhalb der Datenbank Erläuterung ID_GR (s. Kapitel 3.2) ID_UE (s. Kapitel 3.2) Sortierung (s. Kapitel 3.2) Regeldokumentation für Grundregeln Feld 1 Paragrafennummer Aus diesem Feld wird die Paragrafennummer in die Analysedarstellung übernommen. Regeldokumentation für Grundregeln Feld 2 Grundregeltext Aus diesem Feld wird der Grundregeltext in die Analysedarstellung übernommen. Zusatztext (s. Kapitel 3.2) EinleitungBeispiele (s. Kapitel 3.2) Regeldokumentation für Grundregeln Feld 3 Beispiele Alle für eine Regel aufgeführten Beispiele werden aus diesem Feld übernommen. Regeldokumentation für Grundregeln Feld 4 Verweise Verweist eine Regel auf andere Regeln, wird der Verweis aus diesem Feld in die Analysedarstellung übernommen. Aus der Tabelle, die der Dokumentation der Grundregeln dient, werden wie in der Spalte "Erläuterung" angemerkt, die Paragrafennummer, der Text der Grundregel, alle Beispiele und alle Verweise in die Analyse darstellung übernommen. Im Anschluss daran werden Informationen aus der Tabelle Analyse Grundregeln aufgeführt. Für die Analysedarstellung relevant sind die Felder Vollständigkeit, Eindeutige Handlungsanweisung, Nichteindeutige Handlungsanweisung, Aussagekräftiges Kriterium, Anmerkung, Anzahl der vollständigen Feinregeln, Anzahl der unvollständigen Feinregeln. Auf dieser Grundlage können also alle Analyseschritte nachvollzogen werden (vgl. die Erläuterungen in der folgenden Tabelle und in Kapitel 3.2). 56 <?page no="57"?> 4.2 Tabelle Analyse Grundregeln Bezeichnung für Erläuterung der Analysedarstellung Datenfeldbezeichnung innerhalb der Datenbank Erläuterung ID_AG (s. Kapitel 3.2) ID_GR (s. Kapitel 3.2) Analyse Feld 1 Anmerkung Alle notwendigen qualitativen und interpretatorischen Aussagen über eine Regel werden aus diesem Feld in die Analysedarstellung übernommen. Analyse Feld 2 Vollständigkeit Aus diesem Feld wird der "ja/ nein"-Wert hinsichtlich der Vollständigkeit einer Regel auf Grundlage der Begründung im Feld Anmerkung übernommen. Analyse Feld 3 Eindeutige Handlungsanweisung Aus diesem "ja/ nein"-Feld wird in die Analysedarstellung übernommen, ob die entsprechende Regel eine eindeutige Handlungsanweisung nennt. Analyse Feld 4 Nichteindeutige Handlungsanweisung Aus diesem "ja/ nein"-Feld wird in die Analysedarstellung übernommen, ob die entsprechende Regel eine nichteindeutige Handlungsanweisung nennt. Vor allem Kann-Bestimmungen können durch diese Angaben identifiziert werden. Analyse Feld 5 Aussagekräftiges Kriterium Aus diesem Feld wird übernommen, ob die entsprechende Teilregel ein aussagekräftiges Kriterium nennt. 57 <?page no="58"?> Analyse Feld 6 Anzahl der vollständigen Feinregeln Aus diesem Feld wird übernommen, wie viele vollständige Feinregeln eine Regel nennt, die mehrere Regeln zusammenfasst. Analyse Feld 7 Anzahl der unvollständigen Feinregeln Aus diesem Feld wird übernommen, wie viele unvollständige Feinregeln eine Regel nennt, die mehrere Regeln zusammenfasst. 4.3 Tabelle Kriterien Vervollständigt wird die Analysedarstellung durch die Dokumentation des im vorangegangenen Schritt isolierten Kriteriums bzw. der isolierten Kriterien, falls es sich um mehrere handelt. Bezeichnung für Erläuterung der Analysedarstellung Datenfeldbezeichnung innerhalb der Datenbank Erläuterung ID_KR (s. Kapitel 3.2) Dokumentation der isolierten Kritieren Kriterium Aus diesem Feld werden die Kriterien in die Analysedarstellung übernommen, die aus den Regeln isoliert werden. In den folgenden Beispielen wird zuerst die Analysedarstellung zu § 1 des neuen Regelwerks erläutert. Über den einzelnen Feldern stehen die gerade aufgeführten Bezeichnungen. Die folgende Abbildung 4.1 zeigt einen Ausschnitte aus Paragraf 1 des neuen Regelwerks. 58 <?page no="59"?> Die Präsentation des Regeltextes wird als Grundlage dafür genommen, was von den Verfassern des Regelwerks als Regel intendiert ist. Wie Abbildung 4.1 zu entnehmen ist, steht direkt neben der Angabe "§ 1" in einem Kasten ein Text, der aufgrund dieser Position als Regeltext verstanden werden soll. Der Zusatztext unter dem Kasten - "Besondere Zuordnungen werden in den sich anschließenden Abschnitten behandelt" - wird in die Datenbank aufgenommen (vgl. Kapitel 3.2); in die Analysedarstellung findet er jedoch nur dann Eingang, wenn er wider Erwarten die angeführten Re geln inhaltlich beeinflussen sollte. Wider Erwarten deshalb, weil die Zusatztexte dieser Art innerhalb des Regelwerks eine eher textstrukturierende Aufgabe erfüllen. Unterhalb des Zusatztextes findet sich Text, der durch die Teil überschrift "(1) Kurze einfache Vokale" als der Grundregel zugehörig an zusehen ist. Unterhalb dieser Teilüberschrift findet sich weiterer Text, der daraufhin untersucht werden muss, ob es sich um Regeln im Sinne dieser Analyse handelt. Das Ergebnis dieser Untersuchung wird in die Analysedarstellung aufgenommen. In den folgenden Abschnitten des § 1 wiederholt sich der zuletzt dargestellte Aufbau, es folgen noch zwei Teilüberschriften und jeweil dazugehöriger Text. 59 Abbildung 4.1: Paragraf 1 des neuen Regelwerks <?page no="60"?> In der Analysedarstellung wird, wie oben anhand der einzelnen Tabellen gezeigt, für jede Grund- und jede Teilregel gezeigt, welcher Text un tersucht wird und wie er hinsichtlich der Fragestellung bewertet wird. Dies wird im Folgenden anhand mehrer Beispiele erläutert. In der Schriftart "Arial" sind dabei Zitate aus der Gesamtanalysedarstellung. Die Erläuterungen sind normal gedruckt. Zunächst werden die regelidentifizierenden Angaben aus der Tabelle übernommen, die der Regeldokumentation dient, in diesem Fall aus der Tabelle Grundregeln. Die Felder 1 und 2 der Regeldokumentation enthalten die Bezeichnung der Regel laut Regelwerk und den hierzu angegebenen Text. Alle Re geln, die einen Paragraphen eröffnen, werden als Grundregeln angesehen. Da zur Grundregel des Paragrafen 1 weder Beispiele noch Verweise genannt werden, findet sich in den Feldern 3 und 4 der Regeldokumentation ein entsprechender Vermerk in Klammern. Die Regel ist damit in der Darstellung vollständig nachvollziehbar, wodurch auch der inhaltliche Anschluss der darauf folgenden Analysefelder gewährleistet ist. Regeldokumentation für Grundregeln Feld 1: Grundregel: § 1 Regeldokumentation für Grundregeln Feld 2: Grundregeltext Als grundlegend im Sinne dieser orthographischen Regelung gelten die folgenden Laut-Buchstaben-Zuordnungen. Regeldokumentation für Grundregeln Feld 3: [Die Regel umfasst keine Beispiele.] Regeldokumentation für Grundregeln Feld 4: [Die Regel umfasst keine Verweise.] Wie in Kapitel 3.3.1 erläutert, wird der gesamte Regeltext in verschiedenen Schritten für die Kriterienanalyse fruchtbar gemacht: ⎼ Herstellen der Normalform ( siehe Analyse Feld 1) ⎼ Vollständigkeitsanalyse (siehe Analyse Feld 2 bis Analyse Feld 5) ⎼ Die Anzahl der Feinregeln wird festgestellt und dokumentiert (siehe Analyse Feld 6 und Analyse Feld 7) ⎼ Die aussagekräftigen Kriterien jeder Feinregel werden isoliert und einzeln dokumentiert (siehe Dokumentation der isolierten Kriterien) Analyse Feld 1 Da die Grundregel des § 1 nicht direkt die Rechtschreibung regelt, wird sie gemäß den Ausführungen in Kapitel 2 als Nichtregel eingestuft. Als eine 60 <?page no="61"?> solche kann sie nicht in die Normalform gebracht werden. Dies wird in Feld 1 dokumentiert und gegebenenfalls begründet. Anmerkung § 1 ist keine Regel im Sinne dieser Untersuchung, sondern ein Verweis auf die im Anschluss an den Paragrafentext genannten Teilregeln. Analyse Feld 2 bis Feld 5 Die Einstufung als Nichtregel führt zu einem bestimmten Parametersetting in der Vollständigkeitsanalyse: werden alle vier Parameter auf "nein" gesetzt, handelt es sich bei dem analysierten Regeltext nicht um eine Regel im Sinne dieser Untersuchung. Nähere Erläuterungen hierzu finden sich in Kapitel 3.3.2. Dort werden auch alle im Rahmen dieser Untersuchung sinnvollen Parametersettings dargestellt und in ihrer Bedeutung erklärt. Vollständigkeit Vollständig Eindeutige Handlungsanweisung Uneindeutige Handlungsanweisung Aussagekräftiges Kriterium nein nein nein nein Analyse Feld 6 und 7 Da die Grundregel des § 1 keine Feinregeln (zu diesem Terminus vgl. Kapitel 2) enthält, findet sich in der Analysedarstellung hierfür auch kein Wert. Anzahl Feinregeln Vollständig Unvollständig - - Dokumentation der isolierten Kriterien Paragraf 1 nennt kein Kriterium, was in der Analysedarstellung explizit vermerkt wird. [Dieser Regel wurden keine Kriterien zugeordnet.] Die Analysedarstellung einer Teilregel weicht nur geringfügig von der einer Grundregel ab, wie die folgende Tabelle und die Analysedarstellung der Teilregel § 1 (1) deutlich machen. 61 <?page no="62"?> 4.4 Tabelle Teilregeln Bezeichnung für Erläuterung der Analysedarstellung Datenfeldbezeichn ung innerhalb der Datenbank Erläuterung ID_TR (s. Kapitel 3.2) ID_GR (s. Kapitel 3.2) Sortierung (s. Kapitel 3.2) Regeldokumenta tion für Teilregeln Feld 1 Meine Bezeichnung Manche Teilregeln werden in den Regelwerken nicht mit einer ausdrücklichen Bezeichnung versehen. Eine für diese Regeln extra vergebene eindeutige Bezeichnung wird aus diesem Feld in die Analysedarstellung übernommen. Regeldokumenta tion für Teilregeln Feld 2 Ausgewiesene Bezeichnung Aus diesem Feld wird die Bezeichnung der Teilregel in die Analysedarstellung übernommen, wie sie im Regelwerk verzeichnet ist. Regeldokumenta tion für Teilregeln Feld 3 Teilregeltext Aus diesem Feld wird der Regeltext, wie er im Regelwerk verzeichnet ist, übernommen. Zusatztext (s. Kapitel 3.2) EinleitungBeispiele (s. Kapitel 3.2) Regeldokumenta tion für Teilregeln Feld 4 Beispiele Alle für eine Regel aufgeführten Beispiele werden aus diesem Feld in die Analysedarstellung übernommen. 62 <?page no="63"?> Bezeichnung für Erläuterung der Analysedarstellung Datenfeldbezeichn ung innerhalb der Datenbank Erläuterung Regeldokumenta tion für Teilregeln Feld 5 Verweise Verweist eine Regel auf andere Regeln, wird der Verweis aus diesem Feld in die Analysedarstellung übernommen. Regeldokumentation für Teilregeln Feld 1 Teilregel: § 1 (1) Regeldokumentation für Teilregeln Feld 2 Bei Teilregel § 1 (1) wird vonseiten des Regelwerks eine eindeutige Be zeichnung vergeben. Daher stimmen die Einträge in Feld 1 und Feld 2 überein. Bezeichnung im Regelwerk: § 1 (1) Regeldokumentation für Teilregeln Feld 3 Teilregeltext Kurze einfache Vokale Regeldokumentation für Teilregeln Feld 4 [Die Regel umfasst keine Beispiele.] Regeldokumentation für Teilregeln Feld 5 [Die Regel umfasst keine Verweise.] Analyse Feld 1 Auch Teilregel § 1 (1) ist keine Regel im Sinne dieser Untersuchung, was in Feld 1 dokumentiert wird. Da der Text "Kurze einfache Vokale" durchaus ein Teil einer vollständigen Regel sein könnte, wird in der Anmerkung auch begründet, weshalb § 1 (1) kein Regelstatus zuerkannt werden kann. Anmerkung Teilregel § 1 (1) ist keine Regel im Sinne dieser Untersuchung, da keine Handlungsanweisung genannt wird. Analyse Feld 2 bis Feld 5 Für die Parametersettings in den Felder 2 bis 5 entsteht aus der Be gründung kein Unterschied. Die Teilregel § 1 (1) ist keine Regel im Sinne dieser Untersuchung, alle Parameter stehen daher auf "nein". 63 <?page no="64"?