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Lernen in der Zweitsprache

Grundlagen und Verfahren der Förderung von Textkompetenz in mehrsprachigen Klassen

0420
2011
978-3-8233-7649-1
978-3-8233-6649-2
Gunter Narr Verlag 
Sabine Schmölzer-Eibinger

Die Wissensvermittlung in Schule und Bildungseinrichtungen erfolgt überwiegend durch die Arbeit mit und an Texten. Textkompetenz ist daher eine Schlüsselkompetenz, die die Bildungs- und Zukunftschancen des Einzelnen in unserer Gesellschaft grundlegend beeinflusst. Für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund ist fehlende Textkompetenz eine der Hauptursachen für schulisches Scheitern. In diesem Buch werden grundlegende Zusammenhänge und Faktoren untersucht, die bei der Entwicklung und Förderung von Textkompetenz in der Zweitsprache eine Rolle spielen. Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen bisher vorherrschende Konzepte zur Förderung von Zweitsprachenlernenden in mehrsprachigen Klassen in einem grundlegend neuen Licht erscheinen. Die Autorin stellt darauf aufbauend ihr Konzept der Literalen Didaktikvor: Ein theoretisch fundiertes und in der Praxis einfach umsetzbares didaktisches Instrumentarium zur Förderung von Textkompetenz, dessen Prinzipien und Verfahren in allen Unterrichtsfächern flexibel anwendbar und über die Förderung der Textkompetenz von Zweitsprachen lernenden in mehrsprachigen Klassen hinaus auch für zahl reiche andere Lernkontexte geeignet sind.

Lernen in der Zweitsprache Grundlagen und Verfahren der Förderung von Textkompetenz in mehrsprachigen Klassen Sabine Schmölzer-Eibinger 2., durchgesehene Auflage Lernen in der Zweitsprache Europäische Studien zur Textlinguistik herausgegeben von Kirsten Adamzik (Genf) Martine Dalmas (Paris) Jan Engberg (Aarhus) Wolf-Dieter Krause (Potsdam) Arne Ziegler (Graz) Band 5 Sabine Schmölzer-Eibinger Lernen in der Zweitsprache Grundlagen und Verfahren der Förderung von Textkompetenz in mehrsprachigen Klassen 2., durchgesehene Auflage Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. 2., durchgesehene Auflage 2011 1. Auflage 2008 © 2011 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Titelbild: Lisa Schmölzer, Graz Printed in Germany ISSN 1860-7373 ISBN 978-3-8233-6649-2 für Lisa und Magdalena Inhalt VORWORT .......................................................................... 13 EINLEITUNG ...................................................................... 15 TEIL I: TEXTKOMPETENZ ALS INSTRUMENT DES LERNENS IN DER ZWEITSPRACHE .................. 19 1 Frühe literale Entwicklung und Förderung ..... 19 1.1 Erste Begegnungen mit der Welt der Schriftlichkeit ........... 19 1.2 Der Schrifterwerb als Schlüsselereignis in der literalen Entwicklung ............................................................... 23 2 Der schulische Sprach- und Denkstil ............... 26 2.1 Beispiel A: Eine mathematische Textaufgabe ....................... 26 2.2 Beispiel B: Ein Lehrer-Schüler-Dialog über Mengenlehre ..................................................................... 27 2.3 Beispiel C: Ein Schülergespräch über Spinnen .................... 29 2.4 Von der Alltagssprache zur Schulsprache ............................ 31 3 Literalität und Gesellschaft ................................. 34 3.1 Sprache und Denken in oralen und literalen Kulturen ..................................................................................... 34 3.2 Archivierung, Tradierung und Konstitution von Wissen ................................................................................. 36 3.3 Literalität und soziokulturelle Kontexte ............................... 37 3.3.1 Die soziokulturelle Wende in der „Literacy”-Diskussion .............................................................. 37 3.3.2 Soziale Herkunft, Literalität und Schulerfolg ..................... 39 4 Die Rolle der Erstsprache für den Schulerfolg in der Zweitsprache .............................................. 42 4.1 Die Erstsprache als Basis der Zweitsprache ........................ 42 4.2 Interaktive und kognitiv-akademische Sprachkompetenz .................................................................... 45 4.3 „Schwellen” und Transfer von Kompetenzen .................... 47 4.4 Sprachkompetenz und Textkompetenz ............................... 49 4.4.1 Textkompetenz und Interaktionskompetenz ...................... 51 4.4.2 Sprachbasis und Sprachhandlungskompetenzen .............. 52 4.5 Die „Schwelle” der Textkompetenz ..................................... 52 4.6 Ein dynamisches Transfermodell ......................................... 54 5 Texte, Kognition und Wissenserwerb .............. 56 5.1 Mentale Modelle ...................................................................... 56 5.2 Textverstehen ........................................................................... 59 6 Texte als Momentaufnahmen von Textkompetenz ..................................................... 61 6.1 Vom expressiven zum gestaltenden Schreiben .................. 63 6.1.1 „Renate macht es Spaß”: Schreiben aus subjektiv-biographischer Sicht .............................................. 63 6.1.2 „… ich kann ja in den Teich hupfen”: Vom assoziativen zum strukturierenden Schreiben .................... 67 6.2 Texte als Lernmedien im Sprach- und im Fachunterricht .................................................................... 70 6.2.1 „In diesem geschicht Lernen wir die Johanna und ihre Mutter kennen”: Zusammenfassungen eines Erzähltextes ............................. 71 6.2.1.1 Thematische Schwerpunkte ................................................... 72 6.2.1.2 Emotionalität und Identifikation .......................................... 73 6.2.1.3 Sprachlich-formale Gestaltung .............................................. 75 6.2.1.4 Textkohäsion und Textkohärenz ........................................... 76 6.2.2 „mit dem Stadt recht aus Stadten”: Sachtexte verstehen und wiedergeben ................................. 79 6.2.2.1 Zugänge zu den Texten finden ............................................. 79 6.2.2.2 Das Schreiben der Zusammenfassungen ............................. 84 6.2.2.3 Die Lernertexte ........................................................................ 85 6.2.2.4 Textinhalte mündlich wiedergeben ...................................... 91 6.2.2.5 Fazit ........................................................................................... 94 7 Textkompetenz und der Prozess der Textproduktion ..................................................... 97 7.1 Kooperatives Schreiben .......................................................... 97 7.2 „Die kleine Maus”: eine Bildergeschichte entsteht ............ 99 7.2.1 Die gemeinsam erzählte Bildergeschichte ........................... 99 7.2.2 Dokumentation des Textproduktionsprozesses ................. 100 7.2.3 Textproduktionsprozess I: Mira und Christina entwickeln ihre Geschichte .................................................... 115 7.2.3.1 Revisionen und Textoptimierungen ..................................... 115 7.2.3.2 Phasen im Prozess der Arbeit am Text ................................ 118 7.2.4 Textproduktionsprozess II: Gönül, Marija und Secil erarbeiten ihren Text ...................................................... 119 7.2.5 Die Textproduktionsprozesse im Vergleich ........................ 122 7.2.5.1 Sprachliche Gestaltung der Texte ......................................... 122 7.2.5.2 Soziale und affektive Faktoren .............................................. 125 7.2.5.3 Die mündlich und die schriftlich erzählten Bildergeschichten im Vergleich ............................................. 128 8 Stadien der literalen Entwicklung .................... 140 8.1 Von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit ............................ 140 8.2 Von der subjektiven Perspektive zur Textperspektive....... 141 8.3 Von der Linearität zur Komplexität ..................................... 142 8.4 Vom performativen zum epistemischen Stadium .............. 142 9 Indikatoren für Textkompetenz ........................ 143 9.1 Perspektivenwechsel und Strategienvielfalt ....................... 143 9.2 Bedeutungskonstruktion im Kontext ................................... 144 9.3 Fokussierung von Kernaussagen .......................................... 145 9.4 Themenentfaltung und Textkohärenz .................................. 146 9.5 Veränderungen am Text ......................................................... 147 9.6 Sprachliche Variation .............................................................. 148 TEIL II: DIE LITERALE DIDAKTIK .............................. 150 1 Ausgangslage: Unterrichtsprobleme und didaktische Lösungen ................................ 151 1.1 Problemfelder in mehrsprachigen Klassen .......................... 151 1.2 Didaktische Lösungsansätze ................................................. 153 1.2.1 Die Kommunikative Didaktik ............................................... 154 1.2.2 Die Interkulturelle Didaktik .................................................. 156 1.2.3 Die Konstruktivistische Didaktik .......................................... 159 1.2.4 Die Schreibdidaktik ................................................................. 163 1.2.5 Der „literacy-based approach” .............................................. 167 1.2.6 Der Aufgabenorientierte Unterricht ..................................... 170 2 Ziele der Literalen Didaktik .............................. 176 2.1 Literale Förderung ................................................................... 176 2.2 Aktives Sprachhandeln .......................................................... 179 2.3 Individuelle Wissenskonstruktion ........................................ 180 2.4 Integrierter Sprach- und Wissenserwerb ............................. 181 3 Prinzipien der Literalen Didaktik .................... 183 3.1 Integriertes Sprach- und Sachlernen .................................... 183 3.2 Authentische Sprachpraxis .................................................... 185 3.3 Sprachaufmerksamkeit und -reflexion ................................. 187 3.4 Integrierte Fertigkeiten ........................................................... 187 3.5 Kooperation .............................................................................. 188 3.6 Fokus auf Schreiben ................................................................ 189 4 Das 3-Phasen-Modell zur Förderung von Textkompetenz ..................................................... 191 4.1 Wissensaktivierung ................................................................. 192 4.2 Arbeit an Texten ...................................................................... 194 4.2.1 Textkonstruktion ..................................................................... 195 4.2.2 Textrekonstruktion .................................................................. 197 4.2.3 Textfokussierung & Textexpansion ...................................... 198 4.3 Texttransformation .................................................................. 200 5 Aufgabentypologie zur Förderung von Textkompetenz ......................... 203 5.1 Phase 1: Wissensaktivierung ................................................. 204 5.2 Phase 2: Arbeit an Texten ....................................................... 206 5.2.1 Textkonstruktion ..................................................................... 206 5.2.2 Textrekonstruktion .................................................................. 208 5.2.3 Textfokussierung & Textexpansion ...................................... 209 5.3 Phase 3: Texttransformation .................................................. 213 ZUM ABSCHLUSS ............................................................. 217 ANHANG ............................................................................. 219 LITERATUR ......................................................................... 238 13 VORWORT Als Paul Portmann-Tselikas vor einigen Jahren meine Aufmerksamkeit auf den Themenbereich Textkompetenz, Schreiben und zweitsprachliches Lernen gelenkt hat, war mir noch nicht bewusst, welches ergiebige Forschungsfeld sich hier für mich auftun würde. Er hat mich schließlich auch dazu ermutigt, meine Habilitationsschrift diesem Themenbereich zu widmen und ist mir dabei stets als ein offener, anregender und kritischer Gesprächspartner zur Seite gestanden. Die Arbeit an diesem Buch, das im Juli 2007 von der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz als Habilitationsschrift angenommen wurde, war durch einen offenen Diskurs mit zahlreichen Gesprächspartnern begleitet, bei dem mich neben Paul Portmann-Tselikas eine Reihe anderer Kolleginnen und Kollegen mit ihren Anregungen und Kommentaren zu Zwischenergebnissen meiner Arbeit unterstützt und weitergebracht haben. Stellvertretend möchte ich mich bei Hans Drumbl und Hans-Jürgen Krumm bedanken, die mich in diesem Vorhaben stets bestärkt haben. Diese Arbeit wäre nicht möglich gewesen, wenn ich nicht die Unterstützung von Lehrerinnen und Lehrern gehabt hätte, die mir den Zugang zu ihrem Unterricht geöffnet haben. Die Beobachtung vieler Unterrichtsstunden und die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern haben die Basis für die Ausrichtung und Überprüfung der theoretischen Grundlagen und didaktischen Verfahren dieser Arbeit gebildet. Stellvertretend seien hier Ulla Walchshofer, Elfriede Gaisbacher, Anna Grigoriadis und die Schülerinnen und Schüler der St.-Andrä-Schule, der Dr.-Karl-Renner-Schule, der Muchar-Schule und der Volksschule Söding genannt. Besonders anregend waren für mich auch die zahlreichen Diskussionen mit meinen Studentinnen und Studenten in Graz, Wien und Modena, deren kritische Anmerkungen mir immer wieder den Blick für noch offene Fragen geschärft haben. Mir sind bei der Arbeit an diesem Buch nahezu ideale Arbeitsbedingungen zur Verfügung gestanden. Ein Charlotte-Bühler-Habilitationsstipendium des Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) hat mir die Möglichkeit gegeben, mich 14 Monate lang konzentriert der Arbeit an diesem Forschungsvorhaben zu widmen. Aber es war auch die Unterstützung meiner Kolleginnen und Kollegen an der Karl-Franzens-Universität Graz, die mir großen Freiraum verschafft hat. Besonders bedanken möchte ich mich bei Georg Weidacher und bei Christine Schnattler für ihre stets umsichtige Hilfe in allen organisatorischen Belangen sowie bei Gerlinde Stock, die 14 mich nicht zuletzt auch bei der graphischen und drucktechnischen Aufbereitung dieses Buches unterstützt hat. Schließlich möchte ich mich bei meinem ersten Universitätslehrer im besten und eigentlichen Sinne des Wortes, bei Karl Sornig, bedanken. Seiner herausfordernden und gleichzeitig fordernden Persönlichkeit ist es zu verdanken, dass ich überhaupt den Entschluss gefasst habe, in diesem Fachbereich wissenschaftlich zu arbeiten. Dieses Buch wäre nicht zustande gekommen, hätte ich nicht die uneingeschränkte Unterstützung meiner Familie gehabt: Die Unterstützung meiner Eltern und Schwiegereltern, die nicht nur während meines Forschungsaufenthalts in Berkeley in der Alltagsorganisation mit den Kindern geholfen haben und die Unterstützung meines Mannes Hansjürgen, der, obwohl - oder gerade weil - er nicht aus dem Fachbereich stammt, wohl mein kritischster Leser gewesen ist. Gerade wegen seiner fachlichen Distanz hat er mich mit seinen unvoreingenommenen, kritischen Fragen oft dazu gebracht, Zusammenhänge zu erkennen oder aus neuer Perspektive zu sehen. Er hat mir immer wieder Mut gemacht, schon abgeschlossen geglaubte Teile der Arbeit nochmals zu überarbeiten und war in dieser Zeit stets Kritiker, Coach, Mentor und Ehemann in einer Person. Die Kraft für dieses Unterfangen hätte ich aber nicht ohne meine Kinder Magdalena und Lisa, ihr Verständnis und ihre Rücksicht, gehabt. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Graz, im Januar 2008 Sabine Schmölzer-Eibinger 15 EINLEITUNG Lernen in der Zweitsprache bedeutet, eine fremde Sprache nicht nur als ein Mittel der Kommunikation, sondern auch als ein Instrument des Wissenserwerbs einsetzen zu können. Der Wissenserwerb erfolgt in der Schule vor allem auf der Basis von Texten; dies gilt für Quellentexte im Fach Geschichte ebenso wie für Textaufgaben in der Mathematik oder für Beschreibungen, Erklärungen und Anweisungen in Geografie, Biologie oder Physik. Um in der Schule erfolgreich zu sein, müssen Lernende über Textkompetenz verfügen. Wer über Textkompetenz verfügt, kann Texte lesen und verstehen und mittels Texten kommunizieren und lernen. 1 Textkompetenz schließt die Fähigkeit ein, über Texte zu reflektieren, sich über Texte zu äußern und eine schriftsprachlich geprägte Sprache auch mündlich im jeweiligen Kontext adäquat zu gebrauchen. Textkompetenz ist eine Schlüsselkompetenz des Lernens. Zweitsprachenlernende sind oft nicht in der Lage, Texte als ein Instrument des Lernens zu nutzen, auch wenn sie die Zweitsprache im mündlichen, alltagsbezogenen Sprachgebrauch bereits weitgehend beherrschen. Die Probleme von Zweitsprachenlernenden, die schulischen Leistungsanforderungen zu bewältigen, werden im Laufe der Schulzeit meist nicht kleiner, sondern immer größer (vgl. de Cillia 1998, 231; Reich/ Roth 2001, 22). Schul- und Bildungserfolg setzt daher voraus, dass Zweitsprachenlernende nicht nur über alltagsbezogene Sprachfähigkeiten, sondern auch über Textkompetenz verfügen. Neben die didaktische Frage, wie Sprache und Inhalte in mehrsprachigen Klassen zu vermitteln sind, tritt daher die Frage, wie Textkompetenz aufgebaut und gefördert werden kann. Es fehlt jedoch bislang sowohl an theoretischen Grundlagen als auch an didaktischen Konzepten, die es ermöglichen würden, die Textkompetenz von Zweitsprachenlernenden im Unterricht gezielt zu fördern. Verfügbare Forschungsarbeiten sind durch spracherwerbstheoretische, sozialwissenschaftliche oder erziehungswissenschaftliche Zugänge gekennzeichnet; 2 Fragen des schulischen Wissenserwerbs in der Zweitsprache wurden bislang weitgehend ausgeblendet. 3 Diese Lücke soll durch das vorliegende Buch geschlossen werden. 1 Diese Definition von Textkompetenz beruht auf begrifflichen Bestimmungen, wie sie von Portmann-Tselikas (2001a, b, 2002) und Kern (2000) vorgenommen wurden. 2 Ich verweise stellvertretend auf Portmann-Tselikas 2001, 2002, 2006; Kern 2000, 2004, Kern/ Schultz 2005; Zydatiß 2004, 2007; Gogolin et al. 2004, Gogolin 2006, 2007. 3 Eine Ausnahme bilden hier die Arbeiten von Portmann-Tselikas (2001 ff.) 16 In diesem Buch werden vielfältige Aspekte der Textkompetenz und des Lernens in der Zweitsprache aus theoretischer und didaktischer Perspektive diskutiert. Die Grundlage dafür bilden Arbeiten aus der Zweitspracherwerbsforschung, der Kognitionspsychologie, der Sozio- und der Textlinguistik sowie der Schreib- und der Literalitätsforschung. Darauf aufbauend wird ein didaktisches Konzept zur Förderung der Textkompetenz entwickelt, das den spezifischen Anforderungen des schulischen Lernens in der Zweitsprache Rechnung trägt. Damit soll ein umfassendes Unterrichtskonzept für einen bislang in der Didaktik stark vernachlässigten Lernbereich zur Verfügung gestellt werden. Im ersten Teil des Buches werden theoretische Ansätze und Erkenntnisse rund um das Themenfeld Textkompetenz, Literalität und Lernen in der Zweitsprache skizziert und aus kognitionswissenschaftlicher, zweitspracherwerbstheoretischer, sozio- und textlinguistischer Perspektive reflektiert. Im ersten Kapitel geht es um frühe literale Entwicklung und Förderung, Schrifterwerb als literales Schlüsselereignis und Schulerfolg. Das zweite Kapitel gilt den sprachlichen und kognitiven Anforderungen im Unterricht und der Frage, auf welche Weise sich diese im Laufe der Schulzeit verändern bzw. welche spezifischen Probleme sich daraus für Zweitsprachenlernende vielfach ergeben. Im dritten Kapitel geht es um gesellschaftliche und kulturelle Einflussfaktoren der literalen Entwicklung, um literale Praktiken in oralen und literalen Kulturen sowie um Texte als Mittel der Archivierung, Distribution und Evolution von Wissen. Auch der Einfluss von soziokulturellen und sozioökonomischen Faktoren auf die literale Entwicklung und den Schulerfolg ist Thema dieses Kapitels. Im vierten Kapitel wird danach gefragt, welche Rolle die in der Erstsprache aufgebaute Textkompetenz für den Wissenserwerb in der Zweitsprache spielt; die in diesem Zusammenhang relevanten Begriffe und Konzepte werden anhand gängiger Hypothesen in Bezug auf „Schwellen” und den Transfer von Sprachkompetenz zwischen der Erst- und der Zweitsprache diskutiert. Im fünften Kapitel wird der Frage nachgegangen, welche kognitiven Prozesse in der rezeptiven und produktiven Verarbeitung von Texten eine Rolle spielen und welche Bedeutung sie für die Förderung von Textkompetenz im Unterricht haben. Einen Schwerpunkt dieses ersten Teils des Buches bilden qualitative Fallanalysen (Kapitel sechs und sieben), in denen Texte und Textproduktionsprozesse von Schülerinnen und Schülern untersucht werden. Sie dienen dazu, verfügbare empirische Arbeiten um Einsichten zu ergänzen, die die Herausforderungen des Wissenserwerbs anhand von Texten fokussieren und Einblick in die Heterogenität der Textkompetenz von Lernenden in mehrsprachigen Klassen geben. Im Mittelpunkt der Textproduktionsanaly- 17 sen stehen Bildergeschichten, die von Schülerinnen im Rahmen einer kooperativen Schreibaufgabe verfasst werden. Die Analysen sollen das komplexe Zusammenspiel von mündlicher und schriftlicher Kommunikation, aber auch die Eigengesetzlichkeit der einzelnen Komponenten im Prozess des Schreibens transparent machen. Damit soll deutlich gemacht werden, wie Lernende mit Schreibaufgaben dieser Art umgehen, welche Probleme dabei auftauchen können und anhand welcher Strategien sie versuchen, diese zu lösen. Effiziente bzw. weniger effiziente Problemlösestrategien werden dabei ebenso sichtbar wie vorhandene bzw. fehlende Kompetenzen der Lernenden im Umgang mit Texten. Ausgehend davon werden Stadien der literalen Entwicklung (Kapitel acht) skizziert sowie Indikatoren für Textkompetenz (Kapitel neun) herausgearbeitet. Letztere können eine Alternative zur gängigen schulischen Leistungsbeurteilung darstellen; in der vorliegenden Arbeit werden sie jedoch primär als Grundlage didaktischer Überlegungen verwendet. Im zweiten Teil dieses Buches wird die Literale Didaktik vorgestellt. Es handelt sich dabei um ein didaktisches Instrumentarium zur Förderung der Textkompetenz in mehrsprachigen Klassen, mit dem Lernende dabei unterstützt werden können, Texte als Grundlage und als Medien des Wissenserwerbs gezielt zu nutzen. Die Kernelemente der Literalen Didaktik sind die didaktischen Prinzipien, das 3-Phasen-Modell zur Förderung der Textkompetenz und die darauf bezogene Aufgabentypologie. Diese drei Komponenten sind systematisch aufeinander bezogen und erlauben es, die Textkompetenz der Lernenden schrittweise aufzubauen und zu erweitern. Die Aufgaben und Verfahren der Literalen Didaktik sind primär auf das schulische Lernen in der Zweitsprache bezogen, sie können jedoch darüber hinaus auch in vielfältigen anderen Lern- und Unterrichtskontexten eingesetzt werden, in denen es darum geht, anhand von Texten zu kommunizieren und zu lernen. 19 TEIL I: TEXTKOMPETENZ ALS INSTRUMENT DES LERNENS IN DER ZWEITSPRACHE 1 Frühe literale Entwicklung und Förderung 1.1 Erste Begegnungen mit der Welt der Schriftlichkeit Erste Begegnungen mit der Welt der Schriftlichkeit finden in literalen Gesellschaften nicht erst in der Schule, sondern schon im vorschulischen Alltag eines Kindes statt: Eingetaucht in eine Welt der Literalität gibt es auch für das Kleinkind keine rein mündlichen Diskurse mehr, keine rein orale Muttersprache, die von der Welt der Schriftlichkeit durch eine eindeutige Grenzlinie unterschieden ist. Das Kind wächst in eine Wirklichkeit hinein, in der sich von Anfang an nichtsprachliche und sprachliche, mündliche und literale symbolische Praktiken durchdringen. Die Eltern, ältere Geschwister und andere Erwachsene, die mit dem Kind und in dessen Anwesenheit untereinander sprechen, die ihm vorlesen und erzählen, Radio hören und fernsehen, sind alle Bewohner einer literalen Kultur. (Brockmeier 1998, 194) Seit Beginn der 70er Jahre sind zahlreiche kognitionspsychologische Arbeiten entstanden, 4 die sich mit der Frage befassen, welche sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten im Spiel sind, wenn Wissen durch eine schriftsprachlich geprägte Sprache vermittelt und erworben wird (vgl. Bruner/ Olson 1978). 5 In all diesen Arbeiten wird die Bedeutung einer anregenden literalen Umgebung in der Familie für die literale Entwicklung eines Kindes betont (Bus/ van Ijzendoorn/ Pellegrini 1995; Dehn 1996; Verhoeven/ Aarts 1998; Mooren 2000). Ein anregendes familiäres Umfeld ist dadurch gekennzeichnet, dass vielfältige Gelegenheiten im Alltag geschaffen werden, die ein Kind dabei unterstützen, literale Fähigkeiten aufzubauen und zu erproben (vgl. Durguno lu/ Verhoeven 1998b, xii; vgl. Wells 1991, 62). Ein hoher Stellenwert von Büchern und eine anregende Vorlesepraxis ist hier von besonderer Bedeutung, aber auch das Gespräch über Bücher und (Vor-)Gelesenes zwischen dem Kind und seinen Eltern bzw. seinen älteren Geschwistern oder peers (Mediators of literacy, Baynham 1995, 39). Es gilt daher ein Kind dazu anzuregen, das Vorgelesene zu kommentieren, zu interpretieren, es 4 Siehe einschlägige Arbeiten zur Early Literacy bzw. Emergent Literacy. 5 Brockmeier (1998, 136; 145; 222 f.) weist darauf hin, dass mit diesen Arbeiten bis dahin getrennte Entwicklungslinien in psychologischen, linguistischen und kulturgeschichtlichen Forschungsfeldern zusammengeführt werden konnten. 20 aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, es mit eigenen Erlebnissen und Erfahrungen zu verknüpfen, Gefühle in Bezug auf die Figuren oder die Handlung einer Erzählung auszudrücken oder Vermutungen über den weiteren Verlauf einer Geschichte oder die Handlungen der beteiligten Personen anzustellen. Die Art und Weise, wie ein Kind in Gespräche über Gelesenes involviert wird, ist für seine literale Entwicklung entscheidend. The child should therefore be given a possibility of being immersed - both at home and at school - in a „literate” environment, in which adults share engagements in acts of reading and writing with children: reading of newspapers and magazines, recalling what has been read and its source, filling up forms, lists, messages. Parents might intervene directly in „reading with children”, i.e., in having children involved in recognizing and interpreting shop signs, road signs and commercial labels [...]. (Pontecorvo 1997, 340) Kinder, die in einem literal anregenden familiären Umfeld aufwachsen, lernen schon früh, eine dekontextualisierte Sprache zu verstehen und zu verwenden: Extended discourse emerges when talk deals with complicated events or topics; when a simple story is embellished by making connections to feelings, related events, causes, and implications; and when talk moves beyond facts to explanation, or beyond opinion to argumentation. (Snow 1993, 21 f.) Zur Förderung der literalen Entwicklung empfiehlt Snow (1983) folgende Verhaltensweisen in der Interaktion mit Kindern: • Themenfortführung (semantic contingency): Erwachsene führen Themen fort, die von den Kindern eingeführt wurden und intensivieren damit die sachbezogene Auseinandersetzung und Reflexion. • Lernunterstützung (scaffolding): 6 Interaktive Handlungen werden von den Erwachsenen unterstützt und vorangetrieben, sodass die Kinder sprachlich mehr leisten können, als sie auf sich alleine gestellt könnten. Nach Genesee (1987, 175) entsteht eine förderliche literale Praxis im Alltag vor allem dann, wenn Kinder dazu angeregt werden • Ereignisse in ihrem Alltag aufmerksam zu beobachten, zu benennen, zu beschreiben und zu erklären; • zu erzählen und über das Erzählte zu diskutieren; • eigene Standpunkte zu entwickeln und zu vertreten; • Sprache spielerisch und experimentell zu gebrauchen; • über Sprache nachzudenken und über Sprache zu reden; 6 Dieses Konzept des „Scaffolding” wurde von Bruner (1977) entwickelt und gründet auf Vygotskys Idee der zone of proximal development (vgl. Vygotsky 1978, 86). Demzufolge besteht eine Kluft zwischen dem aktuellen und dem potentiellen Entwicklungsstand eines Kindes, die durch die Unterstützung von Erwachsenen oder älteren Peers überwunden werden kann. 21 • sprachliche Funktionen und Strukturen selbst zu erforschen; • auch über Dinge zu sprechen, die sich nicht unmittelbar auf konkret erlebbare Situationen des Alltags beziehen („decontextualized talk”). Die frühe literale Entwicklung eines Kindes wird somit vor allem durch das Erzählen, das genaue Benennen, Beschreiben, Erklären und Diskutieren gefördert, durch die spielerische und reflektierte Auseinandersetzung mit Sprache sowie durch eine dekontextualisierte und strukturell komplexere Sprachverwendung, wie sie im Alltag fast nur in der Auseinandersetzung mit Themen und Sachverhalten vorkommt, die nach ausführlicheren Erklärungen, Begründungen und komplexeren Begriffen verlangen. 7 Eine besondere Form der frühen literalen Förderung stellt das Rollenspiel dar. Im Rollenspiel wird der fiktive Handlungsraum ausschließlich durch Sprache konstituiert, ebenso wie die Spielbedeutungen und die Charaktere der am Spiel beteiligten Personen (vgl. Andresen 2004, 65). Das Wesen eines Rollenspiels besteht in Umdeutungen - damit eine Schachtel zum Schiff wird oder eine Puppe zur Hexe oder die Kinder selbst zu Riesen oder Zwergen werden, müssen die Bedeutungen neu ausgehandelt werden (vgl. Andresen 2004, 65 ff.). Während des Spiels müssen sich die Kinder immer wieder von neuem darüber verständigen, ob sie sich in der Fiktion oder in der Realität befinden. Dabei sind sie gefordert, die unmittelbare Verflechtung von sprachlichen Äußerungen mit dem nichtsprachlichen Kontext aufzulösen. 8 Auch das Erzählen spielt in der frühen literalen Entwicklung eines heranwachsenden Kindes eine besondere Rolle. Kinder lernen narrative Strukturen im Mündlichen längst kennen, bevor sie selbst lesen und schreiben können. Erzählkompetenzen können daher zu den ersten literalen Fähigkeiten eines Kindes gezählt werden. […] narrative thought is one of the first forms very young children use to organize knowledge about everydays life events, persons, actions, emotions and so on. (Pontecorvo 1997, 342) 7 Snow und Kurland (1994) konnten in ihrer Untersuchung von Gesprächen zwischen Müttern und ihren fünfjährigen Kindern beim Spielen mit einem Magneten zeigen, dass der häufige Gebrauch von komplexen, fachsprachlich geprägten Wörtern in der Interaktion mit Kindern dazu führt, dass diese nicht nur ein großes, sondern auch ein differenziertes Lexikon erwerben. 8 Die Kontexte, auf die sich das gemeinsame Handeln in einer Situation bezieht, werden bis zum 3. Lebensjahr weitgehend von den Erwachsenen vorstrukturiert. Sprache wird dabei von den Kindern als Teil von nichtsprachlichen Kontexten wahrgenommen. Erst mit dem Übergang zum Vorschulalter beginnen Kinder, Sprache nicht mehr als Teil von Handlungspraktiken wahrzunehmen, die mit nichtsprachlichen Kontexten unauflösbar verflochten sind (vgl. Andresen 2004, 64 f.). 22 Die im Mündlichen aufgebauten Erzählfähigkeiten eines Kindes werden im Schriftlichen aufgenommen und weiter entwickelt. 9 Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine bloße Übertragung von literalen Strukturen aus dem Mündlichen ins Schriftliche, sondern vielmehr um eine funktionale Reorganisation der im Mündlichen verwendeten Formen (vgl. Ohlhus 2005, 64 f.). 10 Zusätzlich werden literale Strukturen neu aufgebaut, die in bestehende integriert werden müssen. Es werden also bereits in der frühen literalen Entwicklung schriftsprachliche Fähigkeiten ausgebildet, die in der Schule beim Lesen und Schreiben, aber auch in der mündlichen Kommunikation genutzt werden. Schon in relativ frühen Texten von Schulkindern ist erkennbar, dass im Mündlichen entwickelte literale Strukturen eingesetzt werden; umgekehrt werden auch mündliche Äußerungen von Schulkindern schon früh durch literale Strukturen geprägt, die im Schriftlichen ausgebildet wurden (vgl. Schmidlin/ Feilke 2005, 11). 11 In welchem Ausmaß und auf welche Weise 9 Das betrifft insbesondere Erzählstrategien, stilistische Formen, die global-semantische Strukturierung und die sprachlich-formale Gestaltung (vgl. Ohlhus 2003, 143; Wells 1991, 62; Egger 2011). Mündlich entwickelte Erzählfähigkeiten können im Schriftlichen meist nicht von Beginn an vollständig realisiert werden. Dies dürfte mit den Herausforderungen zu tun haben, die mit dem Einstieg in die neue Modalität verbunden sind (vgl. Stude 2003, 151). Mündliche Erzählleistungen lassen dennoch Vorhersagen auf Erzählfähigkeiten im Schriftlichen zu, insbesondere im Bereich der global-semantischen Strukturierung (vgl. Quasthoff/ Ohlhus/ Stude 2003, 8). 10 Beim Rückgriff auf mündlich entwickelte Kompetenzen spielt auch das Genre eine wichtige Rolle: So enthält etwa das im Mündlichen stark interaktiv geprägte Genre der Erlebniserzählung sowohl im Mündlichen als auch im Schriftlichen weniger strukturierende Elemente und ein niedrigeres Niveau an globaler Kohärenz als etwa die Fantasieerzählung, die bereits im Mündlichen stärker schriftsprachlich orientiert ist und daher auch im Schriftlichen schon früh gut ausgebaute global-semantische Strukturen aufweist (vgl. Quasthoff/ Ohlhus/ Stude 2005). Die im mündlich geprägten Genre der Erlebniserzählung entwickelten Erzählfähigkeiten scheinen den Lernenden kaum Vorteile für die Konstitution von schriftlichen Texten zu bringen. Bei der Fantasieerzählung fällt ihnen der Übergang ins schriftliche Erzählen jedoch leichter, sofern sie im Mündlichen bereits gute Erzählfähigkeiten aufgebaut haben (vgl. Ohlhus 2003, 135). Unter diesen Voaussetzungen kommt es in den schriftlichen Fantasieerzählungen von Beginn an zu einer Steigerung der global-semantischen Strukturierungsleistungen, während die Lernenden bei ihren schriftlichen Erlebniserzählungen vielfach zunächst hinter ihren im Mündlichen erbrachten Leistungen zurückbleiben (vgl. Quasthoff/ Ohlhus/ Stude 2003, 12, 2005, 5). Dies kann mit dem Wegfall der interaktiven Unterstützungsleistungen in der Schriftlichkeit zu tun haben, der sich bei der Erlebniserzählung mehr auswirkt als bei den stärker in der Schriftlichkeit verankerten Fantasieerzählungen (vgl. Quasthoff/ Ohlhus/ Stude 2003, 12). Bei den schriftlichen Fantasieerzählungen können die im Mündlichen bereits verfügbaren Erzählfähigkeiten ausgebaut werden, gegen Ende der dritten Schulstufe lassen sich dann auch Rückwirkungen der schriftlichen Erwerbsprozesse auf die mündlichen Erzählleistungen feststellen (vgl. Quasthoff/ Ohlhus/ Stude 2005, 5). 11 Dies zeigt sich nach Becker (2005) etwa in prosodischen Markierungen, im Tempusgebrauch und in der Verwendung bestimmter lexikalischer Wendungen. 23 Kinder im Schulalter auf ihre vorschulisch entwickelten literalen Fähigkeiten zurückgreifen, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die im Mündlichen bereits erprobten literalen Praktiken kommunikativ zielführend waren. Der Lernerfolg in der Schule ist wesentlich davon abhängig, ob ein Kind schon vor Schuleintritt in seiner literalen Entwicklung gefördert wurde (vgl. Pontecorvo 1997, 335) - frühe literale Fähigkeiten sind zuverlässige Indikatoren für den späteren Schulerfolg (vgl. Wells 1991, 58; Häcki Buhofer 1998; Minami/ Ovando 2001, 433). In Familien mit Migrationshintergrund und in bildungsfernen Familien werden Kinder in ihrer literalen Entwicklung oft nicht ausreichend gefördert - ihnen fehlt es sowohl an literalen Erfahrungen als auch an Strategien, die es ihnen ermöglichen würden, die Lernangebote in der Schule gezielt zu nutzen. Kinder mit Deutsch als Zweitsprache hinken ihren muttersprachigen MitschülerInnen meist bereits bei Schuleintritt deutlich nach (vgl. Egger 2011). 12 Eine frühe literale Förderung, die sowohl in der Familie als auch im Kindergarten stattfindet, ist daher vor allem für Zweitsprachenlernende eine zentrale bildungspolitische Aufgabe. 13 1.2 Der Schrifterwerb als Schlüsselereignis in der literalen Entwicklung Das Lesen- und Schreibenlernen ist der Beginn eines Prozesses, in dem das Sprachvermögen eines Kindes tiefgreifend verändert, umgebaut und erweitert wird. Der Schrifterwerb ist das Schlüsselereignis in der literalen Entwicklung eines heranwachsenden Kindes, das nicht nur die Wahrnehmung von Sprache, sondern auch den Zugang zur Welt grundlegend verändert. Der Schrifterwerb treibt die sprachliche und kognitive Entwicklung eines Kindes entscheidend voran: Schriftsprache repräsentiert nicht nur kognitive Strukturen, sondern schafft sie auch neu (vgl. Wolff 2002, 78). Schriftkundigkeit ermöglicht damit neue Qualitäten des Denkens und des Umgangs mit Sprache. Wenn Kinder in der Schule lesen und schreiben lernen, beginnen sie Sprache anders zu sehen, sie benutzen sie anders und sie fangen an, auf neue Weise über sie nachzudenken (vgl. Brockmeier 1998, 209). Die Er- 12 Kinder mit Deutsch als Zweitsprache sind bei Schuleintritt in Bezug auf Erzählfähigkeiten, Wortschatz- und Grammatikkompetenz etwa ein Jahr im Rückstand (vgl. Egger 2011). 13 Verhoeven/ van Kuijk (1991) haben Programme zur Förderung der literalen Fähigkeiten von Kindergartenkindern entwickelt, in denen die Schwerpunkte auf dem story book reading und auf phonological awareness games lagen. Kinder, die diese Programme durchliefen, zeigten in ihrer literalen Entwicklung einen deutlichen Vorsprung gegenüber anderen, die diese Förderung nicht erhielten. 24 fahrungen, die sie dabei machen, sind für sie völlig neu: Sprache wird durch Schrift sichtbar und autonom, geschriebene Wörter lassen sich „angreifen”, manipulieren und wie Dinge behandeln. - „Reden wir heute wieder über diese Worte? ” begrüßt mich Anna. 14 - „Über welche Worte? ” - „Die, die ich ins Heft gemalt habe, letztes Mal, als du da warst. Weißt du doch! ” - „Wenn du magst.” - „Ich habe aber noch ein schöneres Wort gemalt, zu Hause, sieh mal! Können wir das auch nehmen? ” - „Lass mal sehen. Das ist aber wirklich sehr schön! ” - „Ja, das hab ich mit ins Bett genommen, zusammen mit Puh.” (einem Stofftier) (Brockmeier 1998, 256) Der Schrifterwerb treibt die Fähigkeit eines Kindes, Wörter aus ihrer Bindung an Gegenstände, Personen oder Ereignisse zu lösen, voran (vgl. Andresen 2004, 67). Dem Kind wird die Unterscheidung zwischen Objekten und sprachlichen Bezeichnungen zunehmend bewusst: „to read is to see that a token is a sign for a word not an emblem for a thing.” (Olson 1997, 11) Diese Unterscheidung ist schon früh Thema von Sprachreflexion: 15 - „Was ist ein schnelles Wort? ” Thomas: „Vogel ist ein schnelles Wort. Und Batman, der ist auch ganz schnell.” Sarah: „‚Im’ ist das schnellste Wort. Hm, nein ‚in’ ist das schnellste, weil - da ist so ein Strichlein, ein Punkt und nur noch ein Häkchen.” - „Und was ist ein schweres Wort? ” Thomas: „Der Tisch ist schwer. Und der Stein auch. Mein Papa ist auch schwer, weil er so groß ist.” Sarah: „Schwere Worte? Da gibt’s viele, wir lernen jetzt immer mehr. Krokodil, Autobahn ist auch schwerer, das ist so lang.” (Brockmeier 1998, 265) Das Beispiel zeigt, dass Wörter von SchulanfängerInnen noch häufig als untrennbare Einheit mit den Eigenschaften der Objekte betrachtet werden, auf die sie sich beziehen und von den Kindern noch nicht zwischen Referenten und sprachlichen Zeichen unterschieden werden kann - Thomas urteilt über den Vogel als Lebewesen und nicht über das sprachliche Zeichen. Diese Wahrnehmung ändert sich jedoch rasch - Sarahs Perspektive auf Wörter ist nach einem Jahr Schriftspracherwerb bereits deutlich verschoben. Über die Wahrnehmung von Sprache als Objekt richtet sich die Aufmerksamkeit des Kindes schließlich auf das gesamte Symbolsystem Spra- 14 Anna ist sechs Jahre alt. 15 Thomas und Sarah gehen in die gleiche Klasse, das Gespräch mit Thomas fand am Anfang des ersten, das mit Sarah am Beginn des zweiten Schuljahres statt. 25 che: 16 Sprache ist nicht mehr bloß Werkzeug, sondern zunehmend auch Gegenstand des Denkens und sprachlichen Handelns. Im Laufe des Schrifterwerbs wird die Fähigkeit eines Kindes, über Sprache nachzudenken und sich über Sprache zu äußern, sukzessive erweitert. Die Aufmerksamkeit auf sprachliche Phänomene und die Fähigkeit, sich metasprachlich zu äußern, wird auf spürbare Wiese vergrößert. 17 Das Lesen- und Schreibenlernen ist daher nach Brockmeier (1998) als „genuin metasprachliche Tätigkeit” zu betrachten. Metasprachliche Fähigkeiten führen zu einem höheren Sprachbewusstsein und fördern, so Vygotsky (1994, 224), die Fähigkeit zur Verallgemeinerung. Die Entwicklung dieser Fähigkeit zeigt sich bei Kindern vor allem darin, dass Sprache zunehmend als ein Instrument des analytischen Denkens und des komplexen Sprachhandelns verstanden und verwendet wird. 18 This specialized use of language - formal written explicit prose - is, of course, [...] the language of the formal schooling. But it is not a language of doing and saying, a mother tongue, or part of the „oral tradition” generally; it is the specialized tool of analytic thinking and explicit argument and it is the tool that has been adopted as the predominant form of school instruction. (Olson 1977, 232) Im Zuge des Schrifterwerbs lernt ein Kind neue sprachliche Kategorien und Strukturen kennen, die ein Modell für das Sprechen abgeben („model for speech”, Olson 1994). Das Wissen darum, was Sprache ist, wie Sprache betrachtet und gebraucht werden kann, wird somit durch den Schrifterwerb grundlegend verändert und neu formiert. 16 Kinder, die sich intensiv mit geschriebener Sprache beschäftigen, entwickeln meist auch im Mündlichen eine höhere Sprachaufmerksamkeit. Dies zeigt sich etwa in ihrer Art des Spielens mit Sprache, in Sprachwitz und Ironie, in ihrer syntaktischen und semantischen Genauigkeit und in ihrem metaphorischer Sprachgebrauch (vgl. Brockmeier 1998, 254, 264). 17 Nach Augst (1992) sind „meta”-Faktoren wichtige Indikatoren für die literale Entwicklung: Dazu zählen nach seiner Auffassung neben metalinguistischen auch metakognitive, metaemotionale und metasoziokognitive Kompetenzen. Die Vorsilbe metadeutet an, dass es auch hier nicht um kognitive oder emotionale Emotionen per se geht, sondern um die Fähigkeit, diese aus einer kritischen Distanz zu reflektieren und zu kommentieren. 18 Für analytisch-reflektierende Zugriffe auf Sprache sind mentale Aktivitäten wie das Nachfragen, das Bewerten, das Schlussfolgern oder das Interpretieren charakteristisch. Sprachlich werden sie durch Verben wie „dafürhalten”, „annehmen”, „kritisieren”, „schlussfolgern”, „interpretieren” etc. ausgedrückt (vgl. Brockmeier 1998, 286 f.). Olson/ Astington (1990, 717) sprechen in dem Zusammenhang von so genannten „mentalen Verben” (mental verbs), die es erlauben, sich über Sprache zu äußern und metasprachliche und metakognitive Kompetenzen zu entwickeln (an die Stelle von Verben wie z.B. say oder think treten Verben wie: assert, assume, concede, confirm, conclude, doubt, hypothesize, imply, infer, interpret, predict oder remember). Was mit metasprachlichen Äußerungen gemeint ist, zeigt sich durch die Gegenüberstellung der Fragen „Was wurde gesagt (oder geschrieben)? ” oder „Was war gemeint? ”. 26 2 Der schulische Sprach- und Denkstil Die im Unterricht verwendete Sprache ist Ausdruck und Mittel abstrakten und konzeptuellen Denkens. In der Schule ist daher nicht nur eine bestimmte Art des Sprachgebrauchs, sondern auch eine spezifische Form des Denkens gefordert. Im Folgenden soll anhand von Beispielen gezeigt werden, wie sich der Sprach- und Denkstil der Schule (Portmann-Tselikas 1998, 24) im Unterricht zeigt und welche sprachlichen und kognitiven Anforderungen damit verbunden sind. 2.1 Beispiel A: Eine mathematische Textaufgabe Im ersten Beispiel geht es um eine Textaufgabe aus einem Schulbuch für den Mathematikunterricht der dritten Schulstufe: a) Michael kauft eine Badehose um 49 Euro, eine Taucherbrille um 121 Euro und einen Sonnenhut um 37 Euro. Wie viel muss er dafür insgesamt bezahlen? b) Er bezahlt mit 300 Euro. Wie viel bekommt er zurück? (Peltzer-Karpf et al. 2003, 182) Wa s müssen die SchülerInnen wissen, um diese Aufgabe lösen zu können? Für die Lösung dieser Aufgabe ist es weniger wichtig zu wissen, was die genannten Dinge üblicherweise kosten - denn dann wäre diese Aufgabe höchstens ein Lehrbeispiel für die Realitätsferne von Schulbüchern -, es ist auch nicht wichtig zu wissen, was mit den Begriffen Badehose, Taucherbrille und Sonnenhut genau gemeint ist, denn letztlich geht es nicht um die Dinge an sich, sondern darum, anhand dieser Begriffe bestimmte mathematische Operationen zu üben. Was ist also die Lernaufgabe in diesem Fall? Die Lernaufgabe besteht für die SchülerInnen nicht nur darin, Zahlen zu addieren und zu subtrahieren, sie besteht zunächst vielmehr darin, relevante Informationseinheiten im Text zu erkennen, zu gewichten, zu verknüpfen, ihre Funktion im Rahmen des mathematischen Konzeptes, um das es hier geht, zu definieren und die erforderlichen Problemlöseschemata abzurufen (vgl. Peltzer-Karpf et al. 2003, 182). Dies ist eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass die verlangten mathematischen Operationen überhaupt durchgeführt werden können. Die SchülerInnen sind also im Sinne von Neisser (1979) gefordert, Orientierungspunkte in diesem Text ausfindig zu machen und so genannte „kognitive Landkarten” zu konstruieren, die es ermöglichen, unabhängig von konkreten Situationen in einem abstrakten, nur noch verbal definierten Symbolfeld (Bühler 1965) zu denken und sprachlich zu handeln. Wichtig ist daher, dass die Lernenden etwa im ersten Beispiel wissen, was die 27 Wörter „eine(n) ... um”, „und“, „wie viel” und „insgesamt” bedeuten und auf welche Weise sie den Sinnzusammenhang in diesem Text konstituieren. Diese Wörter sind es nämlich, die die Orientierungspunkte in diesem Text bilden und die es erlauben, den Text als ein Ganzes zu verstehen. In einer Studie von Peltzer-Karpf et al. (2003) wurde das Textverständnis dieser Aufgabe und die mathematische Lösungskompetenz in einer dritten Schulstufe untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass es vor allem Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache waren, die mit dieser Aufgabe Probleme hatten. Viele von ihnen verstanden zwar die meisten Wörter, konnten die geforderten Rechenoperationen aber nicht durchführen. Und nicht wenige von ihnen haben die Zahlen aus den Aufgaben a) und b) einfach zusammengezählt (vgl. Peltzer-Karpf et al. 2003, 182). Es gab jedoch auch Zweitsprachenlernende, die zur richtigen Lösung gelangten, obwohl sie einzelne Wörter - wie etwa die „Taucherbrille” - nicht kannten, denn sie hatten prinzipiell verstanden, dass es etwa bei der Frage a) darum ging, dass drei Dinge gekauft worden waren und der Preis dafür zu addieren war. Die in der Didaktik verbreitete Annahme, dass es ausreicht, Zweitsprachenlernenden alle Wörter in einem Text zu erklären, greift daher zu kurz. Die zentralen Probleme von Zweitsprachenlernenden im Umgang mit Texten bestehen meist nicht im Verstehen einzelner Wörter, sondern darin, jene Wörter im Text ausfindig zu machen und aufeinander zu beziehen, die es ermöglichen, einen Text als ein Sinnganzes wahrzunehmen und als ein Instrument des Lernens zu nutzen. Dies gilt nicht nur für Texte in der Mathematik - Texte sind in der Schule in nahezu allen Fächern eine zentrale Grundlage des Lernens. 2.2 Beispiel B: Ein Lehrer-Schüler-Dialog über Mengenlehre Beim nächsten Beispiel handelt es sich um ein Unterrichtsgespräch, das in einer ersten Klasse in einer Mathematikstunde aufgezeichnet wurde: Lehrerin (L): Passt auf! Ich hab’ euch eine Menge mitgebracht. (...) Ich hab’ euch auch eine Menge mitgebracht, und zwar erst einmal die hier (heftet ein Apfelsymbol an die Tafel). Was ist das für eine Menge? Michael? (auf ihr Symbol weisend) Schüler (S): Tomate. L: (herzlich lachend): Nein, nein. Das sieht ja fast aus wie ’ne Tomate. Eigentlich hast du Recht. Es soll aber keine sein. Aber ich will auch noch gar nicht wissen, was es ist, sondern was es für eine Menge (betont) ist. Erika? S: Eine kleine. L: Sag’ s schön! S: Es ist eine kleine Menge. 28 L: Da hat sie Recht. Wer weiß noch etwas von dieser Menge? Brigitte? S: Das ist eine Einser-Menge. L: Oh, hat sie das schön gesagt. Claudia, wollt’st du das auch sagen? Was wollt’st du sagen? S: Das ist eine Einer-Menge. L: Das ist eine Einer-Menge (betont). Chris? S: Ich will noch etwas anderes sagen. Das ist eine ein - ach (Schüler stöhnt vernehmbar auf). L: (unterbricht): Wie heißt das andere Wort? Derselbe Schüler: Einfache Menge. L: Schön. Das ist eine einfache (betont) Menge oder eine Einer- (betont) Menge. Aber es ist eine Menge. Nur eine kleine Menge. Und da wir gesagt haben, die Mengen haben alle Namen, ham wir dieser Menge einen Namen gegeben, Matthias, denn was hat diese Menge jetzt für einen Namen? S: Eine Eins. L: Richtig. Die Zahlen sind die Namen für die Mengen. Und zwar für die zählbaren Mengen. Alles, was mehr als einmal da ist und was ich zählen kann, das kriegt einen Namen. An dieser Stelle erfolgt der Einwurf einer Schülerin, die sich schon längere Zeit gemeldet hat: S: Das ist ein Apfel. (Die Schülerin verweist dabei auf das Apfelsymbol an der Hafttafel.) L: Richtig. Das soll ein Apfel sein, ein ganz großer Apfel. 19 (Graf 1987, 99) Die Antworten der SchülerInnen entsprechen offensichtlich nicht den Erwartungen der Lehrerin, und dies obwohl sie im alltagsbezogenen Kontext völlig korrekt wären: Für die SchülerInnen steht das Wort Apfel für den konkreten Gegenstand Apfel, den man angreifen und schmecken kann. Die Lehrerin scheint jedoch Antworten zu erwarten, die sich nicht auf den Apfel als Objekt, sondern auf das mathematische Konzept der „Mengenlehre” beziehen; sie „will auch gar nicht wissen, was es [der Apfel] ist, sondern was es für eine Menge ist”. Der Apfel soll also dazu dienen, die abstrakte Einheit einer „Einer-Menge“ zu veranschaulichen und das Konzept der Mengenlehre ins Spiel zu bringen. Die SchülerInnen werden hier mit einer Art des Denkens konfrontiert, die ihnen als Schulanfänger noch kaum vertraut ist. Es geht hier nicht wie sie es aus ihrem Alltag gewohnt sind, um die Gegenstände an sich, sondern darum, mit abstrakten Einheiten im Rahmen kognitiver Operationen zu operieren. In ihrem Alltag wäre es völlig unerheblich, ob der Apfel, um den es hier geht, als „Menge” bezeichnet werden kann oder nicht und ob es sich dabei um eine „einfache” oder um eine „Einer”-Menge handelt oder 19 Dieses Unterrichtsprotokoll wurde in einer ersten Klasse einer Grundschule in München aufgenommen und stammt aus dem Archiv der „Unterrichtsmitschau” des Instituts für Empirische Pädagogik, Pädagogische Psychologie und Bildungsforschung der Universität München (vgl. Graf 1987, 99). 29 nicht. Die SchülerInnen sind also gefordert, sich in dieser Unterrichtssituation kognitiv und sprachlich neu zu orientieren. Es gilt dabei zunächst zu erkennen, dass hier ein situationsunabhängiges, abstraktes Denken und sprachliches Handeln gefordert ist. Darüber hinaus ist der Unterricht jedoch weiterhin durch das „Hier und Jetzt” und die unmittelbar erlebbare Situation geprägt, in der sich die SchülerInnen jeweils befinden. 20 Diese Zweidimensionalität des Unterrichts lässt sich mit Bühlers „Zweifelderlehre” (1965) in Zusammenhang bringen: Kommunikation, die sich auf die gemeinsame Situation des Unterrichts bezieht, bewegt sich auf der Ebene des „Zeigfelds”; Kommunikation, die auf abstrakte, fachliche Konzepte bezieht, liegt auf der Ebene des „Symbolfelds”. Während der Sprachgebrauch auf der Ebene des „Zeigfelds” durch konzeptuelle Mündlichkeit gekennzeichnet ist, ist die Sprachverwendung im „Symbolfeld” konzeptuell schriftlich (vgl. Koch/ Oesterreicher 1994). 21 Die SchülerInnen sind in der Schule gefordert, beide Dimensionen zu erkennen und ihr Denken und sprachliches Handeln danach auszurichten. 2.3 Beispiel C: Ein Schülergespräch über Spinnen Das folgende Gespräch wurde von drei SchülerInnen der zweiten Schulstufe (John, Steve und Elise) in der Schulbibliothek beim Recherchieren von Büchern für den Biologieunterricht geführt (vgl. Dixon-Krauss 1996, 44), der ältere Bruder von Elise, Tim, gesellt sich nach einiger Zeit dazu und beteiligt sich am Gespräch: John: Here’s a good one! It’s called „Why Mosquitos Buzz in People’s Ears”. See this bump on my arm? I got a mosquito bite last night when I was out on the porch. Steven: But that one has a lion and a monkey too. Mrs. Welch said we should find books about insects. John: So, a mosquito is an insect, and I want to see why they buzz in your ears. Elise: I found „Charlotte’s Web”. It’s my favourite story. I saw it on TV last week. Tim: I thought you were looking for books with insects. Elise: I am. Charlotte is a spider, and spiders are bugs. Tim: Spiders aren’t insects. Spiders are arachnids. They have eight legs. Elise: How do you know? Tim: You learn those things when you get in fifth grade. It’s called science. Die SchülerInnen stützen sich in diesem Gespräch auf eigene Erfahrungen und persönliche Assoziationen, sie stellen jedoch auch Bezüge zu Kategorien her, die im jeweiligen fachwissenschaftlichen Kontext verankert sind 20 Z.B. im Pausengespräch etc. 21 Sag’s schön! - aus dieser Äußerung der Lehrerin wird deutlich, dass sie sich von ihren SchülerInnen auch im Mündlichen schriftsprachlich geprägte Äußerungen erwartet. 30 (mosquito is an insect, spiders are bugs); die Bezugsdisziplin wird schließlich von Tim auch explizit genannt (science). Die SchülerInnen beziehen sich hier also im Sinne von Vygotsky (1986) nicht nur auf alltägliche, spontane Konzepte, sondern auch auf wissenschaftliche Konzepte. Spontane Konzepte entwickeln sich nach Vygotsky (1986) auf der Grundlage persönlicher Begegnungen, Erfahrungen und Erlebnisse, die ein Kind in seinem Alltag macht. Sie bestimmen die alltägliche Domäne des Lernens (Macken Horarik 1996, 238), die in der Familie und der kulturellen Gemeinschaft verankert ist. Spontane Konzepte bilden die Basis der intuitiven Theorien eines Kindes über die Welt (Macken Horarik 1996). Wissenschaftliche Konzepte sind nach systematischen Kategorien und nach logischen Gesichtspunkten strukturiert; sie sind Teil eines gesellschaftlich organisierten Wissensbestandes. In der Schule bestimmen sie den Fachdiskurs und die Art der Auseinandersetzung mit den Themen und Gegenständen des Unterrichts. In dieser fachspezifischen Domäne des Lernens (Macken Horarik 1996) sind soziale Beziehungen durch mehr Distanz als in der alltäglichen Domäne gekennzeichnet. Neben der alltäglichen und der fachspezifischen Domäne des Lernens ist, so Macken Horarik (1996), die Domäne der Reflexion für den Wissenserwerb in der Schule von besonderer Bedeutung. Reflexionsfähigkeit ermöglicht es, das im Unterricht erworbene Wissen nicht nur wiederzugeben, sondern auch über die Beschaffenheit und die Struktur dieses Wissens nachzudenken, divergierende Sichtweisen zu erkennen und auf differenzierte Weise darzustellen. SchülerInnen, die über Reflexionsfähigkeit verfügen, können Informationen nicht nur reproduzieren, sondern auch einschätzen, bewerten und relativieren (vgl. Brockmeier 1998, 194). Im Laufe der literalen Entwicklung verlagert sich die Aufmerksamkeit eines Kindes nach Macken Horarik (1996) von der alltäglichen Domäne auf die fachspezifische Domäne und richtet sich schließlich auf die Domäne der Reflexion. 22 Diese Vorstellung entspricht der Sichtweise von Olson (1977), der in der literalen Entwicklung eines heranwachsenden Kindes einen Prozess des sukzessiven Erwerbs der höherstufigen Fähigkeiten des kritischen, problemlösenden und reflektierenden Denkens sieht. 22 Für die jeweiligen Domänen sind spezifische Register und Textsorten charakteristisch (vgl. Macken Horarik 1996, 242). So sind in der alltagsbezogenen Domäne vor allem Werbe- und Informationstexte sowie Ankündigungen, Hinweisschilder und Formulare vorherrschend, in der fachspezifischen Domäne sind es Berichte, Erklärungen, Beschreibungen und literarische Texte, in der Domäne der Reflexion dominieren Diskussionen und argumentative Texte (vgl. Macken Horarik 1996, 246). 31 2.4 Von der Alltagssprache zur Schulsprache Der schulische Sprach- und Denkstil zeichnet sich durch folgende Merkmale aus (nach Portmann-Tselikas 1998, 24 f.): • Themen- und Gegenstandsorientierung Die Wahl der Lerninhalte und -ziele erfolgt nicht nach Kriterien praktischer Brauchbarkeit, sondern nach übergeordneten curricularen Zielen. Man erarbeitet ein Thema systematisch, bespricht einen Gegenstand im Detail und bezieht sich dabei auf die für das jeweilige Fach charakteristischen Kategorien, Schemata und Konzepte. Man spricht nicht über das, was einem spontan in den Sinn kommt, sondern über etwas, das mit den eigenen Erfahrungen und Erlebnissen wenig zu tun hat. So setzt man sich etwa mit Einzellern und Bakterien auseinander, obwohl man sie im Alltag nicht sehen kann - und tut dies alles nicht, um für die Praxis zu lernen, sondern um Fachwissen zu erwerben. • Fachbezogene Lexik Die in der Schule verwendete Sprache ist durch eine fachbezogene Begrifflichkeit und durch ein dichtes Vorkommen an Abstrakta gekennzeichnet. Alltagssprachliche Begriffe kommen zwar vor, werden aber vielfach umgedeutet und mit fachspezifischen Bedeutungen versehen (z.B. „Kurve“, „Strecke“, „Entwicklung“ etc.). • Textgeprägte Sprache Die Auseinandersetzung mit den Themen und Gegenständen im Unterricht erfolgt sowohl schriftlich als auch mündlich im Medium einer textgeprägten Sprache. Diese ist durch durch komplexe Strukturen, eine Verdichtung von Informationen sowie durch ein hohes Abstraktionsniveau gekennzeichnet. Es treten gehäuft Passivkonstruktionen, Funktionsverbgefüge, Komposita und Nominalisierungen auf. Die aus dem Alltag gewohnten Sprach- und Denkweisen werden im Laufe der Schulzeit zunehmend durch den schulisch vorherrschenden Sprach- und Denkstil geprägt. Diese „Überformung” der alltagsbezogenen Sprache durch eine schriftsprachlich geprägte Sprache ermöglicht den SchülerInnen eine neue Art des Denkens und des Umgangs mit Sprache, die es ihnen erlaubt, über Dinge nachzudenken und zu sprechen, die sich ihrer unmittelbaren Wahrnehmung entziehen, z.B. über Vergangenes (z.B. im Geschichtsunterricht), über nicht Sichtbares (z.B. über Zellen und Atome im Biologieunterricht) oder über nicht Erfahrbares (z.B. über fremde Länder und Kulturen im Geografieunterricht) (vgl. Portmann-Tselikas 1998, 26). Die gewohnten und im Alltag vorherrschenden mündlich geprägten, dialogischen Sprechstile und Denkweisen werden schulisch überformt, ausgebaut und umgewandelt. Sie bilden den Ausgangspunkt für eine Entwicklung der Sprachkenntnisse, der sprachbezogenen Kompetenzen und der Sprachbewusstheit, die 32 es erlauben, ganz neue Bereiche zu erschließen - man denke an die Welt der Literatur, die Welt der Technik und der Wissenschaft, die Welt der politischen Information. Man kann sich diese Welten autonom, mit Hilfe von Büchern oder Zeitschriften zugänglich machen - vorausgesetzt, man beherrscht die Instrumente dazu: Sprach- und Textkompetenz, Lesefertigkeit, genügend Vorwissen. Nur dann hat man realistische Chancen in der Welt der Bildung und Weiterbildung. (Portmann-Tselikas 1998, 25 f.) Diese „Überformung” der Alltagssprache manifestiert sich im Unterricht in einer Verlagerung der vorherrschenden Sprachhandlungsformen vom Dialog zum Text: Während das sprachliche Handeln zu Beginn der Schulzeit primär durch eine situationsbezogene, konzeptuell mündliche Sprache gekennzeichnet ist, wird es im Laufe der Schulzeit zunehmend durch eine situationsunabhängige, textgeprägte Sprache dominiert. Dialog Gespräch Monolog Sachverhaltsdarstellung Text situationsgebunden situationsunabhängig Abb. 1 In Dialogen handeln die InteraktionspartnerInnen im Kontext einer konkreten Situation, ihre Äußerungen beziehen sich unmittelbar auf das „Hier und Jetzt”. In Gesprächen wird ein Thema teilweise unabhängig von der konkreten Situation erschlossen, die Aufmerksamkeit ist dennoch auf den Fortgang der Interaktion gerichtet (vgl. Portmann-Tselikas 1998, 29). Sind im Unterricht von der Situation unabhängige Erklärungen oder Begründungen gefordert, so können Gespräche in Monologe übergehen: Solche Beiträge sprengen den Horizont der gemeinsamen Situation und des unmittelbar mitgeteilten Vorwissens; sie nehmen den Charakter einer kürzeren oder längeren Ausführung, Beschreibung, Erläuterung, Erzählung an, mit der entsprechenden Anforderung an ein gewisses Maß an sprachlicher Explizitheit und textueller Organisation. (Portmann 1991, 247) Der sprachliche Duktus von Monologen ist prototypischerweise texthaft, auch wenn Monologe im Medium gesprochener Sprache verankert sind. Monologisches Sprechen ist in der Regel vorstrukturiert und konzeptuell schriftlich geplant. Dies gilt im Unterricht für den LehrerInnenvortrag ebenso wie für Referate. Werden Monologe im Unterricht unterbrochen; gehen sie meist in Gespräche oder Dialoge über. Sachverhaltsdarstellungen sind nach Kallmeyer/ Schütze (1977) thematisch-strukturell geprägt und in interaktiven Kontexten verankert. Sie führen über rein situationsbezogene Sprachhandlungen hinaus und beziehen Informationen ein, die nur jenseits der unmittelbaren Gesprächssituation 33 zu gewinnen sind (vgl. Kallmeyer/ Schütze 1977, 163, 170). 23 Die Sprache ist in Sachverhaltsdarstellungen weitgehend schriftsprachlich geprägt, sie unterscheidet sich von Texten jedoch durch eine geringere Explizitheit und Präzision, was vor allem auf ihren Entstehungszusammenhang im interaktiven Kontext zurückzuführen ist. Selbst da, wo im Unterricht gesprochen wird, erfolgt die Vermittlung und Aneignung von Wissen auf der Grundlage bzw. im Medium von Texten. 24 Texte sind mündlich oder schriftlich realisierte sprachliche Gebilde, die den Ausgangspunkt oder das Endergebnis diskursiver Prozesse der rezeptiven oder produktiven Sprachverarbeitung bilden (vgl. Zydatiß 2005, 159). Diese Prozesse sind durch vielschichtige Aktivitäten der kontextbezogenen Bedeutungs- und Sinnkonstitution gekennzeichnet, die sich im Rahmen bestimmter sozialer und kulturspezifischer Gebrauchsbedingungen entfalten. Die sprachliche Kommunikation mittels Texten ist durch eine maximale Kontextentbindung, eine Anhäufung von Propositionen, durch explizite, grammatisch wohlgeformte und syntaktisch komplexe Strukturen sowie ein differenziertes Inventar an Textverknüpfungsmitteln gekennzeichnet (vgl. Feilke 2007, 32). Texte repräsentieren Wissensstrukturen und sind ein ideales Medium für die Vermittlung und Archivierung von Wissen. 25 Die Tradierung von Wissen mittels Texten ist weder an Situationen noch an die Präsenz von Personen gebunden: Texte sind sprechsituationsüberdauernd, wiederholbar, beständig und autonom. Die situationsgebundene, an Mündlichkeit und Alltagssituationen orientierte Sprache wird im Laufe des Schulalters sukzessive in eine durch abstrakte Denkformen und konzeptuelle Schriftlichkeit geprägte Sprache umgebaut. Dabei wird ein sprachliches Handlungswissen eigener Art erworben (vgl. Feilke 1996, 1181), das nicht nur die schriftlichen, sondern auch die mündlichen Sprachgebrauchsweisen der SchülerInnen tiefgreifend verändert und prägt. Ihr mündliches Sprachvermögen wird dabei nicht einfach verdrängt, sondern den neuen Bedingungen der Schriftlichkeit angepasst (vgl. Feilke 2001, 112). Die Aneignung dieses Wissens wird durch individuelle Voraussetzungen sowie durch familiäre und schulische Rahmenbedingungen befördert, aber auch durch Faktoren, die mit der literalen Sozialisation in einer Gesellschaft eng in Zusammenhang stehen. 23 In Sachverhaltsdarstellungen müssen Informationen selektiert (Kondensierungszwang) und explizit mitgeteilt werden (Detaillierungszwang), der dargestellte Sachverhalt muss klar gegen andere Sachverhalte abgegrenzt und in sich geschlossen dargestellt werden (Gestaltschließungszwang) (vgl. Kallmeyer/ Schütze 1977, 162). 24 Zur Unterscheidung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit siehe terminologische Bestimmungen bei Klein (1985) bzw. die Begriffsdiskussion in den HSK-Bänden „Schrift und Schriftlichkeit” (hrsg. von Günther/ Ludwig 1996). Zur Unterscheidung zwischen gesprochener vs. geschriebener Sprache sowie zwischen kommunikativen Grundhaltungen im Mündlichen und im Schriftlichen s. Anhang (Tabelle 2, 3, 4). 25 Siehe Kap. 3.2. 34 3 Literalität und Gesellschaft 3.1 Sprache und Denken in oralen und literalen Kulturen Die literale Entwicklung eines heranwachsenden Kindes vollzieht sich im Rahmen eines gesellschaftlich bedingten Sozialisationsprozesses, in dem kulturell geprägte Muster der Wahrnehmung, des Denkens und des sprachlichen Handelns eine bedeutende Rolle spielen. Diese bestimmen nicht zuletzt auch die Art und Weise, wie Sprache in einer Gesellschaft als „kulturelles Werkzeug” verwendet wird. Das folgende Interview soll zeigen, wie sich das Denken und Sprechen über die Dinge in der Welt in oralen Gesellschaften von jenen in literalen Kulturen unterscheiden kann. Das Interview wurde von Luria (1976) in den 30er Jahren in Südrussland geführt, in einer Gegend, in der es damals weder Schrift noch Schulen gab: 26 The following syllogism is presented: In the Far North, where there is snow, all bears are white. Novaya Zemlya is in the Far North and there is always snow there. What colour are the bears there? „There are different sorts of bears.” (Failure to infer from syllogism) The syllogism is repeated. „I don’t know; I’ve seen a black bear, I’ve never seen any others ... Each locality has its own animals: if it’s white, they will be white; if it’s yellow, they will be yellow.” (Appeals only to personal, graphic experience) But what kind of bears are there in Novaya Zemlya? „We always speak only of what we see; we don’t talk about what we haven’t seen.” (The same) But what do my words imply? The syllogism is repeated. „Well, it’s like this: our tsar isn’t like yours, and yours isn’t like ours. Your words can be answered only by someone who was there, and if a person wasn’t there he can’t say anything on the basis of your words.” (Luria 1976, 108 f.) Für den Befragten bedeuten diese Fragen offenbar etwas anderes als für den, der sie stellt. Der Interviewer bezieht sich mit seiner Frage „[...] what do my words imply? ” auf die Äußerung, der Befragte hingegen auf das Objekt (den Referenten). Der Interviewer spricht also über Sprache (metasprachlich), der Interviewte hingegen über Bären (objektsprachlich). 26 Die von Luria in den 20er und 30er Jahren begründete „soziokulturelle Theorie” wurde erst in den 70er Jahren publiziert (vgl. Brockmeier 1998, 94). 