Artikelgebrauch im Deutschen
Eine Analyse aus der Perspektive des Polnischen
0815
2012
978-3-8233-7703-0
978-3-8233-6703-1
Gunter Narr Verlag
Magdalena Witwicka-Iwanowska
Für Muttersprachler des Polnischen und anderer artikelloser Sprachen gehört der Gebrauch des Artikels zu den schwierigsten Kapiteln der deutschen Grammatik. Sie haben große Mühe zu verstehen, wann im Deutschen der Definitartikel, wann der Indefinitartikel und wann kein Artikel verwendet wird.
Die vorliegende Arbeit setzt bei diesen Schwierigkeiten an. Sie versucht eine systematische Darstellung von Funktion und Gebrauch der Artikel, die den Vergleich mit dem Polnischen besonders berücksichtigt. Im Unterschied zum größten Teil der vorhandenen Literatur wird nicht nur der Artikelgebrauch in referentiellen Nominalphrasen, sondern auch der in prädikativen und anderen nicht-referentiellen Nominalphrasen ausführlich gewürdigt. Im Hinblick auf die Didaktisierung wird die Frage in den Mittelpunkt gestellt, welche Sprachmittel des Polnischen Fünktionen erfüllen, die denen deutscher Artikelwörter nahekommen.
Das Buch wendet sich an Linguisten, aber auch an Lehrer und fortgeschrittene Lerner des Deutschen als Fremdsprache sowie an Lehrwerk-Autoren und Curriculum-Planer.
<?page no="0"?> Studien zur Deutschen Sprache FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Magdalena Witwicka-Iwanowska Artikelgebrauch im Deutschen Eine Analyse aus d e r P erspektive des P olnischen narr VERLAG <?page no="1"?> STUDIEN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE 59 <?page no="2"?> Studien zur Deutschen Sprache FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Herausgegeben von Amulf Deppermann, Stefan Engelberg und Ulrich Hermann Waßner Band 59 <?page no="3"?> M agdalena Witwicka-Iwanowska Artikelgebrauch im Deutschen Eine Analyse aus der Perspektive des Polnischen narr VERLAG <?page no="4"?> Redaküon: Dr. Elke Donalies Bibliografische Information d er Deutschen NationalbibUothek Die Deutsche NahonalbibUothekverzeichnet diese PubUkation in der Deutschen NaüonalbibUografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2012 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb d er engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: Tröster, Mannheim Druck und Bindung: H u b e rts Co., Göttingen Printed in Germany ISSN 0949-409X ISBN 978-3-8233-6703-1 <?page no="5"?> Inhalt 0. Vorwort............................................................................................. 7 1. Einleitung.........................................................................................11 1.1 Typische Artikelfehler........................................................................11 1.2 Literatur zum Artikelgebrauch.......................................................... 17 1.2.1 Darstellungen für Muttersprachler................................................... 17 1.2.2 Darstellungen für Deutsch als Fremdsprache................................... 22 1.2.3 Darstellungen bei polnischen Autoren.............................................. 32 1.2.4 Zusammenfassung............................................................................ 37 1.3 Zielsetzung und Aufbau des Buches................................................. 38 2. Artikelgebrauch im Deutschen..................................................... 43 2.1 Was sind Artikel? ............................................................................. 43 2.1.1 Morphosyntaktischer Status............................................................. 43 2.1.2 Semantischer Status......................................................................... 51 2.1.3 Pragmatischer Status........................................................................ 54 2.1.4 Zusammenfassung............................................................................. 58 2.2 Inventar der Artikelwörter des Deutschen....................................... 58 2.3 Prädikative Verwendung von Nominalphrasen................................ 63 2.3.1 Nominalphrasen von Typ 1 und Typ 2 ............................................. 63 2.3.2 Nominalphrasen vom Typ 3 ............................................................. 74 2.3.3 Prädikative Nominalphrasen in anderen Kontexten......................... 77 2.4 Referentielle Verwendung von Nominalphrasen.............................. 86 2.4.1 Nominalphrasen vom Typ 1............................................................. 89 2.4.2 Artikellose Nominalphrasen nach Präpositionen........................... 101 2.4.3 Nominalphrasen vom Typ 2 ........................................................... 117 2.4.4 Nominalphrasen vom Typ 3 ........................................................... 124 2.4.5 Generische Referenz...................................................................... 137 2.4.6 Übersicht über die Referenzarten................................................... 143 2.5 Zusammenfassung........................................................................... 145 <?page no="6"?> 147 152 164 165 173 177 188 189 192 197 198 203 207 211 215 219 Artikelgebraiirh im Deutsehen Schlussfolgerungen für die Didaktik des Deutschen als Fremdsprache in Polen.................................................... Unterscheidung zwischen referentiellen und nichtreferentiellen Nominalphrasen........................................... Referentielle Nominalphrasen............................................ Identifizierbarkeit für den Adressaten................................ Unterscheidung zwischen Gesamtheit und Nicht-Gesamtheit............................................................... Zählbarkeit......................................................................... Nicht-referentielle Nominalphrascn................................... Hinzigkcit........................................................................... Zählbarkeit......................................................................... Anschluss mit a ls ............................................................... RelationsroIlen-NPs........................................................... Beschreibender vs. klassifizierender Gebrauch................. Nutzen für die DaF-Didaktik............................................. Zusammenfassung der Arbeit und Schlusswort............ Streszczenie w jçzyku polskim (Zusammenfassung in polnischer Sprache)................... Literaturverzeichnis......................................................... <?page no="7"?