> Vollständigkeit Vollständig Eindeutige Handlungsanweisung Uneindeutige Handlungsanweisung Aussagekräftiges Kriterium nein nein nein nein Analyse Feld 6 und Feld 7 Anzahl Feinregeln Vollständig Unvollständig - - Dokumentation der isolierten Kriterien [Dieser Regel wurden keine Kriterien zugeordnet.] Weder für die Felder 6 und 7 noch für das Feld zur Dokumentation der iso lierten Kriterien ergibt sich ein Unterschied zur übergeordneten Grundregel § 1. Dies ändert sich jedoch für die nun folgende Teilregel. Regeldokumentation Teilregeln Feld 1 Wie in Abbildung 4.1 zu sehen ist, führt das Regelwerk unterhalb der Überschrift (1) Kurze einfache Vokale mehrere Regeln auf, die nicht ausformuliert, sondern in einer Kurzform dargestellt sind. Die Darstellung der einzelnen Regeln, die unter (1) aufgeführt werden ist eindeutig, ihre Be zeichnung ist es jedoch nicht, es besteht also die Gefahr, dass Einzelregeln aufgrund der uneindeutigen Bezeichnung verwechselt werden. Dies wird in der Analysedarstellung wie oben bereits in der Tabelle Teilregeln erläutert, dadurch verhindert, dass jeweils eine eindeutige Bezeichnung vergeben wird. In diesem speziellen Fall lautet die Bezeichnung in Anleh nung an die Zählweise des Regelwerks § 1 (1.1). Teilregel: § 1 (1.1) Regeldokumentation Teilregeln Feld 2 Um auch im Bezug auf das Regelwerk selbst die Eindeutigkeit zu gewährleisten, wird die Bezeichnung, die im Regelwerk verwendet wird, hier ebenfalls aufgeführt. Bezeichnung im Regelwerk: § 1 (1) Regeldokumentation Teilregeln Feld 3 Auch bei Kurzformen der Regeldarstellung im Regelwerk wird der Re geltext genau so in die Datenbank übernommen und in der Analysedarstellung angeführt, wie er im Regelwerk zu finden ist. 64 <?page no="65"?> Teilregeltext [a] => a Regeldokumentation Teilregeln Feld 4 Alle Beispiele, die im Regelwerk direkt bei einer Regel verzeichnet sind, finden sich auch in der Analysedarstellung wieder. Beispiele ab, Alter, warm, Bilanz Regeldokumentation Teilregeln Feld 5 [Die Regel umfasst keine Verweise.] Analyse Feld 1 Welche Merkmale Regeln aufweisen müssen, um als vollständig und anwendbar eingestuft zu werden, wird ausführlich in Kapitel 2 diskutiert. In der Analyse und auch in ihrer Darstellung wird nur begründet, wenn eine Regel als unvollständig eingestuft wird. Bei einfachen Regeln wie der hier vorliegenden wird die Vollständigkeit lediglich festgestellt und das darin genannte ausschlaggebende Kriterium isoliert. Anmerkung Teilregel § 1 (1.1) ist vollständig und anwendbar. Analyse Feld 2 bis Feld 5 Das Parametersetting für die Teilregel § 1 (1.1) ist das Standardsetting für eine vollständige und anwendbare Regel. Vollständigkeit Vollständig Eindeutige Handlungsanweisung Uneindeutige Handlungsanweisung Aussagekräftiges Kriterium ja ja nein ja Analyse Feld 6 und Feld 7 In der Teilregel § 1 (1.1) werden keine Feinregeln genannt, die entsprechenden Felder enthalten also den Wert NULL. Anzahl Feinregeln Vollständig Unvollständig - - Dokumentation der isolierten Kriterien Das in der Teilregel genannte Kriterium wird hier dokumentiert. Dabei wird die Darstellung des Regelwerks so weit wie möglich beibe halten. Aus diesem Grund findet sich für die Teilregel § 1 (1.1) lediglich der lautschriftlich verfasste Hinweis, dass das Vorliegen des Lautes [a] das aus - 65 <?page no="66"?> schlaggebende Kriterium für die Umsetzung der Handlungsanweisung (nämlich die Verschriftung des Lautes durch den Buchstaben <a>) ist. Zugeordnete Kriterien - [a] Bei der nun folgenden Regel - die Grundregel des § 34 - handelt es sich um eine zusammengefasste Regel; es werden also mehrere Regeln zu einer einzigen zusammengefasst und als Einheit präsentiert. Die folgende Abbildung zeigt die Darstellung dieser Regel im Regel werk. Regeldokumentation Grundregeln Feld 1 Grundregel: § 34 Regeldokumentation Grundregeln Feld 2 Grundregeltext Partikeln, Adjektive, Substantive oder Verben können als Verbzusatz mit Verben trennbare Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie nur in den Infinitiven, den Partizipien sowie im Nebensatz bei Endstellung des Verbs zusammen. Regeldokumentation Grundregeln Feld 3 [Die Regel umfasst keine Beispiele.] Regeldokumentation Grundregeln Feld 4 [Die Regel umfasst keine Verweise.] Analyse Feld 1 Zusammengefasste Regeln werden im ersten Feld der Analyse, der Anmerkung, in einzelne Regeln aufgelöst und, wenn die Bestandteile es 66 Abbildung 4.2: Paragraf 34 des neuen Regelwerks (Ausschnitt) <?page no="67"?> erlauben, in die Normalform gebracht. Dementsprechend findet sich in der Anmerkung eine Begründung dafür, ob die betreffenden Regeln voll ständig oder unvollständig sind und eine ausformulierte Dokumentation der einzelnen Regeln. Die so gewonnenen Einzelregeln werden in der Analysedarstellung (und in der Auswertung) als Feinregeln bezeichnet. Zusammengefasste Regeln "verschlanken" den Gesamtumfang eines Regelwerks an der Oberfläche; inhaltlich sind jedoch die Feinregeln ausschlaggebend. Anmerkung Die Grundregel des § 34 fasst vier Regeln zusammen. Jede davon ist unvollständig und nicht anwendbar, da die Formulierung 'können bilden' das Kriterium aussagelos im Sinne dieser Untersuchung macht. Für ein aussagekräftiges Kriterium fehlt ein Zusatz, der festlegt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit Wörter der genannten Wortarten zu Verbzusätzen und somit zu Teilen trennbarer Zusammensetzungen werden. Die Handlungsanweisung fasst zwar mehrere Handlungsanweisungen zusammen; da jede einzelne davon jedoch eindeutig ist und die Analyse sich darauf konzentriert, die Kriterien der Regeln zu isolieren, wird aus Platzgründen darauf verzichtet, für jede einzelne Handlungsanweisung eine Regel in Normalform zu bilden: 1. Partikeln können als Verbzusatz mit Verben trennbare Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie nur in den Infinitiven, den Partizipien sowie im Nebensatz bei Endstellung des Verbs zusammen. 2. Adjektive können als Verbzusatz mit Verben trennbare Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie nur in den Infinitiven, den Partizipien sowie im Nebensatz bei Endstellung des Verbs zusammen. 3. Substantive können als Verbzusatz mit Verben trennbare Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie nur in den Infinitiven, den Partizipien sowie im Nebensatz bei Endstellung des Verbs zusammen. 4. Verben können als Verbzusatz mit Verben trennbare Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie nur in den Infinitiven, den Partizipien sowie im Nebensatz bei Endstellung des Verbs zusammen. Analyse Feld 2 bis Feld 5 Das Parametersetting für die in der Anmerkung ausformulierten Regeln dokumentiert, dass die Unvollständigkeit vom Fehlen eines aussage kräftigen Kriteriums herrührt. Vollständigkeit Vollständig Eindeutige Handlungsanweisung Uneindeutige Handlungsanweisung Aussagekräftiges Kriterium nein ja nein nein Analyse Feld 6 und Feld 7 Um die Gesamtanzahl der inhaltlich wirksamen Regeln ermitteln zu können, wird die Anzahl der Feinregeln der Grundregel § 34 - unter 67 <?page no="68"?> Berücksichtigung der Vollständigkeit bzw. Unvollständigkeit - hier als Zahl eingetragen und in der Analysedarstellung angezeigt. Anzahl Feinregeln Vollständig Unvollständig - 4 Dokumentation der isolierten Kriterien Die auf die unvollständige Grundregel folgende Teilregel § 34 (1) wird als Nächstes in analysierter Form dargestellt. Es handelt sich dabei um eine aufgeteilte Regel; ihre einzelnen Bestandteile erstrecken sich also auf mehrere Regeln, in diesem Fall auf die Grundregel des § 34 und die Teilregel § 34 (1). Die Felder der Regeldokumentation sind soweit nun verständlich geworden und bedürfen keines Kommentars mehr. [Dieser Regel wurden keine Kriterien zugeordnet.] Regeldokumentation Teilregeln Feld 1 Teilregel: § 34 (1) Regeldokumentation Teilregeln Feld 2 Bezeichnung im Regelwerk: § 34 (1) Regeldokumentation Teilregeln Feld 4 Teilregeltext [Dies betrifft] Zusammensetzungen mit einer Verbpartikel als erstem Bestandteil Regeldokumentation Teilregeln Feld 5 [Die Regel umfasst keine Beispiele.] Regeldokumentation Teilregeln Feld 6 [Die Regel umfasst keine Verweise.] Analyse Feld 1 In der Anmerkung zu dieser Teilregel wird ihre Einstufung hinsichtlich Vollständigkeit und Anwendbarkeit begründet. Des Weiteren wird die aus der Grundregel § 34 und der Teilregel § 34 (1) bestehende Regel aus drücklich formuliert. Anmerkung Teilregel § 34 (1) ist unvollständig und nicht anwendbar, da sie die Kann- Bestimmung der Grundregel nicht näher präzisiert: Zusammensetzungen mit einer Verpartikel als erstem Bestandteil können mit Verben trennbare Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie nur in den Infinitiven, den Partizipien sowie im Nebensatz bei Endstellung des Verbs zusammen. 68 <?page no="69"?> Analyse Feld 2 bis Feld 5 Das Parametersetting für eine unvollständige Regel ist bereits bekannt; auch diese Regel bietet kein aussagekräftiges Kriterium (vgl. Kapitel 2.4.5 die Anmerkungen zu Kann-Bestimmungen) nennt. Vollständigkeit Vollständig Eindeutige Handlungsanweisung Uneindeutige Handlungsanweisung Aussagekräftiges Kriterium nein ja nein nein Analyse Feld 6 und Feld 7 § 34 (1) besteht nur aus einer einzigen Regel, Feinregeln sind keine zu dokumentieren. Anzahl Feinregeln Vollständig Unvollständig - - Dokumentation der isolierten Kriterien Da die Regel aufgrund des Fehlens aussagekräftiger Kriterien unvollständig ist, wurden auch keine Kriterien zugeordnet. [Dieser Regel wurden keine Kriterien zugeordnet.] Die sich direkt anschließende Teilregel § 34 (1.1) ist ebenfalls eine aufgeteil te Regel. Ihre Bestandteile rekrutieren sich aus der Grundregel § 34, der vorangegangenen Teilregel § 34 (1) und der Teilregel § 34 (1.1) selbst. Auch hier ist vorrangig das erste Feld der Analyse von Interesse. Regeldokumentation Teilregeln Feld 1 Teilregel: § 34 (1.1) Regeldokumentation Teilregeln Feld 2 Bezeichnung im Regelwerk: § 34 (1.1) Regeldokumentation Teilregeln Feld 3 Teilregeltext [Verbpartikeln sind Bestandteile, die] formgleich mit Präpositionen sind, Regeldokumentation Teilregeln Feld 4 Beispiele ab-, an-, auf-, aus-, bei-, durch-, ein- (zur Präposition in-), entgegen-, entlang-, gegen-, gegenüber-, hinter-, in-, mit-, nach-, über-, um-, unter-, vor-, wider-, zu-, zuwider-, zwischen- 69 <?page no="70"?> Regeldokumentation Teilregeln Feld 5 [Die Regel umfasst keine Verweise.] Analyse Feld 1 Bei so weit verstreuten Regelbestandteilen werden in der Analysedarstellung alle Bestandteile unter Nennung ihrer Quelle angeführt. Im Anschluss daran wird die sich aus diesen Bestandteilen ergebende Regel aufgeführt. Die so zusammengeführte Regel ist die Grundlage der Beurteilung von Vollständigkeit und Anwendbarkeit. Auch ist diese Gesamtformulierung die Grundlage für die Kriterienisolation. Anmerkung Teilregel § 34 (1.1) ist vollständig und anwendbar. Die sie bestimmenden Teilregeln lauten wie folgt: § 34 (Grundregel): Partikeln können als Verbzusatz mit Verben trennbare Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie nur in den Infinitiven, den Partizipien sowie im Nebensatz bei Endstellung des Verbs zusammen. Dies betrifft § 34 (1): Zusammensetzungen mit einer Verbpartikel als erstem Bestandteil. Verbpartikeln sind Bestandteile, die § 34 (1.1) formgleich mit Präpositionen sind. Daraus ergibt sich die folgende Formulierung für § 34 (1.1): Bestandteile, die formgleich mit Präpositionen sind, bilden als Verbzusatz mit Verben trennbare Zusammensetzungen. Man schreibt sie nur in den Infinitiven, den Partizipien sowie im Nebensatz bei Endstellung des Verbs zusammen. Analyse Feld 2 bis Feld 5 Erst unter Berücksichtigung des letzten Bestandteils (also der Teilregel § 34 (1.1)) entsteht im Gesamt eine vollständige und anwendbare Regel. Dies wird nun hier angeführt. Vollständigkeit Vollständig Eindeutige Handlungsanweisung Uneindeutige Handlungsanweisung Aussagekräftiges Kriterium ja ja nein ja Analyse Feld 6 und Feld 7 Auch die aus allen Bestandteilen zusammengesetzte Regel ist doch nur eine einzige; daher werden keine Feinregeln ausgewiesen. 