35 Was Angehörige einer literalen Gesellschaft vermutlich sofort bemerken würden, das erkannte der Befragte hier nicht, dass er nämlich, allein aufgrund logischen Denkens, zu einem richtigen Schluss hätte kommen können, ganz unabhängig davon, ob er Novaja Semlija und die dort lebenden Eisbären kennt oder nicht. Dem Befragten war das alltagsabgewandte, abstrakte Denken, das „literaten Denkern” (Wells/ Chang/ Maher 1990) völlig geläufig ist, offenbar nicht vertraut - er war es nicht gewohnt, in solchen Fragen eine „Denkaufgabe” zu sehen (vgl. Portmann-Tselikas 1998, 26). Luria hat auch in Kasachstan und Usbekistan Feldforschungen durchgeführt, in denen er nicht alphabetisierte Erwachsene interviewt hat. So hat er beispielsweise in einer Befragung vier Objekte genannt - eine Säge, ein Beil, einen Hammer und ein Stück Holz - und die ProbandInnen gefragt, welcher Gegenstand ihrer Meinung nach nicht dazu passen würde. Die meisten Befragten sahen nicht im Stück Holz das „unpassende” Objekt, da es sich ihrer Ansicht nach gut dafür anbot, es mithilfe der genannten Werkzeuge zu bearbeiten (vgl. Luria 1976, 55 ff.). Stellt man Angehörigen literaler Kulturen diese Frage, so wird meist im Holz das unpassende Objekt gesehen, mitunter auch im Hammer. Diesen Zuordnungen liegt eine Systematisierung anhand abstrakter Kategorien zugrunde, die am Ordnungsprinzip „Werkzeuge” bzw. an der Wortlänge der einzelnen Wörter orientiert ist. Denkaufgaben dieser Art werden von Angehörigen literaler Kulturen somit meist durch Rückgriff auf logisch-kausale Denkmuster und abstrakte Kategorien gelöst. Sprache wird dabei nicht nur als ein Mittel der Kommunikation, sondern auch als Objekt und Werkzeug der Erkenntnisgewinnung betrachtet. In oralen Gesellschaften spielen konkret erlebbare, praktische Kontexte des Alltags hingegen eine zentrale Rolle und die Aufmerksamkeit der Sprechenden liegt stärker auf den verwendeten Worten als auf den damit bezeichneten Objekten (vgl. Olson/ Astington 1990, 710). Members of traditional societies are quite capable of drawing inferences from premises which they regard as realistic and empirical but not from ones which they regard as purely theoretical and with which they have no acquaintance. (Olson/ Astington 1990, 709) In oralen Gesellschaften werden zahlreiche Funktionen des Kommunikationsmediums Schrift durch Mittel der gesprochenen Sprache ersetzt; so gibt es etwa eine Reihe verschiedener Diskursgenres und funktional spezialisierter Textsorten, die in literalen Gesellschaften nicht vorkommen (vgl. Brockmeier 1998, 192). Literale Diskursformen sind in Schriftkulturen aber dennoch bei weitem differenzierter und werden nicht nur häufiger, sondern auch intensiver genutzt (vgl. Brockmeier 1998, 286 f.). Es existiert ein breites Repertoire an sprachlichen Formen und Strukturen, das nur unter 36 den Bedingungen von Schriftsprachlichkeit entwickelt werden kann und auch nur in literalen Kontexten verständlich ist (vgl. Feilke 2001, 112). 3.2 Archivierung, Tradierung und Konstitution von Wissen In literalen Gesellschaften erfolgt die Archivierung und Tradierung von Wissen hauptsächlich im Medium der Schrift und in Texten. Texte sind eine unaufwändige Form der Speicherung von großen und komplexen Wissensbeständen. Sie erlauben es, ein umfangreiches „kulturelles Gedächtnis” zu etablieren. Die Verschriftlichung von Wissen im Medium von Texten dient jedoch nicht nur der Archivierung und Tradierung von Wissen, sondern ist auch ein Mittel der Konstitution und der Evolution von Wissen (vgl. Antos 1997). Sie ist eine [...] Bedingung für die Möglichkeit, Wissen explizit zu machen, es zu segmentieren, zu differenzieren und zu detaillieren, es auffindbar zu gestalten [...], es in neue Zusammenhänge zu stellen, es zu überprüfen, zu bewerten, zu korrigieren, neu zu strukturieren, neue Schlüsse aus bekanntem Wissen zu ziehen und im Hinblick auf jeweils neue situative und soziale Verhältnisse sprachlich neu zu präsentieren. (Antos 1997, 52) Texte ermöglichen somit auch eine Transformation und Weiterentwicklung von Wissen sowie eine Orientierung in komplexen Wissensgebieten: The advent of literacy many centuries ago began to change the very nature of the human societies that used it, opening new ways of constructing and ordering information, and making possible the development of new discoveries of many kinds. Literacy both changes the nature of human societies and is changed by them. As we fast approach the twenty-first century, it is already clear that literacy is again rapidly changing, bringing about other changes in the ways we construct and order information. In the process literacy change will no doubt open the way to many as yet unimagined means of constructing and communicating information. (Christie/ Misson 1998, 4) Auch in oralen Kulturen existieren differenzierte Verfahren der Speicherung, Weitergabe und Konstituierung von Wissen. 27 Der damit verbundene Aufwand ist jedoch meist erheblich und wird in der Regel nur dann unternommen, wenn es sich um elementare Bedürfnisse oder um gesellschaftlich bedeutsame Ereignisse handelt. 27 Hinweise auf differenzierte Texttraditionen in oralen Gesellschaften geben z.B. Ehlich (1989) und Ong (1982). So weist etwa Ong darauf hin, dass Redeweisen, Sprichwörter und formelhafte Kommentare auch in oralen Gesellschaften von großer Bedeutung sind, da sie als Minimaltexte die alltägliche Kommunikation anleiten und absichern (vgl. Portmann 1991, 245). 37 Es gibt aber auch Gesellschaften, die zwar über Schrift verfügen, aber davon nur eingeschränkt Gebrauch machen. So setzen etwa die afrikanischen Vai oder die kanadischen Cree Schrift nur für persönliche Aufzeichnungen und Briefe ein; die Tradierung gesellschaftlichen Wissens erfolgt ausschließlich mündlich (vgl. Brockmeier 1998, 206). Schrift ist somit nur eine Option, um gesellschaftliches Wissen niederzulegen, zu tradieren und zu erweitern. Die spezifischen Möglichkeiten der Archivierung, Verbreitung und Konstituierung von Wissen im Medium von Texten werden in einer Gesellschaft nur dann genutzt, wenn ein soziales Bedürfnis danach besteht. Dieses Bedürfnis zeigt sich vor allem im Interesse an Institutionen, die darauf spezialisiert sind, Wissen anhand von Texten zu gewinnen und zu vermitteln. Eine der wichtigsten Institutionen, die dies leistet, ist die Schule: „Die Schule entsteht als Institution mit der Umstellung des Lernens von einem ‚learning by doing’ zu einem Lernen aus Texten.” (Feilke 2007, 20). Der Schule kommt damit eine Schlüsselposition in der Vermittlung und Aneignung von Wissen in einer literalen Gesellschaft zu. 3.3 Literalität und soziokulturelle Kontexte 3.3.1 Die soziokulturelle Wende in der „Literacy”-Diskussion Literalität wird seit Beginn der 80er Jahre in der Literacy-Forschung nicht mehr bloß als ein individuelles, sondern vielmehr als ein gesellschaftliches und kulturelles Phänomen betrachtet. Ausgangspunkt dieses Paradigmenwechsels war die Erkenntnis, dass sich die literale Entwicklung eines heranwachsenden Kindes immer im Rahmen eines gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Wirkungszusammenhanges vollzieht. Dies hat zu einer Relativierung der bis dahin verbreiteten Auffassung von Literatheit als einem Kennzeichen westlicher, schriftkundiger Menschen, die sich von Angehörigen mündlicher, „primitiver” Gesellschaften durch größere intellektuelle Fähigkeiten unterscheiden, geführt (vgl. Goody/ Watt 1962). 28 In der Folge sind zahlreiche interdisziplinäre Forschungsarbeiten entstanden („New Literacy Studies”), deren gemeinsamer Bezugspunkt in der Auffassung besteht, dass sich literale Fähigkeiten immer in Abhängigkeit von soziokulturellen Kontexten entwickeln, die mit der sozialen Identität eines Individuums in einem engen Zusammenhang stehen: 29 28 Stellvertretend sei hier Hallpike (1990) genannt, der „primitiven Gesellschaften” lediglich Fähigkeiten des so genannten „präoperativen Denkens” zuschreibt. 29 Damit wurde die lange Zeit vorherrschende Gegenüberstellung von alphabetisierten/ literaten/ entwickelten und nichtalphabetisierten/ illiteraten/ unterentwickelten bzw. „primitiven” Gesellschaften aufgehoben. Diese Unterscheidung lag vielen psy- 38 Literacies are multiple not only in terms of their historical, cultural, and linguistic diversity, but also in terms of the demands made by the various media, symbol systems, standards, and effects involved in multimodal textual communication (Kress 2000). This multiplicity of literacies means that competence cannot be absolute but only relative to specific contexts, communities, and practices. Because literacies are social practices, they are crucially linked to social identities. As Gee (1996) discussed, when people learn new practices they learn new values, new norms, and new ways of seeing the world (and themselves in relation to it). (Kern/ Schultz 2005, 383). Das ursprüngliche Begriffsverständnis von literate als Bezeichnung für eine Person, die lese- und schreibkundig ist, wurde damit neu definiert: Literat sein bedeutet, in der Lage zu sein, eine schriftsprachlich geprägte Sprache im jeweiligen gesellschaftlichen und sozialen Kontext zu verstehen und zu verwenden, d.h. mit unterschiedlichen Optionen der geschriebenen und gesprochenen Sprache in einer Schriftkultur kompetent umgehen und über sie als „kulturelle Werkzeuge” verfügen zu können (vgl. Brockmeier 1998, 201). Dies setzt nicht nur sprachliche und kognitive, sondern auch kommunikative und soziale Kompetenzen voraus, die mehr umfassen als bloß Schriftkundigkeit - sie erfordern die Kenntnis kulturspezifischer und sozialer Gebrauchszusammenhänge von Sprache (Kern 2000, 4). Literale Fähigkeiten zu entwickeln bedeutet demnach nicht nur Lesen und Schreiben zu lernen, sondern auch die Fähigkeit auszubilden, sich am literalen Diskurs einer Gesellschaft zu beteiligen. 30 Seit Beginn der 90er Jahre entstand eine Reihe von Forschungsarbeiten, in denen soziologische und kulturwissenschaftliche mit linguistischen Fragen verknüpft wurden (z.B. Street 1995, 1997; Baynham 1995; Barton 1994). Die Arbeiten zum Zweitspracherwerb, die in diesem Kontext entstanden, orientierten sich überwiegend an der von Vygotsky (1978) und Bruner (1977) postulierten „social interaction theory”, die davon ausgeht, dass sich die kommunikativen Kompetenzen eines Kindes in Übereinstimmung mit sozial vorgegebenen und akzeptierten Normen und Werten einer Gesellschaft entwickeln (vgl. Minami/ Ovando 2001, 430). Auch die literalen Praktiken in der Schule wurden mit den soziokulturellen Normen der Gesellschaft und mit der Vergabe von Ressourcen und Bildungschancen in einen engen Zusammenhang gebracht (vgl. Street 1995, 110): chologischen und anthropologischen Ansätzen bis dahin zugrunde (vgl. Olson/ Astington 1990, 709). 30 Der Begriff „literacy” wird im angloamerikanischen Raum generell für Schriftkundigkeit verwendet (vgl. Thonhauser 2007); es wird darunter auch „Know-how” in ganz spezifischen Bereichen verstanden (z.B. „financial literacy”, „IT-literacy”). In Bezug auf den schulischen Kontext wird der Begriff „school literacy” (Macken Horarik 1998) häufig verwendet. Der Begriff literacy ist konzeptuell zum einen umfassender, zum anderen aber auch spezialisierter als der Begriff „Textkompetenz” gefasst. 39 Societies differ in the way they distribute their communicative resources, while at the same time social classes and individuals within these classes differ in the extent to which they have access to these resources. As such, schooling rather than literacy can be regarded as the most important resource for social organization and economic advancement. (Verhoeven 1994a, 13) In diesen Arbeiten wird vielfach die Auffassung vertreten, dass die schulisch etablierten Formen des Umgangs mit Schriftsprache in den westlichen Gesellschaften jene von Mittelschichtfamilien widerspiegeln, d.h. dass die literalen Praktiken 31 in der Mittelschichtfamilie als Modell und Norm für die in der Schule vorherrschenden literalen Praktiken fungieren (vgl. Street 1995, 104; vgl. Irvine/ Larson 2001, 52). Ehlich/ Rehbein (1986, 172) bezeichnen die Schule daher als eine „Mittelschichtinstitution”, die das zu vermittelnde Wissen den sozialen Normen der Mittelschicht entsprechend auswählt und reproduziert. 32 Zweitsprachenlernende sind in der Schule vielfach nicht nur mit einer neuen Sprache, sondern auch mit literalen Praktiken konfrontiert, die ihnen aufgrund ihrer kulturellen Prägung fremd sind. [...] children who receive literacy instruction in a second language are faced with a dual task: as well as the characteristics of written language, they will have to learn an unfamiliar language, referring partly to an unfamiliar cultural background. (Verhoeven 1997, 220) Um die schulischen Anforderungen bewältigen zu können, müssen Zweitsprachenlernende daher nicht nur über sprachliche Kompetenzen, sondern auch über ein Wissen um die spezifischen Gebrauchszusammenhänge von schriftsprachlicher Kommunikation im jeweiligen soziokulturellen Kontext verfügen und jene literalen Praktiken beherrschen lernen, die das Fundament für einen erfolgreichen Wissenserwerb in der Schule darstellen. 3.3.2 Soziale Herkunft, Literalität und Schulerfolg In den letzten Jahren wurden zahlreiche Studien durchgeführt, in denen der Einfluss von sozialen, sozioökonomischen und soziokulturellen Faktoren auf die literale Entwicklung und den Schulerfolg von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund untersucht wurde (Minami/ Ovando 2001, 427; Peltzer-Karpf et al. 2003; Akku / Brizi / de Cillia 2005; Brizi 2003, 2006a; Bacher 2006; Wrobleski 2006). In diesen Arbeiten wird davon ausgegangen, dass ein enger Zusammenhang zwischen den schuli- 31 Der Begriff „literale Praktiken” wird seit Beginn der 80er Jahre in Arbeiten verwendet, die soziologische, anthropologische und linguistische Ansätze verknüpfen (vgl. Thonhauser 2002, 47). Gemeint sind damit Praktiken im Umgang mit Texten. 32 In einer Untersuchung von Williams (1998) konnten auch starke Ähnlichkeiten zwischen den literalen Praktiken in Mittelschichtfamilien und jenen in Kindergärten festgestellt werden. 40 schen Leistungen und der sozialen Herkunft bzw. dem sozioökonomischen Status besteht und dass SchülerInnen mit Migrationshintergrund von den negativen Auswirkungen dieser Korrelation überproportional stark betroffen sind. Ein enger Zusammenhang zwischen den literalen Fähigkeiten und dem sozioökonomischen Status der Familie kann schon bei Kindern im Vorschulalter festgestellt werden; so konnte etwa Verhoeven (1997) große Unterschiede zwischen Kindern der Mittel- und Unterschicht feststellen, erstere waren vor allem im Bereich ihrer metalinguistischen Fähigkeiten signifikant besser als letztere. Lesemann (1997) hat das literale Umfeld von Erwachsenen in ihrer Kindheit untersucht und konnte einen Zusammenhang zwischen der sozioökonomischen Situation in der Familie und der Textkompetenz im Erwachsenenalter nur bei ProbandInnen mit einer sehr geringen oder einer sehr hohen Textkompetenz feststellen: Erstere stammten überwiegend aus sozial niedrigeren Schichten, letztere v.a. aus sozial höheren Schichten. Rüesch (1998) hat den Einfluss sozioökonomischer Faktoren auf den Lernerfolg von Zweitsprachenlernenden einer dritten Schulstufe untersucht und kam zum Ergebnis, dass sie in ihren Leseleistungen auch dann hinter einheimischen Kindern zurücklagen, wenn sie unter ähnlichen sozioökonomischen Bedingungen aufgewachsen sind. Gibbons et al. (1999) zufolge können auch Zweitsprachenlernende aus sozial benachteiligten Familien schulisch erfolgreich sein. Dies ist auch das Ergebnis einer Studie von Peltzer-Karpf et al. (2003), derzufolge auch Migrantenkinder aus benachteiligten sozioökonomischen Verhältnissen dazu in der Lage sind, anspruchsvolle Texte zu verstehen und kohärente Texte mit komplexen Satzstrukturen zu produzieren (vgl. Peltzer-Karpf et al. 2003, 282 ff.). Brizi kommt in einer soziolinguistischen Langzeituntersuchung (2003) zum Ergebnis, dass der sozioökonomische Hintergrund für den Lernerfolg in der Zweitsprache hoch signifikant ist. Faktoren, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, sind der Beruf und der Bildungshintergrund der Eltern, 33 das Einkommen, die soziale Positionierung und die Wohnverhältnisse (vgl. Brizi 2003, 37; Weiss 2006, 30). Auch das Sprachprestige der Herkunftssprache und der Umstand, ob diese Sprache eine Minderheiten- oder eine Mehrheitssprache im Heimatland ist, hat einen großen Einfluss auf die Bewertung der eigenen Sprache und in weiterer Folge auf das 33 Das Bildungscurriculum der Eltern wirkt sich vor allem auf die Entwicklung der Erstsprache der Kinder aus, die einen wichtigen Faktor für den Schulerfolg darstellt (s. Kap. 4). Aber auch in Bezug auf die Deutschkenntnisse konnte ein Zusammenhang zum Bildungsniveau der Eltern festgestellt werden: Kinder, deren Eltern nur die Pflichtschule besucht hatten, waren in der Schule signifikant schlechter als Kinder, deren Eltern einen Gymnasialbzw. Studienabschluss hatten (vgl. Brizi 2003). 41 Selbstvertrauen und die Motivation, eine Zweitsprache zu lernen (vgl. Brizi 2006a). Nach Brizi wird der Bildungsweg der Kinder in der Migration durch die sozioökonomische Positionierung der Familie stärker bestimmt als durch ihre individuell vorhandenen Potentiale. Auch jüngere Analysen auf der Basis von ECHP- 34 und PISA-Daten haben ergeben, dass die soziale Herkunft und der sozioökonomische Status eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Bildungsungleichheiten spielen (vgl. Bacher 2006, 13); dies bestätigen auch aktuelle Ergebnisse der PISA-Studie 2009 (Schwantner et al. 2010). Es ist daher insgesamt von einem starken Zusammenhang zwischen dem schulischen Erfolg und der sozialen bzw. sozioökonomischen Positionierung der SchülerInnen mit Migrationshintergrund auszugehen, aber auch davon, dass Chancen auf Bildungserfolg bei ausreichender Förderung trotz sozialer Benachteiligung gegeben sind - diesen Handlungsspielraum gilt es in der Schule auszuloten und entsprechend zu nutzen. 34 In der ECHP-Studie (European Community Household Panel) wurde die Bildungsbeteiligung von 16bis 19-Jährigen im Zeitraum von 1996 bis 1999 untersucht. In die Analyse einbezogen wurden ca. 1400 ProbantInnen (vgl. Bacher 2006, 10 f.). 42 4 Die Rolle der Erstsprache für den Schulerfolg in der Zweitsprache 4.1 Die Erstsprache als Basis der Zweitsprache Die meisten der derzeit gängigen Förderprogramme für SchülerInnen mit Migrationshintergrund sehen eine allgemeine Sprachförderung in der Zweitsprache vor, die außerhalb des regulären Unterrichts stattfindet. Diese Form der Sprachförderung hat sich an vielen Orten ebenso wenig bewährt wie ein Unterricht in sprachlich homogenen Gruppen, in denen Zweitsprachenlernende mit derselben Herkunftssprache zusammengeführt werden. Der Übertritt in die Regelklassen verläuft für Lernende, die diese Form der Sprachförderung durchlaufen, meist sowohl sprachlich als auch sozial und in Bezug auf den Lernerfolg problematisch (vgl. Reich/ Roth 2001, 25). Auch der seit Beginn der 90er Jahre europaweit eingeführte „Muttersprachliche Unterricht” 35 (Herkunftssprachenunterricht) hat die Erwartungen vielfach nicht erfüllt. Empirische Untersuchungen zur Effizienz dieses Unterrichts haben gezeigt, dass diese Unterrichtsform zwar Fortschritte in der allgemeinen Sprachkompetenz in der Erstsprache, aber meist keine Steigerung der schulischen Leistungen in der Zweitsprache bewirkt (vgl. de Bot/ Driessen/ Jungbluth 1989, 1991). 36 Dies dürfte insbesondere daran liegen, dass: • eine Didaktik des Herkunftssprachenunterrichts bisher nur in Ansätzen entwickelt ist (vgl. Belke 2001; Siebert-Ott 2001); • der Herkunftssprachenunterricht in der Regel nicht mit dem Unterricht in der Zweitsprache koordiniert ist; • der Herkunftssprachenunterricht primär in Form einer allgemeinen Sprachförderung erfolgt und nicht gezielt auf eine Förderung der Textkompetenz abhebt. Eine Förderung der Erstsprache ist von großer Bedeutung, denn: 35 Die Bezeichnung „Muttersprache” ist nicht immer zutreffend, vor allem dann nicht, wenn es sich um Lernende der zweiten oder der dritten Einwanderergeneration handelt, die bereits im Zielsprachenland geboren sind. In dieser Arbeit wird diese Bezeichnung dennoch als Synonym für den Begriff „Erstsprache” verwendet. 36 Es gibt derzeit noch keine systematische Evaluierung der verschiedenen Förderansätze - dies gilt für den Muttersprachenunterricht ebenso wie für den Förderunterricht in der Zweitsprache (vgl. Wroblewski 2006, 48). 43 • eine kontinuierliche Entwicklung der Erstsprache lässt positive sprachliche und kognitive Effekte erwarten; eine unterbrochene Entwicklung der Erstsprache hingegen beeinträchtigt die allgemeine kognitive und sprachliche Dynamik (vgl. Peltzer-Karpf et al. 2003); sie kann dazu führen, dass Zweitsprachenlernende beide Sprachen nur mangelhaft beherrschen und halbsprachig werden (Semilingualismus) 37 bzw. die Zweitsprache nicht mehr weiter ausbauen und auf ihrem erreichten Sprachstand verharren (Fossilisierung) (vgl. Durguno lu/ Verhoeven 1998b, xiii). • Eine solide erstsprachliche Entwicklung stärkt das Selbstvertrauen der Lernenden, eine neue Sprache zu lernen; dieses wirkt sich positiv auf die Einstellung gegenüber der Zweitsprache und weiters auch auf den Zweitspracherwerb aus (vgl. Schiesser/ Theurl 2001; vgl. Brizi 2006a, 67). Erfolgreiche Zweitsprachenlernende sind in der Regel hoch motiviert, ihre Erstsprache zu verwenden und weiter zu entwickeln (vgl. Brizi 2006a, 54). 38 • Migrantenkinder, die in ihrer Erstsprache alphabetisiert wurden, erwerben in der Zweitsprache einen größeren und differenzierteren Wortschatz und schreiben variationsreichere Texte (vgl. Brizi 2003, 31). • Kognitive Operationen, die in der Schule gefordert sind (z.B. das Rechnen), werden von den Zweitsprachenlernenden vielfach in ihrer Erstsprache durchgeführt, wenn sie diese bereits in der Schule in ihrem Herkunftsland kennen gelernt haben (vgl. Oomen-Welke 2006). 39 Eine Berücksichtigung der Erstsprache im Unterricht könnte dazu beitragen, dieses erstsprachlich aufgebaute Wissen stärker zu nutzen. • Eine stabile Erstsprache, in der auch schriftsprachliche Kompetenzen aufgebaut wurden, stellt ein wichtiges Fundament für das Lernen in der 37 Der Begriff „Semilingualismus” oder „Halbsprachigkeit” wurde von Hansegård (1968) in die Diskussion eingebracht, er wurde im englischsprachigen Raum als „semi-lingualism” und später auch als „doppelte Halbsprachigkeit” zum Teil sehr kontrovers diskutiert (vgl. Ott 2003, 197). Semilingualismus bedeutet, dass die sprachliche Entwicklung in beiden Sprachen nicht altersgemäß verläuft und weder die Erstnoch die Zweitsprache vollständig erworben werden kann. 38 Brizi (2006a, 54) konnte zeigen, dass nicht die schwachen, sondern vielmehr die erfolgreichen Deutschlernenden am höchsten motiviert waren, ihre Muttersprache gut zu beherrschen, während die schwachen Deutschlernenden diejenigen mit der höchsten Motivation für das Deutschlernen waren. 39 Aus einer von Oomen-Welke (1999) durchgeführten Kurzbefragung von 170 zweisprachigen Elternpaaren geht etwa hervor, dass durchschnittlich 72 % der Befragten in ihrer Erstsprache rechnen (bei 0-5 Jahren Aufenthalt: 87,5 %, bei 6-10 Jahren Aufenthalt: 86,7 %, bei 11-15 Jahren Aufenthalt: 61,5 %, bei über 15 Jahren Aufenthalt: 64 %). Nach Gogolin et al. (2004, 151) kommen Lernende, die bereits über längere schulbezogene Erfahrungen in ihrer Erstsprache verfügen, mit mathematischen Textaufgaben besser zurecht als Lernende, die in der Zweitsprache eingeschult wurden. 44 Zweitsprache dar (vgl. Baur/ Meder 1992). Sie ist die Voraussetzung dafür, dass die in der Schule geforderte Textkompetenz von der Erstin die Zweitsprache transferiert werden kann. Nach Brizi (2006b) ist das sprachliche Kapital der Eltern für den Zweitsprachenerwerb und den schulischen Erfolg von Migrantenkindern höchst relevant. Damit ist jene Sprachkompetenz gemeint, die die Eltern selbst im Laufe ihrer eigenen sprachlichen Sozialisation erworben haben und die in besonderem Maße gesellschaftlich geprägt sind. Eltern geben ihre eigene Muttersprache speziell dann an ihre Kinder weiter, wenn sie in ihrem eigenen Spracherwerb günstige gesellschaftlichpolitische Bedingungen genossen haben. Eltern aber, die selbst unter großen Benachteiligungen zu leiden hatten, neigen stark dazu, die Muttersprache aufzugeben, um ihren Kindern diese Benachteiligungen zu ersparen. (Brizi 2006b, 35) Der Erstspracherwerb der Eltern ist auf diese Weise mit dem Zweitspracherwerb der Kinder und deren Schulerfolg über die „Klammer” der gesellschaftlichpolitischen Bedingungen eng verbunden. Kinder, denen eine Mehrheitssprache weitergeben wurde, die die Eltern selbst auf bildungssprachlichem Niveau beherrschen, schneiden nicht nur in ihrer Muttersprache, sondern auch in der Zweitsprache besser ab als Kinder, denen eine Minderheitensprache weitergegeben wurde, die die Eltern selbst nur auf alltagssprachlichem Niveau beherrschen (vgl. Brizi 2006a, 61). 40 Knapp (1997) konnte in seiner Analyse von Erzähltexten zeigen, dass narrative Fähigkeiten bei Migrantenkindern, die erst im Zielsprachenland eingeschult werden, schlechter entwickelt sind als bei jenen, die einen Teil ihrer Schulzeit im Herkunftsland verbracht haben, obwohl erstere im Bereich ihrer grammatikalischen und lexikalischen Fähigkeiten bereits ein höheres Niveau erreicht hatten als die später eingewanderten SchülerInnen (vgl. Knapp 1997, 159). Die im Zielsprachenland geborenen Lernenden verfügten über eine geringere Erzählkompetenz und ihre Texte waren weniger differenziert und kohärent. Jene SchülerInnen, die ihre literalen Fähigkeiten schulisch in der Erstsprache entwickeln konnten, hatten somit einen Vorteil gegenüber jenen, die diese Fähigkeiten in der Zweitsprache entwickeln mussten (vgl. Knapp 1997, 206). Am besten schnitten diejenigen SchülerInnen ab, die in ihrem Herkunftsland bereits vier Jahre lang die Schule besucht hatten - sie waren anderen, die nur zwei Jahre in ihrem 40 Eltern aus der Türkei, deren Erstsprache als Minderheitensprache vom Sprachverlust bedroht ist, verwenden vielfach Türkisch als Familiensprache, eine Sprache, die sie selbst meist nur eingeschränkt beherrschen. Sie sind daher oft nicht in der Lage, z.B. Märchen und Erzählungen an ihre Kinder weiterzugeben, da sie das Türkische nicht ausreichend beherrschen (vgl. Brizi 2006b, 35). Die Kinder erhalten auf diese Weise nicht jenen funktional differenzierten Input, den sie brauchen würden, um die nötigen literalen Fähigkeiten in ihrer Erstsprache zu entwickeln, die sie für einen erfolgreichen Wissenserwerb in der Schule benötigen würden (vgl. Brizi 2006a, 61). 45 Herkunftsland in der Schule verbracht hatten und jenen, die erst im Zielsprachenland eingeschult wurden, deutlich überlegen. Genesee (1983) ist bereits Anfang der 80er Jahre zu ähnlichen Resultaten gelangt: SchülerInnen erreichten nach nur einem Jahr Immersionsunterricht in der 7. Schulstufe bessere Leistungen als Lernende nach drei Jahren Immersionsunterricht, beginnend mit der ersten Schulstufe. Die später eingeschulten SchülerInnen erbrachten vor allem dann bessere Leistungen, wenn von ihnen schriftsprachliche Kompetenzen gefordert waren. Verhoeven/ Aarts (1998) konnten ebenso zeigen, dass später eingewanderte SchülerInnen bessere schulische Leistungen erbrachten als SchülerInnen, die ihre gesamte Schulzeit im Zielsprachenland verbracht haben. Auch Brizi (2003, 34) zufolge ist ein mehrjähriger Schulunterricht in der Erstsprache eine gute Voraussetzung dafür, dass die in der Schule geforderten Leistungen in der Zweitsprache erbracht werden können. Eine Förderung der allgemeinen Sprachkompetenz in der Erst- oder der Zweitsprache, wie sie derzeit in der Schule meist durchgeführt wird, greift daher als Maßnahme zur Verbesserung der schulischen Leistungen von SchülerInnen mit Migrationshintergrund vielfach zu kurz: Gefordert ist eine gezielte Förderung der Textkompetenz in der Erst- und in der Zweitsprache. Ausgehend davon, dass die in der Erstsprache entwickelte Textkompetenz auch für den Wissenserwerb in der Zweitsprache genutzt werden kann, stellt sich die Frage, wie ein Transfer von der Erstin die Zweitsprache ablaufen könnte. Zunächst werden jene Hypothesen erläutert und diskutiert, die den fachlichen Diskurs in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren bestimmt haben. 4.2 Interaktive und kognitiv-akademische Sprachkompetenz Ein wichtiger Anstoß für die Diskussion über den Einfluss der Erstsprache auf die schulischen Leistungen in der Zweitsprache kam von Cummins (1979, 1991). 41 Im Zentrum seines Interesses stand die Frage, wie die häufig auftretenden schulischen Probleme von Zweitsprachenlernenden erklärt werden können. Ausgehend von der Annahme, dass ein starker Zusammenhang zwischen der Erst- und der Zweitsprache besteht, 42 hat sich 41 Die Hypothesen von Cummins wurden im bildungspolitischen Bereich breit rezipiert und führten dazu, dass in vielen Ländern ein herkunftssprachlicher Unterricht eingeführt wurde. 42 In den meisten Untersuchungen, die sich auf die Cummins’schen Hypothesen beziehen, wird nach dem Verhältnis der Kompetenzen in den beiden Sprachen gefragt. Das Spektrum dieser Untersuchungen reicht von einfachen Fehlerzählungen über Wortschatzerhebungen bis hin zu Analysen von Sprech- und Schreibproduktionen 46 Cummins zunächst auf die Forschungsarbeiten von Skutnabb-Kanngas/ Toukomaa (1976) gestützt, 43 denen zufolge Zweitsprachenlernende meist genügend Input aus ihrer zielsprachlichen Umgebung erhalten, um relativ rasch ein gutes Niveau der mündlichen Sprachkompetenz in der Zweitsprache zu erreichen, jedoch aufgrund mangelnder schriftsprachlicher Fähigkeiten oft nicht in der Lage sind, die schulischen Anforderungen zu meistern. Knapp (1997) spricht in diesem Zusammenhang von „verdeckten Sprachschwierigkeiten”, die von den Lehrenden oft nicht erkannt werden. Die gut entwickelten alltagsbezogenen, mündlichen Interaktionsfähigkeiten täuschen darüber hinweg, dass Zweitsprachenlernende mit den schriftsprachlichen Anforderungen nicht zurande kommen. Es wird von den Lehrenden daher vielfach angenommen, dass die Zweitsprachenlernenden dem Unterricht bereits mühelos folgen können und in der Lage sind, die geforderten schulischen Leistungen zu erbringen. Diese Kluft zwischen den alltagsbezogenen mündlichen Sprachfähigkeiten und den schulisch geforderten schriftsprachlichen Kompetenzen wurde von Cummins (1996) auch in einer Langzeituntersuchung nachgewiesen, derzufolge Zweitsprachenlernende schon nach ungefähr zwei Jahren ungesteuerten Spracherwerbs in der Lage sind, sich im Alltag gut zu verständigen, jedoch durchschnittlich fünf bis sieben Jahre brauchen, um schulisch einigermaßen mithalten zu können. Daraus ergibt sich eine Spanne von mehreren Jahren, in der die SchülerInnen in ihren Möglichkeiten, die Lernanforderungen im Unterricht zu bewältigen, unter Umständen falsch eingeschätzt werden können. Cummins unterscheidet daher zwischen den alltagsbezogenen Interaktionsfähigkeiten (basic interpersonal communication skills = BICS) und der kognitiv-akademischen Sprachfähigkeit (cognitive-academic language proficiency = CALP) (vgl. Cummins 1979). 44 Alltagsbezogene Interaktionsfähigkeiten kommen nach Cummins vor allem in situativ eingebetteten, mündlichen Situationen zum Tragen (vgl. Cummins 1979). Es handelt sich dabei prototypischerweise um Gespräche, in denen sich die Interaktionspartim Hinblick auf grammatische, lexikalische und pragmatische Aspekte (vgl. Reich/ Roth 2001, 15). Die Ergebnisse dieser Untersuchungen können mehrheitlich als Bestätigung der Hypothesen von Cummins interpretiert werden (vgl. Preibusch/ Kröner 1987; Reich 2000). 43 Untersucht wurden SchülerInnen mit Finnisch als Erstsprache und Schwedisch als Zweitsprache. 44 Diese Unterscheidung wurde vielfach kritisiert; so findet etwa Wode (1995, 143), dass die von Cummins postulierte Trennung zwischen den beiden Kompetenzbereichen zu scharf und psycholinguistisch nicht haltbar sei. Zydatiß (2000, 96) plädiert dafür, die Kompetenzbereiche auf einer Skala anzusiedeln, die dynamische Wechselbeziehungen erlaubt. Cummins selbst nimmt von der ursprünglich strikten Trennung der Kompetenzbereiche (Cummins 1979) in späteren Arbeiten Abstand (Cummins 1991). 47 nerInnen in einem ihnen bekannten Kontext bewegen. Die Bedeutung des Gesagten ist aus der Situation, aus nonverbalen und paraverbalen Signalen sowie mithilfe des Vorwissens der am Gespräch Beteiligten erschließbar. 45 Das Lernen in der Zweitsprache erfordert nach Cummins kognitiv-akademische Sprachkompetenz (vgl. Cummins 1979); er betrachtet diese als eine allgemeine Basiskompetenz (common underlying proficiency = CUP) und gleichzeitig als zentrale Grundlage des Lernens (vgl. Cummins 1979, 197, 1991, 77 ff.). Erst diese Fähigkeit mache es seiner Auffassung möglich, abstrakte, nicht aus der Situation erschließbare Inhalte zu verstehen bzw. darzustellen. Mit der kognitiv-akademischen Sprachkompetenz sieht Cummins höhere kognitive Anforderungen verbunden als mit der alltagsbezogenen Interaktionsfähigkeit. Der Entwicklungsstand dieser Fähigkeit in der Erstsprache nach seiner Auffassung die Lernmöglichkeiten in der Zweitsprache (vgl. Cummins 1991, 77 f.). 4.3 „Schwellen” und Transfer von Kompetenzen Die Unterscheidung zwischen der alltagsbezogenen Interaktionsfähigkeit und der kognitiv-akademischen Sprachkompetenz ist der Ausgangspunkt für die Cummins’schen Hypothesen im Hinblick auf sprachliche „Schwellen” und den Transfer von Kompetenzen zwischen der Erst- und der Zweitsprache. Cummins stützt sich dabei wiederum auf Forschungsarbeiten von Skutnabb-Kangas/ Toukomaa (1976), die in ihrer „Interdependenzhypothese” davon ausgehen, dass sich Fertigkeiten in der Erstsprache nur langsam bzw. nicht mehr weiter entwickeln, wenn Zweitsprachenlernende zu früh mit einer fremdsprachigen Lernumgebung konfrontiert werden: Wird ihre Erstsprache nicht mehr weiter gefördert, fehlt ihnen eine wesentliche Grundlage für das Lernen in der Zweitsprache. Nach Cummins ist die alltagsbezogene Interaktionsfähigkeit sprachspezifisch und daher für jede Sprache neu zu lernen. Die kognitiv-akademische Sprachfähigkeit ist seiner Auffassung nach hingegen sprachenübergreifend, d.h. zwischen den einzelnen Sprachen transferierbar 46 - und daher auch nur einmal zu lernen. 47 Ein Transfer von Kompetenzen zwi- 45 Cummins ersetzt den Begriff der „basic interpersonal communicative skills” später durch „conversational language proficiency” (Cummins 2000, 75), um deutlich zu machen, dass auch im alltagsbezogenen, mündlichen Sprachgebrauch ein anspruchsvoller, dekontextualisierter Sprachgebrauch gefordert sein kann. 46 Cummins nimmt an, dass etwa Strategien des Leseverstehens und des Schreibens von einer Sprache auf die andere übertragbar sind (vgl. Cummins 1991). 47 Cummins und Swain (1986) verweisen auf empirische Untersuchungen, die eine positive Korrelation zwischen überdurchschnittlichen Ergebnissen in IQ-Tests und den Ergebnissen von Tests aufweisen, in denen schriftsprachliche Fähigkeiten erhoben wurden; zwischen dem IQ und den Ergebnissen der mündlichen Interaktionsfä- 48 schen der Erst- und der Zweitsprache 48 hängt nach Cummins (1979) vom bereits erreichten Kompetenzniveau in diesen Sprachen ab. Seiner Auffassung nach muss eine bestimmte „Schwelle” der Sprachkompetenz (in der Erst- oder in der Zweitsprache) erreicht sein, damit es zu einem Transfer kommen kann. In seiner Schwellenhypothese setzt er zwei „Schwellen” der Sprachkompetenz an, die er mit der allgemeinen kognitiven Entwicklung der Lernenden in Beziehung setzt. 49 Lernende, die unter der ersten Schwelle (lower proficiency threshold) in einer Sprache bleiben, sind nach Cummins nicht in der Lage, ihr kognitives Potential beim Gebrauch dieser Sprache zu entfalten. Wenn der Entwicklungsstand der Zweitsprache diese untere Schwelle nicht erreicht, ist mit Semilingualismus und mit Lernproblemen zu rechnen (Skutnabb-Kangas/ Toukomaa 1976). 50 Ist das untere Schwellenniveau in der Zweitsprache jedoch erreicht, so haben Zweitsprachenlernende gute Voraussetzungen, die schulischen Anforderungen zu meistern, vorausgesetzt, ihre Erstsprache wird kontinuierlich weiter entwickelt (vgl. Cummins 1991, 85). Die erwartbaren kognitiven Effekte sind unter diesen Bedingungen, so Cummins, weder positiv noch negativ. Um positive Effekte für die kognitive Entwicklung zu erzielen, muss das obere Schwellenniveau der Sprachkompetenz in beiden Sprachen erreicht werden. The attainment of a second higher level of bilingual competence might be necessary to lead to accelerated cognitive growth. (Cummins 1979, 230) Eine hohe Kompetenz in der Erst- und in der Zweitsprache führt zu mehr Sprachbewusstsein, zu differenzierteren metakognitiven und metalinguistischen Fähigkeiten, zu einem größeren Repertoire an Lernstrategien sowie zu mehr Toleranz, Kreativität und sozialer Kompetenz (vgl. Cummins 1979; vgl. Jessner 1995, 68 f.; vgl. Oomen-Welke 1997, 33; vgl. Portmannhigkeit liegt kein solcher Zusammenhang vor. Einer Studie von Verhoeven (1994b) zufolge gibt es keine Korrelationen zwischen dem IQ und der Entwicklung des lexikalischen und des syntaktischen Wissens, wohl aber zwischen dem IQ und den literalen Fähigkeiten der Lernenden. 48 Auch Verhoeven/ Arts (1998, 113) gehen davon aus, dass es neben nicht transferierbaren sprachspezifischen Fähigkeiten, die sich vor allem auf die sprachliche Oberfläche beziehen (Orthographie, Morphologie, Grammatik etc.) sprachenübergreifende schriftsprachliche Fähigkeiten gibt, die zwischen den Sprachen transferiert werden können. 49 Darüber, wo diese „Schwellen” der Sprachkompetenz genau liegen, trifft Cummins keine klaren Aussagen; auch nicht dahingehend, welche sprachlichen Kompetenzbereiche im Einzelnen betroffen sind bzw. ob sich „Schwellenniveaus” alters- oder kontextbedingt verändern. Zydatiß (2007) ist es mittlerweile gelungen, die Cummins’ sche Schwellenhypothese empirisch nachzuweisen. 50 In Bezug auf das untere Schwellenniveau kann nicht genau gesagt werden, über welches Inventar an Strukturen bzw. lexikalischen Einheiten Lernende verfügen müssen, damit das Lernen in der Fremd- oder Zweitsprache keine sprachlichen und kognitiven Defizite nach sich zieht (vgl. Zydatiß 2007, 18). 49 Tselikas 1998, 36; vgl. de Cillia 1998, 241; vgl. Zydatiß 2000, 112; vgl. Verhoeven 1997, 224). 51 Portmann-Tselikas (2001a, b) greift die Hypothesen von Cummins auf, sieht in der kognitiv-akademischen Sprachkompetenz jedoch keine sprachliche Fähigkeit im engeren Sinne, sondern vielmehr eine kognitive Kompetenz im Umgang mit Sprache. Er bezeichnet sie als Textkompetenz und betrachtet sie als eine Fähigkeit, die zwischen der Erst- und der Zweitsprache transferiert werden kann und die konzeptuelle Basis aller Lernprozesse im Unterricht darstellt (vgl. Portmann-Tselikas 2001b, 13). 4.4 Sprachkompetenz und Textkompetenz Der fachliche Diskurs über sprachliche Kompetenzen bezieht sich auf begriffliche Bestimmungen, die in verschiedenen Kontexten und Forschungstraditionen verankert sind. Ziel dieses Kapitels ist es nicht, vorhandene Ansätze und Definitionen umfassend darzustellen, sondern vielmehr jene Aspekte zu fokussieren, die für das Forschungsinteresse dieser Arbeit relevant sind. Sprachkompetenz kann als eine genuin menschliche Fähigkeit betrachtet werden, die es ermöglicht, sich auszudrücken, zu kommunizieren und sprachlich zu handeln. Sprachkompetenz umfasst eine Vielzahl an sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten, die im Prozess der Sprachverarbeitung auf unterschiedliche Weise zum Tragen kommen. Ausgangspunkt des folgenden Schemas ist die Annahme, dass Interaktionskompetenz und Textkompetenz als eigenständige Kompetenzbereiche betrachtet werden können, die im Verbund mit der Sprachbasis die Sprachkompetenz eines Individuums ausmachen. Sprachliches Handeln Abb. 2 51 So konnte etwa Boeckmann (1997) nachweisen, dass zweisprachig erzogene Kinder (mit Kroatisch oder Ungarisch als Muttersprache) aufgrund ihrer Zweisprachigkeit in der Schule nicht nur keine Nachteile zu erwarten haben, sondern vielfach sogar überdurchschnittlich gute Leistungen erbringen. 50 Die Sprachbasis umfasst grundlegende Kenntnisse in verschiedenen sprachlichen Bereichen (phonologisches, orthographisches, lexikalisches, grammatisches Wissen). Sprachliches Handeln erfordert jedoch mehr als bloß ein Wissen um sprachliche Mittel und Strukturen, es bedarf auch der Fähigkeit, sie im jeweiligen Kontext adäquat einzusetzen. Interaktionskompetenz kann als Fähigkeit des Verstehens und Äußerns von mündlich geprägter, situativ verankerter Sprache betrachtet werden. Textkompetenz kann als Fähigkeit des produktiven und rezeptiven Umgangs mit schriftsprachlich geprägter Sprache aufgefasst werden. Textkompetenz umfasst ein ganzes Bündel an Teilkompetenzen, die in Sprachverarbeitungsprozessen auf komplexe Weise interagieren. Sie sind zum Teil eng aneinander gebunden, überlappend und werden im Prozess des sprachlichen Handelns immer wieder neu aufgerufen, restrukturiert und erweitert. 52 Zu den zentralen Teilkomponenten von Textkompetenz zählen: • Kohärenzkompetenz als Fähigkeit, Sinnzusammenhänge in einem Text zu erkennen bzw. selbst global-semantische Strukturen herzustellen; • Kontextualisierungskompetenz als Fähigkeit, vom eigenen Kontextwissen zu abstrahieren, Bedeutungen in Bezug auf verstehensrelevante Kontexte zu konstruieren und Kontexte explizit zu benennen; • Kommunikationskompetenz als Fähigkeit, die kommunikative Funktion von Texten zu erkennen bzw. Texte entsprechend den eigenen Textintentionen adressatengerecht auszurichten; • Textoptimierungskompetenz als Fähigkeit, (Prä-)Texte im Hinblick auf die Funktion und Intention des Textes zu überarbeiten und zu verbessern; , • strategische Kompetenz als Fähigkeit, Texte anhand eines vielfältigen Repertoires an Lese- und Schreibstrategien zu erschließen, zu verarbeiten bzw. leser- und textsortenadäquat zu gestalten. • Formulierungskompetenz als Fähigkeit, das, was in einem Text mitgeteilt werden soll, mit adäquaten sprachlichen Mitteln auszudrücken; • Textgestaltungskompetenz als Fähigkeit, einen sprachlich differenzierten, variantenreichen und gut strukturierten Text zu konstituieren; • Textmusterkompetenz als Fähigkeit, konventionalisierte, kulturspezifisch geprägte Aufbauprinzipien eines Textes zu erkennen und beim Schreiben zu berücksichtigen. Darüber hinaus spielt auch die metatextuelle Kompetenz (Weidacher 2007, 45 f.) im Umgang mit Texten eine wichtige Rolle, die Lernende dazu befähigt, über Texte zu reflektieren und zu kommunizieren. 53 52 Die Sprachbasis kann demgegenüber als mehr oder weniger stabil angenommen werden, sobald ein bestimmtes Niveau der Sprachkenntnisse erreicht ist. 53 Metatextuelle Kompetenz kommt nach Weidacher (2007) nur dann zum Tragen, wenn die Rezeption oder die Produktion von Texten ins Bewusstsein der Sprachhandelnden rückt und im Zentrum ihrer Wahrnehmung steht. 51 4.4.1 Textkompetenz und Interaktionskompetenz Interaktionskompetenz und Textkompetenz können als dynamische Fähigkeiten im Umgang mit Sprache betrachtet werden, die sich im konkreten Sprachgebrauch manifestieren; erst im Moment des sprachlichen Handelns zeigt sich, inwieweit die Lernenden in der Lage sind, diese im jeweiligen Kontext adäquat einzusetzen. Sprachhandlungskompetenzen sind daher als Fähigkeiten zu betrachten, die sich immer erst im konkreten Tun zeigen und durch das eigene Tun ausgebildet und weiterentwickelt werden. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die Hypothese, dass die Bereiche der Interaktionskompetenz und der Textkompetenz weitgehend getrennt voneinander existieren und sowohl aus einzelsprachlich gebundenen wie auch aus sprachenübergreifenden Teilkompetenzen bestehen. Es wird weiters angenommen, dass die Interaktionskompetenz überwiegend aus sprachengebundenen, nicht transferierbaren Fähigkeiten besteht, während der Bereich der Textkompetenz hauptsächlich sprachenübergreifende, weitgehend transferierbare Kompetenzen umfasst. 54 Dazu zählen im Besonderen: • die Kohärenzkompetenz • die Kontextualisierungskompetenz • die Kommunikationskompetenz • die Textoptimierungskompetenz • die strategische Kompetenz Zu den überwiegend sprachengebundenen, nicht transferfähigen Teilkomponenten der Textkompetenz können gezählt werden: • die Formulierungskompetenz • die Textgestaltungskompetenz • die Textmusterkompetenz Es kann angenommen werden, dass die genannten Teilkompetenzen teilweise auch für den Bereich der Interaktionskompetenz relevant sind, insgesamt jedoch eher von geringerer Bedeutung sind. Die Hypothese, dass die Bereiche der Interaktionskompetenz und der Textkompetenz weitgehend getrennt voneinander existieren, kann auch durch Beobachtungen aus dem Fremd- und Zweitsprachenunterricht gestützt werden, die vor dem Hintergrund der folgenden Hypothesen diskutiert werden sollen: • die Weiterentwicklung der Interaktionskompetenz bewirkt nicht zwingend einen Zuwachs an Textkompetenz und 54 Cummins (1979, 1991) hat lediglich der kognitiv-akademischen Sprachkompetenz Transferfähigkeit zugeschrieben und nicht unterschieden zwischen sprachengebundenen und sprachenübergreifenden Teilkomponenten des jeweiligen Kompetenzbereichs. 52 • die Weiterentwicklung der Textkompetenz führt nicht automatisch zu einem Ausbau der Interaktionskompetenz. Wie bereits mehrfach festgestellt wurde, verfügen Zweitsprachenlernende im Schulalter zwar vielfach über eine gut ausgebaute mündliche Sprachkompetenz in der Zweitsprache, jedoch nicht gleichermaßen über Textkompetenz (vgl. Skutnabb-Kangas/ Toukomaa 1976). Demgegenüber gelangen Lernende mitunter auch dann zu einem hohen Niveau der Textkompetenz in der Zweitsprache, wenn sie über keine gut entwickelte Interaktionskompetenz in dieser Sprache verfügen. Dies ist vielfach vor allem bei SchülerInnen der Fall, die über eine hohe Textkompetenz in ihrer Erstsprache verfügen, gezielt in der Weiterentwicklung ihrer schriftsprachlichen Fähigkeiten in beiden Sprachen gefördert werden und die Unterrichtssprache gleichzeitig nicht durch ungesteuerten Spracherwerb im alltagsbezogenen Kontext erwerben können. 55 4.4.2 Sprachbasis und Sprachhandlungskompetenzen Die Kenntnis von grundlegenden sprachlichen Mitteln und Strukturen, für die der Begriff der Sprachbasis eingeführt wurde, ist eine zentrale Voraussetzung für das Verständnis und die adäquate Verwendung von Sprache. Wenn Zweitsprachenlernende über eine eingeschränkte Sprachbasis verfügen, fällt ihnen das Erkennen von sprachlichen Funktionen und Strukturen sowie von semantisch relevanten Informationen im Input schwer (vgl. Portmann-Tselikas 1999, 346) - sie lesen meist stockend und ineffizient und können Textinhalte nicht ausreichend verstehen. Beim Schreiben führen fehlende sprachliche Grundkenntnisse vielfach zu inkohärenten, unstrukturierten und lexikalisch variationsarmen Texten. Eine zu schmale Sprachbasis in der Zweitsprache beeinträchtigt daher sowohl rezeptive als auch produktive sprachliche Leistungen. Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Kompetenzbereichen zeigen sich vice versa auch darin, dass aktives Sprachhandeln positiv auf die Sprachbasis wirkt und grammatikalische, orthographische oder lexikalische Kenntnisse dadurch erweitert werden können. 4.5 Die „Schwelle” der Textkompetenz In diesem Kapitel werden die Hypothesen von Cummins (1979, 1991) und Portmann-Tselikas (2001b) noch einmal aufgegriffen und im Hinblick auf 55 Dies ist häufig der Fall bei Immersions- oder bilingualen Unterrichtsmodellen, in denen eine Fremdsprache als Arbeitssprache eingesetzt wird, die Lernenden im Hinblick auf die Sprach- und Textkompetenz in ihrer Erstsprache ausgewählt werden und aus Familien mit großem Bildungsinteresse stammen. 53 den Transfer von Kompetenzen zwischen der Erst- und der Zweitsprache diskutiert. Portmann-Tselikas modifiziert die „Schwellenhypothese” von Cummins, indem er anstelle eines Schwellenniveaus der Sprachkompetenz ein Schwellenniveau der Textkompetenz ansetzt. Demnach ist Textkompetenz erst dann von der Erstin die Zweitsprache transferierbar, wenn eine „Schwelle der Textkompetenz” in der Erstsprache erreicht ist (vgl. Portmann-Tselikas 2001b). Der Umstand, dass Zweitsprachenlernende alltagsbezogene, interaktive Sprachfähigkeiten schneller und besser als schriftsprachliche Fähigkeiten erwerben, könnte demnach mit unzureichender Textkompetenz in der Erstsprache erklärt werden. Wo genau die „Schwelle der Textkompetenz” liegt, wird jedoch nicht definiert. Dies könnte daran liegen, dass Schwellenphänomene je nach individuellen Voraussetzungen der Lernenden sowie nach situativen und kommunikativen Bedingungen der Sprachhandlung variieren. Aufschlussreiche Beobachtungen wurden in diesem Zusammenhang in einer Schule gemacht, in der die Fremdsprache Englisch als Unterrichtssprache eingesetzt wird. 56 Das Konzept dieser Schule sieht vor, dass in den ersten Monaten nach Schuleintritt der Fokus des Unterrichts in allen Fächern auf dem Erwerb der Fremdsprache liegt. Die Erfahrungen mit diesem Modell haben gezeigt, dass es den meisten SchülerInnen gelingt, die Anforderungen an den fachlichen Wissenserwerb in der Fremdsprache schon nach relativ kurzer Zeit zu meistern. Es gibt jedoch auch SchülerInnen, die zunächst überfordert sind, aber auch sie kommen nach einigen Monaten mit der fremdsprachlichen Lernsituation zurecht. Dies zeigt sich u.a. darin, dass ihre Texte sowohl im Hinblick auf sprachliche Korrektheit als auch auf lexikalische Varianz und Textkohärenz deutlich an Qualität gewinnen. Für diesen Entwicklungsschub 57 greift die Hypothese eines „Schwellenniveaus der Textkompetenz” (Portmann-Tselikas 2001b) zu kurz: Eine hohe Textkompetenz ist bei diesen SchülerInnen in der Erstsprache meist gegeben, 58 sie scheinen diese jedoch in der Fremdsprache nicht von Beginn an nutzen zu können. Es ist daher anzunehmen, dass zunächst eine ausreichende Sprachbasis in der Fremdsprache aufgebaut werden muss, bevor ein Transfer der Textkompetenz von der Erstin die 56 Die Unterrichtssprache hat in dieser Schule ebenso wie die Muttersprachen der SchülerInnen ein hohes gesellschaftliches Prestige. Alle Lehrenden beherrschen sowohl die Fremdsprache als auch die Erstsprache der SchülerInnen. Die Erstsprache der Lernenden ist auch die Umgebungssprache. 57 Nach den Erfahrungen der Lehrenden tritt dieser Effekt nach ungefähr drei bis vier Monaten ein. 58 Die SchülerInnen werden in einem aufwändigen Auswahlverfahren nach ihrer Sprach- und Textkompetenz ausgewählt. Die meisten von ihnen verfügen schon bei Schuleintritt über eine gut entwickelte Textkompetenz in der Erstsprache. Sie stammen überwiegend aus Familien mit einem hohen Bildungsniveau und finden zu Hause ein anregendes literales Umfeld vor. 54 Zweitsprache stattfinden kann. Demnach bedarf es nicht nur einer „Schwelle der Textkompetenz” in der Erstsprache, sondern auch einer ausreichenden Sprachbasis in der Zweitsprache. 59 Wie breit diese Sprachbasis sein muss, bleibt offen, es gibt jedoch Hinweise darauf, dass es einer nicht allzu großen Sprachbasis bedarf, damit ein Transfer von der Erstin die Zweitsprache erfolgen kann. 60 Untersuchungen zu Transferleistungen zwischen Minderheiten- und Mehrheitssprachen haben gezeigt, dass ein Transfer grundsätzlich in beide Richtungen möglich ist; vorausgesetzt, es sind grundlegende Sprachkenntnisse und eine ausreichende Textkompetenz in der Erst- und der Zweitsprache vorhanden (vgl. Verhoeven/ Aarts 1998, 113; Brizi 2007, 50 f.). In diesem Zusammenhang spielen auch die Art und die Intensität der erstsprachlichen Förderung in der Schule eine Rolle (vgl. Brizi 2007, 70). Transferleistungen sind darüber hinaus auch von sozialen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig, die die Erwerbssituation in der Zweitsprache bestimmen: dort, wo es sich bei der Erstsprache um eine gesellschaftlich gering bewertete Sprache handelt, erfolgt ein Transfer der Textkompetenz häufiger von der Erstin die Zweitsprache als umgekehrt. (Lambert 1991; Cummins 1991, 82) 4.6 Ein dynamisches Transfermodell Im Zusammenhang mit dem Transfer von Kompetenzen zwischen der Erst- und der Zweitsprache stellt sich weiters die Frage, wie man sich Transferprozesse konkret vorstellen könnte. Nach Richard Kern (2000) handelt es sich bei Rückgriffen auf verfügbare sprachliche Kompetenzen 59 Die Arbeiten von Wolff (vgl. 2002, 283) weisen auch in diese Richtung: Erst wenn Lernende über ein bestimmtes Niveau in ihrer Erstsprache verfügen, können Verarbeitungsstrategien aus der Erstin die Zweitsprache übertragen werden. Verhoeven (1997, 237) hat türkische und marokkanische Kinder am Ende ihrer Grundschulzeit und in der Sekundarstufe im Hinblick auf ihren schulischen Erfolg untersucht und festgestellt, dass ihre schulischen Leistungen in der Sekundarstufe vor allem von ihren schriftsprachlichen Kompetenzen in der Erstsprache, aber auch von ihrer Sprachkompetenz in der Zweitsprache und von allgemeinen kognitiven Kompetenzen abhängig waren. 60 Wolff (2002) geht davon aus, dass Lernende von Beginn an versuchen, ihr defizitäres Sprachwissen in der Zweitsprache durch Rückgriffe auf die in der Erstsprache erworbenen Strategien zu kompensieren (vgl. Wolff 2002, 286). Diese Rückgriffe auf Strategien in der Erstsprache gelingen jedoch erst, wenn Lernende über ein ausreichendes Sprachwissen in der Zweitsprache verfügen (vgl. Wolff 2002, 303). Sichtbar werden diese Rückgriffe etwa darin, dass die Zahl der Inferierungs- und Elaborierungsprozesse in der zweitsprachlichen Sprachverarbeitung wesentlich höher ist als beim Gebrauch der Erstsprache, dass Zweitsprachenlernende öfter auf ihr Weltwissen zurückgreifen und auch häufiger als Muttersprachige Top-down-Prozesse durchlaufen (Wolff 2002, 303). 55 weniger um Transferphänomene als darum, dass Lernende im Moment des sprachlichen Handelns auf alle verfügbaren Fähigkeiten, Strategien und Wissensbestände zurückgreifen, die sie dazu nutzen können, um ihre kommunikativen Ziele zu erreichen (borrowing) - unabhängig davon, ob diese Kompetenzen in der Erst- oder in der Zweitsprache aufgebaut wurden (vgl. Kern 2000, 118 ff.). Er veranschaulicht dies am Beispiel des Lesens: [...] the role of the first language in second language reading seems not to be an issue of wholesale transfer, but rather of selective and strategic uses of L1 linguistic and schematic resources to facilitate comprehension of L2 texts. The advantage of this characterization is that it gives greater agency to the reader, who is choosing among all available resources, both L1and L2-related, in an attempt to fulfill particular purposes in particular contexts of reading as appropriately as he or she can. (Kern 2000, 121) Wenn man davon ausgeht, dass Textkompetenz nicht nur als gesamt, sondern auch in ihren Teilkomponenten zwischen den Sprachen transferiert werden kann und die Lernenden dabei selektiv auf alle bisher erworbenen Fähigkeiten und Wissensbestände in der Erst- und in der Zweitsprache zurückgreifen, so sind Wechselwirkungen zwischen einzelnen Sprachen weit dynamischer als bisher angenommen. In diese Richtung weisen auch Faerch/ Kasper (1988), die davon ausgehen, dass neben der getrennten Speicherung von sprachenspezifischen Wissensbeständen ein verschmolzenes System existiert (compound system), das sowohl Elemente der Erstwie auch der Zweitsprache umfasst, auf die im Prozess der Sprachverarbeitung rekurriert werden kann. Dies kann als Bestätigung der Hypothese betrachtet werden, dass Textkompetenz aus verschiedenen Wissensbeständen und Teilkompetenzen besteht, die neben sprachenübergreifenden und transferierbaren auch einzelsprachliche, nichttransferierbare Komponenten umfasst. Wie Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Sprachen im Einzelnen ablaufen und welche Einflussfaktoren in konkreten Situationen des Sprachgebrauchs wirksam werden, kann an dieser Stelle nicht im Detail geklärt werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Wechselwirkungen zwischen der Erst- und der Zweitsprache bestehen, die durch einen individuellen Rückgriff der Lernenden auf vorhandene Kompetenzen und Kenntnisse in den jeweils verfügbaren Sprachen zustande kommen. Stellt man sich diesen Transfer von Kompetenzen zwischen den verschiedenen Sprachen als einen dynamischen Prozess des Rückgriffs von Lernenden auf bereits erworbenes Wissen und Können in der Erst- oder der Zweitsprache vor, so wird deutlich, dass den individuellen Fähigkeiten der Lernenden eine weitaus größere Rolle zukommt als bisher meist angenommen. 56 5 Texte, Kognition und Wissenserwerb Ein effektiver Wissenserwerb setzt einen Zugriff auf Texte voraus, in dem die Oberfläche eines Textes nicht einfach reproduziert, sondern der Text und seine Inhalte für die Lernenden zum Thema der Reflexion und der aktiven Bedeutungserschließung werden. Dies erfordert die Konstruktion von mentalen Modellen. 5.1 Mentale Modelle Mentale Modelle sind flexible Wissensstrukturen, die das schematische Wissen und das allgemeine Situations- und Weltwissen integrieren und in ihrem semantischen Gehalt über das in einem Text explizit Gesagte hinausreichen. 61 Davon ausgehend kann Textkompetenz als die Fähigkeit betrachtet werden, „komplexe und rein sprachlich vermittelte Sinnkontexte durch die Konstruktion von mentalen Modellen aufzubauen, zu prüfen und zu verändern.” (Portmann-Tselikas 2007, 275) Der Aufbau von mentalen Modellen erfordert die Fähigkeit der Lernenden, die in einem Text kodierten Informationen als kohärente Sinngebilde zu erkennen und mit dem bestehenden Wissen zu verknüpfen. 62 Eigene Kompetenzen und Strategien im Umgang mit Texten werden dabei zum Thema (vgl. Portmann-Tselikas 2006a): 63 Dieses Thematisch-Werden ist in den meisten Lerntheorien Voraussetzung des Lernens, und in manchen von ihnen ist es verknüpft mit dem Konzept der Rekodierung. Es wird eine neue Spur, eine zusätzliche Repräsentation angelegt, 61 Mentale Modelle sind ganzheitliche, interne Repräsentationen von externen Objekten, Sachverhalten oder Ereignissen (vgl. Rickheit/ Sichelschmidt/ Strohner (2002, 68). Sie sind holistisch, da sie die Gesamtsituation umfassen, analog, da die Struktur der Situation aus der Repräsentation ablesbar ist und dynamisch, da sie auch Veränderungen der Situation abbilden. Der Begriff des „mentalen Modells” steht für eine ganze Reihe von psycholinguistischen Ansätzen, zu denene neben dem „mental models”-Ansatz von Johnson-Laird (1983) auch konstruktivistische Ansätze zu zählen sind. 62 Portmann-Tselikas stützt sich bei dieser Hypothese auf das konnektionistisch-konstruktivistische Konzept von Karmiloff-Smith (1992) und die Lerntheorie von J. R. Anderson (1996). 63 Molitor-Lübbert (1996) weist darauf hin, dass das Wissen über die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten eine zentrale Voraussetzung für einen effektiven Umgang mit kognitiven Ressourcen darstellt. Auch Schmidt (1990) betont, dass ein Lernen neuer Inhalte ohne fokussierte Aufmerksamkeit nicht möglich sei. In späteren Arbeiten (Schmidt 1995) schwächt er diese Annahme ab und zieht sich auf die verallgemeinernde Aussage zurück, dass ein Zuwachs an Aufmerksamkeit immer zu einem Lernzuwachs führt (vgl. Eckerth/ Riemer 2000). 57 die sich auf bereits Bekanntes bezieht oder es in sich aufnimmt und so die Wahrnehmungs- und Handlungsmöglichkeiten in einer Domäne erweitert. (Portmann-Tselikas 2006a, 60) Der Aufbau und die Transformation von mentalen Modellen ist nach Portmann-Tselikas (vgl. 2006a, 53) der zentrale Modus des Lernens. Die Intensität des Lernens anhand von Texten scheint demnach stärker von mentalen Modellen als von den Texten selber abhängig (vgl. Tynjälä/ Mason/ Lonka 2001, 133). Within the cognitive framework, the active construction of mental representation is the central mediating activity between the learning process and its outcome (e.g., Kintsch/ Kintsch 1996; Lonka 1997; Mayer 1984, 1992). And, as in qualitative research, the quality and richness of mental representation is considered more crucial than the mere quantity of knowledge. The manner in which knowledge is represented is thought to determine understanding and to influence problem solving. The active transformation of knowledge - rather than its reproduction - is thought to lead to a deep-level mental representation. (Bereiter/ Scardamalia 1987; Chi/ Glaser/ Far 1988; Glaser/ Bassok 1989; Mannes/ Kintsch 1987). (Tynjälä/ Mason/ Lonka 2001, 133) Karmiloff-Smith (1992) bezeichnet die Transformation von mentalen Repräsentationen 64 als representational redescription: [...] representational redescription is a process by which implicit information in the mind subsequently becomes explicit knowledge to the mind, first within a domain and then sometimes across domains. (Karmiloff-Smith 1992, 18) Van Dijk/ Kintsch (1983) unterscheiden drei Formen von mentaler Repräsentation, die in Textverarbeitungsprozessen zum Tragen kommen: • das Oberflächengedächtnis aktueller Wörter und Sätze • die Textbasis, die die Informationseinheiten eines Textes organisiert und miteinander verknüpft • das situative Modell, das dafür sorgt, dass der Inhalt eines Textes mit dem Vorwissen der Lernenden verbunden wird Das Verstehen eines Textes basiert nach Kintsch (1986) primär auf der Textbasis. Diese ist seiner Auffassung nach eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Textinhalte verstanden, memoriert und reproduziert werden können. Eine bloße Reproduktion von Textinhalten führt jedoch nicht dazu, dass das Wissen der Lernenden erweitert wird. Größere Lerneffekte sind nach Kintsch erst dann zu erwarten, wenn auch ein situatives Modell aufgebaut wird. Auf dieser Basis kann das vorhandene Wissen der Lernenden transformiert und mit neuen Informationen verknüpft werden; es können 64 Der Begriff der mentalen Repräsentationen wird in dieser Arbeit analog zum Begriff der „mentalen Modelle” nach der Definition von Rickheit/ Sichelschmidt/ Strohner (2002, 68) verwendet. 58 neue Wissensstrukturen aufgebaut werden, die auch in späteren Lernprozessen verfügbar sind. Die Repräsentation eines situativen Modells erfordert komplexere kognitive Verarbeitungsprozesse als die Repräsentation der sprachlichen Oberfläche und der Textbasis (vgl. Wolff 2000, 94 f.; vgl. Klix 1990). Auch Portmann-Tselikas (2007) nennt drei Typen von mentalen Modellen, die seiner Auffassung nach aufgebaut werden müssen, damit ein Text verstanden werden kann: • das mentale Modell des Textes • das mentale Modell der Sache • das mentale Modell des Sprechens und Schreibens Das mentale Modell des Textes kodiert die neue Information, während das mentale Modell der Sache als Hintergrund und Grundlage der Beurteilung beim Interpretieren und Diskutieren eines Textes dient (vgl. Portmann- Tselikas 2007). Das mentale Modell des Sprechens und des Schreibens ist erforderlich, um Aussageabsichten zu realisieren, die eine gewisse Komplexität überschreiten. Erst das Zusammenspiel dieser drei mentalen Modelle erlaubt es, die Relevanz, die Korrektheit und die Adäquatheit dessen zu beurteilen, was man gelesen hat und was man selbst in einem Text mitteilen möchte. Mentale Modelle sind demzufolge die entscheidende kognitive Instanz, wenn es darum geht, Wissen zu organisieren und mit Wissen zu operieren (vgl. Portmann-Tselikas 2007). Sie ermöglichen es sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben, sich in einem Text zu orientieren und sind damit eine zentrale Bedingung dafür, dass Informationen aus Texten aufgenommen und weiterverarbeitet werden können. 65 Unterrichtsbeobachtungen von SchülerInnen beim Schreiben von Texten haben gezeigt, dass deren Fähigkeit, komplexe mentale Modelle aufzubauen und zu transformieren, sich vor allem darin manifestiert, wie sie Texte planen, überarbeiten und bewerten bzw. wie sie Sinnzusammenhänge in einem Text konstruieren. Diese Fähigkeit wird etwa darin sichtbar, wie sie im Schreibprozess auf vorgegebene Text- oder Bildimpulse rekurrieren: von Lernenden, die nur selten, dafür aber gezielt auf Vorlagen zurückgreifen, kann angenommen werden, dass sie von Beginn an über ein komplexeres mentales Modell verfügen als Lernende, die im Prozess des Formulierens häufig, jedoch ohne erkennbare Zielorientierung auf die Vorlage zurückgreifen. Auch beim Lesen manifestiert sich die Fähigkeit, mentale Modelle auszubilden und zu transformieren, in der Art des Zugriffs auf Texte. Sie zeigt 65 Beim Schreiben zeigt sich nach Bereiter/ Scardamalia (1987) die Fähigkeit des Aufbaus und der Transformation von kognitiven Repräsentationen vor allem in der Strategie des „knowledge-transforming”. Diese Strategie ermöglicht es den Lernenden, das eigene Wissen im Schreibprozess neu zu formieren und zu erweitern. 59 sich etwa darin, ob Lernende relevante Informationen in einem Text erkennen, fokussieren und mit ihrem vorhandenen Wissen verknüpfen können bzw. ob sie in der Lage sind, Textinhalte in eigenen Worten wiederzugeben. Lernende, die nicht über diese Fähigkeit verfügen, tendieren dazu, vorgegebene Texte auswendig zu lernen und Sätze bzw. ganze Textpassagen zu reproduzieren und zusammenhanglos aneinander zu reihen. Sie sind bei der Wiedergabe des Textes vor allem auf das Gedächtnis der sprachlichen Oberfläche des Textes angewiesen und können bloß jene Wörter und Phrasen reproduzieren, die sie sich auswändig gemerkt haben - die Schaltstelle ist der gelesene Text und nicht die mentale Repräsentation dieses Textes. Ein zentrales Kriterium für den Wissenserwerb ist in diesen Lernsituationen nicht gegeben - es ist das Kriterium der Sinnkonstitution (vgl. Portmann-Tselikas 2007). Dies bedeutet für den Wissenserwerb in der Schule, dass komplexere mentale Modelle aufgebaut und im Prozess der Arbeit an einem Text (re)konstruiert werden müssen. 5.2 Textverstehen Beim Textverstehen handelt es sich um einen komplexen Prozess der Informations- und Sprachverarbeitung, bei dem der Sinn eines Textes erst konstruiert werden muss. Dieser Prozess verläuft nicht in geordneten Reihenfolgen, sondern ist vielmehr gekennzeichnet durch ein simultanes Neben- und Miteinander von Prozeduren (vgl. Heinemann/ Heinemann 2002, 176 f.). Dabei werden nach van Dijk/ Kintsch (1978) zunächst minimale semantische Einheiten fokussiert („Mikropropositionen”), die die Basis für das Konstruieren von größeren Bedeutungseinheiten bilden, die den Kern der im Text enthaltenen Informationen umfassen („Makropropositionen”). 66 Im Gedächtnis werden schließlich nur jene Informationen behalten, die für die Lernenden relevant sind; irrelevante Informationen werden gelöscht. 67 Zu den zentralen kognitiven Operationen beim Textverstehen zählen neben dem Identifizieren, Hypothesenbilden, Klassifizieren, Relativieren, Vergleichen, Generalisieren, Fokussieren und Schlussfolgern vor allem Reorganisations-, Abstraktions-, Selektions-, Substitutions-, Inferierungs- und Elaborierungsprozesse. • Reorganisationsprozesse: bestehende Wissensstrukturen werden neu geordnet; 66 Das Modell von van Dijk/ Kintsch (1978) ist ein allgemeines Sprachverarbeitungsmodell, das nicht primär auf die Verarbeitung schriftlicher Texte abhebt. 67 Dies entspricht der „Schema-Theorie”, der zufolge Sprachverarbeitungprozesse primär auf Selektions- und Abstraktionsfunktionen beruhen (vgl. Spiro 1980; Alba/ Hasher 1983). 60 • Abstraktionsprozesse: Wissensstrukturen werden auf eine höhere Ebene der Abstraktheit und der Allgemeingültigkeit gehoben; • Selektionsprozesse: vorhandene Strukturen werden getilgt oder und durch neue, relevantere Wissensstrukturen ersetzt; • Substitutionsprozesse: Begriffe bzw. Textpassagen werden ersetzt; • Inferierungsprozesse: Lücken im Text werden geschlossen und kausale Beziehungen zwischen einzelnen Aussagen bzw. zwischen dem Text und dem Kontext werden hergestellt; • Elaborierungsprozesse: die explizit im Text gegebenen Inhalte werden durch bestehendes Wissen ergänzt. Diese kognitiven Operationen dienen dazu, Bedeutungen und Sinnzusammenhänge in Texten zu erkennen und das bestehende Wissen der Lernenden mit den im Text enthaltenen Informationen zu verknüpfen (vgl. Wolff 2002, 138, 153, 184). 