Plautus´ Bacchides
Reihe A: Altertumswissenschaftliche Reihe, Band 40
1116
2011
978-3-8233-7681-1
978-3-8233-6681-2
Gunter Narr Verlag
Eckard Lefèvre
Plautus hat (wohl im Jahr 189 v. Chr.) 'Die Schwestern Bacchis' nach dem (verlorenen) Vorbild 'Der Doppelbetrüger' von Menander gedichtet. Seit 1968 kann eine längere Partie aus dem Original verglichen werden. Die Untersuchung zeigt, daß Plautus die griechische Weltanschauungskomödie in ein turbulentes Hetärenstück verwandelt hat, in dem zwei alte Herren und ihre Söhne verführerischen Hetären kläglich unterliegen. Es war für römische Verhältnisse unerhört, daß Familien väter, die Träger der Autorität, am Ende zu verspotteten Figuren werden. Der singspielhafte burleske Charakter der Bacchides ist auf den Einfluß des altitalischen Stegreifspiels zurückzuführen. Wie die Autoren improvisierter Spiele verkehrt Plautus Moral in Unmoral - worin nicht zum wenigsten die zündende Wirkung seiner Komödien besteht. Das 'anarchische' Geschehen erfüllt gewissermaßen eine wohldosierte Ventilfunktion innerhalb der streng gefügten römischen Welt.
Plautus hat (wohl im Jahr 189 v. Chr.) ‚Die Schwestern Bacchis‘ nach dem (verlorenen) Vorbild ‚Der Doppelbetrüger‘ von Menander gedichtet. Seit 1968 kann eine längere Partie aus dem Original verglichen werden. Die Untersuchung zeigt, daß Plautus die griechische Weltanschauungskomödie in ein turbulentes Hetärenstück verwandelt hat, in dem zwei alte Herren und ihre Söhne verführerischen Hetären kläglich unterliegen. Es war für römische Verhältnisse unerhört, daß Familienväter, die Träger der Autorität, am Ende zu verspotteten Figuren werden. Der singspielhafte burleske Charakter der Bacchides ist auf den Einfluß des altitalischen Stegreifspiels zurückzuführen. Wie die Autoren improvisierter Spiele verkehrt Plautus Moral in Unmoral - worin nicht zum wenigsten die zündende Wirkung seiner Komödien besteht. Das ‚anarchische‘ Geschehen erfüllt gewissermaßen eine wohl dosierte Ventilfunktion innerhalb der streng gefügten römischen Welt. Lefèvre Plautus’ Bacchides Plautus’ Bacchides von Eckard Lefèvre ISBN 978-3-8233-6681-2 Plautus’ Bacchides 087211 ScriptO. 138 - Lefèvre_087211 ScriptO. 138 - Lefèvre Titelei 06.10.11 14: 30 Seite 1 138 Reihe A: Altertumswissenschaftliche Reihe, Band 40 Herausgegeben von Paul Goetsch und Wolfgang Raible 087211 ScriptO. 138 - Lefèvre_087211 ScriptO. 138 - Lefèvre Titelei 06.10.11 14: 30 Seite 2 Eckard Lefèvre Plautus’ Bacchides 087211 ScriptO. 138 - Lefèvre_087211 ScriptO. 138 - Lefèvre Titelei 06.10.11 14: 30 Seite 3 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort. © 2011 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. 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Der Schluß der Lauscherszene (Dis 9-17 / Ba. 494-499) ................. 23 2. Sostratos’ / Mnesilochus’ Monolog (Dis 18-30 / Ba. 500-520) ....... 25 3. Sostratos’ Dialoge mit dem Vater (Dis 41-63 / 64-90)..................... 31 4. Sostratos’ zweiter Monolog (Dis 91-102)......................................... 36 5. Der Dialog der Freunde (Dis 102-113 / Ba. 534-561)...................... 37 II. Die Intrigen .......................................................................................... 45 1. Problematik und Lösungsversuche.................................................... 45 2. Der erste Betrug bei Menander und Plautus ..................................... 50 3. Der zweite Betrug bei Menander: Nutzen des kairov"...................... 55 4. Der zweite und dritte Betrug bei Plautus: Planung und Komik ....... 59 III. Die Hetären ........................................................................................... 61 1. Pistoclerus und die Hetären ............................................................... 61 2. Ludus und die Hetären ....................................................................... 62 3. Philoxenus pater und die Hetären ...................................................... 65 4. Die Senes amatores und die Hetären ................................................. 66 5. Die samische Hetäre .......................................................................... 68 6. Die athenische Hetäre ........................................................................ 71 7. Die Namen der Hetären ..................................................................... 71 IV. Sachliche Probleme ............................................................................ 74 1. Die Exposition.................................................................................... 74 2. Der Vertrag und die verschiedenen Geldsummen ............................ 75 3. Die Vorgeschichte.............................................................................. 77 4. Die Häuser .......................................................................................... 79 C. Struktur .............................................................................................................. 81 I. Die Diskontinuität der Bacchides .................................................. 81 1. Aufbau ............................................................................................... 81 2. Singspiel ........................................................................................... 122 3. Stegreifspiel...................................................................................... 124 a. Grundsätzliches ............................................................................ 124 b. Streitszenen .................................................................................. 126 c. Feszenninische Konter ................................................................. 128 d. turbare statt sedare ...................................................................... 129 e. Metatheater................................................................................... 130 f. Aparte ........................................................................................... 132 g. Aprosdoketon ............................................................................... 135 h. Kettenmetapher und Metaphernkumulation ............................... 137 4. Überkreuzdramaturgie ..................................................................... 142 5. Theater der Rede .............................................................................. 144 6. Fazit: Die Struktur des vom Stegreifspiel beeinflußten Theaters... 147 II. Die oijkonomiva des Dis exapaton .................................................. 149 1. Aufbau .............................................................................................. 149 2. Akteinteilung.................................................................................... 155 3. Fazit: Die Struktur des Literaturtheaters ......................................... 156 D. Weltbild .......................................................................................................... 157 I. Das Spiegelbild der athenischen Gesellschaft ......................... 157 1. Walten der ajgaqh; Tuvch .................................................................. 157 2. Initiative des Menschen ................................................................... 157 3. Charaktere ........................................................................................ 158 II. Das Zerrbild der römischen Gesellschaft .................................. 160 1. Verzicht auf Weltdeutung................................................................ 160 2. Autonomie des tri; " ejxapatw'n ....................................................... 161 3. Komik statt Charakter...................................................................... 162 4. Väter und Söhne............................................................................... 164 5. Saturnalien ....................................................................................... 166 6. Hetärenmilieu................................................................................... 168 7. Moraldefizit...................................................................................... 169 8. Soldatenspott .................................................................................... 172 9. Parasitenspott ................................................................................... 174 10. Spiel um des Spiels willen............................................................... 175 11. Datierung .......................................................................................... 177 12. Bacchides und Pseudolus ................................................................ 179 E. Rezeption ........................................................................................................ 183 F. Résumé .............................................................................................................. 185 Literaturverzeichnis .......................................................................................... 187 Register ................................................................................................................... 199 Vorwort Der alte Streit zwischen den Forschern, die Plautus enge Gefolgschaft gegenüber den attischen Originalen, und denen, die ihm weitgehende Unabhängigkeit attestieren, ist auch heute nicht zur Ruhe gekommen. Der Einfachheit halber könnte man von Agnostikern und Analytikern sprechen, obwohl auch Agnostiker zuweilen analytisch argumentieren und Analytiker zuweilen agnostisch verharren. Der Verfasser ist Analytiker. In der am heißesten diskutierten Frage, ob Plautus in der Art der Betrügereien des Sklaven Crusalus an seinem alten Herrn Nicobulus Menander folge oder ob er Änderungen vorgenommen habe, leistete er vor mehr als drei Dezennien einen Beitrag zur Forschung. Obwohl er bei namhaften Gelehrten Anklang gefunden hat, ist er iteratis curis zu einem neuen Ergebnis gekommen. Er würde sich freuen, wenn man diesen Umstand nicht als Schwanken und Unsicherheit auslegte und abtäte, sondern zum Anlaß nähme, selbst die alten Probleme immer wieder neu zu durchdenken und nicht auf einmal gefaßten Meinungen zu beharren. Plautus wird alle Leser dieses Buchs überleben - die Plautus-Forschung hoffentlich auch! Die Analyse hat ihre eigene Methode. Um zu der Erkenntnis der besonderen Struktur der plautinischen Stücke zu gelangen, ist es notwendig, ihre Andersartigkeit gegenüber den Originalen der Nea klar herauszustellen. Leider geschieht es immer wieder, daß aus der Betonung der nachlässigen Struktur oder der laxen Charakterzeichnung bei Plautus den Analytikern zu Unrecht unterstellt wird, sie werteten seine Kunst ab. Davon kann natürlich keine Rede sein. Jeder, der etwa liest, daß Plautus die Originale ‚dekomponiere‘ oder bei ihm ein „Zurückdrängen, ja teilweises Zerstören der Haupthandlung im Zusammenhang mit breitem Ausgestalten nebensächlicher Situationen und einer beträchtlichen Steigerung des Derbkomischen“ zu beobachten sei, weiß, daß Eduard Fraenkel gleichwohl den umbrischen Dichter im höchsten Maß geschätzt und den Weg gewiesen hat, seiner Unvergleichlichkeit innezuwerden. Vier (Vor)arbeiten zu den Bacchides aus den Jahren 1978, 1979, 1988 und 2001 bilden einen wesentlichen Grundstock der folgenden Betrachtungen. Sie gaben dem Verfasser Mut, das Ganze in den Blick zu nehmen. Vorwort 10 Ein Großteil dieser Monographie war schon vollendet, als 2008 Questas vorzügliche Ausgabe erschien. Da den früheren Aufsätzen des Verfassers vielfach der Text seiner Edition von 1975 zugrunde lag, war es leicht, die Zitate aus den Bacchides auf die neue Version umzustellen. Allen Lesungen wird gefolgt. Nur wird mit Rücksicht auf Crucisalus (362) und cruciatum (687) Crusalus (nicht Crisalus) und mit Rücksicht auf ludo (129) Ludus (nicht Lidus) geschrieben. Auch wird aus Gründen der Bequemlichkeit die Szenenzählung aus humanistischer Zeit beibehalten. Auf sie kann eine korrekte Edition verzichten, nicht aber eine Interpretation, die einheitliche Szenen betrachtet und miteinander in Beziehung setzt. Plautus’ Komödien außer den Bacchides werden nach Leo zitiert. Es ist vielfacher Dank auszusprechen: - allen voran dem Menander-Kenner Horst-Dieter Blume (Münster), der sich die große Mühe gemacht hat, die Untersuchung durchzuarbeiten und manchen Fehler aufzuspüren, - Paul Goetsch und Wolfgang Raible, den Begründern und Herausgebern der ‚ScriptOralia‘, für die Aufnahme auch dieses Bands in ihre Reihe, - dem Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT für einen großzügig gewährten Zuschuß zu den Druckkosten, - dem Verlag, insbesondere Herrn Dr. Gunter Narr und Frau Susanne Fischer, für die wiederum einvernehmliche Zusammenarbeit. Das Manuskript wurde im Dezember 2010 abgeschlossen. An einigen Stellen konnte noch die hervorragende Abhandlung von Ferdinand Stürner über Monologe bei Plautus eingearbeitet sowie Hinweise auf den ersten Band der Plautus-Ausgabe von Wolfgang de Melo gegeben werden. Das Buch ist Cesare Questa gewidmet, der zu der Zeit des Stipendienjahrs, das der Verfasser 1962 / 1963 in Rom verbrachte, am Lehrstuhl von Ettore Paratore tätig war, einem Forscher, der Plautus wirklich verstanden hatte. Seit Questa 1965 die erste Auflage seiner Bacchides- Edition herausbrachte (die er 1975 nach dem Papyrusfund erneuerte und schließlich mit der dritten Ausgabe von 2008 zu einen Gipfel führte, der der Bacchides-Forschung für lange Zeit als Leuchtturm dienen wird), weiß sich der Verfasser seiner Gelehrsamkeit verpflichtet. Nur das eine sei noch erwähnt, daß sich bei ihm die alte Weisheit bestätigt, daß ein großer Kenner der Metrik ein großer Freund der Musik ist. Freiburg i. Br., 3. September 2011 E. L. Einleitung „In argumento turpiculo summa hilaritas et festivitas est, nec iniuria hæc fabula egregium Plautini leporis exemplar habetur.“ 1 Plautus’ Bacchides erfreuen sich in neuerer Zeit einer besonderen Aufmerksamkeit, da eine längere Partie seit 1968 mit den entsprechenden Versen aus dem menandrischen Vorbild, dem Dis Exapaton, verglichen werden kann. Hofften die Agnostiker, endlich den Beweis dafür in den Händen zu haben, daß Plautus der Vorlage relativ eng folge, lehrte ein intensiveres Studium des Neufunds, daß Plautus ziemlich rigoros vorgegangen ist. Nachdem 1997 durch eine verbesserte Ausgabe des griechischen Texts von E. W. Handley 105 aufeinanderfolgende Verse (Dis 9-113) zum größten Teil verständlich geworden sind, 2 ist zu konstatieren, daß ihnen 68 plautinische Verse entsprechen (Ba. 494- 561). Diese Gegenüberstellung zeigt, daß Plautus’ Text um e i n D r i t t e l kürzer als der griechische ist. Doch damit nicht genug. Berücksichtigt man, daß er die beiden Dialoge zwischen Nicobulus und Sostratos (Dis 31-90) und Sostratos’ zweiten Monolog (Dis 91-102), also 72 (60 + 12) Verse, übergangen hat, ergibt sich, daß ihm von den 105 Versen Menanders nur 33 Verse als Vorbild dienten. Somit hat Plautus einerseits mehr als z w e i D r i t t e l des originalen Texts mißachtet und andererseits das knappe Drittel von 33 griechischen Versen auf 68 Verse aufgeschwemmt. 3 An diesem repräsentativen Beispiel sieht man, daß Plautus den originalen Text wie eine Ziehharmonika nach Belieben zusammenpreßt und auseinanderzieht. 4 Nunmehr sind folgende griechische Namen für römische Personen bekannt: Sostratos (Mnesilochus), Moschos (Pistoclerus), Lydos (Ludus), Syros (Crusalus). Man könnte die Namen der restlichen Personen 1 Ussing 1878, 368. 2 Der Umstand, daß die Partien Dis 31-49, 69-77 und 79-81 nicht erhalten bzw. nicht verständlich sind, spielt für die hier vorgelegte Rechnung, die rein quantitativer Art ist, keine Rolle. 3 Gegen diese Folgerung bedeutet es einen geringen Einwand, daß von Dis 112 nur die erste Hälfte zu zählen ist und daß Dis 84-86 möglicherweise von Plautus in einer späteren Szene (Ba. 699-700) verwendet werden - wenn sich nicht Menander selbst wiederholt hat (von Handley 1997, 40 erwogen). 4 Die weitere Rechnung in der Einleitung von B ist zu vergleichen (S. 23). Einleitung 12 in gnomische Anführungszeichen setzen: ‚Bacchis‘, ‚Nicobulus‘, ‚Philoxenus‘, ‚Cleomachus‘, ‚Parasitus‘. Trotzdem werden im folgenden die plautinischen Namen, deren griechische Entsprechungen nicht bekannt sind, ohne Kennzeichnung dort beibehalten, wo vom Dis Exapaton die Rede ist. Eindeutige Formulierungen schließen Verwechslungen der Stücke aus. Teil A dieser Untersuchung bietet einen kurzen Überblick über die Forschung zu den Bacchides. Teil B ist der Kern. Er legt in vier Kapiteln analytische Schneisen durch das römische Stück. In ihnen geht es um die Bestimmung dessen, was Plautus gegenüber dem Dis Exapaton in inhaltlicher Hinsicht geändert hat. Das erste Kapitel (‚Die Lehren des Papyrus‘) bietet relativ sichere Schlüsse, wenn es einigen Forschern auch schwerfällt, eingefahrene Gleise zu verlassen. Das zweite Kapitel (‚Die Intrigen‘) behandelt das vieldiskutierte Problem der Intrigen. Gegenüber einer früheren Arbeit wird hinsichtlich der beiden Briefintrigen eine neue Lösung geboten, die sowohl Menander als auch Plautus gerechter zu werden versucht. Das dritte Kapitel (‚Die Hetären‘) legt dar, daß Plautus die menandrische Weltanschauungskomödie in ein turbulentes Hetärenstück verwandelt hat, in dem die männlichen Hauptpersonen in ihren Beziehungen zu dem lockeren Hetärenwesen vorgeführt werden. Es versteht sich, daß dabei die gegenüber dem Dis Exapaton geänderten Charaktere und die Struktur der gegenüber dem Dis Exapaton hinzugesetzten Szenen zur Sprache kommen. Das vierte Kapitel (‚Sachliche Probleme‘) diskutiert verschiedene Punkte, in denen teils plautinische Änderungen, teils plautinische Unklarheiten vorliegen (Exposition, Vertrag der samischen Bacchis mit Cleomachus, Vorgeschichte, Häuser). Diese Probleme resultieren bis zu einem gewissen Grad aus dem Umstand, daß der Anfang der Bacchides nur in wenigen Fragmenten erhalten ist. Teil C ist der unterschiedlichen Struktur beider Komödien gewidmet. Das erste Kapitel (‚Die Diskontinuität der Bacchides‘) nimmt zunächst den Aufbau jeder einzelnen Szene des plautinischen Stücks in den Blick. Dabei werden einerseits die Ergebnisse von Teil B vorausgesetzt, andererseits neue analytische Bausteine gewonnen, wenn typisch plautinische, d. h. in vielen Fällen unmenandrische Elemente zu beobachten sind. Sodann werden sowohl aus dem singspielhaften als auch aus dem stegreifspielhaften Charakter der Bacchides ‚mündliche‘ Spielformen herausgearbeitet, die mindestens einen so starken Einfluß auf die Struktur ausgeübt haben wie der literarische Charakter der griechischen Vorlage. Das zweite Kapitel (‚Die oijkonomiva des Dis Exapaton‘) erschließt den konsequenten Aufbau und die Akteinteilung der Vorlage. Insofern damit auch eine (hypothetische) Inhaltsangabe des Einleitung 13 Dis Exapaton vorgelegt wird, handelt es sich bei diesem Kapitel um ein Fazit der beiden Teile B und C I. Teil D (‚Weltbild‘) hat das unterschiedliche Weltbild des Dis Exapaton und der Bacchides zum Inhalt. Es versteht sich, daß die Ausführungen auf den Ergebnissen der Teile B und C beruhen. Das erste Kapitel (‚Das Spiegelbild der athenischen Gesellschaft‘) zeigt, daß der Dis Exapaton eine Deutung der athenischen Gesellschaft, ein speculum vitae, bietet, was für Menander auch in anderen Komödien charakteristisch ist. Das zweite Kapitel (‚Das Zerrbild der römischen Gesellschaft‘) macht deutlich, daß das Welt- und Menschenbild der Bacchides die Eigenart der römischen Gesellschaft total auf den Kopf stellt, daß nicht ein Abbild, sondern ein saturnalisches Zerrbild vermittelt wird. Beobachtet Teil C strukturelle Einflüsse des Stegreifspiels, betont Teil D die inhaltliche und gesellschaftliche Verwandtschaft der Bacchides mit mündlichen Formen, die auch für andere plautinische Komödien bezeichnend ist. Wie es die Autoren improvisierter Spiele zu allen Zeiten tun, verkehrt Plautus Moral in Unmoral - worin nicht zum wenigsten die zündende Wirkung seiner Stücke besteht. Teil E (‚Rezeption‘) versucht den merkwürdigen Tatbestand zu klären, daß die Bacchides im Gegensatz zu den meisten plautinischen Stücken kaum eine produktive Auseinandersetzung in der neuzeitlichen Komödie erfahren haben. Da die Bacchides unter verschiedenen Gesichtspunkten (wie Analyse, Struktur und Weltbild) im großen und mehreren Unterpunkten (wie Streitszenen, Metatheater oder Metaphorik) im kleinen behandelt werden, kommen manche Szenen bzw. Partien unter veränderten Aspekten partiell mehr als einmal (aber immer knapp) zur Sprache. Ein dichtes System von Verweisen und das Register sorgen in diesen Fällen für die nötige Vernetzung. Die Aufteilung erscheint sinnvoll, weil es darauf ankommt, die Analyse der Palliata aufgrund systematischer Kriterien durchzuführen und gattungsspezifische Eigenheiten gebührend hervorzuheben. Die geraffte Darstellung des mutmaßlichen Aufbaus des Dis Exapaton in C II 1 ermöglicht es dem Leser, stets den Überblick über die analytischen Ergebnisse zu behalten - wobei zu beachten ist, daß es leichter ist, Szenen als plautinisch zu erweisen als unterdrückte menandrische Szenen zu rekonstruieren. Der Papyrus hat gelehrt, daß Plautus zwei Szenen des Dis Exapaton eliminiert, ohne daß die Forschung das geahnt hatte. Einigen Kummer bereitet es dem Verfasser, daß er so viele eigene Arbeiten nennt. Hierfür gibt es, wenn auch keine hinreichende Entschuldigung, so doch einen einsehbaren Grund. Er operiert in der Palliata-Analyse - wie andere Forscher auch - mit bestimmten possentypi- Einleitung 14 schen Strukturbegriffen (wie Erwartungsdramaturgie, Rondoform des Dialogs, Theater der Rede) oder mit der Herausstellung bestimmter possentypischer Themen (wie Frauenspott, Moraldefizit, Saturnalienkonstellation). Deshalb dürfte es sinnvoll sein, darauf aufmerksam zu machen, daß sie nicht nur in den Bacchides eine Rolle spielen, sondern auch bei der Interpretation anderer römischer Komödien zu beobachten sind. Insofern bildet die vorliegende Untersuchung mit den früheren einen Zusammenhang und führt sie unter verschiedenen Gesichtspunkten fort. Die zahlreichen Rückverweise möchten das verdeutlichen. Es geht darum, in bescheidenem Maß zu einer ‚Grammatik‘ der Palliata beizutragen. A. Forschung Der Humanismus rezipierte im Gefolge der mittelalterlichen Auslegungsweise die Bacchides vielfach aus moralischem Blickwinkel. Im Untertitel der Übertragung des Eichstätter und Bamberger Domherrn Albrecht von Eyb (1420-1475), die 1474 im zweiten Teil seines letzten Werks Der Spiegel der Sitten entstand und zuerst 1511 im Druck erschien (zusammen mit der Übersetzung der Menaechmi sowie der Philogenia Ugolino Pisanos), heißt es: „kurtzweilig vnd schimpflich zu lesen. Darauß man nemen mag leere vnd vnderschid guter sitten und pöser dargegen. Die guten zu begreiffen vnd die bösen zu vermeiden“. 1 1552 urteilte Joachim Camerarius (1500-1574) 2 nicht anders: „Fabula hæc elegans est, sed flagitia & turpitudinem nefariam proponit, ad cuius cognitionem terreri debent animi piorum, consideratione horribilis iræ diuinæ, qui 3 contemtum & neglectionem ueritatis tam atrociter ultus fuit, ut in tantos errores, & talia peccata homines delabi sineret, in quorum mores hæc tanta, & tam fœda uitia inuaderent, quibus quidem ciuitates & imperia tandem interierunt.“ 4 Offener äußerte sich Julius Caesar Scaliger (1484-1558) in den 1561 postum erschienenen Poetices libri septem, in denen er die Bacchides unter den Plautus-Stücken zu den ‚hilares & conuiuiales‘ rechnete. 5 Ähnlich sagte Janus Dousa der Ältere (1545-1604): „Plauti comœdia Bacchides insigniter est motoria, & variè delectat.“ 6 Auch für die nachfolgenden Editoren und Kommentatoren 7 verlor die moralische Auslegung an Bedeutung, so in den 1 Litwan 1984, 23. „Die Plautus-Übersetzungen sollen nach Eybs Absicht den Leser über ‚die posen, verkerten sitten der menschen‘ unterrichten und verfolgen demnach eine didaktische Tendenz“ (Rupprich 1970, 577). Weiteres in E. 2 Zu Camerarius’ Plautus ausgezeichnet Stärk (2002) 2005, 287-297 und Schäfer 2004, 437-449, 459-467. 3 Aus ‚iræ diuinæ‘ ist als Bezugswort ‚Deus‘ zu erschließen (J. Blänsdorf), nicht ‚poeta‘ o. ä. Dafür spricht, daß Camerarius zur Asinaria bei demselben Gedankengang ‚ira Dei, quæ […]‘ schreibt. Daß es sich nicht um einen Druckfehler (statt ‚quæ‘) handelt, dürfte daraus hervorgehen, daß die Kommentare von Taubmann, Gruter und Gronovius Camerarius mit ‚qui‘ zitieren und nur ‚contemtum‘ (‚contemptum‘) und die Interpunktion ändern. 4 1552, 418. 5 1561, 14. 6 Bei Taubmann 1612, 450. 7 Die Plautus-Philologie ‚im Zeichen des Camerarius‘ behandelt kenntnisreich Schäfer 2004, 437-476. A. Forschung 16 Ausgaben von Dionysius Lambinus (1520-1572): postum 1576; Fridericus Taubmann (1565-1613): 1 1605, 2 1612; Philippus Pareus (1576- 1648): 1 1610, 2 1619, 3 1642; Janus Gruter (1560-1627): 1621; 8 Iohannes Fredericus Gronovius (1611-1671): 1664. Adrianus Turnebus (1512- 1565) verfaßte gute Noten in den Adversaria (2 Bände, 1564 / 1565), die von G. Clementi 2009 dankenswerterweise gesammelt und herausgegeben worden sind. 9 Die moderne Plautus-Philologie begann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zwei Arbeiten F. Ritschls ragen heraus: 1836 erschien die Abhandlung ‚De Plauti Bacchidibus‘, die in den ‚Parerga zu Plautus und Terenz‘ 1845 erneut vorgelegt wurde; 1845 / 1846 folgte ihr ‚Die ursprüngliche Gestalt der Plautinischen Bacchides‘. 10 Die erste hat besonders durch zwei Ergebnisse Bedeutung: Menanders Dis Exapaton ist als Vorbild der Bacchides erkannt, und aufgrund von Crusalus’ Ausspruch 1073 wird das Jahr 189 als das bestimmt, „quem non longo intervallo secuta sit eius fabulae Plautinae actio, in qua pervulgatus triumphandi mos dicatur multumque de prisca eius dignitate esse detractum significetur.“ 11 In der zweiten Abhandlung ging es vor allem um den nur in Fragmenten erhaltenen Anfang, den zahlreiche Schwierigkeiten bietenden Auftritt I 1, das Verhältnis der samischen Bacchis zu Cleomachus und das Zusammenwohnen der Schwestern, worüber in den nicht überkommenen Szenen Genaueres gesagt worden sei, sowie um die Akteinteilung. In mehrfacher Hinsicht steht die heutige Bacchides-Philologie auf Ritschls Schultern. In der Folgezeit ging die Forschung weiter ins Detail: 1861 versuchte Th. Ladewig Plautus eine Reihe von ‚dramaturgischen Fehlern‘ nachzuweisen, „die sich zum grossen theile leicht hätten vermeiden lassen“ und die er nur durch die Annahme einer Kontamination zu erklären wußte. Im ersten Akt werde eine andere Entwicklung der Handlung angebahnt, als später eintrete. Deshalb folge Plautus erst ab dem zweiten Akt dem Dis exapaton und entlehne den ersten einem anderen griechischen Drama. 12 Die ‚Fehler‘ sind gut beobachtet, doch lassen sich aus ihnen, wie zu zeigen sein wird, andere analytische Schlüsse ziehen. 1868 glaubte K. H. Weise, die Bacchides lägen in einer verkürzten Rezension vor. Andererseits hätten sie ursprünglich mit der Szene I 2 begonnen; I 1 sei später hinzugedichtet worden, um die beiden Schwe- 8 Zu der formal hybriden, dennoch wertvollen Ausgabe Schäfer 2004, 468-469. 9 Zu den Bacchides: 170-182 (nach der vollständigeren dreibändigen Ausgabe von 1573 / 1580, die postum erschien). 10 Die Abschnitte I-IV (= 1868, 292-354) wurden 1836, Abschnitt V (= 1868, 354-368) 1846 verfaßt. 11 (1836) 1845, 427. 12 (1861) 2001, 152. A. Forschung 17 stern, die sonst nur am Schluß aufgetreten wären, dem Publikum vorzustellen. 13 Auch sonst neigte Weise zu der Annahme einer erheblichen Überarbeitung des Stücks. Was ihm Schwierigkeiten machte, ist der Umstand, daß zahlreiche Motivationslücken vorliegen, die durch den verstümmelt überlieferten Anfang sowie durch Plautus’ Sorglosigkeit verursacht seien. Die Forschungsrichtung, mögliche Retraktationen bzw. Interpolationen in den Bacchides nachzuweisen, wurde immer beliebter. Zu ihr gehörten 1880 G. Brachmann in den Leipziger Studien, 1882 E. Anspach in der F. Bücheler und H. Usener gewidmeten Bonner Dissertation und 1883 P. Weise in der J. Vahlen zugeeigneten Berliner Dissertation. Es ging den Autoren nicht nur um Interpolationen einzelner Verse, sondern darüber hinaus auch um die Umarbeitung ganzer Partien. Das unterstellte Verfahren der Regisseure bei Wiederaufführungen beschrieb Anspach: „addiderunt nonnulla, alia resecuerunt. neque singulos modo uersus aut paruum versuum numerum arbitrio suo subegerunt, sed nonnumquam totas eiecere actiones plautinas, ut suas subponerent.“ 14 Einen erheblichen Fortschritt bedeutete 1886 der Ansatz von P. Langen, „Breite der Darstellung und Wiederholungen des nämlichen Gedankens“ sowie „Widersprüche, Inkonsequenzen und psychologische Unwahrscheinlichkeiten“, die in zwei umfangreichen Kapiteln abgehandelt werden, 15 nicht eo ipso auf Interpolationen und Retraktationen zurückzuführen, sondern überwiegend als Eigentümlichkeiten des plautinischen Stils zu werten. 1891 nahm J. Baar in der Kieler Dissertation den Zusammenhang ganzer Szenen in den Blick. Zwar erzielte er durch sorgfältige Beobachtungen Fortschritte, kam aber bei den Bacchides nicht ohne Kontaminationshypothesen aus. 16 Mit der epochalen Plautus-Ausgabe von F. Leo (1895 / 1896) klang das 19. Jahrhundert aus. Dem Geist der Interpolationsforschung des 19. Jahrhunderts ist O. Zwierlein verpflichtet, der 1992 eine extreme Exegese vorlegte. Er gelangte zu dem Ergebnis, „daß die Plautinischen Bacchides vom Anfang bis zum Ende von Zusätzen und Alternativfassungen mindestens zweier Bearbeiter überwuchert sind: 464 unechte Verse in einem Stück, das - ohne die Fragmentverse des verstümmelten Beginns - einen Umfang von 1181 Versen hat, bedeutet, daß durchschnittlich auf 2, 55 Verse ein unechter kommt.“ Zwierlein betonte selbst: „Dies klingt ganz unglaublich.“ 17 Es sind gerade die witzigsten Vorstellungen und skurrilsten Ge- 13 1868, 50-51. 14 1882, 1. 15 1886, 1-88, 89-232. 16 1891, 50, 53-63. 17 1992, 340-341. Kühn ist die Behandlung des Canticum 612-670, das je nach der Abteilung der Verse etwas mehr als 60 Verse umfaßt: Hiervon betrachtet A. Forschung 18 danken, die der Radikalkur zum Opfer gefallen sind - eben das, was E. Fraenkel als Plautinisches im Plautus bezeichnete. 18 Es sind vor allem drei Problemkreise, auf die sich die moderne Bacchides-Forschung konzentriert. 1. Seit F. Ritschl Menanders Dis Exapaton als das Vorbild der Bacchides identifizierte, 19 wird darüber gestritten, wie sich die drei Intrigen der Bacchides zu der Aussage des Titels D i s Exapaton verhalten - wenn man nicht meint «che la discussione sulle ajpavtai pecchi di astrattezza e sia, in fondo, oziosa.» 20 1912 vertrat E. Fraenkel die seinerzeit kühne Ansicht, der dritte Betrug gehe auf Plautus’ Konto. 21 Ihm schloß sich 1975 A. Thierfelder an. 1978 vermutete E. Lefèvre, daß von den beiden Briefen nur der zweite (IV 9), von den beiden Situationen, in denen die Briefe ihre Wirkung entfalten, nur die erste (IV 8) in das Original gehörten. Er fand Zustimmung bei A. Primmer 1984 (mit leichter Variation), J. Barsby 1986, J. C. B. Lowe 1989 (ohne Bezug auf Einzelheiten), Stürner 2011 (vorsichtig). Danach hielten wieder beide Briefintrigen für menandrisch S. Rizzo 1990, B. García-Hernández 1998 und J. Blänsdorf 2000. Nach W. M. Owens 1994 ist die zweite plautinisch. Zwierlein 37 Verse, d. h. etwa 60%, als interpoliert (1992, 339). Noch zielstrebiger ist die Behandlung des Canticum 925-977, von dessen 53 Versen nur 6 anerkannt werden (1992, 339): Hier fallen fast 90% unter den Tisch. 18 Die «radicale ‹Reinigung›» des Bacchides-Texts (De Nonno 1997, 15) wird überwiegend skeptisch aufgenommen. «Come non rilevare, a parte l’immetodicità dei presupposti, che il Plauto ‹puro› risultante da tali manovre testuali assomiglia fin troppo ad un astratto e indimostrabile postulato, di nuovo libero campo per gli esercizi di razionalizzazione di un novello Ussing? » (De Nonno 1997, 15). „Wer die Verse wie Zwierlein nicht zuletzt deshalb tilgen will, weil ihr Inhalt szenisch nicht weiter ausgewertet wird, könnte - was dieser Autor in der Tat ja auch macht - aus dem Plautustext mit demselben fragwürdigen Argument unzählige Stücke unbestritten echten Dialogs herausschneiden, die als Perlen plautinischen Humors an der betreffenden Stelle einfach für sich und für den Augenblick wirken sollen; auch die sprachlichen Anstöße Zwierleins sind alles andere als schwerwiegend oder gar beweiskräftig für seine These.“ „Ich kann nicht nachvollziehen, inwiefern das bei Plautus hier [sc. Ba. 36-38] einmalige Vorkommen des Ausdrucks me fugiet memoria - ‚für uns nicht vor Cicero zu belegen‘ […] - und der Umschreibung facito ut subvenias gegenüber neunmal belegtem subveni oder der Umstand, daß das Wort lusciniola ‚sonst frühestens bei Varro belegt (ist)‘ […], taugliche Argumente für eine Athetese darstellen sollen: Unter diesem Aspekt wäre ja jedes einzelne plautinische Hapax von vornherein der Unechtheit zu verdächtigen“ (Woytek 2005, 68 mit Anm. 7). - Unter der Forschungsliteratur zu den Bacchides bei Questa 2008, 15-22 wird die Untersuchung nicht erwähnt. 19 (1836) 1845, 405. 20 Questa 1985, 65. 21 1912, 120. A. Forschung 19 2. Schon immer zog die Leser der Bacchides das einzigartige Troia- Canticum an, das Crusalus in IV 9 triumphierend vorträgt. Bei dem von Assoziationen strotzenden Gesang stellt sich in besonderem Maß die Frage nach möglichen Interpolationen sowie nach der Scheidung von menandrischen und plautinischen Elementen. 1922 bezeichnete Fraenkel das Lied als ‚freie Schöpfung‘ des römischen Dichters. Das blieb nicht unwidersprochen. In neuerer Zeit befaßten sich mit dem Problem vor allem H. D. Jocelyn 1969, K. Gaiser 1970, Lefèvre 1988, G. Moretti 1988, Zwierlein 1992, M. L. Damen 1995, M. Skafte Jensen 1997, G. Scafoglio 2005, M. Fontaine 2006: Quot philologi, tot sententiae. 3. Es war eine Sensation, daß 1968 E. W. Handley 42 Verse aus Menanders Dis Exapaton veröffentlichte, die das Vorbild der Verse 494-561 der Bacchides sind. 1972 machte F. H. Sandbach 19 weitere - z. T. unvollständige - Verse bekannt. 1997 legte Handley eine vorläufig endgültige Fassung vor: die Partie Dis 1-113 (mit Lücken, auch ganzer Verse). Es ist seinem Scharfsinn zu verdanken, daß 13 bisweilen zerfetzte Fragmente aus dem Schatz der Oxyrhynchos-Papyri zu den Resten dreier aufeinanderfolgender Kolumnen, die offenbar je 51 Verse umfaßten, zusammengesetzt werden konnten. Sie entstammen dem Ende des dritten oder dem Anfang des vierten Jahrhunderts. Hierdurch werden nunmehr fünf fortlaufende Szenen des griechischen Stücks überschaubar und gestatten einen hervorragenden Vergleich mit der plautinischen Nachgestaltung sowohl in stilistischer als auch in dramaturgischer Hinsicht. Gerade dieser letzte Punkt unterscheidet den Wert des Neufunds von den 36 Versen aus Menanders Plokion, die Gellius zusammen mit den ihnen entsprechenden 24 Versen aus Caecilius’ Plocium überliefert (Noct. Att. 2, 23). Dieser früher einzig mögliche direkte Vergleich zwischen der griechischen und der römischen Komödie hat den Nachteil, daß es sich um drei nicht zusammenhängende Partien handelt, die Erkenntnisse über dramaturgische Eigenheiten des römischen Stücks nicht zulassen. Die Fragmente gaben zu einem intensiven, wenn auch nur partiell durchführbaren Vergleich mit der plautinischen Version Anlaß. Die Bacchides-Forschung erlebte einen Aufschwung wie nie zuvor. Die Abhandlungen zu diesem Thema häuften sich: K. Gaiser 1970, V. Pöschl 1973, H. Tränkle 1975, J. R. Clark 1976, D. Bain 1979, Lefèvre 1979 und 2001, Zwierlein 1990, Chr. Riedweg / J. Weisweiler 2004. 1995 provozierte M. L. Damen mit dem Alternativtitel seines Aufsatzes ‘How Dis Exapaton does n o t help us understand Bacchides’. Zu Recht sagt er über die neuen Papyrus- Fragmente: “They certainly do not resolve the burning question of Plautus’ originality, for they show him as both a literal translator and a liberal adapter.” 22 Es ist klar, daß viele Fragen offen bleiben. 22 1995 (2), 28. A. Forschung 20 1993 versuchte R. Nünlist in einer vorsichtigen, aber doch kühnen Kombination, den zum erstenmal publizierten Papyrus P. Mich. inv. 6950 und die Papyri P. Köln 203 und 243 „als Teil der gleichen Rolle und damit wohl des gleichen Stückes aufzufassen.“ 23 In ihm glaubt er den Dis Exapaton zu erkennen, dessen Anfang er die drei Papyri zuweist. Die Ansicht hat sich nicht durchgesetzt. Von 1965 datiert die erste Auflage der gerühmten Edition von C. Questa, die nach dem Bekanntwerden des Papyrus in der überarbeiteten Fassung von 1975 eine vorzügliche Einleitung von 80 Seiten erhielt, 24 dafür aber auf die italienische Übersetzung verzichtete. Sie wurde durch die Abhandlung von 1970 über ‹Alcune strutture sceniche di Plauto e Menandro› unterstützt. 25 2008 erschien die dritte Auflage in der Editio Plautina Sarsinatis - in jeder Beziehung ein Meisterwerk. Sie zeichnet sich nicht nur durch kluge Entscheidungen textkritischer und metrischer Art aus, sondern bietet in dem umfangreichen, doch stets überschaubaren Apparat auch viele weiterführende Hinweise. Der Commentaire exégétique et critique von A. Ernout (1935) hatte das eingeschränkte Ziel «de fournir aux étudiants de langue française un moyen de mieux apercevoir tous les problèmes que soulève l’explication de Plaute». 26 Gleichwohl enthält er wertvolle Erklärungen. 1973 legte D. Del Corno einen Kommentar vor, der in der klugen Erklärung zahlreicher Stellen bis heute unentbehrlich ist. 1986 veröffentlichte J. Barsby den bisher eingehendsten Kommentar, der in der Herausstellung des plautinischen Dichtens - sowohl des Stils als auch der Eigenständigkeit gegenüber Menander - Vorzügliches leistet, auch in sprachlicher Hinsicht. 1981 behandelte H.-P. Schönbeck in seiner Münsteraner Dissertation mehrere Probleme der Bacchides: die Gestalt des Pädagogen Ludus, den zweiten Akt, den Papyrus und die entsprechenden plautinischen Partien sowie die Cleomachus-Szene. Insbesondere geht es um das Motiv des Irrtums. 27 1984 versuchte A. Primmer, eine Akteinteilung der plautinischen Komödie aufgrund metrischer und inhaltlicher Kriterien nachzuweisen. Die sorgfältige Abhandlung stieß ungeachtet wertvoller Einzelbeobachtungen hinsichtlich der Hauptthese auf Kritik. 28 Die Bacchides sind ein Hetären-Stück. Die beiden Titelheldinnen weckten immer wieder das Interesse der Forschung. In der Regel wird ihr Gewerbe auf Menander zurückgeführt. 1936 brachte W. E. J. Kui- 23 1993, 246. 24 Wieder abgedruckt in: 1985, 13-86 (leicht bearbeitet). 25 1970, 191-210 (zu Bacchides und Dis Exapaton). 26 1935, 7. 27 1981, 158. 28 Lefèvre 1985, 693-698; Lowe 1985, 396-397; Stärk 1989, 7. A. Forschung 21 per für den Dis Exapaton die Vermutung einer doppelten Anagnorisis (mit weitreichenden Folgerungen) in das Spiel, die 1993 R. Nünlist aufnahm. In diesem Sinn erwog D. Del Corno 1973, beide ‹ragazze› seien im Original nicht Hetären gewesen, 29 und vermutete 1987 A. Blanchard, die samische Bacchis sei am Ende als Bürgertochter ‚wiedererkannt‘ 30 und verheirat worden. 1985 untersuchte M. M. Henry die beiden Schwestern und hielt es für wahrscheinlich, daß bei Menander im Gegensatz zu Plautus “the hetairai both played prominent parts in the intrigue and were carefully developed characters.” 31 “In addition, Menander may have exploited the women’s actual sisterhood to show them in a positive light.” 32 Menander habe sie “as good women” und “sympathetic figures” gestaltet. 33 2009 widmete U. Auhagen im Rahmen der Betrachtung der antiken Hetäre den Schwestern eine sorgfältige Interpretation. Sie vermutete, daß die samische Bacchis im Dis exapaton eine eJtaivra crhsthv gewesen sei und sich möglicherweise als freie Athenerin entpuppt habe. 34 Ansonsten wendete die Forschung ihre Aufmerksamkeit verstärkt dem Problem des Doppelnamens ‚Bacchides‘ zu wie zuletzt 2004 L. Deschamps. Dem Thema ‹Maîtres et serviteurs› in den Bacchides galten 1987 die sehr allgemeinen Betrachtungen von L. Nadjo. 1992 und 1993 befaßten sich A. Arcellaschi bzw. B. García-Hernández / L. Sánchez-Blanco mit der Figur des Pädagogen Ludus. 2001 boten die ‚Lecturae Plautinae Sarsinates IV‘ Aufsätze von E. W. Handley, D. Del Corno, J. Barsby, G. Arbizzoni und A. Tontini. Die ersten drei Gelehrten gingen von ihren bereits publizierten Forschungen aus und führten sie weiter. Barsby stellte nunmehr die ‚Mündlichkeit‘ der Bacchides heraus. In der ‹Conclusione› heißt es entsprechend: «Abbiamo considerato le Bacchidi sotto tre aspetti: improvvisazione, metateatro, decostruzione. Di questi, i primi due fondamentalmente guardono all’indietro, all’influenza della tradizione italica del teatro comico, mentre la terza esamina quello che è successo quando un commediografo, formato in quelle tradizioni, si scontrava con le ben diverse tradizioni della commedia greca.» 35 Diese Beobachtungen geben die Richtung an, die in der vorliegenden Untersuchung eingeschlagen wird. Sie dürfte, wie in den letzten beiden Jahrzehnten immer deutlicher wird, zum richtigen Ziel führen. 29 1973, 31. 30 1987, 465. 31 1985, 98. 32 1985, 99. 33 1985, 100. 34 2009, 161. 35 2001, 69. A. Forschung 22 Das Jahr 2011 brachte in seiner ersten Hälfte drei nennenswerte Publikationen: den ersten Band der bilinguen Plautus-Ausgabe von W. de Melo (mit einem sehr eingeschränkten kritischen Apparat), de Melos Rezension der Editio Plautina Sarsinatis der Bacchides («Questa’s text is admirable») 36 und die eingehende Untersuchung der plautinischen Monologe von F. Stürner. Wie deren Untertitel ankündigt, greift sie weit aus und stellt einen ‚Beitrag zur Dramaturgie der hellenistischrömischen Komödie‘ dar. Die Bacchides-Monologe sind sowohl im theoretischen Teil als auch in einem Sonderkapitel behandelt. 37 Es ist ein Gewinn, daß diese Abhandlung noch im folgenden, wenn auch knapp, eingearbeitet werden konnte. 36 2011, 320. 37 2011, 168-193. B. Analyse Die Struktur der Bacchides ist wie die anderer plautinischer Komödien von Diskontinuität geprägt. Der römische Dichter hat nicht das Ziel, die menandrische oijkonomiva nachzubilden. Die Bacchides haben, wenn die Fragmente am Anfang abgezogen werden, in der vorliegenden Form 1177 Verse; wenn man mit Barsby für den verlorenen Anfang zwischen 200 und 256 Verse annimmt, 1 hatten sie ursprünglich etwa 1400 Verse. Ein Menander-Stück umfaßt im Schnitt 950-980 Verse. Nach dieser Rechnung erweitert Plautus die Vorlage um die knappe Hälfte; es ist also ein Drittel auf sein Konto zu setzen. Berücksichtigt man weiterhin, daß er, wie der Papyrus lehrt, die beiden Dialoge zwischen dem Vater und Sostratos am Ende des dritten und am Anfang des vierten Akts (Dis 31-90) sowie Sostratos’ zweiten Monolog (Dis 91-102) streicht, und rechnet man diese Zahlen hoch, ergibt sich, daß Plautus’ Anteil an den Bacchides mindestens bei 50 Prozent liegt - von dem Redestil und dem Sprachkleid abgesehen. Das ist zu bedenken und bewahrt vor dem Schluß, Plautus folge dem Original eins zu eins. 2 I. Die Lehren des Papyrus Durch Handleys erweiterte Ausgabe des Pap. Oxy. 4407 von 1997 ist die Forschung wie nie zuvor in der Lage, sichere Erkenntnisse über die Verschiedenheit menandrischer und plautinischer Texte zu gewinnen - sowohl in stilistischer als auch in analytischer Hinsicht. 3 1. Der Schluß der Lauscherszene (Dis 9-17 / Ba. 494-499) Ab 494 setzen die verständlichen Verse des Papyrus ein. Es handelt sich um das Gespräch zwischen Philoxenus, Lydos und Sostratos, der 1 1986, 93. Questa 1985, 26 vermutet, daß höchstens 200 Verse ‹completamente› verloren seien (zu denen die Fragmente hinzuzuzählen sind). 2 Vgl. auch die weitere Rechnung in der ‚Einleitung‘ (S. 11). 3 Auf die (englische) Übersetzung Handleys sei hingewiesen. Die Bezeichnungen für die Personen: LU. = Lydos, SW. = Sostratos, MO . = Moschos, A = Philoxenus, B = Nicobulus sind beibehalten. In 28 ist die nach rechts geöffnete eckige Klammer (pa[roimiva" statt pa]roimiva") ein Irrtum. B. Analyse 24 in 15 angeredet ist, aber nicht mehr spricht. Am Anfang bittet Philoxenus Sostratos, Moschos aus dem Haus zu holen und ihm gehörig den Kopf zu waschen. Dann geht er mit Lydos ab, der Moschos ebenfalls auffordert, dem (scheinbar) Untreuen zuzusetzen. Dis 9-17 entsprechen Ba. 494-499. 4 ejk th'" oijk[iva]" 10 s]fovdr aJrmovttein s]u; d ejkei'non ejkkavle[i ]n, nouqevtei d ejnan[tivon, aujtovn te sw'son oijkivan q o{lhn fivlwn. Ludev, proavgwmen. (Lu.) eij de; kajme; katalivpoi" - 15 (A) proavgwmen: iJkano; " o[u|]to". LU. aujtw'i, Swvstra[te, crh'sai pikrw'", e[laun ejkei'non to; [n] ajkra[th': a{panta" aijscuvnei ga; r hJma'" tou; ["] fivlou". Bei der nunmehr einhellig nach P vorgenommenen Umstellung von 499 nach 495 5 macht Ludus’ sequor (499) Schwierigkeiten. 6 Plautus setzt die Äußerung hinzu (Lude, sequere hac me entspricht Ludev, proavgwmen). Ihn stört es nicht, daß Ludus danach weiter spricht. Einen Abschreiber der A-Tradition störte das aber, weshalb er den Vers an das Ende der Szene transponierte. Die wenigen Verse des Papyrus für den Schluß von III 3 erlauben einen Einblick in den im Vergleich zu Plautus ganz anderen Stil Menanders. Questa stellt das überzeugend heraus: «È noto […] che le versioni poetiche latine di testi greci tendono fortemente al p a t e t i c o , in modo particolare quelle del teatro arcaico. In esse il pavqo" soverchia e non di rado sacrifica l’h\qo". Questa caratteristica appare anche nella ‹versione› plautina del Di; " ejxapatw'n. Vediamo qualche esempio. I vv. 11-13 di Menandro sono indubbiamente molto vivaci. In essi abbiamo tre fasi tutte con verbo all’imperativo, rivolte da Padre-Filosseno a Sostrato- Mnesiloco: ejkkavlei … nouqe vtei … sw'son. Anche la clausola del v. 13 (oijkivan fivlhn filw'n), con figura etimologica ed allitterazione, contribuisce alla tensione stilistica che adeguatamente esprime l’indignazione del vecchio. Ma Plauto (v. 494) è più colorito ancora: regere animum atque ingenium è frase solenne, che non corrisponde alla fondamentale mediocritas del lektikovn menandreo. Al congiuntivo esortativo regas segue nel v. 495 un imperativo (serva), il quale traduce direttamente sw'son, ma aujtovn non è reso con illum od eum. Plauto è stato più patetico e … più pedante: aujtovn si è geminato in una coppia di sostantivi (sodalem e filium), ciascuno dei quali rappresenta … una parte di Mosco-Pistoclero: questi, infatti, è sodalis di Sostrato-Mnesiloco e filius di Padre-Filosseno. In Menandro non c’è uiJov", a meno che di un accusativo uiJovn non sia traccia il n che si legge subito dopo la lacuna nel v. 12 (col. I v. 51). Il v. 499 di Plauto va letto dopo il v. 495, secondo l’ordine conservato da P ed ora confermato dal papiro. Ma se Ludev, proavgwmen è reso con Lyde, sequere me, cui s’aggiunge (forse per completare il verso) la replica sequor del pe- 4 Handley 1968, 7-11; 1997, 21-26; Questa 1970, 193-194; Gentili 1979, 55 Anm. 127; Schönbeck 1981, 92-94; Barsby 1986, 139-140; Zwierlein 1990, 29. 5 Ungeachtet der von Handley 1968, 10 Anm. 6 gegebenen Parallelen. 6 Maurach 1983 (2), 15 Anm. 9. I. Die Lehren des Papyrus 25 dagogo, niente c’è nel testo greco dell’enfatico in te ego hoc onus omne impono con cui Padre-Filosseno conclude la sua tirata prima di chiamar via il pedagogo (l’ordine del discorso è lo stesso in greco ed in latino). Anche la prima replica di Lido mostra una certa sovrabbondanza (all’emistichio eij de; kajme; katalivpoi"… corrisponde l’intero v. 496), ma è soprattutto nei vv. 497-498 che Plauto, di nuovo, ha reso più marcati, più grassi direi, i contorni dell’elocuzione greca. Nei vv. 15-16 di Menandro ci sono due soli imperativi rispetto ai tre del testo latino (nel quale preferirei la successione i cura concastiga, in modo da avere un tricolon ascendente con alliterazione tra secondo e terzo membro), sebbene il livello stilistico del Di; " ejxapatw'n sia qui un tantino più risentito che non in precedenza (penso all’uso di ejlauvnw); non a caso chi parla è il pedagogo, le cui parole Menandro soffonde di benevola ironia con il farle solennemente ammonitrici. Il v. 17 ci mostra un altro caso del procedimento stilistico plautino visto più sopra. Se aijscuvnei è reso con dedecorat (ma precisato anche con flagitiis suis; il verbo dedecorare torna in Plauto solo in Trin. 298), a{panta" hJma'" tou; " fivlou" si trasforma in Plauto in un tricolon quanto mai enfatico: te me amicosque alios (l’emendamento di Camerario si impone). La semplicità di fondo dello stile menandreo non è gustata da Plauto, il quale, pur conservando i gangli essenziali del testo greco (si noti la precisione con cui sono tradotti i verbi sw'son, katalivpoi", aijscuvnei), ne ha sviluppato le suggestioni foniche in un discorso dove predomina l’ornato. Non voglio neppure pensare che quest’au[xhsi" complessiva sia dovuta a banali motivi metrici, cioè all’uso di un verso ‹più lungo› qual’è il tr 7 rispetto al trimetro giambico. Il processo semmai, è l’inverso: anche l’uso di un metro più sonoro e - forse - anche ad orecchio latino meno dialogico e più orchestico dei giambi si iscrive nella ricerca della fastosità lessicale e metrica.» 7 2. Sostratos’ / Mnesilochos’ Monolog (Dis 18-30 / Ba. 500-520) Bei Menander spricht Sostratos (Dis 18-30): SW. h[dh sti; n ou|to" frou'd[o] : ejn plhgh'i mia'[i] touvtou kaqevxei. Swvstra[t]on prohvrpasa . 20 ajrnhvsetai mevn, oujk [a[]dhlovn ejstiv moi - ijtamh; gavr - eij" mevson te p[av]nte" oiJ qeoi; h{xousi: ‚mh; toivnun ojna[iv]mhn: ‘ nh; Diva: ‚kakh; kakw'" toivnun‘ - ej[pavn]ag[e, S]wvstrate: i[sw" se peivsei: ‚dou'lo[" h{k]e[i" a[]ra patrov"‘. 25 ejgw; mavlisq , hJ d wJ[" keno; n su]mpeisavtw, e[conta mhd[evn: pa'n ajpodwvsw t]w' / patri; to; c]rusivon: p[i]qan[euomevn]h ga; r pauvsetai o{tan] pot ai[sqhta[i, to; th'" pa]roimiva", nekrw' / ] levgousa [mu'qon: ajll ] h[dh [me] dei' 30 cwrei'n ejp ] ejkei'non[. ajll oJrw' ga; ]r t[outo]ni; Plautus erweitert den Monolog 8 von 13 auf 21 Verse. Wollte man daraus allein den Schluß ziehen, er drücke intensiver und umständlicher 7 1970 (1), 192-194. 8 Die Monologe behandeln Lefèvre 1978, 77-82; 1979, 77-81; 2001 (3), 141- 152, jetzt trefflich Stürner 2011, 175-179. Zu 521-525 s. weiter unten (S. 33). B. Analyse 26 aus, was Menander knapp formuliert, träfe man nur die halbe Wahrheit. Tendenz und Struktur der Monologe sind grundverschieden. Menander Sostratos gibt seiner Enttäuschung Ausdruck: Bacchis habe es mit ihm nicht ernst gemeint, ja sie werde so unverschämt sein zu leugnen. Dann schwankt er, ob er nicht nachgeben werde, kommt aber zu der Entscheidung, dem Vater das Geld zurückzugeben. Er gelangt zu drei Ergebnissen: 1. Moschos ist der Verführte. 2. Bacchis ist schlecht und unverschämt. 3. Eine Rückgabe des Gelds schützt vor der Gefahr, Bacchis’ Werben wieder nachzugeben. 9 Damit verkennt er, wie es der Thematik der Nea entspricht, gerade die Personen, auf die es ihm ankommt: Geliebte und Freund. Aus solchen bis an das Tragische streifenden Mißdeutungen eines nebensächlichen Umstands speiste die Komödie die Konflikte und führte die von der späten Tragödie entwikkelte Problematik weiter. Sostratos ist ernsthaft gezeichnet. Seine Rede hat keine komischen Züge. Andererseits ist die Struktur des griechischen Monologs lebhaft. Nach Handleys Herstellung legt Sostratos der Hetäre dreimal (kurze) Reden in den Mund, die er kommentiert (Dis 22) bzw. aus denen er Folgerungen zieht (Dis 23 / 24). Die paroimiva (nekrw/ ' levgein mu'qon, Dis 29) entbehrt nicht einer gewissen Drastik. Plautus Ganz anders argumentiert Mnesilochus, der die drei Ergebnisse der Überlegungen seines Pendants gewissermaßen umkehrt: 1. Der Freund wird nicht entschuldigt, sondern gleich in den ersten beiden Versen als ‚Feind‘ qualifiziert. 2. Zwar wird auch Bacchis als hostis dazugestellt, aber er spricht ausführlich von seiner Liebe zu ihr. 3. Die Rückgabe des Gelds an den Vater wird als Rache an der Hetäre gesehen. Doch gestaltet Plautus Mnesilochus’ Charakterbild nicht realistischer. Das Bekenntnis, daß er Bacchis unbedingt liebe, und die Erwägung seines späteren Verhaltens läßt Plautus ihn als Aprosdoketa vorbringen. Dieses Stilmittel, zumal in der vierfachen Anwendung, dient nicht so sehr psychologischer Ausleuchtung 10 als vielmehr komischer Auflockerung, wie die Archaia zeigt. Dort wie bei Plautus dürften mündliche Einflüsse vorliegen. Andererseits ist es eine „Aprosdoketon- 9 Barsby 1986, 140. 10 Lambinus (1576) 1622, 389 zu 505: „mirè exprimitur amantis perturbatio, & inconstantia.“ I. Die Lehren des Papyrus 27 Witzelei nach Art der Commedia dell’arte“. 11 Ein bezeichnendes Beispiel begegnet in der Losszene der Casina, in der Lysidamus Casina für seinen Gutsverwalter Olympio gewinnen möchte, um sich selbst ihrer zu erfreuen, während seine gewitzte Ehefrau Cleostrata sie einem Reitknecht ihres Sohns verheiraten will. Dabei kommt es zu einem komischen Dialog, in dem sich Lysidamus mehrmals ‚verspricht‘ (364-370): L Y . atqui ego censui aps te posse hoc me impetrare, uxor mea, 365 Casina ut uxor mihi daretur; et nunc etiam censeo. C L . tibi daretur illa? L Y . mihi enim - ah, non id uolui dicere: dum mihi uolui, huic dixi, atque adeo mihi dum cupio - perperam iam dudum hercle fabulor. C L . pol tu quidem, atque etiam facis. L Y . huic - immo hercle mihi - uah, tandem redii uix ueram in uiam. 370 C L . per pol saepe peccas. L Y . ita fit, ubi quid tanto opere expetas. Wie aus dem ernsthaften gevrwn der Klerumenoi wird aus dem ernsthaften neaniva des Dis Exapaton eine komische Figur. 12 Durch die ‚bekennende‘ Partie 503-511 wird die Einheit der Rede zerstört. 13 Der Monolog hat nicht mehr die Richtung auf ein Ziel hin, sondern ist durch ein wirkungsvolles Zickzack der Gedanken aufgesplittert. Es widerspricht griechischer oijkonomiva, daß Mnesilochus andeutet, er werde Bacchis nachgeben und den Vater nochmals betrügen. Das ist ein komisches Spiel, daß selbst der in dieser Hinsicht großzügige Plautus seinen Akteur sich zur Raison rufen läßt, ob er denn bei Trost sei, daß er von Zukünftigem schwatze (509-510)? Es ist bezeichnend, daß Sostratos sich Bacchis’ Reaktionen ausmalt, Mnesilochus dagegen nur sich selbst im Auge hat. An die Stelle der Deutung der Welt, in deren Lauf die Personen bei Menander eingebunden sind, tritt bei Plautus ihre Autonomie. Sie beschäftigen sich - wie es später bei Seneca der Fall ist - in der Hauptsache mit sich selbst. Auf die Gesamtsituation des Stücks oder die Einbettung ihrer Reden in den Zusammenhang der Handlung nehmen sie kaum Rücksicht. Deshalb breitet Mnesilochus vor den Zuschauern sein Inneres - wenn auch 11 Maurach 1994, 60. 12 Pöschl (1973) 1979, 47. Sander-Pieper 2007, 147-148 spricht von ‚psychologisch nachvollziehbaren emotionalen Phasen‘ und ‚innerer Zerrissenheit‘. 504- 507 stellten „das einzige explizite Komikelement in dieser Szene mit ansonsten durchaus ernsten Tönen dar.“ Ein derartiges Wechselbad der Gefühle sei „auch im wirklichen Leben denkbar“. Kritik bei Stürner 2011, 177 (mit Anm. 44), der richtig wertet: „Wo der griechische Dichter monologisch einen am Leben geschulten Bühnencharakter entwickelt, stellt Plautus einen Spaßmacher dar, der sich von seiner eigenen Rolle distanziert und das Publikum mit Witzen über die emotionalen Befindlichkeiten einer Bühnenfigur unterhält, die ganz dem komischen Typus des rückgratlosen Jünglings entspricht.“ 13 Stürner 2011, 178 betont, daß „Plautus durch seine Einfügung der Aprosdoketa die Einheitlichkeit und Klarheit der Gedankenführung aufgehoben hat, die den menandrischen Monolog bei aller Differenzierung des Gefühls auszeichnet.“ B. Analyse 28 in äußerem Sinn - aus und legt ausführlich sein ‚odi et amo‘ 14 dar. Um der komischen Wirkung willen werden die Positionen relativiert. Das Ethos „zerbricht um der Lache der Gröberen willen, es wird zur Blödelei.“ 15 Durch das Operieren mit einem späteren Wissen zerfließt Sostratos’ Kern in Mnesilochus’ Monolog zur Gänze. Das ist ein Kennzeichen des Stegreifspiels, zu dessen Reden einerseits das A-propos- Assoziieren bis zur Absurdität und andererseits das Aus-der-Rolle- Fallen gehört. Bei ihm steht der Zuschauer den Personen distanziert gegenüber. So verfährt auch Plautus. “He does not want a realistic and sympathetic speech or speaker here, and he wants us to distance ourselves from the Greek tension between passionate feelings of abused love and guilty responsibility towards one’s father. Mnesilochus becomes a caricature of indecisive love, a victim of Plautus’ humour.” 16 Gentili spricht von ‘mimic or farcical elements’ in Mnesilochus’ Monolog. 17 Darin, daß Plautus improvisierendes Theater nachahmt und ‚griechische‘ Strukturen vernachlässigt, liegt das ‚Plautinische im Plautus‘. In 519 ad sepulcrum mortuo narret logos bildet Plautus das von Sostratos zitierte Sprichwort nekrw/ ' levgousa mu'qon (Dis 29) nach. Wenn logos in A richtig überliefert und mu'qon richtig ergänzt ist, 18 wird ein griechisches Wort durch ein anderes griechisches Wort ersetzt. Damit bestätigte sich Fraenkels These, daß ein griechisches Wort im Plautus- Text auf den römischen Dichter zurückgehen kann. 19 Das ‚Plautinische‘ nachplautinisch? Es gibt Zweifel, ob der ganze Monolog von Plautus stammt. Zwierlein hält die Partien 506-511 und 519a-c mit der Begründung für interpoliert, daß sie im Papyrus keine Entsprechung hätten. 20 Das Argument ist unzutreffend. Nur 502 und 516-519 haben eine partielle Entsprechung in Sostratos’ Monolog. Das andere ist urplautinisch und müßte konsequenterweise ebenso als interpoliert betrachtet werden. Gleich Mnesilochus’ distinguierende Eingangsfrage 500-501 hat kein Pendant im griechischen Monolog - weder inhaltlich noch formal. Zwierlein sieht den ‚Ansatzpunkt‘ für sie in Dis 99-102. 21 Jocelyn wendet ein, es könne nicht “Sostratos’ totally resigned attitude to Moschos’ imagined behaviour (99-102) be made the starting point of the indisputable Plautine vv. 500-2.” 22 Wenn man will, kann man 502 illum 14 Gratwick 1995, 102-103. 15 Maurach 1994, 60. 16 Anderson 1993, 12. 17 1979, 57 / 59. 18 Otto 1890, 229 nennt Diogen. 6, 82 nekrw/ ' levgwn muvqou". 19 1922, 293 Anm. 1. 20 Deufert 2002, 35 Anm. 99 sieht 506-511 für ‚sicher interpoliert‘ an. 21 1990, 34. 22 1993, 129. I. Die Lehren des Papyrus 29 exoptauit potius? (502) aus touvtou kaqevxei (Dis 19) ableiten, doch zeigt die ironische Selbstbeantwortung in demselben Vers habeat. optumest, in welchem Maß Plautus das Ethos des Monologs verändert. Nicht anders steht es um die Behauptung, 503-505 seien „aus Men. 18-25a entwickelt“. 23 Dort ist weder von Sostratos’ Liebe oder Glaubwürdigkeit die Rede noch begegnet ein Aprosdoketon. “The Menandrian Sostratos’ account of the power of the lady’s gifts of persuasion (20-4) can hardly be said to be the inspiration of vv. 503-5, which make a frigid and quite outof-place pair of jokes and which nevertheless are not easily excisable.” 24 Zwierlein müßte auch diese Verse gemäß seinen Prämissen als Interpolation ausscheiden. 506-511 athetiert schon Ussing. 25 Seine Kritik nennt Zwierlein 26 ‚wohl begründet‘. 27 Er bemängelt an 506, daß der Vers „ohne ersichtlichen Grund nahezu wörtlich den Vers 864 […], bezeichnenderweise freilich mit der anstößigen Auslassung des Subjektsakkusativs“, zitiere. 28 1. Was spricht dagegen, daß umgekehrt 864 den früheren Vers zitiert? 2. Warum ist ein solches Zitat ein Unechtheitskriterium? Es wird gleich zu zeigen sein, daß Plautus (wie auch sonst) gern wiederholt. 3. Warum ist eine Auslassung des Subjektsakkusativs ‚anstößig‘? Zu 507 bemerkt Ussing: „Quomodo Mnesilocho in mentem venire potuit ‚aliquid patri surripere‘, quum Chrysali fraude iam satis superque habeat? “ Es ist so: Mnesilochus fällt bereits hier aus der Rolle und spricht von der Zeit nach der Rückgabe des Gelds. Wenn er dann Bacchis etwas schenken will, kann er das nur auf Kosten des Vaters tun. 29 Zu 507a: „iam Ritschelius eiecit, et intelligat, qui possit.“ Es ist so: Der erste Teil erklärt sinnvoll - wenn nicht notwendig -, was Mnesilochus mit dem Gestohlenen machen will. Der zweite Teil bringt wieder den Umbruch in das Gegenteil. 30 Zwierlein meint, der Vers gebe zusammen mit 508 „keinen vernünftigen Sinn.“ 31 Sie dürften bedeuten: ‚Ich werde sie (finanziell) bestrafen und in Not bringen, 32 so daß der Bettelstab droht - dem Vater (statt: ihr).‘ Zu 508: „Lambinus para; prosdokivan explicat, quasi adulescens, quum dicturus esset: ‚ut mendicet, sc. Bacchis‘, subito mutato consilio patrem subiecerit. Quod fortasse ferrem, si hic versus post 503 [= 506] aut 502 [= 505] legeretur.“ Lambinus hat recht. Die Kritik ist unsinnig, da 508 erst durch 507 verständlich wird. Ohne das vorangehende surrupere hinge mendicare in der Luft. Zwierleins weitere Gründe für die Athetese von 507a und 508 sind gesucht: ego istanc und ego illam scheine aus 505 übernommen; der Wechsel von illam zu isti und istanc unbegründet. 33 Da sich Mnesilochus ununterbrochen mit Bacchis und sich beschäftigt, kann von einer Übernahme nicht gesprochen werden. 23 Zwierlein 1990, 34. 24 Jocelyn 1993, 128-129. 25 1878, 411. 26 1990, 30. 27 Gratwick 1993, 37 nennt Ussing ‘Z.s guru’. 28 1990, 36. 29 “In objecting to 507 ‘domum ibo’ (as elsewhere, esp. pp. 231-5) Z. refuses to recognize the difference between Greek and Roman treatment of off-stage action and dramatic time; he supposes a questionable Aktpause at 525 and does not consider the possibility that Plautus wrote 507 precisely in order to indicate that Nicobulus has returned home, without specifying how” (Lowe 1992, 242). 30 Deshalb faßt Gratwick ulciscar als ajprosdovkhton auf (vgl. weiter unten). 31 1990, 36. Daß er „deutlich nach Vers 505 […] gebaut“ ist, besagt nichts. 32 ‘I’ll bring her right to beggary’ (Barsby). 33 1990, 36. B. Analyse 30 Warum soll die Steigerung von illam zu den intensiveren 34 Demonstrativa isti 35 und istanc nicht begründet sein? Weiter: „Ist nicht auch die Häufung des Personalpronomens ego auffällig? “ Mnesilochus ist, anders als Sostratos, ‚Autist‘. Der Dichter leuchtet in ihn hinein. Ussing zu 509-510: „Sed quid hoc est, quod proximis versibus se reprehendit, quod futura enuntiaverit, quum nihil omnino dixerit? Aut quae est ista in tam perturbata mente repentina quies in ratiocinando, quum proxima (v. 510 [= 512]sqq.) animum aeque commotum ostendant? “ Es ist ein besonderer Witz, daß Plautus Mnesilochus aus der Rolle fallen läßt, den man ungern einem ‚Poetaster‘ 36 zutrauen möchte. 