> 0. Vorwort Für polnische Lcrnerund Lehrer des Deutschen als Fremdsprache stellen die deutschen Artikelwörter ein fast unlösbares Rätsel dar. Als Studentin der germanistischen Philologie am Lehrerkolleg für Fremdsprachen (NKJO) in Wroclaw und an der Universität Wroclaw sowie als Deutschlehrerinund -lektorin am Gymnasium und an Fremdsprachenschulen wurde und werde ich immer wieder mit der Problematik der Artikelwörter konfrontiert. An unendlich vielen Stellen, vor allem beim Schreiben, fragte ich mich, ob ich einen Artikel verwenden sollte oder musste oder ob ich im GegenteilkeinenArtikel verwenden durfte. Auch die Auswahl zwischen Definit- und Indefinitartikcl war oft ein Problem. In sehr vielen solchen Fällen konnte ich letztlich keine Entscheidung treffen, mit der ich mir wirklich sicher war. Die Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache (DaF) und die deutschen Grammatiken, die mir zur Verfügung standen, waren nicht so beschaffen, dass man in konkreten Zweifelsfällen zum Artikelgebrauch Antworten von ihnen erwarten konnte. Sie gaben Regeln, deren Anwendbarkeit auf mein konkretes Prohlcm alles andere als offensichtlich war. Oft enthielten sic überhaupt keine Information, die ich auf meine Frage beziehen konnte. Sie konzentrierten sich vor allem auf die morphologischen Formen der Artikelwörter. Die Gebrauchsregeln, die gegeben wurden, waren demgegenüber meist sehr pauschal, oft unklar und manchmal sogar widersprüchlich. Im Laufe der Zeit wurde mir klar, dass ein Buch fehlt, das die semantischen und pragmatischen Fragen des Artikelgebrauchs im Deutschen speziell für polnische Lemer und Lehrer aufarbeitet. Aus solchen Erfahrungen entstand die Idee für meine Doktorarbeit. Sie wurde von Oktober 2005 bis April 2009 am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim geschrieben, im Oktober 2009 an der Universität Wroclaw verteidigt und wird hier nun leicht überarbeitet als Buch vorgelegt. Meine Arbeit versteht sich als Beitrag zur Linguistik und Didaktik der Artikelwörter des Deutschen. Sie beginnt mit einem Überblick über die Schwierigkeiten, mit denen polnische Lemer und Lehrer des Deutschen als Fremdsprache auf diesem Gebiet konfrontiert sind, unternimmt in ihrem Hauptteil den Versuch, zentrale Aspekte der Grammatik des Definitartikels und des Indefinitartikels sowie (weniger eingehend) einiger weiterer Artikelwörter des Deutschen im systematischen Zusammenhang darzustellen, und mündet in eine Reflexion über Möglichkeiten, die herausgearbeiteten Regeln für polnische Nutzer verständlich zu machen und zu didaktisieren. <?page no="8"?> 8 Artikelgebrauch im Deutschen Zahlreiche Personen und Institutionen haben mir geholfen, mein Projekt abzuschließen. Mein Dank gilt in erster Linie meinem Doktorvater, Prof. Dr. Leslaw Cirko, und meinem wissenschaftlichen Betreuer am Institut für Deutsche Sprache, Prof. Dr. Hardarik Blühdom, die mir wichtige Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens beigebracht, mich über die Jahre hinweg mit Rat und Tat unterstützt und mich in vielfältiger Weise angeregt haben. Für zahlreiche Hinweise und anregende Kritik danke ich auch Prof. Dr. Heinz Vater. Seine Arbeiten zu den Artikelwörtem des Deutschen bilden einen wesentlichen Teil der theoretischen Grundlage, auf die ich mich stütze. Einige Kapitel meiner Arbeit hat er freundlicherweise gelesen und kommentiert. Anregungen und Kommentare zu Manuskripten bekam ich ferner von Bernd Wiese M.A. vom Institut für Deutsche Sprache, der mich auch auf wichtige Literatur zur Grammatik des Polnischen aufmerksam gemacht hat. Auch Prof. Dr. Joachim Ballweg und Prof. Dr. Ulrich Engel, mit denen ich mehrere hilfreiche Besprechungen hatte, haben zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Mein aufrichtiger Dank geht weiterhin an die Universität Wroclaw, die mir Studium und Promotion durch ein Stipendium (10/ 2003 - 09/ 2007) ermöglicht hat, sowie an den DAAD, insbesondere an den für mich zuständigen Referatsleiter Hans Golombek. Ohne die professionelle Betreuung am Institut für Deutsche Sprache wäre meine Arbeit sicherlich nie zum Abschluss gekommen. Hierfür bedanke ich mich beim Direktor des IDS, Prof. Dr. Ludwig M. Eichinger, bei der damaligen Leiterin der Abteilung Grammatik, Prof. Dr. Gisela Zifonun, bei der damaligen Leiterin der Bibliothek, Eva Teubert, und ihrer Nachfolgerin Monika Pohlschmidt, sowie bei Cornelia Pfützer-König, die mir bei allen Fragen und Schwierigkeiten stets aufmerksam und hilfsbereit entgegengekommen sind. Frau Christel Egelhofer und Herrn Josef Spannerf danke ich für ihre unermüdliche Hilfe in praktischen Angelegenheiten meines täglichen Lebens in Deutschland. Motivation und Aufmunterung verdanke ich meinen Freundinnen und „Leidensgenossinnen“ Gosia Torr, Renata Görecka, Kasia Krysihska, Agnieszka Cirko, Safiye Gene, Ineta Sejane, Nora Boldojar und Manuela Moroni. Mit Liebe denke ich an Janusz, der mich in Zeiten der Verzweiflung, trotz großer Entfernung, immer wieder zum Lachen und Durchhalten brachte. Auch in vielen technischen und praktischen Dingen war auf seine Hilfsbereitschaft immer Verlass. <?page no="9"?> Vorwort 9 Mein letzter und ganz besonderer Dank gilt meinen Großeltern t Barbara und Aleksander, die mich immer begleitet und nie den Glauben an mich verloren haben. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Wroclaw und Mannheim, April 2012 Magdalena Witwicka-Iwanowska <?page no="11"?> 1. Einleitung Der Artikelgebrauch gehört zu den schwierigsten Kapiteln der deutschen Grammatik. Muttersprachler des Deutschen beherrschen ihn intuitiv, aber wenn sie aufgefordert werden, ihre Entscheidungen für oder gegen den Definit- oder den Indefinitartikel zu erklären und auf Regeln zurückzufahren, sind sic typischerweisc ratlos. Auch Grammatikautoren und Linguisten geraten hier schnell in Erklärungsnot. Besonders relevant sind Regeln des Artikelgebrauchs für den Unterricht des Deutschen als Fremdsprache. Immer wieder wird durch Tests und Umfragen bestätigt, dass Nicht-Muttersprachler große Schwierigkeiten mit den deutschen Artikelwörtem haben (vgl. Götze/ Kemme/ Latzel 1979, S. 26f.; Götze 1984; Grimm 1985a, S. 157ff; Cirko 1991, S. 29Iff; Grucza 1995; Witwicka 2005, S. 153ffi). Dies gilt für alle Lemniveaus (vgl. Götze 1984, S. 4). Bemerkenswert ist, dass nicht nur Lernende (Schüler und Studenten), sondern auch Lehrende, also Sprecher des Deutschen als Fremdsprache auf sehr hohem Niveau, Artikelfehler machen und Schwierigkeiten haben, den Artikelgebrauch in Texten, die ihnen vorgelegt werden, zu beurteilen (vgl. Grimm 1985b, S. 79). Diese Schwierigkeiten betreffen Sprecher der meisten Muttersprachen, aber ein besonderes Problem stellen sie für diejenigen Deutschlemer dar, deren Muttersprache nicht über Artikel verfügt, wie z.B. das Polnische (vgl. Götze 1984, S. 4; Grucza 1995, S. I; Grucza 2000, S. 535). 1.1 TypischeArtikelfehIer Für polnische Deutschlemer lassen sich drei Hauptfehlertypen in Bezug auf die Artikelverwendung im Deutschen unterscheiden: 1 1) Regelwidrige Nicht-Setzung eines Artikels: ( I ) t Zum Prinzregententheater, wo die ganze Zeremonie stattfand, kamen Regisseure, Sehanspieler und Filmprodnzenten ans ganz Deutschland. Jury vergab IJ Auszeielnnmgen in unterschiedlichen Kategorien, darunter zwei für den Film von Volker Schlöndorff„Strajk - Die Heldin von Danzig“.2 1 Zu einem Überblick über typische Feliler polnischer Deutschlemer im Artikelbeieicli siehe auch l Interkapitel 2.2; ferner Cirko (1990, S. 291ff.); Gmcza ( 1995; 1996, S. 59ff.; 2000); Witwicka (2005, S. 154ff.). 