68 Verstehensprobleme manifestieren sich vielfach darin, dass Lernende nicht in der Lage sind, vom Verstehen der einzelnen Wörter zu einem tiefer gehenden Sinnverstehen des Textes vorzudringen. Wird ein Text in seiner globalen Sinnstruktur nicht verstanden, so gelingt es bei der Wiedergabe des Textes meist auch nicht, die tiefer liegende logische Verknüpfung der Gedanken deutlich zu machen (vgl. Hornung 2005, 130 f.). Die sprachliche Oberfläche spielt in Textverstehensprozessen daher zwar keine unbedeutende, aber dennoch keine entscheidende Rolle. Dies bedeutet keineswegs, dass die Syntax, die Grammatik oder die Orthographie eines Textes für das Textverstehen nicht relevant wären - so werden einfache syntaktische Strukturen schneller aufgenommen und verarbeitet und komplexe Sätze und Wörter schwerer verarbeitet (vgl. Heinemann/ Heinemann 2002, 175). Für das Textverständnis entscheidend sind die Texttiefenstruktur und die Fähigkeit eines Rezipienten, globale Sinnzusammenhänge zu erkennen. Lernende greifen in Textverstehensprozessen nicht nur auf die im Text enthaltenen Informationen, sondern auch auf ihr bereits bestehendes Wissen zurück. Dabei bringen sie immer auch ihre kulturspezifisch geprägten Bewertungen, Einstellungen und Interpretationen ins Spiel. , Ein Lernen anhand von Texten in der Schule kann daher nur stattfinden, wenn das zu Lernende von den Lernenden selbst in einen adäquaten Sinnzusammenhang gestellt, mit vorhandenem Wissen verknüpft und in den jeweiligen kulturellen Kontext adäquat eingebettet werden kann. 68 Während van Dijk/ Kintsch (1978) davon ausgehen, dass Inferierungsprozesse nur bei mangelnder Kohärenz von Aussagen vorkommen, nehmen Schank/ Abelson (1977) an, dass in Sprachverarbeitungsprozessen ständig inferiert wird (vgl. Wolff 2002, 159). 61 6 Texte als Momentaufnahmen von Textkompetenz Texte sind Momentaufnahmen der Textkompetenz der Lernenden und machen sowohl ihre Fähigkeiten als auch ihre Probleme im Umgang mit Texten sichtbar (vgl. Schmidlin/ Feilke 2005, 9). Die folgenden Textanalysen, die als qualitative Fallstudien durchgeführt werden, sollen es ermöglichen, die Textkompetenz der Lernenden einzuschätzen und zu beurteilen. Neben den Texten werden auch die Herangehensweisen der Lernenden beim Lesen und Schreiben der Texte analysiert, um herauszufinden, wie Lernende mit Textaufgaben im schulischen Kontext umgehen und ob sie in der Lage sind, sie als solche zu erkennen und zu bearbeiten. 69 Die Ergebnisse dieser Fallanalysen werden mit einschlägigen empirischen Studien korreliert, um auf dieser Grundlage Stadien der literalen Entwicklung und Indikatoren für Textkompetenz herauszuarbeiten. 70 Sie können als Instrument der Beurteilung von Textkompetenz dienen und gleichzeitig als Alternative zu gängigen Verfahren der schulischen Leistungsbeurteilung. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden sie primär als Grundlage für die Konzeption eines didaktischen Instrumentariums zur Förderung der Textkompetenz 71 eingesetzt, das im zweiten Teil dieses Buches vorgestellt wird. Im Mittelpunkt der folgenden Textanalysen steht nicht die Frage: „Wie gut oder wie schlecht ist dieser Text? ”, sondern „Wie ist dieser Text? ” und: „Welche Hinweise gibt er uns auf die vorhandene Textkompetenz der Lernenden? ” Auf diese Weise sollen nicht nur die Defizite, sondern auch die Stärken der Lernenden sichtbar gemacht werden - das, was sie können, wird damit ebenso wichtig wie das, was sie nicht können. Analysiert werden Texte von SchülerInnen und Schülern an der Schnittstelle zwischen der Volksschule und der Sekundarstufe I sowie zwischen der Sekundarstufe I und der Sekundarstufe II bzw. dem Eintritt in die Berufswelt. 72 Gelungene Texte werden weniger gelungenen Texten gegenübergestellt, um Merkmale einer altersgemäß hohen bzw. niedrigen 69 Kern/ Ware/ Warschauer (2004) betonen, dass mit der Berücksichtigung soziokultureller Kontexte in der Literacy-Forschung eine verstärkte Hinwendung zu qualitativen Methoden erforderlich sei, in der nicht nur die Texte der Lernenden, sondern auch die Prozesse der Textverwendung untersucht werden. 70 Siehe Kapitel 8 und 9. 71 Siehe Teil II dieser Arbeit. 72 Die Probleme der SchülerInnen, die schriftsprachlichen Anforderungen im Unterricht zu bewältigen, setzen mit Eintritt in die Sekundarstufe aufgrund der Differenzierung in verschiedene Fächer massiv ein; die Differenzen zwischen den Leistungsstarken und den Leistungsschwachen nehmen daher in der Sekundarschulzeit zu. 62 Textkompetenz herausarbeiten zu können. Es werden Texte von Zweitsprachenlernenden und Texte von muttersprachigen SchülerInnen miteinander verglichen, um das Spektrum der in einer Altersgruppe erwartbaren Textkompetenz skizzieren zu können. 73 Zunächst werden Texte analysiert, in denen Lernende ihre Erlebnisse und Erfahrungen im Rahmen einer freien Schreibaufgabe schildern, anschließend geht es um Texte, in denen vorgegebene Erzähltexte bzw. Sachtexte zusammengefasst werden. Die Lernertexte werden im Hinblick auf verschiedene Faktoren und deren Zusammenspiel untersucht. Im Fokus der Analyse stehen die folgenden Aspekte: • Fokussierung auf ein Textthema: Wie handelt ein Text von seinem Gegenstand? • Themenentfaltung: Wie sind einzelne Informationen im Text aufeinander bezogen? Folgen die Textsequenzen logisch aufeinander? • Textstrukturierung: Wie ist der Text gegliedert? Sind innere und äußere Gliederung kongruent? • Sprachliche Qualität: Wie ist ein Text syntaktisch und lexikalisch gestaltet? Sind die verwendeten sprachlichen Mittel und Strukturen korrekt bzw. angemessen? Vorweg ist festzuhalten, dass die Probleme im Umgang mit Texten, die sich in den Texten der Zweitsprachenlernenden im Folgenden zeigen, keine typischen Schwierigkeiten von kurdisch-, türkisch- oder bosnischsprachigen SchülerInnen beim Erlernen der deutschen Sprache darstellen. Es handelt sich dabei vielmehr um Probleme im Umgang mit Texten, die unabhängig vom Unterrichtskontext, der Aufgabenstellung und der Erstsprache generell bei Zweitsprachenlernenden und bei SchülerInnen aus bildungsfernen Familien häufig vorkommen. Wenn Zweitsprachenlernende daher in ihrer Textkompetenz zurückliegen, so ist das zwar durchaus symptomatisch, aber dennoch keineswegs generalisierbar. Zweitsprachenlernende, die in ihrer literalen Entwicklung entsprechend gefördert werden, können ebenso wie Muttersprachige eine hohe Textkompetenz entwickeln und die schulischen Anforderungen im Umgang mit Texten bewältigen. 74 73 Die Entscheidung, Texte von Zweitsprachenlernenden mit Texten von Muttersprachigen zu vergleichen, hat unter anderem auch damit zu tun, dass der Einsatz von Strategien im Umgang mit Texten bei Zweit- und Muttersprachigen grundsätzlich auf dieselbe bzw. ähnliche Weise erfolgt (vgl. Wolff 2002, 313). Darüber hinaus wird in Betracht gezogen, dass letztlich alle Lernenden in der Schule vor dieselben Anforderungen im Umgang mit Texten gestellt sind und diese zu bewältigen haben. 74 Ogbu (1991, 29) hat etwa festgestellt, dass AsiatInnen häufig über gut entwickelte literale Fähigkeiten verfügen und im Bildungssystem sehr erfolgreich sind. 63 6.1 Vom expressiven zum gestaltenden Schreiben Die folgenden Texte stammen von Schülerinnen der vierten Klasse Volksschule. Die Aufgabe hatte gelautet, anhand des Stichworts „Winter” einen Text zu verfassen. 75 Es gab keine Vorgaben hinsichtlich der Textsorte, des Inhalts oder der Länge des zu schreibenden Textes. Im Folgenden geht es vor allem um die Frage, inwieweit es den Schülerinnen gelungen ist, einen verständlichen, kohärenten Text zu schreiben. 76 6.1.1 „Renate macht es Spaß”: Schreiben aus subjektivbiographischer Sicht Der erste Text stammt von Gönül, Secil und Marija. Gönül und Secil sind türkischer Abstammung, Marija kommt aus Serbien. Gönül wurde in Österreich geboren und gehört damit der „zweiten Generation” von Einwandererkindern an, 77 Secil und Marija sind im Kindergartenalter nach Österreich gekommen; sie haben Deutsch vor allem ungesteuert im außerschulischen Alltag erworben. Gönül spricht akzentfreies Deutsch und erzählt, dass sie sich im Deutschen wohler fühlt als im Türkischen. Mit ihren Eltern unterhält sie sich ausschließlich auf Türkisch. Die Zweitsprache Deutsch ist ihr im Schriftlichen vertrauter, auf Türkisch kann sie kaum schreiben. Marija wirkt introvertiert und schüchtern, sie spricht wenig, wenn sie etwas sagt, wirkt sie unsicher und ängstlich. Im Mündlichen macht sie zwar Fehler, kann aber auf Deutsch alltagsbezogen mühelos kommunizieren; zu Hause spricht sie ausschließlich Serbisch. Secil ist extrovertierter als Marija, auch sie wirkt im Gespräch unsicher; zuhause spricht sie Türkisch. Die drei Mädchen haben den folgenden Text verfasst: WINTER W inter ist gekommen wir wollen Schlitten fahren. I rgent wo im Österreich müsste irgentwo Schnee geben ich glaube in N orden gibt es sicher viel Schnee T iefer Schnee gibt es, dass wir Schlliten fahren. E reicht haben wirs. R enate macht es Spaß. Marija, Secil und Gönül haben diesen Text aus einer subjektiv-biographischen Erlebnisperspektive verfasst, spontane Gedanken und Ideen zum 75 Die Buchstaben dieses Wortes wurden von der Lehrerin untereinander an die Tafel geschrieben (Akrostichon) und sollten als Schreibimpuls dienen. 76 Es wird davon ausgegangen, dass die Schülerinnen versucht haben, einen zusammenhängenden Text zu verfassen, auch wenn ihre Aufmerksamkeit durch die Aufgabenstellung vermutlich stark auf einzelne Buchstaben und Sätze gelenkt war. 77 Kinder aus Migrantenfamilien zeigen auch dann noch, wenn sie bereits der zweiten oder dritten Einwanderergeneration angehören, vielfach schwächere schulische Leistungen als Kinder aus einheimischen Familien (vgl. Brizi 2007, 16). 64 Thema wurden unmittelbar zur Sprache gebracht. 78 Sie schildern ihre persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen zum Thema, nehmen darüber hinaus aber auch auf Ereignisse Bezug, die außerhalb ihrer eigenen Erfahrungswelt liegen („Irgent wo im Österreich müsste irgentwo Schnee geben”; „in Norden gibt es sicher viel Schnee”). Dem Text scheint keine bewusste Planung bzw. gesamthafte Konzeptualisierung vorangegangen zu sein. 79 Spuren von Mündlichkeit zeigen sich u.a. in der variationsarmen Lexik, im einfachen Satzbau, im unpräzisen und vagen Gebrauch einzelner Wörter sowie in einigen Ellipsen, Redundanzen und grammatischen Fehlern (z.B. im Satz „Irgent wo im Österreich müsste irgentwo Schnee geben”) bzw. auch darin, dass textstrukturierende Elemente weitgehend fehlen. Darüber hinaus verwenden die drei Schülerinnen in ihrem Text auch Formulierungen, die sie im Mündlichen vermutlich nicht gebrauchen würden (z.B. „Winter ist gekommen wir wollen Schlitten fahren”). Konzeptionelle Mündlichkeit manifestiert sich weiters auch darin, dass außersprachliche Kontexte nicht explizit hergestellt werden: Die drei Mädchen scheinen selbstverständlich davon auszugehen, dass die Lesenden über dasselbe Situations- und Weltwissen verfügen wie sie selbst und „Lücken” im Text problemlos ergänzen können. 80 Dies zeigt sich etwa im Satz: „Ereicht haben wirs” - dieser Satz steht in keinem Zusammenhang mit den vorangegangenen Sätzen; nur wer weiß, dass dieser Text zu einem Zeitpunkt entstan- 78 Aus dieser erlebnisorientierten Schilderung der Ereignisse ergibt sich das Strukturprinzip der narrativen Reihung, das für Augst/ Faigel (1986) am Beginn jeder Schreibentwicklung steht. In der Textordnungsmuster-Typologie von Feilke (1988) wäre der Text dem „linear-entwickelten Textordnungsmuster” zuzuordnen und im Rahmen des Schreibmodells von Bereiter (1980) dem „assoziatives Schreiben”. 79 Feilke (1993, 25 f.) weist darauf hin, dass Kinder bis zu einem Alter von 10 Jahren meist nicht zwischen Planungs- und Textproduktionsprozessen unterscheiden können. Wenn sie mit einer Schreibaufgabe konfrontiert werden, beginnen sie meist unmittelbar mit dem Schreiben. Seinen Untersuchungen zufolge ist aber bereits bei 10- Jährigen eine Zunahme von konzeptionellen Leistungen beim Schreiben festzustellen, ein deutlicher Entwicklungsfortschritt zeigt sich jedoch meist erst bei 14-Jährigen - erst in diesem Alter sind Lernende in der Lage, Planungsvon Schreibaktivitäten bewusst zu trennen. Die Fähigkeit zur gezielten Entwicklung eines Textplans mit einer eigenen, vom Textinhalt abstrahierten und konzeptuell unabhängigen Struktur (markiert durch Gliederungssymbole, Kernsätze etc.) kann nach Feilke erst bei Lernenden ab etwa 18 Jahren vorausgesetzt werden. 80 Nach Cummins (1984) ist die sprachliche Handlungsfähigkeit der Lernenden eine Funktion von Kontextualisierung und kognitiver Anforderung - dort, wo in der direkten Interaktion situative Bezüge gegeben sind, ist der kognitive Aufwand für das Herstellen von Kontexten meist gering; dort, wo schriftsprachliches Handeln gefordert ist, ist der kognitive Aufwand für das Herstellen von Kontexten entsprechend höher. 65 den ist, als es nach einem langen, schneearmen Winter plötzlich viel geschneit hat, weiß, was hier gemeint ist. 81 Die fehlende Leserorientierung dürfte nicht nur an der mangelnden Textkompetenz, sondern auch am Alter der Schreibenden liegen: 9bis 10jährige Kinder sind meist noch nicht in der Lage, sich in die Perspektive anderer hineinzuversetzen und deren Verstehensprobleme zu antizipieren. Die Fähigkeit, den eigenen Text aus der Perspektive anderer zu beurteilen, ist in diesem Alter kaum noch entwickelt. 82 Darüber hinaus mag auch die schulische Schreibsituation dazu beigetragen haben, dass das Wissen über außersprachliche Kontexte bei den Lesenden einfach vorausgesetzt und nicht explizit hergestellt wird. Texte, die in der Schule geschrieben werden, sind meist nur für die Lehrerin oder den Lehrer gedacht, von denen die SchülerInnen wissen oder zumindest annehmen können, dass sie die für das Textverständnis nötigen Kontexte kennen. Eine fehlende Leserorientierung hat daher nicht a priori mit fehlenden Schreibkompetenzen, sondern vielfach auch damit zu tun, dass Texte, die in der Schule geschrieben werden, nicht für reale Zwecke gedacht sind. Lernertexte weisen daher auch auf Probleme der schulischen Schreibsituation hin: Wenn Texte nicht geschrieben werden, um jemandem etwas zu erzählen, ihn zu informieren oder von etwas zu überzeugen, dann fehlt der Textproduktion eine reale kommunikative Funktion und damit eine zentrale Steuerungsinstanz für das Schreiben. Ein Blick auf die Themenentfaltung in diesem Text zeigt, dass der Sinnzusammenhang mit zunehmender Textlänge verloren geht; während die Abfolge der Informationen in der ersten Texthälfte noch weitgehend stringent ist, werden sie in der zweiten Texthälfte nur noch lose miteinander verknüpft. So ist etwa am Ende des Textes nicht klar, was die Kinder „erreicht” haben und wer „Renate” ist, die plötzlich auftaucht - sie wird als Protagonistin weder eingeführt noch näher charakterisiert. Auch der feh- 81 Verstehensstrategien sind so angelegt, dass wir selbst dann, wenn Kontexte in einem Text sprachlich nicht explizit hergestellt werden, Zusammenhänge aufgrund unseres Vorwissens konstruieren. Wir schaffen als Lesende „Textzwischenstücke”, die das Verstehen eines Textes erleichtern. Ein Text muss daher nicht „alles” sagen - das informativ Nötige entspricht nicht dem kommunikativ Erforderlichen (vgl. Feilke 2000, 17); zu wenige Informationen können jedoch zu Verstehensproblemen führen. 82 SchülerInnen der vierten Schulstufe sind nach Bereiter noch kaum in der Lage, den Sprung vom „assoziativen” zum „performativen” Schreiben zu schaffen. Diese auf das Schreibalter bezogene Perspektive ist vielfach kritisiert worden, da nichtkommunikatives Schreiben auch noch bei älteren Schreibenden vorkommt und SchülerInnnen mitunter auch schon früher in der Lage sind, adressatenorientiert zu schreiben, wenn sie dazu aufgefordert werden. Die Schreibentwicklung ist daher nicht nur als ein altersabhängiger Prozess zu betrachten, sondern auch an schulischen Herausforderungen bzw. individuellen Schreiberfahrungen zu messen (vgl. Ossner 1996). 66 lende bzw. ungenaue Einsatz von Kohäsionsmitteln 83 („Winter ist gekommen wir wollen Schlitten fahren.” „Tiefer Schnee gibt es, dass wir Schlliten fahren.”) weist darauf hin, dass es den Lernenden zunehmend schwer fiel, Informationen logisch-adäquat miteinander zu verknüpfen und einen kohärenten Text zu konstruieren. 84 Die Struktur des Textes wird zunehmend brüchig, bis sie am Ende schließlich fast ganz zerfällt. Dies entspricht den Ergebnissen einer Studie von Knapp (1997), derzufolge Zweitsprachenlernende Texte vielfach auf einem Niveau beginnen, das sie nicht bis zum Ende des Textes durchhalten (Knapp 1997, 144). Dies dürfte vor allem daran liegen, dass es mit zunehmender Länge eines Textes zu immer größeren Einschränkungen hinsichtlich der semantisch und pragmatisch zulässigen Anschlussmöglichkeiten kommt. Die logisch-schlüssige Verknüpfung von einzelnen Textelementen wird mit zunehmender Textlänge anspruchsvoller und schwieriger. Auch die Länge eines Textes ist ein Hinweis auf die Fähigkeit der Lernenden, komplexe Textstrukturen zu entwickeln. Knapp (1997) konnte feststellen, dass die kürzesten Texte von SchülerInnen mit Migrationshintergrund stammen, die - wie Gönül, Marija und Secil - bereits in einer deutschsprachigen Schule eingeschult wurden. Die Fähigkeit, komplexe Textstrukturen zu entwickeln, ist bei diesen SchülerInnen bei weitem geringer als bei deutschsprachigen SchülerInnen bzw. auch bei Zweitsprachenlernenden, die schon in ihrem Herkunftsland eine Schule besucht 83 Kohäsionsmittel dienen dazu, einzelne Textelemente zu einem sinnvollen Textganzen zu verknüpfen. Der Einsatz von Kohäsionsmitteln ist ein zuverlässiger Indikator für die Schreibentwicklung (vgl. Bachmann 2002, 204 f.). Die Berücksichtigung bzw. Vernachlässigung bestimmter Kohäsionsmittel korrespondiert mit der Ausdifferenzierung bestimmter Schreibfähigkeiten (vgl. Bachmann 2005, 167). Die Häufigkeit des Auftretens von Kohäsionsmitteln allein ist jedoch noch kein Indikator für eine gut entwickelte Textkompetenz. Frühe Stadien der Schreibentwicklung sind durch fehlendes oder bloß vereinzeltes Auftreten von kohärenzstiftenden Mitteln gekennzeichnet, in den mittleren Stadien treten sie gehäuft auf und in entwickelteren Stadien werden Kohäsionsmittel zunehmend durch textstrukturierende Mittel ersetzt, die nicht an der Oberfläche eines Textes ersichtlich sind - es werden häufiger „voraussetzungsreichere” sprachliche Mittel des Verweisens, Verknüpfens und Textstrukturierens verwendet (vgl. Bachmann 2005, 164). Die Notwendigkeit ihres Einsatzes von Kohäsionsmitteln wird von den Schreibenden zunehmend kritisch überprüft und dies mit Blick auf die spezifischen Bedürfnisse und das Vorwissen der AdressatInnen (vgl. Bachmann 2005, 170). Je anspruchsvoller diese Mittel sind, desto spärlicher ist ihr Einsatz, da sie im Hinblick auf das Textganze ein größeres „Kohäsionspotential” haben. Im Laufe der Schreibentwicklung werden daher weniger, dafür aber anspruchsvollere Kohäsionsmittel eingesetzt (vgl. Bachmann 2005, 175). Relevant ist daher nicht nur die Häufigkeit des Einsatzes von kohärenzstiftenden Elementen, sondern immer auch die Frage, wie diese eingesetzt sind. 84 In der vierten Schulstufe haben viele Kinder noch erhebliche Schwierigkeiten mit dem Einsatz von Kohäsionsmitteln (vgl. Peltzer-Karpf et al. 2003). 67 hatten und schriftsprachliche Fähigkeiten bereits in ihrer Erstsprache aufbauen konnten (vgl. Knapp 1997, 142). 85 6.1.2 „… ich kann ja in den Teich hupfen”: Vom assoziativen zum strukturierenden Schreiben Der zweite Text, der zur selben Schreibaufgabe entstanden ist, stammt von Mira, einer neunjährigen deutschsprachigen Schülerin. 86 Mira hat ihren Text allein verfasst, es handelt sich also nicht wie zuvor um eine kooperative, sondern um eine individuelle Schreibleistung. 87 WINTER „Wow Mami, es schneit schon wieder schau mal! ” Ich heiße Mira und bin neun Jahre alt. Natürlich freue ich mich jedes Jahr wen der WINTER kommt. Ich liebe den WINTER. Trotzem ist manchmal kein Schnee das ist dann nicht so lustig, die Bäume sind kahl, der Wind weht und es ist zu kalt zum Rausgehen. Endlich ist wieder Sommer und man kann schwimmen gehen und wandern. Rodln gehen ist zwar vorbei aber ich kann ja in den Teich hupfen. „Tschüs! ” Der Text ist umfangreicher, 88 inhaltlich anspruchsvoller und sprachlich korrekter als jener von Marija, Secil und Gönül. Er ist lexikalisch und syntaktisch differenzierter und enthält neben einfachen auch komplexere 85 Kinder aus Sprachminderheiten mit einer langen Aufenthaltsdauer verfügen nach Knapp (1997) nur über ein geringes Repertoire an narrativen Gestaltungselementen und sind meist nicht in der Lage, Erzählelemente wie etwa Markierungen der Plötzlichkeit zu realisieren (vgl. Knapp 1997, 161). Dies lässt darauf schließen, dass die Textkompetenz von Kindern aus Sprachminderheiten der zweiten Generation, die bereits im Zielsprachenland aufgewachsen sind, tendenziell weniger gut entwickelt ist als bei Kindern, die schon einen Teil ihrer Schulzeit im Herkunftsland verbracht haben. Dazu liegt auch eine Studie aus den Niederlanden vor, in der der Schriftspracherwerb auf Türkisch und Niederländisch untersucht wurde (Verhoeven/ Aarts 1998). Auch in dieser Studie wird zwischen früher und später eingewanderten Gruppen von SchülerInnen unterschieden: Die später eingewanderten SchülerInnen, die noch die Schule im Herkunftsland besucht hatten, erbrachten bessere schulische Leistungen als diejenigen, die ihre ganze Schulzeit in den Niederlanden verbracht hatten. Es scheint daher ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Aufenthaltsdauer, den schriftsprachlichen Kompetenzen und der schulischen Leistungsfähigkeit zu bestehen. 86 Mira stammt aus einem familiären Umfeld mit einem hohen Bildungsniveau; ihr wurde von Kind an viel vorgelesen, seit sie selbst lesen kann, liest sie gerne und viel. 87 Die Synergiepotentiale, die beim gemeinsamen Schreiben entstehen, indem Lernende ihre Ideen, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zusammentragen und bündeln, konnten daher bei dieser Schreibaufgabe nicht genutzt werden. 88 Die Textlänge ist auch ein Kriterium für den Einfallsreichtum der Schreibenden, sofern der größere Textumfang nicht auf einer bloßen Wiederholung von Wörtern beruht (vgl. Peltzer-Karpf et al. 2006, 121). 68 Sätze. Mira setzt neben Konjunktionen, die eine lineare Textstruktur konstituieren auch anspruchsvollere Textverknüpfungsmittel ein, wenngleich ihr dies nicht immer gelingt - so signalisiert etwa die Konjunktion „trotzdem” eine Einräumung, die im Text nicht hergeleitet wird 89 und auch das temporal gesetzte „endlich” ist nicht ganz passend - der thematische Übergang zwischen „Winter” und „Sommer” ist an dieser Stelle zu sprunghaft. Fehlende Übergänge finden sich auch am Beginn und am Ende des Textes: Einleitungs- und Schlusssatz in der direkten Rede sind mit dem nachfolgenden bzw. dem vorangegangenen Satz nicht verknüpft. Mira setzt in ihrem Text zahlreiche Erzählelemente ein, die zur sprachlichen Ausgestaltung des Textes beitragen. So verwendet sie etwa eine Reihe verschiedener Bewegungsverben („schwimmen gehen”, „wandern”, „in den Teich hupfen”, „Rodln gehen”) 90 und sie verbindet ihre subjektive Perspektive auf das Thema mit einem allgemeinen Interesse. Sie beschreibt den Winter als Jahreszeit mit seinen typischen Erscheinungsformen, bringt gleichzeitig aber auch eigene Gefühle und Vorlieben in Bezug darauf ins Spiel: „Natürlich freue ich mich jedes Jahr wen der WINTER kommt. […] Trotzem ist manchmal kein Schnee das ist dann nicht so lustig, die Bäume sind kahl, der Wind weht und es ist zu kalt zum Rausgehen.” 91 Die Schilderung konkreter, beobachtbarer Vorgänge und Zustände („… es schneit schon wieder, schau mal! ”, „die Bäume sind kahl …”) wechselt ab mit der Darstellung eigener Gefühle und Vorlieben („Natürlich freue ich mich jedes Jahr wen der WINTER kommt. Ich liebe den WINTER.”). Durch die Verzahnung von subjektiven und verallgemeinernden Aussagen wird 89 Nach Feilke (2001) sind sowohl Relativsätze als auch Konjunktionen wichtige Indikatoren für Textkompetenz. Konjunktionen geben Aufschluss über die Fähigkeit zur satzübergreifenden Textbildung. Mit zunehmender Schreibkompetenz geht der Gebrauch von Konjunktionen allerdings wieder zurück - überall dort, wo die Schreibenden davon ausgehen, dass die Lesenden Zusammenhänge zwischen Sätzen selbst herstellen können, wird auf Konjunktionen verzichtet (vgl. Feilke 2001, 115 f.). 90 Marija, Secil und Gönül verwenden nur ein einziges Verb, das eine Handlung anzeigt („Schlitten fahren”). Bewegungsverben, die mit einer Handlung der Geschichte in Verbindung stehen, sind nach Peltzer-Karpf et al. (2003) Indizien für „Sequenzen”, die gegenüber „punktuellen Beschreibungen” einen Fortschritt in der Entwicklung der Textkompetenz anzeigen. Die Mehrheit der von ihr untersuchten Zweitsprachenlernenden war im vierten Schuljahr bereits in der Lage, einfache Texte ohne Erzählkern bzw. einfache Erzählungen mit Kern zu produzieren (vgl. Peltzer-Karpf et al. 2003, 155). Die meisten deutschsprachigen SchülerInnen konnten im vierten Schuljahr bereits kohärente Erzählungen bzw. Erzählungen mit geringer Kohärenzstörung produzieren. 91 Auch im Text von Marija, Secil und Gönül kommt ein Wechsel zwischen der persönlichen Ebene und der allgemeinen Sachebene vor: Auf beiden Ebenen ist die Informationsdichte jedoch gering, Inhalte werden kaum variiert (z.B. auf der Sachebene: „Irgent wo im Österreich müsste irgentwo Schnee geben …” - „in Norden gibt es sicher viel Schnee …” - „Tiefer Schnee gibt es …” und auf der persönlichen Ebene: „… wir wollen Schlitten fahren” - „… dass wir Schlliten fahren”) bzw. sind teilweise unverständlich. 69 eine Emotionalisierung und persönliche Färbung des Textes erreicht („… ist manchmal kein Schnee [allg.] das ist dann nicht so lustig [pers.], die Bäume sind kahl, der Wind weht und es ist zu kalt zum Rausgehen [allg.]. Endlich ist wieder Sommer [pers.] und man kann schwimmen gehen und wandern” [allg.]), wenngleich die persönlichen Assoziationen nicht immer entsprechend kontextualisiert und in der Chronologie der Darstellung mitunter nicht ganz nachvollziehbar sind („Rodln gehen ist zwar vorbei aber ich kann ja in den Teich hupfen”). 92 Der thematische Kontrast zwischen Winter und Sommer, den Mira in ihrem Text konstruiert, zeigt ihr Bemühen, das vorgegebene Thema in einen größeren Zusammenhang einzuordnen. Sie hebt diesen Gegensatz auch typographisch hervor, indem sie WINTER und SOMMER in Großbuchstaben schreibt. Am Ende des Textes führt sie die beiden thematischen Stränge zusammen, sodass eine thematische „Klammer” entsteht, die das Gegensatzpaar Winter - Sommer verbindet. Auch in Miras Text finden sich Spuren von Mündlichkeit: Sie spricht die Lesenden direkt und persönlich an, indem sie sich am Beginn des Textes vorstellt („Ich heiße Mira und bin neun Jahre alt.”) und am Ende verabschiedet („Tschüs! ”). Mira zeigt damit eine stärkere Adressatenorientierung als Gönül, Secil und Marija. Dies mag an ihrer höheren Schreibkompetenz liegen bzw. auch daran, dass sie sich stärker an schulischen Normen orientiert - sie hat im Unterricht gelernt, dass man die Lesenden ansprechen soll 93 und dass direkte Reden dazu beitragen, Ereignisse zu dramatisieren bzw. in Szene setzen („Wow Mami, es schneit schon wieder schau mal! ”). 94 Die Unterschiede in der Qualität der beiden Texte könnten aber auch darauf zurückzuführen sein, dass die Schülerinnen den schriftsprachlichen Anforderungen dieser Aufgabe nicht gleichermaßen gewachsen waren; Mira scheint diese Aufgabe bewusster als eine Textaufgabe wahrzunehmen und ist in der Lage, sie mithilfe effizienterer Schreibstrategien zu bearbeiten als Gönül, Secil und Marija. 92 Diese Äußerung deutet an, dass die Grenze zwischen persönlichen und verallgemeinernden Aussagen bisweilen verschwimmt - mit „man kann schwimmen gehen und wandern” könnte auch gemeint sein „ich kann schwimmen gehen und wandern”. 93 Schwächen in der Gestaltung des Textes zeigen sich u.a. darin, dass die Vorstellung der Erzählerin am Beginn des Textes und die Verabschiedung am Ende ziemlich abrupt und ohne Einbettung in den Gesamttext erfolgen. 94 In der Schule werden die Kinder meist gegen Ende der Grundschulzeit zunehmend dazu gedrängt, direkte Reden in ihren Texten zu verwenden. Dies dürfte einer der Gründe dafür sein, dass der Anteil der wörtlichen Reden in den Texten der ViertklässlerInnen am höchsten ist (zur siebten Klasse hin fällt er wieder ab) (vgl. Pohl 2005, 96). Direkte Reden werden aber mitunter von den Lernenden auch eingesetzt, um komplexe Strukturen zu vermeiden (vgl. Peltzer-Karpf et al. 2003, 191). 70 6.2 Texte als Lernmedien im Sprach- und im Fachunterricht Die Schwierigkeiten von Lernenden, Texte zu verstehen und die daraus gewonnenen Informationen als Grundlage des fachlichen Lernens zu nutzen, zeigen sich in der Schule meist vor allem in der Arbeit mit Sachtexten. 95 Während die Aufmerksamkeit im Sprachunterricht auf sprachliche Aspekte fokussiert, wird im Fachunterricht meist keine gezielte Spracharbeit geleistet. Es wird vielmehr selbstverständlich vorausgesetzt, dass Zweitsprachenlernende die für das Verstehen von Sachtexten nötigen sprachlichen Voraussetzungen bereits mitbringen. 96 Im Zentrum der folgenden Analysen stehen Zusammenfassungen, die auf der Grundlage eines literarischen Textes und von Sachtexten entstanden sind. Mithilfe von Textanalysen sollen Rückschlüsse auf die Schreibkompetenzen, aber auch auf die Verstehensfähigkeiten der Lernenden gezogen werden. Es geht dabei insbesondere um die Frage, worin die häufigsten Schwierigkeiten beim Verstehen und Wiedergeben von Texten zu Sachthemen bestehen und inwieweit Lernende in der Lage sind, • zentrale Themenaspekte in einem Text zu erkennen und zu fokussieren; • Textinhalte zu verstehen und nachvollziehbar wiederzugeben; • einen Text zu bewerten, zu interpretieren und daraus Schlüsse zu ziehen • sprachliche Normen und Konventionen beim Schreiben zu befolgen; • einen Text sprachlich variationsreich zu gestalten. Zusammenfassungen sind nie einfach nur Abbildungen eines vorgegebenen Textes, sondern vielmehr Resultate eines komplexen Verarbeitungsprozesses, in dem inhaltliche und sprachliche Elemente selektiert und in eine neue Struktur gebracht werden (vgl. Wolff 2002, 154; Rickheit/ Strohner 1989, 222). Die Analyse von Zusammenfassungen zählt in der 95 Zu Sachtexten werden im Rahmen dieser Arbeit all jene Texte gezählt, die über Sachverhalte informieren, d.h. auch didaktisch-instruktive Texte, die fachspezifische Inhalte thematisieren (vgl. Bock 2005, 109). Die Probleme des Textverstehens sind im Umgang mit Sachtexten in der Schule vielfach gravierend - dies gilt insbesondere für Zweitsprachenlernende (vgl. Peltzer-Karpf et al. 2003, 186). Eine Untersuchung des Textverständnisses von Kindern im dritten Schuljahr hat ergeben, dass das Verstehen von Sachtexten für 50 % der untersuchten Migrantenkinder eine schwer überwindbare Hürde darstellt (vgl. Peltzer-Karpf et al. 2003, 185). 96 Auch ein Blick auf gängige Schulbücher für den Fachunterricht zeigt, dass SchülerInnen kaum Hilfestellungen dabei erhalten, Sachtexte gezielt zu erschließen und zu bearbeiten. Am häufigsten kommen Textverständnisfragen vor, die jedoch schwächere Leserinnen und Leser oft nicht dabei unterstützen, einen Text zu verstehen (vgl. Nodari 2005a, 50). Darüber hinaus sind die Texte selbst in zahlreichen Schulbüchern mangelhaft. 71 Textrezeptionsforschung zu einer Standardmethode der Überprüfung von Verstehens-, Gedächtnis- und Rekonstruktionsleistungen (vgl. Molitor- Lübbert 1996, 1021 f.). Das Interesse gilt dabei vor allem den Problemlösestrategien der Lernenden bei der Auswahl, Verdichtung und Ergänzung von Informationen. Zusammenfassungen eignen sich für analytische Zwecke auch deshalb, weil die Vorlagentexte in der Regel unmittelbar zugänglich sind und daher rekonstruiert werden kann, welche Informationen von den Lernenden berücksichtigt worden sind und welche nicht (vgl. Keseling 1993, 2). 6.2.1 „In diesem geschicht Lernen wir die Johanna und ihre Mutter kennen”: Zusammenfassungen eines Erzähltextes Zunächst zu den Zusammenfassungen, die auf der Grundlage einer Erzählung im Deutschunterricht in der 4. Klasse einer Hauptschule entstanden sind. 97 Beim Vorlagentext handelt es sich um die von Dora Grünberg verfasste Erzählung „Heil Hitler”. 98 Sie spielt im Zweiten Weltkrieg und hat aufklärerischen Charakter. Der Band, in dem die Erzählung erschienen ist, trägt den Titel: „Mut im Bauch. 12 Geschichten über Zivilcourage” (Groiß/ Likar 2000) und ist an jugendliche LeserInnen gerichtet. Bei den SchülerInnen, die die Zusammenfassungen geschrieben haben, handelt es sich um drei 15-jährige SchülerInnen: Aynur und Emre sind türkischer Herkunft mit Kurdisch als Muttersprache, Dominik ist deutschsprachig und kommt aus Österreich. Der Fokus der Textanalysen liegt auf den Texten von Aynur und Emre. 99 Emre ist vor vier Jahren nach Österreich gekommen. Zum Zeitpunkt, als der Text entstand, hat er mit seinem Vater und seinem Bruder zusammengelebt, seine Mutter ist kurz davor in die Türkei zurückgekehrt. Laut Auskunft der Lehrerin ist er sehr introvertiert und wortkarg. Emre hat in der Schule in allen Fächern Probleme. Das türkische Mädchen Aynur lebt seit der zweiten Klasse Volksschule in Österreich. Auch sie hat in den meisten Fächern Probleme. Ihr beruflicher Weg ist vorgezeichnet - sie soll nach der Schule im Geschäft ihres Vaters arbeiten. Aynur ist darüber sehr unglücklich, sie wünscht sich, selbst einen Beruf wählen zu dürfen. Die SchülerInnen haben die Aufgabe, die Erzählung zu lesen und auf einer knappen Heftseite zusammenzufassen. Der vorgegebene Text war mit Aynur und Emre zuvor im Unterricht ausführlich besprochen worden. Das Zusammenfassen von Texten war bereits mehrfach geübt worden. 97 Das entspricht der 8. Schulstufe. 98 Originaltext siehe Anhang Seite 224. 99 Lernertexte siehe Anhang. 72 Heil Hitler In diesem geschicht Lernen wir die Johanna und ihre Mutter kennen. Diese Geschich spielt im 2. Weltkrieg. Sie Leben in einem Deutschen Staad. die Johanna hat Angst wenn sie schlafen geht, weil jeden Nacht werden die Deutsche Staäde Bombardiert. Deshalb sie ihre Verwande ins Land gezogen. Die Famielie bezitst ein Bauernhof im Land. Aber Johannas Mutter war mutig sie bleibte in der Staad und leitet ein Brotfabrik Damit wenigsten noch die Menschen Brot haben. Sie beliefert die Krankenhäusen Altesheimer und 8 Filialen Brot. Die Johanna bewundert ihre Mutter weil sie so mutig ist. Am 13. August kamen zwei SA Männer in das Brotfabrik und mächten ein Angebot machen. Die Mutter soll für Hitler arbeiten und die BDM-Madchen Unterrichten damit sie Segeschi lernen. Aber die Mutter lehnte das Angebot. Die Männer sagten es wird Konsequenzen haben. (Aynur E.) Heil Hitler In dieser Geschichte lernen wir Johanna mit seinem Mutter. Der Zeit der zweite Weltkrieg. In Johannas Stadt wird es Bombatriert. Deshalb Johannas Verwandern verlassen der Stadt gehen in einem Land einen Bauhof. Nur bleibt Johannas Mutter in der Stadt und leitet ein Brotfabrik, damit Krankenhäuse, Altesheim und Menschen etwas zu brot essen. Fast gibt es in der Stadt Bombenalarm. Die Menschen laufen in der Luftschutzkeller. Viele Menschen wird von Bombentriemer gestorben und von SA Männer abgeholt, so wie Johannas Vater. Ein tag kommen SA Männer zu den Brotfabrik gehen zum Johannas Mutter. Johannas Mutter wird abgelehnt, aber Johannas Mutter will nicht von Hitler zu tun haben. (Emre K.) Heil Hitler In dieser Geschichte lernen wir ein 14-jähriges Mädchen Namens Johanna und ihre Mutter kennen. Die Geschichte spielt im 2. Weltkrieg. Eines Tages kommen zwei uniformierte Männer in die Bäckerei der Mutter. Sie machen ihr ein Angebot. Die Mutter lehnt es aber ab. Beide sind gegen Hitler. Die Verwanten von Johanna fliehen aufs Land, aber Johanna und ihre Mutter bleiben zurück. Die Mutter versorgt Waisenhäuser und Krankenhäuser mit Brot. Dann, eines Tages kommen die zwei Männer wieder. Sie bieten der Mutter an Segelflug- und Schilehrerin beim Deutschen Bundesheer zu werden. Die Mutter lehnt wieder ein mal ab. Sie wurde als Kind schon einmal aus einem Verein geschmissen. Die Mutter muss mit argen Konsequenzen rechnen. Sie geht zum Tresor und hohlt das letzt Packerl Kaffee heraus. (Dominik R.) 6.2.1.1 Thematische Schwerpunkte Die Überschrift „Heil Hitler” war vorgegeben. Der Hitlergruß ist in der Erzählung von Grünberg ein Symbol für die gewaltsame Repression im Dritten Reich. In der Verweigerung dieses Grußes manifestiert sich der Widerstand der Mutter gegen das autoritäre Regime. 73 Der Hitlergruß ist nur in der Zusammenfassung von Aynur ein zentrales Textthema. 100 Aynur stellt die Protagonistin Johanna und ihre Mutter ins Zentrum. Sie schildert, wie Johanna ihre Mutter und ihr mutiges Auftreten gegenüber den Machthabern bewundert. Auch Johanna wäre gerne so mutig wie sie, empfindet sich selbst jedoch als ängstlich und feige. 101 Aynur beschreibt Johannas Gefühle, ihre inneren Konflikte, Wünsche und Sehnsüchte auf sprachlich differenzierte und einfühlsame Weise. In der Zusammenfassung von Emre stehen Johanna und ihre Mutter nicht auf dieselbe Weise im Mittelpunkt, das zentrale Thema sind vielmehr die kriegerischen Ereignisse in der Stadt und deren zerstörerische Folgen. Emre schildert diese Geschehnisse nüchtern, sachlich und distanziert. Der Hitlergruß ist in seinem Text nur am Rande ein Thema. In der Zusammenfassung von Dominik stehen Begegnungen der Mutter mit den SA-Männern im Zentrum. Es sind zwei Treffen ausführlich geschildert, obwohl nur die erste Konfrontation der Mutter mit den SA-Männern in der Erzählung von Grünberg vorkommt und dort auch nur am Rande erwähnt wird. Dominik setzt diese Begegnung an den Beginn seines Textes und führt sie detaillierter aus als im Original - er erfindet einige Fakten und fügt sie den aus dem Vorlagentext entnommenen Informationen hinzu. 6.2.1.2 Emotionalität und Identifikation Während Dominik in seinem Text keine erkennbare emotionale Beteiligung zeigt, scheint Emre vor allem von den kriegerischen Ereignissen stark angesprochen zu sein. Er konzentriert sich in seiner Zusammenfassung weniger auf einzelne Personen als auf die Geschehnisse des Krieges. Die Protagonisten sind, was deren Ziele, Beweggründe und Emotionen betrifft, in seinem Text nicht näher beschrieben, ihr Verhältnis zueinander wird distanziert und sachlich geschildert. Emre erwähnt auch den Vater, der in den Zusammenfassungen der beiden anderen nicht vorkommt. 102 Die Tatsache, dass Emre seinen Vater und Dominik die SA-Männer in den Mittelpunkt stellt, während sich Aynur auf die weiblichen Protagonistinnen konzentriert, könnte auf eine geschlechterspezifische Tendenz in der Wahrnehmung der ProtagonistInnen hinweisen. Schon Dahrendorf hat darauf aufmerksam gemacht, dass sich Mädchen bei der Wiedergabe von 100 Aynur nimmt zwar nicht explizit Bezug darauf, wofür dieser Gruß inhaltlich steht, implizit bildet er jedoch den thematischen Kern dieses Textes. 101 In den Textanalysen von Arzt (1999, 162) hat es sich weiters auch gezeigt, dass Mädchen - stärker als Jungen - den Widerstand, allgemein und im Speziellen von Frauen, zum Thema machen. 102 Emre schreibt, dass Johannas Vater von SA-Männern abgeholt worden ist, offen bleibt jedoch in seiner Zusammenfassung (wie auch in der Erzählung von Grünberg), was mit ihm danach passiert ist. 74 Erzähltexten eher mit weiblichen und Jungen eher mit männlichen Figuren identifizieren (vgl. Dahrendorf 1987; Arzt 1999); Mädchen sind empathischer und stärker an Beziehungen interessiert, fühlen sich mehr in die Figuren einer Erzählung hinein und drücken dies auch sprachlich auf differenziertere Weise als männliche Schreibende aus. 103 Darüber hinaus schreiben sie längere Texte, weichen stärker von den vorgegebenen Inhalten ab und nehmen häufiger subjektive Positionen ein (vgl. Arzt 1999, 164). 104 Aynur, die als Angehörige der kurdischen Volksgruppe selbst mit der Erfahrung der Repression, der Angst und der Flucht konfrontiert war und sich laut Aussage der Lehrerin auch in Österreich durch rigide soziale und familiäre Wertsysteme eingeengt fühlt, scheint durch die Situation von Johanna und deren innerem Zwiespalt zwischen Anpassung und Widerstand persönlich angesprochen zu sein. Man meint in ihrem Text zu spüren, wie sehr sie diese Erzählung aufwühlt und hat den Eindruck, dass sie sich mit Johanna, ihren Ängsten und Zweifeln stark identifiziert. Die Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle der weiblichen Protagonistinnen sind in ihrem Text auf differenzierte und einfühlsame Weise beschrieben. Für die Charakterisierung der Figuren verwendet sie Attribute; so beschreibt sie ihre Mutter etwa als „mutig” und Johanna als eine, die „Angst” hat und ihre Mutter „bewundert”. Dies sind persönliche Bewertungen und Sichtweisen von Aynur; sie sind nicht dem Vorlagentext entnommen. Aynur dürfte nicht erst beim Schreiben, sondern auch schon beim Lesen emotional stark beteiligt gewesen sein. Sie scheint die Erzählung aufmerksam gelesen zu haben und beschreibt sowohl die dargestellten Ereignisse als auch die ProtagonistInnen ausführlich und genau. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Feststellung ihrer Lehrerin, dass Aynur immer dann, wenn sie sich vom Thema eines Textes persönlich stark angesprochen fühlt, sprachlich geradezu „über sich hinauswächst”. Ihre Schreibleistungen liegen dann weit über dem sonst von ihr erreichten Niveau. Diese Beobachtung bestätigt die Hypothese von Anderson (1996), der zufolge ein subjektives Interesse an Texten die Wiedergabe- und Merkleistungen positiv beeinflusst. Auch Dehn (1996, 177) geht davon aus, dass die Fähigkeit von Lernenden, kohärente Textstrukturen zu entwickeln, nicht nur abhängig von der Komplexität der Inhalte ist, sondern auch von der emotionalen Beteiligung derjenigen, die sie verfassen. Eine emotionale 103 Dies ist auch das Ergebnis der Studie von Arzt (1999), in der Zusammenfassungen von Bibeltexten analysiert wurden. Die empirische Grundlage waren Texte von 10bis 15-jährigen SchülerInnen (vgl. Arzt 1999), die die Aufgabe hatten, einen Bibeltext („Die Geschichte der Waschti”) aus dem Buch „Ester” (Altes Testament) zusammenzufassen. 104 Aynurs Text ist mit 135 Wörtern der längste, gefolgt von Dominiks Text (124 Wörter) und Emres Text (106 Wörter). 75 Beteiligung scheint sich daher positiv auf die Rekonstruktion und Bewertung von Informationen beim Wiedergeben von Texten auszuwirken. 105 6.2.1.3 Sprachlich-formale Gestaltung Im Zentrum der folgenden Fehleranalyse steht die Frage, inwieweit die Sprachkompetenz der Lernenden mit deren Textkompetenz korreliert. Aynurs Text wird im Textverlauf zusehends korrekter, 106 auch stilistisch wird er sicherer. Sprachliche Normverletzungen kommen vor allem in den folgenden Bereichen vor: 107 • Genusbildungen und Deklinationen („in diesem geschicht”, „in einem Deutschen Staad”, „die Famielie bezitst ein Bauernhof”, „leitet ein Brotfabrik”) 108 • Präpositionen („bezitst ein Bauernhof im Land”); • Pluralbildungen („beliefert die Krankenhäusen Altesheimer”, „Staäde”); • Groß-/ Kleinschreibung („In diesem geschicht”, „in einem Deutschen Staad”, „die BDM-Madchen Unterrichten”, „Bombardiert”); • Buchstabenauslassungen („In diesem geschicht”, „Diese Geschich”, „wenigsten”); • Orthographie („Staad”, „Famielie”); • Tempuswechsel/ Präteritumbildung („Aber Johannas Mutter war mutig sie bleibte in der Staad und leitet ein Brotfabrik”, „… kamen zwei SA Männer in das Brotfabrik und mächten ein Angebot machen”). Emres sprachliche Normverletzungen betreffen insbesondere • Genusbildungen und Deklinationen („Der Zeit der zweite Weltkrieg”, „mit seinem Mutter”, „verlassen der Stadt”, „zu den Brotfabrik”); • Präpositionen („will nicht von Hitler zu tun haben”); • Richtungsangaben („laufen in der Luftschutzkeller”, „gehen in einem Land einen Bauhof”, „zum Johannas Mutter”); • die Wortstellung im Satz („Deshalb Johannas Verwandern verlassen der Stadt”, „Nur bleibt Johannas Mutter”); 105 In diesem Zusammenhang spielen auch kulturelle Aspekte eine Rolle - so motiviert etwa eine Geschichte, die bei den Lesenden positive Assoziationen in Bezug auf die Herkunftskultur weckt, zu einer ausführlicheren und lebendigeren Wiedergabe als eine Geschichte, in der vieles vorkommt, das die Lernenden aufgrund ihrer herkunftskulturellen Erfahrung nicht anspricht (vgl. Knapp 1997, 35). 106 Dies zeigt sich z.B. in den Nebensatzkonstruktionen und in der Orthographie. 107 Es werden nur jene Fehler genannt, die mehrfach im Text auftauchen. Dort, wo mehrere Fehlerquellen gleichzeitig vorkommen, werden sie nur einer Kategorie zugeordnet. 108 Es ist nicht immer genau festzustellen, ob es sich in den einzelnen Fällen um Deklinationsfehler handelt oder ob den Lernenden das richtige Genus nicht bekannt ist. Zum Teil verwendet Aynur den Artikel richtig, dann jedoch wieder falsch. 76 • Verbauslassungen („lernen wir Johanna mit seinem Mutter [kennen]”, „Der Zeit [war] der zweite Weltkrieg”); • das Passiv („Viele Menschen wird von Bombentriemer gestorben”, „Johannas Mutter wird abgelehnt”); • Pluralbildungen („Krankenhäuse”, „Altesheim”); • die Groß-/ Kleinschreibung („Bombatriert”, „Ein tag”, „brot essen”). Beim Gebrauch des Genus fällt auf, dass Emre immer dann, wenn er unsicher ist, sich für das Maskulinum entscheidet („seinem Mutter”, „der Zeit”). Er macht darüber hinaus relativ wenige orthographische Fehler und beherrscht die Verbstellung im Satz weitgehend sicher. Er setzt Spannungselemente ein und experimentiert mit verschiedenen Satzanfängen; insgesamt ist er in seinen Formulierungen jedoch noch unsicher. Fehler in den Bereichen Wortstellung, Genus und Verbauslassungen werden im Textverlauf seltener, der Text wird jedoch gegen Ende hin zunehmend schwerer verständlich - so ist etwa nicht ganz klar, was mit dem Verb „abgelehnt” genau gemeint ist und ob die Mutter tatsächlich verhaftet wurde oder nicht. Wenn man die Texte von Emre und Aynur auf der Normebene miteinander vergleicht, so zeigt es sich, dass Defizite, die in Emres Text im Bereich der Wortstellung, der Verbauslassungen und des Passiv vorkommen, in Aynurs Text nicht im selben Ausmaß vorhanden sind. In ihrem Text kommt es jedoch gehäuft zu Buchstabenauslassungen und fehlerhaften Tempusbildungen. Während Emres Text durchgehend im Präsens gehalten ist, nimmt Aynur in ihrem Text mehrere Tempuswechsel vor, wobei ihr bei der Bildung des Präteritums immer wieder Fehler unterlaufen. Diese Fehler könnten jedoch ein Hinweis darauf sein, dass Aynur gerade dabei ist, eine neue grammatische Kategorie zu erwerben; dies gilt auch für den Erwerb der Artikel, bei deren Gebrauch sie ebenfalls noch unsicher ist. Dominiks Text ist auf der Normebene kaum zu beanstanden. Bis auf zwei kleinere orthographische Fehler ist sein Text sprachlich korrekt. 6.2.1.4 Textkohäsion und Textkohärenz Im Folgenden soll untersucht werden, wie Aynur, Emre und Dominik in ihren Texten verweisen und welche sprachlichen Elemente sie einsetzen, um einzelne Textelemente zu verknüpfen. Das Augenmerk gilt dabei vor allem der Wiederaufnahmestruktur in ihren Texten, da sie als Indikator für Textkompetenz auf besondere Weise geeignet ist. 109 109 Lernende mit niedriger Textkompetenz tendieren dazu, die Wiederaufnahmestruktur in ihren Texten kaum zu variieren, Abfolgeregeln nicht einzuhalten und thematische Bezüge nicht eindeutig herzustellen. Nach Knapp (1997, 100) ist die Analyse der Wiederaufnahmestruktur in Schülertexten ein wichtiges Instrument zur Diagnose von Textkompetenz. 77 Sowohl Emre als auch Aynur und Dominik nehmen am Beginn ihrer Zusammenfassung eine historische Situierung der Geschichte vor. Johanna und ihre Mutter werden als Protagonistinnen eingeführt und charakterisiert. Der von der Lehrerin vorgegebene Textbeginn („In dieser Geschichte lernen wir … kennen”) 110 ist in den drei Lernertexten mit den nachfolgenden Sätzen nicht immer schlüssig verknüpft. Während Emre mit seinem zweiten Satz nahtlos an den Einleitungssatz anschließt („In dieser Geschichte lernen wir Johanna mit seinem Mutter. Der Zeit der zweite Weltkrieg.”), zeigen sich am Beginn des Textes von Aynur semantische Brüche: Sie verknüpft den ersten Satz pronominal mit dem dritten; der Zusammenhang zwischen dem zweiten und dem dritten Satz geht damit verloren („In diesem geschicht Lernen wir die Johanna und ihre Mutter kennen. Diese Geschich spielt im 2. Weltkrieg. Sie Leben in einem Deutschen Staad.”). Betrachtet man die Texte in ihrem Gesamtverlauf, so wird deutlich, dass es Emre gelingt, die Informationen in seinem Text weitgehend nachvollziehbar anzuordnen und miteinander zu verknüpfen. Seine Wiederaufnahmen sind überwiegend angemessen, wenngleich durch wenig Variation gekennzeichnet; er verwendet kaum Substitutionen und Proformen, Wiederaufnahmen erfolgen fast nur durch Rekurrenzen. Der logische Zusammenhang ist in seinem Text an einigen Stellen brüchig, das zeigt vor allem sein Einsatz von Konnektoren. So sind etwa die Sätze „Fast gibt es in der Stadt Bombenalarm. Die Menschen laufen in der Luftschutzkeller” logisch nicht ganz schlüssig: 111 Wenn es noch keinen Bombenalarm in der Stadt gegeben hat, ist die Reaktion der Menschen, bereits in die Luftschutzkeller zu laufen, nicht ganz verständlich. Im Original ist an dieser Stelle nur davon die Rede, dass es in deutschen Städten häufig Bombenalarm gibt und dass die Menschen in solchen Situationen für gewöhnlich in Luftschutzkeller fliehen. Es ist daher anzunehmen, dass Emre diese Textpassage nicht ganz verstanden hat oder aber sich über die Bedeutung des Wortes „fast” nicht ganz im Klaren ist. Ähnliche Beispiele finden sich auch an anderen Stellen des Textes, zum Beispiel im Satz: „Nur bleibt Johannas Mutter in der Stadt und leitet ein Brotfabrik, damit Krankenhäuse, Altesheim und Menschen etwas zu brot essen” - nicht Krankenhäuser und Altersheime brauchen Brot zum Essen, sondern die Menschen, die in der Stadt leben. Der Satz „Johannas Mutter wird abgelehnt, aber Johannas Mutter will nicht von Hitler zu tun haben” ist semantisch brüchig, da Emre das Passiv hier 110 Solche einleitenden „chunks” sind für Schreibende oft sehr hilfreich: Sie unterstützen sie dabei, Schreibblockaden zu überwinden und einen Textanfang zu finden (vgl. Knapp 1997, 159). 111 Emre setzt insgesamt fünf verschiedene Konnektoren ein. 78 inadäquat einsetzt und ihm keine adäquate Konjunktion (z.B. „weil“) und keine passende Präposition („mit“) zur Verfügung zu stehen scheint. 112 In Aynurs Text sind die Handlungen der Protagonisten genau hergeleitet und nachvollziehbar aufeinander bezogen. Dies zeigt sich sowohl in den Wiederaufnahmen 113 als auch im Einsatz der Konnektoren. Aynur verwendet darüber hinaus zahlreiche weitere Textverknüpfungsmittel 114 und setzt diese im jeweiligen Kontext adäquat ein. Die Art der Verknüpfung von einzelnen Textelementen lässt darauf schließen, dass sie die vorgegebene Erzählung sowohl als Ganzes als auch in ihren Details gut verstanden hat. 115 In Dominiks Text bestehen in Bezug auf die sinnadäquate Verknüpfung der Textelemente grobe Mängel. Textverknüpfungen durch logische Konnektoren sind kaum vorhanden bzw. sind dort, wo sie vorkommen, oft nicht indiziert. Die Wiederaufnahmen sind vielfach unpräzise und lassen die Lesenden darüber im Unklaren, worauf sie sich beziehen; z.B. in der Textpassage: „Sie machen ihr ein Angebot. Die Mutter lehnt es aber ab. Beide sind gegen Hitler.” Die Substitution „beide” ist nicht eindeutig, denn es ist unklar, welche Personen damit eigentlich gemeint sind. Auch der Sinnzusammenhang zwischen den einzelnen Sätzen ist nicht immer gegeben: 1. Beide sind gegen Hitler. Die Verwanten von Johanna fliehen aufs Land, aber Johanna und ihre Mutter bleiben zurück. 2. Die Mutter lehnt wieder ein mal ab. Sie wurde als Kind schon einmal aus einem Verein geschmissen. 3. Die Mutter muss mit argen Konsequenzen rechnen. Sie geht zum Tresor und hohlt das letzt Packerl Kaffee heraus. Wenn Dominik schreibt, dass „beide [Johanna und ihre Mutter] gegen Hitler sind”, so ist die Schlussfolgerung, dass sie deshalb anders als ihre Verwandten nicht aufs Land fliehen, sondern in der Stadt bleiben, nicht nachvollziehbar. Und wenn Dominik davon spricht, dass die Mutter es 112 Richtigerweise müsste es heißen: „Johannas Mutter wird etwas angeboten, aber …” Probleme beim Verständnis einzelner Wörter zeigen sich auch noch an anderen Stellen, so z.B. im Satz „Viele Menschen wird von Bombentriemer gestorben …” Gemeint sind hier vermutlich die „Trümmer” der Bomben, von denen im Original die Rede ist. 113 Aynur verwendet in diesem kurzen Text insgesamt 8 Konnektoren, darunter 5 verschiedene. Sie sind alle angemessen, mit einer Ausnahme: Das Pronomen „Sie” im dritten Satz bezieht sich auf „Johanna und ihre Mutter” im ersten Satz, damit „überspringt” sie quasi in ihrer Wiederaufnahme den zweiten Satz. 114 Sie konstruiert Wiederaufnahmen nicht nur durch Rekurrenzen, sondern auch durch Pro-Formen. 115 Ein Verständnisproblem dürfte der Verwendung des Wortes „Segeschi” zugrunde liegen, bei dem Aynur vermutlich die Wörter „Segeln” und „Schifahren” vermischt hat. 79 „wieder ein mal ablehnt” [Segelflug- und Schilehrerin zu werden], so ist nicht klar, was damit genau gemeint ist. Die Begründung, die er dafür anführt, ist nicht schlüssig. Thematische Übergänge und Sinnzusammenhänge sind somit in seinem Text oft nicht gegeben. Ein Grund dafür könnte sein, dass er die vorgegebene Erzählung nicht gut verstanden oder aber nur ungenau und ohne großes Interesse gelesen hat. Für Letzteres spricht, dass er inhaltlich relevante Textteile zum Teil auslässt bzw. nur ungenau rekonstruiert. So berichtet er etwa von „Waisenhäusern” statt von Altersheimen und davon, dass die Mutter Segelflug- und Schilehrerin beim „Deutschen Bundesheer” werden soll und „als Kind schon einmal aus einem Verein geschmissen” wurde - all das steht so nicht in Grünbergs Erzählung. Resümee Der Vergleich der drei Texte zeigt, dass die Fähigkeit, sprachlich korrekte Texte zu schreiben mit der Fähigkeit, kohärente, global-strukturierte Texte zu verfassen, nicht a priori korreliert. Dies wird durch den Vergleich der Texte von Aynur, Emre und Dominik deutlich sichtbar. Die Texte der beiden Zweitsprachenlernenden sind an der sprachlichen Oberfläche zwar zum Teil mangelhaft, aber dennoch weitgehend kohärent. Demgegenüber ist Dominiks Text auf der Normebene kaum zu beanstanden, in Bezug auf die Herleitung der Handlung, die Verknüpfung der einzelnen Textelemente und die Konstitution einer globalen Sinnstruktur jedoch defizitär. Aus der Fähigkeit von Lernenden, sprachlich korrekte Texte zu verfassen, kann daher nicht einfach geschlossen werden, dass sie deshalb auch in der Lage wären, kohärente Texte zu produzieren. Andererseits können jedoch Lernende, die im sprachlichen Normbereich Schwächen zeigen, durchaus in der Lage sein, Textinhalte nachvollziehbar und kohärent wiederzugeben. 6.2.2 „mit dem Stadt recht aus Stadten”: Sachtexte verstehen und wiedergeben Im Folgenden werden schriftliche und mündliche Zusammenfassungen von Sachtexten analysiert und Lese- und Verstehensprozesse beschrieben und ausgewertet, die dem Schreiben der Texte vorangingen. 6.2.2.1 Zugänge zu den Texten finden Der Auftrag an die SchülerInnen hatte gelautet, sich zu zweit Texte aus einem Schulbuch für den Geschichtsunterricht zum Thema „Mittelalter” auszusuchen, sie zu lesen, miteinander zu besprechen und schriftlich zu- 80 sammenzufassen. Ein paar Tage später sollten sie die wichtigsten Inhalte der Texte mündlich im Plenum präsentieren. Im Mittelpunkt der Analysen stehen die Zusammenfassungen von Nuran, 116 einer türkischsprachigen Schülerin, die im Beobachtungszeitraum die zweite Klasse (= 6. Schulstufe) einer Hauptschule in Graz besuchte. Nuran arbeitet bei dieser Aufgabe mit Birgit, einer deutschsprachigen Mitschülerin, zusammen. Obwohl die beiden von der Lehrerin den Auftrag haben, gemeinsam eine Zusammenfassung zu schreiben, entstehen schließlich zwei Texte. Die mündliche Präsentation ein paar Tage später wird von Nuran alleine gehalten, da Birgit in dieser Stunde nicht anwesend ist. Im Vergleich dazu wird die Zusammenfassung von Mira analysiert, einer 10-jährigen deutschsprachigen Schülerin, die im Beobachtungszeitraum die fünfte Schulstufe besucht. 117 Durch den Vergleich der Texte soll exemplarisch gezeigt werden, wie Lernende in diesem Alter an Textaufgaben dieser Art herangehen, mit welchen Anforderungen und Problemen sie dabei konfrontiert sind und wie erfolgreich die Strategien sind, die sie beim Verstehen und Produzieren der Texte entwickeln und anwenden. a) Nuran und Birgit beim Lesen der Sachtexte Nuran und Birgit werden sowohl beim Lesen als auch beim schriftlichen Zusammenfassen der Sachtexte beobachtet. Sie entscheiden sich für das Thema „Städte im Mittelalter” und lesen einander die Texte zunächst abwechselnd laut vor. 118 Nuran zeigt während des Lesens mit dem Zeigefinger auf jedes Wort, das sie gerade liest. Der Finger scheint ihr dabei zu helfen, den Blick auf einer Linie zu halten und sich auf jedes einzelne Wort 116 Nuran hat türkische Eltern und ist in Österreich geboren. Sie spricht zu Hause Türkisch, den Türkischunterricht in der Schule besucht sie nicht. Sie kann türkische Texte lesen, besitzt selbst aber kein türkisches Buch. Auch deutsche Bücher liest sie nur selten. Im Mündlichen ist ihr kaum anzumerken, dass Deutsch ihre Zweitsprache ist, sie drückt sich flüssig und gut verständlich aus. In der Schule ist sie eine aufmerksame und eifrige Schülerin, die den Unterricht ernst nimmt und alle Aufgaben gut zu erledigen versucht. Ihre schulischen Leistungen sind schwach, vor allem in Deutsch und in Mathematik. Birgit ist österreichischer Herkunft und eine durchschnittlich gute Schülerin, sie liest gerne. Ihr Interesse am Unterricht ist mäßig; sie ist meist nicht motiviert, mehr als das unbedingt Notwendige zu leisten. 117 Mira besucht eine AHS (=Allgemeinbildende Höhere Schule/ Gymnasium). Sie ist auch die Autorin des „Winter”-Textes, der im Kap. 6.1.2 vorkommt. 118 Diese Vorgangsweise führt nicht selten zu Verstehensproblemen, denn das persönliche Lesetempo ist entsprechend den individuellen Lesefähigkeiten und den Vorkenntnissen zum Thema des Textes verschieden. Wird ein Text im Unterricht vorgelesen, so können die Lernenden nicht ihrem eigenen Lese- und Verstehenstempo folgen, sondern sollen den Text in der vorgetragenen Geschwindigkeit verstehen. Dazu kommt, dass schwache LeserInnen oft nicht in der Lage sind, Texte sinnerfassend vorzulesen und Wörter bzw. Textstellen oftmals falsch betonen. 81 zu konzentrieren. 119 Dies dürfte es jedoch mit sich bringen, dass sie deren Kontext nicht ausreichend wahrnimmt und relevante Wörter nicht von weniger relevanten unterscheiden kann. Es scheint ihr die Flexibilität von geübten Lesenden zu fehlen, bestimmte Wörter zu überspringen und andere gezielt für das Textverständnis zu nutzen. 120 Im weiteren Verlauf der Textarbeit bestätigt sich diese Vermutung - Nuran scheint zwar die meisten Wörter isoliert zu verstehen, es fällt ihr jedoch schwer, diese im Kontext zu entschlüsseln und mit den Bedeutungen anderer, für das Textverständnis relevanter Wörter und Textpassagen zu verknüpfen. Sie ist daher kaum in der Lage, Sinnzusammenhänge im vorgegebenen Text zu verstehen, die über die Bedeutung der einzelnen Wörter hinausreichen. b) Strategien der Textmarkierung von Nuran und Birgit Nach dem Lesen der Texte überlegen Birgit und Nuran, wie sie weiter vorgehen könnten. Nuran drängt darauf, dem Auftrag der Lehrerin nachzukommen und die wichtigsten Inhalte der Texte gemeinsam festzulegen. Birgit hat daran jedoch kein Interesse und Nuran akzeptiert das schließlich. Birgit wirkt von Beginn an sicherer und selbstbewusster als Nuran und übernimmt in der Teamarbeit die leitende Rolle. Nuran macht selten eigene Vorschläge und widerspricht Birgits Entscheidungen nie. Die beiden sind unschlüssig, wie sie weiter vorgehen sollen; schließlich wird ihnen von der Lehrerin geraten, das Wichtigste in den Texten zu unterstreichen. Sie nehmen diesen Vorschlag auf und beginnen, jene Informationen im Text zu markieren, die sie für wichtig halten. 121 Beide arbeiten dabei weitgehend für sich alleine - nur wenn eine der beiden merkt, dass die andere fortfährt, wird sie mitunter neugierig und schaut nach, was die andere gerade tut. Nuran und Birgit reden kaum miteinander, sie besprechen auch nicht, warum sie die unterstrichenen Informationen für wichtig halten; sie sagen meist nur: „Das ist wichtig”, ohne es näher zu begründen. Beide unterstreichen ausschließlich Passagen der ersten beiden Texte; auf die Frage, warum sie im dritten Text nichts mehr unterstreichen, antwortet Birgit (etwas verschmitzt): „Weil nichts mehr wichtig ist! ” Städte entstehen Der Ursprung vieler Städte in Europa reicht ins Mittelalter zurück. Städte entstanden an Stellen, wo es günstig war, Handel zu treiben, z.B. an Kreuzungspunkten wichtiger Handelsstraßen, bei Flussübergängen und Furten (Bruck, Innsbruck, Klagenfurt von „Glanfurt”). Man gründete sie dort, wo der Schutz 119 In weiteren Analysen zur selben Aufgabenstellung wurde die Beobachtung gemacht, dass SchülerInnen während des Lesens mitunter die Lippen mitbewegen oder mit einem Stift die Zeilen beim Lesen entlangfahren. 120 Diese Fähigkeit setzt voraus, dass Hypothesen zum Inhalt des Textes konstruiert und der Text gezielt nach jenen Informationen abgesucht werden kann, die der Bestätigung bzw. Widerlegung dieser Hypothesen dienen (vgl. Wolff 2002, 167). 121 Siehe Unterstreichungen im Text „Städte entstehen”. 82 einer Burg gegeben war (Salzburg, Radkersburg). Oder die Menschen belebten alte Römersiedlungen wieder, die im Lauf der Jahrhunderte verfallen oder zerstört worden waren (z.B. Wien). Bei diesen Handelsplätzen ließen sich auch Handwerker nieder. Das waren oft ehemalige Bauernsöhne, die selbst keinen Hof erben konnten. Sie arbeiteten als Schmied, Schuster, Zimmermann oder Leinenweber für den Bedarf der Händler, der Kaufleute oder des Grundherrn. Wer die Städte fördert Die Grundherren (= Stadtherren) dieser aufstrebenden Orte sicherten den Kaufleuten und Handwerkern besondere Rechte und große Freiheiten zu. So z.B. das Recht, Waren zu handeln und zu verkaufen (= Marktrecht). Auf solche Weise förderten sie den Handel und das Gewerbe. Als Gegenleistung erhielten sie einen Teil der Einnahmen der Kaufleute und Handwerker als Steuern. Seit dem 12. Jh. begannen die Könige, Fürsten, Grafen, Bischöfe und Äbte planmäßig, solche Orte mit besonderen Rechten, dem Stadtrecht, auszustatten. Danach hatten sie das Recht und die Pflicht, täglich Markt zu halten, eine Stadtmauer zu bauen und die Stadt mit Waffen zu verteidigen. Die Stadt sollte so sicher sein wie eine Burg. Innerhalb der Stadtmauern war es allerdings verboten, Streitigkeiten mit Waffen auszutragen, und auf dem Markt galt der Marktfriede. Die Geschäfte durften nicht gestört werden. Von allen Städten Österreichs besitzt Enns das älteste Stadtrecht aus dem Jahr 1212. Von Wien ist ein Stadtrecht aus dem Jahr 1221 überliefert. Gotische Kirchen wuchsen in den Himmel Die tiefe mittelalterliche Frömmigkeit bewog die Stadtbewohner dazu, neue Kirchen zu bauen. Sie sollten die bisherigen an Größe und Höhe übertreffen. Heute bezeichnet man diesen Baustil als Gotik. Im Unterschied zu den Kirchen im romanischen Stil war die Gotik hochragend und schlank. Die Wände waren durch große, bunt leuchtende Glasfenster durchbrochen. (Wald/ Scheucher/ Scheipl 2000) Nuran und Birgit unterstreichen durchgängig ganze Sätze, zum Teil markieren sie unwichtige Informationen („Bruck, Innsbruck, …”) und lassen wichtige aus. Dies lässt vermuten, dass sie inhaltlich relevante Textstellen nicht immer erkennen und fokussieren. Dass sie vor allem Textpassagen hervorheben, in denen konkrete Beispiele gegeben werden (z.B. „Sie arbeiteten als Schmied, Schuster, Zimmermann …”), lässt annehmen, dass sie sich eher auf alltagsbezogene Ereignisse und konkret Erfahrbares konzentrieren als auf abstrakte, der unmittelbaren Erfahrung nicht zugängliche Informationen. 122 122 Konkrete sprachliche Items auf der Wort-, Satz- und Textebene scheinen zu höheren Behaltensleistungen zu führen als abstrakte Informationen (Marschark/ Paivio 1977); Vorstellungen zu konkreten Items können schneller generiert werden und Informationen, die sowohl bildlich als auch verbal aufgenommen werden, werden leichter verstanden (vgl. Groeben/ Christmann 1989, 177). Nach Gogolin et al. (2004, 135) werden strukturierende und produktive Strategien auf abstraktem Niveau von leistungsschwachen SchülerInnen mit Migrationshintergrund kaum eingesetzt. 83 c) Miras Vorgangsweise beim Lesen und Bearbeiten der Texte Miras Lese- und Textverstehensstrategien sind jenen von Birgit und Nuran in gewisser Hinsicht durchaus ähnlich; gleichzeitig zeigen sich aber von Beginn an auch Unterschiede. So liest Mira etwa die vorgegebenen Texte von sich aus mehrfach - beim ersten Lesedurchgang unterbricht sie den Leseprozess nur, um nach der Bedeutung der ihr unbekannten Wörter zu fragen (z.B. „Furten”); 123 ihre Aufmerksamkeit scheint von Beginn an sowohl auf der lokalen als auch auf der globalen Ebene des Textes zu liegen. Auf diese Weise gelingt es ihr rasch, sich beim Lesen Orientierung zu verschaffen und wesentliche Sinnzusammenhänge zu verstehen. Im zweiten Lesedurchgang markiert sie jene Textpassagen, die ihr wichtig erscheinen. 124 Städte entstehen Der Ursprung vieler Städte in Europa reicht ins Mittelalter zurück. Städte entstanden an Stellen, wo es günstig war, Handel zu treiben, z.B. an Kreuzungspunkten wichtiger Handelsstraßen, bei Flussübergängen und Furten (Bruck, Innsbruck, Klagenfurt von „Glanfurt”). Man gründete sie dort, wo der Schutz einer Burg gegeben war (Salzburg, Radkersburg). Oder die Menschen belebten alte Römersiedlungen wieder, die im Lauf der Jahrhunderte verfallen oder zerstört worden waren (z.B. Wien). Bei diesen Handelsplätzen ließen sich auch Handwerker nieder. Das waren oft ehemalige Bauernsöhne, die selbst keinen Hof erben konnten. Sie arbeiteten als Schmied, Schuster, Zimmermann oder Leinenweber für den Bedarf der Händler, der Kaufleute oder des Grundherrn. Wer die Städte fördert Die Grundherren (= Stadtherren) dieser aufstrebenden Orte sicherten den Kaufleuten und Handwerkern besondere Rechte und große Freiheiten zu. So z.B. das Recht, Waren zu handeln und zu verkaufen (= Marktrecht). Auf solche Weise förderten sie den Handel und das Gewerbe. Als Gegenleistung erhielten sie einen Teil der Einnahmen der Kaufleute und Handwerker als Steuern. Seit dem 12. Jh. begannen die Könige, Fürsten, Grafen, Bischöfe und Äbte planmäßig, solche Orte mit besonderen Rechten, dem Stadtrecht, auszustatten. Danach hatten sie das Recht und die Pflicht, täglich Markt zu halten, eine Stadtmauer zu bauen und die Stadt mit Waffen zu verteidigen. Die Stadt sollte so sicher sein wie eine Burg. Innerhalb der Stadtmauern war es allerdings verboten, Streitig- 123 Birgit hat nur in einem Fall, Nuran hat nie nach den Bedeutungen von Wörtern gefragt, obwohl im weiteren Verlauf deutlich wurde, dass sie nicht alles verstanden hat. 124 Birgit und Nuran mussten erst dazu aufgefordert werden, den Text ein zweites Mal zu lesen und sich dabei auf die relevanten Informationen zu konzentrieren. Dies bestätigt die Ergebnisse von Keseling (1993, 13), demnach SchülerInnen, die nicht über effiziente Lese- und Verstehensstrategien verfügen, Texte meist nur einmal lesen, nichts oder nur wenig bzw. nicht zielgerichtet markieren und kaum Fragen zum Text stellen. Schreiberfahrene hingegen lesen einen schwierigen Text mehrfach, setzen verschiedene Strategien des Hervorhebens von Informationen ein und fragen nach den Bedeutungen der ihnen unbekannten Wörter. 84 keiten mit Waffen auszutragen, und auf dem Markt galt der Marktfriede. Die Geschäfte durften nicht gestört werden. Von allen Städten Österreichs besitzt Enns das älteste Stadtrecht aus dem Jahr 1212. Von Wien ist ein Stadtrecht aus dem Jahr 1221 überliefert. Gotische Kirchen wuchsen in den Himmel Die tiefe mittelalterliche Frömmigkeit bewog die Stadtbewohner dazu, neue Kirchen zu bauen. Sie sollten die bisherigen an Größe und Höhe übertreffen. Heute bezeichnet man diesen Baustil als Gotik. Im Unterschied zu den Kirchen im romanischen Stil war die Gotik hochragend und schlank. Die Wände waren durch große, bunt leuchtende Glasfenster durchbrochen. Bei ihren Unterstreichungen arbeitet Mira ganz ähnlich wie Birgit und Nuran: Sie markiert fast durchgängig ganze Sätze, lässt einige wesentliche Informationen aus (z.B. „Bei diesen Handelsplätzen …”), berücksichtigt jedoch - anders als Nuran und Birgit - auch den dritten Text der Vorlage. 