70 <?page no="71"?> Anzahl Feinregeln Vollständig Unvollständig - - Dokumentation der isolierten Kriterien Nachdem alle Bestandteile berücksichtigt wurden, konnte auch ein ausschlaggebendes Kriterium isoliert werden, das nun hier vermerkt ist. Zugeordnete Kriterien - Bestandteile, die formgleich mit Präpositionen sind, als Verbzusatz Die exemplarische Analysedarstellung hat in sehr geraffter Form gezeigt, wie die wichtigsten Kategorien der Analyse sichtbar gemacht werden. 71 <?page no="73"?> 5 Auswertung Die Fragestellung, die mithilfe der Auswertung geklärt werden soll, sei hier wiederholt: Wodurch unterscheidet sich das neue Regelwerk zur deut schen Rechtschreibung vom alten Regelwerk hinsichtlich seiner Vollständigkeit und damit Anwendbarkeit auf der Basis der hierfür isolierten Kriterien als tertium comparationis? Diese Fragestellung erlaubt es, Fragen und Aussagen nachzugehen, die die Reform seit Beginn begleitet haben: Der Umfang der Änderungen, der Eingriff in das Schriftbild, die Systematizität der Regeln wurden in der Auseinandersetzung mit der Reform immer wieder thematisiert: Der in Wien 1994 vorgelegte Entwurf stellt eine maßvolle Rechtschreibpflege dar, einen Versuch, Vereinfachungen für die Schreibenden und Lernenden zu erreichen, ohne das Lesen signifikant zu erschweren und ohne ein zu großes Umlernen zu erfordern. 55 Das Ziel, die Regeln zu vereinfachen, formuliert Karl Blüml: Erklärtes Ziel der Reformbemühungen von allem Anfang an war eine Ver einfachung der im Wesentlichen (in ihren Grundlagen) seit 1901 gültigen "Amtli chen Regelung" der deutschen Rechtschreibung." 56 Dieter Nerius weist darauf hin, dass eine Rechtschreibreform die Regeln systematisieren solle: Die [...] angezielte Verbesserung der Orthographie für die Sprachteilnehmer sol lte auch sichtbar werden in einer Erhöhung der Systematik und einer stärkeren Generalisierung der Regelungen durch die Reduzierung von Ausnahmen und Sonderregeln und die Beseitigung von bestehenden Widersprüchen zwischen Regelungen auf unterschiedlichen hierarchischen Stufen. 57 Sowohl die Vereinfachung auf der Grundlage der Anwendbarkeit als auch die Systematizität der beiden Regelwerke lassen sich mithilfe der vorangegangen Analyse vergleichen und beurteilen. Gerade hinsichtlich der Systematizität wird hier wieder auf die Unterscheidung zwischen anomalistischer und analogistischer Herangehensweise zurückgegriffen, wie sie bereits in der Einleitung beschrieben wurde. Einleitend werden die Kriterien (vgl. Kapitel Error: Reference source not found) und die Kriterienelemente (vgl. Kapitel 5.1.2) als Grundlage des Vergleichs näher betrachtet. Vor allem die Kriterienelemente geben Auskunft darüber, welche regelbestimmenden Paramater in den einzelnen Regelwerken herangezogen werden und ob bezüglich der Reform von einem Paradigmenwechsel gesprochen werden kann. 55 Scholze-Stubenrecht 1997, S. 206; vgl. auch Menzel (1997), S. 136 56 Blüml 1997, S. 11 57 Nerius (1997), S. 159 73 <?page no="74"?> Die Auswertung wendet die Analysekategorien zunächst auf die gesamten Regelwerke an (vgl. Kapitel 5.2). Es wird gezeigt, ob und wie sich die beiden Regelwerke hinsichtlich der Beschreibungsgrößen Einträge, Regeln und Nichtregeln unterscheiden. Damit wird die Darstellung und der Vergleich des tatsächlichen Umfangs beider Regelwerke auf der Grundlage einheitlicher Vergleichsgrößen erreicht. Im Anschluss werden beide Regelwerke aus der Perspektive der Voll ständigkeit miteinander verglichen. Der größte Teil der Auswertung entfällt auf den Vergleich der Regelwerke Teilgebiet für Teilgebiet (vgl. Kapitel 5.3). Jedes Teilgebiet wird zu Beginn hinsichtlich seiner Gesamteinträge und der davon als Regeln bzw. Nichtregeln zu klassifizierenden Einträge verglichen um dann innerhalb der Regeln einen Vergleich hinsichtlich der Vollständigkeit durchzuführen. Um Aussagen über die Anwendbarkeit und die Systematizität machen zu können, ist auch der Grund der Unvollständigkeit unvollständiger Regeln wichtig, ein entsprechender Vergleich schließt die Auswertung jedes Teilgebiets ab. Im anschließenden Kapitel 6 wird eine Gesamtbewertung der Auswertung vorgenommen, in der auf der Basis der hier dargestellten und erläuterten Datenlage die oben genannten Fragestellungen global so aussagekräftig wie möglich beantwortet werden. 5.1 Betrachtung der Kriterien und der Kriterienelemente Die Extraktion der Kriterien und der Kriterienelemente aus den Regeln diente, wie in der Einleitung und in Kapitel 2 dargestellt, in erster Linie dazu, eine Hilfsgröße zu erhalten, die es erlaubt, die Vollständigkeit und die Anwendbarkeit der einzelnen Regeln und damit auch der gesamten Regelwerke im Vergleich zu beurteilen, wie dies in den nachfolgenden Kapiteln 5.2 und 5.3 durchgeführt wird. Sowohl Kriterien als auch Kriterienelemente liegen so zahlreich vor, dass - zusätzlich zum eigentlichen Erkenntnisinteresse - eine qualitative und ausführliche Auswertung und Beurteilung im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann. Eine überblicksartige Auswertung scheint jedoch angebracht, nicht zuletzt, weil auch die Kriterien und die Kriterienelemente Hinweise auf die Struktur der einzelnen Regelwerke und somit auch die Unterschiede zwischen ihnen geben. Zuerst werden die Kriterien näher untersucht, im Anschluss daran die Kriterienelemente. 74 <?page no="75"?> 5.1.1 Kriterien Die Gesamtzahl der Kriterien ist in beiden Regelwerken enorm hoch: 1200 kennt das alte, 1330 das neue. Es sind Mehrfachzuordnungen möglich, daher errechnet sich die Gesamtkriterienzahl nicht durch die Addition der Kriterien der alten und der Kriterien der neuen Grund- und Teilregeln. Die Gesamtkriterienzahl beträgt 2259. In 212 Grundregeleinträgen, wovon 198 Regeln im Sinne dieser Unter suchung sind, nennt das alte Regelwerk 379 Kriterien, das neue Regelwerk nennt für 113 Grundregeleinträge, wovon 102 Regeln im Sinne dieser Untersuchung sind, 273 Kriterien. Im Durchschnitt entfallen knapp zwei Kriterien auf jede alte und zwischen zwei und drei Kriterien auf jede neue Grundregel. Bei den Teilregeln verhält es sich wie folgt: Das alte Regelwerk kennt 347 Teilregeleinträge (306 Teilregeln im Sinne dieser Untersuchung), in de nen es 741 Kriterien nennt. Das neue Regelwerk kommt auf 449 Teilregeleinträge (385 Teilregeln im Sinne dieser Untersuchung) und ordnet diesen 1057 Kriterien zu. Im neuen Regelwerk stecken in den Teilregeln mit knapp drei Kriterien pro Teilregel nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis deutlich mehr Kriterien als im alten Regelwerk, das im Durchschnitt etwas über zwei Kriterien pro Teilregel nennt. Bereits anhand der Kriterien kann gesagt werden, dass das neue Regelwerk in jeder Hinsicht detaillierter ist. Dieser Befund überrascht nicht, wenn man in Betracht zieht, dass Kriterien, wie in der Einleitung und in den Ausführungen zu Kriterien als grundlegende Analysekategorie (vgl. Kapitel 2.3) bereits erläutert, differenzierte Fallgruppenbeschreibungen sind. Das neue Regelwerk weist nicht nur insgesamt einen größeren Umfang auf, der durch die hohe Anzsahl an Teilregeln entsteht, die sich 75 Abbildung 5.1: Anzahl der Kriterien: Gesamt, in den Grundregeln, in den Teilregeln KR ges. KR der GR KR der TR 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1200 379 741 1330 273 1057 alt neu <?page no="76"?> jeweils facettenreich auf eine Grundregel als übergeordneten Punkt beziehen; es operiert auch mit deutlich mehr Kriterien, sowohl insgesamt als auch pro Teilbzw. Grundregel. Das neue Regelwerk weist daher für mehr Fallgruppen dezidiert Regeln aus; der Trend zur Genauigkeit und Differenzierung ist hier somit eindeutig. 5.1.2 Kriterienelemente Die Kriterienelemente werden aus den einzelnen Kriterien extrahiert, um so Aufschluss darüber zu erlangen, welche Grundeinheiten der Rechtschreibung feststellbar sind. Dies ist anhand der Kriterien selbst kaum überschaubar, da sie sich in ihrem Komplexitätsgrad stark unterscheiden (vgl. hierzu auch Kapitel 2). 5.1.2.1 Anzahl der Kriterienelemente Die Gesamtzahl von 2259 Kriterien (vgl. die obigen Ausführungen zu den Kriterien) setzt sich aus insgesamt 1758 Elementen zusammen. Das alte Regelwerk kombiniert 999 verschiedene Elemente zu den oben dargestellen 1200 Kriterien insgesamt; das neue Regelwerk nutzt etwas we niger, nämlich 925 Kriterienelemente, um daraus 1300 Kriterien zu bilden. Auch hieran lässt sich ein Trend zur Systematisierung feststellen; weniger Elemente werden zu mehr Kriterien zusammengefügt. Auf der Seite der Kriterienelemente heißt das, dass die Bausteine der Kriterien verein heitlicht wurden und auf der Seite der Kriterien heißt es, dass eine feinere Differenzierung stattgefunden hat. Dies entspricht den Absichten der Reformer, wie sie zu Beginn dieses Kapitels kurz in Erinnerung gerufen wurden. 76 Abbildung 5.2: Anzahl der Kriterien: Gesamt, alt, neu gesamt alt neu 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 1758 999 925 KR-Elemente <?page no="77"?> 5.1.2.2 Kernelemente Kriterien operieren häufig mit Kernelementen wie z. B. Wortarten, die in unterschiedliche Kontexte gestellt werden. Im Folgenden soll beispielhaft an der Wortart "Adverb" gezeigt werden, wie die damit gebildeten Kriterienelemente auf die Regelwerke verteilt sind. Insgesamt werden 15 verschiedene Kriterienelemente gebraucht, die Adverbien in unterschiedlichen Kontexten zum Kern haben: 1. Adverb 2. Adverb: als hinweisendes Wort, das Satzteil wieder aufnimmt 3. Adverb: aus Substantiv entstanden 4. Adverb: Endung auf '-ens' 5. Adverb: Endung auf '-s' 6. Adverb: Erstbestandteil 7. Adverb: Erstbestandteil, bedeutungsabschwächend 8. Adverb: Erstbestandteil, bedeutungsverstärkend 9. Adverb: Erstbestandteil, gesteigert 10. Adverb: in dieser Form nicht selbstständig vorkommend, Erstbestandteil 11. Adverb: mehrteilig 12. Adverb: mit einer Wortgruppe paraphrasierbar, Erstbestandteil 13. Adverb: substantiviert 14. Adverb: vorangehend 15. Adverb: Zweitbestandteil 10 dieser Kernelemente kommen ausschließlich in den neuen Regeln vor. Von den verbleibenden fünf werden zwei im alten und im neuen Regewerk verwendet; es sind also nur drei dieser Kernelemente exklusiv im alten Regelwerk anzufinden. Der Trend hin zu einer differenzierteren Fallgruppenbeschreibung bestätigt sich hier ebenfalls. Im Weiteren werden nun auf der Grundlage der Kriterienanalyse die Regelwerke miteinander verglichen. 5.2 Vergleich der Regelwerke insgesamt Wie in der Grundlage der Analyse beschrieben (s. Seite 29), weisen die Regelwerke die Anzahl der Regeln unterschiedlich aus. So gibt es im alten Regelwerk 212 Grundregeln, die in der Darstellung in Duden Band 1 durch ein vorangestelltes "R" gekennzeichnet sind. Das neue Regelwerk verzeichnet 113 Grundregeln, die durch ein vorangestelltes Paragrafenzeichen gekennzeichnet sind. Die Teilregeln werden im alten Regelwerk nicht nummeriert, sondern nur durch vorangestellte Punkte in der Art einer Liste markiert. Das neue Regelwerk nummeriert hingegen die Teilregeln in Klammern (z.B. § 39 (1)) und nutzt auch die Gliederung von mehreren Ebenen (z.B. § 39 E2 (2.1)). Aufgrund dieser Unterschiede ist es nicht möglich, die Anzahl der Regeln und Teilregeln auf einen Blick festzustellen. Zu sagen, das neue 77 <?page no="78"?