37 Daß Mnesilochus’ energischer Aufruf zur Raison eine ‚repentina quies‘ bedeute, ist völlig unbegründet. Daß 510 „mit auffälliger Ellipse von sunt im Relativsatz […] unbeholfen“ sei, 38 ist wieder ein gesuchtes Argument. 39 Für Zwierlein liegt in 506-511 „ein unorganischer späterer Zuatz eines Poetasters vor, der das in 503 und 505 begründet eingesetzte Spiel mit der Figur des Aprosdoketon noch ein wenig weiterführen wollte (507. 508), dabei freilich die Zielrichtung des Monologs gänzlich aus den Augen verlor und anachronistisch Motive vorausnahm, die erst zu einem späteren Zeitpunkt ihren Sinn bekommen konnten.“ 40 Das Aprosdoketon wird somit im Prinzip als plautinisch anerkannt. Wenn Mnesilochus zwei Aprosdoketa gebraucht, kann er auch vier gebrauchen, zumal die letzten beiden pointiert gesteigert sind. Die ersten in 503 und 505 sind albern genug und dem Ethos der menandrischen Figur zuwiderlaufend - besonders wenn man meint, daß in 505 mit einem obszönen Nebensinn gespielt wird. 41 Es entspricht improvisierender Monologtechnik, wenn Plautus den Sprecher eine wirksame Redefigur bis zur Absurdität verfolgen und ihn schließlich aus der Rolle fallen läßt. Vier ajprosdovkhta sind keineswegs zuviel. Gratwick sieht in Mnesilochus’ Rede sogar neun, indem er incertum admodumst (501), habeat (502), quem derideat (506), ulciscar (507a), usque ut mendicet (508) zusätzlich als solche auffaßt. 42 Das ist wahrscheinlich des Guten zuviel, zeigt aber die grundsätzliche Billigung von Aprosdoketa-Reihen bei Plautus. Die Annahme, 500-505 seien Plautus zuzutrauen, nicht aber 506-511, veranlaßt Jocelyn zu fragen, “whether the absence in the papyrus of material parallel to Bacch. 506-11 has any relevance at all to the question of the authenticity of the latter verses. […] Removal of vv. 506-11 leaves Mnesilochus’ monologue less flagrantly unmenandrian in style but still by no means a straight version of the Greek.” 43 Auch Lowe ist nicht überzeugt: “Few, I think, will be persuaded. That these lines have no counterpart in Dis Ex. is irrelevant; it is hard to take seriously pedantic criticism of the illogicalities of aprosdoketa (507-8 exploit a comic topos); the linguistic objections seem trivial.” 44 34 Schönbeck 1981, 98 Anm. 25. Vielleicht sind sie abwertend. 35 Gratwick 1995, 103 (vgl. 104) bezieht isti auf Pistoclerus (für Bacchis). 36 Zwierlein 1990, 34. 37 Er ist auch für Zagagi 1995, 75 plautinisch. 38 Zwierlein 1990, 37. 39 Langen 1886, 262-263 erklärt 507a (Erweiterung von 507), 508 (Dittographie zu 507) und 510 (Zusatz zu 509) als Interpolationen. Auch er wünscht sich Plautus konziser argumentierend. Maurach 1994, 60 athetiert 507a-511: Dagegen gut Sherberg 1995, 79 Anm. 411. 40 1990, 34. 41 Pöschl (1973) 1979, 47 Anm. 12. 42 1995, 101. 43 1993, 128-129. 44 1992, 242. I. Die Lehren des Papyrus 31 Nicht anders steht es mit den drei nach 519 überlieferten Versen. Sie könnten eine Doppelfassung zu 512-514 sein, 45 die alternativ am Rand standen und beim Abschreiben an falscher Stelle eingefügt wurden. Doch wendet Lowe gegen Zwierlein ein, 520 repetiere ebenso die ‘substance’ von 516. Wiederholung bzw. Vorwegnahme ist nicht mit Interpolation gleichzusetzen. Sonst müßte 516 oder 520 athetiert werden. Lowe weiter: “512-14 prepare for 516 just as 519 a-c prepare for 520. The repetition in 520 is not otiose; it provides a transition from 517-19, about Bacchis, to 521-5, about Chrysalus, and Plautus’ substitute for the action omitted from Dis Ex. If we accept 520, which is in A, as authentic, perhaps we can also ascribe 519 a-c to Plautus. In any case the fact that A omits these lines carries little weight in itself; the omission of lines by one branch of the MS tradition is often due to mechanical error. Certainly Z. is wrong to find confirmation in the absence of anything corresponding to 519 a-c in Dis Ex., for there is nothing corresponding to 512-14 either.” Dafür spricht, daß die Einfügung der ‚Alternativfassung‘ an einer falschen Stelle nicht postuliert zu werden braucht. Es wird nicht die Annahme einer doppelten Version bestritten, 46 jedoch betont, daß kein Recht besteht, eine der Partien als Interpolation anzusehen. Plautus selbst kann die erste als schwierigere Version der zweiten oder die zweite als leichtere Version der ersten dichten, so wie Mozart für bestimmte Aufführungen schwierigere oder leichtere Arienfassungen komponiert hat. Methodisch ist in Lowes Ausführungen wichtig, daß 1. Wiederholungen nicht mit Interpolationen gleichzusetzen sind, 2. fehlende Entsprechungen in der Vorlage nicht eo ipso nachplautinische Autorschaft implizieren. Entgegen Zwierleins Annahme 47 gibt der Papyrus keinen Anhaltspunkt für die Unechtheit von 506-511 oder 519a-c. 48 3. Sostratos’ Dialoge mit dem Vater (Dis 41-63 / 64-90) Menander stellte nach Sostratos’ Monolog auf der Bühne dar, wie der Sohn dem Vater den Betrug gestand und ihn zu folgen bat, damit er das 45 Guietus (Questa 2008, 56); Thierfelder 1929, 82-83; Blänsdorf 1967, 51 und 53 (auch die Erklärung von propensior durch grauior verrate den Interpolator); Barsby 1986, 141 (es handele sich um die ‘inferior version’); Zwierlein 1990. 46 Nach Jocelyn 1993, 129 schließen 512-514 und 519a-c einander aus; man könne aber nicht entscheiden, welche Fassung Plautus zuerst geschrieben habe. 47 1990, 29. 48 Gratwick meint zu Zwierleins ‚Poetaster‘: “This malign dwarf shrank at nothing in perverting the integrity of the pure Plautine text, having no feeling for its pristine clarity” (1995, 101). Er kommt zu folgendem Résumé: “Precisely because there is a fair amount of demonstrable interpolation of one sort or another in the textus receptus of Plautus, because he himself was essentially a farceur, and because teasing the audience and defeating our expectations are among his principal weapons of authentic wit, it behoves us to be cautious in diagnosing interpolation on stylistic grounds, and especially in resorting to the assumption of interpolators who were stupid and tasteless in comparison with Plautus himself. For maybe we have not properly understood the passage in the first place; and that implausible figure, the bungling and inept interpolator, is not someone to whom the interpreter of Plautus should so readily appeal as Zwierlein regularly does in that big book of his” (1995, 106). B. Analyse 32 zurückgehaltene Geld in Empfang nehmen könne. Die Auszahlung erfolgte außerhalb der Bühne. 49 Danach war Schluß des dritten Akts. Am Beginn des vierten erschienen Vater und Sohn wieder; der Vater ging erneut zum Markt, Sostratos blieb zurück und erblickte nach einem kurzen - zweiten - Monolog Moschos. Von dem ersten Dialog (41-63) sind 47-63 gut zu verstehen: 47 ev]dwken dev soi ]to; n tovkon ] eidon: mhde; e} } }n 50 ejgk]avlei crhstw'i xevnw/ . h{]kw komivzwn deu'rov soi [pavnq . (B) o{]sa t[o; cru]sivon, [dov ]q uJmei'", pai', tacuv. (SW.) [lhvyei p]ar [hJ]mw'n: mh; provsece kenw/ ' lovgw<i>. <B> [oujdei; "] parwvrmh[s , o]ujd ejpebouvleus … <SW.> oujde; ei|". 55 (B) [ouj pro; " Q]eov[t]imon [k]atetev[q]h to; crusivon; (SW.) [ouj pro; " Q]eov[t]imon: aujto; " ejfuvlatten labw; n, t[ov te pro; ]" biv[o]n difo[r]ei', pavter. (B) crhsto; " sfovdra: ejf[rovnti]sev ti. tiv ouj \n oJ Suvro" ejbouvleto; (SW.) ej[atevo]n: met ejmou' d ajkolouvqei kai; labe; 60 to; [cr]usivon. (B) paivzei". (SW.) ajkolouvqei kai; labev. (B) ouj[kou']n ajkolouqw'. do; " movnon, kalw'" tev moi wJ" [dei'] kevcrhsai: pri; n labei'n mavcomaiv [t]iv soi… ejm[oi; ] de; pavntwn tou'to proujrgiaivteron. Von dem zweiten Dialog (64-90) sind 64-66, 68, 78, 82-90 kenntlich: SW. t[iv f]hv<i>"… to; [cr]us[iv]on para; t[o]u' xevnou l[ab]w; n 65 [e]ij["] pavnt ajnevg[kl]hto" gevgonev soi… (B) gevgone gavr. (SW.) [m]a'[l]lovn [q a{ ]m eujfraivnei se… (B) ma'[l]lon, Swvstrate, 68 to; n kavkist ajp[olouv]menon 78 ou{tw" ajqw'[o" gevgone] tw'n pep[oh]mevnwn 81 ejpiqumivan[ uJ[p]oceivrion [ (? B) ajlla; ] mh; n labwvn, o{per [e]i\pa, mh; pivsteue [ (? SW.) (B) h\ [g]a; [r S]uvro" to; n h{liovn m[oi] to[u]toni; 85 eij] nu'n pa[r]asta; " ejxevc[ei]n favskoi, skovton nomivsaim a]n ei\nai, nuvkta gegonevnai: govh" aj]k[ov]l[a]sto". (SW.) ou[koun e[sti tou'tov m[oi], pavter, ‚ouj]qe; n ajpoteuvxei tou' patro; ["] su; crhsto; " w[n‘… aj]ll[a; ] pa[ravq]e" moi. (B) tau'[t ] a[peimi pro; " ajgora; n 90 pr]avtt[wn: o{]ti pravtthi" a[[l]lo devdotai tou'tov soi. 49 Es ist unklar, wohin Sostratos den Vater ihm zu folgen bittet (Handley 1997, 32). Es kommen die Agora, ein Freund oder das Schiff in Frage, auf dem Sostratos heimgekehrt ist. Die letzte Möglichkeit könnte durch die Handlung des Mercator gestützt werden. Vgl. C II 1 (S. 151). I. Die Lehren des Papyrus 33 Es war eine Überraschung, daß Plautus die Dialoge übergeht. Als Ersatz hängt er zunächst an Mnesilochus’ Monolog 521-525 an, in denen er ankündigt, den Vater um Verzeihung für Crusalus zu bitten: 50 eadem exorabo Crusalo causa mea pater ne noceat neu quid ei suscenseat mea causa de auro quod eum ludificatus est; nam illi aequumst me consulere, qui causa mea 525 mendacium ei dixit. Wenig später - der Gang in das Haus, die Rückgabe des Gelds an den Vater und dessen Verzeihung für Crusalus gehen bei Plautus ruckzuck vor sich - meldet er den Erfolg (530, 532-533): 530 reddidi patri omne aurum. sed ueniam mi quam grauate pater dedit de Crusalo! uerum postremo impetraui ut ne quid ei suscenseat. Menander Im Dis Exapaton wird vorgeführt, wie der Sohn beschämt vor den Vater tritt. Zunächst erklärt er ihm, daß Syros die Unwahrheit berichtet hat und sie das Geld mitgebracht haben. Es habe weder ein Schiff im Hafen neben ihnen geankert, noch hätten sie das Geld bei Theotimos deponiert. Der Vater ist so begierig danach, daß er nicht auf die Umstände des Betrugs eingeht. Zwar fragt er, was der Sklave eigentlich gewollt habe, tiv ou\n oJ Suvro" ejbouvleto; (58), aber er gibt sich mit dem ausweichenden ‚ach, laß sein! ‘, ejatevon, zufrieden (59). Im zweiten Dialog kommt der Vater wieder auf Syros zu sprechen und warnt vor ihm (mh; pi vsteue, 83). Wenn Syros neben ihm stünde und sagte, die Sonne scheine, nähme er an, es sei Nacht. Er sei ein zügelloser Betrüger (govh" | ajkovlasto", 86-87). Der Vater sagt, er gehe zur Agora. Die Bedeutung der Dialoge erschließt sich erst im Zusammenhang der Handlung. Der griechische Zuschauer, dem vorgeführt wurde, wie der Alte um das Geld kam, verlangte danach, seine Reaktion bei der Aufdeckung des Schwindels zu sehen. Für ihn klang die begonnene Aktion erst in diesen Szenen aus, so daß er bei ihrer Eliminierung Entscheidendes vermißt hätte. Andererseits bereiten die Dialoge die spätere Handlung vor. Wenn auf der Bühne gezeigt wurde, wie der Alte mit der Aufdeckung des Betrugs konfrontiert wurde und vor dem Sklaven gewarnt war, mußte ein weiterer Betrug nahezu aussichtslos erscheinen. Der römische Zuschauer hat nur den betrogenen Nicobulus aus 50 Stürner 2011, 178. B. Analyse 34 dem zweiten Akt in Erinnerung, der griechische den aufgeklärten und gegen den Sklaven voreingenommenen Alten. Auf diese Weise sind die Dialoge sowohl mit der vorausgehenden als auch mit der folgenden Handlung 51 eng verknüpft und bestätigen die Erkenntnis, daß die griechische Komödie eine sich organisch entwickelnde Handlung, eine dynamische Verknüpfung bzw. Steigerung der einzelnen Szenen aufweist. Plautus In nicht geahnter Weise greift Plautus in die Struktur des Originals ein. Die Dialoge zwischen Vater und Sohn sind gestrichen: Mnesilochus geht nach dem Monolog in das Haus, um dem Vater das Geld zurückzugeben, und trifft beim Herauskommen auf Pistoclerus. Plautus beweist bei der Raffung bemerkenswertes dramaturgisches Geschick - wie es ihm die wenigsten zugetraut hätten. Warum sind die Dialoge eliminiert? In der Tat sind sie für das reine Handlungsverständnis entbehrlich. Wenn Mnesilochus erklärt, er gehe in das Haus, um a) dem Vater das Geld zurückzugeben (= erster Dialog) und b) Verzeihung für Crusalus zu erwirken (= zweiter Dialog), und wenig später berichtet, er habe beides erledigt (530-533), hat der römische Zuschauer ebenso viele Informationen wie der griechische. Die Dialoge bieten für Plautus’ Bestreben, die Originale durchgängig komisch aufzurauhen, offenbar keinen Ansatzpunkt. 52 Wie so oft hat Plautus nur der Wirkung des Augenblicks Rechnung getragen. Dieses zeigt sich hinsichtlich Nicobulus’ Aufenthaltsorts. Bei Plautus geht er 348 auf das Forum, um den Sohn zu treffen. Trotzdem sucht ihn dieser nach 525 im Haus auf und trifft ihn an! Bei Menander kehrte der Vater dagegen nach dem Monolog des Jünglings zurück, so daß sich zwanglos ein Gespräch ergab. Das ist ein charakteristischer Unterschied zwischen griechischer und römischer Komödie: In jener sind in der Regel Gänge und Aufenthaltsorte der Personen stimmig, in dieser werden sie vernachlässigt, weil das auf die momentane Handlung konzentrierte Publikum nicht nachrechnet. Der Papyrus widerlegt die, welche diese Diskrepanz auf das Original abschoben, da sie den griechischen Dichtern dieselbe Nachlässigkeit wie den römischen zutrauten. Schläft zuweilen der gute Homer: Menander blieb wach. 51 Auf eine weitere Spannung macht Anderson 1993, 23 aufmerksam: Der Zuschauer sehe, daß Sostratos dem Vater nichts von der Beziehung zu der Nachbarin erzählt; das steigere “the audience expectation for the next acts.” 52 Zu äußerlich Bain 1979, 22-23: Plautus streiche die Szenen, weil er keine ‘act breaks’ zur Verfügung habe. Er sei “unable to reproduce the structure of the Menandrean play on the Roman stage without incongruity.” Plautus fiele wohl mindestens für einen Dialog eine Möglichkeit ein, wenn er auf ihn Wert legte. I. Die Lehren des Papyrus 35 Der Neufund lehrt erneut, daß die römische Komödie bei ihrer Ausrichtung auf die einzelne Szene, ja den einzelnen Passus einen eher statischen Charakter hat. Auch die Komik spiegelt diesen Unterschied wider: Hintergründige Ironie verbindet die (menandrischen) Szenen, kräftiger (plautinischer) Witz ist auf die jeweilige Stelle bezogen. Menander bringt mit der doppelten Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn ethische Probleme zur Anschauung. Einerseits muß Sostratos den Betrug gestehen, andererseits legt er beim Vater ein gutes Wort für Syros ein. Für solche Szenen war Menanders Komödie zu Recht berühmt. Plautus fände für sie bei seinem Publikum kaum Verständnis. “Certain features of Sostratus’ personality that seem apparent in the sober urbanity of Menander’s dialogue clearly do not accord with the farcical style of Mnesilochus’ character. The humorous good-nature of the old father, who spurns every recrimination, who neither illtreats his son nor quarrels with him when he repents and restores his money to him, is too Menandrean and lacks the necessary theatricality to fit well into the comedy of Plautus.” 53 Sherberg weist bei Mnesilochus’ Monolog auf das unterschiedliche Vater-Sohn-Verhältnis hin: 509-510 zeigten, daß Plautus kein Interesse haben könne, den Sohn durch Schuldbewußtsein oder Loyalität an den Vater zu binden. Er ließe ihn sonst nicht vor der Rückgabe des ersten ergaunerten Betrags vom nächsten Betrug sprechen, schon gar nicht, bevor ein Anlaß vorliege. Von einem Loyalitätskonflikt sei nichts zu spüren. 54 Sostratos und Mnesilochus gehören mit den Vätern verschiedenen Welten an. Bei Menander liegt das Gewicht auf dem Vater-Sohn-Verhältnis, bei Plautus auf dem Herr-Sklave-Verhältnis. 55 An die Stelle der Ethik tritt Komik. Das ‚Plautinische‘ nachplautinisch? 521-525 werden von Zwierlein als Zusatz ‚des ungemein langatmigen Bearbeiters‘ athetiert. 56 522 sei ‚als Einheit‘ aus 690 übernommen. Ebensogut kann das Verhältnis umgekehrt sein (ohne daß 690 unecht wäre). Außerdem sei der Schluß von 522 mit dem von 533 gleich: Soll bei der Bildung von 522 der Bearbeiter 690 mit 533 kontaminieren? 533 wird in 690-691 ‚auseinandergelegt‘, ohne daß Zwierlein eine der Stellen athetiert. mendacium (525) sei „viel zu mager für die Flunkergeschichte, die Chrysalus dem Alten aufgetischt hat“: Zwei Verse vorher steht eum ludificatus est - deutlich genug. ludificari de sei ohne Parallele: Was besagt das? Zu 524: Es sei „unvereinbar mit dem Umschwung der Gefühle, den Mnesilochus soeben erleben mußte, daß er […] sich pedantisch vorrechnet, wie sehr es sich zieme, daß er dem 53 Gentili 1979, 61. Nach Anderson 1993, 22 ist Plautus nicht an dem “enactment of the relation between father and son” interessiert. 54 1995, 79. 55 Sherberg 1995, 77. 56 1992, 253-255. B. Analyse 36 Sklaven, der für ihn eine Lüge riskiert hat, beim Vater Straffreiheit erbitte.“ Ist die psychologische Erklärung angemessen? “Plautus risks undercutting the serious point by the humour of the triple repetition” von causa mea. 57 Zwierlein sieht die Schwierigkeit, daß A 519a-c ausläßt, nicht aber 520-525, und erklärt sie so, daß die spätere Ersatzfassung 519a-c zu 512-514 „zu einem Zeitpunkt an den Rand gesetzt wurde, als der 1. Bearbeiter seinen Zusatz 520-525 schon angebracht hatte, und daß A in diesem Falle den offenbar am Rand des Archetypus stehenden Zusatz ignorierte, während er die ans Aktende gerückten Verse 520-525 berücksichtigte.“ Man kann sich des Eindrucks einer Petitio principii nicht erwehren. 4. Sostratos’ zweiter Monolog (Dis 91-102) In Menanders Fassung folgt auf die beiden Dialoge ein weiterer Sostratos-Monolog (91-102), den Plautus ebenfalls gestrichen hat: SW. ka]i; m[h; n do]kw' m[o]i th; n kalhvn te kajgaqh; n ijdei'n ejrwmevnhn a]n hJd[ev]w", keno; " piqaneuomevnhn kai; prosdokw'san aujt[iv]ka - fhsi; n d ejn auJth' / - pa'n o} komivzw crusivon. 95 pavnu gavr: ‚komivzei tou'[to] kaiv, nh; tou; " qeouv", [ejl]euqerivw" - tiv["] ma'llon… - ajxiv[w]" t ejmou'‘. a[u{]th d iJ[ka]n[w'"], kalw'" poou'[s]av [g ], euJrevqh o[i{]a<n> pot w[<i>[m]hn ou\sa, to; n d ajbevlteron Movscon ejlew': kai; ta; me; n e[gwg ojrgivzomai 100 ta; d oujk ejkei'non tou' gegonovto" ai[tion ajdikhvmato" nenovmika, th; n d ijtamwtavthn pasw'n ejkeivnhn. Dem Monolog entspricht bei Plautus 58 nur das Résumé des wiederauftretenden Mnesilochus: nunc ego illam me uelim | conuenire, postquam inanis sum, contemptricem meam (530-531). Auf den Beschluß zur Rückgabe des Gelds folgt bald die Aufklärung über den wahren Zusammenhang und die Reue über den Leichtsinn. Bei Menander wird nicht nur die Rückgabe gezeigt und diskutiert, sondern der Jüngling auch anschließend vorgeführt, wie er die ganze Situation deutet. In allen drei von Plautus eliminierten Szenen wird von Menander demonstriert, wie Sostratos die Lage mißversteht und dementsprechend gegen die eigenen Interessen handelt. Im zweiten Monolog verstrickt er sich immer weiter in den Irrtum, indem er die Geliebte noch mehr als vorher verdächtigt und zu dem Ergebnis kommt, sie sei die Unverschämteste von allen. Das sind ernsthafte Szenen, die für den denkenden Zuschauer von hintergründiger Ironie umspielt sind. Die Doppel- 57 Barsby 1986, 141. 58 Etwas übertrieben sagt Gentili 1979, 57, Plautus ziehe Sostratos’ beide Monologe 18-30 und 91-102 in Mnesilochus’ Monolog 500-525 zusammen. I. Die Lehren des Papyrus 37 bödigkeit des menschlichen Daseins war in der Neuen Komödie wie in der Tragödie ein Grundthema. Sostratos’ zweiter kleiner Monolog bildet den Höhepunkt dieser Thematik. Es wäre verfehlt anzunehmen, Plautus unterdrücke Szenen, um einen zügigen Fortgang der Handlung zu erreichen. Das zeigt der letzte Vergleich, den der Neufund gestattet. 5. Der Dialog der Freunde (Dis 102-113 / Ba. 534-561) Für Menander ist folgender Abschnitt überliefert (Dis 102-113): MO. ei\t ajkouvsa" ejnqavde ei\naiv me, pou' gh'" ejsti… cai're, Swvstrate. SW. kai; suv. <MO.> tiv kathfh; " kai; skuqrwpov", eijpev moi, 105 kai; blevmma tou'q uJpovdakru… mh; newvteron kako; n kateivlhfav" ti tw'n [g ] ejntau'qa… (SW.) naiv. (MO.) ei\t ouj [lev]gei"… (SW.) e[ndon ga; r ajmevlei, Movsce. (MO.) pw'"… (SW.) tovn m ej [ktovpw"] filou'nta to; n pro; tou' crovnon [ -]ta: tou'to prw'ton w|n ejrw': 110 deinovtatav m hjdivkhka". (MO.) hjdivkhka de; ejgwv se… mh; gevnoito tou'to, Swvstrate. (SW.) oujk hjxivoun gou'n oujd ejgwv. (MO.) levgei" de; tiv… (SW.) ejme; gavr, to; n e[rwta: ta[lla d hjniva m a[g[an. Man war nicht wenig verwundert, als man feststellen mußte, daß der Dialog bei Menander sehr viel kürzer gestaltet war. Den 28 römischen stehen 11 griechische Verse gegenüber. 59 Menander Sostratos ist niedergeschlagen, weil er glaubt, Moschos betrüge ihn. Dementsprechend ist er ‚einsilbig‘. Dann spricht er schnell den Verdacht aus, und Moschos bittet um Aufklärung. Es ist eine knappe Einleitung zu einem Gespräch, von dem man gern wüßte, wie es weiterging. Menanders Dialog ist sachlich, die Rede schreitet zielstrebig fort, sie ist dynamisch, der Stil ist argumentativ. Er stellt Handlung dar. Plautus Das römische Gespräch ist erheblich breiter angelegt. Plautus’ Dialog ist affektiert, die Rede tritt auf der Stelle, sie ist statisch, der Stil ist 59 Dis 113 hat keine Entsprechung bei Plautus. Daß Handley 1997, 39 auf Ba. 561-562 hinweist, ist irreführend. B. Analyse 38 glossematisch. 60 Er kommentiert Handlung. Menanders kurzer Dialog konfrontiert den Unbefangenen mit dem Niedergeschlagenen. Sostratos ist echt getroffen. Die Freunde können einander nicht verstehen, und sie reden nicht viel darumherum. Ganz anders fließt den Jünglingen bei Plautus 61 das Wort von den Lippen. 62 Die Art und Weise, in der Mnesilochus den Freund an der Nase herumführt, ist außerordentlich virtuos, aber alles andere als natürlich. 63 Er müßte Pistoclerus sofort zur Rede stellen, wie es bei Menander der Fall ist. Sostratos gebraucht selbstverständlich die zweite Person: ‚du hast mir Unrecht getan‘, hjdivkhsa" . Mnesilochus hingegen treibt sein Spiel, indem er einen ‚Unbekannten‘ einführt. Das Gespräch wird von der persönlichen auf eine allgemeine Ebene verlagert, die Ansprache zur Sentenz. Mnesilochus’ Klage ist viel länger als die des griechischen Pendants; da er sie in der Form einer Rätselrede vorbringt, ist sie unangemessen. So ist das Paradox bedingt, daß trotz größerem Pathos das Gefühl weniger unmittelbar, weniger echt wirkt. Das Rätselgleichnis hat vor allem die Funktion, Komik zu erzeugen. 64 Diese ist bei Plautus oberstes Ziel: Sie paralysiert das Gefühl, ja schlägt es tot. Menander schreibt bürgerliche Lustspiele, Plautus in der Tradition des römischen Stegreifspiels Farcen. Das ‚Plautinische‘ nachplautinisch? Aus der Tatsache, daß 540-551 in A nicht überliefert sind und Charisius berichtet, 545 fehle in einigen Handschriften, 65 zieht man unterschiedliche Schlüsse. Zunächst ist festzustellen, daß die beiden Punkte nicht zu vermengen sind, sondern Charisius meinen kann, daß nur 545 66 oder 545-551 in quibusdam nicht enthalten seien. Stu- 60 Der Ausdruck im Hinblick auf Terenz’ Stil bei Büchner 1974, 481. 61 “Menander has handed him a situation of misunderstanding, and that is too tempting to the Roman sense of irreverence and laughing incredulity. So Plautus sets out to exaggerate and prolong the misunderstanding” (Anderson 1993, 13). 62 Feinsinnige Interpretation: Wallochny 1992, 182-183 (C I 3 b, S. 127-128). 63 “In Menander, the misunderstanding between the two friends is resolved with the utmost economy. […] In Plautus, on the other hand, we are confronted with a comedy of situation for its own sake” (Zagagi 1995, 72). 64 Anderson 1993, 20 sagt zu der ‘smart deception’, die Mnesilochus über 20 Verse hin übt: “That Mnesilochus falls out of character in the process is no objection for Plautus: on the contrary, it is his goal to deconstruct the sentimental scene and the audience’s sympathetic identification with the characters and situation. His Mnesilochus does not really feel any anguish, and he is not allowed to play a consistent role.” 65 in quibusdam non ferunt, was Ritschl 1845, 418 zu feruntur verbessert (266, 11 Barw. = 205, 7 K.). 66 Man beachtet in der Regel nicht, daß nach Ritschl trotz seiner Korrektur die Charisius-Stelle nur bedeutet, „ille versus, qui est III, 6, 16“ (= 545), nicht aber: I. Die Lehren des Papyrus 39 demund bezieht die Stelle auf den ganzen Passus und kritisiert ihn in ästhetischer Hinsicht: Die Lebhaftigkeit der Unterhaltung zwischen den beiden Freunden fordere geradezu „gemäß der Plautinischen Sitte“ das Fehlen der Verse; es liege eine jener weitschweifigen moralisierenden Auseinandersetzungen vor, womit die plautinischen Stücke bei späteren Aufführungen häufig interpoliert schienen. 67 Ussing folgt Studemund: „nec negari potest optime abesse posse magisque eorum ingenium sapere, qui brevi post Plauti mortem fabulas eius referebant, quam ipsius Plauti.“ 68 Leo behauptet demgegenüber, daß die Partie auf jeden Fall ‚menandrischen‘ Charakter habe und daher von Plautus übersetzt sei. 69 Er argumentiert im Blick auf die Qualität, berücksichtigt aber nicht die unterschiedliche Struktur griechischer und römischer Dialoge. Zwierlein erklärt die Partie wieder für interpoliert. Leos - wie sich zeigen wird, wohl richtige - Anmerkung „potius haec resecuisse post Plautum aliquis quam adiecisse videtur“ 70 kommentiert er: „Hätte Leo bereits den Papyrus gekannt, würde er uns nicht die geradezu absurde Konstruktion zugemutet haben, ein späterer Retraktator hätte zufällig genau an jener Stelle der Bacchides 12 Verse herausgeschnitten, an der die griechische Vorlage eben dieses Defizit aufweist.“ 71 Das Fehlen von 540-551 in A hat jedoch nichts mit der Frage der Echtheit zu tun, da Plautus nicht nur dort, sondern in dem gesamten Pistoclerus-Mnesilochus-Auftritt erheblich umständlicher als Menander vorgeht. Der Nachweis der Interpolation könnte nur aus dem Passus selbst heraus geführt werden. 72 Die plautinische Abundanz beginnt schon mit Pistoclerus’ Auftritt 73 526-529: rebus aliis anteuortar, Bacchis, quae mandas mihi: Mnesilochum ut requiram atque ut eum mecum ad te adducam simul. nam illud animus meus miratur, si a me tetigit nuntius, quid remoretur. ibo ut uisam huc ad eum, si forte est domi. Dem entspricht bei Menander nur: ei\t’ ajkouvsa" ejnqavde | ei\nai me, pou' gh'" ejsti; (Dis 102-103). “Menander, typically of him, treats this conventional form of entrance with a convincing air of realism; Plautus, typically of him, labours the point to make sure the audience connect”. 74 Zudem ist Plautus’ Stil von künstlicher Umständlichkeit. “‘My animus wonders what is delaying him if a message from me has touched him’ is very different from Menander’s clipped and colloquial ‘so he’s der ‚Plautus-Passus‘ (so Zwierlein 1990, 25), fehle in einigen Handschriften. Wenig später verdeutlicht Ritschl: „abesse salva sententia ille [sc. versiculus] potuit, qui est Bacch. III, 6, 16“ (1845, 419). 67 1868, 43. 68 1878, 412. 69 „Gewiß stammt die Schilderung der falschen Freunde Bacch. 540-551, obwohl sie im Ambrosianus fehlt, von Menander her“ (1912, 131); ebenso Thierfelder 1929, 4 Anm. 2; Handley 1968, 17 Anm. 17. 70 1895, 149. 71 1990, 28. 72 Zwierlein bemerkt, daß more isto atque exemplo (540) singulär sei, „während Plautus sonst durchgängig hoc / eo / isto(c) exemplo bzw. ad hoc / id exemplum absolut“ setze (1990, 28 Anm. 49). Was besagt das? 73 Plautus läßt im Gegensatz zu Menander Pistoclerus vor Mnesilochus erscheinen, damit dieser in der Zwischenzeit mit dem Vater sprechen kann, was im Original auf der Bühne geschah (Bain 1979, 25; Primmer 1984, 54). Auch hierin zeigt sich eine gute Dramaturgie. 74 Handley 1968, 17. B. Analyse 40 heard I’m here - where on earth is he? ’ […]. Plautus surely is some way removed from the everyday speech of young men here. Note the alliteration of animus meus miratur. tetigit nuntius is a high-flown expression although somewhat less so than the tragic fragment that can be quoted as a parallel, tetigit aures nuntius (Tragica incerta 23 Ribbeck) where the presence of aures elevates the tone.” 75 Hierauf erscheint Mnesilochus und berichtet, er habe dem Vater das ganze Geld zurückgegeben und Verzeihung für Crusalus erwirkt (530-533), womit Plautus die beiden von ihm gestrichenen Dialoge zwischen Sostratos und seinem Vater resumiert. Das Geschick und das Sich-Lösen von der Vorlage sind bemerkenswert. 76 Während die griechischen Jünglinge sich kurz mit cai're, Swvstrate und kai; suv begrüßen (Dis 103-104), verläuft das Gespräch bei Plautus viel „umständlicher und unwahrscheinlicher, weil beabsichtigt komisch und spielerisch […]. Statt in irgend einer Weise Empfindsamkeit für Mnesilochus’ Ärger über ihn an den Tag zu legen, stellt er [sc. Pistoclerus] dem Heimgekehrten im Zuge eines typisch plautinischen Begegnungsduetts […] in munterem Ton ein Willkommensmahl in Aussicht (V. 536f.). Mnesilochus muß die Einladung erst knurrend ablehnen - non placet mi cena quae bilem movet (V. 537b) -, damit seinem Gegenüber dämmert, daß irgend etwas nicht stimmt. Die nicht abwegige Vermutung, er selbst könne an der aegritudo des anderen schuld sein - da ja eine von ihm ausgerichtete cena diesem die Galle errege -, liegt Pistoclerus jedoch ebenso fern wie Mnesilochus die Absicht, den Freund unverzüglich wissen zu lassen, daß er es sei, über den er sich empöre.“ 77 Man sieht: Gegenüber Menanders Kürze und Schlichtheit ist der plautinische Dialog schon am Beginn von behaglicher Länge und äußerster Künstlichkeit. 78 Es ist, als ordne Plautus durch den ersten Vers den Charakter des Gesprächs ein: P I . estne hic meus sodalis? M N . estne hic hostis quem aspicio meus? (534). Es handelt sich um eine bei Plautus beliebte Konterrede, bei der die zweite Person die Rede der ersten formal gleichlautend aufnimmt und inhaltlich in das Gegenteil wendet; es eine Spielart des Par pari respondere. 79 Sie dürfte aus den Feszenninen stammen. Hier liegt die Besonderheit vor, daß die Sprecher einander nicht hören, die Rede also auf den Zuschauer bezogen ist - wenn man nicht annehmen will, die Schauspieler plänkelten miteinander. Jedenfalls weiß der römische Zuschauer, was ihn erwartet: ein fröhliches Hickhack, bei dem ethische Problematik zurücktritt und Lust am Wort dominiert. Der zweite Vers gibt die Fortsetzung und damit Bekräftigung: P I . certe is est. M N . is est (535). 80 Pistoclerus fährt fort: adibo contra, worauf Mnesilochus gleichzieht: contollam gradum. 81 Das ist eine plautinische Wendung 82 aus dem militärischen Bereich, die hostis weiterführt. 83 Im Pseudolus leitet sie ebenfalls ein Wortge- 75 Bain 1979, 26. Vgl. Questa 1985, 49 Anm. 33. 76 Bain 1979, 26-27. 77 So vorzüglich Wallochny 1992, 183. 78 Bain 1979, 28. 79 Wallochny 1992, 66. 80 Schönbeck 1981, 113 sieht in den „echoartigen Responsionen ein buffoneskes Element“. 81 Der Sprecherwechsel bei Questa 2008 (dem hier gefolgt wird) macht den Kontercharakter der Begrüßung noch evidenter als in Leos und Lindsays Text. 82 Parallelen bei Lorenz 1886 zu Pseud. 686-687 (= 707-708); Bain 1979, 22 Anm. 23. 83 Barsby 1986, 144. I. Die Lehren des Papyrus 41 fecht ein: Der Titelheld sagt zu seinem Herrn Calidorus 84 bei der Begrüßung: confer gradum | contra pariter (Pseud. 707-708); was darauf folgt, ist geradezu absurd. Die römischen Zuschauer bekommen erneut einen Wink, worauf sie sich einzustellen haben. Schlösse der Dialog schon mit 539, wären sie mehr als enttäuscht. Sie fragten sich zu Recht: Wozu der Lärm? Vom Charakter des Streitgesprächs aus schließt der Passus 540-551 nahtlos an das Vorhergehende an. Ohne die Überlieferungslage in A und Charisius’ Nachricht verdächtigten ihn weder Studemund noch Ussing. Der Papyrus bringt erst recht keine Entscheidungshilfe, da er nicht nur lehrt, daß 521-539 und 540-551 85 unmenandrisch sind, sondern auch der folgende Passus 552-559. In dem letzten wird mit nahtlosem Übergang das ‘third man motif’ 86 von 549-551 weitergeführt, das bei Menander ebenfalls keine Entsprechung hat. 87 Auch diese Verse sind von behaglicher Breite, ebenso lebensfern wie bühnenwirksam. Insofern ist es willkürlich, 540-551 als unmenandrisch hinauszuwerfen. Es wird sich um eine Kürzung der langen Auseinandersetzung handeln. 88 Die Künstlichkeit der gesamten Partie 526-560 ist unmenandrisch: “we seem to hear the actor talking, not the character, 89 and the same impression is maintained through Mnesilochus’ short speech […] and in the way the pair frame up to each other and fence their way through greetings, the rejected invitation to dinner and the moralizing cross-talk to the point of an outright accusation: Pistoclere, perdidisti me sodalem funditus [560]. The change in pace is very remarkable, and with it the change from the conventional lightness of the Greek line to the longer and heavier Latin one, with its pomps and decorations of language, and the ring of Plautine alliteration and assonance.” 90 Lowe bemerkt, Zwierleins Argument, 540-551 seien unecht, weil sie im Papyrus keine Entsprechung hätten, werde “undermined by the fact that 540-51 form only part of a longer passage, 540-59, in which the idea of the unfaithful friend, hinted at in Dis 108, is expanded so as to delay considerably the progress of the action. 552-9 are equally unMenandrian but are in A. The delaying technique is characteristic of Plautus and I see nothing unPlautine in the language or subject-matter of 540-51; in fact I believe they are necessary preparation for 552 ‘inprobrum istunc…’, which would hardly be justified by 538f. ‘aegritudo…’” 91 Es ist somit hinsichtlich der Echtheit bzw. Unechtheit von 540-551 mit Tränkle festzustellen, Plautus habe „den Szenenanfang ganz selbständig ausgestaltet, so dass das Aussehen der betreffenden Partie im Di; " ejxapatw'n weder in der einen noch in der anderen Richtung Gründe abzugeben vermag.“ 92 Auf einer anderen Ebene liegt das Problem, ob die Partie 540-551 in sich Anstöße bietet, so daß sie aus diesem Grund Plautus abzusprechen wäre. Das behauptet Tränkle in einer Mischung von inhaltlichen und sprachlichen Kriterien. Der Ab- 84 Dieser ist angeredet: Willcock 1987, 122. 85 Wallochny 1992, 183: ein ‚gänzlich unrealistisches und unnötiges Ratespiel‘. 86 Der Ausdruck bei Bain 1979, 30. 87 Unbegründet ist die Erwägung von Bain 1979, 30-31, Dis 108-109 entsprächen mindestens Ba. 539. Der entscheidende Unterschied ist, daß Sostratos von Moschos, Mnesilochus von dem ‘third man’ redet. 88 Vgl. auch weiter unten. 89 Wallochny 1992, 183: ‚absichtsvolles Um-den-heißen-Brei-Herumreden‘. 90 Handley 1968, 17. 91 1992, 242. Auch Gratwick 1993, 39 und Jocelyn 1993, 129 folgen Zwierleins Argumentation nicht. 92 1975, 121. B. Analyse 42 schnitt habe in der Mitte „etwas seltsam Schwankendes, ja Wirres an sich“. 93 Tränkle führt folgende inhaltlichen Punkte auf: 1. Mnesilochus beantworte das, was Pistoclerus über den Charakter der unzuverlässigen Freunde bemerke, mit dem sarkastischen Hinweis, er scheine deren Art ja gut zu kennen (545), fahre aber nicht in der eingeschlagenen Richtung fort, sondern befasse sich weiterhin allgemein mit den unzuverlässigen Freunden. Mit „dieser überraschenden Wendung“ könne man sich aber ‚abfinden‘. Es ist nicht zu sehen, worin etwas Überraschendes liegen könnte. Im Sinn des Strebens nach Überbietung in einem Streitgespräch sind die Zuschauer auf eine Charakterisierung der falschen Freunde durch den Partner gespannt. 2. Das ‚eigentlich Fragwürdige‘ sei, daß man nach 546-548 einen Hinweis erwarte, es werde demjenigen falschen Freund, der Mnesilochus so behandelt habe, nicht anders gehen, daß es aber heiße, so sei auch der, von dem er geglaubt habe, er sei sein Freund wie er sich selbst; er habe ihm geschadet, wie er nur konnte (549-551). Das passe nicht zu 546-548. Es ist nicht zu sehen, wieso 549 nicht nahtlos an 548 anschließt. Mnesilochus sagt: ‚So und so sind die falschen Freunde, darin und darin schaden sie sich selbst … So einer ist auch der und der …‘ 3. Selbst wenn 544 den Sinn hätte, den ihm Thierfelder gebe (‚Sie selbst sind solche traurige Kerle, daß Beneidetwerden für sie nicht in Frage kommt‘), passe er nicht in den Zusammenhang von Pistoclerus’ Äußerung; denn jene falschen Freunde müßten gewisse Vorzüge aufweisen, um derentwillen sich der Enttäuschte mit ihnen eingelassen habe. „Wäre dem nicht so, bliebe ihm nur zu bekennen, daß er selbst ein Dummkopf war.“ Es ist nicht zu sehen, weshalb hier von den Vorzügen der falschen Freunde die Rede sein ‚muß‘. 94 542-544 geben einheitlich eine Charakterisierung der falschen Freunde. Dementsprechend bedeuten 543 und 544: Sie beneiden andere um ihr Glück; daß man dagegen sie beneidet, davor nehmen die Nichtsnutzigen 95 sich mit Erfolg in acht. Von inhaltlichen Schwierigkeiten kann kaum gesprochen werden. 96 Athetesen und Konjekturen sind unnötig. 97 93 1975, 120; dort auch das folgende. 94 Dieser Einwand Tränkles „wird der rhetorischen Intention der Stelle kaum gerecht“ (Riedweg / Weisweiler 2004, 147 Anm. 31). 95 ignaui = ‚nichtsnutzig‘ (Tränkle 1975, 120 Anm. 15). Von diesem Wort abgesehen, trifft Pöschl (1973) 1979, 50 den Sinn richtig (von Tränkle 1975, 120 Anm. 16 zu Unrecht kritisiert). 96 Aber selbst wenn es welche gäbe, müßte man Jocelyns Kritik an Tränkle zustimmen: “For the literary historian it is of interest that no similar illogicalities seem to have been present in Plautus’ model, but the question of what Plautus himself was capable of perpetrating remains open” (1993, 129). 97 Für Echtheit von 540-551 n a c h d e m F u n d d e s P a p y r u s Handley 1968, 18; 2001, 22; Gaiser 1970, 58 Anm. 13; Del Corno 1973, 110-111; Pöschl (1973) 1979, 50-52; Blänsdorf 1976, 715; Clark 1976, 95; Questa 1985, 50; 2008, 58; Barsby 1986, 145; Wallochny 1992, 183; Damen 1995 (2), 23- 24; Del Corno 2001, 44 mit Anm. 6; Rau 2007, 54; de Melo 2011, 420. Für Deufert 2002 (2), 58 steht (unter Verweis auf Zwierlein) die Unechtheit ‚endgültig‘ fest. Riedweg / Weisweiler 2004, 148-150 folgen Tränkles Athetese nicht, nehmen aber den zweiten Einwand auf und glauben ihn dadurch entkräften zu können, daß sie 546-548 gegen die Überlieferung Pistoclerus zuteilen. Damit wird nichts gewonnen, wohl aber eine wirklich otiose Großtirade von Pistoclerus in Kauf genommen: Der komische Agon zwischen den beiden Eiferern fällt fort, und die Partie wird farblos. Auch paßt sed in 546 besser bei Sprecherwechsel. I. Die Lehren des Papyrus 43 Es ist noch zu fragen, ob es sprachliche Gründe gibt, die eine Athetese der Partie rechtfertigen. Weder Lowe 98 noch Gratwick 99 sehen solche. 100 Grundsätzlich sind Zweifel angebracht, wenn Singularität als Argument für Interpolation gewertet wird. 101 „‚Einmal ist keinmal‘ kann m. E. nicht ohne weiteres als Grundsatz akzeptiert werden.“ 102 Auch ist nicht alles singulär, was so aussieht. 103 Daß der metrisch anstößige Vers 544 ausreicht, die Partie zu athetieren, ist nicht wahrscheinlich. 104 Es bleibt das Problem, wie das Fehlen von 540-551 in A zu erklären ist. Grundsätzlich gilt, wie Tränkle sagt, daß die Bacchides an dieser Stelle in der Spätantike „ebenso gekürzt wie erweitert “ sein können. 105 Die leichteste Antwort auf die Frage ist nach Handley die Annahme einer Interpolation, die richtige, wie er vermutet, daß der Passus das Werk von Plautus selbst sei. Er passe gut zu seinem moralisierenden Stil und zu der allgemeinen Gestaltung dieser Szene. Der Grund, ihn wegzulassen, könne eine beabsichtigte Raffung sein. 106 Jocelyn hält auch nach Tränkles, Bains und Zwierleins Athetesen daran fest, daß Handleys Erklärung “does not deserve to be dismissed out of hands.” 107 Wenn ein Vergleich mit dem Dis Exapaton zu der Ausscheidung von 540-551 in A führt, muß der Kürzungswille das Primäre sein, da sonst sehr viel mehr Verse zu tilgen wären. Wie wenig aber eine Lücke in den Handschriften etwas mit dem Original zu tun zu haben braucht, stellt Lowe klar: “Donatus states that Ter., Ad. 511-16 were omitted by some ancient MSS, but their authenticity is assured by the technical need for a scene in Menander’s play depicting Hegio setting out to find Micio […].” 108 Andererseits ist das Faktum einer Interpolation von 540-551 nicht auszuschließen. Nur ist mit Nachdruck zu betonen, daß das Original, wie es der Papyrus bietet, dafür keinen Anhaltspunkt liefert. Zöge man ihn für diese Frage heran, müßte man erheblich größere Partien - wie die cena- Begrüßung oder den ‘third man’-Passus - ebenfalls als Interpolation betrachten. Als Fazit ergibt sich, daß die Annahme einer vom Original unabhängigen Kürzung «da un retractator frettoloso, che profittava della casuale possibilità di far seguire immediatamente al v. 539 il v. 552 senza formali strappi alla logica del discorso», 109 wahrscheinlich ist. Sie mag anläßlich einer Aufführung erfolgt sein. 98 1992, 242. 99 1993, 39. 100 So auch Riedweg / Weisweiler 2004, 148. 101 falsimoniis (541); iners (542); atque ohne vorausgehendes Korrelativ (549). 102 Maurach 1994, 59 (allgemein zu „Zw.s Methode, Hapax Eiremena als Verdachtsgründe zu werten“). 103 inconciliaret (551) dürfte durch Trin. 136 gestützt werden, factiosi (542) nicht - singulär - ‚tätig, zum Handeln aufgelegt‘, sondern ‚einflußreich, mächtig‘ (vgl. Aul. 227) heißen. Bain 1979, 23 Anm. 23 fügt noch inimicos in sese (547) hinzu, bemerkt aber unter Hinweis auf J. N. Adams, The text and language of a Vulgar Latin chronicle, London 1976, 49 und 154 Anm. 4: “The prepositional usage, however, does have analogies in Plautus”. 104 Den ersten Hiat vermeidet Bothe durch die Konjektur sibimet (Questa 1975, 133 ‚prob. Ritschl‘), den zweiten G. Hermann durch die Konjektur ignauia (so Questa 1975 und Barsby 1986). 2008 verzichtet Questa auf Hermanns Konjektur (sibi ne | inuideatur, ipsi | ignaui recte cauent); ihm folgt de Melo 2011. 105 1975, 121. 106 1968, 18. 107 1993, 129. 108 1992, 242. 109 Questa 1985, 51. B. Analyse 44 Differenzen im Versbestand verschiedener Überlieferungszweige sind also nicht eo ipso durch Addition von Unechtem, sondern ebensogut durch Substraktion von Echtem zu erklären. Ein solches Verfahren liegt auch vor, wenn Kürzungen ein dezidiertes ästhetisches Urteil zugrundeliegt. Hierzu wird Cicero ein interessantes Zeugnis verdankt, der Papirius Paetus schreibt, Caesar könne mit seinem geschulten Stilempfinden ebenso genau sagen, ob etwas von ihm, Cicero, stamme, wie Paetus’ Vetter Servius, ob etwas von Plautus stamme: sed tamen ipse Caesar habet peracre iudicium, et, ut Seruius, frater tuus, quem literatissimum fuisse iudico, facile diceret: ‚hic uersus Plauti non est, hic est‘, quod tritas auris haberet notandis generibus poetarum et consuetudine legendi, sic audio Caesarem, cum uolumina iam confecerit ajpofqegmavtwn, si quod adferatur ad eum pro meo, quod meum non sit, reicere solere (Ad fam. 9, 16, 4). 110 Ein solcher ‚Philologe‘ könnte auch bei den Bacchides seine kritische Ratio zur Unzeit betätigt haben. 111 Der Neufund ermöglicht erstmals einen direkten Blick in Plautus’ Werkstatt. Sie ist nicht die eines Übersetzers, sondern eines souverän mit dem Original schaltenden Künstlers, der das nachdenklich stimmende bürgerliche Lustspiel zu einer effektvollen Posse ummodelt. 112 110 Zetzel 1972 / 1981, 20. 111 Auf diese Möglichkeit wies E. Stärk in einem Gespräch am 5. Februar 1992 hin: „Da irgendein römischer Philologe bzw. Literaturkenner (vielleicht in der Zeit des Varro) tritae aures hatte, um mit Cicero zu reden, glaubte er, jene beiden moralisierenden Reden der Adulescentes, die von dem rasch alternierenden Dialog gut abzusetzen und fugenlos auszuscheiden sind, als amplificatio erkennen zu können, und entschied: hi versus Plauti non sunt. Er setzte womöglich ein kritisches Semeion, erläuterte sein Urteil im Kommentar, und darüber entstand, um mit Plinius zu reden (nat. 28, 107f.), eine magna concertatio eruditorum an ii versus poetae sint illius. Möglicherweise schaute man später, als die urkundliche Methode im Schwange war, bei Menander nach, und das Defizit dort brachte die Verse in noch größeren Mißkredit. Die Argumente der concertatio wurden dann im Lauf der immer unwissenschaftlicher werdenden Zeit vergessen, nur das Semeion oder die Ausscheidung der Passage an den Rand zeugten noch von dem Zweifel an der Echtheit. Ob dieser begründet war oder nicht, konnte man in der Spätantike natürlich nicht mehr erkennen, und genau dies war die Zeit, zu der die uns bekannten Hauptrezensionen zu Plautus entstanden. Quidam, zu denen der Ambrosianus gehört, überlieferten die angezweifelten Verse überhaupt nicht mehr, andere, zu denen die palatinische Rezension gehört, nahmen sie dennoch in den Text auf. So kann es gewesen sein. […] Die aufgewiesene Möglichkeit kann zeigen, daß Divergenzen im Versbestand keine urkundlichen Belege sind, sondern daß sie lediglich antike ästhetische Urteile wiedergeben können, die ebenso hypothetisch sind wie die ästhetischen Urteile der Moderne.“ 112 “What the comparison of Dis Exapaton and Bacchides really shows is ultimately a matter not so much of different techniques, or even of aesthetic gains and losses, as of fundamental changes in the idea of comic theater” (Goldberg 1990, 201). II. Die Intrigen 45 II. Die Intrigen «L’intreccio delle Bacchides è dei più complicati». 113 Die seit über 150 Jahren geführte Diskussion, wie die drei plautinischen Intrigen mit der Zweizahl der Apatai des menandrischen Titels zu vereinbaren sind, ist noch immer eine zentrale Frage der Bacchides- Forschung. 1. Problematik und Lösungsversuche Es gibt zwei gängige Erklärungen, Crusalus’ drei Unternehmungen mit dem griechischen Titel der Komödie in Einklang zu bringen: Entweder zählt man die Lügenerzählung als einen und die Briefintrigen als zweiten Betrug, oder man rechnet die Lügenerzählung wegen der Geldrückgabe durch Mnesilochus nicht mit und sieht jede Briefintrige als jeweils einen Betrug an. Die erste Lösung vertreten u. a. Prehn, 114 Kunst, 115 Marti, 116 Webster, 117 Theiler, 118 Rizzo, 119 Zwierlein, 120 die zweite Ritschl, 121 Williams, 122 Müller, 123 Mette, 124 Gaiser, 125 Finette, 126 Questa, 127 García-Hernández. 128 Es ist nützlich, sich an einigen Punkten vor Augen zu halten, daß der dreifache Ablauf der Intrigen, der bei Plautus vorliegt, nicht griechischen Gepflogenheiten entspricht. (1) Das wichtigste Kriterium ist die Diskrepanz zwischen den plautinischen Intrigen und dem Titel des Dis Exapaton. 113 Perna 1955, 374. 114 1916, 66-69. 115 1919, 109-110. 116 1959, 91. 117 1960, 130-131. 118 1970, 365 und 367. 119 1990, 28. 120 1992, 11. 121 (1846) 1868, 365. 122 1956, 453-455. 123 1957, 55. 124 1965, 53; 1968, 545-546. 125 1970, 79. 126 1983, 56. 127 1985, 65. 128 1998, 125-126. B. Analyse 46 (2) Daß der erste Betrug (Lügenerzählung) mitzuzählen ist, zeigt der Ausdruck altera uia (692) für die Einfädelung des nächsten - sofern er auf Menander zurückgeht: Das ist der deuvtero" plou'". (3) Die Pointe der Handlung beruht auf der Spannung, ob es Crusalus nach der Aufdeckung des ersten Betrugs gelingen werde, Nicobulus, der auf das eindringlichste gewarnt ist, erneut zu prellen. Diesen Reiz spiegeln 691-701 wider. 129 Die zweite Briefintrige ist nach der ersten eine Motivdoppelung. Sie bedeutet nicht eine qualitative, sondern eine quantitative Steigerung. Für die Aufteilung, daß die benötigte Summe nicht auf einmal erpreßt wird, spricht keine sachliche Notwendigkeit. (4) Der Grund für die zweite Briefintrige ist nicht stichhaltig. In der Nea ist das Motiv verbreitet, daß ein Kuppler oder ein Nebenbuhler, oft ein Soldat, bezahlt oder sonst eine festumrissene Schuld beglichen werden muß. Allein der Umstand, daß es sich bei der zweiten Briefintrige um ein bloßes Vergnügungsgeld handelt, läßt den dritten Betrug angehängt erscheinen. Es ist einfallslos und in dramaturgischer Hinsicht das Musterbeispiel einer Dublette, daß nach dem Soldaten auch dessen ‚Frau‘ 200 Philippi erhalten soll. (5) Die zweite Zahlung durch Nicobulus ist unbefriedigend, insofern er beim ersten Mal trotz der Drohung des Soldaten erst nach Rücksprache mit Mnesilochus das Geld herausrücken will (920-924), beim zweiten Mal aber ohne den geringsten Druck von außen auf der Stelle dazu bereit ist, obschon er sich in Bacchis’ Haus bei Mnesilochus, der jetzt unbedroht ist, überzeugen kann. Überhaupt ist es eine unglaubwürdige Situation, Vater und Sohn abermals durch einen Brief verkehren zu lassen, wenn sie ungehindert wenige Schritte voneinander entfernt sind. Der dramatischen Situation bei der ersten Briefintrige steht die undramatische Situation bei der zweiten Briefintrige gegenüber. (6) Es ist ein schwerer Verstoß gegen die Ökonomie, daß Crusalus sein gewaltiges Troia-Canticum nach dem zweiten, nicht aber nach dem dritten und endgültigen Triumph anstimmt. 130 Ob man das Lied im 129 Eindringlich Thierfelder 1975, 96 zu diesem Passus (den er dafür in Anspruch nimmt, daß es bei Menander nur zwei Betrügereien gab): «il giovane, avendo reso il denaro carpito a suo padre una volta ingannato, chiede allo schiavo un altro accesso alla cassaforte del padre. Lo schiavo sta per rifiutare, perché il vecchio non gli crederà più niente. […] Ecco un compito da allettare Crisalo - e da allettare Menandro, perché anche al poeta era difficile rendere verosimile un’impresa così straordinaria: che lo stesso schiavo ingannasse lo stesso padrone nello stesso giorno una seconda volta, naturalmente per mezzi diversi, essendo il vecchio avvisato per il fallimento della prima frode.» 130 Büchner 1980, 95. Daran ändert Primmers gekünstelt Auffassung nichts, daß das Lied „den Triumph nicht feiert, sondern erst ankündigt.“ Genaugenommen stehe es „nicht nach der zweiten, sondern vor der dritten Intrige“ (1984, 62). II. Die Intrigen 47 Kern auf Menander zurückführt oder ganz Plautus zuschreibt, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. (7) Auch die erste Briefintrige wird nicht ohne Anstoß vorbereitet und durchgeführt. Am auffälligsten ist, daß der Brief, den Crusalus mit soviel Wichtigtuerei diktiert, „keinen dramatischen Effekt hat“. 131 Er ist in sachlicher Hinsicht für die Intrige überflüssig. Daß er in paradoxer Handlungsführung genau das Gegenteil von dem enthält, was der Zuschauer erwartet, erweist ihn als Produkt der plautinischen Phantasie: Statt daß Mnesilochus ein gutes Wort für Crusalus einlegt, warnt er vor ihm. Das Schreiben hat nicht eine dramaturgische, sondern eine psychologische Funktion. Crusalus spricht das selbst aus (763-765): sed nunc t r u c u l e n t o mi atque s a e u o usus senest: nam n o n conducit huic sycophantiae 765 senem t r a n q u i l l u m esse ubi me aspexerit. Mit diesen Versen, die Questa zu Recht plautinischen Ursprungs verdächtigt, 132 gibt Crusalus die Deutung des Briefs: Er soll den Alten mißtrauisch machen und gegen ihn aufbringen. Dementsprechend kommentiert Crusalus Nicobulus’ Auftritt beruhigt: saluos sum, iratus est senex. nunc est mihi | adeundi ad hominem tempus (772-773). 133 Es wird in Rechnung gestellt, daß ein ruhiger Gegenspieler zu nüchtern auf die neue Herausforderung reagiere und sie zu leicht durchschaue. Das ist extrem riskant - und soll es sein. In Siegesgewißheit erschwert sich der Sklave sein Unternehmen. 134 Dasselbe tut Pseudolus in einer Partie, die oft als eigener ‚Plan‘ bezeichnet (Pseud. 507-521) und vielfach als konkurrierend mit dem eigentlichen Plan (Pseud. 522-546) durch Annahme einer Kontamination erklärt wird. Tatsächlich handelt es sich auch dort um einen Einschub durch Plautus, der der beispiellosen Zuversicht des Sklaven, den Herrn überlisten zu können, Ausdruck gibt. 135 Der erste Brief der Bacchides muß nicht nur als unmenandrisch, sondern auch als genuin plautinisch betrachtet werden. (8) In den Versen 754-756, in denen Crusalus die Jünglinge anweist, sich neben den beiden Bacchides zu lagern, bereitet er die spätere Szene mit Cleomachus (IV 8) vor. Doch müßte er über die baldige Ankunft des Soldaten genauer unterrichtet sein, damit er so präzise planen kann. Von jenem ist bisher aber nur beiläufig die Rede (706). 131 Büchner 1980, 95. 132 1985, 37. 133 „id est, nam non expedit, seu non est vtile, huic meæ fallaciæ, eum senem, quem fallere cogito, esse lenem ac tranquillum“ (Lambinus [1576] 1622, 400). 134 Zu dieser Haltung der Palliata-Sklaven Lefèvre 2007, 27-40. 135 Lefèvre 1977, 451-453; 1997, 59 (dort ältere Literatur). B. Analyse 48 (9) Es ist unglaubwürdig, daß Cleomachus in IV 8 nicht sofortige Zahlung verlangt, zumal Nicobulus das Geld nicht von auswärts holen muß, sondern durch Mnesilochus’ Mission genügend im Haus hat. 136 (10) Es ist unglaubwürdig, daß Nicobulus auf dem Forum Cleomachus die Summe aushändigt, obwohl er von ihm erfährt, daß alles gelogen ist (1096-1098). Wenn der Soldat aber erst nach der Zahlung die Zusammenhänge erläutert, müßte Nicobulus sofortige Rückzahlung verlangen. Denn Cleomachus hat Anspruch nur auf 200 Philippi. Nicobulus hat die z w e i t e Summe (für die ‚Frau des Soldaten‘) z u e r s t bezahlt (1059) und bezahlt die e r s t e Summe (für den Soldaten) d a n a c h (1060). Das ist keine plane Handlungsführung. Plautus bietet diese Akrobatik, weil er noch ein Treffen zwischen Nicobulus und dem Soldaten braucht, in dem der Alte die Wahrheit erfährt. Im Dis Exapaton löste sich wahrscheinlich alles durch die Anagnorisis. 137 Um aus dem Dilemma der plautinischen Intrigendarstellung herauszukommen, sind zwei andere Erklärungsversuche vorgelegt worden. 1913 nahm Fraenkel an der doppelten Verwendung des Briefmotivs Anstoß und erklärte den dritten Betrug als plautinische Zutat. Da die ‚eximia venustas‘ des zweiten Briefs ihm jedoch auf griechischen Ursprung zu weisen schien, 138 glaubte er, es handele sich um eine Kontamination unter Verwendung einer zweiten Komödie mit ähnlichem Inhalt. 1960 distanzierte er sich von dieser These, obwohl sie Beachtung gefunden hatte. 139 Zuvor wurde sie von Leo, 140 Körte, 141 Enk, 142 Klotz, 143 Kamel 144 anerkannt und später (zum Teil mit anderer Begründung) von Neumann, 145 Della Corte, 146 Büchner 147 und Thierfelder. Neumann geht davon aus, daß die Lüge des zweiten Briefs nicht zu Mnesilochus’ Charakter passe, während der erste Brief die Wahrheit sage. Büchner spricht von Plautus’ „Erfindung des dritten Betrugs“, läßt jedoch die Frage offen, ob er „für seinen dritten Anschlag eine andere Komödie herangezogen“ habe. Thierfelder führt beachtliche Ar- 136 Bei Menander geht Nicobulus zur ajgorav (Dis 89). Vielleicht bringt er das Geld zu einem Bankier. 137 B III 5 (S. 68-71). 138 1912, 102-103. 139 1960, 403 (unter Verweis auf Williams 1956, 449-455). 140 1913, 120. 141 1931, 750. 142 1937, 212. 143 1937, 1043. 144 1953, 104. 145 1958, 41-42. 146 1967, 100-101. 147 1980, 94-96. II. Die Intrigen 49 gumente in das Feld. «Perché un poeta intitola una sua commedia ‹Colui che inganna due volte›? Impossibile che sia una manovra geminata per ottenere due volte successive con mezzi identici la vittoria della stessa vittima nella stessa condizione, cioè di un padre che teme per la vita e l’onore di suo figlio.» 148 Über den zweiten Brief urteilt er zu Recht: «Questa lettera ha per scopo di ottenere altre 200 monete d’oro da spendere in vino e vitto ed oggetti di lusso (707 sumptu). Il bisogno ne è meno stretto, come si vede nell’ultima scena, dove l’etera propone al vecchio di fargli rendere metà dell’oro (1184), cioè le seconde 200 monete. Il contenuto di questa lettera è un tessuto di bugie». 149 1978 150 schlägt Lefèvre eine andere Lösung vor: Wenn man davon ausgehe, daß in den Bacchides die Briefintrigen gegenüber dem Original verdoppelt seien, keine jedoch so gut durchgeführt werde, daß die andere deutlich gegen sie abfalle und als Zutat angesehen werden müsse, sei zu fragen, ob das auch für die einzelnen Stadien der Intrigen gelte. Wenn sich bei der ersten Intrige der Brief als überflüssig erweise, die anschließende Situation, in der Nicobulus überlistet werde, aber dramatisch und folgerichtig sei und umgekehrt bei der zweiten Intrige der Brief sinnvoll, die Situation aber, in der Nicobulus zahle, weder dramatisch noch folgerichtig sei, ergebe sich die Konsequenz, daß bei Menander nur der zweite Brief mit der ersten Anwendungssituation zusammengehören könne, Plautus also eine menandrische Intrige auseinandernehme und die Hälften zu einer eigenen Intrige ausbaue. Es verstehe sich, daß der zweite Brief nur f o r m a l , n i c h t i n h a l t l i c h dem menandrischen Brief entspreche. Sostratos müsse vorgegeben haben, nicht der Frau, sondern dem Miles 200 Philippi zu schulden. Wenn Nicobulus das vorher erfahren habe, könne er den wütenden Cleomachus sofort verstehen, der ja ausrufe: nunc nisi d u c e n t i P h i l i p p i redduntur mihi, | iam illorum ego animam amborum exsorbebo oppido (868-869). Es sei nicht einmal das unglaubwürdige Mißverständnis notwendig, daß es sich um die Ehefrau des Soldaten handele. Denn Nicobulus zahle ja nicht, weil sein Sohn Ehebruch begehe, sondern weil er glaube, daß er durch den martialisch drohenden Haudegen in Todesgefahr schwebe (847-849). Der erste Brief habe bei Menander einen dramaturgischen Sinn in der Vorbereitung der Entscheidungsszene IV 8, während bei Plautus zwischen diesen Auftritten kein logischer Zusammenhang erkennbar sei. Eine besondere Pointe liege darin, daß Syros und Sostratos die Wahrheit sagen. Da nichts erlogen sei, hätten sie später auch nicht unbedingt zur Rechenschaft gezogen werden können. 148 1975, 96. 149 1975, 98. 150 Thierfelders Argumente konnten in dem 1976 der Redaktion des Hermes eingereichten Aufsatz noch nicht berücksichtigt werden. B. Analyse 50 Dieser Lösungsversuch fand im großen und ganzen Anklang bei Primmer, 151 Barsby, 152 Lowe 153 und Stürner 154 . 1990 äußert sich Rizzo wieder unitarisch «Sono dunque senz’altro d’accordo con i numerosi e autorevoli studiosi che hanno sostenuto la paternità menandrea delle due lettere.» 155 Durch eine vertiefte Interpretation des zweiten Briefbetrugs könne man ‹definitivamente› zeigen, es handele sich um «un unico inganno di cui entrambe le lettere sono elementi indispensabili.» 156 1994 hält Owens den dritten Betrug für “thoroughly Roman in its preoccupations and motivation.” 157 Der dritte Betrug gelinge nur “because Plautus has endowed Nicobulus, nominally a Greek, with a sense of scrupulosity for fides which the old man carries to the point of farcical obsession. […] I sense that Plautus’ Roman audience had little difficulty recognizing a caricature of themselves in Nicobulus’ obsession.” 158 1998 kommt García-Hernández wieder zu der Ansicht: «Los tres (sc. engaños) debían de hallarse también en el original de Menandro.» 159 2000 sieht Blänsdorf keine „Möglichkeit, Menanders Intrigenkonstellation zu rekonstruieren“. 160 2. Der erste Betrug bei Menander und Plautus Crusalus’ großer Lügenbericht wird seit je als ein Meisterstück der Erzählkunst gerühmt. Trotzdem ist zu fragen, ob er in dieser Weise menandrisch ist. Die Schilderung erstreckt sich über drei Stationen, bei denen Mnesilochus angeblich auf Schwierigkeiten gestoßen ist: (1) bei Archidemides (249-276), (2) bei den Piraten (277-298), (3) bei Theotimus (299-341). Der Neufund lehrt, daß alle drei Stationen bei Menander vorkamen. 151 1984, 49-50. 152 1986, 170. 153 1989, 390-391 (ohne Bezug auf Einzelheiten). 154 2011, 185 (mit Vorsicht). 155 1990, 18. 156 1990, 19. 157 1994, 394. 158 1994, 397-398. 159 1998, 125. Ebenso Finette 1983, 49. 160 2000, 162. Der dort genannte Grund für den zweiten Briefbetrug, Mnesilochus brauche Geld, „um für die freigekaufte Hetäre den Lebensunterhalt zu bezahlen“, ist nicht aus Plautus zu belegen. In 707 wird allgemein gesagt: nobis opus est sumptu. Das bezieht sich auf beide Freunde und beide Hetären (Del Corno 1973, 129). II. Die Intrigen 51 (1) Dis 50 und 57 zeigen, daß Syros gesagt haben muß, der Gastfreund sei nicht crhstov" gewesen. (2) Dis 54 zeigt, daß Syros gesagt haben muß, ein Schiff habe in betrügerischer Absicht neben Sostratos’ Schiff geankert. (3) Dis 55-56 zeigen, daß Syros gesagt haben muß, das Geld sei bei Theotimos deponiert worden. Das ist wichtig. Im einzelnen ist aber bei Plautus vieles windig und läßt auf eine Dramatisierung des Geschehens von seiner Seite schließen. Im folgenden wird zu rekonstruieren versucht, was Syros im Original fingiert haben könnte. Ungeachtet des hypothetischen Charakters wird der Einfachheit halber öfter der Realis gebraucht. (1) 249-276: Der xevno" rückte, wie Syros vorgab, nach langem Sträuben das Geld heraus. Es mochte eine Schwierigkeit auftreten. Vielleicht hatte Sostratos das suvmbolon (263) verloren, aber der alte hospes Pelago zeugte für ihn. Er ging darauf mit dem Geld in den Hafen zu einem nach Athen fahrenden Schiff. Die Gerichtsverhandlung - die in römischen Termini geschildert wird - ist, dramaturgisch gesehen, eine Dublette zu der Instanz Pelago. Die Annahme liegt nahe, daß es sich bei ihr um einen plautinischen Zusatz handelt. (2): 277-298: Es ist wahrscheinlich, daß der Piratenbericht bei Menander kürzer war. Mnesilochus und Crusalus glaubten (immer in der Fiktion des letzten), ein neben ihnen ankerndes Schiff wolle ihnen (im Auftrag des xevno") nachfahren und sie auf hoher See des Golds berauben. Daraufhin stiegen sie, ehe ihr Schiff die Anker lichtete, wieder aus und deponierten das Gold bei dem Vorsteher des Artemis-Tempels Theotimos. Dieser erklärte sich bereit, es demjenigen, der das entsprechende suvmbolon bringe, herauszugeben. Das brauchte nicht Nicobulus selbst zu sein. Die lebhafte Ausschmückung der Seeräubergeschichte wird Plautus gehören. Wie in (1) wird das Geschehen dramatischer. (3) 299-341: Der dritte Erzählabschnitt ist bei Plautus besonders locker gefügt. Entweder mußte Theotimos die ganze Summe herausgeben oder warten, bis Nicobulus oder ein Bevollmächtigter erscheine. Daß er Mnesilochus nur einen Teil überreicht (als Reiseproviant? als Beschwichtigung - wessen? ), ist unsinnig. noctu clanculum (317) besteht, wie sich zeigt, keine Gefahr. In der Nea werden genaue Summen genannt, nicht unklare Beträge. 