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Sprachverwendung in der Chat-Kommunikation

Eine diachrone Untersuchung französischsprachiger Logfiles aus dem Internet Relay Chat

1208
2010
978-3-8233-7611-8
978-3-8233-6611-9
Gunter Narr Verlag 
Esther Strätz

Die Untersuchung widmet sich der Sprachverwendung in der Chat-Kommunikation aus einer diachronen Perspektive. Ausgangspunkt ist dabei die Frage, ob die Sprachverwendung innerhalb der Kommunikationsform Chat in einem Zeitraum von fünf Jahren signifikante Veränderungen erfahren hat. Zu diesem Zweck werden in den Jahren 2003 und 2008 erhobene, der Diskursart ,phatischer Chat' zuzuweisende Sprachdaten in Form französischsprachiger Logfiles aus dem Internet Relay Chat (IRC) auf den Beschreibungsebenen Orthographie, Syntax, Lexikon, Phonie und Graphie sowie hinsichtlich semiotischer Sonderformen linguistisch ausgewertet und einander in diachroner Perspektive gegenübergestellt.

<?page no="1"?> Sprachverwendung in der Chat-Kommunikation 089510 ScriptO. 137 - Stra? tz: 089510 ScriptO. 137 - Strätz Titelei 04.11.10 14: 13 Uhr Seite <?page no="2"?> 137 Herausgegeben von Paul Goetsch und Wolfgang Raible 089510 ScriptO. 137 - Stra? tz: 089510 ScriptO. 137 - Strätz Titelei 04.11.10 14: 13 Uhr Seite <?page no="3"?> Esther Strätz Sprachverwendung in der Chat-Kommunikation Eine diachrone Untersuchung französischsprachiger Logfiles aus dem Internet Relay Chat 089510 ScriptO. 137 - Stra? tz: 089510 ScriptO. 137 - Strätz Titelei 04.11.10 14: 13 Uhr Seite <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. D 188 Gedruckt mit Unterstützung der Kurt-Ringger-Stiftung zur Förderung des romanistischen Nachwuchses. © 2011 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Druck und Bindung: Hubert & Co, Göttingen Printed in Germany ISSN 0940-0303 ISBN 978-3-8233-6611-9 089510 ScriptO. 137 - Stra? tz: 089510 ScriptO. 137 - Strätz Titelei 04.11.10 14: 13 Uhr Seite <?page no="5"?> Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2009/ 2010 vom Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität Berlin als Inauguraldissertation angenommen. Ohne die Anregungen und die Unterstützung einer Vielzahl von Personen, denen ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen möchte, wäre ihr Entstehen jedoch nicht möglich gewesen. Mein größter Dank gilt meinem Doktorvater und dem Erstgutachter dieser Arbeit, Prof. Dr. Jürgen Trabant. Danken möchte ich ebenfalls dem Zweitgutachter, Prof. Dr. Thomas Kotschi, sowie den weiteren Kommissionsmitgliedern Prof. Dr. Daniela Caspari, PD Dr. Bettina Lindorfer und Dr. Brigitte Jostes für ihre Unterstützung und Teilnahme am Promotionsverfahren. Des weiteren danke ich allen Freunden und Kollegen, die mir während der Zeit meiner Promotion hilfreich zur Seite standen. Den Herausgebern der Reihe ScriptOralia danke ich für die Aufnahme der Arbeit in diese Reihe und der Kurt-Ringger-Stiftung zur Förderung des romanistischen Nachwuchses für den großzügig gewährten Druckkostenzuschuss. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern, Ingrid und Reinhard Strätz. <?page no="7"?> 7 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung: Zielsetzung, Aufbau, Forschungsstand... 13 1.1 Zielsetzung ............................................................................ 14 1.2 Aufbau ................................................................................... 15 1.3 Forschungsstand................................................................... 16 2 Historische und technische Grundlagen der computervermittelten Kommunikation ......................... 19 2.1 Von der Vision zur Wirklichkeit: Historiographie, Entstehung und Entwicklung von Internet und World Wide Web .............................................................................. 19 2.1.1 Vom ARPANET zum Internet ........................................... 22 2.1.2 Hypertext und World Wide Web ...................................... 26 2.2 Nutzung von Internet und World Wide Web heute ....... 28 2.3 Exkurs: Frankreich und der Minitel................................... 30 3 Die verschiedenen Formen computervermittelter Kommunikation (cvK) ....................................................... 33 3.1 Quasi-synchrone Formen von cvK..................................... 34 3.1.1 Instant Messaging-Systeme (IM) ...................................... 34 3.1.2 Rollenspiele: Multi User Domain (MUD) ......................... 35 3.2 Asynchrone Formen von cvK ............................................. 36 3.2.1 E-Mail, Mailinglisten und Newsletter.............................. 37 3.2.2 Newsgroups des USENET................................................. 39 3.2.3 Webbasierte Kommunikationsangebote und Web 2.0- Technologien ........................................................................ 40 4 Chat........................................................................................ 43 4.1 Abgrenzung verschiedener Chat-Systeme: IRC und Web-Chat ............................................................................... 47 4.1.1 IRC ......................................................................................... 47 4.1.1.1 Einrichtung des mIRC Clients ................................................. 49 4.1.1.2 Handhabung und Funktionsweise des mIRC Clients .......... 52 4.1.2 Web-Chat .............................................................................. 57 4.1.3 IRC vs. Web-Chat: Kriterien für die Wahl des IRC ......... 61 4.2 Grundsätzliche Betrachtungen zum Chatten ................... 64 <?page no="8"?> 8 4.2.1 Soziale Konventionen im Chat: netiquette und chatiquette 64 4.2.2 Anonymität und Identität im Chat.................................... 67 4.2.3 Internet- und Chat-Sucht .................................................... 70 5 Das Korpus ........................................................................... 73 5.1 Beschreibung des Sprachdatenerhebungsverfahrens .... 73 5.2 Forschungsethische Aspekte der Korpuserstellung ....... 74 5.3 Die Teil-Korpora 2003 und 2008........................................ 78 5.3.1 Teil-Korpus 2003 .................................................................. 80 5.3.2 Teil-Korpus 2008 .................................................................. 82 5.3.3 Teil-Korpus 2003 vs. Teil-Korpus 2008 ............................. 85 6 Theoretische Grundlagen der Verortung der Chat- Kommunikation im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit............................................................. 87 6.1 Das Nähe-Distanz-Kontinuum von Koch/ Oesterreicher (1985) ...................................................................................... 87 6.2 Das Nähe-Distanz-Kontinuum auf dem Prüfstand der Chat-Kommunikation .......................................................... 90 6.3 Verortung der Diskursart im Nähe-Distanz-Kontinuum 93 6.3.1 Kommunikationsbedingungen ......................................... 94 6.3.2 Versprachlichungsstrategien............................................ 102 7 Empirische diachrone Untersuchung der Teil-Korpora 103 7.1 Orthographie zwischen Kompetenz und Performanz .. 104 7.1.1 Performanzbedingte Phänomene .................................... 105 7.1.2 Kompetenzbedingte Phänomene..................................... 113 7.2 Syntaktische Aspekte ......................................................... 114 7.2.1 Syntaktische Kurzformen: Einform-Turns ..................... 115 7.2.2 Syntaktische Komplexität: Parataxe vs. Hypotaxe ........ 118 7.2.3 Verwendung von Majuskeln am Turn-Beginn .............. 120 7.2.4 Interpunktion am Turn-Ende ........................................... 121 7.3 Lexikalische Aspekte.......................................................... 124 7.3.1 Abbreviativ-Verfahren ...................................................... 124 7.3.1.1 Sigelbildung ............................................................................. 126 7.3.1.2 Trunkierung: Apokopen und Aphäresen ............................ 130 7.3.2 Onomatopoetika und Interjektionen................................ 132 7.3.3 Ausdrücke und Entlehnungen aus anderen Sprachen .. 134 7.3.3.1 Englischsprachige Ausdrücke und Entlehnungen ............. 134 7.3.3.2 Ausdrücke und Entlehnungen aus sonstigen Sprachen .... 135 <?page no="9"?> 9 7.4 Phonisch-graphische Aspekte...........................................136 7.4.1 Ortograf fonétik ................................................................. 137 7.4.1.1 Assimilation ............................................................................. 138 7.4.1.2 Allographie .............................................................................. 140 7.4.1.3 Tilgung stummer Wortendungen ........................................ 142 7.4.1.4 Simplifizierung von Di- und Trigraphien ........................... 143 7.4.2 Syllabogramme .................................................................. 144 7.4.3 Logogramme ...................................................................... 146 7.4.4 Leetspeak ............................................................................ 148 7.4.5 Reminiszenz-Graphien...................................................... 149 7.4.6 Emulierte Prosodie ............................................................ 151 7.4.6.1 Emulierte Prosodie durch Zeichenreduplikation ............... 151 7.4.6.2 Emulierte Prosodie durch Majuskelverwendung ............... 153 7.4.7 Tilgung von Diakritika am Beispiel der Cedille ............ 154 7.5 Semiotische Sonderformen................................................ 155 7.5.1 Emoticons............................................................................ 156 7.5.2 Bixies.................................................................................... 160 7.5.3 ASCII-Arts .......................................................................... 162 7.6 Fazit: Empirische diachrone Untersuchung der Teil- Korpora ................................................................................ 16 3 8 Synthese .............................................................................. 167 8.1 Verortung der Diskursart zwischen kommunikativer Nähe und Distanz............................................................... 167 8.2 Verortung der Diskursart im Diasystem des Französischen...................................................................... 170 9 Schlussbetrachtung und Ausblick................................. 177 Literaturverzeichnis .............................................................. 181 Anhang A: Korpusübersicht................................................ 193 Anhang B: IRC-Befehle ........................................................ 200 Anhang C: Emoticons und Bixies ....................................... 202 Anhang D: Glossar ................................................................ 204 Anhang E: Korpus.................................................................. 207 <?page no="11"?> Es ist Nacht doch im Hirn kehrt keine Ruhe ein Der Fernseher spuckt öde Shows ins Wohnzimmer hinein Ich will nicht, dass zick ist, ist mein Leben schon vorbei Ich renn an den PC und nenn mich Loreley Refrain Chat’aime Folge mir ins Separée Chat’aime Erzähl mir Deine Phantasien (Text Annamateur © 2005) <?page no="13"?> 13 1 Einführung: Zielsetzung, Aufbau, Forschungsstand Seit seiner Geburtsstunde im Jahr 1969 hat das Internet und haben mit ihm die in den Folgejahren entstandenen internetbasierten Dienste wie der Internet Relay Chat (IRC), E-Mail und das World Wide Web (WWW) exponentielles Wachstum erfahren. So ist der Internet-Nutzung zwischen den Jahren 2000 und 2009 weltweit ein Zuwachs von rund 360% widerfahren. 1 Mit zunehmender Vernetzung gewannen seit den 1990er Jahren neben dem WWW vor allem die verschiedenen Formen von computervermittelter Kommunikation (cvK) an Bedeutung. Kulturpessimisten befürchten damit einhergehend einen zu einer nachhaltigen Gefährdung der historischen Einzelsprachen führenden Sprachwandel - Computer werden zu Auslösern von Sprachverfall verdammt, der Verlust von Sprachkompetenz wird befürchtet, das Sterben des gedruckten Buches prophezeit. 2 Andere Sichtweisen hingegen stellen - ganz im Sinne des Saussure’schen Verdikts „le temps altère toutes choses ; il n’y a pas de raison pour que la langue échappe à cette loi universelle“ (Saussure 1969: 112) - auf den sprachimmanenten, natürlichen Charakter von Veränderungsprozessen innerhalb der Einzelsprachen ab. Dass Sprache stets im Wandel begriffen ist und insbesondere im Kontext der Entstehung neuer Medien Veränderungsprozessen unterliegt, ist unbestritten. 3 Fraglich ist jedoch, welche Rolle der zunehmenden Nutzung digitaler Medien und insbesondere der computervermittelten Kommunikation in diesem Prozess zukommt, wie sich ein durch cvK eventuell bewirkter Sprachwandel konkret in der Sprache manifestiert und wie dieser aus sprachwissenschaftlicher Perspektive zu beurteilen ist. Doch auch wenn noch nicht abzusehen ist, „was die Neuen Medien mit unseren Gehirnen machen“ (Trabant 2009: 30), ist das „Ende der Sprache“ (ebd.) nicht unmittelbar zu befürchten. Eine wissenschaftlich fundierte Beantwortung dieser Fragen erfordert jedoch zunächst eine eingehende Untersuchung der verschiedenen Formen computervermittelter Kommunikation und der sich in diesen manifestierenden Sprachverwendung. Zur Aufgabe der Sprachwissenschaft gehört es daher - und nicht zuletzt die in den letzten Jahren entstandene Anzahl linguistischer Forschungsarbeiten zu Fragen der internetbasierten Kommunikation trägt dem Rechnung - diesen Prozess wissenschaftlich zu begleiten und ein Instrumentarium zur Verfügung zu stellen, das es ermög- 1 Zahlen laut URL: http: / / www.internetworldstats.com/ stats.htm [letzter Zugriff: 06.09.2009]. 2 Vgl. Bolz (1993) und Thimm (2000a: 9). 3 Vgl. Jakobs (2003: 247). <?page no="14"?> 14 licht, die verschiedenen Formen von cvK systematisch zu beschreiben und im System der historischen Einzelsprachen zu verorten, um davon ausgehend langfristig Aussagen über mögliche Auswirkungen auf die Einzelsprachen treffen zu können. 1.1 Zielsetzung Bisher vorliegende sprachwissenschaftliche Forschungsarbeiten, die sich mit sprachlichen Merkmalen der verschiedenen computervermittelten Kommunikationsformen auseinandersetzen, verfolgen durchweg einen synchronen Ansatz: sprachliche Besonderheiten werden auf Grundlage empirisch erhobener Daten herausgestellt und linguistisch beschrieben. Diese Untersuchung hingegen verfolgt einen empirisch diachronen Zugang zur genannten Thematik: die Sprachverwendung innerhalb der Kommunikationsform Chat wird exemplarisch anhand von Logfiles 4 aus dem Internet Relay Chat (IRC), die der Diskursart ‚phatischer Chat’ zuzuweisen sind und in einem Abstand von fünf Jahren erhoben wurden, in Hinblick auf eventuelle Veränderungen linguistisch ausgewertet. Denn einzig ein diachroner Ansatz ermöglicht es, dynamische Prozesse innerhalb des Sprachgebrauchs abzubilden. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Frage, ob die Sprachverwendung innerhalb der Kommunikationsform Chat bzw. der betrachteten Diskursart ‚phatischer Chat’ in einem Zeitraum von fünf Jahren signifikante Veränderungen erfahren hat. Daraus abgeleitet wird die Hypothese, dass sich mit Etablierung dieser Kommunikationsform - im vorliegenden Fall mit dem Internet Relay Chat (IRC) - eine den nutzerspezifischen Anforderungen und Bedürfnissen entsprechende Form der Sprachverwendung ausgebildet hat, die in Hinblick auf die sie konstituierenden Verfahren weitgehend Stabilität aufweist. Im Zuge der Untersuchung werden in den Jahren 2003 und 2008 erhobene Sprachdaten in Form französischsprachiger Logfiles aus dem IRC auf den Beschreibungsebenen Orthographie, Syntax, Lexikon, Phonie und Graphie sowie hinsichtlich semiotischer Sonderformen ausgewertet und einander in diachroner Perspektive gegenübergestellt. Auf Grundlage der gewonnenen Ergebnisse wird die vorgefundene Form der Sprachverwendung abschließend in Hinblick auf die Aspekte von konzeptioneller Mündlichkeit und Schriftlichkeit sowie auf eine Verortung innerhalb des französischen Varietätengefüges beleuchtet. 4 Logfiles sind in Form von Textdateien erstellte schriftliche Aufzeichnungen des Kommunikationsgeschehens auf den channels des Internet Relay Chat (IRC). Im Rahmen dieser Untersuchung erfährt der Begriff ‚Logfile’ Vorzug vor dem in der linguistischen Gesprächsanalyse gebräuchlichen Begriff ‚Protokoll’, um Verwechslungen mit den Übertragungsprotokollen des Internets und seiner Dienste (vgl. Abschnitt 2.1.1) zu vermeiden. <?page no="15"?> 15 Als theoretischer Rahmen dienen dabei zum einen das Nähe-Distanz- Modell von Koch/ Oesterreicher (1985) sowie zum anderen das von Coseriu (1988: 49f.) beschriebene Diasystem historischer Einzelsprachen, wobei im Einzelnen zu erörtern ist, inwieweit die Modelle auf Chat-Kommunikation anwendbar und übertragbar sind. 1.2 Aufbau Nach dem einführenden ersten Kapitel, das der Darstellung von Zielsetzung und Aufbau der Arbeit sowie des Forschungsstandes dient, werden im zweiten Kapitel zunächst die historischen und technischen Grundlagen der computervermittelten Kommunikation dargelegt. Dabei wird die Entstehungsgeschichte von Internet und World Wide Web nachgezeichnet, bevor der Fokus auf deren heutige Bedeutung gerichtet wird. Die Unterscheidung von Internet und WWW ist insofern relevant, als beide trotz gebräuchlicher synonymer Verwendung distinkte technologische Konzepte darstellen und sich daraus wiederum technische Implikationen in Hinblick auf verschiedene Chat-Systeme ergeben. Das dritte Kapitel dient der überblickartigen Darstellung der verschiedenen Formen der computervermittelten Kommunikation anhand der Kriterien Quasi-Synchronizität und Asynchronizität. Im vierten Kapitel wird das Augenmerk auf die Chat- Kommunikation gerichtet, indem zunächst die Chat-Systeme Internet Relay Chat (IRC) und Web-Chat getrennt voneinander dargestellt und die Gründe für die Auswahl des IRC als Untersuchungsgegenstand vorliegender Arbeit erörtert werden. Darüber hinaus erfolgt eine Einführung in die Funktionsweise des für die Untersuchung verwendeten IRC-Clients mIRC. Grundsätzliche Überlegungen zum Chatten wie Fragen zu netiquette und chatiquette, zu Identität und Anonymität sowie zur Chat-Sucht bilden den Abschluss des vierten Kapitels. Das fünfte Kapitel ist der Vorstellung der beiden dieser Untersuchung zugrunde liegenden Teil-Korpora gewidmet. Ferner werden die angewandte Methode der Sprachdatenerhebung dargestellt und ethisch-rechtliche Fragen der Korpuserstellung diskutiert. Im sechsten Kapitel erfolgt die Darstellung des theoretischen Bezugsrahmens für die Bestimmung der konzeptionellen Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit der untersuchten Logfiles. Dabei steht das Nähe-Distanz-Modell von Koch/ Oesterreicher (1985) im Mittelpunkt der Betrachtung und es wird erörtert, inwieweit das Modell - gegebenenfalls unter veränderten Prämissen - für die Beschreibung der in den Teil-Korpora vorgefundenen Sprachverwendung genutzt werden kann. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet die empirische Untersuchung im siebten Kapitel, in deren Rahmen die in den Jahren 2003 und 2008 in Form von Logfiles erhobenen Sprachdaten auf den Beschreibungsebenen Orthographie, Syntax, Lexikon, Phonie und Graphie sowie in Hinblick auf semiotische Sonderformen sowohl quantitativ als <?page no="16"?> 16 auch qualitativ diachron ausgewertet werden. Das achte Kapitel stellt eine Synthese der in den vorhergehenden Kapiteln gewonnenen Untersuchungsergebnisse dar, auf deren Grundlage eine sprachwissenschaftliche Bestimmung der in der untersuchten Diskursart manifest gewordenen Sprachverwendung hinsichtlich ihrer konzeptionellen Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit sowie ihrer diasystematischen Verortung erfolgt. Das neunte Kapitel schließt mit einem Ausblick die Arbeit ab. 1.3 Forschungsstand Die verschiedenen Formen computervermittelter Kommunikation legen eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik innerhalb unterschiedlicher Disziplinen nahe und bieten Gelegenheit, tradierte Theorien, Verfahren und Methoden der jeweiligen Disziplinen in Hinblick auf ihre Anwendbarkeit auf diese noch verhältnismäßig jungen Kommunikationsformen zu überprüfen und gegebenenfalls den neuen Erfordernissen anzupassen oder neue Begriffe, Konzepte und empirische sowie analytische Methoden zu entwickeln. Wie Androutsopoulos/ Runkehl/ Schlobinski/ Siever (2006: 5) konstatieren, erfolgt zwar in zunehmenden Maße „eine Ausdifferenzierung der Forschung“, indem die computervermittelte Kommunikation gezielt auf der Folie soziolinguistischer, diskursanalytischer, mediensoziologischer und kommunikationstheoretischer Fragestellungen betrachtet wird, von einem „etablierten Forschungsparadigma“ (ebd.) ist hingegen noch nicht auszugehen, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die sprachwissenschaftliche Forschung im Bereich der internetbasierten Technologien vor der Herausforderung steht, mit der rasanten und dynamischen Entwicklung der Informationstechnologie Schritt halten zu müssen (vgl. Abschnitt 2.2). Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit computervermittelter Kommunikation setzte gegen Ende der 1980er Jahre ein. Während im angloamerikanischen Raum mit Murray (1989), Reid (1991) und (1993), Herring (1996), Werry (1996) sowie Rintel/ Pittam (1997) erste Arbeiten entstanden, die sich sprachwissenschaftlichen und soziologischen Fragen in Bezug auf das Internet und den Internet Relay Chat (IRC) widmeten, konzentrierte sich die Forschung in Frankreich zunächst lediglich auf die messageries télématiques, die Kommunikationsangebote des Minitel (vgl. Abschnitt 2.3). In diesem Rahmen wurden in Anis (1987), Anis/ Lebrave (1986), Debyser (1989), Luzzati (1991) und Levy (1993) in erster Linie linguistische Aspekte beleuchtet, wohingegen mit Perier (1988) und Jeay (1991) auch soziologische Betrachtungen des „parlécrit“ (Jeay 1991: 31) der messageries télématiques Eingang in die französische Forschungsliteratur fanden. Mit zunehmender Internet-Nutzung (vgl. Abschnitt 2.2) setzte in der Mitte der 1990er Jahre auch in Deutschland die Forschung im Bereich der <?page no="17"?> 17 computervermittelten Kommunikation ein. Während die ersten sprachwissenschaftlichen Forschungsarbeiten wie Lenke/ Schmitz (1995), Haase/ Huber/ Krumeich/ Rehm (1997) und Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998) überblickartig die verschiedenen computervermittelten Kommunikationsformen und deren Bedeutung für die Linguistik skizzierten, setzte in den Folgejahren innerhalb der Forschungsliteratur eine zunehmende Ausdifferenzierung der Untersuchungsgegenstände ein. So entstanden sukzessive Arbeiten zur E-Mail wie Günther/ Wyss (1996), Ziegler/ Dürscheid (2002) sowie Dürscheid (2005a) und (2006) sowie zur SMS 5 wie Schlobinski u.a. (2001), Dürscheid (2002) und Dittmann/ Siebert/ Staiger-Anlauf (2007). Auch jüngere Kommunikationsformen wie Weblogs, die in Schlobinski/ Siever (2005), Schmidt (2006) und Lange (2007) betrachtet werden, oder Instant Messaging-Systeme, die in Schneider (2005) untersucht werden, konstituieren in zunehmendem Maße Untersuchungsgegenstände. Darüber hinaus ist auch Hypertext Gegenstand sprachwissenschaftlicher Forschung wie in Storrer (2000b) und (2007) sowie Jakobs (2003) und Jakobs/ Lehnen (2005). Parallel dazu entstanden Arbeiten zu sozialpsychologischen Fragen der Nutzung des Internets und seiner Kommunikationsdienste wie Döring (1999) und (2001) sowie Köhler (2003). Die Chat-Kommunikation nimmt innerhalb der sprachwissenschaftlichen Forschungsliteratur eine besondere Stellung ein, da der Internet Relay Chat bereits seit Ende der 1980er Jahre internetbasierte Kommunikation ermöglichte. So stand in den ersten Arbeiten zu cvK und der Kommunikationsform Chat der IRC im Mittelpunkt des Forschungsinteresses wie in den oben genannten Überblickswerken und bei Wagner (1994), Husmann (1998), Naumann (1998) und Sassen (2000), bevor Forschungsarbeiten entstanden, die auch Web- Chats betrachteten wie Beißwenger (2000) und (2001) sowie Hennig (2001). 6 Besondere Bedeutung innerhalb der sprachwissenschaftlichen Chat-Forschung nimmt die Frage nach der Verortung der Kommunikationsform im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit ein, so in Storrer (2001), Beißwenger (2002), Wilde (2002), Bittner (2003) sowie Maiworm (2003) und in der Folge die Übertragung gesprächsanalytischer Verfahren auf die Chat-Kommunikation wie in Hinrichs (1998), Schönfeldt (2001) sowie Beißwenger (2005) und (2007). Parallel dazu wird der textlinguistische Status der Kommunikationsform und ihrer verschiedenen Ausprägungen bei Dürscheid (1999), (2003) sowie (2005b), Hess-Lüttich/ Wilde (2003) und Hoffmann (2004) erörtert. Darüber hinaus erfolgt Chat-Forschung auch aus anderen Perspektiven: so liegen mit Dorta (2005) und 5 Das Sigel SMS für short message service hat sich für die Bezeichnung via Handy verschickter Kurzmitteilungen durchgesetzt, obwohl es den Versand-Dienst als solchen bezeichnet und die korrekte Bezeichnung SM (short message) lauten müsste. 6 Vgl. hierzu auch die von Beißwenger für den Zeitraum von 1984-2005 erstellte Chat- Bibliographie URL: http: / / www.chat-bibliography.de [letzter Zugriff: 16.08.2009]. <?page no="18"?> 18 Gallery (2000) soziologische Studien, mit den Beiträgen in Beißwenger/ Storrer (2005) Arbeiten zu anwendungsbezogener Chat-Forschung sowie mit Bremer (2005) und Engler (2003) jeweils Untersuchungen aus didaktischer Perspektive vor. Eine weitere Fragestellung, der zunehmend großes Interesse zukommt und die vor allem in Hinblick auf Web-Chats von Bedeutung ist, stellt die Beziehung von Text und Bild dar, deren Verschmelzung Schmitz (2006) mit dem Konzept der „tertiären Schriftlichkeit“ begegnet. Nicht zuletzt hat das Thema Chat und internetbasierte Kommunikation auch in die Belletristik Eingang gefunden wie in Tuma (2001) oder Glattauer (2008). In Frankreich und im frankophonen Raum hingegen setzte die Erforschung der internetbasierten Kommunikation - in Frankreich insbesondere aufgrund der großen Bedeutung der Minitel-Technologie (vgl. Abschnitt 2.3) - erst gegen Ende der 1990er Jahre ein und erfolgt seitdem insgesamt in weniger bedeutendem Umfang. Mit Dejond (2002) und (2006), Pastinelli (2002) und Mourlhon-Dallies (2004) liegen Arbeiten vor, die sich mit allgemeinen Fragen in Bezug auf computervermittelte Kommunikation befassen. Darüber hinaus sind Forschungsarbeiten zu einzelnen Kommunikationsformen entstanden wie Panckhurst (1999), Mondada (1999) und Akrich/ Méadel/ Paravel (2000) zur E-Mail sowie Anis (2001) und (2007), Fairon/ Klein/ Paumier (2006) und die Forscherplattform sms4science 7 , die sich der SMS-Kommunikation widmen. Chat-Forschung erfolgt im Rahmen von Anis (1999b) und (2002), letzterer Beitrag im Vergleich zur SMS, sowie aus soziologischer Perspektive in Draelants (2001). Insgesamt nimmt innerhalb der französischen Forschungsliteratur die Beschäftigung mit dem langage texto, der Sprachverwendung in der SMS-Kommunikation, gegenüber der Auseinandersetzung mit Fragen in Bezug auf die Chat- Kommunikation eine übergeordnete Rolle ein. Studien, die sich ausschließlich diesem Forschungsschwerpunkt widmen, sind hingegen im deutschen Raum entstanden mit einem Vergleich deutscher und französischer IRC- Kommunikation in Dittmann (2001) sowie der Untersuchung französischsprachiger Chats in Maiworm (2003). Während zum Teil umfassende synchrone Untersuchungen der verschiedenen Kommunikationsformen insgesamt sowie der Chat-Kommunikation im Besonderen vorliegen, werden diachrone Ansätze, wie in vorliegender Studie, bisher nicht verfolgt. 7 Vgl. URL: http: / / www.sms4science.org [letzter Zugriff: 16.08.2009]. <?page no="19"?> 19 2 Historische und technische Grundlagen der computervermittelten Kommunikation Eines der bedeutendsten Charakteristika des Internets stellt dessen im Vergleich zu anderen Medien rasante technologische Entwicklung und Verbreitung dar: „Das Radio brauchte 38 Jahre, bevor es 50 Millionen Zuhörer hatte. Beim Fernsehen dauerte es 13 Jahre - und beim Internet nur noch vier“ (Opaschowski 1999: 95). Mit dem Internet haben auch die in den Folgejahren sukzessive entstandenen Dienste und Anwendungen, wie insbesondere die verschiedenen Formen internetbasierter Kommunikation, rasche Diffusion erfahren. Darunter nicht zuletzt die Chat-Kommunikation, die den Untersuchungsgegenstand vorliegender diachroner Studie konstituiert. Das zu diesem Zweck gewählte Zeitintervall von fünf Jahren trägt somit zum einen der Dynamik Rechnung, die der technologischen Entwicklung und Verbreitung des Internets und seiner Dienste und Anwendungen inhärent ist, und wirft dabei zum anderen die Frage auf, ob sich diese Dynamik gleichermaßen auf die Sprachverwendung innerhalb der internetbasierten Kommunikationsformen überträgt. In diesem Kapitel wird ausgehend von den konstitutiven Leitbildern zunächst die Entstehungsgeschichte des Internets beginnend mit dem ARPANET als technischer Grundlage der verschiedenen Formen von cvK nachgezeichnet. Darüber hinaus werden die Entwicklung des World Wide Web und der Hypertext-Technologie als weitere Meilensteine in der Entstehung des „Netz[es] der Netze“ (Rademacher 2001) dargestellt, das im Vergleich zu anderen Technologien in verhältnismäßig kurzer Zeit großflächige Verbreitung erfahren hat. Daran anschließend wird die Internet- Nutzung sowohl weltweit als auch in Frankreich - dabei unter besonderer Berücksichtigung der Minitel-Technologie - beleuchtet. 2.1 Von der Vision zur Wirklichkeit: Historiographie, Entstehung und Entwicklung von Internet und World Wide Web Die Historiographie von Internet und World Wide Web stellt wie ihr Beschreibungsgegenstand selbst ein noch junges Phänomen innerhalb der Technikgeschichte dar, die eng verknüpft ist mit Namen wie Joseph C. R. Licklider, Douglas C. Engelbert, Timothy Berners-Lee und Robert Cailliau. Jedoch verklärt die „bislang dominierende heroische Sichtweise“ (Hellige 2008: 121) zahlreicher Geschichtsdarstellungen zuweilen die tatsächliche Entwicklung des Internets „von einer unvollständigen Systemlösung zu ei- <?page no="20"?> 20 nem massentauglichen Informations- und Kommunikationsmedium“ (ebd.), die nicht immer so stringent und komplikationslos verlief, wie einige Darstellungen den Leser glauben machen wollen. So verfolgen Hafner/ Lyon (1999) in ihrer vielzitierten Geschichtsschreibung einen journalistischen Ansatz und vermitteln durch Interviews und Porträts ausgewählter Akteure ein überwiegend personenbezogenes Geschichtsbild im Sinne einer verklärend heroisierenden Historiographie. Weiter noch in diese Richtung weisen beispielsweise die autobiographischen Abhandlungen einiger ‚Internet-Pioniere’ wie Berners-Lee (1999) und Gillies/ Cailliau (2002). Eine nicht-narrative Darstellungsform wählt hingegen Abbate (1999) für ihren wissenschaftlich fundierten Überblick über Entwicklung und gesellschaftliche Verankerung des Internets. Den Ausgangspunkt der Geschichte der Informationstechnologie markieren die Leitbilder Joseph C. R. Lickliders und Douglas C. Engelbarts, deren Visionen bedeutende Impulse für die Entwicklung der Informations- und Netzwerktechnologie gaben, ohne dass beide „unmittelbar an de[r]en technischer Genese beteiligt [waren]“ (Hellige 2008: 130). 8 In Lickliders Verständnis sollte der Computer ein „intelligenzverstärkendes Werkzeug“ (Friedewald 1999: 122) darstellen. Damit nahm er eine grundlegende Neudefinition des Computer-Konzeptes vor, die eine an den Bedürfnissen der Nutzer orientierte interaktive Beziehung in der Mensch-Computer-Kommunikation in den Vordergrund rückte. Licklider verdeutlichte seine Vision der Verschmelzung von Mensch und Computer in seinem Aufsatz „Man-Computer Symbiosis“ (Licklider 1960) wie folgt: The hope is that, in not too many years, human brains and computing machines will be coupled together very tightly, and that the resulting partnership will think as no human brain has ever thought and process data in a way not approached by the information-handling machines we know today. (Licklider 1960: 4) Unabhängig von den Visionen Lickliders entwickelte Douglas C. Engelbart sein „Konzept eines computerbasierten Systems zur Verstärkung der menschlichen Intelligenz“ (Friedewald 2000a: 5), das er in seinem Aufsatz „Augmenting Human Intellect: A Conceptual Framework“ (Engelbart 1962) darlegte und an dessen Realisierung er fortan arbeitete. 9 Dabei sollten 8 Vgl. hierzu auch Friedewald (2000a) und Barnes (1997). 9 Engelbart stellt dabei nicht darauf ab, die Funktionsweise des Gehirns analog in der Maschine nachzubilden, sondern „Mensch und Maschine in ein dynamisches Zusammenspiel [zu bringen]“ (Porombka 2001: 45f.) und auf diese Weise den menschlichen Intellekt maschinell zu unterstützen. Er rekurriert zu diesem Zweck auf zeitgenössische linguistische Forschungsarbeiten insbesondere Benjamin Lee Whorfs, dessen linguistisches Relativitätsprinzip er zitiert und zu einer „Neo-Whorfian hypothesis“ (Engelbart 1962: 24) erweitert, indem er postuliert, dass „both the language used <?page no="21"?> 21 die intellektuellen Fähigkeiten des Menschen durch die im Rahmen seines Konzeptes zu entwickelnden computergestützten Prozesse einen Zuwachs erfahren: By “augmenting human intellect” we mean increasing the capability of a man to approach a complex problem situation, to gain comprehension to suit his particular needs, and to derive solutions to problems. Increased capability in this respect is taken to mean a mixture of the following: more-rapid comprehension, better comprehension, the possibility of gaining a useful degree of comprehension in a situation that previously was too complex, speedier solutions, better solutions, and the possibility of finding solutions to problems that before seemed insoluble. (Engelbart 1962: 1) Die Neuartigkeit der Visionen Lickliders und Engelbarts bestand darin, den Computer als Werkzeug zur Erweiterung der intellektuellen menschlichen Fähigkeiten zu begreifen - eine Sichtweise, die weit über die bis dahin vorherrschende Vorstellung des Computers als Rechenmaschine hinausging. 10 „Nicht mehr die Frage, ob der Mensch durch den Computer zu ersetzen war oder nicht, sondern in welcher Weise man Mensch und Maschine ‚zusammenarbeiten’ lassen konnte, um komplexe Aufgabenstellungen effizienter bearbeiten zu können“ (Friedewald 1999: 124) stand fortan im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Dieses „neue Paradigma der Mensch-Computer-Interaktion als kommunikative[r] Akt“ (Friedewald 1999: 152) markiert gleichsam den Ausgangspunkt der interpersonalen Kommunikation mittels des Computers. Ausgehend von der Frage nach der Ausgestaltung der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine wurde der Computer zunehmend als Medium begriffen, das gleichzeitig auch als Vermittler in der zwischenmenschlichen Kommunikation fungieren kann. 11 Doch erst im Zuge der Entwicklung von Vernetzungsstrukturen in den 1970er Jahren konnte sich dieses der Computertechnologie inhärente Potential in der interpersonalen Kommunikation voll entfalten. In den folgenden Abschnitten wird die Entwicklung der für die computervermittelte Kommunikation grundlegenden Vernetzungsstrukturen schlaglichtartig anhand zweier Meilensteine herausgearbeitet: der Entstehung von ARPANET und Internet sowie der Genese des auf der Hypertext-Technologie basierenden World Wide Web (WWW). by a culture, and the capability for effective intellectual activity are directly affected during their evolution by the means by which individuals control the external manipulation of symbols” (ebd.). Zu Engelbarts Rezeption der Whorf’schen Sprachauffassung vgl. Friedewald (1999: 156ff.) und (2000a: 12ff.), Barnes (1997: 20) sowie Porombka (2001: 59). 10 Vgl. Friedewald (1999: 152f.) und (2000a). 11 Vgl. Friedewald (1999: 153). <?page no="22"?> 22 2.1.1 Vom ARPANET zum Internet Like distant islands sundered by the sea, We had no sense of one community. We lived and worked apart and rarely knew That others searched with us for knowledge, too. […] But, could these new resources not be shared? Let links be built; machines and men be paired! Let distance be no barrier! They set That goal: design and built the Arpanet! (Cerf 1989: 27) 12 Der Beginn der Entstehungsgeschichte des Internets steht in engem Zusammenhang mit dem Sputnik-Schock, der aufgrund der Inbetriebnahme des gleichnamigen Satelliten durch die Sowjetunion im Jahr 1957 ausgelöst wurde. Teil der amerikanischen Bemühungen, durch gezielte Forschungsförderung die wissenschaftliche Vorreiterrolle vor der Sowjetunion einzunehmen, war die Gründung einer dem Verteidigungsministerium untergeordneten Behörde mit dem Namen Advanced Research Projects Agency (ARPA). 13 Verfolgte die ARPA zunächst rein militärische Forschungsziele, vollzog sich in den Folgejahren eine inhaltliche Neuausrichtung, die der Entwicklung von Informationstechnologien den Weg ebnete. Doch die von Licklider 1960 formulierte Vision der Symbiose aus Mensch und Computer scheiterte in diesem frühen Stadium der Informationstechnologie daran, dass weder Kommunikation zwischen zwei Computern möglich gewesen wäre, noch die Interaktion zwischen Mensch und Computer in greifbarer Nähe gestanden hätte. Eine wesentliche Rolle im Kontext der Entwicklung von Computernetzwerken kommt dem Prinzip der Datenpaketvermittlung, dem packet switching, zu, das die ARPA ab 1968 für die Vernetzung ihrer Rechner einsetzte. Diese Technik der Datenübertragung beruht zum einen auf der Aufteilung von Daten in Pakete und zum anderen auf dem Konzept dezentraler Netzwerkstrukturen. Die Versendung kleinerer Datenpakete bewirkt dabei ein ausgeglichenes Datenaufkommen innerhalb des Netzes, wobei dessen spinnennetzartige Struktur den Versand der Pakete auch bei Stö- 12 In diesem Auszug aus dem anlässlich der Außerbetriebnahme des ARPANET 1989 verfassten „Requiem for the Arpanet“ (Cerf 1989) verdeutlicht Cerf die der Entwicklung des ARPANET zugrunde liegende Zielvorstellung der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen und Wissen. 13 Vgl. Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 9). <?page no="23"?> 23 rungen in Teilen des Netzwerkes ermöglicht. 14 Um jedoch die nach jeweils unterschiedlichen Regeln und Computersprachen arbeitenden Rechner verschiedener Hersteller mit dem Netzwerk verbinden zu können, mussten zunächst Schnittstellen in Form von interface message processors (IMPs) eingesetzt werden. Der erstmalige Zusammenschluss zweier Computer zu einem Netzwerk - dem ARPANET -, der gleichsam die Geburtsstunde des Internets (Kontamination aus interconnected und networks) darstellt, erfolgte am 29.10.1969, als die Mainframes 15 der Universität von Kalifornien und des Stanford Research Institute (SRI) miteinander verbunden wurden. Das an diesem Tag geschaffene, auf dem übergeordneten Konzept der dezentralen Netzstrukturen basierende ARPANET wurde in den darauf folgenden Jahren sukzessive weiterentwickelt und 1972 mit 40 angeschlossenen Rechnern erstmals einem Fachpublikum präsentiert. 16 Zu den ersten für das ARPANET entwickelten Protokollen 17 zählen Telecommunication Network (TELNET), das einen ferngesteuerten Zugriff auf andere Computer gestattet, und das File Transfer Protocol (FTP), das den Austausch von Dateien zwischen verschiedenen Rechnern ermöglicht. Die Nutzung beider Dienste blieb jedoch bis zu diesem Zeitpunkt auf innerhalb des ARPANET miteinander vernetzte Computer beschränkt. Die Verbindung isolierter, auf unterschiedlichen Regeln basierender Netzwerke und Rechner konnte erst 1975 durch die Verwendung eines neuartigen Datenübermittlungsproto- 14 Zu den sowohl militärischen als auch kommunikationstechnologischen Zielvorstellungen im Rahmen der Entwicklung der Datenpaketvermittlung vgl. Abbate (1994: 17ff. und 27ff.) und Salus (1995: 6). 15 Großrechner, die als Mehrbenutzersysteme zahlreiche Arbeitsplätze in Form von Terminals zur Verfügung stellen (vgl. Barnert u.a. 2003: 401). 16 Nahezu zeitgleich zur Präsentation des ARPANET in den USA wurde in Frankreich unter Ägide des Institut de Recherche d’Informatique et d’Automatique (IRIA), das heute als Institut National de Recherche en Informatique et en Automatique (INRIA) Forschungsaufgaben im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien wahrnimmt (vgl. URL: http: / / www.inria.fr [letzter Zugriff: 04.09.2009]), unter Leitung von Louis Pouzin ein nationales Projekt zur Entwicklung eines experimentellen dezentralen Paketvermittlungsnetzwerkes mit dem Namen CYCLADES ins Leben gerufen, dessen Funktionsweise der des ARPANET ähnelte (vgl. Abbate 1999: 123ff. und Salus 1995: 85ff.). Frankreich nahm damit innerhalb der europäischen Forschung im Bereich dezentraler Netzwerktechnologien zu Beginn der 1970er Jahre neben Großbritannien eine Vorreiterrolle ein, bis das Netzwerk 1979 aufgrund auslaufender staatlicher Finanzierung eingestellt wurde (vgl. Pouzin 2000 und Foucart 2006). Dennoch kam dem französischen Netzwerkprojekt große Bedeutung für die Ausarbeitung des 1973 entwickelten Übertragungsprotokolls TCP/ IP zu, da letzteres maßgeblich auf der für CYCLADES entwickelten Technologie beruht (vgl. Abbate 1999: 127 und Schafer 2007: 5f.). 17 Ein Protokoll im Sinne eines Übertragungsprotokolls bezeichnet einen „Standard, der die Kommunikation zwischen verschiedenen Computern oder Computernetzen regelt“ (Barnert u.a. 2003: 917). <?page no="24"?> 24 kolls zur Paketvermittlung, des Transmission Control Protocol (TCP), und die Zwischenschaltung von Gateways realisiert werden. Das von Vinton Cerf und Robert Kahn entwickelte TCP leistete dabei die Aufteilung und Versendung der Datenpakete, während die Gateways als Netzkoppler Informationen zwischen den nach unterschiedlichen Protokollen arbeitenden Netzwerken und Rechnern übermittelten und damit die Verwendung von IMPs obsolet machten. Ab 1978 übernahm das Internet Protocol (IP) die vorher durch TCP gewährleistete Adressierung der Datenpakete und 1983 wurde das Übertragungsprotokoll TCP/ IP zum Standard des ARPANET. 18 Ab diesem Zeitpunkt war es jedem Computernetz, das TCP/ IP verwendete, möglich, ein Netzwerk mit dem ARPANET zu bilden. Bis heute stellt TCP/ IP das für das Internet konstitutive Übertragungsprotokoll dar. 19 Im Zuge dieser Entwicklungen zeigte sich, dass sich das Versenden elektronischer Nachrichten mittels FTP, das dafür gewissermaßen zweckentfremdet wurde, auf Seiten der Nutzer großer Beliebtheit erfreute, obwohl diese „vergessene Anwendung“ (Musch 2000: 21) von den Betreibern des ARPANET zunächst als nicht zukunftsträchtig eingestuft wurde. Mit dem Simple Mail Tansfer Protocol (SMTP) wurde schließlich zu Beginn der 1980er Jahre ein eigenständiges Protokoll zur Übertragung elektronischer Nachrichten im Internet geschaffen. Auf diese Weise vollzog sich ein Paradigmenwechsel vom Konzept der reinen Vernetzung von Computern, das dem ARPANET zugrunde lag, zu einer Auffassung von Netzwerken als Medien des interpersonalen Austauschs. 20 In diese Richtung weist auch die Entwicklung weiterer auf dem Übertragungsprotokoll TCP/ IP basierender Dienste, die darüber hinaus auf jeweils eigene Protokolle rekurrieren. Dazu zählen beispielsweise der dieser Untersuchung zugrunde liegende 1988 entwickelte Internet Relay Chat (IRC), der auf dem gleichnamigen Protokoll beruht, die Newsgroups des USENET, die seit Mitte der 1980er Jahre das Network News Transfer Protocol (NNTP) als einheitliches Protokoll verwenden oder Suchdienste wie Veronica und Gopher 21 , die auf dem Protokoll Gopher basieren. War das ARPANET aufgrund hoher Anschaffungs- und Unterhaltungskosten zunächst nur einem kleinen Nutzerkreis aus militärischen Forschungseinrichtungen, Universitäten und Unternehmen zugänglich, erfuhr es ab 1983 rasche Ausweitung. Die Gründe dafür liegen zum einen in der Durchsetzung von TCP/ IP als alleinigem Standardprotokoll und der 18 Vgl. Barnert u.a. (2003: 880f.). 19 Im Zuge der Ausbildung der Internetprotokolle regte sich in Europa zunächst Unwille, sich durch die Übernahme der Protokolle in technologische Abhängigkeit von den USA zu begeben, da bezweifelt wurde, dass das amerikanische Militär die von ihm finanzierte Technologie freigeben würde, so dass auf europäischer Seite zunächst andere Übertragungsprotokolle favorisiert wurden (vgl. Friedewald 2000b: 340). 20 Vgl. Musch (2000: 22). 21 Homophon zu go for (vgl. Barnert u.a. 2003: 394). <?page no="25"?> 25 Abspaltung des militärischen Netzwerkes MILNET vom ARPANET im gleichen Jahr. Mit Gründung des NSFNET, des Netzes der National Science Fondation (NSF), im Jahr 1984 wurde der Grundstein für die wissenschaftliche Nutzung und den akademischen Charakter des ARPANET gelegt und der Zugang der Universitäten in großem Umfang gefördert. Blieb die Nutzung der neuen Netzwerktechnologie zunächst auf den angloamerikanischen Raum beschränkt, richteten 1988 auch europäische Länder wie Frankreich und ein Jahr später Deutschland mit dem Deutschen Forschungsnetz (DFN) dauerhafte Verbindungen zum amerikanischen Wissenschaftsnetz ein. 22 Das ARPANET, das sich im Laufe der Jahre vom ‚Urnetz’ zu einem Netz unter vielen anderen innerhalb des Internets entwickelt hat, wurde schließlich zum einen im Unterhalt immer kostspieliger und zum anderen war die Entwicklung eines Netzwerkes abgeschlossen und die Zielvorgabe der ARPA somit erreicht. Nach 20-jährigem Bestehen wurde das ARPANET 1989 außer Betrieb genommen. Der verbliebene Verbund unzähliger Netzwerke stellt heute das Internet dar, das sich als ein Zusammenschluss vieler voneinander unabhängiger Netze, die das Übertragungsprotokoll TCP/ IP verwenden, definieren lässt. 23 Das Internet in seiner heutigen Form ist nicht als Resultat eines linear verlaufenden Entwicklungsprozesses zu begreifen, der einer bestimmten Zielvorstellung folgte. Vielmehr orientierte sich seine Entwicklung stets an den Impulsen unterschiedlichster Akteure und deren jeweiligen Interessen. 24 Der langfristige Erfolg des Internet beruhte so nicht allein auf den zweifellos immensen Pionierleistungen seiner ‚system builder’, Netzarchitekten und Protokolldesigner, wie es die heroische Geschichtsbetrachtung [...] postulier[t], sondern sehr wesentlich auf den Folgeinventionen und -innovationen der ‚user community’. (Hellige 2008: 141) So wurde den Nutzern im Zuge der Entwicklung des Mediums Internet seitens der institutionellen Akteure ein Gestaltungsspielraum, wenn nicht explizit eingeräumt, zumindest implizit gewährt. 25 Auf institutioneller Seite wurden Vorschläge und Ideen in Form von Requests for Comments (RFC) 26 innerhalb der ARPA-Community über das Netzwerk distribuiert und „[ü]ber viele Fragen der Netzwerkadministration und der technischen Spezifikation der Netzwerkprotokolle wurde auf diesem informellen Weg 22 Vgl. Friedewald (2000b: 335). 23 Vgl. Irlbeck/ Langenau (2002: 427ff.). 24 Vgl. Hellige (2008: 123). 25 Zum Einfluss der Nutzer auf die Entwicklung des ARPANET und zur Ausprägung der Hacker-Kultur vgl. Hellige (2008: 138f.). 26 RFC dienen nach wie vor als Mittel zur Weiterentwicklung des Internets (vgl. URL: http: / / www.rfc-editor.org [letzter Zugriff: 01.09.2008]). <?page no="26"?> 26 ein Konsens erzielt, der dann schließlich zur offiziellen ARPA-Richtlinie wurde“ (Musch 2000: 22f.). Dieser Prozess der „kontrollierte[n] Selbststeuerung“ (Hellige 2008: 149) erlaubte es zum einen, langwierige offizielle Normierungsverfahren zu umgehen, und zum anderen, „das Netzchaos der Computerfreaks“ (ebd.) zu verhindern. 2.1.2 Hypertext und World Wide Web Mit dem Internet war zu Beginn der 1990er Jahre eine Netzwerkstruktur entstanden, die eine weltweite Vernetzung von Computern innerhalb eines eingeschränkten Nutzerkreises im Bereich des Militärs und insbesondere der Wissenschaft ermöglichte. Eine grundlegende Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten und der Nutzerstruktur des Internets erfolgte jedoch erst mit Entwicklung der Seitenbeschreibungssprache Hypertext Markup Language (HTML) und des darauf basierenden World Wide Web (WWW, Web, W3) durch Timothy Berners-Lee 1991 am Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire (CERN) sowie mit Veröffentlichung des ersten Web- Browsers im Jahr 1993 und dessen kostenloser Diffusion, die wesentlich zur Verbreitung des WWW beitrug. Grundgedanke Berners-Lees war es zunächst, einen weltweiten Informationsaustausch zwischen den Physikern des CERN zu ermöglichen. Mit seinem Kollegen Robert Cailliau erarbeitete er unter dem Namen World Wide Web (WWW) ein Konzept, das unter Ausnutzung der Hypertext- Technologie einen Austausch über das Internet gestatten sollte. Im Zuge der Umsetzung dieses Konzeptes entwickelte er mit dem Uniform Resource Identifier (URI) 27 , dem Hypertext Transfer Protocol (HTTP) und der Hypertext Markup Language (HTML) sukzessive die Grundpfeiler, auf denen die „Architektur des World Wide Web“ (Filinski 1998: 134) im wesentlichen basiert. 27 Der Uniform Resource Identifier (URI) dient der eindeutigen Identifizierung und Beschreibung von Objekten im Internet. Dessen häufigste Ausprägung stellt der Uniform Resource Locator (URL) dar, der der Lokalisierung von Rechner und Speicherort von Dateien im Internet dient (vgl. Barnert u.a. 2003: 930f., zum Aufbau eines URL vgl. Voss 2004: 908ff. und Runkehl/ Schlobinski/ Siever 1998: 20ff.). Mittels des URL konnten erstmals Internet-Dienste wie FTP, Gopher und USENET ins WWW integriert werden, was wesentlich zum Erfolg des WWW, das in den Anfangsjahren weitaus weniger populär war als andere Dienste, beitrug (vgl. Storrer 2007: 211). <?page no="27"?