> Regelwerk umfasse 100 Regeln weniger als das alte, greift eindeutig zu kurz und ist keine der Sachlage angemessene Aussage. Hinzu kommt, dass in beiden Regelwerken Regeln zusammengefasst und als eine einzige Grund- oder Teilregel präsentiert werden. Diese Feinregeln (s. Seite 36) müssen ebenfalls berücksichtigt werden, wenn verglichen werden soll, wie viele Regeln es in welchem Regelwerk gibt. 5.2.1 Einträge, Regeln, Nichtregeln Der erste Schritt der Analyse war es, die Einträge der Regelwerke in Regeln und Nichtregeln zu unterscheiden, wie es grundlegend in Kapitel 2.1 beschrieben wurde. Die Ergebnisse dieses Arbeitsschrittes werden im folgenden Schaubild dargestellt: Betrachtet man lediglich die Einträge, die in den jeweiligen Regelwerken als Grundregeln ausgewiesen sind, ist man versucht, dem neuen Regelwerk eine gewisse Schlankheit zuzugestehen. Doch schon der Vergleich der Teilregelanzahl zeigt deutlich, dass das neue Regelwerk nicht weniger umfangreich ist als das alte. Regeln im Sinne dieser Untersuchung sind die reinen Einträge abzüglich der Nichtregeln. Bei den Grundregeln kommt das neue Regelwerk in dieser Kategorie mit etwa der Hälfte der Regeln des alten Regelwerks aus. Bei den Teilregeln erweist sich das neue Regelwerk aber als deutlich umfangreicher, wie dies bereits bei den reinen Einträgen zu sehen war. Besonders interessant ist der Vergleich der Nichtregeln, vor allem, wenn man sie im Verhältnis zu den reinen Einträgen betrachtet. So sind etwa ein Zehntel aller Grundregeleinträge des neuen Regelwerks keine Regeln im Sinne dieser Untersuchung - im alten Regelwerk handelt es sich nur um ein Fünfzehntel, sodass die Anzahl der Grundregeleinträge, die als 78 Abbildung 5.3: Einträge, Regeln, Nichtregeln Grundregeleinträge Teilregeleinträge Grundregeln Teilregeln Grundregeln: Nichtregeln Teilregeln: Nichtregeln 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 212 347 198 306 14 41 113 449 102 389 11 60 alt neu <?page no="79"?> Nichtregeln eingestuft wurden, in absoluten Zahlen beinahe gleich ist. Bei den Teilregeln ist das Verhältnis beinahe ausgeglichen; etwa ein Achtel der Teilregeleinträge des alten Regelwerks und knapp ein Siebtel der Teilregeleinträge des neuen Regelwerks sind keine Regeln im Sinne dieser Untersuchung. Die hohe Anzahl von Nichtregeln im neuen Regelwerk erklärt sich in den meisten Fällen durch den gegliederten Aufbau des Regelwerks. Die meisten verweisenden und strukturierenden Einträge sind wie Regeln in den Text integriert, tragen also Paragrafennummern bzw. die entsprechenden Gliederungsnummern. Die Zahl der Regeln im Sinne dieser Untersuchung ist für das alte und das neue Regelwerk beinahe gleich, wenn man Grund- und Teilregeln zu sammen betrachtet. Beide Regelwerke bestehen aus jeweils ca. 500 Regeln - eine hohe Zahl, die auch ohne jede qualitative Betrachtung Zweifel an der Anwendbarkeit erweckt. Dabei finden sich im neuen Regelwerk die meisten Regeln als Teilregeln; nur jede vierte Regel ist hier eine Grund regel. Im alten Regelwerk kommen drei Teilregeln auf zwei Grundregeln; es ist also beinahe jede zweite Regel eine Grundregel. 5.2.2 Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln Nachdem die Einträge darauf geprüft wurden, ob es sich um Regeln im Sinne dieser Untersuchung handelt oder nicht, wurden sie auf ihre Vollständigkeit hin untersucht. Das folgende Schaubild zeigt, wie viele vollständige und unvollständige Regeln es in den Regelwerken je weils gibt: 79 Abbildung 5.4: Vollständige und unvollständige Regeln Grundregeln: vollständig Grundregeln: unvollständig Teilregeln: vollständig Teilregeln: unvollständig 0 50 100 150 200 250 300 153 45 212 94 70 32 259 130 alt neu <?page no="80"?> Nur 70 Grundregeln sind im neuen Regelwerk vollständig, das sind ca. zwei Drittel der Regeln insgesamt. Im alten Regelwerk sind etwa drei Vier tel der Regeln vollständig. Der Anteil unvollständiger Grundregeln überwiegt im neuen Regelwerk also deutlich. Bei den Teilregeln ist das Verhältnis ausgewogener: in beiden Regel werken ist etwa ein Drittel der gesamten Teilregeln unvollständig. Der Anzahl unvollständiger Regeln liegt nie unter einem Drittel. Dieser recht hohe Anteil zeigt deutlich, dass der Schreibgebrauch in beiden Re gelwerken eine große Rolle spielt. Denn Regeln, die den Gebrauch beschreiben, müssen nicht vollständig im Sinne dieser Untersuchung sein, da sie bestimmte Schreibweisen lediglich feststellen können, ohne beispielsweise ausschlaggebende Kriterien dafür zu nennen. Dieser im historischen Sinne "anomalistische" Anteil steht dem grundsätzlich "analogistischen" Anteil der Systematisierung der Schreibung durch systemische und normative Regeln gegenüber, wie er durch die im Sinne dieser Untersuchung vollständigen Regeln gebildet wird. Unvollständige Regeln wirken sich negativ auf die Anwendbarkeit des Regelwerks im Sinne einer deduktiven Erschließung einzelner Schreib weisen aus Kenntnis allgemeiner Katgorien und Relationen dieser Kategorien zueinander aus. Der hohe Anteil unvollständiger Grundregeln im neuen Regelwerk ist also für den deduktiv vorgehenden Anwender eine große Hürde. Im Folgenden wird die Anzahl der unvollständigen Regeln näher betrachtet. 5.2.3 Anzahl der unvollständigen Regeln nach dem Grund der Unvollständigkeit 5.2.3.1 Unvollständige Grundregeln 80 Abbildung 5.5: unvollständige Grundregeln nach dem Grund der Unvollständigkeit insgesamt kein KR kein KR und uneindeutige HA uneindeutige HA 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 45 4 1 40 32 15 1 16 alt neu <?page no="81"?> Der Anteil an unvollständigen Grundregeln, die kein ausschlaggebendes Kriterium nennen, ist im neuen Regelwerk wesentlich höher als im alten. Genau umgekehrt verhält es sich hinsichtlich der Grundregeln, die aufgrund einer uneindeutigen Handlungsanweisung unvollständig sind. Beide Phänomene zeigen, dass der Schreibgebrauch, ein "anomalistisches" Element also, sich in den Regeln wiederfindet. Der Unterschied liegt darin, dass Regeln ohne aussagekräftiges Kriterium Schreibweisen nennen, ohne deutlich zu machen, wie die Fälle genau definiert sind, auf die diese Schreibweisen zutreffen. Es handelt sich tendenziell um Kann- Bestimmungen und Einzelschreibungen, die in den neuen Regeln offensichtlich häufiger herangezogen werden als in den alten. Teilweise ist dieses Phänomen im neuen Regelwerk auf Regeln wie § 17 zurückzuführen: In wenigen Wörtern schreibt man ausnahmsweise äu. Werden hingegen bei aussagekräftigen Kriterien uneindeutige Handlungsanweisungen gegeben, bleibt die Schreibweise für bestimmte Fälle frei (Kann-Bestimmung). Wie bereits in der Einleitung erwähnt, sind solche Regeln oft Zusammenfassungen zweier sich widersprechender Regeln. Auch dies kann als Abbildung des Schreibgebrauchs interpretiert werden. Teile der Schreibgemeinschaft entscheiden sich in einem bestimmten Fall beispielsweise für Großschreibung, während ein anderer signifikanter Teil in diesem Fall die Kleinschreibung vorzieht. Die Anwendbarkeit dieser Regeln liegt deutlich höher als die jener Regeln, die tendenziell Einzelschreibungen nennen, da die sich widersprechenden Regeln aufgrund ihrer aussagekräftigen Kriterien nicht nur auf einzelne Fälle zutreffen, sondern von allgemeinerer Bedeutung sind. 5.2.3.2 Unvollständige Teilregeln 81 Abbildung 5.6: unvollständige Teilregeln nach dem Grund der Unvollständigkeit insgesamt kein KR kein KR und uneindeutige HA uneindeutige HA 0 20 40 60 80 100 120 140 94 11 9 74 130 13 26 91 alt neu <?page no="82"?> Das neue Regelwerk weist deutlich mehr unvollständige Teilregeln auf als das alte. Dies entspricht auch der Feststellung, die zu Abbildung 5.3: Einträge, Regeln, Nichtregeln getroffen wurde: Das neue Regelwerk umfasst deutlich mehr Teilregeln als das alte; die genaue Regelung der Rechtschreibung findet hier mehr durch die Teilregeln statt und weniger durch die Grundregeln. Dass das alte Regelwerk mehr unvollständige Grundregeln aufweist als das neue, steht zu dieser Aussage nicht im Wider spruch. Wie oben bereits erläutert, weisen die meisten unvollständigen Grundregeln des alten Regelwerkes eine uneindeutige Handlungsanweisung auf, sind also keine Einzelfallregelungen, sondern Darstellungen von unterschiedlichen Schreibungen ganzer Gruppen. Teilregeln, die durch eine un eindeutige Handlungsanweisung unvollständig werden, kennen beide Regelwerke in recht hoher Anzahl. Da das neue Regelwerk aber insgesamt über hundert Teilregeln mehr aufweist, stellen die absoluten Zahlen hier unterschiedliche Anteile an den gesamten Teilregeln dar. Im Verhältnis weist das alte Regelwerk einen höheren Anteil an Teilregeln auf, die durch eine uneindeutige Handlungsanweisung unvollständig werden. Dies ist konsistent mit der Feststellung zu den unvollständigen Grundregeln. Bezogen auf die beiden gegensätzlichen Perspektiven auf die Recht schreibung, Analogismus und Anomalismus, bedeutet dies tendenziell, dass der Schreibgebrauch im alten Regelwerk in den Teilregeln anteilig öfter zur Regelformulierung herangezogen wird als dies im neuen der Fall ist. Im neuen Regelwerk ist ein recht hoher Anteil an unvollständigen Teilregeln feststellbar, die weder ein aussagekräftiges Kriterium noch eine eindeutige Handlungsanweisung nennen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass der Schreibgebrauch auch in den neuen Regeln abgebildet wird. Hierunter fallen Regeln wie § 14 E: Zu unterscheiden sind gleich lautende, aber unterschiedlich geschriebene Wörter wie: Äsche aber Esche [...]. Im folgenden Kapitel werden die einzelnen Verteilungskategorien für jedes Teilgebiet der Rechtschreibung dargestellt und kurz kommentiert. 5.3 Vergleich der Regelwerke nach Teilgebieten Zunächst werden die Abkürzungen erläutert, die in der Darstellung des Vergleichs der Regelwerke nach Teilgebieten verwendet werden. In Schaubildern, die die Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln darstellen: GR: vs. vollständige Grundregeln FR (GR): vs. vollständige Feinregeln, die aus Grundregeln extrahiert wurden GR: uvs. unvollständige Grundregeln FR (GR): uvs. unvollständige Feinregeln, die aus Grundregeln extrahiert wurden 82 <?page no="83"?> TR: vs. vollständige Teilregeln FR (TR): vs. vollständige Feinregeln, die aus Teilregeln extrahiert wurden TR: uvs. unvollständige Teilregeln FR (TR): uvs. unvollständige Feinregeln, die aus Teilregeln extrahiert wurden In Schaubildern, die die Anzahl der unvollständigen Grundregeln nach dem Grund der Unvollständigkeit darstellen: GR: ges. gesamte unvollständige Grundregeln FR: ges. gesamte unvollständige Feinregeln, die aus Grundregeln extrahiert wurden GR: kein KR Grundregeln, die kein aussagekräftiges Kriterium nennen und daher unvollständig sind FR: kein KR aus Grundregeln extrahierte Feinregeln, die kein aussagekräftiges Kriterium nennen und daher unvollständig sind GR: k. KR + un. HA Grundregeln, die kein aussagekräftiges Kriterium und eine uneindeutige Handlungsanweisung nennen und daher unvollständig sind FR: k. KR + un. HA aus Grundregeln extrahierte Feinregeln, die kein aussagekräftiges Kriterium und eine uneindeutige Handlungsanweisung nennen und daher unvollständig sind GR: un. HA Grundregeln, die eine uneindeutige Handlungsanweisung nennen und daher unvollständig sind FR: un. HA aus Grundregeln extrahierte Feinregeln, die eine uneindeutige Handlungsanweisung nennen und daher unvollständig sind In Schaubildern, die die Anzahl der unvollständigen Teilregeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit darstellen: TR: ges. gesamte unvollständige Teilregeln FR: ges. gesamte unvollständige Feinregeln, die aus Teilregeln extrahiert wurden TR: kein KR Teilregeln, die kein aussagekräftiges Kriterium nennen und daher unvollständig sind FR: kein KR aus Teilregeln extrahierte Feinregeln, die kein aus sage kräftiges Kriterium nennen und daher unvollständig 83 sind <?page no="84"?