161 Daß mit Mnesilochus’ Ring ein neues signum vereinbart wird, ist eine Dublette zu Nicobulus’ vorher genanntem suvmbolon. Wenn aber Theotimos auf das Vorweisen des anulus den Rest der Summe herausrückt, kann er das auch gleich tun. 161 Lefèvre 1995, 73-74; 1997, 27-31; 2006, 44. B. Analyse 52 Von Zweifel dem Sohn gegenüber ist nicht die Rede. Sein anulus ist ja vertrauenerweckend. Mit einem Wort: Auch hier verbreitet Plautus den bekannten Dunst und Nebel. Barsby weist darauf hin, beim ersten Mal seien ‘both word and practice’ griechisch (suvmbolon), 162 beim zweiten die ‘terminology’ römisch (signum / anulus). 163 Hier könnte eine plautinische Erweiterung vorliegen. Es ist ja eine skurrile Idee, daß sich Nicobulus durch den Ring des Sohns ausweisen soll! 164 Wiederum dürfte Plautus die Situation dramatisieren - auch in die Zukunft hinein. Zu Crusalus’ Einfall nunc tibimet illuc naui capiundumst iter, | ut illud reportes aurum ab Theotimo domum (325-326) bemerkt Barsby: “This is a brilliant but desperate suggestion, typical of the Plautine tricky slave, which will keep the old man out of the way for the moment but cause even more trouble when he returns (368-65).” 165 F a z i t : Syros wird eine einsträngige evidente Täuschungsrede ersonnen haben, nicht die umständliche, die Crusalus bietet. Auf keinen Fall war es notwendig, daß Nicobulus in Ephesos auftauchen sollte. Zwei Punkte sind zu betonen: 1. Plautus kompliziert die Erzählung dreifach. Bei der ersten Station hängt er an den (griechischen) Entscheider Pelago als Steigerung den (römischen) praetor und die römischen recuperatores an, bei der zweiten an das benachbart ankernde Räuberschiff (parwvrmh[s , o]ujd ejpebouvleus , Dis 54) als Steigerung die Seefahrt samt der Umkehr, bei der dritten an das Beweismittel des (griechischen) suvmbolon des Vaters als Steigerung den (römischen) anulus (bzw. das römische signum) des Sohns. 2. Für den Originalbericht waren, ganz g r o b gesagt, folgende Verse notwendig: 251-252, 259-264, 271b-272, 277-280, 282, 286-287, 299-307, 312-313, 325-326 (also etwa 30 statt 91 bei Plautus: 251-341). Gewiß kamen entsetzte Einwürfe des gevrwn hinzu. Aber der Unterschied dürfte eklatant sein. Ist das Labyrinth der Erzählung in den Bacchides unmenandrisch, ist es auf der anderen Seite urplautinisch. (1) Der Lügenbericht dient der Herausstellung des Sklaven. Weit über das Sachliche hinaus läßt er sein Ingenium brillieren. Er jongliert mit den angeblichen Ereignissen „wesentlich um seine Kunst zu üben“. 166 Die Intrige wird um der Intrige willen ausgeweitet. 167 162 1986, 121. 163 1986, 125. 164 “Mnesilochus must be supposed to have left the impression of his signet ring with Theotimus; Nicobulus is to prove his own identity by bringing the actual ring” (Barsby 1986, 125). 165 1986, 124-125. 166 Ribbeck 1887, 94 über die Unternehmungen des Sklaven insgesamt. 167 Lefèvre 2001 (4), 83-84; 2004 (1), 45-46; 2008, 63-68. II. Die Intrigen 53 (2) Durch die zahlreichen Apartes macht Crusalus die Zuschauer auf sein planvolles Handeln aufmerksam. Er ist ein Meister der Selbstglorifizierung. Diese ist typisch für plautinische Sklaven. 168 (3) Der übertriebene Lügenbericht setzt als Rezipienten einen beschränkten Adressaten voraus - als welchen Nicobulus sich in den zahlreichen Einwürfen decouvriert. Der törichte Senex ist ein Markenzeichen der Palliata gegenüber dem gevrwn der Nea. 169 (4) Die extrem durchgeführte Konfrontation des beschränkten Senex mit dem klugen Sklaven ist ebenfalls ein Signum der Palliata. 170 (5) Crusalus erzählt eine „sehr dramatisch vorgetragene Geschichte“. 171 Er kumuliert die Ereignisse, um das Spiel mit dem Alten lange auszukosten. Geschickt nehmen die drei Sektionen jeweils einen Ausgang, der Nicobulus neue Hoffnung gibt. Er macht ein Wechselbad der Gefühle durch. Die Erzählung bewegt sich über weite Strecken nicht im logisch-sachlichen, sondern im psychologisch-atmosphärischen Bereich - was für plautinische Verfasserschaft spricht. 172 (6) Crusalus stellt die dritte Station so dar, daß Nicobulus selbst reisen müsse. Er will für Mnesilochus und sich (! ) einen längeren Zeitraum zum Feiern schaffen (355-357). Auch das ist ein Motiv, das nicht in Menanders Komödie paßt, in der die Sklaven ihr Augenmerk auf die aktuell notwendige Hilfe richten, nicht aber auf das Erschleichen zusätzlicher Vergnügungen. Es ist im kleinen dieselbe Konzeption, die Plautus im großen mit dem dritten Betrug verfolgt. In diesem Fall ist zu beachten, daß es unwahrscheinlich ist zu unterstellen, Nicobulus werde ohne Mnesilochus auf die Reise gehen. Aber Crusalus rechnet damit und beschafft für diesen Fall genügend Geld zum Schwelgen. Die drohenden künftigen Folgen sind ihm gleichgültig. Die Argumentation bleibt im Ungefähren. Das ist plautinisch. Wie sehr es Plautus in II 3 über das sachlich Erforderliche hinaus auf die Herausstellung des Intrigenkünstlers Crusalus ankommt, zeigt der Schlußmonolog (349-367), in dem er seine Absichten darlegt. Man möchte das fast einen metatheatralischen Einschub nennen. Bei Menander wird er die beiden letzten Verse gesprochen und höchstens hinzugefügt haben, er müsse dafür sorgen, daß Sostratos nicht aus Unwissenheit über die Entwicklung des Geschehens das Geld zurückgebe. Der Vater hatte beschlossen, den Sohn auf der Agora aufzusuchen 168 Fraenkel 1922, 234-240, 243-245. 169 Das ist noch bei Terenz der Fall. Es genügt daran zu erinnern, daß er in den Adelphoe aus dem humanen Micio Menanders einen Schwächling macht. “This is […] worlds away from the New Comedy of Menander” (Gratwick 1999, 56). 170 Das ist noch bei Terenz der Fall. Es genügt, an den ‚Zweikampf zwischen Simo und Davos‘ zu erinnern (Lefèvre 2008, 184-197). 171 Ribbeck 1887, 94. 172 B II 1, Punkt 7 (S. 47). B. Analyse 54 (348). Der Sklave mußte ihn überholen und den Sohn informieren. Das ist geschehen, wie der junge Mann später bezeugt (391). Kaum hätte Menander die Handlung so geführt, daß der Alte sagt, er suche den Sohn auf, ohne daß er ihn trifft, und der Sklave abtritt, ohne anzudeuten, wohin er gehe. In der Nea wird ein bißchen ordentlicher motiviert. Crusalus beginnt (349): ille est oneratus recte et plus iusto uehit. Das sind Punkt 3 und 4. plus iusto trifft auf den römischen Senex zu. Dann geht es weiter (350-353): 350 exorsa haec tela non male omnino mihi est: ut amantem erilem copem facerem filium, ita feci ut auri quantum uellet sumeret, quantum autem lubeat reddere ut reddat patri. Das sind Punkt 1 und 2. non male sagt alles. Dann heißt es (354-357): senex in Ephesum ibit aurum arcessere, 355 hic nostra agetur aetas in malacum modum, siquidem hic relinquet neque secum abducet senex med et Mnesilochum. Das sind Punkt 5 und 6. Daß Crusalus selbst nicht recht an die Verwirklichung glaubt, geht aus der Einschränkung 356-357 hervor. Aber gesagt ist gesagt (darauf kommt es in der Palliata an), nicht getan (darauf kommt es in der Palliata nicht an). Es dominiert das Stimmungsmäßige, nicht das Sachliche. Dann breitet sich wieder Zuversicht aus (357): 173 quas ego hic turbas dabo! Das sind wieder Punkt 1 und 2. Schließlich folgt ein Blick in die Zukunft und die Verdrängung derselben (358-365): sed quid f u t u r u m s t , quom hoc senex resciuerit, quom se excucurrisse illuc frustra sciuerit? 360 nosque aurum abusos? quid mi fiet postea? credo hercle adueniens nomen mutabit mihi facietque extemplo Crucisalum me ex Crusalo. aufugero hercle, si magis usus uenerit. si ero reprehensus, macto ego illum infortunio: 365 si illi sunt uirgae ruri, at mihi tergum domist. Das ist Punkt 6. Die Reflexion entspringt nicht Plautus’ Absicht, den möglichen Einwand der Zuschauer vorwegzunehmen, Crusalus werde ja doch zur Verantwortung gezogen (weshalb der augenblickliche Erfolg nur halb wiege), sondern umgekehrt der Absicht, die Unbekümmertheit und Risikofreudigkeit des Sklaven herauszustellen, der bewußt 173 Zu dieser Aussage C I 3 d (S. 130). II. Die Intrigen 55 eine spätere Strafe in Kauf nimmt - und zugleich in unbegrenztem Selbstvertrauen erkennen läßt, es werde sich schon ein Ausweg finden. Ähnlich verhält sich Sagaristio im Persa, der Geld unterschlägt, um es sich gut sein zu lassen, und - gleichgültig - in Betracht zieht, daß er dafür büßen werde: nunc et amico prosperabo et genio meo multa bona faciam, | diu quo bene erit, die uno absoluam: tux tax tergo erit meo. non curo (Pers. 263-264). „Nicht durch Kalkulation, durch überlegenen Witz reüssiert man hier, sondern durch Unverschämtheit und Dreistigkeit, durch die förmliche Veruntreuung anvertrauten Geldes, durch die Indifferenz gegenüber der unweigerlich folgenden Strafe.“ 174 Das ist typisch für plautinische Sklaven. Es kommen skurrile Vorstellungen hinzu, die Menander fremd sind. Der Witz, daß Nicobulus aus Crusalus einen Crucisalus machen werde, hängt nicht nur an dem römischen Namen, sondern atmet auch plautinischen Geist. Nicht anders ist das Paradox 364-365, daß im Fall der Gefangennahme des flüchtigen Sklaven nicht ihn, sondern den Herrn ein Unglück treffe: 175 Denn dieser müsse erst auf das Land gehen, um geeignete Gerten zu schneiden, während der Rücken des zu Züchtigenden zu Hause (= in der Stadt) sei! Man wird festzustellen haben, daß nicht ein Satz des Monologs 349- 365 auf das Original zurückzuführen ist. 176 Syros wird gebangt haben, ob die Intrige einen guten Ausgang nehmen werde. Worauf es bei Menander ankam: Der Sklave hatte eine Intrige gut anzuzetteln (exorsa haec mihi tela non male), aber der gute Ausgang lag in Tyches Hand. 3. Der zweite Betrug bei Menander: Nutzen des kairov" Entgegen der bisherigen (auch der eigenen) Forschung ist zu überlegen, ob es bei Menander überhaupt einen Brief gab. Die Konstruktion, daß der in demselben Haus wohnende bzw. in dem nahegelegenen Hetärenhaus weilende Sohn durch einen oder gar zwei Briefe mit dem Vater verkehrt, ist, recht betrachtet, absurd. Sie krankt zudem an einer Reihe von Fehlern, die bereits dargelegt worden sind. 177 Cleomachus geht nach Nicobulus’ Versprechen, ihm 200 Philippi zu zahlen, ab (904). Danach müßte Nicobulus auf der Stelle in das Haus der athenischen Bacchis stürzen und den Sohn zur Rede stellen. Er erführe, daß die samische Bacchis nicht die Ehefrau des Soldaten ist, und 174 Stärk (1991) 2005, 111. Vgl. Lefèvre 2001 (4), 31. 175 364 ist ein Aprosdoketon: C I 3 g (S. 136). 176 “Plautus has probably considerably extended the soliloquy of Chrysalus” (Webster 1960, 129 Anm. 2). 177 B II 1, Punkt 1-10 (S. 45-48). B. Analyse 56 erklärte den Handel für null und nichtig. Eine Verpflichtung, wie er sie gegeben hat, muß im allgemeinen eingehalten werden - nicht aber, wenn sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen ist. Nicobulus hätte in Ruhe warten können, ob Cleomachus juristische Schritte unternimmt. Erreicht hätte dieser nichts. Eine Situation, in der es zu einem zweiten Brief kommt, ist danach nicht mehr denkbar. Wie könnte die zweite Intrige des di; " ejxapatw'n bei Menander vor sich gegangen sein? Es ist unbefriedigend, daß Crusalus bei Plautus so mangelhaft über den Miles informiert wird. Statt durch die beiläufige Erwähnung in 706 müßte ihm die sofortige Ankunft des tobenden Soldaten vor Augen gehalten werden, damit er seinen Plan - besonders die Vorbereitung 754-756 - entsprechend ersinnen kann. Es ist deshalb zu vermuten, daß bei Menander in IV 2 nicht Moschos, sondern Syros der Gesprächspartner des Parasiten war, der die Ankunft des stratiwvth" ankündigte. Dieser konnte bei seinem Erscheinen in IV I dasselbe Sprüchlein wie bei Plautus aufsagen. Dann aber trat ihm Syros gegenüber. Nur zu ihm, kaum aber zu Moschos, passen die zornige Erregung (iracunde / iracundus, 594) und der rüde Ton. Wenn Crusalus handgreiflich zu werden droht, indem er seine dentifrangibula (596) ankündigt, und der Parasit das witzige Hapax mit dem ebenso witzigen Hapax nucifrangibula (598) aufnimmt, unterhalten sich zwei ihresgleichen, Parasit und Sklave, nicht ein junger Herr und ein Parasit - auch wenn der Dialog bei Menander natürlich weniger deftig war. Der Witz mit dem integumentum (601-602) entspricht ebenfalls eher der losen Art des Sklaven. Nicht anders verhält es sich mit der schlagfertigen Antwort, wenn der Parasit sagt, der Soldat werde sogleich aufgeblasen daherkommen, und Crusalus kontert, er möge zerplatzen. Tatsächlich war die Information unerläßlich: sufflatus ille huc ueniet (603). Es war der springende Punkt, an dem die Überlegung des Intrigenführers einsetzen mußte. Ladewig, der IV 2 stark tadelt, 178 stellt Überlegungen in dieser Richtung an, wenn er sagt, die Fehler der Szene hätten sich vermeiden lassen, „wenn C h r y s a l u s statt des Pistoclerus den parasiten des soldaten abgewiesen hätte“; doch resigniert er: Da nicht abzusehen sei, „was den Plautus zu einer so unglücklichen änderung veranlasst haben sollte, so liess auch wohl Menander den parasiten durch den Pistoclerus abweisen“. 179 Der Grund für die plautinische Änderung, Crusalus durch Pistoclerus zu ersetzen, wird noch zu zeigen sein. 180 Syros wird zuvor von Sostratos und / oder Moschos entweder in einer IV 4 entsprechenden Szene oder im Haus über die unglückliche Rückgabe des Gelds in Kenntnis gesetzt worden sein. Nach den Worten 178 C I 1 (S. 94). 179 (1861) 2001, 154 (Sperrung original). 180 C I 1 (S. 94-95). II. Die Intrigen 57 des Parasiten in IV 1 brachte der stratiwvth" die samische Bacchis aus Samos mit nach Athen. (Bei Menander hatte sie sich wohl schon vorher hierher begeben.) Sie wandte sich offenbar an ihre ‚Schwester‘, um Hilfe zu erbitten, da sie 200 Philippi benötigte, um aus dem Vertrag mit dem Soldaten herauszukommen. Deshalb sagte der Parasit in seinem Auftrittsmonolog klar: nunc me ire iussit ad eam et percontarier | utrum aurum reddat anne eat secum semul (576-577). Dasselbe wiederholte er gegenüber dem Sklaven in IV 2: me misit miles ad eam Cleomachus, | uel ut ducentos Philippos reddat aureos | uel ut hinc in Elatiam hodie eat secum semul (589-591). Syros erfuhr noch, daß der Soldat selbst erscheinen werde (603). Er hielt in IV 5 einen Monolog, in dem er die neue Situation kommentierte. Hierauf trat - wie bei Plautus in IV 7 - der gevrwn hinzu, ohne ihn zunächst zu sehen, und gab seinem Verdruß Ausdruck: nimio illaec res est magnae diuidiae mihi, | supterfugisse sic mihi hodie Crusalum (770-771). Daß er entgegen Sostratos’ Bitte, Syros zu vergeben, ihn wie bei Plautus durch Sklaven fesseln ließ, ist möglich, aber nicht erforderlich. Da stürmte der Soldat herein und drohte für den Fall, daß Sostratos nicht 200 Philippi zahle, um die samische Bacchis aus dem Vertrag auszulösen, gegen ihn zu kämpfen. Seine Forderung, die schon der Parasit genannt hatte, klingt noch in 868-869 durch: nunc nisi ducenti Philippi redduntur mihi, | iam illorum ego animam amborum exsorbebo oppido, wobei er nur von Sostratos sprach. Syros wurde aus seiner unangenehmen Situation erlöst und rief erleichtert aus: p e r t e m p u s hic uenit miles mihi (844). Der kairov" hatte ihn gerettet! Der gevrwn bat seinen Sklaven, den stratiwvth" zu fragen, ob er bereit sei, abzuziehen, wenn er 200 Philippi bekomme, und holte nach dessen Zustimmung das Geld aus dem Haus, das er Syros dem Haudegen überreichen ließ. Damit war der Handel erledigt. Es bedurfte weder des breiten Ausspinnens der römischen Institution der Stipulatio (873-883) noch der Vorspiegelung der altitalischen Flagitatio (875, 884-889, 902-904) noch der albernen Auskunft durch Crusalus, die samische Bacchis sei auf Sightseeing-Tour auf der Akropolis (900-901), noch endlich des Possenmotivs, daß der Vater den Sklaven bittet, dem Sohn den Kopf tüchtig zurechtzusetzen (909- 910). Auch der groteske Einfall, die samische Bacchis sei die Ehefrau des Soldaten, war nicht notwendig. Plautus braucht den Einfall, um die zweite Zahlung zu motivieren: Mnesilochus kann schlecht dem Vater sagen, er müsse einer Dirne 200 Philippi zahlen, die er ihr versprochen habe. Ist es eine Ehefrau, liegt der Casus anders. 181 181 Wichtige analytische Erwägungen zu der Cleomachus-Szene bei Stürner 2011, 183-186, die das von der Forschung bisher Gebotene an Wahrscheinlichkeit weit übertreffen. Vielleicht läßt sich aber die komplizierte Problematik des Betrügens und Betrogenwerdens ohne die Annahme von Briefen bei Menander B. Analyse 58 Bei Plautus dient der ganze Aufwand der Glorifizierung des Sklaven. Bei Menander konnte alles schlicht vor sich gehen - und war doch hochdramatisch. Das Geschehen wurde durch die Intelligenz des di; " ejxapatw'n und durch Tuvch, die ihn unterstützte, bestimmt. Eine enge Parallele zu dieser Handlungsführung bietet der Pseudolus. Dort tritt der Abgesandte des stratiwvth", Harpax, auf und will bei dem Kuppler Ballio im Auftrag seines Herrn Phoenicium mit Hilfe eines vereinbarten Briefs und der Restzahlung von fünf Minen abholen (Pseud. II 2). Der lauschende Pseudolus erfaßt die Situation sofort, handelt Harpax den Brief ab und führt so die spätere glückliche Lösung herbei. Beide Male hilft Tuvch, die dem klugen Menschen (Pseudolus und Crusalus) den kairov" zuspielt, den er geistesgegenwärtig zu ergreifen und zu nutzen hat. Pseudolus’ Verse könnte auch Syros nach dem Abtreten des Unterhändlers ausrufen (Pseud. 667-670, 678-682): di immortales, conseruauit me illic homo aduentu suo. suo uiatico redduxit me usque ex errore in uiam. nam ipsa mi Opportunitas non potuit opportunius 670 advenire quam haec allatast mi opportune epistula. centum doctum hominum consilia sola haec deuincit dea, Fortuna. atque hoc uerum est: proinde ut quisque Fortuna utitur, 680 ita praecellet atque exinde sapere eum omnes dicimus. bene ubi quoi scimus consilium accidisse, hominem catum eum esse declaramus, stultum autem illum quoi uortit male. Was Crusalus mit per tempus bezeichnet (844), bewirkt bei Pseudolus Opportunitas bzw. Fortuna. 182 Nach der dargelegten Rekonstruktion wurde die Handlung des Dis Exapaton so geführt, daß Syros, ohne sich mit Sostratos zu verständigen, in der ersten Hälfte des Stücks auf eigene Faust - aber im Interesse seines jungen Herrn - das Geld erschwindelte und in der zweiten Hälfte auftragsgemäß wiederum aktiv wurde. Sostratos und Moschos waren daran offenbar weder mit Lamentieren noch mit Briefeschreiben beteiligt. noch einfacher erklären. Stürners Beobachtungen zur Dramaturgie und zum Aparte in IV 8 werden in C I 3 f (S. 134) berücksichtigt. 182 Lefèvre 1997, 103-104. II. Die Intrigen 59 4. Der zweite und dritte Betrug bei Plautus: Planung und Komik «Plauto, nel pieno della sua maturità artistica, raggiunse la perfezione nel rappresentare la figura del servus fallax.» 183 Wenn die vorstehende Rekonstruktion zutrifft, nutzte Syros den sich plötzlich bietenden kairov", um Geld für Sostratos zu erschwindeln. Demgegenüber liegt Plautus daran, ihn als einen Strategen zu zeichnen, der systematisch erfolgreiche Pläne über einen längeren Zeitraum hin entwickelt und nebenbei seine eigensüchtigen Absichten verfolgt: - den alten Herrn zu betrügen, - die jungen Herren zu verspotten, - den Soldaten wie einen dummen Jungen zu behandeln, - sich selbst als Triumphator zu präsentieren, - mit einem Wort: saturnalische Verhältnisse zu schaffen. Diese Ziele erreicht Crusalus um so evidenter, als Plautus eine zusätzliche Betrugshandlung an Syros’ Aktion anhängt. Zu Crusalus’ konsequentem Handeln gehört der auffallende Umstand, daß mit den beiden Briefen nicht eine strategische, sondern eine stimmungsmäßige, nicht eine logische, sondern eine psychologische Wirkung erzielt wird. Daß der erste Brief dazu dienen soll, Nicobulus zornig und somit unfähig zu machen, sich ein klares Urteil zu bilden, 184 sagt Crusalus selbst (763-765). Der Alte wird auch zornig (772). Aber dieser Zorn hat mit der Szene, in der er dem Soldaten 200 Philippi verspricht, nichts zu tun. Er wäre nur in einem Dialog mit Crusalus wichtig. Die Situation, in der der Sohn gewissermaßen lebensgefährlich bedroht wird, ist so eindeutig, daß ein besorgter Vater ohne längeres Nachdenken zu der geforderten Bezahlung bereit sein muß. Auch der zweite Brief hat eine psychologische Funktion. Er soll Chrysalus unschuldig und desinteressiert, jedem Betrug abhold erscheinen lassen. Der Brief bezweckt das G e g e n t e i l dessen, was der erste Brief bewirken soll. Crusalus will den Inhalt nicht anhören (989a, 993), er rät Nicobulus nur halbherzig, auf den Wunsch des Sohns einzugehen (1043), er weigert sich, Mnesilochus die erstrebte Summe zu überbringen (1061-1065): Darauf kommt es an. Nicobulus faßt wegen der gespielten Uninteressiertheit tatsächlich Vertrauen zu dem Sklaven. Da der zweite Brief ebenfalls Crusalus zum Verfasser hat, demonstriert Plautus abermals das weitsichtige Vorausplanen seines Helden. Beide Briefe haben überdies eine komische Funktion. Das Kommentieren des ersten Briefs beim Schreiben und des zweiten Briefs beim 183 Perna 1955, 382. 184 Ausführlich B II 1, Punkt 7 (S. 47). B. Analyse 60 Vorlesen, sind Kabinettstücke. Während offenbar die Freunde Sostratos und Moschos an der Durchführung des deuvtero" plou'" weder mit Lamentieren noch mit Briefeschreiben beteiligt waren, führt Plautus diese urkomischen Situationen ein. Mnesilochus’ Lage und seine Reaktion auf sie sollen noch kläglicher erscheinen. Durch das Diktieren des ersten Briefs, dessen Inhalt der Liebhaber (sowenig wie der Zuschauer! ) verstehen kann, wird eine Saturnalienkonstellation geschaffen, wie sie für die Palliata typisch ist. Wenn Pistoclerus am Ende der Planungsszene IV 4 bewundernd über Crusalus’ Anordnungen ausruft o imperatorem probum (759), ist dessen römische Rolle genau beschrieben. Vor allem liegt Plautus daran, Crusalus den alten Herrn vor einem erneuten Betrug warnen zu lassen, damit er sich siegessicher die Aufgabe erschwert. Das Muster gibt die Szene I 5 des Pseudolus ab, die aber nicht in der Weise nachgestaltet werden kann, daß Crusalus selbst den Alten vor seinen Unternehmungen warnt, weil bereits ein Betrug vorausgegangen ist. Es bleibt nur der indirekte Weg des ersten Briefs. 185 Besonders mit dem zweiten Brief verkauft Crusalus Nicobulus für dumm, indem er sich ahnungslos und desinteressiert stellt. Das ganze Theater um diesen Brief ist aber leer. Nicobulus brauchte nur zu sagen: Ich sehe nachher den Miles, um ihm die bereits versprochenen 200 Philippi zu übergeben; da werde ich ihm sagen, er möge seiner Frau einen schönen Gruß bestellen und ihr mitteilen, daß es mit den weiteren 200 Philippi nichts wird. Das möge Crusalus dem Filius ausrichten. Gerade diese im dramaturgischen Sinn ‚überflüssigen‘ tabellae sind es, auf die Plautus besonderen Wert legt. * Es dürfte deutlich geworden sein, in welchem Maß Plautus eine bzw. zwei klare menandrische Intrigen zu einem wahren Intrigenknäuel verknotet hat, dessen Fäden sich aus Freude am Überlisten und Betrügen über weite Strecken hin verselbständigen. Seine Saturnalienwelt bot dafür den geeigneten Rahmen. 185 Zur Ähnlichkeit des Pseudolus und der Bacchides in diesem Punkt D II 12 (S. 181). III. Die Hetären 61 III. Die Hetären Plautus arbeitet den Dis exapaton zu einem Stück um, in dem die Hetären sowohl bei ihren beiden Auftritten als auch in den Reaktionen aller anderen Personen eine überragende Rolle spielen. Im folgenden geht es um analytische Bausteine, die aus der Hetärenthematik zu gewinnen sind. Die Struktur der beiden Szenen I 1 und V 2 werden in C I 1, die weltanschaulichen und gesellschaftlichen Aspekte in D II 6 behandelt. 1. Pistoclerus und die Hetären Die Dreierszene zwischen den beiden Schwestern und Pistoclerus I 1 kann weder im ganzen noch im einzelnen auf den Dis Exapaton zurückgehen. 186 Die athenische Bacchis versucht Pistoclerus als Helfer ihrer Schwester gegen den Miles zu gewinnen (42-47). Später sagt sie, er solle sie umarmen, wenn jener komme (76-77) - damit er ihn für ihren Freund halte. Dann ist dieses Thema vergessen. „Der Soldat erscheint zwar wirklich, aber erst 842, und eine Szene, wie man sie nach den Angaben in I 1 erwarten könnte, nämlich eine Täuschung des miles durch Bacchis und Pistoclerus, findet nicht statt. Der ganze Plan ist nur eine List der Bacchis, um den Jüngling hereinzulocken. Der Plan selbst ist nur um seiner selbst willen da; die List wird zwar ausführlich besprochen, aber nie zur Anwendung gebracht: allfällige Erwartungen des Publikums werden also getäuscht, d. h. sie waren gar nicht bezweckt.“ 187 Bacchis schiebt das Motiv vor, um mit Pistoclerus in Kontakt zu kommen und ihn zu verführen. Auch dieses Thema wird nicht mehr verfolgt. Am Schluß kneipt der Jüngling im Bordell, aber von einer Bacchis / Pistoclerus-Handlung kann nicht gesprochen werden. Dramaturgisch gesehen, ist die Szene I 1 ein Windei. Sie trägt ihren Zweck in sich selbst. Dementsprechend hat Pistoclerus kein Auftrittsmotiv. Er schaut nach Palliata-Manier mal eben auf die Bühne, 188 um zu sehen, was die Schwestern tun: quid agunt duae germanae meretrices cognomines? (39). 189 Gewiß braucht er nicht erst 39 zu kommen, sondern kann schon vorher dagewesen sein. Aber aus der langen Un- 186 Henry 1985, 99 sagt gut zum Dis Exapaton: “It is impossible to know whether the sisters appeared on stage together, although the Plautine courtesans do”. 187 Marti 1959, 90. Treffende Bemerkungen bei Ladewig (1861) 2001, 150-151 (der sich mit Ritschl auseinandersetzt). 188 Lefèvre 2001 (4), 45; 2003, 118. 189 Nach Barsby 1986, 99, Rau 2007, 14 und de Melo 2011, 371 aparte. B. Analyse 62 terhaltung wird nicht ersichtlich, daß er irgendetwas im Sinn hatte. Es handelt sich um die typische plautinische Beliebigkeitsdramaturgie. 190 Die Schilderung des Hetärenwesens in I 1 ist Selbstzweck. Die Schwestern haben einfach die Absicht, sich und ihr Gewerbe zu präsentieren und Pistoclerus ‚in ihr Garn zu ziehen‘. 191 Es ist eine ‘scene of seduction’. 192 Sie gehört in dieser Form nicht zu Menanders Handlung. Für das römische Publikum, das nicht nachrechnet, ist sie faszinierend. 2. Ludus und die Hetären 169 befiehlt Pistoclerus dem Paedagogus Ludus, ihn in das Bordell zu begleiten. Hierfür gibt es keinen sachlichen Grund. Im Gegentum: Da der Erzieher der neuen Neigung des Jünglings heftig widersprochen hat, müßte dieser alles daransetzen, den permanenten Mahnungen des Alten zu entkommen. Die Aufforderung ist widersinnig. Barsby versucht sich mit einer psychologischen Erklärung zu behelfen: “Lydus must be still hoping to impose some moral restraint”. 193 Plautus hätte den Hinweis vielleicht interessant, nicht aber nötig gefunden. Pistoclerus und Ludus treten in Bacchis’ Haus. Hierauf erscheint Crusalus (II 1), um einen Monolog von acht Versen zu halten, und Pistoclerus kommt schon wieder heraus (II 2), ohne die geringste Begründung anzugeben. Wie in I 1 hat er kein Auftrittsmotiv. Was er 178- 180 in das Haus zurückspricht, ist mehr als nichtssagend. 194 Es ist ein- 190 Das Lob, das Questa 1985, 30 sowohl der Szene an sich als auch der Korrespondenz mit V 2 zollt, wird man gern für P l a u t u s in Anspruch nehmen: «La scena I del primo atto segue fedelmente lo schema menandreo, pur tradendo alcuni ampliamenti plautini del dialogo (v. 67sgg.): la seduzione di Pistoclero si svolge secondo una raffinata progressione che rivela bene l’originale (l’Arnaldi, Da Plauto… [= 1948], p. 123 fa osservazioni eleganti) ed inoltre essa […] fa da ‹pendant› a quella con cui la commedia si chiude, svelandosi anche per questo come appartenente alla più tipica struttura del modello.» 191 Ritschl (1845 / 1846) 1868, 311. 192 Barsby 1986, 99. 193 1986, 110. 194 Dazu Ladewig (1861) 2001, 151: „was treibt den Pistoclerus zu so ungelegener zeit aus dem hause? Das ist eine frage, auf welche der dichter in ähnlichen fällen antwort zu geben pflegt, hier schweigt er. Aber ein dringendes, schnell zu erledigendes geschäft muss es wohl sein, denn sonst würde er die Bacchis nicht so bald verlassen. Aber kaum ist er aus dem hause getreten und hat den Chrysalus gefunden, so lässt er sich in ein langes gespräch mit diesem ein, eilt nach beendigung desselben wieder ins haus, um der Bacchis I die ankunft des Mnesilochus zu melden, und - hat jenes geschäft so ganz vergessen, dass er nicht etwa nach abgestattetem berichte wieder forteilt, sondern ruhig […] bei seiner Bacchis bleibt.“ Zwierlein 1992, 167 Anm. 362 hält den Auftritt für nicht überzeugend motiviert, aber Plautus stehe unter einem ‚dramaturgischen Zwang‘. III. Die Hetären 63 fach dahingesagt. Das ist Flickwerkdramaturgie, wie sie bei Menander nicht begegnet. Positiv ausgedrückt: Es ist die kurzatmige Bauart des Stegreifspiels, die die Personen auf die Bühne bringt, wenn der Dichter sie braucht, ohne nach Motivationen dafür zu suchen. 195 Am Ende von II 2 verschwindet Pistoclerus bis III 5 für mehr als dreihundert Verse in das Etablissement der athenischen Bacchis (228- 526). Er wird von Plautus nicht gebraucht. Aber Ludus wird von ihm gebraucht! Dieser stürzt mit einem ‘splendid outburst’ 196 in III 1 auf die Bühne: Der Ort der Dirnen - das ist die Hölle. Gewiß mag der Paedagogus etwas moralinsauer sein, aber der Zuschauer spürt: Hier ist nicht von der athenischen und schon gar nicht von der samischen Bacchis die Rede, sondern es wird ein in inhaltlicher Hinsicht zweifelhaftes, in sprachlich-stilistischer Hinsicht höchst anziehendes Bild des einschlägigen Milieus gegeben. Der Berichterstatter konnte es gut studieren, ist er doch seit längerer Zeit in dem Bordell - auch ohne seinen Herrn Pistoclerus, der ihn während der langen Szene II 2 dort alleingelassen hat (169-368). Warum ist Ludus nicht längst geflohen? In planem Widerspruch zu seiner Engelsgeduld sagt er: quae ut aspexi, me c o n t i n u o contuli p r o t i n a m in pedes (374). “In terms of dramatic time Lydus exaggerates the immediacy of his flight: he has been inside the house since line 169.” 197 Darf man sich mit der Erklärung einer Übertreibung zufriedengeben? Muß man nicht vielmehr feststellen, daß Plautus - doch nicht Menander? - den erheblichen Zeitraum zu kaschieren versucht? Der Zuschauer soll gar nicht nachdenken können. 198 Wieder steht die plautinische Dramaturgie der der Stegreifspiele nahe, in denen den hinterszenischen Vorgängen nicht immer Bedeutung zukommt. 199 Der langen Rede kurzer Sinn: Ludus gehört nicht ins Bordell. 200 So geschickt ihn Plautus ab 169 dort unterzubringen versteht, gelingt es 195 Hinck 1965, 37. 196 Barsby 1986, 110. 197 Barsby 1986, 128. Vgl. Langen 1886, 113; Duckworth 1952, 132. Zwierlein 1992, 167-168 tilgt 374 nach Anspach. 198 Vgl. die Erklärung von protinam durch Del Corno 1973, 93: «equivalente al piú usato protinus, costituisce una reduplicazione espressiva di continuo.» 199 Hinck 1965, 36. 200 Der alte „pädagoge benimmt sich auf eine unerklärliche weise. Wie konnte Lydus nämlich nach der entfernung seines herrn im hause der Bacchis bleiben? Entfernte sich Pistoclerus wirklich nur, um irgend ein dringliches geschäft rasch zu besorgen, so musste Lydus die gelegenheit benutzen, das ihm verhasste haus zu verlassen, er musste nochmals alles aufbieten, um zu verhüten, dass Pistoclerus es wieder betrete. Ja schon der gedanke, welche rolle er in der abwesenheit seines herrn zwischen den beiden Bacchides spielen werde, musste ihn seinem herrn nachtreiben. Oder sollte er, wenn auch ganz gegen seinen wunsch, durch den willen des herrn gezwungen, in dem hause bleiben? Aber so weit war es mit dem Lydus noch nicht gekommen, dass er, dem bis B. Analyse 64 ihm nicht, Handlung und Charakter in Übereinstimmung zu bringen, besser gesagt: versucht er gar nicht erst, Handlung und Charakter in Übereinstimmung zu bringen. 201 In der Nea bestimmt der Charakter die Handlung, in der Palliata die Handlung den Charakter. 202 Es genügte für Menanders Konzeption, daß Lydos von Moschos’ Kontakt mit der athenischen Bacchis erfuhr und - ein typisches Thema der Nea - falsch schloß, er habe mit der samischen Bacchis angebändelt. Oder aber: Er erkannte nur den Kontakt seines Zöglings mit der athenischen Bacchis, und Sostratos schloß aus dem belauschten Gespräch zwischen Lydos und Philoxenus (III 3) falsch, Moschos habe Beziehungen zu der samischen Bacchis. Irrungen, Wirrungen sind typisch für Menander. Lydos brauchte nicht in ein Bordell gezerrt zu werden und wider alle Wahrscheinlichkeit dort auszuharren. Plautus ist es wichtig, mit Hilfe der Rede des Paedagogus ein drastisches Bild des Orcus zu vermitteln. Fraenkel stellt das Plautinische der Schilderung heraus: 203 „Man sieht wiederum, wie für Plautus sofort die Vorstellung des Bordells gegeben ist, sobald von einer meretrix die Rede ist; für den Abstand, der im Leben und in der Dichtung Athens die vornehmen und anspruchsvollen, ganz selbständigen Damen dieser Schicht von den leibeigenen prostibula trennt, wird er und wahrscheinlich der größte Teil seines Publikums geringes Verständnis gehabt haben. So neigt er in diesen Dingen zur Umsetzung ins Wüste […]. Lydus bezeichnet das keineswegs ungewöhnliche Treiben bei der Hetäre als gräßliche Orgien […]; ein wollüstiges Grausen klingt hier […] durch“. 204 ‚Grausen‘ liegt wohl vor, aber ‚wollüstig‘ ist die Rede kaum. Ludus verabscheut einfach das Treiben, das er mitansehen mußte. Es liegt auf einer anderen Ebene, daß mancher Zuschauer - und auch der Dichter - mit Sympathie bei der Sache war. 205 Plautus leiten - wie bei den Hetären - nicht moralische Kriterien. Sie sind auch dem Stegreifspiel fremd. 206 dahin Pistoclerus gehorcht hatte, nun plötzlich dem zöglinge so unbedingten gehorsam hätte leisten müssen“ (Ladewig [1861] 2001, 151-152). 201 Harmonisierungsversuche überzeugen nicht: Schönbeck 1981, 65-66; Primmer 1984, 40-41 (‚dramaturgisch notwendig‘, 41); Zwierlein 1992, 167. 202 Lefèvre 1974, 57; 2003, 176; 2006, 45, 108, 152, 164, 167. 203 Bei Zwierlein 1992, 165, der alles außer den sechs (von 17) Versen 368-370, 375 und 383-384 für interpoliert hält, fällt es großenteils unter den Tisch. 204 1922, 152. 205 Schönbeck 1981, 89 und Maurach 1983, 111 Anm. 11 wenden sich zu Recht gegen Pöschl (1973) 1979, 44, der meint, Ludus treibe Mnesilochus „mit jagohafter Bosheit und der genüßlichen Lust des Voyeurs“ zur Verzweiflung. Auch für Schottlaender 1973, 240 ist Ludus ein „lüsterner ‚Voyeur‘“. 206 D II 7 (S. 169-172). III. Die Hetären 65 Nicht kommt es Plautus in erster Linie auf das Charakterbild des Pädagogen, sondern auf das Treiben der Hetären an. Die (komische) Schilderung ihres Unwesens in III 1 ist weitgehend Selbstzweck. Sie gehört nicht zur (originalen) Handlung. Lydos wird in dem aufgeklärten Spiel Menanders den Zögling nur allgemein vor dem Hetärenhaus gewarnt haben - streng, wie es seinem Beruf zukam. Er wird das Haus überhaupt nicht betreten haben (zumal es wahrscheinlich nicht auf der Bühne stand 207 ). Da die Besitzerin offenbar eine eJtaivra crhsthv war, 208 bei der sich Menanders Publikum nichts Anstößiges dachte, wäre es auch witzlos gewesen. Andererseits dürfte im Original eine Pointe darin gelegen haben, daß Moschos’ Vater Philoxenus in der Hetärenfrage im Gegensatz zu dem Erzieher des Sohns durchaus liberal war (III 3). 209 3. Philoxenus pater und die Hetären Philoxenus ist in III 3, dem einzigen Auftritt vor V 1 und V 2, die menandrische Prägung auf die Stirn geschrieben. Er beurteilt das Hetärenabenteuer des Sohns großzügig. Gegenüber dem engstirnigen Ludus verkörpert er den liberalen Vater. Er hat nichts gegen Pistoclerus’ Bordellbesuch einzuwenden, er ist nur wie Mnesilochus erschüttert, daß der Sohn, wie er glauben muß, den besten Freund verrät. So fordert er Mnesilochus auf, sich den sodalis und ihm den filius zu retten (494- 495). Eine Freundschaft leidet nicht darunter, daß einer der Freunde ein Bordell besucht, sondern darunter, daß einer den anderen hintergeht. Das ist auch die Konzeption des Dis Exapaton, in dem Philoxenus zu Sostratos sagt, er möge Moschos herausrufen und von Angesicht zu Angesicht zur Rede stellen, er möge ihn und das ganze Haus der Freunde retten: s]u; d ejkei'non ejkkavle[i | … nouqevtei d ejnan[tivon … | aujtovn te sw'son oijkivan q o{lhn fivlwn (Dis 11-13). 210 Er tadelt nicht das Liebesabenteuer, sondern den Verrat. Ginge es um die moralische Seite, suchte er den Sohn selbst auf. Plautus könnte durch die pathetische Wiedergabe von aujtovn te sw'son mit serua tibi sodalem et mi 207 B IV 4 (S. 79-80). 208 B III 6 (S. 71). 209 Zu den ‚dramaturgischen Auffälligkeiten‘ des Monologs (Stürner 2011, 172) vgl. auch C I 1 (S. 89-91). - Schindler 1988, 55-77, Arcellaschi 1992, 327-336, García-Hernández / Sánchez Blanco 1993, 147-166, die sich speziell mit Ludus’ Rolle befassen und teilweise gute Beobachtungen machen, stellen die Frage nach dem Verhältnis seiner plautinischen Auftritte zu Menander nicht. 210 Die letzten Worte sind schwierig. Gomme / Sandbach 1973, 120: ‘and with him the whole family of your friends’, Arnott 1979, 153: ‘and all his family who love him’, Barsby 1986, 193: ‘and his whole household of friends’. B. Analyse 66 f i l i u m Philoxenus auch an das Hetärenabenteuer als solches denken lassen, obwohl er damit zu dem Vorherigen in einigen Widerspruch geriete. In IV 10 ist Philoxenus’ Haltung eine andere. Sein Urteil wird moralisch. Er selbst kenne das Treiben, er sei auch in dem Alter gewesen und habe das alles gemacht - aber bescheidener (scio, fui ego illa aetate et feci illa omnia, sed more modesto, 1079), er habe Dirnen gehabt, gefeiert und Geschenke gegeben - aber selten (duxi, habui scortum, potaui, dedi, donaui, sed enim id raro, 1081). Nicht einmal das tue Pistoclerus! Philoxenus hat keine neue Information seit III 3 erhalten. Plautus funktioniert den einen Bordellbesuch des Sohns zu einem Versinken in einen Sündenpfuhl um. Es ist nur noch von moralischer Verwerflichkeit die Rede. Philoxenus begibt sich auf Ludus’ Ebene. In der Zeichnung der Philoxenus-Gestalt liegt zwischen III 3 und IV 10 ein Bruch. Dieser ist leicht zu erklären. Plautus beliebt es, den Senex als Apostel einer plötzlich in Erscheinung tretenden (allerdings brüchigen) Moral aufzubauen, kurz bevor er selbst in das Bordell geht. Dieser witzige Umschlag zwischen IV 10 und V 2 ist es, auf den der gewiegte Bühnendichter zielt. Die Einheit des Charakters geht damit verloren, aber die komische Wirkung wird erhöht. Aus dem menandrischen Lustspiel wird eine Posse. In der Nea bestimmt der Charakter die Handlung, in der Palliata die Handlung den Charakter. 211 4. Die Senes amatores und die Hetären V 2 wird von Fraenkel wegen der ausufernden Metaphorik als ‚Schafduett‘ bezeichnet, 212 obwohl es eigentlich ein Quartett ist. Es ist aus drei Gründen auf plautinische Phantasie zurückzuführen. 213 (1) Eine so umfangreiche ‚Metaphora continuata‘ ist der Nea fremd, umgekehrt aber für Plautus charakteristisch. 214 „Man kann […] garnicht daran zweifeln, daß dies Ornament sein Eigentum ist. Die Skurrilität ist hier auf die Spitze getrieben. Ließe es sich allenfalls noch denken, daß bei Menander, wie auch bei Plautus zuerst (V. 1121 a ), eine der Hetären die zoologische Bezeichnung auf die Alten angewandt hätte, so können doch nimmermehr auch dort die Biedermänner an dieser Stelle des Ge- 211 Literatur: B III 2 (S. 64). 212 1922, 423. 213 Henry 1985, 99 zum Dis: “It is impossible to know whether the sisters appeared on stage together, although the Plautine courtesans do”. Vgl. B III 1. 214 C I 3 h (S. 137-140). III. Die Hetären 67 spräches den Spott einfach aufgenommen (V. 1140 a . 1142) und bis in alle Konsequenzen hinein weiterverfolgt haben (1145-1148).“ 215 (2) Der Senex amator ist ebenso urplautinisch wie unmenandrisch. 216 “In the plays of Plautus which are known to be taken from Menandrean originals […] one does find an amorous old man [sc. Cistellaria], two foolish old fathers who are more concerned with sex and money than with their sons’ morals [sc. Bacchides], and two misers, one of whom is also amorous [sc. Stichus]. Since there is no hint of a senex libidinosus in Menander or in adaptations of his plays by Terence, one wonders about Plautine changes in Alcesimarchus’ father, Nicobulus and Philoxenus, and Antipho.” 217 Ecce Maccus euJretikw'"! 218 (3) Die Szene kann schon wegen der vier an ihr aktiv teilnehmenden Personen nicht eng Menander folgen. Welche wäre entbehrlich? Die samische Bacchis? “Bacchis’ sister is promoted from a mute role to a significant speaking part”, 219 versucht Barsby zu vermitteln. 220 Sollte die athenische Bacchis a l l e i n die beiden Alten zur Zielscheibe ihres Spotts machen - oder sie gar im Inneren des Hauses beglücken? Die Frage stellen heißt sie verneinen. Auch strukturell ist die Konstellation wenig wahrscheinlich, da das Gespräch davon lebt, daß mit dem Einsetzen der Anapäste in 1149 jede Schwester einen Senex auf das Korn nimmt. Deswegen ist die Annahme ebensowenig einleuchtend, daß Philoxenus zu eliminieren sei, um eine menandrische Szene zu erhalten. Die nächste Möglichkeit ist es, einen Dialog nur zwischen der athenischen Bacchis und Nicobulus anzunehmen. Dieser wäre dann 215 Fraenkel 1922, 73. 216 Wilamowitz (1899) 1935, 229-230 stellt über den „frivolen Schluß“ der Bacchides, den er Menander zuschreibt, ernste Betrachtungen an: „Das ist nicht bloß lustig, das hat auch seine ernste Bedeutung; solche Schafe, wie sie hier geschoren werden, sind Herdentiere: solche Jungen, die zu solchen Alten werden, gibt es immer wie Rosenkranz und Güldenstern. Der Dichter braucht nicht doktrinäre Belehrung zu predigen; das Stück Leben, das er zeigt, wird auf den ernst Denkenden von selbst anders wirken als auf die Herdentiere im Theater, die nur ihresgleichen sehen.“ Plautus zeigt freilich nicht ein ‚Stück Leben‘ (jedenfalls liegt das nicht in seiner Absicht), sondern durchaus ‚lustiges‘ Theater. 217 MacCary 1971, 323, der in Anm. 47 fortfährt: “The licentiousness of Alcesimarchus’ father and Antipho is purely gratuitous, having no relation to any other aspect of their characters and no influence on the development of the plots of their plays. The same is essentially true of Nicobulus and Philoxenus”. 218 “It is true that the ‘lecherous old man’ (senex amator) is a particular favourite of Plautus’ who does not appear in Menander or Terence […], and that the general ethos of Menander’s plays is realistic and humane rather than farcical or ludicrous” (Barsby 1986, 185). 219 Barsby 1986, 9. 220 Ähnlich Webster 1974, 132: “The final scene of the temptation of the old men is played with one of the sisters mute.” B. Analyse 68 ernsterer Natur gewesen, jedenfalls ohne jede Schafmetaphorik. Doch auch das klingt nicht nach Menander. Jede weltanschauliche Komponente des griechischen Stücks ginge auf diese Weise kaputt. Vielleicht gab es ein Gespräch zwischen den Alten - welches mit dem Blühen ihres Johannistriebs 221 nichts zu tun hatte. “It would be possible […] to construct an alternative ending for Dis Exapaton in which the more level-headed and easy-going Philoxenus persuaded Nicobulus to forgive his son and slave, perhaps with some agreement that the young men should regard the Bacchis sisters as their last fling (Ter. Ad. 997).” 222 Das geht sicher in die richtige Richtung, wobei offen ist, ob es weitere Auftritte gab. Auf jeden Fall bleibt von der lustigen plautinischen Bordellaußenszene rein gar nichts für Menander übrig. Es ist bezeichnend, daß Plautus gerade den milden und verständnisvollen Vater, Philoxenus, am Ende besonders läppisch agieren läßt, der als erster den Hetären verfällt. Das Bekenntnis nihili sum (1157) ist von Plautus gewiß nicht nur witzig gemeint. Wenn das Versagen mit der Berufung auf das - bei Menander humane - Verhältnis zum Sohn begründet wird (1164-1165), ist deutlich, in welchem Maß Plautus dem terenzischen Micio in den Adelphoe oder dem terenzischen Chremes im Heautontimorumenos vorarbeitet und wie wenig stichhaltig es sein kann, Micios Wandlung als menandrisch unter Hinweis auf den Schluß der Bacchides zu erklären. Das ist ein beliebter Zirkelschluß. 223 Die Schilderung des Hetärenwesens in V 2 ist Selbstzweck. Sie gehört nicht zur (menandrischen) Handlung. 5. Die samische Hetäre Die Nea führte vor, wie die Sklaven die alten Herren im Interesse der Söhne betrügen. In der Regel genügte es aber nicht, daß das Geld einfach umverteilt wurde und die Jungen mit ihm machen konnten, was sie wollten - also ihre Liebschaften finanzieren. Die Väter (Chremes im menandrischen Heautontimorumenos 224 und offenbar Callipho im Pseudolus-Original 225 ) brachten gern die benötigten Summen auf, weil sie einer ‚wiedererkannten‘ Tochter zugute kamen. Das sind sinnvolle Handlungsabläufe. An solchem Ausgleich ist Plautus nicht interessiert. Ihm kommt es vor allem auf den Erfolg des listigen Sklaven an - welches Recht der Senex hat und was er empfindet, ist ihm gleichgültig. 221 Der Ausdruck bei Fraenkel 1922, 73. 222 Barsby 1986, 185. 223 Tränkle 1972, 241-255. 224 Lefèvre 1994, 88. 225 Lefèvre 1997, 35. III. Die Hetären 69 Für eine Anagnorisis im Dis Exapaton spricht, daß Menanders Stükke in der Regel mit einem gavmo" schließen. 226 Endete der Dis Exapaton wie die Bacchides, fiele er aus dem Schema heraus. Wenn es zu einem gavmo" kam, wurde mindestens eine Frau als Freie erkannt. Dafür bot sich die samische Bacchis mehr als ihre Schwester an. Die gute Fügung wurde öfter auswärts lebenden Töchtern zuteil wie Phanium im Epidikazomenos, die auf Lesbos zu Hause war. Sostratos konnte die samische Bacchis heiraten und Moschos das Verhältnis mit der athenischen Bacchis weiterführen. Es war bei Menander eine gängige Konstruktion, daß von zwei Jünglingen einer eine Bürgerliche, der andere eine Hetäre liebte (Adelphoi, Heautontimorumenos, Eunuchos). Die ‚Schwester‘ könnte die Ziehschwester der athenischen Bacchis gewesen sein - eine Konstellation wie bei Pamphila und Thais im Eunuchos oder bei Glycerium und Chrysis in der Andria. Sie mochte durch Schiffbruch (Andr. 221-224, 923-924) oder Räuberhand (Eun. 108-115) auf Samos in Bacchis’ Familie gelangt und ‚anständig‘ erzogen worden sein (Andr. 122- 123, 288; Eun. 116-117). Durch ein Ereignis - wie den Tod der Mutter (Eun. 130-131) - gezwungen, wäre die athenische Bacchis nach Athen gegangen (Andr. 69-70; Eun. 120), um sich den Lebensunterhalt zu verdienen, während die Familie - vielleicht der Bruder der verstorbenen Mutter, der aliquantum ad rem auidior gewesen sein mag (Eun. 131) - ein Abkommen mit einem stratiwvth" über die Ziehschwester geschlossen hätte, die lange genug Geld gekostet hatte und endlich in das ‚Geschäft‘ einsteigen sollte (wie Adelphasium im Poenulus oder Phoenicium im Pseudolus). 227 So wäre es konsequent, daß sie den Vertrag ‚heute‘ anzutreten hatte: Noch auf Samos hatte sie Sostratos kennengelernt, von dem sie sich in Athen Hilfe erhoffte. Dementsprechend geht I 1 davon aus, daß sie kurz vorher angekommen ist (105-106). Für diese Rekonstruktion spricht, daß bei Plautus kein Wort darüber gesagt wird, wo die von dem Miles gezahlten 200 Philippi geblieben sind. Hätte sie die samische Bacchis kurz vorher eingestrichen, könnte sie sie ja sofort herausrücken, und alle Probleme wären gelöst. Auch die Möglichkeit, sie habe bei der athenischen Bacchis Schulden, scheidet aus: Denn dann könnte diese die ‚Schwester‘ in ihrer Not aus dem Vertrag befreien. Die Annahme liegt nahe, daß es ein Verwandter auf Samos war, der das Geld gefordert hatte. Vielleicht ist eine Information über diese Zusammenhänge mit dem Prolog verlorengegangen. 226 Holzberg 1974, 134; Nünlist 1993, 274. Natürlich gibt es Ausnahmen: So wird in den Epitrepontes eine gefährdete Ehe wiederhergestellt. Aber das liegt auf derselben Ebene: Es kommt bei Menander darauf an, daß eine Ordnung gestiftet bzw. wieder gestiftet wird. 227 Thais’ Onkel verkaufte Pamphila pretium sperans ilico (Eun. 132-134). B. Analyse 70 Als Vater der ‚wiedererkannten‘ Tochter kam vor allem Nicobulus in Frage, der den lockeren Bestrebungen des Sohns abgeneigt war. Stellte er sich als Vater des Mädchens (aus erster Ehe) heraus, übernahm er gern die 200 Philippi, die dem stratiwvth" zustanden. Auf diese Weise wurde der von Syros erschwindelte Betrag verrechnet. Wenn er außerdem bereit war, die trofei'a für die Aufzucht der Tochter 228 in Samos zu begleichen, konnte auch die athenische Bacchis am Ende zufrieden sein. In diesem Fall waren Sostratos und die samische Bacchis oJmopavtrioi - was nach athenischem Recht erlaubt war. 229 Es ist nicht auszuschließen, wenn auch weniger wahrscheinlich, daß sich Philoxenus als Vater des Mädchens erwies und die entstandenen Kosten übernahm, also Nicobulus entschädigte. Aus dem wohl am Ende vereinbarten gavmo" folgt, daß die Handlung festlich schloß. Fraenkels Ansicht, daß bei Menander „die Stimmung nicht wie bei Plautus übermütig, sondern einigermaßen bitter, jedenfalls resigniert gewesen sein“ dürfte, 230 trifft nicht das Richtige. Auf einem anderen Blatt steht es, daß vielleicht der Brautvater wie Knemon im Dyskolos für freundlichen Spott nicht zu sorgen brauchte. Es verdient Beachtung, daß der Gedanke einer Anagnorisis 1936 von Kuiper in das Spiel gebracht wurde. Danach waren die Mädchen Nicobulus’ Töchter aus einer früheren Verbindung, die am Ende Sostratos und Moschos heirateten. 231 Im ersten Fall waren es oJmopavtrioi. 1973 erwägt Del Corno, die ‹ragazze› seien im Original nicht Hetären gewesen. 232 1993 hält Nünlist nach Kuipers Rekonstruktion für wahrscheinlich, daß bei Menander „eine zweifache Anagnorisis und danach eine Doppelhochzeit“ stattfanden. 233 „Aus Gründen der Ökonomie liegt die Vermutung am nächsten, daß die Chryseis sich als Töchter eines der beiden Alten erweisen. Z. B. könnte Sostratos’ Vater auf einer seiner früheren Seefahrten (vgl. Pl. Bac. 342f.) auf Samos (? ) die Zwillinge gezeugt haben. Eine Hochzeit von Halbgeschwistern mit gleichem Vater, aber unterschiedlicher Mutter ist ja nicht ausgeschlossen“. 234 Überzeugender zieht 1987 Blanchard nur eine Anagnorisis in Erwägung: «si l’on admet que la comédie se termine par un mariage (et cela est nécessaire pour que le couple principal soit, comme il se doit, un couple régulier), il faut que la jeune première retrouve ses parents.» 235 Hier- 228 Lefèvre 1994, 112. 229 Gomme / Sandbach 1973, 108. 230 1922, 73. 231 1936, 266. 232 1973, 31. 233 1993, 275. 234 1993, 275 Anm. 36 (Verweis auf Gomme / Sandbach 1973, 675). Die Zwillingstheorie trifft allerdings nicht zu: B III 7 (S. 72). 235 1987, 465. III. Die Hetären 71 nach stellte sich die samische Bacchis 236 am Ende als Freie heraus, die Sostratos heiraten konnte. 237 Die Vermutung dürfte zutreffen. 2009 erwägt auch Auhagen, daß sich die samische Bacchis „möglicherweise am Schluß als freie Athenerin entpuppte.“ 238 Die Umwandlung der samischen Bacchis in eine Hetäre ist Selbstzweck. Sie gehört nicht zur (menandrischen) Handlung. 6. Die athenische Hetäre Die Analyse von I 1, III 1 und V 2 239 ergibt, daß das von Plautus so eindrücklich ausgemalte Hetärenwesen nicht dem Original angehört. 240 Es ist daher wahrscheinlich, daß die athenische Bacchis aufgrund ihres Verhaltens dem Typ der eJtaivra crhsthv zuzuordnen ist, wie er in anderen Stücken Menanders begegnet: Chrysis (Andria), Habrotonon (Epitrepontes), Thais (Eunuchos), Bacchis (Heautontimorumenos), 241 Chrysis (Samia). Ihre Familie hatte in Samos wohl eine Fremde als ihre Ziehschwester aufgezogen, und sie selbst unterstützte sie jetzt in Athen, aus dem Vertrag mit dem stratiwvth" herauszukommen. Ob sie sich wie Thais und Habrotonon einen Vorteil erhoffte oder einfach wie Chrysis (Andria) ein gutes Werk tat, ist nicht zu erkennen. Plautus modelt beide Frauen zu zielorientierten Hetären um. 242 “Menander would not have recognized them.” 243 Aber Hetären sind wie Sklaven Plautus’ Lieblinge. 7. Die Namen der Hetären Bei Plautus tragen beide Schwestern den Namen Bacchis, was unsinnig ist. Zwar kann das auf zwei beliebige Hetären zutreffen, nicht aber auf zwei Schwestern. Auch wenn die samische Bacchis bei Menander, wie hier vermutet wird, nur die Ziehschwester der athenischen Bacchis war, 236 Blanchard 1987, 462. 237 Über den Vater äußert sich Blanchard nicht. 238 2009, 161 (gegenüber der Annahme, daß sie „wohl eine eJtaivra crhsthv“ gewesen sei, ist aber Vorsicht geboten). 239 B III 1, B III 2, B III 4 (S. 61-68). 240 Nach Henry 1985, 100 gestaltete Menander die Schwestern “as good women” und “sympathetic figures”. Referat dieser Ansicht in A (S. 21). 241 Lefèvre 1994, 89, 156-158. 242 „Bereits in der ersten Szene gebärden sich die Schwestern - mit Bacchis A als Wortführerin - als malae meretrices; den Höhepunkt bildet die besonders burleske Szene V 2“ (Auhagen 2009, 161). 243 Kuiper 1936, 267. B. Analyse 72 wird sie anders geheißen haben. Überhaupt ist ‚Bacchis‘ ein Künstlername für Hetären. Warum sollen beide in derselben Weise verfahren sein? Dafür gibt es keinen dramaturgisch notwendigen Grund. Die einzige Verwechslung begegnet in III 3, wenn Mnesilochus von Ludus erfährt, daß Pistoclerus in eine Bacchis aus Samos verliebt ist. Für das Mißverständnis brauchte der Name nicht erwähnt zu werden, da beide Hetären von dieser Insel stammen. Daß der Name genannt wird, ist überflüssig - es sei denn, man unterstellt Plautus die Absicht, die Verwechslung durch die Namengleichheit deutlich(er) zu machen. Selbst wenn die Schwestern Zwillinge wären, bestünde kein Anlaß für die Identität ihrer Namen. Die Zwillingstheorie 244 trifft aber nicht zu. 245 Für sie wird die Zuweisung von Fr. V (sicut lacte lactis simile est) an den verlorenen Anfang der Bacchides in Anspruch genommen. 246 Ein besonderes Vergnügen könnte sich Plautus daraus machen, mit den Namen der Bacchides auf das geheimnisvolle Treiben bei den römischen Bacchanalien anzuspielen. Wenn Pistoclerus sich mit den Worten Bacchis, Bacchas metuo et bacchanal tuum (53) von der Umwerbung der athenischen Bacchis distanziert, “there may […] be for the Roman audience a contemporary reference. The disquiet of the Senate at the spread of Bacchanalian rites in Italy in the early second century B. C. culminated in the passing of a senatorial decree in 186 B. C. forbidding the worship of Bacchus” (Liv. 39, 8-19; CIL I, 581). 247 Auch Ludus’ mit Wortspiel figurierter trochäischer Septenar 371 gehört in diesen Zusammenhang: Bacchides || non Bacchides, sed || Bacchae sunt acerrumae. „id est, paruæ Bacchæ, sed Bacchæ, eæque acerrimæ: quæ instar Baccharum amentium, & insanarum dilacerant quencunque nactæ sunt.“ 248 Wenn Lambinus Ludus’ Unterstellung sorbent sanguinem (372) kommentiert: „allegoria est“, hat er recht, denn das erzählte man sich über die Vorgänge auf dem Aventin. 249 Bei Hetärennamen ist Plautus besonders einfallsreich. Acroteleutium ist Spitze, Phoenicium 244 Webster 1974, 130; Nünlist 1993, 272. 245 Kamel 1953, 101-103; Della Corte 1967, 99 (implizit); Braun 1980, 52; Bertini (1982) 1997, 116 (die Hetären seien nicht einmal Schwestern); Barsby 1986, 94 (“If the sisters really are twins, it is remarkable that nothing is made of the visual confusion between the two in the rest of the play”); Stärk 1989, 128 Anm. 532; Blume 1998, 173; Auhagen 2009, 152. 246 Sie wird von Bertini (1982) 1997, 115-116 und Barsby 1986, 94 als unsicher angesehen. Dagegen Questa 2008, 29: „Fallitur et fallit Bertini“. Kamel 1953, 102 bezieht das Fragment nicht auf die Schwestern. 247 Barsby 1986, 101. Auch wenn die Schilderung bei Livius auf ausschmückenden Berichten annalistischer Vorgänger beruht, wird sie soweit richtig sein, daß man sich genug über das dubiose Treiben der Eingeweihten ausmalen konnte. 248 Lambinus (1576) 1622, 382. 249 Für die Datierung der Bacchides ergibt das einen terminus post quem: D II 11 (S. 177-179). III. Die Hetären 73 erinnert an phönikische Hetären, die erste Sahne waren, Palaestra ist eine rechte Ringerin, Milphidippa reitet gern oder wird gern geritten. Die Bacchides sind gar dämonische Bakchantinnen, die Menschen zerreißen - und, wie man sagt, ihr Unwesen mitten in Rom treiben! Das ist eine Steigerung, die beim Publikum ankommen muß. Man vernimmt mit komischem Schauder, was Ludus zu berichten weiß (368-371): pandite atque aperite propere ianuam hanc Orci, obsecro. nam equidem haud aliter esse duco, quippe quo nemo aduenit, 370 nisi quem spes reliquere omnes esse ut frugi possiet. Bacchides non Bacchides, sed Bacchae sunt acerrumae. So etwas hatte man selbst bei Plautus noch nicht gehört. Es wird klar, warum die Schwestern denselben Namen haben m ü s s e n : Ohne den Plural keine glaubwürdige Anspielung auf die aventinischen Exzesse! Arcellaschi sieht mehrfach den Vorgang der Initiation in die bakchischen Mysterien angedeutet. I 1 und I 2 seien eine ‹parodie initiatique›. «Les deux premières scènes du premier acte, en effet, nous invitent à assister à l’initiation d’un jeune homme» 250 so etwa rapidus fluuius est hic, non hac temere transiri potest (85), manum da et sequere (87), ornatus (110), pompa (114), ebenso latebrosus locus (56) und ianua Orci (368). Arcellaschi nennt auch die Schlußszene. 251 Seine Argumente nimmt Deschamps im wesentlichen auf und zitiert die Worte der athenischen Bacchis an Nicobulus: non tibi uenit in mentem, amabo, | si dum uiuas tibi bene facias | tam pol id quidem esse haud perlonginquum, | nec, si hoc hodie amiseris, post in | morte id euenturum esse umquam? (1193a-1195a). 252 Es ist schwierig, sich solchen Argumenten, auch wenn sie öfter zu weit gehen, zu verschließen. Auf dem Hintergrund der aventinischen Geheimnisse liegen die Bezüge nahe. Doch könnte man gegen die Ansicht Bedenken haben, Plautus stelle sie her «apparemment en vue de disqualifier ces pratiques et d’en faire rire.» 253 ‹disqualifier›: nein, ‹rire›: ja. Er liebt es, mit heißen Eisen zu spielen. Plautus dürfte sich auf den Einfall der Namengleichheit etwas zugute tun und das Stück entsprechend nennen; er weist ja überhaupt gern durch die Titel auf seine Erfindungen hin - wie mit Aulularia, 254 R udens, 255 Trinummus. 256 Um der verrufenen ‚Aktualität‘ willen verzichtet er darauf, die Komödie - wie Menander - mit dem Namen des Haupthelden, der ihm ebenfalls am Herzen liegt, zu schmücken. 250 1990, 39. 251 1990, 41. 252 2004, 121. 253 Deschamps 2004, 116. 254 Lefèvre 2001 (2), 37-38. 255 Lefèvre 1984 (1), 38; Riemer 1996, 134-135. 256 Riemer 1996, 53, 134. B. Analyse 74 IV. Sachliche Probleme Einige sachliche Probleme, die verschiedentlich angeklungen sind, werden im folgenden der Klarheit wegen jedes für sich behandelt. Die Kapitel 2-4 hängen aber miteinander zusammen. 1. Die Exposition Für die Exposition des Dis Exapaton hat man Moschos vermutet. 257 Wenn es aber eine Anagnorisis gab, war der Prologsprecher wohl göttlicher Natur, 258 da keine Person des Spiels über die Kenntnis der Zusammenhänge verfügte. Diese Rolle war ‚niederen‘ Gottheiten vorbehalten, wie Pan, Tyche, Agnoia, Boetheia, Bootes. Wenn ein Heiligtum Apollons in der Mitte des Hintergrunds sichtbar gewesen sein sollte, 259 könnte seine ‚Sprecherin‘ Pythia gewesen und erschienen sein (wie Ptolemocratia im Rudens-Original, wo freilich Bootes den Prolog sprach und die Priesterin sterblich war). Sie erklärte dann den Zuschauern, daß Sostratos’ Geliebte als Bürgerin erkannt werde und alles einen guten Ausgang nehmen werde. Offenbar begleitete die Handlung - wie die anderer Komödien Menanders - ein ‚Widerschein‘ des Göttlichen. 260 Für die Exposition der Bacchides hat man Pistoclerus vermutet. 261 Wenn es einen Dialog der Schwestern gab, 262 könnte auch der Samierin die Informationsvermittlung zugeschrieben werden. Was Pistoclerus aus Mnesilochus’ Briefen weiß, hat sie großenteils selbst erlebt. Sie konnte sowohl von Mnesilochus’ Reise nach Ephesus über Samos und der dort entflammten Liebe als auch von dem Vertrag mit Cleomachus und der Reise nach Athen berichten. Hatte sie aber einen zurückhaltenden Charakter, konnte diese Fakten auch die athenische Bacchis mitteilen. 257 Bader 1970, 321; Holzberg 1974, 66; Questa 1985, 28. 258 Kuiper 1936, 265 (‚deus ex machina‘). 259 B IV 4 (S. 80). 260 Lefèvre 1979 (1), 324. 261 Bader 1970, 308; Gaiser 1970, 53; Questa 1985, 28; Barsby 1986, 94; de Melo 2011, 367. 262 Questa 1985, 28; de Melo 2011, 367; C I 1 (‚Verlorener Anfang‘, S. 81-82). IV. Sachliche Probleme 75 2. Der Vertrag und die verschiedenen Geldsummen Die samische Bacchis ist bei Plautus eine Hetäre. Dementsprechend lose ist ihr Benehmen in I 1 und V 2. Wie Nicobulus 1097a-1098a berichtet, hat ihm Cleomachus erzählt, er habe sie für dieses Jahr gemietet, und es sei am Tag des Spiels noch die Summe abzuleisten, die er, Nicobulus, dem Miles versprochen hat, 200 Philippi. Sie wird als reliquum auri bezeichnet, “a proportion of the fee to cover the remaining months”. 263 Über die Länge des Zeitraums wird nichts mitgeteilt (es sei denn, in dem verlorenen Anfang). Hieraus geht hervor, daß die samische Bacchis bereits Hetärendienste für Cleomachus geleistet hat. 264 Die Höhe der Restschuld macht Schwierigkeiten - wie überhaupt das Verhältnis der verschiedenen Geldposten zueinander. Es ist von drei Summen die Rede: 1200 Philippi bringt Mnesilochus aus Ephesus mit (272), 200 Philippi muß die samische Bacchis aufwenden, um aus dem Vertrag mit Cleomachus aussteigen zu können (1098), und 200 Philippi erpreßt Mnesilochus mit dem zweiten Brief von Nicobulus (997). Plautus legt die Rechnung mit Hilfe einer Münzeinheit vor, die weder bei Menander noch bei Terenz begegnet, mit der er aber in acht Stükken operiert. Sie ist den Römern durch den Krieg mit Philipp V. wohlvertraut. Folgt man den Rechnungen von Ritschl bzw. Barsby, entsprechen 200 Philippi dem Wert von 40 Minen 265 bzw. 48 Minen. 266 Nun kosten die Hetären in den Komödien zwischen 20 und 40 Minen. 267 Die samische Bacchis erzielt also einen Spitzenpreis - da es sich in den Bacchides nur um einen R e s t b e t r a g handelt (1098)! Die Höhe der Restschuld, die die samische Bacchis bei Vertragsbruch zu zahlen hat, läßt vermuten, daß es im Original die Summe war, die für ein g a n z e s J a h r zu leisten ist, mit einem Wort: daß die Konzeption einer bereits stattgefundenen Teilerfüllung des Vertrags plautinisch ist, wie ja überhaupt Nicobulus’ Monolog V 1, in dem von dem reliquum auri die Rede ist, größtenteils von Plautus stammt. 