eBooks

Rahmen des Sprechens

Beiträge zur Valenztheorie, Varietätenlinguistik, Kreolistik, Kognitiver und Historischer Semantik - Peter Koch zum 60. Geburtstag

0720
2011
978-3-8233-7643-9
978-3-8233-6643-0
Gunter Narr Verlag 
Sarah Dessì Schmid
Ulrich Detges
Paul Gévaudan
Wiltrud Mihatsch
Richard Waltereit

Mit intellektueller Originalität, wissenschaftlicher Strenge, innovatorischer Kraft und theoretischer Prägnanz hat Peter Koch die Romanistik unserer Tage geprägt und neuen Forschungslinien ein Gesicht gegeben. In der Kognitiven und Historischen Semantik hat er sich international ebenso einen Namen gemacht wie in den Themenkomplexen der Diskurstraditionen und der Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Aus Anlass des 60. Geburtstages von Peter Koch versammelt dieser Band einschlägige Beiträge von Freunden, Kollegen und Schülern aus aller Welt und spiegelt somit die vielfältigen Forschungsgebiete des renommierten Romanisten wider.

<?page no="0"?> Rahmen des Sprechens Beiträge zu Valenztheorie, Varietätenlinguistik, Kreolistik, Kognitiver und Historischer Semantik PETER KOCH ZUM 60. GEBURTSTAG Herausgegeben von Sarah Dessì Schmid, Ulrich Detges, Paul Gévaudan, Wiltrud Mihatsch und Richard Waltereit <?page no="1"?> Rahmen des Sprechens Festschrift_Titelei_End.indd 1 20.05.11 14: 09 <?page no="2"?> Festschrift_Titelei_End.indd 2 20.05.11 14: 09 <?page no="3"?> Rahmen des Sprechens Beiträge zu Valenztheorie, Varietätenlinguistik, Kreolistik, Kognitiver und Historischer Semantik Peter Koch zum 60. Geburtstag Herausgegeben von Sarah Dessì Schmid, Ulrich Detges, Paul Gévaudan, Wiltrud Mihatsch und Richard Waltereit Festschrift_Titelei_End.indd 3 20.05.11 14: 09 <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Umschlagabbildung: © Reshavskyi/ Fotolia.de Satz: Informationsdesign D. Fratzke, Kirchentellinsfurt Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISBN 978-3-8233-6643-0 Festschrift_Titelei_End.indd 4 20.05.11 14: 09 <?page no="5"?> Tabula Gratulatoria M ARC B ONHOMME Bern J ENNY B RUMME Barcelona I SOLDE B URR Köln H ÉLÈNE C ARLES UND M ARTIN -D. G LESSGEN Zürich P AUL D ANLER Innsbruck N ICOLE D ELBECQUE Leuven T ULLIO D E M AURO Rom S ARAH D ESSÌ S CHMID Stuttgart U LRICH D ETGES München W OLF D IETRICH Münster A NDREAS D UFTER Erlangen-Nürnberg K ONRAD E HLICH Berlin/ München V ERA E ILERS Paderborn G ERHARD E RNST Regensburg J ÖRN A LBRECHT Heidelberg H EIDI A SCHENBERG Tübingen M ICHAELA B ANZHAF Tübingen M ATTHIAS B AUER Tübingen G ABRIELE B ECK -B USSE UND W INFRIED B USSE Berlin/ Marburg M ARIE -J OSÉ B ÉGUELIN Neuchâtel T ILMAN B ERGER Tübingen G ABRIELE B ERKENBUSCH Zwickau G ERALD B ERNHARD Bochum E DUARDO B LASCO F ERRER Cagliari C HRISTINE B LAUTH -H ENKE Tübingen K LAUS B OCHMANN Leipzig K LAUS B ÖCKLE Tübingen A NNEGRET B OLLÉE Bamberg Festschrift_V-435_End.indd V 23.05.11 11: 31 <?page no="6"?> VI Tabula Gratulatoria A NGELA F ERRARI Basel J ACK F EUILLET Nantes R ITA F RANCESCHINI Bozen J ACQUES F RANÇOIS Caen/ Tunis B ARBARA F RANK -J OB Bielefeld J UDITH M ARLENA F REY Tübingen S USANNA G AIDOLFI Eichstätt H ANS -M ARTIN G AUGER Freiburg D IRK G EERAERTS Leuven P AUL G ÉVAUDAN Zürich A DELINO G OMES Tübingen M AX G ROSSE Tübingen J OCHEN H AFNER München B ARBARA H ANS -B IANCHI L’Aquila G ERDA H ASSLER Potsdam M ARIE -C HRISTINE H AZAËL -M ASSIEUX Aix-en-Provence M ATTHIAS H EINZ Tübingen S TEFAN H OFSTETTER Tübingen M ARKUS I SING Tübingen D ANIEL J ACOB Freiburg im Breisgau K ONSTANZE J UNGBLUTH Frankfurt (Oder) J OHANNES K ABATEK Tübingen G EORGES K LEIBER Strasbourg J OACHIM K NAPE Tübingen K URT K OHN Tübingen M ARIA K OPTJEVSKAJA -T AMM Stockholm T HOMAS K OTSCHI Berlin T HOMAS K REFELD München G EORG K REMNITZ Wien B RENDA L ACA Paris N UNZIO L A F AUCI Zürich J ÜRGEN L ANG Erlangen B ETTINA L INDORFER Berlin A RACELI L ÓPEZ S ERENA Sevilla M ICHELE L OPORCARO Zürich C HRISTIANE M ARCHELLO -N IZIA Lyon Festschrift_V-435_End.indd VI 23.05.11 11: 31 <?page no="7"?> Tabula Gratulatoria VII D ANIELA M ARZO Stuttgart W OLFGANG M ATZAT Tübingen T RUDEL M EISENBURG Osnabrück R EINHARD M EISTERFELD Tübingen H OLGER M ICHELFEIT Tübingen W ILTRUD M IHATSCH Bochum M ARIA M OOG -G RÜNEWALD Tübingen J OHANNES M ÜLLER -L ANCÉ Mannheim R ICHARD M ÜLLER -S CHMITT Ludwigsburg A NTONIA N EU Tübingen I NGRID N EUMANN -H OLZSCHUH Regensburg C HRISTIANE N EVELING Leipzig W ULF O ESTERREICHER München P ATRICIA O STER -S TIERLE Saarbrücken F RANZ P ENZENSTADLER Tübingen M AX P FISTER Saarbrücken D ANIELA P IRAZZINI Bonn S YLVIANNE R ÉMI -G IRAUD Lyon U RSULA R EUTNER Passau L IGIA R OSPANTINI Tübingen V ERENA R UBE Stuttgart G IOVANNI R UFFINO Palermo U RSULA S CHAEFER Dresden B ARBARA S CHÄFER -P RIESS München L ENE S CHØSLER Kopenhagen S TEFAN S CHRECKENBERG Paderborn J ÜRGEN S CHRÖDER Tübingen A NGELA S CHROTT Kassel C HRISTOPH S CHWARZE Konstanz S ABINE S CHWARZE Augsburg M ARIA S ELIG Regensburg H EIDI S ILLER -R UNGGALDIER Innsbruck G ILLES S IOUFFI Montpellier M ONIKA S OKOL Köln R OSANNA S ORNICOLA Napoli O LIVIER S OUTET Paris Festschrift_V-435_End.indd VII 23.05.11 11: 31 <?page no="8"?> VIII Tabula Gratulatoria A CHIM S TEIN Stuttgart R EINHILD S TEINBERG Tübingen P AVOL Š TEKAUER Košice W OLF -D IETER S TEMPEL München E VA S TOLL München P IERRE S WIGGERS Leuven J ÜRGEN T RABANT Berlin B IRGIT U MBREIT Stuttgart M ARTINE V ANHOVE Villejuif T HOMAS V ERJANS Dijon R ICHARD W ALTEREIT Newcastle-upon-Tyne U LRICH W ANDRUSZKA Klagenfurt A XEL W ASMUTH Gailingen am Hochrhein E DELTRAUD W ERNER Halle (Saale) R AYMUND W ILHELM Bochum S USANNE W INKLER Tübingen E SME W INTER -F ROEMEL Tübingen I SABEL Z OLLNA Marburg Forschungsbibliothek Jakob Jud Zürich Georg-August-Universität Seminar für Romanische Philologie Göttingen Institut für Angewandte Linguistik Leipzig Institut für Italienische Sprache und Literatur Bern Institut für Romanische Philologie der Philipps-Universität Marburg Marburg Romanisches Seminar Freiburg im Breisgau Universitätsbibliothek Basel Festschrift_V-435_End.indd VIII 23.05.11 11: 31 <?page no="9"?> Inhalt Tabula Gratulatoria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Einleitung der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Sprachtheorie B ARBARA F RANK -J OB Zu den Leistungen eines netzwerkanalytischen Ansatzes für die empirische Linguistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 W ULF O ESTERREICHER Kultur und Sprache bei den Pirah- in der selva amazônica. Anmerkung zu einer befremdlichen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Valenztheorie J ACQUES F RANÇOIS Quelles sont les origines des verbes essentiellement pronominaux du français? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 P AUL G ÉVAUDAN Cadres prédicatifs et rôles sémantiques. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 B ARBARA H ANS -B IANCHI C’ è tanto da fare. Alcune osservazioni sulla semantica del verbo fare . . . . 57 L ENE S CHØSLER Quelques réflexions sur le rapport entre valence et construction . . . . . . . . 71 Diskurstraditionen und Varietäten J OHANNES K ABATEK Diskurstraditionen und Genres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 T HOMAS K REFELD Sag mir, wo der Standard ist, wo ist er (in der Varietätenlinguistik) geblieben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 M ARIA S ELIG Konzeptionelle und/ oder diaphasische Variation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Festschrift_V-435_End.indd IX 20.05.11 14: 35 <?page no="10"?> X Inhalt R OSANNA S ORNICOLA Sintassi e semantica di exinde, inde nel Codice Diplomatico Amalfitano . 127 J ÜRGEN T RABANT Volkssprache bei Dante: prossimitade und illustre Distanz . . . . . . . . . . . . . 143 R AYMUND W ILHELM Che cos’è una comunità discorsiva? Le molteplici identità del parlante e i modelli della linguistica storica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Sprachwandel U LRICH D ETGES / R ICHARD W ALTEREIT Turn-taking as a trigger for language change . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 H ANS -M ARTIN G AUGER ‚Enfin, il vit son quotidien‘. Neutrale Adjektivsubstantivierungen im Vorrücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 C HRISTIANE M ARCHELLO -N IZIA De moult fort à très fort: la ‚substitution‘ comme type de changement linguistique et l’hypothèse des ‚contextes propres‘ vs ‚contextes partagés‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 E SME W INTER -F ROEMEL Les tropes et le changement linguistique - points de contact entre la rhétorique et la linguistique . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Kognitive und Historische Semantik H EIDI A SCHENBERG Les marqueurs du discours dans les dictionnaires spécialisés: sémasiologie et onomasiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 S ARAH D ESSÌ S CHMID Progressive periphrastische Konstruktionen: Skizze einer Neuinterpretation am Beispiel des Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 G EORGES K LEIBER Dans le „sens“ du mouvement: éléments de sémantique conceptuelle du nom MOUVEMENT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 D ANIELA P IRAZZINI Sulla collocazione e sulla sua relazione con i blocchi semantici . . . . . . . . . . 285 O LIVIER S OUTET Une ambiguïté irritante et non intériorisable: ne … rien moins que et ne … rien de moins que . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Festschrift_V-435_End.indd X 20.05.11 14: 35 <?page no="11"?> Inhalt XI R EINHARD M EISTERFELD / J UDITH M ARLENA F REY Eine „räthselhafte Formel“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Kreolsprachen A NNEGRET B OLLÉE Les couleurs de la peau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 J ÜRGEN L ANG Le créole santiagais du Cap Vert, membre de ‚Sprachbünde‘ ouest-africains? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Lexikalische Typologie E DUARDO B LASCO F ERRER Semantica cognitiva e ricostruzione del Paleosardo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 M ARKUS I SING Hier kocht der Chef. A lexical typology of motivatable expressions for THE COOK and TO COOK : methodology and first applications. . . . . . . . . . . 357 S TEFAN H OFSTETTER 30 Meter lange Seile, des cordes longues de 30 mètres and 90-foot-long ropes - a Contrastive Study on the (Un)Availability of Direct Measure Phrases in English, German and French. . . . . . . . . . . . . 369 D ANIELA M ARZO / V ERENA R UBE / B IRGIT U MBREIT Similarité sans contiguïté - la dimension formelle de la motivation lexicale dans la perspective des locuteurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 M ARIA K OPTJEVSKAJA -T AMM „It’s boiling hot! “ On the structure of the linguistic temperature domain across languages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 W ILTRUD M IHATSCH / R EINHILD S TEINBERG Redundant compounds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 P AVOL Š TEKAUER On some issues of diminutives from a cross-linguistic perspective. . . . . . . 425 Festschrift_V-435_End.indd XI 20.05.11 14: 35 <?page no="12"?> Festschrift_V-435_End.indd XII 20.05.11 14: 35 <?page no="13"?> Einleitung Freunde, Kollegen und Schüler von Peter Koch haben sich verabredet, anlässlich seines 60. Geburtstags eine Reihe von Aufsätzen zu schreiben und damit - ihm zu Ehren - einen Beitrag zu seinen Arbeitsgebieten zu leisten. Sie wollen damit nicht nur den Freund ehren, den verantwortungsvollen, menschlichen und freundlichen Begleiter, sondern auch den scharfsinnigen Diskussionspartner, den originellen Denker und inspirierenden Lehrer. Vor allem aber wollen sie einem großen romanistischen Sprachwissenschaftler unserer Zeit ihre Reverenz erweisen. *** Die Sprache stellt in ihren konkreten Erscheinungsformen, im Diskurs und im Text, den Ausgangspunkt und das Leitmotiv aller sprachwissenschaftlichen Überlegungen Peter Kochs dar. Eine linguistische Theorie, die sich - auch nur teilweise - selbst beschreibt anstatt konsequent auf ihren eigentlichen Gegenstand, das Sprechen und die Sprache(n), ausgerichtet zu bleiben, ist für Peter Koch nicht angemessen. Sein Werk kann als die systematische Entfaltung eines Programms gelesen werden, das er, in nicht uncharakteristischer Grundsätzlichkeit und Methodik, schon zu Beginn seiner Dissertation (Verb · Valenz · Verfügung, 1981), in „0.1. Sprachtheoretische Optionen“, ausgesprochen hat: „Eine Sprache ist […] das Vermögen, Ausdrücke mit Inhalten zu verwenden. Sprache als ein solches Vermögen ist immer an die menschlichen Subjekte gebunden […]. In dieser Hinsicht kann Sprechen auch als Handeln bestimmt werden […] Sprechen ist gleichermaßen wie Handeln regelgebunden. […] Damit unterliegt Sprechen der für gesellschaftliches Handeln wesentlichen Dialektik zwischen aktueller Handlung und Handlungsmuster.“ Hier hat der junge (um seinen Doktorvater Hans-Martin Gauger zu zitieren) „Schlacks“ Peter Koch die Position bezogen, die nicht nur seine Dissertation, sondern auch sein weiteres Werk prägen wird. Die Ausrichtung auf die Sprachen und ihre Verankerung im menschlichen Handeln liefert auch die Grundlage für die Vielfalt der von Peter Koch behandelten Gebiete: Sprechereignisse und Sprachsysteme bedingen sich gegenseitig, aus ihrem Spannungsfeld resultiert die Dynamik der einzelsprachlichen Normen, ihrer Varietäten und der Diskurstraditionen; ein so komplexes Forschungsobjekt bringt es mit sich, dass die Erklärung eines bestimmten Aspekts oder einer bestimmten Erscheinung andere Aspekte oder Erscheinungen berührt, die ihrerseits erklärt werden wollen. Festschrift_V-435_End.indd XIII 20.05.11 14: 35 <?page no="14"?> XIV Einleitung Wer sich, wie Peter Koch in seiner Dissertation, mit Semantik und Syntax von Sachverhaltsdarstellungen (Prädikationen) befasst, macht sich zwangsläufig Gedanken über atomare prädikative Strukturen und die funktionelle Varianz der einfachsten Prädikatsausdrücke (‚haben‘ und ‚sein‘); er macht sich aber auch Gedanken über die mentale, kognitive Repräsentation von komplexen Prädikaten und über den lexikalischen Status der entsprechenden Prädikatsausdrücke. So ist es nicht verwunderlich, dass er in den 1990er Jahren - als einer der ersten Linguisten im deutschen Sprachraum - begann, sich intensiver mit lexikalischer und kognitiver Semantik zu befassen, mit semantischem und lexikalischem Wandel, insbesondere mit Kontiguitätsphänomenen. Diese Forschungsinteressen führten ihn später in den Bereich der lexikalischen Typologie. Pionierarbeit leistete er auf seinem zweiten zentralen Forschungsgebiet, dem Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit: Mit seiner Habilitationsschrift Distanz im Dictamen (1987) legte er nicht nur fundamentale Reflexionen über Texte, Kommunikation und Pragmatik vor, sondern auch Analysen konkreter grammatischer und lexikalischer Strukturen. Gleichzeitig stellt diese Arbeit einen gewichtigen Beitrag zu einer Theorie der Varietäten und der Diskurstraditionen dar (dieser Terminus wurde im Übrigen hier geprägt). Mit der Festlegung auf die Sprache und ihre Erscheinungsformen geht eine „sprachtheoretische Option“ einher, die für den linguistischen Ansatz Peter Kochs charakteristisch ist: Der Gegenstand, den er so beharrlich fixiert, ist die lebendige Sprache mit all ihren strukturellen und systematischen Defiziten und ihrem immerwährenden Wandel. Wer Linguistik von der Ereignishaftigkeit der Sprache, vom Sprechen her denkt, der betrachtet seinen Gegenstand auf jeder Abstraktionsstufe, vom konkreten Sprechen bis zu den Universalien der Sprachen und der Sprechtätigkeit. In dieser Hinsicht geht die Breite der Thematik von Peter Koch mit einer Tiefe der Betrachtungsweise einher, die vom konkreten Faktum, über die einzelsprachlichen Grammatiken, stilistischen und textsortenspezifischen Besonderheiten, bis zu den übereinzelsprachlichen, typologischen und universellen Prinzipien der Sprachen und des Sprechens reicht. *** Die Mannigfaltigkeit der von Peter Koch bearbeiteten Themen, die Vielzahl der abgedeckten romanischen (und anderen) Sprachen und seine extreme Produktivität machen es schwer, sein bisheriges Werk in wenigen Sätzen angemessen zu würdigen. Dennoch gibt es ein Konzept, dass sich, wie zufällig, in allen seinen Hauptbetätigungsfeldern herauskristallisiert: Es ist das Konzept des Rahmens. Es zeigt sich bereits in Peter Kochs Dissertation, die ein Beitrag zu einer Theorie der strukturellen Organisation des Valenzrahmens von Verben ist. In seinen Arbeiten zu Mündlichkeit und Schriftlichkeit, von denen viele in Zusammenarbeit mit seinem Freund Wulf Oesterreicher entstanden sind, unterstreicht Peter Koch die Bedeutung bestimmter ‚Kommunikationsbedingungen‘, die jeweils bestimmten ‚Versprachlichungsstrategien‘ zugrunde liegen. Damit Festschrift_V-435_End.indd XIV 20.05.11 14: 35 <?page no="15"?> Einleitung XV schreibt er dem kommunikativen Rahmen eine hervorragende Rolle im Hinblick auf das Sprechen zu. Die Beschäftigung mit den Diskurstraditionen, mit Variation und Varietäten, namentlich auch die Beschäftigung mit dem Phänomen der Diglossie, fokussiert den normativen Rahmen, welcher durch diskursive und einzelsprachliche Konventionen gesetzt wird. In seinen zahlreichen Beiträgen zu kognitiven Prozessen und Phänomenen propagiert Peter Koch einen Ansatz, der die grundlegenden mentalen Konzeptualisierungen auf erfahrungsbasierte, konzeptuelle Rahmen (Frames) zurückführt, welche aus vernetzten Kontiguitätsassoziationen bestehen. Seine Beiträge zur lexikalischen Typologie setzen sich mit den lexikalischen Bedingungen auseinander, die in - insbesondere romanischen - Einzelsprachen durch deren typologischen Rahmen gegeben sind. In einem ganz anderen, abstrakteren Sinn sind die meisten Arbeiten Peter Kochs selbst Rahmensetzungen, denn es handelt sich um Beiträge von Gewicht, an denen nicht vorbeigehen kann, wer sich mit der betreffenden Thematik auseinandersetzt. *** Die Beiträge des vorliegenden Bandes sind nach sieben Themenbereichen geordnet, die zu den Disziplinen gehören, in denen Peter Koch mit seinen Publikationen Akzente gesetzt hat: Sprachtheorie, Valenztheorie, Diskurstraditionen und Varietäten, Sprachwandel, kognitive und historische Semantik, Kreolsprachen und lexikalische Typologie. Die Anordnung gibt ungefähr die Reihenfolge seiner Beschäftigung mit diesen Themenbereichen wieder. Wie schon angedeutet, ist für Peter Koch die sprachtheoretische Fundierung der konkreten Forschungsarbeit zentral; daher ist Sprachtheorie hier als der allgemeinste Bereich zu verstehen. 1) Sprachtheorie Der Aufsatz von Barbara Frank-Job (Zu den Leistungen eines netzwerkanalytischen Ansatzes für die empirische Linguistik) ist einem neuartigen Ansatz der quantitativen und qualitativen linguistischen Datenanalyse gewidmet, der sich die Methoden der Netzwerkanalyse zu Nutze macht. Insbesondere werden in diesem Ansatz statistische Verfahren für die Sprachwissenschaft fruchtbar gemacht, die Netzwerkbeziehungen analysieren, z.B. soziale Netzwerke, die zur Konstitution von Sprechergemeinschaften und auch zur Herausbildung von Diskurstraditionen führen können. Die Autorin illustriert das Projekt anhand von Kookkurrenznetzwerken am Beispiel von Belegen der Vorgängerkonstruktion des zusammengesetzten Perfekts im Spätlatein und zeigt so, dass der Ansatz auch zur Erklärung sprachlicher Innovationen herangezogen werden kann. Der Beitrag von Wulf Oesterreicher (Kultur und Sprache bei den Pirah- in der selva amazônica - Anmerkung zu einer befremdlichen Diskussion) befasst sich mit den im Moment viel beachteten Thesen von Daniel L. Everett. Everett, Festschrift_V-435_End.indd XV 20.05.11 14: 35 <?page no="16"?> XVI Einleitung ehemaliger Missionar, Linguist und Spezialist für das Pirah-, die Sprache einer im Amazonas-Urwald lebenden kleinen Ethnie gleichen Namens, unternimmt in seinen neueren Publikationen den Versuch, Axiome des Chomskyschen Grammatikmodells dadurch zu erschüttern, dass er die seiner Meinung nach ungewöhnlichen Eigenschaften des Pirah- als empirische Gegenargumente ins Feld führt. Beispielsweise fehlt, wie Everett meint, dem Pirah- die Möglichkeit der rekursiven Einbettung grammatischer Strukturen, eine Eigenschaft, die nach Auffassung der Chomsky-Schule eigentlich ein universelles Merkmal menschlicher Sprachen von zentralem Rang darstellt. Wulf Oesterreicher unterzieht nun in seinem Beitrag Everetts Thesen einer kritischen Überprüfung, die ihrerseits die sprachtheoretischen Positionen des europäischen Strukturalismus in die Diskussion einbringt. 2) Valenztheorie Mit der Verbvalenz hat sich Peter Koch einen ausgezeichneten „Rahmen“ für sein eingangs angesprochenes Leitinteresse gewählt. Wir sprechen, „um ganze Sachverhalte darzustellen“ (1981: 24f.). Sachverhalte wiederum „sind nicht etwas Sprachliches, aber ohne die Sprache sind sie nicht“ (1981: 25). Etwas später in seiner Dissertation begründet er, warum die Struktur des Verbs samt seiner Leerstellen „das Prinzip sprachlicher Sachverhaltsdarstellung schlechthin“ (1981: 81) stiftet. Die Konventionen der Verbvalenz sind, im Sinne Kochs sprachtheoretischer Optionen, Handlungsmuster; sie stehen daher, wie alle solche Muster, in einer dialektischen Beziehung zur Äußerung als Einzelhandlung. Im Rahmen allgemeinerer Überlegungen zur Diathese geht Jacques François (Quelles sont les origines des verbes essentiellement pronominaux du français? ) der Frage nach, ob französische Verben, die als inhärent reflexiv gelten, aus einer „diathetischen Fixierung“ („figement diathétique“) heraus entstanden sind. Dies setzt voraus, dass sie in einer aktuellen oder einer früheren Sprachstufe oder in irgendeiner Varietät transitiv gebraucht werden oder wurden. Zur Klärung dieser Frage wertet der Autor für 164 Reflexivverben die historische Beschreibung des Trésor de la Langue Française aus. François identifiziert eine Gruppe von 41 Verben, die er für ‚unreduzierbar‘ reflexiv erachtet und die nach seiner Auffassung syntaktisch und semantisch mit den lateinischen Deponentien vergleichbar sind. Allgemeiner gesprochen gehören diese Verben in die von Benveniste konzipierte Kategorie der Media Tantum. An Peter Kochs Dissertation knüpft Paul Gévaudan in seinem Artikel Cadres prédicatifs et rôles sémantiques an, in dem es um semantische Rollen und Prädikationstypen geht. Er vertritt darin die Auffassung, dass das System der im Rahmen von Sachverhaltsdarstellungen zugewiesenen semantischen Rollen nicht in erster Linie egobzw. anthropozentrisch (agensorientiert), sondern vielmehr logozentrisch (sprecherorientiert) ist. Ausgehend von der Unterscheidung ‚ontologischer‘, ‚sozialer‘ und ‚diskursiver‘ Prädikationen entwickelt Gévaudan die Hypothese, dass die Darstellung des Diskurses unmittelbar mit dem syntaktischen Merkmal des Kompletivsatzes verbunden ist und sechs eigene Festschrift_V-435_End.indd XVI 20.05.11 14: 35 <?page no="17"?> Einleitung XVII Rollenprofile zuweisen kann: locuteur, interlocuteur und énonciation für den Sachverhaltstyp Lokution (z.B. direkte Rede), énonciateur, co-énonciateur und énoncé für den Sachverhaltstyp Illokution (z.B. indirekte Rede). Barbara Hans-Bianchis Studie C’è tanto da fare. Alcune osservazioni sulla semantica del verbo fare greift gleich mehrere Themen auf, die Peter Kochs Werk durchziehen: die Verbsemantik und Kognitive Semantik. Der Gebrauch des Verbs fare ist wegen dessen vermeintlicher Allgemeinheit oft sprachpflegerisch kritisiert worden. Dagegen zeigt die Autorin, wie dieses facettenreiche Verb, ausgehend von der konkret-effizierenden Bedeutung ‚etwas herstellen‘, eine komplexe Familie von Konstruktionen stiftet, in denen in verschiedenem Abstraktionsgrad Elemente des Frames des Herstellens aufgegriffen werden und in Unterkonstruktions- und Kollokationsbedeutungen lexikalisiert werden. Unter dem Eindruck des Erfolgs der Konstruktionsgrammatik im vergangenen Jahrzehnt untersucht Lene Schøsler in ihrem Beitrag Quelques réflexions sur le rapport entre valence et construction die Beziehungen zwischen dem (in der modernen Sprachwissenschaft weithin akzeptierten) Modell der Valenz und dem Konzept der Konstruktion, wie es von der Konstruktionsgrammatik vorgeschlagen wird. Im Zentrum stehen in diesem Beitrag zwei Probleme, nämlich erstens die Frage, welche der beiden Ebenen - Valenz und Konstruktion - die eigentlich zentrale bzw. primäre ist, und zweitens, wie das Zusammenspiel zwischen ihnen modelliert werden kann. Wie Schøsler auf Grundlage der Diskussion einer breiten Auswahl an Beispielen aus verschiedenen romanischen Sprachen, dem Russischen, dem Englischen und dem Dänischen zeigt, lassen sich diese wichtigen Fragen in jeweils unterschiedlicher Weise beantworten, je nachdem, ob man sie aus diachroner oder aus synchroner Perspektive untersucht. 3) Diskurstraditionen und Varietäten Diskurstraditionen und Varietäten sind die historisch konventionalisierten Handlungsmuster des Sprechens und der Sprachen, die schon in den „sprachtheoretischen Optionen“ Peter Kochs Dissertation angedeutet sind. Er hat immer darauf bestanden, dass die historische „Ebene des Sprachlichen“ Coserius nicht nur die Einzelsprachen und ihre Varietäten, sondern auch Konventionen des Sprechens, nämlich die Diskurstraditionen, umfasst. Johannes Kabatek greift in seinem Beitrag Diskurstraditionen und Genres Peter Kochs grundlegende Arbeiten zu den Diskurstraditionen auf und unternimmt eine Schärfung der Abgrenzung von Diskurstraditionen und Genres bzw. Gattungen, die er als der Diskurstradition nachgeordnete Kategorien versteht. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Konzept der Historizität, das bezogen auf eine Einzelsprache deutlich anders interpretiert werden muss als die Historizität von Diskurstraditionen. Kabatek zeigt außerdem, dass Diskursuniversen ebenso historisch verankerbar sind wie Diskurstraditionen, da sie phylogenetisch aufeinander aufbauen. Innerhalb der Diskurstraditionen zeigt er am Beispiel der Traditionen der paradigmatischen und der syntagmatischen Textebene die Vielschichtigkeit der Historizität auf. Festschrift_V-435_End.indd XVII 20.05.11 14: 35 <?page no="18"?> XVIII Einleitung Der Aufsatz Sag mir, wo der Standard ist, wo ist er (in der Varietätenlinguistik) geblieben? von Thomas Krefeld leistet eine kritische Diskussion der Verortung des sprachlichen Standards im Modell des Varietätenraumes von Koch/ Oesterreicher (1990). Das Hauptproblem, welches dieses Modell in Bezug auf den Standard aufwirft, ergibt sich Thomas Krefeld zufolge aus dem Umstand, dass der Standard hier - da er diatopisch schwach, diastratisch und diaphasisch als hochstehend markiert ist - zwar ausdrücklich mit allen Dimensionen in Verbindung gebracht wird und sich entsprechend „[…] auf jeden Fall im rechten Bereich des Schemas“ befindet, dass er aber dennoch prinzipiell den Rang einer Varietät unter vielen einnimmt. Diese Sichtweise konfrontiert nun Krefeld mit einer Auffassung, die besagt, dass der Standard als schlechthin unmarkierte Varietät, „also gewissermaßen als Negation aller anderen, […] markierten Varietäten“, zu konzipieren sei und insofern einen Sonderstatus besitzt, der entsprechend theoretisch zu modellieren wäre. In die schwelende Diskussion um das Exklusionsbzw. Inklusionsverhältnis von konzeptioneller und diaphasischer Variation fügt sich der Beitrag von Maria Selig (Konzeptionelle und/ oder diaphasische Variation? ) ein. Der Meinung von Koch und Oesterreicher, die Variation von konzeptioneller Mündlichkeit und Schriftlichkeit könne als eigene Dimension den drei Dimensionen der Coseriuschen Varietätenkette, also den (diatopischen) Dialekten, den (diastratischen) Sprachniveaus und den (diaphasischen) Stilen hinzugefügt werden, wird häufig mit dem Argument widersprochen, die konzeptionelle Variation sei nur ein Teilaspekt der diaphasischen Variation des Coseriuschen Modells und könne folglich keine eigenständige Variationsdimension konstituieren. Maria Selig nimmt nun ihrerseits kritischen Bezug auf die verschiedenen Positionen und gibt der offenen Frage weitere Denkanstöße. Mit der Analyse der frühmittelalterlichen scriptae, insbesondere mit dem Codice Diplomatico Amalfitano, beschäftigt sich Rosanna Sornicola (Sintassi e semantica di exinde, inde nel Codice Diplomatico Amalfitano). Die Autorin zeigt in einem ersten Schritt die sprachlichen Hauptunterschiede zwischen den notariellen Dokumenten der Herzogtümer der Küste und der langobardischen Fürstentümer; Unterschiede, die offensichtlich im Licht der unterschiedlichen Bereiche kulturellen und politischen Einflusses betrachtet werden müssen. Dann konzentriert sich ihre Untersuchung auf den Codice Diplomatico Amalfitano, der vielfältige sprachliche Phänomene von erheblichem Interesse für die Untersuchung des Übergangs vom Lateinischen zum volgare zeigt. Sie wendet sich insbesondere einer detaillierten Analyse einiger Strukturen mit exinde und inde zu, die wichtige Fragen der Syntax und der diachronen Semantik aufwerfen. Die amalfitanischen Texte bezeugen dabei - so die Autorin - die Kontinuität der notariellen Schrifttraditionen der byzantinischen Fürstentümer mit spätlateinischen sprachlichen Traditionen, die alles andere als formelhaft sind, sondern mit einer ihnen eigenen Dynamik ausgestattet. Mit Dantes zwei großen Sprachtraktaten, dem ersten Teil des Convivio und De vulgari eloquentia, beschäftigt sich Jürgen Trabant (Volkssprache bei Dante: prossimitade und illustre Distanz). Der Autor vergleicht die Hauptlinien und Festschrift_V-435_End.indd XVIII 20.05.11 14: 35 <?page no="19"?> Einleitung XIX -thesen beider Abhandlungen, in denen es um die mittelalterliche Diglossie von Latein und Volkssprache geht. So wird zum Beispiel in De vulgari eloquentia das Volgare als vornehmer angesehen als das Lateinische, das im Gegensatz dazu im Convivio - wie es der Tradition entspricht - als die vornehmere Sprache erscheint. Gerade diese Differenzen, die sich aus den verschiedenen Zielen der beiden Abhandlungen ergeben, arbeitet Trabant im Blick auf die metaphorisch interpretierte Koch-Oesterreichersche Opposition von Nähe und Distanz heraus. Damit kommt er zu dem Schluss, dass die unterschiedlichen ‚räumlichen Orientierungen‘ der beiden Traktate - das Convivio repräsentiere den „Abstieg aus himmelweiter Entfernung in die Sprache der Nähe“, De vulgari eloquentia hingegen „einen Aufstieg aus der Nähe in die Ferne eines neuen Paradieses“ - den Grund dafür darstellen, dass die Sprachen der mittelalterlichen Diglossie jeweils so verschieden erscheinen. Raymund Wilhelm, in Che cos’è una comunità discorsiva? , widmet sich der Beziehung zwischen ‚Sprachgemeinschaften‘ und ‚Diskursgemeinschaften‘. Der Autor stellt eine flexiblere Definition von Sprachgemeinschaften vor, die als Gemeinschaft derjenigen Personen verstanden werden, welche an der dauernden ‚Systematisierung‘ einer sprachlichen Varietät beteiligt sind und die daher deren Tradition sicherstellen. Der Autor hebt dabei die Analogie zu den Diskursgemeinschaften hervor: Eine Diskurstradition ist in der Tat nur denkbar, wenn man von einer Gemeinschaft von Menschen ausgeht, welche die von ihnen produzierten Texte als einer historisch konstituierten Norm angehörig wahrnehmen, selbst wenn sie sich räumlich oder zeitlich weit voneinander entfernt befinden. Vorteile dieser Auffassung sieht Wilhelm in der Möglichkeit, sich vom Vorurteil zu befreien, die Nation sei die Sprachgemeinschaft par excellence, und in der Möglichkeit einer pragmatischen Neufundierung der Sprachgeschichte, da man so die Rolle besser untersuchen kann, die bestimmte in ihrem historischen Kontext dokumentierte sprachliche und diskursive Traditionen bei der Konstitution einer Gruppenidentität spielen. 4) Sprachwandel Peter Koch ist immer davon ausgegangen, dass Wandel der historischen Sprachen im Sprechen stattfindet. Sprachwandel zeigt damit schlaglichtartig, wie Sprache der Dialektik von Einzelhandlung (Sprechen) und Handlungsmuster (historische Regeln des Sprechens und der Sprache) ausgesetzt ist. Ulrich Detges’ und Richard Waltereits Beitrag Turn-taking as a trigger for language change geht der Frage des Zusammenhangs von Sprachwandel und Kontexten der Rede anhand des Sprecherwechsels (Turn-taking) nach. Die Autoren argumentieren, dass die Konkurrenz um das Rederecht im Gespräch Sprecher dazu verleitet, noch mehr als sonst Formen expressiv zu verwenden, und so ungewollt Sprachwandel anzustoßen. Konstruktionen, die geeignet sind, das Rederecht zu übernehmen, sind daher ein Einfallstor für Sprachwandel. Dies zeigen die Autoren am Beispiel italienischer Diskurspartikeln und spanischer Subjekt- und Objektpronomina. Festschrift_V-435_End.indd XIX 20.05.11 14: 35 <?page no="20"?> XX Einleitung Peter Kochs Doktorvater Hans-Martin Gauger beschäftigt sich in ‚Enfin, il vit son quotidien‘. Neutrale Adjektivsubstantivierungen im Vorrücken mit einem rezenten Sprachwandel besonders im Französischen, nämlich der vermehrten Substantivierung von Adjektiven zur Bezeichnung abstrakter Konzepte, wie le politique oder l’international. Er befasst sich mit dem Genus dieser Substantivierungen, möglichen Blockierungen und der rezenten Entwicklung des Französischen in dieser Hinsicht. Gauger schließt seinen Artikel mit einer sehr persönlichen Schilderung Peter Kochs Aufstieg in Freiburg und darüber hinaus. Der Beitrag von Christiane Marchello-Nizia (De moult fort à très fort) beschreibt auf der Grundlage einer breit dokumentierten korpuslinguistischen Analyse die verschiedenen Stadien der Ersetzung von moult ‚sehr‘ durch très. Im Verlauf dieses Prozesses, der sich vom Altins Mittelfranzösische erstreckte, entwickelte sich afr. tres, ursprünglich als Präposition und Präfix in Bedeutungen wie ‚(hin-)durch, jenseits‘ gebräuchlich, zum Ausdruck einer starken Intensität und setzte sich schließlich in immer mehr Kontexten gegenüber moult durch. Eine besondere Relevanz dieser detaillierten Fallstudie besteht darin, dass hier - ausgehend von den Schlüsselbegriffen contextes partagés und contextes propres - eine Hypothese über den Verlauf von Ersetzungsprozessen im Allgemeinen formuliert wird. Esme Winter-Froemels Beitrag Les tropes et le changement linguistique - points de contact entre la rhétorique et la linguistique sondiert das Verhältnis von rhetorischen Tropen zu Sprachwandel in Rhetorik und Linguistik. Sie knüpft damit an Peter Kochs Interesse am Zusammenhang von Alltagskommunikation und Sprachwandel an. Nach einer Analyse der disziplinär bedingten jeweils unterschiedlichen Perspektiven von Rhetorik und Linguistik zeigt sie exemplarisch anhand von Ambiguitätsphänomenen, wie eine weitere gegenseitige Befruchtung von Rhetorik und Sprachwissenschaft zu einem vertieften Verständnis der Rolle rhetorischer Figuren für Sprachwandel führen kann. 5) Kognitive und Historische Semantik Peter Kochs frühe Festlegung, dass Sprache „das Vermögen, Ausdrücke mit Inhalten zu verwenden“ ist, weist der Semantik einen zentralen Platz zu. Seine Überzeugung, dass Sprache immer an menschliche Subjekte gebunden ist, machte die in den 1980er Jahren aufkommende Kognitive Semantik zu einem naheliegenden Forschungsfeld. Das Interesse an Sprachwandel hat ihn zur Historischen Semantik geführt. Heidi Aschenbergs Aufsatz (Les marqueurs du discours dans les dictionnaires spécialisés: sémasiologie et onomasiologie) ist einer besonderen Problematik der Diskursmarker - der ‚mots difficiles‘ an der Schnittstelle zwischen Grammatik, Semantik und Pragmatik - gewidmet, nämlich ihrer Definition und Kontextualisierung in lexikographischen Werken. Die Autorin präsentiert kritisch drei neue Wörterbücher und vergleicht sie anhand eines besonderen Beispiels, sin embargo, dennoch und ihrer französischen Äquivalente. Ihre Untersuchung wird von einigen wichtigen Fragen geleitet: Besteht ein prinzipieller Unterschied in Festschrift_V-435_End.indd XX 20.05.11 14: 35 <?page no="21"?> Einleitung XXI der lexikographischen Beschreibung im Allgemeinen zwischen Diskursmarkern und lexikalischen Wörtern? Welche ist die Definition von Diskurmarkern, die den analysierten Werken jeweils unterliegt? In welcher Art werden die onomasiologische und die semasiologische Perspektive in der Redaktion der Artikel miteinander verbunden? Und schließlich: Wie wird das tertium comparationis aufgefasst und definiert, das nötig ist, um Relationen der Synonymie und der Äquivalenz festzumachen? Sarah Dessì Schmids Beitrag Progressive periphrastische Konstruktionen behandelt die Frage, was periphrastische Konstruktionen im Allgemeinen und aspektuelle Verbalperiphrasen im Besonderen sind, vor allem in Bezug auf ihre Zugehörigkeit zum Lexikon oder zur Grammatik. Am Beispiel der italienischen Periphrase stare + Gerundium wendet die Autorin sich zunächst dem Problem zu, welcher gemeinsame semantische Nenner alle aspektuellen Verbalperiphrasen verbindet. Sie geht dann kritisch die Frage an, welchen traditionellen aspektuellen Kategorien sie zuzuordnen sind - mit anderen Worten, ob aspektuelle Verbalperiphrasen Aspekt oder Aktionsart sind - und stellt schließlich ein im Sinne Kochs aufgeklärt onomasiologisches (onomasiologie éclairée, 2003) und kognitiv orientiertes (auf der frame-Theorie basiertes) Modell vor, das eine mögliche Neuinterpretation der aspektuellen Verbalperiphrasen im Rahmen einer allgemeineren Kategorie der Aspektualität bietet. In Dans le „sens“ du mouvement: éléments de sémantique conceptuelle du nom mouvement analysiert Georges Kleiber die Semantik von fr. mouvement mit seinen diversen Bedeutungen aus sechs unterschiedlichen Perspektiven und arbeitet dabei ein komplexes Netzwerk der substanziellen Eigenschaften dieser Bedeutungen und der damit verbundenen Konzepte aus. Nachdem er nachgewiesen hat, dass die Versprachlichung des grundlegenden Konzepts der Bewegung über ein unselbständiges Substantiv erfolgen muss (le mouvement de X) und dass dessen Bedeutung immateriell ist, zeigt er, wie die Räumlichkeit dieses Konzepts den Ausgangspunkt einer Reihe von Metaphern bildet (seelische, emotionale, soziale ‚Bewegung‘ etc.). Das Konzept der Bewegung ist substanziell aber auch in der Zeit determiniert, was Kleiber dazu veranlasst, die Beziehung zwischen diesem Konzept und dem Sachverhaltstyp der Handlung zu untersuchen. Zu guter Letzt kehrt Kleiber zur Räumlichkeit zurück und erläutert, wie diese anhand eines externen (der Körper ist im Raum positioniert) oder eines internen Koordinatensystems (der Körper bildet den Raum) konzipiert werden kann. Um den rätselhaften dialektalen Ausdruck konschprich kreist der Beitrag Reinhard Meisterfelds und Judith Marlena Freys Eine „räthselhafte Formel“. Er rekonstruiert die abenteuerliche Geschichte der Interpretation dieser Formulierung und widmet sich auch dem Fortwirken der Latinität in der deutschen Sprachgeschichte. Der Ausdruck wird mundartlich verwendet, um einen zuvor beschriebenen Sachverhalt pauschal zu resümieren. Entgegen der These, dass sich ihr ursprünglicher Sinn nicht ergründen lasse, zeigen die Autoren, dass eine lange beiseitegeschobene volksetymologische Erklärung durchaus plausibel ist. Nach dieser Interpretation wird konschprich aus dem lateinischen quod dicat hergeleitet. Festschrift_V-435_End.indd XXI 20.05.11 14: 35 <?page no="22"?> XXII Einleitung Daniela Pirazzinis Aufsatz (Sulla collocazione e sulla relazione con i blocchi semantici) ist Kollokationen und ihrer Relation zu den „semantischen Blöcken“ Oswald Ducrots gewidmet. Die Autorin macht sich die Hypothese zu eigen, dass die lexikalische Bedeutung eines Wortes mit der Gesamtheit der Topoi zusammenhängt, die ein solches Wort mit sich bringen kann. Anhand der Untersuchung von kleinen lexiko-syntaktischen Umgebungen - wie eben den Kollokationen - in verschiedenen romanischen Sprachen verifiziert Pirazzini diese Hypothese und vertritt dabei die Meinung, dass die Gesamtbedeutung einer Kollokation nicht auf der Basis der Bedeutungen der einzelnen Komponenten vorhersehbar ist, sondern nur aus ihrer Interdependenz. Damit stellt sie sich gegen die Auffassung, dass die Beziehung zwischen den Elementen der Kollokation (Basis und Kollokator) immer hierarchisch d.h. unilateral und direkt sei und kommt zu dem Schluss, dass Kollokationen als eine Art semantischer Block aufzufassen seien. Olivier Soutets Beitrag Une ambiguïté irritante et non intériorisable: ne …rien moins que et (ne)…rien de moins que ist ein von der Semantik Gustave Guillaumes inspirierter Vergleich der Bedeutungskonstitution in den Konstruktionen ne … rien moins que ‚keinesfalls‘ und (ne) … rien de moins que ‚sehr wohl‘, ‚nichts weniger als‘. Die oft verwechselten, doch semantisch sehr unterschiedlichen Konstruktionen unterscheiden sich nur durch die Präposition de. Soutet zeigt anhand von interessanten Parallelfällen des Gebrauchs dieser Präposition im Französischen, dass es gerade der semantische Beitrag von de ist, der systematisch sowohl den Unterschied in der kompositionalen Bedeutungskonstitution ausmacht als auch für die Verwechselbarkeit verantwortlich ist. 6) Kreolsprachen An Kreolsprachen fasziniert Peter Koch besonders ihre Genese. Sie zeigt, wie Handlungsmuster (Sprachen) blitzartig aus Einzelhandlungen entstehen können, und veranschaulicht damit eindrücklich die Einbettung der Sprache ins menschliche Handeln. Der Beitrag Les couleurs de la peau von Annegret Bollée untersucht die Etymologien der kreolischen terminologie raciale, also der fein abgestuften Etikettierungen vom Typ métis, sang-mêlé, mulâtre, quarteron etc., die im Französischen bzw. im jeweiligen Kreol der französischen Kolonien verwendet wurden, um die verschiedenen Konstellationen von Hautfarbe und rassischer Herkunft anzugeben, welche sich aus dem Kontakt von Europäern, schwarzen Sklaven und amerindischer Urbevölkerung ergaben. Die Erforschung dieser Etymologien, die in der Tradition romanistischer „Klassiker“ wie dem Französischen Etymologische Wörterbuch Walter von Wartburgs steht und einen wichtigen Beitrag zur Exploration der französischen Kolonialgeschichte darstellt, ist Bestandteil der Arbeit am Dictionnaire étymologique des créoles français d’Amérique (DECA), das derzeit unter Leitung von Annegret Bollée, Dominique Fattier et Ingrid Neumann-Holzschuh entsteht. Einer alten Fragestellung der Kreolistik gewidmet ist der Beitrag von Jürgen Lang, Le créole santiagais du Cap Vert, membre de ‚Sprachbünde‘ ouest-afri- Festschrift_V-435_End.indd XXII 20.05.11 14: 35 <?page no="23"?> Einleitung XXIII cains? Hier geht es um die Frage, welche Rolle westafrikanische Sprachen in der Genese des portugiesisch basierten Kreols gespielt haben, das heute auf der Insel von Santiago (Kapverden) gesprochen wird. Gestützt auf den World Atlas of Language Structures (WALS) (2005) kommt der Verfasser in dieser Frage zu substanziell neuen Erkenntnissen. Galten bisher vor allem Einflüsse aus dem Wolof als gesichert, so belegt Jürgen Lang im vorliegenden Beitrag für zwei verschiedene grammatische Domänen - die Ditransitivität und die Koordination - dass im kapverdischen Kreol die grammatischen Strukturen mehrerer afrikanischer Sprachen konvergierten. 7) Lexikalische Typologie Das jüngste Forschungsgebiet Peter Kochs ist die lexikalische Typologie - hier fällt es nicht ganz leicht, seine Wahl aus seinem sprachtheoretischem Programm abzuleiten. Seine Arbeit zur lexikalischen Semantik führte ihm vor Augen, dass die Formulierung von Gemeinsamkeiten zwischen Einzelsprachen, die typologisch bedingt sind, im Bereich der Grammatik intensiv betrieben wird, im Bereich des Lexikons aber (noch) nicht. Eduardo Blasco Ferrer bietet mit Semantica cognitiva e ricostruzione del paleosardo einen Beitrag zur historischen Linguistik und Typologie, der der Rekonstruktion einer der sogenannten Trümmersprachen, nämlich des Paläosardischen, gewidmet ist. Nach einem knappen Überblick über den Forschungsstand stellt der Autor seine Interpretation der Natur des sprachlichen Substrats Sardiniens dar. Dabei lehnt er die Methode der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft ab und wendet bei der Untersuchung eines Korpus von Mikrotoponymen eine strukturell (distributionell und frequentiell) orientierte Methode an. Bei der Untersuchung und der Interpretation einiger mikrotoponymischer Elemente vergleicht Blasco Beispiele des Paläosardischen und des Baskischen. Im Resultat ordnet die Untersuchung das Paläosardische dem agglutinierenden Typ zu - und nicht dem flexiven, wie es immer vermutet worden ist. In 30 Meter lange Seile, des cordes longues de 30 mètres and 90-foot-long ropes - a Contrastive Study on the (Un)Availability of Direct Measure Phrases in English, German and French befasst sich Stefan Hofstetter mit der Versprachlichung von Maßen durch syntaktische ‚Maßkonstruktionen‘ oder ‚Maßphrasen‘ („measure phrase constructions“), in denen ein Adjektiv durch Maßeinheiten spezifiziert wird (engl. this rope is 60 feet long, dt. dieses Seil ist drei Meter lang, fr. cette corde est longue de trois mètres). Auf der Grundlage der von ihm ermittelten Daten falsifiziert Hofstetter exemplarisch zwei der aktuellsten Theorien zur Erklärung der Bildungsbedingungen von Maßkonstruktionen, nicht jedoch ohne in seiner Konklusion einen Neuansatz in Aussicht zu stellen, der auf einer weiteren Verbreiterung der Datenbasis durch Hinzunahme weiterer romanischer, germanischer und anderer Sprachen aufbauen soll. Mit Hier kocht der Chef. A lexical typology of motivatable expressions for the cook and to cook: methodology and first applications präsentiert Markus Ising nicht nur ein ungewöhnliches Projekt im Rahmen der maßgeblich von Peter Festschrift_V-435_End.indd XXIII 20.05.11 14: 35 <?page no="24"?> XXIV Einleitung Koch angestoßenen lexikalischen Typologie, sondern offeriert auch einen besonderen Leckerbissen, da sich seine Studie mit der wechselseitigen Motivation der Konzepte K OCH und KOCHEN befasst. Dabei entwickelt Ising auf der Grundlage bekannter Vorarbeiten, die von Peter Koch und seinem Umfeld stammen, einen bemerkenswerten begrifflichen Rahmen, der seiner Analyse als Framework dient. Darin wird u.a. die Unterscheidung zwischen interner und externer Motivation mit semantischen Innovationsverfahren gekreuzt, wobei hier wiederum das Phänomen der „Umkonzeptualisierung“ („reconceptualization“, Oszillation der Konzeptualisierung als Einheit oder Vielheit) eigens erfasst wird. Maria Koptjevskaja-Tamms ‚It’s boiling hot! ‘ On the structure of the linguistic temperature domain across languages bietet einen Einblick in die lexikalische Typologie von Temperaturbezeichnungen. Ein Schwerpunkt der Analyse liegt auf der unterschiedlichen semantischen Strukturierung in verschiedenen Sprachen, z.B. im Grad der Differenzierung der Skalenwerte, in den negativen oder positiven Konnotationen der Ausdrücke, in der Versprachlichung der Art der Wahrnehmung, der Natur der Hitzequelle sowie bezüglich der betroffenen Entität. Der Autorin gelingt es zu zeigen, dass die Versprachlichung von Temperatur sowohl semantisch als auch morphosyntaktisch in den untersuchten Sprachen sehr unterschiedlich gelöst ist. Die Aufsätze von Daniela Marzo, Verena Rube und Birgit Umbreit sowie von Wiltrud Mihatsch und Reinhild Steinberg präsentieren ausgewählte Ergebnisse jeweils aus den beiden von Peter Koch geleiteten Projekten LexiType Syn und LexiType Dia im Tübinger Sonderforschungsbereich 441 Linguistische Datenstrukturen. Daniela Marzo, Verena Rube und Birgit Umbreit präsentieren eine Untersuchung mit dem Titel Similarité sans contiguïté - la dimension formelle de la motivation lexicale dans la perspective des locuteurs. Ziel des Beitrags ist es, Peter Kochs Systematik lexikalischer Motivationstypen, die formale und semantischkognitive Kriterien kombiniert, vor dem Hintergrund der Projektergebnisse auszubauen. Im Projekt wurden Motivationsbeziehungen mit Hilfe von Fragebögen an Muttersprachler erfasst. Hierbei ergaben sich vor allem drei neue formale Motivationstypen, nämlich graphische Similarität, Zugehörigkeit zu einer Wortfamilie sowie Affixalternanz, also Beziehungen, die nicht über einfache Wortbildungsverfahren abbildbar sind und die Peter Kochs Systematik ergänzen. Reinhild Steinberg und Wiltrud Mihatsch untersuchen in ihrem Beitrag Redundant compounds übereinzelsprachliche Tendenzen der Bildung redundanter Komposita und Derivationsprodukte, ein Phänomen, das in seiner Bedeutung für die Sprecher Parallelen zur Volksetymologie aufweist, das aber im Unterschied zur Volksetymologie bisher kaum systematisch untersucht wurde. In ihrer Untersuchung zeigen sie einige typische Wortschatzbereiche auf, in denen es übereinzelsprachlich häufig zu redundanter Wortbildung kommt und demonstrieren außerdem, dass es sich zwar um kein hochfrequentes, aber dennoch keineswegs um ein marginales Verfahren handelt. Anhand eines typologisch weit gestreuten Korpus untersucht Pavol Štekauer in On some issues of diminutives from a cross-linguistic perspective einige Festschrift_V-435_End.indd XXIV 20.05.11 14: 35 <?page no="25"?> Einleitung XXV Hypothesen der „evaluativen Morphologie“, die für Diminutiv-, Augmentativ- und vergleichbare Morpheme einen eigenen Bereich zwischen der Flexions- und der Derivationsmorphologie postuliert. Das Besondere an Štekauers Herangehensweise ist, dass er zugleich onomasiologische und semasiologische Aspekte berücksichtigt. Zunächst zeigt er, dass die ursprüngliche Idee einer evaluativen Morphologie sich einerseits von der Vorstellung verabschieden muss, dass Diminutiva keinen Einfluss auf die lexikalische Kategorienbildung hätten, andererseits auch sich vom Dogma lösen muss, dass Diminutiv- und Flexionsmorpheme strikt zu unterscheiden seien. Mit der Auswertung der Daten kristallisieren sich typologische Profile heraus, die auf der Verwendungsfrequenz von Diminutivbildungen, auf der Bevorzugung bestimmter morphologischer Verfahren und semantischer Variationen sowie auf deren Kombination gründen. *** Autoren und Herausgeber hoffen, in dieses Buch, die Rahmen des Sprechens, einiges aufgenommen zu haben, das unseren Freund und Lehrer Peter Koch ebenso erfreut wie andere Leser. Dass dieser Rahmen nicht annähernd ausreicht, um Peter Kochs Werk angemessen zu würdigen, war uns freilich von Anfang an klar. Dies liegt zum Teil ganz einfach in der Natur der Dinge, denn die hier gewählte Diskurstradition ist prinzipiell ungeeignet, ein bestimmtes Moment darzustellen, welches Werk und Leben Peter Kochs ganz wesentlich bestimmt: den wissenschaftlichen und menschlichen Diskurs mit seinen Schülern und Kollegen. Und selbst wenn es uns gelänge, etwas davon einzufangen, so müsste vieles andere Wesentliche unberücksichtigt bleiben, das er ebenfalls großzügig weitergibt: spannende Krimis, erdige Weine und guten Blues. Für alles, was er mit uns teilt, danken wir Peter sehr herzlich. Stuttgart/ München/ Zürich/ Bochum/ Newcastle-upon-Tyne im März 2011 Sarah Dessì Schmid, Ulrich Detges, Paul Gévaudan, Wiltrud Mihatsch, Richard Waltereit Festschrift_V-435_End.indd XXV 20.05.11 14: 35 <?page no="26"?> Festschrift_V-435_End.indd XXVI 20.05.11 14: 35 <?page no="27"?> Sprachtheorie Festschrift_V-435_End.indd 1 20.05.11 14: 35 <?page no="28"?> Festschrift_V-435_End.indd 2 20.05.11 14: 36 <?page no="29"?> B ARBARA F RANK -J OB Zu den Leistungen eines netzwerkanalytischen Ansatzes für die empirische Linguistik 1 Zusammenfassung Der vorliegende Artikel stellt erste Ergebnisse eines interdisziplinären Projektes vor, in dem die Netzwerkanalyse als Methode der erweiterten stochastischen Physik in Kombination mit qualitativen Methoden der empirischen Linguistik auf verschiedene Bereiche der korpuslinguistischen Untersuchung natürlicher Sprachdaten angewandt wird. 1 Dabei wird zunächst ein Überblick gegeben über qualitative und quantitative Netzwerkanalysen in sozial- und sprachwissenschaftlichen Zusammenhängen und dann werden zwei Beispiele aus der Analyse historischer Datenkorpora vorgestellt, welche sich unschwer zwei wesentlichen Forschungsschwerpunkten von Peter Koch zuordnen lassen, der Analsye historischer Diskurstraditionen und der Sprachwandelforschung. 2 Einleitung Ausgelöst durch die sich stetig erweiternden Möglichkeiten computer- und internetbasierter Methoden zur Erstellung, Bearbeitung und Analyse umfangreicher Korpora natürlicher Sprachdaten bahnt sich seit einiger Zeit in der Linguistik ein Paradigmenwechsel an, bei dem erstmals aktuellen natürlichen Sprachdaten die ihnen gebührende Rolle im Rahmen einer auf empirischer Forschung basierenden Sprachtheorie zukommt. In Anbetracht der schieren Menge und Komplexität der zur Analyse bereitstehenden Daten erhalten automatisierte Analyseverfahren und quantitative Methoden zunehmend Gewicht. Dabei scheinen jedoch oftmals die technischmathematischen Möglichkeiten der Bearbeitung natürlichsprachiger Korpora nicht von den notwendigen qualitativen hypothesenbildenden Reflektionen begleitet zu sein. So mangelt es derzeit vielen quantitativen Untersuchungen an umfassenden Kenntnissen zur sozialen und kulturellen Einbettung der in den Korpora verarbeiteten Daten und nicht selten sogar am notwendigen einzelsprachlichen Fachwissen. Dies gilt insbesondere für den Umgang mit histori- 1 Das Projekt wird seit dem 1.1.2009 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert im Rahmen des Schwerpunktprogramms Wechselwirkungen zwischen Natur- und Geisteswissenschaften [http: / / www.bmbf.de/ foerderungen/ 7774.php]. Vgl. die ausführliche Projektbeschreibung unter [www.linguistic-networks.net]. Festschrift_V-435_End.indd 3 20.05.11 14: 36 <?page no="30"?> 4 Barbara Frank-Job schen Sprachdaten, wie sie in den letzten Jahren zunehmend zum Objekt automatisierter quantitativer Analyseverfahren geworden sind. Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig, die Vorteile einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit qualitativ und quantitativ, philologisch-linguistisch und mathematisch-statistisch bzw. stochastisch arbeitender Forscher hervorzuheben. Im Folgenden soll mit der Netzwerkanalyse ein solch interdisziplinärer Ansatz vorgestellt werden, der die quantitative Analyse mit qualitativ entwickelten Fragestellungen verbindet und der daher über die statistische Erhebung und Frequenzberechnung hinausgeht, indem er es erlaubt, verschiedene sprachliche und außersprachliche Ebenen systematisch miteinander in Beziehung zu setzen. 3 Netzwerkanalysen in qualitativer und quantitativer Forschung Jenseits aller fachspezifischen Differenzierungen bauen alle aktuellen Netzwerktheorien auf einer sehr einfachen Bestimmung ihres Objekts auf: Danach ist ein Netzwerk ein offenes System von miteinander verbundenen Elementen („Knoten“), das in der Lage ist, jederzeit neue Elemente über neue Verbindungen („Kanten“) zu integrieren. Typisch für die Netzwerkstruktur ist die Eigenschaft der Knoten, über verschiedene Kanten Verbindungen zu mehreren weiteren Knoten einzugehen. Ein Beispiel für ein Netzwerk mit konkreten Verbindungen ist ein U-Bahn-Netz, wobei die Knoten Stationen und die Kanten die Schienenverbindungen zwischen den Stationen darstellen. Als Kanten können jedoch auch abstraktere Beziehungen zwischen Elementen angenommen werden, wie dies z.B. bei Netzwerken von miteinander arbeitenden Wissenschaftlern oder Freundschaftsnetzwerken der Fall ist. In diesen Beispielen, die als „soziale Netzwerke“ bezeichnet werden, stellen Kommunikationsprozesse und damit in der Regel verbale Interaktionen die konkreten Verbindungen zwischen den Knoten dar (welche in der Regel Individuen sind). In der aktuellen Netzwerkanalyse lassen sich insbesondere zwei Traditionslinien unterscheiden, die bisher noch weitgehend unverbunden nebeneinander stehen: Auf der einen Seite eine quantifizierend-modellierende mathematische Netzwerktheorie, die aus der Graphentheorie stammt, und inzwischen durch Theorien selbstorganisierender Systeme angereichert zu einer komplexen Netzwerktheorie ausgebaut wurde (Barabási/ Albert 2002). Anwendungen dieser Theorie auf der Basis verschiedener Data-Mining-Algorithmen und weiterer Programme, die es erlauben, automatisch Muster in umfangreichen Datensätzen zu identifizieren (Blanchard/ Krüger 2006; Volchenkov/ Blanchard 2002; Mehler 2009a,b), haben inzwischen in vielen Wissenschaftsbereichen Anwendung gefunden, so z.B. in der Biologie (Barabási/ Oltvai 2004; Iossifov et al. 2004), der Soziologie (Barber et al. 2006; Newman 2003), der Informatik (Adamic/ Huberman 2001; Pastor-Satorras et al. 2001), der Kognitionswissenschaft (Steyvers/ Tenenbaum, 2005; Mehler 2008a) und der Linguistik (Ferrer i Cancho et al. 2004; Ferrer i Cancho/ Solé 2001; Mehler 2007a,b; Solé/ Corominas-Murtra et al. 2010). Festschrift_V-435_End.indd 4 20.05.11 14: 36 <?page no="31"?> Zu den Leistungen eines netzwerkanalytischen Ansatzes 5 Auf der anderen Seite arbeitet man in der qualitativ orientierten Soziologie mit einem Netzwerkbegriff, in dem Netzwerk als Bezeichnung für eine spezielle Form von sozialen Gruppen fungiert, welche besonders offene und dynamische Strukturen aufweist (Fuhse 2006). So sieht beispielsweise die britische Sozialanthropologie im Netzwerk typische Sozialstrukturen der modernen komplexen Gesellschaft, die auf dyadischen Beziehungen in interrelationalen offenen Strukturen basiert (Fuhse 2006). Die Bedeutung der Netzwerkstrukturen für die interaktive Aushandlung von Sinn betont die phänomenologische Netzwerktheorie (White 1995). Kommunikative Netzwerke verfügen demnach über eine phänomenologische Struktur, die interaktiv ausgehandelt wird, und sich zu komplexen Sinnmustern entwickeln kann. White (1995) nennt derartige Netzwerkkulturen „Domänen“. In Netzwerkdomänen entwickeln sich eigene symbolische Ordnungen, welche individuelle Einstellungen innerhalb der Netzwerkpopulationen bestimmen, und welche aufgrund der Teilhabe von Individuen an unterschiedlichen Netzwerken auch auf benachbarte Netzwerke übergehen können. Bereits in diesen traditionelleren Bestimmungen von sozialen Netzwerken steht also - wenn auch meist implizit - der Netzwerkbegriff in enger Beziehung zur verbalen Interaktion; denn die wichtigsten Relationen zwischen den Individuen eines sozialen Netzwerks sind Kommunikationsprozesse, die sich zu rekurrent auftretenden Kommunikationsformen oder Diskurstraditionen (Koch 1997; Oesterreicher 1997) verdichten und es erlauben, sprachliche Routinen für wiederkehrende Aufgaben zu verfestigen. Aktuelle soziologische Netzwerkanalysen berufen sich auf Manuel Castells Begriff der „Netzwerkgesellschaft“ und dessen Bestimmung von Netzwerk als offene Struktur von miteinander verbundenen Knoten, die in der Lage sind, „grenzenlos zu expandieren und dabei neue Knoten zu integrieren.“ (Castells 2001, 528). Damit wird insbesondere die hohe Dynamik sozialer Netzwerke hervorgehoben, mithin der Wandel gesellschaftlicher Werte und Normen als Folge von Veränderungen im Netzwerk analysiert: Das Internet mit seiner weitgehend ungesteuerten Verbreitung eines „vernetzten Individualismus“ (Castells 2005, 142) versinnbildlicht dieses Konzept besonders treffend. 3.1 Sprachen als komplexe Netzwerke Sprachen lassen sich in vielfacher Hinsicht als komplexe Netzwerke bestimmen: sprachintern betrachtet als in gegenseitiger Abhängigkeit stehende Netzwerke einzelsprachlicher Strukturierung (syntaktische, semantische, lautliche Netzwerke usw.), welche funktional-pragmatisch betrachtet wiederum in Abhängigkeitsrelationen zu sozialen (Agentennetzwerke, institutionelle Netzwerke etc.) und biologischen Netzwerken (kognitive und neuronale Netzwerke) stehen: Language […] exhibits highly intricate network structures at all levels (phonetic, lexical, syntactic, semantic) and this structure is to some extent shaped and reshaped by millions of language users over long periods of time, as they adapt and Festschrift_V-435_End.indd 5 20.05.11 14: 36 <?page no="32"?> 6 Barbara Frank-Job change them to their needs as part of ongoing local interactions. The cognitive structures needed to produce, parse, and interpret language take the form of highly complex cognitive networks as well, maintained by each individual and aligned and coordinated as a side effect of local interactions. These cognitive structures are embodied in brain networks which exhibit themselves as non-trivial topological patterns. (Solé/ Corominas-Murtra et al. 2010, 3) Zur Bestimmung sprachlicher Netzwerke im engeren Sinne werden aktuell insbesondere folgende drei Arten von Vernetzungen herangezogen: Kookkurrenznetzwerke, syntaktische Netzwerke und semantische Netzwerke (Solé/ Corominas-Murtra et al. 2010). Hinzu kommen in jüngster Zeit Netzwerke, welche durch rein formal-strukturelle Eigenschaften von Texten gebildet werden und eine sehr gute Klassifikation von Texttypen erlauben, ohne dass man auf semantische Eigenschaften der Texte selbst zurückzugreifen müsste (Mehler/ Geibel/ Pustylnikov 2007). Kookkurrenznetzwerke bilden die Linearität von Sprechereignissen (bzw. die Abfolge von geschriebenen Wörtern und Buchstaben in schriftlichen Äußerungen) als Beziehungen zwischen Einheiten in gerichteten oder ungerichteten Graphen ab. 2 In der Regel werden hier also syntagmatische Beziehungen zwischen Zeichen oder Zeichenelementen in Äußerungen netzwerkanalytisch erfasst. Bei systematischen Vergleichen zwischen Kookkurrenznetzwerken in bipartiten Graphen lassen sich jedoch auch paradigmatische Beziehungen erfassen, auf der lexikalischen Ebene etwa der Grad der semantischen Ähnlichkeit von Lexemen anhand der Ähnlichkeit ihrer Gebrauchskontexte. Syntaktische Netzwerke bilden Konstituentenstrukturen ab, erfassen also hierarchische Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Äußerungseinheiten, wobei den Analysen meist dependenzgrammatische Syntaxmodelle zugrundegelegt werden, da diese es erlauben, die Wortformen selbst als Knoten zu behandeln (Ferrer y Cancho et al. 2004; Solé/ Corominas-Murtra et al. 2010, 4). 3 Semantische Netzwerke stellen die älteste und häufigste netzwerkanalytische Bearbeitung sprachlicher Daten dar. Hierbei werden semantische Relationen (z.B. Kontiguitäts- und Similaritätsbeziehungen) als Kanten zwischen lexikalisierten Konzepten als Knoten abgebildet. Auf diese Weise konnte z.B. die Entstehung umfangreicher Ontologien in verschiedenen Wissensgebieten im WWW sichtbar gemacht werden (Mehler/ Pustylnikov/ Diewald 2010). 4 Diese Anwendungen der mathematisch-quantitativen Netzwerkanalyse auf sprachliche Daten haben zahlreiche universell für sprachliche Netzwerke gültige Eigenschaften erarbeitet, die etwa die Anzahl der Kanten, die durchschnittliche Pfadlänge, den Vernetzungsgrad (Clusterkoeffizient), die Verteilung der Kanten 2 Vgl. unten ausführlicher zu Kookkurrenznetzwerken am Beispiel spätlateinischer Texte. 3 Die Projekthomepage (www.linguistic-networks.net) gibt Beispiele für syntaktische Netzwerke. 4 Vgl. auch http: / / userweb.cs.utexas.edu/ users/ mfkb/ related.html, wo eine Übersicht über Forschungen zu Ontologien im WWW gegeben wird. Festschrift_V-435_End.indd 6 20.05.11 14: 36 <?page no="33"?> Zu den Leistungen eines netzwerkanalytischen Ansatzes 7 und Knoten oder die Anzahl sog. Hubs (besonders stark vernetzter Knoten in einem Netzwerk) betreffen: Abb. 1: Übersicht über die statistischen Universalien sprachlicher Netzwerke (Solé/ Corominas-Murtra et al. 2010, Table I) Da Netzwerke trotz ihrer Stabilität als offen betrachtet werden, erlaubt der Netzwerkgedanke die Überwindung des traditionellen linguistischen Konzepts eines geschlossenen und nur synchron stabilen Sprachsystems und ermöglicht es, auch situierte Sprache in ihrer Strukturiertheit und Dynamik zu erfassen. Zum einen können dabei über die traditionell in der Linguistik unterschiedenen sprachlichen Strukturierungsebenen (Phonologie, Morphologie, Syntax, Lexik und Text) hinaus übergeordnete Strukturierungsebenen analysiert werden, die die direkte Verbindung zu sozialen Netzwerken darstellen, wie z.B. Diskurstypen oder kommunikative Praxisbereiche (Frank 1998; Frank-Job 2002, 2003, 2006a,b, 2010; Mehler/ Geibel/ Pustylnikov 2007). Zum anderen lassen sich über die Beschreibung der Netzwerkdynamik varietätenlinguistische, emergente und evolutionäre Aspekte in die Strukturbeschreibung einbeziehen. Für Letzteres werden unten erste Untersuchungsergebnisse aus der Projektarbeit vorgestellt. 3.2 Netzwerkanalysen zur Erfassung sprachlicher Dynamik Sprache, so wie sie hier verstanden wird, ist ein wesentliches Element komplexer sozialer Netzwerke. Die Dynamik der Emergenz sprachlicher Strukturen steht also in direkter Beziehung zu sozialen Strukturen. Dies geschieht über communities of practice (Wenger 1998) oder kommunikative Netzwerke, wie sie in Netzwerkanalysen der Soziologie und Soziolinguistik beispielhaft erfasst und beschrieben worden sind: Die Quantifizierbarkeit der Dynamik sozialer und kommunikativer Netzwerke und ihr Zusammenhang mit der Wahl sprachlicher Verfahren durch Agenten dieser Netzwerke wird in Soziologie und Soziolinguistik seit den Studien von Milroy und Milroy Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts in zahlreichen Fallbeispielen untersucht (Milroy/ Milroy 1985, Milroy 1987, 2002; Granovetter 1983; Labov 1972, 2001). So ergaben Untersuchungen zu den Sozialstrukturen protestantischer Enklaven in Belfast enge Zusammenhänge zwischen bestimm- Festschrift_V-435_End.indd 7 20.05.11 14: 36 <?page no="34"?> 8 Barbara Frank-Job ten (prototypisch der Arbeiterklasse zugeordneten) Aussprachevarianten des Englischen und sozialen Netzwerkparametern wie Geschlecht, Nachbarschaft, Freundeskreis und gemeinsame Freizeit-Aktivitäten (Milroy/ Gordon 2003). Netzwerkeigenschaften wie Zentralität bzw. Randständigkeit oder starke vs. schwache Einbindung von Agenten erwiesen sich als bestimmende Parameter für starke Ausbreitungsbzw. Innovationstendenzen sozialer Eigenschaften und Verhaltensweisen (Granovetter 1983), so dass die Rolle von Individuen für die Dynamik kommunikativer Netzwerke deutlich wurde. Erweitert wurden diese Ergebnisse durch ethnographisch orientierte Arbeiten zu kommunikativen Praxis-Gemeinschaften. So wurde z.B. deutlich, dass einzelne, sehr gut verlinkte Agenten in sozialen Netzwerken nicht nur für einen hohen Verbreitungsgrad von sprachlichen Verfahren (und anderen semiotischen Ordnungen wie Stile in Kleidung, Gestik und Konsumverhalten) verantwortlich sind, sondern auch selbst Ausgangspunkt für Innovationen sein können (Lave/ Wenger 1991, Eckert 2000). Sowohl kurzfristige sprachliche Routinen als auch langfristige Routinen, die zu Grammatikalisierungs- und Lexikalisierungsprozessen führen können (Lehmann 1985, 1995, 2002), emergieren also in sozialen Netzwerken, indem Menschen in face-to-face-Interaktionen mit multimodalen Ressourcen oder in medienvermittelten Kooperationsprozessen kommunizieren, dabei sprachliche Routinen und Techniken entwickeln, die sich allmählich im regelmäßigen Gebrauch in kommunikativen Gattungen (Luckmann 2009) oder Diskurstraditionen (Koch 1997, Oesterreicher 1997) verfestigen und in die Norm der Sprachgemeinschaft eingehen. Spätestens mit der Sanktionierung dieser Norm im Standard der Sprache gehen diese Routinen ins Sprachsystem ein und dienen den Sprechern der betreffenden Sprachgemeinschaft wiederum als unhinterfragte gemeinsame Orientierung für ihr sprachliches Handeln. Während also am Ende dieses Kreislaufs kollektiv gültige Normen stehen, stehen an dessen Beginn stets wieder individuelle Entscheidungen von Sprechern in konkreten Kommunikationskontexten. Sprachliche Dynamik entwickelt sich innerhalb dieses Spannungsfeldes ähnlich wie andere Arten von sozialen Ordnungen. 4 Kookkurrenznetzwerke zur Untersuchung der Verbreitung sprachlicher Neuerungen Verbale Interaktionen lassen sich als komplexes Ineinandergreifen verschiedener Netzwerke begreifen: Schon die Grundform verbaler Interaktion, die dyadische Face-to-face-Kommunikation stellt sich als wechselseitig bi-direktionale, d.h. rückgekoppelte Struktur dar, die von den Interaktanten in einem sequentiell geordneten Prozess entfaltet wird. Dabei wirkt sich die reflexive Grundlage der Interaktion für die Beteiligten als „Zwang“ zu reziproker Wahrnehmung und zur reflexiven Unterstellung von Erwartungserwartungen aus, was sich auf verbaler Ebene in einen „Zwang“ zu gemeinsam abgestimmten Strukturierungs-, Ordnungs- und Koordinierungsaktivitäten umsetzt (Antos 2002). Die Sequentialität der Redebeiträge als ein zentrales Ergebnis Festschrift_V-435_End.indd 8 20.05.11 14: 36 <?page no="35"?> Zu den Leistungen eines netzwerkanalytischen Ansatzes 9 dieser Kooperationshandlungen bildet nun genauso wie jede einzelne Strukturierungsebene des Kommunikats selbst (wie z.B. Syntax, Lexikon oder Themenabfolge) jeweils wieder eigene Netzwerkstrukturen, so dass wir in einem Kommunikationsvorgang ein komplexes Zusammenspiel verschiedenartigster Netzwerke vorliegen haben. Die Dynamik natürlicher verbaler Interaktionen lässt sich nun auf lexikalischer Ebene in sog. Dialognetzwerken (als Beispiele für kommunikative Netzwerke) erfassen, in denen die Äußerungen der beteiligten Agenten Redezug für Redezug als Netzwerk der darin stattfindenden Benennungen von Objekten abgebildet werden. Erfasst wird dabei einerseits die Verwendung und Wiederaufnahme von Begriffen bei ein und demselben Agenten 5 , andererseits aber auch das lexikalische alignment 6 der beiden Agenten untereinander. So können Angleichungsprozesse in den lexikalischen Repräsentationen der Agenten im Gesprächsverlauf gemessen werden. Es handelt sich hierbei um sogenannte Kookkurrenznetzwerke, Netzwerke, in denen Lexeme in ihren lokalen Kontexten innerhalb eines gegebenen Dialogs abgebildet werden und deren Ähnlichkeiten quantifiziert werden können. 7 Kookkurrenznetzwerke lassen sich nun insbesondere für die Erfassung und den Vergleich der Äußerungsbedeutungen von Wörtern in unterschiedlichen Gebrauchskontexten heranziehen und damit in Erweiterung der Möglichkeiten, die bereits erfolgreich in Kookkurrenzanalysen der romanistischen Korpuslinguistik zum Einsatz kommen, systematisch für die Analyse langfristiger semantischer Veränderungen in historischen Datenkorpora nutzen. Sie machen sich dabei die Möglichkeit zunutze, die Gebrauchsbedeutung von Wortformen anhand der Analyse der diese Wortformen umgebenden lokalen Kontexte zu erfassen. Netzwerkanalytisch betrachtet stellen die Kontexte einer betreffenden Wortform ein Netzwerk dar, dessen Beschaffenheit mit der des Kookkurrenznetzwerks einer anderen Wortform oder auch derselben Wortform in anderen Diskurstraditionen oder zu anderen historischen Zeitpunkten verglichen werden kann. Auf diese Weise gelingt es nicht nur, semantische Veränderungen der untersuchten Wortformen aus ihren Gebrauchskontexten heraus genauer zu bestimmen, etwa im Vergleich der Reihung ihrer jeweiligen Kollokatoren nach Signifikanzwerten wie es in Blumenthal/ Diwersy/ Mielebacher 2005 beschrieben ist, sondern es wird auch möglich, anhand unterschiedlicher Parameterwerte Unterschiede in der Topologie der Netzwerke zu erfassen und zu quantifizieren. Die Quantifizierung von in gleichen Kontexten auftretenden Wortformen 5 Agent steht hier als allgemeinerer Ausdruck für Sprecher, da im Projektkontext grundsätzlich auch Äußerungen von Automaten, also nicht-menschlichen Agenten in die Untersuchungen einbezogen werden können. 6 Zu alignment vgl. Pickering/ Garrod 2004, die den Begriff allerdings in einer engeren, speziell auf die mentalen Repräsentationen von Dialogpartnern bezogenen Bedeutung verwenden. In unserem Kontext referiert alignment auch auf das gegenseitiges Abstimmen und Aushandeln von gemeinsamen Orientierungen unter Dialogpartnern. 7 Im Zusammenhang mit Projekt A3 des Bielefelder SFB 673 Alignment in Communication wurden erste Analysen zu Dialognetzwerken unternommen, vgl. Mehler/ Weiß/ Lücking 2010. Festschrift_V-435_End.indd 9 20.05.11 14: 36 <?page no="36"?> 10 Barbara Frank-Job wiederum kann herangezogen werden, um netzwerkanalytisch langfristige Bedeutungswandelprozesse abzubilden. In unserer Projektabeit 8 werden derzeit Untersuchungen von Kookkurrenznetzwerken und deren Veränderungen im Spätlateinischen auf der Basis des digitalisierten und durch verschiedene Software-Tools aufbereiteten Patrologia Latina (im Folgenden PL) unternommen. 9 Die in der PL enthaltenen mehr als 4000 Texte (das Gesamtkorpus umfasst mehr als 1 Mio Wortformen) vom 2. bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts 10 , die die Basis unserer Untersuchungen darstellen, lassen sich variationslinguistisch einem relativ breiten Spektrum von kommunikativen Praxisbereichen zuordnen, darunter auch einigen wenigen kommunikativen Gattungen, die eher dem nähesprachlichen Bereich zugeordnet werden können (Predigten, Briefe) bzw. Texte schlecht ausgebildeter Schreiber, die auch im schriftlichen Diskurs Versprachlichungstechniken der Alltagssprache verwenden, darunter also auch Texte, die traditionell zu den Quellen des sog. ‚Vulgärlateins‘ gerechnet werden wie etwa die Frankengeschichte des Gregor von Tours oder verschiedene spätlateinische Heiligenviten. Auch wenn also im Verhältnis zum Gesamtspektrum der spätlateinischen Sprachpraxis nur ein minimaler Ausschnitt erfasst werden kann, der zudem nicht nach regionaler Herkunft der Autoren und auch zeitlich nur grob differenziert werden kann, bietet das Korpus doch einen gewissen Einblick in konkrete spätlateinische Gebrauchskontexte für Wortformen und sprachliche Verfahren. Dass diese Gebrauchskontexte unter anderem auch Hinweise auf in der Nähesprache sich vollziehende oder bereits vollzogene langfristige Wandelprozesse erkennen lassen, die durch netzwerkanalytische Kookkurrenzuntersuchungen systematisch erfasst werden können, soll abschließend kurz gezeigt werden. Ganz allgemein geht es darum, in den Korpusdaten gezielt nach präferierten Kontexten für die neuen Verfahren zu suchen, eben die von Heine 2002 als bridging contexts und switch contexts bestimmten Umgebungen für Grammatikalisierungserscheinungen, die im Falle der Auxiliarisierung von habere die Nachbarschaft weiterer, nicht flektierter Verbformen erwarten lassen (Pinkster 1987; Schwegler 1990; Jacob 1998). So lassen sich etwa zu habeo als Wortform signifikant häufig als rechte und linke Nachbarn auftretende Wörter automatisch erfassen und daraufhin überprüfen, ob darunter weitere Verbformen im Infinitiv (als möglicher Hinweis auf die Auxiliarisierung des Futurs mit habere + Infinitiv, vgl. z.B. dicere im Kookkurrenznetzwerk der Wortform habeo in Abb. 2) oder im Partizip Perfekt auftreten (Hinweis auf die Auxiliarisierung des Perfekts mit habere + PPP, vgl. z.B. praeceptum im Kookkurrenznetzwerk der Wortform habeo in Abb. 2). 8 Vgl. zum Folgenden ausführlicher Mehler/ Frank-Job et al. 2010. 9 Vgl. ausführlich zu den für die Projektarbeit genutzten texttechnologischen Hilfsmitteln Gleim/ Warner/ Mehler 2010, und Gleim et al. 2010; vgl. auch [http: / / project.linguisticnetworks.net/ ]. - Die Datenbank der digitalisierten PL ist auf der Internetseite[http: / / pld.chadwyck.co.uk/ ] zugänglich. 10 Vgl. Jordan 1995. Die elektronische Version der Patrologia umfasst alle Bände der ersten Edition Mignes. Festschrift_V-435_End.indd 10 20.05.11 14: 36 <?page no="37"?> Zu den Leistungen eines netzwerkanalytischen Ansatzes 11 Die Untersuchung der zehn signifikantesten rechten Nachbarn zur Wortform habeo im Korpus der Patrologia Latina (5650 Belegstellen) ergab beispielsweise den folgenden Graphen: Abb. 2: Wortform habeo, rechte Nachbarn oberhalb des Signifikanzwertes 300 11 Eine genauere Analyse der Belegstellen ergibt, dass der Kollokator dicere tatsächlich einen auffallend häufig auftretenden Kontext für die modalisierende Verwendung von habere („ich muss sagen“ i.S. von „ich werde sagen“) und damit für die beginnende Auxiliarisierung von habere aufweist wie z.B. im folgenden Fall: 1) Dominus dicit, „Adhuc multa habeo dicere vobis, sed non potestis illa modo portare.“ (PL digital, Doc. 1101-De Spiritu Sancto.tei, Col. 0249A) Gleichzeitig zeigt die qualitative Untersuchung aller Belegstellen in der PL aber auch, dass es sich bei vielen Belegstellen um das oben aufgeführte Bibelzitat handelt. In diesem Fall ist die hohe Frequenz des gemeinsamen Vorkommens also u.a. der hohen Frequenz des Bibelzitats in Predigten und Kommentaren geschuldet und daher möglicherweise anders zu gewichten, als wenn die gleiche Form in unterschiedlichen thematischen Zusammenhängen auftreten würde. 11 Näheres zu Signifikanzwerten und zur verwendeten Software vgl. [http: / / www.linguistic-networks.net/ ? ln=Latin]. Festschrift_V-435_End.indd 11 20.05.11 14: 36 <?page no="38"?> 12 Barbara Frank-Job Bei der Suche nach Brückenkontexten für den Gebrauch von habere als Auxiliar in der Perfektbildung findet man in den Umgebungen verschiedener häufig auftretender Formen von habere 12 verschiedene mögliche Kandidaten für eine vorliegende Auxiliarisierung: apertum, persuasum, ratum, perspectum, auditum, comparatum, scriptum, superscriptum, iudicatum. Jedes dieser Partizipen kann nun selbst wiederum als Netzwerk mit seinen signifikanten Nachbarn betrachtet werden, um die Häufigkeit eines kombinierten Auftretens mit flektierten Formen von habere zu überprüfen. So stellen verschiedene Formen von habere gleich sieben der zehn signifikantesten Nachbarn im Kookkurrenznetzwerk von perspectum: Abb. 3: Wortform perspectum, rechte Nachbarn oberhalb des Signifikanzwertes 10 Die nächsten Analyseschritte bestehen in einer qualitativen Überprüfung sämtlicher im Graphen erfassten Belegstellen mit Hilfe des Historical Semantics Corpus Management System (HSCMS) 13 , einer Datenbank, die Konkordanzen erstellt (vgl. Abb. 4). Schließlich können für Teilkorpora, die nach Diskurstraditionen, einzelnen Autoren oder spezifischen Zeitabschnitten differenziert sind, rekurrent auftretende Kontexte für die Auxiliarisierung von habere identifiziert und systematisch miteinander verglichen werden und zwar sowohl quantitativ auf Netzwerkebene, als auch in der qualitativen Einzelanalyse für die Textbelege selbst, wie sie hier nachstehend für die Brückenkontexte zur Perfektauxiliarisierung von habere am Beispiel der Historia Francorum aufgeführt sind: 12 Untersucht wurden folgende Wortformen (in Klammern die Anzahl der Belegstellen im Korpus): habet (57351), habent (23296), habuit (16005), habebat (10627), habeo (5650), habebant (4660), habuerunt (3432), habui (1711). 13 Gleim/ Warner/ Mehler 2010 vgl. http: / / hudesktop.hucompute.org/ . Festschrift_V-435_End.indd 12 20.05.11 14: 36 <?page no="39"?> Zu den Leistungen eines netzwerkanalytischen Ansatzes 13 work_title context_before_hit hit context_after_hit Historia Francorum, [0559C] quam in nepotem meum Childebertum regem statutam habeo , non omitto. Historia Francorum, [0340B] Narsetis reconditum habeo , quod in extremo vitae positus celare non possum. Historia Francorum, [0184B] ego tibi partem tribuam dotis, quam promissam habeo a sponso Domino meo Jesu Christo, Historia Francorum quod solum acceptum atque auditum habeo : Historia Francorum [0262A] quod Uvisigardem desponsatam haberet Historia Francorum [0317C] propter conjugationem Brunichildis, suspectum habere coepit Merovechum filium suum Historia Francorum [0410A] Hoc vero anno cognatus ejus Audica, qui sororem illius desponsatam habebat, cum exercitu venit Abb. 4: Belegstellen aus dem Historical Semantics Corpus Management System (HSCMS) 14 5 Kurzer Ausblick Obwohl hier nur wenige ausgewählte Beispiele und erste Ergebnisse der Projektarbeit vorgestellt werden konnten, sollte klar geworden sein, dass die mathematische Netzwerkanalyse in Verbindung mit gezielten qualitativen Untersuchungen im Bereich der datenbasierten Linguistik enormen Erkenntnisgewinn bringen kann. Allerdings gilt es dabei einige grundlegende Voraussetzungen zu beachten und Probleme zu überwinden, die in der Übertragung quantitativer Methoden auf neue Fragestellungen zwangsläufig auftreten. Zu den notwendigen Voraussetzungen gehört insbesondere eine linguistisch und philologisch sorgfältige Korpuserstellung und Korpusaufbereitung, eine Voraussetzung, die gerade bei historischen Korpora schwerlich immer zu erfüllen sein wird. Dementsprechend vorsichtig sollte man bei der Übernahme von rein quantitativ erhobenen Ergebnissen sein und grundsätzlich eine abschließende sorgfältige qualitative Überprüfung der quantitativ gewonnenen Ergebnisse anhand der Belegdaten selbst durchführen. Mögliche Probleme scheinen mir insbesondere in der gegenseitigen Vermittlung analyserelevanten Wissens über die Sprachdaten und ihre soziale 14 Vgl. Gleim/ Warner/ Mehler 2010. Festschrift_V-435_End.indd 13 20.05.11 14: 36 <?page no="40"?> 14 Barbara Frank-Job Bedingtheit und kommunikative Situiertheit auf der einen und über die Analysemethode in ihrer oftmals hohen mathematischen Abstraktheit auf der anderen Seite zu liegen. Die Leistungen eines solchen interdisziplinären Ansatzes scheinen jedoch den relativ hohen Aufwand im gegenseitigen Wissenstransfer durchaus zu lohnen: Denn es geht um nicht weniger als darum, Hypothesen aus der qualitativen empirischen Linguistik quantitativ überprüfen zu können und so dazu beizutragen, den linguistischen Systembegriff um die Konzepte sprachliche Emergenz und Dynamik zu erweitern. 6 Bibliographie Adamic, L.A./ Huberman, B.A. (2001): The Web’s hidden order, Com. of the ACM 44(9), 55-59. Antos, G. (2002): „Mythen, Metaphern, Modelle. Konzeptualisierungen von Kommunikation aus dem Blickwinkel der Angewandten Diskursforschung“, in Brünner, G. et al. (Hgg.), Angewandte Diskursforschung. Band 1: Grundlagen und Beispielanalysen, Radolfszell, Verlag für Gesprächsforschung, 93-117. Barabási, A.-L./ Albert, R. (2002): „Statistical mechanics of complex networks“, in Rev. Mod. Phys. 74, 47-97. Barabási, A.-L./ Oltvai, Z.N. (2004): „Network biology: Understanding the cell’s functional organization“, in Nature Reviews, Genetics 5(2), 101-113. Barber, M./ Blanchard, P./ Buchinger, E./ Cessac, B./ Streit, L. (2006): „Expectation-driven interaction: a model based on Luhmann’s contingency approach“, in Journal of Artificial Societies and Social Simulation 9(4), 5. <http: / / jasss.soc.surrey.ac.uk/ 9/ 4/ 5.html>. Blanchard, P./ Krüger, T. (2006): „Networks of the extreme: A search for things exceptional“, in Albeverio, S./ Jentsch, V./ Kantz, H. (Hgg.), Extreme Events in Nature and Society (= The Frontiers Collection), Berlin, Springer, Chapter 11, 259-273. Blumenthal, P./ Diwersy, S./ Mielebacher, J. (2005): „Kombinatorische Wortprofile und Profilkontraste. Berechnungsverfahren und Anwendungen“, in Zeitschrift für romanische Philologie 121, 49-83. Castells, M. (2001): Das Informationszeitalter: Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Teil 1: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, Opladen, Leske + Budrich. Castells, M. (2005): Die Internet-Galaxie, Wiesbaden, VS Verlag. Eckert, P. (2000): Linguistic Variation as Social Practice, Malden, MA, Blackwell. Ferrer i Cancho, R./ Solé, R.V. (2001): „The small-world of human language. Proceedings of the Royal Society of London“, in Series B, Biological Sciences 268 (1482), 2261- 2265. Ferrer i Cancho, R./ Solé, R.V./ Köhler, R. (2004): „Patterns in Syntactic Dependency- Networks“, in: Physical Review E 69.5, 051915. [doi: 10.1103/ PhysRevE.69.051915]. Frank, B. (1998): Untersuchungen zum schriftkulturellen Ausbau des Französischen, Habilitationsschrift, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg. Frank-Job, B. (2002): „Textkategorisierung und Textkonzeptualisierung von Kommunikationsteilnehmern bei der Entstehung schriftlicher Textsorten in der Romania“, in Drescher, M. (Hg.), Textsorten im romanischen Sprachvergleich, Akten des XXVI. Deutschen Romanistentags, Tübingen, Stauffenburg, 171-186. Frank-Job, B. (2003): „Diskurstraditionen im Verschriftlichungsprozeß der romanischen Sprachen“, in Aschenberg, H./ Wilhelm, R. (Hgg.), Romanische Sprachgeschichte und Diskurstraditionen, Tübingen, Narr, 19-35. Frank-Job, B. (2006a): „Sprachvariation und Sprachwandel“, in Gärtner, K./ Holtus, G. (Hgg.), Zwischen Maas und Rhein. Beziehungen, Begegnungen und Konflikte in einem europäischen Kernraum von der Spätantike bis zum 19. Jahrhundert, Trierer Historische Forschungen, 171-193. Festschrift_V-435_End.indd 14 20.05.11 14: 36 <?page no="41"?> Zu den Leistungen eines netzwerkanalytischen Ansatzes 15 Frank-Job, B. (2006b): „Verschriftlichungsprozesse und schriftkultureller Ausbau der romanischen Sprachen im Mittelalter“, in Niederdeutsches Jahrbuch, Neumünster, Wachholtz Verlag, 89-110. Frank-Job, B. (2010): „Medienwandel und der Wandel von Diskurstraditionen“, in Mehler, A./ Sutter, T. (Hgg.), Medienwandel als Wandel von Interaktionsformen, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 27-45. Fuhse, J. (2006): „Gruppe und Netzwerk - eine begriffsgeschichtliche Rekonstruktion“, in Berliner Journal für Soziologie 16,/ 2, 245-263. Gleim, R./ Warner, P./ Mehler, A. (2010): „eHumanities Desktop — An Architecture for Flexible Annotation in Iconographic Research“, in Proceedings of the 6th International Conference on Web Information Systems and Technologies (WEBIST ’10), April 7-10, 2010, Valencia. Granovetter, M. (1983): „The strength of weak ties: A network theory revisited“, in Sociological Theory 1, 201-233. Heine, B. (2002): „On the role of context in grammaticalization“, in Wischer, I./ Diewald, G. (Hgg.), New reflections on grammaticalization (= Typological studies in language 49), Amsterdam/ Philadelphia, John Benjamins, 83-101. Iossifov, I./ Krauthammer, M./ Friedman, C./ Hatzivassiloglou, V./ Bader, J.S./ White, K.P./ Rzhetsky, A. (2004): „Probabilistic inference of molecular networks from noisy data sources“, in Bioinformatics 20 (8), 1205-1213. Jacob, D. (1998): „Transitivität, Diathese und Perfekt: zur Entstehung der romanischen haben-Periphrasen“, in Geisler, H./ Jacob, D. (Hgg.), Transitivität und Diathese in romanischen Sprachen (= Linguistische Arbeiten 392), Tübingen, Niemeyer, 105-126. Jordan, Mark D., (Hg.) (1995): Patrologia Latina database, Cambridge, Chadwyck-Healey. Koch, P. (1997): „Diskurstraditionen: zu ihrem sprachtheoretischen Status und ihrer Dynamik“, in Frank, B./ Haye, T./ Tophinke, D. (Hgg.), Gattungen mittelalterlicher Schriftlichkeit (= ScriptOralia, 99), Tübingen, Narr, 43-79. Labov, W. (1972): „On the Mechanism of Language Change“, in Gumperz, J./ Hymes, D. (Hgg.), Directions in Sociolinguistics, New York, Holt, Rinehart and Winston, 512- 538. Labov, W. (2001): Principles of Linguistic Change: Social Factors, Oxford/ Cambridge MA, Blackwell,. Lave, J./ Wenger, E. (1991): Situated Learning. Legitimate peripheral participation, Cambridge, University of Cambridge Press. Lehmann, C. (1985): „Grammticalization: Synchronic variation and Diachronic Change“, in Lingua e Stile 29, 3, 303-318. Lehmann, C. (1995): Thoughts on grammaticalization (= LINCOM studies in Theoretical Linguistics), Munich: LINCOM EUROPA. Lehmann, C. (2002): „New reflections on grammaticalization and lexicalization“, in Wischer, I./ Diewald, G. (Hgg.). New reflections on grammaticalization (= Typological Studies in Language 49), Amsterdam, John Benjamins, 1-18. Luckmann, T. (2009): „Observations on the structure and function of communicative genres“, in Semiotica 173, 267-282. Oesterreicher, W. (1997): „Zur Fundierung von Diskurstraditionen“, in Frank, B./ Haye, T./ Tophinke, D. (Hgg.), Gattungen mittelalterlicher Schriftlichkeit (= ScriptOralia, 99), Tübingen, Narr, 19-42. Mehler, A. (2007a): „Evolving lexical networks. a simulation model of terminological alignment“, in Benz, A./ Ebert, C./ Rooij, R. van (Hgg.), Proc. of Language, Games, and Evolution, Workshop at ESSLI ’07, 57- 67. Mehler, A. (2007b): „Large text networks as an object of corpus linguistic studies“, in Lüdeling, A./ Kytö, M. (Hgg.), Corpus Linguistics. An International Handbook, Berlin/ New York, De Gruyter, 328-382. Mehler, A. (2008a): „On the impact of community structure on self-organizing lexical networks“, in Smith, A.D.M./ Smith, K./ Ferrer i Cancho, R. (Hgg.), Proceedings of the Festschrift_V-435_End.indd 15 20.05.11 14: 36 <?page no="42"?> 16 Barbara Frank-Job 7th Evolution of Language Conference (Evolang 2008), March 11-15, 2008. Barcelona, World Scientific, 227-234. Mehler, A. (2008b): „Structural similarities of complex networks: A computational model by example of wiki graphs“, in Applied Artificial Intelligence, 22 (7&8), 619- 683. Mehler, A. (2009a): „Generalized Shortest Paths Trees: A Novel Graph Class Applied to Semiotic Networks“, in Dehmer, M./ Emmert-Streib, F. (Hgg.), Analysis of Complex Networks: From Biology to Linguistics, Weinheim, Wiley-VCH, 75-220. Mehler, A. (2009b): „Minimum Spanning Markovian Trees: Introducing Context-Sensitivity into the Generation of Spanning Trees“, in Dehmer, M. (Hg.), Structural Analysis of Complex Networks, Basel, Birkhäuser Publishing. Mehler, A./ Geibel, M./ Pustylnikov, O. (2007): „Structural Classifiers of Text Types: Towards a Novel Model of Text Representation“, in LDV-Forum (Zeitschrift für Computerlinguistik und Sprachtechnologie, GLDV-Journal for Computational Linguistics and Language Technology) 22, 2, 51- 66. Mehler, A./ Pustylnikov, O./ Diewald, J. (2010): „The Geography of Social Ontologies: Testing a Variant of the Sapir-Whorf Hypothesis in the Context of Wikipedia“, in Computer Speech and Language (im Druck). Mehler A./ Frank-Job, B./ Diewald, N./ Waltinger, U./ Gleim, R./ Esch, D./ Küchelmann, T./ Pustylnikov, O./ Blanchard, Ph. (2010): „Evolution of romance language in written communication: Network analysis of Late Latin and Early Romance corpora“, in Arts | Humanities | Complex Networks - a {Leonardo} satellite symposium at the International School and Conference on Network Science (NetSci 2010), Boston, im Druck. Mehler A./ Weiß, P./ Lücking, A. (2010): „Towards a Simulation Model of Dialogical Alignment“, in Proceedings of the 8th International Conference on the Evolution of Language (Evolang 8), 14-17 April 2010, Utrecht. Milroy, J./ Milroy, L. (1985): „Linguistic change, social network and speaker innovation“, in Journal of Linguistics 21, 339-384. Milroy L./ Gordon, M. (2009): Sociolinguistics: Method and Interpretation, Oxford, Blackwell Publishers. Milroy, L. (1987): Language Change and Social Networks, Oxford, Blackwell Publishers. Milroy, L. (2002): „Social networks“, in Chambers, J.K./ Trudgill, P./ Schilling-Estes, N. (Hgg.), The Handbook of Language Variation and Change, Malden, MA, Blackwell, 549-572. Newman, M.E.J. (2003): „The structure and function of complex networks“, in SIAM Review 45, 167-256. Pastor-Satorras, R.A./ Vázquez/ Vesipignani, A. (2001): „Dynamical and correlation properties of the internet“, in Physical Review Letters 87 (25): 268-701. Pickering, M.J./ Garrod, S. (2004): „Toward a mechanistic psychology of dialogue“, in Behavioral and Brain Sciences 27, 169-226. Pinkster, H. (1987): „The Strategy and Chronology of the Development of Future and Perfect Tense Auxiliaries in Latin“, in Harris, M./ Ramat, P. (Hgg.), Historical Development of Auxiliaries, Berlin, Mouton de Gruyter, 193-223. Schwegler, A. (1990): Analyticity and Syntheticity. A Diachronic Perspective with special Reference to Romance Languages, Berlin/ New York, Mouton de Gruyter. Solé, R./ Corominas-Murtra, B./ Valverde, S./ Steels, L. (2010): „Language networks: Their structure, function, and evolution“, Wiley Periodicals, Inc. [http: / / dx.doi.org/ 10.1002/ cplx.20305]. Steyvers, M./ Tenenbaum, J. (2005): „The large-scale structure of semantic networks. Statistical analyses and a model of semantic growth“, in Cognitive Science 29 (1), 41-78. Volchenkov, D./ Blanchard, P. (2002): „An algorithm generating random graphs with power law degree distributions“, in Physica A 315(3), 677- 690. Wenger, E. (1998): Communities of Practice: Learning, Meaning and Identity, Cambridge, Cambridge University Press. White, H. (1995): „Passages réticulaires, acteurs et grammaire de la domination“, in Revue française de sociologie 36, 705-723. Festschrift_V-435_End.indd 16 20.05.11 14: 36 <?page no="43"?> W ULF O ESTERREICHER Kultur und Sprache bei den Pirah- in der selva amazônica. Anmerkung zu einer befremdlichen Diskussion 0 Einleitung Es ist sicherlich ein überraschender Einstieg in einen Beitrag zur Festschrift für Peter Koch, wenn ich hier, ausgehend von einer ethnolinguistischen Publikation, Theoriefragen und problematische Aspekte der Interdisziplinarität von linguistischer Arbeit andeute, die ich in einer umfänglicheren Arbeit, die ebenfalls Peter Koch gewidmet ist, ausführlich und systematisch darstelle. Ich versuche deshalb vorweg, eine knappe Rechtfertigung des Themas, zu dessen Betrachtung mir die aktuelle Diskussion um ein aus dem Englischen übersetztes Buch willkommenen Anlass gibt. Der Bestseller des US-Amerikaners Daniel L. Everett heißt „Das glücklichste Volk. Sieben Jahre bei den Pirah--Indianern am Amazonas“ (München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2010); der weniger verfängliche Originaltitel des Buches lautet „Don’t Sleep. There are Snakes. Life and Language in the Amazonian Jungle“ (New York: Pantheon Books, 2008). Der Ausdruck Pirah- steht sowohl für das Völkchen - es handelt sich um knapp 400 Menschen - als auch für deren Sprache. Die Pirah- leben am Rio Maici, der von Süden in den Rio Marmelos einmündet, welcher seinerseits in den Rio Madeira fließt, der dann ca. 250 km östlich von Manaus in den Amazonas mündet. Da die Fragen, die ich ausgehend von diesem Buch besprechen will, indirekt auch mit Peter Koch und seiner wissenschaftlichen Sozialisation in Freiburg im Breisgau zu tun haben, möchte ich meinem Freund und Mitstreiter im Kampf um eine innovative, gut aufgestellte, im paradigmatischen Kern der Sprachwissenschaft sicher verankerte romanistische Linguistik daher eine Arbeit widmen, die von intra- und interdisziplinären Ambivalenzen, Widersprüchen und ‚Gefährdungen‘ unserer Disziplin, der Sprachwissenschaft, berichtet. Trotz des zuerst einmal pittoresk und exotisch erscheinenden Einstiegs, geht es in ihr um ein ernstes wissenschaftstheoretisches und wissenschaftssystematisches Problem, dessen wissenschaftsgeschichtliche und wissenschaftspragmatische Aspekte ebenfalls eine klärende Betrachtung verdienen. Wegen der strikten Limitierung der Umfänge der Beiträge können die genannten Aspekte naturgemäß in dieser Festschrift nicht behandelt werden, weshalb ich mich hier auf den angedeuteten ‚Einstieg‘ beschränken werde, in dem allerdings schon wissenschaftstheoretische und wissenschaftsgeschichtliche Aspekte angerissen werden. Für die umfassende Darstellung und systematische Diskussion der angesprochenen Probleme ver- Festschrift_V-435_End.indd 17 20.05.11 14: 36 <?page no="44"?> 18 Wulf Oesterreicher weise ich den interessierten Leser aber auf die Ausführungen in einer Fassung, die unter dem Titel „Linguistik und Interdisziplinarität. Kultur und Sprache bei den Pirah- in der selva amazônica“ im Romanistischen Jahrbuch 61 (2010) erscheint. 1 „Das glücklichste Volk“ - ein Missionar und SIL-Linguist bei den brasilianischen Pirah- Das Summer Institute of Linguistics, heute bekannt als SIL International, war ursprünglich eine von den evangelikalen Kirchen der USA finanzierte Einrichtung, die die nordamerikanische ethnolinguistische Tradition der missionsbezogenen Feldforschung des 2000 verstorbenen Kenneth L. Pike fortsetzt, der von 1947 bis 1979 Präsident des SIL International war. 1 Das SIL International, das sich vor allem bedrohten und undokumentierten Sprachen widmet, organisierte Aufenthalte und Sprachstudien von Missionaren, letztlich mit dem Ziel, Bibelübersetzungen in solche Sprachen anzufertigen. 2 Ein SIL-Missionar war auch Daniel L. Everett, der mit seiner Familie 1977 ins 1 Vgl. etwa die Selbstdarstellung der Arbeit des SIL in Brend/ Pike (Hgg.) 1977. Abgesehen vom andauernden Einfluss Pikes in der Feldforschung ist vor allem seine Unterscheidung zwischen etisch und emisch in der Folgezeit in den Sozialwissenschaften sehr wichtig geworden. Es ist hier nicht der Ort, über die politisch fatalen Verbindungen zu sprechen, die das SIL teilweise mit US-amerikanischen Öl-Konzernen, Großgrundbesitzern und lateinamerikanischen Diktatoren eingegangen ist; diese Aktivitäten sind in der Literatur schon seit längerer Zeit sehr kritisch behandelt worden; ich nenne nur etwa Colby/ Dennett 1995; vgl. auch die diskursanalytisch-kritische Arbeit von Orlandi 1999. 2 Mein einziger persönlicher Kontakt mit SIL-Anhängern bezieht sich auf Peru, wo ich feststellen konnte, dass teilweise bewundernswert engagierte junge Menschen in einer Spracharbeit tätig waren, die aber nie wirklich linguistischen Kriterien entsprochen hat. Um zu zeigen, wie sprachliche Realitäten durch die missionarischen Finalitäten deformiert werden, möchte ich nur ein signifikantes Beispiel nennen. Es braucht nicht zu überraschen, dass ich mich als an Peru interessierter Hispanist auch für das Quechua interessiere. Die räumlich extreme Fragmentierung dieser Sprache und die massive Streuung ihrer Sprecher nicht allein in Peru sind bekanntlich für dieses Idiom gravierend. Seriöse Sprachwissenschaftler versuchen, durch genaue Beschreibungen der Varietäten den Abstandsproblemen beizukommen und bestimmte Ausbauprozesse einzuleiten, die für das Überleben dieser Sprache entscheidend sein werden; ich nenne hier stellvertretend nur den an der Pontificia Universidad Católica del Perú (PUCP) in Lima lehrenden Rodolfo Cerrón-Palomino, der zahlreiche Arbeiten zur Thematik vorgelegt hat. Es versteht sich fast von selbst, dass für diese Probleme die konservativ-puristische Position der Academia Mayor de la Lengua Quechua in Cuzco keine Hilfe ist; für sie gibt es erwartungsgemäß nur ein Quechua, nämlich das quechua cuzqueño. Das SIL - seinerseits natürlich motiviert durch die missionarischen Aufgaben und den damit gegebenen Verständigungsimperativ - identifiziert kurzerhand fast 50 verschiedenen Quechua-Sprachen, was zeigt, dass bezüglich der Kategorisierung komplexer sprachlicher, sprachpolitischer und spracherziehungsbezogener Verhältnisse hier kaum Sachverstand erwartet werden darf (vgl. http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Quechua). Festschrift_V-435_End.indd 18 20.05.11 14: 36 <?page no="45"?> Kultur und Sprache bei den Pirah- in der selva amazônica 19 Amazonasgebiet kam. Wie er berichtet, verlor er im Laufe der Zeit, bedingt auch durch die Erfahrungen mit den Pirah- und ihrem hartnäckigen Widerstand gegen seine missionarischen Bemühungen, seinen Glauben, gab die Missionierung auf und trennte sich von seiner evangelikalen Familie. Den Kontakt mit den Pirah- hat er als Linguist, unabhängig vom SIL, weiter gehalten. Das Buch lässt sich charakterisieren als ein Abenteuerbericht, denn es gibt zahlreiche Beschreibungen von gefährlichen Ereignissen, von Begegnungen mit wilden Tieren, schwierigen Bootsfahrten, Mordversuchen, schweren Krankheiten und von anderem mehr. Wegen der Betrachtungen zu Religion und Sinnfragen des Menschseins könnte es auch als religiös-philosophischer Essay gelten. Schließlich handelt es sich aber, vor allem im „Language“ überschriebenen, umfänglichen zweiten Teil, um ein ethnolinguistisches Werk, das überraschenderweise, zusammen mit einer Reihe von wissenschaftlichen Aufsätzen Everetts, eine vor allem nordamerikanische Diskussion um das Verhältnis von Sprache und Kultur sowie die generative Grammatik aufruft, die für unsereins längst vergangen schien. Daniel L. Everett ist nun keineswegs ein unbekannter Linguist. Er publiziert viel, auch in angesehenen Zeitschriften. 3 Eine Zeit lang arbeitete er fast Tür an Tür mit Noam Chomsky am Massachusetts Institute of Technology und kennt selbstverständlich die von diesem inaugurierte generative Theorie. Von 1989 bis 1999 war er an der University of Pittsburgh tätig und seit 2006 unterrichtet er an der Illinois State University. Mit seinen Publikationen hat er nicht nur in den USA Anhänger und Sympathisanten gewonnen. Als Ethnolinguist und Missionar interessierte sich Everett natürlich brennend für die Lebensform und die Aktivitäten der Pirah-. Vor allem musste er aber, da das SIL ihn mit einer Übersetzung der Bibel und mit der Christianisierung der Pirah- beauftragt hatte, ihre Sprache erlernen. Dies ist Everett offenbar sehr gut gelungen und diese Sprachkompetenz ist gewissermaßen sein Alleinstellungsmerkmal. Everetts ‚Generalinterpretation‘ der bemerkenswerten sprachlichen und kulturellen Realität der Pirah-, die auch zum etwas unglücklichen deutschen Titel seines Buches führte, lautet kurz zusammengefasst wie folgt. 4 Die Pirah- leben, entlastet vom Druck der Vergangenheit und von Zukunftsängsten, fast ausschließlich in der Gegenwart ihres HIC et NUNC. Relevant sind Ereignisse in den engen Koordinaten des Rio Maici und höchstens noch Erfahrungen mit persönlich vermittelten Sachverhalten, was dazu führt, dass das kollektive Gedächtnis der Pirah- ungefähr auf zwei Generationen beschränkt ist. Für eine erfolgreiche Vermittlung der Realität biblischer Gestalten und Ereignisse hat 3 Neben seinen Büchern aus den Jahren 1992, 1996 und 2008 sind vor allem Aufsätze in Language, Journal of Linguistics und Current Anthropology zu nennen; vgl. etwa Everett 2005a, 2005b, 2006, 2009; man vergleiche auch seine Homepage. 4 Ich gebe kurz die hierfür einschlägigen Kapitel des Buchs von Everett aus dem Jahre 2008 an: „5. Material Culture and Absence of Ritual“, „6. Families and Community“, „7. Nature and Immediacy of Experience“; vgl. auch Everett 2005b: 632- 635. Festschrift_V-435_End.indd 19 20.05.11 14: 36 <?page no="46"?> 20 Wulf Oesterreicher dies aber natürlich fatale Konsequenzen. Außerdem fehlen Schöpfungsmythen und religiöse Vorstellungen. Allerdings erwähnt Everett gelegentlich ein auch sprachlich markiertes Eindringen der Geisterwelt in die kleine Gemeinschaft, das in seiner Beschreibung jedoch undeutlich bleibt. Bemerkenswerte künstlerische Aktivitäten, etwa bei Keramik oder Textilien, fehlen ebenfalls. Persönlicher Besitz bedeutet den Pirah- wenig. Sie kennen keine sozialen Hierarchien und haben auffällig schwache verwandtschaftliche oder eheliche Bindungen, wobei auch die insgesamt sehr geringe, auf einige wenige ‚Dörfer‘ verteilte Population eine Rolle spielt. Everett vermisst bei den Pirah- die Regung des Mitleids, und er hebt das kaum besonders herzlich zu nennende Verhältnis zu Kindern hervor, die rasch wie Erwachsene behandelt werden. Vorratshaltung ist inexistent, was allerdings - obschon benachbarte indianische Gemeinschaften durchaus Vorräte anlegen - durch das Amazonas-Habitat wohl eine plausible Teilerklärung finden kann. Everett betont ausdrücklich die Abgeschlossenheit der Kultur der Pirah- und ihren Widerstand gegen jeglichen, auch den sprachlichen, Wandel. Angaben zur Geschichte des jetzigen Gemeinschaftslebens und der Sprache sind praktisch unmöglich. 5 Andererseits bleiben aber auch für die Gegenwart viele Fragen offen; sie betreffen a) den gelegentlich konfliktiven Kontakt der Pirah- mit den ethnisch sehr unterschiedlichen, portugiesisch sprechenden Nachbarn und Siedlern, die caboclos 6 genannt werden, sowie b) das Zusammentreffen mit den im Amazonasgebiet tätigen Händlern, die die Pirah- auch für das Sammeln von Früchten der selva anstellen; es gibt c) Kontakte mit den brasilianischen Behörden (vor allem mit der FUNAI 7 und dem IBAMA 8 ) sowie d) eben mit den Missionaren. Everett und seine Familie werden eingeflogen (es existiert eine Art Urwaldpiste) und sie verzichten im Pirah--Dorf auch nicht völlig auf die ‚Segnungen‘ der Zivilisation; Everett hat Tonnen von Vorräten (Lebensmittel und Medikamente, die Pirah- schätzen seinen Kaffee), außerdem Radio und ein Sprechfunkgerät, er besitzt ein Boot mit Außenbordmotor und Benzinvorräte. 5 Es ist interessant, dass Everett Dekulturationsprozesse, die durch Isolation, Naturkatastrophen, Krankheiten, Migration oder Ähnliches motiviert sein könnten, für die Frage nach den sprachlichen Strukturen des Pirah- überhaupt nicht in Erwägung zieht; dies erstaunt, da er gleichzeitig beim Pronominalsystem eine Entlehnung aus dem Tupí- Guaraní vermutet; vgl. unten Abschnitt 3, Anm. 16. 6 Bezüglich der behaupteten Abgeschlossenheit überrascht auch die Erwähnung von Pirah-s, die etwas Portugiesisch sprechen und verstehen können, und widersprüchlich sind in Kap. 10 „Caboclos: Vignettes of Amazonian Brazilian Life“ dann natürlich auch Äußerungen des Typs „the Pirah- do talk occasionally about caboclo beliefs - but these beliefs have long been part of their own environment, since caboclos talk to them about their beliefs frequently. Such beliefs have become subjects of conversation after centuries of contact, gradually becoming part of the Pirah-s’ environment. In this sense, the Pirah-s’ discourse is more esoteric than exoteric, more directed to topics that do not challenge Pirah-s’ views. […] It is a very conservative culture“ (Everett 2008: 204s.). 7 = Fundaç-o Nacional do Índio. 8 = Instituto Brasileiro do Meio Ambiente e dos Recursos Naturais. Festschrift_V-435_End.indd 20 20.05.11 14: 36 <?page no="47"?> Kultur und Sprache bei den Pirah- in der selva amazônica 21 2 Die Sprache der Pirah- Das Pirah- ist für uns eine sehr schwere Sprache und verfügt über eine ganze Reihe von Erscheinungen, die als bemerkenswert, wenn auch nicht als einmalig gelten können. Insofern ist die Grundthese Everetts, die er in seinen Publikationen vertritt, dass nämlich das Pirah- unsere bisherigen Auffassungen von Sprache entscheidend verändert, naiv und prinzipiell abzulehnen. Everetts erstaunliche Einschätzung wird auch dadurch ermöglicht, dass ihm Fragestellungen und Denkstil der neueren Universalienforschung und sprachtypologische Erwägungen eher fremd sind. 9 Ganz unbekannt scheinen ihm die Untersuchungen zur Sprachvariation zu sein, die in der Mündlichkeit- Schriftlichkeits-Forschung gerade auch kulturspezifische Ausprägungen von Sprachverschiedenheit thematisiert haben. 10 Entscheidend ist aber die Tatsache, dass seine Position auf der sprach- und wissenschaftstheoretisch irrigen Voraussetzung beruht, dass der Begriff der menschlichen Sprache überhaupt durch seine sprachlichen Befunde verändert werden könnte. Hier ist die gängige Verwechslung von Sprachtheorie, Theorie der Sprachwissenschaft und einzelnen linguistischen Theorieausprägungen zu brandmarken, die im Gebrauch der Ausdrücke linguistic theory oder theory of language im englischsprachigen Raum in der Regel einfach zusammenfließen. Diese Einschätzungen sind aus einem spezifisch nordamerikanischen Wissenschafts- und Diskussionskontext heraus verständlich zu machen, den ich unten andeuten will. Folgende Kennzeichen des Pirah- hebt Everett als besonders erstaunlich hervor: 11 Auffällig ist die vergleichsweise geringe Zahl der Phoneme, 11 für Männer und 10 für Frauen − später stellt sich in Everetts Beschreibung aber heraus, dass die Sprache auch ‚Töne‘ hat, womit quantitativ wieder ein ‚normales‘ phonologisches Distinktivitätspotential gegeben ist. 12 Everett behauptet weiterhin, dass das Pirah- im phonischen Medium fünf ‚Kanäle‘ besitzt, die er als normale 9 Es ist bezeichnend, dass Everett vom Kölner UNITYP-Projekt offenbar noch nie etwas gehört hat (vgl. etwa Seiler (Hg.) 1978) und dass er auch die beiden umfänglichen HSK-Bände „Language Typology and Language Universals/ Sprachtypologie und sprachliche Universalien/ La typologie des langues et les universaux linguistiques“ nicht kennt, an denen auch zahlreiche seiner anglo-amerikanischen Kollegen mitgearbeitet haben (vgl. Haspelmath u.a. (Hgg.) 2001). - Vor allem ist ihm der Begriff der essentiell-generischen Universalien nicht bekannt, die von Eugenio Coseriu schon 1975 in die Diskussion eingeführt wurden und allgemeinste sprachtheoretische (nicht nur linguistische! ) Bestimmungen der Sprache betreffen. - Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch die Diskussion Everetts mit Brent Berlin, Marco Antonio Gonçalves, Paul Kay, Stephen C. Levinson, Andrew Pawley, Alexandre Surrallés, Michael Tomasello und Anna Wierzbickza, die, von ganz unterschiedlichen Positionen her in Everett 2005b: 635- 644 zu seinen Thesen teilweise überaus kritisch Stellung nehmen; vgl. dazu unten Abschnitt 5. 10 Vgl. zum Thema zahlreiche Beiträge in Günther/ Ludwig (Hgg.) 1994; Raible (Hg.) 1998; auch Koch/ Oesterreicher 1990, 1994 und 2007; Oesterreicher 2001. Erstaunlich ist, dass die Begriffe pragmatic mode und syntactic mode nicht erwähnt werden (Givón 1979). 11 Vgl. dazu die informative Zusammenfassung in Everett 2005b und die Kapitel 11-16 des mit „Language“ überschriebenen zweiten Teils des Buches. 12 Vgl. dazu Kap. 11 „Changing Channels with Pirah- Sounds“. Festschrift_V-435_End.indd 21 20.05.11 14: 36 <?page no="48"?> 22 Wulf Oesterreicher Sprache, Pfeifsprache, Summsprache, Schreisprache und musikalische Sprache bezeichnet. 13 Auch hier ist anzumerken, dass die Materialität der Sprache sowie abgeleitete Formen der Signifikantengestaltung nicht richtig konzipiert werden. 14 Im Pirah- gibt es offenbar keine Zahlwörter und Quantoren als lexikalisch-grammatische Kategorien, auch fehlen Lexeme für Farbbezeichnungen. Everetts Bericht zeigt jedoch, dass etwa Formulierungen mit dem Wort Blut durchaus zur Bezeichnung der Farbe ‚rot‘ verwendet werden und auch bei der Quantifikation gibt es diskursiv Möglichkeiten, Mengen mit anderen Mitteln zum Ausdruck zu bringen. 15 Das Pirah- hat nach Everetts Angaben das einfachste uns bekannte Pronominalsystem, das, nach seiner (für den Leser überraschenden) Vermutung, ursprünglich vielleicht sogar aus dem Tupí-Guaraní entlehnt wurde. 16 Das Pirah- kennt keine relationalen Tempora, also grammatische Kategorisierungen von Formen der Zukunft und der Vergangenheit. 17 Vor allem aber gibt es nach Everett keine rekursiven Verfahren, also ‚Einbettungen‘ 18 zum Ausdruck von Subordination/ Hypotaxe oder bei der Nominaldetermination und der Wortbildung. Everett ist daher sehr überrascht, als ihm - in gewissermaßen parataktischem Gewand - schließlich doch einmal eine ‚Art Relativsatz‘ begegnet. 19 Everetts Bericht zeigt übrigens, dass die Pirah-, die fröhliche und offene Menschen sind und die in der Interaktion untereinander gerne auch den Körperkontakt suchen, sehr intensiv miteinander kommunizieren und - sicherlich weniger genau sprachlich markiert als wir dies gewohnt sind - alle Grundformen konversationeller, narrativer, argumentativer und expositorischer, aber auch ludischer Diskursivität kennen. 13 Diese channels haben jeweils „a specific set of functions“; die Summ-Sprache „is used to disguise either what one is saying or one’s identity […] it is also used for privacy […] Hum speech is also used to talk when one’s mouth is full. Finally it is frequently used by mothers when talking to their children“ (Everett 2008: 186). 14 Immerhin hat Everett in Leipzig von Manfred Krifka erfahren, dass, im Unterschied zum Flüstern, bei dem ‚Töne‘ nicht oder nur schwer zum Ausdruck kommen können, diese beim Summen durchaus artikulierbar sind (Everett 2008: 186). 15 Vgl. zu diesen und auch den folgenden Punkten Everett 2005b mit den kritischen Urteilen der in Anm. 9 genannten Linguisten; vgl. auch Abschnitt 5. 16 Vgl. Everett 2005b: 628. 17 Vgl. Everett 2005b: 631f.; dieses Problem ist ja in der Diskussion der Linguistic Relativity bezüglich der Sprache der Hopi im Vergleich zu den so genannten SAE-Sprachen schon in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts ausführlich diskutiert worden; die Ergebnisse dieser Diskussion sind ebenfalls nicht berücksichtigt; vgl. Gipper 1972. 18 Hier ist im Buch das Kap. 15 einschlägig „Recursion: Language as a Matrioshka Doll“; vgl. auch Everett 2005b: 628- 631. 19 Leider wird der wichtigen Frage der Redewiedergabe, die in unseren Sprachen ja komplexe syntaktische Formen annimmt (direkte und indirekte Rede), nicht wirklich diskutiert. Eine Redewiedergabe ist aber natürlich auch im Pirah- möglich. Syntaktische Komplexität darf also nicht einfach mit bestimmten kommunikativen Leistungen gleichgesetzt werden - was übrigens in der interessanten Diskussion um die Historizität von Sprechakten ebenfalls schon Ende der 80er Jahre ausführlich zur Sprache kam. Vgl. auch Raible 1992 und Koch 1995; unten Abschnitt 5 und die Anm. 28; auch Hawkins 2004. Festschrift_V-435_End.indd 22 20.05.11 14: 36 <?page no="49"?> Kultur und Sprache bei den Pirah- in der selva amazônica 23 Wie schon angesprochen sind Everett und seine Anhänger aber davon überzeugt, dass der traditionelle Sprachbegriff zu modifizieren sei und dass die Chomskysche Universal-Grammatik (UG), die ihrerseits kurzerhand mit der Linguistik identifiziert wird, durch die Beschreibung des Pirah-, das keine Rekursivität/ recursion kennt, zu falsifizieren sei. 20 Da die Rekursivität in der Universalgrammatik tatsächlich ein Parameter des defining set ist, haben sich Linguisten, die der generativen Theorie nahestehen, in dieser Diskussion stark gegen Everett engagiert. 21 Wenn wir einmal von den im engeren Sinne missionarischen Aspekten des Berichts und den für Everett dramatischen persönlichen Ereignissen absehen, die durch seinen Glaubensverlust auch zur Trennung von seiner Familie führten, so gilt, dass in diesem Buch durchaus interessante philosophisch-erkenntnistheoretische, kulturanthropologische und soziologische Fragen aufgeworfen werden. Für die Linguistik stehen nicht nur phonetische, morphosyntaktische, lexikalische und pragmalinguistische Probleme zur Diskussion, sondern auch grundsätzliche theoretisch-methodologische Fragen der Sprachbeschreibung und der Beurteilung von sprachlichen Fakten. 3 Anmerkungen zu einem déjà vu-Szenario - Empirie in Ethnolinguistik und generativer Theorie Um die von Everett ausgelöste Diskussion verstehen zu können, sind knappe Anmerkungen zur Situation der nordamerikanischen Linguistik in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts notwendig; es geht dabei um Entwicklungen, die durchaus als amerikanische Sonderwege charakterisiert werden können. Es ist bekannt, dass die Sprachwissenschaft in den USA sich in dieser Zeit mit dem induktivistischen Radikalempirismus der dominanten, behavioristisch orientierten deskriptiven Linguistik von Leonard Bloomfield auseinanderzusetzen hatte, die vielen als amerikanische Spielart des Strukturalismus gilt. Diese Linguistik stand indirekt durchaus in Verbindung mit den wichtigen, naturgemäß sehr empiriebetonten Positionen von Franz Boas und auch Edward Sapir, 20 Vgl. dazu etwa Everetts: „If recursion is proposed to be, as Chomsky and many of his followers would have, the core faculty of the human language capacity, and if recursion is absent in one or more languages, then the Chomskyan proposal is falsified. But if recursion is not the core faculty, then Pirah- suggests that the kind of theory of language we need is not one in which language is an instinct“ (Everett 2008: 241); vgl. dazu auch das Schema, das „Cognition, Grammar, Culture Connections“ darstellt (Everett 2008: 221); Sprachen ohne Rekursivität beschreibt Foley 1986; ganz unmöglich ist natürlich die Qualifikation derartiger Sprachen als ‚primitiv‘. 21 Man vergleiche dazu vor allem die Kontroversen Everetts mit zahlreichen Linguisten, die sich durch seine Thesen provoziert fühlen; vgl. aktuell besonders Nevits/ Pesetzky/ Rodrigues 2009a und 2009b in Language 85/ 2 und 85/ 3. Das starke Selbstbewusstsein Everetts wird in gegen die UG-Anhänger gerichteten Artikeln deutlich. Vor allem ein bislang unpubliziertes Manuskript im Netz mit dem Titel „The shrinking Chomskyan corner. A Final reply to Nevins, Pesetsky, and Rodrigues“ zeigt Everett polemischkämpferisch (Everett 2010b). Festschrift_V-435_End.indd 23 20.05.11 14: 36 <?page no="50"?> 24 Wulf Oesterreicher die als Linguisten und Anthropologen vor allem Indianersprachen untersuchten und deren Arbeiten gerade auch für die Pikesche Feldforschung bedeutsam wurden. Der Bloomfieldsche Deskriptivismus vertrat eine strikt datenbezogene Methodologie, die in einer sehr bekannten Passage zum Ausdruck kommt: The only useful generalizations about language are inductive generalizations. Features which we think ought to be universal may be absent from the very next language that becomes accessible […]. The fact that some features are, at any rate, widespread, is worthy of notice and calls for explanation; when we have adequate data about many languages, we shall have to return to the problems of general grammar and to explain these similarities and divergences, but this study, when it comes, will not be speculative but inductive. (Bloomfield 1933: 20; meine Kursivierung) Für europäische und auch amerikanische Sprachwissenschaftler, sogar für Vertreter des Strukturalismus, war aber schon früh klar, dass der nordamerikanische Radikalempirismus in der Bloomfield-Nachfolge, der eben auch in der nordamerikanischen Ethnolinguistik seine Spuren hinterlassen hat, durch seinen Reduktionismus und seine Theoriefeindlichkeit, vor allem auch mit seiner negativen Haltung gegenüber der Semantik, eine Sackgasse darstellte. Aber - und dieser Punkt ist für unser Thema entscheidend - auch die scharfe nordamerikanische Reaktion auf die radikalempiristischen Positionen, die zur Entstehung der an der starken, hypothetisch-deduktiven Theoriebildung orientierten, von Chomsky eingeleiteten generativistischen Ausrichtung führte (Chomskys Syntactic Structures sind schon 1957 erschienen), vertritt eine höchst prekäre Position. Beide Richtungen sind nämlich wissenschaftstheoretisch deshalb als positivistisch und höchst problematisch zu betrachten, weil sie in einem unreflektiert-dezisionistischen Denkstil allgemeine Ansprüche formulieren, die die relative Berechtigung ihrer Positionen gewissermaßen hinterrücks entwerten. 22 Die von nordamerikanischen Linguisten und Theoretikern 23 und von europäischen Sprachwissenschaftlern wie Eugenio Coseriu, Hansjakob Seiler, Klaus Heger und deren Schülern entwickelten Konzepte und Fragestellungen werden ignoriert; vor allem wurde die schon früh in Arbeiten von Hans-Heinrich Lieb, Rudolf P. Botha, Roger G. van de Velde oder Esa Itkonen bezüglich der fragwürdigen Positionen beider ‚Lager‘ formulierte Kritik in Nordamerika nicht rezipiert. 24 22 Vgl. dazu Gauger 1969; Apel 1975; zum Positivismusvorwurf genauer Oesterreicher 1975 und 1979; vgl. auch Adorno/ Horkheimer 1970; Apel u.a. 1971; Bubner 1973. 23 Ich nenne hier nur folgende Namen: Joseph H. Greenberg, Charles F. Hockett, Henry M. Hoenigswald, Dell H. Hymes, Charles E. Osgood, Uriel Weinreich, Charles J. Fillmore, Talmy Givón, William A. Foley, aber auch George H. Meads Symbolischer Interaktionismus hat linguistisch natürlich interessante Effekte gezeitigt (vgl. etwa Mead 1969). 24 Vgl. dazu Lieb 1970; Botha 1981 und 1989; Itkonen 1975, 1978, 1983, auch 2003; van der Velde 1974; insgesamt ist hier auch mein Buch Sprachtheorie und Theorie der Sprachwissenschaft aus dem Jahre 1979 einschlägig, in dem Zusammenhänge, die im Folgenden nur angedeutet werden können, ausführlich dargestellt sind. Festschrift_V-435_End.indd 24 20.05.11 14: 36 <?page no="51"?> Kultur und Sprache bei den Pirah- in der selva amazônica 25 Eine wichtige Klarstellung betrifft hier nun eben die Tatsache, dass, im Rahmen einer Metalinguistik oder Theorie der Linguistik, dem Deskriptivismus als einer Methodologie, als einem Beitrag zu einer Theorie der Spracherforschung, durchaus Bedeutung zukommt. Die generativen Ansätze sind demgegenüber klar als wichtige Theorien der Sprachbeschreibung zu betrachten, also als deduktive Modellierungen und möglichst kohärente und exhaustive Präsentationen gegebener sprachlicher Fakten, die die Theoriekonstruktionen gewissermaßen ‚belegen‘. Auch die ‚Grammatiktheorie‘ ist in diesem Sinne als eine Form der Präsentationsbzw. Darstellungstheorie zu sehen. 25 Beide Ausrichtungen lassen sich in dieser Sicht zwar durchaus als mögliche (wenn auch gewagte) sekundäre Partialisierungen des primären linguistischen Formalobjekts ‚Sprache‘ auffassen, sie können aber gar nicht miteinander ‚verrechnet‘ werden und schon gar nicht für die Linguistik stehen. Ganz abgesehen davon können sie keinesfalls den Ansprüchen einer Sprachtheorie gerecht werden, die - als am philosophischen Begriff der Sprache orientiert - grundsätzlich gar keine bloß einzelwissenschaftlich-disziplinäre Formierung erlaubt. Anders ausgedrückt: Die empirischen Befunde Everetts sind für eine Sprachtheorie ebenso irrelevant wie auch die generativistisch-universalgrammatischen Grundannahmen diesen Sprachbegriff gar nicht treffen können. Kurz: Beide Richtungen verkennen in ihren theoretischen Zugriffen Reichweite und Fundierung von linguistischer Forschung qua wissenschaftlich-disziplinärer Aktivität. Wie angedeutet, gilt für beide Großformationen: Sie ignorieren ‚souverän‘ die in den letzten vier Jahrzehnten geführten Diskussionen und die Fortschritte in der Linguistik, in den sprachbezogenen Nachbarwissenschaften sowie in der Wissenschaftstheorie. 4 Die sprachphilosophischen und wissenschaftstheoretischen Defizite in der Sicht von Sprachtheorie, Universalienforschung und Sprachtypologie Die Diskussionskontexte und neueren Konzeptionen der Universalienforschung und der Sprachtypologie 26 erlauben es, durch ihre empiriegesättigten Fragestellungen und die damit erreichte Offenheit der theoretischen Orientierungen, die im methodologischen Kontext einer traditionalen Ethnolinguistik als erstaunlich und neu herausgestellten Kennzeichen des Pirah- rasch als relativ gut erklärliche Phänomene einzuordnen; außerdem ist natürlich die vorschnelle Identifizierung von Grammatik, Kognition und Kultur inakzeptabel. Aus diesem Grund ist kurz auf drei schon genannte Probleme zurückzukommen, die nochmals klar machen, welchen theoretisch-methodologischen Defiziten wir hier begegnen: 25 Vgl. Oesterreicher 1979: 55- 66. 26 Vgl. dazu nochmals Hapselmath u.a. (Hgg.) 2001 und die zu Beginn von Abschnitt 3, bes. in Anm. 9, formulierte Kritik. Festschrift_V-435_End.indd 25 20.05.11 14: 36 <?page no="52"?> 26 Wulf Oesterreicher Erstens, wenn eine wissenschaftliche Beschreibung kulturabhängige Wahrnehmungsgrößen wie Mengen und Farben kurzerhand mit der Existenz sprachlicher, grammatisch-lexikalischer Kategorisierungen von Zahlen und Farbbezeichnungen identifiziert, ist dies natürlich fatal. Und Daniel L. Everett hat generell die Tendenz, solche Unterschiede zu verwischen. Die Statusdifferenz von so genannten sprachlich-kulturellen Realitäten und von linguistisch-begrifflichen Beschreibungen, also der Unterschied zwischen der sprachlichen Objektebene und einer ethno-linguistischen Metaebene ist grundsätzlich zu beachten. Bei der Everettschen Interpretation der relationalen Tempora muss man, zweitens, auf eine ähnliche Widersprüchlichkeit, einen vergleichbaren transitus, hinweisen. Zu den design features of human language gehören natürlich nicht Tempus- und Modus-Kategorien, obschon - und dies ist als anthropologischphänomenologisches Grundwissen vom menschlichen Bewusstsein zu betrachten - die in retentionalen und protentionalen Akten auch diskursiv greifbaren temporalen Weltbezüge definitorisch auch dort existieren, wo es die genannten Kategorien nicht gibt. Dass diese Bewusstseinsvollzüge in unterschiedlichen Gesellschaften sehr verschiedene Formen der Intensität, Komplexität und Reichweite annehmen und ipso facto auch unterschiedlich konzeptualisiert werden, ist in der Kulturanthropologie, gerade seit der kritischen Diskussion der Sapir-Whorf-Hypothese, also des so genannten linguistischen Relativitätsprinzips, eigentlich bekannt. 27 Die Verbindung der Gegenwart mit Vergangenheit und Zukunft darf mithin keinesfalls so verkürzt dargestellt werden, wie dies Everett tut - aber diese Interpretation braucht er ja für seine Thesen von Glück und Gegenwartsbezug der Pirah- … In diesem Zusammenhang kann, drittens, noch einmal das für Everett (und die Generativisten) so wichtige Problem der Rekursivität/ recursion angesprochen werden. Es ist direkt erheiternd zu sehen, dass Everett offenbar etwas Richtiges ahnt, wenn er bezüglich komplexer Hypotaxen immerhin einmal den Hinweis gibt, dass man Pirah--Formulierungen durchaus mit einem asyndetisch-reihenden englischen Äußerungstyp, bei dem eine ‚konditionale Lesart‘ impliziert ist, parallelisieren könnte: I drink. I drive. I go to jail. 28 Bei der Everettschen Beschreibung der ‚Nicht-Existenz‘ von rekursiven Verfahren im Pirah- einerseits und der Diskussion der Rekursivität in der Universalgrammatik andererseits liegt aber wiederum ein fundamentales Missverständnis vor, weil Fundierungs- und Konstitutionsverhältnisse von beiden Parteien ignoriert werden. 29 Design features of human language dür- 27 Vgl. Gipper 1972.; auch hier erscheint übrigens wieder der Ausdruck linguistisch statt sprachlich. 28 Vgl. hierzu nochmals die Anm. 19, wo auf die Redewiedergabe verwiesen wurde. Für die aktuelle Diskussion des Konzepts der syntaktischen Komplexität vgl. etwa Lehmann 1988; Raible 1992; Koch 1995; Ehlich 2008, Bd. 2. Außerdem drängt sich hier der Bezug zum pragmatic mode Givóns auf; Formulierungen im pragmatic mode stellen referenzsemantisch und kommunikativ aber natürlich durchaus erfolgreiche Strategien dar. 29 Gelegentlich ließen sich unpräzise Formulierungen Everetts immerhin als offen für derartige Fragestellungen interpretieren; vgl. etwa Everett 2008: 241ff. Festschrift_V-435_End.indd 26 20.05.11 14: 36 <?page no="53"?