> 27 Das WWW beruht auf vernetzbaren, hauptsächlich aus Text und Grafiken bestehenden Informationsseiten, den Webseiten, die grafisch in einem so genannten Webbrowser dargestellt bzw. benutzt werden. Die Übermittelung dieser Webseiten wird durch das Hypertext Transfer Protokoll (HTTP) geregelt. Ihr Aufbau bzw. ihre Darstellung wird hauptsächlich durch die Seitenbeschreibungssprachen HTML und XML definiert. (Voss 2004: 1006) Dabei setzt das World Wide Web wiederum auf dem Standardprotokoll TCP/ IP des Internets auf, das als Trägermedium für die Datenübermittlung genutzt wird. Das Verdienst Berners-Lees und Cailliaus bestand darin, in Form des WWW erstmals die zwei Konzepte der Netzwerkarchitektur und des Hypertext miteinander zu verbinden. Bei Hypertexten im WWW handelt es sich um computerbasierte Textdokumente, die nicht-linear organisiert sind und eine interaktive Informationsstruktur aufweisen. Durch Verknüpfungen in Form von Hyperlinks ermöglichen sie eine Mehrfachkodierung von Daten durch textinterne und textexterne Verweise auf verschiedene Dateitypen wie Texte, Grafiken und Videos. 28 Hypertexte sind somit abzugrenzen von rein linear organisierten elektronischen Texten im WWW (E-Texten). 29 Das Konzept des Hypertexts existierte bereits vor Einführung des WWW und kam in Form einzelner experimenteller Projekte schon zur Anwendung. 30 Als Vorläufer heutiger Hypertext-Systeme, unter denen das WWW das bekannteste darstellt, sind insbesondere die Entwürfe der „Heroen der Hyperkultur“ (Porombka 2001: 21) Vannevar Bush, Douglas C. Engelbart und Theodor H. Nelson aufzuführen. Vannevar Bush 31 erläuterte bereits 1945 in seinem Aufsatz „As we may think“ (Bush 1945) seine Ideen zur „maschinengestützten Informationsspeicherung und -erschließung“ (Storrer 2007: 209). Ausgehend von der Funktionsweise des menschlichen Gehirns, das über Assoziationen Informationen miteinander verknüpft, suchte Bush nach einer Möglichkeit, wissenschaftliche Ideen und Veröffentlichungen in Form sogenannter „trails“ (Bush 1945: 8) miteinander zu verbinden und auf diese Weise zugänglich zu machen. Douglas C. Engelbart befasste sich unter dem Eindruck von Bushs Artikel erstmals 1962 in seinem Aufsatz „Augmenting Human Intellect: A Conceptual Framework” (Engelbart 1962) mit der Entwicklung computerbasierter Wissens- und Kommunikationswerkzeuge und dem Konzept des Hypertext, auch wenn diese Bezeichnung erst 1965 von Theodor H. Nelson eingeführt wurde. 32 28 Vgl. Voss (2004: 462). 29 Vgl. Storrer (2007: 216ff.). 30 Vgl. Storrer (2007: 210f.). 31 Zur Ambivalenz der Person Bushs und seiner Funktion als Leiter des Manhattan-Projektes vgl. Warner (2005). 32 Vgl. Barnes (1997: 17) und Friedewald (1999: 139). <?page no="28"?> 28 Engelbart entwickelte zwischen 1962 und 1972 mit dem oNLine System (NLS) das erste funktionierende Hypertext-System, das zum einen der Organisation nicht-linear strukturierter Dokumente diente und zum anderen arbeitsteilige Problemlösungsprozesse ermöglichte und 1978 zur Vermarktung gelangte. 33 Die Bezeichnung nicht-linear miteinander verknüpfter Textteile als Hypertext geht hingegen auf den amerikanischen Soziologen und Philosophen Theodor Holm Nelson zurück, der den Begriff des Hypertexts 1965 prägte. 34 Nelson griff die Ideen Bushs und dessen Konzept der trails in seinem 1972 gehaltenen Vortrag „As we will think“ (Nelson 1972) auf, in dem er sein Konzept der assoziativen Verknüpfung von Dokumenten darlegte. Hypertext-Systeme haben in der Nachfolge Bushs, Engelbarts und Nelsons erst mit dem World Wide Web umfassende Bedeutung erlangt, auch wenn die Funktionalitäten von Hypertext innerhalb des WWW zum Teil hinter den Visionen bzw. dem technisch Realisierbarem zurückbleiben. 35 Mit zunehmender Verbreitung des World Wide Web erfolgt seit einigen Jahren auch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konzept des Hypertexts innerhalb verschiedener Disziplinen. Für die Sprachwissenschaft sind in diesem Zusammenhang insbesondere Fragestellungen zur Rezeption und Produktion von Hypertext sowie die Herausbildung spezifischer Textsorten und deren systematische Beschreibung von großer Relevanz. 36 2.2 Nutzung von Internet und World Wide Web heute Die Begriffe Internet und World Wide Web erfahren vielfach synonyme Verwendung, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass beiden Begriffen ein ähnlicher semantischer Gehalt inhärent ist, der auf dem Konzept eines umspannenden, netzartig strukturierten Verbandes beruht. Doch während das Internet als „Netzwerk der Netzwerke“ (Determann 1999: 40) auf Grundlage des plattformunabhängigen Übertragungsprotokolls TCP/ IP unterschiedliche Netzwerke und einzelne Rechner miteinander verbindet und somit als Trägermedium für verschiedene Dienste und Anwendungen fungiert, stellt das World Wide Web einen genuinen Internet-Dienst dar, dem mit dem Hypertext Transfer Protocol (HTTP) ein eigenes Protokoll zugrunde liegt, welches wiederum auf der Internet-Technologie aufsetzt. 33 Vgl. Friedewald (1999: 235). 34 Vgl. Porombka (2001: 71). 35 Vgl. Storrer (2000b: 227). 36 Vgl. Storrer (2000b), (2003) und (2007), Dieter (2007) sowie Jakobs (2003) und Jakobs/ Lehnen (2005). <?page no="29"?> 29 Waren die Wurzeln des Internets mit dem ARPANET rein militärischen Ursprungs, wurde in den Folgejahren der Grundstein für eine vorwiegend wissenschaftliche Nutzung des Netzes gelegt. Doch erst mit Entwicklung von WWW und Web-Browsern zu Beginn der 1990er Jahre haben sich breitere Nutzerkreise das Internet über das World Wide Web erschlossen. Weltweit hat die Internet-Nutzung, wie eingangs erwähnt, zwischen den Jahren 2000 und 2009 um rund 360% zugenommen. 37 Dabei zeigt sich jedoch eine große Diskrepanz zwischen den verschiedenen Erdteilen: während in Nordamerika 74% der Bevölkerung das Internet nutzen und der Anteil in Europa 50% beträgt, liegt er in Afrika bei lediglich 7%. 38 Auch innerhalb Europas zeigen sich in Hinblick auf die Internet-Nutzung zum Teil große Differenzen: während in den nordeuropäischen Ländern rund 80% der Bevölkerung das Internet nutzen, liegt der Anteil in den mittel- und osteuropäischen Ländern zwischen 15% und 30%. 39 Frankreich und Deutschland bewegen sich mit jeweils rund 67% im europäischen Mittelfeld. 40 Noch im Jahr 2000 hingegen betrug der Anteil der Internet-Nutzer in Frankreich 15%, während er in Deutschland bereits bei 22% lag. 41 Diese Diskrepanz ist auf den weitreichenden Erfolg der Minitel-Technologie in Frankreich zurückzuführen (vgl. Abschnitt 2.3), der ursächlich dafür ist, dass sich die Internet-Nutzung dort erst später und weniger dynamisch als in anderen europäischen Ländern entwickelt hat, wenngleich dieser Effekt inzwischen vermutlich keine Wirkung mehr zeigt. 42 Im Rahmen der Erhebung nutzungsrelevanter Daten nimmt auch die Frage nach den Motiven für die Internet-Nutzung eine entscheidende Rolle ein. 43 Hierbei ergibt sich laut einer Erhebung des INSEE aus dem Jahr 2006 (Frydel 2006), dass das Internet von 77% der französischen Nutzer zu Recherchezwecken genutzt wird und von 73% zum Versand und Empfang von E-Mails. 18% der Internet-Nutzer wiederum bedienen sich dieses Mediums zur Teilnahme an Chats und Diskussionsforen gegenüber 33%, die Instant Messaging-Systeme (IM) verwenden. Dabei zeigt sich, dass insbesondere in der Gruppe der 15-29-Jährigen die höchsten Nutzerzahlen für quasi-sychnrone computervermittelte Kommunikation erreicht werden. Die Gründe für die Nutzung derartiger Kommunikationsformen, wie bei- 37 Zahlen laut URL: http: / / www.internetworldstats.com/ stats.htm [letzter Zugriff: 06.09.2009]. 38 Zahlen vom Juni 2009 (vgl. URL: http: / / www.internetworldstats.com/ stats.htm [letzter Zugriff: 06.09.2009]). 39 Zahlen vom Juni 2009 (vgl. URL: http: / / www.internetworldstats.com/ stats4.htm [letzter Zugriff: 06.09.2009]). 40 Zahlen vom Dezember 2008 (vgl. URL: http: / / www.internetworldstats.com/ europa. htm [letzter Zugriff: 06.09.2009]). 41 Vgl. Dittmann (2001: 23). 42 Vgl. hierzu auch Gillies/ Cailliau (2002: 119ff.). 43 Vgl. hierzu auch Eberle (2003). <?page no="30"?> 30 spielsweise des IRC, sind vor allem auf den Wunsch der Teilnehmer zurückzuführen, neue Kontakte zu knüpfen und bestehende Kontakte zu pflegen. 44 Die zukünftige Entwicklung des Internets und der computervermittelten Kommunikationsformen wird, soweit sie zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt skizzierbar ist, maßgeblich von den zum Teil stark divergierenden Interessen verschiedener Akteure determiniert sein, die diverse Konfliktfelder wie beispielsweise Eigentumsrechte, Internet-Kriminalität, Zensur und die Verschlüsselung von Daten tangieren. 45 2.3 Exkurs: Frankreich und der Minitel 5 millions de Minitel installés fin 1989 dans des foyers français ou dans des entreprises, plus de 12 000 services offerts à la consultation, un trafic mensuel de 7 500 000 heures, la télématique française prouve aujourd’hui que, d’un vaste projet, elle est devenue une réalité tangible. (Rincé 1990: 3) Von Rincé im Jahr 1990 noch als greifbar gewordene Realität bezeichnet, erfährt die télématique nur wenige Jahre später die Charakterisierung als „Fehlentwicklung“ (Proissl 1996) oder „La 2 CV des réseaux“ (Delaroche 1997). Der im Jahr 1978 von Simon Nora und Alain Minc in ihrem Bericht zur Informatisierung der Gesellschaft, dem Rapport Nora-Minc (Nora/ Minc 1978) 46 , geschaffene Neologismus télématique (Kontamination aus télécommunication und informatique) bezeichnet die Zusammenführung beider Bereiche mit dem Ziel der Schaffung innovativer Technologien. Kernstück der von Nora und Minc begründeten télématique stellte der télétel (Kontamination aus télévision und téléphone) dar. Dabei handelt es sich um eine Technologie, die mittels eines Decoders und eines Fernsehbildschirms über das Telefonnetz den Abruf von Informationen ermöglicht. Nach einer im Jahr 1980 eingeleiteten Testphase setzte ab 1984 die von der Direction Générale des Télécommunications (DGT) lancierte kostenlose 44 Vgl. Dittmann (2003: 102f.). 45 Vgl. Friedewald (2000b: 346), Beck/ Glotz/ Vogelsang (2000) und Schlobinski/ Siever/ Runkehl (2008). 46 Die Entstehung dieses Berichtes ist zum einen als Folge davon zu sehen, dass „[f]rench political commentators started to voice concerns that France was falling behind the United States in information technology and that it would soon be in an intolerable situation of technological and cultural dependence“ (Jelassi/ Cats-Baril 1992: 4). Zum anderen galt Frankreichs Telekommunikations-System zu diesem Zeitpunkt als „probably one of the most inefficient, unsophisticated and underdeveloped in all the industrialised countries“ (OECD 1998: 8). <?page no="31"?> 31 Distribution von Terminals zur Nutzung der télétel-Technologie ein. 47 Als Substitut der Telefonbücher in Papierform ermöglichten die Minitel-Terminals 48 (Médium Interactif par Numérotation d’Information TELéphonique) zunächst nur die kostenlose Telefonbuchabfrage und wurden später um weitere, kostenpflichtige Dienste und Dienstleistungen wie Nachrichtenabruf, Abruf von Bahninformationen, Reservierungen, Bestelldienste, Klein- und Kontaktanzeigen erweitert. 49 Darüber hinaus umfasste das Leistungsangebot des Minitel eine den heutigen Technologien computervermittelter Kommunikation vergleichbare messagerie, die sowohl einen asynchronen als auch einen Austausch in nahezu Echtzeit ermöglichte. 50 Die französische Minitel-Technologie stellte bei weitem das erfolgreichste nationale Bildschirmtext-System dar, während sich vergleichbare interaktive, auf Telefon und Bildschirm basierende Online-Dienste in anderen Ländern wie beispielsweise BTX (Bildschirmtext) in Deutschland oder Prestel in Großbritannien hingegen nicht durchsetzen konnten. 51 Maßgeblicher Faktor für die rasche Verbreitung - die Anzahl der Minitel-Geräte erhöhte sich von 120.000 im Jahr 1984 auf mehr als sechs Millionen im Jahr 1991 52 - der Minitel-Technologie war neben einfacher Bedienung, schnellem Datenzugriff und dem stetigen Ausbau des Serviceangebots in erster Linie die politische Entscheidung der kostenlosen Ausstattung von Telefonkunden mit den Terminals, so dass der Erfolg der Technologie „should be considered a success of French industrial policy“ (Jelassi/ Cats-Baril 1992: 19). Dabei zeichnet sich eine Parallele zur Entstehung des Internets ab: „Like the Internet, Minitel was the product of public sector research and investment and grew out of a long term political, economic and social project“ (OECD 1998: 31). Der Minitel-Technologie kam im Bereich des elektronischen Handels weltweit eine Vorreiterrolle zu. So hatten im Jahr 1994 bereits 1,2 Millionen französische Haushalte Minitel zu Einkaufszwecken genutzt, während amerikanische Haushalte im gleichen Jahr erst 800.000 Einkäufe über das Internet getätigt hatten. 53 Die Gründe dafür, dass Internet und WWW in 47 Vgl. Rincé (1990: 7ff.) und Ponjaert/ Georgiades/ Magnier (1983). 48 Obwohl im Sprachgebrauch synonym verwendet, bezeichnet télétel die Technologie als solche, während Minitel allein das Terminal bezeichnet, mit Hilfe dessen auf das vidéotex-System télétel zugegriffen wird. 49 Vgl. Rincé (1990: 45-88). 50 In diesem Zusammenhang unterscheidet Jeay (1991: 23) die messages conviviales vom sogenannten Minitel rose vorrangig pornographischen Inhalts: „Les messageries télématiques ont été divisées en deux grandes catégories : les messageries dites conviviales, et les messageries tout d’abord dénommées porno et ensuite d’un terme moins trivialement cru ou plus hypocritement pudique roses“. Vgl. hierzu auch Lévy (1993) und Perier (1988). 51 Vgl. Jelassi/ Cats-Baril (1992: 3). 52 Vgl. Jelassi/ Cats-Baril (1992: 8). 53 Vgl. OECD (1998: 5). <?page no="32"?> 32 Frankreich im Vergleich zu anderen Ländern verspätet Fuß fassen konnten, sind mithin in diesem Erfolg zu sehen. 54 Ab 1994 kam es jedoch zur Stagnation und schließlich zum Rückgang der Expansion der Minitel-Technologie und einem Aufschließen des Internets. Gründe, die letztlich zum Scheitern von télétel führten, sind neben mangelnder technischer Flexibilität aufgrund proprietärer Standards vor allem hohe Unterhaltungskosten. 55 Ein weiterer substantieller Unterschied zwischen beiden Technologien besteht darin, dass Minitel den Nutzern nicht die Möglichkeit bietet, eigene Inhalte zu verfassen, was aus Perspektive der Nutzer das Internet und seine Dienste weitaus attraktiver erscheinen lässt. 56 Ab 1996 werden in Frankreich zwar Maßnahmen ergriffen, die darauf abzielen, Minitel-Technologie und Internet-Nutzung miteinander zu verbinden, um den bestehenden Markt für Minitel zu erhalten und den Zugang zum Internet zu fördern, 57 nachdem Frankreich jedoch in der Nutzung des Internets zu den anderen europäischen Ländern aufgeschlossen hat, wird nach 25 Jahren des Bestehens die Einstellung der Minitel-Dienste beabsichtigt. 58 54 Im Jahr 1995 verfügten in Frankreich lediglich 14,3 % aller Haushalte über einen PC, wohingegen der Anteil in den USA, Deutschland und Großbritannien 20% betrug (Vgl. OECD 1998: 24). 55 Vgl. OECD (1998: 19ff). 56 Vgl. Abbate (1999: 216). 57 Vgl. hierzu OECD (1998: 26-30). 58 Vgl. Lambel (2009). <?page no="33"?> 33 3 Die verschiedenen Formen computervermittelter Kommunikation (cvK) In den folgenden Abschnitten werden die verschiedenen Formen computervermittelter Kommunikation, die im geschichtlichen Abriss zum Teil bereits Erwähnung fanden, kurz im Einzelnen dargestellt. Der Kommunikationsform Chat, die den Untersuchungsgegenstand vorliegender Arbeit konstituiert, ist im Anschluss ein eigenes Kapitel gewidmet, das deren Besonderheiten eingehend beleuchtet. Wie in Abschnitt 2.1.1 erörtert, ermöglicht erst das Internet als Trägermedium 59 verschiedenster Dienste wie IRC, E-Mail oder WWW interpersonale Kommunikation vermittels des Computers. Unter den Begriff der computervermittelten Kommunikation (cvK) lassen sich daher verschiedene Kommunikationspraktiken subsumieren, wie folgende Definition verdeutlicht: Computervermittelte Kommunikation [...] bezeichnet die interpersonale Kommunikation auf der Grundlage von Inter- und Intranetdiensten. Im engeren Sinne zählen dazu all diejenigen Kommunikationsformen, die die Infrastruktur des Internet und seiner Dienste als technische Basis nutzen (und die auch unter dem Oberbegriff „Internetbasierte Kommunikation“ zusammengefasst werden), also E-Mail, Newsgroups, Online-Foren, Internet Relay Chat (IRC) und Web-Chat, Online-Gästebücher, Instant Messaging, Weblogs, Websites und Wikis. Im weiteren Sinne werden zur computervermittelten Kommunikation aber auch solche Kommunikationsformen gezählt, die ganz allgemein durch die Vermittlung von Computer- und Netzwerktechnologien zustande kommen, also z.B. auch das Videoconferencing, die Mobiltelefonie und die SMS-Kommunikation. (URL: http: / / www.chat-kommunikation.de [letzter Zugriff: 27.10.2008]) Die Kommunikationsformen der ersten Kategorie sind darüber hinaus um in Echtzeit ablaufende Rollenspiele in Form von Multi User Domains (MUDs) zu ergänzen und den im weiteren Sinne computervermittelten Kommunikationsformen ist ergänzend die Internet-Telefonie (IP-Telefonie, V[oice] o[ver] IP) hinzuzufügen. Während zu den im weiteren Sinne computervermittelten Kommunikationsformen auch solche zählen, die nicht allein das Internet sondern generell Computer- und Netzwerktechnologien als Trägermedien erfordern und die darüber hinaus größtenteils medial phonisch erfolgen, rekurrieren die erstgenannten Formen einzig auf das Internet als Trägermedium und erfolgen medial graphisch. 59 In Anlehnung an Beißwenger (2000: 37) dient der Begriff ‚Trägermedium’ in Abgrenzung zur Medialität der Äußerung (phonisch oder graphisch) im Folgenden zur Bezeichnung der Medialität der Übermittlung (Internet, Telefon). <?page no="34"?> 34 Das gemeinsame Merkmal der im Folgenden zu betrachtenden im engeren Sinne computervermittelten Kommunikationsformen stellt die Tatsache dar, dass die Kommunikation über eine technische Instanz vermittelt erfolgt. Äußerungen werden zunächst an einen Server übermittelt und von diesem verarbeitet, bevor sie an die Rezipienten übermittelt werden, woraus sich ein technisch induziertes Auseinanderfallen von Produktion und Rezeption einer Äußerung ergibt. Daraus lässt sich eine Kategorisierung der verschiedenen Kommunikationsformen in quasi-synchron und asynchron ableiten: während Chat, Instant Messaging und MUD die zeitgleiche Präsenz von Sender und Empfänger vor den Ein- und Ausgabegeräten erfordern, um möglichst synchrone Kommunikation zu ermöglichen, ist bei den Kommunikationsformen E-Mail, Newsletter, Mailingliste, Newsgroups, Foren, Wikis und Blogs die zeitgleiche Anwesenheit von Sender und Empfänger vor den Ein- und Ausgabegeräten nicht nur nicht erforderlich, sondern gar nicht intendiert - die Kommunikation erfolgt asynchron. Da jedoch eine Synchronizität aufgrund des Auseinanderfallens von Produktion und Rezeption nur nahezu erreicht werden kann, ist bei den Kommunikationsformen Chat, IM und MUD lediglich von Quasibzw. Nahezu- Synchronizität auszugehen. Unabhängig von der vorgenommenen Kategorisierung obliegt es jedoch den Nutzern zu entscheiden, „in welchen Situationen und mit welchen Zielen sie in diesen Kommunikationsumgebungen welche Botschaften austauschen wollen“ (Döring 2003: 38), so dass beispielsweise auch ein E-Mail-Austausch quasi-synchron erfolgen kann. Die skizzierte Unterscheidung anhand der Merkmale Quasi-Synchronizität und Asynchronizität dient im Folgenden als Grundlage für die Darstellungen der einzelnen Formen von cvK. 3.1 Quasi-synchrone Formen von cvK Zu den Formen quasi-synchroner computervermittelter Kommunikation zählen neben dem im vierten Kapitel eingehend zu beleuchtenden Chat - entweder im Internet Relay Chat (IRC) oder in Web-Chats des WWW - auch der interpersonale Austausch im Rahmen von Instant Messaging-Systemen (IM) sowie in Echtzeit ablaufende Rollenspiele in Form von Multi User Domains (MUD). 3.1.1 Instant Messaging-Systeme (IM) Die Funktionsweise der seit 1996 existierenden Instant Messaging-Systeme ähnelt in grundlegenden Zügen der von Web-Chats und der des IRC. 60 Wie 60 Vgl. Schneider (2005: 16). <?page no="35"?> 35 der Internet Relay Chat nutzen IM-Systeme ein eigenes Protokoll 61 und basieren auf einer Client-Server-Architektur, so dass die Nutzung des Nachrichtenaustausch-Systems die Installation einer Software 62 voraussetzt. Im Gegensatz zu Web-Chats und dem IRC erfolgt die Kommunikation jedoch in der Regel zwischen Interaktanten, die einander bereits bekannt sind und in der buddy list, der Kontaktliste, des jeweils anderen Interaktionspartners aufgeführt sind, wobei der Austausch entweder one-to-one oder many-tomany erfolgen kann. Wie bei den anderen Chat-Technologien erfolgt auch hier die Übertragung turn- und nicht zeichenweise. 63 Der Instant Messenger läuft während der Computer-Nutzung separat im Hintergrund und stellt, sobald eine Verbindung zum Internet aufgebaut ist, eine Verbindung zum jeweiligen Server her. Anschließend prüft die Software, welche der in der buddy list aufgeführten Bekannten online sind, und zeigt dies gegebenenfalls an. 64 Da Instant Messaging-Systeme bei gleichzeitiger Bereitstellung einer Vielzahl von Funktionalitäten einen gezielten quasi-synchronen Austausch zwischen ausgewählten Kommunikationspartnern ermöglichen, liegt die Vermutung nahe, dass sie mittel- oder langfristig andere Formen von cvK wie Chat oder E-Mail ablösen. 65 Dem steht derzeit jedoch noch die Vielzahl der verwendeten proprietären Standards der verschiedenen IM- Systeme entgegen, die einen Austausch zwischen verschiedenen Clients verhindert. 3.1.2 Rollenspiele: Multi User Domain (MUD) Eine weitere Ausprägung quasi-synchroner Kommunikation stellen die MUDs dar. Das Akronym MUD steht für Multi User Domain und bezeichnet eine virtuelle Umgebung im Internet, in der mehrere Benutzer gleichzeitig an einem textorientierten Rollenspiel mit Avataren 66 teilnehmen und in Echtzeit agieren können. 67 Diese Rollenspiele erfolgen many-to-many, wobei den Spielern die virtuelle Umgebung, in der sie sich bewegen, nur anhand von Beschreibungen in Textform zugänglich wird und sie durch Text- 61 Da die unterschiedlichen IM-Programme in der Regel auf proprietären Protokollen basieren, sind die Systeme untereinander häufig nicht kompatibel, was die Durchsetzung eines einheitlichen IM-Standards bisher verhindert (vgl. Barnert u.a. 2003: 459). 62 Beispielsweise die Messenger von ICQ (Syllabogramm zu I seek you) oder MSN, die auf den jeweiligen Webseiten kostenlos als Download abrufbar sind (vgl: URL: http: / / www.icq.de und URL: http: / / de.msn.com [beide letzter Zugriff: 05.09.2009]). 63 Im Gegensatz dazu erfolgte die Datenübertragung bei der Unix Software Talk, einem Vorläufer heutiger Instant Messaging-Systeme, zeichenweise (vgl. Haase/ Huber/ Krumeich/ Rehm 1997: 56). 64 Vgl. Barnert u.a. (2003: 459). 65 Vgl. Barnert u.a. (2003: 459). 66 Als Avatar wird die graphische Darstellung einer Person in einer virtuellen Umgebung bezeichnet (vgl. Runkehl/ Schlobinski/ Siever 1998: 216). 67 Vgl. Microsoft Press (1999: 461) und Barnert u.a. (2003: 604). <?page no="36"?> 36 eingabe mit den anderen Spielern kommunizieren. Multi User Domains lassen sich daher zutreffend als „Online-Spiele in Form von Chat-Kommunikation“ (Runkehl/ Schlobinski/ Siever 1998: 117) charakterisieren. Die ersten MUDs wurden Ende der 1970er in den USA und Großbritannien entwickelt, wobei das 1985 programmierte MUD1 oder British Legends eines der ersten bekannten textbasierten Rollenspiele darstellt. 68 Nach wie vor ist der Großteil der MUDs englischsprachig und kann kostenlos genutzt werden, wobei entweder mittels TELNET eine Verbindung zu einem Host hergestellt wird, auf dem das Spiel beherbergt ist, oder spezielle MUD-Clients verwendet werden. 69 Im Gegensatz zu den rein textbasierten MUDs werden seit einigen Jahren zunehmend kommerzielle, graphikbasierte Rollenspiele entwickelt, die als Massive Multiplayer Online Roleplaying Game (MMORG) oder Massive Multiplayer Online Game (MMOG) bezeichnet werden. Diese „haben aber durch die intensive Animation einen viel stärkeren Schwerpunkt auf der grafischen Darstellung, der die Kommunikation mit anderen geringfügig in den Hintergrund treten lässt“ (Barnert u.a. 2003: 605). Eine besondere Form des internetbasierten Rollenspiels stellt die seit 2003 existierende virtuelle Welt Second Life dar. 70 Im Gegensatz zu genuinen Rollenspielen orientiert sich die Erzeugung einer virtuellen Realität (VR) hierbei jedoch an der realen Welt. 71 3.2 Asynchrone Formen von cvK Im Gegensatz zu den in den vorhergehenden Abschnitten beschriebenen Formen quasi-synchronen Austauschs erfordern die im Folgenden darzustellenden asynchronen computervermittelten Kommunikationsformen keine zeitgleiche Präsenz von Produzent und Rezipient vor den Ein- und Ausgabegeräten. Die meistverwendete Form asynchroner cvK ist die E-Mail- Technologie mit ihren Ausprägungen Mailingliste und Newsletter. Eine verwandte Technologie stellen die Newsgroups des USENET dar, die hingegen auf einem eigenen Protokoll basieren und einen eigenen Dienst konstituieren. Zu den asynchronen Formen von cvK im weiteren Sinne zählen darüber hinaus verschiedene Arten webbasierter Kommunikationsangebote. 68 Vgl. URL: http: / / www.british-legends.com [letzter Zugriff: 19.08.2008]. 69 Für ein französisches MUD vgl. EnsiMUD URL: http: / / www.ensimud.net [letzter Zugriff: 05.09.2009]. 70 Vgl. URL: http: / / secondlife.com [letzter Zugriff: 19.08.2008]. 71 Vgl. hierzu Frohwein/ Goldhammer/ Eggers (2007), Lober (2007) und Döring (2003: 45ff.). <?page no="37"?> 37 3.2.1 E-Mail, Mailinglisten und Newsletter Von der „vergessene[n] Anwendung“ (Musch 2000: 21) 72 hat sich der Austausch von Nachrichten und Dateien in Form von Electronic Mail (E-Mail) zu einem der meistgenutzten Dienste des Internets entwickelt. Die Kommunikation via E-Mail kann dabei sowohl one-to-one als auch one-to-many erfolgen. E-Mails lassen sich sowohl elektronisch archivieren und verwalten als auch weiterleiten und beantworten, wobei durch die Möglichkeit des Zitierens (quoting) der ursprünglichen Nachricht das Entstehen schriftlicher Dialoge begünstigt wird. Aus diesem Grund hat sich die Kommunikation per E-Mail sowohl in beruflichen als auch in privaten Kontexten etablieren können. Die E-Mail-Technologie beruht auf dem Simple Mail Transfer Protocol (SMTP) und rekurriert wie die anderen Formen von cvK auf das Internet als Trägermedium. 73 Technische Voraussetzung für den E-Mail- Austausch ist ein auf einem Mail-Server angelegtes elektronisches Postfach - auch Mailbox oder E-Mail-Account - auf das mittels eines Clients zugegriffen werden kann und dem eine eindeutige Adresse zugeordnet ist. 74 Als Client kann eine lokal auf einem Computer installierte Software wie Microsoft Outlook oder ein webbasierter Client wie GMX oder Web.de - in einer Basisversion zumeist kostenlos nutzbar - verwendet werden. Der Client gestattet neben dem Zugriff auf das elektronische Postfach auch die Verwaltung und Archivierung elektronischer Nachrichten. Eine E-Mail besteht aus den zwei Komponenten header und body und kann fakultativ um Dateianhänge erweitert werden. 75 Der header umfasst die für den Versand relevanten Informationen wie Absender, Empfänger, Datum, Uhrzeit und Betreff, während der body den Inhalt der Nachricht konstituiert. Wenngleich der asynchrone Austausch via E-Mail die Durchführung von Kommunikationsvollzügen erleichtert, kann damit auch „Kommunikationsvermeidung“ (Döring 2003: 52) einhergehen, wenn Nachrichten zum Beispiel spät oder gar nicht beantwortet werden. Bedeutung gewinnt diese Tatsache vor dem Hintergrund, dass die „Chronemik, also die zeitliche Gestaltung des kommunikativen Austauschs, ein gerade im E-Mail-Kontakt ganz entscheidender Modus nonverbaler Kommunikation [ist]“ (Döring 2003: 57). Da E-Mail-Adressen frei wählbar sind, ist eine eindeutige Identifizierung des Absenders einer E-Mail nicht immer gegeben. Das kann für den Empfänger einer E-Mail insofern zu einem Sicherheitsrisiko für seinen Computer werden, als sich die Versender von Malware (Kontamination aus malicious und software) diese Tatsache zunutze machen und E-Mails mit Dateianhängen, die Schadprogramme enthalten, versandt werden, die beim Öffnen des attachment schädliche Wirkung auf dem Rechner entfalten. 72 Vgl. Abschnitt 2.1.1. 73 Vgl. hierzu auch Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 22). 74 Vgl. Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 30). 75 Vgl. Döring (2003: 36ff.). <?page no="38"?> 38 Eine andere unerfreuliche Nebenerscheinung, die durch die potentielle Anonymität der Kommunikationsform E-Mail befördert wird, stellt der Versand von Spam dar. 76 Dabei handelt es sich um die unverlangte Zustellung von Nachrichten zumeist in Form von Werbung, die one-to-many erfolgt. Schutz gegen den Versand kommerzieller Massensendungen bieten zum einen Filterprogramme im E-Mail-Client sowie zum anderen juristische Verbote. Besondere Ausprägungen der Kommunikationsform E-Mail stellen Mailinglisten und Newsletter dar. Zwar lässt sich der Versand elektronischer Nachrichten der Form one-to-many mittels des E-Mail-Clients durch die Eingabe mehrerer Adressen bewerkstelligen, wobei die bcc-Funktion (blind carbon copy) auch den Versand an verschiedene Empfänger ermöglicht, ohne dass diese für die anderen Empfänger sichtbar werden, „um jedoch eine E-Mail-basierte Gruppenkommunikation zu institutionalisieren“ (Döring 2003: 58), bietet sich die Verwendung von Mailinglisten an. Diese beruhen auf den gleichen Protokollen wie E-Mail und ihre Funktionsweise ist so beschaffen, dass die E-Mail-Adressen aller Mitglieder von einem Verwaltungsprogramm registriert werden, so dass an die Adresse der Mailingliste gesandte Nachrichten (Postings) automatisch allen Mitgliedern zugestellt werden. Verwaltungsprogramme für Mailinglisten sind neben den häufig genutzten Programmen Listserv und Majordomo zunehmend auch webbasierte Dienste wie Yahoogroups. Voraussetzung für den Erhalt von elektronischen Nachrichten, die über eine Mailingliste distribuiert werden, ist die vorherige Anmeldung zu dieser Form des Informationsaustauschs, wobei offene und geschlossene Listen zu unterscheiden sind. 77 Während bei ersteren eine selbsttätige Anmeldung über das Listenverwaltungsprogramm möglich ist, wird der Zugang zu letzteren durch den Administrator der jeweiligen Mailingliste gewährt. Ein weiteres Unterscheidungskriterium besteht in der Moderation bzw. Nicht-Moderation durch einen Administrator, wobei eine Moderation gerade bei mitgliederstarken Mailinglisten mit erheblichem Arbeitsaufwand verbunden sein kann. Darüber hinaus lassen sich interaktive und reaktive Mailinglisten unterscheiden, wobei erstere dem Austausch von Informationen und der Diskussion, letztere hingegen aufgrund ihrer Unidirektionalität lediglich der Verbreitung von Informationen dienen, was sie wiederum in die Nähe von Newslettern - einer per Mailingliste realisierten Form der Einweg-Kommunikation - rückt. 78 76 Vgl. Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 31). 77 Vgl. Döring (2003: 60). 78 Vgl. Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 47). <?page no="39"?> 39 3.2.2 Newsgroups des USENET Eine weitere Form asynchroner computervermittelter Kommunikation stellen die Newsgroups des USENET dar. Dabei handelt es sich um „ein im Prinzip vom Internet unabhängiges Netzwerk von Diskussionsforen bzw. -gruppen“ (Barnert u.a. 2003: 932). 1979 zunächst als telefonisch vermittelter Nachrichtendienst entwickelt, wurden durch die Einführung des Übertragungsprotokolls NetNews Transfer Protocol (NNTP) 1989 die elektronischen Diskussionsgruppen des USENET ins Leben gerufen. Sie gehören zu den ältesten Formen von cvK und nutzten zunächst allein das USENET, später auch das Internet als Trägermedium. 79 Im Gegensatz zur Funktionsweise der Mailinglisten, bei denen die Zustellung der Informationen automatisch an deren Mitglieder erfolgt, stehen die Informationen der öffentlich zugänglichen Newsgroups zum Abruf auf einem News-Server bereit. Die Funktionsweise von Newsgroups ist one-to-many und asynchron, wobei nicht der „Personenkreis [...] als Ganzer aktiv wird, sondern in die Minderheit der Poster (Personen, die Beiträge lesen und schreiben) und die Mehrheit der Lurker (Personen, die nur Beiträge lesen) zerfällt“ (Döring 2003: 67). Zum Lesen und Verfassen eines Diskussionsbeitrages wird eine Software, ein Newsreader, benötigt. Dieser kann beispielsweise als Zusatzfunktion in Web-Browser oder E-Mail-Clients integriert sein. Darüber hinaus lassen sich USENET-Beiträge mittlerweile auch im WWW mittels eines Browsers anzeigen und über Suchmaschinen im WWW ausfindig machen. Die Teilnahme an einer Diskussion setzt nach dem Aufbau einer Verbindung zum News-Server durch den Newsreader das Abonnieren (subscribe) einer Newsgroup voraus. Jeder Abonnent wird benachrichtigt, sobald neue Beiträge in der jeweiligen Newsgroup veröffentlicht werden und kann darauf antworten, indem er einen eigenen Beitrag an die Newsgroup übermittelt (posten). Der auf diese Weise entstehende Kommunikationsverlauf - vom Newsreader in Form einer „explorer-ähnlichen Baumform“ (Barnert u.a. 2003: 932) dokumentiert - wird als thread bezeichnet und erleichtert die Archivierung der Beiträge bis zur ihrer Löschung einige Monate nach Veröffentlichung. Die einzelnen, thematisch zu einem thread zusammengeführten Postings bestehen wie eine E-Mail aus header und body. Prinzipiell steht jedem die Nutzung von Newsgroups offen, da das An- und Abmeldeverfahren keiner Kontrolle unterliegt. Newsgroups als virtuelle Anschlagstafeln ähneln daher in ihrer Funktionsweise traditionellen Schwarzen Brettern. Neben unmoderierten existieren auch moderierte Newsgroups, in denen Artikel zunächst von einer Moderationsinstanz geprüft werden, bevor sie gepostet werden. Während die Anmeldung zu einer Newsgroup keiner- 79 Darüber hinaus existieren auch Newsgroups außerhalb des USENET, wie beispielsweise NetNews Newsgroups, die allein auf das Internet als Trägermedium zurückgreifen und daher einen genuinen Internet-Dienst darstellen (vgl. Döring 2003: 63). <?page no="40"?> 40 lei Beschränkung unterliegt, stellt die Neueinrichtung einer Newsgroup ein komplexeres Verfahren dar, da sie nur nach Abstimmung und Befürwortung der Nutzer erfolgen kann. 80 Die Klassifizierung der elektronischen Diskussionsgruppen erfolgt anhand von thematischen Bereichen, der Big Eight 81 , sowie anhand von Länderkürzeln. 82 Insgesamt beträgt die Zahl der Newsgroups im USENET 20.000 bis 30.000, wobei die einzelnen News- Server meistens Tausende von Newsgroups unterschiedlichster thematischer Provenienz anbieten. 83 3.2.3 Webbasierte Kommunikationsangebote und Web 2.0-Technologien Neben den bisher dargestellten Internet-Diensten haben sich mit zunehmender Verbreitung des WWW neben den Webseiten verschiedene webbasierte Kommunikationsangebote entwickelt, die sich mittels eines Browsers nutzen lassen. Im Gegensatz zu genuinen Internet-Diensten, die jeweils durch ein eigenes Datenübertragungsprotokoll zu charakterisieren sind, handelt es sich dabei jedoch um „spezifische softwaregestützte Anwendungsweisen von Internet-Diensten“ (Döring 2003: 37) im Sinne von WWW-Anwendungen. Dazu zählen neben Online-Foren auch verschiedene andere Kommunikationsformen, die unter den Begriff der Web 2.0-Technologien subsumiert werden. Im Gegensatz zu Mailinglisten, Newsgroups und Online-Foren, die multidirektionale Kommunikation ermöglichen, erfolgt die Kommunikation über Webseiten zunächst unidirektional, kann jedoch durch die Integration beispielsweise elektronischer Gästebücher reziprok gestaltet werden. 84 Die Verwendung von Newsgroups ist zwar nach wie vor im USENET organisiert, elektronische Diskussionsforen haben sich jedoch mit zunehmender Verbreitung des WWW auch dort etabliert. Ein solches Format stellen „web-basierte asynchrone Online-Foren [...], [die] nicht auf News- Servern, sondern auf Websites zu finden und [...] zu nutzen [sind]“ (Döring 2003: 70ff.) dar. Geläufig ist daher die Verwendung des Begriffs ‚Forum’. Im Unterschied zu den Newsgroups werden die Themen der Foren nicht abonniert, sondern auf der Webseite des Forums rezipiert. Das Themen- 80 Vgl. Döring (2003: 66) und Barnert u.a. (2003: 934). 81 Zu den Big Eight gehören die Bereiche comp (Computer), sci (Wissenschaft), soc (Gesellschaft), talk (Diskussionen), rec (Freizeit), news (USENET-spezifische Themen), misc (Vermischtes) und alt (Alternatives) (vgl. Runkehl/ Schlobinski/ Siever 1998: 54f.). 82 Vgl. Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 53ff.) und Barnert u.a. (2003: 933f.). 83 Vgl. Barnert u.a. (2003: 933). Döring (2003: 65) nennt 100.000 Newsgroups weltweit, von denen ca. 20.000 auch von internationaler Bedeutung sind. Aufgrund unterschiedlicher regionaler Interessen, begrenzter Speicherkapazitäten und teils unerwünschter kontroverser Inhalte werden jedoch nicht alle Newsgroups auf allen News-Servern zur Verfügung gestellt. 84 Vgl. hierzu Diekmannshenke (2000). <?page no="41"?> 41 spektrum von Online-Foren steht zumeist in direktem Bezug zum Inhalt der Webseite, auf der sie implementiert sind. Aufgrund der dezentralen Organisationsform von Online-Foren können, anders als in Bezug auf die Newsgroups, keine Aussagen zum Gesamtangebot dieser Kommunikationsform getroffen werden. Weitere Formen webbasierter Kommunikationsangebote stellen die interaktiven und kollaborativen Anwendungen des WWW dar, die häufig unter den Begriff der Web 2.0-Technologien subsumiert werden. 85 Dazu zählen insbesondere Wikis, Weblogs, Bild- und Videoportale, soziale Netzwerke, social bookmarking bzw. social tagging, Feeds sowie Video- und Audio-Podcasts. 86 Der Begriff der Web 2.0-Technologien findet jedoch vielfach kritische Betrachtung: ausgehend von der Ansicht, „Web 2.0 ist nutzloses Blabla, das niemand erklären kann“ (Roth 2006), wird vor allem kritisiert, dass mit diesem Begriff das Entstehen eines neuen, interaktiven Netzverständnisses suggeriert wird, obwohl lediglich verschiedene, zum Teil nicht genuin neue Technologien vermischt werden und dabei die Tatsache in den Hintergrund gerät, dass das Merkmal der Interaktivität dem WWW bereits seit seiner Entstehung in den 1990er Jahren inhärent ist. So lag bereits dem Konzept des herkömmlichem Web-Publishing durch beispielsweise SELFHTML 87 die Idee zugrunde, dass es „auch solchen Personen und Gruppen [möglich ist] an die Öffentlichkeit zu treten, die in den herkömmlichen Massenmedien nicht vertreten sind“ (Döring 2003: 79). Vielmehr wurde der basisdemokratische Charakter des World Wide Web lange Zeit durch die zunehmende Kommerzialisierung unterminiert, so dass das Aufkommen des Web 2.0-Begriffs mehr einer Rückbesinnung auf verlorene Werte, denn der Begründung eines neuen Netzverständnisses gleichkommt. 85 Vgl. hierzu auch O’Reilly (2005). 86 Vgl. hierzu Ainetter (2006), Dünne (2004), Möller (2006), Schlobinski/ Siever (2005) und Schmidt (2006). 87 Vgl. URL: http: / / www.selfhtml.org [letzter Zugriff: 10.08.2009]. <?page no="43"?> 43 4 Chat Der aus dem englischen Verb to chat (plaudern, schwatzen) entlehnte Begriff ‚Chat’ bezeichnet eine „Conversation en direct entre internautes, par échange de messages électroniques“ (Nouveau Petit Robert de la langue française 2009 [= PR 2009]) 88 . Unter diesem seit 1997 belegten Lemma sind im Petit Robert darüber hinaus der kanadische Regionalismus clavardage (Kontamination aus clavier und bavardage) sowie die „recommandation officielle dialogue en ligne“ (ebd.) aufgeführt. 89 Gebräuchlicher sind hingegen neben der Bezeichnung ‚Chat’ im Französischen die Begriffe tchat und tchatche 90 , die jedoch in dieser Bedeutung bisher keinen Eingang in den Petit Robert gefunden haben. 91 In Analogie zum Substantiv wird der Interaktant in einem Chat als Chatter bzw. im Französischen als chatteur/ -euse (PR 2009) 92 bezeichnet. Der Begriff ‚Chat’ kann auch lokaldeiktische Verwendung finden und den virtuellen Ort - in der Terminologie des IRC den channel - des quasi-synchronen Austauschs bezeichnen, wie anhand des folgenden Beispiels deutlich wird: Beispiel (4-1): Lokaldeiktische Verwendung des Begriffs ‚Chat’ a. 209 <sophienette> t'as passe une bonne journee 210 <sophienette> non je pense pas 211 <sophienette> car elle aime pas trop sur ce chat 212 <sophienette> elle prefere sur club internet (2003-A-III-1) 93 b. 1079 [23: 00] <+Grims> je rapel que c'est mon 1er day sur ce tchat O_O (2008-A-I-2) 88 Vgl. URL: http: / / pr2009.bvdep.com [letzter Zugriff: 12.08.2009]. 89 Dialogue en ligne ersetzt seit dem 5. April 2006 den am 16. März 1999 von der Commission générale de terminologie et de néologie als Äquivalent zum englischen Lehnwort ‚Chat’ eingesetzten Begriff causette (Vgl. URL: http: / / www.culture.gouv.fr/ culture/ dglf/ cogeter/ 05-04-06.htm sowie URL: http: / / www.culture.gouv.fr/ culture/ dglf/ cogeter/ 16-03-99-internet-listes.html [letzter Zugriff: 05.11.2008]). 90 Dieser Verwendung liegt eine Polysemie durch Bedeutungserweiterung zugrunde, die zurückzuführen ist auf das seit 1959 im Petit Robert belegte Lemma tchatche (von spanisch chacharear) in der Bedeutung von „[d]isposition à s'exprimer facilement, à parler beaucoup“ sowie „[l]angage argotique des cités (verlan, etc.)“ (Vgl. URL: http: / / pr2009.bvdep.com [letzter Zugriff: 12.08.2009]). 91 Vgl. URL: http: / / chat.tchatche.com [letzter Zugriff: 06.09.2009]. 92 Vgl. URL: http: / / pr2009.bvdep.com [letzter Zugriff: 12.08.2009]. 93 Zur Form der verwendeten Notation vgl. Abschnitt 5.3. <?page no="44"?> 44 Der Chat stellt eine Form quasi-synchroner schriftbasierter computervermittelter Kommunikation dar, dessen Funktionsweise sich wie folgt gestaltet: ein Chat-Teilnehmer verfasst mittels seines Eingabegeräts (Tastatur) an seinem Rechner eine Äußerung, die für die anderen Teilnehmer unsichtbar vorerst nur auf dem Ausgabegerät (Bildschirm) des jeweiligen Nutzers erscheint. Durch Betätigung der Eingabetaste wird die Äußerung dann zunächst an einen Chat-Server und anschließend von diesem an die Rechner der anderen Chat-Teilnehmer übermittelt, auf deren Ausgabegeräten sie dann für alle sichtbar wird. Die Textproduktion erfolgt im Gegensatz zur face-to-face-Interaktion verborgen und die Übermittlung demzufolge nicht zeichensondern turnweise. 94 Innerhalb eines Chats können sich verschiedene Kommunikationsstränge ergeben, wie Beispiel (4-2) verdeutlicht. Beispiel (4-2): Kommunikationsstränge im Chat-Verlauf 1391 [10: 41] <miatchoum77> bebe> toi seule pe le savoir ; ) 1392 [10: 41] <%manuel> ricardo30> tu viens chez moi je mets une armée 1392a 95 devant ma 1393 cave pour que tu rentres pas lol 1394 [10: 42] <marie78> faut que jy aille 1395 [10: 42] <Batman> manuel> lol 1396 [10: 42] <%manuel> bebe> super merci et toi ? 1397 [10: 42] <bebe> miatchoum77> non comment vous vous allez 1398 [10: 42] <miatchoum77> marie78> : x: x: x 1399 [10: 42] <marie78> miatchoum77> : x: x 1400 [10: 42] <bebe> manuel> moi aussi nikel 1401 [10: 42] <Batman> marie78> bybye ; ) 1402 [10: 42] <miatchoum77> bebe> ba devant le pc en pleine forme ^^ 1403 [10: 42] <marie78> Batman> bye (2008-C-III-1) Die in Beispiel (4-2) ineinander verflochtenen Kommunikationsstränge lassen sich anhand der Adressierungen, die die Nutzer ihren jeweiligen Äußerungen voranstellen, sofern es sich nicht wie in Z. 1394 um eine an alle Nutzer adressierte Äußerung (one-to-many) handelt, nachvollziehen. Schönfeldt (2001: 34) grenzt daher zu Recht „das Kommunikationsgeschehen als Ganzes, de[n] Gesamtchat“ von den Einzel-Chats ab, die „als längere Gesprächsstränge im Sinne einer längeren Folge von inhaltlich aufeinander Bezug nehmenden, dialogisch angeordneten Äußerungen zu verstehen [sind]“ (ebd.). So kann ein Gesamt-Chat aus einem einzigen Einzel-Chat bestehen, aber auch, wie in Beispiel (4-2), aus einer Vielzahl von Einzel-Chats 94 Vgl. hierzu auch Storrer (2001: 442). 95 Aufgrund der unterschiedlichen Formatierung dieses Dokuments und der Logfiles in Anhang E kann sich in Einzelfällen eine Verschiebung der Zeilenlänge ergeben, die in der Darstellung der Beispiels jeweils durch ‚a’ gekennzeichnet wird. <?page no="45"?> 45 konstituiert sein. Parallele Teilnahme an verschiedenen Einzel-Chats ist dabei durchaus möglich. So führt <miatchoum77> mit <bebe> einen Einzel- Chat, der sich über Z. 1391, Z. 1397 und Z. 1402 erstreckt und verabschiedet parallel dazu in Z. 1398 und Z. 1399 <marie78>. Insgesamt stellen Adressierungen jedoch innerhalb der untersuchten Logfiles die Ausnahme dar und sind lediglich auf den channels zu finden, die bei hoher Teilnehmerzahl ein hohes Kommunikationsaufkommen aufweisen. 96 Eine besondere Form der 1: 1-Kommunikation im Chat stellen die Privat- Nachrichten - in den untersuchten Logfiles als pv (message privé) bezeichnet - dar, deren Austausch nicht sichtbar für die anderen Nutzer zwischen zwei Kommunikationsteilnehmern (one-to-one) erfolgt. Im Falle einer Kommunikation via Privat-Nachricht öffnet sich ein weiteres Eingabefenster, denn die Teilnahme am Gesamt-Chat ist weiterhin möglich. Privat-Nachrichten dienen in erster Linie dem Austausch von Informationen, die nicht allen Chat-Teilnehmern zugänglich gemacht werden sollen, wie die Beispiele (4-3b) und (4-3c) verdeutlichen. Gleichzeitig erhöhen Privat-Nachrichten auch die Anzahl an Einzel-Chats, in die ein Chat-Teilnehmer involviert ist und erschweren diesem unter Umständen die parallele Verfolgung der einzelnen Gesprächsstränge wie Beispiel (4-3a) veranschaulicht. Beispiel (4-3): Privat-Nachrichten a. 507 <marginuccia> il est deja debordé 508 <laly> vi je vois ca 509 <marginuccia> du coup il reponds plus au pv (2003-A-III-1) b. 29 [15: 20] <Abdulelrazad> (mais je veux bien que tu m'explique la "vraie 30 raison" si possible. En PV ou ailleurs.) 31 [15: 20] <_clo_> ici ! 32 [15: 20] <@Anaelle> ok 33 [15: 20] <+Fallen> PV alors (2008-A-I-1) c. 30 [00: 18] <@DARK> c'est long, compliqué, et pas super interessant a 30a raconter 31 (sauf si tu es fan de potins xD) 32 [00: 18] <Louna> je suis fan 33 [00: 18] <Louna> lances toi 34 [00: 18] <@DARK> okay x) 35 [00: 19] <@DARK> bon...heu coté coeur vu que c'est le sujet du moment 96 Vgl. hierzu insbesondere die Logfiles 2008-C-III-1 bis 2008-C-III-3. <?page no="46"?> 46 36 [00: 19] <Louna> ah bon ? 37 [00: 19] <Louna> savais pas 38 [00: 19] <Louna> mais je t'ecoute Session Close: Sat Nov 29 00: 34: 41 2008 (2008-B-I-2) In Beispiel (4-3a) stellt <marginuccia> in Z. 507 und Z. 509 fest, dass einer der Chat-Teilnehmer nicht mehr auf Privat-Nachrichten antwortet, da er bereits ausgelastet ist. In Beispiel (4-3b) hingegen bittet <Abdulelrazad> in Z. 29/ 30 um die Erläuterung des wahren Grundes einer Angelegenheit und schlägt diesbezüglich eine Privat-Nachricht vor. <_clo_> erbittet daraufhin in Z. 31 eine Darstellung der Angelegenheit für die anderen Chat- Teilnehmer sichtbar auf dem channel, was <@Anaelle> in Z. 32 bestätigt und <+Fallen> in Z. 33 zu der Annahme verleitet, dass der Austausch via Privat-Nachricht erfolgen wird. Im letzten Beispiel (4-3c) liegt die Vermutung nahe, dass die Kommunikation in ein Privatgespräch verlagert wird. Nach einem, wie die Zeitangaben belegen, raschen Austausch von Turns folgen nach dem Turn in Z. 38 um 00: 19 bis zum Ausloggen um 00: 34 keine weiteren Turns. Mit zunehmender Ausdifferenzierung der Chat-Technologie und der damit einhergehenden Erschließung neuer Anwendungsfelder 97 gewinnt auch die Klassifizierung der verschiedenen Chat-Formate an Bedeutung. Im Sinne einer „typologische[n] Binnendifferenzierung des Phänomenbereichs Chat- Kommunikation“ führt Beißwenger (2001: XII) die Unterscheidungskriterien themenspezifisch vs. themenoffen, gruppenspezifisch vs. gruppenoffen sowie moderiert vs. unmoderiert auf und verweist auf spezifische Ausprägungen wie Beratungs- und Seminar-Chats sowie Rollenspiel- und Comic-Chats mit Avataren, wobei einzelne Parameter besondere Affinitäten zueinander aufweisen. So sind themenspezifische Chats oftmals auch gruppenspezifisch und erfordern gegebenenfalls eher eine Moderation als themenoffene gruppenunspezifische Chats. Auch in der sprachwissenschaftlichen Forschung haben sich vor dem Hintergrund einer zunehmenden Ausdifferenzierung der verschiedenen Formen computervermittelter Kommunikation Ansätze zu deren Typologisierung herausgebildet (vgl. Abschnitt 6.2). Nach der einführenden Darstellung des Chats als Form schriftlichen quasi-synchronen Austauschs mittels des Computers werden in den folgenden Abschnitten die grundlegenden Chat-Technologien vorgestellt, bevor sie einander in vergleichender Perspektive gegenübergestellt und die Gründe für die Auswahl des Internet Relay Chat (IRC) als Untersuchungsgegenstand vorliegender Studie dargelegt werden. Den Abschluss des Kapitels bilden grundsätzliche Betrachtungen zum Chatten, indem Aspekte wie Konventionen, Anonymität und Identität im Chat sowie Chat-Sucht beleuchtet werden. 97 Vgl. hierzu die Beiträge in Beißwenger/ Storrer (2005). <?page no="47"?