268 Im Dis Exapaton sollte die samische Bacchis offenbar ‚heute‘ ihren Dienst antreten. Dazu paßt es, daß sie zu Anfang nicht beim Miles, der sie aus Samos mitgebracht haben soll (574), sondern bei ihrer Schwester ist. Die Annahme, daß die samische Bacchis im Dis Exapaton den Vertrag erst ab dem Tag des Spiels zu erfüllen oder im Fall der Weigerung 263 Barsby 1986, 100. 264 Ritschl (1845 / 1846) 1868, 308-309. 265 Ritschl (1845 / 1846) 1868, 308 Anm.* (1 Mine = 5 Philippi im Anschluß an Böckh). Nach Maurach 1988, 70 sind 300 nummi Philippi = 60 Minen. 266 Barsby 1986, 147. 267 Langen 1886, 178; Barsby 1986, 147. 268 C I 1 (zu V 1). B. Analyse 76 die gezahlten 200 Philippi zurückzuerstatten hat, wird durch die Forderung des Unterhändlers nahegelegt (589-591): me misit miles ad eam Cleomachus, 590 uel ut ducentos Philippos reddat aureos uel ut hic in Elatiam hodie eat secum semul. Hier ist nicht von einem Restbetrag (reliquum auri) oder von einer Fortsetzung bereits begonnener Verpflichtungen die Rede. Plautus’ Konstruktion ist gekünstelt. Danach ist der Miles gerade mit der samischen Bacchis aus Samos in Athen angekommen und will noch ‚heute‘ mit ihr nach Elatia weiterreisen. Eine plane Konzeption ist es dagegen, wenn der stratiwvth" 200 Philippi dafür gezahlt hat, daß sie ihn von ‚heute‘ an für ein Jahr begleitet. In der Rede des Parasiten könnte das Original durchscheinen. Die ‚Miete‘ floß übrigens wohl nicht an das Mädchen, sondern an einen Verwandten, in dessen Familie sie auf Samos herangewachsen ist. 269 Es liegt auf der Hand, warum Plautus die rechtliche und praktische Situation der samischen Bacchis verwässert: Er läßt bei seiner Umwandlung der menandrischen Weltanschauungskomödie in eine Hetärenposse das bürgerliche Mädchen ein scortum werden. Aus der zu erschließenden Anagnorisis des Dis Exapaton folgt, daß sie dem stratiwvth" bis ‚heute‘ keinerlei Dienste geleistet hat. Durch die Vorverlegung der Verpflichtungen ist nicht nur das Gemauschel einer Teilleistung, sondern auch das besondere Gemauschel von 42-46 zu erklären: Es sei zu befürchten, Cleomachus werde die samische Bacchis n a c h der Erfüllung des Vertrags als ancilla behalten. Das widerspricht jeder Klarheit entsprechender Verträge in der Nea. 270 Die letzte Aussage wird von der athenischen Bacchis nur ersonnen, um Druck auf Pistoclerus auszuüben. Plautus kumuliert gern Argumente, ohne sie immer aufeinander abzustimmen. Aus der mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rekonstruierenden Konzeption des Dis Exapaton, nach der die samische Bacchis sich als Bürgerin herausstellte, ergibt sich die Bestätigung, daß sie bei Menander nicht in I 1 und V 2 die ihr von Plautus zugedachte Hetärenrolle spielte. 269 B III 5 (S. 68-71). 270 „Hier ist keine Rede von einer Loskaufung v o r abgelaufener Dienstzeit, vor welcher der Soldat im Rechte, das Mädchen im Unrechte wäre; etwas ganz anderes wird hier als Gegenstand der Furcht bezeichnet, dass nämlich n a c h abgelaufener Dienstzeit Cleomachus sie widerrechtlicher Weise bei sich werde behalten wollen, statt sie wieder in die Heimat ziehen zu lassen. Wie soll aber der Zuschauer, der sich beim Beginn des Stücks d i e s e Vorstellung angeeignet hat, späterhin sich auf einmal in die andere finden? Können doch selbst wir, bei vorgängiger Kenntniss dieser andern, und bei gemächlicher Musse zum Meditiren, es kaum durch Combination, und auch so nur annäherungsweise“ (Ritschl [1845 / 1846] 1868, 310-311). IV. Sachliche Probleme 77 Es wäre im Sinn eines gut konstruierten Originals, wenn Nicobulus im Dis Exapaton die gerade von Sostratos erhaltene Summe von 200 Philippi, die er an den stratiwvth" verloren zu haben glaubt (V 1), für seine Tochter, die ihm die Anagnorisis bescherte, aufgewendet hätte. Das wäre ein Grund für die Annahme, daß die samische Bacchis seine, nicht Philoxenus’ Tochter war. 271 Im Vergleich zu der notwendigen Summe ist das Vergnügungsgeld der dritten Intrige in gleicher Höhe unglaubwürdig. Es gehört ja auch nicht in den Dis Exapaton, sondern ist eine plautinische Erfindung. 272 Da es die Nea liebt, die in Rede stehenden Summen einer Komödie genau zu verrechnen, 273 erhebt sich die Frage, ob Sostratos statt der großen Summe von 1200 Philippi nur 200 eingetrieben hatte (in entsprechender Währung). Er brauchte ja nicht, wie es in den Bacchides der Fall ist, zwei Jahre abwesend zu sein (388) - wofür kein sachlicher Grund spricht -, 274 sondern nur vier bis fünf Wochen (mit Zwischenaufenthalt auf Samos). Bei einem geringen Zeitaufwand ist ein zu erwartender Betrag von 200 Philippi ausreichend. Plautus mag ihn einerseits erhöhen, weil er für den dritten Betrug noch eine zweite Summe von 200 Philippi benötigt, und andererseits, weil ihm daran liegt, durch die große Summe des eingetriebenen Gelds Crusalus’ ersten Betrug zu amplifizieren. Auf genaues Abrechnen kommt es ihm ja nicht an. Wenn Sostratos im Dis Exapaton aus Ephesos 200 Philippi (in entsprechender Währung) mitbrachte, machte diese Summe eine interessante Wanderung: vom Gastfreund an Sostratos, von Sostratos an den Vater, vom Vater an den stratiwvth", der eine ebensolche Summe an Bacchis’ Verwandte in Samos gezahlt hatte. Das erinnert ein wenig an den Geldkreislauf im Original des Pseudolus. 275 Die ajgaqh; Tuvch rechnete jedenfalls genauer und evidenter als Plautus. 3. Die Vorgeschichte B a c c h i d e s : Mnesilochus verließ mit Crusalus vor zwei Jahren Athen Richtung Ephesus (170-171, 388). Er schrieb Pistoclerus einen Brief, er möge seine samische Freundin Bacchis in Athen ausfindig machen (389-390). Am Tag des Spiels kehrt er zurück - an diesem Tag kommen auch Cleomachus und die samische Bacchis aus Samos in Athen 271 B III 5 (S. 70). 272 B II 4 (S. 59-60). 273 Lefèvre 1995, 73-74; 1997, 27-31; 2006, 44. 274 Blume 1998, 173. 275 Lefèvre 1977, 441-454; 1997, 27-31. B. Analyse 78 an (574). Cleomachus hat mit ihr - wohl in Samos - einen Vertrag geschlossen, der bereits läuft und aus dem sie auszusteigen versucht. 276 Deshalb hat sie sich in Athen sofort zu ihrer Schwester begeben 277 und Cleomachus an Mnesilochus verwiesen, der für die noch laufende Zeit des Vertrags 200 Philippi zahlen werde. Das geht daraus hervor, daß Cleomachus direkt Mnesilochus aufsucht (842). Anderenfalls muß Bacchis mit ihm am Tag des Spiels nach Elatia reisen (591). Dieses Ereignis- und Zeitgerüst bietet mehrere Unklarheiten, wenn nicht Unwahrscheinlichkeiten. Danach sind Cleomachus und die samische Bacchis nur für wenige Stunden in Athen. Wenn man will, kann man sagen: Warum nicht? Wie steht es aber mit der Bekanntschaft von Mnesilochus mit der samischen Bacchis? Es ist zu supplieren, daß er die Reise nach Ephesus in Samos unterbrach und sie dort kennenlernte. Letztlich war es ein flüchtiges Ereignis, denn er mußte weiter nach Ephesus und erfuhr, daß sie nach Athen reisen werde. Er erfuhr aber nicht ihre neue Adresse. Deshalb schrieb er nach der Ankunft in Ephesus Pistoclerus den erwähnten Brief (389-390). Er rechnete also damit, daß Bacchis bald aus Samos abreisen und in Athen ankommen werde. Sie kommt aber erst am Tag des Spiels dort an! Die Verzögerung wird dadurch motiviert sein, daß Cleomachus dazwischenkam und sie für Liebesdienste mietete. Wenn in dem verlorenen Anfang der Bacchides ein puer des Miles die samische Bacchis begleitete, 278 konnten der Parasit (575) und der Soldat (842) direkt Mnesilochus’ Haus aufsuchen. Merkwürdigerweise scheint Cleomachus Mnesilochus zu kennen, 279 seine Auftrittsworte klingen so (842-843). Das mag aber ungenau formuliert sein. Jedenfalls weiß er, wo Mnesilochus wohnt. Wann mietete Cleomachus Bacchis? Wenn sie Samos, wie Mnesilochus offenbar erfahren hatte, nicht recht bald verließ, war dann der Miles schon seit fast zwei Jahren ihr Liebhaber? D i s E x a p a t o n : Wenn die samische Bacchis als Bürgerin erkannt wurde und den Vertrag mit dem stratiwvth" noch nicht angetreten haben konnte, wird sie auch nicht zusammen mit ihm aus Samos angereist sein. Eine stimmige Handlung ergibt sich e x e m p l i g r a t i a bei folgendem Ablauf: Sostratos fuhr vor einiger Zeit nach Ephesos und machte auf Samos einen kurzen Zwischenaufenthalt. Hier sah er die samische Bacchis, ein ‚anständiges‘ Mädchen, und erkundigte sich über sie bei anderen oder bei ihr selbst. Er erfuhr, daß sie gerade zu ihrer Schwester nach Athen fahren wolle. Da er nach Ephesos weiterreisen 276 B IV 2 (S. 75-77). 277 Ritschl (1845), 1868, 314 rügt scharf, daß der Miles „sie, die in seiner Gewalt war, der Freiheit schwesterlicher Gastlichkeit überliess.“ 278 C I 1 (‚Verlorener Anfang‘, S. 81-82). 279 Stürner 2011, 184. IV. Sachliche Probleme 79 mußte, beauftragte er sofort nach der Ankunft Moschos durch einen Brief, sie in Athen ausfindig zu machen. Während er in Ephesos das Geld für den Vater eintrieb, geschah in Samos ein unvorhergesehenes Ereignis: Die Verwandten, die das Mädchen großgezogen hatten, ließen das Findelkind nicht einfach fortziehen, sondern vermieteten es an einen stratiwvth", um durch den Erlös (200 Philippi) für die Ausgaben bei der Aufzucht (trofei'a) 280 entschädigt zu werden. 281 Es wurde per Vertrag vereinbart, daß Bacchis in Athen ihren Dienst anzutreten hatte. Sie fuhr daraufhin zu der athenischen Bacchis. Der stratiwvth" erhielt ihre Adresse. Dorthin begab er sich am Tag des Spiels, um sie abzuholen. Ihm wurde gesagt, Sostratos werde für sie aufkommen. Wie konnten die Damen das behaupten? Moschos hatte Kontakt zu der athenischen Bacchis wegen der Ziehschwester aufgenommen (was daraus hervorgehen könnte, daß Lydos ihn am Anfang des Dis Exapaton wohl ermahnte). 282 Da sein Auftrag lautete, sich für Sostratos nach der samischen Bacchis zu erkundigen, wird er ihr auch dessen voraussichtliche Ankunft und Adresse gesagt haben. Das alles vollzog sich offenbar in wenigen Wochen. Nichts ist natürlicher als ein solcher Ablauf. Der Hauptgrund für den plautinischen ‚Dunst und Nebel‘, um dieses treffende Wort von Hans Drexler aufzunehmen, 283 liegt darin, daß der römische Dichter im Zug seiner Umarbeitung des bürgerlichen Lustspiels Menanders in ein Hetärenstück die samische Bacchis zu einer Dauerhetäre umfunktionierte. Dadurch wurden das glaubhafte Zeitgerüst, die klar definierte Summe und die stimmige oijkonomiva des Dis Exapaton holterdiepolter über den Haufen geworfen. 4. Die Häuser Die Handlung der Bacchides setzt nach Ansicht der Forschung zwei Häuser (Bacchis, Nicobulus) 284 voraus. Bei Menander wird das Bacchis-Haus nicht auf der Bühne gestanden haben. Die durch und durch plautinischen Hetärenszenen I 1 und V 2 hatten im Original sicher keine Entsprechung. In IV 7 läßt Crusalus die Tür des Bacchis-Hauses öffnen, damit Nicobulus seinen Sohn in dem Etablissement mit einer Frau erblicke. Diese dramatische Situation stammt offenbar von Plau- 280 Zu diesem Problem grundsätzlich Lefèvre 1997, 35 (mit Belegen). 281 B III 5 (S. 70). 282 C II 1 (S. 149-150). 283 Lefèvre 2006, 14. 284 Del Corno 1973, 16; Paratore (1976) 1992, 345; Primmer 1984, 24; Rosivach 1986, 430; Rau 2007, 8; de Melo 2011, 364. B. Analyse 80 tus, der erst wieder bei Cleomachus’ Auftritt IV 8 Menander folgt. 285 Der Miles will unbedingt Mnesilochus sprechen, um sein Recht auf die samische Bacchis geltend zu machen. Dafür genügte auf jeden Fall die Präsenz des Nicobulus-Hauses. Cleomachus tritt ja mit dem Senex in Kontakt (877-883) und bekommt von Crusalus die Auskunft, Mnesilochus sei auf dem Land (899). Man darf schließen, daß Plautus Bacchis’ Haus wegen der von ihm ausgebauten bzw. eingeführten Hetärenhandlung in I 1, IV 7 und V 2 auf die Bühne stellt. Da Menander in der Regel mit zwei Häusern operierte, ist es wahrscheinlich, daß im Dis Exapaton die Türen zu den Häusern von Nicobulus und Philoxenus den Bühnenhintergrund bildeten. Zwei gevronte" beherrschten mit ihren Häusern auch die Szenen der Aspis (Smikrines, Chairestratos), des Heautontimorumenos (Menedemus, Chremes) oder der Samia (Demeas, Nikeratos). Menander präsentierte offenbar auch im Dis exapaton zwei im Charakter unterschiedliche Alte in räumlicher Nähe auf der Bühne. Aus Crusalus’ Anrede an Apollo in 172-173 leitet man ab, daß entweder ein Standbild oder ein Altar des Apollon Aguieuv" eine Rolle spielt. 286 Das könnte auch bei Menander der Fall gewesen sein und entspräche der Tradition. 287 Doch ist die Formulierung merkwürdig: saluto te, u i c i n e Apollo, qui aedibus propinquus nostris accolis, ueneroque te Es klingt, als ‚wohne‘ Apollo neben Nicobulus’ Haus. «L’espressione è amplificata, forse per un effetto di solennità, dalla relativa seguente qui … accolis: ‹che abiti accanto alla nostra casa›.» 288 Gewiß, geschwollene ‹solennità› spricht auch sonst aus Crusalus’ getragener Begrüßung der Heimat. Vielleicht handelt es sich aber um ein Relikt aus dem Dis Exapaton. Man könnte annehmen, es habe bei Menander ein Apollon- Heiligtum 289 oder den Eingang zu einem solchen zwischen den beiden Häusern gegeben - vergleichbar dem Pan-Heiligtum im Dyskolos. Das erleichterte die Annahme, daß die Pythia den Prolog gesprochen habe. 290 Aber mehr als flüchtige Erwägungen können das nicht sein. 285 C I 1 (S. 100-102). 286 Del Corno 1973, 72; Barsby 1986, 112; Rau 2007, 27; de Melo 2011, 364. 287 Blume 1978, 74. 288 Del Corno 1973, 72. 289 Das nimmt Paratore (1976) 1992, 345 für Plautus an. 290 B IV 1 (S. 74). C. Struktur I. Die Diskontinuität der Bacchides «Plauto […] s’interessa alle singole scene, non al complesso organico della commedia.» 1 Plautus’ Dramaturgie zeichnet sich durch Diskontinuität aus. Es ist zu beobachten, daß er die attischen Originale, wie Fraenkel glücklich sagt, ‚dekomponiert‘ 2 - nicht als Selbstzweck, sondern als Folge seiner eigenwilligen Eingriffe. 1. Aufbau Die Vernachlässigung griechischer oijkonomiva durch Plautus bedeutet nicht, daß er kein Verständnis für architektonische Formen hätte. Wenn er sie verletzt, geschieht das nicht aus Ungeschick, sondern weil er andere Ziele als Menander verfolgt. Während in Teil B analytische Schneisen durch das ganze Stück gelegt wurden, werden im folgenden die Szenen der Reihe nach behandelt. Es werden einerseits neue analytische Bausteine zu gewinnen sein, andererseits ist auf die plautinische Machart im Kern menandrischer Szenen zu achten. Verlorener Anfang Das Problem wird nicht ausführlich besprochen, da strukturelle Beobachtungen nicht möglich sind. 3 Questa folgt Leos Rekonstruktion. Danach lassen die Fragmente folgende Schlüsse zu: 4 1 Questa 1970 (1), 210 (auch über die Struktur der Bacchides). 2 1922, 292. 3 Zu den Fragmenten gibt es eine reiche Literatur. Am Beginn der wissenschaftlichen Diskussion steht Ritschl (1845 / 1846) 1868, 317-354. Später sind wichtig: Leo 1895, 129-131; Bader 1970, 304-323; Gaiser 1970, 65-69; Questa 1985, 26-30; 2008, 29-31; Barsby 1986, 93-97; Nünlist 1993, 272-273; Tontini 2001, 97-103 (zur handschriftlichen Überlieferung); de Melo 2011, 366-369. 4 2008, 29-31. C. Struktur 82 1. Der athenischen Bacchis meldet ein Sklave die Ankunft der Schwester und des Miles im Hafen (Fr. 1-13). 2. Die samische Bacchis kommt mit einem puer des Miles. Die Schwestern begrüßen sich. Hinsichtlich des puer wird auf 577 verwiesen (Fr. 14-20). 3. Pistoclerus, der auf der Suche nach Mnesilochus’ Freundin ist, tritt auf und singt ein Canticum. Die Schwestern beschließen, ihn um Hilfe anzugehen, da sie das Geld für den Miles aufzubringen haben (Fr. 21-27). 4. ‚fortasse servi iocantur vel prologus‘ (Leo) (Fr. 28-29). Wegen der Drei-Personen-Regel müssen die Sklaven jeweils nach ihren Auftritten die Bühne verlassen haben. Wenn die Rekonstruktion zutrifft, wurden die Zuschauer über den Vertrag zwischen Cleomachus und der samischen Bacchis sowie über deren Versuch, aus ihm auszusteigen, informiert. I 1 war daher für sie besser verständlich. Ein separater Prologsprecher wurde nicht benötigt, da die samische Bacchis der Schwester einiges berichten und Pistoclerus in dem (belauschten) Auftrittscanticum die Vorgeschichte ergänzen konnte: Mnesilochus habe ihn gebeten, das Mädchen, das er auf der Reise kennenlernte, in Athen ausfindig zu machen. Die Zuschauer wurden von Anfang an in das Milieu und die Probleme der Hetären eingeführt. Sie verstanden: In diesem Spiel kommen nicht eine oder zwei Hetären in irgendeiner Szene vor, sondern die Hetären sind Hauptpersonen. Plautus geht im Sinn der Umarbeitung des Originals in ein Hetärenstück von Anfang an selbständig vor. Von dem Beginn des Dis Exapaton führt offenbar kein klärender Weg zu dem Beginn der Bacchides. 5 I 1 Für sich genommen, ist I 1 zur Gänze ein plautinisches Bravourstück: 6 Zwei Hetären zeigen ihre Verführungskünste, und Pistoclerus stellt sich als ‘spineless young man’ vor, wie er im Buch steht. 7 Am Anfang ist er gegen sie feindlich eingestellt, und am Ende ist er ihnen mit Haut und Haaren verfallen. Er sagt selbst, daß er nichtswürdig sei, weil er sich nicht beherrschen könne, sumne autem nihili qui nequeam ingenio moderari meo? (91). „hîc succumbit adolescens, victus callida, & fallaci meretricis oratione, quod intellegens, ipse se reprehendit atque accusat his verbis, nónne ego sum homo nullius pretii, qui nequeam mihi temperare? qui nequeam me continere? qui me regere non possim? “ 8 Pisto- 5 C II 1 (S. 149-150). 6 B III 1 (S. 61-62). Zwierlein 1992, 339 hält über ein Drittel für interpoliert, 28 von 74 Versen (36-38, 41, 45, 49-51, 56, 65-72, 75, 85-91, 101-102, 107). 7 Der Ausdruck bei Dunkin 1946, 64-65: “Plautus’ most damning work on the Young Man consists in the creation of the Spineless Young Man”. 8 Lambinus (1576) 1622, 369. I. Die Diskontinuität der Bacchides 83 clerus bekräftigt die Unterwerfung mit einem römischen juristischen Terminus: mulier, tibi me emancupo (92). 9 Es ist eine perfekte Saturnalienkonstellation. 10 Die Ironie erhellt aus der von Taubmann gegebenen Parallele Hor. Epod. 9, 11-12 Romanus, eheu (posteri negabitis), | emancipatus feminae, „est suâ sponte in servitutem fæminæ traditus“. 11 Die ‘scene of seduction’ 12 macht im Blick auf Pistoclerus eine Kehrtwende um 180 Grad - ein unglaubliches Umfallen auf dem Hintergrund der zeitgenössischen gesellschaftlichen Verhältnisse in Rom. Der eigentliche Inhalt von I 1 ist die ausführliche Schilderung der Hetärenwelt. In der liebevollen Ausmalung steht die Handlung weitgehend still. Es ist für die Römer aufregend, derlei auf einer offiziellen Bühne zu sehen. Der Dialog ist geistreich und kurzweilig. Er ‚läuft‘ in Trochäen, im Versus quadratus, dem römischen Spottvers par excellence. Die Schwestern üben sich in gegenseitigen Frozzeleien (35-38): 35 B A . quid si hoc potis est ut tu taceas, ego loquar? S O . lepide, licet. B A . ubi me fugiet memoria, ibi tu | facito ut subuenias, soror. S O . pol magis metuo ne defuerit | mi in monendo oratio. B A . pol ego metuo lusciniolae | ne defuerit cantio. Die athenische Bacchis beginnt spitz, sie möchte endlich zu Wort kommen; nur wenn ihre Erinnerung versage, solle die Schwester helfen. Diese entgegnet, eher werde ihr selbst die Rede ausgehen, als daß die athenische Bacchis die Erinnerung verlasse - worauf diese kontert, der samischen Bacchis werde so wenig die Rede ausgehen wie einer Nachtigall der Gesang. Das Hin und Her wird pointiert, indem die athenische Bacchis die Bemerkung der samischen in paralleler Formulierung zurückschlägt (Par pari respondere). Es triumphiert römische Mündlichkeit um ihrer selbst willen. 13 Denn was sie eigentlich sagen will (ego loquar), ist unklar, da Pistoclerus dazwischenkommt. Am Schluß kündigt die athenische Bacchis der von der Schiffsreise mitgenommenen Schwester ein heißes Bad an, nam uti naui uecta es, credo, timida es (106). timida wird von Donat zu Ad. 305 mit Verweis auf diese Stelle als perturbata und danach von Lambinus als „ægra & perturbata“ erklärt. 14 107 braucht nicht getilgt zu werden, 15 wenn man mit Questa simul huic nesciocui, turbare qui huc it, decedamus <hinc> 9 “mancipatio was the Roman technical term for the legal transfer of a person or property into the power of another” (Barsby 1986, 103). 10 Auhagen 2009, 154. 11 1612, 456. 12 Barsby 1986, 99. 13 Zwierlein 1992, 139-141 athetiert die „einfältigen Verse 36-38“ als „sicher unplautinisch“ (zurückgewiesen von Woytek 2005, 68). Zum Text von 37-38 ausführlich Zehnacker 1994, 151-159; Woytek 2005, 67-75. 14 (1576) 1622, 370 (vgl. Questa 2008, 36). 15 In neuerer Zeit: Zwierlein 1992, 143; Woytek 2007, 121. C. Struktur 84 liest und mit Lambinus versteht: „præterea nescio, quis ab hoc loco excitat, qui huc ad nos venit, vel turbat nos colloquenteis.“ Gemeint ist der das Gespräch störende Auftritt des Pädagogen. 16 Es war eine Verirrung der Philologie, zu glauben, die Übersetzung eines Verses aus dem Dis exapaton vor sich zu haben, der das Erscheinen des Chors ankündigte. 17 Plautus arbeitet sicher schnell, aber kaum so gedankenlos. Der lebhafte Dialog ist geistreich und klangvoll. Er strotzt von Redefiguren wie Par pari respondere (37-38, 78), Alliterationen (36, 40, 41, 50-51, 54, 64, 72 usw.), Figurae etymologicae (40, 55), Paronomasien (55, 72 18 ), Wortspielen (55, 60), Metaphern (39, 43, 50, 51, 19 53, 63, 64, 85). Überdies ist plautinische Struktur darin zu erkennen, daß er in kleine Einheiten zerfällt und immer wieder von vorn beginnt. Wenn die Rede stockt, wird mit quid ais? / quid est? 20 (78) der Faden wieder aufgenommen. Sie kehrt zu Gesagtem zurück. Pistoclerus betont stets von Neuem, daß Hetären gefährlich seien, die athenische Bacchis kommt mehrfach auf den Miles zu sprechen (43-47 / 76 / 90): Es ist die typische Rondoform der plautinischen Gesprächsführung. 21 I 2 Nach I 1 bleibt die Bühne leer. Es wird vorausgesetzt, daß Pistoclerus in ganz k u r z e r Zeit seine Einkäufe macht und mit einer pompa (! ) wiederauftritt. Das hat so l a n g e gedauert, daß Ludus sagen kann, er folge dem Jüngling iam dudum (109). 22 Allgemein wird angenommen, 16 Questa 2008, 36 17 Leo 1911, 292-295; in neuerer Zeit: Arnott 1967, 137; Gaiser 1970, 62; Tränkle 1975, 115; Barsby 1986, 104. Die Forschungsgeschichte bei Woytek 2007, 118-124 (der statt timida es in 106 trepidas vermutet). 18 scortum pro scuto: «allitération et paronomase» (Ernout 1935, 17). 19 49-51 werden von Zwierlein 1992, 133-135 athetiert; Woytek 2005, 76 scheinen die Verse „so echt wie nur irgend möglich“: „Sie entsprechen nicht nur mit einer im nachhinein aufgeklärten Identifikation, nämlich der lockenden weiblichen Freundlichkeit mit Vogelleim, ganz grundsätzlich einem charakteristisch plautinischen Schema [Verweis: Fraenkel 1922, 49; Barsby 1986, 100], sondern enthalten zusätzlich mit dem Bild der Vogeljagd für die Aktivitäten der Dirnen eine für Plautus offenbar ganz typische Metaphorik [Barsby ib.].“ Statt des metrisch schwierigen perii, harundo (51) konjiziert er S. 80 probe harundo. 20 Druckfehler bei Questa 2008 (es? ). 21 Lefèvre 1999 (1), 35, 37, 38; 2001 (2), 87, 110; 2006, 78 82 , 88, 100, 142 u. ö. 22 Die Zeitraffung ist unwahrscheinlich. Ernout 1935, 23 spricht von ‹invraisemblances›: «Pistoclère est parti à la fin du v. 100; et il a suffi que les deux Bacchis conversent pendant 8 vers pour qu’il ait eu le temps d’aller au marché, et d’en revenir, escorté de porteurs et de son précepteur Lydus, qui le suit déjà depuis un moment: iamdudum.» Erklärungsversuche bei Schönbeck 1981, 12. I. Die Diskontinuität der Bacchides 85 daß hier bei Menander das Interludium des Chors (erster / zweiter Akt) war. 23 Das setzt eine identische Szenenführung voraus. Das Versmaß wechselt vom trochäischen Tetrameter zum jambischen Trimeter. Auf Ludus’ Frage, wer in dem Haus wohne, in das Pistoclerus gehen will, antwortet dieser verfremdend mit einer Aufzählung von neun ‚Göttern‘, worauf eine Diskussion entsteht, ob es wirklich alles Götter seien. Von der Eingangsstruktur und dem Inhalt her kann kein Zweifel daran bestehen, daß es sich um Plautus’ Erfindung handelt. Barsby weist ihm 115-124 zu. 24 120-121 ist ein römisch-feszenninischer Hickhack. Zwei plautinische Witze scheinen barbarus für den ‚Barbaren‘ Ludus sowie der despektierliche Vergleich mit dem aus Lydien 25 (! ) stammenden Thales 26 zu sein (121-122). 27 In 125 wird das Thema des ornatus (‘paraphernalia’ 28 ) aus 110 wiederaufgenommen und bis 131 abgehandelt. 29 Als dritter Block folgt ab 132 eine Diskussion über die (vergebliche) Erziehung des paedagogus, die bis 167 anhält. Das einleitende Par pari respondere in 132-135 ist besonders witzig, weil Pistoclerus Ludus’ sehr verständliche Klage über das operam perdere hinsichtlich seiner Erziehung mit ebendenselben Worten zurückgibt, daß auch er in dieser Angelegenheit umsonst Mühe aufgewendet ha- 23 Überblick in C II 2 (S. 155). 24 1986, 106-107. 25 Für den Römer der Zeit kann dort ohne weiteres Milet liegen. 26 Rud. 1003 apostrophiert Gripus den gerissenen Trachalio ironisch mit Thales (dazu Lefèvre 2006, 64). 27 Die Argumentation in 121-123 scheint folgendermaßen zu laufen: Ludus kennt die von Pistoclerus genannte Göttin Suavisaviatio nicht, worauf dieser sich verwundert und Ludus (Lydus) einen Barbaren nennt, da er ihn bisher für weiser als seinen aus Ludia (Lydia) stammenden Landsmann Thales gehalten habe; ja er sei noch dümmer als der Barbar Poticius. Wenn poticius nicht, wie Buecheler (1882) 1927, 474 erklärt, ‚ein klein Jüngelchen‘ heißt, könnte man in dem vieldiskutierten Wort einen Eigennamen vermuten (García-Hernández 1993, 161; Questa 2008, 37). Während wir etwas mit Thales verbinden (erstaunlich, daß das auch die Römer der Zeit taten), ist das bei Poticius nicht der Fall. Sicher verstand man die Anspielung, wenn es ein Eigenname ist. Nun war ein Potitius aus der Gens Potitia nach dem Zeugnis Vergils (Aen. 8, 269, dazu Servius) der primus auctor des Hercules-Kults an der Ara Maxima (García- Hernández 1993, 162), den die Zuschauer sicher kannten. Von ihm hatten sie eine präzisere Vorstellung als von Thales. Da es um eine ‚theologische‘ Frage geht (Kenntnis der Göttin Suavisaviatio und der anderen Götter), wäre der Vergleich des ‚moralischen‘ Ludus mit einem Priester (dem die von Plautus erdachte Gottheit natürlich auch fremd sein muß) angemessen. barbaro heißt ‚römisch‘ (Buecheler) im Gegensatz zu dem Griechen Thales. (Zwierlein 1992, 193 erkennt in 121-123 „die grobschlächtige Art des Bearbeiters“.) 28 Barsby 1986, 37. 29 Slater 2000, 79 vermutet in ludo (129) ein Wortspiel mit ‚Schule‘ / ‚Spiel‘. C. Struktur 86 be. 30 Die Wortspiele erfolgen nicht nur im Dialog, sondern auch in der Einzelrede, so wenn Ludus 163-165 alliterierend mit docuit / discipulus docilior / docui jongliert. Dreimal versucht Pistoclerus, den Redefluß des Lehrers zu stoppen, 137 tace atque sequere, Lude, me, dann 158 nach dem Schlagabtausch in mythologicis (155-157) satis historiarumst, schließlich 168-169: istac tenus tibi, Lude, libertas datast | orationis: satis est. Damit wird das Geplänkel endgültig abgebrochen. Geredet wird in der Szene viel, gehandelt wenig. Ludus erreicht nichts, ja er muß mit in das Bordell (169)! Das verstößt sowohl von seiner Einstellung als auch vom Interesse des Zöglings her gegen das eijkov". Auch wenn die athenische Bacchis im Original Besitzerin eines Etablissements war, hätte Menander nicht in dieser Weise die Handlung geführt. Aber es ist klar: Plautus braucht einen Gewährsmann dafür, wie es in der ‚Hölle‘ innen aussieht. Der Bericht erfolgt in III 1. Wenn Websters Rekonstruktion zutrifft, daß der Dis Exapaton mit einem Dialog Moschos / Lydos begann, 31 bewegt sich Plautus in I 2 zum erstenmal auf Menanders Spuren. Aus dem ‘impatient tone of the words’ pro; " tw'n qew'n, meiravkion, 32 mit denen der Dis Exapaton begann und die wahrscheinlich Lydos gehören, könnte folgen, daß der Pädagoge auch bei Menander Moschos zurechtwies. Während dort Details über das Interesse des Jünglings für die athenische Hetäre vermittelt wurden, ist bei Plautus der Informationswert von I 2 nach den vorausgehenden Szenen gleich Null. Das einzige Faktum, das das Publikum erfährt, ist Pistoclerus’ Befehl, Ludus solle ihm in das Bordell begleiten - und das ist mit Sicherheit plautinisch. 33 Plautus beschränkt sich im großen und ganzen auf ein Geplänkel der Dialogpartner. Andererseits wird einiges aus Menanders Eingangsszene eingeflossen sein. Den Dialog gestaltet Plautus weitgehend selbständig, er macht aus einer an der Sache orientierten Auseinandersetzung eine Szene, in der das Streiten zum - zündenden - Selbstzweck wird. 34 II 1 Crusalus wird von vornherein als selbstbewußt charakterisiert. Er begrüßt nach der Rückkehr das Vaterland, was sonst nur die Freien tun. 30 Ludus’ Reaktion o praeligatum pectus! (136) erklärt Turnebus: „puto esse ô insanum pectus, ab his qui veneficiis ceu vinculis ligati videntur et illecebris quibusdam velut defixi tenentur“ (Clementi 2009, 172). 31 C II 1 (S. 149). 32 Barsby 1986, 93. 33 B III 2 (S. 62-65). 34 Überzeugend Wallochny 1992, 116-117: C I 3 b (S. 126). I. Die Diskontinuität der Bacchides 87 Dementsprechend apostrophiert er nicht das Land seiner Väter, sondern das Land seines Herrn - “a comic substitution”. 35 Plautus stellt klar: Crusalus ist eine Hauptperson, wenn nicht d i e Hauptperson. Wie kann Crusalus wünschen, Pistoclerus vor Nicobulus zu treffen? Ahnt er, im Fall, daß die samische Bacchis entdeckt wurde, sei Geld vonnöten, so daß er Nicobulus nicht sagen dürfe, Mnesilochus habe die ganze Summe mitgebracht? Er kennt die Umstände nicht, weder den Miles noch den Vertrag, wie aus 222-223 hervorgeht. 36 Jedenfalls vermutet er in II 2 bei der Nachricht, die Schwester sei gefunden, sofort, daß Mnesilochus aurum brauche (219-221, durch fortasse eingeschränkt). Man möchte sagen: Crusalus kann nicht erwarten, seiner Rollenfunktion gerecht zu werden und Nicobulus zu betrügen. Das war wohl bei Syros nicht der Fall. Mit Syros’ Rückkehr könnte Menanders zweiter Akt begonnen haben. II 2 Pistoclerus hat bei Plautus keine Auftrittsmotivation, sondern schaut wiederum - wie in I 1 - mal eben auf die Bühne. 37 Deshalb macht es ihm nichts aus, daß ihn der Sklave am Ende in Bacchis’ Haus zurückschickt (227-228). 38 Wie in II 1 erweist sich Crusalus als der große Meister. Er sprüht vor Witz und Geist gegenüber dem jungen Herrn und springt mit ihm nach Belieben um - eine römische Saturnalienkonstellation, die kaum einen menandrischen Dialog wiedergibt. Andererseits mußte im Dis Exapaton Moschos in Kenntnis gesetzt werden, daß Sostratos und Syros zurückgekehrt sind, und Syros erfahren, daß die samische Schwester gefunden und auf jeden Fall Geld erforderlich sei. Moschos wird eine bessere Auftrittsmotivation gehabt und Syros getroffen haben. Wenige wichtige Informationen werden aus der 57 Verse langen Szene auf Menander zurückgehen, der Moschos und Syros sicher weitere Details austauschen ließ. 39 35 Barsby 1986, 112. 36 «Il soldato rappresenta per Crisalo una nuova complicazione, di cui egli non era informato; di qui la sua domanda: ‹e c’è anche un soldato? ›» (Del Corno 1973, 77). Um die Schwierigkeit zu umgehen, fassen Crusalus’ Einwurf Ernout 1935, 42 als Ironie, Schönbeck 1981, 35 als Ausruf auf. 37 Das ist oft ein Kriterium für römische Dramaturgie: Lefèvre 2001 (2), 84; 2001 (4), 45; 2003, 118. 38 “Pistoclerus’ exit and entrance motivations are unclear” (Damen 1992, 222). 39 Zwierlein 1992, 199-216 athetiert 16 Verse, darunter (nach H. Mattingly) 214- 215 mit der vieldiskutierten Anspielung auf den Theaterdirektor Pellio (auch nach Deufert 2002, 34 ‚wahrscheinlich‘ interpoliert). C. Struktur 88 Den durch und durch plautinischen Charakter des Dialogs stellen Damen 40 und Barsby gut heraus. “The main characteristics here are liveliness and wit, as befits the character of the tricky slave. There is much jesting for its own sake, including the parody of the welcome home scene (184-95), two ‘unexpected ending’ jokes (195, 217), and two ‘irrelevant jokes’ (200-2, 213-5), all of which in various ways betray themselves as Plautine additions to the Greek original. Most of the striking linguistic features occur in Chrysalus’ speeches: these include exclamations (182, 200, 205, 207, 209, 211, 218), repartee (190), interruptions (211, 222), word-play (229, 232), and various verbal jingles, often in neatly parallel clauses (192-5, 219-21), together with the usual alliteration and assonance (esp. 188, 194). The language of Pistoclerus is less ebullient, though his description of Bacchis (206-17) is heightened by verbal repetition (rogas, immo), alliteration and assonance (207), exclamation (209), and jest (217), and he has examples elsewhere of mock-epic periphrasis (199) and repartee (221).” 41 Plautus schmückt eine sicher konzisere Szene Menanders mit Kling und Klang. Auch bei Menander wird Syros am Ende einige Verse gesprochen haben. Sie werden denselben Inhalt - vielleicht außer der Höhe der eingetriebenen Summe -, aber einen bescheideneren Ton gehabt haben. 42 Ein kleiner Überbrückungsmonolog war notwendig, um zu dem Gespräch mit Nicobulus überzuleiten. II 3 Die Begegnung zwischen Nicobulus und Syros war auch im Dis Exapaton das Kernstück der ersten Komödienhälfte. Alle drei Stationen in Ephesus (Archidemides, Piraten, Theotimus), die Crusalus zum besten gibt, stammen aus dem Original. 43 Der Ton war dagegen völlig anders: Plautus macht auf der einen Seite Nicobulus dümmer und beschränkter, 40 “Close inspection shows that the scene […] is full of Plautus’ favorite types of expression: puns (181, 200-202, 229), a riddle (189-193), wordplay (188, 194, 207-212, 232), a mock greeting (184-189), the imitation of serious verse (199), a mythological joke (217), and the boasting of a servus callidus (224-226). He even includes an undisguised reference to himself (213-215)“ (1992, 222). Damen hält für möglich, daß die Szene auf Plautus zurückgeht und Syros die notwendigen Informationen dadurch erhalten habe, daß er Lydos belauschte. Aber Moschos mußte von der Rückkehr des Freunds unterrichtet werden. 41 1986, 113. 42 “At least one part of Chrysalus’ sololoquy concluding the scene (232-233), where he boasts about the deception prior to its execution, probably also comes from Plautus’ hand” (Damen 1992, 222 Anm. 34). 43 B II 2 (S. 50-55). I. Die Diskontinuität der Bacchides 89 als es wohl der gevrwn war, Crusalus gerissener und überheblicher, als es wohl Syros war - das aparte-Sprechen wird in raffinierter Weise eingesetzt. 44 Wortwitze bzw. Wortspiele lockern den ‚Ernst‘ auf. 45 Der Dialog ist meisterhaft. «La cosa è narrata con tanta ricchezza di particolari, con tanta vivacità di colori, che Nicobulo, piuttosto che dubitare, con frequenti esclamazioni, passa dallo stupore allo sdegno, dallo sdegno al dolore e alle imprecazioni: ‹Quid ita? ›; ‹Archidemidem? ›; ‹Quid fecit? ›; ‹Autolyco hospiti aurum credidi! ›; ‹Perii hercle! ›.» 46 Man merkt die Umbiegung der Charaktere im Stil der Atellane auf Schritt und Tritt. Der Sklave als architectus doli ist eine bevorzugte Figur der plautinischen Komödie. “As the scene proceeds, Chrysalus displays many of the stock characteristics of the ‘tricky slave’ […], namely delight in trickery (241f), impudence to his master (244-8), capacity for ingenious and detailed invention (251-345), exaltation at the success of his ruse (349-57), and anticipation of dire punishments to follow (358-65).” 47 Auf der anderen Seite zeigt Nicobulus’ Name, worauf Plautus zielt: “its point will be the comic incongruity of its literal meaning (‘victorious in counsel’).” 48 Von dem Schlußmonolog des Sklaven 349-365 dürfte kaum ein Satz auf Menander zurückgehen. 49 Nach seiner selbstbewußten Suada sucht Crusalus Mnesilochus auf, wie aus 391 hervorgeht. III 1 Die Szene führt die Hetärenhandlung aus I 1 weiter. Während sie dort gegenüber Menander von Plautus stark erweitert ist, wird sie hier ganz auf ihn zurückgehen. Um eines seiner Lieblingsthemen auszumalen, läßt er den Paedagogus nach I 2 gegen alle Wahrscheinlichkeit mit Pistoclerus in das Bordell gehen. Wenn dieser in II 2 heraustritt, um irgendetwas zu besorgen - was, wird nicht gesagt -, müßte Ludus sofort die Gelegenheit benutzen, den ungeliebten Ort zu verlassen. Aber der römische Dichter ‚vergißt‘ ihn. Er braucht ihn erst jetzt, um eine Gelegenheit zu haben, die Schrecken des Bordells aufleuchten zu lassen. Es geht nach 53 erneut darum zu demonstrieren, daß die Bacchides Bacchae sind (371). Bei Menander wird sich der treue Erzieher nach I 2 44 C I 3 f (S. 133). 45 C I 5 (S. 146-147). 46 Perna 1955, 375. 47 Barsby 1986, 117. 48 Barsby 1986, 118. 49 B II 2 (S. 53-55). C. Struktur 90 direkt an Philoxenus gewendet haben. Es genügte, daß er fälschlich die Vermutung hatte, Pistoclerus sei in die Fänge einer gewiegten Hetäre geraten. Jedenfalls sieht es nicht nach Nea-Dramaturgie aus, daß Ludus in III 1 auftritt (368) und abtritt (384) und 22 Verse später (405) wieder auftritt. Plautus schafft sich die Möglichkeit, eine gestelzte Sittenpredigt 50 in klanglich ausstaffierten trochäischen Tetrametern einzuflechten. Sie wirkt, da der Sprecher ein ‚Konfusionsritter‘ ist. 51 Der Vergleich des Bordells mit dem Acheron begegnet auch Poen. 831. „Er ist zum Teil gewiß angeregt durch Lage und Aussehen der Bordelle im damaligen Rom, die sich meist in einem dunkeln rauchigen Gewölbe, olenti in fornice wie Horaz sagt, befunden haben mögen; die Worte tenebrae latebrae (835) illustrieren das. […] Der Vergleich (oder die Identifizierung) erlaubt noch eine andere Anwendung: für das Betreten beider Stätten gilt das lasciate ogni speranza voi ch’entrate! “ Fraenkel fährt fort, es sei „klar, daß bei Menander der Pädagoge sein Selbstgespräch nicht so begonnen haben wird wie es der plautinische tut. Die Übertreibungen sind maßlos (besonders V. 371. 372), sie stehen auf einer Stufe damit, daß V. 454 das Haus der Bacchis als lupanar bezeichnet wird. Das ist es aber durchaus nicht; die Bacchis wohnt dort für sich und hat ihre soeben zugereiste Schwester bei sich aufgenommen“. 52 Man muß noch einen Schritt weiter gehen: Wie der II 3 abschließende Crusalus-Monolog wird der Ludus-Monolog III 1 53 von Plautus 50 Zu Ludus’ Bild nunc experiar sitne aceto tibi cor acre in pectore (405) bemerkt Lambinus (1576) 1622, 386: „id est, sitne tibi animus, qui offendatur rebus malis, & turpibus: vel sic, insitne tibi prudentia, & consilium in pectore. Allegoria est. sed priorem explicationem magis probo. Idem in Pseud. Ecquid habet is homo aceti in pectore? C H [irrtümlich P H .]. atque ac[c]idissimi“. Auf diese Stelle weist auch Barsby: “The quality which Lydus wants seems to be a combination of sharpness (acre) and sourness (Ps. 739f)” (1986, 133). 51 Kunst 1919, 108. 52 1922, 151-152. 53 Stürner 2011, 172-173, nach dem der Monolog den gängigen Strukturgesetzen der menandrischen Komödie entspricht, stellt andererseits die ‚dramaturgischen Auffälligkeiten‘ und plautinischen Stilistica heraus. „Erst bei Plautus dürfte aus dem Monolog freilich eine aufwändig gestaltete Szene paratragodischer Färbung geworden sein. Durch den metrischen Wechsel vom gesprochenen Senar zum rezitierten trochäischen Septenar trägt Plautus wirkungsvoll der großen Erregung des Sprechers Rechnung. Die sprachlich-stilistische Gestaltung des Monologs, die das komische Pathos der Szene glänzend befördert, zeigt die typischen Merkmale vieler plautinischer Monodien und Solorezitative: Hyperbolische Bilder, mehrere Bicola und Tricola, seltene Wörter und lexikalische Neubildungen, schließlich zahlreiche Alliterationen und Assonanzen [Hinweis auf Barsby 1986, 127]. Unverkennbar hat Plautus […] den Sprecher zur völlig übermenschlichen Karikatur eines unverbesserlichen Moralapostels verzerrt.“ I. Die Diskontinuität der Bacchides 91 stammen, 54 zumal Mnesilochus in III 2 ebenfalls einen Monolog hält. Kaum ließ Menander drei Monologe aufeinanderfolgen. III 2 Mnesilochus’ Auftritt wird auf das Original zurückgehen. Nachdem ihn Crusalus davon unterrichtet hat, daß Pistoclerus die Geliebte ausfindig gemacht hat, muß es sein Bestreben sein, sobald wie möglich den Freund aufzusuchen. Da trifft er ihn im Gespräch mit Ludus (III 3). Plautus läßt Mnesilochus zwei Dinge diskutieren: 1. Es sei nichts mehr zu schätzen als ein treuer Freund, 2. es sei nichts weniger zu schätzen als ein undankbarer Mensch. 55 Das bereitet die spätere Enttäuschung über den (scheinbar) Unzuverlässigen vor. Auch im Dis Exapaton wird Sostratos zunächst auf Moschos und dann auf Syros zu sprechen gekommen sein. Es ist aber unwahrscheinlich, daß er es in so pathetischgrundsätzlicher Weise tat. Plautus spitzt die Situation dramatisch zu, um den Jüngling um so mehr aus allen Wolken fallen zu lassen. 56 Hier obwaltet wieder das Stimmungsmäßige, Psychologische. Es ist es für Plautus charakteristisch, daß er die Personen sich in allgemeinen Lebensweisheiten ergehen und Sentenzen prägen läßt. Das zeigt nicht nur der Trinummus, 57 sondern in den Bacchides auch Pistoclerus’ Tirade über die falschen Freunde 540-551, die nachweislich nicht von Menander stammt. Auch Plautus’ Umständlichkeit ist in Rechnung zu setzen. Del Corno bemerkt gut zu der Reflexion 386-387: «L’espressione, enfatica e ridondante (homini amico è ripreso al v. seg. da ei) tanto da riuscire quasi contorta, dà una comica solennità al concetto piuttosto ovvio. Con opposto procedimento stilistico, Menandro lo riscatta nella lapidaria semplicità del mon. 575 Jäkel: oujk e[stin oujde; n kth'ma kavllion fivlou.» 58 Besser ist der Unterschied zwischen der plautinischen ‹comica solennità› und der menandrischen ‹semplicità› nicht zu beschreiben. Damit ist über die Verse im Original aber nichts gesagt. Vielleicht hatten sie gar keine Entsprechung. Auch Del Corno zu 399 verdient Beachtung: «figure etimologiche che rientrano fra i giochi di parola più usati da Plauto: ancora, l’effetto è quello di una burlesca en- 54 B III 2 (S. 62-65). 55 inpensiust (394) wird von Turnebus so erklärt. „id est nihil quod minus pensi habeat quodque incogitantius et impudentius sit“ (Clementi 2009, 174). 56 „In seiner freudigen Gestimmtheit bereitet der Auftrittsmonolog dem Sturz des Sprechers von größter Zuversicht in tiefste Verzweiflung die nötige Fallhöhe“ (Stürner 2011, 174). 57 Lefèvre 1995, 78, 89 u. ö. 58 1973, 94. C. Struktur 92 fasi, che dipinge l’esaltazione di Mnesiloco per la felice piega presa dagli avvenimenti.» 59 Bei der Breite der Reflexionen 60 kommt das musikalische Element hinzu. Das Ganze erinnert von fern an ein Auftrittscouplet bei Nestroy. III 3 III 3 geht im Kern auf Menander zurück. Die irrtümliche Einschätzung einer befreundeten Person oder einer alltäglichen Situation ist ein Signum seiner Komödien. Philoxenus und Ludus verkennen Mnesilochus (458-459), Mnesilochus verkennt Pistoclerus (489-491). Der zweite Vorgang schürt den Knoten der Handlung, weil daraus die Rückgabe des Gelds an den Vater resultiert und alles von vorn beginnt. Wenn auch das Thema der Dekadenz der Jugend Tradition hat, wie in Aristophanes’ Nephelai, malt Plautus in Ludus’ Klagen vieles aus, was über Menander hinausgeht. Um wieviel engstirniger Ludus, um soviel weitherziger ist Philoxenus angelegt. Beide grenzen an Karikaturen. Wieder ist die Rede rhetorisch-pathetisch durchgeformt. Zu perdidit, pessum dedit (407) merkt Del Corno an: «i due sinonimi, in gradazione d’intensità ascendente, sono accentuati dalla alliterazione. La colorazione r e t o r i c a , continuata nella successiva paronomasia, unice unicum, caratterizza l’indignazione del pedagogo». 61 Die Senzenz 408 hat nach Barsby keine Parallele. In 415 meint ciet vielleicht das öffentliche Ausrufen eines Zensors. 62 Dessen Sprache paßte gut in Ludus’ Mund. In dem Bemühen, die Schilderung der früheren Ausbildung als menandrisch (im Gefolge der Nephelai) zu erweisen, bemüht sich Barsby, die einzelnen Stadien des Unterrichts mit griechischer Erziehung zusammenzusehen - stößt aber auf Widersprüche zu anderen (griechischen) Quellen, etwa bezüglich des Reitens (431), das nicht bezeugt ist. Diese Stelle zeigt, daß Plautus unbedenklich Züge häuft, die ihm ir- 59 1973, 95. 60 Zwierlein 1992, 249 kürzt: 393 (sed eccum)-403 (celabis) seien ein ‚Fremdkörper‘ und daher interpoliert. Deufert 2002, 37 stimmt der Diagnose zu. Dagegen Stürner 2011, 175 mit guter Begründung. „Plautus verfolgt mit der rhetorischen Erweiterung vor allem den Zweck, die Rolle des Sklaven Chrysalus aufzuwerten, über den Mnesilochus weniger wie ein erus als vielmehr wie ein amicus spricht. Der Dichter gönnt sich das Vergnügen, einmal nicht einen Sklaven über die Verpflichtungen gegenüber seinem Herrn philosophieren zu lassen, sondern die gängige Situation gewissermaßen umzukehren und seinem Publikum an Stelle des beliebten Sklavenkatalogs in saturnalischer Verdrehung der üblichen Verhältnisse eine Art ‚Herrenkatalog‘ zu bieten.“ 61 1973, 96 (Sperrung ad hoc). 62 ‘censure’ (Barsby 1986, 51). I. Die Diskontinuität der Bacchides 93 gendwie griechisch erscheinen (das Wort hippodromus ist bezeichnend). 63 Man beachtet nicht, daß das Ganze übertrieben ist. Wen interessierte hier eine exakte Schilderung griechischer Verhältnisse? Zu Recht sagt Barsby zu 438-439, die Übertreibung hinsichtlich des Alters, in dem junge Männer öffentliche Ämter bekämen, sei plautinisch. In Athen sei das offenbar erst mit 30 Jahren möglich gewesen. Die politischen Termini (die auf einen griechischen Kontext appliziert sein könnten) seien römisch, aber auch teilweise der Inhalt (in Athen entschied das Los, in Rom die Abstimmung über Ämter). 64 Zu der weithin plautinischen Machart der Tiraden fügt sich die Beobachtung, daß in 437-450 römisch-juristische Termini begegnen. 65 472-473 sind unklar. Ludus kann ex Samo nur sagen, wenn b e i d e Bacchides daher kommen. Vielleicht wurde das in den verlorenen Anfangsszenen exponiert. III 4 - III 6 Für die Besprechung der Szenen III 4 - III 6 wird auf B I 2-5 verwiesen, weil in diesem Fall der Papyrus sichere Erkenntnisse über den Unterschied zwischen griechischer und römischer Dramaturgie zuläßt. IV 1 Auch bei Menander wird ein Unterhändler des Offiziers erschienen sein. Ob es ein einfacher Sklave oder ein Parasit war, ist nicht zu entscheiden. Bei Plautus dient der Parasit nur dazu, eine etwas begriffsstutzige Figur abzugeben, die Gegenstand des Witzes ist. Er wird von einem Sklaven begleitet, der zaghaft, wahrscheinlich aber: normal an 63 Ein Beispiel für dieses Vorgehen bei Terenz ist Antiphos Monolog Eun. III 4, der ebenso wie sein Sprecher eine Erfindung des römischen Dichters ist (Lefèvre 2003, 65-67): Leo (der den Monolog Terenz zuschreibt) und Fraenkel (der ihn Menander zuschreibt) heben das griechische Kolorit hervor. 64 Nach Schottlaender 1973, 238 sind „einige der drolligsten Übertreibungen unzweifelhaft Plautinisch, denn sie stehen zu griechischer Sitte im Widerspruch und beziehen ihren Witz aus römischen Verhältnissen. […] In Athen war die Tatsache, daß mit Eintritt in die Ephebie, also spätestens am 18. Geburtstag des Zöglings, der Pädagoge seiner Dienste ledig war, zu gut bekannt, als daß man eine ‚gute alte Zeit‘ hätte erdichten können, in der die Aufsicht soviel länger dauerte. Den Römern, die die ganze Einrichtung erst seit kurzem kannten, konnte man so etwas vormachen; und echt stadtrömisch ist auch der überaus komische Kontrast zwischen der Befehlsgewalt des Pädagogen und dem gleichzeitigen Start des Zöglings in der demokratischen Ämterlaufbahn“ (438). 65 Cloud 1983, 99-100: postulatum / postulatio (442 / 449), iniuria (443), prouocatur (444), iure dicto (448), pugnis (450). C. Struktur 94 die Tür der Schwestern klopft, was der Auftraggeber ironisch kommentiert (579-581), der dann selbst das pultare übernimmt. Dieses Intermezzo ist handlungsmäßig überflüssig, aber es dient dazu, mit dem öffnenden Pistoclerus über das uiris extentare (585) ins Gespräch zu kommen - ein sicher plautinisches Theater der Rede. IV 2 Der Gesprächspartner des Parasiten war bei Menander offenbar nicht Moschos, sondern Syros. 66 Erstens mußte dieser über die Ankunft des Miles informiert werden, zweitens paßt die Verbivelitatio (soweit sie auf Menander zurückgeht) mehr zu zwei Bedienten. Von dem Dialog 583-605 enthalten nur 589-591 eine Information, die bezeichnenderweise mit paucis eingeleitet wird. Alles andere ist witziges Hin und Her zwischen Dentifrangibulus und Integumentum. Mit der Aufnahme dieser originellen Schmähwörter ist der Dialog zu Ende (605). Nach Ladewig liefert IV 2 zu den ‚dramaturgischen fehlern dieses stückes‘ einen stattlichen Beitrag: „Zuerst ist es seltsam, dass der parasit sich mit der einfachen angabe abspeisen lässt, die Bacchis I [= die samische Bacchis] liebe jetzt den soldaten nicht mehr, liebe einen andern, s. v. 593. Wie, sollte der parasit nicht voraussehen, dass Cleomachus doch auch zu wissen wünschen werde, wer denn sein jetzt bevorzugter nebenbuhler sei? Seltsam allerdings, doch noch nicht das seltsamste. Vs. 599 sagt der Parasit zum Pistoclerus drohend: Tuo ego istaec igitur dicam illi periclo. Was in aller welt kann dem Pistoclerus für eine gefahr erwachsen, wenn der parasit dem soldaten meldet, ein gewisser jemand - denn ja auch den namen des Pistoclerus, den er in 587 mit adolescens anredet, kennt der parasit nicht - habe ihn barsch von der thüre der Bacchis abgewiesen? Doch der parasit kann sich mehr aus dem finger saugen, als andere menschen, berichtet er doch seinem herrn 842-43 - denn von wem sollte es Cleomachus sonst wissen? - dass es Mnesilochus, Nicobuli filius, sei, der ihn aus der gunst seiner Bacchis verdrängt habe, ja dass dieser Mnesilochus, Nicobuli filius, ihm die Bacchis per vim zurückhalte! “ 67 Ladewig sieht richtig, daß die ‚gerügten fehler‘ sich leicht hätten vermeiden lassen, wenn Crusalus statt Pistoclerus den Parasiten abgewiesen hätte. 68 Warum ist Syros durch Pistoclerus ersetzt? Es wird sich ergeben, daß IV 3 vermutlich ganz von Plautus stammt, der offenbar die totale Ratlosigkeit von Mnesilochus und Pistoclerus zeigen will, um Crusalus’ 66 B II 3 (S. 56). 67 (1861) 2001, 152. 68 (1861) 2001, 154. I. Die Diskontinuität der Bacchides 95 Allmächtigkeit um so wirksamer zu demonstrieren. Zu diesem Zweck muß der Sklave dann nach ihnen auftreten und folglich in IV 2 ersetzt werden, wofür sich der wenig beschäftigte Pistoclerus anbietet. Auch Pistoclerus’ abschließender Monolog 606-611 paßt besser in den Mund des Sklaven, der Ratgeber des jungen Herrn ist, als in den des Freunds. Aber Plautus möchte Crusalus lieber im Triumph (IV 4) als in Verlegenheit zeigen. Stellung von IV 1 / 2 im Dis Exapaton Bei Plautus verpuffen IV 1 / 2 in ihrer dramatischen Wirkung, besser gesagt: Sie haben keine dramatische Wirkung. Es handelt sich um ein komisches Intermezzo, an dem der Zuschauer per se seine Freude hat. Der Umstand, daß Cleomachus bald selbst erscheinen und Geld fordern werde, war Pistoclerus aus I 1 bekannt: 69 Er konnte das Mnesilochus am Ende von III 6 mitteilen. Wenn aber bei Menander der Parasit auf Syros traf und dieser erfuhr, daß Sostratos sogleich martialisch bedroht werde, konnte der Sklave den kairov" nutzen und dem den stratiwvth" beobachtenden Nicobulus 200 Philippi ablisten (IV 8). Diese war sehr wahrscheinlich bei Menander die einzige ajpavth der zweiten Stückhälfte. Plautus brauchte hingegen viel Platz für die sehr wirksamen Späßchen mit dem ersten (und später mit dem zweiten) Brief. Aus diesen Überlegungen folgt, daß IV 1 / 2 im Original dem Cleomachus-Auftritt IV 8 in nicht so großer Distanz wie bei Plautus vorhergingen. Wie dynamisch die menandrische Handlung offenbar fortschritt, zeigt die Rekonstruktion des vierten Akts des Dis Exapaton. 70 IV 3 Monolog und Dialog in IV 3 entstammen in der vorliegenden Form schon deshalb nicht dem Original, weil es sich um ein Canticum handelt. 71 Es ist klar, daß menandrische Monologe und Dialoge nicht einfach in Cantica umgesetzt werden können, da sie in der Gedankenführung dynamisch, diese dagegen statisch sind. In der Tat bringen Mo- 69 47-48 wird die Ankunft des Miles angedeutet und darauf hingewiesen, daß man darüber sogleich im Haus besser sprechen und auch auf ihn warten könne. 70 C II 1 (S. 152-153). 71 Zu dem Monolog Stürner 2011, 44 und besonders 103: Es werde „die Klage des Mnesilochus über seinen Irrtum zu einer ebenso vergnüglichen wie grotesken Karikatur verzerrt: Von einem lebensvollen Abbild des Inneren bleibt nicht die Spur.“ Nach Stürner ist Mnesilochus Vertreter eines bestimmten Rollen- Typus, der sich ebenso ungeniert wie unrealistisch in Pose wirft. C. Struktur 96 nolog und Dialog in IV 3 bei Plautus nichts Neues, sondern malen in überaus kunstvoller Gestaltung die bekannte Situation aus. Es geht Plautus darum, die Niedergeschlagenheit der Jünglinge besonders herauszustellen, damit Crusalus’ späterer Erfolg sich um so leuchtender darstelle. Die «sontuosità stilistica» des Monologs und den «vero ‹tour de force› metrico» des Dialogs legt Questa treffend dar. 72 Seine metrische Analyse von 612-670 73 nimmt De Nonno 74 auf. 75 IV 4 ‹autocelebrazione di Crisalo› 76 Crusalus erscheint mit einem gewichtigen Triumphlied (640b-666), 77 mit einem Auftrittscouplet wie seine Nachfahren in der Wiener Volksposse. Er strotzt nur so von Selbstbewußtsein; „gaudio triumphat, & de se multa gloriosè prædicat.“ 78 De Nonno spricht von einer ‹aria di trionfo›, 79 Stürner von einer „jener bombastischen, mit militärischer Metaphorik angereicherten Selbstgratulationen, wie man sie von Plautus’ Sklavenfiguren gemeinhin kennt.“ 80 Es sieht nicht nach Menander aus, daß der triumphierende Sklave einen langen Monolog hält, während die Jünglinge in höchster Anspannung darauf warten, mit ihm sprechen zu können; 81 «il palcoscenico greco (è da credere) non avrebbe ammesso un indugio […], in cui due personaggi, di nient’altro desiderosi che di parlare con un terzo, aspettano invece pazientemente che questi si esibisca in un’aria di trionfo, fastosa ed elaborata - rutilante di suoni come 72 1985, 55. 73 1995, 94-99. 74 1997, 11-15. 75 Lambinus (1576) 1622, 395 erklärt 635: „si quid mihi sit, non pollicear, neque expectem, dum roger, sed vltro dem“ und 636: „sed nisi ames, vt ego amo, non credam tibi istuc, quod dicis, te si habeas mihi esse daturum, nunc autem, quia amas alteram Bacchidem: facile credo tibi, te nihil habere, quod mihi dare possis: nam qui amant, ferè nudi sunt, inanes atque inopes neque quidquam habent, quod alteri dent, quòd si quid habent, sibi habent non alteri.“ 76 De Nonno 1997, 13. 77 Dazu Blume 1997, 9-10; Slater 2000, 84-85; Stürner 2011, 180-183. 78 Lambinus (1576) 1622, 397. 79 1997, 13. 80 2011, 180-181. 81 „Das szenische Arrangement des Auftritts entspricht ganz der für Plautus typischen Gestaltung der Zutrittssituation und wäre für Menander fraglos undenkbar gewesen“ (Stürner 2011, 181 mit Verweis auf S. 78-89: ‚Belauschte Zutritte‘). I. Die Diskontinuität der Bacchides 97 quella di un virtuoso dei melodrammi di Haendel in stile italiano - ma strutturalmente gratuita». 82 Das ausufernde Lied ist ein eindrückliches Beispiel für die strukturelle Diskontinuität der plautinischen Komödie. Nach Fraenkel bestehen wesentliche Partien aus dem ‚Flitter‘, „den Plautus über die allerverschiedensten Stücke ausstreut“. Das gelte sowohl für die Glorifikation des Sklaven (640-648) 83 als auch für den Sklavenspiegel (649-661). 84 „Der dritte Abschnitt, von 662 an, sitzt ganz fest im Gefüge der Handlung. Das Auftreten des Sklaven wird erst hier motiviert, dann wird auf den gegenwärtigen Stand der Intrigen hingewiesen. Es folgt das Erblicken des Herrn; daraus ergibt sich die Überleitung zu dem folgenden Dialog. Hier ist nichts, was nicht annähernd in dem kurzen Monologe des Originals gestanden haben müßte; nur die Erwähnung des Zehnten für den Hercules und die daraus abgeleitete Skurrilität (V. 665sq.) ist ein römisches Ornament“. Danach verbleiben sieben handlungsgebundene Verse für die Vorlage. „Dagegen dröhnen uns in den beiden ersten Teilen die prächtigsten Klänge ins Ohr und mahnen lebhaft an die Weise der Tragödie. Das beginnt mit den wirkungsvollen Anaphern in den stolzen Parallelsätzen der ersten beiden Verse des Liedes, setzt sich dann fort in callidum senem callidis dolis compulit et perpulit und gibt überhaupt dieser ganzen prächtig dahinrauschenden Lobpreisung ihren Charakter. Aber auch in dem zweiten Teile klingeln die Figuren (Wiederholung von pectus 652. 53. 59; improbis cum improbus sit 656), am vernehmlichsten kurz vor dem Schluß: (660) bonus sit bonis, malus sit malis (vgl. Ennius trag. 271R. bene bonis sit, male malis). Die Einfachheit in den folgenden Äußerungen des Sklaven hebt sich davon sehr deutlich ab.“ 85 Im Anschluß an Fraenkel ist es auch für Questa «evidente che in Menandro quelli che sono ora i vv. plautini 640-40a dovevano essere quasi immediatamente seguiti dal dialogo di Pistoclero e Mnesiloco con Crisalo, il quale, entrando in scena, appena aveva il tempo di osservare l’espres- 82 Questa 1985, 56. Nach Blume 1997, 9 bringt das Canticum (wie auch das Canticum in IV 9) „die Handlung zum Stillstand“. 83 Gliederung nach Leo 1897, 110, der Fraenkel folgt. Vgl. Stürner 2011, 180. 84 „Für die moralisierenden Expektorationen des Chrysalus ist ohne Zweifel derselbe Autor verantwortlich, der Harpax im Pseudolus (1103ff.) ganz im Widerspruch zu den Voraussetzungen des Spiels einen eingehenden Exkurs über den servus frugi in den Mund legen kann, nur weil dieser eben ein Sklave ist, oder den vom Fischen heimkehrenden Gripus im Rudens (906ff.) mit einem gnomischen Erguss über die Sklavenpflichten bedenkt, weil dieser in treulicher Erfüllung der Befehle seines Herrn einen für ihn selbst vielversprechenden Fang gemacht hat“ (Stürner 2011, 181). 85 1922, 353-354. C. Struktur 98 sione affranta dei due giovani (vv. 668-70).» 86 Kurz: Crusalus’ Monodie zeichnet sich durch das ‚Plautinische‘ 87 aus. 88 Es ist plautinische Technik, daß der Sklave so früh triumphiert. Wird selbst das Troia-Canticum zu eilig angestimmt, gilt das für dieses Lied erst recht. Erneut ist der Vergleich mit dem Pseudolus lehrreich. 89 Crusalus rühmt sich 640b-648 eines duplex facinus: 640b hunc hominem decet auro expendi, huic decet statuam statui ex auro: nam duplex hodie facinus feci, duplicibus spoliis sum adfectus. [1] erum maiorem meum ut ego hodie lusi lepide, ut ludificatust! callidum senem callidis dolis compuli et perpuli mi omnia ut crederet. 645 [2] nunc amanti ero, filio senis quicum ego bibo, quicum edo et amo, regias copias aureasque optuli ut domo sumeret neu foris quaereret. Aus dem einen Faktum der Lügenerzählung macht Crusalus zwei Taten: die Überlistung des Alten (642-644) und die Beschaffung des Gelds für den Jungen (645-648). Geistreicher wurde das Paradoxon ‚zwei auf einen Streich‘ selten vorgerechnet. 90 Des Rätsels Lösung: Die Lügenerzählung ist bei Menander Mittel zum Zweck, in Plautus’ saturnalischer Welt hat sie Eigenwert. 91 86 1985, 56. 87 Zwierlein 1992, 339 verurteilt von Crusalus’ Solo 640b-670 rund zwei Drittel (20 Verse) als nachplautinisch: 641, 646, 649-662, 665-666, 669-670. 88 “The elaborate language of the first two sections is characteristically Plautine, as is the extended self-congratulation of the slave and the philosophising on slave behaviour; and there are further signs of Plautine workmanship in the military imagery of 640f, the illusion-stretching reference to other slaves in comedy at 649f, and the Roman allusion and transformation conundrum at 665f. There is therefore every justification for seeing the whole monody as essentially an invention by Plautus, based perhaps on a brief monologue in Menander where the slave simply referred to his successful deception of the father and wondered what use his young master had made of it” (Barsby 1986, 152). 89 D II 12 (S. 181). 90 «il doppio facinus consiste per lo schiavo nell’aver beffato il vecchio ed aver così ottenuto per Mnesiloco, suo compagno di baldorie, regias copias aureasque. Ma questa duplicazione è un elemento introdotto sul momento da Plauto per magnificare ancor più l’impresa dello schiavo, perché deve essere accuratamente rilevato come tutto il piano di Crisalo, fallito per la precipitazione di Mnesiloco, ingigantisca s o l o o r a nella mente dello schiavo alle proporzioni di un duplex facinus. Però tutto questo si esaurisce nella battuta momentanea, non ha nessun significato nella struttura della commedia e solo serve a rendere più solenne il ritorno in scena di Crisalo» (Questa 1985, 56-57). - Eine etwas um die Ecke herum gedachte Erklärung, die duplex mit dem Titel des Originals in Beziehung setzt, findet sich bei Damen 1995 (2), 18-22. 91 Mißverstanden von Zwierlein 1992, 278 (und schon von Anspach 1882, 35, den er gegen Lefèvre 1978 (2), 526-528 ausspielt). I. Die Diskontinuität der Bacchides 99 Nachdem Crusalus den Gang der Handlung selbstgefällig aufgehalten hat (640b-666), geruht er, sich 667 den wartenden Jünglingen zuzuwenden, deren Gespräch seine Arie rigoros unterbrochen hat. Die im Canticum zur Schau gestellte Überheblichkeit setzt sich fort: In der Saturnaliensituation behandelt Crusalus die Partner durchweg wie dumme Jungen. Er spricht als Imperator: impero (702); imperauisti / imperatum (726); imperatum (733); in Pistoclerus’ bewunderndem Ausruf o imperatorem probum! (759) gipfelt die Szene. Daß er befiehlt (iussisti / iubebo, 726 / 729), versteht sich von selbst. Eine Dreistigkeit plautinischer Sklaven ist es, daß sie in ihrer Geschäftigkeit auf Fragen der Herren nicht antworten. Crusalus stellt auf Mnesilochus’ Frage quid nunc es facturus? id mi dice eine völlig unverständliche Gegenfrage: coctumst prandium? (716). Mnesilochus’ Frage quid id exquiris? bescheidet er mit der läppischen Antwort res itast, dici volo (721). Der Frage nach dem Grund seines Tuns begegnet er mit der beliebten selbstherrlichen Antwort quia mi lubet (751). Diese Äußerungen dienen zudem der Erhöhung der Spannung: «il pubblico è tenuto in sospeso, perché non sa come il piano di Crisalo andrà a realizzarsi». 92 Nur wenige Informationen und Argumente, die die Handlung weiterbringen, dürften von Menander stammen - alles andere ist überhebliches Triumphieren und Gewitzel des römischen Sklaven. 708 gibt es einen (plautinischen) Vorverweis auf den dritten Betrug: hoc (sc. den zweiten Betrug) ubi egero, tum istuc (sc. den dritten Betrug) agam. IV 5 Questa erwägt zu Recht, der Monolog sei ‹cemento plautino›. 