6.2.2.2 Das Schreiben der Zusammenfassungen Nach dem Unterstreichen beginnen Nuran und Birgit die unterstrichenen Textteile abzuschreiben. Diese Vorgangsweise scheint für sie ein gewohntes und selbstverständliches Verfahren zu sein. Als sie von der Lehrerin aufgefordert werden, nicht abzuschreiben, sondern die wichtigsten Inhalte der Texte vielmehr in eigenen Worten wiederzugeben, sind sie irritiert und machen vorerst nicht weiter. Sie sind ratlos und ihre Motivation, weiterzuschreiben, scheint verloren. Nur mit Mühe gelingt es, sie dazu zu bewegen, dass sie fortfahren. Als sie schließlich wieder weiterschreiben, arbeitet wiederum jede für sich. Die beiden werden nun zunehmend unruhig, weil sie fürchten, nicht rechtzeitig vor Ende der Unterrichtsstunde fertig zu werden. Sie lassen sich weiterhin nicht dazu bewegen, einander zunächst Formulierungen vorzuschlagen und diese vor der Verschriftlichung zu diskutieren. Wenn sie auf den Vorlagentext zurückgreifen, dann immer so, dass sie die unterstrichenen Sätze in chronologischer Reihenfolge lesen; sie greifen nie auf Informationen vor oder nach diesen Sätzen zurück. Birgit scheint mehrmals kurz davor zu stehen, aufzugeben und den Text einfach nur abzuschreiben. Nuran arbeitet hingegen konzentriert und ernsthaft weiter. Obwohl die Motivation sinkt, gelingt es Birgit, die Qualität ihres Textes zu steigern; sie löst sich immer mehr von der Vorlage und formuliert zusehends eigenständiger. Sie setzt sich nun auch aufmerksamer mit der Bedeutung einzelner Wörter im Text auseinander und fragt des Öfteren nach, wenn sie etwas nicht genau verstanden hat. So möchte sie etwa wissen, was mit dem Wort „aufstrebend” gemeint ist und ob man es durch „reich” ersetzen könne. Nachdem sie „reichen Orte” notiert hat, schaut sie in Nurans Text nach, welches Wort sie verwendet hat und bemerkt, dass sie das Wort „aufstrebend” direkt von der Vorlage übernommen hat. Darauf- 85 hin fragt sie Nuran, ob sie die Bedeutung dieses Wortes überhaupt kennt und Nuran muss verneinen. Nun schaut Nuran vice versa in Birgits Text nach, welches Wort sie verwendet hat und streicht daraufhin „aufstrebend” im eigenen Text durch und ersetzt es durch „reichend”. 6.2.2.3 Die Lernertexte a) Die schriftlichen Zusammenfassungen von Nuran und Birgit Nuran und Birgit schließen ihre Arbeit innerhalb der vorgegebenen Schulstunde ab. Obwohl die Aufgabe gelautet hat, gemeinsam eine Zusammenfassung zu schreiben, entstehen schließlich zwei verschiedene Texte: Z. Text von Nuran Text von Birgit 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 Städte entstanden an Stellen, wo es günstig ist, Handel zu treiben. z.B. Flussübergängen, Furten in den Burg Radkersburg. Das Die ehemalige Bauersöhne waren oft, die keinen eigenen Hof erben konnten. Sie arbeiten als Schmied, Schuster, Zimmermann oder Leinenweber für Bedarf der Händler, Kaufleute des Grundherrn. Die Grundherren (= Stadtherren) dieser aufstrebenden reichenden Orte sicherten den Kaufleuten und Handwerken besondere Rechte und große Freiheiten zu z.B. das Recht, Waren zu handeln und zu verkaufen. Seit dem 12. Jh begannen die Könige, Fürsten Grafen, solche Orte mit besonderen Rechten, dem Stadt recht aus zu Stadten. Sie hatten das Recht und die Flucht täglich mach zu halten. Von allen Städten Österreichs besitzt Enns das älteste Stadtrecht aus dem Jahr 1212. Von Wien ist ein Stadtrecht aus dem Jahr 1221 überlifert. Städte entstähen: Städte an Stellen, wo es günstig ist zu Handel z.B. Flüssubergangen u. Furten in der Burg Ratkasburg. Das waren ehemalige Bauernsöhne die oft keinen Hof, erben konnten. Sie arbeiteten als Schmied, Schuster und Zimmermann oder Leinenweber für Bedarf der Handel, Kaufleute, Grundheren. Die Grundheeren dieser reichen Orte sicherten den Kaufleuten und Handwerker besonderer Rechte und große Freiheiten zu. Z.B. das Recht, Waren zu handeln und zu verkaufen. Seit dem 12. Jh. begannen die Könige, Fursten usw. solche Orte mit besonderen Rechten, dem Stadtrecht auszusdaaten. Sie hatten das Recht und die Pflicht, täglich Markt zu halten Von allen Städten Österreichs besitzt Enns das älteste Städtrecht aus dem Jahr 1212. Von Wien ist ein Stadtrecht aus dem 1221 überliefert. 86 Im Folgenden werden die Sätze der Reihe nach besprochen: Nuran gibt am Beginn ihres ersten Satzes jene Textpassage, die sie im Original unterstrichen hat, fast identisch wieder, im zweiten Teil des Satzes reiht sie einzelne, aus der Vorlage entnommene Wörter weitgehend unverbunden aneinander. Sie folgt in dieser Aufzählung der Chronologie der Vorlage, lässt jedoch Präpositionen, Konjunktionen und auch die Erklärung, warum Radkersburg im Mittelalter zu einer Stadt wurde, weg. Durch die fehlende Verknüpfung von „Furten” mit „in den Burg Radkersburg” wird diese Textpassage schwer verständlich; der im Vorlagentext konstruierte kausale Zusammenhang ist hier nicht wiedergegeben. Nuran scheint die Erklärung dafür, warum Furten dort gegründet worden waren, wo der Schutz einer Burg gegeben war, nicht verstanden und Radkersburg auch nicht als ein Beispiel für eine Burg erkannt zu haben, die diese Funktion erfüllt hat. Ein weiteres Problem könnte darin bestanden haben, dass Nuran den Begriff „Furt” nicht gekannt hat und auch den Kontext im Text nicht für den Aufbau eines Begriffsbzw. Satzverständnisses nutzen konnte. Birgit beginnt den ersten Satz mit einer Aufzählung, die allerdings sowohl vor als auch nach dem Doppelpunkt, der sie einleitet, bruchstückhaft ist („Städte entstähen: Städte an Stellen, …”). Die Sinnstruktur in diesem Satz ist brüchig, gleichzeitig kann er als ein Versuch gedeutet werden, nicht einfach nur abschreiben, sondern eigenständig zu formulieren. Dies wird etwa in der Textpassage deutlich: „… wo es günstig ist zu Handel” (anstelle von „… wo es günstig war, Handel zu treiben”); offenbar hat sie hier die beiden Formulierungen „Handel zu treiben” und „zu handeln” vermischt. Birgit lässt in diesem ersten Satz ihrer Zusammenfassung dieselben Präpositionen wie Nuran aus und verzichtet ebenso auf eine Erklärung, warum Radkersburg zu einer Stadt wurde - daraus ist zu schließen, dass auch sie den ersten Satz des Vorlagentextes nicht ganz verstanden hat. An der Textoberfläche ist Birgits Satz fehlerhafter als jener von Nuran (insbesondere im Bereich der Zeichensetzung und der Umlaute: „entstähen”, „Flüssubergangen”, „Ratkasburg”). In ihrem zweiten Satz hält sich Nuran wiederum weitgehend an die Unterstreichungen der Vorlage. Da sie den Satz im Vorlagentext („Bei diesen Handelsplätzen ließen sich auch Handwerker nieder.”), der mit dem nachfolgenden Satz pronominal verknüpft ist („Das waren oft …”), nicht berücksichtigt, schließt der zweite Satz in ihrer Zusammenfassung an den vorangegangenen Satz nicht logisch-schlüssig an - sie versucht die fehlende pronominale Verknüpfung auszugleichen, indem sie das einleitende „das” durchstreicht und den Satz mit „Die [Bauersöhne]” beginnt; die Kohärenz ist an dieser Stelle dennoch beeinträchtigt. In der Zusammenfassung von Birgit tritt dieses Problem noch deutlicher zutage; sie unternimmt nicht einmal den Versuch einer „Reparatur” der Wiederaufnahmestruktur ihres Textes - die Pro-Form am Beginn ihres zweiten Satzes „Das waren 87 ehemalige Bauernsöhne …” greift ins Leere, es fehlt der Referent, auf den sie sich bezieht. Der dritte Satz ist von Nuran fast bis zum Ende abgeschrieben, im zweiten Satzteil fehlen die Artikel und die Konjunktion „oder”, die die Begriffe „Kaufleute” und „Grundherrn” im Vorlagentext konzeptuell verknüpfen (Original: „Sie arbeiteten […] für den Bedarf […] der Kaufleute oder des Grundherrn”; Nuran: „Sie arbeiten […] für Bedarf der Händler, Kaufleute des Grundherrn.”) Durch das fehlende „oder” wird ein neuer Referenzbezug hergestellt, der semantische Zusammenhang zwischen „Kaufleute” und „Grundherren” wird dadurch verändert: Die „Kaufleute”, die sich im Original auf den „Bedarf” beziehen, werden in Nurans Text durch die Auslassung der Konjunktion „oder” den Grundherren („Kaufleute des Grundherrn”) zugeordnet. Im Text von Birgit findet sich im dritten Satz ein orthographischer Fehler („Grundheren”), sie lässt die Artikel aus, verwendet das Wort „Handel” anstatt von „Händler”, der Inhalt des vorgegebenen Textes ist aber dennoch weitgehend verständlich. Der vierte Satz in Nurans Zusammenfassung ist bis auf die von Birgit angeregte Korrektur („aufstrebend” reichend), die Auslassung des satzeinleitenden Konnektors „So” und das Weglassen der in Klammern gesetzten Erklärung „Marktrecht” mit der Vorlage identisch. Durch die fehlende Absatzgliederung ist nicht zu erkennen, dass an dieser Stelle bereits die Wiedergabe des zweiten Vorlagentextes beginnt („Wer die Städte fördert”). Birgit bleibt in dieser Textpassage näher am Originaltext, indem sie sich für zwei Sätze entscheidet; aber auch sie lässt die in der Vorlage verwendete Konjunktion „So” als Beginn des zweiten Satzes aus. In ihrem vierten Satz bleiben neben dem in Parenthese gesetzten Begriff „Marktrecht” auch die „Stadtherren” unerwähnt. Der fünfte und der sechste Satz in der Zusammenfassung von Nuran zeigen, dass es ihr offenbar zunehmend schwer fällt, den Inhalt der Vorlagentexte wiederzugeben. Ihre Formulierung „mit […] dem Stadt recht aus zu Stadten” lässt darauf schließen, dass sie die Textpassage „mit dem Stadtrecht ausstatten” nicht ganz verstanden hat. In einer mündlichen Textwiedergabe würde dies vermutlich erst gar nicht bemerkt werden, da man die Formulierung im Mündlichen wohl bestenfalls als Ungenauigkeit in der Aussprache, nicht jedoch als Indiz für ein Verstehensproblem interpretieren würde. Ähnliches gilt auch für den nächsten Satz: „Sie hatten das Recht und die Flucht täglich mach zu halten.” Auch hier würde eine mündliche Textwiedergabe wohl annehmen lassen, dass Nuran ohnehin das Richtige meint und bloß ungenau artikuliert. In beiden Fällen ermöglicht es erst die Verschriftlichung, auf ein mögliches Verstehensproblem aufmerksam zu werden. Birgit kürzt die vorgegebene Aufzählung in ihrem fünften Satz ab (und markiert diese Reduktion durch „usw.”) und nennt bloß die „Könige” und die „Fursten”; möglicherweise sind ihr diese Perso- 88 nengruppen vertrauter als andere, die im Vorlagentext genannt werden (Grafen, Bischöfe, Äbte). 125 Der sechste Satz ist ebenfalls knapp, auf wesentliche Informationen beschränkt, jedoch gut verständlich. Den vorletzten und letzten Satz übernimmt Nuran ganz von der Vorlage. Dies gilt weitgehend auch für Birgit, sie baut jedoch einige sprachliche und inhaltliche Fehler ein (z.B. „Städtrecht”). Diese Ungenauigkeiten könnten an ihrer nachlassenden Konzentration oder auch am Zeitdruck liegen, der durch das nahende Ende der Schulstunde entsteht. Birgit zeigt dennoch mit ihrer Zusammenfassung, dass ihr die Aufgabe, wesentliche Inhalte der vorgegebenen Texte auf verständliche Weise und in eigenen Worten wiederzugeben, zumindest ansatzweise gelingt. Zwar weist ihr Text vor allem am Beginn zahlreiche sprachliche Mängel (insbesondere im Bereich der Orthographie, der Zeichensetzung und der Grammatik) und Schwächen in der Wiederaufnahmestruktur auf, mit zunehmendem Textverlauf wird er jedoch kohärenter. Nurans Text weist demgegenüber zahlreiche Lücken und Brüche auf, die die Kohärenz des Textes gegen Ende hin zunehmend beeinträchtigen: Auffällig ist vor allem das Fehlen von grammatikalischen Elementen (Präpositionen, Artikel) und Textverknüpfungsmitteln (v.a. Konjunktionen). Die Gründe dafür dürften neben sprachlichen Defiziten vor allem Verstehensprobleme in Bezug auf einzelne Wörter und deren Kontexte sowie den Text als Ganzes sein. Diese Annahme kann auch dadurch gestützt werden, dass sie Wörter und Textpassagen aus dem Vorlagentext zum Teil völlig falsch abschreibt 126 und am Ende des Textes wieder ganz auf die Vorlage zurückgreift - ihre Energie scheint nicht mehr auszureichen, um die Anstrengung, die Inhalte des Textes fokussiert und in eigenen Worten wiederzugeben, länger auf sich zu nehmen. b) Die schriftliche Zusammenfassung von Mira Mira schreibt von Beginn an zügig, ohne lange nachzudenken und auf die Vorlage zu schauen. 127 Sie scheint sich die wichtigsten Inhalte der Sachtexte nach dreimaliger Lektüre so gut gemerkt zu haben, dass sie während des Schreibens nur noch auf ihr Gedächtnis zurückzugreifen braucht. Mira benötigt für den Schreibprozess zwanzig Minuten. 128 Summery Bis zum Mittelalter reicht der Ursprung unserer Städte in Europa zurück. 125 Sie nimmt nur weltliche Personengruppen auf, Kleriker lässt sie unerwähnt. 126 Das zeigt sich z.B. in Satz 5 und 6. 127 Kirby/ Pedwell (1991) zeigten, dass Lernende, die keine Vorlagentexte beim Zusammenfassen verwendet haben, tiefer gehende Textverarbeitungsprozesse durchliefen als Lernende, die beim Schreiben auf die vorgegebenen Texte zurückgriffen. 128 Damit benötigte sie nur ca. die Hälfte der Zeit im Vergleich zu Birgit und Nuran, die fast eine ganze Schulstunde damit beschäftigt waren. 89 Die meisten Städte entstanden an Stellen wo man gut Handel treiben konnte. Z.b. an Kreuzungspunkten wichtiger Handelsstraßen, bei Flussübergängen und Furten (Bruck, Innsbruck, Klagenfurt von „Glangfurt”). Sie wurden dort gegründet wo die Burg auch geschützt war (Salzburg, Radkersburg.) Aber die Menschen belebten auch alte Römersiedlungen die mit der Zeit verfallen oder zerstört wurden (zb. Wien). An diesen Handelsplätzen blieben auch Handwerker. Meistens waren das ehemalige Bauerssöhne die keinen eigenen Hof erben konnten. Die Grundherren sicherten den Kaufleuten und Handwerkern besondere Rechte und große Freiheiten zu. Seit dem 12. J.h. herschten die Könige, Fürste, Grafen, Bischöfe und Äbte. Sie erstellten viele neue Rechte. So durften und mussten die Leute Markt halten. Genauso hatten sie die Pflicht die Stadt zu sichern und mit Waffen auszustatten, die sie allerdings untereinander nicht verwenden durften. Diese Menschen waren sehr from und wollten viele neue gotische Kirchen bauen. Mira hat die vorgegebenen Texte nicht nur gut verstanden, 129 sondern ist auch in der Lage, sie auf sachadäquate, sprachlich differenzierte und strukturierte Weise wiederzugeben. Während Birgit nach jedem Satz einen Absatz macht und Nuran dort keinen setzt, wo einer angebracht wäre, sind Miras Absätze durchgehend angemessen. 130 Durch genauere Überleitungen hätte sie den thematischen Zusammenhang zwischen den Absätzen allerdings noch verdeutlichen können. 131 Mira setzt eine Reihe von Textverknüpfungsmitteln ein, 132 sodass eine beinahe lückenlose Wiederaufnahmestruktur entsteht. Gegenüber der Vorlage nimmt sie zahlreiche Veränderungen vor, indem sie zum Beispiel • komplexere Begriffe und kompliziertere Konstruktionen durch einfachere ersetzt: Miras Text Originaltext Diese Menschen waren sehr from und wollten viele neue gotische Kirchen bauen. Die tiefe mittelalterliche Frömmigkeit bewog die Stadtbewohner dazu, neue Kirchen zu bauen. • Textpassagen auslässt, die nicht getilgten Teile inhaltlich komprimiert, neu kombiniert bzw. sprachlich vereinfacht: Miras Text Originaltext So durften und mussten die Leute Danach hatten sie das Recht und die 129 Nur der Satz „Sie wurden dort gegründet wo die Burg auch geschützt war” weist auf eine Verständnislücke hin. 130 Sie orientiert sich mit den Absätzen, die sie setzt, an den drei vorgegebenen Texten. 131 Darüber hinaus gibt es auch innerhalb der einzelnen Absätze kleinere Brüche in der logischen Struktur ihres Textes, siehe z.B. Satz 3 („Sie wurden dort gegründet …”) und Satz 7 („Seit dem 12. J.h. …”). 132 Nuran und Birgit setzen fast keine Kohäsionsmittel ein bzw. entnehmen sie dann, wenn sie welche verwenden, fast immer der Vorlage. 90 Markt halten. Genauso hatten sie die Pflicht die Stadt zu sichern und mit Waffen auszustatten, die sie allerdings untereinander nicht verwenden durften. Pflicht, täglich Markt zu halten, eine Stadtmauer zu bauen und die Stadt mit Waffen zu verteidigen. Die Stadt sollte so sicher sein wie eine Burg. Innerhalb der Stadtmauern war es allerdings verboten, Streitigkeiten mit Waffen auszutragen, und auf dem Markt galt der Marktfriede. • Wiederaufnahmen durchführt 133 , Wörter paraphrasiert und dabei neue Bedeutungsaspekte einbringt: Miras Text Originaltext … der Ursprung unserer Städte … Die meisten Städte entstanden … Der Ursprung vieler Städte … Städte entstanden … • Fokussierungen und Reduktionen vornimmt: Miras Text Originaltext Seit dem 12. J.h. herschten die Könige, Fürste, Grafen, Bischöfe und Äbte. Seit dem 12. Jh. begannen die Könige, Fürsten, Grafen, Bischöfe und Äbte planmäßig, solche Orte mit besonderen Rechten, dem Stadtrecht, auszustatten. • Textpassagen paraphrasiert: 134 Miras Text Originaltext … wo man gut Handel treiben konnte. … wo es günstig war, Handel zu treiben … Miras Veränderungen gegenüber der Vorlage beziehen sich weniger auf die Texttiefenstruktur als auf die Oberfläche des Textes. 135 Sie vereinfacht und paraphrasiert Formulierungen der Vorlage und nimmt Fokussierungen, Tilgungen und Neukombinationen vor. 136 Sie formuliert frei, setzt 133 Am häufigsten kommen Substitutionen vor (5x), gefolgt von Konjunktionen (3x) und Pro-Formen (2x). 134 Nicht ganz gelungen ist z.B. die Paraphrasierung von „… wo der Schutz einer Burg gegeben war …” mit „… wo die Burg auch geschützt war …”; teilweise sind die Paraphrasen sprachlich nicht ganz korrekt („Sie erstellten viele neue Rechte.”). 135 Dies dürfte damit zu tun haben, dass Eingriffe in die Textoberfläche generell einfacher sind als konzeptionelle Veränderungen des Textes, da sie weniger Distanz von den vorgegebenen Formulierungen und Inhalten erfordern (vgl. Keseling 1993, 117). 136 Dies bestätigt die Beobachtung, dass sich eine hohe Textkompetenz im Verlauf eines Textes in einer zunehmenden Textqualität zeigt, während eine geringe Textkompetenz sich häufig in inkohärenten Texten manifestiert (vgl. Knapp 1997; siehe auch Kap. 5.2). 91 eigenständige inhaltliche Akzente und entfernt sich zunehmend von der Vorlage. Dies zeigt sich etwa im Satz „Genauso hatten sie die Pflicht die Stadt zu sichern und mit Waffen auszustatten, die sie allerdings untereinander nicht verwenden durften.” Mit diesem Satz fasst sie Informationen zusammen, die sich im Vorlagentext über mehrere Sätze verteilen. 6.2.2.4 Textinhalte mündlich wiedergeben In der folgenden Analyse soll am Beispiel eines Satzes noch genauer herausgearbeitet werden, welche Probleme sich für Nuran durch den Auftrag ergaben, den Text in eigenen Worten wiederzugeben. a) Von der schriftlichen zur mündlichen Textwiedergabe Der Satz, um den es hier geht, lautet im Original: „Das waren oft ehemalige Bauernsöhne, die selbst keinen Hof erben konnten.” Nach dem Lesen des Textes fasst Nuran den Satz aus der Vorlage (1.) zunächst mündlich (2.), dann schriftlich (3.) 137 und schließlich noch einmal mündlich (4.) 138 zusammen. 1. Das waren oft ehemalige Bauernsöhne, die selbst keinen Hof erben konnten. 2. Bauernsöhne, die keinen selbst Hof erben. 3. Die ehemalige Bauersöhne waren oft, die keinen eigenen Hof erben konnten. 4. Die ehemalige (…) Bürgersöhne … (schaut in der Zusammenfassung nach) ah (…) Bauersöhne waren oft keine (…) die hatten keinen Hof und die nicht erben konnten. Beim ersten Formulierungsversuch (2.) löst Nuran eine ganze Wortgruppe aus dem vorgegebenen Satz heraus („Das waren oft ehemalige Bauernsöhne, die selbst keinen Hof erben konnten.”) und setzt das Wort „keinen” vor das Wort „selbst”. Durch diese Vertauschung der Wörter zerbricht die Syntax und das Fehlen der sinntragenden Wörter trägt zusätzlich dazu bei, dass der Sinnzusammenhang in diesem Satz stark beeinträchtigt ist. Beim schriftlichen Formulierungsversuch („Die ehemalige Bauersöhne waren oft, die keinen eigenen Hof erben konnten.”) kopiert Nuran im Hauptsatz fast jedes Wort aus der Vorlage und vertauscht dabei wiederum einzelne Wörter, 139 sodass die Wortstellung im Satz fehlerhaft wird und der Sinnzusammenhang nicht mehr klar erkennbar ist. Im Nebensatz ersetzt sie das Wort „selbst” durch „eigenen” („… die keinen eigenen Hof erben konnten”); die Wortstellung ist in diesem Satz korrekt. 137 Beim schriftlichen Zusammenfassen der Texte waren die Textvorlagen für die Schülerinnen zugänglich, während die mündlichen Zusammenfassungen ohne Rückgriff auf die schriftlichen Vorlagen erfolgten. 138 Die Präsentation fand eine Woche nach dem Lesen des Textes statt. 139 Die Reihenfolge gegenüber dem Original ist folgende: 1-4-5-2-3-6-7-8-9. 92 Nurans Probleme, den vorgegebenen Satz sachadäquat und verständlich zu reformulieren, treten in der zweiten mündlichen Wiedergabe (4.) noch deutlicher zutage: Die ehemalige (…) Bürgersöhne … (schaut in der Zusammenfassung nach) ah (…) Bauersöhne waren oft keine (…) die hatten keinen Hof und die nicht erben konnten. Sie baut in diesen Satz weitere Fehler ein, obwohl sie den Inhalt des vorgegebenen Satzes zu diesem Zeitpunkt bereits zum vierten Mal rekapituliert. Der Anteil der von ihr selbst eingebrachten Wörter ist in dieser Fassung zwar höher, 140 Kohärenz ist in diesem Satz jedoch kaum noch gegeben. 141 Nurans Versuch, den Inhalt des vorgegebenen Satzes in eigenen Worten wiederzugeben, besteht somit vor allem in der Reproduktion und Aneinanderreihung einzelner Versatzstücke aus der Vorlage. Sie vertauscht dabei einzelne Wörter bzw. reiht Wörter bzw. Wortgruppen unverbunden aneinander, was nicht nur zu einer Beeinträchtigung der Syntax 142 führt, sondern auch zu gravierenden Mängeln in der Textkohärenz - Nurans Sätze sind für Lesende, die die Vorlage nicht kennen, kaum zu verstehen. 143 b) Die mündliche Präsentation von Nuran In der Schulstunde, in der die Präsentationen vor der Klasse stattfinden sollten, war Birgit nicht in der Schule, sodass Nuran die Aufgabe, das Thema „Städte im Mittelalter” der Klasse zu präsentieren, allein zu bewältigen hatte. Nuran ist sehr nervös und liest als einzige in der Klasse ihre schriftliche Zusammenfassung vor der Präsentation mehrmals durch. Als sie schließlich an der Reihe ist, findet sie keinen Anfang. Sie will nochmals in der schriftlichen Zusammenfassung nachlesen, die Lehrerin ermuntert sie jedoch, frei vor der Klasse zu sprechen, ohne den Text noch einmal zu Hilfe zu nehmen. Erst nach längerem, aufgeregtem Stammeln darf sie die Zusammenfassung nochmals lesen. Danach beginnt Nuran zu sprechen, sie redet schnell, hastig, fast so, als könnte sie den Satz, den sie gerade begonnen hat, gleich wieder verlieren. Sie reproduziert dabei offenbar auswendig Gelerntes, denn schon bald stockt sie wieder, der 140 Die unterstrichenen Wörter sind der Vorlage entnommen. 141 Dieser Satz umfasst die gesamte mündliche Textwiedergabe, ihr Umfang beträgt nur knapp 38 % der schriftlichen Zusammenfassung. 142 Syntaktische Fähigkeiten sind Indikatoren für Textkompetenz. Sie entwickeln sich mit und durch die Entfaltung der Textkompetenz und zeigen sich vor allem in der Textproduktion (vgl. Feilke/ Augst 1989; Feilke 1996). Eine hohe Textkompetenz zeigt sich vor allem darin, dass sich Schreibende in der syntaktischen Strukturierung von Texten an Kohärenzkriterien orientieren: Mit zunehmender Textkompetenz geht die Bedeutung der syntaktischen Verknüpfung für die Herstellung von Kohärenz zurück, an ihre Stelle tritt syntaktische Integration und durch Textstrukturen erzeugte Kohärenz (vgl. Feilke 1996, 1184). 143 Dies gilt vor allem für die beiden mündlich produzierten Sätze. 93 nächste Satz ist ihr entfallen. Es kommt zu einer langen Pause, schließlich fährt sie zögernd fort, merkt jedoch dabei gleich, dass das Gesagte nicht ganz richtig ist und verfällt daher gleich wieder in Schweigen. Erst nachdem sie wiederum einen Blick auf die schriftliche Zusammenfassung werfen darf, spricht sie weiter, wiederum hastig, dann bricht der Redefluss ein zweites Mal ab, diesmal endgültig. Nuran ist sichtlich enttäuscht; sie hatte gehofft, mehr und flüssiger erzählen zu können - ihre große Mühe hat sich nicht gelohnt. Mit ihrer mündlichen Zusammenfassung berücksichtigt Nuran nur noch den ersten der drei vorgegebenen Sachtexte: Städte entstanden an Stellen, wo es günstig ist, Handel zu treiben, zum Beispiel Fluss (…) übergäng, Furten in den Burg Radkersburg, ah (…) Die (…) (bricht ab, lange Pause) Die ehemalige (…) Burgersöhne (…) (bricht ab, lange Pause, schaut nochmals auf die Zusammenfassung) ah … Bauersöhne waren oft (ähh) keinen (…) die hatten keinen Hof und die (…) nicht erben konnten. Während sie in ihrer schriftlichen Zusammenfassung noch zwei Texte aus der Vorlage wiedergeben konnte, scheint ihre Energie im Mündlichen nicht mehr so weit auszureichen. Die zwei Sätze der mündlichen Zusammenfassung scheinen auswendig gelernt, die Grundlage ist der schriftlich von ihr verfasste Text. Nuran hat also offenbar versucht, sich die einzelnen Sätze auswendig zu merken, um sie unmittelbar darauf wortwörtlich zu reproduzieren. Ein Satzgedächtnis ist jedoch in der Regel sehr unscharf - und auch begrenzt. Nuran gelingt es daher auch nur in Etappen, sich Textpassagen zu merken und zu reproduzieren. Sie stockt immer wieder und macht Pausen, ihre Präsentation ist holprig und bricht schon nach kurzer Zeit ab. c) Die mündliche Präsentation von Mira Für Mira hingegen scheint die Aufgabe, die Inhalte der vorgegebenen Sachtexte mündlich wiederzugeben, zu einer alltäglichen, leicht zu bewältigenden Anforderung zu zählen. Ohne lange nachzudenken beginnt sie den Inhalt des vorgegebenen Textes wiederzugeben, sie spricht ruhig, klar, verständlich und sehr lebendig. Während sich ihr erster Satz noch weitgehend mit dem Beginn ihrer schriftlichen Zusammenfassung deckt, löst sie sich zunehmend von der Vorlage. Bis zum Mittelalter reicht der Ursprung unserer Städte in Europa zurück und die ganzen Städte sind halt dort ent… ah (...) erstellt worden, wo man halt gut Handel hat treiben können, z.B. so an Furten o… ahm … ja. Und die Römer haben halt auch (korrigiert sich selbst) die Menschen hab’n halt auch so alte Römersiedlungen belebt, z.B. in Wien is eine und dann so ab dem 12. Jahrhundert hab’n halt die Könige, Fürsten, Grafen und Äbte halt g’herrscht und die hab’n neue Gesetze erstellt und da hab’n dann die Menschen Markt treiben müssen und das … da hab’n halt noch ganz viele andere Gesetze geb’n und die Menschen dort die waren halt sehr fromm und die wollten auch ganz ganz viele neue gotische Kirchen erstellen. 94 Mira spricht anfangs relativ schnell, dann zeitweise langsamer und dann wiederum schneller - sie scheint immer wieder Zeit zum Nachdenken zu brauchen. Sie korrigiert sich selbst mehrere Male, indem sie begonnene oder bereits ausgesprochene Wörter ersetzt („Städte sind halt dort ent... ah [korrigiert sich selbst] erstellt worden”). Ein Sinnzusammenhang ist weitgehend gegeben, nur an einzelnen Stellen sind ihre Formulierungen nicht ganz präzise, z.B. in der Passage „… ganz viele andere Gesetze geb’n und die Menschen dort die waren halt sehr fromm …”. An dieser Stelle ist nicht ganz nachvollziehbar, wie die Informationen zusammenhängen. Ihre mündliche Zusammenfassung unterscheidet sich von der schriftlichen vor allem in Bezug auf folgende Aspekte: • Ungenauigkeiten auf der lexikalischen Ebene (mündlich: „Städte sind … erstellt worden …” - schriftlich: „… Städte entstanden …”; im Original heißt es: „Städte entstanden …”); • Tilgung von Wörtern und Sätzen; sie lässt z.B. einzelne Elemente in Aufzählungen aus (so erwähnt sie etwa mündlich nur die Furten, nicht aber die Kreuzungspunkte wichtiger Handelsstraßen und die Flussübergänge; bei der Aufzählung der Herrscher fehlen im Mündlichen die Bischöfe). 144 • Verallgemeinerungen durch Verzicht auf nähere Erläuterungen (mündlich: „da hab’n halt noch ganz viele andere Gesetze geb’n”; schriftlich: „Genauso hatten sie die Pflicht die Stadt zu sichern und mit Waffen auszustatten, die sie allerdings untereinander nicht verwenden durften.”); • mündlicher Duktus: Sie setzt Pausenfüller ein (ah …), verwendet Ellipsen (g’herrscht, geb’n, hab’n, is), sprechsprachliche Elemente (halt, so, ganz ganz viele) bzw. gebraucht das Perfekt. Miras mündliche Zusammenfassung ist wesentlich länger als jene von Nuran (125 : 30 Wörter). In Relation zur schriftlichen Wiedergabe beträgt der Wortumfang im Mündlichen bei Mira 81,6 %, bei Nuran hingegen nur 23,8 %. Mira verwendet mündlich 125 und schriftlich 153 Wörter, Nuran setzt mündlich 30 und schriftlich 126 Wörter ein. Die quantitative Differenz ist im Schriftlichen somit nur gering, im Mündlichen hingegen relativ groß. 6.2.2.5 Fazit Mira scheint es nicht schwer gefallen zu sein, die wichtigsten Informationen in den vorgegebenen Sachtexten zu erkennen und in eigenen Worten 144 Ein Grund dafür, dass sie auf Einzelheiten verzichtet, dürften Erinnerungslücken sein oder aber die Tatsache, dass sie manchen Aussagen keine Bedeutung beimisst. 95 verständlich wiederzugeben. 145 Ihre Vorgangsweise beim Lesen, Schreiben und mündlichen Reproduzieren der Texte lässt darauf schließen, dass sie schon während des Lesens vielfältige Aktivitäten des Fokussierens und Selektierens von Textinformationen gesetzt hat - sie hat Wörter und ganze Textpassagen paraphrasiert, getilgt, ergänzt bzw. neu kombiniert. Ihre Aufmerksamkeit lag sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben nicht nur auf der lokalen, sondern auch auf der globalen Ebene des Textes; sie hat nicht nur einzelne Wörter, sondern auch deren Kontexte und den Text als Ganzes beachtet. Mira hat damit gezeigt, dass sie im Prozess des Textverstehens und auch bei der Textproduktion auf ein vielfältiges Repertoire an Strategien zurückgreifen kann und in der Lage ist, komplexe kognitive Repräsentationen aufzubauen und zu rekonstruieren. Nuran hingegen ist es nicht gelungen, relevante Informationen in den vorgegebenen Sachtexten zu fokussieren und in den Mittelpunkt der Textverstehens- und Schreibaktivitäten zu rücken. Sie hat sich beim Lesen vor allem auf einzelne Wörter und nicht auf den Text als Ganzes konzentriert. Dies dürfte zu einer starken Verlangsamung des Textverarbeitungsprozesses und auch dazu geführt haben, dass sie die satzübergreifenden Sinnzusammenhänge im Text nicht erkannt und die für das Verstehen und Wiedergeben der Texte nötige Orientierung verloren hat. Nuran konnte die markierten Textpassagen nicht gezielt für die Sinnkonstitution ihres Textes nutzen - beim Wiedergeben der Vorlagentexte hat sie nicht nur die von ihr markierten Textteile, sondern auch Passagen berücksichtigt, die sie zuvor nicht markiert hat; die unterstrichenen Textteile wurden von ihr hingegen nur teilweise berücksichtigt. 146 Operationen der Tilgung, der Reorganisation von Textelementen, der Verallgemeinerung oder der Fokussierung wurden von Nuran kaum durchgeführt. In ihrer mündlichen Textwiedergabe hält sie durchgehend am schriftsprachlichen Duktus der Vorlage fest - sie ist nicht in der Lage, flexibel zwischen mündlich und schriftlich geprägter Sprache zu „pendeln“. Sie scheint nur über eingeschränkte Strategien im Umgang mit Texten zu verfügen und keine komplexen kognitiven Repräsentationen aufbauen zu können, die es ihr ermöglichen würden, kohärente Texte zu produzieren. Sie ist daher ge- 145 Konzeptuelle Mündlichkeit in schriftlichen Äußerungen kann durchaus auch ein Zeichen für eine gut entwickelte Textkompetenz sein. Lernende, die Texte gut verstehen und verarbeiten können, sind meist in der Lage, sie sowohl konzeptuell schriftlich als auch mündlich verständlich wiederzugeben. 146 Dies betrifft z.B. den Anfang des Vorlagentextes, der nicht markiert ist („Der Ursprung vieler Städte …”), der aber sehr wohl in ihrer Zusammenfassung inhaltlich vorkommt. 96 zwungen, die vorgegebenen Sachtexte abzuschreiben bzw. bruchstückhaft zu reproduzieren. 147 Die Textanalysen in diesem Kapitel haben gezeigt, dass die Fähigkeit von Lernenden, Texte im Unterricht zu verstehen und verständlich wiederzugeben, eine grundlegende Voraussetzung, gleichzeitig aber auch eine große Hürde im schulischen Wissenserwerb darstellt. Mangelhafte schulische Leistungen haben somit nicht unbedingt mit fehlendem Interesse oder unzureichendem Lernwillen zu tun - hätte man bloß die mündliche Präsentation von Nuran bewertet, so wäre man leicht zu dieser Ansicht gelangt. Wenn man jedoch weiß, wie Nurans Zusammenfassungen zustande kamen, welche Probleme sie schon beim Verstehen und später beim Wiedergeben der Texte hatte und welche Mühe sie sich gab, diese Textaufgabe zu lösen, gewinnt man ein völlig anderes Bild: Man erkennt, dass Nuran schlicht überfordert und - aufgrund mangelnder Textkompetenz - nicht in der Lage war, diese Aufgabe besser zu lösen. Eine lerneradäquate Beurteilung der Leistungen von SchülerInnen setzt daher eine differenzierte Analyse ihrer Lernvoraussetzungen und der Lernprozesse im Unterricht voraus. Dies erfordert auch eine eingehende Auseinandersetzung mit der Frage, ob Lernende überhaupt in der Lage sind, die Textaufgaben, mit denen sie im Unterricht konfrontiert werden, als solche wahrzunehmen und zu bearbeiten. 147 Es ist daher anzunehmen, dass die Fähigkeit zur Herausbildung von Repräsentationen, nicht - wie dies Keseling (1993, 6) behauptet - beim Lesen „mehr oder weniger automatisch” und „en passant“ erworben wird. 97 7 Textkompetenz und der Prozess der Textproduktion Textproduktion ist nicht einfach eine Umkehrung der Rezeption von Texten, sondern ist in nahezu jeder Hinsicht voraussetzungsreicher und komplexer (vgl. Feilke 2007). Entscheidend sind dabei nicht nur die auf die Oberfläche des Textes bezogenen sprachlichen Handlungen, sondern die auf die Textbasis bezogenen Planungs- und Überarbeitungsaktivitäten. Im Folgenden geht es um die Frage, wie sich Textkompetenz im Prozess der Textproduktion zeigt und in welchem Zusammenhang dieser Prozess mit dem dabei entstehenden Schreibprodukt steht. Die Textproduktionsprozesse, die im Folgenden analysiert werden sollen, 148 sind im Rahmen einer kooperativen Schreibaufgabe entstanden, bei der es darum ging, gemeinsam eine Bildergeschichte zu verfassen. 149 7.1 Kooperatives Schreiben Wenn Lernende einen Text gemeinsam verfassen, müssen sie ihre Gedanken, Ideen und Überlegungen zunächst mündlich formulieren, bevor sie sie zu Papier bringen: Sie müssen miteinander besprechen und aushandeln, was sie schreiben. 150 Wenn wir Lernende beim gemeinsamen Schreiben eines Textes beobachten, können wir sehen und hören, wie sie ihren Text planen, gestalten und überarbeiten. Dabei werden jene Bewusstseinsinhalte und Denkvorgänge ein Stück weit zugänglich, die uns sonst meist verborgen bleiben. Prozesse der Sprachverarbeitung, die normalerweise parallel bzw. weitgehend automatisiert ablaufen, sind beim kooperativen 148 Es werden in diesem Kapitel nur ausgewählte Beispiele analysiert, als Grundlage für die Ausarbeitung der „Indikatoren für Textkompetenz” (siehe Teil I, Kapitel 9) wurden weitere vierzig Fallbeispiele berücksichtigt. 149 Die Vergleichbarkeit der sprachlichen Daten wird dadurch erleichtert, dass der Erzählinhalt in Bildergeschichten standardisiert und die Erzählschritte vorgegeben sind. Bildergeschichten haben sich als ein äußerst probates Mittel zur Untersuchung der Textkompetenz erwiesen; zahlreiche Studien bedienen sich daher dieses Erhebungsinstrumentes (vgl. Peltzer-Karpf et al. 2006, 113). 150 Beim kooperativen Schreiben ist der „Zwang” zu wechselseitigen Formulierungsvorschlägen und Evaluierungen kommunikativ funktional (vgl. Antos 1989, 30). Swain (1985) schreibt diesem „erzwungenen Sprachgebrauch” (pushed language use) eine wichtige Rolle im Spracherwerb zu, da die Lernenden dadurch dazu angehalten werden, Hypothesen immer wieder zu überprüfen und zu verwerfen bzw. neu zu konstruieren (vgl. Henrici 1995, 17). 98 Schreiben verlangsamt und können bei der Analyse von Textproduktionsprozessen transparent gemacht werden. 151 Die Analyse von Interaktionen beim kooperativen Schreiben ist daher eine entscheidende methodische Erweiterung für die Untersuchung des Erwerbs von Schreibfähigkeiten (vgl. Quasthoff/ Ohlhus/ Stude 2005, 7). Aufschlussreich sind vor allem die metasprachlichen 152 und die metakognitiven Aktivitäten, 153 die infolge des Nachdenkens über die Vorstellungen, Schwierigkeiten und Strategien bei der Erstellung des Textes entstehen. Metasprachliche Äußerungen manifestieren sich vor allem in Prätexten, also in sprachlich realisierten, jedoch noch nicht schriftlich fixierten Vorformulierungen eines Textes (vgl. Wrobel 2002, 94). Es sind dabei meist vor allem die Momente des Zurückweisens bzw. Akzeptierens von Formulierungen, die zeigen, inwieweit die Schreibenden in der Lage sind, die kognitiven und sprachlichen Aktivitäten beim Formulieren gezielt zu steuern, zu kontrollieren und aufeinander abzustimmen (Portmann-Tselikas 1997a, 68 f.). Was als Fehler oder spontane Selbstkorrektur, als Neuaufnahme oder Tilgung sprachlicher Elemente erscheint, ist vielfach eine restrukturierende Aktivität im Prozess des Schreibens, die der Optimierung des Textes dient. Kooperatives Schreiben ist nicht nur ein Forschungs-, sondern auch ein Lerninstrument. Das gemeinsame Verfassen eines Textes ermöglicht es, dass Lernende ihre Textkompetenz aktivieren, bündeln und weiter entwickeln. Dieses Potential auszuloten, ist das Ziel der im Folgenden durchgeführten Textanalysen. Sie sollen in weiterer Folge als Grundlage für die Modellierung von Schreibaufgaben dienen, die darauf abzielen, die Textkompetenz der Lernenden zu fördern (siehe Teil II). 151 Der Moment der Zerdehnung der Sprechsituation (Ehlich 1983) kommt im Prozess der gemeinsamen Textproduktion stärker als in der individuellen Textproduktion zum Tragen (vgl. Wrobel 2002, 94). Diese Verlangsamung macht es für die Lernenden möglich, Formulierungsprobleme selbst zu erkennen und zu bearbeiten (vgl. Wrobel 2002, 85). 152 Metasprachliche Aktivitäten sind Äußerungen über Sprache. 153 Metakognitive Aktivitäten sind keine spezifischen Schreibstrategien, sondern vielmehr allgemeine Problemlösestrategien, die dazu dienen, Lernprozesse besser zu koordinieren, zu steuern und zu kontrollieren. Metakognitive Aktivitäten befähigen Lernende dazu, individuelle Lernstrategien zu entwickeln und eigene Kompetenzen und Kenntnisse genauer einzuschätzen. Im Textproduktionsprozess zählen dazu vor allem Planungsaktivitäten, Kontrollprozeduren, Bewertungen und Revisionen. 99 7.2 „Die kleine Maus”: eine Bildergeschichte entsteht Im Folgenden werden Textproduktionsprozesse in Gruppen von Zweitsprachenlernenden und von Muttersprachigen untersucht. 154 Es handelt sich dabei um dieselben Kinder, die bereits als Verfasserinnen der „Winter”-Texte (Kap. 6.1) eine Rolle gespielt haben: Es sind dies Gönül, Marija und Secil sowie Mira, die nun mit Christina, einem gleichaltrigen deutschsprachigen Mädchen, zusammenarbeitet. 155 7.2.1 Die gemeinsam erzählte Bildergeschichte Vor dem gemeinsamen Schreiben hatten die Schülerinnen den Auftrag, die Bildergeschichte mündlich allein zu erzählen. 156 Während Marija, Secil und Gönül spontan zu erzählen begannen, hatten Mira und Christina sichtlich Mühe, einen Anfang zu finden. Sie brauchten relativ lange, bis sie den ersten Satz formuliert hatten. Diese Pause am Beginn des Schreibprozesses könnte damit zu tun haben, dass die beiden zunächst versuchten, sich einen Überblick zu verschaffen und eine mentale Repräsentation der Geschichte aufzubauen. Es könnte aber auch sein, dass sie zunächst mit der Aufgabe überfordert waren: Der Auftrag, einen schriftsprachlich geprägten Text mündlich ad hoc zu formulieren, ist schwierig, denn die Textproduktion erfolgt unter Zeitdruck und es gibt nicht dieselben Möglichkeiten der Planung, Kontrolle und Revision wie beim Schreiben. 157 Dazu kommt, dass der Anfang eines Textes generell häufig Probleme bereitet (vgl. Pätzold 2005, 79), sodass sich das Schreiben des ersten Satzes oft als schwieriger erweist als die Fortsetzung vorhandener Textteile (vgl. Keseling 1993, 79). Beim schriftlichen Verfassen der Bildergeschichte waren Mira und Christina schließlich mit großer Begeisterung dabei. Sie betonten immer 154 Antos (1989, 45) hat schon Ende der 80er Jahre für eine die Erst- und die Zweitsprache integrierende Textproduktionsforschung plädiert, dennoch sind jedoch erst wenige Arbeiten verfügbar, die diese Zielsetzung verfolgen. 155 Im Alter dieser Kinder ist die Fähigkeit, den eigenen Schreibprozess zu reflektieren, vor allem im Hinblick auf globalstrukturelle Aspekte sehr unterschiedlich ausgeprägt (Quasthoff/ Ohlhus/ Stude 2005, 7). 156 Bei Bildergeschichten handelt es sich laut Brinker (1988) um eine Mischform zwischen einer Erzählung und einer Beschreibung; deskriptive und narrative Strukturen werden in dieser Textform integriert. 157 Gönül, Marija und Secil haben die Zeitentlastung, die sich durch das Schreiben ergab, kaum genutzt: Sie benötigten für das Verfassen der Bildergeschichte nur halb soviel Zeit wie Mira und Christina (16,40 Minuten : 30,47 Minuten). Wrobel (2000, 462) zufolge verwenden unerfahrene SchreiberInnen relativ wenig Zeit auf Planungsaktivitäten, während erfahrene SchreiberInnen die Zeitentlastung, die sich durch das Schreiben ergibt, effektiver nutzen, indem sie die pragmatischen und inhaltlichen Anforderungen der Schreibaufgabe länger reflektieren und differenziertere Textpläne entwickeln. 100 wieder, dass ihnen das Schreiben der Bildergeschichte mehr Spaß macht als das mündliche Erzählen. Auf die Frage, warum ihnen das Erzählen anfangs so schwer fiel, sagt Mira, dass sie dabei zu wenig Zeit gehabt hätten, um nachzudenken, Pausen zu machen und Äußerungen zu korrigieren: „Man kann sich beim Schreiben einfach alles besser vorstellen”, so ihr Kommentar und: „Wenn man etwas erzählen muss, da muss man es sagen, wenn man etwas schreiben muss, kann man es sich aufschreiben und es noch ausbessern, beim Sagen geht das nicht so gut …”. 7.2.2 Dokumentation des Textproduktionsprozesses Abb. 3 Die Gespräche der Kinder, die sie beim gemeinsamen Schreiben der Bildergeschichte 158 geführt haben, wurden aufgenommen und transkripiert, um sie der Analyse zugänglich zu machen: 159 158 Die Bildergeschichte stammt aus Gerngross/ Krenn/ Puchta (1998). 159 Diese Transkripte sind am Gesprächsanalytischen Transkriptionsverfahren (GAT) orientiert. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit und Vergleichbarkeit sind nicht 101 Bild Gruppe A: Gönül, Marija, Secil Gruppe B: Mira, Christina 1 Gönül erzählt die Bildergeschichte zuerst alleine; erst dann ist sie bereit, sie gemeinsam mit den anderen für die Verschriftlichung zu formulieren. Nach einer kurzen Diskussion beginnen die drei mit dem Schreiben. G: also kommt’s, hilf mir; was schreib ma jetz; das, was ich eben, ( ) M: ah ah an einem schönen - S: an einem (schreibt) schönen G. nen tag, (.) an einem schönen tag, (.) hatte die kleine maus, S: hatte die kleine maus, (schreibt) G: maus, einen RIEsenhunger; S: einen riesen hunger (.) einen riesigEN hunger; oder? G: ja, einen riesigEN hunger; S: mit scharfem ß oder? <<M., S. und G. diskutieren die Schreibweise von „riesigen”: doppel ss, s oder ß? ; i oder ie? >> G.: einen riesigen hunger, (.) punkt. Mira und Christina diskutieren darüber, wer zu schreiben beginnt und vereinbaren, dass sie abwechselnd je einen Satz schreiben. Mira beginnt mit der Überschrift; sie schreibt ganz langsam und verziert dabei die Schrift. M: ok wie schreib’n ma den ersten Satz? C: ahm (.) du hast schon mit DIE angfangen gell? M: die kleine maus, C: die kleine maus ging eines schönen tages, aus ihrem [ ] mäuseloch hinaus; M: sagn ma WILLI die maus, das hab ich bei der geschichte erzählt das klingt so gut; C: die kleine maus willi, M: NEIN willi, die kleine MAUS C: nein, du hast aber schon die kleine maus; M: die kleine maus ist die ÜBERschrift C: aso, ok. eines schönen tages ging willi, die maus, aus ihrem mäuseloch hinaus. M: das hätt ich auch g’sagt, das reimt sich sogar; (-) ( ) C: das ist LUStig; gell, M: das alleine erzählen hat mir überhaupt keinen spass g’macht; C: na; das is so - ( ) alle Normen dieses Transkriptionsverfahrens eingehalten; berücksichtigt sind: [ ] Überlappungen und Simultansprechen, (.) Mikropause, (-) kurze und (- -) längere Pause; ah (Verzögerungssignale); akZENT (Primärbzw. Hauptakzent); ((lacht)) (para- und außersprachliche Handlungen und Ereignisse); <<erstaunt>> (interpretierende Kommentare); (solche) vermuteter Wortlaut; ( ) (unverständliche Passage); : (Dehnung, Längung); ? (Tonhöhe hoch steigend); , (Tonhöhe mittel steigend); - (Tonhöhe gleich bleibend); ; (Tonhöhe mittel fallend); . (Tonhöhe tief fallend). 102 2 G: so, und jetzt bis DU aber dran, schaun, ob du’s besser kannst; M: der maus drehte sich um, G: hm M: was is? G: SCHAUte sich um; M: sich um, dass niemand kommt; G: nein, wart; du musst es dir überlegen nicht gleich schreiben; schau; die maus schaute sich um, (.) und dachte sich, wo kann ich mir futter stabitzen; M: sie hat einen RIE: sen hunger; und schaute sich AUFgeregt um, ob sie was zu fressen fand. C: schreib nur - ( ) M: ja beim schreiben is es viel leichter; (-) C: beim schreiben kann ich mir mehr drunter VORstelln. M: ich AUCH, C: kann man sie auch a bissl anders schreiben? ( ) (- -) M: fressen FINden KONNte; oder? statt fand; C: fressen find, (.) fressen fand, M: sie hat einen (.) sie hat einen riesen hunger und schaute sich um als, (.) aufgeregt, und schaute sich aufgeregt um, ob sie was zu fressen finden konnte. (.) oder? C: ob sie etwas (.) zum fressen? M: sie SUCHte danach und sie hat’s nicht gefunden; (.) finden konnte; oder? C: schreib hin, was du glaubst! M: ja, aber wir müssen ja gemeinsam; (diskutieren über die Schreibaufgabe) finden konnte? C: ok 3 G: und sah hier einen käse ok schreib, komm, (G diktiert) die maus, (.) schaute sich um, (-) um, (.) ob sie was stabitzen kann; M: ob sie was? <<unsicher>> G: << ungehalten>> ob sie was staBITZEN kann; (-) punkt. (.) M: kann (-) G: ja [ ] und sah, (.) und sah auf (.) M: sie sah; [ ] G: die kleine M (.) nein warte; M: das dritte bild ( ) C: sie roch sie roch den geruch von käse und sie, (.) M: genau (.) sie sie roch, sie roch aus einem aus einem großen schrank, einen käseduft; C: genau; M: und ging dem geruch nach; C: genau, schreib hin! (M. schreibt) M: (flüstern) großEN oder großEM; sie roch aus einer großen, ( ) 103 M: SIE sah, G: ja (.) SIE sah; hast recht; sie sah, auf einem tisch, sie sah, M: auf einem tisch, haben hier einen kühlschrank; G: im kühlschrank? wie soll sie bitte den kühlschrank aufkriegen; die kleine maus? M: sie sah auf einem tisch, (.) tisch, (schreibt) käse; (schreibt) punkt. [ ] G: und dachte sich - (M. schreibt) WIE komm ich da rauf? (M. schreibt) ahm [ ] wie komm ich da rauf, und überlegte sich sie hatte schon eine idee; M: die maus G: warte mal (.) die kleine maus hatte schon eine idee; M: (schreibt, sagt Wort für Wort laut) hatte schon eine einen [ ] G: eine idee ich sag schon eine; ((lachen)) die kleine maus hatte schon eine idee; (M. schreibt) (-) idee wer will jetzt schreiben? eine idee (.) C: warte mal (-) M: sie roch aus einer großen schüssel, (.) dritter fall; großEM; C: ( ) kleinen schrANK, mira! M: für sie is es GROSS (.) C: ja! M: für die maus; (.) die maus is so KLEIN der schrank ist so GROSS - ( ) C: warum hast du nicht abgeteilt? (.) M: wollt ich nicht; (.) dann tu ich halt abteilen; schrank is eine silbe, kann ich nicht abteilen; (.) C: schrank kann man nicht abteilen; hast recht - ((M. schreibt)) M: und folgte dem, oder? C: und folgte der (.) klingt besser; M: ( ) folgte dem. C: kann man das lesen? (-) Ok. 4 G: er klett sie klett ((lachen)) S: er G: er? DIE kleine maus habn ma ja gesagt; ( ) M: ja ( ) die kleine maus, G: sie kletterte, S: sie kletterte G: warte mal; sie kletterte rauf; (S. schreibt) S: rauf? G: rauf, kletterte RAUF, (S. schreibt) C: sie sprang aufs - ( ) sie sprang [ ] aufs regal hinauf, und - [ ] M: na sie versuchte, [ ] sie versuchte auf den schrank hinaufzu, ( ) sie versuchte auf den schrank hinaufzu [ ] sie versuchte auf den schrank hinaufzu, (.) warte - (.) noch einmal; (.) sie versuchte auf den Schrank, (.) zuerst du oder zuerst ich? C: ich M: ok C: sie versuchte auf den schrank zu springen, (.) und - (-) 104 M: und - (.) ich hab was besseres sie, ( ) sie versuchte, auf den schrank hinaufzukrabbeln, das war am anfang zwar ziemlich wackelig, aber am ende gelung geling ge ge gelung es ihr doch. C: noch mal ansagen! M: sie versuchte auf den auf den schrank zu kraxeln (.) auf den schrank zu klettern (-) bist du einverstanden? C: ja M: auf den schrank zu klettern? (.) auf den schrank zu klettern; (.) punkt; oder? da geht man runter mit der stimme; - (-) punkt. am anfang war es zwar ziemlich wackelig, (schreibt) C: du kannst so schön in der zeile schreiben, wenn gar kein linienspiegel is das kann ich überhaupt nicht; M: aber am ende ge ge ge - C: war es zwar - M: ziemlich wackelig, ( ) nicht mit H, wer ziemlich näm (.) wer nämlich ziemlich dämlich mit h schreibt, ist nämlich ziemlich dämlich C: am anfang war es zwar ziemlich wackelig, (.) wie schreibt man wackelig? M: mit CK, darf ich? (schreibt) C: du hast a ganz a andere schrift (.) ich kann deine schrift net lesen; (.) tschuldigung; (.) kannst du meine lesen? M: so mittel; C: ich kann deine überhaupt net lesen ((lacht)) M: jeder hat seine eigene schrift - C: ich weiß (.) ok 105 M: musst mal da mami ihre lesen; C: ziemlich wackelig, M: aber am ende gelung es ihr doch; (.) beistrich. (schreibt) C: aber; M: beistrich (.) gelang? oder, gelangt? gelung? C: ja; gelangt is besser ; M: gelangt es ihr doch; C: punkt. ( ) 5 vorweggenommen - siehe Bild 3 M: ( ) und DA: , stand schon das große, duftende stück käse; C: das is lustig; na aber mit UND sollte man den satz net beginnen; (.) die frau haider 160 hat g’sagt, keinen satz sollt ma mit UND beginnen; M: PLÖTZlich sah sie schon das GRO: ße DUFtende stück käse; C: nein (.) VOR ihren augen; M: vor ihren augen, sah sie schon das große duftende stück käse; das is gut; das is am besten; (.) gut besser am besten. C: passt das? M: nein meins war gut, dann war’s noch besser, dann war deins am besten; (.) C: vor - M: ihren augen, (schreibt) groß duftende gell, (.) beistrich; C: große, (schreibt) M: beistrich, wenn ma kein UND schreibt - dann is immer beistrich. (.) C: große - (schreibt) M: duftENDE; ( ) is falsch; (.) duftENDE; duftEN, duftENDE? C: sicher? M: ja. ( ) 160 Name der Lehrerin. 106 C: (schreibt)) punkt. 6 G: rauf, und aß sich voll; (-) PUNKT, und aß sich voll; (S. schreibt) punkt. C: sie nahm einen kleinen happen, und konnte nachher nicht mehr aufhören; M: nana das is besser (.) warte, na mir liegt’s auf der zunge; (-) erFREUT STÜRZte sie sich stürzte sie sich stürzte sich WILLI auf das stück, und fraß fast alles bis auf ein paar krümel auf. C: noch einmal ansagen. ((schreibt)) M: erfreut, (diktiert den Satz) stürzte sie sich auf das stück käse (-) SIE sich, C: nein M: stürzte ES das ist kein es das is - C: ER sich [ ] erfreut, [ ] erfreut stürzte WILLI, M: ja nachher schreib SIE! die maus ist eine SIE! die maus (.) wir sprechen über die maus, willi habn ma net eing’halten. (.) ich weiß; die maus, aber da steht DIE maus; also is es eine SIE oder? ( ) eines tages ging (.) ging die maus; dann streich ich das willi weg; ( ) ja weil dann könn ma SIE schreiben für DIE MAUS ( ) C: ok. erfreut stürzte sie sich, M: erfreut stürzte sie sich auf das stück käse; C: auf das große stück käse - M: auf das große stück käse, (-) auf das große stück käse; punkt g’hört da. ( ) auf das große stück käse, (schreibt) sie fraß alles auf, und laß laß und ließ nur noch ein paar krümel übrig C: schau mal wie klein ich 107 g’schriebn hab; und wie groß du, ( ) schaut irgendwie komisch aus; zwei schriften g’mischt gell? M: einverstanden überhaupt? C: ja - M: ups; ließ falsch oder richtig; da bin ich mir nicht sicher; ließ mit scharfem ß, (-) ein paar schuhe groß; wenn’s zwei sind, schreibt man’s groß wenn’s mehrere sind klein; gell? C: ja. (M. schreibt) die krümel schreibt ma sowieso groß; M: ja. (- -) 7 G: sie legte sich hin mit m dicken bauch; (.) sie, (- -) M: nein sie - (schreibt) hin; (flüstern) G: mit m dicken bauch, und legte sich hin; (.) wart mal; (.) sie legte sich - (.) WAS hast du da g’schriebn? ja, - (.) ja es schaut so wie ein KIM aus; ge - M: ja meine schrift is so - ((lacht verlegen)) schiach; (G. und M. diskutieren über M.s Schrift) hin mit m dicken bauch, und leg (.) und (.) und schlief ein; (schreibt) so. ok. M: da legte sie sich hin [ ] mit schwerem bauch [ ] legte sie sich hin und schlief; C: nein; ganz VOLLgeFRESSen - M: mit schwerem bauch - [ ] mit ganz vollgefressenem und schwerem bauch - [ ] C: legte sie sich auf den teller [ ] M: legte sie sich auf den teller, wo das stü wo früher das stück käse stand, und schlief, C: das stück käse stand tät ich wegstreichen; M: legte sie sich auf den teller und schlief, schlaf, C: und schlief, M: schlief schlief C: ja - M: hab ich eh gsagt C: schlief längere zeit; M: schlief ruhig ein; ruhig und glücklich; schlief glücklich ein. also noch einmal; C: schlief RUHig ein, is besser; M: mit vollem bauch, [ ] C: mit vollem bauch, 108 M: legte sie sich auf den teller, und schlief glücklich ein; C: nein, M: da LACHT sie ja; da hat sie einen SMIlie - C: ja ok; M: schlief glücklich ein. ok (schreibt) ups, jetzt hab ich auf das SIE vergessen; is wurscht. 8 G: da kam der dicke mann, M: da kam der dicke mann, (schreibt) G: und dachte sich ich hab SO einen hunger; [ ] dachte sich ich hab einen riesen hunger. (M. schreibt ) aber ich weiß schon was ich ess; (.) nein nein doch nicht - C: ich tät den dicken mann manfred nennen; M: MANfred is besser als otto, ich hab’n otto gnannt, C: ich hab ihn manfred gnannt bei der gschicht; (M. schreibt) schreibst du manfred? M: manfred; is besser; C: manfred is VIEL besser find ich - M: ok schlief ruhig ein; (.) hungrig kam plötzlich manfred in die küche, C: ja M: ich hab der hausbesitzer - ( ) C: hungrig kam manfred die tür hinein; um ein stück käse zu essen; M: in die die küche, HUNgrig; [ ] ich hab eine idee; HUNgrig öffnete manfred die küchentür, um sich ein stück käse zu holen. C: NEIN er kommt ja erst NACHher; M: ja da sind wir sind bei dem bild, C: ja, eh ahm - [ ] M: hungrig, C: nein ( ) mira, hör mir mal ! ZU! M: ich wollt dir grad sagen, dass ma das mit dem stück käse weglassn; (.) hungrig, C: ja 109 M: hungrig öffnete manfred die küchentür - C: und wollte sich was zu essen holen; M: und wollte sich was zu essen holen; das passt dann auch her (schreibt lange) C: ( ) um sich was zu essen holen; M: und wollte sich etwas zu essen holen; C: und wollte sich etwas zu essen holen? M: etwas; ( ) um sich etwas zu essen, ( ) um sich etwas ((streicht etwas durch)) zu essen holen; (.) das is besser gell? (schreibt) um sich etwas zu essen holen. C: mmh - 9 S: er denkte G: er dachte sich [ ] ich hatten noch käse; S: er dachte sich ich hab noch eine KÄSE (-) G: ich hatten, (.) noch, (.) käse; ja - (.) klingt komisch; oder? ((M. lacht)) ich HATTEN noch käse. M: er denk dach G: ja er dachte sich, ich hatten noch käse im; M: im SCHRANK; (.) oder nicht? G: ja im schrank kann schon sein, ja sie hat schon recht, aber; (.) ich hatten noch ein stück käse (-) ich hatten noch einen stück, ich hatten noch ein stück käse am (.) tisch. M: am schrank? ((lachen)) G: im schrank schon, aber ich (.) a ja, wieso haben wir das nicht M: da FIEL ihm das große stück käse, was er heute in der früh beim supermarkt gekauft hatte, ein C: genau, da fehlt a PUNKT; M: da, C: das is a punkt? <<unterhalten sich über punkte 0.31>> M: DA fiel ihm das GROße stück käse ein [ ] was er heute in der früh beim supermarkt gekauft hatte; [ ] C: jetzt lass mich einmal reden; ok sonst krieg ma a durcheinander; M: ok. C: da fiel ihm das große stück käse ein, das er heute im supermarkt gekauft hatte; (.) gekauft hatte. M: in der FRÜH, weil da is es ja am nachmittag, er muss es ja irgendwann gekauft haben; 110 vorher gschriebn, dass da OFFen war; (.) wart; les ma’s noch einmal; (lesen den Text im Chor nochmals bis „er dachte sich”) M: ich muss schauen ich hatten noch ein stück käse; G: JA ich muss schaun, M: ich muss schaun - (schreibt) G: ich hatten, noch ein stück käse; (M. schreibt) käse; ok. ich hatten noch ein stück käse; C: mein gott. da is es auch schon egal; auf jeden fall wird es dann eine zeitergänzung; M: das weiß ich auch, obwohl beim supermarkt is eine ortsergänzung. C: ja, (-) und manfred is subjekt - (M. schreibt) ( ) 10 G: ( ) sie ah sie ah er NA: ,HM den teller; er nahm den teller, M: er öffnete die schranktür, C: und fand nur mehr kleine krümel; M: und fand nur mehr kleine krümel, wo früher das große stück käse stand, (.) wo früher das stück käse stand, am teller; C: nein; ich tät’s so schreiben er fand nur mehr das kleine, er fand nur mehr die krümel käse, die auf dem teller lagen; M: vom käse, vom großen vom stück käse; C: klingt das besser? M: nein; aber man muss erklären, weil sonst weiß man nicht; C: mein gott, das weiß man doch ganz sicher, M: ja, aber der manfred, (.) also der manfred, wenn der manfred jemandem das erzählt hätt, hätt der das nicht gwusst; C: du machst das so kompli- ZIERT; M: die MAUS hätt’s gwusst; aber der manfred wenn er’s jemanden erzählt hätt dass er nur mehr ein krümel am teller findet, und sich ein stück käse kauft, der hätt ja keine ahnung, 111 von was der teller is; die maus hätt’s gwusst; weil die hat das ja aufgfressen; C: ich komm noch durcheinander; wenn du mir soviel erzählst - M: ok. er öffnete die schranktür, und sah nur noch kleine krümel vom stück käse am teller liegen; M. (flüstert) christina; die schranktür war ja offen; weil die maus drinnen war; die kann ja nicht zu g’wesn sein; er öffnete geht ja gar nicht; schau die war ja offen; C: aJA: , M: weil die maus drinnen war; C: shit. M: streich’s durch, C: nein; (.) er fand die schranktür offen, und ging nachschauen; M: ja, die schranktür WAR ja offen; die maus kann ja keine schranktür öffnen; M: er ging zur schranktür, und sah auf den teller, wo früher das große stück käse war; punkt. C: wart; ok M: am teller lagen nur noch kleine krümel. C: nein. jetzt sag mir bitte den ganzen satz; M: er sah, er sah, (.) jetzt hab ich grad jetzt hab ich grad den SATZ g’habt; C: er fand, M: er fand auf dem teller, wo früher das große stück käse war, nur noch ein paar kleine krümel; C: nein; er fand die offene 112 schranktür und ging M: nein, die schranktür WAR ja offen; die maus kann sie ja nicht aufmachen; C: ja aber er FAND die schranktür OFFEN; M: ja, aber er hat sie ja selber offen lassen; (.) deswegen, C: shit. was mach ma? (.) ok; jetzt sag mal an, M: ja. er sah auf den teller, wo früher das große stück käse war, er sah auf den teller, wo früher das große stück käse war; C: nur mehr ein paar krümel (schreibt) M: punkt. da gehen ma runter. C: käse, M: er sah auf den teller, wo früher das große stück käse WA: r; punkt. C: waRUM, (-) aber da lagen nur noch ein paar kleine krümel am teller; M: vorsichtig und das nächste bild dann; vorsichtig hob er den teller hoch, um das ganze noch einmal genauer zu untersuchen. C: ok. er sah auf den teller, wo früher das große stück käse war, punkt? M: punkt. ja da gehen ma runter mit der stimme; aber warum lagen da nur noch ein paar kleine krümel auf dem teller; M: vorsichtig hob manfred den teller auf, C: mei jetz sag mir noch einmal den ganzen satz - (schreibt) M: aber warum waren da nur noch ein paar kleine krümel am teller; (-) nur mehr (.) nur nur 113 mehr (-) ein paar kleine krümel am teller; (.) <<diskutieren über die schreibung>> C: fragezeichen; M: vorsichtig hob manfred den te: ller auf, um das ganze noch mal genauer zu untersuchen; C: ANzusehen M: zu untersuchen; er will’s ja ansehen, ja anzusehen; C: ja ok passt; ok sag mal an; ( ) M: da kannst weiterschreiben; C: ok; sag jetzt an M: vorsichtig, VO: ,RsichTIG hO: ,b MA: ,Nfre: ,d C: wie schreibst du manfred; M: MANfred; normal; weiter; fre: d, wie freddy, aber nur mit einem d; manfred den teller auf, um sich das noch mal genauer anzusehen; DASS doppel „ss” oder? mit EINEM s? ( ) das rentier, das schreibt man mit einem s; weil es ein begleiter is und, dass sich noch einmal genauer anzusehen, da hast du kein namenwort dahinter; also is es kein begleiter; also schreibt man’s mit doppel „ss” ( ) ah, weil’ s etwas darstellt; oder? sich also das noch einmal genauer anzusehen ( ) C: nein; vorsichtig hob manfred den teller auf, (.) um sich das - M: um sich das ganze noch einmal, noch einmal genauer anzusehen; (.) um sich DAS ganZE, noch einmal genauer anzusehen; C: genauer? na das geht sich sicher nicht; doch geht sich schon aus - 11 G: und sah: , (-) M: als er den teller schon in den 114 M: und sah, (.) G: was sah er denn - ((lachen)) die maus auf dem teller liegen; M: und sah die maus - ( ) G: auf dem teller liegen; händen hielt, sprang plötzlich eine KLEIne maus von dem teller; C: ansagen. (C. schreibt) M: als er den teller schon in den händen hielt, (C. schreibt) hielt, sprang eine KLEIne maus vom teller; (C. schreibt) 12 G: er schm schmeiß(.)te - <<unsicher>> was tun ma’n da; M: er schmeißte, G: er schmeißte, er schmeißte; M: er schmeißte den - ( ) G: NEIN M: er schmiss ( ) G: ja aber es gibt noch etwas; oder? er ließ den teller aus der hand, <<wieder unsicher>> ja, (.) er ließ, da ah ( ) er ließ ja (.) den teller, ((schreibt)) aus der hand, M: aus der hand, ( ) G: JA er ließ den teller doch aus der ha: ,nd; oder? wenn man sich erschreckt, und wenn man da eine spinnerin sieht, lasst ma’s immer fallen. ( ) M: er ließ den teller aus der hand; (.) punkt. (-) G: er ließ den teller aus der hand, (-) [ ] aus der hand, M: und rannte, G: und rannte weg. ((zu Secil gewandt)) du kannst dir auch mal was überlegen. überleg dir schon einmal, was man da noch erzählen könnt; ( ) M: und rannte weg, G: sei du still M: punkt. (.) G: du bist still; M: wollt auch mal was sagen (( ) lachen)) M: wie findest du’s für den nächsten satz; erschreckt ließ manfred den teller fallen, und rann, rannte aus der aus der küche, C: na dann, warte mal - M: erschreckt ließ manfred, [ ] lass mich nur mal erzählen, hör mir mal ! ZU! (.) erschreckt ließ manfred den teller fallen, und RANnte aus der küche; leider lagen am boden nur noch kleine scherben vom teller; C: nein; das würd ich weglassen, das andere; M: ich habe eine idee, C: [ ] das war ein schreckhaftes erlebnis; M: nein nein nein ich hab eine bessere idee; erschreckt ließ manfred den teller auf den boden fallen, auf den auf den boden fallen; und der teller sprang in zwei; das war ein aufregendes erlebnis, für willi, die maus; für die maus. C: ok; los geht’s M: ja SCHREIB; (lacht)) also erschreckt ließ manfred den teller, ((lacht)) erschreckt ließ manfred den teller auf den boden fallen; und der teller sprang in zwei; (C. schreibt) und der teller sprang (M. diktiert) auf den boden fallen, (C. schreibt) und 115 S: der teller zerbrach in hundert teile; G: in 1000 stücken sagt man oder? (diktiert) de: r TEller, (.) zerbrach ich hab net DAS teller gsagt - (diskutieren über die Schreibweise von Teller) der teller, (M. schreibt) zerbrach in tausend stücken. M: überschrift haben wir noch nicht; G: ja; die kleine maus, (-) so punkt. (16,40 Minuten, 112 Wörter) der teller, beistrich, und der teller sprang in zwei; (C. schreibt) DAS war ein aufregendes erlebnis für die beiden, oder? oder für manfred und die maus, weil der manfred hat auch ein aufregendes erlebnis ghabt; C: mmh M: für die beiden; oder? C: sprang in zwei, punkt. gell, M: das war ein aufregendes erlebnis für die beiden. C: ja. (30,47 Minuten, 208 Wörter) Gönül, Marija und Secil lesen ihren Text, nachdem sie ihn zu Papier gebracht haben, noch einmal gemeinsam durch, sie nehmen jedoch keine Veränderungen mehr vor. Mira und Christina entscheiden sich dafür, ihren Text weder durchzulesen noch zu überarbeiten. Revisionen der verschriftlichten Formulierungen kommen somit in beiden Gruppen nicht vor. Sobald sich die Schülerinnen für eine Formulierung entschieden haben, wird sie notiert und nicht mehr weiter verändert; Revisionen und Textoptimierungen erfolgen damit ausschließlich an den Vorformulierungen des Textes. 7.2.3 Textproduktionsprozess I: Mira und Christina entwickeln ihre Geschichte 7.2.3.1 Revisionen und Textoptimierungen Der Textproduktionsprozess von Mira und Christina ist durch zahlreiche sprach- und inhaltsgerichtete Aktivitäten gekennzeichnet. Die beiden entwickeln ständig neue Ideen, um ihren Text zu verbessern. In zahlreichen Aktivitäten des Bewertens und Überarbeitens ihrer Formulierungen gelingt es ihnen, ihren Text sukzessive inhaltlich und sprachlich auszugestalten. (Bild 7) M: da legte sie sich hin [ ] mit schwerem bauch [ ] legte sie sich hin und schlief; C: nein; ganz VOLLgeFRESSen - M: mit schwerem bauch - [ ] mit ganz vollgefressenem und schwerem bauch - [ ] C: legte sie sich auf den teller [ ] M: legte sie sich auf den teller, wo das stü wo früher das stück käse stand, und schlief, C: das stück käse stand tät ich wegstreichen; M: legte sie sich auf den teller und schlief, schlaf, 116 C: und schlief, M: schlief schlief C: ja - M: hab ich eh gsagt C: schlief längere zeit; M: schlief ruhig ein; ruhig und glücklich; schlief glücklich ein. also noch einmal; C: schlief RUHig ein, is besser; M: mit vollem bauch, [ ] C: mit vollem bauch, M: legte sie sich auf den teller, und schlief glücklich ein; C: nein, M: da LACHT sie ja; da hat sie einen SMIlie - C: ja ok; M: schlief glücklich ein. ok (schreibt) ups, jetzt hab ich auf das SIE vergessen; is wurscht. 161 Bereits geäußerte Formulierungen werden von Mira und Christina immer wieder aufs Neue überprüft, bestätigt, verworfen oder revidiert; einzelne Textelemente werden getilgt, ersetzt oder erweitert. 162 Die Revisionen dienen meist dazu, Formulierungen zu präzisieren bzw. Inhalte zu erklären oder zu verdeutlichen. (Bild 8) C: ich tät den dicken mann manfred nennen; M: MANfred is besser als otto, ich hab’n otto gnannt, C: ich hab ihn manfred gnannt bei der gschicht; (M. schreibt) schreibst du manfred? M: manfred; is besser; C: manfred is VIEL besser find ich - M: ok schlief ruhig ein; (.) hungrig kam plötzlich manfred in die küche, C: ja M: ich hab der hausbesitzer - ( ) C: hungrig kam manfred die tür hinein; um ein stück käse zu essen; M: in die die küche, HUNgrig; [ ] ich hab eine idee; HUNgrig öffnete manfred die küchentür, um sich ein stück käse zu holen. C: NEIN er kommt ja erst NACHher; M: ja da sind wir sind bei dem bild, C: ja, eh ahm - [ ] M: hungrig, C: nein ( ) mira, hör mir mal ! ZU! M: ich wollt dir grad sagen, dass ma das mit dem stück käse weglassn; (.) hungrig, C: ja 161 Siehe auch Bild 4, 5, 12 etc. 162 Ersetzungen kommen bei Gönül, Secil und Marija insgesamt zehnmal und bei Mira und Christina 38-mal vor; bei den Hinzufügungen besteht ein Verhältnis von 3 : 14. Beim Einsatz von wiederholend-alternativen Textelementen besteht ein Verhältnis von 44 : 8 zugunsten der muttersprachigen Schülerinnen. 117 M: hungrig öffnete manfred die küchentür - C: und wollte sich was zu essen holen; M: und wollte sich was zu essen holen; das passt dann auch her (schreibt lange) C: ( ) um sich was zu essen holen; M: und wollte sich etwas zu essen holen; C: und wollte sich etwas zu essen holen? M: etwas; ( ) um sich etwas zu essen, ( ) um sich etwas ((streicht etwas durch)) zu essen holen; (.) das is besser gell? (schreibt) um sich etwas zu essen holen; C: mmh - 163 Lexikalische Revisionen werden von Mira und Christina vor allem dazu eingesetzt, um die stilistische Varianz und die Verständlichkeit ihres Textes zu erhöhen. Veränderungen im sprachlich-normativen Bereich erfolgen vor allem in Form von orthographischen und morphosyntaktischen Korrekturen; einzelne Wörter und Textpassagen werden immer wieder aufs Neue im Hinblick auf grammatische und orthographische Korrektheit überprüft. 