> 47 4.1 Abgrenzung verschiedener Chat-Systeme: IRC und Web-Chat Grundsätzlich lassen sich drei verschiedene Chat-Systeme unterscheiden: Internet Relay Chat (IRC), Instant Messaging (IM) und Web-Chat. Während IRC und IM auf eigenen Protokollen beruhen - im Fall des IRC handelt es sich um das gleichnamige Protokoll Internet Relay Chat, bei den verschiedenen Messagern um jeweils unterschiedliche Protokolle -, die auf das Internet als Trägermedium rekurrieren und deren Bedienung die Verwendung einer Software voraussetzt, handelt es sich bei den Web-Chats um Anwendungen, deren Nutzung mittels eines Browsers im WWW erfolgt. Während die Kommunikation im Rahmen von Instant Messaging- Systemen, wie in Abschnitt 3.1.1 dargelegt, in der Regel zwischen Kommunikationsteilnehmern erfolgt, die einander bereits bekannt sind, was der Interaktion insgesamt vorrangig privaten Charakter verleiht, ermöglichen IRC und Web-Chat Kommunikation zwischen einander gänzlich unbekannten Interaktanten. Da im Rahmen der vorliegenden Studie lediglich öffentlich zugängliche IRC-channels betrachtet wurden, die letzteres begünstigen, erfolgt die Darstellung der IM-Systeme aufgrund ihres vornehmlich privaten Charakters in Abschnitt 3.1.1, während sich die folgenden Ausführungen auf die Chat-Technologien IRC und Web-Chat konzentrieren. 4.1.1 IRC Obwohl die Anfänge der Chat-Kommunikation in die frühen 1970er Jahre zurückreichen, 98 stellt der 1988 entwickelte Internet Relay Chat (IRC) gleichsam „die Mutter aller Chats“ (Filinski 1998: 166) dar. Die Entwicklung und Inbetriebnahme des nicht-kommerziellen Internet Relay Chat im Jahr 1988 durch den finnischen Studenten Jarkko Oikarinen an der Universität von Oulu markiert insofern eine Zäsur in der Entstehungsgeschichte der Chat-Technologien, als damit zum ersten Mal quasi-synchrone Kommunikation zwischen mehreren Interaktanten über das Internet und damit außerhalb von Regierungskreisen und dem ARPANET möglich wurde. 99 Von Finnland aus verbreitete sich der IRC über die Universitäten in Helsinki und Tampere nach Denver und Oregon, so dass 1989 bereits 40 IRC- Server weltweit existierten. 100 Nach wie vor ein rein textbasierter Chat, der 98 Als Vorläufer heutiger Chat-Systeme sind unter anderem das 1971 entwickelte Programm EMISARI sowie das 1973 entwickelte Programm Planning Network (PLANET), das im Rahmen des ARPANET betrieben wurde, zu nennen, wobei letzteres im Unterschied zu heutigen Chat-Systemen lediglich one-to-one-Kommunikation ermöglichte (vgl. Brunold/ Merz/ Wagner 2000: 28). 99 Vgl. hierzu auch URL: http: / / www.ircnet.org/ History/ jarkko.html [letzter Zugriff: 22.08.2008]. 100 Vgl. Filinski (1998: 166). <?page no="48"?> 48 im ASCII-Code 101 erfolgt, besteht der IRC heute aus mehreren voneinander unabhängigen Netzwerken, in denen unterschiedlich viele Server miteinander verbunden sind, sowie aus einzelnen, keinem Netzwerk zugehörigen Servern. 102 Zu den größten und meistgenutzten IRC-Netzwerken gehören neben EFNet, dem ersten IRC-Netzwerk überhaupt, IRCnet.org, das sich aufgrund des hohen Nutzeraufkommens im EFNet als europäischer Zweig von diesem abspaltete, QuakeNet, DALnet und Undernet. 103 Zu den größten frankophonen Netzwerken zählen EpiKnet und EuropNet, wobei letzteres einen Zusammenschluss europäischer IRC-Netzwerke darstellt, in dem das französische Netzwerk Librenet 104 aufgegangen ist. Die Kommunikation im IRC erfolgt dabei auf sogenannten channels. Der IRC nutzt unter Verwendung des gleichnamigen Protokolls Internet Relay Chat (IRC) das Internet als Trägermedium und basiert auf dem Client- Server-Prinzip. Die Nutzer benötigen demzufolge einen Client, eine spezielle Software, um eine Verbindung zu einem IRC-Server herstellen und an der Kommunikation auf den channels des IRC teilnehmen zu können. Die Funktionsweise ist dabei dergestalt, dass die Interaktanten ihre Äußerungen mittels des Clients an den IRC-Server übermitteln, der diese anschließend an die anderen mit dem Server verbundenen Rechner und deren Clients, die die Äußerung ausgeben, überträgt. Die Navigation innerhalb der Software erfolgt über englischsprachige IRC-spezifische Befehle, die vor Nutzung des Internet Relay Chat zu erlernen sind. 105 Es existieren verschiedene Clients für die unterschiedlichen Betriebssysteme wie Microsoft Windows, Mac OS oder Unix. 106 Ein Großteil der Clients steht als Freeware kostenlos oder als Shareware 107 für die Dauer einer Testperiode zunächst kostenfrei zur Verfügung, während andere Clients käuflich zu erwerben sind. Für die vorliegende Studie wurde mit dem Client mIRC für Microsoft Windows eine weit verbreitete Software gewählt, die als Shareware zunächst 30 Tage kostenlos getestet werden kann. 108 In den folgenden Abschnitten werden Einrichtung und Funktionsweise des mIRC Clients erläutert. 101 ASCII (American Standard Code for Information Interchange) bezeichnet einen standardisierten Code für Schriftzeichen in der Informationstechnologie. Aufgrund der Verwendung dieses Codes sind im IRC weder Fettdruck noch die Kursivsetzung oder Vergrößerung von Schriftzeichen möglich. 102 IRC-Netsplits verzeichnet am 25.02.2008 797 Netzwerke (vgl. URL: http: / / irc.netsplit. de/ networks [letzter Zugriff: 25.02.2008]). 103 Vgl. URL: http: / / irc.netsplit.de/ networks/ top100.php [letzter Zugriff: 03.11.2008]. 104 Zum Zeitpunkt der im Jahr 2003 durchgeführten Sprachdatenerhebung bestand Librenet noch als eigenständiges Netzwerk. 105 Vgl. Anhang B. 106 Vgl. URL: http: / / www.ircreviews.org/ clients [letzter Zugriff: 07.11.2008]. 107 „Software, die frei kopiert und verbreitet werden kann, aber unter dem Schutz des Urheberrechts steht“ (Barnert 2003: 806). 108 Download unter URL: http: / / www.mirc.com/ get.html [letzter Zugriff: 08.11.2008]. Die Software erfährt regelmäßige Updates, so dass für die Datenerhebung im Jahr <?page no="49"?> 49 4.1.1.1 Einrichtung des mIRC Clients Der Download des Clients von der mIRC-Webseite erfolgt nach Mausklick auf das Download-Symbol automatisch, sofern der Nutzer die Ausführung der Datei auf seinem Rechner bei der darauf folgenden Abfrage zulässt. Nach der Installation der Software auf dem Zielrechner mithilfe des mIRC installer kann der Client geöffnet werden. Die anschließende Konfiguration erfolgt in mehreren Schritten anhand der in Abbildung (4-I) dargestellten Maske. Zunächst wird der Benutzer aufgefordert, seinen Namen, seine E-Mail-Adresse 109 , den von ihm gewünschten Nickname (nick) sowie für den Fall, dass dieser bereits vergeben ist, eine Alternative dazu anzugeben. 110 Darüber hinaus ist ein Server-Netzwerk bzw. ein Server auszuwählen, zu dem eine Verbindung hergestellt werden soll. Abbildung (4-I): Konfigurations-Maske des mIRC Clients Sobald die Maske vollständig ausgefüllt ist, kann durch Mausklick auf den Button ‚Connect’ die Verbindung mit dem Server bzw. Netzwerk hergestellt werden. Die Teilnahme an der Kommunikation setzt zunächst die Wahl eines channel voraus, die auf zweierlei Weise erfolgen kann: ist der Name des gewünschten channel bekannt, kann die Auswahl durch Eingabe des Befehls / join [#channel] in die Kommandozeile (vgl. Abb. 4-III) erfol- 2003 der Client in der Version 6.0 verwendet wurde, während für die Vergleichsstudie im Jahr 2008 Version 6.35 genutzt wurde. 109 Der diesbezügliche Hinweis „You will need to enter something for your Full Name and Email Address. These do not have to be your real full name and email address” (URL: http: / / www.mirc.com/ get.html [letzter Zugriff: 08.11.2008]) verweist bereits auf die der Chat-Kommunikation inhärente Anonymität (vgl. Abschnitt 4.2.2). 110 Nach Anmeldung auf dem Server ist eine Änderung des Nickname jederzeit mittels des Befehls / nick [Nickname] möglich. <?page no="50"?> 50 gen. Wird hingegen kein bestimmter channel gesucht, kann durch Aufruf der channel list (Abb. 4-II) durch Eingabe des Befehls / list in die Kommandozeile zunächst eine Auflistung der auf dem Server bestehenden channels generiert werden. Die Auswahl eines darin aufgeführten channel erfolgt anschließend durch Mausklick auf den Namen des channel. Auf diese Weise können auch mehrere channels gewählt werden, da im IRC eine parallele Teilnahme an der Interaktion auf verschiedenen channels möglich ist. <?page no="51"?> Abbildung (4-II): channel list des Netzwerkes EpiKnet vom 09.11.2008 um 12: 08 5 1 Abbildung (4-II): channel list des Netzwerkes EpiKnet vom 09.11.2008 um 12: 08 <?page no="52"?> 52 Abbildung (4-II) zeigt die am Sonntag, dem 9. November 2008 um 12: 08 Uhr mittels des / list-Befehls generierte channel list des Netzwerkes EpiKnet, auf das über den Server courbevoie.fr.EpiKnet zugegriffen wurde. Zum Zeitpunkt des Aufrufes existieren in diesem Netzwerk insgesamt 1330 channels, darunter 1290 frei zugängliche. Die Anzahl der channels ist von der Größe des Netzwerkes abhängig und darüber hinaus nicht konstant, da zu jedem Zeitpunkt deren Einrichtung und Auflösung möglich ist. 111 Die Auflistung in der channel list erfolgt in absteigender Reihenfolge ausgehend von der Nutzerzahl, die in Abbildung (4-II) jeweils hinter dem mit initialem # gekennzeichneten channel-Namen aufgeführt ist. Dieser ist bei Einrichtung eines channel frei wählbar und kann bereits Hinweise auf eine Themenorientierung enthalten wie sie in Abbildung (4-II) die Namen der channels #Musique und #sports nahe legen. Weitere Informationen liefern die in eckigen Klammern dargestellten channel modes, die channel-spezifische Parameter wiedergeben. 112 Als letzte Information ist der channel list das channel topic zu entnehmen, das eine Einführung in die inhaltliche Ausrichtung und allgemeine Informationen beinhaltet. Für #EpiKnet lautet das topic entsprechend Abbildung (4-II) „Bienvenue à tous ceux qui nous rejoignent sur EpiKnet, le 1er chat gratuit francophone! Pour toute plainte joignez #Athenes ; pour toute aide sur les services (enregistrements gratuits de pseudos et canaux), joignez #Olympe. Notre offre de canaux officiels est disponible en tapant / MOTD : -)“. 4.1.1.2 Handhabung und Funktionsweise des mIRC Clients Nachdem, wie in Abschnitt 4.1.1.1 beschrieben, die Auswahl eines oder mehrerer channels erfolgt ist, stellt sich die Bildschirmansicht mit Zutritt zu einem channel wie in Abbildung (4-III) illustriert dar. 111 Ein channel wird mit dem Verlassen des letzten Teilnehmers aufgelöst, sofern nicht durch den Einsatz eines sogenannten Chatbots in Form eines Programms, das die Präsenz eines Nutzers simuliert, sein Bestand gesichert wird. Zum Einsatz von Chatbots vgl. Braun (2007), Storp (2002) und Tewes (2005). 112 Dabei kann es sich z.B. um Fragen des Rederechts (voice), des Zutritts zu einem channel oder der Rechtezuweisung für channel ops handeln (vgl. URL: http: / / www.mircanleitung.de/ mirc_chat_channel_modes.html [letzter Zugriff: 14.08.2009]). <?page no="53"?> Abbildung (4-III): Screenshot des channel #free im Netzwerk EuropNet am 10.12.2008 um 11: 40 53 <?page no="54"?> 54 In der Spalte im linken Teil des in Abbildung (4-III) dargestellten viergeteilten Fensters sind in einem baumartig strukturierten Verzeichnis zum einen der gewählte channel - im vorliegenden Fall #free - und zum anderen die channel list aufgeführt. Ein Mausklick auf das jeweilige Element im Verzeichnis ermöglicht eine Navigation zwischen der channel list und den channels, auf denen sich ein Nutzer aufhält, wobei die Spalte in der Bildschirmansicht unabhängig vom gewählten Element am linken Bildrand verbleibt. Am unteren Bildrand verbleibt stets die Kommandozeile, mittels derer die Eingabe von Äußerungen und Befehlen erfolgt. Während das Verfassen eines Äußerungs-Turns lediglich die Eingabe des Textes in die Kommandozeile erfordert, ist Befehlen ein Schrägstrich (slash) voranzustellen. Die Übermittlung an den Server erfolgt jeweils über die Enter-Taste. Die Spalte im rechten Teil des Fensters dient der alphabetischen Auflistung der auf dem channel eingeloggten Nutzer. Die Liste beginnt mit den Nutzern, deren Nickname das Symbol @ 113 vorangestellt ist, was diese als channel operator - in apokopierter Form auch als op bezeichnet - ausweist. Deren Aufgabe besteht darin, über die Einhaltung des für das Netzwerk und den channel konstitutiven Regelwerks zu wachen. In Abbildung (4-III) findet sich ein Hinweis auf die für channel #free spezifischen Regeln im oberen Bereich des Ausgabefensters. Insofern ein channel operator über besondere Rechte verfügt, die es ihm beispielsweise erlauben, Chat-Teilnehmer zu sanktionieren und gegebenenfalls des channel zu verweisen, ist im IRC vom Vorliegen einer „hierarchische[n] Struktur der Rechteverteilung“ (Günthner/ Schmidt 2002: 333) auszugehen. 114 Hinter einem op kann sich eine reale Person oder ein entsprechend programmierter Chatbot - ein Programm, das auf spezifische Befehle reagiert - verbergen. 115 Den größten Raum der in Abbildung (4-III) dargestellten Bildschirmansicht nimmt das Ausgabefenster ein, das den aus verschiedenen Arten von Turns konstituierten Chat-Verlauf abbildet. Die einzelnen Turns werden gemäß dem „Mühlenprinzip“ (Storrer 2001: 453) in der Reihenfolge ihrer Verarbeitung durch den Server auf dem Ausgabegerät angezeigt, wobei der jeweils letzte Turn am unteren Rand des Ausgabefensters erscheint. Mit dem Cursor ist es möglich, über die Bildlaufleiste am rechten Rand des Ausgabefensters den Kommunikationsverlauf bis zum Zeitpunkt des Zugangs zum channel zurückzuverfolgen. Grundsätzlich sind im IRC drei verschiedene Arten sprachlicher Manifestationen zu unterscheiden, die in Anlehnung an Goffman im Folgenden als Turns bezeichnet werden, wobei ein Turn in diesem Sinne zu verstehen ist als „alles, was ein Individuum tut und sagt, während es an der Reihe 113 Zur Geschichte des Symbols vgl. Zimmer (2000: 133-142). 114 Zu den Formen der Sanktionierung vgl. Abschnitt 4.2.1. 115 Zur Frage des Machtmissbrauchs durch Chatbots vgl. Döring (2003: 87) und Schestag (2001). <?page no="55"?> 55 ist“ (Goffman 1974: 201 zit. n. Brinker/ Sager 2006: 62). Für den Chat ist jedoch dabei insofern eine Präzisierung vorzunehmen, als der Sender eines Äußerungs-Turns selbst darüber entscheidet, wie lange er an der Reihe ist, da er seinen Turn durch Betätigung der Enter-Taste und Übermittlung an den Server abschließt. Das von Sacks/ Schegloff/ Jefferson (1974) beschriebene Turn-Taking-System erfährt daher technikinduziert erhebliche Einschränkungen, denn der transition-relevance place (Sacks/ Schegloff/ Jefferson 1974: 703) wird nunmehr durch die vom Sender gewählte Länge seines Turns und den Turn selbst determiniert, wodurch er seine Relevanz für das Sprecherwechsel-System gleichsam verliert. 116 Darüber hinaus wird sich im Rahmen der Betrachtung der verschiedenen Arten von Turns zeigen, dass für die Gruppe der servergenerierten Turns eine Erweiterung der Definition dahingehend vorzunehmen ist, dass im Chat neben Individuen auch die Server-Instanz Anteil an der Generierung von Turns hat. Diese Tatsache entspricht in besonderem Maße der Vermitteltheit von Chat-Kommunikation, insofern Eingaben stets Anweisungen an das Steuerungsprogramm darstellen, die in unterschiedlicher Form Ausgabe erfahren. Bei einem Äußerungs-Turn handelt es sich um eine sprachliche Äußerung oder um einen Teil einer sprachlichen Äußerung eines Chat-Teilnehmers, der durch Eingabe in die Kommandozeile und anschließendes Betätigen der Enter-Taste generiert wird. 117 Vom Steuerprogramm um die Voranstellung des Nickname des Senders in spitzen Klammern ergänzt, wird der Äußerungs-Turn anschließend an die Ausgabegeräte der Nutzer übermittelt (vgl. Beispiel 4-4). Beispiel (4-4): Äußerungs-Turns a. 774 <marge> tu sais koi laly? 775 <laly> koi? ? ? ? ? 776 <marge> j'avais oublié de brancher mon portable! 777 <laly> ptdrrrr (2003-A-III-1) b. 78 [19: 29] <@Coupe_Kolonel> kim: non, il se trouve que je suis super 78a occupe 79 [19: 29] <@Coupe_Kolonel> c'est tout : ) 80 [19: 29] <melanie> Pedri` 116 Vgl. Orthmann (2004: 46ff.). 117 Äußerungs-Turns können auch von einem Chatbot und somit automatisch generiert werden. Da diese jedoch nicht immer eindeutig zu identifizieren sind, gehen alle, auch automatisch generierte Turns, die als solche erkennbar sind (vgl. 2008-A-II-1, Z. 46), als Äußerungs-Turns in die Auswertung ein. <?page no="56"?> 56 81 [19: 29] <melanie> Dailleur t'aurrais du etre la plutot 82 [19: 29] <melanie> J'ai fais une fausse manoeuvre cet aprem (2008-B-II-3) In Beispiel (4-4a) sind vier Äußerungs-Turns dargestellt, die jeweils eine eigene Äußerung konstituieren. In Beispiel (4-4b) zeigt sich hingegen, dass die Äußerungs-Turns in Z. 78 und Z. 79 sowie in Z. 80, Z. 81 und Z. 82 jeweils auch als Teile einer Äußerung betrachtet werden könnten. Die zweite Form sprachlicher Manifestationen im IRC stellen die Handlungs- oder Zustandsbeschreibungs-Turns dar, die durch den Befehl / me [Text] generiert werden, wie Beispiel (4-5) illustriert. Beispiel (4-5): Handlungs- und Zustandsbeschreibungs-Turn Eingabe: / me boude : -C Ausgabe: * nuc boude : -C (2003-C-I-3 Z. 49) Während reine Äußerungs-Turns lediglich die Eingabe des Textes in die Kommandozeile erfordern, muss für die Produktion eines Handlungsbzw. Zustandsbeschreibungs-Turns des in Beispiel (4-5) dargestellten Typs auf den / me-Befehl rekurriert werden. Nach Übermittlung an und Verarbeitung durch den Server erscheint der Turn auf den Ausgabegeräten um einen Asterisk und den Nickname des Senders am Turn-Beginn ergänzt. Wie in Beispiel (4-5) ersichtlich wird, bewirkt der auf diese Weise generierte Turn einen Perspektivwechsel, durch den der Sender in die dritte Person versetzt wird und „eine externalisierte Betrachtungsweise seiner eigenen Handlungen [einnimmt]“ (Dittmann 2001: 77). Die Handlungsbzw. Zustandsbeschreibung nimmt dabei eine den Regieanweisungen gedruckter Theaterstücke vergleichbare Form an. 118 Auf diese Weise wird über den reinen Austausch von Äußerungen in direkter Rede hinaus die Darstellung und Beschreibung von Handlungen und Zuständen ermöglicht, die in face-toface-Settings in Form non-verbaler Elemente die Kommunikation begleiten. Die dritte Art von Turns unterscheidet sich von den beiden bereits genannten dadurch, dass es sich nicht um nutzersondern um rein servergenerierte Turns handelt. Diese werden wie die Handlungs- und Zustandsbeschreibungen durch einen Asterisk eingeleitet. Insofern es sich beim Sender eines servergenerierten Turns nicht wie in der Goffman’schen Begriffsdefinition um ein Individuum handelt, ist an dieser Stelle eine Erweiterung der oben genannten Definition um die technische Instanz erforderlich. Gleichzeitig geht jedoch jedem servergenerierten Turn wiederum ein nutzergenerierter Befehl voraus. 119 Die servergenerierten Turns, die in der 118 Vgl. hierzu auch Mourlhon-Dallies/ Colin (1999), Lenke/ Schmitz (1995: 128) und Beißwenger (2000: 93). 119 Vgl. Anhang B. <?page no="57"?> 57 Befehlssprache Englisch des IRC erfolgen, dokumentieren die nutzerbezogenen Bewegungen und Aktionen auf dem channel wie das Einloggen (vgl. Beispiel 4-6a) und Verlassen (vgl. Beispiel 4-6b) sowie Änderungen von Nicknames (vgl. Beispiel 4-6c). 120 Insofern sie Informationen über den Status einzelner Chat-Teilnehmer darlegen, werden servergenerierte Turns auch als Status-Meldungen bezeichnet. Beispiel (4-6): Systemgenerierte Turns a. 1 * ProPheT has joined #le-tout-web (2003-C-III-1) b. 245 [15: 55] * clown1 (~malek@EpiK-5E286DC5.brunel.fr) has left #dialogues (2008-A-I-3) c. 120 * Vegitto is now known as Songoku (2003-A-III-1) In Beispiel (4-6b) sind die personenbezogenen Informationen, die in den servergenerierten Turns der 2008 erhobenen Logfiles dargestellt werden, aus Gründen des Datenschutzes unkenntlich gemacht worden (vgl. Abschnitt 5.2). Grundlage der Untersuchung sind lediglich die Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns, da allein sie nutzergeneriert sind, wobei die vom Server generierten Nicknames in den Handlungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns nicht in die Gesamtanzahl der zugrunde gelegten lexikalischen Einheiten eingehen. 4.1.2 Web-Chat Mit Etablierung des World Wide Web und der ersten Web-Browser zu Beginn der 1990er Jahre hat auch die Chat-Technologie Einzug ins WWW gehalten. Setzte computervermittelter quasi-synchroner Austausch bis dahin die Nutzung des IRC und eines Clients voraus, wurden ab Mitte der 1990er Jahre Chat-Systeme für das WWW entwickelt, deren Nutzung im Unterschied zum IRC keine spezielle Software erfordert, sondern mittels eines Browsers zumeist direkt von einer Webseite aus erfolgt. 121 Die Funktions- 120 In den Voreinstellungen des mIRC Client ist ein Farbschema zugrunde gelegt, das die verschiedenen Aktionen in unterschiedlichen Farben darstellt und das im Menü des Clients individuell angepasst werden kann. Eine Übertragung der Farbeinstellungen in die Logfiles ist jedoch nicht möglich, so dass die Darstellung in den Beispielen einfarbig erfolgt. 121 Vgl. hierzu Beißwenger (2000: 19ff.). <?page no="58"?> 58 weise von Web-Chats basiert in der Regel auf Java-Applets, plattformunabhängigen Programmen, die HTML-Dokumente um interaktive Elemente erweitern. 122 Da für die Web-Chats kein dem IRC vergleichbares gemeinsames Protokoll existiert und keine Beschränkung auf den ASCII- Code besteht, können sich diese hinsichtlich ihrer graphischen Ausgestaltung und ihrer Funktionalitäten wesentlich voneinander unterscheiden. 123 Im Folgenden werden exemplarisch anhand zweier themenoffener französischsprachiger Web-Chats Unterschiede zwischen den Chat-Technologien IRC und Web-Chat herausgearbeitet. Der im Jahr 2003 zu diesem Zweck betrachtete Yahoo Chat wurde hingegen im Vergleichsjahr 2008 nicht mehr von Yahoo angeboten, sondern ist mit einer Reihe weiterer Web-Chats unterschiedlicher Anbieter und Sprachen im Web-Chat ‚Worldsbiggestchat’ von Noesis aufgegangen. 124 Die Abbildungen (4-IV) und (4-V) bilden jeweils einen Screenshot beider Web-Chats ab. 122 Vgl. Voss (2004: 526f.). 123 Zu möglichen Funktionalitäten von Web-Chats vgl. Maiworm (2003: 67ff.). 124 Vgl. URL: http: / / www.worldsbiggestchat.com [letzter Zugriff: 05.09.2009]. <?page no="59"?> Abbildung (4-IV): Screenshot Yahoo Web-Chat vom 29.01.2003 um 21: 50 5 9 <?page no="60"?> Abbildung (4-V): Screenshot Noesis Web-Chat vom 14.11.2008 um 15: 02 60 <?page no="61"?> 61 Zunächst zeigt sich, dass sich die beiden Web-Chats in der graphischen Darstellung zwar deutlich voneinander unterscheiden, beide jedoch im Vergleich zum IRC, der zwischen den Jahren 2003 und 2008 keine nennenswerten Veränderungen in Hinblick auf die Darstellung erfahren hat, graphisch wesentlich aufwändiger gestaltet sind. Der Aufbau der Web- Chats in Form eines dreigeteilten Fensters ähnelt in grundlegenden Zügen wiederum dem des IRC, wobei in den Web-Chats jeweils noch eine Menüleiste im unteren bzw. linken Bildbereich angezeigt wird. Darüber hinaus erfolgt die Kommunikation in den Web-Chats, zu denen der Zugang unmittelbar durch Registrierung eines Nickname erfolgt, nicht auf channels sondern in salons (Yahoo-Chat) bzw. pièces oder cabines (Noesis-Chat). 4.1.3 IRC vs. Web-Chat: Kriterien für die Wahl des IRC Nachdem die Chat-Technologien IRC und Web-Chat in den vorhergehenden Abschnitten einzeln dargestellt wurden, können sie einander in diesem Abschnitt vergleichend gegenübergestellt und Gründe für die Auswahl des IRC als Untersuchungsgegenstand vorliegender Studie benannt werden. Wie der Internet Relay Chat bieten auch Web-Chats die Möglichkeit der quasi-synchronen computervermittelten Kommunikation. Während jedoch der IRC seit 1989 weltweit frequentiert werden konnte, setzte die Nutzung von Web-Chats erst einige Jahre später ein, da sich das WWW seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 1991 und der Entwicklung der ersten Browser ab 1993 erst sukzessive privater Nutzung erschloss. Aus diesem Grund bleiben Web-Chats in der Untersuchung von Lenke/ Schmitz (1995) aus dem Jahr 1995 vermutlich gänzlich unerwähnt und kommen Haase/ Huber/ Krumeich/ Rehm (1997: 57) zu dem Schluss, Web-Chats seien für eine Untersuchung von „Chat-Sprache“ nicht relevant, da sie „technisch [...] zum einen oft isoliert vom eigentlichen IRC ablaufen und zum anderen nur von einem eingeschränkten Benutzerkreis in Anspruch genommen werden“ (ebd.). Diese Erwägungen belegen, dass dem IRC im Bereich der Chat-Technologien bis in die zweite Hälfte der 1990er Jahre eine übergeordnete Rolle zukam. Erst in den Folgejahren entstanden mit einsetzender und zunehmender Nutzung von Web-Chats beispielsweise mit Hinrichs (1998), Beißwenger (2000) oder Storrer (2001) sukzessive Forschungsarbeiten, in denen explizit Web-Chats im Mittelpunkt des Forschungsinteresses standen. Dies führte hingegen nicht zu einer eventuell zu erwarten gewesenen Verdrängung von Forschungsarbeiten zum IRC. 125 Die von Hinrichs (1998: 3) postulierte Vermutung, Web- Chats würden aufgrund der farbigen Bildschirmdarstellung, der größeren Funktionenvielfalt wie beispielsweise die Verwendung farbiger Emoticons sowie der einfacheren Bedienung im Rahmen von WWW-Oberflächen, die das Erlernen IRC-ähnlicher Befehle erübrigt - ein Argument, dass auch Run- 125 Vgl. Dittmann (2003), Orthmann (2000) und Maiworm (2003). <?page no="62"?> 62 kehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 77) als deutlichen Vorteil der Web-Chats gegenüber dem IRC anführen -, das Chatten im IRC gänzlich verdrängen, ist in dieser Form hingegen ex post nicht nachweisbar. Vielmehr erweist sich die IRC-Nutzung innerhalb der im Rahmen vorliegender Untersuchung betrachteten französischsprachigen Netzwerke für den Vergleichszeitraum als konstant, wobei sogar eine Zunahme des Kommunikationsvolumens zu verzeichnen ist (vgl. Abschnitt 5.3.3). Die aus den Nutzerzahlen ableitbare fortwährende Bedeutung des IRC konstituiert somit ein erstes Kriterium zugunsten des IRC als Untersuchungsgegenstand dieser Studie. Ein weiteres Kriterium liegt in der Existenz eines eigenen Übertragungsprotokolls und darauf beruhender systemübergreifender Konventionen innerhalb des IRC begründet, die einen diachronen Vergleich insofern begünstigen, als der Internet Relay Chat im Untersuchungszeitraum keine Veränderungen in Hinblick auf Darstellung und Funktionsweise - wie sie hingegen exemplarisch für den Yahoo Web-Chat nachgewiesen werden konnten - erfahren hat. Es stellt sich vielmehr die Frage, inwieweit die von Hinrichs (1998: 3) genannten Charakteristika eventuell gerade nicht zu einer Verdrängung des IRC als Mittel des quasi-synchronen computervermittelten Austauschs beigetragen haben. Während nach wie vor eine Vielzahl an verschiedenen IRC- Netzwerken für die Chat-Kommunikation genutzt werden kann, 126 scheint die Anzahl an Web-Chats hingegen rückläufig zu sein. 127 Der Vergleich der Benutzeroberflächen beider Chat-Systeme macht deutlich, dass in beiden Web-Chats der Angabe des Geschlechts der Chat-Teilnehmer große Bedeutung zukommt, wohingegen diese im IRC eine untergeordnete Rolle einnimmt. Während im Noesis-Chat die Nicknames der Nutzer mit jeweils unterschiedlichen Farben (rot oder blau) hinterlegt sind (vgl. Abb. 4-V), erfolgt die entsprechende Darstellung im Yahoo-Chat durch verschiedene Typen von Smileys mit entweder kurzen oder langen Haaren, die dem Nickname der Chat-Teilnehmer in der Auflistung der Nutzer im linken Bildbereich jeweils vorangestellt sind (vgl. Abb. 4-IV), wenngleich diese Angaben nicht zwangsläufig die Realität abbilden müssen (vgl. Abschnitt 4.2.2). Naheliegend erscheint daher die Vermutung Milsmanns (1997: 78), es handele sich bei den meisten Chat-Rooms „um Baggerschuppen [...], in denen sich die Chatter in virtuelle Wallung bringen“. Ein weiterer grundlegender Unterschied zwischen beiden Chat-Systemen, der für viele Nutzer ein Auswahlkriterium darstellen dürfte, besteht darin, dass „On-Topic-Chats, die dauerhaft thematisch eng fokussiert bleiben, bei den Web-Chats [...] seltener anzutreffen [sind] als bei den IRC-Chats“ (Döring 2003: 92). 126 Vgl. URL: http: / / irc.netsplit.de [letzter Zugriff: 18.08.2009]. 127 Davon zeugt nicht zuletzt die Aufgabe einzelner Chat-Angebote wie bspw. der Web- Chats von Yahoo und Lycos. <?page no="63"?> 63 Ausgehend von diesen Überlegungen stellt sich die Frage nach der Nutzerstruktur und den Kommunikationsabsichten im Zusammenhang mit der Nutzung von Chat-Systemen. Während die Teilnahme an einem Chat im IRC zunächst den Erwerb eines gegebenenfalls kostenpflichtigen Clients sowie die Kenntnis einer spezifischen Befehlssyntax voraussetzt, ist die sprachliche Interaktion in einem Web-Chat kostenfrei und ohne das Erlernen spezifischer Befehlsstrukturen möglich. Aus diesen unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen lassen sich Vermutungen über die jeweils implizierten Nutzergruppen ableiten. In diesem Sinne verweisen Günthner/ Schmidt (2002: 317) darauf, dass die unterschiedlichen Funktionalitäten, die die einzelnen Chat-Systeme ihren Nutzern bieten, die Präferenzen bestimmter sozialer Gruppen reflektieren. So postulieren sie, dass der IRC, der sowohl die Beschaffung und Installation einer Software als auch das Erlernen spezifischer Befehle erfordert, vornehmlich von Personen frequentiert wird, die über gute Computer- und Internet-Kenntnisse verfügen, während sich der Benutzerkreis von Web-Chats, die per Mausklick mittels eines Browsers zu bedienen sind, vorrangig aus Nutzern ohne umfassende Computerkenntnisse konstituiert. Es ist jedoch aufgrund des großen Verbreitungsgrades des Internets und der beschriebenen Unterschiede in Bezug auf die inhaltliche Ausrichtung der Chat-Systeme davon auszugehen, dass sich der IRC mittlerweile auch anderen, breiteren Nutzergruppen erschlossen hat. Zwar ist es aufgrund der der Chat-Technologie inhärenten Anonymität (vgl. Abschnitt 4.2.2) schwierig, generelle Aussagen über die Nutzerstruktur der jeweiligen Chat-Systeme zu treffen, 128 in Hinblick auf die Auswahl eines Chat-Systems liegt jedoch die Vermutung nahe, dass den Kommunikationsabsichten der Chatter eine erhebliche Bedeutung zukommt. In diesem Sinne lässt sich die für die Teilnahme an einem Chat im IRC erforderliche Auseinandersetzung mit technischen Zugangsvoraussetzungen als Zutrittsschranke auffassen, deren Überwindung das Vorliegen ernsthafter Kommunikationsabsichten impliziert. Als letztes Motiv für die Auswahl des IRC als Untersuchungsgegenstand ist abschließend die Möglichkeit der Erstellung von Logfiles zu nennen. Während die Sprachdatenerhebung im Zuge der Untersuchung von Web-Chats lediglich durch ein aufwändiges copy-and-paste-Verfahren oder die Anfertigung von Screenshots zu bewerkstelligen ist, ermöglicht die Logfile-Erstellung im IRC eine automatische Sprachdatenerhebung (vgl. Abschnitt 5.1). Darüber hinaus existiert für die Kommunikation im IRC mit der Webseite irc.netsplit.de 129 ein Instrumentarium, das statistische Daten zu Netzwerken, Server- und Nutzerzahlen bereitstellt (vgl. Abschnitt 5.3.1 und 5.3.2). 128 Vgl. hierzu auch Bittner (2003: 200), Kilian (2001: 57) und Dittmann (2001: 140ff.). 129 Vgl. URL: http: / / irc.netsplit.de [letzter Zugriff: 04.12.2008]. <?page no="64"?> 64 4.2 Grundsätzliche Betrachtungen zum Chatten Nachdem in den vorhergehenden Abschnitten die Funktionsweise des Internet Relay Chat anhand des mIRC Clients erläutert wurde, die verschiedenen Chat-Technologien gegeneinander abgegrenzt und die Gründe für die Auswahl des IRC als Untersuchungsgegenstand vorliegender Studie dargelegt wurden, befasst sich dieser Abschnitt mit grundsätzlichen Aspekten in Hinblick auf das Chatten im IRC. Das beinhaltet zum einen die Auseinandersetzung mit Fragen des Umgangs der Nutzer miteinander, der in Form chat-spezifischer Verhaltensregeln, der chatiquette, Kodifizierung erfährt, und zum anderen mit Fragestellungen, die auf Kategorien wie Identität und Anonymität im Chat sowie auf Chat-Sucht abstellen. 4.2.1 Soziale Konventionen im Chat: netiquette und chatiquette Das Internet ist nicht Eigentum einer oder mehrerer Einzelpersonen, sondern dessen Funktionsweise basiert auf „der freien Entscheidung aller Teilnehmer, vernetzt sein zu wollen und gemeinsame Standards [...] zu verwenden“ (Determann 1999: 41). Dennoch oder eventuell gerade deshalb haben sich vergleichbar den Regulativen anderer Lebensbereiche auch für das „Leben im Netz“ (Turkle 1998) und insbesondere für die computervermittelte Kommunikation kodifizierte Verhaltensregeln ausgebildet. Der Verhaltenskodex der Internet-Nutzer, auch netizens (Kontamination aus net und citizen), findet Niederschlag in der sogenannten netiquette 130 (Kontamination aus network und etiquette). 131 Netiquette bezeichnet in Anlehnung an den Begriff ‚Etikette’ „Benimmregeln für Newsgroups und Chat-Rooms im Internet oder bei Online-Diensten“ (Barnert u.a. 2003: 619). In Bezug auf die Chat-Kommunikation hat sich darüber hinaus vor allem in deutschsprachigen Chats der Begriff der chatiquette durchgesetzt. 132 Diesen von Anbietern und Betreibern von Kommunikationsangeboten im Internet aufgestellten Verhaltensregeln ist jedoch aufgrund der oben erwähnten Tatsache, dass das Internet auf freiwilliger Basis funktioniert, zunächst lediglich der Status von Empfehlungen zuzuschreiben, die keine direkte rechtliche Wirkung entfalten. Es obliegt vielmehr dem jeweiligen Betreiber oder Zugangsvermittler, die Einhaltung des aufgestellten Regelwerks zu überwachen und Fehlverhalten gegebenenfalls zu sanktionieren, beispielsweise in Form eines Ausschlusses vom jeweiligen Kommunikationsangebot oder einer Sperrung des Zugangs. Bei schwerwiegenden Verstößen, insbesondere mit kriminellem Hintergrund, ist hingegen auch ein juristischer Eingriff nicht ausgeschlossen. 133 Obwohl die 130 Dt.: Netikette, Frz.: nétiquette. 131 Vgl. hierzu auch Storrer/ Waldenberger (1998). 132 Vgl. Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 74). 133 Vgl. Determann (1999) und Trudel (2000). <?page no="65"?> 65 verantwortlichen Betreiber und Anbieter jeweils eigene netiquettes aufstellen können, ähneln sich diese in grundlegenden Zügen. 134 Auch den untersuchten IRC-Netzwerken und einzelnen channels liegen zum Teil eigene netiquettes zugrunde, die nach Anmeldung auf dem Server bzw. Zugang zum channel im Ausgabefenster angezeigt werden (vgl. Abbildung 4-III). Die Inhalte der jeweiligen netiquettes sind an die Umgangsformen des real life angelehnt, erfahren jedoch aufgrund der trägermedialen Besonderheiten der Kommunikationsform spezifische Ausprägung. So ergibt sich in Bezug auf den Parameter Höflichkeit beispielsweise das Gebot, nicht zu schreien, d.h. keine Majuskeln zu verwenden (vgl. Abschnitt 7.4.6.2). Äußerungen, in denen „andere Personen gereizt, [...] beleidigt oder unflätig beschimpft werden“ (Barnert u.a. 2003: 354) werden als flame bezeichnet und sind ebenfalls zu unterlassen. Darüber hinaus besteht das Gebot, den Kommunikationsfluss nicht durch Werbung oder flood - die wiederholte Eingabe gleichlautender Äußerungen - zu behindern. Ähnlich verhält es sich mit dem ‚Lurken’ (von englisch to lurk, herumlungern), dem Aufenthalt auf einem channel ohne aktive Teilnahme am Chat, der gegebenenfalls sanktioniert werden kann. Einen weiteren Aspekt chat-spezifischer Verhaltensregeln können Fragen der Sprachverwendung darstellen. So findet sich in Abbildung (4-III) im topic des channel #free der Hinweis „ici on parle en français“. Verstöße gegen die netiquette können von den channel operators sanktioniert werden und den Ausschluss eines Nutzers vom jeweiligen channel nach sich ziehen. Ein kurzzeitiger Ausschluss, der dem Betroffenen einen sofortigen Wieder-Zutritt ermöglicht, wird als kick bezeichnet und dient in erster Linie als Ermahnung (vgl. Beispiel 4-7a), während durch einen ban ein Nutzer gänzlich von der Kommunikation auf einem channel ausgeschlossen wird (vgl. Beispiel 4-7b). Beispiel (4-7): Sanktionierung durch kick und ban a. 503 <freon> ptdr 504 <freon> ptdr 505 <freon> ptdr 506 * freon was kicked by Artemis (Arrêtez de vous répéter! ) 507 * freon has joined #france (2003-A-II-1) b. 745 * king has joined #musique 746 <king> alu les pd 747 * king was kicked by Sphinx (Ne dites pas pd sur ce channel! ) 134 Vgl. hierzu die von der französischen Vereinigung der Zugangsvermittler zu Internet und Online-Diensten Association des Fournisseurs d'Accès et de Services Internet (AFA) erstellte nétiquette unter URL: http: / / www.afa-france.com/ netiquette.html [letzter Zugriff: 24.11.2008]. <?page no="66"?> 66 748 * king has joined #musique 749 <king> oula 750 <laly> éh oh 751 <king> pd? 752 <king> pd 753 * Sphinx sets mode: +b *! *@EpiK-64583.abo.wanadoo.fr 754 * king was kicked by Sphinx (Ne dites pas pd sur ce channel! ) 755 <laly> tu change de ton toi? 756 <laly> tain! 757 <marge> bien! ! 758 <marge> premier ban! (2003-A-III-1) In Beispiel (4-7a) wird <freon> aufgrund der Wiederholung der Äußerung ptdr (pété de rire) in Z. 503 bis Z. 505 von <Artemis> in Z. 506 ‚gekickt’, wie der entsprechenden Status-Meldung zu entnehmen ist, und betritt den channel nach dem Ausschluss sofort wieder in Z. 507. <king> in Beispiel (4-7b) wird aufgrund der Verwendung des Syllabogramms pd 135 in Z. 746 erstmalig in Z. 747 von <Sphinx> ‚gekickt’ wie die Statusmeldung in Z. 747 verdeutlicht, die ebenfalls den Grund des Ausschlusses aufführt. In Z. 748 betritt <king> den channel erneut, kommentiert den kick in Z. 749 und wiederholt seine Äußerung in Z. 751 und Z. 752. Daraufhin erfolgt in Z. 753 ein ban durch <Sphinx> in Verbindung mit einem weiteren kick in Z. 754. In den Reaktionen der anderen Teilnehmer in Z. 756 und Z. 757 spiegeln sich Zustimmung und Anerkennung für die Intervention von <Sphinx> wider. Eine weitere, weitaus nachdrücklichere Form der Sanktionierung besteht im Ausschluss eines Chat-Teilnehmers aus dem gesamten IRC-Netzwerk mittels des Befehls / kill [Nickname], der jedoch nur von einem Server-Administrator ausgeführt werden kann und in den untersuchten Logfiles nicht dokumentiert ist. Nutzer, die sich von anderen Chat-Teilnehmern gestört fühlen, jedoch nicht über den Status eines channel operator verfügen, haben darüber hinaus die Möglichkeit, sich den Äußerungen unliebsamer Chat-Teilnehmer mittels des Befehls / ignore [Nickname] zu entziehen, der bewirkt, dass deren Äußerungen nicht mehr auf dem Ausgabegerät des betreffenden Nutzers angezeigt werden. Abschließend ist zu konstatieren, dass es sich aufgrund der Existenz cvK-spezifischer Verhaltensregeln und entsprechender Sanktionierungen von Fehlverhalten bei den channels des IRC nicht um eine „konsequenzfreie Kommunikationszone“ (Kallmeyer 2000b: 298) handelt. 136 135 Das Syllabogramm pd steht für den Ausdruck pédé, der als Apokope von pédéraste einen Homosexuellen bezeichnet. 136 Zu Fragen sozialer Normen in virtuellen Gruppen vgl. auch Döring/ Schestag (2000) sowie Marcoccia (1998). <?page no="67"?> 67 4.2.2 Anonymität und Identität im Chat Nach der Beschreibung der netiquette als Verhaltensregelwerk für die Online-Kommunikation werden im Folgenden die Aspekte Anonymität und Identität im Chat umrissen. Die Teilnahme an einem Chat setzt zunächst, wie in Abschnitt 4.1.1.1 beschrieben, die Selbstzuweisung eines Nickname (auch: Pseudonym), eines Namens unter dem ein Teilnehmer im Chat auftritt, durch den Nutzer voraus. Dieser kann nach Anmeldung auf dem Server und Zutritt zu einem channel jederzeit mittels des Befehls / nick [Nickname] geändert werden, wobei sich die Beibehaltung des Nickname im Sinne einer späteren Wiedererkennbarkeit als sinnvoll erweist. Die räumliche Trennung der Kommunikationsteilnehmer im Chat, die sich nicht wie in einer face-to-face- Situation von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen, verleiht der Kommunikationssituation im Chat ein hohes Maß an Anonymität - auch wenn die Überwindung dieser räumlichen Distanz durch sprachliche Mittel zumindest teilweise vollzogen wird, wie im Folgenden noch zu erörtern sein wird. Die Selbstzuweisung des Nickname spielt nun im Zusammenhang mit der durch die Kommunikationssituation induzierten Anonymität eine übergeordnete Rolle: da äußerliche Erscheinungsmerkmale einer Person im Chat nicht erkennbar sind, wird zunächst der Nickname als Indikator für die Identität eines Chatters herangezogen. So konstatiert Bahl (2002: 86), dass die Auswahl des Nickname „bei anderen immer schon bestimmte Erwartungen hinsichtlich der Identität des Sprechers aus[löst]“. Gleichzeitig wird die Möglichkeit der Selbstzuweisung eines Namens erst durch die Anonymität der Kommunikationssituation ermöglicht. Im Gegensatz zum herkömmlichen Spitznamen, der überwiegend ein Produkt des gesellschaftlichen Umfeldes darstellt, ist die Vergabe des Pseudonyms nicht fremdbestimmt, sondern geschieht als Teil der Selbstinszenierung. Auswahlkriterien zur Etikettierung sind dabei offensichtlich spezifische Neigungen, Interessen, Hobbies und Idole, aber auch Provokationen, Humor und Ironie. (Wetzstein/ Dahm/ Steinmetz/ Lentes/ Schampaul/ Eckert 1995: 81) Die Selbstzuweisung eines Nickname trägt auf diese Weise maßgeblich zur Konstituierung einer „virtuelle[n] Identität“ (Orthmann 2004: 20) bei. Die dem Chat inhärente Anonymität ermöglicht den Nutzern die Camouflierung ihrer Identität - sowohl im Sinne eines spielerischen Umgangs mit anderen Identitäten als auch durch bewusste Überwindung eigener, als nachteilig empfundener persönlicher Merkmale. So findet „der spielerische Umgang mit den Komponenten des Selbst im Chat in den diversen Formen der Namensgebung und Selbstbeschreibung [...] ihren Ausdruck“ (Orthmann <?page no="68"?> 68 2004: 18). 137 Eine besondere Ausprägung der Identitätsverschleierung stellt dabei das gender-swapping oder -switching, das Schlüpfen in die Rolle des anderen Geschlechts, dar. 138 Auch in den untersuchten Logfiles finden sich Nicknames, die den von Wetzstein/ Dahm/ Steinmetz/ Lentes/ Schampaul/ Eckert (1995: 81) genannten Auswahlkriterien entsprechen (vgl. Beispiele 4-8a und 4-8b) und keinerlei Rückschlüsse auf die Identität ihres Benutzers zulassen (Beispiel 4-8c). Darüber hinaus finden sich Belege für Situationen, in denen der Nickname Anlass zu Thematisierungen der Identität auf der Meta-Ebene liefert (Beispiel 4-8b). Beispiel (4-8): Nicknames im IRC a. 1172 <laly> c fini ton match? 1173 <galileo> un chti coucou 1174 <galileo> : ) 1175 <galileo> oué 1176 <TinKieT> lol (2003-A-III-1) b. 13 [13: 27] * chanel (~chanel@EpiK-49644ACD.beconsulting.fr) has joined 14 #Politique 15 [13: 27] <+Macumba> apres j'ai plus rien 16 [13: 27] <+Macumba> salut chanel 17 [13: 27] <chanel> salut jeanpierre mader..: ) 18 [13: 27] <+Macumba> lol : ) 19 [13: 28] <chanel> macumba elle danse tous les soirs.. 20 [13: 28] <chanel> : ) 21 [13: 28] <+Macumba> : p 22 [13: 28] <chanel> t'es une fille? ? 23 [13: 28] <+Macumba> non un mec 24 [13: 28] <+Macumba> et toi? 25 [13: 28] <chanel> une nana.. 26 [13: 28] <+Macumba> ok ; ) (2008-A-IV-3) c. 37 [21: 01] * }[-_-]{ (~BSmaxScri@EpiK-A3A71151.rev.gaoland.net) has 38 joined #EpiKnet (2008-A-II-2) 137 Zur Selbstzuweisung von Nicknames vgl. auch Bechar-Israeli (1995) und Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 85ff.). 138 Vgl. Turkle (1998). <?page no="69"?> 69 Die Nicknames der Nutzer in Beispiel (4-8a) legen für <laly> die Vermutung nahe, es handele sich um eine weibliche Chat-Teilnehmerin. <galileo> wiederum lässt auf einen männlichen, an Naturwissenschaften interessierten Nutzer schließen, während der Nickname <TinKieT> kaum Rückschlüsse zulässt. In Beispiel (4-8b) begrüßt <chanel> in Z. 17 <+Macumba> als jean-pierre mader und nimmt damit direkt Bezug auf den Nickname Macumba, der gleichzeitig Name eines Musiktitels des Interpreten Jean- Pierre Mader ist. Das Spiel mit Namen ist in diesem Fall als konstitutiv für die Kommunikation anzusehen. Mit dem Äußerungs-Turn in Z. 22 erfragt <chanel>, ob es sich bei <+Macumba>, wie der gleichnamige Musiktitel nahe legt, um eine weibliche Chat-Teilnehmerin handelt, was von <+Macumba> in Z. 23 verneint wird und Anlass zu einer gleichlautenden Gegenfrage in Z. 24 liefert, die in Z. 25 von <chanel>, so wie es die Vermutung nahe legt, beantwortet wird. In Beispiel (4-8c) hingegen lassen sich anhand der als Nickname gewählten semiotischen Sonderform in Form eines Emoji (vgl. Abschnitt 7.5.2), das lediglich eine Deutung als ‚stilles Lächeln’ zulässt, keinerlei Rückschlüsse auf das Geschlecht des Chat-Nutzers ziehen. Darüber hinaus lassen sich in den Einzel-Chats zum Teil Angaben finden, die - vorbehaltlich ihrer Richtigkeit - Rückschlüsse auf das sozioprofessionelle Umfeld der Chat-Teilnehmer zulassen. Beispiel (4-9): Angaben zum sozioprofessionellen Umfeld der Nutzer a. 26 [12: 04] <KiKi> mais bon on peut le dire que t une scientologue quand 26a meme ? 27 [12: 05] <vodska> Ouais 28 [12: 05] <KiKi> euh scientifique 29 [12: 05] <vodska> fallait pas devoiler que j'etais dans une secte =( 30 [12: 05] <Kenchi> o: 31 [12: 05] <KiKi> et alors t'as fini les études ? 32 [12: 06] <vodska> yes 33 [12: 06] <vodska> et la je glande bien 34 [12: 06] <vodska> ms j'ai taffé jusqu'en octobre ds un labo 35 [12: 06] <KiKi> beh voila 36 [12: 06] <KiKi> j'en suis au meme point que toi 37 [12: 06] <vodska> t'as fini tes etudes? 38 [12: 06] <KiKi> oui 39 [12: 07] <vodska> tu fais quoi deja? 40 [12: 07] <KiKi> chercheur à l'anpe 41 [12: 07] <KiKi> informatique (2008-A-III-3) b. 175 [20: 11] <@k4w4i> J'ai pas l'moral, chui fatiguée, ça m'saoule, la 175a géologie 176 c'est d'la merde 177 [20: 11] <Guy> : ( <?page no="70"?> 70 178 [20: 11] <Naischa_play> Ptêt k4w4i, mais t'as un partiel : ( 179 [20: 11] <@k4w4i> Ca devrait pas exister ce jor de partiel : ( (2008-A-III-2) Während in Beispiel (4-9a) die Nutzer <vodska> und <KiKi> jeweils ein Studium in Informatik bzw. vermutlich einer naturwissenschaftlichen Disziplin abgeschlossen haben und einer Berufstätigkeit nachgehen, bereitet sich <@k4w4i> in Beispiel (4-9b) im Rahmen des Studiums auf eine Prüfung, ein partiel, vor. Die im Chat gegebene Möglichkeit der bewussten Identitätsverschleierung impliziert Veränderungen der Kommunikation als solcher: Weil in der Chat-Kommunikation die Wahrscheinlichkeit einer Täuschung wesentlich höher ist als in der Alltagskommunikation, die Möglichkeit der Täuschung aus dem Hintergrund in den Vordergrund der Kommunikationssituation rutscht, wird die Kommunikation fragiler und folglich zunehmend hinterfragbar. (Runkehl/ Schlobinski/ Siever 1998: 88) Gleichzeitig jedoch gestaltet sich die dauerhafte Unterhaltung einer konstruierten virtuellen Identität als sehr aufwändig und „wird in der Praxis selten praktiziert“ (Döring 2003: 398). 139 Vielmehr dienen Pseudonyme im Chat weniger der Tarnung denn der Selbstdarstellung, so dass die vorsätzliche Täuschung des Anderen als nachrangig anzusehen ist. Insofern die Camouflierung einzelner Merkmale zum Abbau von Kontaktbarrieren beitragen kann, ist sie als Ausdruck des menschlichen Bedürfnisses nach Phantasie und Spiel aufzufassen und nicht als Flucht in virtuelle Scheinidentitäten. 140 4.2.3 Internet- und Chat-Sucht Wie in den vorhergehenden Abschnitten zum Teil bereits dargestellt wurde, hat sich die Internet-Nutzung insbesondere unter dem Einfluss des Entstehens des WWW und neuer Kommunikationsangebote in den letzten Jahren vervielfacht. Daraus ergeben sich neben den bereits skizzierten Spannungsfeldern neuartige Phänomene wie beispielsweise Internet- und Mediensucht. 141 In Hinblick auf die Chat-Kommunikation ergibt sich daraus, dass sich „[e]skapistische Verhaltensweisen [...] leicht zu einem übermäßigen Chat- Konsum und schließlich zu einem ‚Pathologischen Internet-Gebrauch’ 139 Vgl. hierzu auch Orthmann (2004: 21). 140 Vgl. Döring (2003: 398f.). 141 Vgl. Egmond-Fröhlich/ Mößle (2007), Hahn/ Jerusalem (2001) und Zimmerl/ Panosch (1998). <?page no="71"?> 71 (PIG) bzw. einer Internet Addiction Disorder (IAD) auswachsen [können]“ (Eberle 2003: 150). Gleichzeitig weist Eberle (2003: 151f.) jedoch darauf hin, dass die Beurteilung eines individuellen Nutzerverhaltens als suchtgefährdet nicht ausschließlich anhand von Indikatoren wie der täglichen Nutzungsdauer, der Beimessung einer hohen subjektiven Bedeutung sowie der geringeren Zeit für persönliche Begegnungen und Freizeitaktivitäten erfolgen sollte, sondern die konkrete Nutzungssituation und das tatsächliche Sozialverhalten des Internet-Nutzers ebenfalls zu berücksichtigen sind. 142 Denn exzessives Chatten kann durchaus „aus einer temporären Faszination an einer neuen Kommunikationsform resultieren“ (ebd.) oder aber in schwierigen Lebenslagen ein Mittel zur Bewältigung dieser darstellen. 142 Zum Umgang mit und zur Therapie von Internet-Sucht vgl. URLs: http: / / www. onlinesucht.de, http: / / www.spielsucht-therapie.de/ spielsucht/ onlinesucht.html, http: / / www. chatters-help.de [alle letzter Zugriff: 25.08.2009]. <?page no="73"?> 73 5 Das Korpus Dieses Kapitel widmet sich zum einen der Beschreibung des angewandten Verfahrens der Sprachdatenerhebung sowie der Erörterung forschungsethischer Aspekte, die sich im Kontext der Korpuserstellung ergeben. Zum anderen wird das Korpus dargestellt, indem die beiden der diachronen Studie zugrunde liegenden Teil-Korpora aus den Jahren 2003 und 2008 zunächst einzeln vorgestellt und einander abschließend in vergleichender Perspektive gegenübergestellt werden. 5.1 Beschreibung des Sprachdatenerhebungsverfahrens Die empirische sprachwissenschaftliche Untersuchung computervermittelter Kommunikation setzt zunächst eine Sprachdatenerhebung voraus. 