93 Crusalus soll noch einmal gebührend auf sein insanum magnum negotium (761) hinweisen. Die Verse sind schon aus inhaltlichen Gründen plautinisch. Zum einen zeigt das der abgefeimte Ton im Blick auf den Senex, 94 zum anderen bezieht sich Crusalus auf den von Plautus eingeschobenen Brief, der Nicobulus vor dem Sklaven warnt und ihn in die rechte Rage bringt. Die psychologische Strategie 95 birgt ein - bewußtes - Risiko. Immer wieder ist Crusalus Pseudolus’ Bruder im Geist. 92 Del Corno 1973, 130. 93 1985, 37. 94 766: uersabo ego illum hodie. Dazu Turnebus: „apud Plautum versare fallere est, quod tractum videtur a piscibus qui, dum assantur, versantur“ (Clementi 2009, 178). 767: Das Wortspiel frictum illum / frictum cicer könnte im ersten Fall auf fricare (abreiben, betrügen), im zweiten auf frigere (rösten) beruhen. 95 B II 1 Punkt 7 (S. 47). C. Struktur 100 IV 6 / 7 Ist das erkannt, ergibt sich die Konsequenz, daß die Dialoge zwischen Crusalus und Nicobulus IV 6 und IV 7 zum größten Teil von Plautus stammen. Die Szenen leben von dem Warnbrief und der hinter ihm stehenden Haltung des Sklaven. Das gilt für Nicobulus’ Gang in das Haus, das Herausrufen des lorarius und die Fesselung des scheinbar Überraschten, die auf Mnesilochus’ Warnung in dem Brief zurückgeht, Nicobulus solle Crusalus nicht schlagen, aber doch fesseln (746-747). Es wäre müßig, danach zu fragen, ob der eine oder andere Passus eine Entsprechung bei Menander hatte. 96 Der Höhepunkt der abenteuerlichen Auseinandersetzung zwischen altem Herrn und Sklaven ist wiederum plautinischen Ursprungs. Auf Nicobulus’ Befehl, Crusalus zu fesseln, entgegnet dieser in überheblicher Weise, der Senex werde ihm nicht nur das Geld geben, sondern ihn sogar bitten, es anzunehmen (824-825): C H . atqui iam dabis. 825 N I . d a b o ? C H . atque orabis me quidem ultro ut auferam. Das entspricht ziemlich genau Pseudolus’ Worten an Simo (Pseud. 508-511): P S . tu mi hercle argentum d a b i s , aps te equidem sumam. S I . tu a me sumes? P S . strenue. 510 S I . excludito mi hercle oculum, si dedero. P S . d a b i s . iam dico ut a me caueas. Da sich im Pseudolus die plautinische Herkunft zeigen läßt, 97 besteht kein Anlaß, die Bacchides-Stelle anders zu erklären. 839 fragt Crusalus Nicobulus, ob das wohl eine meretrix sei, die bei Mnesilochus liege, was der Alte bejaht. Darauf entgegnet Crusalus: frustra’s (840). Wenn er damit meint, Nicobulus werde noch (fälschlich) erfahren, daß es Cleomachus’ Frau sei, ist festzustellen, daß er einen detaillierten Plan hat, der nirgends mitgeteilt wird. 96 815 sagt Crusalus über Nicobulus, der nicht merkt, daß er betrogen wird: atque in eopse astas lapide, ut praeco praedicat. Dazu Turnebus: „Lapis autem locus eminens erat et tanquam suggestus, unde praeco praedicabat atque vendebat. Pollux: oJ de; tovpo": prath; r livqo" kai; pwlhthvrion [Onon. 3, 126]. Inde emptos de lapide tribunus, ut servos vaenales, dixit contumeliose Cicero [In Pis. 35]. Et Plautus: […]. Sic et Athenienses interdum suggestum vocabant, ut apud Aristophanem: tw' / livqw/ prosevstamen [Ach. 683]“ (Clementi 2009, 179). Das Bild dürfte plautinisch sein (Barsby 1986, 161 führt dafür drei Gründe an). 97 Lefèvre 1977, 451-453; 1997, 24-26, vgl. D II 12 (S. 180). I. Die Diskontinuität der Bacchides 101 IV 8 Es ist sehr wahrscheinlich, daß Plautus den größten Teil des vierten Akts mit dem einzigen Ziel neu gestaltet, den Triumph des Sklaven auf jede nur erdenkliche Weise vorzubereiten. Nach der Sequenz IV 3 - IV 7, die sich weitgehend im Verbalen und Affektischen erschöpft, geht die ‹falsariga menandrea› erst mit dem stürmischen Auftritt des Soldaten in IV 8 weiter, der Höhepunkt der raffinierten und doch einfachen Intrige Menanders ist. Wenn zu bemängeln war, 98 daß Nicobulus Cleomachus nicht sofort ausbezahlt - er verfügt über genügend Geld im Haus, das er von Mnesilochus erhalten hat -, mag einer der Gründe für die Änderung darin liegen, daß wieder die beliebte dabo / dabis- Formel angewendet werden kann, die 824-825 aufnimmt. Denn prompt sagt Nicobulus das, was Crusalus ihm vorhergesagt hat (880-883): 880 N I . quam mox dico ‚dabo‘? C H . roga hunc tu, tu p r o m i t t e huic. N I . p r o m i t t o , roga. C L . ducentos nummos aureos Philippos probos d a b i n ? C H . ‚d a b u n t u r ‘ inque. responde. N I . d a b o . Zu dieser typisch römischen Gepflogenheit der Stipulation gehört das ‚Versprechen‘ einer Leistung (promittere). 99 Sie kann nur dann praktiziert werden, wenn Nicobulus nicht sofort, sondern erst später zahlt. Daß Plautus danach weitere Eindichtungen vornimmt, ist schon beobachtet worden. 100 Questa bezeichnet (wie 875) 886-889 als plautinischen Einschub. 101 Fast alles dient dazu, Crusalus den Soldaten in größerem Maß als bei Menander schmähen und den Sieg um so mehr auskosten zu lassen. Je genuiner Plautus seine Personen schimpfen läßt, desto schwieriger ist es oft, die Skurrilitäten zu verstehen. 102 Stürner hat überdies zwei Auffälligkeiten der Szene herausgestellt, die sich mit Menanders Gepflogenheiten nicht vereinbaren lassen: den 98 B I 2 Punkt 9 (S. 158). 99 D II 12 (S. 180). 100 Dazu D II 8 (S. 173). 101 1985, 58. 102 Nowicki 1999, 101-110 und Dutsch 2006, 420-425 widmen 887-889 bzw. 884- 889 gelehrte Untersuchungen, während Zwierlein 1992, 84-85 nach Anspach 884-901 tilgt; laut Deufert 2002, 172 haben 887ff. ‚Glossierung‘ erlitten . Zu 887-889 merkt Turnebus an: „Veruinam quatuor syllabarum esse crediderim et obeliscum significare, id est parvum veru et tanquam vericulum. Se enim eum minatur veru confossurum. Nec enim caesim ferit veru, sed punctim, nec obtruncat, sed confodit. Soricina naenia non aliud quicquam videtur esse quam cantiuncula quaedam celebris de confosso sorice, qui, dum rodit, suo indicio plerunque confoditur. Proinde canebatur sorex <qui> [suppl. Lefèvre] suo indicio confossus periit, aut aliud quiddam simile.“ (Clementi 2009, 179). C. Struktur 102 übermäßigen Gebrauch des Aparte 103 und die inhaltlichen Unwahrscheinlichkeiten. 104 Danach ging Nicobulus im Original wohl zur ajgorav . Bei Plautus bleibt er entweder auf der Bühne 105 oder geht ab bzw. in sein Haus. 106 Im ersten Fall stünde er während des Triumphgesangs untätig auf der Bühne herum, im zweiten käme er gegen dessen Ende aus dem Haus. IV 9: Crusalus’ Troia-Canticum (925-978) „Haec Scena Plautinissima est.“ 107 Das Troia-Canticum, das „die Handlung zum Stillstand“ bringt, 108 ist das wohl brillanteste Gleichnis der römischen Literatur. 109 Wie Sosias Schlachtbericht ein echtes Kind der plautinischen Muse, entschädigt es pro sua parte für den Verlust der Tragödie: Kraft und Klang der Sprache suchen ihresgleichen. Um so bedauerlicher ist es, daß der tönende Triumphgesang, dessen Duktus den Hörer mitreißt und ihm die Berauschung wichtiger erscheinen läßt als die Berechnung, seit 140 Jahren ein Schlachtfeld der Plautus-Erklärung ist, auf dem die disiecti membra poetae anklagend umherliegen. Unempfänglich für den Gesang der Sirenen, gelingt es vielen Philologen nicht, es Odysseus nachzutun. Aus der Masse der Literatur heben sich zwei Arbeiten heraus: Fraenkels souveräne Darlegung der plautinischen Gleichniskunst 110 und Gai- 103 In C I 3 f ausführlich zitiert (S. 134). 104 „Wie die technische wirkt freilich auch die inhaltliche Ausführung des Zutrittsmonologs am Maßstab Menanders gemessen wenig befriedigend. Es ist mit psychologischer Wahrscheinlichkeit letztlich nicht vereinbar, wenn sich Cleomachus zuerst in der emotionalen Phase des betrogenen Ehemanns wünscht, Mnesilochus mit Bacchis zu ertappen und zu töten, um dann die Verschonung des Jünglings und seiner Geliebten plötzlich wieder ganz von der Zahlung des Ablösepreises […] abhängig zu machen. Auch muss man sich fragen, wie es kommt, dass Cleomachus sicher zu wissen glaubt, Mnesilochus sei im Bacchis-Haus, wenn doch Pistoclerus dies in IV 2 dem Parasiten gegenüber mit keinem Wort erwähnt hat und der miles später von Chrysalus ganz einfach wissen möchte: ubi erus tuus est (872)? Doch mehr noch: Woher weiß Cleomachus überhaupt von der Ankunft des Mnesilochus, woher kennt er ihn, den Namen seines Vaters Nicobulus und später auch noch ohne weiteres seinen Sklaven Chrysalus, den er doch nie zuvor gesehen hat? “ (2011, 184-185). Die letzten Erwägungen zeigen, daß Plautus auch in anderen Szenen geändert hat. 105 Cod. B; Del Corno 1973, 153; Barsby 1986, 171; Stürner 2011, 190-191. 106 Leo, Lindsay, Rau, Questa, de Melo. 107 Taubmann 1612, 501. 108 Blume 1997, 9 (der ebenso über Crusalus’ Canticum in IV 4 urteilt). 109 Letzte eingehende Behandlung bei Stürner 2011, 186-191. 110 1922, 61-72. I. Die Diskontinuität der Bacchides 103 sers scharfsinniger Nachweis eines Menander-Kerns. 111 Den Gegenpol bilden die Untersuchungen von Jocelyn und Zwierlein. Nach Jocelyn sind nur 953-960 von Plautus; 925-931 stammten aus einer anderen Komödie (Kontamination), 932 aus nachplautinischer Zeit, 933-936 und 941-944 wieder aus einer anderen, möglicherweise plautinischen, Komödie, 937-940 von “some literary student of an already interpolated script of the Bacchides”, 945-952 entweder von demselben Verfasser wie 937-940 (der “perhaps stupid enough” sei) oder wahrscheinlicher von einem zweiten Leser, der “chanced his pen at extending vv. 933-936, 941-944”, 961 von einem Schauspieler, 962-977 schließlich von einem noch anderen Verfasser, von dem nicht zu sagen sei, ob er Schauspieler oder Leser ist. 112 Gesteht Jocelyn Plautus acht Verse zu (953-960), finden diese keine Gnade vor Zwierlein, der Plautus sechs andere Verse beläßt (933-936, 943-944). Er rechnet mit zwei Bearbeitern, deren zweiter, ein „Centoist in großem Maßstab“, „den ersten an Inkonsequenz weit in den Schatten stellt, indem er nicht nur disparate Zuordnungen von Figuren des Stückes zu mythischen Personen erfindet, sondern auch Chrysalus die Taten, die er als zweiter Ulixes bei der ‚Belagerung von Ilion‘ vollbringt, in chronologisch verkehrter Reihenfolge erzählen läßt.“ Herausgekommen sei ein „Konglomerat dreier heterogener Trojavergleiche […], die im Laufe des Überlieferungsvorgangs ineinandergeschoben wurden.“ 113 Das Konglomerat sieht so aus: 925-930: Bearbeiter I 945-952: Bearbeiter II 931: Bearbeiter II 953-960: Bearbeiter I 932: Bearbeiter I 961: Bearbeiter II 933-936: P l a u t u s 962-965: Bearbeiter I 937-940: Bearbeiter II 966-972: Bearbeiter II 941-942: Bearbeiter I 973-977: Bearbeiter I 943-944: P l a u t u s Jocelyns und Zwierleins Hackbrett ist das Resultat einer Philologie, die den Plautus-Text wie eine Rechenaufgabe behandelt. Plautinische Gleichnisse sind aber keine mathematischen Gleichungen. 114 Freilich gibt es Vorgänger. Das 19. Jahrhundert verfährt bei der Athetese nicht zimperlich. Im einzelnen ergibt sich folgendes Bild: 115 111 1970, 72-78. 112 1969, 142-151. 113 1992, 38-45. 114 «Jocelyn, uomo ammirevole per erudizione e informazione bibliografica, non può capire Plauto: egli non sa ridere né sorridere» (Questa 1985, 57 Anm. 42). 115 Questa 2008, 80 teilt die vier Verse 953-956 in acht (953 / 953a; 954 / 954a; 955 / 955a; 956 / 956a [‚trochaicum systema sedecim metrorum‘: 2008, 106]). Dieser Zählung (jetzt auch bei de Melo 2011, 466) wird in der vorliegenden Abhandlung gefolgt - mit Ausnahme in der Tabelle, der die Zählung der zitierten Autoren zugrunde liegt. Sie entspricht Questas Doppelversen. C. Struktur 104 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 Ki Br An We La Le Li Fr Th Er Jo Br Ga DC Qu Ba Lf Zw Ra Qu dM St 925 x x 926 x x 927 x x 928 x x 929 x x 930 x x x 931 x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x 932 x x 933 x 934 x 935 x 936 x 937 x x x x x x x x 938 x x x x x x x x 939 x x x x x x x x 940 x x x x x x x x 941 x x 942 x x 943 x 944 x 945 x x x x x x 946 x x x x x x x x x 947 x x x x x x x x x x x 948 x x x x x x x x x x x 949 x x x x x x 950 x x x x x x 951 x x x x x x 952 x x x x x x 953 x x 954 x x 955 x x 956 x x 957 x x 958 x x 959 x ? x 960 x x 961 x x x x x 962 x x x x x x x x x x x x x 963 x x x x x x x x x x x x x 964 x x x x x x x x x x x x x 965 x x x x x x x x x x x x x 966 x x x x x x 967 x x x x x x 968 x x x x x 969 x x x x x 970 x x x x x 971 x x x x x 972 x x x x x 973 x x x x x 974 x x x x x 975 x x x x x 976 x x x x x x x 977 x x x x x x x I. Die Diskontinuität der Bacchides 105 Legende: 1: Kiessling (1878, 4-6) 2. Brachmann (1880, 108-110) 3: Anspach (1882, 42-43) 4: Weise (1883, 20-25) 5: Langen (1886, 264) 6: Leo (1895, I, 163-165) 7: Lindsay (1904) 8: Fraenkel (1922, 66 Anm. 1) 9: Thierfelder (1929, 4 / 32 / 67) 10: Ernout (1957, 64 Anm. 1) 116 11: Jocelyn (1969, 138-151) 12: Braun (1970, 37) 13: Gaiser (1970, 73-75) 14: Del Corno (1973, 153-159) 15: Questa (1985, 69-70, 78) 16: Barsby (1986, 76-78) 117 17: Lefèvre (1988, 209-227) 18: Zwierlein (1992, 13) 19: Rau (2007, 86-91) 20: Questa (2008, 78-81) 21: de Melo (2011, 462-468) 22: Stürner (2011, 188-189) 118 Man sieht: Es gibt keinen Vers, der nicht Plautus abgesprochen wird. Kann es richtig sein, diesen ingeniösen Triumphgesang als ein späteres Machwerk - als ‚farraginem sententiarum‘ 119 - zu betrachten? 120 Das Verständnis des Canticum 121 hängt wesentlich davon ab, daß der Aufbau erfaßt wird. Natürlich liegt bei Plautus weder eine gefällige Komposition des ganzen noch eine kunstvolle Entsprechung des einzelnen vor. Aber die individuelle Stelle bezieht ihre Bedeutung oft aus dem unmittelbar Vorhergehenden. Bei der assoziativen Verknüpfung ist immer darauf zu achten, ob es sich um Weiterentwicklung, Ausschmückung, Variation handelt oder um den Übergang zu einem neuen Komplex, in dem die bis dahin gebrauchten Gedanken, Begriffe, Bilder in anderer Beleuchtung erscheinen. Die Gliederung ist am besten von Fraenkel dargelegt. Sie wird in einigen Punkten, besonders am Anfang und am Schluß, zu präzisieren sein. Darüber hinaus ist eine Reihe von Stellen anders zu erklären und vor allem vor der Athetese zu bewahren. Fraenkel sieht das Canticum als „eine freie Schöpfung des Plautus“ an. 122 Demgegenüber versucht Gaiser einen menandrischen Kern nachzuweisen: In Teil I (932-952) seien Crusalus’ Betrügereien mit zwei 116 Möglicherweise seien auch 937-940, 962-965, 973-977 interpoliert. 117 “Coherence would certainly be improved by omitting 937-40, 945-52, and 962- 5” (1986, 171). 118 Auch 949-952 dürften nach Stürner „an ihrem Platze letztlich nicht haltbar sein, da sie inhaltlich allzu sehr in der Luft hängen. Entweder müssen sie - was mir plausibler erscheint - hinter 946 gestellt oder aber getilgt werden.“ 119 Weise 1883, 20 (der nicht dieser Meinung ist). 120 Bemerkenswert ist der Wandel von Questas Urteil: „nuperrime scioli quidam […] exstiterunt qui canticum frustillatim decisum discerptumque modo huic modo illi modo balbutienti magistello modo denique nesciocui malo poetae Plauti simiae tribuerint quasi pueri ludibundi: secludendis versibus ipse nimis indulseram quod piget pudetque“ (2008, 78). 121 Die folgenden Ausführungen versuchen den einzelnen mythologischen Identifikationen nachzuspüren, um ihre Logik zu erfassen. Allgemeine Betrachtungen: Damen 1995 (1), 24-31, Impressionen: Skafte Jensen 1997, 315-323. 122 1922, 66. Der These schließt sich Webster 1960, 131 an. C. Struktur 106 Taten des Troia-Bezwingers Odysseus, in Teil II (ab 953) mit drei Fata Troias verglichen. Der erste Teil gehe auf Menander, der zweite auf Plautus zurück. 123 Damit ist eine wichtige Spur gelegt. Sie wird aber nicht dazu führen, fest ausgrenzbare Teile als original zu erweisen. Plautus entwickelt vielmehr Menanders Idee weiter, ja läßt sie wuchern und komponiert das Lied in der Tat völlig frei. Es wird folgende Gliederung (nach Questas Zählung) vorgeschlagen: 925-934 Proömium: Triumph über Priamus / Nicobulus o 935-952 1. Hauptteil: Dritte fallacia 935-948: Ankündigung der dritten fallacia o 949-952: Begründung des Vergleichs Crusalus / Ulixes x 953-972 2. Hauptteil: Drei fallaciae Exposition 953-956a: Drei fata Troias 954: 1. Raub des Palladiums 954a: 2. Troilus’ Tod 955-955a: 3. Einreißen des Stadttors o/ x Ausführung 957-972: Drei fallaciae 957-958: 1. Lügenerzählung 960-970: 2. Erste Briefintrige 971-972: 3. Zweite Briefintrige x 973-977 Coda: Triumph über Priamus / Nicobulus o = einleitendes nam, x = Metrumwechsel 925-934 Proömium: Triumph über Priamus / Nicobulus Crusalus’ Gesamtaktion wird vorgestellt. Die Erlistung von 400 Philippi ist als einheitliche Tat aufgefaßt. Der Vergleich wird in der Art eingeführt, wie er bis zum Ende das Lied beherrscht: Die Einnahme Troias durch die Griechen ist der Vergleichspunkt für Nicobulus’ Überlistung durch Crusalus. Während es Plautus liebt, das Vergleichende und das Verglichene gleichzusetzen - auch in diesem Canticum ist das fast durchweg der Fall -, geht er in der Einleitung schulmäßig vor: Die Vergleichspartikel praeut in 929 124 trennt das Vergleichende und das Verglichene, ja die vorher positiv fungierenden Begleitumstände werden ausdrücklich in negierter Form wieder aufgenommen: s i n e classe s i n e que exercitu et tanto numero militum (930). Das heißt: Das Triumphlied beginnt mit vier schweren jambischen Oktonaren die Eroberung Troias zu feiern, ohne die Einführung der ungewöhnlichen Thematik im geringsten anzudeuten. Der Grund dürfte sein, daß auf diese Weise mitten in der Komödie ein unverwechselbar ‚tragisches‘ Lied beginnt. Man denkt an Andromaches Klage in Ennius’ Andromache, die Cicero in den Tusculanae Disputationes mit Rührung zitiert (3, 44): 123 1970, 76. 124 Zu dem schwierigen Vers: Moretti 1988, 131-139; Traina (1991) 1994, 31-36, der sich Morettis Deutung («la presa di Troia non fu nemmeno una pezza da piedi in confronto a quello che farà Crisalo») anschließt (nicht aber ihrer ‹fantasiosa ipotesi› einer plautinischen Anspielung auf Aischylos’ Agamemnon). I. Die Diskontinuität der Bacchides 107 o pater, o patria, o Priami domus, saeptum altisono cardine templum! uidi ego te adstante ope barbarica tectis caelatis laqueatis, auro ebore instructam regifice. Auch Crusalus trägt eine lamentatio vor (lamentari, 932), und indem er unmittelbar auf diese Ankündigung das Vergleichende mit dem Verglichenen identifiziert, entsteht ein komischer Kontrast (933-934): 125 o Troia, o patria, o Pergamum, o Priame periisti senex, qui misere male mulcabere quadringentis Philippis aureis. Die Parodie kann allgemein sein oder ein Bezug auf bestimmte Stücke wie Naevius’ Equos Troianus 126 oder Ennius’ Andromache vorliegen. 127 Die Wirkung war gleich. 925-934 128 sind eine Einleitung nicht nur in den Inhalt, sondern auch in die Metaphorik des Canticum, insofern von vornherein für Nicobulus ein doppelter Vergleichspunkt geschaffen ist: Er wird sowohl mit Troia als auch mit Priamus gleichgesetzt. Aus dieser «‹sovrapponibilità› o ‹intercambiabilità› dell’immagine» 129 entwickelt sich die überbordende Metaphorik des uferlosen Lieds. 935-952: 1. Hauptteil: Dritte fallacia Der erste Hauptteil umfaßt zwei Abschnitte: 935-948: Ankündigung der dritten fallacia 949-952: Begründung des Vergleichs Crusalus / Ulixes 125 Das gilt um so mehr, als 933 einzigartig ausgearbeitet ist: «La funzione eccezionale del v. 933 emerge netta anche dall’essere l’unico, nei vv. 925-977 comunque giudicati, a presentare allitterazione quadrimembre unita ad anafora; questa, dal canto suo, forma una nuova allitterazione quadrimembre, sì che nel verso abbiamo ben tre parole-chiave in quanto interessate dalle due serie allitteranti (/ o/ e / p/ ): o patria, o Pergamum, o Priame (o Troia e periisti sono interessati, ciascuno, dalla serie che rispettivamente aprono e chiudono): l’allitterazione lega e ‹sovrappone› patria e Pergamum a Priamus. Il v. 933 è dunque un vero ‹nido› di valori connotativi e può considerarsi l’ ojmfalov" della piccola Iliade plautina, la matrice delle due identificazioni che sono la struttura portante del brano: Nicobulo-Priamo e Nicobulo-Troia» (Questa 1985, 72-73). Auch Jocelyn 1969, 144 ist der Ansicht, daß 933 “parodies contemporary tragedy in a typical fashion”. 126 Ribbeck 1875, 48; Jocelyn 1969, 145 mit Anm. 58; Questa 1985, 73 Anm. 55. 127 An die zitierten Verse (= scen. 92ff. V 3 ) denken Fraenkel 1922, 67; Questa 1985, 73 Anm. 55 (entschieden); Barsby 1986, 173 (vorsichtig). 128 931 gilt seit Kiessling 1878, 8 für unecht: „Chrysalus a Nicobulo id aurum quo filio erili opus est nondum extricavit, sed in eo ipso est ut stolido seni verba det. Neque quod praecedit futurum ‚praeut ego erum expugnabo meum‘ cum perfectis ‚cepi expugnavi‘ conciliari potest.“ Soll man verstehen, daß er den Beweis (cepi, expugnavi, nämlich bei den ersten beiden fallaciae) für die Behauptung in 929 / 930 (expugnabo, nämlich bei der dritten fallacia) enthält? 129 Questa 1985, 72. C. Struktur 108 Der Zuschauer ist überrascht, wenn er Crusalus’ Einleitung entnimmt, daß Nicobulus um 400 Philippi geprellt werden soll, da bisher nur von 200 die Rede war. Außerdem wird es höchste Zeit, daß Crusalus erklärt, wieso er einen Brief in der Hand hält, wo er doch den Brief, um den es bis dahin ging, Nicobulus in IV 6 überliefert hat. Die Verwirrung des Zuschauers mußte behoben werden. Darum ist es konsequent, daß Crusalus den folgenden Teil - wie später noch zweimal (949 / 957) - mit dem begründenden nam einleitet. So weit, so logisch. Doch dann wird Plautus, wie immer, wenn er argumentiert, breit, umständlich und sogar verschroben - wenn nur der Witz prägnant ist. Die ganzen 14 Verse legen nichts weiter dar, als daß mit Hilfe des Briefs ein - weiterer (sogar das ist zu ergänzen) - Anschlag auf Nicobulus geplant ist. W a s gesagt wird, ist wenig. Aber w i e ist das gesagt! Zunächst wird die Identifikation Brief = Hölzernes Pferd vorangestellt (935-936), sodann folgen die weiteren Identifikationen Pistoclerus = Epius, Mnesilochus = Sino, Crusalus = Ulixes. Welche Skurrilität! Gerade diese wird Plautus von Brachmann, Leo, Fraenkel, Thierfelder, Jocelyn, Braun, Gaiser und Zwierlein abgesprochen, die die Verse 937- 940, die in A nicht überliefert sind, als nachplautinisch qualifizieren. 130 Es ist weder stichhaltig, daß sie (1) den Zusammenhang von 936 und 941 stören noch daß sie (2) sich nicht mit 946-948 vertragen. Zu (1): In 936 ist vom Hölzernen Pferd die Rede; es ist also naheliegend, daß darauf Epius und Sino erwähnt werden. Dann folgt ein ganz anderer Gesichtspunkt, indem das Hölzerne Pferd nicht in toto, sondern in partibus der Identifikationsmanier unterworfen wird: Seine Soldaten sind die Buchstaben des Briefs. 131 Dieser neue Gedanke wird als deuvtero" plou'" der Deutung entsprechend mit tum eingeführt (941). Klarer kann kaum argumentiert werden, ja tum gibt nur beim Vorhandensein von 937-940 vollen Sinn. Zu (2): Die Identifikationskette 946-948 erregt einerseits als solche, andererseits im Zusammenhang mit 937- 940 Anstoß - zu Unrecht. Es ist ein Grundfehler der Plautus-Interpretation, Reißbrettstimmigkeit zu postulieren. Sowenig das für die Folge ganzer Szenen gilt, sowenig trifft das auf die Kohärenz kleinerer Passagen zu. Plautus spinnt oft nur den einzelnen Gedanken weiter: D a r i n ist er konsequent. Er denkt sozusagen kata; stivcon. Warum sollte es unerlaubt sein, daß Mnesilochus in 937 mit Sino, in 947 mit Paris und Crusalus in 940 mit Ulixes, in 946 mit Ulixes u n d Agamemno gleichgesetzt wird? Das sind weder Dubletten noch Widersprüche. Die Identifikationsreihe von 937-940 ist, was nicht bestritten wird, in sich stimmig. In 945-948 läuft der Gedankengang ebenfalls in sich stimmig ab: Zunächst kommt die Gleichsetzung Nicobulus = Ilion (945) und damit die Troia-Situation überhaupt in den Blick. Da liegt es nahe, nach Pendants für Menelaus (= miles), Agamemno (= Crusalus), Paris (= Mnesilochus) und Helena (= samische Bacchis) zu suchen und - geistreich zu finden. 132 Das ist ausgesprochen folgerichtig, aber, wie bei Plautus üblich, auf die Stelle bezogen: Um der augenblicklichen witzigen Wirkung willen wendet er die Gedanken hin und her, zuweilen auch - wie hier - um. Es ist nicht einzusehen, warum man in diesem Fall an den Doppelidentifikationen (937-940 / 946-948) Anstoß nimmt, nicht aber an dem Umstand, daß sich Crusalus-Ulixes bereits im ersten Vers des Lieds mit den Atriden identifiziert oder daß er in 930 sagt, er habe keine ‚Truppen‘, in 971-972 aber Belohnung für seine ‚Truppen‘ erstreiten will. Solche ‚Wider- 130 Nach 944 fügen sie Questa 2008, 79 (auch schon in der Ausgabe von 1965; dagegen Arnott 1967, 137) und de Melo 2011, 464 ein. 131 „Daß diese kühnen und skurrilen Identifikationen echte Kinder der plautinischen Phantasie sind, das braucht jetzt nicht mehr näher ausgeführt zu werden“ (Fraenkel 1922, 68, anders Jocelyn und Zwierlein). 132 So Barsby 1986, 175 (weiter unten zitiert). I. Die Diskontinuität der Bacchides 109 sprüche‘ sind echter Plautus: „Wenn in einer Arie […] ein Einzelzug die Stelle an der er steht irgendwie wirksamer gemacht hat, so hat er damit seine Schuldigkeit getan und ist erledigt; der Hörer soll ihn nicht aufbewahren und mit Entfernterem kombinieren. Im Anfang des Liedes erscheint der Triumph des Sklaven glorioser, wenn er erklärt, er habe im Gegensatz zu den Atriden seine Heldentaten ausgeführt sine classe sineque exercitu et tanto numero militum (V. 930). Das hindert ihn keineswegs daran am Schluß das übliche praeda-Motiv so auszugestalten (971): nunc alteris etiam ducentis usus est, qui dispensentur Ilio capto, ut sit mulsum qui triumphent milites“. 133 Diese Assoziationsphantasie ist in dem Canticum noch öfter zu beobachten. Es wird Zeit, auf die beiden Stellen als solche einzugehen. Daß Pistoclerus mit Epius verglichen wird, ist etwas gesucht 134 und muß erklärt werden: ab eo haec sumptae (Kiessling statt des überlieferten sumpta). Das gründet sich darauf, daß er das Schreibmaterial nach 715 aus dem Haus holt. Gewiß, ohne ihn kein Brief (= Hölzernes Pferd), aber die eigentliche Pointe liegt in der Identifikation von Mnesilochus und Sino, an die ein doppelter Witz geknüpft wird. Mnesilochus ist zwar nicht der Überbringer, sondern der Absender des Briefs, aber doch Sino vergleichbar, da der Erfinder von Brief und Pferd Crusalus-Ulixes ist; Mnesilochus ist Mittler wie Sino. Da verfällt Plautus (wer sonst? ) auf die Idee, den Zug des Mythos, daß Sino von Achilles’ Grabmal aus den Griechen das Feuersignal gibt, 135 so zu nutzen, daß er dort ‚liege‘, Mnesilochus hingegen im Bett liege, und zwar mit Bacchis; und während Sino mit dem Feuer (aktiv) das Signal gebe, werde Mnesilochus vom Feuer (passiv) verbrannt. Wer diese geistreichen Kontrastassoziationen Plautus abspricht, tut dem genialen Umbrer Unrecht. 136 Die zweite Assoziationskette 946-948 halten Weise, 137 Leo, Lindsay, Ernout, Del Corno, Barsby, Lefèvre, Rau, Questa, de Melo, Stürner. Fraenkel erkennt 946 „eigentümlich plautinische Färbung“ zu. 138 Gegen 947-948 spricht nach ihm, daß Mnesilochus hier nicht wie seine Mitstreiter auf seiten der Griechen, sondern der Trojaner steht. Doch ist dem entgegenzuhalten, daß umgekehrt Cleomachus in 946 nicht auf seiten der Trojaner, sondern der Griechen steht. Wenn man Seitenwechsel nicht akzeptieren will, muß man 946 wie 947-948 behandeln. Daß schulmeisterlicher Ra- 133 Fraenkel 1922, 72; vgl. 69-70 zu 946: „Sonderbar scheint zunächst die Doppelgleichung, durch die Chrysalus sowohl zu Agamemnon wie zu Odysseus wird; man erkennt freilich sogleich, wie dadurch der Hymnus auf die Potenz und die Leistung des Sklaven grotesk gesteigert ist. Daß Plautus die Häufung mythologischer Namen und Begebenheiten liebt, auch wo eines neben dem andern vernünftigerweise nicht bestehen kann, wird noch nachgewiesen werden.“ Dort Beispiele für „zum Teil noch viel tollere Nebeneinanderstellungen“. 134 Barsby 1986, 174: ‘far-fetched’; hingegen Questa 1985, 71: «Nulla di strano, dunque, che al v. 937, il quale si ricollega anche alla situazione dei vv. 715, 726 sgg., Crisalo possa dire: ‹Pistoclero è Epeo, lui è andato a prenderle›, tenendo ben in vista le preziose tabellae.» Doch bedenke man (oder nicht? ), daß Pistoclerus Material für den ersten Brief holte, Crusalus aber den zweiten in der Hand hält. 135 Apollod. Epit. 5, 19: Sivnwn aujtoi'" (sc. toi'" ”Ellhsi) ajpo; tou' Acillevw" tavfou purso; n h|pten. 136 Man beachte auch das großartige Wortspiel in arcem / in arcam in 943 (dazu Fraenkel 1922, 69). 137 Er stellt 946 hinter 948: 1883, 22. 138 1922, 66 Anm. 1. C. Struktur 110 tionalismus in mythologicis Plautus nicht gerecht wird, lehrt die Dreizahl der trojanischen fata, bei denen sich Crusalus zwei Taten, die Ulixes, und eine, horribile lectu, die Achilles begangen hat, vindiziert: die Troili mors (954a). Und dieses Mythologumenon steht in der einzigen Partie, die Jocelyn für Plautus übrig läßt (953- 960). Übte Plautus mythologische Pedanterie, brauchte er nur Mnesilochus als Menelaus und Cleomachus als Paris zu bezeichnen, dem Crusalus-Ulixes Bacchis- Helena entreißt. Aber Plautus ist weder Apollodor noch Hygin - glücklicherweise. Es sei gestattet, das mythologische Spiel noch einmal durchzurechnen: Mnesilochus ist Nicobulus’ Sohn, der mit Crusalus gegen den Vater ‚kämpft‘. Ist der Vater Trojaner (Priamus), muß auch der Sohn Trojaner sein (Paris). Auf ihn trifft also die mythologische Tragik vollkommen zu, qui erit exitio rei patriae suae (947). 139 Das ist eine höchst geistreiche Pointe, 140 die man getrost Plautus zutrauen sollte. Somit läßt Plautus Crusalus den dritten Betrug, der dem Unternehmen gegen Nicobulus die Krone aufsetzen soll, in schier übermütigster Metaphorik direkt und indirekt ankündigen. Bevor Plautus auf die vorhergehenden Apatai zu sprechen kommt, läßt er Crusalus in einem kurzen Passus erklären, inwiefern der Vergleich Ulixes / Crusalus gerechtfertigt ist. Denn nach dem Identifikationswirbel 945-948, in dem sich Crusalus zuletzt als Ulixes Lartius bezeichnet (946), liegt es nahe, eine Begründung für die kühne Behauptung zu geben. 141 Daher werden 949-952 mit nam eingeleitet wie schon die Ankündigung der dritten Apate 935-948. Plautus geht wiederum assoziativ vor. Er legt dar, daß im Blick auf Ulixes und Crusalus das tertium comparationis nicht nur Erfindungsreichtum, sondern vor allem wagemutige Verschlagenheit ist (audacem et malum, 949). Um das zu verdeutlichen, spielt er darauf an, daß Ulixes bei dem - von Homer d 244-258 erzählten - Spähergang in Troia wie Crusalus bei der Überreichung des Briefs ertappt wird, sich aber durch List befreien kann. Auf die Vergleichbarkeit der doli beider Helden kommt es besonders an: dolis me exemi: item se ille seruauit dolis (952): Crusalus als poluvmhti" und poluvtropo"! 949-952 sind im Kontext des bisher betrachteten Lieds voll verständlich. Probleme ergeben sich erst, wenn man Ulixes’ Spähergang mit einem der trojanischen fata in Zusammenhang zu bringen versucht. Darauf wird zurückzukommen sein. 953-972: 2. Hauptteil: Drei fallaciae Crusalus beginnt das Canticum in der triumphierenden Absicht, den dritten Betrug anzukündigen. Das ist 948 abgeschlossen. Da er in 949-952 begründen will, wieso er sich mit Ulixes vergleicht, kommt er auf vorhergehende Taten sowohl bei diesem als auch bei sich zu sprechen. Damit ist die Weiche gestellt, einen Überblick über die Zahl der Streiche insgesamt zu geben. Wenn es schon Menander wichtig ist, diese im Titel (Dis Exapaton) hervorzuheben, muß Plautus auf die Betonung ihrer Anzahl um so mehr Wert legen, als er sie vergrößert. Der zweite Hauptteil bringt 139 Fraenkel hätte also besser 946 als 947-948 getilgt. Gut Questa 1985, 69, 946 sei «comprensibile solo ove si accetti quella (sc. identificazione) di Mnesiloco con Paride-Alessandro (v. 947) e di Bacchide II con Elena (v. 948).» 140 Barsby 1986 sagt zu 945-948, daß die “identifications of the characters in the play with the heroes of the Trojan War become even more ingenious”. 141 Daß 949 an 946 anschließt, betont Fraenkel 1922, 66 Anm. 1, doch bedeutet das nicht, wie dargelegt, daß deshalb 947-948 nachplautinisch sind. I. Die Diskontinuität der Bacchides 111 somit etwas ganz Neues. Das wird durch Metrumwechsel - Übergang von jambischen zu trochäischen Oktonaren - markiert. Er umfaßt folgende Abschnitte: Exposition 953-956a: Drei fata Troias 1. 954: 1. Raub des Palladiums 2. 954a: 2. Troilus’ Tod 3. 955-955a 3. Einreißen des Stadttors Ausführung 957-972: Drei fallaciae 1. 957-958 1. Lügenerzählung 2. 960-970 2. Erste Briefintrige 3. 971-972: 3. Zweite Briefintrige Die Parallele zwischen Nicobulus’ Überlistung und Troias Eroberung wird nunmehr vollständig entwickelt. Da der Alte dreimal betrogen wird, stellt Plautus drei Etappen zusammen, die zum Fall Troias beitragen. Dabei geht er systematisch vor, indem er zunächst die drei fata Troias exponiert (953-956a) und sodann ausführt, inwiefern ihnen Crusalus’ Aktionen zu vergleichen sind (957-972). Die Vergleiche 1. fatum / 1. fallacia und 3. f a t u m / 3. fallacia machen keine Schwierigkeiten, wohl aber der Vergleich 2. fatum / 2. fallacia. 142 1. fatum (954) / 1. fallacia (957-958): Der Raub des Palladiums durch Ulixes wird mit Crusalus’ Lügenerzählung verglichen. Plautus braucht auf die römische Variante des Mythos keine Rücksicht zu nehmen, nach der Ulixes und Diomedes nur eine Nachbildung des Palladiums rauben, Aeneas aber das Original nach Italien bringt, das später im Vesta-Tempel aufbewahrt wird. 143 Die griechische Version ist gewiß von der tragischen Bühne her bekannt und wird von Plautus unbefangen im Pseudolus verwendet, wenn sich Simo vergewissern will, ob Pseudolus-Ulixes das Mädchen schon aus Ballios Gewalt entführt habe: uisso quid rerum meus Ulixes egerit, | iamne habeat signum ex arce Ballionia (1063-1064). 2. fatum (954a) / 2. fallacia (960-970): Die Troili mors wird mit der ersten Briefintrige verglichen. Hierbei ergeben sich Schwierigkeiten. Zunächst ist auffällig, daß sich Crusalus, der sich bisher überwiegend als Ulixes und einmal als Agamemno ausgibt, nunmehr mit Achilles (der Troilus erschlägt) gleichsetzt. Aber selbst diese Identifikationsverschiebung 144 hält sich noch im Rahmen plautinischer Technik. 145 Deshalb athetiert außer Anspach und Zwierlein niemand 960, kaum jemand 961. Doch dann folgt mit 962-965 eine Partie, vor der außer Kiessling, Weise, Langen, Lindsay, Del Corno, Lefèvre, de Melo die in der Übersicht genannten Forscher 146 142 Über die verschiedenen Versionen der fata Troias Apollod. Epit. 5, 10-11 und Serv. zu Aen. 2, 13. 143 Ov. Fast. 6, 433-436. 144 „In diesem Zusammenhange kommt es nur auf die Tat, gar nicht auf den Täter an; es hieße die Absicht des Plautus völlig verkennen, wenn man ihm vorrükken wollte, daß Chrysalus ja soeben mit Odysseus identifiziert worden ist, also nicht kurz darauf die Achillestat ausführen kann. Man darf allerdings fragen, ob einem griechischen Dichter dergleichen zuzutrauen wäre; für Plautus ist gerade dies Ungefähr der Beziehungen, wo ein Realisieren bis ins Einzelne hinein nicht möglich, aber vom Dichter auch in keiner Weise nahe gelegt ist, höchst bezeichnend“ (Fraenkel 1922, 71). 145 Questa 1985, 77 erwägt, daß Plautus Quellen («tragedie, con ogni probabilità») kenne, in denen Ulixes, nicht Achilles Troilus töte. Vgl. auch im folgenden. 146 Barsby und Ernout sind, wie vermerkt (S. 105), unsicher. C. Struktur 112 die Waffen strecken. Denn Crusalus fährt fort, die zweite Apate auch mit Ulixes in Verbindung zu bringen, und zwar mit dem Spähergang nach Troia, bei dem ihn Helena erkennt. Die Gelehrten machen sich wenig Mühe, Plautus’ Gedankengang ernstzunehmen. Man setzt Palladiumraub (erste fallacia) und Spähergang (zweite fallacia) in eins und glaubt an eine unheilvolle Verquickung der Aktionen. Kiessling versucht wenigstens, die Verse zu retten und an die Darlegung der ersten fallacia anzuschließen (also 962-965 nach 958 zu stellen). 147 Die meisten streichen die ganze Partie. 148 Doch sehe man zu, wie genau Plautus argumentiert. Er spielt bereits bei der ersten Erwähnung der zweiten fallacia (der ersten Briefintrige) auf Ulixes’ Spähergang an: 950-952. Denn nur bei ihm wird Ulixes, als Bettler verkleidet, von Helena ertappt und windet er sich mit List heraus. Damit wird Crusalus’ Ertapptwerden bei der zweiten fallacia verglichen. Denn nur bei ihr wird er gefesselt (uinctus sum, 952) und windet er sich mit List heraus: in IV 7. Palladiumraub und Spähergang sind also als zwei getrennte Aktionen zu betrachten wie bei [Eur.] Rh. 501-507. Den Spähergang erzählt Homer (d 244-258), den Palladiumraub zusätzlich die Kleine Ilias (Schol. d 247). Beide Aktionen scheidet auch Plautus. Während er den Palladiumraub als ein fatum Troias bezeichnen kann, ist das bei dem Spähergang, der kein ‚konkretes‘ Ergebnis bringt, nicht möglich. Daher setzt er Troilus’ Tod als zweites fatum ein. 149 Aber er braucht das Ertapptwerden bei Ulixes’ Spähergang, um es Crusalus’ Ertapptwerden bei der zweiten Apate zu vergleichen. Deshalb erwähnt er dort, wo von den fata noch nicht die Rede ist, nur den Spähergang (950-952) und dort, wo die fata im Blick sind (960-970), zunächst die Troili mors, vergleicht aber der Gefährlichkeit des - von Achilles ausgeführten - Unternehmens Ulixes’ Ertapptwerden beim Spähergang. Plautus sagt deutlich, daß er zwei verschiedene Vergleiche gebraucht. Der Spähergang ist ein Vergleich für den Vergleich der zweiten fallacia mit dem Troilus-Tod. Mit adsimilo gibt er geradezu schulmeisterlich den Vorgang der Vergleichsanwendung an: Die Überreichung der (ersten) tabellae entspricht Troilus’ Tod (960); dabei kam Crusalus in eine Situation, aus der er sich nur mit Mühe herauswindet (962); diese Gefahr vergleicht er Ulixes’ Spähergang: atque id periclum a d s i m i l o , Ulixem ut praedicant | cognitum ab Helena esse proditum Hecubae; sed ut olim ille se | blanditiis exemit et persuasit se ut amitteret, | i t e m ego dolis me illo extuli e periclo et decepi senem (962-965). Wann ist Plautus logischer? Es ist ein Grundfehler der Interpretation des Lieds, daß Palladiumraub (1. fatum / 1. fallacia) und Spähergang (in der Ausführung des 2. fatum / der 2. fallacia) nicht 150 auseinandergehalten werden. 151 Beim Spähergang folgt Plautus der Version, nach der Helena Hekabe von der Entdeckung des Eindringlings erzählt (Eur. Hek. 239-250). Diese Variante, in der Ulixes größter Gefahr ausgesetzt ist, kommt Plautus’ Absicht entgegen. Er wird auch sie aus römischen Tragödien kennen. 966-970 resumieren IV 8. me illo extuli e periclo et decepi senem (965) nimmt Bezug auf 850-871, poste […] | […] hominem reppuli (966-967) auf 872-904, dein 147 1878, 16. 148 Scafoglio 2005, 632-638 hält sie: Plautus spiele auf Ennius’ Hecuba an. 149 Der Vergleichspunkt ist insofern passend, als Crusalus dabei auch gegen den miles Cleomachus ‚kämpfte‘ (Questa 1985, 79): poste cum magnifico milite, urbes uerbis qui inermus capit, | conflixi atque hominem reppuli (966-967). 150 Gut und sorgfältig sind die Bemerkungen von Barsby 1986, 175 (zu 949-952). 151 Vermischt begegnen sie bei Apollod. Epit. 5, 13: ( Odusseu; " ) gnwrisqei; " de; uJpo; ÔElevnh" di ejkeivnh" to; pallavdion e[kleye […]. I. Die Diskontinuität der Bacchides 113 pugnam conserui seni: | […] | cepi spolia (967-969) auf 905-918, 152 is nunc ducentos nummos […] | […] dabit (969-970) auf 919-920. 3. fatum (955-955a) / 3. fallacia (971-972): Das Einreißen des phrygischen Tors wird mit der zweiten Briefintrige verglichen. Zunächst ist das dritte fatum zu erklären. Im ersten Hauptteil wird die dritte fallacia der Erfindung des Hölzernen Pferds gleichgesetzt (935-948). Deshalb ist bei dem dritten fatum in 955-955a von dem Einreißen des phrygischen (= trojanischen) Tors die Rede, womit das Skäische Tor gemeint ist. 153 Durch dieses wird das Hölzerne Pferd in die Stadt geführt, wozu das limen superum 154 gesprengt werden muß. Als fatum wird das Geschehen verstanden, weil sich dort Laomedons Grab befindet. 155 Mit diesem Vorgang wird die dritte fallacia verglichen: Die Erbeutung der zweiten Geldsumme entspricht der Einnahme Troais, dem Ilium captum (972). Demgemäß ruft Crusalus 987-988, nachdem er Nicobulus den zweiten Brief ausgehändigt hat, aus: nunc superum limen scinditur, nunc adest exitium Ilio. | turbat equos lepide ligneus. Die Metaphorik wird konsequent über das Canticum hinaus verfolgt. In 971-972 spielt sie aus dem Bereich der griechischen Mythologie in die Vorstellungswelt römischer Triumphe hinüber. 156 Auch hier kennt die plautinische Phantasie keine Grenzen. 973-977 Coda: Triumph über Priamus / Nicobulus Der Schluß des Triumphgesangs, der bei Leo, Thierfelder, Jocelyn, Gaiser und Zwierlein keinen Anklang findet, greift deutlich auf die Einleitung zurück. Wieder wird Nicobulus als Priamus bezeichnet. 157 Darin liegt also nichts Ungewöhnliches. Wieder zieht Plautus einen besonderen Aspekt seiner Vergleichspalette heran: Priamus verliert 50 Söhne, Nicobulus aber 400 (Philippi)! 158 Dann wird das Zahlenspiel in typisch plautinischer Weise noch verwegener, indem Crusalus prahlt, er erledige 152 Auf IV 8 bezieht sich auch mendacium (968), nicht auf die Lügenerzählung der ersten fallacia, wie Kiessling 1878, 16 annimmt. 153 Serv. zu Aen. 2, 241. 154 Der obere Balken (‘upper beam, lintel’: OLD; ‘architrave’: Questa 1985, 76). 155 nam nouimus integro sepulcro Laomedontis, quod super portam Scaeam fuerat, tuta fuisse fata Troiana (Serv. zu Aen. 2, 241). 156 Barsby 1986, 178 (zu 971-972). Er macht die ansprechende Beobachtung, daß Plautus mit V. 972 (Ilio capto, ut sit mulsum qui triumphent milites), den Leo 1897, 31 als tr 7 liest, “slips into the trochaic septenarius, which was the traditional metre for such songs (Suet. Jul. 49. 4, 51)”. Auch Lindsay und Rau 2007, 368 fassen den Vers trochäisch auf, während sich Braun 1970, 37-38; Questa 2008, 107 und de Melo 2011, 621 für jambischen Rhythmus entscheiden. 157 „Der Hauptteil lebt von der Gleichsetzung des Nicobulus mit Ilium, trotzdem wird der Alte in der lamentatio (V. 932) und am Schluß als Priamus angesehn. Das Ilium-Motiv hat eben nur so lange Wert, als es sich um die Ausgestaltung der […] Vorstellung von der Bestürmung und schließlichen Eroberung des oppidum anticum et vetus handelt; außerhalb dieses Zusammenhangs tritt die an sich näher liegende Gleichsetzung mit dem greisen Könige ein“ (Fraenkel 1922, 71). 158 Fontaine 2006, 280-284 sieht einen ‘pun’ darin, daß man 974 Philippos erwarte, Crusalus aber filios sage (trotz den unterschiedlichen Quantitäten). C. Struktur 114 omnis […] duobus solis ictibus (975): sozusagen 400 auf zwei Streiche! Wenn man hierin mit Ritschl 159 und Questa 160 eine Anspielung auf den menandrischen Titel sieht, ergibt sich die zusätzliche Pointe, daß der griechische di; ; " ejxapatw'n 200, der römische aber 400 Philippi erbeutet. Wem anders als Plautus wollte man den geistreichen Bezug zutrauen? Doch damit nicht genug: Crusalus will nach der Eroberung Troias Priamus als Sklaven verkaufen (976-977). Das ist nicht nur auf der mythologischen Ebene “a ludicrous contrast with the epic tradition of Priam’s death”, 161 sondern ergibt das Paradox, daß der Sklave den Freien ‚verkaufen‘ möchte. Führen die letzten fünf Verse nur vorhergehende Bilder weiter aus, bestünde noch immer kein Grund, sie Plautus abzusprechen. Tatsächlich aber bieten sie drei neue äußerst witzige Bilder. Wenn es nicht Plautus ist, müßte es ein zweiter Plautus sein, der diese rauschende Coda für Crusalus’ Triumphgesang ersinnt. Wenn man einen Blick auf die G l i e d e r u n g des Canticum zurückwirft, ergibt sich, daß Plautus bei aller überbordenden Phantasie ein übersichtliches Gebilde komponiert. Allerdings handelt es sich um keine Abhandlung über Abfolge und Bedeutung der drei fallaciae. Vielmehr wächst das Lied ganz aus der Handlung heraus, indem es den dritten Betrug, von dem bisher noch nicht die Rede war, ankündigt. Plautus geht folgerichtig vor: Im Proömium sind zur Überraschung des Zuschauers 400 Philippi genannt, was sodann im ersten Hauptteil (935- 952) erklärt wird. Dieser folgt aus dem Proömium und ist deshalb mit nam eingeleitet. In ihm ist Crusalus hauptsächlich mit Ulixes gleichgesetzt. Das wird in der zweiten Hälfte eigens begründet, die daher ebenfalls mit nam beginnt (949). Der zweite Hauptteil (953-972) setzt neu ein, indem er darlegt, daß es insgesamt drei fallaciae gibt. Auf die Exposition folgt 957 die Ausführung, die erläuternden Charakter hat; wieder wird das durch einleitendes nam unterstrichen. Somit ist durch diese Konjunktion signalisiert, daß der erste Hauptteil das Proömium und jeweils die zweite Hälfte der Hauptteile deren erste Hälfte begründet. Plautus denkt und argumentiert fortlaufend ‚von oben nach unten‘, nicht aber nach einem am Reißbrett entwickelten Schema. Trotzdem sind beide Hauptteile etwa gleich lang (18 und 20 Verse). Ein zweites Gliederungsmittel ist der Metrumwechsel. Der zweite Hauptteil setzt sich vom ersten ebenso durch Metrumwechsel (ia 8 / tr 7 ) wie in ihm die Ausführung (957-972) von der Exposition (953-956a) ab (tr 7 / ia 8 ). Wenn man die schwierigen Verse 969-972 als Trochäen auffaßt, 162 wäre auch die Coda durch Metrumwechsel abgetrennt (tr / ia 8 ), 159 1845, 405. 160 1985, 79 («una sicura allusione al titolo del modello greco, ma, se è così, fino a che punto può qui vedersi la mano di un retractator? »). 161 Barsby 1986, 178 (zu 976-977). 162 Leo 1895, 165; 1897, 31; Lindsay 1904 (Schema metr.); Rau 2007, 368. Dagegen Questa 2008, 106-107: 969 trochaicus septenarius, 970 iambicus quaternarius, 971-972 iambi continuati qui dicuntur (ebenso de Melo 2011, 621). I. Die Diskontinuität der Bacchides 115 wobei der jambische Oktonar am Ende wie am Anfang das Lied bestimmt. Aber auch dieses Gliederungsmittel verwendet Plautus nur unterstützend, nicht pedantisch. Plautus’ Art, ‚von oben nach unten‘ zu dichten, bedingt die A s s o z i a t i o n als Gedankenverknüpfung. Es versteht sich, daß es dabei zu stets wechselnden Aspekten kommt, die bei einer ins Unendliche fortgeführten Metapher wie dem Crusalus-Canticum leicht als ‚Widersprüche‘ aufgefaßt werden können - sicher zu Unrecht. Hier seien zwei weitere Beispiele aus den Bacchides erwähnt, an denen niemand Anstoß nimmt. In dem berühmten ‚Schafduett‘ (Fraenkel) 1120-1148 werden Nicobulus und Philoxenus von den Hetären despektierlich als oues bezeichnet und die Metapher breit ausgesponnen. Wenn aber die Alten (die vorher selbst von sich als oues sprechen) einen anderen Aspekt im Auge haben, nämlich gegen die Verführerinnen vorzugehen, charakterisieren sie sich ohne weiteres als arietes (1148). Und während 1124-1128 glänzende Wolle als Zeichen von Reichtum verstanden wird, bedeutet kurz darauf das Fehlen von Wolle, daß die Schafe alt seien (1134). Plautus’ Metaphern changieren vielfältig innerhalb kürzester Zusammenhänge. ego Agamemno, idem Ulixes Lartius (946) ist ein typisches Beispiel für dieses Schillern. 163 Wie Ovid verfügt Plautus über eine „immer wache Aufmerksamkeit für alle sich ergebenden logischen Konsequenzen“. 164 In diesem Fall entsteht eine exuberante Kette des Vergleichens, die durch immer neue Assoziationen zu einer der hybridesten, aber auch faszinierendsten Metaphern der römischen Literatur führt. Zum Schluß ist zu fragen, ob das Canticum für die A n a l y s e ergiebig ist. Gaisers Ansicht, daß ihm ein menandrischer Kern zugrunde liege, ist schon zitiert. Wenn sich auch die These nicht halten läßt, 932- 952 (zwei fallaciae) gingen auf Menander, 953-972 (drei fallaciae) auf Plautus zurück, dürfte es zutreffen, daß Menander in irgendeiner Form schon den Vergleich von Crusalus’ (zwei) fallaciae mit Odysseus’ (zwei) Unternehmungen, Spähergang und Hölzernes Pferd, kannte. Es handelt sich um ein bekanntes Junktim, das Helena in der Odysseia erzählt (d 244-258, 271-289): Die ‚theoretische‘ Leistung (Spähergang) konnte Crusalus’ Lügenerzählung, die ‚praktische‘ (Hölzernes Pferd) der entscheidenden Briefintrige verglichen werden. Das war ein eindrucksvoller Doppelaspekt, unter dem Syros’, des di; " ejxapatw'n, beide Taten zu würdigen waren. Ähnlich wünscht sich Knemon zwei Eigenschaften, die Perseus besaß: 165 fliegen und damit Menschen ausweichen oder sie in Steine verwandeln zu können (Dysk. 153-159). Die Annah- 163 Zu den Metaphern der Bacchides C I 3 h (S. 137-142). 164 W. Kraus, RE XVIII/ 2 (1942), 1946 = Ovid, WdF, Darmstadt 1968, 118. 165 Gaiser 1970, 77. C. Struktur 116 me eines menandrischen Kerns erklärte, weshalb bei Plautus Spähergang und Palladiumraub so verwirrend konkurrieren. Er setzte Crusalus’ Taten mit drei Unternehmungen, die etwas effektuieren, in Beziehung, zöge also den Palladiumraub 166 dem Spähergang vor. Diesen aber, den er bei Menander vorfände, benutzte er dazu, das Ertapptwerden (Fesselung) seines Helden 167 bei der zweiten fallacia zu illustrieren, ihn also als Vergleich im Vergleich zu verwenden. So erschiene der erste Vergleichsaspekt Menanders bei Plautus indirekt, der zweite direkt (dritte fallacia). Palladiumraub (erste fallacia) und Troili mors (zweite fallacia) fügte Plautus hinzu. IV 9: Dialog Nicobulus / Crusalus (979-1075) Da nach der vorgelegten Rekonstruktion Syros bei Menander Nicobulus keinen Brief überbrachte, 168 ist der ganze Dialog auf das Konto des umbrischen Dichters zu setzen. An den 97 - bzw. nach Questa 108 - Versen kann die plautinische Machart in Reinkultur studiert werden. 979-996a: Kaum eine Wendung aus der Einleitung atmet menandrischen Geist. Es handelt sich um ein Canticum, das auch inhaltlich plautinischen Geist atmet. 980-983 sind dem sicher von dem römischen Dichter stammenden Thema gewidmet, daß ausgerechnet der Lügenbold Crusalus von Nicobulus den - von ihm selbst suggerierten (907- 912) - Auftrag erhält, Mnesilochus gehörig den Kopf zu waschen. Es folgt ein Hin und Her darum, daß Nicobulus den Brief laut vorlesen möchte und Crusalus zuhören soll, dieser das aber von sich weist. Überheblich tut er so, als gehe ihn der Vorgang nichts an, obwohl er ihn eingefädelt hat. Wieder ist sein Verhalten paradox, da er doch Mnesilochus’ Brief unterstützen müßte. Die Handlung geht keinen Schritt vorwärts. perlegere steht am Anfang (986) und am Schluß (996a), so daß man einen plautinischen Einschub, besser (um nicht die menandrische Herkunft der vorhergehenden und der folgenden Partie zu suggerieren): eine plautinische ‚Witzprovinz‘ 169 konstatieren darf. 170 Die 166 Schon der Umstand, daß Diomedes’ Anteil ignoriert wird, deutet darauf hin, daß ihn erst Plautus in den Vergleich einbaut. 167 Die Fesselung begegnete bei Menander nicht, da sie aus der (plautinischen) Vorwarnung des Senex durch Crusalus selbst resultiert: B I 2 Punkt 7 (S. 47). 168 B II 3 (S. 55-57). 169 Lefèvre 1984 (1), 11 u. ö. 170 Zwierlein 1992, 48 meint, nach perlegere und perlege in 986 müsse sofort die Lektüre der zweiten Briefpassage 1007 beginnen. Das „dazwischengeschobene Geplänkel“ sei „ja ganz abwegig“. Auch die erneute Versicherung 996a und die erneute Aufforderung an den Sklaven 1005 seien „purer Nonsens“. Das ist das I. Die Diskontinuität der Bacchides 117 Haltungen der Partner stimmen zu ihren bisherigen Porträts; wenn man 979-996a für interpoliert hält, 171 geht echter Plautus verloren und mit ihm die ingeniöse Doppeldeutigkeit in 991-992, 172 daß für Nicobulus das uidere parum und nicht das satis uidere charakteristisch sei: Ein anderer durchschaute die Lage, Nicobulus nicht. 173 997-1035: Das endliche Verlesen des Briefs lebt von dem fünfmaligen Unterbrechen durch die Kommentare des Alten und des Sklaven (999-1006, 1010-1012, 1017-1018, 1023-1024, 1027). Selbst in dem einen Vers 1027 sprechen beide. Dadurch wird der lange Brief kurzweilig in kleine Sektionen aufgeteilt (997-998, 1007-1009, 1013-1016, 1019-1022, 1025-1026, 1028-1035). Während Nicobulus sich jeweils ‚zu Recht‘ zu dem Verlangen des Sohns negativ äußert, tut Crusalus dasselbe jeweils ‚zu Unrecht‘, wodurch die Einschübe einen absurden Charakter erhalten. Wenn 997-1006 interpoliert 174 wären, 175 käme Plautus um den schönen Einfall, daß Crusalus, der doch auch diese epistula diktiert haben dürfte, auf das anstößige Fehlen des Grußes hinweist und sie deshalb als inpudens bezeichnet - womit Mnesilochus’ folgendes pudet (1007) in witziger Spannung steht, da ja Crusalus ‚weiß‘, welches Mnesilochus’ nächstes Wort ist. Übrigens steht die abweisende Haltung des Sklaven im Einklang mit seiner sonst verfolgten Taktik. Zu 1001 bemerkt Lambinus: „hæc summa demum fallacia ac malitia est, cum is qui insidias alteri comparat, beneuolentiam præ se fert, & officiosi hominis orationem imitatur, & dissuadet id facere quod illum facere maxime cupit.“ Zu 1006: „vide vt seruus totus ex dolis & fallaciis concretus & conflatus, dum se Mnesilocho adversari simulat, Nicobulum capiat & illaqueet.“ 176 Besser ist Plautus’ Konzeption seines Architectus doli nicht zu beschreiben. Auch 1012 könnte wieder doppeldeutig zu verstehen sein, indem sich illorum nicht auf den Inhalt des Grundproblem der Plautus-Ästhetik: Je nach Geschmack liebt oder tadelt (und athetiert) man Maccus’ ‚abwegiges Geplänkel‘ und ‚puren Nonsens‘. 171 Zwierlein 1992, 47. 172 „minutæ sunt litteræ ei, qui videat parum, vt tibi homini seni. sed inest hic iocus e x a m b i g u o . Nam significat Chrysalus homini stolido atque hebeti, & qui parum sapiat has litteras esse minutas, sed sagaci, acuto, intelligenti & sapienti, satis esse grandeis“ (Lambinus [1576] 1622, 413 [Sperrung ad hoc], zustimmend Taubmann 1612, 504). 173 Del Corno 1973, 161 würdigt die wörtliche Bedeutung: «La battuta introduce uno scherzo senza sviluppi nella trama, probabilmente derivante dalla f a r s a t r a d i z i o n a l e » (Sperrung ad hoc). 174 Zwierlein 1992, 47. 175 tibi dico (999) ist aparte gesprochen: „[…] summissa voce, atque à Nicobulo ad spectatores auersa, tibi dico, inquit, tibi scilicet. O Nicobule, non Mnesilocho“ (Lambinus [1576] 1622, 413). 176 (1576) 1622, 413. C. Struktur 118 Briefs, sondern auf die von Crusalus diktierten Worte bezieht. 177 Eine Parallele zu der Struktur des sukzessiven Briefverlesens begegnet im Pseudolus, in dem Calidorus und sein Sklave Phoeniciums Brief kommentieren und ebenfalls ihr Spiel mit dem wiederholten legere und perlegere treiben. 178 Das scheint plautinische Technik zu sein. 1036-1066: Die Diskussion darüber, ob Nicobulus auf die Forderung des Sohns eingehen soll, trägt wiederum Plautus’ Stempel. Die Positionen sind gewissermaßen vertauscht. Crusalus rät von der Zahlung ab (um den Senex darüber in Sicherheit zu wiegen, daß er nicht an diesem Komplott beteiligt ist), und Nicobulus ist nicht davon abzubringen, das Geld sofort aus dem Haus zu holen - was er nicht tat, als Cleomachus Mnesilochus unmittelbar bedrohte, und es jetzt tut, wo keine Gefahr ist! ! Damit nicht genug. Wenn Nicobulus das Geld geholt hat, weigert sich Crusalus zunächst scheinheilig, es dem Sohn zu überbringen, denn er wolle nicht, daß man ihm traue: nolo ego mi credi (1062). Er treibt das Spiel auf die Spitze. Der Sklave als gerissener Betrüger, der Senex als einfältiger Trottel: Das liebte Plautus, das liebte sein Publikum. 1067-1075: Crusalus gibt nach Nicobulus’ Abgang einen triumphierenden Schlußkommentar zum besten. 179 “The monologue is clearly marked as Plautine by its Roman military imagery and its breaking of the dramatic illusion.” 180 Es handelt sich um den saturnalischen Höhepunkt des Zweikampfs zwischen Crusalus und Nicobulus - vergleichbar Pseudolus’ ebenfalls militärischem vae victis! (Pseud. 1317). IV 10 Philoxenus kam wohl auch bei Menander gegen Ende wieder in das Spiel. Er wird nicht wegen Moschos’ Beziehung zu der athenischen Bacchis besorgt gewesen sein - er war ja ein human-verständnisvoller Vater wie Micio -, sondern erkunden wollen, ob der (scheinbare) Konflikt zwischen den jungen Freunden beigelegt sei. Bei Plautus wird Philoxenus’ Maßdenken in 1079-1081 deshalb besonders betont, 181 weil der Senex kurz vor dem moralischen Sturz auf ein hohes moralisches Podest gehoben werden soll - eine Technik, die in vergleichbarer 177 illorum ist nach Del Corno 1973, 163 ‹espressione ambigua›: «alla lettera va inteso come un neutro, ‹di quelle cose che dici›; ma si tratta di costruzione rara al caso obliquo, e può venire istintivo di agganciare il dimostrativo ai Philippi: ‹di ognuna di quelle monete gli ho già parlato›, con una gustosa iperbole.» 178 D II 12 (S. 180-181). 179 Zu Verständnis und historischem Bezug von 1072-1073: D II 11 (S. 178). 180 Barsby 1986, 180. Vgl. jetzt Stürner 2011, 123 Anm. 35. 181 Nach Stürner 2011, 191 folgt der Monolog ‚recht eng‘ Menander, nur scheine Plautus 1079-1080 hinzugesetzt zu haben. I. Die Diskontinuität der Bacchides 119 Weise Terenz bei dem von ihm inszenierten Fall des besserwisserischen Chremes im Heautontimorumenos anwendet. 182 Die Überraschung ist für die Zuschauer um so größer. Es entspricht nicht Menanders oijkonomiva, daß Philoxenus am Schluß ankündigt, Mnesilochus aufsuchen zu wollen, davon im folgenden aber nicht mehr die Rede ist. Andererseits werden sich Väter und Söhne im Dis Exapaton versöhnt haben. Es gab ja wohl eine Anagnorisis, bei der der ausgleichende Philoxenus sicher eine Rolle spielte. Insofern dürfte es sich bei 1084-1086 um ein menandrisches Motiv handeln. Barsbys Würdigung der Szene trifft zu: “The portrayal of Philoxenus here seems sympathetic enough; […] there is nothing to suggest the moral weakness to which he himself succumbs in the final scene.” 183 Plautus bereitet dagegen seinen Coup vor. V 1 Wohl kaum trat Nicobulus bei Menander sofort nach Philoxenus auf, vielmehr mußte dieser erst über das Geschehen und das Verhalten der jungen Leute informiert werden, was am ehesten Sostratos tun konnte, zu dem Philoxenus zu gehen im Begriff war (1084-1086). Jedenfalls dürfte Nicobulus’ Glanzarie größtenteils von Plautus stammen. 184 Es ist undenkbar, daß bei Menander Philoxenus in der Zwischenzeit unbeteiligt herumstand, ohne daß die Alten einander bemerkten. 185 Plautus gibt - in fast metatheatralischer Weise - zwei Stichwörter, mit denen er auf die besondere Art seiner Bearbeitung des Originals hinweist: buccones (1088) und me | […] l u d o s bis factum esse (1090) bzw. me […] l u d i f i c a r i , | immo edepol bis l u d o s factum (1100). Der römische Zuschauer sollte sich erinnert fühlen: Nicobulus ist der dumme Bucco der Atellane. 186 ludere, ludificare, ludos facere aliquem 187 bezeichnen terminologisch die Verspottung der Autorität. 188 Der Zuschauer durfte schließen: Nicobulus ist ein römisches Opfer. Er sagt selbst, daß er dumm ist, indoctus, und vor allem, daß ihn der Sklave dolis doctis überlistet hat (1095). Wie wäre dem zu widersprechen? Nicobulus’ Klagegesang ist der Konterpart zu Crusalus’ Klagegesang auf Nicobulus. Gestri verweist auf die ‹tragica lamentatio› (933-934): 182 Lefèvre 1994, 122-123. 183 1986, 181-182. 184 Stürner 2011, 192: „eine plautinische Verbreiterung eines originalen Kerns“. 185 Gestri 1940, 243 hebt die ‹inverisimiglianza scenica› hervor. 186 Lefèvre 2010, 18-19. 187 „ludos facere aliquem solet dicere Plautus, pro ludificare“ (Lambinus [1576] 1622, 416). 188 Petrone 1983, 153-209; Lefèvre 2001 (4), 80-81. C. Struktur 120 «Il qrh'no" […] di Nicobulo, parimenti sviluppato sullo stesso motivo del perire, riprende evidentemente la lamentatio intonata da Chrysalo lassù: ne è per così dire, la logica, preveduta continuazione. Senza quel precedente questa seconda lamentatio non avrebbe il suo pieno effetto comico, come d’altronde il qrh'no" tragico in sè in bocca a Nicobulo non potrebbe avere il suo senso pieno, senza la assimilazione di Nicobulo a Priamo fatta da Chrysalo nei versi dianzi citati. Questi versi insomma, colla loro intonazione a qrh'no" paratragico, continuano l’invenzione del citato monologo di Chrysalo. Or, poichè questa invenzione è, come magistralmente ha dimostrato il Fraenkel, completamente plautina, così dobbiamo ritenere plautini questi versi della lamentatio del vecchio gabbato; anzi, in un modo più generale, dobbiamo ritenere plautina, in tutto questo monologo, la sua elevazione lirica e paratragica, il suo carattere di altissimo qrh'no".» 189 Andererseits kann der gevrwn einen Monolog vergleichbaren Inhalts gehalten haben. Gestri unterscheidet vom Ton her die Partien 1087-1089, 1092-1095, 1099-1101 von den anderen, die den Charakter eines ‹recitativo› hätten. 190 1101 jammert Nicobulus, er sei cano capite atque alba barba betrogen. „amplificatio rei ab ætate, turpius est enim seni decipi, quàm adulescenti“. 191 Schon vom Klang her ist es ein herausragender Vers. Er klingt noch mehr, wenn man aufgrund der möglichen Assonanz von Liquiden und Rotanten annimmt, der Schauspieler habe die letzten beiden Wörter alba balba ausgesprochen (vielleicht auch arba barba). V 2 Plautus dichtet den ganzen fünften Akt um. 192 Er macht aus ihm ein Canticum continuum und läßt in V 2 vier Personen sprechen, was unmenandrisch ist. Wenn es bei Menander am Schluß eine Anagnorisis gab, erledigt sich die Frage nach der Autorschaft von selbst. Es ist unvorstellbar, daß sich die beiden Alten im Dis Exapaton so aufführten, wie das in dem plautinischen ‚Schafduett‘ 193 der Fall ist. Daß sie wie die Söhne den Hetären auf den Leim gingen, ist in keiner Weise wahrscheinlich. 194 Wehrlis Ansicht ist reines Postulat: „Wie 189 1940, 238. 190 1940, 239-240. 191 Lambinus (1576) 1622, 416. 192 Anders Questa 1985, 81: «l’azione, non c’è ombra di dubbio, ricalca passo passo quella del Di; " ejxapatw'n» (vgl. jedoch S. 86 Anm.*). 193 Fraenkel 1922, 72-75. 194 Zu den diesbezüglichen Darlegungen von Lefèvre 1978, 532 schrieb F. H. Sandbach am 3. Juli 1979: “It is good to see that you add your voice to those who believe Bacchides 1120ff. to be essentially of Plautus’ composition. I my- I. Die Diskontinuität der Bacchides 121 hintereinander die Jungen und Alten, der Gleichmütige und der Aufgebrachte den Künsten zweier Mädchen erliegen, illustriert in lustiger Weise jenen Gedanken einer allgemeinen menschlichen Solidarität in der Schwäche - ein reines Possenmotiv, wäre nicht alles vom Verstehen eines großen Dichters durchwärmt“. 