2 Die Beispiele und Belege in diesem Buch sind wegen der Übersichtlichkeit kapitel weise, im zweiten Flauptkapitel imterkapitelweise, diirchnummeriert. Die Beispiele für Artikelfehler <?page no="12"?> Artikelgebraiirh im Deutschen Korrekt: Die Jury vergab IJ Auszeiclunmgcii ... *Sie brauchen ihre eigene Traumwelt, in der sie neben der Konfrontation mit der Welt Ruhe finden und sieh erholen können. Für andere Leute dagegen hat Geld und Erfolg die größte Bedeutung im Leben. Wenn sie gute Arbeit und wichtige Position in der Gesellschafl haben, dann fühlen sie sich zufrieden. Korrekt: ... eine wichtige Position in der Gesellschaft ... Zu bevorzugen auch: ... eine gute A rheit ... 2) Regelwidrige Setzung eines Artikels: (3) *Sie studieren und streben nach neuen Erfahrungen. Junge Leute glauben daran, dass sic etwas in ihrer Zukunft erreichen werden. Ältere Menschen glauben ununterbrochen an die Bibel, an Gottes Wort. In den schweren Zeiten suchen sie bei Gott die Tröstung. Korrekt: In schweren Zeiten suchen sie bei Gott Tröstung. (4) *Der Film .,Strajk - Die Heldin von Danzig" fand eine allgemeine Beachtung. Konxkt : Der Film „Strajk - Die Heldin von Danzig" fand allgemeine Beachtung. 3) Auswahl eines falschen Artikels: (5) *Jemand würde fragen: Warum? Alle haben doch ein Schönheitsideal! Die Antwort a u fdiese Frage ist ganz einfach: Ich nehme keine Notiz davon, wie man aussieht. Für mich ist ein Charakter eines M enschen viel wichtiger, denn unter den schönen Menschen befinden sich auch Mörder. Korrekt: Für mich ist der Charakter eines M enschen viel wichtiger, ... (6) *Der Produzent Prof. Jürgen Haase: „[... ], wollten wir den Film produzieren, der die Bedeutung Polens für die jüngste deutsche und europäische Geschichte untersucht." Man könnte jetzt sagen, es ist ihm gelungen. stammen aus Kontrollarbeiten, die am Insliliil für Germanistik der Universität Wroclaw im Wintersemester 2004/ 2005 und im Sommersemester 2006/ 2007 durchgeführt wurden. ( 2 ) 12 <?page no="13"?> Typische Artikelfehler 13 Korrekt: Der Produzent Prof. Jürgen Hause: „[... |, wollten wir einen Film produzieren, der die Bedeutung Polens für die jüngste deutsche und europäische Geschichte untersucht\ In (I) und (2) fehlen Artikel, und zwar in (1) der definite, in (2) der indefinite Artikel, f ine Möglichkeit solche Fehler zu erklären, ist die Interferenz (vgl. Kuhberg 2001, S. 654ff.). Im Polnischen würden die betreffenden Stellen etwa folgendermaßen lauten: (la) Do Prinzregententheater, gdzie odbywala siç cala ceremonia, przybyli rezyserzy, aktorzy i producenci film owi z cafych Nicmiec. Jury przyznalo 13 wyröznicn ... [wörtl.: Zu Prinzregententheater, wo vollzog sich ganze Zeremonie, kamen Regisseure, Schauspieler und Filmproduzenten aus ganz Deutschland. Jury vergab 13 Auszeichnungen ...| (2a) Dla innych ludzi natomiast najwiqksze znaczenie w zyciit majqpieniqdze i sukccs. Kicdy majq dobrq praeç i wainq pozycjç w spoleczenstwie, to wôwczas czujq siy zadowoleni. [worth: Für andere Leute dagegen größte Bedeutung in Leben hat Geld und Erfolg. Wenn sie haben gute Arbeit und wichtige Position in Gesellschaft, dann sie fühlen sich zufrieden.] Es ist denkbar, dass sich die Lemer, die ( 1) und (2) formuliert haben, die Sätze zunächst auf Polnisch ausgedacht und dann ins Deutsche übersetzt haben. Allerdings muss man vorsichtig sein mit derAnnahme, dass alle derartigen Fehler nur durch Interferenz zu erklären sind. Es ist ebenso möglich, solche Fehler unabhängig vom Polnischen dadurch zu erklären, dass die betreffenden Lerner die Regeln des Artikelgebrauchs im Deutschen noch nicht vollständig erworben haben (vgl. Brdar-Szabö 2001, S. 199ff.; Kuhberg 2001, S. 656ff.). Es gibt nämlich durchaus die Möglichkeit, in ähnlichen Sätzen im Deutschen auch artikellose Nomina zu verwenden: (7) Kulturstaatsminister Miiller-Rosé vergab 13 Aiiszeichmmgen ... (8) Wenn sie nette Freunde und richtig Geld haben ... Der Lemer hat also möglicherweise Regeln des Artikelgebrauchs, die es im Deutschen gibt, auf Fälle angewandt, für die sie nicht gelten. In (7) hegt ein Eigenname mit einer Titel- oder Funktionsbezeichnung vor; in ( 1) wurde dagegen ein gewöhnliches Appellativum gewählt. In (8) liegen ein Plural-Nomen und ein Masse-Nomen vor; in (2) wurden demgegenüber Zähl-Nomina im Singular gewählt. <?page no="14"?> 14 Artikelgehraiirli im Deutschen In (3) und (4) sind regelwidrig Artikel verwendet worden, wo keine stehen sollten, und zwar in (3) definite und in (4) ein indefiniter Artikel. Dieser Fehlertyp kann nicht durch Interferenz aus dem Polnischen erklärt werden, weil die entsprechenden Nominalphrascn im Polnischen ebenfalls artikellos sein müssten: (3a) W ciqzkich czasach szttkajq pocieszenia u Boga. Iin schweren Zeiten suchen-3pp Tröstung bei Gott] (4a) Film "Strajk - Bohaterka Gdanska“ zwröcil na siebte ogolnq uwagç. Iwörtl.: Film "Strajk- Heldin Danzigs“ zog-3ps auf sich allgemeine Beachtung I1 1lier muss also angenommen werden, dass die Lemer, die diese Beispiele produziert haben, die Regeln des Artikelgebrauchs im Deutschen noch nicht vollständig erworben hatten. Es gibt im Deutschen in ähnlichen Sätzen durchaus die Möglichkeit, einen Artikel zu setzen: (4) Im frühen 17. Jh. herrschte in Deutschland Krieg. In den damaligen Zeiten suchten viele Menschen die Erlösung im Alkohol. (10) Der Film „Strajk - Die Heldin von Danzig“ löste eine allgemeine Euphorie aus. Offenbar haben die Lerner in (3) und (4) Regeln des Artikelgebrauchs, die es im Deutschen gibt, auf Fälle angewandt, für die sie nicht gelten. In (9) wird mit den damaligen Zeiten auf ein Zeitintervall referiert, das im Text vorerwähnt ist. Es geht hier also um einen Referenten, der für den Interpreten bekannt und identifizierbar ist. In (3) dagegen ist für den schweren Zeiten im Kontext kein Referent verfügbar, der für den Interpreten identifizierbar wäre. DerDefinitartikeI in die Erlösung ist gerechtfertigt, wenn man annimmt, dass irgendeine Art von Erlösung in jeder Notsituation erwartbar ist, und sei es durch den Tod. Der Definitartikel weist hier daraufhin, dass ein Referent im Kontext konstruierbar ist. Tröstung dagegen kann nicht ohne weiteres in jeder Notsituation erwartet werden. Deshalb ist in (3) kein Referent konstruierbar. DerDefinitartikeI ist hier irreführend. In (10) wird Euphorie als Zähl-Nomcn verwendet im Sinne von ‘Welle der Euphorie’. Diese Lesart wird unter anderem durch das Verb auslösen nahegelegt. In (4) ist eine analoge Lesart für Beachtung, etwa im Sinne von ‘Welle der Beachtung’, nicht verfügbar, unter anderem weil sie mit dem Verbfinden3 3 Ich verwende die Abkürzungen „3pp“ für 3. Person Plural und „3ps“ für 3. Person Singular. <?page no="15"?