143 Für vorliegende Studie wurde ein non-reaktives Datenerhebungsverfahren gewählt und das Korpus im Zuge einer nicht-teilnehmenden automatischen Beobachtung erstellt. Die nicht-teilnehmende Beobachtung wurde auf den ausgewählten channels toleriert und nicht als lurking (von englisch to lurk, herumlungern) - dabei handelt es sich um Anwesenheit auf einem channel ohne aktive Teilnahme am Kommunikationsgeschehen - mit einem kick, einem Ausschluss aus dem channel, sanktioniert. Eine automatische Beobachtung wird im IRC durch die client-seitig ermöglichte Dokumentierung des Chat-Verlaufs in Form von Logfiles begünstigt. Die Entscheidung für dieses Datenerhebungsverfahren beruht im Wesentlichen darauf, dass „[n]icht teilnehmende automatische Beobachtungen im Sinne von Log-File- Protokollierungen des öffentlichen Chat-Geschehens [...] als nonreaktive Untersuchungsform den Vorteil [haben], dass kein Eingriff in den natürlichen Chat-Verlauf erfolgt“ (Döring 2001: 153) und auf diese Weise die Validität der Aufzeichnungen gewährleistet wird. Im Gegensatz zur Erstellung von Korpora der gesprochenen Sprache erweist sich die Korpuserstellung bei der Untersuchung computervermittelter Kommunikation als bedeutend weniger aufwändig, da die Kommunikation im Medium der Schrift erfolgt und keine Transkriptionen, die häufig Interpretationen seitens des Analytikers implizieren, anzufertigen sind. Wenn die Materialgewinnung nicht wie im IRC dadurch vereinfacht wird, dass die sprachliche Interaktion mittels Logfiles im Verhältnis 1: 1 abgebildet und als Textdatei gespeichert werden kann, lässt sich quasi- 143 Zur sozialwissenschaftlichen Methodologie der Erforschung von computervermittelter Kommunikation vgl. Batinic/ Werner/ Graf/ Bandilla (1999), Batinic/ Bosnjak/ Breiter (1997: 197ff.), Köhler (1999: 183-195) sowie Döring (2003: 201-236). <?page no="74"?> 74 synchroner elektronischer Schriftwechsel auch entweder im copy-and-paste- Verfahren oder durch Abfotografieren des Bildschirms in Form von Screenshots in eine Textdatei exportieren und ohne Nachbearbeitung für Untersuchungszwecke nutzen, wobei der Forscher bei diesen aufwändigeren Verfahren Gefahr läuft, bei rascher Äußerungsabfolge Teile der Kommunikation nicht aufzeichnen zu können. Die automatische Aufzeichnung von computervermittelter Kommunikation besitzt im Gegensatz zu den aus der linguistischen Gesprächsanalyse bekannten Formen der Datenerhebung von face-to-face-Interaktion demnach eine Vielzahl von Vorteilen: Nicht nur sind Aufmerksamkeitsschwankungen oder Selektionseffekte, wie sie bei menschlichen Beobachtern auftreten, ausgeschlossen, auch die sonst für technische Aufzeichnungen typischen Probleme (z.B. gegenseitiges Verdecken von Personen auf dem Videofilm, unverständliches gleichzeitiges Sprechen bei einer Audio-Aufzeichnung) spielen beim automatischen Protokollieren computervermittelter Textkommunikation keine Rolle. (Döring 1999: 178) Abschließend sei erwähnt, dass auf diese Weise ebenfalls dem Beobachterparadoxon inhärente negative Effekte auf die Untersuchungsergebnisse ausgeschlossen werden können. Gleichwohl zieht die Wahl dieses Datenerhebungsverfahrens forschungsethische Überlegungen nach sich, die im folgenden Abschnitt dargelegt werden. 5.2 Forschungsethische Aspekte der Korpuserstellung Für empirische sprachwissenschaftliche Forschung stellt die Korpuserstellung eine conditio sine qua non dar. Gleichzeitig ist diese jedoch an forschungsethische Grundsätze gebunden und so erfordert die Anfertigung von Korpora für wissenschaftliche Zwecke zunächst eine Auseinandersetzung mit ethischen und auch juristischen Fragestellungen, die gleichermaßen für die Untersuchung von computervermittelter Kommunikation einschlägig sind. Im Rahmen der Betrachtung von Chat-Kommunikation sind insbesondere die Fragen der Einwilligung - des informed consent - der Nutzer in eine wissenschaftliche Studie sowie die der anschließenden Verwendung und Veröffentlichung der gewonnenen Daten und deren eventuelle Anonymisierung von hoher Relevanz. Während sich eine explizite Auseinandersetzung mit ethisch-juristischen Fragestellungen im Zusammenhang mit gesprächsanalytischen Untersuchungen von face-to-face-Kommunikation in der sprachwissenschaftlichen Praxis etabliert hat, 144 zeigt sich, dass ethische Aspekte der Korpuserstellung in Forschungsarbeiten zur Chat-Kommunikation bisher nur spora- 144 Vgl. hierzu auch Brinker/ Sager (2006: 25-31). <?page no="75"?> 75 disch thematisiert werden, 145 was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass, wie Mann/ Stewart (2000: 47) konstatieren, „there are few research practice conventions available“. Vorschläge zum Umgang mit forschungsethischen Fragen im Rahmen von cvK und insbesondere von Chat- Kommunikation liefern neben Mann/ Stewart (2000) unter anderem die in The Information Society (1996) veröffentlichten Artikel, Paccagnella (1997) und Döring (2001: 149-161) sowie (2003: 236-242). Die vorliegenden Arbeiten zu diesem Thema vertreten zum Teil sehr unterschiedliche Standpunkte und konstituieren weniger eine verbindliche Übereinkunft als vielmehr ein „ethical framework“ (Mann/ Stewart 2000: 39). In diesem Abschnitt wird in Anlehnung an vorliegende forschungsethische Vorschläge für cvK erläutert, wie sich der Umgang mit forschungsethischen Grundsätzen innerhalb dieser Untersuchung gestaltet. Innerhalb der sprachwissenschaftlichen Forschung ist umstritten, ob Aufzeichnungen von Chat-Kommunikation als der Wissenschaft frei zugängliche Texte anzusehen sind und es somit vorab keiner Information der Beteiligten bezüglich des Forschungsprojekts bedarf, sondern implizite Einwilligung vorausgesetzt wird, oder ob die Verwendung eine explizite Einwilligung der Beteiligten erfordert. 146 Für die in vorliegender Studie betrachteten Chat-Verläufe erweist sich erstgenannter Standpunkt als einschlägig, da es sich bei den untersuchten channels der ausgewählten IRC- Netzwerke ausschließlich um öffentlich zugängliche channels handelt. In Hinblick auf derartige channels postuliert auch Paccagnella (1997) zutreffend: Conversation on publicly accessible IRC channels or messages posted on newsgroups are not equivalent to private letters (while private, one-to-one e-mail messages of course are); they are instead public acts deliberately intended for public consumption. This doesn't mean that they can be used without restrictions, but simply that it shouldn't be necessary to take any more precautions than those usually adopted in the study of everyday life. (Paccagnella 1997) Darüber hinaus wurden keine Privat-Nachrichten für die Untersuchung herangezogen, sondern lediglich die für alle Nutzer einsehbaren und von allen Chat-Teilnehmern durch Logfiles protokollierbaren Kommunikationsverläufe. Im IRC ist sogar mehr noch als in vergleichbaren Web-Chats vom Vorliegen einer impliziten Einwilligung auszugehen, da die Funktionalität der Logfile-Erstellung als den Teilnehmern bekannt vorausgesetzt werden kann, wie folgende Beispiele belegen, wenngleich die Nutzung der Logfiles dort nicht zu wissenschaftlichen Zwecken erfolgt: 145 Vgl. Döring (2001: 158). 146 Vgl. Orthmann (2004: 81). <?page no="76"?> 76 Beispiel (5-1): Nutzung von Logfiles a. 676 <laly> re : * 677 <marge> laly 680 <marge> lol g relu les logs de tout a l’heure avec agen 681 <marge> gt pas la 682 <marge> mdr ! ! ! 683 <marge> c excellent 684 <laly> m a saouler 685 <laly> taleur (2003-A-III-1) b. 106 [19: 31] * pedri` vas ouvrir ses log (2008-B-II-3) In Beispiel (5-1a) informiert <marge> in Z. 680 <laly> darüber, die Logfiles eines Kommunikationsverlaufs, an dem <marge> selbst nicht teilnehmen konnte, nachträglich gelesen zu haben, was <laly> in Z. 684 und Z. 685 kommentiert. Bei Beispiel (5-1b) handelt es sich um eine Handlungsbeschreibung, in der Nutzer <pedri’> das Öffnen der eigenen Logfiles beschreibt. Die Wahl eines non-reaktiven Datenerhebungsverfahrens, wie es vorliegender Untersuchung zugrunde liegt, impliziert nun, dass im Sinne einer Nicht-Beeinflussung des natürlichen Chat-Geschehens die implizite Einwilligung der Chat-Teilnehmer vorausgesetzt und deren explizites Einverständnis nicht eingeholt wird. 147 Nicht nur die zum Teil in einigen channels konstatierte hohe Fluktuation der Teilnehmer würde die Einholung eines informed consent darüber hinaus organisatorisch kaum realisierbar machen, auch gäbe es dadurch eventuell eintretende negative Effekte im Sinne von Verhaltensänderungen der Chat-Teilnehmer zu befürchten. Eine in der Forschung verbreitete Praxis im Umgang mit online gewonnenem Datenmaterial stellt die Anonymisierung der veröffentlichten Daten dar. Orthmann (2001: 82) bezeichnet diese Vorgehensweise zu Recht als „Kompromiß“, da diese Praxis oftmals in Studien zur Anwendung kommt, in denen der Umgang mit Fragen der Einwilligung nicht thematisiert und auf die Einholung einer Erlaubnis einfach verzichtet wird. Dennoch ist die rigorose Anonymisierung von Daten wie sie unter anderem Paccagnella (1997) postuliert: „Changing not only real names, but also aliases or pseudonyms (where used) proves the respect of the researchers for the 147 Auch die Wahrung möglicher Autorenrechte steht dem nicht entgegen, denn „absolute copyright is [...] mitigated by the concept of ‚implied licence’. [...] [E]ach individual may own the messages they transmit in CMC, but if copyright were to be enforced literally no one could download or view the message. In sending the message there is an implied licence to read, or even archive, the information it contains.“ (Mann/ Stewart 2000: 46). <?page no="77"?> 77 social reality of cyberspace” nicht unproblematisch. Denn wie Döring (2003: 241) zu Recht anmerkt, wird auf diese Weise zwar datenschutzrechtlichen Aspekten in höchstem Maße Genüge getragen, jedoch sind beispielsweise „Aussagen über nicht-identifizierbare Netzforen weder [...] kritisierbar noch systematisch replizierbar“. Darüber hinaus stellen sich zwei weitere Probleme in Hinblick auf rigorose Anonymisierung: Die Nicht-Nennung von Real Names [...] kann eine Verletzung der Autorenrechte der jeweiligen Netznutzer bedeuten [...]. Die Eliminierung von Nicknames geht mit erheblichem Informationsverlust einher, da Namenswahl und ggf. auch Namenswechsel beim Chatten und Mudden wichtige Identitätsrequisiten sind. (Döring 2003: 241) Insgesamt ist daher für „ein kontextspezifisches Umgehen mit Anonymitäts-Ansprüchen einerseits und Identifizierbarkeits-Wünschen andererseits“ (ebd.) zu plädieren. In diesem Sinne wird im Rahmen vorliegender Studie keine Anonymisierung der untersuchten IRC-Netzwerke und channels vorgenommen, da sich die Untersuchung auf themenoffene und öffentlich zugängliche channels beschränkt und keine Schutzbedürftigkeit der Beteiligten vorliegt, wie sie beispielsweise ein möglicher Opferschutz in Online-Foren implizieren könnte. 148 Von einer Anonymisierung oder Veränderung der Nicknames wurde ebenfalls abgesehen, da diese schwerlich Rückschlüsse auf die Identität der beteiligten Personen zulassen, wie die Ausführungen in Abschnitt 4.2.2 gezeigt haben, und Anonymisierung oder veränderte Darstellung darüber hinaus die Gefahr eines wesentlichen Informationsverlustes bergen. Bereits bei der Installation des mIRC Clients wird überdies explizit darauf hingewiesen, dass nicht der tatsächliche Name verwendet werden muss (vgl. Abschnitt 4.1.1.1), so dass davon auszugehen ist, dass die Teilnehmer durch die Selbstzuweisung eines Nickname bereits eine hinreichende Anonymisierung vornehmen. Eine durchgängige Anonymisierung durch Schwärzung wurde hingegen bei allen im engeren und weiteren Sinne personenbezogenen Daten vorgenommen, die eventuelle Rückschlüsse auf die Identität der Nutzer ermöglichen. Dabei handelt es sich insbesondere um die in Teil-Korpus 2008 in den servergenerierten Statusmeldungen angezeigten Informationen, die in dieser Form aufgrund der Verwendung einer älteren Version des mIRC Clients in Teil-Korpus 2003 nicht anzutreffen sind, sowie um von den Nutzern selbst veröffentlichte personenbezogene Daten. 148 Vgl. hierzu Döring (2003: 241). <?page no="78"?> 78 5.3 Die Teil-Korpora 2003 und 2008 Grundlage der vorliegenden Untersuchung stellt zu diesem Zweck erhobenes Sprachdatenmaterial dar. 149 Da die Studie einen empirisch diachronen Ansatz verfolgt, liegt ihr ein aus zwei Teil-Korpora bestehendes Gesamt- Korpus zugrunde, das in den folgenden Abschnitten dargestellt wird. Zur Erstellung des Gesamt-Korpus wurden innerhalb von insgesamt zwei Untersuchungszeiträumen in den Jahren 2003 und 2008 mittels des mIRC Clients im Zuge einer nicht-teilnehmenden automatischen Beobachtung Sprachdaten in Form von Logfiles generiert. Dabei handelt es sich um automatisch vom Client erstellte Aufzeichnungen der Chat-Verläufe, die das Kommunikationsgeschehen auf den channels des Internet Relay Chat (IRC) 1: 1 abbilden und die in Form von Textdateien auf dem Rechner des Nutzers gespeichert werden, solange sich dieser auf dem jeweiligen channel aufhält. Eine Einschränkung erfährt die 1: 1-Abbildbarkeit lediglich dadurch, dass farbliche Markierungen zur Unterscheidung der verschiedenen Arten von Äußerungen, die der Client in Form unterschiedlicher Farbschemata ermöglicht, nicht in die Logfiles übertragen werden - die Darstellung erfolgt dort einfarbig in schwarzer Schrift. Das ist jedoch insofern unproblematisch, als die jeweiligen Kategorien von Turns, wie in Abschnitt 4.1.1.2 beschrieben, aufgrund verschiedenartiger Kennzeichnung zu unterscheiden sind und die Verwendung von Farbeinstellungen ohnehin fakultativ erfolgen und somit nutzerspezifisch sein kann. Die Bildschirmansicht des Kommunikationsverlaufs sowohl innerhalb des jeweils aktuell ablaufenden Chats als auch in dem als Textdatei gespeicherten Logfile variiert mit der Fenstergröße und auch aufgrund unterschiedlicher Einstellungen der Bildschirmauflösung sowie verschiedener Bildschirmgrößen kann sich auf den Ausgabegeräten der Chat-Teilnehmer eine jeweils nutzerspezifische Ansicht des Kommunikationsverlaufs ergeben. Die Zeilenanzahl stellt daher keine konstante Bezugsgröße dar, auf Grundlage derer sich fundierte Aussagen treffen ließen. 150 Dennoch haben die Logfiles, die für die Darstellung des Korpus von Textdateien in pdf-Dateien überführt wurden, eine durchgehende Zeilennummerierung erfahren, um eine Zitierbarkeit der Logfiles innerhalb der Untersuchung zu gewährleisten. Weitere Aussagen lassen sich jedoch aus den genannten Gründen aus der Zeilenanzahl nicht ableiten. 149 Vgl. Anhang E. 150 Ein Vergleich der Teil-Korpora auf Grundlage der Zeilenanzahl erwiese sich darüber hinaus auch aufgrund der umfassenderen servergenerierten Informationen, d.h. Zeitangaben und erweiterte Statusmeldungen, die auf die Verwendung einer aktuelleren Version des mIRC Clients für die Erstellung des Teil-Korpus 2008 zurückzuführen sind, nicht als sinnvoll. <?page no="79"?> 79 Im Sinne der Schaffung einer adäquaten Vergleichsgrundlage wurde beiden Teil-Korpora jeweils ein Gesamtumfang von 2509 Minuten zugrunde gelegt. Zur Gewinnung differenzierten Datenmaterials bestehen die Teil- Korpora aus 36 Logfiles (Teil-Korpus 2003) bzw. 33 Logfiles (Teil-Korpus 2008), die innerhalb des jeweiligen Untersuchungszeitraums an verschiedenen Tagen zu verschiedenen Uhrzeiten generiert wurden (vgl. Anhang A). Die Logfiles des Teil-Korpus 2003 stammen aus den drei französischen IRC-Netzwerken EpiKnet, Langochat und Librenet, wobei bei der Auswahl der Netzwerke im Vordergrund stand, drei französischsprachige Netzwerke unterschiedlicher Größe - gemessen an der Anzahl der das Netzwerk konstituierenden Server - auszuwählen, was sich in Unterschieden in der durchschnittlichen Anzahl an Nutzern und channels niederschlägt, wie im Rahmen der Beschreibung der einzelnen Netzwerke in den folgenden Abschnitten deutlich wird. Für die Erstellung des Teil-Korpus 2008 wurden wiederum die drei genannten Netzwerke zu Untersuchungszwecken herangezogen, wobei sich in Hinblick auf das Netzwerk Librenet eine Änderung ergeben hat (vgl. Abschnitt 5.3.2). Insgesamt konnten jedoch auch hier drei Netzwerke unterschiedlicher Größe untersucht werden. Innerhalb der ausgewählten Netzwerke wurden - bis auf eine Ausnahme im Jahr 2008 (vgl. Abschnitt 5.3.2) - auf jeweils vier verschiedenen channels je drei Logfiles erhoben. Bei der Auswahl der channels stand im Vordergrund, im Sinne des implicit consent lediglich frei zugängliche, unmoderierte sowie themenunspezifische bzw. geringe thematische Orientierung aufweisende channels zu wählen, die der Diskursart der „phatischen Chats“ (Hoffmann 2004: 121) zuzuordnen sind, um eine Sprachverwendung dokumentieren zu können, die zum einen nicht durch ausgeprägte fachsprachliche Einflüsse, wie es die Auswahl eines themenspezifischen channels nahe legen würde, 151 charakterisiert ist und zum anderen keine übermäßige dialektale Einfärbung aufweist, wie sie auf regionalspezifischen channels eventuell zu erwarten wäre. 152 Soweit die für die Untersuchung im Jahr 2003 ausgewählten channels noch existent und produktiv waren, wurden sie auch im Rahmen der Vergleichsstudie 2008 untersucht; nicht mehr bestehende channels wurden durch andere, den genannten Kriterien entsprechende ersetzt. Ausführliche Angaben zu den einzelnen Logfiles, wie der Name des Netzwerkes und des betrachteten channel sowie Tag und Uhrzeit der Erhebung, sind der tabellarischen Übersicht in Anhang A zu entnehmen. Dort ist für jedes Logfile neben der Länge der Aufzeichnung in Minuten die Anzahl der Äußerungs-, Zustandsbeschreibungs- und servergenerierten Turns sowie die Anzahl der lexikalischen Einheiten erfasst. Die Auflistung 151 Auch wenn die Namen einiger der ausgewählten channels (#Musique, #Politique) zunächst nicht darauf schließen lassen, ließ sich für alle betrachteten channels eine weitgehend themenunspezifische Kommunikation nachweisen (vgl. Beispiel 6-3). 152 Vgl. Siebenhaar (2005) und (2006) sowie Christen/ Tophinke/ Ziegler (2005). <?page no="80"?> 80 der Logfiles im Anhang erfolgt anhand folgender Notation, die die Identifizierung der im Text zitierten Auszüge ermöglicht: die Jahreszahl markiert das Jahr der Erhebung (2003, 2008), die Majuskel das Netzwerk (A = EpiKnet, B = Langochat, C = Librenet/ EuropNet), die römische Ziffer den Namen des jeweiligen channel und die arabische Ziffer den Tag der Datenerhebung. Anders als bei Transkripten vergleichbarer Untersuchungen gesprochener Sprache können Angaben zu Geschlecht und Alter sowie Informationen zum soziokulturellen und professionellen Hintergrund der involvierten Interaktanten nicht gemacht werden, da die Chat-Teilnehmer - wie im Abschnitt zu Anonymität und Identität im Chat erörtert - im untersuchten Korpus anonym bleiben. In den folgenden Abschnitten werden die beiden Teil-Korpora zunächst einzeln charakterisiert und einander anschließend in kontrastiver Perspektive gegenübergestellt. 5.3.1 Teil-Korpus 2003 Im Zuge der ersten Datenerhebung im Jahr 2003 wurden an 11 Tagen in einem Zeitraum zwischen dem 29.01.2003 und dem 06.03.2003 insgesamt 36 Logfiles erstellt, die das Teil-Korpus 2003 konstituieren. Zu diesem Zweck wurden auf den drei französischen IRC-Netzwerken EpiKnet, Langochat und Librenet auf jeweils vier channels an je drei Tagen Sprachdaten in Form von Logfiles erhoben, wobei die verschiedenen Netzwerke und channels mit einer jeweils unterschiedlichen Anzahl an Minuten, Turns und lexikalischen Einheiten in die Bewertung eingehen (vgl. Anhang A). Insgesamt ergibt sich für Teil-Korpus 2003 bei einem zugrunde gelegten Gesamtumfang von 2509 Minuten folgende Anzahl an Turns und lexikalischen Einheiten 153 : Abbildung (5-I): Auswertung 2003 davon Turns in: davon lexikalische Einheiten in: Zeit (in Minuten) Turns gesamt <> ZB * Lexikalische Einheiten gesamt <> ZB 2003 2509 6461 (100%) 4970 (76,92%) 197 (3,05%) 1294 (20,03%) 20628 (100%) 19418 (94,13%) 1210 (5,87%) <> Äußerungs-Turns ZB Zustandsbeschreibungs-Turns * Servergenerierte Turns Im Folgenden werden die drei Netzwerke sowie die in diesen untersuchten channels, die dem Teil-Korpus 2003 zugrunde liegen, kurz charakterisiert, 153 Zur Definition des Begriffs ‚lexikalische Einheit’ vgl. Kapitel 7. <?page no="81"?> 81 indem von irc.netsplit.de 154 generierte statistische Daten in diese Betrachtung miteinfließen. Diese Webseite stellt detaillierte, den IRC betreffende Statistiken zu Netzwerken, Servern, channels sowie Nutzerzahlen zum kostenlosen Abruf zur Verfügung. Anhand von am 03.03.2003 von irc.netsplit.de exemplarisch für den Untersuchungszeitraum ermittelten Daten werden für jedes der drei Netzwerke die Anzahl der verbundenen IRC-Server sowie die für diesen Tag jeweils niedrigste und höchste Anzahl an Nutzern und channels wiedergegeben. Die Darstellung erfolgt in alphabetischer Reihenfolge und beginnt mit dem größten der drei Netzwerke, dem Netzwerk EpiKnet (2003-A). An zweiter Stelle folgt Netzwerk Langochat (2003-B), das in Hinblick auf die Server-Anzahl das drittgrößte der drei Netzwerke darstellt, jedoch ein weit höheres Gesprächsaufkommen aufweist als das an dritter Stelle dargestellte zweitgrößte Netzwerk Librenet (2003-C). Das Netzwerk EpiKnet 155 (2003-A) stellt als Zusammenschluss aus 17 IRC-Servern zum Zeitpunkt der Untersuchung das größte der ausgewählten Netzwerke dar. Die exemplarisch am 03.03.2003 erhobene Anzahl an Nutzern bewegt sich dabei zwischen 1588 um 07: 03 und 3689 um 20: 03, die der channels zwischen 1511 um 06: 03 und 2211 um 20: 03. 156 Im Netzwerk EpiKnet wurden insgesamt zwölf Logfiles im Umfang von 964 Minuten auf den vier channels #EpiKnet 157 (2003-A-I), #France (2003-A-II), #musique (2003-A-III) und #Politique (2003-A-IV) generiert, die mit jeweils unterschiedlichen Minuten-Anteilen in das Teil-Korpus eingehen. Netzwerk Langochat 158 (2003-B) ist ein Zusammenschluss aus fünf IRC- Servern und stellt in Hinblick auf die Server-Anzahl das kleinste der im Jahr 2003 untersuchten Netzwerke dar. Da jedoch, wie die Übersicht in Anhang A verdeutlicht, das Kommunikationsaufkommen gemessen an den Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns auf den channels dieses Netzwerkes höher ist als das Kommunikationsaufkommen, das für das aus sieben Servern bestehende Netzwerk Librenet ermittelt wurde, erfolgt die Darstellung von Netzwerk Langochat an zweiter Stelle. Die für den 03.03.2003 exemplarisch erhobene Anzahl an Nutzern und channels bewegt sich in diesem Netzwerk zwischen 305 um 07: 07 und 692 um 21: 07, respektive zwischen 215 um 06: 07 und 323 um 21: 07. 159 In diesem Netzwerk wurden zwölf Logfiles mit einem Gesamtumfang von 836 Minuten auf den channels #chat (2003-B-I), #free (2003-B-II), #langochat (2003-B-III) und #musique (2003-B-IV) generiert, die wiederum mit einer jeweils unterschiedlichen Minutenanzahl in das Teil-Korpus eingehen. 154 Vgl. URL: http: / / irc.netsplit.de [letzter Zugriff: 03.03.2003]. 155 Vgl. URL: http: / / www.EpiKnet.org [letzter Zugriff: 03.03.2003]. 156 Vgl. URL: http: / / irc.netsplit.de/ networks/ EpiKnet [letzter Zugriff: 03.03.2003]. 157 Die Bezeichnungen der channels wurden unverändert aus dem IRC übernommen, so dass es zu verschiedenen Schreibweisen kommen kann. 158 Vgl. URL: http: / / www.langochat.net [letzter Zugriff: 03.03.2003]. 159 Vgl. URL: http: / / irc.netsplit.de/ networks/ Langochat [letzter Zugriff: 03.03.2003]. <?page no="82"?> 82 Das Netzwerk Librenet 160 ist aus sieben IRC-Servern konstituiert und stellt im Rahmen der Untersuchung das Netzwerk mit dem geringsten Kommunikationsaufkommen gemessen an den Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns dar. Die am 03.03.2003 exemplarisch erhobene Nutzer- Anzahl liegt für das Netzwerk Librenet zwischen 71 um 05: 07 und 161 um 21: 07, die channel-Anzahl zwischen 35 um 08: 07 und 59 um 21: 07. 161 Wie im Rahmen der Betrachtung der anderen beiden Netzwerke wurden insgesamt zwölf Logfiles generiert, die einen Umfang von 709 Minuten haben und auf den vier channels #dream (2003-C-I), #frigobox (2003-C-II), #le-tout-web (2003-C-III) und #nocturne (2003-C-IV) erhoben wurden. Aufgrund des im Vergleich zu den anderen beiden Netzwerken geringeren Kommunikationsaufkommens wurden die Datenaufzeichnungen im Netzwerk Librenet zugunsten der anderen Netzwerke bei 709 Minuten eingestellt. 5.3.2 Teil-Korpus 2008 Für die Erstellung des Vergleichskorpus im Jahr 2008 wurden an 19 Tagen im Zeitraum zwischen dem 28.10.2008 und dem 07.12.2008 insgesamt 33 Logfiles generiert. Im Sinne einer größtmöglichen Vergleichbarkeit beider Teil-Korpora wurden wiederum die drei genannten IRC-Netzwerke EpiKnet, Langochat und Librenet zur Datenerhebung herangezogen, wobei das Netzwerk Librenet als Teil eines Zusammenschlusses europäischer IRC- Netzwerke nunmehr unter der Bezeichnung EuropNet fortbesteht. 162 Dabei wurden in den Netzwerken EpiKnet und EuropNet auf jeweils vier channels, in Netzwerk Langochat auf drei channels an je drei Tagen Sprachdaten erhoben. Die auf diese Weise generierten Logfiles gehen wiederum mit unterschiedlichen Anteilen an Minuten, Turns und lexikalischen Einheiten in die Bewertung ein, wie der Übersicht in Anhang A zu entnehmen ist. Bei der zugrunde gelegten Anzahl von 2509 Minuten ergibt sich für das Teil- Korpus 2008 folgende Anzahl an Turns und lexikalischen Einheiten: 160 Vgl. URL: http: / / www.librenet.net [letzter Zugriff: 03.03.2003]. 161 Vgl. URL: http: / / irc.netsplit.de/ networks/ Librenet [letzter Zugriff: 03.03.2008]. 162 Vgl. URL: http: / / www.europnet.org [letzter Zugriff: 04.12.2008]. <?page no="83"?> 83 Abbildung (5-II): Auswertung 2008 davon Turns in: davon lexikalische Einheiten in: Zeit (in Minuten) Turns gesamt <> ZB * Lexikalische Einheiten gesamt <> ZB 2008 2509 9053 (100%) 6351 (70,15%) 251 (2,77%) 2451 (27,08%) 28729 (100%) 27404 (95,39%) 1325 (4,61%) <> Äußerungs-Turns ZB Zustandsbeschreibungs-Turns * Servergenerierte Turns/ Statusmeldungen Die für die Erstellung des Teil-Korpus 2008 ausgewählten drei Netzwerke und die innerhalb dieser betrachteten channels werden im Folgenden kurz dargestellt, wobei die im vorhergehenden Abschnitt gewählte Reihenfolge der Darstellung aus Gründen der Vergleichbarkeit beibehalten wird. Um Aussagen über die Server-Anzahl sowie die jeweils niedrigste und höchste Anzahl an Nutzern und channels pro Netzwerk treffen zu können, fließen wiederum von irc.netsplit.de 163 am 04.12.2008 exemplarisch für den Untersuchungszeitraum generierte statistische Daten in die Darstellung mit ein. Das Netzwerk EpiKnet 164 (2008-A) stellt mit einer am 04.12.2008 ermittelten Anzahl von 16 IRC-Servern nach wie vor das größte der drei betrachteten Netzwerke dar. Die exemplarisch für diesen Tag erhobene Anzahl an Nutzern variiert zwischen 1217 um 05: 03 und 2413 um 20: 03, die Anzahl der channels zwischen 1298 um 05: 03 und 1630 um 20: 03. 165 Die zwölf im Netzwerk EpiKnet erstellten Logfiles mit einem Gesamt-Umfang von 879 Minuten gehen jeweils mit unterschiedlichen Minuten-Anteilen in das Teil- Korpus 2008 ein, wobei die channels #dialogues (2008-A-I), #EpiKnet (2008-A-II), #Musique (2008-A-III) und #Politique (2008-A-IV) zu Untersuchungszwecken herangezogen wurden. Da auf dem im Jahr 2003 betrachteten channel #France im Vergleichsjahr keine nennenswerte Kommunikation erfolgt ist, wurde dieser channel 2008 durch #dialogues ersetzt. Einen Zusammenschluss aus 7 IRC-Servern stellt das Netzwerk Langochat 166 (2008-B) dar, das in Hinblick auf die Anzahl der in ihm verbundenen Server wiederum das kleinste der drei untersuchten Netzwerke ist. Im Vergleich zu Teil-Korpus 2003 jedoch ist im Jahr 2008 das Kommunikationsaufkommen in diesem Netzwerk nicht höher als in dem um drei Server größeren Netzwerk EuropNet. Aus der exemplarischen Erhebung der Nutzer- und channel-Anzahl für den 04.12.2008 ergeben sich Werte zwischen 163 Vgl. URL: http: / / irc.netsplit.de [letzter Zugriff: 04.12.2008]. 164 Vgl. URL: http: / / www.epiknet.org [letzter Zugriff: 04.12.2008]. 165 Vgl. URL: http: / / irc.netsplit.de/ networks/ EpiKnet [letzter Zugriff: 04.12.2008]. 166 Vgl. URL: http: / / www.langochat.net [letzter Zugriff: 04.12.2008]. <?page no="84"?> 84 211 Nutzern um 04: 06 und 443 Nutzern um 20: 06 sowie zwischen 145 channels um 04: 06 und 233 um 18: 06. 167 In diesem Netzwerk wurden die drei channels #bisous (2008-B-I), #langochat (2008-B-II) und #musique (2008-B- III) betrachtet und daraus insgesamt neun Logfiles mit einem Gesamtumfang von 780 Minuten generiert. Da auf dem 2003 untersuchten channel #chat keinerlei Kommunikation erfolgte und channel #free überhaupt nicht existierte, wurde als dritter channel #bisous zu Untersuchungszwecken herangezogen. Ein weiterer, den genannten Kriterien genügender vierter channel konnte hingegen nicht ermittelt werden, so dass lediglich auf drei channels Logfiles generiert werden konnten. Als Teil eines Zusammenschlusses europäischer IRC-Netzwerke ist das Netzwerk Librenet im Netzwerk EuropNet 168 aufgegangen, das zum Zeitpunkt der Abfrage aus insgesamt 10 Servern bestand. Die für den 04.12.2008 ermittelte Anzahl an Nutzern und channels in diesem Netzwerk ergibt 571 Nutzer um 04: 03 sowie 1361 Nutzer um 20: 03 sowie 529 channels um 02: 03 gegenüber einer Anzahl von 655 um 20: 03. 169 Insgesamt ergeben sich für dieses Netzwerk in Bezug auf das Vergleichsjahr 2003 die größten Veränderungen in Hinblick auf das Kommunikationsaufkommen gemessen an den Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns, was in erster Linie auf den Zusammenschluss von Librenet mit anderen europäischen IRC-Netzwerken zurückzuführen sein dürfte. Innerhalb des Netzwerkes EuropNet wurden auf den vier channels #chat-fr (2008-C-I), #EuropNet (2008-C-II), #free (2008-C-III) und #paris (2008-C-IV) insgesamt zwölf Logfiles im Umfang von insgesamt 850 Minuten generiert. Im Gegensatz zu den anderen beiden Netzwerken konnte in Netzwerk EuropNet keiner der 2003 untersuchten channels erneut zu Untersuchungszwecken herangezogen werden. Eine Betrachtung der Turn- Struktur der auf channel #free generierten Logfiles (vgl. Anhang A) macht deutlich, dass gerade auf diesem channel die Fluktuation von Nutzern, die in keinerlei sprachliche Interaktion eintreten, besonders hoch ist. Anhand der servergenerierten Statusmeldungen, die aus forschungsethischen Gründen anonymisiert wurden, lässt sich jedoch nachweisen, dass es sich dabei vielfach um Nutzer handelt, die über das WWW Zugang zum channel finden, 170 was wiederum die in Abschnitt 4.1.3 dargelegte These bezüglich der Kommunikationsabsichten von Web-Chat-Nutzern stützt. 167 Vgl. URL: http: / / irc.netsplit.de/ networks/ Langochat [letzter Zugriff: 04.12.2008]. 168 Vgl. URL: http: / / www.europnet.org [letzter Zugriff: 04.12.2008]. 169 Vgl. URL: http: / / irc.netsplit.de/ networks/ Europnet [letzter Zugriff: 04.12.2008]. 170 Für den Zugang zu channel #chat-fr über das WWW vgl. URL: http: / / www.chatfr.org/ portal.php [letzter Zugriff: 18.08.2009]. <?page no="85"?> 85 5.3.3 Teil-Korpus 2003 vs. Teil-Korpus 2008 Nachdem in den vorhergehenden Abschnitten die Teil-Korpora 2003 und 2008 einzeln dargestellt wurden, werden die beiden Darstellungen in diesem Abschnitt zusammengeführt. Der Vergleich beider Teil-Korpora in Hinblick auf die Anzahl an Turns und lexikalischen Einheiten ergibt bei Zugrundelegung einer Minutenanzahl von jeweils 2509 Minuten als gemeinsamer Basis folgendes Bild: Abbildung (5-III): Auswertung Teil-Korpora 2003 und 2008 davon Turns in Form von: davon lexikalische Einheiten in: Zeit (in Minuten) Turnsgesamt <> ZB * Lexikalische Einheiten gesamt <> ZB 2003 2509 6461 (100%) 4970 (76,92%) 197 (3,05%) 1294 (20,03%) 20628 (100%) 19418 (94,13%) 1210 (5,87%) 2008 2509 9053 (100%) 6351 (70,15%) 251 (2,77%) 2451 (27,08%) 28729 (100%) 27404 (95,39%) 1325 (4,61%) <> Äußerungs-Turns ZB Zustandsbeschreibungs-Turns * Servergenerierte Turns/ Statusmeldungen Zunächst lässt sich aus Abbildung (5-III) bei gleicher Minutenanzahl für Teil-Korpus 2008 ein größeres Volumen sowohl an Turns als auch an lexikalischen Einheiten insgesamt ablesen. In Hinblick auf die Verteilung der Turns auf die verschiedenen Kategorien ergibt sich, dass im Jahr 2008 die Turn-Anteile im Bereich der Äußerungen und Zustandsbeschreibungen zugunsten der Gruppe der Statusmeldungen abgenommen haben, was nicht zuletzt auf die hohe Nutzer-Fluktuation zurückzuführen sein dürfte, die sich insbesondere in den auf channel #free generierten Logfiles (2008-C-III-1 bis 2008-C-III-3) manifestiert. Die Verteilung der lexikalischen Einheiten auf die Äußerungen und Zustandsbeschreibungen ist hingegen nahezu konstant geblieben. Die Unterschiede hinsichtlich der Turn-Anzahl und des Volumens an lexikalischen Einheiten insgesamt belegen, dass im Jahr 2008 zum einen das Kommunikationsvolumen gemessen an den Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns größer ist als im Jahr 2003 und zum anderen, dass, gemessen an der Anzahl servergenerierter Turns, höhere Fluktuation auf den channels herrscht. Auch die Veränderungen im Bereich der Anzahl der IRC- Server pro Netzwerk weisen in die Richtung einer Zunahme des Kommunikationsaufkommens. In Hinblick auf die Ursachen dieser Entwicklung können folgende Annahmen getroffen werden: es ist zum einen davon auszuge- <?page no="86"?> 86 hen, dass mit zunehmender Verbreitung des Internets, wie in Abschnitt 2.2 beschrieben, die Nutzung internetbasierter Dienste insgesamt zugenommen hat, was sich in einem erhöhten Kommunikationsvolumen niederschlagen könnte. Eine Einschränkung findet diese Annahme hingegen aufgrund der in den Abschnitten 5.3.1 und 5.3.2 pro Netzwerk ermittelten Nutzerzahlen, die nur in Hinblick auf Netzwerk EuropNet diese Annahme stützen, wobei sich ein Vergleich dieses Netzwerkes mit dem 2003 untersuchten Netzwerk Librenet insofern als problematisch erweist, als Librenet durch den Zusammenschluss mit anderen europäischen IRC-Netzwerken eine Vergrößerung erfahren hat und nur innerhalb dieses Netzwerkes eine hohe Nutzer-Fluktuation nachgewiesen werden konnte. Vielmehr ist daher von einer annähernd konstant gebliebenen, wenn nicht sogar geringeren Anzahl von IRC-Nutzern auszugehen, wie sie sich aus der vergleichenden Betrachtung der anderen Netzwerke ergibt, und die Annahme in Betracht zu ziehen, dass die mit zunehmender Verbreitung des Internets entwickelten Technologien wie beispielsweise Digital Subscriber Line (DSL), die durch Breitband-Internet-Zugänge hohe Übertragungsraten ermöglichen, bei gleichzeitiger Senkung der Kosten für die Internet-Nutzung eine raschere Kommunikation innerhalb des IRC gestatten. <?page no="87"?> 87 6 Theoretische Grundlagen der Verortung der Chat-Kommunikation im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit Zielsetzung dieser Studie ist es, wie eingangs erläutert, die Sprachverwendung auf ausgewählten channels des Internet Relay Chat in Hinblick auf eventuelle Veränderungen diachron nachzuzeichnen und sprachwissenschaftlich zu bestimmen, um auf Grundlage der gewonnenen Ergebnisse die sich in den Logfiles manifestierende Sprachverwendung in Bezug auf die Aspekte von konzeptioneller Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit sowie hinsichtlich einer diasystematischen Verortung zu charakterisieren. Die folgenden Abschnitte dienen der Skizzierung des Nähe-Distanz-Kontinuums von Koch/ Oesterreicher (1985) 171 als dem theoretischen Bezugsrahmen für die Beschreibung der Sprachverwendung auf der Folie von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Dabei wird zunächst das Modell dargestellt und erörtert, inwieweit es für eine Untersuchung von Chat-Kommunikation fruchtbar gemacht werden kann, indem Spezifika dieser Kommunikationsform herausgearbeitet und auf den Prüfstand des Modells gestellt werden. Daraus lassen sich wiederum Prämissen für eine Anwendbarkeit des Modells in einer erweiterten Form ableiten, auf Grundlage derer anschließend die Bestimmung der Kommunikationsbedingungen der untersuchten Logfiles erfolgt. 6.1 Das Nähe-Distanz-Kontinuum von Koch/ Oesterreicher (1985) Wie Koch/ Oesterreicher (1985: 16) zutreffend konstatieren, wird durch die dreidimensionale Gliederung des Diasystems einer Einzelsprache in diatopische, diastratische und diaphasische Varietäten nicht die gesamte Bandbreite an Variationen einer historischen Sprache erfasst. Es gilt vielmehr, einen weiteren, „querliegenden“ (ebd.) Aspekt, die Differenzierung in gesprochene und geschriebene Sprache, zu berücksichtigen, die sich mitnichten der diaphasischen Dimension zuweisen lässt. 172 Das belegt bereits die 171 Vgl. auch Koch/ Oesterreicher (1990) und (1994). 172 Den Ansatz einer Verortung des Aspekts gesprochene vs. geschriebene Sprache innerhalb des Diasystems stellt die Einführung der diamesischen Varietät, „dimensione diamesica“, durch Mioni (1983: 508) dar, die auf das Medium der Vermittlung von Sprache, den Kommunikationskanal, abstellt. Insofern durch diese Varietätendimension der Unterscheidung von gesprochener und geschriebener Sprache Rechnung getragen und ihr Varietätenstatus zuerkannt wird, stellt sie ein nützliches Beschreibungsinstrumentarium dar. Da der Rekurs auf diese Dimension jedoch die zentrale <?page no="88"?> 88 Beobachtung, dass die Zuordnung einer Äußerung auf diaphasischer Ebene für Geschriebenes und Gesprochenes nicht identisch ausfällt, sondern insofern verschoben ist, als „geschrieben 'familiär' gesprochen 'neutral' entspricht“ (Koch/ Oesterreicher 1985: 16). 173 Auch wenn die Unterscheidung in gesprochene und geschriebene Sprache demzufolge nicht im Rahmen der genannten Dimensionen der Sprachvariation erfolgen kann, bestehen zweifelsohne hohe Affinitäten zwischen bestimmten Varietäten innerhalb der drei Teilsysteme und gesprochener bzw. geschriebener Sprache, so zwischen dem français vulgaire als diaphasischem Register und dem Modus der gesprochenen Sprache und umgekehrt zwischen dem français cultivé und dem Modus der geschriebenen Sprache. Eine eindeutige Zuordnung mündlicher bzw. schriftlicher Äußerungen zu einem der beiden formalen Modi ist hingegen nicht immer zu treffen, wie die Existenz geschriebener Texte mit deutlich mündlichen Zügen bzw. gesprochener Äußerungen mit schriftlichem Duktus belegt. Dieser Zuordnungsproblematik und der den Begriffen ‚mündlich’ und ‚schriftlich’ inhärenten Ambiguität begegnet Söll (1985: 17ff.) mit Unterscheidung der zwei Ebenen ‚Medium’ und ‚Konzeption’. Auf der Ebene des Mediums oder der Realisierung unterscheidet er code phonique und code graphique als „jene Grundmanifestationen menschlicher Sprache [...], die strikt an das Medium, an den Kommunikationsweg gebunden sind“ (Söll 1985: 17), wohingegen er auf Ebene der Konzeption zwischen code parlé und code écrit als den „auf den unmittelbaren Sprech- oder Schreibakt bezogenen Typen“ (ebd.) differenziert. Koch/ Oesterreicher (1985: 17) leiten daraus folgerichtig das Vorliegen einer strikten Dichotomie auf Ebene des Mediums ab, da Äußerungen jeweils nur entweder phonisch oder graphisch realisiert werden können, sowie ein auf Ebene der Konzeption bestehendes Kontinuum, das sich zwischen den Polen ausgeprägter konzeptioneller Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit aufspannt. Die Verortung von Äußerungen innerhalb dieses konzeptionellen Kontinuums erfolgt anhand von Kommunikationsbedingungen und Versprachlichungsstrategien, die in Abbildung (6-I) aufgeführt sind. Bedeutung dieser Unterscheidung (vgl. Koch/ Oesterreicher 1990: 14) nicht angemessen berücksichtigt und ein Medienwechsel darüber hinaus Auswirkungen auf die diaphasische Markiertheit impliziert (vgl. Müller-Lancé 2006: 57), erweist sich die Verwendung dieser Begrifflichkeit als problematisch und wird im Ramen dieser Studie nicht weiterverfolgt. 173 Wohingegen die Differenz zwischen ça und cela sowie elle vient pas und elle ne vient pas einzig auf der Dimension der Unterscheidung von gesprochener und geschriebener Sprache beruht (vgl. Oesterreicher 1995: 6). <?page no="89"?> 89 Abbildung (6-I): Das Nähe-Distanz-Kontinuum (Koch/ Oesterreicher 1985: 23) Bei den Kommunikationsbedingungen handelt es sich um größtenteils graduelle, außersprachliche Parameter, die eine Kommunikationssituation determinieren, während die Versprachlichungsstrategien sich in Eigenschaften sprachlicher Äußerungen widerspiegeln. Da alle genannten Parameter im weiteren Sinne Nähe bzw. Distanz zum Ausdruck bringen, verwenden Koch/ Oesterreicher (1985: 21) zur Bezeichnung der Pole die Begriffe der Nähebzw. Distanz-Sprache. 174 Anhand der in Abbildung (6-I) aufgeführten Kommunikationsbedingungen und Versprachlichungsstrategien lassen sich nun verschiedene Äußerungsformen auf dem Kontinuum zwischen den Polen von Nähe und Distanz unabhängig von ihrer medialen Realisierungsform situieren. 174 Zur Erläuterung der Zeichen „I“ und „II“ sowie „a“ bis „k“ vgl. Koch/ Oesterreicher (1985: 17f. und 23). <?page no="90"?> 90 6.2 Das Nähe-Distanz-Kontinuum auf dem Prüfstand der Chat- Kommunikation Für die Beschreibung des Duktus sprachlicher Äußerungen stellt das Nähe- Distanz-Kontinuum von Koch/ Oesterreicher (1985), wie im vorhergehenden Abschnitt beschrieben, bislang ein geeignetes sprachwissenschaftliches Instrumentarium dar. In diesem Abschnitt ist nun jedoch zu erörtern, ob sich das Modell gleichermaßen für die Beschreibung neuartiger, computervermittelter Kommunikationsformen und insbesondere der Chat-Kommunikation eignet und unter welchen Prämissen seine Anwendbarkeit gegebenenfalls zu ermöglichen ist. Grundsätzlich gilt auch für die verschiedenen Ausprägungen von cvK die in Anlehnung an Söll (1985: 17) von Koch/ Oesterreicher (1985: 17) postulierte strikte Dichotomie von code phonique und code graphique. Auch „Kommunikationsvollzüge [...], in deren Rahmen Äußerungen abwechselnd phonisch und graphisch getätigt werden“ (Beißwenger 2000: 38), wie beispielsweise mikrofongestützte Chats oder Instant Messaging-Sitzungen, stellen keine Ausnahme davon dar, da die Äußerungen nach wie vor nicht gleichzeitig in beiden Codes erfolgen. Hinsichtlich der Frage nach der Auswahl der einer Äußerung zugrunde liegenden medialen Realisierung gilt es jedoch zu bedenken, dass [d]ie Entscheidung für eines der beiden Realisierungsmedien [...] nur dann frei erfolgen [kann], wenn die Äußerung bei ihrer Übermittlung zwischen Sender und Empfänger nicht eines Trägermediums bedarf, das aufgrund seiner technischen Konstitution die mediale Dimension der zu übermittelnden Äußerungen vorschreibt oder zumindest bedingt. (Beißwenger 2000: 37) Beißwenger (2000: 37) grenzt in diesem Zusammenhang die auf der von Koch/ Oesterreicher postulierten Dichotomie von code phonique und code graphique beruhende Medialität einer Äußerung von der Medialität ihrer Übermittlung ab und nimmt auf diese Weise eine für die Betrachtung von computervermittelter Kommunikation notwendige Präzisierung des Koch/ Oesterreicher’schen Medien-Begriffs vor. 175 Denn sofern die Übermittlung einer Äußerung eines Trägermediums wie beispielsweise Rundfunk, Telefon, Brief, Zeitung oder Internet bedarf und trägermedial bedingt erfolgt, wird dadurch nicht nur die Medialität der Äußerung selbst determiniert, sondern hat dies auch „einen Einfluss auf die Wahl der sprachlichen Ausdrucksmittel“ (Dürscheid 2003: 38). 176 In Hinblick auf die im Rahmen dieser 175 Vgl. hierzu auch Dürscheid (2003: 39). 176 Vgl. hierzu auch Storrer (2001: 440). <?page no="91"?> 91 Studie betrachtete Chat-Kommunikation ergibt sich daraus, dass sie zum einen medial schriftlich und zum anderen trägermedial bedingt erfolgt. Der Begriff des Trägermediums [...] umfaßt sowohl die technischen Voraussetzungen für die Teilnahme an der Kommunikation (PC, Internet-Zugang, systembedingte Rechenleistung, softwarebedingte Benutzeroberfläche etc.) als auch sämtliche Prozeduren, die das Zustandekommen der Kommunikation und die Organisation und Distribution der Teilnehmerbeiträge regeln. (Beißwenger 2002: 6) Inwieweit die trägermediale Determiniertheit der Chat-Kommunikation Implikationen hinsichtlich der Wahl bestimmter Ausdrucksmittel begründet, wird im Rahmen der empirischen Untersuchung im siebten Kapitel im Einzelnen zu beleuchten sein. Über den Medien-Begriff hinaus gilt es, in Bezug auf eine Charakterisierung der betrachteten Logfiles auf der Folie konzeptioneller Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit zunächst noch weitere Begriffsbestimmungen vorzunehmen. Ausgehend von der Feststellung, dass im Nähe-Distanz-Kontinuum lediglich Textsorten und Diskursarten nicht aber Kommunikationsformen verortet werden können, 177 postuliert Dürscheid (2003: 40f.) die Existenz verschiedener computervermittelter Kommunikationsformen, die sich wiederum in verschiedene Textsorten und Diskursarten auffächern. Kommunikationsformen sind dabei aufzufassen als „kommunikative Konstellationen, die über ein Hilfsmittel erst möglich gemacht werden, aber auch solche die ohne Hilfsmittel auskommen“ (Dürscheid 2005b). Texte definiert Dürscheid (2003: 41) in diesem Sinne als „abgelöst von der Entstehungssituation an jedem Ort verstehbar“ und Diskurse als „an das Hier und Jetzt der Sprechsituation gebunden“ (ebd.), wobei beide jeweils mündlich und schriftlich realisierbar sind und das Unterscheidungskriterium im Vorliegen wechselseitiger Kommunikation zu sehen ist. 178 Insofern ist [d]er Chat [...] trotz seiner genuinen Schriftlichkeit dem Diskurs zuzurechnen [...]. Die einzelnen Turns bleiben an die aktuelle Äußerungssituation gebunden, nehmen direkt aufeinander Bezug und folgen darin den für den Diskurs typischen Handlungssequenzen und -mustern. (Storrer 2001: 462) Gleichwohl fallen aufgrund der trägermedialen Bedingtheit Produktion und Rezeption der Äußerung auseinander, so dass im Unterschied zur face-toface-Interaktion die Kommunikationssituation minimal zerdehnt ist und der 177 Vgl. Koch/ Oesterreicher (1985: 17f.) und Dürscheid (2003: 47). Die Verwendung der Begriffe ‚Textsorte’ und ‚Diskursart’ analog zu Dürscheid (2003) erfolgt hier aufgrund der ambivalenten Phonie der Begriffs ‚Diskurssorte’. 178 Vgl. hierzu auch Hoffmann (2004: 103ff.). <?page no="92"?> 92 Austausch lediglich quasi-synchron erfolgt. 179 In diesem Sinne konstituiert sich die Kommunikationsform Chat aus verschiedenen Diskursarten wie beispielsweise Polit-, Beratungs-, Unterrichts-Chat sowie phatischer Chat als „prototypische Form des Chats“ (Kailuweit 2009: 4). 180 Auf Grundlage der eingeführten Unterscheidungen lässt sich nun mit Dürscheid (2003: 49) ausgehend von der medialen Ebene eine Erweiterung des Modells von Koch/ Oesterreicher entwerfen. 181 Abbildung (6-II): Erweiterung des Modells von Koch/ Oesterreicher (Dürscheid 2003: 49) Die Verortung von Textsorten (T) und Diskursarten (D) erfolgt in diesem erweiterten Modell anhand der auf medialer Ebene vorzunehmenden Differenzierung in synchrone bzw. asynchrone medial mündliche Textsorten bzw. Diskursarten einerseits und quasi-synchrone bzw. asynchrone medial schriftliche Textsorten bzw. Diskursarten andererseits. Wobei jedoch, wie Kailuweit (2009: 12) kritisch anmerkt, der Verzicht auf die Darstellung synchroner Schriftlichkeit wie „etwa das gemeinsame Bekritzeln eines Blattes“ (ebd.) und quasi-synchroner Mündlichkeit, wie sie Sprechfunk oder Gegensprechanlagen zugrunde liegt, nicht einleuchtet. 182 Indem die medial mündlichen Diskursarten und Textsorten näher am nähesprachlichen Pol angesiedelt sind als die medial schriftlichen Diskursarten und Textsorten, „wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Medialität einen Einfluss auf die Konzeption hat“ (Dürscheid 2003: 49). Gleichzeitig wird die Bedeutung des Aspekts der Synchronizität bzw. Quasi-Synchronizität in Hinblick auf die Konzeption angemessen berücksichtigt, indem die Diskursarten näher am Nähe-Pol angesiedelt sind als die Textsorten. Die konkrete Verortung einzelner Dis- 179 Vgl. Dürscheid (2003: 41). 180 Vgl. Dürscheid (2003: 42) und Hoffmann (2004: 121). 181 Insofern das von Kattenbusch (2002) ausgearbeitete Modell der grundlegenden Differenzierung in Kommunikationsformen einerseits und Textsorten und Diskursarten andererseits nicht Rechnung trägt, wird an dieser Stelle auf seine Darstellung verzichtet. Zur Rezeption des Modells vgl. Kailuweit (2009: 9f.). 182 Dürscheid erweitert das Modell in einer späteren Veröffentlichung jedoch auf medialer Ebene um das Merkmalsbündel ‚medial schriftlich synchron’ (vgl. Dürscheid 2004: 154). <?page no="93"?> 93 kursarten und Textsorten auf dem Kontinuum zwischen Nähe und Distanz erfolgt wiederum in Abhängigkeit von den sprachlichen Merkmalen als Resultat der jeweils determinierenden Kommunikationsbedingungen und Versprachlichungsstrategien. Während Dürscheid (2003: 50f.) hingegen dafür plädiert, die Bezeichnungen der Pole des Kontinuums abweichend von der von Koch/ Oesterreicher gewählten Terminologie als ‚konzeptionell mündlich’ und ‚konzeptionell schriftlich’ zu bezeichnen, wird im Folgenden an den Begriffen ‚Nähe’ und ‚Distanz’ festgehalten, da „der Ertrag der Nähe- Distanz-Unterscheidung gerade darin [zu sehen ist], dass sie medienunabhängig ist und gleichsam die Bestimmung von prototypischen Kommunikationssituationen erlaubt“ (Kailuweit 2009: 12) und die Tatsache, dass die Medialität einer Äußerung deren Konzeption determinieren kann, dem nicht entgegensteht. Kailuweit (2009: 13) führt diesbezüglich darüber hinaus an, dass sich der Begriff der konzeptionellen Mündlichkeit auf den Bereich der bewussten Nachahmung von Mündlichkeit beschränkt, wohingegen die Versprachlichungsstrategien insbesondere in Plauder-Chats vor allem darauf abzielen, sprachliche Nähe zu konstituieren. 