> Kultur und Sprache bei den Pirah- in der selva amazônica 27 fen gerade keine reduktionistische Definition durch Begriffe wie ‚Rekursivität‘ erfahren: Die anhand der recursion diskutierten Phänomene - und viele andere mehr - sind nämlich alle in der grundsätzlichen Reflexivität menschlicher Bewusstseinsvollzüge verankert. In diesem Sinne setzen Aus- und Abwahlen von Elementen im Paradigma, die Nutzung syntagmatischer Relationen, die Formen der Negation, Modalisierungsstrategien und temporale Zuordnungen, textphorische Relationierungen usw. alle reflexive Leistungen voraus, die als Letztfundierung zahlreicher einzelsprachlicher Fakten aus den verschiedensten Bereichen der Syntax, Semantik, Wortbildung usw. betrachtet werden können. In sprachtheoretischer Perspektive sind Komplexität, Variation, Innovation und indirekt auch Wandel der unterschiedlichsten Typik und auf den unterschiedlichen Ebenen der einzelsprachlichen Strukturierung immer als Resultate der Sprechtätigkeit zu betrachten, sie sind als Erscheinungen alle im Rahmen von aus dem Sprachbegriff deduzierten essentiell-generischen Universalien zu sehen. 30 Diese Aspekte der core faculty of the human language capacity, die als solche gerade nicht ausschließlich sprachlich fundiert ist, sondern sich auf den ‚menschlichen Gesamtleistungsaufbau‘ (Arnold Gehlen 1971) bezieht, sind weder generativ noch ethnolinguistisch oder auch anders linguistisch vollständig modellierbar. Mit dem generativistischen Begriff der Rekursivität, der übrigens völlig zu unrecht gelegentlich ja sogar mit der Humboldtschen Kreativitäts-Formel „von endlichen Mitteln unendlichen Gebrauch machen“ identifiziert wird, sind die entscheidenden kreativ-innovativen Prozesse, die sich im metaphorischen und metonymischen Sprachgebrauch zeigen und möglichen Sprachwandel induzieren, nicht fassbar. Sie werden mit diesem trostlos mechanistischen Konzept zum Verschwinden gebracht. 31 Wir können heute nicht nur mit Generalisierungen von empirischen Belegen zu den (fahrlässig) so genannten near universals leben, die eben eigentlich nur Tendenzen mit overwhelmingly-greater-than-chance frequency sind. Wir sind auch durch die generativistischen, universalgrammatisch basierten deduktiven Parametersetzungen und die in diesen formulierten design features of human language, die Everett im Begriff der recursion vehement angreift, sowie überhaupt durch die generativistischen Theoriekonstruktionen nicht mehr zu erschrecken. Auch wenn einige Vertreter dieser Richtung (nicht nur) im angloamerikanischen Raum dies immer noch nicht einsehen und nicht müde werden, ihre psychologisch-universalistisch fundierten Ansprüche zu proklamieren, ist der Generativismus trotz seines Einflusses und seiner weiten Verbreitung, im Blick auf Sprachtheorie, sprachliche Universalien sowie die Theorie der Sprachwissenschaft nur eine, bezüglicher ihrer Leistungsfähigkeit durchaus diskutable linguistische Theorieausprägung. Diesbezüglich ist ein Zitat aus der im Jahre 2005 in der Zeitschrift Current Anthropology mit Everett geführten Debatte interessant, an der, wie schon in Anmerkung 9 gesagt, Brent Berlin, Marco Antonio Gonçalves, Paul Kay, Stephen 30 Vgl. dazu auch nochmals den Beginn von Abschnitt 3, vor allem Anm. 9. 31 Vgl dazu etwa Koch 1994, 2003, 2005, 2008 und 2010. Festschrift_V-435_End.indd 27 20.05.11 14: 36 <?page no="54"?> 28 Wulf Oesterreicher C. Levinson, Andrew Pawley, Alexandre Surrallés, Michael Tomasello und Anna Wierzbickza teilnahmen. Nach der Erwähnung neuerer universalgrammatischer Positionen von Noam Chomsky, Marc D. Hauser, William Tecumseh Fitch, Mark C. Baker und Dieter Wunderlich, 32 stellt Michael Tomasello, ohne deshalb jedoch Everett im Grundsätzlichen Recht geben zu wollen, fest: There seems to be no debate about which of these or other accounts of universal grammar should be preferred and why. This problem is particularly acute in the study of language acquisition, where there is no evidence that children begin with the abstract linguistic categories characteristic of most accounts of universal grammar […]. Universal grammar was a good try, and it really was not so implausible at the time it was proposed, but since then we have learned a lot about many different languages, and they simply do not fit one universal cookie cutter […]. In science, when theory and facts conflict, given a large enough body of reliable facts, theory loses, and we must come up with something new. (Tomasello, in Everett 2005b: 640s.) Die Behauptung, dass die Universalgrammatik ihrerseits „a good try“ gewesen sei, will ich hier nicht weiter diskutieren; auch die Insistenz auf dem inzwischen erreichten „body of reliable facts“ müsste in sprachtheoretischer Hinsicht für die Gesamtproblematik klarer gefasst werden, da sie noch dem strong-theory- Typ des Falsifikationismus verhaftet ist. Tomasello kommt auch im Folgenden zu wichtigen kritische Einsichten, die aber ebenfalls schon vor dreißig Jahren formuliert wurden: 33 In the light of the fact that we know that languages differ greatly in their syntactic structures and we know how grammaticalization takes place in many specific instances in particular languages, how can anyone maintain the hypothesis of a universal grammar? The answer is to make the concept immune to falsification. (Tomasello, in Everett 2005b: 640; meine Kursivierung) Für unsere Frage nach der Interdisziplinarität ist wichtig, dass in der Diskussion von beiden linguistischen Theorieausrichtungen für ihre Arbeit an den sprachlichen Daten und Fakten je unterschiedliche, umfassende Fundierungs- und Legitimierungsansprüche ins Feld geführt werden. Ich erinnere noch einmal an Everetts Definition der Ethnogrammar, die gewissermaßen als Welterklärungsmodell fungiert, sowie an die in der Language Instinct- Debatte vorgebrachten innativistisch-universalistisch basierten Argumente der Generativisten. Durch das von beiden linguistischen Ausrichtungen in Anschlag gebrachte theoretisch-methodologisch verbrämte Imponiergehabe, das auf der einen Seite mit ethnologisch-kulturellen Argumenten hantiert und den Schild Grammar- Cognition-Culture vor sich herträgt, 34 und auf der anderen Seite universalis- 32 Vgl. Hauser/ Chomsky/ Fitch 2002; Baker 2001; Wunderlich 2004. 33 Vgl. Apel 1975; Oesterreicher 1979, Kap. 3: 108-156, bes. 3.3: 127-131; vgl. nochmals die Angaben in Anm. 9. 34 Dies wird zuletzt noch einmal in Everetts Berliner Beitrag zur DGfS-Jahrestagung ganz deutlich; vgl. Everett 2010a. Festschrift_V-435_End.indd 28 20.05.11 14: 36 <?page no="55"?> Kultur und Sprache bei den Pirah- in der selva amazônica 29 tisch-kognitionsbezogene, inzwischen auch krude biologistische Argumente als Immunisierungsstrategien einsetzt, 35 sollte man sich nicht einschüchtern lassen. Beide Ausrichtungen verfehlen nämlich je schon das Reflexionsniveau gängiger wissenschaftstheoretischer und wissenschaftssystematischer Einsichten und bleiben hinter den Erkenntnissen und Forderungen einer Universalienforschung und Sprachtypologie zurück, für die zum einen die wissenschaftlichen Disziplinen Referenzrahmen sind und für die zum anderen, neben anderen Universalien, die Historizität der menschlichen Sprache zentrales sprachtheoretisches Definitionsstück ist. 36 Die angedeuteten diskursiv-argumentativen Fundierungen, die weit über die Aussagen zur Spracherforschung beziehungsweise zur Theorie der Sprachbeschreibung hinausreichen, bleiben dem paradigmatischen Kern der Linguistik grundsätzlich äußerlich. Es handelt sich um für Sprachwissenschaftler nicht einholbare, linguistisch unentscheidbare und damit disziplinär letztlich nur postulatorische metalinguistische Argumente. 37 5 Schlussbemerkung Bei den dezisionistischen Transgressionen der kritisierten linguistischen Orientierungen wird der Bezug auf den Kernbereich der Disziplin ‚Sprachwissenschaft‘ massiv verunklart. Auch kann von echter Interdisziplinarität dabei nirgends die Rede sein. 38 All dies wird in der oben erwähnten umfänglichen Darstellung der wissenschaftstheoretischen Gesamtproblematik im Romanistischen Jahrbuch ausführlich diskutiert; dort wird auch eine konstruktive wissenschaftssystematische Skizze vorgestellt, die es erlaubt, Disziplinen und Fächer in ihrem Verhältnis zueinander und damit Interdisziplinarität neu zu denken. Insofern muss man von einem Treppenwitz der Geschichte der Sprachwissenschaft sprechen, wenn anlässlich der Publikationen von Everett eine Diskussion heraufbeschworen wird, die im Grunde eine ganze Reihe von Pseudoproblemen erneut auf die Bühne bringt, die schon seit Jahrzehnten besprochen und eigentlich gelöst schienen. Dieses befremdliche Beispiel eines linguistischen Wiedergängertums erinnert mich an einen berühmten Satz von Karl Marx, mit dem er das Kap. 1 seiner Schrift Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte einleitet: 35 Ich denke an den altbekannten Language Acquisition Device (LAD) Chomskys und die heute diskutierten Begriffe Language Instinct (Pinker 1994) und Language Organ oder auch die Positionen der so genannten Bio-linguistics. Vgl. dazu auch die Auseinandersetzung Everetts mit Stephen R. Anderson und David W. Lightfoot in Everett 2005a und 2006. Wichtig ist hier vor allem die kritische Darstellung von Geoffrey Sampson im Buch The ‚language instinct‘ debate aus dem Jahre 2005. 36 Vgl. dazu vor allem Coseriu 1975 und 1981; Oesterreicher 1979, 2001, 2003 und 2006; es ist hoffentlich klar, dass ‚Historizität‘ nicht mit der linguistischen Diachronie in eins zu setzen ist. 37 Vgl. etwa Pulvermüller 2002; Baker 2001; Hauser/ Chomsky/ Fitch 2002; vgl. auch Pinker 1994. Entschieden kritisch dazu jetzt vor allem Sampson 2005. Ahnliche Probleme gibt es heute übrigens bei der Begeisterung bestimmter, vor allem auch generativ orientierter Linguisten für Biologie und Neurologie, die Hirnforschung und ihre bildgebenden Verfahren. 38 Vgl. bes. Oesterreicher 2009; auch schon 1979. Festschrift_V-435_End.indd 29 20.05.11 14: 36 <?page no="56"?> 30 Wulf Oesterreicher Hegel bemerkt irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Thatsachen und Personen sich so zu sagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als große Tragödie, das andre Mal als lumpige Farce. (Karl Marx, 1852) 6 Bibliographie Adorno, T.W./ Horkheimer, M. ( 13 1970): Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, Darmstadt, Luchterhand (= Sammlung Luchterhand 72). Apel, K.-O. (1975): „Noam Chomskys Sprachtheorie und die Philosophie der Gegenwart - Eine wissenschaftstheoretische Fallstudie“, in Schlieben-Lange, B. (Hg.), 13-51. Apel, K.-O./ Bormann, Cl.v./ Bubner, R./ Gadamer, H.-G./ Giegel, H.J./ Habermas, J. (1971): Hermeneutik und Ideologiekritik, Frankfurt a.M., Suhrkamp. Baker, M.C. (2001): The Atoms of language: The Mind’s Hidden Rules of Grammar, New York, Basic Books. Bloomfield, L. (1933): Language, New York, Henry Holt & Co. Botha, R.P. (1981): The Conduct of Linguistic Inquiry. A Systematic Introduction to the Methodology of Generative Grammar, The Hague, Mouton. Botha, R.P. (1989): Challenging Chomsky. The Generative Garden Game, Oxford, Blackwell. Brend, R.M./ Pike, K.L. (Hgg.) (1977): The Summer Institute of Linguistics: Its Works and Contributions, Berlin/ New York, Walter de Gruyter. Bubner, R. (1973): Dialektik und Wissenschaft, Frankfurt a.M., Suhrkamp. Colby, G./ Dennett, Ch. (1995): Thy Will Be Done. The Conquest of the Amazon: Nelson Rockefeller and Evangelism in the Age of Oil, New York, Harper Collins. Coseriu, E. (1975): „Die sprachlichen (und die anderen) Universalien“, in Schlieben-Lange (Hg.), 127-161. Coseriu, E. (1981): Textlinguistik. Eine Einführung. Hg. von J. Albrecht, Tübingen, Narr. Ehlich, K. (2008): Sprache und sprachliches Handeln, Bd. 1: Pragmatik und Sprachtheorie; Bd. 2: Prozeduren des sprachlichen Handelns, Bd. 3: Diskurs - Narration - Text - Schrift, Berlin/ New York, Walter de Gruyter. Everett, D.L. (1992): A Lingua Pirah- e a Teoria da Sintaxe. Descriç-o, perspectivas e teoria, Campinas (SP), Editora UNICAMP. Everett, D.L. (1996): Why there are no Clitics. An Alternative Perspective on Pronominal Allomorphy (= SIL and Univ. of Texas at Arlington publications in linguistics 123), Dallas/ Texas, Summer Institute of Linguistics/ University of Texas at Arlington. Everett, D.L. (2005a): „Biology and Language: a consideration of alternatives“, in Journal of Linguistics 41, 157-175. Everett, D.L. (2005b): „Cultural constraints on grammar and cognition in Pirah-: another look at the design features of human language“, in Current Anthropology 46/ 4, 621- 646. Everett, D.L. (2006): „Biology and Language: response to Anderson & Lightfoot“, in Journal of Linguistics 42, 385-393. Everett, D.L. (2008): Don’t sleep, there are snakes. Life and Language in the Amazonian Jungle, London, Profile Books (deutsche Übersetzung: Das glücklichste Volk. Sieben Jahre bei den Pirah--Indianern am Amazonas, München, Deutsche Verlags-Anstalt 2010). Everett, D.L. (2009): „Pirah- Culture and Grammar: A Response to Some Criticisms“, in Language 85/ 3, 405-442. Everett, D.L. (2010a): „Cognitive Fire. Ideas on the Practice of Ethnogrammar“ = Powerpoint- Version des Vortrags auf der DGfS-Tagung, Berlin 26. Februar 2010. Everett, D.L. (2010b): „The shrinking Chomskyan corner: A Final reply to Nevins, Pesetsky, and Rodrigues“, Manuskript (vgl. Homepage von Everett). Foley, W.A. (1986): The Papuan Languages of New Guinea, Cambridge, CUP. Gauger, H.-M. (1969): „Die Semantik in der Sprachtheorie der transformationellen Grammatik“, in Linguistische Berichte 1, 1-18. Festschrift_V-435_End.indd 30 20.05.11 14: 36 <?page no="57"?> Kultur und Sprache bei den Pirah- in der selva amazônica 31 Gehlen, A. ( 9 1971): Der Mensch - seine Natur und seine Stellung in der Welt, Frankfurt a.M., Athenäum. Gipper, H. (1972): Gibt es ein sprachliches Relativitätsprinzip? Untersuchungen zur Sapir- Whorf-Hypothese, Frankfurt a.M., Fischer. Givón, T. (1979): On Understanding Grammar, New York, Academic Press. Greenberg, J.H. (1966): „Some Universals of Grammar with Particular Reference to the Order of Meaningful Elements“, in Greenberg (Hg.) 1966, 73-113. Greenberg, J.H. (Hg.) ( 2 1966): Universals of Language, Cambridge, Mass., The M.I.T Press. Günther, H./ Ludwig, O. (Hgg.) (1994): Schrift und Schriftlichkeit/ Writing and Its Use, 2 Bde. (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 10.1/ 10.2), Berlin/ New York, Walter de Gruyter. Haspelmath, M./ König, E./ Oesterreicher, W./ Raible, W. (Hgg.) (2001): Language Typology and Language Universals/ Sprachtypologie und sprachliche Universalien/ La typologie des langues et les universaux linguistiques, 2 Bde. (= Handbücher für Sprach- und Kommunikationswissenschaft 20.1/ 20.2), Berlin/ New York, Walter de Gruyter. Hauser, M.D./ Chomsky, N./ Fitch, W.T. (2002): „The faculty of language: what it is, who has it, and how did it evolve? “, in Science 298, 1569-1579. Hawkins, J.A. (2004): Efficiency and Complexity in Grammars, Oxford, Oxford UP. Heger, K. (1971a): „Zur Standortbestimmung der Sprachwissenschaft“, in Zeitschrift für Romanische Philologie 87, 1-31. Heger, K. (1971b): Monem, Wort und Satz (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 8), Tübingen, Niemeyer. Hockett, Ch.F. (1966): „The Problem of Universals in Language“, in Greenberg, J.H. (Hg.), 1-29. Itkonen, E. (1975): „Transformational Grammar and Philosophy of Science“, in Koerner, E.F.K. (Hg.), The Transformational-Generative Paradigm and Modern Linguistic Theory (= Current Issues in Linguistics 13/ 2), Amsterdam, Benjamins, 381-445. Itkonen, E. (1978): Grammatical theory and metascience: A critical inquiry into the philosophical and methodological foundations of ‚autonomous‘ linguistics, Amsterdam, Benjamins. Itkonen, E. (1983): Causality in linguistic theory: A critical inquiry into the philosophical and methodological foundations of ‚non-autonomous‘ linguistics, London, Croom Helm. Itkonen, E. (2003): What is language? A study in the philosophy of linguistics, Turku, University of Turku (= Publications in General Linguistics 8). Kablitz, A./ Oesterreicher, W./ Warning, R. (Hgg.) (2003): Zeit und Text. Philosophische, kulturanthropologische, literarhistorische und linguistische Beiträge, München, Fink. Koch, P. (1994): „Gedanken zur Metapher - und zu ihrer Alltäglichkeit“, in Sabban, A./ Schmitt, C. (Hgg.), Sprachlicher Alltag. Linguistik - Rhetorik - Literaturwissenschaft. Festschrift für Wolf-Dieter Stempel 7. Juli 1994, Tübingen, Niemeyer, 201-225. Koch, P. (1995): „Subordination, intégration syntaxique et ‚oralité‘“, in Etudes Romanes 34, 13-42. Koch, P. (2003): „Qu’est-ce que le cognitif? “, in Blumenthal, P./ Tyvaert, J.-E. (Hgg.), La cognition dans le temps. Etudes cognitives dans le champ historique des langues et des textes (= Linguistische Arbeiten 476), Tübingen, Niemeyer, 85-100. Koch, P. (2005): „Ein Blick auf die unsichtbare Hand. Kognitive Universalien und historische romanische Lexikologie“, in Stehl, T. (Hg.), Unsichtbare Hand und Sprecherwahl. Typologie und Prozesse des Sprachwandels in der Romania, Tübingen, Narr, 245- 275. Koch, P. (2008): „Cognitive onomasiology and lexical change: Around the eye“, in Vanhove, M. (Hg.), From Polysemy to Semantic Change (= Studies in Language Companion Series 106), Amsterdam/ Philadelphia, Benjamins, 107-137. Koch, P. (2010): „Sémantique cognitive et changement lexical“, in François, J. (Hg.), Grandes voies et chemins de traverse de la sémantique cognitive (= Mémoires de la Société de Linguistique de Paris N.S. 18), Leuven, Peeters, 103-145. Festschrift_V-435_End.indd 31 20.05.11 14: 36 <?page no="58"?> 32 Wulf Oesterreicher Koch, P./ Oesterreicher, W. (1990): Gesprochene Sprache in der Romania. Französisch, Italienisch, Spanisch (= Romanistische Arbeitshefte 31), Tübingen, Niemeyer. Koch, P./ Oesterreicher, W. (1994): „Schriftlichkeit und Sprache“, in Günther, H./ Ludwig, O. (Hgg.), Bd. 2, 587- 604. Koch, P./ Oesterreicher, W. (2007): Lengua hablada en la Romania: Español, Francés, Italiano, Madrid, Gredos (= Biblioteca Romanica Hispánica 448). Lehmann, Chr. (1988): „Towards a typology of clause linkage“, in Haiman, J./ Thompson, S.A. (Hgg.), Clause combining in grammar and discourse, Amsterdam/ Philadelphia, Benjamins, 181-225. Lieb, H.-H. (1970): Sprachstadium und Sprachsystem. Umrisse einer Sprachtheorie, Stuttgart, Kohlhammer. Mead, G.H. (1969): Sozialpsychologie, Neuwied/ Berlin, Luchterhand. Nevins, A./ Pesetsky, D./ Rodrigues, C. (2009a): „Pirah- Exceptionality: A Reassessment“, in Language 85/ 2, 355-404. Nevins, A./ Pesetsky, D./ Rodrigues, C. (2009b): „Evidence and Argumentation: A Reply to Everett“, in Language 85/ 3, 671- 681. Oesterreicher, W. (1975): „Sprachtheorie - Zur Problematik der Verwendung eines Terminus“, in Schlieben-Lange, B. (Hg.), 81-226. Oesterreicher, W. (1979): Sprachtheorie und Theorie der Sprachwissenschaft (= Reihe Siegen 15), Heidelberg, Winter. Oesterreicher, W. (2001): „Historizität - Sprachvariation, Sprachverschiedenheit, Sprachwandel“, in Haspelmath, M./ König, E./ Oesterreicher, W./ Raible, W. (Hgg.), 1554-1595. Oesterreicher, W. (2003): „Zeit - Sprache - Text. Die Zeitlichkeit von Diskursen und der Zeitkern von Sprachregeln“, in Kablitz A./ Oesterreicher W./ Warning R. (Hgg.), 46-70. Oesterreicher,W.(2006): „Historisch-vergleichende Sprachwissenschaftund Sprachtypologie im Spannungsfeld der Historizität der Sprache“, in Dahmen, W. u.a. (Hgg.), Was kann eine vergleichende romanische Sprachwissenschaft heute (noch) leisten? Romanistisches Kolloquium XX, Tübingen, Narr, 69-99. Oesterreicher, W. (2009): „Der Weinberg des Texts. Die Philologien und das Projekt ‚Textwissenschaft‘ im Horizont einer sozialen Semiotik“, in Germanisch-Romanische Monatsschrift 59/ 1, 81-118. Orlandi, E. Pucinelli (1999): „Sprache, Glaube, Macht: Ethik und Sprachpolitik/ Language, Faith, Power: Ethics and Language Policy“, in Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 116, 116-141. Pinker, St. (1994): The language instinct, New York, Morrow. Pulvermüller, F. (2002): The Neuroscience of Language. On Brain Circuits of Words and Serial Order, Cambridge, CUP. Raible, W. (1992): Junktion. Eine Dimension der Sprache und ihre Realisierungsformen zwischen Aggregation und Integration (= Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Jahrgang 1992, Bericht 2), Heidelberg, Winter. Raible, W. (Hg.) (1998): Medienwechsel. Erträge aus zwölf Jahren Forschung zum Thema Mündlichkeit und Schriftlichkeit (= ScriptOralia 113), Tübingen, Narr. Sampson, G. (2005): The ‚language instinct‘ debate, London/ New York, Continuum International Publishing Group. Schlieben-Lange, B. (Hg.): Sprachtheorie (= Kritische Wissenschaft), Hamburg, Hoffmann & Campe. Seiler, H. (Hg.) (1978): Language Universals. Papers from the Conference held at Gummersbach/ Cologne, Germany, October 3- 8, 1976 (= Tübinger Beiträge zur Linguistik 111), Tübingen, Narr. Velde, R.G. van der (1974): Zur Theorie der linguistischen Forschung. Ein Beitrag zur Grundlagenproblematik der Linguistik (= Kritische Information 32), München, Fink. Wunderlich, D. (2004): „Why assume UG? “, in Studies in Language 28, 642- 645. Festschrift_V-435_End.indd 32 20.05.11 14: 36 <?page no="59"?> J ACQUES F RANÇOIS Quelles sont les origines des verbes essentiellement pronominaux du français? 0 Introduction L’originalité et l’impact des innombrables travaux linguistiques de Peter Koch tiennent à mon sens à la conjonction de trois spécificités: i. une sensibilité extrême aux phénomènes de variation actancielle, particulièrement dans les langues romanes, depuis sa thèse de 1981, ii. une connaissance raffinée de tous les processus du changement grammatical (morphosyntaxique et pragmasémantique) au moins depuis son article pionnier de 1991, iii. et enfin la volonté d’inscrire dans le cadre de la linguistique cognitive ses recherches sur la dynamique historique de la signification lexicale et de l’actance (cf. Koch 2000, 2002, 2004 i.a.), ce qui lui permet, ainsi qu’à ses collaborateurs (cf. Blank 1997, Gévaudan 2007) de renouveler une thématique qui paraissait explorée jusqu’à ses extrêmes confins depuis, au plus tard, la thèse de J. Trier (1931) sur la reconfiguration du champ sémantique de Kunst, List et Wizzen entre le début et la fin du 13 e siècle. Au-delà des différents cas de figure abordés dans les articles de Koch (2004, 2005), je me propose - dans le prolongement de ma contribution au 1 er Congrès Mondial de Linguistique Française en 2008 - d’examiner ici un phénomène intrigant du français, à savoir la classe des verbes traditionnellement appelés „essentiellement pronominaux“ 1 (cf. Grevisse & Goosse 1986, 1177). Il est tentant de supposer que ces verbes ont connu un emploi transitif dans un état de langue antérieur, ou en connaissent encore un actuellement, et que leur statut résulte d’un figement diathétique. Cependant un examen minutieux de la rubrique historique de l’article du Trésor de la Langue Française pour chacun des 164 verbes essentiellement pronominaux selon le Petit Robert révèle qu’un quart de ces verbes ne présente aucune attestation ni actuelle ni passée d’un emploi transitif. L’étude vise à classer les 164 verbes selon leur profil actanciel en synchronie et en diachronie et suggère que les 41 verbes „irréductiblement“ pronominaux entrent dans la catégorie des MEDIA TANTUM telle qu’elle a été définie par E. Benveniste (1966). 1 „On appelle essentiellement pronominaux les verbes qui se rencontrent exclusivement à la forme pronominale: s’abstenir, s’arroger, se désister, se repentir, etc.“ Grévisse & Goosse (1986, 1177). Festschrift_V-435_End.indd 33 20.05.11 14: 36 <?page no="60"?> 34 Jacques François 1 Classement des 164 verbes essentiellement pronominaux du Petit Robert en fonction de la mention dans le TLF d’un emploi transitif ou intransitif actuel, archaïque ou attesté historiquement La Banque de Dépannage Linguistique (BDL) de l’Office Québecois de la Langue Française fournit sur son site internet 2 une liste de 104 verbes essentiellement pronominaux (Annexe 1). La requête „V.pron.“ effectuée dans l’édition électronique du Petit Robert (2004) délivre quant à elle 173 entrées dont 9 sont des doublets orthographiques, donc 164 entrées distinctives. Cette liste inclut les 104 verbes de la BDL et les 60 verbes essentiellement pronominaux du Petit Robert absents de la liste de la BDL sont listés dans l’Annexe 2. Classe Effectifs I absent du TLF P (auto/ entre/ inter/ sui-) 9 17 26 II P (dont homonyme/ histoire: ~ T/ ~ I) P-I* P (I) P-I 41 8 4 3 56 III P-(T ↑ : histoire, dont homonyme) 22 77 P-T* 17 P-T (dont homonyme) 24 P (T) 13 P-T-I 1 IV P* (P) T 1 2 3 V I-T (+homonyme) 2 2 TOTAL 164 Tableau 1: Les 5 classes de verbes réputés ‚essentiellement pronominaux‘ selon le Petit Robert Je me propose de soumettre ces 164 verbes - réputés essentiellement pronominaux en français contemporain sur la base du dénombrement du Petit Robert - à un examen comparatif de leur profil historique. Cet examen se base en priorité sur la composante É TYMOLOGIE ET HISTOIRE3 de chacun des ar- 2 Site internet: http: / / 66.46.185.79/ bdl/ gabarit_bdl.asp? t1=1&id=2941. 3 Les données issues de cette composante sont en général plus complètes et mieux structurées que celles du Dictionnaire Historique de la Langue Française (A. Rey, Editions Le Robert). Je recours en complément aux dictionnaires de Godefroy et Tobler & Lommatzsch pour l’ancien français, au Dictionnaire du Moyen Français en ligne de l’ATILF dirigé par Robert Martin, aux dictionnaires en ligne à partir du Thrésor de la Langue Françoise de Nicot (1610) accessibles sur le site LEXILOGOS et aux 14 dictionnaires rassemblés en format électronique dans le Grand Atelier de la langue Française (qui recoupe partiellement la ressource précédente). Festschrift_V-435_End.indd 34 20.05.11 14: 36 <?page no="61"?> Les origines des verbes essentiellement pronominaux du français 35 ticles correspondants du TLF, laquelle synthétise les données du Französisches Etymologisches Wörterbuch. Cinq groupes de verbes se dégagent progressivement (cf. Tableau 1). 4 Dans le premier groupe (26 verbes) je rassemble d’une part les 9 verbes absents du TLF: bit(t)urer (se) camer (se) crasher (se) cuiter (se) désendetter (se) désertifier (se) failler (se) friter (se) originer (s‘) et d’autre part les 17 verbes dont le statut pronominal essentiel est corrélé avec un marquage morphologique soit réfléchi (les préfixes autoet sui-) soit réciproque (les préfixes entreet inter-): autocensurer (s’) autodétruire (s’) autoproclamer (s’) autorépliquer (s’) entraccuser (s’) entradmirer (s’) entraider (s’) entre(-)déchirer (s’) entre(-)détruire (s’) entre(-)dévorer (s’) entre(’/ -)égorger (s’) entre(-)manger (s‘) entre(-)nuire (s’) entre(-)regarder (s’) entre(-)tuer (s’) interpénétrer (s‘) suicider (se) Il est à noter que deux des verbes formés à l’aide du préfixe entrevéhiculent une valeur de diathèse réfléchie et non réciproque: s’entremettre (qn: X s’entremet entre qn: Y et qn: Z) et s’entretailler (un cheval: X s’entretaille) 5 , ils entrent donc dans la classe P. Le second groupe est constitué des 56 verbes dont l’histoire n’atteste (selon le TLF) ni emploi transitif, ni emploi intransitif (classe P, 41 verbes, tableau 2) ou seulement un emploi intransitif disparu (Classe P-I ↑ , 8 verbes, cf. tableau 3) et ceux présentant en français contemporain également (encore selon le TLF) un emploi intransitif rare (classe P-(I), 4 verbes, cf. tableau 4) ou un emploi intransitif fréquent (classe P-I, 3 verbes, cf. tableau 4). Dans le groupe II, les 8 verbes dont un emploi intransitif est historiquement attesté (P/ I ↑ histoire) entrent dans trois sous-groupes selon l’ordre d’attestation des emplois pronominal et intransitif. Pour méprendre (se), l’emploi intransitif est antérieur de plus d’un siècle à l’emploi pronominal (relation notée I<<P), pour rebeller (se), l’emploi pronominal est inversement antérieur de plus d’un siècle à l’emploi pronominal (relation notée P<<I), et, pour les autres verbes, l’emploi intransitif est antérieur de moins d’un siècle à l’emploi pronominal (noté I<P), cf. tableau 3. 4 „Homonyme“ spécifie un dégroupement homonymique dans le Petit Robert (édition électronique 2009) ou dans le Trésor de La langue Française (en ligne); „Histoire“ spécifie la mention de l’emploi pronominal uniquement dans la rubrique „Étymologie et Histoire“ du TLF. 5 „T. d’art vétérinaire. Se heurter les jambes l’une contre l’autre en marchant et s’entrecouper, en parlant d’un cheval“ (Ac. 1932). Festschrift_V-435_End.indd 35 20.05.11 14: 36 <?page no="62"?> 36 Jacques François Tableau 2: Liste des 41 verbes de la classe P Classe P abstenir (s’) accouder (s’) affairer (s’) biler (se) blottir (se) boyauter (se) clapir (se) contrefiche (se) contrefoutre (se) dédifférencier (se) dégrouiller (se) dépatouiller (se) efforcer (s’) enfuir (s’) ensuivre (s’) entremettre (s’) entretailler (s’) envoiler (s’) esclaffer (s’) évanouir (s’) évertuer (s’) 11° fin 12° 1888 1894 fin 16° 1901 1718 1830 1790 1929 1900 17° 1050 1050 12° 1160 fin 11° 17° 16° 12° 1100 extravaser (s‘) gendarmer (se) goberger (se) gominer (se) grumeler (se) ingénier (s’) lignifier (se) magner (se) marrer (se) méconduire (se) méfier (se) pavaner (se) poiler (se) prélasser (se) raviser (se) rengorger (se) repentir (se) suicider (se) tapir (se) targuer (se) 1673 1566 1532 1935 1200 1762 17° 1907 1883 1525 1460 1771 1893 1532 fin 13° 1482 1100 1787 1155 1440 Tableau 3: Les 8 verbes des classes et P-I ↑ Classes P/ I ↑ (historique) méprendre (se) I: fin 10°/ P: 13° I<<P ébattre (s’) ébrouer (s’) envoler (s’) éprendre (s’) évader (s’) pommeler (se) I: 12°/ P: ? 17° I: 16°/ P: 17° (homonyme) I? : 12°/ P: 13° I: 1100/ P: 12° I: 14°/ P: 15° I: 1611/ P: 1694 I<P I<P I<P I<P I<P I<P rebeller (se) P: fin 13°/ I: 15° P<<I Les verbes restants du 2 e groupe entrent dans deux classes réduites (cf. Tableau 4): (a) quatre verbes pronominaux rarement intransitifs, mais jamais transitifs (classe P(I)); (b) trois verbes pronominaux fréquemment intransitifs, mais jamais transitifs (classe P-I). Le troisième groupe rassemble 77 verbes qui, outre l’unique verbe attesté dans les trois constructions P-I-T: cotonner (se), se répartissent en quatre sous-groupes: III-1. Les 22 verbes dont l’histoire atteste au moins un emploi transitif disparu, classe P-(T ↑ ), y compris des homonymes, cf. tableau 5. Festschrift_V-435_End.indd 36 20.05.11 14: 36 <?page no="63"?> Les origines des verbes essentiellement pronominaux du français 37 Classe P(I) Tableau 4: Les 7 verbes des classes P(I) et P-I ↑ carapater (se) escrimer (s’) miter (se) rebiffer (se) P (I) P (I) P (I) P (I) 1867 I/ P: 16° 18° T: 1200/ P: 17°/ I: 19° Classe P-I lexicaliser (se) pâmer (se) pieuter (se) P-I P-I P-I 20° I: 1100/ P: 13° 1830 Classe P-(T ↑ ) Tableau 5: Les 22 verbes attestant historiquement un emploi transitif (P-T ↑ ) absenter (s’) accroupir (s’) amuïr (s’) arroger (s’) calaminer (se) déballonner (se) défier (se) déjuger (se) désister (se) dévergonder (se) écrier (s’) écrouler (s’) égailler (s’) égosiller (s’) emparer (s’) empresser (s’) entretailler (s’) périmer (se) raviser (se) récrier (se) relaisser (se) ressouvenir (se) P: 1332/ T: 1385 P/ T: fin 12° T: 1120/ P: fin 19° T: 1484/ P: 1538 T: 1587/ P: 1960 P: 1883/ T: 1894# P „craindre“: 1920 T: 12°/ P: 13° T: 12° (condamner)/ P: 19° T-de: 14°/ P: 15° ppa: 12°/ T: 15°/ P: 17° T: 10°/ P: 1100 T: 12°/ P: 17° T: 12°/ P: 19° T: 15°/ P: 17° T: 14°/ P: 16° T: 1150/ P: 1609 T: fin 11°/ P: 14° P: 1460/ T: 1830 fin 13° (T ou P? ) P: 1160/ T: 1210 T: 1160/ P: 16° Imp: 12°/ T/ P: fin 16° III-2. Les 17 verbes présentant un emploi transitif vieilli (classe P-T*), cf. tableau 6: Classe P-T* amouracher (s’) démener (se) démerder (se) désaffectionner (se) engouer (s’) enquérir (s’) extasier (s’) fier (se) gargariser (se) T: 1530/ P: 1558 T: 11°/ P: 12° T/ P: 1900 ppa: 18°/ P: 19° T: 15°/ P: 17° T: 11°/ P: 15° T: 1616/ P: 16° P: 1100/ T: “ 1220 T: 13°/ P: ? gausser (se) gourer (se) insurger (s’) morfondre (se) mutiner (se) réfugier (se) revancher (se) trémousser (se) T: 1561/ P: 1569 T: 15°/ P: 1807 T: 18°/ P: 15° I: 1460/ T: 1512/ P: 1574 P: 1396/ P: 1485 I/ T/ P: fin 16° P: 1165/ T: 1175 1532: P/ 1556: I/ 1583: T Tableau 6: Les 17 verbes de la classe P-T* (emploi transitif ‚vx‘) Festschrift_V-435_End.indd 37 20.05.11 14: 36 <?page no="64"?> 38 Jacques François III-3. Les 24 verbes présentant également un emploi transitif fréquent (classe P-T), y compris des homonymes, cf. tableau 7: Classe T-P Verbe TLF-H Verbe TLF-H agenouiller (s’) candir (se) contorsionner (se) contrebalancer (s’en) débrailler (se) décarcasser (se) déhancher (se) dépoitrailler (se) empiffrer (s’) enamourer (s’)“ énamourer (s’) encanailler (s’) encorder (s’) T: fin 11°/ P: déb 12° T-P: 1600 1845 T: 16°/ P: ? ppa: 16° P: 1821/ T: 1879 ppa: 1555/ P: 1663 adj: 1876 T/ P: 17° T/ P: 13° T/ P: 17° T: 12°/ P: 20° endimancher (s’) enkyster (s’) esbigner (s’) exclamer (s’) exonder (s’) goinfrer (se) invaginer (s’) motter (se) rabougrir (se) réincarner (se) saper (se) scléroser (se) T: 16°/ P: ? ppa: 1703/ P: 19° T: 18°/ P: 19° T: 1495/ P: ? T: 19°/ P: 20°? 17° 1832 T: 1555/ P: 1622 T: 1600/ P: 1690 1880 1919 (homonyme) T: 1891/ P: 1920 Tableau 7: Les 24 verbes de la classe T-P III-4. Les 13 verbes présentant un emploi transitif rare, classe P-(T), cf. tableau 8: Classe P-(T) Verbe TLF-H Verbe TLF-H acoquiner (s’) défausser (se) déprendre (se) duveter (se) époumoner (s’) immiscer (s’) mésallier (se) I: 1530/ T-P: 1562 P: 1792 ppa: 1170/ P: 1403 19° P: 1725/ T: 19°? T: 16°/ P: 15° P: début 16°/ T: fin 17° obstiner (s’) opiniâtrer (s’) parjurer (se) ramifier (se) renfrogner (se) vautrer (se) T: 16°/ P: 16° P: 1538/ T: 1594 T: 1130/ P: 1100 P: 1314/ T: 20° T: 13°/ P: 16° P: 12°/ T: 15° Tableau 8: Les 13 verbes de la classe P-(T) Le quatrième groupe réunit un verbe qualifié de pronominal vieilli (se pocharder, classe P*) et les deux verbes dont l’emploi pronominal est qualifié de rare (dénuer, fritter). Enfin le cinquième rassemble les deux verbes que le TLF considère comme uniquement intransitifs et transitifs (classe I-T: pagnoter, plumer). Les dégroupements signalés par la mention „homonyme“ (cf. note 4) concernent pour la classe P: se débiner, se défier, s’ébrouer, s’envoiler, se formaliser et se toquer, pour la classe I-T: se plumer et pour la classe P-T: se saper. Festschrift_V-435_End.indd 38 20.05.11 14: 36 <?page no="65"?> Les origines des verbes essentiellement pronominaux du français 39 2 Les 41 verbes irréductiblement pronominaux et l’hypothèse ‚MEDIA TANTUM‘ Je me concentrerai ici sur les 41 verbes de la classe P du groupe II listés plus haut dans le tableau 2. Ils sont réputés essentiellement pronominaux par le Petit Robert et le TLF ne mentionne à leur propos aucun type d’emploi transitif ni dans sa composante historique ni dans sa composante principale. Les autres verbes feront l’objet d’études ultérieures. Les verbes pronominaux en auto~, entre~ et inter~ présentent un marquage double de la réflexivité ou réciprocité, morphologique (le préfixe) et syntaxique. Se suicider constitue un cas particulier, puisque le vestige sui~ du pronom réfléchi latin se combine avec une composante ~cider dénuée d’autonomie 6 . Dans la mesure où il s’avère que certains verbes, que je désignerai comme IRRÉDUCTIBLE - MENT pronominaux, n’ont d’emploi transitif attesté ni en français du 21 e siècle, ni dans un état de langue antérieur sur la base du Französisches Etymologisches Wörterbuch, on est conduit à formuler l’hypothèse qu’ils véhiculent une valeur moyenne (dans le sens de „rapporté à soi-même“) par leur propre sémantisme, ce qui les rend fonctionnellement équivalents aux media tantum du grec classique (ex. επομαι , ‚je suis‘) et aux verbes déponents du latin (ex. sequor, ‚je suis‘), classes de verbes qu’Émile Benveniste présente ainsi (1970, 170): Il y a un certain nombre de verbes qui ne possèdent qu’une série de désinences; ils sont les uns actifs seulement, les autres seulement moyens. Personne n’ignore ces classes des activa tantum et des media tantum, mais on les laisse en marge des descriptions. Ils ne sont pourtant ni rares, ni insignifiants. Pour n’en rappeler qu’une preuve, nous avons dans les déponents du latin une classe entière de media tantum. On peut présumer que ces verbes à diathèse unique étaient si caractérisés ou comme actifs ou comme moyens qu’ils ne pouvaient admettre la double diathèse dont les autres verbes étaient susceptibles. 7 Bernard Benchakjan (1988, 34) reprend ce classement des verbes latins et grecs selon leur aptitude variable à valider la diathèse active et/ ou la diathèse moyenne: Si l’on fait abstraction des causatifs du type s ē d ō ‚asseoir‘ formé à partir de sede ō ‚être assis‘, on peut ramener les verbes indo-européens à trois classes: (1) les activa tantum, qui étaient probablement d’anciens verbes d’état, d’action non-volontaire et de mouvement, (2) les media tantum, qui étaient sans doute d’anciens verbes à diathèse interne, et (3) les verbes à diathèse double, qui vraisemblablement étaient d’anciens verbes d’action à diathèse externe, mais qui, grâce à l’indépendance lexicale qu’ils avaient acquise, pouvaient se mettre tantôt à la voix active, tantôt à la voix moyenne. On peut symboliser ainsi cette équivalence: fr. je m’ évanouis/ *j’ évanouis ↔ lat. sequor/ *sequo, c’est-à-dire que le verbe pronominal essentiel français s’évanouir est à la forme active non attestée évanouir ce que le verbe déponent latin sequor est à la forme active non attestée sequo. 6 La composante ~cider que l’on retrouve dans coincider, décider, élucider et trucider, bien qu’elle renvoie à l’idée de trancher, n’est pas assez unifiée pour pouvoir être considérée comme une racine autonome. 7 C’est moi qui souligne. Festschrift_V-435_End.indd 39 20.05.11 14: 36 <?page no="66"?> 40 Jacques François Cette hypothèse est globalement confirmée par le sémantisme des 41 verbes en cause. Je distinguerai huit classes sémantiques S1-S8 par fréquence décroissante. Les deux premières classes concernent l’expression de comportements humains soit n’exigeant pas (S1), soit exigeant (S2) l’accompagnement d’une complétive infinitive. À elles deux, celles-ci représentent près de la moitié de l’effectif du groupe (19/ 41). Dans la troisième classe, le verbe exprime un mouvement (un auto-déplacement visant une fuite ou une dissimulation), dans la quatrième, il exprime une émotion (joie, surprise, inquiétude ou bouleversement). Les trois dernières classes qui ne représentent à elles trois que 6 verbes concernent l’expression d’un changement d’état ou de forme, d’actions exécutées exclusivement 8 sur soi-même, ou d’une relation interévénementielle. Classe S1 (10 verbes) → expression d’un comportement humain: dédifférencier (se); entremettre (s’); gendarmer (se); méconduire (se); méfier (se); pavaner (se); prélasser (se); raviser (se); rengorger (se); suicider (se) Classe S2 (9 verbes) → expression d’un comportement régissant une complétive infinitive introduite par à ou de: abstenir (s’) de INF; affairer (s’) à INF; contrefiche (se) de INF; contrefoutre (se) de INF; efforcer (s’) de INF; évertuer (s’) à INF; ingénier (s’) à INF; repentir (se) de INF; targuer (se) de INF Classe S4 (9 verbes) → expression d’un mouvement de fuite ou de dissimulation: blottir (se); clapir (se); dégrouiller (se); dépatouiller (se); enfuir (s’); entretailler (s’); extravaser (s’); magner (se); tapir (se) Classe S5 (7 verbes): → expression d’une émotion: biler (se); boyauter (se); esclaffer (s’); évanouir (s’); goberger (se); marrer (se); poiler (se) Classe S6 (3 verbes) → expression d’un changement d’état ou de forme: envoiler (s’); grumeler (se); lignifier (se) Classe S7 (2 verbes) → actions exécutées exclusivement sur soi-même: accouder (s’); gominer (se) Classe S8 (1 verbe) → relation entre événements: ensuivre (s’) 3 Bilan Il ressort de cette étude que la majorité des 164 verbes réputés „essentiellement“ pronominaux selon le Petit Robert (édition électronique de 2009) entre soit dans la classe des verbes qui présentent encore actuellement un emploi secondaire transitif rare ou archaïque ou dont un emploi transitif est attesté historiquement (77 verbes ≈ 47%), soit dans celle des verbes qui n’ont jamais présenté d’emploi transitif selon les rubriques historiques du TLF (41 verbes ≈ 25%). La pronominalité ESSENTIELLE des premiers est analysable comme le résultat de la résorption d’une ‚polytaxie‘ (cf. François 2008) Transitif (valence 2) vs. Pronominal (valence 1) par focalisation sur l’emploi pronominal à valence réduite (diathèse régressive de Tesnière, 1959). La pronominalité IRRÉDUCTIBLE des seconds est 8 „Exclusivement“ traduit la pronominalité irréductible du verbe, mais on peut imaginer qu’on gomine ou accoude autrui. Festschrift_V-435_End.indd 40 20.05.11 14: 36 <?page no="67"?> Les origines des verbes essentiellement pronominaux du français 41 syntaxiquement et sémantiquement comparable à la catégorie des verbes déponents du latin et assimilable plus généralement à celle des MEDIA TANTUM , telle qu’elle a été décrite par E. Benveniste. 4 Bibliographie Benchakjan, B. (1988): „*J’ai tombé pour Je suis tombé: l’aboutissement d’une longue évolution“, in Landheer, R. (dir. 1988), Aspects de linguistique française. Hommage à Q.I.M. Molk. Amsterdam: Rodopi. Benveniste, E. (1966): „Actif et moyen dans le verbe“, in Problèmes de linguistique générale, I, p. 168-175 [repris du Journal de Psychologie, 1950]. Blank, A. (1997), Prinzipien des lexikalischen Bedeutungswandels am Beispiel der romanischen Sprachen, Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie, Tübingen, Niemeyer. François, J. (2008): „Polysémie et polytaxie verbales entre synchronie et diachronie“, Actes du 1 er Congrès Mondial de Linguistique Française (cd-rom), Table-Ronde de la section de Sémantique. Gévaudan, P. (2007): Typologie des lexikalischen Wandels. Bedeutungswandel, Wortbildung und Entlehnung am Beispiel der romanischen Sprachen, Tübingen, Stauffenburg. Grévisse, M./ Goosse, A. (1986): Le bon usage - Grammaire française, Paris-Gembloux, Duculot. Koch, P. (1981): Verb - Valenz - Verfügung. Zur Satzsemantik und Valenz französischer Verben am Beispiel der Verfügungsverben, Heidelberg, Reihe Siegen 32. Koch, P. (1991): „Semantische Valenz, Polysemie und Bedeutungswandel bei romanischen Verben“, in Koch, P./ Krefeld, T. (éds.) Connexiones Romanicae - Dependenz und Valenz in romanischen Sprachen, Tübingen, Niemeyer, p. 279-305. Koch, P. (2000): „Pour une approche cognitive du changement sémantique: aspect onomasiologique“, in François, J. (dir.) Théories contemporaines du changement sémantique, Mémoire IX de la Société de Linguistique de Paris, p. 75-96. Koch, P. (2002): „Il ne me faut plus nule rien. Changement sémantique, métataxe et réanalyse“, in Blumenthal, P./ Koch, P. (dir.) Valence: perspectives allemandes. Syntaxe & Sémantique 4, p. 67-108. Koch, P. (2004): „Rollensemantik - diachronische Aspekte“, in Kailuweit, R./ Hummel, M. (éds.), Rollensemantik, Tübingen, Narr, 421-434. Koch, P. (2005): „Aspects cognitifs d’une typologie lexicale synchronique. Les hiérarchies conceptuelles en français et dans d’autres langues“, in Langue française 145, 11-33. Tesnière, L. (1959): Éléments de syntaxe structurale, Paris, Klincksieck. Trier, J. (1931): Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes: von den Anfängen bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts. [Réédition 1973, Heidelberg: Winter] Dictionnaires Altfranzösisches Wörterbuch de Tobler & Lommatzsch (P. Blumenthal & A. Stein, eds. cdrom Université de Stuttgart, 2002). Grand atelier de la Langue Française (cd-rom, Redon 2002). Le Petit Robert - Dictionnaire de la langue française (2004), édition électronique. cd-rom, Emme-diffusion. Trésor de la Langue Française informatisé (ATILF, en ligne). Festschrift_V-435_End.indd 41 20.05.11 14: 36 <?page no="68"?> 42 Jacques François ANNEXES Annexe 1: Liste des 104 verbes essentiellement pronominaux de la Banque de Dépannage Linguistique (Québec) absenter (s’) abstenir (s’) accouder (s’) accroupir (s’) acoquiner (s’) affairer (s’) agenouiller (s’) amouracher (s’) amuïr (s’) arroger (s’) autocensurer (s’) autodétruire (s’) autoproclamer (s’) blottir (se) contorsionner (se) contrebalancer (s’en) défier (se) déhancher (se) démener (se) démerder (se) dénuer (se) déprendre (se) désertifier (se) désister (se) dévergonder (se) duveter (se) ébattre (s’) ébrouer (s’) écrier (s’) écrouler (s’) efforcer (s’) égosiller (s’) emparer (s’) empiffrer (s’) empresser (s’) encanailler (s’) encorder (s’) endimancher (s’) enfuir (s’) engouer (s’) enquérir (s’) ensuivre (s’) entraider (s’) entre-déchirer (s’) entre-détruire (s’) entre-dévorer (s’) entre-égorger (s’) entremettre (s’) entre-tuer (s’) envoler (s’) époumoner (s’) éprendre (s’) esclaffer (s’) escrimer (s’) évader (s’) évanouir (s’) évertuer (s’) exclamer (s’) extasier (s’) fier (se) formaliser (se) gargariser (se) gausser (se) goinfrer (se) gominer (se) gourer (se) immiscer (s’) ingénier (s’) insurger (s’) interpénétrer (s’) lexicaliser (se) lignifier (se) magner (se) marrer (se) méconduire (se) méfier (se) méprendre (se) morfondre (se) mutiner (se) obstiner (s’) originer (s’) pâmer (se) parjurer (se) pavaner (se) prélasser (se) rabougrir (se) ramifier (se) raviser (se) rebeller (se) rebiffer (se) récrier (se) réfugier (se) réincarner (se) renfrogner (se) rengorger (se) repentir (se) revancher (se) scléroser (se) suicider (se) tapir (se) targuer (se) toquer (se) trémousser (se) vautrer (se) Annexe 2: Liste des 60 verbes essentiellement pronominaux du Petit Robert absents de la liste de la BDL autorépliquer (s’) biler (se) bit(t)urer (se) boyauter (se) calaminer (se) camer (se) candir (se) carapater (se) clapir (se) contrefiche (se) contrefoutre (se) cotonner (se) crasher (se) cuiter (se) déballonner (se) débiner (se) débrailler (se) décarcasser (se) dédifférencier (se) défausser (se) dégrouiller (se) déjuger (se) dépatouiller (se) dépoitrailler (se) désaffectionner (se) désendetter (se) égailler (s’) e|énamourer (s’) enkyster (s’) entraccuser (s’) entradmirer (s’) entre(-)manger (s’) entremettre (s’) entre(-)nuire (s’) entretailler (s’) envoiler (s’) esbigner (s’) exonder (s’) extravaser (s’) failler (se) friter (se) fritter (se) gendarmer (se) goberger (se) grumeler (se) invaginer (s’) Festschrift_V-435_End.indd 42 20.05.11 14: 36 <?page no="69"?> P AUL G ÉVAUDAN Cadres prédicatifs et rôles sémantiques * 0 Introduction Que l’être humain possède une vision du monde fondamentalement anthropocentrique est un fait tellement évident qu’il est presque banal de le rappeler. Mais ce qui est peut-être moins banal, c’est le constat que si dans notre conscience tout se tourne autour de l’homme, c’est le discours qui est le plus souvent au centre de notre attention. En effet, ce qui distingue l’être humain des autres êtres animés, c’est le discours, par lequel la communauté décide de la vérité des faits, des actions à accomplir et des évaluations morales et affectives. Si on donne ainsi raison à Vološinov (1929), à Foucault (1969) ou à Habermas (1981), qui décrivent la conception du monde comme née du discours, on peut admettre que la conscience humaine est logocentrique. Cela veut dire que si l’être humain et la société sont au centre de la représentation mentale qu’a l’homme du monde, le discours se trouve au centre de la représentation mentale qu’il a de l’être humain et de la société. Or, en linguistique, on explique toute une série de phénomènes par l’anthropocentrisme qui se reflète dans la langue, 1 mais on a jusqu’à présent plutôt négligé l’impact du logocentrisme dans la langue. Un des domaines importants de l’anthropocentrisme du langage est celui des rôles sémantiques attribués aux actants par les verbes. Déjà Fillmore (1968) établit une hiérarchie des rôles sémantiques selon leur affinité avec la fonction syntaxique de sujet dans laquelle le rôle agent surplombe tous les autres rôles. 2 Mais personne n’a envisagé à ce jour le rôle sémantique du locuteur, sujet des verbes du dire, alors que ce rôle implique un sémantisme nettement plus complexe et plus ‚humain‘ que celui d’agent. Personne, sauf Peter Koch, qui, dans son livre Verb - Valenz - Verfügung (Koch 1981), introduit le rôle „agent locuteur“ (Sprecheragens, 295-298). 3 Trente ans après la parution de cet ouvrage, le présent article se propose de différencier le rôle sémantique locuteur et de démontrer son impact particulier. * Je tiens à remercier Jean-Pierre Durafour et Christophe Gérard pour la lecture et la discussion de cet article. 1 Cf., entre autres, les contributions dans Lakoff/ Johnson (1980), Wierzbicka (1988), Sweetser (1990), dans le domaine de la valence verbale Heringer (1985), Feuillet (1997), Waltereit (1998). 2 Cf. Fillmore (1968), Chafe (1970), Jackendoff (1975, 1983), Cook (1979), Foley/ van Valin (1984), Dowty (1991), Lazard (1998), François (2004b), Kailuweit (2004) 3 Pour ses travaux ultérieurs dans le domaine de la sémantique et de la valence verbale, cf., entre autres, Koch (1991, 1993, 2001, 2004). Festschrift_V-435_End.indd 43 20.05.11 14: 36 <?page no="70"?> 44 Paul Gévaudan Cela demande une révision des conceptions traditionnelles des rôles sémantiques et de la primauté accordée au rôle d’agent. Après une brève considération des types de prédication introduits par Koch (1981) et des critères appropriés pour définir les rôles sémantiques traditionnels (2), seront présentés les prédications discursives et les rôles correspondants ainsi que le critère à la fois sémantique et syntaxique de la complétive (3). Pour finir, on s’intéressera aux rôles particuliers de l’expérient dans des prédications implicitement discursives (4) ainsi qu’à certaines prédications causatives (5). 1 Les rôles sémantiques traditionnels L’opération fondamentale de la prédication consiste à ranger une entité dans un ensemble déterminé, en d’autres termes, à attribuer un certain caractère (celui de l’ensemble) à un référent (l’entité). La forme la plus simple de cette opération de prédication apparaît dans l’exemple suivant: (1) le rocher est grand Selon la logique des prédicats, l’élément auquel réfère le sujet dans cet exemple est rangé dans l’ensemble des objets dont GRAND est un attribut. Dans d’autres cas, la prédication implique plus d’un argument: (2) la clef tombe sur la table (3) le vent ouvre la porte (4) Jean ouvre du champagne pour ses invités (5) Jean vend une 2CV à sa sœur (6) Jean promet une 2CV à sa sœur En logique, les propositions qui comprennent plusieurs arguments sont traitées comme des prédications enchevêtrées. 4 D’un point de vue linguistique, une telle explication ne suffit pas pour comprendre la signification des prédications, car leur sémantisme doit être conçu à travers la notion - cognitive - de participation. On verra dans la section 2.2 et par la suite dans quelle mesure un argument participe à l’état de choses représenté par la prédication. 1.1 Les types de prédicats selon Koch (1981) Afin de définir les rôles sémantiques qui peuvent être assignés 5 par des prédications, Koch (1981, 207-259) propose 6 types de représentation d’état de choses („Art der Sachverhaltsdarstellung“), c’est-à-dire de prédication, qui forment une hiérarchie implicative de spécifications: la prédication, représentation d’un état de choses non spécifié, la représentation d’un événement („Vorgang“), dynamique dans la mesure où il est déterminé dans le temps, d’une action (volontaire ou involontaire, „Tun“), événement déclenché par un causateur ou acteur, d’un 4 Dans (3) la prédication le vent ouvre la porte se décomposerait ainsi en [porte {ouvert}] et [vent {porte {ouvert}}]. 5 J’utilise assigner ou attribuer comme termes techniques pour exprimer que le rôle sémantique d’un argument dépend de la prédication dont il est un argument. Festschrift_V-435_End.indd 44 20.05.11 14: 36 <?page no="71"?> Cadres prédicatifs et rôles sémantiques 45 acte volontaire („Handlung“), d’une interaction („Interaktion“), dans laquelle deux actes volontaires sont coordonnés, et d’une illocution („Illokution“), qui est une interaction discursive. L’état décrit dans l’exemple (1) ci-dessus ne comporte aucune de ces spécifications, alors que (2) dénote un événement déterminé dans le temps, (3) un événement déclenché par un causateur, (4) un acte volontaire, (5) un acte volontaire coordonné et (6) une illocution. La figure ci-dessous résume les types de prédicat proposés et y adjoint les exemples (1)-(6): Fig. 1: Types de prédicats selon Koch (1981, 257) Dans cette logique, ce qui détermine de manière cumulative les types d’état de choses se retrouve dans la prédication d’un acte illocutoire, qui est, par conséquent, un état de choses dynamique (événement), causé (action), intentionné (acte), mutuel (interaction) et discursif, voire performatif (illocution). 1.2 Les rôles abstraits Il est surprenant de constater la grande variété catégorielle et terminologique que présente la notion de rôle sémantique dans la littérature. Cette diversité est probablement due au fait que la définition de rôles abstraits se fait habituellement dans le but d’expliquer leur marcage morphosyntaxique, notamment par les cas. 6 Cela revient à chercher, d’un point de vue sémasiologique, une explication sémantique pour des constellations formelles. Pour parvenir à une systématique cohérente des rôles sémantiques, il faut cependant déterminer ceux-ci dans une perspective onomasiologique, c’est-à-dire par des critères purement sémantiques, et examiner par la suite les moyens de leur expression. L’objet de la discussion à mener ici sera précisément la détermination sémantique des rôles 6 Cf. Fillmore (1968), Chafe (1970), Jackendoff (1975, 1983), Cook (1979), Foley/ van Valin (1984, van Valin 2004), Dowty (1991), Lazard (1998), François (2004a, 2004b), Kailuweit (2004); en faveur d’une approche essentiellement sémantique, cf. Koch (1981), Heringer (1985). Festschrift_V-435_End.indd 45 20.05.11 14: 36 <?page no="72"?> 46 Paul Gévaudan les plus souvent nommés, à savoir agent, patient, bénéficiaire, thème, expérient et instrument. 7 Il s’agira donc d’intégrer ces termes et les notions susceptibles d’y correspondre dans un système onomasiologique cohérent. D’un point de vue sémantique, il convient d’analyser les rôles selon leur participation à l’état de choses représenté par la prédication et de faire abstraction de leurs propriétés morphosyntaxiques. Cela dit, il faut d’abord constater quels sont les éléments qui participent à l’état de choses représenté. En effet, certaines modifications adverbiales sont à exclure du cadre prédicatif, comme le montrent les exemples suivants (cf. Lautenbach 2002, 266s.): (7) Jean sert le vin dans un verre (8) Jean sert le vin dans le salon Dans le premier cas (7), l’indication locale (dans le verre) est sous la portée de la prédication et fait par conséquent partie du profil valenciel du verbe, car l’effet de l’événement dénoté est que le vin est dans un verre. 8 Dans le second cas (8), par contre, l’indication locale (dans le salon) se trouve en dehors de la portée de la prédication, car l’événement entier s’y déroule ( Jean est dans le salon vs. *Jean est dans le verre). Sur le fond de cette délimitation, la première distinction des participants se fait selon le critère de l’affectation: est-ce que le participant est affecté ou non par la prédication? Dans l’énoncé suivant, l’objet ne l’est pas, car la prédication ne lui attribue aucune propriété - il a le rôle de thème: (9) suivez cette voiture thème ! Il en va de même pour le sujet (le rocher) dans l’exemple (1), qui ne subit aucun changement. En revanche, les événements dénotés par les exemples (2)-(6) ont un impacte supplémentaire sur la plupart des participants. La distinction des rôles sémantiques de ces derniers peut se faire selon les critères cause vs. effet, immédiat vs. médiat et ± conscient. Ces trois critères permettent ainsi de déterminer les rôles sémantiques des participants dans les exemples suivants: (10) Jean acteur a renversé un vélo patient avec la voiture instrument (sans le faire exprès) (11) Jean agent a renversé un vélo patient avec la voiture instrument (pour se venger) Dans les deux cas, le participant ‚vélo‘ est immédiatement affecté par l’effet de l’événement („le vélo est par terre“) - il a par conséquent le rôle sémantique d’un patient. La ‚clef‘ dans l’exemple (2), la ‚porte‘ dans (3), le ‚champagne‘ dans (4), la ‚2CV‘ dans (5) et (6), le ‚vin‘ dans (7) et (8) ainsi que le ‚verre‘ dans (7) sont tous immédiatement affectés par un état de choses qu’ils ne causent pas et détiennent par conséquent également le rôle sémantique patient. Par ailleurs, le participants ‚Jean‘, déclencheur immédiat de l’action, a le rôle agent dans l’exemple (11), parce qu’il est conscient de son action (qui est donc un acte), alors qu’il est acteur dans l’exemple (10), où il en est inconscient - rôle 7 Cf., entre autres, Dowty (1991, 547s.), Lazard (1998, 63), 125, Waltereit (2002, 262), van Valin (2004, 64) 8 Dans de tels cas, on a affaire à des prédications secondaires (‚le vin est dans le verre‘). Festschrift_V-435_End.indd 46 20.05.11 14: 36 <?page no="73"?> Cadres prédicatifs et rôles sémantiques 47 qu’il a en commun avec ‚le vent‘ dans l’exemple (3). 9 Finalement, la cause d’une action peut être immédiate ou médiate, comme ‚Jean‘ (agent ou acteur, mais en tous cas cause immédiate) ou ‚voiture‘ (instrument, cause médiate). Le rôle de participant affecté médiatement (ou indirectement) par l’effet de l’événement est celui de bénéficiaire, qu’ont les ‚invités‘ dans l’exemple (4). Ce rôle, habituellement assez fréquent parce qu’associé à un référent qui obtient quelque chose (cas profond du datif), est plutôt rare dans la systématique de Koch (1981, 294-299), selon laquelle les prédications du type donner réunissent les actes volontaires de deux agents: (12) Jean agent donne une 2CV patient à sa sœur interagent En considérant le participant ‚sœur‘ comme bénéficiaire, on négligerait que celui-ci se distingue nettement d’un participant comme les ‚invités‘ dans l’exemple (4), car la ‚sœur‘ accepte la donation. Par conséquent, il s’agit d’un acteur volontaire qui détient le rôle interagent conçu ici comme étant davantage intégré dans la prédication que l’agent. 10 Jusqu’ici, le rôle agent est celui qui présente le plus de spécificité, qui est le plus complexe et ce constat correspond à la dominance hiérarchique qu’on lui prête habituellement (v. supra). La volonté de l’agent correspond au critère de conscience qu’il a en commun avec le rôle expérient, dont la phrase suivante donne un exemple: (13) Jean expérient aperçoit une 2CV thème Le tableau suivant résume les rôles discutés jusqu’ici et les critères qui les déterminent: cause effet source cible affecté immédiatement agent interagent expérient consciemment acteur patient médiatement instrument bénéficiaire non affecté thème Fig. 2: Critères définitoires des principaux rôles sémantiques traditionnels 9 Par rapport à Koch (1981, 287-294), le rôle d’acteur ainsi défini regroupe les rôles de ‚causateur‘ („Kausator“) et d’acteur („Tuender“). Cela résulte de l’omission d’une distinction supplémentaire qu’introduit Koch entre événement et ‚changement d’état de choses‘ („Zustandsänderung“). Selon lui, un tel changement n’est pas inclus dans la signification de verbes comme manifester. 10 Une analyse hiérarchique de la prédication correspondrait par conséquent au schéma suivant: [ Jean {sœur {2CV {donner}}}]. Par ailleurs, Koch (1981, 294s) prévoit pour l’interaction les rôles „Interagens“ (agent de l’exemple discuté), „Interaktionspartner“ (littéralement ‚partenaire d’interaction‘, interagent dans l’exemple ci-dessus) et „Interaktionsbereich“ (‚domaine d’interaction‘, patient). L’exemple ci-dessus montre qu’il n’est pas nécessaire de parler de „domaine d’interaction“ quand la participation de l’actant correspond à celle d’un patient. Festschrift_V-435_End.indd 47 20.05.11 14: 36 <?page no="74"?> 48 Paul Gévaudan La distinction sémantique entre agent et interagent se fait par l’identification de la source et de la cible de l’action. De plus, il faut préciser que le rôle expérient, tout comme celui de patient, implique au moins la prédication d’un événement, les rôles acteur et instrument celle d’une action et les rôles agent et bénéficiaire celle d’un acte volontaire (ou d’une interaction), alors que la participation d’un thème n’implique pas de spécificité quant à l’état de choses représenté. 2 La représentation du discours Il est remarquable que c’est apparemment par souci de présenter une systématique exhaustive de l’abstraction de rôles sémantiques que Koch (1981, 254- 258, 295-299), qui vise en fait surtout l’analyse des verbes de possession, tient compte des prédicats illocutoires et introduit les rôles correspondants locuteur („Sprecheragens“), interlocuteur („Sprechaktpartner“) et domaine de négociation („Verständigungsbereich“). Les prochains pas dans cette démarche consistent à identifier les prédications de discours en montrant qu’elles seules sont en mesure de régir des complétives et de différencier, selon leur manière de rapporter le discours, les rôles impliqués. Mais auparavant, il convient de montrer que le rapport entre la représentation du discours et la systématique des autres types de prédications (voir supra) s’explique par le sémantisme logoet anthropocentrique du langage. En effet, on peut distinguer trois modes de représentation prédicative: la représentation ontique, la représentation sociale et la représentation discursive. La représentation d’une réalité sociale implique un participant conscient, comme dans les cas suivants: (14) le chien agent a mordu le facteur patient (15) depuis que tu es parti, le chien expérient est triste La description d’un acte volontaire suppose, comme celle d’une sensation mentale, un individu conscient. Dans la mesure où la conscience peut être considérée comme une condition préalable de l’interaction sociale, un prédicat qui assigne le rôle d’agent ou d’expérient représente non seulement une réalité ontique, mais également une réalité sociale. Les exemples montrent, par ailleurs, qu’un rôle „social“ implique un être animé, ce qui ne se limite pas nécessairement aux êtres humains. Or, on devrait s’attendre à ce qu’il existe une classe de prédicats qui impliquent des rôles uniquement attribuables à des êtres humains et que cette classe ait un statut privilégié dans la langue. Selon l’hypothèse logocentrique (cf. l’introduction), cette classe comprend les prédicats qui dénotent une réalité discursive, car ce qui distingue l’homme des autres êtres animés, c’est son langage: (16) le témoin prétend n’avoir rien mangé (17) *le lion prétend n’avoir rien mangé Les prédicats discursifs décrivent non seulement les dimensions ontologique et sociale de la réalité représentée, mais également sa dimension discursive. Ces trois dimensions forment ainsi une chaîne d’implications: réalité discursive → réalité sociale → réalité ontique Festschrift_V-435_End.indd 48 20.05.11 14: 36 <?page no="75"?> Cadres prédicatifs et rôles sémantiques 49 Cette implication se reflète dans les rôles sémantiques: le sujet d’un verbe du dire participe à une réalité discursive en tant que locuteur, à une réalité sociale en tant qu’agent et à une réalité ontique en tant qu’acteur. 2.1 Les complétives: un critère syntaxique révélateur L’hypothèse d’un statut privilégié des prédicats discursifs semble être confirmée par l’existence des constructions à subordonnées complétives, dans la mesure où celles-ci sont typiquement de nature discursive. 11 Les exemples suivants montrent qu’un prédicat du dire peut régir une complétive alors qu’un prédicat agentif ne le peut pas. (18) Jean dit que le chien aboie (19) *Jean frappe que le chien aboie (20) *Jean donne à sa sœur que c’est une 2CV Si on définit un prédicat discursif par la possibilité de régir une subordonnée, on constatera avec surprise que le fait de décrire que quelqu’un parle n’est pas un critère suffisant pour classer un prédicat dans cette catégorie, comme le montre l’exemple du verbe parler: (21) Jean parle à Marie de leur fils (22) *Jean parle à Marie que leur fils est bon en classe Selon le critère de la complétive, la signification du verbe dire est discursive, alors que celle du verbe parler ne l’est pas. Cela s’explique par le fait que parler ne décrit pas le discours en tant que tel, mais dans sa manifestation sociale: il le décrit pour ainsi dire de l’extérieur, tandis que dire le décrit de l’intérieur - la complétive „montre“ l’énoncé (cf. Nølke et al. 2004, 61, Wittgenstein 1918, §4.002ss.). 2.2 Prédications illocutoires et locutoires Dans la mesure où il décrit directement et d’une manière générale l’acte de parole représenté par la complétive, le verbe dire est le prototype des prédicats discursifs. Il va nous servir à identifier les différents rôles sémantiques que peut assigner une prédication discursive. D’abord, il faut constater que les complétives du verbe dire rapportent le discours soit au style direct, en tant qu’énonciation, soit au style indirect, en tant qu’énoncé: (23) Jean a dit à Marie qu’il avait payé la facture (24) Jean a dit à Marie: „J’ai payé la facture“ Étant donné qu’il dresse son propre cadre déictique, le discours direct représente l’ énonciation, tandis que le discours indirect, qui s’intègre dans le système déictique de la principale, représente l’ énoncé. Le discours direct dénote donc 11 Parmi les complétives, je compte toute phrase subordonnée qui a la fonction de sujet ou d’objet du prédicat de la principale. Festschrift_V-435_End.indd 49 20.05.11 14: 36 <?page no="76"?> 50 Paul Gévaudan l’acte locutoire, alors que le discours indirect représente l’acte illocutoire. Cette observation permet une distinction fondamentale des rôles sémantiques assignés par les prédicats discursifs: au style direct, la complétive représente une énonciation, activité attribuée au locuteur par rapport à l’interlocuteur - dans ce contexte, la complétive même est conçue comme participant qui détient le rôle énonciation; au style indirect, elle représente un énoncé, dont l’énonciateur est responsable envers le co-énonciateur - en tant que participant elle détient le rôle énoncé. Étant donné l’implication de l’énoncé par l’énonciation, de l’énonciateur par le locuteur et du co-énonciateur par l’interlocuteur, la locution est un événement plus spécifié que l’illocution, qu’elle implique, et correspond à un type supplémentaire de prédication dans le système de Koch (1981) présenté dans la section 2.1 (cf. Fig. 1). Par ailleurs, le type de prédication discursive - locutoire ou illocutoire - dépend en premier lieu de la complétive et non du prédicat. Les exemples suivants montrent que les verbes illocutoires permettent aussi bien l’expression de prédications illocutoires que locutoires: (25) Jean énonciateur a promis à Marie co-énonciateur de payer la facture énoncé (26) Jean locuteur a promis à Marie interlocuteur : „je payerai la facture“ énonciation (27) Jean énonciateur a demandé à Marie co-énonciateur de payer la facture énoncé (28) Jean locuteur a demandé à Marie interlocuteur : „paye la facture! “ énonciation Notons que, contrairement à celle des prédicats locutoires (dire, écrire, crier etc.), la signification des prédicats illocutoires (promettre, demander, prétendre, proposer, imposer, espérer, se réjouir etc.) n’inclut pas la production de l’énoncé, mais seulement l’intervention sociale du discours. De manière analogue, on peut distinguer les verbes de réception locutoires (p.ex. entendre) et les verbes de réception illocutoires (p.ex. apprendre). Le type de prédication sera finalement validé par la complétive. Les rôles discursifs introduits ici s’intègrent dans le système présenté dans la section 1.2 (cf. fig. 2) à partir des critères supplémentaires selon lesquels le participant est affecté par une locution ou une illocution: cause effet source cible affecté immédiatement consciemment par la locution locuteur interlocuteur par l’illocution énonciateur co-énonciateur agent interagent expérient inconsciemment par la locution énonciation par l’illocution énoncé acteur patient affecté médiatement instrument bénéficiaire non affecté thème Fig. 3: Définition exhaustives des rôles sémantiques Festschrift_V-435_End.indd 50 20.05.11 14: 36 <?page no="77"?> Cadres prédicatifs et rôles sémantiques 51 3 Prédications discursives implicites Vu que le caractère discursif d’une prédication est déterminé par la complétive, il est possible que le verbe dans une prédication discursive ne dénote pas explicitement un acte de parole. Dans ce cas, il s’agit soit d’un prédicat de cognition ou de perception, soit d’une interprétation implicite. 3.1 Cognition et perception: le rôle de l’expérient En déclarant que „L’opération de penser n’est nullement l’objet de l’énoncé“, Benveniste (1958, 264) insiste sur le fait que l’activité cognitive n’est pas observable. Par conséquent, la prédication d’un événement cognitif ou mental est, selon la terminologie introduite ici, de nature discursive. En effet, on ne peut habituellement formuler l’énoncé (29) Marie expérient [croit/ pense/ sait] que Jean a payé la facture énoncé qu’après avoir été informé par Marie de ce qu’elle croit, pense ou sait. Jusqu’à un certain point, les verbes de cognition se comportent donc comme des verbes illocutoires - notamment à la première personne où ils ont une signification performative: je pense que … implique ‚j’asserte que …‘. Mais ils ne dénotent pas explicitement l’acte illocutoire, ce qui est la raison pour laquelle ils ne peuvent normalement pas représenter le discours direct: (30) ? Marie expérient [croit/ pense/ sait]: „Jean a payé la facture“ énonciation Ceci dit, les verbes perceptifs, également capables de régir des complétives, forment une classe de prédicats semblables aux verbes cognitifs: (31) Marie expérient a vu que Jean a payé la facture énoncé Dans l’interprétation discursive proposée ici, la complétive représente un témoignage, voire une assertion implicite. Comme dans l’exemple (29), le sujet de la principale est un expérient en quelque sorte ‚discursif‘. Toutefois, on peut en principe accorder à ce type de prédication une autre interprétation selon laquelle le sujet parlant n’a pas été informé par le référent du sujet grammatical, mais l’a observé (‚j’ai vu que Marie a vu que …‘). C’est notamment la seule interprétation possible quand le référent du sujet grammatical n’est pas humain, comme dans l’exemple suivant: (32) le chien expérient a vu qu’[un chat agent traverse le jardin thème ] événement Dans ce cas, la complétive est posée par le sujet parlant, qui interprète le comportement d’un référent sujet comme expérience. Par conséquent, sur le plan sémantique, l’objet de l’expérience perceptive n’est pas un énoncé, mais plutôt un événement, voire une prédication. L’expérient n’est alors pas ‚discursif‘, mais simplement ‚social‘. Étant donné que nous avons affaire à un véritable contre-exemple, il convient d’en tirer la conclusion suivante: la complétive est non seulement un indice, mais indéniablement une condition nécessaire de la prédication discursive - par contre elle n’en est pas une condition suffisante. Festschrift_V-435_End.indd 51 20.05.11 14: 36 <?page no="78"?> 52 Paul Gévaudan 3.2 Interprétation et anaphore Les constructions subordonnées les plus marginales sont des prédications qui interprètent un énoncé antérieur ou un état de choses: (33) cela énoncé signifie que le locuteur a vu un chat dans le jardin énoncé (34) „j’aime à vous écrire […], c énoncé ’est donc que j’aime votre absence énoncé “ (Sévigné) Dans le second cas, ‚j’aime à vous écrire‘ est repris en tant que cause. En fait, ce n’est pas directement l’état de choses qui est interprété, mais l’assertion de cet état de choses, c’est-à-dire l’énoncé j’aime à vous écrire. Pour résumer, on notera que les prédicats jusqu’ici considérés susceptibles de réaliser une prédication discursive se regroupent, par rapport au prototype des verbes locutoires, dire, dans l’ordre ‚locutoire‘ - ‚illocutoire‘ - ‚cognitif‘ - ‚perceptif‘ - ‚interprétatif‘ Dans le cadre d’une prédication discursive, la complétive signale ainsi, à côté des événements explicitement discursifs (locution et illocution), soit un discours rapporté implicitement (prédications cognitives ou perceptives) soit une reprise illocutoire anaphorique et interprétative. 4 Les prédications causatives à la périphérie du discours S’il est vrai que les complétives sont un critère révélateur de prédication discursive, on a vu que ce mécanisme n’est pas exclusif dans la mesure où il s’agit bien d’une condition nécessaire, mais pas d’une condition suffisante à la prédication discursive. Cela se confirme également dans le cadre de prédications causatives. Voyons les cas suivants: (35) Jean acteur a fait [tomber un verre patient ] événement (36) Jean acteur a laissé [tomber un verre patient ] événement En français, les verbes faire et laisser peuvent avoir une fonction de semi-auxiliaire d’une périphrase causative. Dans ce cas, ils régissent des complétives à l’infinitif qui représentent un événement (‚un verre est tombé‘) causé par le sujet du semi-auxiliaire (‚Jean‘). Il est évident qu’en français, le verbe faire est le semi-auxiliaire causatif principal, alors que l’usage de laisser reste marginal. 12 Toujours est-il que laisser peut avoir une implication discursive en tant que semi-auxiliaire modal qui exprime la permission: (37) le patron énonciateur l co-énonciateur ’a laissé partir en vacances énoncé C’est en le lui disant que ‚le patron‘ a donné au référent de l’objet direct la permission de partir en vacances. On a donc affaire à une prédication discursive. Dans le cas suivant, il n’est pas tout-à-fait claire si il s’agit d’une construction modale ou simplement causative: 12 Notons qu’en allemand lassen ‚laisser‘ est l’unique semi-auxiliaire causatif, alors que l’anglais dispose de to make ‚faire‘, to let ‚laisser‘, to get ‚obtenir‘ et to have ‚avoir‘. Festschrift_V-435_End.indd 52 20.05.11 14: 36 <?page no="79"?> Cadres prédicatifs et rôles sémantiques 53 (38) le patron énonciateur l co-énonciateur ’a laissé calculer les frais de l’opération énoncé Toujour est-il que même dans son acception causative la prédication reste discursive. Cela vaut également pour la prédication analogue avec faire: (39) le patron énonciateur l co-énonciateur ’a fait calculer les frais de l’opération énoncé Comme source de l’énoncé subordonné, le rôle énonciateur implique celui de causateur. Étant donné qu’une prédication peut donc être causative et en même temps discursive, comme dans (38) ou (39), ou bien simplement causative, comme dans (35) ou (36), on conçoit aisément un domaine transitoire qui comprend l’intersection entre les prédications discursives et les prédications purement causatives. Finalement, il faut tenir compte du fait que ces dernières sont des constructions „béquille“ qui comblent le manque de prédicats transitifs dans le lexique d’une langue à l’aide de verbes, voire d’auxiliaires vicaires, comme le montrent les exemples suivants: (40) les légumes patient pourrissent [dans/ à cause de] la chaleur acteur (41) la chaleur acteur fait [pourrir les légumes patient / que les légumes patient pourrissent] Ainsi, l’hypothèse initiale selon laquelle la subordonnée complétive est un critère révélateur des prédications discursives semble être corroborée. D’une part, la complétive est une condition nécessaire de la prédication discursive, d’autre part, son usage non discursif se restreint à quelques types de prédication perceptive et causative dont la proximité s’explique par des intersections, voire des domaines transitoires avec le discursif. 5 Conclusion et perspectives L’analyse de l’attribution de rôles sémantiques par les prédications présentée ici nous a permis de rappeler le bénéfice que l’on peut retirer de la typologie des prédications présentée par Peter Koch (1981), à laquelle s’ajoute la locution comme type spécifique de l’ illocution; elle nous a également permis de préciser les critères définitoires des rôles sémantiques traditionnels (thème, patient, expérient, bénéficiaire, instrument, acteur, agent et interagent, ce dernier proposé par Koch); elle a finalement engendré l’identification des rôles primordiaux assignés par la prédication discursive, à savoir locuteur, interlocuteur et le rôle énonciation pour la locution, ainsi que énonciateur, co-énonciateur et le rôle énoncé pour l’illocution. De surcroît, on a vu que les complétives sont un critère définitoire - non suffisant, mais certes nécessaire - de ce type de prédication et que, mis à part le groupe bien délimitable des périphrases causatives non discursives, leur fonction est essentiellement la représentation du discours. Or, ceci est un argument fort en faveur de l’idée de logocentrisme dans le langage, logocentrisme que l’on peut justement identifier à travers les prédications discursives. D’un point de vue plus général, l’étude présentée ici se range dans le cadre d’une sémantique énonciative qui détermine la substance sémantique en premier lieu par l’activité communicative des locuteurs et par leur „appropriation […] de la langue“ (Benveniste 1970, 82), que Koch (1981, 27) décrit comme suit: Festschrift_V-435_End.indd 53 20.05.11 14: 36 <?page no="80"?> 54 Paul Gévaudan [D]ie sprechenden Subjekte sind den sprachlichen Regeln nicht unterworfen, sondern sie verfügen über sie insofern, als sie sie wie alle sozialen Normen befolgen oder nicht befolgen und sogar ändern können […] 13 Le programme d’une sémantique dialogique, à laquelle Koch (1981) apporte une contribution importante, demeure, trente ans après Verb - Valenz - Verfügung, plus urgent que jamais. 6 Bibliographie Benveniste, E. (1958): „De la subjectivité dans la langue“, in Journal de Psychologie 51, 257- 265 [cité selon Benveniste 1966, 258-266]. Benveniste, E. (1966/ 1974): Problèmes de linguistique générale, Paris. Benveniste, E. (1970): „L’appareil formel de l’énonciation“, in Langages 17, 12-18 [cité selon Benveniste 1974, 79-88]. Chafe, Wallace (1970): Meaning and the structure of language, Chicago. Cook, W. (1979): Case grammar. Development of the Matrix Model, Washington. Dowty, D. (1991): „Thematic proto-roles and argument selection“, in Language 67/ 3, 547- 619. Fillmore, C. (1968): „The case of case“, in Bach, E./ Harms, R., Universals in Linguistic Theory, New York etc., 1-91. Foucault, M. (1969): L’archéologie du savoir, Paris. François, J. (2004a): „Prédication verbale et intégration actancielle en français“, in François, J./ Behr, I. (éd.), Les constituants prédicatifs et la diversité des langues, Mémoire de la Société de Linguistique de Paris, Louvain, Peeters, 221-145. François, J. (2004b): „Zum mehrschichtigen Aufbau der ‚predicate frames‘“, in Kailuweit, R./ Hummel, M. (éd.), 37- 61. Foley, W. & Van Valin, R. (1984): Functional syntax and universal grammar, Cambridge. Gévaudan, P. (à paraître): „L’énoncé. Notion clef de la théorie du langage“, in Gérard, C./ Missire, R. (éd.), Coseriu: réceptions contemporaines, sémantique, linguistique du texte, philosophie du langage. Aix-en-Provence, 17-19 septembre 2007, Limoges. Habermas, J. (1981): Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt a.M. Heringer, H.J. (1985): „The verb and its semantic power. Association as a basis for valence theory“, in Journal of Semantics 4, 79-99. Jackendoff, R. (1975): „Morphological and semantic regularities in the lexicon“, in Language 51, 639- 671. Jackendoff, R. (1983): Semantics and Cognition, Cambridge Kailuweit, R. (2004): „Protorollen und Makrorollen“, in Kailuweit, R./ Hummel, M. (éd.), 83-103. Kailuweit, R./ Hummel, M. (éd.) (2004): Semantische Rollen, Tübingen. Koch, P. (1981): Verb - Valenz - Verfügung. Zur Satzsemantik und Valenz französischer Verben am Beispiel der Verfügungs-Verben, Heidelberg, Winter (Reihe Siegen 32). Koch, P. (1991): „Semantische Valenz, Polysemie und Bedeutungswandel bei romanischen Verben“, in Peter Koch, P./ Krefeld, T. (éd.), Connexiones Romanicae. Dependenz und Valenz in romanischen Sprachen, Tübingen (Linguistische Arbeiten, 268). Koch, P. (1993): „Haben und Sein im romanisch-deutschen und im innerromanischen Sprachvergleich“, in Rovere, Giovanni/ Wotjak, Gerd (éd.), Studien zum romanischdeutschen Sprachvergleich, Tübingen, Niemeyer (Linguistische Arbeiten 297), 177-189. 13 [L]es sujets parlants ne sont pas soumis aux règles linguistiques, mais en disposent dans la mesure où, comme ils le font pour toute norme sociale, ils peuvent les observer ou non, et ils peuvent même les modifier […]. Festschrift_V-435_End.indd 54 20.05.11 14: 36 <?page no="81"?> Cadres prédicatifs et rôles sémantiques 55 Koch, P. (2001): „As you like it. Les métataxes actantielles entre Expérient et Phénomène“, in Schøsler, L. (éd.): La valence, perspectives romanes et diachroniques, Stuttgart: Steiner (Beihefte zur Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 30), 59-81. Koch, P. (2004): „Rollensemantik - diachronische Aspekte“, in Kailuweit, R./ Hummel, M. (éd.), 421-434. Lakoff, G./ Johnson, M. (1980): Metaphors we live by, Chicago. Lautenbach, H. (2002): „Zirkumstanten und modale Satzadverbiale“, in Kolboom, I./ Kotschi, T./ Reichel, E. (éd.), Handbuch Französisch. Sprache - Literatur - Kultur - Gesellschaft, Berlin, 265-269. Lazard, G. (1998): Actancy, Berlin etc. (Empirical Approaches to Language Typology 19). Sweetser, E. (1990): From etymology to pragmatics. Metaphorical and cultural aspects of semantic structure, Cambridge (Cambridge studies in linguistics 54). Tesnière, L. (1959): Eléments de syntaxe structurale, Paris. vanValin, R. (2004): „Semantic Macroroles in Roles and Reference grammar“, in Kailuweit, R./ Hummel, M. (Hg.), 62-82. Vološinov, V. (1929 [2010]): Marxisme et philosophie du langage, Limoges [original de 1929: Marksizm i Filosofiya Yazyka, Leningrade]. Waltereit, R. (1998): Metonymie und Grammatik. Kontiguitätsphänomene in der französischen Satzsemantik, Tübingen (Linguistische Arbeiten 385). Waltereit, R. (2002): „Verb, Valen, Satzbaupläne“, in Kolboom, I./ Kotschi, T./ Reichel, E. (éd.), Handbuch Französisch. Sprache - Literatur - Kultur - Gesellschaft, Berlin, 258- 265. Wierzbicka, A. (1988): The semantics of grammar, Amsterdam. Festschrift_V-435_End.indd 55 20.05.11 14: 36 <?page no="82"?> Festschrift_V-435_End.indd 56 20.05.11 14: 36 <?page no="83"?> B ARBARA H ANS -B IANCHI C’è tanto da fare. Alcune osservazioni sulla semantica del verbo fare 1 E quel che abbiamo visto rimarrà nei nostri occhi, quel che abbiamo fatto rimarrà nelle nostre mani, quel che abbiamo sentito rimarrà nella nostra anima. Alessandro Baricco: Oceano mare. 1 Fare tra descrizione e prescrizione Quando l’attuale governo italiano ha coniato lo slogan del „governo del fare“ lo ha fatto in virtù della forte positività del concetto del fare, esplicitata peraltro nell’espressione antitetica della „sinistra delle chiacchiere“. La forma sostantivata del verbo si richiama all’idea dell’azione, consapevole e mirata, di chi ha il controllo delle cose, di chi è capace di creare qualcosa: … il Signore Dio fece la terra e il cielo (Genesi 2: 4). Questo è, infatti, il primo significato del verbo fare indicato dall’Accademia della Crusca nel suo Vocabolario del 1612: „operare, dar forma, creare, comporre“. Il recente dizionario Treccani (1997), invece, identifica il primo significato nell’uso generico, fornendo una serie di esempi: […] può esprimere qualsiasi azione, materiale o no, specificata meglio dal complemento: f. un passo, un gesto, un movimento, un salto, una risata, un urlo, un sospiro, uno sbadiglio, un lamento; f. una buona azione, un lavoro, un progetto, un voto; f. un pensiero, un sogno; f. uno scherzo a qualcuno; f. il solletico. Il concetto di „azione“ viene qui esteso ad avvenimenti che hanno ben poco a che vedere con l’intenzionalità di un agente, quali pensare, sognare o sbadigliare. E nonostante la combinatoria apparentemente illimitata, non è del tutto vero che fare sia adatto ad accompagnare „qualsiasi“ complemento che esprima un’ „azione“, come dimostrano i seguenti abbinamenti non sanciti dalla norma linguistica: *fare un consiglio a qualcuno; *fare una bugia. La genericità e versatilità quasi sconfinata del verbo fare è sovente oggetto di una severa condanna in un’ottica purista: I discorsi non si fanno; si tengono o al limite si pronunciano. Nemmeno le strade si fanno, bensì si percorrono. A farle ci pensa lo Stato. Anzi no: lo Stato le realizza, le costruisce. Le domande si pongono o si rivolgono, ché se le fai non ti risponde nessuno. I biglietti si acquistano, ché farli, anzi stamparli, è compito della tipografia. I soldi si guadagnano, si accumulano, si accantonano ma non si fanno. […] (www. marcotraferri.net/ 2008/ 08/ 16/ labuso-del-verbofare) 1 Un grazie sentito alle colleghe ed amiche Anna Ferrari e Peggy Katelhön per i loro preziosi commenti alla prima stesura di questo saggio. Festschrift_V-435_End.indd 57 20.05.11 14: 36 <?page no="84"?> 58 Barbara Hans-Bianchi Se diamo ascolto a queste prescrizioni, sarebbe molto meglio evitare del tutto l’uso del verbo fare. Ma non ci soffermeremo su tali considerazioni che riguardano semmai l’educazione linguistica; voglio invece, nelle pagine seguenti, delineare un approccio alla descrizione del verbo fare nel suo contesto „ecologico“ 2 , che tenga conto, cioè, del rapporto che si istaura di volta in volta tra il verbo, i suoi complementi e le costruzioni sintattico-semantiche 3 , nonché il contesto più ampio. Su questa base approfondiremo alcuni aspetti della polisemia del verbo fare, e dei meccanismi che la producono. 2 La semantica di un verbo „tuttofare“ La semantica dei verbi è di per sé complessa, essendo il verbo il luogo d’incontro tra la semantica della parola e quella della frase (v. Koch 1981: 103). Seguendo l’analisi di Peter Koch, il significato verbale racchiude in sé „tratti inerenti“ (‚durativo‘, ‚intensivo‘, ‚iterativo‘, ecc.), ma anche e soprattutto tratti riferiti alla sua valenza semantica. 4 La maggior parte dei verbi si inserisce in strutture argomentali diverse, presentando una polisemia più o meno estesa (cfr. Coene 2006). La particolarità semantica del verbo fare risiede nella sua indeterminatezza: Peter Koch e Wulf Oesterreicher lo chiamano „verbo tuttofare“, caratterizzato da una „intensione semantica minima“ e una „estensione semantica massima“. 5 Grazie a tale caratteristica, il verbo fare trova la sua collocazione congeniale nel contesto della lingua parlata spontanea, la quale, per motivi di medialità e di condizioni comunicative, predilige l’uso di parole passe partout (Koch/ Oesterreicher 1990: 106-107; v. anche Berretta 1994: 268). In effetti, il LIP classifica fare al quindicesimo posto di frequenza, il secondo verbo pieno più frequente dopo essere al terzo posto (De Mauro et alii 1993: 437). Questa frequenza risulta effettivamente più elevata rispetto ai corpora dell’italiano scritto, confermando così la particolare affinità del verbo alla lingua parlata (De Mauro et alii 1993: 129). Parole passe partout - tra cui anche cosa, coso, cosare - si adattano a tante diverse situazioni e perciò stesso dipendono nella loro intensione semantica dal contesto in cui appaiono. […] fare è la forma pronta a modellarsi secondo le diverse esigenze funzionali in differenti combinazioni con gli elementi con cui si accompagna nella Proposizione. É la sintassi, in altre parole, interamente responsabile di fare. É la sintassi che fa 2 Tralasciando qui l’uso di fare in qualità di proforma verbale e di sostituto di verbi più specifici, focalizzerò invece il comportamento del verbo nei casi in cui si accompagna ad un complemento nominale che possiamo provvisoriamente chiamare oggetto diretto. Il termine „ecologico“ è inteso nel senso di Taylor (2004). 3 La costruzione è intesa come segno linguistico complesso, cfr. ad es. Goldberg (1995), Croft (2001) e Tomasello (2003). 4 V. Koch (1981: 100-102: traduzione mia). La valenza semantica comprende i ruoli tematici previsti (agente, experiencer, ricevente, strumento ecc.), nonché le selezioni lessicali valide per i diversi argomenti. 5 V. Koch/ Oesterreicher (1990: 104, traduzione mia). Cfr. anche Lange (2007), che usa il termine di „verbo passe partout“. Festschrift_V-435_End.indd 58 20.05.11 14: 36 <?page no="85"?> Alcune osservazioni sulla semantica del verbo fare 59 sorgere davanti ai nostri occhi i mille fantasmi semantici che fare muove nella nostra espressione e nella nostra coscienza […] (Mirto/ La Fauci 2003: 101) Ma come si concilia il significato agentivo e risultativo del verbo, sinonimo di creare e costruire che abbiamo visto nell’introduzione, con la funzione di stampella dove appendere i significati veicolati altrove? Mentre sembra scontato che il parlante possa trovare una certa comodità nell’usare una forma così agile, viene da chiedersi come fa l’interlocutore a selezionare la funzione di volta in volta rilevante. Come sostenuto da Mirto e La Fauci, la sintassi fornisce un’importante chiave per tenere distinti i molteplici usi e le interpretazioni di fare con complemento oggetto; ad esempio, la presenza di un articolo nel SN oggetto e la sua tipologia costituiscono un primo importante criterio: osservando le combinazioni fare un muro e fare colazione, l’interpretazione come verbo di creazione, convincente nel primo caso, non lo è affatto nel secondo. Tuttavia, il solo piano sintattico non appare in grado di guidare il ricevente verso la disambiguazione sicura, ma almeno altrettanto decisivo è l’apporto semantico degli elementi lessicali presenti nella costruzione: tra La mamma fa la pasta e La mamma fa l’infermiera, l’elemento discriminante sta nella classe semantica cui appartiene il sostantivo nucleo del SN oggetto. 6 Una volta applicati i „filtri interpretativi“ della forma morfosintattica e dell’apporto semantico dei complementi, constatiamo però che non sono sufficienti all’individuazione sicura del contenuto in tutte le circostanze, come dimostra il seguente esempio di polisemia della costruzione fare il bagno: (1) […] con la moglie siamo finiti a parlare della famosa „leggenda metropolitana“ secondo cui sarebbe molto pericoloso fare il bagno dopo mangiato. (www.duechiacchiere.it) (2) […] l’ha attrezzata con tutta questa cucina attrezzatissima prese veramente dappertutto ha dovuto fare i bagni perché in genere addirittura mi diceva un bagno ogni cinquanta persone […] (LIP: FA2: 343) Mentre nel secondo caso 7 si intende il significato agentivo-risultativo (anche se probabilmente con un esecutore intermediario), nel primo caso fare assume la funzione di verbo supporto al predicato nominale bagno. La chiave per l’interpretazione sta nel contesto più ampio, sia verbale che non. A seconda del significato inteso, cambia la funzione dell’articolo determinativo: solo nel secondo esempio serve ad individuare il referente del nome bagno: ‚i bagni della casa di cui si sta parlando‘. É fondamentale notare come l’uso ‚funzionalizzato‘ del verbo (es. (1)) non conduca irreversibilmente a collocazioni semanticamente stabili ed esclusive. Il significato lessicale ‚pieno‘ del verbo può essere comunque riattivato all’occasione, come dimostra l’esempio (2). E pare sfuggire ad ogni categorizzazione il seguente abbinamento ad hoc, il cui significato risulta praticamente impossibile stabilire a priori: fare il quaderno. 6 Cfr. la costruzione FareLavoro in Mirto/ La Fauci (2003). 7 Il fatto che nel primo caso si tratti della forma plurale non incide sulle considerazioni. Festschrift_V-435_End.indd 59 20.05.11 14: 36 <?page no="86"?> 60 Barbara Hans-Bianchi (3) C: le sai le cose che hanno fatto loro di flauto - A: sì che le so - C: cos’hanno fatto - A: no c’ho delle canzoni scritte - C: ah allora fattele dare ce l’hai - A: sì - C: ah quando le hai scritte - A: no dovrei fare il quaderno dove le hanno scritte loro - C: le hai copiate da loro - A: no l’ho copiate dalla lavagna - C: ah e allora fai quelle (LIP: FA2: 53-60) Qui l’espressione dipende a tal punto dal contesto complessivo che risulta difficile cogliere il significato sulla base della sola trascrizione. Forse si intende ‚suonare (col flauto) le canzoni scritte nel quaderno‘, ma rimane un dubbio dovuto alla contraddittorietà delle informazioni date da A (almeno per quanto attiene alla parte realizzata verbalmente). É improbabile che un significato come questo, che si appoggia così fortemente sul contesto, possa entrare nella routine di tutti i parlanti ed espandersi come modello per nuove esigenze comunicative. Cionondimeno, il verbo fare si presta - prova il dialogo sopra riportato - anche a questi usi periferici, dove il soggetto è comunque concepito come agente e l’oggetto è in qualche (vago) modo coinvolto nell’azione genericamente indicata da fare. 3 Lo scenario tipo e le costruzioni del fare 3.1 Dal verbo pieno al verbo supporto Proviamo ad immaginare lo scenario tipico 8 del fare inteso come ‚creazione‘ o ‚produzione‘ (v. fig. 1): 9 Fig. 1: Partecipanti allo scenario tipo di fare come verbo di creazione 9 8 A proposito dello scenario concettuale e del suo rapporto con la sintassi, v. Koch (2001: 72). 9 Legenda: +um = umano; +ag = agentivo; +concr = oggetto concreto; +iniz = presente nel momento iniziale di P; +risult = oggetto risultativo; +benef = persona beneficiaria di P; +strum = strumento; +fin = finalità; +loc = luogo; +temp = tempo; +qual = qualità di P; +mod = modalità di P. Festschrift_V-435_End.indd 60 20.05.11 14: 36 <?page no="87"?> Alcune osservazioni sulla semantica del verbo fare 61 Una persona A - attraverso una serie di azioni singole, ma concepite in modo unitario P - realizza una sua intenzione agendo su una materia originale di partenza O per produrre quale risultato finale l’oggetto materiale R. A può eseguire l’azione P ai benefici di un’altra persona B. Lo svolgimento dell’azione prevede inoltre diversi altri aspetti quali: lo strumento S, il fine F, il luogo L, il tempo T, il modo M, la qualità Q. 10 Fare in quanto „verbo di creazione“ è di uso comune come dimostrano i numerosi esempi trovati nel LIP. Osserviamo come vengono realizzati i diversi aspetti dello scenario sopra delineato. (4) […] abbiamo A già tutti gli ingredienti O per poter fare P il dolce R […] (LIP: FB14: 631) (5) ti B sto facendo A+P il risotto ai funghi R e gli asparagi R […] (LIP: RA1: 15) I diversi aspetti che concorrono a formare questo scenario non hanno eguale rilevanza, non tutti sono egualmente salienti 11 per il modo di percepire l’azione: mentre A e R oltre a P sono centrali, altri risultano marginali (S, F, L, T, Q, M), e altri ancora, pur non essendo indispensabili, occorrono con qualche frequenza (B, O). Questo diverso peso percettivo-cognitivo per l’identificazione dello scenario si riflette nell’assegnazione dei ruoli sintattici ai partecipanti in termini di argomenti verbali: la persona che agisce con l’intenzione di fare qualcosa, l’agente A, appare nella posizione soggetto; l’oggetto risultato dell’azione (R) figura come complemento di oggetto diretto; la persona che beneficia dell’azione (B) riveste la posizione dell’oggetto indiretto, complemento di termine; gli altri elementi dello scenario non fanno parte della struttura argomentale, ma possono occupare posizioni sintattiche più periferiche quali ad es. complementi indiretti e sintagmi avverbiali. É comunque importante notare la presenza pur non-saliente e periferica di questi aspetti nello scenario tipo. La costruzione sintattico-semantica di base è dunque la seguente: 12 fare VP: ‚creare‘ + SOGG: um, ag + OGG Dir: concr, risult Il quadro che si delinea è quello di un verbo pieno che da un lato prevede un soggetto non solo animato, ma umano e agentivo, e dall’altro seleziona un complemento oggetto di tipo concreto e risultativo, spesso definito e referenziale 10 Gli aspetti o „ruoli semantici“ qui identificati si muovono ad un livello medio-basso di astrazione, v. Koch (1981: 154-162). Molti aspetti dello scenario rimangono spesso inespressi ed impliciti. Cfr. anche il ICM Idealized Cognitive Model secondo Lakoff, ad es. in Radden/ Panther (2004: 5-8). 11 A proposito del concetto di „salienza“ e della sua relazione con la prospettiva informativa adottata, v. Koch 2001. 12 Questa costruzione è fondamentale perché in essa si attua il significato base del verbo e costituisce il nodo centrale di una rete di costruzioni tra loro collegate; cfr. Evans/ Tyler (2004: 165): „primary or sanctioning sense“. Si aggiungono dei complementi indiretti facoltativi con le preposizioni a e di. Festschrift_V-435_End.indd 61 20.05.11 14: 36 <?page no="88"?> 62 Barbara Hans-Bianchi (effected object). Ecco i principali ingredienti di una elevata transitività come è stata concettualizzata da Hopper e Thompson (1980). Il complemento oggetto diretto è morfosintatticamente autonomo formando un sintagma nominale più o meno esteso. L’uso degli articoli è determinato dalle regole generali di referenza, quindi non è soggetto a vincoli interni alla costruzione. Il primo passo verso una tipologia differente di complementi è dato negli esempi seguenti: (6) ora il programma O non vorrei che ce ne fosse uno solo semmai ti B fo P una fotocopia R (LIP: FA4: 48) (7) […] gli A ho fatto fare P un compito R di recupero […] (LIP: FA13: 107) Sostantivi come fotocopia, compito, ecc. sono di per sé ambigui, prestandosi egualmente ad una interpretazione concreta-referenziale (dove hai messo le (tre) fotocopie che mi hai fatto? ) e ad una interpretazione predicativa (da un’ora sto qui a fare (*tre) fotocopie). Modifichiamo il nostro schema inserendovi questo nuovo ambito semantico: fare VP ‚creare‘ = ‚svolgere‘ + SOGG + OGG Dir: ‚risultato‘ = ‚attività‘ Da lì manca poco per accogliere nella stessa costruzione i sostantivi che sono prettamente predicativi: grazie al significato complessivo della costruzione rimane latente un significato di ‚risultato dell’azione‘ costituito però dall’attività stessa che si fa unità numerabile (predicato e risultato, PR). (8) non mi B fare P(+A) domande PR se no (LIP: FA1: 24) (9) […] gli A ho detto (B) dio fa P una telefonata PR quando giri T […] (LIP: FA6: 21) Si tratta qui di ciò che viene generalmente etichettato come verbo supporto con predicato nominale (cfr. ad es. Cicalese 1999; Mirto/ La Fauci 2003). Ritengo, però, che gli esempi addotti dimostrino come tale uso funzionale del verbo non sia completamente scollegato dall’uso del verbo pieno. 13 In realtà, la distinzione tra il complemento „risultativo“ e quello „predicativo“ non è sempre evidente. Permane una fondamentale ambivalenza dovuta anche all’apporto semantico complessivo della costruzione transitiva da un lato e dall’altro alla forma del predicato nominale. La nominalizzazione comporta infatti una visione diversa, cioè unitaria, quantificabile e „oggettizzata“, dell’azione. Per questo motivo ipotizzo per la costruzione analizzata una predicazione congiunta tra il verbo fare e l’oggetto predicativo. 14 13 Pur seguendo vie diverse, Jeannette Chur nel suo studio sul tedesco machen, arriva alla stessa convinzione di una semantica unitaria tra verbo pieno e verbo funzionale (Chur 1996). 14 Cfr. Mirto/ La Fauci, i quali parlano di „complesso multipredicativo, in cui un Predicato non iniziatore [= il verbo supporto] si aggiunge a una configurazione che contiene già un elemento con funzione predicativa.“ (Mirto/ La Fauci 2003: 47) Festschrift_V-435_End.indd 62 20.05.11 14: 36 <?page no="89"?> Alcune osservazioni sulla semantica del verbo fare 63 3.2 La scomparsa di un argomento Assai frequente nel parlato è l’uso concomitante del sostantivo „passe partout“ cosa. L’interpretazione più immediata di questo elemento è quella di un oggetto risultativo R. (10) senti ma io A stasera T dovevo fare P un’altra cosa R cioè dovevo fare P il risotto con i formaggi R […] (LIP: NA1: 101) Molto più frequentemente, però, il contesto favorisce un’interpretazione diversa, di tipo predicativo: (11) […] io A la prima cosa R che faccio P mi sbatto per terra P […] (LIP: NA8: 5) In realtà, ( fare) la prima cosa e mi sbatto per terra (grazie ad una funzione forica di cosa) si riferiscono entrambe all’azione P. Terrò conto dell’ambivalenza tra R e P del sostantivo cosa in funzione di oggetto diretto del verbo fare etichettandolo con PR. Non poche occorrenze del LIP mostrano l’uso di fare una cosa con elementi che specificano le modalità dell’azione (M): (12) aspetta questa è una cosa PR che va fatta P un attimo con ordine M (LIP: NA2: 249) Pare interessante osservare come il SN con cosa svolga talvolta la funzione di legare a sé un nuovo elemento di modalità: infatti, anche quando cosa ha una pure funzione forica, l’elemento M si accompagna ad esso piuttosto che all’oggetto nominale semanticamente più specifico. La ripresa oppure l’anticipazione con cosa pare dunque funzionale ad una distribuzione dell’informazione „a pezzettini“, adatta al parlato spontaneo. (13) […] lei mi ha fatto firmare la disdetta P prima che io entrassi nell’appartamento e io ti dico con che animo M ho fatto P+A questa cosa PR (LIP: FA10: 168) La stessa scissione tra l’informazione sull’azione specifica (contenuta perlopiù esplicitamente nel contesto verbale precedente o successivo) ed un’informazione aggiuntiva passa per l’anello di congiunzione forica che è il SN con cosa: un elemento Q, che specifica la „qualità“ dell’azione indicata genericamente con fare una cosa (roba), classifica l’azione attraverso il giudizio soggettivo del parlante. (14) […] non c’ è bisogno insomma proprio di fare P questa cosa PR formale Q di darla tutta bella rilegata P è un po’ troppo insomma […] (LIP: NA11: 58) (15) C: […] non abbiam giocato P perché mancavano gli effettivi B: ah e va bè ma non potevate A fare P una roba PR così Q (LIP: MB1: 106-7) Sulla strada spianata dal generico cosa, ecco che passano nella posizione dell’oggetto diretto anche sostantivi che di per sé esprimono un giudizio soggettivo sull’azione (PQ), spesso formati con il suffisso -ata: 15 15 Ma non solo, anche fare una pazzia, una sciocchezza ecc. Festschrift_V-435_End.indd 63 20.05.11 14: 36 <?page no="90"?> 64 Barbara Hans-Bianchi (16) e loro A fanno P delle pasticciate PQ delle porcate PQ […] (LIP: FB5: 67) (17) […] dice […] a me non mi va di alzarmi alle sette del mattino P facciamo A+P ’sta strapazzata PQ voglio dire (LIP: MB49: 15) Dopo essere partiti dal fare verbo agentivo-risultativo, altamente transitivo nell’accezione di Hopper e Thompson, siamo approdati, senza alcuna cesura netta, ad un uso che di transitivo mantiene ben poco, come si è visto negli esempi con nomi predicativi e con sostantivi altrettanto generici (cosa e roba). In tali usi, l’oggetto diretto in quanto argomento del verbo fare è scomparso, grazie ad un assorbimento, un’annessione da parte della funzione predicativa. La funzione sintattica dell’oggetto diretto è diventata, sul piano semantico, il contenitore vuoto pronto a trasportare elementi diversi dall’oggetto risultativo, ma comunque presenti nello scenario del fare. 3.3 Le costruzioni del fare tra produttività e idiomatizzazione Finora abbiamo parlato della costruzione base del verbo fare, la quale risulta assai libera nella combinatoria e il cui significato dipende dalla reciproca delimitazione semantica dei suoi costituenti. Ora, il LIP elenca diversi usi cosiddetti „polirematici“ con la base verbale fare, tra i quali primeggiano le collocazioni V+N dove N è privo di determinante e segue quindi senza distacco alcuno il verbo: fare parte, fare finta, fare causa e simili. Vale la pena fare qualche riflessione sul rapporto tra la forma morfosintattica fissa V+N di queste collocazioni e la semantica ad essa collegata. Mi voglio qui concentrare proprio sull’aspetto dell’assenza del determinante 16 , dove - rispetto alla costruzione base - abbiamo a che fare con una forma ridotta sul piano morfosintattico: la relativa autonomia del SN oggetto diretto si dissolve in una maggiore, ancorché non totale, fusione con il verbo. Mi sembra utile guardare a questi costrutti V+N come attuazioni del cosiddetto nounstripping, il quale si configura qui come una „semi-incorporazione“ di un N nel verbo. 17 La particolarità del noun-stripping sta nell’assenza di elementi che facciano del nome un sintagma nominale vero e proprio quali un articolo o degli attributi o anche la forma del plurale, lasciandolo così „denudato“ e incollato direttamente al verbo. 18 Insieme al ruolo di SN, il nome perde la sua funzione referenziale a favore di una referenza all’azione (Ereignisreferenz), prodotta 16 Sul complesso intreccio tra l’uso dell’articolo, l’aspetto verbale e la referenzialità rimando a Leiss (2000). 17 A livello diacronico il noun stripping appare talvolta come fase precedente la vera e propria incorporazione, v. Gerdts (1998: 94). 18 V. Gerdts (1998: 93, 94): „a ‚stripped‘ noun does not have the usual case marking associated with its grammatical function. […] In noun stripping, the two elements remain as separate words […] However, surface adjacency of the noun and verb is required. […] Prototypical stripped nouns are indeterminate and inanimate.“ Va specificato che la forma V+N non è di per sé da considerarsi l’esito di una semi-incorporazione, nel caso di sostantivi non denumerabili l’articolo di norma non è presente: fare chiarezza, fare paura, fare coraggio, ecc. Festschrift_V-435_End.indd 64 20.05.11 14: 36 <?page no="91"?> Alcune osservazioni sulla semantica del verbo fare 65 unitamente al verbo. 19 In questo modo viene meno una delle prerogative di una transitività vera, cioè l’oggetto diretto referenziale coinvolto nell’azione, il ché porta Gallmann a parlare anche di „incorporazione intransitivante“ (Gallmann 1999: 281, traduzione mia). Ma andiamo a vedere come effettivamente vengono usate alcune delle combinazioni V+ SN/ N in questione. Propongo alcuni esempi di un modello costruzionale particolare, basato su una trasposizione metonimica 20 : il nome di un ambiente sta per l’attività o la situazione tipicamente associate con quell’ambiente. 21 Accanto alla forma V+N(sg) in (18), indicata come canonica dal Vocabolario Treccani, troviamo lo stesso significato metonimico nelle varianti con SN (19) e (20). (18) Sono lieta che i miei ospiti si trattengano a fare salotto (lulu82.wordpress.com) (19) […] facemmo un salotto io lei e tante altre […] (LIP: NB21: 4) (20) Non rimane che fare salotti a parlare di aria fritta (www.appuntidigitali.it) D’altro canto, la costruzione V+SN può esprimere un significato risultativo (‚arredare‘, ‚fabbricare mobili da salotto‘), conforme all’interpretazione di fare come verbo di creazione. Ovviamente, è il contesto che segna il confine tra l’una e l’altra interpretazione. (21) Come fare un salotto molto luminoso con un divano rosso […]? (it.answers. yahoo.com) (22) invece di fare dei salotti orribili come fanno in Inghilterra faccio dei salotti meravigliosi come fanno in Svezia (www.economia.unimo.it) L’ambiguità che vige per V+SN non è presente in V+N che seleziona automaticamente il significato metonimico. Nei seguenti casi di fare + anticamera e fare + casino, invece, il significato metonimico risulta praticamente l’unico possibile. Nonostante il dizionario registri solo la forma V+N in (23) e (26), riscontriamo, a parità di significato, tutte le varianti di SN, compresi alcuni esempi, seppur rari, con articolo partitivo. (23) […] ha dovuto fare anticamera prima di venir ascoltato (www.ilquaderno.it) (24) Ne sanno qualcosa i tecnici della Ferrari condannati a fare un’anticamera di 20 anni (www.omniauto.it/ magazine) (25) io gli facevo fare dell’anticamera (www.storia900bivc.it) (26) […] una decina di persone […] non di più se no poi si fa casino […] (LIP: FC3: 89) 19 Gallmann (1999: 281) dà un esempio dal tedesco, dove la differenza tra l’uso referenziale (definito o indefinito) in (b) e il noun-stripping in (a) passa proprio per la presenza di un determinante: (a) Andrea liest Zeitung vs. (b) Andrea liest eine/ die Zeitung. Il concetto complessivo di Zeitung lesen rimanda ad una particolare attività, a prescindere dal giornale come oggetto concreto. 20 A proposito di metonimia e polisemia, v. Koch (1999). 21 Così fare salotto indica ‚più persone riunite insieme che chiacchierano di argomenti futili‘, con fare anticamera si intende ‚restare nell’anticamera in attesa di essere ricevuti‘ (ma l’attesa può svolgersi in qualsiasi altro luogo), e fare la passerella sta per ‚esibirsi, mettersi in mostra‘. Anche fare casino rientra nella casistica, prendendo il via dal significato eufemistico di casino: ‚casa di tolleranza‘ (definizioni del Vocabolario Treccani (1997)). Festschrift_V-435_End.indd 65 20.05.11 14: 36 <?page no="92"?> 66 Barbara Hans-Bianchi (27) […] insomma ha fatto un casino (LIP: FB12: 62) (28) continuo a fare dei casini inimmaginabili (forum.html.it) Diversamente, nella collocazione con passerella, la forma canonica indicata dai vocabolari presenta l’articolo determinativo: (29) Non venite in Abruzzo a fare la passerella mediatica (it.answers.yahoo.com). Ma non si tratta affatto di una forma obbligata, come dimostrano le altre varianti con lo stesso significato metonimico: (30) […] la persona che si è messa in gioco accettando di fare una passerella provocante […] (donneuomini.corrieredelveneto.corriere.it) (31) Sappiamo fare passerelle di „abiti politici“, discorsi, e tanti bla bla bla (www. gioiosani.it) Riscontriamo persino il noun-stripping non (ancora) sanzionato dai lessicografi. (32) Una visita in punta di piedi, quella di R.B., che non ha voluto fare passerella con nessuno (www.pressonweb.org) Come nel caso del salotto anche qui rimane attiva l’opzione del significato risultativo (‚costruire‘), naturalmente limitato alla forma V+SN. (33) tutt’al più si possono fare passerelle pedonali (www.skyscrapercity.com) Sulla base degli esempi addotti constatiamo che la costruzione col nome ‚semi-incorporato‘ spesso 22 non ha un suo significato proprio che non sia potenzialmente presente anche nelle corrispondenti varianti libere V+SN. Per quale motivo, allora, la lingua dovrebbe creare costruzioni nuove che sembrano non aggiungere nulla alla semantica della collocazione? Una risposta almeno parziale potrebbe riguardare la frequenza d’uso, la quale - premessa l’interpretazione generica e non-referenziale del nome - porta a concepire la combinazione come un’unità semantica suscettibile di una „semplificazione morfosintattica“. 23 Donna Gerdts riconduce il noun-stripping ad una tendenza generale delle lingue: The motivation for noun stripping may be simple: languages prefer to represent generic and non-specific nouns with as little morphological marking as possible. (Gerdts 1998: 94). Analoghe riduzioni del SN oggetto diretto a un N semi-incorporato si trovano ad esempio nelle seguenti attestazioni, che appaiono di uso recente oppure marginale non (ancora) recepito dai lessicografi: 22 Ma ci sono casi di significati differenziati tra V+N e V+SN: fare luce, fare gioco a qn, ecc. 23 Riferito al tedesco, Gallmann afferma che „die meisten Fügungen mit Noun-Stripping sind also diachron durch Vereinfachung lexikalisierter Verbindungen mit DPs und PPs entstanden“ (Gallmann 1999: 287). Festschrift_V-435_End.indd 66 20.05.11 14: 36 <?page no="93"?> Alcune osservazioni sulla semantica del verbo fare 67 (34) mi tocca fare coda anche quando vado al bancomat (trasmissioneinterrotta. blogspot.com) 24 (35) […] se arriva a fare truffa non la salva nessuno! (board.ogame.it) 25 (36) Tutto fa famiglia, la macchina fa famiglia, le feste ricorrenti, le vacanze, le colazioni con nesquik, anche le tragedie fanno famiglia. (www.facebook.com) 26 Date le sue caratteristiche, la „semi-incorporazione“ è incompatibile con il significato base del verbo fare come verbo di creazione, il quale necessita di un oggetto diretto risultativo-referenziale. Così, l’uso di fare con un nome ‚semiincorporato‘ dipende dalla stabilizzazione di un significato non risultativo. La semi-incorporazione appare quindi come il punto d’arrivo idiomatizzato (spesso legato a significati metaforici o metonimici) a cui può portare un meccanismo di costruzione produttivo e frequente. 4 Considerazioni conclusive Abbiamo visto qui solo una minima parte delle funzioni e dei significati che il verbo fare riesce ad assumere nell’uso contemporaneo. Cionondimeno ci siamo fatti un’idea della flessibilità e vastità del suo dominio, che va dall’azione intenzionale ( fare un caffè) al semplice processo in svolgimento ( fare i capelli bianchi), fino all’uso prettamente stativo 27 ( fare la caposala). 28 Un’importante chiave di lettura del rapporto tra il verbo fare e le sue costruzioni, nonché tra le costruzioni diverse, è il legame di motivazione che poggia su analogie e variazioni. 29 Così, l’estensione analogica della costruzione transitiva di partenza a casi privi di un argomento oggetto risultativo (effected object) crea un modello di lettura ‚come se ci fosse un oggetto‘, preparando e motivando così il significato nuovo nel suo complesso. Un altro importante punto di riflessione su cui vorrei richiamare l’attenzione è il problema di come si costituisce un significato lessicale. Osservando la compenetrazione semantica tra verbo e oggetto, tra verbo e soggetto, tra verbo e costruzione complessiva, e tra costruzione e contesto esplicito ed implicito, viene 24 Il Vocabolario Treccani indica soltanto: fare la coda. 25 Il Vocabolario Treccani dà solamente: fare una truffa; è attestato inoltre: La nonna muore, lui fa la truffa: ritira la pensione per anni. (lanuovaferrara.gelocal.it) 26 Qui il significato è sorprendentemente vicino a quello base di „creazione“: ‚contribuire a creare una famiglia o un sentimento di famiglia‘. 27 Questo uso viene anche denominato „copulativo“, v. Sabatini/ Coletti, vocabolario di recentissima pubblicazione. 28 Cfr. le „Sachverhaltsdarstellungen“ in Koch (1981: 257). Inoltre, Schultze-Berndt individua una tendenza ampiamente attestata in molte lingue (2008: 194): „[…] generalised action verbs are not always agentive in nature. Rather, they may be used to predicate events that occur without the involvement of an agent, and also emotional conditions, qualities, conditions or states, and even state changes.“ 29 Cfr. la definizione di „motivazione“ in Koch/ Marzo (2007: 263). É stata rilevata una relazione di motivazione tra diversi significati di fare, v. http: / / homepages.uni-tuebingen. de/ peter.koch). Vedi inoltre Tomasello (2003: 163-169). Festschrift_V-435_End.indd 67 20.05.11 14: 36 <?page no="94"?> 68 Barbara Hans-Bianchi da dubitare dell’esistenza psicologica di un’unità semantica lessicale precostituita e dai confini netti. 30 5 Bibliografia AA.VV. (1997): Il Vocabolario Treccani, Roma, Istituto dell’Enciclopedia Italiana. Berretta, M. (1994): „Il parlato italiano contemporaneo“, in Serianni, L./ Trifone, P. (a cura di), Storia della lingua italiana, Bd. 2: Scritto e parlato, Torino, Einaudi, 239-370. Chur, J. (1996): „Eine einheitliche Semantik für „machen“: Vollverb und Light-Verb vereint: zur Reduzierung von Polysemie“, in Lexical structures and language use, Vol. 2. Session papers, 15-25. Cicalese, A. (1999): „Le estensioni di verbo supporto. Uno studio introduttivo“, in Studi italiani di linguistica teorica e applicata 3/ 1999, 447-485. Coene, A. (2006): Lexikalische Bedeutung, Valenz und Koerzion (= Germanistische Linguistik Monographien, 19), Hildesheim usw., Georg Olms. Croft, W. (2001): Radical Construction Grammar: Syntactic Theory in Typological Perspective, Oxford, Oxford University Press. De Mauro, T./ Mancini, F./ Vedovelli, M./ Voghera, M. (1993): Lessico di frequenza dell’ italiano parlato, Milano, Etas. Elman, J.L. (2009): „On the Meaning of Words and Dinosaur Bones: Lexical Knowledge Without a Lexicon“, in Cognitive Science 33, 1-36. Evans, V./ Tyler, A. (2004): „Spatial experience, lexical structure and motivation“, in Radden, G./ Panther, K.-U. (a cura di), Studies in Linguistic Motivation, Berlin/ New York, De Gruyter, 157-192. Gallmann, P. (1999): „Wortbegriff und Nomen-Verb-Verbindungen“, in Zeitschrift für Sprachwissenschaft 18.2, 269-304. Gerdts, D.B. (1998): „Incorporation“, in Spencer, A./ Zwicky, A. (a cura di), The Handbook of Morphology, Oxford, Basil Blackwell, 84-100. Goldberg, A.E. (1995): Constructions: A Construction Grammar Approach to Argument Structure, Chicago/ London, University of Chicago Press. Hopper, P.J./ Thompson, S.A. (1980): „Transitivity in Grammar and Discourse“, in Language 56/ 2, 251-299. Koch, P. (1981): Verb, Valenz, Verfügung. Zur Satzsemantik und Valenz französischer Verben am Beispiel der Verfügungs-Verben, Heidelberg, Carl Winter. Koch, P. (1999): „Frame and Contiguity. On the Cognitive Bases of Metonymy and Certain Types of Word Formation“, in Panther, K.U./ Radden, G. (a cura di), Metonymy in Language and Thought, Amsterdam/ Philadelphia, Benjamins, 139-167. Koch, P. (2001): „As you like it. Les métataxes actantielles entre Expérient et Phénomène“, in Schøsler L. (a cura di), La valence, perspectives romanes et diachroniques (= Beihefte zur Zeitschrift für französische Sprache und Literatur, 30), Stuttgart, Steiner, 59-81. Koch, P./ Marzo, D. (2007): „A two-dimensional approach to the study of motivation in lexical typology and its first application to French high-frequency vocabulary“, in Studies in Language 31: 2, 259-291. Koch, P./ Oesterreicher, W. (1990): Gesprochene Sprache in der Romania: Französisch, Italienisch, Spanisch (= Romanistische Arbeitshefte, 31), Tübingen, Niemeyer. Lange, B. (2007): Machen, haben, gehen, kommen. Einige „Passepartout“-Verben im Primärspracherwerb des Deutschen (= Theorie und Vermittlung der Sprache, 45), Frankfurt a.M., Peter Lang. 30 Mirto/ La Fauci (2003: 97): „[…] è meglio liberare la ricerca da tutte le rigidità imposte dall’ipostasi di categorie ed entità lessicali.“; v. inoltre la „distributed semantics“ di Evans/ Tyler (2004: 160) e l’abolizione del lessico mentale da parte di Elman (2009). Festschrift_V-435_End.indd 68 20.05.11 14: 36 <?page no="95"?> Alcune osservazioni sulla semantica del verbo fare 69 Leiss, E. (2000): Artikel und Aspekt. Die grammatischen Muster von Definitheit (= Studia Linguistica Germanica, 55), Berlin/ New York, De Gruyter. LIP, cfr. De Mauro et alii (1993). Mirto, I.M./ La Fauci, N. (2003): Fare. Elementi di sintassi, Pisa, Edizioni ETS. Radden, G./ Panther, K.-U. (2004): „Introduction: Reflections on motivation“, in Radden, G./ Panther, K.-U. (a cura di), Studies in Linguistic Motivation, Berlin/ New York, De Gruyter, 1-46. Sabatini, F./ Coletti, V. (2008): Dizionario della lingua italiana, http: / / dizionari.corriere.it/ dizionario_italiano/ index.shtml. Schultze-Berndt, E. (2008): „What do ‚do‘ verbs do? The semantic diversity of generalised action verbs“, in Verhoeven, E. (a cura di), Studies on Grammaticalization, Berlin/ New York, De Gruyter, 185-207. Taylor, J.R. (2004): „The ecology of constructions“, in Radden, G./ Panther, K.-U. (a cura di), Studies in Linguistic Motivation, Berlin/ New York, De Gruyter, 49-73. Tomasello, M. (2003): Constructing a Language: A Usage-Based Approach to Child Language Acquisition, Cambridge (MA), Harvard University Press. Festschrift_V-435_End.indd 69 20.05.11 14: 36 <?page no="96"?> Festschrift_V-435_End.indd 70 20.05.11 14: 36 <?page no="97"?> L ENE S CHØSLER Quelques réflexions sur le rapport entre valence et construction 1 0 Introduction La présente étude propose quelques réflexions sur le rapport entre valence et construction, basée sur les définitions suivantes: la valence nous renseigne sur les particularités lexicales du verbe individuel ainsi que sur ses restrictions sur les arguments, alors que la construction est un niveau de la grammaire. Concernant le terme valence, ma terminologie se conforme ainsi à la tradition allemande, représentée de façon exemplaire par Peter Koch et ses collègues 2 . Concernant le terme construction, ma terminologie s’apparente de celle de la Construction Grammar (CG) „canonique“, tout en s’en écartant partiellement. Suivant la CG, il y a plusieurs types de constructions 3 : on fait la distinction entre atomic et complex constructions, selon que celles-ci sont de nature simple ou complexe. Pour ces dernières on peut distinguer le niveau du verbe individuel du niveau des substantive constructions (correspondant à la valence verbale) et le niveau de la phrase ou schematic constructions 4 . La CG refuse de faire la distinction entre lexique et grammaire; selon elle, les constructions font partie du lexique, et elles sont en tant que telles des éléments de grammaire, censée elle-même être composée de constructions de nature différente (Goldberg 1995: 221): [T]he constructions suggested here can be viewed as free-standing entities, stored within the lexicon alongside lexical items, idioms, and other constructions that may or may not be partially lexically filled. Pour la CG „canonique“ il y a bien une différence de niveau entre valence, ou substantive constructions, et schematic constructions, mais pas une différence de nature, alors que j’y vois une différence entre lexique (valence) et grammaire (constructions dans le sens de schematic construction). Dans ce qui suit, je me servirai du terme de construction uniquement dans le sens de schematic construction. Pourtant, qu’il s’agisse d’une différence de niveau ou de nature entre valence et construction, les mêmes questions de recherche s’imposent, 1 J’offre cette étude en signe de d’amitié et de respect pour les recherches de Peter Koch qui m’ont beaucoup inspirée entre autres dans mes recherches sur la valence verbale. 2 Voir entre autres Koch (1981, 1991, 2001), Koch & Krefeld (1991). 3 „A construction is any linguistic expression, no matter how concrete or abstract, that is directly associated with a particular meaning or function, and whose form or meaning cannot be compositionally derived“(Stefanowitsch & Gries 2003: 212, Goldberg 1995 et Croft 2001: 60). 4 Je me réfère ici à la terminologie de Croft & Cruse (2004: 255). Festschrift_V-435_End.indd 71 20.05.11 14: 36 <?page no="98"?> 72 Lene Schøsler à savoir: quel est le rapport entre ces éléments? S’agit-il de deux phénomènes indépendants ou bien d’un partage de travail entre les deux? Et dans ce dernier cas, comment faudrait-il concevoir la collaboration entre les deux niveaux de la langue? Qu’on accepte ou non mon point de vue que la valence est un fait de lexique et la construction un fait de grammaire, il faut établir un lien entre valence et construction, non seulement d’un point de vue fonctionnel, mais aussi d’un point de vue ontologique, car il faut se demander s’il s’agit de deux entités primitives, ou bien s’il y a un lien de dérivation 5 de l’une vers l’autre. Selon la CG, les „simple clause constructions“ sont censées encoder les expériences de base des êtres humains, par exemple le fait que quelqu’un est la cause de quelque chose, que quelqu’un ressent quelque chose, que quelqu’un bouge, que quelque chose est situé quelque part, que quelqu’un tient quelque chose etc., voir Goldberg (1995: 5): Simple clause constructions are associated directly with semantic structures which reflect scenes [dans le sens de Fillmore 1975, 1977] basic to human experience. (Goldberg 1995: 5) Ces expériences cognitives constituent le contenu qui se matérialise dans une expression particulière: dans la schematic construction. La réalisation formelle ou l’encodage précis de ces expériences varient d’une langue à l’autre, mais selon la CG, toutes les langues possèdent ces unités de base (voir aussi Croft 2001: 60). Dans son étude de 1995, Goldberg examine en particulier les constructions qui servent de modèles pour un usage innovateur, tels les cinq schémas valentiels suivants (1a-e), qui selon l’auteure sont les modèles de construction pour les usages innovateurs présentés dans (2a-e); j’ajoute entre parenthèses les termes utilisés par Goldberg pour caractériser ces constructions (1995: 3-4): (1) a. Pat sent Bill the letter. („ditransitive“) b. Pat pushed the piano into the room. („caused motion“) c. Pat hammered the metal flat. („resultative“) d. The boat sailed into the cave. („intransitive motion“) e. Sam shot at Fred. („conative“) (2) a. Pat faxed Bill the letter. („ditransitive“) b. Pat sneezed the napkin off the table. („caused motion“) c. She kissed him unconscious. („resultative“) d. The fly buzzed into the room. („intransitive motion“) e. Sam kicked at Bill. („conative“) Donc, selon la CG, le contenu spécifique d’une construction peut passer à d’autres verbes qui ne se rencontrent pas normalement dans cette construction. En d’autres mots, la construction a un contenu qui est transmissible. Posé dans ces termes, il faut croire qu’un verbe lexical, avec sa valence particulière, peut adopter une nouvelle construction, et que - en l’adoptant - ce verbe modifie 5 Lien non-compositionnel, selon les principes de base de la CG, voir la citation de la note 3. Festschrift_V-435_End.indd 72 20.05.11 14: 36 <?page no="99"?> Le rapport entre valence et construction 73 son contenu. Cet avis me semble logiquement impliquer une relation telle que la construction se superpose à la valence du verbe individuel. Les choses étant ainsi, on peut légitimement se poser la question de l’origine de la construction et de la valence: laquelle est primaire par rapport à l’autre? Ou sont-elles peut-être indépendantes? Dans une perspective synchronique, il faut se demander si le rapport entre valence et construction est tel qu’il faut les comprendre comme deux principes d’organisation liés ou indépendants, et, dans le premier cas, si l’un domine l’autre. A la suite de ce qui précède, je vais résumer les questions de recherche sur lesquelles porte la présente étude: S’agit-il de deux niveaux de langue indépendants d’un point de vue diachronique et synchronique? Comment faut-il concevoir une éventuelle collaboration entre les deux niveaux 6 de la langue? Dans ce qui suit, j’examinerai ces questions, d’abord dans une perspective diachronique, ensuite dans une perspective synchronique. J’étudierai le rapport entre la valence et la construction à partir d’exemples provenant des langues romanes, du russe, de l’anglais et du danois. 