> Typische Artikelfehler 15 schlecht verträglich wäre. In (4) liegt für Beachtung eine Lesart als Masse- Nomen wesentlich näher. In diesem Fall muss es ohne Artikel verwendet werden. In (3) und (4) liegen so genannte Übergeneralisierungen vor (vgl. Kuhberg 2001, S. 6581'.). DieserFehlertyp betrifft bei polnischen Deutschlemem möglicherweise häufiger den definiten Artikel als den indefiniten. Im Untenicht des Deutschen als Fremdsprache in Polen ist es aus didaktischen Gründen weit verbreitet, den Defmitartikel von vornherein beim Nomen mitzulernen, um sich das Genus einzuprägen (vgl. Cirko 1991, S. 293). Dadurch können Lemer dazu verleitet werden, das Nomen grundsätzlich mit definitem Artikel zu verwenden, auch dann, wenn der Defmitartikel nicht korrekt ist. Polnische Deutschlehrer schlagen ihren Lemem auch häufig zur Fehlervermeidung vor, im Zweifelsfall lieber den Defmitartikel als einen anderen oder überhaupt keinen Artikel zu setzen. Dahinter steht die rein statistische Beobachtung, dass die meisten Nominalphrasen in deutschen Texten einen Definitartikel enthalten. Auch eine solche Strategie kann zu Übergeneralisierungen führen. Der Mechanismus der Übergeneralisierung kann aber genauso den Indefinitartikel wie den Definitartikel betreffen. Auch beim Indefinitartikel können Übergeneralisierungen durch irreführende Regelformulierungen begünstigt werden. Man betrachte folgende Formulierung aus einer polnischen Grammatik des Deutschen als Fremdsprache: Rodzajnik nieokreslony poprzedza rzeezownik blizej nieokreslony, nieznany, o ktörym möwi sie pierwszy raz w danei chwili. (B eza/ Weaner 2 0 0 1, S. 9; vgl. auch Bçza 1998, S. 13)4 Die Autoren unterscheiden hier nicht klar zwischen dem Nomen, dem ein Artikel vorausgeht, und dem Referenten der Nominalphrase. Außerdem erwähnen sie nicht, dass der Indefinitartikel im Deutschen nur bei Zähl-Nomina bzw. bei Individuen-Referenz veiwendet wird. Der Lerner, der Beispiel (4) produziert hat, könnte von dem Adjektiv allgemein in allgemeine Beachtung irregeführt worden sein wenn er es nämlich als Äquivalent von nieokreslony (‘unbestimmt’) gedeutet hat. In (5) hat der Lerner den Indefinitartikel veiwendet, wo der Definitartikel stehen müsste. In (6) dagegen hat er den Definitartikel veiwendet, wo der Indefinitartikel stehen müsste. Fehler dieses Typs sind durch Interferenz ebenfalls nicht gut erklärbar. Im Polnischen würden die betreffenden Sätze etwa folgendermaßen lauten: 4 „Der unbestimmte Artikel geht einem nicht näher bestimmten, unbekannten Nomen voran, von dem im gegebenen Moment zum ersten Mal gesprochen wird.“ <?page no="16"?> 16 ArtikeIgehrauch im Deutschen (5a) Dla mnie Charakter cztowiekajest duzo wazniejszy,poniewaz miedzy pieknymi hidzmi znajditjq siç takze mordercy. [wörtl.: für mich Charakter Mensch-gen ist viel wichtiger, denn unter schönen Menschen befinden sich auch Mörder]5 (6a) Producent Prof. Jürgen H a a s e : chcielismy wyprodukowac film, ktöry zbadalby znaezenie Polski dla najnowszej historii niemieckiej i europejskiej". [wörtl.: Produzent Prof Jürgen H a a s e : wir wollten produzieren Film, der untersuchen soll Bedeutung Polens für jüngste Geschichte deutsche und europäische“.] Dieser Fehlertyp ist weder mit Interferenz noch mit Übergeneralisierung gut zu erklären. Hier geht es eher darum, dass die richtige Artikelauswahl nicht gelungen ist, d.h. der funktionale Unterschied zwischen Definitartikel und Indefinitartikel war wohl noch nicht vollständig erworben worden. Aufgrund des Weltwisscns ist klar, dass jeder Mensch genau einen Charakter hat. Dieser ist als Referent für einen Interpreten dann konstruierbar und aufgrund seiner Finzigkeit identifizierbar, wenn er referentiell an seinem Träger verankert wird, wie es in (5) mit dem Genitivattribut eines Menschen geschieht. Dem Lemer, der (5) formuliert hat, war möglicherweise nicht klar, dass ein Referent im Kontext auch dann als identifizierbar gilt und entsprechend die Verwendung des Definitartikels verlangt ist, wenn aufgrund von Weltwisscn und referentieller Verankerung nur ein einziger Kandidat als Referent in Frage kommt. Die Verwendung des indefiniten Artikels hätte in einem solchen Kontext nur dann Sinn, wenn eine Auswahl aus mehreren Kandidaten bestünde: (11) Neben der Lektüre von Cervantes "Don Quichote de la ManeIuC lesen wir ein Werk eines zeitgenössischen Autors, z.B. von Cainilo José Cela oder Elvira Lindo. http: / / www.rwg-bayreuth.de: 8080/ rwg4/ content/ (Stand: 25.06.2008) In (11) wird mit dem Indefinitartikel signalisiert, dass im gegebenen Kontext mehrere Werke zeitgenössischer Autoren in Frage kommen, von denen eines gelesen wird. Ganz ähnlich ist die Lage in Beispiel (6). Dem Lemer, der diesen Beleg formuliert hat, war vermutlich nicht bewusst, dass die Beschreibung Film, der die Bedeutung Polens fur die jüngste deutsche und europäische Geschichte 5 Ich verwende die Abkürzung „gen“ für Genitiv. <?page no="17"?> Literatur zum Artikelgebrauch 17 untersucht auf beliebig viele Kandidaten passen kann, sodass hier der Defmitartikel irreführend ist, der insinuiert, man könne nur einen einzigen derartigen Film drehen. In einem Beispiel wie dem folgenden wäre der Definitartikel nicht zu beanstanden: (6b) Wir wollten den Film produzieren, der die Bedeutung Polens für die deutsche und europäische Geschichte ein für allemal aufklärt. liier deutet das Adverbiale ein fur allemal daraufhin, dass nur ein einziger Kandidat in Frage kommt, auf den die gegebene Beschreibung passt. Die Fehler in (5) und (6) sind demnach wohl beide damit zu erklären, dass die Lemer noch nicht genau genug verstanden hatten, welchen Beitrag der definite und der indefinite Artikel zur Satzbedeutung im Kontext leisten. 1.2 Literatur zum Artikelgebrauch Nicht nur der Artikelgebrauch selbst, sondern auch die Vermittlung von Wissen über den Artikelgebrauch im Unterricht des Deutschen als Fremdsprache (DaF) bereitet vielfach Schwierigkeiten (vgl. Götze/ Kemme/ Latzel 1979, S. 2 8ff.). Muttersprachigen Deutschlehrern fehlt oft das „vertiefte Problembewusstsein“ im Hinblick auf die Schwierigkeiten ihrer Schüler im Artikelbereich (ebd., S. 7). Bei fremdsprachigen Deutschlehrern muss „ein exaktes Regelwissen an die Stelle der intuitiv wirkenden Kompetenz des Muttersprachlers treten“ (ebd.). Aber häufig sind fremdsprachige Deutschlehrer nicht in der Lage, sich Kenntnisse korrekter und vermittelbarer grammatischer Regeln für den Artikelgebrauch anzueignen (ebd., S. 29ff.), und zwar unter anderem deshalb, weil es noch immer an geeigneter Fachliteratur fehlt. 1.2.1 Darstellungen für Muttersprachler Ein großer Teil der Artikelliteratur wendet sich an Fachlinguisten und/ oder Muttersprachler des Deutschen und berücksichtigt die spezifischen Schwierigkeiten fremdsprachiger Lehrer und Lemer nur am Rande. Unter den Grammatiken für Muttersprachler findet man den besten Überblick über den Artikelgebrauch in der neuesten Auflage der Duden-Grammatik (2005, S. 255ff.). Die Autoren ordnen den Definit- und den Indefinitartikel in die Wortart Artikel und Pronomen ein, die sie zunächst in Bezug auf Umfang, Syntax, Semantik und Flexion näher bestimmen. Nach ihrer Semantik und ihrer Funktion im Satz werden die Elemente dieser Wortart in <?page no="18"?