164 (Bild 6) M: ups; ließ falsch oder richtig; da bin ich mir nicht sicher; ließ mit scharfem ß, (-) ein paar schuhe groß; wenn’s zwei sind, schreibt man’s groß wenn’s mehrere sind klein; gell? C: ja. (M. schreibt) die krümel schreibt ma sowieso groß; M: ja. (- -) Im Zuge dieser Korrekturen bringen die beiden immer wieder auch metasprachliche Äußerungen ins Spiel: (Bild 9) M: da FIEL ihm das große stück käse, was er heute in der früh beim supermarkt gekauft hatte, ein C: genau, da fehlt a PUNKT; M: da, C: das is a punkt? <<unterhalten sich über punkte 0.31>> M: DA fiel ihm das GROße stück käse ein [ ] was er heute in der früh beim supermarkt gekauft hatte; [ ] C: jetzt lass mich einmal reden; ok sonst krieg ma a durcheinander; M: ok. C: da fiel ihm das große stück käse ein, das er heute im supermarkt gekauft hatte; (.) gekauft hatte. M: in der FRÜH, weil da is es ja am nachmittag, er muss es ja irgendwann gekauft haben; C: mein gott. da is es auch schon egal; auf jeden fall wird es dann eine zeitergänzung; M: das weiß ich auch, obwohl beim supermarkt is eine ortsergänzung. 163 Siehe auch Bild 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9, 10 und 12. 164 Hier dürfte auch der lehrerseitige Einfluss im Hinblick auf die Einhaltung von Normen gewirkt haben - gerade bei jüngeren Schulkindern ist dieser Einfluss oft noch sehr stark (Antos 1989, 27). 118 C: ja, (-) und manfred is subjekt - In ihren Revisionen und Textoptimierungen beziehen sich Mira und Christina nicht nur auf einzelne Wörter und Sätze, sondern auch auf den Text als Ganzes. 165 Dies zeigt sich etwa darin, dass sie nicht nur auf unmittelbar zuvor geäußerte Formulierungen zurückgreifen, sondern auch auf bereits länger zurückliegende Äußerungen, die sie im Hinblick auf das Textganze überprüfen und optimieren. (Bild 6) C: sie nahm einen kleinen happen, und konnte nachher nicht mehr aufhören; M: nana das is besser (.) warte, na mir liegt’s auf der zunge; (-) erFREUT STÜRZte sie sich stürzte sie sich stürzte sich WILLI auf das stück, und fraß fast alles bis auf ein paar krümel auf. C: noch einmal ansagen. ((schreibt)) M: erfreut, (diktiert den Satz) stürzte sie sich auf das stück käse (-) SIE sich, C: nein M: stürzte ES das ist kein es das is - C: ER sich [ ] erfreut, [ ] erfreut stürzte WILLI, M: ja nachher schreib SIE! die maus ist eine SIE! die maus (.) wir sprechen über die maus, willi habn ma net eing’halten. (.) ich weiß; die maus, aber da steht DIE maus; also is es eine SIE oder? ( ) eines tages ging (.) ging die maus; dann streich ich das willi weg; ( ) ja weil dann könn ma SIE schreiben für DIE MAUS ( ) C: ok. erfreut stürzte sie sich, M: erfreut stürzte sie sich auf das stück käse; Die Vorgangsweise von Mira und Christina beim gemeinsamen Verfassen der Bildergeschichte macht deutlich, dass sie bereits über umfassende lexikalische, stilistische und grammatische Kenntnisse sowie über ein großes Repertoire an Strategien im Umgang mit Texten verfügen. Sie setzen zahlreiche Aktivitäten der Textoptimierung, die im Prozess des gemeinsamen Formulierens eng ineinander greifen und letztendlich bewirken, dass ein dynamischer Prozess der Textproduktion entsteht. 7.2.3.2 Phasen im Prozess der Arbeit am Text Im Textproduktionsprozess von Mira und Christina lässt sich eine bestimmte Abfolge von Sequenzen erkennen, die sich Bild für Bild wiederholt: Zunächst formulieren sie eine Kernaussage zum jeweiligen Bild, mit der sie das Dargestellte inhaltlich grob umreißen. Dann beginnen sie, diese Kernaussage auszugestalten, sie präzisieren und erweitern die zuvor formulierte Aussage. Danach überprüfen und präzisieren sie logische Zusammenhänge, verbessern die lexikalische und stilistische Gestaltung und kontrollieren bzw. korrigieren etwaige grammatische und orthographische Fehler. Ihre Aufmerksamkeit liegt damit immer zunächst auf den wich- 165 Siehe z.B. die Versprachlichung zu Bild 3. 119 tigsten Informationen, die ein Bild liefert, bevor sie die dargestellten Szenen sprachlich und inhaltlich differenzieren. (Bild 1) M: ok wie schreib’n ma den ersten Satz? C: ahm (.) du hast schon mit DIE angfangen gell? M: die kleine maus, C: die kleine maus ging eines schönen tages, aus ihrem [ ] mäuseloch hinaus; M: sagn ma WILLI die maus, das hab ich bei der geschichte erzählt das klingt so gut; C: die kleine maus willi, M: NEIN willi, die kleine MAUS C: nein, du hast aber schon die kleine maus; M: die kleine maus ist die ÜBERschrift C: aso, ok. eines schönen tages ging willi, die maus, aus ihrem mäuseloch hinaus. M: das hätt ich auch g’sagt, das reimt sich sogar; (-) ( ) C: das ist LUStig; gell, M: das alleine erzählen hat mir überhaupt keinen spass g’macht; C: na; das is so - ( ) Diese Vorgangsweise lässt annehmen, dass die beiden die Geschichte von Beginn an als mentale Vorstellung „im Kopf” hatten und im Prozess des Schreibens auf komplexe kognitive Repräsentationen des Textes zurückgreifen konnten, die sie bereits am Beginn des Schreibprozesses aufgebaut hatten und während des Schreibens restrukturierten. Darauf deutet nicht nur das mehrfache Überprüfen logischer Zusammenhänge hin, sondern auch die Tatsache, dass sie die Vorlage vielfach nur als Impuls und Gedankenstütze für den weiteren Handlungsverlauf zu verwenden schienen und vielfach ohne Blick auf die Vorlage auskamen. 7.2.4 Textproduktionsprozess II: Gönül, Marija und Secil erarbeiten ihren Text Gönül, Secil und Marija bringen ihre Formulierungsvorschläge meist unmittelbar zu Papier, ohne sie lange zu überarbeiten. Die häufigste Strategie, die sie einsetzen, ist die Fortführung von Textelementen: Sie reihen Wort für Wort und Satz für Satz linear aneinander. 166 Sie beschreiben die Bilder der Geschichte knapp, sachlich und ohne Einbettung in größere Kontexte. Dabei verzichten sie fast durchgängig auf inhaltliche Details und eine differenziertere sprachliche Gestaltung. 167 Dies dürfte nicht nur an fehlenden 166 Eine Fortführung von Textelementen bedeutet, dass ein neues Textelement zu keinem der bereits vorliegenden Elemente alternativ gesetzt wird, sondern den Formulierungsprozess bloß weiterführt. 167 Die Beobachtung, dass Schreibende, die sprachliche Schwierigkeiten bei der Textproduktion haben, Details vielfach weglassen, ist auch bei Wolff dokumentiert (2002, 309). 120 Schreibstrategien, sondern auch an ihrem eingeschränkten Repertoire an sprachlichen Mitteln liegen. Während des Textproduktionsprozesses greifen sie nur selten auf Formulierungen zurück, die sie einmal geäußert haben. Ihre Revisionen sind fast ausschließlich oberflächenorientiert und bedeutungserhaltend und beschränken sich meist auf einzelne Wörter und Phrasen. 168 Ihre Aufmerksamkeit ist vor allem auf die grammatische und orthographische Korrektheit der Wörter und Sätze gerichtet („Riesenhunger” oder „riesigen Hunger? ”; „riesig mit ss oder ß? ” etc.): 169 (Bild 12): G: er schm schmeiß(.)te - <<unsicher>> was tun ma’n da; M: er schmeißte, G: er schmeißte, er schmeißte; M: er schmeißte den - ( ) G: NEIN M: er schmiss ( ) G: ja aber es gibt noch etwas; oder? er ließ den teller aus der hand, <<wieder unsicher>> ja, (.) er ließ, da ah ( ) er ließ ja (.) den teller, ((schreibt)) aus der hand, M: aus der hand, ( ) G: JA er ließ den teller doch aus der ha: ,nd; oder? wenn man sich erschreckt, und wenn man da eine spinnerin sieht, lasst ma’s immer fallen. ( ) M: er ließ den teller aus der hand; (.) punkt. (-) G: er ließ den teller aus der hand, (-) [ ] aus der hand, M: und rannte, G: und rannte weg. ((zu Secil gewandt)) du kannst dir auch mal was überlegen. überleg dir schon einmal, was man da noch erzählen könnt; ( ) M: und rannte weg, G: sei du still M: punkt. (.) G: du bist still; M: wollt auch mal was sagen (( ) lachen)) S: der teller zerbrach in hundert teile; 168 Nach Wolff (1992, 119, 121) deutet eine Beschränkung auf einzelne Wörter und Phrasen bei Zweitsprachenlernenden nicht nur bloß auf Defizite in der Zweitsprache, sondern auch darauf hin, dass Lernende auf das in ihrer Erstsprache erworbene Repertoire an Textverarbeitungsstrategien nicht zurückgreifen können bzw. auch in ihrer Erstsprache über keine zielführenden Strategien im Umgang mit Texten verfügen. 169 In diesem Zusammenhang ist die Untersuchung von Faigley/ Witte (1981) von Interesse, in der das Überarbeitungsverhalten von 16-jährigen unerfahrenen SchreiberInnen mit dem von SchreibexpertInnen verglichen wurde. Dabei hat es sich gezeigt, dass die ExpertInnen sich zu 65 % mit Revisionen befassten, die die Textbasis betreffen, demgegenüber waren die unerfahrenen Schreibenden zu 88 % mit Veränderungen der sprachlichen Oberfläche und mit der Einhaltung sprachlicher Normen beschäftigt. 121 G: in 1000 stücken sagt man oder? (diktiert) de: r TEller, (.) zerbrach ich hab net DAS teller gsagt - (diskutieren über die Schreibweise von Teller) der teller, (M. schreibt) zerbrach in tausend stücken. M: überschrift haben wir noch nicht; G: ja; die kleine maus, (-) so punkt. Fragen der sprachlichen Korrektheit und lexikalischen Gestaltung beschäftigen die drei Schreiberinnen somit mehr als Fragen der globalen Sinnkonstitution des Textes. Begründungszusammenhänge werden meist implizit konstruiert, 170 Kernaussagen zu den einzelnen Bildern werden nur vereinzelt formuliert, 171 in der Folge jedoch meist weder sprachlich noch inhaltlich weiter ausgebaut. Marija, Secil und Gönül haben die Bildergeschichte während des gesamten Formulierungsprozesses vor sich liegen und schauen die Bilder ständig an. Dennoch kommen einige Bilder in ihrer Geschichte nicht vor. So haben sie etwa das fünfte Bild nicht berücksichtigt und die Bilder 10 und 11 nur knapp zusammengefasst: 172 (Bild 10) G: ( ) sie ah sie ah er NA: ,HM den teller; er nahm den teller, (Bild 11) G: und sah: , (-) M: und sah, (.) G: was sah er denn - ((lachen)) die maus auf dem teller liegen; M: und sah die maus - ( ) G: auf dem teller liegen; Aus dieser Vorgangsweise wird deutlich, dass Marija, Secil und Gönül die Bildergeschichte nicht schon von Schreibbeginn an als „Geschichte” im Kopf hatten, sondern erst nach und nach - Bild für Bild - konstruierten. 173 Sie hatten offenbar keine ganzheitliche Vorstellung der Geschichte aufgebaut, auf die sie im Prozess der Textproduktion hätten zurückgreifen können. 170 Mira und Christina stellen logische Zusammenhänge demgegenüber überwiegend explizit her (insbesondere durch die Verwendung von logischen Konnektoren, z.B.: „hungrig kam manfred die tür hinein; um ein stück käse zu essen; ”). 171 Z.B. in Bild 7 und 8. 172 Zu diesen Bildern entstand bei Mira und Christina eine intensive Diskussion. 173 Lernende mit geringer Textkompetenz tendieren generell dazu, Bild für Bild zu beschreiben und können keine integrierte Vorstellung der Geschichte entwickeln (Oakhill/ Cain 1998, 184). 122 7.2.5 Die Textproduktionsprozesse im Vergleich 7.2.5.1 Sprachliche Gestaltung der Texte Mira und Christina versuchen ihren Text möglichst spannend zu erzählen; sie möchten, dass es „gut klingt”. Um Spannung zu erzeugen und Emotionalität zu vermitteln, verwenden sie zahlreiche Adjektive und Adverbien („das war ein aufregendes Erlebnis für die beiden”, „schaute sich aufgeregt um”, „erfreut stürzte sie sich auf das Stück Käse”; „mit ganz vollgefressenem und schwerem Bauch”, „schlief ruhig und glücklich ein”; „erschreckt ließ Manfred den Teller auf den Boden fallen”) 174 sowie Markierungen der Plötzlichkeit („plötzlich sah sie schon das große duftende Stück Käse”, „Hungrig kam plötzlich Manfred in die Küche”, „und da stand schon das große, duftende Stück Käse …”) 175 und sich steigernde Wiederholungen: (Bild 5): M: ( ) und DA: , stand schon das große, duftende stück käse; C: das is lustig; na aber mit UND sollte man den satz net beginnen; (.) frau haider hat g’sagt, keinen satz sollt ma mit UND beginnen; M: PLÖTZlich sah sie schon das GRO: ße DUFtende stück käse; C: nein (.) VOR ihren augen; M: vor ihren augen, sah sie schon das große duftende stück käse; Auch die formelhaften Wendungen, die Mira und Christina verwenden, dienen dazu, den Text zu strukturieren. So heißt es etwa am Beginn ihrer Geschichte: „Eines schönen Tages ging die Maus aus ihrem Mäuseloch hinaus” und am Ende: „Das war ein aufregendes Erlebnis für die beiden.” Fomelhafte Wendungen kommen bei Marija, Secil und Gönül nicht vor; lediglich die Formulierung „An einem schönen Tag …” bringt ihr Interesse zum Ausdruck, eine formelhafte Wendung an den Textbeginn zu stellen. Eine Emotionalisierung der Geschichte wird von Mira und Christine auch dadurch erreicht, dass sie den handelnden Personen ihrer Geschichte Namen geben: Die Maus wird „Willi” genannt und der Mann, der in die Küche kommt, wird als „Manfred” bezeichnet. 176 Sie scheinen sich mit den handelnden Protagonisten zu identifizieren und beim Erzählen der Ge- 174 Während die beiden beim mündlichen Erzählen der Bildergeschichte häufig Aneinanderreihungen von Adjektiven vornehmen, entscheiden sie sich in der schriftlichen Textfassung meist wieder für eine Reduktion; so verwenden sie z.B. statt „vollgefressenem und schwerem Bauch” (mündlich) im schriftlichen Text „vollem Bauch” und statt „schlief ruhig und glücklich ein” (mündlich) schreiben sie „schlief ruhig ein”. 175 Markierungen der Plötzlichkeit werden von den beiden mitunter zunächst verwendet, dann aber wieder zurückgenommen, was sich jedoch in den jeweiligen Fällen positiv auf die sprachliche Gestaltung des Textes auswirkt. 176 Um sich in die Gedankenwelt eines Protagonisten einer Geschichte hineinversetzen und diese auch sprachlich vermitteln zu können, bedarf es nach Peltzer-Karpf et al. (2003, 192) eines kognitiven Entwicklungsstandes, der bei 9bis 10-Jährigen noch nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. 123 schichte auch selbst emotional beteiligt zu sein. Für Gönül, Secil und Marija ist die Maus einfach nur „die Maus” und der Mann ist „der Mann”. 177 Auch mit dem Einsatz von Verben zeigen Mira und Christina, dass sie über sprachliche Mittel verfügen, die es ihnen erlauben, die Ereignisse der Geschichte lebendig darzustellen und geschickt in Szene zu setzen. So verwenden sie etwa nicht nur ca. doppelt so viele, sondern auch komplexere Verben der Bewegung 178 als Marija, Secil und Gönül: 179 (BILD 4): C: sie sprang aufs - ( ) sie sprang [ ] aufs regal hinauf, und - [ ] M: na sie versuchte, [ ] sie versuchte auf den schrank hinaufzu, ( ) sie versuchte auf den schrank hinaufzu [ ] sie versuchte auf den schrank hinaufzu, (.) warte - (.) noch einmal; (.) sie versuchte auf den Schrank, (.) zuerst du oder zuerst ich? C: ich M: ok C: sie versuchte auf den schrank zu springen, (.) und - (-) M: und - (.) ich hab was besseres sie, ( ) sie versuchte, auf den schrank hinaufzukrabbeln, das war am anfang zwar ziemlich wackelig, aber am ende gelung geling ge ge gelung es ihr doch. C: noch mal ansagen! M: sie versuchte auf den auf den schrank zu kraxeln (.) auf den schrank zu klettern (-) bist du einverstanden? C: ja M: auf den schrank zu klettern? (.) auf den schrank zu klettern; (.) punkt; oder? da geht man runter mit der stimme; - (-) punkt. Mit den Bewegungsverben, die Mira und Christina verwenden, beziehen sie sich meist auf eine Veränderung des Standortes der Protagonisten, d.h. sie verwenden häufiger Bewegungsverben, die anzeigen, dass sich die Protagonisten bewegen (siehe Kategorie A) als Verben, 180 wo die Protagonisten die Bewegung (bzw. Ortsveränderung) eines Gegenstandes bewirken (siehe Kategorie B). 181 177 Die Tendenz, den Aktanten in Bildergeschichten Namen zu geben, zählt zu den Gemeinsamkeiten zwischen Kindern und Erwachsenen beim Schreiben von Bildergeschichten (vgl. Peltzer-Karpf 2007). 178 „Verben der Bewegung” dienen dazu, Bewegung und Dynamik im Raum sprachlich zu markieren (vgl. Peltzer-Karpf 2003, 2007). Die Verwendung von Bewegungsverben ist nach Peltzer-Karpf et al. (2003) ein Indikator für lexikalische Kenntnisse und schriftsprachliche Kompetenzen. 179 Mira und Christina verwenden insgesamt 14 Bewegungsverben, Gönül, Marija und Secil hingegen nur 9 bzw. 7 (in zwei Fällen suchen sie erst nach dem passenden Ausdruck: umdrehen/ umschauen zu Bild 2 und schmeißen/ aus der Hand lassen zu Bild 12). 180 Mira und Christina verwenden doppelt so viele Bewegungsverben, die anzeigen, dass sich ein Protagonist bewegt als Gönül, Secil und Marija (12 : 6). 181 Bewegungsverben sind nach Peltzer-Karpf (2007) mit verschiedenen Körperteilen assoziiert; d.h. ihre Wahrnehmung aktiviert das jeweilige motorische System. 124 Mira, Christina Gönül, Secil, Marija Kategorie A: Protagonist bewegt sich Bild 1: hinausgehen Bild 2: sich umschauen Bild 3: nachgehen, folgen Bild 4: hinaufspringen, hinaufkrabbeln, kraxeln, klettern Bild 6: sich stürzen Bild 7: sich hinlegen Bild 8: hineinkommen Bild 11: springen Bild 2: sich umdrehen/ sich umschauen Bild 3: sich umschauen Bild 4: raufklettern Bild 7: sich hinlegen Bild 8: kommen (gemeint: hereinkommen) Bild 12: wegrennen Kategorie B: Protagonist bewirkt Bewegung Bild 8: öffnen ( Küchentür) Bild 10: öffnen ( Schranktür) hochheben ( Teller) aufheben ( Teller) Bild 12: fallen lassen ( Teller) Bild 10: nehmen ( Teller) Bild 12: schmeißen/ aus der Hand lassen ( Teller) Mira und Christina verwenden zahlreiche Verben, die die Richtung einer Bewegung anzeigen, z.B. hinausgehen, sich umschauen, nachgehen. 182 Diese Verben stehen in Verbindung mit Partikeln und sorgen für die Dynamik von Ausdrücken. In der Bildergeschichte von Marija, Secil und Gönül kommen demgegenüber nur etwa halb so viele Bewegungsverben dieser Kategorie vor (sich umdrehen/ sich umschauen, raufklettern, sich hinlegen, wegrennen). 183 182 Weiters: hinaufspringen, hinaufkrabbeln, sich hinlegen, hineinkommen, hochheben, aufheben. 183 In den von Peltzer-Karpf et al. (2003, 199 ff.) untersuchten Erzählungen sind nur in den Bildergeschichten der deutschsprachigen Kinder semantisch differenzierte Verben zu finden; im lexikalischen Repertoire der nichtdeutschsprachigen SchülerInnen 125 Als sprachliches Gestaltungselement setzen Mira und Christina weiters auch den Perspektivenwechsel ein. So nehmen sie etwa in ihrer Bildergeschichte einmal die Perspektive der Maus, ein anderes Mal jene von „Manfred” ein, ein paar Mal betrachten sie das Geschehen auch von zwei verschiedenen Seiten: (Bild 12) M: (…) also erschreckt ließ manfred den teller, ((lacht)) erschreckt ließ manfred den teller auf den boden fallen; und der teller sprang in zwei; (C. schreibt) und der teller sprang (M. diktiert) auf den boden fallen, (C. schreibt) und der teller, beistrich, und der teller sprang in zwei; (C. schreibt) DAS war ein aufregendes erlebnis für die beiden, oder? oder für manfred und die maus, weil der manfred hat auch ein aufregendes erlebnis ghabt; C: mmh M: für die beiden; oder? C: sprang in zwei, punkt. gell, M: das war ein aufregendes erlebnis für die beiden. C: ja. Perspektivenwechsel kommen bei Secil, Marija und Gönül nicht vor, 184 Markierungen der Plötzlichkeit fehlen zur Gänze. Sie nehmen auch kaum Bezug auf die Gedanken und Gefühle der Protagonisten. 185 Ihr Text ist durch eine geringere stilistische Variation, 186 durch einen eingeschränkteren Wortschatz 187 sowie durch eine einfachere und variantenärmere Syntax gekennzeichnet. 7.2.5.2 Soziale und affektive Faktoren Soziale und affektive Faktoren prägen das emotionale Klima in einer Gruppe, bestimmen die Intensität der Interaktion und somit auch die Resultate des kooperativen Schreibens. Eine ausgewogene soziale Konstellation und eine positive emotionale Atmosphäre in der Gruppe können die gemeinfehlen sie fast völlig. Peltzer-Karpf et al. nehmen an, dass diese Unterschiede auch mit sprachtypologischen Differenzen zu tun haben: Türkischsprachige Lernende neigen dazu, die Dynamik in ihren Erzählungen abzuschwächen und Szenen statisch zu beschreiben. 184 Im Text von Gönül, Marija und Secil gibt es nur einen Perspektivenwechsel: Bei der Beschreibung zu Bild 8 wird von der Perspektive der Maus zur Perspektive des Mannes gewechselt. Diese Perspektive wird bis zum Ende eingehalten. 185 Peltzer-Karpf et al. (2003, 193) haben in ihrer Untersuchung von Volksschulkindern in mehrsprachigen Klassen festgestellt, dass Muttersprachige der 4. Schulstufe doppelt so oft bzw. teilweise sogar viermal so oft auf die Gedanken der Hauptfigur in einer Bildergeschichte Bezug nahmen wie Zweitsprachenlernende. 186 Dies wird insbesondere im Einleitungs- und im Schlussteil der Geschichte deutlich. 187 Eine Überprüfung der „type-token-ratio” zeigt, dass sich die im Text der Zweitsprachenlernenden verwendeten Wörter zu den verschiedenen Wörtern als ein Verhältnis von 74 : 112 und im Text der muttersprachigen Schreiberinnen als ein Verhältnis von 140 : 208 darstellt. 126 same Arbeit an einem Text intensivieren. Im Folgenden geht es um die Frage, auf welche Weise soziale und affektive Faktoren den Prozess der Textproduktion beeinflussen bzw. inwieweit diese dazu beitragen können, die Textkompetenz der Lernenden zu bündeln oder aber zu hemmen. 188 Zwischen Mira und Christina besteht ein freundschaftliches Verhältnis und die Bereitschaft, sich zu äußern, ist bei beiden sehr hoch. Sie widmen sich mit großem Engagement und Begeisterung der Schreibaufgabe, bestärken sich gegenseitig und geben einander immer wieder positives Feedback. (Bild 10) M: er öffnete die schranktür, C: und fand nur mehr kleine krümel; M: und fand nur mehr kleine krümel, wo früher das große stück käse stand, (.) wo früher das stück käse stand, am teller; C: nein; ich tät’s so schreiben er fand nur mehr das kleine, er fand nur mehr die krümel käse, die auf dem teller lagen; M: vom käse, vom großen vom stück käse; C: klingt das besser? M: nein; aber man muss erklären, weil sonst weiß man nicht; C: mein gott, das weiß man doch ganz sicher, M: ja, aber der manfred, (.) also der manfred, wenn der manfred jemandem das erzählt hätt, hätt der das nicht gwusst; C: du machst das so kompliZIERT; M: die MAUS hätt’s gwusst; aber der manfred wenn er’s jemanden erzählt hätt dass er nur mehr ein krümel am teller findet, und sich ein stück käse kauft, der hätt ja keine ahnung, von was der teller is; die maus hätt’s gwusst; weil die hat das ja aufgfressen; C: ich komm noch durcheinander; wenn du mir soviel erzählst - M: ok. er öffnete die schranktür, und sah nur noch kleine krümel vom stück käse am teller liegen; M. (flüstert) christina; die schranktür war ja offen; Mitunter entsteht eine leichte Dominanz von Mira, Christina hat jedoch in solchen Situationen nie Probleme, sich Aufmerksamkeit und Gehör zu verschaffen: (Bild 8) C: ich tät den dicken mann manfred nennen; M: MANfred is besser als otto, ich hab’n otto gnannt, C: ich hab ihn manfred gnannt bei der gschicht; (M. schreibt) schreibst du manfred? M: manfred; is besser; C: manfred is VIEL besser find ich - 188 Bennett/ Cass (1989) haben in ihrer Studie zur Erforschung der Effekte von Gruppenarbeiten auf den Prozess der Interaktion und des Verstehens herausgefunden, dass SchülerInnen mit guten sprachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten mehr als doppelt so viele Erklärungen, Antworten und Bewertungen abgaben als jene, die schlechtere Lernvoraussetzungen hatten (vgl. Fisher 1994, 161). 127 M: ok schlief ruhig ein; (.) hungrig kam plötzlich manfred in die küche, C: ja M: ich hab der hausbesitzer - ( ) C: hungrig kam manfred die tür hinein; um ein stück käse zu essen; M: in die die küche, HUNgrig; [ ] ich hab eine idee; HUNgrig öffnete manfred die küchentür, um sich ein stück käse zu holen. C: NEIN er kommt ja erst NACHher; M: ja da sind wir sind bei dem bild, C: ja, eh ahm - [ ] M: hungrig, C: nein ( ) mira, hör mir mal ! ZU! M: ich wollt dir grad sagen, dass ma das mit dem stück käse weglassn; (.) hungrig, C: ja M: hungrig öffnete manfred die küchentür - C: und wollte sich was zu essen holen; M: und wollte sich was zu essen holen; das passt dann auch her (schreibt lange) C: ( ) um sich was zu essen holen; M: und wollte sich etwas zu essen holen; C: und wollte sich etwas zu essen holen? M: etwas; ( ) um sich etwas zu essen, ( ) um sich etwas ((streicht etwas durch)) zu essen holen; (.) das is besser gell? (schreibt) um sich etwas zu essen holen. C: mmh - Das positive emotionale Klima zwischen Mira und Christina scheint daher eine gute Voraussetzung dafür zu sein, dass die beiden ihre Ideen und Gedanken im Prozess des Formulierens aktiv einbringen und ihre Textkompetenz in der gemeinsamen Arbeit am Text entfalten können. In der Gruppe der Zweitsprachenlernenden ist Gönül von Beginn an sehr dominant. So beginnt sie etwa die Gruppenarbeit damit, dass sie die Bildergeschichte alleine nochmals erzählt, obwohl gemeinsames Schreiben gefordert ist; als sie damit fertig ist, erteilt sie den anderen das Wort: (Bild 2) G: so, und jetzt bis DU aber dran, schaun, ob du’s besser kannst; M: der maus drehte sich um, G: hm M: was is? G: SCHAUte sich um; M: sich um, dass niemand kommt; G: nein, wart; du musst es dir überlegen nicht gleich schreiben; schau; die maus schaute sich um, (.) und dachte sich, wo kann ich mir futter stabitzen; Gönül entwickelt viel Eifer und Engagement für die Sache, vor Begeisterung scheint sie kaum zu bemerken, wie sehr sie die beiden anderen dominiert. Sie lässt Secil und Marija kaum Zeit, um nachzudenken und Formulierungsvorschläge zu machen bzw. ihre Äußerungen zu bewerten. Secil und Marija wirken sehr schüchtern und sprechen leiser als Gönül, die eine laute und klare Stimme hat. Marija bringt ihre Ideen sehr zurückhaltend 128 und unsicher vor und versichert sich stets der Zustimmung von Gönül. Gönül ist schließlich auch diejenige, die bestimmt, wann die beiden etwas sagen dürfen und wann nicht und setzt sie selbst durch ihre Aufforderung, sich mit Vorschlägen einzubringen, sichtlich unter Druck. Sie fällt Secil und Marija ständig ins Wort, weist sie immer wieder zurecht und ist mitunter sehr herablassend. Sie bestimmt schließlich weitgehend alleine, welche Formulierungen zu Papier gebracht werden und welche nicht. (Bild 9) S: er denkte G: er dachte sich [ ] ich hatten noch käse; S: er dachte sich ich hab noch eine KÄSE (-) G: ich hatten, (.) noch, (.) käse; ja - (.) klingt komisch; oder? ((M. lacht)) ich HATTEN noch käse. M: er denk dach G: ja er dachte sich, ich hatten noch käse im; M: im SCHRANK; (.) oder nicht? G: ja im schrank kann schon sein, ja sie hat schon recht, aber; Der Vergleich der beiden Textproduktionsprozesse lässt darauf schließen, dass Synergieeffekte beim gemeinsamen Schreiben vor allem dann entstehen, wenn die Gruppe sozial ausgewogen und kooperativ ist. Dies ist eine wesentliche Bedingung dafür, dass die vorhandene Textkompetenz der einzelnen Lernenden aktiviert, gebündelt und in der gemeinsamen Arbeit am Text genützt werden kann. Texte, die im Rahmen von kooperativen Schreibaufgaben verfasst werden, sind daher nicht a priori ein Resultat „gebündelter” Textkompetenz. 189 Es ist vielmehr davon auszugehen, dass kooperative Schreibaufgaben nur dann zur Entfaltung der individuellen Textkompetenz der Lernenden führen, wenn alle in einer Gruppe bereit und motiviert sind, mit der Gruppe - und für die Gruppe - an einem Text zu arbeiten. 190 7.2.5.3 Die mündlich und die schriftlich erzählten Bildergeschichten im Vergleich Die Bildergeschichten, die die Lernenden mündlich vor dem gemeinsamen Schreiben erzählt haben, machen ihre individuellen Fähigkeiten im Umgang mit dieser Schreibaufgabe ein Stück weit sichtbar. Das Interesse galt insbesondere der Frage, ob die gemeinsam geschriebenen Texte eine deutliche Verbesserung in Bezug auf die einzeln verfassten Geschichten dar- 189 SchülerInnen beteiligen sich mitunter auch dann, wenn sie über eine hohe Textkompetenz verfügen, nicht oder nur am Rande am gemeinsamen Formulierungsprozess. Die Gründe dafür sind insbesondere in sozialen, zum Teil aber auch in geschlechterspezifischen Dynamiken zu vermuten. 190 Nach Grabe/ Kaplan (1996) sind Gruppenaktivitäten vor allem dann vielversprechend, wenn Lernende hoch motiviert sind (vgl. Grabe/ Kaplan 1996). 129 stellten, d.h. ob man annehmen kann, dass die Lernenden im Prozess des kooperativen Schreibens mit- und voneinander gelernt haben. 191 1. Die Textproduktionen von Gönül, Secil und Marija a) Gönüls mündlich erzählte Geschichte In der ersten Gruppe beginnt Gönül damit, die Bildergeschichte zu erzählen. Sie erzählt die Geschichte lebendig und emotional und moduliert ihre Stimme, um Spannung und Interesse zu erzeugen. Sie erzählt flüssig und macht kaum Pausen; nur wenn es um Präteritumbildungen geht, stockt sie und ist spürbar verunsichert. Gönüls mündlich erzählte Geschichte die gemeinsam verfasste Geschichte EINma: l, ging eine mau: : s aus ihrem mauseloch raus; (.) und sa: h, (.) ein käse. sie schaute und schaute wie sie heraufkommen konnte. sie hatte eine idee; (.) sie kletterte RAUF, und, (.) iß [ ] aß den ganzen käse. nur ein kleines stück war übrig. dann hatte sie einen vollen BAU: ch, (.) UND schlaf ein. DA kam der mann; und denkte sich ich hatte einen käse; hab ICH einen hunger; und sah, eine maus, (.) liegen. er LASSte; (.) den teller einfach FA: lln - und rann weg. ! HILFE! schrie er und der teller war in tausend stücke zerbrochen. (99 Wörter, 0: 52 Minuten) An einem schönen Tag hatte die kleine Maus einen riesigen Hunger. Die Maus schaute sich um ob sie was stabizen kann. Sie sah auf einem Tisch Käse. Und dachte sich wie komm ich da rauf. Die kleine Maus hatte schon eine Idee. Sie kletterte rauf. Und aß sich voll. Sie legte sich hin mit dem dicken Bauch und schlief ein. Da kam der dicke Mann und dachte sich ich hab einen rießen hunger. er dachte ich muss schaun ich hatten noch ein stück Käse. Er nahm den Teller und sah die Maus auf den Teller liegen. Er ließ den Teller aus der Hand. Und rannte weg. Der Teller zerbrach in taußend stücken. (112 Wörter, 591 Zeichen) Im Gegensatz zur gemeinsam verfassten Bildergeschichte enthält Gönüls mündlich erzählte Geschichte mehr Grammatikfehler (v.a. im Bereich der Präteritumbildung), weniger lexikalische Variation (geringere Anzahl von Adjektiven) und die Verben sind zum Teil unpräzise und inadäquat verwendet; so wird etwa im zweiten Satz nicht erklärt, warum die Maus hinaufkommen 192 möchte. Es fehlen teilweise Überleitungen, Erklärungen und 191 Die Vergleichbarkeit ist eingeschränkt, da es sich auf der einen Seite um mündlich produzierte Bildergeschichten handelt und zum anderen um schriftliche Texte. In beiden Fällen handelt es sich jedoch um Aufgaben, die mit schriftsprachlichen Anforderungen verbunden sind. 192 Fälschlicherweise verwendet sie „heraufkommen”. 130 Begründungen, der Sinnzusammenhang ist stellenweise brüchig - etwa im Bereich des Übergangs zum vorletzten Satz: „Da kam der Mann und denkte sich: Ich hatte einen Käse, hab ich einen Hunger und sah eine Maus liegen. Er lasste den Teller einfach fallen und rann weg.” b) Secils mündlich erzählte Geschichte Auch Secil erzählt die Geschichte flüssig, sie spricht jedoch leiser als Gönül und moduliert ihre Stimme kaum. Sie macht immer wieder kurze Pausen, der Redefluss bricht aber nie ab. Secils mündlich erzählte Geschichte die gemeinsam verfasste Geschichte ein maus, kommt von sein mauseloch heraus. er geht - (.) er schaut zu dass ein mann da i - [ ] kommt, (.) er geht zu schra: nk, (.) und; er geht zu schrank, und schaut dass schrank auf ist, und, ging dahin. er dachte; diese käse schmeckt ganz GUT er isst das alles, nur ein bisschen blieb übrig; einmal ging dahin, und sag(te) geh (.) wird mich nie schmeckn sicher. er macht das schrank auf, aber käse war nur ein BISSchen. da sah ein da sah er ein maus, und verschreck (.) verschreckte sich, und laufte weg. (-) und der teller war kaputt. (105 Wörter, 1: 07 Minuten) An einem schönen Tag hatte die kleine Maus einen riesigen Hunger. Die Maus schaute sich um ob sie was stabizen kann. Sie sah auf einem Tisch Käse. Und dachte sich wie komm ich da rauf. Die kleine Maus hatte schon eine Idee. Sie kletterte rauf. Und aß sich voll. Sie legte sich hin mit dem dicken Bauch und schlief ein. Da kam der dicke Mann und dachte sich ich hab einen rießen hunger. er dachte ich muss schaun ich hatten noch ein stück Käse. Er nahm den Teller und sah die Maus auf den Teller liegen. Er ließ den Teller aus der Hand. Und rannte weg. Der Teller zerbrach in taußend stücken. (112 Wörter, 591 Zeichen) Vergleicht man den Text von Secil mit der gemeinsam produzierten Bildergeschichte, so zeigt es sich, dass sie zahlreiche Grammatikfehler macht (v.a im Bereich des Genus und der Präpositionen), unzulässige Tempuswechsel durchführt und Nebensätze zum Teil nicht angemessen einleitet (dass statt ob). An einigen Stellen ist auch die Syntax fehlerhaft und die Verwendung einzelner Wörter unpräzise (z.B. „ging dahin” statt ging weg, „schaut zu” statt schaut nach, „essen” statt aufessen, „verschreckte sich” statt erschrak). Auch der Sinnzusammenhang ist nicht immer gegeben: er geht - (.) er schaut zu dass ein mann da i - [ ] kommt, (.) er geht zu schra: nk, (.) und; er geht zu schrank, und schaut dass schrank auf ist, und, ging dahin. 131 c) Marijas Geschichte Beim mündlichen Erzählen ist Marija kaum zu verstehen, sie redet sehr leise, wirkt unsicher, stockt immer wieder und spricht sehr monoton. Marijas mündlich erzählte Geschichte die gemeinsam verfasste Geschichte einmal ging ein mäuschen, aus ein(em) häuschen, (.) er schaute dass niemand herein kommt, er er sah, einen (-) ah (-) einen kühlschrank, (und auf) einem teller war ein stück käse, da ging er ( ) und sah (da oben war) in ein teller war ein stück käse, da fangt der maus den käse zu essen. (-) d der maus, sitz leg legte sich auf den teller und im teller war ein kleines stück käse. da kam ein mann in die küche. er er denkt, an die käse; wenn er, den kühlschrank aufmachte, sah er nur ein stückchen käse; und einen maus. (-) er gibt (-) er - (- -) er schmeißt, der maus, (-) ging weg. und der mann, gibt ein bissi käse runter. der mann, hatte vor ihm angst. er schmiss das teller; runter das teller wird wis ka (-) zerbrichen und der mann ging weg (149 Wörter, 2: 17 Min.) An einem schönen Tag hatte die kleine Maus einen riesigen Hunger. Die Maus schaute sich um ob sie was stabizen kann. Sie sah auf einem Tisch Käse. Und dachte sich wie komm ich da rauf. Die kleine Maus hatte schon eine Idee. Sie kletterte rauf. Und aß sich voll. Sie legte sich hin mit dem dicken Bauch und schlief ein. Da kam der dicke Mann und dachte sich ich hab einen rießen hunger. er dachte ich muss schaun ich hatten noch ein stück Käse. Er nahm den Teller und sah die Maus auf den Teller liegen. Er ließ den Teller aus der Hand. Und rannte weg. Der Teller zerbrach in taußend stücken. (112 Wörter, 591 Zeichen) Marijas Bildergeschichte enthält im Vergleich zum gemeinsam verfassten Text eine deutlich höhere Anzahl an sprachlichen Fehlern. Dies betrifft vor allem die Präpositionen, die trennbaren Verben, die Genus- und Tempusmarkierungen und die Präteritumbildung. Die Sätze sind teilweise unvollständig und inadäquat eingeleitet, mitunter auch fehlerhaft in der Wortstellung. Der Sinnzusammenhang ist im Text nicht durchgängig gegeben, einzelne Textelemente sind gegen Ende hin nur noch lose aneinandergereiht, Überleitungen fehlen. Resümierend ist festzuhalten, dass die Unterschiede in der Art und Weise, wie die drei Schülerinnen an diese Aufgabe herangehen, nicht nur in ihren Formulierungen, sondern auch darin deutlich werden, ob sie die Geschichte spannend und emotional zu erzählen versuchen. Dies zeigt sich nicht nur in der sprachlichen Gestaltung, sondern auch in der Prosodie - etwa darin, wie sie ihre Stimme beim Erzählen modulieren und einzelne 132 Wörter bzw. Sätze betonen. Im Vergleich der drei mündlich erzählten Bildergeschichten fällt Gönül als diejenige auf, die am sichersten, flüssigsten und gewandtesten formuliert, während Marija sehr unsicher ist, leise spricht und mitunter fast unverständlich artikuliert und zahlreiche Fehler sowie lange Pausen macht. Auch Secil gerät beim Reden immer wieder ins Stocken und macht Fehler, allerdings deutlich weniger als Marija. All die in den mündlich erzählten Bildergeschichten festgestellten sprachlichen Defizite sind im gemeinsam verfassten Text von Gönül, Secil und Marija nicht mehr bzw. kaum noch vorhanden: dies betrifft etwa die Präteritumfehler, die Gönül beim mündlichen Erzählen noch macht, die inadäquaten Tempuswechsel oder die Genusfehler, die Marija und Secil im Mündlichen unterlaufen sind. 193 Auch die Schwächen im Bereich der Lexik und der logischen Strukturierung des Textes sind im gemeinsam geschriebenen Text kaum mehr vorhanden. Dazu ein paar Beispiele: • Genusfehler: Als Secil beim gemeinsamen Schreiben ein falsches Pronomen für die Maus einsetzt („er”), 194 wird sie von Gönül korrigiert. Von diesem Moment an verwendet sie den Artikel für die Maus richtig. G: er klett sie klett ((lachen)) S: er G: er? DIE kleine maus habn ma ja gesagt; ( ) M: ja ( ) die kleine maus, G: sie kletterte, S: sie kletterte G: warte mal; sie kletterte rauf; (S. schreibt) S: rauf? G: rauf, kletterte RAUF, • Präteritumbildung: Gönül, die in ihrer mündlichen Erzählung das Präteritum mehrmals falsch verwendet, korrigiert Secil beim gemeinsamen Schreiben als sie „denkte” verwendet - ein Fehler, den Gönül selbst kurz zuvor noch gemacht hat. Gönül scheint also aus ihren eigenen Fehlern und durch die Auseinandersetzung mit diesem Phänomen gelernt zu haben. S: er denkte G: er dachte sich [ ] ich hatte noch käse; S: er dachte sich ich hab noch eine KÄSE (-) Etwas später verwendet Gönül wiederum eine falsche Präteritumform („schmeißte”); sie wird von Marija korrigiert, die diese Form selbst kurz 193 Eckerth (2003) konnte feststellen, dass in 78 % jener Fälle, in denen einer der beiden Lernenden eine falsche Form verwendete und der andere eine korrekte, sich die beiden in Aushandlungsprozessen auf die richtige sprachliche Form einigen konnten. 194 Dieser Fehler ist ihr auch in der allein erzählten Geschichte unterlaufen. 133 zuvor noch falsch verwendet hat - von da an bildet Gönül das Präteritum richtig. G: er schm schmeiß(.)te - <<unsicher>> was tun ma’n da; M: er schmeißte, G: er schmeißte, er schmeißte; M: er schmeißte den - ( ) G: NEIN M: er schmiss ( ) • Präpositionen: Als Marija beim gemeinsamen Schreiben dieselben Fehler beim Gebrauch der Präpositionen wie in ihrem Einzeltext macht, wird sie von Gönül korrigiert; von diesem Moment an macht Marija keine weiteren Fehler mehr in diesem grammatikalischen Bereich. G: ja im schrank kann schon sein, ja sie hat schon recht, aber; (.) ich hatte noch ein stück käse (-) ich hatte noch einen stück, ich hatte noch ein stück käse am (.) tisch. M: am schrank? ((lachen)) G: im schrank schon, aber ich (.) a ja, wieso haben wir das nicht vorher gschriebn, dass da OFFen war; (.) wart; les ma’s noch einmal; (lesen den Text im Chor nochmals bis „er dachte sich”) All jene Fehler, die in den einzeln formulierten Bildergeschichten von Gönül, Marija und Secil gemacht wurden, kamen im Prozess des kooperativen Schreibens zwar noch vor, wurden jedoch durch gezielte Korrekturen bearbeitet und überwunden. 195 Die drei Schülerinnen haben somit in allen sprachlichen Bereichen, in denen sie beim Formulieren ihrer Einzeltexte noch unsicher waren und Fehler gemacht haben, durch die gemeinsame Arbeit am Text mit- und voneinander gelernt. 1. Die Textproduktionen von Mira und Christina a) Die Geschichte von Mira Als Mira die Bildergeschichte erzählt, spricht sie mit lauter, klarer Stimme. Sie erzählt zügig, selbstsicher und lebendig und versucht die Ereignisse möglichst spannend zu schildern und in Szene zu setzen. Dazu setzt sie prosodische Mittel wirkungsvoll ein; sie moduliert ihre Stimme und hebt einzelne sprachliche Elemente durch Betonung hervor. 196 Grammatikalisch und syntaktisch ist ihre mündlich erzählte Bildergeschichte weitgehend korrekt, bis auf den Schlussteil ist sie auch kohärent. Im Vergleich zu den 195 Eine Ausnahme bilden unangemessene Tempuswechsel. 196 Quasthoff/ Ohlhus/ Stude (2003, 11) konnten feststellen, dass Kinder, die in mündlichen Erzählungen starken Gebrauch von gestischen und prosodischen Mitteln machen, beim Übergang ins Schriftliche meist weniger Probleme haben als Lernende, die sich beim Erzählen stärker auf verbale Formen stützen. 134 mündlich erzählten Bildergeschichten der anderen Mädchen ist die Geschichte von Mira die längste. Miras mündlich erzählte Geschichte die gemeinsam verfasste Geschichte an einem schönen tag, ging willi die maus, wieder aus ihrem mäuseloch. sie hatte einen RIE: snhunger; und schaute sich um, ob IRgendwo etwas zu fressen war. und DA sah sie schon was; auf einem OFFenen kasten, stand ein GRO: ßes stück käse. vorsichtig, aber doch geschickt; klettert sie auf den kasten hinauf. und da STAND schon das stück käse; sie STÜRzte sich darAUF, und fraß FAST alles auf. es lagen nur noch, ein paar kleine krümel dort herum. müde lag (.) legte sich willi die maus auf den teller. da kommt plötzlich otto der hausbesitzer; und er dachte; (.) wo ist denn mein stück KÄse hin; - UND da SAH er es auch schon; er sah das ANgeknabberte das ANgeknabberte stück käse; es waren nur noch ein PAAR kleine krümel da. als er den teller, vo ausm schrank nahm, sprang (.) FLOG willi, die maus, flog willi die maus vom teller herunter; und der teller zerbrach. otto, der hausbesitzer, rannte nur noch schreiend aus dem haus, und (- -) und legte sich ins bett. (174 Wörter, 1: 15 Minuten) Eines schönen Tages ging die Maus aus ihrem Mäuseloch hinaus. Sie hatte einen riesen-Hunger und schaute sich aufgeregt um ob sie etwas zu fressen finden konnte. Sie roch aus einem großem Schrank einen guten Käsegeruch und folgte dem. Sie versuchte auf den Schrank zu klettern. Am Anfang war es zwar ziemlich wackelig, aber am Ende gelangt es ihr doch. Vor ihren Augen sah sie schon das große, duftende Stück Käse. Erfreut stürtzte sie sich auf das große Stück Käse. Sie fraß alles auf und ließ nur noch ein paar Krümel übrig. Mit vollem Bauch legte sie sich auf den Teller und schlief ruhig ein. Hungrig öffnete Manfred die Küchentür um sich etwas zu essen zu holen. Da fiel ihm das große Stück Käse ein das er heute in der Früh im Supermarkt gekauft hatte. Er sah auf dem Teller wo früher das große Stück Käse war. Aber warum waren da nur mehr ein paar kleine Krümel am Teller? Vorsichtig hob Manfred den Teller auf um sich das ganze noch einmal genauer anzusehen. Als er den Teller schon in den Händen hielt sprang eine kleine Maus vom Teller. Erschreckt ließ Manfred den Teller auf den Boden fallen, und der Teller sprang in zwei. Das war ein aufregendes Erlebnis für die beiden. (208 Wörter, 1170 Zeichen) 135 Der gemeinsam geschriebene Text unterscheidet sich von der mündlich erzählten Bildergeschichte vor allem durch die folgenden Aspekte: 1. thematische Zusammenhänge werden genauer hergeleitet und detaillierter dargestellt: einzeln erzählt gemeinsam erzählt da kommt plötzlich otto der hausbesitzer; und er dachte; (.) wo ist denn mein stück KÄse hin; - Hungrig öffnete Manfred die Küchentür um sich etwas zu essen zu holen. Da fiel ihm das große Stück Käse ein das er heute in der Früh im Supermarkt gekauft hatte. 2. Sprache wird expliziter und präziser verwendet: einzeln erzählt gemeinsam erzählt DA sah sie schon was; Sie roch aus einem großem Schrank einen guten Käsegeruch und folgte dem. 3. es werden komplexere Strukturen verwendet: einzeln erzählt gemeinsam erzählt ob IRgendwo etwas zu fressen war. ob sie etwas zu fressen finden konnte 4. es werden mehr Adverbien eingesetzt: einzeln erzählt gemeinsam erzählt sie (…) schaute sich um Sie (…) schaute sich aufgeregt um 5. es werden mehr Adjektive verwendet: einzeln erzählt gemeinsam erzählt da STAND schon das stück käse; Vor ihren Augen sah sie schon das große, duftende Stück Käse. 6. Informationen sind sachlogisch miteinander verknüpft: einzeln erzählt gemeinsam erzählt otto, der hausbesitzer, rannte nur noch schreiend aus dem haus, und (- -) und legte sich ins bett. Erschreckt ließ Manfred den Teller auf den Boden fallen, und der Teller sprang in zwei. Das war ein aufregendes Erlebnis für die beiden. b) Christinas Geschichte Auch Christina erzählt die Bildergeschichte lebendig und mit klarer, deutlich vernehmbarer Stimme, sie unterbricht den Redefluss zwar immer wie- 136 der, um nachzudenken, macht jedoch keine längeren Pausen. Auch sie versucht Spannung durch die Modulation ihrer Stimme zu erzeugen. Christinas mündlich erzählte Geschichte die gemeinsam verfasste Geschichte eines schönes tages ging die maus, aus ihrem mäuseloch. ( ) sie schaute sich nach was zu fressen um sie (.) sie roch einen geru: ch nach käse; (-) und kraxelte, auf das regal hinauf. sie sah ihn und fing an zu knabbern. ( ) und fing an zu knabbern, (-) ihr schmeckt es SEHR gut, sie konnte einfach nicht aufhören zu fressen. als nur mehr ein WINziges stück käse da war, machte s - (-) legte sie sich hin und schlief ein. manfred hatte hunger, und kam zu(r) in die küche hinein. er dachte; MMh (-) JETZT eß ich lieber käse. er machte das regal auf, und sah NUR mehr ein KLEInes stück, er holte es heraus und schaute sich das genauer an; und sah eine maus - (.) darauf. er hatte angst, und lief zur tür hinaus; (138 Wörter, 1: 40 Minuten) Eines schönen Tages ging die Maus aus ihrem Mäuseloch hinaus. Sie hatte einen riesen-Hunger und schaute sich aufgeregt um ob sie etwas zu fressen finden konnte. Sie roch aus einem großem Schrank einen guten Käsegeruch und folgte dem. Sie versuchte auf den Schrank zu klettern. Am Anfang war es zwar ziemlich wackelig, aber am Ende gelangt es ihr doch. Vor ihren Augen sah sie schon das große, duftende Stück Käse. Erfreut stürtzte sie sich auf das große Stück Käse. Sie fraß alles auf und ließ nur noch ein paar Krümel übrig. Mit vollem Bauch legte sie sich auf den Teller und schlief ruhig ein. Hungrig öffnete Manfred die Küchentür um sich etwas zu essen zu holen. Da fiel ihm das große Stück Käse ein das er heute in der Früh im Supermarkt gekauft hatte. Er sah auf dem Teller wo früher das große Stück Käse war. Aber warum waren da nur mehr ein paar kleine Krümel am Teller? Vorsichtig hob Manfred den Teller auf um sich das ganze noch einmal genauer anzusehen. Als er den Teller schon in den Händen hielt sprang eine kleine Maus vom Teller. Erschreckt ließ Manfred den Teller auf den Boden fallen, und der Teller sprang in zwei. Das war ein aufregendes Erlebnis für die beiden. (208 Wörter, 1170 Zeichen) 137 Christinas mündlich erzählte Bildergeschichte unterscheidet sich von dem zusammen mit Mira verfassten Text vor allem durch die folgenden Aspekte: 1. die Handlungen werden genauer hergeleitet: 197 einzeln erzählt gemeinsam erzählt er machte das regal auf, und sah NUR mehr ein KLEInes stück, er holte es heraus und schaute sich das genauer an; und sah eine maus - (.) darauf. er hatte angst, und lief zur tür hinaus; Vorsichtig hob Manfred den Teller auf um sich das ganze noch einmal genauer anzusehen. Als er den Teller schon in den Händen hielt sprang eine kleine Maus vom Teller. Erschreckt ließ Manfred den Teller auf den Boden fallen, und der Teller sprang in zwei. Das war ein aufregendes Erlebnis für die beiden. 2. es werden längere Sätze verwendet; sie werden besser miteinander verknüpft: einzeln erzählt gemeinsam erzählt sie schaute sich nach was zu fressen um sie (.) sie roch einen geru: ch nach käse; (-) und kraxelte, auf das regal hinauf. Sie hatte einen riesen-Hunger und schaute sich aufgeregt um ob sie etwas zu fressen finden konnte. Sie roch aus einem großem Schrank einen guten Käsegeruch und folgte dem. Sie versuchte auf den Schrank zu klettern. 3. es werden komplexere Sätze verwendet: einzeln erzählt gemeinsam erzählt manfred hatte hunger, und kam zu(r) in die küche hinein. Hungrig öffnete Manfred die Küchentür um sich etwas zu essen zu holen. Auch in diesem Fall sind die Defizite der Einzeltexte im gemeinsam formulierten schriftlichen Text nicht mehr vorhanden. Sie wurden von Mira und Christina im Textproduktionsprozess in zahlreichen Aushandlungs- und Textoptimierungshandlungen behoben. So haben sie etwa daran gearbeitet, • Handlungen präziser und nachvollziehbarer herzuleiten; 198 • einfache durch komplexere Strukturen zu ersetzen; 199 197 Ausnahmen gibt es etwa an der Stelle: „Er dachte: Mmh … jetzt eß ich lieber Käse”; „lieber” ist in diesem Kontext inadäquat, da kein Vergleich gezogen wird. 198 Siehe zum Beispiel die Gespräche zum Bild 3, 5, 6, 7, 10 und 12. 199 Siehe zum Beispiel Bild 2 und 8. 138 • den Text lexikalisch differenzierter zu gestalten; • den Text stilistisch stärker zu variieren; 200 • eine größere Vielfalt an Erzählelementen einzusetzen; • umgangssprachliche durch schriftsprachliche Formulierungen zu ersetzen; 201 • Ereignisse präziser darzustellen und expliziter auszudrücken; • den Text logisch-kohärenter zu gestalten. 202 Auch Mira und Christina ist es somit gelungen, die in den mündlich erzählten Geschichten noch vorhandenen Defizite und Schwächen in den Mittelpunkt der gemeinsamen Arbeit an ihrem Text zu rücken und im Textproduktionsprozess solange zu bearbeiten, bis sie behoben waren, 203 d.h. sie haben sich in ihren Revisionshandlungen gezielt auf jene Bereiche konzentriert, in denen sie beim mündlichen Erzählen der Geschichte noch unsicher waren bzw. Fehler gemacht haben. Auch in diesem Fall haben die Schülerinnen also im Prozess des gemeinsamen Schreibens mit- und voneinander gelernt. 204 Sowohl in den Textproduktionsprozessen als auch in den Texten, die in diesen beiden Gruppen entstanden sind, manifestieren sich die unterschiedlichen individuellen Voraussetzungen der Lernenden hinsichtlich ihrer Textkompetenz. Dazu eine Gegenüberstellung der beiden gemeinsam verfassten Texte: die Geschichte von Gönül, Marija und Secil die Geschichte von Mira und Christina An einem schönen Tag hatte die kleine Maus einen riesigen Hunger. Die Maus schaute sich um ob sie was stabizen kann. Sie sah auf einem Tisch Käse. Und dachte sich Eines schönen Tages ging die Maus aus ihrem Mäuseloch hinaus. Sie hatte einen riesen-Hunger und schaute sich aufgeregt um ob sie etwas zu fressen finden konnte. Sie 200 Siehe zum Beispiel Bild 4, 5, 7, 10, 12. 201 Siehe zum Beispiel Bild 4. 202 Dies zeigt sich etwa darin, dass sie eine inhaltliche „Klammer” konstruieren: Sie verwenden eine Anfangsfloskel („Eines schönen Tages …”) und eine Endformel („Das war ein aufregendes Erlebnis für die beiden.”), die den Text „umrahmt”. 203 In einer Reihe weiterer Analysen von Textproduktionsprozessen zu dieser Aufgabe hat es sich gezeigt, dass kooperatives Schreiben keineswegs immer zu einer Verbesserung von individuell verfassten Texten führt. Dies entspricht auch dem Ergebnis einer Studie von Eckerth (2003), der zufolge nur 38 % der Lernenden ihre individuell konstruierten, inadäquaten Hypothesen durch Interaktionen beim gemeinsamen Schreiben in zielsprachenkonforme Hypothesen abgeändert haben (vgl. Eckert 2003). 204 Soziale Interaktion wirkt sich im Textproduktionsprozess nicht nur positiv auf die Gestaltung von gemeinsam verfassten Texten aus, sondern führt auch zu positiven Veränderungen des Schreibverhaltens in individuellen Schreibaktivitäten. Dies ist das Ergebnis einer Studie von Daiute et al. (1993, 60), die unter 9bis 10-jährigen SchülerInnen durchgeführt wurde. 139 wie komm ich da rauf. Die kleine Maus hatte schon eine Idee. Sie kletterte rauf. Und aß sich voll. Sie legte sich hin mit dem dicken Bauch und schlief ein. Da kam der dicke Mann und dachte sich ich hab einen rießen hunger. er dachte ich muss schaun ich hatten noch ein stück Käse. Er nahm den Teller und sah die Maus auf den Teller liegen. Er ließ den Teller aus der Hand. Und rannte weg. Der Teller zerbrach in taußend stücken. (112 Wörter, 591 Zeichen) roch aus einem großem Schrank einen guten Käsegeruch und folgte dem. Sie versuchte auf den Schrank zu klettern. Am Anfang war es zwar ziemlich wackelig, aber am Ende gelangt es ihr doch. Vor ihren Augen sah sie schon das große, duftende Stück Käse. Erfreut stürtzte sie sich auf das große Stück Käse. Sie fraß alles auf und ließ nur noch ein paar Krümel übrig. Mit vollem Bauch legte sie sich auf den Teller und schlief ruhig ein. Hungrig öffnete Manfred die Küchentür um sich etwas zu essen zu holen. Da fiel ihm das große Stück Käse ein das er heute in der Früh im Supermarkt gekauft hatte. Er sah auf dem Teller wo früher das große Stück Käse war. Aber warum waren da nur mehr ein paar kleine Krümel am Teller? Vorsichtig hob Manfred den Teller auf um sich das ganze noch einmal genauer anzusehen. Als er den Teller schon in den Händen hielt sprang eine kleine Maus vom Teller. Erschreckt ließ Manfred den Teller auf den Boden fallen, und der Teller sprang in zwei. Das war ein aufregendes Erlebnis für die beiden. (208 Wörter, 1170 Zeichen) Der Vergleich der Textproduktionsprozesse und der Schreibprodukte 205 in diesen beiden Gruppen macht deutlich, dass ein dynamischer Textproduktionsprozess, der durch zahlreiche Formulierungs-, Evaluierungs- und Überarbeitungsaktivitäten sowie durch vielfältige metasprachliche und metakognitive Handlungen gekennzeichnet ist, eine wesentliche Voraussetzung dafür darstellt, dass kohärente und sprachlich variationsreiche Texte entstehen können. 205 Zur Zuordnung der Texte zu den einzelnen Bildern siehe Anhang. 140 8 Stadien der literalen Entwicklung Im Laufe der literalen Entwicklung werden schriftsprachliche Fähigkeiten sukzessive entfaltet, ausdifferenziert und integriert. Die Reihenfolge der Entwicklungsabläufe ist trotz Diskontinuitäten und einem Nebeneinander verschiedener Entwicklungsstadien keineswegs beliebig (vgl. Feilke 2003, 181). 206 Es zeichnen sich mehrere Stadien der literalen Entwicklung im Schulalter ab, die einander auf vielfältige Weise durchdringen und überlappen. 207 Die folgende Darstellung ist skizzenhaft und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; sie führt lediglich die Resultate der dargestellten Fallanalysen 208 mit den Ergebnissen einiger einschlägiger Studien zu Entwicklungsaspekten beim Schreiben zusammen. Ein empirisch abgesichertes Wissen in Bezug auf den Gesamtverlauf der literalen Entwicklung im Schulalter ist ein Desiderat weiterführender Forschung. 8.1 Von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit Im Laufe der literalen Entwicklung wird die mündlich geprägte Sprachpraxis sukzessive durch schriftsprachlich geprägte Sprachhandlungsweisen angereichert. Auch in der Schule kommt es zu einer Verschiebung der im Unterricht vorherrschenden Sprachgebrauchsformen von einer konzeptuell mündlichen Sprachpraxis hin zu einer konzeptuell schriftlichen Sprachverwendung. Damit geht eine Hinwendung zu abstrakten, fachbezogenen Denkweisen einher, die eine Orientierung an konkreten, im Alltag verankerten Erlebnissen und Erfahrungen nach und nach ablöst (siehe Kap. 2). Probleme von Schülerinnen und Schülern, die mit dieser „Überformung“ der Alltagssprache (Portmann-Tselikas 1998) verbundenen Anforderungen zu bewältigen, zeigen sich im Unterricht nicht nur beim Lesen und Schreiben, sondern auch im Gespräch über Texte. In diesem Über- 206 Die literale Entwicklung im Schulalter hängt nicht nur von entwicklungsspezifischen Faktoren ab, sondern auch von den schriftsprachlichen Anforderungen und der Förderung von Textkompetenz im Unterricht (vgl. Feilke 2003, 182). Sie ist darüber hinaus domänenabhängig, d.h. dass SchülerInnen, die beispielsweise bereits fortgeschrittene instruktive Texte produzieren können, sich etwa beim schriftlichen Argumentieren noch auf einer weniger weit entwickelten Stufe befinden können. 207 In dieser Darstellung werden lediglich allgemeine Entwicklungstendenzen beschrieben, von einer Spezifizierung nach Textsorten, Domänen oder Zielgruppen wird abgesehen. Eine genauere Beschreibung der literalen Entwicklung im Schulalter bedarf einer lerner-, textsorten- und domänenspezifischen Ausdifferenzierung, wie sie in einigen jüngeren Studien zur Schreibforschung bereits angelegt ist (Feilke/ Portmann 1996; Becker-Mrotzek 1997; Schmidlin/ Feilke 2005; Feilke 2006b; Augst et al. 2007). 208 Siehe Kapitel 6 und 7. 141 gangsbereich zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit zeigt es sich meist deutlich, inwieweit Lernende in der Lage sind, unterschiedliche Sprachverwendungsweisen im jeweiligen Kontext flexibel einzusetzen und das aus Texten gewonnene Wissen sprachlich adäquat wiederzugeben. 8.2 Von der subjektiven Perspektive zur Textperspektive Die subjektive Perspektive steht am Beginn der Schreibentwicklung und zeigt sich insbesondere darin, dass Inhalte aufgrund persönlicher Zugänge zum Schreibgegenstand generiert werden. Auf diese Weise entstehen Texte, in denen Gedanken und Informationen weitgehend unverbunden aneinander gereiht werden; das Verknüpfungsprinzip ist assoziativ, die dominante Produktionsstrategie ist die des „knowledge telling” (Bereiter/ Scardamalia 1987). Erst im Laufe der weiteren Entwicklung gewinnen soziale Bezüge und sachlogische Ordnungen an Bedeutung, bis schließlich der Text und dessen formale Gestaltung in den Vordergrund rückt. Diese Entwicklung folgt nach Feilke (1988) dem Grundmuster der Dezentralisierung der Perspektiven und manifestiert sich in einem Übergang von der Ich-Perspektive über die Sachperspektive und die Sozial-Perspektive zur Text-Perspektive. 209 Lernende richten ihre Aufmerksamkeit demnach von subjektiv wahrgenommenen Erlebnissen und Erfahrungen aus ihrem Alltag zunehmend auf Sachverhalte, die Lesenden und schließlich den Text als autonomes sprachliches Gebilde. Die subjektive Perspektive wird somit im Laufe der literalen Entwicklung zunehmend durch eine auf die Sache, die RezipientInnen und den Text gerichtete Sichtweise ersetzt. Inhalte, die an konkrete, persönliche Erfahrungen gebunden sind, spielen in dieser Entwicklung eine zunehmend geringe Rolle, demgegenüber gewinnen Informationen an Bedeutung, die an abstrakte, nicht unmittelbar zugängliche Sachverhalte geknüpft sind. 210 Die Generierung von Inhalten ist somit nicht mehr ausschließlich durch subjektive Zugänge zum Thema bestimmt, sondern vielmehr durch Sachverhaltsbeziehungen in einem bestimmten Gegenstandsbereich. Damit geht eine Ausdifferenzierung und Integration von schriftsprachlichen Strukturen einher, Textmuster werden geordnet, Situationsbezüge werden zunehmend sprachlich konstituiert und es werden Mittel der Textbildung erworben, die es ermöglichen, Informationen zu 209 In Bezug auf die Entwicklung der argumentativen Schreibkompetenz hat Feilke (1988) eine Entwicklungslinie im Erwerb von Textordnungsmustern gezeichnet, die von linear-entwickelten Textordnungsmustern ausgeht (Ich-Perspektive), über materialsystematische Textordnungsmuster (Sach-Perspektive) und linear-dialogische Textordnungsmuster (Sozial-Perspektive) bis hin zu formal-systematischen Textordnungsmustern (Text-Perspektive) führt (vgl. Feilke 1988, 73 f.). 210 Siehe Kapitel 4.3.4. 142 verdichten und komplexe Aussagen zu konstruieren (vgl. Feilke 2006b, 42). Streng sachlogische Konstruktionen werden im Laufe der weiteren Entwicklung wiederum aufgebrochen, es entstehen verschiedene Perspektiven auf einen Gegenstand, der Text wird zum mehrdimensionalen sprachlichen Gebilde (vgl. Pohl 2006, 11). Eine Synthese und Integration der verschiedenen Perspektiven gelingt den Lernenden erst im Zuge der fortgeschrittenen literalen Entwicklung. 8.3 Von der Linearität zur Komplexität Die literale Entwicklung lässt sich weiters begreifen als sukzessiver Aufbau von textueller Komplexität. Während Lernende in einem frühen Stadium der Schreibentwicklung dazu tendieren, Wort für Wort und Satz für Satz linear aneinander zu reihen, werden Texte in späteren Entwicklungsphasen zunehmend als Textganzes gestaltet, die Textstrukturierung wird integrierter und die Textkohäsion wird erhöht. Wortschatz und Syntax werden erweitert, durch komplexere Formen angereichert, ausdifferenziert und integriert. Die Entwicklungstendenz von der Linearität zur Komplexität zeigt sich nicht nur in den Schreibprodukten, sondern auch im Schreibprozess selbst: Entwicklungsfortschritte manifestieren sich vor allem in einer zunehmenden Quantität und Dynamik der Aushandlungs- und Revisionshandlungen und in einer Verdichtung von metakognitiven und metasprachlichen Aktivitäten; parallel dazu erfolgt eine Hinwendung von lokalen zu globalen Aspekten der Textstrukturierung (vgl. Feilke 2006b, 40). 8.4 Vom performativen zum epistemischen Stadium Fortschritte in der literalen Entwicklung zeigen sich weiters darin, dass Lernende vom performativen über das funktionale und informationelle Stadium zum epistemischen Stadium gelangen (vgl. Wells 1991). Während sie Informationen aus Texten im performativen Stadium bloß reproduzieren, führen sie im funktionalen Stadium bereits einfache literale Handlungen durch (Zeitung lesen, Ausfüllen von Formularen etc.). Im informationellen Stadium lesen sie, um sich zu informieren und sie schreiben, um Informationen festzuhalten. Erst im epistemischen Stadium sind Lernende in der Lage, eine schriftsprachlich geprägte Sprache als ein Instrument des Lernens zu nutzen und mit Sprache reflektierend und kreativ umzugehen (Wells 1991, 52 f.). Bereiter (1980) sieht im epistemischen Schreiben eine Option, um das vorhandene Wissen der Lernenden aufzurufen, zu erweitern und komplexe Problemlösesituationen im Schreibprozess selbstständig zu lösen. 143 9 Indikatoren für Textkompetenz Im Folgenden werden Indikatoren für Textkompetenz präsentiert, die Lehrende dabei unterstützen sollen, die Textkompetenz ihrer Lernenden einzuschätzen und zu beurteilen. 211 Sie markieren jeweils „hohe” bzw. „niedrige” Textkompetenz und sind damit an zwei Polen einer Skala angesiedelt, auf der vielfältige individuelle Variablen möglich sind. Die Indikatoren beziehen sich auf Lese- und Schreibprozesse (9.1), auf Texte (9.2, 9.3), auf Schreibprozesse und Texte (9.4, 9.5) bzw. auf Textproduktionsprozesse (9.6). 9.1 Perspektivenwechsel und Strategienvielfalt Damit gemeint ist die Fähigkeit, Texte beim Lesen bzw. beim Schreiben aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und anhand verschiedener Lese- und Schreibstrategien zu erschließen, zu bearbeiten bzw. zu gestalten. Lesen hohe Textkompetenz niedrige Textkompetenz • Aufmerksamkeit auf die lokale und globale Ebene des Textes • Aufmerksamkeit auf die lokale Ebene des Textes • mehrfaches Lesen, Variation der Lesestrategien • einmaliges Lesen, Einsatz weniger/ ineffizienter Lesestrategien • selektives, globales und detailliertes Lesen • wortbezogenes, detailliertes Lesen • Einsatz verschiedener Techniken der Hervorhebung (Unterstreichungen, Exzerpieren etc.) • keine/ wenige Hervorhebungen (Unterstreichungen, Exzerpieren etc.) • mehrfache Vor- und Rückgriffe im Text • keine Vor- und Rückgriffe im Text Schreiben hohe Textkompetenz niedrige Textkompetenz • gezielte, flexible Nutzung von • keine gezielte Nutzung von 211 Diese Indikatoren für Textkompetenz wurden bereits in Schmölzer-Eibinger (2006a, b; 2007) überblicksartig skizziert. Sie werden in weiterer Folge auch für die Konzeption des didaktischen Konzeptes zur Förderung von Textkompetenz genutzt (siehe Teil II). 144 Hervorhebungen bei der Wiedergabe von Texten Hervorhebungen bei der Wiedergabe von Texten • Aufmerksamkeit auf die lokale und globale Ebene des Textes • Aufmerksamkeit auf die lokale Ebene des Textes • distanzierte Haltung zum Text (Perspektivenwechsel, LeserInnenorientierung, Metakommunikation) • keine Distanzierung vom Text (kein Perspektivenwechsel, keine LeserInnenorientierung, keine Metakommunikation) • mehrfache Überprüfung und Überarbeitung von Formulierungen (in Bezug auf sprachliche/ außersprachliche Kontexte, den Gesamtzusammenhang des Textes etc.) • keine Überprüfung und Überarbeitung von Formulierungen (in Bezug auf sprachliche/ außersprachliche Kontexte, den Gesamtzusammenhang des Textes etc.) 9.2 Bedeutungskonstruktion im Kontext Textkompetenz zeigt sich auch darin, dass die Wortbedeutungen und Sinnstrukturen eines Textes beim Lesen im jeweiligen Zusammenhang richtig verstanden und beim Schreiben adäquat aufgebaut werden. Lesen hohe Textkompetenz niedrige Textkompetenz • die Bedeutung einzelner Wörter werden im jeweiligen Kontext verstanden • die Bedeutung einzelner Wörter werden im jeweiligen Kontext nicht verstanden • die Bedeutungen einzelner Wörter werden sinnadäquat verknüpft • die Bedeutungen einzelner Wörter werden nicht sinnadäquat verknüpft • das Thema des Textes wird erkannt • das Thema des Textes wird nicht erkannt • es werden Hypothesen zum Inhalt des Textes gebildet und überprüft • es werden keine Hypothesen zum Inhalt des Textes gebildet und überprüft • eigenes Vorwissen zum Thema wird für das Textverstehen genutzt • eigenes Vorwissen zum Thema werden für das Textverstehen nicht genutzt • Wissen aus Erfahrungen mit anderen Texten ist verfügbar und wird eingesetzt • es ist kein Wissen aus Erfahrungen mit anderen Texten verfügbar • der Gesamtsinn eines Textes wird verstanden • der Gesamtsinn eines Textes wird nicht verstanden 145 Schreiben hohe Textkompetenz niedrige Textkompetenz • Begriffe werden im jeweiligen Kontext angemessen verwendet • Begriffe werden nicht kontextadäquat verwendet • Begriffe werden präzise und explizit verwendet • Begriffe werden ungenau und nicht eindeutig verwendet • Äußerungen sind vollständig und nachvollziehbar • Äußerungen sind unvollständig und unverständlich • Wissen über außersprachliche Kontexte wird explizit hergestellt • Wissen über außersprachliche Kontexte wird bei den Lesenden vorausgesetzt 9.3 Fokussierung von Kernaussaugen Die Fähigkeit, zentrale Inhalte in einem Text zu erkennen und zu fokussieren, ist sowohl in der Rezeption als auch in der Produktion von Texten zentral. Lesen hohe Textkompetenz niedrige Textkompetenz • relevante Informationen werden rasch erkannt und gut verstanden • relevante Informationen werden nicht erkannt/ nicht genau verstanden • relevante Informationen werden anhand unterschiedlicher Strategien hervorgehoben • relevante Informationen werden nicht bzw. nur anhand weniger Strategien hervorgehoben • relevante Informationen werden sachadäquat miteinander verknüpft • keine sachadäquate Verknüpfung relevanter Informationen • Konzentration auf inhaltstragende Wörter/ Textpassagen • Wort-für-Wort-Verstehen Schreiben hohe Textkompetenz niedrige Textkompetenz • zentrale Inhalte/ Ereignisse stehen im Zentrum • keine Fokussierung zentraler Inhalte/ Ereignisse • Fokussierung auf das Textthema • keine Fokussierung auf das Textthema • Kernaussagen als Basis der Textproduktion • keine Kernaussagen als Basis der Textproduktion 146 • zentrale Inhalte werden in Bezug auf den Gesamtzusammenhang des Textes mehrfach überprüft und verdeutlicht • keine Überprüfung und Verdeutlichung von zentralen Inhalten in Bezug auf den Gesamtsinn des Textes Die folgenden Indikatoren beziehen sich auf den Schreibprozess und auf Texte. 