1 Perspective diachronique Nous avons vu plus haut que, selon la CG, la construction est un phénomène dont la fonction et le contenu ne se réduisent pas aux parties qui la composent. Nous avons également constaté qu’il y a un rapport de transmission entre la valence et la construction. De là, au moins trois hypothèses pourront logiquement être formulées concernant le rapport diachronique entre la valence et la construction. Ces hypothèses seront examinées dans cette section. Selon la première hypothèse diachronique la valence verbale est primaire, et elle est à l’origine de la construction (voir section 1.1), selon la deuxième hypothèse il s’agit du rapport inverse, c’est la construction qui est primaire et qui est à l’origine à la valence verbale (voir section 1.2). Selon la troisième hypothèse, il y a indépendance entre les deux niveaux de langue, la valence et la construction (voir la section 1.3). 1.1 Première hypothèse: de la valence verbale à la construction Afin de vérifier la première hypothèse diachronique sur la primauté de la valence verbale, il faut chercher des cas illustrant le passage de la valence à la construction. Selon la CG, les constructions sont „motivées“ en ce sens qu’elles encodent des expériences de base. Il faut examiner de plus près les implications de cette affirmation. Les constructions étudiées par Goldberg correspondent, il me semble, à ce que d’autres chercheurs désignent par le terme de schéma valentiel ou, en 6 J’insiste sur le fait que ces questions restent pertinentes, qu’on accepte ou non la définition de la CG selon laquelle la valence (substantive constructions) et la construction (schematic construction) sont toutes deux des constructions, ou bien qu’elles appartiennent au lexique et à la grammaire, respectivement, comme je l’affirme ici. Festschrift_V-435_End.indd 73 20.05.11 14: 36 <?page no="100"?> 74 Lene Schøsler anglais, „grammatical schemas“. Dans leur étude de 2001, Thompson & Hopper discutent d’une part le rapport entre l’expression (le schéma valentiel) et le contenu (le „sens“ du schéma), et d’autre part la question de savoir comment ce sens a pu s’établir dans l’esprit des locuteurs: [T]he sense of a verb or predicate is related to the grammatical schemas that it can occur in. (Thompson & Hopper 2001: 44) [Such meanings] can only be understood as including a vast range of semantic and pragmatic associations regarding the sorts of activities, states, and participants that can invoke their use … these ‚meanings‘ are actually generalizations from many repetitions of hearing predicates used in association with certain types of human events and situations over the course of a person’s lifetime. What appears to be a fixed ‚structure‘ is actually a set of schemas, some more ‚entrenched‘ (Bybee 1985, 1998; Langacker 1987) than others, arising out of many repetitions in daily conversational interactions. (Thompson & Hopper 2001: 47) En d’autres mots: il faut comprendre que le lien entre le schéma et le sens de ce schéma est plus général, plus abstrait que le sens lexical du prédicat individuel qui se manifeste dans le schéma. J’interprète cette analyse du schéma dans le sens de la construction (schematic construction) de la CG. Considérons de plus près le schéma ou construction de l’exemple (1e) provenant de Goldberg, cité dans la section 0: Sujet Verbe Complément prépositionnel, Sam shot at Fred, qui selon l’auteure comporte un sens conatif. Je préfère à ce terme une analyse en termes de télicité: c’est-à-dire que (1e) exprime une activité (atélique) pour laquelle le résultat n’est pas pris en compte. Ceci distingue le schéma prépositionnel du schéma transitif (télique), possible pour le même verbe, soit (3) a. Sam shot Fred. qui signifie que l’activité est bien arrivée au but prévu. Cette paire de constructions, avec une opposition aspectuelle très nette entre (1e) qui est atélique et (3a) qui est télique, existe dans d’autres langues apparentées, mais il est significatif que la distribution et la fréquence relative de ces oppositions diffèrent d’une langue à l’autre. Ainsi, cette construction est-elle extrêmement productive en danois moderne, mais pas du tout en français 7 . Les exemples danois (3b-c) correspondent aux exemples anglais, alors que cette opposition en français se traduit approximativement par deux verbes différents (toutefois sans la même opposition aspectuelle), voir (3d-e). Il existe pourtant en français des paires qui ressemblent à celles de l’anglais et du danois, voir (3f-g), mais il ne s’agit pas ici d’une opposition systématique entre une activité atélique et une action télique marquée par l’absence ou la présence de la préposition. Dans le cas de (3d), il y a une action atélique, mais elle ne s’oppose pas à une action télique avec le même verbe lexical, voir (3e), et pour lequel la construction transitive n’est pas possible dans le sens de (3c). Contrairement à l’état des choses en anglais ou en danois, l’opposition aspectuelle en français ne s’exprime donc pas de façon systématique dans une opposition entre de telles constructions. 7 Voir à ce propos Schøsler (2007: 59). Festschrift_V-435_End.indd 74 20.05.11 14: 36 <?page no="101"?> Le rapport entre valence et construction 75 (3) b. Sam skød på Frede. (activité atélique) c. Sam skød Frede. (action télique) d. Sam a tiré sur Fred. (action atélique, pour laquelle le résultat n’est pas pris en compte) d’. *Sam a tiré Fred. (impossible dans le sens de (3c)) e. Sam a abattu Fred d’un coup de fusil. (action réalisée, télique) f. Sam a tapé sur sa femme. (atélique) g. Sam a tapé sa femme. (atélique) De tels schémas constituent, selon la citation de Thompson & Hopper reproduite plus haut, des généralisations sur l’activité exprimée par les lexèmes qui se manifestent dans ces schémas. Mais concrètement, comment faut-il concevoir l’établissement du lien entre le schéma et ce sens abstrait? Puisque ce lien n’est pas universel, malgré la présence de schémas similaires dans différentes langues, comme nous venons de le voir, mais au contraire différent d’une langue à l’autre, il ne peut pas être de nature iconique. Nous avons vu que Thompson & Hopper se réfèrent à l’effet de la répétition pour expliquer l’apparition de ce lien, argument qui me paraît assez faible. Car cet argument ne fait que déplacer le problème: pourquoi est-ce que certains schémas sont répétés plus souvent que d’autres? En outre, il n’est pas précisé dans la citation s’il s’agit d’une fréquence en termes de „types“ ou de „tokens“. Voyons maintenant comment on pourra proposer une motivation de la création de ce lien dans l’esprit des locuteurs. Selon Thompson & Hopper (2001) les schémas ou constructions n’ont pas toujours existé, ils sont le résultat d’une évolution diachronique. Or, une évolution diachronique arrive suite à une réanalyse qui se répand parce qu’acceptée dans la communauté des locuteurs. Comment faut-il s’imaginer la réanalyse ayant comme résultat la création de schémas ou constructions devenus des modèles productifs? Prenons la paire atélique ou télique en danois, citée plus haut, (3b) Sam skød på Frede, (3c) Sam skød Frede, équivalant à l’anglais (1e) Sam shot at Fred, (3a) Sam shot Fred 8 . Ces exemples constituent une paire minimale d’une opposition paradigmatique. Cette relation paradigmatique entre la construction transitive (3c) et la construction prépositionnelle (3b) existe en danois depuis longtemps. J’ai l’impression qu’elle est devenue productive ces dernières années, au point qu’un nombre sans cesse croissant de verbes se rencontre actuellement avec une variante atélique introduite par la préposition på. Pour expliquer ce phénomène, je propose la réanalyse suivante. La construction avait au départ un sens purement locatif, avec un sens de la préposition på correspondant à la préposition française sur. Le sens locatif a été réanalysé en un sens atélique. Le locuteur utilisant la construction prépositionnelle transfère par inférence l’implication atélique du verbe individuel (donc du niveau lexical de chaque verbe) au schéma ou construction en tant que tel. Une fois que ce transfert a été accepté et généralisé parmi les locuteurs, il permet d’étendre le schéma valentiel aux verbes qui n’avaient pas auparavant cette possibilité. L’évolution se laisse schématiser selon le modèle bien connu: A > {A, B} > B. Concrètement, il s’agit 8 A propos de la construction danoise, voir Durst-Andersen et Herslund (1996). Festschrift_V-435_End.indd 75 20.05.11 14: 36 <?page no="102"?> 76 Lene Schøsler de l’évolution suivante: locatif > {locatif, atélique} > atélique, soit A = valence et B = construction. Je suppose que ce transfert d’un sens abstrait du verbe lexical au schéma commence dans le cas de verbes ayant un sens lexical tel qu’ils constituent des membres prototypiques de leur classe, alors qu’il se répand plus tard à des membres moins prototypiques ou vaguement liés aux précédents. C’est sans doute cela que nous voyons dans le cas des verbes non prototypiques cités par Goldberg dans (2). A l’aide des exemples cités jusqu’ici, provenant de l’anglais, du danois et du français, il me semble légitime d’affirmer deux points. Premièrement qu’il existe réellement un niveau grammatical de constructions/ schémas ayant leur sens propre, indépendamment des verbes adoptant ces schémas, comme présupposé dans la section 0. Deuxièmement, ces exemples permettent d’affirmer que les schémas ou constructions peuvent être le résultat d’une évolution diachronique, subséquente à une réanalyse. Cette réanalyse a été faite en danois et en anglais, mais non pas en français. Suite à la réanalyse, le schéma valentiel n’a plus le statut lexical qu’il avait au départ, il est devenu une construction. Dans ce cas, il s’agit de l’intégration du schéma dans la grammaire, donc d’une „grammaticalisation“ d’un élément lexical. 1.2 Deuxième hypothèse: de la construction à la valence verbale Afin de vérifier la deuxième hypothèse diachronique sur la primauté de la construction par rapport à la valence, il faut chercher des cas illustrant le passage de la construction à la valence. Le russe semble pouvoir illustrer cette évolution. Selon Nørgård-Sørensen (sous presse), la syntaxe de l’ancien russe se distingue de celle du russe moderne par le fait que le premier est organisé en constructions dans le sens employé ici (= schematic constructions), alors que le second est basé sur des phénomènes de valence. Nørgård-Sørensen justifie cette vue dans son étude sur le rapport modifié entre les verbes et le choix du cas des arguments régis par ces verbes. Dans l’ancienne langue russe, l’accusatif était la forme non marquée pour le complément d’objet direct, mais nullement la forme dominante, comme cela est le cas pour la langue moderne. En effet, un même verbe pouvait se combiner avec deux ou trois cas pour la même fonction syntaxique. Le choix entre les cas ne dépendait pas du verbe lexical, il dépendait, selon Nørgård-Sørensen, de la construction. Nørgård-Sørensen prend comme exemple les verbes exprimant une activité de contrôle, tels les verbes ‚gouverner‘, ‚posséder‘, et ‚contrôler‘, verbes qui régissent en russe moderne exclusivement un complément d’objet au cas instrumental. Il constate que dans l’ancienne langue ces verbes avaient la possibilité de choisir aussi un complément au génitif ou à l’accusatif, témoins les exemples (4a-c) provenant du même genre littéraire (la chronique historique) et de la même période historique (XI-XIIIème siècles). Les exemples cités ci-dessous proviennent de son étude. Dans (4a), exemple typique, c’est le cas instrumental qu’on rencontre, tout comme en russe moderne, alors que dans (4b) nous rencontrons l’accusatif, c’est-à-dire la forme non-mar- Festschrift_V-435_End.indd 76 20.05.11 14: 36 <?page no="103"?> Le rapport entre valence et construction 77 quée du complément. Enfin, dans (4c), au génitif, le choix de ce cas permet une interprétation quantificative, conforme à l’analyse de Krys’ko (1997: 167-168). (4) a. […] oblad-axou sracin-i jegjupt-om ĭ (PrL) contrôler-IMPF.3.PL Sarrasin-PL.NOM Égypte-SG.INS ‚… les Sarrasins on gagné le contrôle de l’Égypte‘ b. Rodijanjane mor-e oblada-vš-e (GA) Rhodiens mer-SG.ACC contrôle-PTCP.PST.ACT-M.PL.NOM ‚Ayant gagné le contôle de la mer, les Rhodiens …‘ c. oblast-i t-oja Ambrosij […] obladaše (GA) région-F.SG.GEN cette-F.SG.GEN Ambrosij contrôle.IMPF.3.SG ‚Ambrosij a contrôlé (une partie de) cette région‘ En d’autres mots: l’effet de sens du choix de l’instrumental en (4a) est d’insister sur le contrôle du référent du complément, le choix du génitif (4c) informe sur la quantification, et le choix de l’accusatif est le choix non-marqué par rapport aux deux autres possibilités. Le fait que le sens dépende de la forme casuelle de l’objet est interprété par Jens Nørgård-Sørensen comme un argument en faveur de la primauté de la construction par rapport à la valence. Le verbe poxvaliti ‚louer‘ dans (4d-f) illustre comment le même verbe se combine avec un complément d’objet direct à l’accusatif (4d), au génitif (4e) ou au datif (4f). (4) d. […] no i poxvali i (Pr 1383) mais aussi louer.AOR.3SG le.SG.ACC ‚… mais il le loua aussi‘ e. […] i poxvali jego kn ę (z) (LL) et louer.AOR.3SG le.GEN prince.NOM ‚… et le prince le loua‘ f. […] i vsi poxvališa emu (LI) et tous louer.AOR.3PL le.DAT ‚… et tous le louèrent‘ Le cadre de cette étude ne me permet pas de rendre compte de la différence de sens entre ces constructions, mais ce qu’il faut retenir ici, c’est que les exemples démontrent clairement qu’il ne s’agit pas d’une organisation valentielle de la phrase, c’est-à-dire d’un choix casuel régi par le verbe, contrairement au russe moderne. Inspiré par les remarques de Meillet sur la déclinaison dans les langues anciennes, le linguiste russe Krys’ko (1997) interprête l’usage de la déclinaison russe en termes d’une transition d’un système „non-transitif“, vers un système „transitif“. Son analyse, généralement acceptée parmi les spécialistes du russe, corrobore ainsi celle proposée par Jens Nørgård-Sørensen. L’évolution se laisse schématiser selon le modèle: A > {A, B} > B de la façon suivante: primauté de la déclinaison 9 (= construction) > {déclinaison/ construction et valence} > prim- 9 Il faut croire que chaque cas avait ainsi au départ son sens et sa fonction spécifiques. Voir à ce propos Jakobson (1936). Festschrift_V-435_End.indd 77 20.05.11 14: 36 <?page no="104"?> 78 Lene Schøsler auté de la valence. En d’autres mots, la réanalyse a dû s’effectuer par le transfert du contenu de la construction, où le cas individuel possède un sens spécifique, à la valence, où le verbe régit un cas spécifique. 1.3 Troisième hypothèse: indépendance des deux niveaux de langue, la valence et la construction Logiquement, une troisième hypothèse existe selon laquelle il y a indépendance entre les deux niveaux de langue, la valence et la construction. Elle implique soit que la valence et la construction sont toutes deux primaires, non dérivables l’une de l’autre, soit qu’elles ont chacune leur origine, indépendamment l’une de l’autre. A la lumière de ce qui a été dit dans les deux sections précédentes, les deux hypothèses me semblent difficilement défendables. Au contraire, l’existence de réorganisations impliquant à la fois le lexique et la construction pourrait constituer un argument en faveur d’un lien diachronique entre les deux niveaux de langue. Nous connaissons des cas de telles réorganisations dans plusieurs langues, mais je me limiterai à mentionner celle qui concerne la causativité dans les langues germaniques. Au départ, il y avait une collaboration entre le niveau lexical et le niveau constructionnel en ce sens que la même racine lexicale se prêtait à deux emplois: un emploi intransitif, par exemple *wak-a-n ‚être éveillé‘ et un emploi transitif/ causatif, par exemple *wak-ija-n ‚réveiller‘ dérivé du premier à l’aide du suffixe -iya- (-ija-), voir quelques exemples supplémentaires sous (5a): 10 (5) a. emploi intransitif emploi transitif/ causatif *set-ja-n ‚être assis‘ *sat-ija-n ‚s’assoir‘ *leg-ja-n ‚être couché‘ *lag-ija-n ‚coucher‘ *brinn-a-n ‚brûler, être en feu‘ *brann-ija-n ‚[faire] brûler‘ Dans les langues scandinaves, l’opposition entre l’usage intransitif et l’usage transitif/ causatif s’est développée dans deux directions. Dans le premier cas la distinction lexicale est préservée ainsi que l’opposition constructionnelle; les verbes du danois moderne cités sous (5b) illustrent ce cas de figure: (5) b. emploi intransitif emploi transitif/ causatif våge ‚veiller = être réveillé‘ vække ‚réveiller‘ sidde ‚être assis‘ sætte ‚s’assoir‘ ligge ‚être couché‘ lægge ‚coucher‘ Dans le second cas, qui semble actuellement être en progression, la distinction lexicale a été abandonnée, et l’opposition reste purement constructionnelle, comme l’illustrent les verbes cités dans (5c): (5) c. emploi intransitif emploi transitif/ causatif brænde ‚brûler, être en feu‘ brænde ‚[faire] brûler‘ vælte ‚être renversé‘ vælte ‚renverser‘ knække ‚se briser‘ knække ‚briser‘ 10 Cette présentation se base sur Heltoft, Nørgård-Sørensen et Schøsler (à paraître). Voir aussi Schøsler (2007: 58). Festschrift_V-435_End.indd 78 20.05.11 14: 36 <?page no="105"?> Le rapport entre valence et construction 79 Ces derniers exemples rappellent l’opposition entre constructions inergative et ergative, répandue dans d’autres langues, par exemple en français moderne, la branche casse, Pierre casse la branche, etc. 1.4 Perspective diachronique: conclusion Curieusement, jusqu’à 2008, il n’existe presque pas d’études diachroniques qui se réfèrent à la CG, comme l’a remarqué Noël (2007) 11 . Et pourtant, si on voit dans les schémas le reflet de la structuration cognitive du monde faite par les locuteurs, leurs aspects permanents ou leurs modifications diachroniques devraient constituer un sujet d’investigation intéressant. L’évolution diachronique est présupposée, mais pas étudiée concrètement par les auteurs cités plus haut (Thompson & Hopper 2001, Taylor 1998, Goldberg 1995, 1998 et Croft 2001). Mes propres recherches diachroniques dans le domaine de la valence, portant sur la création de la construction indiquant la possession inaliénable, les constructions à verbes supports et la construction avec experiencer au datif 12 , ainsi que les exemples cités dans les sections précédentes permettent de confirmer, je pense, l’existence d’un lien diachronique entre la valence et la construction. Les exemples cités dans la section 1.1 montrent que c’est la valence qui est à l’origine de la construction, et dans la section 1.2, il s’agit d’une évolution opposée: depuis la construction vers la valence. Deux interprétations de ces faits sont possibles: soit que les deux évolutions existent, éventuellement dans un mouvement cyclique: valence > construction > valence > construction etc., soit que les langues individuelles sont typologiquement orientées en faveur de l’une ou de l’autre évolution. L’état actuel de ma documentation ne me permet pas de choisir entre ces deux possibilités. 2 Perspective synchronique Dans la section précédente j’ai présenté des arguments en faveur de l’existence de liens diachroniques entre la valence et la construction. Je vais maintenant considérer le rapport de force entre ces deux niveaux de la langue d’un point de vue synchronique. Trois hypothèses sur la nature de ce rapport sont logiquement possibles: selon la première hypothèse les deux niveaux sont liés, et il y a prévalence de la valence verbale sur la construction, alors que selon la deuxième hypothèse, il y a prévalence de la construction sur la valence verbale. Finalement, il existe une troisième hypothèse qui pose l’indépendance des deux niveaux de langue: valence et construction. Dans ce qui suit, je vais me baser sur les arguments de Pedersen (sous presse) afin d’étudier ces hypothèses. 11 Ce n’est qu’à partir de 2008 que nous rencontrons des études combinant diachronie et construction, voir Trousdale & Gisborne (2008), Traugott (2008) et Traugott & Trousdale (2010). 12 Voir Schøsler (2001, 2002, 2007, 2008a, 2008b). Mes recherches portant sur l’expériencer marqué par le datif ont été largement inspirées par celles de Peter Koch. Festschrift_V-435_End.indd 79 20.05.11 14: 36 <?page no="106"?> 80 Lene Schøsler 2.1 Perspectives contrastives sur la relation synchronique entre valence et construction 2.1.1 Introduction Dans une étude à paraître, Pedersen se base sur le corpus contrastif du Project syndicate 2008, afin de déterminer le rôle de la construction (schematic construction). Je vais résumer ici quelques résultats de l’étude de Pedersen qui sont pertinents pour mon sujet. Pedersen examine une des constructions-modèles très productives de Goldberg (1995: 199) illustrée par (6a): (6) a. Frank dug his way out of the prison Frank a creusé sa voie hors de la prison ‚Frank s’est échappé de la prison en creusant‘ Pedersen considère cette construction dans la perspective typologique de Talmy, illustrée par les exemples ci-dessous devenus classiques (6b-c). (6) b. The bottle floated into the cave (Talmy 1985) Flasken flød ind i hulen (danois) La botella entró en la cueva flotando (espagnol) c. I kicked the ball into the box (Talmy 2000) Jeg sparkede bolden ind i kassen (danois) Metí la pelota en la caja de una patada (espagnol) Selon Talmy, on peut formuler la différence typologique entre (6b) et (6c) de la façon suivante: les langues germaniques (comme l’anglais et le danois) ont tendance à lexicaliser la manière du mouvement dans le verbe, alors que la direction du mouvement prend la forme d’une satellite ( floated into, kicked into, flød ind, sparkede ind). Par contre, dans les langues romanes (comme le français et l’espagnol) la direction du mouvement est lexicalisée dans le verbe (entró, metí ). L’approche originale de Pedersen est de proposer de lier cette différence typologique bien connue à la différence de construction observable dans (6a). Selon lui, les deux cas de figure se laissent expliquer par les tendances différentes dans ces deux types de langue, une tendance vers la prévalence de la construction dans les langues germaniques et une tendance vers la prévalence de la valence dans les langues romanes. Je vais reproduire son argumentation ci-dessous. 2.1.2 L’organisation des langues germaniques Acceptant l’analyse de Goldberg pour la way-construction exemplifiée sous (6a), Pedersen propose de la formaliser de la façon présentée sous (7), en utilisant l’exemple anglais Peter fought his way out of the restaurant (‚Pierre a réussi à sortir du restaurant en se battant‘). Dans (7), le terme SC veut dire schematic argument structure construction, et LS lexical argument structure construction, soit construction et valence, respectivement. L’idée est que le lexique, y compris la valence, indique le mouvement particulier de (7) qui est to fight, ‚se battre‘, Festschrift_V-435_End.indd 80 20.05.11 14: 36 <?page no="107"?> Le rapport entre valence et construction 81 alors que la construction en modifie le sens pour signaler que le mouvement se fait avec difficulté: (7)[Peter [fought] his way out of the restaurant] SC: [SUBJi V POSSi way OBL] / ‚X moves Y by creating a path‘ LS: [SUBJ V] / ‚A in activity of fighting‘ Rappelons que, selon les principes de la CG, le sens de la construction ne se réduit pas à celui de ses composantes. 2.1.3 L’organisation des langues romanes L’équivalent espagnol de (7) est (8a), qu’il faut interpréter de la façon suivante: contrairement à la construction anglaise, (8a) se laisse interpréter à partir de ses composantes, ce qui implique qu’il ne s’agit pas ici d’une construction dans le sens d’une schematic construction. Au contraire, c’est la valence qui est responsable de la structure de (8a), et une traduction littérale de (7), superposant une schematic construction à la valence du verbe se battre, est impossible en espagnol, comme le montre (8b). (8) a. Pedro se [abrió/ hizo] camino [a codazos] para salir… Pedro REFL.DAT open/ make-PRS.3SG way by elbows to get out LC: [SUBJ, REFL/ DAT, abrió/ hizo, OBJ] / ‚X creates himself Y (a path)‘ SC: [ADV-construction] / ‚specifying information‘. b. *Pedro [peleó] su camino fuera del restaurante Pedro fight-PST.3SG his way out of the restaurant La conclusion est qu’en espagnol, c’est la valence qui est la structure organisatrice de la phrase. 2.2 Conséquences de l’étude contrastive sur la relation synchronique entre valence et construction Si l’analyse contrastive de Pedersen est correcte, elle nous oblige à repenser la relation entre valence et construction. Selon la CG „canonique“, le sens de la construction peut se superposer au niveau lexical avec pour résultat que l’ensemble - non compositionnel - est dominé par le sens abstrait véhiculé par la construction, alors que la partie lexicale apporte une nuance particulière de ce verbe. Cette prévalence de la construction en anglais est illustrée par l’exemple (7). Dans le cas de (8a), les rôles sont inversés: la valence domine, mais elle est accompagnée d’éléments constructionnels qui apportent un sens spécifique. Dans cet état des choses, il faut se demander ce qui se passe si un verbe se trouve dans une phrase sans être modifié par une construction dans laquelle ce verbe n’apparaît pas normalement. Prenons le cas de Peter fought, Pedro peleó, Pierre s’est battu qui sont des exemples „canoniques“ de ces verbes. Utilisés de cette façon, faut-il penser que seul existe le niveau valentiel? Ou bien existe-t-il un niveau constructionnel „homogène“ qui signale que ces verbes sont utilisés avec leur sens normal, non modifié? Festschrift_V-435_End.indd 81 20.05.11 14: 36 <?page no="108"?> 82 Lene Schøsler Prenons encore le cas des verbes dire et parler en français moderne pour illustrer notre propos. L’usage courant de ces verbes, par exemple tel qu’il est décrit dans un dictionnaire, présente les deux verbes comme des verbes d’énonciation qui se combinent respectivement avec un complément d’objet direct dire quelque chose ou prépositionnel parler de quelque chose et avec un complément indirect indiquant la personne à qui on communique quelque chose: je lui dis ceci, je lui parle de ceci. Dans ces cas, les exemples cités sont conformes aux règles de valence spécifiques aux deux verbes. Or, comme cela est exposé dans l’étude de Krötsch & Oesterreicher (2002: 118), on rencontre souvent en français moderne, surtout dans le parler courant, l’utilisation de la construction divalente régissant le datif pour indiquer l’expériencer. Il s’agit là d’une transmission de la construction du type cela lui plaît à des verbes pour lesquels cette construction n’est pas originelle, par exemple cela lui dit, cela lui parle. Je vais présenter mes réflexions ultérieures sur les conséquences du rapport entre les deux emplois dans la section suivante. 2.3 Perspective synchronique: conclusion Comment faut-il interpréter le rapport entre les deux emplois possibles, l’usage habituel: Peter fought, Pedro peleó, Pierre s’est battu; je lui dis ceci, je lui parle de ceci et l’usage innovateur: Peter fought his way, cela lui dit, cela lui parle? Fautil comprendre que c’est la valence seule qui détermine la structure dans l’usage habituel, et la construction qui domine la valence dans l’usage innovateur? En d’autres mots, faut-il penser que la construction est présente uniquement dans les cas de transmission? Une telle vue paraît peu satisfaisante, car, comme l’ont affirmé Thompson & Hopper (2001: 47), il faut croire que la construction acquiert sa position en tant que telle entre autres par sa présence continuelle dans l’esprit du locuteur. De plus, la perspective synchronique a fourni des arguments en faveur de l’existence du niveau de la construction, que ce niveau soit dominant ou dominé par le niveau lexical de la valence. 3 Conclusion Dans mon introduction, j’ai posé deux questions de recherche concernant la nature du rapport entre la construction et la valence, à savoir 1) si ces deux niveaux de langue sont indépendants ou bien liés dans une perspective diachronique, et d’un point de vue synchronique, 2) comment il faut concevoir une éventuelle collaboration entre les deux niveaux de la langue. Tout en m’inspirant de la CG, je ne partage pas sa vue selon laquelle il n’y a pas de différence de nature entre lexique et grammaire, et que la langue serait composée de constructions simples, complexes, de nature concrète ou abstraite. Par contre, je conçois la valence comme appartenant au lexique, et la construction (substantive construction), comme appartenant au niveau de la grammaire. Dans la partie diachronique de la présente étude, j’ai fourni des arguments en faveur d’un lien entre les deux niveaux de langue. J’ai proposé de considérer Festschrift_V-435_End.indd 82 20.05.11 14: 36 <?page no="109"?> Le rapport entre valence et construction 83 le passage de la valence à la construction comme une réanalyse du schéma valentiel en ce sens que l’implication abstraite, par exemple en termes de télicité, est transférée du verbe lexical à la construction. J’ai proposé de considérer ce transfert comme une grammaticalisation. En ce qui concerne l’évolution de la construction vers la valence, illustrée par le russe, cette réanalyse a dû s’effectuer par le transfert du contenu de la construction à la valence. On pourrait qualifier ce processus de lexicalisation. Sans être en mesure de me prononcer en faveur de l’une ou de l’autre, j’ai proposé plus haut que deux interprétations de ces faits sont possibles: soit un mouvement cyclique depuis la valence vers la construction et de nouveau vers la valence etc., soit une interprétation typologique impliquant que les langues individuelles sont orientées en faveur de l’une ou de l’autre évolution à un moment donné. On peut imaginer aussi que les langues, si elles appartiennent à un certain type à un moment donné, évoluent vers un type différent. Dans la partie synchronique j’ai essayé de cerner la collaboration entre les deux niveaux de langue. En me basant sur des recherches contrastives, j’ai constaté que les rapports de force entre la valence et la construction peuvent varier. Dans les langues où le niveau lexical peut être modifié par la construction de telle façon que le sens de la construction se superpose à la valence, j’ai proposé de concevoir la collaboration entre les deux niveaux de la façon suivante: il existe un niveau lexical-valentiel, et un niveau constructionnel. Lorsqu’un verbe est utilisé dans son schéma valentiel „normal“, la construction est conforme à ce schéma. Par contre, si un verbe est transféré à un autre schéma, voir les exemples cités dans (2), (6), (7), la construction impose son sens abstrait au verbe lexical. Dans le cas où la valence n’est pas dominée par la construction, cas illustré par l’espagnol, voir (8), la construction peut au plus modifier superficiellement le sens du verbe, selon l’étude de Pedersen. Pour les recherches futures, il reste à examiner de plus près les cas de figure dégagés ici à l’aide de nouvelles études diachroniques et synchroniques, et en particulier à examiner si les langues forment des types à orientation constructionnelle ou valentielle, ou si au contraire les deux orientations coexistent à l’intérieur de chaque langue, en contribuant à la modification perpétuelle des structures de la langue. 4 Bibliographie Croft, W. (2001): Radical Construction Grammar. Syntactic Theory in Typological Perspective, Oxford, Oxford University Press. Croft, W./ Cruse, D.A. (2004): Cognitive Linguistics, Cambridge, Cambridge University Press. Durst-Andersen, P./ Herslund, M. (1996): „The Syntax of Danish Verbs: Lexical and Syntactic Transitivity“, in Engberg-Pedersen, E. et al. (éds.), Content, Expression and Structure. Studies in Danish Functional Grammar, Benjamins, Amsterdam, 65-102. Fillmore, C.J. (1975): „An Alternative to Checklist Theories of Meaning“, in BLS 1, 123-131. Fillmore, C.J. (1977): „Topics in Lexical Semantics“, in Cole, R. (éd.): Current Issues in Linguistic Theory, Bloomington, Indiana University Press, 76-138. Goldberg, A. (1995): A Construction Grammar Approach to Argument Structure, Chicago, The University of Chicago Press. Festschrift_V-435_End.indd 83 20.05.11 14: 36 <?page no="110"?> 84 Lene Schøsler Goldberg, A.E. (1998): „Patterns of Experience“, in Tomassello (1998) 203-219. Heltoft, L./ Nørgård-Sørensen, J./ Schøsler, L. (à paraître): Connecting grammaticalisation. The role of paradigmatic structure, Amsterdam, John Benjamins. Jakobson, R. (1936): „Beitrag zur allgemeinen Kasuslehre. Gesamtbedeutungen der russischen Kasus“, in Travaux du Cercle Linguistique de Prague 6: 240-288. Réimpression dans Jakobson (1971), 23-71. Koch, P. (1981): Verb, Valenz, Verfügung. Zur Satzsemantik und Valenz französischer Verben am Beispiel der Verfügungsverben, Heidelberg, Carl Winter Universitätsverlag. Koch, P. (1991): „Semantische Valenz, Polysemie und Bedeutungswandel bei romanischen Verben“, in Koch, P./ Krefeld, T. (éds.), Connexiones Romanicae. Dependenz und Valenz in romanischen Sprachen, Linguistische Arbeiten 268, Tübingen, Max Niemayer Verlag, 279-306. Koch, P. (2001): „As you like it. Les métataxes actantielles entre Expérient et Phénomène“, in Schøsler, L. (éd.), La valence, perspective romanes et diachroniques (ZFSL: Beihefte; 30) pp. 59-81 (Lene Schøsler réd.) Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2001. Koch, P. & Krefeld, T. (éds.) (1991): Connexiones Romanicae. Dependenz und Valenz in romanischen Sprachen, Linguistische Arbeiten 268, Tübingen, Max Niemayer Verlag. Krys’ko, V.B. (1997): Istori č eskij sintaksis russkogo jazyka. Ob”ekt i perechodnost’. Moscow, Indrik. Krötsch, M./ Oesterreicher, W. (2002): „Dynamique des configurations actancielles. Modifications des constructions verbales en français non standard“, in Syntaxe & Sémantique - Valence: perspectives allemandes - no 4, 2002, 109-137. Noël, D. (2006): Diachronic construction grammar vs. grammaticalization theory. Preprint nr. 255, Leuven. Noël, D. (2007): „Verb valency patterns, constructions and grammaticalization“, in Herbst, T./ Götz-Votteler, K. (éds.): Valency. Theoretical, Descriptive and Cognitive Issues, Mouton de Gruyter, Berlin, New York, 67-83. Nørgård-Sørensen, J. (sous presse): What languages must convey. The construction-based syntax of Old Russian. Pedersen, J. (sous presse): „The way-construction and cross-linguistic variation in syntax. Implications for typological theory“, in Hudson, J. et al. (éds.), Conceptual Spaces and the Construal of Spatial Meaning, Oxford, Oxford University Press. Schøsler, L. (2001): „La valence verbale dans une perspective diachronique: quelques problèmes méthodologiques“, in La valence, perspective romanes et diachroniques (ZFSL: Beihefte; 30) p. 98-112. (Lene Schøsler réd.). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2001. Schøsler, L. (2002): „Je le pince au nez - je lui pince le nez - je pince son nez - Jean lève la main. La possession inaliénable: perspectives synchroniques et diachroniques“, in Lagorgette, D./ Larrivée, P. (éds.), Représentations du sens linguistique (LINCOM Studies in theoretical linguistics; 22), LINCOM Europa, München 2002, 331-348. Schøsler, L. (2007): „The status of valency patterns“, in Herbst, T./ Götz-Votteler, K. (éds.), Valency. Theoretical, Descriptive and Cognitive Issues, Mouton de Gruyter, Berlin/ New York, 51- 66. Schøsler, L. (2008a): „Argument marking from Latin to Modern Romance languages. An illustration of ‚combined grammaticalisation processes‘“, in Eythórsson, T. (éd.). Grammatical Change and Linguistic Theory. The Rosendal papers. Benjamins: Amsterdam, 411-438. Schøsler, L. (2008b): „Etude sur l’évolution des constructions à verbes supports“, in Fagard, B., Prévost; S., Combettes; B. & Bertrand, O. (éds.). Evolutions en français. Etudes de linguistique diachronique, Peter Lang, 2008, 345-361. Stefanowitsch, A./ Gries, T.S. (2003): „Collostructions: Investigating the interaction of words and constructions“, in International Journal of Corpus Linguistics 8: 2, 209-243. Talmy, L. (1985): Toward a cognitive semantics. Vol. 1 and 2. Cambridge, MA, MIT Press. Talmy, L. (2005): „Written interview on my work conducted by Iraide Ibarretxe: Part 1“, in Annual Review of Cognitive Linguistics, vol. 3, Amsterdam, John Benjamins, 325-347. Festschrift_V-435_End.indd 84 20.05.11 14: 36 <?page no="111"?> Le rapport entre valence et construction 85 Taylor, J. (1998): „Syntactic constructions as prototype categories“, in Tomasello, M. (éd.), The New Psychology of Language: Cognitive and Functional Approaches to Language Structure, volume 1. New Jersey, Lawrence Erlbaum, 177-202. Thompson, S./ Hopper, P. (2001): „Transitivity, clause structure, and argument structure: Evidence from conversation“, in Bybee, J./ Hopper, P. (éds.), Frequency and the emergence of linguistic structure, Amsterdam - Philadelphia, Benjamins, 27- 60. Traugott, E.C. (2008): „The grammaticalization of NP of NP constructions“, in Bergs, A./ Diewald, G. (éds.), Constructions and Language Change. Berlin/ New York, Mouton de Gruyter, 21-43. Traugott, E.C./ Trousdale, G. (2010): Gradience, Gradualness and Grammaticalization, Amsterdam, John Benjamins. Trousdale, G./ Gisborne, N. (2008): Constructional Approaches to English Grammar, Berlin/ New York, Mouton de Gruyter. Festschrift_V-435_End.indd 85 20.05.11 14: 36 <?page no="112"?> Festschrift_V-435_End.indd 86 20.05.11 14: 36 <?page no="113"?> Diskurstraditionen und Varietäten Festschrift_V-435_End.indd 87 20.05.11 14: 36 <?page no="114"?> Festschrift_V-435_End.indd 88 20.05.11 14: 36 <?page no="115"?> J OHANNES K ABATEK Diskurstraditionen und Genres 1 0 Einleitung Die Bedeutung eines Wissenschaftlers lässt sich bekanntlicherweise vor allem an dessen Rezeption und an der Aufnahme, die seine Werke in der Forschergemeinschaft erleben, messen. Nur bei manchen Forscherpersönlichkeiten geht dabei diese Aufnahme über die Beachtung im engeren Fachumfeld und eine jenseits dessen eher sporadische Rezeption hinaus, und nur selten gelingt es einem Individuum, ein Paradigma zu setzen, das den Weg bis in den Kanon einer Disziplin findet. Im Falle Peter Kochs nun gibt es - ein Blick in Einführungswerke und Handbücher mag dies bestätigen - derer gleich mehrere, allen voran die Koch/ Oesterreicher’schen Begriffe Nähe und Distanz. Ein weiterer Terminus aber hat eine ähnliche Verbreitung gefunden: In den letzten Jahren kann wohl kaum ein Konzept in der Romanistik auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken, die der des Begriffs der Diskurstraditionen vergleichbar ist. Peter Koch führte ihn in seiner leider unveröffentlicht gebliebenen, monumentalen Habilitationsschrift von 1987 in die Diskussion ein und trat damit - parallel zu seinem Weggefährten Wulf Oesterreicher - erstmals in der 1988 publizierten zweiten großen Coseriu-Festschrift an die Öffentlichkeit, wo es über die Frage der Angemessenheit von Äußerungen heißt: Doch orientiert sich die Angemessenheit nicht nur an den idiosynkratischen Parametern des je individuellen Diskurses, sondern auch an den Traditionen, in denen er steht. Dies sind einerseits natürlich die Sprachnormen, andererseits aber - gewissermaßen querliegend dazu - bestimmte Diskurstraditionen, die offensichtlich als Diskursnormen intersubjektiv gültig sind und den jeweiligen Sinn eines Diskurses mitkonstituieren, Textsorten, Gattungen, Stile usw. Es handelt sich dabei um Komplexe von Diskursregeln, die auf der Basis der Sprechregeln sowie der Sprachregeln operieren, aber im Unterschied zu ersteren nicht universal, sondern historisch und konventionell sind und im Gegensatz zu letzteren gerade nicht (oder allenfalls zufällig) an Sprachgemeinschaften gebunden sind. Wir erkennen hier die genuine Form der Historizität des Diskurses. (Koch 1988, 341-342) Für das ausgesprochen positive Echo, auf das der Begriff in der Forschergemeinschaft - insbesondere in der historischen Sprachwissenschaft - gestoßen ist, gibt es eine Reihe von Erklärungen, die im Rahmen einer wissenschaftsgeschichtlichen Betrachtung gegeben werden müssten und von denen ich hier nur zwei Aspekte andeuten möchte: Erstens ist in den im 20. Jahrhundert verbreiteten Auffassungenvon Sprache dieTraditionalitätweitgehend ausgeklammertworden 1 Ich danke Alessandra Castilho und Matthias Heinz für Hinweise zu diesem Text. Festschrift_V-435_End.indd 89 20.05.11 14: 36 <?page no="116"?> 90 Johannes Kabatek und es besteht somit eine Notwendigkeit, das Ausgegrenzte dort, wo es relevant ist, wieder hereinzuholen 2 ; zweitens bieten die Teilbegriffe des Kompositums, also ‚Diskurs‘ und ‚Tradition‘, eine Reihe von Anknüpfungsmöglichkeiten, die es scheinbar leicht machen, sich dem Paradigma der Diskurstraditionen zu nähern. Als dritter Grund kommt eine die Wissenschaftsgeschichte allgemein prägende Suche nach neuen Paradigmata und nach terminologischer Innovation hinzu 3 . Während jedoch der erste Grund zu einer tatsächlichen Notwendigkeit der Erneuerung führt, bergen Grund zwei und drei auch gewisse Gefahren, nämlich vor allem die Übernahme eines scheinbar innovativen Etiketts zur Bezeichnung von bereits Vorhandenem und damit verbunden die Uneinheitlichkeit der Verwendung des Begriffs - was im Falle eines Terminus nicht nur problematisch, sondern fatal ist und diesen letztlich unbrauchbar macht. Dabei zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass die terminologische Unschärfe nicht erst bei der Rezeption des Paradigmas außerhalb der deutschen Romanistik entsteht, sondern dass bereits hier eine gewisse Uneinheitlichkeit der Verwendung konstatiert werden kann; eine Uneinheitlichkeit, die dann bei der Übernahme des Begriffs noch verstärkt wird. Wir haben in einer Reihe von Arbeiten versucht, den Begriff in Entwicklung der ursprünglichen Idee Peter Kochs definitorisch zu fassen und ihn gemäß seines ursprünglichen Schaffungskontextes adäquat zu situieren und von dort aus zu entfalten 4 . Nun ergibt sich jedoch insbesondere bei der Rezeption hinsichtlich eines Bereichs ein immer wieder manifest werdendes Abgrenzungsproblem, nämlich bezüglich der Frage des Verhältnisses zwischen Diskurstraditionen und Textsorten, textuellen Genres oder Gattungen. Immer wieder wird nämlich der Begriff der Diskurstradition mit Genre gleichgesetzt, was so weit geht, dass z.T. die Tradition zur Untersuchung von Genres nun mit einem neuen Begriff versehen wird und damit eine vermeintliche Innovation vorgibt, die bei genauem Hinsehen nichts anderes ist als alter Wein in neuen Schläuchen. Die folgenden Gedanken sollen daher die Abgrenzung zwischen Diskurstradition und Genre nochmals diskutieren und begründen, weshalb eine Gleichsetzung beider Begriffe aus unserer Sicht zu vermeiden ist. Dabei möchte ich zunächst ein paar Worte zum Begriff der Diskurstraditionen sagen, dann den Begriff Genre bzw. Gattung diskutieren und schließlich kurz skizzieren, wie beide Begriffe sich in sinnvoller Weise ergänzen können. 2 In diesem Zusammenhang müssen unbedingt auch die Überlegungen von Brigitte Schlieben-Lange (v.a. 1983) genannt werden, die den Begriff der Diskurstraditionen wesentlich mit vorbereiten. 3 Für bestimmte Fälle des Erfolgs wie etwa in Spanien, Lateinamerika oder Japan lässt sich zudem eine allgemeine Tendenz zur Suche nach Alternativen zu vorherrschenden Paradigmata aus dem angloamerikanischen Raum beobachten. 4 Der meistzitierte, grundlegende Aufsatz, in dem Peter Koch die ganze Bandbreite der Diskurstraditionen skizziert, ist Koch 1997 (vgl. auch Oesterreicher 1997 und Kabatek 2005a-c sowie Kabatek (Hg.) 2008). Festschrift_V-435_End.indd 90 20.05.11 14: 36 <?page no="117"?> Diskurstraditionen und Genres 91 1 Diskurstraditionen Menschliche Sprache tritt immer in Form von Einzelsprache und somit als historisch gewachsenes Gebilde auf. Sprachen werden von Generation zu Generation weitergegeben, und diese Weitergabe bzw. Übernahme ist ein sprachliches Universale. Die Linguistik hat hierauf immer wieder verwiesen, wenn etwa Ch.F. Hockett die Universalität der Tradition im Sinne dessen, was einen menschlichen Sprecher von einer sprechenden Maschine unterscheiden würde, hervorhebt 5 oder wenn E. Coseriu die Historizität als Grundeigenschaft menschlicher Sprache ansieht. Dabei ergibt sich jedoch eine gewisse terminologische und begriffliche Unklarheit, weil nämlich Begriffe wie Historizität oder Tradition sich eigentlich auf verschiedene Phänomene beziehen, nämlich einerseits auf die Tatsache, dass Sprechen immer auf der Übernahme einer historisch gewachsenen Technik besteht und dass es andererseits geprägt ist von bereits getätigten Äußerungen. Bei Michel Foucault etwa führt dieser Unterschied zu der Feststellung, Sprache sei in Wahrheit ahistorisch; eigentlich historisch seien hingegen die Texte 6 . Hier ergibt sich also ein Widerspruch, wenn Sprache einerseits als grundlegend historisch, andererseits als geschichtslos bezeichnet wird. Die Lösung dieser Verwirrung liegt in der Unterscheidung einerseits zwischen Sprache und Text oder Diskurs, wie sie auch bei Foucault anklingt, andererseits zwischen verschiedenen Historizitäten, wie wir es in Anlehnung an Coseriu vorgeschlagen haben 7 : Wir können eine erste Historizität unterscheiden, die eigentlich nur genetisch historisch ist und in der Übernahme einer Technik besteht, die vom Sprecher qua Technik aufgenommen wird und ihm dann zur freien Produktion von Äußerungen dient. Diese Technik erlernt der Sprecher nicht als etwas Gegebenes, sondern er schafft sie anhand von gegebenen Äußerungen in sich selbst neu. Ab dem Moment, in dem er die Sprachtechnik erlernt hat, kann er selbstständig sprechen und braucht nicht mehr den Bezug zur Geschichte: Er hat diese Geschichte in Form einer Grammatik und eines Lexikons in sich aufgenommen, wie ein Vogel, der Fliegen gelernt hat - wobei allerdings das Fliegen genetisch vorherbestimmt ist, während nur das Sprechen im allgemeinen als Sprechfähigkeit, sicherlich nicht jedoch die einzelsprachliche Technik der partikulären Sprache über den genetischen Code vererbt wird. Ab dem Moment, wo das Individuum die Einzelsprache beherrscht, wird es selbst zum dynamischen Mitgestalter der Geschichte der Sprache; es ist ein Teil dieser Geschichte und damit, als in ihr Stehender, gewissermaßen von ihr befreit, weil 5 „The conventions of a language are passed down by teaching and learning, not through the germ plasm. Genes supply potentiality and a generalized drive since nonhuman animals cannot learn a (human) language and humans can hardly be prevented from acquiring one. Bee-dancing is probably genetic. […] Every human language has tradition […]. If we design and build a collection of machines that communicate among themselves with a language, this property will be lacking.“ (Hockett 1966, 11-12) 6 Foucault 1969, 260. 7 Kabatek 2005a, 31-36. Festschrift_V-435_End.indd 91 20.05.11 14: 36 <?page no="118"?> 92 Johannes Kabatek es sie in sich aufgenommen hat. Diese Historizität, die für die Sprache die wohl grundlegende ist, führt eben zu dem Eindruck, es handle sich bei der Sprache um ein geschichtsloses Wesen, weil das Wesen der Sprache nicht in der Historizität einzelner Ereignisse, sondern in einer abstrakten Technik zur Produktion von Ereignissen liegt. Dass aber diese Ereignisse selbst nicht nur einmalige historische Momente sind, sondern ihrerseits als Ereignisse aufeinander bezogen sein können, macht den Begriff der Diskurstraditionen notwendig: Sprechen ist nicht nur das Generieren von Äußerungen nach den einzelsprachlichen Regeln einer Grammatik und mittels eines einzelsprachlichen Wortschatzes, es ist auch Tradition im Sinne der Wiederholung von bereits Gesagtem, und neben der Wissenschaft von den Sprachsystemen muss in der allgemeinen Wissenschaft des Sprechens die Rolle dieser Tradition verankert sein - auch hinsichtlich ihrer Wechselbeziehung mit der Wissenschaft der Sprachsysteme. Übrigens ist gerade diese Wechselbeziehung fundamental für den zum Wesen der ersten Historizität gehörenden sprachlichen Wandel (cf. Koch 2008): Als historisch gewachsenes Gebilde hat das Sprachsystem seinerseits eine Geschichte. Wir können also zusammenfassen: Sprachsysteme sind historische Objekte, die vor den Sprechern als Techniken erlernt werden und mit denen sie individuelle Äußerungen schaffen. Die Sprachsysteme selbst sind nicht statisch, sondern werden durch die jeweiligen dynamischen Prozesse der Weitergabe und des Dialogs ständig verändert: Sprachen wandeln sich. Die individuellen Äußerungen sind historisch einmalig und in der Geschichte in ihrer Einmaligkeit räumlich und zeitlich situiert; sie können sich aber auf andere individuelle Ereignisse beziehen, diese wiederholen und verändern. Diese zweite Historizität, für die vielleicht der Begriff der Tradition angemessener ist, ist als kulturelle Tradition anderen Kulturtraditionen (etwa der Architektur, der Tradition des Kochens oder der Tradition sprachbegleitender Gesten) vergleichbar, das Besondere jedoch ist im Falle der Sprache, dass primäre und sekundäre Historizität in einem Objekt zusammenfallen. So ist ein Ausdruck wie in bocca al lupo einerseits nach den Regeln der italienischen Grammatik konstruiert, andererseits bezieht er sich auf eine bestimmte, wiederholbare Tradition des Sprechens, deren ‚Mehrwert‘ sich durch deren eigenständigen Zeichencharakter und deren Wiederholbarkeit ergibt. Diese Wiederholbarkeit nun kann sowohl kurze wie komplexe, lange Äußerungen betreffen, und sie kann vollständig oder partiell sein, sich auf Elemente der Form und des Inhalts beziehen. Die ‚zweite Historizität‘ ist nicht eingeschränkt auf eine bestimmte Ausformung dieser Tradition oder auf eine bestimmte kulturelle Präferenz; sie stellt zunächst nur eine zeitlich-räumliche Beziehung zwischen Redeereignissen fest, wobei diese Beziehung implizit oder explizit sein und sowohl durch die Intention des Sprechers als auch durch diejenige des Hörers zustande kommen kann. In seiner ganzen semiotischen Kraft steht also der Begriff der Diskurstradition als sprachtheoretischer Grundlagenbegriff vor allen konkreten Phänomenen; als theoretisches Axiom, dem alle konkreten Traditionserscheinungen als empirischkonkrete Phänomene sowie deren Verallgemeinerungen und Typisierungen Festschrift_V-435_End.indd 92 20.05.11 14: 36 <?page no="119"?> Diskurstraditionen und Genres 93 nachgeschaltet sind. Dies bedeutet, dass er alle konkreten Traditionsformen per definitionem einschließt, sei es die Tradition eines bestimmten Zitats, einer bestimmten Grußform, die Tradition einer Form wie des Sonetts oder des wissenschaftlichen Aufsatzes einschließlich der Tradition der Einleitung in einen Aufsatz, des Zitierens oder des Gliederns; schließlich aber auch gruppenspezifische oder institutionscharakteristische Traditionen wie etwa die Tradition der konservativen französischen Parlamentarier im Gegensatz zu der Tradition ihrer progressiven Kontrahenten - bis hin zur mittlerweile in diesem Zusammenhang viel zitierten Tradition der „Berliner Schnauze“, die Peter Koch in seinem Aufsatz von 1997 nennt; einer lokalen Redetradition, die etwa mit Traditionen in Hannover, in Baden, Mainz oder Schwaben kontrastiert. Und in dieser Weite schließt der Begriff auch Phänomene, die sich auf Sprachlich-Traditionelles jenseits der Grammatik beziehen und die von der Sprachwissenschaft als solche immer wieder identifiziert wurden, mit ein: Textformen, Texttypen, Textsorten, Gattungen, Genres 8 . 2 Diskurstradition und Genre Von all diesen Begriffen ist sicherlich derjenige der Gattung oder des Genres der komplexeste, da er zum einen die längste Tradition hat und zum anderen auch bis heute in einer Vielzahl von Theorien terminologisiert wurde. Aufgrund seiner abendländisch-rhetorischen Herkunft wird der Begriff als Allgemeingut angesehen. Schon in seiner klassischen Verwendung jedoch wird er nicht als sprachtheoretisches Axiom, sondern als von bestimmten konkreten, kulturspezifischen Realisierungen ausgehend definierte Größe angesehen; so ist etwa die Gerichtsrede, das génos dikanikón, sicherlich weder ein Universale noch Teil einer universellen Klassifikation, sie entspricht vielmehr einer bestimmten Diskurstradition in der abendländischen - zunächst der griechischen, dann der römischen - Tradition. Solche Bestimmungen von der Verallgemeinerung der Produkte her sind bei den Versuchen der Klassifikation textueller Tradition bis in die Gegenwart dominant, und dies sowohl in solchen Arbeiten, die sich explizit mit der Klassifikation von Texten beschäftigen 9 als auch in Arbeiten, für die diese Klassifikation nur sekundär ist. Oft werden dabei diejenigen Klassifikationen und Abgrenzungen zugrunde gelegt, die in der Sprachgemeinschaft zur Verfügung stehen und es wird etwa als Essay identifiziert, was als Essay bezeichnet wird 10 . Sicherlich ist es nicht falsch, die in der Bezeichnung liegende Intuition zur Grundlage der Bestimmung des Gegenstands zu machen, jedoch ist die explizite Bestimmung damit noch nicht erfolgt, sondern lediglich durch ihre intuitive Grundlegung angestoßen. Je nach Forschungsinteresse werden entwe- 8 Die Inhaltsdoublette Gattung/ Genre wird teilweise terminologisch differenziert; historisch war Gattung ein deutscher Ausdrucksneologismus für lat. GENUS / gr. génos; daneben wurde der Begriff Genre mehrfach aus dem Französischen und - v.a. in jüngerer Vergangenheit auch aus dem Englischen - übernommen. 9 Insbesondere die v.a. germanistischen Arbeiten zu den Textsorten wären hier zu nennen. 10 Cf. Loureda Lamas 2003. Festschrift_V-435_End.indd 93 20.05.11 14: 36 <?page no="120"?> 94 Johannes Kabatek der bereits gruppierte Objekte aufgrund ihrer schon vorgefundenen Einteilung als solche hingenommen oder aber es werden verschiedenartige Einzelobjekte zu größeren Gruppen zusammengefasst, wenn wir etwa in der empirischen Korpuslinguistik Differenzierungen wie ‚literarische Texte‘, ‚juristische Texte‘ oder ‚journalistische Texte‘ finden. Solche Klassifikationen stellen die Identifikation dieser Bereiche nicht in Frage und untersuchen sie nicht von ihrer Traditionalität oder ihrer Konstitution her, sondern sie setzen sie als gegeben voraus. Dies ist keinesfalls grundsätzlich zu kritisieren, es wird aber einerseits von den Produkten her nicht das Prinzip der Historizität geklärt und zweitens verleiten die Produkte zu Verallgemeinerungen, die mitunter problematisch sind: Wie wir in unseren Arbeiten zu juristischen Traditionen des romanischen Mittelalters gezeigt haben, ist etwa das, was zuweilen grob als ‚juristisches Genre‘ bezeichnen wird, beim genaueren Hinsehen ein komplexes Geflecht von Ausdrucks- und Inhaltstraditionen, die zudem keinesfalls isoliert sind, sondern ihrerseits mit Traditionen anderer Bereiche (dem Alltag, der Literatur, der Wissenschaft) eng zusammenhängen und auch in sich selbst differenziert Bezüge zu verschiedenen Traditionen herstellen. Auch der Begriff des Texttyps als Oberbegriff über verschiedenen Textsorten bietet hier keine Lösung: es geht nicht nur darum, eine taxonomische Ordnung von Textklassifikationen etwa mit einem Texttyp als Hyperonym und Textsorten in darauf bezogener hyponymischer Unterordnung zu identifizieren. Diese Begriffe sind nützlich, weil sie die textuelle Organisation der Gesellschaft identifizieren helfen und zeigen, wie Menschen das Traditionelle systematisieren. Sie sind aber Effekte des Traditionellen, Früchte des Prinzips der Tradition und nicht Begriffe, die sich auf das zugrundeliegende sprachtheoretische Prinzip beziehen. Wesentlich näher an dem hier Intendierten steht der Begriff der Diskursgenres von Mihail Bachtin 11 . Schon früh erkannte Bachtin die Beschränkung, die der Saussuresche langue-Begriff bezüglich der Traditionalität bedeutete. Bachtins Genre-Begriff hatte wohl vor allem zum Ziel, die Komplexität der ‚literarischen‘ Traditionen sprachtheoretisch zu fassen, mit dem Ausgangspunkt der ‚primären Genres‘ geht es ihm jedoch durchaus auch um die Tradition in einem umfassenden, sprachtheoretischen Sinn. Nur dass die moderne Bachtin-Rezeption meist gerade nicht den ganzen Umfang des Genre-Begriffs zu entfalten versucht, sondern diesen auf die literarischen Aspekte, v.a. die seit Kristeva zentrale Frage der literarischen Intertextualität, beschränkt. Im Kern kann Bachtins Strukturalismuskritik sicherlich eine Vorläuferschaft des Diskurstraditionsbegriffes beanspruchen, allerdings ohne dessen Entfaltung mit all ihren Konsequenzen zu leisten: wenn heute vielerorts von einer Bachtinschen Genre-Theorie gesprochen wird, so geht es eigentlich um ein Etikett ohne umfassende Füllung. 11 Bakhtin 1989. Festschrift_V-435_End.indd 94 20.05.11 14: 36 <?page no="121"?> Diskurstraditionen und Genres 95 3 Versuche der Klassifikation Auch im Bereich der deutschen Romanistik und den grundlegenden theoretischen Beiträgen zum Thema Diskurstraditionen ist die Klärung der Tragweite des Begriffs und damit die genaue Abgrenzung gegenüber dem Gattungs- und anderen Begriffen nicht wirklich eindeutig. Im Allgemeinen wird identifiziert, dass ein bestimmtes Phänomen oder bestimmte Phänomene einer Diskurstradition entsprechen und dabei die grundlegende Bedeutung der Diskurstradition hervorgehoben; die vollständige Erfassung dessen, was unter diesen Begriff fällt, bleibt jedoch meist aus. Zuweilen scheint es dann so, als sei der Begriff der Diskurstradition dem der Textsorte oder der Gattung synonym oder aber es bestehe eine taxonomische Beziehung zwischen Diskurstradition und Gattung (cf. Schrott 2007). Einen relativ breit angelegten Versuch der Gesamtschau hat Raymund Wilhelm in mehreren Beiträgen unternommen 12 . Er unterscheidet dabei drei Bereiche von Diskurstraditionen: Formeln, Textformen und Diskursuniversen. Diese drei Bereiche stellen unterschiedliche Abstraktionsgrade von Diskurstraditionen dar, die ineinander kombiniert sein können: Eine bestimmte Formel kann Teil einer bestimmten Form sein; diese wieder ist in einem bestimmten Diskursuniversum verortbar. Sicherlich auf den ersten Blick einleuchtend sind die ersten beiden Abstraktionsgrade, hinsichtlich der Diskursuniversen jedoch mag man sich fragen, ob es hier um Bereiche der Tradition geht oder vielmehr um wirkliche Universalien, die dann jenseits der Tradition stünden. Der Begriff des Diskursuniversums hat verschiedene Väter und ist in verschiedener Weise bestimmt worden; Wilhelm übernimmt die Auffassung Coserius, der vier Redeuniversen unterscheidet 13 : 1) das Universum des Alltags 2) das Universum der Fiktion 3) das Universum der Religion 4) das Universum der Wissenschaft Im Gegensatz zu feinmaschigeren Einteilungen, die etwa Bereiche wie die Jurisprudenz, die Mathematik oder die Philosophie als eigenständige Diskurs- oder Redeuniversen bezeichnen, bezieht sich diese Einteilung auf die grundlegenden semiotischen Verhältnisse, die jedem Sprechen zugrunde liegen, wobei sie das Verhältnis von Subjekt und Objekt als fundamentales Einteilungskriterium heranziehen: Im Universum des Alltags spricht das Subjekt aus subjektiver Perspektive über die Objekte; im Universum der Fiktion spricht das Subjekt über Objekte, die als nicht existent angenommen werden und einer ‚geschaffenen‘ Welt der Phantasie entsprechen; im Universum der Religion (oder des Glaubens) wird über eine ‚andere Welt‘ gesprochen, die nicht überprüfbar ist und dennoch als existent vorausgesetzt wird; und schließlich, im Universum 12 Cf. u.a. Wilhelm 2001, 2003, 2011. 13 Cf. Coseriu 2006. Festschrift_V-435_End.indd 95 20.05.11 14: 36 <?page no="122"?> 96 Johannes Kabatek der Wissenschaft, werden die Objekte als Objekte in ‚objektiver‘ Sicht beschrieben 14 . Kulturgeschichtlich gesehen entspricht die Reihenfolge der Anordnung der Diskursuniversen vier Entwicklungsstufen, deren erste drei wir nur annehmen können und deren vierte tatsächlich im Horizont unserer historischen Erfahrung liegt. Wir nehmen an, dass die Welt des Alltags die erste war, da schließlich die Welt der Fiktion aus ihr abgeleitet ist und ohne sie nicht denkbar wäre. Die Welt der Religion wiederum steht logisch gesehen nach der Welt der Fiktion, da sie eine Welt der Fiktion ist, zu welcher der Glaube als ein Mehr hinzukommt. Ob in Wahrheit diese Reihenfolge zutrifft oder die Religion vor der Fiktion steht oder aber - wie es vielleicht wahrscheinlicher ist - beide zunächst gemeinsam entstehen und erst später eine Trennung stattfindet - das mag dahingestellt bleiben 15 . Sicherlich ist jedoch die Wissenschaft erst eine jüngere Erfindung, die für das Abendland ihre Wurzeln im klassischen Verständnis der Objektivität hat, wie es, mit antiken Vorläufern, erst im Mittelalter mit der Entstehung der Universität und einer eigenständigen Scientia seine wahre Gestalt annimmt. Diskursuniversen sind also kulturgeschichtlich aufeinander aufbauende ‚Welten‘, die durch das Verhältnis von Sprecher, Zeichen und Welt bestimmbar sind. Sie werden manifest in ‚Diskursen‘, alltäglichen, fiktionalen, religiösen oder wissenschaftlichen, und diese Diskurse haben jeweils Traditionen. Diskursuniversen sind damit die allgemeinsten Umfelder, in denen Diskurse situiert sind, gewissermaßen Rahmen, in denen Diskurstraditionen verortet sind, ohne dass die Universen selbst für uns überhaupt noch in ihrer Traditionalität manifest werden, allenfalls in diesem allgemein-kulturgeschichtlichen Sinne, der jedoch sozusagen hinter die konkreten Traditionen getreten ist 16 . Diese hingegen scheinen so komplex und vielfältig, dass sie nicht nach einem bestimmten Kriterium erfasst werden können, sondern in mehreren Dimensionen bestimmt werden müssen. 14 Der Dekonstruktivismus hat versucht, die Unmöglichkeit dieser Ausdifferenzierung zu beweisen und darauf hinzuweisen, dass alle Welten - also auch Religion, Wissenschaft und Alltag - eigentlich auf Konstruktionen beruhen, da der direkte Zugang zu den Objekten den Menschen verwehrt ist. Diese Kritik mag berechtigt sein, sie vermag jedoch nicht, die kulturelle Leistung der Ausdifferenzierung der verschiedenen Diskursuniversen, die Grundlage unserer gesellschaftlichen Organisation ist, zunichte zu machen - allenfalls als intellektuelles Spiel, keinesfalls aber mit allen realen (das Wort sei mir nachgesehen! ) Konsequenzen. 15 Gerade in den letzten Jahren ist im Zuge der - allerdings mehr als umstrittenen - Arbeiten Daniel Everetts zu dem Amazonasvolk Pirah-, das angeblich keine fiktionalen und keine jenseitsbezogenen Welten kennt, erneut die Frage der Universalität von Religion aufgeworfen worden. 16 Zum Begriff der Diskurs- oder Redeuniversen ist noch anzumerken, dass sich aus den vier Universen auch zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten ergeben, wenn zwischen einer vordergründigen und einer hintergründigen Finalität der Texte unterschieden wird. So sind manche von Borges’ Ficciones vordergründig wissenschaftlich, hintergründig jedoch fiktional; die Haupthandlungsstränge des Pentateuch sind vordergründig alltäglich und hintergründig religiös. Literarische Strömungen wie Realismus oder magischer Realismus spielen gerade mit dieser Kombinatorik. Festschrift_V-435_End.indd 96 20.05.11 14: 36 <?page no="123"?> Diskurstraditionen und Genres 97 4 Die Wiederholbarkeit von Texten Lassen wir an dieser Stelle einmal zwei wesentliche Abgrenzungen als gegeben gelten, die an anderer Stelle präzisiert werden müssen und die keineswegs ganz unproblematisch sind: die Abgrenzung der zweiten Historizität von der ersten Historizität der einzelsprachlichen Grammatik einerseits und die Abgrenzung von universellen Prinzipien sprachlichen Handelns, Prinzipien der Pragmatik also, andererseits. Nur so viel sei hier gesagt: zwischen Diskurstraditionen und Grammatik scheint es ein wechselseitiges Beeinflussungsverhältnis zu geben, das sich insbesondere in ‚peripheren‘ Zonen der Grammatik manifestiert, und zwischen Diskurstradition und Pragmatik ein generisches Verhältnis, demzufolge sich Diskurstraditionen aus bestimmten Handlungszusammenhängen heraus verselbständigen können. Setzen wir aber die Grundannahme hier einfach voraus, dass sprachliche Produkte - also ‚Texte‘ - nicht in jedem Äußerungsakt nur mit Bezug auf Grammatik und Wortschatz, sondern auch mit Bezug auf bereits geäußerte Texte geschaffen werden (indem sie bereits Geäußertes wiederholen oder variieren oder auch Wiederholung oder Variation vermeiden), so können wir uns fragen, welche Faktoren bei der Klassifikation dieser Produkte eine Rolle spielen können - Faktoren, die beim Sprechen relevant sind und den jeweiligen Traditionsbezug steuern. Da die traditionsfähigen Phänomene unendlich sind, scheint es hier angemessen, eine Reihe von Einzelphänomenen heranzuziehen, zu typisieren und zu ordnen 17 . Als Ordnungsprinzip liegt es nahe, verschiedene Kontinua zu setzen und die Einzelphänomene darauf zu verorten. Dabei nimmt jedes Einzelphänomen auf jedem der einzelnen Kontinua eine bestimmte Position ein. Beginnen wir mit der vielleicht einfachsten Form von Diskurstradition, der unmittelbaren Wiederholung einer Äußerung, etwa eines Grußes wie „Hallo“. Eine solche Äußerung gehört der alltäglichen Kommunikation an, sie ist üblicherweise mündlich, sie ist eingebunden in eine bestimmte Situation, ihre Wiederholung bezieht sich auf Ausdruck und Inhalt und die Äußerung ist kurz, in diesem Falle ein Wort umfassend. Auf der anderen Seite der Kontinua könnte etwa die Tradition des Romans stehen, die dem Alltag enthoben, schriftlich, situationsunabhängig und lang ist; zudem besteht sie nicht in der Wiederholung von Ausdruck und Inhalt, nicht in formelhafter Wiederkehr, sondern in ausschließlich formaler Übereinstimmung, bei der kein einziges Inhalts- oder Ausdruckselement wiederholt werden muss. Eine Reihe weiterer Faktoren korrelieren mit diesen Kontinua: je alltäglicher und 17 In neueren Arbeiten etwa im Bereich von Syntax oder Pragmatik wird bei der Evokation von Bekanntem oder Traditionellem häufig sehr pauschal vom ‚Weltwissen‘ gesprochen, wobei hierunter nicht nur Wissensbestände der Tradition, sondern auch universelle, auf die Natur bezogene Wissensbestände verstanden werden. Es scheint mir sinnvoller, hier etwa in Anlehnung an Coserius Klassifikation von „ Umfeldern “ (Coseriu 2006, 124-137) die Frage des jeweiligen Anteils von Traditionellem an den verschiedenen, z.T. kopräsenten Umfeldern eines Textes zu betrachten und so zu einer umfassenden Analyse der Traditionsdimensionen des Textes zu gelangen. Festschrift_V-435_End.indd 97 20.05.11 14: 36 <?page no="124"?> 98 Johannes Kabatek situationsbezogener die Tradition, desto weniger verortbar pflegt ihre Autorschaft zu sein, die im Nebel des Kollektivs verschwimmt. Je alltagsenthobener die Tradition, desto artefaktischer und individuell variierender. Auch wenn prinzipiell die Freiheit der Veränderung allen Diskurstraditionen - wie dem Sprechen schlechthin - innewohnt, so ist sie dennoch beim Alltagszeichen stärker eingeschränkt, da das Alltagszeichen ja gerade den Mehrwert der Diskurstradition aufgrund der uneingeschränkten Wiederholungen erhält, die es auch verkürzbar machen. Nahmt! steht als verkürztes Zeichen für guten Abend und somit als Index für ein komplexeres Grußzeichen. Dennoch wäre es vorschnell, die unmittelbare Wiederholung mit dem Alltag gleichzusetzen. Diskurstraditionen, die aus der unmittelbaren Wiederholung eines Ausdrucks bestehen, finden wir auch im Bereich juristischer oder religiöser Formeln; beim Schwören, Heiraten, Taufen etc. Und es finden sich Formen der wörtlichen Wiederholung, die gerade nicht situationell festgelegt sind, wie Sprichwörter oder Phraseologismen oder Zitate. Hier zeigt sich auch ein Beispiel der Koexistenz verschiedener Ebenen des Traditionellen: in einem Text, in dem ein literarisches Zitat vorkommt, ist sowohl das Zitat selbst eine Tradition - nämlich die Tradition dieses spezifischen Zitats - als auch die Tradition des Zitierens als solche. 18 Bei komplexeren Formen von Diskurstraditionen ist die Bestimmung des Traditionellen oft weniger eindeutig und vielfältiger. Ein Leitartikel einer Zeitung schreibt einerseits aufgrund seiner Verortung die journalistische Tradition des Leitartikels fort, darüber hinaus mag er verschiedene Traditionen evozieren, die wir auf zwei Achsen anordnen und als ‚syntagmatisch‘ und ‚paradigmatisch‘ bezeichnen können: in syntagmatischer Hinsicht ist der Leitartikel in verschiedene Segmente horizontal aufteilbar, die Tradition der Überschrift ist eine eigenständige genau wie die Traditionen der anderen Textabschnitte. In paradigmatischer Hinsicht spiegelt der Leitartikel eine bestimmte Tradition der Behandlung des Inhaltes, wie sie in Leitartikeln üblich ist; das behandelte Thema kann aber seinerseits Traditionen seiner Behandlung evozieren. Darüber hinaus mag die Darstellung des Sachverhaltes unterschiedlichen Traditionen zwischen Darstellung und Meinung entsprechen und schließlich eine bestimmte ideologische Orientierung widerspiegeln. Die Liste dieser Traditionsverschachtelungen ist erweiterbar; zentral für das theoretische Erfassen der diskursiven Tradition ist einzig das, was wir das Prinzip der traditionalen Kompositionalität nennen können: Ein Text kann gleichzeitig einer ganzen Reihe kopräsenter Traditionen entsprechen, deren Identifikation Aufgabe einer detaillierten empirischen Diskurstraditionsforschung ist. Dabei ist jeder Ausgangspunkt gerechtfertigt; es wird aber naheliegen, von objektiv gegebenen Verortungen auszugehen und von hier aus die weiteren Traditionszusammenhänge zu suchen. Solche ‚objektiven‘ Verortungen sind etwa die kontextuellen Lokalisierungen oder die expliziten 18 Bei den Phraseologismen zeigt sich auch, dass es Techniken von Traditionen gibt, wie auch bei anderen Traditionen: wenn ich im Spanischen einer Person, die zum Frisör geht buen corte wünsche, so wird dies analog zu anderen Gruß- und Wunschformeln identifiziert. Ein inexistentes Sprichwort wie anillo que brilla dinero cuesta wird ebenfalls als ‚Schein-Phraseologismus ‘ identifiziert werden. Festschrift_V-435_End.indd 98 20.05.11 14: 36 <?page no="125"?> Diskurstraditionen und Genres 99 Bezeichnungen von Traditionen; etwa ein Leitartikel, der Leitartikel genannt wird und als solcher an einer bestimmten Stelle der Zeitung erscheint 19 . Das wirkliche Potenzial des Begriffs der Diskurstraditionen geht also weit über die konkrete Beschreibung einer bestimmten Form von Tradition der Texte hinaus: Es geht darum, die ganze Bandbreite des Traditionellen in Texten aufzudecken und in allen Fragen der sprachlichen Beschreibung - gerade auch denjenigen der Grammatik oder der Pragmatik - die Bedeutung textueller Tradition zu bestimmen. Daher sind seine Konsequenzen viel weitreichender als die des Gattungsbegriffs, es sei denn man verträte einen Gattungsbegriff, der das hier nur angedeutete ganze Maß des Traditionellen einschließt - aber das würde der Tradition dieses Begriffes sicherlich widersprechen. Für alle eingeschränkteren Begriffe von Gattungen aber gilt: Alle Gattungen bzw. Genres sind Diskurstraditionen, aber nicht alle Diskurstraditionen sind Gattungen. 5 Bibliographie Bakhtin, M.M. (1989): El problema de los géneros discursivos, México, Siglo XXI (russ. Orig. Moskau 1986). Coseriu, E. (2006): Textlinguistik. Eine Einführung, 4. Aufl., Tübingen, Narr. Foucault, M. (1969): L’archéologie du savoir, Paris, Gallimard. Hockett, C. (1966): „The problem of universals in language“, in Greenberg, J. (Hg.), Universals of language, Cambridge, Mass., MIT Press, 1-29. Kabatek, J. (2005a): Die Bolognesische Renaissance und der Ausbau romanischer Sprachen. Juristische Diskurstraditionen und Sprachentwicklung in Südfrankreich und Spanien im 12. und 13. Jahrhundert, Tübingen, Niemeyer. Kabatek, J. (2005b): „Tradiciones discursivas y cambio lingüístico“, in Lexis 29/ 2, 151-177. Kabatek, J. (2005c): „Las tradiciones discursivas del español medieval: historia de textos e historia de la lengua“, in Iberoromania 62, 28-43. Kabatek, J. (Hg.) (2008): Sintaxis histórica del español y cambio lingüístico: Nuevas perspectivas desde las Tradiciones Discursivas, Frankfurt/ Madrid, Vervuert/ Iberoamericana. Koch, P. (1987): Distanz im Dictamen. Zur Schriftlichkeit und Pragmatik mittelalterlicher Brief- und Redemodelle in Italien, Freiburg im Breisgau, maschinengeschriebenes Manuskript. Koch, P. (1988): „Norm und Sprache“, in Albrecht, J./ Lüdtke, J./ Thun, H. (Hgg.), Energeia und Ergon. Studia in Honorem Eugenio Coseriu, Vol. II, Tübingen, Narr, 327-354. Koch, P. (1997): „Diskurstraditionen: zu ihrem sprachtheoretischen Status und ihrer Dynamik“, in Frank, B./ Haye, T./ Tophinke, D. (Hgg.), Gattungen mittelalterlicher Schriftlichkeit, Tübingen, Narr, 43-79. Koch, P. (2008): „Tradiciones discursivas y cambio lingüístico: el ejemplo del tratamiento vuestra merced en español“, in Kabatek, J. (Hg.) 2008, 53-88. Loureda Lamas, O. (2003): Los nombres de los tipos de texto. El campo léxico ‚lo que se dice‘ en español actual, Pamplona, EUNSA. Oesterreicher, W. (1997): „Zur Fundierung von Diskurstraditionen“, in Haye, T./ Tophinke, D. (Hgg.), Gattungen mittelalterlicher Schriftlichkeit, Tübingen, Narr, 19-41. Schlieben-Lange, B. (1983): Traditionen des Sprechens. Elemente einer pragmatischen Sprachgeschichtsschreibung, Stuttgart, Kohlhammer. 19 Übrigens birgt gerade die explizite Bezeichnung eines Textes auch ein großes Potenzial der Abweichung von der Tradition: ein Roman, der explizit so bezeichnet wird, kann auch Kochrezepte oder wissenschaftliche Abhandlungen enthalten. Festschrift_V-435_End.indd 99 20.05.11 14: 36 <?page no="126"?> 100 Johannes Kabatek Schrott, A. (2007): Fragen und Antworten in historischen Kontexten. Ein Beitrag zur historischen Dialoganalyse und zur historischen Pragmatik am Beispiel altspanischer literarischer Texte, Habil. Schrift, Bochum. Wilhelm, R. (2001): „Diskurstraditionen“, in Haspelmath, M./ König, E./ Oesterreicher, W./ Raible, W. (Hgg.), Language Typology and Language Universals. An International Handbook, I, Berlin/ New York, de Gruyter, 467-477. Wilhelm, R. (2003): „Von der Geschichte der Sprachen zur Geschichte der Diskurstraditionen. Für eine linguistisch fundierte Kommunikationsgeschichte“, in Aschenberg, H./ Wilhelm, R. (Hgg.), Romanische Sprachgeschichte und Diskurstraditionen, Tübingen, Narr, 221-236. Wilhelm, R. (2011): „Die Scientific Community - Sprachgemeinschaft oder Diskursgemeinschaft? Zur Konzeption der Wissenschaftssprache bei Brunetto Latini und Jean d’Antioche“, in Dahmen, W./ Holtus, G./ Kramer, J./ Metzeltin, M./ Schweickard, W./ Winkelmann, O. (Hgg.), Die romanischen Sprachen als Wissenschaftssprachen, Tübingen, Narr, 121-153. Festschrift_V-435_End.indd 100 20.05.11 14: 36 <?page no="127"?> T HOMAS K REFELD Sag mir, wo der Standard ist, wo ist er (in der Varietätenlinguistik) geblieben? 1 „[…] auf jeden Fall im rechten Bereich des Schemas“ Zu den Erfolgsgeschichten der neueren deutschsprachigen Romanistik gehört zweifellos die Varietätenlinguistik. Diese Richtung wurde zwar von Leif Flydal initiiert, jedoch erst von Eugenio Coseriu etabliert und von mehreren seiner direkten und indirekten akademischen Schüler verbreitet (vgl. Völker 2009). Eine wirklich außerordentliche Resonanz fand dabei zweifellos die Gesprochene Sprache in der Romania von Peter Koch und Wulf Oesterreicher (1990/ 2007). Als ganz besonders fruchtbar erwies sich in diesem Zusammenhang die Konzeptualisierung des Varietätenraums in Gestalt des „Nähe/ Distanz-Kontinuums“. Fig. 1: Der einzelsprachliche Varietätenraums zwischen Nähe und Distanz (aus: Koch/ Oesterreicher 1990, 15). Allerdings zeichnet sich in der Breite der Rezeption inzwischen die kritische Grenze produktiver Auseinandersetzung ab, jenseits derer die Referenz auf eine nur mehr topische Funktion absinkt. Der Augenblick für eine konstruktive Auseinandersetzung ist, mit anderen Worten, gekommen, und der schöne Anlass des vorliegenden Bandes ist geradezu ideal, um einen speziellen Aspekt, nämlich den varietätenlinguistischen Umgang mit dem Standard im Licht kontroverser Auffassungen, zu diskutieren. Dieser Ausdruck wird zwar sowohl in Koch/ Oesterreicher 1990 als auch in der spanischen Übersetzung (und zweiten Auflage) von 2007 nur beiläufig gebraucht (1990, 188, 236; 2007, 350, 371; s.u.), aber das Konzept wird unter der synonymen Bezeichnung der ‚präskriptiven Norm‘ an prominenter Stelle explizit behandelt und auf das eingangs zitierte Schema projiziert: Festschrift_V-435_End.indd 101 20.05.11 14: 36 <?page no="128"?> 102 Thomas Krefeld […] die präskriptive Norm [ist] eine Art ‚Über-Norm‘, die sich durch einen prinzipiellen Ausschließlichkeitsanspruch und durch hohe Stabilität (‚Konservatismus‘) auszeichnet. Durch Kodifizierung und institutionelle Absicherung wird hier die innere Historizität von Sprache […] ein Stück weit ‚aufgehoben‘. […] Eine ausgezeichnete Interpretationsbasis für diesen Prozeß der präskriptiven Normierung bietet nun gerade das Nähe/ Distanz-Kontinuum. Aus den universalen Kommunikationsbedingungen der Distanz ergeben sich nämlich nicht nur bestimmte einzelsprachübergreifende Versprachlichungsstrategien […], sondern auch bestimmte Anforderungen auf einzelsprachlicher Ebene (Distanzsprache), und zwar gerade hinsichtlich der verwendbaren Varietäten. So erfordert die Kommunikation über sehr große Zeiträume hinweg (zeitliche Distanz) eine erhebliche Stabilität der sprachlichen Regeln, ein sehr großer Kommunikationsradius (räumliche Distanz) und eine breite Öffentlichkeit machen die Setzung einer diatopisch ‚neutralen‘ Sprachvarietät wünschenswert; physische (räumliche und zeitliche) Distanz und Fremdheit der Kommunikationspartner verlagern die Möglichkeiten der Selbstdarstellung des Produzenten ganz ins Sprachliche, so daß sich die Verwendung diastratisch und diaphasisch höher bewerteter Varietäten anbietet. Diesen Anforderungen entsprechen nun genau die Merkmale der präskriptiven Norm, die somit in gewissem Sinn Distanzsprache par excellence ist. Bei allen Detailunterschieden von Sprache zu Sprache […] ist die präskriptive Norm auf jeden Fall im rechten Bereich des Schemas zu lokalisieren. (Koch/ Oesterreicher 1990, 15f.) Damit erhält der Standard (bzw. die präskriptive Norm) zwar den Status einer Varietät, gleichzeitig wird er jedoch einer genauer Positionierung im Varietätenraum entzogen, da er im Unterschied zu den anderen Varietäten nicht in einer einzigen Dimension angesiedelt ist, sondern ausdrücklich mit allen Dimensionen in Verbindung gebracht wird. Andere Handbücher teilen zwar diese Auffassung der multidimensionalen Markierung des Standards „im rechten Bereich“ 1 und reflektieren so zweifellos die Diachronie in Gestalt der Bedingungen, unter denen die „Kodifizierung“ erfolgt ist. Denn dafür wurden ja durchweg stilistisch und sozial hohe Varietäten selektiert. Längere Standardgeltung bedeutet jedoch als direkte Folge des im Zitat genannten „Ausschließlichkeitsanspruchs“ in vielen Fällen gerade einen Markierungsverlust, der grundsätzlich alle Dimensionen betrifft, obwohl er in der Diatopik, d.h. im Blick auf den diatopischen Ursprung des Standards besonders augenfällig wird. Aus Sicht des Sprechers verkörpert der Standard daher auch ‚die‘ Einzelsprache schlechthin, wie der in zahlreichen Gemeinschaften weithin übliche Gebrauch der Glottonyme zeigt: deutsch, italienisch usw. stehen für ‚hochdeutsch‘, ‚italiano standard‘ usw. einerseits und andererseits für die historischen Sprachen mit all ihren Varietäten. 1 So etwa Dardano 2005: „Lingua standard è detta di una varietà linguistica che è particolarmente apprezzata nella scala dei valori sociali. Si fonda spesso sul parlato delle persone colte provenienti da un centro culturalmente e/ o politicamente rilevante. In una comunità linguistica tale varietà di prestigio è presa di solito a modello per il parlato formale e per la lingua scritta.“ (Dardano 2005, 295) Festschrift_V-435_End.indd 102 20.05.11 14: 36 <?page no="129"?> Sag mir, wo der Standard ist 103 Die Suche nach dem Standard im Varietätenraum der Gesprochenen Sprache in der Romania erinnert ein wenig an die Jagd nach dem Panther 2 , die Dante in De vulgari eloquentia als Metapher für die Suche nach einer italienischen Hochsprache beschwört: Zwar nimmt man seine Witterung allenthalten auf, doch zu Gesicht bekommt man ihn nirgendwo. Es sieht also ganz so aus, als ob die Behandlung des Standards im skizzierten Rahmen doch nicht so einfach ist; in gewisser Hinsicht führt der Versuch in eine Aporie, denn wir haben es aus Sicht des Linguisten zweifellos mit einer Varietät zu tun und in vielen Sprachen wahrscheinlich gerade mit der am besten bekannten und am zuverlässigsten abzugrenzenden Varietät überhaupt - sie wird ja mindestens in der Schriftlichkeit vom Kriterium der ‚Korrektheit‘ gesichert. Aber gleichzeitig steht sie außerhalb der Dimensionen, mit denen der Varietätenraum (nicht der Raum der Variation) im zitierten Modell konzipiert wird, und kann als Varietät eigentlich nicht erfasst werden: 3 Standardhaftigkeit ist kein Parameter der Variation. Sachlich und logisch wird der Standard jedoch sowohl diachron als auch synchron vorausgesetzt: In diachroner Hinsicht wird die Zusammengehörigkeit der Varietäten im Rahmen einer ‚historischen Einzelsprache‘ (mit Ausnahme der wenigen Nur-Abstandsprachen) 4 erst durch die Existenz einer Standardvarietät gestiftet, weil sie als gemeinsame Dach- und Referenzvarietät fungiert. In synchroner Hinsicht bildet der Standard die Vergleichsgrundlage, auf Grund derer eine Varietät als ‚stark‘ bzw. ‚schwach‘ markiert eingestuft werden kann. 2 „[…] una varietà di lingua non marcata su nessuno degli assi della variazione“ Angesichts der skizzierten Probleme ist es wenig überraschend, dass auch eine diametral entgegengesetzte Meinung vertreten wird, in der die Standardvarietät zum Gravitationspunkt des Varietätenraums avanciert. So bestimmt Mari D’Agostino den Standard als die schlechthin unmarkierte Varietät, also gewissermaßen als Negation aller anderen, nämlich der markierten Varietäten, die folglich als ‚Nonstandard‘ etikettiert werden: 2 Vgl. Dante, De vulgari eloquentia, I-xvi, „Postquam venati saltus et pascua sumus Ytalie nec panteram quam sequimur adinvenimus, ut ipsam reperire possimus, rationabilius investigemus de illa ut, solerti studio redolentem ubique et necubi apparentem nostris penitus irretiamus tenticulis.“ (‚Dopo che abbiamo cacciato per monti boscosi e pascoli d’Italia e non abbiamo trovato la pantera che bracchiamo, per poterla scovare proseguiamo la ricerca con mezzi più razionali, sicché, applicandoci con impegno, possiamo irretire totalmente coi nostri lacci la creatura che fa sentire il suo profumo ovunque e non si manifesta in nessun luogo.‘) http: / / www.danteonline.it/ italiano/ pre.asp? idcod=000&idope=3&idliv1=1&idliv2=16&idla ng=IT&blu=y&searchtext=pantera#dteanchor 3 In gewisser Hinsicht spiegelbildlich verhält es sich mit dem Dialekt, der zwar aus Sicht der Sprecher gerade die Varietät par excellence repräsentiert, der jedoch wegen seiner nicht selten stark ausgeprägten internen Variation nicht monodimensional auf die Diatopik reduziert werden kann (vgl. Krefeld 2010b, 62). 4 Vgl. dazu aus romanistischer Sicht Krefeld 2003. Festschrift_V-435_End.indd 103 20.05.11 14: 36 <?page no="130"?> 104 Thomas Krefeld La nozione di standard (opposta a quella di ‚non standard‘) viene utilizzata in primo luogo per indicare una varietà di lingua non marcata su nessuno degli assi della variazione; essa si caratterizza sostanzialmente per quello che non ha piuttosto che per ciò che ha. Da questo punto di vista, molto correttamente Tullio Telmon poteva scrivere […] che l’Italia era priva di una varietà standard, in quanto tutte le varietà di lingua effettivamente utilizzate nella pratica comunicativa sono connotate socialmente o diafasicamente o diatopicamente.“ (D’Agostino 2007, 121) In Zeiten allgemeiner Alphabetisierung erscheint es in der Tat problematisch eine grundsätzliche Affinität von Standard und ‚hoher‘ sozialer bzw. stilistischer Markiertheit zu behaupten. Festzuhalten ist vielmehr, dass der Standard für die große Masse derjenigen, die sich seiner mit schlichter Selbstverständlichkeit, sozusagen by default, ständig bedienen tatsächlich den neutralen Hintergrund liefert, vor dem sich andere Varianten und Varietäten 5 als salient hervorheben und insofern als markiert zu betrachten sind. In dieser Sicht sind unmarkierte und markierte Varianten zwar komplementär, sie besitzen jedoch kognitiv durchaus nicht denselben Status, da sie nicht in ihrer gegenseitigen Verschiedenheit perzipiert werden. Vielmehr wird die markierte Variante als Abweichung von der unmarkierten bewertet. 6 Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich beide Positionen trotz ihrer Gegensätzlichkeit auf das Konzept der Markiertheit stützen, so dass sich sofort drei Fragen erheben, nämlich zunächst, was Markiertheit im Sinne der Varietätenlinguistik überhaupt sei, sodann, ob - und wenn ja, wie - sich Markiertheit unabhängig von Standard bestimmen lässt und schließlich, ob Standard unmarkiert und einheitlich sein muss. 3 Was ist Markiertheit im varietätenlinguistischen Sinn? Unumstritten ist, dass solche sprachliche Varianten (oder Cluster von Varianten, d.h. Varietäten) als ‚markiert‘ bezeichnet werden, die nicht nur mit spezifischen Bedeutungen und Funktionen verknüpft sind, sondern die darüber hinaus sekundäre Assoziationen regionaler, sozialer, stilistischer, medial-konzeptioneller und anderer Art abrufen 7 und daher entsprechenden ‚Dimensionen der Variation‘ (it. auch assi della variazione) zugeordnet werden können; üblich sind die in Fig. 1 genannten Kategorien der Diatopik, Diastratik, Diaphasik und Nähe/ Distanz. Durchaus unklar ist dagegen, auf welche Art von Wissen 5 Die schwierige Frage, ab wann eine kritische Menge von mehr oder weniger kookkurierenden ‚Varianten‘ die Redeweise von ‚Varietät‘ rechtfertigt, kann hier nicht erörtert werden; vgl. Dufter/ Stark 2003 und Krefeld 2010b. 6 Faktisch bildet die Abweichung von einem unmarkierten Standard auch in Koch/ Oesterreicher 1990 den Ausgangspunkt der varietätenlinguistischen, insbesonder der diastratischen Diagnostik; so heißt es mit Blick auf die italienische Morphosyntax: „Typisch für diesen Bereich ist es, dass die meisten vom Standard abweichenden Phänomene hier innerhalb des italiano popolare ‚blockiert‘ sind“ (188). 7 Der Ausdruck ‚markiert‘ ist in varietätenlinguistischer Lesart also im Sinne von ‚merkmalhaltig‘ zu verstehen. Festschrift_V-435_End.indd 104 20.05.11 14: 36 <?page no="131"?> Sag mir, wo der Standard ist 105 sich diese Zuordnungen eigentlich beziehen. Das ganze Problem lässt sich auf die Frage zuspitzen, wie viel intuitives Sprecherwissen - womöglich auf unreflektierte und unkontrollierte Weise - in die sprachwissenschaftliche Kategorisierung einfließt. Die Antwort fällt nicht so leicht, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte, nicht zuletzt deshalb, weil intuitives Sprecherwissen auch dem Linguisten verfügbar ist, vor allem dann, wenn er seine Muttersprache erforscht. Zwar gibt es unterschiedlich starke Traditionen gezielter und systematischer Varianten- und Varietätensuche, namentlich in der Dialektologie, aber inzwischen auch in der Erforschung der gesprochenen Sprache, der Jugendsprache, der Fachsprache usw., bei denen der Wissenschaftler auf Grund klar definierter Kriterien (Herkunft des Sprechers/ Schreibers, Alter, Diskurstradition usw.) ein Datenkorpus bildet, in der Hoffnung genau solche Daten zu selektieren, die für die gewünschte und vom Wissenschaftler vorgegebene Dimension auch repräsentativ seien. Allerdings sind die Ergebnisse selbst unter diesen mehr oder weniger ‚klinischen‘ Bedingungen keineswegs immer eindeutig und gelegentlich sogar auf systematische Weise uneindeutig, wie etwa die problematische Abgrenzung mündlicher und diatopischer Markiertheit zeigt, denn Dialekte sind ja grundsätzlich und nicht selten ausschließlich der medialen Mündlichkeit verpflichtet. Vollkommen unterschätzt wird darüber hinaus die Abhängigkeit des sprachlichen Datums von der Individualität des Sprechers. Ausgehend vom folgenden italienischen Beispiel aus Koch/ Oesterreicher 1990, 188, lässt sich diese Problematik anschaulich illustrieren: Dort wird ausgeführt, ein „redundantes che als allgemeine Subordinationsmarkierung ([…] perché che)“ sei spezifisch diastratisch markiert (und nicht nur mündlich), weil es „wegen der Bindung an eine niedrige soziale Schicht nicht einfach längs der Varietätenkette in die diaphasische Dimension oder gar in die Position ‚gesprochen‘ einrücken“ kann (Koch/ Oesterreicher 1990, 188). Es steht außer Frage, dass es sich beim soeben zitierten perché che um eine standardferne Variante (‚nonstandard‘) handelt. Aber grundsätzlich gilt das für die analytische Markierung der Subordination mit „redundantem che“ sicherlich nicht; vielmehr hat man es, wie so oft, mit einem Kontinuum zu tun, da die unterschiedlichen lexikalischen Ausprägungen dieses Konstruktionstyps differenziert einzuschätzen sind: Dem stark markierten, übrigens nicht nur redundanten, sondern auch reduplizierenden perché che steht das beinahe, wenn nicht völlig unmarkierte und standardnahe mentre che 8 am anderen Pol gegenüber. Im mittleren Bereich sind die analog gebildeten Formen wie quando che, come che, dove che u.a. zu positionieren. Ihre jeweilige Markiertheit ist jedoch nicht evident; grundsätzlich ist mit der Diatopik zu rechnen und Zugehörigkeit zum Regionalitalienischen des Nordens anzunehmen (vgl. Telmon 1993, 123). In 8 Vgl. DISC 1997, 1525: „Diffusa nell’uso antico letterario, e in usi regionali odierni, la loc. cong., mentre che, negli stessi usi temporali e avversativi di mentre […]“. Im ZINGARELLI 12 1997, 1057 heißt es s.v. mentre ohne jede Spezifizierung: „Anche nella loc. cong. m. che: m. che ’l danno e la vergogna dura (MICHELANGELO).“ Festschrift_V-435_End.indd 105 20.05.11 14: 36 <?page no="132"?> 106 Thomas Krefeld Norditalien sind entsprechende Konjunktionen in den Basilekten fest verankert; das Friaulische generell und manche Dialekte des Veneto kennen eigentlich nur diesen Typ. Der von Koch/ Oesterreicher angeführte Beleg (perché che) stammt aus einem Korpus zum italiano popolare aus dem Basso Monferrato, also aus der Gegend um die Städte Asti (AIS Punkt 157; vgl. Karte 1) und Alessandria im südlichen Piemont (zu diesem Gebiet gehört auch AIS Punkt 167, Mombaruzzo; vgl. Karte 1). In den dortigen Dialekten, wie überhaupt in Norditalien sind redundante Subordinatoren gut belegt, wie zwei einschlägige AIS-Karten (Karte 9: ‚quando mio figlio‘ und Karte 7 ‚[guarda] come somiglia‘) bestätigen, die keinen einzigen Beleg der redundanten Konstruktion in Mittel- und Süditalien aufweisen - ganz im Gegensatz übrigens zum Typ mentre + che, der sich nach Ausweis von Karte 1536 9 nicht gerade flächendeckend, aber durchweg in ganz Italien findet und dessen Kartierung sich daher erübrigt. Auf dialektaler Ebene handelt es sich also im Fall von quando che, come che (und vermutlich anderen wie dove che) eher um diatopisch markierte Formen und nicht generell um Erscheinungen universaler Mündlichkeit, obwohl man den Ergebnissen, vor allem den fehlenden Belegen im Norden ein wenig vorsichtig begegnen muss (s.u.). Karte 1: Redundante Markierung der Subordination in norditalienischen Dialekten. 9 Bezeichnenderweise steht die Konstruktion sogar im Titel dieser Karte: ‚mentre che lavorava‘ (AIS 1536). Festschrift_V-435_End.indd 106 20.05.11 14: 36 <?page no="133"?> Sag mir, wo der Standard ist 107 Über die Diatopik hinaus besteht zweifellos eine ausgeprägte Affinität zur Diastratik und damit zum italiano popolare (vgl. in diesem Sinn Berruto 1993, 61), wenngleich das vielleicht nicht überall gilt und im Blick auf eine echte Kovariation mit einer „niedrige[n] soziale[n] Schicht“ zu überprüfen wäre. Mit völliger Zuverlässigkeit lässt sich eine solche diastratische Markierung aus dem Dialektbefund ebenso wenig ableiten, wie aus irgendeinem anderen isolierten Produktionsdatum. Denn Sprechen (und Schreiben) bedeutet für den Sprecher, sprachliche Formen aus dem ihm zur Verfügung stehenden Repertoire auszuwählen, und es versteht sich von selbst, dass er in dieser Wahl durch die vielfältigen außersprachlicher Faktoren, die auf sein Repertoire und seinen Sprachgebrauch Einfluss nehmen (geographische und soziale Herkunft, Alter, Geschlecht, Situation usw.) nicht im strengen Sinn konditioniert ist; der Erklärung von sprachlicher Variation durch Kovariation mit außersprachlichen Parametern sind daher klare Grenzen gesetzt. Festzuhalten ist vor allem, dass dieser Rest an deskriptiver Unberechenbarkeit gerade zum Kernbereich der diaphasischen Variation gehört; nicht selten dient die Wahl einer Variante ja dazu, einen bestimmten diskursiven Effekt, z.B. ironischer Art zu erzielen, den nur eine nicht konventionalisierte Verwendung gestattet: Daten, die ein Sprachbenutzer schreibend oder sprechend liefert, werden grundsätzlich durch seine mentalen Repräsentationen gefiltert und aus den ihm zur Verfügung stehenden Varianten ausgewählt: Letzte Instanz ist somit unausweichlich das Sprachbewusstsein des Sprechers/ Schreibers 10 , ganz unabhängig davon, ob die Daten vom Linguisten auf eine bestimmte Weise elizitiert werden oder nicht. 4 Lässt sich Markiertheit unabhängig vom Standard bestimmen? Viel spricht dafür, dass die Standardkompetenz - genauer gesagt: das standardbezogene Wissen - eine ganz entscheidende Instanz bei der Organisation des Sprachbewusstseins bildet. Für die angemessene Kategorisierung der Daten ist es daher grundsätzlich unerlässlich, die kognitive Dimension der Variation anzuerkennen und die mentalen Repräsentationen, welche die Variantenwahl steuern, zu berücksichtigen, oder - wenn dies unmöglich ist - wenigstens auf die apodiktische Behauptung einer sozusagen inhärenten und sprecherunabhängigen Markiertheit sprachlicher Varianten zu verzichten: Ein Dialektsprecher, beispielsweise, wird bei einer Fragebucherhebung bemüht sein, jeweils die Variante zu liefern, die ihm am charakteristischsten erscheint, das heißt: die Form, die sich am stärksten von der Form unterscheidet, die er (zu Recht oder Unrecht) für die Standardform hält. Hier handelt es sich, wie bereits angedeutet, um Salienzphänomene vor dem Hintergrund des Standards, wobei die Auffälligkeit direkt mit dem Grad der Abweichung korrespondiert. Es ist daher gut verständlich, dass gerade die Sprecher mit geringer und unsicherer Standardkompetenz, insbesondere Analphabeten oft auch unsicher in 10 Zu Sprachwissen, Sprachbewusstsein und verwandten Kategorien vgl. aus varietätenlinguistischer Sicht Krefeld/ Pustka 2010. Festschrift_V-435_End.indd 107 20.05.11 14: 36 <?page no="134"?> 108 Thomas Krefeld der Identifikation der dialektalen Formen sind und, sozusagen aus Unsicherheit, gerade weniger basilektale, standardnähere Formen produzieren (vgl. Krefeld 2007). In gewisser Hinsicht wird das, was ein Sprecher für Dialekt hält und produziert gerade auch durch sein (Un-)Wissen über den Standard gesteuert. Im Blick auf die Karte 1 könnte man also mit einigem Recht die Frage stellen, ob sich die Wahl der nicht redundanten Standardkonstruktion durch die Informanten der Punkte 259, 367, 427 (durch ‚ → ‘ gekennzeichnet) mit einer entsprechenden Unsicherheit in der Zuordnung der Varianten zum Standard/ Dialekt zu tun hat, denn in allen drei Fällen handelt es sich um Analphabeten. 11 Wenn entsprechende Daten nun gemeinsam mit Daten von standardkompetenten Sprechern in eine diatopische Darstellung, z.B. in einen Atlas, eingehen, erscheinen sie als Unterschiede zwischen Dialekten, d.h. zwischen analogen Varietäten in ein und derselben Dimension der Variation, obwohl sie allenfalls für einen bestimmten Sprechertyp, jedoch nicht für die eigentlich fokussierte Varietät repräsentativ sind. Konsequenterweise wäre es daher angebracht, bei der Feststellung der Markiertheit der Merkmale grundsätzlich auch die Repräsentationen einzubeziehen und die Repräsentationen wiederum durch die Konfrontation mit konkreten Formen, also durch einen Perzeptionstest abzusichern. Dimensionsspezifische Markiertheit im linguistischen Sinn müsste - mit anderen Worten - ein Korrelat in der Sprecherrepräsentation haben und gleichzeitig mit Salienz in der Wahrnehmung verbunden sein. 12 Daraus folgt dreierlei: Zunächst ist eine linguistische Analyse, die sich bei der differenzierten Zuweisung einer Markiertheit ausschließlich auf Produktionsbefunde stützt, unzureichend. Sodann ist sprachbezogenes Sprecherwissen in die Erfassung und Beschreibung der Markiertheit in methodologisch kontrollierter Weise zu integrieren. Schließlich sind die Standardvarietäten als Basis der Markierung zu betrachten und in der Modellierung entsprechend zu verankern. 5 Muss der Standard unmarkiert und einheitlich sein? Allerdings impliziert die hier umrissene Konzeption keineswegs eine grundsätzliche Unmarkiertheit des Standards; vielmehr verliert der eingangs herausgestellte Gegensatz (pluridimenisonale Markierung vs. Unmarkiertheit) seine alternative Schärfe. Denn der Einbezug des variationsbezogenen Sprecherwissens eröffnet die Möglichkeit, mit unterschiedlichen koexistierenden Markierungen des Standards (und der Varietäten überhaupt) zu operieren. Es wurde ja bereits angedeutet, dass die mit der Standvarietät assoziierten Repräsentationen selbstverständlich in hohem Maße von der aktiven Kompetenz des Sprechers abhängig sind: Schwache Kompetenz erzeugt nicht nur Unsicherheit in Produktion 11 Vgl. die entsprechenden Aufnahmeprotokolle zu den drei Punkten in Jaberg/ Jud 1928: „259 […] Suj. […] geringe Schulbildung; Analphabet“ (69); „367 […] Analphabet“ (88); „427 […] Analphabet. Schriftsprachlich beeinflussbar“ (94). 12 ‚Perzeption‘ ist dabei in doppeltem und komplementärem Sinn als Auto- und als Heteroperzeption zu verstehen (vgl. zur Problematik insgesamt Krefeld/ Pustka 2010). Festschrift_V-435_End.indd 108 20.05.11 14: 36 <?page no="135"?> Sag mir, wo der Standard ist 109 und Perzeption, sie produziert auch Repräsentationen, in denen der erstrebte Standard, weil er schlecht beherrscht wird, als sozial und stilistisch höher stehend bewertet wird, während die aktiv dominante eigene Non-Standardvarietät gleichzeitig womöglich als negativ, d.h. als Substandard eingeschätzt wird. Zu dieser polarisierenden Bewertung hat der standardkompetente Sprecher keinen Anlass. Ihm erscheint der Standard als selbstverständlich, unauffällig, jedoch keineswegs als positiv hervorstechend; es wäre der Situation der aktuellen ‚großen‘ europäischen Sprachgemeinschaften unangemessen, Standardkompetenz als Indiz für soziale Privilegiertheit und Standardgebrauch als stilistisch per se ausgezeichnet anzusehen. Dergleichen sprechergruppenspezifische Divergenzen gelten nicht nur für den Standard, sondern für die Varietäten im Allgemeinen und die Dialekte im Besonderen: Die divergierenden Einschätzungen der Varianten und Varietäten bestimmen die kommunikative Realität und müssen von der Varietätenlinguistik konzeptionell erfasst und empirisch erforscht werden. Ein entsprechendes Modell sollte den Standard als Referenzvarietät ins Zentrum stellen und seine eventuelle, auch multidimensionale Markierung offenhalten, damit auch die einzelsprachliche Existenz komplementärer regionaler bzw. nationaler Standards abgebildet werden kann. In diesem Sinn ist das abschließende Schema zu verstehen, das in seiner sternförmigen Anlage weiterhin den Zusammenhang zwischen zunehmender Standardferne, d.h. starker Markierung, und dimensionaler Eindeutigkeit zum Ausdruck bringen will. Fig. 2: Stärke und dimensionale Eindeutigkeit der Markierung wachsen mit zunehmender Entfernung vom Standard 6 Bibliographie AIS = Jaberg, K./ Jud, J. (1928-1940): Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz, 8 Bde., Zofingen, Ringier. Berruto, G. ( 3 1997): „Le varietà del repertorio“, in Sobrero, A. (Hrsg.), Introduzione all’ italiano contemporaneo. La variazione e gli usi, Roma/ Bari, Laterza, 3-36. Festschrift_V-435_End.indd 109 20.05.11 14: 36 <?page no="136"?> 110 Thomas Krefeld D’Agostino, M. (2007): Sociolinguistica dell’Italia contemporanea, Bologna. Dardano, M. (2005): Nuovo Manualetto di linguistica italiana, Bologna, Zanichelli. DISC = Sabatini, F./ Coletti, V. (1997): Dizionario Italiano Sabatini Coletti, Florenz, Giunti. Jaberg, K./ Jud, J. (1928): Der Sprachatlas als Forschungsinstrument. Kritische Grundlegung und Einführung in den Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz, Halle an der Saale, Niemeyer. Koch, P./ Oesterreicher, W. (1990): Gesprochene Sprache in der Romania: Französisch, Italienisch, Spanisch, Tübingen, Niemeyer. Krefeld, T. (2003): „Rumänisch - mit ‚Abstand‘ ein Unicum“, in Busse, W./ Schmidt-Radefeldt, J. (Hgg.), Rumänisch und Romanisch, Festschrift Windisch zum 60. Geburtstag, Rostock, 73-90. Krefeld, T. (2007): „L’informante analfabeta (e la coscienza della variazione)“, in Castiglione, M./ Rizzo, G. (Hgg.), Parole da gustare. Consuetudini alimentari e saperi linguistici (= Atlante Linguistico della Sicilia - Materiali e Ricerche 19), Palermo, Centro di Studi Filologici e Linguistici Siciliani, 45-56. Krefeld, T. (2010a): „Italiano, ma popolare? - Einige nicht standardsprachliche Merkmale im Spiegel des Varietätenbewusstseins“, Krefeld, T./ Pustka, E. (Hgg.), Perzeptive Varietätenlinguistik, Frankfurt a.M., Lang, 149-176. Krefeld, T. (2010b): „Italienische Varietätenlinguistik“, in Italienisch 63, 56-72. Krefeld, T./ Pustka, E. (Hgg.) (2010): „Für eine perzeptive Varietätenlinguistik“, in Krefeld, T./ Pustka, E. (Hgg.), Perzeptive Varietätenlinguistik, Frankfurt a.M., Lang, 9-28. Telmon, T. ( 3 1997): „Varietà regionali“, in Sobrero, A. (Hg.), Introduzione all’ italiano contemporaneo. La variazione e gli usi, Bari/ Rom, Laterza, 93-149. Völker, H. (2009): „La linguistique variationnelle et la perspective intralinguistique“, in Revue de linguistique romane 73, 27-76. ZINGARELLI = Zingarelli, N. ( 12 1997): Vocabolario della lingua italiana, a cura di Miro Dogliotti e Luigi Rosiello, Bologna, Zanichelli. Festschrift_V-435_End.indd 110 20.05.11 14: 36 <?page no="137"?> M ARIA S ELIG Konzeptionelle und/ oder diaphasische Variation? 0 Einleitung In der deutschen Romanistik gibt es im Bereich der Variations- oder Varietätenlinguistik zwei unterschiedliche Modelle. Das erste Modell beruht auf der von Eugenio Coseriu seit den 70er Jahren verwendeten Metapher der „Architektur“ der historischen Einzelsprache und stellt einen Varietätenraum dar, in dem das sprachliche Material entlang räumlicher, sozialer und situativer Parameter zu einem Diasystem geordnet ist. 1 Das zweite Modell ist das „Nähe/ Distanzmodell“ von Peter Koch und Wulf Oesterreicher, das die konzeptionelle Variation in einem Kontinuum von variierenden Kommunikationsbedingungen und korrelierten Versprachlichungsstrategien abbildet. 2 Peter Koch und Wulf Oesterreicher schlagen nun vor, die beiden Modelle miteinander zu kombinieren. Die konzeptionelle Variation, so Koch und Oesterreicher, kann als eigene Dimension den drei Dimensionen der Coseriuschen Architektur, also den (diatopischen) Dialekten, (diastratischen) Sprachniveaus und (diaphasischen) Stilen, hinzugefügt werden. Allerdings ist diese Erweiterung des diasystematischen Modells keineswegs unumstritten. Eine Reihe von romanistischen Sprachwissenschaftlern vertritt die Auffassung, die konzeptionelle Variation sei ein Teilaspekt der diaphasischen Variation des Coseriuschen Modells. Folglich konstituiere sie keine eigenständige Variationsdimension, sondern müsse in die Diaphasik eingegliedert werden. 3 Ich möchte die Diskussion um das Exklusionsbzw. Inklusionsverhältnis von konzeptioneller und diaphasischer Variation hier aufnehmen und mit den folgenden Zeilen einige weitere Denkanstöße geben. 1 Die Fundierung der Sprachvariation: Das Nähe/ Distanz-Kontinuum Die Frage, auf welche Art und Weise die beiden Variationsmodelle miteinander kombiniert werden sollten, kann erst dann beantwortet werden, wenn klar ist, was die Modelle jeweils abbilden und welche Perspektive dabei eingenom- 1 Zum Diasystem vgl. etwa Coseriu 1970, 32-37, 1988a, 1988b, 266-292. Vgl. außerdem Schlieben-Lange 1991, 32f., 89ff. 2 Zum konzeptionellen Nähe/ Distanzkontinuum vgl. Koch/ Oesterreicher 1985, 1990, 5-16, 1994, 594-596, 2001, 584-588, 604- 609, 2007, 346-357, 2008, 199-201. 3 Vgl. hier etwa Albrecht 1986/ 1990, I, 81, III, 69-71; Aschenberg 1991; Dufter/ Stark 2003; Kabatek 2000, 315-318; Kiesler 1995; Lebsanft 2004, 206-208; Radtke 2001, 105-106; Schreiber 1999, 45-75. Auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Gegenmodellen kann ich im Folgenden nicht im Einzelnen eingehen. Festschrift_V-435_End.indd 111 20.05.11 14: 36 <?page no="138"?> 112 Maria Selig men wird. Im vorliegenden Zusammenhang können wir uns bei dieser Frage zunächst auf die Herleitung des konzeptionellen Kontinuums konzentrieren, weil Peter Koch und Wulf Oesterreicher dieses in enger Auseinandersetzung mit dem Coseriuschen Modell formuliert haben. Durch die ausführliche Theoretisierung der Sprachvariation haben die beiden Linguisten außerdem in einer Reihe von Punkten das Coseriusche Modell weiter präzisiert. Es wird deshalb auch zu prüfen sein, inwieweit diese Vereindeutigungen berechtigt sind. Eine erste, fundamentale Klärung in Bezug auf das Coseriusche Modell ergibt sich bereits aus dem Hinweis, dieses thematisiere sprachliche Variation ausschließlich unter der Perspektive, wie die einzelsprachliche Variation im Varietätenraum geordnet werden kann. Was dagegen fehle, sei die Frage danach, weshalb sprachliche Variation entstehe und was ihre sprachtheoretischen Grundlagen sind. Deshalb könne das Coseriusche Diasystem auch kein passendes begriffliches Instrumentarium für die Klärung der Fundierungsproblematik anbieten. 4 Es ist meines Erachtens nicht zufällig, dass Peter Koch und Wulf Oesterreicher diese Präzisierung im Kontext der Forschungen zur ‚gesprochenen‘ Sprache geäußert haben. Diese Forschungen haben mit ihrer Kritik an der versteckten und nicht weiter reflektierten Beschränkung der strukturalen Linguistik auf die Analyse der geschriebenen Standardsprache bekanntlich an den linguistischen Fundamenten angesetzt. 5 Die Diskussion um die ‚gesprochene‘ Sprache ist ja letztendlich die Geschichte der Emanzipation zahlreicher zuvor als fehlerhaft aus der sprachwissenschaftlichen Analyse ausgegrenzter Strukturen. Diese Emanzipation findet zunächst in deskriptiver Hinsicht ihren Niederschlag. Die Merkmale der ‚gesprochenen‘ Sprache sind, beispielsweise in der äußerst einflussreichen Monographie zum ‚gesprochen‘ Französisch, die Ludwig Söll 1974 vorlegte (Söll 1985), ebenso Gegenstand sprachwissenschaftlicher Beschreibung und Analyse wie die schriftsprachlichen Formen. Als Emanzipation ist in gewisser Hinsicht auch die Loslösung der beschriebenen Sprachvariation vom Realisierungsmedium zu verstehen. Ludwig Söll zeigt auf, dass wesentlich fundamentalere Unterschiede, nämlich Unterschiede hinsichtlich der Ausgestaltung der Kommunikationssituation, hinter der beobachteten sprachlichen Variation stehen - auch wenn er selbst noch nicht eine medienferne Benennung der unterschiedenen Varietäten entwickelt (Söll 1985, 17ff., 30, 45). Peter Koch und Wulf Oesterreicher gehen, aufbauend auf diesen Erkenntnissen, noch einen wichtigen Schritt weiter. Sie beschränken sich nicht auf die deskriptive Korrelierung der ‚fehlerhaften‘ Merkmale der ‚gesprochenen‘ Sprache mit Kommunikationsbedingungen wie Dialogizität, face-to-face-Interaktion etc. Vielmehr stellen sie die Frage nach dem Warum dieser Korrelationen, und dies in einer explizit anthropologischen Perspektive. Ich kann die Argumentation, die sich an die Frage nach der Fundierung der Variation zwischen ‚gesprochener‘ und ‚geschriebener‘ Sprache anschließt und schließlich zur Formulierung des konzeptionellen Kontinuums führt, im 4 Vgl. hier vor allem Oesterreicher 1988, 370ff. 5 Vgl. dazu etwa Koch/ Oesterreicher 1985, 25-26, 1990, 18-25, 2001, 588-590. Festschrift_V-435_End.indd 112 20.05.11 14: 36 <?page no="139"?> Konzeptionelle und/ oder diaphasische Variation? 113 vorliegenden Zusammenhang nur stark verkürzt wiedergeben. Einige wichtige Schritte in der Herleitung des Nähe/ Distanz-Modells, beispielsweise der Rückgriff auf phänomenologisch orientierte Überlegungen zur systematischen „Staffelung“ des Weltbezugs als Vorbedingung der Vermittlung der Situation mit den gewählten sprachlichen Mitteln, können deshalb nicht weiter diskutiert werden. 6 Es muss bei dem bloßen Hinweis darauf bleiben, dass Peter Koch und Wulf Oesterreicher überzeugend nachweisen, dass es eine systematische, keineswegs ‚fehlerhafte Dimension der Sprachvariation, nämlich eine Variation der „Verbalisierungsprozesstypen“ (Oesterreicher 1988, 370) bzw. „Versprachlichungsstrategien“ (Koch/ Oesterreicher 1985, 23) gibt, die universal-essentiell auf der Ebene der Sprechtätigkeit, nicht auf der der Einzelsprache, begründet ist. Zwar manifestiert sich diese Variation notwendigerweise in historisch-einzelsprachlichen Formen, nämlich in den Formen, die von der bisherigen Forschung als ‚gesprochen‘ bzw. ‚geschrieben‘ etikettiert wurden. 7 Begründet ist sie aber in der anthropologisch gegebenen Fähigkeit zur Variation der Versprachlichungsleistungen in Anpassung und in Auseinandersetzung mit einer fundamentalen, in jeder Sprechsituation und zu jeder historischen Zeit gegebenen Variabilität der kommunikativen Bedingungen. Die vorgeschlagene Bezeichnung dieser Variation, die „konzeptionelle“ Variation, reflektiert diese besondere - und wie immer wieder zu betonen ist, medienunabhängige - Fundierung. Die Liste der kommunikativen Parameter, die vom Öffentlichkeitscharakter über die Emotionalität bis zum Planungsgrad führen und die die konzeptionelle Variation bedingen, dürfte bekannt sein und soll deshalb hier nicht wiederholt werden. 8 Wichtig für unsere Fragestellung ist außerdem noch, dass beide Autoren eine kontinuale Variation der Kommunikationsbedingungen entlang der unterschiedenen Parameter postulieren und dieses Mehr oder Weniger durch jeweils zwei Extremausprägungen begrenzen, die sie metaphorisch als Pole der kommunikativen Nähe und der kommunikativen Distanz bezeichnen. Auch hinsichtlich der Variabilität der Versprachlichungsstrategien haben sie in einer ersten Fassung des Modells Analyseparameter wie etwa den Grad der Prozesshaftigkeit, den Grad der Vorläufigkeit oder den Grad der Informationsdichte dieser Strukturen angeboten (Koch/ Oesterreicher 1985, 23). In den späteren graphischen Darstellungen unterbleibt diese Charakterisierung, und es bleibt nur die Variation der sprachlichen Formen zwischen „Nähe-“ und „Distanzpol“ bzw. „Nähe-“ und „Distanzsprache“. Die Beobachtung, das Coseriusche Diasystem böte keine Anschlussmöglichkeiten für Fragestellungen hinsichtlich der Fundierungsproblematik führt also bei Peter Koch und Wulf Oesterreicher zunächst einmal zur Formulierung eines eigenständigen Modells, das die anthropologisch verankerte Verflechtung zwischen situationeller und sprachlicher Variabilität zum Ausdruck bringt. In diesem Sinne ist das konzeptionelle Kontinuum auch grundsätzlich inkommen- 6 Vgl. dazu etwa Koch/ Oesterreicher 1985, 20, 21 7 Vgl. dazu etwa Oesterreicher 1988, 372. 8 Vgl. jetzt etwa Koch/ Oesterreicher 2007, 351. Festschrift_V-435_End.indd 113 20.05.11 14: 36 <?page no="140"?> 114 Maria Selig surabel mit dem Coseriuschen Diasystem, das die Ordnung der sprachlichen Variation und Varietäten im einzelsprachlichen Varietätenraum und gerade nicht deren Fundierung thematisiert. Die ‚Kombination‘ der beiden Modelle, die Peter Koch und Wulf Oesterreicher entwickeln, ergibt sich deshalb aus einer besonderen Begründungslogik. Das konzeptionelle Kontinuum stelle nämlich, so die beiden Linguisten, das regulierende Prinzip, den Kern der Sprachvariation, dar. Das Nähe/ Distanzkontinuum als Darstellung einer universal-essentiellen, anthropologischen Variation, bilde den Referenzrahmen des einzelsprachlichen Varietätenraumes ab, weil es eine einheitliche Perspektivierung der sprachlichen Variation auf die situationale Variation zwischen Nähe und Distanz gäbe. 9 Das konzeptionelle Kontinuum und die in ihm systematisierten Sprachformen könnten also zwar auf keinen Fall in das Diasystem eingegliedert werden, denn die Coseriuschen Unterscheidungen und Kategorisierungsvorschläge könnten nur die historisch-kontingente, nicht aber die universal-essentielle Variation erfassen. 10 Aber das Nähe/ Distanzkontinuum könne und müsse mit dem Diasystem kombiniert werden, und zwar dergestalt, dass es den Coseriuschen Dimensionen ‚vorgeschaltet‘ wird, um seiner Rolle als Leitprinzip der einzelsprachlichen Variation gerecht zu werden. Die graphische Darstellung der Kombination der beiden Modelle dürfte bekannt sein. Dennoch will ich hier der Klarheit halber die entsprechende Graphik einfügen. Fig. 1: „Der einzelsprachliche Varietätenraum zwischen Nähe und Distanz“ (Koch/ Oesterreicher 1990, 15). 9 Vgl. hier etwa die Formulierung in Koch 2005, 20: „Queste riflessioni [zur konzeptionellen Variation, M.S.], di colpo, rovesciano la prospettiva della linguistica variazionale: mentre prima sembrava che si dovesse espressamente giustificare l’esistenza di un aspetto universale della variazione linguistica nei confronti del tipo ‚tradizionale‘ di variazione linguistica (diasistematica) al livello storico della lingua, ora il prinicipio stesso della variazione linguistica (concezionale) viene localizzato al livello universale dell’attività linguistica. Il dominio 1a dello spazio variazionale [die universal-essentielle Variation zwischen Nähe und Distanz, M.S.] costituisce dunque il nucleo (universale) della variazione linguistica, il vero punto di riferimento per le forme storico-individuali della variazione linguistica.“ 10 Vgl. hier etwa Koch/ Oesterreicher 1985, 16, 27. Festschrift_V-435_End.indd 114 20.05.11 14: 36 <?page no="141"?> Konzeptionelle und/ oder diaphasische Variation? 115 Die Ordnung, die das konzeptionelle Leitprinzip den Varietäten vermittelt, die in der diatopischen, diastratischen und diaphasischen Dimension verankert sind, bewirkt, dass diese in Hinblick auf die Nähe- und Distanzpole jeweils im linken oder rechten Bereich angeordnet sind. Die vertikale Reihenfolge der Dimensionen ergibt sich dagegen aus dem bekannten Coseriuschen Prinzip der Varietätenkette. 11 Dialekte seien als Ausdrucksmittel niedriger Schichten - wir würden heute wahrscheinlich von bildungsfern sprechen - angemessen, könnten also sekundär die Markierung „diastratisch niedrig“ erhalten. Weiterhin seien der Gebrauch des Dialekts oder die Ausdrucksformen niedriger Schichten im Bereich der Nähekommunikation durchaus tolerierbar. Auch hier sei also eine sekundäre Markierung als „nähesprachlich“ denkbar. Bevor wir nun im nächsten Schritt das ‚Kombinationsmodell‘ aus der umgekehrten Perspektive, also aus der des Coseriuschen Diasystems diskutieren, müssen wir noch einmal auf die Unterscheidung zwischen einer universal-essentiellen und einer einzelsprachlich-historischen Sprachvariation zurückkommen, die mit der Hinwendung zur Fundierungsproblematik verbunden ist. Peter Koch und Wulf Oesterreicher insistieren mehrfach auf der Unvereinbarkeit der beiden Kategorien. Sie betonen, dass die universale konzeptionelle Variation aus der direkten Verknüpfung zwischen dem sprachlichen Merkmal (in seiner historischen Ausprägung) und dem jeweiligen Wert auf den kommunikativen Parametern resultiere und daher nicht auf die historisch-sozietäre Übereinkunft und Traditionsbildung angewiesen sei (Koch/ Oesterreicher 1990, 14). Dagegen charakterisieren sie die einzelsprachlichen Varianten als solche, „denen […] lediglich der Status historis cher Kontingenz zukommt, die also allein in der Perspektive der individuellen Sprachgeschichte begriffen werden können [Sperrung im Original]“ (Koch/ Oesterreicher 1985, 27). 12 Sie präzisieren das Modell von Coseriu weiterhin dahingehend, dass die in ihm erfassten diasystematischen Unterschiede immer historisch-kontingenter Natur sind, mithin nur durch die historischen Entwicklungen, nicht aber durch anthropologische Konstanten zu erklären sind (Oesterreicher 1988, 373-376, Koch/ Oesterreicher 2001, 605). Unmittelbar einleuchtend ist diese Präzisierung für die diatopische und diastratische Dimension. Wenn wir die in der diastratischen Dimension eingeordnete Variation vorläufig als eine Variation definieren, die durch die Verfestigung von sprachlichen Traditionen innerhalb einer abgeschlossenen Interaktionsgemeinschaft (Schicht, Generation, Berufsgruppe etc.) entsteht und diese Identität verstärken und nach außen signalisieren soll, 13 dann wird klar, dass ein großer Teil der einzelsprachlichen Variation auf die räumliche (syntopische) bzw. soziale (synstratische) Verdichtung von kommunikativen Netzen zurückgeht. Wir hätten es also in Bezug auf die diatopische und diastratische Variation mit einem Typus zu tun, der in der jeweiligen historischen Situation begründet ist 11 Vgl. hier etwa Coseriu 1988a, 27. 12 Vgl. auch Oesterreicher 1988, 373. 13 Die Bestimmung dessen, was diastratische Variation oder diastratische Varietäten genannt werden sollen, ist allerdings alles andere als klar. Vgl. dazu etwa Dufter/ Stark 2003, Dittmar 1997, 189ff., Wunderli 1992. Festschrift_V-435_End.indd 115 20.05.11 14: 36 <?page no="142"?> 116 Maria Selig und sich entsprechend der geschichtlichen Situation ausprägt. Eine Rolle spielt beispielsweise die Frage, ob die jeweilige historische Einzelsprache ein großes Territorium eint, in dem viele territorial enger begrenzte Idiome gesprochen werden, oder ob die historische Einzelsprache eine Kommunikationsgemeinschaft umfasst, die intern weiter in Gruppen zerfällt, die ihre eigenen sprachlichen Konventionen herausbilden oder weiter führen. In diesem Sinne handelt es sich bei der diatopischen und diastratischen Variation hinsichtlich ihrer Fundierung um eine historisch-kontingente Variation, die in den spezifischen Reichweiten kultureller, und damit auch sprachlicher Traditionsbildung begründet ist. Auch die Diaphasik umfasst eine historisch-kontingent zustande kommende Variation. In der gegenwärtigen französischen Kommunikationsgemeinschaft hat sich beispielsweise die Korrelierung zwischen chiotte als Synonym für voiture auf dem Sprachniveau vulgaire bzw. populaire etabliert. Die Zuordnung entsteht in der sprachlichen Interaktion, und sie hat mit der Fähigkeit der Sprecher zu tun, auf unterschiedliche Weise auf ein und dieselben Sachverhalte sprachlich zugreifen zu können und auf diese Weise Kommunikationsstile zu differenzieren. Aber es gibt keinen anthropologisch zwingenden Grund für die Wahl des Sinnbereichs AUTO als Ort der Synonymenhäufung, ebenso wenig für die Wahl der Varianten und für deren Verknüpfung zu einem Sprachniveau. Auch die Korrelierung des passé simple mit Situationen der kommunikativen Distanz ist historisch-kontingent. Das passé simple ist in derartigen Situationen angemessen bzw. außerhalb dieser Situationen stilistisch markiert, und dies nur deshalb, weil sich die französische Sprechergemeinschaft auf die Zuordnung verständigt hat. Es handelt sich bei dieser Variation lediglich um ein Produkt der historischen Umstände, nicht um ein anthropologisch begründetes Phänomen. An dieser Stelle muss man Peter Koch und Wulf Oesterreicher also recht geben. Vom sprachtheoretischen „Status“ (Oesterreicher 1988, 376) aus gesehen, sind die historisch-kontingente und die universal-essentielle Variation nicht aufeinander reduzierbar. 2 Ethnolinguistische Perspektiven: Die Ordnung der sprachlichen Variation im Diasystem Wenden wir uns nun der Coseriuschen Architektur der historischen Einzelsprache zu. Eine Auseinandersetzung mit den Grundlagen dieses Modells ist keine einfache Sache. Dies nicht nur deswegen, weil ganz allgemein in der Variations- oder Varietätenlinguistik ein weiter Interpretationsspielraum sogar hinsichtlich so zentraler Konzepte wie Variation und Varietät besteht. 14 Bei genauerem Hinsehen wird außerdem deutlich, dass Coseriu seine Analyse der sprachlichen Variation letztendlich aus einer strikt strukturalistischen Perspektive vorgenommen hat. Sein Fokus liegt auf der methodisch kontrollierten Ausgrenzung der „funktionellen Sprache“, eines diasystematisch homogenen Repertoires, das für Coseriu der alleinige Ort der sprachlichen 14 Vgl. dazu etwa Dufter/ Stark 2003, 81-85. Festschrift_V-435_End.indd 116 20.05.11 14: 36 <?page no="143"?> Konzeptionelle und/ oder diaphasische Variation? 117 Strukturbildung ist und als solcher das privilegierte Untersuchungsobjekt des Sprachwissenschaftlers darstellt. 15 Coseriu bietet ein äußerst elegantes und unmittelbar einleuchtendes Instrumentarium für die Ordnung der Variation. Eine Reihe von zentralen variationslinguistischen Fragen bleibt aber offen, weil der Fokus auf der „funktionellen Sprache“ es erlaubt, sich auch mit einer relativ vorläufigen Beschreibung der sprachlichen Variation zu bescheiden. Man merkt dies beispielsweise an der letztendlich nicht vorhandenen Diskussion des Varietätenbegriffs. Coseriu beschränkt sich darauf, Beispiele für Varietäten zu nennen („Dialekte“, „Sprachniveaus“, „Stile“) und konzentriert sich auf die Frage, ob Varietäten Systemcharakter haben. 16 Die Frage nach dem epistemischen Status dieser Einheit wird dagegen hintangestellt, obwohl eine zentrale Frage sich ja darauf bezieht, ob die Sprecher Varianten zu Varietäten ordnen müssen oder ob auch so etwas wie eine unmittelbare Verknüpfung zwischen bedingender (regionale, soziale, situative Parametern) und bedingter Einheit (sprachliche Form) denkbar ist. Auch die Tatsache, dass Coseriu nicht präzisiert, wo die von ihm zur Ordnung des Varietätenraumes verwendeten Kategorien herkommen, gehört hierher. Handelt es sich bei den Varietäten um Konstrukte der wissenschaftlichen Beschreibung, die der Sprachwissenschaftler, auf der Basis seiner Kenntnisse um die Fundierung der jeweiligen Variation, vorschlägt? Oder schließen die diatopischen „Dialekte“, diastratischen „Niveaus“ und diaphasischen „Stile“ an sprechereigene Kategorien an? Die Tatsache, dass Coseriu bei der Definition der Varietäten sehr stark auf die Evidenz vertrauen kann, kommt ja daher, dass es entsprechende metasprachliche Kategorisierungen der Sprecher durchaus gibt. Auch im Sprecherbewusstsein gibt es einen Varietätenraum und eine ihn bestimmende Ordnung, die zwar selbstverständlich nicht den Kriterien wissenschaftlicher Rigorosität entspricht und deshalb von methodisch gesicherten Begriffen abgelöst werden sollte. Aber der Linguist muss zur Kenntnis nehmen, dass es sprechereigene Ordnungsleistungen gibt und er muss sie mit seinen eigenen in Bezug setzen. Coseriu hat, wie übrigens viele andere Linguisten, dieses Problem nicht explizit angesprochen. Mir scheint folgendes Verfahren vorzuliegen: Der Sprachwissenschaftler stellt fest, dass Form a nur im Zusammenhang mit der Kommunikationsbedingung A bzw. in Situationen des Typs A verwendet wird und ordnet sie deshalb einer entsprechend bezeichneten Varietät zu. Er tut dies aus dem Gedanken heraus, dass er ein vorbewusstes Handlungswissen der Sprecher explizit macht, dass nur in seiner wissenschaftlichen Betrachtung das Niveau einer distinkten kategoriellen Ordnung erreichen kann. Der Sprachwissenschaftler kann deshalb die von ihm verwendete Begrifflichkeit mit dem Kriterium der wissenschaftsintern überprüfbaren Beschreibungsadäquatheit rechtfertigen. Deshalb muss er auch das Verhältnis zwischen wissenschaftlichen und sprechereigenen Kategorisierungen nicht transparent machen. Genauso wenig muss der Linguist überprüfen, welche Synthetisierungsleistungen hinter seinen Katego- 15 Vgl. hier insbesondere Coseriu 1988b, 266-292. 16 Vgl. Coseriu 1888a, 28f., 1988b, 283f. Festschrift_V-435_End.indd 117 20.05.11 14: 36 <?page no="144"?