> 1 8 ArtikeIgebnmch im Deutschen neun Untergruppen eingeteilt: Personalpronomen, Reflexivpronomen, Possessiva, Demonstrativa, definiter Artikel, Relativa, Interrogativa, Indefinita, indefiniter Artikel. Diese werden im weiteren Verlauf des Kapitels im Einzelnen behandelt. Besonderes Gewicht wird auf Funktion und Semantik der Artikelwörter gelegt (vgl. Duden 2005, S. 301 ff., 337ff.). Beim Gebrauch des definiten und des indefiniten Artikels unterscheiden die Autoren zwischen dem so genannten freien und dem gebundenen Gebrauch (ebd., S. 301 ff., 337ff.). Vom freien Gebrauch sprechen sie dann, wenn der jeweilige Kontext, z.B. Vorerwähnung, Vorinformation, Kennzeichnung durch Attribuierung, sachliche Einmaligkeit, Generalisierungen usw. darüber bestimmt, ob ein Nomen den Definitartikel, ein anderes Artikelwort oder gar keinen Artikel erhält (vgl. ebd., S. 30 Iff). Der freie Gebrauch ist der Normalfall. Beim gebundenen Gebrauch fehlt die Wahlmöglichkeit, wie etwa in Funktionsverbgefügen, festen Wendungen oder in Sprichwörtern (vgl. ebd., S. 301, 305ff., 338). Dergebundene Gebrauch ist der Sonderfall. Die Duden-Grammatik bietet zwar eine recht ausführliche Darstellung des Artikelgebrauchs, aber als Grammatik ist sie im Umfang notwendigeiweise beschränkt und kann deshalb nicht auf alle Details eingehen. Beispiele können nur in begrenzter Menge gegeben werden. Sehr oft sind sie auf Einzelsätze ohne Kontext reduziert. Für Nicht-Muttersprachler wird keineswegs bei allen Beispielen verständlich, welche Verwendungsweise des Artikels sie illustrieren und ob bzw. warum andere Artikelwörter im gleichen Kontext möglich oder unmöglich wären. Es werden auch keine Vergleiche zu anderen Sprachen, besonders zu artikellosen Sprachen, angestellt. Ferner fehlen Übungen, die für das muttersprachige Zielpublikum entbehrlich sein mögen, für Nicht- Muttersprachler aber ein nützliches Mittel zur Selbstkontrolle wären. Gerade bei nicht-muttersprachigen Nutzern muss man immer damit rechnen, dass ihnen im Einzelfall gar nicht bewusst ist, ob sie die Tragweite einer gelesenen Regel erfasst haben oder nicht. Die Darstellung des Artikels in der Duden-Grammatik greift stark auf die Arbeiten von Vater zurück. In seiner Dissertation von 1963 (21979) hat Vater als erster nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die Funktionen der Artikel im Zusammenhang mit denen der Demonstrativa, Possessiva und weiterer verwandter Elemente beschrieben werden müssen: Greift man [...] einen bestimmten Sprachzustand heraus, dann muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass man cs mit einem System zu tun hat, dass man die einzelnen Erscheinungen nicht isoliert betrachten kann, sondern nur in ihrem systematischen Zusammenhang. (Vater 21979. S. 1) <?page no="19"?> Literatur zum Artikelgebrauch 19 DerArtikcI muss in Beziehung zu andern sprachlichen Erscheinungen gesehen werden, und zwar a) in Beziehung zu seiner syntagmatischen Umgebung, b) in seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Formklasse, d.h. im Zusammenhang mit dem gesamten System der deutschen Sprache. (Vater 21979, S. 10) Die traditionelle Klasse der Artikel wird bei Vater nach distributioneilen und semantischen Gesichtspunkten erweitert. Er postuliert „eine Formklasse, die gekennzeichnet ist durch die Position D in der Nominalgruppe D + S“ (21979, S. 120). Zu dieser Formklasse zählt er außer der, ein und dem Nullartikel auch die Possessiva sowie dieser, jener, alle(r), mancher, irgendein, irgendwelche^-), einige(r) und mehrere. Vaters Verfahren bestand zunächst darin, aufgrund von Substitutionstests die funktionalen Oppositionen zwischen allen diesen Elementen zu ermitteln und sie insgesamt als System zu beschreiben. In seinen späteren Arbeiten (z.B. Vater 1984, S. 19ff.) hat Vater diese Formklasse in zwei Gruppen aufgeteilt: 1) Determinantien (auch: Determinatoren, Determiner): der, Possessiva, dieser, jener, derjenige, derselbe 2) Quantoren: ein, kein, einige, mehrere, beide, alle, sämtliche, mancher, j e der, jeglicher, viel(e), wenig(e), etwas u.a. Unter Determinantien versteht er „eine Gruppe von Wörtern [...], die stets innerhalb einer Nominalphrase (NP) Vorkommen, dabei in einer engen Beziehung zum Substantiv stehen und dieses ‘bestimmen’“ (Vater 1984, S. 19). Unter Quantoren sind dagegen sprachliche Ausdrücke zu verstehen, die eine Quantität bezeichnen6(ebd., S. 26; siehe auch unten Abschnitt 2.1.1). Die Unterscheidung zwischen Determinanticn und Quantifikatoren ist auch für die vorliegende Arbeit wichtig, insbesondere für den Vergleich mit dem Polnischen, das zwar keine Artikel besitzt, durchaus aber andere Elemente, die als Determinantien (ten ‘dieser, der’, tarnten ‘jener’, möj ‘mein’ u.a) und Quantifikatoren (jeden ‘ein’, ob(ydw)aj ‘beide’, trochq ‘ein bisschen’ u.a.) einzuordnen sind (vgl. Vater 1997, S. 226f.; Porchawka-Mulicka 2005). Wenn man einem Sprecher einer artikellosen Sprache klarmachen will, wie Definitartikcl und Indefinitartikel im Deutschen verwendet werden, ist cs zweckmäßig, von Elementen auszugehen, die in beiden Sprachen vorhanden sind. 6 Der Terminus Quantor wird in der fonnalen Semantik anders verwendet. Quantoren (All- Quantor und Existenz-Quantor) haben die Aufgabe, Variable (Aigumente) an sich zu binden und dann mit Hilfe der Konstanten zusammen mit Prädikaten Sätze mit Walirheitswerten zu bilden (vgl. Bücher 19X7, S. 160f£; Lohnstein 1996, S. 50ff). Anstelle von Vaters Terminus Quantor verwende ich in dieser Arbeit den Terminus Quantiflkator. <?page no="20"?> 20 Artikelgebrauch im Deutschen Die Darstellung zu den Artikelwörtem, die Vater in seinen zahlreichen Arbeiten (21979, 1982, 1984, 1986, 1991a, 1991b, 1996, 1997, 2000, 2001b u.a.) gegeben hat, ist erheblich detaillierter und expliziter als die der Duden- Grammatik. Bs fehlt aber bisher an einer aktualisierten monographischen Gesamtdarstellung. In seinem jüngsten Buch, das der Referenz-Thematik gewidmet ist, behandelt Vater die Determinantien und Quantifikatoren leider nur sehr knapp (Vater 2005, S. 105-112). Viel weniger ausführlich als in der Duden-Grammatik und bei Vater ist die Behandlung des Artikels in der Deutschen Grammatik von Engel (1991, S. 523ff). Engel subsumiert die Artikel aufgrund ihrer nominalphrasenkonstitutiven Funktion unter die Wortklasse der Determinative, zu der er Demonstrativa, Possessiva, Indefinita, Negativa und Interrogativa rechnet (ebd., S. 523). Er unterscheidet zwischen dem definiten Artikel, dem indefiniten Artikel und dem Nullartikel. Als wichtigstes Kriterium für die Auswahl des Artikels nennt er die Bekanntheit des Referenten (ebd., S. 526ffi). Relativ ausführlich geht er auf den Artikclgcbrauch bei Prädikatsnomina und Eigennamen ein (ebd., S. 528fi, 53Iff.). Weitere Abschnitte sind generisch referierenden Nominalphrasen, Superlativen, Abstrakta, attribuierten Nomina, Appositionen, Maß- und Mengenbezeichnungen, Buchtiteln, Aufzählungen, Funktionsverbgefügen und Ordinalzahlen gewidmet. DieseAbschnitte hängen nicht systematisch miteinander zusammen. Nicht bei allen Abschnitten wird klar, ob sie wirklich ursächlich den Artikelgebrauch betreffen. Engels Grammatik enthält zwar teilweise eine größere Menge an Originalbelegen als die Duden-Grammatik, ist aber mit Erklärungen wesentlich sparsamer. Nicht alle Erläuterungen erweisen sich als nützlich. So ist etwa die folgende Feststellung für den Grammatiknutzerkaum hilfreich: Die nominalen Teile von Funktionsverbgefügen [...] haben teils definiten, teils Nullartikel [...]