> TR: k. KR + un. HA Teilregeln, die kein aussagekräftiges Kriterium und eine uneindeutige Handlungsanweisung nennen und daher unvollständig sind FR: k. KR + un. HA aus Teilregeln extrahierte Feinregeln, die kein aussagekräftiges Kriterium und eine uneindeutige Handlungsanweisung nennen und daher unvollständig sind TR: un. HA Teilregeln, die eine uneindeutige Handlungsanweisung nennen und daher unvollständig sind FR: un. HA aus Teilregeln extrahierte Feinregeln, die eine uneindeutige Handlungsanweisung nennen und daher unvollständig sind 5.3.1 Teilgebiet A: Laut-Buchstaben-Zuordnung 5.3.1.1 Einträge, Regeln, Nichtregeln In Teilgebiet A sind die meisten der Einträge des alten Regelwerks auch Regeln im Sinne dieser Untersuchung. Die Anzahl an Nichtregeln ist im neuen Regelwerk deutlich höher: Ein Drittel aller Grundregeleinträge sind keine Regeln im Sinne dieser Untersuchung; im alten Regelwerk ist es ein Fünftel. Bei den Teilregeln ist das Verhältnis genau gleich: Jeweils ein Zehntel der Einträge sind keine Regeln im Sinne dieser Untersuchung. Der enorme Unterschied in der Gesamtregelzahl - vor allem hinsicht lich der Teilregeln - erklärt sich durch die Neukonzeption des reformierten 84 Abbildung 5.7: Einträge, Regeln, Nichtregeln in Teilgebiet A Grundregeleinträge Teilregeleinträge Grundregeln Teilregeln Grundregeln: Nichtregeln Teilregeln: Nichtregeln 0 20 40 60 80 100 120 140 160 10 20 8 18 2 2 32 143 22 130 10 13 alt neu <?page no="85"?> Regelwerks. Im alten Regelwerk wurden die Laut-Buchstaben-Zuordnungen nicht so systematisch und damit auch nicht so zahlreich aufgeführt wie im neuen. 5.3.1.2 Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln Teilgebiet A kennt im neuen Regelwerk 15 vollständige und 7 unvoll ständige Grundregeln, 22 Grundregeln insgesamt (die Gesamtanzahl wird hier nicht mehr gesondert ausgewiesen, vgl. Abbildung 5.7: Einträge, Regeln, Nichtregeln in Teilgebiet A). Die gesamten 22 Grundregeln weisen insgesamt 76 vollständige und 7 unvollständige Feinregeln auf. Gerade in den Feinregeln zeigt sich erneut, was bereits allgemein für das Teilgebiet A festgestellt wurde: Die Neukonzeption führt zu einer sehr großen Menge an Regeln, da detailliert dargestellt wird, welche Laute durch welche Buch staben wiederzugeben sind. Dies gilt prinzipiell für Grund- und Teilregeln, wobei in diesem Bereich vor allem die absolute Menge an Feinregeln zeigt, wie detailliert die neuen Regeln ihren Gegenstand behandeln. Betrachtet man das Verhältnis zwischen Regeln und Feinregeln, erkennt man, dass auf jede Grundregel ca. 4 Feinregeln kommen (22 Grundregeln insgesamt und 87 Feinregeln), wohingegen den 130 Teilregeln insgesamt "nur" 117 Feinregeln zugeordnet sind. In Teilgebiet A zeigt sich deutlich, wie es zu der scheinbaren Umfangsverringerung von 212 Grundregeln im alten Regelwerk zu 113 Paragrafen im neuen Regelwerk kommt; jeder der einzelnen Paragrafen umfasst im Durchschnitt mehr einzelne Regeln, als es bei den Grundregeln des alten Regelwerks der Fall ist. Die Herangehensweise des neuen Regelwerks präsentiert sich durch diesen Aufbau als sehr strukturiert und damit auch potenziell systematisch. Allerdings zeigt der hohe Anteil an unvollständigen 85 Abbildung 5.8: vollständige und unvollständige Regeln im Teilgebiet A GR: vs. FR (GR): vs. GR: uvs. FR (GR): uvs. TR: vs. FR (TR): vs. TR: uvs. FR (TR): uvs 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 6 5 2 0 12 8 6 12 15 76 7 11 76 87 54 88 alt neu <?page no="86"?> Feinregeln in den Teilregeln, dass die Systematizität nicht zwangsläufig auch zu einer hohen Anwendbarkeit führt. 5.3.1.3 Anzahl der unvollständigen Regeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit Unvollständige Grundregeln Die unvollständigen Grundregeln des Teilgebiets A bestehen im neuen Regelwerk vor allem aus solchen, die kein aussagekräftiges Kriterium nen nen. Hauptsächlich geht dies auf Regelformulierungen der folgenden Art zurück: § 17 In wenigen Wörtern schreibt man ausnahmsweise "äu". Das alte Regelwerk beschäftigt sich, wie bereits erwähnt, weder so aus führlich noch so systematisch mit der Laut-Buchstaben-Zuordnung. Daher verwundert es auch nicht, dass nur zwei unvollständige Grundregeln in diesem Gebiet festzustellen sind. Beide sind unvollständig, weil sie eine uneindeutige Handlungsanweisung nennen. 86 Abbildung 5.9: Anzahl der unvollständigen Grundregeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit im Teilgebiet A GR: ges. FR: ges. GR: kein KR FR: kein KR GR: k. KR + un. HA FR: k. KR + un. HA GR: un. HA FR: un. HA 0 2 4 6 8 10 12 2 0 0 0 0 0 2 0 7 11 6 5 0 0 1 6 alt neu <?page no="87"?> Unvollständige Teilregeln Die unvollständigen Teilregeln im neuen Regelwerk des Teilgebiets A sind hauptsächlich aufgrund uneindeutiger Handlungsanweisungen unvollständig; dies ist vor allem auf Laut-Buchstaben-Zsuordnungen zurückzuführen, die den Schreibgebrauch und vor allem die Fremdwortschreibung abbilden. So wird der Laut [k] schriftlich auf vielfache Weise wiedergegeben: <c>, <ch>, <k>, <qu> [vgl. §§ 22, 32]. 87 Abbildung 5.10: Anzahl der unvollständigen Teilregeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit in Teilgebiet A TR: ges FR: ges TR: kein KR FR: kein KR TR: k. KR + un. HA FR: k. KR + un. HA TR: un. HA FR: un. HA 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 6 12 0 2 3 10 3 0 54 88 6 2 8 2 40 84 alt neu <?page no="88"?> 5.3.2 Teilgebiet B: Getrennt- und Zusammenschreibung 5.3.2.1 Einträge, Regeln, Nichtregeln In der Getrennt- und Zusammenschreibung weist das neue Regelwerk erneut deutlich mehr Teilregeln auf. Auffällig ist, dass sich diese hohe An zahl an Teilregeln aus nur 7 Grundregeleinträgen ergibt. Nur etwas mehr als zwei Drittel der Teilregeleinträge sind im neuen Regelwerk auch Regeln im Sinne dieser Untersuchung. Beim alten Regelwerk sind keine so extre men Verhältnisse festzustellen. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Getrennt- und Zusammenschreibung in der alten Schreibung zu einem Teil auch im Wörterteil gehandhabt wird. 88 Abbildung 5.11: Einträge, Regeln und Nichtregeln im Teilgebiet B Grundregeleinträge Teilregeleinträge Grundregeln Teilregeln Grundregeln: Nichtregeln Teilregeln: Nichtregeln 0 10 20 30 40 50 60 70 80 19 48 16 34 3 14 7 70 7 50 0 20 alt neu <?page no="89"?> 5.3.2.2 Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln Bei der Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln zeigt Teil gebiet B vor allem im neuen Regelwerk in den vollständigen Feinregeln eine auffällig hohe Anzahl. Diese geht zu einem großen Teil auf For mulierungen wie in § 36 zurück. Dort werden in der Grundregel mehrere Regeln zusammengefasst, die wiederum mit zusammengefassten Teilregeln kombiniert werden. In die Normalform gebracht ergeben sich für § 36 allein über 60 Feinregeln. Die Grundregel lautet: Substantive, Adjektive, Verben, Adverbien oder Wörter anderer Kategorien können als erster Bestandteil zusammen mit einem adjektivischen oder adjektivisch gebrauchten zweiten Bestandteil Zusammensetzungen bilden. Ein Paragraf dieser Art demonstriert, zu welch hohem Komplexitätsgrad die Neukonzeption des Regelwerks führt. Die zusammengefassten Regeln der Grundregel werden jeweils mit einer hohen Anzahl ebenfalls zusammengefasster Teilregeln kombiniert, wie z. B. § 36 (2.1): [Dies betrifft ] Verbindungen von Substantiven, Adjektiven, Verben, Adverbien oder Partikeln mit adjektivisch gebrauchten Partizipien. Die daraus resultierenden Feinregeln müssen vom Anwender jeweils im Kopf erzeugt werden, eine Leistung, die vor allem dann, wenn schnell über eine bestimmte Schreibung entschieden werden soll, unangenehm hemmend auffällt. Der gesamte Paragraf 36 ist nicht nur ein Beispiel für die hohe Komplexität und auch die Systematizität des neuen Regelwerks; er zeigt auch, dass die analogistische Herangehensweise in der Tat mit Konrad Dudens Worten dazu führen kann, dass die Anwendung allgemeiner Regeln den "langsamern und schwierigern Weg" 58 darstellt. 58 Duden 1880, S. VI 89 Abbildung 5.12: Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln im Teilgebiet B GR: vs. Fr (GR): vs. GR: uvs. FR (GR): uvs. TR: vs. FR (TR): vs. TR: uvs. FR (TR): uvs. 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 8 6 8 5 26 45 8 4 2 12 5 24 34 175 16 33 alt neu <?page no="90"?> 5.3.2.3 Anzahl der unvollständigen Regeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit Unvollständige Grundregeln In der Getrennt- und Zusammenschreibung finden sich vor allem im neuen Regelwerk aus Grundregeln extrahierte Feinregeln, die unvollständig sind, weil sie kein aussagekräftiges Kriterium nennen. Dies ist auf einen hohen Anteil von Grundregelformulierungen zurückzuführen, die mit Kann-Bestimmungen verwandt sind (vgl. Kapitel 2.4.5). In diesen Formulierungen wird eine eindeutige Handlungsanweisung gegeben, jedoch keine klare Fallbestimmung vorgenommen, wann diese Handlungsanweisung umzusetzen ist. In vielen dieser Regeln wird in den anschließenden Teilregeln ein weiteres Element ergänzt, sodass insgesamt ein aussagekräftiges Kriterium entsteht. Darunter fällt neben dem bereits oben angeführten § 36 auch der § 34: In der Grundregel heißt es: Partikeln, Adjektive, Substantive oder Verben können als Verbzusatz mit Verben trennbare Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie nur in den Infinitiven, den Partizipien sowie im Nebensatz bei Endstellung des Verbs zusammen. Diese zusammengefasste Regel wird in den darauf folgenden Teilregeln noch erweitert und so zu einer zusammengefassten aufgeteilten Regel: Dies betrifft (1) Zusammensetzungen mit einer Verbpartikel als erstem Bestandteil. Verbpartikeln sind Bestandteile, die (1.1) formgleich mit Präpositionen sind. 90 Abbildung 5.13: Anzahl der unvollständigen Grundregeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit in Teilgebiet B GR: ges. FR: ges GR: kein KR FR: kein KR GR: k. KR + un. HA FR: k. KR + un. HA GR: un. HA FR: un. HA 0 5 10 15 20 25 30 8 5 3 5 0 0 5 0 5 24 4 24 0 0 1 0 alt neu <?page no="91"?> Auch hieran zeigt sich die Strukturtiefe der neuen Regelwerkskonzeption, die der systematischen Gliederung mit expliziten Gliederungsebenen geschuldet ist, wobei diese explizite Gliederung nur den tatsächlichen Ebenengehalt des Textes zeigt und keineswegs als künstlich herbeigeführte Komplizierung missverstanden werden sollte. Unvollständige Teilregeln Unter den Teilregeln des Teilgebiets der Getrennt- und Zusammenschreibung sind im neuen Regelwerk die meisten Teilregeln deshalb unvollständig, weil sie keine eindeutige Handlungsanweisung nennen. Dies sind zu einem großen Teil echte Kann-Bestimmungen, die dem Anwender die Wahl der Schreibung überlassen. Um Regeln dieser Art handelt es sich bei spielsweise bei § 34 E5: Lässt sich in einzelnen Fällen keine klare Entscheidung darüber treffen, ob eine idiomatisierte Gesamtbedeutung vorliegt, so bleibt es dem Schreibenden überlassen, getrennt oder zusammenzuschreiben. 91 Abbildung 5.14: Anzahl der unvollständigen Teilregeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit in Teilgebiet B TR: ges. FR: ges. TR: kein KR FR: kein KR TR: k. KR + un. HA FR: k. KR + un. HA TR: un. HA FR: un. HA 0 5 10 15 20 25 30 35 8 4 1 0 1 0 6 4 16 33 3 0 1 0 12 33 alt neu <?page no="92"?