> 118 Maria Selig risierungen stecken. Es ist ja etwas anderes, Anakoluthe direkt auf den Parameterwert einer geringen Planung zu beziehen oder sie als nähesprachlich zu bezeichnen und damit mit einer Einheit in Verbindung zu bringen, die mehrere kommunikative Dimensionen und mehrere Parameterwerte zu einem Situationstyp synthetisiert. Die fehlende Reflexion der Kategorisierungsleistungen ist nun an einer Stelle ganz besonders misslich, nämlich in Hinblick auf die historisch-kontingente diaphasische Variation. In dieser Dimension sind sprachliche Formen geordnet, die auf der Fähigkeit der Sprecher beruhen, in verschiedenen Situationen verschieden zu handeln bzw. in ein und derselben Situation verschiedene Stile anzuwählen. Es handelt sich, anders als bei den diatopischen und diastratischen Varietäten, also um ein Repertoire, das der Sprecher kategorisiert haben muss, weil die Ausgrenzung von Situationstypen bzw. von kommunikativen Stilen zwingende Notwendigkeit dafür ist, Sprachformen nach dem Kriterium der situativen Angemessenheit oder der stilistischen Leistung unterscheiden und einsetzen zu können. Ob der Sprecher über eine genaue Kenntnis der regionalen oder sozialen Sprachvariation verfügt, ist letztendlich eine Sache seiner individuellen Biographie. Dialektsprecher müssen nicht wissen, dass die von ihnen verwendeten Formen dem Dialekt x zugeordnet sind. Dialekte und Sprachniveaus können daher durchaus als sprecherferne, rein wissenschaftliche Kategorien diskutiert werden, weil diese Dimensionen nur in der globalen Außensicht des Sprachwissenschaftlers in ihrem ganzen Ausmaß sichtbar werden. Bei der diaphasischen Variation ist das Einbeziehen der sprechereigenen Vermittlungs- und Kategorisierungsleistungen dagegen unbedingt notwendig. Es ist unbedingt notwendig, sich zu fragen, wie die Korrelierung von sprachlicher Form und Situation bzw. Stil funktioniert, welche Einheiten auf situativer und auf sprachlicher Seite jeweils in Bezug zueinander gesetzt werden oder welchen Bewusstheitsgrad derartige Zuordnungen bei den Sprechern haben. Anders lässt sich nicht erklären, warum die Sprecher sich unterschiedlich verhalten können und welche Bedingungen sie jeweils zur Wahl des einen oder des anderen sprachlichen Merkmals veranlassen. Die approximative Definition der Diaphasik, die Coseriu vorschlägt, trägt nur bedingt zur Klärung derartiger Fragen bei. Er bestimmt diese als die Variation, die „Unterschiede zwischen den Typen von Ausdrucksmodalitäten“ betrifft, „je nachdem welche Umstände beim Sprechen herrschen (Sprecher, Hörer, Situation oder Gelegenheit zum Sprechen und Zusammenhang, in dem gesprochen wird)“ (Coseriu 1988a, 25). Den „Typen von Ausdrucksmodalitäten“, also den „Stilen“ als „symphasischen“ Sprachformen, werden dann aber ganz heterogene Elemente zugeordnet (lyrischer und epischer Stil, Männer- und Frauensprache, Jugend- und Erwachsenensprache, Sprachen der Berufsgruppen) (Coseriu 1988a, 25, 1988b, 282). Die diaphasische Dimension scheint also unter der Hand zu einer Art Restkategorie zu werden, die das auffängt, was nicht diatopisch und nicht diastratisch ist. Außerdem unterscheidet Coseriu verschiedene Bezugsebenen innerhalb der Diaphasik. Er ordnet neben den „Stilen“ auch „Sprachregister“ ein, d.h. „sehr allgemeine Typen zusammengehöriger Stile, die weiten Aspekten des Festschrift_V-435_End.indd 118 20.05.11 14: 36 <?page no="145"?> Konzeptionelle und/ oder diaphasische Variation? 119 Lebens und der Kultur und zusammengehörigen Typen von Umständen entsprechen (z.B. ‚gesprochene Sprache‘, ‚Schriftsprache‘, ‚Literatursprache‘)“ (Coseriu 1988a, 25). Die dadurch noch verstärkte Heterogenität der Bezugsgrößen der diaphasischen Dimension begründet er allerdings nicht näher. Peter Koch und Wulf Oesterreicher schlagen - deshalb? - eine wesentlich engere Definition der Diaphasik vor. 17 Sie ordnen dort die Unterscheidung von „Sprachniveaus“ ein, so wie sie sich beispielsweise in Synonymieketten wie chiotte, bagnole, voiture, automobile manifestiert. Auf der Seite der bedingenden Einheit würde sich nach diesem Vorschlag ein bestimmter kommunikativer Wert befinden, etwa vulgaire, populaire, familier, courant oder recherché, auf der Seite der zugeordneten sprachlichen Einheit ein Merkmal, das diesen kommunikativen Wert entweder aufgrund intrinsischer Qualitäten (chiotte ist drastisch, automobile ist ein Archaismus) oder aufgrund von Zuordnungen zu bestimmten Verwendern oder Verwendungssituationen (bagnole ist populär) erhält. Es leuchtet sofort ein, dass die konzeptionelle Variation mit einem solchen Konzept der diaphasischen Variation nicht erfasst werden kann. 18 Allerdings stellt sich die Frage, ob die Diaphasik auf die stilistisch bedingte Variation eingeschränkt werden muss. Es gibt noch eine andere Dimension der situativen Variation, nämlich eine Variation die nur im Vergleich der unterschiedlichen Kommunikationssituation sichtbar wird. Unterschiedliche Kommunikationssituationen erfordern bzw. ermöglichen unterschiedliches sprachliches Verhalten. Neben den kommunikativen Werten, die die stilistische Variation regeln, gibt es noch das Kriterium der Situationsangemessenheit, nach dem Situationen und Repertoire einander zugeordnet sind. 19 Ich kann hier nicht weiter erörtern, ob auch diese Variationsform in der ja durchaus vielgestaltigen Coseriuschen Diaphasik bereits enthalten ist. Auch die Frage, ob die stilistische und die situationsangemessene Variation als zwei nebengeordnete Kategorien in der Diaphasik vereint werden sollen, 20 will ich offen lassen. Denn die Frage der Inklusion oder Exklusion der konzeptionellen Variation in bzw. aus der Diaphasik muss ja zunächst noch in einer weit grundsätzlicheren Hinsicht geklärt werden. Peter Koch und Wulf Oesterreicher behaupten nicht nur, dass die (von ihnen zugegebenermaßen sehr eng definierte) Diaphasik nicht die angemessene Kategorisierung für die konzeptionelle Variation ist. Sie behaupten auch, die konzeptionelle Variation sei „diasystematisch nicht markiert“, lasse sich also nicht einmal als eigenständige Dimension in das Diasystem integrieren (vgl. Fig. 1). Lässt sich diese Behauptung nach unseren 17 Vgl. etwa Koch/ Oesterreicher 1990, 13, 2001, 605 18 So aber Albrecht 1986/ 1990, III, 71, Kiesler 1995. 19 Die Bezeichnung der Einheiten auf der situativen Seite als „Sprachniveaus“ oder sogar als „Register“ verdeckt den Unterschied zwischen Stil und Situationsangemessenheit. Sichtbar wird er, wenn man beispielsweise versucht, eine „vulgäre“ oder „populäre“ Sprechsituation auszugrenzen. Es gibt allenfalls eine Sprechergruppe, deren Sprachwahl aus der Außensicht als „vulgär“ oder „Unterschicht“ erlebt wird, obwohl sie in deren Innensicht einfach nur angemessen ist. 20 So Schreiber 1999, 45-75. Festschrift_V-435_End.indd 119 20.05.11 14: 36 <?page no="146"?> 120 Maria Selig Überlegungen zum Verhältnis der Fundierung der sprachlichen Variation zu den sprechereigenen Ordnungsleistungen noch aufrechterhalten? 3 Diasystem und konzeptionelle Variation Das Argument, mit dem Peter Koch und Wulf Oesterreicher die Integration der konzeptionellen Variation in das Diasystem zurückweisen, ist folgendes: Bei der konzeptionellen Variation universal-essentieller Ausprägung seien auf der Grundlage anthropologischer Konstanten Kommunikationsbedingung und sprachliches Mittel unmittelbar und direkt miteinander verknüpft. Ein geringer Planungsgrad und Anakoluthe beispielsweise seien auch ohne die Vermittlung historisch-sozietärer Traditionsbildungen miteinander korreliert. Diese direkte, nicht historisch-kontingente Verknüpfung führe nun dazu, dass die konzeptionelle Variation als ganzes, also auch in ihrer einzelsprachlichen Ausprägung, nicht diasystematisch markiert sei (Koch/ Oesterreicher 1990, 14)). Ich will mich zunächst näher mit der Frage beschäftigen, inwieweit diese Parallelführung von universal-essentieller und einzelsprachlicher konzeptioneller Variation berechtigt ist. Gehen wir nochmals auf den Unterschied zwischen den beiden Typen von Variation ein. Die unmittelbare Verknüpfung von Kommunikationsbedingung und sprachlichem Merkmal funktioniert bei der übereinzelsprachlichen Variation. Bei der einzelsprachlichen muss dagegen ein historisch-sozietär vermittelter ‚Korrelierungsvorgang‘ dazwischen geschaltet sein, weil die Zuordnung von passé simple und Distanzsprachlichkeit kontingent ist und nur durch eine habituelle Verbindung im Sprecherwissen aufrechterhalten wird. Zu betonen ist aber, dass es wenig sinnvoll ist, auf der situativen Seite als Bezugsgrößen einer derartigen Zuordnung die einzelnen kommunikativen Parameterwerte anzusetzen. Warum sollte man eine Verknüpfung des passé simple mit einem hohen Planungsgrad bzw. mit einer geringen Emotionalität abspeichern? Ist es nicht sehr viel schlüssiger, von Situationstypen oder sogar von Situationsdomänen auszugehen, die von einem hohen Planungsgrad, einer geringen Emotionalität, aber auch noch von vielen anderen Kommunikationswerten gekennzeichnet sind? Auch bei der Frage, wie man sich die ‚Voranstellung‘ des konzeptionellen Kontinuums vor das Diasystem vorzustellen hat, ist es wichtig, welche Bezugsgrößen auf situationeller Seite angesetzt werden sollten. Zunächst müssen wir ein beschreibungstheoretisches Problem klären, auf das Heidi Aschenberg aufmerksam gemacht hat (Aschenberg 1991, 269). Sie spricht davon, dass die „notwendige Dimensionsdifferenz von Prinzip und Prinzipiiertem“ nicht eingehalten wird, wenn, wie im ‚Kombinationsmodell‘, die nähe- und distanzsprachlichen Varietäten selbst als Fluchtpunkt der Varietätenkette erscheinen. Ihr ist unbedingt zuzustimmen. Nicht die konzeptionellen Varietäten und auch nicht die konzeptionell begründeten Varianten sind Bezugspunkt in der Frage, in welchen Situationen Varietäten bzw. Varianten aus den anderen Variationsdimensionen angemessen sind. Dialektale Merkmale müssen nicht ihre diasystematische Indizierung ändern, um in nähesprachlichen Situationen verwendet werden Festschrift_V-435_End.indd 120 20.05.11 14: 36 <?page no="147"?> Konzeptionelle und/ oder diaphasische Variation? 121 zu können. Es ist auch keineswegs notwendig, dass eine als Nähesprache kategorisierte Varietät zwischen ihnen und den situativen Einheiten vermittelt. Das, was mit der Positionierung der Nähe-Distanzdimension an der Spitze des Diasystems zum Ausdruck gebracht wird, ist vielmehr, dass die situative Dimension, d.h. die Kommunikationsbedingungen und die an sie anschließenden Situationsdefinitionen, nicht nur das Zustandekommen der konzeptionellen Varietäten bestimmen, sondern auch die Verwendung anderer diasystematischer Varianten und Varietäten regeln. Insofern ist es klarer und eindeutiger, das konzeptionelle Kontinuum, wenn es als Regulativum für das Diasystem gemeint ist, nur als Ordnung der Kommunikationsbedingungen und -situationen, also als situatives Kontinuum, zu konzipieren. Dann kann bei der Frage der Verwendungskontexte diasystematischer Varietäten und Varianten direkt, ohne den Umweg über die nähebzw. distanzsprachen Varietäten, auf diese Kontexte Bezug genommen werden. Wenn man nun aber die situative Seite des konzeptionellen Kontinuums als Bezugsgröße für die Einordnung der diasystematischen Varietäten ausgrenzt, stellen sich hier, wie bei der einzelsprachlichen konzeptionellen Variation die gleichen Kategorisierungsprobleme. Auch bei dialektalen Varietäten oder Varianten ist es nicht sinnvoll, eine Verknüpfung mit einem einzelnen Parameterwert anzusetzen. Auch hier leuchtet eine Zuordnung zu synthetisierenden Situationstypen oder -domänen weitaus mehr ein. Zu betonen ist, dass es keinen logischen Widerspruch zwischen den angedeuteten unterschiedlichen Ausformungen der situativen Seite des konzeptionellen Kontinuums gibt. Die Sprecher schließen bei der Konstruktion von Situationstypen oder -domänen direkt an die kommunikativen Parameter an, die im Kontinuum genannt sind. Das konzeptionelle Kontinuum und der Grundgedanke einer Fundierung der Variation in einer universal-essentiellen Variabilität der Kommunikationssituation bleiben unangetastet. Nur existiert dieses Kontinuum in mehreren Abstraktionsstufen im Sprecherbewusstsein. Es entstehen gewissermaßen mehrere Fassungen, weil die Sprecher synthetisieren, abstrahieren und gleichzeitig verdichten, indem sie das Nebeneinander der kommunikativen Parameter und Parameterwerte in neue, weniger komplexe, dafür aber eindeutigere Ordnungen überführen. Diese Synthetisierungsleistung gibt es auch auf der sprachlichen Seite. Ich habe angedeutet, dass ich die Zuordnung zu Varietäten nicht für eine Vorbedingung der diaystematisch ‚korrekten‘ Verwendung der Varianten halte. Für die unmittelbar mit den kommunikativen Parameterwerten verknüpften universal-essentiellen Merkmale gilt ein solcher Hinweis natürlich noch mehr. Ein Anakoluth muss nicht als sprechsprachlich ausgewiesen sein, um so zu funktionieren. Aber es gibt keinen Grund, warum er nicht diese Markierung erhalten sollte. Die strikte Trennung zwischen der konzeptionellen und diasystematischen Variation kann ja nur dann weiter aufrecht erhalten werden, wenn nicht nur das Zustandekommen der konzeptionellen Variation, sondern auch deren Ordnung fundamental anderen Prinzipien folgt als bei den diatopischen, diastratischen und diaphasischen Varietäten. Dann stellt sich aber die Frage, ob der universal-essentielle Status der Dimensionen 1a, der sich aus der anthropologischen Fundierung der konzeptio- Festschrift_V-435_End.indd 121 20.05.11 14: 36 <?page no="148"?> 122 Maria Selig nellen Variation ergibt, für die Wahrnehmung durch die Sprecher so relevant ist, dass sie diese nicht nach den selben Prinzipien wie in den anderen Dimensionen zu Varietäten ordnen können. 21 Zu bedenken ist hier, dass die universal-essentielle Variation für den Sprecher nicht prinzipiell anders ist, sie ist nicht ‚Natur‘, die sich der historisch-sozietär bestimmten Variation entgegenstellt. Sprecher erfahren Gesprächspartikel wie alors oder Anakoluthe ebenso als (einzel)sprachliche Formen wie das passé simple oder automobile, bagnole oder chiotte. Auch wenn die Verwendung von alors direkt durch Parameterwerte wie geringer Planungsgrad, hoher Grad an Partnerorientierung u.ä. geregelt ist, können die Sprecher nichtsdestoweniger beobachten, dass das Vorkommen von alors und von anderen universalen Merkmalen an bestimmte Situationstypen gekoppelt ist und sie können daraus eine Clusterbildung zu einer Situationsdomäne und zu einer zugeordneten Varietät ableiten. Auch die universal-essentielle konzeptionelle Variation ist eine Erfahrungstatsache und kann als solche dem ordnenden Zugriff der Sprecher sowohl auf der situativen als auch auf der sprachlichen Seite unterliegen. Es ist deshalb meiner Meinung nach keineswegs notwendig, die übereinzelsprachlichen Merkmale der Nähe/ Distanzsprache prinzipiell von den Mechanismen einer diasystematischen Indizierung auszuschließen. Auch wenn ihr Funktionieren nicht in historischen Traditionsbildungen begründet ist, muss doch ihre Wahrnehmung durch die Sprecher und eine sich daran eventuell anschließende Summierung zu einer Varietät nicht prinzipiell anders sein als bei den historisch-kontingenten Merkmalen. Ein Beispiel, das zeigen kann, dass die universal-essentielle Variation durchaus durch historische diasystematische Indizierungen überformt wird, ist das der Dislokationen. Im Italien der Frühen Neuzeit wurden im Bereich der volkssprachlichen Schriftlichkeit segmentierte Konstruktionen offensichtlich nicht als ‚fehlerhaft‘, ‚vulgär‘ oder ‚stilistisch niedrig‘ bewertet. Denn obwohl es die distanzsprachlichen Konkurrenzkonstruktionen bereits gibt, kommen die Segmentierungen auch im Bereich der kommunikativen Distanz gehäuft vor (D’Achille 1990). Für den Sprachwissenschaftler ist nun der Hinweis auf den universal-essentiellen Charakter dieses sprachlichen Merkmals und seine direkte Anbindung an Parameterwerte wie geringer Planungsgrad wichtig, weil nur so die historische Entwicklung richtig nachvollzogen werden kann. Es handelt sich ja nicht um das allmähliche Ausgrenzen eines ‚Fehlers‘, wenn in späteren Jahrhunderten die Dislokationen aus der Schriftsprache verbannt werden. Aber für das Nachvollziehen der Sprecherbewertung in den früheren Jahrhunderten und der daraus resultierenden Verwendung ist dieses Wissen irrelevant. Hier gilt 21 Auch die unterschiedliche Fundierung der diatopischen und diastratischen Variation auf der einen und der diaphasischen Variation auf der anderen Seite spielt meines Erachtens für das Sprecherbewusstsein nur bedingt eine Rolle. Für die Dialekte und Soziolekte spielt zwar das Wissen um die Anbindung an Sprechergruppen eine Rolle, genauso wichtig sind aber auch Kategorisierungen, die die betreffenden sprachlichen Merkmale mit Sprechertypen wie „Unterschicht“ bzw. Situationstypen wie „nähesprachlich“ anschließen, also an Kategorien, die für das aktive Umgehen mit dieser Variation seitens der Sprecher wichtig sind. Festschrift_V-435_End.indd 122 20.05.11 14: 36 <?page no="149"?> Konzeptionelle und/ oder diaphasische Variation? 123 es einfach festzustellen, dass Dislokationen noch nicht als sprechsprachlich bzw. nähesprachlich markiert sind, wie dies in den späteren Jahrhunderten geschehen wird. Wir können an dieser Stelle festhalten, dass es wenig Sinn macht, eine strikte Grenze zwischen den Operationen hinsichtlich der historisch-kontingenten diasystematischen Variation und der historisch-kontingenten konzeptionellen Variation zu machen. Außerdem sollte klar geworden sein, dass die universalessentielle Variation sowohl auf der situativen als auch auf der sprachlichen Seite Gegenstand von Kategorisierungen in Situationstypen bzw. -domänen und in Varietäten sein kann, auch wenn diese Kategorisierungen nicht die Vorbedingung ihres Funktionierens sind. Ich will nun als letztes Argument gegen eine unbedingte Exklusion der konzeptionellen Variation aus dem Diasystem die Beobachtung anführen, dass es eine direkt an das konzeptionelle Kontinuum anknüpfende Ordnung der situativen und sprachlichen Einheiten seitens der Sprecher gibt, eine Ordnung, die Peter Koch und Wulf Oesterreicher bei ihrer Modellierung des konzeptionellen Kontinuums aufgenommen haben. Es gibt ja ein beschreibungslogisches Problem beim Nähe/ Distanzkontinuums. Das Kontinuum ist mehrdimensional, weil die Kommunikationssituationen in vielerlei Hinsicht variieren können und daher mehrere kommunikative Parameter gebraucht werden, um die Variation beschreibbar zu machen. Außerdem vollzieht sich diese Variation auf den unterschiedlichen Parametern keineswegs parallel. Koch und Oesterreicher haben dies an einigen Beispielen aufgezeigt. So ist beim Bewerbungsgespräch der Öffentlichkeitscharakter gering; mit der face-to-face-Interaktion, der Dialogizität, einer geringen Themenbindung und einer relativ intensiven Kooperation liegen weitere Parameterwerte der Nähekommunikation vor. Dagegen sind hinsichtlich der Vertrautheit der Partner, der Emotionalität, der situationellen Einbettung und der Handlungsverschränkung hohe Werte im Bereich der Distanz gegeben. Ordnet man die Parameter parallel zueinander und trägt diese Werte ein, ergibt sich für das Bewerbungsgespräch eine charakteristische Zick-Zacklinien. Die einzelnen Kommunikationstypen erscheinen auf der situativen Seite als Mischungen von Nähe- und Distanzwerten, Mischungen, die sich gerade nicht in die lineare Logik des Nähe/ Distanzkontinuums einfügen. 22 Eine solche komplexe, nicht-lineare Variation in eine eindimensionale Sukzession zwischen Nähe- und Distanzpol zu überführen, erfordert deshalb noch weitere Abstraktionsschritte, deren Sinnfälligkeit begründet werden muss - und die meines Erachtens mit sprechereigenen Kategorisierungsleistungen begründet werden kann. Ein erster Schritt wäre die Überführung der Mehrdimensionalität der Parameter in die unmittelbare Vergleichbarkeit synthetisierender Situationstypen, der nächste Schritt dann die abstrahierende Formulierung von Situationsdomänen, die sich auf dem linearen, bipolaren Kontinuum gegenüberstehen. Angesichts der Heterogenität der kommunikativen Parameter ist eine solche Reduktion auf Situationsdomänen keineswegs selbstverständlich. Man könnte ja durchaus auch an eine radiale Anordnung der Situationstypen, viel- 22 Vgl. Koch/ Oesterreicher 2001, 586-587. Festschrift_V-435_End.indd 123 20.05.11 14: 36 <?page no="150"?> 124 Maria Selig leicht auch an eine Anordnung um mehrere Pole denken. Wenn die von Peter Koch und Wulf Oesterreicher vorgeschlagene eindimensionale, lineare Ordnung auf der situativen Seite ohne weiteres einleuchtet, dann also nicht deswegen, weil es sich um eine Lösung handelt, die sich aus der Funktionslogik des Kontinuums unmittelbar ergibt. Vielmehr erscheint die Reduktion des mehrdimensionalen Kontinuums auf die eine Nähe/ Distanzvariation deshalb angemessen, weil sie einer sprechereigenen Ordnungskategorie, nämlich der Skala zwischen informellen und formellen Situationstypen bzw. der Gegenüberstellung einer informellen und einer formellen Kommunikationsdomäne entspricht. Der Schritt vom mehrdimensionalen Kontinuum zur Linearität zwischen Nähe- und Distanzpol ist ein Perspektivenwechsel, und bei diesem Perspektivenwechsel vollziehen Koch und Oesterreicher die gerade beschriebenen Leistungen der Sprecher bei der Ordnung und Orientierung der situativen Dimension nach, die für das Funktionieren der historisch-kontingenten konzeptionellen und der historischkontingenten diaystematischen Variation bestimmend sind. Auch auf der sprachlichen Seite können sich Koch und Oesterreicher an eine sprechereigene - und letztendlich diasystematisch funktionierende - Varietätenabgrenzung anschließen. Auch die Sprecher operieren mit der Gegenüberstellung einer nähesprachlichen und einer distanzsprachlichen Varietät, auch wenn sie dafür die Begriffe der ‚geschriebenen‘ und ‚gesprochenen Sprache‘ benutzen. Auf die metonymische Verschiebung von den Realisierungsmedien zur Situationskennzeichnung und Varietätenbezeichnung und auf deren Hintergründe kann ich nicht eingehen, ebenso wenig darauf, warum Sprecher Sprache sagen und Varietät meinen. Für mich spricht aber trotz der uneigentlichen Bezeichnung und trotz der sprachtheoretisch nicht haltbaren Einordnung nichts dagegen, genau das selbe Repertoire an sprachlichen Merkmalen und genau die gleichen kommunikativen Parameter als Bezugspunkte dieser Unterscheidung anzusetzen, die im konzeptionellen Kontinuum systematisiert sind. Selbstverständlich bleiben noch eine ganze Reihe von Fragen offen, bevor wir darüber entscheiden können, ob die Erkenntnis, dass sich an das konzeptionelle Kontinuum auch eine Varietätenausgrenzung seitens der Sprecher anschließt, auch dazu führen sollte, die Grenzziehung zwischen konzeptioneller und diasystematischer Variation einzuebnen. 23 In diesem Sinne werden die Differenzen bei der Beurteilung des Diasystems und des ‚Kombinationsmodells‘ sicher noch eine Weile bestehen müssen. Aber wenn diese Differenzen dazu führen, über die richtigen Fragen zu diskutieren, ist das auch gut so. 23 Das Argument von Peter Koch, im Diasystem könnten keine kontinualen Ordnungen abgebildet werden (Koch 1999, 156, 2005, 51f.), müsste noch genauer diskutiert werden. Hier nur der Hinweis, dass jede Kategorisierung, ob mit zwei oder mit mehr Einheiten, diskret ist und nur durch hedges in ein kontinuales Mehr oder Weniger überführt werden kann. Festschrift_V-435_End.indd 124 20.05.11 14: 36 <?page no="151"?> Konzeptionelle und/ oder diaphasische Variation? 125 4 Bibliographie Albrecht, J. (1986/ 1990): „‚Substandard‘ und ‚Subnorm‘. Die nicht-exemplarischen Ausprägungen der ‚Historischen Sprache‘ aus varietätenlinguistischer Sicht“, in Holtus, G./ Radtke, E. (Hgg.), Sprachlicher Substandard, 3 Bde., Tübingen, Niemeyer, Bd. I, 65-88, III, 44-127. Albrecht, J./ Lüdtke, J./ Thun, H. (Hgg.) (1988): Energeia und Ergon. Sprachliche Variation, Sprachgeschichte, Sprachtypologie. Studia in honorem Eugenio Coseriu, 3 Bde., Tübingen, Narr. Aschenberg, H. (1991): „Besprechung von Koch/ Oesterreicher 1990“, in Romanische Forschungen 103, 268-270. Coseriu, E. (1970): Einführung in die strukturelle Betrachtung des Wortschatzes, Tübingen, Narr. Coseriu, E. (1988a): „Der Begriff ‚Dialekt‘, ‚Niveau‘ und ‚Sprachstil‘ und der eigentliche Sinn der Dialektologie“, in Albrecht/ Lüdtke/ Thun 1988, Bd. 1, 14-43 (span. Original: „Los conceptos de ‚dialecto‘, ‚nivel‘ y ‚estilo‘ y el sentido propio de la dialectología“, in Lingüística español actual 3/ 1, 1981, 1-32). Coseriu, E. (1988b): Einführung in die Allgemeine Sprachwissenschaft, Tübingen, Francke (span. Original: Lecciones de lingüística general, Madrid, Gredos 1981). D’Achille, P. (1990): Sintassi del parlato e tradizione scritta della lingua italiana. Analisi di testi dalle origini al secolo XVIII, Roma, Bonacci. Dittmar, N. (1997): Grundlagen der Soziolinguistik. Ein Arbeitsbuch mit Aufgaben, Tübingen, Niemeyer. Dufter, A./ Stark, E. (2003): „La variété des variétés: combien de dimensions pour la description? “, in Romanistisches Jahrbuch 53, 81-108. Kabatek, J. (2000): „L’oral et l’écrit - quelques aspects théoriques d’un ‚nouveau‘ paradigme dans le canon de la linguistique romane“, in Dahmen, W. u.a. (Hgg.), Kanonbildung in der Romanistik und in den Nachbardisziplinen. Romanistisches Kolloquium XIV, Tübingen, Narr, 305-320. Kiesler, R. (1995): „français parlé = französische Umgangssprache? “, in Zeitschrift für Romanische Philologie 111, 375-406. Koch, P. (1999): „Gesprochen/ geschrieben - eine eigene Varietätendimension? “, in Greiner, N./ Kornelius, J./ Rovere, G. (Hgg.), Texte und Kontexte in Sprachen und Kulturen. Festschrift für Jörn Albrecht, Trier, Wissenschaftlicher Verlag, 141-168. Koch, P. (2005): „‚Parlato/ scritto‘ quale dimensione centrale della variazione linguistica“, in Burr, E. (Hg.), Tradizione & innovazione. Il parlato: teoria - corpora - linguistica dei corpora. Atti del VI Convegno SILFI, Duisburg, Giugno 2000, Florenz, Cesati, 44- 56. Koch, P./ Oesterreicher, W. (1985): „Sprache der Nähe - Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte“, in Romanistisches Jahrbuch 36, 15-43. Koch, P./ Oesterreicher, W. (1990): Gesprochene Sprache in der Romania: Französisch, Italienisch, Spanisch, Tübingen, Niemeyer. Koch, P./ Oesterreicher, W. (1994): „Schriftlichkeit und Sprache“, in Günther, H./ Ludwig, O. (Hgg.), Schrift und Schriftlichkeit. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung, Bd. 1, (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 10.1), Berlin/ New York, De Gruyter, 587- 604. Koch, P./ Oesterreicher, W. (2001): „Gesprochene und geschriebene Sprache/ Langage parlé et langage écrit“, in Holtus, G./ Metzeltin, M./ Schmitt, C. (Hgg.), Lexikon der romanistischen Linguistik, Bd. I.2, Tübingen, Niemeyer, 584- 627. Koch, P./ Oesterreicher, W. (2007): „Schriftlichkeit und kommunikative Distanz“, in Zeitschrift für germanistische Linguistik 34, 346-375. Koch, P./ Oesterreicher, W. (2008): „Mündlichkeit und Schriftlichkeit von Texten“, in Janich, N. (Hg.), Textlinguistik. 15 Einführungen, Tübingen, Narr, 199-215. Festschrift_V-435_End.indd 125 20.05.11 14: 36 <?page no="152"?> 126 Maria Selig Lebsanft, F. (2004): „Plurizentrische Sprachkultur in der spanischsprachigen Welt“, in Gil, A./ Osthus, D./ Polzin-Hausmann, C. (Hgg.), Romanische Sprachwissenschaft. Zeugnisse für Vielfalt und Profil eines Faches. Festschrift für Christian Schmitt zum 60. Geburtstag, Frankfurt a.M., Peter Lang, 205-220. Oesterreicher, W. (1988): „Sprechtätigkeit, Einzelsprache, Diskurs und vier Dimensionen der Sprachvarietät“, in Albrecht/ Lüdtke/ Thun 1988, Bd. 2, 355-386. Radtke, E. (2001): „L’emotività come categoria nelle ricerche sul parlato“, in Dardano, M./ Pelo, A./ Stefinlongo, A. (Hgg.), in Scritto e parlato. Metodi, testi e contesti. Atti del Colloquio internazionale di studi (Roma, 5- 6 febbraio 1999), Roma, Aracne, 99-109. Schlieben-Lange, B. (1991): Soziolinguistik. Eine Einführung, 3. Aufl., Stuttgart, Kohlhammer (1. Aufl. 1973). Schreiber, M. (1999): Textgrammatik, Gesprochene Sprache, Sprachvergleich. Proformen im gesprochenen Französischen und Deutschen, Frankfurt a.M., Peter Lang. Söll, L. (1974/ 1985): Gesprochenes und geschriebenes Französisch, 3. revidierte und erweiterte Auflage bearbeitet von F.J. Hausmann, Berlin, Erich Schmidt. Wunderli, P. (1992): „Le problème des entités diastratiques“, in Communication & Cognition 25, 171-190. Festschrift_V-435_End.indd 126 20.05.11 14: 36 <?page no="153"?> R OSANNA S ORNICOLA Sintassi e semantica di exinde, inde nel Codice Diplomatico Amalfitano 1 Caratteristiche dei documenti notarili dei ducati alto-medievali della costa campana e dei domini longobardi La lingua delle scriptae notarili alto-medievali, con il suo ricco e problematico intreccio di strutture latine e romanze, fornisce spesso opportunità di riflessione sulla complessità di analisi di quella fase di storia linguistica che, con una suggestiva metafora, Elcock (1961) ha chiamato „la penombra delle lingue romanze“. Affiorano in essa strutture la cui interpretazione formale e semantica richiede una considerazione congiunta delle casistiche del latino e del volgare, nella sua fase di ‚passaggio allo scritto‘, tema quest’ultimo che è stato recentemente riproposto da vari studiosi in un’ottica attenta ai generi testuali e alle moderne ricerche sul rapporto tra parlato e scritto. 1 I documenti del IX e X secolo di Gaeta, Napoli, Amalfi, Nocera, Salerno, Benevento, città che furono in vario grado rilevanti centri di scrittura legale nell’Italia meridionale nell’alto medio evo, offrono numerosi esempi al riguardo. I documenti dei vari scriptoria differiscono non solo nelle diverse tradizioni di scrittura notarile che seguono (nei formulari e nelle forme macro-testuali delle diverse tipologie di atti legali), ma anche nelle tradizioni linguistiche di riferimento. Non c’è dubbio, ad esempio, che i testi dei ducati della costa, Gaeta, Napoli, Amalfi, mostrino tra loro un maggior grado di affinità stilistica e linguistica, e siano nel complesso più disomogenei rispetto a quelli di Nocera, Salerno e Benevento, tra i quali sussistono peraltro significative differenze. In generale, tuttavia, si può dire che la latinità dei documenti dei territori costieri presenta caratteristiche di maggiore continuità con una facies tarda, in cui convivono lessemi e costruzioni ben attestati nella tradizione del linguaggio giuridico e amministrativo, stilemi ed espressioni che sembrano più spiccatamente in rapporto col latino dei Padri della Chiesa e di altre auctoritates cristiane, con grecismi talora di maniera, alcuni dei quali circolanti anche in altre tipologie testuali di ambiente religioso ed ecclesiastico. I cosiddetti ‚volgarismi‘, pur presenti, non alterano il quadro di una sostanziale tenuta delle strutture latine, che certo non sono complessivamente riconducibili a quelle del latino classico, ma piuttosto ai molteplici usi innovativi post-classici e tardi, che dovettero godere di circolazione e vitalità in ambienti e in contesti sociolinguistici non infimi: è il quadro di 1 Si vedano i contributi nel volume a cura di Selig/ Frank/ Hartmann (1993). Per il rapporto tra scritto e parlato, in particolare, si veda l’articolo di Koch ivi incluso (Koch 1993). Festschrift_V-435_End.indd 127 20.05.11 14: 36 <?page no="154"?> 128 Rosanna Sornicola una continuità forse definibile ‚armonica‘ tra latino e volgari emergenti. Certo, esistono differenze di livello culturale degli scribi e dei contraenti degli atti, che si riflettono in maniera interessante sulla lingua, ma colpisce che si possa individuare uno standard medio dei documenti privo di massicce cadute verso fenomeni propriamente considerabili come volgarismi. I documenti di Nocera, Salerno, Benevento mostrano invece una minore unitarietà linguistica, anche in rapporto agli scribi e all’ambiente sociale per cui essi di volta in volta esercitavano la loro opera. Si può inoltre ravvisare un ventaglio piuttosto ampio di ‚norme‘ linguistiche, che va dalla folta presenza di veri e propri volgarismi in molte delle carte redatte negli scriptoria di Nocera o Sarno da scribi di più modesta preparazione, al latino sofisticato di molti documenti salernitani e beneventani, spesso scritti nel palazzo dei principi, che mostra un carattere più fisso e stereotipato, in cui accanto a tecnicismi giuridici compaiono costruzioni di registro alto e, specie a Benevento, strutture morfosintattiche tipiche che fanno ipotizzare l’influenza del bilinguismo latino-germanico 2 . Queste differenze linguistiche tra i documenti dei ducati della costa e dei principati longobardi vanno ovviamente considerate alla luce delle diverse aree di influenza culturale e politica: il mondo tardo-romano e poi bizantino che costituiva l’orizzonte di Gaeta, Napoli e Amalfi, la complessa società romano-barbarica che si esprime a Nocera, Salerno e Benevento. Vale la pena ricordare che fu proprio su questo discrimine culturale e linguistico che si formarono esperimenti di ‚passaggio allo scritto‘ del volgare romanzo di portata storica. 2 Exinde, inde nel Codice diplomatico amalfitano I documenti amalfitani mostrano numerosi fenomeni linguistici di notevole interesse per lo studio della transizione dal latino al volgare. Qui ci occuperemo di alcune strutture con exinde (ed inde) che pongono alcune questioni di sintassi e semantica diacronica 3 . 2.1 Caratteristiche degli avverbi latini e dei continuatori romanzi È opportuno ricordare rapidamente che in latino i due avverbi, i cui valori semantici mostrano punti di somiglianza, non hanno avuto uguale distribuzione nel tempo e attraverso i generi testuali. Ad un uso di inde più ampio in diacronia e in testi di vario genere 4 , fa riscontro una più limitata attestazione di exinde, presente nei commediografi arcaici, molto raramente negli scrittori di epoca classica, e la cui documentazione più abbondante è fornita da scrittori della latinità tarda, con una presenza rilevante nel linguaggio dei testi giuridici e 2 Per una discussione delle differenze ora delineate rinvio a Sornicola (2007), (2008) e (in stampa). 3 Il testo dei documenti è quello stabilito dall’edizione di Filangieri (1917). Ho preso in considerazione solo i documenti indicati da Filangieri come originali (le pergamene purtroppo sono tutte andate distrutte nell’incendio appiccato dai nazisti nel 1943 ai fondi antichi dell’Archivio di Stato di Napoli). 4 Inde è stato usato nella latinità di tutte le epoche: si veda ThLL 7, 1, 1107, 65ss. Festschrift_V-435_End.indd 128 20.05.11 14: 36 <?page no="155"?> Sintassi e semantica di exinde, inde 129 cancellereschi 5 . È pur vero che anche inde occorre con notevole frequenza in testi tardo-latini, in funzioni ormai in parte diverse da quelle di epoca classica (si veda Muller 1945: 162-163), e che, come exinde, appare caratteristico dei testi giuridici 6 . Tuttavia il destino diacronico dei due avverbi è stato diverso anche sul tempo più lungo degli sviluppi romanzi: mentre inde ha avuto numerosi continuatori in funzione non solo avverbiale, ma anche pronominale (si pensi al fr. en, it. ne, sardo inde, etc.) 7 , le cui caratteristiche, pur innovative, sono in stretto rapporto con quelle dell’avverbio latino, exinde rappresenta una strada interrotta, che non ha prodotto frutti romanzi. Entrambi gli avverbi mostrano al loro interno una molteplicità di valori semantici, che non sempre si lasciano facilmente distinguere con chiarezza l’uno dall’altro. Il valore più antico di exinde, già attestato in scrittori della latinità arcaica, è in rapporto all’area semantica del tempo e della successione: potrebbe essere reso attraverso i sinonimi tum, deinde, postea; valori temporali alquanto diversi sono inoltre esprimibili con le espressioni inde ab eo puncto temporis e incessanter, continuo; adhuc, nunc usque. Una variegata area semantica di relazioni spaziali si trova associata all’avverbio solo in fonti tardo-latine. Exinde può esprimere l’allontanamento da un luogo, una distanza, separazione, o anche una relazione di origine o provenienza. È in queste funzioni che l’avverbio mostra una notevole sovrapposizione con inde, la cui area semantica centrale ricopre anch’essa tali relazioni spaziali. In entrambi i casi tali valori coesistono con altri contigui, definibili come ‚relazionali‘ o ‚partitivi‘, che sono stati costitutivi degli sviluppi pronominali di inde nelle lingue romanze. La casistica tardo-latina presenta un gradiente di valori che spesso sfumano gli uni negli altri, e in cui a volte è già ravvisabile una più o meno incipiente funzione pronominale (si può individuare in effetti una ambivalenza tra avverbio e pronome, ben manifesta nei volgari) 8 . Particolarmente interessanti sono gli usi partitivi, che occorrono tipicamente in contesti in cui sono presenti pronomi indefiniti, numerali o nomi di quantità: Esempi con exinde Cassiodoro, Variae 5, 14, 1 „aliquid exinde suis applicare compendiis“; Lex Salica 12, 13, 1 „nonnulla exinde partem… canonicarii subtrahebant“; Itinerarium Antonini Placentini, 39 „doleos exinde (= ex manna) plenos habent“; Gregorio di Tours, Historia Francorum 3, 31, p. 135, 20 „nihil exinde dare regi“; Lex Visigothorum 8, 5, 1 „unum exinde (= ex porcis); Dioscorides 3, 165 „cotidie exinde (= de eo semine) bibere debent“ 5 Si veda ThLL V, 2, 1506ss. 6 Inde ricorre spesso in Ulpiano come connettivo con valore consequenziale ‚hence)‘ e come sinonimo di proinde (‚accordingly‘), si veda Honoré (1982: 54-55). 7 Per una discussione comparativa degli esiti romanzi si veda Meyer-Lübke (1890-1906, III, par. 64). 8 Cfr. Cassiodoro, Inst. 1, 1, 3 „deinde… Ambrosius … exinde (= de octateucho) sex libros… confecit“; Cassiodoro, Variae 5, 30 „ne ad nos exinde… querela revocetur“; Vitae Patrum 5, 7, 24 „tu exinde reddes rationem“. Nella discussione che segue, per semplicità, farò tuttavia riferimento alle forme latine come ad ‚avverbi‘. Festschrift_V-435_End.indd 129 20.05.11 14: 36 <?page no="156"?> 130 Rosanna Sornicola Esempi con inde Terenzio, Adelphoe 46-47 „nati filii duo: inde ego maiorem adoptavi mihi“; Cicerone, Tusculanae disputationes 5, 72 „sapiens nihil in suam domum inde derivet“; Livio 2, 30, 7 „ternae inde (= de decem legionibus) datae consulibus; Mulomedicina Chironis 485 „aquam de ordeo quae fieri solet, inde crassum sumito.“ Esistono poi altri gruppi di valori dei due avverbi che sembrano sviluppi impliciti a partire da quelli spaziali. Essi sono definibili come ‚causali‘ e ‚strumentali‘. Il valore causale di exinde = pro eo, per id, propterea, attestato già in Varrone e Tacito, è però anch’esso caratteristico di scrittori post-classici e tardi (Apuleio, Ammiano, Tertulliano, S. Girolamo, Cassiodoro), ed è specialmente rappresentato dai testi giuridici del Corpus Iuris Civilis: Codex Iustiniani 1, 2, 14, 5 „quodcumque exinde incommodum ecclesiae contigerit“; Novellae Iustiniani app. 1, 1 „et non exinde (= ea dispositione) deminutio aliqua dominis inferatur“; Papiniano, Digestus 43, 25, 1, 2 „si… in mora heres fuit, exinde fructum praestandarum necessitate adstrictus“ 9 . Costituisce un problema interessante il fatto che in alcuni esempi dei vari gruppi il valore semantico dell’avverbio possa risultare opaco, non solo in quanto non determinabile con esattezza, ma anche perché talora in apparenza del tutto assente. In effetti, a volte si è assegnata la caratteristica di ‚pleonasmo‘ ad alcuni usi dei continuatori romanzi di inde (si veda ad esempio Battaglia XI, 280a e b), ma sarebbe meglio evitare il ricorso a tali descrizioni, sia per la problematicità intrinseca al concetto, sia perché la fenomenologia dei tipi in esame sembra avere una sua pur complessa ratio, su cui sarà opportuno ritornare in altre occasioni. È notevole, in ogni caso, la complessiva corrispondenza di valori semantici del lat. inde con quelli dei suoi continuatori medievali e moderni. 2.2 Proprietà macroe micro-testuali di exinde e inde nel Codice diplomatico amalfitano Nelle carte amalfitane del X secolo, l’avverbio exinde ricorre con una notevole frequenza, con valori che appaiono diversi, anche se non sempre facilmente determinabili. A questa polifunzionalità fa riscontro nella maggior parte dei casi un evidente carattere stereotipato delle formule in cui compare l’avverbio. Si è cercato perciò di esaminare le sue caratteristiche distribuzionali e funzionali nelle varie occorrenze. Le proprietà distribuzionali sono state considerate sia rispetto al più ampio intorno testuale (proprietà macro-testuali) sia rispetto a contesti di minore ampiezza, che possono coincidere con una struttura enunciativa (proprietà micro-testuali). In base ai due gruppi di caratteristiche, sono stati individuati dieci tipi, all’interno dei quali in alcuni casi si sono effettuate ulteriori sottoclassificazioni. 9 Anche inde ricorre in testi giuridici con questo valore: Ulpiano, Digestus 9, 2, 9 „si obstetrix medicamentum dederit et inde mulier perierit…“. Festschrift_V-435_End.indd 130 20.05.11 14: 36 <?page no="157"?> Sintassi e semantica di exinde, inde 131 A. Exinde occorre in una formula che segue la descrizione di un bene venduto, donato, affittato, etc. Questa caratteristica più generale può essere ulteriormente articolata rispetto al tipo di formula in cui l’avverbio è inserito: Aa. Exinde si trova nella formula in cui si elencano le parti del bene che si escludono dall’atto (formula di ‚eccettuazione‘): (1) Amalfi, 939 „et iactavimus ividem plenarium ipsum casalem da Lauri cum et ipso terra vacuum ividem … et medietatem de terre ipse seminatore quantum ividem in Lauri avemus. preter exceptuavimus exinde tota ipsa querqueta quante ibidem avemus.“ (CDA IV, p. 7, r. 14) La proprietà macro-testuale ora descritta è associata ad un’altra occorrenza dell’avverbio, peraltro inserito in una formula di eccettuazione che presenta alcune differenze di struttura rispetto al caso precedente: (2) Amalfi, 971 „unde nobis neque de ss. tertie de uno mense per omnem annum neque de portionem de ss. terra neque de tota sua pertinentia nihil remansit aut aliquid exinde exceptuabimus set integrum et sine omni minuitate vobis eos venundedimus.“ (CDA IX, p. 15, r. 17) Le distribuzioni sintattiche delle repliche in (1) e (2) possono essere rappresentate, rispettivamente con le strutture (1) e (2) 10 : s. 1. [ [Avv ] + [ [ V ] + exinde + [ SN (Ogg)] ] s. 2. [ [ Cong ] + [ [ Pron indef (Ogg) ] + exinde + [ V ] ] In entrambi i casi è possibile assegnare all’avverbio il valore semantico relazionale-partitivo ‘ne, di ciò’. Sembra lecito infatti ipotizzare una relazione anaforica tra l’avverbio e un sintagma nominale antecedente nel co-testo. Ab. Exinde ricorre nella formula in cui il venditore accetta una determinata quantità di denaro come contropartita della compravendita (formula di ‚accettazione‘): (3) Amalfi, 964 „…venundedimus atque in presentem cessimus et contradidimus vobis… plenariam petiam de vinea in Reginnam Maiorem positam… deinde venundedimus illut vobis et dedimus ipso pretio in ipsam ecclesiam. nam continet fines a supra ponitur fine finem de causa beati Andree apostoli… suptus … et de alio latere fine finem vestram. Salva viam suam per ipsum cancellum de sancto Iohanne. haventem ibidem uno palmento fabrito et uno duleo cum una serola. unde nobis ibidem nichil remansit. unde et in presentem accepimus a vobis exinde nostra sanatione solidos triginta quinquem de tari.“ (CDA VII, p. 12, r. 17) (4) Amalfi, 970 „venundedimus atque… cessimus et contradidimus vobis… plenariam et integram ipsam domum nostra hic in plano Atrano posita [segue la descrizione dei confini e delle pertinenze della proprietà e quindi la formula „unde 10 Le rappresentazioni distribuzionali sono espresse con delle parentesizzazioni semplificate, che consentono comunque di rilevare le proprietà posizionali dell’avverbio nelle strutture di superficie. Lascio deliberatamente non specificate per il momento le relazioni di costituenza di exinde, su cui ritornerò nelle conclusioni. Festschrift_V-435_End.indd 131 20.05.11 14: 36 <?page no="158"?> 132 Rosanna Sornicola nobis… nichil remansit“]. unde accepimus a vos exinde plenariam nostra sanationem idest auri solidos mansi septuaginta ana tari quattuor per mancosum.“ (CDA VIII, p. 14, r. 12) 11 Per i due contesti possiamo, rispettivamente, ricavare le seguenti strutture distribuzionali: s. 3. [ [ unde ] + [ (Savv) ] + [ [ [ V ] + [ Sprep ] + exinde + [ SN (Aggiunto Modale) ] + [SN (Ogg) ] ] ] s. 4. [ [ unde ] + [ [ V ] + [ Sprep ] + exinde + [ SN (Ogg) ] ] ] In entrambi i casi l’interpretazione semantica più plausibile dell’avverbio sembra quella causale (= propter hoc). È affine al tipo Ab. rispetto alle caratteristiche macro-distribuzionali, ma ne differisce per alcune differenze nella struttura della formula in cui occorre, un tipo Ab’. In questo caso la formula ha come soggetto il pronome vos, riferito agli acquirenti, e il verbo principale è dare; si tratta cioè di una struttura in cui si specificano gli aspetti economici del pagamento, ma dal punto di vista di chi lo effettua e non di chi lo riceve (si noti tuttavia che il tipo Ab è micro-strutturalmente il più stabile). Anche in questo caso sembra lecito individuare un valore semantico causale. (5a) Amalfi, 987 „unde vos de presentem propter vonam voluntate dedistis nobis exinde aureum tari unum.“ (CDA XIII, p. 20, r. 10) (5b) Amalfi, 990 „unde vos de presentem … dedistis nobis exinde aureum tari unum.“ (CDA XIV, p. 22, r. 9) Ac. Exinde è inserito nella formula nichil remansit, che precede la formula di accettazione poco fa menzionata. Di questo tipo sussistono due repliche: (6) Amalfi, 984 „et licentiam et potestatem haveatis in ipsum catodium focularem habere at opus vestrum faciendi. Quia nobis exinde de ipsum ss. catodium neque de omnia sua pertinentia aliquid nobis exinde non remansit.“ (CDA XI, p. 18, r. 16 e 17) (7) Amalfi, 998 „unde nobis exinde nichil remansit.“ (CDA XVIII, p. 28, r. 3) Come si può vedere, i contesti (6) e (7) presentano delle rilevanti differenze. In particolare, il contesto (6), oltre alla diversa conformazione del sintagma nominale soggetto e al diverso incipit della formula, con il complementizzatore quia invece che l’avverbio unde, mostra una doppia occorrenza di exinde, secondo una composizione definibile ‚ad anello‘: le due repliche dell’avverbio segnano i confini di una struttura che contiene il sintagma nominale soggetto, con le sue ramificazioni interne, e il sintagma dell’oggetto indiretto pronominale, che pe- 11 Altri esempi del tipo Ab occorrono in documenti del 971 (CDA IX, p. 15, r. 19), 984 (CDA XI, p. 18, r. 18), del 985 (CDA XII, p. 19, r. 16), del 993 (CDA XV, p. 24, r. 9), del 998 (CDA XVIII, p. 28, r. 5). Festschrift_V-435_End.indd 132 20.05.11 14: 36 <?page no="159"?> Sintassi e semantica di exinde, inde 133 raltro dipende dal verbo successivo 12 . Costruzioni analoghe si ritrovano anche in altri casi nel CDA (si veda avanti, il tipo C.), e potrebbero essere in rapporto alla presenza di un costituente pesante 13 . La ripetizione dell’avverbio ne garantisce l’adiacenza al sintagma verbale, in maniera da non inficiare la chiarezza del rapporto di costituenza (qualcosa di simile a ciò che avviene in it. ant. con la ripetizione del complementizzatore che dopo un lungo inciso che separa una subordinata oggettiva dal verbo reggente + che). Un problema interessante riguarda la relazione tra unde ed exinde. In alcuni contesti, come CDA XVIII, i due avverbi sembrerebbero avere la stessa funzione semantica, e si potrebbe pensare ad un caso di ipercaratterizzazione funzionale. Questa ipotesi potrebbe essere confermata dall’esistenza di un contesto come: „unde nobis ibidem nichil remansit“ (Amalfi, 964, CDA VII, p. 12, r. 16), macrostrutturalmente affine ai due precedenti, ma con unde e senza exinde. Possiamo ad ogni modo pervenire alle seguenti rappresentazioni, in rapporto alla struttura ad anello (6) e a quella semplice (7): Struttura ad anello s. 6. [ [ Comp ] + [ Pron pers (Ogg ind) ] + exinde 1 + [ [ [ Sprep ] + [ Pron indef (Sogg) ] ] + [ [ Pron pers (Ogg ind) ] + exinde 2 + [ [Neg ] + [ V ] ] ] Struttura semplice s. 7. [ [ unde ] + [ Pron pers (Ogg ind) ] + exinde + [ [ Pron indef (Sogg) ] + [V ] ] ] Più complicata è l’interpretazione semantica. In (6) exinde 1 potrebbe avere valore causale (‚perciò‘), mentre exinde 2 sembra plausibilmente esprimere un valore relazionale (‚di ciò‘) o partitivo, come ripresa anaforica del sintagma retto da aliquid (l’analisi relazionale potrebbe valere anche per l’occorrenza singola della struttura in (7)). D’altra parte, non sarebbe infondato ipotizzare che tra le due repliche dell’avverbio ci sia non solo una corrispondenza sintattica, ma anche semantica. Dovremmo allora concludere che exinde 1 abbia la stessa interpretazione relazionale di exinde 2 ? La simmetria di struttura nobis exinde 1 … nobis exinde 2 sembrerebbe un indizio a conferma di ciò. Ad ogni modo, è interessante osservare sia in (6) che in (7) la presenza nel contesto di un pronome indefinito, come nella casistica latina precedentemente ricordata. B. Exinde compare nella formula di penalità, con cui il venditore cautela il compratore promettendo di pagare una somma di denaro se non manterrà determinati impegni, indicati nella formula immediatamente precedente (la nota 12 La presenza del pronome personale oggetto indiretto all’interno dell’‚anello‘ potrebbe essere dovuta a fattori ritmici. I contesti in cui exinde è preceduto da un pronome personale obliquo sono numerosi: si veda più avanti. 13 La ripetizione di altro elemento, con variazioni morfologiche, è pressoché regolare nella formula che si conclude con l’espressione liberam habeatis potestatem, come ad esempio in„ut a nunc die presente et in perpetuis temporibus in vestra et de vestri heredes sint potestatis havendi fruendi possidendi vindendi donandi seu commutandi liveram haveatis potestatem“ (Amalfi, 970, CDA VIII, p. 14, r. 15-18). Le ragioni di questa composizione potrebbero però essere diverse da quelle postulate per la ripetizione dell’avverbio. Festschrift_V-435_End.indd 133 20.05.11 14: 36 <?page no="160"?> 134 Rosanna Sornicola formula con la promessa di „antestare et defensare“ 14 la proprietà o l’atto, ben viva nella tradizione notarile dei ducati della costa): (8) Amalfi, 939, „insuper nos et nostri [heredes vobis et] vestris heredibus ipsam vineam ab omni humana per[sona antestari et] defensari promittimus ante omnem domina[tionem s]eu potestatem. quod si minime vobis exinde fecerimus [componere] vobis promittimus libra una de auro.“ (CDA VII, p. 12, r. 30) (9) Amalfi, 970, „quod si minime vobis exinde fecerimus ducentos byzantios vobis componere promittimus.“ (CDA VIII, p. 14, r. 25) 15 Si può ricavare pertanto la seguente struttura distribuzionale, sia per (8) che per (9): s. 8., 9. [ [ Pron rel (Ogg) ] + [ [Comp] + [ Avv ] + [ [ Pron pers (Ogg ind) ] + exinde + [ V ] ] ] 16 L’interpretazione semantica è ambigua. L’avverbio potrebbe avere un valore temporale (deinde, tum), oppure relazionale (‚in relazione a ciò‘). C. Exinde ricorre nella formula con cui il venditore garantisce che né lui né i suoi eredi invalideranno quanto è stato convenuto nell’atto. Tale formula segue sempre immediatamente quella, caratteristica degli atti di vendita di Gaeta, Napoli e Amalfi, in cui il venditore garantisce che il compratore e i suoi eredi abbiano in perpetuo il pieno possesso della proprietà: (10) Amalfi, 970 „et iam aliquando exinde neque a nos neque ab heredibus nostris vel a nobis summissam personam nullam requesitionem exinde haveatis.“ (CDA VIII, p. 14, r. 18 e 20) (11) Amalfi, 971 „et iam aliquando exinde neque a nos neque ab heredibus nostris vel a nobis summissam personam nullam requesitionem exinde habeatis.“ (CDA IX, p. 15, r. 25 e 27) 17 Dei sei casi in cui ricorre questo tipo, quattro mostrano la doppia occorrenza di exinde secondo una struttura ad anello affine a quella riscontrata per il tipo Ac. Anche qui infatti le due repliche delimitano uno spazio di frase che include dei sintagmi argomenti del verbo, con la seconda replica immediatamente contigua al verbo (si potrebbe dire che formi sintagma con questo). È significativo, in effetti, che nei due casi in cui non si ha la struttura ad anello l’avverbio sia adiacente al verbo, in posizione finale di enunciato: 14 Nel documento VII, il più sofisticato stilisticamente e linguisticamente, accanto a defensari, Filangieri ricostruisce un antestari nella lacuna che precede. 15 Altri contesti con il tipo 2. sono in documenti del 971 (CDA IX, p. 16, r. 4), 977 (CDA XI, p. 18, r. 30), 985 (CDA XII, p. 19, ma il documento è mutilo), 987 (CDA XIII, p. 21, r. 13), 990 (CDA XIV, p. 22, r. 24), 998 (CDA XVIII, p. 28, r. 14). 16 Il pronome relativo in funzione di oggetto è situato nella posizione topicale periferica rispetto alla struttura della subordinata introdotta da si. 17 Altri contesti con il tipo C. sono in documenti del 984 (CDA XI, p. 18, r. 25 e 26), 990 (CDA XIV, p. 22, r. 20), 993 (CDA XIV, p. 24, r. 16 e 18). Festschrift_V-435_End.indd 134 20.05.11 14: 36 <?page no="161"?> Sintassi e semantica di exinde, inde 135 (12) Amalfi, 987 „et iam aliquando neque a nos neque hab ehredibus [sic! ] nostris vel a nobis summissam personam nullam requisitionem exindem [sic! ] habeatis.“ (CDA XIII, p. 21, r. 9) Struttura ad anello s. 10., 11. [ [ (Avv1) + (Avv2) ] + exinde 1 + [ [ [ Neg ]+ [ Sprep (Agentivo) ] ] + [ [SN (Ogg) ] + exinde 2 + [V ] ] ] Struttura semplice s. 12. [ [ (Avv1) + (Avv2) ] + [ [ [ Neg ]+ [ Sprep (Agentivo) ] ] + [ [SN (Ogg) ] + exinde + [V ] ] ] Anche in questo caso mentre l’interpretazione di exinde 2 sembra meno problematica (è rappresentabile come relazionale o come una ripresa anaforica del costituente „nullam requisitionem“), il valore semantico di exinde 1 si lascia definire meno facilmente. Potrebbe trattarsi di un significato temporale (‚in seguito‘), che rinforza il riferimento temporale veicolato dai due avverbi iam aliquando (‚giammai in futuro‘). Non si può escludere d’altronde che siano in gioco anche l’interpretazione causale o quella relazionale. Come per il tipo Ac., il valore semantico dell’unica occorrenza dell’avverbio sembra simile a quello di exinde 2 nella struttura ad anello. Un tipo che mostra una qualche affinità semantica con C., ma da esso diverso, perché ricorre in un contesto macro-testuale difforme e non si presenta in una struttura ad anello, è rappresentato dal seguente esempio: (13) Amalfi, 990, „unde de presentem firmavimus vobis anc chartulam manifestationis. ut iam aliquando vos exinde non queramus de ipsa ss. terra campis silvis vineis fructiferis ve infructiferis omnia cum omnibus quantum dederat nobis at pastinandum ss. dom. Tauro… et dom. Blactu.“ (CDA XIV, p. 22, r. 11) Si tratta dell’unica formula di questo tipo tra i documenti amalfitani originali del X sec. s. 13. [ [ (Avv1) + (Avv2) ] + [ Pron pers ] + exinde + [ [ [ Neg ]+ [ V ] ] + … [ [SN (Ogg) ] ] ] 18 Exinde sembra qui funzionare come ripresa anaforica del sintagma terra. D. Exinde compare all’interno di una porzione testuale in cui si definiscono i confini e le pertinenze della proprietà oggetto della transazione. Tutti gli esempi di questa casistica appartengono a due soli documenti: (14a) Amalfi, 970 „a supra namque ponitur a parte de domo heredis Constantini de dom. Iannu parietem liverum et exinde regie et fenestre et grade fabrite et viam ad ingrediendum et ad egrediendum exinde havere deveatis. de subtus itaque ponitur a parte a mare parietem communalem haveatis cum domo de heredes Iohannis.“ (CDA VIII, p. 13, l’avverbio ricorre ai r. 15, 16) 18 L’assegnazione di funzione sintattica al pronome personale non è indisputabile. La forma vos potrebbe essere considerata come un accusativo retto da quaerere, ma la morfologia dei pronomi personali nel CDA non è sempre così regolare da garantire tale analisi. Festschrift_V-435_End.indd 135 20.05.11 14: 36 <?page no="162"?> 136 Rosanna Sornicola (14b) Amalfi, 970 „de uno vero latere ponitur parietem communalem haveatis vobiscum. et de alio autem latere ponitur parietem liverum et exinde regie et fenestre et plenarium minianum.“ (CDA VIII, p. 13, r. 21) (15) Amalfi, 984 „de suptus itaque ponitur parietem liverum haveatis et exinde fenestram maiore haveatis… et de alio autem latere a parte ab Atrano parietem liverum haveatis et exinde regiam haveatis et necessarie et grade fabrite et viam exinde haveatis at ingrediendum et ad egrediendum.“ (CDA XI, p. 18, l’avverbio ricorre ai r. 7, 10 e 11) Le occorrenze dell’avverbio in 14a), 14b) e 15) hanno una evidente somiglianza di contesto formulaico e di struttura, pur differendo tra loro in alcune caratteristiche di ordine relativo dei costituenti. Exinde precede sempre immediatamente i sintagmi nominali in funzione di oggetto „regie et fenestre et grade fabrite“ (CDA VIII, p. 13, r. 15) 19 , „regie et fenestre et plenarium minianum“ (CDA VIII, p. 13, r. 21), „fenestram maiore“ (CDA XI, p. 18, r. 7). In tutti questi casi è evidente che i lessemi del sintagma nominale sono in una relazione di isotopia semantica con il sintagma nominale „parietem liverum“, che occorre sempre nell’immediato co-testo precedente. Diversa è la distribuzione dell’avverbio rispetto al sintagma nominale „viam ad ingrediendum et ad egrediendum“. In un caso esso si trova dopo l’intero sintagma nominale „viam ad ingrediendum et ad egrediendum“ (CDA VIII, p. 13, r. 16), in un altro è situato subito dopo la testa del sintagma (viam) e prima del verbo (‚avere‘) e delle strutture gerundiali dipendenti da viam (CDA Xi, p. 18, r. 11). Queste proprietà di distribuzione sintattica sono rilevanti per l’interpretazione semantica. In (14a. 1), (15. 1), (15. 2) si può ravvisare un valore relazionale, in (14a. 2), (15. 3) un valore di origine o movimento nello spazio. (14a.1) parietem liverum et exinde regie et fenestre et grade fabrite… havere deveatis s. 14a.1. [ [ [ SN1 (Ogg) ] + Cong + exinde + [ [ SN 2 (Ogg) ] + Cong + [ SN 3 (Ogg) ] + Cong + [ SN 4 (Ogg) ] + [ V non fin ] ] + [ [ V fin ] ] ] Interpretazione semantica: ‚dobbiate avere… la parete libera e le relative porte, etc.‘ 20 (15.1) parietem liverum haveatis et exinde fenestram maiore haveatis s. 15.1. [ [ SN (Ogg) ] + [ V ] ] + Cong + exinde + [ [ SN (Ogg)] ] + [ V ] ] Interpretazione semantica: ‚abbiate la parete libera e abbiate la relativa finestra maggiore‘ (15.2) parietem liverum haveatis et exinde regiam haveatis et necessarie et grade fabrite s. 15.2. [ [ SN 1 (Ogg) ] + [ V ] ] + Cong + exinde + [ [ SN 1 (Ogg) ] + [ V ] ] + Cong + [ [ SN 2 (Ogg) ] + Cong + [ SN 3 (Ogg) ] ] 19 Tale sintagma compare in CDA XI, p. 18, r. 10 con un ordine discontinuo al suo interno, per l’interposizione del verbo. 20 La struttura in 14b) ha una rappresentazione simile a quella di 14a.1), se si prescinde dall’assenza della configurazione [ [ V non fin ] ] + [ V fin ] ]. Festschrift_V-435_End.indd 136 20.05.11 14: 36 <?page no="163"?> Sintassi e semantica di exinde, inde 137 Interpretazione semantica: ‚la parete libera e la relativa porta, etc.‘ (14a.2) et viam ad ingrediendum et ad egrediendum exinde havere deveatis s. 14a.2. Cong + [ [ [ SN (Ogg) ] + [ Comp + [ V non fin1 ] + Cong + [ V non fin2 ] ] + exinde + [ [ V non fin ] ] + [ V fin ] ] ] (15.3) et viam exinde haveatis at ingrediendum et ad egrediendum s. 15.3. Cong + [ [ SN (Ogg) ] + exinde + [ V ] + [ Comp + [ V non fin1 ] + [ V non fin 2 ] ] Sia per (14a 2.) che per (15. 3.) può valere la medesima interpretazione semantica: ‚dobbiate avere la strada per l’entrata e l’uscita da lì‘ E. In due casi exinde ricorre nella formula di traditio della carta, dopo la dichiarazione del nichil remansit (che compare anche con variatio parafrastica) 21 : (16) Amalfi, 985 „unde nichil exceptuavimus. et i[pse] chartule nostre comparationis que exinde habuimus vobis tradidimus.“ (CDA XII, p. 19, r. 13) (17) Amalfi, 998 „unde nobis exinde nichil remansit. Et ipsam chartulam quam exinde habuimus vobis tradidimus.“ (CDA XVIII, p. 27, r. 13) Come si può vedere, la struttura micro-sintattica in cui occorre l’avverbio è nei due casi identica: esso si trova all’interno di una clausola relativa che modifica un sintagma nominale (la cui testa è il lessema chartula), subito dopo il pronome relativo e immediatamente prima del verbo della relativa. s. 16., 17. [ SN (Ogg) ] + [ [Pron rel ] + exinde + [ V ] ] + [ [Pron pers (Ogg ind)] + [ V ] ] Exinde sembra qui funzionare come anafora di un sintagma nominale che ricorre precedentemente nel testo (le terre della località Tocculum). F. Il passo in (18) mostra l’occorrenza di exinde nella formula di ‚vacuità‘, caratteristica di documenti napoletani e amalfitani: (18) Amalfi, 984 „et faciamus manifestum quia alie chartule non habeamus de ipsum catodium nisi ipsam quod vobis dedimus. Si alia chartula exinde paruerit sit inanis et vacua.“ (CDA XI, p. 18, r. 36) s. 18. [ [ [Comp ] ] + [ [ SN (Sogg) ] + exinde + [ V ] ] ] Non è facile disambiguare il valore semantico, che potrebbe essere temporale (‚in seguito‘), o relazionale (potrebbe trattarsi di una anafora di catodium). Altre occorrenze si lasciano meno facilmente tipificare, perché l’avverbio si trova in contesti non definibili in modo chiaro dal punto di vista testuale, e questa caratteristica appare spesso associata ad altre, come la minore formulaicità del contesto e la sua bassa ricorrenza (uno o al massimo due esempi): (19) Amalfi 977 „pro eo quod assignasti nobis una petia vestra de vinea et terra bacua in Stavi posita… ea rationem ut amodo et semper ego et mei heredes teneamus ss. vineam et laboremus eam… et ipso bacuum pastinemus et faciamus amodo et usque at tres annos et armemus eos in pergule. talem curam exinde 21 Si veda il già menzionato tipo Ac. Festschrift_V-435_End.indd 137 20.05.11 14: 36 <?page no="164"?> 138 Rosanna Sornicola habeamus ut semper dicat tertius et quartus homo quia tota ista vineam bene est armata et cultatam.“ (CDA X, p. 16, r. 11) s. 19. [ [ SN (Ogg) ] + exinde + [ V ] ] Anche se è plausibile assegnare all’avverbio in questo contesto un valore relazionale (‚ne, di ciò‘), non si può escludere la possibilità di un valore temporale. Un ulteriore tipo precede la dichiarazione di vendita di una vigna, con una prima descrizione della proprietà. Si passa quindi a definire i confini, con una dichiarazione preliminare, in cui all’avverbio si può assegnare valore relazionale: (20) Amalfi, 993 „unde reclaramus vobis exinde ipsas fines.“ (CDA XV, p. 23, r. 12) s. 20. [ unde ] + [ [ V ] + [ Pron pers (Ogg ind) ] + exinde + [ SN (Ogg)] ] I restanti casi sono piuttosto caratterizzabili in base a proprietà micro-sintattiche, come la presenza di un sintagma nominale con un numerale al suo interno (21), rispetto a cui l’avverbio sembra avere valore partitivo, o la funzione di ripresa anaforica di un elemento già menzionato nel contratto (22): (21) Amalfi, 998 „et ubicumque de causa ss. Iohannis soceri et genitoris nostri inventa dederit sextam partem vobis exinde venundedimus.“ (CDA XVIII, p. 27, r. 13) s. 21. [ [ [ SN (Ogg) ] ]+ [ [Pron pers (Ogg ind) ] + exinde + [ V ] ] ] (22) Amalfi, 998 „ut a nunc die presenti et in perpetuis temporibus in vestra et de vestris heredibus sit potestate faciendi et iudicandi exinde omnia que volueritis.“ (CDA XVIII, p. 28, r. 9) s. 22. [ [ SN (Sogg) ] + [ V non fin 1 + V non fin 2 ] + exinde + [ SN (Ogg) ] Notiamo infine che inde ricorre in un solo contesto, con il caratteristico valore semantico relazionale che presenta in parte della successiva casistica romanza: (23) Amalfi, 977 „pro eo quod assignasti nobis una petia vestra de vinea et terra bacua in Stavi posita at Terrenzanu per finis et omnia sicut continet ipsa chartula quod michi inde fecisti.“ (CDA X, p. 16, r. 4) s. 23. [ [ [ Pron rel (Ogg) ] + [ [ Pron pers (Ogg ind) ] + inde + [ V ] ] ] 3 Exinde tra latino e romanzo L’analisi delle distribuzioni sintattiche e dei valori semantici di exinde, pur nelle sue difficoltà, mostra alcuni risultati che sembrano di un certo interesse. Se si considerano i costituenti immediatamente adiacenti all’avverbio, emergono le due tavole di frequenza qui riportate 22 : 22 I dati sono considerati rispetto al numero totale di repliche. Festschrift_V-435_End.indd 138 20.05.11 14: 36 <?page no="165"?> Sintassi e semantica di exinde, inde 139 Tipo di costituente adiacente a sinistra Pronome personale 12 (sempre in funzione diversa da quella di soggetto) 23 Pronome relativo 2 Pronome indefinito 1 (in funzione di oggetto) Sintagma nominale pieno 6 (in quattro casi in funzione di oggetto, in uno di soggetto) Congiunzione 3 Verbo finito 1 Verbo non finito 2 Avverbio 2 23 Come si può vedere, prevalgono nettamente i contesti in cui precede un pronome personale obliquo, e la somma di tutti i tipi pronomi costituisce più della metà dell’insieme. Inoltre, la somma dei contesti in cui è presente un sintagma nominale è maggiore dei due terzi. Fortemente minoritari sono i contesti verbali e avverbiali. Tipo di costituente adiacente a destra Verbo finito 12 Verbo non finito 1 Negazione 3 Sintagma nominale pieno 9 (sempre in funzione di oggetto) Pronome indefinito 1 (in funzione di soggetto) Sintagma preposizionale 1 (in funzione di specificatore) Sintagma nominale (Aggiunto) 1 Per il contesto di destra le frequenze dei vari tipi di costituente sono meno nettamente differenziate. Prevalgono comunque i contesti verbali (sono quasi la metà del totale), mentre la somma dei contesti di sintagma nominale pieno e di pronome indefinito è di poco inferiore. Se si considerano i due contesti in maniera congiunta si vede che in nove casi su ventidue exinde ha la seguente distribuzione: 24a. Pronome pers s. 24 24b. Pronome indef + exinde + V 24c. SN pieno Si noti che alla struttura (24a) si conforma anche l’unico contesto in cui occorre inde. Per quanto riguarda i valori semantici, risulta evidente che in circa due terzi della casistica l’avverbio ha un valore relazionale, propriamente anaforico rispetto ad un antecedente nominale, oppure partitivo (ma non sempre è facile distinguerli nettamente). Ciò conferma la funzione incipiente di pronome, come negli 23 Sono stati raggruppati insieme sia i pronomi con il caso codificato morfologicamente che quelli la cui codifica casuale è analitica (tipi sintagmatici a vobis, a vos). Festschrift_V-435_End.indd 139 20.05.11 14: 36 <?page no="166"?> 140 Rosanna Sornicola sviluppi romanzi di inde. Le funzioni avverbiali associate ai significati causali, locativi e temporali (questi ultimi peraltro dubbi) sono fortemente minoritarie. Sembra lecito sostenere che nella maggior parte dei contesti esaminati exinde formi immediatamente sintagma con il verbo, o comunque appartenga al sintagma verbale (sia esso finito o non finito). Questa analisi si attaglia a quasi tutte le repliche in cui l’elemento ha un valore relazionale o partitivo, quando cioè esso si comporta come anaforico di un antecedente nominale. Esiste tuttavia un esiguo numero di contesti (14a.1., 15.1., 15.2.) in cui due fattori, ovvero l’occorrenza di exinde in una struttura Cong ___ SN e il valore semantico che esprime una relazione con un sintagma nominale antecedente (= ‚in rapporto a questo‘, piuttosto che la co-referenza), fanno ipotizzare una funzione di avverbio frasale di origine o relazione, funzione assegnabile anche alle poche repliche con valore causale o temporale. Come si è detto, exinde non ha avuto continuatori romanzi. Tuttavia le caratteristiche sintattiche e semantiche di questa forma nel Codice Diplomatico Amalfitano mostrano alcune corrispondenze con quelle dei continuatori di inde, nei contesti rappresentati da (24), e specialmente da (24a). In italiano sin da epoca antica normalmente ne precede il verbo finito e segue il verbo non finito (infinito, gerundio, participio) e le forme imperative, ed è preceduto dal pronome personale. Ciò vale però sia per le funzione di avverbio che per quella di pronome, mentre abbiamo visto che nel Codice Diplomatico Amalfitano le due funzioni sono in alcuni casi associate ad una diversa distribuzione. Inoltre, negli sviluppi italiani i pronomi personali antecedenti sono normalmente atoni 24 , mentre questa caratteristica non può essere ascritta sic et simpliciter alle forme pronominali esaminate nei contesti di sinistra di exinde. Più in generale, nei documenti amalfitani la forma latina mostra una maggiore libertà distribuzionale: si è visto, ad esempio, che essa può occorrere anche dopo un verbo finito, casistica che è ben attestata anche nelle fasi più antiche del sardo 25 . Se, come sembra indicare la documentazione disponibile, exinde fu in uso nel latino tardo come concorrente del più comune e generalizzato inde, specie in testi letterari e giuridici, abbiamo nel Codice Diplomatico Amalfitano una riprova della sua vitalità, che si spinge sino all’assunzione piena della funzione anaforica di pronome. Anche in questo caso, come in altri, i documenti amalfitani testimoniano la continuità delle scritture notarili dei ducati bizantini con tradizioni linguistiche tardo-latine tutt’altro che artificiali o imbalsamate, ma dotate di un loro interno dinamismo. Essi ne offrono una preziosa immagine, prima della loro scomparsa. 24 Si veda la ricca documentazione addotta da Battaglia (1961-2009, XI, 278-279). 25 Nel Condaghe di S. Nicola di Trullas inde può essere anteposto o posposto al verbo. Nel primo caso si ha un allomorfo ridotto per aferesi, nel secondo possono occorrere sia forme piene che deboli (si veda Merci 1992: 215-217). Si veda inoltre Wagner (1960, II, 627b). Festschrift_V-435_End.indd 140 20.05.11 14: 36 <?page no="167"?> Sintassi e semantica di exinde, inde 141 4 Bibliografia 4.1 Fonti Cassiodori Senatoris Institutiones, edited by R.A.B. Mynors, Oxford, Clarendon Press, 1937. Cassiodori Senatoris Variae, recensuit Theodorus Mommsen, Berolini, apud Weidmannos, 1894. Cicero, M.T., Tusculanae Disputationes, recognovit M. Pohlenz, Stutgardiae, in aedibus B.G. Teubneri, 1967. Corpus Iuris Civilis, hrsgg. von P. Krüger, T. Mommsen, R. Schöll, W. Kroll, Frankfurt a.M., 3 voll., 1954. Dioscuridis anazarbei De materia medica libri quinque, edidit M. Wellmann, Berolini, Apud Weidmannos, 3 voll., 1906-1914. Gregorii Episcopi Turonensis libri historiarum X, (Historia Francorum), Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum merovingicarum I, 1, hrsgg. von B. Krusch und W. Levison, Hannover, Impensis Bibliopolii Hahniani, 1937-1951. Itinerarium Antonini Placentini. Un viaggio in Terra Santa del 560 -570 d. C., a cura di Celestina Milani, Milano, Pubblicazioni della Università Cattolica del Sacro Cuore, 1977. Lex Salica, Monumenta Germaniae Historica, Legum Sectio, Leges nationum Germanicarum, hrsg. von K.A. Eckhardt, Hannover, Hahn, 1969. Lex Visigothorum, Monumenta Germaniae Historica, Legum Sectio, Leges nationum Germanicarum, hrsg. von K. Zeumer, Hannoverae et Lipsiae, Impensis bibliopolii Hahniani, 1894. Livius, Titus, Ab urbe condita libri, Pars I, libri I-X, curaverunt W. Weissenborn et M. Müller, Lipsiae, B.G. Teubner, 1926. Mulomedicina Chironis, edidit Eugen Oder, Lipsiae, Teubner, 1901. Terentius, Publius Afer, Comoediae, recensuit A. Fleckeisen, Lipsiae, in aedibus Teubneri, 1898. ThLL = Thesaurus Linguae Latinae, editus auctoritate et consilio academiarum quinque Germanicarum, Lipsiae, in aedibus Teubneri, 1900-. Vitae Patrum, Patrologia Latina 73, Turnhout, Brepols, 1997. 4.2 Letteratura critica Battaglia, S. (1961-2009): Grande dizionario della lingua italiana, XXI voll., Torino, UTET. Elcock, W.D. (1961): „La pénombre des langues romanes“, in Revista portuguesa de filologia 11/ 1, 1-19. Filangieri, R. (a cura di) (1917): Codice Diplomatico Amalfitano. Le pergamene di Amalfi esistenti nel real Archivio di Stato di Napoli, dall’anno 907 al 1200, Napoli, Morano. Honoré, T. (1982): Ulpian, Oxford, Clarendon Press. Koch, P. (1993): „Pour une typologie conceptionnelle et médiale des plus anciens documents/ monuments des langues romanes“, in Selig, M./ Frank, B./ Hartmann, J. (a cura di), 39-81. Merci, P. (1992): Il Condaghe di S. Nicola di Trullas, Sassari, Delfino. Muller, H.F. (1945): L’ époque merovingienne. Essai de synthèse de philologie et d’ histoire, New York, Vanni. Meyer-Lübke, W. (1890-1906 [1974]): Grammaire des langues romanes, Genève, Slatkine reprints. Selig, M./ Frank, B./ Hartmann, J. (a cura di) (1993): Le passage à l’ écrit des langues romanes, Tübingen, Narr. Sornicola, R. (2007): „Nominal inflection and grammatical relations in tenth-century documents from the South of Italy“, in Latin vulgaire, latin tardif VIII, Actes du VIII e Colloque international sur le latin vulgaire et Tardif, Oxford 6-9 septembre 2006, Hildesheim, Olms, 510-520. Festschrift_V-435_End.indd 141 20.05.11 14: 36 <?page no="168"?> 142 Rosanna Sornicola Sornicola, R. (2008): „La multifunzionalità di IPSE nella protostoria dell’articolo romanzo. Un esame testuale di alcune carte campane dell’alto Medio Evo“, in Cunita, A./ Lupu, C./ Tasmowski, L. (a cura di), Studii de lingvistica si filologie romanica: hommages offerts à Sanda Reinhemer Ripeanu, Bucharest, Editura Universitatii din Bucuresti, 529-538. Sornicola, R. (in stampa): „Bilinguismo e diglossia dei territori bizantini e longobardi del Mezzogiorno: la tesimonianza dei documenti del IX e X secolo“, in Monaco, F./ Molinelli, P. (a cura di), Bilinguismo e diglossia tra tardo antico e alto Medio Evo, edizioni del Galluzzo. Wagner, M.L. (1960): Dizionario etimologico sardo, Heidelberg, Winter, 3 voll. Festschrift_V-435_End.indd 142 20.05.11 14: 36 <?page no="169"?> J ÜRGEN T RABANT Volkssprache bei Dante: prossimitade und illustre Distanz Dantes beide großen Sprachtraktate, der erste Teil des Convivio und De vulgari eloquentia, stehen bekanntlich in einer gewissen Spannung zueinander. Beide Abhandlungen verdanken sich der Auseinandersetzung des Dichters und Philosophen mit der mittelalterlichen Diglossie von Latein und Volkssprache. 1 Die behandelten Fragen sind aber jeweils höchst unterschiedlich und die skizzierten Lösungsversuche und Bewertungen durchaus nicht identisch. So befremdet zum Beispiel ja immer, dass in De vulgari eloquentia das Vulgare als vornehmer (nobilior, I.i.4) als das Lateinische angesehen wird, das im Convivio (I.v) - wie es der Tradition entspricht - selbstverständlich als die vornehmere Sprache erscheint. Auffällig ist auch, dass im Convivio das Lateinische mit seinem historischen Namen erscheint - latino - während es in De vulgari eloquentia immer gramatica heißt und damit gerade der historischen Situierung enthoben ist. 2 Diese Differenzen haben mit den verschiedenen Zielen der beiden Abhandlungen zu tun, die ich im Folgenden einmal im Blick auf die Koch- Oesterreichersche Opposition von Nähe und Distanz herausarbeiten möchte. 3 Es sind nämlich die verschiedenen räumlichen Orientierungen der beiden Traktate, die die Sprachen der mittelalterlichen Diglossie jeweils so verschieden erscheinen lassen: Es geht einerseits um einen Abstieg aus himmelweiter Entfernung in die Sprache der Nähe und andererseits um einen Aufstieg aus der Nähe in die Ferne eines neuen Paradieses. 1 Convivio: Vom Himmel in die Nähe der Nächsten 1.1 Prossimitade Dantes Convivio - wie De vulgari eloquentia kurz nach 1300 entstanden - ist (wie dieses) ein unvollendetes Buch, in dem Dante dem „Volk“ das gelehrte Wissen seiner Zeit mitteilen will: scienza. Da die Gelehrsamkeit im Mittelalter 1 Die Literatur zum Sprach-Thema bei Dante ist zu umfangreich, um hier auch nur annähernd angemessen dokumentiert zu werden. Daher erlaube ich mir, gleichsam stellvertretend auf eine neuere Diskussion hinzuweisen zwischen Rosier-Catach (2008), Imbach/ Rosier-Catach (2007) und Trabant (2008) sowie auf den Band Fortuna/ Gragnolati/ Trabant (Hrsg. 2010), der neueste Beiträge zum Thema (von Gensini, Lindorfer, Lo Piparo, Rosier-Catach, Tavoni, Trabant) enthält. 2 Peter Koch (2008, 293) weist darauf hin, dass schon Quintilian den Unterschied zwischen latine loqui und grammatice loqui macht und diesen auf die Opposition von Nähesprache und Distanzsprache im Lateinischen bezieht. 3 Zu Nähe und Distanz ist natürlich grundlegend Koch/ Oesterreicher (1985). Festschrift_V-435_End.indd 143 20.05.11 14: 36 <?page no="170"?> 144 Jürgen Trabant ihren normalen Ort aber im Lateinischen hatte, muss der doctor Dante rechtfertigen, warum er scienza in der Volkssprache vermitteln möchte. Wissen ist, so beginnt der Text, das Höchste, was der Mensch anstreben kann: la scienza è ultima perfezione de la nostra anima (i.1), 4 „das Wissen ist die letzte Vollendung unseres Geistes“. Wissen ist gleichsam in einer himmlischen Sphäre angesiedelt, es ist lo pane de li angeli (i.7), „Brot der Engel“. Daher hat Wissenschaft auch in der höchsten Sprache zu geschehen. Dies ist in der mittelalterlichen europäischen Diglossie natürlich das Lateinische. Der hohe Ort der Wissenschaft ist weit entfernt - lontano (i.4) - von den Unwissenden. Über Wissenschaft im Vulgare zu schreiben ist daher ein descensus, ein Abstieg des Wissens und des Wissenden in eine niedrigere Sphäre, und es ist das Aufgeben der Distanz für die Nähe. Dante begründet in diesem ersten Buch des Convivio ausführlich, warum ein Wissender das auf sich nimmt. Es sind vor allem zwei Gründe: die prontezza di liberalitade und der naturale amore a propria loquela (v.2): „Bereitschaft zur Freigiebigkeit“ und die „natürliche Liebe zur eigenen Sprache“, die den Wissenden zur Lehre in der Volkssprache bewegen. Erstens gibt es also den Wunsch des Gelehrten, das nützliche Wissen generös an die Vielen, an die Nichtgelehrten, zu verteilen. Es ist ja ein „Gastmahl“, zu dem die des Lateinischen Unkundigen geladen werden. Die wenigen Inhaber der Scientia steigen aus Großherzigkeit und Barmherzigkeit - misericordia (i.9) - hinab aus ihrer lateinischen Höhe in die Sphäre der Vielen, des „Volkes“ also: dare a molti e giovare a molti è pronto bene, in quanto prende simiglianza da li benefici di Dio. (viii.3) [vielen geben und vielen nützen ist unmittelbar gut, sofern es ja den Wohltaten Gottes ähnlich ist.] Das Volk, die Vielen (hoi polloi), darf man sich allerdings nicht allzu populär vorstellen. Das Volk sind edle Frauen und Männer, nobile gente: e questi nobili sono principi, baroni, cavalieri, e molt’altra nobile gente, non solamente maschi ma femmine, che sono molti et molte in questa lingua, volgari e non letterati. (ix.5) [und diese Vornehmen sind Fürsten, Barone, Ritter und viele andere vornehme Leute, nicht nur Männer, sondern auch Frauen, die viele sind in dieser Sprache, volkssprachlich und nicht lateinkundig.] Diese gesellschaftliche Ausweitung auf vornehme Männer und Frauen (in der lateinischen Wissenschaft gibt es keine Frauen) ist natürlich die entscheidende Kompensation für den Abstieg. Sie ist - modern gesagt - auch eine Ankunft in der Welt, wenn wir darunter nicht den natürlichen Kosmos, sondern die (große) Gesellschaft verstehen - le monde, wie die Franzosen sehr viel später sagen werden. 5 Dante verwendet den Ausdruck mundus oder mondo aber noch nicht in diesem gesellschaftlichen, sondern nur im geographischen Sinne. 4 Die Angaben in den folgenden Zitaten aus dem Convivio beziehen sich auf die Kapitel und Abschnitte des ersten Buches dieses Werks, zitiert nach Dante (1988). 5 Vgl. „die Welt oder Gesellschaft“ bei Leibniz (1983, 6). Festschrift_V-435_End.indd 144 20.05.11 14: 36 <?page no="171"?> Volkssprache bei Dante 145 Zweitens bestimmt die „natürliche Liebe zur eigenen Volkssprache“ die genauere Wahl der Sprache: naturale amore a propria loquela (v.2). Es geht also nicht nur um das Volgare überhaupt, die Sprache der vielen, sondern um die eigene Sprache. Wenn es nur um die liberalitade gegangen wäre, also um die Gewinnung eines möglichst großen volkssprachlichen Lesepublikums, hätte Dante auch wie sein Lehrer Brunetto Latini auf Französisch schreiben können, das im 13./ 14. Jahrhundert schon eine gewisse internationale Verbreitung als Prosasprache hatte. Auch Marco Polo hat ja daher fast zur gleichen Zeit seinen Reisebericht auf Französisch diktiert. Dante setzt sich dagegen von anderen Vulgärsprachen ab, ausdrücklich vom prestigereichen Provenzalischen oder Okzitanischen (lingua d’oco), in dem damals im ganzen romanischen Europa gedichtet wurde. Er möchte in seiner eigenen Sprache schreiben, die er das volgare di sí (x.12), volgare italico (vi.8) oder die italica loquela (x.14) nennt. Es gibt zwei Gründe für diese Bevorzugung der italica loquela. Die italica loquela zeichnet sich erstens durch dolcissima e amabilissima bellezza aus. Im Sprachvergleich der Volkssprachen wird sie als eine ganz besondere, d.h. als eine ganz besonders schöne Sprache charakterisiert. Dante präzisiert auch, wo diese Schönheit gefunden werden kann: in Silben, Syntax und Wörtern: l’agevolezza de le sue sillabe, le proprietadi de le sue costruzioni et le soavi orazioni che de lui si fanno; le quali chi bene agguarderà, vedrà essere piene de dolcissima e d’amabilissima bellezza. (x.13) [die Leichtigkeit seiner Silben, die Eigenarten seiner Konstruktionen und die lieblichen Worte, die man mit ihm machen kann; wer diese richtig betrachtet, sieht, daß sie voll der süßesten und liebenswürdigsten Schönheit sind.] Des weiteren liebt Dante diese Sprache, weil sie die Sprache der Nähe ist: prossimitade. Sie ist die Sprache der zeitlichen Nähe bzw. die zuerst gelernte Sprache, und sie ist die Sprache der verwandtschaftlichen Nähe, der eigenen Leute, la propria gente. Die zentrale Passage, obstinat vom Wort prossimo grundiert, lautet folgendermaßen: E così lo volgare è più prossimo quanto è piu unito, ché uno e solo è prima ne la mente che alcuno altro, e ché non solamente per sé è unito, ma per accidente, in quanto è congiunto con le più prossime persone, sì come con li parenti e propri cittadini, e con la propria gente. E questo è lo volgare proprio; lo quale è non prossimo, ma massimamente prossimo a ciascuno. Per che, se la prossimitade è seme d’amistà […], manifesto è ch’ella è de le cagioni stata de l’amore ch’io porta a la mia loquela che è a me prossima più che l’altre. (xii.5-6) [Und daher ist das Vulgare umso näher, je verbundener es ist, weil es ganz allein vor irgendeinem anderen Vulgare zuerst im Geist ist und weil es nicht nur an sich verbunden ist, sondern darüber hinaus auch noch, sofern es mit den nächsten Personen verbunden ist, mit den Verwandten und den eigenen Mitbürgern und mit dem eigenen Volk. Und dies ist die eigene Volkssprache, welche nicht nur nahe ist, sondern jedem in höchstem Maße nahe. Daher, wenn die Nähe der Keim der Freundschaft ist […], ist es offensichtlich, daß sie einer von den Gründen der Liebe gewesen ist, die ich meiner Sprache entgegenbringe, die mir näher ist als die anderen.] Festschrift_V-435_End.indd 145 20.05.11 14: 36 <?page no="172"?> 146 Jürgen Trabant In der Nähe - prossimitade - erscheint das Volk als gente. Das Volk der Nähe ist die gens, also der Stamm, modern: die Ethnie, die Herkunft, nicht das Volk im Sinne der Vielen (volgo) wie beim Motiv der liberalitade. Die propria gente ist der Ort der Liebe, weil sie der Ort der Nähe ist: prossimitade ist der Grund der Liebe. Nähe generiert Liebe, den naturale amore a propria loquela. Die eigene Sprache wird geliebt, weil sie buchstäblich auf Liebe basiert. Denn Dantes Eltern haben sich in dieser Sprache geliebt und Dante generiert. Eine größere Nähe läßt sich zwischen Menschen gar nicht vorstellen als die sexuelle Nähe. In diese ist die Sprache eingelassen, der Dante seine eigene Existenz verdankt: Questo mio volgare fu congiugnitore de li miei generanti, che con esso parlavano, sì come ’l fuoco è disponitore del ferro al fabbro che fa lo coltello; per che manifesto è lui essere concorso a la mia generazione, e così essere alcuna cagione del mio essere. (xiii. 4). [Dieses mein Vulgare war Zusammenfüger meiner Erzeuger, die in ihm sprachen, so wie das Feuer Zubereiter des Eisens ist dem Schmied, der das Messer macht; es ist also offensichtlich, daß das Volgare bei meiner Erzeugung mitgewirkt hat und daß es so ein Grund meines Daseins ist.] Die Sprache der Liebe generiert die Liebe zur Sprache. Dante begründet also seine identitäre Bindung an seine eigene Sprache mit der zeitlichen und ethnisch-generativen Nähe zu seiner Person: Er hat sie als erste Sprache gelernt, und sie ist die Sprache seiner gens, deren Nähe-Nukleus die Eltern sind. Wir sind mit der geliebten Volkssprache also unten, beim - allerdings nicht besonders niedrigen - Volk, bei den Vielen (molti, innumerabili, i.6) und in der Nähe der eigenen Leute (prossimitade). Dies ist eine dreifache Aufhebung des Ortes des Lateinischen: Dessen Raum ist die Diskursgemeinschaft der scientia, die ganz oben ist, bei den Engeln, pane de li angeli, (i.7); bei diesen sind nur ganz wenige, pochi (i.6): die doctores, die des weiteren fern sind (lontano, i.4) von den Nichtwissenden. Distanter kann eine Sprache kaum sein. Es gibt kein Wort für diesen Distanz-Raum des Lateinischen („Europa“ oder ähnliches) bei Dante. Dante weiß, dass der geographische Raum dieser Sprache nur ein Teil Europas ist, dass ihn zwar die doctores im Norden teilen (Tedeschi e Inghilesi e altri, vii.13), dass er aber im Osten an das Griechische stößt. 6 Eine Sprache der Welt ist daher das Lateinische eigentlich nicht. Es ist eher die Sprache eines gelehrten Himmels. Es ist keine fremde Sprache, aber emotional identifizieren kann man sich mit dieser Himmels-Sprache nicht. Liebe herrscht dort nicht. Die Einsamkeit ist zu groß, es fehlt die Gesellschaft des „Volks“, d.h. der gente nobile, und die Entfernung ist zu riesig, die Entfernung nämlich von dem eigenen Stamm, der propria gente, in deren Zentrum Vater und Mutter stehen. Dante gibt allerdings dem Raum des Unten, der Vielen und der eigenen gens, einen geographischen Ort, wenn er die Sprache volgare italico oder italica loquela nennt. Dass er sein Volgare in Italien ansiedelt, also in einem großen geo- 6 Europa ist für Dante der große geographische Raum des Westens, der sprachlich dreigeteilt ist in den griechischen, den lateinischen und den germanischen Sprach-Raum, vgl. De vulgari eloquentia (I.viii.1-2). Festschrift_V-435_End.indd 146 20.05.11 14: 36 <?page no="173"?> Volkssprache bei Dante 147 graphischen Raum - er spricht nicht von toscano oder fiorentino - steht zweifellos in einer gewissen Spannung zu der extremen Nähe, aus der er die Berechtigung des Gebrauchs der italica loquela ableitet. Lange vor irgendwelchen staatlichen Strukturen, die es ja nicht gibt - Dante beklagt das ausdrücklich in De vulgari eloquentia: „wir haben keinen Hof“, curia caremus (I.xviii.5) - gibt es also einen gesellschaftlichen und ethnischen Raum „Italien“, der gerade ein sprachlicher Raum ist. Die Sprache der äußersten Nähe (li miei generanti) ist auch eine Sprache, die ganz Italien zugehört. Durch diese auffällige geographische Weite der Sprache der Nähe wird das Prinzip der Nähe, die Liebe, auf ganz Italien ausgedehnt. 1.2 Sole nuovo Am Ende des ersten Traktats des Convivio gipfelt die Rechtfertigung des Hinabsteigens des Wissens in die „italische“ Volkssprache in der Vision, daß die Volkssprache wie eine neue Sonne aufsteigen und daß die alte Sonne Latein untergehen wird: luce nuova, sole nuovo (xiii.12). Die Metaphorik imaginiert den Aufstieg der Volkssprache, den ascensus, in den lateinischen Himmel. Für diesen Aufstieg der italica loquela in den Himmel der Gelehrsamkeit ist es aber noch viel zu früh um 1300. In Italien wird die Volkssprache erst im 16. Jahrhundert, eigentlich sogar erst mit Galilei zu Beginn des 17. Jahrhunderts, dort oben ankommen. Nicht zu früh ist es aber für den ascensus der Volkssprache in die hohe Dichtung. Gedichtet wird in der romanischen Welt ja schon seit dem 11. Jahrhundert in der Volkssprache, auf Provenzalisch zuerst. Italien ist in dieser Hinsicht allerdings Jahrhunderte verspätet: Hier gibt es erst seit 1250 eine eigene volkssprachliche Lyrik. Für diesen ascensus der Volkssprache in die Dichtung - für seine poetische Praxis - schreibt Dante die andere Rechtfertigungsschrift De vulgari eloquentia - auf Lateinisch, also nicht für das „Volk“, sondern für seine gelehrten Pairs, für die anderen doctores. Dante setzt nun aber in diesem Kontext seine italica loquela, sein volgar di sí oder, wie es nun heißt, sein vulgare latium - und damit auch die Liebe zu seiner Sprache - einer vehementen Kritik aus: Jede Volkssprache unterliegt nämlich einem ständigen Wandel - variatio -, und das ist für den Dichter Dante die Sprach- Katastrophe überhaupt. Es ist die Babelische Krankheit jeder Volkssprache: Variation beschränkt den Raum und die zeitliche Permanenz der Volkssprache, sie schließt die Sprache - und damit natürlich auch den dichterischen Text - in eine unerträgliche räumliche und zeitliche Nähe ein. Dieser Nähe zu entkommen und doch in der Volkssprache zu bleiben, also nicht in die Distanzsprache der Gelehrsamkeit auszuweichen, das ist das Ziel von De vulgari eloquentia. Alle existenten Variationen der italienischen Volkssprache sind mehr oder weniger unbrauchbar für seine Zwecke. Für die hohe Lyrik gibt es daher eigentlich noch keine italica loquela, kein vulgare latium, keine italienische Volkssprache. Dante muss sie sich in dieser Abhandlung erst diskursiv konstruieren: vulgare illustre cardinale aulicum curiale. Festschrift_V-435_End.indd 147 20.05.11 14: 36 <?page no="174"?> 148 Jürgen Trabant Die im Convivio so glühend gepriesene Nähe, Vater und Mutter, li miei generanti, ist bei der Suche nach der Sprache der hohen Dichtung daher ausgesprochen negativ besetzt. Der Raum der Suche von De vulgari eloquentia ist ausdrücklich die (große, weite) Welt, die der familiären Nähe entgegengesetzt ist: nos autem cui mundus est patria velut piscibus equor. (I.vi.3) [wir aber, denen die Welt das Vaterland ist wie den Fischen das Wasser.] Der Raum des Dichters ist mundus, nicht die Familie, nicht das kleine Dorf, in dem die nun geringgeschätzte „Muttersprache“, das vulgare maternum, die Sprache der Nähe, herrscht. Im Gegensatz zu dem aus der Ferne des gelehrten Himmels in die Nähe der eigenen gens hinabsteigenden, barmherzigen doctor Dante sucht der Dichter Dante nämlich gloria, „Ruhm“, d.h. größtmögliche Reichweite für sein poetisches Werk in Raum und Zeit, eben Welt. Dante weiß, daß Italien nicht die ganze Welt ist, daß es auch jenseits Italiens andere vornehme Sprachen gibt. Aber er sucht doch ein mundanes Italienisch, ein Welt- Italienisch, keines, das vom jeweiligen Kirchturm begrenzt ist, ein Italienisch der Distanz. Und letztlich, und das möchte ich im Folgenden zeigen, lässt Dante sogar die Welt und Italien hinter sich: Der sole nuovo steigt hinauf in die ideale Ferne eines neuen Paradieses. 2 De vulgari eloquentia: Aus der Nähe der Amme zu fernen Zeiten und Räumen 2.1 Das Problem: variatio Nachdem Dante seine Absicht kundgetan hat, eine Theorie der volkssprachlichen Dichtung zu schreiben (vulgaris eloquentie doctrina, I.i.1), charakterisiert er die Diglossie (vulgare vs. gramatica), in der er lebt: Vulgare ist die Sprache, die alle nutricem imitantes, „durch Nachahmung der Amme“, in extremer Nähe also, „natürlich“ annehmen. Gramatica dagegen ist eine von wenigen durch formales Training erlernte sekundäre Sprache für die doctrina, die Gelehrsamkeit. Wie kann man nun in jener gleichsam „wilden“ Sprache künstlerische Texte (eloquentia) produzieren? Zur Klärung dieser Frage entfaltet Dante das gesamte Sprach-Wissen seiner Zeit in der Darlegung der drei großen, „ewigen“ Fragen an die Sprache: Zunächst bestimmt er das Wesen der Sprache, beschreibt dann den Ursprung der Sprache in einer herrlich freien Bibel-Interpretation 7 und setzt sich schließlich mit der Verschiedenheit und Veränderlichkeit der Sprachen auseinander. Letzteres - variatio - ist Dantes Hauptproblem: Das siebte Kapitel des ersten Buch von De vulgari eloquentia beginnt, im Anschluss an die Beschreibung der ersten Sprache des Menschen, der forma locutionis a Deo cum anima prima concreata (I.vi.3), mit Dantes wundervoller Klage über die Strafe von Babel: 7 Vgl. hierzu ausführlich Trabant (2003, Kap. 2). Festschrift_V-435_End.indd 148 20.05.11 14: 36 <?page no="175"?> Volkssprache bei Dante 149 Dispudet, heu, nunc humani generis ignominiam renovare. (I.vii.1) [O wie schmerzlich ist es doch, die Schande des menschlichen Geschlechts zu vergegenwärtigen.] 8 Die una eademque loquela, die „einerlei Sprache“ (I.vii.6) der Babelischen Sünder, wird verwirrt, sie geht verloren. Die Ursprache wird vergessen (oblivio, I.ix.6), und die Menschen erfinden die Sprache neu in der Vielzahl der Sprachen, sie „reparieren“ die Sprache nach ihrem Gutdünken, willkürlich: reparata a nostro beneplacito (I.ix.6). Von der Klage über den Verlust der lingua adamica geht Dante über zur Beschreibung der Konsequenzen der göttlichen Strafe: Nach dem Vergessen kommt die Veränderlichkeit, varietas ist die Strafe, die Gott der Sprache auferlegt. Der Audruck varietas erscheint zum ersten Mal am Ende von Kapitel 7: Quot quot autem exercitii varietates tendebant ad opus, tot tot ydiomatibus tunc genus humanum disiungitur. (I.vii.7) [Wie viele verschiedene Berufe aber am Werk beteiligt waren, in so viele Sprachen teilte sich dann das menschliche Geschlecht auf.] Die babelische Sprach-Variation wird zunächst an die Varietät der verschiedenen Berufe geknüpft, die beim Turmbau zu Babel beteiligt waren. Der Ausdruck varietas bezieht sich dann natürlich auf die idiomata, die Sprachen der verschiedenen beruflichen Aktitiväten. Hier beginnt Dante die Beschreibung der Variation, die im Kapitel 16 mit der Auffindung des Heilmittels für diese Krankheit endet, mit der Konstruktion einer neuen Sprache. Das Wort varietas ist das böse v-Wort, in dem sich der ganze Horror der post-babelischen Sprachsituation konzentriert. Der Ausdruck tritt in sämtlichen möglichen Wortarten auf: als Verb, als Substantiv, als Adjektiv, als Adverb: variari, variatio, varietas, variabilis, variatus, varie. Der Ausdruck kommt achtzehnmal in Kapitel 9 vor, siebenmal in Kapitel 10, dann nur noch jeweils einmal in Kapitel 11 und im zweiten Teil. Die Variationen über variatio kulminieren in der millena variatio am Ende von Kapitel 10: Quare ad minus xiiii vulgaribus sola videtur Ytalia variari. Que adhuc omnia vulgaria in sese variantur […]; nec non in eadem civitate aliqualem variationem perpendimus […]. Quapropter, si primas et secundarias et subsecundarias vulgaris Ytalie variationes calcolare velimus, et in hoc minimo mundi angulo non solum ad millenam loquele variationem venire contigerit, sed etiam ad magis ultra. (I.x.7) [Daher scheint allein schon Italien in wenigstens 14 Volkssprachen zu variieren. Alle diese Volkssprachen variieren ihrerseits auch noch in sich selbst […]; wir stellen sogar eine gewisse Variation in derselben Stadt fest […]. Daher, wenn wir die primären und sekundären und tertiären Variationen der italienischen Volkssprache zählen wollen, kommt man schon in diesem kleinen Winkel der Welt nicht nur auf eine tausendfache Variation der Sprache, sondern auf noch viel mehr.] 8 Ich folge, ohne sie immer zu übernehmen, der neuen deutschen Übersetzung in Dante (2007). Festschrift_V-435_End.indd 149 20.05.11 14: 36 <?page no="176"?> 150 Jürgen Trabant In Kapitel 9 schreibt Dante seine Theorie der Varation: de unius eiusdem a principio idiomatis variatione secuta (ix.1), „über die Veränderbarkeit der Sprache, die am Anfang eine und dieselbe war“. Er fragt, warum es diese Veränderbarkeit der Sprache überhaupt gibt, und gibt zwei Gründe an: Erstens ist der Mensch ein höchst unstabiles und veränderliches Wesen: cum homo sit instabilissimum et variabilissimum animal (I.ix.6). Da die Menschen ihre postbabelischen Sprachen selbst schaffen, erzeugt das Wesen des Menschen sprachliche Variation. Deren Quelle ist also das arbitrium singularium, die „Willkür der einzelnen“ oder - in der anderen Formulierung - das beneplacitum nostrum, „unser Gutdünken“, „unsere Willkür“. Zweitens verweist Dante auf Zeit und Raum: Sprache und Sitten (mores et habitus) verändern sich in Raum und Zeit: per locorum temporumque distantias variari oportet (I.ix.6). Zunächst spricht Dante von der Variation in der Zeit und der Schwierigkeit, diese zeitliche variatio rei (I.ix.8) wahrzunehmen. Die räumliche Variation kann offensichtlich leichter erfasst werden, varie varietur, und er wiederholt: sicut varie variantur mores et habitus (I.ix.10). 2.2 Lösung 1: gramatica Nach der Angabe der Gründe für den Sprach-Wandel, die deutlich machen, dass die variatio ein wesentliches und daher auch ein letztlich nicht zu behebendes Charakteristikum menschlicher Sprache ist, weist Dante auf den ersten Versuch eines Auswegs aus dieser Katastrophe hin: Bestimmte Leute halten die ständigen Veränderungen einfach an, sie arretieren diese nicht enden wollende Bewegung in Raum und Zeit (und Gesellschaft), so dass die Sprache sich nicht mehr verändert: nec variabilis esse potest. Dies tun sie, indem sie die Sprache willentlich fixieren, das heißt indem sie die gramatica erfinden (inventores). Gramatica ist, in Dantes berühmter Formulierung, „die unwandelbare Selbigkeit der Sprache in verschiedenen Zeiten und Räumen“: gramatica nichil aliud est quam inalterabilis locutionis ydemptitas diversis temporibus atque locis (I.ix.11). Wie haben die Erfinder der gramatica es denn bewerkstelligt, die unaufhaltsame Veränderung der Sprache aufzuhalten: Sie taten es gemeinsam: Hinc moti sunt inventores gramatice facultatis: que quidem gramatica nichil aliud est quam quedam inalterabilis locutionis ydemptitas diversibus temporibus atque locis. Hec cum de comuni consensu multarum gentium fuerit regulata, nulli singulari arbitrio videtur obnoxia, et per consequens nec variabilis esse potest. (I.ix.11) [Hiervon sind die Erfinder der Gramatica ausgegangen. Diese Gramatica ist nämlich nichts anderes als die unveränderliche Gleichheit der Sprache in verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten. Da diese durch gemeinsame Übereinkunft vieler Leute geregelt wurde, hängt sie nicht mehr von der Willkür einzelner ab und kann folglich nicht mehr variieren.] Einer allein konnte das nicht tun, wohl aber der comunis consensus multarum gentium, ein gemeinsamer Konsens vieler Leute. Und Dante sagt auch, wann und zu welchem Zweck diese Erfinder der Gramatica das getan haben. Festschrift_V-435_End.indd 150 20.05.11 14: 36 <?page no="177"?> Volkssprache bei Dante 151 Von Babel aus hatte sich die Menschheit ja nach Osten und nach Westen, nach Europa, ausgebreitet. Die Sprache des Westens teilt sich in drei Sprachen: Griechisch im Osten, die jo-Sprache im Norden und die westliche, die dritte Sprache, tertium idioma, die in De vulgari eloquentia keinen Namen hat, sie heißt vor allem nicht „Latein“. Da Dante die Geschichte der Erfindung der gramatica erzählt, nachdem er die drei romanischen Sprachen (oc, oïl, si) als Resultat der Aufspaltung der westlichen lingua tripharia Europas dargestellt hat, können wir annehmen, dass die gramatica nicht eine Erfindung der alten Römer war, sondern eine Erfindung der romanisch sprechenden Nationen, die unter der Fragmentierung des tertium idioma in Zeit und Raum litten. 9 Adinvenerunt ergo illam ne […] antiquorum actingeremus autoritates et gesta, sive illorum quos a nobis locorum diversitas facit esse diversos. (I.ix.11) [Sie erfanden also die Gramatica, damit wir […] die Lehren und Taten der Alten verstehen oder derjenigen, die sich durch die Verschiedenheit des Ortes von uns unterscheiden.] Der Zweck dieser Erfindung ist also - entsprechend den zwei Dimensionen der Variation - ein doppelter: die Fixierung der gramatica erlaubt uns einerseits den Zugang zu den Autoren und Ereignissen der Alten, also der in der Zeit Entfernten: antiquorum autoritates et gesta. Andererseits erlaubt sie uns den Zugang zu den Autoren und Geschehnissen jener, die im Raum von uns entfernt sind: autoritates et gesta illorum quos a nobis locorum diversitas facit esse diversos (und hier begegnen wir dem anderen schlechten Wort: diversitas, und diversus, das elfmal im ganzen Text vorkommt). Gramatica ist also eine zweifache Sprache der Distanz: Distanz in der Zeit und Distanz im Raum: locorum temporumque distantiae (I.ix.6). Die Erfindung der inalterabilis identitas der gramatica, diese erste Lösung des Variations-Problem, ist das Modell für die Lösung des spezifischen italienischen Variations-Problems, der ytalia silva, des italienischen Waldes. 2.3 Ytalia silva Von seiner Variations-Theorie in Kapitel 9 aus betritt Dante nun den italienischen Wald, er taucht ein in den konkreten Horror der variatio. Der Raum ist die dominante Variations-Dimension, die Dante untersucht. Er durchwandert die ytalia silva, das heißt er betrachtet und kommentiert vor allem die räumlichen, diatopischen Differenzen des italienischen Vulgare. Diachronisches behandelt er eigentlich nur einmal am Rande, in der Passage über das Sizilianische, in der er über die alten sizilianischen Gedichte spricht. Auch eine scheinbar diastratische, gesellschaftliche Variation lässt sich auf Räumliches zurückführen: Am Ende des ersten Buches von De vulgari eloquentia kündigt Dante an, dass er hinabsteigen werde zu den inferiora vulgaria (I.xix.3), den niederen Volksprachen, 9 Insofern ist die gramatica - anders als bei Quintilians grammatice loqui - nicht nur Sprache der Distanz, sondern auch Distanzsprache einer späteren Entwicklungsstufe des Lateinischen. Festschrift_V-435_End.indd 151 20.05.11 14: 36 <?page no="178"?> 152 Jürgen Trabant bis zu denen, die nur zu einer Familie gehören: unius solius familie. Der Bezug auf die Familie zeigt, dass Inferiorität keine gesellschaftliche Niedrigkeit ist, sondern sich auf eine kleinere Gemeinschaft bezieht. Denn Familien sind nicht weniger vornehm als Städte, Regionen oder ganz Italien, sie sind nur von geringerer numerischer und daher auch räumlicher Ausdehnung. Inferiorität ist also an den (engeren) Raum gebunden, sie gehört zum Nähe-Raum. Auch wenn Dante in der Theorie - und in Bezug auf das Lateinische - die Zeit berücksichtigt, so ist in seinen italienischen Überlegungen die dominante Variations-Dimension eindeutig der Raum. In diesem italienischen Raum findet er keine Sprache, die für seine Zwecke geeignet wäre, sondern den Horror der Variation: millena variatio. Die Liste der Wörter, die die diatopischen Varietäten der Volkssprache charakterisieren, machen dies ja mehr als deutlich: dissonans, tristiloquium, turpissimum, crudeliter eructuant, dissonare, tamquam simie, acerbitas, turpiter barbarizant, in ebrietate, turpiloquium, rigiditas, mollities, muliebre, yrsutus, yspidus, asperitas, barbarissimum. Die Welt der Sprach-Variation ist eine Welt des Lärms des hässlichen Klangs. Francis Bacon wird sich Jahrhunderte später darüber beklagen, dass die Wörter Krach machen: verba obstrepunt. Allerdings lärmen sie bei Bacon gegen die Wahrheit an, nicht gegen die Schönheit. 10 Aber er meint mit seiner Sprach- Kritik natürlich auch, wie Dante, dass dieser Lärm enden muss. Der sprachstrukturelle Zug, in dem der hässliche Schrecken der Veränderbarkeit nistet, ist der Klang der Sprache. Wir haben im Convivio gesehen, dass umgekehrt auch die Schönheit der Sprache in ihrem Klang liegt. Das ist insofern nicht verwunderlich, als Sprache für Dante wie für die gesamte aristotelische Tradition vor allem Laut ist, eine semantisch-inhaltliche Sprachauffassung entsteht ja erst in der Renaissance. 11 2.4 Lösung 2: vulgare illustre cardinale aulicum curiale (vicac) Da kein schöner Klang, keine schöne Sprache zur Verfügung steht - eben auch nicht die schöne Nähesprache des Convivio - muss Dante oder besser: müssen Cino da Pistoia und sein Freund (Cynus Pistoriensis et amicus eius, I.x.4) eine solche Sprache erfinden. Wie die inventores gramatice die Grammatik erfunden haben, so schaffen sie nun das vulgare illustre cardinale aulicum curiale (vicac), die geistig ausstrahlende, normgebende, politisch hochstehende und kulturell modellhafte Volkssprache. Vicac ist die zweite Lösung des Schreckens der Variation. Wie die gramatica die Antwort war auf die Variation der lingua tripharia des europäischen Westens, so ist vicac die Antwort auf die Herausforderung der unerwünschten italienischen Vielsprachigkeit und der sprachlichen Variation der millena variatio. Es stellt sich nun die Frage, ob die Absichten der Erfinder dieser neuen Sprache dieselben sind wie diejenigen der Grammatik-Erfinder, nämlich die, 10 Bacon (1620, Aphorismus 59). 11 Vgl. Trabant (2003, Kap. 2 und 3). Festschrift_V-435_End.indd 152 20.05.11 14: 36 <?page no="179"?> Volkssprache bei Dante 153 die autoritates und gesta entfernter Zeiten und Räume zu erreichen. Angesichts der Raum-Dominanz seiner Fragestellung will Dante vor allem die diversitas locorum überwinden, seine neue Sprache ist zuvörderst eine Sprache des großen Raums: redolens ubique et necubi apparens (I.xvi.1), „sie duftet überall und erscheint doch nirgendwo“. Von der Notwendigkeit, auch die Menschen entfernter (zukünftiger) Zeiten zu erreichen, spricht Dante nicht ausdrücklich. Es ist aber implizit klar, dass die neue Sprache auch die Distanz der Zeit bedienen soll: sie soll ja zeitliche Permanenz garantieren. Denn das Ziel der Einrichtung des vulgare illustre ist gloria, also der lange währende, wenn nicht gar ewige - also der Zeit entrückte - Ruhm des Dichters. 12 Das vicac ist also, wie die gramatica, eine Sprache der Distanz in Raum und Zeit. Trotz dieser offensichtlichen Parallelismen zwischen gramatica und vicac gibt es aber eine deutliche Differenz zwischen den beiden Erfindungen: Dante wiederholt bei der Erfindung des vicac nicht so sehr die Handlung des Anhaltens, des Fixierens der Sprache (regulari, inalterabilis, nec variabilis), wie sie für die inventores gramatice charakteristisch war. Seine Gebärde ist vielmehr eine andere: Er befördert die illustre Sprache hinaus aus Raum und Zeit, hinüber oder hinauf in die Sphäre der Idealität. In Kapitel 16 konstruiert Dante vicac nämlich als einen Idealtyp: in omni genere rerum unum esse oportet quo generis illius omnia comparentur et ponderentur et a quo omnium aliorum mensuram accipiamus. (I.xvi.2) [In jeder Gattung der Dinge muss es das Eine geben, mit dem alle Dinge dieser Gattung verglichen und gewogen werden und von dem wir das Maß aller anderen nehmen.] Dante folgt hier der Aristotelischen Metaphysik (1052b) und nennt dieses unum, diesen Idealtyp, ein Maß, mensura, an dem alles gemessen und gewogen wird, mensurantur et ponderantur, und ein Zeichen, signum, für dieses Maß: 13 Quapropter in actionibus nostris […] hoc signum inveniri oportet quo et ipse mensurentur. (I.xvi.3) [Daher muss in unseren Handlungen […] jenes Zeichen gefunden werden, an dem sie selbst gemessen werden.] Signum, Zeichen, steht hier für das unveränderliche Mal (an einem festen Gegenstand, einer Tür, einem Stein), an dem Dinge gemessen werden. Vicac ist dieses starre und unveränderliche Zeichen und Maß. Es bleibt ewig dasselbe in jener inalterabilis identitas, die wir schon bei der gramatica kennengelernt haben, die hier aber zu einer idealischen unveränderlichen Selbigkeit radikalisiert wird. Diese Idealität entrückt das vicac dem wirklichen Raum. Das vicac scheint zwar eine Sprache der räumlichen Distanz zu sein, eine Sprache der Welt, die der Sprache der Nähe entgegengesetzt ist. Über diese macht sich Dante ja lus- 12 Vgl. Trabant (2003, 65). 13 Aristoteles verwendet allerdings nicht den Ausdruck „Zeichen“ (semeion) für sein „Maß“ (metron). Festschrift_V-435_End.indd 153 20.05.11 14: 36 <?page no="180"?> 154 Jürgen Trabant tig, wenn er das (lächerliche) kleine Pietramala und seine Sprache - die locutio materna, die Muttersprache also - der Welt gegenüberstellt (mundus): nos autem cui mundus est patria (I.vi.3). Vicac ist aber letztlich gar keine Sprache der weltlichen Distanz mehr, da es nicht von dieser Welt ist. Es ist eine Sprache jenseits des wirklichen Raums: redolens ubique et necubi apparens. Ubique und necubi sind Raumadverbien, aber nichts drückt die Negation des Raums schöner aus als ihre paradoxe Zusammenstellung, ubique et necubi, „überall und nirgendwo“. Indem Dante die von ihm entdeckte Historizität der Sprache, den der menschlichen Sprache wesentlichen Wandel in Raum, Zeit und Gesellschaft, in der Konstruktion einer idealen Sprache aufhebt, denkt er - wie alle Denker von Idealsprachen - das Ende aller menschlichen Sprache. 14 2.5 Dichten in der Idealsprache Wenn man mir bis hierher gefolgt ist und die Konstruktion des vicac als einer idealen Sprache akzeptiert, die die inalterabilis identitas der gramatica noch radikalisiert durch die Entrückung ins Reich der Idealität, so wird man dennoch sagen, dass Dante diese im zweiten Buch von De vulgari eloquentia insofern auf die Erde zurückholt, als er dort ja Fragen des Gebrauchs dieser Sprache diskutiert. Es geht entsprechend der Ankündigung am Ende des ersten Buches im zweiten Buch darum, wer wann wo mit wem worüber und wie in dieser Sprache spricht (I.xix.2). Aber auch die Beschreibung des poetischen Gebrauchs bringt diese Sprache nicht wirklich aus ihrer hohen Idealität zurück. In einem vergleichenden Blick auf den Gebrauch der gramatica zeigt sich noch einmal die radikale Idealität des vulgare illustre. Gramatica wird für die doctrina, also für die Lehre gebraucht: doctrinamur in illa (I.i.3), vicac für das Dichten: poetari. Der poetische Diskurs unterscheidet sich von der doctrina in dreierlei Hinsicht: Erstens: Die Männer, die doctrina und poesia betreiben, scheinen zunächst dieselben zu seien. Dante nennt auch die Dichter doctores. Aber die doctores, die Gedichte schreiben, zeichnen sich durch ingenium et scientia aus. Diese excellentissimi sind also zweifelsohne Intellektuelle, die Wissen haben (scientia), aber das ingenium weist doch auf einen Unterschied zwischen den wissenschaftlichen und den poetischen doctores hin: die hauptsächliche Geisteskraft der Dichter ist das ingenium. 15 Zweitens: Die Gegenstände der poetischen Diskurse unterscheiden sich von denen der doctrina. Die Themen der hohen Poesie sind dignissima, das heißt - entprechend der dreifachen Natur der menschlichen Seele - salus, venus et virtus oder arma, amor et rectitudo, also Waffenruhm, Liebe und rechte Tat. Dies sind nicht die vorrangigen Gegenstände der Wissenschaft - scientia und doctrina - wohl aber diejenigen der (mittelalterlichen) Dichtung. 14 Siehe Trabant (2009). Vgl. auch Eco (1993). 15 Über die Tradition und das europäische Schicksal des ingeniums, der schöpferischen Kraft des menschlichen Geistes, vgl. Gensini/ Martone (Hrsg. 2002). Festschrift_V-435_End.indd 154 20.05.11 14: 36 <?page no="181"?> Volkssprache bei Dante 155 Der dritte Unterschied zwischen doctrina und poesia betrifft die Form der Rede. Die poetischen Doktoren schreiben in cantionibus, also in der höchsten lyrischen Form, dem modus nobilissimus. Als Poeten schaffen sie fictio rethorica musicaque poita (II.iv.4). Ohne in die Diskussion über diese berühme Dantesche Formulierung einzusteigen, ist es doch klar, dass wir hier die drei fundamentalen Eigenschaften des poetischen Diskurses vor uns haben, nämlich „fiktional“ (also nicht wahrheitsfähig, referentiell, apophantisch), „rhetorisch“ (also sprachlich geschmückt) und „musikalisch“ (also gestaltet in ihrer materiellen phonetischen Erscheinungsform). Diese drei Eigenschaften des poetischen Diskurses unterscheiden diesen von wissenschaftlicher Prosa - doctrina -, die logos apophantikos sein muss, 16 Rede, die wahr oder falsch ist und daher nicht „fiktional“, die ohne rhetorischen Schmuck auskommt und deren materiell-phonetische Erscheinungsweise gerade keine Aufmerksamkeit auf die Botschaft als solche lenkt. 17 Dantes Beschreibung des poetischen Diskurses versetzt diesen nun gleichzeitig in eine solche Höhe, dass auch noch auf der Ebene des Gebrauchs das vulgare illustre in idealer Ferne schwebt. Das zweite Buch setzt die Konstruktion der idealen Sprache in der Konstruktion eines ungeheuer überhöhten poetischen Diskurses fort: Die besten poetischen Geister schaffen schönste Gedichte über wunderbarste poetische Gegenstände. Alle diese excellentissimi, die dignissima, über die sie schreiben, und der nobilisssimus modus der Canzone sind ideale Sprecher, ideale Gegenstände und ideale Formen. Die Superlative tragen dieses Sprechen weit über die Wirklichkeit hinaus. Es ist nicht von dieser Welt. Hier wird ein idealer poetischer Diskurs in einer idealen Sprache imaginiert: der Diskurs eines neuen Paradieses. Paradies-Rede ist er auch deswegen, weil er keine sprachliche Variation kennt, da seine Sprache, das vulgare illustre ja der millena variatio der wirklichen postbabelischen Sprache entrückt ist. Schönheit kann wirkliche Sprache nicht ertragen. Wirkliche Sprache ist nämlich - wie Dante in seiner Wanderung durch den italischen Wald zeigt - variabel und hässlich. Vicac, die ideale Sprache, ist daher die Bedingung der Möglichkeit von Schönheit. Es scheint aber, als könne es keine wirkliche menschliche Poesie erzeugen. Vielleicht bricht Dante auch deswegen an dieser Stelle seinen Traktat über das Dichten in der Volkssprache ab und geht zurück in den italischen Wald, um seine großes Gedicht über die jenseitige Welt zu schreiben? 3 Bibliographie Bacon, Francis (1620): The New Organon (Hgg. L. Jardine & M. Silverthorne). Cambridge: Cambridge Univ. Press 2000. Dante Alighieri (1979): „De vulgari eloquentia“, in Mengaldo, P.V. (Hrsg.), Dante Alighieri, Opere minori II, Milano/ Napoli, Ricciardi, 1-237. Dante Alighieri (1988): „Convivio“, in Vasoli, C./ De Robertis, D. (Hgg.), Dante Alighieri, Opere minori I/ 2, Milano/ Napoli, Ricciardi. 16 Vgl. Aristoteles: De interpretatione 17a. 17 Vgl. die berühmte Bestimmung der poetischen Funktion bei Jakobson (1960, 356). Festschrift_V-435_End.indd 155 20.05.11 14: 36 <?page no="182"?> 156 Jürgen Trabant Dante Alighieri (2007): De vulgari eloquentia I. Über die Beredsamkeit in der Volkssprache, Imbach, R. u.a. (Hgg.) Hamburg, Meiner. Eco, U. (1993): La ricerca della lingua perfetta nella cultura europea, 4 Roma/ Bari, Laterza. Fortuna, S./ Gragnolati, M./ Trabant, J. (Hgg.) (2010): Dante’s Plurilingualism: Authority, Vulgarization, Subjectivity, Oxford, Legenda. Gensini, S./ Martone, A. (Hgg.) (2002): Ingenium propria hominis natura, Napoli, Liguori. Imbach, R./ Rosier-Catach, I. (2007): Einleitung zu Dante 2007, VII-XXXIII. Jakobson, R. (1960): „Closing Statement: Linguistics and Poetics“, in Sebeok, T.A. (Hgg.): Style in Language, Cambridge, Mass., MIT Press, 350-377. Koch, P. (2008): „Le latin - langue diglossique? “, in von Moos (Hrsg. 2008), 287-316. Koch, P./ Oesterreicher, W. (1985): „Sprache der Nähe - Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte“, in Romanistisches Jahrbuch 36: 15-43. Leibniz, G.W. (1983): Unvorgreifliche Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache (Hrsg. Uwe Pörksen). Stuttgart, Reclam. Moos, P. von (Hg.) (2008): Zwischen Babel und Pfingsten. Sprachdifferenzen und Gesprächsverständigung in der Vormoderne (8.-16. Jahrhundert), Münster, LIT. Rosier-Catach, I. (2008): „La tour de Babel dans la philosophie du langage de Dante“, in von Moos, P. (Hrsg.) (2008), 183-204. Trabant, J. (2003): Mithridates im Paradies. Kleine Geschichte des Sprachdenkens, München, Beck. Trabant, J. (2008): „Excellentissimi, dignissima, in cantionibus: Über Dantes Welt-Sprache der Poesie“, in von Moos, P. (Hg.) (2008), 205-221. Trabant, J. (2009): „Über das Ende der Sprache“, in Messling, M./ Tintemann, U. (Hgg.): Der Mensch ist nur Mensch durch Sprache. Zur Sprachlichkeit des Menschen München, Fink, 17-33. Festschrift_V-435_End.indd 156 20.05.11 14: 36 <?page no="183"?> R AYMUND W ILHELM Che cos’è una comunità discorsiva? Le molteplici identità del parlante e i modelli della linguistica storica 1 Lingue, testi e identità Il legame fra lingua e identità, e in modo particolare fra lingua e identità nazionale, ha suscitato numerose discussioni negli ultimi anni. Anche gli storici della lingua hanno dedicato una sempre maggiore attenzione a questa problematica. 1 È probabile che la nuova „sensibilità identitaria“ (Trifone 2009, 15) ci porterà a una concezione notevolmente diversa di alcuni ambiti della linguistica storica. Innanzitutto si dovrebbe riflettere su quel nesso fra lingua e nazione che sta proprio alla base della ‚storia della lingua‘ come disciplina: la nascita della storia della lingua all’inizio dell’Ottocento è concomitante, infatti, con il „risveglio della coscienza nazionale“ (Stussi 1992, 6). 2 È già più volte stato osservato che la storia della lingua fatica a liberarsi da una prospettiva teleologica che tende a concepire le variegate situazioni linguistiche a partire dal Medioevo come una specie di preistoria della lingua nazionale. Si profila quindi la necessità di elaborare nuovi strumenti che ci aiutino a concettualizzare le situazioni linguistiche dei secoli passati nella loro ricchezza di spinte diverse e spesso contraddittorie. Mentre la storia della lingua di stampo tradizionale tende a proiettare nel passato quel rigido monolinguismo sociale cui aspiravano gli stati nazionali otto-novecenteschi, bisognerebbe dare il debito rilievo al fatto che le società del Medioevo e della prima Età moderna sono fondamentalmente delle società plurilingui. Il monolinguismo, che è spesso assunto come ‚caso normale‘ negli studi linguistici, segna non tanto, infatti, la realtà dei parlanti, che è sempre stata più o meno pluriforme, quanto piuttosto l’ideologia della lingua nazionale. 3 Riflessioni stimolanti a questo proposito si trovano in un libro che lo storico Peter Burke ha dedicato a Lingue e comunità nell’Europa moderna (2006). Burke dimostra in particolare che le lingue acquisiscono dei ruoli notevolmente diversi, a seconda delle epoche, nella costituzione dell’identità di gruppi sociali. Prendiamo l’esempio del latino: qual è la comunità che viene costituita dall’uso della lingua latina nel Medioevo o nel Rinascimento? In passato il latino medie- 1 Cf. fra l’altro Gardt (2000); Schwarze (2006); Ayres-Bennett/ Jones (2007); Baumgärtner/ Brinker-von der Heyde/ Gardt/ Sick (2007). 2 Cf. Stussi (1992, 5s.): „Il riconoscimento, tra Sette e Ottocento, del nesso lingua-nazione comporta in Europa un nuovo e vivace interesse per la storia della lingua come parte essenziale della storia complessiva d’un popolo.“ 3 Cf. in particolare Oesterreicher (2007); Wilhelm (2007). Festschrift_V-435_End.indd 157 20.05.11 14: 36 <?page no="184"?> 158 Raymund Wilhelm vale era stato caratterizzato come ‚lingua senza comunità‘. 4 Non si può negare il fatto però che l’uso del latino è legato a gruppi sociali ben precisi, basti pensare all’ambito scientifico. Ancora nel Cinquecento il latino poteva essere considerato la lingua eruditorum vernacula, la ‚madre lingua degli eruditi‘ (cf. Burke 2006, 71). E lo stesso si può dire per il Medioevo: per autori come Tommaso d’Aquino, tanto per fare un nome, il latino non era sicuramente una ‚lingua straniera‘. 5 È vero d’altra parte che l’uso del latino è riservato a situazioni comunicative ben precise: nella vita quotidiana anche l’erudito si serve di un volgare campano o parigino o catalano. Se il latino è sicuramente „la lingua di comunicazione di una comunità (tutt’affatto secondaria) di intellettuali“ (D’Angelo 2009, 66), il suo uso si concentra pur sempre su alcuni tipi di discorso: nelle variegate attività scientifiche si costituisce quello, infatti, che è stato chiamato la „comunità testuale“ della scienza. 6 Con la contrapposizione di comunità linguistiche e comunità testuali (o comunità discorsive) ci troviamo al centro di un dibattito che ha interessato recentemente la teoria linguistica e che si rivela di estrema importanza per la metodologia della linguistica storica. Se si riesce a chiarire il concetto di ‚comunità discorsiva‘, non solo si dà una base più sicura agli studi empirici, ma si precisa nello stesso tempo un nodo centrale del modello delle tradizioni discorsive, che negli ultimi decenni ha trovato molto seguito ma che nelle sue molteplici applicazioni rischia talvolta di perdere la sua specificità. 2 Le comunità discorsive fra teoria e empiria 2.1 Comunità linguistiche Partiamo da una constatazione ovvia: una lingua è una norma sociale, un insieme di regole condivise da un gruppo. E in quanto tradizione che è soggetta a una continua ‚sistematizzazione‘ 7 questa norma è necessariamente tramandata all’interno di un gruppo che ne garantisce la continuità nel tempo. La storicità delle lingue è quindi strettamente legata alle trasformazioni cui sono sottoposte le comunità dei parlanti. È fuor di dubbio infatti che le comunità linguistiche sono oggetto di un incessante processo di riorganizzazione: la comunità ora si estende e ora si restringe, essa può suddividersi in più entità autonome oppure fondersi con altre comunità dando vita a una struttura superiore, ed essa può pure intersecarsi con altre co- 4 Cf. Bieler (1949, 101): „Dem Mittellatein als Sprache entspricht keine Sprachgemeinschaft“, cui si aggiunge però poco oltre „dass, wenn keine Sprachgemeinschaft besteht, so doch eine Sprachtradition.“ 5 Cf. anche Trabant (2007, 320): „Die mittelalterlichen doctores waren zweisprachig. Aber keine der beiden Sprachen war eine ‚andere‘ oder gar ‚fremde‘. Die ‚eigentliche‘ Sprache der doctores war wohl eher das Lateinische“. 6 Così Burke (2006, 73); di una „Diskursgemeinschaft der ‚Scientia‘“ parla anche Trabant (2007, 324). 7 Per la concezione della „Sprachentwicklung als ständige ‚Systematisierung‘“ cf. Coseriu (1974, 245). Festschrift_V-435_End.indd 158 20.05.11 14: 36 <?page no="185"?> Che cos’ è una comunità discorsiva? 159 munità di modo che alcuni parlanti appartengono contemporaneamente a più gruppi concorrenti. Nonostante questo inarrestabile divenire storico, dai modi sempre diversi e imprevedibili, rimane il fatto che solo una comunità di parlanti che sia riconoscibile e individuabile nel tempo può portare avanti una tradizione linguistica. D’altra parte in molti casi è proprio la lingua condivisa che instaura o rafforza il legame fra i membri della comunità e che garantisce quindi l’identità di gruppo. 8 Il quesito che ora si pone è se esistono delle ‚comunità discorsive‘ paragonabili alle comunità linguistiche così definite. 9 2.2 Tradizioni linguistiche e tradizioni discorsive Il punto di partenza della riflessione è la teoria linguistica di Eugenio Coseriu. Coseriu distingue tre livelli del fatto linguistico, che in forma semplificata si possono schematizzare come segue: 10 livello universale: parlare in generale livello storico: singola lingua livello individuale: discorso/ testo Lo schema fa capire che il parlare come attività universale dell’uomo si manifesta sempre secondo una tecnica storicamente costituita, una singola lingua (o lingua storica), in testi concreti. Peter Koch und Wulf Oesterreicher hanno proposto di modificare questo modello distinguendo due dimensioni al livello storico: la singola lingua con le sue varietà e le tradizioni discorsive; in forma schematica: 11 livello universale: parlare livello storico: singola lingua tradizioni discorsive livello attuale: discorso/ testo 8 Per il concetto, molto discusso negli studi di sociolinguistica, di ‚comunità linguistica‘ cf., a titolo di esempi, Fishman (1972, 28-35), Berruto (1995, 67-72); cf. in particolare la precisazione di Berruto (1995, 70): „ciascun parlante può sentirsi contemporaneamente partecipe di più comunità che tra loro si intersecano (vale a dire i gruppi in cui può identificarsi a seconda dei suoi diversi ruoli sociali)“. 9 Ricordo che di Diskursgemeinschaften si parla pure negli studi sui tipi di testo della comunicazione scientifica e specialistica, essenzialmente sulle tracce delle discourse communities di Swales (1990); cf. fra l’altro Pogner (2007), dove si trascura però la distinzione, qui ritenuta fondamentale, fra la dimensione idiolinguistica e la dimensione testuale. - Accolgo il termine ‚idiolinguistico‘, proposto da Donatella Di Cesare nella sua traduzione della Textlinguistik di Coseriu (1998), come equivalente di einzelsprachlich ‚peculiare di una singola lingua‘. 10 Cf. Coseriu (1988, 75) e Coseriu (1998, 61). 11 Addattato da Oesterreicher (2001, 1558). Festschrift_V-435_End.indd 159 20.05.11 14: 36 <?page no="186"?> 160 Raymund Wilhelm Per ‚tradizioni discorsive‘ (o tradizioni testuali, i termini sono sinonimi) si intendono i generi letterari, i tipi di testo della vita quotidiani e degli ambiti specialistici, le forme della comunicazione orale; inoltre gli elementi formulari del tipo c’era una volta e ora avvenne che; e infine gli ‚universi discorsivi‘ come la scienza, la religione ecc. 12 Già Coseriu aveva insistito sulla netta distinzione fra le tradizioni testuali e le tradizioni di una singola lingua. E anch’egli aveva riconosciuto l’analogia fra le tradizioni idiolinguistiche e le tradizioni testuali in quanto ‚individui storici‘. 13 Bisogna precisare però che Coseriu collocava le tradizioni testuali al livello individuale del suo modello, che include infatti, nella dimensione della dynamis, il ‚sapere espressivo‘, che guida la produzione dei testi. 14 In questo senso la proposta di Koch, Oesterreicher ed altri 15 ha il merito di mettere particolarmente in rilievo il parallelismo fra le norme idiolinguistiche e le norme testuali. 2.3 Status storico e essenza storica In tempi recenti Franz Lebsanft ha formulato alcune obiezioni a una tale modifica del modello coseriano. 16 Queste obiezioni meritano una particolare attenzione perché ci permettono di giungere a una più sicura definizione del concetto di ‚tradizione discorsiva‘. Problematico, secondo Lebsanft, è soprattutto il parallelismo instaurato fra tradizioni idiolinguistiche e tradizioni discorsive, perché ciò implicherebbe un’analogia fra comunità linguistiche e comunità testuali, che secondo Lebsanft non è ammissibile. 17 Sullo status profondamente diverso delle comunità linguistiche e delle comunità testuali insiste già Coseriu. In un passo del libro sulla Sprachkompetenz si sostiene infatti che le comunità linguistiche sono generalmente costituite dalla condivisione di una lingua comune - sono quindi le lingue a definire le comunità -, 18 mentre le comunità testuali esistono prima come comunità e possono sviluppare solo in un secondo tempo, quasi accidentalmente, delle tradizioni te- 12 Cf. fra l’altro Koch (1997), Oesterreicher (2001, 1558-1562), Wilhelm (2001). 13 Cf. Coseriu (1971, 186), limitatamente ai generi letterari: „Die sogenannten literarischen Gattungen erscheinen […] als den historischen Sprachen analog. Sie sind nämlich keine ‚Klassen‘ […], sondern vielmehr jeweils historisch gegebene Individuen, genauso wie die Sprachen“; e poco oltre si insiste ancora sul „Parallelismus zwischen literarischen Gattungen und Sprachen“ (ib., 187). 14 Cf. Coseriu (1988, 69-89). 15 Un simile sdoppiamento del piano storico coseriano era infatti già stato proposto da Kuon (1988). 16 Cf. Lebsanft (2005, 30-33), Lebsanft (2006, 535s.); e cf. anche la reazione di Koch (2008, 53-56). 17 Cf. Lebsanft (2006, 532): „Der sorglose Umgang mit dem Begriff der ‚Diskursgemeinschaft‘ führt zu einer Hypostase, die den gesellschaftlichen und sprachlichen Fakten analytisch nicht gerecht wird.