. Die Bedingungen, nach denen hier die Artikelzuweisung erfolgt, sind großenteils noch nicht durehschaubar. (Engel 1991, S. 533) Andere Regeln werden durch das Streben nach präziser Formulierung schweiverständlich: Die Nominalergänzung [...] nennt in der Regel eine Menge, zu der ein anderes Satzglied (meist das Subjekt, gelegentlich die Akkusativergänzung) eine Untermenge angibt, häufig als ‘Einermenge’. Im Regelfall erhält die Nominalergänzung den indefiniten Artikel, im Plural entsprechend den Nullartikel, was daraufhinweist, dass die Untermenge durch beliebige Auswahl aus der Obermenge zustande gekommen ist [...]. Der definite Artikel [...] kann nur angewandt werden, wenn beide Mengen identisch sind. (Engel 1991, S. 528) <?page no="21"?> Literatur zum Artikelgebrauch 21 AuchEngels Grammatik wendet sich vor allem an Muttersprachler. Für Nicht- Muttersprachler sind viele technische Termini nicht genau genug erklärt. Dies gilt etwa für den Schlüsselbegriff der Definitheit Ob Engel darunter eine formale Eigenschaft von Nominalphrascn, etwa das Vorkommen des Definitartikels, oder eine semantische Eigenschaft, etwa die Bekanntheit eines Referenten, versteht, wird aus seiner Darstellung nicht klar, z.B. in dem folgenden Ausschnitt über den Artikelgebrauch in Aufzählungen: Der indefinite Artikel kann bei Aufzählungen nicht durch den Nullartikel ersetzt werden, weil derart gehäufte Nomina immer das Merkmal ‘definit’ haben. (Engel 1991, S. 533) Nicht-muttersprachige Grammatik-Benutzer können aus solchen Formulierungen nichts lernen, und auch für Muttersprachler bleiben sie letztlich unverständlich. Neben ‘VolksgrammatikeiT wie Duden (2005, S. 255ff. ) oder auch Götze/ Hess-Lüttich (2002, S. 245ffi), die vor allem Bedürfnisse muttersprachiger Schüler, Studenten, Lehrer und allgemein Sprachinteressierter im Blick haben, beschäftigen sich auch wissenschaftliche Grammatiken mit dem Artikelgebrauch. Bei Zifonun et al. (1997, S. 1929ff.) werden die Determinative des Deutschen im Rahmen einer Kategorialgrammatik beschrieben. Das Grundprinzip der Darstellung ist der Versuch, „syntaktische und semantische Struktur möglichst eng aufeinander zu beziehen oder gar zu parallelisieren“ (Zifonun ct al. 1997, S. 11). Die Semantik des Artikels wird auf der Basis der semantischen Analyse von Appellativa, Plural- und Substanznominalphrasen erläutert. Es wird versucht, mit Hilfe der Artikelbedeutungen und der Bedeutungen von singularischen, pluralischcn und substanzbezeichnenden Nomina die entsprechenden Bedeutungen für Artikel-Nominalphrasen zu rekonstruieren (ebd., S. 1957). Die semantischen Funktionen der Determinative werden auf zwei Grundregeln reduziert. Die Aufgabe des definiten Artikels besteht demnach darin, „in dem durch Appellativum bzw. pluralische oder Substanz- NP definierten Bereich ein definites Denotat für das Argument einer Prädikation zu bestimmen“ (cbd., S. 1958). Mit dieser Definition wird der Begriff der Definitheit allerdings nicht erklärt, sondern vorausgesetzt. Dem indefiniten Artikel sprechen Zifonun et al. die Funktion zu, festzulegen, „dass in dem durch ein Appellativum im Singular oder eine Substanz-NP im Singular vorgegebenen Bereich (mindestens) ein Gegenstand ist, auf den die Prädikation zutrifft“ (cbd.). Es wird auch daraufhingewiesen, dass der definite Artikel mit einer Einzigkeitspräsupposition einhergeht sowie bei der Wiederaufnahme <?page no="22"?> 22 Artikelgebrauch im Deutschen von im Kontext bereits eingeführten Redegegenständen eine Rolle spielt, während der indefinite Artikel für die Einführung dieser Gegenstände verantwortlich ist. Polnische Deutschlehrerund -Iemer beklagen öfters, die Grammatik von Zifonun et al. (1997) sei „für sie im syntaktischen Teil zu hermetisch und dadurch unzugänglich“ (Cirko 2001, S. 44). Die theoretische Modellbildung ist für sic nicht unmittelbar relevant, und cs werden zu wenige konkrete Vcrwendungsbeispiele gegeben. ImArtikelkapitel ist diese Grammatik für nicht-muttersprachige Nutzer deskriptiv nicht genau genug. Gcrechtigkeitshalbermuss man aber hinzufügen, dass sie auch nicht für diese Zielgmppe geschrieben wurde. Auch Eisenbergs Grundriß der deutschen Grammatik (2004) ist für polnische Leser nicht gut geeignet. Sie ist als Ausbildungsgrammatik für muttersprachige Germanistikstudenten bzw. Linguisten konzipiert und kann von dieser Ziclgruppc sowohl zum Selbststudium als auch in Lehrveranstaltungen verwendet werden (vgl. Eisenberg 2004, S. X). Eisenbergs Darstellung zum Artikel (ebd., S. 140-150) diskutiert vor allem die syntaktische Frage, ob Artikel oder Nomen Kopf der Nominalgruppe sind. Zur Semantik der Artikelwörter enthält sie nur recht allgemeine Feststellungen. Artikeln und Pronomina schreibt Eisenberg die gemeinsame semantische Funktion zu, Referentialität zu konstituieren (ebd., S. 144ff). Einige von ihnen haben quantifizierende Funktion. Die Details der Artikelselektion, die für nicht-muttersprachige Leser besonders interessant wären, werden bei Eisenberg nicht behandelt. 1.2.2 Darstellungen für Deutsch als Fremdsprache Stärker didaktisch orientiert sind die Grammatiken des Deutschen als Fremdsprache. Von ihnen können polnische Deutschlemer mit Recht verständliche und systematische Beschreibungen und Erklärungen des Artikelgebrauchs erwarten. Wenn man aber etwa die Übungsgrammatik für Fortgeschrittene von Hall/ Scheiner (1995) konsultiert, so wird man enttäuscht. DerArtikel wird in dieser Grammatik überhaupt nicht behandelt. Er taucht nur ein einziges Mal im RegisterunterWortarten als „Begleiter des Substantivs“ auf (Hall/ Scheiner 1995, S. 276). DieAutoren haben offenbar nicht erkannt, dass der Artikelgebrauch zu den schwierigsten Fragen der deutschen Grammatik für Nicht-Muttersprachler zählt. Auch in den älteren Grammatiken von Schulz/ Griesbach ( 1972, S. 227ff.) und Griesbach (1986, S. 185f., 337) bleibt die Behandlung des Artikels unbefrie- <?page no="23"?