183 Ausgehend von der Bestimmung von computervermittelten Kommunikationsformen und deren Ausdifferenzierung in verschiedene Textsorten und Diskursarten einerseits sowie der differenzierten Betrachtung der Medialität von Äußerungen und deren Übertragung andererseits, kann das Modell von Koch/ Oesterreicher (1985) im Folgenden für die Beschreibung der untersuchten Diskursart ‚phatischer Chat’ herangezogen werden. 6.3 Verortung der Diskursart im Nähe-Distanz-Kontinuum Auf Grundlage der im vorhergehenden Abschnitt dargelegten Prämissen werden im Folgenden anhand des Koch/ Oesterreicher’schen Modells zunächst die den untersuchten Logfiles zugrunde liegenden Kommunikationsbedingungen bestimmt und Fragen in Hinblick auf die relevanten Versprachlichungsstrategien erörtert. Dabei wird insbesondere zu hinterfragen sein, inwieweit das Vorliegen einzelner Kommunikationsbedingungen und Versprachlichungsstrategien trägermedial induziert ist. Die Logfiles entstammen dem Internet Relay Chat (IRC) und sind somit der Kommunikationsform Chat zuzuordnen. Da die Auswahl der betrachteten channels anhand der Kriterien öffentlich, unmoderiert und themenunspezifisch erfolgt ist, sind die Logfiles der Diskursart ‚phatischer Chat’ zuzuweisen. In Bezug auf diese Diskursart ergibt sich die Frage, inwiefern die Sprachverwendung bei gegebener medialer Schriftlichkeit und zugrunde zu legender Quasi-Synchronizität Züge von Nähe-Sprache trägt und wie sich diese konkret sprachlich manifestieren. 183 Vgl. hierzu auch Hennig (2001: 220ff.). <?page no="94"?> 94 6.3.1 Kommunikationsbedingungen Bei den von Koch/ Oesterreicher (1985: 21f.) skizzierten Kommunikationsbedingungen handelt es sich um außersprachliche, für Kommunikationssituationen konstitutive Parameter, anhand derer eine Verortung verschiedenster Textsorten und Diskursarten auf dem sich zwischen den Polen der Nähe und der Distanz aufspannenden Kontinuum ermöglicht wird. Die folgende Betrachtung orientiert sich an den in Abbildung (6-I) dargestellten Kommunikationsbedingungen. Bei den gewichtigsten Parametern, die von Koch/ Oesterreicher mithin an erster Stelle genannt werden, handelt es sich um die Aspekte Dialogizität und Monologizität. Für die sich auf den untersuchten channels darbietende Kommunikationssituation ist zweifelsohne das nähesprachliche Kriterium der Dialogizität einschlägig - nicht zuletzt, da Sinn und Zweck des quasisynchronen Austauschs via Chat gerade im dialogischen Austausch in Form von Rede und Gegenrede besteht. Jedoch kann es aufgrund der trägermedial induzierten sequentiellen Anordnung der Äußerungen auf dem Bildschirm, die eine Wiedergabe der Turns in der Reihenfolge ihres Eingangs und ihrer Bearbeitung auf dem bzw. durch den Server impliziert, zu einer zunächst willkürlich erscheinenden Reihung der Äußerungen auf dem Ausgabegerät kommen. Obwohl kein kohärenter Kommunikationsstrang identifizierbar zu sein scheint, lassen sich sehr wohl Sequenzen mit dialogischem Charakter ausmachen, die jeweils eigene Kommunikationsstränge in Form von Einzel-Chats innerhalb des Gesamt-Chats konstituieren, wie im vierten Kapitel dargelegt wurde und wie anhand folgender Beispiele deutlich wird, die als exemplarisch für die sich innerhalb des Korpus manifestierenden Kommunikationsverläufe zu betrachten sind: Beispiel (6-1): Sequenzen mit dialogischem Charakter a. 122 <Sen700> ça va choukette ¿ 123 <laly> patoune tu as reecu? 124 <choukette> wi wi 125 <choukette> et toi? 126 <patoune> arf atta j'ouvre : ) laly 127 * Kurt-cobain sen va bye tou le monde ; ) 128 <laly> oki (2003-A-III-1) b. 13 [11: 50] <@DARK> salut 14 [12: 08] <Louna> bonjour bonjour 15 [12: 10] <@DARK> salut Louna 16 [12: 11] <Louna> 'jour DARK bien dormi ? 17 [12: 11] <@DARK> ca va et toi? 18 [12: 12] <Louna> pas a me plaindre mais jai connu mieux <?page no="95"?> 95 19 [12: 13] <@DARK> arf 20 [12: 18] <Louna> ca arrive ^^ 21 [12: 18] <@DARK> oui (2008-B-I-3) Wie in Beispiel (6-1a) ersichtlich wird, erfolgt die Wiedergabe zusammengehöriger Äußerungs-Turns nicht immer direkt aufeinander. So bilden einerseits Z. 122, Z. 124 und Z. 125 sowie andererseits Z. 123, Z. 126 und Z. 128 jeweils einen Einzel-Chat. Beispiel (6-1b) hingegen zeigt einen Einzel-Chat, in dem die Äußerungen direkt aufeinander folgen. Insgesamt ist für die betrachteten Logfiles der nähesprachliche Parameter der Dialogizität anzusetzen. In Bezug auf die Parameter Vertrautheit und Fremdheit der Kommunikationspartner ist zunächst im Rückgriff auf die Ausführungen in Abschnitt 4.2.2 darauf zu verweisen, dass sich die Chat-Nutzer unter Verwendung eines Nickname am Kommunikationsverlauf beteiligen, der in der Regel keinerlei Rückschlüsse auf die Identität eines Chat-Teilnehmers zulässt. Darüber hinaus ist anders als in vergleichbaren face-to-face-Settings keine visuelle Wahrnehmung des Anderen möglich. Dennoch impliziert die einem Chat zugrunde zu legende Anonymität nicht, dass die Teilnehmer einander fremd sind. Vielmehr etablieren diese im Rahmen der Kommunikationssituation Vertrautheit, die durch regelmäßigen Chat-Austausch gefestigt wird. Obwohl nun davon auszugehen ist, dass sich der Großteil der Teilnehmer noch nie persönlich begegnet ist und gegebenenfalls lediglich über wenige Informationen - die darüber hinaus aufgrund der Anonymität der Kommunikationssituation kaum überprüfbar sind - bezüglich seines Gegenübers verfügt, lässt sich in den Logfiles ein hohes Maß an Vertrautheit zwischen den Interaktionspartnern konstatieren, das sich insbesondere im durchgängigen Gebrauch des Personalpronomens tu 184 widerspiegelt. Unabhängig davon, ob ein früherer Austausch bereits Gelegenheit zum Aufbau von Vertrautheit geboten hat oder ob ein Austausch erstmalig zustande kommt, kann auf diese Weise in verhältnismäßig kurzer Zeit kommunikative Nähe zwischen den Interaktionsteilnehmern hergestellt werden, wenngleich diese nach wie vor Fremde sind. Im Chat etablierte Vertrautheit schlägt sich vor allem in Begrüßungen nieder, wie anhand der folgenden Beispiele illustriert wird: 184 Der ausschließliche Gebrauch des Personalpronomens tu ist insbesondere deshalb hervorzuheben, da für das Französische in vergleichbaren face-to-face-Kommunikationssituationen von gegenteiligem Verhalten auszugehen ist, sofern es sich nicht um Kommunikation zwischen Kindern und/ oder Jugendlichen handelt. Daraus ließe sich die Frage ableiten, in welchem Maße die sich im einheitlichen Gebrauch des Personalpronomens tu manifestierende kommunikative Nähe eventuell für eine gemeinsame Identität der Chatter als Chat-Community konstitutiv ist. <?page no="96"?> 96 Beispiel (6-2): Vertrautheit in der Begrüßung a. 78 * leon_ has joined #langochat 79 <leon_> comme dirait ma Roudoudou tadammmmmmmmmmmmmmmmmmmmm 80 <cherubin[remontepente]> TA? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? 81 <cherubin[remontepente]> : ppppp 82 <leon_> bisousss cherubin[remontepente] : )) 83 <leon_> bisoussssssssssssssss ma Roudoudou : ))))) 84 <leon_> kikou les zautres 85 <leon_> tiens sabrina ava twa ? ? ? 86 <cherubin[remontepente]> ok 87 * leon_ bisouille La_Mafia : ))) 88 * cleo has joined #langochat 89 * cleo salut les gens : ))) 90 <leon_> cleo waaaaaaaaaaaaaa : )))) 91 <leon_> heu 92 <leon_> cleo wééééééééééééééééé : ))) 93 * cherubin[remontepente] has quit IRC (Quit: vous pouvez péter : ))) 94 * La_Mafia bizouille fort leon_ 95 <cleo> lol leon_ ! ! ! 96 * leon_ se laisse bisouiller par La_Mafia : )) (2003-B-III-2) b. 167 [15: 50] * clown1 (~malek@EpiK-5E286DC5.brunel.fr) has joined 167a #dialogues 168 [15: 50] <clown1> Salut par ici 169 [15: 50] <r0ck5tar> lol 170 [15: 50] <NEP`> salut le marrant 171 [15: 50] <Silenus> cool, un clown 172 [15: 50] * Astero18 (~Astero18@EpiK-938C443D.dreams-connexion.com) has 173 joined #dialogues 174 [15: 50] <Paradis> Bisous clown1 175 [15: 50] <Silenus> fais-nous donc rire 176 [15: 50] <clown1> kiss Paradis : DDD 177 [15: 50] <NEP`> elle choisi bien à qui elle fait des bisous elle : / 178 [15: 50] <NEP`> +t 179 [15: 51] <Paradis> Oué y a des privilégiés 180 [15: 51] <Paradis> : p 181 [15: 51] <Paradis> Kiss NEP` 182 [15: 51] <Paradis> : ) 183 [15: 51] <clown1> je fais des envieux Paradis : D 184 [15: 51] <fradd> biz Paradis 185 [15: 51] * NEP` n'aime pas les bisous "forcés" : / 186 [15: 51] <clown1> bisous fradd 187 [15: 51] <clown1> (m'embrasse pas ) 188 [15: 51] <Paradis> Fradd ma tite tronçonneuse smouickkkkkkkkk 189 [15: 51] <fradd> bisous baveux clown1 lol 190 [15: 51] <clown1> lool (2008-A-I-3) <?page no="97"?> 97 In Beispiel (6-2a) spiegelt sich bestehende Vertrautheit zwischen den Chat- Teilnehmern zum einen im Austausch von bisous sowohl in Äußerungs- Turns (Z. 82, Z. 83) als auch im Rahmen virtueller Handlungen in Form von Zustandsbeschreibungs-Turns (Z. 87, Z. 94, Z. 96) nach dem Zutritt von <leon_> in Z. 78 wider und zum anderen in den Emotionalität ausdrückenden Formen emulierter Prosodie (vgl. Abschnitt 7.4.6) in Z. 79, Z. 82, Z. 83, Z. 90 und Z. 92. In Beispiel (6-2b) lässt sich die Vertrautheit anhand des umfassenden Austauschs von bisous, kiss und smouick in den Äußerungs-Turns in Z. 174, Z. 176, Z. 177, Z. 181, Z. 184, Z. 186, Z. 188 sowie Z. 189 nach dem Zutritt von <clown1> zum channel in Z. 167 nachweisen. Für die betrachtete Diskursart ist folglich in Bezug auf die Parameter Vertrautheit und Fremdheit eine zentrale Position auf dem Kontinuum zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit anzusetzen mit deutlicher Tendenz in Richtung der Nähe-Sprache, wobei festzuhalten ist, dass die der Kommunikation inhärente Fremdheit trägermedial bedingt ist und durch die in der konkreten Kommunikationssituation durch die Teilnehmer etablierte Vertrautheit maßgeblich verringert wird. Als weitere Kommunikationsbedingung grenzen Koch/ Oesterreicher die Parameter face-to-face-Interaktion und raumzeitliche Trennung voneinander ab. In dieser Hinsicht ergibt sich für die Kommunikationssituation im Chat ein Auseinanderfallen beider Ebenen in zeitliche Kopräsenz bei räumlicher Trennung. 185 Die zeitliche Kopräsenz wird wiederum durch die Nahezu-Synchronizität des Austauschs determiniert, denn Produktion und Rezeption von Äußerungen im Chat sind trägermedial bedingt voneinander entkoppelt. Hinsichtlich der räumlichen Trennung zwischen den Interaktionspartnern ist zwar zweifellos physische Distanz einschlägig, dennoch wird diese durch die nahezu erreichte Synchronizität des Datenaustauschs durch zeitliche Nähe kompensiert und es wird durch den gemeinsamen Aufenthalt auf einem virtuellen channel zum Zweck des Austauschs metaphorisch räumliche Nähe konstituiert. 186 Kailuweit (2009: 7) leitet daraus das Vorliegen eines „doppelten Kommunikationssystem[s]“ ab - zwischen den Chat-Teilnehmern, die unter ihren jeweiligen Nicknames auf den channels interagieren, einerseits und den realen Personen, die die Äußerungen rezipieren, andererseits. Für die untersuchte Diskursart ist der Parameter folglich nicht eindeutig zu bestimmen: während sich zeitliche Kopräsenz bei trägermedial bedingter Quasi-Synchronizität und damit kommunikative Nähe ergibt, gestaltet sich der Umgang mit der räumlichen Distanz weitaus schwieriger. Faktisch ist zwar Distanz einschlägig, dennoch lässt sich nachweisen, dass durch die Schaffung eines virtuellen Kommunika- 185 Vgl. Kailuweit (2009: 6). 186 Vgl. Storrer (2000a: 154). <?page no="98"?> 98 tionsraumes im Sinne einer Doppelung des Kommunikationssystems metaphorisch räumliche Nähe geschaffen wird. Folglich ist für diese Parameter wiederum eine zentrale Position auf dem Nähe-Distanz-Kontinuum mit deutlicher Tendenz in Richtung Nähesprache anzusetzen. In Hinblick auf die Parameter freie Themenentwicklung bzw. Themenfixierung ergibt sich für die untersuchten Logfiles bereits aufgrund der Auswahl unmoderierter themenunspezifischer channels eine eindeutig nähesprachliche Orientierung, wobei auch auf channels, die aufgrund ihres Namens, wie beispielsweise #Politique oder #musique, Themenfixierung vermuten lassen, freie Themenentwicklung nachweisbar ist, die vom channel operator nicht sanktioniert wird, wie folgende Beispiele verdeutlichen: Beispiel (6-3): Freie Themenentwicklung auf themenspezifischen channels a. 97 <Voltali> QUi propose un chengement des droit tv dans le football 98 <Karine> ! Alalalala Bah là je dois vous laisser moi @ pluche! ! ! 99 * Karine is now known as Karine`[away] 100 <Voltali> Déja on va commencer par le présent 101 * _alex_ has left #Politique 102 <Voltali> Que penser des droit tv ? 103 <Karine`[away]> ! Retour de la PrinCeZZe lol de lol ! ! > 104 * Karine`[away] is now known as Karine 105 <cece> c trop cher : ) 106 <Karine> ! Alalalala Bah là je dois vous laisser moi @ pluche! ! ! 107 * Karine is now known as Karine`[away] 108 <Voltali> lol 109 <Voltali> Je parle de l'argent que recoivent les clubs ! 110 * Miaouss has joined #Politique 111 <Miaouss> awé 112 <cece> ah ! 113 <cece> ba c bien 114 <cece> pour les clubs 115 <Voltali> Actuellement c'est par an 116 <Voltali> Selon la notorieté (2003-A-IV-2) b. 33 [18: 29] <+xdk> euh, j'ai renversédu café sur mon clavier 34 [18: 30] <+xdk> la galere 35 [18: 30] <+xdk> tjrsla galere 36 [18: 33] <XwZ> xdk: ça met arrivé aussi, mais c'était le clavier sur 37 laptop : / 38 [18: 34] <+xdk> et t'as faitquoi ? 39 [18: 34] <+xdk> et t'as fait quoi ? 40 [18: 35] * Naischa_play is now known as Naischa 41 [18: 35] <%Naischa> Re tout le monde : ) 42 [18: 35] <+xdk> moi c'est la barre d'espace qui me pose le plus de <?page no="99"?> 99 42a probleme 43 [18: 35] <+xdk> je dois appuyer dessus commeun bourrin 44 [18: 35] <+xdk> au moins ça fait du sport 45 [18: 35] <XwZ> xdk: j'ai enlevé toutes les touches nettoyé et tout 45a remis 46 : p (2008-A-IV-1) In Beispiel (6-3a) bringt <Voltali> in Z. 97 mit den Rechten an den Fernsehübertragungen von Fußball-Spielen ein Thema in den Kommunikationsverlauf des channel #Politique ein, das eher der Domäne des Sports oder der Medien denn der Politik zuzurechnen ist, während in Beispiel (6-3b) <+xdk> in Z. 33 ebenfalls auf channel #Politique das Verschütten von Kaffee auf der Tastatur zum Thema macht. Folglich lässt sich für die untersuchte Diskursart in Bezug auf die Themenentwicklung kommunikative Nähe behaupten. Hinsichtlich der Aspekte Privatheit vs. Öffentlichkeit ist für die untersuchten Logfiles trotz der rasch zu etablierenden Vertrautheit grundsätzlich von einem öffentlichen und damit distanzsprachlichen Charakter der Kommunikation auszugehen, da jeder den Kommunikationsverlauf auf nicht-zugangsbeschränkten IRC-channels verfolgen kann. Die Äußerungen bleiben darüber hinaus über die Bildlaufleiste am rechten Rand des Ausgabefensters solange für die Teilnehmer rezipierbar, wie sie sich auf einem channel aufhalten. Mittels der Log-Funktion des Clients können die Kommunikationsverläufe auch als Dateien gespeichert und unter Umständen in eine noch breitere Öffentlichkeit, als sie der Teilnehmerkreis des jeweiligen channel konstituiert, verlagert werden. Der Austausch von Privat-Nachrichten zwischen zwei Personen oder Kommunikationsverläufe auf channels mit beschränktem Zugang hingegen legen eher Privatheit und damit kommunikative Nähe nahe. Die Parameter Spontaneität und Reflektiertheit werden maßgeblich durch die Quasi-Synchronizität der Kommunikationsform Chat determiniert. Aufgrund der bestehenden zeitlichen Restriktion ist für die Diskursart ‚phatischer Chat’ daher vom Vorliegen von Spontaneität auszugehen. Dennoch ist diese nicht uneingeschränkt anzunehmen, da die Verwendung besonderer sprachlicher Formen und Verfahren (vgl. Kapitel 7) ein gewisses Maß an Reflektiertheit voraussetzt und „es gerade auch darum geht, mit originellem Zeichengebrauch Aufmerksamkeit zu erregen“ (Kailuweit 2009: 6). Insgesamt überwiegt jedoch der nähesprachliche Parameter der Spontaneität vor der distanzsprachlichen Reflektiertheit, da die Chat-Teilnehmer ihre Äußerungen bei hohem Gesprächsaufkommen möglichst schnell produzieren müssen, um sicherzustellen, dass die verfasste Äußerung noch kontextbezogen erfolgt. <?page no="100"?> 100 Die Aspekte involvement vs. detachment werden im Folgenden unter die Parameter Handlungs- und Situationseinbindung vs. Handlungs- und Situationsentbindung sowie hoher vs. geringer Referenzbezug subsumiert. 187 Die der Chat-Kommunikation inhärente räumliche Distanz lässt in Bezug auf diese Kommunikationsbedingungen zunächst Situationsentbindung und geringen Referenzbezug der betrachteten Diskursart vermuten. Es zeigt sich jedoch, dass auf Grundlage der oben erläuterten metaphorisch etablierten physischen Nähe sowie des doppelten Kommunikationssystems, die die Kommunikation an einen gemeinsamen, virtuellen Ort verlagern, durchaus Situationseinbindung und ein hoher Referenzbezug erreicht werden können, indem beispielsweise virtuelle Handlungen ausgeführt werden wie in folgendem Beispiel: Beispiel (6-4): Handlungs- und Situationsbezug in Zustands- und Handlungsbeschreibungen a. 702 * marge offre à malak|AFK une coupe de champagne, hummm que c'est 702a galant. 703 <marge> lol 704 <malak|AFK> miciiii : ) 705 <laly> ouéééééé 706 * malak|AFK fait couler le champagne partout sur le chan (2003-A-III-1) b. 1 [15: 19] * @Anaelle sort son sabre laser. (2008-A-I-1) Durch die in Z. 702 und Z. 706 in Beispiel (6-4a) sowie die in Beispiel (6-4b) beschriebenen Handlungen, die gleichsam die virtuellen Handlungen selbst darstellen, 188 wird bei gegebener räumlicher Distanz ein hohes Maß an Handlungs- und Situationseinbindung und damit kommunikative Nähe erzeugt. Anders als in einem face-to-face-Setting muss die Handlung selbst hingegen verschriftet werden. Eng verknüpft mit der Frage nach einer möglichen Situations- und Handlungseinbindung ist die des Referenzbezuges innerhalb der betrachteten Logfiles. In Hinblick auf die Sprecherbzw. im Fall des IRC Schreiber-Origo ist sowohl in Bezug auf die temporale Deixis als auch bezüglich der personalen Deixis origo-naher Referenzbezug anzusetzen. Während temporale Deixis durch die Quasi-Synchronizität des Austauschs ermöglicht wird, kann personale Deixis aufgrund der servergenerierten Ergänzung der Äußerungen um den Nickname eines Nutzers origo-nah erfolgen. Hinsichtlich der lokalen Deixis ist hingegen eine differenziertere Betrach- 187 Vgl. Koch/ Oesterreicher (1990: 9) und (1994: 588). 188 Vgl. Döring (2003: 90). <?page no="101"?> 101 tung notwendig, da ein Referenz-Bezug lediglich innerhalb des virtuell konstituierten Chat-Raumes, nicht jedoch außerhalb davon, möglich ist. Zusammenfassend lässt sich für den Referenzbezug konstatieren, dass dieser, unter Einschränkungen insbesondere für die lokale Deixis, insgesamt origo-nah und deutlich nähesprachlich möglich ist. Die Parameter Expressivität und Affektivität vs. Objektivität werden im Zuge dieser Betrachtung unter die Begrifflichkeiten der starken bzw. schwachen Emotionalität subsumiert. 189 Die emotionale Beteiligung kann in Abhängigkeit von der jeweils aktuellen Kommunikationssituation in den betrachteten Logfiles unterschiedlich ausgeprägt sein, wobei insgesamt von einer starken Emotionalität innerhalb der Diskursart auszugehen ist. Diese lässt sich neben den in Beispiel (6-2) dargestellten Begrüßungssequenzen auch anhand folgender Beispiele belegen, wobei auf die entsprechenden Verfahren im siebten Kapitel gesondert eingegangen wird: Beispiel (6-5): Starke Emotionalität a. 394 <patoune> vive laly ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! 395 <malak> euhhh 396 <laly> ouééééééééééé 397 <marginuccia> Chephren! ! ! 398 <laly> vive moiiiiiiii (2003-A-III-1) b. 77 [19: 00] <Texou> : D 78 [19: 00] <Texou> yipi: d l'actu : ) 79 [19: 03] * Titi` (~BSmaxScri@EpiK-26497919.rev.gaoland.net) has joined 80 #Politique 81 [19: 03] * Polymorphee sets mode: +h Titi` 82 [19: 04] <+xdk> re Titi` : ) 83 [19: 04] <Texou> : D lu Titi` (2008-A-IV-1) Während sich in Beispiel (6-5a) Emotionalität in der Reduplikation von Zeichen widerspiegelt, lässt sie sich in Beispiel (6-5b) anhand der frequenten Verwendung von Emoticons nachweisen. Insgesamt zeigt sich, dass für die Diskursart hinsichtlich des Parameters der Emotionalität starke emotionale Beteiligung und somit eine Position nahe des Pols der Nähesprache auf dem Nähe-Distanz-Kontinuum einschlägig ist. 189 Vgl. Koch/ Oesterreicher (1990: 9) und (1994: 588). <?page no="102"?> 102 Eine weitere Kommunikationsbedingung, die Koch/ Oesterreicher (1994: 588) in einer späteren Darstellung ihres Modells darlegen, stellt der Parameter der Kooperation dar. Für die untersuchte Diskursart ist diesbezüglich überwiegend das kommunikative Distanz-Konzept zu unterstellen, da aufgrund der trägermedial induzierten Entkopplung von Produktion und Rezeption von Äußerungen im Chat kooperatives Verhalten, wie es face-toface-Kommunikation beispielsweise in Form von back-channel-behavior zugrunde liegt, ausgeschlossen ist. Dennoch impliziert die schnelle Abfolge der Turns wiederum ein hohes Maß an Kooperation. 190 Die Bestimmung der einzelnen, der Diskursart ‚phatischer Chat’ zugrunde liegenden Kommunikationsbedingungen legt deren vornehmlich nähesprachliche Markierung nahe, die an die Kommunikationsbedingungen und die kommunikative Nähesprachlichkeit bestimmter medial mündlicher Äußerungsformen, wie beispielsweise die eines Partygesprächs, erinnert. Gleichwohl unterscheidet sie sich maßgeblich von diesen, da aufgrund der trägermedialen Bedingtheit der Kommunikationsform Chat bestimmte Parameter wie die raumzeitliche Trennung in spezifischer Weise determiniert sind, so dass sich für die Diskursart ‚phatischer Chat’ eine Position auf dem Kontinuum zwischen Nähe- und Distanz-Sprache ergibt, die der mit D1 gekennzeichneten Position im erweiterten Nähe-Distanz-Kontinuum in Abbildung (6-II) entspricht. Eine abschließende Charakterisierung kann jedoch erst nach einer eingehenden Betrachtung der die Diskursart prägenden Versprachlichungsstrategien vorgenommen werden. 6.3.2 Versprachlichungsstrategien In Bezug auf die der betrachteten Diskursart zugrunde liegenden Versprachlichungsstrategien ist zunächst zu konstatieren, dass diese, wie auch die in Abschnitt 6.3.1 bestimmten Kommunikationsbedingungen, in besonderem Maße der Spezifik der Diskursart ‚phatischer Chat’ gerecht werden und aus diesem Grund nicht den prototypischen Merkmalskonstellationen der Nähebzw. Distanzsprache entsprechen. Trotz des nachweislich hohen Maßes an Nähesprachlichkeit lassen sich aufgrund der medialen Determiniertheit der Diskursart nicht alle von Koch/ Oesterreicher (1990: 50-126) universellen und einzelsprachlichen Charakteristika gesprochener Sprache übertragen und finden sich darüber hinaus „viele Versprachlichungsstrategien, die in der gesprochenen Sprache keine Entsprechungen haben“ (Kailuweit 2009: 8). Ausgewählte, für die Diskursart ‚phatischer Chat’ spezifische Versprachlichungsstrategien werden im folgenden Kapitel im Rahmen der diachronen Untersuchung der Teil-Korpora auf den verschiedenen Ebenen der Sprachbeschreibung im Einzelnen beleuchtet. 190 Vgl. Kailuweit (2009: 6). <?page no="103"?> 103 7 Empirische diachrone Untersuchung der Teil-Korpora Die Abschnitte dieses Kapitels dienen der diachronen Analyse des in den Teil-Korpora zusammengetragenen Sprachdatenmaterials anhand der eingangs formulierten Fragestellung, inwiefern die Sprachverwendung in ausgewählten französischsprachigen channels des IRC in einem Zeitraum von fünf Jahren Veränderungen erfahren hat und der daraus abgeleiteten Hypothese, dass sich mit Etablierung der Kommunikationsform Chat eine den nutzerspezifischen Anforderungen und Bedürfnissen entsprechende Form der Sprachverwendung ausgebildet hat, die in Hinblick auf die sie konstituierenden Verfahren weitgehend Stabilität erlangt hat. In Form einer die Darstellung dynamischer Prozesse ermöglichenden Längsschnittstudie werden im Folgenden die in den Jahren 2003 und 2008 auf verschiedenen französischsprachigen IRC-channels generierten Logfiles auf der Folie verschiedener sprachlicher Beschreibungsebenen beleuchtet. Dabei werden im Sinne eines quantitativen Zugangs zunächst ausgewählte sprachliche Merkmale und Verfahren einander vergleichend gegenübergestellt, bevor aus einer qualitativen Betrachtungsperspektive eine Auseinandersetzung mit den quantitativ ermittelten Veränderungen erfolgt. In diesem Rahmen wird zu hinterfragen sein, welche der die betrachtete Diskursart konstituierenden Merkmale und Verfahren aus welchen Gründen gegebenenfalls Veränderungen erfahren haben und wie die jeweiligen Versprachlichungsstrategien hinsichtlich ihrer Nähebzw. Distanzsprachlichkeit zu bewerten sind. Auf dieser Grundlage wird es abschließend möglich sein, die eingangs formulierte Fragestellung für die ausgewählten Formen und Verfahren zu beantworten und eine sprachwissenschaftliche Bestimmung der Diskursart insgesamt vorzunehmen. Die Analyse der Logfiles erfolgt auf verschiedenen Ebenen der Sprachbeschreibung, deren Modellierung sich an den sprachlichen Teilsystemen orientiert, die lediglich in Hinblick auf einzelne Parameter Anpassungen an die der Diskursart ‚phatischer Chat’ inhärente Spezifik erfahren haben, indem die Teilsysteme Phonie und Graphie zu einer Beschreibungskategorie zusammengeführt wurden. Als Beschreibungsebenen fungieren, nach einem Abschnitt, der sich der Abgrenzung von Kompetenz- und Performanz-Phänomenen im Bereich der Orthographie widmet, der syntaktische, der lexikalische, der phonisch-graphische sowie der Bereich semiotischer Sonderformen. Die Reihenfolge der Betrachtung erfolgt dabei im Wesentlichen von der Makrozur Mikroebene. Der quantitative diachrone Vergleich von Sprachdaten in Hinblick auf sprachliche Merkmale und Verfahren auf verschiedenen Betrachtungsebenen setzt die Existenz einer gemein- <?page no="104"?> 104 samen Bezugsgröße voraus. Im Sinne der Schaffung einer einheitlichen Vergleichsgrundlage werden für die folgende Untersuchung die lexikalischen Einheiten (LE) als gemeinsame Bezugsgröße bestimmt. Eine lexikalische Einheit ist dabei als lexikalisierte, gleich in welcher Weise bedeutungstragende Form, die von zwei Spatien umgeben ist, aufzufassen, wobei Interpunktionszeichen in ihrer Verwendung als solche von dieser Definition ausgenommen sind. Nur eine derart weite Begriffsbestimmung, die es erlaubt sowohl sprachliche als auch nicht-sprachliche Zeichen unter einer Begrifflichkeit zu subsumieren, ermöglicht die Schaffung einer adäquaten Vergleichsgrundlage ausgehend von der fundierte Aussagen getroffen werden können. 7.1 Orthographie zwischen Kompetenz und Performanz Die auf den untersuchten channels zu beobachtenden Äußerungsabfolgen mögen zunächst den Eindruck einer ‚orthographischen Katastrophe’ erwecken. Eine eingehende Betrachtung der vermeintlichen orthographischen Fehlleistungen führt jedoch zu einem anderen Ergebnis wie im Zuge der Untersuchung im Einzelnen noch zu zeigen sein wird: während einigen, vergleichbar wenigen, der beobachtbaren Phänomene durchaus der Status von Orthographiefehlern zuzuschreiben ist, erfolgt die Verwendung des Großteils orthographisch inkorrekter, von der Norm abweichender Formen hingegen intentional wie sich anhand deren frequenter Verwendung nachweisen lässt und somit im Sinne einer noch näher zu spezifizierenden Kompetenz. Im Folgenden werden daher zunächst Fragen der Orthographie eingehend erörtert. Dafür eignet sich die von Chomsky (1965: 10ff.) postulierte Dichotomie von Kompetenz und Performanz, 191 auf deren Folie eine Unterscheidung von kompetenz- und performanzbedingten Phänomenen innerhalb der untersuchten Logfiles erfolgt. 192 Als performanzbedingte Phänomene werden in diesem Verständnis Flüchtigkeitsfehler aufgefasst, die durch außersprachliche Faktoren wie Unaufmerksamkeit oder Zeitnot determiniert werden und somit nicht auf mangelnde Kompetenz des Sen- 191 „Wie Saussure unterscheidet auch Chomsky zwischen Sprachsystem (bei Saussure Langue) und Sprachverwendung (bei Saussure Parole). Die chomskyschen Begriffe Kompetenz und Performanz haben weitgehend dieselben Inhalte wie die entsprechenden Begriffe bei Saussure. Jedoch wird das sprachliche System nicht mehr als statisch-systematisch verstanden wie bei Saussure [...], sondern als dynamisch-generativer Prozeß.“ (Dresselhaus 1979: 14). Darüber hinaus wird präsupponiert, dass das unter den Chomsky’schen Kompetenz-Begriff zu subsumierende sprachsystematische Wissen auch das Wissen um situations- und medienadäquaten Ausdruck umfasst und durch performativ erworbenes Wissen aktualisierbar ist (vgl. hierzu auch Dresselhaus 1979: 167-171). 192 Zu Fragen von Kompetenz und Performanz im Bereich der Nähesprache vgl. auch Mensching (2008: 11-20). <?page no="105"?> 105 ders einer Äußerung zurückzuführen sind. Davon abzugrenzen sind hingegen auf mangelnden Orthographiekenntnissen beruhende „Ignoranzfehler“ (Kielhöfer 1976: 73), die dem Bereich der Kompetenz zuzuweisen sind. Im Folgenden wird der Fokus einzig auf die Betrachtung von Flüchtigkeitsfehlern gerichtet, da diese durch die Quasi-Synchronizität und die Notwendigkeit der Verwendung eines Eingabegerätes als der Chat-Kommunikation inhärente Merkmale in der betrachteten Diskursart begünstigt werden und somit einen bedeutsamen Untersuchungsaspekt darstellen. Als reine Performanz-Phänomene lassen sie jedoch „keine Rückschlüsse auf die Kompetenz zur Einhaltung dieser Normen in anderen Bereichen der Schriftsprachlichkeit [zu]“ (Storrer 2001: 440). Von der Betrachtung reiner Kompetenz-Fehler wird hingegen abgesehen, da davon auszugehen ist, dass deren Form und Auftreten in der untersuchten Diskursart weitgehend denen in vergleichbaren Textsorten außerhalb von cvK entsprechen. 193 Ein mögliches Problem indes stellen etwaige Schwierigkeiten bei der Abgrenzung beider Fehlertypen dar, denen letztlich nur durch ein Testverfahren beizukommen ist, in dem der Sprecher auf Grundlage seiner sprachlichen Kompetenz seine eigene Performanz in Hinblick auf Fehlerhaftigkeit beurteilt. 194 Da ein solches Verfahren im Rahmen einer Untersuchung vorliegenden Umfangs nicht sinnvoll zu erbringen ist, erfolgt die Abgrenzung auf Grundlage der in Abschnitt 7.1.1 dargelegten Kriterien. 7.1.1 Performanzbedingte Phänomene Wie im vorhergehenden Abschnitt erläutert, werden Fehler, die nicht auf unzureichende Orthographiekompetenz des Textproduzenten zurückzuführen sind, als Flüchtigkeitsfehler dem Bereich der Performanz zugewiesen. Derartige performanzbedingte Phänomene, die in der betrachteten Diskursart in Form von Tippfehlern auftreten, lassen sich in Anlehnung an Beißwenger (2000: 73f.) verschiedenen Kategorien zuordnen, die im Folgenden erläutert und durch Beispiele aus dem Korpus illustriert werden. Diesen Ausführungen ist mit Abbildung (7-I) die Darstellung einer französischen Tastaturbelegung vorangestellt, anhand derer sich die verschiedenen Kategorien von Tippfehlern veranschaulichen lassen. 195 193 Vgl. hierzu auch Storrer (2001: 451). 194 Vgl. Kielhöfer (1976: 73f.). 195 Zwar ließ sich im Rahmen vorliegender Studie ohne gezielte Befragung der Textproduzenten nicht ermitteln, welche Art von Tastatur die Chat-Teilnehmer jeweils verwendet haben, bestimmte Tippfehler lassen jedoch auf die Verwendung einer französischen Tastatur schließen. <?page no="106"?> 106 Abbildung (7-I): Französische Tastaturbelegung 196 Der ersten Kategorie von Tippfehlern zuzuweisen sind Fehler, deren Entstehen dadurch bedingt ist, dass es versehentlich zur Auswahl einer Taste kommt, die auf der Tastatur neben der Taste mit dem gewünschten Graph angeordnet ist, wie in Beispiel (7-1) ersichtlich wird. Beispiel (7-1): Auswahl der nebenstehenden Taste 27 <choukette> c impossiblr (2003-A-III-1) Eine Variante der ersten Kategorie stellen Tippfehler dar, die entstehen, indem zusätzlich zu der Taste mit dem gewünschten Graph eine daneben angeordnete Taste angeschlagen wird, so dass in der Bildschirmanzeige neben dem gewünschten ein weiterer Graph erscheint, wie in Beispiel (7-2) dargestellt. Beispiel (7-2): Auswahl der richtigen und einer nebenstehenden Taste 614 [20: 45] <pedri`> (enfiun, habillé hein) (2008-B-II-3) Eine weitere Kategorie bilden Tippfehler, die auf Probleme mit der Anschlagsdynamik zurückzuführen sind. So kann es aufgrund zu schwachen Anschlages dazu kommen, dass ein Graph oder Spatium nicht angezeigt 196 Vgl. URL: http: / / www.uni-regensburg.de/ EDV/ Misc/ KeyBoards/ keys10l.jpg [letzter Zugriff: 08.03.2009]. <?page no="107"?> 107 wird (vgl. Beispiel 7-3). Zu kräftiger Anschlag hingegen kann dazu führen, dass ein Graph oder Spatium doppelte Eingabe erfährt (vgl. Beispiel 7-4). 197 Beispiel (7-3): Fehlen eines Graphs aufgrund zu geringen Tastenanschlages 93 <LosT_HeaVeN> chouete ! (2003-B-I-2) Beispiel (7-4): Doppelte Eingabe eines Graphs aufgrund zu kräftigen Tastenanschlages 206 [11: 22] <Novembre> strrasbourg *_* (2008-B-II-1) Die versehentliche Verwendung zweier Majuskeln am Wortanfang (vgl. Beispiel 7-5) lässt sich ebenfalls dieser Kategorie zuordnen, denn wiederum ist die Anschlagsdynamik ursächlich für den Tippfehler, da der Druck auf die Shift-Taste verspätet gelöst wird. Beispiel (7-5): Zwei Majuskeln am Wortanfang 362 <Voltali_OQP> LEs droit tv sont un sujet qui reste trop epineux ! (2003-A-IV-2) Die letzte Kategorie von Tippfehlern stellen ‚Buchstabendreher’ dar, die durch ein versehentliches Vertauschen der Reihenfolge zweier Graphe zustande kommen, wie in Beispiel (7-6) illustriert wird. Beispiel (7-6): ‚Buchstabendreher’ 26 [15: 20] <@Anaelle> j'ai aps la force : '( (2008-A-I-1) Während die Zuweisung von Tippfehlern, die anhand der Beispiele (7-1), (7-2), (7-5) und (7-6) illustriert wurden, zur Ebene der Performanz keinerlei Schwierigkeiten bereitet, ist eine eindeutige Zuordnung von Tippfehlern des Typs ‚fehlerhafte Anschlagsdynamik’, die durch die Beispiele (7-3) und (7-4) veranschaulicht wurden, nicht immer ohne weiteres zu treffen. So kann es sich im Einzelfall auch um Ignoranzfehler oder um ein bewusstes Abweichen von der Norm im Sinne ludischer Sprachverwendung handeln. In die diachrone Auswertung gehen daher lediglich die Fehler ein, für die eine eindeutige Zuweisung zur Ebene der Performanz vorgenommen werden konnte. Die fehlerhaften lexikalischen Einheiten wurden dabei ohne eine Kategorisierung des jeweils zugrunde liegenden Tippfehlers erfasst und zur Gesamtheit der lexikalischen Einheiten in Bezug gesetzt (vgl. Abbildung 7-II). 197 Vorkommen von doppelten Spatien finden jedoch in der Auswertung keine Berücksichtigung, da keine lexikalische Einheit tangiert ist. <?page no="108"?> 108 Abbildung (7-II): Lexikalische Einheiten mit Performanz-Fehler 2003 2008 Lexikalische Einheiten mit Performanz-Fehler 1,52% (313) 1,37% (394) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Es zeigt sich, dass der Anteil fehlerhafter lexikalischer Einheiten in Teil- Korpus 2008 einen Rückgang um 0,15 Prozentpunkte erfahren hat. Im Vergleich dazu hat jedoch der Anteil an Korrekturen von Tippfehlern in bemerkenswerter Weise zugenommen, wie Abbildung (7-III) veranschaulicht. Abbildung (7-III): Korrekturen von Tippfehlern 2003 2008 Korrekturen von Tippfehlern 7,99% (25) 18,27% (72) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten mit Performanz-Fehler Während im Jahr 2003 lediglich 7,99% aller fehlerhaften lexikalischen Einheiten korrigiert wurden, beträgt der Anteil im Jahr 2008 18,27%, was einer Zunahme um 10,28 Prozentpunkte entspricht. Dabei haben sich verschiedene Korrekturstrategien herausgebildet: einerseits erfolgen Korrekturen, ohne dass diese explizit als solche gekennzeichnet werden, indem beispielsweise fehlende Graphe nachgereicht werden (vgl. Beispiel 7-7a) oder fehlerhafte lexikalische Einheiten bzw. Turns korrekt wiederholt werden (vgl. Beispiel 7-7b). Andererseits kommt es, insbesondere in Teil-Korpus 2008, zu Korrekturen, die durch einen Asterisk (vgl. Beispiel 7-7c und 7-7d) oder die Symbole + bzw. - (vgl. Beispiel 7-7e) als solche gekennzeichnet sind. Beispiel (7-7): Korrekturen von Tippfehlern a. 41 <kmz> lo 42 <kmz> l (2003-B-IV-3) b. 71 <unkreaderte> y a des gens qui kates ? 72 <unkreaderte> skate (2003-B-I-1) <?page no="109"?> 109 c. 566 <tite_rose[contente]> ca m’ennerve greve 567 <tite_rose[contente]> *grave (2003-B-I-2) d. 420 [22: 25] <+Mylene> je sis pas conne ... 421 [22: 25] <+Mylene> suis* (2008-A-I-2) e. 38 [15: 07] <Silenus> c'est une tentative d'assasinat c'est ça ? ? 39 [15: 07] <Silenus> +s (2008-A-I-3) Im diachronen Vergleich ergibt sich folgende Verteilung auf die verschiedenen Korrekturstrategien: Abbildung (7-IV): Korrekturen nach Korrekturstrategie 2003 2008 * 12% (3) 43% (31) +/ - 8% (2) 31,94% (23) Sonstige 80% (20) 25% (18) Bezugsgröße: Summe Korrekturen von Tippfehlern Wie sich zeigt, hat sich in Teil-Korpus 2008 eine deutliche Präferenz für die Markierung von Korrekturen durch Asterisk bzw. die Symbole +/ entwickelt, die in Richtung der Ausbildung einer chat-spezifischen Konvention zur Korrektur von Tippfehlern weist, die als solche im Jahr 2003 noch nicht erkennbar war. Während es sich bei den Korrekturen im Jahr 2003 noch ausschließlich um Selbstkorrekturen handelte, kam es im Vergleichsjahr 2008 darüber hinaus erstmals zu Fremdkorrekturen (vgl. Beispiel 7-8), die einen Anteil von 12,5% an den Korrekturen insgesamt einnehmen, wie Abbildung (7-V) illustriert. <?page no="110"?> 110 Abbildung (7-V): Selbst- und Fremdkorrekturen von Tippfehlern 2003 2008 Selbstkorrekturen 100% (25) 87,5% (63) Fremdkorrekturen - 12,5% (9) Bezugsgröße: Summe Korrekturen von Tippfehlern Trotz erstmaligen Auftretens von Fremdkorrekturen im Jahr 2008 erfolgt der überwiegende Teil der Korrekturen nach wie vor in Form von Selbstkorrekturen, wie in Beispiel (7-7) dargestellt. Im Falle einer Fremdkorrektur kann es darüber hinaus gleichzeitig auch zu einer Selbstkorrektur kommen, wie Beispiel (7-8) illustriert. Beispiel (7-8): Fremd- und Selbstkorrektur 632 [22: 36] <+Mylene> je crois que tout le monde comprent : ( 633 [22: 37] <+Cafe> skype xD 634 [22: 37] <%Super-Mouton> -t +d 635 [22: 37] <%Super-Mouton> =) 636 [22: 37] <Nayo> Super-Mouton devinette toi aussi 637 [22: 37] <+Mylene> -t +d 638 [22: 37] <Nayo> Cafe rhan 639 [22: 37] <%Super-Mouton> Nayo oui ? 640 [22: 37] <+Mylene> ah ben trop tard on m'a corrigé : ( (2008-A-I-2) In Z. 634 korrigiert <%Super-Mouton> das fehlerhafte Verb comprent in der Äußerung von <+Mylene> in Z. 632 durch Verwendung einer Korrekturstrategie des Typs +/ -. <+Mylene> wiederum nimmt in Z. 637 eine Selbstkorrektur desselben Typs vor, die augenscheinlich parallel zur Fremdkorrektur verfasst wurde, was <+Mylene> in Z. 640 dazu veranlasst, letztere zu kommentieren. Hinsichtlich der vorgenommenen Korrekturen ist zu konstatieren, dass diese offensichtlich nicht nur dann erfolgen, wenn das Verständnis durch den Tippfehler gefährdet sein könnte wie in Beispiel (7-7b), sondern auch in Fällen, in denen ein Verstehen vorausgesetzt werden kann wie in Beispiel (7-8), wo dennoch sowohl eine Fremdals auch eine Selbstkorrektur erfolgen. Insgesamt ist in Bezug auf Korrekturen von Tippfehlern zu berücksichtigen, dass es aufgrund des verborgenen Textproduktionsprozesses nicht möglich ist zu ermitteln, ob es vor Absenden einer Äußerung eventuell bereits zu Berichtigungen durch die Textproduzenten gekommen ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass gerade bei hohem Kommunikationsaufkommen wie beispielsweise in Logfile (2008-A-I-2), vorab keine <?page no="111"?> 111 Korrekturen erfolgen. Vor diesem Hintergrund erscheint die in Abbildung (7-II) dargestellte Anzahl von Performanz-Fehlern in lexikalischen Einheiten in den Teil-Korpora insgesamt eher gering. Angesichts der zunehmenden Korrekturen und dem erstmaligen Auftreten von Fremdkorrekturen in Teil-Korpus 2008 ist daher in Bezug auf reine Performanz-Phänomene nur noch bedingt davon auszugehen, dass fehlerfreie Rechtschreibung „einen nachrangigen Stellenwert in der IRC-Sprache besitzt“ (Dittmann 2001: 71), auch wenn Beispiel (7-9a) dies vermuten ließe. Vielmehr zeichnet sich die Tendenz einer insgesamt korrekteren, bewussten Sprachverwendung ab, wie sie in Beispiel (7-9b) deutlich wird. Beispiel (7-9): Thematisierung der Sprachverwendung auf der Meta-Ebene a. 70 [20: 51] <Catalina> dEUS> je suis roumaine et j`ai appris seule la 70a langue 71 francaise ...donc,comme tu vois j`ecris avec des fautes ... 72 [20: 52] <grosboulet> waou ca parle ici : p 73 [20: 52] <grosboulet> Bonsoir a tous 74 [20: 52] <dEUS> je trouve que tu te débrouilles bien mieux que des 74a francais 75 de naissance 76 [20: 52] * grosboulet se cache 77 [20: 52] * Steph_ (steph_@europnet-852306A0.fbx.proxad.net) has joined 78 #paris 79 [20: 52] <Catalina> dEUS> merci c`est gentil....oui,je sais,j`ai 79a constate 80 ....: ( 81 [20: 52] * Steph_ (steph_@europnet-852306A0.fbx.proxad.net) has left 81a #paris 82 [20: 53] <louve> tu ecris tres bien Catalina : ) 83 [20: 53] <grosboulet> en meme temps on est sur irc, on s'en fout du 83a francais 84 : p 85 [20: 53] <Catalina> louve> bonsoir....merci (2008-C-IV-2) Wird in Beispiel (7-9a) durch die Versicherung von <grosboulet> in Z. 83/ 84 eine in Bezug auf Chat-Kommunikation häufig vermutete Einstellung deutlich, zeigt sich in Beispiel (7-9b) anhand der Äußerung von <+Cafe> in Z. 184 nach einer in Z. 167 durchgeführten und in Z. 168/ 189 kommentierten Fremdkorrektur eine geringe Akzeptanz inkorrekter Sprachverwendung. b. 166 [21: 56] <+Mylene> j'ai plus d'orteille : ( 167 [21: 56] <+Cafe> -le 168 [21: 56] <+Cafe> pas possible ça de rajouter des lettres ou y'en a pas 169 besoin -_- 170 [21: 56] <%Super-Mouton> ben en meme temps toi t'en oubli <?page no="112"?> 112 171 [21: 57] <%Super-Mouton> =X 172 [21: 57] <%Super-Mouton> elle compense 173 [21: 57] <%Super-Mouton> =) 174 [21: 57] <+Mylene> mdr 175 [21: 57] <+Mylene> ah oui 176 [21: 57] <+Mylene> j'avais même pas capter 177 [21: 57] <+Cafe> d'ou que j'en oublie noob . 178 [21: 57] <%Super-Mouton> xD 179 [21: 57] <+Cafe> ? 180 [21: 57] <%Super-Mouton> genre Cafe 181 [21: 57] <%Super-Mouton> t'as un t9 integré =X 182 [21: 57] <%Super-Mouton> xD 183 [21: 57] <+Cafe> nan 184 [21: 57] <+Cafe> je sais juste écrire quoi x) 185 [21: 57] <%Super-Mouton> tout le monde fait des fautes ^^ 186 [21: 58] <%Super-Mouton> genre t'en fais jamais ? 187 [21: 58] <%Super-Mouton> xD 188 [21: 58] <+Cafe> d'inattention si 189 [21: 58] <+Mylene> ben moi j'en fais et j'en suis fiere 190 [21: 58] <+Cafe> comme la, j'ai trop tassé et je tire comme un taré 190a pour que 191 dale 192 [21: 58] <%Super-Mouton> ben moi j'en fais, mais comme je fais pas 192a chier les 193 autres on me dit rien =) 194 [21: 58] <+Mylene> : ) 195 [21: 58] <+Cafe> ça c'est une faute d'inattention x) 198 [21: 59] <%Super-Mouton> xD 199 [21: 59] <%Super-Mouton> bon (2008-A-I-2) Wie eingangs erläutert, sind die betrachteten Tippfehler nicht als Zeichen mangelnder Orthographiekompetenz seitens der Chat-Teilnehmer zu deuten, sondern vielmehr als Resultat der Bemühung, sich angesichts des raschen Kommunikationsverlaufs unter gleichzeitiger Verfolgung des Redeflusses schnellstmöglich zu äußern, und somit der Ebene der Performanz zuzuweisen. 198 In Hinblick auf eine Charakterisierung der betrachteten Tippfehler auf der Folie von Nähe- und Distanzsprachlichkeit zeigt sich, dass sich orthographische Besonderheiten trotz medialer Schriftlichkeit als nähesprachliches Phänomen erweisen, denn insofern Parallelen zwischen dem Vorkommen von Orthographiefehlern in der untersuchten Diskursart und dem Auftreten von Versprechern und Fehlstarts in gesprochener Sprache 199 als performanzbedingte Phänomene bestehen, sind Tippfehler als nähesprachlich zu werten. Ferner läuft fehlerhafte Orthographie der durch Reflektiertheit und hohen Planungsaufwand erreichten Wohlformuliertheit konzeptionell schriftlicher Äußerungen, wie sie von Koch/ Oesterreicher 198 Vgl. hierzu auch Storrer (2001: 451). 199 Vgl. hierzu Koch/ Oesterreicher (1990: 84ff.). <?page no="113"?> 113 (1990: 12) für die Distanzsprache angenommen werden, zuwider, und verweist die betrachtete Diskursart somit in den Bereich der Nähesprache. Indes weisen die leichte Abnahme von Tippfehlern und die deutliche Zunahme von Korrekturen in Form von Selbst- und Fremdkorrekturen bei gleichzeitiger Ausbildung von Korrekturkonventionen, wie sie für Teil-Korpus 2008 ermittelt werden konnten, in die Richtung zunehmender Distanzsprachlichkeit, da diese von einem höherem Planungsgrad sowie vermehrter Reflektiertheit zeugen. 7.1.2 Kompetenzbedingte Phänomene Abzugrenzen von den im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen, genuin performanzbedingten Orthographiefehlern sind Phänomene, die dem Bereich der Kompetenz zuzuweisen sind. Dabei handelt es sich zum einen um reine Ignoranzfehler und zum anderen um Formen, die zwar von der französischen Orthographie abweichen, die jedoch keine Orthographiefehler im engeren Sinne darstellen, insofern sie im Sinne einer chat-spezifischen Kompetenz zum Teil hochfrequent verwendet werden. Wie in Abschnitt 7.1 ausgeführt, werden reine Ignoranzfehler im Zuge vorliegender Untersuchung nicht gesondert beleuchtet, da deren Entstehen im Gegensatz zu den betrachteten Performanz-Fehlern nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Nutzung der Chat-Technologie steht. 200 Abweichungen von der Orthographie hingegen, die sich auf das Vorliegen einer chatspezifischen Kompetenz zurückführen lassen, werden in den folgenden Abschnitten des siebten Kapitels eingehend untersucht. Dennoch kann sich auch die Unterscheidung reiner Ignoranzfehler von chat-spezifischen Phänomenen im Einzelfall schwierig gestalten, denn es ist nicht auszuschließen, das im Sinne eines ludischen Umgangs mit Sprache bewusst spontane Abweichungen von der Orthographie vorgenommen werden, denen keine mangelnde Orthographiekompetenz zugrunde liegt, die jedoch aufgrund ihres spontanen Charakters innerhalb des Korpus nicht so frequent erfolgen, als dass sich daraus das Vorliegen eines chatspezifischen Verfahrens ableiten ließe. In die Auswertung wurden lediglich solche sprachlichen Formen und Verfahren einbezogen, die eindeutig den ausgewählten Beschreibungskategorien zugeordnet werden konnten. 200 Zur Erstellung von Fehlertypologien vgl. Kielhöfer (1976); zu Fragen der französischen Orthographie insgesamt vgl. Börner (1977) und Catach (1992). <?page no="114"?> 114 7.2 Syntaktische Aspekte Im Rahmen der diachronen Betrachtung syntaktischer Aspekte wird im Folgenden zunächst die durchschnittliche Länge der Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns bestimmt und der Fokus auf syntaktische Kurzformen sowie die Komplexität der Äußerungen gerichtet. Darüber hinaus wird in diesem Zusammenhang auf die Verwendung von Majuskeln am Turn-Beginn sowie auf die Verwendung von Interpunktionszeichen am Turn-Ende eingegangen. Aufgrund ihrer Bindung an das Hier und Jetzt der Sprechsituation wurden Kommunikationsverläufe im Chat in Abschnitt 6.2 trotz ihrer medialen Schriftlichkeit als Diskursart definiert. Dementsprechend wurden die drei verschiedenen Arten sprachlicher Manifestationen, die im IRC auftreten, in Abschnitt 4.1.1.2 in Anlehnung an Goffman unter den Begriff des Turns subsumiert, wobei in diesem Zusammenhang Äußerungs-, Handlungsbzw. Zustandsbeschreibungssowie servergenerierte Turns unterschieden wurden. Dass sich das Konzept des Satzes als Beschreibungsgröße, wie es der Beschreibung medial schriftlicher Textsorten größtenteils zugrunde liegt, insgesamt als ungeeignet für die Untersuchung der Kommunikationsform Chat erweist, belegen auch die frequente Verwendung von Einform-Turns (vgl. Abschnitt 7.2.1) und die größtenteils ausbleibende Markierung von Satzgrenzen (vgl. Abschnitt 7.2.4). 201 Ebenfalls in die Richtung ausgeprägter Nähesprachlichkeit weist die durchschnittliche Länge der Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns, die sich aus diachroner Perspektive wie folgt darstellt: Abbildung (7-VI): Durchschnittliche Turn-Länge 2003 2008 Äußerungs-Turns (<>)* 3,91 4,31 Handlungs-/ Zustandsbeschreibungs-Turns (ZB)** 6,14 5,28 Grundeinheit: *Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs-Turns/ **Summe lexikalische Einheiten in Zustandsbeschreibungen Während die durchschnittliche Länge der Äußerungs-Turns eine leichte Zunahme um 0,4 lexikalische Einheiten erfahren hat, ist die der Handlungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns um 0,86 lexikalische Einheiten rückläufig. Dass letztere insgesamt - wobei die servergenerierten turninitial aufgeführten Nicknames nicht in die Ermittlung der durchschnittlichen Turn-Länge 201 Vgl. hierzu auch Wilde (2002: 13) sowie Dittmann (2001: 67). <?page no="115"?> 115 einbezogen wurden - zu beiden Untersuchungszeitpunkten im Durchschnitt länger sind als die Äußerungs-Turns, ist darauf zurückzuführen, dass Handlungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns aufgrund ihres beschreibenden Charakters ein höheres Maß an Komplexität und damit Distanzsprachlichkeit aufweisen. Die Äußerungs-Turns zeichnen sich jedoch im Durchschnitt nach wie vor durch Kürze aus und erinnern an die syntaktischen Strukturen gesprochener Sprache. 