> 5.3.3 Teilgebiet C: Schreibung mit Bindestrich 5.3.3.1 Einträge, Regeln, Nichtregeln Das Teilgebiet C, die Schreibung mit Bindestrich ist das erste in der Reihenfolge des aktuellen amtlichen Regelwerks, das sowohl im alten als auch im neuen als gleichermaßen geregelt gelten kann. Der Vergleich der zahlenmäßigen Auswertung der Analyse ist daher umso aufschlussreicher. Die Regeln zu den Schreibungen mit Bindestrich sind im alten Regelwerk zahlreicher als im neuen. Auffällig ist, dass das neue Regelwerk fast gleich viele Teilregeleinträge aufweist wie das alte, obwohl es deutlich we niger Grundregeleinträge kennt. Alle Grundregeleinträge in beiden Regelwerken sind Regeln im Sinne dieser Untersuchung; auch von den Teilregeleinträgen sind nur sehr wenige keine Regeln. Eine so hohe Regeldichte ist für beide Regelwerke ungewöhnlich. Dies bedeutet nicht, dass das Teilgebiet C automatisch auch einen hohen Grad der Anwendbarkeit erreicht. Dieser bestimmt sich schließlich, wie hier noch einmal betont werden soll, zusätzlich zur Unterscheidung zwischen Regel und Nichtregel noch dadurch, ob eine Regel vollständig ist oder nicht. Der Trend der Neuregelung, die Anzahl der Grundregeln zugunsten einer höheren Teilregelanzahl zu senken, offenbart sich hier recht eindeutig. Ist man geneigt, dem alten Regelwerk in dieser Hinsicht eine gewisse Ausgewogenheit zuzusprechen, so muss dem neuen Regelwerk neben höherer Strukturiertheit auch ein höherer Komplexitätsgrad zugesprochen werden, wie auch die folgende Betrachtung zeigt, die die Anzahl der Feinregeln von Grund- und Teilregeln mitberücksichtigt. 92 Abbildung 5.15: Einträge, Regeln und Nichtregeln im Teilgebiet C Grundregeleinträge Teilregeleinträge Grundregeln Teilregeln Grundregeln: Nichtregeln Teilregeln: Nichtregeln 0 5 10 15 20 25 30 35 20 29 20 27 0 2 13 25 13 24 0 1 alt neu <?page no="93"?> 5.3.3.2 Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln Die Betrachtung der Vollständigkeit für das Teilgebiet C zeigt: Vor allem das alte Regelwerk kennt bei den Regeln zur Schreibung mit Bindestrich eine relativ hohe Anzahl an zu Teilregeln gehörigen Feinregeln. Hinsichtlich der Anwendbarkeit auffälliger ist jedoch die Tatsache, dass fast die Hälfte aller Teilregeln im neuen Regelwerk unvollständig ist. Zu einem großen Teil geht dies auf § 45 zurück, dessen unvollständige Grundregel von den dazugehörigen Teilregeln nicht vervollständigt wird: Man kann einen Bindestrich setzen zur Hervorhebung einzelner Bestandteile, zur Gliederung unübersichtlicher Zusammensetzungen, zur Vermeidung von Missverständnissen, oder beim Zusammentreffen von drei gleichen Buchstaben. Diese Kann-Bestimmung ist eindeutig dem Sprachgebrauch geschuldet und verzeichnet auf anomalistische Weise eine feststellbare Regelhaftigkeit. Gleichzeitig zeigt diese Regel auch, dass subjektive Beurteilungen bei der schriftlichen Darstellung von Sprache eine Rolle spielen. Bis auf das Zusammentreffen von drei gleichen Buchstaben beschreiben alle in der Regel genannten Kriterien Fälle, die jeder Schreibende für sich während der Textproduktion entscheidet: Ob ein Bestandteil einer Zusammensetzung hervorgehoben werden soll, liegt ebenso in der Entscheidungskompetenz des Schreibenden wie zu beurteilen, ob eine Zusammensetzung als unübersichtlich eingeordnet und daher mit Bindestrich geschrieben werden soll. Auch die Einschätzung, ab wann eine Zusammenschreibung missverständlich werden kann und daher durch einen Bindestrich eindeutig gemacht werden muss, ist der natürliche Anwendungsbereich des Schreibers. Nicht vergessen werden darf - bei aller offensichtlichen Bedeutsamkeit des Schreibgebrauchs -, dass die andere Hälfte der Regeln anwendbar ist 93 Abbildung 5.16: Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln im Teilgebiet C GR: vs. FR (GR): vs. GR: uvs. FR (GR): uvs. TR: vs. FR (TR): vs. TR: uvs. FR (TR): uvs. 0 5 10 15 20 25 17 12 3 5 19 21 8 9 10 11 3 6 12 6 12 0 alt neu <?page no="94"?> und somit in die Nähe analogistischer Herangehensweise an Recht schreibung rückt. Diese vollständigen Regeln sind für sich betrachtet anwendbar, erlauben also aus ihrer Kenntnis die korrekte Schreibweise der von ihnen erfassten Fälle. Insgesamt zeigt aber gerade das Nebeneinander von anomalistischer und analogistischer Herangehensweise im Teilbereich der Schreibung mit Bindestrich eine negative Auswirkung auf die Anwendbarkeit. Betrachtet man die drei Kriterien der Grundregel des Paragrafen 45 näher, wird deutlich, dass sie auf den gesamten Teilbereich der Schreibung mit Binde strich auf ausgesprochen subjektive Weise Anwendung finden können. Das alte Regelwerk verzeichnet teilweise deutlich mehr Regeln als das neue - Ausführlichkeit ist also keine auf das neue Regelwerk beschränkte Erscheinung. Zumindest im Teilgebiet C bietet das alte Regelwerk aber deutlich mehr vollständige Regeln als das neue. 5.3.3.3 Anzahl der unvollständigen Regeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit Unvollständige Grundregeln Alle unvollständigen Grundregeln und zu Grundregeln gehörenden un vollständigen Feinregeln sind deshalb unvollständig, weil sie eine uneindeutige Handlungsanweisung nennen. Der Schreibgebrauch im Sinne einer Entscheidung für oder gegen einen Bindestrich lässt sich aus Sicht der Autoren des Regelwerks im Teilgebiet C offensichtlich nicht eindeutig fest stellen, weshalb die Entscheidungsfreiheit als Schreibgebrauch in den Regeln verankert wird. Die Regeln dieses Teilbereichs bieten dadurch, dass 94 Abbildung 5.17: Anzahl der unvollständigen Grundregeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit in Teilgebiet C GR: ges FR: ges GR: kein KR FR: kein KR GR: k. KR + un. HA FR: k. KR + un. HA GR: un. HA FR: un. HA 0 1 2 3 4 5 6 7 3 5 0 0 0 0 3 5 3 6 0 0 0 0 3 6 alt neu <?page no="95"?> sie mit aussagekräftigen Kriterien ausgestattet sind, einen analogistischen Zugang. Gleichzeitig tragen sie anomalistische Züge, da sie den uneinheitlichen Schreibgebrauch übernehmen. Auffällig als weiteres Zeichen für die detaillierte Ausarbeitung der Neuregelung ist, dass nur das neue Regelwerk zu den Grundregeln gehörige unvollständige Feinregeln aufweist. Die Hälfte aller zu den Grundregeln gehörenden Feinregeln sind im neuen Regelwerk also unvollständig, weil sie keine eindeutige Handlungsanweisung geben und damit, wie oben bereits gesagt, den uneinheitlichen Sprachgebrauch abbilden. Demgegenüber stehen ausschließlich vollständige zu den Grundregeln gehörende Feinregeln im alten Regelwerk. Da diese anteilig in deutlich geringerer Anzahl auftreten als im neuen Regelwerk (vgl. die vorangegangenen Ausführungen zu Abbildung 5.16 Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln in Teilgebiet C), bestätigt sich die Aussage, dass die neuen Regeln insgesamt eine höhere Detaildichte bieten. Unvollständige Teilregeln Die Ausführungen zu den unvollständigen Grundregeln in Teilgebiet C lassen sich bei den unvollständigen Teilregeln direkt fortführen: Auch hier sind die meisten unvollständigen Regeln deshalb unvollständig, weil sie eine uneindeutige Handlungsanweisung nennen. Dies trifft auch auf das alte Regelwerk zu. Ein deutlicher Unterschied zwischen den Regelwerken ist hinsichtlich des Kriterienmangels festzustellen: Ausschließlich alte Regeln sind unvollständig, weil sie kein aussagekräftiges Kriterium nennen. Dies stützt den Eindruck, dass in den alten Regeln häufig Feststellungen zum Schreibge- 95 Abbildung 5.18: Anzahl der unvollständigen Teilregeln nach der Art ihrer Unvollständigkeit in Teilgebiet C TR: ges FR: ges TR: kein KR FR: kein KR TR: k. KR + un. HA FR: k. KR + un. HA TR: un. HA FR: un. HA 0 2 4 6 8 10 12 14 8 9 1 0 1 0 6 9 12 0 0 0 0 0 12 0 alt neu <?page no="96"?> brauch mit eindeutigen Schreibweisen aufgeführt werden, ein anomalistischer Zugang also evident ist. Die Datenlage bei den Teilregeln der neuen Regeln im Teilgebiet C ist ebenfalls in diese Richung zu interpretieren. Wie bereits bei den Feinregeln der Grundregeln festgestellt, ist die häufigste Ursache dafür, dass Teilregeln und zu den Teilregeln gehörende Feinregeln in diesem Bereich unvollständig sind, eine unvollständige Handlungsanweisung. Die neuen Regeln stellen wiederum einen uneinheitlichen Schreibgebrauch dar, während die alten Regeln kriterienlose Feststellungen treffen. Als erstes Teilgebiet, das sowohl im alten als auch im neuen Regelwerk gleichermaßen berücksichtigt wird, weist das Teilgebiet C bereits einen Trend auf, demzufolge das alte Regelwerk etwas anomalistischer, also im Schreibgebrauch eher den Einzelschreibungen zugeneigt, und das neue Regelwerk etwas analogistischer, also mit höherer Regel- und höherer Kriteriendichte ausgestattet ist. Der Schreibgebrauch, so war zu sehen, ist dabei im neuen Regelwerk zwar ebenfalls berücksichtigt, aber auf der Grundlage uneindeutiger Handlungsanweisungen, die regelhaft kriteriengesteuerte Variantenschreibungen erzeugen. 5.3.4 Teilgebiet D: Groß- und Kleinschreibung 5.3.4.1 Einträge, Regeln, Nichtregeln Das neue Regelwerk scheint bei oberflächlicher Betrachtung der Einträge mit etwas weniger als halb so vielen Regeln wie das alte Regelwerk auszukommen. Zieht man jedoch neben den Grundregeleinträgen noch die Teilregeleinträge hinzu, stellt man fest, dass im neuen Regelwerk weit mehr als doppelt so viele Einträge aufgeführt werden. Dieses Verhältnis ändert sich auch bei den Einträgen nicht, die Regeln im Sinne dieser Untersuchung sind. Diese hohe Regeldichte ist auf die recht ausführlich in den Teilregeln dargestellten Bereiche der Schreibung am Satzanfang und 96 Abbildung 5.19: Einträge, Regeln und Nichtregeln im Teilgebiet D Grundregeleinträge Teilregeleinträge Grundregeln Teilregeln Grundregeln: Nichtregeln Teilregeln: Nichtregeln 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 32 39 30 34 2 5 14 93 13 83 1 10 alt neu <?page no="97"?> auch auf die Regelung der Schreibung von Substantivierungen und Namen zurückzuführen. Ganz besonders jedoch sind hier die zahlreichen Teil regeln zur expliziten Kleinschreibung zu nennen (vgl. §§ 56, 58). Der Überblick über die Regelverteilung des Teilgebiets Groß- und Kleinschreibung weist das Regelwerk erneut als ausführlicher und differenzierter aus; die hohe Anzahl von Teilregeln deutet grundsätzlich auf eine hohe Anzahl von Fallgruppenbeschreibungen hin, die in diesen Teil regeln vorgenommen werden. Dass die Differenziertheit auch in der Tat durch aussagekräftige Kriterien als Fallgruppenbeschreibung erreicht wird, wird im folgenden Schaubild deutlich: 5.3.4.2 Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln Von den 83 Teilregeln sind 67, der weitaus größte Teil, vollständig. Es sind also in 67 dieser Teilregeln aussagekräftige Kriterien mit eindeutigen Handlungsanweisungen verbunden; das neue Regelwerk verzeichnet damit über die Hälfte mehr an differenzierenden Fallgruppenbeschreibungen und zeigt so deutlich, dass die Autoren des neuen Regelwerks die zu Beginn des Kapitels dargelegte Agenda hinsichtlich der Systematizität umsetzen. Ob damit allerdings auch das Ziel einer Vereinfachung erreicht wird, wie es ebenfalls zu Beginn der Auswertung als erklärtes Ziel der Reformer in Erinnerung gerufen wird, muss angezweifelt werden. Betrachtet man die Feinregeln des Teilgebiets D, ist festzustellen, dass auch im alten Regelwerk eine relativ große Menge an zusätzlichen Regeln eingebettet ist. Dies betrifft die Grundregeln und ganz besonders die vollständigen Teilregeln, die über das Vierfache ihrer Anzahl an Feinregeln mit sich bringen. Der Trend, der bei der Betrachtung der Einträge, Regeln und Nichtregeln festgestellt wurde, setzt sich jedoch auch unter Berücksich- 97 Abbildung 5.20: Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln in Teilgebiet D GR: vs. FR (GR): vs. GR: uvs. FR (GR): uvs TR: vs. FR (TR): vs. TR: uvs. FR (TR): uvs. 