> LiteratUf zum Artikelgehruueh 23 digend. Definiter und indefiniter Artikel werden als „relativ inhaltsneutrale Träger von Kasusmorphemen“ dargestellt (Schulz/ Griesbach 1972, S. 227), deren primäre Aufgabe darin besteht, „mit ihren Kasusformen als Funktionskennzeichen Funktionen und sonstige grammatische Abhängigkeitsverhältnisse zu signalisieren“ (cbd., S. 227; vgl. auch Griesbach 1986, S. 185f„ 337). Entsprechend stellen Schulz/ Griesbach und Griesbach in ihren Grammatiken vor allem die Flexion der Artikelwörter dar. Aufgrund ihrer Herkunft schreiben sie ihnen auch semantische Funktionen zu: Der definite Artikel habe eine identifizierende Funktion, d.h. er signalisiere, dass die mit dem Nomen bezeichnete Person/ Sache als „bereits bestimmt, bereits bekannt“ anzusehen sei; der indefinite Artikel habe eine klassifizierende Funktion, d.h. er signalisiere, dass es um „eine unbekannte, noch nicht genannte Person/ Sache“ gehe, „die mit dem folgenden Nomen sachlich eingeordnet, klassifiziert wird“ (cbd., S. 337, 353; siehe auch Schulz/ Griesbach 1972, S. 227fi). Die Einzelheiten des Artikelgebrauchs werden dann aber nicht weiter beschrieben. Auch die Grammatiken von Heringer (1988) und von Balcik/ Röhe (2006) schreiben dem Artikel vor allem formal-grammatische Funktionen zu. IIeringcr ( 1988, S. 76f.) sieht die IIauptleistung des Artikels darin, den Kasus anzuzeigen. Für Balcik/ Röhe (2006, S. 62ff.) steht seine genusverdeutlichende Leistung im Vordergrund. Die semantische Funktion des Artikels wird bei Heringer (1988, S. 193) auf zwei allgemeine Fragen reduziert: (1) „Identität: Welcher Gegenstand der jeweiligen Art ist gemeint? “ und (2) „Quantität: Wieviel Gegenstände der jeweiligen Art sind gemeint? “. Bei Balcik/ Röhe (2006, S. 62ff.) wird die Semantik des Artikels weitgehend außer Betracht gelassen. Die Grammatik von Rug/ Tomaszewski (1993) geht beim Artikelgebrauch etwas mehr ins Detail. Die Autoren erwähnen vier Themen, die dabei eine Rolle spielen (vgl. Rug/ Tomaszewski 1993, S. 217f.): 1) Individucn-Rcferenz 2) Bekanntheit 3) Erst-Erwähntheit 4) Generische Referenz Die Regeln, die sic formulieren, bleiben allerdings recht allgemein und unsystematisch. Ob Lcrncr sie im Einzelfall erfolgreich anwenden können, bleibt fraglich. Im Übungsteil wird vor allem auf Einzelthemen wie den Artikelgebrauch bei geographischen Namen, Berufsbezeichnungen, Titeln und Überschriften eingegangen (vgl. Rug/ Tomaszewski 1993, S. 2 1Sff.), die unterein- <?page no="24"?> 24 ArtikeIgehrauch im Deutschen ander nicht Zusammenhängen und deren Wert für die Praxis schwer beurteilbar ist. Auf die allermeisten und vor allem die schwierigeren Fragen zum Artikelgebrauch dürften Lehrer und Lcrncr hier ebenfalls keine Antwort finden (siehe dazu Kap. 3 dieser Arbeit). Man kann sagen, dass in den Darstellungen zum Artikelgebrauch in den meisten Grammatiken des Deutschen als Fremdsprache formale Punkte, vor allem die Deklinationsmorphologie, im Vordergrund stehen. Dagegen wird die Artikelsemantik durchweg vernachlässigt. Wenn ein Deutschlemer verstehen will, wozu die Artikel im Deutschen dienen, dann hilft es ihm aber nicht, Deklinationstabellen auswendig zu lernen. Deklinationstabellen bereiten vor allem solchen Lernern Mühe, deren Muttersprache morphologisch wenig ausgebaut ist, wie z.B. das Englische. Für Lemer, deren Muttersprache ein komplizierteres Deklinationssystem als das Deutsche aufweist, wie z.B. das Polnische, sind sie in der Regel leicht zu lernen. Polnische Deutschlerner haben vor allem Schwierigkeiten, den deutschen Artikel semantisch zu verstehen. Oft bemerken sic keinen Bedeutungsunterschied, wenn in einem Satz ein Definitartikel durch einen Indefinitartikel ersetzt wird oder umgekehrt. Um diese Schwierigkeit zu überwinden, benötigen sie weitaus detailliertere und genauere Darstellungen des Artikelgebrauchs als sie bis jetzt vorliegen. Diese Einsicht ist übrigens keineswegs neu. Auf den Mangel an für den DaF- Unterricht brauchbarer Literatur zum Artikelgebrauch versuchten bereits zu DDR-ZeitenAutorenwie Helbig/ Buscha und Grimm zu reagieren. Die Deutsche Grammatik fü r den Ausländerunterricht von Helbig/ Buscha (161994, S. 355ff.) geht sehr ausführlich auf den Artikelgebrauch ein. Zuerst grenzen die Autoren aufgrund syntaktischer Merkmale die Wortklasse Artikelwörter ab, zu der sie den bestimmten Artikel, den unbestimmten Artikel, den Nullartikel, adjektivische Demonstrativpronomina, adjektivische Possessivpronomina, adjektivische Interrogativpronomina und adjektivische Indefinitpronomina bzw. Indefinitnumeralienrechnen (vgl. cbd., S. 357f.). Der bestimmte und der unbestimmte Artikel sowie der Nullartikcl haben nach Helbig/ Buscha „keine klar abgrenzbare Bedeutung“. Ihr Gebrauch ist „von verschiedenen syntaktischen und semantischen-Bedingungen abhängig“ (ebd., S. 366). Den Gebrauch des bestimmten Artikels beschreiben Helbig/ Buscha unter dem Oberbegriff der „Identifizierung (Eindeutig-Machung) von Objekten der außersprachlichen Realität“ (cbd., S. 367). Sie unterscheiden mehrere Arten der Identifizierung wie Individualisierung, Generalisierung und Identifizierung im sprachlichen oder situativen Kontext (ebd., S. 367ff.). Außerdem kommt der bestimmte Artikel in einigen „besonderen Verwendungsweisen“ vor (llel- <?page no="25"?> Literatur zum Artikelgchrauch 25 big/ Buscha 161994, S. 373), wie bei distributivem Gebrauch von Maß-Bezeichnungen, in Funktionsverbgefligen und zur reinen Kennzeichnung von Kasus oder Genus ohne semantische Funktion (ebd.). Die Hauptaufgabe des unbestimmten Artikels besteht darin, „die Indeterminiertheit der bezeichnten Objekte der Realität“ (ebd., S. 374) zu signalisieren. Objekte werden als beliebige Elemente einer Klasse oder als Stellvertreter einer Klasse dargeboten (ebd.). Daneben werden auch für den unbestimmten Artikel „besondere Verwendungsweisen“ benannt (ebd., S. 376). Der Nullartikel dient vor allem als „Ersatzform“ für den bestimmten oder den unbestimmten Artikel (ebd., S. 376fl). Diese Formulierung ist insofern etwas missverständlich, als der Nullartikel ja gerade keine Form hat bzw. ist. Er ist bei bestimmten semantischen Gruppen von Nomina sowie in bestimmten syntaktischen Konstruktionen gefordert. Unter anderem steht er bei Personennamen, bei geographischen Namen, bei Namen von Festen, Buchtiteln und Überschriften, bei Namen von Einrichtungen und von Unterrichts- und Studienfächern (ebd., S. 376ff.). Helbig/ Buscha versuchen, die Regeln des Artikelgebrauchs so genau und explizit darzustellen, wie es für Nicht-Muttersprachler erforderlich ist. In ihrer Grammatik ist das Kapitel zu den Artikeln mit ca. 25 Seiten relativ umfangreich. Dennoch können auch sie letztlich nicht mehr leisten, als wichtige, häufig vorkommende Gebrauchskontexte aufzulisten und mit Beispielen zu illustrieren. Kontexte, in denen konkurrierende Faktoren eine Rolle spielen und die Artikelwahl deshalb besonders schwierig ist, kommen bei ihnen gar nicht in den Blick. Hinzu kommt, dass im Detail nicht alle Regeln, die sie anführen, hilfreich sind, z.B. wenn sie schreiben: Der unbestimmte Artikel steht vor Substantiven im Akkusativ in Sätzen vom Typ Nominativ + haben + Akkusativ: [...] Er hat ein Autuleine Wohmmgleinen Wartburg. (Helbig/ Buscha 161994, S. 376) Diese Regel ist deswegen irrelevant, weil sie drei Bedingungen enthält - Nominativ, hohen und Akkusativ die mit der Artikelselektion nichts zu tun haben. Selbstverständlich sind bei dem Verb haben, wie bei jedem anderen transitiven Verb, direkte Objekte mit Definitartikel und ohne Artikel ebenso gut möglich wie direkte Objekte mit Indefinitartikel: (12) A: Wer hat den Schlüssel? B: Ich habe den Schlüssel. (13) A: Wer hat Zeit? B: Ich habe Zeit. <?page no="26"?