202 Gleichwohl besteht für die Äußerungen im Chat ein deutlich höherer Produktionsaufwand als für gesprochene Äußerungen. Die knappe Syntax der Logfiles zeugt daher in besonderem Maße von der Quasi-Synchronizität des Austauschs und dem Bemühen der Nutzer, angesichts des trägermedial bedingt erhöhten Produktionsaufwandes die Geschwindigkeit der Kommunikation dem Niveau gesprochener Sprache anzupassen. Ein weiterer Aspekt liegt in der technisch induzierten verborgenen Textproduktion begründet: da der Kommunikationsverlauf auch während der Textproduktion weiter voranschreitet und nicht zu ersehen ist, ob die anderen Teilnehmer parallel weitere Turns produzieren, muss ein Turn unter gleichzeitiger Beobachtung des Kommunikationsverlaufes am Bildschirm schnellstmöglich eingebracht werden, damit er noch relevant ist. 203 Dabei steigt die Anforderung einer schnellen Textproduktion mit zunehmender Geschwindigkeit des Kommunikationsaufkommens. Die knappe Syntax der Äußerungs-Turns, die mit rund 76% (Teil-Korpus 2003) bzw. 70% (Teil-Korpus 2008) den größten Anteil an den Turns insgesamt einnehmen (vgl. Abschnitt 5.3.2), ist aufgrund des sich darin widerspiegelnden Planungsaufwandes und der daraus resultierenden geringen Informationsdichte folglich als nähesprachliche Versprachlichungsstrategie zu charakterisieren, wobei die diachron ermittelte leichte Zunahme der Turn-Länge in die Richtung zunehmender Distanzsprachlichkeit weist. 7.2.1 Syntaktische Kurzformen: Einform-Turns Wie die Ermittlung der durchschnittlichen Länge der Äußerungs-Turns in Abbildung (7-VI) ergeben hat, zeichnet sich die Syntax der untersuchten Logfiles durch Kürze aus. Eine besondere Ausprägung syntaktischer Kurzformen stellen Äußerungs-Turns dar, die lediglich aus einer lexikalischen Einheit und gegebenenfalls einem Interpunktionszeichen oder einem bzw. einer Folge von Interpunktionszeichen konstituiert sind und im Folgenden als Einform-Turns bezeichnet werden. In den Logfiles finden sich vielfach ganze Passagen, die aus aufeinander folgenden Einform-Turns, zum Teil desselben Nutzers, bestehen, wie Beispiel (7-10) verdeutlicht. 202 Vgl. Koch/ Oesterrreicher (1990: 86ff.). 203 Vgl. Storrer (2001: 451). <?page no="116"?> 116 Beispiel (7-10): Passagen aus Einform-Turns a. 141 <kmz> lol 142 <kmz> bof 143 <kmz> : p 144 <Error404> tiens (2003-B-IV-3) b. 440 [16: 18] <%Super-Mouton> ouaiii 441 [16: 18] <%Super-Mouton> =) 442 [16: 18] <%Myrdin|aw> o/ 443 [16: 18] <@Xibalba> Cool (2008-A-I-1) Wie anhand der Beispiele deutlich wird, kann ein Einform-Turn aus verschiedenen Arten von lexikalischen Einheiten wie Sigeln, Interjektionen oder Emoticons bestehen. In Hinblick auf die Äußerungen in Z. 440 und Z. 441 des Beispiels (7-10b) stellt sich darüber hinaus die Frage, ob eventuell vom Vorliegen einer Äußerung auszugehen ist, die aus zwei Äußerungs-Turns konstituiert ist (vgl. Abschnitt 7.2.2). Der Anteil von Einform-Turns an der Gesamtheit der Äußerungs-Turns beträgt im Teil-Korpus 2003 31,19%, im Teil-Korpus des Vergleichsjahres 2008 hingegen nur noch 24,34%, wie Abbildung (7-VII) illustriert. Abbildung (7-VII): Einform-Turns 2003 2008 Einform-Turns* 31,19% (1550) 24,34% (1546) davon: ** aus lexikalischer Einheit konstituiert 96,90% (1502) 97,67% (1510) aus Interpunktionszeichen konstituiert 3,10% (48) 2,33% (36) Bezugsgröße: *Summe Äußerungs-Turns/ **Summe Einform-Turns Insgesamt zeichnet sich diachron folglich ein Rückgang an Einform-Turns um 6,85 Prozentpunkte ab, wobei sich der Anteil an Einform-Turns, die aus einem oder einer Folge von Interpunktionszeichen bzw. einer lexikalischen Einheit konstituiert sind, dabei als weitgehend stabil erweist. Der Großteil der Einform-Turns besteht nach wie vor aus einer lexikalischen Einheit, wobei sich folgende Verteilung auf die verschiedenen Kategorien lexikalischer Einheiten ergibt: <?page no="117"?> 117 Abbildung (7-VIII): Einform-Turns nach Kategorien 2003 2008 Nicht im Sinne untenstehender Verfahren veränderte lexikalische Einheiten/ Sonstige 37,88% (569) 44,17% (667) Abbreviativ-Formen 204 30,83% (463) 13,58% (205) Emoticons/ Bixies 205 15,38% (231) 29,80% (450) Interjektionen 206 13,05% (196) 11,85% (179) Logogramme 207 2,86% (43) 0,60% (9) Bezugsgröße: Summe Einform-Turns aus lexikalischer Einheit konstituiert Veränderungen bezüglich der Verteilung auf die verschiedenen Kategorien zeigen sich insbesondere im Bereich der Abbreviativ-Formen und der Emoticons: während der Anteil an aus Abbreviativ-Formen konstituierten Einform-Turns um 17,25 Prozentpunkte gesunken ist, hat er in Bezug auf die aus Emoticons bzw. Bixies bestehenden Einform-Turns um 14,42 Prozentpunkte zugenommen. Darin spiegelt sich eine Tendenz wider, die in den Abschnitten 7.3.1 und 7.5.1 sowie 7.5.2 noch eingehend beleuchtet wird. In Teil-Korpus 2008 bilden mit 44,17% den bedeutendsten Anteil an Einform- Turns nunmehr Äußerungen, die aus lexikalischen Einheiten bestehen, die keiner der in Abbildung (7-VIII) aufgeführten Kategorien angehören. In Abschnitt 7.2 wurde die ermittelte durchschnittliche Kürze der Äußerungs-Turns bereits als nähesprachliche Versprachlichungsstrategie gewertet. Die konstatierte Präferenz für Kurzformen des Typs Einform-Turn verweist die betrachteten Logfiles ebenso in den Bereich der Nähesprache, wobei der im diachronen Vergleich beider Teil-Korpora ermittelte rückläufige Anteil an Einform-Turns um 6,85 Prozentpunkte deutlicher noch als die konstatierte Zunahme der durchschnittlichen Turn-Länge eine Tendenz zu zunehmender Distanzsprachlichkeit erkennen lässt. Determinierende Faktoren für die syntaktische Knappheit sind in erster Linie auf das Trägermedium zurückzuführen und unterscheiden sich maßgeblich von den für gesprochene Sprache bestimmenden Faktoren wie es beispielsweise das Atemvolumen darstellt: 204 Vgl. Abschnitt 7.3.1. 205 Vgl. Abschnitt 7.5.1 und 7.5.2. 206 Vgl. Abschnitt 7.3.2. 207 Vgl. Abschnitt 7.4.3. <?page no="118"?> 118 Factors such as screen size, average typing speed, minimal response times, competition for attention, channel population and the pace of channel conversations all contribute to the emergence of certain characteristic properties. Some of the most obvious of these properties involve a tendency toward brevity which manifests itself in speaking turns of very short length, various forms of abbreviation, and the use of stored linguistic formulas. (Werry 1996: 53) Insbesondere hohes Kommunikationsvolumen bei hoher Teilnehmerzahl begünstigt die Verwendung syntaktischer Kurzformen. Dennoch ist deren grundlegende Bedeutung für die betrachtete Diskursart nicht zu unterschätzen. So sind prinzipiell auch bei geringem Kommunikationsaufkommen umfassende Äußerungs-Turns nicht zu erwarten, was auf zwei Aspekte zurückzuführen ist: zum einen bleibt der Produktionsprozess im Chat aufgrund fehlenden physischen Kontakts der Interaktanten verborgen, so dass das Verfassen längerer Äußerungs-Turns die Gefahr eines Aufmerksamkeits- Entzuges mit sich bringt und zum anderen ist die Kommandozeile des Clients so beschaffen, dass längere Äußerungen im Produktionsprozess aus dem Sichtfeld des Verfassers geraten. 7.2.2 Syntaktische Komplexität: Parataxe vs. Hypotaxe Die in den vorhergehenden Abschnitten nachgewiesene Kürze der Turns legt eine geringe syntaktische Komplexität der untersuchten Logfiles bereits nahe und dementsprechend erweist sich die Turn-Struktur der Äußerungen und Zustandsbeschreibungen auch als weitgehend parataktisch: Beispiel (7-11): Parataktische Turn-Strukturen a. 40 <TILT> je la connait depuis hier 41 <TILT> elle arret pas en pv (2003-B-I-2) b. 6 [13: 48] <+gtranche> arf 7 [13: 48] <+gtranche> suis pas si gros : '( 8 [13: 49] <+gtranche> saymal de me dire des méchanceté des le matin ! 9 [13: 49] <@Galateia> c'est par la surprise 10 [13: 49] <+gtranche> ouais ouais 11 [13: 49] <@Galateia> genre on est le matin 12 [13: 54] <+gtranche> bah eu 13 [13: 54] <+gtranche> 14h du mat 14 [13: 54] <+gtranche> c'est connu (2008-B-I-1) <?page no="119"?> 119 Anhand der Beispiele (7-11a) und (7-11b) lässt sich die Präferenz der Nutzer für parataktische Turn-Strukturen nachweisen. Dabei zeigt sich, dass Äußerungen, wie beispielsweise in Z. 12 bis Z. 14 des Beispiels (7-11b), vielfach in Form von chunks auf mehrere Turns aufgeteilt werden. Die diachrone Auswertung hinsichtlich parabzw. hypotaktischer syntaktischer Strukturen der Turns ergibt dementsprechend folgendes Bild: Abbildung (7-IX): Anteil hypotaktischer Turn-Strukturen 2003 2008 Anteil hypotaktischer Turn- Strukturen* 1,51% (78) 2,32% (153) davon: ** - Relativsatz 30,77% (24) 23,53% (36) andere Formen 69,23% (54) 76,47% (117) Bezugsgröße: *Summe Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns/ **Summe hypotaktische Turns Die Binnenstruktur der untersuchten Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns erweist sich sowohl im Jahr 2003 als auch im Jahr 2008 als überwiegend parataktisch, wobei sich im diachronen Vergleich eine Veränderung um 0,81 Prozentpunkte in Richtung einer vermehrt hypotaktischen Konstruktionsstruktur für das Teil-Korpus 2008 ergibt. Während die Relativsätze (vgl. Beispiel 7-12) im Teil-Korpus 2003 mit 30,77% noch einen großen Anteil an der Gesamtheit der hypotaktischen Strukturen ausmachen, zeigt sich für das Vergleichskorpus aus dem Jahr 2008 diesbezüglich eine Abnahme um 7,24 Prozentpunkte auf 23,53%, was auf eine Differenzierung im Bereich der hypotaktischen Konstruktionen im Sinne einer zunehmenden Verwendung verschiedener Formen von Adverbialsätzen hindeutet. Beispiel (7-12): Hypotaktische Verknüpfungen in Form von Relativsätzen a. 362 <Voltali_OQP> LEs droit tv sont un sujet qui reste trop epineux ! (2003-A-IV-2) b. 283 [11: 42] <Arntor> merde, le téléphone qui sonne m'oblige à bosser (2008-B-II-1) Während die Verwendung hypotaktischer Strukturen den erhöhten Planungsaufwand distanzsprachlicher Äußerungsformen widerspiegelt, entspricht die Parataxe der Spontaneität und dem geringen Planungsaufwand <?page no="120"?> 120 nähesprachlicher Diskurse. 208 Insofern erweist sich die Vermeidung distanzsprachlicher, hypotaktischer Strukturen zugunsten einer Aufteilung der Äußerungen in mehrere parataktische Einheiten, die in den Logfiles nachgewiesen werden konnte, als in hohem Maße nähesprachlich, auch wenn die ermittelte geringe Zunahme hypotaktischer Strukturen um 0,81 Prozentpunkte wiederum von der Tendenz einer Verschiebung der betrachteten Diskursart in Richtung ausgeprägterer Distanzsprachlichkeit zeugt. 7.2.3 Verwendung von Majuskeln am Turn-Beginn Einen weiteren Aspekt im Rahmen der Betrachtung von Merkmalen auf syntaktischer Ebene stellt die Verwendung von Majuskeln am Turn-Beginn dar, die im Unterschied zu anderen Realisierungsformen medialer Schriftlichkeit innerhalb der untersuchten Diskursart eine untergeordnete Rolle einnimmt, wie folgendes Beispiel verdeutlicht: Beispiel (7-13): Verwendung von Majuskeln und Minuskeln am Turn-Beginn a. 32 <Nosphe> ja i compri c le nouvelle mode ici 33 <MIOUSE> de koi 34 <Nosphe> on vien mais ne parle po 35 <Nosphe> lolll 36 <Nosphe> c sa caro 37 <Nosphe> ? ? 38 <MIOUSE> c come dab 39 <caro> bah ouais 40 <caro> tu regarde les autres écrire ) 41 <MIOUSE> mdr (2003-B-II-3) b. 29 [15: 04] <Coquelicot> Coucou Melodie : x : x 30 [15: 05] <%Melodie> ahh la zolie fleur bisouilles Coquelicot: ) 31 [15: 05] <Coquelicot> Enfin terminesh le boulot d'fous ! 32 [15: 06] <Coquelicot> ça va Melodie ? 33 [15: 07] <%Melodie> vi je me reveille loll j'ai trop siesté: ( 34 [15: 07] <%Melodie> je me sens ds la semoule 35 [15: 07] <%Melodie> tu es en week ca ye? 36 [15: 08] <Coquelicot> non demain matin encore (2008-C-II-2) Während in Beispiel (7-13a) durchgängig Minuskeln am Turn-Beginn verwendet werden, zeichnet sich in Beispiel (7-13b) bereits zunehmende Majuskel-Verwendung ab: so verwendet <Coquelicot> in Z. 29 und Z. 31 Majuskeln am Turn-Beginn, während in Z. 32 und Z. 36 Minuskeln verwendet werden. 208 Vgl. Koch/ Oesterreicher (1990: 96). <?page no="121"?> 121 Insgesamt ergibt der diachrone Vergleich der beiden Teil-Korpora eine signifikante Veränderung durch Zunahme der Majuskel-Verwendung am Turn-Beginn um 19,2 Prozentpunkte im Jahr 2008. Abbildung (7-X): Majuskel-Verwendung am Turn-Beginn 2003 2008 Majuskel-Verwendung am Turn- Beginn 6,76% (336) 25,96% (1649) Bezugsgröße: Summe Äußerungs-Turns Zwar findet die Verwendung von Majuskeln bzw. Minuskeln am Turn- Beginn aufgrund der unterschiedlichen Medialität keine Entsprechung in gesprochener Sprache, die Minuskel-Verwendung bringt jedoch insofern Nähesprachlichkeit zum Ausdruck, als sie Zeichen von Spontaneität und geringem Planungsaufwand ist. Während in Teil-Korpus 2003 lediglich rund 7% der Äußerungs-Turns durch Majuskel eingeleitet werden, beträgt der Anteil in Teil-Korpus 2008 bereits rund 25% und damit ¼ an der Gesamtheit der Äußerungs-Turns, woraus sich zunehmende kommunikative Distanz und eine Angleichung an Textsorten medialer Schriftlichkeit ableiten lassen. 7.2.4 Interpunktion am Turn-Ende Vergleichbar der Majuskel-Verwendung am Turn-Beginn ergeben sich auch hinsichtlich der Verwendung von Interpunktionszeichen zur Markierung des Turn-Endes deutliche Abweichungen der betrachteten Diskursart von anderen Ausprägungen medialer Schriftlichkeit. So wird, wie Abbildung (7-XI) illustriert, größtenteils kein Gebrauch von Interpunktionszeichen am Turn-Ende gemacht. Abbildung (7-XI): Interpunktion am Turn-Ende 2003 2008 Interpunktion am Turn-Ende 14,09% (728) 17,51% (1156) Bezugsgröße: Summe Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Zwar ergibt sich im diachronen Vergleich der Teil-Korpora 2003 und 2008 in Bezug auf die turnfinale Verwendung von Interpunktionszeichen eine Zunahme um 3,42 Prozentpunkte, dennoch beträgt der Anteil der Äußerungs- und Handlungsbzw. Zustandsbeschreibungs-Turns, der durch ein Interpunktionszeichen abgeschlossen wird, nach wie vor weniger als 20% an der Gesamtheit beider Turn-Arten, wobei an dieser Stelle im Rückgriff <?page no="122"?> 122 auf die Ausführungen in den Abschnitten 7.2 und 7.2.1 zu berücksichtigen ist, dass einzelne Äußerungen aus mehreren Turns konstituiert sein können, so dass nicht jedes Turn-Ende auch das Ende einer Äußerung darstellt. Die Betrachtung der Verteilung der verwendeten Interpunktionszeichen auf die verschiedenen Kategorien gestaltet sich wie in Abbildung (7-XII) dargestellt. Abbildung (7-XII): Interpunktionszeichen am Turn-Ende nach Kategorie 2003 2008 Interrogationszeichen 46,98% (342) 50,61% (585) Exklamationszeichen 36,81% (268) 23,18% (268) Punkt 5,49% (40) 14,88% (172) Zwei oder mehr Punkte 8,38% (61) 10,12% (117) Sonstige 2,34% (17) 1,21% (14) Bezugsgröße: Summe Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns mit Interpunktionszeichen am Turn-Ende Während in Teil-Korpus 2003 vorrangig Interrogations- und Exklamationszeichen verwendet wurden (vgl. Beispiel 7-14a), zeigt der diachrone Vergleich, dass sich die Verteilung auf die verschiedenen Kategorien in Teil- Korpus 2008 differenzierter gestaltet (vgl. Beispiel 7-14b), wenngleich nach wie vor mehrheitlich Interrogationszeichen zur Anwendung kommen. Sowohl die Verwendung eines oder mehrerer Punkte als auch die Verwendung von Interrogationszeichen hat in Teil-Korpus 2008 eine Zunahme erfahren, wohingegen Exklamationszeichen und andere Formen von Interpunktionszeichen in geringerem Umfang zur Anwendung kommen. Beispiel (7-14): Verwendung von Interpunktionszeichen am Turn-Ende a. 9 * poussinet has joined #france 10 <Nils> poussinet : )))))) 11 <Bohemienne> re cocou poussinet : )) 12 <poussinet> lo Nils Bohemienne 13 * Grumpf has quit IRC (Quit: Client Exiting) 14 <Nils> comment ça Nils Bohemienne ? ? <?page no="123"?> 123 15 <Nils> ce n'est pas encore officialisé poussinet 16 <Bohemienne> ben il salue les deux 17 <poussinet> boulet toi ! (2003-A-II-3) b. 150 [15: 48] <r0ck5tar> salut 151 [15: 48] <Silenus> NEP`: que donc ? 152 [15: 49] <NEP`> quoi donc 153 [15: 49] <Silenus> r0ck5tar: lut 154 [15: 49] <NEP`> salut la star 155 [15: 49] <Pompomaway> Deux mots. 156 [15: 49] <Silenus> non, que donc, c'est du vieux fran? ois, piteux 156a manant ! 157 [15: 49] <NEP`> Pompomaway était désespérée : ( 158 [15: 49] <Pompomaway> Fake. 159 [15: 49] <r0ck5tar> c'est quoi le sujet? (2008-A-I-3) In beiden Beispielen kommen zur Markierung der Turn-Grenze neben den oben genannten Interpunktionszeichen auch Emoticons (vgl. Abschnitt 7.5.1) zur Anwendung (Z. 10 und Z. 11 in Beispiel 7-14a, Z. 157 in Beispiel 7-14b), was wiederum die insgesamt geringe Verwendung von Interpunktionszeichen am Turn-Ende erklärt. Eine weitere Veränderung hat sich im diachronen Vergleich hinsichtlich der Anzahl reduplizierter Formen des Interrogations- und Exklamationszeichens ergeben, denn während im Jahr 2003 25,9% aller verwendeten Interrogations- und Exklamationszeichen eine Reduplikation erfahren haben, waren es im Jahr 2008 nur noch 7,74%, wie Abbildung (7-XIII) verdeutlicht. Abbildung (7-XIII): Reduplikation von Interrogations- und Exklamationszeichen am Turn-Ende 2003 2008 Reduplikation von Interrogations- und Exklamationszeichen am Turn-Ende 25,90% (158) 7,74% (66) Bezugsgröße: Summe Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns mit Interrogations- oder Exklamationszeichen am Turn-Ende In Hinblick auf die Verwendung von Interpunktionszeichen am Turn-Ende wird wiederum die besondere Stellung der Diskursart ‚phatischer Chat’ im Spannungsfeld von kommunikativer Nähe und Distanz deutlich. So erweist sich der weitgehende Verzicht auf Interpunktionszeichen aufgrund der trägermedial induzierten Sequenzierung der Äußerungen durch die Server-Instanz in der betrachteten Diskursart als unproblematisch für die Kommunikation. Darüber hinaus hat sich mit der turnfinalen Verwendung <?page no="124"?> 124 von Emoticons als Substituten intonatorischer und prosodischer Kommunikationsmittel (vgl. Abschnitt 7.5.1) ein alternatives Verfahren zur Markierung von Turn-Grenzen ausgebildet. Diese Substituierbarkeit erfährt jedoch eine Einschränkung, die sich im hohen Anteil von Interrogationszeichen an der Gesamtheit der verwendeten Interpunktionszeichen widerspiegelt, der wiederum verdeutlicht, dass Fragen einer expliziten Markierung bedürfen. Während sich die Kennzeichnung von Interrogativ-Turns folglich als unerlässlich für die Diskursart erweist, zeugt die Verwendung von Exklamationszeichen und insbesondere die Reduplikation von Interrogations- und Exklamationszeichen von hoher Emotionalität und ist somit als nähesprachlich zu charakterisieren. Die diachron für Teil-Korpus 2008 ermittelte zunehmende Verwendung von Interpunktionszeichen einerseits sowie der deutliche Rückgang reduplizierter Interrogations- und Exklamationszeichen andererseits weisen demzufolge in die Richtung einer Verschiebung der Diskursart zu erhöhter Distanzsprachlichkeit und einer Abnahme von nähesprachlicher Affektivität und Emotionalität. 7.3 Lexikalische Aspekte In den folgenden Abschnitten wird der Fokus auf die Betrachtung lexikalischer Aspekte gerichtet, indem zum einen Abbreviativ-Formen wie Sigel, Apokopen und Aphäresen und zum anderen Interjektionen und Onomatopoetika sowie Einflüsse und Entlehnungen aus dem Englischen und anderen Sprachen in Hinblick auf ihr Vorkommen in den beiden Teil-Korpora diachron beleuchtet werden. Während unter die im Sinne der Schaffung einer einheitlichen Bezugsgröße der Untersuchung zugrunde gelegten lexikalischen Einheiten jedwede bedeutungstragende Formen subsumiert wurden, zielen die folgenden Betrachtungen zunächst lediglich auf die genannten, im engeren Sinne lexikalisierten Formen ab. 7.3.1 Abbreviativ-Verfahren In Hinblick auf die lexikalischen Aspekte insgesamt stellen die Abbreviativ- Formen in beiden Teil-Korpora das bedeutendste Spezifikum dar, wenngleich sich die Verwendung der verschiedenen Verkürzungsverfahren differenziert gestaltet und diachron Veränderungen erfahren hat, wie die Ausführungen in den folgenden Abschnitten veranschaulichen. Abbildung (7-XIV) illustriert zunächst den Anteil an Abbreviativ-Formen an den lexikalischen Einheiten insgesamt. <?page no="125"?> 125 Abbildung (7-XIV): Abbreviativ-Formen 2003 2008 Abbreviativ-Formen 6,50% (1341) 4,06% (1165) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Der Anteil der Abbreviaturen an den lexikalischen Einheiten hat zwischen 2003 und 2008 um 2,44 Prozentpunkte abgenommen, wobei sich folgende prozentuale Verteilung auf die verschiedenen Verfahren der Abbreviation ergibt: Abbildung (7-XV): Abbreviaturen nach Abbreviations-Verfahren 209 2003 2008 Sigel 63,49% (864) 67,81% (792) Apokopen 23,06% (314) 19,78% (231) Aphäresen 13,45% (183) 12,41% (145) Bezugsgröße: Summe Abbreviativ-Formen Der diachrone Vergleich der verschiedenen Abbreviations-Verfahren in Abbildung (7-XV) verdeutlicht, dass die Sigelbildung im Jahr 2008 um 4,32 Prozentpunkte zugenommen hat, während die beiden anderen Verfahren eine Abnahme um jeweils 3,28 Prozentpunkte (Apokopen) bzw. 1,04 Prozentpunkte (Aphäresen) erfahren haben. Aus dem diachronen Vergleich lässt sich folglich vorerst die Tendenz einer weniger frequenten Verwendung abbreviativer Verfahren ableiten, bei gleichzeitiger Verlagerung des Schwerpunkts der Verkürzungsverfahren auf den Bereich der Sigelbildung. Auf Besonderheiten der einzelnen Verkürzungsverfahren wird in den folgenden Abschnitten gesondert eingegangen, wobei die verschiedenen Formen von Abbreviaturen anhand von Beispielen klassifiziert und einander in diachroner Perspektive gegenübergestellt werden. 209 Die Anzahl Abbreviativ-Formen aus Abb. (7-XIV) ist nicht identisch mit der Summe der Abbreviaturen aus Abb. (7-XV), da für die Ermittlung des Anteils an Abbreviativ- Formen jede lexikalische Einheiten nur einmal erfasst wurde, unabhängig von der Anzahl an Abbreviativ-Verfahren, die sie im Einzelfall ggf. durchlaufen hat. <?page no="126"?> 126 Die Verwendung von Abbreviativ-Formen ist, vergleichbar der Verwendung der in Abschnitt 7.2.1 beschriebenen syntaktischen Kurzformen, vor allem auf die trägermediale Bedingtheit der Kommunikationsform Chat zurückzuführen, und repräsentiert in erster Linie eine Strategie, die darauf abzielt, unter minimalem Produktionsaufwand eine maximale Beteiligung an gegebenenfalls in hoher Geschwindigkeit ablaufenden Kommunikationsvollzügen zu ermöglichen. Insofern Verkürzungsverfahren wie die Sigelbildung oder die Trunkierung durch Apokopen oder Aphäresen eine Beschleunigung des Produktionsprozesses ermöglichen, rücken sie die betrachtete Diskursart in den Bereich der Nähesprache. Denn durch die Annäherung an den Sprechrhythmus und die Geschwindigkeit gesprochener Sprache kann ein hohes Maß an Dialogizität erreicht werden. Die diachron ermittelte Verringerung des Anteils abbreviativer Formen ist in diesem Sinne als Tendenz in die Richtung zunehmender Distanzsprachlichkeit zu werten. 7.3.1.1 Sigelbildung Unter den Begriff des Sigels werden im Folgenden verschiedene Formen von Abbreviaturen subsumiert. Dazu gehören zum einen Akronyme als „[a]us den Anfangsbuchstaben oder -silben einer Wortgruppe oder eines Kompositums gebildete Abkürzung[en], die als Wort verwendet [werden]“ (Glück 2005: 22), wobei diese entweder ausbuchstabiert oder als phonetisches Wort gesprochen werden, 210 und zum anderen „Formen der ökonomischen graphischen Kürzung“ (Bußmann 2008: 1) wie orthotypographische Abkürzungen 211 , die aus den Anfangsbuchstaben eines Wortes generiert und durch einen Punkt gekennzeichnet werden. Hinsichtlich der Sigel wird darüber hinaus in den folgenden Ausführungen eine Differenzierung in alltagssprachliche und chat-spezifische Sigel 212 vorgenommen. Dabei werden alltagssprachliche Sigel als Abkürzungen aufgefasst, deren Ursprung nicht auf die Formen computervermittelter Kommunikation, sondern auf die Verwendung in Textsorten wie Mitschriften, Zeitungsannoncen und Telegrammen zurückzuführen ist (vgl. Beispiel 7-15), während chat-spezifische Sigel 213 (vgl. Beispiel 7-16) ihren Ursprung in cvK haben und zunehmend auch außerhalb der computervermittelten Kommunikationsformen zur Anwendung kommen. 210 Vgl. Bußmann (2008: 1). Das Kriterium der Lesbarkeit erweist sich für die der Untersuchung zugrunde liegende Diskursart jedoch lediglich als bedingt relevant, da die Logfiles in der Regel keine lautliche Realisierung erfahren. 211 Vgl. Anis (2001: 37). 212 Vgl. Anhang D. 213 Vgl. hierzu auch Krautgartner (2003). <?page no="127"?> 127 Beispiel (7-15): Alltagssprachliche Sigel a. 55 <MiaS> ben je dis bonjour globalement 56 <MiaS> qd j'arrive ds un chan 57 <nuc> tu me previendras po 58 <MiaS> qd j'ai pas le tps (2003-C-I-3) b. 1085 [23: 40] <%guernajade> canalcinema en minuscule stp bsr (2008-C-III-2) In Beispiel (7-15a) finden sich mit qd (quand) in Z. 56 und Z. 58, ds (dans) in Z. 56 sowie tps (temps) in Z. 58 drei alltagssprachliche Sigel, bei denen es sich gleichzeitig um Formen ökonomisch graphischer Kürzung handelt. In Beispiel (7-15b) wird hingegen neben der ökonomisch graphischen Kürzung bsr (bonsoir) mit stp (s’il te plaît) auch ein Akronym im Sinne der genannten Definition verwendet. Beispiel (7-16): Chat-spezifische Sigel a. 41 <Caterpillar> regardez mon asv : p (2003-B-III-2) b. 911 [23: 33] <bauer69> mdr 912 [23: 33] <%guernajade> lol (2008-C-III-2) Mit asv wird in Beispiel (7-16a) ein chat-spezifisches Sigel gebraucht, das als Akronym von âge sexe ville dazu verwendet wird, diese drei Aspekte bei einem Interaktionspartner zu erfragen. In Beispiel (7-16b) finden sich die beiden am häufigsten genutzten chat-spezifischen Akronyme mdr (mort de rire) in Z. 911 und sein englisches Äquivalent lol (laughing out loud) in Z. 912, die der Darstellung eines lauten Lachens, das eine Äußerung auf Seiten des Empfängers provoziert hat, dienen und damit wie die Handlungs- und Zustandsbeschreibungen eine Handlung zum Ausdruck bringen. Insofern die genannten Akronyme in besonderer Weise Emotionalität zum Ausdruck bringen, ähneln sie in ihrer Funktionsweise darüber hinaus den Emoticons (vgl. Abschnitt 7.5.1). Aus diachroner Perspektive gestaltet sich die Sigelverwendung, wie in Abbildung (7-XVI) verdeutlicht. <?page no="128"?> 128 Abbildung (7-XVI): Sigelverwendung nach Art des Sigels 2003 2008 Alltagssprachliche Sigel 26,04% (225) 37,50% (297) Chat-spezifische Sigel 73,96% (639) 62,50% (495) Bezugsgröße: Summe Sigel Während im Jahr 2003 mit rund 74% noch deutlich mehr chat-spezifische als alltagssprachliche Sigel genutzt wurden, hat deren Verwendung im Vergleichsjahr 2008 um 11,46 Prozentpunkte abgenommen und der Gebrauch alltagssprachlicher Sigel einen entsprechenden Zuwachs erfahren. Insgesamt bleibt jedoch die Verwendung von Sigeln im Jahr 2008 mit 1,43 Prozentpunkten deutlich hinter der des Vergleichsjahrs 2003 zurück, wie Abbildung (7-XVII) illustriert. Abbildung (7-XVII): Sigel-Verwendung 2003 2008 Sigel 4,19% (864) 2,76% (792) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns In Hinblick auf die Sigel-Verwendung ergibt sich folglich, wie für die Abbreviativ-Formen insgesamt, eine abnehmende Tendenz, was, wie in Abschnitt 7.3.1 beschrieben, von rückläufiger Nähesprachlichkeit zeugt. Die innerhalb der Gruppe der Sigel konstatierte Verschiebung zugunsten alltagssprachlicher Sigel wiederum weist in die Richtung abnehmender Emotionalität, insofern chat-spezifische Sigel wie mdr oder lol vornehmlich dazu dienen, Emotionalität auszudrücken. Insgesamt lässt sich daraus ein Wandel in Bezug auf die Funktion von Sigeln ableiten, die in Teil-Korpus 2008 weniger zur Darstellung von Emotionalität als zur Beschleunigung des Produktionsprozesses eingesetzt werden. In Bezug auf die Verwendung der chat-spezifischen Akronyme lol und mdr ergibt sich eine deutliche Präferenz für den englischen Ausdruck lol, wie in Abbildung (7-XVIII) und Abbildung (7-XIX) dargelegt wird. <?page no="129"?> 129 Abbildung (7-XVIII): Verwendung chat-spezifischer Sigel 2003 2008 lol 66,04% (422) 60,40% (299) mdr 18,62% (119) 20,20% (100) Sonstige 15,34% (98) 19,40% (96) Bezugsgröße: Summe chat-spezifische Sigel Diachron zeigt sich, dass lol weiterhin das meist genutzte Sigel darstellt, wenngleich die Verwendung dieses Akronyms zugunsten des französischen Äquivalents mdr sowie anderer chat-spezifischer Akronyme, die jeweils einen Zuwachs um 1,58 respektive 4,06 Prozentpunkte erfahren haben, um 5,64 Prozentpunkte abgenommen hat. Insgesamt hat jedoch sowohl der Anteil des Akronyms lol als auch der des Akronyms mdr an den lexikalischen Einheiten einen Rückgang erfahren. Abbildung (7-XIX): Verwendung von lol und mdr 2003 2008 lol 2,05% (422) 1,04% (299) mdr 0,58% (119) 0,35% (100) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns In Hinblick auf die Sigelbildung ist abschließend anzumerken, dass es sich dabei nicht um ein chat-spezifisches Novum handelt, wie allein schon die Existenz und das Vorkommen alltagssprachlicher Sigel in den Logfiles belegen, sondern um ein Verfahren, das bereits lange vor Ausbildung der computervermittelten Kommunikationsformen zur Anwendung kam, wie beispielsweise in der antiken römischen Inschrift SPQR (Senatus Populusque Romanus), und das insbesondere für verschiedene Textsorten außerhalb von cvK, wie Telegramme oder Annoncen, konstitutiv ist. 214 Vielmehr wird im Rahmen der Chat-Kommunikation zwar frequent auf das Verfahren der Sigelbildung rekurriert, 214 Vgl. Dejond (2002: 20). <?page no="130"?> 130 [d]er Gebrauch von netzspezifischen Akronymen sollte jedoch nicht überschätzt werden. Ähnlich wie bei den Emoticons [...] existieren auch für Akronyme seitenlange Listen, obwohl in der Praxis nur wenige Abkürzungen tatsächlich relevant sind. In der massenmedialen Darstellung der Netzkommunikation sind Emoticons und Akronyme wegen ihrer Originalität und ihres Unterhaltungswertes meist überrepräsentiert. (Döring 2003: 89) Während derartige Kurzformen außerhalb von cvK dazu dienen, ein Maximum an Informationen aus Platz- und bzw. oder Kostengründen auf ein Minimum an Graphemen zu reduzieren, spiegeln sie in der Chat-Kommunikation in erster Linie das Bestreben der Nutzer wider, die Geschwindigkeit des medial schriftlich erfolgenden Austauschs im Sinne der Dialogizität der Kommunikationsform der Geschwindigkeit medial mündlicher Kommunikation anzugleichen. 7.3.1.2 Trunkierung: Apokopen und Aphäresen Weitere Abbreviativ-Verfahren stellen die Kürzung am Wortende, die Apokope, bzw. die Kürzung am Wortanfang, die Aphärese, dar. Dabei handelt es sich um Verkürzungsverfahren, die beispielsweise in der Jugendsprache frequent verwendet werden, wobei die Aphärese dem kryptischen Charakter dieser Varietät insofern eher entgegenkommt, als die Herkunft des Ursprungswortes weniger transparent ist. 215 Orthotypographische Abkürzungen wurden, obwohl durch Apokopierung generiert, aufgrund ihres eher funktionellen denn ludischen Charakters unter die Sigel subsumiert und gehen nicht in die folgenden Betrachtungen ein. In den untersuchten Logfiles finden sich verschiedene Apokopen wie Beispiel (7-17) veranschaulicht. Beispiel (7-17): Apokopen a. 214 <Vilain_pabo> comme d'hab quoi (2003-B-II-1) b. 718 [16: 40] <Elvira> Faut pas donner son num de tel a n'importe qui Myrdin 718a : ( (2008-A-I-1) Während sowohl die in Beispiel (7-17a) verwendete Apokope d’hab (d’habitude), als auch die in Beispiel (7-17b) gebrauchten Apokopen num (numéro) und tel (téléphone) keine chat- oder cvK-spezifische Markierung aufweisen, 215 Vgl. hierzu Zimmermann (2003: 51f.). <?page no="131"?> 131 handelt es sich bei der Apokope des Typs re, die in Beispiel (7-18) dargestellt ist, um eine cvK-spezifische Form. Beispiel (7-18): Apokope des Typs re a. 430 <Voltali_OQP> je re a 22H (2003-A-IV-2) b. 68 [12: 01] <MisterWario> Je re 69 [12: 02] * jofazer is now known as jofazer|abs 70 [12: 05] <MisterWario> re (2008-A-II-1) Bei den Formen in Beispiel (7-18a) sowie in den Z. 68 und Z. 70 des Beispiels (7-18b) handelt es sich jeweils um eine Kombination aus lexikalischer und syntaktischer Verkürzung, bei der retour zu re verkürzt wird und auf die Verwendung eines Verbs, in Z. 70 auch eines Substantivs, verzichtet wird, wobei letztere Verwendung innerhalb des Korpus überwiegt. Während in den Äußerungen in Beispiel (7-18a) und in Z. 68 des Beispiels (7-18b) die jeweiligen Nutzer mitteilen, wann sie wieder bzw. dass sie in Kürze wieder an der Kommunikation teilnehmen, bringt re in Z. 70 des Beispiels (7-18b) die Rückkehr selbst zum Ausdruck. Diachron zeigt sich in Bezug auf die Apokopen, dass sowohl deren Anteil an den lexikalischen Einheiten insgesamt als auch an den Abbreviativ- Formen abgenommen hat (vgl. Abbildung 7-XX). Abbildung (7-XX): Apokopen 2003 2008 Apokopen* 1,52% (314) 0,80% (231) Apokopen** 23,06% (314) 19,78% (231) Bezugsgröße: *Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs- Turns/ **Summe Abbreviativ-Formen Neben der Apokope stellt die Tilgung des Wortanfangs, die Aphärese (vgl. Beispiel 7-19), ein weiteres, in den Logfiles jedoch weniger frequent verwendetes Wortverkürzungs-Verfahren dar. Beispiel (7-19): Aphärese a. 123 <manwe> c vide chez moi san sik (2003-B-IV-3) <?page no="132"?> 132 b. 128 [12: 02] <totor> lut venus13 (2008-C-IV-3) In Beispiel (7-19a) liegt bei sik (musique) neben der Aphärese eine Allographie von qu zu k vor, während es sich bei lut in Beispiel (7-19b) um eine Aphärese der Ursprungsform salut handelt. Der diachrone Vergleich ergibt - vergleichbar den hinsichtlich der Apokopen ermittelten Werte - eine Abnahme des Anteils von Aphäresen sowohl in Bezug auf die Gesamtheit der lexikalischen Einheiten als auch in Bezug auf die Gesamtheit der Abbreviaturen. Abbildung (7-XXI): Aphäresen 2003 2008 Aphäresen* 0,89% (183) 0,51% (145) Aphäresen** 13,45% (183) 12,41% (145) Bezugsgröße: *Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs- Turns/ **Summe Abbreviativ-Formen Sowohl Apokope als auch Aphärese dienen zunächst der Wortverkürzung und tragen in Bezug auf die untersuchte Diskursart wie die Sigel vor allem zu einer Ökonomisierung im Rahmen des Produktionsprozesses bei. Darüber hinaus kommt beiden Verfahren in höherem Maße als anderen Abkürzungsverfahren eine ludische bzw., im Fall der Aphärese, kryptische Funktion zu. Dass diese in Bezug auf die untersuchte Diskursart insgesamt eine untergeordnete Rolle einnimmt (vgl. Abschnitt 8.2), spiegelt sich denn auch in der geringeren Verwendung von Aphäresen im Vergleich zu den Apokopen wider. Als nähesprachlich sind beide Verfahren wiederum insofern zu charakterisieren, als sie, wie die Wortverkürzung im Allgemeinen, von dem Bemühen der Interaktanten zeugen, die Geschwindigkeit des Produktionsprozesses innerhalb der Diskursart der von Nähediskursen anzupassen, wenngleich beide Verfahren insgesamt leicht rückläufig sind. 7.3.2 Onomatopoetika und Interjektionen Im Bereich der lexikalischen Aspekte nehmen neben den verschiedenen Formen der Wortverkürzung die Onomatopoetika und Interjektionen eine besondere Stellung ein, wie Beispiel (7-20) illustriert. <?page no="133"?> 133 Beispiel (7-20): Onomatopoetika und Interjektionen a. 372 <laly> grrrrrrrrr 373 <Sen700> arf 374 <malak> hum hum (2003-A-III-1) b. 942 [10: 21] <@Cessou_> oula j'ai cru que amour sté manuel 943 [10: 21] <@Cessou_> pff 944 [10: 22] <%manuel> arf (2008-C-III-1) Sowohl anhand von Beispiel (7-20a) als auch anhand von Beispiel (7-20b) wird deutlich, dass die Verwendung von Onomatopoetika und Interjektionen in den betrachteten Logfiles, wie in Abschnitt 7.2.1 beschrieben, zu einem nicht unbedeutenden Anteil im Rahmen von Einform-Turns erfolgt. Frequenter ist hingegen die turninitiale Verwendung wie in Z. 942 des Beispiels (7-20b). Darüber hinaus können die Formen durch Zeichenreduplikation in ihrer Intensität gesteigert werden wie in Z. 372 des Beispiels (7-20a) (vgl. Abschnitt 7.4.6.1). Im diachronen Vergleich ergibt sich in Bezug auf den Anteil an Onomatopoetika und Interjektionen an der Gesamtheit der lexikalischen Einheiten zwischen den Vergleichsjahren 2003 und 2008 ein Rückgang um 0,65 Prozentpunkte von 3,12% auf 2,47%. Abbildung (7-XXII): Onomatopoetika und Interjektionen 2003 2008 Onomatopoetika und Interjektionen 3,12% (644) 2,47% (709) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Als „Spezialzeichen für Emotionen“ (Trabant 1998: 121) sind Interjektionen in besonderer Weise Merkmale von Nähesprachlichkeit. In medial schriftlichen Textsorten kommen derartige Formen daher vergleichsweise selten zur Anwendung, außer beispielsweise in Comics. 216 Interjektionen „erlauben zum einen maximale Spontaneität und fördern Dialogizität im weitesten Sinne; zum anderen sind sie nur bei starker Situationseinbindung und bei Vertrautheit der Partner kommunikativ akzeptabel“ (Koch/ Oesterreicher 1990: 65). Demzufolge ist die konstatierte rückläufige Verwendung von Onomatopoetika und Interjektionen in Teil-Korpus 2008 als Zeichen abnehmender Nähesprachlichkeit zu deuten. 216 Vgl. hierzu Haase/ Huber/ Krumeich/ Rehm (1997: 77f.) und Lenke/ Schmitz (1995: 129). <?page no="134"?> 134 7.3.3 Ausdrücke und Entlehnungen aus anderen Sprachen In den folgenden Abschnitten werden die Teil-Korpora in Hinblick auf das Vorkommen von Entlehnungen sowie auf Ausdrücke aus anderen Sprachen beleuchtet, wobei sich der Fokus dabei zunächst auf das Englische und dann auf andere Sprachen richtet. Die Differenzierung in Entlehnungen und Ausdrücke ist insofern notwendig, als nicht jede Verwendung eines nicht-französischen Ausdrucks das Vorliegen einer Entlehnung impliziert. 7.3.3.1 Englischsprachige Ausdrücke und Entlehnungen Die Verwendung englischer Ausdrücke innerhalb der betrachteten Diskursart wird maßgeblich dadurch begünstigt, dass die Befehlssprache innerhalb des IRC und der verschiedenen Clients Englisch ist. So finden sich in den Logfiles vielfach englische Begriffe, die in engem Zusammenhang mit der Funktionsweise des IRC stehen (vgl. Beispiel 7-21a und 7-21c). Aufgrund der bestimmenden Rolle der USA im Zuge der Ausbildung der Informationstechnologie (vgl. Abschnitt 2.1) hat darüber hinaus eine Vielzahl von Begriffen in Form von Entlehnungen Eingang in das Französische gefunden (vgl. Beispiel 7-21a), wobei im Einzelfall zu erörtern wäre, inwieweit ein Begriff eventuell als genuin fachsprachlich zu charakterisieren ist. Im Zuge der Entlehnung kann es durchaus „im Sinne eines Ausbaus des Lexikons“ (Haase/ Huber/ Krumeich/ Rehm 1997: 69) zu Neuschöpfungen kommen (vgl. Beispiel 7-21b). Im Rahmen der Untersuchung wurden darüber hinaus auch Nennungen englischer Songtitel erfasst, denen hingegen weder der Status einer Entlehnung noch eines fachsprachlichen Ausdrucks zukommt (vgl. Beispiel 7-21d). Beispiel (7-21): Englischsprachige Ausdrücke und Entlehnungen a. 8 <Selenia> avec un nick comme ça 9 <Selenia> il meritai lekick (2003-B-III-2) b. 489 <Ren> je reste dans la newbiesité (2003-A-III-1) c. 552 [16: 25] <Marina|Away> je vais le flooder. 553 [16: 25] <Marina|Away> ! ttop10 554 [16: 26] <%Myrdin> nan flood pas stp 555 [16: 26] <Cafe> Marina|Away, si tu fait ça je vais te faire kicker 556 d'internet (2008-A-I-1) <?page no="135"?> 135 d. 1333 [23: 49] * bebe_damour ecoute we are the world , usa for africa : music: (2008-C-III-2) Während es sich in Beispiel (7-21a) in Z. 8 mit nick (nickname) um eine apokopierte Entlehnung aus dem Englischen handelt, haben die Begriffe kick bzw. kicker (Beispiel 7-21a, Z. 9 und Beispiel 7-21c, Z. 555) und flood bzw. flooder (Beispiel 7-21c, Z. 552 und Z. 554) den Status von Entlehnungen englischer, fachsprachlicher Begrifflichkeiten des IRC (vgl. Abschnitt 4.2.1), wobei sich zeigt, dass alle Formen im Zuge der Entlehnung Anpassung an das französische Flexionssystem erfahren können. In diesem Sinne erfolgt auch in Beispiel (7-21b) die Überführung des Begriffs newbie (Neuling) mittels Suffigierung in den Neologismus newbiesité. Weniger Probleme in Hinblick auf eine Bestimmung bereitet Beispiel (7-21d), in dem lediglich ein englischer Songtitel wiedergegeben wird. Der diachrone Vergleich zeigt zum einen, dass der Anteil englischsprachiger Formen an der Gesamtheit der lexikalischen Einheiten in beiden Teil-Korpora insgesamt verhältnismäßig gering ist, und zum anderen, dass er weitgehend stabil geblieben ist. Abbildung (7-XXIII): Englische Ausdrücke und Entlehnungen 2003 2008 Englische Ausdrücke und Entlehnungen 2,04% (420) 2,11% (605) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Die Verwendung englischer Ausdrücke und Entlehnungen erweist sich hinsichtlich einer Charakterisierung als nähebzw. distanzsprachlich als weitgehend neutral, und ist, wie in Beispiel (7-21) gezeigt wurde, vorrangig auf die trägermediale Determiniertheit der Kommunikation zurückzuführen. In begrenztem Umfang kann sie hingegen auch im Sinne einer spielerischen Sprachverwendung gebraucht werden, woraus sich wiederum eine für Nähediskurse charakteristische Spontaneität ableiten lässt. 7.3.3.2 Ausdrücke und Entlehnungen aus sonstigen Sprachen Weitaus geringer als der Anteil englischsprachiger Ausdrücke und Entlehnungen stellt sich der Anteil vergleichbarer Formen aus anderen Sprachen dar, wobei es sich dabei vorrangig um Ausdrücke aus dem Italienischen handelt, denen nicht der Status einer Entlehnung zukommt, wie Beispiel (7-22) verdeutlicht. <?page no="136"?> 136 Beispiel (7-22): Ausdrücke aus dem Italienischen a. 528 <chewing> buon appetito bellissimissimo (2003-A-II-1) b. 2 [23: 28] <LePhasme> ciao tout le monde (2008-B-III-3) Sowohl der Anteil derartiger Formen an den lexikalischen Einheiten insgesamt als auch deren diachron ermittelte Zunahme um 0,04 Prozentpunkte (vgl. Abbildung 7-XXIV) ist als marginal einzustufen. Abbildung (7-XXIV): Ausdrücke und Entlehnungen aus anderen Sprachen 2003 2008 Ausdrücke und Entlehnungen aus anderen Sprachen 0,10% (20) 0,14% (41) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Wie bereits bei der Betrachtung vergleichbarer englischer Ausdrücke in Abschnitt 7.3.3.1 konstatiert wurde, ist auch eine Charakterisierung der Ausdrücke aus anderen Sprachen in Hinblick auf kommunikative Nähe und Distanz lediglich insoweit möglich, als deren Verwendung auf das Vorliegen ludischer Züge verweist, die der Spontaneität von Nähediskursen in besonderer Weise Rechnung tragen. 7.4 Phonisch-graphische Aspekte Die folgenden Abschnitte sind der Darstellung und der diachronen Analyse von sprachlichen Merkmalen und Verfahren gewidmet, die im Spannungsfeld von Phonie und Graphie anzusiedeln sind. Die Betrachtung phonischer und graphischer Aspekte auf einer Beschreibungsebene erweist sich dabei insofern als notwendig und sinnvoll, als sich der Zugang zu den im Folgenden zu beschreibenden Phänomenen trotz medialer Schriftlichkeit oftmals vorrangig über die Phonie erschließt. Bei diesen Verfahren, die auch miteinander kombinierbar sind, handelt es sich im Einzelnen um die ortograf fonétik und verschiedene, unter diese Form phonetisierender Graphie zu subsumierende Verfahren sowie um Syllabogramme und Logogramme, Reminiszenz-Graphien, leetspeak, Formen emulierter Prosodie und die Tilgung von Diakritika, die am Beispiel der Cedille beleuchtet wird. 217 217 Vgl. Anhang D. <?page no="137"?> 137 7.4.1 Ortograf fonétik Das Konzept der ortograf fonétik geht auf Raymond Queneau (1965) und seine im Rahmen der von ihm entworfenen néo-français-Sprachkonzeption an der französischen Orthographie geübte Kritik zurück und basiert im Wesentlichen auf einer Angleichung der Graphie an die Phonie. 218 Da im Vergleich zu anderen historischen Sprachen im Französischen die Divergenz von code graphique und code phonique besonders stark ausgeprägt ist, bieten sich dem Verfahren der ortograf fonétik, das auf eine 1: 1-Entsprechung von Phonem und Graphem abzielt, im Französischen vielfältige Ansatzmöglichkeiten. 219 Fairon/ Klein/ Paumier (2006: 33f.) definieren die „orthographe phonétique“ als „ensemble de graphies censées reproduire des formes propres à l’oralité des usagers“ (ebd.) und stellen mit ihrer Definition auf den Aspekt der Abbildung von Mündlichkeit ab. Mit der Verwendung dieses Verfahrens können demzufolge verschiedene Ziele verfolgt werden, wie die realitätsgetreue Abbildung gesprochener Sprache in Form einer „Literarisierung von Mündlichkeit“ (Blank 1991), die Angleichung der Codes im Sinne eines ludischen oder sprachkritischen Umgangs mit Sprache oder, insbesondere im Zusammenhang mit quasi-synchroner Kommunikation im Rahmen von Chat-Umgebungen, die Ökonomisierung von Zeichen und Zeit im Produktionsprozess. Das allen Motivationen gemeinsame Kriterium besteht darin, dass sich der Zugang zu einem Ausdruck über seine Phonie erschließt. Unter die Verfahren der phonetisierenden Graphie werden im Folgenden Assimilation, Allographie, die Tilgung stummer Wortendungen sowie die Simplifizierung von Di- und Trigraphien subsumiert. Abbildung (7-XXV): Durch ortograf fonétik veränderte lexikalische Einheiten 2003 2008 Durch ortograf fonétik veränderte lexikalische Einheiten 8,43% (1738) 5,88% (1688) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Im Vergleich zum Jahr 2003 hat der Anteil an durch ortograf fonétik veränderten lexikalischen Einheiten im Jahr 2008 insgesamt um 2,55 Prozentpunkte abgenommen. Die Verteilung auf die verschiedenen Verfahren der ortograf fonétik gestaltet sich dabei wie in Abbildung (7-XXVI) dargestellt. 220 218 Vgl. Langenbacher (1981: 121f.) und Blank (1991: 209). 219 Vgl. hierzu auch URL: http: / / www.ortograf.net [letzter Zugriff: 16.09.2009]. 220 Da lexikalische Einheiten gleichzeitig durch verschiedene Verfahren phonetisierender Graphie Veränderungen erfahren können, jedoch nur einmal im Zuge der Ermittlung der durch ortograf fonétik veränderten lexikalischen Einheiten erfasst wurden, ergeben sich unterschiedliche Bezugsgrößen für die in den Abbildungen (7-XXV) und (7-XXVI) ermittelten Werte. <?page no="138"?> 138 Abbildung (7-XXVI): Ortograf fonétik nach Verfahren 2003 2008 Assimilation 37,91% (684) 56,02% (963) Allographie 23,78% (429) 12,39% (213) Tilgung stummer Wortendungen 23,34% (421) 23,39% (402) Simplifizierung von Di- und Trigraphien 14,97% (270) 8,20% (141) Bezugsgröße: Summe durch ortograf fonétik veränderte lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Der diachrone Vergleich ergibt zunächst, dass sich die Gewichtung der einzelnen Verfahren der ortograf fonétik in beiden Teil-Korpora unterschiedlich gestaltet. Da jedoch die ortograf fonétik insgesamt zwischen 2003 und 2008 einen Rückgang um 2,55 Prozentpunkte erfahren hat, können anhand dieser Gegenüberstellung noch keine Aussagen in Hinblick auf diachrone Veränderungen in der Verwendung der einzelnen Verfahren getroffen werden. Diese Auswertung erfolgt für die jeweiligen Verfahren in den folgenden Abschnitten. Insofern die verschiedenen Formen phonetisierender Graphie, die im Rahmen dieser Untersuchung unter den Begriff der ortograf fonétik subsumiert wurden, auf eine Abbildung der langue parlée abzielen, ist ihnen ein hohes Maß an Nähesprachlichkeit zuzuschreiben. Auch deren ökonomisierende Verwendung weist in diese Richtung, wobei diesbezüglich ähnliche Erwägungen in Betracht zu ziehen sind wie in Hinblick auf die Abbreviativ-Verfahren (vgl. Abschnitt 7.3.1). Dementsprechend lässt sich aus dem konstatierten Rückgang der Nutzung der verschiedenen Verfahren der ortograf fonétik insgesamt wiederum die Tendenz zunehmender Distanzsprachlichkeit ableiten. 7.4.1.1 Assimilation Bei der Assimilation handelt es sich um ein Verfahren phonetisierender Graphie, das im Sinne der Abbildung sprechsprachlicher Merkmale auf der Angleichung der Graphie eines Lexems oder einer Gruppe von Lexemen an dessen bzw. deren Phonie beruht. <?page no="139"?> 139 Beispiel (7-23): Assimilation a. 6 <Anonyme2796> pourege avoir ton asv stp disco? (2003-A-II-1) b. 134 <rider> un op pour m aider siouplé? (2003-B-III-2) c. 519 <marge> chuis super contente! ! (2003-A-III-1) d. 497 [12: 41] <@Loupiotte> dsl pour taleur Cessou_ plus de connection : ' (2008-C-III-3) e. 381 [22: 23] <%Myrdin> jveux pas vexer ma soeur adorée 382 [22: 23] <+Mylene> mdr 383 [22: 23] <%Myrdin> paske elle va me harceler (2008-A-I-2) f. 525 [12: 43] <@Cessou_> je sais mais scomme ça que vous m'aimez : p (2008-C-III-3) Durch Assimilation werden in Beispiel (7-23) pourrais-je zu pourege (Beispiel 7-23a), s’il vous plaît zu siouplé (Beispiel 7-23b), je suis zu chuis (Beispiel 7-23c), toute à l’heure zu taleur (Beispiel 7-23d), je veux zu jveux und parce que zu paske (Beispiel 7-23e, Z. 381 und Z. 383) sowie c’est comme zu scomme (Beispiel 7-23f) und auf diese Weise die jeweiligen mots phonétiques als mots graphematiques wiedergegeben. Dass die verschiedenen Verfahren der ortograf fonétik miteinander kombinierbar sind, zeigt sich beispielsweise bei paske in Z. 383 in Beispiel (7-23e), wo neben der Assimilation auch eine Allographie vorliegt (qu zu k). In Abbildung (7-XXVII) ist der Anteil von durch Assimilation veränderten lexikalischen Einheiten an der Gesamtheit der lexikalischen Einheiten im diachronen Vergleich dargestellt. 221 221 Vgl. Fußnote 220. <?page no="140"?> 140 Abbildung (7-XXVII): Assimilation 2003 2008 Assimilation 3,32% (684) 3,35% (963) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Die in Abschnitt 7.4.1 ermittelten und in Abbildung (7-XXVI) dargestellten Veränderungen in Bezug auf die Anteile der verschiedenen Verfahren an der ortograf fonétik ließen zwar eine prozentuale Zunahme im Bereich der Assimilationen erkennen, hinsichtlich des Anteils lexikalischer Einheiten, die eine Veränderung durch Assimilation erfahren haben, an der Gesamtheit der lexikalischen Einheiten ergibt jedoch der diachrone Vergleich in Abbildung (7-XXVII), dass die Anteile in beiden Teil-Korpora nahezu gleich sind. Insgesamt zeigt sich in Bezug auf das Verfahren der Assimilation eine starke Einwirkung des code phonique auf den code graphique und damit ein hohes Maß an Nähesprachlichkeit. Im Gegensatz zu Formen der Assimilation wie sie sich beispielsweise in Queneaus Zazie dans le métro (Queneau 1959) finden, ist bei der betrachteten Diskursart hingegen nicht davon auszugehen, dass die Nutzer auf das Verfahren der Assimilation rekurrieren, um stilistische Effekte zu erzielen, sondern dass es sich um eine Form reiner Nähesprache bzw. vorrangig sprachspielerische Verwendung handelt. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, „qu’il ne s’agit pas vraiment d’un ‚néo-français’, mais d’une série de procédés qui ne peuvent être utilisés de manière systématique, car les repères de lecture et d’écriture seraient alors totalement perdus“ (Anis 2001: 30). 7.4.1.2 Allographie Ein weiteres Verfahren der ortograf fonétik stellt die Allographie dar. Dabei handelt es sich um die Substitution eines Graphems durch ein homophones Graphem, einen Allograph. 222 Dieses Verfahren ist insbesondere in Hinblick auf die Substitution von qu durch k produktiv, wie folgende Beispiele belegen: Beispiel (7-24): Allographie a. 187 <cece> ils ont fait ke de la pub (2003-A-IV-2) 222 Vgl. Anis (1999a: 87). <?page no="141"?> 141 b. 2 <MiaS> au fait kelkun a déjà vu un jamaikain sur librenet ? (2003-C-I-3) c. 580 [16: 28] <Cafe> kom sa ? (2008-A-I-1) d. 144 [19: 36] <kim> t'es malade ou koi (2008-B-II-3) Allographien in Form einer Substitution von qu durch k finden sich bei que zu ke (Beispiel 7-24a), quelqu’un zu kelkun (Beispiel 7-24b) sowie quoi zu koi (Beispiel 7-24d). Darüber hinaus wird in Beispiel (7-24b) und Beispiel (7-24c) c durch k (jamaikain bzw. kom) ersetzt sowie in Beispiel (7-24c) ç durch s (sa). In Beispiel (7-24c) wird neben der Allographie auch eine Tilgung der stummen Wortendung von comme zu kom verwendet. Der diachrone Vergleich hinsichtlich der Verwendung von Allographien in beiden Teil-Korpora ergibt folgendes Bild: 223 Abbildung (7-XXVIII): Allographie 2003 2008 Allographie 2,08% (429) 0,74% (213) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Insgesamt hat die Verwendung der Allographie im Jahr 2008 eine signifikante Abnahme um 1,34 Prozentpunkte erfahren. Diese Tendenz lässt sich deutlich anhand der Substitution von qu durch k nachweisen, die im Rahmen der Untersuchung exemplarisch erhoben wurde (vgl. Abb. 7-XXIX). Abbildung (7-XXIX): Allographie am Beispiel der Substitution von qu durch k 2003 2008 qu 50,58% (348) 84,58% (856) k 49,42% (340) 15,42% (156) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten, die das Graphem qu erfordern, in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns 223 Vgl. Fußnote 220. <?page no="142"?> 142 Während in Teil-Korpus 2003 in nahezu der Hälfte aller lexikalischen Einheiten, die gemäß französischer Orthographie das Graphem qu erfordern, dieses durch das Graphem k substituiert wurde, betrug dieser Anteil in Teil-Korpus 2008 lediglich noch rund 15%. In Hinblick auf die Verwendung des Verfahrens der Allographie ist neben einer ökonomisierenden Funktion vor allem ein ludischer Umgang mit Sprache erkennbar. Denn während bei der Substitution von qu durch k eine Zeichenersparnis von einem Zeichen erzielt werden kann, bringt die Substitution von c durch k im Chat keine Zeichenersparnis mit sich. 224 Auch wenn sich die Bedeutung einer durch Allographie veränderten Form über die Phonie erschließt, ist im Gegensatz zur Assimilation die Abbildung gesprochener Sprache dabei als nachrangig anzusehen. 7.4.1.3 Tilgung stummer Wortendungen Die Tilgung stummer Wortendungen als weiteres Verfahren der ortograf fonétik basiert im Wesentlichen auf der Tatsache, dass „jedes Phonem des Französischen geschrieben, aber nicht jedes graphische Zeichen des Französischen ausgesprochen werden muß“ (Müller 1975: 68) und die Codierung von Äußerungen im français parlé im Allgemeinen kürzer ist als im français écrit. Im Sinne einer grapho-phonematischen Angleichung wird daher zum Teil auf die Verschriftlichung stummer Wortendungen verzichtet. Beispiel (7-25): Tilgung stummer Wortendungen a. 332 <BaboW> ironie kan tu nous tien : o) (2003-A-II-1) b. 124 <jmange_enfin_waaaiiii> non sa ira jaten de savoir programmer un peu 124a mieu 125 avan de me lancer dan le + sérieu (2003-B-III-1) c. 1516 [10: 46] <ricardo30> bebe> tu a pa parlé a petitbou hier soir? (2008-C-III-1) d. 1316 [13: 38] <MerCeDes-CLK> mat> tu ne veu pa (2008-C-III-3) 224 Im Rahmen der SMS-Produktion hingegen bewirkt die Substitution von c durch k eine Tippersparnis, da auf der Tastatur des Handys dreimaliges Tippen für c, aber nur zweimaliges Tippen für k erforderlich ist (vgl. Fairon/ Klein/ Paumier 2006: 35). <?page no="143"?> 143 In Beispiel (7-25a) finden sich mit tien (tiens) und kan (quand) zwei getilgte Wortendungen, wobei bei kan gleichzeitig eine Allographie vorliegt. Beispiel (7-25b) weist insgesamt fünf Tilgungen stummer Wortendungen auf (j’attends zu jaten, mieux zu mieu, avant zu avan, dans zu dan sowie sérieux zu sérieu) und gleichzeitig eine Allographie (ça zu sa) sowie die Verwendung eines logographischen Zeichens (Z. 125). In Beispiel (7-25c) findet sich neben den Tilgungen der Wortendungen in a (as) und pa (pas) der für Nähesprache charakteristische Ausfall der Negationspartikel ne. In Beispiel (7-25d) findet sich erneut die Tilgung von s in pas sowie eine weitere Tilgung bei veu (veux). Aus diachroner Perspektive ergibt sich für die Tilgung stummer Wortendungen ein Rückgang um 0,64 Prozentpunkte, wie Abbildung (7-XXX) verdeutlicht. 225 Abbildung (7-XXX): Tilgung stummer Wortendungen 2003 2008 Tilgung stummer Wortendungen 2,04% (421) 1,40% (402) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Getilgte Wortendungen tragen in erster Linie zu einer Ökonomisierung im Rahmen des Produktionsprozesses bei, wobei die Tilgung stummer Wortendungen, anders als die in Abschnitt 7.3.1 betrachteten Abbreviativ-Verfahren und insbesondere die Apokope, dabei auf einer Angleichung der Graphie an die Phonie beruht. 7.4.1.4 Simplifizierung von Di- und Trigraphien Vergleichbar der Tilgung stummer Wortendungen erfolgt auch bei der Simplifizierung von Di- und Trigraphien eine Verkürzung von Wortendungen, indem diese durch homophone Grapheme substituiert werden, wie folgende Beispiele illustrieren: Beispiel (7-26): Simplifizierung von Di- und Trigraphien a. 641 <isa_folle> allé di moiiiiiiii (2003-B-I-2) b. 253 <nina> mé non (2003-B-II-3) 225 Vgl. Fußnote 220. <?page no="144"?> 144 c. 759 [23: 26] <bebe_damour> Marseillais13[NRV]> komen g fé ca? (2008-C-III-2) d. 105 [11: 49] <zorgle> fo aimer les voitures (2008-C-IV-3) Eine Simplifizierung einer Digraphie liegt in Beispiel (7-26a) bei allé (allez) vor, simplifizierte Trigraphien hingegen bei mé (mais) in Beispiel (7-26b), fé (fait) in Beispiel (7-26c) sowie fo (faut) in Beispiel (7-26d). Darüber hinaus finden sich Tilgungen stummer Wortendungen in Beispiel (7-26a) bei di (dis) sowie in Beispiel (7-26c) bei komen (comment), wo des Weiteren eine Allographie von c zu k vorliegt. Weitere Phänomene wie die Zeichenreduplikation in Beispiel (7-26a) oder das Syllabogramm g (j’ai) in Beispiel (7-26c) werden in den entsprechenden Abschnitten 7.4.6.1 bzw. 7.4.2 erörtert. Die Simplifizierung von Di- und Trigraphien hat im diachronen Vergleich einen Rückgang um 0,82 Prozentpunkte erfahren, wie Abbildung (7-XXXI) veranschaulicht. 226 Abbildung (7-XXXI): Simplifizierung von Di- und Trigraphien 2003 2008 Simplifizierung von Di- und Trigraphien 1,31% (270) 0,49% (141) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Wie in Bezug auf die Tilgung stummer Wortendungen konstatiert, dient auch die Simplifizierung von Di- und Trigraphien vorrangig der Ökonomisierung im Zuge des Produktionsprozesses und zeugt darüber hinaus von einem ludischen Umgang mit Sprache, da getilgte Grapheme durch homophone Grapheme substituiert werden. 7.4.2 Syllabogramme Ein weiteres im Bereich der phonisch-graphischen Aspekte anzusiedelndes sprachliches Phänomen stellen die Syllabogramme dar. Bei diesem Verfahren, das sowohl Charakteristika phonetisierender Graphie als auch abbreviativer Formen in sich vereint, handelt es sich um „l’utilisation du nom des lettres pour représenter une syllabe homophone, au prix de la perte d’identité des mots“ (Anis 1999a: 88), wie folgende Beispiele verdeutlichen: 226 Vgl. Fußnote 220. <?page no="145"?> 145 Beispiel (7-27): Syllabogramme a. 66 <BaboW> tu c ki c ... (2003-A-II-1) b. 681 <marge> gt pas la (2003-A-III-1) c. 419 [09: 58] <marie78> ricardo30> t jamais chez toi ^^ (2008-C-III-1) d. 445 [23: 14] <bebe_damour> jai compris tout les mots g bien compris merci (2008-C-III-2) In Beispiel (7-27a) findet sich mit c das am häufigsten verwendete Syllabogramm des gesamten Korpus, das - wie in vorliegendem Beispiel mit den Entsprechungen sais und c’est deutlich wird - verschiedene Bedeutungen annehmen kann. Im zweiten Beispiel (7-27b) wird der zweisilbige Ausdruck j’étais durch das Syllabogramm gt wiedergegeben, das dementsprechend aus zwei Syllabogrammen, die jeweils eine Silbe ersetzen, konstituiert ist. Diese Form trägt insofern Züge von phonetisierender Graphie, als ihr durch Tilgung der Negationspartikel ne ein nähesprachlicher Ausdruck zugrunde liegt. Gleiches gilt für Beispiel (7-27c), wo das Syllabogramm t das nähesprachlich markierte t’es substituiert. In Beispiel (7-27d) wiederum ersetzt das Syllabogramm das unmarkierte j’ai. Während in Teil-Korpus 2003 die Verwendung von Syllabogrammen frequente Anwendung erfährt, hat sich deren Anteil an den lexikalischen Einheiten in Teil-Korpus 2008 deutlich verringert, wie Abbildung (7-XXXII) illustriert. <?page no="146"?> 146 Abbildung (7-XXXII): Syllabogramme 2003 2008 Syllabogramme* 2,11% (435) 0,63% (180) davon: ** c 66,44% (289) 72,78% (131) g 7,59% (33) 5,56% (10) t 10,57% (46) 8,89% (16) - Sonstige 12,64% (55) 12,77% (23) - Verschmelzung 2,76% (12) - Bezugsgröße: *Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs- Turns/ **Summe Syllabogramme Der diachrone Vergleich zeigt, dass die Verwendung von Syllabogrammen mit 1,48 Prozentpunkten rückläufig ist. In Bezug auf die Vorkommen der verschiedenen Formen von Syllabogrammen ist zu konstatieren, dass die Verwendung von c prozentual zugenommen hat, wohingegen g und t jeweils weniger frequent verwendet werden und die sonstigen Formen keine nennenswerte Veränderung erfahren haben. Im Unterschied zu Teil-Korpus 2003 finden sich darüber hinaus in Teil-Korpus 2008 keine Verschmelzungen. Vergleichbar den abbreviativen Verfahren zielt die Verwendung von Syllabogrammen auf eine Verkürzung von lexikalischen Einheiten, erfolgt jedoch auf Grundlage homophoner Formen, so dass der Zugang zu ihrer Bedeutung in erster Linie über die Phonie erfolgt. Insofern dieses Verfahren sowohl die Verkürzung von lexikalischen Einheiten als auch die Abbildung von Oralitätseffekten gestattet, ist es als nähesprachlich zu charakterisieren, wobei die konstatierte Abnahme dieses Verfahrens in die Richtung abnehmender Nähesprachlichkeit weist. 7.4.3 Logogramme Bei Logogrammen handelt es sich um sprachliche Formen, die gänzlich oder in Teilen in Form einer Ziffer (vgl. Beispiel 7-28) oder eines logographischen Zeichens wiedergegeben werden (vgl. Beispiel 7-29). 227 227 Vgl. Anis (1999a: 89). <?page no="147"?> 147 Beispiel (7-28): Logogramme mit Ziffern a. 188 <BeDo> lol nan c bon jai une K7 kun pote bassiste ma preter de lui (2003-A-III-3) b. 53 <Neptune> kk1 va voir les moines shaoline samedi ki vient ? (2003-A-I-1) c. 136 [23: 02] <DARK> bebe_damour> koi de 9 grande soeur (2008-C-III-2) In Beispiel (7-28a) wird in K7 (cassette) die zweite Silbe des Ausdrucks durch die Ziffer 7 substituiert, während die erste Silbe in Form eines Syllabogramms wiedergegeben wird. In Beispiel (7-28b) werden in kk1 (quelqu’un) ebenfalls mehrere Verfahren miteinander kombiniert: so liegen diesem Logogramm zum einen eine ökonomische graphische Kürzung (qqn) und zum anderen eine Allographie (kkn) zugrunde. Im letzten Beispiel (7-28c) wiederum wird eine ganze Form (neuf) durch die Ziffer 9 substituiert. Beispiel (7-29): Logogramme mit logographischen Zeichen a. 200 <sabrina> a+ (2003-B-II-3) b. 8 <SyMpHoNyPoPs> mais hip-hop n'= pas musique (2003-A-III-3) c. 448 [16: 12] <Cuillere> +1 (2008-A-I-3) d. 657 [16: 35] <Elvira> Bravo Myrdin ; je plussoie (2008-A-I-1) In Beispiel (7-29a) findet sich mit a+ ein durch Apokopierung der Form à plus tard generiertes Logogramm, während das logographische Zeichen = in Beispiel (7-29b) das Verb est substituiert. Eine besondere Form hingegen repräsentiert das Logogramm +1, das in Beispiel (7-29c) dargestellt ist und in Beispiel (7-29d) in verschrifteter Form vorliegt (plussoie). Bei dieser Form handelt es sich um einen Neologismus (plussoyer), der erstmalig in Teil-Korpus 2008 dokumentiert ist. Dem Logogramm +1 liegt dabei vermutlich die Beschreibung einer Geste zugrunde: das Strecken des Daumens zur gestischen Wiedergabe der Zahl 1, das ebenfalls als Zeichen der Zustimmung verwendet <?page no="148"?> 148 wird. Das Logogramm +1 in seiner Paraphrasierung plus un greift beide Aspekte auf und findet entsprechend als Zeichen der Zustimmung Anwendung im Chat. Daraus abgeleitet wurde wiederum mit plussoyer ein Verb gleicher Bedeutung, das sich entsprechend mit der Formel ‚den Daumen zum Zeichen der Zustimmung nach oben strecken’ paraphrasieren ließe. Abbildung (7-XXXIII): Logogramme 2003 2008 Logogramme* 0,36% (75) 0,10% (28) davon: ** mit logographischen Zeichen 88,00% (66) 85,71% (24) mit Ziffern 12,00% (9) 14,29% (4) Bezugsgröße: *Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs- Turns/ **Summe Logogramme Abbildung (7-XXXIII) ist zunächst zu entnehmen, dass der Verwendung von Logogrammen in Bezug auf Teil-Korpus 2003 bereits eine nachrangige Bedeutung zuzumessen ist. In Teil-Korpus 2008 hat die Verwendung darüber hinaus einen Rückgang um 0,26 Prozentpunkte auf einen Anteil von nunmehr 0,1% erfahren. Der Anteil von Logogrammen, die mit Ziffern oder logographischen Zeichen gebildet werden, ist dabei weitgehend konstant geblieben. Logogramme repräsentieren ein Verfahren, das Verkürzungen ermöglicht und darüber hinaus ausgeprägte ludische Züge trägt. Insofern die Verwendung von Logogrammen der Spontaneität nähesprachlicher Diskurse entgegenkommt und dazu beiträgt, den Produktionsaufwand einer Äußerung dem Produktionsaufwand gesprochener Äußerungen anzugleichen, ist für dieses Verfahren kommunikative Nähe anzusetzen, wobei sich diachron wiederum eine Rückläufigkeit der Nähesprachlichkeit andeutet, wenngleich sich das Verfahren gleichzeitig in begrenztem Maß als weiterhin produktiv erweist, wie sich an der Ausbildung des Neologismus +1 belegen lässt. 7.4.4 Leetspeak Bei leetspeak handelt es sich um „a visual encryption code where letters are replaced by similar looking ciphers“ (Siebenhaar 2008: 2), wie Beispiel (7-30) verdeutlicht. 228 228 Vgl. hierzu auch die „Explanation of l33t Speak“ unter URL: http: / / www.bbc.co.uk/ dna/ h2g2/ A787917 [letzter Zugriff: 13.03.2009] sowie Perea/ Duñabeitia/ Carreiras (2008). <?page no="149"?> 149 Beispiel (7-30): Leetspeak a. 58 <LosT_HeaVeN> salut GERIS1 (2003-B-I-2) b. 484 [22: 29] <+Mylene> c'est comme si je m'étais "Myl3n3" (2008-A-I-2) Während in Beispiel (7-30a) die Ziffer 1 das Graphem i substituiert, wird in Beispiel (7-30b) das Graphem e durch die Ziffer 3 ersetzt. Die Verwendung dieses Verfahrens beschränkt sich innerhalb der untersuchten Logfiles auf Nicknames, wie auch Beispiel (7-30) illustriert. Während in Teil-Korpus 2003 lediglich eine Form in leetspeak wiedergegeben wurde (vgl. Beispiel 7-30a), finden sich in Teil-Korpus 2008 insgesamt sechs verschiedene Formen dieses Typs. Die verschiedenen Formen werden in beiden Teil-Korpora mehrfach wiederholt, so dass der Anteil von in leetspeak verfassten lexikalischen Einheiten an den lexikalischen Einheiten insgesamt höhere Werte ergibt, die jedoch an dieser Stelle nicht dargestellt werden, da sie über die Neuartigkeit dieses Verfahrens in Bezug auf die betrachtete Diskursart hinwegtäuschen würden. Im diachronen Vergleich lässt sich die Neuartigkeit anhand der genannten Vorkommen von 1 (Teil- Korpus 2003) bzw. 6 (Teil-Korpus 2008) nachweisen, wobei sich zeigt, dass auch in Teil-Korpus 2008 dieses Verfahren noch nicht vollständig etabliert ist, wie die Wiedergabe von Myl3n3 in Anführungszeichen in Beispiel (7-30b) belegt. Insgesamt können zum jetzigen Zeitpunkt folglich noch keine Aussagen über die Etablierung dieses Verfahrens in der Diskursart ‚phatischer Chat’ getroffen werden. Da bei diesem Verfahren, im Gegensatz zu den Logogrammen, die Ziffern lediglich aufgrund ihrer ähnlichen äußeren Form zur Substitution von Graphemen herangezogen werden, bleibt das Verfahren des leetspeak auf den Bereich der Graphie beschränkt und ist im Gegensatz zu den anderen Verfahren nicht über die Phonie zu erschließen. Folglich sind weder Verkürzung noch die Abbildung von Oralitätseffekten einschlägige Faktoren für dessen Verwendung, sondern einzig ludische Aspekte. 7.4.5 Reminiszenz-Graphien Auf Ebene der phonisch-graphischen Aspekte sind als weiteres sprachliches Phänomen die „[g]raphies liées à des réminiscences“ (Fairon/ Klein/ Paumier 2006: 39) zu nennen. Dabei handelt es sich um Graphien, die ihren Ursprung vorrangig in der Comic-Sprache haben. Fairon/ Klein/ Paumier (2006: 39) nennen in diesem Zusammenhang die Verwendung von po oder pô als Substitute der Verneinungspartikel pas und postulieren, diese seien <?page no="150"?> 150 „très vraisemblablement imputables à une habitude langagière du héros de BD, Titeuf, qui prononce systématiquement pô“ (ebd.). 229 Innerhalb der Teil-Korpora finden sich Belege für derartige Reminiszenz- Graphien, die sich wie folgt darstellen: Beispiel (7-31): Reminiszenz-Graphien des Typs po und pô a. 60 <BaboW> bin moi je conné pô c ki? (2003-A-II-1) b. 75 [12: 06] <tina> swing po vraiment (2008-C-III-3) Während in Beispiel (7-31a) die Verwendung gemäß der in den Comics vorzufindenden Form pô erfolgt, die jedoch nur in Teil-Korpus 2003 vorzufinden ist, wird in Beispiel (7-31b) die verbreitetere Form po verwendet. Die Anteile der jeweiligen Formen stellen sich dabei wie folgt dar: Abbildung (7-XXXIV): Reminiszenz-Graphien des Typs po und pô 2003 2008 pas 79,75% (319) 98,52% (532) po 16,75% (67) 1,48% (8) pô 1,50% (6) - Sonstige (pu, pa, pâs) 2,00% (8) - Bezugsgröße: Summe Vorkommen pas, po, pô, pu, pa, pâs in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Diachron zeichnet sich ein deutlicher Rückgang in der Verwendung von Reminiszenz-Graphien des Typs po und pô ab. So werden in Teil-Korpus 2008 nunmehr lediglich 1,48% des Gesamtvorkommens der Verneinungspartikel durch po substituiert, wohingegen dieser Anteil in Teil-Korpus 2003 noch 16,75% beträgt und darüber hinaus weitere Formen wie pô sowie pu, pa und pâs in einem Umfang von 1,5% bzw. 2% verwendet wurden. 229 Vgl. hiezu auch den Comic-Band „C’est pô juste...“ (Zep 1995). <?page no="151"?> 151 Die Verwendung von Reminiszenz-Graphien ist insgesamt als ein nähesprachliches Phänomen zu charakterisieren, das primär auf die Abbildung sprechsprachlicher Merkmale abzielt. Die signifikante Zunahme der Verwendung von pas um 17,14 Prozentpunkte auf 98,53% zeugt hingegen von einer deutlichen Verschiebung in den Bereich der Distanzsprache. 7.4.6 Emulierte Prosodie Emulierte Prosodie stellt ein Verfahren der Substitution paraverbaler und nonverbaler Zeichensysteme durch graphische Mittel dar. 230 Zur Darstellung prosodischer Merkmale wird dabei zum einen auf die Reduplikation von Zeichen sowie die Verwendung von Majuskeln rekurriert, wobei beide Verfahren auch in Kombination auftreten können. 7.4.6.1 Emulierte Prosodie durch Zeichenreduplikation Das Verfahren der emulierten Prosodie mittels Zeichenreduplikation ist auf die verschiedenen Formen von lexikalischen Einheiten sowie auf Interpunktionszeichen (vgl. Abschnitt 7.2.4) anwendbar, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen: Beispiel (7-32): Emulierte Prosodie durch Zeichenreduplikation a. 238 <choukette> bon "baudelaire et verlaine" c chiantttttttttttttttttttttt (2003-A-III-1) b. 9 <MiaS> m'ennnuie qd t'es pas là : -(((((((( (2003-C-I-3) c. 9 <kisscoolette|pas|la> ? ? ? ? 10 <Anonyme2796> esce neptune es la? ? ? (2003-A-II-I) d. 246 [15: 55] <Cuillere> mdrrrrrrrr (2008-A-I-3) e. 1784 [13: 58] <Barbara-Gourde> il el savait pas a l'epoque .... (2008-C-III-3) 230 Vgl. hierzu Haase/ Huber/ Krumeich/ Rehm (1997: 68). Die Verwendung des Begriffs ‚emuliert’ erfolgt in Anlehnung an den aus der Informationstechnologie stammenden Terminus ‚Emulation’ zur Bezeichnung der Nachahmung technischer Verfahren (Vgl. Voss 2004: 335). <?page no="152"?> 152 f. 40 [12: 28] <&Fun> [Garudo] miiaaaawwwwwww choupi chat ! ! ! ! ! ! ! ! ! (2008-B-I-3) Während in den Beispielen (7-32a, b und d) lediglich das letzte Zeichen einer lexikalischen Einheit Reduplikation erfährt, werden in Beispiel (7-32f) mehrere verschiedene Zeichen einer lexikalischen Einheit redupliziert. Das Verfahren der emulierten Prosodie dient in den genannten Beispielen vorrangig der Darstellung von Emphase und Intonationskonturen als Merkmalen paraverbaler Kommunikationsmittel. 231 In einigen der Beispiele werden darüber hinaus mittels graphischer Zeichen Merkmale zum Ausdruck gebracht, die in vergleichbarer face-to-face-Kommunikation über gestischmimische Mittel erfolgen würden. So drückt die Verwendung der reduplizierten Interrogationszeichen in Z. 9 des Beispiels (7-32c) eine Form völligen Unverständnisses aus und die Zeichenreduplikation in Beispiel (7-32b) einen enttäuschten Gesichtsausdruck (vgl. Abschnitt 7.5.1). Vervielfachte Punkte wie in Beispiel (7-32e) wiederum sind vergleichbar mit Pausen oder Abbrüchen, wie sie für gesprochene Sprache charakteristisch sind. 232 In Hinblick auf die Zeichenreduplikation in lexikalischen Einheiten - die Auswertung der Reduplikation von Interpunktionszeichen ist bereits in Abschnitt 7.2.4 erfolgt - ergibt sich aus diachroner Perspektive folgendes Bild: Abbildung (7-XXXV): Emulierte Prosodie durch Zeichenreduplikation 2003 2008 Emulierte Prosodie durch Zeichenreduplikation 3,03% (626) 1,18% (338) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Wie auch in Bezug auf die Reduplikation von Interrogations- und Exklamationszeichen am Turn-Ende, die einen signifikanten Rückgang um 18,16 Prozentpunkte erfahren haben (vgl. Abbildung 7-XIII), zeigt sich hinsichtlich des Verfahrens der emulierten Prosodie mittels Zeichenreduplikation in lexikalischen Einheiten ein Rückgang um 1,85 Prozentpunkte zwischen den Vergleichsjahren. 233 Als graphisches Mittel zur Substitution para- und nonverbaler Zeichensysteme stellt die Zeichenreduplikation ein genuin nähesprachliches Verfahren dar, das jedoch im diachronen Vergleich eine Veränderung in Richtung zunehmender Distanzsprachlichkeit erfahren hat. 231 Vgl. Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 99). 232 Vgl. Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 99). 233 Die unterschiedlich großen Werte des jeweiligen Rückgangs ergeben sich aufgrund unterschiedlicher Bezugsgrößen. <?page no="153"?> 153 7.4.6.2 Emulierte Prosodie durch Majuskelverwendung Eine weitere Form emulierter Prosodie stellt die Verwendung von Majuskeln zur Abbildung von Lautstärke dar (vgl. Beispiel 7-33). Da auf den channels des IRC, wie in Abschnitt 6.3.1 erörtert wurde, metaphorisch physische Nähe etabliert wird, werden die Teilnehmer am Chat in der netiquette bzw. chatiquette dazu angehalten, sich gewöhnlicher face-to-face-Kommunikation entsprechend zu verhalten und auf die Verwendung von Majuskeln - vergleichbar einem Schreien in face-to-face-Kommunikation - zu verzichten. Aus diesem Grund wird die Verwendung von Majuskeln, die darüber hinaus mit der Reduplikation von Zeichen kombiniert werden kann, von den channel ops oftmals als Verstoß gegen die chatiquette gewertet und sanktioniert, wie Beispiel (7-33a) verdeutlicht. Beispiel (7-33): Emulierte Prosodie durch Majuskelverwendung a. 66 <aglaia> BOUHHHHHHHHAHAAHAHAHAAHAHAHAHAHAHAAHAHAHAHAA 67 * aglaia was kicked by Langochat (Cessez d'utiliser tant de 67a majuscules! ) (2003-B-III-2) b. 769 [21: 02] <Dadai> COPIEUUUSE (2008-B-II-3) Während in Beispiel (7-33a) die Äußerung von <aglaia> in Z. 66 von <Langochat> in Z. 67 durch einen kick sanktioniert wird, erfolgt in Beispiel (7-33b) keine Sanktionierung. In beiden Beispielen wird neben der Verwendung von Majuskeln ebenfalls auf die Reduplikation von Zeichen rekurriert und auf diese Weise neben Lautstärke auch Emphase emuliert. Diachron zeigt sich auch hinsichtlich der Verwendung von Majuskeln ein Rückgang für das Jahr 2008, wie Abbildung (7-XXXVI) illustriert. Abbildung (7-XXXVI): Emulierte Prosodie durch Majuskelverwendung 2003 2008 Emulierte Prosodie durch Majuskelverwendung 1,01% (208) 0,89% (256) Bezugsgröße: Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Der Anteil an lexikalischen Einheiten, die im Sinne emulierter Prosodie in Majuskeln dargestellt werden, ist in Teil-Korpus 2008 um 0,12 Prozentpunkte rückläufig. Wie bereits in Abschnitt 7.4.6.1 in Bezug auf die Substitution para- und nonverbaler Zeichensysteme durch Zeichenreduplikation <?page no="154"?> 154 erläutert, zeichnet sich dadurch eine Abnahme der Nähesprachlichkeit der betrachteten Diskursart ab. 7.4.7 Tilgung von Diakritika am Beispiel der Cedille Ein weiteres frequentes Phänomen innerhalb der untersuchten Logfiles auf phonisch-graphischer Ebene stellt die Tilgung von diakritischen Zeichen dar, die im Folgenden exemplarisch anhand der Cedille beleuchtet wird. Beispiel (7-34): Tilgung von Diakritika am Beispiel der Cedille a. 46 <titi[aw]> ca pete la forme ; °)))))) (2003-B-III-3) b. 1012 [23: 37] <bebe_damour> pp> nan nan ca va merci 1013 [23: 37] <canalcinema> SA VA (2008-C-III-2) In Beispiel (7-34a) liegt wie in Z. 1012 des Beispiels (7-34b) eine Verwendung von ça mit getilgter Cedille vor, während in Z. 1013 des Beispiels (7-34b) ça durch das homophone sa wiedergegeben wird. Hinsichtlich der Tilgung der Cedille spielt die dieser Verwendung zugrunde liegende Motivation der Nutzer eine bedeutende Rolle. So kann sie darauf zurückzuführen sein, dass ein Nutzer keine französische Tastatur (vgl. Abbildung 7-I) verwendet und aus diesem Grund nicht ohne größeren Tipp-Aufwand das korrekte Zeichen verwenden kann oder aber, falls eine französische Tastatur benutzt wird, kann sie auf einer bewussten Verwendung der auf der Tastatur schneller erreichbaren Taste mit dem Graph c beruhen bzw. Zeichen spielerischer Sprachverwendung sein, was im Fall der Substitution von ç durch s als einschlägig zu erachten ist. Eine Tippersparnis wird hingegen nicht erzielt, sofern eine französische Tastatur verwendet wird, da das Graphem ç dort angelegt ist. In allen beschriebenen Fällen ist hingegen nicht vom Vorliegen eines Ignoranz-Fehlers auszugehen, da die Cedille notwendige Ausspracheinformationen enthält, die jedoch im Kontext der Diskursart insofern nicht von Bedeutung sind, als eine Oralisierung der Kommunikationsverläufe nicht intendiert ist. Im diachronen Vergleich ergibt sich folgendes Bild in Bezug auf die Tilgung der Cedille: <?page no="155"?> 155 Abbildung (7-XXXVII): Tilgung der Cedille 2003 2008 ça 34,80% (95) 44,99% (184) ca 59,34% (162) 45,97% (188) sa 5,86% (16) 9,04% (37) Bezugsgröße: Summe Vorkommen ça, ca, sa in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Während in Teil-Korpus 2003 noch rund 60% der Gesamtvorkommen von ça, ca und sa durch ca wiedergegeben werden, gleicht sich die Verwendung von ça und ca in Teil-Korpus 2008 nahezu an, bei gleichzeitiger Zunahme der Verwendung von sa um 3,18 Prozentpunkte. Insofern bei der Substitution von ça durch ca eine Zeichen- und Tippersparnis erzielt werden kann, falls keine französische Tastatur verwendet wird, bzw. der Produktionsprozess durch die Nutzung der Tasten mit den Graphemen c bzw. s bei Gebrauch einer französischen Tastatur beschleunigt werden kann, spiegelt dieses Verfahren das Bestreben der Chatter wider, die Schreibgeschwindigkeit der Produktionsgeschwindigkeit gesprochener Äußerungen anzupassen und stellt sich somit als nähesprachliches Verfahren dar. Bei der Verwendung der homophonen Form sa ist hingegen eher noch von überwiegend ludischer Sprachverwendung auszugehen. 7.5 Semiotische Sonderformen Während die Verständigung im Rahmen von face-to-face-Kommunikation über verschiedene Wahrnehmungskanäle, die sich wechselseitig beeinflussen, abläuft, stellt ein wesentliches Merkmal der Chat-Kommunikation deren trägermedial determinierte Beschränkung auf den visuellen Kommunikationskanal bei gleichzeitig vorliegender räumlicher Trennung dar. 234 Gleichzeitig legen jedoch die Kommunikationsbedingungen der betrachteten Diskursart ausgeprägte Nähesprachlichkeit nahe, wie in Abschnitt 6.3.1 erörtert wurde, und so lassen sich im Sinne einer Überwindung dieser trägermedial induzierten Einschränkung in den untersuchten Logfiles Strategien nachweisen, die wie die in Abschnitt 7.4.6 dargestellte emulierte Prosodie darauf abzielen, para- und nonverbale Kommunikationsmittel über das Medium der Schrift in die Diskursart zu überführen. 235 Ein weiteres vergleich- 234 Vgl. Storrer (2000a: 164). 235 Vgl. Beißwenger (2000: 95). <?page no="156"?> 156 bares Verfahren stellt die Verwendung semiotischer Sonderformen wie Emoticons, Bixies und ASCII-Arts dar, die in den folgenden Abschnitten erläutert und hinsichtlich ihres Vorkommens in den beiden Teil-Korpora diachron ausgewertet werden. Insofern „Nonverbales zwar in Form von Schriftzeichen repräsentiert bzw. kompensiert wird, die semiotische Funktion von Schriftzeichen zur Repräsentation von Nonverbalem aber eine andere ist als in denjenigen Äußerungsteilen, in welchen sprachlich proponiert wird“ (Beißwenger 2000: 96), werden diese Strategien im Folgenden unter den Begriff der semiotischen Sonderformen subsumiert. 7.5.1 Emoticons Bei den Emoticons (Kontamination aus emotion und icon) oder Smileys handelt es sich um aus Schrift- und Sonderzeichen des ASCII-Codes zusammengesetzte Ideogramme, die als „ikonographische Repräsentationen typisierter Gesichtsausdrücke“ (Beißwenger 2000: 97) fungieren und um 90° gedreht zu lesen sind. 236 Trotz ihres ideographischen Charakters erschließt sich die Bedeutung von Emoticons jedoch nicht immer von selbst, da in Abhängigkeit vom jeweiligen Kontext unterschiedliche Verwendung erfolgen kann. 237 Die Funktion dieser Ideogramme besteht darin, eine Art von ‚Kompensation’ für jene prosodischen und gestisch-mimischen Mittel darzustellen, über die wir in der face-to-face-Interaktion verfügen und die dazu beitragen, eine Äußerung zu kontextualisieren. (Günthner/ Schmidt 2002: 327) Demzufolge sind verschiedene „Kontextualisierungsfunktionen“ (ebd.) von Emoticons zu differenzieren. Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 98) unterscheiden in diesem Zusammenhang zwei grundlegende Funktionen der Verwendung von Emoticons, indem sie die expressive bzw. emotive von der evaluativen Funktion abgrenzen. Während emotive Verwendung darauf abstellt, Gefühle des Senders zu übermitteln (vgl. Beispiel 7-35a bis 7-35c), dient die evaluative Verwendung als „Interpretationshilfe“ (Dittmann 2001: 74) für den Rezipienten (vgl. Beispiel 7-35d) und trägt damit maßgeblich zur Disambiguierung des Geschriebenen bei. Insgesamt kommen jedoch in der Regel wenige Grundformen und deren Varianten zur Anwendung, wie die folgenden Beispiele belegen, auch wenn umfassende Auflistungen von Emoticons, wie sie sich beispielsweise im World Wide 236 Vgl. hierzu auch Lenke/ Schmitz (1995: 123), Haase/ Huber/ Krumeich/ Rehm (1997: 64) sowie Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 64). Die erstmalige Verwendung eines derartigen Ideogramms ist auf einen Diskussionsbeitrag in einer Newsgroup aus dem Jahr 1980 zurückzuführen (vgl. Haase/ Huber/ Krumeich/ Rehm 1997: 64). 237 Vgl. Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 97). <?page no="157"?> 157 Web finden, den Eindruck erwecken, Chat-Kommunikation sei maßgeblich durch die Verwendung derartiger Ideogramme gekennzeichnet. 238 Beispiel (7-35): Emoticons a. 224 * kitty has joined #france 225 <kitty> hello 226 <chewing> kikou kitty: ))) 227 <Anonyme6568> hello 228 <kitty> kikou toi : ) (2003-A-II-1) b. 180 <choukette> ; ))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))) 181 )))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))) 182 )))))))))))))))))))))))))))))))))))))) (2003-A-III-1) c. 294 [16: 00] <express_yourself> tu me reconnais pas Cuillere ? 295 [16: 01] <Silenus> XD 296 [16: 01] <Cuillere> : ( 297 [16: 01] <Cuillere> spas drole : -/ (2008-A-I-3) d. 253 [19: 46] <kim> lol 254 [19: 47] <kim> bref les medocs 255 [19: 47] <kim> sont dangereux 256 [19: 47] * melanie promet de plus toucher a son tube de lysopaine ; ) (2008-B-II-3) Bei den Emoticons in Z. 226 und Z. 228 in Beispiel (7-35a) handelt es sich um die Darstellung lachender Gesichter, die im vorliegenden Fall von den Nutzern verwendet werden, um nach dem Betreten des channel durch <kitty> in der Begrüßungssequenz einander Freude über die Begegnung auf dem channel zu signalisieren. Das in Beispiel (7-35b) dargestellte Emoticon repräsentiert ebenfalls ein Lachen, das durch die Zeicheniteration besondere Intensität erfährt. In Beispiel (7-35c) finden sich insgesamt drei Emoticons, von denen das erste in Z. 295 ein lautes Lachen offenbart, während die beiden folgenden in Z. 296 und Z. 297 zunächst als Trauer und in Z. 297 als Enttäuschung, die durch die Äußerung spas drole (c’est pas drôle) näher spezifiziert wird, zu werten sind. Das Emoticon in Z. 297 ist darüber hinaus das einzige der exemplarisch dargestellten Formen, das neben Augen und Mund auch aus einer Nase besteht. In Beispiel (7-35d) hingegen dient das 238 Vgl. dazu auch Beißwenger (2000: 98f.) und Anhang C. <?page no="158"?> 158 augenzwinkernde Emoticon in Z. 256 der Disambiguierung und repräsentiert Ironie. Abbildung (7-XXXVIII) illustriert die Verwendung von Emoticons in den Teil-Korpora im diachronen Vergleich. Abbildung (7-XXXVIII): Emoticons 2003 2008 Emoticons* 3,78% (780) 4,11% (1181) davon: ** : -) oder : ) 60,00% (468) 29,55% (349) ; -) oder ; ) 7,95% (62) 4,23% (50) : -( oder : ( 2,05% (16) 8,30% (98) Sonstige 30,00% (234) 57,92% (750) Bezugsgröße: *Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs- Turns/ **Summe Emoticons Im diachronen Vergleich zeigt sich zunächst, dass die Verwendung von Emoticons zwischen 2003 und 2008 um 0,33 Prozentpunkte zugenommen hat. Die Emoticons stellen nunmehr 4,11% der lexikalischen Einheiten in Teil-Korpus 2008 dar. In Hinblick auf die Verwendung der einzelnen Formen von Emoticons ist zu konstatieren, dass sich der Anteil an lächelnden Gesichtern der Grundform des Typs : -) halbiert hat und in Teil-Korpus 2008 mehrheitlich auf verschiedene andere Ausprägungen rekurriert wird. Der Anteil an zwinkernden Emoticons hat ebenfalls leicht abgenommen, wohingegen der Anteil von Trauer, Enttäuschung bzw. Wut ausdrückenden Emoticons um 6,25 Prozentpunkte zugenommen hat. Die Verwendung von Emoticons erfolgt darüber hinaus sowohl in Teil-Korpus 2003 als auch in Teil-Korpus 2008 größtenteils turnfinal, wie Abbildung (7-XXXIX) illustriert. Abbildung (7-XXXIX): Turnfinale Verwendung von Emoticons 2003 2008 Turnfinale Verwendung von Emoticons 67,18% (524) 63,51% (750) Bezugsgröße: Summe Emoticons in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns <?page no="159"?> 159 Ein weiteres Ideogramm, das um 90° gedreht zu lesen ist und der Darstellung von Emotionalität dient jedoch keinen typisierten Gesichtsausdruck repräsentiert, ist das Herz, das durch die Zeichenfolge <3 dargestellt wird. Während sich in Teil-Korpus 2003 noch kein Vorkommen dieser semiotischen Sonderform nachweisen lässt (vgl. Abbildung 7-XXXX), finden sich in Teil-Korpus 2008 verschiedene Formen, wie Beispiel (7-36) belegt. Beispiel (7-36): Emoticons des Typs <3 432 [16: 15] <%Super-Mouton> miMy <3 433 [16: 16] <%miMy> Super-Mouton <3 434 [16: 16] <%miMy> + 435 [16: 16] <%miMy> ops. 436 [16: 17] <@Xibalba> MiMy <3333333 437 [16: 18] <%miMy> Xibalba <3<3<3 (2008-A-I-1) Ähnlich wie die Verwendung lächelnder, Freude ausdrückender Emoticons dienen auch Herzen der Darstellung von Emotionalität und Affektivität und sind durch Zeicheniteration in ihrer Intensität steigerbar, wie in Z. 436 und Z. 437 des Beispiels (7-36) deutlich wird. Auch die Verwendung von Emoticons des Typs <3 erfolgt in erster Linie turnfinal, wie Abbildung (7-XXXX) illustriert. Abbildung (7-XXXX): Emoticons des Typs <3 2003 2008 <3* - 0,14% (41) davon: ** turnfinal - 75,61% (31) Bezugsgröße: *Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs- Turns/ **Summe Emoticons des Typs <3 in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Die Verwendung von Emoticons trägt in besonderer Weise zur Nähesprachlichkeit der betrachteten Diskursart bei, indem para- und nonverbale Kommunikationsmittel über graphische Mittel Eingang in die schriftbasierte Kommunikation finden und auf diese Weise ein hohes Maß an Emotionalität erreicht wird. Der Einsatz semiotischer Sonderformen erfolgt jedoch intentional und optional, während para- und nonverbale Kommunikationsmittel, die dadurch zu kompensieren versucht werden, nur zum Teil bewusster Kontrolle unterliegen. 239 Die Nutzung von Emoticons ermöglicht 239 Vgl. Storrer (2000a: 170). <?page no="160"?> 160 aufgrund des geringen Produktionsaufwandes darüber hinaus eine hohe Beteiligung an unter Umständen in großer Geschwindigkeit ablaufenden Kommunikationsvollzügen und begünstigt auf diese Weise die der Diskursart inhärente Dialogizität. Abschließend ist in Hinblick auf die Verwendung von Emoticons zu konstatieren, dass zum einen deren Anteil an den lexikalischen Einheiten insgesamt zugenommen hat und dass sich zum anderen vergleichbare Formen ausgebildet haben, was von einer hohen Produktivität dieses Verfahrens zeugt. 7.5.2 Bixies Eine weitere Ausprägung semiotischer Sonderformen stellen die Bixies 240 dar, die im Gegensatz zu den im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Emoticons, die um 90° gedreht zu lesen sind, waagerecht gelesen werden. 241 Eine weitere Bezeichnung für diese semiotische Sonderform, die auf deren japanischen Ursprung abstellt, lautet Emoji. 242 Wie die Emoticons bilden Bixies oder Emojis typisierte Gesichtsausdrücke ab. Während jedoch bei den Emoticons der Schwerpunkt der Darstellung auf dem Mund liegt, stehen bei den Bixies die Augen im Mittelpunkt der Abbildung. 243 Folgende Beispiele verdeutlichen die Verwendung von Bixies in den Teil-Korpora: 244 Beispiel (7-37): Bixies a. 71 <choukette> 8888 72 <Sen700> lol 73 <Sen700> choukette appuies sur alt 74 <Sen700> laisse appuyé 75 * choukette nrv ^^ (2003-A-III-1) b. 206 [11: 22] <Novembre> strrasbourg *_* 207 [11: 22] <Novembre> naiho_cee tu vas à stras ? 208 [11: 22] <Novembre> j'suis là : ] 209 [11: 22] <Arntor> \o/ (2008-B-II-1) 240 Der Begriff ‚Bixie’ ist auf die erstmalige Verwendung dieser Ausprägung semiotischer Sonderformen in BIX (Byte Information Exchange), einem textbasierten Datenaustausch-Forum, zurückzuführen (vgl. hierzu URL http: / / en.wiktionary.org/ wiki/ bixie [letzter Zugriff: 16.08.2009]). 241 Vgl. Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 64). 242 Vgl. URL: http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Emoticon [letzter Zugriff: 16.08.2009]). 243 Das ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Deutung von Emotionen anhand von Gesichtsausdrücken kulturellen Unterschieden unterliegt (vgl. hierzu Yuki/ Maddux/ Masuda 2007). 244 Für eine ausführliche Darstellung vgl. Anhang C. <?page no="161"?> 161 c. 237 [15: 33] <Nayo> donc le sven stun gros glandeur qui profite du systeme 238 [15: 33] <%Super-Mouton> voila. 239 [15: 33] <Nayo> le chomeur de base T_T (2008-A-I-1) d. 109 [12: 45] <Paladur> Rien ne vaut le saucisson. 110 [12: 46] <@No_Name_Given> Si. 111 [12: 46] <@No_Name_Given> Un foie de veau 112 [12: 46] <@No_Name_Given> *_______________* (2008-A-III-1) In Beispiel (7-37a) findet sich in Z. 75 ein Bixie der Form ^^, das als Lachen zu deuten ist und gleichzeitig das Sigel nrv (énervée) disambiguiert, das in der vorliegenden Zustandsbeschreibung die Gemütslage von <choukette> widerspiegelt, nachdem der Versuch fehlgeschlagen ist, ein Sonderzeichen über die Tastatur zu generieren. In Beispiel (7-37b) findet sich in Z. 206 und Z. 209 jeweils ein Bixie, wobei in Z. 206 <Novembre> mit einem Lachen Freude darüber zum Ausdruck bringt, dass <naihoo_cee> nach Straßburg kommen wird, wo sich <Novembre> aufhält. In Z. 208 wird diese Freude noch durch die Verwendung eines entsprechenden lachenden Emoticons verstärkt. Das Bixie in Z. 209 ist als Winken im Sinne eines Werbens um Aufmerksamkeit zu interpretieren. Das Bixie in Z. 239 in Beispiel (7-37c) wiederum stellt ein weinendes Gesicht dar und bringt Trauer zum Ausdruck, wobei in diesem Fall eine ironisierende Verwendung vorliegt. Im letzten Beispiel (7-37d) ist ein lachendes, schwärmendes Gesicht dargestellt, dass zudem durch Zeicheniteration besondere Intensität erfährt. Im diachronen Vergleich erweisen sich die Bixies als eine semiotische Sonderform, auf die erst in Teil-Korpus 2008 vermehrt rekurriert wird, wie folgende Abbildung illustriert: Abbildung (7-XXXXI): Bixies 2003 2008 Bixies* 0,10% (21) 1,11% (318) davon: ** turnfinal 66,67% (14) 56,92% (181) Bezugsgröße: *Summe lexikalische Einheiten in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs- Turns/ **Summe Bixies/ Emojis in Äußerungs- und Zustandsbeschreibungs-Turns Während in Teil-Korpus 2003 lediglich 21 Vorkommen ermittelt wurden, was einem Anteil von 0,1% an der Gesamtanzahl der lexikalischen Einhei- <?page no="162"?> 162 ten des Teil-Korpus entspricht, hat die Verwendung von Bixies im Vergleichsjahr 2008 einen Zuwachs um 1,01 Prozentpunkte auf 1,11% erfahren, wobei in beiden Teil-Korpora die Bixies mit rund 66% (2003) bzw. 56% (2008) turnfinal verwendet werden. Insofern die Bixies wie die Emoticons ein Verfahren der Substitution para- und nonverbaler Kommunikationsmittel darstellen, sind sie als nähesprachlich zu charakterisieren. Aus dem diachronen Vergleich ergibt sich darüber hinaus, dass es sich dabei um ein produktives Verfahren der Emotionalitäts-Darstellung handelt, das noch im Entstehen begriffen ist. 7.5.3 ASCII-Arts Bei den ASCII-Arts handelt es sich um aus Schrift- und Sonderzeichen des ASCII-Codes generierte ‚Kunstwerke’, die in der Regel mehrere Zeilen umfassen und mittels zu diesem Zweck entwickelter Programme (Scripts) in den Chat-Verlauf eingebracht werden, wie Beispiel (7-38) veranschaulicht. Beispiel (7-38): ASCII-Art 684 * Xion has joined #france 685 * marslover has joined #france 686 <Xion> lu tout le monde 687 <korben-> non : ) 688 <BaboW> lol kel enthousiasme 689 <korben-> c qui ? 690 <kitty> lut xion 691 <korben-> c quoi ? 692 <Xion> ºº©oo©oº°© 693 <Xion> ____________ 694 <Xion> ____________ 695 <Xion> ________________) 696 <Xion> ____________ __ Bière 697 <Xion> ____________ __ pour 698 <Xion> ____________ __ toi 699 <Xion> ____________ __ korben- ! 700 <BaboW> euh bin c un djeun msieur ki fait du ragga 701 <Xion> ________________) 702 * ^|o_o|^ : / ! \ Arrête de faire mumuse avec ton script [ Xion ] 702a merci.. 703 / ! \ 704 <Xion> ____________ 705 <Xion> ____________ De la part de Xion ! ! ! ! 706 * Xion has left #france (2003-A-II-1) Das in Beispiel (7-38) abgebildete ASCII-Art repräsentiert ein Bierglas, das <Xion> <korben-> anbietet. Da übermäßige Einspeisung derartiger Scripts zum einen zu größerer Auslastung des Servers führt und zum anderen den Kommunikationsverlauf unterbricht, ist ihre Verwendung auf den channels <?page no="163"?> 163 der meisten IRC-Netzwerke untersagt und deren Einbindung zum Teil gar nicht erst möglich. So wird auch die in Beispiel (7-38) dargestellte Script- Verwendung in Z. 702/ 703 von <^Io_oI^> beanstandet, führt jedoch im vorliegenden Fall nicht zu weiteren Sanktionen seitens des channel op. Insgesamt lässt sich - was nicht zuletzt auf die genannten Gründe zurückzuführen sein dürfte - lediglich die dargestellte Verwendung eines ASCII-Art im gesamten Korpus nachweisen. 7.6 Fazit: Empirische diachrone Untersuchung der Teil-Korpora Anhand der diachronen Betrachtung der ausgewählten sprachlichen Merkmale und Verfahren auf den verschiedenen Ebenen der Sprachbeschreibung in den vorhergehenden Abschnitten konnten zahlreiche quantitative Veränderungen auf nahezu allen Beschreibungsebenen nachgewiesen werden. Im Bereich der Orthographie ist, ausgehend von der Unterscheidung in kompetenz- und performanzbedingte Phänomene, ein Rückgang von Performanz-Fehlern erkennbar bei gleichzeitiger, signifikanter Zunahme von Korrekturen, einer erkennbaren Tendenz zur Ausbildung von Korrekturstrategien sowie dem erstmaligen Vorkommen von Fremdkorrekturen in Teil-Korpus 2008. In Hinblick auf syntaktische Aspekte ist aus diachroner Perspektive zunächst zu konstatieren, dass die Syntax der untersuchten Logfiles nach wie vor durch ein hohes Maß an Einfachheit gekennzeichnet ist, sowohl hinsichtlich der durchschnittlichen Länge der Turns als auch in Bezug auf die Struktur der Turns. Gleichwohl lassen sich jedoch Tendenzen in Richtung einer zunehmenden syntaktischen Komplexität erkennen, da die Länge der Äußerungs-Turns zugenommen hat, weniger Einform- Turns zur Anwendung kommen und zunehmend hypotaktische Turn- Verknüpfungen verwendet werden. Eine weitere Veränderung betrifft die turninitiale Verwendung von Majuskeln und die turnfinale Verwendung von Interpunktionszeichen, die beide - erstere einen signifikanten - Zuwachs erfahren haben, wobei insbesondere die turnfinale Verwendung reduplizierter Interrogations- und Exklamationszeichen rückläufig ist. Im Bereich der lexikalischen Aspekte stellen die Abbreviativ-Formen nach wie vor das signifikanteste Charakteristikum der betrachteten Logfiles dar, wobei deren Verwendung insgesamt deutlich rückläufig ist. In Hinblick auf die Sigelbildung zeigt sich darüber hinaus, dass der Anteil chatspezifischer Sigel zugunsten alltagssprachlicher Sigel abgenommen hat und sich in der Gruppe der chat-spezifischen Sigel eine zunehmende Präferenz der Nutzer für mdr vor lol abzeichnet. Während die Verwendung von Onomatopoetika und Interjektionen ebenfalls abnimmt, ergibt sich hinsichtlich des Anteils englischsprachiger sowie anderssprachiger Ausdrücke und Entlehnungen insgesamt keine signifikante Veränderung. Der phonisch-graphische Bereich nimmt insofern eine besondere Rolle unter den <?page no="164"?> 164 betrachteten Beschreibungsebenen ein, als dort Phänomene angesiedelt sind, die in hohem Maße von der Medialität der Diskursart determiniert werden und auf der Tatsache beruhen, dass „im Französischen, der romanischen Sprache mit der archaisch-konservativsten Schreibform“ (Müller 1990: 200), eine große Diskrepanz zwischen code graphique und code phonique besteht. In Bezug auf die Verwendung der verschiedenen Verfahren der ortograf fonétik ist insgesamt ein Rückgang zu konstatieren, wobei außer dem Verfahren der Assimilation, das in beiden Teil-Korpora nahezu gleich frequent zur Anwendung kommt, alle anderen Verfahren wie Allographie, die Tilgung stummer Wortendungen sowie die Simplifizierung von Di- und Trigraphien zum Teil signifikant rückläufig sind. Die Verwendung der anderen, auf Ebene der phonisch-graphischen Aspekte angesiedelten Verfahren und Merkmale wie emulierte Prosodie, Syllabogramme und Logogramme erfolgt ebenfalls weniger frequent, wobei sich der Rückgang insbesondere in Bezug auf die Reminiszenz-Graphien als besonders bedeutsam erweist. Ein neuartiges Verfahren hingegen stellt der Gebrauch von leetspeak dar, der zwar insgesamt eine untergeordnete Rolle einnimmt, jedoch steigende Tendenz aufweist. Im Zuge der Betrachtung semiotischer Sonderformen ist für die Emoticons und die Bixies bzw. Emojis zunehmende Verwendung nachweisbar, bei gleichzeitiger Ausbildung einer Form, die in Teil-Korpus 2003 noch nicht belegt ist. Für die ASCII-Arts ist hingegen nur ein Vorkommen in Teil-Korpus 2003 dokumentiert. Die Verwendung der einzelnen sprachlichen Formen und Verfahren ist auf verschiedene Intentionen der Nutzer zurückzuführen, wie für die jeweiligen Phänomene im Einzelnen erörtert wurde. So kommt neben einer ludischen Sprachverwendung der Ökonomisierung von Zeit und Zeichen im Rahmen des Produktionsprozesses eine bedeutende Rolle zu, die eine „Angleichung der Geschwindigkeit der Schriftproduktion an [...] [die] Geschwindigkeit der Lautproduktion“ (Beißwenger 2000: 95) ermöglicht und auf diese Weise der Dialogizität der Diskursart in hohem Maße entgegenkommt. Darüber hinaus ist für andere Verfahren die Abbildung sprechsprachlicher Charakteristika sowie die Darstellung von Emotionalität als bestimmend für deren jeweilige Verwendung anzunehmen. Insofern sich die betrachteten Merkmale und Verfahren, deren Gebrauch zum Teil maßgeblich durch das Trägermedium determiniert wird, weitestgehend am Konzept der Nähesprache orientieren, ist für die Diskursart ‚phatischer Chat’ insgesamt vorrangig kommunikative Nähe einschlägig, wenngleich die nachgewiesenen Veränderungen in die Richtung zunehmender Distanzsprachlichkeit der Diskursart weisen. Bezug nehmend auf die eingangs formulierte Fragestellung und die daraus abgeleitete Hypothese ist folglich zu konstatieren, dass innerhalb der untersuchten Diskursart zwar nach wie vor auf die gleichen Verfahren rekurriert wird, dies jedoch in geringerem Umfang geschieht. Demgegenüber <?page no="165"?