“ 18 Cf. Coseriu (1988, 86): „Die Sprachgemeinschaften gelten nämlich gerade wegen des Sprachlichen als Gemeinschaften, z.B. die deutsche oder die französische Sprachgemeinschaft“; e cf. anche: „Die eigentümliche Historizität der Einzelsprachen besteht nämlich darin, daß sie Gemeinschaften konstituieren, die durch sie definiert werden“ (ib., 81). Festschrift_V-435_End.indd 160 20.05.11 14: 36 <?page no="187"?> Che cos’ è una comunità discorsiva? 161 stuali comuni. 19 È sorprendente che questa distinzione, che è tutt’altro che ovvia se guardiamo alle variegate situazioni storiche, sia stata largamente condivisa. In un recente intervento anche Peter Koch accetta un tale a priori della lingua rispetto alla comunità, di fronte all’a posteriori della tradizione testuale: […] los grupos constitutivos de la[s] tradiciones discursivas son grupos profesionales o religiosos, corrientes literarias, movimientos políticos, etc.; los grupos constitutivos de las lenguas históricas son comunidades lingüísticas […]. Hay una diferencia importante entre los dos: las lenguas históricas (o sus variedades) definen a los grupos (es decir a las comunidades lingüísticas), mientras que son los grupos (profesionales, religiosos, literarios, etc.) los que definen a las tradiciones discursivas. (Koch 2008, 55) Il quesito che qui si pone è quello del rispettivo ruolo delle tradizioni idiolinguistiche e delle tradizioni discorsive per la costituzione di un’identità di gruppo. Un elemento fondamentale per una più precisa impostazione di questo problema è stato fornito da Coseriu stesso. In un’importante nota del volume menzionato, Coseriu (1988, 81 n. 1) distingue due dimensioni della storicità delle lingue che chiama rispettivamente historisches Wesen e historischer Status. Nella loro essenza le tradizioni testuali sono storiche nello stesso modo di tutti i sistemi linguistici. 20 Solo pochi sistemi linguistici particolari possiedono però uno status storico: quelle varietà, appunto, che hanno raggiunto il ruolo di lingue nazionali. In questo senso, spiega Coseriu, l’olandese, a differenza dei dialetti basso tedeschi, possiede uno status storico. 21 È ovvio, a questo punto, che con lo status storico Coseriu individua una particolare costellazione, che è limitata fondamentalmente agli stati nazionali dell’Otto-Novecento: per ‚singola lingua‘ o ‚lingua storica‘ Coseriu intende infatti, senza esplicitarlo sempre in modo univoco, l’insieme delle varietà che stanno sotto il tetto di una lingua nazionale. Possiamo constatare qui come la teoria linguistica si basi in larga misura sul concetto della lingua nazionale e quindi sull’assunzione della nazione come comunità linguistica par excellence. 22 Un tale presupposto non si può applicare però alle situazioni linguistiche del Medioevo e della prima Età moderna. In una più ampia prospettiva storica non possiamo che riferirci quindi all’analogia delle tradizioni linguistiche e delle tradizioni discorsive rispetto alla loro essenza storica. E dobbiamo ammettere in particolare che sia le norme idiolinguistiche che le norme testuali o discorsive, in 19 Cf. Coseriu (1988, 86): „Sie [scil. le comunità testuali] sind zuerst Gemeinschaften, und eben deshalb verwenden sie diese oder jene Texte.“ 20 Cf. Coseriu (1988, 81 n.1.): „Ihrem Wesen nach sind nicht nur alle Sprachsysteme, sondern auch die Traditionen des Sprechens im allgemeinen und die Texttraditionen historisch.“ 21 Cf. ib.: „So unterscheidet sich z.B. das Niederländische seinem historischen Wesen nach nicht von anderen niederdeutschen Dialekten. Seinem Status nach ist es aber eine historische Sprache“. 22 Cf. anche Lebsanft (2005, 32): „Coseriu [denkt] das Historische, auch wenn er das nicht expressis verbis sagt, in der Kategorie des durch die Einzelsprache definierten Nationalen, sei es als Kultur- oder Staatsnation.“ - Una tale identificazione di comunità linguistica e nazione è una chiara eredità humboldtiana. Festschrift_V-435_End.indd 161 20.05.11 14: 36 <?page no="188"?> 162 Raymund Wilhelm quanto tradizioni socialmente condivise, vengono tramandate necessariamente da ben riconoscibili comunità. Propongo di riassumere quanto discusso nello schema seguente: livello universale: parlare livello storico: status storico: lingua nazionale ? ? ? essenza storica: ↑ varietà linguistica ↑ tradizione discorsiva livello attuale: discorso/ testo I punti interrogativi vogliono indicare che il parallelismo fra le varietà linguistiche e le tradizioni discorsive è problematico nella dimensione dello status storico: è poco probabile che le tradizioni discorsive possano fondare un’identità di gruppo nello stesso modo delle lingue nazionali. È in questo senso che vorrei precisare l’obiezione di Lebsanft. Aggiungo subito però che questa discussione ci invita pure a ripensare il concetto di ‚comunità linguistica‘. Dobbiamo renderci conto, infatti, che una indebita ipostasi non riguarda soltanto le comunità discorsive, come ha sottolineato Lebsanft. Sotto l’influsso dell’ideologia della lingua nazionale anche le comunità linguistiche sono spesso state considerate delle entità ‚prestabilite‘, laddove in realtà esse sono sottomesse a un continuo riassestamento storico. 2.4 Comunità discorsive Sarebbe utile discutere questo quesito sulla base di una consistente mole di esempi concreti. E ricchi materiali a questo proposito si possono sicuramente trovare nel Medioevo romanzo, dove la scelta fra l’una o l’altra tradizione discorsiva comporta spesso l’uso di una determinata varietà linguistica, cosicché l’appartenenza alla comunità discorsiva è effettivamente, in molti casi, primaria rispetto all’appartenenza alla comunità linguistica. 23 Soprattutto le attività comunicative che trascendono le contingenze dell’agire quotidiano, come la poesia o la scienza, possono in effetti fondare un’identità di gruppo. Prendiamo l’esempio della poesia cortese. Un poeta è in primo luogo qualcuno che pratica determinate forme testuali. I trobadors e i loro imitatori costituiscono in questo senso sicuramente una comunità discorsiva, che inoltre si innesta su un gruppo chiaramente circoscritto a livello sociale ma fondamentalmente aperto per ciò che riguarda la provenienza geografica. E l’esistenza di una tale comunità è indipendente dall’uso dell’una o l’altra lingua o varietà. È vero 23 Rimangono pienamente valide le osservazioni di Koch (1988a, 343), secondo cui „[die] Sprecher/ Schreiber früherer Epochen […] sich meist in erster Linie als Praktiker einer Diskurstradition […] und erst in zweiter Linie als Vertreter einer bestimmten Sprache oder Sprachvarietät verstanden und letztere denn auch nach den Maßstäben diskurstraditioneller Effizienz auswählten.“ Festschrift_V-435_End.indd 162 20.05.11 14: 36 <?page no="189"?> Che cos’ è una comunità discorsiva? 163 che la scelta di una forma linguistica ‚speciale‘ può sottolineare ulteriormente la coesione di gruppo (o, più precisamente, del sottogruppo che la usa): e pensiamo all’uso dell’occitanico nella poesia lirica in Catalogna e nell’Italia settentrionale. Ma la tradizione discorsiva, e di conseguenza la comunità discorsiva, continua a esistere anche quando si passa a usare una varietà che si avvicina di più alla lingua quotidiana, senza però fondersi mai con essa: e possiamo pensare al ‚siciliano illustre‘ praticato alla corte di Federico II. In questo caso è proprio la scelta di una lingua diversa dall’occitanico - a differenza di quanto succedeva nelle corti del Nord Italia - ad assumere una valenza politica. La comunità dei poeti cortesi, che si manifesta nell’uso di un fondo comune di generi, formule, tematiche e che è ‚trasversale‘ a più comunità linguistiche, è un esempio particolarmente ovvio di una comunità discorsiva socialmente riconoscibile. E si aggiunga che all’interno di questa comunità discorsiva la differenziazione della lingua storica utilizzata ci permette di identificare dei sottogruppi. 24 In modo comparabile la Scientific Community, nel Medioevo come oggi, costituisce una comunità discorsiva nel senso che ho definito qui: il gruppo degli scienziati è caratterizzato in primo luogo dalla pratica di determinate forme discorsive, mentre la scelta della singola lingua è, a seconda delle epoche, più o meno libera. L’uso del latino in tutto il Medioevo e l’uso dell’inglese oggi dimostrano chiaramente che abbiamo a che fare con una comunità che è trasversale rispetto alle comunità linguistiche, nel senso che la scelta della tradizione discorsiva, il trattato scientifico, comporta spesso la scelta di una lingua, il latino, l’inglese, che lo scienziato non userebbe negli altri ambiti discorsivi, per esempio nella vita quotidiana. 25 In linea generale possiamo supporre che le comunità discorsive, allo stesso modo delle comunità linguistiche, sono più o meno chiaramente marcate nella percezione dei parlanti. 26 È probabile che nessuna comunità discorsiva abbia mai raggiunto quel grado di coesione che l’ideologia nazionale attribuisce alle comunità linguistiche dei rispettivi ‚popoli‘. È pure vero però che una tale ipostasi della comunità dei parlanti di una lingua nazionale è un caso geograficamente e storicamente circoscritto - e che per di più si tratta di un ideale che solo tendenzialmente trova un riscontro nei fatti. 27 Sarebbe utile, perciò, concepire quello che Coseriu chiama lo status storico non come una categoria rigida, definita una volta per tutte nel senso della lingua nazionale, ma come una categoria più flessibile che comprenda i vari modi in cui l’appartenenza a una comunità, linguistica o discorsiva, possa contribuire alla 24 Cf. la ricca messe di dati contenuti in Antonelli/ Coluccia/ Di Girolamo (2008). 25 Cf. sulla base di un esempio storico Wilhelm (2011). 26 Cf. Burke (2006, 13): „Quanto più la lingua è distintiva, tanto più coesa è probabilmente la comunità, e viceversa.“ - Questo principio si applica pure alle tradizioni discorsive e alle comunità corrispondenti. 27 Anche uno stato nazionale par excellence come la Francia è tutt’altro che linguisticamente omogeneo; cf. fra l’altro il volume curato da Cerquiglini (2003) dove già il titolo - Les langues de France - vuole smentire l’ideologia della lingua nazionale. Festschrift_V-435_End.indd 163 20.05.11 14: 36 <?page no="190"?> 164 Raymund Wilhelm costruzione di un’identità di gruppo. Inteso in questo modo il concetto potrebbe rivelarsi di grande utilità negli studi empirici. 2.5 Identità multiple Ricapitoliamo brevemente quanto detto finora. Innanzitutto bisogna tener conto del fatto che l’individuo di solito fa parte contemporaneamente di più comunità linguistiche: è abbastanza diffuso ancora oggi, per esempio in Italia o in Germania, che l’individuo appartenga sia alla comunità più ristretta dei parlanti di un dialetto sia a quella più estesa dei parlanti della lingua nazionale. In più l’individuo fa parte di un certo numero, e di solito è un numero molto più grande, di comunità discorsive: oltre a quelle che tramandano le forme dell’interazione quotidiana possiamo pensare alle comunità professionali, le comunità religiose ecc. Ed è da specificare che una ‚comunità‘ in questo senso indica semplicemente un gruppo di persone all’interno del quale si trasmette una norma tradizionale (idiolinguistica o discorsiva): siamo nell’ambito di quello che Coseriu chiama l’essenza storica. Solo in un secondo tempo si pone poi il problema del possibile status dell’una o dell’altra tradizione. La questione dello status storico concerne direttamente il problema identitario: l’appartenenza dell’individuo all’una o l’altra comunità può contribuire, infatti, a costruire un’identità. È da rilevare però che le modalità con cui si definisce l’identità dell’individuo sono notevolmente variabili nel tempo e nello spazio: ora si attribuisce più peso all’identità nazionale, ora all’identità regionale (dialettale), ora passa in primo piano l’appartenenza a un gruppo professionale (il poeta, lo scienziato), ora l’appartenenza a una comunità religiosa 28 ecc. È pure da ribadire che l’identità dell’individuo è multipla e, poiché evolve nel tempo, dinamica. 29 Di conseguenza l’appartenenza a più comunità - linguistiche, discorsive ed altre -, non è da concepire necessariamente nei termini di un conflitto, ma piuttosto come il caso che, in una visione storica più ampia, è probabilmente il caso più diffuso: a livello generale non c’è dubbio infatti che l’identità dell’individuo si costituisca nell’interazione fra la propria storia e le esigenze delle molteplici situazioni sociali in cui esso si trova volta per volta implicato. 30 28 Il cattolico praticante, per fare solo questo esempio, si identifica con una comunità discorsiva nel senso che pratica le regole di un rito che consiste in larga misura in una specifica prassi della parola. 29 Cf. a questo proposito l’illuminante studio di Reichert (2007) sulle identità multiple di Marco Polo e le riflessioni di Françoise Gadet (2007) sul bricolage identitaire nella Francia di oggi. 30 Cf. fra l’altro Stichweh (2010, 158): „Identitäten sind offensichtlich Inklusionsidentitäten; sie referieren auf die multiplen Inklusionsprozesse, die für die moderne Gesellschaft charakteristisch sind. Es handelt sich notwendigerweise um multiple Identitäten, die einander überschneiden und sich wechselseitig relativieren“; e poco oltre si aggiunge a ciò una componente temporale: „Identitäten sind nicht nur multipel, sie sind auch […] Teilzeitidentitäten“ (ib.). Festschrift_V-435_End.indd 164 20.05.11 14: 36 <?page no="191"?> Che cos’ è una comunità discorsiva? 165 3 Tradizioni discorsive e varietà linguistiche 3.1 Diverso status storico delle singole tradizioni discorsive Se concepiamo l’identità del parlante come intersezione di più identità diverse possiamo affrontare in modo più realistico anche il problema, finora spesso rimasto in ombra, del rapporto fra tradizioni discorsive e varietà linguistiche. Il problema è stato posto pure da Franz Lebsanft che indica in questo modo un secondo quesito decisivo per la teoria delle tradizioni discorsive. Nel modello coseriano riproposto da Lebsanft (2005, 33) il rapporto fra varietà diafasica e tradizione discorsiva si configura come rapporto fra il più generale e il più specifico: la „größere Allgemeinheit der Diaphasik gegenüber der Texttradition“ si rispecchia nel fatto che le varietà sono collocate al livello storico, le tradizioni testuali invece al livello individuale. Lebsanft pensa qui in primo luogo agli stili. In linea generale si può notare che chi difende, con Coseriu, la priorità della lingua rispetto alla tradizione testuale, basa la sua analisi piuttosto su fatti stilistici che su tipi di testo: 31 alcune divergenze nella concettualizzazione delle tradizioni discorsive si spiegano sicuramente con il diverso materiale illustrativo scelto di volta in volta. Si deve ricordare, infatti, che il concetto di tradizione discorsiva nasce dall’intuizione che tutto il vasto e variegato insieme di tecniche tradizionali - dalle formule ai generi testuali, dagli stili agli universi discorsivi - sia da raggruppare in un’unica dimensione a se stante, parallela ma nettamente distinta dalle tecniche, pure tradizionali, delle singole lingue. È ovvio che si tratta di un insieme di tradizioni del parlare assai eterogeneo. Se tutte queste tradizioni condividono un historisches Wesen nel senso discusso al § 2.3., sarebbe utile probabilmente distinguere diversi tipi di tradizioni discorsive in base al loro diverso status storico: e questo status non è da riferire, ovviamente, a una comunità nazionale, bensì a comunità che sono in vario modo riconoscibili e autonome rispetto alle rispettive comunità linguistiche. Lo stile, per riprendere questo esempio, si trova inevitabilmente al crocevia della tradizione discorsiva e della singola lingua. 32 E anche la formula oscilla spesso fra la dimensione testuale e la dimensione idiolinguistica, appena ci allontaniamo da casi ovvi come il famoso C’era una volta discusso da Coseriu (1998, 171s.). Per i generi o tipi testuali invece la distinzione fra i due ambiti, testuale e idiolinguistico, sembra netta. Basta pensare al caso, pure già discusso da Coseriu (1998, 52), del sonetto. Se prendiamo per esempio i sonetti italiani dell’Ottocento possiamo descrivere la varietà linguistica usata nei testi come la lingua poetica, che costituisce una varietà diafasica ben definita dell’italiano, e diversa dalla lingua della prosa letteraria (cf. Serianni 2009). E questa varietà è effettivamente più ‚generale‘, come vuole Lebsanft, rispetto al genere sonetto nel senso che viene 31 Così infatti anche Albrecht (2003) che si interessa in primo luogo al discorso indiretto libero. 32 Peter Koch (1988b, 342 n. 20) ha proposto di distinguere due accezioni del termine stile: lo stile propriamente detto come ‚tradizione discorsiva‘ e il registro come ‚varietà diafasica di una singola lingua‘. - Scettico di fronte a questa distinzione si mostra Lebsanft (2005, 33). Il quesito meriterebbe una discussione più particolareggiata. Festschrift_V-435_End.indd 165 20.05.11 14: 36 <?page no="192"?> 166 Raymund Wilhelm usata anche in altri generi poetici. Però, ed è questo il punto che importa, sotto altri aspetti anche la tradizione discorsiva del sonetto è più ‚generale‘ rispetto alla varietà, perché sonetti esistono ovviamente anche in altre lingue come il francese, il tedesco, l’inglese ecc. Le regole che guidano la produzione di sonetti - e si tratta ben inteso di regole mutevoli nel tempo e nello spazio, pensiamo ai sonetti caudati del Cinquecento italiano o al sonetto nella tradizione di Shakespeare - e le regole che fondano la varietà poetica dell’italiano non si lasciano ridurre quindi le une alle altre. Abbiamo a che fare con due norme, ugualmente storiche ma collocate in due dimensioni diverse, che si incrociano in molti testi singoli, ma che hanno tradizioni fondamentalmente indipendenti l’una dall’altra, e che sono sorrette quindi da comunità diverse. 3.2 Affinità tra varietà linguistiche e tradizioni discorsive Il modello proposto da Koch e Oesterreicher ci fa riconoscere che il singolo testo (al livello ‚attuale‘) realizza contemporaneamente due norme diverse: una norma idiolinguistica e una norma discorsiva. È indubbio che si verifica un’,interazione‘ fra queste due dimensioni, 33 il preciso valore di tali ‚affinità‘ (Oesterreicher 2001, 1567) fra determinate varietà linguistiche e determinate tradizioni discorsive rimane però ancora da chiarire. Peter Koch e Wulf Oesterreicher hanno suggerito di collocare le tradizioni discorsive nel continuum che si estende, secondo il loro noto modello, fra i due poli dell’oralità (‚immediatezza comunicativa‘) e della scrittura (‚distanza comunicativa‘). La scelta di dieci parametri o ‚condizioni comunicative‘ - da „comunicazione privata/ comunicazione pubblica“ a „libertà tematica/ tema fisso“ - permetterebbe, in questo modo, di ascrivere non solo ai singoli testi ma anche alle tradizioni discorsive stesse, un particolare ‚profilo concezionale‘. 34 Mi sembra necessario esaminare soprattutto due punti impliciti in questa proposta. Da un lato dobbiamo chiederci se con il tentativo di ascrivere alle tradizioni discorsive dei precisi profili concezionali non si rischia di ricadere nelle aporie della Textsortenlinguistik degli anni 1970 e 1980 che voleva classificare i tipi di testo con l’aiuto di una combinatoria di tratti. Se concepiamo le tradizioni discorsive come individui storici nel senso di Coseriu, dobbiamo innanzitutto descriverle nel loro divenire storico, e diventa problematico definirle sulla base di un inventario di criteri scelti a priori. 35 33 Koch (2003, 103) parla infatti di „Interaktion (nicht Identität! ) zwischen einzelsprachlichen Varietäten und Diskurstraditionen“. 34 Del „perfil concepcional de los discursos“ si parla fra l’altro in Koch/ Oesterreicher (2007, 24); gli esempi di analisi proposti riguardano esplicitamente dei tipi di discorso idealizzati, come la „carta privada prototípica“ (ib., 27) o la „tradición discursiva de la entrevista personal“ (ib., 29). 35 Cf. Coseriu (1971, 186s.): „Es ist eigentlich unmöglich, den Roman, die Tragödie als Klassen zu definieren. Man kann nur den historisch gegebenen Roman, die historisch gegebene Tragödie beschreiben und in ihrer historischen Entwicklung untersuchen.“ - Per una dicussione più particolareggiata cf. Wilhelm (1996, 3-16) e Wilhelm (2001, 472s.). Festschrift_V-435_End.indd 166 20.05.11 14: 36 <?page no="193"?> Che cos’ è una comunità discorsiva? 167 Inoltre dobbiamo guardarci dal presupposto che l’insieme delle norme testuali e l’insieme delle norme linguistiche siano strutturati in forma analoga. Dalla doppia ipotesi che, da un lato, lo „spazio variazionale di ogni lingua“ sia organizzato fra i poli dell’immediatezza e della distanza (Koch 2001, 18) e, dall’altro lato, che alle tradizioni discorsive si possa ascrivere un preciso profilo concezionale, non si deve dedurre, infatti, che ci sia un qualsiasi rapporto deterministico fra le varietà linguistiche e le tradizioni discorsive. Le affinità fra alcune tradizioni discorsive e alcune varietà linguistiche sono fatti in larga misura contingenti, che non si possono dedurre da un elenco aprioristico di condizioni comunicative, ma che possiamo solo descrivere come fatti storici e convenzionali. Sembra più appropriato parlare qui di tradizioni, e più precisamente di ‚tradizioni della realizzazione idiolinguistica di una determinata tradizione discorsiva‘ (cf. Wilhelm 2001, 473s.). L’esempio della varietà poetica dell’italiano è in questo senso paradigmatico. L’esistenza di una varietà particolare riservata alla poesia è un fenomeno puramente storico - che, in effetti, in altre lingue come il francese dell’Ottocento non si verifica. Questa norma, che fa sì che in poesia si trovino forme come core invece di cuore, diria‚ invece di direbbe, augello invece di uccello ecc. non attestate nella prosa coeva, non si lascia spiegare quindi con le condizioni universali della comunicazione, ma solo con le condizioni molto particolari, contingenti, che hanno segnato la storia dell’italiano letterario a partire dai Siciliani. Non c’è nessun dubbio che la situazione comunicativa abbia un peso sulla scelta dell’una o altra forma linguistica e quindi sulla facies diasistematica di un testo. E spesso è proprio lo studio delle tradizioni discorsive che ci permette, soprattutto in una prospettiva storica, di riconoscere precisi rapporti fra le variegate condizioni sociali e culturali e la scelta di una determinata varietà linguistica. Quello che bisogna sottolineare però è il fatto che i rapporti fra la situazione comunicativa, la tradizione discorsiva e la varietà linguistica non sono deterministici. La scelta di una precisa forma testuale in situazioni sociali e comunicative ricorrenti, come pure la scelta di determinate forme linguistiche all’interno di precise tradizioni discorsive, non possono essere ‚dedotte‘ in forma astratta: si tratta di rapporti instaurati socialmente, che sono quindi sempre mediati da tradizioni e che rispecchiano fondamentalmente la libertà del parlante. E questa libertà si manifesta, in modo particolare, nella possibilità di scegliere, in ogni istante del suo parlare, fra tradizioni diverse e concorrenti che sono presenti nel suo repertorio. Il parlante è libero, in altre parole, di inserirsi di volta in volta in comunità linguistiche e discorsive diverse, costituendo sempre di nuovo e sviluppando continuamente, in questo modo, la sua molteplice identità linguistica e discorsiva. 3.3 Identità part time Riassumo. Parlare di un parallelismo fra comunità linguistiche e comunità discorsive non ha molto senso se concepiamo la comunità linguistica come ‚nazione‘: non esistono nazioni basate su comunità discorsive. Ma se applichiamo Festschrift_V-435_End.indd 167 20.05.11 14: 36 <?page no="194"?> 168 Raymund Wilhelm un concetto più largo di comunità linguistica - l’insieme delle persone che partecipano al continuo lavoro della ‚sistematizzazione‘ di una varietà linguistica e che ne assicurano quindi la tradizione -, l’analogia con le comunità discorsive è un dato di fatto: una tradizione discorsiva è pensabile solo se supponiamo una comunità, un gruppo di persone, che possono anche trovarsi lontane nello spazio o nel tempo l’una dall’altra, che concepiscono i testi da loro prodotti come appartenenti a una norma storicamente costituita. Una tale concezione ‚debole‘ delle comunità (linguistiche e discorsive) si impone anche perché essa ci permette di liberarci dal preconcetto che vede nella nazione la comunità linguistica par excellence. Il preconcetto nazionale, che, come si è detto, è frutto di una proiezione ideale più che di un’osservazione del dato concreto, è particolarmente inappropriato, ovviamente, per le situazioni storicolinguistiche anteriori al 1800 circa. In modo particolare si deve sottolineare il fatto che una definizione più flessibile di quello che Coseriu chiamava lo ‚status storico‘ si rivela di grande utilità per una fondazione pragmatica della storia della lingua: possiamo indagare infatti il ruolo che precise tradizioni linguistiche e tradizioni discorsive, documentate nel loro contesto storico, acquisiscono per la costituzione di un’identità di gruppo. Il discorso identitario ci può portare così anche a ripensare l’idea di un legame inscindibile, primordiale, fra l’individuo e la sua madre lingua. L’idea - o l’ideologia - della Muttersprache sembra essere un fatto storicamente costituito: il termine ‚madre lingua‘, a quanto pare, è stato coniato nel XII secolo (cf. Trabant 2003, 55-57). Ovviamente il concetto è più antico: è probabile che molte comunità, in un modo o nell’altro, concepiscano una lingua o una varietà come distintiva e magari definitoria della propria identità. Ciò nonostante il parallelismo fra lingua e tradizione discorsiva ci invita a prendere atto del carattere multiplo dell’identità linguistica del parlante. E questo è vero soprattutto per società plurilingui, in cui la scelta di una tradizione discorsiva comporta spesso la scelta di una determinata lingua o varietà: ciò vale per il Medioevo, ma ciò vale pure, in larga misura, per il mondo attuale che con fenomeni come la migrazione e la globalizzazione di larghi campi della cultura confronta l’individuo con molteplici situazioni di plurilinguismo. Sembra un fatto naturale che l’individuo passi, con più o meno grande facilità, da una tradizione discorsiva all’altra, a seconda delle situazioni comunicative che deve gestire. La competenza discorsiva dei parlanti è multipla. Ma anche l’identità linguistica dell’individuo solo eccezionalmente è omogenea. Se la conquista di una nuova varietà o di una nuova lingua richiede sicuramente un lasso di tempo considerevole, ciò non impedisce che l’identità linguistica sia di carattere fondamentalmente dinamico: l’individuo può aggiungere nuove varietà al suo repertorio, mentre altre passano in secondo piano. Le diverse varietà o, addirittura, le diverse lingue che pratica fondano l’appartenenza dell’individuo a altrettante comunità linguistiche. In molti casi, e probabilmente è questa la costellazione storicamente più diffusa, l’identità linguistica dell’individuo non è altro che un conglomerato di Teilzeitidentitäten nel senso di Stichweh (2010): anche l’identità linguistica, infatti, si configura non di rado come un insieme di ‚identità part time‘. Festschrift_V-435_End.indd 168 20.05.11 14: 36 <?page no="195"?> Che cos’ è una comunità discorsiva? 169 4 Indicazioni bibliografiche Albrecht, J. (2003): „Können Diskurstraditionen auf dem Wege der Übersetzung Sprachwandel auslösen? “, in Aschenberg, H./ Wilhelm, R. (a cura di), Romanische Sprachgeschichte und Diskurstraditionen. Akten der gleichnamigen Sektion des XXVII. Deutschen Romanistentags, Tübingen, Narr, 37-53. Antonelli, R./ Coluccia, R./ Di Girolamo, C. (a cura di) (2008): I poeti della Scuola siciliana, voll. 1-3, Milano, Arnoldo Mondadori,. Ayres-Bennett, W./ Jones, M.C. (a cura di) (2007): The French Language and Questions of Identity, London, MHRA/ Maney. Baumgärtner, I./ Brinker-von der Heyde, C./ Gardt, A./ Sick, F. (a cura di) (2007): Nation - Europa - Welt. Identitätsentwürfe vom Mittelalter bis 1800, Frankfurt a.M., Klostermann. Berruto, G. (1995): Fondamenti di sociolinguistica, Roma/ Bari, Laterza. Bieler, L. (1949): „Das Mittellatein als Sprachproblem“, in Lexis 2, 98-104. Burke, P. (2006): Lingue e comunità nell’Europa moderna. Traduzione di Biagio Forino, Bologna, il Mulino. Cerquiglini, B. (a cura di) (2003): Les langues de France, Paris, Presses Universitaires de France. Coseriu, E. (1971): „Thesen zum Thema ‚Sprache und Dichtung‘“, in Stempel, W.D. (a cura di), Beiträge zur Textlinguistik, München, Fink, 183-188. Coseriu, E. (1974): Synchronie, Diachronie und Geschichte. Das Problem des Sprachwandels. Übersetzt von Helga Sohre, München, Fink. Coseriu, E. (1988): Sprachkompetenz. Grundzüge der Theorie des Sprechens. Bearbeitet und herausgegeben von Heinrich Weber, Tübingen, Francke. Coseriu, E. (1998): Linguistica del testo. Introduzione a una ermeneutica del senso. Edizione italiana a cura di Donatella Di Cesare, Roma, Carocci. D’Angelo, E. (2009): La letteratura latina medievale. Una storia per generi, Roma, Viella. Fishman, J.A. (1972): Sociolinguistics. A brief Introduction, Rowley (Massachusetts), Newbury House. Gadet, F. (2007): „Indentités françaises différentielles et linguistique du contact“, in Ayres- Bennett, W./ Jones, M.C. (a cura di), The French Language and Questions of Identity, London, MHRA/ Maney, 206-216. Gardt, A. (a cura di) (2000): Nation und Sprache. Die Diskussion ihres Verhältnisses in Geschichte und Gegenwart, Berlin/ New York, De Gruyter. Koch, P. (1988): „Italienisch: Externe Sprachgeschichte“, in Holtus, G./ Metzeltin, M./ Schmitt, C. (a cura di), Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL), vol. 4, Tübingen, Niemeyer, 343-360. [= 1988a] Koch, P. (1988): „Norm und Sprache“, in Albrecht, J./ Thun, H./ Lüdtke, J. (a cura di), Energeia und Ergon. Sprachliche Variation, Sprachgeschichte, Sprachtypologie. Studia in honorem Eugenio Coseriu, vol. 2, Tübingen, Narr, 327-354. [= 1988b] Koch, P. (1997): „Diskurstraditionen: zu ihrem sprachtheoretischen Status und zu ihrer Dynamik“, in Frank, B./ Haye, T./ Tophinke, D. (a cura di), Gattungen mittelalterlicher Schriftlichkeit, Tübingen, Narr, 43-79. Koch, P. (2001): „Oralità/ scrittura e mutamento linguistico“, in Dardano, M./ Pelo, A./ Stefinlongo, A. (a cura di), Scritto e parlato. Metodi, testi e contesti. Atti del Colloquio internazionale di studi (Roma, 5- 6 febbraio 1999), Roma, Aracne, 15-29. Koch, P. (2003): „Romanische Sprachgeschichte und Varietätenlinguistik“, in Ernst, G./ Gleßgen, M.D./ Schmitt, C./ Schweickard, W. (a cura di), Romanische Sprachgeschichte, vol. 1, Berlin/ New York, De Gruyter, 102-124. Koch, P. (2005): „‚Parlato/ scritto‘ quale dimensione centrale della variazione linguistica“, in Burr, E. (a cura di), Tradizione & innovazione. Il parlato: teoria - corpora - linguistica dei corpora, Atti del VI Convegno SILFI (Gerhard-Mercator Universität Duisburg 28 giugno - 2 luglio 2000), Firenze, Cesati, 41-56. Festschrift_V-435_End.indd 169 20.05.11 14: 36 <?page no="196"?> 170 Raymund Wilhelm Koch, P. (2008): „Tradiciones discursivas y cambio lingüístico: el ejemplo del tratamiento ‚Vuestra Merced‘ en español“, in Kabatek, J. (a cura di), Sintaxis histórica del español y cambio lingüístico. Nuevas perspectivas desde las Tradiciones Discursivas, Frankfurt a.M., Vervuert, 53-87. Koch, P./ Oesterreicher, W. (2007): Lengua hablada en la Romania: español, francés, italiano, Version española de Araceli López Serena, Madrid, Gredos, 2007. Kuon, P. (1988): „Möglichkeiten und Grenzen einer strukturellen Gattungswissenschaft“, in Albrecht, J./ Thun, H./ Lüdtke, J. (a cura di), Energeia und Ergon. Sprachliche Variation, Sprachgeschichte, Sprachtypologie. Studia in honorem Eugenio Coseriu, vol. 3, Tübingen, Narr, 237-252. Lebsanft, F. (2005): „Kommunikationsprinzipien, Texttraditionen, Geschichte“, in Schrott, A./ Völker, H. (a cura di), Historische Pragmatik und historische Varietätenlinguistik in den romanischen Sprachen, Göttingen, Universitätsverlag, 25-43. Lebsanft, F. (2006): „Sprecher zwischen Tradition und Innovation: Zum Problem von ‚Diskurstraditionen‘ und ‚Diskursgemeinschaften‘ am Beispiel der Sprache der Politik“, in ZrP 122, 531-548. Oesterreicher, W. (2001): „Historizität - Sprachvariation, Sprachverschiedenheit, Sprachwandel“, in Haspelmath, M./ König, E./ Oesterreicher, W./ Raible, W. (a cura di), Sprachtypologie und sprachliche Universalien. Ein internationales Handbuch, Berlin/ New York, 1554-1595. Oesterreicher, W. (2007): „Mit Clio im Gespräch. Zu Anfang, Entwicklung und Stand der romanistischen Sprachgeschichtsschreibung“, in Hafner, J./ Oesterreicher, W. (a cura di), Mit Clio im Gespräch. Romanische Sprachgeschichten und Sprachgeschichtsschreibung, Tübingen, Narr, 1-35. Pogner, K.-H. (2007): „Text- und Wissensproduktion am Arbeitsplatz: Die Rolle der Diskursgemeinschaften und Praxisgemeinschaften“, in www.zeitschrift-schreiben.eu, 12.2.2007, 1-12. [03.03.2010] Reichert, F. (2007): „Marco Polos Identitäten“, in Baumgärtner, I./ Brinker-von der Heyde, C./ Gardt, A./ Sick, F. (a cura di), Nation - Europa - Welt. Identitätsentwürfe vom Mittelalter bis 1800, Frankfurt a.M., Klostermann, 363-377. Schwarze, S. (a cura di) (2006): Siamo una nazione? Nationales Selbstverständnis im aktuellen Diskurs über Sprache, Literatur und Geschichte Italiens, Tübingen, Stauffenburg. Serianni, L. (2009): La lingua poetica italiana. Grammatica e testi, Roma, Carocci. Stichweh, R. (2010): Der Fremde. Studien zu Soziologie und Sozialgeschichte, Frankfurt a.M., Suhrkamp. Stussi, A. (1992): „Storia della lingua italiana: nascita d’una disciplina“, in Serianni, L./ Trifone, P. (a cura di), Storia della lingua italiana, vol. 1: I luoghi della codificazione, Torino, Einaudi, 5-27. Swales, J. (1990): Genre analysis: English in academic and research settings, Cambridge, Cambridge University Press. Trabant, J. (2003): Mithridates im Paradies. Kleine Geschichte des Sprachdenkens, München, C.H. Beck. Trabant, J. (2007): „Die natürliche Liebe zur eigenen Sprache. Transformationen des identitären Sprachdiskurses“, in Baumgärtner, I./ Brinker-von der Heyde, C./ Gardt, A./ Sick, F. (a cura di), Nation - Europa - Welt. Identitätsentwürfe vom Mittelalter bis 1800, Frankfurt a.M., Klostermann, 318-331. Trifone, Pietro (a cura di) (2009): Lingua e identità. Una storia sociale dell’ italiano, Roma, Carocci. Wilhelm, Raymund (1996): Italienische Flugschriften des Cinquecento (1500 -1550). Gattungsgeschichte und Sprachgeschichte, Tübingen, Niemeyer. Wilhelm, R. (2001): „Diskurstraditionen“, in Haspelmath, M./ König, E./ Oesterreicher, W./ Raible, W. (a cura di), Sprachtypologie und sprachliche Universalien. Ein internationales Handbuch, Berlin/ New York, de Gruyter, 467-477. Festschrift_V-435_End.indd 170 20.05.11 14: 36 <?page no="197"?> Che cos’ è una comunità discorsiva? 171 Wilhelm, R. (2007): „Regionale Sprachgeschichte als Geschichte eines mehrsprachigen Raumes. Perspektiven einer Sprachgeschichte der Lombardei“, in Hafner, J./ Oesterreicher, W. (a cura di), Mit Clio im Gespräch. Romanische Sprachgeschichten und Sprachgeschichtsschreibung, Tübingen, Narr, 77-101. Wilhelm, R. (2011): „Die Scientific Community - Sprachgemeinschaft oder Diskursgemeinschaft? Zur Konzeption der Wissenschaftssprache bei Brunetto Latini und Jean d’Antioche“, in Dahmen, W. et al. (a cura di), Die Romanischen Sprachen als Wissenschaftssprachen, Tübingen, Narr, 121-153. Festschrift_V-435_End.indd 171 20.05.11 14: 36 <?page no="198"?> Festschrift_V-435_End.indd 172 20.05.11 14: 36 <?page no="199"?> Sprachwandel Festschrift_V-435_End.indd 173 20.05.11 14: 36 <?page no="200"?> Festschrift_V-435_End.indd 174 20.05.11 14: 36 <?page no="201"?> U LRICH D ETGES / R ICHARD W ALTEREIT Turn-taking as a trigger for language change 1 Turn-taking: A problematic communicative function In his work on language change, Peter Koch has consistently stressed the importance of isolating possible pragmatic contexts which favour novel usages of a form. We would like to argue here that turn-taking - one of the foci in Peter Koch’s research on spoken language - is a highly privileged pragmatic context in this respect. We will show that superficially unrelated lexical and morphosyntactic changes can plausibly be traced back to innovative language use aimed at solving the communicative task of taking over a turn at talk. As a side-effect, we hope to illustrate that this topic can pull together nicely a number of Peter Koch’s interests in the mechanics of language change rooted in conversation, spoken language, language variation, and the pragmatic foundations of grammar - all of which have been paramount in what we have learned from him. 1.1 The rules of turn-taking and typical ways to apply them The seminal paper of Sacks/ Schegloff/ Jefferson (1974) elegantly captured the observed behaviour of turn-taking in conversation by formula-ting three rules of the „turn-taking system“. These rules apply in consecutive and cyclic fashion: (1) Current speaker selects next speaker. (2) Self-selection by non-speaker. (3) Current speaker continues. Rules (1)-(3) are named the „turn-allocational component“ of the turn-taking system. The first rule in the set provides that the current speaker has the privilege to designate the next speaker. The thus selected participant of the conversation has the right, and the obligation, to speak. If the current speaker does not make usage of this privilege, i.e. if s/ he finishes their turn without designating a next speaker, rule (2) applies, specifying that any participant of the conversation may, but need not, self-select as next speaker. If no-one of the participants selfselects, then the current speaker may, but need not, continue to speak (rule (3)). If the current speaker does not continue to speak, the turn-allocational component will provide for the rules in the set to apply again, beginning with rule (1), until turn-taking has been effected. Note that the rules of the turn-allocational component do not, by themselves, make any reference to the actual linguistic material used to apply them. It is however obvious that there are typical linguistic means for their application. We will focus on rules (1) and (2). Festschrift_V-435_End.indd 175 20.05.11 14: 36 <?page no="202"?> 176 Ulrich Detges/ Richard Waltereit The most common form to apply the rule (1) would be certainly to ask a question. Without entering into a discussion of the huge literature on the topic, it is arguably uncontroversial to assume that questions are typically accomplished by interrogative sentences. Cross-linguistically, interrogative sentence mood is expressed in a variety of ways: word order, intonation, and interrogative particles are some of the grammatical resources found in the world’s languages to mark questions. Questions are syntactic constructions, i.e., linguistic forms, whose main point is to transfer speakership to the addressee. Regarding self-selection (rule (2)), it might of course be the case that there are no specific devices for it. Indeed, self-selection does not require linguistic turn-allocational techniques. Given that self-selection can be, and very often is, effected successfully and in perfect compliance with rule (2), simply by beginning to say just anything, it is not necessary to have specific linguistic techniques designed for the sole purpose of self-selection. However, practitioners of conversation analysis have long noted that turns at talk allocated by self-selection often begin in a way that makes reference to the activity of turn-taking, rather than by immediately verbalizing the speaker’s communicative intention itself. Typical beginnings of turns at talk allocated by self-selection include the following: Particles: Already Sacks, Schegloff and Jefferson (1974) themselves discuss „pre-starters“: Appositional beginnings, e.g. well, but, and, so etc., are extraordinarily common, and do satisfy the constraints of beginning. But they do that without revealing much about the constructional features of the sentence thus begun, i.e. without requiring that the speaker have a plan in hand as a condition for starting. Furthermore, their overlap will not impair the constructional development or the analysability of the sentence they begin. (Sacks, Schegloff and Jefferson 1974: 719) Oreström (1983: 159) highlights the use of particle-like formulas when it comes to self-selection: [O]ne type of comment was selected for investigation, namely one in which the new speaker objected to what the ongoing speaker had just said. The hypothesis was that an objection implies a greater interest in the topic which, in turn, affects the speaker-shift process with the result that the ordinary principles of turn-taking are overruled. […] Such an objection was generally introduced by no, but, yes but, followed by the denial. (Oreström 1983: 158/ 159) Subject pronouns: Martín Rojo and Meeuwis (1993) discuss Spanish conversations where participants dispute themselves the right to talk, for example in the following stretch: (4) <B> No, no, no creas, yo pienso … No, no, don’t believe it, I think … <A> Yo … yo, yo creo que es lo mejor. I … I, I think this is the best way. <B> Yo pienso … yo me alegro de tener la habitación I think … for me it’s fun to share Festschrift_V-435_End.indd 176 20.05.11 14: 36 <?page no="203"?> Turn-taking as a trigger for language change 177 compartida con mi hermana. my room with my sister. (Martín Rojo and Meeuwis 1993: 110) They argue that the subject pronoun yo ‚I‘ can be a form of self-selection: With explicit reference to the yo (‚I‘), the speaker marks her presence and obliges the hearer to a certain extent to respect the „conversational space“ that she claims for herself. If, at this moment, the hearer did not yield the turn, this would be interpreted as a lack of consideration. (Martín Rojo and Meeuwis 1993: 110, translation ours) Object pronouns: Duranti and Ochs (1979) explain why the left-dislocation (LD) construction, with its resumptive pronoun, is particularly suitable for self-selection: LDs are effective means of seeking and occupying the floor because they nearly always relate to some general concern under consideration. The left-dislocated referent itself may have appeared in the prior talk and, hence, constitute an explicit legitimizer of subsequent talk […]. Or, the left-dislocated referent is semantically linked to general concerns at hand […] LDs may be successful topic-shifters in part because, while shifting focus of attention, they nonetheless are semantically relevant to the prior focus of attention. (Duranti and Ochs 1979: 406-7) Hence, there exists a variety of forms, acknowledged in the literature, whose effect is to carry out self-selection. 1.2 Ordering principles in the set of devices for turn-taking Is there any order in the set of devices for turn-taking? It is quite obvious that interrogative sentence mood, particles, subject pronouns and object pronouns do not have a common grammatical denominator. They do not belong to the same word class, and they do not seem to have any particular grammatical feature in common. Hence they do not seem to lend themselves to a generalization in the semasiological (form to function) perspective. To find order in the set of devices for turn-taking, we must proceed the other way round: we must look at the function these devices perform and recognize the requirements this function imposes on their selection (the onomasiological perspective). If we look at self-selection (rule (2)) as an activity in communication we find that it is subject to essentially two related challenges, especially in multi-party conversations: (5a) Self-selection is subject to competition: When the previous speaker has finished their turn without designating the next speaker, any current nonspeaker may attempt to self-select, but only one person can succeed to do so. (5b) Self-selection is subject to time constraints: The first one to begin to speak after the previous speaker has finished their turn has then the right to one turn. In Sacks’/ Schegloff’s/ Jefferson’s (1974: 719) words: „First starter goes“. If other parties start speaking after someone else has already begun, they must abort their attempt to speak. The time constraint problem is often a serious obstacle to turn-taking, and it is a kind of art to anticipate the end of the current turn in Festschrift_V-435_End.indd 177 20.05.11 14: 36 <?page no="204"?> 178 Ulrich Detges/ Richard Waltereit order to be allowed to take the turn without producing overlap that is felt as an interruption. These two problems are frequently occurring in conversation, and of course it is preferable, even though not absolutely necessary, to have tools at hand for their solution. This means that languages can offer, as it were, their speakers efficient techniques that allow them to cope with these challenges. It is our contention that the typical devices for self-selection are problem-solving routines for the competition problem and the time constraint problem. More precisely, we will claim that the fact that typical devices for self-selection are problem-solving routines has itself two aspects which address the two problems (5a) and (5b): (6a) Devices for self-selection mark the content of the incipient turn as noteworthy, announcing a stretch of talk which is of interest to the addressees. This is a solution to the competition problem (5a). (6b) Routinization of the technique enables it to be executed faster. This is a solution to the time constraint problem (5b). (6a) suggests that turn-taking is in fact not exclusively governed by the contentblind rule „first starter goes“. Rather, speakers justify their attempt to take over the floor by announcing a turn at talk that is relevant to the conversation. That is, they prefer their addressees to listen to them not only because the turntaking system provides for only one person to speak at a time, but also because they have something interesting to say, worthwhile the addressees’ attention. However, the time constraint imposed by the „first starter goes“ provision still favours formulas that are routinized, „ready to use“. Routinized formulas can be executed much faster (and are therefore, all other things being equal, a more promising technique for self-selection) than other forms to start speaking that require the full cognitive effort imposed by the human speech production system. Now, routinization is inherently a diachronic process. Routinization means that a given linguistic form, be it a word or a sequence of words, becomes over time a separately stored unit designed for a specific purpose which it could perform also initially but to which it was not confined then. Given that turn-taking favours the development of specific routines, it is therefore inherently and specifically relevant to diachronic linguistics. As we intend to show, the diachronic role of turn-taking does however not stop here. Techniques that are routinized for turn-taking may enter further diachronic processes that ultimately may lead to far-reaching grammatical change. We will refer to the routinization of turn-taking techniques as micro-change and to those further diachronic processes as macro-change. In our discussion, we will focus on particles (section 2) and on pronouns (section 3). Festschrift_V-435_End.indd 178 20.05.11 14: 36 <?page no="205"?> Turn-taking as a trigger for language change 179 2 Particles: Italian guarda In Italian, as well as in, e.g., Canadian French (Dostie 1998), European Spanish (Pons 1998) and European Portuguese (Kunow 2001), the imperative of the verb to look has a variety of discourse particle uses. In order to understand these, one has to recognize some properties of the imperative of that verb. 2.1 The imperative look! : A priority pass for self-selection Take a look at the imperative of the verb guardare ‚to look‘: (7) <B> come trovare il subagente? how to find the subagent? <A> che domande che fai? what questions are you asking? <D> ah pure il subagente vuole pure insomma gente troppo ah s/ he wants also a subagent! OK folks too bella questa questa la devi segnare troppo beautiful this one you have to note that, too […] <A> guarda guarda che aspetto che c’ha look! look! what he looks like <D> e scusate il disturbo [ridono] troppo bello e’ tutto troppo bello sorry to disturb you [all laughing] too beautiful it’s all too beautiful [LIP MA4] Assume that the conventionally coded content of the imperative ‚look! ‘ is that it expresses a request to look at some object. It seems that this conventionalized content has two conversational implicatures attached to it: (8a) The speaker knows of some visual object present in the situation unknown to the addressee. (8b) It is highly important for the listener to immediately look at that object. These two properties are indeed not linguistically conventionalized, i.e., they are cancellable: It is perfectly possible, even though perhaps unusual, to ask the addressee to look at something they are already aware of. Similarly, it is possible to ask the listener to look at something not immediately but only later, even though it would require an additional effort to cancel that implicature: (9) Look at it - but not now. Taken together, these two implicatures convey that a turn at talk initiated by look! promises high noteworthiness and immediate relevance. The notion of immediate relevance and the requirement of action on the part of the listener may go so far as to allow interruption (Waltereit 2002): If it was already to late to carry out the required action after the next transition-relevance place, i.e., after current speaker has finished their turn, interruption may be justified. Bazzanella (1991) refers to such cases as „force majeure“. Casual observation suggests that such interruptions initiated by look! are in fact quite common, Festschrift_V-435_End.indd 179 20.05.11 14: 36 <?page no="206"?> 180 Ulrich Detges/ Richard Waltereit e.g., during train or car rides: If one currently non-speaking person wants the others to look at e.g. some particularity of the landscape, etc., they must interrupt the current speaker for the others still to be able to see the rapidly passingby object of interest. In such cases, interruptions are normally not perceived as rude, or as violating the spirit (even though the letter) of Sacks’, Schegloff’s and Jefferson’s (1974) turn-taking rules. A similar interpretation holds for the use of guarda in (7). The participants of the conversation are engaged in the business of importing South American wood paintings. Speaker B is new to this business and she asks a question (come trovare il subagente, ‚how to find the subagent‘) that the other ones find silly. D makes jokes about B and laughs at him. Now A interrupts D and says (guarda, guarda che aspetto che c’ha ‚look the way he looks like‘). With that, she seems to refer to the way the other speaker looks like. Obviously, someone’s facial expression during a short stretch of conversation is a very short event. If speaker A waited until the next transition-relevance place to take the floor and to tell the others about this event, it might already be too late. This is why the extreme brevity of an event may justify and even require an interruption. Otherwise it would be too late for the required action to be carried out. The upshot of this discussion is that the imperative look! entitles the speaker to take the floor without having to wait for the next transition-relevance place. It is therefore an extremely powerful tool in conversation. It is, in a way, a „priority pass“ that confers the speaker the enormous privilege to self-select at just any point in the conversation. 2.2 Illegitimate use of useful implicatures and their reanalysis Speakers are allowed to use this privilege only if they really have something important to have the others look at. But, of course, a powerful tool such as this one lends itself to illegitimate use. There is a temptation to say look! even when one does not have anything important, requiring immediate action etc., to have the others look at. Speakers will tend to say this word not because of its coded content but because they want to take advantage of the privilege, attached to it by implicature, to take over the floor without having to wait for the next transition-relevance place. An example for this kind of usage of guarda! might be the following. (10) <B> prendi una stecchetta di legno e la fai con take a wooden stick and you make it with la stecchetta di legno e con gli adesivi the wooden stick and the glue <A> si’ io con la stecchetta di legno cerco_ yes I with the wooden stick I search … <C> guarda e’ piu’ semplice a colori quattro quattro <? > guarda it’s easier with colors four four <? > t due chiodini e <? > basta # velocissimo rapido wo nails and <? > ready very quickly quickly <A> <? ? ? > Festschrift_V-435_End.indd 180 20.05.11 14: 36 <?page no="207"?> Turn-taking as a trigger for language change 181 <B> oppure la gente li mette sopra una poltrona sopra un tavolo sopra_ or the people put them on top of an armchair on top of a table on top of_ [LIP, MA2] In this stretch of conversation, C interrupts A. C has an idea as to how to fix a wall carpet. C seems to assume that this idea is of particular importance for the discussion the participants are engaged in, which, for her, apparently justifies a violation of turn-taking rules. To this extent, (10) resembles (7). But there is an important difference between the two examples. For it is unlikely that C in (10) wants to show the others something. C has an idea that she explains. However she does not have a particular object to show to the others. It is therefore unlikely that C wants the others to look at something particular, given that the wall carpet they are talking about is not visible in the situation. This is an example of illegitimate use. Illegitimate use means that a speaker uses a form not because of its coded meaning but because of an implicature attached to this content, at the risk of using the coded meaning not truthfully. Speakers want to use the form because some implicature attached to it is „so good“ or „so useful“ that they risk saying it even in breach of the convention that governs its use in that language. This is illegitimate because it is a violation of Grice’s quality maxim. It is precisely its illegitimacy that will provoke a language change: Listeners will quickly recognize the mismatch between the communicative intention of the speaker and the forms of language she is using. Consequently, the illegitimate use may be uncovered and reanalyzed as a new conventional function of the form guarda, thereby turning it into a discourse marker - more precisely, a turntaking signal. By the same token, its legitimacy of use will have been restored. What has happened is the following: An implicature attached to the use of the word has become part of its coded meaning. This process is known among researchers in diachronic linguistics as the conventionalization as conversational implicatures (Traugott and König 1991). Hence, a micro-change has occurred. The imperative draws the attention of the addressee to a new referent. The discourse marker, however, typically introduces a new topic, thereby transferring the deictic function of the form from the extra-linguistic world to speech itself (cf. Pons 1998). 3 Spanish personal pronouns The obligatorification of subject pronouns will show that turn-taking is at the heart of processes of language change that may affect even the core of the grammar. 3.1 Contrast In pro-drop languages such as Spanish, the subject pronoun is a focal device. If it occurs, its major function is to mark contrast to some other previously mentioned or contextually salient referent: Festschrift_V-435_End.indd 181 20.05.11 14: 36 <?page no="208"?> 182 Ulrich Detges/ Richard Waltereit (11) a. creo ‚I think‘ b. yo creo ‚Me, I think‘ A genuine form of contrast between the subject pronoun yo ‚I‘ and some other referent would be an opposition between the speaker’s and some other discourse participant’s viewpoint, as in the following example. (12) <H1> ¡Es estúpido! It’s stupid! <H5> No es estúpido. Es justo <simultáneo> lo que no es estúpido. It is not stupid. It is fair <simultaneous> which is not stupid. <H1> Yo creo que sí. </ simultáneo> yo creo que sí, porque… I do think it is [stupid] </ simultaneous> I do think it is because … [Corpus Oral, 1992] Speaker H1, as opposed to speaker H2, thinks that something is „stupid“. This opposition between the viewpoints of the two speakers fully licenses (maybe even requires) the use of some contrastive device, the unmarked form of which is the tonic pronoun. But genuine contrast may also be a little bit more indirect. For example, the speaker need not oppose the content of her utterance to some other discourse participant’s turn at talk. She may also use the contrastive pronoun with the verb creer ‚to believe‘ in order to express metalinguistically that she has new information which outdates some other discourse participant’s knowledge: (13) <H1> Aquél no te quiso dar permiso. This one [= policeman] did not want to give you permission. <H2> Yo creo que es que se pensaron que … que era una excusa para ir. I think it’s because they thought that … it was an excuse to go away. [Corpus Oral, 1992] In this example, H2 makes it clear that the information she has is newer than the information H1 expresses in her turn. What is interesting about this example is that it shows that the contrastive device is not only needed to express an opposition between propositions, as in (12). Rather, it signals also relevance of the incipient turn for the conversation. Contrasting information is normally maximally relevant information; hence, marking an incipient turn as relevant will increase the chances of successful self-selection, according to principle (6a). Contrast-construing devices in Spanish are bare subject pronouns (yo) as well as subject pronouns combined with verbs of opinion, such as creer ‚to believe‘ or pensar ‚to think‘. Amaral and Schwenter (2005) suggest that not only pronouns, but also other devices that enable, albeit indirectly, reference to the subject, e.g. locative adverbials, may mark contrast as well. 3.2 Pseudo-contrastive use of subject pronouns However, Spanish pronouns do not always mark contrast. It is precisely with verbs of opinion that they may have lost their focal force (Rosengren 1974). The function of relevance-marking may have taken over and sequences such as yo creo are used as formulaic devices of relevance-marking: Festschrift_V-435_End.indd 182 20.05.11 14: 36 <?page no="209"?> Turn-taking as a trigger for language change 183 (14) <H1> ¿Pero tú no estás segura de si podrías ser buena actriz o no? But you are not sure if you could be a good actress or not? <H2> No lo sé. A nivel de teatro, pues mira… he comprobado I don’t know. As far as the theater is concerned, look, I found out que… que bueno, más o menos me defiendo, sin tener that… that well, I get on well more or less, without any kind of preparación de… de… de ninguna clase. No he estudiado preparation. I didn’t study arte dramático y… mira. Aunque… drama and… look. Yet… <H1> Bueno… Pero yo creo que los jóvenes eh… actores, Right… But I think that nowadays young eh… actors, young artists like los jóvenes artistas, hoy en día tenéis un reto muy duro, you are facing a very tough challenge, porque se pide a uno que sea polifacético, y eso conlleva mucho because you are expected to be multitalented persons and this means aprendizaje, ¿no? a lot of learning, right? [Corpus Oral, 1992] In the preceding sequence, taken from a TV interview with a young actress, the interviewer introduces one turn with yo creo. However, what she says in her turn does not contrast at all with the preceding turn of the actress, seeing that both are converging on the difficulties and challenges young actors are facing nowadays. Rather, yo creo is a formulaic device of relevance-marking, routinely used to introduce the relevance of a turn. What we see here is a rhetorically motivated illegitimate over-use. Yo creo in (14) is a pseudo-contrast. Speaker H1 uses a contrastive device even though there is no contrast between the two propositions, nor between the information state reflected by the two respective utterances. So why does she use the contrastive pronoun? Given that self-selection calls for effective devices to mark the relevance of the incipient turn, there is a strong motivation to use forms that convey high relevance of that turn even if the actual relevance of the conveyed information does not fully justify this choice. This corresponds to what we have called illegitimate use in the preceding section. Contrast-construing devices such as yo creo are such forms, and they lend themselves to illegitimate use. As a contrastive element, the pronoun in yo creo is stressed. Frequent use of the contrastive devices in non-contrastive contexts (that is, its illegitimate use) will lead to a reanalysis of the sequence yo creo as a mere turn-taking device and subsequently to a destressing of the contrastive pronoun yo. Loss of focal force makes it possible (even though not necessary) to use the pronoun without stress. That is, there are not only two, but three variants of the 1 SG of creer ‚to think‘, ‚to believe‘: (15) a. creo ‚I think‘ (unstressed) non-contrastive b. YO creo ‚Me, I think‘ (stressed) contrastive c. yo creo ‚I think‘ (unstressed) non-contrastive Festschrift_V-435_End.indd 183 20.05.11 14: 36 <?page no="210"?> 184 Ulrich Detges/ Richard Waltereit The emergence of (15c) is the routinization of a technique of relevance-marking and therefore an instance of micro-change. 3.3 Object pronouns A similar reasoning applies to object pronouns. Spanish object pronouns have a clitic, unstressed (non-focal) and a tonic, stressed (focal) form: (16) a. me gusta ‚I like it‘ 1 S : DAT please: 3 S b. a MI me gusta ‚Me, I like it‘ 1 S : DAT : FOC 1 S : DAT please: 3 S Of course, the tonic form is regularly used in contrastive contexts: (17) <H1> Me gusta esa pelicula. I like this film. <H2> A mí no me gusta. Me, I don’t like it. The use of the tonic pronoun is justified by the propositional contrast that holds between the two utterances. But the tonic object pronoun, too, has an illegitimate „over“-use: (18) <H5> Hablé con un fulano, con un director de un periódico que I talked to this guy, to a director of a newspaper who había estado en la guerra y me dijo que cuando se tomaba had fought in the war, and he told me that once you drank brandy coñac que creías que eras inmortal. […] you thought you were immortal […] <H6> A mí me contaba uno que estuvo en la división azul que… To me, somebody who had been in the división azul told that… podían pasar sin comer varios días <simultáneo> con tal they could spend a couple of days without eating <simultaneous> under the de que […] que les den una botella de coñac. condition… that they were given a bottle of cognac. [Corpus Oral, 1992] Here, the participants talk about the effects alcohol has on soldiers’ fitness for combat. H5 praises the effects of brandy. Then H6 begins his turn with the contrastive object pronoun a mí me. However, it is easy to see that the content of his turn does not actually contrast with H5’s preceding turn. Quite to the contrary: H6 makes a similar point and tells a similar story. However, the contrastive pronoun serves a precise purpose: that of enhancing the relevance of one’s contribution to the conversation, by using a form of language that implicates relevance. This is an illegitimate use because the meaning of the tonic pronoun presupposes a context of contrast, which however is not there. Hence the speaker uses the tonic pronoun not because of its meaning, but because of the implicature attached to the meaning, at the risk of using the meaning not Festschrift_V-435_End.indd 184 20.05.11 14: 36 <?page no="211"?> Turn-taking as a trigger for language change 185 truthfully. Repeated illegitimate use of the object pronoun will lead to a reanalysis of the form as an unstressed marker of relevance in combination with certain verbs. This state is achieved in the formulaic use of a mí me parece ‚it seems to me‘ and a mí me gusta ‚I like it‘: (19) <H2> Ustedes que se dedican a esto no… You who devote yourself to this, you don’t <H1> Yo no me DEDICO a esto, I don’t DEVOTE myself to this, esto a mí me GUSTA… me gusta. I LIKE it… I like it. [Corpus Oral, 1992] H1 uses the contrastive form a mí me to refer to himself. However, there is no contrast between H1 and some other person. There is a contrast in that sentence, but it is between the predicate dedicarse ‚to devote oneself‘ and gustar ‚like‘, both of which take H1 as their argument. This makes it plain that a mí me cannot denote contrast, since there is already another contrast in the same sentence. Hence, rhetorically motivated over-use such as in (18) turned the contrastive pronoun in the context of certain verbs into formulaic markers of relevance which can be used not only for turn-taking but also turn-medially. By the same token, the „tonic“ pronoun is not obligatorily stressed any more. Object pronouns in combination with verbs like gustar or parecer display the same kind of variation as subject pronouns. There are three variants of object pronouns in Spanish: (20) a. me gusta ‚I like it‘ non-contrastive unstressed b. A MÍ me gusta ‚Me I like it‘ contrastive stressed c. a mí me gusta ‚I like it‘ non-contrastive unstressed The rise of (20c) is a micro-change, given that it applies to restricted contexts (i.e., certain verbs) only. 4 Micro-change and macro-change We would now like to elaborate on the notion of microvs. macro-change. As alluded to in the introduction, micro-change is a change which affects mainly restricted sets of forms. As such, it may create irregularity in paradigms. For example, the „tonic“ subject pronouns in Spanish have an unstressed variant mainly with certain verbs such as pensar ‚to think‘ and creer ‚to believe‘. The „tonic“ object pronouns have an unstressed variant only with verbs such as gustar ‚to please‘ and parecer ‚to appear, to seem‘. These are verbs of opinion that have an experiencer role in subject position (pensar, creer) or in indirect object position (gustar, parecer). As such, they are prone to express contrast with respect to beliefs etc. of the speaker and lend themselves to pseudo-contrast needed for relevance-marking. That is, micro-change is lexically restricted. Macro-change, however, generalizes the tendency brought about by micro- Festschrift_V-435_End.indd 185 20.05.11 14: 36 <?page no="212"?> 186 Ulrich Detges/ Richard Waltereit change to an entire paradigm. We would now like to discuss a case where a whole paradigm is on its way to a rearrangement, presumably as a consequence of micro-change set off by self-selection strategies. Consider French subject pronouns. They have a clitic and a tonic variant: (21) a. je pense ‚I think‘ unstressed b. MOI je pense ‚Me, I think‘ stressed In addition, the tonic pronoun moi has an unstressed variant: (21) c. moi je pense ‚I think‘ unstressed Until here, we thus have the same patterning as with Spanish object pronouns, and, mutatis mutandis, as with Spanish subject pronouns, too. Given that French is not a null subject language and Spanish is one, the French clitic subject pronouns corresponds to the Spanish null subject and the French tonic pronouns corresponds to the Spanish subject pronoun. There is also, as in Spanish, an unstressed variant of the tonic pronoun with verbs of opinion, presumably due to the illegitimate use of self-selection strategies. The „rhetoric“ value of moi je is nicely characterized by Honnigfort (1993): (22) Moi, je resp. je … moi refers to the speaker who takes the floor, who „enters“ the dialogue, who talks about himself and expresses a personal point of view. This becomes particularly clear in combination with verbs of saying and thinking denoting a personal attitude or a wish: moi je trouve que, moi je veux bien, moi je (ne) sais pas, moi je crois, moi je pense, moi j’aime, moi j’ai l’ impression etc. (Honnigfort 1993: 229; translation ours) That is, (21c) is another kind of micro-change. But things don’t stop here. In French, the unstressed use of the tonic pronoun is quite common not only for verbs of opinion, but for all verbs, at least in the first and second person. Coveney (2003) reports that in spoken Standard French, the tonic pronoun in first and second person singular in non-contrastive contexts is accepted for all verbs: (23) a. moi je chante ‚I sing‘ b. toi tu chantes ‚you sing‘ That is, the non-contrastive use of the contrastive pronoun has generalized from verbs of opinion to all sorts of verbs, even those that are not particularly prone to self-selection routines. But it has not (yet) generalized to all persons. With the third pronoun, a pattern analogous to (23) would be the non-contrastive use of the contrastive pronoun and, importantly, the redundant use of the clitic pronoun with full noun subjects: (24) Lui il pense ‚he sings‘ (25) Paul il pense ‚Paul thinks‘ However, the redundant use of the 3 SG clitic pronoun is quite marked, especially with full noun subjects (Coveney 2003) unless the subject is in a propositional contrast with some other referent. As Peter Koch found out in his 1993 Festschrift_V-435_End.indd 186 20.05.11 14: 36 <?page no="213"?> Turn-taking as a trigger for language change 187 study, only 4,4% of full noun subjects in declarative sentences have the clitic pronoun (il/ elle). That is, full noun subjects are UNLIKE 1sg/ 2sg subjects in that clitic doubling is rather uncommon. Utterances of the type (25) or (26) are the marked case, the standard case still being utterances of the type (27). (26) Mon frère il chante ‚my brother sings‘ (27) Mon frère chante ‚my brother sings‘ That is, to repeat Peter Koch’s findings, in French non-contrastive use of the contrastive 1 SG / 2 SG pronoun has spread to all types of verbs. However, it did not (yet) spread to the 3 rd person. The rise of the Italian discourse particle and the destressing of Spanish tonic pronouns are instances of micro-change in that they are immediate by-products of the routinization of self-selection strategies. These changes are confined to the lexical items that are best suited for the initial strategy they provoked. Spoken French, however, has gone one step further: Spoken French is levelling the irregularity in the verb paradigm created by micro-change in favour of a generalization of the change. 5 Conclusion Turn-taking, especially self-selection, is a communicative function that puts speakers under pressure to claim the floor effectively and fast. In order to do so, speakers must act, that is: speak, in a way that makes their wish to self-select clear. The need to claim the floor effectively favours innovative language use; the need to claim the floor fast favours routinization, i.e. entrenchment and conventionalization, of innovations. That is, turn-taking is a pragmatic context that inherently fosters language change. Innovative language use most often makes creative use of already existing material. The turn-taking system for conversation has it that there are no forms of language whose meaning directly confers the speaker the floor. There are no magic formulas that are able to grant us the right to a turn. Rather, efficient self-selection is essentially a by-product of language use, governed by the tacit agreement that relevant contributions to conversation have priority over less relevant ones. Hence, speakers desiring to self-select must make use of the discourse-related implicatures attached to certain forms. Self-selection is therefore a pragmatic context that lends itself to uttering words and other forms of language not because of their meaning, but because of the implicatures attached to the meaning. In fact, we have seen that in self-selection, the meaning of the forms can become rather unimportant, even at the cost of using the meaning not truthfully. This is illegitimate language use. Illegitimate language use is of course highly prone to language change. Hearers will easily recognize the illegitimate use and replace by reanalysis the old, not truthfully used, meaning of the form with the new, actually intended one. Consequently, the form will acquire as a new meaning the discourse-related turn-taking use. This happened to the Italian imperative guarda and the Spanish pronouns in combination with verbs of opin- Festschrift_V-435_End.indd 187 20.05.11 14: 36 <?page no="214"?> 188 Ulrich Detges/ Richard Waltereit ion. Spoken French has gone one step further and has leveled the inflectional paradigm in the 1 st and 2 nd person in favor of the redundant use of the tonic pronoun. Hence turn-taking may provoke language change not only in the directly discourse-related part of the language system, but ultimately also in the core domains of the grammar (see Detges (2003) for an elaboration of this point). 6 References Amaral, P.M./ Schwenter, S. (2005): „Contrast and the (non) occurrence of subject pronouns“, in Eddington, D. (ed.), Selected Proceedings of the 7th Hispanic Linguistics Symposium, Somerville, MA, Cascadilla Proceedings Project, 116-127. Bazzanella, C. (1991): „Le interruzioni ‚competitive‘ e ‚supportive‘, Verso una configurazione complessiva“, in Stati, S. et al. (eds.), Dialoganalyse III, Referate der 3. Arbeitstagung Bologna 1990, Tübingen, Niemeyer, vol. 1, 283-92. Bentivoglio, P.A. (1987): Los sujetos pronominales de primera persona en el habla de Caracas, Caracas, Universidad Central de Venezuela. Corpus Oral 1992 = Marcos-Marín, F.A. et al., Corpus de Referencia de la Lengua Española Contemporánea: Corpus Oral Peninsular. Madrid (1992), Universidad Autónoma [= http: / / www. lllf.uam.es/ ~fmarcos/ informes/ corpus/ corpulee.html]. Coveney, A. (2003): „Le redoublement du sujet en français parlé: une approche variationniste“, in Hansen, A.B./ Hansen, M.-B.M. (eds.), Structures linguistiques et interactionnelles dans le français parlé, Copenhagen, Museum Tusculanum, 111-143. Detges, U. (2003): „Du sujet parlant au sujet grammatical. L’obligatorisation des pronoms sujets en ancien français dans une perspective pragmatique“, in Verbum XXV, 307-333. Dostie, G. (1998): „Deux marqueurs discursifs issus de verbes de perception: de écouter/ regarder à écoute/ regarde“, in Cahiers de lexicologie 73, 85-106. Duranti, A./ Ochs, E. (1979): „Left-dislocation in Italian conversation“, in Givón, T. (ed.), Syntax and semantics 12: Discourse and syntax, New York, Academic Press, 377-416. Givón, T. (1976): „Topic, pronoun and grammatical agreement“, in Li, Ch.N. (ed.), Subject and Topic, New York etc., Academic Press, 149-85. Hansen, M.-B.M. (1998): The function of discourse particles. A study with special reference to spoken Standard French, Amsterdam, Benjamins. Honnigfort, E. (1993): Der segmentierte Satz. Syntaktische und pragmatische Untersuchungen zum gesprochenen Französisch der Gegenwart, Münster, Nodus. Koch, P. (1993): „Le ‚chinook‘ roman face à l’empirie. Y-a-t-il une conjugaison objective en français, en italien et en espagnol et une conjugaison subjective prédeterminante en français“, in Hilty, G. (ed.), Actes du XX e Congrès International de Linguistique et Philologie Romanes. Zurich, 6-11 avril 1992. Vol. 3, Section 4, Typologie des langues romanes, Tübingen, Basel, Francke, 171-190. Kunow, I. (2001): Diskurspartikeln im Portugiesischen. Gesprächsanalytische Studien zur Abtönung und Redeorganisation in informeller und institutioneller Kommunikation. - Ph.D. thesis University of Freiburg, Germany [http: / / www.freidok.uni-freiburg.de/ volltexte/ 272]. Martín Rojo, L./ Meeuwis, M. (1993): „Referentes del sujeto pronominales y tácitos en la conversación en español: un enfoque pragmático“, in Haverkate, K./ Hengeveld, K./ Mulder G. (eds.), Aproximaciones pragmalingüísticas al español. Amsterdam, Rodopi, 87-118. Pons Bordería, S. (1998): „Oye y mira o los límites de la conexión“, in Montolio Durán, E./ Martín Zorraquino, M.A. (eds.), Los marcadores del discurso. Teoría y análisis, Madrid, Arco Libros, 213-228. Rosengren, P. (1974): Presencia y ausencia de los pronombres personales sujetos en español moderno, Stockholm, Almqvist & Wiksell. Sacks, H./ Schegloff E.A./ Jefferson, G. (1974): „A simplest systematics for the organization of turn-taking in conversation“, in Language 50, 696-735. Festschrift_V-435_End.indd 188 20.05.11 14: 36 <?page no="215"?> Turn-taking as a trigger for language change 189 Schwenter, S./ Traugott, E.C. (2000): „Invoking scalarity: The development of in fact“, in Historical pragmatics 1, 7-25. Traugott, E./ König E. (1991): „The semantics/ pragmatics of grammaticalization revisited“, in Traugott, E.C./ Heine, B. (eds.), Approaches to grammaticalization, vol. 1, 189-218. Traugott, E./ Dasher, R. (2002): Regularity in semantic change, Cambridge, Cambridge University Press. Waltereit, R. (1996): „‚Les cours, ils auront déjà commencé‘. Zur Funktion der Linksversetzung des Subjekts zwischen Informationsstruktur und Referenzsemantik“, in Romanistisches Jahrbuch 47, 64-81. Waltereit, R. (2002): „Imperatives, interruption in conversation, and the rise of discourse markers. A study of Italian guarda“, in Linguistics 40, 987-1010. Festschrift_V-435_End.indd 189 20.05.11 14: 36 <?page no="216"?> Festschrift_V-435_End.indd 190 20.05.11 14: 36 <?page no="217"?> H ANS -M ARTIN G AUGER ‚Enfin, il vit son quotidien‘. Neutrale Adjektivsubstantivierungen im Vorrücken 1 Worum es geht Am Radio, vor allem in den Gesprächen, die sich um Intellektuelles drehen, also etwa in France Culture, somit, um es nach Koch/ Oesterreicher 1985 korrekt zu sagen, in distanzsprachlicher Mündlichkeit, hört man nicht selten eine Ausdrucksweise, die dem Kenner des Französischen auffällt und dem von außen kommenden noch mehr: „Et puis, évidemment, ne l’oublions pas, il y a le nucléaire“ oder dann etwa „l’écologique“. Zahlreich sind diese Ausdrucksweisen nicht, aber sie kommen immer häufiger und immer ‚natürlicher‘ vor. Weitere Beispiele sind etwa le politique, le social, l’ économique, le relatif, l’ imaginaire, le concret, l’abstrait, l’ humain, le privé, l’ intime, le public (im Sinne von ‚das Öffentliche‘), l’extraordinaire, le quotidien (letzteres besonders geläufig und auch schon älter, zumindest in der Wendung vivre son quotidien). Nicht dass diese Ausdrücke alle neu wären. Sie erscheinen nur immer häufiger in solcher Verwendung. Es geht da also um die einfache, das heißt um die ohne Affix nur durch Artikel oder Demonstrativ herbeigeführte Substantivierung von Adjektiven - und zwar, semantisch gesehen, um deren neutrale Substantivierung, nicht um die andere, die ein Einzelnes, Person oder Sache, mit einer Eigenschaft hervorhebt: le rouge ‚das Rot‘ (oder auch ‚das Rote‘) einerseits, andererseits le rouge, ‚der rote‘ (gemeint etwa ‚le pullover rouge). In der neutralen Substantivierung wird also das Adjektiv zu einem Neutrum. Die französischen Grammatiker nennen, analog zu den anglophonen, was wir „Substantivierung“ nennen, „nominalisation“. Dies hat aber, soweit ich sehe, keine weitere Bedeutung 1 . Bekanntlich ist die neutrale Adjektivsubstantivierung gerade für das Deutsche - im Vergleich zum Französischen - kennzeichnend. Hier aber, erster Punkt, scheint das Französische seit einigen Jahrzehnten nachzuziehen - vielleicht übrigens, die 1 Auch „substantivation“ findet sich gelegentlich (so etwa im Grevisse/ Goosse 2007). Es ist nur bemerkenswert, dass in unserer angeblich so internationalen, übernationalen oder, besser, „übereinzelsprachlichen“ Linguistik die Diskurse immer wieder und schon von der Schulgrammatik her terminologisch und oft auch begrifflich nach Sprachgemeinschaften auseinandergehen. Natürlich könnte man Vereinheitlichung dadurch erzielen, dass man nur dem englischen analoge oder dann direkt englische Termini und Begriffe verwendet. Alles redete dann ‚in Termen von‘ anglophonen (also nordamerikanischen) Kategorien und unweigerlich dann auch mit den in ihnen enthaltenen wissenschaftlichen Interessen. Es wäre eine schlechte Vereinheitlichung. Die Vielfalt ist hier auch oder auch hier ein Gewinn. Festschrift_V-435_End.indd 191 20.05.11 14: 36 <?page no="218"?> 192 Hans-Martin Gauger Vermutung ist nicht abwegig, gerade unter dem Einfluss des Deutschen (diese Substantivierung hat ja etwas Philosophisches). Dann, zweiter Punkt, geht das Französische da über das Deutsche hinaus. Wo französisch oft einfach von „le social“ die Rede ist, sagen wir, weniger abstrakt, doch eher „die soziale Frage“, „das soziale Problem“, oder wir reden vom „sozialen Aspekt“. 2 Zum Genus Der sächliche Artikel, den wir im Deutschen haben, ist im Falle der neutralen Adjektivsubstantivierung ja durchaus motiviert. Das Neutrum wird da als solches, ganz im etymologischen Sinn als ne-utrum, als weder weiblich noch männlich, vom Sprachbewusstsein und zwar auch vom ganz normalen gefühlt. Sonst aber ist das Genus unmotiviert und dies heißt für das Sprachbewusstsein praktisch unerheblich - natürlich von einigen großen Ausnahmen, von Substantiven, die große Dinge bezeichnen, abgesehen: die Sonne, der Mond, die Liebe, der Tod. Da bewirkt das Genus, dass das Gemeinte als weiblich oder als männlich vorgestellt wird. Wir Deutschsprechenden haben da das Gefühl, das Genus passe, während es umgekehrt das Genus ist, das diese Vorstellung bewirkt hat (so jedenfalls in synchronischer Sicht). 2 Aber sonst, sehr bekanntlich, erleben wir, um drei in der Wirklichkeit eng benachbarte, kontigue Dinge zu nennen, den Teller nicht als männlich, die Gabel nicht als weiblich und das Messer nicht als sächlich. Man redet da seit alters vom „grammatischen Geschlecht“, womit gemeint ist: ‚bloß grammatisch, nicht im Gemeinten selbst begründet‘. Faktisch handelt es sich um ein sprachliches Geschlecht, weil es durch die jeweilige Sprache, falls diese Genusunterschiede überhaupt kennt, vorgegeben ist. Und da geht es nicht nur und nicht primär um Grammatik. „Sprachliches Geschlecht“ wäre also der bessere, weil genauere Ausdruck. Und übrigens wird diese sprachliche Vorgabe ‚Genus‘ von den Sprechenden nicht hinterfragt - sie nehmen sie nicht einmal wahr. Da dem Französischen, dem Englischen ohnehin, materiell gesehen, ein neutraler Artikel fehlt, ist die „morphologische Persönlichkeit“ der deutschen Neutralsubstantivierung ungleich stärker als die der französischen oder englischen. Allerdings unterscheiden sich der und das nur im Nominativ und im Akkusativ, nicht aber im Genitiv und im Dativ: der Gute/ das Gute, des Guten/ des Guten, dem Guten/ dem Guten, den Guten/ das Gute. Und dass etwa das Französische und Englische keinen materiell differenzierten sächlichen Artikel haben, hindert sie nicht an neutraler Adjektivsubstantivierung. Diese ist semantisch auf ihn nicht angewiesen. Es geht auch so: mit dem einzigen, wenn es nur einen gibt, oder dem männlichen. 2 Mir kommt die Feststellung einigermaßen trivial vor. Nachdem ich sie niedergeschrieben habe, erfahre ich jedoch in einer Rezension von Helmut Mayer des Buchs von Guy Deutscher (2010): „Fündig wird Deutscher bei Untersuchungen, die in den Blick nehmen, wie die Assoziationsspielräume von Sprechern affiziert werden, je nachdem ob ein Wort in ihrer Muttersprache männlichen oder weiblichen oder neutralen Geschlechts ist“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.10.10 Seite L 25). Man lernt nicht aus. Festschrift_V-435_End.indd 192 20.05.11 14: 36 <?page no="219"?> Neutrale Adjektivsubstantivierungen im Vorrücken 193 Unter den romanischen Sprachen findet sich ein neutraler Artikel bekanntlich nur im Spanischen: el desconocido/ lo desconocido, ‚der Unbekannte‘, ‚das Unbekannte‘. 3 In den übrigen romanischen Sprachen ist es natürlich der männliche Artikel, der auch für die neutrale Substantivierung ‚funktioniert‘. ‚Natürlich‘ sagte ich, aber natürlich ist dies nicht ‚natürlich‘, sondern geschichtlich - eine unnötige mise au point, aber, wie ich einmal von Alain Robbe-Grillet hörte: „Il y a des portes ouvertes qui ne sont pas encore suffisamment enfoncées“. Der französische Artikel le hat also drei Bedeutungen: erstens ist er der männliche Artikel im Unterschied zum weiblichen, zweitens kann er das Weibliche mit einschließen, im Plural unterscheidet sich freilich la nicht von le (da ist eine Besonderheit des Französischen gegenüber dem Spanischen, Portugiesischen, Italienischen und Rumänischen, wo es auch im Plural einen weiblichen Artikel gibt - wieder einmal fällt das Französische unter den romanischen Sprachen heraus), drittens ist le auch der Artikel schlechthin, etwa in le beau, le bon oder le vrai, wenn damit ‚das Schöne‘, ‚das Gute‘, ‚das Wahre‘ gemeint ist, also in dem Fall, der uns hier interessiert. Was die zweite Bedeutung angeht, kann man in der Tat strukturalistisch gesehen, wie unter anderen auch Eugenio Coseriu, von einer „inklusiven Opposition“ sprechen: le kann für la stehen, aber la nicht für le, weil nämlich la markiert ist, le aber unmarkiert (Coseriu hat dies von der phonologischen Analyse her übertragen). In dem Satz „L’aveugle est considéré comme plus malheureux que le sourd“ oder „On se moque parfois du sourd, mais jamais de l’aveugle“ ist natürlich der weibliche Fall mit einbezogen. Somit: le sourd schließt la sourde mit ein, nicht aber la sourde le sourd. Es ist die klassische Simone de Beauvoir- Gegebenheit - das Weibliche als Sonderfall. Doch ist dies eben ein „Programm“ unserer Sprachen, das übrigens im Spanischen und Portugiesischen besonders konsequent verwendet wird: los hermanos nicht nur ‚die Brüder‘, sondern auch ‚die Geschwister‘, los padres nicht nur ‚die Väter‘, sondern auch ‚die Eltern‘, los tíos nicht nur ‚die Onkel‘‚ sondern auch ‚die Onkel und Tanten‘ (da fehlt uns, weil wir dieses „Programm“ nicht haben, ein kollektiver Begriff, wie bei den ‚Vettern und Cousinen‘ auch, los primos), und so bei allen Verwandtschaftsbezeichnungen. 3 Das Unbekannte kann spanisch auch mit la incógnita bezeichnet werden, wenn es im mathematischen Sinn, im Sinne also des ‚x‘ gemeint ist. Hier gibt es einen hübschen Übersetzungsfehler Hugo Friedrichs (es ist aber nur eine Anekdote). In seinem Die Struktur der modernen Lyrik (erstmals 1956) präsentiert Friedrich das Gedicht Una puerta (1950) von Jorge Guillén. Da ist eingangs die Rede von einer halboffenen Tür, aus der Licht hereinbricht. Und dann heißt es: „Llama, quizá promete/ La incógnita. Vislumbres./ ¿A qué sol tal reposo? “. Und Friedrich übersetzt: „Sie ruft, vielleicht verspricht/ Die Unbekannte. Ahnungen./ Für welche Sonne solche Ruhe? “ Und nachher: „Estos muros/ encadran bién la incógnita“. Und konsequent übersetzt da Friedrich wieder „die Unbekannte“. Für ihn stand da also vor der Tür - eine Frau. Tatsächlich ist hier aber ‚das Unbekannte‘ gemeint - ‚la incógnita‘ kann nur ‚das Unbekannte‘ heißen, Hilde Domin, die recht gut spanisch konnte, hat Friedrich zu dessen Ärger auf den Fehler aufmerksam gemacht. Er fragte mich seinerzeit, ob ich ihn ‚retten‘ könne, was ich mit Bedauern verneinte. Festschrift_V-435_End.indd 193 20.05.11 14: 36 <?page no="220"?> 194 Hans-Martin Gauger Die Reihenfolge, in die ich die drei Bedeutungen hier gebracht habe, scheint mir die auch psychologisch angemessene oder einfach die richtige zu sein, weil die zweite im Bewusstsein auf der ersten beruht und die dritte auf der zweiten: sie bauen psychisch gleichsam aufeinander auf, wiederum synchronisch betrachtet. Auf eben diese Weise sind sie im Bewusstsein lebendig. Vermutlich ist dies in allen anderen Sprachen so, die kein eigenes Neutrum haben. 3 Die nicht-neutrale Substantivierung von Adjektiven Mario Wandruszka zitiert in Sprachen - vergleichbar und unvergleichlich (Wandruszka 1969: 234) 4 aus dem Matthäus-Evangelium (11,5) und stellt der Vulgata-Fassung die Übersetzungen ins Deutsche, Englische, Französische, Italienische, Spanische und Portugiesische gegenüber: „Caeci vident, claudi ambulant, leprosi mundantur, surdi audiunt, mortui resurgunt, pauperes evangelizantur“. Lauter hier nun nicht neutral, sondern persönlich individuell substantivierte Adjektive. Die Übersetzungen sind diese: „Die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden gereinigt, die Tauben hören, die Toten stehen auf, und den Armen wird die frohe Botschaft verkündigt“; „the blind… the lame… the lepers… the deaf… the dead… the poor“; „les aveugles… les boiteux… les lépreux… les sourds… les morts… les pauvres“; „i ciechi… gli zoppi… i lebbrosi… i sordi… i morti …i poveri“; „los ciegos… los cojos… los leprosos… los sordos… los muertos… los pobres“; „os cegos… os coxos… os lebrosos… os surdos… os mortos… os pobres“. Sogleich fällt hier auf, was Wandruszka auch hervorhebt, dass das Englische für solche individuell substantivierte Adjektive materiell gar keinen Plural hat (the lepers ist keine Substantivierung, sondern heißt bereits ‚die Leprakranken‘ oder ‚Aussätzigen‘). Hier habe das Englische, so Wandruszka, eine „strukturelle Defizienz“. Man habe sich aber „unter dem Einfluss der Bibelsprache daran gewöhnt, ein durch den bestimmten Artikel substantiviertes Adjektiv als Plural zu verstehen“ (1969: 235). Gut, aber immerhin ist dieser materiell ungekennzeichnete Plural schon im Mittelenglischen da. Zusätzlich hält Wandruszka (1969: 235) fest, die Entsprechung gehe auch mit dem „Stützwort“ one und dessen Plural. So in der Übersetzung (oder Entsprechung) von „Et quisquis scandalizaverit unum ex his pusillis credentibus in me“ (Markus 9,41): „one of these little ones who have faith“. So wird ein Plural von little doch möglich! Natürlich gibt es dies „Stützwort“ (kein schlechter Ausdruck) auch im Singular: „And the first one now/ Will later be last/ For the times they are a-changin’“, wie es analog zu einem Jesus-Wort bei Bob Dylan heißt 5 . Sprache ist, wenn es trotzdem geht. Dies stellen wir auch bei der Erscheinung im Französischen fest, die uns hier interessiert. 4 Sprachen - vergleichbar und unvergleichlich, München, Piper, 1969. Hier ein eigenes Kapitel (S. 234-255) über die Substantivierung der Adjektive und der Verben - in den sechs Sprachen, Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, die dieses Buch, das eigentlich eine vergleichende Grammatik ist, zum Gegenstand hat. 5 Das Lied ist aus dem „,politischsten‘ Album des jungen Dylan“ - 1964. So der (neben einigem anderen) Dylanologe Heinrich Detering in Dylan (2008: 11, 129). Festschrift_V-435_End.indd 194 20.05.11 14: 36 <?page no="221"?> Neutrale Adjektivsubstantivierungen im Vorrücken 195 Zuvor aber zwei Bemerkungen zu der neutralen Adjektivsubstantivierung im Spanischen. 4 Zu spanisch lo Wandruszka (1969: 237) zitiert aus dem seinerzeit hochberühmten und bewunderten Buch von José Ortega y Gasset, La rebelión de las masas (dt. Der Aufstand der Massen) von 1929 - es ist ein Passus, der uns heute vom Gemeinten her melancholisch stimmt oder auch erheitert, weil die hier signalisierte Entwicklung in den inzwischen beinahe achtzig verflossenen Jahren so dramatisch weitergegangen ist. Allerdings könnte man sich auch umgekehrt fragen, ob, was sich inzwischen ergeben hat, wirklich vom Erleben her so neu oder ganz anders ist (das Erstaunen, das Ortega hier schildert, ist auch, wenn man nicht gerade zu den „digital natives“ gehört, noch unseres). Also: „Esta proximidad de lo lejano, esta presencia de lo ausente, ha aumentado en proporción fabulosa el horizonte de cada vida“. Die Übersetzungen lauten hier: „diese Nähe des Fernen, diese Gegenwart des Abwesenden hat den Horizont jedes Lebens in fabelhaftem Ausmaß geweitet“, „this nearness of the far-off, this presence of the absent“; „cette proximité du lointain, cette présence de l’absent“; „questa prossimità di ciò che è lontano, questa presenza di ciò che è assente“; „esta proximidade do longinquo, esta presença do ausente“. Übrigens übersetzt Wandruszka, wie immer in seinen Beispielen, nicht selbst, sondern er zitiert - was ja sprachwissenschaftlich, wenn man den quantitativen Faktor hinzunimmt, also beobachtet, dass etwas immer wieder so und so übersetzt wird, viel aussagekräftiger ist - tatsächlich gemachte und publizierte, also kommerzielle Übersetzungen, die als solche in der Zielsprache vor allem Lesbarkeit, also Unauffälligkeit anstreben und anstreben müssen. Man sieht, wenn man Original und Übersetzungen vergleicht: kein Problem im Deutschen, „das Ferne, das Abwesende“, auch keines im Englischen, „the far-off, the absent“ und im Französischen auch nicht, „le lointain, l’absent“, portugiesisch ebenfalls genaue Entsprechungen, „o longinquo, o ausente“, dagegen italienisch die Abweichung, die andere ‚Lösung‘ mit „ciò che è“, die dem französischen „ce qui est“ entspricht, das sich in der Übersetzung hier nicht findet, sich aber da finden könnte - es ist ja eine häufige Entsprechung. Frage an Peter Koch: wie ist es im Sardischen? Wandruszka (1969: 241) zitiert hier auch Goethes bekannte Definition (gegenüber Eckermann) des Klassischen und des Romantischen (und da ist es für unseren Zusammenhang schon einmal bemerkenswert, dass Goethe nicht von „Klassik“ und „Romantik“ redet, sondern vom „Klassischen“ und „Romantischen“): „Das Klassische nenne ich das Gesunde, und das Romantische das Kranke“. Und hier finden wir denn auch in den Übersetzungen die klassischen Äquivalente, vom englischen Übersetzer abgesehen, der ausweicht: „I call the classic healthy, the romantic sickly“ - sickly ist auch Adjektiv und meint eher bloß ‚kränklich‘ (dies entradikalisiert die Aussage). Dann aber: „J’appelle classique ce qui est sain, et romantique ce qui est malade“ und „Classico è per me ciò che è sano, romantico ciò che è malato“, also die üblichen Umschreibungen ce qui est und ciò che è Festschrift_V-435_End.indd 195 20.05.11 14: 36 <?page no="222"?> 196 Hans-Martin Gauger und „Llamo sano a lo clásico y enfermo a lo romántico“ und „Clássico chamo eu ao que é saudavel, e romântico ao que é doente“. Der spanische Übersetzer hätte, so frei übersetzend wie der italienische, auch sagen können: „Para mí lo clásico es lo sano“. Hätte es aber französisch nicht nachgerade auch heißen können (schwerfälliger gewiss) „J’appelle le classique le sain, et le romantique le malade“? Oder ist dies noch „français avancé“? Die spanische Neutralsubstantivierung mit lo hat eine Merkwürdigkeit (von außen her gesehen, denn von innen her gibt es in einer Sprache nichts Merkwürdiges - alles ist einem in der eigenen Sprache normal). Diese Neutralsubstantivierung ist nämlich, wie Wandruszka (1969: 238) sagt, nur „eine halbe Substantivierung“, das substantivierte Adjektiv bleibt, sowohl semantisch als auch morphologischmateriell, ein Adjektiv - es wird, wie jedes andere, in Genus und Numerus mit dem zugehörigen Wort übereingestimmt: „¡Pobre Carmen, con lo contenta que andaba con el hijo! “ (hier übersetze ich nun selbst: ‚Arme Carmen, wo sie doch so glücklich war mit dem Kind! ‘). Oder: „Había olvidado lo guapa que eres“ (‚Ich hatte vergessen, wie hübsch du bist‘). Unmöglich, dies grammatisch genau entsprechend deutsch zu reproduzieren: die Erläuterungen etwa ‚bei dem Zufriedenen, das sie mit dem Kind war‘; ‚Ich hatte das Hübsche, das du bist, vergessen‘ entsprechen nicht. Doch nun zum Französischen! 5 Blockierungen der neutralen Adjektivsubstantivierung Die neutrale Substantivierung ist französisch hauptsächlich dadurch blockiert, dass der männliche Artikel zunächst und vor allem der individuellen Substantivierung dient. Die Blockierung liegt also an der schwachen oder abwesenden „morphologischen Persönlichkeit“ der neutralen Substantivierung. Deshalb kann etwa l’aveugle nicht ohne weiteres ‚das Blinde‘ meinen. Die neutrale Substantivierung ist also nur dort ohne weiteres möglich, wo es durch den Kontext mehr oder weniger ausgeschlossen ist, dass etwas Einzelnes, Person oder Sache, gemeint sein könnte. Diese klare Ausschließungsmöglichkeit ist vor allem bei den Farben gegeben, obwohl da gewiss auch eine Person oder eine Sache bezeichnet sein könnte, aber da ist von der Situation her zumeist entweder das eine oder das andere eindeutig gegeben. Außerdem braucht man da die neutrale Substantivierung! Der Titel Le rouge et le noir wird wirklich erst im Roman selbst klar: das Rote und das Schwarze symbolisieren mit starker Motivation das Militärische und das Geistliche. Der Kontext also klärt, ob die Farbe selbst gemeint ist oder eine Person oder eine Sache, ‚an denen‘ diese Farbe ist. Dasselbe gilt für le chaud und le froid etc. Semantisch allerdings, dies ist nun wichtig, bleiben die neutralen Substantivierungen Adjektive, sie sind nur gleichsam in der Form des Substantivs: auch das Rot meint etwas, das an etwas ist - als eine von dessen Eigenschaften. Andere Blockierungen ergeben sich aus immer möglichen Lexikalisierungen. So etwa bei le moral, das die Moral im Sinne des Muts, ja der Kampfbereitschaft bedeutet, was ja vor allem auf Soldaten bezogen wird also auf das, was im Deutschen auch als ‚die Moral‘ bezeichnet wird (‚die Moral der Truppe‘), wäh- Festschrift_V-435_End.indd 196 20.05.11 14: 36 <?page no="223"?> Neutrale Adjektivsubstantivierungen im Vorrücken 197 rend das Französische zwischen la morale und le moral unterscheidet. Da dient das Genus zu einer wichtigen semantischen Differenzierung, was dann aber wiederum keineswegs ausschließt, dass auch im Deutschen zwischen diesen beiden so verschiedenen, ja in gewissem Sinn gegensätzlichen ‚Moralen‘ unterschieden werden kann. So wie man auch im Französischen zwischen Blume und Blüte unterscheiden kann, obwohl da nur das eine Wort fleur zur Verfügung steht, und so wie man auch mit dem einen Wort Preis oder prix im Deutschen und Französischen unterscheiden kann, was spanisch auf die zwei Wörter premio und precio verteilt ist. So kann auch etwa l’objectif schwerlich ‚das Objektive‘ meinen, weil dieses Wort einmal im Sinne des optischen ‚Objektivs‘, zum anderen in dem von ‚Ziel‘ lexikalisiert ist. Doch, wie gesagt, der Kontext ist für die Lenkung des Verständnisses entscheidend. Wieder ein Beispiel aus Wandruszka (1969: 236): „un inconnu s’approcha de lui… L’inconnu lui sourit“, dann aber: „Attrait de l’inconnu, attrait d’un lendemain tout neuf“. Die Übersetzungen im ersten Falle überraschen nicht: „der Unbekannte“, „the stranger“, „lo sconosciuto“, „el desconocido“, „o desconhecido“, und im zweiten Fall ziehen das Englische und Italienische andere Wörter heraen: „Lockung des Unbekannten“, „of the unknown“, „dell’ignoto“, „de lo desconocido“, „do desconhecido“. Aber „attrait de l’inconnu“ bereitet keiner der übrigen fünf Sprachen eine Schwierigkeit. Ein weiteres Beispiel aus Wandruszka (1969: 236), diesmal mit englischem Original: „The true mystery of the world is the visible, not the invisible“(aus Oscar Wildes Dorian Gray): „das Sichtbare“, „le visible“, „il visibile“, „lo visible“, „o visivel“. Hier ist es ja auch ausgeschlossen, dass „le visible“ und „l’invisible“ Personen oder Dinge sein könnten. 6 Zur Geschichte der neutralen Adjektivsubstantivierung im Französischen Die neutrale Substantivierung ist also französisch im Vorrücken. Zunächst ist aber zu sagen, dass sie sich als solche schon früh findet. Bereits im Altfranzösischen gibt es nicht wenige Beispiele. So heißt es in Chrétiens Perceval: „que ce dedanz et ce defors est trestot un, si con moi semble“ - ‚dass dieses Drinnen und dieses Draußen ganz und gar dasselbe sind, so wie es mir scheint‘ (hier also substantivierte Adverbien) oder aus Brunetto Latini mit Adjektiven: „Le pesanz se conjoint au legier et li chaus avec le moiste“, ‚Das Schwere verbindet sich mit dem Leichten und das Warme mit dem Feuchten‘. Diese Stellen zitiert Ernst Gamillscheg (1958: 11) 6 . Und dann gibt es eine spe- 6 Über dem Kapitel „Substantivierung“ (Gamillscheg 1958: 11) steht als einzige Literaturangabe: „Otto Müller, Die Substantivierungen anderer Redeteile im Französischen, Göttingen 1900“. In Gamillschegs Werk steht überraschend viel und Differenziertes. Übrigens liest man im Vorwort (1958: VI) mit Betroffenheit: „Das Manuskript war zum Druck bereit, als der Krieg ausbrach. Bomben haben nicht nur das Manuskript vernichtet, sondern auch das ganze im Lauf von zwanzig Jahren gesammelte Material.“ Geblieben war, schreibt Gamillscheg, nur „das Bild von der Struktur, die ich dem Buche geben wollte“. Er hat es also noch einmal geschrieben. Dafür wird ihm niemand große Bewunderung versagen. Festschrift_V-435_End.indd 197 20.05.11 14: 36 <?page no="224"?> 198 Hans-Martin Gauger zifisch französische Verbindung: „Vous voilà d’un grave, d’un pathétique! “ (Marivaux) oder „En vérité tu es d’un primitif qui n’a pas de nom“ (Gautier). Diese noch immer gebräuchliche Verbindung d’un plus neutral substantiviertes Adjektiv kommt gedanklich in die Nähe von unserem deutschen so was von plus Adjektiv, also analog übersetzt: ‚Sie sind jetzt so was von ernst und pathetisch‘ und ‚In Wirklichkeit bist du so was von primitiv…‘. Nur ist das Adjektiv hier nicht substantiviert (die grammatisch genaue Entsprechung wäre ‚Du bist von einem Ernsten‘), vor allem aber gehört diastratisch/ diaphasisch diese Verbindung einer anderen Sprachebene an, und sie tritt ja auch zumeist mit den einschlägigen Adjektiven auf: ‚der ist so was von bescheuert‘ oder auch (mit einer Redewendung) ‚also, was der da macht, geht mir so was von auf den Keks‘. Aber Positives wie ‚So was von schön‘ oder ‚So was von lecker‘ geht mit dieser Verbindung natürlich auch; sie ist aber gewiss bei Negativem häufiger. Besonders mit dem Teilungsartikel findet sich diese Substantivierung früh: „il y a du vrai dans ce que vous dites“ oder „Cela est du dernier beau“ (Gautier) oder dann Baudelaire im letzten hochbetonten Wort der Schlussverse seines langen Gedichts „Le voyage“, in denen er den Tod evoziert: „Nous voulons, tant ce feu nous brûle le cerveau,/ Plonger au fond du gouffre, Enfer ou Ciel, qu’importe? / Au fond de l’Inconnu pour trouver du nouveau“. „L’Inconnu“ also mit Majuskel und „nouveau“ kursiv! Aber diese Verwendung findet sich auch in alltäglicher, pardon, „nähesprachlicher“ Rede, so wieder in einem Beispiel bei Wandruszka (1969: 247): „Eh bien, mon Père, c’est du joli! “. Übersetzung: „Das sind ja hübsche Geschichten, Pater Fargue! “. Also klassisch ironisch gemeint. ‚Das ist ja was Nettes! ‘ wäre auch gegangen und hätte genauer entsprochen, aber die zitierte Übersetzung klingt normaler, ist insofern besser, und dann ist es, wie angedeutet, in der Tat typisch für das Deutsche, dass hier etwas explizierend hinzukommt, hier also „Geschichten“. Gamillscheg beobachtet auch, dass sich die neutralen Substantivierungen immer dann leicht einstellen oder vielmehr geradezu „zur Regel“ werden, „wenn zu einem bestimmten Adjektiv ein Adjektivabstractum nicht vorhanden ist“, also eine Substantivierung mit Suffix wie la vérité von vrai. La verité, sagt man, kommt von vrai her, besser wäre es aber radikal synchronisch zu sagen: la vérité ist als auf sein Grundwort vrai bezogen, so ist es in der Sprache, im Bewusstsein von ihr lebendig. Le vrai, das synonymisch neben la vérité steht, finden wir auch bei Descartes in seiner berühmten kühnen Behauptung zu Beginn des „Discours“: „la puissance de bien juger et distinguer le vrai d’avec le faux, qui est proprement ce qu’on nomme le bon sens ou la raison, est naturellement égale en tous les hommes“. „Naturellement“ hier also im Sinne von ‚auf natürliche Weise. ‚Man versteht sogleich, weshalb hier Descartes nicht la vérité und la fausseté entgegenstellt, schon weil la fausseté eher auf ‚manque de franchise‘ hin lexikalisiert ist. 7 Synonymie: le vrai und la vérité Gamillscheg (1958: 12) hält andeutend fest, dass, wenn sich tatsächlich, auch bei bestehendem Adjektivabstraktum (wie gerade im Fall von vérité), dennoch Festschrift_V-435_End.indd 198 20.05.11 14: 36 <?page no="225"?> Neutrale Adjektivsubstantivierungen im Vorrücken 199 eine Neutralsubstantivierung ergeben hat, sich eine semantische Spannung zwischen beiden auftue: le vrai meint nicht dasselbe wie la vérité. Da ist eine synonymische Spannung, wenn man ‚synonym‘ in dem Sinne versteht, dass semantisch bei großer Nähe, bei teilweiser Deckung, Unterschiede sind. Es gibt ja keine perfekte Synonymie, aber synonymische Differenzen, Differenzen also bei großer oder sehr großer Nähe, gibt es. Und eben dies - Differenzen bei großer Nähe - ist Synonymie. Die Differenzen sind von Fall zu Fall verschieden - la bonté zum Beispiel verhält sich zu seinem Grundwort nicht wie la vérité zu seinem. La bonté ist auf die persönliche Einstellung oder Veranlagung hin lexikalisiert „caractère d’une personne bonne“ (Petit Larousse). Insgesamt ist es so, dass die beiden Substantivierungen, die mit Suffix und die ohne, sich semantisch dadurch unterscheiden, dass die erstere abstrakter ist als die zweite, dass sie stärker als die zweite die Eigenschaft zu einem ‚Ding‘ macht, was sie ja eigentlich nicht ist, dass die zweite näher beim Adjektiv bleibt. Beide verschieben die adjektivische Bezeichnung einer Eigenschaft ins Substantivische, aber die zweite in einer weniger abstrakten Weise: le vrai meint etwas Konkreteres als la vérité. Der „Petit Larousse“ umschreibt le vrai mit „ce qui est vrai“ und la vérité mit „caractère de ce qui est vrai“. Dies alles wäre im Einzelnen eingehend zu prüfen. 8 Zum Vorrücken der neutralen Adjektivsubstantivierung Die abstrakten Neutralsubstantivierungen nehmen also im Französischen zu. In der Ausgabe von Le Monde vom 8. Juli 2010 findet sich (S.8) in einem Artikel über die positive wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands folgendes Zitat aus der Studie einer „équipe de recherche économique“, die sich „Natixis“ nennt: „la réussite à l’international est impressionnante“. Es ist doch wohl nicht falsch zu sagen, dass eine solch knappe Ausdrucksweise noch vor kurzem kaum möglich gewesen wäre: „la réussite à l’international“. Und hier gleich auch die Feststellung, dass da das Französische weitergeht als das Deutsche, denn ‚Der Erfolg im Internationalen ist eindrucksvoll‘ wäre deutsch wohl verständlich, aber eigentlich nicht möglich - man würde doch wohl vom „internationalen Erfolg“ reden oder von dem „auf internationaler Ebene“. Bei Wandruszka (1969: 244) finden sich weitere und gleichsam normalere Ausdrucksweisen dieser Art: „confondre le relatif et l’absolu“; „confondre l’imaginaire et le réel“; „Cela nous faisait rire quand, dans leurs écrits ou leurs propos, Jean Wahl ou Aron parlaient d’aller ‚vers le concret‘“; „D’autres peintres s’occupaient à ‚revenir à l’humain‘“; „L’expérience du social“; „C’était surtout la boisson qui nous aidait à rompre avec le quotidien“; „La routine de mes journées avait autant de rigueur que le rythme des saisons: le moindre écart me jetait dans l’extraordinaire“. Alle diese Beispiele, Sprachwirklichkeiten also, stammen aus zwei Büchern von Simone de Beauvoir. Die Übersetzungen ins Deutsche, die auch Wirklichkeiten sind, zeigen überall die neutrale Adjektivierung, außer bei den beiden letzten Beispielen: „rompre avec le quotidien“, „mit dem Alltag zu brechen“ und „me jetait dans l’extraordinaire“, „erschien mir daher als etwas Festschrift_V-435_End.indd 199 20.05.11 14: 36 <?page no="226"?> 200 Hans-Martin Gauger ganz Außergewöhnliches“, während die Übersetzungen ins Spanische auch hier einfach und erwartbar „con lo cotidiano“ und „en lo extraordinario“ lauten. Ähnlich ist es mit den italienischen und den portugiesischen. Nur das (sonst mit Recht als so elastisch gerühmte) Englische hat da, wie Wandruszka feststellt, „die größten Hemmungen“: „facing up to reality“ (für „aller vers le concret“), „returning to humanism“ (für „retour à l’humain“), „the acquisition of social awareness“ (für „l’expérience du social“), „with the daily humdrum round“ (für „le quotidien“), „into the realm of fantasy“ (für „l’extraordinaire“) - da ist wohl doch auch der Übersetzer nicht unschuldig und nicht allein seine Sprache („le retour à l’humain“ ist wahrlich nicht ein „returning to humanism“). Das Französische geht hier tatsächlich über das Deutsche hinaus. In der Tat klänge „mit dem Alltäglichen zu brechen“ hier seltsam ‚philosophisch‘ und „warf mich ins Außerordentliche“ geht dann, jedenfalls hier, schon gar nicht, die vorgelegte Übersetzung ist aber unnötig breiig: „me jetait dans l’extraordinaire“ - „erschien mir daher als etwas ganz Außergewöhnliches“. Aber diese Übersetzung, die sich ja für sich selbst gut liest und nur im Vergleich mit dem präzis gehämmerten Original negativ wirkt, hat hier schon auch etwas mit dem Deutschen selbst zu tun. Das Deutsche hat, was die neutrale Substantivierung angeht, zusätzlich noch etwas vor den anderen fünf Sprachen, von denen hier die Rede ist, voraus: es gibt neben das Gute auch ein Gutes und dann noch ein einfaches, nämlich artikelloses Gutes. Es hängt mit der Gleichzeitigkeit einer schwachen und einer starken Adjektivdeklination zusammen. „Ich habe Ernsteres zu bedenken als deine Krankheiten“, sagt Thomas Buddenbrook zu Christian. Da kommt nun grammatisch keine der anderen fünf Sprachen mit - überall Umschreibungen, die übrigens das Sächliche der Substantivierung quasi explizieren: „more serious things“, „des choses plus graves“, „cose piè serie“, „preocupaciones más serias“, „coisas mais sérias“. Doch zur eigentlichen Fragestellung hat Wandruszka (1969: 245) bereits in den sechziger Jahren erkannt: „Manche dieser neutralen Substantivierungen wären noch vor wenigen Jahrzehnten unmöglich gewesen“. Eugenio Coseriu hätte hier eingegriffen und hinzugesetzt (und hätte damit nicht Unrecht gehabt): im „System“ des Französischen seien diese Substantivierungen schon da gewesen, nicht aber von der „Norm“ bereits akzeptiert (das berüchtigte „oui, mais ça ne se dit pas“, das wir von Studententagen an bis über die Emeritierung hinaus, neben Positiverem, von den französischen Lektorinnen und Lektoren gewöhnt sind - andererseits: dergleichen ist kein Privileg des Französischen, sondern gilt für andere Sprachen auch). Die von Wandruszka konstatierte Veränderung, so Coseriu weiter, habe mit dem „System“ des Französischen, das ihn primär interessiere, nichts zu tun, denn sie sei nur eine solche der „Norm“, und die um das „System“ breit herumgelagerte „Norm“ sei nun einmal nicht strukturiert. Wandruszka hätte dem nicht widersprochen und demgegenüber nur an seinen Begriff des „Programms“ erinnert: es gebe das „Programm“ und dann dessen mehr oder weniger große Blockierungen, die sich zuweilen, wie im Fall von „réussite à l’international“, auch lösen könnten. Festschrift_V-435_End.indd 200 20.05.11 14: 36 <?page no="227"?> Neutrale Adjektivsubstantivierungen im Vorrücken 201 Im Kapitel „Die Substantivierung“ geht er aber noch weiter. Vielleicht wäre er ohne seinen - heuristisch hervorragenden - „multilateralen Übersetzungsvergleich“ nicht darauf gekommen, obwohl man natürlich auch ohne ihn darauf kommen kann. Wandruszka erkennt die „starke Zunahme solcher neutralen Substantivierungen auch in Sprachen, die keinen formal differenzierten neutralen Artikel besitzen“ (1969: 245). Also nicht nur im Französischen. Er findet, was er hier findet, auch im Italienischen und Portugiesischen (das Sardische hat er nicht berücksichtigt). Nur nicht, wie gesagt, im Englischen. 9 Nachträge: Lücke im „Grevisse“, das Vergessen in der Sprachwissenschaft, ‚das Sprachliche‘ als wichtige Kategorie - und Peter Ich weiß nicht, ob das Dargelegte schon anderswo steht. Jedenfalls steht dort, wo es unbedingt stehen müsste, davon nichts - nämlich im neuesten Grevisse/ Goosse 2007 (wie jemand gesagt hat: „Avec Grevisse c’était parfait, avec Goosse c’est le plus-que-parfait“). Denn nur was hier Eingang gefunden hat, ist wirklich angekommen. Nun, Grevisse/ Goosse behandeln die neutrale Adjektivsubstantivierung im Kapitel „Les mots“ und da unter der Rubrik „L’origine des mots“ (2007: 196- 289). Hier behandeln sie erst unter „autres procédés“ die Substantivierungen und hier natürlich auch die der Adjektive und der Infinitive, welch letztere im Framzösischen, wieder im Unterschied zum Spanischen, nur schwach realisiert ist. Was aber die neutrale Adjektivsubstantivierung angeht, findet sich hier nicht die Signalisierung einer neuen Tendenz. Da ist bereits Wandruszka entschieden weiter. Zur Wortbildung will ich allgemein nur dies anmerken. Da gab es seinerzeit, von den siebziger Jahren an, zwei verschiedene Ansätze, den lexikalischen und den syntaktischen. Das war damals ein erheblicher Streit, und natürlich konnte die generative Grammatik nur den syntaktischen Ansatz propagieren. Er findet sich aber auch außerhalb dieser. Doch wie immer - wie ist der Streit ausgegangen? Schwer zu sagen - eigentlich ist er ja gar nicht ausgegangen. Denn blickt man jetzt auf ihn sich umsehend zurück, stellt man fest, dass sich die Kollegen nun eben mit anderem befassen. Natürlich ist dies ihr gutes Recht. Und doch: ist es nicht unbefriedigend, dass ein Thema einfach verschwindet? Läuft es nicht darauf hinaus, dass der Fortschritt lediglich im Finden neuer Fragestellungen und im Einbringen neuer Theorie-Elemente besteht? Dies kann doch eigentlich nicht sein. Probleme müssen gelöst oder es muss gezeigt werden, dass sie nicht lösbar sind oder, auf unsere Frage angewandt, dass entweder die eine oder die andere Herangehensweise richtig oder dass beide unrichtig oder aber dass beide je nach dem Gesichtspunkt ihre Richtigkeit haben. Quartum non datur. Sodann ist mir (und gerade als Linguist) under den neutralen Adjektivsubstantivierung speziell das Sprachliche wichtig, weil diese Substantivierung etwas Umfassenderes als Sprache anvisiert und sich im Unterschied zum Begriff ‚Sprache‘ nicht festlegt entweder auf eine Einzelsprache oder dann auf den Inbegriff der Sprache überhaupt, also auf den der die vielen oder jedenfalls viele Festschrift_V-435_End.indd 201 20.05.11 14: 36 <?page no="228"?> 202 Hans-Martin Gauger Sprachen meint, denn Sprache gibt es, wir wissen es ja alle, realiter nur im Plural. Das Sprachliche lässt dies in der Schwebe, und so schwebt der Begriff etwa in Wittgensteins berühmtem Satz „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“. Guy Deutscher ist sicher im Irrtum, wenn er unterstellt, da seien Einzelsprachen gemeint, so dass also nach Wittgenstein der Frankophone andere denkerische Grenzen hätte als der Anglophone - jeder hätte, interpretiert Deutscher den Satz, die jeweiligen Grenzen seiner jeweiligen Sprache. 7 Wichtig ist aus demselben Grund dann auch die andere Substantivierung von sprachlich, also die Sprachlichkeit: die Sprachlichkeit des Denkens, der Wissenschaften, der Politik, der Musik etc. Vielleicht hätte Wittgenstein deutlicher sagen können: Die Grenzen meiner Sprachlichkeit sind die Grenzen meiner Welt. Die Sprachen, jede einzelne von ihnen, können ja in der Erkenntnis und durch Erkenntnis überschritten werden, auch mit Hilfe anderer, nicht aber, unterstelle ich nun einmal - und nur da ist ja ernsthaft (was Deutscher nicht sieht) ein Problem - die Sprachlichkeit überhaupt. Und nun Peter. Früh, aber doch eigentlich, finde ich jetzt, zu spät, habe ich ihn kennengelernt. Die ganz und gar unvergessene Brigitte Schlieben-Lange hat mich auf ihn aufmerksam gemacht. Sie war, bevor sie, übrigens unhabilitiert, nach Frankfurt berufen wurde, mein erster Assistent (betont sage ich es so) - ich hatte sie kühn Eugenio Coseriu ausgespannt, dessen Nachfolgerin sie schließlich wurde. Aber Peter Koch wäre mir sicher auch ohne sie aufgefallen. Es wäre gar nicht anders gegangen, denn dieser aus dem Norden nach Freiburg gekommene, entsprechend selbstsichere und immer klar artikulierende sympathische Schlacks, wenn ich hier einen norddeutschen Ausdruck gebrauchen darf, der auch Altphilologe war, war unter den Studenten ganz unübersehbar, unüberhörbar. Ohne Überheblichkeit übrigens ragte er heraus. Er wurde dann, nachdem er auch das Referendariat hinter sich hatte und eine Stelle freigeworden war, wie selbstverständlich mein Assistent. Und sein Assistent wurde dann, als Peter nach Berlin berufen wurde, der ebenfalls unvergessene Andreas Blank, der zunächst mein Schüler war und nun ganz seiner wurde (noch gemeinsam haben wir ihn zunächst, was nicht ganz leicht war, vom Historiker zum Linguisten ‚umfunktioniert‘). Von Anfang an haben mich die sachbezogene, nur scheinbar trockene Leidenschaft und besonders auch die gedankliche Unabhängigkeit von Peter Koch gefesselt, der vieles aufnahm, in Freiburg natürlich auch speziell von Wolfgang Raible, und es doch auf sehr eigene Weise verarbeitete, so dass, was er aufnahm und schließlich von sich gab, ganz seines war. Faszinierend für mich war dann auch (aber sie war auch objektiv, vom Ergebnis her, fast hätte ich gesagt ‚fachgeschichlich‘ bemerkenswert) die für beide enorm wichtige breite Arbeitssymbiose zwischen ihm und dem etwas älteren böhmischen Schwaben Wulf Oesterreicher, die sich bald - für jedermann sichtbar, ja unübersehbar - 1985 in jenem großen Aufsatz „Sprache der Nähe - Sprache der Distanz. Mündlichkeit 7 Guy Deutscher (2010: 168), siehe Anmerkung 2. Wittgenstein, den Philosophen, interessierten da sicher nicht etwa die Unterschiede zwischen dem Deutschen und dem Englischen, die er beide gut ‚beherrschte‘. Festschrift_V-435_End.indd 202 20.05.11 14: 36 <?page no="229"?> Neutrale Adjektivsubstantivierungen im Vorrücken 203 und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte“ nach außen hin zeigte. Er erschien zu Recht im „Romanistischen Jahrbuch“, Band 36 (sogleich hatte Wolf-Dieter Stempel, auch seiner sei hier gedacht, die Bedeutung des Beitrags erkannt). Die Sache wiederholte sich eindrucksvoll fünf Jahre später, 1990, in dem von beiden geschriebenen Niemeyer „Arbeitsheft“ (ein erhebliches understatement in diesem Fall) „Gesprochene Sprache in der Romania: Französisch, Italienisch, Spanisch“. Dieses Heft (266 Seiten! ) gibt es nun auch, seit 2007, in spanischer Übersetzung 8 . Peter und Wulf beherrschten in gewisser Weise den von Wolfgang Raible konzipierten, äußerst erfolgreich ins Werk gesetzten und geleiteten, längst über Freiburg hinaus narrativ legendären Sonderforschungsbereich 321 Übergänge und Spannungsfelder zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Er wurde für so viele und, was die Jüngeren anging, auch für viele spätere Karrieren, wichtig. Diese jüngeren Teilnehmer sprachen gelegentlich mit grimmigem Respekt im Blick auf Koch und Oesterreicher, die bei den Zusammenkünften stets in den hintersten Reihen des kleinen, eng besetzten Raumes in der romanistischen Seminarbibliothek saßen, vom „Duo Infernal“. Nach seiner Freiburger Zeit hat sich Peter Koch, immer jedoch, bis heute, mit Wulf Oesterreicher in Kontakt bleibend, aber doch auch wieder recht unabhängig, in Mainz, in Berlin, schließlich in Tübingen - so kam er unter die Schwaben - weitere wichtige Gebiete in Syntax und Lexikologie erobert. Ich breche ab, denn jetzt und hier wollte ich nur mein bewunderndes Staunen über Peter, der einmal mein Assistent war, artikulieren. Dies allerdings deutlich… Et puis, évidemment, pour avancer encore plus dans „le français avancé“, avec tout le mépris de la norme (les experts du système, en effet, s’en fichent éperdument) - et puis, donc, et voilà ce que je voulais dire, ou plutôt ce que je ne pouvais pas ne pas dire: il y a le social, il y a le didactique, mais aussi, ce qui est plus important, le pédagogique, et surtout, ne l’oublions pas, pas - il y a l’humain. A la prochaine, donc, mon cher! Et que tout cela reste ton quotidien - longtemps, très longtemps! 10 Literatur Deutscher, G. (2010): Im Spiegel der Sprache. Warum die Welt in anderen Sprachen anders aussieht, München, C.H. Beck. Dylan, B. (2008): Lyrics, Herausgegeben von Heinrich Detering, Stuttgart, Reclam. Friedrich, H. (1956): Die Struktur der modernen Lyrik, Hamburg, Rowohlt Verlag. Gamillscheg, E. (1958): Historische französische Syntax, Tübingen, Niemeyer. Grevisse, M./ Goosse, A. (2007): Le bon usage, 14 ème edition, Brüssel, De Boeck. Koch, P./ Oesterreicher, W. (1985): „Sprache der Nähe - Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte“, in Romanistisches Jahrbuch 36, 15-43. Wandruszka, M. (1969): Sprachen - vergleichbar und unvergleichlich, München, Piper. 8 Lengua hablada en la Romania: Español, Francés, Italiano, Versión española de Araceli López Serena. Madrid, Gredos, 2007. Die spanische Übersetzung und Bearbeitung hat 441 Seiten! Festschrift_V-435_End.indd 203 20.05.11 14: 36 <?page no="230"?> Festschrift_V-435_End.indd 204 20.05.11 14: 36 <?page no="231"?> C HRISTIANE M ARCHELLO -N IZIA De moult fort à très fort: la ‚substitution‘ comme type de changement linguistique et l’hypothèse des ‚contextes propres‘ vs ‚contextes partagés‘ 0 Introduction L’entrée de très comme intensifieur dans la grammaire du français représente un type de changement relativement fréquent: une substitution. En effet, très apparaît non pas pour exprimer une notion nouvelle, mais comme une variante d’un morphème existant, moult. Suivant le terme sur lequel il portait, moult exprimait soit le haut degré, soit la quantification positive forte: très va le remplacer dans sa première valeur. L’analyse de ce cas de changement nous permettra de formuler une hypothèse sur la façon dont se déroule un processus de substitution, à travers un double mouvement de développement de ‚contextes partagés‘ avec moult, mais aussi de ‚contextes propres‘ réservés à très. Après avoir rappelé que le développement de très comme adverbe intensifieur prend place dans un processus de ‚changements liés‘ qui voit le remplacement d’un morphème unique, moult, par deux morphèmes qui se partagent ses emplois, très et beaucoup, nous présenterons (section 2) les étapes du développement de très, qui, préverbe et préposition de lieu, va être réanalysé finalement comme un adverbe intensifieur. Ensuite (section 3), nous étudierons très dans sa relation à moult; nous montrerons dans quels contextes très a commencé à concurrencer moult; mais nous mettrons aussi en évidence que, parallèlement, très a développé des emplois qui lui sont propres, grâce auxquels sans doute il s’est ancré dans la grammaire. Pour conclure (section 4), nous proposerons d’une part quelques hypothèses sur la ‚substitution‘, et d’autre part des éléments d’explication au phénomène de changement étudié ici. 1 Le développement de très 1.1 Brève chronologie: moult, très et beaucoup 1 , des ‚changements liés‘ De ces trois marqueurs d’intensité et de quantification, moult est celui qui apparaît le plus anciennement dans les textes qui nous sont parvenus, dès le second tiers du 10e s. Très apparaît un peu plus tard, vers l’an mil, comme préfixe 1 Nous adoptons comme formes génériques pour ces trois morphèmes les graphies les plus courantes aujourd’hui, moult, très, beaucoup. Festschrift_V-435_End.indd 205 20.05.11 14: 36 <?page no="232"?> 206 Christiane Marchello-Nizia intensifieur d’un quantifieur, tot. Puis au milieu du 11e s. il est employé comme préfixe intensifieur de l’adverbe bien, et moins d’un siècle plus tard, dans le second tiers du 12e s., il commence à intensifier des adjectifs ou des adverbes divers, occupant un emploi jusque là réservé à moult. Quant à beaucoup, il est plus tardif, et il ne commence à occuper certains des emplois de moult quantifieur ou intensifieur de verbe ou de nom qu’au 14e s., mais sa progression est plus rapide que celle de très. Au 16e s., le processus de ‚désemploi‘ puis de ‚dégrammaticalisation‘ de moult est achevé. On reprendra ici le schéma élaboré à partir des chiffres de notre étude de 2006 (chap. 4, 141 et 151). Fig. 1: Moult, très et beaucoup du 10e au 18e s. (repris de Marchello-Nizia, 2006, p. 141) 1.2 Les premiers emplois de très intensifieur (10e-12e s.) Le morphème très, graphié au Moyen Age sans accent et longtemps accolé au terme sur lequel il porte, apparaît vers l’an mil dans deux textes très anciens, la Passion de Clermont et la Vie de saint Léger, copiés dans un français teinté de provençal. Très est alors uniquement utilisé comme préfixe: soit préfixe verbal (traverser, tresbuchier, tressüer, trametre), soit préfixe intensifieur de l’indéfini tot: trestot (‚absolument tout‘). Trestot à différents cas et fonctions apparaît 7 fois dans la Passion de Clermont et 2 fois dans la Vie de saint Léger, en général comme pronom et parfois comme déterminant indéfini: (1) Davant Pilat trestuit en vont (Passion de Clermont 358) ‚Devant Pilate ils s’en vont tous sans exception‘) Un nouvel emploi de très est attesté un demi-siècle plus tard: dans la Vie de saint Alexis (vers 1040), très porte sur l’adverbe bien. Il apparaît ainsi pour la première fois comme une variante de moult. En effet, molt ben était déjà attesté vers l’an mil (Passion de Clermont 333): (2) Par penitence s’en pot tres bien salver (Vie de saint Alexis 547) ‚En faisant pénitence il put très bien sauver son âme‘ Près d’un siècle plus tard, vers 1130-1150, apparaissent les premiers cas où très intensifie des adjectifs ou des adverbes, qui sont en outre souvent sur-intensifiés par un autre adverbe, tels moult, si ou plus: Festschrift_V-435_End.indd 206 23.05.11 11: 32 <?page no="233"?