9.4 Themenentfaltung und Textkohärenz Textkompetenz wird auch darin manifest, inwieweit Sinnstrukturen in einem Text erkannt bzw aufgebaut werden und auf welche Weise ein Thema in einem Text dargelegt wird. hohe Textkompetenz niedrige Textkompetenz • der Text ist durch eine nachvollziehbare Wiederaufnahmestruktur gekennzeichnet • der Text ist durch keine nachvollziehbare Wiederaufnahmestruktur gekennzeichnet • sprachliche Elemente sind schlüssig aufeinander bezogen • sprachliche Elemente sind nicht schlüssig aufeinander bezogen • der Text enthält ausreichend viele, angemessen eingesetzte Kohäsionsmittel • der Text enthält zu wenige bzw. unangemessen eingesetzte Kohäsionsmittel • der Text enthält neben einfachen auch anspruchsvolle Kohäsionsmittel • der Text enthält nur einfache, wenig anspruchsvolle Kohäsionsmittel • thematische Zusammenhänge werden explizit und nachvollziehbar dargestellt • thematische Zusammenhänge werden unpräzise und schwer verständlich dargelegt • Informationen werden logischadäquat miteinander verknüpft • keine logisch nachvollziehbare Verknüpfung von Informationen • abstrakte Zusammenhänge werden verständlich und im Detail erklärt • abstrakte Zusammenhänge werden ausgespart bzw. nicht verständlich erklärt • die Textqualität ist konstant • die Textqualität ist schwankend • der Text ist klar strukturiert (z.B. durch Absätze) • der Text ist nicht klar strukturiert (z.B. keine/ unangemessene Absätze) 147 9.5 Veränderungen am Text Die Quantität, aber auch die Qualität der Textrevisionen lässt Rückschlüsse auf die vorhandene Textkompetenz der Lernenden zu. Dies betrifft nicht nur Revisionen von schriftlichen Formulierungen, sondern auch die Überarbeitungen von mündlichen Äußerungen im Prozess der Textproduktion. a) Intensität der Veränderung hohe Textkompetenz niedrige Textkompetenz • Äußerungen werden mehrfach korrigiert und verbessert • Äußerungen werden nicht korrigiert und verbessert • Überarbeitungen erfolgen anhand unterschiedlicher, effizienter Strategien • Überarbeitungen erfolgen anhand weniger, nicht effizienter Strategien • Textrevisionen dauern längere Zeit an • einmal begonnene Textrevisionen brechen bald wieder ab • bereits veränderte Äußerungen werden mehrfach überprüft und verändert • bereits veränderte Äußerungen werden nicht nochmals überprüft und verändert b) Art der Veränderung hohe Textkompetenz niedrige Textkompetenz • die Veränderungen sind sowohl bedeutungserhaltend als auch bedeutungsverändernd • Veränderungen sind ausschließlich bedeutungserhaltend • Wörter/ Textpassagen werden paraphrasiert und präzisiert • Veränderungen nur auf der Wortebene und in Form lexikalischer Vereinfachungen • Tilgungen und Fokussierungen werden regelmäßig durchgeführt • keine Tilgungen und Fokussierungen • Generalisierungen und Expansionen kommen vor • keine Generalisierungen und Expansionen • es werden Erklärungen und Erläuterungen gegeben • keine Erklärungen und Erläuterungen • Wiederaufnahmen häufig durch Substitutionen und Pro-Formen • keine Wiederaufnahmen bzw. nur durch Rekurrenzen • es erfolgen Neukombinationen von Wörtern und Textpassagen • keine Neukombinationen von Wörtern und Textpassagen • Revisionen führen zu Textoptimierungen • Revisionen führen mitunter auch zu neuen Fehlern 148 c) Ort der Veränderung hohe Textkompetenz niedrige Textkompetenz • Revisionen auf lokaler und globaler Ebene • Revisionen nur auf lokaler Ebene • Veränderungen erfolgen auf der Wort-, Satz- und Textebene • Veränderungen nur auf der Wortebene • Revisionen auf der Textoberfläche und der Texttiefenstruktur • Veränderungen nur auf der sprachlichen Oberfläche 9.6 Sprachliche Variation Sprachliche Variation ist sowohl im Schreibprozess als auch in Schreibprodukten daran erkennbar, dass Lernende ihre Gedanken, Ideen und Informationen auf sprachlich differenzierte, kreative und variantenreiche Weise darstellen. hohe Textkompetenz niedrige Textkompetenz • stilistisch variantenreiche Gestaltung • keine stilistische Variation • umfangreicher, differenzierter und spezifischer Wortschatz • reduzierter, einfacher Wortschatz • Verwendung einfacher und komplexer Sätze • Verwendung ausschließlich einfacher Sätze • Einsatz verschiedener Erzählelemente (Markierungen der Plötzlichkeit etc.) • Reproduktion ganzer Sätze und Wortgruppen aus dem Input • flexibles „Pendeln” zwischen mündlich und schriftlich geprägter Sprache • kein flexibles „Pendeln” zwischen mündlich und schriftlich geprägter Sprache Diese Indikatoren sind keineswegs trennscharf, sie bedingen und beeinflussen einander vielmehr auf komplexe und vielfältige Weise. Bei der Beurteilung von Textkompetenz sind sie nie isoliert, sondern immer in Bezug zueinander zu sehen. Es ist Aufgabe weiterführender Forschung, sie im Hinblick auf lerner- und entwicklungsbezogene Faktoren zu spezifizieren. In den bisherigen Ausführungen wurden grundlegende, für die Didaktik relevante Aspekte und Zusammenhänge der Textkompetenz und des Lernens in der Zweitsprache aufgezeigt und anhand von einschlägigen Forschungsarbeiten aus verschiedenen Disziplinen erläutert und diskutiert. Man weiß aufgrund dieser theoretischen Konzepte, Erkenntnisse und 149 empirisch gestützten Analyseergebnisse jedoch noch nicht, was im Unterricht konkret zu tun ist, um die Textkompetenz der Lernenden fördern zu können. Das Ziel der weiteren Ausführungen besteht daher darin, die in diesem ersten Teil des Buches dargelegten theoretischen Grundlagen für die Konzeption von konkreten Handlungsvorschlägen für den Unterricht zu nutzen. Sie sollen es ermöglichen, die Textkompetenz von Lernenden in mehrsprachigen Klassen gezielt zu fördern. 150 TEIL II: DIE LITERALE DIDAKTIK Die Literale Didaktik ist ein didaktisches Instrumentarium zur Förderung der Textkompetenz in mehrsprachigen Klassen, das insbesondere für Zweitsprachenlernende gedacht ist, jedoch darüber hinaus auch zur Förderung der Textkompetenz von Muttersprachigen geeignet ist, insbesondere in der Schule, 212 aber auch in anderen institutionellen Kontexten, in denen es darum geht, Wissen primär anhand von Texten zu erwerben. Das Konzept der Literalen Didaktik baut auf den im ersten Teil dieser Arbeit dargelegten Theorien, Erkenntnissen und Analysen auf und stützt sich weiters auf verfügbare lerntheoretische Ansätze und didaktische Verfahren, die für die Zielsetzung dieser Arbeit von Belang sind. 213 Zunächst werden aktuelle Probleme des Unterrichts aufgezeigt, die in mehrsprachigen Klassen vielfach auftreten (Kap. 1.1); davon ausgehend werden Lösungsvorschläge diskutiert, die in bestehenden didaktischen Ansätzen zur Verfügung stehen (Kap. 1.2) und schließlich werden die Zielsetzungen der Literalen Didaktik dargelegt (Kap. 2) und die drei zentralen didaktischen Komponenten dieses Ansatzes vorgestellt: • die didaktischen Prinzipien (Kap. 3), • das 3-Phasen-Modell zur Förderung der Textkompetenz (Kap. 4) und • die Aufgabentypologie (Kap. 5). Diese drei Komponenten sind systematisch aufeinander bezogen und miteinander vernetzt und erlauben es, die Textkompetenz der Lernenden schrittweise aufzubauen und auf differenzierte Weise zu fördern. Damit soll LehrerInnen 214 ein flexibel handhabbares didaktisches Instrumentarium zur Verfügung gestellt werden, das es ihnen erlaubt, die Textkompetenz der Lernenden gezielt zu fördern. 212 Der Schwerpunkt liegt im Fachunterricht der Sekundarstufe. 213 Es handelt sich dabei um Ansätze aus der Schreibdidaktik, der Konstruktivistischen Didaktik, dem Aufgabenorientierten Unterricht und dem „literacy-based approach” (Kern 2000) (Kap. 1.2). 214 Im Besonderen ist hier an FachlehrerInnen und an einen fachbezogenen Unterricht gedacht, in dem die Rolle der Sprache für den Wissenserwerb bewusst wahrgenommen und berücksichtigt wird. 151 1 Ausgangslage: Unterrichtsprobleme und didaktische Lösungen 1.1 Problemfelder in mehrsprachigen Klassen Die im Folgenden skizzierten Probleme kommen im schulischen Unterricht generell häufig vor, treten jedoch in mehrsprachigen Klassen oftmals gehäuft bzw. verschärft auf. Während das erste Problemfeld im Rahmen dieser Arbeit bereits ausführlich besprochen wurde, 215 werden die anderen Problembereiche in die Diskussion neu eingebracht. • Die Welt der Texte ist den Lernenden nicht vertraut. SchülerInnen mit Migrationshintergrund und SchülerInnen aus bildungsfernen Familien sind mit der Welt der Texte oft nicht vertraut. Es fehlt ihnen an differenzierteren literalen Erfahrungen und Strategien, die es ihnen ermöglichen würden, Texte bzw. schriftsprachlich geprägte Äußerungen für den Wissenserwerb zu nutzen. Sie sind daher oft nicht in der Lage, Bedeutungen im jeweiligen Kontext zu verstehen, Sinnzusammenhänge zu erkennen bzw. selbst in ihren Äußerungen zu konstruieren; sie können Texte nicht distanziert und aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten und haben sowohl im Schriftlichen als auch im Mündlichen Probleme, relevante Informationen zu erkennen und zu verknüpfen. Auch bei großer Mühe und Anstrengung gelingt es ihnen oft nicht, Textinhalte verständlich mitzuteilen und selbst kohärente Texte zu produzieren. Sie können am literalen Diskurs in der Klasse daher nicht oder nur eingeschränkt teilhaben und die Lernchancen, die sich für sie im Unterricht auftun, nicht wahrnehmen und nutzen. Für Zweitsprachenlernende, denen es nicht nur an Textkompetenz, sondern auch an grundlegenden Sprachkenntnissen fehlt, entstehen meist weitere Probleme: mangelnde lexikalische und grammatische Kenntnisse ziehen ineffiziente Strategien beim Lesen und Schreiben nach sich, was den Wissenserwerb anhand von Texten zusätzlich beeinträchtigt. Neben einer allgemeinen Sprachförderung bedarf es daher einer gezielten Förderung der Textkompetenz. • Im Unterricht wird zu wenig aktiv sprachlich gehandelt. Im Unterricht gelingt es Zweitsprachenlernenden oft nicht, ihre vorhandenen sprachlichen Kompetenzen und Kenntnisse zu mobilisieren, im Unter- 215 Siehe Teil I dieser Arbeit. 152 richtsgespräch einzusetzen und zu erweitern. 216 Dies ist wesentlich darauf zurückzuführen, dass schulischer Unterricht nach wie vor hauptsächlich lehrergesteuert ist. In einem lehrergesteuerten Unterricht wird der überwiegende Teil der Gesprächszeit von den LehrerInnen beansprucht, sodass die SchülerInnen wenig Gelegenheit haben, selbst sprachlich aktiv zu werden. 217 Sprachlernfördernde Aktivitäten wie etwa bestätigende, verständnissichernde oder klärende Rückfragen, die Reflexion und Diskussion von Äußerungen, Themen oder Texten haben in einem lehrergesteuerten Unterricht kaum Platz (vgl. Doughty/ Pica 1986). Es bedarf daher eines Unterrichts, in dem aktive, auf die Aufgabe und die Situation des Unterrichts bezogene sprachliche Aktivitäten angeregt und gefordert werden. • Wissen wird v.a. reproduziert statt aktiv und individuell konstruiert. Der Wissenserwerb in der Schule findet nach wie vor vielfach als bloße Reproduktion von vorgegebenem Wissen und nicht als aktive, individuelle Wissenskonstruktion statt. Die Wissensvermittlung im Unterricht ist überwiegend an vorab festgelegten Inhalten, vereinfachten Themen und Texten orientiert. Die SchülerInnen sind daher kaum gefordert, ihr vorhandenes Wissen zu mobilisieren, Wissen autonom zu erarbeiten und kreative Problemlösungen zu entwickeln. Wissen, das auf diese Weise erworben wird, kann meist nicht eigenständig angewendet, in andere Kontexte transferiert, mit anderen Erkenntnissen vernetzt und nachhaltig memoriert werden. Das Schreiben als ein potentes Mittel der aktiven Wissenskonstruktion wird in der Schule, insbesondere im Fachunterricht, meist kaum beachtet. Die Schreibaktivitäten in den Sachfächern sind meist reduziert auf das Abschreiben oder stichwortartige „Festhalten” von Informationen, die die SchülerInnen von ihren LehrerInnen oder aus Schulbüchern erhalten. Es bedarf daher eines verstärkten Einsatzes von Schreibaufgaben, in denen die „epistemische“, wissensgewinnende Funktion des Schreibens für den Wissenserwerb im Unterricht genutzt wird. • Sprachliches und inhaltliches Lernen sind nicht koordiniert. Sachthemen finden nur selten Eingang in die Curricula der Sprachfächer und im Fachunterricht findet meist keine gezielte Spracharbeit statt. Eine Vermittlung der für das Sachlernen nötigen sprachlichen Mittel findet im Fachunterricht meist nicht und im Sprachunterricht nur am Rande bzw. nicht systematisch und koordiniert statt. Das betrifft insbesondere die für 216 In Bezug auf die Gesprächskultur im Unterricht gibt es lerner- und kulturspezifische Unterschiede. 217 Während der Anteil an Lehreräußerungen im lehrergesteuerten Unterricht ca. zwei Drittel der Redezeit ausmacht, umfasst der Gesprächsanteil der SchülerInnen im Durchschnitt nur circa ein Drittel (vgl. Chaudron 1988, 50). 153 den fachlichen Wissenserwerb zentralen Diskursfunktionen des Benennens, Identifizierens, Beschreibens, (In)Fragestellens, Erklärens, Schlussfolgerns, Begründens, Definierens, Hypothesenbildens bzw. Klassifizierens (vgl. Zydatiß 2007, 22). Die dafür geforderten sprachlichen Mittel sind in komplexe Satz- und Textstrukturen eingebaut und müssen im Unterricht explizit vermittelt und systematisch angeeignet werden. Ein koordinierter Sprach- und Fachunterricht kann weiters zur Lösung von Problemen beitragen, die im Sprachunterricht häufig auftreten: So haben etwa Schwierigkeiten beim Verfassen von Texten nicht selten mit unzureichenden inhaltlichen Kenntnissen der SchülerInnen zu tun - wenn man nicht viel zu einem Thema zu sagen hat, ist man gezwungen, alles hinzuschreiben, was man weiß. Werden dieselben Themen im Sprach- und im Fachunterricht bearbeitet, können die im Fachunterricht erworbenen thematischen Kenntnisse für Aufgaben im Sprachunterricht genutzt werden. Der Fachunterricht kann daher dazu betragen, Probleme zu reduzieren, die im Sprachunterricht auftreten. Darüber hinaus führt eine mehrfache Verarbeitung derselben Themen in unterschiedlichen Kontexten vielfach dazu, dass die Merkleistung der SchülerInnen erhöht wird. Bislang werden die Potentiale eines aufeinander abgestimmten Sprach- und Fachunterrichts jedoch meist wenig genutzt; dies zeigt sich in der Unterrichtspraxis ebenso wie in der Lehreraus- und -fortbildung und in den Schulbüchern. Ein koordinierter Sprach- und Fachunterricht könnte sowohl Potentiale des Sprachlernens als auch des Fachlernens stärker nutzen. 1.2 Didaktische Lösungsansätze Im Folgenden werden verschiedene didaktische Ansätze dahingehend überprüft, ob sie Lösungen für die skizzierten Unterrichtsprobleme anbieten. Sie sollen insbesondere dahingehend ausgewertet werden, ob sie als Grundlage für ein didaktisches Konzept zur Förderung von Textkompetenz in mehrsprachigen Klassen genutzt werden können. Die folgenden Ansätze werden einer näheren Betrachtung unterzogen: • Die Kommunikative Didaktik - das nach wie vor populärste Konzept im Bereich der Fremdsprachendidaktik. Obwohl es in seiner Grundkonzeption nicht für den Unterricht in mehrsprachigen Klassen gedacht ist, wird es in diesem Lernkontext häufig eingesetzt. • Die Interkulturelle Didaktik - ein spezifisch für den Unterricht in mehrsprachigen Klassen konzipierter Ansatz, der in den letzten Jahren vor allem im Hinblick auf soziale und pädagogische Dimensionen an Profil gewonnen hat. 154 • Die Schreibdidaktik berücksichtigt den Wissenserwerb in der Zweitsprache meist nur am Rande, stellt jedoch vielversprechende Verfahren für eine Förderung der Textkompetenz bereit. • Der bislang im europäischen Kontext noch kaum rezipierte „literacybased approach” (Kern 2000) - ein Ansatz, der innovative Verfahren zur Förderung der Textkompetenz zur Verfügung stellt, der jedoch primär auf den fremdsprachlichen Lernkontext im Studium ausgerichtet sind. • Der Aufgabenorientierte Unterricht - in diesem Ansatz werden allgemeine Prinzipien für die Konzeption von Aufgaben formuliert, die auch für den Unterricht in mehrsprachigen Klassen von Bedeutung sind. • Die Konstruktivistische Didaktik - ein lerntheoretischer Ansatz, der relevante Grundlagen und methodische Verfahren anbietet, die auch für ein Konzept zur Förderung von Textkompetenz von Interesse sind. 1.2.1 Die Kommunikative Didaktik Die Kommunikative Didaktik ist der derzeit einflussreichste Ansatz in der Fremdsprachendidaktik, der sowohl Unterrichtsverfahren als auch Curricula und Lehrwerke seit mehr als zwanzig Jahren maßgebend prägt. Es ist am Lernziel der kommunikativen Kompetenz orientiert, das in seiner ursprünglichen Konzeption auf alle Fertigkeiten bezogen war (vgl. Canale/ Swain 1980; Canale 1983), später jedoch vor allem auf mündliche Sprachfähigkeiten in alltäglichen Situationen fokussiert wurde. Das Ziel der Kommunikativen Didaktik besteht darin, die kommunikative Kompetenz der Lernenden im Unterricht zu schulen. Es wird davon ausgegangen, dass die SchülerInnen die fremde Sprache lernen, indem sie kommunizieren. Kommunikation und Lernen werden also gleichgesetzt. 218 In diesem Punkt geht die Kommunikative Didaktik über den pragmatischen Kommunikationsbegriff hinaus, der ihr ursprünglich zugrunde lag: Im Begriffsverständnis der Pragmatik ist eine Verbindung zwischen Kommunikation, Lernprozessen, Lernresultaten und didaktischen Verfahren nicht angelegt (vgl. Portmann-Tselikas 1997b, 221). 219 In kommunikativen Lehrwerken werden sprachliche Mittel zur Verfügung gestellt, die dazu befähigen sollen, bestimmte Sprechakte in simulierten Situationen des fremdsprachlichen Alltags zu realisieren - so zum Beispiel „nach etwas fragen”, „sich beschweren”, „jemanden einladen”, „et- 218 Portmann (1991, 25) plädiert daher für eine begriffliche Differenzierung, die den Spracherwerb nicht nur in Begriffen der Kommunikation fasst. 219 Die Kommunikative Didaktik stützt sich jedoch auf die Pragmatik und hier insbesondere auf die Sprechakttheorie, deren Kategorisierung kommunikativer Ereignisse in Sprechakte und Sprechintentionen weitgehend übernommen wurde. 155 was bestellen” (vgl. Krenn 2000, 13). 220 Der Auswahl dieser sprachlichen Mittel liegt ein needs survey 221 (Yalden 1987) im Hinblick auf zu erwartende Situationen im zielsprachlichen Alltag zugrunde. Die auf diese Weise simulierenden Unterrichtssituationen stellen eine weitgehend „künstliche” Form des sprachlichen Handelns dar, die auf fiktive Situationen des zielsprachlichen Alltags und nicht auf das „Hier und Jetzt” des Unterrichts bezogen ist. Die Künstlichkeit dieser Situationen wird dadurch verstärkt, dass die in den Lehrwerken präsentierten Themen und Texte mit der Lebenswelt der Lernenden meist wenig zu tun haben - dies gilt für Lernende mit Migrationshintergrund in ganz besonderem Maße. 222 In Bezug auf die genannten Probleme des Unterrichts (Kap. 1.1) bietet die Kommunikative Didaktik nur eingeschränkt Lösungsansätze an: • Literale Förderung: Die Kommunikative Didaktik ist zielführend, wenn es um die Ausbildung mündlicher Sprachhandlungskompetenzen im fremdsprachlichen, alltagsbezogenen Lernkontext geht (vgl. Kern 2000, 19). Wenn das Ziel des Unterrichts jedoch darin besteht, die Textkompetenz der Lernenden in der Zweitsprache zu fördern, ist die Kommunikative Didaktik weniger zielführend, denn die Unterrichtsverfahren der Kommunikativen Didaktik sind nicht daraufhin angelegt, jene literalen Praktiken und Strategien im Umgang mit Texten zu schulen, die es Lernenden erlauben, mit schriftsprachlich geprägter Sprache im Unterricht umzugehen. 223 • Aktives Sprachhandeln: Sprachliche Aktivitäten werden in der Kommunikativen Didaktik vor allem im Rahmen eines imitativen, simulierenden 220 Die Unterrichtsverfahren der Kommunikativen Didaktik werden nicht lerntheoretisch begründet, sondern vielmehr aus der Definition von kommunikativer Kompetenz direkt abgeleitet (vgl. Krenn 2000, 19 ff.). 221 Dieser needs survey ist an einer fiktiven AdressatInnengruppe und nicht an den konkreten Lernenden orientiert (vgl. Krenn 2000, 20). Auch Laufer/ Hulstijn (2001) gehen in ihrer Involviertheitshypothese (Involvement Load Hypothesis) von so genannten „needs” der Lernenden aus, sie fassen diese jedoch weiter und verstehen darunter auch die interne bzw. externe Motivation der Lernenden, eine Aufgabe anzugehen. 222 In neueren Lehrwerken der Kommunikativen Didaktik sind Ansätze einer Hinwendung zu Einzelaspekten der fremdsprachlichen Kommunikation zu bemerken - so wird etwa der Aspekt des initiierenden, aktiven und nicht bloß reaktiven Sprechens zum Teil bewusst hervorgehoben (vgl. Portmann-Tselikas 1997b, 222). Dies zeigt sich zum Beispiel in den „information gap”-Übungen, bei denen nicht alle Lernenden dieselben Informationen haben; Aufgaben, in denen Informationen von den Lernenden ausgetauscht werden müssen, sind vielfach lernwirksamer als Aufgaben, bei denen die LernpartnerInnen über die gleiche Information verfügen (vgl. Doughty/ Pica 1986; Pica/ Kanagy/ Falodun 1993). 223 Das Lesen und Schreiben hat in der Kommunikativen Didaktik nur eine Hilfsfunktion, der Schwerpunkt der Textarbeit liegt auf so genannten authentischen Texten (vgl. Krenn 2000, 23 f.). 156 Sprachhandelns geschult, in dem vorgegebene sprachliche Mittel dazu verwendet werden, bestimmte Sprechakte zu realisieren. Eine aktive, in der Situation des Unterrichts verankerte Sprachpraxis, in der die Lernenden themen- und aufgabenbezogen interagieren und gefordert sind, sprachliche Probleme in konkreten sprachlichen Handlungen selbst zu erkennen und zu bearbeiten, steht nicht im Zentrum des Interesses. • Individuelle Wissenskonstruktion: Die Kommunikative Didaktik ist auf den Aufbau von kommunikativer Kompetenz in Alltagssituationen fokussiert. Sowohl die Situationen als auch die sprachlichen Mittel sind weitgehend vorgegeben. Die Kommunikative Didaktik ist daher grundsätzlich nicht dahingehend angelegt, eine Form des Wissenserwerbs zu fördern, bei der Wissen von den Lernenden aktiv, autonom und durch kooperative Bedeutungsaushandlung konstruiert wird. • Koordiniertes Sprach- und Sachlernen: Die Kommunikative Didaktik ist auf die Erreichung sprachlicher Lernziele ausgerichtet. Eine Verknüpfung des Sachlernens mit dem Sprachlernen zählt nicht zu den vordergründigen Zielen der Kommunikativen Didaktik. Die Leistung der Kommunikativen Didaktik besteht insbesondere darin, dass die Lernenden ins Zentrum des Unterrichts gestellt und die Bedeutung der Interaktion für das Sprachlernen betont werden. Prototypische Lernanforderungen, mit denen Zweitsprachenlernende in der Schule konfrontiert sind, stehen jedoch nicht im Zentrum des Interesses. Dies zeigt sich schon in der Grundkonzeption der Kommunikativen Didaktik, aber auch in der Auswahl der Themen und der Texte sowie in den einzelnen Aufgaben. Auch der Umstand, dass Zweitsprachenlernende aufgrund des ungesteuerten Spracherwerbs im Alltag der zielsprachlichen Umgebung meist bereits über gut entwickelte mündliche Sprachfähigkeiten verfügen, wird in der Kommunikativen Didaktik nicht beachtet. Die Kommunikative Didaktik ist daher nur eingeschränkt dafür geeignet, Zweitsprachenlernende in ihrer Textkompetenz zu fördern und sie bei der Bewältigung der schriftsprachlichen Anforderungen in der Schule zu unterstützen. 1.2.2 Die Interkulturelle Didaktik Die verschiedenen Ansätze der Interkulturellen Didaktik sind trotz gemeinsamer Bezugspunkte heterogen, sodass von der Interkulturellen Didaktik nicht die Rede sein kann. Die Bezeichnung Interkulturelle Didaktik ist vielmehr ein Überbegriff für all jene didaktischen Ansätze, die sich auf das Lehren und Lernen fremder Sprachen im Kontext von Mehrsprachigkeit und Multikulturalität beziehen (vgl. Krumm 2003, 138). Wie zahlreiche andere Konzepte, die in verschiedenen Disziplinen und Praxisfeldern seit Beginn der 80er Jahre als Reaktion auf die zunehmende Multikulturalität der Gesellschaft entstanden sind, orientiert sich auch dieses Konzept am 157 Topos der Interkulturalität. In Bezug auf seine Funktion und Rolle für den Unterricht ist dieser Begriff jedoch keineswegs klar definiert (vgl. Krumm 2003, 139). 224 Erste Impulse für eine Interkulturelle Didaktik kamen aus der Pädagogik, die das Problem der Integration in den 60er und 70er Jahren zunächst mit dem Konzept der Ausländer- und Migrationspädagogik zu lösen versuchte und auf Kompensations- und Separationsmodelle setzte (vgl. Hummelsberger 2001, 1). Diese Konzepte wurden abgelöst durch Modelle der interkulturellen Erziehung bzw. der interkulturellen Bildung, deren Interesse vor allem darin bestand, die Schule als einen Ort des konfliktfreien Zusammenlebens und der offenen Begegnung von Kindern unterschiedlicher sprachlicher und kultureller Herkunft zu etablieren. Eine weitere Zielsetzung bestand darin, jene strukturellen Barrieren aufzudecken, die zur Bildungsbenachteiligung von Schülerinnen und Schülern führen und den „monolingualen Habitus” (Gogolin 1994) der Schule konstituieren. Im Zentrum der Interkulturellen Didaktik steht das Lernziel der interkulturellen Kommunikation. Die Lernenden sollen fremdkulturelle Perspektiven kennen und verstehen lernen und mit den eigenen kulturellen Sichtweisen und Prägungen in Beziehung setzen. 225 Die sprachliche und kulturelle Vielfalt in der Klasse soll bewusst wahrgenommen und reflektiert werden. Durch die Fokussierung sozialer und affektiver Lernziele werden sprachliche Lernziele jedoch zum Teil vernachlässigt. 226 In den Konzepten einer „Mehrsprachigkeitsdidaktik” (Meißner/ Reinfried 1998) werden Lernziele wie Sprachbegegnung, Sprachsensibilisierung, Sprachaufmerksamkeit, Sprachreflexion und metasprachliche Kommunikation ins Zentrum gerückt. Sie sollen dazu beitragen, ein Bewusstsein für Sprachenvielfalt in der Klasse zu erzeugen (vgl. Rösch 2003; Schader 2000). Diese Konzepte gehen auf v.a. in Großbritannien entwickelten „Language Awareness”-Ansätze zurück, in denen dafür plädiert wird, die sprachlichen und kulturellen Erfahrungen und Kenntnisse der Lernenden im 224 Edmondson/ House (1998) sind der Auffassung, dass fremdsprachliches Lernen per se interkulturelles Lernen sei und sich eine Orientierung am Begriff der Interkulturalität daher erübrige. Eindeutige Begriffsdefinitionen und klare terminologische Abgrenzungen zwischen den verschiedenen, auf die Situation der Mehrsprachigkeit in der Schule bezogenen Konzepten stehen bislang aus. 225 Die damit verbundene Polarisierung in eigen und fremd ist vielfach kritisiert worden. Es wurde daher dafür plädiert, nicht von den Unterschieden, sondern von den Gemeinsamkeiten verschiedener Kulturen auszugehen und diese zur Grundlage von Konzepten des Sprachenlernens und der Sprachvermittlung zu machen (vgl. Barkowski 1998; Krumm 2003, 140; Gogolin 2003, 100). 226 In einigen neueren Arbeiten zur Interkulturellen Landeskunde gibt es Ansätze einer gezielten Spracharbeit etwa im Hinblick auf kulturgeprägte Aspekte des Sprachgebrauchs, z.B. in Bezug auf Routinen und Rituale im Alltag (vgl. Lüger 1993) oder die soziokulturellen Dimensionen beim Gebrauch einzelner Wörter (vgl. Müller 1994). 158 Rahmen sprachfächerübergreifender Unterrichtsformen zu nutzen. 227 Diese Ansätze liegen auch dem von Luchtenberg (1995) konzipierten Konzept einer interkulturellen sprachlichen Bildung zugrunde, die es ermöglichen soll, die Fähigkeiten und Kenntnisse der Lernenden aus verschiedenen Sprachen mit allgemeinen sprachlichen Kompetenzen zu verknüpfen. Auch Hegele/ Pommerin (1983) und Oomen-Welke (1994) versuchen den Deutschunterricht für interkulturelle Fragestellungen und die Lebenswelt von Zweitsprachenlernenden zu öffnen. Pommerin et al. (1996) plädieren für eine stärkere Berücksichtigung kreativer Schreibformen im Unterricht in mehrsprachigen Klassen, um die Erfahrungen und Gefühle der Lernenden besser berücksichtigen zu können. Dieses Interesse steht auch im Zentrum der „plurilingualen Schreibdidaktik” (Hornung 1999), bei der experimentelle Schreibverfahren dazu genutzt werden sollen, die spontanen Ideen, Gefühle und Mitteilungsbedürfnisse der Lernenden zum Ausdruck zu bringen und für den Lernprozess in der Fremd- oder Zweitsprache zu nutzen. Die zentralen Probleme des Unterrichts in mehrsprachigen Klassen (siehe Kap. 1.1) sind jedoch auch anhand der Interkulturellen Didaktik nur teilweise zu lösen: • Literale Förderung: Die Interkulturelle Didaktik ist auf soziale und pädagogische Zielsetzungen fokussiert und versucht ein friedliches, konfliktfreies Zusammenleben in einer Atmosphäre der Wertschätzung und des gegenseitigen Respekts zu fördern. Die Aufmerksamkeit gilt vor allem den kulturspezifisch geprägten Gebrauchszusammenhängen von gesprochener Sprache im Alltag. Texte fungieren weniger als Lernmedien denn als Träger von sprachlicher und kultureller Information. Die Vermittlung von literalen Praktiken und Strategien im Umgang mit Texten steht nicht im Zentrum des Interesses der Interkulturellen Didaktik. 228 • Aktives Sprachhandeln: Die sprachsensibilisierenden und kulturvergleichenden Verfahren der Interkulturellen Didaktik sind dazu geeignet, ein aktives sprachliches Handeln in interaktiven Kontexten im Unterricht zu initiieren. Auch die Einbeziehung der kulturellen Erfahrungen und der individuellen Sichtweisen der Lernenden kann sie dazu anregen, im Unterricht sprachlich aktiv zu handeln. • Individuelle Wissenskonstruktion: Jene Aufgaben, die die Lernenden für Sprache sensibilisieren und sie dazu motivieren, Sprache aufmerksam 227 Dieser Ansatz wurde mittlerweile für verschiedene Lernbereiche und Zielgruppen spezifiziert, z.B. in Bezug auf das Grammatiklernen (vgl. Luchtenberg 2001; Hornung 2001) oder auf den frühen Fremdsprachenunterricht (vgl. Macaire 2001). 228 Im Zusammenhang mit dem akademischen Schreiben in der Fremdsprache sind in den letzten Jahren Arbeiten entstanden, die sich mit der Analyse und der Vermittlung von kulturgeprägten Textsorten beschäftigen (vgl. Eßer 1997; Mohr 2000; Hufeisen 2002). 159 wahrzunehmen und zu reflektieren, sind grundsätzlich dazu geeignet, Prozesse der individuellen Wissenskonstruktion zu initiieren. Eine gezielte Aktivierung und Weiterentwicklung des Wissens der Lernenden mit dem Ziel, den Wissenserwerb in der Schule zu effektivieren, steht jedoch nicht im Zentrum des Interesses. • Koordiniertes Sprach- und Sachlernen: In neueren Arbeiten zur Interkulturellen Didaktik wird dafür plädiert, das Sprachlernen mit dem Sachlernen im Rahmen eines fächerübergreifenden Curriculums zu verknüpfen und auch im Fachunterricht gezielt Spracharbeit zu leisten (vgl. Luchtenberg 2001; Kupfer-Schreiner 2001, 23). Konkrete didaktische Vorschläge für einen Unterricht, im dem das Sprachlernen mit dem Sachlernen koordiniert wird, sind bislang jedoch erst in Ansätzen vorhanden. 229 Das besondere Verdienst der Interkulturellen Didaktik besteht darin, sich mit der Situation der Mehrsprachigkeit und der Multikulturalität in der Klasse bewusst auseinanderzusetzen und eine sprachliche und kulturelle Sensibilisierung anzustreben. Es handelt sich jedoch bei der Interkulturellen Didaktik um kein Konzept, das wesentlich dazu beiträgt, Zweitsprachenlernende in der Entwicklung ihrer Textkompetenz zu fördern und dabei zu unterstützen, die schriftsprachlichen Anforderungen in der Schule besser zu bewältigen. 1.2.3 Die Konstruktivistische Didaktik Ebenso wenig wie es den Konstruktivismus gibt, gibt es die Konstruktivistische Didaktik. Unter diesem Begriff können vielmehr Lernkonzepte subsumiert werden, die sich implizit oder explizit auf erkenntnistheoretische Grundlagen beziehen. 230 Im Folgenden wird keine systematische Darstellung der Konstruktivistischen Didaktik und ihrer verschiedenen Strömungen gegeben, es werden lediglich Grundannahmen der Konstruktivisti- 229 Eine Ausnahme bilden die im angloamerikanischen Raum entwickelten „language across the curriculum”-Konzepte, die mit fächerübergreifenden Ansätzen verbunden sind. Sie wurden bislang im deutschsprachigen Raum jedoch kaum noch aufgenommen, abgesehen vom Konzept der „Sprach- & Kulturerziehung”, das als übergreifendes Schulsprachenkonzept angedacht ist, jedoch bislang nicht realisiert wurde (vgl. Huber/ Huber-Kriegler/ Heindler 1995; 1996). 230 Eine Ableitung didaktischer Prinzipien aus der Erkenntnistheorie wird mittlerweile ebenso kritisiert (vgl. Hoops 2001, 50) wie eine strikte Trennung zwischen „Instruktion” und „Konstruktion”. Diese Dichotomie besteht in jüngeren Arbeiten meist nicht mehr, es wird eher für eine Kombination aus konstruktivistisch und instruktivistisch geprägten Unterrichtsverfahren plädiert (vgl. Müller 2001, 38). 160 schen Didaktik diskutiert, die für die Konzeption der Literalen Didaktik von Belang sind. 231 Die Konstruktivistische Didaktik beruht auf der Hypothese, dass es sich beim Wissenserwerb um einen aktiven, kreativen und dynamischen Prozess der Wissenskonstruktion handelt, der sich im Spannungsfeld zwischen Hypothesenbilden und -testen vollzieht und bei dem Lernende neues Wissen auf der Basis ihrer vorhandenen Erfahrungen und Kenntnisse gewinnen. Die Frage, was Lernende bereits können, wird damit zentral. Die Prinzipien der Interaktion, der Handlungsorientierung und der Situierung von Lernaufgaben spielen in der Konstruktivistischen Didaktik eine wichtige Rolle. Aufgaben sollen relevant und „problemhaltig” sein (vgl. Müller 2001, 20) und die Lernenden in ihrer „kognitiven Flexibilität” (Spiro et al. 1992) schulen, damit sie ein Wissen aufbauen, das in unterschiedlichen Lernkontexten einsetzbar ist. Es wird für komplexe Lernumgebungen plädiert, die ein vielfältiges Angebot an Materialien bereitstellen, die den Lernenden individuelle Zugänge und Lernwege ermöglichen und dazu motivieren, Lernaufgaben selbständig und kreativ zu lösen. Zu den ersten konstruktivistischen Ansätzen, die didaktisch genutzt wurden, zählt der epistemologische Konstruktivismus von Piaget (1976). Die kognitive Ontogenese des Menschen wird dabei als ein Konstruktionsprozess betrachtet, der den Prinzipien der Eigenverantwortlichkeit und der Selbstorganisation unterliegt und mit komplexen Wissenstransformationen verbunden ist - neue Wissensbestände werden an bestehendes Wissen angepasst (Assimilation), vorhandene kognitive Strukturen werden durch neues Wissen modifiziert (Akkomodation). Nach Piaget handelt es sich dabei um grundlegende Mechanismen des Lernens, die darauf angelegt sind, innere Schematisierungen mit der Umwelt abzugleichen und ein „Gleichgewicht” beim Lernen zu erreichen (Äquilibration) (vgl. Wolff 2000, 97). Mit diesem Konzept war Piaget für konstruktivistische Lernkonzepte zunächst wegweisend, später wurde er vor allem wegen seiner Sichtweise von Misserfolgen und Störungen beim Lernen kritisiert (vgl. Müller 1996a, 39 f.). Das Konzept der konstruktivistischen Lernkultur, wie es von Müller (1996a) vertreten wird, beruht auf Grundannahmen der Wissenspsychologie, denen zufolge Wissenserwerb immer dynamisch und vernetzt erfolgt. Lernprozesse können demnach nicht von außen determiniert, sondern lediglich gelenkt werden. Müller betont den Gegensatz zwischen konstruktivistischen Ansätzen und dem so genannten informationstheore- 231 Der Konstruktivismus ist eine erkenntnistheoretisch fundierte Theorie, die sich mit der Entstehung von Wissen beschäftigt und auf psychologisch-philosophischen bzw. neurobiologischen Grundlagen beruht. Konstruktivistische Grundannahmen wurden in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen aufgegriffen (unter anderem in der Philosophie, in der Pädagogik, in der Mathematik und in der Biologie). 161 tisch-kognitiven Paradigma (vgl. Müller 1996b, 72 f.). 232 Er berücksichtigt aber auch kognitive Ansätze, die er als „semikonstruktivistisch” bezeichnet, etwa die Wahrnehmungsmodelle von Neisser (1974) oder die linguistischen Modelle zum Textverstehen und zur Textverarbeitung von van Dijk/ Kintsch (1978). Im Konzept der Random Access Instruction (Spiro/ Jehng 1990) liegt das didaktische Interesse primär in der Entwicklung von kognitiver Flexibilität. Damit ist die Fähigkeit gemeint, Wissen flexibel anzuwenden und zu transformieren. Dies soll erreicht werden, indem Lernende mit komplexen Problemstellungen konfrontiert werden (ill-structured-Probleme), die eine Umstrukturierung des vorhandenen Wissens erfordern. Zur Schulung der kognitiven Flexibilität werden Verfahren eingesetzt, mit denen die Lernenden in ihrem mehrperspektivischen Denken und in ihrer aktiven Problemlösekompetenz gefordert sind. Auf diese Weise sollen sie individuelle Zugänge und Perspektiven auf ein Thema entwickeln und als „kognitive Wanderer” zunächst zufällige Eindrücke im Lernfeld gewinnen (random access), um diese schließlich selbständig zu einem Sinnganzen zusammenzufügen (vgl. Müller 1996b, 78). Auf diese Weise sollen sie lernen, Wissen bei der Lösung von Problemen nicht bloß wiederzugeben, sondern in verschiedenen Kontexten flexibel anzuwenden. Im konstruktivistischen Lernkonzept der anchored-instruction steht die Zielsetzung, anwendungs- und transferfähiges Wissen zu erzeugen, im Vordergrund. Mithilfe eines narrativen „Ankers” sollen realitätsnahe, komplexe und problemhaltige Lernsituationen erzeugt werden, die die Lernenden dazu anregen, eigenständige Lösungsstrategien zu entwickeln (vgl. Müller 1996b, 80). Den Ausgangspunkt dafür bilden Geschichten, die Problemlöseszenarios enthalten, für die die Lernenden Lösungen entwickeln müssen (vgl. Müller 2001, 27). Durch den Vergleich der Geschichten sollen mehrperspektivische Zugänge zu einem Thema gewonnen werden; durch eine Koordinierung verschiedener Wissensgebiete soll eine fächerübergreifende Vernetzung der Themen erreicht werden. 232 Der Gegensatz zwischen konstruktivistischen und kognitivistischen Ansätzen zeigt sich für Müller etwa im Begriff der Repräsentation. Repräsentationen sind im Sinne des informationstheoretisch ausgerichteten kognitiven Paradigmas unmittelbare Abbilder der Wirklichkeit, in denen weder situative noch individuelle Aspekte der Sprachverarbeitung modelliert sind. In neueren konstruktivistischen Konzepten wird der Begriff der Repräsentation für die Idee der Konstruktion geöffnet - nach Wolff (2002) führt die Verknüpfung von vorhandenem Wissen mit neuem Wissen zur Ausbildung von mentalen Repräsentationen, die den Ausgangspunkt von weiteren Konstruktionsprozessen darstellen und Transformationen von Wissen bewirken. In der vorliegenden Arbeit wird die Definition von Repräsentationen von Rickheit/ Sichelschmidt/ Strohner (2002) verwendet, in der kognitionstheoretische Annahmen mit konstruktivistischen Ansätzen verknüpft sind (siehe Teil I, Kapitel 5). 162 Auch die Situated-Action-Konzepte zielen darauf ab, Lernende mit komplexen Problemstellungen zu konfrontieren und sie dazu anzuregen, selbst jenes Wissen zu mobilisieren, das sie zur Lösung von Problemstellungen brauchen. So basiert etwa das Cognitive-Apprenticeship-Verfahren auf der Annahme, dass Lernsituationen per se jene Handlungen auslösen, die den Aufbau von bedeutsamen Wissensstrukturen ermöglichen (vgl. Richter 1996b, 173). Darüber hinaus wird versucht, den gezielten Einsatz von Problemlösestrategien in unterschiedlichen Kontexten durch eine systematische Bewusstmachung zu fördern und Lösungsansätze gemeinsam zu reflektieren. Auf diese Weise sollen Fähigkeiten des Erkennens und Lösens von Problemen im Rahmen von komplexen Lernaufgaben geschult werden. Als Vorbild für Cognitive-Apprenticeship-Verfahren dient die traditionelle Handwerkerlehre, bei der ein Lernender die Aktivitäten des Meisters zunächst beobachtet und nachahmt, um sie schließlich selbst unter seiner Anleitung durchzuführen. Im Unterricht fungiert der Lehrer zunächst als Vorbild, er zieht sich jedoch immer mehr zurück und überlässt den Lernenden zunehmend die Initiative. Cognitive-Apprenticeship-Verfahren wurden primär als eine Methode entwickelt, um abstrakte Wissensdomänen zu vermitteln. Sie werden auch zur Förderung des Textverstehens bei lern- und leseschwachen Kindern eingesetzt (vgl. Meixner 1997, 93). Beim so genannten „reziproken Texterarbeiten” arbeiten die Lernenden gruppenweise zusammen; sie haben die Aufgabe, einen Text abschnittweise zusammenzufassen, zu erläutern, Fachbegriffe zu diskutieren, abstracts zu verfassen bzw. Textinhalte in eigenen Worten wiederzugeben (vgl. Müller 1996b, 92). Die Leistung konstruktivistisch orientierter Lernkonzepte besteht vor allem darin, dass sie die Prinzipien der Lernerzentrierung und der Prozessorientierung in den Vordergrund gerückt haben (vgl. Richter 1996a, 152; vgl. Meixner 1997, 23). Für die Lösung der skizzierten Problembereiche (siehe Kapitel 1.1) bieten sie einige relevante Ansätze: • Literale Förderung: Die Schulung der Textkompetenz zählt in der Konstruktivistischen Didaktik nicht zu den vordergründigen Zielsetzungen. Der zweitsprachliche Lernkontext in der Schule und die damit verbundenen Anforderungen werden zwar in einigen eher kleinräumigen Verfahren berücksichtigt, sie sind jedoch nicht Thema eines umfassenderen didaktischen Konzeptes. Relevant sind hier vor allem Verfahren und Aufgabenstellungen, wie sie im Rahmen des Cognitive-Apprenticeship- Ansatzes sowie der „produktiven Semantisierung“ entwickelt wurden (vgl. Meixner 1997). • Aktives Sprachhandeln: Ein Ziel der Konstruktivistischen Didaktik besteht darin, Interaktionen im Rahmen der themenbezogenen Arbeit im Unterricht anzuregen, die der gemeinsamen Problemlösung dienen. 163 „Problemhaltige” Aufgaben sollen ein aktives und bedeutungsvolles sprachliches Handeln im Unterricht initiieren. • Individuelle Wissenskonstruktion: Die Frage, wie Lernkonzepte zu gestalten sind, die es ermöglichen, eine aktive, individuelle Wissenskonstruktion anzuregen, steht in allen konstruktivistischen Lernkonzepten im Zentrum (vgl. Müller 1996a, 62). Wissen soll nicht einfach transferiert, sondern im Rahmen kreativer, dynamischer Prozesse von den Lernenden aktiv aufgebaut werden; das, was die Lernenden an Kenntnissen und Kompetenzen in den Unterricht mitbringen, soll zum Ausgangpunkt der jeweiligen Lernaktivität gemacht werden. • Koordiniertes Sprach- und Sachlernen: Konstruktivistische Lernkonzepte werden auf verschiedene Bereiche des Sprach- und Sachlernens angewandt - es gibt sowohl Handlungsvorschläge für den Sprachunterricht 233 als auch für den Fachunterricht; 234 ein fächerübergreifendes didaktisches Konzept, in dem das Sprachlernen und das Sachlernen integriert wird, existiert bislang jedoch nicht. Bei den verschiedenen Ansätzen der Konstruktivistischen Didaktik handelt es sich weitgehend um allgemeine Lernkonzepte, die nicht auf die spezifische Situation des schulischen Wissenserwerbs in der Zweitsprache fokussiert sind. Dennoch stellen sie mit ihren Grundannahmen und Zielsetzungen sowie mit einzelnen didaktischen Verfahren Problemlöseansätze bereit, die zur Förderung der Textkompetenz in mehrsprachigen Klassen genutzt werden können. 1.2.4 Die Schreibdidaktik Die Schreibdidaktik kann sich auf ein umfangreiches, empirisch abgesichertes Wissen über Schreibprozesse, Schreibentwicklungen und Texte stützen (vgl. Feilke/ Portmann 1996, 14). 235 Seit Beginn der 80er Jahre wurde die Diskussion über die Entwicklung der Schreibfähigkeiten aus ihrer ursprünglich rein fachdidaktischen Ausrichtung und den Debatten über Aufsatzerziehung herausgenommen und in einen weiteren fachwissenschaftlichen Kontext gestellt (vgl. Feilke 2003, 178). Durch die damit verbundene theoretische Neuorientierung wurden neue Akzente in der Schreibdidaktik gesetzt, die sich vor allem in der Betonung der Entwicklungsaspekte und der Prozesshaftigkeit des Schreibens manifestieren. 233 Z.B. in Bezug auf Fragen des Bedeutungs- und Wortschatzerwerbs und des Formulierens als Problemlösehandlung (vgl. Meixner 1997). 234 Z.B. für den Geographie-, den Geschichts- und den Physikunterricht (vgl. Meixner 1997; Daum 2001; Häuptle-Barceló 2001; von Aufschnaiter 2001). 235 Einen umfassenden Überblick zur Schreibforschung geben die Bände „Schrift und Schriftlichkeit” (Günther/ Ludwig 1994). 164 Diese neuen Tendenzen prägen sowohl die Muttersprachendidaktik als auch die Fremdsprachendidaktik der letzten Jahre. Das Schreiben in der Fremd- oder Zweitsprache unterscheidet sich bei alphabetisierten Lernenden vom Schreiben in der Erstsprache vor allem dadurch, dass Schreiberfahrungen und Kenntnisse der Schrift bereits in der Erstsprache vorhanden sind; fremdsprachlich bedingte Schwierigkeiten kommen jedoch meist hinzu. Das sind vor allem Wortschatzprobleme oder textpragmatische Probleme, die sich aus der Kulturspezifik der Textsorten und des Textgebrauchs im jeweiligen soziokulturellen Kontext ergeben. Das Schreiben in der Zweitsprache ist daher meist weniger effizient als das Schreiben in der Erstsprache (vgl. Kern 2000, 177); vor allem dann, wenn differenziertere Fähigkeiten der Textbildung in der Erstsprache fehlen. Aus der Fülle der bestehenden schreibdidaktischen Konzepte und Verfahren werden im Folgenden nur jene Ansätze aufgegriffen, die sich als relevant für eine Förderung der Textkompetenz von Zweitsprachenlernenden in der Schule erweisen. Produktorientierte Ansätze, die die Schreibdidaktik seit den 40er Jahren und auch heute noch weithin prägen, sind konzentriert auf die strukturellen und formalen Aspekte in Texten sowie auf die Einhaltung sprachlicher Konventionen und Normen im Hinblick auf Textaufbau, Einsatz von Textelementen und Mitteln der Textgestaltung (vgl. Kern 2000, 180). 236 In produktorientierten Schreibverfahren, wie sie in der Schule weithin eingesetzt werden, geht es primär um Fehlervermeidung und darum, Texte nach vorgegebenen Mustern zu entwickeln. 237 In prozessorientierten Ansätzen geht es demgegenüber weniger um die Frage, was Schreibende tun sollen, wenn sie einen Text verfassen als darum, was sie tatsächlich tun, wenn sie einen Text schreiben (vgl. Eigler et al. 1990, 14). Die prozessorientierte Schreibdidaktik ist kognitionspsychologisch fundiert und stützt sich auf Schreibmodelle, die das Verfassen eines Textes als einen komplexen und vielschichtigen Vorgang des Problemlösens beschreiben. Diese Modelle gehen davon aus, dass Schreibprozesse nicht linear und sukzessiv, sondern parallel, interaktiv, rekursiv und zu- 236 Wenn in diesem Kapitel zwischen produkt- und prozessorientierten Ausrichtungen der Schreibdidaktik unterschieden wird, so geschieht dies durchaus im Wissen darüber, dass es eine Reihe weiterer Klassifizierungen in der Fremdsprachlichen Schreibdidaktik gibt. So unterscheidet etwa Portmann (1991, 10, 374 ff.) zwischen der direktiven Position, dem textlinguistischen Ansatz und dem prozessorientierten Ansatz bzw. zwischen dem präkommunikativen Schreiben und dem produktiven Schreiben oder Eßer (2003, 293) zwischen dem Ansatz des freien Schreibens, dem kommunikativ-funktionalen Ansatz und dem prozessorientierten Ansatz. 237 Die Schreibverfahren der produktorientierten Schreibdidaktik sind in der Regel konzentriert auf beschreibende, erzählende, expositorische und argumentative Texte (vgl. Kern 2000, 181). 165 nehmend routinisiert verlaufen (vgl. Baurmann 2005, 49). 238 Prozessorientierte Schreibaufgaben sind auf einzelne Phasen im Schreibprozess konzentriert und stellen Strategien bereit, die dazu dienen, die komplexen Anforderungen des Schreibens zu reduzieren. So werden etwa die Teilprozesse des Ideensammelns, des Formulierens, des Überprüfens und Überarbeitens von Äußerungen isoliert und didaktisch gezielt angeleitet (vgl. Sieber 2005, 10; Portmann-Tselikas 2005a, 175). Im Rahmen der prozessorientierten Schreibdidaktik wurden auch Aufgaben entwickelt, die die schöpferischen und kreativen Potentiale der Lernenden im Schreibprozess zu entfalten versuchen und darauf abzielen, die Ideen, Gedanken und Gefühle der Lernenden durch freies, assoziatives oder experimentelles Schreiben zu aktivieren und zu artikulieren (vgl. Hornung 1999; Kupfer- Schreiner 2001, 28). 239 Darüber hinaus wurden im Zusammenhang mit dem prozessorientierten Schreiben auch Aufgaben entwickelt, die die „epistemische”, d.h. die wissensgewinnende Funktion des Schreibens betonen (vgl. Bräuer 1998; Brugger 2004). In jüngeren Arbeiten zur Schreibdidaktik gilt das Interesse zunehmend den individuellen Voraussetzungen der Lernenden beim Schreiben und der Art und Weise, wie literale Praktiken im jeweiligen soziokulturellen Kontext eingesetzt werden (vgl. Feilke/ Portmann 1996, 8). So plädiert etwa Sieber (2005, 1) dafür, den Aufbau von Textkompetenz zu einem zentralen Gegenstand der Schreibdidaktik zu machen. Aspekte der Literalität, der Textualität und der Textkompetenz sind in der jüngeren Schreibdidaktik zunehmend von Interesse. 240 Für die Lösung der vorab skizzierten Probleme des Unterrichts (siehe Kapitel 1.1) bietet die Schreibdidaktik zahlreiche zielführende Ansätze: • Literale Förderung: Die Schreibdidaktik ist fokussiert auf die Entwicklung von Schreibkompetenzen. Andere Dimensionen des literalen Handelns, wie etwa jene des mündlichen Gebrauchs von schriftsprachlich geprägter Sprache, werden kaum beachtet. Auch soziokulturelle As- 238 In der Schreibforschung ist die Frage, welche kognitiven Prozesse beim Schreiben stattfinden und wie diese in Schreibmodellen erfasst werden können, zentral. Die ersten Schreibmodelle waren auf die Schreibentwicklung in der Erstsprache fokussiert; zu den einflussreichsten zählt nach wie vor jenes von Hayes/ Flower (1980). Später wurden Schreibmodelle entwickelt, die an kognitionspsychologischen Grundlagen orientiert sind (Überblick siehe z.B. Molitor-Lübbert 1996). Mittlerweile gibt es zahlreiche Modifizierungen, auch im Hinblick auf das Schreibenlernen in der Fremdsprache (vgl. z.B. Wolff 2002). 239 Aspekte der Planung und Überarbeitung von Texten im Schreibprozess spielen in diesen Verfahren eine untergeordnete Rolle (vgl. Kupfer-Schreiner 2001, 26 f.). 240 Maßgeblich dazu beigetragen haben kulturwissenschaftliche Untersuchungen zur Differenz zwischen Oralität und Literalität (vgl. Ong 1982) sowie sprachtheoretische Konzeptionen im Hinblick auf Mündlichkeit und Schriftlichkeit, wie sie etwa von Koch/ Oesterreicher (1994) entwickelt wurden. 166 pekte des literalen Handelns bleiben weitgehend unberücksichtigt. Gängige Schreibaufgaben sind primär auf Lernende ausgerichtet, die die Unterrichtssprache als Erstsprache beherrschen und eine altersgemäße Schreibentwicklung durchlaufen. Eine Schreibdidaktik, die auf die spezifischen Anforderungen des Lernens in der Zweitsprache fokussiert und auch SchülerInnen berücksichtigt, die in ihrer Schreibentwicklung zurückliegen, steht bislang noch aus. • Aktives Sprachhandeln: Die Förderung des aktiven Sprachhandelns im interaktiven Kontext zählt nicht zu den vordergründigen Zielen der Schreibdidaktik. Anhand von prozessorientierten Verfahren, die das Schreiben als Problemlösen betrachten, kann der aktive Gebrauch von situationsbezogener Sprache aber durchaus angeregt werden. Das Potential von prozessorientierten Schreibverfahren für das aktive Sprachhandeln im Unterricht in mehrsprachigen Klassen wurde bislang jedoch kaum genutzt. • Individuelle Wissenskonstruktion: Verfahren, die die individuelle Konstruktion und flexible Anwendung von Wissen in verschiedenen Lernkontexten fördern, finden sich sowohl in prozessorientierten als auch in produktorientierten Ansätzen der Schreibdidaktik. Relevant sind in diesem Zusammenhang vor allem jene Schreibaufgaben, die die Wissen schaffende Funktion des Schreibens betonen (vgl. Ossner 1995; Antos 1996; Marenbach 2005). • Koordiniertes Sprach- und Sachlernen: Die Schreibdidaktik ist sowohl in ihren produktorientierten als auch in ihren prozessorientierten Ansätzen auf den Sprachunterricht fokussiert. Gängige Schreibaufgaben stehen primär im Dienst der Entwicklung von Schreibfähigkeiten und dienen nicht dem Aufbau von Sachwissen. In einigen Arbeiten wird für eine fächerübergreifende Schreibförderung plädiert; konkrete Vorschläge für eine Realisierung dieser Vorschläge stehen bislang jedoch noch weitgehend aus. Wenn es darum geht, Zweitsprachenlernende dabei zu unterstützen, die komplexen schriftsprachlichen Anforderungen in der Schule zu bewältigen, greift eine Schreibdidaktik, die sich ausschließlich auf prozessorientierte Verfahren stützt, zu kurz (vgl. Kern 2000, 185). Dies zeigt sich im Unterricht in mehrsprachigen Klassen meist vor allem dann, wenn Zweitsprachenlernende gefordert sind, Texte zu schreiben, in denen Sachinhalte präzise, schlüssig und nachvollziehbar dargestellt werden müssen. Auch eine Schreibförderung, die ausschließlich produktorientierten Ansätzen folgt, eröffnet für Zweitsprachenlernende kaum Chancen, die schulischen Anforderungen zu meistern - viele von ihnen sind lange Zeit nicht in der Lage, das geforderte Niveau der sprachlichen Korrektheit in ihren Texten zu erreichen. Der Schlüssel liegt daher in Schreibverfahren, die eine Pro- 167 zess- und Produktorientierung integrieren und das epistemische Schreiben in den Vordergrund stellen. 1.2.5 Der „literacy-based approach” Der literacy-based approach von Kern (2000) stützt sich auf eine breite, interdisziplinäre Forschung (vgl. Scribner/ Cole 1981; Kress 1994; Gee 1996; Cope/ Kalantzis 2000). Es handelt sich dabei um den ersten umfassenden didaktischen Ansatz, der den Begriff literacy ins Zentrum des Interesses stellt und ein Modell zur Förderung der Textkompetenz anbietet. Literalität wird in diesem Ansatz nicht nur als eine Fähigkeit betrachtet, Texte lesen und schreiben zu können, sondern auch als Fähigkeit, mittels Texten eine neue Welt zu erschließen (vgl. Kern 2000, 6, 15). Die Lernenden sollen dabei unterstützt werden, ein neues Denken über Sprache, Kommunikation und Kultur zu entwickeln, das es ihnen erlaubt, jene kulturellen Orientierungen und Werte kennen zu lernen, die dem Gebrauch einer Fremdsprache zugrunde liegen (vgl. Kern 2000, 1). Sie sollen jene diskursiven Fähigkeiten aufbauen, die es ermöglichen, eine Fremdsprache im jeweiligen soziokulturellen Kontext zu verstehen und einzusetzen. Lese- und Schreibaktivitäten werden in diesem Ansatz nicht isoliert, sondern als aufeinander bezogene kognitive und soziale Praktiken betrachtet, die nicht nur die Kenntnis von Wörtern und Strukturen, sondern auch die Kenntnis der soziokulturellen Konventionen des Gebrauchs von schriftlicher und mündlicher Sprache erfordern (vgl. Kern 2000, 111). Texte werden als Impulse für eigenständige Interpretationen betrachtet, die im jeweiligen diskursiven Kontext verankert sind: 241 The pedagogical focus shifts from „what texts mean” in some absolute sense, to what people mean by texts, and what texts mean to people who belong to different discourse communities. (Kern 2004, 3) Kern grenzt sich mit diesem Ansatz bewusst von Fremdsprachendidaktiken ab, die durch einen normorientierten, beschreibenden Zugang zu Texten gekennzeichnet sind und erst auf höherem Sprachniveau kulturelle, ästhetische und analytische Dimensionen von Texten in den Blick nehmen - diese Aspekte stehen im literacy-based approach von Beginn an im Zentrum der Lernaktivitäten (vgl. Kern 2000, 2004). Auch curriculare Trennungen zwischen dem Lesen und Schreiben sowie dem mündlichen und dem schriftlichen Sprachgebrauch bzw. zwischen sprachlichem und inhaltlichem Lernen werden in diesem Ansatz aufgehoben. 241 Flower (1990) spricht in diesem Zusammenhang von critical thinking: „[...] critical thinking which involves the ability to think about and through written texts: to read not only for facts but also for intentions, to question sources, to identify others’ and one’s own assumptions, and to transform information for new purposes.” (Flower 1990, 5) 168 Kern orientiert sich in seinem didaktischen Modell an den vier curricularen Komponenten der New London Group (1996), in denen sowohl sprachliche als auch kognitive und soziokulturelle Dimensionen berücksichtigt werden (vgl. Kern 2000, 133 f., 2004, 6 f.): • Situated practice ist mit der Zielsetzung verbunden, Immersionssituationen im Unterricht zu schaffen, die den Lernenden die Gelegenheit geben, ihre Gefühle, Gedanken, Erfahrungen und Ideen in der Arbeit an Texte spontan zu formulieren. 242 • Overt instruction zielt auf die Entwicklung metasprachlicher Kompetenzen ab; Lernende sollen in ihrer Fähigkeit gefördert werden, über Sprache nachzudenken und sich über Sprache zu äußern. • Critical framing fokussiert auf die reflexive und analytische Dimension von Sprache. Die Lernenden sollen dazu angeregt werden, Zusammenhänge zwischen sprachlichen, kommunikativen und soziokulturellen Dimensionen von Texten selbst zu erkennen und herzustellen. • Transformed practice soll Lernende dazu anregen, Texte zu interpretieren, zu bewerten und deren Bedeutungen zu transferieren. Im Zentrum stehen das Schreiben und die Rekonstruktion von Bedeutungen in verschiedenen Kontexten. Mit diesem Ansatz soll den Interessen, Fähigkeiten, Meinungen, Ideen und Emotionen der Lernenden Rechnung getragen und deren Fähigkeiten des aktiven Problemlösens und der individuellen Konstruktion von Bedeutungen gefördert werden. Den Lehrenden obliegt eine begleitende, moderierende und unterstützende Rolle (vgl. Kern 2000, 307). Ihre Aufgabe besteht darin, im Unterricht eine Kultur des Lernens zu etablieren, in der kritisches Denken, aktives Problemlösen, metasprachliche Kommunikation und Reflexion angeregt werden. 243 Im Hinblick auf die skizzierten Probleme des Unterrichts (siehe Kapitel 1.1) bietet dieser literacy-based approach zahlreiche Lösungsansätze: • Literale Förderung: Literale Förderung ist das übergeordnete Ziel dieses Ansatzes. Literalität soll sowohl im Schriftlichen als auch im Mündlichen geschult werden. Das didaktische Interesse gilt also nicht nur dem Lesen und Schreiben, sondern auch dem mündlichen Gebrauch von 242 Situated practice wäre im Modell von Cummins den basic interpersonal communicative skills zuzuordnen, während sich die drei anderen curricularen Komponenten auf die Förderung literaler Kompetenzen im akademischen Kontext beziehen. 243 Kern (2000) fordert eine kritisch-reflektierende Haltung der Lehrenden in Bezug auf ihre Rollen, die sie im Unterricht spielen. Ihr Rollenverständnis zeigt sich seiner Auffassung nach vor allem in der Art und Weise, wie sie Fragen stellen bzw. beantworten, wie sie Themen aufwerfen, auf Vorschläge der Lernenden reagieren bzw. wie sie Interaktionsprozesse anregen und gestalten. 169 schriftsprachlich geprägter Sprache. Im Zentrum steht die Schulung der Fähigkeit des Interpretierens, Analysierens, Reflektierens und Evaluierens von Texten im jeweiligen soziokulturellen Kontext. • Aktives Sprachhandeln: Der aktive Gebrauch von Sprache im „Hier und Jetzt” des Unterrichts ist ein Grundprinzip dieses Ansatzes; Bedeutungen sollen von den Lernenden immer im jeweiligen soziokulturellen Kontext konstruiert und erprobt werden. • Individuelle Wissenskonstruktion: Wissen soll von den Lernenden aktiv aufgebaut und mit dem vorhandenen Wissen in Beziehung gesetzt werden. Texte spielen dabei eine besondere Rolle; sie sollen nicht nur gelesen werden, um Fakten zu gewinnen, sondern um daran eigene Interpretationen, Fragen und Zielsetzungen zu entwickeln (vgl. Kern 2000, 29). • Koordiniertes Sprach- und Sachlernen: Bedeutungskonstruktionen im Rahmen literaler Handlungen erfordern nach Kern (2000) einen Rückgriff auf Sprache und Inhalte. Er plädiert daher dafür, das Sprachlernen mit dem Sachlernen eng zu verknüpfen. Dabei bezieht er sich jedoch nur auf den Kontext des Studiums und nicht auf die Schule. Sowohl die Prinzipien als auch die Verfahren dieses Ansatzes sind für die schulische Förderung von Textkompetenz in mehrsprachigen Klassen von Interesse. Modifizierungen und Adaptierungen sind jedoch aus verschiedenen Gründen notwendig: • Der literacy-based approach von Kern ist auf den akademischen Kontext und auf das Lernen einer Fremdsprache und nicht auf den schulischen Kontext des Lernens in einer Zweitsprache ausgerichtet. Die didaktischen Verfahren setzen daher auf einem Kenntnis- und Kompetenzniveau an, auf dem sich Zweitsprachenlernende in der Schule noch nicht befinden. • Der literacy-based approach ist für Studierende gedacht, die über eine gut entwickelte Textkompetenz in ihrer Erstsprache verfügen. Auf Zweitsprachenlernende, die über keine gut entwickelte Textkompetenz in ihrer Erstsprache verfügen, wie es bei Migrantenkindern vielfach der Fall ist, ist dieser Ansatz nicht ausgerichtet. Das besondere Verdienst dieses Ansatzes besteht darin, einen soziokulturell ausgerichteten Begriff der Literalität ins Zentrum didaktischer Fragestellungen zu stellen und konkrete Verfahren für den Unterricht anzubieten, die auf die Förderung der literalen Fähigkeiten der Lernenden abzielen. 170 1.2.6 Der Aufgabenorientierte Unterricht Aufgaben gehören zu den wichtigsten Instrumenten der Steuerung von Lernprozessen im Unterricht (vgl. Portmann-Tselikas 2006b). Aufgaben haben daher in den letzten Jahren in der Fremdsprachendidaktik stark an Bedeutung gewonnen. Mit dem task based approach wurde ein didaktischer Ansatz entwickelt, in dem Aufgaben im Zentrum der Lernaktivitäten im Unterricht stehen (vgl. Nunan 1989; Crookes/ Gass 1993; Legutke/ Thomas 1991). Das Ziel dieses Ansatzes besteht darin, intensive Prozesse des Sprachlernens im Unterricht anzuregen, die sprachlerntheoretisch legitimiert werden können (vgl. Krenn 2000; vgl. Häuptle-Barceló 2001, 228). Beim Aufgabenorientierten Unterricht handelt es sich weniger um ein geschlossenes didaktisches Konzept als um ein Konglomerat aus verschiedenen Ansätzen, die auf ähnlichen Grundlagen beruhen. Ihr gemeinsamer Bezugspunkt besteht darin, that individuals acquire a foreign language through the process of interacting, negotiating, and conveying meanings in the language in purposeful situations. Thus a task, in this sense, is seen as a forum within which such meaningful interaction between two or more participants can take place. (Williams/ Burden 1997, 169) Die im Aufgabenorientierten Unterricht bevorzugten Arbeitsformen erfordern vielfältige und komplexe Lernaktivitäten und stehen in Zusammenhang mit Prinzipien wie „Lernerorientierung”, „Lernerautonomie” und „selbstgesteuertes Lernen” (vgl. Portmann-Tselikas 2006b). Ein Grundprinzip des Aufgabenorientierten Unterrichts ist Signifikanz (vgl. Krenn 2002, 77). Aufgaben, die den Lernenden als signifikant, d.h. als persönlich bedeutsam erscheinen, ermöglichen es, Lernende ins Unterrichtsgeschehen zu involvieren und zum aktiven Sprachhandeln zu bewegen. Eine gezielte Förderung der Textkompetenz von Zweitsprachenlernenden zählt bislang nicht zu den vordergründigen Zielen des Aufgabenorientierten Unterrichts. Dennoch bietet dieser Ansatz im Hinblick auf die genannten Problemfelder in mehrsprachigen Klassen (siehe Kapitel 1.1) vielversprechende Lösungsansätze: • Literale Förderung: Konzepte des Aufgabenorientierten Unterrichts sind meist fokussiert auf einzelne Fertigkeitsbereiche (z.B. auf das Lesen). Aufgaben zur Förderung der Textkompetenz, die produktive und rezeptive Fertigkeiten integrieren und literale Fähigkeiten sowohl im Bereich des mündlichen als auch des schriftlichen Gebrauchs einer schriftsprachlich geprägten Sprache schulen, sind nur vereinzelt vorhanden. • Aktives Sprachhandeln: Die im Aufgabenorientierten Unterricht vorgeschlagenen Aufgaben sind auf authentische, in der Situation des Unterrichts verankerte Kommunikationssituationen ausgerichtet (vgl. Westhoff 2006, 60). Sie regen die Lernenden dazu an, Bedeutungen interaktiv 171 auszuhandeln, eigenständige Problemlösungen im Unterricht zu entwickeln und Lernprozesse autonom zu steuern und zu gestalten. • Individuelle Wissenskonstruktion: Eine autonome, aktive Konstruktion von Wissen liegt durchaus im Interesse dieses Ansatzes; so sind etwa die Möglichkeiten der Bearbeitung einer Aufgabe zwar vorgezeichnet, aber nicht bis ins letzte Detail festgelegt, die Lernerprodukte sind grob umrissen, aber nicht vorab definiert. Daraus ergibt sich für die Lernenden ein Freiraum, eigene Problemlösungen zu entwickeln und Lernprozesse individuell zu gestalten. • Koordiniertes Sprach- und Sachlernen: Mit dem Aufgabenorientierten Unterricht soll primär das sprachliche Lernen gefördert werden. Eine gezielte Integration des Sprach- und Sachlernens zählt nicht zu den vordergründigen Zielsetzungen. Aus den verschiedenen Ansätzen des Aufgabenorientierten Unterrichts werden im Folgenden einige Kriterien herausgearbeitet, die sowohl für die Konzeption als auch für die Beurteilung von Aufgaben im Unterricht herangezogen werden können. Am Beispiel von Unterrichtsbeobachtungen, die in mehrsprachigen Klassen durchgeführt wurden, soll exemplarisch gezeigt werden, wie diese Kriterien als Planungs- und Reflexionsinstrument im Unterricht genützt werden können. 1. Die Aufgabe ist verständlich formuliert. Die Aufgabe muss sprachlich korrekt, kohärent und explizit sein, um keine sprachlichen Verständnishürden aufzubauen. 2. Die Aufgabe ist klar definiert. Nur wenn die Lernenden verstehen, wie eine Aufgabe gemeint ist und welche Anforderungen damit verbunden sind, können sie diese gezielt bearbeiten. 3. Die Zielsetzung der Aufgabe ist transparent. Nur wenn die Lernenden über die Zielsetzung einer Aufgabe genau Bescheid wissen, können sie sich orientieren und die nötigen Schritte setzen, um dieses Ziel zu erreichen. 4. Die Aufgabe erlaubt unterschiedliche Lernresultate. Wenn Lernende die Möglichkeit haben, Lernergebnisse selbständig zu zu verantworten, sind sie meist besser motiviert, ein gutes Ergebnis zustande zu bringen. 5. Die Aufgabe bietet Wahlmöglichkeiten. Wahlmöglichkeiten in Bezug auf die Auswahl und die Bearbeitung einer Aufgabe ermöglichen es den Lernenden, eigene Interessen, Fähigkeiten und Kompetenzen einzubringen. 6. Die Aufgabe ist in einen realen Kontext eingebettet. 172 Eine Aufgabe gewinnt an Relevanz, wenn sie eine konkrete Funktion, einen praktischen Nutzen und einen realen Adressaten hat. 244 7. Das Lernresultat ist für andere sichtbar. Die Motivation, ein gutes Lernergebnis zustande zu bringen, steigt, wenn das Ergebnis öffentlich und für andere zugänglich und bewertbar ist. 245 8. Die Aufgabe ist mit anderen Aufgaben verknüpft. Wenn das Produkt einer Aufgabe als Basis einer weiteren Aufgabe verwendet wird, können größere Lernzusammenhänge erkannt werden. Eine Orientierung an diesen Kriterien ist vielfach bereits mit geringfügigen Veränderungen einer Aufgabenstellung zu erreichen. Dazu ein Beispiel: Bei der Aufgabe „Lest diesen Text” ist nicht klar, worin die Funktion und das Ziel dieser Aufgabe besteht. Warum, für wen und zu welchem Zweck soll der Text gelesen werden? Wenn die Aufgabe hingegen lauten würde: „Sucht gemeinsam eine Überschrift für diesen Text”, wäre das Ziel dieser Aufgabe klar, das Ergebnis könnte von den Lernenden selbst bestimmt und die Strategien bei der Bearbeitung der Aufgabe selbst gewählt werden. Wenn die Aufgabe lauten würde „Schreibt eine Zusammenfassung dieses Textes für eure MitschülerInnen, die diesen Text nicht kennen”, 246 hätte diese Aufgabe nicht nur eine erkennbare Zielsetzung und Funktion, sondern würde auch Wahlmöglichkeiten bei der Bearbeitung sowie verschiedene Lernresultate erlauben und das Lernergebnis wäre für andere zugänglich. Im Folgenden werden einige Unterrichtsbeobachtungen anhand dieser Kriterien reflektiert und bewertet. 247 Das erste Beispiel stammt aus einer Unterrichtsstunde im Fach Geschichte, beobachtet in einer mehrsprachigen Klasse einer Hauptschule (6. Schulstufe): Unterrichtsbeispiel 1 (Beginn) Die SchülerInnen arbeiten in Gruppen und sollen sich aus mehreren Texten zum Themenbereich „Olympische Spiele” einen Text aus dem Schulbuch aussuchen. Sie haben die Aufgabe, den Text zu lesen und nach der Lektüre die wichtigsten 244 Auch die MitschülerInnen in der Klasse können als AdressatInnen eines Textes fungieren: Ihr Feedback kann ein positiver Beitrag zu einer lebendigen Diskussionskultur in der Klasse sein und ihre Fähigkeit schärfen, Lernprodukte kritisch zu bewerten und Kritik auch positiv zu formulieren. 245 Von den ReformpädagogInnen der 30er Jahre stammt die Idee, gemeinsam Gegenstände (z.B. Bücher) im Unterricht zu erarbeiten. Dieser Ansatz ist modernen Formen der Projektarbeit ähnlich. 246 Jede Gruppe erhält andere Texte. 247 Diese Unterrichtshospitationen fanden zwischen 2002 und 2004 in verschiedenen Schulen in Graz (Österreich) statt. Die Beobachtungen in bilingualen Klassen sollen dazu dienen, herauszufinden, inwieweit die zugrunde liegenden Unterrichtsmodelle auch für mehrsprachige Klassen relevant sind bzw. der Lernsituation und den Voraussetzungen der SchülerInnen entsprechend adaptiert werden könnten. 