195 Es i s t ein Possenmotiv. Dieses ist so meisterhaft in Musik und Witz ausgestaltet, daß man es ungern gegen das menandrische Finale eintauschte. Plautus gibt, wie Questa mit einem schönen Bild sagt, «alla conclusione della commedia un’andatura da balletto che ne attenua il moralismo un poco pedantesco». 196 Er ist gewiß ein ‚großer Dichter‘, der aber nicht mit ‚Verstehen‘ das Geschehen ‚durchwärmt‘, sondern mit dem Verstand konstruiert. Ein erhebliches Moraldefizit ist für seine Stücke bezeichnend. 197 Treffend argumentiert Klotz: „Fest steht, daß Plautus den Schluß ganz umgestaltet hat, sowohl durch den dritten Betrug wie durch die Szene zwischen den Vätern und den beiden Schwestern. Hier hat er dem gröberen Geschmack seiner Zuschauer Rechnung getragen.“ 198 Er selbst hatte sicher den meisten Spaß daran. 199 Der Umstand, daß V 2 von Plautus stammt, bedingt eine ungewöhnliche Häufung von strukturellen Eigenheiten, die für ihn charakteristisch sind. 200 self like to see in 1209-10 an admission that the previous scene was his own invention.” 195 1936, 80. 196 1985, 84. 197 D II 7 (S. 169-172). 198 1937, 1043. Ebenso: Kamel 1953, 111-112; Perna 1955, 240. 199 Lejay 1925, 59 hebt folgenden dramaturgischen Grund hervor: «L’action est la lutte des deux protagonistes; elle touche au sommet quand Chrysale triomphe de Nicobule. La pièce est finie quand il s’avoue vaincu. Le cinquième acte n’est donc pas un divertissement supplémentaire; il est indispensable.» Das trifft aus dem plautinischen Blickwinkel zu. In Athen hätte man sich über ein solches Finale doch sehr gewundert. 200 Einige werden in größeren Zusammenhängen behandelt. Es handelt sich um die folgenden: Aparte (C I 3 f, S. 134), Kettenmetapher (C I 3 h, S. 139-140), ‚Überkreuzdramaturgie‘ (C I 4, S. 142-143), ‚Theater der Rede‘ (C I 5, S. 147), ‚Saturnalien‘ (D II 5, S. 166-168). Zu den Schlußworten des Grex: D II 7 (S. 170-171). C. Struktur 122 2. Singspiel „Wer ein Stück des Plautus ganz in ein Dialogmaß übersetzt, nimmt ihm das Leben“. 200 Am sinnfälligsten kommt die Eigenart der plautinischen Umsetzung des Dis Exapaton durch die Musik zum Ausdruck. In dem Dialog der Freunde III 6 wird der griechische Sprechvers, der jambische Trimeter, in einen Rezitationsvers, den trochäischen Septenar, umgewandelt, wodurch das musikalische Element - den Schauspieler begleitete ein flötenähnliches Instrument - eine dominierende Rolle gewinnt; “the tibicen was silent during scenes written in iambic senarii but accompanied all other meters. Roman comedy was thus a more musical genre than has often been acknowledged”. 201 Erst in der prononcierten Rezitation bzw. im Gesang gelangt der Wohlklang der plautinischen Verse zu voller Geltung. Sie sind kunstvoll und wirksam zugleich durch Parallelismen und Antithesen gegliedert, von Alliterationen und Lautmalereien bestimmt. Die Wortschwelgerei ist bezeichnend. Auch das ist ein Unterschied zu Menander: Jede Phrase, jedes Wort ist nicht Teil eines organischen Größeren mit weiterreichenden Bezügen, sondern trägt Funktion und Wert in sich. „Verbreiterungen eines schlichten Gedankens ohne wesentlichen inhaltlichen Fortschritt sind typisch für plautinische Arien, nicht jedoch für die Monologe Menanders.“ 202 Nach Questa bilden den Beginn der Bacchides nicht wie üblich Jamben, sondern Cantica. «Sicuro è […] che Plauto aveva arricchito di cantica anche l’inizio della commedia: in bocca al servus currens (fr. I, II), a Pistoclero (fr. XII), ancora, probabilmente, nel dialogo tra il servo e Bacchide I (fr. VIII)». 203 Die umstrittene Zuordnung der genannten Fragmente zu bestimmten Szenen durch andere Forscher spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Daß die reiche musikalische Gestaltung der plautinischen Cantica nur noch zu ahnen ist, zeigt das Lied 612-670 aufgrund seines parallel gestalteten Aufbaus. «Il […] parallelismo di 612-640a e 640b-670 è chiarissimamente rimarcato dalla perfetta corrispondenza degli ottonari trocaici di apertura del lamento di Mnesiloco (vv. 612-615; Pistoclero lo ascolta in scena, non visto), con gli ottonari trocaici di apertura (‚vix anapaestici‘, giustissimamente il Questa in apparato) dell’autocelebrazione di Crisalo, ancora ignaro della vanificazione del suo facinus (vv. 640b-642 […]). […] Ai trochei d’apertura di Mnesiloco segue imme- 200 Wilamowitz 1925, 170. 201 Moore 2008, 3. 202 Stürner 2011, 192 (zu V 1). 203 1985, 28. I. Die Diskontinuität der Bacchides 123 diatamente, in una accurata modulazione che trapassa dagli anapesti ai bacchei e ai cretici, l’‹antimorale› per cui il giovanotto si dà dell’improbus e del malus per aver restituito il maltolto al padre (vv. 616-624a). Ai suoi ottonari il Crisalo plautino aggancia invece una ben ritmata variazione prevalentemente in cretici, che sfocia però ben presto anch’essa nella paradossale ‹antimorale›, metricamente più articolata, del ‹catechismo dei doveri› dello schiavo per tutte le stagioni (vv. 643-650 + 651-662). Infine, la prima sezione si conclude con l’allocuzione di Mnesiloco da parte di Pistoclero ed i suoi vani tentativi di consolazione dell’amico, in un dialogo realizzato da una lunga sequenza di wilamowitziani, giambi e quindi reizianoidi con primo membro variamente coriambico (vv. 625-640a). La seconda sezione trapassa più rapidamente, dopo un inserto in vivaci cretici dal contenuto tipicamente ‚plautinisch‘, nell’atteso dialogo a tre fra Crisalo e i due giovanotti, che innescherà la seconda trappola per il malcapitato Nicobulo (vv. 663- 670).» 204 Die Annahme liegt nahe, daß die Hälften des ‹canticum bipartito› jeweils von einer ähnlichen Musik, soweit das die metrische Gestaltung zuläßt, begleitet wurde. Eine vergleichbare ‚strophenförmige‘ Anordnung eines Canticum begegnet am Beginn des Persa. 205 Bezeichnenderweise sind die Höhepunkte der Komödie, Chrysalus’ Triumph IV 9 und der fünfte Akt, Cantica. Die schweren Anapäste in Nicobulus’ Klagegesang V 1 stehen in großartigem Kontrast zu dem banalen Inhalt, der Feststellung der eigenen Dummheit, die die Dummheit aller übertreffe. Da Plautus den Sänger auf den Bucco der Atellane anspielen läßt (1088), liegt die Vermutung nahe, daß solche Musiknummern nach Anregungen des Stegreifspiels gebildet sind. Hier fühlte sich das römische Publikum zu Hause. Plautus bietet seine ureigene Konzeption in einer gegenüber der Nea ureigenen Form dar. 206 Wilamowitz würdigt die Leistung der römischen Komiker: Was „jene genialen Dichter aus den zahmen griechischen Vorlagen gemacht haben, ist in der Form etwas schlechthin Neues. Ich muß behaupten, daß man es treffend gar nicht anders bezeichnen darf als ein S i n g s p i e l , opera buffa; man soll Worte brauchen, bei denen man sich etwas denken kann. Komödie trifft nicht zu. Cantica sind ja nicht bloß die Arien und Duette, sondern auch die Szenen in Tetrametern, wenn sie auch Melodram gewesen sein werden: der Flötenspieler wirkte im- 204 De Nonno 1997, 13-14. 205 Lefèvre 2001 (4), 58-59. 206 „Daß der lateinische Poet in den ganzen 5. Akt (IV 10 gehört natürlich dazu) seiner Bacchides aus dem fortlaufenden Dialoge Menanders nur die allgemeinsten Richtlinien hinübergenommen hat, folgt mit Notwendigkeit aus der reichen und künstlichen Gliederung dieses Aktes wie sie Leo (Plaut. Cant. S. 27. 111) erläutert hat. Plautus hat hier eine Folge gesprochener Szenen vollständig in Arien und Ensemble-Gesangsstücke aufgelöst“ (Fraenkel 1922, 72). C. Struktur 124 mer mit, und die numeri innumeri der Lieder mit ihrer Musik haben ebenso die Hauptwirkung getan wie in den letzten Arien des Euripides und in Dithyrambus und Kitharodie. Wer ein Stück des Plautus ganz in ein Dialogmaß übersetzt, nimmt ihm das Leben; schwerlich hat er den Wohlklang und die packende Kraft der plautinischen Verse empfunden. Das ist italisch, einerlei wo Plautus und Naevius die fremden Versformen hernahmen, italisch, echt, ganz so wie die Reden des alten Cato. Und auf dieses Italische kommt es an.“ 207 Die Betonung des Italischen ist wichtig: Plautus läßt sich vom Stegreifspiel inspirieren. 3. Stegreifspiel „Die plautinische Komödie schuldet von der Kraft ihres Witzes vielleicht das Beste dem volkstümlichen italischen Spiel“. 208 a. Grundsätzliches Das altitalische Stegreifspiel mußte einen Dichter, der auf Komik und Schlagfertigkeit zielt, stark anziehen. Es „drängten alle Genien seines heimatlichen Witzes darauf hin in der Komödie das Element wiederum zu verstärken, das die zahlreichen Abarten der an vielen Stellen blühenden italischen Posse beherrschte, wie es auch die attische kwmwidiva ehedem erfüllt hatte, nämlich die drastische Komik eines improvisierenden oder doch der Improvisation noch nahestehenden Spiels.“ 209 Überall zeigt sich, wie „stark die plautinischen Späße den Charakter halbliterarisch gewordener Improvisationen bewahren“. Erst in neuerer Zeit ist der Einfluß des Stegreifspiels auf Plautus systematisch untersucht worden. “Roman comedy is a creative fusion of two traditions, the literary tradition of Greek comedy on the one hand and the non-literary dramatic traditions of Italy on the other. The time has perhaps come when we should pay more attention to the Italian side; by doing so, we shall certainly understand Roman comedy better, and we may even come to recognise the Italian influence as a source not of imperfections but of enrichment. This is not to say that we should abandon the analytic approach from the Greek side, which will continue to be a fruitful one, but there may be something to learn from a complementary approach which takes proper account of the Italian background”. 210 Sowohl Maccius als auch Plautus können Spitznamen 207 1925, 169-170 (Sperrung ad hoc). 208 Fraenkel 1922, 421. 209 Fraenkel 1922, 390-391, das folgende Zitat 399. 210 Barsby 1995, 56. I. Die Diskontinuität der Bacchides 125 des Umbrers Titus sein. 211 Maccius (Maccus ist stehende Figur der Atellane) deutet auf die Atellane, 212 Plautus (‚Plattfuß‘) auf den Mimus. 213 Beide Genera sind ihm gut bekannt, 214 ja er dürfte in ihnen selbst als Schauspieler aufgetreten sein. 215 Man möchte geradezu meinen, ein solcher Mann könne es nicht über sich bringen, die Übersetzung einer griechischen Komödie Wort für Wort anzufertigen (was ohnehin ein unfruchtbarer Anachronismus wäre). Einerseits gelang es Plautus, das Publikum durch vertraute Formen an die ‚hohe‘ Literatur heranzuführen, andererseits die einheimischen ‚Sketche‘ durch die Adaptation durchgehender Handlungen zu veritablen Theaterstücken auszubauen. Es handelt sich um eine geniale Kombination von griechischer ‚Schriftlichkeit‘ und römischer ‚Mündlichkeit‘. 216 Sie gestattet es, von ‚verschriftlichtem Improvisationstheater‘ 217 zu sprechen. 218 Für Barsby ist Pseudolus ‘the Great Improvisor’, d. h. eine Person, die wie ein Improvisator Pläne aus dem Stegreif entwirft. 219 In diesem Sinn faßt Slater Crusalus auf: “Chrysalus improvises his entire tale and the scheme of fraud on the spot. […] We are not, of course, intended to ask why Chrysalus and Mnesilochus did not devise a plan together on the long coasting voyage from Ephesus instead of leaving it to the last possible moment. The familiar Plautine sense of improvisation adds excitement and interest to the scene just past.” 220 Zu IV 4, wenn Crusalus Mnesilochus den ersten Brief diktiert, heißt es: “Chrysalus changes from an improvisatory playwright (a player first among equals) to a literary one. Ancient poets usually dictated. Chrysalus is dictating a play here: directly by writing a speech for Mnesilochus, and indirectly, as the subsequent course of the play is shaped by the letter.” 221 Wenn im folgenden charakteristische Formen herausgestellt werden, die den Einfluß der ‚Mündlichkeit‘ erkennen lassen, ist zu betonen, daß Ansätze dazu natürlich auch in der Nea anzutreffen sind, daß aber ihre gesteigerte quantitative und qualitative Ausprägung als ein Signum der plautinischen Komödie anzusprechen ist. 211 Leo 1912, 83; Barsby 1986, 2. 212 Barsby 1986, 2; Benz 1995, 148. 213 Beare 1964, 151; Barsby 1986, 2; Benz 1995, 152. 214 Beare 1964, 142. 151; Barsby 1986, 6; Blänsdorf 2002, 185. 215 Leo 1912, 84; Beare 1964, 142. 151; Barsby 1986, 2; Blänsdorf 2002, 185. 216 Benz 1995, 154. 217 Lefèvre 1997, 10; Slater 2000, 9-10. 218 Zum Thema ‚Palliata und Atellane‘ summarisch Lefèvre 2010, 15-36. 219 1995, 61-65. 220 2000, 81-82 (zum Ende des Monologs 349-367). 221 2000, 88. C. Struktur 126 b. Streitszenen Streitgespräche sind in der Palliata fast stets Zeichen für römische Herkunft. Auch in ihnen zeigt sich die Verwandtschaft mit dem italischen Stegreifspiel. 222 Wallochny erklärt die Szenen I 2 und III 6 kenntnisreich; ihre Ausführungen werden deshalb wörtlich wiedergegeben. I 2 Ein Beispiel für Par pari respondere als Streittaktik ist die Auseinandersetzung zwischen Ludus und Pistoclerus, in der der Erzieher den Adulescens zur Rede stellt. „Weit davon entfernt, sich in sein Vorhaben hereinreden zu lassen, weicht Pistoclerus jedem Vorwurf, jeder im Verhör gestellten Frage mit einer dreisten Antwort aus. Es fällt auf, daß der Pädagoge erstaunlich lange für das Ziehen naheliegender Schlußfolgerungen braucht und sich recht wahllos über einzelne Seiten von Pistoclerus’ ungebührlichem Betragen empört. Es scheint fast so, als sei ihm in erster Linie daran gelegen, dem Jungen für seine frechen Erwiderungen beliebig Bälle zuzuspielen. Auf die Frage nach dem Bestimmungsort des Trosses erhält Lydus erst eine wenig befriedigende - huc (V. 114) -, dann mit der Liste der Götter, die das betreffende Haus bewohnten, eine höchst phantasievolle, aber immer noch ausweichende Auskunft (V. 115f.). Das Nachhaken, was Pistoclerus mit solchen dei damnosissumi zu schaffen habe, wird überhaupt nicht beantwortet. Statt dessen hält sich dieser darüber auf, daß sein Lehrer die Götter schmähe (V. 117 / 118f.). Auf die neuerliche Nachfrage: an deus est ullus Suavisaviatio? kontert er mit einer Gegenfrage (par pari respondere Typ I): an non putasti esse umquam? , um sich dann auch noch über den Barbaren zu erheitern, der in seinem Alter die Namen der Himmlischen noch nicht kenne (V. 120 / 121-124). Lydus setzt neu an und nimmt Pistoclerus’ äußere Erscheinung ins Visier. Der weist die Mißbilligung mit dem schnippischen Bescheid zurück, für ihn habe er sich nicht herausgeputzt (V. 125 a / 125 b -126). Zum ersten Mal empört sich der Pädagoge daraufhin über die freche Widerrede, dabei hat er seit Beginn des Dialogs noch keine höflicheren Töne von seinem Schüler gehört. Ebenso respektlos fällt auch jetzt Pistoclerus’ Entgegnung aus: Mit einem Wortspiel weist er darauf hin, daß er Lydus’ Einflußbereich entwachsen sei (V. 127f. / 129). Kurz darauf ereifert sich der Erzieher plötzlich darüber, daß er mit seinem Namen angesprochen und nicht ehrerbietig paedagogus genannt werde; die beiden vorausgegangenen Anreden mit Lydus (V. 121, 129) hat er offenbar überhört. 223 Ausnahmsweise bequemt sich Pistoclerus hier einmal zu einer einigermaßen sachlichen Antwort: Es erscheine ihm unpassend, eine amica zu haben und zugleich noch unter der Aufsicht eines Pädagogen zu stehen (V. 137f. / 139-142). Erneut taub für die Frechheit an sich, hat dieser jetzt nur für die erwähnte Freundin ein Ohr, deren Existenz er freilich leicht schon 30 Verse zuvor aus der verräterischen Götterliste (Amor, Voluptas, Venu’, Venustas …) hätte erraten können: Ly. tu amicam habebis? Pi. quom videbis, tum scies (V. 145 a / 145 b ). Ab hier verschwimmt die strenge Anwendung der Streittaktik par pari respondere. Lydus ereifert sich merklich stärker und auch Pistoclerus wählt eine drastischere Erwiderung, indem er seinem Pädagogen Prügel androht (V. 146 / 147 a ). Die inhaltliche Zuspitzung führt dazu, daß die Rollenverteilung durcheinander gerät. Lydus äußert sich immer wortreicher und jetzt ist er es einmal, der eine in Metaphern gekleidete Drohung seines Schülers überbietend zurückschlägt (V. 155 / 156f.).“ 224 222 Wallochny 1992, 88-97, 189-193; Lefèvre 1999 (1), 38-39. 223 Hinweis auf Langen 1886, 111. 224 1992, 167-168. I. Die Diskontinuität der Bacchides 127 III 6 Die Interpretation dieses Streitgesprächs beruht auf sicherer Grundlage, weil Plautus’ Version mit dem Original verglichen werden kann. Wallochny sieht 540-551 zu Recht als echt an. 225 „Mit dem kleinen Zerwürfnis, das in Menanders Dis exapaton aus der Verwechslung der gleichnamigen Hetären entsteht (V. 103- 112), hat die entsprechende Szene in Plautus’ Bacchides (III 6, 534-572) nicht mehr viel gemein. Plausible Anbahnung und versöhnliches Ende (nämlich die Aufklärung des Mißverständnisses) deuten noch auf die menandrische Vorlage hin; zwischen diesen beiden Eckpfeilern aber führt unverkennbar der römische Dichter Regie. Der griechische Moschos sieht gleich an der Miene seines Freundes, daß diesem etwas Unangenehmes widerfahren ist: tiv kathfh; " kai; skuqrwpov", eijpev moi; | kai; blevmma tou'q uJpovdakru: mh; newvteron | kako; n kateivlhfav" ti tw'n [g ] ejntau'qa… (V. 104-106 a ). Sostratos bestätigt seine Vermutung (V. 106 b ). Er macht kein Hehl daraus, daß Moschos schuld an seiner Mißgestimmtheit sei (hjdivkhka" [V. 110]). Da er überzeugt ist, der andere wisse ganz genau, wovon die Rede ist, hält er es andererseits nicht für nötig, das ihm von Moschos vermeintlich angetane Unrecht explizit zu benennen. Er begnügt sich mit einer knappen Andeutung (e[ndon ga; r ajmevlei, Mo vsce [V. 107]) und gibt ansonsten seiner Enttäuschung von dem Freund eher grundsätzlich Ausdruck (V. 108-110, 112). Nach V. 112 bricht das Fragment ab; die übrigen Streitgespräche Menanders, besonders der auf einem vergleichbaren Mißverständnis beruhende Wortwechsel zwischen Gorgias und Sostratos im Dyskolos (V. 269-319), lassen die Annahme fast zur Gewißheit werden, daß Moschos nicht mehr lange verständnislos rückfragen mußte (vgl. V. 107 a , 107 c , 110f., 112 b ), um von Sostratos die Auskunft zu erhalten, die es ermöglichte, den Irrtum aufzuklären. Viel umständlicher und unwahrscheinlicher, weil beabsichtigt komisch und spielerisch, verläuft dagegen die entsprechende Szene in Plautus’ Bacchides, Pistoclerus ist wie eingeigelt in seine unschuldsvolle Ahnungslosigkeit. Statt in irgendeiner Weise Empfindsamkeit für Mnesilochus’ Ärger über ihn an den Tag zu legen, stellt er dem Heimgekehrten im Zuge eines typisch plautinischen Begegnungsduetts […] in munterem Ton ein Willkommensmahl in Aussicht (V. 536f.). Mnesilochus muß die Einladung erst knurrend ablehnen - non placet mi cena quae bilem movet (V. 537 b ) - , damit seinem Gegenüber dämmert, daß irgend etwas nicht stimmt. Die nicht abwegige Vermutung, er selbst könne an der aegritudo des anderen schuld sein - da ja eine von ihm ausgerichtete cena diesem die Galle errege -, liegt Pistoclerus jedoch ebenso fern wie Mnesilochus die Absicht, den Freund unverzüglich wissen zu lassen, daß er es sei, über den er sich empöre. Dem aufgrund des Mißverständnisses unvermeidlichen, sicher so knapp wie möglich gehaltenen Aneinandervorbeireden bezüglich der ‚Tat‘ bei Menander hat Plautus ein gänzlich unrealistisches und unnötiges Ratespiel bezüglich des ‚Täters‘ vorgeschaltet, das genüßlich in die Länge gezogen wird (V. 539-558). Es erinnert sehr an Menaechmus’ Katz-und-Maus-Spiel mit der Matrona um sein Eingeständnis, ihr eine palla entwendet zu haben (Men. 620-625 […]): Hier wie dort findet ein köstlich absichtsvolles Um-den-heißen-Brei- Herumreden statt. Der eigentliche Streit - nachdem Mnesilochus seinem Freund endlich doch auf die Sprünge geholfen und ihn als den Schuldigen bezeichnet hat - wurde von Plautus recht stiefmütterlich in aller Kürze abgetan. 226 Zwar wäre es für 225 B I 5 (S. 37-44). 226 Hierzu Anm. 141: „Von einer wörtlichen Übersetzung kann auch hier keine Rede sein. Statt den - zumindest aus Sostratos’ Sicht - sachlich angemessenen Vorwurf hjdivkhsa" zu übernehmen, sieht sich Mnesilochus in der typischen Schwarz-Weiß-Malerei verliebter Adulescentes in der Palliata von Pistoclerus ‚völlig zugrunde gerichtet‘ (V. 560); mit dem - vermeintlichen - Faktum an C. Struktur 128 ihn eine Leichtigkeit gewesen, die beiden Freunde beim Erheben der eigentlichen Vorwürfe gleich noch einmal - am besten mittels der Taktik des Überhörens und Vorenthaltens von Informationen (hier: daß es zwei Bacchides gibt) - unplausibel lange aneinander vorbeireden zu lassen; aber das schien offenbar selbst ihm zuviel des Guten zu sein. Er begnügt sich damit, seine Figuren mit einer ‚Information‘ ihr Spiel treiben zu lassen, die bei Menander gar nicht als solche gehandelt wird, weil ihre Bekanntgabe eine Selbstverständlichkeit ist.“ 227 c. Feszenninische Konter Eine Sonderform des Streitgesprächs sind die aus den Feszenninen herzuleitenden parallel formulierten Konter (Par pari respondere). 228 Pointierter ist die Aufnahme einzelner Wörter, mit der die Partner zurückschlagen. Einige Beispiele genügen. 37-38 sind ein dreifacher Schlagabtausch: 229 S A . pol magis metuo, ne defuerit mi in monendo oratio. A T . pol ego metuo, lusciniolae ne defuerit cantio. Wenig später geht es zweimal hin und her (53-55): P I . […] Bacchis, Bacchas metuo et bacchanal tuum. B A . quid est? quid metuis? ne tibi lectus malitiam apud me suadeat? 55 P I . magis inlectum tuum quam lectum metuo: mala tu es bestia. Pistoclerus drückt Furcht aus. Die athenische Bacchis gibt den Begriff ironisch zurück: Fürchte er, daß ihr Bett ihn zur Schlechtigkeit verführe? Pistoclerus schlägt seinerseits zurück: Nicht das Bett, sondern ihre Verführungskunst fürchte er, „magis illecebras tuas, quàm lectum tuum metuo. vel sic, magis tuam inliciendorum hominum rationem extimesco, quàm lectum. inlectum dixit pro inlectione à recto.“ 230 “This is an example of bold Plautine ‘paronomasia’ […]. inlectus (‘enticement’) looks as if it is the negative of lectus (‘bed’), i. e. ‘non-bed’, though the words are etymologically quite distinct.” 231 Dann wendet Pistoclerus Bacchis’ selbstbewußten Ausspruch ‚feszenninisch‘ zurück (78): A T . scio quid ago. P I . scio quid metuo. und für sich, daß der Freund ihm Unrecht getan habe, hält er sich nicht weiter auf, sondern kommt - ausnahmsweise einmal schneller als bei Menander - gleich auf den ‚griffigeren‘ Anlaß für seine Vorwürfe zu sprechen. Das ermöglicht es Pistoclerus, auch relativ rasch einzuhaken und den wahren Sachverhalt klarzustellen (V. 568).“ 227 1992, 182-183. 228 Lefèvre 2001 (1), 87, 97-98, 109, 111. 229 Ausführlicher C I 1 (83). 230 Lambinus (1576) 1622, 368. 231 Barsby 1986, 101. I. Die Diskontinuität der Bacchides 129 In II 3 stehen sich mit Nicobulus und Crusalus zwei intellektuell ungleiche Partner gegenüber. 315-324 provoziert der Sklave durch die unermüdliche Beteuerung seines Nichtwissens. Mit dem wiederholten nescio / non scio / nil scio schmettert er die nachbohrenden Fragen ab: 315 N I . sed nilne attulistis inde auri domum? C R . immo etiam. uerum quantum attulerit n e s c i o . N I . quid? n e s c i s ? C R . quia Mnesilochus noctu clanculum deuenit ad Theotimum, nec mi credere nec cuiquam in naui uoluit: eo ego n e s c i o 320 quantillum attulerit; uerum haud permultum attulit. N I . etiam dimidium censes? C R . n o n edepol s c i o ; uerum haud opinor. N I . fertne partem tertiam? C R . non hercle opinor; uerum uerum n e s c i o . profecto de auro n i l s c i o nisi n e s c i o . Nicht weniger läßt Crusalus Nicobulus mit den Wendungen haud opinor / non opinor abfahren. Das angeschlossene uerum uerum nescio ist ein artiges Wortspiel, das die Souveränität des Sklaven zeigt. Man kann wohl sagen, daß Plautus den Dialog überlegen führt. 232 In der Partie 988-996, “a piece of comic by-play”, 233 reagiert Nicobulus in feszenninischer Weise auf Crusalus’ unangemessene Weigerung (993): C R . nolo inquam. N I . at uolo inquam. Es ist anzunehmen, daß das römische Publikum solche Schlagfertigkeit besonders zu schätzen wußte. 234 d. turbare statt sedare Plautus und Terenz lieben es, die Originale durch zusätzliche Personen oder Geschehensabläufe turbulenter zu machen. Es empfiehlt sich, bei der Beschreibung des Phänomens eine von Stärk geprägte Antithese zu verwenden, der bezüglich der Mostellaria zeigt, daß für die Dramaturgie des Originals das Eingrenzen der Intrige (sedare), für die Dramaturgie der Nachbildung das Ankurbeln derselben (turbare) bezeichnend ist. 235 Die frustratio maxima, die Iupiter im Amphitruo stiftet (Amph. 875), hat dieselbe Funktion. 236 Bei Terenz ist das nämliche Prinzip zu 232 Zwierlein 1992, 232 gehen die Wiederholungen zu weit, weshalb er 321-324 einem Bearbeiter zuweist. Die Schlußwendung 323-324 treibe ihren Jux mit den Wortwiederholungen in 316-320, „indem sie die Häufung ad absurdum steigert“: Man könnte geneigt sein, gerade das für plautinisch zu halten. 233 Barsby 1986, 179. 234 Sie gehört nach Zwierlein 1992, 62 dem ‚2. Bearbeiter‘. 235 So der Alternativtitel von Stärk (1991) 2005, 67. 236 Lefèvre 1982, 17. C. Struktur 130 beobachten. 237 Das Verfahren der Palliaten-Dichter dürfte durch den Einfluß des Stegreifspiels zu erklären sein. Für die Figuren beider Genera gilt, daß „das Produkt ihrer Bemühungen eine ausgreifende, in Partikularkämpfe zerfallende ‚turbatio‘“ ist. 238 In den Bacchides begegnen turbae bzw. turbellae in diesem Sinn. Zwar sind es keine Termini, da jeweils auch andere Wörter stehen könnten, die Sachlage ist aber klar. Crusalus stellt, nachdem er Nicobulus weisgemacht hat, der Sohn habe kein Geld mitgebracht, fest: quas ego hic turbas dabo (357) - wenn der Alte nach Ephesus reisen und die Jugend mit seinem Geld feiern werde. Das andere Mal ruft er, wenn er den Triumph genießt, daß Nicobulus Geld für den Sohn aus dem Haus holt, aus: tantas turbellas facio (1057) - wenn Mnesilochus eine zweite Summe hat und das Zechen (mit der Geliebten und Crusalus! ) anhebt. Beide Äußerungen stehen in Partien, die von Plautus stammen. 239 Nicht anders als Crusalus argumentiert sein Bruder im Geist Pseudolus: scis tu quidem hercle, mea si commoui sacra, | quo pacto et quantas soleam turbellas dare (Pseud. 109-110). 240 Daß das dramaturgische Faktum des turbare vorliegt und die Haupttätigkeit des Helden Crusalus bezeichnet, steht außer Frage. Nicht nur hat Plautus ihn durch einen dritten Betrug, sondern auch durch die Dramatisierung der Lügenerzählung sowie durch die minutiöse Planung bzw. Ausführung der Betrugshandlungen mittels zweier Briefe ausgezeichnet. Das ist deutlich bei der zweiten und dritten Intrige: Was bei Menander eine schnelle Reaktion des Sklaven war (Ausnutzen des kairov"), 241 wird bei Plautus in Hunderten von Versen inszeniert. e. Metatheater Nach Barsby gibt es im Gegensatz zu der Häufigkeit des Metatheaters bei Plautus 242 kein Beispiel bei Menander und nur ein klares Beispiel bei Terenz (Hec. 866-868). 243 Einen umständlich formulierten metatheatralischen ‘pun’ leistet sich Plautus / Crusalus 211-215: C H . tanto hercle melior. P I . immo … C H . immo hercle abiero potius. P I . num inuitus rem bene gestam audis eri? 237 Zur Hecyra Lefèvre 1999 (2), 112-128, zum Eunuchus 2003, 122-124, zur Andria 2008, 134-138. 238 Stärk (1991) 2005, 95. 239 357: B II 2 (S.52); 1057: C I (S. 118). 240 D II 12 (S. 182). 241 B II 3 (S. 57). 242 Letzte umsichtige Behandlung: Stürner 2011, 121-122. 243 1986, 115 (Belege und Literatur). Etwas vorsichtiger Stürner 2011, 123. I. Die Diskontinuität der Bacchides 131 C H . non res, 244 sed actor mihi cor odio sauciat. etiam Epidicum, quam ego fabulam aeque ac me ipsum amo, 215 nullam aeque inuitus specto, si agit Pellio. Der moderne Leser, der die Hintergründe nicht kennt, spürt wohl, daß die Partie witzig ist, aber er versteht die Einzelheiten nicht. 245 Meint Crusalus den Schauspieler des Pistoclerus? 246 Spricht er also 213-215 aparte? Spielt Pellio diese Rolle? Crusalus könnte sagen: Dieser actor als Pistoclerus gefällt mir ebensowenig wie Pellio als Epidicus. Ist erus zu halten? Wenn ein Aparte vorliegt, beantwortet Crusalus Pistoclerus’ Frage nicht, sondern lenkt mit 216 einfach auf den nächsten Punkt über. 247 Wenn Mnesilochus in dem Monolog III 4 aus der Rolle fällt und von zukünftigen Ereignissen ‚schwatzt‘ (507-510), 248 ist das Metatheater. 249 In 649-650 ist eine besondere Pointe darin zu sehen, daß Crusalus bei dem Lob des Sklaven, der seinem Herrn in richtiger Weise ergeben ist, sich auch über solche erhebt, die Syrus heißen: non mihi isti placent Parmenones, Syri, 650 qui duas aut tris minas auferunt eris. Crusalus übertrifft in seinem Erfolg Syros um das Doppelte. Sollte das Zufall sein? Es wäre eine wirkungsvolle Anspielung, wenn Plautus durch die Antizipation des späteren Syros-Triumphs auf die Situation nach der Lügenerzählung demonstrieren wollte, daß sein Geschöpf den Enderfolg des menandrischen Pendants bereits zu einem Zeitpunkt erreicht, als die Handlung des Stücks überhaupt erst richtig losgeht. 250 In IV 9 bittet Nicobulus Crusalus, Mnesilochus den Kopf zu waschen, worauf der antwortet: satin est si plura ex me audiet hodie mala | quam audiuit umquam Clinia ex Demetrio? (911-912). Man hat allen Ernstes erwogen, Plautus übernehme eine Anspielung aus dem Dis Exapaton. Wer sollte das verstehen? Wie sollte dadurch Crusalus’ Abtrittsworten nicht Eintrag getan werden? Es ist an Fraenkels Wort zu erinnern: „Plautus ist kein Übersetzungspedant und kein Schulmeister, 244 erus codd., res Bothe, Rau, Questa, de Melo. 245 Zwierlein 1992, 200: 208-217 interpoliert. Wichtig Barsby 1986, 115-116. 246 Del Corno 1973, 76. 247 Richtig wohl Ladewig (1861) 2001, 153 Anm. 2 zu Crusalus’ Reaktion 211- 212: „Die wärme nämlich, mit welcher Pistoclerus von der Bacchis spricht, missfällt dem Chrysalus, insofern er daraus verdacht schöpft, Pistoclerus könne seinem herrn ein nebenbuhler werden, ein verdacht, der dann aber durch die worte des Pistoclerus in 217 wieder beseitigt wird.“ 248 B I 2 (S. 26-27). 249 Stürner 2011, 176. 250 “He poses for the moment as dramaturg, implying the superiority of his own poetic self-creation to the work of other authors. It is a moment of supreme self-consciousness in art” (Slater 2000, 85). C. Struktur 132 sondern ein kluger Theaterpraktiker; unverstandenen und unverständlichen Rohstoff schleppt er nicht mit“. 251 Ganz zu schweigen davon, daß der Dialog mit ziemlicher Sicherheit von Plautus stammt. 252 Das Wahrscheinlichste ist, daß er auf etwas anspielt, was die Zuschauer kennen - etwa Naevius’ Komödie Demetrius, in der der Titelheld den Jüngling Clinia zurechtweisen könnte. 253 1072-1075 spricht Crusalus wiederum in metatheatralischer Weise: 254 sed, spectatores, uos nunc ne miremini quod non triumpho: peruolgatum est, nil moror; uerum tamen accipientur mulso milites. 1075 nunc hanc praedam omnem iam ad quaestorem deferam. Offenbar läßt Plautus Crusalus sich auf die zur Zeit häufigen Triumphe beziehen 255 - ein gewiß nicht alltäglicher Kommentar zu den hohen Ereignissen aus Sklavenmund. Die milites löst Naudet so auf: „Chrysali exercitus, duo juvenes cum meretricibus, et ipse imperator Chrysalus, excipientur opiparo convivio“. 256 Der quaestor ist Mnesilochus. 257 f. Aparte Das Aparte 258 ist in jedem lebendigen Theater zu Hause, auch bei Menander. Dennoch besteht ein großer Unterschied zu Plautus. In der Samia sprechen die Personen öfter aparte. Wenn der Koch im dritten Akt bei dem ernsten Streit zwischen Chrysis und Demeas sich viermal aparte äußert (Sam. 375, 386, 383, 387), sollen die ersten beiden Fälle „die Aufmerksamkeit des Publikums auf ihn lenken und ihm selber zugleich den Anlaß geben, näher heranzukommen“, die letzten beiden den „Entschluß, in die Auseinandersetzung einzugreifen“, bekunden. 259 Das Aparte ist handlungsorientiert. Wenn im vierten Akt Demeas in der ernsten Auseinandersetzung mit Moschion mehrfach zwischen „direkter Anrede in der zweiten Person und beiseite gesprochenen Partien in der dritten Person“ schwankt, ist es bezeichnend „für die Urbanität 251 1922, 90. 252 C I 1 (S. 116-118). 253 Barsby 1986, 168. 254 «Crisalo rompe l’illusione scenica rivolgendosi direttamente al pubblico: ciò […] accentua il rapporto polemico di questa battuta con la realtà contemporanea» (Del Corno 1973, 167). 255 Barsby 1986, 181 (der menandrischen Ursprung nicht ausschließt, den Della Corte 1967, 98-99 und Del Corno 1973, 152 erwägen). 256 1830, 425. 257 Del Corno 1973, 168; Barsby 1986, 181. 258 Es ist «un potente e diversificato espediente in Plauto» (Slater 1999, XXVIII). 259 Blume 1974, 149. I. Die Diskontinuität der Bacchides 133 Menanders, daß der Vater selbst einen im Ausdruck so gemäßigten Vorwurf wie das sunadikei' m ou|to" (456) dem Sohne nicht ins Gesicht spricht.“ 260 Das Aparte ist in diesen Fällen deutlich ethisch motiviert. Bei Plautus ist das ganz anders. 261 IV 8 zeigt den Unterschied zu Menander deutlich: “This scene opens with a ‘Zutrittsmonolog’ […] by Cleomachus, interrupted by asides by and between Nicobulus and Chrysalus. There is something unrealistic about a monologue speaker who has fewer lines (thirteen) than the aside speakers (seventeen); this is an example of Plautus’ willingness to ‘stretch’ the aside convention […]. 262 In Menander entrance monologues do attract asides from characters already on stage, but these passages are generally brief (interesting exceptions at Asp. 399-418, Dysk. 153-78, 374-86, Mis. 284-323). In general the use of two aside speakers is very rare in Menander (Dysk. 775-9, Epit. 127-46, Sam. 532-8); this is something developed by the Roman dramatists and especially by Terence (Ad. 299-320, An. 338-44, Ph. 179-94, 841-52).” 263 Wirkungsvoll setzt Plautus das Aparte bei Crusalus ein, der nicht nur in kleineren Monologen, sondern auch in Apartes sein weiteres Vorgehen kundtut. 264 In der Betrugsszene II 3 verrät er bei Nicobulus’ Auftritt den Zuschauern seine Absicht in einem Aparte (mit plautinischer Metaphorik und plautinischem Wortspiel) (239-242): extexam ego illum pulchre iam, si di uolunt. 240 haud dormitandumst: opus est cruso Crusalo. adibo hunc, quem quidem ego hodie faciam arietem Phrixi, itaque tondebo auro usque ad uiuam cutem. 274 erläutert er noch einmal mit plautinischem Bild: 265 em, accipetrina haec nunc erit. In IV 8 versteigt er sich zu einer offenen Frechheit, deren letzte Verse (818-821) nach Barsby “are spoken as if aside, though Nicobulus is clearly intended to hear them.” 266 Der Klage des Alten in IV 9, die Buchstaben des betrügerischen Briefs seien (zu) klein, kontert 260 Blume 1974, 175 (vgl. auch 183 zu Sam. 469-470). 261 Grundsätzlich: Lefèvre 2003 / 2004; Stürner 2011, 82-89. 262 „Sehr gekünstelt und gezwungen wirkt nicht nur, dass Cleomachus, der doch auf der Suche nach Mnesilochus ist, über dreißig Verse hinweg die sich so eifrig unterhaltenden Lauscher überhört und übersieht, sondern auch, dass sich der wütende Soldat von ihnen so einfach in seinem Poltern unterbrechen lässt.“ Plautus „dürfen wir die gezwungene Art der Handlungsführung fraglos ohne weiteres zutrauen“ (Stürner 2011, 184). Sie erzielt zugleich Spannung und Komik. 263 Barsby 1986, 164. 264 Moore 1998, 35. 265 Barsby 1986, 122. 266 1986, 161. C. Struktur 134 der Sklave in einem ‘irreverent aside’ 267 : qui quidem uideat parum; | uerum qui satis uideat, grandes satis sunt (991-992). 268 Wenig später gibt Nicobulus, nachdem er Mnesilochus’ Forderung da, si esse saluum uis me aut uitalem tibi (998) gelesen hat, den Kommentar: malum quidem hercle magnum, den Crusalus mit einem ‘impudent aside’ 269 pariert: tibi dico (999). 270 “Plautus never lets the spectators forget that they are Chrysalus’s allies against those he deceives.” 271 V 2 enthält eine Partie, in der zunächst die Hetären und sodann die Senes so miteinander sprechen, daß die eine Partei die andere nicht hört (1149-1167). “Pairs of separate conversations of this kind are not found in Greek comedy with its limitation to three speaking actors, and, when they do occur in Roman comedy, it is almost always a case of two eavesdroppers commenting on an overheard conversation rather than of two independent conversations”. 272 Das Gespräch besteht aber nicht aus zwei Blöcken, sondern Nicobulus spricht zweimal für sich in den Dialog der Hetären hinein (1149 und 1154), wobei Philoxenus das zweite Mal nachfragen muß, da er nichts verstanden hat. Umgekehrt spricht die athenische Bacchis 1166 in den Dialog der Alten hinein zu ihrer Schwester, ohne daß jene das hören. In dieser Szene ist die Technik des Aparte virtuos zu einem Höhepunkt gesteigert. Können komische Kommentare bzw. Apartes in der Art und in der Häufung, wie sie bei Plautus begegnen, nicht bei Menander belegt werden, ist umgekehrt festzustellen, daß sie für das Stegreifspiel charakteristisch sind. 273 267 Barsby 1986, 179. 268 Crusalus’ Bemerkung könnte nach Lambinus auch laut gesprochen und doppeldeutig zu verstehen sein: C I 1 (S. 117). 269 Barsby 1986, 179. 270 Die Bemerkung könnte wiederum auch laut gesprochen und doppeldeutig zu verstehen sein: «malum … malum: in posizione di studiata ambiguità. Nicobulo vuol certo dire che è un grosso guaio dover sborsare una simile cifra; ma si può anche intendere che il grosso guaio sia che Mnesiloco rimanga vivo e vegeto! - tibi dico: formula usata per richiamare l’attenzione su quanto si dirà in seguito; ma Crisalo se ne serve per completare la frase di Nicobulo, stravolgendone il significato in una predizione: ‹un grosso guaio io ti annuncio›; poi, quando Nicobulo l’intende nel significato abituale, deve inventare qualcosa, e scopre che nella lettera manca la formula di saluto» (Del Corno 1973, 162). 271 Moore 1998, 36. 272 Barsby 1986, 187 (es folgen Beispiele). 273 Nachweise: Lefèvre 1999 (1), 40-41; 2003 / 2004. I. Die Diskontinuität der Bacchides 135 g. Aprosdoketon Sostratos’ Monolog Dis 18-30 lehrt im Vergleich zu Mnesilochus’ Monolog 500-525 / 530, daß in dem letzten die vierfache Aprosdoketon- Witzelei nach Art der Commedia dell’arte auf Plautus zurückgeht und den ernsthaften Charakter des neaniva" zu einer komischen Figur umfunktioniert. 274 Gewiß macht eine Schwalbe oder besser: machen vier Schwalben keinen Sommer, aber es ergibt sich ein analytischer Ansatzpunkt. Deshalb seien einige Aprosdoketa zusammengestellt, deren plautinischer Ursprung sicher erscheint. I 2 ist ein Dialog zwischen Pistoclerus und Crusalus, in dem der Sklave den jungen Herrn von Beginn an aufzieht, ohne daß eine dramaturgische Funktion erkennbar wäre. Er praktiziert plautinische Saturnalien. Es entspinnt sich ein Frage- und Antwortspiel: Pistoclerus fragt den mit Mnesilochus heimgekehrten Sklaven, wie es dem Freund gehe; Crusalus dreht den Spieß in paradoxer Redeweise um und landet schließlich bei einem Aprosdoketon (189-194): C R . istuc uolebam ego ex te percontarier. 190 P I . qui scire possum? C R . nullus plus. P I . quemnam ad modum? C R . quia si illa inuenta est quam ille amat, recte ualet; si non inuenta est, minus ualet moribundusque est. animast amica amanti: si abest. nullus est; si adest, res nullast: ipsus est … nequam et miser. res nullast (194): „res familiaris perit.“ ipsus est nequam et miser: „ipse omnia sua profundit, & dissipat, & nulli rei honestæ operam dat, ita miser est“ 275 (statt: er selbst ist glücklich). Die gekünstelte Antwort hat sich zu selbstgenügsamer Argumentation ausgewachsen; deshalb muß der Sprecher den Faden mit dem dafür charakteristischen sed neu aufnehmen: sed tu quid factitasti mandatis super? (195). Der Zusammenhang läßt an dem plautinischen Ursprung keinen Zweifel. Später fragt Crusalus Pistoclerus, ob ihm die samische Bacchis gefallen habe; der antwortet: rogas? | ni nactus Venerem essem, hanc Iunonem dicerem (216-217). Während sich die Humanisten mit der Stelle herumplagten, fand Ussing die richtige Lösung: „Mnesilochi amicam ita laudaturus, ut suam multo præferat, ‚Nisi‘ inquit ‚ipse Venerem nactus essem, illam‘ - expectamus ‚Venerem dicerem‘, sed sequitur para; prosdokivan (cf. Asin. 875 = 884) ‚Iunonem‘, cuius similior ei videbatur.“ 276 Beide Stellen zeigen, wie die Komik die Aussage überwuchert: Crusalus und Pistoclerus erweisen sich (wie Mnesilochus in III 4) als Witzvermittler: Herr und Sklave stehen sich in nichts nach. 274 Ausführlich B I 2 (S. 25-31). 275 Lambinus (1576) 1622, 374. 276 1878, II, 338. In diesem Sinn auch Del Corno 1973, 77; Barsby 1986, 116. C. Struktur 136 Crusalus sagt 364 nach dem Lügenbericht: Wenn er erwischt wird, werde er Nicobulus (illum) Unglück bescheren - man erwartet: sich (me): si ero reprehensus, macto ego illum infortunio (364). 277 Das ist wiederum plautinisch wie der ganze Monolog. 278 Ein weiteres Aprosdoketon verbirgt sich nach Barsby in der Partie 635-638 (voraus geht Mnesilochus’ Klage, daß er kein Geld für seine Geliebte habe): 635 P I . si mi sit, non pollicear. M N . scio, dares, noui. sed nisi ames, non habeam tibi fidem tantam; nunc agitas sat tute tuarum rerum; egone ut opem mi ferre putem posse inopem te? “We might have expected a conversation along the following lines […]: ‘P I . If I had money, I’d offer it. M N . I know you would, and, if you weren’t in love, I would place some confidence in you. But, since you don’t have the money to pay for your own affair, I can scarcely expect you to provide me with money for mine.’ But in fact Pistoclerus say’s ‘I’d not offer it’ (635), and Mnesilochus replies ‘I would not place confidence in you’ (636). The first of these negatives can be explained away, either by printing the line as a question (‘Wouldn’t I offer? ’) or by assuming a subtle distinction between offering and giving (‘I wouldn’t offer’: ‘No, you’d actually give’), but there is no obvious way of explaining the second negative or indeed the ‘but’ which precedes it. It looks therefore as if we have another example of a p a r a p r o s d o k i a n j o k e , w h i c h m a y a m u s e t h e a u d i e n c e b u t d e s t r o y s t h e p a t h o s o f t h e s c e n e a n d t h e s y m p a t h y o f t h e c h a r a c t e r i s a t i o n […]. On this interpretation Pistoclerus mischievously reverses the friend’s usual offer of help, and Mnesilochus after successfully parrying this shaft of wit by the offer / give distinction, responds by reversing the lover’s usual expression of confidence.” 279 Wie man die Stelle auch versteht, es ist festzustellen, daß die gesperrte Phrase für die ganze Partie Gültigkeit hat, nur daß zu ‘pathos’ das Ethos hinzuzufügen ist. Zu Recht weist Barsby auf Mnesilochus’ Monolog 500-525 zurück - von dem diese Betrachtung ausging. In dem sehr wahrscheinlich von Plautus stammenden Dialog zwischen Nicobulus und Crusalus IV 9 280 ist das Verhalten des Sklaven gegenüber dem Herrn nahezu durchweg para; prosdokivan (1000-1038, 1061-1065), da er das Gegenteil von dem sagt, was er denkt. Dadurch entsteht psychologischer Effekt, aber auch komische Wirkung. Es kann kein Zweifel sein, daß an solchen Stellen ‚mündlicher‘ Einfluß vorliegt, da das Aprosdoketon vor allem bei Aristophanes und 277 Barsby 1986, 126. 278 B II 2 (S. 53-55, auch zu der Stelle). 279 Barsby 1986, 150. 280 C I 1 (S. 116-119). I. Die Diskontinuität der Bacchides 137 Plautus begegnet - Autoren, die ihre literarischen Texte mit ‚mündlichen‘ Formen bereichern. h. Kettenmetapher und Metaphernkumulation Wie andere plautinische Komödien zeichnen sich die Bacchides durch reiche Metaphorik aus. Natürlich übernimmt die Palliata Metaphern aus der Nea, doch übertrifft sie sie quantitativ erheblich. Diesen Eindruck bestärken die Fragmente des Dis Exapaton. Deshalb ist der Schluß erlaubt, daß Plautus einerseits die plastische Umgangssprache nachahmt, andererseits das Stegreifspiel, das zu allen Zeiten eine stark metaphorische Redeweise kennt. 281 Während in Abhandlungen zu Plautus und Terenz 282 die Metaphorik allgemein untersucht wurde, wird im folgenden zunächst das Phänomen der Kettenmetapher betrachtet, 283 das ein Charakteristikum des Stegreiftheaters ist; der bedeutende Theoretiker der Commedia dell’arte Andrea Perrucci spricht in dem Werk ‹Dell’arte rappresentativa premeditata ed all’improvviso› (1699) 284 von der ‹metafora continuata›. 285 Sodann werden Beispiele für die an besonderen Stellen begegnende Metaphernkumulation angeführt. Für die K e t t e n m e t a p h e r bieten die Bacchides zwei herausragende Zeugnisse, bei denen man sich fragen kann, ob sie überhaupt Parallelen haben: das Troia-Canticum (IV 9) und das Schafduett (V 2). Crusalus’ Arie 286 versteigt sich bei dem 54 Verse umfassenden Vergleich der Überlistung des Senex mit der Eroberung Troias durch die Griechen (925-978) zu Skurrilitäten und Absurditäten, die ihresgleichen suchen. Wenn es auch wahrscheinlich ist, daß dem Gesang ein griechischer - gesprochener - Kern zugrunde liegt, ist auf der anderen Seite zu berücksichtigen, daß Plautus gerade auf dem Gebiet der mythologischen Metapher kreativ ist. 287 „Unverkennbar ist die Freude an den absonderlichen Begebenheiten und die naive Lust bei jeder, auch der unpassenden Gelegenheit in den Schatz der alten Geschichten hineinzugreifen, deutlich auch das Bestreben, einer recht alltäglichen und bürgerlichen Handlung mit Hilfe jener glänzenden Gestalten den Reiz des 281 Benz 1998 (2), 101-126. 282 Plautus: Lefèvre 1999 (1), 40-41; 2001 (2), 117-129; Terenz: 1978 (3), 96-101; 1994, 136-140; 1999 (2), 135-136; 2003, 128-139. 283 Wie bei der Untersuchung des Rudens: 2006, 128-136. 284 Stärk 1989, 68. 285 Stärk 1989, 75. 286 Zu den Bildern im einzelnen: C I 1 (S. 102-116). 287 “Greek mythological images […], which might have been expected to be derived from the Greek originals, are much more common in Plautus than in Menander ” (Barsby 1986, 12). C. Struktur 138 Ungewöhnlichen und gesteigerte Größenverhältnisse zu verleihen. So w i r d d i e A n s p i e l u n g o f t a n d e n H a a r e n h e r b e i g e z o g e n , d i e B e z i e h u n g e n s i n d (im Gegensatz etwa zu dem Mythischen bei Menander oder Terenz) m e i s t g a n z v a g . Der Kreis der bekannten Sagen ist recht groß, die Sicherheit aber der Kenntnis des Einzelnen und d i e K l a r h e i t d e r A n s c h a u u n g g e r i n g .“ 288 Da das Mythologische in den Bereich des Vergleichens und der Gleichnisse gehört, ist es klar, daß an plautinische Vergleiche und Gleichnisse nicht die Gesetze der Logik anzulegen und zum Maßstab der Echtheitskritik zu erheben sind. 289 Der Troia-Vergleich beschränkt sich nicht auf das Canticum, sondern spielt sowohl vorher wie nachher eine Rolle - worin sich ebenfalls das Phänomen einer Kettenmetapher zeigt. 709-713 kündigt Crusalus an: 290 de ducentis nummis primum intendam ballistam in senem; 710 ea ballista si peruortam turrim et propugnacula, recta porta inuadam extemplo in oppidum anticum et uetus: si id capso, geritote amicis uostris aurum corbibus, sicut animus sperat. Wenn der Sklave sieht, daß Nicobulus die zweite Summe aus dem Haus holt und alles an das Ziel gelangt ist, triumphiert er (1053-1054): fit uasta Troia, scindunt proceres Pergamum. sciui ego iam dudum fore me exitium Pergamo. Nicht anders geben sich Crusalus’ Schlußworte (1069-1075): euenit ut ouans praeda onustus cederem; 1070 salute nostra atque urbe capta per dolum domum redduco integrum omnem exercitum. sed, spectatores, uos nunc ne miremini quod non triumpho: peruulgatum est, nil moror; uerum tamen accipientur mulso milites. Diese Bilder gehören in den Rahmen der Vergleichung der Taten eines Sklaven mit denen eines Feldherrn; 291 aber die Gleichsetzung des erfolgreichen Betrugs an einem Alten mit der Eroberung einer Stadt, ja d e r Stadt ante Plauti memoriam hat eine sehr individuelle Note. 292 288 Fraenkel 1922, 98 (Sperrungen ad hoc). 289 Diesen Maßstab legt Zwierlein an, der von den vier hier in den Blick genommenen größeren Partien wesentlich mehr Verse tilgt als sonst: in der Troia-Arie (925-978) 48 von 54, im Schafduett (1121-1148) 20 von 28, in der Nicobulus- Klage (1087-1103) 13 von 17 und im Ludus-Monolog (368-384) 11 von 17 (1992, 339). (Questas mit a bezeichnete (Halb)verse sind nicht mitgezählt.) 290 „Daß 709-12 von Plautus stammt, gibt sogar Kießling zu“ (Fraenkel 1922, 64). 291 Fraenkel 1922, 232-234, ebenso 64: „Die Intrigue des Sklaven als kriegerische Unternehmung aufzufassen war eine seiner Lieblingsvorstellungen“. 292 Zu der verwandten Metaphorik im Pseudolus D II 12 (S. 179-180). I. Die Diskontinuität der Bacchides 139 Eine weitere Metaphora continuata ist der Vergleich der Senes mit Schafen (1120-1148). Fraenkel führt ihn überzeugend auf Plautus zurück „Man kann […] garnicht daran zweifeln, daß dies Ornament sein Eigentum ist.“ 293 Die Metaphorik wird nach allen Seiten ausgesponnen: Außer von oues ist von pastor (1122), pecus (1123), balitare / balare (1123 / 1138a), agni (1145), canis (1146) und arietes (1148) die Rede. oues sind die Alten als Opfer, 294 arietes wären sie als echte Männer, sie blöken 295 in ihrer Hilflosigkeit, 296 pecus sind die Menschen ihrer gewohnten Umgebung, agni sind Mnesilochus und Pistoclerus, der canis ist Crusalus. Weiter wird über die Alten gesagt: pol nitent, haud sordidae uidentur esse (1124). Das könnte heißen, daß sie glänzen 297 = reich sind und nicht schmutzig = arm sind. 298 Sie wurden gehörig geschoren, d. h. um Geld erleichtert (1125). Die athenische Bacchis fragt, ob sie wohl ein drittes Mal geschoren werden könnten (1127)? Wenn die samische Bacchis daraufhin feststellt, das eine Schaf sei heute schon zweimal geschoren, d. h. um zwei Summen betrogen worden, 299 stimmt sie zu (1128). Das ist alles in Bezug auf das Geld der Alten gesagt. In Bezug auf den Körper wird der Schafaspekt ins Despektierliche gewendet. Da heißt es: uetulae sunt †thimiamae 300 (1129), nec lac nec lanam ullam habent (1134); palantes (1136). Die Metapher wird in jede Konsequenz hinein durchgespielt. Die sich verzweigenden Gleichsetzungen erinnern ebenso an das Troia-Canticum wie der Umstand, daß das Hauptmotiv schon vorher angeklungen ist, wenn Crusalus in Hinsicht auf Nicobulus 242-243 sagt: quem quidem ego hodie faciam hic arietem | Phrixi, itaque tondebo auro usque ad uiuam cutem, oder Nicobulus 1095 über Crusalus klagt: is me auro usque attondit. Strukturell ist bei dem ovilen Megabild zu beachten, daß die Hetären mit der Vergleichung beginnen (was passend ist) und die ‚Biedermän- 293 1922, 72-75 (Zitat 73). Auf die einzelnen Argumente sei verwiesen. 294 „oueis appellat senes duos, Nicobulum & Philoxenum, propter canitiem, vel potius propter fatuitatem & stultitiam. est enim hoc animal stolidissimum. Etiam Græci stolidos & fatuos provbata vocant“ (Lambinus (1576) 1622, 419). Die samische Bacchis nennt die Alten 1139 stultae (sc. oues). 295 Camerarius konjiziert in 1123 palitantes („id est errantes“ [Lambinus (1576) 1622, 419]) und in 1136 palantes, weil die Schafe 1138 mutae genannt werden (vgl. Barsby 1986, 186). balitantes wird von Del Corno 1973, Questa 2008, de Melo 2011 gehalten. Beim Blöken kann an die Greisenstimmen gedacht sein. 296 Aber die Schafe haben eine menschliche Stimme - ein Prodigium (1141)! 297 Rau 2007, 105 sieht eine Anspielung auf die Glatzen der Alten. 298 «dall’aspetto curato dei due vecchi le giovani arguiscono che si tratta di benestanti, e progettano di trarre bottino da loro» (Del Corno 1973, 175). 299 Das Bild kann nicht von Menander stammen, da der Dis Exapaton nur einen erfolgreichen Betrug kennt. 300 Das Wort ist ungeklärt; es muß etwas Negatives ausdrücken. Barsby 1986, 87 übersetzt ‘useless’ (‘conjectural’), Rau 2007, 105 ‚dürr‘. C. Struktur 140 ner‘ (Fraenkel) sie aufnehmen und weiterführen (was unpassend ist). Das zeigt, daß im plautinischen ‚Theater der Rede‘ sich die Rede ohne Rücksicht auf den Charakter der Sprecher verselbständigt. 301 In dieser Hetärenszene begegnen weitere Metaphern, die aus der Hetärenszene I 1 aufgenommen werden. 302 Auch diese Technik gehört in den Bereich der Kettenmetapher. Neben der Kettenmetapher ist die M e t a p h e r n k u m u l a t i o n für Plautus bezeichnend. Zwei Beispiele werden vorgeführt: Nicobulus’ Klagemonolog V 1 und Ludus’ Höllenmonolog III 1. Nicobulus’ Klagemonolog ist dem Pathos entsprechend mit Metaphern gespickt. Manche sind abgegriffen, andere originell. - fungi (1088): „fungus insipidus est suapte natura. Itaque à cocis multo pipere, & oleo, & vino, & sale condiri solet. hinc fungi dicuntur, qui nihil sapiunt, sic supra eadem tabula, Adeon’ me fuisse fungum, vt qui illi crederem? [283]“ (Lambinus (1576) 1622, 416). “mushroom: i. e. idiot. This is a striking image found twice more in Bacchides (821, 1088) and nowhere else in Latin literature. It is difficult to tell whether it derives from popular slang or is Plautus’ own invention” (Barsby 1986, 123 zu 283). - buccones (1088): Ernout 1935, 123; «(da bucca, esprime l’atteggiamento di chi sta attonito a bocca aperta), in uno spiritoso rimando diretto alla maschera dell’atellana denominata appunto Bucco, che offrì molti spunti alla caratterizzazione latina del vecchio babbeo» (Del Corno 1973, 170); Barsby 986, 183. - ludos factum (1090a, 1100a), ludificari (1100): Ernout 1935, 123. - uror (1091): Ernout 1935, 123; Fantham 1972, 79, 87. - eradicatus sum (1092): „tralatio ab arboribus, quæ radicitus avulsæ intereunt, neque vnquam postea reviviscunt. Sic in Aulularia Suam reperisse, séque eradicarier [Aul. 299]“ (Lambinus (1576) 1622, 416); Ernout 1935, 123; Fantham 1972, 79. - excrucior (1092a), percrucior (1099a): Fantham 1972, 79 (zu 493 sese cruciat). - exitiis interii (1093a): Ernout 1935, 123. - lacerauit (1094): Fantham 1972, 79. - spoliauit (1094a): Fantham 1972, 79. - scelus (1095): Ernout 1935, 123. - attondit (1095): „delusit, ludificauit, vel mulcauit, spoliauit, nudauit, attriuit, & auro emunxit, tralatio est. sic in Captiuis, Sed vtrum strictimne attonsurum dicam esse, an per pectinem nescio [Capt. 268-269]. Idem supra eadem fabula, Itaque tondebo auro vsque ad viuam cutem [Capt. 242]. putabam etiam sic explicari posse, ignominia & dedecore affecit, dedecorauit: vt ad antiquorum Græcorum consuetudinem referatur, qui non tondebantur; atque idcirco dicuntur ab Homero, kavrh komovwnte" [B 11, a 90]. Ex quo illud, ÔHmetevrai" boulai'" Spavrth me; n ejkeivrato dovxan [Epameinondas apud Paus. 9, 15, 6] quod sic vertit Cicero. Consiliis nostris laus est attonsa Laconum [Tusc. 5, 49]. Sed nunc hanc explicationem minus probo. Idem in Epidico paullo aliter, Ne vlmos parasitos faciat, quæ vsque attondeant [Epid. 311]“ (Lambinus (1576) 1622, 416); Fantham 1972, 79; Barsby 1986, 183. - peracescit (1099): „id est quod peracerbum, & permolestum est, tralatio est, supra in Aulularia, Ita mihi pectus peracuit“ (Lambinus (1576) 1622, 416). 301 C I 5 (S. 144-147). 302 Besprochen in C I 4 (S. 142). I. Die Diskontinuität der Bacchides 141 - emunctum (1101): Fantham 1972, 51; Barsby 1986, 155. - nauci facere (1102): „seruum meum, contemtissimum, qui ne nauci quidem est. Quid sit nauci, multis verbis docet Festus, quæ longum sit referre, sed summa hæc est, naucum, seu nauci alios tradere, esse id, quod inest in oleæ nuce: alios, omnium rerum putamen. alios fabæ granum, quod hæreat in fabæ hilo: alios nucis iuglandis medium dissæpimentum. Deinde profert hæc ex Plauto in parasito pigro, Amabo magna laude elauti, postremo ambo sumus non nauci [Festus p. 166 Lindsay]. Idem in Mostellaria, Quod id esse dicam verbum nauci nescio [Most. 1042]. & in Truculento, Amas hominem non nauci [Truc. 611]. […] Non est autem ita coniuncte legendum, non nauci facere, &c. sed diuisim & separatim hoc modo, hoc seruum meum, hominem non nauci, facere esse ausum. Idem in Mostellaria, Qui homo timidus erit in rebus dubiis, nauci non erit [Most. 1041]“ (Lambinus (1576) 1622, 416); Barsby 1986, 184. Ein anderes Beispiel für Metaphernkumulation ist Ludus’ Auftritt in III 1, in dem er erregt über die höllenartigen Zustände im Haus der athenischen Bacchis berichtet. Wiederum fördert das Pathos der Rede den Gebrauch origineller Metaphern. Der ganze Monolog ist plautinisch, 303 somit auch die Metaphorik. - Orci (368): „sic appellat meretricum ianuam, quod quamobrem faciat, mox rationem subiungit. […] Plautus infrà in Trin. Acheruntis ostium in nostro est agro [525]“ (Lambinus (1576) 1622, 382); Barsby 1986, 127. - Bacchae (371): „quæ instar Baccharum amentium, & insanarum dilacerant quencunque nactæ sunt“ (Lambinus (1576) 1622, 382); Barsby 1986, 127. - sorbent (372): „allegoria est“ (Lambinus (1576) 1622, 382); „Tralatione est divitias aut vires eripere“ (Naudet 1830, 372); Fantham 1972, 79 (zu 869 exsorbebo), 84, 101; Barsby 1986, 127, 128. - instructa domus opime atque opipare (373): „egóne facere possum, vt hæc taceam, & condita in pectore contineam? “ (Lambinus (1576) 1622, 382). „tralatio est“ (Lambinus (1576) 1622, 382); Barsby 1986, 127. - conclusa gestem (375): „in pectore“ (Naudet 1830, 373); Fantham 1972, 79. - desidiabula (376): „desidiei loca? apta ad desidiam, seu ad desidendum loca? “ (Lambinus (1576) 1622, 382), hier übertragen; Barsby 1986, 128. Del Corno 1973: ‹oziosaggini›, Rau 2007: ‚Schlendrian‘, de Melo 2011: ‘indolent resorts’. - gerulifigulos (381, Questa 2008: korrupt): „fecisti gestatores, & gerulos flagitii. fecisti vt sustinerent & gererent onus flagitii, ac dedecoris, ex infamia tua, seu per infamiam tuam, geruli figuli, qui gerunt sua vasa fictilia: vel geruli, qui figulorum vasa fictilia gerunt“ (Lambinus (1576) 1622, 382). „Gerulus, inquit Scaliger, apud veteres non oJ bastavzwn, ut postea, sed oJ pravttwn kai; prakth; r dictus est. ut h. l. Plautus Gerulifigulos dixit gerulos & figulos, hoc est, prakth'ra" kai; plavsta": Hæc ille. Sie müssen deine Schand tragen. […] Tu fecisti tuis infamibus dictis ut tuus pater, & ego tuus præceptor dicamur quasi auctores horum flagitiorum: quod pater ita te fecerit, & ego te finxerim ac docuerim, ut tam flagitiosus existeres. Gerulus, propter patrem; Figulus, propter præceptorem“ (Taubmann 1612, 470); “accessories and partners: Lit. ‘perpetrator-instigators’. The outrageous coinage gerulifigulus looks like a compound of gerulus (normally ‘porter’: 1002) and figulus (normally ‘potter’), but Plautus harks back to standard meanings of the corresponding verbs gerere (‘carry out’, ‘perpetrate’) and fingere (‘invent’, ‘instigate’)” (Barsby 1986, 129). 303 B III 2 (S. 62-65); C I 1 (S. 89-91). C. Struktur 142 - ex lutulento caeno (384): „ex ganeo, seu lupanari“ (Lambinus (1576) 1622, 382); Fantham 1972, 59; Barsby 1986, 127. Es ist sicher kein Zufall, daß alle vorgeführten Beispiele Cantica bzw. Rezitativen mit Musikbegleitung entnommen sind. In ihnen entfaltet sich Plautus’ ‚Theater der Rede‘ behäbig breit, indem er seiner skurrilen Phantasie freien Lauf läßt. Das Merkmal der Assoziation gilt in größerem Maß für gesungene und rezitierte als für gesprochene Partien. 4. Überkreuzdramaturgie Plautus führt vollendet vor, wie sich die Situation des Anfangs - zwei Söhne lieben zwei Hetären, zwei Väter sind mehr (Nicobulus) oder weniger (Philoxenus) dagegen - am Ende total verkehrt: Die Väter sind nicht nur nicht dagegen, sondern unterliegen ebenfalls den Hetären, und die Söhne haben nicht nur nichts zu befürchten, sondern verfügen über erhebliches Vergnügungsgeld. Die Handlung wird auf den Kopf gestellt. In der Darstellung saturnalischer Verhältnisse sieht Plautus das Ziel seiner Bearbeitung. Bezeichnenderweise heißt der letzte Vers der Komödie (vor den Worten des Grex): lepide ipsi hi sunt capti, suis qui filiis fecere insidias (1206) - gesprochen von einer Hetäre! Plautus unterstreicht seine Konzeption durch Anklänge zwischen der (jetzigen) ersten (I 1) und der letzten Szene (V 2). 304 39-40 Pistoclerus zunächst aparte über die Schwestern und dann laut zu ihnen: quid agunt duae germanae meretrices cognomines? | quid in consilio consuluistis? / 1154 Nicobulus aparte über sie: quid illaec illic in consilio duae secreto consultant? 50 Pistoclerus zu ihnen: uiscus merus uostrast blanditia / 1158 Nicobulus über sie: tactus sum uehementer uisco. 63-64 Pistoclerus über die Worte der athenischen Bacchis: aculeata sunt, | animum fodicant, / 1159 sein Vater: cor stimulo foditur. Eine deutliche Entsprechung zeigt sich bei der Phrase nihili sum. Pistoclerus 91, wenn er einknickt: sumne autem nihili qui nequeam ingenio moderari meo? / 1157 sein Vater am Schluß in der nämlichen Situation: nihili sum, was Nicobulus sofort (nihili’s) und in 1162 (tu nihili) zweimal bestätigt. 1187 revanchiert sich Philoxenus, indem er den leichtfertigen Leidensgenossen homo nihili apostrophiert. Schließlich 92-93 Pistoclerus: mulier, tibi me emancupo: | tuus sum, tibi dedo operam, 1205 Nicobulus: ducite nos quo lubet tamquam quidem addictos - wie die Söhne, so die Väter. Die drastischen Bilder unterstreichen das drastische Thema. Dieselbe Struktur wie das ganze Stück hat I 1. Pistoclerus ist gegenüber den Hetären zunächst äußerst reserviert, wenn er der Feststellung 304 Clark 1976, 95-96. I. Die Diskontinuität der Bacchides 143 der athenischen Bacchis miserius est nihil quam mulier kontert: quid esse dicis dignius? (41); «la battuta è ispirata a una m i s o g i n i a d i m a n i e r a , con cui Pistoclero tenta di restituire un tono scherzoso al dialogo, che la sentenza della Bacchide (enfaticamente accentuata dalla collocazione privilegiata di miserius) intende avviare seriamente.» 305 So geht es fort: 50-51, 53, 55 (mala tu es bestia)-56, 62-64, 65-73, 74, 78, 85, 87-88: Dann fällt Pistoclerus plötzlich um mit dem zitierten Bekenntnis, nihili zu sein, und der saturnalischen Unterwerfung unter die Hoheit der Hetäre tibi me emancupo: | tuus sum (91-93). Die Konstruktion wirkt gewiß komisch - zumal in Rom -, aber sie ist auch ein bißchen lebenswahr - nicht nur in Rom. 306 Sowohl in I 1 als auch im Stück als Ganzem dient die Überkreuzdramaturgie einerseits der Herausstellung des Hetärentums, andererseits der Abwertung der Autorität in Gestalt der Söhne und der Väter. Plautus konnte sich der Wirkung sicher sein. Der verwandte Pseudolus 307 zeigt dieselbe Überkreuzdramaturgie. Zu Beginn verkörpert Simo die Autorität, der mit seinem Sklaven wettet, daß er nicht das Geld aufbringen werde, dessen der Sohn dringend bedarf. Der gewitzte an plautinische Komödien gewöhnte Zuschauer ahnt, wie das Spiel ausgehen werde. Am Ende ist es dann so weit, daß Pseudolus triumphiert und über dem unterlegenen Alten das verhaßte uae uictis ausruft (Pseud. 