> La ‚substitution‘ comme type de changement linguistique 207 (3) Vers orgoillos se faiseit molt tres fiers (Couronement de Louis 1932) ‚Envers les orgueilleux il se montrait extrêmement féroce‘ Progressivement, mais lentement, très remplace moult dans ses emplois d’intensifieur d’adjectif ou d’adverbe, comme on va le voir ci-dessous de façon détaillée. Au 16e s. le mouvement est accompli, au moins dans la grammaire de l’écrit. Soulignons cependant qu’à toute époque on rencontre des équivalents lexicaux marquant l’intensité: ainsi forment dès le très ancien français, et déjà trop au 17e s. (Haase § 98), comme aujourd’hui en FONS (‚français oral non standard’), où très tend à être remplacé, selon les nuances, par trop, hyperou super- (voir ci-dessous, section 3.6). 1.3 Les emplois de très avant 1130: un morphème pluri-fonctionnel et polycatégoriel Contrairement au français moderne où très est analysé comme un adverbe (Riegel, Pellat & Rioul), avant le 16e s. ce morphème est polycatégoriel. Comme on l’a vu en 1.2, dans les premiers textes où il apparaît, aux 11e et 12e s., très est principalement un préfixe (de verbes, du quantifieur tot, puis de l’adverbe bien, ainsi que de certaines prépositions: tres devant, tres parmi, et bientôt de certains adjectifs et d’adverbes autres que bien). Moult occupant déjà la fonction de marqueur du haut degré, très dans les cas où il a cette valeur (devant bien) est le premier terme à apparaître comme une variante de moult. Mais ce n’est pas son seul type d’emploi en ancien français: très est aussi une préposition, il peut aussi se combiner à que pour former une nouvelle préposition ou un subordonnant. Entre le 11e et le 15e siècle, très a accompli plusieurs mutations tant dans ses constructions, son sémantisme, que dans sa catégorie. On a là un type de changement assez fréquent: un morphème support de plusieurs catégories grammaticales sélectionne peu à peu une seule d’entre elles. On passe d’une sorte de ‚syncrétisme catégoriel‘ (plurifonctionalité: dans ce cas précis, préfixe, préposition, subordonnant, puis adverbe) à une catégorie unique, celle d’adverbe. Et ce changement s’accompagne d’une simplification de ses valeurs: de local et intensifieur, très sélectionne la dernière valeur avant de devenir l’unique marqueur du superlatif. Malgré quelque difficulté phonétique, on admet que très vient du morphème latin trans, qui était soit préposition, soit préfixe. Pour l’ancien français, le dictionnaire de Tobler & Lommatzsch (Altfranzösisches Wörterbuch, t. IX, col. 593-597 et suivantes) attribue à très deux catégories, dont une nouvelle par rapport au latin: il est donc préposition, ou adverbe pouvant porter sur une préposition (tres devant/ desus), ou sur un adjectif ou un adverbe lui-même parfois ‚renforcé‘ par une autre particule (si tres fort, moult tres grant, plus tres haut, tres plus grant); les verbes préfixés en tres- (tresaler, trespasser, tressaillir etc.) sont rangés sous des entrées séparées. Dans sa Grammaire nouvelle de l’ancien français, Buridant (2000, 220-221, 497 ss., 608-609) attribue trois catégories à très: préfixe, préposition, adverbe (§ 400 et § 178). Festschrift_V-435_End.indd 207 20.05.11 14: 36 <?page no="234"?> 208 Christiane Marchello-Nizia 1.3.1 Tres préfixe verbal, et préfixe de tot (trestot) Dès le début du 11e s., l’emploi de préfixe verbal est courant dans la Passion de Clermont et la Vie de saint Léger, puis dans la Vie de saint Alexis: (4) La dreite vide nus funt tresoblïer (Vie de saint Alexis 619) ‚Ils nous font totalement oublier la véritable vie‘ Comme préfixe verbal, tresest productif du 11e au 13e s. Il donne à des verbes de mouvement de sens spatial donc, une valeur perfective. Cela concerne une vingtaine de verbes au total: trespasser, trescorre, tresaler, trespercier, tresnoer ‚traverser une rivière de part en part‘, tresturner, tresvirer, tresporter. A d’autres verbes ne marquant pas le mouvement très peut donner également, dès le 12e s., une valeur perfective: treschangier, tresveoir, tresfiner. Enfin, à une quinzaine d’autres verbes il donne une valeur intensive: tresbatre ‚battre très fort‘, tresboivre ‚boire abondamment‘, tresluire ‚briller d’un éclat extraordinaire‘, tresoblïer ‚oublier complètement‘, tressuer ‚se couvrir de sueur‘, tresformer ‚transformer totalement‘, tressaillir, etc. Mais après le 13e s., il n’existe plus guère de nouveaux verbes préfixés ainsi: le préfixe verbal trescesse d’être productif et est remplacé par son équivalent latin, trans-: tresformer est refait en transformer, tresporter passe à transporter, etc. Très peut également préfixer un nom (tresturn, trespas etc.), mais il s’agit presque toujours de déverbaux. Quant à trestot, qui est la forme en tresla plus fréquente dans les textes des 11e et 12e s., mais qui n’entre pas en concurrence avec moult (*moult tot n’est pas attesté), il perdure jusqu’au 16e s. Mais dès le 15e s., seule une partie des textes le connaissent. Au 16e s. il reste comme reliquat (3 occurrences de trestout pour 155 textes de FRANTEXT). 1.3.2 Tres préposition L’emploi prépositionnel de très apparaît dans les textes seulement au milieu du 11e s., avec un sens spatial qu’il est difficile de préciser - nous y reviendrons: (5) Ço’st cil qui tres l’us set. (Vie de saint Alexis 178) ‚C’est celui qui se trouve tout près? derrière? de l’autre côté? du seuil.‘ (6) Tres sei la tint, ne la volt demustrer. (Vie de saint Alexis 286) ‚Il la tint tout contre lui? par devers lui? derrière son dos? , il ne voulait pas la montrer.‘ De spatial, très peut devenir temporel: tres m’enfance apparaît au 12e s., marquant le point de départ, la source, alors que dans son sens spatial très indique souvent le point d’arrivée, la cible. Au total, l’emploi prépositionnel de très est relativement rare, et on en trouve les dernières occurrences chez Froissart à la fin du 14e s., toujours avec valeur temporelle: tres le temps vivant le roi Edouwart son pere; tres le premier temps que elles furent habitees. Festschrift_V-435_End.indd 208 20.05.11 14: 36 <?page no="235"?> La ‚substitution‘ comme type de changement linguistique 209 1.3.3 Trespréfixe prépositionnel, tresque préposition ou subordonnant Au début du 12e s., tresdéveloppe encore ses emplois comme préfixe: devant préposition, par exemple tresdevant (Gormont et Isembart). Une forme tresque, qui n’a jamais été fréquente, est attestée dès le début du 12e s. dans l’aire dialectale anglo-normande; elle est soit préposition avec valeur spatiale (7) ou temporelle (8), marquant le parcours jusqu’à une limite, soit subordonnant temporel (9): (7) Kar humaine figure Ad tresque a la ceinture. (Philippe de Thaon, Comput 1729-30) ‚Car il a forme humaine jusqu’à la ceinture.‘ (8) Carles se dort tresqu’al demain. (Chanson de Roland 2569) ‚Charles dort jusqu’au lendemain.‘ (9) La noit demurent tresque vint al jur cler. (Chanson de Roland 162) ‚Ils restent là la nuit jusqu’à ce que soit levée la clarté du jour.‘ Tous ces emplois de tresque sont relativement rares et circonscrits, et on ne les trouve plus guère après le début du 13e s. 1.4 Après 1130: très ‚superlatif‘ Il est en revanche un emploi de très qui va connaître un succès considérable et durable: c’est celui de marqueur de superlatif d’adjectif et d’adverbe. Comme on l’a vu ci-dessus, dans la Vie de saint Alexis (vers 1040), très dès le 11e s. intensifie l’adverbe bien, apparaissant ainsi pour la première fois comme une variante - et un concurrent? - de moult: (10) Par penitence s’en pot tres bien salver. (Vie de saint Alexis 547) ‚En faisant pénitence il put très bien sauver son âme.‘ Mais une étape capitale est celle où il élargit cet emploi à d’autres adverbes, et surtout à des adjectifs. Dans une chanson de geste écrite entre 1130 et 1150 en Ile-de-France, le Couronnement de Louis, très intensifie bien; mais dans ce texte il apparaît aussi, pour la première fois, dans un nouveau contexte: il est préfixe d’adjectifs, ainsi que d’un autre adverbe que bien, comme marqueur de très haut degré. Les adjectifs intensifiés par tresdans ce texte sont bon, fier, qui sont par ailleurs dans ce même texte également intensifiés par moult, et fort employé adverbialement: (11) Nuls ne s’i claime que tres bon dreit n’i ait. (Couronnement de Louis 32) ‚Personne ne porte une accusation sans être sûr d’être parfaitement dans son bon droit.‘ (12) Li cuens Guillelmes fu molt bons chevaliers. (Couronnement de Louis 1250, ainsi que 1931, 1996) ‚Le comte Guillaume était un très bon chevalier.‘ (13) Vers orgoillos se faiseit molt tres fiers. (Couronnement de Louis 193) ‚Envers les orgueilleux il se comportait avec beaucoup d’agressivité.‘ (14) Cist om est pleins de molt fier hardement. (Couronnement de Louis 806, et 875) ‚Cet homme est plein d’une hardiesse farouche.‘ (15) Envers Guillelme l’a lancié si tres fort. (Couronnement de Louis 950) ‚Il l’a lancé avec une force si extraordinaire vers Guillaume.‘ Festschrift_V-435_End.indd 209 20.05.11 14: 36 <?page no="236"?> 210 Christiane Marchello-Nizia L’emploi de très intensifieur d’adjectifs ou d’adverbes ne se rencontre ni dans les textes anglo-normands du début du 12e s. (Chanson de Roland, Comput de Philippe de Thaon, Voyage de saint Brendan de Benedeit), ni chez des auteurs plus tardifs de cette région (Thomas, Marie de France); cependant, les adaptations-traductions anglo-normandes de textes bibliques en offrent quelques exemples au 12e s. (Psautier d’Oxford, première moitié du 12e s.; Psautier de Cambridge, 1160; Quatre Livres des Rois, fin 12e s.). Cet emploi novateur de très devant adjectif ou adverbe apparaît donc d’abord dans le centre de la France, dont il semble caractériser la langue: après le Couronnement de Louis, dans le Roman de Thèbes (1155: les adjectifs concernés sont chier, grant et dur), et dans le Roman de Troie de Benoit de Sainte-Maure (1160) - mais pas dans l’Eneas qui ne connaît que trestot et tresbien. Tous les romans de Chrétien de Troyes offrent quelques occurrences du nouvel emploi, dès le premier, Erec, écrit en 1170 (tres chier, tres grant, tres duremant). Ensuite très rares seront les textes ne connaissant pas cet emploi. L’époque relativement tardive à laquelle apparaît dans les textes écrits l’emploi de très intensifieur d’adjectif ou d’adverbe, à savoir le deuxième tiers du 12e s., permet de supposer que ce développement est propre au français, et plus précisément à la langue littéraire de la région d’Ile-de-France, quel que soit le genre (chanson de geste, roman). 1.5 Si très bele: très préfixe de ‚sur-intensification‘ Dès les premières attestations de très comme marqueur de superlatif, on a noté la présence de séquences où tres-ADJ/ ADV était précédé des adverbes si, moult, ainsi, plus, comme dans les énoncés (3), (13) ou (15) ci-dessus. L’existence et la fréquence de cette construction a été bien des fois soulignée, en particulier par Falk. Ce tour n’est pas propre à une région ou à un dialecte, ni à un genre précis, puisqu’il se rencontre aussi bien dans des chansons de geste, dans des romans ou dans une adaptation de la Bible comme ci-dessous: (16) Li plus tres-petiz de mes deiz… (Quatre Livres des Rois 3, 32) ‚Le plus minuscule de mes doigts…‘ (17) Quant tu en terre iez si tres bele (Gautier de Coinci, Miracles 3, 34) ‚Quand ici-bas tu es si merveilleusement belle‘ (18) et fu li plus tres biele riens c’onques veïst hom terrïens (Gautier d’Arras, Eracle 223) ‚et c’était vraiment la plus belle créature que jamais homme ait vue‘ Cette construction se rencontre avec une forte fréquence aux 12e et 13e s.: il y a au total entre 25% et 40% (selon les textes) des emplois de très + ADJ/ ADV qui sont précédés de si, plus ou moult. Dans le Couronnement de Louis, premier texte où est attesté très-ADJ/ ADV, deux occurrences sur trois sont de ce type, une sur six dans les Quatre Livres des Rois, ainsi que presque toutes celles du Roman de Troie de Benoît de Sainte-Maure: on a là une manière de sur-intensifier. Mais si certains auteurs privilégient ce tour (Gautier d’Arras, Chrétien de Troyes, l’auteur d’Ami et Amile, Gautier de Coinci qui en offre 123 occur- Festschrift_V-435_End.indd 210 20.05.11 14: 36 <?page no="237"?> La ‚substitution‘ comme type de changement linguistique 211 rences dans les Miracles de Notre-Dame, Jean Renart, les auteurs du Roman de la Rose), d’autres l’ignorent. A partir du 14e s. ce tour régresse très vite, mais il se rencontre encore dans quelques textes narratifs du milieu du 15e s. (Saintré, Cent nouvelles nouvelles). 1.6 L’évolution catégorielle de très intensifieur: réanalyse, ‚dégrammaticalisation‘ (? ), et recatégorisation; du ‚poly-catégoriel‘ au ‚mono-catégoriel‘ A quelle classe de mots appartenait le nouvel intensifieur? Deux facteurs montrent que très est longtemps resté un préfixe. D’une part, comme on vient de le voir, il forme un groupe avec l’adjectif ou l’adverbe qu’il intensifie, puisque le groupe très + ADJ/ ADV peut être lui-même intensifié par un autre adverbe. D’autre part, dans les manuscrits les plus anciens du Moyen Age, puis dans les imprimés jusqu’au 18e s. au moins, tresétait très souvent soudé au mot qu’il intensifiait. Ces deux traits confortent l’hypothèse que dans sa valeur de superlatif, très a été longtemps analysé comme un préfixe, ce qu’il était par ailleurs dans le domaine verbal et nominal, ainsi que dans le domaine des prépositions (tres devant, tres par mi) et avec l’indéfini tout. Donc jusqu’à la fin du 12e s. au moins, très, par ailleurs préposition ou subordonnant (tres-que), est d’abord un préfixe verbal, nominal, prépositionnel, mais qui a commencé à préfixer également des adjectifs et des adverbes. Une nouvelle étape se situe au début du 13e s., quand très commence à pouvoir être séparé de l’adjectif qu’il intensifiait, tant dans la pratique des copistes que dans la syntaxe. D’une part, en effet, dans les manuscrits apparaissent des graphies où tres n’est plus attaché à l’adjectif ou à l’adverbe sur lequel il porte. Ainsi, dans le ms. K de la Queste del saint Graal, copié vers la fin du 13e s., les adjectifs et adverbes préfixés par très sont tantôt écrits en un mot (tresgrant, tresbon, tresbien), tantôt en deux (tres grant, tres bien venue, si tres fole amor) 2 . Et d’autre part, à côté des constructions à double intensification telles que plus tres beles N, apparaît tres plus beles N dès le second tiers du 13e s. Dans un manuscrit d’un roman de Chrétien de Troyes, Lancelot ou le Chevalier à la charrette, qui a été copié dans le premier tiers du 13e s. par un scribe, Guiot, qui assez souvent ‚modernise‘ le texte, on lit: (19) antre les tres plus beles tonbes (Chrétien, Charrette 1857) ‚entre les tombes particulièrement belles‘ Au milieu du 13e s., Guillaume de Lorris (Roman de la Rose) emploie tres plus bele et le tres plus prodome, à côté de si tres grant ou mout tres precieus; Philippe de Novarre écrit en 1265: la tres plus grant humilité; et à la jonction des deux 2 Dans ce ms. il y a 34 occurrences de tres: 29 forment un seul mot avec le terme préfixé (21 trespasser, 1 tressaillir, 2 trestuit, 3 tresbien, 1 tresgrant, 1 tresbon), et 5 sont séparés du mot sur lequel elles portent (tres devant lui, tres endroit celui, tres grant neteé, la tres bien venue, de si tres fole amor). Voir cette édition à l’adresse: http: / / textometrie.risc.cnrs.fr/ txm/ Festschrift_V-435_End.indd 211 20.05.11 14: 36 <?page no="238"?> 212 Christiane Marchello-Nizia siècles, devant adverbe, Joinville écrit: tres moult honorablement (Joinville, Vie de saint Louis). A partir du 14e s. la construction plus tres bele ne se rencontre plus que de loin en loin (3% des emplois au 14e s.), et semble disparaître après 1460 (voir ci-dessus 1.5). Si jusqu’alors très pouvait être analysé soit comme préfixe, soit comme adverbe, à la fin du 15e s. il semble devenu un adverbe. Ces deux éléments marquent qu’une réanalyse est intervenue, très étant désormais perçu par certains auteurs et copistes comme un morphème séparable, autonome, en l’occurrence un adverbe. Cependant cette réanalyse de très n’intervient que dans les contextes précis où il porte sur un adjectif ou un adverbe - contrairement à ses autres emplois où il conserve son statut antérieur de préfixe (verbal, nominal ou pronominal: trestout). On peut reconstituer ainsi la réanalyse de très superlatif, du statut de préfixe à celui d’élément plus autonome: [[tresnoble] [dame]], qui permettait [de[si [tresnoble]] amie] avec un adverbe précédant l’adjectif préfixé, se réanalyse en: > [[[tres][noble]] [dame]], ce qui permet d’insérer un élément entre très et l’adjectif: antre les tres plus beles tonbes (Charrette 1857). Mais si tres plus est désormais possible dès le 13e s., *tres si ne se rencontre pas, et tres moult est exceptionnel, ce qui conforte l’hypothèse que désormais tres, moult et si font partie du même paradigme des adverbes intensifieurs, donc ne peuvent cooccurrer. En revanche, plus est possible quelque temps entre très et l’adjectif; mais dès lors que beaucoup sera à son tour grammaticalisé, c’est ce dernier adverbe qui intensifiera plus (tres plus belles > beaucoup plus belles). A propos de cette évolution, une question peut se poser: n’a-t-on pas là un cas de ‚dégrammaticalisation‘ partielle? En effet, dans son emploi d’intensifieur, très cesse d’être préfixe pour devenir adverbe, et donc gagne en autonomie, au point qu’en français contemporain très peut se trouver seul, donc accentuellement autonome, en réponse: „Tu es content? - Très! “. Si l’on admet que le passage vers une grammaticalisation achevée passe au contraire par une moindre autonomie, alors nous avons en effet ici un cas de ‚dégrammaticalisation‘. Cependant, si l’on comprend ‚grammaticalisation‘ comme un processus d’enrichissement de la classe des morphèmes, alors il y a non pas exactement ‚dégrammaticalisation‘, mais transfert d’un morphème d’un paradigme, celui des préfixes verbaux, vers un autre paradigme, celui des marqueurs d’intensité adjectivaux et adverbiaux: une ‚transgrammaticalisation‘? Le processus de réanalyse de très intensifieur comme adverbe est accompagné et suivi de la régression et de la disparition de ses autres emplois, comme on l’a vu en 1.3.1 et 1.3.2: comme préfixe verbal ou nominal-déverbal, il cesse d’être productif après le 13e s.; comme préposition on ne le trouve plus après 1400; et tresque préposition ou subordonnant ne semble plus attesté après Villehardouin (début du 13e s.). Dès lors, après 1400, ne subsiste plus pour très que son emploi d’adverbe, lui-même résultant d’une réanalyse. Ainsi, à travers plusieurs étapes, s’est produite progressivement, sur deux siècles (mi 13e-mi 15e s.) une mono-catégorisation d’un morphème, très, à l’origine bi-catégoriel (préposition et préfixe), puis tri-catégoriel lorsqu’il est devenu Festschrift_V-435_End.indd 212 20.05.11 14: 36 <?page no="239"?> La ‚substitution‘ comme type de changement linguistique 213 en outre adverbe au 13e s. Puis par l’obsolescence de ses autres emplois, très n’a conservé que cette dernière catégorie. Soulignons que ce processus de ‚mono-catégorisation‘, commencé au 13e s., est à certains égards comparable à celui qu’a connu moult au 12e s., qui, lui, est passé du double statut de déterminant/ pronom variable ou non, et d’adverbe, au seul statut d’adverbe. Mais plus largement, ce processus entre dans un mouvement de spécialisation catégorielle qui caractérise l’évolution du système grammatical du français entre le 13e et le 17e siècle, et qui touche de nombreux paradigmes morphologiques (Marchello-Nizia 2006, 246-251: ‚macro-grammaticalisations‘). 1.7 Les étapes d’une évolution sémantique: de trans à très, du spatial au scalaire Une autre question se pose à propos de très: comment un morphème originellement dédié à l’expression de l’espace est-il devenu l’intensifieur de haut degré des adjectifs et des adverbes? En latin, trans est une préposition spatiale marquant le franchissement d’un obstacle géographique pour parvenir en un lieu-cible se trouvant au-delà: trans Rhenum (‚au-delà du Rhin‘). Le très ancien français a conservé cette valeur, et la plus ancienne occurrence permet d’affiner le type de spatialité porté par très. Dans la Vie de saint Alexis, composée au milieu du 11e s., le futur saint Alexis s’est rendu à Edesse pour y vivre parmi les plus pauvres, mendiant comme eux devant l’église; la statue éponyme de l’église demande au sacristain d’aller chercher cet ‚homme de Dieu‘ qui vit si saintement; mais le sacristain ne sait où le trouver; la statue répond: (20) Ço’st cil qui tres l’us set. (Vie de saint Alexis 178) ‚C’est l’homme qui se trouve juste devant l’entrée/ juste au-delà/ juste de l’autre côté du seuil de l’église‘ Le dialogue entre la statue et le sacristain ayant lieu à l’intérieur de l’église, et les mendiants se trouvant à l’extérieur, on voit que la localisation se fait par rapport aux deux locuteurs: très indique que la cible se situe, par rapport au locuteur-source, de l’autre côté d’une frontière, ici l’us, ‚le seuil‘. Très est donc une préposition ‚subjective‘, qui organise l’espace par rapport au(x) locuteur(s) ou à la situation d’interlocution. C’était d’ailleurs le cas pour trans en latin: transeo (mouvement à partir du locuteur) est ancien et fréquent, mais transvenio (mouvement situé par rapport à un pôle qui n’est pas le locuteur) est tardif (chrétien) et rare. Mais comment passe-t-on de ce marqueur local subjectif à l’expression de l’intensité? En tant que préfixe verbal, tres-, de même que transen latin, marque le franchissement ou la traversée d’une limite ou d’un obstacle potentiels: transcendo, transmitto, etc., 3 et en ancien français trespasser, trespercier, etc. 3 De même transpréfixe adjectival en latin marque cette même valeur: transalpinus etc. Festschrift_V-435_End.indd 213 20.05.11 14: 36 <?page no="240"?> 214 Christiane Marchello-Nizia Puis l’accent est mis plus sur le parcours lui-même que sur le franchissement: le procès prime alors sur la cible, qui parfois n’est pas précisée ou disparaît, il reste seulement la notion d’un parcours spatial; c’était le cas déjà en latin (transfero), c’est le cas en ancien français avec trescorre (‚parcourir‘), tresnoer (‚traverser à la nage‘): (21) Mais bien grant mer out trescurud (Benedeit, Voyage de saint Brendan 438) ‚mais il avait parcouru une vaste mer‘ L’évolution se poursuit à partir de cette valeur spatiale de ‚parcours‘, par une double métaphorisation, tant en latin qu’en ancien français: au plan temporel d’abord, le latin offre transire vitam (‚passer sa vie‘), et l’ancien français tresvait la noit (‚la nuit passe‘); puis à un plan plus abstrait, transet tresvont marquer la réalisation complète d’un procès, le ‚parcours‘ complet non plus d’un espace, mais d’un procès qui se réalise: transbibere en latin (‚boire entièrement‘), et en ancien français tresboivre, tresoblïer, treschangier. A l’étape suivante, plus abstraite encore, tresmarque l’intensité d’une notion de type ‚qualité‘; il s’agit non plus de la réalisation complète d’un procès, mais de la complétion d’une notion: trescomme préfixe d’abord, et comme adverbe ensuite indique qu’une qualification est portée à son plus haut degré, au superlatif. Ainsi l’accent est mis tour à tour, par ce marqueur spatial subjectif qu’est très, sur la limite à franchir, ou bien sur la cible à atteindre, ou bien sur la sourcedépart, ou bien sur le parcours lui-même; deux métaphorisations successives ou parallèles ont pour effet l’une le développement de la valeur temporelle (qui ne dure guère), et l’autre de la valeur intensive, scalaire, de très, qui elle, perdure jusqu’en français contemporain. 2 De moult à très: une substitution, de la cooccurrence à la concurrence 2.1 Très et moult: les étapes d’une substitution On donnera ici plusieurs tableaux, qui par approfondissements successifs, permettront d’appréhender avec précision comment très en est venu à remplacer moult devant adjectif ou adverbe comme marqueur de très haut degré (ou ‚superlatif‘). Nous n’avons pris en compte pour moult, dans nos comptages, que les cas où il est comparable à très, c’est à dire où il se construit directement devant un adjectif ou un adverbe, comme dans les énoncés (12) et (14) donnés ci-dessus. En effet, dans les cas dits ‚de tmèse‘, où moult est séparé de l’attribut par la copule, on peut considérer que moult porte non pas strictement sur l’adjectif attribut, mais sur l’ensemble du prédicat (copule + attribut). Le Tableau 1 et sa traduction graphique la Figure 2 permettent de comparer les chiffres et le tracé de moult et très à valeur superlative devant adjectifs et adverbes (le sigle AA signifie: ‚adjectif ou adverbe‘); très est soit préfixé, soit graphié séparé du terme sur lequel il porte. Festschrift_V-435_End.indd 214 20.05.11 14: 36 <?page no="241"?> La ‚substitution‘ comme type de changement linguistique 215 Siècle Nombre Moult + AA Très +AA Total Superlation Moult + AA % Très + AA % de mots de textes 10e - 1 5 - 5 100% - 11e 8962 3 12 1 13 92% 8% 12e 810291 30 2106 151 2257 93% 7% 13e 1100157 34 2650 456 3106 85% 15% 14e 424447 7 573 352 925 62% 38% 15e 626775 12 249 1847 2096 12% 88% 16e 5862989 155 183 2370 2553 7% 93% Table 1: L’expression du superlatif par moult et très (10e-16e s.) Fig. 2: L’expression du superlatif par moult et très (10e-16e s.) On voit qu’à partir de son apparition comme intensifieur au 11e s. et jusqu’au 15e s., très reste moins fréquent que moult dans ces emplois. Mais on voit aussi un recul progressif de moult depuis le 12e s., le basculement de moult à très s’effectuant avant la fin du 14e s. Il reste à préciser les contextes de ces deux phases importantes que sont le moment et le contexte d’apparition de très superlatif au 11e s. d’une part, et ceux où il va devancer moult devant adjectif et adverbe au 14e s. 2.2 Très et moult: le début d’une concurrence entre moult bien et très bien Le premier point à préciser est celui du contexte d’apparition de très comme marqueur du superlatif: est-ce d’abord devant adjectif ou devant adverbe? Le Tableau 2 donne la proportion de moult et de très marquant le superlatif de l’adjectif d’une part et de l’adverbe d’autre part de siècle en siècle. Ce tableau montre que, tout au long des sept siècles que nous examinons, les adjectifs et les adverbes intensifiés sont dans une proportion de 3 à 2 environ. Or, par rapport à cette constante générale, on constate en ce qui concerne très une distorsion, car au 12e s. il intensifie surtout des adverbes. Festschrift_V-435_End.indd 215 20.05.11 14: 36 <?page no="242"?> 216 Christiane Marchello-Nizia Siècle Nombre Total Superlation Moult + ADJ Moult + ADV Très + ADJ Très + ADV de mots de textes 10e - 1 5 100% 5 100% - - - 11e 8962 3 13 100% 8 61% 4 31% - 1 8% 12e 810291 30 2257 100% 1235 55% 871 39% 47 2% 104 4% 13e 1100157 34 3106 100% 1319 42% 1331 43% 341 11% 115 4% 14e 424447 7 925 100% 323 35% 250 27% 255 28% 97 10% 15e 626775 12 2096 100% 175 8% 74 4% 1289 61% 558 27% 16e 5862989 155 2553 100% 130 5% 53 2% 2370 93% Table 2: Proportion de moult + ADJ et moult + ADV, et de très + ADJ et très + ADV pour exprimer le superlatif Le Tableau 3 ci-dessous va permettre d’affiner ce dernier point, en précisant la proportion des cooccurrences de moult et très avec un adjectif d’une part et un adverbe d’autre. Siècle Moult Très + AA + ADJ + ADV + AA + ADJ + ADV 10e 5 100% 5 100% - - - - - - - - 11e 12 100% 8 67% 4 33% 1 100% - 1 100% 12e 2106 100% 1235 59% 871 41% 151 100% 47 31% 104 69% 13e 2650 100% 1319 50% 1331 50% 456 100% 341 75% 115 25% 14e 573 100% 323 56% 250 44% 352 100% 255 72% 97 28% 15e 249 100% 175 70% 74 30% 1847 100% 1289 70% 558 30% 16e 183 100% 130 71% 53 29% 2370 100% Table 3: moult + ADJ/ ADBV, et très + ADJ/ ADV Festschrift_V-435_End.indd 216 20.05.11 14: 36 <?page no="243"?> La ‚substitution‘ comme type de changement linguistique 217 C’est en effet devant adverbe que très se développe d’abord et commence à concurrencer moult. Le premier cas d’emploi de très ‚superlatif‘ se trouve devant adverbe, au 11e s., et plus précisément devant bien. Au siècle suivant, c’est 69% des emplois intensifs de très qui se trouvent devant un adverbe; et on constate que dans la plupart de ces cas (92 sur 104), très porte sur bien; la forte fréquence de très suivi d’adverbe au 12e s. est donc due à l’expression très + bien, qui représente à elle seule 61% des emplois intensifs de très. Mais par la suite, dès le 13e s., très progresse aussi fortement devant adjectif. Le Tableau 4, centré sur l’intensification de bien, nous permettra d’affiner les débuts de la concurrence entre les deux morphèmes, et de mesurer la progression de très dans ce premier contexte. En effet, comme on l’a vu en 2.2 et 2.3, moult bien et très bien sont tous deux attestés anciennement, mais moult bien est antérieur d’un demi-siècle environ (Passion de Clermont): très bien apparaît dans la Vie de saint Alexis (v. 547), et c’est environ un demi-siècle plus tard que tous deux apparaîtront dans le même texte (Chanson de Roland), comme on le verra. Siècle Moult bien Trèsbien, très bien Total superlatif de bien 11e 2 67% 1 33% 3 100% 12e 195 68% 92 32% 287 100% 13e 265 76% 84 24% 349 100% 14e 43 51% 41 49% 84 100% 15e 16 6% 250 94% 266 100% 16e (Frantext) 15 4% 386 96% 401 100% Table 4: moult + bien et très + bien Ce Tableau 4 montre que dès le 12e s., très bien représente déjà un tiers des cas de très superlatif, et que dès le 14e s. il est à égalité avec moult dans ce contexte précis. Le Tableau 5 ci-dessous, qui reprend pour Moult + AA et Très + AA les chiffres du Tableau 1, permet de préciser l’importance relative de l’expression très bien dans le développement des emplois de très: Ce tableau comparatif confirme que c’est devant bien que la fréquence de très progresse le plus rapidement par rapport à moult: c’est dans ce premier contexte que très apparaît en concurrent de moult; au 12e s., comme intensifieur de bien, très représente déjà un tiers des occurrences (et moult les deux autres tiers), alors qu’au total il ne représente encore que 7% des cas de superlatif (et moult 97%). C’est donc d’abord comme intensifieur de bien que très s’implante au 12e s. Festschrift_V-435_End.indd 217 20.05.11 14: 36 <?page no="244"?> 218 Christiane Marchello-Nizia Siècle Total superlatif Moult + AA % Tres + AA % Total superlatif de bien Moult bien % Tres bien % 11e 13 92% 8% 3 67% 33% 12e 2257 93% 7% 287 68% 32% 13e 3106 85% 15% 349 76% 24% 14e 925 62% 38% 84 51% 49% 15e 2096 12% 88% 266 6% 94% 16e 2553 7% 93% 401 4% 96% Table 5: Fréquence de très bien par rapport à moult bien, comparée à celle des autres emplois intensifs de très Au total, les tableaux ci-dessus révèlent que c’est le groupe tresbien qui a servi de ‚locomotive‘ à l’emploi intensif de très. Au 13e s. encore, bien est de loin l’adverbe le plus souvent préfixé par très, et c’est seulement ensuite que se sont développés d’autres contextes d’emploi. Mais jusqu’au 15e s. très bien conserve sa prééminence. 2.3 Très et moult avant 1350: une concurrence limitée En ancien français et jusqu’à la fin du 13e s., très et moult étaient dans un rapport de concurrence limitée. Certes, comme on vient de le voir, très bien concurrençait fortement moult bien, et ces deux expressions pouvaient se trouver dans le même texte: ainsi, au début du 12e s., la Chanson de Roland offre 5 occurrences de tres bien/ ben et 7 de mult bien/ ben: (22) Trés ben le batent a fuz e a jamelz. (Chanson de Roland 3739) ‚Ils le battent très fort avec des bâtons et des triques.‘ (23) Mult ben i fierent Franceis e Arrabit. (Chanson de Roland 3481) ‚Les Français et les Arabes se battent vigoureusement.‘ La même situation de concurrence entre moult bien et très bien se retrouve dans d’autres textes anglo-normands du début du 12e s., le Comput de Philippe de Thaon, et le Voyage de saint Brendan de Benedeit en particulier. Mais il se trouvait un peu plus tard dans un même texte des adjectifs qui pouvaient se construire, sans différence notable, avec l’un ou l’autre intensifieur, comme grant: (24) n’ert mie de mout grant aage (Queste del saint Graal p. 97) ‚il n’était pas très âgé‘ (25) un viel home de tres grant aage (ibid. p. 83) ‚un vieil homme très âgé‘ Mais si moult pouvait porter sur toute sorte d’adjectifs ou d’adverbes, ce n’était pas le cas de très, qui avait une portée sélective: il intensifiait des adjectifs et Festschrift_V-435_End.indd 218 20.05.11 14: 36 <?page no="245"?> La ‚substitution‘ comme type de changement linguistique 219 des adverbes ‚évaluatifs‘ et non descriptifs, des adjectifs et des adverbes monosyllabiques de préférence, et des adjectifs épithètes plutôt que des attributs. Il n’y avait donc qu’un petit nombre d’adjectifs et d’adverbes qui pouvaient se construire avec les deux morphèmes. Au 12e s., dans une trentaine de textes, on dénombre seulement une vingtaine d’adjectifs intensifiables par très: bel, bon, chier, cortois, douz, dur, felon, fier, fin, fort, grant, haut, leid, noble, petit, precieux, riche, sage, soavet, tendre. Les adverbes sont moins nombreux encore: outre bien qui domine, durement, plus, pres, tost, volentiers. Au 13e s., le groupe de ces adjectifs est trois fois plus nombreux: s’ajoutent aux précédents aigre, amere, avers, blanc, certain, chaus, cler, delitable, digne, droit, enterin, eschars, faus, ferm, fol, fres, froide, grief, haingre, hideus, joianz, lonc, maigrete, mal, nete, noble, orrible, parfont, pesme, piteus, pius, povre, puissant, pullente, pur, sade, sain, saint, saintisme, savoreus, soutil, vrai. Aux adverbes s’ajoutent quelques formes en -ment ( finement, griement…). Ce sont des termes qui se caractérisent par quatre contraintes: ils sont brefs et souvent monosyllabiques, ils sont surtout employés comme épithètes, ce sont sémantiquement des évaluatifs et non des descriptifs, et ils concernent essentiellement des animés humains. Et même lorsque moult sera devenu rare, il continuera à pouvoir intensifier certains adjectifs: (26) Donques lui serviront sez escuiers et vadletz de mut bone viaunde. (Maniere de langage de 1396, 7) ‚Donc ses écuyers et ses serviteurs lui serviront un très bon repas.‘ (27) qui l’attendoient en moult bel ordre (Commynes, Mémoires VIII, 35) ‚qui l’attendaient en un ordre parfait‘ (28) l’esprit moult limpide et serain (Rabelais, Pantagruel) ‚l’esprit très clair et très serein‘ 2.4 ‚Niches de développement‘ de très: ‚contextes partagés‘ vs ‚contextes réservés‘ On a constaté jusqu’ici que très s’est développé en concurrençant moult dans certains emplois: devant bien, en fonction d’épithète, devant des adjectifs caractérisés par certains traits. Mais dans tous ces emplois, très n’excluait pas moult; dans un premier temps, il le concurrençait. On peut se demander si, à côté de ces emplois que très partageait avec moult, il n’existait pas des contextes exclusivement réservés à très, et qui ont contribué sans doute fortement à ancrer ce morphème intensifieur dans la grammaire. Si on analyse les emplois de moult et de très devant certains adjectifs ou adverbes au 12e s., on constate en effet que sont apparus très vite quelques contextes dans lesquels on ne peut trouver moult. Quelques épithètes, dans des constructions syntaxiques ou énonciatives précises, semblent ainsi privilégier très. C’est le cas de l’adjectif chier (parfois employé adverbialement): au 12e, la trentaine de textes de notre corpus offre 51 cas de moult chier, et 4 de tres chier. Il semblerait à première vue qu’on n’ait là qu’un contexte partagé parmi d’autres. En fait, une analyse fine des emplois des deux intensifieurs révèle plusieurs dif- Festschrift_V-435_End.indd 219 20.05.11 14: 36 <?page no="246"?> 220 Christiane Marchello-Nizia férences. Les 4 occurrences de tres chier sont épithètes, antéposées au nom, avec déterminant dont 3 fois un possessif; elles ont toujours un sens affectif et concernent un lien interpersonnel, et l’expression est 3 fois sur 4 en apostrophe: (29) si li dist: Ma tres chiere dame, vos qui… (Chrétien de Troyes, Yvain 2551) ‚et il lui dit: Ma très chère dame, vous qui…‘ Les 51 emplois de moult chier sont fort différents: ils sont attributs du sujet ou du COD dans 31 cas, donc très majoritairement, avec les verbes avoir, estre et tenir comme en (30); dans 16 cas, chier a valeur adverbiale et se construit avec les verbes vendre, comparer (‚payer‘) et coster (‚coûter‘) et a dans ce cas le sens matériel de ‚coûteux‘ comme en (31). Le groupe moult chier ne se trouve que 4 fois comme épithète d’un nom comme en (32), et surtout il ne se trouve jamais en apostrophe: (30) Li rois avoit Erec molt chier. (Chrétien de Troyes, Erec 4243) ‚Le roi aimait beaucoup Erec.‘ (31) mais il lo compara molt chier (Eneas 5929) ‚mais il le paya très cher‘ (32) Biax dras et covertor mout chier/ et orellier au chief li mestent. (Chrétien de Troyes, Perceval 1930) ‚Ils lui mettent de beaux draps, une couverture très précieuse et un oreiller à la tête du lit.‘ Cette brève analyse révèle un point important: la prédominance, et au moins dans notre corpus l’exclusivité de très + ADJ en fonction d’apostrophe, spécialement dans l’expression d’adresse bel + très + ADJ (notamment doux/ chier) + NOM. Dès le 12e s. on en relève 6 occurrences, dont deux dans un ‚conte‘ écrit vers 1150, Floire et Blancheflor, composé dans la région de la Basse-Loire: (33) ahi! fait il, biax tres dous pere, et vos, bele tres douce mere… (Floire et Blancheflor 3213) ‚Ah, dit il, mon très cher père, et vous, ma très tendre mère…‘ Et au 13e s. on en relève 65 occurrences. Gautier de Coinci à lui seul, au tout début du 13e s., offre dans ses Miracles de Notre-Dame une quarantaine de ces expressions d’adresse: (34) respondi li tres doz pere: Bele tres douce chiere mere, Vos estes estoyle de mer. (Gautier de Coinci, Miracles 4, 120) ‚le très doux père répondit: Chère et très tendre mère aimée, vous êtes l’étoile de la mer.‘ Jamais on ne trouve moult dans un tel contexte: *Bele moult douce dame semble impossible, agrammatical. On a donc là un ‚contexte réservé‘ de très, que favorise le développement du marquage du discours direct à la même période (Cerquiglini 1984, Marnette 2005 entre autres). De même, on a vu en 1.5 que, spécialement dans les premiers siècles de son apparition et de son emploi préfixal, très + ADJ pouvait se trouver ‚sur-intensifié‘ par un adverbe tel que moult, si, plus: si très bel. Or, à l’exception de quelques Festschrift_V-435_End.indd 220 20.05.11 14: 36 <?page no="247"?> La ‚substitution‘ comme type de changement linguistique 221 très rares occurrences tardives, moult ne peut entrer dans ce type de construction. L’un des ‚emplois d’ancrage‘ de très a certainement été les contextes de surintensification de ce type. Au terme de cette brève analyse, on fera l’hypothèse que c’est dans quelques contextes bien précis, dont la ‚sur-intensification‘, l’intensification de chier, ou l’apostrophe en interaction ‚subjective‘, - tous emplois qui semblent inaccessibles à moult - que s’est particulièrement développé et ancré très. 2.5 Très et moult après 1350: la prédominance de très Après un siècle et demi de lente progression de très, où cependant l’adverbe moult restait l’intensifieur le plus courant, et en particulier l’intensifieur des épithètes longues et postposées, des participes passés adjectivés, ainsi que des attributs, avec assez souvent une tmèse, la situation change nettement au milieu du 14e s. Guillaume de Machaut, dès ses premières oeuvres (Dit du prunier de 1340), emploie à peu près à égalité moult et très devant un adjectif ou un adverbe; mais on perçoit un changement net dans ses dernières oeuvres, une trentaine d’années plus tard: dans la Loange des dames (1370), on relève devant adjectif ou adverbe une quarantaine de moult seulement, contre près de 140 très. Les traducteurs de textes latins de cette époque révèlent un usage aussi net; Bersuire, traducteur des Décades de Tite-Live (1354), montre une nette faveur pour très devant un adjectif (76 très contre 48 moult devant adjectif), même si devant un adverbe moult domine toujours (13 très mais 23 moult devant adverbe). Une vingtaine d’années plus tard, Nicole Oresme, traducteur d’Aristote mis en latin, montre en 1370 une nette progression du changement: 610 très au total, devant adjectif ou adverbe, contre 50 moult devant adjectif ou adverbe. Falk (1934) soulignait que, dans les traductions du latin, c’est très, bien plus souvent que moult, qui était choisi pourrendre le superlatif en -issimus: Bersuire et Oresme illustrent bien cette pratique. Environ deux décennies plus tard, cet usage n’est plus seulement une affaire de traducteurs, de ‚latinistes‘ conscients du fait que le français antépose certains marqueurs que le latin postposait (-issimus, suffixe en latin, est rendu par un préfixe en français). En effet, Gaston Phébus dans son Livre de la chasse (1387) révèle la même grammaire: 20 très contre 13 moult devant adjectif ou adverbe; et c’est d’autant plus intéressant que ce grand seigneur provincial n’était pas un écrivain professionnel. Son usage témoignait donc d’un changement dans la grammaire générale du français, où très prédominait désormais comme marqueur de superlatif. Dans la même période, si l’on compare deux parties des Chroniques de Froissart, séparées par environ un quart de siècle, le Livre III des Chroniques (1375-vers 1400) d’une part et l’ultime rédaction du Livre I (1400) d’autre part, on constate que dans le second Froissart emploie plus de deux fois plus de très superlatifs que de moult de même valeur - même si chez lui moult domine encore. En cette fin du 14e s., une pièce de théâtre, l’Estoire de Griseldis (1395), et plus nettement encore les traités grammaticaux destinés à enseigner les rudiments du Festschrift_V-435_End.indd 221 20.05.11 14: 36 <?page no="248"?> 222 Christiane Marchello-Nizia français parlé à des Anglais, privilégient très, qu’il s’agisse des trois Manières de langage composées autour de 1400 ou du Donait françois de John Barton. Ainsi, dès 1350, en diverses régions, et en divers genres ou types de texte, certains auteurs choisissent très comme marqueur de superlatif. Vers la fin du 14e siècle ce mouvement s’amplifie, et dès lors très bel/ bon/ chier/ grant/ noble l’emporte sur moult bel/ bon/ chier/ grant/ noble, et déjà chez Bersuire les adverbes en -ment sont couramment intensifiés par très. C’est dans ces mêmes textes d’ailleurs que commence à apparaître beaucoup (Gaston Phébus, l’auteur de Griseldis, Froissart, J. Barton). En revanche, il existe encore dans la même période des textes où la fréquence de moult devant adjectif ou adverbe continue de dépasser celle de très: l’auteur anonyme de Bérinus (1350-70) est archaïque de ce point de vue, de même que Jean d’Arras dans son roman Mélusine (1392) - qui cependant emploie, en nombre réduit, beaucoup. A l’extrême fin du 14e s., le changement s’est généralisé: dans les Quinze joyes de mariage, texte composé vers 1400, moult et très ont quasiment le même nombre d’occurrences au total (34 moult, 35 tres), mais c’est très qui domine devant adjectif ou adverbe, moult portant plutôt sur le nom ou le verbe. Et dans ce texte, moult et très ‚superlatifs‘ conservent encore leur domaine propre, ils ne portent pas sur les mêmes adjectifs: seul grant est intensifié par les deux adverbes. Moult intensifie las, les participes passés et des adverbes en -ment, alors que très porte de préférence sur des monosyllabes: bel, bon, doulx, jeune, mauvés, et sur les adverbes bien et mal: tous termes qui sont des évaluatifs et donc potentiellement subjectifs. Vers 1450 la situation a encore évolué, et cette fois non seulement quantitativement mais également sémantiquement. En effet, très domine dans la grande majorité des textes (Monstrelet: 86 moult, 151 très; Saintré: 49 moult, 727 très), mais en outre il précède désormais des adjectifs et des adverbes jusque là ‚réservés‘ à moult, et en particulier des adjectifs à valeur ‚objective‘ tels que crestien, content, desireux, entier, evident, jeune, large, pale, etc., ou des adverbes en -ment. En 1450, très est devenu l’adverbe le plus courant pour intensifier les adjectifs en toutes fonctions et les adverbes quels qu’ils soient. Parallèlement, tresa cessé d’être productif comme préfixe verbal ou nominal. Les verbes en tres- ‚disparaissent‘ en tant que verbes préfixés: soit ils se lexicalisent de même que les noms déverbaux correspondants (trépasser, trépas, tressaillir), soit ils se transforment et sont re-préfixés en trans-, le préfixe étant re-latinisé (transformer, transpercer, transporter, etc.). 2.6 Très et ses variantes: un changement en cours? En français contemporain, un changement semble en cours depuis plusieurs années en français oral non standard (FONS): après avoir été pendant plusieurs siècles le marqueur de ‚superlatif absolu‘, l’adverbe très semble nettement régresser. D’une part, quand très est employé à l’oral, il l’est souvent sous forme redoublée ou triplée, très très ou très très très, tant chez les enfants que chez les Festschrift_V-435_End.indd 222 20.05.11 14: 36 <?page no="249"?> La ‚substitution‘ comme type de changement linguistique 223 adultes 4 . Et en outre, il est le plus souvent, chez les jeunes, remplacé par trop, comme c’était déjà le cas parfois au 17e s. (Haase 1963, 245, § 98): (35) Vous vivrez trop contente avec un tel mari. (Molière, Tartuffe II, 3, 648) Et surtout, il est largement concurrencé par d’autres morphèmes… qui sont des préfixes, comme très à ses débuts: super-, hyper-, ultraen particulier; le style oral hyperbolique d’une jeune écrivaine contemporaine illustre bien ce phénomène: (36) „J’ai super mauvais fond, c’est clair.“ […] „Ça me paraissait super-évident. Comme j’étais ultra-dépressive et ultra-médicamentée, je ne pouvais pas avoir des horaires normaux…“ (interview de Chloé Delaume, Le Monde 5-12-03, p. 34) Et comme très, ces morphèmes possédaient, à l’origine, un sens spatial. 5 3 Une explication? Restructuration du système Nous tenterons en conclusion de mettre en lumière cinq points, que nous pensons être des acquis de cette étude. Trois traits caractérisent les intensifieurs, leur évolution catégorielle, syntaxique et sémantique. Les deux autres points concernent, plus largement, les processus de changement linguistique, le premier traitant d’un aspect des ‚changements liés‘, et le second proposant une hypothèse à propos du type de changement dont nous avons analysé un exemple dans cette étude: le changement par ‚substitution‘. Tout d’abord, on a vu que très, à l’origine préposition ou préfixe verbal, a connu une recatégorisation comme adverbe. Or les deux autres morphèmes impliqués dans ces ‚changements liés‘ ont eux aussi connu une recatégorisation comme adverbe, à partir de catégories originelles différentes: multus était en latin un adjectif-pronom indéfini quantifieur 6 , qui s’est ‚adverbialisé‘ en ancien français. Et beaucoup a connu une grammaticalisation classique le faisant passer de groupe nominal à adverbe également. Faut-il voir là la marque d’une ‚adver- 4 Ainsi que le révèlent par exemple les extraits de français parlé contemporain rassemblés par Cl. Blanche-Benveniste (2002), où aussi bien une enfant de sept ans (p. 26: c’est très très mal) qu’un agriculteur âgé emploient cette forme renforcée (p. 46: les marches du bas - étaient très très larges). 5 Merci à l’un de mes relecteurs qui a attiré mon attention sur ce phénomène. 6 Comme le souligne A. Carlier (2010: 38), multum peut avoir dès le latin une syntaxe proche de l’adverbe, dès lors qu’il peut dans certains cas porter sur un verbe pourvu par ailleurs d’un objet, et que par ailleurs il peut se trouver coordonné à un adverbe: „multum s’ancre dans la sphère verbale. Il accède au statut adverbial à proprement parler quand il n’occupe plus une position syntaxique correspondant à un SN (27). Ainsi le confirme le fait qu’il peut se voir coordonné dans cet emploi avec des formes ayant le suffixe caractéristique de l’adverbe (28). (27) Multum te amamus (Cicéron, Epistulae ad Atticum, 1,1,5) ‚Nous t’aimons beaucoup‘ (28) longe multumque superamur a bestiis (Cicéron, Fin. 2,11) ‚nous sommes de beaucoup et en beaucoup de choses dominés par les bêtes‘.“ (Carlier 2010, 38). Festschrift_V-435_End.indd 223 20.05.11 14: 36 <?page no="250"?> 224 Christiane Marchello-Nizia bialisation‘ progressive des marqueurs d’intensité en français - les marqueurs de quantification conservant plus longtemps un statut polycatégoriel? 7 Notons en outre que la catégorie même d’adverbe a adopté une syntaxe plus stricte: alors que, nous l’avons dit, moult pouvait être construit en tmèse (3.1), très ne le peut plus. Un second point concerne l’origine des intensifieurs, et leur spécialisation sémantique. On a pu reconstruire une évolution sémantique de très pour tenter de rendre compte comment, déjà en fonction de préfixe, les valeurs spatiale (franchissement, parcours), temporelle (écoulement d’une durée limitée) et scalaire (intensité conçue comme parcours d’une notion) peuvent être liées. Multus, adjectif/ pronom latin, était un quantifiant à l’origine, mais pouvait déjà en latin intensifier un verbe (voir note 6). Dès les débuts du français, il avait comme fonction importante de marquer le superlatif de l’adjectif et de l’adverbe, ce que le suffixe -isme/ -esme ( ← issimus) avait cessé de faire. Beaucoup est, lui aussi, passé du sens d’intensité physique, concrète (‚frapper un coup‘), à une valeur abstraite. Dans les trois cas les notions d’intensité (pour moult et très, ainsi que pour beaucoup dans certaines régions: il est beaucoup fatigué), et de quantification (beaucoup) sont des valeurs dérivées. Un troisième point concerne la restructuration du système grammatical du français dans lequel se situe le phénomène de substitution que nous venons d’étudier. Il s’agit du remplacement d’un morphème polyvalent et polycatégoriel par deux morphèmes adverbiaux à fonction plus spécifiée - très étant intensifieur de l’adjectif et de l’adverbe, beaucoup du verbe et du nom (ainsi que de quelques adverbes de degré, moins, plus). Cette spécialisation catégorielle, qui semble restructurer la grammaire du français entre le 13e et le 17e s. 8 , et qui distingue entre constituants de phrase (le nom et le verbe) et constituants de syntagme (l’adjectif et l’adverbe), a concerné plusieurs paradigmes en français, et en particulier d’autres adverbes d’intensité comme si et tant 9 . Elle se retrouve dans bien d’autres langues; les langues germaniques opèrent également cette distinction (anglais very/ much, allemand sehr/ viel, néerlandais zeer/ veel, etc.), mais pas seulement: l’espagnol a opéré le même choix grâce à un traitement phonétique différencié du même morphème latin (muy/ mucho ← lat. multu-). Il faut sans doute rattacher à cette évolution la perte progressive, pour moult, de la construction en tmèse (voir 2.6), et l’obligation pour un intensifieur de se placer immédiatement devant le terme sur lequel il porte 10 - contrainte qui pour très, préfixe à l’origine, était normale. 7 Sur ce point, les analyses divergent: Carlier (2010) adopte également l’idée d’une polycatégorisation, Doetjes (1997) considére plutôt ces morphèmes comme caractérisés par une sousdétermination catégorielle. 8 Voir Marchello-Nizia (2006, chap. 6 et spécialement 251). 9 Tant pouvait jusqu’au 18e s. intensifier un adjectif ou un adverbe. Cela est devenu agrammatical, cet usage étant réservé à si, et tant portant uniquement sur des noms ou des verbes (Haase 1963, 238-9, § 98). 10 Cette contrainte étant également liée à l’évolution vers un ‚type SVO‘ plus prégnant (Bauer 1995). Festschrift_V-435_End.indd 224 20.05.11 14: 36 <?page no="251"?> La ‚substitution‘ comme type de changement linguistique 225 Un quatrième point est une constatation concernant le rythme des changements, dans les cas de figure que nous nommons les ‚changements liés‘. Le premier remplacement, celui de moult intensifieur par très, se réalise en quatre siècles, entre 1130 et 1450 environ; le second, celui de moult quantifieur de nom ou intensifieur de verbe par beaucoup, qui est plus tardif puisque ses effets se manifestent vers 1350, et qui donc intervient lorsque très est intégré, ne prend que deux siècles. Est-ce là une constante des changements liés ou associés 11 ? Notre dernière remarque concerne le processus même du ‚changement par substitution‘. Le cas de très, que nous avons analysé ici, nous a conduit à formuler l’hypothèse que ce morphème s’était inséré et ancré dans le paradigme des intensifieurs non seulement en remplaçant progressivement moult dans les emplois où il portait sur les adjectifs et les adverbes, mais également en se développant, dès son apparition, dans des contextes ‚réservés‘ où il était seul possible, tels trestot, les expressions sur-intensifiées (si tres beles) ou les expressions d’adresse (bele tres douce dame). Il faudra tester cette hypothèse sur d’autres cas comparables, afin de voir s’il s’agit d’un trait des ‚changements par substitution‘. 4 Bibliographie Andersen, H. (1989): „Understanding linguistic innovations“, in Breivik, L.E./ Jahr, E.H. (Hgg.), Language Change. Contributions to the Study of its Causes, Berlin/ New York, Mouton de Gruyter, 5-27. Baldinger, K. (1980): „Le remplacement de ‚moult‘ par ‚beaucoup‘“, in Du mot au texte (III e Colloque de Moyen Français), Tübingen, G. Narr Verlag, 57-87. Battye, A. (1995): „Aspects of quantification in French in its regional and diachronic varieties“, in Smith, J.C./ Maiden, M. (éds.), Linguistic Theory and the Romance Languages, Amsterdam/ Philadelphia, John Benjamins Publishing Company, 1-35. Bauer, B.L.M. (1995): The Emergence and Development of SVO Patterning in Latin and French. Diachronic and Psycholinguistic Perspectives, Oxford, Oxford University Press. Blank, A. (1999): „Why Do New Meanings Occur? A Cognitive Typology of the Motivations for Lexical Semantic Change“, in Blank, A./ Koch, P. (éds.), Historical Semantics and Cognition, Berlin/ New York, De Gruyter, 62-89. Buridant, Cl. (2000): Grammaire nouvelle de l’ancien français, Paris, SEDES. Buridant, Cl. (1995): „Les préverbes en ancien français“, in Rousseau, A. (éds.), Les Préverbes dans les langues d’Europe, Presses universitaires du Septentrion, 287-323. Bybee, J.L. (2003): „Mechanisms of Change in Grammaticization: The Role of Frequency“, in Joseph, B.D./ Janda, R.D. (éds.), The Handbook of Historical Linguistics, Oxford, Blackwell Publishing, 602- 623. Carlier, A. (2007): „La grammaticalisation au niveau du paradigme: de la pragmatique à la sémantique“, in O. Bertrand & al. éds, Discours, diachronie, stylistique du français, Berne, Peter Lang, 2007, 257-276. Carlier, A. (2010): „De multum à beaucoup: entre adverbe et déterminant nominal“, in Tovena, L. (éds.), Déterminants en synchronie et diachronie, Paris, Projet ELICO, 31-54. 11 Une même variation de rythme a été remarquée par Carlier (2007) à propos des articles, les premiers changements étant bien plus lents que les suivants. Sur le rythme plus ou moins rapide des changements, voir les hypothèses, formulées dans le cadre théorique des principes et paramètres, par D. Lightfoot (1993, 166-170). Pour lui également, des changements liés d’une certaine façon se produisent à un rythme plus rapide. Festschrift_V-435_End.indd 225 20.05.11 14: 36 <?page no="252"?> 226 Christiane Marchello-Nizia Doetjes, J. (1997): Quantifiers and Selection: on the Distribution of Quantifying Expressions in French, Dutch and English, La Haye, Holland Academic Graphics. http: / / elico. linguist.univ-paris-diderot.fr/ livre-elico.html. Falk, P. (1934): „Comment trans est devenu la marque du superlatif absolu en français“, in Studia Neophilologica XIII, 11-44. Fournier, N. (1998): Grammaire du français classique, Paris, Belin. Haase, A. (1963): Syntaxe française du XVII e siècle, Paris, Delagrave. Hasenohr, G. (1993): Introduction à l’ancien français de Guy Raynaud de Lage, Paris, SEDES. Heine, B./ Kuteva, T. (2002): World Lexicon of Grammaticalization, Cambridge, Cambridge University Press. Keller, R. (1994): On Language Change.The invisible hand in language, London, Routledge (Trad. de (1990) Sprachwandel). Langacker, R.W. (1977): „Syntactic Reanalysis“, in Li, C. (éds.), Mechanisms of syntactic Change, Austin, University of Texas Press, 57-139. Lehmann, Ch. (1995/ 1985/ 1982): Thoughts on grammaticalization, Munich, LINCOM- Europa. Lightfoot, D.W. (1999): The Development of Language: Acquisition, Change and Evolution, Oxford, Blackwell. Marchello-Nizia, Ch. (2000a): „Le tragique destin de moult en français: changement linguistique et structures sémantico-cognitives“, in Actes du XXII e CILPR de Bruxelles Marchello-Nizia, Ch. (2000b): „Les grammaticalisations ont-elles une cause? Le cas de beaucoup, moult et tres en moyen français“, in L’ information grammaticale 87, 3-9. Marchello-Nizia, Ch. (2001): „Grammaticalisation et évolution des systèmes grammaticaux“, in Langue française 130, 33-41. Marchello-Nizia, Ch. (2002a): „TRES: du multi-catégoriel au mono-catégoriel, de tresoblïer trestot à sa tres chiere amie“, in LINX (numéro spécial: Mélanges Michèle Perret), 259-269. Marchello-Nizia, Ch. (2006/ 2010): Grammaticalisation et changement linguistique, Bruxelles, De Boeck. Marnette, S. (2005): Speech and Thought Presentation in French, Amsterdam/ Philadelphia, John Benjamins Publishing Company (Part II, 2). Ménard, P. (1988): Syntaxe de l’ancien français, Bordeaux, SOBODI. Wagner, R.-L. (1946): „Verbes, préfixes, adverbes complémentaires“, in Etudes romanes dédiées à Mario Roques, Paris, Droz, 207-216. Wischer, I./ Diewald, G. (éds.) (2002): New Reflections on Grammaticalization, Amsterdam/ Philadelphia, John Benjamins Publishing Company. Festschrift_V-435_End.indd 226 20.05.11 14: 36 <?page no="253"?> E SME W INTER -F ROEMEL Les tropes et le changement linguistique - points de contact entre la rhétorique et la linguistique 0 Introduction Si l’on regarde l’œuvre de Peter Koch, on constate que le changement linguistique a toujours représenté un de ses centres d’intérêt privilégiés. De fait, des questions liées à la théorie du changement linguistique et à l’histoire de divers changements particuliers ont été abordées dans nombre de ses travaux ainsi que de ceux de ses disciples et/ ou collègues. Or, ce qui semble particulièrement intéressant à noter est le fait que, dans ces travaux, on trouve à plusieurs reprises des allusions à la rhétorique, qui peuvent aller jusqu’à des discussions approfondies sur certains aspects de la théorie rhétorique (cf. entre autres Koch 2001; Bauer/ Knape/ Koch/ Winkler 2010). Pour ma contribution, je voudrais prendre ce constat comme point de départ afin d’approfondir l’étude des points de contact que l’on peut établir entre la rhétorique et la linguistique. À ces fins, je me pencherai plus particulièrement sur les tropes et sur leur rôle dans le changement linguistique. Malgré les orientations en partie divergentes des deux disciplines, certains rapprochements entre la rhétorique et la linguistique ont été faits par le passé. Il faut surtout mentionner ici la sémantique historique du 19 e siècle avec, entre autres, K. Reisig, H. Paul, A. Darmesteter, M. Bréal, W. Wundt et K. Nyrop. Partant des tropes rhétoriques, ces auteurs essaient de formuler des principes sémantiques, logiques et psychologiques qui sous-tendent les emplois tropiques, pour élaborer ainsi de nouvelles systématisations des changements sémantiques. Ensuite, pour la linguistique du 20 e siècle, on trouve des rapprochements entre les disciplines chez S. Ullmann et R. Jakobson (cf. Ullmann 1957; 1962; Jakobson 1956), ainsi que dans la pragmatique et dans la tradition plus récente de la linguistique cognitive. Lors de ces rapprochements, ce sont surtout certains tropes qui se trouvent au centre des réflexions, notamment la métaphore et la métonymie. Cela devient très clair chez R. Jakobson, qui distingue deux axes fondamentaux du langage (syntagmatique et paradigmatique), ces deux axes étant caractérisés respectivement par le principe de la contiguïté et par le principe de la similarité. Ainsi, selon Jakobson, la métonymie (fondée sur la contiguïté) et la métaphore (fondée sur la similarité) jouent un rôle fondamental pour le fonctionnement et pour l’organisation de la langue en général (Jakobson 1956). Dans cette contribution, je voudrais pousser plus loin ces réflexions et discuter de questions théoriques d’ordre plus général. Après une brève récapitulation de la place des tropes dans l’architecture globale du système rhétorique Festschrift_V-435_End.indd 227 20.05.11 14: 36 <?page no="254"?> 228 Esme Winter-Froemel classique, on discutera quatre questions fondamentales qui se posent lorsqu’on essaie d’intégrer les réflexions faites en rhétorique à la théorie linguistique: Qui parle à qui? Quels sont les principes fondamentaux qui guident l’orateur/ le locuteur dans sa réalisation de l’énoncé? Quels sont les principes fondamentaux qui guident l’auditoire/ l’auditeur dans son interprétation de l’énoncé? Et quels sont les stades du changement linguistique auxquels s’appliquent les réflexions faites dans la tradition rhétorique? La discussion de ces questions nous permettra de formuler certaines distinctions théoriques préalables qui sont essentielles pour bien définir les apports possibles de la rhétorique à la théorie et à l’histoire des changements linguistiques. Pour ensuite illustrer ces apports, on analysera des phénomènes d’ambiguïté en adoptant une perspective interdisciplinaire. Cette contribution se terminera en concluant sur le potentiel prometteur - au niveau théorique aussi bien qu’au niveau d’analyses de changements particuliers - d’une approche interdisciplinaire, ou bien, d’une telle approche au changement linguistique qui est informée par les acquis de la tradition rhétorique. 1 Les tropes dans le système rhétorique Dans la tradition rhétorique, le τρόπος , tropos (littéralement, „tour“) est défini de la façon suivante par Quintilien: „Tropos est uerbi uel sermonis a propria significatione in aliam cum uirtute mutatio.“ (Le trope est un changement qui améliore la signification propre d’un mot ou d’une locution; Quintilien VIII,6,1). Par la formulation „cum uirtute“, Quintilien souligne d’emblée que dans son usage des tropes, le locuteur doit respecter certaines règles qui définissent et délimitent les emplois légitimes. Un usage exagéré, malséant ou ridicule des tropes, par contre, représenterait un vice (vitium) et serait condamné par la rhétorique. De manière générale, les tropes constituent une partie de la rhétorique qui est essentiellement liée au stade de l’élocution (elocutio). Ici, ils représentent un ornement du discours (ornatus), c’est-à-dire un élément facultatif et volontairement recherché, ou bien, un écart de l’usage minimal de la langue, dans la mesure où un mot ou une expression est détourné de son sens propre (cf. la définition du trope dans le PR). Les conditions d’usage des tropes touchent au but principal de l’art rhétorique, qui est celui de la parole efficace: la visée centrale qui doit guider le locuteur habile est représentée par les effets de sa parole sur les auditeurs. Plus spécifiquement, il s’agit de convaincre et de persuader les auditeurs, et - surtout pour les ornements - de leur procurer un plaisir par l’énoncé (delectatio). L’inventaire des tropes peut varier selon les auteurs. C’est surtout à partir de la Renaissance que le nombre des tropes se réduit considérablement, et que la métaphore, la métonymie, la synecdoque et l’ironie deviennent les quatre tropes majeurs. Chez les idéologues, le système des tropes se réduit même au nombre de trois (métaphore, métonymie et synecdoque; cf. Meyer 1993/ 1995, vol. I, 91). Dans l’Antiquité, par contre, les systématisations prévoient un nombre plus large de tropes (incluant, p.ex., l’antonomase, la catachrèse et l’hyperbole). Festschrift_V-435_End.indd 228 20.05.11 14: 36 <?page no="255"?> Les tropes et le changement linguistique 229 Dans l’optique de cette contribution, toutefois, il semble avantageux de ne pas interpréter les inventaires traditionnels comme des systèmes de classification rigides et clos, mais d’intégrer également d’autres phénomènes comme l’ambiguïté. 1 Ainsi, dans notre analyse de cette catégorie, le but principal sera celui d’explorer ce que sa description rhétorique peut apporter à la théorie du changement linguistique. 2 Distinctions théoriques et points de contact entre la rhétorique et la linguistique Pour bien définir les apports possibles de la rhétorique à l’étude de phénomènes du changement linguistique, essayons de dégager les convergences, mais aussi les divergences entre les deux disciplines et leurs champs d’étude respectifs. Plus spécifiquement, on peut relever quatre aspects fondamentaux qui peuvent être étudiés: 1. la situation de communication dans sa globalité, 2. la perspective du locuteur, 3. la perspective de l’auditeur, et 4. les stades du changement linguistique auxquels peuvent être référées les réflexions faites en rhétorique. 2.1 Les situations de communication analysées: qui parle à qui? On peut constater que la tradition rhétorique fait référence directe et constante à des situations de communication individuelles. Dans les traités de rhétorique sont analysés des textes-modèles/ discours-modèles d’auteurs/ orateurs particuliers qui sont des autorités établies. De fait, la rhétorique classique se présente comme un enseignement offert à des locuteurs individuels qui vise à les rendre maîtres de la parole efficace, maîtres qui prononcent des discours d’art, élaborés selon l’art rhétorique. Ainsi, la rhétorique étant conçue comme un art, elle s’applique principalement à un usage conscient et élaboré de la parole. La situation standard pour la rhétorique classique est donc celle d’un orateur s’adressant à un auditoire par un discours oral et essayant d’influencer cet auditoire (qui est un ensemble de plusieurs auditeurs) d’une certaine façon. En ce qui concerne le locuteur, l’art rhétorique n’atteint un degré de perfection élevé que chez certains orateurs. Pour les auditeurs, par contre, il s’agit d’un public profane, qui ne possède donc pas nécessairement de connaissances rhétoriques particulières. Pour les approches traditionnelles au changement linguistique, par contre, le champ d’études est différent. Ici, il faut tout d’abord reconnaître que les phénomènes de changements linguistiques sont souvent traités en faisant abstraction des usages particuliers des formes linguistiques, c’est-à-dire en analysant les changements au niveau du système linguistique. Toutefois, on a également souligné que, pour expliquer les changements en question, on est obligé d’avoir recours au niveau des locuteurs individuels et de leurs discours particuliers (principe de l’individualisme méthodologique). C’est-à-dire qu’il faut analyser l’usage 1 D’autres champs d’application d’une telle approche interdisciplinaire seraient la synecdoque (cf. Koch/ Winter-Froemel 2009) et la catachrèse (cf. Winter-Froemel 2009, 293- 315; Onysko/ Winter-Froemel 2011). Festschrift_V-435_End.indd 229 20.05.11 14: 36 <?page no="256"?> 230 Esme Winter-Froemel que font les locuteurs individuels des formes, les intentions et les facteurs qui guident les locuteurs dans leur choix d’une forme particulière (cf. Coseriu 1958; Keller 1994; Croft 2000; Winter-Froemel 2008; 2009, 185-189). Dans les analyses de ce type, l’accent est donc mis sur la communication quotidienne, suivant le constat que la grande majorité des changements linguistiques constitue des phénomènes qui remontent à l’usage quotidien du langage. Par exemple, empruntant le concept de la „main invisible“, Keller avance que les changements linguistiques s’expliquent ordinairement comme des évolutions qui sont dues à l’usage intentionnel que font les locuteurs du langage (mais sans que les locuteurs soient conscients de participer à un changement en cours; ainsi, ils changent la langue sans la moindre intention ni la moindre conscience de le faire). En ce qui concerne les situations de communication analysées, la linguistique inclut toute une gamme de situations différentes: contrairement à la rhétorique classique, où la situation standard est celle d’une communication orale de „one to many“ (un locuteur - un ensemble d’auditeurs), des situations de communication dialogique („one to one“) jouent également un rôle important en linguistique. Malgré ces orientations privilégiées de la rhétorique et de la linguistique, il faut toutefois reconnaître que les réflexions faites dans les deux disciplines se veulent générales, de façon à être applicables à des situations de communication très différentes. A priori, il semble donc possible, pour toute situation de communication, de l’analyser selon des paramètres rhétoriques et linguistiques, et d’exploiter ainsi le potentiel d’une perspective interdisciplinaire. Un seul prérequis existe néanmoins: celui de rendre comparables les différentes situations de communication qui peuvent être prises en considération. Dans une telle entreprise, un critère central est celui de l’immédiat communicatif/ la distance communicative, cette opposition reposant elle-même sur une série de paramètres qui permettent d’analyser de façon très nuancée différentes situations de communication (Koch/ Oesterreicher 1990, 8-12; 2007, 25-35). 2.2 La perspective de l’orateur/ du locuteur Comme nous venons de le voir, le rôle du locuteur est occupé en rhétorique par des orateurs qui se caractérisent par leur usage habile de la langue à des fins communicatives précises, c’est-à-dire qu’il s’agit de locuteurs qui possèdent des capacités particulières qu’ils appliquent de façon réfléchie et consciente dans des discours publics. La linguistique, par contre, s’intéresse surtout aux locuteurs „ordinaires“ et à l’usage quotidien de la langue. Malgré cette divergence, on peut toutefois rapprocher les deux disciplines par le concept de la „rhétorique quotidienne“ (Alltagsrhetorik, Stempel 1983, cf. Koch 1994). En introduisant ce concept, Stempel insiste sur le fait que les énoncés produits dans le langage quotidien, aussi bien que les discours rhétoriques, sont caractérisés par un usage intentionnel de moyens linguistiques à des fins précises, comme p.ex. l’expressivité (cf. l’exemple suivant d’une hyperbole qui apparaît dans la langue quotidienne). (1) J’oublie tout. (cf. Stempel 1983) Festschrift_V-435_End.indd 230 20.05.11 14: 36 <?page no="257"?> Les tropes et le changement linguistique 231 Ainsi, des figures comme l’hyperbole, la métonymie, la métaphore, etc. apparaissent aussi dans le langage quotidien. Le locuteur peut s’en servir pour démontrer sa créativité, pour augmenter l’attention de l’interlocuteur, pour montrer son esprit etc., mais cela n’implique pas que le locuteur soit nécessairement capable de réfléchir consciemment sur les techniques qu’il applique, et de les rendre explicites. De même, la sémantique, surtout d’empreinte cognitive, s’est vivement intéressée à des phénomènes comme la métaphore et la métonymie. De façon générale, on peut constater que ces phénomènes sont envisagés en linguistique sous un angle partiellement différent de celui de la rhétorique, dans la mesure où on s’intéresse surtout aux principes d’association sous-jacents à ces phénomènes - notamment la similarité et la contiguïté. 2.3 La perspective de l’auditoire/ de l’auditeur En ce qui concerne l’auditeur, on peut d’abord constater que la rhétorique aussi bien que la linguistique actuelle reconnaissent son importance fondamentale pour la communication. Premièrement, les énoncés peuvent se concevoir comme des actes humains par lesquels le locuteur veut influencer l’interlocuteur d’une certaine façon, et par là, ce dernier est essentiel pour définir la finalité de l’énoncé particulier. Deuxièmement, le locuteur doit, pour arriver à ce but, anticiper certaines connaissances et certaines attitudes de l’interlocuteur. Il doit, par exemple, anticiper des connaissances linguistiques pour décider s’il peut employer ou non un certain terme technique; de même, il doit anticiper certaines connaissances extralinguistiques pour décider dans quelle mesure il doit expliquer certains faits qui sont essentiels pour la communication, etc. Pour les attitudes anticipées de l’interlocuteur, il peut s’agir, par exemple, de jugements esthétiques (dans un sens très large) qui se rapportent à la façon dont le locuteur façonne son message (le message contient-il des expressions qui pourraient être jugées indécentes? est-il réalisé dans un style qui pourrait apparaître comme trop pompeux? etc.). Malgré cette orientation commune, on relève toutefois une divergence partielle entre la rhétorique traditionnelle et certaines approches de la linguistique récente: la rhétorique est principalement orientée vers le locuteur, et, en principe, elle ne s’intéresse à l’interlocuteur que dans la mesure où le locuteur doit tenir compte de ses connaissances et de ses attitudes, de sorte que seul le locuteur reste la partie vraiment active de l’échange communicatif. En linguistique récente, par contre, on a fait des efforts considérables pour souligner que l’auditeur joue, lui aussi, un rôle actif dans la communication. En premier lieu, on a insisté sur le fait qu’il peut donner (ou non) des signaux de ratification au fil de l’énoncé entier, et qu’il peut ainsi signaler activement s’il a compris et s’il accepte cet énoncé. 2 Au niveau théorique, l’importance de l’auditeur se 2 Évidemment, ce constat n’est vrai que pour les situations de communication dialogique, qui se caractérisent par la possibilité pour l’interlocuteur de participer activement à la communication (cf. Koch/ Oesterreicher 1990, 9; 2007, 27). Festschrift_V-435_End.indd 231 20.05.11 14: 36 <?page no="258"?> 232 Esme Winter-Froemel reflète dans des concepts comme le current discours space (Langacker 2001, 144). En introduisant ce concept, Langacker met l’accent sur le fait que l’auditeur, au même titre que le locuteur, contribue à définir le „cadre“ de la communication, et il en résulte une vision plus symétrique de la communication. De même, on note une forte tendance dans les travaux en pragmatique à analyser principalement la communication dialogique. Ainsi, pour différents courants de la linguistique contemporaine, le dialogue représente la situation de communication standard, qui est mise au centre des analyses. Ces tendances récentes impliquent que l’on insiste sur la mutualité des rapports entre le locuteur et l’auditeur, et il en résulte une vision plus dynamique de la communication. Ensuite, les travaux sur le changement linguistique ont élaboré la notion de changements par réanalyse (cf. Detges/ Waltereit 2002; Koch 2002), qui se caractérisent par le fait d’être induits par l’auditeur (hearer-induced change; cf. Koch 2004, 42-45). Ces phénomènes constituent donc un type de changement tout à fait particulier, qui s’explique différemment des autres types de changement: contrairement aux changements induits par le locuteur, c’est ici l’auditeur qui joue le rôle actif, et les changements ne s’expliquent que par des procédés mentaux (procédés d’interprétation, ou bien de réinterprétation/ réanalyse) de la part de l’interlocuteur. Par ailleurs, il semble intéressant de noter que les changements par réanalyse concernent surtout deux types de relations cognitives (à part l’identité): la contiguïté (ex. 2) et les relations taxinomiques (ex. 3), ces relations pouvant être rapprochées des tropes de la métonymie et de la synecdoque respectivement. 3 Renouant avec la rhétorique, il se pose ainsi la tâche d’exploiter les implications d’une perspective interdisciplinaire pour des analyses de tels phénomènes. (2) lt. focus FOYER OÙ BRÛLE UN FEU → FEU (cf. Koch 1999, 155-156; Detges/ Waltereit 2002, 164) (3) angl. people GENS → fr. people CÉLÉBRITÉS (cf. Winter-Froemel 2009, 387-395) 2.4 Les tropes et les stades et facteurs du changement linguistique Si on revient à la conception rhétorique des tropes, on constate que cette notion inclut deux aspects bien différents: d’une part, les tropes sont des écarts de l’usage conventionnel de la langue. Il s’agit donc premièrement d’emplois 3 Pour être plus précis, il faudrait parler ici des synecdoques du genre et de l’espèce, qui représentent un des trois sous-types principaux de ce trope selon la tradition rhétorique (les autres sous-types étant les synecdoques de la partie et du tout et les synecdoques du nombre; Meyer 1993; Koch/ Winter-Froemel 2009, 357). Vu l’hétérogénéité de ces sous-types, on pourrait encore relever la question de savoir si la synecdoque représente vraiment un trope unique, ou, en d’autres mots, si les trois sous-types devraient vraiment être regroupés dans une catégorie unique. Dans une optique linguistique, il semblerait également plausible de situer les synecdoques de la partie et du tout à l’intérieur des métonymies, en leur attribuant un statut particulier à l’intérieur de cette catégorie du fait de l’importance fondamentale des relations partie - tout dans la synchronie et dans l’évolution diachronique des langues. De cette façon, des critères linguistiques pourraient contribuer à raffiner et à réorganiser les définitions des tropes de la synecdoque et de la métonymie qui ont été proposées dans la tradition rhétorique. Festschrift_V-435_End.indd 232 20.05.11 14: 36 <?page no="259"?> Les tropes et le changement linguistique 233 singuliers, ou bien, d’innovations qu’effectue un locuteur particulier dans un discours particulier. D’autre part, toutefois, les tropes peuvent aussi désigner des tours fixes, c’est-à-dire, des usages figuratifs qui sont devenus conventionnels. Cette fois-ci, ils ont déjà acquis un caractère conventionnel qui dépasse le niveau du discours actuel. Pour éclaircir encore mieux la différence fondamentale qui existe entre les deux aspects, on peut faire référence aux différents stades du changement linguistique. On distingue traditionnellement entre l’innovation linguistique d’une part, et le changement linguistique „proprement dit“ d’autre part, en soulignant que la seule innovation ne représente pas encore un changement de la langue (Coseriu 1958, 45). Ce constat se justifie par le fait qu’une innovation particulière ne doit pas nécessairement se propager au sein de la communauté linguistique, mais qu’elle peut également rester un écart individuel et, à la longue, passer à l’oubli. De nombreux auteurs ajoutent donc la propagation comme troisième stade du changement linguistique, qui se situe entre l’innovation et le changement accompli. Or, on peut montrer que le concept d’un tel stade intermédiaire reste mal défini: s’agit-il d’un procédé qui est, pour ainsi dire, hors d’atteinte des locuteurs individuels (parce qu’il s’agit d’une évolution au sein de la communauté linguistique tout entière), ou s’agit-il plutôt des actes d’autres locuteurs individuels qui contribuent à propager l’innovation? Pour remédier au manque de clarté que nous venons de constater, il semble utile de se rappeler que l’innovation et le changement représentent deux types de phénomènes bien divers, qui s’analysent selon une méthodologie tout à fait différente. Leur différence s’exprime facilement grâce à la distinction de trois niveaux d’analyse linguistique proposée par Coseriu (1958; cf. Koch 2005a, 248): niveau universel, niveau historique et niveau individuel/ actuel. Ainsi, l’innovation représente un phénomène individuel, qui se situe donc au niveau individuel/ actuel et qui s’étudie dans des énoncés (textes ou discours) particuliers. Ici, l’innovation s’oppose à un usage linguistique qui est conforme à la convention linguistique existante. Le changement, par contre, concerne la langue en tant que système global, et la notion de changement implique que l’on passe d’un état de système ancien à un nouvel état de système (ou bien à une nouvelle convention). Ainsi, le changement se définit par une comparaison de deux états synchroniques de la langue - si on constate un écart, cela implique qu’il y eu un changement. Ce qui est donc fondamental ici, c’est la langue en tant que système synchronique se situant au niveau historique. Si on revient au stade problématique de la „propagation“ d’une innovation, on constate que, dans les approches traditionnelles, cette notion recouvre deux aspects divers qui se différencient précisément par le niveau d’analyse respectif. Pour rendre explicite cette différence aux niveaux terminologique et conceptuel, on peut proposer de restreindre le concept de propagation à des phénomènes de l’ordre du niveau historique. En ce sens, la propagation d’une innovation concerne des phénomènes tels que la diffusion relative d’une certaine forme au Festschrift_V-435_End.indd 233 20.05.11 14: 36 <?page no="260"?> 234 Esme Winter-Froemel sein de la communauté linguistique. À ce terme s’oppose ensuite celui de l’adoption d’une innovation, terme qui se conçoit comme un phénomène de l’ordre du niveau individuel/ actuel. Ainsi, la propagation d’une innovation implique qu’il y a eu une série d’adoptions particulières de l’innovation; méthodologiquement, ces adoptions doivent également s’étudier dans des énoncés (textes ou discours) particuliers. Pour conclure, on peut proposer le modèle compréhensif du changement linguistique qui est illustré dans la Fig. 1 (cf. Winter-Froemel 2008, 241; 2009, 209); ce modèle peut ainsi également servir à situer de façon précise les différents phénomènes étudiés en rhétorique. niveaux d’analyse stades du changement linguistique niveau historique changement du système de la langue, nouvelle convention propagation de l’innovation niveau individuel/ actuel adoptions de l’innovation innovation vs. usage conforme à la convention Fig. 1: Stades du changement linguistique et niveaux d’analyse 3 Applications interdisciplinaires: l’ambiguïté, un phénomène omniprésent dans le changement linguistique Après ces réflexions théoriques, essayons maintenant d’approfondir le potentiel d’une perspective interdisciplinaire à partir de phénomènes d’ambiguïté. Les phénomènes d’ambiguïté sont traités en rhétorique sous différents termes: ambiguïté (ambiguitas), amphibolie (amphibolia), aequivocum, homonymum. Une première distinction importante dans notre contexte a été introduite par Quintilien, qui oppose l’ambiguïté dans un seul mot d’une part et l’ambiguïté dans un groupe de mots d’autre part: „aut enim vocibus accidit singulis aut coniunctis“ (Quintilien VII,9,1). Les réflexions suivantes seront dédiées essentiellement à l’ambiguïté lexicale, c’est-à-dire au premier de ces deux types. En ce qui concerne les effets de l’ambiguïté dans la communication, Quintilien souligne que des énoncés ambigus contredisent l’idéal de la clarté (perspicuitas) et représentent par là un cas d’obscurité (obscuritas), donc, un vice (cf. Quintilien VIII,2,13). Ainsi, selon Quintilien, un homonyme comme le lt. taurus „ne sera pas compris, s’il n’est précisé qu’il s’agit de l’animal ou de la montagne ou du signe du ciel ou d’un nom d’homme ou de la racine d’un arbre“ (Quintilien VIII,2,13). Toutefois, on peut faire l’objection que ce constat est certes vrai si on considère le mot isolé, mais que dans la communication il ne pose normalement pas de problèmes, car le contexte suffit à déterminer le sens dans lequel le mot Festschrift_V-435_End.indd 234 20.05.11 14: 36 <?page no="261"?> Les tropes et le changement linguistique 235 taurus est utilisé. 4 De plus, Quintilien reconnaît également que l’usage intentionnel de l’ambiguïté peut produire un bel effet (cf. Quintilien VI,3,48), de sorte qu’elle peut aussi fonctionner comme un ornement (ornatus). Ces constats peuvent être repris dans une perspective linguistique: la conception de l’ambiguïté comme un défaut se retrouve dans les approches traditionnelles qui soulignent la nécessité de désambiguïser des énoncés ambigus; ce que l’on note ici, c’est qu’il s’agit toujours d’ambiguïtés préexistantes. En ce qui concerne le domaine du changement linguistique, il faut mentionner surtout le concept des „homonymies gênantes“ (cf. Gilliéron/ Roques 1912; Campbell 1998, 292-294), qui sont vues comme une source importante du changement lexical. 5 Pour les ambiguïtés volontairement recherchées par l’orateur/ le locuteur, on peut se demander si ce n’est pas plutôt l’introduction de nouvelles ambiguïtés de ce type qui joue un rôle primordial dans le changement linguistique. Ainsi, on peut se poser la question de savoir comment - à quelles conditions - l’ambiguïté peut fonctionner dans le discours sans représenter un obstacle qui gêne la communication jusqu’à la faire échouer. Ici on peut encore se référer à deux aspects relevés dans la rhétorique: premièrement, on peut revenir aux catachrèses, qui introduisent une nouvelle ambiguïté dans la langue, et qui sont justifiées par l’absence d’un mot adéquat pour désigner le concept en question (cf. l’ex. 4). Dans ce type d’innovations, à priori, on ne note pas d’effets pragmatiques spéciaux. Deuxièmement, l’introduction d’une ambiguïté peut aussi être motivée et justifiée par des fins esthétiques. En termes de changement linguistique ces derniers motifs sont repris par toute une série de facteurs pragmatiques qui expliquent des innovations linguistiques par le fait que le locuteur veut formuler un énoncé intéressant, extravagant, etc. Ainsi, des innovations comme l’ex. 5 déclenchent de forts effets pragmatiques - il s’agit d’emplois expressifs ou volontairement divergents de l’usage établi (cf. Winter- Froemel 2009, 293-315; Onysko/ Winter-Froemel 2011). (4) angl. mouse SOURIS ( ANIMAL ) → angl. mouse SOURIS ( APPAREIL TECHNIQUE ) (5) fr. citrouille COURGE → fr.fam. citrouille TÊTE (à côté du fr. tête) Insistons finalement sur une question d’ordre général: les relations entre l’ambiguïté et le changement linguistique en tant que tel. Dans les approches traditionnelles au changement linguistique, le terme d’ambiguïté joue tout au plus un rôle inférieur; inversement, les approches linguistiques à l’ambiguïté ne s’appliquent généralement pas à des réflexions sur le changement linguistique. Toutefois, la tradition rhétorique suggère que l’on peut établir de fortes relations immédiates entre ces deux domaines de recherche. Ainsi, les phénomènes d’ambiguïté peuvent être reconduits à deux sources principales (cf. Lausberg 1967, 54/ § 140,3 et 56/ § 147-148): premièrement, il s’agit de nouveaux emplois (tropiques) qui 4 Cf. la note complémentaire de J. Cousin dans son édition de Quintilien (p. 279). 5 Toutefois, il reste à prouver que ce principe est vraiment fondamental pour expliquer un nombre important de phénomènes de changement (cf. les critiques fondamentales qui ont été formulées contre ce principe, voir entre autres Koch 2005b, 234 et 239-240). Festschrift_V-435_End.indd 235 20.05.11 14: 36 <?page no="262"?> 236 Esme Winter-Froemel s’ajoutent à l’emploi conventionnel du mot au sens propre, donnant lieu à une ambiguïté entre le sens propre et le sens tropique (ex. 6, cf. aussi ex. 4 et 5) ou bien, entre plusieurs sens tropiques d’un même mot (ex. 7). Ces phénomènes renvoient donc au domaine des changements sémantiques. (6) lt. ferrum FER / ÉPÉE (7) fr. cancer TUMEUR / SIGNE DU ZODIAQUE Deuxièmement, de nouvelles ambiguïtés peuvent résulter de changements phonétiques (ex. 8), de formations de mots (ex. 9) ou d’emprunts (ex. 10; tous exemples pris de Lausberg 1967, 56; cf. PR, DHLF), de sorte que l’on retrouve ici tous les types principaux du changement linguistique. (8) fr. les vers: lt. versum → fr. vers UNITÉ RYTHMIQUE / lt. vermis → fr. ver VER DE TERRE (par réfection d’après le pluriel vers de l’a.fr. verme/ verm) (9) fr. dépister RETROUVER QQN EN SUIVANT SA TRACE (cf. le fr. découvrir)/ DÉTOURNER QQN DE LA PISTE (cf. le fr. dérouter) (10) fr. canon PIÈCE D ’ ARTILLERIE (emprunté à l’it. cannone)/ ENSEMBLE DES LIVRES SACRÉS (emprunté au lt. canon) Maintenant, ce qui semble fondamental pour l’étude de ces phénomènes, c’est que l’on peut, selon la distinction introduite en 2.4, opposer deux façons de considérer l’ambiguïté: l’ambiguïté dans le discours - qui se situe au niveau individuel/ actuel - et l’ambiguïté dans le système de la langue - qui se situe au niveau historique. Ce qui rend particulièrement intéressants les phénomènes que nous venons de présenter, c’est que l’on constate ici une interaction entre les deux types d’ambiguïté: premièrement, les ambiguïtés (préexistantes) dans le système de la langue peuvent se refléter dans des ambiguïtés dans le discours (cf. ex. 11, ou louer peut s’interpréter ou bien au sens de ‚donner contre loyer‘ ou bien au sens de ‚prendre contre loyer‘). Bien souvent, pourtant, le contexte suffit à désambiguïser un mot potentiellement ambigu, de sorte que l’ambiguïté dans le système de la langue ne se reflète pas au niveau du discours actuel (cf. ex. 12, où seul le sens de ‚prendre contre loyer‘ semble plausible). (11) Pierre a loué ce garage pour cent euros. (12) Pierre a loué ce garage pour cent euros. Il en a besoin pour garer sa voiture. Un deuxième type de phénomène, toutefois, semble de loin plus important: il s’agit du fait que de nouvelles ambiguïtés peuvent apparaître dans le discours (stade I, cf. Fig. 2) et ensuite devenir conventionnelles, de sorte que des mots jusque-là non ambigus deviennent ambigus dans le système de la langue (stade II, cf. Koch 2004). Ainsi, l’ambiguïté dans le système de la langue se présente comme un stade fondamental de tous les changements sémantiques (et aussi de certains autres phénomènes de changement, voir supra). 6 Dans un troi- 6 Par ailleurs, d’un point de vue méthodologique, il est intéressant de noter que ces changements linguistiques s’observent plus facilement à partir d’emplois discursifs où le mot n’est pas ambigu et où il ne peut s’interpréter que dans le nouveau sens (mais à ce stade, le mot reste potentiellement ambigu au niveau du système de la langue). Festschrift_V-435_End.indd 236 20.05.11 14: 36 <?page no="263"?> Les tropes et le changement linguistique 237 sième stade, qui est toutefois optionnel, cette ambiguïté peut ensuite se perdre par des changements ultérieurs, p.ex. si un des sens se perd (en ce cas, il s’agit d’un changement linguistique „réductif“, qui s’oppose ainsi aux changements „innovateurs“, cf. Blank 1997, 113). niveau individuel/ actuel du discours niveau historique du système de la langue stade I emploi tropique, introduction d’une nouvelle ambiguïté pas d’ambiguïté du mot dans le système de la langue adoptions de l’innovation propagation de l’innovation/ conventionnalisation stade II emplois ambigus et emplois non ambigus du mot nouvelle ambiguïté du mot dans le système de la langue Fig. 2: L’introduction de nouvelles ambiguïtés dans une perspective interdisciplinaire Pour conclure, une perspective interdisciplinaire qui rapproche les réflexions faites en rhétorique et en théorie du changement linguistique peut fournir une vision plus compréhensive des phénomènes en question. Plus particulièrement, une telle perspective peut aider à découvrir de nouveaux types d’ambiguïté qui ne sont pas pris en considération dans les approches traditionnelles ou qui, du moins, ne sont pas traités dans un cadre unique de recherche. 7 4 Conclusion Les réflexions que nous venons de faire ont été destinées à examiner les relations que l’on peut établir entre la conception rhétorique des tropes d’une part et les théories du changement linguistique d’autre part. On a essayé de montrer qu’il existe un vaste potentiel d’apports mutuels entre ces deux disciplines. De tels rapprochements présupposent toutefois certaines précisions théoriques et méthodologiques, qui ont été formulées à partir de quatre aspects fondamentaux; ces aspects concernent l’architecture globale des situations de communication analysées, l’identité du locuteur et de l’interlocuteur et les différents stades du changement linguistique. Ces points éclaircis, les phénomènes d’ambiguïté ont été présentés comme un exemple d’application de nos réflexions théoriques. On a essayé de montrer qu’une telle approche interdisciplinaire, informée à la fois par la tradition rhétorique et par les recherches linguistiques, permet d’exploiter de nouveaux champs d’application des catégories rhétoriques et qu’elle permet de faire certaines précisions terminologiques et conceptuelles qui s’avèrent fondamentales pour étudier les phénomènes en question. 7 Pour de telles approches „synthétiques“, qui visent à réunir différents types d’ambiguïté fonctionnant de manière très diverse du point de vue des interlocuteurs, cf. Bauer/ Knape/ Koch/ Winkler (2010) et Winter-Froemel/ Zirker (2010). Festschrift_V-435_End.indd 237 20.05.11 14: 36 <?page no="264"?> 238 Esme Winter-Froemel 5 Bibliographie Bauer, M./ Knape, J./ Koch, P./ Winkler, S. (2010): „Dimensionen der Ambiguität“, in Zeitschrift für Linguistik und Literaturwissenschaft 158, 7-75. Blank, A. (1997): Prinzipien des lexikalischen Bedeutungswandels am Beispiel der romanischen Sprachen (= Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie, 285), Tübingen, Niemeyer. Campbell, L. (1998): Historical Linguistics. An Introduction, Edinburgh, Edinburgh University Press. Coseriu, E. (1958): Sincronía, diacronía e historia. El problema del cambio lingüístico, Montevideo, Universidad de la República (Reimpresión fotomecánica, Tübingen 1969). Croft, W. (2000): Explaining Language Change. An Evolutionary Approach, Essex, Pearson Education Limited. Detges, U./ Waltereit, R. (2002): „Grammaticalization vs. Reanalysis: A Semantic-Pragmatic Account of Functional Change in Grammar“, in Zeitschrift für Sprachwissenschaft 21, 151-195. DHLF = Rey, A. (1998): Dictionnaire historique de la langue française. 3 vols, Paris, Dictionnaires Le Robert. Gilliéron, J./ Roques, M. (1912): Études de géographie linguistique d’après l’Atlas Linguistique de la France, Paris, Champion. Jakobson, R. (1956): „Two aspects of language and two types of aphasic disturbances“, in Jakobson, R./ Halle, M. (éds.): Fundamentals of Language, Den Haag/ Paris, 67-96. Keller, R. ( 2 1994 [1990]): Sprachwandel. Von der unsichtbaren Hand in der Sprache, Tübingen, Francke. Koch, P. (1994): „Gedanken zur Metapher - und zu ihrer Alltäglichkeit“, in Sabban, A./ Schmitt, C. (Hgg.): Sprachlicher Alltag. Linguistik - Rhetorik - Literaturwissenschaft. Festschrift für Wolf-Dieter Stempel, 7. Juli 1994, Tübingen, Niemeyer, 201-225. Koch, P. (1999): „Frame and contiguity. On the cognitive bases of metonymy and certain types of word formation“, in Panther, K.-U./ Radden, G. (éds.): Metonymy in language and thought, Amsterdam, 233-253. Koch, P. (2001): „Metonymy: Unity in diversity“, in Journal of Historical Pragmatics 2, 201- 244. Koch, P. (2002): „‚Il ne me faut plus nule rien‘. Changement sémantique, métataxe et réanalyse“, in Syntaxe & Sémantique 4: Valence: perspectives allemandes, 67-108. Koch, P. (2004): „Metonymy between pragmatics, reference, and diachrony“, in metaphorik. de 07, 6-54 [http: / / www.metaphorik.de]. Koch, P. (2005a): „Ein Blick auf die unsichtbare Hand. Kognitive Universalien und historische romanische Lexikologie“, in Stehl, T. (éd.), Unsichtbare Hand und Sprecherwahl. Typologie und Prozesse des Sprachwandels in der Romania, Tübingen, Narr, 245- 275. Koch, P. (2005b): „Sprachwandel und Sprachvariation“, in Schrott, A./ Völker, H. (Hgg.), Historische Pragmatik und historische Varietätenlinguistik in den romanischen Sprachen, Göttingen, Universitätsverlag Göttingen, 229-254. Koch, P./ Oesterreicher, W. (1990): Gesprochene Sprache in der Romania: Französisch, Italienisch, Spanisch (= Romanistische Arbeitshefte, 31), Tübingen, Niemeyer. Koch, P./ Oesterreicher, W. (2007): Lengua hablada en la Romania: Español, francés, italiano, Madrid, Gredos. Koch, P./ Winter-Froemel, E. (2009): „Synekdoche“, in Ueding, G. (éd.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 9, Tübingen, Niemeyer, 356-366. Langacker, R.W. (2001): „Discourse in Cognitive Grammar“, in Cognitive Linguistics 12/ 2, 143-188. Lausberg, H. ( 3 1967 [1963]): Elemente der literarischen Rhetorik, München, Hueber. Meyer, B. (1993/ 1995): Synecdoques. Étude d’une figure de rhétorique, 2 vols, Paris, L’Harmattan. Festschrift_V-435_End.indd 238 20.05.11 14: 36 <?page no="265"?> Les tropes et le changement linguistique 239 Onysko, A./ Winter-Froemel, E. (2011): „Necessary loans - luxury loans? Exploring the pragmatic dimension of borrowing“, in Journal of Pragmatics 43, 1550-1567. PR = Rey, A./ Rey-Debove, J. (2000): Le nouveau Petit Robert. Dictionnaire alphabétique et analogique de la langue française, Paris, Dictionnaires Le Robert. Quintilien = Quintilien, Institution oratoire, Texte établi et traduit par J. Cousin, Paris, Les Belles Lettres 1975-1980, 7 tomes. Stempel, W.-D. (1983): „‚Ich vergesse alles‘. Bemerkungen zur Hyperbolik in der Alltagsrhetorik“, in Faust, M. et al. (éd.): Allgemeine Sprachwissenschaft, Sprachtypologie und Textlinguistik. Festschrift für P. Hartmann, Tübingen, Narr, 87-98. Ullmann, S. ( 2 1957 [1951]): The Principles of Semantics, Oxford, Blackwell. Ullmann, S. (1962): Semantics. An Introduction to the Science of Meaning, Oxford, Blackwell. Winter-Froemel, E. (2008): „Towards a Comprehensive View of Language Change. Three Recent Evolutionary Approaches“, in Detges, U./ Waltereit, R. (éds.): The Paradox of Grammatical Change. Perspectives from Romance (= Current Issues in Linguistic Theory 293), Amsterdam, Philadelphia, Benjamins, 215-250. Winter-Froemel, E. (2009): Entlehnung und Lehnwortintegration aus der Perspektive der Sprachbenutzer. Theorie und Fallstudien zum Französischen, Dissertationsschrift, Universität Tübingen (manuscrit). Winter-Froemel, E./ Zirker, A. (2010): „Ambiguität in der Sprecher-Hörer-Interaktion. Linguistische und literaturwissenschaftliche Perspektiven“, in Zeitschrift für Linguistik und Literaturwissenschaft 158, 76-97. Festschrift_V-435_End.indd 239 20.05.11 14: 36 <?page no="266"?> Festschrift_V-435_End.indd 240 20.05.11 14: 36 <?page no="267"?> Kognitive und Historische Semantik Festschrift_V-435_End.indd 241 20.05.11 14: 36 <?page no="268"?> Festschrift_V-435_End.indd 242 20.05.11 14: 36 <?page no="269"?> H EIDI A SCHENBERG Les marqueurs du discours dans les dictionnaires spécialisés: sémasiologie et onomasiologie 1 Remarques préliminaires Depuis plus de trois décennies, les marqueurs du discours (MD) 1 constituent un sujet d’intérêt linguistique de première importance. 2 La diversité de leurs dénominations terminologiques et de leurs classifications fonctionnelles reflètent la complexité de ce sujet de recherche situé à l’interface de la grammaire, de la sémantique et de la pragmatique. Les linguistes, comme chacun sait, sont unanimes à affirmer que les MD sont difficiles à catégoriser, et ceci aux différents niveaux du langage: 1) au niveau du langage en général: il n’y a pas de consensus quant à la définition générale des MD. On constate plutôt une grande diversité terminologique et une classification hétérogène des sous-classes de cette catégorie; 3 2) au niveau des langues historiques: quant à leur fonction syntaxique, les MD appartiennent presque toujours „à plus d’une classe grammaticale“; 4 en ce qui concerne leurs signifiés, ils se distinguent à la fois des mots lexicaux et des mots grammaticaux, 5 d’où la discussion controversée de leur statut sémantique et la définition cruciale de leur signification en tant que type. Nous allons revenir sur cette question; 3) au niveau du texte ou de l’acte de communication: la polyfonctionnalité pragmatique et la grande sensibilité au contexte des MD rendent difficile la délimitation de leurs fonctions en tant que token. Malgré ces difficultés, les MD ont été répertoriés depuis les années quatrevingts dans des dictionnaires spécialisés de conception différente. 6 Vu l’instabilité sémantique et pragmatique de ces ‚mots difficiles‘, les lexicographes doivent trouver des solutions pour rendre compte de leur caractère particulier 1 Nous employons ce terme avec le sens d’un hypéronyme qui englobe différentes sousclasses (voir Martín Zorraquino/ Portolés Lázaro 1999, 4051-4213 et Martín Zorraquino 2006, 42- 64. María Antonia Martín Zorraquino et José Portolés distinguent les sousclasses suivantes: les marqueurs structurant l’information, les connecteurs, les réformulateurs, les opérateurs argumentatifs et les marqueurs conversationnels (voir Martín Zorraquino/ Portolés Lázaro 1999, 4081 s.). 2 En ce qui concerne l’histoire de la recherche des MD voir Martín Zorraquino (2006) et Loureda Lamas/ Acín Villa (2010). 3 Voir Koch/ Oesterreicher (2007, 77). 4 Voir Métrich (1993, 162). 5 Voir Métrich/ Faucher/ Courdier (1998, 3). 6 Les premiers glossaires ou dictionnaires des „ particules“ ont été réalisés par des germanistes, à savoir par Weydt et Hentschel (1983, 3-19); et par Helbig (1988/ 3 1994). Festschrift_V-435_End.indd 243 20.05.11 14: 36 <?page no="270"?> 244 Heidi Aschenberg aussi bien en tant que type qu’en tant que token. Les questions qui se posent sont évidentes: Comment les lexicographes résolvent-ils le problème de la définition et de la contextualisation des MD? Et quel est, dans ce processus, le rôle des analyses onomasiologique et sémasiologique, inéluctable lors de la confection d’un dictionnaire? 2 Signifié et sens des marqueurs du discours Quoique nous ne disposions pas d’une définition généralement acceptée des MD, les linguistes sont d’accord pour leur attribuer les propriétés suivantes: 1) les MD sont morphologiquement invariables; 2) ils ne changent pas la valeur de vérité d’un énoncé; 3) ils modifient l’acte de communication. 7 Revenons maintenant sur le mode de signifier de ces éléments d’expression. Il n’y a pas de doute que les MD manquent de contenu référentiel, c’est-à-dire qu’ils ne sont pas autosémantiques comme le sont les mots lexicaux. Néanmoins, ils ne sont pas sémantiquement vides. Ils fonctionnent selon un mode synsémantique, en ajoutant au sens propositionnel de l’énoncé un sens supplémentaire. Partant de la Théorie de l’argumentation et de la Théorie de la relevance, María Antonia Martín Zorraquino et José Portolés Lázaro ont proposé dans leur article publié dans la Gramática descriptiva de la lengua española (1999) la définition suivante, qui a eu une grande influence sur la recherche d’ailleurs très abondante sur les MD en Espagne: La forma de significar de los marcadores del discurso constituye, asimismo, un aspecto muy importante de su descripción. Ya hemos indicado, al señalar la invariabilidad de estos elementos, que no tienen un significado conceptual. En efecto, el significado de los marcadores del discurso es un significado de procesamiento. Consiste en una serie de instrucciones semánticas que guía las inferencias que se han de efectuar de los distintos miembros del discurso en los que aparecen estas unidades […]. Por tanto, el buen uso de un marcador, dependerá no sólo de las propiedades gramaticales […], sino también de cuál sea nuestro esfuerzo para lograr la comprensión de un discurso. 8 Selon ces auteurs, le signifié des MD est donc de type essentiellement processuel 9 composé par une série d’instructions sémantiques qui dirigent l’entendement de l’auditeur. Cette définition a d’abord l’avantage de mettre en relief la fonction éminemment pragmatique des MD en les concevant comme des liens directs entre les intentions du locuteur d’une part, et les processus de compréhension de l’auditeur, d’autre part. Mais cette définition pose à la fois des problèmes qui concernent la distinction linguistique traditionnelle entre type et token, si importante pour le travail du lexicographe. Si le signifié des marqueurs est essentiellement processuel, comment peut-on les concevoir en tant que type? 7 Voir Helbig (1988/ 3 1994, 11 ss.); Métrich (1993, 24 ss.); Métrich/ Faucher/ Courdier (1998, 10 s).; Martín Zorraquino/ Portolés Lázaro (1999, 4057); Waltereit (2006a, 3 ss). 8 Martín Zorraquino/ Portolés Lázaro (1999, 4072). 9 Portolés et Martín Zorraquino emploient le terme de significado de procesamiento. Festschrift_V-435_End.indd 244 20.05.11 14: 36 <?page no="271"?> Les marqueurs du discours dans les dictionnaires spécialisés 245 Le problème de cette définition cognitive a ses racines dans la Théorie de la Relevance de Sperber/ Wilson. Ces auteurs établissent, me semble-t-il, une division trop stricte entre, d’un côté, la signification conceptuelle (conçue comme un triple qui se compose d’une entrée logique, encyclopédique et lexicale), 10 sousjacente aux mots avec contenu référentiel, et, d’un autre côté, la signification processuelle (agissant sur le traitement de l’information), sous-jacente aux MD. 11 Quant à cette division, on peut objecter que les mots pourvus d’un contenu référentiel ont, eux aussi, comme les MD, un sens processuel dans la communication concrète, c’est-à-dire en tant que token: quel que soit le choix lexical et grammatical que fait le locuteur, ce choix guide les inférences de l’interlocuteur. Cette processualité de la compréhension de l’interlocuteur est due à la linéarité du signe linguistique et à sa gestion dans le temps. Pour cette raison, la définition des MD selon laquelle ils guident les inférences ne peut pas être considérée comme pertinente, parce que le phénomène de l’inférence vaut également pour les autres moyens d’expression employés dans le discours. Les MD, par contre, quoiqu’ils soient sémantiquement différents des mots lexicaux, doivent être considérés eux aussi comme porteurs d’une signification conceptuelle, repérable au niveau du type, sinon ils ne seraient pas capables de ‚marquer‘ le discours. Comment décrire plus clairement leur signification au niveau du type? En premier lieu, et ceci vaut pour tous les MD, ils sont porteurs d’une signification pragmatique, conventionnalisée à partir de leurs fonctions discursives. Pour rendre compte des différents modes de signification des MD au niveau du type, je propose donc de substituer la supposition d’une signification processuelle (se référant au processus concret de la gestion d’un énoncé et par là valable aussi pour les mots lexicaux) par celle d’une signification pragmatique conventionnalisée. La signification pragmatique provient, dans de nombreux cas, d’un résidu de signification sémantique. 12 Une grande partie de ces MD est issue d’adjectifs, d’adverbes, de locutions adverbiales et de syntagmes dont la fonction de mot discursif s’est établie par la voie d’une grammaticalisation et d’une pragmaticalisation. Cette histoire constitue la base de leur polyfonctionnalité synsémantique et pragmatique 13 10 Voir Sperber/ Wilson ( 2 1995, 92). 11 Voir Sperber/ Wilson ( 2 1995, 258). 12 Ceci ne vaut pas, bien sûr, pour les particules d’interjection qui ont un caractère onomatopoétique. 13 En ce qui concerne la modélisation de la polyfonctionnalité des MD, on peut distinguer selon Waltereit, comme c’est le cas pour n’importe quel élément du lexique, deux approches opposées: d’une part, l’approche monosémique selon laquelle les différentes acceptions contextuelles d’un MD sont attribuées à „ un même sens unique sous-jacent“; et d’autre part, l’approche polysémique qui considère la „ variété d’usage“ comme un „ reflet d’une multitude de sens en la langue“. L’auteur ajoute: „ Il s’agit en effet non seulement d’un problème empirique, que l’on peut résoudre d’une façon ou d’une autre selon le cas, mais aussi d’un choix d’ordre théorique ou presque idéologique. Les solutions qu’on peut trouver chez les différents auteurs sont souvent guidées moins par des arguments empiriques que par des considérations d’ordre général sur la nature des représentations sémantiques.“ (Waltereit 2006b, 145). Festschrift_V-435_End.indd 245 20.05.11 14: 36 <?page no="272"?> 246 Heidi Aschenberg et fonde, selon leur degré respectif de grammaticalisation, la conservation plus ou moins nette de leur signification lexicale originaire. 14 3 Onomasiologie et sémasiologie dans le dictionnaire L’option lexicographique entre l’approche onomasiologique ou sémasiologique concerne en premier lieu la conception globale d’un dictionnaire, et, y compris, la conception de sa macroet de sa microstructure. Selon Oskar Reichmann, l’entrée du dictionnaire onomasiologique représente un concept ou une „unité sémiotique intégrale“ (Zeichenganzheit), dont les „unités cible“ (Zieleinheiten) sont considérées comme des expressions linguistiques de l’entrée. A partir d’une perspective sémasiologique, on pourrait cependant objecter - ce que l’auteur d’ailleurs signale lui-même - que les représentations du soi-disant ‚concept‘ de départ ne sont autre chose que des synonymes du lemme. Reichmann ajoute: „Der onomasiologische Charakter eines Wörterbuchs ist demnach nur zum Teil ein vernünftigerweise nicht bestreitbares Faktum, zum Teil ist er Ergebnis der Interpretation. “ 15 Quelle conséquence relativement à l’égard de notre sujet? La conception onomasiologique d’un dictionnaire des MD ne peut pas se fonder, bien sûr, sur les contenus référentiels. Compte tenu de leur signification pragmatique, dont la base sémantique est, dans le cas d’une grammaticalisation, plus ou moins saisissable, le dictionnaire onomasiologique doit se fonder d’abord sur une classification des fonctions discursives fondamentales. Il est évident qu’une telle classification ne peut pas se passer d’analyses sémasiologiques préliminaires, car c’est seulement à partir de tels analyses qu’une classification des fonctions globales des MD est possible. 16 Dans la confection sémasiologique d’un dictionnaire, la relation entre onomasiologie et sémasiologie se présente de la façon suivante: La conception sé- 14 On peut observer dans les études récemment publiées en Espagne un changement de la conception sémantique des MD, qui met plus en relief l’aspect conceptuel de ces moyens d’expression. En se référant à des révisions analogues dans le cadre de la Théorie de la Relevance, les auteurs signalent que les deux types de signification, processuelle et conceptuelle, peuvent être à la fois présents dans un MD (voir Loureda Lamas/ Acín Villa (2010) et Murillo Ornat (2010). 15 Reichmann (1990, 1058). 16 Le recours à la sémasiologie est inéluctable dans n’importe quel travail de type onomasiologique. Dans le contexte d’une onomasiologie cognitive, Andreas Blank et Peter Koch commentent le rapport entre onomasiologie et sémasiologie de la façon suivante: „ Bevor der Onomasiologe mit seiner eigentlichen Arbeit beginnt, benötigt er ein Konzeptnetz als Ausgangspunkt. Außer in bestimmten, meist grammatikalisch ausgedrückten konzeptuellen Domänen […] wäre es ein naiver Begriffsrealismus anzunehmen, ein irgendwie geartetes - möglicherweise universales - Konzeptnetz sei von vornherein disponibel und brauche nur onomasiologisch abgefragt zu werden. Der einzig praktikable Weg zu einem Konzeptnetz führt letztlich über die Semasiologie: Man muss sich anschauen, welche Konzepte in Sprachen veranschaulicht sind.“ (Blank/ Koch 2003, 7. Voir aussi Gauger (1989, 404) qui souligne également la nécessité de combiner le procédé onomasiologique et le procédé sémasiologique. Festschrift_V-435_End.indd 246 20.05.11 14: 36 <?page no="273"?> Les marqueurs du discours dans les dictionnaires spécialisés 247 masiologique prend comme point de départ les marqueurs eux-mêmes pour analyser leurs fonctions dans des contextes précis. Si un marqueur du discours est considéré dans un dictionnaire monolingue comme variante synonymique du lemme ou, dans un dictionnaire bilingue, comme marqueur équivalent de la langue cible, on peut dire que la perspective onomasiologique est entrée en jeu. Le tertium comparationis nécessaire pour établir des relations de synonymie ou d’équivalence implique en tout cas un signifié de type onomasiologique. Quel est l’avantage ou l’inconvénient de l’une ou de l’autre démarche? Le dictionnaire onomasiologique permet de regrouper les entrées et d’élaborer les relations entre elles. 17 L’inconvénient de ce procédé, dans le cas des MD, est cependant, selon Métrich, le caractère peu „benutzerfreundlich“ du dictionnaire, en raison de la complexité des fonctions dont il faut rendre compte et de l’absence d’une disposition alphabétique facilitant l’orientation de l’usager Le dictionnaire sémasiologique, par contre, qui, en général, suit l’ordre alphabétique, facilite la consultation, mais souvent il n’arrive pas à éclaircir de façon pertinente les relations entre les différentes significations d’un marqueur polysémique. 18 De toute façon, quelle que soit l’approche, onomasiologie et sémasiologie „s’entrecroisent“, comme dit María Antonia Martín Zorraquino: Inevitablemente, los dos caminos o enfoques - semasiológico y onomasiológico - […] tienden a cruzarse: el estudio semasiológico de partículas afines permite esbozar funciones discursivas diversas […]; y el análisis onomasiológico permite agrupar a partículas afines funcionalmente y establecer identidades y diferencias entre ellas, en el interior de cada elenco funcional. 19 4 Exemples Dans les analyses qui vont suivre, je me propose de rendre compte succinctement du profil de trois dictionnaires de MD récemment publiés ou en voie de publication, à savoir: Luis Santos Río (2003): Diccionario de partículas. Antonio Briz et al.: Diccionario de partículas del español. (en voie d’élaboration). Métrich/ Eugène Faucher (2009): Wörterbuch deutscher Partikeln. 17 Métrich et Faucher commentent l’avantage du procédé onomasiologique dans la préface du Wörterbuch deutscher Partikeln ainsi: „ Geht man nämlich von Funktionen oder Sprechakten aus, können leichter Vergleiche gezogen werden, Zusammenhänge aufgedeckt oder gar kleine Systeme herausgearbeitet werden, die alle den Lerneffekt erhöhen können.“ (Métrich/ Faucher 2009, XXIV). 18 Helbig considère ce problème comme un „ Partikel-Paradoxon“: „ Die Forderung nach semantischer Darstellung des Zusammenhangs der Funktionsvarianten untereinander (d.h. nach einer übergreifenden Gesamtbedeutung) kollidiert mit der nach leichter Verständlichkeit, weil die allen Varianten gemeinsame Bedeutung so abstrakt ist, dass sie für den nur am praktischen Gebrauch interessierten Benutzer wenig nützlich ist. Die Beschreibung nur der einzelnen Funktionsvarianten indes verstellt dem Benutzer das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Varianten.“ (Helbig 3 1994, 70). L’auteur a choisi dans son propre dictionnaire le procédé onomasiologique. 19 Martín Zorraquino (2006, 46 s). Festschrift_V-435_End.indd 247 20.05.11 14: 36 <?page no="274"?> 248 Heidi Aschenberg Pour faciliter la comparaison de ces trois ouvrages, le marqueur étudié à titre d’exemple sera sin embargo et dennoch et leurs équivalents français, qui, malgré des différences sémantiques et pragmatiques fines, partagent des valeurs communes de base. Les interrogations qui guident l’analyse sont les suivantes: 1) Quelle est la définition des MD sous-jacente à la conception d’un dictionnaire? 2) Comment procèdent les dictionnaires dans la description du fonctionnement sémantique et pragmatique des MD? 3) Comment les marqueurs sont-ils définis au niveau du type? 4) De quelle manière sont liées les perspectives sémasiologique et onomasiologique dans la composition des articles? 5) Comment est conçu le tertium comparationis nécessaire à l’établissement de la relation de synonymie et à celle d’équivalence? 4.1 Luis Santos Río: Diccionario de partículas Le titre de ce dictionnaire monolingue ne correspond pas vraiment à son contenu, parce qu’il réunit à la fois trois travaux lexicographiques différents de l’auteur: un dictionnaire des adverbes terminés en -mente, un dictionnaire de ‚particules‘, et un dictionnaire syntaxique. L’auteur renonce à donner au lecteur une définition précise de la notion de particule. Il prend ses distances par rapport à la définition canonique en ajoutant simplement que son dictionnaire rassemble des observations sur des segments directement ou indirectement liés à l’organisation du discours. 20 L’article sin embargo 21 commence avec une classification qui porte sur la formation de la particule, la fonction syntaxique/ transphrastique et la signification sémantique/ pragmatique de base: „locución adverbial oracional deícticoanafórica concesiva de cohesión interproposicional“ (Santos Río 2003, 356). 22 Suivent l’indication de synonymes (no obstante, con todo, a pesar de todo etc.), des observations sur la prosodie et la syntaxe du lemme, et de nombreux exemples tirés de différents genres textuels et de la langue parlée commentés par l’auteur: 1. Sin embargo (1): „Estaba nevando intensamente; sin embargo, salió“. 2. Sin embargo (2): La deuxième acception se distingue de la première par son contenu (adversativité), et par son appartenance au registre familier. Son synonyme est en cambio. Exemple: „En Oriente se respeta mucho a los viejos; en Occidente, sin embargo (2) generalmente no“. 23 Une remarque entre crochets à la fin de l’article signale une signification commune de sin embargo 1 et 2: „Nótese que tanto sin embargo 2 como sin embargo 1 suponen, en cierto modo, contraste“, qui, dans le premier cas, est plus précisément de type concessif et, dans le second cas, de type adversatif. 24 20 Santos Río (2003, 7). 21 Santos Río (2003, 356 s). 22 Santos Río (2003, 356). 23 Santos Río (2003, 357). 24 Voir Santos Río (2003, 357). Festschrift_V-435_End.indd 248 20.05.11 14: 36 <?page no="275"?> Les marqueurs du discours dans les dictionnaires spécialisés 249 L’indication des fonctions textuelles de sin embargo 1 et 2 et de leurs significations sémantiques de base fournit à un niveau général la définition sémasiologique de la particule en tant que type dérivée préalablement de ses occurrences concrètes. La perspective onomasiologique s’ouvre avec l’indication des synonymes respectifs - la définition générale du lemme fonctionnant donc à la fois comme tertium comparationis. La remarque conclusive de l’article établit le dénominateur sémantique commun aux différentes fonctions textuelles de sin embargo 1 et 2, à savoir la contrastivité. 4.2 Antonio Briz et al.: Diccionario de partículas discursivas del español (DPDE) Les auteurs du DPDE définissent les particules discursives comme des éléments linguistiques qui guident l’interprétation du discours: „tienen un carácter más procedimental que conceptual“. 25 La solution lexicographique du DPDE quant au problème de la polyfonctionnalité consiste dans la définition d’une signification fondamentale, d’une part, et l’indication des acceptions contextuelles, d’autre part. 26 Vu la signification essentiellement pragmatique de ces éléments d’expression, Briz met en relief le caractère souvent explicatif et descriptif des définitions (s.p.). Pour ne pas compliquer les articles, les auteurs partent des fonctions discursives suivantes: 1. connexion argumentative, reformulatrice et structurante; 2. modalisation; 3. contrôle de contact (éléments phatiques) et 4. focalisation. 27 L’article sur sin embargo rédigé par José Portolés commence par une description de la fonction discursive de ce MD: „Presenta el miembro del discurso en el que aparece como una conclusión contraria a otra que se pudiera inferir a partir de un argumento anterior“. La microstructure de chaque article est la suivante: - exemples: suivent des exemples appartenant à la langue orale et à la langue écrite, tirés de différents corpus, de textes de presse et de textes littéraires, et une traduction en anglais; - prosodie: réalisation phonique d’un énoncé modèle; - documentation d’un autre usage (sin embargo: réfutation de quelque chose énoncée avant); - position dans le discours; - fonction syntaxique; - registre; - variantes moins fréquentes; - formules conversationnelles, synonymes; - indication de cas où une particule ne fonctionne pas comme MD. Il s’agit également d’un dictionnaire sémasiologique, dont le mouvement entre onomasiologie et sémasiologie est comparable à celui du Diccionario de partículas. En ce qui concerne les descriptions, celles de Portolés sont plus strictement 25 Voir Briz et al. (http: / / www.dpde.es ). 26 Voir Briz et al. (http: / / www.dpde.es ). 27 Voir Briz et al. (http: / / www.dpde.es ) . Festschrift_V-435_End.indd 249 20.05.11 14: 36 <?page no="276"?> 250 Heidi Aschenberg focalisées sur la fonction argumentative, tandis que Santos inclut également dans son analyse des catégories de la linguistique textuelle. 4.3 René Métrich/ Eugène Faucher: Wörterbuch deutscher Partikeln. Unter Berücksichtigung ihrer französischen Äquivalente Le dictionnaire bilingue Wörterbuch deutscher Partikeln est le successeur remanié du dictionnaire allemand-français Les Invariables Difficiles publié en 4 tomes entre 1992 et 2002. 28 Les auteurs considèrent les particules allemandes comme des „mots fonctionnels de la communication“ (kommunikative Funktionswörter), dont la signification particulière - ni référentielle ni morphosyntaxique - réside dans le fait qu’ils ne contribuent rien au contenu d’une proposition. Leur usage tient à l’intention du locuteur, d’une part, et à la situation et au contexte, d’autre part. 29 Quant aux fonctions pragmatiques, les auteurs en distinguent quatre: 1. connexion d’actes de langage; 2. signalement de l’attitude du locuteur par rapport à ce qui est dit ou à l’interlocuteur; 3. évaluation du contenu énoncé et 4. régulation de l’interaction. L’article sur dennoch 30 suit la disposition sous-jacente à tous les articles de ce dictionnaire: 1) classification: connecteur; 2) définition générale de sa fonction discursive: „drückt aus, dass der eingeführte Sachverhalt (B) in scharfem Gegensatz zum Vorhergehenden (A) steht“; 31 3) contexte (occurrence selon les types de phrase): phrases déclaratives, interrogatives, impératives; 4) position syntaxique: „Extraposition, Vorfeld, Mittelfeld“; 5) accentuation: forte; 6) synonymes: dessenungeachtet → doch → gleichwohl etc.; 7) particules cooccurrentes: aber, und; 8) équivalents français courants: cependant; mais; néanmoins; 9) équivalents français occasionnels: malgré tout; ne…pas moins etc. Suivent des exemples allemands tirés d’un grand corpus composé notamment de textes littéraires et de textes journalistiques qui, dans la majorité des cas, ont été traduits en français par les auteurs eux-mêmes. La classification des exemples est d’ordre syntaxique. Un bilan à la fin de l’article résume la valeur générale de dennoch et compare son fonctionnement à celui de aber. 32 28 Il est bien connu que l’allemand et le français sont à l’égard des MD des langues assez différentes: l’allemand présente au niveau du type un riche inventaire de MD, et au niveau du token un emploi fréquent dans les textes. En français, par contre, l’inventaire des marqueurs du discours n’est pas comparable à celui de l’allemand et le taux de leurs occurrences textuelles est beaucoup moins élevé qu’en allemand (sur 100 mots en allemand on trouve 13 marqueurs du discours; en français, on en trouve cependant seulement 7 sur 100, cf. Helbig 3 1994, 11). 29 Métrich/ Faucher (2009, XXI). 30 Métrich/ Faucher (2009, 203-210). 31 Métrich/ Faucher (2009, 203). 32 Métrich/ Faucher (2009, 203). Festschrift_V-435_End.indd 250 20.05.11 14: 36 <?page no="277"?> Les marqueurs du discours dans les dictionnaires spécialisés 251 Il s’agit d’un dictionnaire sémasiologique: à l’attribution de la particule à une catégorie syntaxique suit la définition de ses fonctions pragmatiques générales, qui sert de tertium comparationis et donc de point de départ onomasiologique pour répertorier les synonymes allemands et les équivalents français. Le bilan placé à la fin de l’article confirme sur la base des exemples la définition sémasiologique préliminaire de l’entrée: le cercle herméneutique se referme. 5 Conclusion Malgré les objectifs différents des dictionnaires analysés, nous pouvons percevoir dans ces ouvrages des structures analogues: Il s’agit de trois dictionnaires sémasiologiques qui, - laissons de côté leur caractère monolingue ou bilingue -, partent de conceptions différentes des MD et respectivement de délimitations divergentes de leurs fonctions. Les définitions dans les articles choisis mettent en relief les aspects suivants: 1. la fonction transphrastique et argumentative (Santos); 2. la fonction argumentative (Portolés); 3. la position syntaxique et la fonction pragmatique du MD (Métrich/ Faucher). Les procédés sous-jacents au mouvement entre sémasiologie et onomasiologie sont, en gros, comparables: classification du lemme au commencement des articles et définition générale de sa fonction discursive en tant que type. Les définitions servent à la fois de base onomasiologique pour regrouper des exemples adéquats et pour trouver des synonymes ou bien des équivalents dans la langue cible. Quelle est la nature du signifié des marqueurs du discours? En ce qui concerne la définition des connecteurs étudiés en tant que type, nous avons trouvé des notions qui indiquent des relations telles que la contrastivité, la concessivité et la contrariété. La signification conceptuelle de ce MD est donc de caractère modal ou logique et se distingue essentiellement de celle des mots lexicaux qui représentent des classes de référents, d’actions ou de qualités. 33 En tant que token, les MD sin embargo et dennoch ajoutent une valeur argumentative à la mise en rapport de deux énoncés, signalant l’attitude de l’énonciateur envers le contenu propositionnel. 34 33 Voir Blank/ Koch (2003, 1-5) qui, dans leur programme d’une onomasiologie et sémasiologie cognitive, soulignent le caractère conceptuel que l’on constate aussi pour les fonctions grammaticales. - Le fait que les linguistes ont d’abord hésité à attribuer une signification conceptuelle aux MD s’explique, me semble-t-il, par la tendance à considérer celle-ci comme prototypiquement associée aux significations lexicales. 