173 Informationen zu unterstreichen. Danach sollen sie sich gegenseitig über den Inhalt des Textes informieren. Die meisten SchülerInnen arbeiten nur kurz an dieser Aufgabe, viele beginnen sich bald anderen Dingen zuzuwenden. Manche schlagen das Buch erst gar nicht auf, andere lesen den Text, bearbeiten ihn jedoch nicht. Einige beginnen den Text zu unterstreichen, die Aufmerksamkeit lässt aber bei vielen schon nach kurzer Zeit nach. Die geringe Motivation der SchülerInnen, sich mit dieser Aufgabe auseinander zu setzen, dürfte zunächst an der fehlenden Signifikanz dieser Aufgabe liegen: Anderen Informationen zu geben, über die sie bereits verfügen, macht wenig Sinn. Eine Alternative zu dieser Aufgabe wäre: Man gibt den verschiedenen Gruppen jeweils andere Texte zum selben Thema und fordert die SchülerInnen dazu auf, relevante Textpassagen zu unterstreichen, sich in der Gruppe auf gemeinsame Unterstreichungen zu einigen und schließlich gemeinsam eine Zusammenfassung für eine andere Gruppe zu schreiben, die den wiedergegebenen Text nicht kennt. Auf diese Weise könnten die Lernergebnisse selbst festgelegt werden; es wären ein realer Kontext und ein konkreter Adressatenbezug sowie eine Verknüpfung mehrerer Aufgaben im Sinne der zuvor genannten Kriterien gegeben. Die Zusammenfassungen der Lernenden könnten in Form einer Wandzeitung, eines Plakats oder auf einer Homepage veröffentlicht werden; damit wäre auch das Kriterium der Sichtbarmachung von Lernergebnissen erfüllt. Unterrichtsbeispiel 1 (Fortsetzung) Im Laufe der weiteren Unterrichtsstunde werden die SchülerInnen dazu aufgefordert, die wichtigsten Informationen aus dem Text zu notieren. Anschließend soll je ein Schüler/ eine Schülerin in eine andere Gruppe gehen und dort über den Inhalt des gelesenen Textes berichten. Einige SchülerInnen lesen die Stichwörter, die sie sich notiert haben, mehrmals durch, bevor sie die Gruppe wechseln. Beim mündlichen Wiedergeben der Texte sind jedoch nur wenige SchülerInnen in der Lage, sich den anderen gegenüber verständlich auszudrücken. Während die einen ihre Notizen einfach vorlesen, versuchen andere, frei zu sprechen, verlieren dabei aber dabei ständig den Faden. Einige stützen sich auf ihre Notizen, nur wenigen gelingt es, den Redefluss aufrecht zu erhalten. Die meisten beginnen immer wieder von vorne oder geben irgendwann auf. Andere weigern sich von vorneherein, sich auf diese Aufgabe einzulassen - die Anstrengung, die sie erwarten, ist ihnen sichtlich zu groß. Es gab jedoch auch Situationen in dieser Unterrichtsstunde, die zu positiven Lerneffekten im Rahmen der Bearbeitung dieser Aufgabe führten, etwa, als den SchülerInnen plötzlich bewusst wurde, dass sie nun die ExpertInnen sind, die über ein Wissen verfügen, das die anderen in der Klasse nicht haben. So wurde beispielsweise in einer Gruppe gefragt, ob auch Frauen früher bei den Olympischen Spielen zuschauen durften. Der Schüler, an den diese Frage gerichtet war, konnte diese Frage nicht beant- 174 worten, nahm seinen Text jedoch unverzüglich zur Hand und suchte ihn nach den entsprechenden Informationen ab. Als er sie schließlich fand und eine Antwort auf die Frage geben konnte, war er sichtlich stolz. 248 Situationen, in denen die SchülerInnen zu ExpertInnen werden, zählen zu jenen Momenten im Unterricht, die auf besondere Weise lernwirksam sind. Dazu ein weiteres Beispiel aus derselben Klasse: Unterrichtsbeispiel 2 In der Klasse wird das Thema „Schrift” besprochen. Die Lehrerin führt das Thema ein, indem sie ein Gespräch mit ihren SchülerInnen beginnt. Sie fragt, ob sie wissen, was ein Alphabet ist, wie viele Buchstaben es hat, welche Alphabete sie kennen und in welchen Unterrichtsfächern Alphabete verwendet werden. Die SchülerInnen dieser Klasse, die im Unterricht meist sehr unruhig und unkonzentriert sind, beteiligen sich plötzlich mit großem Interesse. Nachdem die Lehrerin einige Buchstaben aus dem griechischen Alphabet mit ihnen besprochen hat, fragt sie die SchülerInnen, ob sie auch noch andere Buchstaben kennen. Daraufhin meldet sich ein bosnischsprachiger Schüler und schreibt einige Buchstaben aus dem kyrillischen Alphabet auf. Auf die Frage einer Mitschülerin, wie man das ausspricht, demonstriert er, wie die Buchstaben ausgesprochen werden. Daraufhin meldet sich ein albanischer Schüler: Auch er schreibt einige Buchstaben aus seiner Muttersprache an die Tafel und spricht sie den anderen laut vor. Die Stunde endet damit, dass die Lehrerin mit den SchülerInnen vereinbart, dass sie in der nächsten Stunde Bücher in ihrer jeweiligen Mutterprache mitbringen, aus denen sie den anderen vorlesen. Auch in dieser Stunde hat sich das Verhalten der SchülerInnen in jenem Moment ganz plötzlich verändert, als ihnen bewusst wurde, dass sie nun diejenigen sind, die den anderen etwas sagen können, was diese noch nicht wissen. Die anderen sind von diesem Moment an den Ausführungen ihrer MitschülerInnen aufmerksam gefolgt. Die folgende Unterrichtsstunde wurde im Englischunterricht in einem bilingualen Gymnasium (5. Schulstufe) beobachtet. Es geht um zwei Paare, die die Aufgabe hatten, Überschriften für Texte zu finden: 249 Unterrichtsbeispiel 3 In beiden Gruppen überlegen die Schülerinnen zunächst, wie sie an diese Aufgabe herangehen könnten. Das erste Paar entscheidet sich für eine Aufteilung der Texte und bestimmt, dass jede von ihnen drei Texte liest und dann der anderen erzählt, worum es in diesen Texten geht. Die Schülerinnen vereinbaren, einander zu fragen, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Jede Schülerin soll sich Überschriften zu ihren Texten überlegen; die andere darf Einwände formulieren; aufgenommen werden immer nur von beiden akzeptierte Lösungen. Jeder Vorschlag muss begründet werden. („Wenn eine einen Vorschlag für eine Überschrift hat, dann sagt sie der anderen, warum sie glaubt, dass das ein guter Vorschlag ist! ”) Die Schülerinnen arbeiten konzentriert und halten sich konse- 248 Der Lerneffekt, der sich in dieser Situation ergab, bestand auch darin, dass der Schüler den Text noch einmal gelesen und dadurch ein weiteres Mal durchgearbeitet hat. 249 Die Texte waren 10-15 Zeilen lang und behandelten dasselbe Thema. 175 quent an die anfangs getroffene Vereinbarung: Sie machen einander Vorschläge und begründen, diskutieren und verbessern diese solange, bis sie von beiden für gut befunden werden. Das zweite Paar geht anders vor: Die beiden Schülerinnen entscheiden sich dafür, dieselben Texte zu lesen und einander alternierend Formulierungsvorschläge zu machen. Auch sie vereinbaren, alle Vorschläge solange zu diskutieren, bis sie von beiden akzeptiert sind. Die Arbeit an dieser Aufgabe war in beiden Gruppen durch rege sprach- und inhaltsgerichtete Aktivitäten gekennzeichnet. Die Schülerinnen haben ihr Textverständnis gegenseitig überprüft und ihre Formulierungsvorschläge reflektiert und verändert. In beiden Gruppen schien es für die Schülerinnen motivierend, sich mit ihren Lernpartnerinnen auszutauschen und gemeinsam Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Solche Aufgaben erfüllen die eingangs genannten Kriterien insoferne, als die Funktion und das Ziel der Aufgabe klar definiert waren und Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Lernergebnisses bestanden. Möglichkeiten einer Optimierung bestehen im Hinblick auf eine Veröffentlichung der Lernergebnisse, einer Einbettung in reale Kontexte und einer Verknüpfung mit weiteren Aufgaben. Die in diesem Kapitel überblicksartig skizzierten didaktischen Konzepte sind für eine Förderung der Textkompetenz im Unterricht von unterschiedlicher Relevanz. Die Analyse vor dem Hintergrund der eingangs skizzierten Probleme in mehrsprachigen Klasse (Kapitel 1.1) hat gezeigt, dass keines dieser Konzepte als Gesamtlösung geeignet ist - sie sind allesamt nicht darauf ausgerichtet, die Textkompetenz der Lernenden als ein Instrument des schulischen Lernens in der Zweitsprache gezielt zu fördern. Dennoch enthalten sie einige geeignete Ansätze, die in modifizierter Form für diese Zielsetzung genutzt werden können. 176 2 Ziele der Literalen Didaktik Die Literale Didaktik setzt an skizzierten Problemen des Unterrichts in mehrsprachigen Klassen an (Kap. 1.1) und versucht dafür eine umfassende Lösung anzubieten. Im Folgenden werden die Zielsetzungen 250 der Literalen Didaktik präsentiert, in denen sowohl relevante didaktische Ansätze (Kap. 1.2) als auch die im ersten Teil dieser Arbeit dargelegten theoretischen Grundlagen berücksichtigt werden. 2.1 Literale Förderung Literale Förderung ist die übergeordnete Zielsetzung der Literalen Didaktik. Die SchülerInnen sollen dazu befähigt werden, sich in der Welt der Texte zu orientieren und Texte lesen, verstehen, schreiben und als ein Instrument des Lernens nutzen zu können. Die Literale Didaktik setzt an der Basis der Verstehens- und Schreibarbeit an - es sollen grundlegende Strategien und Praktiken im Umgang mit Texten geschult werden, die unabhängig von der Komplexität der Texte, den textsortenspezifischen Merkmalen und den Inhalten der Texte beherrscht werden müssen, um anhand von Texten kommunizieren und lernen zu können. Das Ziel der Literalen Didaktik besteht nicht darin, Texte zu vereinfachen, sondern sie für Lernende erfassbar und als ein Instrument des Lernens nutzbar zu machen. Der Ausgangspunkt ist dabei nicht nur das, was die Lernenden im Umgang mit Texten können sollen, sondern auch das, was sie können. Es wird also nicht einfach vorausgesetzt, dass die Lernenden die für den schulischen Wissenserwerb in der Zweitsprache erforderliche Textkompetenz bereits mitbringen - die Literale Didaktik setzt an der vorhandenen Textkompetenz der Lernenden an und versucht sie im Rahmen individueller Lernmöglichkeiten zu erweitern. Vor dem Hintergrund dieser übergeordneten Zielsetzung werden für den schulischen Lernkontext 251 spezifische Lehr- und Lernziele ins Auge gefasst. Die Schülerinnen und Schüler sollen dazu befähigt werden, • sich im Symbolfeld des Unterrichts zu orientieren, d.h. fachspezifische Informationen im Kontext rein verbal konstituierter Zusammenhänge verstehen und selbst schriftlich und mündlich kohärent darstellen zu können; • sich am literalen Diskurs in der Klasse zu beteiligen, d.h. soziokulturell geprägte literale Praktiken zu verstehen und verwenden zu können; 250 Die Ziele der Literalen Didaktik wurden bereits in Schmölzer-Eibinger (2007) in Grundzügen skizziert. 251 Grundlagen dazu siehe auch Teil I, Kap. 1. 177 • eine schriftsprachlich geprägte Sprache in unterschiedlichen Sprachhandlungssituationen zu verwenden, d.h. mit einer textgeprägten Sprache sowohl im Mündlichen als auch im Schriftlichen umgehen zu können; • fachsprachliche Texte zu verstehen und wiederzugeben, d.h. über vielfältige Strategien des Verstehens und Reproduzierens von komplexen Texten zu verfügen; • strukturierte, zusammenhängende Texte zu schreiben, d.h., über Kenntnisse der Herstellung von Textkohärenz und der Textstrukturierung zu verfügen; • das schulisch vermittelte Wissen mit dem eigenen Vorwissen zu verknüpfen, d.h. Informationen nicht bloß reproduzieren, sondern auch mit den eigenen Kenntnissen zu einem Thema verknüpfen zu können; • Texte für das weitere Denken und Lernen zu nutzen, d.h. Texte vor dem Hintergrund eigener Fragestellungen zu rezipieren, zu interpretieren, zu bewerten und mit anderen Texten in Beziehung setzen zu können. Ausgehend von den im ersten Teil dieser Arbeit skizzierten Stadien der literalen Entwicklung (siehe Teil I, Kap. 8) und den Indikatoren für Textkompetenz (siehe Teil I, Kap. 9) ist es darüber hinaus relevant, die Lernenden beim Lesen, Schreiben bzw. Überarbeiten von Texten sukzessive an höherstufige Niveaus ihrer Textkompetenz heranzuführen, d.h. sie dazu zu befähigen, • Texte aus verschiedenen Perspektiven und anhand unterschiedlicher Lese- und Schreibstrategien zu bearbeiten und zu gestalten (Perspektivenwechsel und Strategienvielfalt, siehe Teil I, Kap. 9.1); • Wortbedeutungen und Sinnstrukturen im jeweiligen Kontext zu verstehen und beim Schreiben eigener Texte zu konstruieren (Bedeutungskonstruktion im Kontext, siehe Teil I, Kap. 9.2); • relevante Informationen in einem Text zu erkennen, mit anderen Informationen zu verknüpfen und beim Schreiben eigener Texte ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken (Fokussierung von Kernthemen, siehe Teil I, Kap. 9.3); • ein Thema in einem Text nachvollziehbar zu entwickeln und sprachliche Elemente so zu verknüpfen, dass satzübergreifende Sinnzusammenhänge konstruiert werden können (Themenentfaltung und Textkohärenz, siehe Teil I, Kap. 9.4); • Texte sowohl als Schreibprodukte als auch in Bezug auf den Entstehungsprozess zu reflektieren, zu bewerten und zu verbessern (Veränderungen am Text, siehe Teil I, Kap. 9.5); • Gedanken und Informationen auf sprachlich differenzierte und variantenreiche Weise darzustellen (Sprachliche Variation, siehe Teil I, Kap. 9.6). 178 Durch die Förderung dieser grundlegenden literalen Fähigkeiten sollen jene kognitiven Prozesse angeregt und intensiviert werden, die in fachunterrichtlichen Zusammenhängen von besonderer Relevanz sind (siehe Teil I, Kap. 5); das sind etwa das Hypothesenbilden und -testen, das Selektieren, Fokussieren, Abstrahieren und Reorganisieren von Informationen sowie das Erkennen und Herstellen von Textkohärenz. Lernende sollen daher in ihrer Fähigkeit gefördert werden, • Textelemente zu rekonstruieren, zu tilgen, zu ergänzen, neu zu kombinieren bzw. zu erweitern; • relevante Informationen zu erkennen, mit anderen Informationen zu verknüpfen und logisch-schlüssig darzustellen; • komplexe Sinnstrukturen in einem Text zu verstehen und in eigenen Texten aufzubauen; • metasprachliche und metakognitive Aktivitäten zu entwickeln und sowohl Texte als auch Textproduktionsprozesse kritisch zu reflektieren. Prozesse des Lesens, Verstehens und Produzierens von Texten werden in den Aufgaben und Verfahren der Literalen Didaktik systematisch aufeinander bezogen und integriert. 252 Es geht also nicht nur darum, Texte zu lesen und zu schreiben, sondern auch über Texte mündlich zu kommunizieren und Textinhalte in eigenen Worten zusammenhängend und verständlich wiederzugeben. Dadurch soll ein flexibles „Pendeln” zwischen mündlich und schriftlich geprägten Sprachgebrauchsweisen geschult werden, um mehr Sicherheit im Bereich jenes Übergangs zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit zu erlangen, der Lernenden mit geringer Textkompetenz oft große Probleme bereitet. Ausgehend von diesen Zielsetzungen werden aus der Schreibdidaktik jene Verfahren aufgegriffen, die darauf angelegt sind, produktorientiertes mit prozessorientiertem Schreiben zu verknüpfen und die es erlauben, individuelle Voraussetzungen der Lernenden zu berücksichtigen und soziokulturelle Kontexte miteinzubeziehen (siehe Teil II, Kap. 3.6). Kooperative Schreibaufgaben werden herangezogen, um die spontanen Ideen, Assoziationen und Gedanken sowie die vorhandenen sprachlichen und themenbezogenen Kenntnisse und Kompetenzen der Lernenden zu aktivieren, in der gemeinsamen Arbeit am Text zu bündeln und weiter zu entwickeln sowie Prozesse des Hypothesenbildens, des Fokussierens und des Vergleichens von Informationen anzuregen bzw. zu intensivieren. Das gemeinsame Schreiben wird somit nicht nur als ein Mittel der Reproduktion, sondern auch als ein Instrument der Generierung von Wissen eingesetzt. Aus dem „literacy-based approach” von Kern (2000) werden vor allem jene Verfah- 252 In traditionellen Fremdsprachencurricula werden die Fähigkeiten des Lesens, Schreibens und Sprechens meist als getrennte Fertigkeiten betrachtet und dementsprechend linear und sequentiell geschult (vgl. Kern 2000, 130 f.). 179 ren aufgegriffen, die den Aspekt der Konstruktion und der Transformation von Bedeutungen fokussieren und die Reflexion auf Sprache und Sprachgebrauch in den Mittelpunkt der Lernaktivitäten stellen. 2.2 Aktives Sprachhandeln Mit den Aufgaben der Literalen Didaktik soll ein aktives sprachliches Handeln angeregt werden. Die Lernenden sollen eigenständige Problemlösungen durch Rückgriffe auf vorhandene Kenntnisse und Kompetenzen entwickeln. 253 Durch aktives sprachliches Handeln wird den Lernenden die Differenz zwischen dem, was sie sagen möchten und dem, was sie sagen können, vielfach von selber bewusst. „Output promotes noticing” - die Wahrnehmung dieser Kluft ist eine starke Triebfeder des Spracherwerbs (Swain 1998, 66 ff.): 254 By noticing the gaps between their own and others’ interpretations of texts, by noticing the gaps between their own and others’ writing on a given topic, language students learn to become more aware of the linguistic, rhetorical, and cognitive options available to them as readers and writers. (Kern 2000, 61) In didaktischen Vorgangsweisen, die sich an der Output-Hypothese orientieren, ist der aktuelle Wissens- und Könnensstand der Lernenden Ausgangspunkt der sprachlichen Aktivitäten. Aktives Sprachhandeln wirkt sich positiv auf die Leistungen der Lernenden im Bereich des Verstehens und der Sprachproduktion aus (vgl. Chaudron 1988, 99; Swain 1998, 69), es führt aber auch zu positiven Effekten auf das Sachlernen - Bedeutungen werden im Prozess des sprachlichen Handelns von den Lernenden aktiv konstruiert und Verstehensprobleme müssen ad hoc gelöst werden. Dabei müssen sie auch ihre vorhandenen Sachkenntnisse mobilisieren und es treten auch hier möglicherweise Wissenslücken zutage. Durch aktives 253 Um den Lernenden genügend Raum für aktives sprachliches Handeln zu geben, sollen Lehrende so weit als möglich aus dem Unterrichtsgeschehen zurücktreten und den Lernprozess eher moderieren und begleiten als bis ins letzte Detail planen und steuern. 254 Die Output-Hypothese von Swain beruht auf der Einsicht, dass Input in naturalistischen Lernumgebungen oft nicht ausreicht, um eine differenzierte grammatische Kompetenz zu entwickeln. Erst wenn Lernende den Input bewusst wahrnehmen, werden Lernprozesse in Gang gesetzt, die es ermöglichen, komplexe zielsprachliche Formen auszubilden (vgl. Schulz 2006, 14). Swain (1995, 128) nennt in diesem Zusammenhang drei relevante Funktionen für die Sprachproduktion: 1. noticing/ triggering: durch die eigene Sprachproduktion werden die Lernenden auf Probleme und Defizite aufmerksam; 2. hypothesis-testing: Lernende erproben und testen eigene Sprachkenntnisse; 3. metalinguistic awareness: die Sprachproduktion regt zu metasprachlichen Aktivitäten, zur Reflexion und Analyse an (vgl. Schulz 2006, 16). Von der spracherwerbsrelevanten Bedeutung des Bemerkens einer Lücke („noticing the gap”) ist bereits bei Schmidt (1990) die Rede. 180 Sprachhandeln können daher sowohl sprachliche als auch inhaltliche Wissenslücken von den Lernenden erkannt und bearbeitet werden. Die Bedeutung des aktiven Sprachhandelns für das Sprachlernen wird sowohl im Aufgabenorientierten Unterricht als auch in der Konstruktivistischen Didaktik, ebenso im literacy-based approach (Kern 2000) und in der prozessorientierten Schreibdidaktik betont. Aus der Schreibdidaktik werden in diesem Zusammenhang vor allem jene Verfahren aufgegriffen, die den Aspekt des aktiven Sprachhandelns im Prozess des kooperativen Schreibens betonen. Die Lernenden müssen sich bei der Lösung dieser Aufgaben intensiv mit dem sprachlichen Input anderer befassen sowie verständlichen Output produzieren, d.h. sie müssen einander ihre Schreibideen mitteilen und diese begründen und diskutieren, bevor sie sie zu Papier bringen. Sie sind dabei gefordert, über die Formulierungsvorschläge der anderen nachzudenken, diese zu überprüfen und zu bewerten und selbst Alternativen zu finden. Kooperatives Schreiben ist daher auf besondere Weise dazu geeignet, Lernende zum aktiven Sprachhandeln anzuregen (vgl. Tynjälä/ Mason/ Lonka 2001, 12). Die Förderung des aktiven, auf die Situation des Unterrichts bezogenen sprachlichen Handelns ist in der Literalen Didaktik eine zentrale Zielsetzung - die Lernenden sollen mit jeder Aufgabenstellung gefordert werden, die Zweitsprache aktiv, situations- und kontextadäquat zu verwenden. Sie sollen die Probleme, die durch die Aufgabenstellungen aufgeworfen werden, selbständig und mit Rückgriff auf vorhandene Sprach- und Sachkenntnisse sowie auf den erhaltenen Input lösen, Bedeutungen interaktiv aushandeln und Strategien im Umgang mit Texten autonom entwickeln und einsetzen. 255 2.3 Individuelle Wissenskonstruktion Jede Form des Wissenserwerbs beruht auf Prozessen der aktiven, individuellen Konstruktion von Wissen, in dem das vorhandene Wissen der Lernenden mit neuem Wissen verknüpft wird (vgl. Müller 1996a, 51, 62). Mit den Aufgaben der Literalen Didaktik sollen die Lernenden dazu angeregt werden, das im Unterricht erhaltene Wissen nicht bloß zu reproduzieren, sondern im Rahmen kreativer und selbst verantworteter Lernprozesse aufzubauen. Die Aufgaben sind daher so angelegt, dass die Lernenden das 255 Studien in mehrsprachigen Klassen haben gezeigt, dass es unterschiedliche kulturelle Erwartungen in Bezug auf die aktive Beteiligung im Unterricht gibt: So hat es sich etwa gezeigt, dass z.B. Afrikaner oder Hispanics dazu tendieren, im Unterricht weniger direkt die Initiative zu ergreifen als andere ethnische Gruppen (vgl. Chaudron 1988, 105). Diese kulturspezifischen Verhaltensweisen sind im Unterricht zu berücksichtigen; sie können ein Grund dafür sein, warum der Raum, der den Lernenden zur Verfügung gestellt wird, nicht in der erwarteten Weise von ihnen genützt wird. 181 aus den Texten gewonnene Wissen nicht bloß wiedergeben, sondern subjektiv bewerten, interpretieren, selektieren und mit den bereits vorhandenen Erfahrungen und Kenntnissen zum jeweiligen Thema verknüpfen müssen. Auf diese Weise werden sie dazu angeregt, selbst jenes Wissen zu mobilisieren, das sie brauchen, um Inhalte selbständig zu erschließen und zu verarbeiten. Sie sollen eigenständige Problemlösungen entwickeln und effiziente Strategien im Umgang mit Texten selbst erkennen und gezielt einsetzen. Auf diese Weise sollen flexible Wissensstrukturen aufgebaut werden, die in verschiedenen Lernkontexten verfügbar sind. Aufgaben, die die individuelle Konstruktion von Wissen im Unterricht fördern, sind sowohl in prozessorientierten Ansätzen der Schreibdidaktik als auch in der Konstruktivistischen Didaktik und im literacy-based approach (Kern 2000) zu finden. In der Literalen Didaktik werden vor allem jene Verfahren berücksichtigt, die die Rolle der aktiven Bedeutungskonstruktion, der Transformation von Wissen und die kritische Reflexion von Sprache und Sprachgebrauch in der Arbeit an Texten betonen. Ausgehend davon, dass das vorhandene Wissen der Lernenden ein wesentliches Fundament der Aufnahme und Verarbeitung von neuem Wissen darstellt, wird der Aktivierung des Lernerwissens in der Literalen Didaktik eine besondere Rolle zugesprochen. Die Lernenden sollen dazu angeregt werden, ihr vorhandenes Wissen zu einem Thema aufzurufen, ihre persönlichen Erfahrungen, Kenntnisse und Emotionen in den Lernprozess einfließen zu lassen und das im Unterricht vermittelte Wissen mit den eigenen Kenntnissen und Erfahrungen zu verknüpfen. 2.4 Integrierter Sprach- und Wissenserwerb In den letzten Jahren wurden zahlreiche Modelle eines sprach- und inhaltsintegrierten Fremdsprachenlernens entwickelt (Content and Language Integrated Learning = CLIL), 256 die darauf abzielen, die fremdsprachliche Kompetenz der Lernenden durch die Verwendung einer Fremdsprache als Arbeitssprache in den Sachfächern zu erweitern. 257 Viel Input in der 256 Das ist die derzeit gebräuchlichste Bezeichnung für sprach- und inhaltsintegrierende Lernkonzepte in der Fremdsprachendidaktik, als Synonym kann zum Beispiel der Begriff Content-Based Language Teaching verwendet werden. 257 Die Situation der Immersion ist dadurch gekennzeichnet, dass Lernende in die Fremdsprache wie in ein Sprachbad „eintauchen”. Die LehrerInnen beherrschen die Erstsprache der Lernenden und die im Unterricht verwendete Fremdsprache. Lernende, die solche Modelle durchlaufen, erreichen rezeptiv meist fast ein muttersprachliches Niveau, im Bereich der produktiven Sprachfähigkeiten bestehen jedoch häufig Defizite in Bezug auf die sprachliche Präzision bzw. die Verwendung komplexerer Sprachformen (vgl. Doughty/ Williams 1998a, 7). SchülerInnen mit Migrationshintergrund sind demgegenüber gezwungen, in allen Fächern in der fremden Sprache zu lernen. Die Unterrichtenden beherrschen die Muttersprachen ihrer SchülerInnen 182 Zweitsprache ist jedoch meist noch nicht ausreichend, um die komplexen sprachlichen Anforderungen im Unterricht zu bewältigen; denn die geforderten schriftsprachlichen Kompetenzen stellen sich nicht „beiläufig” ein, sondern müssen vielmehr gezielt aufgebaut werden. In der Literalen Didaktik geht es nicht primär um die Frage, wie Inhalte als Vehikel für den Spracherwerb genutzt werden können, sondern viel eher darum, wie Lernende dabei unterstützt werden können, die Zweitsprache zur Bewältigung komplexer schriftsprachlicher Anforderungen im Unterricht zu verwenden. Von Interesse sind daher nicht nur Ansätze eines inhalts- und „input”-orientierten Fremdsprachenlernens, sondern auch Konzepte, die den Fokus auf Inhalte (focus on content) durch einen Fokus auf Sprache ergänzen. Das ist etwa der Focus-on-Form-Ansatz 258 (Doughty/ Williams 1998b), in dem Lernende durch eine bestimmte Art der Aufgabenstellung dazu angeregt werden, sich auf die Form, die Bedeutung und den Gebrauch einer Fremdsprache zu konzentrieren und dabei selbst jene Probleme zu erkennen und zu lösen, die in der Sprachproduktion auftauchen (vgl. Long/ Robinson 1998, 23). Weiters werden Aufgaben aus dem literacy-based approach (Kern 2000) und dem Aufgabenorientierten Unterricht aufgenommen, in denen die Aufmerksamkeit der Lernenden sowohl auf die Sprache als auch auf die Inhalte gelenkt wird. Aus der Schreibdidaktik werden jene didaktischen Verfahren genutzt, in denen sowohl sprachliche Präzision, Explizitheit und Kohärenz als auch der Prozess des Schreibens eine Rolle spielen. Im Folgenden soll dargelegt werden, wie die Zielsetzungen der Literalen Didaktik in konkrete Handlungsanweisungen umgesetzt werden können. Zunächst werden die didaktischen Prinzipien (Kap. 3) vorgestellt, dann das 3-Phasen-Modell (Kap. 4) und schließlich die Aufgabentypologie zur Förderung von Textkompetenz (Kap. 5). meist nicht und sind daher auch nicht in der Lage, ihre Lernprobleme immer gleich zu erkennen. Zweitsprachenlernende geraten daher nicht selten in eine Situation der Submersion, in der sie Gefahr laufen, im „Sprachbad” unterzugehen (vgl. Sarter 1991). 258 Der Begriff „Form” ist im Focus-on-Form-Ansatz weit gefasst und bezieht sich auf alle Ebenen des Sprachsystems, also auch auf Prinzipien, Normen und Konventionen des schriftsprachlichen Sprachgebrauchs (vgl. Doughty/ Williams 1998b, 212). 183 3 Prinzipien der Literalen Didaktik Die Prinzipien der Literalen Didaktik sind eine zentrale Grundlage für das 3- Phasen-Modell zur Förderung von Textkompetenz (siehe Teil II, Kap. 4) und die darauf aufbauende Aufgabentypologie (siehe Teil II, Kap. 5). 259 Es handelt sich dabei nicht um allgemeine Prinzipien im Sinne von Grundorientierungen für das didaktische Handeln im Unterricht, sondern vielmehr um spezifische Prinzipien, die für einen Unterricht in mehrsprachigen Klassen gedacht sind, der auf eine Förderung der Textkompetenz von Zweitsprachenlernenden abhebt. Grundsätzlich sind in der Planung von Unterrichtssequenzen und Aufgaben nicht nur einzelne, sondern möglichst alle der im Folgenden genannten Prinzipien zu berücksichtigen. 3.1 Integriertes Sprach- und Sachlernen Integriertes Sprach- und Sachlernen bedeutet, dass die Aufmerksamkeit der Lernenden sowohl auf der Sprache als auch auf den Inhalten liegt. Dadurch werden nicht nur die Lerngegenstände für die SchülerInnen im Unterricht leichter zugänglich, es wird auch die Zweitsprache schneller und effektiver erworben (vgl. Genesee 1994, 2). In der Schule kann ein integriertes Sprach- und Sachlernen etwa dadurch erreicht werden, dass die Beschäftigung mit einem Thema gleichzeitig in mehreren Fächern erfolgt. Auf diese Weise wird es für die SchülerInnen aus verschiedenen, fachspezifischen Perspektiven erfahrbar; die wichtigsten Inhalte und sprachlichen Mittel werden in unterschiedlichen Kontexten verwendet und dadurch mehrfach verarbeitet - und meist besser verstanden und memoriert. 260 Ein integriertes Sprach- und Sachlernen wird auch etwa durch die Bearbeitung von Sachthemen im Sprachunterricht angeregt bzw. indem im Fachunterricht eine gezielte Spracharbeit erfolgt. Dies erfordert den Einsatz von sprachlernfördernden Aufgaben bzw. Textsorten, die sonst eher nur im Sprachunterricht eingesetzt werden. So können etwa Erzählungen im 259 Diese Prinzipien wurden bereits in Schmölzer-Eibinger (2005a, b; 2007) skizziert. 260 In den Niederlanden wurden Materialien für einen sprachfächerübergreifenden Unterricht entwickelt (z.B. „TRIAS” und „Taalplan Kleuters”), in denen Themen zunächst in der Erstsprache und dann in der Zweitsprache behandelt werden. Dabei konnten deutliche Lerneffekte sowohl in Bezug auf das Lesen als auch auf die Wortschatzentwicklung festgestellt werden (vgl. Reich/ Roth 2002, 38). Auch in Österreich wurden fächerübergreifende Projekte entwickelt, in denen eine Integration des Sachlernens mit dem Sprachlernen und eine Vernetzung des Herkunftsmit dem Zweitsprachenunterricht angestrebt wurden. Eine wissenschaftliche Evaluation dieser Projekte steht bislang aus. 184 Fachunterricht dazu verwendet werden, um subjektive Perspektiven auf ein Thema einzunehmen, neue thematische Zusammenhänge aufzuzeigen bzw. zu zeigen, wie sich eine Fülle von Gedanken, Ideen und Emotionen in einem Text „bändigen” lässt. Umgekehrt können auch im Sprachunterricht Textsorten eingesetzt werden, die sonst eher dem Fachunterricht vorbehalten sind, z.B. funktionale Texte wie etwa Anleitungen. Sie können in ihren textsortenspezifischen Merkmalen analysiert und im Hinblick auf ihre Funktionalität erprobt werden, indem die SchülerInnen z.B. selbst Anleitungen für Experimente oder die Bedienung von Geräten verfassen, die von ihren MitschülerInnen ausgeführt werden. Anhand von Sachtexten lässt sich im Sprachunterricht darüber hinaus oftmals gut zeigen, wie Informationen in einem Text explizit, verständlich und kohärent dargestellt werden können. Als besonders geeignete Aufgabenform für ein integriertes Sprach- und Sachlernen erweist sich das kooperative Schreiben: Beim gemeinsamen Schreiben entwickeln die Lernenden Problemlösefähigkeiten (vgl. Kenyon 1989), 261 die es erlauben, neues Wissen auch in komplexen Domänen des Sachunterrichts zu erwerben (vgl. Tynjälä/ Mason/ Lonka 2001, 20). 262 This approach modified the students’ attitude toward learning science concepts because they recognised that the construction of plausible and shareable explanations of scientific phenomena through collaborative writing is of greater value than giving the right answer. Obliged to discuss what to write in a report, the students had to express their ideas more clearly and continuously negotiate meanings. Engaged in a process of meaningful learning, they constructed their own understanding of scientific concepts. (Tynjäla/ Mason/ Lonka 2001, 16 über die Studie von Keys 1994) Schreibaufgaben wirken sich nicht nur positiv auf den Wissenserwerb in Fächern wie Geschichte, Biologie oder Geographie aus, sondern auch auf das mathematische Lernen (Rose 1989): Writing down mathematical concepts, processes, and applications in order to inform, explain or report invites students to record their understanding through written language, a process that also improves fluency [...] Writing in the mathematics classroom allows students to proceed at their own rate, using their 261 Der Zusammenhang zwischen Problemlösefähigkeiten in den Sachfächern, den Schreibfähigkeiten und dem Migrationshintergrund der Lernenden wurde bislang kaum untersucht. Es wurde jedoch festgestellt, dass Problemlösefähigkeiten mit der Textkompetenz, nicht jedoch mit den allgemeinen Sprachfähigkeiten der Lernenden korrelieren (vgl. Meixner 2001, 151). Nach Gogolin et al. (2004) sind SchülerInnen, die über gute schriftsprachliche Kompetenzen verfügen, eher in der Lage, lösungsorientierte Ansätze bei mathematischen Textaufgaben zu formulieren. 262 Das zeigt sich nach Tynjälä/ Mason/ Lonka (2001, 98) vor allem im Hinblick auf Unterrichtssituationen, in denen es darum geht, neue Themen zu verstehen, Informationen zu bewerten, Zweifel auszudrücken oder veränderte Standpunkte klarzulegen. 185 own experiences and language; increases writing fluency; combats passivity; facilitates personal engagement in learning; provides the teacher with a unique diagnostic tool; keeps a record of students individual travel through their mathematical experiences; and promotes a caring and cooperative atmosphere through writing interaction. Also, as students write expressively to learn mathematics, their writing becomes the transactional record or expression of that process of acquisition. (Rose 1989, 17 ff.) Als unterrichtsorganisatorischer Rahmen für die Umsetzung dieses Prinzips bietet sich ein fächerübergreifendes Sprachcurriculum an. In mehrsprachigen Klassen ist damit nicht nur die Notwendigkeit einer Koordination des Sprach- und des Fachunterrichts, sondern auch des muttersprachlichen und des herkunftssprachlichen Unterrichts verbunden: der Unterricht von MuttersprachenlehrerInnen und RegellehrerInnen ist aufeinander abzustimmen; im Idealfall sind die Themen und Texte sowohl in der Erstsprache als auch in der Zweitsprache zu bearbeiten. Ein integriertes Sprach- und Sachlernen erfordert darüber hinaus ein neues Selbstverständnis der FachlehrerInnen - sie sollten sich immer auch als SprachlehrerInnen begreifen. Liegt die Aufmerksamkeit der Fachlehrer- Innen nicht nur auf den Inhalten und Konzepten ihres Fachs, sondern auch auf der Sprache als ein Medium der Vermittlung und des Erwerbs von Fachwissen, so werden Themen, Texte und Aufgabenstellungen meist von vorneherein anders - nämlich im Hinblick auf sprachliche Anforderungen - ausgewählt, präsentiert und bearbeitet. 3.2 Authentische Sprachpraxis Mit authentischer Sprachpraxis ist gemeint, dass die Lernenden im Unterricht aktiv sprachlich handeln und die Unterrichtssprache situations-, themen- und aufgabenbezogen verwenden. Eine Voraussetzung dafür ist, dass sie bereit und in der Lage sind, sich für die Lösung einer Aufgabe zu engagieren und im Prozess des Problemlösens zu interagieren. Diese Situation entsteht im Unterricht insbesondere dann, wenn die Lernenden mit relevanten Problemstellungen bzw. mit Fragen konfrontiert sind, deren Antworten nicht schon vorformuliert, sondern tatsächlich erst zu finden sind. Das folgende Beispiel zeigt, wie sich das Verhalten von SchülerInnen plötzlich verändert, als sie zu ExpertInnen im Unterricht werden: 263 Unterrichtsbeispiel Den SchülerInnen werden Wörter und Wendungen aus dem Themenbereich „Wasser” 264 erklärt. Es wird ihnen gesagt, dass die aus England stammende 263 Diese Unterrichtsbeobachtung fand 2002 in der fünften Schulstufe eines bilingualen Gymnasiums statt. 186 Lehrerin kein Deutsch versteht. Eine Gruppe von sechs SchülerInnen steht mit der Lehrerin im Kreis, jede/ r hat eine Wörterliste vor sich, es wird Wort für Wort besprochen. Die SchülerInnen kommen der Reihe nach dran, sie versuchen die Wörter in der Fremdsprache zu erklären oder in die Muttersprache zu übersetzen. Dort, wo das nicht gelingt, werden sie von der Lehrerin unterstützt. Die SchülerInnen arbeiten aufmerksam und konzentriert, jedoch ohne großes Interesse. Sie scheinen zu ahnen, dass die Lehrerin die Wörter, die sie besprechen, sehr wohl auch auf Deutsch versteht. Eine plötzliche Wendung tritt ein, als die Lehrerin ein Wort auf Deutsch tatsächlich nicht kennt und versucht, dessen Bedeutung zu erraten: Sie strengt sich sichtlich an, eine angemessene Übersetzung zu finden, schaut die SchülerInnen dabei immer wieder fragend an, kommt jedoch zu keiner zufriedenstellenden Lösung. Sie wendet sich den SchülerInnen nun sehr aufmerksam zu und nimmt sie offensichtlich plötzlich anders, nämlich als ExpertInnen, wahr. Für die SchülerInnen ist sofort klar, dass es sich nun um eine echte Frage der Lehrerin handelt und nun tatsächlich ein Wissensdefizit besteht, das es zu beheben gilt. Die Lernenden sind nun sehr motiviert, die Wissenslücke der Lehrerin zu schließen und erklären ihr die Wörter, die sie nicht versteht, auf unterschiedliche Weise. Es entsteht eine angeregte Diskussion, an der sich alle in der Gruppe beteiligen. Die Kommunikationssituation hat sich durch das Wissensdefizit der Lehrerin ganz plötzlich verändert - nun sind die SchülerInnen diejenigen, die ihr etwas zu sagen haben. Auf diese Weise sind angeregte Sprachlernaktivitäten entstanden, die auf die Intitiative der SchülerInnen zurückgehen. Eine authentische Sprachpraxis kann auch durch kooperative Aufgaben angeregt werden - um zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, müssen die Lernenden ihr vorhandenes Wissen aufrufen, austauschen und diskutieren (vgl. Wolff 2002, 324). 265 [The classroom] can become the meeting-place for realistically motivated communication-as-learning, communication about learning, and meta-communication. It can be a forum where knowledge may be jointly offered and sought, reflected upon, and acted upon. (Breen/ Candlin 1980, 98) Problemlöseaktivitäten im Rahmen kooperativer Aufgaben sind somit immer mit Interaktion, d.h. mit aktiven sprachlichen Handlungen verbunden. Darüber hinaus regen sie metasprachliche und metakognitive Aktivitäten an, die es den Lernenden ermöglichen, Beziehungen zwischen Formen und Funktionen von Sprache im jeweiligen Kontext selbst zu erkennen und zu reflektieren (vgl. Swain 1998, 67 ff.). 264 Dieses Thema stand im Mittelpunkt eines dreiwöchigen, fächerübergreifenden Projekts, das in den Fächern Englisch, Biologie und Geographie durchgeführt wurde. 265 Kooperation ist nach Vygotsky (1978) eine Möglichkeit für Lernende, von anderen zu profitieren, die bereits über besser entwickelte Fähigkeiten und Kenntnisse als sie selbst verfügen. Vygotsky (1978) spricht in diesem Zusammenhang von der „zone of proximal development“, die durch die Zusammenarbeit mit kompetenteren LernpartnerInnen erreicht werden kann (s. Kap. 1.2.3.1). 187 3.3 Sprachaufmerksamkeit und -reflexion Sprachaufmerksamkeit regt nicht nur einen bewussten und reflektierten Umgang mit Sprache an, sondern auch ein Nachdenken über Inhalte. Sprachaufmerksamkeit treibt nicht nur den Spracherwerb, sondern auch den Wissenserwerb entscheidend voran (vgl. Kern 2000, 320). Sprachaufmerksamkeit entsteht im Unterricht vor allem dann, wenn es gelingt, die Aufmerksamkeit der Lernenden auf das eigene sprachliche Handeln oder auf das der anderen lenken und die Probleme, Bedingungen und Strategien gelingender Spracharbeit zu erkennen und zu reflektieren. 266 Wenn die Lernenden etwa bemerken, dass sie eine Textpassage nicht ganz verstanden haben oder etwas nicht so ausdrücken können wie sie möchten, rückt dieses Problem ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit und die Beziehungen zwischen Wörtern, Sätzen, Strukturen und Bedeutungen rücken in ihr Bewusstsein. Dies ist eine Bedingung dafür, dass die wahrgenommenen sprachlichen Phänomene in ihrer Bedeutung und Funktion von den Lernenden gut eingeschätzt und verstanden werden können (vgl. Portmann- Tselikas 2001c, 19). Das Schreiben spielt auch in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle. Es ist laut Vygotsky (1986) eine bewusstere und gleichzeitig eine stärker bewusst machende Aktivität als das Sprechen (vgl. Wolff 2002, 381) - beim Schreiben wird das eigene sprachliche Handeln und Denken zum Gegenstand von Reflexion. 3.4 Integrierte Fertigkeiten Die Fähigkeiten des Lesens und Verstehens sowie des Schreibens und Sprechens bilden eine funktionale Einheit im Rahmen literaler Handlungen und sind damit eine zentrale Grundlage des Lernens (vgl. Aust 1996, 1170). Eine Integration der Fertigkeiten ist im Unterricht immer dann gegeben, wenn es gelingt, Lese-, Sprech- und Schreibaktivitäten in eine enge Verbindung zu bringen. Aufgaben, in denen nicht nur gelesen oder geschrieben, sondern gelesen, geschrieben und über Texte gesprochen wird, ermöglichen es, die Textkompetenz der Lernenden nicht nur im Schriftlichen, sondern auch im Mündlichen voranzutreiben (vgl. Daiute et al. 1993; Kern/ Schultz 2005, 384). Sind verschiedene Fertigkeiten bei der Bearbeitung einer Aufgabe im Spiel, so müssen sowohl Inhalte als auch Formulierungen immer wieder neu überprüft und angepasst werden. Dabei entstehen zahlreiche metasprachliche und metakognitive Aktivitäten, die sich auf das Sprach- und auf das Sachlernen positiv auswirken. 266 In diesem Zusammenhang ist der von Schmidt (1990) geprägte Begriff „noticing” relevant, der in der Sprachlehrforschung seither weithin verwendet wird. 188 Effective participation in a verbal debate or formal discussion demands „literate” speech, whereas writing and engaging narrative often involves conveying an „orate” tone of personal involvement. The ability to write well cannot be learned without reading. Moreover, writing demands some understanding of readers and how they will likely read the text. By the same token, sensitive, analytic reading may require a „writer’s eye”. (Kern 2004, 5) Eine Integration der Fertigkeiten ermöglicht vielfach auch einen Transfer von Textkompetenz zwischen den einzelnen Fertigkeitsbereichen. Lernende, die in der Lage sind, Inhalte im Schriftlichen kohärent darzustellen, bilden diese Fähigkeit meist auch im Mündlichen rasch aus (vgl. Portmann 1991, 269 f.). Das kooperative Schreiben ist auch hier von besonderer Bedeutung. Beim gemeinsamen Schreiben muss ein Text mehrfach gelesen, kommentiert, bewertet und überarbeitet werden, Formulierungen müssen begründet und in der Gruppe durchgesetzt werden - dabei kommen sowohl die rezeptiven Fertigkeiten des Lesens und Hörens als auch die produktiven Fertigkeiten des Sprechens und Schreibens ins Spiel. 3.5 Kooperation Spracherwerb vollzieht sich in kooperativen Aufgaben immer im Rahmen situativer, kontextualisierter Interaktion (vgl. Bruner 1983). Die soziale Interaktion im Rahmen von kooperativen Aufgaben fördert die sprachliche Entwicklung mehr als das rein individuelle Lernen (vgl. Zydatiß 2005, 159). Lernende können ihr Potential in kooperativen Lernaufgaben daher meist besser entfalten als in Aufgaben, in denen sie ganz auf sich alleine gestellt sind (vgl. Rulon/ McCreary 1986; Chaudron 1988, 108; Verhoeven 1997, 228). 267 Whether in monolingual or multilingual classrooms, equal outcomes for all children can be maximized, regardless of their cultural and linguistic background, by providing collaborative learning opportunities that integrate a wide range of uses of oral and written language. For the success with which children engage in literate thinking depends less on their competence in the specific language or languages they know than on the ways in which they use their linguistic resources to come to know and to communicate their understanding with others. Where learning is conceptualized in this way, children develop their thinking and their language as well. (Wells/ Chang/ Maher 1990, 119 f.) In Gruppenarbeiten fühlen sich Lernende meist mehr für das Lernergebnis verantwortlich als dies in Einzelarbeiten der Fall ist und sind vielfach auch eher dazu bereit, sich aktiv zu beteiligen (vgl. Murray 1994, 67; Wolff 2002, 267 In Klassen, in denen regelmäßig kooperative Aufgaben durchgeführt werden, erbringen SchülerInnen bessere Lernergebnisse als in Klassen mit traditionell lehrergesteuertem Unterricht (vgl. Slavin 1977; Slavin/ Oickle 1981; Lucker et al. 1976; Slavin 2001). 189 364). Lernende ergreifen in kooperativen Arbeiten häufiger die Initiative, stellen mehr Fragen und beziehen öfters Stellung (vgl. Daiute et al. 1993, 56). Fehler bekommen dadurch ein anderes Gewicht und werden durch die Beiträge der anderen oftmals relativiert. Zweitsprachenlernende haben in Gruppenarbeiten meist weniger Hemmungen, sich in der Zweitsprache zu äußern und ihre Probleme im Umgang mit Texten zu artikulieren - es beteiligen sich daher oft auch jene, die sonst eher zurückhaltend sind, weil sie fürchten, Fehler zu machen. 268 3.6 Fokus auf Schreiben Schreibaufgaben sind stets bedeutungsbezogen, problemorientiert und kontextualisiert und daher auf besondere Weise dazu geeignet, die Textkompetenz der Lernenden zu fördern. 269 Dies gilt vor allem für Schreibaufgaben, die eine Integration des prozess- und produktorientierten Schreibens im Rahmen von kooperativen Lernaktivitäten erfordern. Beim kooperativen Schreiben wird die Fähigkeit der Lernenden geschult, einen Text gemeinsam zu planen, zu reflektieren, zu bewerten und solange zu optimieren, bis das Schreibziel erreicht ist. Dabei müssen die Schreibenden immer wieder auf Distanz zum eigenen Text gehen und ihn aus der Perspektive von Lesenden betrachten. Dieses Pendeln zwischen der Autor- und der Leserperspektive ermöglicht es ihnen, die kommunikative Struktur ihres Textes sukzessive zu verbessern (vgl. Feilke 1993, 29 f.). Auch Inhalte werden im Prozess des gemeinsamen Schreibens mehrfach durchdacht und dadurch meist tiefer verarbeitet und besser verstanden (vgl. Connolly 1989, 3). 270 Kooperatives Schreiben stimuliert Lernende vielfach über die gemeinsame Bearbeitung einer Aufgabe hinaus. Eine positive Einstellung beim kooperativen Schreiben wirkt sich nicht nur günstig auf die Schreibresultate, sondern auch auf das Schreibverhalten in individuellen Schreibakti- 268 Zweitsprachenlernende profitieren von kooperativen Aufgaben vor allem dann, wenn sie mit Muttersprachigen zusammenarbeiten (vgl. Mohr 2005, 20). So konnte etwa Fisher (1994, 161 f.) feststellen, dass in Gruppen, in denen bessere SchülerInnen mit schlechteren SchülerInnen zusammenarbeiteten, mehr gesprochen wurde als in leistungshomogenen Gruppen - sie haben häufiger geantwortet, öfters Erklärungen gegeben und häufiger selbst Vorschläge gemacht. Unter den homogenen Gruppen kam es bei den Leistungsstarken zu mehr Interaktion als bei den Leistungsschwachen. 269 Faistauer (1997, 10) hat herausgefunden, dass kooperatives Schreiben zu Lerneffekten auf allen Ebenen der Textproduktion führt (vgl. Faistauer 1997, 10, 25). 270 Eine Auswertung von Interviews unter GymnasiallehrerInnen ergab, dass sich Zweitsprachenlernende mit der Überarbeitung eigener Texte meist sehr schwer tun. Mohr (vgl. 2005, 15) plädiert daher dafür, Textrevisionsstrategien als einen zentralen Lernbereich im Unterricht zu verankern. 190 vitäten aus (vgl. Daiute et al. 1993, 60). 271 Es kann darüber hinaus dazu beitragen, dass soziale Kontakte in der Klasse verbessert werden. So konnte etwa Slavin (2001, 631) nachweisen, dass freundschaftliche Beziehungen zwischen SchülerInnen unterschiedlicher Herkunft intensiviert wurden, wenn sie im Unterricht regelmäßig gemeinsam Texte verfassten - es entstanden nicht nur häufigere, sondern auch engere und länger andauernde Freundschaften als in Klassen, in denen nicht oder nur wenig gemeinsam geschrieben wurde. 272 271 Dies ist das Ergebnis einer Studie von Daiute et al. (1993, 60), die ein Jahr lang unter 9-bis 10-jährigen SchülerInnen durchgeführt wurde. 272 Zu diesem Ergebnis kamen auch schon Studien, die in den 50er Jahren (vgl. Allport 1953) und in den 70er Jahren (vgl. Edwards/ DeVries/ Slavin 1978) bzw. in den 80er Jahren (vgl. Cooper et al. 1980) durchgeführt wurden. 191 4 Das 3-Phasen-Modell zur Förderung von Textkompetenz Das 3-Phasen-Modell zur Förderung von Textkompetenz 273 ist ein flexibel einsetzbares didaktisches Instrumentarium, das es ermöglicht, die Textkompetenz der Lernenden im Unterricht in mehrsprachigen Klassen gezielt zu fördern. Die in diesem Modell vorgeschlagenen Aufgaben und Verfahren sollen Lernende dabei unterstützen, die schriftsprachlichen Anforderungen im rezeptiven und produktiven Umgang mit Texten zu bewältigen und Texte verstehen, verarbeiten, verfassen und als ein Instrument des Lernens im Unterricht nutzen zu können. 274 Das Modell umfasst die Phase der Wissensaktivierung (Kap. 4.1), die Phase der Arbeit an Texten (Kap. 4.2) und die Phase der Texttransformation (Kap. 4.3). Diese drei Phasen sind eng aufeinander bezogen und ergeben einen Ablauf an Aktivitäten, der ein zielgerichtetes, reflexives Handeln mit Texten in authentischen Sprachlernsituationen ermöglicht. Durch die Aufgaben werden intensive Prozesse des Lesens, Schreibens und Diskutierens über Texte angeregt, die im Rahmen von kooperativen Lernhandlungen erfolgen und sich sowohl auf Prozesse als auch auf Produkte der Arbeit an Texten beziehen. Sie sind durch vielfältige metasprachliche und metakognitive Aktivitäten sowie durch eine enge Verzahnung von inhalts- und sprachbezogenen Lernhandlungen gekennzeichnet. 275 Die sprachlichen und kognitiven Anforderungen werden durch die Progression der Aufgaben schrittweise erhöht. Die drei Phasen des Modells werden zunächst überblicksartig und anschließend detaillierter und anhand von Beispielen präsentiert: 1. In der Phase der Wissensaktivierung (Kap. 4.1 und 5.1) sollen die Gedanken und Assoziationen der Lernenden zu einem Thema aufgerufen und für die Arbeit an Texten verfügbar gemacht werden. Dies soll vor allem durch Aufgaben zum assoziativen Schreiben und Sprechen erreicht werden. 2. Die Arbeit an Texten (Kap. 4.2 und 5.2) bildet den Kernbereich in diesem Modell. Es geht in dieser Phase darum, Texte aus unterschiedlichen Perspektiven und in verschiedenen Kontexten zu lesen, zu interpretieren, zu schreiben, zu diskutieren, zu reflektieren, zu rekonstruieren und 273 Das Modell wurde in groben Umrissen bereits in Schmölzer-Eibinger (2006a, b, 2007) vorgestellt. 274 Als Zielgruppe ist insbesondere an FachlehrerInnen der Sekundarstufe gedacht. 275 Auf diese Weise wird dieser stark individualisierende Ansatz an die soziale Situation der Lernenden rückgebunden. 192 zu überarbeiten. Mündliche und schriftliche Aktivitäten sowie sprach- und inhaltsbezogene Aspekte werden dabei in eine enge Verbindung gebracht. In drei Stufen der Textarbeit (Textkonstruktion, Textrekonstruktion, Textfokussierung & Textexpansion) werden jeweils andere Aspekte im Umgang mit Texten in den Mittelpunkt gerückt. In den Textkonstruktionsaufgaben (Kap. 4.2.1, 5.2.1) geht es darum, Textfragmente zu ergänzen, in den Aufgaben der Textrekonstruktion (Kap. 4.2.2, 5.2.2) sind lückenhafte Texte zu vervollständigen bzw. gelesene oder gehörte Texte wiederzugeben, in den Aufgaben zur Textfokussierung (Kap. 4.2.3, 5.2.3) müssen zentrale Inhalte eines Textes fokussiert und auf das Wesentliche reduziert werden und in den Aufgaben zur Textexpansion (Kap. 4.2.3, 5.2.3) müssen Texte sprach- und sachadäquat ausgebaut werden. 3. In der Phase der Texttransformation (Kap. 4.3 und 5.3) werden Texte aus ihren ursprünglichen Kontexten herausgelöst und in neue Kontexte transferiert. Dazu müssen sowohl Textstrukturen als auch Bedeutungen von Texten rekonstruiert bzw. in anderen Kontexten neu aufgebaut werden. Die Lernenden sind in dieser Phase noch stärker als in den vorangegangenen Phasen gefordert, Lernprozesse autonom zu steuern und zu gestalten. Im Folgenden werden die einzelnen Phasen dieses Modells näher beschrieben. Hinweise auf die darauf bezogene Aufgabentypologie (Kap. 5) finden sich jeweils am Beginn der Kapitel. 4.1 Wissensaktivierung Lernprozesse sind vor allem dann effektiv, wenn das vorhandene Wissen der Lernenden aktiviert und mit neuem Wissen verknüpft wird (vgl. Wolff 2002, 92). 276 So entwickeln sich etwa komplexe Schreibfertigkeiten nicht nur dadurch, dass Lernende neues Wissen in Bezug auf das Schreiben erwerben, sondern auch, indem sie bereits vorhandene Schreibkenntnisse aufrufen und mit dem neu erworbenen Wissen verbinden (vgl. Portmann-Tselikas 1993a, 99, 114). Fehlendes Vorwissen führt hingegen häufig zu Schwierigkeiten bei der Bedeutungs- und Sinnkonstitution - dies gilt für das Lesen ebenso wie für das Schreiben (vgl. Wolff 2002, 295). Aufgaben zur Wissensaktivierung sollen die Lernenden dazu anregen, ihre Erfahrungen und Kenntnisse sowie ihre spontanen Gedanken und Ideen zu einem Thema zu aktivieren (vgl. Droop/ Verhoeven 1998, 207 f.; Hudelson 1991; vgl. Afflerbach 1998, 354). Bei Aufgaben zum assoziativen Sprechen müssen sich die Lernenden mündlich spontan zu einem Thema 276 Siehe auch Kap. 6.2, Teil I. siehe Aufgabentypologie Kapitel 5.1 193 äußern, bei Aufgaben zum assoziativen Schreiben 277 sollen sie ihre Gedanken und Ideen zu einem Thema spontan zu Papier zu bringen. 278 Es geht dabei nicht nur um Kreativität und Emotionen, sondern auch um die Aktivierung von themenbezogenem Vorwissen: Ausgehend von einem Stimulus zum Thema sollen die Lernenden alles aufschreiben, was ihnen dazu einfällt, ohne abzusetzen und ohne den Schreibfluss zu unterbrechen. Als Schreibimpuls kann ein Wort, ein Satz, ein Bild oder ein Musikstück dienen (vgl. Hornung 1996, 228). 279 Es steht den Lernenden frei, in welcher Sprache sie schreiben, grundsätzlich können alle Sprachen, die ihnen im Moment des Schreibens in den Sinn kommen, verwendet werden: Man kann also durchaus in einer Fremdsprache beginnen und irgendwann in die Muttersprache wechseln und umgekehrt. Wichtig ist, dass man […] 280 nicht aus dem Schreibfluss gerät, d.h. der Stift soll möglichst immer in Kontakt mit dem Papier bleiben und in Bewegung sein. Deshalb wird, falls die Gedanken stocken sollten, in der Mechanik des Schreibens so lange mit lllllll fortgefahren, bis wieder irgendein Gedanke kommt. Das lllllll eignet sich vor allem, weil es die Schreibbewegung nicht unterbricht. (Hornung 1996, 228) Mit Aufgaben zum assoziativen Schreiben ist ein kreativer und reflexiver Umgang mit Sprache verbunden. Aufgaben zum assoziativen Schreiben sind nicht mit den sonst in der Schule üblichen Ansprüchen an die Einhaltung von sprachlichen Normen und Standards verbunden - es gibt keine Sanktionen für falsch Geschriebenes oder nicht berücksichtigte Textsortennormen (vgl. Hornung 1999, 1996, 225 f.). 281 Assoziative Schreib- 277 Diese Aufgabenform beruht auf Verfahren der Plurilingualen Schreibdidaktik (Hornung 1999), die wiederum an der „écriture automatique” der französischen Surrealisten orientiert sind (vgl. Hornung 1999, 85 ff.). Hornung (1996, 1999) spricht hier vom „experimentellen Schreiben” und grenzt sich damit vom „kreativen Schreiben” ab. 278 Der Begriff der „Assoziation” wird in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen verwendet. So versteht man etwa in der Psychologie unter „Assoziieren” ein Verknüpfen von Elementen: zwei (oder mehr) ursprünglich isolierte psychische Inhalte (Assoziationsglieder) gehen eine Verbindung ein, sodass das Aufrufen eines Assoziationsgliedes das Auftreten eines oder mehrerer weiterer Assoziationsglieder hervorruft. Es wird angenommen, dass die Leistungen des Gedächtnisses prinzipiell auf Assoziationsketten beruhen - das Assoziieren ist daher eine wichtige Voraussetzung für das Lernen. In der Gehirnforschung wird Assoziation als eine Eigenschaft neuronaler Netzwerke im Rahmen der Mustererkennung betrachtet. 279 An diesem Punkt ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten für fächerübergreifendes Arbeiten - so kann etwa die Arbeit mit einem Bild dazu genützt werden, den Kunstunterricht einzubeziehen und die Arbeit mit einem Musikimpuls bietet sich an, um den Musikunterricht einzubeziehen. 280 Hornung schlägt zehn Minuten als Zeitvorgabe für das assoziative Schreiben vor. Erfahrungen mit jüngeren Zweitsprachenlernenden haben jedoch gezeigt, dass diese Zeitspanne vielfach zu lang ist. Die Zeitvorgabe sollte daher von der Lehrerin/ dem Lehrer an die Lernenden jeweils angepasst werden. 281 Assoziatives Schreiben ist eine prozessorientierte Form des Schreibens, die oft auch mit dem Begriff „freewriting” bezeichnet wird. 194 aufgaben tragen vielfach dazu bei, dass Schreibblockaden abgebaut werden und die Lernenden schneller in den Schreibfluss „eintauchen”. Dies ist gerade bei Zweitsprachenlernenden von besonderer Bedeutung, denn für viele von ihnen ist die Auseinandersetzung mit Texten oft jahrelang mit der Erfahrung des Scheiterns verbunden, sodass sie nicht selten dazu tendieren, die Arbeit an Texten abzulehnen oder gar zu verweigern. Die folgende Aufgabenabfolge beginnt mit einer assoziativen Schreibaufgabe - sie ist auf den Geschichtsunterricht bezogen (6. Schulstufe) und behandelt das Thema „Städte im Mittelalter”: 1. Einzelarbeit: Schreib fünf Minuten lang alles auf, was dir zum Thema „Städte im Mittelalter” einfällt. Lass den Schreibfluss nicht abreißen und schreib auch dann weiter, wenn dir gerade nichts einfällt (z.B. llllll...). Schreib in ganzen Sätzen. 2. Partnerarbeit: Lest einander die Texte vor, die ihr geschrieben habt. Verwendet eure Gedanken zum Thema für einen gemeinsamen Text, mit dem ihr euch an einem Text-Wettbewerb in eurer Klasse beteiligt. 3. Gruppenarbeit: Entscheidet euch für drei Kriterien, nach denen die Texte für den Wettbewerb beurteilt und gereiht werden sollen. 4. Plenum: Einigt euch auf fünf Kriterien der Textbeurteilung. (Drei SchülerInnen beobachten den Einigungsprozess und erzählen euch nachher, was ihnen aufgefallen ist.) 5. Gruppenarbeit/ Plenum: Bewertet die Texte der anderen in der Gruppe, vergebt Punkte und erstellt eine Reihung im Plenum. 6. Gruppenarbeit: Sammelt eure Erfahrungen und überlegt gemeinsam, worauf ihr beim Schreiben das nächste Mal besonders achten wollt. Aufgaben zur Wissensaktivierung, die im Vorfeld der Arbeit an Texten eingesetzt werden, bewirken vielfach, dass Texte, die anschließend zu bearbeiten sind, aufmerksamer gelesen und dadurch auch besser verstanden werden. 4.2 Arbeit an Texten siehe Aufgabentypologie Kapitel 5.2 In der Phase der Arbeit an Texten sind die Lernenden gefordert, Texte zu lesen, wiederzugeben, zu reflektieren, zu diskutieren, zu interpretieren, zu schreiben und als ein Instrument des Lernens zu nutzen. Es gilt Texte in ihren jeweiligen fachlichen, kommunikativen und soziokulturellen Kontexten zu verstehen und sowohl rezeptive als auch produktive Strategien beim Lesen und Schreiben von Texten zu entwickeln und zu erproben. Durch eine gestufte Textarbeit sollen die Lernenden sukzessive mit den Anforderungen an das Lernen anhand von Texten vertraut gemacht werden. Die kognitiven Operationen des Selektierens, des Fokussierens, des 195 Elaborierens, des Inferierens 282 und des Expandierens spielen in den Aufgaben der Arbeit an Texten ebenso eine wichtige Rolle wie das Hypothesenbilden und -testen sowie das Konstruieren von Bedeutungen im jeweiligen Kontext. Die Aufgaben sind vielfach mit einer Reorganisation, Tilgung oder Abstraktion von Informationen bzw. damit verbunden, dass vorhandenes Wissen restrukturiert und erweitert werden muss. Die Lernenden sollen die eigenen Texte mit „Expertentexten” 283 vergleichen und daraus für ihre eigene Textproduktion Schlüsse ziehen. Ihre Texte sollen von ihnen selbst bzw. von ihren LernpartnerInnen bewerten werden. 284 Damit soll ihre Fähigkeit geschult werden, Texte kritisch zu beurteilen und zu optimieren. In drei Stufen der Textarbeit (Textkonstruktion, Textrekonstruktion, Textfokussierung & Textexpansion) werden jeweils andere Aspekte im Umgang mit Texten in den Mittelpunkt gerückt. Der Anteil der Wiedergabe, des Ergänzens, Konstruierens und Transformierens vorgegebener Texte ist jeweils anders gewichtet und in den aufeinander folgenden Aufgabenstellungen mit zunehmend höheren sprachlichen und kognitiven Anforderungen verknüpft. 4.2.1 Textkonstruktion siehe Aufgabentypologie Kapitel 5.2.1 In den Aufgaben der Textkonstruktion erhalten die Lernenden Fragmente eines Textes, 285 die sie erweitern bzw. vervollständigen müssen. 286 Es sollen kohärente, für Lesende nachvollziehbare, sachadäquate und sprachlich homogene Texte entstehen. Die Lernenden müssen dabei sowohl sprachlich als auch thematisch „Neuland” betreten - sie sind gefordert, „Lücken” im Text zu schließen, ihr vorhandenes Wissen aufzurufen und zu integrieren. Die Textfragmente sind sowohl inhaltlich als auch sprachlich Vorgaben für die eigene Textproduktion - je reduzierter sie sind, desto eher geben sie den Lernenden die Möglichkeit, ihre Kreativität und Phantasie in 282 Zum Begriff des „Inferierens” siehe Kap. 4.2.1, Teil I. 283 Die meisten der vorgeschlagenen Aufgaben beziehen sich auf Texte, wie sie im Fachunterricht verwendet werden. Ein Problem, das sich hier stellt, besteht darin, dass diese Texte vielfach Schulbüchern entnommen werden, die bestehenden Schulbuchtexte in den derzeit gängigen Schulbüchern jedoch vielfach grobe sprachliche Mängel aufweisen - sie sind daher als ein Modell für „Expertentexte“ und damit auch als Lerngrundlage für die SchülerInnen vielfach nicht geeignet. 284 In Bezug auf Beurteilungskompetenzen hinsichtlich der Qualität eines Textes bestehen im Schulunterricht nach Sieber (2005, 14) noch große Defizite. 285 Zum Beispiel Anfangs- oder Endsätze, Schlüsselwörter, Überschriften, etc. 286 Auf diese Weise wird im Unterricht eine ähnliche Situation wie im ungesteuerten Spracherwerb erzeugt, denn auch dort entstehen vielfach „Lücken”, die von den Zweitsprachenlernenden geschlossen werden müssen. 196 der Textproduktion zu entfalten und eigene Assoziationen und Gedanken beim Schreiben einfließen zu lassen; 287 sind die Vorgaben umfangreicher, so ist der Spielraum für Eigenes eingeschränkter, gleichzeitig sind größere Textfragmente aber auch ein Gerüst für die eigene Textproduktion, das Halt und Orientierung geben kann. Beim Ergänzen der vorgegebenen Textteile müssen die vorhandenen Textteile immer wieder aufs Neue gelesen, überprüft, revidiert und weiter ausgebaut werden. Auf diese Weise wird die Aufmerksamkeit der Lernenden abwechselnd auf die lokale und die globale Ebene des Textes gelenkt und es kommen sowohl sprachliche als auch inhaltliche Dimensionen ins Spiel. Die Lernenden sollen die Texte, die sie verfasst haben, untereinander austauschen und miteinander bzw. mit dem Original vergleichen. Dadurch soll ihre Fähigkeit geschult werden, die eigenen Texte zu beurteilen und das Feedback ihrer MitschülerInnen für Textüberarbeitungen zu nutzen. Das folgende Beispiel bezieht sich auf einen Sachtext zum Thema „Städte im Mittelalter”, der in einem Geschichtsbuch für die 6. Schulstufe erschienen ist (Wald/ Scheucher/ Scheipl 2000): 288 1. Paararbeit: Setze den folgenden Textausschnitt fort: „Siehst du nun, was eine Stadt ist? ” sagte der Ghini. „Und wenn sie jetzt schon so ist, wo sie noch nicht mal fertig ist, wie wird sie dann erst nachher sein? Ich sage dir, das wird ein ganz anderes Leben.” 2. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem eines anderen Paares und verfasst auf dieser Grundlage gemeinsam einen neuen Text, der euren Vorstellungen von einem gelungenen Text entspricht. 3. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem Originaltext. 289 Was fällt euch auf? Die Lernenden haben in den Aufgaben zur Textkonstruktion die Möglichkeit, nur soviel und genau das zu schreiben, wozu sie in der Lage sind. Die Aufgaben sind daher zwar mit komplexen Anforderungen für die Lernenden verbunden, immer an ihren aktuellen Sprach- und Wissensstand angepasst. Sie sind damit zugleich Herausforderung und Chance, individuelle Fähigkeiten im Umgang mit Texten zu entfalten und auszubauen. 287 Dies ist bei literarischen Texten oft eher der Fall als bei Sachtexten - beim Ergänzen von Sachtexten ist meist vor allem ein konkretes thematisches Wissen gefordert. 288 Die Schwierigkeit der Aufgaben kann vor allem durch den Umfang der Textfragmente und durch die Komplexität der Texte gesteuert werden. 289 Es handelt sich dabei um einen Ausschnitt aus Umberto Ecos Roman „Baudolino” (2001), s. Anhang Seite 237. 197 4.2.2 Textrekonstruktion siehe Aufgabentypologie Kapitel 5.2.2 In der Phase der Textrekonstruktion sind die Lernenden gefordert, Texte, die sie gelesen oder gehört haben, möglichst genau zu rekonstruieren. Der Schwierigkeitsgrad der Texte sollte so gelagert sein, dass die sprachliche Oberfläche des Textes von den Lernenden nicht genau memoriert werden kann. Um die Gedächtnislücken schließen und kohärente Texte produzieren zu können, müssen sie ihre vorhandenen themen- und textbezogenen Kenntnisse einsetzen. Der dabei entstehende Text muss mehrfach und aus unterschiedlichen Perspektiven gelesen werden; Sinnzusammenhänge sind immer wieder aufs Neue zu überprüfen und zu verdeutlichen. Ein Beispiel für eine Aufgabe zur Textrekonstruktion ist das Zusammensetzen eines zerschnittenen Textes. Diese Aufgabe fördert die Fähigkeit, logische Abfolgen in einem Text zu erkennen bzw. beim Schreiben selbst herzustellen (vgl. Kern 2000, 202). Solche Aufgaben tragen auch dazu bei, die Aufmerksamkeit der Lernenden auf Fragen der Textstrukturierung und der Textkohärenz zu lenken (vgl. Wolff 2002, 385). Eine weitere Aufgabe, die die Fähigkeit der Rekonstruktion von Texten fördert, ist das Dictogloss (vgl. Wajnryb 1990). Ein Text wird dabei zunächst vorgelesen und anschließend von den Lernenden gemeinsam rekonstruiert. Danach wird der rekonstruierte Text mit einem anderen Lernertext bzw. mit dem Originaltext verglichen. Diese Aufgabenstellung führt in der Regel dazu, dass die Lernenden beim Vorlesen des Textes genau zuhören und sich beim Schreiben darum bemühen, den Text genau wiederzugeben. Ihre Aufmerksamkeit liegt dabei sowohl auf der sprachlichen als auch auf der inhaltlichen Ebene des Textes. Beim Rekonstruieren des Textes entsteht meist eine angeregte Diskussion, in der rezeptive und produktive Aktivitäten ineinander übergehen. Es ist dabei nicht nur ein Verstehen des vorgegebenen Textes, sondern auch ein Verstehen der Redebeiträge der anderen gefordert. Die Lernenden erkennen dabei meist ganz von selbst, wo sie noch Probleme beim Verstehen oder Schreiben des Textes haben. It seems fairly clear that Dictogloss promotes oral fluency by motivating learners to engage in lively and realistic verbal interaction, realize a wide range of language functions, and develope effective communication strategies in competing for the conversational floor. Dictogloss tasks also appear to be a means of raising learners’ awareness of formal and semantic features of language in the way they give learners the opportunity to articulate their understandings of meaning and form in a specific context. (Murray 1994, 80 f.) Das folgende Beispiel bezieht sich wiederum auf das Thema „Städte im Mittelalter” und ist ein Ausschnitt aus einer längeren Aufgabenabfolge (siehe dazu Aufgabentypologie Kap. 5.2.2): 198 1. Gruppenarbeit: Eine/ r in der Gruppe liest den Text 290 vor, die anderen hören zu. Rekonstruiert den Text möglichst genau. Ergänzt die „Lücken” mithilfe eures vorhandenen Wissens. (Eine/ r in der Gruppe beobachtet den Schreibprozess und schildert nachher seine/ ihre Eindrücke.) Städte entstehen Der Ursprung vieler Städte in Europa reicht ins Mittelalter zurück. Städte entstanden an Stellen, wo es günstig war, Handel zu treiben, z.B. an Kreuzungspunkten wichtiger Handelsstraßen, bei Flussübergängen und Furten (Bruck, Innsbruck, Klagenfurt von „Glanfurt”). Man gründete sie dort, wo der Schutz einer Burg gegeben war (Salzburg, Radkersburg). Oder die Menschen belebten alte Römersiedlungen wieder, die im Lauf der Jahrhunderte verfallen oder zerstört worden waren (z.B. Wien). Bei diesen Handelsplätzen ließen sich auch Handwerker nieder. Das waren oft ehemalige Bauernsöhne, die selbst keinen Hof erben konnten. Sie arbeiteten als Schmied, Schuster, Zimmermann oder Leinenweber für den Bedarf der Händler, der Kaufleute oder des Grundherrn. 2. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem einer anderen Gruppe. Macht euren Text verständlicher und informativer. Vergleicht ihn mit dem Original. Was fällt euch auf? Das Beispiel zeigt, dass in den Aufgaben der Textrekonstruktion nicht nur Lese- und Schreibkompetenzen, sondern auch rezeptive Fähigkeiten des Erfassens und Verarbeitens von Informationen sowie Fähigkeiten der mündlichen Sprachproduktion geschult werden. Die Textkompetenz der Lernenden soll auf diese Weise sowohl im Mündlichen als auch im Schriftlichen gefördert werden. 4.2.3 Textfokussierung & Textexpansion siehe Aufgabentypologie Kapitel 5.2.3 Das Erkennen und Fokussieren von relevanten Informationen in einem Text ist für das Lernen anhand von Texten zentral. Dies gilt generell, vor allem aber für die Arbeit an informationsreichen, komplexen Texten, wie sie im Fachunterricht häufig vorkommen. In den Aufgaben zur Textfokussierung sollen die Lernenden in ihrer Fähigkeit geschult werden, relevante Informationen in einem Text zu erkennen, zu gewichten und auf verständliche und sachadäquate Weise wiederzugeben. Dies erfordert Aktivitäten des Selektierens, des Interpretierens, des Löschens und des Reorganisierens von Informationen bzw. einzelnen 290 Vorgeschlagen werden die Schulbuchtexte zum Thema „Mittelalter”, mit denen bereits in Kap. 6.2.3 im Rahmen der Textanalysen gearbeitet wurde (zu empfehlen ist die Auswahl einer der drei Textabschnitte). 