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 28 57 2 1 28 98 6 41 12 14 1 1 67 179 16 28 alt neu <?page no="98"?> tigung der Feinregeln fort: Das neue Regelwerk kennt nicht nur eine hohe Anzahl an Teilregeln, sondern weist noch dazu eine herausragend hohe Anzahl an Feinregeln auf, die aus den Teilregeln entstehen. Auch hierfür sind die zahlreichen feinen Fallgruppenbestimmungen verantwortlich, die vor allem in den Bereichen explizite Kleinschreibung, Namenschreibung und Substantivierungen vorgenommen werden. Zusammenfassend lässt sich für das Teilgebiet der Groß- und Kleinschreibung festhalten, dass der Trend zur analogistischen Regelung der Rechtschreibung, im Sinne einer im Kern systematisierenden und fallgruppenorientierten Regelung, auch hier festgestellt werden kann. 5.3.4.3 Anzahl der unvollständigen Regeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit Unvollständige Grundregeln Wie die Abbildung oben zeigt, sind in Teilgebiet D in beiden Regelwerken nur sehr wenige Grundregeln unvollständig. 98 Abbildung 5.21: Anzahl der unvollständigen Grundregeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit im Teilgebiet D GR: ges. FR: ges. GR: kein KR FR: kein KR GR: k. KR + un. HA FR: k. KR + un. HA GR: un. HA FR: un. HA 0 0,5 1 1,5 2 2,5 2 0 1 0 0 0 1 0 1 0 1 0 0 0 0 0 alt neu <?page no="99"?> Unvollständige Teilregeln Unvollständige Teilregeln gibt es in Teilgebiet D vor allem im neuen Regel werk. Die meisten davon nennen weder ein aussagekräftiges Kriterium noch eine eindeutige Handlungsanweisung. Teilregel § 58 (3.2) illustriert dies: Bestimmte feste Verbindungen aus Präpositionen und dekliniertem Adjektiv ohne vorangehenden Artikel schreibt man klein. In diesen Fällen ist jedoch auch die Großschreibung des Adjektivs zulässig. [Die Formulierung berücksichtigt die Grundregel § 58 und dieTeilregeln § 58 (3) und § 58 (3.2)] Hinsichtlich des Umgangs mit dem Schreibgebrauch lässt sich im Teilgebiet der Groß- und Kleinschreibung eine so eindeutige Zuordnung wie in Teilgebiet C - eher anomalistisch im alten, eher analogistisch im neuen - nicht treffen. Auch hier ist jedoch ein Trend im neuen Regelwerk hin zu uneindeutigen Handlungsanweisungen abzulesen. Die kriteriengesteuerte regelhafte Erzeugung uneinheitlicher Schreibweisen tritt hier neben die kriterienlose Darstellung uneinheitlicher Schreibweisen, wie sie von unvollständigen Regeln geleistet wird, die weder ein aus sagekräftiges Kriterium noch eine eindeutige Handlungsanweisung nennen. Der analogistische Trend der vollständigen Regeln, wie er zu Abbildung 5.20 festgestellt wurde, bleibt von diesem Befund unberührt, da es dort nicht um den Schreibgebrauch, sondern um die Differenzierung und Systematisierung der Regeln mithilfe aussagekräftiger Kriterien, also unterschiedlicher Fallgruppenbeschreibungen geht. 99 Abbildung 5.22: Anzahl der unvollständigen Teilregeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit in Teilgebiet D TR: ges. FR: ges. TR: kein KR FR: kein KR TR: k. KR + un. HA FR: k. KR + un. HA TR: un. HA FR: un. HA 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 6 41 1 35 0 0 5 6 16 28 3 20 6 3 7 8 alt neu <?page no="100"?> 5.3.5 Teilgebiet E: Zeichensetzung 5.3.5.1 Einträge, Regeln, Nichtregeln Das alte Regelwerk weist im Teilgebiet der Zeichensetzung deutlich mehr Einträge und auch Regeln im Sinne dieser Untersuchung auf. Auffällig ist, dass das neue Regelwerk über doppelt so viele Teilregeln wie Grundregeln nennt, während das alte Regelwerk zwar insgesamt deutlich mehr Grund- und Teilregeln besitzt, das Verhältnis zwischen diesen jedoch wesentlich ausgewogener ist. Im Vergleich zu den bisher bewerteten Teilgebieten handelt es sich hierbei um einen ungewöhnlichen Befund. 100 Abbildung 5.23: Einträge, Regeln und Nichtregeln im Teilgebiet E Grundregeleinträge Teilregeleinträge Grundregeln Teilregeln Grundregeln: Nichtregeln Teilregeln: Nichtregeln 0 20 40 60 80 100 120 140 160 102 140 100 132 2 8 40 114 40 99 0 15 alt neu <?page no="101"?> 5.3.5.2 Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln Das neue Regelwerk fällt in Teilgebiet E mit einer herausragend hohen An zahl vollständiger Feinregeln auf. Dies ist unter anderem auf Teilregeln wie § 77 (4) zurückzuführen, die eine große Anzahl an einleitenden Wörtern nennen, vor denen ein Komma gesetzt werden soll. Aus jedem dieser einleitenden Wörter (wie z. B. also, besonders, nämlich) entsteht in Verbindung mit den zugehörigen Regelformulierungen eine Feinregel (vgl. § 77 (4), 84 (3), 86 (3), 96 E2). Bleibt in den anderen Kategorien das eher ungewöhnliche Verhältnis in der Anzahl der Regeln zwischen den beiden Regelwerken bestehen, so bestätigen die vollständigen Feinregeln der Teilregeln mit ihrer Anzahl von 275 differenzierten Fallbestimmungen erneut den Trend des reformierten Regelwerks hin zu einer systematischeren Regelung. 101 Abbildung 5.24: Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln in Teilgebiet E GR: vs. FR (GR): vs. GR: uvs. FR (GR): uvs. TR: vs. FR (TR): vs. TR: uvs. FR (TR): uvs. 0 50 100 150 200 250 300 80 118 20 21 92 164 40 114 28 80 12 17 69 275 30 87 alt neu <?page no="102"?> 5.3.5.3 Anzahl der unvollständigen Regeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit Unvollständige Grundregeln Alle unvollständigen Regeln des alten Regelwerks sind im Teilgebiet E deshalb unvollständig, weil sie eine uneindeutige Handlungsanweisung nennen. Dies trifft auch auf den größten Teil der unvollständigen Regeln des neuen Regelwerks in diesem Bereich zu, in dem auch zu Grundregeln gehörende unvollständige Feinregeln existieren. Hauptsächlich geht die Unvollständigkeit dieser Regeln auf Kann-Bestimmungen wie § 94 zurück: Mit Anführungszeichen kann man Wörter oder Teile innerhalb eines Textes hervorheben und in bestimmten Fällen deutlich machen, dass man zu ihrer Verwendung Stellung nimmt, sich auf sie bezieht. (vgl. auch §§ 73, 76, 78, 80; im alten Regelwerk RR 85, 88, 89). Der Umgang mit dem Schreibgebrauch ist im Teilgebiet der Zeichensetzung für die Grundregeln beider Regelwerke also sehr ähnlich. In beiden Fällen werden uneinheitliche Schreibweisen differenzierten Fallgruppenbeschreibungen zugeordnet; ein eher analogistischer Zugang also. Diese Feststellung ist nicht zuletzt deshalb von hoher Bedeutsamkeit, weil damit deutlich wird, dass auch das alte Regelwerk einen Mischzugang zum Umgang mit dem Schreibgebrauch und somit auch insgesamt zur Regelung der Rechtschreibung verfolgt. In beiden Regelwerken sind analogistische und anomalistische Züge anzutreffen. Die Regelwerke unterscheiden sich dabei nur darin, wie ausgeprägt ein Trend zu einer der beiden Herangehensweise ist. 102 Abbildung 5.25: Anzahl der unvollständigen Grundregeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit im Teilgebiet E GR: ges. FR: ges. GR: kein KR FR: kein KR GR: k. KR + un. HA FR: k. KR + un. HA GR: un. HA FR: un. HA 0 5 10 15 20 25 20 21 0 0 0 0 20 21 12 17 4 2 1 0 7 15 alt neu <?page no="103"?> Unvollständige Teilregeln Die herausragend hohe Anzahl unvollständiger Feinregeln, die aus Teilregeln des neuen Regelwerks hervorgehen, teilt sich fast gleichberechtigt auf solche, die weder ein aussagekräftiges Kriterium noch eine eindeutige Handlungsanweisung nennen und solche, die keine eindeutige Handlungsanweisung nennen. Im ersten und im zweiten Fall handelt es sich hauptsächlich um die Feinregeln zu den Teilregeln von den oben bei der Betrachtung der unvollständigen Grundregeln bereits erwähnten Paragrafen (z. B. § 94). Je nach Formulierung der Teilregel und der daraus entstehenden Feinregeln beruht die Unvollständigkeit auf den oben angeführten Gründen. Das neue Regelwerk kennt zwar wie das alte Regelwerk eine hohe Anzahl an Regeln, die keine eindeutige Handlungsanweisung nennen bzw. die weder Kriterium noch eindeutige Handlungsanweisung nennen; es beinhaltet jedoch im Gegensatz zum alten Regelwerk keine einzige Regel, die kein aussagekräftiges Kriterium nennt. Es lässt sich also erneut feststellen, dass das neue Regelwerk großen Wert darauf legt, differenzierte Fallgruppenbeschreibungen zur Grundlage der Regeleungen zu machen. Der Umgang mit dem Schreibgebrauch führt dabei sehr häufig dazu, solche Fallgruppen gänzlich regelhaft uneinheitlich zu machen, entspre chende Fallgruppenbeschreibungen also mit einer uneindeutigen Handlungsanweisung zu versehen. Das alte Regelwerk verfolgt mit kriterien losen Regeln häufig den Umgang mit dem Schreibgebrauch, der insofern als anomalistisch zu bezeichnen ist, als er Fälle statt Fallgruppen zugrundelegt. 103 Abbildung 5.26: Anzahl der unvollständigen Teilregeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit in Teilgebiet E TR: ges. FR: ges. TR: kein KR FR: kein KR TR: k. KR + un. HA FR: k. KR + un. HA TR: un. HA FR: un. HA 0 20 40 60 80 100 120 40 114 6 31 3 17 31 66 30 87 1 0 11 54 18 33 alt neu <?page no="104"?> 5.3.6 Teilgebiet F: Worttrennung am Zeilenende 5.3.6.1 Einträge, Regeln, Nichtregeln Das alte Regelwerk beinhaltet bei nur fünf Grundregeleinträgen 25 Teilregeleinträge zum Bereich der Worttrennung am Zeilenende. Dieser Be reich der Rechtschreibung ist aus dieser Perspektive also deutlich ver schlankt worden, obwohl das neue Regelwerk zwei Grundregeleinträge mehr verzeichnet. Ungewöhnlich für das neue Regelwerk ist auch, dass nur vier Teilregeleinträge zu verzeichnen sind - also weniger, als es Grundregeleinträge gibt. Im Fall der Worttrennung am Zeilenende scheint die Vereinfachung der Regeln, wie sie von den Reformern angestrebt wurde, gelungen. 104 Abbildung 5.27: Einträge, Regeln und Nichtregeln im Teilgebiet F Grundregeleinträge Teilregeleinträge Grundregeln Teilregeln Grundregeln: Nichtregeln Teilregeln: Nichtregeln 0 5 10 15 20 25 30 5 25 5 23 0 2 7 4 7 3 0 1 alt neu <?page no="105"?> 5.3.6.2 Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln Die Vereinfachung der Regeln geht jedoch nicht mit einer höheren Anwendbarkeit einher: etwas mehr als die Hälfte der Grundregeln des neuen Regelwerks in Teilgebiet F sind unvollständig; dies gilt auch für die aus den Grundregeln entstehenden Feinregeln. Trotz der Regelreduktion gibt das neue Regelwerk also keine klare Auskunft darüber, wie in der Worttrennung am Zeilenende verfahren werden soll. Das alte Regelwerk verzeichnet eine hohe Anzahl an Teilregeln in diesem Bereich, die zum allergrößten Teil vollständig sind; die An wendbarkeit des alten Regelwerks ist in diesem Teilgebiet auf der Ebene der Grund- und Teilregeln also höher zu bewerten als die des neuen. Diese positive Einschätzung wird durch die zu den Teilregeln gehörenden zahlreichen Feinregeln des alten Regelwerks relativiert: Etwa die Hälfte hiervon ist unvollständig und damit also nicht anwendbar. 105 Abbildung 5.28: Anzahl der vollständigen und unvollständigen Regeln im Teilgebiet F GR: vs. FR (GR): vs. GR: uvs. FR (GR): uvs. TR: vs. FR (TR): vs. TR: uvs. FR (TR): uvs. 0 5 10 15 20 25 5 13 0 0 18 21 5 22 3 13 4 7 1 4 2 2 alt neu <?page no="106"?