> 165 haben sich neue Verfahren, wie die Verwendung von leetspeak, bisher nicht in nennenswertem Umfang durchsetzen können. Daraus lässt sich zunächst ableiten, dass sich im Zuge der Entstehung der Kommunikationsform Chat ein den Anforderungen und Bedürfnissen der Nutzer genügendes Inventar an sprachlichen Formen und Verfahren ausgebildet hat, das nach wie vor konstitutiv für die Diskursart ‚phatischer Chat’ ist, wobei es sich dabei im Einzelnen nicht um chat-spezifische Novitäten handelt, sondern die Neuartigkeit vielmehr in deren frequenter Verwendung in neuen Kontexten besteht. Die Frage nach der Stabilität der besonderen Schriftsprache in der Computerkommunikation erübrigt sich: da inzwischen viele Menschen computervermittelt kommunizieren, ist es selbstverständlich notwendig, daß die Konventionen, Regeln und Eigenheiten der neuen Sprachform gefestigt werden, um die Sicherheit und Geschwindigkeit der Kommunikation zu garantieren. (Haase/ Huber/ Krumeich/ Rehm 1997: 82) Gleichzeitig weisen jedoch die quantitativ nachgewiesenen Veränderungen in der Frequenz der Verwendung der verschiedenen Verfahren in die Richtung eines strukturellen Wandels innerhalb der Diskursart ‚phatischer Chat’. So zeigt sich bezüglich der Verfahren, die im Sinne einer Substitution para- und nonverbaler Kommunikationsmittel zur Darstellung von Emotionalität eingesetzt werden, ein grundlegender Wandel: während Formen emulierter Prosodie und Sigel des Typs lol und mdr rückläufig sind, kommen vermehrt Emoticons und Bixies zum Einsatz. Zur Darstellung von Emotionalität und Affektivität wird demzufolge nicht mehr auf eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahren rekurriert, sondern auf semiotische Sonderformen, die zu diesem Zweck einen Ausbau erfahren haben. Ein weiteres Verfahren, das diachron einen Ausbau erfahren hat, stellt die Korrektur von Performanz-Fehlern dar, wie die Ausbildung verschiedener Korrekturstrategien belegt. Die diachron ermittelte Tendenz zu zunehmender Länge der Äußerungen bei einer abnehmenden Anzahl von Performanz-Fehlern angesichts eines höheren Kommunikationsvolumens in Teil-Korpus 2008 legt hingegen die Vermutung nahe, dass es bei zunehmender Medienkompetenz der Nutzer gleichzeitig zu einer Aneignung der diskursart-spezifischen Sprachverwendung gekommen ist. Insgesamt zeichnet sich diese nunmehr durch ein geringeres Maß an Nähesprachlichkeit und zunehmende Orientierung an der für französische Schriftsprache bestimmenden Norm aus, was darauf zurückzuführen sein dürfte, dass sich lediglich „procédés assez généraux pour pouvoir être mémorisés“ (Anis 2001: 31) durchgesetzt haben und davon auszugehen ist, dass sich breitere Nutzerkreise den IRC erschlossen haben. <?page no="167"?> 167 8 Synthese Wie im Rahmen der diachronen Untersuchung im vorangehenden Kapitel nachgewiesen wurde, hat die sich in den betrachteten IRC-Logfiles manifestierende Sprachverwendung in einem Zeitraum von fünf Jahren Veränderungen erfahren, die die Tendenz einer leichten Verschiebung der Sprachverwendung von stark ausgeprägter Nähesprachlichkeit in Richtung einer zunehmenden kommunikativen Distanz widerspiegeln. In Bezug auf die sprachlichen Verfahren, auf die zur Herstellung kommunikativer Nähe rekurriert wird, wurde konstatiert, dass diese - wenn auch teilweise in geringerem Umfang - nach wie vor zur Anwendung kommen und sich grundsätzlich keine neuartigen Verfahren ausgebildet haben. Ausgehend von den gewonnenen Ergebnissen erfolgt in den Abschnitten dieses Kapitels auf Grundlage des im sechsten Kapitel skizzierten erweiterten Nähe-Distanz-Kontinuums zunächst eine Verortung der betrachteten Diskursart im Spannungsfeld von kommunikativer Nähe und Distanz sowie abschließend deren diasystematische Charakterisierung. 8.1 Verortung der Diskursart zwischen kommunikativer Nähe und Distanz Im sechsten Kapitel wurde das von Koch/ Oesterreicher (1985) beschriebene Nähe-Distanz-Kontinuum dargestellt und dessen Erweiterung um Prämissen erörtert, die eine Bestimmung von Textsorten und Diskursarten computervermittelter Kommunikationsformen anhand des Modells ermöglichen. Im Anschluss daran wurden die Kommunikationsbedingungen der betrachteten Diskursart unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses der trägermedialen Determiniertheit bestimmt. Im Zuge der empirischen Untersuchung in den Abschnitten des siebten Kapitels wurden anschließend die der Diskursart zugrunde liegenden Versprachlichungsstrategien diachron betrachtet. In diesem Abschnitt werden Kommunikationsbedingungen und Versprachlichungsstrategien zusammengeführt und die Diskursart abschließend auf dem skizzierten Kontinuum verortet. Bei gegebener medialer Schriftlichkeit zeichnet sich die untersuchte Diskursart durch ein hohes Maß an Nähesprachlichkeit aus, auch wenn der diachrone Vergleich eine leichte Verschiebung in Richtung kommunikativer Distanz ergeben hat. Aufgrund der trägermedialen Bedingtheit sowie ihrer medialen Schriftlichkeit sind einzelne Parameter in spezifischer Weise determiniert, so dass die betrachtete Diskursart „bei weitem nicht so nähesprachlich sein kann wie eine medial mündliche Diskursart“ (Ágel/ Hennig 2007: 210). Insbesondere die trägermedial induzierte räumliche Tren- <?page no="168"?> 168 nung erweist sich dabei als genuin distanzsprachlich, auch wenn diese, wie beschrieben, durch Schaffung eines metaphorischen Kommunikationsraums zu überwinden versucht wird. Aus diesem Grund greifen auch Vergleiche phatischer Chats mit face-to-face-Kommunikation zu kurz, wenn sie diese als defizitär beschreiben, wie auch andererseits an traditionelle schriftsprachliche Textsorten herangetragene Erwartungen von dieser Diskursart enttäuscht werden müssen. 245 Vielmehr ergeben sich im Rahmen der Verortung der genannten Diskursart im Vergleich zu traditionellen Textsorten und Diskursarten neue Merkmalskombinationen von Kommunikationsbedingungen und Versprachlichungsstrategien, deren Neuartigkeit insbesondere in der Kopplung der Merkmale Quasi-Synchronizität und mediale Schriftlichkeit begründet liegt. Vor diesem Hintergrund ist die Chat-Kommunikation tatsächlich eine kommunikationsgeschichtliche Novität: Zum ersten Mal wird Schrift genuin und im großen Stil für die situationsgebundene, direkte und simultane Kommunikation verwendet. „Genuin“ heißt, dass die Schriftlichkeit in keinem systematischen Verhältnis zu einer vorgängigen oder nachträglichen Oralisierung steht. „Im großen Stil“ meint, dass die Möglichkeit der schriftbasierten Direktkommunikation zwar potentiell immer bestand, bislang aber wegen der ökonomischen Vorteile des Sprechens gegenüber dem Schreiben auf Randbereiche und spezielle Zwecksetzungen beschränkt blieb. (Storrer 2001: 462) So zeigt sich in Hinblick auf die Diskursart ‚phatischer Chat’, dass im Gegensatz zu anderen Textsorten und Diskursarten eine Transliteration weder intendiert noch ohne weiteres möglich ist. 246 Denn auch wenn die größtenteils nähesprachliche Konzeption „insbesondere über medial schriftsprachliche Innovationen vermittelt [wird], die zwar oralen Ausdrucksmitteln entsprechen, [können diese] nicht unmittelbar transferiert, d.h. vorgelesen werden“ (Haase/ Huber/ Krumeich/ Rehm 1997: 52). Im Unterschied zu medial schriftlichen Textsorten wie Dramentexten oder Comics, die ausgeprägte Züge von Nähesprachlichkeit tragen können, zeichnet sich die Diskursart ‚phatischer Chat’ jedoch dadurch aus, dass nicht im Sinne einer „fingierten Mündlichkeit“ (Goetsch 1985) auf die Abbildung von gesprochener Sprache abgezielt wird, sondern diese durchweg im Duktus der Mündlichkeit erfolgt. Eine Verortung der betrachteten Diskursart in dem in Abbildung (6-II) skizzierten erweiterten Nähe-Distanz-Kontinuum ist daher entsprechend der Position D1 im Bereich der medialen Schriftlichkeit vorzunehmen, wobei sich die diachron ermittelte zunehmende Distanz- 245 Vgl. Thimm (2000a: 9) und Hess-Lüttich/ Wilde (2003: 167). 246 Koch/ Oesterreicher (1985: 18) postulieren hingegen, dass „Transpositionen aller [...] Äußerungsformen in das jeweils andere Realisierungsmedium immer möglich [sind]“. <?page no="169"?> 169 sprachlichkeit der Sprachverwendung in einer Verschiebung in Richtung der Position D2 widerspiegelt. Mit der Diskursart ‚phatischer Chat’ ist demzufolge eine neuartige Form von medial schriftlicher Sprachverwendung entstanden, die gekennzeichnet ist durch ein in diesem Umfang in medialer Schriftlichkeit bisher unbekanntes Maß an Nähesprachlichkeit, das sich auf allen Ebenen der Sprachbeschreibung manifestiert und die traditionell bestehenden Affinitäten zwischen medialer und konzeptioneller Schriftlichkeit einerseits und medialer und konzeptioneller Mündlichkeit andererseits durchbricht. Die sich mit dieser Diskursart herausbildenden neuen „Schriftlichkeitskulturen“ (Thimm 2000a: 11) lassen sich in Anlehnung an den von Ong (1987: 135) geprägten Begriff der „sekundären Oralität“ als Form einer sekundären Literalität beschreiben. Mit Einführung der Schrift und Erfindung des Buchdrucks vollzog sich zunächst der Übergang von der primären Oralität zur primären Literalität und damit die Ausbildung des an diesen Techniken orientierten Affinitätsverhältnisses zwischen code phonique und code parlé einerseits sowie code graphique und code écrit andererseits. Im Zuge der von Ong (1987) beschriebenen „Technologisierung des Wortes“ und des Aufkommens neuer Technologien wie Telefon, Radio und Fernsehen erfährt dieses Affinitätsverhältnis eine neue, bis dahin unbekannte Ausprägung, die Ong (1987: 135) als „sekundäre[...] Oralität“ bezeichnet. Diese „ist sekundär, weil sie auf dem Humus der Schriftkultur gedeiht (‚Reden wie gedruckt’) und sich deshalb auch grundlegend von primärer Mündlichkeit unterscheidet“ (Scholler 2004: 192). Vor dem Hintergrund des Entstehens computervermittelter Kommunikationsformen und neuer Textsorten und Diskursarten ist davon auszugehen, dass sich eine, analog zu Ongs „sekundärer Oralität“ zu begreifende, sekundäre Literalität ausgebildet hat - im Sinne „einer Schrift, die sich manch Mündlichem verschreibt und dennoch geschrieben bleibt“ (Wegmann 1998: 50). Auch Scholler (2004: 192f.) argumentiert in diese Richtung, wenn er sekundäre Literalität charakterisiert „als eine mündlich geprägte [...] aber auch als eine solche, die innovative Textmuster und -strukturen des typographischen Zeitalters [...] wieder aufgreift und in modifizierter Art und Weise fortführt“ (Scholler 2004: 193). Schmitz (2006: 205) schließt sich dieser Argumentation an und führt diese weiter, indem er eine tertiäre Schriftlichkeit ableitet, die sich aus der Verschmelzung von Bild und Schrift ergibt, die sich in Bezug auf die Chat- Kommunikation insbesondere bei den Web-Chats abzeichnet. <?page no="170"?> 170 8.2 Verortung der Diskursart im Diasystem des Französischen Im vorhergehenden Abschnitt konnte bereits die Spezifik der sich in den Logfiles manifestierenden Sprachverwendung in Hinblick auf die Aspekte von kommunikativer Nähe und Distanz dargestellt werden. Daran schließt sich die Frage nach einer Verortung der vorliegenden Form der Sprachverwendung innerhalb des Varietätengefüges des Französischen an. Ausgehend von der Feststellung, dass eine „historische Sprache“ (Coseriu 1988: 47) weder eine monolithische Einheit noch ein homogenes System darstellt, beschreibt Coseriu historische Einzelsprachen als Diasysteme. Die verschiedenen Teilsysteme eines Diasystems wiederum konstituieren die „Architektur einer Sprache“ (1988: 33), die in dieser Form der Heterogenität historischer Sprachen Rechnung trägt. Dabei unterscheidet Coseriu in Anknüpfung an Flydal (1951: 240ff.) drei Varietätendimensionen: Es gibt nämlich in einer historischen Sprache zumindest drei Arten der inneren Verschiedenheit, und zwar: diatopische Unterschiede (d.h. Unterschiede im Raume), diastratische Unterschiede (Unterschiede zwischen den sozial-kulturellen Schichten) und diaphasische Unterschiede, d.h. Unterschiede zwischen den Modalitäten des Sprechens je nach der Situation desselben (einschließlich der Teilnehmer am Gespräch). (Coseriu 1988: 49f.) In Hinblick auf die diasystematische Bestimmung der innerhalb des Korpus nachgewiesenen Form der Sprachverwendung erweist sich die diatopische Dimension im Folgenden als nachrangig, da für die Untersuchung entsprechend der in Abschnitt 5.3 erläuterten Kriterien channels ausgewählt wurden, die keine übermäßige dialektale Markierung erwarten lassen, so dass auf eine gezielte Betrachtung diatopischer Aspekte verzichtet wurde. 247 Die folgende Betrachtung erfolgt daher ausschließlich aus einer sowohl diastratischen als auch diaphasischen Perspektive. Die sich in den verschiedenen Formen computervermittelter Kommunikation in unterschiedlicher Ausprägung manifestierenden sprachlichen Strukturen veranlassen Haase/ Huber/ Krumeich/ Rehm (1997: 52) zur Annahme der Existenz einer „gruppenspezifische[n] Sondersprache der Internet-Nutzer“, wenngleich sie aufgrund der ihrerseits unterstellten zunehmenden Ausbreitung der internetbasierten Kommunikation den Verlust dieses Sondersprachen-Charakters prognostizieren. 248 Im Rückgriff auf 247 Dass dialektale Sprachverwendung im Rahmen des IRC eine besondere Rolle einnehmen kann, belegen Untersuchungen von IRC-channels mit explizit regionalem Bezug (vgl. Siebenhaar 2005 und 2006 sowie Christen/ Tophinke/ Ziegler 2005). 248 Vgl. hierzu auch Maiworm (2003: 9). Rosenbaum (2000) wiederum setzt im Titel seines Lexikons „Chat-Slang: Lexikon der Internet-Sprache. Über 4200 Begriffe verstehen und anwenden“ die Existenz eines Chat-Slang und einer Internet-Sprache voraus. <?page no="171"?> 171 die in Kapitel 7 vorgenommene diachrone Untersuchung lässt sich für die vergleichend betrachtete Sprachverwendung innerhalb der Diskursart ‚phatischer Chat’ ein sondersprachlicher Charakter indes nicht behaupten. Bei sozialbedingten Gruppensprachen handelt es sich um Sprachvarietäten, die für jeweils sozial definierte Gruppen charakteristisch sind. 249 In Hinblick auf die untersuchten Logfiles ist nun in Abschnitt 4.3.2 erläutert worden, dass aufgrund der der Kommunikationsform inhärenten Anonymität Aussagen über die Nutzerstruktur nur schwer zu treffen sind und bisher kaum wissenschaftliche Untersuchungen zur Typologisierung von Chat- Nutzern vorliegen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass mit zunehmender Nutzung des Internets und seiner Dienste sowie deren Ausweitung auf verschiedenste Lebensbereiche in den letzten Jahren auch eine Ausdifferenzierung innerhalb der Nutzerstruktur erfolgt ist: Im Zuge der Popularisierung des Internet gleichen sich die soziodemografischen Merkmale von Internet-Nutzern im Allgemeinen und Chat-Nutzern im Besonderen in zunehmendem Maße der Gesamtbevölkerung an. Der ‚typische Chatter’ ist also keineswegs nur ein männlicher Jugendlicher oder Student, sondern kann ebenso auch eine Schülerin, ein 50jähriger Angestellter, eine Hausfrau oder ein gehörloser Mensch sein. (Döring 2001: 148f.) Da sich darüber hinaus die verschiedenen Nutzer-Typen auch hinsichtlich ihrer Nutzungs-Motivation und ihrer Medienkompetenz unterscheiden, ist aufgrund der hohen sozialen Heterogenität nicht mehr vom Vorliegen einer sozial definierbaren Gruppe im Sinne einer Gruppensprache auszugehen, wenngleich dieses Kriterium für die Anfangsphase der Entwicklung der internetbasierten Kommunikation durchaus Berechtigung finden mag. Einzig verbindendes Merkmal innerhalb der Gruppe der Chat-Nutzer stellt nunmehr die Verwendung eines Computers zum quasi-synchronen Austausch dar. Weitere Kriterien der Charakterisierung soziolektaler Varietäten stellen die kryptisch-ludische sowie die identitäre Funktion dar, wie sie unter anderem Goudaillier (2002: 13f.) für die argots de métiers und die seit dem 20. Jahrhundert bedeutenderen argots sociologiques beschreibt. Doch auch in Bezug auf diese Merkmale erweist sich die Sprachverwendung innerhalb der Logfiles als diastratisch weitgehend unmarkiert. Zwar konnte im Zuge der Untersuchung für ausgewählte Merkmale ein ludischer Umgang mit Sprache nachgewiesen werden, dennoch ist dieser nicht mit Kryptizität, wie sie für Geheimsprachen typisch ist, gleichzusetzen. Auch wenn dem ungeübten Chatter - auch newbie oder abwertend noob - die Sprachverwendung in den Logfiles zum Teil zunächst kryptisch erscheinen mag, erfolgt sie nicht, 249 Vgl. Bußmann (2008: 634). <?page no="172"?> 172 wie im Argot des Mittelalters, mit der Intention, sich für Außenstehende unverständlich auszudrücken. Das zeigt sich zum einen darin, dass sowohl chat-spezifisch stark markierte als auch schwach markierte Äußerungen im Chat-Verlauf nebeneinander erfolgen (vgl. Beispiel 8-1) und lässt sich zum anderen daran ablesen, dass seitens der Nutzer die Bereitschaft besteht, unverständliche Begriffe zu erläutern wie in Beispiel (8-2), wo die erfolgende Nachfrage nicht sanktioniert oder ignoriert wird. Beispiel (8-1): Sprachverwendung zwischen Norm und Subnorm a. 38 <kisscoolette> ça va pas etre gagné ça 39 <BaboW> loool 40 <BaboW> moim'en fout : ppp 41 <BaboW> jte frai resté tonkiet pô 42 <kisscoolette> je dois me lever à 5h (2003-A-II-1) b. 154 [21: 55] <%Myrdin> Mylene ca va ? 155 [21: 55] <+Mylene> non 156 [21: 55] <%Myrdin> keskiya (2008-A-I-2) Während in Beispiel (8-1a) <kisscoolette> zwar konsequent auf die Verwendung von Majuskeln am Turn-Beginn und Interpunktionszeichen am Turn-Ende verzichtet (Z. 38 und Z. 42) und in Z. 38 der Ausfall des accent circonflexe vorzufinden ist, was, wie in den Abschnitten des siebten Kapitels dargelegt wurde, ein frequentes Verfahren innerhalb der Logfiles darstellt, erweisen sich die Äußerungen von <BaboW> in Z. 40 und Z. 41 als in dieser Hinsicht stärker markiert. In Beispiel (8-1b) zeigt sich hingegen in Z. 154 und Z. 156, dass auch ein Nutzer seine Sprachverwendung stark oder weniger stark markiert in Hinblick auf chat-spezifische Merkmale ausgestalten kann. Beispiel (8-2): Sprachverwendung auf der Meta-Ebene 171 [20: 09] <@k4w4i> J'ai réussis a changé mon statut fb 180 [20: 11] <Floydfan> (c'est quoi un "statut fb"? ) 181 [20: 12] <Naischa_play> Facebook Floydfan 182 [20: 13] <Floydfan> Merci 183 [20: 13] <Floydfan> <<==noob 184 [20: 14] <Naischa_play> Tout le monde ne connait pas face book : ) (2008-A-III-2) In Beispiel (8-2) informiert <@k4w4i> in Z. 171 die anderen Nutzer über eine erfolgreich vorgenommene Änderung des eigenen Facebook-Profils (statut fb). <Flodyfan> hingegen ist der Begriff fb nicht vertraut und reagiert <?page no="173"?> 173 in Z. 180 mit einer Nachfrage, die in runden Klammern wiedergegeben ist, was in vorliegendem Fall mit einer in einem face-to-face-Setting vorsichtig, hinter vorgehaltener Hand gestellten Frage gleichzusetzen ist. Die Erläuterung liefert <Naischa_play> in Z. 181, woraufhin <Flodyfan> sich in Z. 182 zunächst bedankt und sich in Z. 183 entschuldigend selbst als noob, als unwissenden Neuling, bezeichnet. Diese Selbstzuschreibung honoriert wiederum <Naischa_play> in Z. 184 durch den Verweis darauf, dass nicht jeder Nutzer zwangsläufig Facebook kennen muss. Von einem kryptischen Charakter ist darüber hinaus auch insofern nicht auszugehen, als sich im diachronen Vergleich keine substantiellen Veränderungen im Bereich des Lexikons abgezeichnet haben, wie sie die Verwendung einer Geheimsprache nahe legen würde. In Hinblick auf die kryptisch-ludische Funktion ist folglich lediglich eine zum Teil ludisch geprägte Sprachverwendung ohne Abgrenzungsabsicht einschlägig. In Bezug auf die von Goudaillier (2002: 13f.) beschriebene identitäre Funktion ist für die betrachteten Logfiles zu konstatieren, dass zwar in begrenztem Rahmen gemeinsam Identität konstituiert wird und auf eine gemeinsame Identität rekurriert wird (vgl. Beispiel 8-3), dass diesem Prozess jedoch wiederum keine Abgrenzungsintention inhärent ist. Vielmehr erweisen sich die gemeinsam etablierten Kategorien als in hohem Maße durchlässig. Beispiel (8-3): Konstituierung einer gemeinsamen Identität 14 [21: 45] <+Cafe> putain de discussion de geeks 15 [21: 45] <+Cafe> >_< 16 [21: 45] <Timy> XD 17 [21: 45] <+Mylene> ben t'es un geek 18 [21: 45] <+Mylene> : ) 19 [21: 45] <%Myrdin> xD 20 [21: 45] <+Mylene> faut bien en faire 21 [21: 45] <+Cafe> ouais jsais bien 22 [21: 45] <%Myrdin> Cafe et moi on est des nolife 23 [21: 46] <+Cafe> aussi 24 [21: 46] <+Mylene> moi je le suis plus 25 [21: 46] <%Myrdin> et fier de l'etre 26 [21: 46] <+Cafe> et moi je suis un nerd en plus 27 [21: 46] <+Cafe> =D (2008-A-I-2) Insgesamt finden sich in Beispiel (8-3) vier Verweise auf internetspezifische Identitätskonstruktion (Z. 14, Z. 17, Z. 22, Z. 26). Der Begriff nerd (Z. 26) bezeichnet einen Computernutzer, der sich ausschließlich vor dem Computer aufhält und dabei soziale Kontakte vernachlässigt. Sofern dieses Verhalten pathologische Züge aufweist, spricht man von einer Person als nolife (Z. 22). Während diese Bezeichnungen negativ konnotiert sind, führt der Begriff des geek (Z. 14, Z. 17) oder der geekette (Z. 80, 2008-A-I-2) hingegen <?page no="174"?> 174 positive Konnotationen mit sich und dient der Bezeichnung von Personen, die sich zwar verstärkt für technische Zusammenhänge interessieren, dabei aber keine den nerds und nolifes vergleichbare Unfähigkeit zur Aufnahme sozialer Kontakte ausbilden. Insgesamt ist folglich zu konstatieren, dass die betrachtete Sprachverwendung nicht die für Gruppensprachen einschlägigen Merkmale aufweist und sich somit als diastratisch weitgehend unmarkiert erweist. Darüber hinaus variiert der Sprachgebrauch in den untersuchten Logfiles zum Teil stark und stellt sich keineswegs als homogen gruppensprachlich dar. Neben schwach markierten Äußerungen finden sich, wie in Beispiel (8-1) gezeigt wurde, Äußerungen, die vermehrt auf die im siebten Kapitel beschriebenen Merkmale und Verfahren rekurrieren und das Vorliegen einer spezifischen Form von Sprachverwendung und -kompetenz nahe legen. Überzeugender erscheint aus diesem Grund die Annahme eines diaphasischen Charakters der betrachteten Sprachverwendung, die sich in diesem Sinne als ein schriftlich realisiertes Register beschreiben ließe, das in gleichem Maße von der Kommunikationssituation bedingt wird, wie es dieser angemessen ist. 250 Entscheidendes Charakteristikum dieses Registers ist dessen doppelte Mediendeterminiertheit in Bezug auf die Koppelung an das Medium der Schrift und die trägermediale Bedingtheit. Für die untersuchte Diskursart stellt ein weiteres Merkmal dieses Registers die - für schriftlich realisierte Äußerungen in diesem Umfang ungewöhnlich - stark ausgeprägte Nähesprachlichkeit dar. In Abgrenzung zu anderen Diskursarten der Kommunikationsform Chat ist daher von einer diskursartspezifischen Ausprägung des Registers auszugehen. Im Unterschied zu anderen, traditionellen Registern zeigt sich darüber hinaus zum einen, dass sich die sprachliche Variation auf nahezu allen Ebenen der Sprachbeschreibung nachweisen lässt und zum anderen, dass diese einen großen Spielraum zulässt. So koexistieren im Chat-Verlauf wie in Beispiel (8-1) gezeigt wurde in dieser Hinsicht stark und schwach markierte Äußerungen, ohne dass dies als der Situation unangemessen erscheinen oder zu Sanktionen führen würde. Auch die im Zuge des diachronen Vergleichs nachgewiesenen quantitativen und qualitativen Veränderungen lassen den Schluss zu, dass sich ein schriftsprachliches diskursartspezifisches Register ausgebildet hat, das in Hinblick auf die das Register konstituierenden sprachlichen Merkmale und Verfahren Stabilität erlangt hat und damit der trägermedialen Determiniertheit einerseits und den Anforderungen nähesprachlicher Diskurse andererseits in besonderer Weise Rechnung trägt. In besonderem Maße trifft das, wie gezeigt werden konnte, auf die Ausbildung von Verfahren zur Emotionalitäts-Darstellung zu. Während 2003 zur Herstellung von Emotionalität neben Emoticons und Bixies noch auf verschiedene andere Verfahren wie die Reduplikation von Interpunktionszeichen und die 250 Vgl. hierzu auch Hess-Lüttich/ Wilde (2003: 167). <?page no="175"?> 175 Verwendung von Majuskeln rekurriert wurde, zeigt sich, dass die beiden letztgenannten Verfahren 2008 weniger frequent verwendet werden und eine Verlagerung in den Bereich der semiotischen Sonderformen erfolgt ist. Indem die Schrift zur Erschließung von Nähediskursen genutzt wird, trägt dieses Register im Sinne eines sprachlichen Ausbaus zu einer Ausdifferenzierung medial schriftsprachlicher Register bei. Diesbezüglich ist zu konstatieren, dass sich in der Chat-Kommunikation grafisch basierte Konventionen zur Imitation parasprachlicher Informationen (Mimik, Gestik, Prosodie) herausbilden, [...] also die Schriftlichkeit im Hinblick auf die Erfordernisse der synchronen Distanzkommunikation ausgebaut wird - ein Ausbau, der sich als neue Facette in die Geschichte des kontinuierlichen Ausbaus von Sprache und Schrift für die Zwecke der Distanzkommunikation einordnen lässt. (Storrer 2001: 440) Ausgehend von den Untersuchungsergebnissen lässt sich abschließend die Frage ableiten, ob von der Existenz eines übergeordneten cvK-spezifischen Registers auszugehen ist. Runkehl/ Schlobinski/ Siever (1998: 116) weisen in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass „bei allen gemeinsamen rekurrenten Strukturen“ Aussagen über „die Sprache des Internet“ (ebd.) nicht zu treffen sind. 251 Doch erweist sich auch in diesem Zusammenhang der Register-Begriff als wertvolle Beschreibungsgröße. In diesem Sinne lässt sich die Existenz eines übergeordneten cvK-spezifischen Registers postulieren, das in Abhängigkeit von der jeweiligen Kommunikationsform, der gewählten Textsorte bzw. Diskursart sowie determiniert durch die individuelle Medienkompetenz der Nutzer unterschiedliche Ausprägung erfahren kann, jedoch an das Internet als Trägermedium gebunden ist. Ein solches cvK-spezifisches Register ist folglich nicht als homogenes Gebilde im Sinne einer Internet-Sprache aufzufassen, sondern als Kontinuum innerhalb dessen sich die verschiedenen Textsorten und Diskursarten der unterschiedlichen Kommunikationsformen bewegen, wobei die sprachlichen Merkmale und Verfahren „innerhalb der einzelnen Dienste nicht nur quantitativ zwischen den Polen ‚Häufiges Vorkommen’ und ‚Nicht-Vorkommen’ verteilt, sondern auch qualitativ unterschiedlich distribuiert [sein können]“ (Runkehl/ Schlobinski/ Siever 1998: 116). 252 251 Vgl. hierzu auch Dürscheid (2004) und Schlobinski (2001) in Bezug auf Crystal (2001). 252 Vgl. auch Kilian (2001: 61). <?page no="177"?> 177 9 Schlussbetrachtung und Ausblick 45 Sekunden später RE: Und was machen wir? 40 Sekunden später AW: Was wir wollen. 35 Sekunden später RE: Was wollen wir? 30 Sekunden später AW: Das wird sich zeigen. (Glattauer 2008: 196) Im Rahmen vorliegender Studie konnte anhand eines geschichtlichen Aufrisses zunächst gezeigt werden, in welcher Geschwindigkeit das Internet und die verschiedenen internetbasierten Kommunikationsformen Ausbreitung erfahren haben und vermutlich weiterhin erfahren werden. Die zunehmende Verbreitung und Ausdifferenzierung der verschiedenen Formen computervermittelter Kommunikation, die im dritten Kapitel exemplarisch skizziert wurden, sowie die Entstehung immer neuer cvK-Technologien bringt nicht nur Modifikationen bestehender Kommunikationspraktiken mit sich, sondern könnte langfristig auch zu einer Verdrängung etablierter Kommunikationsformen führen. In diese Richtung weisen beispielsweise Vermutungen, Instant Messaging-Systeme könnten zu einer Ablösung der Kommunikationsformen E-Mail und Telefon führen. 253 Die Darstellung der Chat-Technologie im vierten Kapitel hat wiederum grundsätzliche Unterschiede zwischen den Chat-Systemen IRC und Web-Chat aufgezeigt und dabei verdeutlicht, dass sich in Bezug auf den Yahoo-Webchat im diachronen Vergleich deutliche Veränderungen sowohl in Hinblick auf das Layout als auch auf die Funktionalitäten ergeben haben, während der Internet Relay Chat und der mIRC Client keine nennenswerten Veränderungen erfahren haben. Der IRC erweist sich folglich als Forschungsgegenstand, der - zumindest für das zugrunde gelegte Untersuchungsintervall von fünf Jahren - ein hohes Maß an Konstanz bewahrt hat. Auch der im fünften Kapitel vorgenommene Vergleich der Teil-Korpora aus den Jah- 253 Vgl. Barnert u.a. (2003: 459). <?page no="178"?> 178 ren 2003 und 2008 weist in eine ähnliche Richtung: zwar kommt es aufgrund schnellerer Datenverbindungen innerhalb der untersuchten IRC- Netzwerke des Teil-Korpus 2008 zu einer Zunahme des Kommunikationsvolumens, die Nutzer-Anzahl erweist sich hingegen als weitgehend konstant. Fraglich muss hingegen zum jetzigen Zeitpunkt bleiben, ob und inwiefern der IRC auch weiterhin als Mittel für den quasi-synchronen Austausch zur Anwendung kommt oder ob die Verwendung anderer Kommunikationsformen kurz- oder langfristig eine Abnahme der IRC-Nutzung zur Folge haben wird. Im sechsten Kapitel wurde das von Koch/ Oesterreicher (1985) skizzierte Nähe-Distanz-Kontinuum auf den Prüfstand der computervermittelten Kommunikation gestellt und es wurden die Prämissen erörtert, unter denen es auf die Diskursart ‚phatischer Chat’ anzuwenden ist, bevor deren Kommunikationsbedingungen bestimmt wurden. Anhand der diachronen empirischen Analyse der Diskursart im siebten Kapitel, in deren Rahmen die sich in den betrachteten Logfiles manifestierende Sprachverwendung auf verschiedenen Ebenen der Sprachbetrachtung nachgezeichnet und sprachwissenschaftlich bestimmt wurde, konnte zunächst die eingangs formulierte Hypothese belegt werden, dass sich mit der Kommunikationsform Chat eine Sprachverwendung ausgebildet hat, die in Hinblick auf die sie konstituierenden sprachlichen Merkmale und Verfahren weitgehend Stabilität aufweist. So hat sich gezeigt, dass - wenn auch in geringerem Umfang - in Teil-Korpus 2008 grundsätzlich weiterhin auf die gleichen Verfahren rekurriert wird wie in Teil-Korpus 2003, wenngleich sich einzelne Veränderungen hinsichtlich deren Gewichtung ergeben haben. Darüber hinaus wurde konstatiert, dass die Verfahren insgesamt über ein hohes Maß an Nähesprachlichkeit verfügen und deren rückläufige Verwendung in die Richtung zunehmender Distanzsprachlichkeit der Diskursart weist. Abschließend wurde die Sprachverwendung zum einen innerhalb eines erweiterten Nähe-Distanz-Kontinuums und zum anderen als schriftsprachliches, diskursart-spezifisches Register im französischen Varietätengefüge verortet. Insofern sie „das Spektrum medialer und sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten“ (Jakobs 2003: 247) im Sinne eines sprachlichen Ausbaus der Distanzkommunikation erweitert haben, ist davon auszugehen, dass die verschiedenen Formen der computervermittelten Kommunikation und die sie konstituierenden Textsorten und Diskursarten, wie die dieser Studie zugrunde liegende Diskursart ‚phatischer Chat’, bereits einen Sprachwandel eingeleitet haben. Entgegen kulturpessimistischen Befürchtungen ist damit jedoch im Gegenteil keine nachhaltige Beschädigung der historischen Einzelsprachen einhergegangen. Vielmehr beruht [d]ie in Medien und Sprachpflegeinstitutionen aufkommende Sorge um den Verfall der Schriftsprache durch die neuen Kommunikationsformen im Internet [...] auf dem Missverständnis, Bewertungskriterien und Erwartungen, die sich <?page no="179"?> 179 an elaborierten Schrifttexten orientieren, an eine dialogisch und spontansprachlich konstituierte Kommunikationsform heranzutragen. (Storrer 2001: 445) Insgesamt sind die Auswirkungen von computervermittelter Kommunikation auf die Sprachkompetenz zum jetzigen Zeitpunkt noch schwer abzuschätzen. 254 Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang jedoch zum einen, dass auf der Grundlage von Tippfehlern, wie sie sich beispielsweise im Zuge des Produktionsprozesses von Kommunikationsvollzügen innerhalb der betrachteten Diskursart ergeben, diesbezüglich keine Aussagen zu treffen sind, da diese als reine Performanz-Fehler keinen Aufschluss über die Sprachkompetenz in anderen Kontexten außerhalb von cvK geben können. Zum anderen ist in Hinblick auf die vielfach ludische Sprachverwendung innerhalb der untersuchten Logfiles zu konstatieren, dass „transgresser les règles suppose de les avoir parfaitement maîtrisées au préalable“ (Anis 2001: 66): das Spiel mit Sprache setzt zunächst den Erwerb metalinguistischer und grammatikalischer Kompetenzen voraus. Mehr als von einem „digitale[n] Analphabetismus“ (Feibel 2001: 189) ist daher davon auszugehen, dass es im Zuge der Durchbrechung der bisher bestehenden Affinitäten von code phonique und code parlé einerseits sowie code graphique und code écrit andererseits durch die Textsorten und Diskursarten der cvK zu einer Register-Ausdifferenzierung innerhalb des code graphique kommt und in Teilen bereits gekommen ist. Insofern Schriftsprachlichkeit bislang eng mit der Norm verwoben war, ist aufgrund dieser Register- Ausdifferenzierung im Bereich der Schriftlichkeit langfristig mit dem Entstehen eines erweiterten Norm-Begriffs zu rechnen. In diesem Zusammenhang rückt die ausgeprägte Divergenz zwischen code phonique und code graphique im Französischen in den Vordergrund: es stellt sich die Frage, inwiefern sich die Orthographie des Französischen eventuell in Richtung einer phonetisierenden Graphie entwickelt und langfristig Auswirkungen auf das Sprachsystem zu erwarten sind. Während Alain Rey in Anis (2001: 68) „à la longue, une contraction entre graphie des mots et leurs phonétique“ prophezeit, besagen andere Einschätzungen hingegen, dass grundlegende Veränderungen des graphischen Systems im Sinne einer phonetisierenden Graphie nicht zu erwarten sind. 255 Die Beantwortung derartiger Fragestellungen setzt jedoch zunächst weitere synchrone und diachrone empirisch angelegte Studien voraus, die auf Grundlage einer Beschreibung der verschiedenen Textsorten und Diskursarten der computervermittelten Kommunikation eine umfassende Charakterisierung der schriftsprachlichen cvK-spezifischen Register vornehmen und mögliche Auswirkungen auf Sprachkompetenz und Sprachsystem beleuchten. 254 Vgl. Bouillaud/ Chanquoy/ Gombert (2007) und Freyermuth (2005). 255 Zu Reformen der französischen Orthographie vgl. Catach (1991) und Keller (1991). <?page no="181"?> 181 Literaturverzeichnis Abbate, Janet (1999): Inventing the Internet. Cambridge: MIT Press. 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Berlin: Institut für Romanische Philologie der Freien Universität Berlin, 41-62. <?page no="193"?> 193 Anhang A: Korpusübersicht <> Äußerungs-Turns ZB Zustandsbeschreibungs-Turns * Servergenerierte Turns/ Statusmeldungen LE Lexikalische Einheiten <?page no="194"?> Zeit Turns davon Turns in Form von: Anzahl davon LE in: Kürzel Netzwerk Kanal Tag Uhrzeit (in Min.) gesamt <> ZB <> + ZB * LE <> + ZB <> ZB 2003-A-I-1 EpiKnet (A) #EpiKnet (I) 17.02.2003 (1) 19: 41- 21: 46 125 135 24 9 33 102 179 118 61 2003-A-I-2 EpiKnet (A) #EpiKnet (I) 18.02.2003 (2) 11: 08- 12: 08 60 44 8 1 9 35 60 57 3 2003-A-I-3 EpiKnet (A) #EpiKnet (I) 02.03.2003 (3) 23: 25- 00: 00 35 13 2 0 2 11 9 9 0 Gesamt: 220 192 34 10 44 148 248 184 64 2003-A-II-1 EpiKnet (A) #France (II) 17.02.2003 (1) 19: 41- 21: 46 125 725 606 22 628 97 3366 3228 138 2003-A-II-2 EpiKnet (A) #France (II) 18.02.2003 (2) 11: 07- 12: 08 61 16 1 0 1 15 1 1 0 2003-A-II-3 EpiKnet (A) #France (II) 02.03.2003 (3) 23: 25- 00: 00 35 58 33 4 37 21 128 102 26 Gesamt: 221 799 640 26 666 133 3495 3331 164 2003-A-III-1 EpiKnet (A) #musique (III) 29.01.2003 (1) 21: 38- 23: 51 133 1278 1107 19 1126 152 3923 3757 166 2003-A-III-2 EpiKnet (A) #musique (III) 18.02.2003 (2) 11: 07- 12: 08 61 115 85 2 87 28 375 367 8 2003-A-III-3 EpiKnet (A) #musique (III) 02.03.2003 (3) 23: 25- 00: 00 35 253 241 0 241 12 1066 1066 0 Gesamt: 229 1646 1433 21 1454 192 5364 5190 174 2003-A-IV-1 EpiKnet (A) #Politique (IV) 29.01.2003 (1) 21: 35- 23: 51 136 52 9 2 11 41 60 41 19 2003-A-IV-2 EpiKnet (A) #Politique (IV) 17.02.2003 (2) 19: 42- 21: 46 124 400 296 16 312 88 1477 1372 105 2003-A-IV-3 EpiKnet (A) #Politique (IV) 02.03.2003 (3) 23: 26- 00: 00 34 5 1 0 1 4 2 2 0 Gesamt: 294 457 306 18 324 133 1539 1415 124 Gesamt: 964 3094 2413 75 2488 606 10646 10120 526 19 4 <?page no="195"?> Zeit Turns davon Turns in Form von: Anzahl davon LE in: Kürzel Netzwerk Kanal Tag Uhrzeit (in Min.) gesamt <> ZB <> + ZB * LE <> + ZB LE <> LE ZB 2003-B-I-1 Langochat (B) #chat (I) 26.02.2003 (1) 19: 40- 20: 34 54 134 98 1 99 35 529 525 4 2003-B-I-2 Langochat (B) #chat (I) 05.03.2003 (2) 19: 47- 21: 52 125 805 691 18 709 96 2112 2033 79 2003-B-I-3 Langochat (B) #chat (I) 06.03.2003 (3) 14: 57- 15: 31 34 28 17 1 18 10 126 120 6 Gesamt: 213 967 806 20 826 141 2767 2678 89 2003-B-II-1 Langochat (B) #free (II) 24.02.2003 (1) 17: 34- 18: 15 41 293 255 9 264 29 879 789 90 2003-B-II-2 Langochat (B) #free (II) 26.02.2003 (2) 19: 40- 20: 34 54 88 37 7 44 44 204 153 51 2003-B-II-3 Langochat (B) #free (II) 05.03.2003 (3) 11: 33- 13: 27 114 260 194 11 205 55 734 668 66 Gesamt: 209 641 486 27 513 128 1817 1610 207 2003-B-III-1 Langochat (B) #langochat (III) 26.02.2003 (1) 19: 39- 20: 34 55 249 143 8 151 98 701 674 27 2003-B-III-2 Langochat (B) #langochat (III) 04.03.2003 (2) 18: 09- 18: 47 38 166 119 8 127 39 487 452 35 2003-B-III-3 Langochat (B) #langochat (III) 06.03.2003 (3) 14: 26- 16: 19 113 235 136 14 150 85 616 541 75 Gesamt: 206 650 398 30 428 222 1804 1667 137 2003-B-IV-1 Langochat (B) #musique (IV) 24.02.2003 (1) 17: 35- 18: 15 40 25 11 2 13 12 34 16 18 2003-B-IV-2 Langochat (B) #musique (IV) 04.03.2003 (2) 18: 09- 19: 17 68 214 169 14 183 31 782 690 92 2003-B-IV-3 Langochat (B) #musique (IV) 06.03.2003 (3) 14: 35- 16: 15 100 371 326 23 349 22 1309 1200 109 Gesamt: 208 610 506 39 545 65 2125 1906 219 Gesamt: 836 2868 2196 116 2312 556 8513 7861 652 19 5 <?page no="196"?> Zeit Turns davon Turns in Form von: Anzahl davon LE in: Kürzel Netzwerk Kanal Tag Uhrzeit (in Min.) gesamt <> ZB <> + ZB * LE <> + ZB LE <> LE ZB 2003-C-I-1 Librenet (C) #dream (I) 18.02.2003 (1) 23: 18- 00: 00 42 12 0 0 0 12 0 0 0 2003-C-I-2 Librenet (C) #dream (I) 23.02.2003 (2) 20: 57- 21: 36 39 143 119 0 119 24 396 396 0 2003-C-I-3 Librenet (C) #dream (I) 03.03.2003 (3) 17: 55- 19: 21 86 193 148 3 151 42 638 622 16 Gesamt: 167 348 267 3 270 78 1034 1018 16 2003-C-II-1 Librenet (C) #frigobox (II) 18.02.2003 (1) 23: 18- 00: 00 42 84 71 3 74 10 357 341 16 2003-C-II-2 Librenet (C) #frigobox (II) 26.02.2003 (2) 20: 37- 21: 39 62 34 17 0 17 17 41 41 0 2003-C-II-3 Librenet (C) #frigobox (II) 03.03.2003 (3) 17: 55- 19: 21 86 8 0 0 0 8 0 0 0 Gesamt: 190 126 88 3 91 35 398 382 16 2003-C-III-1 Librenet (C) #le-tout-web (III) 23.02.2003 (1) 20: 57- 21: 36 39 2 0 0 0 2 0 0 0 2003-C-III-2 Librenet (C) #le-tout-web (III) 26.02.2003 (2) 20: 37- 21: 39 62 5 0 0 0 5 0 0 0 2003-C-III-3 Librenet (C) #le-tout-web (III) 03.03.2003 (3) 17: 56- 19: 21 85 2 0 0 0 2 0 0 0 Gesamt: 186 9 0 0 0 9 0 0 0 2003-C-IV-1 Librenet (C) #nocturne (IV) 18.02.2003 (1) 23: 18- 00: 00 42 1 0 0 0 1 0 0 0 2003-C-IV-2 Librenet (C) #nocturne (IV) 23.02.2003 (2) 20: 58- 21: 36 38 11 6 0 6 5 37 37 0 2003-C-IV-3 Librenet (C) #nocturne (IV) 03.03.2003 (3) 17: 55- 19: 21 86 4 0 0 0 4 0 0 0 Gesamt: 166 16 6 0 6 10 37 37 0 Gesamt: 709 499 361 6 367 132 1469 1437 32 19 6 <?page no="197"?> Zeit Turns davon Turns in Form von: Anzahl davon LE in: Kürzel Netzwerk Kanal Tag Uhrzeit (in Min.) gesamt <> ZB <> + ZB * LE <> + ZB LE <> LE ZB 2008-A-I-1 EpiKnet (A) #dialogues (I) 05.11.2008 (1) 15: 19- 16: 43 84 680 586 6 592 88 2379 2360 19 2008-A-I-2 EpiKnet (A) #dialogues (I) 19.11.2008 (2) 21: 44- 23: 01 77 993 847 31 878 115 3204 3095 109 2008-A-I-3 EpiKnet (A) #dialogues (I) 05.12.2008 (3) 14: 39- 16: 12 93 382 302 14 316 66 1101 1014 87 Gesamt: 254 2055 1735 51 1786 269 6684 6469 215 2008-A-II-1 EpiKnet (A) #EpiKnet (II) 28.10.2008 (1) 11: 15- 12: 16 61 68 38 1 39 29 234 225 9 2008-A-II-2 EpiKnet (A) #EpiKnet (II) 19.11.2008 (2) 20: 48- 22: 27 99 116 45 0 45 71 151 151 0 2008-A-II-3 EpiKnet (A) #EpiKnet (II) 23.11.2008 (3) 14: 36- 15: 30 54 79 40 1 41 38 92 90 2 Gesamt: 214 263 123 2 125 138 477 466 11 2008-A-III-1 EpiKnet (A) #Musique (III) 28.10.2008 (1) 12: 33- 13: 26 53 175 151 3 154 21 757 750 7 2008-A-III-2 EpiKnet (A) #Musique (III) 29.11.2008 (2) 19: 00- 20: 19 79 167 129 7 136 31 763 722 41 2008-A-III-3 EpiKnet (A) #Musique (III) 02.12.2008 (3) 11: 58- 12: 54 56 109 99 0 99 10 333 333 0 Gesamt: 188 451 379 10 389 62 1853 1805 48 2008-A-IV-1 EpiKnet (A) #Politique (IV) 02.11.2008 (1) 17: 46- 19: 28 102 113 94 0 94 19 424 424 0 2008-A-IV-2 EpiKnet (A) #Politique (IV) 09.11.2008 (2) 13: 12- 14: 01 49 21 10 0 10 11 13 13 0 2008-A-IV-3 EpiKnet (A) #Politique (IV) 14.11.2008 (3) 12: 57- 14: 09 72 78 60 4 64 14 257 242 15 Gesamt: 223 212 164 4 168 44 694 679 15 Gesamt: 879 2981 2401 67 2468 513 9708 9419 289 19 7 <?page no="198"?> Zeit Turns davon Turns in Form von: Anzahl davon LE in: Kürzel Netzwerk Kanal Tag Uhrzeit (in Min.) gesamt <> ZB <> + ZB * LE <> + ZB LE <> LE ZB 2008-B-I-1 Langochat (B) #bisous (I) 04.11.2008 (1) 13: 39- 14: 22 43 25 23 2 25 0 97 93 4 2008-B-I-2 Langochat (B) #bisous (I) 28.11.2008 (2) 23: 19- 00: 34 75 34 25 0 25 9 108 108 0 2008-B-I-3 Langochat (B) #bisous (I) 30.11.2008 (3) 10: 56- 12: 28 92 35 23 0 23 12 114 114 0 Gesamt: 210 94 71 2 73 21 319 315 4 2008-B-II-1 Langochat (B) #langochat (II) 07.11.2008 (1) 10: 40- 13: 28 168 597 541 3 544 53 2522 2511 11 2008-B-II-2 Langochat (B) #langochat (II) 23.11.2008 (2) 20: 51- 22: 24 93 136 93 6 99 37 411 397 14 2008-B-II-3 Langochat (B) #langochat (II) 28.11.2008 (3) 19: 13- 21: 20 127 854 748 39 787 67 3140 2951 189 Gesamt: 388 1587 1382 48 1430 157 6073 5859 214 2008-B-III-1 Langochat (B) #musique (III) 29.10.2008 (1) 14: 51- 15: 28 37 1 0 0 0 1 0 0 0 2008-B-III-2 Langochat (B) #musique (III) 07.11.2008 (2) 12: 03- 13: 27 84 8 1 0 1 7 2 2 0 2008-B-III-3 Langochat (B) #musique (III) 07.12.2008 (3) 22: 47- 23: 48 61 7 2 0 2 5 5 5 0 Gesamt: 182 16 3 0 3 13 7 7 0 Gesamt: 780 1697 1456 50 1506 191 6399 6181 218 19 8 <?page no="199"?> Zeit Turns davon Turns in Form von: Anzahl davon LE in: Kürzel Netzwerk Kanal Tag Uhrzeit (in Min.) gesamt <> ZB <> + ZB * LE <> + ZB LE <> LE ZB 2008-C-I-1 EuropNet (C) #chat-fr (I) 19.11.2008 (1) 20: 08- 21: 05 57 36 0 0 0 36 0 0 0 2008-C-I-2 EuropNet (C) #chat-fr (I) 23.11.2008 (2) 13: 31- 14: 21 50 9 1 1 2 7 26 2 24 2008-C-I-3 EuropNet (C) #chat-fr (I) 07.12.2008 (3) 22: 54- 23: 40 46 18 0 0 0 18 0 0 0 Gesamt: 153 63 1 1 2 61 26 2 24 2008-C-II-1 EuropNet (C) #EuropNet (II) 07.11.2008 (1) 11: 52- 12: 26 34 4 1 1 2 2 23 6 17 2008-C-II-2 EuropNet (C) #EuropNet (II) 14.11.2008 (2) 14: 18- 15: 53 95 42 29 2 31 11 109 107 2 2008-C-II-3 EuropNet (C) #EuropNet (II) 26.11.2008 (3) 20: 08- 21: 16 68 29 24 0 24 5 74 74 0 Gesamt: 197 75 54 3 57 18 206 187 19 2008-C-III-1 EuropNet (C) #free (III) 30.10.2008 (1) 09: 37- 10: 59 82 1306 868 37 905 401 4655 4433 222 2008-C-III-2 EuropNet (C) #free (III) 28.11.2008 (2) 22: 57- 23: 53 56 1112 591 46 637 475 2968 2678 290 2008-C-III-3 EuropNet (C) #free (III) 02.12.2008 (3) 12: 02- 14: 05 123 1520 826 41 867 653 4084 3856 228 Gesamt: 261 3938 2285 124 2409 1529 11707 10967 740 2008-C-IV-1 EuropNet (C) #paris (IV) 31.10.2008 (1) 22: 07- 23: 22 75 80 31 0 31 49 189 189 0 2008-C-IV-2 EuropNet (C) #paris (IV) 26.11.2008 (2) 19: 56- 21: 21 85 101 49 4 53 48 257 232 25 2008-C-IV-3 EuropNet (C) #paris (IV) 30.11.2008 (3) 11: 11- 12: 30 79 118 74 2 76 42 237 227 10 Gesamt: 239 299 154 6 160 139 683 648 35 Gesamt: 850 4375 2494 134 2628 1747 12622 11804 818 19 9 <?page no="200"?> 200 Anhang B: IRC-Befehle In der folgenden Übersicht sind grundlegende IRC-Befehle für die Nutzung des mIRC Clients aufgeführt. Wie aus der Auflistung hervorgeht, ist der Eingabe eines Befehls im Unterschied zu reinen Äußerungs-Turns stets ein slash (/ ) voranzustellen. Darüber hinaus erfordern einige Befehle die Eingabe bestimmter Informationen wie channel-, Server-, Dateiname, Nickname bzw. eines Textes oder spezifischer Parameter. Diese obligatorischen Angaben sind in der Auflistung in eckigen Klammern vermerkt, während in runden Klammern fakultative Angaben wiedergegeben sind. / admin [Server] Auflisten aller Server-Administratoren / amsg Senden einer Äußerung an alle channels, auf denen sich ein Nutzer aufhält / away (Text) Bekanntgabe eigener Abwesenheit, ggf. mit Text / dcc chat [Nickname] Chat-Austausch per DCC 256 / dcc close [Nickname] Beenden einer DCC-Verbindung / dcc get [Nickname] [Datei] Empfangen von Dateien per DCC / dcc send [Nickname] [Datei] Senden einer Datei an einen anderen Nutzer / exit Verlassen aller channels und Beenden des Clients / help Aufrufen des Online-Hilfesystems / ignore [Nickname] Äußerungen eines Nutzers ignorieren / invite [Nickname] [#channel] Einladen eines Nutzers auf einen channel / join [#channel] Betreten eines channel / kick [#channel] [Nickname] Verweisen eines Nutzers aus dem channel (nur op) / leave [#channel] (Text) Verlassen eines channel, ggf. mit Notiz / links Auflisten aller Server eines Netzwerkes / list Auflisten aller channels 256 DCC (direct client connection) ist eine direkte Verbindung zwischen zwei Clients, die ohne den IRC-Server funktioniert. <?page no="201"?> 201 / me [Text] Verfassen eines Handlungs-/ Zustandsberschreibungs-Turns / mode [#channel] +/ - [Parameter] Ändern des Status eines channel oder Nutzers (nur op) / motd [Server] Anzeigen der message of the day eines Servers / msg [Nickname] [Text] Verfassen einer Privat-Nachricht / names [#channel] Auflisten aller Nutzer eines channel / nick [Nickname] Ändern des Nickname / notify [Nickname] Einstellung der Benachrichtgungsfunktion über das Betreten und Verlassen des channel eines Nutzers / part [#channel] (Text) Verlassen eines channel, ggf. mit Notiz / quit (Text) Verlassen aller channels und Beenden des Clients, ggf. mit Notiz / topic Aufruf des topic eines channel / topic [Text] Ändern des topic eines channel / server Wechsel des Servers / version Anzeigen der Version von Server und Client / whois [Nickname] Abruf von Informationen über einen Nutzer <?page no="202"?> 202 Anhang C: Emoticons und Bixies In folgender Aufstellung sind die im Korpus am häufigsten verwendeten Emoticons und Bixies bzw. Emojis mit deren jeweiligen Paraphrasierungen aufgeführt, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Formen in Abhängigkeit vom jeweiligen Kontext verschiedene Funktionen erfüllen können, da die Verwendung dieser semiotischen Sonderformen nicht auf einem strikt konventionalisierten System beruht. 257 In der Auflistung wurde bei den Emoticons auf die Darstellung der Nase verzichtet, so wie es in den Teil-Korpora den Regelfall darstellt. : ) oder : ] Lachen, Freude ; ) oder ’) Augenzwinkern, Ironie : ’) Weinen vor Freude : D Lautes Lachen, Freude =) Lachen mit zugekniffenen Augen, Freude XD Lachen mit zugekniffenen Augen, Freude : > Sarkastisches Grinsen : ( Trauer, Enttäuschung, Bedauern : ’( Weinen : c Beleidigtsein : p Herausgestrecke Zunge : / Skepsis, Enttäusschung : O Erstaunen : o Erschrecken : X Schweigen : x Kuß : s Unentschlossenheit : B Begeisterung %( Verwirrung : ! Übelkeit x( Erschöpfung 8-0 Gutgläubigkeit I-I Schlafen <3 Herz ^ ^ Lachen, Freude *_* Strahlendes Lächeln, Schwärmen -_- Stilles Lächeln -.- Langeweile 257 Vgl. URL: http: / / www.greensmilies.com sowie URL: http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Emoticon [beide letzter Zugriff: 16.08.2009]. <?page no="203"?> 203 ._. Trauer, Wut >_< oder >.< Verärgerung, Wut O_O oder O.O Erstaunen, Überraschung o_O Skepsis T_T Weinen \o/ Winken <?page no="204"?> 204 Anhang D: Glossar +1 je plussoie 258 4ever forever afk away from keyboard a+ oder @+ à plus (tard) a++ oder @++ oder ++ à bien plus (tard) a plus à plus (tard) ap(p) appétit asv âge sexe ville bb bébé biz bises, bis(ou) bn bon brb be right back c c’est, sais/ t, ce, c’é-, ces, s’est, se c** con cad c’est-à-dire cb combien chui(s) je suis ct c’était cya see ya (= you) d des d9 de neuf dej déjeuner d'hab d’habitude ds dans dsl désolé en + en plus expdr explosé de rire kdo cadeau g j’ai, j’é gt j’étais i il j je k7 casette kan quand ke que kelkun quelqu’un keske qu’est-ce que keski qu’est-ce qui 258 Vgl. Abschnitt 7.4.1. <?page no="205"?> 205 kestion question ki qui kil qu’il kk1 quelqu’un kler clair klr clair koi quoi koike quoique kom(me) comme kon qu’on l elle lel laughing extremely loudly lo hello lol laughing out loud lu(t) salut m aime mdr mort de rire mm même moua moi mwa moi n’= n’est nrv énervé ns nous nuit bonne nuit oqp occupé osef on s’en fout pk(oi) pourquoi pourege pourrais-je pr pour pt1 putain ptdr pété de rire pti petit puiske puisque put1 putain pv (message) privé qd quand qq’1 quelqu’un qq(un) quelqu’un re retour (= je suis de retour) sa ça siouplé s’il vous plaît slt salut (selten: seulement) soir bonsoir <?page no="206"?> 206 spa (je ne) sais pas, c’est (ne) pas ss sans stp s’il te plaît surtt surtout svp s’il vous plaît swar bonsoir t t’es, -tait, tes, te, t’é-, t’ai, tais thx thanks tjs toujours tkt (ne) t’inquiètes (pas) tlm tout le monde tps temps tt tout twa toi u eu v vais we week-end wtf what the fuck y il zik musique <?page no="207"?> 207 Anhang E: Korpus Abrufbar unter URL: www.narr.de/ Download/ Korpus_Straetz