34 Dans l’histoire de la philosophie, c’est Kant qui a été le premier à définir cet aspect de la modalité. Selon Kant, la modalité ne change rien au niveau du jugement, elle exprime seulement le rapport du sujet pensant à l’égard de l’objet en fournissant des informations sur „ das Verhältnis eines Objekts zum Verstande in seinem empirischen Gebrauche, zur empirischen Urteilskraft, und zur Vernunft (in ihrer Anwendung auf Erfahrung).“ (Kant 1968, A 219/ B 266; voir également A 233 s./ B 287 s.) Festschrift_V-435_End.indd 251 20.05.11 14: 36 <?page no="278"?> 252 Heidi Aschenberg Qu’est-ce qui en résulte pour l’analyse lexicographique? Est-ce que la description lexicographique des MD est par principe différente de celle des mots lexicaux? On peut dire, me semble-t-il, au moins ceci: les mots lexicaux des langues telles que l’allemand, le français et l’espagnol ont été répertoriés et définis depuis des siècles dans des dictionnaires unilingues et bilingues. Le signifié au niveau du type s’est constitué au cours de leur histoire à partir de leurs acceptions contextuelles et à partir d’une pratique lexicographique multiséculaire. La lexicographie spécialisée des MD a commencé dans les années quatre-vingts du siècle passé. Les expressions qu’elle répertorie ont été traitées, bien sûr, dans les dictionnaires généraux, mais pas de façon pertinente. En raison de leur grande sensibilité au contexte, les MD requièrent, en premier lieu, une riche présentation d’exemples, facilitée aujourd’hui par les grands corpus électroniques dont nous disposons. En second lieu, et pour la même raison, les MD nécessitent des commentaires métadiscursifs sur leurs qualités prosodiques, syntaxiques et transphrastiques, parce que ces qualités contribuent dans une large mesure à leur fonction respective dans un contexte donné. En ce qui concerne les mouvements entre sémasiologie et onomasiologie, ceux-ci sont comparables dans le dictionnaire général et dans les dictionnaires spécialisés. Que faut-il penser, face à la grande sensibilité au contexte des MD, de l’hypothèse selon laquelle les MD auraient une signification unique commune? S’agit-il d’une supposition née de l’effort pour traiter les mots discursifs selon le modèle des mots lexicaux? D’une illusion des lexicographes? Ou plutôt d’un reflet linguistique de procédés cognitifs sous-jacents à l’acte de communication? Une question spéculative, sans doute, qui contient tous les attraits et tous les risques de la spéculation. Le lexicographe ne peut cependant pas renoncer à l’idée qu’il existe pour chaque MD un contenu général, qui s’annonce déjà dans son attribution à une classe syntaxique et se concrétise dans sa définition pragmatique. La description syntaxique et pragmatique du contenu général d’un MD lui fournissent le tertium comparationis, le point de départ du mouvement nécessaire entre onomasiologie et sémasiologie, entre signifié et sens qui constitue la base du travail lexicographique et de la définition progressive des différentes acceptions d’un lemme. 35 6 Bibliographie Blank, A./ Koch, P. (2003): „Kognitive romanische Onomasiologie und Semasiologie“, in Blank, A./ Koch, P. (éds.), Kognitive romanische Onomasiologie und Semasiologie, Tübingen, Niemeyer, 1-15. Briz, A. et al.: Diccionario de partículas del español, http: / / www.dpde.es. Gauger, H.-M. (1989): „IV. Onomasiologischer Teil: Vom Inhalt zu den Formen“, in Cartagena, N./ Gauger, H.-M., Vergleichende Grammatik Spanisch/ Deutsch, II, Mannheim et al., Dudenverlag, 399-577. Helbig, G. (1988/ 3 1994): Lexikon deutscher Partikeln, Leipzig et al., Langenscheidt. Verlag Enzyklopädie. 35 Je tiens à remercier Jean-Pierre Durafour (Université de Tübingen) pour ses suggestions précieuses et pour son aide dans la correction de cet article. Festschrift_V-435_End.indd 252 20.05.11 14: 36 <?page no="279"?> Les marqueurs du discours dans les dictionnaires spécialisés 253 Kant, I. (1968): Kritik der reinen Vernunft. II tomes, Frankfurt a.M., Suhrkamp [= Werke in zwölf Bänden, éd. Wilhelm Weischedel]. Koch, P./ Oesterreicher, W. (2007): Lengua hablada en la Romania: español, francés, italiano, Madrid, Gredos. Loureda Lamas, Ó./ Acín Villa, E. (2010): „Cuestiones candentes en torno a los marcadores del discurso en español“, in Loureda Lamas, Ó./ Acín Villa, E. (éds.), Los estudios sobre marcadores del discurso en España, hoy, Madrid, Arco/ Libros, 7-59. Martín Zorraquino, M.A./ Portolés Lázaro, J. (1999): „Los marcadores del discurso en español“, in Bosque, I./ Demonte, V. (éds.), Gramática descriptiva del español, III vol., Madrid, Espasa, 4051-4213. Martín Zorraquino, M.A. (2006): „Los marcadores del discurso en español: Balance y perspectivas para su estudio“, in Casado Velarde, M. et al. (éds.), Análisis del discurso: Lengua, cultura, valores. Actas del I Congreso Internacional, Madrid, Arco/ Libros, 42- 64. Métrich, R. (1993): Lexicographie bilingue des particules illocutoires de l’allemand, Göttingen, Kümmerle (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik 582). Métrich, R./ Faucher, E./ Courdier, G. (1998): Les invariables difficiles. Dictionnaire allemand-français des particules, connecteurs et autres ‚mots de communication‘ , Tome I, Nancy, Association des Nouveaux Cahiers d’Allemand. Métrich, R./ Faucher, E. (2009): Wörterbuch deutscher Partikeln, Berlin/ New York, de Gruyter. Murillo Ornat, S. (2010): „Los marcadores y su semántica“, in Loureda Lamas, Ó./ Acín Villa, E. (éds.), Los estudios sobre marcadores del discurso en España, hoy, Madrid, Arco/ Libros, 241-280. Reichmann, O. (1990): „Das onomasiologische Wörterbuch“, in Hausmann, F.-J. et al. (éds.), Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie, II, Berlin/ New York, de Gruyter, 1057-1067. Santos Río, L. (2003): Diccionario de partículas, Salamanca: LUSO-Española de Ediciones. Sperber, D./ Wilson, D. ( 2 1995): Relevance: Communication and Cognition, Oxford, Blackwell. Waltereit, R. (2006a): Abtönung: zur Pragmatik und historischen Semantik von Modalpartikeln und ihren funktionalen Äquivalenten in romanischen Sprachen, Tübingen, Niemeyer. Waltereit, R. (2006b): „Comparer la polysémie des marqueurs du discours“, in Drescher, M./ Frank-Job, B. (éds.), Les marqueurs discursifs dans les langues romanes. Approches théoriques et méthodologiques, Frankfurt a.M. et al., Lang, 141-152. Weydt, H./ Hentschel, E. (1983): „Kleines Abtönungswörterbuch“, in Weydt, H. (éd.), Partikeln und Interaktion, Tübingen, Niemeyer, 3-19. Festschrift_V-435_End.indd 253 20.05.11 14: 36 <?page no="280"?> Festschrift_V-435_End.indd 254 20.05.11 14: 36 <?page no="281"?> S ARAH D ESSÌ S CHMID Progressive periphrastische Konstruktionen: Skizze einer Neuinterpretation am Beispiel des Italienischen 0 Einleitung „La notion de ‚périphrase verbale‘, traditionnelle en linguistique romane, est aussi traditionnellement mal définie.“ (Laca 2004, 87) In diesem Beitrag möchte ich das Phänomen der Verbalperiphrasen darstellen, mich mit einigen Interpretationen und Definitionen kritisch auseinandersetzen und anhand eines neuen theoretischen Zugangs einige eng miteinander verbundene alte Probleme angehen. Im ersten Teil werde ich behandeln, was periphrastische Konstruktionen im Allgemeinen und aspektuale Verbalperiphrasen im Besonderen sind, wobei der Schwerpunkt des Beitrags auf die italienische Periphrase stare + Gerundium gelegt wird, deren Aufblühen man in der italienischen Sprache in einer immer bestimmteren Richtung - nämlich der des Progressivums - miterleben darf: (1) Ma Gino aveva il vizio di addormentarsi dopo mangiato […] La sua testa dondolava dolcemente; e dopo poco dormiva […] „Gino! “ - urlava mio padre, - „non dormire! stai dormendo! “ (Ginzburg 1963, 56; meine Hervorhebung) (2) Libri non ne avrei portati: impossibile fare una scelta […] al massimo il libro o i libri che sto leggendo nel momento in cui decido di prendere il largo. (Trevisan 2002, 17-18; meine Hervorhebung) Hierzu gehört natürlich auch die Frage, wie man periphrastische Konstruktionen - vor allem in Bezug auf ihre Zugehörigkeit zum Lexikon oder zur Grammatik - definieren kann. Im zweiten Teil möchte ich mich insbesondere mit der Periphrase stare + Gerundium beschäftigen; dabei werde ich kurz ihre Gebrauchskontexte und -bedingungen sowie den Grad ihrer Grammatikalisierung diskutieren, um mich dann auf die Rekonstruktion des semantischen Pfads zu konzentrieren, dem stare + Gerundium in ihrer Grammatikalisierung gefolgt ist. Im dritten Teil wende ich mich zunächst dem Problem zu, welcher gemeinsame Nenner alle aspektualen Verbalperiphrasen verbindet, und gehe kritisch die Frage an, welchen traditionellen aspektualen Kategorien sie zuzuordnen sind, ob aspektuale Verbalperiphrasen Aspekt oder Aktionsart sind. Schließlich skizziere ich anhand eines im Sinne Kochs aufgeklärt onomasiologischen (onomasiologie éclairée, 2003) und kognitiv (auf der frame-Theorie) orientierten Modells eine mögliche Neuinterpretation der aspektualen Verbalperiphrasen im Rahmen einer allgemeineren Kategorie der Aspektualität. Festschrift_V-435_End.indd 255 20.05.11 14: 36 <?page no="282"?> 256 Sarah Dessì Schmid 1 Was sind (aspektuale) periphrastische Konstruktionen? Allen Periphrasen ist nach Coseriu (1976) die charakteristische semantische Integration ihrer konstitutiven Teile gemeinsam; sie seien praktisch das Gegenstück eines zusammengesetzten Worts: Eine ‚Periphrase‘ ist nämlich im eigentlichen Sinn ein sprachliches materiell mehrgliedriges Zeichen, das eine einheitliche, eingliedrige Bedeutung hat, d.h. ein gegliedertes ‚Signifiant‘, dem aber ein einfaches ‚Signifié‘ entspricht. (Coseriu 1976, 119) Insbesondere könne man bei den ‚grammatischen Periphrasen‘ 1 - wie frz. J’ai parlé, span. voy a comer, kat. vaig partir oder eben it. stiamo giocando - den Verlust der ursprünglichen lexikalischen Bedeutung eines der Konstituenten und das Beibehalten der ursprünglichen lexikalischen Bedeutung des anderen konstitutiven Teils betrachten (bei it. stiamo giocando den Verlust der lexikalischen Bedeutung des Verbs stare, das nun als Hilfsverb dient und nicht mehr ‚stehen‘ bedeutet, und das Beibehalten der lexikalischen Bedeutung des im Gerundium ausgedrückten Verbs giocare, ‚spielen‘). Zu Recht ist aber dazu verschiedentlich die Frage aufgekommen, 2 wie man nun unter einer solchen Definition Elemente subsumieren könne, die man allgemein intuitiv als aspektuelle Verbalperiphrasen erkennt, wie z.B. italienisch continuare a …, cominciare a …, smettere di parlare (‚fortfahren …‘, ‚beginnen …‘, ‚aufhören zu sprechen‘): Man kann bei diesen Konstruktionen nämlich nicht den endgültigen (lexikalischen) ‚Bedeutungsverlust‘ eines seiner Teile behaupten. Gerade in der Art der Auffassung des Bedeutungsverlusts, also in der Konzeption der Transformation eines Vollverbs in ein Hilfsverb liegt in der Tat das Hauptproblem jeder definitorischen Bemühung der grammatischen Periphrasen im allgemeinen, wie auch der aspektualen Verbalperiphrasen im Besonderen. Um diese Schwierigkeit anzugehen, werde ich eine Definition von Verbalperiphrasen verwenden, die sowohl der synchronen als auch der diachronen Betrachtung des Phänomens Rechnung trägt. Dabei stütze ich mich auch auf die Definition Lacas (2004) und integriere sie mit einem von Squartini (1990 und 1998) präzisierten wichtigen definitorischen Kriterium, demjenigen der scala di perifrasticità, also der graduellen, nicht diskreten Auffassung der Periphrastizität. Aus der synchronen Perspektive soll unter Verbalperiphrase eine semantisch zusammenhängende Konstruktion verstanden werden, die formal aus zwei (oder mehreren) Verbalformen besteht, bei denen die eine, die in einer finiten Form erscheint, die Funktion eines Hilfsverbs ausübt und die andere, die in der nichtfiniten Form erscheint, dem Hauptverb der gesamten Konstruktion entspricht: 1 Coseriu (1976) unterscheidet zwei Hauptformen von Periphrasen, nämlich lexikalische und grammatische. Er betont hier auch den allgemein romanischen Charakter der durch Periphrasen ausgedrückten aspektuellen Kategorien, erkennt ihre Zusammengehörigkeit und stellt sie in einem kohärenten Funktionssystem dar. 2 Vgl. exemplarisch die zurückhaltenderen Objektionen Schlieben-Langes (1971) und Dietrichs (1973) und die direkteren Squartinis (1990, 123-124). Festschrift_V-435_End.indd 256 20.05.11 14: 36 <?page no="283"?> Progressive periphrastische Konstruktionen 257 (3) Ha dei problemi? , ripeté Pereira. […] in effetti ho bisogno di lei, dottor Pereira, del suo aiuto, ma questo glielo dirò a voce, e ora mi scusi, sto telefonando da un luogo scomodo e devo riattaccare, abbia pazienza, dottor Pereira. (Tabucchi 2001[1994], 56; meine Hervorhebung) Das Hilfsverb, das in der finiten Form erscheint (hier also stare, in der Form sto), trägt die tempo-aspektuellen und modalen Markierungen der gesamten Konstruktion, hier Präsens Indikativ, 3. Person Singular. Das Hauptverb, das in der infiniten Form erscheint (hier also das Gerundium telefonando), bestimmt die Argumentstruktur und die Selektionsrestriktionen der gesamten Periphrase: Telefonare verlangt ein obligatorisches Argument (in dem Fall io = Monteiro Rossi), das zweite Argument von telefonare (d.h. a qualcuno) ist fakultativ; das erste Argument nimmt die thematische Rolle des Agens ein und weist die Restriktion ‚menschlich‘ auf. In Beispiel (3) zeigen sich auch die eindeutig progressiven Züge von stare + Gerundium, die sich u.a. mit Bertinetto (1986, 120) folgendermaßen zusammenfassen lassen: 1) Der Sachverhalt wird als zu einem gegebenen Zeitpunkt (punto di focalizzazione (t x )) in seinem Verlauf betrachtet (das sich im Verlauf befindliche Telefongespräch wird von Monteiro Rossi von einem präzisen Moment aus betrachtet). 2) Der Sachverhalt wird in Bezug auf Anfang und Ende jenseits des betrachteten Zeitpunkts offen, also insgesamt als unabgeschlossen (imperfektiv) betrachtet (da ausgeklammert wird, wann das Gespräch angefangen hat und wann es enden wird). Allerdings sind auch Fälle zu finden, in denen die Periphrase in einer weiteren, eher durativen Funktion verwendet ist, da der Sachverhalt nicht als zu einem gegebenen Zeitpunkt (t x ) in seinem Verlauf betrachtet wird, sondern als ein andauernder Verlauf, aus dem kein präziser Moment hervorgehoben wird. Es handelt sich um stark auf gewisse aspektuelle Kontexte eingeschränkte Verwendungen, die seltener als diejenigen in progressiver Funktion mit Fokus auf einen (t x ) zu finden sind: (4) Che io porti sempre con me un taccuino e su questo taccuino segni il numero dei passi da casa mia a un luogo qualsiasi; […] che io faccia tutto questo per poter tirare avanti senza impazzire, è segno che forse sto impazzendo davvero. (Trevisan 2002, 61; meine Hervorhebung) Im Beispiel (4) ist eben die Form sto impazzendo in keiner progressiven Funktion verwendet: Sie drückt eher eine Gradualität aus, die nicht aus einem bestimmten Moment des wahnsinnig werdens betrachtet wird, und zeigt daher auch seine Durativität, wobei der Wahnsinn über mehrere Zeitpunkte hinweg graduell zunimmt. Schaut man nun das Phänomen aus einer diachronen Perspektive an - versucht man also zu erklären, wie aus dem in der Periphrase enthaltenen Vollverb ein Hilfsverb geworden ist, oder was im Allgemeinen passiert, wenn periphrastische Konstruktionen zustande kommen - kann man Periphrasen als das Resultat von Grammatikalisierungsprozessen definieren, der Transformation einer unabhängigen lexikalischen Einheit in ein grammatisches Morphem. Festschrift_V-435_End.indd 257 20.05.11 14: 36 <?page no="284"?> 258 Sarah Dessì Schmid In dieser Perspektive wären dann natürlich auch aspektuelle Verbalperiphrasen wie stare + Gerundium das Resultat von Grammatikalisierungsprozessen, und zwar der Transformation einer lexikalisch ausgedrückten aspektuellen Verbbedeutungskomponente in eine (andere, aber mit dieser irgendwie kognitiv verbundene) grammatisch ausgedrückte aspektuelle Verbbedeutungskomponente. Geht man also von einer solchen Perspektive und von den Ergebnissen der Grammatikalisierungsforschung der letzen Jahre 3 im Allgemeinen aus, kann man Lexikon und Grammatik nur als auf einem Kontinuum stehende Realitäten betrachten. 4 Und man kann dann auch nicht anders als - mit Squartini (1998, 124) - die Gradualität von Konzepten wie Periphrastizität oder Auxiliarität annehmen. Dies bedeutet für die oben gegebene Definition das Hinzufügen einer wichtigen Präzisierung: Unabhängig von ihrem Grad der Periphrastizität - in anderen Worten unabhängig davon, wie viel an ‚lexikalischer Bedeutung‘ des Hilfsverbs übrig geblieben ist - sind alle Konstruktionen, die die oben genannten Kriterien ‚graduell‘ befriedigen, als Periphrasen zu definieren. 2 stare + Gerundium: Grammatikalisierungspfad Ein indirektes Indiz für die Grammatikalisierung von stare + Gerundium in progressiver Verwendung finden wir in ihrer explosionsartigen Zunahme 5 sowohl in der Literaturals auch in der Zeitungssprache seit dem letzten Jahrhundert. 6 Zum Grammatikalisierungsstadium der progressiven Periphrase im Italienischen sind aber verschiedene Meinungen zu finden, die sich zwischen zwei Extremen bewegen: Einerseits spricht ihr Marchand (1955) jede Grammatizität ab und verbannt sie auf die Ebene der Stilistik, andererseits will sie Blücher (1973) mit dem Entwicklungsstadium der englischen continuous form gleichstellen. 7 Hier möchte ich mich insbesondere mit dem Grammatikalisierungspfad beschäftigen, dem stare + Gerundium gefolgt ist. 3 Vgl. u.v.a.: Detges/ Waltereit (2002), Haspelmath (1998), Hopper/ Traugott (1993), Lehmann (1995), Marchello-Nizia (2006), Traugott/ Heine (1991). 4 Vgl. dazu Bybee (1985), Bybee/ Dahl (1989), Bybee/ Perkins/ Pagliuca (1994) und die oben zitierten Arbeiten zur Grammatikalisierungsforschung. 5 Zur hohen Frequenz einer Form als Beweis ihres höheren Grammatikalisierungsgrads vgl. Hopper/ Traugott (1993, 110) und Squartini (1989, 87). 6 Vgl. Durante (1981), Squartini (1990, 1998), Bertinetto (1996). Ich würde diese Zunahme eher auf die progressive Verbreitung einer gesprochenen Nationalsprache zurückführen als auf einen englischen Einfluss, wie es Durante (1981) tut. Vgl. dazu auch Squartinis (1998, 86-87) Interpretation von mündlichen und schriftlichen Korpora, die ein weit häufigeres Auftreten von stare + Gerundium in der Mündlichkeit bezeugt. 7 Man kann wohl stare + Gerundium eine grammatische und nicht nur stilistische Funktion zusprechen, gegen die Position Blüchers spricht jedoch Folgendes: „Sprachen unterscheiden sich hauptsächlich in dem, was sie ausdrücken müssen, und nicht so sehr in dem, was sie ausdrücken können“ (Jakobson 1981 [1959], 195). Und die Obligatorietät der continuous form im Englischen findet im Italienischen bis heute keine Entsprechung. Zur ‚Messung‘ von Grammatikalisierungsstadien vgl. Lehmann (1995), Traugott/ Hopper (1993) und - spezifisch zur Auxiliarität - Heine (1993). Festschrift_V-435_End.indd 258 20.05.11 14: 36 <?page no="285"?> Progressive periphrastische Konstruktionen 259 Im Altitalienischen und bis zum 19. Jahrhundert war in der Tat die progressive Verbalperiphrase mit Formen kompatibel, die perfektive Aspektualität ausdrückten (und zwar sowohl mit der synthetischen als auch mit der analytischen perfektiven Aspektualität). Auch war sie ausgeglichen verteilt sowohl in durativer als auch in progressiver Verwendung zu finden, so dass keine ausgeprägte Spezialisierung der Form auf das Progressivum zu sehen war: (5) E mentre che lui stava riguardando, (progressiv)/ quello altro campion con voce altera/ gli disse (Boiardo, Orlando Innamorato, XV. Jh., aus Squartini 1998, 85; meine Hervorhebung) (6) Pigliava al far del giorno alcun riposo/ sempre sognando stava (durativ) in quel desire (Boiardo, Orlando Innamorato, XV. Jh., aus Dietrich 1985, 204; meine Hervorhebung) (7) Sono stato (perf. analyt.) un poco pensando meco. (Aretino, Talanta, XVI. Jh., aus Durante 1981, 180; meine Hervorhebung) (8) Dopo queste e altre simili parole, il conte Attilio uscì, per andare a caccia; e don Rodrigo stette (perf. synth.) aspettando con ansietà il ritorno del Griso. (Manzoni, I promessi sposi, 1840-42 aus Squartini 1990, 193; meine Hervorhebung) Im heutigen Italienischen sind die progressiven periphrastischen Konstruktionen jedoch nur mit synthetischen Tempora verwendbar, die imperfektive Aspektualität aufweisen und auf Progressivität spezialisiert sind, wie die möglichen und unmöglichen Varianten a)-d) des Beispiels (9) zeigen: (9) a) Leo sta (presente = hier imperfektiv) mangiando. b) *Leo è stato (passato prossimo = perfektiv) mangiando. c) Leo stava (imperfetto = imperfektiv) mangiando. d) *Leo stette (passato remoto = perfektiv) mangiando. Man kann heute also eine deutlich zunehmende Verwendung der Periphrase in progressiver Bedeutung und die Abnahme ihrer durativen Verwendung finden; so wie eine ‚Reduktion‘ ihrer Morphologie, insbesondere ihrer Kompatibilität mit imperfektiven aspektuellen Morphemen (vgl. Durante (1981), Bertinetto (1986), Squartini (1990, 1998) u.a.). Der semantische Grammatikalisierungspfad der italienischen progressiven Periphrase zeigt sich daher als einer, der von der LOKATIVITÄT über die DURATIVITÄT zur IMPERFEKTIVEN PROGRESSIVITÄT geführt hat (vgl. Squartini 1998): Er verläuft also ganz im Sinne der von Bybee/ Dahl (1989) und Bybee/ Perkins/ Pagliuca (1994) beschriebenen, wenn nicht universalen, so doch zumindest übereinzelsprachlichen Prozesse. Detaillierter zeigt Squartinis (1998) feingliedrige Untersuchung der aspektualen Bedeutungskomponenten der Verben, die an den periphrastischen Konstruktionen teilhaben, dass dieser Grammatikalisierungsprozess von der LOKATIVITÄT (über die DURATIVITÄT ) zur PRO - GRESSIVITÄT zugleich die Entwicklung einer ursprünglich aktionsartig gesteuerten (+ AKTIONSART , - ASPEKT ) zu einer aspektuell gesteuerten (- AKTIONSART , + ASPEKT ) Form darstellt: Die frühere durative Verwendung der Periphrase stare + Gerundium war nur mit Verben möglich, die nicht-telischen Aktionsarten angehören (nach der Klassifikation der aktionalen Klassen von Vendler (1957, 1967) Festschrift_V-435_End.indd 259 20.05.11 14: 36 <?page no="286"?> 260 Sarah Dessì Schmid handelt es sich um activities (it. ridere, continuare)). Sie war aber sowohl mit imperfektivem als auch mit perfektivem Aspekt möglich. Die heutige progressive Periphrase ist hingegen mit fast allen Aktionsarten kompatibel, aber nur mit imperfektivem Aspekt verwendbar: In einem weiteren Grammatikalisierungsschritt in Richtung Progressivum wurde also stare + Gerundium in der Tat auch in telischen Kontexten verwendet, insbesondere mit accomplishments (it. imparare, costruire una casa) und achievements (it. partire, arrivare) eingesetzt, und zwar um die Suspension des zu erreichenden Endpunkts zu signalisieren. 8 3 Aspektuale Verbalperiphrasen zwischen Aspekt, Aktionsart und Aspektualität 3.1 Aktionsart und Aspekt: zwei Kategorien? Es wurde hier bisher implizit auf einen allgemeinen, allen Verbalperiphrasen gemeinsamen aspektualen ‚Inhalt‘ Bezug genommen. Nun wird aber in der Analyse Squartinis dieses ‚Gemeinsame‘ wieder in Aspekt und Aktionsart gespalten. Der kategoriale Inhalt, den aspektuale Verbalperiphrasen vermitteln, ist zweifellos aspektualer Natur, denn sie drücken die innere zeitliche Strukturierung eines Sachverhaltes aus; ein klassisches Problem der aspektologischen Forschung stellt aber gerade die Abgrenzung verschiedener aspektualer Kategorien dar: Diese werden durch die verschiedensten sprachlichen Mittel ausgedrückt, von der Verbbedeutung bis zur Verbmorphologie über Derivationsaffixe und Adverbialien. Traditionell werden zwei aspektuale Kategorien unterschieden: die Aktionsart, die die Art der Handlung betrifft, welche die Verbbedeutung ausdrückt, also die zeitliche strukturelle Information, die im lexikalischen semantischen Gehalt des Verbs enthalten ist, und der Aspekt, der die grammatische (insbesondere morphologische, flexionale) Möglichkeit darstellt, die interne zeitliche Struktur von Sachverhalten auszudrücken. Geht man von dieser kategoriellen Unterscheidung aus, stellt sich die Frage: Wie sind Verbalperiphrasen zu klassifizieren? Denn diese sind in der Tat weder rein lexikalisch, noch rein morphologisch und können unterschiedliche Stadien in einem Grammatikalisierungprozess darstellen. In der aspektologischen Forschung lassen sich zwei unterschiedliche Positionen 9 zur Auffassung des aspektualen Bereichs und folglich der Beziehung zwischen Aspekt und Aktionsart als kategoriale Dimensionen innerhalb dieses Bereichs finden (vgl. auch Sasse (2002)): 8 Daten von Squartini (1990) und Bertinetto (1996) zeigen die Zunahme von achievements, die parallel mit derjenigen der progressiven Verwendung der Periphrase verläuft. Sasse (1991) definiert Pfade wie die hier beschriebenen als typische Grammatikalisierungspfade aspektueller Marker. 9 Diese Positionen zeigen dann ihrerseits viele weitere Nuancierungen. Vgl. die Bibliographie Binnicks (2001-2005), die 9000 Tempus und Aspekt gewidmete Titel umfasst. Festschrift_V-435_End.indd 260 20.05.11 14: 36 <?page no="287"?> Progressive periphrastische Konstruktionen 261 1) ein bidimensionaler Ansatz, der - ausgehend von sehr unterschiedlichen Grundlagen und mit dem Ergebnis sehr unterschiedlicher theoretischer Gebäude - das Vorhandensein eines fundamentalen (teilweise auch semantischen) Unterschieds von Aspekt und Aktionsart behauptet. Diese stellen damit zwei klar unterschiedene Unterkategorien des aspektualen Bereichs dar (vgl. u.v.a. Bache (1982), Bertinetto (1986), Smith (1991) und Squartini (1998)); 2) ein monodimensionaler Ansatz, der keine kategorialen Unterteilungen innerhalb des aspektualen Bereichs unternimmt, der behauptet, dass sich auf universaler und semantischer Ebene keine Unterschiede zwischen Aspekt und Aktionsart finden; danach ist es möglich, die verschiedenen aspektualen Phänomene auf allen Ebenen der Darstellung (also auf lexikalischer, morphologischer, syntaktischer Ebene) anhand einer einzigen begrifflichen Dimension oder auch als eine kompakte Gruppe von elementaren Bedeutungen zu analysieren und zu beschreiben (vgl. formal orientiert Verkuyl (1972, 1993) und funktional orientiert Comrie (1976)). 10 Squartini (1998, 17-18) betont zwar einerseits, dass sich gerade am Progressivum besonders gut zeige, wie die Beziehung zwischen Aktionsart und Aspekt als diachronischer Prozess zu interpretieren sei; es sei gerade dieses Entstehen des Aspekts aus der Aktionsart der Grund, aus dem man die semantische Ähnlichkeit der zwei Kategorien erkennen könne, da sie „aus demselben kognitiven Guss“ stammen. Andererseits beharrt er aber auf der Unterscheidung zwischen Aspekt und Aktionsart, die auf synchroner Ebene nicht vermischt werden sollen. Ich glaube, dass das Problem eben nicht durch eine Unterscheidung einer diachronen und einer synchronen Betrachtung des Phänomens zu lösen ist, sondern vielmehr durch die einer onomasiologischen und einer semasiologischen Betrachtung. Die Unterscheidung zwischen Aspekt und Aktionsart bringt nämlich einige große Schwierigkeiten mit sich; akzeptiert man sie, muss man sich fragen, auf der Basis welcher Gemeinsamkeit man alle aspektualen Periphrasen - vom höchsten bis zum niedrigsten Grad der Periphrastizität - aspektual nennen kann, wenn die gemeinsame semantische Basis in der Synchronie fehlt. Wie würde man dann gerade die niedrig grammatikalisierten oder aktional gesteuerten Periphrasen wie cominciare a …, finire di … zuordnen? Sind sie Aktionsart oder Aspekt? Sollte man dabei lieber von aktionalen Periphrasen reden? Und ab wann wird aus ihnen eine richtige aspektuale Periphrase? Und weiter: Warum sollte man bei sich im Übergang befindenden Realitäten in der Synchronie mit diskreten semantischen Kategorien operieren, gerade wenn man ihre kognitive - semantische - Einheit doch klar erkennt? Beim Beharren auf der kategorialen Unterscheidung zwischen Aspekt und Aktionsart schließt sich Squartini den beiden klassischen Einwänden gegen monodimensionale Ansätze an: Erstens wird der Mangel an theoretischer Strenge 10 Vgl. auch Maslov (1973, 1985) für die slavischen, Schwall (1991) und De Miguel (1999) für die romanischen Sprachen. Auch Herweg (1990), Kamp/ Rohrer (1983) und Sasse (1991) werden teilweise zu den monodimensionalen Theorien gezählt (vgl. Squartini (1998, 10-11)). Festschrift_V-435_End.indd 261 20.05.11 14: 36 <?page no="288"?> 262 Sarah Dessì Schmid angegriffen, der sich zeige, wenn sich voneinander (terminologisch, aber auch konzeptuell) verschiedene Unterteilungen der beiden Kategorien vermischen, wenn man etwa Begriffspaare wie ‚telisch/ atelisch‘ und ‚perfektiv/ imperfektiv‘ vermische. Der Vorwurf zielt darauf ab, dass Unterschiede nivelliert werden, die mit Sprachebenen und konzeptionellen und kategorialen Unterteilungen verbunden sind. Zweitens wird die Untauglichkeit dieser Ansätze unterstrichen, bei der detaillierten Analyse konkreter sprachlicher Erscheinungen eine feine Körnung der Untersuchung zu erreichen, die für die Beschreibung und Interpretation komplizierter sprachlicher Mechanismen notwendig sei. Da sich die monodimensionalen Ansätze auf ein sehr einfaches und begrenztes semantisches Instrumentarium stützten, seien sie nur in der Lage, grobe Klassifizierungen anzubieten, die die feineren Abstufungen sprachlicher Phänomene unbeachtet und unerklärt ließen. In Bezug auf den ersten Punkt ist Folgendes anzumerken: Baut man auf der Existenz zweier auch semantisch unterschiedlicher Kategorien auf, die sich auf zwei unterschiedlichen sprachlichen Ebenen (Grammatik und Lexikon) ausdrücken, ist es aus theoretischer Sicht tatsächlich wenig streng und kann zu unterschiedlichen Verwechslungen führen, Unterkategorien wie imperfektiv und perfektiv auf der einen Seite und stativ, durativ, telisch usw. auf der anderen Seite zu definieren, und dann diese Unterkategorien wieder miteinander zu identifizieren; etwa des Imperfektiven mit dem Durativen oder des Perfektiven mit dem Telischen. Es ist selbstverständlich, dass diese Unterkategorien des aspektualen Bereichs per definitionem unterschiedlich konzipiert sind und daher auch nicht einfach miteinander identifiziert werden können. Es ist aber ebenso klar, dass die Ähnlichkeiten, die semantischen Affinitäten, die auf der einen Seite Telizität und Perfektivität und auf der anderen Atelizität und Imperfektivität verbinden, schon auf intuitiver Ebene offensichtlich sind. Ist es aber wirklich nötig, überhaupt erst von der Realität zweier Kategorien auszugehen, die dann wieder zu vereinigen wären? Es ist zwar vollkommen legitim und praktisch, solchen Unterscheidungen treu zu bleiben, wenn man semasiologisch arbeitet; wenn man aber anerkennt, dass man es bei Aspekt und Aktionsart mit derselben kognitiven Gussform zu tun hat, muss man auch die Realität einer Kategorie anerkennen, die beide auf einer universalen, konzeptuellen Ebenen umfasst, eben diejenige der Aspektualität. In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu zeigen, dass auch ein monodimensionaler Ansatz zur Beschreibung einer allgemeinen Kategorie der Aspektualität in der Lage ist, eine feine Körnung in der Beschreibung zu erreichen und detailliert Abstufungen der unterschiedlichsten sprachlichen Phänomene zu erklären. Hierzu muss man daher versuchen, konkret eine Analyse der Aspektualität vorzuschlagen, die auf abstrakteren und homogeneren Kriterien aufbaut, für deren Definition man sich dann ebenso einer neuen Kategorisierung bedienen muss wie auch einer neuen Terminologie. Ich möchte im Folgenden aspektuale periphrastische Konstruktionen aus einer onomasiologischen Perspektive betrachten und ein neues Modell für die Analyse der die Aspektualität betreffenden Informationen vorstellen, das sich Festschrift_V-435_End.indd 262 20.05.11 14: 36 <?page no="289"?> Progressive periphrastische Konstruktionen 263 auch für die Anwendung im Bereich der Verbalperiphrasen als besonders angemessen erweist, indem das Problem der Zuordnung zu Aktionsart oder Aspekt aufgehoben wird. Dies kann in diesem Rahmen natürlich nur in Form einer Skizze geschehen. 11 3.2 Das System der aspektualen Determination Mit ‚Aspektualität‘ oder ‚aspektualer Determination‘ ist die kognitive universale Kategorie gemeint, durch die die Sprecher der Sprachen der Welt die Art des Ablaufs und der Distribution eines Sachverhalts in der Zeit sprachlich kategorisieren. Diese ist semantisch homogen und kompositionell charakterisiert (wenn auch nicht rein mathematisch-additiv). Mit anderen Worten: Die Aspektualität beinhaltet jenen Komplex von Informationen, die sich auf die einem Sachverhalt eigene zeitliche Struktur beziehen. Das gewählte Kriterium, das die Beschreibung und Klassifikation der verschiedenen aspektualen Informationen ermöglicht, stellt das Determinationsprinzip dar; ein Prinzip, das auf einer der grundsätzlichen kognitiven Fähigkeiten des Menschen basiert. Wenn ‚determinieren‘ im allgemeinen ‚definieren‘, ‚eingrenzen‘, bedeutet, bedeutet es im spezifischen Fall der Aspektualität Grenzen setzen - Anfangs-, End-, und Unterteilungspunkte - im zeitlichen Ablauf eines Sachverhalts. Durch die aspektuale Determination wird mit anderen Worten die komplexe zeitliche Strukturierung eines Sachverhaltes bestimmt. Einerseits scheint ein solches Klassifikationskriterium allgemein und homogen genug, um auf einer vergleichenden übereinzelsprachlichen Ebene als tertium comparationis dienen zu können, andererseits nicht so allgemein, dass es die Pluralität der aspektualen Inhalte (auch in der Pluralität der Phänomene, in der sie sich in den Einzelsprachen zeigen) nicht angemessen erfassen und beschreiben könnte. Aus der angenommenen theoretischen Perspektive, die von der Notwendigkeit ausgeht die grammatischen Phänomene in Bezug auf ihre semantische Relevanz zu analysieren und die grammatischen Strukturen daher als besondere Konstruktionen auffasst - besondere Einheiten aus Form und Bedeutung -, die sich nicht aus der mathematischen Addition einzelner monadischer atomarer Einheiten und syntaktischer Regeln zu ihrem Zusammenbau ergeben, scheint es unerlässlich sich auf die Resultate semantisch-kognitiver Arbeiten zu stützen (Fillmore (1975, 1977), Minsky (1975), Langacker (1987)) und Sachverhalte als Situationsframes aufzufassen: Man nimmt dabei an, dass das menschliche Wahrnehmungs- und Kategorisierungsvermögen Konzepte, Teilkonzepte und Kategorien in Verbindung miteinander wahrnimmt und so im Gedächtnis abspeichert; man nimmt dabei auch an, dass, wenn der Frame gerade erst in der Verbindung seiner aufeinander bezogenen Teilkomponenten konstituiert wird, die einzelnen Teilkomponenten ihre Gestalt letztendlich erst innerhalb und vor dem Hintergrund des ganzen Frame bekommen. Gerade bei der Erläuterung der Mechanismen, auf denen die Aspektualität beruht, ist es besonders sinnvoll, sich 11 Zu einer genaueren Ausführung des entwickelten Systems vgl. meine in Vorbereitung befindliche Habilitationsschrift und Dessì Schmid (im Druck). Festschrift_V-435_End.indd 263 20.05.11 14: 36 <?page no="290"?> 264 Sarah Dessì Schmid der Konzeption der „Perspektivierung innerhalb eines Situationsframe“ zu bedienen (Fillmore (1977), Koch (2001), Talmy (1996), Taylor (1995) u.a.); auch scheint es mir kein Zufall zu sein, dass gerade diese Idee der Perspektivierung auch traditionell mit Aspekt in Verbindung gebracht worden ist. Aus dieser Perspektive können wir aspektuale Determination als die zeitliche Kategorisierung eines Situationsframe definieren. Aber wie funktionieren die Mechanismen der aspektualen Determination im Detail? Jeder Situationsframe (SF) ist eine komplexe Kombination von mehreren aspektualen Teilinformationen (d.h. verschiedenen Formen der Determination, Basiskonzeptualisierungen oder aspektualen Bausteinen), die nichts anderes als verschieden geführte ‚Schnitte‘ oder Grenzsetzungen sind, die innerhalb der zeitlichen Strukturierung des Frame fokussiert werden, d.h. gegenüber anderen Teilinformationen in den Vordergrund gestellt werden, die im komplexen Sachverhalt als Hintergrund fungieren. Jede gesetzte Grenze - jede aspektuale Determination - kann für sich und in der Beziehung mit ihrer Umgebung betrachtet werden, denn ihre Umgebung bestimmt gleichzeitig diese Grenze und wird von dieser bestimmt. Die verschiedenen Formen der aspektualen Determination werden dann auf dem lexikalischen-grammatischen Kontinuum formal unterschiedlich ausgedrückt (durch Verbbedeutungen, Adverbialien, morphologische Markierungen derivativer oder flexiver Art, synthetisch oder analytisch, …). Sie interagieren miteinander und mit weiteren Komponenten des Frame, die nicht direkt aspektuale Inhalte vermitteln, diese aber beeinflussen (Argumente, Determinanten, Quantoren, Negationen, …), sodass die aspektuale Gesamtinterpretation nur auf der höheren Ebene des gesamten Situationsframe möglich ist. Unter diesen verschiedenen Elementen findet nämlich eine Interaktion statt, die eine gegenseitige Verstärkung, Präzisierung, Revision, Korrektur und Aufhebung der vielfältigen Informationen in Bezug auf die zeitliche Struktur des Satzes darstellt und die durch unterschiedliche kognitive Mechanismen reguliert wird. Untergliedern lässt sich Aspektualität in drei Dimensionen, in drei Beobachtungsperspektiven, abhängig davon, was im Frame in den Vordergrund gestellt wird: 1) die externe Determination eines SF; seine absolute Abgrenzung, die Bestimmung des Sachverhalts als global, als zwischen einem Anfangspunkt t x und einem Endpunkt t y abgegrenzt, und daher als abgeschlossen, oder aber als nicht abgegrenzt, wenn eine solche Determination nicht vorhanden ist; 2) die umgebungsbezogene oder kontextbezogene Determination eines SF; die Relevanz eines Sachverhalts für seine (direkte) Umgebung, also ob dieser SF seine nachkommende und/ oder vorherige Umgebung in irgendeiner Art beeinflusst, in dem er z.B. deren Anfang oder Ende bestimmt oder nicht; 3) die interne Determination eines SF; seine interne Strukturierung, also ob dieser SF intern zeitlich weiter unterteilt ist oder nicht, ob er monophasisch oder pluriphasisch ist. Die folgende Tabelle (1) stellt die drei Unterdimensionen der aspektualen Determination grafisch dar, indem sie einerseits zeigt, was aus der gewählten Festschrift_V-435_End.indd 264 20.05.11 14: 36 <?page no="291"?> Progressive periphrastische Konstruktionen 265 Perspektive betrachtet wird (dunkelgrau in der Zeichnung), und andererseits, dass jede Fokussierung nur dank des Bezugs zu einem Hintergrund (hellgrau in der Zeichnung) funktioniert. Der SF kann in seiner Gesamtheit interpretiert werden, konstituiert sich aber nur in der besonderen Kombination seiner einzelnen Teile, der aspektualen Basiskonzeptualisierungen, die einander als Vordergrund und Hintergrund ergänzen und ermöglichen. Analytisch können diese Teile einzeln isoliert und betrachtet werden, als Vermittler aspektualer Informationen nur in Funktion ihrer gegenseitigen Beziehung innerhalb des SF, auf seinem gemeinsamen Hintergrund: Externe Determination (Abgrenzung eines SF) Umgebungsbezogene Determination (Umgebungsrelevanz eines SF) Interne Determination (Strukturierung eines SF) Tabelle 1: Aspektuale Determination Die verschiedenen Situationsframes stellen Kombinationen dieser drei Perspektiven dar. Diese sind nicht nur miteinander kombinierbar, sondern auch weiter ‚perspektivierbar‘ (d.h. ihre Unterkomponenten können weiter fokussiert werden). Interne, externe und kontextuelle Determination lassen sich in eine begrenzte Zahl von Untertypen unterteilen, in denen sich die drei Perspektiven der aspektualen Determination im einzelnen Frame verwirklichen (aspektuale Basiskonzeptualisierungen). Wie man diese Auffassung der Aspektualität nun auf die Analyse von periphrastischen Konstruktionen und insbesondere von stare + Gerundium anwenden kann, kann ich hier leider nur sehr verkürzt anhand zweier der oben angeführten Beispiele - (4) und (2) - erklären, die die zwei verschiedenen Verwendungen der Periphrase plastisch zeigen, nämlich die seltenere durativ-inkrementative und die heute verbreitetere progressive. Dies soll auch dazu dienen, die Leistungsfähigkeit des Modells in Bezug auf feinkörnige Untersuchungen darzustellen. Der im Beispiel (4) dargestellte Situationsframe weist etwa folgende aspektuale Determinationsschemata auf, d.h. er kombiniert folgende Ausformungen der drei Beobachtungsperspektiven: 1) Der SF ist extern nicht determiniert: Er ist als ganzer nicht abgegrenzt, er weist also keinen Anfang und kein Ende auf, er ist unabgeschlossen (da das Anfangen und das Erreichen des Wahnsinns nicht im Blickfeld ist). 2) Der SF ist umgebungsbezogen nicht determinierbar: Es handelt sich um einen SF, der keine Relevanz für seine Umgebung haben kann, da es ein unabgeschlossener Sachverhalt ist, bei dem es also per definitionem keine nachkommende und vorherige Umgebung geben kann. Festschrift_V-435_End.indd 265 20.05.11 14: 36 <?page no="292"?> 266 Sarah Dessì Schmid 3) Der SF ist intern determiniert und dann auf dieser Ebene der internen Determination weiter perspektiviert: Es handelt sich also um einen intern strukturierten oder unterteilten, um einen pluriphasischen SF, (man kann in impazzire verschiedene t n, verschiedene Momente des Wahnsinns erkennen). Dabei ist - in der internen Determination - keiner dieser Zeitpunkte als vordergründig hervorgehoben, also wird keiner dieser Zeitpunkte weiter perspektiviert oder fokussiert (kein besonderer Moment des Wahnsinns ist in den Vordergrund gestellt), allerdings wird die Umgebungsbezogenheit jedes einzelnen t n innerhalb der Struktur des SF weiter perspektiviert (denn jeder Moment des Wahnsinns ist als Anfang und als Ende für seine nachkommende und seine vorhergehende Umgebung innerhalb des Vorgangs relevant, der Wahnsinn nimmt in jedem t n dem vorherigen gegenüber weiter zu). Die Analyse des im Beispiel (2) dargestellten SF kombiniert ähnliche Ausformungen der drei Beobachtungsperspektiven: 1) Auch dieser SF ist extern nicht determiniert: Er ist als ganzer nicht abgegrenzt (da nicht der Beginn und das Ende der Lektüre des Buches im Blickfeld sind). 2) Auch dieser SF ist umgebungsbezogen nicht determinierbar: Er kann - als unabgeschlossener - keine Relevanz für seine Umgebung haben. 3) Auch dieser SF ist intern determiniert und dann auf dieser Ebene weiter perspektiviert: Er ist intern strukturiert, also unterteilt (man kann in leggere il libro verschiedene t n , also verschiedene Momente der Lektüre dieses Buches erkennen). Dabei ist aber einer dieser Zeitpunkte als vordergründig hervorgehoben, weiter perspektiviert (denn es wird ein besonderer t x zwischen den vielen t n , die die Lektüre dieses Buches konstituieren, in den Vordergrund gestellt, hier durch il momento in cui verstärkt betont); die externe Determination von t x ist dabei evident (denn der Augenblick, in dem das Buch gelesen wird, wird genau abgegrenzt). 4 Fazit Aus onomasiologischer Perspektive zeigt es sich in der Tat als sehr schwierig, weiter auf der semantischen Verschiedenheit von Aspekt und Aktionsart zu beharren: Beide Kategorien drücken auf einer allgemeineren Ebene die innere zeitliche Strukturierung eines Sachverhaltes aus, beide sind Aspektualität; und diese semantische Gemeinsamkeit dürfen wir nicht nur auf die diachrone Ebene verbannen, wir müssen sie auch in der Synchronie anerkennen. Dies ist auch der Grund, weshalb in der Diachronie eine Verschiebung von aspektualen Informationen zwischen Lexikon und Grammatik stattfinden kann. Nur die Mittel, durch die Aktionsart und Aspekt diese Informationen ausdrücken, sind verschieden - Lexikon oder Grammatik - und diese stellen variable und in Kontinuum stehende Realitäten dar. Und gerade das ist der Grund, aus dem wir alle unsere Periphrasen ‚aspektual‘ nennen können. Diese Analyse der Periphrase stare + Gerundium im Italienischen macht deutlich, dass eine auf Monodimensionalität basierte und kognitiv orientierte Auffassung der Aspektualität die anscheinende Unvereinbarkeit zwischen der Möglichkeit, die semantische aspektuale Gemeinsamkeit in den Verbalperi- Festschrift_V-435_End.indd 266 20.05.11 14: 36 <?page no="293"?> Progressive periphrastische Konstruktionen 267 phrasen darzustellen, und der Möglichkeit, synchron und diachron feingliedrige Untersuchungen der sprachlichen Daten zu leisten, aufzulösen vermag. Sie vermag dies zu leisten, obwohl, oder gerade weil dieser so eine begrenzte aber umfassende Gruppe von Basiskonzeptualisierungen und schließlich auch ein einziges aber umfassendes kognitives Prinzip zu Grunde gelegt werden können, das Determinationsprinzip. 5 Bibliographie Bache, C. (1982): „Aspect and Aktionsart: towards a semantic distinction“, in Linguistics 18, 57-72. Bertinetto, P.M. (1986): Tempo, aspetto e azione nel verbo italiano. Il sistema dell’ indicativo, Florenz, Accademia della Crusca. Binnick, R.I. (2001-2005): „The Project on Annotated Bibliography of contemporary Research“, in Tense, Grammatical Aspect, Aktionsart, and Related Areas, University of Toronto at Scarborough (http: / / www.utsc.utoronto.ca/ ~binnick/ old%20tense/ index.html). Blücher, K. (1973): „Considerazioni sui costrutti del tipo ‚stare cantando‘, ‚andare cantando‘, ‚venire cantando‘, in Revue Romane, 8/ 1-2, 13-20. Bybee, J.L. (1985): Morphology: a Study of the Relation between Meaning and Form, Amsterdam/ Philadelphia, Benjamins. Bybee, J.L./ Dahl, Ö. (1989): „The creation of tense and aspect systems in the languages of the world“, in Studies in Language 13/ 1, 51-103. Bybee, J.L./ Perkins, R.D./ Pagliuca, W. (1994): The evolution of grammar: tense, aspect and modality in the languages of the world, Chicago/ London, The University of Chicago Press. Comrie, B. (1976): Aspect, Cambridge, C.U.P. Coseriu, E. (1976): Das romanische Verbalsystem (hrsg. von Bertsch, H.), Tübingen, Narr. De Miguel, E. (1999): „El aspecto léxico“, in Bosque, I./ Demonte, V. (Hgg.): Gramática Descriptiva de la Lengua Española, 3 Bde., Madrid, Espasa, 2, 2977-3060. Dessì Schmid, S. (im Druck): „Inquietudine terminologica e categoriale: per un approccio onomasiologico al sistema aspettuale dell’italiano“, in Selig, M./ Bernhard, G. (Hgg.), Akten des Marburger Italianistentags 2008, Bern/ Berlin/ Bruxelles/ Frankfurt a.M., Peter Lang. Detges, U./ Waltereit, R. (2002): „Grammaticalization vs reanalysis: A semantic-pragmatic account of functional change in grammar“, in Zeitschrift für Sprachwissenschaft 21, 151-195. Dietrich, W. (1973): Der periphrastische Verbalaspekt in den romanischen Sprachen, Tübingen, Niemeyer. Dietrich, W. (1985): „Die Entwicklung der aspektuellen Verbalperiphrasen im Italienischen und Spanischen“, in Romanische Forschungen 97, 197-225. Durante, M. (1981): Dal latino al italiano moderno. Saggio di storia linguistica e culturale, Bologna, Zanichelli. Fillmore, C.J. (1975): „An Alternative to Checklist Theories of Meaning“, in Proceedings of the 1 st Annual Meeting of the Berkeley Linguistic Society, Berkeley, Berkeley Linguistic Society, 123-131. Fillmore, C.J. (1977): „Scenes-and-Frames-Semantics“, in Zampolli, A. (Hg.), Linguistic Structures Processing, Amsterdam, Banjamins, 55-81. Ginzburg, N. (1963): Lessico famigliare, Torino, Einaudi. Haspelmath, M. (1998): „Does grammaticalization need reanalysis? “, in Studies in Language 22, 315-351. Heine, B. (1993): Auxiliaries: cognitive forces and grammaticalization, New York/ Oxford, Oxford University Press. Festschrift_V-435_End.indd 267 20.05.11 14: 36 <?page no="294"?> 268 Sarah Dessì Schmid Herweg, M. (1990): Zeitaspekte. Die Bedeutung von Tempus, Aspekt und temporalen Konjunktionen, Wiesbaden, Deutscher Universitätsverlag. Hopper, P.J./ Traugott, E.C. (1993): Grammaticalization, Cambridge, C.U.P. Jakobson, (1981 [1959]): „Linguistische Aspekte der Übersetzung“, in Wilss, W. (Hg.), Übersetzungswissenschaft, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Kamp, H./ Rohrer, C. (1983): „Tense in texts“, in Bäuerle, R./ Schwarze, Ch./ von Stechow, A. (Hgg.), Meaning, Use and Interpretation of Language, Berlin/ New York, Mouton De Gruyter, 250-269. Koch, P. (2001): „Metonymy. Unity in diversity“, in Journal of Historical Pragmatics 2/ 2, 201-244. Koch, P. (2003): „Qu’est-ce que le cognitif? “, in Blumenthal, P./ Tyvaert, J.-E. (Hgg.), La cognition dans les temps, Tübingen, Niemeyer, 85-100. Laca, B. (2004): „Romance ‚Aspectual‘ Periphrases: Eventuality Modification versus ‚Syntactic‘ Aspect“, in Guéron, J./ Lecarme, J. (Hgg.), The Syntax of Time, Cambridge, Mass., MIT Press, 425-440. Langacker, R.W. (1987): „Foundations of Cognitive Grammar“, in Theoretical Prerequisites Bd. 1, Stanford, Stanford University Press. Lehmann, C. (1995): Thoughts on Grammaticalization, München, Lincom Europa. Marchand, M. (1955): „On a Question of Aspect: a Comparison between the Progressive Form in English and that in Italian and Spanish“, in Studia Linguistica 9, 45-52. Marchello-Nizia, C. (2006): Grammaticalisation et changement linguistique, Bruxelles, De Boeck-Duculot. Maslov, Y.S. (1973): „Universal’nye semanties č kie komponenty v soderžanii grammati č eskoj kategorii soveršennogo/ nesoveršennogo vida“, in Sovetskoe slvjanovedenie 4, Moskau, 73-83. Maslov, Y.S. (1985): Contrastive Studies in Verbal Aspect, Heidelberg, Gross. Minsky, M. (1975): „A Framework for Representing Knowledge“, in Winston, P.H. (Hg.), The Psychology of Computer Vision, New York, McGrow-Hill, 211-277. Sasse, H.-J. (1991): „Aspect and Aktionsart: A reconciliation“, in Vetters, C./ Vandeweghe, W. (Hgg.), Perspectives on Aspect and Aktionsart (Belgian Journal of Linguistics 6), 31- 45. Sasse, H.-J. (2002): „Recent activity in the theory of aspect: Accomplishments, achievements, or just non-progressive state? “, in Linguistic Typology 6, 199-271. Schlieben-Lange, B. (1971): Okzitanische und katalanische Verbprobleme. Ein Beitrag zur funktionellen synchronischen Untersuchung des Verbalsystems der beiden Sprachen (Tempus und Aspekt), Tübingen, Niemeyer (Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie, 127). Schwall, U. (1991): Aspektualität. Eine semantisch-funktionelle Kategorie, Tübingen, Narr. Smith, C. (1991): The parameter of Aspect, Dordrecht, Kluwer. Squartini, M. (1990): „Contributo per la caratterizzazione aspettuale delle perifrasi italiane andare + gerundio, stare + gerundio, venire + gerundio. Uno studio diacronico“, in Studi e saggi linguistici 30 (supplemento a L’Italia dialettale 80), 117-212. Squartini, M. (1998): Verbal Periphrases in Romance. Aspect, Actionality and Grammaticalisation, Berlin/ New York, Mouton/ De Gruyter. Tabucchi, A. (2001[1994]): Sostiene Pereira, Milano, Feltrinelli. Talmy, L. (1996): „The windowing of attention in language“, in Masayoshi Shibatani/ Thompson, S. (Hgg.), Grammatical Constructions. Their Form and Meaning, Oxford, Clarendon, 235-287. Taylor, J.R. (1995): Linguistic Categorization. Prototypes in Linguistic Theory, 2 nd ed., Oxford, Clarendon, 235-287. Traugott, E.C./ Heine, B. (Hgg.) (1991): Approaches to grammaticalisation, Amsterdam/ Philadelphia, Benjamins. Trevisan, V. (2002): I quindicimila passi, Torino, Einaudi. Vendler, Z. (1957): „Verbs and Times“, in Philosophical Review 66, 143-160. Festschrift_V-435_End.indd 268 20.05.11 14: 36 <?page no="295"?> Progressive periphrastische Konstruktionen 269 Vendler, Z. (1967): „Verbs and Times (cap. 4)“, in Linguistics in Philosophy, New York, Cornell University Press, 97-121. Verkuyl, H.J. (1972): On the Compositional Nature of the Aspects, Dordrecht, Reidel (Foundations of language: Suppl. ser. 15). Verkuyl, H.J. (1993): A Theory of Aspectuality. The Interaction between Temporal and Atemporal Structure, Cambridge, C.U.P. (Cambridge Studies in Linguistics, 64). Festschrift_V-435_End.indd 269 20.05.11 14: 36 <?page no="296"?> Festschrift_V-435_End.indd 270 20.05.11 14: 36 <?page no="297"?> G EORGES K LEIBER Dans le „sens“ du mouvement: éléments de sémantique conceptuelle du nom MOUVEMENT 0 Introduction Ce n’est pas à une entreprise lexicographique que nous nous livrerons dans ce travail. Il ne s’agit en effet nullement pour nous d’essayer de réorganiser les articles de dictionnaire consacrés au terme mouvement. Nous n’avons pas non plus la prétention de régler les affaires polysémiques plutôt complexes auxquelles donne lieu cette expression et d’offrir ainsi une description et explication structurées de tous les sens qu’on peut lui attribuer. Notre objectif, d’ambition beaucoup plus limitée, mais résolument placée dans le domaine sémantique, réside, comme l’indique le titre, dans une tentative de mettre au jour, en six étapes progressives, les principaux éléments de la sémantique du N mouvement. Cette manière de faire, on le verra chemin faisant, offre un double avantage: elle apporte d’utiles informations pour les traitements lexicologique et lexicographique du substantif en question, mais elle fournit aussi et surtout, sur un plan plus général, des indications définitionnelles précieuses sur la notion même de mouvement, sur ce qu’on appelle mouvement, et trace de la sorte une passerelle vers des horizons scientifiques où le mouvement est abordé sous d’autres angles et d’autres facettes que linguistiques. 1 Un Nom non autonome Le premier trait qu’il faut relever, c’est que le substantif mouvement fait partie des N que nous avons appelés syncatégorématiques (Kleiber, 1981), parce que, contrairement aux noms catégorématiques comme chimpanzé, chaise, pomme, sucre, etc., il n’est pas autonome. La particularité des N syncatégorématiques (cf. blancheur, ambition, départ, bras, capuchon, etc.) réside, en effet, dans leur dépendance ontologique vis-à-vis d’autres entités. De façon plus précise, il n’y a occurrence spécifique d’un N syncatégorématique que s’il y a aussi occurrence spécifique d’un autre concept (Strawson 1973). Il n’y a une blancheur ou un départ particulier que si c’est la blancheur ou le départ d’un X particulier, alors que si l’on prend un N catégorématique, comme chimpanzé par exemple, il est clair que l’existence d’une occurrence spécifique de chimpanzé ne se trouve pas semblablement suspendue à celle d’un autre X particulier. Le N mouvement, par contre, se révèle pleinement syncatégorématique, puisqu’il n’y a mouvement particulier que s’il y a mouvement de quelque chose ou de quelqu’un. Linguistiquement, une telle dépendance se manifeste dans la possibilité d’avoir des SN binominaux en de du type le mouvement de X et des SN posses- Festschrift_V-435_End.indd 271 20.05.11 14: 36 <?page no="298"?> 272 Georges Kleiber sifs du type son mouvement (son = de X) dont l’interprétation se laisse établir uniquement à partir des éléments en présence, donc sans contexte supplémentaire: (1) Le mouvement de Paul → son mouvement (2) Le mouvement des astres → leur mouvement Nous reviendrons sur le sens de la relation qui se trouve établie entre X et mouvement, relation qui dépend bien entendu de X, mais aussi, comme on le verra ci-dessous, du sens concerné de mouvement. Pour le moment, on signalera simplement que ce premier trait de non autonomie ontologique permet déjà d’isoler un emploi, donc un sens particulier du N mouvement, qui ne vérifie pas cette propriété de syncatégorématicité. Il s’agit de l’emploi où mouvement fonctionne comme nom collectif renvoyant par extension métonymique, à des associations, des groupements de gens qui se sont réunis dans le but de faire connaître et progresser leurs idées: (3) Mouvements politiques, syndicaux, littéraires, etc. Une instance particulière d’un tel mouvement se révèle autonome: elle ne dépend pas ontologiquement de l’existence du „X“ que supposent les autres emplois de mouvement. On a certes aussi des SN binominaux en de: (4) Le mouvement du RPR/ le mouvement des Verts Mais la relation exprimée n’est plus la même: (5) Le mouvement du RPR = le mouvement qu’est/ que forme le RPR (6) le mouvement de Paul =? le mouvement qu’est/ que forme Paul Et si l’on peut encore avoir un adjectif possessif 1 : (7) Le mouvement des Verts → leur mouvement c’est également avec une interprétation différente: (8) Le mouvement des Verts → leur mouvement (sens d’appartenance) (9) Le mouvement de Paul → son mouvement (? sens d’appartenance) 2 Un N sans matière ou substance Comme il y a différents types de N non autonomes possibles, selon le type de dépendance entre X et le N non autonome, il convient de préciser quelle est la relation qui unit le N mouvement à X. Ce n’est pas une relation de type méronomique: le N mouvement n’est pas conçu comme étant une partie d’un tout qui serait le X en question, comme le montrent, d’une part, l’impossibilité d’avoir une phrase générique correspondante du type x est une partie de y (Kleiber 2001, 271): 1 Cela n’est pas possible si c’est la relation d’identité: le mouvement du RPR → ? son mouvement. Festschrift_V-435_End.indd 272 20.05.11 14: 36 <?page no="299"?> Eléments de sémantique conceptuelle du nom MOUVEMENT 273 (10) ? Le mouvement est une partie des hommes’ (11) ? Le mouvement est une partie des astres et, d’autre part, l’inaptitude du N mouvement de fonctionner de manière „aliénée“ en anaphore associative (Kleiber 2001), comme le montre l’opposition entre: (12) Paul s’adossa contre un arbre. Le tronc était rugueux et: (13) Paul aime observer les astres.? Le mouvement l’intrigue (avec le mouvement = le mouvement des astres) (14) Paul n’est plus maître de lui.? Les mouvements sont désordonnés (avec les mouvements: les mouvements de Paul) Pour qu’il y ait l’enchaînement désiré, il faut utiliser le possessif (Kleiber 1999): (15) Paul aime observer les astres. Leur mouvement l’intrigue (16) Paul n’est plus maître de lui. Ses mouvements sont désordonnés Cette caractéristique négative permet de distinguer deux autres emplois ou sens du N mouvement, parce qu’ils répondent précisément à la relation de partietout: a) le sens métonymique de mouvement pour désigner une des parties d’une montre, à savoir l’appareillage ou le mécanisme qui la fait marcher; b) le sens métonymique 2 également de mouvement pour renvoyer aux parties d’une œuvre musicale devant être exécutée dans tel ou tel mouvement. On vérifiera que, dans ce cas, les phrases génériques du type x est une partie de y sont plus ou moins accessibles ainsi que l’établissement d’anaphores associatives: (17) Le mouvement est une partie des horloges (18) L’horloge ne marche plus. Le mouvement est rouillé/ il faut changer le mouvement (19) Cette symphonie est sublime, le premier mouvement surtout Ce n’est pas non plus un nom de propriétés 3 (de qualité, de sentiments ou d’états) comme blancheur, bonté, beauté, tristesse, inquiétude, etc. La relation entre X et mouvement n’est pas celle qui unit X aux noms de propriétés. Le SN binominal le mouvement de X ne s’interprète pas sur le modèle attributif comme celui de type le N (de propriété) de X: le mouvement de Paul ne reçoit pas de paraphrase en être + adjectif comme les SN binominaux avec N de propriété: (20) La bonté/ tristesse/ beauté/ inquiétude de Paul → Paul est bon/ triste/ beau/ inquiet 2 Le Petit Robert marque „XVI e siècle“ pour ce sens. 3 Appelés abstraits intensifs par Flaux/ Van de Velde (2000). Festschrift_V-435_End.indd 273 20.05.11 14: 36 <?page no="300"?> 274 Georges Kleiber Il y a toutefois un point commun entre les N de propriétés et le type de N dont relève le N mouvement qui les oppose aux autres N non autonomes comme les N de partie vus ci-dessus: les deux n’ont pas de substance ou de matière. 4 On ne peut pas toucher, peser un mouvement comme on ne peut pas toucher, peser une propriété. On ne saurait parler de *la matière d’un mouvement 5 (cf. aussi *un mouvement en bois) comme on ne saurait parler de la matière d’une propriété. Les adjectifs impliquant la matière sont par là-même exclus: (21) *un mouvement épais, humide, gras, spongieux, tendre, dur, caoutchouteux, etc. L’absence de matière a pour conséquence de ne pas pouvoir séparer les entités auxquelles renvoient le nom mouvement et les noms de propriété du X dont ils expriment la propriété ou le mouvement. Si je puis imaginer la tête d’un cheval (donc une partie du cheval) indépendamment du reste du cheval, il n’en va plus de même, comme l’a souligné Husserl, pour la couleur de ce cheval: je ne puis me représenter la couleur du cheval sans me représenter le cheval également. Il en va de même pour le mouvement: je ne puis imaginer le mouvement de Paul sans me représenter en même temps Paul. Ce fait, comme nous l’avons défendu dans Kleiber (1999 et 2001), est directement à l’origine de l’impossibilité pour de tels noms de figurer en anaphore associative. Nous l’avons déjà signalé pour le N mouvement. Cela se vérifie aussi pour les N de propriétés qui nécessitent aussi un possessif pour un enchaînement avec X réussi: (22) Tout le monde aime Paul, parce que *la bonté (pour ‚la bonté de Paul‘) est immense (23) Tout le monde aime Paul, parce que sa bonté est immense Une autre conséquence relevant de l’opposition abstrait/ concret 6 est à noter: le N mouvement comme les N de propriétés est un nom lexicalement abstrait, non dans le sens de l’opposition sensible/ non sensible sur laquelle nous reviendrons, mais dans la perspective de l’isolement qu’il implique par rapport aux entités existantes ou conçues comme existant dans la réalité. Dans la réalité, il n’y a ontologiquement parlant que des entités individuelles douées de matière et de forme (+ animation pour les animés). N’impliquant pas la matière, le N mouvement, de même que les N de propriétés, apparaît comme la stabilisation lexicale d’une abstraction, d’un isolement ou détachement par rapport au X du mouvement. 4 C’est un autre point qui permet de caractériser l’emploi de mouvement dans le sens de mécanisme d’horlogerie: Ce mouvement ne pèse que 10 grammes. 5 On peut, certes, parler de la substance d’un mouvement, mais dans un sens différent. 6 Pour les différents niveaux d’application de l’opposition abstrait/ concret, voir Galmiche/ Kleiber (1994). Festschrift_V-435_End.indd 274 20.05.11 14: 36 <?page no="301"?> Eléments de sémantique conceptuelle du nom MOUVEMENT 275 3 Un N „spatial“ S’il n’engage pas le domaine cognitif 7 primaire de la substance, le N mouvement implique par contre fondamentalement le domaine cognitif de l’espace: il n’a pas de matière, mais possède par contre un „profil“ dans l’espace et a du coup une ou des formes spécifiques. On peut dessiner ou représenter un mouvement, comme on peut parler de la forme d’un mouvement, des lignes ou de la ligne d’un mouvement, d’un mouvement circulaire, courbe, rectiligne, d’un grand mouvement, d’un mouvement vertical, montant, ascendant, descendant, d’un mouvement en avant/ en arrière/ vers le haut/ vers le bas, d’un mouvement de grande amplitude, etc. De ce point de vue-là et si on recourt non plus à l’abstraction par rapport à X, mais à l’opposition ‚perceptible par les sens/ non perceptible par les sens‘, il apparaît cette fois-ci comme étant un N concret et non plus abstrait, puisque la ou les formes qui le caractérisent dans l’espace sont conçues comme étant perceptibles par les sens, ainsi qu’en témoigne sa compatibilité avec les prédicats de perception: (24) J’ai vu le mouvement de Paul (25) Un mouvement imperceptible Il est donc à la fois un N abstrait et un N concret, sans qu’il y ait contradiction, puisqu’il est abstrait par le détachement d’avec le X du mouvement et concret par les „formes“ perceptibles qui le caractérisent. Cette nouvelle caractérisation conduit à réserver un sort polysémique spécial, comme le signalent sous la rubrique figuré la plupart des dictionnaires, aux mouvements non spatiaux ou encore mouvements abstraits dont le profil, parce que le X dont ils dépendent n’a pas d’extension spatiale, se découpe sur d’autres domaines cognitifs que l’espace. Ces transferts de sens relèvent d’un traitement métaphorique, et non plus métonymique, comme avec les „extensions“ polysémiques entrevues supra, en termes de projection d’un domaine sur l’autre, projections diverses qu’il conviendrait de décrire, d’analyser et d’organiser de manière précise. On se contentera d’y faire allusion en signalant les mouvements appliqués à des entités non spatiales comme: - l’âme, le cœur (les mouvements de l’âme/ du cœur), mouvements intérieurs qui peuvent donner lieu à de véritables mouvements extérieurs de joie, de colère, et, de manière figée, à un bon mouvement, - la phrase (le mouvement d’une phrase), un film (un film plein de mouvement), etc. - l’ordre social (les mouvements de l’histoire) ou administratif (il y a eu des mouvements à la Préfecture) pour y indiquer des changements et mutations, - un morceau de musique, pour indiquer, cette fois-ci 8 selon quelle intensité ce morceau doit être joué (adagio, andante, allegro…), etc. 7 Pour la notion de domaine cognitif, voir Langacker (1987). 8 C’est ce sens de mouvement qui est à l’origine du sens métonymique signalé ci-dessus de ‚partie d’une œuvre devant être exécutée dans tel ou tel mouvement‘. Festschrift_V-435_End.indd 275 20.05.11 14: 36 <?page no="302"?> 276 Georges Kleiber 4 Un N processuel Il est grand temps d’indiquer ce qui sépare les N dont fait partie mouvement des N de propriétés: il s’agit de N processuels 9 ou N d’actions, c’est-à-dire de N qui engagent de façon cruciale le domaine cognitif du temps en ce qu’ils ont une étendue temporelle 10 durant laquelle il se „passe“ quelque chose, il y a un changement ou une modification (volontaire ou non) du (ou des X) dont ils dépendent. Ils sont les correspondants nominaux des verbes d’action 11 qui s’opposent sur ce point aux verbes statiques, qui, même s’ils s’inscrivent dans le temps, n’en consomment pas pour leur existence. La survenance ou l’émergence des N d’action s’effectue nécessairement avec le temps, l’intervalle pouvant être réduit à un point. L’appartenance de mouvement à ce type de N se montre facilement par sa capacité à se combiner avec des prédicats impliquant un établissement de l’action avec l’écoulement du temps: (26) Ce mouvement se fait très vite/ s’exécute très vite (27) Un mouvement rapide/ lent (28) Ce mouvement prend du temps Le caractère processuel de mouvement fait que le X dont il dépend ontologiquement apparaît comme celui qui fait ou effectue (volontairement ou non, ça c’est une autre question) le procès ou l’action en question: c’est X qui est l’auteur ou sujet 12 du mouvement. Soulignons en passant que ceci permet de séparer d’une autre manière l’emploi musical de mouvement pour désigner l’intensité avec laquelle un morceau doit être joué, puisque le rapport entre le X et mouvement est dans ce cas un rapport de propriété qui ne s’accomplit pas avec le temps: le mouvement en question apparaît comme étant une propriété du morceau de musique et non pas comme une „action“ de ce morceau. 5 Toute action est-elle un mouvement? Il nous faut à présent examiner de plus près de quel type de procès ou d’action le N mouvement est l’expression nominale. Les éléments mis en avant jusqu’à présent pour sa caractérisation, à savoir la dépendance ontologique vis-à-vis d’un X, l’implication de l’espace et du temps, la processualité, conduisent à postuler qu’il s’agit d’un changement ou d’une modification „spatiale“ de l’instance-‚auteur‘ X et uniquement d’une modification de ce type. En effet, comme il n’y a que le temps et l’espace de X engagés comme domaines cognitifs sur lesquels se trouve profilé le concept de ‚mouvement‘, celui-ci ne peut correspondre qu’à un changement ou à une modification „spatiale“ de X avec le temps. 9 Ce sont les N abstraits extensifs chez Flaux/ Van de Velde (2000). 10 Une grandeur extensive selon Flaux/ Van de Velde (2000). 11 Etiquette commode et provisoire qui permet d’opposer les différents types de verbes dynamiques (activités, accomplissement, achèvements) aux verbes d’état. 12 Pas dans l’acception syntaxique, où sujet vaut aussi pour les propriétés (cf. Paul est triste → la tristesse de Paul), mais bien dans un sens „actif“ ou dynamique. Festschrift_V-435_End.indd 276 20.05.11 14: 36 <?page no="303"?> Eléments de sémantique conceptuelle du nom MOUVEMENT 277 Nous ne sommes pas loin du sens donné par les dictionnaires lorsqu’ils définissent le sens propre 13 de mouvement comme étant un „changement de position dans l’espace en fonction du temps par rapport à un système de référence“ (Petit Robert). Et l’on pourrait penser que, pour aboutir finalement à la définition généralement avancée pour le mouvement, le jeu n’en valait pas la chandelle. Cela n’est vrai qu’en apparence. On ne saurait en effet en rester à une telle conception qui, pour ne pas être fausse, s’avère néanmoins beaucoup trop vague et trop puissante, car elle n’intègre pas tous les éléments restricteurs que nous avons mis en avant. Si l’on se contente d’une telle caractérisation, toutes les actions „concrètes“, c’est-à-dire toutes celles qui impliquent le „corps“ de X, deviennent des mouvements, puisqu’elles supposent toutes des modifications „spatiales“ de X, de telles actions ne résultant, on le rappelle, que du constat de changements de X au cours d’un intervalle temporel. Cela revient à voir dans le substantif mouvement l’hyperonyme de tous les verbes dynamiques ou verbes d’action. Ketterer (1971, 41) aboutit à une telle conclusion, lorsqu’il affirme „dass im Grunde genommen jeder Vorgang als Bewegung aufgefasst werden kann“. Leisi (1974, 47) met également en relief cette difficulté de séparer processus et mouvement en appelant à la rescousse des verbes comme grandir et brûler en signalant que les deux peuvent être considérés comme des verbes de mouvement, le mouvement étant toutefois tellement lent pour le premier qu’il échappe à la perception. 14 Si les nombreux travaux 15 des années soixante-dix et quatre-vingts portant sur les verbes de mouvement soulignent la difficulté de séparer mouvement et processus, parce que la plupart des processus impliquent le mouvement, ils ne se résolvent cependant pas à une telle conclusion et essaient par des additifs divers à restreindre la classe de verbes qu’ils veulent étudier. On postule ainsi des contraintes sur X, en lui imposant d’être animé (Diersch 1972) ou d’avoir „son principe de mobilité en lui-même“ (Guého 1979, 16) ou encore de ne pas être ‚liquide‘ (Shann 1984, 103) et sur le mouvement, en exigeant par exemple que ce soit un déplacement du corps entier dans l’espace (Diersch 1972), un changement de lieu (Igekami 1971; Guého 1979; Montibus 1987), etc. Il s’ensuit des définitions qui divergent selon les auteurs et qui, quoiqu’elles se présentent comme onomasiologiques, sont plus inspirées par les verbes qu’ils entendent traiter que par une véritable caractérisation du concept de mouvement. En fait, il nous semble qu’il y a une équivoque à la base de leur démarche: entendent-ils traiter les verbes qui 13 Donné comme étant la conception „mécanique“ du mouvement. Voir par exemple chez Shann (1984: 102): „Veränderung des Ortes mit der Zeit, bezogen auf ein als ruhend angenommenes Bezugssystem“ ou encore de manière un peu plus mathématico-physique chez Leisi (1974, 60): „Änderung des Ortes eines punktförmigen oder räumlich ausgedehnten Gebildes mit dem Zeitablauf“. 14 „Nicht immer lässt sich der Prozess von der Bewegung scharf abgrenzen: wachsen z.B. kann ebensogut zu den Bewegungsverben gerechnet werden, nur pflegt hier die Bewegung so langsam zu sein, dass sie in der einmaligen Beobachtung unbemerkt bleibt. Ebenso ist brennen ein Prozess, der kaum ohne Bewegung abgeht“ (Leisi 1974, 47). 15 Voir ici Dalk (1976), Diersch (1972), Gého (1979), Igekami (1971), Ketterer (1971), Krassin (1984), Krohn (1975, 1984), Lamiroy (1983), Montibus (1987), Orthen (1986), Pilz (1979), Pottier (1970), Shann (1984), etc. Festschrift_V-435_End.indd 277 20.05.11 14: 36 <?page no="304"?> 278 Georges Kleiber renvoient à des procès impliquant le mouvement (ou un ou des mouvements) ou veulent-ils traiter les verbes qui dénotent ou qui sont des mouvements? Ils ne prennent pas position par rapport à cette question et c’est ce qui entraîne cette difficulté à cerner le champ conceptuel de leurs verbes de mouvement. Notre propre démarche, sémasiologique puisqu’elle s’appuie sur le N mouvement, offre une porte de sortie. On ne peut nier qu’une action comme brûler implique le ou „du“ mouvement, les flammes bougent et l’on peut parler du mouvement des flammes, par exemple. Mais ce n’est pas parce que l’action de brûler suppose effectivement qu’il y ait mouvement qu’il s’agit pour autant d’un mouvement et donc d’un verbe de mouvement. Si une veste contient des boutons, on n’en conclura pas pour autant que la veste est un bouton et que le N veste est un nom de bouton! Brûler n’est ainsi pas un mouvement, même s’il implique effectivement le mouvement. Du coup, même si une action „concrète“ s’accompagne toujours d’une modification spatiale du ou des X impliqués, elle n’est pas pour autant un mouvement et donc pas non plus un verbe de mouvement. On comprend pourquoi: mouvement n’engage, comme nous l’avons vu ci-dessus, qu’un changement „spatial“ de X et aucune autre modification. Or, la plupart des „actions“, même si pour être accomplies elles nécessitent des ou s’accompagnent de changements spatiaux de X, répondent à des modifications beaucoup plus riches, faisant intervenir d’autres dimensions que la seule dimension spatiale. Brûler implique ainsi décisivement une modification matérielle de X avec le temps. Et si l’on veut donc voir le ou du mouvement dans brûler, il faut bien entendu faire abstraction de tout le reste. Il est inutile de multiplier les exemples: même si l’on trouve dans les actions le mouvement, elles n’en sont pas pour autant des mouvements. Autrement dit, le nom mouvement n’est pas un hyperonyme des verbes d’action ou verbes dynamiques. La structure appelée Hierarchie-être (Bever/ Rosenbaum, 1971) en est la manifestation. L’énoncé attributif générique: (29) Une action est un mouvement n’équivaut en effet pas à une telle hiérarchie. Contrairement aux véritables Hiérarchie-être telles que: (30) Un chimpanzé est un singe/ Les chimpanzés sont des singes qui refusent les modulations mettant en cause leur vérité analytique a priori: (31) ? Tous les chimpanzés sont des singes (32) ? Ce chimpanzé est un singe (33) ? Je pense que/ A mon avis, un chimpanzé est un singe (34) ? Les chimpanzés ne sont pas des singes il accepte sans difficulté de semblables modifications, révélant par là-même qu’il n’est pas l’expression d’une inclusion catégorielle lexicalement stabilisée: (35) Toutes les actions sont des mouvements (36) Cette action est un mouvement (37) Je pense que/ A mon avis, une action est un mouvement (38) Une action n’est pas un mouvement Festschrift_V-435_End.indd 278 20.05.11 14: 36 <?page no="305"?> Eléments de sémantique conceptuelle du nom MOUVEMENT 279 On peut aussi faire jouer ce que nous appellerons le test du mime, qui nous semble révélateur, parce qu’il permet de souligner l’abstraction „formelle“ que représente un mouvement. On peut demander à un mime de mimer telle ou telle action, comme par exemple celle de manger une banane. Le fait qu’il puisse la mimer montre bien qu’elle implique des mouvements, mais prouve aussi qu’exécuter ces mouvements n’équivaut pas à l’action elle-même: même s’il réussit parfaitement son imitation, le mime n’a pas quand même pas mangé de banane! Le test fonctionne aussi de manière inverse et tout aussi révélatrice: on ne saurait demander à un mime de mimer le „mouvement“ de manger une banane, pour la bonne et simple raison, que là il ne s’agit plus de mime, mais bien d’effectuation réelle: s’il s’exécute quand même et s’il réussit, même s’il n’a toujours pas mangé de banane, le mime a cette fois-ci bien effectué le mouvement de manger une banane. Autrement dit, et c’est significatif, si on peut mimer une action, on ne peut mimer un mouvement 16 , on ne peut que l’effectuer. Cette clarification, pour importante qu’elle soit, ne règle pas pour autant le problème du type de modification ou de changement spatial dénoté par le N mouvement. Si toute action, même concrète, n’est pas un mouvement, pour quel procès de X peut-on alors véritablement parler de mouvement? 6 Deux types de modification ou changement „spatiaux“ de X Reprenons le problème où nous l’avions laissé supra. Nous avions souligné que, comme il n’y a que le temps et l’espace de X engagés comme domaines cognitifs, la processualité de mouvement ne peut correspondre qu’à un changement ou à une modification de l’espace de X avec le temps. Autrement dit, avec le temps, X change „spatialement“ 17 . Il y a a priori deux possibilités de changement „spatiaux“ de X selon que l’on prenne en compte le lieu dans lequel se trouve l’entité X ou que l’on considère l’espace tridimensionnel (en somme l’entité matière + forme) que constitue X lui-même. 1) Pour le premier cas, il faut rappeler qu’une entité X de type ontologique „matière“ + „forme“ se trouve elle-même toujours à une place donnée ou à une position donnée d’un espace englobant. On peut donc envisager un changement de lieu avec le temps: à t 0 , X est à l’endroit A, à t i , il se trouve à l’endroit B, le changement d’espace étant alors le passage de X de A à B durant l’intervalle temporel t 0 -t i . Il faut souligner que cette localisation de X dans l’espace englobant fait abstraction des formes (ou position si l’on veut) de X lui-même dans le lieu A. On ajoutera encore une précision importante sur la détermination du lieu A: celui-ci peut être préconstruit, c’est-àdire constituer déjà un lieu avant la présence de X, ou il peut être construit comme lieu précisément par la place que délimite par son volume l’entité X elle-même 18 . 16 Et du coup on ne peut mimer non plus l’action de bouger ou de faire un mouvement! Voir infra pour bouger. 17 On peut opposer ici partiellement mouvement à immobilité/ immobile qui suppose également temps, espace et X, mais bien entendu sans changement. 18 Au lieu préconstitué correspondent des emplois d’ici du type Ici on mange bien, à l’endroit formé par la présence de X, des emplois d’ici comme Viens ici! . Voir pour plus de détails Kleiber (1993). Festschrift_V-435_End.indd 279 20.05.11 14: 36 <?page no="306"?> 280 Georges Kleiber 2) Dans le second cas, ce qui est décisif cette fois-ci, c’est le changement des „formes“ de X, indépendamment du lieu où X se trouve, ce changement pouvant avoir lieu à A, B ou ailleurs. L’idée est que, à t 0 , X a une certaine forme (attitude ou position), en somme des frontières ou limites, et que ces formes ou limites, alors que la „matière“ reste non touchée par la chose (volume donc identique), changent durant l’intervalle t 0 -t i . Peut-on parler de mouvement pour 1) et 2)? On voit immédiatement que 1) correspond aux verbes dits de mouvement et plus spécialement aux verbes de déplacement (en allemand Fortbewegung) (cf. aller, partir, venir, marcher, courir, etc., pour ne citer que les plus courants de la littérature). Mais dès que l’on essaie de parler du mouvement de X pour de tels „déplacements“, on s’aperçoit avec surprise que le N mouvement ne convient généralement pas. Il s’avère approprié pour le déplacement de X comme les astres 19 , comme nous l’avons déjà vu (cf. le mouvement des astres), mais absolument pas pour désigner les déplacements d’un être humain. Le départ de Pierre, la marche ou course de Pierre, le voyage de Pierre, etc., ne peuvent être catégorisés comme des mouvements. De façon inverse, on peut montrer que le SN Le mouvement de Pierre, à la différence de Le mouvement de la lune, ne recevra jamais une interprétation de déplacement, c’est-à-dire une interprétation de type modification spatiale 1), mais une interprétation de type 2), c’est-à-dire celle où le changement spatial de X correspond à un changement de ses formes intrinsèques avec le temps. Il s’agit en effet dans le cas de 2) des gestes et autres changements d’attitude de X (lever le doigt, se courber, s’agenouiller, etc.) opérés volontairement ou non indépendamment du lieu où X se trouve, modifications qu’exprime parfaitement le verbe bouger, dans son acception la plus courante 20 . Plusieurs points seraient à développer: (i) le fait que l’on retrouve immobile comme opposé au mouvement de type 2); (ii) le déplacement de X de type 1) suppose dans la majeure partie des cas une modification „spatiale“ de X, de telle sorte que beaucoup de verbes de déplacement de type 1) indiquent en même temps un mouvement de type 2). Autrement dit, ils donnent en quelque sorte la manière de se déplacer (cf. marcher, courir, ramper, bondir, etc.): ils marquent ainsi directement ou indirectement par quels mouvements de type 2) s’effectue la progression de type 1). 21 (iii) la possibilité d’avoir des mouvements complexes, c’est-à-dire des mouvements formés de mouvements dits simples ou élémentaires, distinction qui repose bien entendu sur une définition préalable de ce qu’est un mouvement „simple“ et qui implique la notion de mouvement „hétérogène“, etc. 19 Le Petit Robert parle de façon plus générale dans ce cas de mouvement des corps. Il sert aussi pour parler du mouvement des voitures, des bateaux, des marchandises, des capitaux, mais dans ce cas il s’agit du sens de ‚circulation‘, ‚trafic‘, où mouvement n’est plus un N comptable, mais renvoie à un ensemble de déplacements de tel ou tel type. 20 On notera en effet qu’il fonctionne aussi dans le sens de 1) (cf. ces derniers temps, j’ai beaucoup bougé; je ne bouge pas d’ ici, etc.). 21 D’où, actuellement, la dénomination verbes de manière de mouvement (Geuder, 2009 et Sikora, 2009). Festschrift_V-435_End.indd 280 20.05.11 14: 36 <?page no="307"?> Eléments de sémantique conceptuelle du nom MOUVEMENT 281 (iv) une analyse détaillée du prédicat avec verbe support faire un mouvement, qui est restreint au type 2) et dont les caractéristiques (contrainte avec les déterminants de la pluralité, entre autres) apportent d’utiles renseignements sur les mouvements de type 2). 7 Une conclusion tout en mouvement(s) Il nous semble plus intéressant pour terminer d’essayer d’apporter quelques éléments de réponse à l’énigme soulevée ci-dessus lors de l’application du nom mouvement aux changements spatiaux de type 1) et 2). Nous avons vu que 1) et 2) donnent des résultats différents quant au caractère approprié ou non du nom mouvement: je puis parler du mouvement des astres dans le sens de 1), mais je ne puis pas parler du mouvement de Pierre dans le sens de 1), pour son déplacement à Paris, par exemple. L’affaire est plus que surprenante. Elle s’éclaire toutefois (du moins un peu) lorsqu’on prend en compte de façon conjointe deux facteurs: a) le fait que mouvement, comme signalé ci-dessus, découpe dans l’espace une ou des formes spécifiques 22 , même s’il fonctionne lui-même comme N superordonné subsumant des mouvements particuliers ou basiques; b) le fait qu’il est comptable dans le mouvement de Pierre, mais non comptable dans le mouvement de la lune, ainsi que le montrent les données suivantes: (39) Deux mouvements de Pierre/ ? Deux mouvements de la lune (40) Pierre fait un mouvement/ ? La lune fait un mouvement On constate en effet que la lune ou d’autres „corps“ non animés ont un mouvement qui répond à une forme précise, alors que le déplacement de type 1) pour des humains n’a pas de formes spatiales spécifiques. Inversement, les „gestes“ ou mouvements de type 2) des humains, étant donné précisément leur forme intrinsèque, répondent à des formes spécifiques. Du point de vue comptable, les astres ne connaissent qu’un mouvement, au point que c’est une de leurs propriétés, et donc n’entrent pas dans le jeu du comptable, alors que les modifications spatiales du type 2) des animés s’ouvrent à une pluralité à la fois quantitative et qualitative. Est-ce la bonne réponse? A d’autres le soin d’en juger, puisque le but de notre entreprise était, non pas de livrer une analyse clefs en mains du N mouvement, mais de tracer quelques pistes de réflexion pour, à la fois, fournir des informations débouchant sur une meilleure saisie lexicologique et lexicographique du N en question et donner du grain linguistique à moudre aux autres moulins ès mouvements. 22 Point qu’il faudrait évidemment développer pour rendre compte de toute une série d’emplois non spatiaux de mouvement. Festschrift_V-435_End.indd 281 20.05.11 14: 36 <?page no="308"?> 282 Georges Kleiber 8 Références Bever, T.G./ Rosenbaum, P.S. (1971): Some lexical structures and their empirical validity, in Steinberg, D.D. et Jakobovits, L.A. (éds.), Semantics, Londres/ New-York, Cambridge University Press, 586-599. Dalk, W. (1976): Untersuchungen von Verben der menschlichen Fortbewegung im Worschatz der deutschen Gegenwartssprache, Dissertation, Rostock. Diersch, H. (1972): Verben der Fortbewegung in der deutschen Sprache der Gegenwart. Eine Untersuchung zu syntagmatischen und paradigmatischen Beziehungen des Wortinhaltes, Berlin, Akademie-Verlag. Flaux, N./ Van de Velde, D. (2000): Les noms en français: esquisse de classement, Paris, Ophrys. Galmiche, M./ Kleiber, G. (1994): Sur les noms abstraits, in Kleiber, G., Nominales. Essais de sémantique référentielle, Paris, Armand Colin, 48- 64. Gého, R. (1979): Mobilité, rupture, vitesse. Etude des macrostructures d’un groupe de lexèmes verbaux en français moderne, Hamburg, Helmut Buske Verlag. Geuder, W. (2009): „Descendre en grimpant“: Une étude contrastive de l’inteeraction entre déplacment et manière de mouvement, in Langages, 175, 123-19. Igekami, Y. (1971): The Semiological Structure of the English Verbs of Motion, Tokyo, Sanseido. Ketterer, A. (1971): Semantik der Bewegungsverben. Eine Untersuchung am Wortschatz des französischen Barock, Dissertation, Zürich. Kleiber, G. (1981): Problèmes de référence. Descriptions définies et noms propres, Paris, Klincksieck. Kleiber, G. (1993): L’espace d’ICI: sur la pragma-sémantique des adverbes spatiaux, in Cahiers de Linguistique Française, 14, 85-104. Kleiber, G. (1994): Nominales, Paris, Armand Colin. Kleiber, G. (1999): Associative Anaphora and Part-Whole Relationship: the Condition of Alienation and the Principle of Ontological Congruence, in Journal of Pragmatics, 31, 339-362. Kleiber, G. (2001): L’anaphore associative, Paris, PUF. Krassin, G. (1984): Das Wortfeld der Fortbewegung im modernen Französich, Frankfurt, Lang. Krohn, D. (1975): Verbinhalt und semantische Merkmale. Studien zu paradigmatischen und syntagmatischen Relationen im Bedeutungsfeld der menschlichen Fortbewegung im heutigen Deutsch und Schwedisch, Göteborg, Göteborger Germanistische Forschungen 13. Krohn, D. (1984): Die Verben der menschlichen Körperteilbewegung im heutigen Deutsch, Göteborg, Göteborger Germanistische Forschungen 22. Lamiroy, B. (1983): Les verbes de mouvement en français et en espagnol, Amsterdam, Benjamins. Langacker, R.W. (1987): Foundations of Cognitive Grammar. Vol. I. Theoretical Prerequisites, Stanford, Stanford University Press. Leisi, E., 1974 (4 e édition): Der Wortinhalt. Seine Struktur im Deutschen und Englischen, Heidelberg, Quelle und Meyer (1 ère éd. 1953). Montibus, M.-J. (1987): Le champ sémantique des verbes de mouvement en français moderne. Essai d’analyse sémique, Strasbourg, Thèse de Doctorat Nouveau Régime de l’Université de Strasbourg 2. Orthen, N. (1986): Zur Semantik deutscher Bewegungsverben, Inauguraldissertation, Köln. Pilz, I. (1979): Semantische Analyse der Verben der menschlichen Fortbewegung im Englischen, Dissertation, Leipzig. Pottier, B. (1970): Sémantique du fini et sémantique du non-fini, in Actes du X e Congrès International des Linguistes, II, Bucarest, 385-389. Shann, P. (1984): Untersuchungen zur strukturellen Semantik, Berne, Francke Verlag. Festschrift_V-435_End.indd 282 20.05.11 14: 36 <?page no="309"?> Eléments de sémantique conceptuelle du nom MOUVEMENT 283 Sikora, D. (2009): Les verbes de manière de mouvement en Polonais et en Français, Nancy, Thèse de Doctorat de l’Université de Nancy 2. Strawson, P.F. (1973): Les individus, Paris, Seuil. Festschrift_V-435_End.indd 283 20.05.11 14: 36 <?page no="310"?> Festschrift_V-435_End.indd 284 20.05.11 14: 36 <?page no="311"?> D ANIELA P IRAZZINI Sulla collocazione e sulla sua relazione con i blocchi semantici 0 Introduzione Le ricerche destinate allo studio del lessico di una lingua naturale mettono spesso in evidenza che „à un mot ne correspond pas un prédicat vériconditionnel, mais un ensemble de topoï. Utiliser un mot, c’est faire jouer le faisceau de topoï qui lui est attaché, et le sens d’un mot n’est pas la donation d’un référent, mais une certaine vision induite par la forme topique convoquée“ (Anscombre 2001, 67). Ipotizzare che il senso lessicale di una ‚parola A‘ dipenda dall’insieme dei topoi che tale parola (anche se presa isolatamente) può convocare, significa asserire che il nucleo semantico del contenuto di tale parola racchiuda in sé non solo ‚tratti inerenti‘ al suo significato grammaticale e tratti riferiti alla sua propria valenza semantica (Koch 1981: 103) 1 , ma anche e soprattutto tratti che risultano dalle selezioni che tale ‚parola A‘ opera nel contesto (linguistico ed extra-linguistico) con altre unità lessicali. Così, prendendo a prestito un esempio di Todorov, nei romanzi del diciannovesimo secolo la parola ‚gelosia‘ entra di regola in relazione con le parole: ‚suicidio‘, ‚fuga dal mondo‘, ‚omicidio‘, dando vita in questo modo a diversi tipi di implicazione topica: „X est jaloux de Y“ → „X fuit le monde“; „X est jaloux de Y“ → „X se suicide“, „X est jaloux de Y“ → „X fait la cour à Y“, oppure „X est jaloux de Y“ → „X nuit à Y“. Nelle Mille e una notte, invece, per „X est jaloux de Y“ c’è una sola possibilità: „X nuit à Y“ (Todorov 1969, 87). Il contesto „X nuit à Y“ determina il significato della parola ‚gelosia‘ nel senso di ‚sentimento violento‘ selezionando quindi il tratto ‚violenza‘ come saliente per il contenuto della parola ‚gelosia‘. E ‚sentimento violento‘ è, infatti, il senso primario dell’intendimento medievale della parola ‚gelosia‘ se si tiene conto delle informazioni della letteratura. 2 Il senso lessicale odierno della parola ‚gelosia‘, invece, viene di regola definito dai vocabolari come „sentimento di ribellione provocato da una reale o presunta inferiorità nei confronti di un rivale, spec. in amore“ (Devoto-Oli 2009). La selezione di ‚inferiorità‘ come tratto semantico saliente è il risultato degli studi di psicologia, soprattutto di orientamento freudiano, che mettono la gelosia in relazione con 1 „Seguendo l’analisi di Peter Koch (1981, 103), il ‚significato verbale‘ racchiude in sé tratti inerenti, quali ad esempio ‚durativo‘, ‚intensivo‘, ‚iterativo‘ ecc., ma anche e soprattutto tratti riferiti alla sua valenza semantica, vale a dire alla natura dei suoi argomenti, sia in termini dei ruoli tematici previsti (agente, experiencer, ricevente, strumento ecc.) sia in termini di selezioni lessicali valide per i diversi argomenti“ (Cfr. Hans-Bianchi in questa miscellanea). 2 Cfr. per es. Boccaccio, Decameron, IV, I; Dante, Divina Commedia, V. In generale De Rougemont (1972). Festschrift_V-435_End.indd 285 20.05.11 14: 36 <?page no="312"?> 286 Daniela Pirazzini il complesso di inferiorità. Diventa così comprensibile da questo esempio come il senso lessicale di una ‚parola A‘ sia determinato non solo dai tratti inerenti al suo significato grammaticale e alla sua valenza semantica, ma anche dalla sua relazione esterna, usuale (topica), enciclopedica che si stabilisce e si consolida con quello di altre unità lessicali. Da queste considerazioni ne consegue un indirizzo di ricerca che privilegia ‚l’interdipendenza fra lessemi‘ nello studio dei loro contenuti. 3 Lo studio di tali rapporti semantici, situati tra il polo del significato e quello dell’intendimento (Weinrich 1976b, 158), è stato approfondito in tempi molto recenti da Ducrot (2004, 2009 e 2010) e Carel (2008 e 2009), i quali nella Theorie detta dei Blocs sémantiques (= TBS) 4 definiscono con il termine „blocco semantico“ l’interdipendenza semantica fra due parole (della langue) in grado di attualizzare nel discorso una concatenazione argomentativa. Così, per esempio, il senso di „trop vite“ in „Tu conduis trop vite, tu risques d’avoir un accident“ può essere compreso nella sua interezza solo se lo si collega a „tu risques d’avoir un accident“. La prova dell’interdipendenza semantica tra „trop vite“ è „accident“ (= vitesse dangereuse) è data dal fatto che „trop vite“ significa tutt’altra cosa in: „Tu conduis trop vite, tu risques d’avoir une contravention“. In quest’ultimo esempio non si tratta, infatti, di una „vitesse dangereuse“ in grado di provocare un incidente, bensì di una „vitesse interdite“ dalle norme del codice della strada. „Trop vite“ e „accident“ manifestano „une représentation sémantique unique (= un bloc)“, la cui esistenza nella langue rende possibile l’attualizzazione nel discorso di una concatenazione argomentativa „A DC (= donc) C“, dove A è l’argomento e C la conclusione: „Tu conduis trop vite (A) DONC tu risques d’avoir un accident (C)“ (Ducrot 2004, 23). Attualmente Carel e Ducrot sono autori del più grande tentativo di descrivere in maniera sistematica „la plus grande partie possible du lexique français“ caratterizzando „chaque mot par une paraphrase qui a la forme d’un enchaînement discursif en donc ou en pourtant“ (Ducrot 2004, 27). Per esempio „vitesse interdite DC contravention“ e „vitesse interdite PT (= pourtant) NEG (= non) contravention“. La ricerca è ancora troppo breve per consentire una rassegna. E’ evidente, tuttavia, che l’interdipendenza semantica di due parole dipende da vari fattori, linguistici e extra-linguistici. Riteniamo quindi che la ricerca debba essere valutata prima di tutto nei piccoli ambienti lessico-sintattici, come possono esserlo appunto quelli delle ‚collocazioni‘ di una lingua naturale qualsiasi. Il motivo che ci porta qui a rivolgere la nostra attenzione alle collocazioni è dovuto al fatto che a nostro avviso - come cercheremo di dimostrare in seguito - il senso complessivo di una collocazione non è prevedibile sulla base dei significati delle singole componenti lessicali, ma solo dalla loro interdipendenza. Da questo assunto, che come vedremo confuta in maniera evidente l’opinione degli studiosi secondo i quali la relazione fra i due elementi della collocazione è sempre gerar- 3 Per il percorso semantico della parola frz. curieux cfr. François/ Manguin/ Victorri (2003, 13-23). Per quello di ted. Ehre cfr. Weinrich (1976a, 227-249). 4 La traduzione ted. della presentazione della TBL è in Atayan/ Pirazzini (2009): „Theorie der Semantischen Blöcke: eine Überblicksdarstellung“, 163-183. La traduzione it. in: Archivio Glottologico Italiano 2010, 3-21. Festschrift_V-435_End.indd 286 20.05.11 14: 36 <?page no="313"?> Sulla collocazione e sulla sua relazione con i blocchi semantici 287 chica, ossia unilaterale e diretta, e mai interdipendente, deriva la possibilità di considerare la collocazione come ‚una sorta di blocco semantico‘ oppure no“. Discuteremo quindi il concetto di ‚collocazione‘ e illustreremo poi con un esempio concreto un tipo particolare di concatenazione che la collocazione rende possibile se attualizzata nel contesto. 1 Sull’interdipendenza semantico-concettuale di base e collocatore Sia la lessicologia esplicativa e combinatoria che la semantica sistematica (vale a dire della langue) operano tradizionalmente con la nozione di ‚collocazione‘. 5 Anche se non esiste una concezione unitaria, essa viene definita all’unanimità come la combinazione fraseologica (perché codificata nel sistema di una lingua) di una ‚base‘ semanticamente autonoma (per es. gelosia) e di un ‚collocatore‘ (per es. combattere), che viene selezionato dalla base „pour exprimer un sens donné en fonction de la base“ (Polguère/ Mel’ č uk 2006, 70) 6 . Questo modo di spiegare il legame collocativo porta inevitabilmente alla considerazione che „der autonome Ausdruck wird […] prototypisch durch Substantive, der relationale prototypisch durch Adjektive und Verben repräsentiert“ (Siller-Runggaldier 2008b). 7 Il collocatore, chiamato anche ‚collocato‘ (Ježek 2005) o ‚accompagnatore‘ (Blumenthal 2006a), avrebbe quindi, secondo l’opinione degli studiosi, un valore sincategorematico, dato che il suo referente dipende sempre dalla relativa ‚parola base‘. Per esempio, il referente di combattere in combattere la gelosia sarebbe molto diverso da quello espresso dallo stesso verbo in combattere la fame o combattere una guerra. L’identificazione dei due costituenti della collocazione, ‚base‘ e ‚collocatore‘, secondo il criterio della distinzione tra parole ‚autosemantiche‘ e ‚sinsematiche‘ suscita, secondo noi, obiezioni. Considerando, per esempio, le parole ragazza e madre nella collocazione italiana ragazza madre e la relativa facilità con cui si è in grado di darne una definizione concettuale, le metteremmo entrambe nella categoria dei vocaboli autosemantici. In casi come questi è allora impresa ardua voler stabilire con chiarezza chi dei due in ragazza madre sia l’elemento che seleziona (la ‚base‘) e quello che viene selezionato (il ‚collocatore‘) e non solo perché entrambi sono semanticamente autonomi, ma anche - e soprattutto - perché le due parole ragazza e madre, se unite, si fanno vicendevolmente da contesto. Il contesto madre determina il significato della parola ragazza nel senso di ‚donna nubile‘ (mettendo sullo sfondo quello, per es., di ‚donna giovane‘), e allo stesso modo il significato della parola madre è determinato dal contesto ragazza che mette sullo sfondo il senso (stereotipato) di ‚donna sposata‘ 5 Cfr. per es. Hausmann 2008; Mel’ č uk et. al. 1995 e Mel’ č uk 2004; Castillo Carballo 2001; Buttina-Koller 2005; Zöfgen 2008. Per le opere lessicografiche sulle collocazioni francesi cfr. Blumenthal 2008b. 6 Scrive Blumenthal: „[le collocateur] un mot (ou l’acception d’un mot) que le locuteur sélectionne en fonction de la base parce qu’il n’est pas définissable, traduisable ou apprenable sans la base“ (2006a, 4). Cfr. anche Blumenthal/ Hausmann 2006, 4; Cella/ Giuliani 2008, 551; Siller-Runggaldier 2008a, 591. 7 Della stessa opinione Croft 2003, 91; Ramat 2005, 98. Festschrift_V-435_End.indd 287 20.05.11 14: 36 <?page no="314"?> 288 Daniela Pirazzini dando così ancora più rilievo a quello di ‚donna con un figlio‘. Si viene a creare così, nella collocazione ragazza madre, una sorta di ‚semi-incorporazione‘ di un sostantivo in un altro sostantivo che è suscettibile di essere interpretata come un’interdipendenza semantica, dato che il senso dell’intera collocazione, ossia ‚donna nubile con un figlio‘, si costituisce solo grazie alla concatenazione semantica dei due. Tale processo di semi-incorporazione è comune a tutte le collocazioni e non dipende dal loro statuto grammaticale. Nella collocazione combattere la gelosia, per esempio, il contesto ‚combattere‘ determina il significato della parola ‚gelosia‘ mettendo sullo sfondo il tratto ‚inferiorità‘ e aggiungendo (o forse solo portando in superficie) il tratto ‚controllo‘, costitutivo, dizionario alla mano, della parola combattere (‚azione di presa di controllo‘). Ed è per questo che la gelosia viene intesa (oggi) come uno dei sentimenti che si possono controllare. 8 Allo stesso modo il significato della parola ‚combattere‘ è determinato dalla parola ‚gelosia‘ che permette di mettere in rilievo il tratto ‚eliminare‘ e sullo sfondo il tratto ‚lotta con un arma‘. Si crea in pratica fra i due elementi della collocazione, e questo indipendentemente dalla loro relazione grammaticale, una sorta di reciproco condizionamento e dipendenza che permette ad entrambi, proprio grazie alla loro unione, non solo di mettere in rilievo uno o più tratti salienti del loro significato virtuale e di porne sullo sfondo altri, ma anche e soprattutto di generarne di nuovi. Infatti, le due parole ‚combattere‘ e ‚gelosia‘ messe insieme costituiscono un’unità semantica in grado di concettualizzare la gelosia come un ‚nemico‘, e la sua eliminazione come una ‚battaglia‘, come una ‚lotta‘. Analogia concettuale questa che il parlante è in grado di attivare mentalmente solo grazie alla collocazione. 9 Non è difficile accorgersi che, in fondo, le metafore concettuali che appartengono a una cultura e di conseguenza ad una lingua viva si riconoscono proprio grazie alle collocazioni di quell’idioma. 10 In pratica, l’interazione semantica della collocazione non seleziona solo determinati tratti delle due parole, ma è in grado di crearne di nuovi. E questo è il motivo della differenza semantico-concettuale che una ‚parola A‘ può avere in lingue diverse, come dimostrano i numerosi studi contrastivi sulle collocazioni. 11 Quindi, contrariamente a quanto siano propensi a pensare gli studiosi della collocazione, sifatta relazione semantica non può essere spiegata, secondo noi, come relazione gerarchica fra due elementi, la base e il collocatore, ossia come „relazione unilaterale e diretta, quella della base semanticamente autonoma, 8 Non operiamo qui alcuna distinzione tra la nozione di ‚parola composta‘ e quella di ‚collocazione‘, perché „non ci si deve lasciar ingannare dall’eterna nemica dell’analisi linguistica, l’ortografia“ (Weinrich 1976b: 88). Cfr. per es. Blumenthal (2008a, 29) per ted. Angstanfall e frz. attaque d’angoisse o névrose anxieuse, che lo studioso considera, a ragione, collocazioni. 9 Cfr. Weinrich (1976a, 158) a proposito di Blut und Boden. 10 In italiano sono molte le espressioni idiomatiche ove la parola ragazza significa ‚donna non sposata‘, per es. quando ero ragazza; da ragazza; è ancora ragazza; una ragazza da marito; è rimasta ragazza; il suo nome da ragazza. 11 Controllare la gelosia è, infatti, anch’essa una collocazione comune a molte lingue romanze. Festschrift_V-435_End.indd 288 20.05.11 14: 36 <?page no="315"?> Sulla collocazione e sulla sua relazione con i blocchi semantici 289 orientata verso il collocatore, semanticamente dipendente dalla base, a questa quindi riferito e da essa determinato“ (Siller-Runggaldier 2008a, 591). Nella collocazione combattere la gelosia è proprio l’elemento che gli studiosi considerano il collocatore, ossia combattere - e non la base da sola - a determinare il senso lessicale della base, vale a dire ‚gelosia‘ come ‚nemico‘. A nostro avviso, una volta che la collocazione è già là, ossia una volta che le due parole si sono unite nella lingua in un legame di collocazione, formano un unico blocco semantico, la cui ricezione è quella di una semi-incorporazione dei due, la base ‚nel‘ collocatore e il collocatore ‚nella‘ base. 12 Ora, se la definizione di collocazione che abbiamo riportato all’inizio di questo capitolo, ossia „combinazione fraseologica di una base semanticamente autonoma e di un collocatore, che viene selezionato dalla base „pour exprimer un sens donné en fonction de la base“, non si è rivelata particolarmente pertinente per spiegare il senso lessicale della collocazione, occorre chiedersi come si possa identificare la ‚base‘ di una collocazione (e di conseguenza anche il collocatore). Sarebbe un errore credere, infatti, che due parole di una lingua, prese separatamente, possano avere una il ruolo di base o l’altra quello di collocatore. 13 Solo con la costituzione della collocazione, una parola diventa la base e l’altra il collocatore. Lo mostreremo con un esempio, l’uso della parola ridere nel medioevo. Trattandosi di un verbo, gli studiosi della collocazione lo considererebbero certamente un collocatore. E qualificherebbero, invece, il sostantivo ‚riso‘ come base. Se si consulta il Decameron, però, ci si accorge che le collocazioni del verbo ridere sono numerosissime (e rarissime quelle con riso): per es. un motto da ridere, una novella da ridere, dalle quali derivano quelle ancora in uso nell’italiano di oggi, fatto da ridere, storia da ridere, notizia da ridere. Queste collocazioni riflettono in maniera evidente la concettualizzazione del parlante sull’azione (ridere) e non sul risultato dell’azione (il riso). Nel medio-evo, infatti, la funzione dell’azione ridere (e non quella del risultato dell’azione il riso! ) era considerata terapeutica come uno degli antidoti principali contro la malattia, in particolar modo contro la tristezza. Da questo esempio risulta che l’identificazione della base non dipende tanto da fattori semantici, quanto da parametri cognitivi, che decidono sul grado di salienza. Se nella storia di una lingua, in un determinato periodo di tempo, la concettualizzazione sull’ AZIONE (per es. ridere), è cognitivamente più pregnante di quella sul RISULTATO dell’azione (per es. riso) il numero delle collocazioni sarà più numeroso per il primo che per il secon- 12 Il fatto che due lessemi mutuamente sostituibili in un microcontesto perché in relazione di quasi-sinonimia, come, per esempio, it. paura e it. panico, possono scegliere ‚accompagnatori‘ diversi (per es. un attacco di panico, ma non un attacco di paura), permette di identificare delle differenze semantico-concettuali importanti tra il significato virtuale dei due vocaboli. Cfr. a questo proposito: Biber/ Conrad/ Reppen 2004; Halliday 1966; Tucker 1998; Corpas 2001; Butler 2003; Blumenthal 2008; Rovere 2008. Anche gli studi sulle collocazioni della stessa parola in lingue diverse danno importanti informazioni sul contenuto semantico delle parole e sulla loro concettualizzazione. Cfr. Blumenthal 2008; Rovere 2008; Stefanowitsch 2004 e 2006. 13 Della stessa opinione Cumming (1986: 5); Corpas (1996, 85); Forment Fernández (2000, 366); Koike (2006, 49; cfr. anche 2001 e 2003); Stefanowitsch 2004. Festschrift_V-435_End.indd 289 20.05.11 14: 36 <?page no="316"?> 290 Daniela Pirazzini do. Per dimostrarlo basta consultare i dizionari combinatori che sono una fonte preziosa per stabilire quali siano i concetti salienti in una determinata lingua. Non è certo un caso, conoscendo la storia vissuta da molti paesi di lingua spagnola, che il „Diccionario combinatorio práctico del español contemporáneo“ di Bosque (2006) registri per il verbo torturar un numero maggiore di collocazioni rispetto al sostantivo tortura. Ciò che determina la distinzione fra ‚base‘ e ‚collocatore‘ - che rimane indubbiamente utile e pertinente per designare i due costituenti della collocazione - non dipende quindi da fattori semantici, bensì da fattori pragmatico-cognitivi che determinano il grado di salienza di un concetto rispetto ad un altro. Le conseguenze di questa constatazione riguardano il ‚punto di riferimento‘ di colui che analizza le collocazioni. Se il punto di riferimento dell’analisi è, per esempio, la parola panico, essa sarà la ‚base‘ della collocazione attacco di panico. Ma metodologicamente parlando, se il punto di riferimento di colui che studia le collocazioni è la parola ‚attacco‘, allora sarà la parola ‚panico‘ ad essere il collocatore, e non la base. 14 Ci sembra quindi necessario fissare il principio metodologico secondo cui nell’analisi delle collocazioni debba venire riconosciuta come legittima la categoria del ‚punto di riferimento‘. 2 Sul concetto di co-occorrenza regolare e sul metodo dei profili combinatori Affinché la combinazione di due o più parole si possa riconoscere come collocazione, occorre che contenga un’istruzione che possa venire recepita come tale dai parlanti di una lingua. Questa istruzione appartiene, secondo gli studiosi, alla condizione di ‚regolarità‘. La combinazione tra base e collocatore viene intesa, infatti, come una „regolare co-occorrenza di due o più parole“. 15 Nella collocazione, scrive Newmark, le due parole „van feliz o naturalmente juntas“ (1992, 337). Secondo Beccaria, chi scrive con efficacia dovrebbe evitarle, „perché tra le parole ci vogliono legami passeggeri e non un matrimonio“ (Beccaria, la Stampa 13/ 12/ 2003). Tuttavia, il concetto di ‚regolare‘ in „regolare co-occorrenza di due o più parole“, è troppo ampio per poter stabilire in maniera chiara ed univoca quando un legame tra due parole sia da considerare ‚passeggero‘ e quando invece sia da interpretare come ‚duraturo‘, dato che ogni matrimonio, anche quello fra due parole, può durare per tutta una vita, ma può anche rompersi dopo due giorni. Per esempio, il legame molto forte nella prosa poetica volgare del trecento, ma estremamente debole in quella dell’italiano di oggi, tra il sostantivo cor e l’aggettivo gentile (cor gentile) è sicuramente da considerare ‚passeggero‘ in prospettiva storica ma ‚duraturo‘ in prospettiva sincronica. Il legame in italiano 14 Cfr. per es. per la comparazione frz. e ted. Blumenthal 2008a; per fr. e it. Rovere 2008; per it., fr., ted. e lad. Siller-Runggaldier 2008a e 2008b; per ing. e ted. Stefanowitsch 2004 e 2006. 15 Cfr. Busse (2002, 411): „[…]: durch feste Kollokation eines einzelnen frei verwendeten (nominalen) Lexems mit einem bestimmten metaphorischen Attribut wird die gesamte Verbindung zu einer idiomatischen Einheit“. Festschrift_V-435_End.indd 290 20.05.11 14: 36 <?page no="317"?> Sulla collocazione e sulla sua relazione con i blocchi semantici 291 tra la parola piantare e la parola chiodo (piantare un chiodo), invece, è uno di quelli che durano per tutta la vita, poiché è intervenuta una lessicalizzazione che riguarda l’intera combinazione. E’ evidente da questi pochi esempi che la condizione di ‚regolarità di co-occorrenza‘ opera su piani molto diversi fra loro. Firth, che per primo ha riconosciuto la difficoltà della questione e che oggi purtroppo non viene considerato con l’importanza che gli si dovrebbe, propone già nel 1957 una distinzione, per noi fondamentale, tra ‚collocazioni usuali‘ presso una comunità di parlanti e ‚collocazioni personali‘ di diffusione più ristretta, quali possono essere quelle attestate, per esempio, nell’opera di un autore. La co-occorrenza regolare delle ‚collocazioni personali‘ (quelle di uno scrittore, di un politico o di un uomo della strada), è evidente, non coincide necessariamente con quella delle ‚collocazioni usuali‘ (che hanno spesso statuto dizionariale perché lessicalizzate). Trattandosi di collocazioni personali, che costituiscono la cifra specifica del linguaggio e dello stile di un autore in un periodo di tempo ben preciso, non vengono necessariamente registrate nel dizionario. Questa distinzione di Firth tra ‚collocazioni usuali‘ e ‚collocazioni personali‘ è importante per poterne proporre una terza, in grado di chiarire, secondo noi, la questione se la ‚parola A‘ di una collocazione co-occorra più frequentemente con la ‚parola B‘ che con altre unità lessicali, dato che il matrimonio tra due parole non è mai monogamico. Nella lirica del Trecento, per ritornare sempre al nostro esempio, il sostantivo cor colloca regolarmente con l’aggettivo gentil, ma colloca regolarmente anche con l’aggettivo onesto. E da parte sua, l’aggettivo gentil si unisce di solito anche con i sostantivi donna, amor e anima. Demandare la soluzione della questione all’analisi dei ‚profili combinatori di una parola‘, che è il metodo più usato sia dai lessicografi che dai linguisti, 16 e con il quale si intende far dipendere la regolarità della co-occorrenza dalla frequenza di apparizione, è un approccio che entra in collisione con un’osservazione molto banale: volendo stabilire la frequenza di combinazione di una parola con un’altra, prendendo come punto di partenza l’analisi delle combinazioni in un corpus specifico 17 , si vede chiaramente che una ‚parola A‘ si lega più frequentemente con un’altra ‚parola B‘, perché o è il tema del discorso che condiziona il legame, o il genere testuale, o la mentalità del locutore. Se, per esempio, in un articolo di giornale a tematica 16 I colori (rosso, verde, giallo ecc.), per esempio, anche se categorematici, hanno sempre bisogno di un reggente per la loro comprensione nel testo (per es. vedere rosso, maglione rosso, essere in rosso). Quindi, nelle collocazioni formate da una parola che designa un colore (del tipo vedere rosso) o si considerano i colori ‚basi‘ perché autosemantiche, o li si considera ‚collocatori‘ perché la loro esatta comprensione nel contesto collocativo dipende (anche) dall’altra parola. E’ evidente da esempi come questo che il criterio del grado di auto semanticità della parola non è di grande aiuto per stabilire una differenza fra i due. 17 Un esempio molto interessante di concettualizzazione ‚recente‘, resa in linguaggio nello spagnolo di oggi con un aggettivo, è quello, citato da Marías, della parola mestiza che co-occorre con diversi sostantivi: „una literatura mestiza, una sociedad mestiza, unos personajes mestizos, una realidad mestiza, un alma mestiza“ ed anche „un mestizaje mestizo“. Come sostiene Marías, „nada hay hoy que no lo sea, o que no deba serlo“ (Marías 2003, 91). Festschrift_V-435_End.indd 291 20.05.11 14: 36 <?page no="318"?> 292 Daniela Pirazzini economica si parla di crisi la parola crisi si combinerà più frequentemente con la parola economica, piuttosto che con la parola nervosa (crisi nervosa) o con la parola matrimonio (matrimonio in crisi). 18 E’ evidente, quindi, che la regolarità di co-occorrenza di alcune collocazioni dipende poco e che per altre dipende molto dal contesto (discorsivo, culturale) in cui sono immerse, dal periodo di tempo in cui sono usate, dall’uso che ne fa un singolo autore, dalla sua mentalità e dalla funzione pragmatica che si vuole esprimere. Per chiarire quindi che cosa si debba intendere con „regolarità di co-occorrenza di due o più parole“ occorre prendere a prestito la tipologia proposta da Koch, che rifacendosi a Coseriu, con il concetto di „Habitualisierung“ rende evidente che „die Regel- und Normhaftigkeit des Sprachlichen“ opera su quattro piani tra loro diversi, quello universale, quello discorsivo, quello usuale e quello individuale. Occorre distinguere, quindi, non solo tra „collocazioni usuali“ e „collocazioni individuali“, ma anche tra „collocazioni discorsive“. Come scrive Koch (1994, 204): „Es gibt historische und damit wandelbare Regularitäten, die nur innerhalb bestimmter Diskurs- oder Texttraditionen (Gattungen, Textsorten, Stile usw.) gelten („Diskursregeln“ und umfassender „Diskursnormen“). Se l’analisi dei profili combinatori continuerà a non tenere conto del fatto fondamentale che la „regolarità di co-occorrenza di due o più parole“ in una lingua opera su piani diversi, sarà in grado di confermare solo quello che si sa già, ossia di registrare in contesti specifichi solo le „collocazioni usuali“, ove è intervenuta una lessicalizzazione che riguarda l’intera combinazione. Descrivere, quindi, le possibilità combinatorie di ogni parola in termini di „co-occorenza regolare“- senza voler tener conto dei diversi piani in cui opera la regolarità - è, a nostro giudizio, un’impresa disperata; lo scoglio non è tanto di natura contingente, né riguarda l’ampiezza del corpus analizzato, né la precisione del ricercatore, bensì consiste nell’impostazione stessa della concezione. 3 Sugli spazi collocativi e sul loro legame con i blocchi semantici Finora abbiamo considerato la collocazione isolata dal contesto. Se la nostra ipotesi, che essa manifesti un tipo particolare di blocco semantico è valida, deve essere confermata anche quando la collocazione è attualizzata nel contesto. Lo mostreremo con un esempio. Esso è tratto dal romanzo di Javier Marías „Corazón tan blanco“ (1992). Nel secondo capitolo si dice che quando si contrae un matrimonio è come quando si contrae una malattia: Un matrimonio rápido, bastante rápido […]. Desde que lo contraje (y es un verbo en desuso, pero muy gráfico y útil) empecé a tener toda suerte de presentimientos de desastre, de forma parecida a como cuando se contrae una enfermedad, de las que jamás se sabe con certidumbre cuando uno podrá curarse. La frase hecha cambiar 18 Beccaria 1994; Cruse (1986, 40): „The term collocation will be used to refer to sequenze of lexical items wich habitually co-occur“; Baker (1992, 47): „The tendency of certain words to co-occur regurarly in a given language“. Cfr. anche Lewis 1997, 30; Corpas Pastor 1996, 20; González Grueso 2006. Festschrift_V-435_End.indd 292 20.05.11 14: 36 <?page no="319"?> Sulla collocazione e sulla sua relazione con i blocchi semantici 293 de estado, que normalmente se emplea a la ligera y por ello quiere decir muy poco, es la que me parece más adecuada en mi caso, y le confiero gravedad, en contra de la costumbre. Del mismo modo que una enfermedad cambia tanto nuestro estado como para obligarnos a veces a interrumpirlo todo y a guardar cama durante días incalculables y a ver el mundo ya sólo desde nuestra almohada, mi matrimonio vino a suspender mis hábitos y aun mis convicciones, y, lo que es más decisivo, también mi apreciación del mundo. Quizá porque fue un matrimonio algo tardío, mi edad era de treinta y cuatro años cuando lo contraje. […] Ese cambio de estado, como la enfermedad, es incalculable y lo interrumpe todo, o al menos no permite que nada siga como hasta entonces: no permite, por ejemplo, que después de ir a cenar o al cine cada uno se vaya a su propia casa y nos separamos (Marías 1992/ 2006: 25-27) Il passo citato vive della messa in analogia di due collocazioni della lingua spagnola contraer un matrimonio e contraer una enfermedad che, come si vede chiaramente dall’esempio, portano con sé lo stesso collocatore, il verbo contraer. Le due collocazioni si trovano a partire dal latino (matrimonium contrahere, morbo (malum) contrahere) e continuano ininterrottamente in molte lingue romanze (per es. it. contrarre un matrimonio, contrarre una malattia; fr. contracter un mariage, contracter une maladie). Il tertium comparationis focalizzato da Marías cambiar de estado rende evidente che mentalmente si creano delle relazioni di analogia di una ‚collocazione X‘ e le ‚collocazioni Y‘ che compartono lo stesso collocatore. Gli esempi che seguono, ripresi da vari tipi di testo, lo dimostrano in maniera evidente: (1) Chi trova un AMICO , trova un TESORO . (2) Chi sa guidare un’ AZIENDA , sa anche guidare uno STATO . (3) Rinnegare il CIBO è come rinnegare il proprio PASSATO . Questi esempi permettono di riconoscere che le collocazioni di una lingua si richiamano l’una all’altra e sono in grado di creare delle analogie. Così nella collocazione contraer un matrimonio non si unisce solo il verbo contraer con il sostantivo matrimonio, bensì ogni termine porta con sé i suoi connessi. Il verbo contraer si unisce, per esempio, in spagnolo con i sostantivi responsabilidad, compromiso, obligacíon, deuda, acuerdo, pacto, crédito, mérito, derecho, hábito, costumbre, vicio, matrimonio, amistad, vìnculo e alianza. Il sostantivo matrimonio con i verbi durar, fracasar, naufragar, irse a pique, deteriorarse, tamblearse, terminarse, concertar, celebrar, contraer constituir, formar, consumar ecc. (Bosque 2006). L’insieme di questi partecipanti alla collocazione forma uno spazio semantico che designamo qui con il termine di ‚spazio collocativo‘, il quale appartiene al patrimonio culturale dei parlanti di una lingua. Ora, il legame di analogia tra collocazioni che appartengono allo stesso ‚spazio collocativo‘ non è sempre logicamente irreprensibile, come quello di Marías, perché il ‚grado di compatibilità‘ (semantica, concettuale) tra due collocazione che compartono lo stesso collocatore, in grado di creare o meno un legame analogico, dipende dall’appartenenza o meno ad un campo concettuale metaforico. Marías crea un’analogia tra contraer un matrimonio e contraer una malattia perché l’analogia è già là, sorretta dalla metafora concettuale ‚matrimonio come Festschrift_V-435_End.indd 293 20.05.11 14: 36 <?page no="320"?> 294 Daniela Pirazzini malattia‘. 19 Senza questo ‚appoggio‘ l’analogia non salterebbe subito agli occhi, non sarebbe concettualmente così ovvia (cfr. Weinrich 1976a, 46). Tuttavia, il tertium comparationis ‚cambio de estado‘ mette in evidenza un fatto fondamentale. Ossia, che l’analogia non si è stabilita tra i concetti ‚matrimonio‘ e ‚enfermedad‘ (‚matrimonio‘ come ‚malattia‘), bensì tra le due collocazioni ‚contraer un matrimonio‘ e ‚contraer una enfermedad‘. Il tertium ‚cambio de estado‘ caratterizza, infatti, un momento preciso, puntuale dell’azione, escludendo perciò che i due elementi della comparazione denotino qualcosa di durativo. Affinché il terzo elemento comune possa essere attivato mentalmente come ‚azione puntuale‘, occorre che anche gli altri due elementi comuni compartano lo stesso tratto. Ora, questo è possibile solo se le due collocazioni, contraer un matrimonio e contraer una enfermedad, possono essere entrambe recepite come un ‚blocco semantico‘, ove l’interazione tra i due elementi della collocazione (contraer e matrimonio e contraer e enfermedad) mette in rilievo il tratto puntualità. La collocazione perciò, come mostra l’esempio di Marías, è un blocco semantico, il cui carattere di interdipendenza non può restare inosservato. 4 Bibliografia Anscombre, J.C. (2001): „Le rôle du lexique dans la théorie des stéréotypes“, in Langages 142, 57-76. Atayan, V./ Pirazzini, D. (2009): Argumentation: théorie - langue - discours, Frankfurt, Lang. Baker, M. (1992): In other words, London, Routledge. Beccaria, G.L. (1994): Dizionario di linguistica, Torino, Einaudi. Beccaria, G.L. (2003): „Gli stereotipi quotidiani un’epidemia giornalese“, in La Stampa, 13- 12. Biber, D./ Conrad, S./ Reppen, R. (2004 [1998]): Corpus Linguistics - Investigating Language Structures and Use, Cambridge, CUP. Blumenthal, P. (2006a): „De la logique des mots à l’analyse de la synonymie“, in Blumenthal/ Hausmann (Hgg.), 14-31. Blumenthal, P. (2006b): Wortprofil im Französischen, Tübingen, Niemeyer. Blumenthal, P. (2008a): „Combinatoire des mots: analyses contrastives (française/ allemand)“, in ZfSL-Beiheft 36, 27-42. Blumenthal, P. (2008b): „Französische Kollokationen in Lexikografie und Forschung“, in Lexikographica, 21-37. Blumenthal, P./ Hausmann, F.-J. (eds.) (2006): Collocations, corpus, dictionnaires. Langue Française 150, Paris, Larousse. Blumenthal, P./ Mejri, S. (2008) (eds.): Les séquences figées: entre langue et discours, ZfSL- Beiheft 36, Stuttgart, Steiner. Boccaccio, G. (1966): Decamerón, Roma, Gherardo Casini. Bosque, I. (2006): Diccionario combinatorio práctico del español contemporáneo, Madrid, Ediciones SM. Busse, D. (2002): „Wortkombination“, in Cruse, D.A./ Hundsnurscher, F./ Job, M./ Lutzeier, P.R. (eds.), Lexikologie. Ein internationales Handbuch zur Natur und Struktur von Wörtern und Wortschätzen. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft), Berlin/ New York, de Gruyter, 408-415. 19 Cfr. anche Pottier 2010: 268; Pirazzini 1998 e 2005. Per il concetto di metafora concettuale cfr. Lakoff/ Johnson 1980. Festschrift_V-435_End.indd 294 20.05.11 14: 36 <?page no="321"?> Sulla collocazione e sulla sua relazione con i blocchi semantici 295 Butler, C. (2003): Structure and Function: A Guide to Three Major Structural-Functional Theories. Part I: Approaches to the simplex clause, Amsterdam, Benjamins. Buttina-Koller, E. (2005): Kollokationen im zweisprachigen Wörterbuch. Zur Behandlung lexikalischer Kollokationen in allgemeinsprachlichen Wörterbüchern des Sprachenpaares Französisch/ Russisch, Tübingen, Niemeyer. Carel, M. (2008): „Polyphonie et argumentation“, in Birkelund, M./ Mosegaard Hansen, M./ Norén, C. (eds.), L’ énonciation dans tous ses états. Mélanges offerts à Henning Nølke à l’occasion de ses soixantes ans, Bern et al., Lang, 29-45. Carel, M. (2009): „L’ambivalence argumentative: sous-détermination des énoncés par les phrases“, in Atayan, V./ Pirazzini, D. (eds.), Argumentation: théorie - langue - discours, Frankfurt et al., Lang, 123-143. Castillo Carballo, M.A. (2001): „Colocaciones léxicas y variación lingüística: implicaciones didácticas“, in LEA, XXIII/ 1, 133-143. Cella, R./ Giuliani, M. (2008): „Polirematiche nell’italiano antico: strutture e trattamento lessicografico“, in Cresti, E. (ed.), Prospettive nello studio del lessico italiano, Atti del IX Congresso SILFI (Firenze, 14- 17 giugno 2006), 547-554. Corpas Pastor, G. (1996): Manual de Fraseología española, Madrid, Gredos. Corpas Pastor, G. (2001): „Apuntes para el estudio de la colocación“, in LEA, XXIII/ 1, 41- 56. Croft, W. (2003): „Il ruolo dei domini semantici nell’interpretazione di metafore e metonimie“, in Gaeta, L./ Nuraghi, S. (eds.), Introduzione alla linguistica cognitiva, Roma, Carocci, 77- 100. Cruse, D.A. (1986): Lexical Semantics, Cambridge, Cambridge University Press. Cumming, S. (1986): „The lexicon in text generation“, in ISI Research Report, ISI/ RR-86- 168, S. 1-31. Dante (1954): La Divina Commedia, Torino, Einaudi. Devoto/ Oli = Devoto, G./ Oli, G.C. (2009): Il Devoto-Oli 2010. Vocabolario della lingua italiana con CD-Rom, Firenze, Le Monnier. Ducrot, O. (2004): „Argumentation rhétorique et argumentation linguistique“, in Doury, M./ Moirand, S. (eds.), L’argumentation aujourd’ hui. Positions théoriques en confrontation, Paris, Presses Sorbonne nouvelle, 17-34. Ducrot, O. (2009): „Theorie der Semantischen Blöcke: eine Überblicksdarstellung“, in Atayan, V./ Pirazzini, D. (eds.), Argumentation: théorie - langue - discours, Frankfurt, Lang, 163-183 (aus dem frz. von V., Atayan). Ducrot, O. (2010): „Presentazione della teoria dei blocchi semantici“, in Archivio Glottologico italiano, Anno 2010, Fasc. 1, 3-21 (tr. dal francese D., Pirazzini). De Rougemont, D. (1972): L’amour et l’occident, Paris, Plon. Firth, J.R. (1957): „Modes of meaning“, in Papers in Linguistics 1934-1951, London, Oxford University Press, 190-215. François, J./ Manguin, J.