> 5.3.6.3 Anzahl der unvollständigen Regeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit Unvollständige Grundregeln Keine der Grundregeln des alten Regelwerks ist im Teilgebiet der Worttrennung am Zeilenende unvollständig. Alle vier unvollständigen Grundregeln des neuen Regelwerks in Teilgebiet F sind aufgrund einer uneindeutigen Handlungsanweisung unvollständig. Ebenso wie bei den unvollständigen Feinregeln der Grundregeln des neuen Regelwerks geht dies auf Kann-Bestimmungen zurück (vgl. §§ 107, 109, 112). Es zeigt sich hier erneut - und damit konsequent -, die analogistische Herangehensweise des neuen Regelwerks, da aussagekräftige Kriterien als Grundlage differenzierter Fallgruppenbestimmungen und somit auch analoger Schreibungen in den Regeln zwar vorliegen, diese aber aufgrund der Berücksichtigung des Schreibgebrauchs mit uneindeutigen Handlungsanweisungen verbunden werden. Dass auch das alte Regelwerk einer solchen Berücksichtigung des Schreibgebrauchs verpflichtet ist, zeigt die folgende Auswertung der unvollständigen Teilregeln im Teilgebiet der Worttrennung am Zeilenende. 106 Abbildung 5.29: Anzahl der unvollständigen Grundregeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit im Teilgebiet F GR: ges. FR: ges. GR: kein KR FR: kein KR GR: k. KR + un. HA FR: k. KR + un. HA GR: un. HA FR: un. HA 0 1 2 3 4 5 6 7 8 0 0 0 0 0 0 0 0 4 7 0 0 0 0 4 7 alt neu <?page no="107"?> Unvollständige Teilregeln Die hohe Anzahl der unvollständigen Feinregeln des alten Regelwerks geht zur Gänze auf die Regel R 179.1 zurück, die in Verbindung mit der Grund regel 22 Regeln zusammenfasst, in denen bestimmte Buchstabengruppen aufgeführt werden, die alle "im allgemeinen" nicht getrennt werden sollen. Da "im allgemeinen" keine eindeutige Handlungsanweisung gibt, sind alle diese Regeln unvollständig. Gleichzeitig sind sie auch ein Beispiel für den analogistischen Umgang des alten Regelwerks mit dem Sprachgebrauch und somit ein Beleg dafür, dass in beiden Regelwerken sowohl anomalistische als auch analogistische Herangehensweisen feststellbar sind. Die ausführliche Auswertung der Analyse nach Teilgebieten ist damit beendet. Eine zusammenfassende Bewertung folgt abschließend im nächsten Kapitel. 107 Abbildung 5.30: Anzahl der unvollständigen Teilregeln nach dem Grund ihrer Unvollständigkeit in Teilgebiet F TR: ges. FR: ges. TR: kein KR FR: kein KR TR: k. KR + un. HA FR: k. KR + un. HA TR: un. HA FR: un. HA 0 5 10 15 20 25 5 22 1 2 0 0 4 22 2 2 0 0 0 0 2 2 alt neu <?page no="109"?> 6 Schlusswort Generell lässt sich auf der Grundlage der vorangegangenen ausführlichen Auswertung sagen, dass die Ziele und Absichten der Reformer, wie sie zu Beginn von Kapitel 5 in Erinnerung gerufen wurden, feststellbare Auswirkungen auf das neue Regelwerk hatten. Eine Differenzierung und Systematisierung hat in der Tat stattgefunden, allerdings auf Kosten der Anwendbarkeit, was nicht zuletzt der Tatsache geschuldet ist, dass das neue Regelwerk ebenso wie das alte sowohl anomalistische als auch ana logistische Herangehensweisen in sich vereinigt. Die Einträge, Regeln und Feststellungen von Regelhaftigkeiten, die sich im neuen Regelwerk finden, bedürfen nach wie vor der fachkundigen Interpretation. Weder das alte noch das neue Regelwerk kann für sich in Anspruch nehmen, von jedem Anwender verstanden zu werden, nicht zuletzt, weil darin eine komplexe Sachlage auf komplexe Weise abgebildet wird. Der Anwender, den auch Konrad Duden bei der Erstellung seines Wörterbuches erreichen wollte, merkt davon kaum etwas, da er in den meisten Fällen nicht das Regelwerk zu Rate zieht, sondern das Wörterverzeichnis eines Rechtschreibwörterbuches. Für diese These sprechen nicht zuletzt die Verkaufszahlen der einschlägigen Bücher: Wortlistenartige Zusammenstellungen wie der Rechtschreibband von Duden oder Wahrig verkaufen sich im Vergleich zu den reinen amtlichen Regeln wesentlich besser. Offensichtlich assoziieren die Anwender mit Rechtschreibung bzw. ihrer Erschließung ein Wörterbuch und kein Regelwerk, was bedeutet, dass ein punktueller Zugriff auf das Nachzuschlagende vom Anwender für möglich und wünschenswert gehalten wird - genau wie Konrad Duden bereits 1880 erkannte. Dies führt auch dazu, dass ein immer feineres und detailreicheres Regelwerk nur in den Teilen relativ schnell Eingang in den tatsächlichen Schreibgebrauch findet, die sich direkt auf die Darstellung in einem Wörterbuch auswirken. Die Analyse und die darauf basierende Auswertung haben gezeigt, dass beide Regelwerke eine enorm hohe Anzahl an Einträgen und Regeln umfassen. Schon dies allein bedeutet, dass die Regeln nur unter hohem Aufwand durchdrungen und angewendet werden können. Die ebenfalls hohe Anzahl von unterschiedlichen Kriterien macht es in Verbindung hiermit sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich, aus bewusster Regelkenntnis richtig zu schreiben. Die durch die aussagekräftigen Kriterien beschriebenen und abgegrenzten Fallgruppen, der rechtschreibliche Gegenstand also, der durch die Handlungsanweisung in seiner Schreibung geregelt werden soll, müssen idealerweise in genau der Art, in der sie in den Regeln fixiert sind, auch in der Kognition des Anwenders präsent sein. Ist dies nicht der Fall, gestaltet sich die Anwendung schwierig, da der Anwender die Beschreibung jeder einzelnen Fallgruppe daraufhin prüfen muss, ob sie mit seiner eigenen Vorstellung dieser Fallgruppe übereinstimmt. Hinzu 109 <?page no="110"?> kommt, dass der Anwender oft von einem bestimmten Fall erst auf eine Fallgruppe schließen muss, bevor er sich eine Vorstellung von der entsprechenden Fallgruppe und ihrer möglichen Beschreibung machen und diese dann im Regelwerk überprüfen kann. Aus dieser Perspektive betrachtet ist weder das alte noch das neue Regelwerk ohne große Hürden anwendbar. Ob dies als massive Kritik oder als einfache Feststellung verstanden wird, hängt davon ab, welche Rolle man dem Regelwerk zuspricht. Hält man es für das Referenzwerk des normalen Anwenders, muss das Urteil auf Grundlage dieser Untersuchung vernichtend ausfallen. Ob alt oder neu: Eine solche Menge an Fallgruppen- und Einzelfallunterscheidungen ist nicht praxistauglich. Ist man hingegen der Auffassung, dass das Regelwerk die Rechtschreibung sozusagen im Hintergrund regelt, nämlich als Basis für Wörterbücher und didaktische Materialien zum Thema, ist ein differenziertes Urteil möglich. Aus dieser Perspektive kann dem neuen Regelwerk zugesprochen werden, dass es in der Tat, wie von den Machern angekündigt, eine feinere Abgrenzung der einzelnen zu regelnden Fälle voneinander erreicht. Das höhere Aufkommen von Kriterienelementen und die deutlich höhere Zahl von Kriterien in den Teilregeln zeigen dies. Die Regeln wurden daher in der Tat systematisiert; umfangreiche Änderungen für das Schriftbild ergeben sich jedoch, gemäß den Zielsetzungen der Reformer ebenfalls nicht, weil auf einen echten Wechsel in der Heran gehensweise verzichtet wurde. Dies gilt sowohl für einen Paradigmenwechsel im Sinne eines Wechsels von Anomalismus zu Analogismus als auch für den Umgang mit dem Schreibgebrauch: dieser ist, wie die Auswertung nach Teilgebieten deutlich gezeigt hat, dergestalt, dass ein uneinheitlicher Schreibgebrauch in höherem Maße als im alten Regelwerk in das neue Regelwerk auf genommen wird. Eine ähnliche Entwicklung fand auch in der Zeit vor der II. Ortho graphischen Konferenz statt: Konrad Dudens "Vollständiges Wörterbuch der Deutschen Orthographie", das 1880 zum ersten Mal erschien und zur Grundlage der II. Orthographischen Konferenz wurde, enthielt im Vergleich zu anderen rechtschreiblich orientierten Wörterbüchern mehr Doppelschreibungen. 59 Die Tatsache, dass auch das neue Regelwerk vermehrt Schreibvarianten zulässt, zeigt im Licht der Ergebnisse dieser Untersuchung, dass die Re form zwar keinen Paradigmenwechsel herbeigeführt hat, wohl aber eine Verschiebung von anomalistischer zu analogistischer Herangehensweise. Gleichzeitig zeigen die äußerst heterogenen Reaktionen, die die einzelnen Schritte der Reformbemühungen im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts und auch die Entwicklungen der jüngsten Rechtschreibreform begleitet haben, dass diese Verschiebung in der Herangehensweise nur schwerlich als das Ergebnis eines generellen Umdenkens gedeutet werden kann. Vielmehr zeigt sich darin, dass die beiden grundlegenden Perspektiven auf die Norm der Schreibung, nämlich auf der einen Seite der fallgesteuerte 59 Czyżewska 2003, S. 247 110 <?page no="111"?> Blick, der Rechtschreibung an Einzelschreibungen verankert, und auf der anderen Seite der fallgruppengesteuerte Blick, der Rechtschreibung an den Schreibungen ganzer Gruppen verankert, zumindest in Deutschland einen festen Platz in der Wahrnehmung und Beurteilung von Rechtschreibung haben. Als Folge hiervon werden die Rechtschreibregeln weiterhin sowohl analogistische als auch anomalistische Regeln verzeichnen. In welchem Verhältnis diese Herangehensweisen jeweils stehen, variiert dabei, wie das jüngste Regelwerk zeigt. Eine gewisse Uneinheitlichkeit ist daher in der deutschen Rechtschreibung ebenso fest verankert wie die beiden dominanten Perspektiven auf ihre Regelung. Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass eine der grundlegendsten Motivationen für eine Norm der Schreibung, nämlich Einheitlichkeit in der Schreibung zu erreichen, in Deutschland vorerst nicht zur Gänze durch ein Regelwerk erfüllt werden kann. Die hohe Zahl an Regeln mit aussagekräftigem Kriterium, aber unein deutiger Handlungsanweisung, die in der detaillierten Auswertung nach Teilgebieten gezeigt werden konnte, ist, wie bereits in den vorange gangenen Kapiteln erläutert, ein Anzeichen für den Trend hin zu analogistischen Regeln, da das aussagekräftige Kriterium eine Fallgruppe identifiziert. Die uneindeutige Handlungsanweisung, die für diese Fallgruppe gegeben wird, ist ein Zugeständnis an den Schreibgebrauch und somit nicht nur ein Zeichen für eine anomalistische Kraft, sondern auch ein Zugeständnis daran, dass Rechtschreibung nicht in einem Regelwerk stattfindet. In der Tat zeigt die Vorgehensweise im jüngsten Band der Duden- Rechtschreibung, alle laut Regelwerk vorgesehenen Schreibvarianten aufzuführen und davon immer genau eine zu empfehlen, dass Einheitlichkeit in der Schreibung auf einer anderen als der Regelwerksebene hergestellt wird. Generell ausgedrückt ist dies die Ebene der Praxis, deren Ope rationseinheit in erste Linie Fälle, also Einzelschreibungen, und erst in zweiter Linie Fallgruppen sind. Auch diese Entwicklung ist historisch betrachtet nicht neu: Konrad Duden verzeichnete in seinem "Vollständigen Wörterbuch" zwar zahlreiche Varianten, er erarbeitete auf dieser Grundlage jedoch auch den sogenannten Buchdruckerduden, der für jede Va riante nur einen einzigen Eintrag enthielt. Auf der Ebene der Praxis entscheidet sich aber nicht nur, ob die Rechtschreibung generell als uneinheitlich empfunden wird; auch die Anwendbarkeit wird auf dieser Ebene beurteilt. Empfehlungen bestimmter Schreib weisen, wo mehrere möglich sind, können dabei einen großen Unterschied in der Wahrnehmung machen: Sie machen aus Regeln, die aufgrund einer uneindeutigen Handlungsanweisung unvollständig sind, Regeln, die aufgrund des Fehlens eines aussagekräftigen Kriteriums unvollständig sind und verschieben so das Verhältnis zwischen analogistischer und anomalistischer Herangehensweise entgegen dem Trend im Regelwerk selbst in Richtung der anomalistischen Herangehensweise - was überdeutlich zeigt, dass diese beiden Kräfte konstant wirken, unabhängig davon, ob eine Reform gerade rechtskräftig geworden ist oder nicht. 111 <?page no="113"?> 7 Literaturverzeichnis 7.1 Primärliteratur Rat für deutsche Rechtschreibung (Hg.) (2006): Deutsche Rechtschreibung. Regeln und Wörterverzeichnis: Amtliche Regelung. Tübingen. Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Hg.) (1991): Die deutsche Rechtschreibung. (= Duden. Band 1.) Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich. 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