1317). Die Positionen haben sich verkehrt. Später treibt Terenz ein vergleichbares Spiel. Im Heautontimorumenos ist Chremes am Anfang der Überlegene, Menedemus der Unbeholfene, gegen Ende erkennt Chremes, daß er unterlegen und Menedemus überlegen ist. 308 „Es hat also in der Lage der beiden Alten ein vollständiger Umschwung stattgefunden, u. Menedemus u. Chremes haben die Rollen im Vergleich zu der Anfangsscene des Stückes getauscht.“ 309 Nicht anders ist es in den Adelphoe, in denen am Anfang Micio als der Überlegene, Demea als der Unterliegende erscheint und sich am Ende - begleitet von Spott und Hohn - das umgekehrte Verhältnis darstellt. „Terenz zielte einzig und allein auf die Komik des Handlungsumschlags, nicht auf die Korrektur von Prinzipien. Und dafür hatte ihm Plautus mit einer Reihe von Beispielen den Weg gewiesen. Da die ‚Adelphen‘ sehr viel philosophischer und theoretischer angelegt sind als die ‚Bacchides‘, verkannte man, daß Terenz’ Ziel nicht philosophi- 305 Del Corno 1973, 55 (Sperrung ad hoc). 306 Questa 1985, 30 sagt treffend, daß die Szene I 1 «fa da ‹pendant› a quella con cui la commedia si chiude», aber unzutreffend in der Fortführung «svelandosi anche per questo come appartenente alla più tipica struttura del modello.» 307 D II 12 (S. 181-182). 308 Lefèvre 1994, 123. 309 Wagner 1872, 68. C. Struktur 144 scher, sondern komischer Art war.“ 310 Beidemal hat Terenz nicht von Menander, sondern von Plautus gelernt. 5. Theater der Rede Bei Plautus handelt es sich um ein Theater der Rede. 311 Unter dem Einfluß des Stegreifspiels läuft seinen Personen in Monologen wie in Dialogen immer wieder das Wort aus dem Ruder. Die Kettenmetaphorik und die Metaphernkumulation sind dafür die besten Beispiele. Mnesilochus’ Monolog III 4 ist fast doppelt so lang wie das menandrische Vorbild. Nun demonstriert die Verbreiterung eines Monologs nicht eo ipso den Hang zur Geschwätzigkeit, da sich der eine diffiziler und detaillierter äußern kann als der andere. Das trifft auf diesen Monolog aber nicht zu: Allein der viermalige Gebrauch des Aprosdoketon zeigt, daß der Autor Witz an Witz reiht, wie es das Original nicht kennt. Der Sprecher muß sich sogar zur Raison rufen: sed satine ego animum mente sincera gero, | qui ad hunc modum haec hic quae futura fabulor? (509-510). Es geht dem Dichter nicht um eine psychologische Vertiefung des Charakters, sondern um den komischen Effekt. 312 Der Papyrus lehrt, daß es Plautus ist, der in III 6 den Redestrom der Freunde uferlos werden läßt. Das Wort verselbständigt sich. Charakteristisch ist das ‘absichtsvolle Um-den-heißen-Brei-Herumreden‘; 313 “we seem to hear the actor talking, not the character, […] the way the pair frame up to each other and fence their way through greetings, the rejected invitation to dinner and the moralizing cross-talk to the point of an outright accusation: Pistoclere, perdidisti me sodalem funditus. The change in pace is very remarkable, and with it the change from the conventional lightness of the Greek line to the longer and heavier Latin one, with its pomps and decorations of language, and the ring of Plautine alliteration and assonance.” 314 Vor allem das - wirkungsvolle - Räsonnement über die falschen Freunde 540-551 droht Mnesilochus’ Anliegen zu verdrängen und zu verdecken. 315 Es ist die Methode des Stegreifspiels, nicht kontinuierlich und dynamisch Gedanken zu verknüpfen, sondern additiv und statisch einen Ge- 310 Lefèvre 1978 (1), 35-36. 311 Lefèvre 2001 (2), 153-154; 2004 (1), 53 mit Anm. 283; 2004 (2), 85; 2006, 137-143. 312 B I 2 (S. 27). 313 Wallochny 1992, 183. 314 Handley 1968, 17. 315 Zu III 6 (auch unter diesem Gesichtspunkt) ausführlich B I 5 (S. 37-44). I. Die Diskontinuität der Bacchides 145 danken nach dem anderen in alle erdenklichen Richtungen hin auszuspinnen und als sich selbst genügsamen Glanzpunkt leuchten zu lassen. Plautus’ Eigenart, die Rede sich verselbständigen zu lassen, kann ein weiteres Beispiel demonstrieren. Im Dialog mit den Hetären gebraucht Pistoclerus eine Bilderkette, die die speziellen Tätigkeiten in einem Bordell geistreich - und klangreich - umschreibt. Da der Auftritt von Plautus stammt, 316 geht sie auf sein Konto (65-72): 65 S O . quid ab hac metuis? P I . quid ego metuam, rogitas? adulescens homo penetrem <me> huius modi in palaestram, ubi damnis desudascitur? ubi pro disco damnum capiam, pro cursura dedecus, 69 ubique imponat in manum alius mi pro cestu cantharum? 68 B A . lepide memoras. P I . ubi ego capiam pro machaera turturem, 70 pro galea scaphium, pro insigni sit corolla plectilis, pro hasta talos, pro lorica malacum capiam pallium, ubi mi pro | equo lectus detur, scortum pro scuto accubet? Der Ausgangspunkt des phantastischen Kampfplatzes ist der Vergleich des Bordells mit einem Ringplatz (palaestra). Es wird sozusagen die turnerische Seite betont. Im Rudens hat ein Mädchen diesen sprechenden Namen, die sich in der Gewalt eines Kupplers befindet. Wenn man 68 hinter 69 stellt, 317 setzen 66-67 und 69 Sportliches, 68 und 70-72 Militärisches in sinnreiche Beziehung zu Sexuellem. Über die Bedeutung von turtur (68) führten die Humanisten eine interessante Diskussion, die Taubmann 1612, 454 wiedergibt: „Pueris delicatis, inquit Lamb. [(1576) 1622, 369] dabantur aves, quibuscum lusitarent ut Capt. act. 5: 3 [Capt. 1002-1003]. eóque hoc referendum. Sed Douza falsum id, nec satis eroticum putans, mollius quiddam cogitat: creditque Turturem hunc Plautinum, quem pro machærâ in manus capiundum sibi argutè quidem, sed nequiter satis & lascivè argutatur adolescens quovis turture salacior, prorsus concolorem esse Passeri illi non passeri Catulliano &c.“ Gruter 1621, 540 und noch Naudet 1830, 348-349 hielten es lieber mit Lambinus. Seit Buecheler (1885) 1930, 76-77 wagt man, wieder an die Bedeutung membrum virile zu denken (Ernout 1935, 17; Questa 1985, 30 Anm. 12). - scaphium / skavfion (70) war nicht weniger umstritten. „Poculum oblongioris figuræ, laterumque in scaphæ similitudinem flexorum. Turneb. lib. 2: 30 [Clementi 2009, 171]. At Douza hanc Tautologiam à Plautino Atticismo spernendam censet: quòd is Cantharum jam dixerit: & scaphium interpretatur vas illud cui solent immejere mulieres, auctoritate Juvenalis [6, 264] & Martialis [11, 11, 6]. Scaphium, ait Gifan. vas ex ære ad retrimenta alvi: muliebre ferè, ut lasanum virile. Qui pro matula accipiunt, verbo abutuntur“ (Taubmann 1612, 455). Geradezu lächerlich erschien Naudet 1830, 349 Dousas und Gifanius’ Deutung. „Risum teneatis, quum doctos audiatis viros interpretantes scaphium vas illud, cui solent immeiere mulieres. Commoda sane galea. Sed nunc adolescens, qui nondum omnino solvit pudorem, scurrilitate vel impudentissimos e parasitis vinceret.“ Das Richtige bei Ernout 1935, 17 und Barsby 1986, 102: “a female chamber-pot (Ar. Th. 633 […]). Inverted it would bear some 316 B III 1 (S. 61-62). 317 Langen 1886, 252; Questa 2008, 34; de Melo 2011, 374. C. Struktur 146 resemblance to a soldier’s helmet (galea).” - insigni (70): „crista est, quæ in galeâ figitur“ (Taubmann 1612, 455); «sans doute l’aigrette du casque» (Ernout 1935, 17). - talos (71): “tali were oblong dice, made originally from sheep’s knuckle-bones and marked only on the four long sides; the intended similarity with the soldier’s spear (hasta) may be that they were both ‘thrown’ (iacere)” (Barsby 1986, 102). - equo (72): Wenn es denn nötig ist, sei vermerkt, daß man im Bett auch reiten kann. - scortum: „lepidè & acutè. Scortum enim nomen habet à materia illà, quæ tegumentum scutis. Et scutum alioqui militibus semper præstò“ (Taubmann 1612, 455). „S e d nunc a dole s c e n s , qui no ndum o mnino s olvit pudor e m , s cur rilit a t e vel impud e ntis s imo s e p a r a s itis v inc e r e t“, sagt Naudet zu der (zutreffenden) obszönen Deutung. 318 Das ist eben das Problem der plautinischen Rede, die nicht Charaktere zeichnet, sondern sich absolut entfaltet. Ob ein schüchterner Jüngling oder ein hemmungsloser Parasit spricht, macht oft keinen Unterschied. Es herrschen Wort und Witz, die immer neue Wörter und Witze gebären. Man mag den Passus 65-72 zu ‚einfältig‘ finden, als daß er von Plautus herrühren könne, 319 man mag ihn aber auch so raffiniert finden, daß er nur von Plautus herrühren kann. Es ist erstaunlich, wieviele griechische Wörter (palaestra, discus, machaera, scaphium) dem römischen Publikum verständlich gewesen sein müssen. Zu ihm gehörten sicher die aus dem Osten heimgekehrten Soldaten, denen auch die die Rechnungen des Stücks beherrschenden Philippi vertraut waren. Vielleicht ist es Plautus’ Taktik, für derlei ‚anstößige‘ Dinge zu suggerieren, daß ein graeculus (Pistoclerus) von ihnen spricht. pallium (malacum! ) wird wohl nicht zufällig gesagt (70). Auch in den Dialogen zwischen dem alten Herrn und dem Sklaven ist die Technik zu beobachten, die Personen contra h\qo" reden zu lassen. So entgegnet in II 3 Nicobulus auf Crusalus’ (falsche) Nachricht, der Gastfreund in Ephesus sei ein Betrüger: adeon me fuisse fungum ut qui illi crederem, | qum mi ipsum nomen eius Archid e m i d e s | clamaret d e m p t u r u m esse, si quid crederem? (283-285). Mit dem Witz begibt er sich in der für ihn ernsten Situation auf Crusalus’ Niveau. Wiederum ist festzustellen, daß das Wortspiel mit dem griechischen und dem lateinischen Wort nur verständlich ist, wenn das Publikum genügend Griechisch beherrscht. Wenig später berichtet Crusalus, der Vorsteher des Artemis-Tempels Theotimus sei den Ephesiern sehr teuer (carissimus), worauf Nicobulus den Kalauer macht, er käme ihm viel teurer zu stehen (carior), wenn er ihn um soviel Gold betrogen hätte (309-311). Das ist dem Ernst der Szene nicht angemessen - etwas anderes wäre es, wenn der Sklave mit den Wörtern jonglierte. „Scurrilitas neque per- 318 1830, 349. 319 Luchs 1878, 498-499. Nach Langen 1886, 253 ist das nur eine ‚subjektive Anschauung‘. Sympathie für sie bei Zwierlein 1992, 128 mit Anm. 278. I. Die Diskontinuität der Bacchides 147 sonæ, neque tempori conveniens“, konstatiert Naudet zu Recht. 320 In 315-324 versuchen sich Nicobulus und Crusalus mit dem Hickhack von nescire / scire gegenseitig zu überbieten. 321 Auf die Charaktere wird keine Rücksicht genommen, die Rede regiert gewissermaßen absolut. Das eindeutigste Beispiel stellt das von Fraenkel so genannte Schafduett dar, in dem die Metaphora continuata von Person zu Person weitergebildet wird. 322 Die Bacchides schlagen das abwertende Bild an (1121a-1139) - ein Vorgehen, wie es, könnte man sagen, Hetären ansteht. Dann aber nehmen Nicobulus und Philoxenus das Bild auf und spinnen es gemeinsam mit den Hetären weiter (1140-1148) - ein Vorgehen, wie es, muß man sagen, älteren Bürgern nicht ansteht. Witz und Rede verselbständigen sich, wobei die Senes ihren Charakter ‚ablegen‘. Es ist deutlich, „wie sehr der Dichter in seiner Arbeit bisweilen der reinen Rede den Primat vor dem reibungslosen Fortgang der Handlung einzuräumen bereit war.“ 323 6. Fazit: Die Struktur des vom Stegreifspiel beeinflußten Theaters “Had the Atellana never existed, the palliata might have developed on widely different lines.” 324 Die Lebhaftigkeit und Komik der Palliata, durch die sie sich von der Nea grundlegend unterscheidet, sind durch den Einfluß der vielfältigen Formen und Strukturen des altitalischen Stegreifspiels zu erklären. Eindeutig hat sich Fraenkels an anderen Plautus-Stücken gewonnene Erkenntnis für die Bacchides bestätigt: „Ein Zurückdrängen, ja teilweises Zerstören der Haupthandlung im Zusammenhang mit breitem Ausgestalten nebensächlicher Situationen und einer beträchtlichen Steigerung des Derbkomischen, wie es sich für die plautinische Arbeit am Stichus, aber auch an anderen Stücken, als charakteristisch erwiesen hat, liegt auch im Falle der Casina vor“ 325 . Daß die genannten Kriterien solche des Stegreiftheaters - besonders der Atellane 326 - sind, dessen Techniken Plautus folgt, liegt auf der Hand. Entscheidend ist das Zusammenspiel von schriftlichen (griechischen) und mündlichen (italischen) Theaterformen. Beare stellt treffend fest: “There is nothing inherently improbable in supposing that Plautus, in adapting to the pop- 320 1830, 368. 321 C I 3 c (S. 128-129). 322 C I 3 h (S. 139-140). 323 Stürner 2011, 193 zu Philoxenus’ Monolog IV 10. 324 Beare 1930, 168 (s. S. 148). 325 1922, 292. 326 Lefèvre 2010, 15-36. C. Struktur 148 ular taste the material supplied by the Greek New Comedy, was influenced by the rude and non-literary but genuinely popular native drama which he found on his coming to Rome. His great achievement, here as elsewhere, was to weave the threads of the unfamiliar and the familiar into a sort of unity. Had the Atellana 327 never existed, the palliata might have developed on widely different lines.” 328 Man darf vermuten, daß die Palliata in diesem Fall so unterentwickelt und dementsprechend schlecht überliefert wäre wie die Togata. Die Oikonomia einer gut gebauten Intrigenhandlung stellte Menander mit dem Dis Exapaton zur Verfügung. Sie zerstört Plautus unbekümmert um seiner eigenen Ziele willen. Einerseits interessiert ihn der Triumph des übermächtigen Sklaven, den er mit Hilfe zweier von ihm verfaßter Briefe und eines dritten Betrugs zu einer «creatura di proporzioni superiori al normale», einem «inventore geniale» steigert. 329 Andererseits haben es ihm die Hetären angetan, denen er nicht nur mit I 1 und V 2 zwei ebenso unmenandrische wie urplautinische Auftritte komponiert, sondern auf deren Treiben hin er alle anderen Personen ausrichtet. Das führt notwendig zur Auflösung der menandrischen Struktur zugunsten einer Folge selbstgenügsamer, aber wirkungsvoller Einzelszenen. Aus diesem Verfahren resultieren Lebhaftigkeit, Tempo und Witz, die über alle Fugen und Ritzen hinwegtragen (bezeichnenderweise fielen Menanders ernste Dialoge zwischen Sostratos und dem Vater unter den Tisch). Lejay kam zu dem Urteil: «Telle qu’elle est, la pièce est une des plus vives et des mieux concertées du théâtre latin.» 330 II. Die oijkonomiva des Dis Exapaton Im folgenden werden Handlung und Aufbau des Originals gemäß der in B und C I 1 gewonnenen Ergebnisse zu rekonstruieren versucht, ohne daß in jedem Punkt zurückverwiesen wird. Der hypothetische Charakter der Überlegungen versteht sich von selbst, 331 zumal es leichter ist, für Szenen der Bacchides plautinischen Ursprung zu erweisen als Szenen des Dis Exapaton wiederzugewinnen. Das lehrt der Papyrus für die Dialoge zwischen Nicobulus und Sostratos. 327 Die Anspielung auf den Bucco in 1088 ist ein stechendes Stichwort. 328 1930, 168. 329 Perna 1955, 382. 330 1925, 59. 331 Mette 1965, 50-54 führt Szene für Szene auf Menander zurück. II. Die oijkonomiva des Dis exapaton 149 1. Aufbau Der Ort war Athen. Auf der Bühne standen die Häuser von Nicobulus und Philoxenus, dazwischen lag vielleicht ein Heiligtum Apollons (oder Pythias? ). 332 I. Akt Der Dis Exapaton begann, wie man seit 1970 weiß, mit den Worten pro; " tw'n qew'n, m<e>iravkio[n. 333 Damit sind frühere Rekonstruktionen hinfällig. 334 Wenn es richtig ist, daß bei Menander, wie Webster annimmt, die Apostrophe meiravkion nicht von Frauen benutzt wird, 335 kann die verbreitete Ansicht, daß die athenische Bacchis „den Dis Exapaton eröffnet hat, […] praktisch mit Sicherheit ausgeschlossen werden.“ 336 Es war ein Fehler, aus den Fragmenten der Bacchides auf Menander zurückzuschließen, indem man annahm, Plautus folge ihm ü b e r a l l eng. Webster vermutete ansprechend, daß Moschos und Lydos das Stück eröffneten. 337 Wenn es ‘not likely’ ist, daß ein Sklave mit meiravkion angeredet wird, 338 war Lydos der Sprecher, zu dessen Rolle ‘the impatient tone of the words’ paßt. Er wird gegenüber Moschos abweisend reagiert haben, 339 der ihm erzählte, daß er einen Brief von Sostratos erhalten habe, der ihn bitte, das Mädchen ausfindig zu machen, das er auf der Reise kennengelernt habe und das in Athen bei ihrer Schwester absteigen wolle. Ob er schon eine Spur gefunden hatte, ist nicht zu sagen. Die Rekonstruktion ohne die zu Anfang auftretende athenische Bacchis gewinnt deshalb an Wahrscheinlichkeit, weil 1. das ganze a k t i v e Hetärenwesen auf Plautus zurückzugehen scheint 340 und 2. ihr Haus bei Menander offenbar nicht auf der Bühne stand. 341 Wenn Plautus die Bezeichnung paedagogus aus dem Original übernimmt, war 332 B IV 1 (S. 74). 333 Boyaval 1970, 6-7. 334 Zur Diskussion Questa 1985, 29; 2008, 28-29; Nünlist 1993, 273. 335 1972, 305-307 (306 Anm. 7: “naiv, pro; " qew'n is used by Knemon’s daughter in Dyskolos 201, and Sostratos is obviously surprised”). 336 Nünlist 1993, 273. Auch nach dem Bekanntwerden des ersten Verses des Dis Exapaton halten an den Gesprächspartnern Bacchis und Moschos fest: Gaiser 1970, 66; Bader 1970, 321; Handley bei Bader 1970, 322; Questa 1985, 29 (Bader und Handley vorsichtig zustimmend); Barsby 1986, 93. 337 1960, 128 mit Anm. 2; 1974, 130 (ihm folgt Holzberg 1974, 65), doch rekonstruiert Webster 1974 aus plautinischen Fragmenten menandrische Auftritte. 338 Barsby 1986, 93. 339 Gute Erwägungen bei Holzberg 1974, 65-66. 340 B III 1-7 (S. 61-73). 341 B IV 4 (S. 79-80). C. Struktur 150 Lydos ein in Ehren ergrauter Erzieher, der sich für das Wohlergehen des Zöglings verantwortlich fühlte und einen mahnenden Ton anschlug. Moschos könnte zu Bacchis gegangen sein. Es konnte der Prolog folgen. Wegen der wahrscheinlich stattfindenden Anagnorisis 342 war eine Gottheit erforderlich. Es konnte sich um Pythia handeln. 343 Sie erklärte, was es mit der samischen Bacchis auf sich hatte, so daß deutlich wurde, daß sämtliche Personen während des Spiels im Irrtum befangen waren. Insbesondere wurden wohl die jungen Liebhaber und ihre Probleme vorgestellt. Eine enge Parallele bietet die Aspis, in der es zunächst einen Dialog zwischen Herrn und Sklave, Smikrines und Daos (Asp. 1-96), und sodann eine Rede der prologivzousa Tyche (Asp. 97-148) gibt. Weitere Szenen sind nicht zu eruieren. Der erste Akt bot die provtasi". 344 Ungeachtet der vielen Informationen, die sie bekommen hatten, durften die Zuschauer gespannt sein, wie sich alles lösen werde. II. Akt Der zweite Akt begann wohl mit Syros’ Rückkehr ( II 1). Ob Menander sich den Scherz erlaubte, seine Gepflogenheit, daß athenische Bürger bei der Rückkehr aus Barbarenländern die Heimatstadt begrüßen, damit zu parodieren, daß der Barbar Syros, noch dazu ein Sklave, Athen begrüßte, 345 ist schwer zu sagen. Er traf auf Moschos ( II 2), der berichtete, daß er von seiner Freundin, der athenischen Bacchis, erfahren habe, ihre Ziehschwester sei aus Samos zu Besuch gekommen. Sie habe mit einem stratiwvth" einen Vertrag. Ihr Dienst solle ‚heute‘ bei ihm beginnen, während die (von ihr erwünschte) Lösung des Vertrags 200 Philippi (in entsprechender Währung) koste. Da die Ankunft des stratiwvth" für ‚heute‘ angekündigt sei, befinde sie sich in großer Not. Moschos trat ab, Syros blieb zurück. Dem treuen Diener war klar, daß es zu handeln galt. Er konnte darüber sinnieren, daß es wohl auf ihn zukommen werde, das nötige Geld zu beschaffen - ähnlich wie bei Plautus, nur etwas bescheidener ( 229-234). Da kam Nicobulus aus dem Haus, um sich im Peiraieus nach einem Schiff aus Ephesos zu erkundigen, und traf Syros, mit dem er in ein folgenschweres Gespräch geriet ( II 3). Der Sklave spiegelte ihm vor, 342 B III 5 (S. 68-71). 343 B IV 1 (S. 74). 344 Euanthius De fab. 4, 5 Wessner: protasis primus actus initiumque est dramatis. 345 Del Corno 1973, 71. II. Die oijkonomiva des Dis exapaton 151 der Gastfreund Archidemides sei ein Betrüger, weshalb das Geld bei Theotimos, dem Vorsteher des Artemis-Tempels, deponiert worden sei. Nicobulus beschloß, Sostratos zu erreichen ( 348). Syros mußte versuchen, ihm zuvorzukommen. Schon deshalb hielt er nicht wie bei Plautus einen langen Monolog (349-367), sondern eilte fort. III. Akt Am Anfang des dritten Akts trat wohl Sostratos auf ( III 2). Er hatte die Wendung der Dinge während des Chorintermezzos erfahren. Nun wollte er von Moschos Näheres über die samische Bacchis wissen. Philoxenus und Lydos erschienen im Gespräch ( III 3), in dem der paidagwgov" über den (vermeintlich) lockeren Umgang des Zöglings klagte. Der lauschende Sostratos erfuhr, daß Moschos Verkehr mit einer Frau aus Samos habe. Er trat vor, um zu erklären, daß jener das seinetwegen tue. Doch Lydos gelang es, ihm glaubwürdig zu versichern, daß Moschos die Samierin liebe. Die Sachlage war etwas kompliziert, da es zwei Frauen aus Samos gab, eine Hetäre (eJtaivra crhsthv) und ihre (bürgerliche) Ziehschwester. 346 Während Lydos von der ersten sprach, 347 hatte Sostratos die zweite im Sinn. Das führte zu erheblichen Konsequenzen. Philoxenus trug Sostratos auf, sich um Moschos zu kümmern, und ging mit Lydos in sein Haus (Dis 11-14). Sostratos blieb zurück und hielt einen verzweifelten Monolog, in dem er die Geliebte verdächtigte, den Freund verführt zu haben. Er beschloß, dem Vater das von Syros erschwindelte Geld zurückzugeben. In die Rede mischte sich nicht der leiseste komische Zug (Dis 18-30). Dann sah er den Vater kommen und erklärte ihm, daß Syros nicht die Wahrheit berichtet habe und sie das Geld mitgebracht hätten. Er werde es ihm sogleich überreichen. Der Alte, ad rem auidior (Ter. Eun. 131), war freudig überrascht und ließ sich leicht von seiner Erkundigung nach Syros’ Motiven abbringen (Dis 41-63). Vater und Sohn verließen die Bühne, um das Geldgeschäft zu erledigen. 348 Damit schloß der dritte Akt (corou' nach Dis 63). 346 B III 5-6 (S. 68-71). 347 Webster 1974, 131 sagt wohl richtig, daß Lydos die Frauen nicht unterschied. 348 “The surviving fragments of the Greek play do not make clear where the gold was handed over, but it was probably somewhere in the vicinity of the harbour” (Lowe 2007, 110, Verweis auf Primmer 1984, 35 Anm. 67). Anm. 6: “Sostratos (= Mnesilochus), having been informed of the slave’s scheme at the harbour (Bacch. 392f.), would naturally deposit the gold there rather than bring it to his father’s house.” Aus Dis 59-60 gehe hervor, daß er das Gold nicht bei sich habe; vgl. auch Del Corno 2001, 40 Anm.4. Zum Problem B I 3 (S. 32 Anm. 49). C. Struktur 152 Der zweite und der dritte Akt boten die ejpivtasi". 349 Nachdem durch Syros’ ingeniöse Trugerzählung die Probleme gelöst schienen, wurde durch Sostratos’ Mißverständnis alles wieder in Frage gestellt. Man mußte von vorn beginnen. Die Zuschauer durften ‚gespannt‘ sein, wie sich der Umstand, daß die Personen des Spiels nichts durchschauten und irrten (ajgnoou'si kai; planw'ntai, Asp. 99), lösen werde. IV. Akt Nicobulus und Sostratos traten erneut auf. Der Alte bekräftigte, daß er Syros nicht mehr traue: Wenn der ihm sage, die Sonne scheine, werde er annehmen, daß Finsternis herrsche. 350 Darauf ging der Vater zur Agora und ließ den Sohn zurück (Dis 64-90). Der hielt einen Monolog, in dem er sich abfällig über die samische Bacchis äußerte, weil er glaubte, sie, die ijtamwtavth pasw'n (Dis 101-102), habe Moschos verführt (Dis 91-102). Dieser erschien darauf selbst, und nach wenigem Aneinandervorbeireden klärten sie das Mißverständnis auf (Dis 102- 113). Da kam Syros, der von nichts wußte und in einem ‚kurzen Monolog‘ 351 Neugierde äußerte, wieviel Geld Sostratos wohl für sich behalten habe; er sah die jungen Herren und sprach sie an ( IV 4, 663- 664, 667-670). Sie klärten ihn über die Rückgabe des Gelds auf und fragten ihn in der veränderten Situation um Rat ( IV 4, zweite Hälfte). Syros versprach, auf einen deuvtero" plou'" zu sinnen. Die neanivai gingen ab. Syros blieb zurück und traf auf den Parasiten des stratiwvth", der sich nach Sostratos und Bacchis erkundigte, und zog ihn in ein Gespräch ( IV 1 / 2). Es war wichtig, daß Syros erfuhr, der stratiwvth" sei aufgebracht und werde sogleich erscheinen ( 603). Er wies wohl dem Parasiten den Weg zum Haus der athenischen Bacchis. Das war die entscheidende Wende. Der intellektuelle Syros erkannte den sich bietenden kairov" und beschloß, ihn beim Schopf zu packen. An der Stelle, an der Crusalus einen durch und durch plautinischen Monolog hält ( IV 5), äußerte er seine Freude über die günstige Gelegenheit. Nicobulus kam aus dem Haus und machte einige unfreundliche 349 Euanthius De fab. 4, 5 Wessner: epitasis incrementum processusque turbarum ac totius, ut ita dixerim, nodus erroris. 350 Handley 1997, 39 vermutet zu der Szene: “the poor condition of the remains means that very little can be made out except at the beginning and the end of the scene, but perhaps enough to make it clear that there was further discussion of the slave Syros and the false tale he had spun about the gold. Sostratos pleaded successfully (just how, we cannot follow) that Syros should be left to him to deal with, and not punished.” Das wären Wiederholungen, die man nicht gern Menander zuweisen möchte. Es gab wohl einen weiterführenden Aspekt. 351 Fraenkel 1922, 353. II. Die oijkonomiva des Dis exapaton 153 Bemerkungen zu dem Sklaven, obwohl er ihm verziehen hatte ( IV 7). Da erschien der zornige stratiwvth", der von Sostratos, an den ihn die samische Bacchis verwiesen hatte, 200 Philippi forderte. Den erregten Monolog belauschten Nicobulus und Syros. Der gevrwn verstand nur soviel, daß der Sohn bedroht war, und fragte Syros, um was es gehe. Der konnte w a h r h e i t s g e m ä ß sagen, daß Sostratos dem Soldaten 200 Philippi schulde. Der besorgte Vater holte sofort das Geld aus dem Haus und ließ es Syros dem stürmischen Forderer aushändigen. Daß Crusalus das Geld überreicht, dient in plautinischer Weise seiner Glorifizierung ( IV 8). Der stratiwvth" verzog sich, und Nicobulus ging kopfschüttelnd, aber doch erleichtert ab. Zurück blieb Syros, der wie bei Plautus einen - freilich bescheideneren - Siegesmonolog halten konnte ( IV 9, erste Hälfte). Die Sostratos-Handlung hatte eine gute Wende genommen (da der neaniva" jetzt auf den Besitz der Geliebten hoffen konnte), aber sie war noch nicht an das Ende gelangt. Es kam wohl noch die überraschende Nachricht, daß das Mädchen als Freie ‚wiedererkannt‘ worden sei - wahrscheinlich als Nicobulus’ Tochter aus einer früheren Ehe oder Beziehung. Bei Menander trat oft gegen Aktende eine Person auf, die eine neue Handlungsphase einleitete. 352 Erschien Sostratos, der vielleicht im Haus der athenischen Bacchis gewesen war, um das Ereignis zu melden? Hatte Bacchis bei ihm einen Ring oder ein anderes Zeichen entdeckt, dessen Motiv sie von der Ziehschwester her kannte? Nutzte sie die wenigen Kenntnisse, die ihre Familie über die Herkunft der samischen Bacchis hatte? Das ist alles unsicher. Der vierte Akt bot die katastrofhv. 353 Er bedeutete, wie vielfach bei Menander, den Höhepunkt des Geschehens. 354 Alle Handlungsstränge waren gelöst. Die samische Bacchis war durch die Anagnorisis aus der Verpflichtung dem stratiwvth" gegenüber entlassen und für Mnesilochus frei geworden, sie konnten heiraten. Moschos durfte seine Beziehung zu der athenischen Bacchis pflegen. Mehr konnte man in einer attischen Komödie nicht erwarten. Auch in Aspis, Dyskolos, Epitrepontes, Samia oder, soweit wir sehen, Eunuchos 355 war die Handlung mit den Ereignissen des vierten Akts an ihr eigentliches Ziel gelangt. 352 Handley 1970, 11. 353 Euanthius De fab. 4, 5 Wessner: catastrophe conuersio rerum ad iucundos exitus patefacta cunctis cognitione gestorum. 354 Lefèvre 1979 (1), 342. 355 Lefèvre 2003, 156-158. C. Struktur 154 V. Akt Wie das Finale ausgesehen hat, ist schwer zu sagen. Sicher hat Philoxenus eine Rolle gespielt. Er wird mit einem Monolog aufgetreten sein, der 1076-1086 entsprach. Es wäre nicht einzusehen, warum Plautus diese Rede ersonnen hätte (die nicht so wirkungsvoll wie Nicobulus’ anschließende Arie ist); zudem ist sie ausgezeichnet motiviert. Philoxenus trat in III 3 ab und bat Sostratos, auf Moschos ein Auge zu haben. Nun will er sich aus Sorge um den Sohn bei Sostratos nach dem Erfolg erkundigen. Es kommt hinzu, daß er bei Menander am Ende wohl eine wichtige Funktion hatte. Irgendwie mußte der Betrug, in den Syros, Sostratos und ein wenig auch Moschos verwoben waren, mit Nicobulus ins Reine gebracht werden. Es bedurfte eines Vermittlers, der selbst nicht allzu sehr betroffen war. Eines seiner ersten Worte ist eine Mahnung zur Mäßigung: l e n i t e r qui saeuiunt sapiunt magis (408). Überhaupt ist er in der ‚Erziehungsszene‘ ( III 3) als Pendant zum Micio der Adelphoi gezeichnet, während der strengere Nicobulus eher Demea ähnelt. Da er Verständnis für seinen Sohn zeigt ( III 3; IV 10), bietet er sich als Vermittler an. Verzeihung für den Nachbarssohn und dessen Sklaven ließ sich schon deshalb nicht allzu schwer erreichen, weil die Anagnorisis für Nicobulus eine große Freude war. Mit 200 Philippi konnte das Anrecht des stratiwvth" auf das Mädchen abgewendet werden. Am Schluß haut Plautus kräftig auf die Pauke. Daß die alten Herren in das Bordell gehen, ist sein ureigenster Einfall - ohne Anhaltspunkt im Original. Wenn es eine Anagnorisis gab, stand am Ende der gavmo" zwischen Sostratos und der samischen Bacchis. Daran sollte kein Zweifel bestehen, daß bei Menander das Ende (fine) «doveva essere, sorridente, si, ma fondamentalmente seria». 356 Es ist ein verführerischer Gedanke, vom Ende des Dyskolos auf das Ende des Dis Exapaton zu schließen. Leichten Spott könnte nicht der humane Philoxenus, sondern der etwas starre Nicobulus geerntet haben. Er war vielleicht filavrguro". Man konnte ihn aufziehen, daß ihm das von Syros ergaunerte Geld die verloren geglaubte Tochter aus einer früheren Ehe oder Beziehung beschert hatte - womit ein alter Wunsch in Erfüllung gegangen war. Aber Syros konnte sich kein loses Wort erlauben, denn er mußte froh sein, wenn ihm der gevrwn verzieh. Als Fürsprecher kam Philoxenus in Frage. Aber das ist alles höchst unsicher. 356 Gestri 1940, 250. Scharf urteilt Fraenkel 1922, 73: „bei Menander dürfte die Stimmung nicht wie bei Plautus übermütig, sondern einigermaßen bitter, jedenfalls resigniert gewesen sein.“ Das trifft kaum zu. II. Die oijkonomiva des Dis exapaton 155 2. Akteinteilung Aktende bei Menander wird nach folgenden Versen angenommen: 357 I II III IV Ritschl 358 108 525 924 1075 Baar 359 108 525 Legrand 360 108 384 525 1075 Kuiper 361 108 525 760 1086 Mette 362 108 384 572 924 Handley 363 108 384 525 Gaiser 364 108 525 924 1075 Lowe 365 108 384 525 1075 Webster 366 108 367 520 769 Blanchard 367 108 525 760 1075 Primmer 368 108 384 525 1075 Questa 369 108 525 760 / 767 1075 Barsby 370 108 525 769 924 / 1075 Blanchard 371 384 525 1075 Sandbach 372 525 Rizzo 373 924 Zwierlein 374 108 367 525 1075 Blume 375 108 384 525 1075 Lefèvre 376 169 384 525 978 Stürner 377 384 525 357 Die Zahlen werden öfter mit Vorsicht genannt. 358 (1845 / 1846) 1868, 364. 359 1891, 45 (I), 53 (II). 360 1910, 471. 361 1938, 265-266 in Verbindung mit 236-237. 362 1965, 50-54. 363 1968, 14 (I); bei Questa 1970, 227 (II). Hieraus folgt III. 364 1970, 61-64. 365 1973, 24. 366 1974, 130-132. 367 1983, 287. 368 1984, 32-53. 369 1985, 37-38. 370 1986, 128 (‘most probable’); die letzte Aktpause ist aufgrund der Annahme angesetzt, daß der dritte Betrug von Plautus stammt. 371 1987, 466. 372 1990, 342 (1972, 40: nach 525 Schluß des zweiten Akts). 373 1990, 31. 374 1992, 121 Anm. 258. 375 1998, 171-172. 376 Die Aktpausen ergeben sich aus C II 1 (S. 149-154); bei der letzten ist davon ausgegangen, daß dem Troia-Canticum ein menandrischer Kern zugrunde liegt. 377 2011, 173 / 179. C. Struktur 156 Die Vermutungen beruhen überwiegend auf der Annahme, daß Plautus dem Vorbild relativ eng folgt. Da er aber Szenen streicht und eigene hinzuerfindet, sind sichere Aussagen nicht möglich. 3. Fazit: Die Struktur des Literaturtheaters Soweit der Dis Exapaton zu rekonstruieren ist, zeichnet er sich durch eine konsequente Dramaturgie (oijkonomiva), konsistente Charaktergestaltung und einen an der Sache orientierten Stil aus. Damit steht er in der Tradition der griechischen Tragödie (besonders des späten Euripides), die feste Regeln ausgebildet hatte. Die Handlung war schlicht. Ihre Dynamik wurde nicht wie bei Plautus durch statische Reden, Streitereien und Witzeleien (‚Theater der Rede‘) unterbrochen. Sie steuerte konsequent auf einen Höhepunkt zu, während die plautinische Handlung gewissermaßen aus lauter Höhepunkten besteht. Es spann sich ein feiner Faden durch das Geschehen des Dis Exapaton. Alles Exuberante lag ihm fern; „nicht die äußeren Geschehnisse, die der Handlung zugrunde liegen, sondern die Charaktere bestimmen bei Menander den Gang des Stücks, das ist der Angelpunkt seiner Kunst, der wichtigste Fortschritt, den er über die frühere Komödie hinaus gemacht hat. Die alte Komödie legt auf die folgerichtige Durchführung eines Charakters gar keinen Wert, Aristophanes dreht seine Charaktere um wie einen Handschuh, wenn die Situation das rätlich erscheinen läßt.“ 378 Bei Aristophanes - den Plautus nicht direkt kennt 379 - liegt wie bei Plautus der Einfluß mündlicher Formen vor. 380 Es ist nicht denkbar, daß ein menandrischer Charakter so schillerte wie Nicobulus, der einerseits den würdigen gevrwn der Nea, andererseits den läppischen Senex der Palliata verkörpert, der schließlich wie der Sohn im Bordell landet. Anders als bei Menander wird bei Plautus die Handlung von den Gesetzen der Posse bestimmt. 381 Einen Hinweis auf die Andersartigkeit menandrischer Dramaturgie gibt der Papyrus: Während Nicobulus 348 zum Forum geht, aber laut 525 bzw. 530 im Haus ist, kehrte der gevrwn rechtzeitig zurück. 382 Die griechischen Zuschauer hätten sich über diese Dislokation sehr gewundert. 378 Körte 1914, 77. 379 Benz 2000, 245. 380 Benz 2000, 245-246. 381 Lefèvre 1974, 57; 2003, 176; 2006, 45, 108, 152, 164, 167. 382 B I 3 (S. 34). D. Weltbild I. Das Spiegelbild der athenischen Gesellschaft 1. Walten der ajgaqh; Tuvch Es war keine geringe Überraschung bei den erheblichen Neufunden der letzten Jahrzehnte, daß in Menanders Komödien über Hunderte von Versen hin komische oder gar witzige Züge kaum anzutreffen sind. Als Nachfolgerin der attischen Tragödie vermittelte die Nea in gleicher Weise Weltdeutung wie die ernste Vorgängerin, wobei der Zeit gemäß an die Stelle der die Polis bestimmenden Antinomien das untragische Walten der ajgaqh; Tuvch trat. Auch der Dis Exapaton war ein Tyche- Stück. Sinnhafter Ausdruck dessen ist die Anagnorisis. Nicobulus war gegen die Liebschaft seines Sohns Sostratos mit der samischen Bacchis - und am Ende kam es zu einer auch von ihm gebilligten Ehe. Er jammerte über den Verlust von 200 Philippi - und am Ende stellte sich heraus, daß er damit seine (oder Philoxenus’) Tochter vor dem Hetärentum gerettet hatte. Die samische Bacchis mußte befürchten, daß am Tag nach dem Spiel ihr Hetärendienst bei dem stratiwvth" beginne, und landete am Ende im Hafen der gewünschten Ehe. Sostratos glaubte, daß nach dem Mißverständnis alles verloren sei - und am Ende kam er dank Syros’ Hilfe doch zu seiner Frau. Nach den Irrungen und Wirrungen des Spiels ging das Geschehen für alle Beteiligten gut aus. Das ‚Gottvertrauen‘, das Moschos 639 äußert (deus respiciet nos aliquis) entspricht Menanders Denken. Es wird eine Gottheit helfen: Darauf dürfen seine Menschen bauen oder doch hoffen. Tuvch löst alles. Sie bietet den kairov", den Syros ergreift und nutzt. 2. Initiative des Menschen Daß Syros den alten Herrn zweimal betrog, war nicht Ausdruck der Selbstüberheblichkeit wie bei den plautinischen Nachfahren, sondern des Wunsches, dem jungen Herrn zu helfen. Wie stets blieb das Geld in der Familie. Es wurde nur ‚umverteilt‘, aber dank der Hilfe durch Tyche in einer Weise, daß der Betrogene hinterher voll zustimmte. D. Weltbild 158 Es ist Menanders Konzeption, daß der Mensch selbst anpacken muß, um eine Wendung des Geschicks zum Guten zu erreichen Dann faßt die Gottheit mit an (sullambavnei). 1 Dafür ist Syros ein Beispiel. Den Unternehmungsgeist, daß er nach dem ersten Fehlschlag nicht aufgibt, sondern sich ein zweites Mal an das Unternehmen wagt, stellte der griechische Dichter durch den Titel heraus, der nur auf den ersten Blick „geradezu ‚plautinisch‘ ist.“ 2 Freilich schwang bei den intellektuellen Griechen die Freude an listigen Anschlägen mit, war doch Odysseus einer ihrer bewunderten Helden. Selbst bei Sophokles klang diese Haltung durch, wenn Orestes in der Elektra oder Odysseus (und Neoptolemos) im Philoktetes die Lüge als ein probates Mittel erachten, um an das Ziel zu gelangen. 3 Nicht anders handelt Euripides’ Medeia, deren Nachfahrin Medea bei Seneca weit davon entfernt ist, eine umständlich ausgesponnene Intrige nach ihrem Vorbild in Gang zu setzen. 4 3. Charaktere Der Dis Exapaton hatte eine abgezirkelte Doppelhandlung: zwei unterschiedliche Väter, zwei unterschiedliche Söhne, zwei unterschiedliche Sklaven, zwei unterschiedliche Geliebte. Die Väter unterschieden sich wie die Söhne. War Nicobulus leicht mürrisch (wie Demea in den Adelphoe), war sein Sohn unbedingt. Auf der anderen Seite stand der gemäßigte Philoxenus, der (wie Chremes im Heautontimorumenos und Micio in den Adelphoi) ein Vertreter der filanqrwpiva war. Entsprechend ausgeglichen war sein Sohn Moschos. Nicobulus war wie viele Väter der Nea merkantil eingestellt. Er gehörte zur besitzenden Klasse und war sich dessen bewußt. Es bestand für ihn kein Anlaß, das nicht offen zu bekennen. Barsch ist die Aufforderung an den Sohn am Schluß des dritten Akts (Dis 61-63): do; " movnon, kalw'" tev moi wJ" [dei'] kevcrhsai: pri; n labei'n mavcomaiv [t]iv soi… ejm[oi; ] de; pavntwn tou'to proujrgiaivteron. Das war ein klares Wort. “It is important that the old man, who is to be cheated in the sequel, should be unsympathetically portrayed”. 5 Sostratos war (wie Ctesipho in den Adelphoi) innerlich nicht gefestigt, dementsprechend war er impulsiv. Statt sich bei dem Freund zu 1 Gaiser 1973, 123; Lefèvre 1979 (1), 328; 1995, 103. 2 Nünlist 1993, 275. 3 Lefèvre 2001 (1) 178 bzw. 203-204 und 210. 4 Lefèvre 1978 (1), 47-50. 5 Gomme / Sandbach 1973. Dazu Handley 1997, 32: “that seems to me a better notion than that of ascribing the line to Sostratos, as is done in OCT 2 ”. I. Das Spiegelbild der athenischen Gesellschaft 159 erkundigen, ob er sich wirklich mit seiner Freundin eingelassen habe, gab er sofort auf und erstattete dem Vater das Geld zurück. Er zweifelte auch auf der Stelle an der Aufrichtigkeit der samischen Bacchis, ohne ihr Gespräch zu suchen. In 629-629a scheint Menanders Konzeption durch (ohne daß zu folgern ist, Mnesilochus’ Canticum gehe in toto auf das Original zurück): Der neaniva" kam zu der Erkenntnis seines Fehlers: criminin me habuisse fidem? | inmerito tibi iratus fui. Er sah, daß er dem Vorwurf des Pädagogen, der Freund liebe Bacchis, nicht hätte glauben und nicht hätte zornig werden dürfen. In Sostratos’ Monologen (Dis 18-30, 91-102) wird deutlich, daß er wenigstens nicht so radikale Folgerungen bezüglich Moschos’ Verhalten zog, sondern ihn entschuldigte, indem er Bacchis beschuldigte (ijtamhv, 21, ijtamwtavth, 101). Ganz anders waren Philoxenus und Moschos gezeichnet. Der Vater hatte Verständnis für die Unternehmungen des Sohns. In einer aufgeklärten Gesellschaft bedeutete es keinen Tadel, daß ein junger Mann aus gutem Haus mit einer (guten) Hetäre anbändelte. Sein Vater betonte wie Micio ausdrücklich, daß er nichts dagegen einzuwenden habe. Die Rede IV 10 ist aus menandrisch-micionischem Geist heraus gestaltet. Moschos war im Gegensatz zu dem abenteuerlustigen Sostratos schüchtern. Er verfiel der athenischen Bacchis. Auch die Sklaven waren unterschiedlich. Sie entsprachen ihren alten und jungen Herren. Syros war Praktiker, erfinderisch, draufgängerisch, Lydos Theoretiker, konservativ, zögerlich. Die Geliebten der jungen Herren unterschieden sich ebenfalls. Die athenische Bacchis war offenbar eine eJtaivra crhsthv, wortgewandt, Großstädterin, die samische Bacchis ihre Ziehschwester, schüchtern, aus der Provinz. Die Handlung erforderte nicht, daß sie denselben Namen hatten. 6 Sie waren gutgeartet. Daran änderte nichts, daß die erste ihrem Gewerbe nachging. Im Gegensatz zu Plautus ist Menander im Dis Exapaton (wie auch sonst) an „einer stimmigen, feinfühligen, auf psychologischer Menschenkenntnis beruhenden Charakterzeichnung“ interessiert. 7 6 Die Vermutung von Handley 1968, 21 Anm. 15, die samische Bacchis habe aufgrund von Dis 95-96 (crusivon / Crusiv") den Hetärennamen Chrysis gehabt, ist unwahrscheinlich, da sie keine Hetäre gewesen zu sein scheint. Gomme / Sandbach 1973, 124 sind ohnehin skeptisch (“This seems too subtle a point for the theatre”). Höchstens die athenische Bacchis könnte Chrysis geheißen haben, aber dafür gibt es keinen Anhaltspunkt. Daß gar beide diesen Namen hatten, wie gern gesagt wird (Henry 1985, 101), trifft erst recht nicht zu. 7 Blume 1998, 175. D. Weltbild 160 II. Das Zerrbild der römischen Gesellschaft „Durchaus frivol, aber geistreich und anmutig“ 8 1. Verzicht auf Weltdeutung Durch das Eliminieren der Anagnorisis verlieren die Bacchides die weltanschauliche Komponente. Plautus interessieren nicht das Irren der Menschen und die schließlich erfolgende glückliche Lösung infolge des Waltens der ajgaqh; Tuvch. Trotz der Präsenz des uicinus Apollo, den Crusalus begrüßt (172), entbehrt die Handlung einer göttlichen Ebene. Das Geschehen konzentriert sich auf die Menschen. Sie sind ohne das weltanschauliche Korsett der Nea autark und werden von dem selbstherrlichen Poeten nach Belieben eingesetzt oder fallengelassen, je nachdem, wie es die sich auf den Augenblick konzentrierende Handlung fordert. Plautus nimmt seine Personen nicht ernst, er unterwirft sie rigoros den Gesetzen der Komik. Die Nea macht bei der Transformation von Athen nach Rom einen entscheidenden Wandel durch: Aus dem Weltdeutung vermittelnden bürgerlichen Lustspiel wird ein sozusagen im luftleeren Raum angesiedeltes Bühnenspiel, dessen Handlung über weite Strecken dazu dient, ein Gerüst für das Aufhängen von effektvollen Einzelheiten und Witzen abzugeben. Das griechische Welt- und Menschenbild ist auf das Rom des dritten und zweiten Jahrhunderts nicht zu übertragen. Auf der anderen Seite hat die römische Gesellschaft dieser Zeit nicht die Reife, eine eigene Komödie zu kreieren. So kommt jener einzigartige l’art pour l’art-Charakter der Palliata zustande, den Mommsen richtig gesehen hat: Sie stehe nicht mehr auf dem Boden der Wirklichkeit, sondern die Personen und Situationen schienen wie ein Kartenspiel, „willkürlich und gleichgültig gemischt; im Original ein Lebens-, ward sie in der Bearbeitung ein Zerrbild.“ 9 In der Nea war die ausgefeilte Dramaturgie adäquater Ausdruck der Weltdeutung. Die einzelnen folgernd oder antithetisch aufeinander bezogenen Szenen waren ein Abbild des Spiels von Sein und Schein, von Planen und Mißlingen, von Besserwissen und Mißverstehen. Angesichts der Unzeitgemäßheit des hellenistischen Weltbilds in Rom mußte die Dramaturgie der Stücke unverbindlich werden. Es war nicht Unverständnis, sondern Konsequenz, wenn die römischen Dichter nach Belieben in die Struktur der Vorbilder eingriffen und sich auf die Ausarbeitung ihrer eigenen Ziele konzentrierten. 8 Ribbeck 1887 (1), 94 über die Bacchides. 9 1976, II, 428 (= 9 1902, I, 902). II. Das Zerrbild der römischen Gesellschaft 161 2. Autonomie des tri; " ejxapatw'n „Chrysalus, den er weit über das attische Vorbild hinaus zum wahren Helden der Bacchides machte […]“ 10 An die Stelle der lenkenden göttlichen Macht im Dis Exapaton tritt bei Plautus der lenkende Mensch. Er ist es, der die Fäden zieht. Sinnbildlich kommt das in Pistoclerus’ an Mnesilochus gerichteten Worten, mit denen er Crusalus’ triumphalen Auftritt in IV 4 ankündigt, zum Ausdruck: tuam copiam | eccam Crusalum uideo (640-640a). Tuvch / Fortuna hat als Wahrzeichen das Füllhorn, aus dem die guten Gaben kommen, Crusalus ist selbst die Fülle. „kata; suvnqesin, id est, Chrysalum, qui tibi rerum omnium quibus eges, copiam suppeditat.“ 11 In dem Namen ist natürlich crusov" mitzuhören, worauf Plautus seinen Helden anspielen läßt: opus est cruso Crusalo (240). „Chrysalus Plautinus ille subdolus servus, qui herum auro emunxit, nomen Graecum, ceu Aurelium Latine dicas, invenit“. 12 Crusalus liebt es, auf das benötigte aurum hinzuweisen, so allein in IV 4 achtmal: hunc hominem decet auro expendi, huic decet statuam statui ex auro (640b); regias copias aureasque optuli (647); aurum erus sibi | dempsit et quid suo reddidit patri (663-664); ut senem hodie doctum docte fallas aurumque auferas (694); me poscitote aurum: ego dabo (703); geritote amicis uostris aurum corbibus (712); atque id pollicetur se daturum aurum mihi (742). Schon innerhalb der ersten Intrige entfaltet Crusalus sein wahrhaft goldenes Ingenium, indem er aus einer einfachen Lügenerzählung eine dreifach gestaffelte Schauergeschichte macht. 13 In noch größerem Maß stellt er Fähigkeiten bei den folgenden Briefintrigen unter Beweis, die doppelt soviel Gewinn einbringen, als erforderlich ist. 14 Auch die griechischen Sklaven verfügten über geistiges Potential. Aber Plautus steigert dieses bei seinen Helden ins Phantastische. Crusalus rühmt sich entsprechend: nequius nil est quam egens | consili seruus, nisi habet | multipotens pectus: | ubicumque usus siet, pectore expromat suo (651-653). Wie der weitere Verlauf zeigt, verspricht er nicht zuviel. Man könnte sagen: Die griechischen Sklaven sind Intellektuelle, die plautinischen sind Zauberer. Der menandrische Sklave ist nicht nur in das Walten der ajgaqh; Tuvch eingebunden, sondern auch in die Ordnung des oi\ko". Bei Intrigen beschafft er die Summe, deren der junge Herr bedarf. Crusalus ist demge- 10 Fraenkel 1922, 64. 11 Lambinus (1576) 1622, 395. 12 Turnebus (Clementi 2009, 182). 13 B II 2 (S. 50-53). 14 B II 4 (S. 59-60). D. Weltbild 162 genüber in doppelter Hinsicht selbstherrlich: 15 Er ergaunert nicht eine, sondern zwei Summen, und er tritt nicht bescheiden hinter dem jungen Herrn zurück, sondern ist gewillt, mit diesem mitzufeiern - gewissermaßen als gleichberechtigter Zechkumpan. In 646 sagt er über Mnesilochus und sich: quicum ego bibo, quicum edo et amo. Nicht führt in den Bacchides die ajgaqh; Tuvch Regie, sondern Crusalus. Das wird in mehreren Szenen deutlich, am sinnfälligsten in IV 4, wenn er Pistoclerus die Briefutensilien aus dem Haus holen heißt, Mnesilochus in genauester Umständlichkeit den ersten Brief diktiert und den beiden Liebhabern die exakten Positionen im Hetärenhaus anweist. In größter Überheblichkeit läßt er aber die Jünglinge im unklaren über den Sinn der Aktionen. Wenn er den Auftrag an Pistoclerus gibt und Mnesilochus fragt, was er vorhabe, antwortet er provokativ mit der Gegenfrage: coctumst prandium? (716), d. h. er ignoriert die Frage. Wenn man sagt: «egli ha preso l’incarico su di sé, farà tutto da solo, e non vuole svelare i suoi piani», 16 ist das nur die halbe Erklärung. Die andere halbe lautet: Er nimmt Mnesilochus bei der Aktion nicht ernst. Das wird bei der nächsten Gelegenheit deutlich, wenn Mnesilochus fragt, warum er in dem Brief den Vater vor Crusalus warnen solle, und dieser frostig entgegnet: quia mi ita lubet. potin ut cures te atque ut ne parcas mihi? | mea fiducia opus conduxi et meo periclo rem gero (751- 752). Gewiß macht Crusalus alles allein, aber Plautus zielt vor allem darauf, seine Unverschämtheit gegenüber dem Herrn herauszustellen. Denn er brauchte die Fragen Mnesilochus nicht in den Mund zu legen. In solchen Äußerungen zeigt sich Crusalus’ Autonomie. Er ist absolut selbstherrlich. Während Syros reagiert und den ihm von Tyche zugespielten kairov" nutzt, agiert Crusalus, indem er jederzeit die Fäden des Geschehens in der Hand hat. Die beiden von ihm ersonnenen Briefe sind der sichtbarste Ausdruck dessen. 3. Komik statt Charakter “Plautus changed the spirit of the Dis Exapaton in adapting the original play. Menander’s play […] was transformed by Plautus into a farce of two light-o’-loves with two lightminded young fellows and two frivo- 15 „Die Komödien des Plautus enden - im Gegensatz zu denen des Menander - selten mit einer Hochzeit. Intriganten vom Schlage des Chrysalus und Tranio geht es nicht darum, äußere Schwierigkeiten, die sich der Verbindung eines jungen Paares in den Weg stellen, zu überwinden, sondern ausschließlich um das Erringen eines Augenblicksgenusses. Das ist nicht gerade moralisch, aber komischer“ (Blume 1997, 11). 16 Del Corno 1973, 130. II. Das Zerrbild der römischen Gesellschaft 163 lous old gentlemen.” 17 Nicht anders stellt Della Corte fest: «In Plauto c’è invece [sc. im Gegensatz zu Menander] una farsa di due donne di facili costumi con due scriteriati giovani e due frivoli vecchi, uno dei quali Nicobulus è stato trasformato da Plauto in un vero sciocco, al solo scopo di far ridere alle sue spalle.» 18 An diesen Urteilen ist bemerkenswert, daß sie vor dem Bekanntwerden des Papyrus gefällt wurden, der zumindest zeigt, daß Plautus den bedrückten neaniva" zu einem albernen Adulescens macht. Während Menander im Dis exapaton Weltanschauung vermittelte, indem er Charaktere auf die Bühne stellte, die je ihren eigenen Horizont hatten, sich aber, wie es Menschenlos ist, täuschen (nur bei Syros ist das nicht der Fall) und dennoch durch Irrungen und Wirrungen hindurch zu einem für alle befriedigenden, ja glücklichen Ende gelangen, modelt Plautus - unter dem Einfluß der Praktiken des italischen Stegreifspiels - die hochliterarische Vorlage zu einer Posse um, in der die Charakterzeichnung auf der Strecke bleibt und die Komik triumphiert. Daß für Plautus die Komik ein höheres Ziel als die individuelle Anlage der Charaktere ist, beweist eindrücklich der Vergleich zwischen Sostratos’ Monolog(en) im Dis Exapaton und Mnesilochus’ Erguß 19 (500-520): “where Menander’s characterisation is complex, subtle, and realistic, Plautus’ is simple, bold, and comic; Menander portrays the character sympathetically from inside, Plautus rather stands outside and risks destroying the credibility of the character for a laugh.” 20 Nicobulus’ kam wohl auch im Dis Exapaton zur Einsicht. Der Monolog V 1, den ihm Plautus in den Mund legt, ist demgegenüber von größter - unfreiwilliger - Komik. Das weltanschauliche Gewicht, das das Wiederfinden einer verloren geglaubten Tochter hat, und die Tiefe der Erkenntnis, daß eine unter Zwang eingebüßte Geldsumme dem eigenen oi\ko" zugute kommt, sind zugunsten einer überbordenden Komik fortgeblasen. Die Umwandlung gehört in den Zusammenhang, in dem der Weg der Nea auf die plautinische Bühne zu sehen ist. «Il qrh'no" di Nicobulo, insomma, è parte essenziale di una generale trasformazione della commedia, della sua trasposizione su un piano di più alta e, per così dire, paradossale comicità.» 21 Wie wenig Plautus die würdigen ge vronte" des Originals ernst nimmt, läßt er den Sprecher der Schlußworte ex cathedra sagen: Diese senes waren nihili iam inde ab adulescentia (1207) - und sie sind nach dem Leben gezeichnet: neque adeo haec faceremus, ni antehac uidis- 17 Kuiper 1936, 264. 18 1967, 99. 19 B I 2 (S. 25-31). 20 Barsby 1986, 140. 21 Gestri 1940, 257-258. D. Weltbild 164 semus fieri | ut apud lenones riuales filiis fierent patres (1209-1210)! Das waren also ‚Taugenichtse‘. 22 Ob sie Charaktere haben - darüber braucht der Komiker nicht nachzudenken. Auch die Zuschauer hätten das als eine lästige Frage angesehen. 4. Väter und Söhne Die Auseinandersetzung zwischen Vätern und Söhnen bestimmt die Handlungen der Nea schlechthin. 23 Zwei Themenkreise stehen im Mittelpunkt: das Problem der richtigen Erziehung auf seiten der Väter und das Problem der Geldbeschaffung auf seiten der Söhne. Meistens sind - wie im Dis Exapaton - beide Probleme miteinander verknüpft. Damit die Erziehungsfrage evident wurde, liebten es die griechischen Dichter, zwei unterschiedlich geartete Väter zu kontrastieren, einen humanaufgeklärten und einen starr-konservativen: Micio und Demea in den Adelphoi, Chremes und Menedemus im Heautontimorumenos, Callipho und Simo im Pseudolus 24 und - mit einiger Einschränkung hinsichtlich des ersten - Kallippides und Knemon im Dyskolos. Diese Gegenüberstellung gilt auch für Philoxenus und Nicobulus im Dis Exapaton. Es dürfte Regel gewesen sein, daß sich jeweils die Prinzipien des humanaufgeklärten gegen die des starr-konservativen Vaters durchsetzten. Es ist natürlich, daß es im Rom der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts kaum Verständnis für eine human-aufgeklärte Erziehung gibt. Deshalb sehen die Palliaten-Dichter in diesem Vatertyp einen geeigneten Ansatzpunkt dafür, die vorbildlichen griechischen Gestalten im Sinn der Posse, besonders der Atellane, zu komischen Schwächlingen - sozusagen ‘spineless old men’ - umzuschmelzen. 25 Wenn der Dis Exapaton gemäß der vorgelegten Analyse nicht die Spur des in den Bacchides dominierenden gemeinen Dirnenwesens aufwies, können die beiden Väter nicht in der von Plautus praktizierten Weise ‚abgewertet‘ worden sein. Man könnte erwarten, daß in diesem Zusammenhang nur Plautus zu nennen ist, nicht aber der aus dem griechischen Sprachraum zugezogene und dem aufgeklärten ‚Scipionenkreis‘ nahestehende Terenz. Aber Micio in den Adelphoe 26 und Chremes im Heautontimorumenos 27 sind 22 Rau 2007, 113. 23 Sherberg 1995. 24 Lefèvre 1997, 105. 25 Nicobulus ist der betrogene Bucco der Atellane: Lefèvre 2010, 18-19 und oben C I 1 (S. 119-120). 26 Lefèvre 1978 (1), 33-36; 1994, 186. 27 Lefèvre 1994, 173-177. II. Das Zerrbild der römischen Gesellschaft 165 Beispiele par excellence für die Verspottung des human-liberalen Vaters in Rom. Das Ummodeln dieses Typs hat nichts mit (mangelndem) Verständnis für griechische Ethik, sondern alles mit der Vorliebe der Römer für Satire und Posse zu tun. Der Name des betrogenen Alten könnte von Plautus aus Gründen der ‘comic incongruity’ gewählt sein: “Nicobulus = ‘Victorious in Counsel’ for a gullible old man”. 28 Auch in Philoxenus könnte eine Pointe stecken: Er verliebt sich am Ende in eine Samierin, eine Fremde: Er ist gewissermaßen fivlo" xevnh". 29 Mit den Bacchides schießt Plautus den Vogel ab, insofern 1. nicht ein Vater, sondern zwei Väter zu lächerlichen Figuren werden und 2. die Väter sich auf das Niveau der Söhne begeben. Danach sind nicht Steigerungen, sondern nur Variationen möglich. Die Bacchides beweisen, daß Plautus ein ingeniöser Theatermann ist, der in seiner Art nicht übertroffen werden konnte. Nach diesem wegweisenden Vorgehen gab es für Terenz keinen Weg, zu hellenistischer Ethik (ob er sie billigte oder nicht) zurückzukehren. Den Gönnern scheint das durchaus gefallen zu haben. 30 Das Normale ist, daß Söhne - nach den üblichen Irrungen und Wirrungen der Jugend - schließlich wie die Väter werden. Die Welt wäre sonst längst zugrunde gegangen. Das Paradoxe der Bacchides besteht darin, daß die Väter im letzten Akt wie die Söhne werden. 31 Gibt es Parallelen? Vielleicht kann man anführen, daß Plautus am Ende des Mercator auf die Idee kommt, Eutychus über die Väter zu Gericht sitzen zu lassen, was eine verkehrte Welt ist, 32 oder daß es Terenz am Ende der Adelphoe beifällt, Demea Micio zwingen zu lassen, ein, wie Lessing sagt, ‚altes verlebtes Mütterchen‘ zu heiraten, so daß schließlich nicht nur der Sohn Aeschinus, sondern auch der Vater in den Stand der Ehe treten. Aber diese Fälle sind nur entfernt vergleichbar. Plautus gestaltet seine Idee konsequent. Pistoclerus äußert sich in der Eingangsszene: sumne autem n i h i l i , qui nequeam ingenio moderari meo? (91); u i s c u s merus uostrast blanditia (50). Ganz in diesem Sinn bekennt Philoxenus am Ende: n i h i l i sum (1157); tactus sum uehementer u i s c o (1158). 33 Das sind saturnalische Verhältnisse schlechthin. 28 Barsby 1986, 12, ebenso Blume 1997, 10 Anm. 13. 29 Camerarius 1552, 418 erklärt ‚hospitalis‘. 30 Lefèvre 1994, 178-184. 31 Lacey 1978 / 1979, 132-135. 32 Lefèvre 1988 (1), 41; 1995, 55-57. 33 Der zweite Bezug bei Lacey 1978 / 1979, 134. D. Weltbild 166 5. Saturnalien Schon in der ersten erhaltenen Szene wird die saturnalische Grundkomponente der Bacchides terminologisch offenbar. Pistoclerus sagt zur athenischen Bacchis: mulier, tibi me emancupo: | tuus sum, tibi dedo operam (92-93), «‹mi metto nelle tue mani, liberandomi dalla potestà paterna› (è questo il senso primario del verbo).» 34 Daß der Liebhaber ein Sklave sei, ist eine gängige Vorstellung, auch bei Menander. Doch wurzelt Pistoclerus’ ‘striking statement’ in der Vorliebe der römischen Komödiendichter für “role-reversals, especially the one whereby a free young man commits himself into the power of a social inferior, usually his slave”. 35 Erst auf dem juristischen Hintergrund wird die volle zündende Wirkung der Aussage offenbar. Das gilt auch für Pistoclerus’ Worte, die er zu Beginn von II 2 an Bacchis in das Haus zurückspricht: mirumst me ut redeam te opere tanto quaesere, | qui abire hinc nullo pacto possim, si uelim: | ita me uadatum amore uinctumque adtines (178-180). “‘Bonded’ (uadatum) is the technical term to describe a party to a lawsuit who has given sureties for his appearance or reappearance in court on a certain day […]. And there is also the possibility that ‘bound’ [uinctum] continues the legal imagery of ‘bonded’, since in Roman law the aggrieved party could seize a convicted party who failed to keep the judgement against him and keep him in private custody (uinctus)”. 36 Die Unterwerfung ist ‚juristisch‘ abgesichert. Nicht anders verhält sich Pistoclerus gegenüber Crusalus. Der aus der Fremde zurückkehrende Sklave erwidert auf die Begrüßung salue, Crusale hin ‚saturnalisch‘-frech: compendi uerba multa iam faciam tibi. | uenire tu me gaudes: ego credo tibi; | hospitium et cenam pollicere, ut conuenit | peregre aduenienti (182-186). Eine Cena als Willkommensmahl gibt es nur bei einem Freien, nicht bei einem Sklaven, so wie Pistoclerus zu Mnesilochus sagt: saluus quom peregre aduenis, | c e n a detur (536-537). Die Szene endet, wie sie beginnt, wenn der Freie Pistoclerus faciam, ut iubes zu dem Sklaven Crusalus sagt (228). Auch Mnesilochus wird in dieses Spiel miteinbezogen. Er duldet, daß Crusalus ihn wegen der Rückgabe des Gelds zur Rede stellt: quid igitur <tu> stulte? Die Gelegenheit habe seine (des Sklaven! ) uirtus herbeigeführt, occasio ad eam rem fuit | mea uirtute parta (673-674). Beide Adulescentes unterwerfen sich in IV 4. Wenn Pistoclerus mit dem von Crusalus gewünschten Schreibgerät kommt, sagt er beflissen: quae i m p e r a u i s t i : i m p e r a t u m bene bonis factum ilicost; auf die 34 Del Corno 1973, 62. 35 Barsby 1986, 103-104 (Hinweis auf Most. 406, Poen. 447-448, Rud. 1265- 1266, Ter. Eun. 886-887, Ht. 351-352). 36 Barsby 1986, 113-114. II. Das Zerrbild der römischen Gesellschaft 167 Frage quid parasti? antwortet er: quae parari tu i u s s i s t i omnia (726- 727). Mit denselben Termini läßt sich Mnesilochus versklaven. Crusalus gibt den Auftrag quod i u b e b o scribito istic (729), und Mnesilochus meldet gehorsamst die Ausführung: iam i m p e r a t u m in cera inest (733). Crusalus ist befehlerteilender Imperator. Am Ende wird seine saturnalische Erhöhung von Pistoclerus offiziell konstatiert: o imperatorem probum! (759). 37 Die ‚Erniedrigungen‘, die die Jünglinge freiwillig auf sich nehmen, werden noch übertroffen durch das Benehmen der Patres familias. Nicobulus richtet das Schlußwort an die Hetären: d u c i t e nos quo lubet tamquam quidem a d d i c t o s (1205). Wieder ist die juristische Formulierung entscheidend: “In Roman law a debtor could be adjudged to his creditor as a bondsman (addictus) and led away (ducere) to his creditor’s house for sixty days, and if he still had not repaid the debt he could be sold into slavery […]. Nicobulus and Philoxenus are not literally or metaphorically debtors, but they are in the situation of free men being committed to a ‘bondage’ from which they may find it difficult to escape […]. It is highly unlikely that the image derives from Menander, since enslavement for debt was forbidden at Athens in his days”. 38 „Bei Plautus sind die Väter durchaus nur dazu da, um von den Söhnen gefoppt oder geprellt zu werden“. 39 Diese Rolle, die seinen Stücken ihre unvergleichliche Wirkung verleiht, ist nicht anders als aufgrund der Saturnalienlizenz während der römischen Spiele zu verstehen. Keineswegs handelt es sich um die Adaptation zeitgenössischer juristischer Begriffe auf griechische Situationen. In die saturnalische Konzeption der Bacchides sind Plautus’ Lieblinge, der Sklave und die Hetäre, in führender Weise involviert. Bei dem Dreifachbetrüger Crusalus wird das dadurch sinnfällig, daß der totale Triumph über den Senex durchgehend mit militärischer Metaphorik geschmückt ist. Liebt es Plautus, seine Sklaven im allgemeinen als ‚Kriegshelden‘, ‚Staatsmann‘ oder ‚Triumphator‘ zu gestalten, 40 gilt das für Crusalus im besonderen. 41 Der Höhepunkt seiner ausladenden 37 «l’accostamento, che rientra nel campo di metafore dominante per tutto l’episodio, è suggerito dall’espressione erit signum datum [758], tolta dal linguaggio militare» (Del Corno 1973, 134). 38 Barsby 1986, 188. Schon Lambinus (1576) 1622, 422 stellte fest: „addicti dicebantur, qui cùm æs alienum dissoluere non possent, à prætore damnati & creditoribus dediti, seu addicti erant ea lege, vt eis seruirent, & operas darent, donec ei satisfecissent. Itaque licebat creditoribus debitores sibi addictos in vincula coniicere, quò liberet ducere, verberare, fame necare denique“. 39 Mommsen 1976, III, 449 (= 9 1903, II, 435). 40 Fraenkel 1922, 231-240 (‚Umstilisierung der Sklavenintrigue zu einer militärischen Aktion‘). 41 Ausführlich: C I 3 h (S. 137-138). D. Weltbild 168 Äußerungen ist das herablassende Bekenntnis, ihm erscheine es zu abgeschmackt, nach dem Erfolg einen Triumph zu feiern: non triumpho: peruulgatum est, nil moror (1073). Der Monolog stammt von Plautus. 42 Am Schluß der Bacchides steht ein Paukenschlag: Die Senes, die um ihre Söhne besorgt sind, gehen nicht nur selbst in das Bordell, sondern lassen sich in einer für römische Verhältnisse unerhörten Weise von den Hetären verspotten. Nicobulus’ schon besprochenes letztes Wort in seinem letzten Satz muß von zündender Wirkung gewesen sein: ducite nos quo lubet tamquam quidem addictos (1205). 