-L./ Victorri, B. (2003): „La réduction de la polysémie adjectivale en contexte nominal: une méthode de sémantique calculatoire“, in Cahier du Crisco 14/ septembre 2003, 1-39. Forment Fernández, M. (2000): „Universales metafóricos en la significación de algunas expresiones fraseológicas“, in Revista Española de Lingüística 30/ 2, 357-381. Gonzáles Grueso, F.D. (2006): „Las colocaciones en la enseñanza del español de los negocios“, in Revista de Didáctica Marco ELE 2, www.marcoele.com, 1-39. Halliday, M.A.K. (1966): „Lexis as a Linguistic Level“, in Bazell, C.E. et al. (Hgg.), In Memory of J.R. Firth, London, Longmann, 148-162. Hans-Bianchi, B. (in questa miscellanea): „C’ è tanto da fare. Alcune osservazioni sulla semantica del verbo fare“. Hausmann, F.J. (2004): „Was sind eigentlich Kollokationen? “, in Steyer, K. (Hg.), Wortverbindungen - mehr oder weniger fest, Berlin, De Gruyter, 309-334. Hausmann, F.J. (2008): „Kollokationen und darüber hinaus. Einleitung in den thematischen Teil „Kollokationen in der europäischen Lexikographie und Wörterbuchforschung“, Festschrift_V-435_End.indd 295 20.05.11 14: 36 <?page no="322"?> 296 Daniela Pirazzini in Heid, U./ Schierholz, S./ Schweickard, W., Wiegand, H.E.; Wolski, W. (eds.), Lexicographica, Berlin/ New York, De Gruyter/ Niemeyer, 1-8. Ježek, E. (2005): Lessico. Classi di parole, strutture, combinazioni, Bologna, Il Mulino. Koch, P. (1981): Verb, Valenz, Verfügung. Zur Satzsemantik und Valenz französischer Verben am Beispiel der Verfügungs-Verben, Heidelberg, Carl Winter. Koch, P. (1994): „Gedanken zur Metapher - und zu ihrer Alltäglichkeit“, in Sabban, A./ Schmitt, C. (eds.), Sprachlicher Alltag. Linguistik - Rhetorik - Literaturwissenschaft, Tübingen, Niemeyer, 201-225. Koike, K. (2001): Colocaciones léxicas en el espanol actual: análisis formal x léxico-semántico, Universidad de Alcalá/ Takushoku University. Koike, K. (2003): „Sustantivos ligeros“, in Moenia, 9, 9-20. Koike, K. (2006): „Colocaciones metafóricas“, in De Miguel, E./ Palacios, A./ Serradilla, A. (eds.) Estructuras Léxicas y Estructura del Léxico, Frankfurt, Lang, 47-59. Lakoff, G./ Johnson, M. (1980): Metaphors We live By, Chicago and London, The University of Chicago Press. Lewis, M. (1997): Implementing the Lexical Approach, Hove, Language Teaching Publications. Marías, J. (2003): Harán de mí un criminal, Madrid, Alfaguara. Marías, J. (1992/ 2006): Corazón tan blanco, Barcelona, Debols! llo. Mel’ č uk, I.A. (2004): „Verbes supports sans peine“, in Lingvisticae Investigastiones, 2004, 27: 2, 203-217. Mel’ č uk, I.A./ Clas, A./ Polguère A. (1995): Introduction à la lexicologogie explicative et combinatoire, Louvain-la-Neuve, Duculot. Moreno Pereiro, S./ Buyse, K. (2003): „Colocaciones léxicas: pistas y trampas“, http: / / www.ling. arts.kuleuven.ac.be/ elektravoc/ bestanden/ colocaciones.pdf[zuletztabgerufen: 16.02.2007]. Newmark, P. (1992): Manual de traducción, Madrid, Cátedra. Pirazzini, D. (1998): „Der Staat ist ein Unternehmen. Wie können wir schon etablierte Metaphern widerlegen? “, in Gil, A./ Schmitt, Ch. (eds.), Kognitive und Kommunikative Dimensionen der Metaphorik in den romanischen Sprachen. Akten der gleichnamigen Sektion des XXV. Deutschen Romanistentages, Jena (28.9.-2.10.1997), Bonn, Romanistischer Verlag Jakob Hillen, 167-196. Pirazzini, D. (2005): „Kollektive Sprachmuster im interkulturellen Vergleich: Deutsch- Französisch-Italienisch-Spanisch“, in Schmitt, C./ Wotjak, B. (eds.), Beiträge zum romanisch-deutschen und inneromanischen Sprachvergleich, Leipzig, 4.10.- 6.10.2003, Bonn, Romanistischer Verlag Jakob Hillen, 253-266. Polguère, A./ Mel’ č uk, I.A. (2006): „Dérivations sémantiques et collocations dans le DiCo/ LAF“, in Blumenthal/ Hausmann, 66-84. Pottier, B. (2010): „À propos des relations sémantiques interlexicales, in Capone, A. (ed.), Perspectives on language use and pragmatics. A volume in memory of Sorin Stati, München, Lincom, 259-268. Ramat, P. (2005): Pagine linguistiche. Scritti di linguistica storica e tipologica, Roma/ Bari, Laterza. Rovere, G. (2008): „Correspondances et équivalences: fr. orgueil/ superbe - it. orgoglio/ superbia, in ZfSL-Beiheft 36, 159-175. Siller-Runggaldier, H. (2008a): „Le collocazioni lessicali: strutture sintagmatiche idiosincratiche? “, in Cresti, E. (ed). Prospettive nello studio del lessico italiano, Atti del IX Congresso SILFI (Firenze, 14- 17 giugno 2006), 591-598. Siller-Runggaldier, H. (2008b) [ms.]: „Syntagmatik und Ontologie: Zweigliedrige Lexemverbindungen im interlingualen Vergleich (Deutsch, Italienisch, Französisch, Ladinisch)“, contributo al VI. Internationale Arbeitstagung Romanisch-deutscher und Innerromanischer Sprachvergleich, Innsbruck. Stefanowitsch, A. (2004): „Happiness in English and German: A metaphorical-pattern analysis“, in Achard, M./ Kemmer, S. (eds.), Language, Culture, and Mind, Stanford CSLI. Festschrift_V-435_End.indd 296 23.05.11 11: 32 <?page no="323"?> Sulla collocazione e sulla sua relazione con i blocchi semantici 297 Stefanowitsch, A. (2006): „Words and their metaphors: A corpus-based approach“, in Stefanowitsch/ Gries, 63-106. Stefanowitsch, A./ Gries, S.T. (2006) (eds.): Corpus-Based Approaches to Metaphor and Metonymy, Berlin, New York, de Gruyter. Todorov, T. (1969): Grammaire du Décaméron, Paris, Mouton. Tucker, G.H. (1998): The Lexico-Grammar of Adjectives: A Systematic Functional Approch to Lexis, London/ New York, Longman. Weinrich, H. (1976a): Sprache in Texten, Stuttgart, Klett. Weinrich, H. (1976b): Metafora e menzogna. La serenità dell’arte, Bologna, Il Mulino. Zöfgen, E. (2008): „Kollokationslexikografie im Aufwind. Der Dictionnaire des combinaisons de mots auf dem Prüfstand“, in Hempfer, K.W./ Blumenthal, P. (Hgg.), Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 118/ 1, 107-124. Festschrift_V-435_End.indd 297 20.05.11 14: 36 <?page no="324"?> Festschrift_V-435_End.indd 298 20.05.11 14: 36 <?page no="325"?> O LIVIER S OUTET Une ambiguïté irritante et non intériorisable: ne … rien moins que et ne … rien de moins que 1 Position du problème A l’instar de ce que remarque G. Moignet au début de sa thèse complémentaire Les signes de l’exception dans l’ histoire du français (Moignet 1973) à propos de ne … pas (point) … que, qui pose, dit-il, un „irritant problème“ (Moignet 1973: IX), qui aurait même été jusqu’à décider de sa „vocation de grammairien“ (ibid.), les deux expressions ne … rien moins que et ne … rien de moins que nous offrent un cas, à mes yeux assez exceptionnel en français, de double ambiguïté non intériorisable, c’est-à-dire à ce point complexe et rétive que leur désambiguïsation contextuelle n’est pas directe et naturelle, ce qui conduit même le locuteur natif maîtrisant parfaitement le français à renoncer à les employer ou à ne le faire qu’en s’appuyant sur le chapitre de grammaire qui en traite, sans parvenir, du reste, à en mémoriser durablement les significations respectives. La combinaison de constituants dont elles procèdent, l’une et l’autre, semble, en effet, en interdire une analyse intuitive dans l’instant fugace de l’acte de langage et n’en autoriser l’usage qu’à la suite d’un calcul de nature métalinguistique 1 - calcul infiniment plus „irritant“, d’ailleurs, que celui que nécessite le tour ne … pas (point) … que, évoqué au départ. On comprend sans peine dans ces conditions pourquoi les grammairiens - au moins ceux qui se risquent à donner des conseils à leurs lecteurs - leur suggèrent en général d’y renoncer. Les plus radicaux en la matière sont J. Damourette et E. Pichon, dont on ne saurait mettre en doute pourtant le goût pour l’extrême subtilité analytique 2 . R. Martin, dans son travail décisif sur le mot rien (Martin 1966), tout en se gardant de donner quelque conseil que ce soit à son lecteur, fait finement observer que „si l’usage observait la distinction entre rien moins que négatif (‚nullement‘) et rien de moins que (‚bel et bien‘), comme le souhaitent les grammairiens, l’Académie ne conseillerait pas, depuis 1798, d’éviter le tour ambigu rien moins que“ (Martin 1966: 95-96). Toutefois, de leur côté, „Littré et divers grammairiens s’efforcent“, disent M. Grevisse et A. Goosse (2008: 447), „d’établir ou de maintenir une distinction subtile entre rien moins que et rien de moins que: il n’est rien moins qu’un héros = il n’est aucune chose moins qu’un héros; ce qu’il est le moins, c’est un héros; il est tout plus qu’un héros, il n’est nullement un héros; - il n’est rien de moins 1 Analyse métalinguistique résultant d’un embarras épilinguistique. 2 „Le plus simple est […] d’éviter ces prétentinismes obscurs“ (Damourette et Pichon 1911-1940: VI, 728). Festschrift_V-435_End.indd 299 20.05.11 14: 36 <?page no="326"?> 300 Olivier Soutet qu’un héros = il n’est aucune chose de moins qu’un héros; il n’est pas moins qu’un héros; il est bel et bien un héros“. Notre objectif, dans les lignes qui suivent, est de reprendre la description de ces tournures, non point à nouveaux frais, mais a seule fin d’apporter quelques observations complémentaires à celles de nos prédécesseurs, qui, nous l’espérons, seront de nature à desserrer un peu plus l’étau syntaxique qui enferme de manière compacte les constituants desdites tournures. 2 Présentation des faits M. Grevisse et A. Goosse fournissent un nombre non négligeable d’exemples littéraires, dans lesquels la répartition sémantique des deux tournures, évoquée plus haut, est respectée: - ne … riens moins que: ‚ne … nullement‘ (1) Sainte-Beuve, Port-Royal Molière n’est rien moins qu’un peintre de portraits, c’est un peintre de tableaux. (2) Raymond Aron, Express (22.X.1982) Les groupes industriels qu’il voulait nationaliser n’ étaient rien moins que des monopoles; […] ils sont engagés dans une dure compétition pour survivre. - ne … rien de moins que: ‚bel et bien‘ (3) Claudel, L’œil écoute Ce fut un éblouissement! Il ne s’agissait de rien de moins que du plus beau musée de Paris. (4) Lacan, Ecrits I La notion qu’il pourrait avoir de ladite lettre, ne mettrait en jeu rien de moins pour la dame que son honneur et sa sécurité. Ils s’empressent toutefois d’ajouter que bien des écrivains, à commencer par Littré, ne respectent pas toujours les définitions sémantiques prescrites. Il suit de là que ne…rien moins que peut très bien prendre une valeur positive (‚bel et bien‘) (5) Littré, Préf. Dict. Il n’a fallu rien moins que l’expédition des croisés [….] pour que le nom d’une localité étrangère s’introduisît dans notre langue. (6) Ch. Bally, Traité de stylistique Sous le rapport de la syntaxe, la transformation est incalculable: elle ne va à rien moins qu’à effacer les limites de la phrase. tandis que ne … rien de moins que - mais il est vrai assez rarement, semble-til - peut prendre la valeur négative: (7) Maritain, Questions de conscience Cette sorte de mensonge en acte qui fait croire à tant de gens, et parfois à des chrétiens eux-mêmes, que le christianisme a partie liée avec des comportements sociaux qui ne sont rien de moins que chrétiens. Festschrift_V-435_End.indd 300 20.05.11 14: 36 <?page no="327"?> Une ambiguïté irritante et non intériorisable 301 La confusion est telle que le même auteur peut fort bien utiliser ne … rien moins que tantôt avec valeur négative, tantôt avec valeur positive: (8) Bernanos, La France contre les robots Ils auraient peut-être tout fait sauter, c’est entendu, mais ils n’ étaient rien moins qu’anarchistes. (valeur négative) (9) Bernanos, Crépuscule des vieux Quels sont donc ces instincts qui, loin de servir l’espèce, ne vont à rien moins qu’ à l’anéantir. (valeur positive) 3 R. Martin, qui part, lui aussi, de la „règle“ de Littré (ne … rien moins que, ‚ne … nullement‘; ne … rien de moins que, ‚bel et bien‘), fait, de son côté, observer, au vu des exemples de son corpus, que, si ne … rien moins que „précédant un adjectif […] a toujours le sens négatif“, en revanche „devant un substantif ou un infinitif, [il] est fréquemment positi[f], surtout devant un infinitif, où la signification négative paraît même quasi impossible en français moderne“ (Martin 1966: 96) 4 : (10) Margueritte, L’embusqué L’Allemagne ne veut rien moins qu’englober la moitié de la France. (11) Breton, Nadja J’aimerais enfin qu’ […] on n’en déduisît pas immédiatement que je suis, en tout et pour tout, justiciable de la psychanalyse, méthode que j’estime et dont je pense qu’elle ne vise à rien moins qu’ à expulser l’homme de lui-même, et dont j’attends encore d’autres exploits que des exploits d’huissier. Ajoutant à l’examen synchronique des faits du français contemporain les données fournies par l’histoire, il rappelle que ne … rien moins que, „dès les origines […], paraît ambigu“ (Martin 1966: 261) 5 . La tournure, qui date du XVI e siècle, impose, de fait, assez vite tantôt une lecture négative: (12) Marot, Opuscules Tu ne cherchois rien moins, Samaritaine, Que ton salut, allant à la fontaine; Et toutesfoys par lui tu fuz cherchée (13) Des Masures, David triomphant Ne soyez point ressemblables à celles Qui n’ont rien moins que maintien de pucelles. tantôt une lecture positive (14) Mairet, Sylvie Et je ne crains rien moins qu’une sedition, Qui possible doit estre à ma perdition. 3 Les exemples (1) à (9) sont repris de Grevisse-Goosse (2008: 447-448). 4 Les exemples (10) et (11) sont repris de Martin (1966: 96-97). 5 Les exemples (12) à (14) sont repris de Martin (1966: 261). Festschrift_V-435_End.indd 301 20.05.11 14: 36 <?page no="328"?> 302 Olivier Soutet Les données de l’histoire sont ici d’autant plus importantes qu’au XVII e siècle, le mode de construction du déterminant de rien va être affecté par un phénomène morphosyntaxique qui dépasse largement la tournure initiale ne … rien moins que et même le cas plus général de rien en tant que support de détermination, puisqu’il va concerner non seulement toute une famille de pronoms, mais aussi le nom. Les pronoms concernés sont majoritairement des indéfinis et, comme l’observe justement A. Englebert (1992: 25-26), ils ont prioritairement retenu l’attention des linguistes: (15) a. quelqu’un d’essentiel b. qui que ce soit d’essentiel c. n’ importe qui d ’essentiel d. personne d’essentiel e. quelque chose d ’essentiel f. quoi que ce soit d ’essentiel g. [pas] grand-chose d’essentiel h. n’ importe quoi d’essentiel et donc (15) i. rien d’essentiel Faut-il considérer avec R. Martin que c’est leur statut d’indéfini, qui, au moins à partir d’un certain moment, a imposé cette complémentation indirecte par de 6 ? La chose semble contestable puisque les interrogatifs qui et quoi (qui, il est vrai, appartiennent aussi au paradigme des indéfinis) l’exigent, eux aussi: (16) a. qui d’essentiel b. quoi d’essentiel ainsi que les démonstratifs neutres: (17) a. ceci d’essentiel b. cela d’essentiel tandis que les noms (au moins certains), quant à eux, l’autorisent sans l’imposer: (18) Les journées de libres [ou libres] sont rares. Au point où nous sommes parvenu de la présentation des faits qui intéressent notre sujet, un bilan d’étape s’impose. Il apparaît que a) ne … rien moins que, des deux expressions qui nous occupent, est historiquement la plus ancienne; 6 „La détermination adjective, en effet, propre au substantif, n’est possible avec un pronom indéfini - qui n’a du substantif que la fonction mais non le sémantisme propre - que si la préposition de se charge d’aplanir cette inadéquation“ (Martin 1966: 84). Sur cette question du de „égalisateur syntaxique“, en tant qu’il rend possible en discours ce qui est interdit en langue, voir infra. Festschrift_V-435_End.indd 302 20.05.11 14: 36 <?page no="329"?> Une ambiguïté irritante et non intériorisable 303 b) l’émergence de ne … rien de moins que, qui doit être replacée dans le cadre plus vaste de la progression de la détermination prépositionnelle en de, n’a pas conduit à l’élimination de ne rien moins que, alors que les supports indéfinis, interrogatifs et démonstratifs neutres excluent la construction directe et que - qui plus est - rien lui-même impose cette détermination prépositionnelle, notamment avec l’antonyme de moins, à savoir plus (rien de plus mais *rien plus) - ou la cantonne dans des emplois réputés vieillis et/ ou littéraires 7 ; c) la concurrence entre les deux tours demeure, mais sans préférence pour le plus récent historiquement, bien au contraire. Sans aller jusqu’à considérer comme M Wilmet que le tour ne … rien de moins … que est „passablement inusité“ (Wilmet 2003: 561), Grevisse-Goosse (2008: 448), concluant la rubrique consacrée à nos deux tournures, retiennent que, „d’une façon générale, les exemples de [ne] … rien moins que ‚bel et bien‘ sont, dans la littérature, nettement plus nombreux que les exemples de [ne] … rien moins que ‚nullement‘ et que ceux de [ne] … rien de moins que ‚bel et bien‘“ - ce que confirment, au moins implicitement, les pages de Martin (1966: 93-98 et 261-262) où apparaissent, somme toute, peu d’exemples du tour ne … rien de moins que; d) contrairement à ce que pouvait laisser présager une première présentation rapide des données, il n’y a pas symétrie entre les deux tournures, l’ambiguïté principale concernant essentiellement ne … rien moins que. Il nous faut passer maintenant à l’analyse du signifié de chacune des expressions concernées, conscient que la difficulté de l’exercice tient très largement au fait que nous avons à „calculer“ le sens d’expressions globales incluant pour l’une quatre morphèmes grammaticaux (ne, rien, moins et que), pour l’autre cinq (ne, rien, moins, de et que), chacun d’eux ou presque (les plus directement clairs étant moins et que, qui constituent une construction comparative classique) étant doté d’une redoutable labilité sémantique et fonctionnelle. Cette étude s’inscrivant, comme nos principaux travaux, dans le cadre de la psychomécanique du langage 8 , nous rappelons dans la rubrique 3 les points essentiels de sémantique grammaticale théorique, nécessaires pour la compréhension de l’analyse ultérieure. 3 Rappels théoriques Dans sa leçon du 31 janvier 1957, Guillaume observe: [ … ] la relation en cause dans le langage est toujours, en tous lieux du monde, celle du très grand qu’est l’universel et du très petit qu’est le singulier. Le langage n’accepte jamais qu’en lui cette relation soit rompue. Aussi réplique-t-il à une tension particularisante par une tension généralisante, et à une tension généralisante par une tension particularisante. Les deux tensions sont partout en vis-à-vis. Aussi at-on donné au mécanisme de leur successivité obligée, le nom de tenseur binaire radical et reconnu, dans ce tenseur, l’opérateur universel de la structure du langage. (Guillaume 1982: 77-78) 7 Voir infra. 8 Voir Soutet (2010). Festschrift_V-435_End.indd 303 20.05.11 14: 36 <?page no="330"?> 304 Olivier Soutet On en connaît la figuration canonique: 9 „Opérateur universel de la structure du langage“, le tenseur binaire radical s’expose, on s’en doute, au reproche d’hyperpuissance. C’est probablement la raison pour laquelle Guillaume a cherché à le théoriser en en spécifiant la configuration fondamentale, qu’il ordonne à trois principes organisateurs: a) le principe d’intégrité, qui s’énonce ainsi: [ … ] un rapport structural institué entre deux termes, A et B, ne satisfait à la condition d’entier que s’il est parcouru successivement dans les deux sens: de A en B et, en réplique, de B en A. En figure: b) le principe de non-récurrence, qui s’énonce ainsi: [ … ] le mouvement bi-tensif dont le tenseur radical est une configuration emporte avec soi l’interdiction de tout retour au déjà opéré. La successivité ici régnante est celle inhérente au temps qui en fait, sinon en pensée, ne se laisse pas remonter. c) le principe de la dissimilitude des isomorphes terminaux, qui s’énonce ainsi: [ … ] dans le tenseur binaire radical, la parité des extrêmes, si approchée soit-elle, est déficiente, la relation du terme final et du terme initial étant celle d’une égalité sous tous les rapports, moins un excepté [ … ] , le retour au dépassé est, nonobstant l’accession à l’isomorphie, une impossibilité. C’est en vertu de ce principe que, dans le tenseur binaire radical, non seulement est respectée, ainsi qu’on l’a dit plus haut, la relation fondamentale [ A1 → B1/ B2 → A2 ] , mais que, de surcroît, s’y trouve a minima satisfaite la condition [ A1 ≠ A2 ] . 10 9 Représentation angulaire supérieure à la représentation linéaire comme celle du schéma 2, dans la mesure où elle visualise parfaitement l’idée de la succession d’une tension 1 fermante et d’une tension 2 ouvrante. Voir Soutet (2005a). 10 Les trois citations sont dans Guillaume (2003: 20-21). Festschrift_V-435_End.indd 304 20.05.11 14: 36 <?page no="331"?> Une ambiguïté irritante et non intériorisable 305 Le principe d’intégrité implique, en particulier, qu’il n’y a organisation structurale, chez Guillaume, que là où existent entre les deux termes de la structure complémentation et inversion cinétique; le principe de non-récurrence - outre qu’il laisse entendre que le support temporel sous-jacent aux psychomécanismes est bien de l’ordre d’une temporalité effective et non d’une simple temporalité de raison 11 - implique, quant à lui, que la tension 2 n’est jamais la réitération à l’identique, par simple retour en arrière, de la tension 1, ce qu’explicite le principe de dissimilitude des isomorphes terminaux, qui invite à considérer que le terme de la tension 2 ne permet jamais de retrouver exactement le point de départ de la tension 1. En tenant compte du corpus guillaumien mais aussi de la diversité des travaux se réclamant des présupposés guillaumiens, il nous semble licite de distinguer cinq applications du schéma bitensif - dont quatre peuvent être tenues aujourd’hui pour canoniques: a) le schéma bitensif, figuration des deux „moments“ de l’acte de langage (langue et discours); 12 b) le schéma bi-tensif, figuration des „moments“ de la genèse du signe - mot ou morphème - (idéogénèse et morphogénèse); c) le schéma bi-tensif figuration de l’articulation de deux signes faisant microsystème (exemple le plus célèbre, celui des deux articles un et le); d) le schéma bi-tensif figuration de l’articulation de n signes, constituant un système sémiologique traduisant un psychomécanisme profond (par exemple le microsystème du nombre ou celui de la déclinaison). Reste la cinquième. En vertu même du principe de réitération évoqué précédemment, il nous a paru cohérent de faire l’hypothèse d’un dédoublement bitensif de la phase de genèse matérielle (idéogénèse). Non seulement cette hypothèse nous semble le prolongement „naturel“ des applications c) et d), où la bi-tension concerne très strictement du sémantique, mais, bien plus, elle nous paraît appelée, dans l’économie même de la théorie, par le mécanisme de la subduction ésotérique. 13 Opération de désémantisation, de dématérialisation (c’est nous qui mettons en italiques le préfixe), la subduction ésotérique est tout particulièrement à l’oeuvre à travers la coexistence dans certains verbes d’un emploi comme verbe plein et d’un ou de plusieurs emplois comme verbe auxiliaire. Commentant le mécanisme affectant le verbe être, Guillaume écrit dès 1938: La valeur du verbe être, sous ce traitement 14 , est celle d’un auxiliaire (être sorti) ou d’une copule (être riche); plus généralement d’un sémantème obéissant à une sorte de genèse inverse qui le ramène par degrés du domaine de la pensée pensée, où tout est clair et pénétrable, au domaine de la pensée pensante, où les idées en genèse ne sont encore que les impulsions créatrices de l’esprit. (Guillaume 1973: 75; c’est nous qui soulignons) 11 Sur la question du temps opératif, voir Monneret (2003: 20-21). 12 Sur ce point et sur les corollaires de cette application, voir Tollis (2009), notamment le chapitre 1. 13 Sur la distinction entre subduction esotérique et subduction exotérique, voir Boone-Joly (1996: 391-393). 14 Celui de la subduction ésotérique. Festschrift_V-435_End.indd 305 20.05.11 14: 36 <?page no="332"?> 306 Olivier Soutet Soit, en figure, si l’on admet que la tension 1, de E- à E+, est portée par le mouvement créateur du sens ontique d’être (E+) à partir d’une saisie initiale correspondant à un simple „se tenir“ (E-) et que la tension 2, de E+ à E-’ est portée par le mouvement de désémantisation/ dématérialisation/ engendrant en son terme l’emploi d’être copule et auxiliaire (E-’): 15 4 Les mots rien et de Les données qui nous occupent, on l’a vu, se caractérisent, entre autres, par le fait que rien s’accommode d’une double complémentation déterminative, directe (rien moins) et prépositionnelle (rien de moins). Il s’agit, au moins en première analyse, d’un fait syntaxique, possiblement révélateur d’un fait sémantique, qu’il convient de mettre en évidence. R. Martin fait observer que cette double complémentation de rien s’est maintenue au moins jusqu’au milieu du XX e siècle avec les caractérisants tel et autre. On se bornera à deux exemples de complémentation directe, la complémentation prépositionnelle étant la norme: (19) Sainte-Beuve, Port-Royal Mais il n’est rien tel que ces doux et humbles pour aller droit et haut (20) Correspondance de Gide à Valéry Je n’ai le temps de rien autre Cette possibilité syntaxique est encore attestée au XX e siècle, sporadiquement, avec personne, quelque chose et quelqu’un: (21) Ac, 1935 Il n’y a personne si peu instruit … (22) Maurois, Lettre ouverte à un jeune homme Il y a en vous quelque chose plus grand que vous (23) Curtis Peut-être était-il un être d’élite, quelqu’un intelligent et bon et fidèle 16 15 L’analyse d’être, dans la perspective guillaumienne, mérite évidemment approfondissement. Mais, tel n’est pas ici notre objet. Sur ce point, voir Vega y Vaga (2009). On ajoutera que cette analyse bitensive est aussi celle qui sous-tend nos descriptions de un (Soutet 2005b) et de que (Soutet 2005c). 16 Exemple repris de Grevisse-Goosse (2008: 445-446). Festschrift_V-435_End.indd 306 20.05.11 14: 36 <?page no="333"?> Une ambiguïté irritante et non intériorisable 307 Tout permet de penser que le processus de grammaticalisation opéré pour aboutir aux pronoms concernés par la double complémentation n’est arrivé que tardivement à son terme, ou mieux n’a parfois jamais totalement effacé leur origine nominale - ce qui explique qu’une détermination de type nominal soit possible. C’est le cas, notamment, de rien pour lequel cette grammaticalisation inachevée se matérialise par le fait que, dans son schéma sémantique constructeur, ce morphème associe en lui, dans l’ordre de l’inanimé qui est le sien, un mouvement fermant en perspective de négation et un mouvement ouvrant de positivité, opérant sur du négatif, non point pour le ramener vers le positif, mais pour substantifier (plan du sens) et substantiver (plan de la forme) le négatif. En figure: Dans l’emploi comme forclusif 17 , rien peut être ou non associé à l’adverbe de négation ne: (24) a. Si tu trouves rien qui te convienne, achète-le. b. As-tu rien vu qui te convienne? (25) Il ne comprend rien tandis que, dans l’emploi comme négatif en soi, il signifie la négativité sans l’appui de ne: (26) a. Travailler pour rien b. Il comprend rien (syntaxe familière qui fait l’économie de ne) Si l’on réoriente positivement rien à partir de sa saisie comme forclusif, on obtient un emploi positif final précoce, puisque la positivation agit sur un morphème simplement indéfini: 17 Sur le mot forclusif, voir Damourette-Pinchon (1911-1940: I, 138). Festschrift_V-435_End.indd 307 20.05.11 14: 36 <?page no="334"?> 308 Olivier Soutet (27) a. Un (petit) rien (parallèle à un petit quelque chose) b. Des (petits) riens tandis que, si l’on réoriente rien à partir de sa saisie comme morphème négatif en soi, on obtient un emploi final tardif, puisque la positivation agit sur un morphème intégralement négatif, d’où l’idée de vide, de vacuité absolue: (28) Larbaud, Barnabooth, Poésie, Le don de soi-même L’irremplaçable vide L’inconquérable rien 18 Dans les deux tournures qui nous intéressent, on retiendra donc, sans originalité particulière, que a) rien y est utilisé soit en combinaison avec ne, soit seul: l’effet de sens est toujours négatif (tension gauche du schéma 4); b) moins est son déterminant, de construction directe ou indirecte, selon une alternance avec ou sans rendement sémantique (la question de l’ambiguïté est précisément là), mais sans rendement stylistico-sociologique, comme cela peut l’être pour rien autre ou rien tel, sans rendement sémantique certes par rapport, respectivement, à rien d’autre ou rien de tel, mais stylistiquement très vieillis et, de facto, ultramarginaux. Le non-rendement sémantique possible de l’alternance 0/ de invite très naturellement à poser la question du rôle de de dans les constructions déterminatives. Question pour laquelle la littérature scientifique est considérable compte tenu, à la fois, de l’éclatement sémantique et fonctionnel du morphème considéré et des options théoriques retenues 19 . L’idée que nous défendrons - encore très imparfaitement construite - est la suivante: le spectre sémantico-fonctionnel de de s’ordonne suivant une double tension, la première traduisant un mouvement d’approche (dans tous les ordres de représentation du réel matériel ou non) et le second un mouvement d’éloignement (dans l’ordre du langage). En figure: 18 Voir Martin (1966: 168). 19 Voir Englebert (1992: 25 et passim). Festschrift_V-435_End.indd 308 20.05.11 14: 36 <?page no="335"?> Une ambiguïté irritante et non intériorisable 309 La tension 1 conduit, selon nous, des valeurs spatio-temporelles à la valeur déterminative conformément à la progression suivante - que nous proposons à titre tout à fait provisoire: a) saisie I: valeur spatio-temporelles d’origine (29) a. De Paris à Lyon b. D’aujourd’hui pour demain b) saisie II: valeur extractive/ partitive (30) a. Beaucoup de pain b. Du pain c) saisie III: valeur instrumentale, ou de médiation (31) Montrer quelque chose du doigt d) saisie IV: valeur déterminative (en tant qu’internotionnelle) (32) Le cours du professeur La valeur déterminative est celle à travers laquelle de met au contact deux notions, la seconde limitant au plus près la première. C’est la raison pour laquelle nous considérons qu’elle marque le point d’aboutissement de la tension 1. Elle correspond aussi au point de bascule du schéma sémantique du mot. De fait, dans un tel emploi, tout en même temps, de signifie (dans l’immanence de son contenu sémantique) et sépare (à travers sa capacité à permettre le dépassement, à transcender une impossibilité morphosyntaxique - à savoir, en l’espèce, l’interdiction faite à un nom en français de déterminer directement un autre nom). S’ouvre alors sa seconde tension, celle-là d’éloignement, mais de nature essentiellement morphosyntaxique (signifié très ténu) et au fond métalinguistique, au sens où de ici est à la fois signe et résolution d’un obstacle, lié à l’organisation de la langue, notamment au régime d’incidence qui ordonne les constituants en fonction de la partie de langue à laquelle ils appartiennent. De autorise, dans le cadre de cette tension, une succession tout en signalant une mise à distance. C’est la raison pour laquelle il est rapportable à un mouvement d’éloignement, non pas dans le plan référentiel, mais dans l’espace syntagmatique lui-même. Voici une proposition (elle aussi, très provisoire) d’ordination des emplois relevant de cette tension 2: a) saisie I’: valeur déterminative (en tant qu’elle doit, pour être exprimée, être syntaxiquement démarquée) - soit dans une séquence [nom de nom] (33) Le cours du professeur - soit dans une séquence [pronom (appartenant à une liste close) de adjectif], la liste en question étant celle qu’illustrent les exemples (15) à (17), (15i) Rien d’essentiel Festschrift_V-435_End.indd 309 20.05.11 14: 36 <?page no="336"?> 310 Olivier Soutet b) saisie II’: valeur prédicative, quand celle-ci vise à associer à un pseudo-sujet un verbe à l’infinitif (infinitif dit de narration), par nature non incident à la personne. (34) Duby, Le dimanche de Bouvines Justice est alors rendue non par l’épée, mais par le plaid. Et les clercs de glorifier le lieutenant de la puissance divine. c) saisie III’: de n’est plus ici que facultatif, - soit parce que l’éloignement des deux constituants successifs est obtenu par un autre moyen, notamment une pause mélodique; il en va ainsi pour les constructions attributives du type (35) Encore un soldat 0/ de tué - soit par défaut pur et simple du constituant gauche, son absence rendant caduque la nécessité d’opérer un éloignement (36) Gide, Retour de l’Enfant Prodigue Et de penser à toi me soutiendra. (parallèle à Et 0 penser …) 5 Hypothèse conclusive Si la construction habituelle de rien, qui tient compte de sa pronominalisation très forte - malgré, nous l’avons vu, l’existence d’emplois substantivaux - requiert l’usage d’un de de saisie I’, la construction qui nous occupe semble nous orienter aussi du côté d’une saisie III’. L’exemple (35) mérite d’être ici examiné de plus près. De fait, s’il est vrai que l’alternance 0/ de peut permettre de distinguer l’emploi prédicatif d’un adjectif de son emploi déterminatif dans une séquence [nom + adjectif], il faut admettre que la construction déterminative peut aussi s’accommoder de de comme le montrait, du reste, l’exemple (18). Cela tient très probablement au fait que la frontière entre détermination et prédication est aisément franchie, toute détermination épithétique renvoyant à une prédication attributive sous-jacente. La parfaite synonymie de nos deux tournures trouverait du coup une justification en accord avec la systématique du mot de. Reste toutefois un problème (au moins! ): non seulement les deux tournures sont facilement synonymiques, mais, en même temps, porteuses d’une antony- Festschrift_V-435_End.indd 310 20.05.11 14: 36 <?page no="337"?> Une ambiguïté irritante et non intériorisable 311 mie. Essayons d’en rendre compte. Si on prend en considération la valeur ultra-majoritaire du tour ne … rien de moins que, à savoir ‚bel et bien‘, on peut proposer l’analyse suivante de Il n’est rien de moins qu’honnête Soit: (i) Il (n’) est rien: négation (ii) de: introduit le complément de détermination (iii) moins qu’ honnête: peut ainsi se représenter Le complément déterminatif est orienté dans le sens d’une négation très forte du prédicat HONNETETE. Le constituant initial, il (n’) est rien, niant de l’hypernégatif, on obtient résultativement de l’hyperpositif, ce qui explique que les paraphrases fournies de cette interprétation positive ne soit pas ‚très honnête‘, mais ‚bel et bien honnête‘, ‚vraiment très honnête‘. Bien entendu, si on s’appuie sur un usage où le déterminatif 0 assure le processus syntaxique de détermination (soit parce qu’il correspond à un état de langue où le recours au de déterminatif n’est pas encore attesté, soit parce qu’il a aptitude à concurrencer librement de, du fait du statut nomino-pronominal de rien), la mécanique sémantique à l’œuvre est la même - et donc l’effet de sens résultatif (voir schéma 6). En revanche, si on projette une vision différencialiste de type structural sur les deux expressions, qui exploite la différence entre détermination prépositionnelle et détermination 0, le tour il n’est rien moins qu’honnête sera orienté vers la direction sémantique opposée, c’est-à-dire hypernégative. Soit (i) il n’est rien moins: ‚il n’est rien au-dessous‘, c’est-à-dire ‚il est tout plus‘ (ii) qu’ honnête: que ce qu’il est en matière d’honnêteté ce qui se représente ainsi (voir schéma 7). L’évaluation du degré d’honnêteté se faisant non à partir d’une évaluation interne de l’honnêteté, mais par le biais d’une comparaison avec toutes les autres qualités potentielles du sujet, on obtient une expression hypernégative, et non simplement négative, à savoir ‚il n’est nullement honnête‘, ‚il n’est pas honnête du tout‘. Autant dire que, lorsque de s’oppose à 0, son rôle démarcatif tend à séparer il n’est rien et moins qu’honnête, alors que son absence peut (mais peut simplement) inviter à une coupure entre il n’est rien moins et qu’honnête. Toutefois, l’alternance de de/ 0 pouvant être non rentabilisée (type jour libre et jour de libre), cette discrimina- Festschrift_V-435_End.indd 311 20.05.11 14: 36 <?page no="338"?> 312 Olivier Soutet tion peut être réduite à néant et alors, l’équivalence des deux tournures prévaut sur leur dissociation. 6 Bibliographie Boone, A./ Joly, A. (1996): Dictionnaire terminologique de la systématique du langage, Paris, L’Harmattan. Damourette, J./ Pichon, E. (1983 [1911-1940]): Essai de grammaire de la langue Française, 7 vol. Genève-Paris, Slatkine Reprints. Englebert, A. (1992): Le petit mot de. Etude de sémantique historique. Genève-Paris, Droz. Grevisse, M./ Goosse, A. (2008): Le bon usage, Paris-Louvain, Duculot. Guillaume, G. (1973): Langage et science du langage, Paris-Québec, Nizet-Laval. Guillaume, G. (1982): Leçons de linguistique, 1956-1957, éd. Plante, G., Québec-Lille, Laval, PUL. Guillaume, G. (2003): Prolégomènes à la linguistique structurale, éd. Valin, R., Québec, P.U. Laval. Huot, H. (1981): Constructions infinitives du français: le subordonnant de, Genève-Paris, Droz. Martin, R. (1966): Le mot rien et ses concurrents en français (du XIV e siècle à l’ époque contemporaine), Paris, Klincksieck. Moignet, G. (1973): Les signes de l’exception dans l’ histoire du français, Genève, Droz. Moignet, G. (1981): Systématique de la langue française, Paris, Klincksieck. Monneret, P. (2003): Notions de neurolinguistique théorique, Dijon, EUD. Soutet, O. (2005a): „Peut-on représenter la chronogénèse sur le tenseur binaire radical? Retour sur le système modo-temporel du français“, in Langue Française 147, 19-39. Soutet, O. (2005b): „Un et le tenseur binaire radical“, in Hommage à Anne-Marie Garagnon, 117-132, L’improviste. Soutet, O. (2005c): „Structure bitensive de l’idéogénèse de que: soubassements théoriques et implications sémantico-syntaxiques“, in Cahiers de linguistique analogique 2, 275-294. Soutet, O. (2005d): Linguistique [4 ème édition], Paris, PUF, Quadrige. Soutet, O. (2010): „Réflexions“ d’un guillaumien cinquante ans après la mort de Gustave Guillaume (1883-1960), Zeitschrift für französische Sprache und Literatur, 120/ 2, 133- 152. Tollis, F. (2009): Signe, mot et locution entre langue et discours de Gustave Guillaume à ses successeurs, Limoges, Lambert Lucas. Vega y Vega, J.J. (2009): „Les natures lexicales du verbe être. Un essai de modélisation verbale“, in Le français moderne, LXXVII, 2. Wilmet, M. (2003): Grammaire critique du français, 3 ème éd. Bruxelles, Duculot. Festschrift_V-435_End.indd 312 20.05.11 14: 36 <?page no="339"?> R EINHARD M EISTERFELD / J UDITH M ARLENA F REY Eine „räthselhafte Formel“ 1 Eine Frage In einer seiner ebenso kurzweiligen wie lehrreichen Zeitungskolumnen zur schwäbischen Wortgeschichte hat Henning Petershagen unlängst, veranlaßt durch die Frage einer Leserin aus Schwäbisch Hall, eine Form behandelt, die in engem Zusammenhang steht mit mehreren markanten Forschungsinteressen Peter Kochs: Mündlichkeit, Motivation, Grammatikalisierung, Sprach- und Wortgeschichte und nicht zuletzt dem Fortwirken der Latinität. Es handelt sich um den einigermaßen rätselhaften dialektalen Ausdruck konschprich (Petershagen 2007). Das Wort wird in der Mundart verwendet, um einen zuvor beschriebenen Sachverhalt pauschal zu resümieren und zu kennzeichnen, um also gleichsam „zum Klartext“ überzuleiten. Dazu zitiert Petershagen aus dem Brief der Fragestellerin das folgende Beispiel: Dia hent an Haufa Schulda, konschprich: Sia vrgandet. ‚Sie haben eine Menge Schulden, im Klartext: Sie gehen in Konkurs‘. Nun ist der zweite Bestandteil des Kompositums (konsprich nach gemeinsprachlicher Schriftnorm) ohne weiteres verständlich. Denn in der deutschen Schriftsprache hat „sprich“ allein ja heute gerade die oben genannte fazitziehende Funktion. Es geht daher insbesondere um die Erklärung des Bildungselementes kon-. Die unbedachte Vermutung, es könne sich bei konsprich vielleicht um eine Hybridbildung mit dem lateinischen conhandeln, stellt Petershagen von vornherein als abwegig beiseite. Vielmehr verzeichnet er einen, wenn auch lautlich recht vagen, Zusammenhang mit der in süddeutschen Mundarten ziemlich verbreiteten Wendung Gott versprich, welche annähernd die gleiche zusammenfassende Bedeutung hat wie konsprich. Hierbei kann er sich auf die Auskunft des Grimmschen Wörterbuchs berufen, das ein Lemma Gottversprich mit zahlreichen Regionalvarianten enthält (GRIMM 8, c.1426). Noch weitere mundartliche Formen des Ausdrucks Gott versprich führt Hermann Fischer (SWB 3,761) in seinem Schwäbischen Wörterbuch an, worunter sich auch konschprich findet. Daß konschprich eine mündlichsprachliche und dialektale Reduktion der Formel Gott versprich darstellt, scheint Petershagen somit klar. Bedeutungsseitig bleibt die Wendung gleichwohl dunkel: Warum soll Gott das Offenkundige versprechen? Eine Erklärung könnte, so der Autor, im semantischen Wandel von versprechen liegen. Da das deutsche Präfix verprimär eine perfektive bzw. intensivierende Funktion hat, hätte versprechen zunächst „ein verstärktes Sprechen“ (GRIMM 25, c. 1450, s.v. ‚versprechen‘) bedeutet und Gott versprich: ‚Gott sprich(t) es aus‘. Der Sinn Festschrift_V-435_End.indd 313 20.05.11 14: 36 <?page no="340"?> 314 Reinhard Meisterfeld/ Judith Marlena Frey der Formel sei daher womöglich gewesen „sich beim Formulieren klarer und daher provokanter Äußerungen hinter dem Herrn zu verstecken.“ Doch ist mit diesem allen der Verfasser selbst nicht recht zufrieden, und resignierend stellt er fest: „Wahrscheinlich wird den ursprünglichen Sinn von Gott versprich auch niemand mehr ergründen.“ Wir meinen hingegen, daß sich der ursprüngliche Sinn der Wendung sehr wohl ergründen läßt, insbesondere, da ihre Herkunft schon vor langer Zeit gefunden und mitgeteilt wurde. Doch wurde dieser Fund nicht ernstgenommen und in der Wissenschaft nur marginal tradiert. Dies eigentümliche Mißverhältnis vor allem soll in diesem Beitrag nachgezeichnet werden. Denn Petershagens Ratlosigkeit bei der Erklärung von Gott versprich ist nicht etwa nur dem schonend lehrenden Ton seines Beitrags geschuldet oder dem schlichten Anspruch seiner Adressaten. Sie findet sich in gleicher Weise in den wissenschaftlichen Werken, auf die er sich beruft. So wird Gott versprich im Grimmschen Wörterbuch eine „in ihrem ursprung nicht recht durchsichtige formel“ genannt (8, c. 1109, s.v. „Gott“); und unter dem thematischen Lemma „Gottversprich“ heißt es dort: Die analyse der zahllosen formvarianten […] macht ebenso schwierigkeiten wie die herleitung der gegenwärtigen bedeutung ‚sozusagen, so viel als, gleichsam‘ oder ‚natürlich, kannst dir denken‘ mit ironischem unterton. 8, c. 1426 2 Ein Hinweis Doch findet sich im Grimmschen Wörterbuch auch auch ein aufschlußreicher objektiver Zusammenhäng bezüglich der Wendung Gottversprich. Es wird nämlich bei Gottversprich auf den „bedeutungsgleichen und in seiner Bildung entsprechenden Typus gottigkeit“ verwiesen (8, c.1426). Wir haben also mit konsprich, Gott versprich und gottigkeit drei Einheiten, die jeweils paarig durch die gemeinsamen Elemente „sprich“ bzw. „gott“ verbunden sind. Zwischen den drei Ausdrücken scheint somit ein eher assoziativer Zusammenhang zu bestehen, wie man ihn etwa zwischen den volkstümlichen Bezeichnungen verschiedener diatopischer Varietäten für Pflanzen, Tiere, Gerätschaften u.ä. findet. Gegen diese Annahme steht allerdings die relativ präzise metadiskursive Funktion der Formeln, welche hinter ihrer undurchsichtigen Festschrift_V-435_End.indd 314 20.05.11 14: 36 <?page no="341"?> Eine „räthselhafte Formel“ 315 Bedeutung doch eine historische Begründung vermuten läßt. Einen Hinweis darauf findet man wiederum im Grimmschen Wörterbuch, wo der „dritte bestandteil“ von gottigkeit aus mhd. quît, chît, 3. Pers. Sg. von quëden ‚sagen‘, ‚sprechen‘ hergeleitet wird (Bd. 8, c. 1426 s.v. „gottigkeit“), so daß das Element ‚sprechen‘ damit in allen drei Wendungen vertreten ist. Während aber dieses im Rahmen der Funktion des Ausdrucks verständlich, zumindest aber nicht abwegig erscheint, weiß man bei dem ersten Bestandteil „Gott“ (bzw. „kon-“) nicht recht, wie man ihn deuten soll. So bemerken die Verfasser des Badischen Wörterbuchs denn auch s.v. „Gottversprich“: „Dass dies alles ursprünglich zu Gott gehöre, wird von einigen Forschern bestritten.“ (BWB 2, 454b) Daher wählen sie selbst als Arbeitshypothese für ihre Zwecke eine Annäherung des ersten Ausdrucksteils an das Etymon „gut“: „wir kommen aus mit einer Grundformel guot-man sprich! “ (ibid.). In der Tat verzeichnet auch Hermann Fischer in seinem Schwäbischen Wörterbuch unter dem Lemma „gut“ unsere Wendung in der Form „mit gutem sprich“ (3, c. 953), freilich mit Verweis „auf das unter „Gott“ Gesagte“. Sowohl die Verzeichner und Interpreten als auch die Sprecher und Verwender der Formel selbst scheinen daher auf der Suche nach ihrer Motivation zu sein. 3 Eine verworfene Deutung Denn ebenso, wie die Sprecher beim Verständnis von Texten zunächst einmal voraussetzen, daß diese in irgendeiner Weise sinnvoll sind, vermuten sie bei den einzelnen Bestandteilen der Texte eine elementare Verständlichkeit und Kohärenz. Empfinden sie nun gewisse Ausdrücke als undurchsichtig und nicht recht verständlich, so versuchen die Sprecher zuweilen, deren Form und Deutung ein wenig zu verändern, um die vermißte Klarheit auf diese Weise zu gewinnen. Die dadurch bewirkten Phänomene des Sprachwandels hat man „volksetymologisch“ genannt. Eine ganze Anzahl solcher umgedeuteten und lautlich angepaßten Wörter hat den Weg in die Schriftsprachen gefunden. So ist etwa dt. „Maulwurf“ bezüglich seines ersten Bestandteils zweimal umgedeutet worden: Aus dem m ū -werf dem ‚Haufenwerfer‘ (wobei m ū zu idg. *m ū k- ‚Haufen‘, vgl. anord. m ū gi, aengl. m ū ga, m ū ha, nengl. mow) wurde, nachdem man den ersten Teil des Wortes nicht mehr verstand, mhd. moltwerf, der ‚Erdwerfer‘ (mhd. molte ‚feinkörnige Erde‘, ‚Staub‘, vgl. Mull, Torfmull und Müll (eigtl. ‚Zerriebenes‘, zu mahlen). Als auch molt(e) nicht mehr üblich war, wurde der erste Wortbestandteil mit m ū l(e) ‚Maul‘ in Verbindung gebracht. Doch liegt es auf der Hand, daß die Volksetymologie dort ihren fruchtbarsten Boden findet, wo der Sprachgebrauch überwiegend auf mündlicher Tradition beruht, wie dies bei den Mundarten meist der Fall ist. So war etwa gr. νεκρομαντεία ‚Totenklage‘, das schon in splt. nigromantia ‚schwarze Magie‘ eine Umdeutung erfahren hatte ( νεκρός × niger), in deutschen Dialekten den verschiedensten lautlichen und semantischen Veränderungen ausgesetzt: Nigramanzie, Gramazie, Gramerzie, Kramanzie, Kramanze u.ä. Das im Mittelalter viel verwendete Heilmittel Theriak (< gr. θηριακόν ) erscheint in den Mundarten als Festschrift_V-435_End.indd 315 20.05.11 14: 36 <?page no="342"?> 316 Reinhard Meisterfeld/ Judith Marlena Frey Driakel, Drejackel, Dreiacker, Teerjacke u.a. 1 Die Vermutung scheint daher nicht abwegig zu sein, daß auch die Formel „Gottversprich“ und ihre verschiedenen Varianten eine volksetymologische Erklärung finden könnten. Eine solche ist nun in der Tat vorgeschlagen worden, und zwar noch bevor Ernst Wilhelm Förstemann 1852 den Terminus „Volksetymologie“ in seinem Beitrag zum ersten Band von Kuhns Zeitschrift so überaus erfolgreich in die Fachsprache einführte. Schon fünf Jahre zuvor nämlich bemerkt der populäre Wiener Theaterdichter, Volkskundler und Ständische Bibliothekar Ignaz Franz Castelli (1781-1862) in seinem Wörterbuch der Mundart in Oesterreich unter der Enns unter dem Eintrag Gottikaid, Gottika: „Es scheint von dem Lateinischen: Quod dicat herzurühren.“ (CBBMÖ, 146). Diese Herleitung halten wir für in hohem Grade einleuchtend und möchten sie uns daher zu eigen machen. Maßgebend dafür sind mehrere Gründe: 1. Die lautliche Nähe zu der Variante gottikeit, gottigkeit, von der aus die Formen mit -sprich über die Brücke këden ‚sprechen‘ leicht erklärt werden können. 2. Die semantische Evidenz: Die registrierten Bedeutungen entsprechen im großen und ganzen der lateinischen Formel oder können aus deren Funktion abgeleitet werden. 3. Die geographische Extension. Sie setzt ein am südwestlichen Rand des deutschen Sprachgebiets, im Elsaß, geht dann weiter in Baden, greift nach Süden aus in die Schweiz bis an die romanischen Sprachgrenzen und im Norden in die Pfalz, das Saarland und Südhessen. Es folgen Württemberg und Bayern, das ganze österreichische Territorium und Südtirol. In sprachlicher Hinsicht umfaßt dieses Verbreitungsgebiet also im Osten das Bairische und im Westen das Alemannische (mit dem Schwäbischen) und das nördlich daran anschließende Mittel-, Rhein- und Ostfränkische mit einigen Ausläufern in das Ostmitteldeutsche hinein: also ungefähr das Territorium der ersten großen überregionalen süddeutschen Kanzleisprache. Dies alles freilich wäre noch weiter auszuführen und genauer zu beschreiben. Denn Castelli gibt seine Erklärung eher beiläufig und ohne jede entdeckerische Genugtuung, so daß man den Eindruck hat, er beziehe sich damit auf etwas allgemein Bekanntes, zumindest aber schon öfter Geäußertes, das er aber um der Vollständigkeit willen und im Hinblick auf den weniger mit dem Gegenstand vertrauten Leser nochmals zu erwähnen für angebracht hält. Und in der Tat findet sich in der von Georg Carl Frommann besorgten zweiten Auflage des Bayerischen Wörterbuchs von Johann Andreas Schmeller der Hinweis: „Dr. Bischoff, Professor und Regierungsrath aus Wien, vergleicht das latein. q u o d d i c a t , (13. Aug. 1837)“, der wohl „des Verfassers Nachträgen“ zuzurechnen ist und sich auf eine briefliche Mitteilung an Schmeller beziehen könnte, die der Schrift Castellis mithin 10 Jahre vorausgeht (BAYWB 1, col. 1225 s.v. „keden“). Ähnlich unspektakulär verläuft die weitere Wirkungslinie der volksetymologischen Deutung der Formel. Sie findet sich nur im östlichen Teil des Verbreitungsgebiets mit den Varianten des Typs „Gottigkeit“ und wird nicht wei- 1 Vgl. Andresen 1919, 32. Zu den zahlreichen im Volksmund veränderten Bezeichnungen offizineller Substanzen s. Id., ibid., 88-91. Festschrift_V-435_End.indd 316 20.05.11 14: 36 <?page no="343"?> Eine „räthselhafte Formel“ 317 ter begründet oder mit anderen Erklärungsversuchen kritisch konfrontiert. So schreibt etwa Julius Jakob in seinem Wörterbuch des Wiener Dialekts (JWBWD, 71). gottikeit o. guatikeit, was sagen soll (lat. quod dicat, it. codiga): gewissermaßen; Er sägt, i waß nix, - i war a Esel. (Jakob 1929, S. 71) Und gleichsam im Vorübergehen macht Erik Graf Wickenburg in seinem volkstümlichen Sprachführer zur österreichischen Umgangssprache anläßlich einer zitierten Anekdote die erklärende Bemerkung: „Gottigkeit heißt „so als ob, gleichsam“, kommt vom lateinischen „Quod dicat“ (Wickenburg 1969, 113). Aufgenommen hat diese Tradition Hermann Wax, der nach jahrzehntelanger Arbeit unlängst sein neues schwäbisches etymologisches Wörterbuch (WSEW) vorstellen konnte. Unter dem Lemma „gott-versprich“ heißt es dort: Gewissermaßen, gleichsam, will sagen, sozusagen, in der Tat, tatsächlich, etc. Lat. „quod dicat - was bedeuten soll“, it. „codiga“, führt im Oberdeutschen zu „zahllosen varianten und entstellungen“ (zu finden bei dtv-Grimm), wozu auch volksetymologisches „gott-versprich“. (Wax 2007, S. 199) Aufs ganze gesehen aber hat die volksetymologische Erklärung des Ausdrucks Gottversprich und seiner Familie aus der lateinischen Formel quod dicat wenig Beachtung gefunden. Entweder hat man von ihr keine Kenntnis oder man weist sie als unwahrscheinlich zurück. So ist in der kleinen thematisch geordneten Sammlung volkssprachlicher Ausdrücke, die Matthias Höfer etwa ein halbes Jahrhundert vor Castelli in dem gleichen Mundartraum zusammengetragen hat, von ihr noch keine Rede. Zu Gottakait, Gottigkeit wird dort bemerkt (Hofer 1800, 141): Der Ton ist auf der ersten Sylbe. Das Ende des Wortes gehöret entweder zu haitan, heiten, heissen, befehlen; oder zu quithan, cheden, sprechen, sagen. Und der Anfang: god, cot, gut od. God, cot, Gott? God, taz chit, w o h l , d a s i s t . Allein in Salzburg heißt es in der nämlichen Bedeutung, g o t t s p r i c h . Vielleicht ist es also ein berufener Spruch von einem alten Prediger, Got thih heit, gott heisset dich, befiehlt dir; oder Got der chit, Gott, der saget. Auch der oben schon erwähnte Johann Andreas Schmeller (1785-1852), einer der Gründerväter der Dialektologie des Deutschen, sieht in dem -keit des Typs Gottigkeit eine Form des alten Verbums keden ‚sagen‘ (BAYWB 2). Ich vermuthe eine 3te Person sing. k e i t (ä. Spr. k î t , zusammengezogen aus q u i d i t der a. Sp.) im letzten Bestandtheil, der in Absicht auf ihre ursprüngliche Zusammensetzung sehr entstellten R.A. gottw ị lkeit, gottwólkeit, gottm ə skeit, gopplkeit, gopp ə keit, gottlkeit, gottikeit; gu ə dekeit; godw ị lká, godiká, golika, godikál, goká; són gottikeit, godiká, goká, sam gottlm ə ská; sam, so sam goká; àls godiká, zum Beispiel, das heißt, das will sagen, als wollte man, ich, er etc. sagen. (S. 282, s.v. „keden“) Bezüglich des ersten Teils der „R.A.“ (sc. ‚Redensart‘) aber möchte er keine Deutung wagen: Festschrift_V-435_End.indd 317 20.05.11 14: 37 <?page no="344"?> 318 Reinhard Meisterfeld/ Judith Marlena Frey Noch mehr verdunkelt sind aber die vorhergehenden Sylben dieser Formen, so daß eine Vermuthung über dieselben nicht wohl begründet werden mag. (Ibid. S. 282) 2 Mit Spott und Ironie bedenkt Schmeller zwei zuvor gemachte Erklärungsversuche: Dem guten Wackius (in seinem Beweis, daß das Bayrische vom Syrischen herstamme) kommt eben auch der Ausdruck „G o d i k ä “ vom Syrischen her. Andere suchen nicht über, sondern blos an dem Meere, und beruhigen sich mit dem venetianischitalienischen c o d i c a (come se dicesse, span. como quien dice). (Ibid. S. 282) Auch in seiner Charakterisierung des Bairischen, die im Zusammenhang mit dem Bayerischen Wörterbuch entstand, gesteht Schmeller, daß er bezüglich der Erklärung der Formel und ihrer Varianten ratlos verblieben ist (Schmeller, 1821, 171): So sind dem Verfasser bey der Ausarbeitung des Wörterbuchs mehrere Artikel vorgekommen, deren ächte ursprüngliche Form er trotz aller Bemühung nicht auszumitteln vermochte, und über die er mehr nicht als bloße Vermuthungen wagen durfte. Als Beyspiel sey hier blos ein einziger übrigens viel vorkommender Ausdruck dieser Art angeführt. Schmeller nennt dann eine ganze Anzahl vorgefundener Formen wie samgoká, zum godikal, zun ə gu ə dikáit, àls godiká, aus gottikait, codica, gottelkáit, gottmirsprich, gottwolsprich, gottversprich u.a. Schmeller, 1821, 171-172). Neun Jahre, nachdem Castelli Gottikaid, Gottika auf das lateinische quod dicat zurückgeführt hatte, behandelt der namhafte Dialektologe und Grimm- Schüler Georg Carl Frommann (1814-1887) diese Ausdrücke und ihrer Variantenfamilie thematisch in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Die deutschen Mundarten innerhalb seines Beitrags: „Formelhafte Redensarten mit dem Worte ‚Gott‘ gebildet“ (Frommann 1856). Nachdem er einige mundartlich stark verkürzte und umgebildete Wendungen mit dem Namen Gottes besprochen hat, kommt er zu: jener seltsamen, einigen oberdeutschen Mundarten angehörigen Formel, deren Betrachtung der eigentliche Zweck dieser Zeilen sein sollte. Es ist dies das, in seiner ursprünglichen Bedeutung verdunkelte, darum auch hie und da angelehnte und vielfach umgebildete gottwolkeit mit seinen Nebenformen gottsamkeit, gottwolsprich und den überaus zahlreichen Verunstaltungen beider […] (S. 349) Er nennt dann 37 dieser „Verunstaltungen“, deren Bedeutung Schmeller in seinem Bayerischen Wörterbuch mit ‚zum Beispiel‘, ‚das heisst‘, ‚das will sagen‘, ‚als wollte man (ich, er etc.) sagen‘ angegeben hatte. Was die historische Deutung der Formel betrifft, so versucht Frommann auf der Basis der Elemente Gott - sprich(t) zwei mögliche semantische Entwicklungslinien aufzuzeigen. Letztlich aber möchte auch Frommann die Frage nach der Herkunft der Formel nicht beantworten, und wie Schmeller beschließt er, sie der späteren 2 Immerhin verweist er auf das Lemma ‚Gott‘, wo der Ausdruck ohne Erklärungskommentar ebenfalls kurz angeführt wird (2, 82). Festschrift_V-435_End.indd 318 20.05.11 14: 37 <?page no="345"?> Eine „räthselhafte Formel“ 319 Forschung zu überlassen. Beiläufig aber erwähnt er auch die beiden kuriosen von Schmeller zurückgewiesenen Erklärungsversuche, denen er nun noch die Herleitung Castellis aus lat. quod dicat hinzufügt, die Schmeller noch nicht bekannt gewesen war. Selbst Schmeller […] hat es nicht gewagt, diesen Knoten zu lösen, sondern nur gegenüber der weit hergeholten Erklärung aus dem venetianisch-italiänischen c o d i c a (= come se dicesse, span. como quien dice. Castelli denkt an das lat. q u o d d i c a t), die er der von Wackius (Beweis, dass das Bayrische vom Syrischen herstamme) gegebenen lächerlichen Herleitung des Godikä vom Syrischen an die Seite stellt, auf jenes alterthümliche keit […] hingewiesen. (S. 351-352) Die Meinung Castellis muß damit ebenso abwegig erscheinen, wie die beiden genannten Thesen. In seiner bearbeiteten zweibändigen Neuausgabe des Schmellerschen Wörterbuchs (BAYWB 1, col 1225) fügt Frommann nun auch Castellis Erklärung aus dem lateinischen q u o d d i c a t ein, zusammen mit der oben erwähnten brieflichen Mitteilung des Doktors Bischoff aus Wien, diesmal aber unmittelbar hinter dem ironischen Verweis auf Wackius’ skurrile Syrertheorie: Dem guten Wackius (in seinem Beweis, daß das Bayrische vom Syrischen herstamme), kommt eben auch der Ausdruck „Godikä“ vom Syrischen her. Dr. Bischoff, Professor und Regierungsrath aus Wien, vergleicht das latein. q u o d d i c a t , (13. Aug. 1837), ebenso Castelli a.a.O. Andere suchen nicht über, sondern blos an dem Meere, und beruhigen sich mit dem venetianisch-italienischen co dica, (come se dicesse, span. como quien dice). Auch der später insbesondere durch sein Mittelhochdeutsches Handwörterbuch weithin bekannte Germanist Matthias Lexer (1830-1892) hatte „die räthselhafte Formel“ in seinem Kärntischen Wörterbuch (seiner Promotionsschrift) kurz behandelt. Im Lesachtal hatte er sie als gottakeit und peikingegott angetroffen, deren Bedeutung er so charakterisiert: „zum Zeichen, um anzuzeigen, um zu verstehen zu geben.“ Bezüglich der Erklärung dieser Wendungen möchte Lexer über die Unschlüssigkeit Frommanns nicht hinausgehen. Da er aber in dem eigentümlichen peikingegott ein ursprünglich drohendes „bei komm’ Dir Gott! “ erkennt, das später zu einer Bekräftigung bzw. Verdeutlichung anzeigenden Formel abgeschwächt worden sei, meint er: „ähnlich mag es sich bei gottakeit verhalten.“ (LKWB, col. 119.) Am Anfang des 20. Jahrhunderts nimmt sich der Germanist (und insbesondere Niederlandist) Johannes Franck (1854-1914) des Ausdrucks neuerlich in einem thematischen Beitrag an (Franck 1908). Auch Franck sieht bei seiner Entstehung das alte Verbum quëdan ‚sprechen‘ im Spiel, möchte es aber nun gerade (anhand der Variante Godersprech) zur Erklärung des ersten Teiles „Gott“ heranziehen: Ich meine nämlich, daß der liebe Gott ursprünglich gar nicht in die Redensart hinein gehört, sondern nur durch Mißverständnis eines früheren kode hinein gekommen ist, des Konjunktivs des alten Verbums „sagen“, quethan, dessen geläufige mhd. Form koden war. […] Mit diesen Voraussetzungen darf man annehmen, daß der Festschrift_V-435_End.indd 319 20.05.11 14: 37 <?page no="346"?> 320 Reinhard Meisterfeld/ Judith Marlena Frey Altenburger mit seinem als gott herr ein älteres als kod(e) er fortsetzt. (Franck 1908, 290) Das Element -sprech sei dann einer begrifflichen „Auffrischung“ zu verdanken (S. 291). Völlig sicher, die ganze Vielfalt der Formen mit seiner These erklären zu können, ist sich Frank freilich nicht. So räumt er auch die Möglichkeit ein, daß insbesondere die -keit-Varianten anderen Ursprungs sein könnten und verweist dazu auf das bei Schmeller erwähnte angeblich venezianische co dica (das inzwischen zu einem nicht recht identifizierbaren italienischen codica geworden ist): Ausgeschlossen ist es übrigens nicht, daß die belegten Redensarten nicht gerade alle eines mehr oder weniger einheitlichen Ursprungs seien, daß der eine oder andere sogar von den übrigen ganz unabhängig sein könne. Wenn z.B. ein ital. codica, wie es angegeben wird, wirklich besteht - mir ist es nicht gelungen, dies festzustellen - so wird man allerdings die Möglichkeit nicht bestreiten können, daß unter den oben aufgeführten Formen so stark anklingende wie godika von dieser Seite stammen, falls es zugleich möglich ist, die fragliche ital. Mundart und die entsprechenden deutschen Formen landschaftlich zu vereinigen. (Ibid., S. 295) Ein Vierteljahrhundert später widmete der Saulgauer Oberstudiendirektor und verdiente schwäbische Mundart- und Namenforscher Josef Karlmann Brechenmacher (1877-1960) der Formel „Gottversprich“ und ihrer Herkunft eine Miszelle innerhalb seines Beitrags „Schwäbische Etymologien“ 3 . Die volksetymologischen Erklärungsversuche weist er zurück: Dieses Gottversprich gibt, wie man es auch drehen mag, keinen rechten Sinn und hat daher eine Menge abenteuerlicher Erklärungen hervorgerufen. Früher dachte man an volksetymologische Umdeutung von q u o d d i c a t , an das venetianische c o d i c a (come se dicesse) usw., und ein Übergelahrter wollte die Quelle dieser volkstümlichen Einschaltung gar im Syrischen gefunden haben. Dergleichen Bocksprünge sind aber wirklich nicht nötig. (S. 85) Brechenmacher möchte hingegen als Ursprung des Ausdrucks einfach eine Beteuerungsformel annehmen, wobei er sich der Meinung der Autoren des Schweizerischen Idiotikons anschließt. 4 Es ist unschwer festzustellen, daß wir es bei Brechenmachers ironischer Abwertung volksetymologischer Erklärungsversuche immer noch mit Schmellers mitleidigen Spott über die unbedarfte Syrerfabel und die gewährsmannlose Venezianerthese zu tun haben, denen Frommann dann die Vermutung einer Umgestaltung von lat. quod dicat ohne weiteres gleichgestellt hatte. Vor allem auf Frommann wiederum berufen sich die Autoren der entsprechenden Passagen im Grimmschen Wörterbuch, die wir eingangs angeführt haben. 3 Josef Karlmann Brechenmacher 1933, hier: „Gottversprich“. 84-86. 4 „Die Anwendung mochte also ursprünglich auf ernsthafte, bedeutsame Fälle beschränkt sein, für welche die Anrufung des Heiligen gerechtfertigt schien. Allmählich wurde die Formel, wie alle Beteurungen, mißbraucht, ausgedehnt und abgeschwächt, besonders aber aus dem Sinn einer Bekräftigung in den einer Erklärung herübergezogen, im Sinne von lat. scilicet, welches auch oft ironische Färbung annimmt.“ (SI 2, 517-518, hier 518). Festschrift_V-435_End.indd 320 20.05.11 14: 37 <?page no="347"?> Eine „räthselhafte Formel“ 321 4 Ein Feld geronnener Motivationen Die bisherigen Erklärungen der eigentümlichen Formel „Gottversprech“ und ihrer Varianten zeigen also ein Bild, das nicht zufriedenstellen kann. Eine innere Bedeutungsentwicklung wird nur im Schweizerischen Idiotikon (in Bezug auf Gott-mer-sprich) affirmativ vertreten. Wo man sie sonst erwägt, wird sie stets mehr oder minder zweifelnd eingeführt, und mehrmals wird ausdrücklich gesagt, daß die Frage weiterhin als ungelöst zu betrachten sei. Die Vorschläge zu einer externen Erklärung aber sind entweder von vornherein als unwahrscheinlich kenntlich, oder sie sind (wie im Falle der quod-dicat-These) einfach aphoristisch als Vermutung und ohne weitere Begründung vorgetragen worden. Bei dieser kritischen Wertung darf allerdings nicht übersehen werden, daß die bisherige (meist ältere) Forschung zu der Ausdrucksgruppe Gottversprich auch wichtige Erträge erbracht hat, die es festzuhalten gilt. Dazu gehört in erster Linie das recht umfangreiche Material an Formenbelegen des Ausdrucks, das vor allem in der mundartbezogenen Lexikographie, aber auch in den wenigen thematischen Arbeiten zusammengetragen wurde. Nicht unerheblich ist ferner die Tatsache, daß man, teils intuitiv, teils explizit, einen gemeinsamen Ursprung der Formenvielfalt angenommen hat, und daß man diesen Ursprung zudem in relativ entfernter Vergangenheit vermutet. Bedeutsam ist schließlich die Entdeckung, daß bei der Entstehung der mundartlichen Varianten mit großer Wahrscheinlichkeit das alte Verbum quëden, ‚sprechen‘ eine zentrale Rolle gespielt hat. Was nun den Ursprung des Ausdrucks Gottversprich und seiner Varianten angeht, so möchten wir, wie gesagt, die bisher nur beiläufig vertretene volksetymologische Deutung annehmen, die unseres Erachtens vom Hauptstrang der Forschung zu Unrecht beiseitegestellt wurde und werden dies an anderer Stelle ausführlicher begründen. Es kann dabei aber nicht nur um die historische Erklärung der Redewendung gehen. Die Vielfalt der überlieferten mundartlichen Varianten bietet nämlich ein äußerst reiches Beobachtungsfeld zu mehreren Phänomenbereichen, die in der Forschung gegenwärtig behandelt werden: Gesprächsgliederung und Diskurstraditionen, Metasprache, Grammatikalisierung, Mündlichkeit, Motivation und Entwicklungswege sprachlichen Wandels. Um davon eine erste Anschauung zu geben, sei hier eine (keineswegs vollständige) Übersicht dokumentierter Formen vorgestellt: 5 als godersprech als godika als gotterspricht als gottmerspricht als gottnsprich asgodasprich asgodersprich gorersprech goresprech gorresprech gotlikeit gotlkeit gottakait gottemsprich 5 Es versteht sich von selbst, daß die phonetische Realität dieser mundartlichen Formen, die wir schriftlichen Quellen entnehmen, nur andeutungsweise erkennbar werden kann. Festschrift_V-435_End.indd 321 20.05.11 14: 37 <?page no="348"?> 322 Reinhard Meisterfeld/ Judith Marlena Frey asgotterchib askotersprich aus gottwollkeit esgotterchi go’wolkeid godersprech godesprich godikâ godikal godrsprich godwilka gokeit golika golika gollesprech gommersprich gopferchid/ ~-kid gopfersprich gopmechi gopmersprich goppelsprich gopperchid goppersprü goppmeche gottversprich gottwichkeit gottwichket gottwilkeit gottwohlsprich gottwolsprich gudsprech guedekeit guedemsprich guedersprich guetikeit guetnkeit gupfersprich guresprechs gottercheid gotterchid gottersprach gottersprach gottersprech gotterspri gottersprich gottersproch gotterspruch gottessprech gottessprech gottessprich gottikait gottikeit guatikeit gottlkeit gottmerchid/ -d gottmersprich gottmisprich gottmrkît gottmskeit gottsamkeit gottsprich gottumkeit gottverchib guttesprech kodika komsprich konsprich mit guedem sprich sam gôdala sam godiga sam goka sam gottlmska so sam goka son gotikeit sprich-mit-gott z’guedemsprich z’n gottwolkeitz’n godikeit 5 Bibliographie 5.1 Lexikographische Quellen ASS = Tobler, T. (Hg.), (1837): Appenzellischer Sprachschatz. Eine Sammlung, Zürich. BAWB = Kluge, F./ Ochs, E./ Müller, K.F./ Post, R. (1940): Badisches Wörterbuch, München. BAYWB = Schmeller, J.A. (1872-1877): Bayerisches Wörterbuch. Sammlung von Wörtern und Ausdrücken, die in den lebenden Mundarten vorkommen, mit urkundlichen Belegen, nach den Stammsylben etymologisch-alphabetisch geordnet. 2., mit des Verf. Festschrift_V-435_End.indd 322 20.05.11 14: 37 <?page no="349"?> Eine „räthselhafte Formel“ 323 Nachtr. verm. Ausg. [in 2 Bdd.], bearbeitet von Georg Carl Frommann, München/ Stuttgart/ Tübingen. CWBMÖ = Castelli, I.F. (1847): Wörterbuch der Mundart in Oesterreich unter der Enns, eine Sammlung der Wörter, Ausdrücke und Redensarten, welche von der Hochdeutschen Sprache abweichend, dem niederösterreichischen Dialekte eigenthümlich sind, sammt beigefügter Erklärung und so viel möglich auch ihrer Abstammung und Verwandtschaft, beigegeben grammatische und dialektologische Bemerkungen über diese Mundart überhaupt. Ein Hülfsbuch um den Oesterreicher über seine Nationalsprache aufzuklären und Fremden dieselbe verständlich zu machen, Wien. Grimm = Grimm, J., Grimm, W. (1994 [1854-1971]): Deutsches Wörterbuch, dtv, München 1994 [= Leipzig 1854-1971]. JWBWD = Jakob, J. (1929): Wörterbuch des Wiener Dialekts, Wien/ Leipzig. LKWB = Lexer, M., 1965 (Neudruck der Ausgabe 1862): Kärntisches Wörterbuch, Leipzig. PFWB = Christmann, E./ Krämer, J./ Post, R. (1968-1998): Pfälzisches Wörterbuch, 7 Bdd., Wiesbaden. PWBGRMA = Pützer, M. (1993): Wörterbuch der Großrosseler Mundart, Saarbrücken 1993 (= William Barry, Max Mangold (Hgg.,) Phonetica Saraviensia 12). RWB = Müller, J. (1931): Rheinisches Wörterbuch, Berlin. SHWB = Maurer, F./ Stroh, F./ Mulch, R. (1969-1972): Südhessisches Wörterbuch, 6 Bdd., Marburg. SI = Staub, F./ Tobler, L./ Schoch, R. (1881-1939): Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache, 10 Bdd., Frauenfeld. SWB = Fischer, H. (1904-1911): Schwäbisches Wörterbuch. Auf Grund der von Adelbert v. Keller begonnenen Sammlungen und mit Unterstützung des württembergischen Staates, bearbeitet von Hermann Fischer, 6 Bdd., Tübingen. SSWB = Schmid, J.Ch. von (1831): Schwäbisches Wörterbuch, Stuttgart. TI = Schöpf, J.B., vollendet von Anton J. Hofer (1968): Neudruck der Ausgabe 1866. Tirolisches Idiotikon, Wiesbaden. VAWB = Jutz, L. (1960-1965): Vorarlbergisches Wörterbuch, 2 Bdd., hrsg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien. WBVS = Birlinger, A. (1862): Wörterbuch zum Volksthümlichen aus Schwaben, Freiburg. WEMA = Martin, Ernst/ Lienhart, H. (1899-1907): Wörterbuch der elsässischen Mundarten, 2 Bdd., Strassburg. WSEW = Wax, H. (2005), (2007): Etymologie des Schwäbischen, Ravensburg 2005. Dritte erweiterte Auflage Ravensburg. 5.2 Untersuchungen Andresen, K.G. (1919): Über deutsche Volksetymologie, Leipzig 7 1919 [Heilbronn 1 1876]. Blank, A. (1997): Prinzipien des lexikalischen Bedeutungswandels am Beispiel der romanischen Sprachen, Tübingen (= Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie, Bd. 285) Brechenmacher, J.K. (1933): „Schwäbische Etymologien“, in Der schwäbi-sche Schulmann 16 (1933), 81-95. Franck, J. (1908): „Godersprech und Verwandtes“, in Zeitschrift für Deutsche Mundarten 3 (1908), 289-302. Förstemann, E.W. (1852): „Ueber deutsche Volksetymologie“, in Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des deutschen Griechischen und Lateinischen 1, 1-25. Frommann, G.K. (1856): „Formelhafte Redensarten mit dem Worte „Gott“ gebildet“, in Die deutschen Mundarten 3, 345-352. Höfer, M. (1800): Die Volkssprache in Oesterreich vorzüglich ob der Ens, nach ihrer innerlichen Verfassung und in Vergleichung mit anderen Sprachen. In grammatisch = kritischen Bemerkungen entworfen von Matthias Höfer, Wien. Festschrift_V-435_End.indd 323 20.05.11 14: 37 <?page no="350"?> 324 Reinhard Meisterfeld/ Judith Marlena Frey Koch, P., Marzo, D. (2007): „A two-dimensional approach to the study of lexical motivation and its first application to French high frequency vocabolary“ in Studies in Language 31/ 2, 259-291. Panagl, O. (2007): „Volksetymologie und Verwandtes“, in Cruse, D.A./ Hundsnurscher, F./ Job, M./ Lutzeier, P.R., Lexikologie Lexicology. Ein internationales Handbuch zur Natur und Struktur von Wörtern und Wortschätzen, 2 Bdd., Berlin/ New York (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 21), Bd. 2, 1346-1352. Petershagen, H. (2007): „Gottes Klartext“, in Schwäbisches Tagblatt, Sa., 16.06.2007 und wieder: Südwest-Presse Online 11.11.2008. Schmeller, J.A. (1821): Die Mundarten Bayerns, grammatisch dargestellt, München. Wickenburg, E. Graf von (1969): Österreichisch wie es nicht im Wörterbuch steht, Frankfurt a.M. Festschrift_V-435_End.indd 324 20.05.11 14: 37 <?page no="351"?> Kreolsprachen Festschrift_V-435_End.indd 325 20.05.11 14: 37 <?page no="352"?> Festschrift_V-435_End.indd 326 20.05.11 14: 37 <?page no="353"?> A NNEGRET B OLLÉE Les couleurs de la peau Milat pòv se nèg, nèg rich se milat. Proverbe haïtien 1 La terminologie de couleur Dans sa Description de la partie française de l’ isle Saint-Domingue, publiée en 1797, M.L.E. Moreau de Saint-Méry consacre un chapitre de 31 pages aux „Affranchis […] plus universellement connus sous le nom de Gens-de-Couleur ou Sang-mêlés“: Dès que la Colonie eut des esclaves, elle ne tarda pas à avoir des Affranchis, & plusieurs causes durent concourir à former cette classe intermédiaire entre le maître & l’esclave (1797: 68). Les Affranchis, comme il est aisé de le sentir, sont des individus offrant une grande variété dans les nuances par leur mélange avec les Blancs, avec les nègres & entr’euxmêmes; mélange qui pouvant se faire avec différentes combinaisons de nuances, donne, à son tour, naissance à des combinaisons nouvelles. Les deux extrêmes sont pour ces Affranchis d’un côté le nègre & de l’autre des individus dont la couleur ne montre aucune différence sensible, lorsqu’on la compare à celle du Blanc. C’est pour mieux faire connaître cette localité colorée que je vais parcourir les degrés divers du mélange (ibid. 70). Moreau de Saint-Méry, fin observateur de la réalité „topographique, physique, civile, politique et historique“ de Saint-Domingue, s’efforce de systématiser les résultats „produits par les diverses combinaisons du mélange des Blancs avec les Nègres, & des Nègres avec les Caraïbes ou Sauvages ou Indiens Occidentaux, & avec les Indiens Orientaux“ (1797: 71-75). Il établit treize classes distinctes dont la première est constituée par les „Combinaisons du Blanc“: D’un Blanc & d’une Négresse, vient un Mulâtre. Mulâtresse, Quarteron. Quarterone, Métif. Métive, Mamelouque. Mamelouque, Quarteronné. Quarteronnée, Sang-mêlé. Sang-mêlée, Sang-mêlé, qui s’approche continuellement du Blanc. Marabou, Quarteron. Griffonne, Quarteron. Sacatra, Quarteron. Festschrift_V-435_End.indd 327 20.05.11 14: 37 <?page no="354"?> 328 Annegret Bollée La classe II est produite par les „Combinaisons du Nègre“ avec les mêmes partenaires que celles du Blanc dans la première classe, les descendants étant des Mulâtres, Marabous, Griffes ou Sacatras, la classe III par les „Combinaisons du Mulâtre“, et ainsi de suite jusqu’à la classe XI des „Combinaisons du Marabou“ qui sont des Quarterons, Mulâtres, Marabous ou Griffes. D’après cette classification, le Mulâtre „est produit de douze manières“, à savoir du Blanc avec la Négresse, du Quarteronné avec la Sacatra ou la Négresse, du Mamelouc avec la Sacatra ou la Négresse, du Métif avec la Sacatra ou la Négresse, etc.; les Quarterons sont produits de vingt manières, les Marabous et les Griffes de cinq manières, etc. (1797: 75-80). La classe XII résulte des „Combinaisons des Sauvages & Caraïbes de l’Amérique, ou Indiens Occidentaux“, dont „la nuance est celle du Mulâtre“, et la classe XIII des „Combinaisons des Indiens Orientaux“, qui ressemblent aux Griffes et dont les descendants se confondent avec les Sacatras. Moreau de Saint-Méry comble sa description par le calcul des „parties“ du Blanc et du Noir qui se manifestent dans les différentes catégories de métis: „Pour me rendre plus intelligible, je suppose que le Blanc & le Nègre forment chacun un tout composé de 128 parties qui sont blanches dans l’un & noires dans l’autre“ (1797: 82). Les plus proches du Nègre sont le Sacatra avec 8 à 23 et le Griffe avec 24 à 39 parties blanches, les plus proches du Blanc le Quarteronné avec 121 à 124 et le Sang-mêlé avec 125 à 126 parties blanches (1797: 86). Cette systématisation d’un auteur qui ne pouvait pas connaître les lois d’hybridation découvertes par Mendel au milieu du 19 e siècle, nous paraît aujourd’hui „fantaisiste“ (Labelle 1978: 49), mais il faut reconnaître que Moreau de Saint-Méry était lui-même conscient du fait que „l’arbitraire agit sur toute la classification, & que l’on ne peut offrir que les approximations que j’ai établies“ (1797: 88). L’importance attribuée à la couleur de la peau ainsi qu’aux autres traits raciaux ne semble pas avoir diminué depuis le 18 e siècle, même si de nos jours les incidences socio-politiques des différences phénotypiques sont moins considérables qu’à l’époque des esclaves noirs, des maîtres blancs et des affranchis d’origine mixte. En Haïti, où la relation entre race et classe a joué un rôle décisif pendant toute l’histoire depuis la Révolution haïtienne et l’Indépendence, deux mulâtres de même couleur et de traits similaires peuvent être classés différemment selon leur statut social, comme l’illustre le proverbe haïtien Milat pòv se nèg, nèg rich se milat. ‚Le mulâtre pauvre est un nègre, le nègre riche est un mulâtre‘. L’importance des catégories raciales se reflète dans une prolifération étonnante du lexique racial, tel qu’il a été étudié par Micheline Labelle dans son livre Idéologie de couleur et classes sociales en Haïti (1978). Pour que l’on puisse s’en faire un idée, je cite les qualificatifs pour la peau: „noire, noir bleu, noir charbon, noir jais, noir rosé, noir rouge, noir clair ou foncé, sombre, brune, brun foncé ou clair ou franc, brun rougeâtre, acajou, marron (clair ou foncé), bronzée, basanée, caramel, rapadou (sucre brut en pain), mélasse, cannelle, prune, pêche, violette, caïmite, café au lait, chocolat, cuivrée, sirop, sapotille, pistache, bronze, couleur d’huile, jaune, jaunâtre, jaune rosé, banane mûre, jòne tankou bèl mai moulin (jaune comme du beau maïs moulu), rouge brique, rougeâtre, rouge, rosée, kaka Festschrift_V-435_End.indd 328 20.05.11 14: 37 <?page no="355"?> Les couleurs de la peau 329 jouromon (vieille couleur jaune du giraumon), beige, blanche, blanchâtre, rouge sanguin, rouge écrevisse (kribich), jaune abricot…“ (1978: 131; les termes créoles sont écrits en italiques). M. Labelle a fait la cueillette des données au moyen d’une enquête et de tests soumis à deux groupes d’informateurs à Port-au-Prince, des bourgeois „mulâtres“ et des petits-bourgeois „noirs“, ainsi qu’à trois groupes ruraux, en utilisant 27 dessins pour illustrer les différences de nuances de peau, de types de cheveux et de traits faciaux. Les termes recueillis sont soit des „termes primaires“ comme mulâtre, marabout, grimaud, rouquin, soit des „termes dérivés“ tels que noir clair, noir rouge, mauvais mulâtre, mulâtre type indien, etc. Auprès des bourgeois mulâtres, M. Labelle a élicité 93 termes, 22 primaires et 71 dérivés; auprès des petits-bourgeois le test a produit 120 termes, 22 primaires et 98 dérivés. Il est significatif que „le groupe petit-bourgeois utilise une terminologie plus étendue et plus variée que l’autre groupe. […] Les termes élicités hors test, bien qu’en situation semi-dirigée, manifestent la même tendance“ (1978: 120-121). Pour son analyse du vocabulaire racial, rendue malaisée par „le fort degré d’ambiguïté sémantique aussi bien dans l’ordre des définitions abstraites que dans l’ordre référentiel“ (1978: 107), M. Labelle a réduit l’ensemble des termes primaires élicités par les tests à „huit termes principaux d’usage courant dans les deux groupes sociaux, et les plus facilement définis, qui rendent compte de 96% du nombre total de réponses dans chaque groupe social“, à savoir mulâtre, noir, grimaud, marabout, brun, griffe, blanc, quarteron (1978: 125-129). Noir, nègre 1 et blanc apparaissent surtout comme constituants de composés tels que noir fin, noir clair, noir créole, noir bon cheveu; mauvais blanc, bon blanc, blanc manant, blanc raté, blanc à gros nez. Moreau de Saint-Méry et Micheline Labelle ont fourni des descriptions synchroniques des termes raciaux, mais ne se sont pas intéressés à leur étymologie et à leur histoire. Bon nombre de termes ont été étudiés par les lexicographes, mais l’origine d’autres est encore inconnue, incertaine ou mal élucidée. Les mots concernés qui existent également dans les créoles français trouveront leur place dans le Dictionnaire étymologique des créoles français d’Amérique (DECA) en préparation sous la direction d’A. Bollée, D. Fattier et I. Neumann-Holzschuh. 2 Je présenterai par la suite les premiers résultats de nos recherches. 1 Les termes noir et nègre ont été confondus: „À noter que j’ai regroupé dans la catégorie ‚noir‘ les termes ‚nègre‘ et ‚noir‘ en raison du recouvrement de sens qui caractérise le plus souvent ces deux termes; ‚nègre‘ peut désigner l’‚être humain‘ en créole (nèg fin, nèg distingé) mais dans le contexte du test il signifie un type qui aurait en totalité ou en partie des caractéristiques typiques du noir comme dans les élicitations ‚beau nègre‘, ‚nègre pur‘ et même ‚nègre blanc‘ (1978: 121). 2 Tout comme A. Thibault et d’autres chercheurs, nous considérons les français régionaux et les créoles des Antilles comme un continuum, cf. Thibault 2008a, Thibault 2008b et Thibault 2009. Nos recherches font partie du programme décrit par A. Thibault dans l’introduction de son article „Français d’Amérique et créoles/ français des Antilles: nouveaux témoignages“: „Cette contribution s’inscrit dans le prolongement de Thibault 2008a, où nous avons présenté un premier groupe de types lexicaux communs aux français d’Amérique d’une part et à l’ensemble ‚français régionaux/ créoles français‘ des Festschrift_V-435_End.indd 329 20.05.11 14: 37 <?page no="356"?> 330 Annegret Bollée 2 L’origine de la terminologie raciale 2.1 Mots d’origine française Pour désigner les personnes d’origine mixte nées au contact des Européens avec les Amérindiens et plus tard avec les esclaves africains, les Français pouvaient avoir recours à certains termes qui étaient déjà courants dans la langue. C’est le cas de fr. métis (v. ci-dessous) et de sang-mêlé, attesté avec la signification ‚mélange des races‘ depuis 1772 (FEW 11: 175a), que Moreau de Saint-Méry utilise pour désigner le métis qui n’a „qu’un soixante-quatrième du nègre [et] qui se rapproche continuellement du Blanc“ (1797: 79). 3 Les autres termes présentés dans cette section (grimaud, chabin et marabout) ne sont pas attestés en France avec le sens de ‚métis‘, il s’agit de néologismes sémantiques créés dans les colonies. (1) métis/ métisse Créole lou. metis ‚métis, sang-mêlé‘ (DLC); haï. id. ‚s.o. of mixed race‘ (HCED); mart. id. (néol.) ‚rejeton d’un Martiniquais de couleur (noir, mulâtre, chabin, indien, etc.) avec un/ une Français(e) de l’Hexagone‘ (RCo). Les formes françaises issues du bas latin mixt ī cius ‚né d’une race mélangée‘ sont attestées depuis le 13 e siècle: afrpr. mestiz adj. ‚de basse extraction‘ (1288); mfr. mestiz ‚engendré de 2 espèces (en parlant d’un animal)‘ (1388), nfr. id. (1754); mfr. nfr. mestif ‚dont la mère est d’un autre peuple que le père (chez les Grecs)‘; nfr. métice (cité comme mot indigène) ‚personne née d’un homme blanc avec une Indienne, ou inversement‘ (1615) (FEW 6/ 2: 194b-195a; Arveiller 1963: 340-342; TLF métis, -isse). Moreau de Saint-Méry connaît la forme métis, mais précise qu’à Saint-Domingue on l’appelle métif/ métive (1797: 77): cette variante, qui s’explique par substitution de suffixe, était en usage du 16 e au 18 e siècle (TLF). Arveiller remarque que la prononciation du [s] final du français métis est „due à l’influence de la forme éphémère métice (mestice), courante pendant le siècle où s’est créé l’essentiel du vocabulaire colonial français, le XVII e “ (1963: 342). Étant donné que cette forme apparaît dans des textes où elle désigne les enfants nés de père portugais et mère indienne, il nous semble probable que le choix de ce terme pour les enfants de Blancs qui ont „une peau fort blanche & des cheveux longs“ (Moreau de Saint-Méry 1797: 77) n’est pas fortuit. (2) grimaud/ grimelle Créole haï. grimo/ grimèl ‚black man/ woman with light complexion, light-skinned man/ woman with curly hair‘ (HCED; ALH 1176). Le mot semble être inconnu des autres créoles français. Il n’est pas attesté chez Moreau de Saint-Méry. Antilles d’autre part, dans le but de contribuer à la reconstruction du français populaire véhiculaire de l’époque coloniale (17 e -18 e s.)“ (2009: 77). - Cf. aussi Jansen 2009: 151: „[…] die Wortschatzbestände des Französischen und des Kreolischen lassen sich nicht definitiv gegeneinander abgrenzen“. 3 Le terme n’est pas attesté dans les parlers créoles. Festschrift_V-435_End.indd 330 20.05.11 14: 37 <?page no="357"?> Les couleurs de la peau 331 D’après Labelle, les traits distinctifs du grimaud sont la peau jaune, cheveux plus ou moins crépus et clairs, traits du noir le plus souvent, le prototype étant „une catégorie qui a tous les caractères du noir sauf la couleur. C’est un nègre blanc, un noir en blanc“ (1978: 133). Sans-doute s’agit-il d’un néologisme de sens créé à partir du fr. grimaud, v. FEW 16: 64a: Nfr. grimauld ‚homme renfrogné, déplaisant à voir‘ (Cotgr 1611; Oud 1656), grimaud adj. ‚maussade, renfrogné‘ (Besch 1845 - Lar 1930; ‚hors d’usage‘ Land 1851). La forme féminine est une innovation d’après le modèle des mots en -eau/ -elle. Le lien sémantique doit être le fait que les traits faciaux du Noir ressemblent au visage renfrogné, et nous pensons que la connotation ‚déplaisant à voir‘ notée par Cotgrave peut avoir joué un rôle dans la création de cette désignation peu flatteuse. (3) chabin/ chabine Créole haï. chaben/ chabin ‚very light skinned mulatto man/ woman [often with freckles and kinky reddish hair]‘ (HCED); gua. id. ‚nègre/ négresse à la peau claire et aux cheveux crépus blonds‘ (LMPT); mart. id. ‚métis/ métisse de Noir et de Blanc à la peau, aux yeux et aux cheveux généralement clairs, ces derniers étant frisés ou crépus‘ (RCo). Le terme n’apparaît pas chez Moreau de Saint-Méry et très rarement dans les tests effectués par Labelle. Il nous semble possible qu’il s’agisse d’un terme d’origine antillaise introduit en Haïti au début du 20 e siècle quand il y a eu une forte émigration antillaise au Cap-Haïtien. Le mot est issu de l’adjectif capr ī nus ‚relatif à la chèvre‘, v. FEW 2: 309b: centr. laine chabin ‚laine longue et grossière‘, chabin ‚id.; esp. de fourrure; sobriquet d’une personne aux cheveux frisés‘. C’est sans doute cette dernière acception qui a été transmise aux colonies pour désigner les personnes au sang mêlé à la peau claire, mais aux cheveux crépus. (4) marabou(t) Créole haï. marabou ‚dark-skinned Haitian woman with straight silky hair‘ (HCED). Le terme semble inconnu ailleurs. Moreau de Saint-Méry décrit le Marabou comme „assez semblable au Griffe“ dont il se distingue en général d’une „teinte plus olivâtre“; les cheveux ne sont pas mentionnés, mais doivent être „frisés“ comme ceux du Griffe (1797: 80). La description de Labelle est différente: „Le marabout: peau fine et foncée (du brun foncé au noir), cheveux droits et noirs, traits fins“ (1978: 132). Le mot a fait en Haïti une carrière remarquable. Il est issu de l’arabe mur ā bit ‚frommer krieger in einer garnison; heiliger‘ (FEW 19: 131a), attesté en français avec plusieurs significations: ‚musulman consacré à la pratique et à l’enseignement de la religion‘; ‚petite mosquée à laquelle le marabout est attaché‘; ‚cafetière à large ventre‘, etc. Le point de départ de l’extension sémantique dans le contexte colonial est sans doute: „nfr. ‚personne laide, malpropre, et qu’on méprise‘ (seit Trév 1740, populär), Paris ‚nom injurieux qu’on donne à un homme laid, renfro- Festschrift_V-435_End.indd 331 20.05.11 14: 37 <?page no="358"?> 332 Annegret Bollée gné et fort petit‘ (seit BL 1808)“ (FEW 19: 131a-b). Or, le terme haïtien marabout n’est plus „injurieux“, bien au contraire: fréquemment employé par les informateurs de Labelle, il est considéré comme positif, sert souvent à désigner une belle femme et a été rendu célèbre par le poème Choucoune d’Oswald Durand (1884): Choucoun’ cé gnou marabout: Z’yeux li clairé com chandelle. Li gangnin tété doubout… - Ah! si Choucoun’ té fidèle! - Nous rété causer longtemps, Jusqu’ z’oézeaux lan bois té paraitre contents! … 4 2.2 Emprunts Dans le cadre de l’expansion européenne vers l’Afrique, l’Asie et le Nouveau Monde, les Français ont été devancés par les Portugais et les Espagnols. Il n’est donc pas surprenant que la terminologie relative à la colonisation et à la vie dans les colonies soit en partie empruntée aux langues des premiers explorateurs et conquérants. Bon nombre de termes empruntés aux langues indigènes sont également parvenus au français colonial par l’intermédiaire du portugais ou de l’espagnol (cf. S. Jansen 2009 et ci-dessous l’exemple 9). (5) mulâtre/ mulâtresse Créole lou. milat, mulat ‚mulâtre‘ (DLC); haï. gua. mart. milat ‚mulâtre‘; milatrès ‚mulâtresse‘ (HCED; LMPT; RCo). Moreau de Saint-Méry place le Mulâtre au milieu de la gamme de couleurs, avec 64 „parties blanches“ et 64 „parties noires“, et ajoute que „les Mulâtres comparés entr’eux, offrent deux nuances très-distinctes qui sont exactement celle du cuivre rouge & celle du cuivre jaune. Ils ont tous les cheveux crépus“ (1797: 75). Selon Labelle, le terme désigne „une catégorie très diversifiée“, les caractéristiques étant „peau jaune ou café au lait, fine, cheveux droits et soyeux, traits fins“ (1978: 133). Les divergences dans les définitions et la fréquence du mot, qui est de loin le plus utilisé par les témoins de Labelle, montrent clairement que mulâtre est devenu le terme générique pour désigner les personnes de couleur. Les lexicologues ne sont pas entièrement d’accord sur l’origine du terme dont l’histoire a été décrite par R. Arveiller (1963: 350-351; cf. Jansen 2009: 155; FEW 6/ 2: 212b-213a et TLF mulâtre, mulâtresse). Il s’agit probablement d’un emprunt au portugais mulato ‚métis‘, avec adaptation de la terminaison d’après les mots suffixés en -âtre, attesté en français dans des récits de voyage depuis 1544, par exemple dans la Description du premier voyage fait aux Indes Orientales de F. Martin (1604): „… il y a [à l’isle Danabon] quelques mulastres 4 C’est la 2 e strophe du poème, citée d’après Prudent, L.F. (coord.) (1984): Anthologie de la nouvelle poésie créole, Editions Caribéennes, 28-29. Traduction d’A. Bollée: Choucoune est une marabout/ Ses yeux brillent comme une chandelle/ Elle a les seins droits…/ Ah, si Choucoune avait été fidèle! / Nous sommes restés à causer long-temps, jusqu’à ce que les oiseaux dans le bois paraissent contents! … Festschrift_V-435_End.indd 332 20.05.11 14: 37 <?page no="359"?> Les couleurs de la peau 333 ou mestis cest adire personnes yssuz d’hommes blancs et de femmes noires“ (cité dans Arveiller 1963: 351). (6) quarteron/ quarteronne; quarteronné(e) Créole lou. kaldron, kaldran, kaltronn ‚quarteron‘ (DLC); le mot n’est pas attesté dans les autres créoles. Moreau de Saint-Méry distingue le Quarteron du Quarteronné: „La quatrième nuance est celle du Quarteron, que ce nom désigne parfaitement, lorsqu’il est le produit d’un Blanc & d’une Mulâtresse, parce qu’il n’a vraiment alors que le quart de sa nuance en commun avec le nègre. Le Quarteron a la peau blanche, mais ternie par une nuance d’un jaune très-affaibli; ses cheveux sont plus longs que ceux du Mulâtre & bouclés. Il les a même assez souvent blonds…“ (1797: 76). „Au septième rang vient le Quarteronné, auquel on ne peut compter par conséquent qu’un trente-deuxième de noir“ (1797: 78). Cette distinction - peutêtre inventée par Moreau de Saint-Méry - n’a pas été retenue par les lexicologues. L’étymon de quarteron est l’espagnol cuarterón ‚enfant né d’un métis et d’une Espagnole ou inversement‘ (depuis 1617, v. TLF s.v.). D’après Wartburg, la forme quarteroné [sic] (Trévoux 1721-1771) serait due à la tentative de ranger le nouveau mot dans une catégorie morphologique française (FEW 2: 1427b). „Il semble qu’aux Iles on ait créé la forme définitive sur l’espagnol cuarterón au début du XVIII e siècle“ (Arveiller 1963: 421, avec une citation de Labat 1722). (7) griffe/ griffonne Créole lou. grif/ grifonn ‚enfant d’un noir et d’une mulâtresse‘ (DLC); haï. id. ‚man/ woman who is half black and half mulatto‘ (HCED); mart. id. ‚teint rougeâtre‘ (RCo). D’après Moreau de Saint-Méry le Griffe est „en général plus basané que le mulâtre, quoique l’on voye des Griffes aussi clairs que le mulâtre foncé“ (1797: 80). Labelle le décrit comme ayant la „peau plus claire que le brun, tirant sur le jaune, mais moins claire que chez le grimaud, cheveux intermédiaires, ‚meilleurs‘ que ceux du grimaud, traits intermédiaires“ (1978: 133). Griffe/ griffonne sont en train de sortir de l’usage actuel: „le terme ‚brun‘ semble actuellement à Port-au- Prince en voie de remplacer le terme ‚griffe‘, lequel fait plus ‚ancien‘“ (1978: 125). En effet, le mot dont la définition leur avait été proposée, n’est jamais cité par les informateurs de l’atlas linguistique (ALH 1177 et II: 523). Le terme vient de l’adjectif espagnol grifo ‚de cabellos enmarañados‘; „en América se aplicó à una especie de mulatos y con este sentido pasó el vocablo al francés (Trévoux) y al inglés“ (Corominas & Pascual [1980-1991], Diccionario crítico etimológico castellano e hispánico, s.v. grifo); il est attesté en français depuis 1724 (TLF griffe 2 ; Jansen 2009: 153). Le féminin griffonne a probablement été créé à Saint-Domingue, peut-être pour éviter l’homonymie avec la griffe ‚ongle pointu de certains animaux‘. Festschrift_V-435_End.indd 333 20.05.11 14: 37 <?page no="360"?> 334 Annegret Bollée (8) sacatra(s) Créole haï. sacatras ‚mot d’origine africaine qui, du temps de la ‚Colonie‘, désignait un des multiples degrés de métissage entre blancs et noirs; de nos jours, le terme n’est plus guère connu en Haïti‘ (Faine 1937: 320). En effet, il n’apparaît chez Labelle que parmi les „termes complémentaires élicités hors test par les petits-bourgeois de Port-au-Prince“ et ne figure pas dans le tableau des désignations les plus fréquentes (1978: 124 et 122-123). Dans la classification de Moreau de Saint-Méry, le Sacatra, „neuvième dans l’ordre général“, est décrit comme „un être moins noir que le nègre, & d’une teinte plus foncée que celle du griffe. Il est des Africains, qui leur ressemblent à cet égard: tels sont certains nègres de la côte d’Or“ (1797: 79). C’est peut-être cette dernière remarque qui a suggéré à J. Faine de supposer une origine africaine du mot. Or, le terme est sans aucun doute d’origine espagnole, il vient de saltatrás (< salta atrás ‚saute en arrière (par rapport au blanc)‘, terme répandu en Amérique latine, attesté en République Dominicaine depuis 1762 avec la signification ‚offspring of a black and a grifo‘ (Stephens 1990: 224-225). 5 Le mot est absent du FEW et des dictionnaires français. (9) mamelouc/ mamelouque Le terme n’est pas attesté en créole et semble être tombé en désuétude dans le français régional haïtien. Il est introuvable dans les dictionnaires français. Chez Moreau de Saint-Méry il désigne un métis proche du Blanc, mais „qui ne peut pas être confondu avec le Blanc, précisément parce qu’il a une blancheur matte, décolorée, & où l’on démêle quelque chose d’une teinte jaunâtre“ (1797: 78). Le mot est d’origine tupi, attesté au Brésil sous la forme mamaluco: „Mamalucos, cham-o no Brazil aos filhos de Branco com India, ou de Indio com Branca“ (Gaspar da Madre de Deos 1797, cité dans Friederici 1960: 374). Friederici explique: Man hat bis in jüngste Zeit hinein gemeint, daß das zuerst in Brasilien unter Eingeborenen und frühen Kolonisten aufgekommene Wort Mamaluco dasselbe sei, wie das aus dem Osten überlieferte arabische Wort Mamlûk, das den Zeitgenossen der Türkenkriege in der Bedeutung ‚Apostat‘, ‚Defector‘ geläufig war. Erst in neuerer Zeit hat Theodoro Sampaio den Nachweis geliefert, daß das brasilianische mamaluco eine verderbte Form von Tupí mamaruca, also ein alteinheimisches amerikanisches Wort sei (ibid.; cf. aussi Stephens 1990: 311-313). La transmission de ce terme du portugais brésilien au français colonial reste à élucider. 5 Je remercie vivement Silke Jansen de m’avoir proposé cette étymologie. Festschrift_V-435_End.indd 334 20.05.11 14: 37 <?page no="361"?> Les couleurs de la peau 335 3 Conclusion Cette contribution dédiée à Peter Koch, qui est, comme on sait, sensible à la fascination de l’étymologie, avait pour but de montrer que le champ lexical des couleurs de la peau n’a pas encore reçu toute l’attention qu’il mérite. Beaucoup de recherches restent à faire, surtout pour ce qui est de l’histoire des mots. Le linguistique qui s’y engage peut s’attendre à des surprises amusantes. Pour revenir au terme marabout: le TLF cite une phrase du roman Bug-Jargal de Victor Hugo (1826): Cette étrange procession [des révoltés de Saint-Domingue] était de temps à autre coupée par des détachements hétérogènes (…) de marabouts. Ne sachant comment rattacher ce terme au ‚moine-soldat musulman servant dans un couvent fortifié de l’ancien empire arabe‘ ou au ‚pieux musulman vénéré comme un saint‘, le rédacteur lui prête la signification ‚sorcier, prêtre d’une religion fétichiste‘. J’ai vérifié la citation chez Victor Hugo, en voici la suite: … des détachements hétérogènes de griffes, de marabouts, de sacatras, de mamelouks, de quarterons, de sang-mêlés libres… Il s’agit en effet de „détachements hétérogènes“ d’affranchis qui coupent la procession „homogène“ des esclaves noirs révoltés, et l’énumération donne l’impression que Victor Hugo pourrait avoir lu Moreau de Saint-Méry pour s’informer des réalités de Saint-Domingue. L’auteur nous fournit lui-même la preuve: à la première mention du terme griffe il ajoute une note „nécessaire à l’intelligence de ce mot“, 6 dans laquelle il résume le système de Moreau de Saint-Méry „qui a classé dans des espèces génériques les différentes teintes que présentent les mélanges de la population de couleur.“ 4 Abréviations et références gua. = guadeloupéen; haï. = haïtien; lou. = louisianais; mart. = martiniquais. ALH = Fattier, D. (1998): Contribution à l’ étude de la genèse d’un créole: l’Atlas linguistique d’Haïti, cartes et commentaires, 6 vol., Villeneuve d’Ascq, Septentrion. DLC = Valdman, A., et al. (1998): Dictionary of Louisiana Creole, Bloomington & Indianapolis, Indiana University Press. FEW = Wartburg, W. von (1922-): Französisches Etymologisches Wörterbuch, Bonn/ Basel, Zbinden. HCED = Valdman, A. (dir.) (2007): Haitian Creole-English Bilingual Dictionary, Bloomington, Indiana University Press. LMPT = Ludwig, R., Montbrand, D., Poullet, H., Telchid, S. (1990): Dictionnaire créole - français (Guadeloupe), Paris, Servedit/ Édition Jasor. RCo = Confiant, R. (2007): Dictionnaire créole martiniquais - français, Matoury, Guyane, Ibis Rouge. TLF = Trésor de la langue française. Dictionnaire de la langue du XIX e et du XX e siècle, 16 vol., Paris, Éditions du C.N.R.S., 1971-1994. Arveiller, R. (1963): Contribution à l’ étude des termes de voyage en français (1505-1722), Paris, Ed. D’Artrey. 6 La citation se trouve dans le TLF sous griffe 2 ; n’ayant pas accès à l’édition de 1826, j’ai utilisé celle de 1857 (Frankfurt, H. Bechthold) où la note figure en bas des pages 19 et 20. Pour la citation avec les termes marabouts, sacatras, mamelouks, etc. v. la page 137 de cette édition. Festschrift_V-435_End.indd 335 20.05.11 14: 37 <?page no="362"?> 336 Annegret Bollée Faine, J. (1937): Philologie créole. Etudes historiques et étymologiques sur la langue d’Haïti, deuxième édition, Port-au-Prince, Imprimerie de l’Etat. Friederici, G. (1960): Amerikanistisches Wörterbuch und Hilfswörterbuch für den Amerikanisten, 2. Aufl., Hamburg, Cram, de Gruyter & Co. Jansen, S. (2009): „1492 im Spiegel der karibischen Sprachlandschaft - das Beispiel Hispaniola“, in Becker, L. (éd.), Aktualität des Mittelalters und der Renaissance in der Romanistik, München, Martin Meidenbauer, 135-161. Labelle, M. (1978): Idéologie de couleur et classes sociales en Haïti, Montréal, Presses de l’Université de Montréal. Moreau de Saint-Méry, M.L.E. (1797-1798): Description topographique, physique, civile, politique et historique de la partie française de l’ isle Saint-Domingue, A Philadelphie, chez l’auteur. Stephens, T.M. (1990): Dictionary of Latin American racial and ethnic terminology, Gainesville, University of Florida Press. Thibault, A. (2008a): „Français des Antilles et français d’Amérique: les diatopismes de Joseph Zobel, auteur martiniquais“, in RLiR 72, 115-156. Thibault, A. (2008b): „Les régionalismes dans La Rue Cases-Nègres (1950) de Joseph Zobel“, in Thibault, A. (éd.), Richesses du français et géographie linguistique vol. 2, Bruxelles, De Boek/ Duculot, 227-314. Thibault, A. (2009): „Français d’Amérique et créoles/ français des Antilles: nouveaux témoignages“, in RLiR 73, 77-137. Festschrift_V-435_End.indd 336 20.05.11 14: 37 <?page no="363"?> J ÜRGEN L ANG Le créole santiagais du Cap Vert, membre de ‚Sprachbünde‘ ouest-africains? * 0 Introduction D’après ce que nous apprennent l’histoire et la linguistique, peu de doutes subsistent quant au fait que, lors de la créolisation du portugais à l’ île de Santiago au Cap Vert dès la découverte de l’archipel 1 vers 1460, un ancêtre du wolof actuel a joué un rôle prépondérant parmi les langues ancestrales des créolisateurs (cf. surtout Lang 2009). Toutefois: „Lorsque d’autres auront dressé la liste des affinités du créole santiagais avec d’autres langues africaines impliquées, nous verrons que telle ou telle particularité de ce créole dont nous avons rendu responsables les Wolof, s’explique encore mieux par certaines convergences de plusieurs de ces langues“ (Lang 2009: 244/ 245). Je me propose de faire ici moimême le premier pas dans cette direction en m’appuyant sur le World Atlas of Language Structures. 1 Les langues de l’Ouest africain Les langues de la côte ouest-africaine susceptibles d’avoir joué un rôle lors de la créolisation du portugais à l’ île Santiago du Cap Vert appartiennent aux branches occidentales de deux grandes familles: celle des langues atlantiques et celle des langues mandé. Au nord de la Gambie, comptent parmi les langues atlantiques le wolof (Sénégal, Gambie), le groupe des langues cangins (Sénégal) comme le ndut, le noon, le palor et le safen, et puis le serer (Sénégal, Gambie). En Gambie, les langues ouest-atlantiques sont minoritaires. La langue qui domine est le mandinka, la plus occidentale de toutes les variétés mandé du sousgroupe mandingue. À ce sous-groupe appartiennent encore, plus à l’intérieur, le soninké (Sénégal, Mali, …), le bambara (Mali) et le bozo (Mali). * Version légèrement revue de ma communication à la rencontre annuelle de l’Associaç-o de Crioulos de Base Lexical Portuguesa e Espanhola (ACBLPE) à Cologne (Allemagne), du 11 au 15 août 2009. Je remercie vivement Hélène Boudet de sa révision du texte français et Beate Gresser de son aide dans le traitement des cartes. Le titre prête au terme ‚Sprachbund‘ un sens qui diffère légèrement de ceux qu’il a revêtus jusqu’à présent chez différents auteurs (voir la bibliographie). Je l’emploie ici lorsque la présence de certains traits structuraux dans plusieurs langues voisines appartenant à différentes familles exige une explication historique, que celleci invoque un substrat commun, des processus d’emprunt ou autre chose. 1 L’archipel, qui se trouve à quelque cinq cents kilomètres à l’ouest de Dakar, est visible sur les cartes 2 et 3 (voir plus bas). Santiago est l’ île la plus grande du groupe méridional. Festschrift_V-435_End.indd 337 20.05.11 14: 37 <?page no="364"?> 338 Jürgen Lang Carte 1: Aires où prédominent les langues mandé (gris foncé) et ouest-atlantiques (gris foncé hachuré), les dernières à l’exclusion du peul (voir espaces intermédiaires au Sénégal, en Guinée et en Guinée- Bissau). D’après Perrot (éd.) 1981 Au Sud de la Gambie on retrouve, en Casamance et en Guinée-Bissau, à l’intérieur le mandinka et, vers la côte, les langues ouest-atlantiques avec notamment plusieurs variétés de diola-fogny, avec le manjaku, le mankanya, le balanta, le papel et le bijago. Toujours plus au Sud, on rencontre encore d’autres langues atlantiques comme le kissi (Guinée, Sierra Leone, Liberia), le temne (Sierra Leone), le limba (Sierra Leone) et le gola (Sierra Leone, Liberia), ou mandé comme le soso (Guinée, Sierra Leone), le mendé (Sierra Leone), le kpelle (Liberia) et le jeli (dans le nord de la Côte d’Ivoire). Les deux familles et surtout la famille atlantique ne correspondent d’ailleurs nullement à l’idée que se font d’une famille linguistique ceux qui travaillent sur les langues indo-européennes. Ce sont plutôt des traits structuraux qui opposent les langues atlantiques à leurs voisines mandé. La reconstruction d’un fonds lexical commun à toute la famille atlantique qui aurait subi différentes séries de changements phonétiques donnant ainsi naissance à différentes langues membres de la famille, semble se heurter à des difficultés insurmontables. Ce n’est qu’à l’intérieur du groupe atlantique qu’on trouve des sous-groupes comme celui des langues cangins, bak ou mel, qui correspondent un peu mieux à l’image qu’on se fait chez nous d’une famille linguistique (cf. Wilson 2007). Bref, dans l’aire occupée par les langues niger-congo, les langues atlantiques occupent une région marginale où semblent avoir été repoussée une série de langues antérieurement plus étendues et peut-être historiquement relativement indépendantes les unes des autres. En parcourant le questionnaire du WALS et en feuilletant ses cartes à la recherche d’affinités structurales entre certaines de ces langues africaines et le créole santiagais, j’ai fini par retenir deux traits largement répandus en Afrique sub-saharienne, sans savoir qu’ils avaient déjà servi à d’autres pour justifier leur Festschrift_V-435_End.indd 338 20.05.11 14: 37 <?page no="365"?> Le créole santiagais du Cap Vert 339 présence dans d’autres créoles (cf. Koopmann 1986, Lefebvre 1998, Michaelis & Haspelmath 2003, Kriegel & Michaelis 2007 et Lefebvre 2009). Ma contribution n’apportera donc rien de nouveau sur le plan théorique. Elle renforcera pourtant les arguments de ces auteurs en montrant qu’ils s’appliquent encore à d’autres cas (aucun de ces auteurs n’a fait allusion au créole santiagais), et elle poussera la comparaison un peu plus loin pour ce qui est du deuxième trait. 2 Les constructions ditransitives La carte 105 du WALS, intitulée Ditransitive constructions: The verb ‚give‘ , traite des constructions régies par les verbes dits ‚ditransitifs‘. Sont considérés comme constituant des prototypes de cette classe, des verbes comme angl. give, fr. donner etc. Ils requièrent un complément qui désigne ‚la chose donnée‘ (theme) et un autre qui indique ‚le destinataire‘ (recipient). En fonction du marquage morphologique de ces deux compléments, la carte 105 du WALS distingue quatre types de constructions ditransitives, appelées respectivement: indirect-object constructions, double-object constructions, secondary-object constructions et mixed constructions. Dans le cadre de ma recherche, seules les deux premières entrent en ligne de compte. Comme le WALS, je m’en tiendrai aux cas où les deux compléments sont lexicaux. 2 Voici comment le WALS définit ces deux constructions: nous nous trouvons devant une indirect-object construction chaque fois que le complément qui désigne la chose donnée est marqué de la même façon que le complément qui désigne le patient régi par un verbe monotransitif, tandis que le complément qui désigne le destinataire est marqué autrement. D’après cette définition, le portugais comme le français utilisent la indirect-object construction. Dans ces deux langues, ni le complément désignant la chose donnée auprès du verbe ‚donner‘ ni le complément unique d’un verbe monotransitif comme ‚tuer‘ n’ont besoin d’une marque (c’est pour cette raison qu’on parle dans les deux cas de compléments directs). Le complément qui désigne le destinataire du verbe ‚donner‘ est par contre introduit de façon indirecte, par une préposition (d’où les désignations de complément indirect et de indirect-object construction). Dans une double-object construction, les deux compléments du verbe ditransitif sont marqués de la même façon que le complément des verbes monotransitifs. Le créole de Santiago a donc la double-object construction. Dans cette langue, on dit Djon da Maria un livru, littéralement ‚Jean a donné Marie un livre‘, les deux compléments restant sans marque comme le complément un katxor ‚un chien‘ dans Djon máta un katxor ‚Jean a tué un chien‘. 3 2 Quelques informations concernant l’ordre des compléments pronominaux en wolof et en créole santiagais sont données dans Lang 2009: 2.2.4.2. 3 Le créole santiagais fait un emploi maximal de la double-object construction. Lefebvre 2009: 106/ 107 donne une liste des verbes du créole haïtien qui admettent cette construction. En emploi bitransitif, leurs équivalents en cs. exigent tous une double-object construction. Ceci vaut pour cs. da ‚donner‘, mostra ‚montrer‘, nxina ‚enseigner‘, pága ‚payer‘, bende ‚vendre‘, transmiti ‚transmettre‘, fla ‚dire‘, bota ‚jeter‘, nprista ‚prêter‘, ferese ‚offrir‘, sirbi ‚servir‘, purgunta ‚demander‘, skrebe ‚écrire‘, mánda ‚envoyer‘ etc. Festschrift_V-435_End.indd 339 20.05.11 14: 37 <?page no="366"?> 340 Jürgen Lang Dans les langues à double-object construction, c’est généralement l’ordre de succession des compléments qui précise leur fonction respective. Mais étant donné que l’ordre n’est pas une marque morphologique, il n’est pas pris en compte dans la typologie des constructions bitransitives du WALS. En créole santiagais, le destinataire est invariablement mentionné derrière le verbe et avant la chose donnée. Cet ordre semble d’ailleurs constituer la règle dans les langues qui utilisent cette construction. Le portugais a donc la indirect-object construction, le créole santiagais la double-object construction. Voyons maintenant comment se comportent les langues africaines de la côte. Carte 2: Extrait de la carte 105 du WALS, Ditransitive constructions La carte 105 du WALS - nous ne reproduisons que des extraits de cartes transposés en noir et blanc - fait immédiatement comprendre qu’il n’y a pas homogénéité. Les deux langues ouest-atlantiques prises en compte, le wolof au nord et le kissi au sud (carrés blancs), utilisent toutes les deux une double-object construction comme le créole de Santiago. 4 Par contre, les langues mandé utilisent soit la indirect-object construction (c’est le cas du bozo et du jeli, cercles noirs), soit les deux constructions (ainsi le mendé, cercle blanc). Le mandinka, la plus occidentale de toutes les langues mandé, parlée en Gambie, mais qui n’a pas été prise en compte pour le WALS, a aussi la indirect-object construction. Le complément qui désigne le destinataire s’y fait accompagner des postpositions la/ na/ ma ou ye (cf. Rowlands 1969: 112/ 113, exemples chez Creissels 1983: 125). 5 Sur ce point, le créole santiagais s’éloigne donc non seulement du portugais, mais encore des langues mandé. Il se range du côté des langues ouest-atlantiques. 4 Et il semble qu’elles en fassent un emploi aussi extensif que le créole santiagais, bien que nous n’ayons pas toujours pu le vérifier sur des exemples où le destinataire est désigné par un syntagme nominal. En wolof, les deux compléments des verbes suivants restent sans marque: jox ‚donner‘, won ‚montrer‘, jàngal ‚enseigner‘, fey ‚payer‘, jaay ‚sell‘, jottali ‚transmettre‘, wax ‚dire‘, sànni ‚jeter‘, abal ‚prêter, dello ‚rendre‘, may ‚offrir‘, laaj ‚demander‘, bind ‚écrire‘, yonné ‚envoyer‘ etc. 5 Les autres langues qui figurent sur notre extrait ne sont ni atlantiques, ni mandé: Le Grebo, par exemple, est une langue Kru, le Supyre une langue Gur. Festschrift_V-435_End.indd 340 20.05.11 14: 37 <?page no="367"?> Le créole santiagais du Cap Vert 341 Ceci non seulement pour avoir comme elles une double-object construction, mais encore par le fait que le destinataire est systématiquement mentionné avant la chose donnée, comme le montre le parallélisme entre les deux phrases suivantes, la première wolof, la deuxième créole: (1) w. Maa ngiy jox fas wi ngooñ mi. cs. N sa ta da kabálu pádja. ‚Je suis en train de donner le foin au cheval‘ (cf. Diouf/ Yaguello 1991: 61 pour l’exemple wolof) Le fulbé (f.), langue atlantique des Peuls, suit le même modèle: (2) f. G ɔ rk ɔ hokki debb d’awo s ū du Hammadi. homme donner femme un bracelet casa Hammadi ‚Un homme a donné un bracelet à une femme, dans la maison de Hammadi.‘ (Labouret 1952: 97) Dans leur contribution de 2003, Susanne Michaelis et Martin Haspelmath ont avancé, en s’appuyant sur les matériaux du WALS, que la présence de la doubleobject construction dans les créoles de l’Atlantique et de l’Océan Indien s’expliquait mieux à partir des langues ancestrales de ceux qui les ont faits qu’en supposant qu’il s’agisse de la construction non marquée dans un bioprogramme linguistique. Le cas du créole santiagais, ailleurs comme ici plus imprégné de wolof que de dialectes mandé, ne les contredit pas. Si d’autres coïncidences venaient se joindre à celle-ci, on pourrait parler d’un ‚Sprachbund‘ qui réunirait le créole santiagais, le wolof, le fulbé, le kissi et très probablement encore bien d’autres langues ouest-atlantiques. 3 La jonction La carte 63 du WALS s’intitule Noun Phrase Conjunction. Elle range les 234 langues qui y figurent en deux classes: d’un côté celles qui utilisent différents éléments de relation pour l’introduction d’un syntagme nominal coordonné et d’un syntagme nominal dit ‚comitatif‘ et celles qui utilisent le même élément pour les deux fonctions. Le portugais appartient au premier groupe. Il utilise la conjonction e ‚et‘ pour la coordination: (3) pg. O Jo-o e a Maria foram ao cinema. ‚Jean et Marie sont allés au cinéma.‘ et il emploie la préposition com ‚avec‘ pour introduire un syntagme comitatif: (4) pg. O Jo-o foi ao cinema com a Maria. ‚Jean est allé au cinéma avec Marie.‘ Dans 131 des 234 langues examinées par les auteurs du WALS, on fait comme en portugais: on y utilise différents éléments, généralement une conjonction du type ‚et‘ et une préposition du type ‚avec‘. Dans les 103 langues restantes on uti- Festschrift_V-435_End.indd 341 20.05.11 14: 37 <?page no="368"?> 342 Jürgen Lang lise le même élément pour les deux fonctions, à savoir une préposition du type ‚avec‘. Leon Stassen, le responsable de cette carte, appelle les langues du premier type and-languages et celle du deuxième type with-languages. Carte 3: Extrait de la carte 63 du WALS, Noun Phrase Conjunction La distribution géographique de ces deux types de langues est très claire, dans la partie du monde qui nous intéresse: en Europe, il n’y a que des cercles noirs, dans l’Ouest de l’Afrique, à une exception près, que des carrés blancs. Les langues d’Europe retenues sont donc toutes des and-languages, celles de la côte africaine en face de l’archipel capverdien sont majoritairement des with-languages. Le WALS nous apprend que tel est le cas du wolof, du palor et du temne, parmi les langues ouest-atlantiques, et du kpelle, parmi les langues mandé. Mais c’est aussi le cas du balanta, par exemple, une langue atlantique de la Guinée- Bissau qui ne figure pas sur la carte 63 et où la préposition en question est gi, ki (cf. Intumbo 2008: 112). Voici un exemple wolof: à une phrase du type Jean et Pierre avaient le même père et la même mère correspond, en wolof, une phrase du type Mamadu ak Omar ñoo bokk ndey ak baay. Littéralement: ‚Mamadu avec Omar, ils partageaient mère avec père‘: (5) u. Mamadu ak Omar ñoo bokk ndey ak baay. cs. Mamadu ku Omar es tenba omésmu mai ku pai. Mamadu avec Omar ils partager mère avec père ‚Mamadou et Omar avaient le même père et la même mère‘ (cf. Kesteloot/ Dieng 1989: 118 pour l’exemple wolof). À l’intérieur de l’Afrique occidentale, seul le bambara, la langue mandé comptant le plus grand nombre de locuteurs, figure sur la carte 63 en tant que andlanguage. Eh bien, le créole santiagais appartient, lui aussi, aux with-languages comme il ressort déjà de l’emploi de la préposition ku ‚avec‘ (< pg. com) dans notre traduction de l’exemple précédent en créole santiagais. Dans ce créole, on y dit, par exemple: Festschrift_V-435_End.indd 342 20.05.11 14: 37 <?page no="369"?> Le créole santiagais du Cap Vert 343 (6) cs. Mai ku pai spánta. ‚La mère et le père s’effrayèrent.‘ (7) cs. E reza dos Pai Nos ku tres Ave Maria. ‚Il récita deux Notre Père et trois Ave Maria.‘ (8) cs. Es ánu tevi abundánsa di midju ku fixon. ‚Cette année, il y a eu du maïs et des haricots en abondance.‘ Tout cela comme en wolof. D’ailleurs, en parlant du père et de la mère, on commence généralement par la mère, de nouveau comme en wolof. Pour ce qui est de la coordination de syntagmes nominaux, le créole santiagais se comporte donc comme la plupart ou même toutes les langues ouest-atlantiques et au moins quelques langues mandé. La carte du WALS qui suit immédiatement celle que nous venons d’étudier procède à une comparaison de la coordination nominale avec la coordination verbale: Carte 4: Extrait de la carte 64 du WALS, Nominal and verbal conjunction Elle nous apprend que la plupart des langues qui utilisent le même élément pour l’introduction de syntagmes nominaux coordonnés et comitatifs, en utilise cependant un autre pour la coordination de syntagmes verbaux. Il s’agit généralement, comme dans les langues européennes, d’une conjonction de coordination du type ‚et‘. Tel est le rôle de te ‚et, puis‘, en wolof, et de y ‚et‘, en créole santiagais, à cette différence près que l’emploi de cette conjonction est presque toujours obligatoire, dans la coordination de syntagmes verbaux, dans les langues européennes, tandis qu’il est généralement facultatif dans les langues de l’Ouest africain et en créole santiagais. En résumé: (9) coord. verbale coord. nominale synt. ‚comitatif‘ w. etc. (te) ak cs. (y) ku pg. e com Le créole de Santiago a donc la solution ‚africaine‘. C’est d’ailleurs à quelques détails près la solution que documentent Sibylle Kriegel et Susanne Michaelis Festschrift_V-435_End.indd 343 20.05.11 14: 37 <?page no="370"?> 344 Jürgen Lang pour les créoles de l’ île Maurice et des Seychelles à travers les siècles, dans leur contribution de 2007, et qu’elles expliquent par l’impact des langues bantu orientales sur ce créole. Le WALS ne rentre pas dans les détails de la coordination. Il ne nous permet pas de voir qu’il y a au moins deux autres aspects, dans ce domaine, où le créole santiagais siège avec les langues africaines et s’oppose aux langues européennes. 1. Dans une énumération de plus de deux éléments, les langues européennes y compris le portugais utilisent leur conjonction de coordination pour introduire le dernier élément. En portugais, on dit généralement: Veio, sentou-se e comeu ‚Il est venu, s’est assis et a mangé‘ e non *Veio, sentou-se, comeu. Par contre, en créole santiagais basilectal, on dit normalement E ben, e xinta, e bebe, sans conjonction devant le dernier élément, et non *E ben, e xinta y e bebe. En wolof, et très probablement dans nombre d’autres langues de l’Ouest africain, on fait comme en créole santiagais. 2. Lorsqu’il s’agit d’aligner des impératifs, ou, dans la terminologie de la théorie des actes de langage, d’exécuter plusieurs actes directifs de suite, contrairement à ce qui se passe en portugais, espagnol, français, italien, allemand, anglais etc., le pronom sujet de la deuxième personne réapparaît dès le deuxième verbe: (10) cs. Bá, bu volta! ‚Va et reviens! ‘ (littéralement: ‚Va, tu reviens! ‘) Et c’est ainsi qu’on s’exprime en wolof et en je ne sais combien d’autres langes africaines. Au cs. Bá, bu volta! correspond le (11) w. Demal, nga ñów! 6 En résumé: (12) w. Ñówal, nga toog, nga naan! cs. Bem, bu xinta, bu bebe! pg. Vem, senta-te e beve! C’est donc par rapport à toute une série de choix concernant la coordination et l’énumération que le créole santiagais offre une solution très répandue en Afrique de l’Ouest et absente du portugais. 4 Conclusions Nous venons de voir une série de cas où les créateurs du créole santiagais n’ont pas inventé des solutions complètement inédites, ni adopté des solutions portugaises. Ils ont adopté des solutions qui ont cours dans les langues sur la côte africaine d’en face. Quelquefois, ces solutions ne se trouvent que dans certaines, probablement dans beaucoup de langues ouest-atlantiques, à l’exclusion des langues mandé. 6 Cf. aussi noon Aas-at, α ú yu δ ! ‚Entrez et asseyez-vous! ‘ (cf. Soukka 2000: 271; δ = d glottalisé). Festschrift_V-435_End.indd 344 20.05.11 14: 37 <?page no="371"?> Le créole santiagais du Cap Vert 345 C’est ce que nous avons constaté au sujet de l’ordre et du marquage des compléments régis par les verbes ditransitifs. Dans d’autres cas, la solution santiagaise réapparaît dans certaines, probablement dans beaucoup de langues ouest-atlantiques et mandé. Ainsi, toutes les langues des branches occidentales des familles atlantique et mandé retenues sur les cartes 63 et 64 du WALS utilisent le même élément pour l’introduction de syntagmes nominaux coordonnés et comitatifs et un autre pour la coordination de syntagmes verbaux. S’il s’avérait que les cas observés sont représentatifs, nous pourrions conclure que le créole de l’île Santiago du Cap Vert forme avec certaines langues de l’Ouest africain des ‚Sprachbünde‘ d’extension variable avec, au centre, toujours quelques langues ouest-atlantiques, dont le wolof. La question de savoir si ces coïncidences doivent être interprétées comme le reflet de relations historiques ou non, ne se pose pas. Le créole santiagais une fois formé, certains de ses locuteurs ont certainement entretenu des contacts avec des locuteurs de ces langues africaines. Mais il est difficile d’imaginer que ces contacts aient pu laisser des traces si profondes dans ce créole. Il faut au contraire se souvenir du fait que ce créole a été fait par des locuteurs de ces langues, à partir de matériaux portugais. La grande diffusion de ces traits sur la côte africaine confirme d’ailleurs l’hypothèse selon laquelle des traits communs à plusieurs ou même toutes les langues ancestrales des créolisateurs ont de bonnes chances de passer dans un créole en formation. Il me reste à attirer l’attention sur une particularité de ces traits ‚africains‘ que nous avons retrouvés en créole santiagais. Il s’agit de traits dont le maintien ne devait guère entraver la communication avec les colons portugais. Cela paraît évident pour ce qui concerne l’absence d’une conjonction devant le dernier élément d’une énumération, mais je crois que cela vaut aussi pour la double-object construction. Étant donné que le destinataire est d’habitude un animé et le donné ou le transmis un inanimé, on arrivera normalement à analyser correctement une double-object construction, même si l’on s’attendait à trouver une préposition devant le complément qui désigne le destinataire. Si les créolisateurs sont donc restés fidèles aux traits largement répandus parmi leurs langues ancestrales dans ces conditions favorables, on est en droit de penser qu’ils ne les auront abandonnés qu’à regret là où ils ne pouvaient pas faire autrement. 5 Bibliographie Aymeric Linares, M. (2001): „Origen y naturaleza de una singlosia: ¿Existe una singlosia románico-germánica? “, in Philologia Hispalensis 15, 7-21. Comrie, B. (2008): „Arealtypologie von Sprachen anhand des Weltatlas linguistischer Strukturen“, in Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse, vol. 140, 3 (25 p.). Creissels, D. (avec la collaboration de S. Jatta et K. Jobarteh) (1983): Éléments de grammaire de la langue Mandinka, Grenoble, Université des Langues et Lettres de Grenoble. Diouf, J.-L./ Yaguello, M. (1991): J’apprends le wolof, Paris, Karthala. Festschrift_V-435_End.indd 345 20.05.11 14: 37 <?page no="372"?> 346 Jürgen Lang Dryer, M. (1988): „Object-verb order and adjective-noun order: dispelling a myth“, in Lingua 74, 77-109. Dryer, M. (1988): „Large linguistic areas and language sampling“, in Studies in language 13, 257-292. Greenberg, J.H. (1966): „Some universals of grammar with particular reference to the order of meaningful elements“, in Greenberg, J.H. (éd.), Universals of language, 2 e éd., Cambridge MA, MIT Press, 73-113. Haarmann, H. (1976): Aspekte der Arealtypologie - Die Problematik der europäischen Sprachbünde, Tübingen, Narr. Intumbo, I. (2008): Estudo comparativo da morfo-sintaxe do crioulo guineense, do balanta e do portugês, München, Lincom. Kastenholz, R. (1996): Sprachgeschichte im West-Mande, Köln, Köppe. Kesteloot, L./ Dieng, B. (1989): Du Tieddo au Talibé, contes et mythes wolof II, Paris, Présence Africaine. König, E./ Haspelmath, M. (1999): „Der europäische Sprachbund“, in Reiter, N. (éd.), Eurolinguistik. Ein Schritt in die Zukunft, Wiesbaden, Harrassowitz, 112-127. Koopmann, H. (1986): „The genesis of Haitian“, in Muysken, P./ Smith, N. (éds.), Substrata versus universals in creole genesis, Amsterdam, Benjamins, 231-258. Kriegel, S./ Michaelis, S. (2007): „Conjunction and ditransitives: Some functional domains covered by avec, et, and ensemble“, in Baker, P./ Fon Sing, G. (éds.), The making of Mauritian Creole. Analyses diachroniques à partir des textes anciens, United Kingdom and Sri Lanka, Battlebridge, 113-132. Labouret, H. (1952): La langue des peuls ou foulbé, Dakar, IFAN. Lang, J. (2009): Les langues des autres dans la créolisation. Théorie et exemplification par le créole d’empreinte wolof à l’ île Santiago du Cap Vert, Tübingen, Narr. Lefebvre, C. (1998): Creole genesis and the acquisition of grammar. The case of Haitian creole, Cambridge, Cambridge University Press. Lefebvre, C. (2009): „A note on the process of lexical diffusion in the development of creoles. The case of double-object verbs“, in Selbach, R./ Cardoso, H.C./ Berg, M. van den (éds.), Gradual creolization. Studies celebrating Jacques Arends, Amsterdam/ Philadelphia, Benjamins, 101-112. Michaelis, S./ Haspelmath, M. (2003): „Ditransitive constructions: Creole languages in a crosslinguistic perspective“, in Creolica. Revue du Groupe Européen de Recherches en Langues Créoles, http: / / www.creolica.net/ . Perrot, J. (éd.) (1981): Les langues dans le monde ancien et moderne. Cartes, Paris, CNRS. Pottelberge, J. Van (2001): „Sprachbünde: Beschreiben sie Sprachen oder Linguisten“, in Linguistik online 8, 1/ 01. Rowlands, E.C. (1969): A grammar of Gambian Mandinka, University of London, School of Oriental and African studies. Soukka, M. (2000): A descriptive grammar of Noon. A Cangin language of Senegal, München, LINCOM. The Atlas of Pidgin and Creole Language Structures (APiCS). En cours d’élaboration. Éds.: S. Michaelis, P. Maurer, M. Huber, M. Haspelmath. The World Atlas of Language Structures (WALS) (2005), éds.: M. Haspelmath, M.S. Dryer, D. Gil, and B. Comrie, with the collaboration of H.-J. Bibiko, H. Jung, and C. Schmidt, Oxford University Press. The World Atlas of Language Structures (WALS) (2005),