199 Textelementen. Diese Aktivitäten sind auf besondere Weise dazu geeignet, die Textkompetenz der Lernenden zu fördern (vgl. Kern 2000, 157 f.) - so ist etwa beim Zusammenfassen eines Textes die Fähigkeit der Lernenden gefordert, Inhalte auf ihre Relevanz hin zu beurteilen und zu gewichten, Bedeutungen zu transformieren und Textstrukturen neu aufzubauen (vgl. Wrobel 2000, 463). Ein Text, der zusammengefasst werden soll, muss aktiver rezipiert und genauer durchgearbeitet werden als dies beim bloßen Durchlesen der Fall ist (vgl. Tynjälä/ Mason/ Lonka 2001, 46 f.) - er muss mehrfach, aus verschiedenen Perspektiven und mit jeweils anderem Wissensstand rezipiert und verarbeitet werden. Das Zusammenfassen eines Textes führt daher in der Regel zu einem besseren Textverständnis als dies bei einer bloßen Reproduktion eines Textes der Fall ist (vgl. Radmacher/ Latosi-Sawin 1995). Beim kooperativen Zusammenfassen eines Textes müssen Entscheidungen in Bezug auf die Auswahl und die Relevanz von Informationen gemeinsam getroffen werden. Die eigenen Verstehens- und Formulierungsprobleme werden den Lernenden dadurch meist ganz von selber bewusst. Zusammenfassungen lassen daher vielfach nicht nur Rückschlüsse auf die Schreibkompetenzen, sondern auch auf die Verstehensfähigkeiten der Lernenden zu (vgl. Smith/ Keister 1996, 20). Die Fähigkeit des Fokussierens von Informationen kann im Unterricht auch dadurch geschult werden, dass Lernende die zentrale Hypothese, Fragestellung oder die wichtigsten Informationen eines Textes in einem Satz zusammenfassen. Wichtig ist dabei, dass dieser Satz schriftlich formuliert wird, denn im Schriftlichen ist mehr Genauigkeit und Explizitheit als im Mündlichen gefordert. Die Reduktion des Textinhaltes auf nur einen Satz setzt voraus, dass die Lernenden die wichtigsten Informationen in einem vorgegebenen Text erkennen und schlüssig darstellen können. Im folgenden Beispiel schließt eine Aufgabe zur Textexpansion an eine Aufgabe zur Textfokussierung an. Es werden zwei Aufgabenabfolgen zur Auswahl angeboten: Vorgabe (Gruppe A): Schulbuchtext „Städte im Mittelalter” 291 1. Paararbeit: Formuliert den inhaltlichen Kern eures Textes in einem Satz (schriftlich). 2. Gruppenarbeit: Stellt euch diesen Satz gegenseitig vor und macht einander Verbesserungsvorschläge. Überarbeitet euren Satz anhand der Rückmeldungen. 3. Paararbeit: Schreibt einen Text für ein Schulbuch, in dem ihr diesen Satz einbaut. 4. Gruppenarbeit: Tauscht die Texte untereinander aus und teilt einander 291 In diesem Fall ist die Arbeit mit allen drei Teiltexten zu empfehlen, siehe Kapitel 6.2.3. 200 mit, was euch am Text gefällt/ nicht gefällt. Überarbeitet euren Text anhand der Rückmeldungen. Vorgabe (Gruppe B): Romanauszug aus Umberto Ecos „Baudolino” 292 1. Paararbeit: Sucht nach jener Textpassage, die am besten ausdrückt, worum es in diesem Text geht. 2. Gruppenarbeit: Teilt den anderen eure Entscheidung mit und begründet sie. Einigt euch auf eine Textpassage. 3. Paararbeit: Schreibt einen Phantasietext, in dem ihr diese Textpassage einbaut. 4. Gruppenarbeit: Tauscht eure Texte untereinander aus und teilt einander mit, was euch gefällt/ nicht gefällt. Überarbeitet euren Text anhand der Rückmeldungen der anderen. Ausgangspunkt der Aufgaben zur Textexpansion sind somit jene Texte der Lernenden, die im Zuge der Textfokussierungsaufgaben entstanden sind. Während es am Beginn dieser Phase vor allem darum ging, zentrale Inhalte in Texten zu erkennen und zu formulieren, sind die Lernenden im Anschluss daran gefordert, Sätze bzw. Textfragmente wiederum auszubauen und mithilfe ihrer vorhandenen sprachlichen und themenbezogenen Kenntnisse zu erweitern. 4.3 Texttransformation siehe Aufgabentypologie Kapitel 5.3 In der Phase der Texttransformation sind die Lernenden gefordert, Bedeutungen aus dem Kontext des jeweiligen Textes herauszulösen und in einem anderen Kontext zu rekonstruieren. Texte dienen in dieser Phase weniger als Vorgabe für reproduktiv-produktive Aktivitäten anhand vorgegebener Texte wie in den vorangegangenen Phasen, denn als Impuls und Ressource für die Neukonzeption von Texten zu selbst gewählten Themen im Rahmen komplexerer Lernhandlungen. Die epistemische Funktion des Wissenserwerbs steht in dieser Phase stärker im Zentrum. Learners themselves are to weave together texts and contexts to make meanings and to give power to words: they can no longer passively recognize a transcenddental realm of pre-made units of meaning associated with pre-built texts but must begin actively to engage in discursive practices that create spoken and written texts and endow them with meanings. (Kramsch/ McConnell-Ginet 1992, 6) Die Aufgaben zur Texttransformation sind für Zweitsprachenlernende von besonderer Bedeutung, denn gerade sie haben vielfach Probleme, Bedeu- 292 Textausschnitt aus „Baudolino” s. Anhang Seite 237. 201 tungen im jeweiligen Kontext genau zu verstehen und in anderen Kontexten neu aufzubauen (vgl. Verhoeven 1997, 230). Im Folgenden wiederum ein Beispiel, das sich auf einen Sachtext zum Thema „Städte im Mittelalter” bezieht: 1. Paararbeit: Schreibt einen Text zum Thema „Städte im Mittelalter”, in dem ihr die Informationen aus dem Sachtext und dem literarischen Text zusammenführt. 293 Ergänzt, was ihr sonst noch über dieses Thema wisst. 294 2. Gruppenarbeit: Stellt euch eure Texte gegenseitig vor und kommentiert sie. 3. Paararbeit: Überarbeitet euren Text anhand der Rückmeldungen. (Eine/ r in der Gruppe beobachtet die Textüberarbeitung und sagt euch nachher, was er/ sie dabei bemerkt hat.) 4. Plenum: Sammelt und illustriert eure Texte in einem Themenheft „Städte im Mittelalter” oder macht eine Ausstellung zu diesem Thema in eurer Schule. Die Konfrontation mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Texten und einer Fülle von Informationen ist den Rahmenbedingungen des ungesteuerten Zweitsprachenerwerbs in gewisser Weise ähnlich, denn auch im Alltag sind Zweitsprachenlernende mit großen Informationsmengen konfrontiert, aus denen sie selbständig auswählen müssen. Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Texten zu einem Thema aktiviert darüber hinaus auch jene Fähigkeiten, die für ein effizientes Sprach- und Sachlernen von besonderer Bedeutung sind - es sind dies die Fähigkeiten des Fokussierens und Selektierens, des Inferierens und Abstrahierens von Bedeutungen sowie das Hypothesenbilden und -testen (vgl. Wolff 2002, 373). Projektarbeiten sind für die Phase der Texttransformation auf besondere Weise geeignet: Die Auseinandersetzung mit mehreren Texten zu einem Thema ist in Projektarbeiten von vorneherein angelegt (vgl. Kern 2004, 9; Tynjälä/ Mason/ Lonka 2001, 54). Lernende sind in der Arbeit an Projekten meist stärker motiviert, sich aktiv am Lerngeschehen zu beteiligen und gute Lernresultate zustande zu bringen (vgl. Lonka/ Ahola 1995). Die Arbeit an Projekten bietet darüber hinaus zahlreiche Gelegenheiten, das aus den Texten gewonnene Wissen praktisch anzuwenden und mit den Alltagserfahrungen der Lernenden zu verknüpfen. Mit den Aufgaben zur Texttransformation wird der Bogen zurück zur ersten Phase der Wissensaktivierung gespannt, denn auch in dieser Phase 293 Es kann sich dabei um einen Sachtext, eine Phantasieerzählung, ein Märchen oder eine Kriminalgeschichte handeln. Wünschenswert ist die Arbeit mit verschiedenen Textsorten, die ein Thema aus unterschiedlichen Pespektiven beleuchten. 294 Es sollte dabei auf das aktivierte bzw. bereits vermittelte Wissen, aber auch auf Internet- und Bücherrecherchen zurückgegriffen werden. 202 stand das subjektive Interesse der Lernenden an einem Thema im Mittelpunkt. Während in dieser Phase jedoch primär das Aktivieren des Vorwissens der Lernenden und deren Erfahrungen und Gefühle in Bezug auf ein Thema im Mittelpunkt standen, geht es in der Phase der Texttransformation vielmehr darum, Wissen anhand von Texten vor dem Hintergrund eigener Zielsetzungen und Interessen zu gewinnen, zu verknüpfen und anzuwenden. Betrachtet man das 3-Phasen-Modell in seinem Gesamtverlauf, so ergibt sich eine Progression, die sich in einer steigenden Komplexität der Aufgaben und in zunehmend höheren kognitiven und sprachlichen Anforderungen im Umgang mit Texten manifestiert - ausgehend von den relativ einfachen Aufgaben der Wissensaktivierung am Beginn sind die Anforderungen in der Arbeit an Texten bereits um einiges höher und werden schließlich in den Aufgaben der Wissenstransformation sehr komplex. Die Textkompetenz der Lernenden wird auf diese Weise schrittweise aufgebaut und ist gleichzeitig immer stärker gefordert. 203 5 Aufgabentypologie zur Förderung von Textkompetenz Aufbauend auf dem 3-Phasen-Modell (Kap. 4) und den Prinzipien der Literalen Didaktik (Kap. 3) wird nun eine Aufgabentypologie zur Förderung von Textkompetenz präsentiert. 295 Diese Aufgabentypologie umfasst einen reichen Fundus an Aufgaben, die flexibel und ohne großen Aufwand in verschiedenen Lernkontexten und anhand von Texten unterschiedlicher Komplexität und Thematik eingesetzt werden können. Anhand dieser Aufgaben soll die Textkompetenz der Lernenden aktiviert und schrittweise erweitert werden. 296 Die Aufgaben, die im Folgenden vorgeschlagen werden, 297 sind innerhalb einer Aufgabenabfolge systematisch aufeinander bezogen. Es handelt sich dabei um Prototypen, die ihre spezifische Kontur erst durch die Anwendung auf konkrete Themen und Texte erhalten. Sie können auf vielfältige Weise miteinander kombiniert und an die individuellen Voraussetzungen der Lernenden angepasst werden. Einzelne Aufgaben sollten jedoch nicht isoliert herausgegriffen und beliebig aneinandergereiht werden, denn der Lerneffekt ergibt sich durch die spezifische Abfolge und Kombination der Aufgaben und die dafür vorgeschlagenen Handlungs- und Sozialformen. 298 Die sprachlichen und kognitiven Anforderungen bei der Bearbeitung einer Aufgabe werden nicht nur durch die Aufgabe, sondern primär durch die Komplexität des Textes gesteuert: Je einfacher der Text, desto einfacher die Aufgabe. 295 Die Aufgaben können zur Förderung der Textkompetenz in der Zweit- und in der Erstsprache eingesetzt werden. Der erwartbare Lerneffekt ist dann am größten, wenn die Aufgaben sowohl anhand von Texten in der Erstals auch in der Zweitsprache der Lernenden durchgeführt werden. 296 Es soll damit die Kluft zwischen dem aktuellen und dem potentiellen Entwicklungsstand der Lernenden überwunden werden („zone of proximal development”, vgl. Vygotsky 1978, 86). 297 Die hier vorgeschlagenen Verfahren und Aufgaben beziehen sich auf Texte, wie sie in Sachfächern der 5.-8. Schulstufe eingesetzt werden. 298 Nicht alle Aufgaben sind direkt auf beliebige Texte anwendbar - es bedarf jedoch in der Regel nur geringfügiger Anpassungen ohne deshalb die Grundkonzeption der Aufgaben verändern zu müssen. Mitunter ist es auch sinnvoll, Aufgaben aus vorangegangenen Phasen nochmals aufzunehmen - so erweist sich etwa ein Rückgriff auf Aufgaben der Textkonstruktion nach der Bearbeitung von Aufgaben zur Textrekonstruktion vielfach als sinnvoll. 204 5.1 Phase 1: Wissensaktivierung Assoziatives Schreiben 299 (1) Vorgabe: ein themenbezogener Impuls (Stichwort, Bild, Gegenstand etc.) 1. Einzelarbeit: Schreib fünf Minuten lang 300 alles auf, was dir zu diesem Stichwort (Bild) einfällt. Lass den Schreibfluss nicht abreißen und schreib auch dann weiter, wenn dir gerade nichts einfällt (z.B. llllll...). 301 Schreib in ganzen Sätzen. 2. Gruppenarbeit: Lest einander die Texte vor, die ihr geschrieben habt. Verwendet eure Gedanken und Ideen zum Thema für einen Text, mit dem ihr euch an einem Text-Wettbewerb in eurer Klasse beteiligt. 3. Gruppenarbeit: Entscheidet euch für drei Kriterien, 302 nach denen die Texte beurteilt und gereiht werden sollen. 4. Partnerarbeit: Beurteilt euren eigenen Text anhand dieser Kriterien und überarbeitet ihn. 5. Plenum: Einigt euch auf fünf Kriterien der Textbeurteilung. (Drei SchülerInnen beobachten den Einigungsprozess und erzählen euch nachher, was ihnen aufgefallen ist.) 303 6. Gruppenarbeit/ Plenum: Bewertet die Texte der anderen in der Gruppe, vergebt Punkte und erstellt eine Reihung im Plenum. 7. Gruppenarbeit: Sammelt eure Erfahrungen und überlegt gemeinsam, worauf ihr beim Schreiben das nächste Mal besonders achten wollt. VARIATION: Die Texte können auch für eine Wandzeitung, ein Magazin oder eine Homepage verwendet werden. Anstelle der Kriterienfindung könnte eine gemeinsame Überarbeitung der Texte durchgeführt werden. Einwände zum Text müssen dabei von den Lernenden konstruktiv vorgebracht und 299 Die Idee für diese Aufgabe beruht auf Verfahren der „Plurilingualen Schreibdidaktik”, wie sie von Antonie Hornung (1999) entwickelt wurden. 300 Die Dauer für diese Aktivität muss individuell festgelegt werden. Schreibunerfahrene brauchen erfahrungsgemäß länger als Lernende, die bereits über mehr Schreiberfahrung verfügen. 301 Dieses „mechanische Weiterschreiben” fällt manchen Lernenden anfangs schwer; erst wenn sie diese Schreibaufgabe öfters durchgeführt haben, wird ihnen dieses Verfahren geläufig. 302 Die Kriterien könnten z.B. sein: 1. TITEL: Passt der Titel zum Text? Klingt er interessant, ist er angemessen …? 2. EINLEITUNG: Wie ist der Text eingeleitet? Enthält die Einleitung alle wichtigen Informationen? Was fehlt? Macht die Einleitung Lust, weiter zu lesen? 3. TEXTORGANISATION: Ist der Text klar strukturiert oder wird von einer Idee/ Information zur anderen „gesprungen”? Ist der Text verständlich? Sind die Informationen gut miteinander verknüpft? 303 In den meisten Aufgabenabfolgen sind „Beobachteraufträge” integriert, um die Reflexion auf Lernprozesse und Lernstrategien zu erhöhen. Sie haben den Vorteil, dass die BeobachterInnen selbst nicht in den Lernprozess involviert sind und das Lerngeschehen aus einer gewissen Distanz heraus beobachten können. 205 die eigenen Texte anhand der Kritik der anderen überarbeitet werden. Assoziatives Schreiben (2) Vorgabe: mehrere Bilder werden im Raum verteilt, neben jedem Bild hängt ein leeres Plakat (es sollen so viele Bilder und Plakate vorhanden sein, dass 4er-Gruppen gebildet werden können). 1. Einzelarbeit: Such dir ein Bild aus und schreib deine Gedanken zu diesem Bild spontan auf das Plakat. Wenn dir nichts mehr einfällt, geh zu einem anderen Bild und lies, was die anderen dazu geschrieben haben. 2. Gruppenarbeit: Geh zu dem Bild, das dich am meisten anspricht. Schreibt gemeinsam in der Gruppe einen Text zu diesem Bild. Berücksichtigt die Gedanken der anderen zu diesem Bild (siehe Plakat). 3. Einzelarbeit: Tauscht eure Texte aus und schreibt Kommentare dazu. 4. Gruppenarbeit: Überarbeitet euren Text anhand der Rückmeldungen. Assoziatives Sprechen Vorgabe: mehrere Bilder zu einem Thema 1. Paararbeit: Sucht euch ein Bild aus und redet darüber fünf Minuten lang vor der Klasse, möglichst ohne zu unterbrechen. 2. Gruppenarbeit: Was hat euch an den Beschreibungen und Kommentaren zu den Bildern besonders angesprochen? Konzentriert euch auf drei besonders interessante Dinge, die gesagt wurden. Schreibt einen Text, in dem ihr darauf Bezug nehmt und fügt eure eigenen Ideen und Gedanken zum Bild hinzu. (Eine/ r aus eurer Gruppe beobachtet den Schreibprozess und teilt euch nachher seine/ ihre Eindrücke mit.) 3. Gruppenarbeit: Tauscht eure Texte aus und sagt den anderen, was euch daran besonders gut/ weniger gut gefällt. 304 Überarbeitet euren Text anhand der Rückmeldungen. 4. Plenum: Stellt die Bilder und Texte in der Klasse aus oder verwendet sie für eine Projektmappe bzw. eine Seite auf eurer Klassenhomepage. VARIATION: Wenn es sich um Kunstbilder handelt, können die Lernenden sich über die Bilder in der Rolle von KunstexpertInnen und/ oder ReporterInnen unterhalten, um sie einem kunstinteressierten Publikum (der Klasse) in einer (simulierten) Radio- oder Fernsehsendung näher zu bringen. Die Zuhörenden schreiben anschließend ein kurzes Statement über das, was sie gehört haben. Dieses Statement soll zusammen mit dem Bild in einer Kunstzeitschrift, einem Schulbuch für Kunsterziehung oder einem Sachbuch veröffentlicht werden. 304 Die Textsorte kann freigestellt oder von der Lehrerin/ vom Lehrer vorgegeben werden. 206 5.2 Phase 2: Arbeit an Texten 5.2.1 Textkonstruktion In den Aufgaben zur Textkonstruktion erhalten die Lernenden Fragmente eines Textes (einzelne Sätze, Absätze oder kurze Textpassagen), die als Grundlage der Aufgabenbearbeitung dienen (siehe Kap. 4.2.1). Erst danach erhalten sie den Originaltext. 305 einen Textanfang fortsetzen Vorgabe: die ersten Sätze eines Textes 1. Paararbeit: Ergänzt die Sätze und schreibt einen zusammenhängenden Text. 2. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem eines anderen Paares und gebt euch gegenseitig Tipps, wie ihr den Text verbessern könntet. 3. Paararbeit: Überarbeitet euren Text anhand der Rückmeldungen. 4. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem Originaltext. Was fällt euch auf? einen Texteinstieg in der Runde weiterschreiben Vorgabe: der erste Satz aus einem Text 1. Paararbeit (zwei bis drei Paare sitzen in Gruppen zusammen): Ergänzt den ersten Satz aus dem Originaltext um einen Satz (zu zweit). Faltet das Blatt so, dass man nur den letzten Satz lesen kann. Gebt den Text an ein anderes Paar weiter. Dieses ergänzt wiederum einen Satz und gibt den Text an das nächste Paar weiter usf. 306 2. Gruppenarbeit: Lest den gemeinsam verfassten Text und überarbeitet ihn so lange, bis er euren Vorstellungen von einem gelungenen Text entspricht. 3. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem Originaltext. Was fällt euch auf? einen Textanfang finden Vorgabe: die letzten Sätze eines Textes 1. Paararbeit: Ergänzt die Sätze um passende Textteile, die ihnen vorangestellt werden können. 2. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem eines anderen Paares und verfasst gemeinsam einen neuen Text, der euren Vorstellungen von einem gelungenen Text entspricht. 305 Bei Sachtexten ist es fallweise notwendig, die Inhalte des Textes zunächst zu erarbeiten und erst dann die Aufgaben zur Textkonstruktion anzuschließen. 306 Auf diese Weise entsteht zwangsläufig ein unzusammenhängender Text. Dies ist jedoch beabsichtigt, denn daran anschließend geht es darum, den Text so lange zu überarbeiten, bis er kohärent ist. 207 3. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem Originaltext. Was fällt euch auf? Textzwischenstücke ergänzen Vorgabe: die ersten und die letzten Sätze eines Textes 1. Paararbeit: Ergänzt diese Anfangs- und Endsätze um passende Textzwischenstücke, sodass ein zusammenhängender Text entsteht. 2. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem eines anderen Paares und gebt euch gegenseitig Tipps, wie ihr den Text verbessern könnt. 3. Paararbeit: Überarbeitet euren Text anhand der Rückmeldungen. 4. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem Originaltext. Was fällt euch auf? VARIATION: Anstatt von Sätzen können auch Absätze vorgegeben werden. Zwischenüberschriften einfügen Vorgabe: ein Text mit fehlenden Zwischenüberschriften 1. Paararbeit: Ergänzt die Zwischenüberschriften in diesem Text. 307 2. Gruppenarbeit: Vergleicht eure Zwischenüberschriften mit denen eines anderen Paares und einigt auch in der Gruppe auf gemeinsame Zwischenüberschriften, mit denen alle einverstanden sind. 3. Gruppenarbeit: Vergleicht eure Zwischenüberschriften mit jenem aus dem Originaltext. Was fällt euch auf? Absätze in einen Text einfügen Vorgabe: jeder zweite Absatz eines Textes 1. Paararbeit: Ergänzt nach jedem Absatz einen Absatz, sodass ein zusammenhängender Text entsteht. 2. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem eines anderen Paares und verfasst auf dieser Grundlage gemeinsam einen neuen Text, der allen in der Gruppe gefällt. 3. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem Originaltext. Was fällt euch auf? Sätze in einen Text einfügen Vorgabe: jeder zweite Satz eines Textes 1. Paararbeit: Fügt nach jedem Satz einen Satz ein. 2. Gruppenarbeit: Vergleicht eure Texte paarweise und verfasst gemeinsam einen neuen Text, der euren Vorstellungen von einem gelungenen Text zu diesem Thema entspricht. 3. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem Originaltext. Was ist 307 Die Lernenden sollten darauf hingewiesen werden, dass der Titel und Untertitel sowie Zwischenüberschriften auf relevante Informationen im Text (Textabschnitt) verweisen. 208 gleich, was ist anders? Konjunktionen in einem Text ergänzen Vorgabe: Text ohne Konjunktionen 1. Paararbeit: Ergänzt die fehlenden Konjunktionen im Text. 2. Gruppenarbeit: Vergleicht eure Lösungen und einigt euch auf dieselben Konjunktionen. 3. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem Originaltext. Was ist gleich, was ist anders? 5.2.2 Textrekonstruktion In den Aufgaben zur Textrekonstruktion arbeiten die Lernenden mit kurzen Texten oder Textabschnitten als Vorlage. Dictogloss Vorgabe: ein kurzer Text oder Textabschnitt, der von einem Schüler/ einer Schülerin oder von der Lehrerin/ vom Lehrer vorgelesen wird 308 1. Gruppenarbeit: Rekonstruiert den Text möglichst genau (schriftlich). Ergänzt die „Lücken”, sodass ein sinnvoller, zusammenhängender Text entsteht. (Eine/ r in der Gruppe beobachtet den Schreibprozess und schildert euch nachher seine/ ihre Eindrücke.) 2. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem einer anderen Gruppe. Was fällt euch auf? Wie könntet ihr euren Text verbessern? 3. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem Original. Was fällt euch auf? Absatzpuzzle Vorgabe: die Absätze eines Textes (jede/ r Lernende erhält einen anderen Absatz) 1. Einzelarbeit: Lest euren Absatz aufmerksam durch und legt ihn dann beiseite. Erzählt den anderen, worum es in diesem Absatz geht. 2. Gruppenarbeit: Bringt eure Absätze in eine sinnvolle Reihenfolge, ohne nochmals nachzulesen. 3. Gruppenarbeit: Rekonstruiert den Text gemeinsam (schriftlich). Ergänzt die „Lücken”, sodass ein zusammenhängender, sinnvoller Text entsteht. 4. Gruppenarbeit: Vergleicht euren Text mit dem einer anderen Gruppe und anschließend mit dem Original. Was fällt euch auf? 308 SchülerInnen sollten nur dann vorlesen, wenn sie Texte sinnerfassend lesen und entsprechend intonieren können; dies ist bei Lernenden mit geringer Textkompetenz oft jedoch nicht der Fall. 209 Im Anschluss an die Aufgaben zur Textrekonstruktion könnten auch nochmals Aufgaben zur Textkonstruktion eingesetzt werden. Dies ist vor allem bei der Arbeit an komplexen Sachtexten mitunter sinnvoll. 5.2.3 Textfokussierung & Textexpansion In den Aufgaben zur Textfokussierung & Textexpansion arbeiten die Lernenden mit ganzen Texten bzw. mit längeren Textabschnitten. einen Text zusammenfassen & erweitern Vorgabe: mehrere Texte zum selben Thema (je zwei Paare haben denselben Text) 1. Einzelarbeit: Lies den Text und versuche ihn global zu verstehen. 309 2. Einzelarbeit: Lies den Text ein zweites Mal, versuche ihn im Detail zu verstehen und unterstreiche die wichtigsten Textstellen. 310 3. Paararbeit: Schreibt gemeinsam eine Zusammenfassung des Textes. 4. Gruppenarbeit: Sucht euch ein Paar, das denselben Text gelesen hat und tauscht eure Zusammenfassungen untereinander aus. Erweitert die Zusammenfassung, die ihr von den anderen bekommen habt, um das Dreifache. Ihr könnt auch eigene Erfahrungen und Kenntnisse zum Thema einbringen. (Eine/ r aus eurer Gruppe beobachtet den Schreibprozess und erzählt euch nachher, was ihm/ ihr aufgefallen ist.) VARIATION: Je zwei Lernende, die nicht denselben Text gelesen haben, arbeiten zusammen. Jede/ r fasst seinen/ ihren Text zunächst mündlich zusammen. Anhand der mündlichen Zusammenfassungen schreiben die Paare gemeinsam eine schriftliche Zusammenfassung. Dann tauschen sie ihre Texte gruppenweise aus und überarbeiten ihn anhand der Rückmeldungen. Schlüsselwörter finden & anreichern Vorgabe: ein Text auf Overheadfolie 1. Plenum: Was sind die Schlüsselwörter im Text? Deckt sie ab und versucht sie euch zu merken. 311 309 Das Lesetempo ist entsprechend den individuellen Lesefähigkeiten und -strategien sowie den Vorkenntnissen zum Thema eines Textes unterschiedlich. Die Texte sollten daher von den Lernenden zunächst alleine gelesen werden, um ihnen ein persönliches Lesetempo zu ermöglichen. Es sollte von den LehrerInnen auch darauf hingewiesen werden, dass auch Bilder, Grafiken oder Tabellen für das Textverständnis genutzt werden können, da sie den Inhalt eines Textes vielfach verdeutlichen, veranschaulichen bzw. Zusatzinformationen liefern, die das Textverständnis erleichtern (vgl. Schiesser/ Nodari 2005b). 310 Die Texte sollten prinzipiell mehrfach gelesen werden; wichtig ist dabei, dass jeder Lesevorgang anhand einer anderen Lesestrategie erfolgt (detailliertes/ globales/ selektives Lesen, unterschiedliche Lesegeschwindigkeiten etc.) (vgl. Nodari 2005b). 210 2. Gruppenarbeit: Schreibt anhand der Schlüsselwörter einen Text. 3. Plenum: Vergleicht eure Texte mit dem Originaltext. Was ist gleich, was ist anders? Korrigiert eure Lösungen. Textinformationen selektieren & ergänzen Vorgabe: Sachtext mit Alltagsbezügen 312 1. Einzelarbeit: Lies den Text einmal und versuche ihn im Großen und Ganzen zu verstehen. 2. Einzelarbeit: Lies den Text ein zweites Mal, versuche ihn genau zu verstehen und unterstreiche die wichtigsten Textstellen. 3. Paararbeit, Gruppe A (halbe Klasse): Kürzt euren Text um alle alltagsbezogenen Informationen. Überarbeitet den Text, sodass ein kohärenter Text entsteht. 4. Paararbeit, Gruppe B (halbe Klasse): Kürzt euren Text um alle Sachinformationen. Überarbeitet den Text, sodass ein kohärenter Text entsteht. 5. Gruppenarbeit (2 Paare, die unterschiedliche Aufgaben bearbeitet haben): Vergleicht eure Texte. Was fällt euch auf? 6. Paararbeit, Gruppe A: Schreibt einen Text, in dem ihr den gekürzten Text durch eigene Kenntnisse und Erfahrungen zum Thema ergänzt. 7. Paararbeit, Gruppe B: Erweitert den gekürzten Text durch eigene Sachkenntnisse zum Thema. Der Text soll möglichst informationsreich sein. 8. Paararbeit: Tauscht die Texte zwischen den Gruppen aus und macht einander Vorschläge zur Verbesserung des Textes. Überarbeitet diesen Text anhand dieser Vorschläge. Kernaussagen formulieren & ausbauen Vorgabe: ein Text pro Gruppe 1. Einzelarbeit: Lies den Text und versuche ihn im Großen und Ganzen zu verstehen. 2. Einzelarbeit: Lies den Text ein zweites Mal, versuche ihn im Detail zu verstehen und unterstreiche die wichtigsten Textstellen. 3. Gruppenarbeit: Formuliert den inhaltlichen Kern des Textes in einem Satz (schriftlich). 4. Gruppenarbeit: Tauscht diesen Satz mit einer Gruppe aus, die einen anderen Text als ihr gelesen hat. Stellt drei Fragen zu dem Satz, den ihr bekommen habt. Sie sollen von der Gruppe, die den Satz formuliert hat, beantwortet werden. (Eine/ r aus eurer Gruppe beobachtet, wie ihr das macht und erzählt euch nachher darüber.) 311 Bei den Schlüsselwörtern kann es sich sowohl um inhaltstragende Wörter als auch um Funktionswörter handeln; z.B. Konjunktionen oder Präpositionen. 312 Vorinformationen zum Thema sind bei dieser Aufgabe in der Regel nötig. Der Text muss im Hinblick auf seine Funktionalität für diese Aufgabe genau geprüft werden. 211 5. Gruppenarbeit: Nun erweitert den Satz eurer Gruppe und schreibt einen Text (ca. eine A4-Seite), in dem ihr euer Wissen zum Thema einbaut. 6. Gruppenarbeit: Tauscht die Texte untereinander aus und teilt einander mit, was euch am Text auffällt. Überarbeitet den Text anhand der Rückmeldungen, die euch die anderen geben. Kerninhalte suchen & ergänzen Vorgabe: ein Text 1. Einzelarbeit: Lies den Text und versuche ihn im Großen und Ganzen zu verstehen. 2. Einzelarbeit: Lies den Text ein zweites Mal, versuche ihn ganz genau zu verstehen und unterstreiche die wichtigsten Textstellen. 3. Paararbeit: Sucht nach jener Textpassage, die am besten ausdrückt, worum es in diesem Text geht. 4. Gruppenarbeit: Teilt den anderen eure Entscheidung mit und begründet sie. Einigt euch in der Gruppe auf eine Textpassage. 5. Paararbeit: Baut diese Textpassage zu einem Text aus, der euren Vorstellungen von einem gelungenen Text zu diesem Thema entspricht. 6. Gruppenarbeit: Vergleicht eure Texte und kommentiert sie. 7. Einzelarbeit: Wie seid ihr bei diesen Aufgaben vorgegangen? Schreibt auf, was ihr gemacht habt. Schlüsselpassagen suchen & erweitern Vorgabe: verschiedene Texte zu einem Thema 1. Paararbeit: Sucht euch einen Text aus. 2. Einzelarbeit: Lies den Text und versuche ihn im Großen und Ganzen zu verstehen. 3. Paararbeit: Lest den Text ein zweites Mal und unterstreicht die wichtigsten Textstellen. 4. Gruppenarbeit: Vergleicht die unterstrichenen Textpassagen und einigt euch auf die wichtigsten Textstellen. Schreibt anhand der hervorgehobenen Informationen einen Text, in dem ihr die anderen über die wesentlichen Inhalte eures Textes informiert. 5. Gruppenarbeit: Überarbeitet euren Text anhand der Rückmeldungen der anderen und bereitet ihn für ein Themenheft, eine Wandzeitung oder eine Internetseite auf. 6. Einzelarbeit: Wie seid ihr bei diesen Aufgaben vorgegangen? Schreibt auf, was ihr gemacht habt und was ihr daraus gelernt habt. prägnante Beispiele auswählen & ausbauen Vorgabe: ein Text (mit prägnanten Beispielen) 1. Einzelarbeit: Lies den Text einmal durch und versuche ihn im Großen und Ganzen zu verstehen. 212 2. Paararbeit: Lest den Text ein zweites Mal und sucht nach einem Beispiel, das den Inhalt des Textes gut illustriert. 3. Gruppenarbeit: Teilt einander eure Entscheidung mit. Einigt euch auf ein Beispiel und macht ein Bild, eine Collage oder ein Plakat. 4. Paararbeit: Schreibt auf der Basis dieses Beispiels einen Erzähltext zum Thema des Textes. 5. Gruppenarbeit: Vergleicht eure Texte. Was fällt euch auf? schwierige Textpassagen umformulieren & ergänzen Vorgabe: ein Text mit schwierigen Textpassagen 1. Einzelarbeit: Lies den Text und versuche ihn im Großen und Ganzen zu verstehen. 2. Einzelarbeit: Lies den Text ein zweites Mal. Welche Textpassage ist für dich besonders schwer zu verstehen? 3. Gruppenarbeit: Vergleicht, welche Textpassagen ihr ausgewählt habt. Versucht gemeinsam herauszufinden, was sie bedeuten und konzentriert euch dabei auf das, was ihr versteht. 313 4. Gruppenarbeit: Versucht diese Textpassage in eigenen Worten neu zu formulieren. 314 5. Gruppenarbeit: Erweitert die neu formulierte Textpassage zu einem Text, der den Inhalt des Originaltextes verständlich wiedergibt. 6. Einzelarbeit: Wie seid ihr bei diesen Aufgaben vorgegangen? Schreibt auf, was ihr gemacht habt und was ihr dabei gelernt habt. zentrale Textpassagen finden & weiterverarbeiten Vorgabe: ein Text 1. Einzelarbeit: Lies den Text und versuche ihn im Großen und Ganzen zu verstehen. 2. Einzelarbeit: Lies den Text ein zweites Mal und versuche ihn ganz genau zu verstehen. Welche Textstelle gibt die zentrale Aussage/ Idee des Textes am besten wieder? 3. Gruppenarbeit: Vergleicht eure Ergebnisse und einigt euch auf eine Textstelle, die die zentrale Aussage oder Idee des Textes am besten wiedergibt. Vergleicht euer Ergebnis mit dem einer anderen Gruppe. 4. Gruppenarbeit: Welche Textstellen unterstützen die zentrale Aussage bzw. Idee des Textes? Vergleicht euer Ergebnis mit dem einer anderen Gruppe. 313 Das Fokussieren unbekannter Wörter oder Textpassagen hat meist zur Folge, dass die Lernenden das Unverstandene fixieren; durch eine Konzentration auf das, was die Lernenden verstehen, lassen sich Verstehensprobleme oft lösen (vgl. Nodari 2005a, 51). 314 Pearson/ Tierney (1984) haben festgestellt, dass solcherart neu formulierte Textpassagen meist nicht nur von den Schreibenden selbst besser verstanden werden, sondern auch von den anderen in der Klasse. 213 5. Gruppenarbeit: Schreibt einen Text, in dem ihr die zentrale Aussage/ Idee eures Textes ins Zentrum stellt. Ergänzt diese Informationen um das, was ihr selbst über das Thema wisst und was euch wichtig erscheint. (Eine/ r aus eurer Gruppe beobachtet, wie ihr das macht und erzählt euch nachher über seine/ ihre Eindrücke.) 5.3 Phase 3: Texttransformation In der Phase der Texttransformation arbeiten die Lernenden mit einem längeren Text bzw. mit mehreren Texten zum selben Thema. 315 Die Texte sind zum Teil vorgegeben, zum Teil aber auch von den Lernenden selbst zu recherchieren. Die Aufgaben haben projektartigen Charakter. Informationen recherchieren Vorgabe: ein Text pro Gruppe zum selben Thema 1. Gruppenarbeit: Unterstreicht die wichtigsten Informationen im Text. 2. Gruppenarbeit: Holt Informationen zu eurem Thema aus anderen Gruppen ein, recherchiert in Büchern und im Internet und schreibt einen Text, in dem ihr alles verwendet, was euch wichtig und interessant in Bezug auf dieses Thema erscheint. 3. Gruppenarbeit: Tauscht eure Texte gruppenweise aus und macht einander Verbesserungsvorschläge. Überarbeitet die Texte anhand der Rückmeldungen. (Eine/ r aus eurer Gruppe beobachtet den Schreibprozess und berichtet nachher über das, was er/ sie beobachtet hat.) 4. Gruppenarbeit: Präsentiert eure Texte in einer Broschüre/ einer Ausstellung zum Thema, die alle in der Klasse/ Schule erhalten bzw. sehen können. Illustriert die Texte mit Bildern, Zeichnungen, Fotos etc. Informationen zusammenführen Vorgabe: verschiedene Texte zum selben Thema, je zwei Gruppen haben denselben Text 1. Paararbeit: Schreibt eine Zusammenfassung eures Textes. 2. Gruppenarbeit (gebildet von zwei Paaren, die denselben Text gelesen haben): Formuliert die zentrale Idee, Fragestellung oder Hypothese eures Textes in einem Satz (schriftlich). 3. Gruppenarbeit (jeder in der Gruppe hat einen anderen Text gelesen): Schreibt einen Text zum Thema, in dem ihr Informationen aus den verschiedenen Texten einbaut. Baut Informationen aus dem Internet, aus Büchern etc. zum Thema ein. 4. Gruppenarbeit: Tauscht die Texte aus, stellt Fragen zum Text der ande- 315 Es kann zusätzlich auch mit Bildern, Filmen etc. gearbeitet werden. 214 ren und macht einander Verbesserungsvorschläge. 5. Gruppenarbeit: Überarbeitet die Texte anhand der Rückmeldungen und präsentiert sie in einem einer Broschüre/ auf einer Homepage, die für alle zugänglich ist. Illustriert die Texte mit Bildern, Zeichnungen, Fotos etc.. mit Texten argumentieren Vorgabe: argumentative Texte zu einem kontroversen Thema 1. Paararbeit: Markiert alle Stellen im Text, mit denen ihr einverstanden seid/ die nicht eurer Meinung entsprechen. Stellt die im Text vorgebrachten Argumente einander gegenüber (pro/ kontra) und ergänzt sie durch eigene Argumente. 2. Plenum: Stellt eine kontroversielle Runde für eine Podiumsdiskussion zusammen und spielt die Diskussion. 3. Plenum: Wie ist die Podiumsdiskussion gelaufen? Wie wurde argumentiert? Worauf könntet ihr das nächste Mal achten? 316 4. Paararbeit: Schreibt a) einen möglichst ausgewogenen Bericht über die Podiumsdiskussion oder b) eine persönliche Stellungnahme zum Thema für eine Tageszeitung Sachtexte als Modelle Vorgabe: mehrere Sachtexte zu einem Thema 1. Paararbeit: Lest alle Texte und sucht euch einen Text aus. Verwendet ihn als Modell für einen Text zu einem ähnlichen Thema, das ihr euch selbst aussucht. 317 Recherchiert zusätzliches Material zum Thema aus Büchern, dem Internet etc. 2. Gruppenarbeit: Lest einander eure Texte vor und gebt euch gegenseitig Tipps zur Verbesserung der Texte. 3. Paararbeit: Verbessert eure Texte anhand der Rückmeldungen eurer MitschülerInnen. Sammelt die Texte in einer Broschüre, die alle in der Klasse bekommen sollen. vom Sachtext zur Phantasieerzählung Vorgabe: mehrere Sachtexte zum selben Thema 1. Paararbeit: Verwendet die Texte als Impuls für eine Phantasieerzählung/ eine Fabel/ ein Märchen/ eine Abenteuergeschichte/ eine Kriminalgeschichte etc. zum Thema. 2. Gruppenarbeit: Lest einander eure Texte vor und sagt, was euch an den Texten der anderen gefällt bzw. nicht gefällt. 3. Paararbeit: Überarbeitet euren Text anhand der Rückmeldungen. 316 Es ist günstig, die Diskussion aufzuzeichnen, um sich einzelne Szenen aus der Distanz nochmals anschauen und analysieren zu können. 317 Dem Schreiben des Textes könnte eine Analyse der Textsortenmerkmale, der sprachlichen Gestaltung etc. des Vorlagentextes vorausgehen. 215 4. Gruppenarbeit: Sammelt und illustriert eure Texte und stellt sie aus (in einer Wandzeitung etc.). Lesetheater 318 Vorgabe: Sachtext oder Erzähltext 1. Gruppenarbeit: Schreibt den Text in einen szenischen Text mit mehreren Rollen um. Ihr könnt Textteile aus dem vorgegebenen Text verwenden, ihr könnt aber auch selbst Textteile ergänzen. 2. Gruppenarbeit: Verteilt die Rollen und lest den Text in den verteilten Rollen vor. 3. Gruppenarbeit: Spielt die Szene. Schreibt eine Zusammenfassung der Szene, die euch am besten gefallen hat. 4. Gruppenarbeit: Ihr könnt die Szene auch zu einem Theaterstück ausbauen und dieses aufführen. Filmszenen Vorgabe: Film 1. Gruppenarbeit: Sucht euch eine Szene im Film aus, die euch am besten gefällt. Schreibt ein Skript zu dieser Szene. Versucht Details zu verändern oder hinzuzufügen. 2. Plenum: Spielt die Szene. Die anderen müssen erraten, um welche Szene es sich handelt. 3. Paararbeit: Schreibt eine Filmkritik zu der Szene, die euch am besten gefallen hat. Projekt Vorgabe: ein Thema 1. Gruppenarbeit: Einigt euch auf fünf zentrale Fragen zum Thema. 2. Gruppenarbeit: Formuliert einen Arbeitstitel. Recherchiert Texte und Bilder anhand der Fragen. Ihr sollt eine Projektmappe erstellen, die alle in der Klasse bekommen sollen. 3. Gruppenarbeit: Erstellt einen Projektplan und verteilt verschiedene Aufgaben in der Gruppe. Informiert die anderen in der Klasse regelmäßig über den Fortgang des Projekts. 4. Gruppenarbeit: Überlegt euch, wie ihr euer Projekt präsentieren und wie ihr eure LeserInnen ansprechen möchtet. Macht eine Titelseite, ein Inhaltsverzeichnis und schreibt ein Vorwort für eure Projektmappe. Entwerft ein ansprechendes Layout und verwendet illustrative Bilder. Jede/ r in der Gruppe sollte zumindest zwei Beiträge für diese Projektmappe leisten. 5. Gruppenarbeit: Präsentiert euer Projekt. Jede/ r in der Gruppe übernimmt bei der Präsentation eine aktive Rolle. 318 Nach einer Idee von Richard Kern (2000, 141). 216 6. Gruppenarbeit: Beurteilt das Projekt einer anderen Gruppe. Bewertet den Projektinhalt, die Präsentation und die Projektmappe. VARIATION: Das Projekt wird als ein Zeitungsprojekt durchgeführt. Es wird ein Redaktionsteam gebildet und es werden Rollen für verschiedene Bereiche (z.B. für das Schreiben der Artikel, für die Bildredaktion, für die grafische Gestaltung etc.) vergeben. Die Zeitung wird am Ende des Projektes präsentiert und allen SchülerInnen in der Klasse zur Verfügung gestellt. Die Aufgaben dieser Aufgabentypologie sind vielseitig, einfach zu handhaben und anhand verschiedenster Themen und Texte einsetzbar - und: sie funktionieren in dem Sinne, als sie einen Mechanismus in der Arbeit an Texten in Gang setzen, der intensive sprach- und inhaltsgerichtete Lernprozesse auslöst und es Lernenden damit erleichtert bzw. - im Falle vieler Zweitsprachenlernender - vielfach überhaupt erst ermöglicht, im Unterricht anhand von Texten zu kommunzieren und zu lernen. 217 ZUM ABSCHLUSS Das Ziel dieser Arbeit war es, relevante Aspekte und Zusammenhänge der Textkompetenz und des Lernens in der Zweitsprache aufzuzeigen und ein didaktisches Instrumentariums zur Förderung der Textkompetenz zu entwickeln, das insbesondere Zweitsprachenlernende dabei unterstützt, die schulischen Anforderungen an das Lernen in der Zweitsprache zu bewältigen. Aus dieser Arbeit ergeben sich zahlreiche Anknüpfungspunkte für weiterführende Forschungarbeiten, ausgehend von stärker theoretisch, empirisch oder didaktisch orientierten Fragestellungen. Textkompetenz, Sprachkompetenz und Transfer Die Frage, welche Dynamiken und Wechselwirkungen im Prozess der Sprachverarbeitung und des Wissenserwerbs in der Zweitsprache entstehen können und welche Rolle dabei die Textkompetenz der Lernenden in der Erst- und der Zweitsprache spielt, ist nicht abschließend geklärt. Hypothesen in Bezug auf „Schwellen” der Sprach- und Textkompetenz bzw. den Transfer von Kompetenzen zwischen der Erst- und der Zweitsprache bedürfen einer weiteren theoretischen und empirischen Fundierung. Forschungsarbeiten in diesem Bereich sind sowohl für die Zweitsprachenerwerbsforschung als auch für die Didaktik ein wichtiges Desiderat. Diagnose von Textkompetenz Verfügbare Erkenntnisse in Bezug auf Entwicklungsverläufe, -stufen und Indikatoren von Textkompetenz in der Zweitsprache bedürfen einer weiteren Ausdifferenzierung auf Basis quantitativ-empirischer Forschung. Diese Grundlage wäre nicht zuletzt nötig, um ein altersbezogenes Instrument der Diagnose der Textkompetenz von Zweitsprachenlernenden im Schulalter entwickeln zu können, das ein gezielteres Ansetzen von Fördermaßnahmen erlauben würde. Forschung in diesem Bereich ist sowohl für die Sprachlehrforschung als auch für die Didaktik unmittelbar relevant. Förderung früher literaler Kompetenzen in der Zweitsprache Wie lässt sich frühe Literalität in der Zweitsprache erkennen, beschreiben und klassifizieren? Wie können frühe literale Kompetenzen in der Zweitsprache gefördert werden? Im Bereich „early literacy“ gibt es bereits zahlreiche Forschungsarbeiten, jedoch überwiegend nicht mit Fokus auf die Erwerbssituation in der Zweitsprache. Es bedarf daher Forschungsarbeiten, die auf Basis von empirischen Daten zum Zweitsprachenerwerb didaktische Möglichkeiten einer frühen literalen Förderung in der Zweitsprache aufzeigen. 218 Restrukturierung der Zweitsprache durch den Schrifterwerb Durch den Schrifterwerb wird Sprache grundlegend verändert und restrukturiert. Die Frage, wie sich der Sprachgebrauch von Zweitsprachenlernenden in diesem Entwicklungsprozess verändert, inwieweit interne Erwerbsmechanismen bzw. äußere Einflüsse dabei eine Rolle spielen und ob es „Entwicklungsschübe” in diesem Prozess gibt, ist bislang noch nicht ausreichend geklärt. Hier besteht ein reiches Betätigungsfeld für die empirisch basierte Literalitäts- und Zweitsprachenerwerbsforschung. Literale Basiskompetenzen Kann man davon ausgehen, dass es sprachenübergreifende „literale Basiskompetenzen” gibt, die sowohl für die Entwicklung der Textkompetenz in der Erstals auch in der Zweitsprache grundlegend sind? Wenn ja, in welchem Zusammenhang steht deren Ausformung mit gesellschaftlichen, soziokulturellen, sozialen und individuellen Einflussfaktoren? Diese Fragen bieten ein breites, noch weitgehend unerforschtes Betätigungsfeld für die Spracherwerbs- und die Schriftlichkeitsforschung. Manifestationen von Textkompetenz an der sprachlichen Oberfläche Wie manifestiert sich Textkompetenz an der Textoberfläche und wie verhält sich diese zur Texttiefenstruktur bzw. zu Sprachverarbeitungsprozessen in der Erst- und in der Zweitsprache? Welcher Zusammenhang besteht im Besonderen zwischen den verwendeten Wörtern und der Textkompetenz von Zweitsprachenlernenden? Diese und weiterführende Fragen könnten interessante Ergebnisse für die Schreibentwicklungs- und Literalitätsforschung, aber auch für die Didaktik liefern. Modelladaptierungen der Literalen Didaktik Und schließlich könnte die in dieser Arbeit präsentierte Literale Didaktik im Hinblick auf fachliche Lernkontexte, Textsorten und Altersgruppen weiter ausdifferenziert und spezifiziert werden. Auf diese Weise könnten domänen-, alters- und textsortenbezogene Anwendungsformen der in dieser Arbeit vorgestellen literalen Grundverfahren zur Verfügung gestellt werden, die in der Schule, aber auch im Studium und in anderen Lern- und Bildungskontexten breit einsetzbar sind. Damit sind nur einige jener weiterführenden Themen- und Forschungsfelder genannt, die sich aus dieser Arbeit ableiten lassen. Sie zeigen, dass sich aus einer Verknüpfung von praxisorientierter Theoriebildung und theoretisch basierter Didaktik vielversprechende Perspektiven für die weiterführende Forschung ergeben, die zu Rückkoppelungen und Bereicherungen in beide Richtungen führen. 219 ANHANG Tabelle 1: Sprachliche Probleme von SchülerInnen des dritten Schuljahres beim Lösen einer Mathematikaufgabe (vgl. Peltzer-Karpf et al. 2003, 182) Auswertung Sprachgruppen Türkisch B/ K/ S 1 andere Muttersprachen Deutsch alles richtig prozentuelle Mittelwerte 20 % 41 % 17 % 72 % sprachliche Probleme 25 % 6% 14 % 4 % mathematische Probleme 17 % 14 % 11 % 3 % Rechenfehler 20 % 16 % 22 % 11 % Tabelle 2: Gesprochene und geschriebene Sprache (nach Nussbaumer 1991, 278) GESPROCHENE SPRACHE GESCHRIEBENE SPRACHE • einfachere, kürzere, variationsärmere Lexik; mehr Floskeln • sprechsprachliche Partikel • einfache, variationsarme Syntax • „weiche”, nicht streng durchkomponierte Syntax • typisch sprechsprachliche grammatische Kategorien • mehr „Fehler” • wenig komponierter Textbau • typisch sprechsprachliche Metakommunikation • weniger Information im Verhältnis zur Textlänge • schwierigere, differenziertere, längere, variationsreichere Lexik • wenige Partikel • variationsreiche-re Syntax • „harte”, streng durchkomponierte Syntax • typisch schriftsprachliche grammatische Kategorien • weniger „Fehler” • stärker komponierter Textbau • typisch schriftsprachliche Konstruktionen • mehr Informationen im Verhältnis zur Textlänge 1 Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch. 220 Tabelle 3: Pragmatische Bedingungen von gesprochener und geschriebener Sprache (nach Nussbaumer 1991, 279) PRAGMATISCHE BEDINGUNGEN VON GESPROCHENER SPRACHE PRAGMATISCHE BEDINGUNGEN VON GESCHRIEBENER SPRACHE • mündlich realisiert, lautlich materialisiert • dialogisch, zweiwegig • eher privat, wenige KommunikationspartnerInnen • ungeplant, spontan • kürzere Planungszeit (Produktion) • kürzere Verarbeitungszeit (Rezeption) • Zeit-/ Ortsgleichheit von Produktion und Rezeption • direktes Feedback, Rückfragen und Einspruch möglich • an Produzenten und an die Situation gebundenes sprachliches Produkt • situationseingebunden • diverse Zeichenkanäle und Zeichenarten • schriftlich realisiert, graphisch materialisiert • monologisch, einwegig • eher öffentlich, mehr AdressatInnen • geplant • lange Planungszeit (Produktion) • lange Verarbeitungszeit (Rezeption) • Zeit-/ Ortsversetztheit von Produktion und Rezeption • ohne direktes Feedback, Rückfragen und Einspruch nicht möglich • von Produzenten und Situation abgelöstes sprachliches Produkt • situationsenthoben, verselbständigt • ein Zeichenkanal, eine Zeichenart (verbal) Tabelle 4: Kommunikative Grundhaltungen der Mündlichkeit und der Schriftlichkeit (vgl. Sieber 1998, 188) Mündlichkeit Schriftlichkeit • das Wort nicht so ernst nehmen • alltagsbezogenes Verstehen • Orientierung an der Sprechhandlung • orientiert an Nähe • Erfahrungsdiskurs • das Wort beim Wort nehmen • sachbezogenes Verstehen • Orientierung am Sprachwerk 2 • orientiert an Distanz • Wissensdiskurs 2 Diese Unterscheidung geht auf Bühler (1965) zurück. 221 Gönül, Secil und Marija Mira 222 Aynur 223 Emre 224 HEIL HITLER Dora Grünberg Nur der Wecker! Kein Alarm! Bloß keine Panik, Johanna! Trotzdem! Tiefer Atemzug bis in den Bauch. Auch wenn ich in meinem eigenen Bett liege, mit meiner Lieblingsbettwäsche, rotweiß kariert, den abgeschabten Teddy, für den ich eigentlich schon viel zu alt bin, neben mir, rast mein Puls jedes Mal wie blöd, als ginge es um mein Leben. Jeden Morgen, wenn der verdammte Wecker mich aus dem Tiefschlaf reißt. Wenn man das überhaupt Tiefschlaf nennen kann. Dieses lauernde, schreckhafte Vor-sich-hin-Dämmern … Aber: mal wieder Glück gehabt! Eine Nacht ohne Alarm. Und ohne Bomben. Ich lebe noch. Ich ziehe die schwarzen Rollos hoch. Strahlend blauer Himmel. Und eine Sonne in Höchstform. Die schwarze Nacht ist endgültig vorbei. Eine Nacht ohne das schrille, unüberhörbare Geräusch der Sirenen, das die tödliche Bedrohung ankündigt. Keine eilige, panische Flucht mit dem Koffer, der gerade das Wichtigste enthält. Ausweispapiere, Dokumente, Schmuck und Silber. Immer wieder der kleine Abschied. Diese Nacht also im eigenen Bett. In dem Haus, das noch steht. Das aber in jeder Nacht dem Erdboden gleichgemacht werden könnte. Jede Nacht ein Schrecken. Ich hasse diese Nächte, in denen ich mich zu Tode fürchte. Die Nächte im feuchten Luftschutzkeller, Teddy im Arm, das Herz flatternd vor Angst … bis irgendwann die Sirene die erlösende Entwarnung gibt. Und doch bin ich noch hier. In dieser Stadt, aus der viele schon geflohen sind. Evakuiert nennt sich das. Wer es sich leisten kann, geht aufs Land. Auf dem Land lebt es sich auch in Zeiten des Krieges relativ sicher. Ich könnte auch auf dem Land sein. Aber ich habe mich für die Stadt entschieden. „Selber schuld, wenn du krepierst! ”, sagt Michael, mein Cousin. Da hat er Recht. In unserer Stadt ist es besonders gefährlich. Industriestädte mit Bergwerken und Fabriken sind die beliebtesten Angriffsziele für unsere Feinde, denen unser Land den Krieg erklärt hat. Und die jetzt erbarmungslos zurückschlagen. 225 Wenn Fabriken, Brücken, wichtige Zufahrtsstraßen, Elektrizitätswerke zerstört sind, ist auch die Lebensgrundlage der Menschen zerstört. Wenn nichts mehr übrig bleibt, nur noch zerbombte Städte, dann haben wir den Krieg verloren. Diesen Krieg, der ein absurdes Verbrechen ist. Aber das darf man nicht laut sagen. Laut sagen darf man sowieso nichts mehr. Nur noch HEIL HITLER. Und das möglichst laut. Das habe ich begriffen. Aber ich habe diese beiden Wörter noch nie wirklich ausgesprochen. Mich immer daran vorbeigemogelt. Die Lippen bewegt. So getan als ob. Irgendwie feige. Ich weiß. Und was ich mir wirklich übel nehme: In der Schule hebe ich den Arm zum Hitler-Gruß. Weil es alle tun. Mogeln geht da nicht. Meine Mutter ist da mutiger. Sie zeigt, dass sie unseren Führer ablehnt. Sie verweigert den Gruß ganz offen. Niemals hebt sie den Arm in die gewünschte Position. Sie sagt „Guten Morgen! ” oder „Guten Tag! ” oder wenn sie besonders gut drauf ist, auch „Grüß Gott! ” Und das ist eine echte Provokation. Ich riskiere nicht wirklich etwas. Was kann mir schon passieren? Eigentlich nichts. Eine Arbeit kann man mir nicht wegnehmen, weil ich noch keine habe. Ins Gefängnis oder ins Arbeitslager kann man mich nicht stecken, weil ich zu jung bin. Ich bin ziemlich feige. Ich erfinde Ausreden. Jedes Mal, wenn die BDM-Führerin mir mal wieder die Mitgliedschaft für die Jungmädelschar aufdrücken will, erzähle ich ihr, dass in meiner Freizeit mein Einsatz in der Brotfabrik nötig ist. Die Brotfabrik gehört meinem Großvater. Aber der hat es vorgezogen, aufs Land zu gehen. Meine Mutter leitet jetzt die Fabrik. Ganz freiwillig. Sie hätte auch aufs Land ziehen können. Unsere Familie hat dort einen Bauernhof. Verhungert wären wir nicht. Wir hätten es dort sogar ziemlich gemütlich gehabt. So wie früher in den Ferien. Im Winter lange Abende in der Tenne am Kamin. Mit heißer Schokolade und Waffeln. Tante Mia, die Märchentante, mit ihren Geschichten. Im Sommer Kartoffelfeuer. Forellenangeln im Fluss. Die Milch immer frisch von der Kuh. Leberwurst vom eigenen Schwein. 226 Der leise Landregen und der anschließende Regenbogen. Die große Küche mit dem knisternden Herdfeuer. Fido, der alte Jagdhund, vor seiner Hundehütte. Und die vielen Katzen … Ja, und dann die Gerüche. Das frisch geschlagene Holz. Das Heu auf den Wiesen. Der Rosinenkuchen am Samstag. Der Schweinebraten am Sonntag. Der Stallgeruch. Das Paradies. Das Einzige, was mich immer gestört hat, waren die Fliegen im Sommer. Das Gebrumme, mit dem sie näher kamen. Seit ich die Flugobjekte am Himmel mit ihren Geräuschen kennen gelernt habe, sehne ich mich nach dem harmlosen Gebrumme der Fliegen. Und jetzt habe ich freiwillig diesen Himmel gegen die Hölle eingetauscht. Warum das so ist, kann ich gar nicht so genau sagen. Vielleicht Trotz? Weil alle gegangen sind, bin ich geblieben? Um es Michael, meinem Cousin, zu zeigen, wie mutig ich bin (in meiner Feigheit)? Um meine Mutter zu unterstützen, die sich ganz bewusst dieser Herausforderung stellt? Die schon immer, auch als es mich noch nicht gab, gegen den Strom geschwommen ist? Um ihr nahe zu sein, weil ich sonst niemanden mehr habe, nachdem eines Tages zwei Männer in schwarzen Uniformen meinen Vater abgeholt haben? Es hat mich einige Kämpfe gekostet, in der Stadt bleiben zu dürfen. „Auf dem Land bist du sicherer! ”, sagte meine Mutter. „Wenn du nicht gehst, geh ich auch nicht! ”, sagte ich. Deshalb bin ich noch hier. Obwohl ich viel lieber in Sicherheit wäre. Aber das sage ich nicht. Niemandem. Trotz und Stolz. Das sind wohl meine markantesten Eigenschaften … Sommerferien. Anstatt faul auf der Wiese am Bach zu liegen, den Schmetterlingen und Libellen zuzuschauen, Eva und Ursula, den kleinen Cousinen, Blumenkränze aus Löwenzahn und Gänseblümchen zu flechten, den schlafenden Michael mit einem Grashalm wachzukitzeln, stehe ich im Laden und verkaufe Brot der Kriegsqualität. Täglich sind neu erfundene Mischungen im Angebot. Je nachdem was meine Mutter an Getreidesorten auftreiben konnte. „Eines Tages”, sagt sie, und das sagt sie jeden Tag, „gibt es kein Mehl mehr. Dann können auch wir die Stadt verlassen! ” Aber daran glaube ich nicht. Meine Mutter findet immer einen Weg. 227 Keine Ahnung, wie sie das macht. Aber noch schafft sie es, die acht Filialen zu beliefern, auch die Krankenhäuser und Altersheime dieser Stadt. Auch sie könnte es sich leicht machen. Könnte jetzt mit ihrer Staffelei am Bach sitzen und ihren Lieblingsbaum, die Kopfweide, malen … Sie macht es sich schwer. Mit ihrem „Nein”. Aber so ist sie eben. Und ohne dieses „Nein” wäre meine Mutter nicht meine Mutter. „Warum gehst du nicht weg? Du könntest jetzt endlich in aller Ruhe deine Bilder malen! ” „Die Menschen brauchen Brot.” Das ist der einzige Grund. Sie findet, es ist ihre Pflicht. Mehr nicht. Niemals beklagt sie sich. Und sie macht nicht den Eindruck, dass sie unglücklich ist. Obwohl sie nie genug Schlaf bekommt und täglich dünner wird. Ihre Bilder malt sie am Sonntag in ihrem Büro. Nicht auf der Staffelei. Nein, einfach auf ihrem Schreibtisch. Freundliche Aquarelle. Die Kopfweiden am Bach zum Beispiel. Und die alte Silbermühle am Fluss … Mein Wecker zeigt sieben Uhr an. Schrecklich früh. Aber meine Mutter lässt sich schon um vier wecken. Das Kalenderblatt kündigt einen Unglückstag an. Heute ist Freitag, der 13. August. Ich bin gemäßigt abergläubisch. Heute für elf haben sich Besucher angesagt. Männer von der SA zur Betriebskontrolle. Was immer das heißt. „Bestimmt kommen sie, um den Betrieb dichtzumachen, den letzten Wagen zu beschlagnahmen und alles andere, was sie gebrauchen können! ” Meine Mutter schüttelt den Kopf. „Das werden sie nicht wagen. Wer beliefert dann die Krankenhäuser und Altersheime? ” Meine Mutter fühlt sich sicher. Ich zucke jedes Mal zusammen, wenn ich sie sehe, diese besonders deutschen Männer, hoch gewachsen, blond und blauäugig. In ihrer Dienstkleidung. Ich hasse das Braun ihrer Uniformen, das aufgenähte Hakenkreuz. Ihre Knüppel am Gürtel und die Pistolen. Sie haben nicht nur meinen Vater abgeholt … In unserer Straße hat es einige erwischt. Aus ganz unterschiedlichen Gründen. Herrn Schmidbauer, weil er verbotene Flugblätter gedruckt hat. Herrn Grünbaum, weil er eine jüdische Großmutter gehabt hat. Und Maria, die Tochter unserer Köchin, weil sie taubstumm ist. In unserer Straße ist nichts mehr so wie früher. Das Haus vom Schuhmacher Wedekind ist gleich beim ersten Bombenangriff voll erwischt worden. Bis zum Keller alles weg. Und die ganze Familie dazu. 228 Von der Gaststätte Zum Pütt ist nur noch das Erdgeschoss übrig geblieben. Die Menschen waren zum Glück im Luftschutzkeller. Die sind jetzt bei Verwandten untergekrochen. Der Kirche fehlt die Kirchturmspitze. Die Straßenbahn fährt schon lange nicht mehr. Eine der ersten Bomben hat das Straßenbahndepot getroffen. Und da sie gegen Mitternacht fiel, standen alle Straßenbahnen schön ordentlich nebeneinander in den Hallen. … An die Trümmer habe ich mich inzwischen gewöhnt. Aber daran, dass einige Menschen für immer weg sind, daran kann ich mich nicht gewöhnen. Und die, die noch da sind, haben sich verändert. Die einen sind verstummt. Die anderen sind krank. Und die anderen tragen das Abzeichen oder die Uniform. Die Jasager. Aber die meiden uns. Auch meine allerbeste Freundin. Karin, die Tochter vom Gemüsehändler. Seit ihr Vater Sturmbannführer ist, redet sie nicht mehr mit mir. Das tut am meisten weh. Weil ich sie täglich sehe. Manchmal möchte ich dazugehören. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte einfach mitfahren. Wenn sie in ihrer Einheitsbekleidung am Wochenende auf eine Fahrt gehen. Wenn sie am Lagerfeuer ihre Lieder singen. Und froh zu sein scheinen. Auch jetzt ist Karin unterwegs. Sommerlager an der Ostsee … Nein, weg mit diesen Gedanken. Ich springe aus dem Bett. Katzenwäsche mit kaltem Wasser. Zum Frühstück Haferbrei. Dann in den Laden. Manchmal schließen wir schon nach einer Stunde. Weil alles ausverkauft ist, was wir haben. Aber noch niemals ist es vorgekommen, dass wir den Laden nicht öffnen konnten. Heute schließen wir erst um elf. Schon lange gibt es keine weißen Brötchen aus Weizenmehl mehr. Auch keinen Kuchen, kein Gebäck. Seit Monaten gibt es nur noch eine Sorte Brot. Eine Mischung aus dem, was da ist. Meistens Roggen, Gerste und Hafer. Und obwohl es längst nicht mehr so gut riecht und schmeckt wie früher, ist immer alles ganz schnell ausverkauft. Und die Schlange vor dem Laden ist einige hundert Meter lang. Erika, die alte Erika, die im Laden arbeitet, seit ich auf der Welt bin, schließt die Ladentür. Sie lässt das alte Eisengitter runter. So wie früher, als sich ein Einbruch noch gelohnt hat. 229 Dann kocht sie Kaffee, der nicht nach Kaffee riecht, weil er nicht aus Kaffeebohnen besteht. Aber er sieht so aus. Und ist besser als Wasser. Sagt sie. Ich bringe meiner Mutter eine Tasse ins Büro. Seit mein Großvater und mein Onkel aufs Land geflüchtet sind und der Buchhalter eingezogen wurde, macht meine Mutter die ganze Büroarbeit allein. Sie verzieht das Gesicht. Aber sie lächelt. Wenn meine Mutter wirklich etwas vermisst in diesem Krieg außer meinem Vater, dann ist das echter Bohnenkaffee und ab und zu eine gute Praline. Glaube ich. Im Tresor lagert die letzte Packung Kaffee. Aber die rührt sie nicht an. Die scheint ihr heilig zu sein. Sie schaut auf die Uhr. „Fünf nach elf. Normalerweise sind sie pünktlich! ” Ich setze mich an einen der verwaisten Schreibtische. Auf der grünen Unterlage aus Linoleum habe ich meine ersten Bilder gemalt … „Du gehst jetzt besser! ”, sagt meine Mutter. „Warum? ” „Es kann ungemütlich werden! Man kann nie wissen! ” Bis jetzt habe ich mich tatsächlich immer davongeschlichen, wenn Besuch in Uniform angesagt war. Habe mich im Gemüsegarten nützlich gemacht. Heute könnte ich zum Beispiel Kirschen pflücken. Nachschauen, wie viele Eier die Hühner gelegt haben. Aber heute bleibe ich auf meinem Drehstuhl sitzen. Meine Mutter putzt ihre Brille. Dann hören wir einen Wagen in den Hof fahren. Zwei Männer steigen aus. Die Angst kommt angekrochen. „Noch könntest du gehen! ”, sagt meine Mutter. „Durch die Hintertür.” „Heute nicht! ”, sage ich. Die Männer betreten das Büro ohne anzuklopfen. Sie stehen in der Eingangstür, die Hand zum Gruß am Mützenrand. „Heil Hitler! ” „Guten Morgen! ”, sagt meine Mutter. Ich sage nichts. „Wollen Sie Platz nehmen? ” Die Männer nicken. Meine Mutter führt sie in den Nebenraum, in das Zimmer mit den grünen Ledersesseln, das Zimmer ohne Schreibtische, ohne Schreibmaschinen, ohne Aktenschränke. Das Zimmer, in dem früher mein Großvater seinen Besuchern eine gute Zigarre und einen guten Tropfen angeboten hat. 230 Meine Mutter bietet nur jeweils einen Sessel an. Ich bleibe in der Tür stehen. „Kommen wir gleich zur Sache, Frau Vonderburg! ”, sagt der Jüngere. „Wir haben Ihnen schon vor einem Jahr das Angebot gemacht, unsere BDM-Sportelite im Segelfliegen zu unterrichten. Sie haben sich damals geweigert. Wir haben Sie auch gebeten, der gleichen Gruppe im Skilanglauf einen Grundkurs zu erteilen. Auch dieses Angebot haben Sie ausgeschlagen. Wir haben Sie daraufhin aus beiden Vereinen ausgeschlossen.” Er macht eine Pause und fixiert meine Mutter. Mit seinen blauen Augen, die eigentlich ziemlich schön wären, wären sie nicht so kalt. Die große Leidenschaft meiner Mutter neben ihrer Malerei war das Segelfliegen und der Skisport. Sie war überhaupt eine der ersten Frauen in Deutschland, die den Segelflugschein gemacht haben. Und im Skilaufen hat sie alle möglichen Pokale geholt. Es muss ihr schrecklich wehgetan haben, als man sie aus den Vereinen ausgeschlossen hat. Aber auch wenn es so ist, meine Mutter zeigt es nicht. Sie schaut den Männern offen und ohne mit der Wimper zu zucken ins Gesicht. Blickt sie erwartungsvoll an. „Wir möchten, weil wir Ihre Fähigkeiten schätzen, heute unser Angebot wiederholen. Mir ist allerdings nicht entgangen, dass Sie uns und unserem Führer immer noch den Gruß vorenthalten, der ihm und uns, seinen Vertretern, gebührt! ” „Ich werde auch heute Ihr Angebot nicht annehmen! ”, sagt meine Mutter ruhig. „Das wird nicht ohne Konsequenzen für Sie bleiben! ”, sagt der Ältere. „Das ist Widerstand! Sie missachten die Befehle des Führers. Ist Ihnen das klar? ” Meine Mutter nickt. Die Männer springen auf. Zum Fürchten sehen sie aus. „Heil Hitler! ”, sagen sie im Chor und heben die Hand zum Gruß. „Auf Wiedersehen! ”, sagt meine Mutter. „Auf Wiedersehen! ”, höre ich mich sagen. Meine Mutter öffnet den Tresor. „Und nun? ” „Keine Ahnung! Aber es war gut so! ” Sie holt die letzte Packung Kaffee aus dem Versteck. Meine Mutter lächelt. Überhaupt nicht unglücklich. Egal, was passieren wird. „Hatten wir nicht noch eine allerletzte Packung Pralinen? ” Die Hand meiner Mutter greift in den Tresor … 231 Nuran Birgit 232 Mira 233 Secil, Gönül, Marija 234 Mira, Christina 235 Schriftliche Bildbeschreibungen im Vergleich (Zuordnung zu den einzelnen Bildern): Bildbeschreibung (schriftlich) von Marija, Secil und Gönül Bildbeschreibung (schriftlich) von Mira und Christina 1 An einem schönen Tag hatte die kleine Maus einen riesigen Hunger. 1 Eines schönen Tages ging die Maus aus ihrem Mäuseloch hinaus. 2 Die Maus schaute sich um ob sie was stabizen kann. 2 Sie hatte einen riesen-Hunger und schaute sich aufgeregt um ob sie etwas zu fressen finden konnte. 3 Sie sah auf einem Tisch Käse. Und dachte sich wie komm ich da rauf. Die kleine Maus hatte schon eine Idee. 3 Sie roch aus einem großem Schrank einen guten Käsegeruch und folgte dem. 4 Sie kletterte rauf. 4 Sie versuchte auf den Schrank zu klettern. Am Anfang war es zwar ziemlich wackelig, aber am Ende gelangt es ihr doch. 5 5 Vor ihren Augen sah sie schon das große, duftende Stück Käse. 6 Und aß sich voll. 6 Erfreut stürtzte sie sich auf das große Stück Käse. Sie fraß alles auf und ließ nur noch ein paar Krümel übrig. 7 Sie legte sich hin mit dem dicken Bauch und schlief ein. 7 Mit vollem Bauch legte sie sich auf den Teller und schlief ruhig ein. 8 Da kam der dicke Mann und dachte sich ich hab einen rießen hunger. 8 Hungrig öffnete Manfred die Küchentür um sich etwas zu essen zu holen. 9 er dachte ich muss schaun ich hatten noch ein stück Käse. 9 Da fiel ihm das große Stück Käse ein das er heute in der Früh im Supermarkt gekauft hatte. 10 Er nahm den Teller und sah die Maus auf den Teller liegen. Er ließ den Teller aus der Hand. 10 Er sah auf dem Teller wo früher das große Stück Käse war. Aber warum waren da nur mehr ein paar kleine Krümel am Teller? Vorsichtig hob Manfred den Teller auf um sich das ganze noch einmal genauer anzusehen. 236 11 11 Als er den Teller schon in den Händen hielt sprang eine kleine Maus vom Teller. Erschreckt ließ Manfred den Teller auf den Boden fallen, und der Teller sprang in zwei. Das war ein aufregendes Erlebnis für die beiden. 12 Und rannte weg. Der Teller zerbrach in taußend stücken. 12 237 Literarischer Text zur Didaktisierung (Ausschnitt, Kap. 4) BAUDOLINO Umberto Eco „Siehst du nun, was eine Stadt ist? ” sagte der Ghini. „Und wenn sie jetzt schon so ist, wo sie noch nicht mal fertig ist, wie wird sie dann erst nachher sein? Ich sage dir, das wird ein ganz anderes Leben. Jeden Tag siehst du neue Leute - für die Händler und Kaufleute, stell dir vor, muß das wie ein himmlisches Jerusalem sein, und was die Ritter betrifft, der Kaiser hat ihnen verboten, Land zu verkaufen, damit der Besitz nicht geteilt wird, und so sind sie elend verhungert auf ihrem Land. Hier dagegen befehligen sie Kompanien von Bogenschützen, kommen hoch zu Roß daher und erteilen Befehl nach rechts und nach links. Aber nicht nur den Rittern und den Kaufleuten geht es hier gut, es ist auch ein Segen für Leute wie für deinen Vater, der nicht viel Land hat, aber ein bißchen Vieh, denn in die Stadt kommen Leute, die danach fragen und mit richtigem Geld dafür bezahlen. Man bezahlt immer öfter mit klingender Münze und nicht mit anderen Waren im Tausch, ich weiß nicht, ob du begreifst, was das heißt: Wenn du zwei Hühner für drei Kaninchen nimmst, mußt du sie früher oder später essen, sonst werden sie schlecht, aber zwei Münzen, die kannst du unter deinem Bett verstecken, und die sind auch nach zehn Jahren noch gut, und wenn du Glück hast, bleiben sie sogar dort, wenn Feinde dein Haus überfallen. Und dann - so war es in Mailand und in Lodia und in Pavia, und so wird es auch hier kommen -, es ist nicht etwa so, daß hier die Ghinis oder Aularis den Mund halten müssen und nur die Guascos oder Trottis das Sagen haben, wir reden hier alle mit, wenn es was zu entscheiden gibt, hier kannst du was werden, auch wenn du kein Adliger bist, das ist das Schöne an einer Stadt, und es ist besonders schön für einen, der kein Adliger ist, dafür ist er sogar bereit, sich umbringen zu lassen, wenn’s nötig ist (aber lieber nicht), damit seine Kinder rumlaufen und sagen können: Ich heiße Ghini, und auch wenn du Trotti heißt, bis du trotzdem ein Depp.” (Eco 2001, 190 f.) 238 LITERATUR ADA, Alma Flor (1990), „Creative reading: a relevant methodology for language minority children”, in: Walsh, Catherine E. (Hrsg.), Literacy as Praxis: Culture, Language and Pedagogy, Norwood: Ablex Publishing Corporation, 89-102. ADAMZIK, Kirsten (2002), „Zum Problem des Textbegriffs. 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Mit Beiträgen von: Piotr Dobrowolski · Hans Drumbl · Christian Fandrych · Helmuth Feilke · Antonie Hornung · Peter Klotz · Hans-Jürgen Krumm · Claudio Nodari · Hanspeter Ortner · Annemarie Peltzer-Karpf · Daniel Perrin / Eva-Maria Jakobs · Christoph Sauer · Maximilian Scherner · Sabine Schmölzer-Eibinger · Ingo Thonhauser · Georg Weidacher Sabine Schmölzer-Eibinger / Georg Weidacher (Hg.) Textkompetenz Eine Schlüsselkompetenz und ihre Vermittlung Europäische Studien zur Textlinguistik, Band 4 2007, 320 Seiten, €[D] 49,00/ Sfr 77,50 ISBN 978-3-8233-6360-6 089007 Auslieferung November 2009 9 13.11.2007 11: 27: 12 Uhr Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Postfach 25 60 · D-72015 Tübingen · Fax (0 7071) 97 97-11 Internet: www.narr.de · E-Mail: info@narr.de Kommunikation hat und braucht Kontextualisierung, Texte als Makrozeichen verweisen auf ihre Kontexte. Die moderne kognitive Textlinguistik und die linguistische Diskursanalyse setzen diese Erkenntnis häufig in ihren Arbeiten voraus, ohne sie systematisch zu explizieren. So bleiben die Begriffe „Kontext“ und „Kontextualisierung“ notorisch vage; sie fehlen im theoretischen Fundament textwissenschaftlicher Analysen. Der vorliegende Sammelband versucht, diesen Mangel anzusprechen und ihm in Form theoretischer und praktisch-analytischer Beiträge, z.B. zu literalen Praktiken in verschiedenen soziokulturellen, medialen und literarischen Kontexten, entgegenzutreten. Peter Klotz Paul R. Portmann-Tselikas Georg Weidacher (Hrsg.) Kontexte und Texte Soziokulturelle Konstellationen literalen Handelns Europäische Studien zur Textlinguistik, Band 8 2010, 346 Seiten, €[D] 58,00/ SFr 90,90 ISBN 978-3-8233-6490-0 060010 Auslieferung Juli 2010.indd 11 21.07.10 16: 02