6. Hetärenmilieu „Wahre Lacerten und Virtuosinnen der buhlerischen Schmeichelkunst sind die beiden Schwestern Bacchides“. 43 Plautus führt neben dem Sklaven Hetären vor - beide Personengruppen liebt er über alles. 44 Während er Crusalus gegenüber dem Modell nur steigert, verwandelt er die eJtaivra crhsthv (die athenische Bacchis) und das bürgerliche Mädchen (die samische Bacchis) in gewöhnliche Hetären. Er scheint durch die Änderung des Titels, der bei Menander ein ‚plautinischer‘ 45 war, darauf hinzuweisen. Bei der eJtaivra crhsthv sieht man, „wie für Plautus sofort die Vorstellung des Bordells gegeben ist, sobald von einer meretrix die Rede ist; für den Abstand, der im Leben und in der Dichtung Athens die vornehmen und anspruchsvollen, ganz selbständigen Damen dieser Schicht von den leibeigenen prostibula trennt, wird er und wahrscheinlich der größte Teil seines Publikums geringes Verständnis gehabt haben.“ 46 Die Bacchides unterscheiden sich nicht in ihrem Hetärentum. Das macht die Schlußszene deutlich. Daß die Samierin in I 1 etwas zurückhaltender als ihre ‚Schwester‘ ist, scheint eher ein dramaturgisches als ein ethisches Problem zu sein. Beide entsprechen dem Bild der Meretrix rapax oder, richtig verstanden, mala. Der Typ ist in keiner der kenntlichen Menander-Komödien sicher belegt. 47 Chrysis (Samia) und Habrotonon (Epitrepontes) gehö- 42 Barsby 1986, 180; C I 1 (S. 116-119). Zur inhaltlichen Bedeutung der Aussage D II 11 (S. 177-178). 43 Ribbeck 1887 (1), 68. 44 Lefèvre 1984 (2), 37, 41; 1991, 189; 2003, 168; 2004 (1) 35-36; 2004 (2), 85. 45 Nünlist 1993, 275. 46 Fraenkel 1922, 152. 47 Auhagen 2009, 120 nennt Anhaltspunkte für die Figur der Meretrix mala in verlorenen Stücken Menanders (vielleicht in der Thais). II. Das Zerrbild der römischen Gesellschaft 169 ren ebenso wie Bacchis (Heautontimorumenos) 48 und Thais (E u n u chos) 49 dem Rollenfach der eJtaivra crhsthv zu. Die athenische Bacchis scheint sich dazu zu fügen, zumal wenn die bürgerliche Ziehschwester in ihrer Familie aufgewachsen ist. Plautus gestaltet offenbar beide Frauen in die von ihm und seinem Publikum geliebte Richtung um. Mit einer ‚edlen‘ Hetäre konnte man im Rom der Zeit nicht viel anfangen. Die plautinischen Dirnen treten nur in I 1 und V 2 auf. Daß V 2, das ‚Schafduett‘, von Plautus stammt, ist nach Fraenkels Ausführungen nicht zu bezweifeln. 50 Dasselbe dürfte auf den bunten Dialog I 1 zutreffen, der keine dramaturgische Funktion hat. Daß die Schwestern eines Helfers gegen den Soldaten bedürfen, ist ein Augenblicksmotiv, das die ihr Ziel in sich selbst tragende Verführungsszene überhaupt ermöglicht. 51 Somit ist die bedeutendste Änderung, die Plautus in Bezug auf Nicobulus, Philoxenus und Pistoclerus gegenüber dem Original vornimmt, ihre Einführung in die Hetärenwelt und ihr Unterliegen. Das Stück, wie es erhalten ist, wird von den entsprechenden Szenen gerahmt. Als vierte Person ist Ludus zu nennen, dessen interessantester Aspekt der Horror vor dem Bordell ist, dem er in dem plautinischen Monolog III 1 (komischen) Ausdruck gibt - sicher einem Höhepunkt. 52 Dieser Horror schlägt auf seine erziehungskritische Haltung im Gespräch mit Philoxenus III 3 durch. Die konservative Haltung, die auf Menander zurückgeht, erhält bei Plautus karikierende Züge. 53 Die Hetären sind unwiderstehliche Heldinnen: Ihnen unterliegen die Senes und die Adulescentes, vor ihnen hat der Erzieher Angst. Nur Crusalus, der einzige männliche Held, wirft kein Auge auf sie und hat nahezu kein Wort für sie übrig. Das ist die Folge der von Plautus geschaffenen Heldenkonstellation: Der Held darf den Heldinnen nicht unterliegen, und die Heldinnen dürfen dem Helden nicht unterliegen. 7. Moraldefizit «Le dénouement est immoral.» 54 Starke Verwandtschaft der Plautus-Komödien mit dem Stegreifspiel zeigt sich darin, daß in beiden Genera, gemessen an den Maßstäben der 48 Lefèvre 1994, 156-158. 49 Lefèvre 2003, 162-164. 50 1922, 72-75; C I 1 (S. 120-121). 51 B III 1 (S. 61-62); C I 1 (S. 82-84). 52 B III 2 (S. 62-65); C I 1 (S. 89-91). 53 C I 1 (S. 92-93). 54 Lejay 1925, 58. S. 59 heißt es: «La solution, même pour un Ancien, même dans le milieu factice et grec de la palliata, était un peu dure.» D. Weltbild 170 Zeit, moralische Kriterien nicht nur keine Rolle spielen, sondern sogar bewußt gegen sie verstoßen wird. Gerade darin liegt nicht zum wenigsten der Reiz mündlicher Formen 55 - denen auch Plautus verpflichtet ist. Der abgebrühte Mensch des 21. Jahrhunderts mag anders urteilen, aber er muß zur Kenntnis nehmen, daß man am Beginn des zweiten Jahrhunderts in Rom anders gedacht hat. Es könnte angebracht sein, sich zwei Ansichten aus dem 19. Jahrhundert zu vergegenwärtigen. Mommsen urteilte lapidar. „In einem versöhnenden Finale, wie das in ‚Die beiden Bacchis‘ ist, wo die prellenden Söhne und die geprellten Väter zu guter Letzt alle miteinander ins Bordell kneipen gehen, steckt eine völlig Kotzebuesche Sittenfäulnis.“ 56 Etwas lockerer formulierte Ribbeck. Die „frivole Ironie des Dichters geht so weit, daß er zum Schluß die beiden um die Moralität ihrer Söhne besorgten weißhaarigen Väter den […] anmutigen Hexen in die Schlinge liefert, so daß sie, statt die Jungen aus der gefährlichen Höhle fortzuholen, sich selbst hineinlocken lassen, um gemeinsam mit ihnen der Wollust zu frönen.“ 57 Es ist wohl unbestritten, daß bei Menander die Würde der Alten unangetastet blieb. Auch die Darstellung der Jungen betrachtete Ribbeck distanziert. Das „Verhältnis der beiden Jünglinge zu den beiden Hetären ist ein rein sinnliches, das eine geradezu improvisiert. Mnesilochus tritt nicht einmal mit seinem Mädchen zusammen auf, auch ist von Liebe kaum die Rede: nur um vorübergehenden Genuß handelt sich’s.“ 58 Bei Menander waren die Liebespaare am Schluß vereint. Vor allem zeigt der Umstand, daß Plautus einen dritten Betrug hinzudichtet, einen erheblichen Mangel an Moral bei seinen jungen Protagonisten und ihrem Helfer - nicht etwa, weil zwei erfolgreiche Betrügereien schlimmer sind als eine erfolgreiche Betrügerei, sondern weil es für den dritten Betrug keinen sachlichen Grund gibt. Bei Menander war es (im Sinn der Neakonvention) notwendig, e i n e Summe aufzubringen, weil der stratiwvth" sonst mit der Samierin auf ein Jahr entschwunden wäre. Bei Plautus wird eine zusätzliche Summe erpreßt, die nichts weiter als ein beliebiges Vergnügungsgeld darstellt - das zwar sehr angenehm ist, für dessen Beschaffung aber keine Notwendigkeit besteht. 59 Seine jeunesse dorée ist samt ihrem Sklaven hemmungslos. Die Morallosigkeit der Handlung wird am Ende durch die Worte des Grex unterstrichen (1207-1211): Die Senes seien inde ab adulescentia 55 Hinck 1965, 37; Krömer 1976, 26; Stärk 1989, 7-8; (1991) 2005, 94-95; 2005, 9-21; Lefèvre 1999 (1), 24-26; 2001 (4), 65-66; 2004 (1), 35-36; 2004 (2), 75; 2006, 166-167. 56 1976, II, 420 (= 9 1902, I, 894). 57 1887 (1), 94-95. 58 1887 (1), 94. 59 B II 1 Punkt 4 (S. 46); B II 2 (S. 50 Anm. 160). II. Das Zerrbild der römischen Gesellschaft 171 moralische Nichtsnutze (nihili). Es wird im Namen des Dichters dem Schluß vorgebeugt, es handele sich bei ihnen um eine einmalige Entgleisung. Die Feststellung wird auch gleich bewiesen: Man hätte das Spiel nicht gebracht, wenn man nicht gesehen hätte, daß bei Kupplern (auch sonst) Väter Rivalen der Söhne seien, neque adeo haec faceremus, ni antehac uidissemus fieri | ut apud lenones riuales filiis fierent patres (1209-1210). Andere Plautus-Stücke lassen grüßen: Asinaria. Casina, Mercator. In ihnen ist die Konkurrenzsituation ähnlich drastisch. Wie sind die Worte zu bewerten? Während Lambinus sein Mißfallen ausdrückt 60 - „nefarium et tætrum, patrem & filium cum eadem fœmina rem habere“ -, glauben neuere Forscher wie Naudet 61 oder Del Corno, 62 Plautus verfolge eine ernste Absicht. Auf jeden Fall wird man mit Lejay sagen können: «Plaute a sur ce point une franchise un peu brutale, plus saine peut-être que les effarements hypocrites d’une pudeur de convention.» 63 Nach Barsby trifft die Entschuldigung, derartige Verhältnisse gebe es tatsächlich, nur scheinbar (‘ostensibly’) zu: “it is hard to see the play as a moral treatise directed to this end; though some of Plautus’ epilogues do adopt a moralising stance (Captivi, Miles), their general tone is very much tongue-in-cheek, especially when discussing the behaviour of the senex amator (Asinaria, Casina, Mercator).” 64 Frech wie das ganze Stück ist auch die letzte Aussage. 65 Im Dis Exapaton spielten ethische Gesichtspunkte eine Rolle. Das kann schon daraus geschlossen werden, daß Menander am Ende des dritten und am Anfang des vierten Akts je ein Gespräch zwischen Sostratos und seinem Vater gestaltete, in dem der Sohn versuchte, den ersten Betrug wiedergutzumachen. Beide Dialoge streicht Plautus, weil solche 60 (1576) 1622, 422. 61 „Nescio an Plautus illa e græco barbare verterit. Animus inclinat, ut credam illum ex ingenio suo grave fabulæ ejpimuvqion exprompsisse, quo, quidquid licentius jocosa Musa comœdiæ ultimo actu protulisset, ad verum finem revocaretur, admonitione spectantum mentes eo fortius penetrante, quod præter exspectatum eveniret, mutato s e r i i s ludo“ (1830, 437, Sperrung ad hoc). 62 Plautus zeige sich offen «anche ad una s e r i a tematica civile, qui come in altre passi della sua opera» (1973, 184, Sperrung ad hoc). 63 1925, 59. 64 1986, 189. 65 Zwierlein 1992, 314-316 sieht 1207-1211 als Zusatz des Bearbeiters an. Die Verse seien der von Bacchis in 1206 gezogenen „Quintessenz der Komödie diametral entgegengesetzt“. Das trifft nicht zu. Bacchis findet das Verhalten der Alten ‚prima‘ (lepide), und der Grex findet das Verhalten der patres allgemein nicht minder gut - natürlich ironisch. Zwierlein spricht von einer „schiefen ‚Schlußmoral‘“ und beruft sich auf Barsby. Er übersieht die Einschränkung ‘ostensibly’ und ignoriert die zitierte Fortsetzung von Barsbys Argumentation. D. Weltbild 172 ‚intimen‘ Erörterungen keinen Ansatzpunkt für Witz und Komik bieten. 66 Im übrigen blieb das Faktum der einzigen erlisteten Summe nicht wie bei Plautus einfach ‚im Raum‘ stehen, sondern wurde durch die von Tyche bescherte Anagnorisis ins Reine gebracht. 67 Am Schluß stand eine glückliche Hochzeit, nicht der Bordellbesuch der Väter. Das war wohlanständig, aber vielleicht auch ein bißchen langweilig. Es ist Plautus, der - im Sinn des Stegreifspiels - die Moral aus der Handlung fortbläst. Das Erzielen der Komik ist ihm wichtiger. 8. Soldatenspott Der stratiwvt" muß auch bei Menander entschlossen aufgetreten sein. Sonst ließe sich Nicobulus nicht von Syros überreden, die geforderte Summe so schnell herauszurücken. Er brauchte sich aber nicht wie sein Nachfahr als Miles gloriosus zu gerieren und martialisch zu drohen, er werde Mnesilochus auslöschen, sobald er ihn treffe (illum exanimalem faxo, si conuenero, 848). Es lag ja ein Vertrag vor, auf den er sich berufen konnte. Bei Plautus ist der Miles dagegen ohne Grund von vornherein als komische Figur angelegt. Der Name ist sprechend: ‚à gloria seu celebritate præliorum‘. 68 Sein Parasit hat keine hohe Meinung von ihm (573-574): parasitus ego sum hominis nequam atque improbi, militis, qui amicam secum auexit ex Samo. Die Charakteristik, die der Bursche von ihm gibt (‹un cornutone al cubo›), 69 hat mit der Handlung nichts zu tun. Auch daß er sich als dessen integumentum bezeichnet, überrascht. Das Wort ist, zumindest in Pistoclerus’ Konter (601-602), offenbar obscoeno sensu gebraucht. 70 Der Zuschauer darf sich sagen: Wie’s Gescherr, so der Herr. Es liegt Plautus offenbar daran, daß er die Lacher über einen großspurigen Militär noch vor dessen Auftritt auf seiner Seite hat. Der Miles Gloriosus gilt als frühes Stück. Diese Erscheinung hat den umbrischen Dichter also von Beginn an interessiert. “Plautus tends to exaggerate the type into an absurd caricature” (außer Pyrgopolynices im Miles noch Antamoenides im Poenulus und Stratophanes im Truculentus); “Menander on the 66 B I 3 (S. 31-36). 67 B III 5 (S. 68-71). 68 Camerarius 1552, 418. Der Name ist bei Kratinos belegt (Schmidt 1902, 184). 69 Paratore (1976) 1992, 397. 70 Del Corno, Barsby, Rau und de Melo sehen das offenbar nicht, vermutlich aber Zwierlein, der meint, man könne die „Selbstbezichtigung des Parasiten […] nur noch erbärmlich finden“, und sie einem Bearbeiter zuspricht (1992, 268-269). Blume per litteras vergleicht Most. 894 / 895. II. Das Zerrbild der römischen Gesellschaft 173 other hand favours a sympathetic approach, whereby the traditional qualities are refined or even inverted” 71 (Thrasonides im Misumenos, Polemon in der Perikeiromene und Stratophanes in den Sikyonioi). 72 Auf einen wichtigen Grund für die unterschiedliche Darstellung des Soldaten bei Menander und Plautus weist Blume hin. Söldneroffiziere waren zu dieser Zeit unbekannt. „Die schlichten Zuschauer des Plautus mußten darum, anders als das attische Publikum, sie für exotische Wesen halten. Da lag es nahe, daß der Dichter die Farben dicker auftrug. Andererseits sahen sich die Römer, kaum daß sie Hannibal besiegt hatten, in die politischen Auseinandersetzungen des Ostens hineingezogen, wodurch hellenistische Söldneroffiziere zu ihren eigenen Kriegsgegnern wurden. Diese herabsetzend darzustellen mochte geradezu im Staatsinteresse liegen.“ 73 Ebenso wichtig war der einheimische Aspekt. Das griechische Milieu (‚Palliata‘) schützte den Spott über eine beherrschende römische Figur. Cleomachus betritt in IV 8 selbst die Bühne. 74 Auch in dieser Szene hilft Plautus dem Soldatenspott kräftig nach - um es genauer zu sagen: Auch in dieser Szene führt Plautus den Soldatenspott in die menandrische Handlung ein. Der stratiwvth" verkündete wie Cleomachus seine Forderung energisch, Sostratos möge die samische Bacchis herausgeben oder aber die Pachtsumme erstatten, anderenfalls werde er mit Waffengewalt dazu gezwungen. Daraufhin verhandelte Syros (oder gar Nicobulus) mit ihm. Der Alte holte das Geld vermutlich direkt aus dem Haus (wie später in der plautinischen Szene IV 9). Es gab weder Veranlassung für die (römische) Stipulatio (877-883) noch für die (römische) Quasi-Flagitatio (884-889). Durch die erste wurde Nicobulus, durch die zweite der Miles für dumm verkauft. Der gerissene Crusalus erledigte zwei ‚Feinde‘ auf einmal. In diesem Zusammenhang kommt es auf die Quasi-Flagitatio an, für die es keine sachliche Begründung gibt. Sie ist für die Handlung gänzlich überflüssig. Questas Vermutung, daß 875 (die Ankündigung der Beschimpfung) und 886-889 (die Ausführung der Beschimpfung, wozu auch der rüde Ton von 884-885 gehört) von Plautus stammen, 75 trifft sicher das Richtige. In dieser Partie wird Cleomachus, der ‚berühmte Kämpfer‘, auf die denkbar schlimmste Weise entwürdigt. 71 Barsby 1986 163. Hinsichtlich Bias im Kolax ist Vorsicht geboten, Züge des terenzischen Thraso auf ihn zurückzuprojizieren. 72 Ein bramarbasierender Militär war Lamachos in Aristophanes’ Acharnes. Spuren dieses Typus in der Mese verfolgt Nesselrath 1990, 325-329. 73 2001, 187. 74 Zu IV 8: C I 1 (S. 101-102). 75 1985, 58 («per rendere più saporito con gli insulti il dialogo»). D. Weltbild 174 Es zeigt sich Plautus’ Bestreben, die Autorität, die ein Soldat in Rom eo ipso hat, abzuwerten. Nicht nur die Väter, sondern auch der Miles sind Opfer der völlig unmenandrischen Saturnalienkonzeption. 9. Parasitenspott Plautus und Terenz lieben es, die griechische Figur des Parasiten mit Spott zu bedenken. Schon der Name muß in Rom merkwürdig erscheinen. Damit folgen sie keineswegs Menander. Denn Chaireas, der im Dyskolos Sostratos’ paravsito" ist, weist ebensowenig komische Züge auf wie Menanders Figur, die Gnatho in Terenz’ Eunuchus entsprach. 76 Besonders Plautus stellt gern witzige Vertreter dieses Typs auf die Bühne - wie Ergasilus (Captivi) 77 oder Peniculus (Menaechmi). 78 Zu dieser Familie gehört auch der Parasit des Soldaten, der nur einmal auftritt (IV 1-2). Bei Menander hatte die dem Parasiten entsprechende Figur (vielleicht auch ein Parasit) eine wichtige Funktion. Im Dialog mit ihm erfuhr Syros, der wahrscheinlich sein Gesprächspartner war, 79 daß der stratiwvth" gleich kommen und Sostratos drohend gegenübertreten werde. Die Szene gehörte zum Plot. Bei Plautus dient der Parasit nur dazu, eine etwas begriffsstutzige Figur abzugeben, die Gegenstand des Witzes ist. 80 Die Szene gehört nicht zum Plot. Pistoclerus macht sein Wissen, daß der Miles sogleich drohend nahen werde, nicht fruchtbar. Er müßte es Crusalus offenbaren. Statt dessen erwähnt er es kurz Mnesilochus gegenüber (631-633), was dramaturgisch nicht genutzt wird. 81 Das Intermezzo des Parasiten ist Selbstzweck. Die bei Plautus fast immer komische Figur dient auch hier dazu, Witzleien von sich zu geben und zu kassieren. Es ist ein denkbar komischer Schlagabtausch, wie ihn Plautus liebt. Nachdem der Parasit ein paar Spitzen ausgeteilt 76 Bei Gnatho ist „zu beachten, daß es sich nicht um eine aus der Neva ‚übersetzte‘ griechische, sondern um eine aus dem Stegreifspiel abgeleitete römische Gestalt handelt, die in jeder Hinsicht grotesk übersteigert ist und für deren Ausprägung Plautus eindeutig den Weg gewiesen hat “ (Lefèvre 2003, 152). 77 Wenn es zutrifft, daß Plautus für die Captivi nicht eine griechische Komödie, sondern eine römische Praetexta zum Vorbild hatte, ist Ergasilus schon aus diesem Grund ein plautinisches Geschöpf (Lefèvre 1998, 39). Vgl. Benz 1998, 53- 81 (‚Ergasilus Parasitus und die Tradition der volkstümlichen Stegreifbühne‘). 78 Stärk 1989, 37-40. 79 B II 3 (S. 56-57). 80 C I 1 (S. 93-94). 81 Zwierlein 1992, 266-269 mit Anm. 595 athetiert von den 33 Versen des Auftritts (573-605) 15. Auch der letzte Vers, ein feszenninischer Hickhack, ist darunter: P A . uale, dentifrangibule. P I . et tu, integumentum, uale (605). Träfe das zu, müßte man wünschen, daß es mehr solche Bearbeiter gäbe. II. Das Zerrbild der römischen Gesellschaft 175 und eingesteckt hat, verschwindet er in der ‚Kulisse‘, aus der er überraschend kam - ohne jede Folge. Das Stegreifspiel läßt grüßen. 10. Spiel um des Spiels willen „Der eigentliche Held ist Chrysalus, der geniale Schalk, der wesentlich u m s e i n e K u n s t z u ü b e n es ungebeten übernimmt, den jungen Leuten zu dem für ihr Vergnügen nötigen Geld zu verhelfen.“ 82 Das trifft Plautus’ Intention genau. Crusalus spielt das Spiel um des Spiels willen. 83 In dem Moment, in dem er hört, daß zur Befreiung der samischen Bacchis Geld vonnöten sein werde (219), betrachtet er dessen Beschaffung selbstverständlich als s e i n e Aufgabe (229-233): negotium hoc ad me adtinet aurarium. 230 mille et ducentos Philippum attulimus aureos Epheso, quos hospes debuit nostro seni. inde ego hodie aliquam machinabor machinam, unde aurum ecficiam amanti erili filio. negotium aurarium klingt an negotium aerarium an. 84 Von da ist die Assoziation zum aerarium (Staatsschatz) und zum praefectus aerarii nicht weit. Crusalus ist der Finanzminister - nur daß er nicht für Erz, sondern für Gold zuständig ist. Von nun an übernimmt er die R e g i e d e s S p i e l s , in dem sowohl der Senex als auch die jungen Leute Mnesilochus und Pistoclerus nur die Statisten sind. Nicht überlistet er Nicobulus durch ein feines Lügengewebe, sondern er zieht ihn herauf, herab und quer und krumm an der Nase herum - zunächst in II 3, später in IV 8 und IV 9. Die Aufgabe kommentiert er mehrfach. Nach der Überlistung des Alten stellt er den Erfolg das erste Mal expressis verbis fest (350-352): 350 exorsa haec tela non male omnino mihi est: ut amentem erilem copem facerem filium, ita feci ut auri quantum uellet sumeret, 82 Ribbeck 1887 (1), 94 (Sperrung ad hoc). 83 Dazu die Kapitel ‚Intrige als Spiel‘ bei Lefèvre 2001 (4), 83-84; 2004 (1), 45- 46; ‚Spiel im Spiel‘ 2004 (2), 81-84; ‚Spiel als Spiel‘ 2006, 168-169; ‚Spiel im Spiel und Metatheater‘ 2008, 138-140. 84 “By coining the word aurarius (‘of gold’), Plautus evokes the associations of the very similar aerarius (‘of bronze’), which, since the original coinage of Rome was bronze, supplies the Latin technical terms for ‘treasurer’ (aerarius) and ‘treasury’ (aerarium)” (Barsby 1986, 116). Taubmann 1612, 463 vergleicht Pseud. 423-425: haeret hoc negotium. | quo in commeatum uolui argentarium | proficisci. D. Weltbild 176 Er geht planvoll vor. Bei seinem nächsten Auftritt kommentiert er seine erste Tat das zweite Mal (640b-648): 85 hunc hominem decet auro expendi, huic decet statuam statui ex auro: nam duplex hodie facinus feci, duplicibus spoliis sum adfectus. erum maiorem meum ut ego hodie lusi lepide, ut ludificatust! callidum senem callidis dolis compuli et perpuli mi omnia ut crederet. 645 nunc amanti ero, filio senis quicum ego bibo, quicum edo et amo, regias copias aureasque optuli ut domo sumeret neu foris quaereret. Nachdem Crusalus Mnesilochus und Pistoclerus instruiert hat, stellt er im dritten Selbstlob die Größe des Unternehmens fest: insanum magnum molior negotium (761). Nach der nächsten Etappe (der Übertölpelung des Senex und des Miles in IV 8) folgt der vierte Kommentar in Form der ausladenden Troia-Arie (925-977). Der fünfte wird gesprochen, wenn er unmittelbar danach Nicobulus um die zweite Summe betrügt und am Ende von IV 9 als Triumphator dasteht: Er konstatiert das Erreichen des Ziels, sagt aber para; prosdokivan, daß er auf einen Triumph verzichte, weil das zu gewöhnlich sei (1068-1073). Seine Rolle schließt mit einer Antiklimax, die in Wahrheit eine Klimax ist. Crusalus zieht die Fäden des Spiels - wie ein Theaterregisseur. Das wird in IV 4 deutlich, wenn er den Jünglingen Anweisungen gibt, ohne deren Sinn zu erklären, und sich als imperator geriert. Auf das ‚Herrschertum‘ (imperator) und das Befehlen (imperare, iubere) kommt es an (in 726-727, 729, 733, 759 terminologisch betont). Es genügt, den kurzen Wortwechsel zu zitieren (726-727): 86 P I . quae imperauisti: imperatum bene bonis factum ilicost. C R . quid parasti? P I . quae parari tu iussisti omnia. Der Sklave treibt das Spiel bewußt und fällt zweimal metatheatralisch aus der Rolle, wenn er auf den Epidicus und den Theaterdirektor Pellio (214-215) anspielt oder prahlt, er übertreffe Intrigenführer, die Parmeno oder Syrus (also sein Pendant im Dis Exapaton) hießen (649). 87 Es liegt nahe, den bei Plautus beliebten Terminus ludere = verspotten in diesem Zusammenhang zu sehen. 88 Wenn Crusalus sagt: erum maiorem meum ut ego hodie lusi lepide, ut ludificatust (642), meint er, er habe ihn betrogen, aber es steckt auch die Bedeutung ‚spielen‘ darin: Er hat mit ihm sein Spiel getrieben, wie dieser zweimal grimmig feststellt: 85 Zum Verständnis der folgenden Verse C I 1 (S. 96-99). 86 Vgl. auch D II 5 (S. 166-167). 87 C I 3 e (S. 130-131). 88 Dazu treffend Petrone 1983, 202-209. Vgl. Lefèvre 2001 (4), 80-81, 84. II. Das Zerrbild der römischen Gesellschaft 177 hoccine me aetatis | ludos bis factum esse (1090-1090a), me hoc aetatis ludifica- | ri, immo edepol bis ludos factum (1100-1100a). Crusalus ist ein echter plautinischer Sklave. Für ihn gilt in besonderem Maß die Regel der Palliata: ‹Lo schiavo si rende più difficile il difficile compito›. 89 Wie Pseudolus erschwert er sich aus freien Stücken seine Aufgabe. In ihrer Überheblichkeit warnen beide ihre Gegenspieler vor sich selbst, Pseudolus Simo in dem sogenannten ersten Plan (Pseud. 507-518), Crusalus Nicobulus in dem ersten Brief (739-741). 90 Siegesgewiß erhöhen sie das Risiko ihres Spiels, das erst dadurch die richtige Würze erhält. Auch sonst hält Crusalus den Senex nach Strich und Faden zum Narren, 91 was auch einmal schief gehen könnte - und geht es schief, dann hat der Herr mit den Züchtigungsruten mehr Plage als der Delinquent (364-365). 92 11. Datierung Ritschl hat die Bacchides auf 189 oder kurz danach datiert, weil in Chrysalus’ überheblichem Ausruf sed, spectatores, uos nunc ne miremini | quod non triumpho: peruulgatum est, nil moror (1072-1073) auf die Triumphe in diesem Jahr angespielt werde. 93 Es gab weitgehend Zustimmung, 94 aber auch Kritik. Für Fraenkel liegt eine poetologische Aussage vor: Crusalus wolle nicht in der Art triumphieren, wie es jetzt bei Sklaven auf der Bühne üblich sei. 95 Das ist nach Williams zwar richtig, aber Crusalus habe gerade auf diese Weise in dem Canticum IV 4 triumphiert. Daher dürfe in 1072-1073 ein doppelter Bezug zur Bühne und zur Zeitgeschichte angenommen werden. Von den vier Triumphen, die Ritschl für 189 genannt habe, seien nur zwei sicher. Je zwei Triumphe habe es auch in den Jahren 197-194 und dann erst wieder 191 gegeben, so daß für die Aufführung der Bacchides ebenso gut 193 wie ein späteres Jahr in Frage komme. 96 Questa diskutiert das Problem der Triumphe erneut sorgfältig und weist zu Recht darauf hin, daß die 89 Lefèvre 2007, 27-40. 90 D II 12 (S. 181). 91 IV 8 / IV 9 (C I 1, S. 101 / 116-118). 92 B II 2 (S. 54-55). 93 (1836) 1845, 427. 94 Forschungsüberblicke bei Questa 1985, 15-22; Gruen 1990, 137 Anm. 163. 95 „In Wahrheit lehnt hier Plautus durch den Mund seines Sklaven einen konventionellen, von ihm selbst vielfach ausgenutzten Bühnenscherz ab, mit dem Hochmut, den die komischen Dichter stets zur Schau tragen, wenn sie einmal ausnahmsweise wirklich oder scheinbar - so ist es hier - auf eines jener Kunststückchen verzichten, ejf oi|" ajei; gelw'sin oiJ qewvmenoi“ (1922, 235). 96 1956, 447. D. Weltbild 178 Anspielungen auf die geheimnisumwitterten Bacchanalia, die 186 verboten wurden, 97 Ritschls Datierung nahelegen. 98 Später untersucht Gruen systematisch Plautus’ Bezugnahmen auf die zeithistorischen Geschehnisse und stellt vor allem in Crusalus’ stolzer Rede 1069-1075 interessante Aussagen fest, die das Publikum mit bestimmten politischen Gepflogenheiten verbinden mußte. euenit ut ouans praeda onustus cederem; 1070 salute nostra atque urbe capta per dolum domum redduco integrum omnem exercitum. sed, spectatores, uos nunc ne miremini quod non triumpho: peruulgatum est, nil moror; uerum tamen accipientur mulso milites. 1075 nunc hanc praedam omnem iam ad quaestorem deferam. Crusalus sagt kurz vor der von Ritschl hervorgehobenen Stelle, er komme mit Beute beladen (1069). Hier werde auf die Ovatio angespielt, “alternative to a triumph, an institution resorted to with greater frequency in these years to deflect claims on a triumph. Allusion to debates to such matters is reinforced by the lines that follow. Chrysalus acknowledges that his conquest came through deceit but he has marched his army home intact [1070-1071]. Objection to triumphs, it will be recalled, sometimes focused on the general’s inability to withdraw his army. And Chrysalus concludes by dismissing concern for a triumph: there were too many of them anyway, the institution had been cheapened by mediocrity [1072-1073]. One need not assume that Plautus pointed to a particular occasion. But the echoes of contemporary debates are unmistakable. Plautus’ audience could find in the scramble for triumphs a subject for amusement.” 99 “Distribution of spoils to soldiers as a means to popularity became more common and conspicuous. […] Chrysalus in the Bacchides depicts himself as laden with spoils and announces a handsome reception for his soldiers [1074].” 100 “One may note also Chrysalus’ later boast about carrying off booty: he announced that he would deliver it directly to the quaestor [1075]. That passage plainly speaks to increasing emphasis on the treasury’s claim to foreign spoils.” 101 Diese Häufung von politischen Anspielungen kann nicht Zufall sein, wenn sie auch keine fixe Datierung der Bacchides erlaubt. Sie zeigt aber Plautus’ souveränen Umgang mit hochoffiziellen Institutio- 97 Genauer B III 7 (S. 72-73). 98 1985, 22. Aus demselben Grund datiert Arcellaschi 1990, 43 die Bacchides auf 188. 99 1990, 137-138. 100 1990, 139. 101 1990, 140. II. Das Zerrbild der römischen Gesellschaft 179 nen, der nur innerhalb des saturnalischen Rahmens seiner Komödien möglich ist. Die kühnen Bezugnahmen auf die Bacchanalia, die 186 verboten wurden, sind ohne Frage in eben diesem Rahmen zu sehen. 12. Bacchides und Pseudolus Es war mehrfach Gelegenheit, auf den Pseudolus hinzuweisen. In auffallender Weise ist Plautus bei ihm sowohl im einzelnen als auch im ganzen nach derselben Methode wie in den Bacchides verfahren, so daß die Annahme nahe liegt, die Komödien gehörten in dieselbe Zeit. Da sie sein Kunstwollen besonders gut erkennen lassen, mag es sinnvoll sein, einige Ähnlichkeiten zusammenzustellen. Wortanklänge prägen sich ein. Der lautmalende Ausdruck Suauisauiatio begegnet nur Ba. 116, 120 und Pseud. 65, 102 peruulgatum 103 nur Ba. 1073 und Pseud. 124. Nicht ganz so eindrücklich sind mala ingerere Ba. 875, Pseud. 359, Men. 717 104 und harpagare Ba. 656, Pseud. 139, 957, Aul. 201. Dazu tritt übereinstimmende Metaphorik, so Ba. 709-713 de ducentis nummis primum intendam b a l l i s t a m in senem; 710 ea b a l l i s t a si peruortam turrim et propugnacula, recta porta inuadam extemplo in o p p i d u m anticum et u e t u s : si id capso, geritote a m i c i s uostris aurum corbibus, sicut animus sperat. und Pseud. 585-588 585 Ballionem e x b a l l i s t a b o lepide: date operam modo; 585a hoc ego o p p i d u m admoenire, ut hodie capiatur, uolo. 587 post ad o p p i d u m hoc u e t u s continuo meum exercitum protinus obducam: inde me et simul p a r t i c i p e s omnis meos praeda onerabo atque opplebo. „Hier wie in den Bacchides wird die Intrigue gegen den senex als Erstürmung einer alten Stadt aufgefaßt; in beiden Fällen spielt die ballista eine Rolle“. 105 Außerdem verspricht der Sklave an beiden Stellen den 102 Überhaupt wiederholt sich 116 Iocus, Ludus, Sermo, Suauisauiatio in Pseud. 65 (von Leo athetiert). 103 „Der Gebrauch des Wortes ist ganz der gleiche“ (Fraenkel 1922, 235 Anm. 4). 104 Beachtung verdient, daß ingerere bei Plautus nur noch dreimal vorkommt, davon zweimal im Pseudolus: aquam ingerere (Pseud. 157), dicta ingerere (Pseud. 369, As. 927). imbrem ingerere (Pseud. 102) ist Konjektur von Salmasius. 105 Fraenkel 1922, 63. D. Weltbild 180 Freunden bzw. Mitkämpfern reiche Beute. Natürlich stammen die Passagen von Plautus. 106 Eine andere wichtige Entsprechung erachtet Williams für wesentlich. Der Vergleich von Crusalus mit Ulixes ist, zumal in der Troia-Arie, bezeichnend für die Bacchides. Ebenso heißt es von Pseudolus: uiso quid rerum meus Ulixes egerit, | iamne habeat signum ex arce Ballionia (Pseud. 1063-1064) und: superauit dolum Troianum atque Ulixem Pseudolus (Pseud. 1244, wiederum ist Simo der Sprecher). Beidemal ist Odysseus in Verbindung mit Troia, an der ersten Stelle sogar mit dem Ba. 954 erwähnten Palladion genannt. Die Übereinstimmung ist um so auffälliger, als nach Williams “the only other mention of Ulysses in the rest of Roman comedy, including the fragments, is Men. 902”; 107 doch handelt es sich an dieser Stelle nur um den ‚tropischen Gebrauch‘ des Odysseus-Vergleichs. 108 In den Bacchide s führt Plautus die römische Form des Sich- Versprechen-Lassens ein, die Stipulatio, 109 um Nicobulus dem Soldaten das Geld versprechen zu lassen. Bei ihr sind die Formeln sinnentsprechend zu wiederholen: 110 Cleomachus: dabin? Nicobulus: dabo (883). Hierauf wird bereits 824-825 angespielt: Crusalus: dabis. Nicobulus: dabo? An der ersten Stelle begegnen auch die in diesen Zusammenhang gehörenden Termini rogare und promittere (881). Eben auf dieses Prinzip der Stipulationes, der einseitigen Wetten, ist die Handlung des Pseudolus, auch terminologisch (instipulatus, Pseud. 1069, stipularier, Pseud. 1076), gegründet: zwischen Calidorus (dabis? ) und Pseudolus (dabo, Pseud. 117-118), Pseudolus (dabin? , Pseud. 536) und Simo (vgl. Pseud. 555) sowie Simo (dabin) und Ballio (dabuntur, Pseud. 1078). Diese in die Augen fallende Ähnlichkeit verdient um so mehr Beachtung, als Plautus sonst nur Stipulationes bei Eheversprechen kennt. 111 Wie Ba. 824-825 wird auch im Pseudolus mit der Formel gespielt, etwa Pseud. 508 und 510. In beiden Komödien begegnet die komische Technik, daß eine Person einen Brief vorliest und ihn mit einer zweiten abschnittweise kommentiert. Wird die Lektüre des Mnesilochus-Briefs 997-1035 112 fünfmal von Nicobulus und Crusalus unterbrochen, wenden Calidorus und Pseudolus bei der Lektüre des Phoenicium-Briefs Pseud. 41-73 diese Technik zweimal an, nachdem sie ihn schon vorher tüchtig glossiert haben (Pseud. 20-40). Außerdem begegnet dort auch die wiederholte 106 Fraenkel 1922, 63 und 64. 107 1956, 447, vgl. aber Ba. 21. 108 Fraenkel 1922, 96; Williams 1956, 447. 109 B II 3 (S. 57); C I 1 (S. 101). 110 Lorenz 1876, 8 Anm. 9; Weiss 1929, 2540-2548; Knütel 1976, 201-228. 111 Lorenz 1876, 8 Anm. 9. 112 Ausführlich C I 1 (S. 117-118). II. Das Zerrbild der römischen Gesellschaft 181 Aufforderung zum Lesen bzw. die Absichtserklärung des Lesenwollens: lege (Pseud. 31) / pellegam (Pseud. 31) / pellego (Pseud. 40) / legis? (Pseud. 40) / recita (Pseud. 49) / pellegam (Pseud. 61) / lege (Pseud. 63). Es wurde vermutet, daß es im Dis exapaton beim deuvtero" plou'" keinen Brief - schon gar nicht zwei Briefe - gegeben habe. 113 Da sich Plautus nach Cicero im Alter über den Pseudolus freute, wird dieser erfolgreich gewesen sein. So ist es naheliegend, daß Plautus in den bald danach entstandenen Bacchides die eigene Brieftechnik aufnimmt und sie gleich zweimal anwendet: Variationen und Imitationen pflegen ausführlicher als die ursprüngliche Version zu sein. Es ist nicht abwegig, zu vermuten, daß auch die wirkungsvolle Briefmasche den Umbrer bewogen hat, die zweite Intrige zu verdoppeln. Plautus bearbeitet die Durchführung der Intrigen weitgehend nach demselben Schema. Zunächst antizipieren beide Sklaven ihren Triumph, Crusalus 640b-662, Pseudolus Pseud. 591: Sie feiern, ehe sie Anlaß dazu haben. 114 In ihrer Siegesgewißheit sind sie so überheblich, ihre Gegenspieler, die alten Herren, vor dem geplanten Betrug zu warnen: Crusalus in dem ersten Brief 739-741, 115 Pseudolus in dem ersten ‚Plan‘ Pseud. 507-518. 116 Die plautinischen Zusätze haben viel Verwirrung gestiftet und die Annahme von Kontaminationen gefördert. Beide Sklaven verdoppeln gegenüber den Originalen den Gewinn, Crusalus auf Kosten des Herrn, Pseudolus auf Kosten des Kupplers und des Herrn. Die halbe Summe ist jeweils funktional gebunden (für den Soldaten bzw. Kuppler), die andere Hälfte dient dem Vergnügen. Durch die Verdoppelung der ergaunerten Summen verwässern die Listigen den stimmigen Geldumlauf der Originale zugunsten einer gesteigerten Beliebigkeitsrechnung. 117 Sie bewegen sich nicht in dem kalkulierten Rahmen einer Nea-Komödie, sondern in einem luftleeren Raum. Am Ende sind die Sklaven so ‚großzügig‘, den jammernden Alten die Hälfte des verlorenen Gelds, dimidium (Ba. 1184a, Pseud. 1328), zur Beruhigung anzubieten. 118 Die Wirkung ist um so größer, als Plautus die Senes in einer ‚Überkreuzdramaturgie‘ am Beginn als weitgehend 113 B II 3 (S. 55-58). 114 C I 1 (S. 96-99). 115 B II 1 Punkt 7 (S. 47) und B II 4 (S. 60). 116 Williams 1956, 448-449; Lefèvre 1977, 451-452; 1997, 24-26. 117 B IV 2 (S. 75-77). 118 Williams 1956, 449-450 nimmt kaum zu Recht an, in den Bacchides habe die zweite Summe die Funktion, durch die Rückgabe Pardon für Crusalus zu erwirken. Schon die Einbettung des Motivs in das Schafduett sollte davor warnen, in ihm etwas anderes als die Verspottung des Senex Nicobulus und seines Nachbarn Philoxenus zu sehen. D. Weltbild 182 unangefochten und am Ende als weitgehend unterlegen darstellt: Der Zuschauer kann ihren Fall mit Genuß verfolgen. 119 Obschon sich in der menandrischen Komödie die Intrige nicht wie in der römischen zu verselbständigen pflegt, 120 kann sie doch die praktische Anwendung des menschlichen Intellekts demonstrieren. Syros spielt in den Bacchides die Rolle, die im Pseudolus (der in dieser Hinsicht Menander nahesteht) der Titelfigur zufällt und in deren Monolog Pseud. II 3 expliziert wird: Es komme darauf an, die Gelegenheit zu ergreifen; wie einer Fortuna nutze, so rage er hervor, und alle sagten, er habe Verstand: proinde ut quisque Fortuna utitur, | ita praecellet atque exinde sapere eum omnes dicimus Pseud. (679-680). Beim Schopf packt auch Syros in IV 8 den sich bietenden kairov". 121 Pseudolus und Syros waren in den Originalen Intellektuelle, ihre römischen Nachfahren sind Zauberer, die sich in gleicher Weise rühmen: Pseud. 109-110 scis tu quidem hercle, mea si commoui sacra, quo pacto et quantas soleam t u r b e l l a s dare. Ba. 360 quas ego hic turbas dabo! Ba. 1057 tantas t u r b e l l a s facio. Die Junktur turbellas dare bzw. turbellas facere ist auf dem Hintergrund von Stärks Beobachtung zu sehen, daß für die Intrigen der Nea das Eindämmen (sedare), für die Intrigen der Palliata das Anheizen (turbare) charakteristisch sind. 122 Bacchides und Pseudolus sind in ihrem plautinischen Charakter auf das engste miteinander verwandt. Sie dürften in zeitliche Nähe gehören. Für den Pseudolus ist das Jahr 191 gesichert, für die Bacchides der unmittelbar folgende Zeitraum wahrscheinlich. 123 119 C I 4 (S. 142-143). 120 Gaiser 1971, 18 zur Intrige der Samia; Lefèvre 2001 (4), 83-84; 2004 (1), 45- 46: ‚Intrige als Spiel‘; 2008, 63-68: ‚Intrigentohuwabohu‘. 121 B II 3 (S. 57). 122 C I 3 d (S. 129-130). 123 B III 7 (S. 72); D II 11 (S. 177-178). E. Rezeption Während die Bacchides als ein Höhepunkt der plautinischen Komödie gelten, ist ihre Rezeption bei den Dichtern der Neuzeit ganz unbedeutend. 1 Man empfand wohl die drei Betrügereien für eine Nachahmung nicht geeignet. Crusalus’ lange Lügenerzählung mochte zu unplausibel erscheinen, zumal ihre Wirkung vor allem auf der pointierten sprachlichen Gestaltung beruht. Zudem ist es nicht einfach, die Briefintrigen in evidente Szenenfolgen umzusetzen. Klare Handlungen (Amphitruo, Aulularia, Eunuchus oder Adelphoe) hatten es einfacher, in neue Formen umgegossen zu werden. Daß Kumulation von Intrigen der Rezeption hinderlich ist, zeigt auch das Beispiel des Heautontimorumenos, der die wohl kompliziertesten Intrigen der Palliata aufweist. Kaum ein neuerer Dichter wagte sich an das Intrigentohuwabohu. 2 Der Umstand, daß der Anfang der Bacchides verloren ist, mag zur mangelnden Rezeption beigetragen haben. Denn oft machte es Plautus durch eine Prologerzählung den Rezipienten leicht, sich über den Stoff zu informieren. In diesem Punkt haben die Humanisten Abhilfe zu schaffen versucht. Seit der Plautus-Ausgabe von Nicolaus Angelius (Florenz 1514) wird vielfach ein Supplement gedruckt, dessen Verfasser unbekannt ist. 3 Es handelt sich um ein Argumentum, einen von Silenus gesprochenen Prolog mit einer phantasievollen Inhaltsangabe, und eine Szene zwischen Pistoclerus und Ludus. Das klingt gut, ist es aber nicht. „Der Ergänzer […] hilft dem Leser in nichts bei dem Einstieg in das Stück und ersetzt das Verlorene nicht. Was er geleistet hat, ist lediglich eine rein äußerliche und nur scheinbare Komplettierung des Stücks, das nun über akrostiches argumentum, Prolog und eine erste Szene verfügt, ohne doch davon irgend einen Nutzen zu haben oder irgendwie gebessert zu sein.“ 4 Auch die italienische Renaissancekomödie, die in der Regel die eifrigste und bedeutendste Rezipientin der Palliata ist, hat Zurückhaltung geübt. Die gelehrte Studie von Arbizzoni zeigt, daß von den Bacchides nur Übersetzungen und Aufführungen nachzuweisen sind, nicht aber eine produktive Rezeption durch Dichter. Die einzige Figur, die auf die 1 Reinhardstoettner 1886, 435. 2 Lefèvre 1994, 13-26. 3 Sorgfältig Braun 1980, 50-58, 114, 172-185 (mit Edition). 4 Braun 1980, 56-57. E. Ausblick 184 ‹commedia volgare› gewirkt zu haben scheint, ist der Pädagoge Ludus. 5 Wenn in Florenz 1563 Lodovico Domenichi Le due cortigiane als eine originale Komödie veröffentlicht, handelt es sich in Wahrheit um eine «traduzione delle Bacchides, un plagio, noi diremmo senza esitazione (tanto più che pare esser messo in atto un banale tentativo di depistaggio cambiando, e modernizzando, i nomi dei personaggi, i luoghi e i tempi dell’azione)». 6 Domenichi hat auch das Supplement benutzt. 7 Ansonsten ist kaum eine Nachfolge gesichert. 8 Für den deutschen Sprachraum ist die sehr freie Übertragung der Bacchides in Prosa durch den Eichstätter und Bamberger Domherrn Albrecht von Eyb (1420-1475) bemerkenswert, die 1474 entstand und 1511 gedruckt wurde. Da sie seinem Werk Der Spiegel der Sitten beigegeben ist, wird ihre moralische Absicht offenbar. 9 Der Eindringlichkeit halber sind nur die Namen der Schwestern beibehalten, ansonsten aber zeitgenössische gewählt. Die Väter heißen Kuntz und Utz, die Söhne Lentz und Entz. Aus dem Soldaten und dem Parasiten werden der Ritter Seitz und der Knecht Fritz. Ludus wird zum Schulmeister Götz, Crusalus zum Knecht Pentz. 10 Die Leser sollen sich gewissermaßen heimisch fühlen und über die Lehre des Stücks nachdenken. Von hier führt ein Weg zu Hans Sachs. 11 Die dem Spiegel der Sitten ebenfalls beigegebene Prosaübersetzung der Menaechmi brachte der Nürnberger Poet 1548 in Verse. 12 Insofern gehört Albrecht von Eyb in das Frühstadium der deutschen Palliata-Rezeption. 5 Arbizzoni 2001, 83. 6 Arbozzoni 2001, 85. 7 Braun 1980, 57. 8 Unter Berufung auf J. C. Dunlop (History of Roman Literature from his earliest period to the Augustan Age, zuerst London 1823) verweist Ussing 1878, 370 auf folgende Stücke: Nicolò Barbieri (1586-1641), L’Inavertito (gedruckt 1629), Quinault, L’Amant indiscret, Molière, L’Étourdi, Dryden, Sir Martin Mar-all. Da Quinault und Molière auf Barbieri und Dryden auf Molière zurückgehen, ist höchstens Barbieris Stück beachtenswert (dazu Sanesi 1954, II, 640 und die Neuausgabe von Baldissone 2002), doch ist wenig Ähnlichkeit mit den Bacchides festzustellen. Der einzige wirkliche Vergleichspunkt ist der Umstand, daß der junge Liebhaber Fulvio die listigen Pläne seines Dieners Scappino, ihm die Geliebte Celia zu verschaffen, mehrfach durch seine Eigenschaft, immer die Wahrheit zu sagen, unbesonnen (daher der Titel) vereitelt. Das erinnert an Mnesilochus’ Rückgabe des von Crusalus erschwindelten Betrags an den Vater - was in der Tat ein origineller Handlungsstrang ist. Interesse verdient, daß es am Ende zwei Anagnoriseis bürgerlicher Schwestern gibt, die einst von Türken geraubt wurden! Man liebte - wie Menander - ein geordnetes Finale mit gavmo", während Plautus auf saturnalische Unordnung zielt. 9 Sie wurde bereits in A (S. 15) charakterisiert. 10 Litwan 1984, 41. 11 Zu dessen Comedi […] von der bulerin Thais (Eunuchus) Lefèvre 2003, 29-32. 12 Rupprich 1970, 578. F. Résumé Bei der Nachdichtung des Dis Exapaton hat Plautus auf verschiedene Aspekte Wert gelegt, die auch in seinen anderen Komödien dominant sind. Es wird an dieser Stelle davon abgesehen, nochmals das Hypothetische mancher Ergebnisse zu betonen. 1. Plautus arbeitet den Dis Exapaton zu einer Hetärenkomödie um. Das hat Auswirkungen auf die Personen und auf die Handlung. Sowohl die in Athen wohnende eJtaivra crhsthv als auch die gerade aus Samos angereiste Ziehschwester, die am Ende als Bürgerliche ‚wiedererkannt‘ wurde, macht er zu - allerdings sympathischen - malae meretrices. Während am Ende des Dis Exapaton ein gavmo" stand, steht am Ende der Bacchides der Triumph zweier Hetären. 2. Plautus arbeitet den Dis Exapaton zu einer Saturnalienkomödie um, in der die ältere Generation statt aus ernstzunehmenden gevronte" aus Hampelmännern besteht. Nicht ihre Söhne, denen das anstünde, sondern sie selbst, denen das nicht ansteht, landen im Bordell. Diese Abwertung der Autorität gründet in Plautus’ Bestreben, ‚verkehrte‘ Verhältnisse darzustellen. Um der angestrebten Evidenz willen wird das Ziel der menandrischen Handlung, der gavmo" zwischen Sostratos und der samischen Geliebten sowie die Zusammenführung seines Freunds Moschos mit der athenischen eJtaivra crhsthv, gekappt und durch eine urkomische Bordellszene ersetzt, die, wie der Sprecher der Schauspieler am Ende konstatiert, zwei senes nihili vorführt (1207). Menander stiftete geordnete Verhältnisse mit gavmo", Plautus saturnalische Unordnung mit Libertinage. 3. Plautus arbeitet den Dis Exapaton zu einer Gaunerkomödie um. Während Syros den gevrwn in zwei Aktionen einmal betrog, betrügt Crusalus den Senex in drei Aktionen zweimal. Plautus verdoppelt den Triumph des Sklaven. Nicht aber macht er aus einem halben Gaunerstück ein ganzes Gaunerstück. Denn im Dis Exapaton, in dem das Mädchen aus Samos wahrscheinlich als Nicobulus’ verlorengegangene Tochter ‚wiedererkannt‘ wurde, zahlte der Vater gern die einmalige Summe, die sie aus dem (bereits geschlossenen, aber noch nicht angetretenen) Vertrag mit dem stratiwvth" löste. Wurde der gevrwn somit im Endeffekt keinmal betrogen, wird Nicobulus zweimal betrogen. F. Résumé 186 4. Plautus arbeitet den Dis Exapaton, über dessen Handlung letztlich Tuvch stand, zu einer Allerweltskomödie um, in der alles beliebig ist und das Betrügen zum Selbstzweck wird. Crusalus ist autonom: Er übertrifft Agamemnon, Achilleus und Odysseus, die größten Helden der homerischen Epen. Er sagt das nicht nur selbst, sondern der Dichter macht das auch evident. Moral spielt keine Rolle. Hierin stehen die Bacchides nicht nur der Atellana, sondern überhaupt der improvisierten Posse nahe. 5. Plautus arbeitet den Dis Exapaton zu einer Spannungskomödie um, in der die breit angelegten Durchführungen der Betrügereien genauso wichtig wie ihr Erfolg sind. Zu diesem Zweck erweitert er im ersten Teil Syros’ Bericht zu einer packenden Lügenerzählung, die den Senex ebenso wie den Zuschauer in Atem hält. Ferner führt er im zweiten Teil zwei Briefe ein, mit deren Inhalt der Zuschauer genauestens bekannt gemacht wird, so daß Spannung geweckt wird. Die Wirkung der Briefe auf den Senex ist in beiden Fällen durchschlagend. Im Original bedurfte es bei den sich auf engstem Raum bewegenden Personen überhaupt keiner Briefe. Vielmehr nutzte Syros den sich bietenden kairov", als der plötzlich erscheinende stratiwvth" Sostratos heftig bedrohte: Der gewandte Sklave erklärte dem gevrwn wahrheitsgemäß, daß der Sohn dem Soldaten die Geliebte abspenstig gemacht und für die Auflösung ihres Vertrags 200 Philippi an den Forderer zu zahlen habe. Unter dem Eindruck des kampfeslustigen Haudegens holte der Alte auf der Stelle das Geld aus dem Haus. 6. Plautus arbeitet den Dis Exapaton, der in einer literarischen Tradition stand und durchweg (soweit wir sehen) an der Sache orientiert war, zu einer Wortkomödie um, die in der mündlichen Tradition des italischen Stegreifspiels steht. In ihr dominiert die Rede. Eine Exuberanz des Streitens und Konterns, des Witzelns und Kalauerns, der Metaphern und Apartes lassen auch die Bacchides zu einem ‚Theater der Rede‘ werden. Während der Dis Exapaton Musik nur in den Aktpausen kannte, überdecken bei Plautus Gesänge und Musikbegleitung die Tragweite der einzelnen Argumente. Doch werden die Erfolge sowohl des Sklaven als auch der Hetären um so eindrücklicher zur Geltung gebracht. Das Troia-Canticum (IV 9) und das ‚Schafduett‘ (V 2) suchen selbst bei Plautus ihresgleichen. * satis historiarumst Literaturverzeichnis Ausgaben und Kommentare sind durch ein Sternchen (*) bezeichnet. Anderson, W. S., Barbarian Play: Plautus’ Roman Comedy, Toronto u. a. 1993. Anspach, E., De Bacchidum Plautinae retractatione scaenica, Diss., Bonnae 1882. Arbizzoni, G., Le Bacchides nel teatro italiano del Rinascimento, in: Raffaelli / Tontini 2001, 71-93. Arcellaschi, A., Les Bacchides de Plaute et l’affaire des Bacchanales, in: Theater und Gesellschaft im Imperium Romanum / Théâtre et société dans l’empire romain, hrsg. v. J. Blänsdorf, Tübingen 1990, 35-44. Arcellaschi, A., Lydus, paedagogus et servus dans les Bacchides de Plaute, Pallas 38, 1992, 327-336. Arnaldi, F., Da Plauto a Terenzio, I: Plauto, Napoli 1948. Arnott, W. 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Die in ihnen behandelten Stellen sind im Versverzeichnis nur genannt, wenn sie genauer besprochen werden oder außerhalb der Szeneninterpretationen in den Blick kommen. Wenn im Register bestimmte Verse gesucht werden, ist also sowohl das Szenenals auch das Stellenverzeichnis zu Rat zu ziehen. Namen Angelius 183 Apollodorus Carystius Epidikazomenos 69 Aristophanes 92, 100 96 , 136, 156, 173 72 Barbieri 184 8 Camerarius 15 Cicero 44, 106-107, 140, 181 Domenichi 184 Dousa d. Ä. 15 Dryden 184 8 Ennius 106-107, 112 148 v. Eyb 15, 184 Gronovius 16 Gruter 16 Homer 112, 115, 140 Kotzebue 170 Lambinus 16 Menander (s. gegebenenfalls auch unter Terentius) Adelphoi 53 169 , 69, 118, 154 158, 159, 164 Andria 69, 71 Aspis 80, 133, 150, 152, 153 Dyskolos 70, 80, 115, 127, 133, 149 335 , 153, 154, 164, 174 Epitrepontes 69 226 , 71, 133, 153, 168 Eunuchos 69, 71, 153, 169 Heautontimorumenos 68, 69, 71, 80, 158, 164, 169 Kolax 173 71 , 174 Misumenos 133, 173 Perikeiromene 173 Samia 71, 80, 132-133, 153, 168, 182 120 Sikyonioi 173 Menandri Dis Exapaton I. Akt 149-150 II. Akt 150-151 III. Akt 151-152 IV. Akt 152-153 V. Akt 154 9-113 11, 19, 23-44 9-17 23-24 11-14 151 11-13 65-66 18-30 25-26, 135, 151, 159 19 29 21 159 28 23 3 29 28 31-90 23 41-63 31-34, 151 50-57 51 54 52 58-59 33 59-60 151 348 61-63 158 63 151 64-90 31-34, 152 83 33 84-86 11 2 86-87 33 Register 200 89 48 136 91-102 23, 36-37, 152, 159 95 / 96 159 6 99-102 28 101-102 152 101 159 102-113 37, 152 103-104 40 104-112 127 Akteinteilung 20, 155-156 Anagnorisis 20-21, 68-71, 76, 150, 153, 154, 157, 160, 163, 172, 184 8 , 185 Anfang 86, 149-150 Apatai 18-19 1. Apate 50-55 2. Apate 55-58, 95 Aufbau / oijkonomiva 27, 79, 81, 119, 148-156, 159, 160 Charakter 67 217 , 156, 158-159 Charakter und Handlung 64, 66 Chrysis 159 8 eijkov" 86 Ethik / Ethos 28, 29, 30, 35, 6 7 218 , 119, 136, 164, 171-172 Exposition 74 gavmo" 69, 154, 184 8 , 185 Geldsumme 75-77 Häuser auf der Bühne 79-80, 149 Handlung (Dynamik / Organik) 34, 37, 54, 95, 159 eJtaivra crhsthv 71, 151, 168- 169 Inhalt 20, 155-156 Initiative des Menschen 157 Irrungen, Wirrungen 157, 160, 163 kairov" 55-58, 59, 95, 130, 152, 162, 182, 186 ‚Lebensbild‘ 160 Literaturtheater 156 Monolog 25-26, 36-37 oi\ko" 161, 163 oJmopavtrioi 70 filanqrwpiva 158 Prologsprecher 74, 150 Pythia 74, 80, 149, 150 Stil 24-25, 40, 91, 122 trofei'a 70, 79 Tyche 55, 58, 77, 157, 158, 160, 161, 162, 186 Vater-Sohn-Verhältnis 35, 164-165 Verkennen der Wahrheit 26, 36-37, 64, 72, 92, 127, 151, 152 Vertrag der samischen Bacchis 57, 69, 71, 75- 77, 150 Vorgeschichte 69, 71, 78-79 Molière 184 8 Naevius 107, 124, 132 Pareus 16 Pellio 87 39 , 131, 176 Perrucci 137 Plautus Amphitruo 129, 183 Asinaria 135, 171 Aulularia 73, 140, 179. 183 Captivi 140, 145, 171, 174 Casina 27, 147, 171 Cistellaria 67 Epidicus 131, 140, 176 Menaechmi 127, 174, 179 Mercator 165, 171 Miles 171, 172 Mostellaria 129, 141, 172 70 Persa 55, 123 Poenulus 69, 90, 172 Pseudolus 40-41, 47, 58, 60, 68, 69, 90 50 , 97 84 , 98, 99, 100, 111, 118, 125, 130, 143, 164, 175 84 , 177, 179-182 Rudens 74, 85 26 , 97 84 , 145 Stichus 67 Trinummus 73, 91, 141 Truculentus 141, 172 Plautus-Ästhetik 116 170 ‚zweiter Plautus‘ 114 Quinault 184 8 Sachs, Hans 184 Scaliger, J. C. 15 Taubmann 16 Terentius Adelphoe 43, 53 169 , 68, 118, 133, 143, 164, 165, 183 Register 201 Andria 53, 69, 133 Eunuchus 69, 93 63 , 130 237 , 173 71 , 174, 183 Heautontimorumenos 68, 119, 143, 164, 183 Hecyra 130, 130 237 Phormio 133 Turnebus 15-16 Begriffe / Sachen (Bacchides) ‚alba balba‘ 120 Analyse 9 Anfang (verloren) 23, 81-82 Aparte 53, 89, 102, 132-134 Aprosdoketon 26-27, 29, 30, 55 175 , 135-137, 144 Atellane 89, 119, 123, 125, 147- 148, 164, 186 Aufenthaltsort unklar 34, 156 Auftrittsmotiv fehlt 61-63, 87 Aus-der-Rolle-Fallen 27-30, 144, 176 Autonomie der Personen 27, 160, 161-162 Autorität (Abwertung) 143 Bacchanalia 72-73, 178-179 Bacchides (Hetärennamen) 71-73 Zwillingstheorie 72 Bucco 119, 123, 140, 164 25 Bühnenwissen 28 Charakter 26, 89, 144, 146, 147, 156, 162-164 Handlung und Charakter 64, 6 6 Commedia dell’Arte 27 contra h\qo" 146-147 Datierung 16, 177-179 Drei-Personen-Regel 67, 82, 120, 134 Einzelszene 35, 81 1 , 148 Ethos, Mangel an 28, 35, 136 Exposition 74 Feszenninischer Hickhack / Konter 40, 83, 85, 128-129, 147, 172, 174 81 Flagitatio 57, 173 Geldsummen 69-70, 75-77 griechische Wörter 28, 146 ‚guru‘ 29 27 Häuser auf der Bühne 79-80 Handlung Akrobatik 48 Diskontinuität 46, 81-121 ‚Dunst und Nebel‘ 52, 79 Flickwerkdramaturgie 63 Statik 35, 37, 116, 144, 156 Unwahrscheinlichkeit 78, 84, 86, 89, 102, 127 ‚Herrenkatalog‘ 92 60 Hetären 20-21, 61-73, 79, 82-84, 89-90, 143, 148, 149, 162, 164, 168-169, 185 Improvisation / Mündlichkeit / Stegreifspiel 12-13, 21, 26, 28, 30, 38, 63, 64, 83, 123, 124- 148, 156, 163, 169-170, 172, 175, 186 Interpolation 17-18, 18 17 , 28-31, 35-36, 38-44, 63 197 , 64 203 , 82 6 , 8 3 13 , 83 15 , 84 19 , 85 27 , 87 39 , 92 60 , 9 8 87 , 101 102 , 102-116, 116 170 , 117 171 , 117 174 , 129 232 , 129 234 , 131 245 , 138 289 , 146 319 , 171 65 , 172 70 , 174 81 Intrigen (Anzahl, Art, Briefe) 18, 45-66, 45 113 , 182, 186 Intrige um der Intrige willen 5 2 Intrigentohuwabohu 182 120 , 183 Kontamination 16-17, 48 Kumulation 76 lamentatio / qrh'o" 107, 119-120, 163 l’art pour l’art 160 ludus / ludere / ludificari 35, 119, 140, 176 Metaphorik Changieren / Schillern 115 Kettenmetapher / Metafora continuata 66-68, 137- 140, 144 Kumulation 102-116, 140- 142, 144 ‚Ungefähr der Beziehungen‘ (bei Vergleichungen) 111 144 Register 202 Metatheater 53, 119, 130-132, 176 Monolog 22, 25-31, 36-37, 53-55, 6 5 209 , 89, 90-91, 95-96, 99, 118, 119-120, 122, 136, 144, 163 Moral / Unmoral 13, 43, 64, 65-66, 9 7 84 , 119, 121, 123, 162 15 , 169-172, 186 Mysterien 73 Orthographie 9 Parasitenspott 174-175 Par pari respondere 40, 83, 84, 85, 126, 128 ‚Poetaster‘ 30, 31 48 Prologsprecher 74, 82 ‚Psychologie‘ 26, 27 12 , 36, 47, 53, 59, 62, 91, 99, 144, 159 Retraktation 16-17, 43 Rezeption 13, 183-184 Saturnalien 13, 59, 60, 83, 85, 87, 98, 99, 118, 135, 142, 143, 165, 166-168, 174, 179, 184 8 , 185 Senex amator 66-68, 171 Senex stupidus 53, 60, 88, 118, 119-120, 123, 163 ‚Schafduett‘ 66, 120, 137, 147, 169, 181 118 , 186 ‘spineless old men’ 164 Servus callidus 53-55, 59 183 , 89 Regisseur 162, 175, 176 (Selbst)Glorifizierung / autocelebrazione 52, 53, 58, 59-60, 95, 96-99, 102- 116, 118, 122, 130, 131, 153, 161-162, 167-168, 186 Triumph / Triumphator 96- 99, 102-116, 113-114, 132, 148, 176 Triumph antizipiert 98, 181 Singspiel / Cantica 92, 95, 96-98, 116, 119-120, 122-124, 142, 186 Sklavenspiegel 97 Soldatenspott 172-174 Spiel um des Spiels willen 175-177 spineless young man 27 12 , 82 spineless old men 164 Stil 24-25, 88, 90 53 , 91-92, 93, 96, 97, 98 88 , 107 125 , 108 131 , 122 abundant 39-42 absurd 41 ‚abwegig‘ 116 170 Assoziation 115 Geplänkel 86, 116 170 glossematisch 37-38 hapax legomenon 43, 46, 56 künstlich 39-41 Labyrinth 52 ‚purer Nonsense‘ 116 170 Rätselrede / Ratespiel 38, 41 85 , 127 Redefiguren 30, 84, 88 Rondoform 84 skurril 55 witziges Hin und Her 94 Wortschwelgerei 122 Wortspiel 86, 88 40 , 89, 109 136 , 129, 146 Stipulatio 57, 101, 173, 180 Streitszenen 40, 41,86, 126-128, 156 Struktur 81-148 Theater der Rede 94, 140, 142, 144-147, 186 Titel 73 tri; " ejxapatw'n 161-162 Troia-Canticum 19, 46-47, 98, 102- 116, 137, 186 ‚turbare statt sedare‘ 129-130, 182 Überkreuzdramaturgie 83, 142- 144, 181 Vater-Sohn-Verhältnis 35, 164- 165, 167, 170-171 Verbivelitatio 94 Vergnügungsgeld (= Summe des zweiten Briefbetrugs) 46, 5 0 160 , 181 Vertrag der samischen Bacchis 57, 69, 71, 75-77, 185 Vorgeschichte 69, 71, 77-78 Wiederholungen 17, 31 ‚Witzprovinz‘ 116 Witzvermittler 135 Zerrbild der römischen Gesellschaft 13, 160-182 Register 203 Szenen / Verse (Bacchides) I 1 61-62, 82-84, 142-143, 148, 169 I 2 84-86, 126 II 1 86-87 II 2 62-63, 87-88, 135 II 3 50-55, 88-89, 129 III 1 63-65, 89-91, 141-142, 169 III 2 91-92 III 3 65, 92-93, 169 III 4 25-31, 144 III 5 39 III 6 37-43, 127-128, 144 IV 1 56-57, 93-94, 95, 174 IV 2 56-57, 94-95, 174 IV 3 94, 95-96 IV 4 96-99, 125 IV 5 99 IV 6 / IV 7 100 IV 7 57 IV 8 47-48, 49, 55-58, 101-102, 133, 173 IV 9 102-118, 123, 136-138 IV 10-V 2 123 206 IV 10 66, 118-119, 147 323 , 159 V 1 119-120, 123, 140-141 V 2 66-68, 120-121, 139-140, 142, 147, 148, 169 Fr. V 72 35-38 83 36-38 18 18 37-38 128 39-40 142 39 61 41 143 42-46 76 47-48 95 69 50 142, 165 51 84 19 53-55 128 53 72 56 73 63-64 142 65-72 145-146 78 128 85 73 91 82, 142, 165 92-93 142, 143, 166 92 83 106-107 83-84 109 84 110 73 114 73 115-124 85 116 179 120 179 121-123 85 27 129 85 29 132-135 85 136 86 30 163-165 86 172-173 80 172 160 178-180 62, 166 182-186 166 189-194 135 211-215 130-131 214-215 176 216-217 135 219-221 87 228 166 229-233 175 239-242 133 240 161 249-276 51 251-252 52 259-264 52 263 51 271-272 52 274 133 277-298 51 277-280 52 282 52 283-285 146 286-287 52 299-341 51-52 299-307 52 309-311 146 312-313 52 315-324 129, 147 325-326 52 348-349 151 349-365 53-55, 89 350-352 175 355-357 53 Register 204 357 130 360 182 364-365 55, 177 364 136 368-384 141-142 368-371 73 371 72, 89, 90 372 72, 90 374 63 386-387 91 389-390 77 392-393 151 348 394 91 55 405 90 50 407-408 92 415 92 431 92 437-450 93 454 90 472-473 93 494-561 11, 23-44 494-499 24-25 500-520 25-31, 163 507-510 131 519a-c 31, 36 521-525 28, 33, 35-36 526-529 39 530-533 33, 34 530-531 36 534-561 37-44 536-537 166 540-551 38-44, 42 97 , 91, 127. 144 573-605 174 81 573-574 172 574 75, 78 575 78 576-577 57 579-581 94 583-605 94 585 94 589-591 57, 75, 94 591 78 596 / 598 56 601-603 56 601-602 172 605 94, 174 81 606-611 95 612-670 18 17 , 122-123 629-629a 158 631-633 175 635-638 136 635-636 96 75 639 157 640-640a 161 640b-666 96-98 640b-662 181 640b-648 98, 176 640b 161 642 176 647 161 649-650 131 651-653 161 656 179 663-664 161 673-674 166 691-701 46 694 161 699-700 11 2 702 99 703 161 706 47, 56 709-713 138, 179 712 161 716 99, 162 721 99 726-727 167, 176 726 99 729 99, 167 733 99, 167 739-741 177, 181 742 161 751-752 162 751 99 754-756 47, 56 758 167 37 759 60, 99, 167 761 176 763-765 47 766 99 94 770-771 57 772-773 47 815 100 96 818-821 133 824-825 100, 101 180 835 90 840 100 842-843 78, 94 844 57, 58 847-849 49 848 172 868-869 49, 57 873-883 57 Register 205 875-904 57 875 101, 173, 179 877-889 173 880-889 101, 101 102 881 180 883 180 900-901 57 909-910 57 911-912 131-132 925-977 18 17 , 102-116 954 180 979-996a 116-117 988-996 129 989a 59 991-992 117, 134 993 59, 129 994 134 996a 116 170 997-1035 117, 180 998-999 134 999 117 175 1000-1038 136 1005 116 170 1036-1066 118 1053-1054 138 1057 130, 182 1059-1060 48 1061-1065 59, 136 1062 118 1067-1075 118 1068-1073 176 1069-1075 138, 178 1072-1075 132 1072-1073 177 1073 16, 168, 179 1076-1086 154 1079-1080 118 181 1079 66 1081 66 1084-1086 119 1087-1103 140-141 1088 119, 123, 148 327 1090-1090a 177 1090 119 1095 119 1096-1098 41 1097a-1098a 75 1098 75 1100-1101a 177 1100 119 1101 120 1120-1148 115, 139 1149-1167 134 1154-1162 142 1157 68, 165 1158 142, 165 1164-1165 68 1184a 181 1193a-1195a 73 1205 142, 167, 168 1206 142 1207-1211 170-171 1207 163, 185 1209-1210 120 194 , 163-164. Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de NEUERSCHEINUNG DEZEMBER 2010 JETZT BESTELLEN! Eckard Lefèvre / Eckart Schäfer (Hrsg.) Beiträge zu den Sylvae des neulateinischen Barockdichters Jakob Balde NeoLatina, Band 18 2010, 351 Seiten, 4 Abb., geb. €[D] 98.00/ SFr 137.00 ISBN 978-3-8233-6614-0 Jakob Balde (1604-1668) ist der bedeutendste neulateinische Dichter Deutschlands. Europäischen Ruhm erlangte er mit den Lyrica sowie vor allem mit den Sylvae (poetische ‚Wälder‘), weltlichen und geistlichen Gedichtzyklen mit biographischen und politischen Bezügen unter dem Eindruck des Dreißigjährigen Kriegs. Viele Gedichte erscheinen hier zum ersten Mal in Übersetzung und eingehender Interpretation. Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Postfach 25 60 · D-72015 Tübingen · Fax (0 7071) 97 97-11 Internet: www.narr.de · E-Mail: info@narr.de Unter den lateinischen Dichtern des italienischen Quattrocento fand der Grieche Michael Marullus (1453-1500), zugleich Söldner und Poet, in den Kulturzentren Neapel, Rom und Florenz eine Heimat und nimmt literarisch doch eine Sonderstellung ein. In seinen lyrischen Gedichten überrascht er durch originelle, schon conceptualistische Zuspitzung der Darstellung. Der Versuch seiner berühmten Hymni Naturales , durch Hymnen auf antike Gottheiten ein neuzeitliches Weltverständnis auszudrücken, fasziniert noch seine modernen Leser. Von Anfang an hat Marullus’ Art ebenso Widerspruch wie Zustimmung herausgefordert, wie an mehreren Rezeptionsstufen veranschaulicht wird - von Erasmus von Rotterdam über Ariost und Du Bellay bis zu Jakob Balde und zur Wiederentdeckung durch Benedetto Croce. Die hier versammelten Beiträge suchen Marullus durch zweisprachige Textwiedergabe mit Stellenkommentar - z.B. seines Fürstenspiegels Institutiones Principales - zugänglicher zu machen. Eckard Lefèvre Eckart Schäfer (Hg.) Michael Marullus Ein Grieche als Renaissancedichter in Italien NeoLatina, Band 15 2008, 288 Seiten, geb. €[D] 98,00/ SFr 165,00 ISBN 978-3-8233-6435-1 Plautus hat (wohl im Jahr 189 v. Chr.) ‚Die Schwestern Bacchis‘ nach dem (verlorenen) Vorbild ‚Der Doppelbetrüger‘ von Menander gedichtet. Seit 1968 kann eine längere Partie aus dem Original verglichen werden. Die Untersuchung zeigt, daß Plautus die griechische Weltanschauungskomödie in ein turbulentes Hetärenstück verwandelt hat, in dem zwei alte Herren und ihre Söhne verführerischen Hetären kläglich unterliegen. Es war für römische Verhältnisse unerhört, daß Familienväter, die Träger der Autorität, am Ende zu verspotteten Figuren werden. Der singspielhafte burleske Charakter der Bacchides ist auf den Einfluß des altitalischen Stegreifspiels zurückzuführen. Wie die Autoren improvisierter Spiele verkehrt Plautus Moral in Unmoral - worin nicht zum wenigsten die zündende Wirkung seiner Komödien besteht. Das ‚anarchische‘ Geschehen erfüllt gewissermaßen eine wohl dosierte Ventilfunktion innerhalb der streng gefügten römischen Welt. Lefèvre Plautus’ Bacchides Plautus’ Bacchides von Eckard Lefèvre ISBN 978-3-8233-6681-2