> 26 Artikelgebrauch im Deutschen Die Auswahl des Artikels richtet sich hier nach den allgemeinen semantischpragmatischen Kriterien, die die Artikelwahl im Deutschen steuern, und gerade die Anwendung und Gewichtung dieser Kriterien wird bei Helbig/ Buscha im Verhältnis zu kurz behandelt. Eine in den Methoden und Zielsetzungen ähnliche, aber wesentlich detailliertere Darstellung findet sich im Lexikon zum Artikelgebrauch von Grimm (1987). Trotz seiner größeren Detailliertheit ist dieses Werk allerdings nicht nützlicher als die Grammatik von Helbig/ Buscha. Das Lexikon besteht aus drei Hauptkapiteln: zum bestimmten Artikel, zum unbestimmten Artikel und zum Nullartikel. Jedes Kapitel hat fünf Abschnitte, die folgendermaßen überschrieben sind: 1) Außersprachliche Situation und Gebrauch 2) Sprachlicher Text und Gebrauch 3) Bedeutungsverhältnisse im Satz/ Text und Gebrauch 4) Grammatische Konstruktion und Gebrauch 5) Lexikalisierung und Gebrauch Unter diesen Überschriften werden Gruppen von Faktoren behandelt, die die Artikelselektion beeinflussen. Zu den außersprachlichen Faktoren gehört votai Iem die Unikalität des Referenten, die nach Grimm durch den bestimmten Artikel angezeigt wird. Für den unbestimmten Artikel und den Nullartikel führt er den Faktor der Nicht-Identifiziertheit des Referenten an. Zu den sprachlich-textuellen Faktoren zählt Grimm vor allem die Neueinführung bzw. Vorerwähntheit des Referenten, wobei sich Überschneidungen mit den Kriterien der Unikalität und der Identifiziertheit ergeben. Neueinführung wird durch den unbestimmten oder den Nullartikel, Vorerwähntheit durch den bestimmten Artikel angezeigt. Als satzsemantische Faktoren eiwähnt Grimm vor allem die verschiedenen Arten von Generalisierungen und generischer Referenz. Zu den grammatischen Faktoren gehören das Vorhandensein von Attributen sowie die Sonderregeln der Artikelverwendung in Koordinationen, Funktionsverbgefügen und in adverbial gebrauchten Nominalphrasen. Lexikalische Faktoren erklären den Artikelgebrauch bei Eigennamen, in Phraseologismen und in präpositionalen Fügungen. Für den bestimmten Artikel, den unbestimmten Artikel und den Nullartikel formuliert Grimmjeweils eine Anzahl so genannter „Grundregeln“: 18 für den bestimmten, 12 für den unbestimmten und 25 für den Nullartikel. Line solche „Grundregel“ für den bestimmten Artikel lautet z.B.: <?page no="27"?> Literatur rum Artikelgebrauch 27 Der bestimmte Artikel stellt vor Substantiven, die einen Gegenstand bezeichnen, der in der Welt nur einmal (real oder gedacht) existiert. | ... | Die Erde dreht sich um die Sonne. (Grimm 1987, S. 17) In dieser „Grundregel“ geht es um die Unikalität, die für Grimm der wichtigste außersprachliche Faktor für den Gebrauch des bestimmten Artikels ist. Eine andere „Grundregel“ für den bestimmten Artikel lautet: Der bestimmte Artikel ist in vielen Phraseologismen fest lexikalisiert. | ... | vom Mond kommen, ans Licht kommen | ...J. (Grimm 1987, S. 82 ) Während die erste dieser Regeln in der Tat eine für Lehrer und Lerner hilfreiche Verallgemeinerung enthält, ist die zweite viel zu ungenau und deshalb nutzlos. Zu vielen der „Grundregeln“ gibt Grimm zusätzlich so genannte „Detailregeln“, insgesamt ca. 180. So wird etwa die oben zitierte „Grundregel“ zur Unikalität in getrennten „Detailregeln“ auf „astronomische und geographische Begriffe“, „Bauwerke“, „Institutionen“, „menschliche Kollektive“, „Linzelpersönlichkeiten“ und „Abstrakta“ angewandt. Diese werden weiter aufgefächert, etwa die „Abstrakta“ in „substantivierte Infinitive“, „historische und kulturelle Epochen“, „Weltanschauungen und Religionen“, „Ereignisse und Dokumente“, „Wissenschaften und wissenschaftliche Aussagen“, „Sprachen“, „Feiertage“ und „weitere Abstrakta“ (vgl. Grimm 1987, S. 17ff.). Auffällig ist durchweg, dass die Schlüsselbegriffe der „Detailregeln“ völlig unterschiedlichen Bereichen entstammen und unter keinem Gesichtspunkt zusammenpassen. Durch die „Detailregeln“ wird keinerlei Systematisierung erreicht, sondern lediglich eine kaum geordnete Kasuistik geliefert. Der kasuistische Charakter von Grimms Regelwerk wird dadurch noch verstärkt, dass zu vielen „Detailregeln“ wiederum Zusatzregeln für Sonderfalle und Ausnahmen hinzugefügt werden, insgesamt ca. 280. Bei manchen Regeln ist die Zahl der Sonderfälle und Ausnahmen höher als die Zahl der Fälle, die von ihnen erfasst werden. So gibt Grimm zu der Regel: Der bestimmte Artikel steht vor einem Substantiv, wenn beim Substantiv eine Ordinalzahl mit identifizierender Bedeutung steht. (Grimm 1987. S. 59) drei Beispielsätze (Peter raucht jetzt schon die zehnte Zigarette u.a.). Anschließend folgt eine zweiseitige Liste von Ausnahmen, gegliedert in fünf Hauptpunkte und sieben Unterpunkte. Solche Regelformulierungen sind absurd und helfen weder Lehrern noch Lemem. <?page no="28"?> 28 Artikelgebrauch im Deutschen In vielen Regeln verwendet Grimm Termini wie Identifizierbarkeit, sozial determiniert, generalisierende Äußerung, Stoffbezeichnung oder Abstraktum, die er nicht oder kaum definiert, obgleich es sich um schwer verständliche und hoch problematische Begriffe handelt, die in der Fachliteratur umstritten sind. Es kann nicht erwartet werden, dass Lehrer und Lemer des Deutschen als Fremdsprache Regeln, die so formuliert sind, erfolgreich auf Zweifelsfälle des Sprachgehrauchs anwenden können. Zusätzlich wird das Verstehen dadurch erschwert, dass Grimm alle „Grundregeln“ auch in einer Formelschreibweise angibt. Beispielsweise wird zu der oben zitierten „Grundregel“ „Der bestimmte Artikel steht vor Substantiven, die einen Gegenstand bezeichnen, der in der Welt nur einmal [...] existiert“ ergänzend die Formel gegeben: „Unter der Bedingung + IDENT UNlK SIT OBJ steht der bA“ (Grimm 1987, S. 17). Die Fomieln sollen genau das gleiche besagen wie die Regeln selbst. In einer Darstellung für didaktische Zwecke sind sie meiner Meinung nach überflüssig. AufLelirer und Lemcr können sic nur verwirrend wirken. Für polnische Lerner ist Grimms Darstellung punktuell besonders problematisch, etwa wenn er die Regel formuliert: „Der bestimmte Artikel steht in [...] Funktionsverbgefügen. [...] bei einigen Substantiven im Akkusativ oder im Genitiv, die implizit ein Merkmal + IDENT enthalten“ (Grimm 1987, S. 71, 73). Diese Regel soll Fälle wie die folgenden erfassen: (14) Bei dem Unglück haben 20 Personen (len Tod gefunden. (15) Diese Frage bedarf noch der Klärung. Die Formuliemng insinuiert, die Verwendung des bestimmten Artikels hätte im Deutschen etwas mit dem Kasus des Nomens, insbesondere mit der Unterscheidung zwischen Akkusativ und Genitiv zu tun. Tatsächlich kommt der bestimmte Artikel in Funktionsverbgefügen auch bei Nominalphrasen im Dativ vor, z.B. in etwas dem Verfall preisgeben, sich der Verzweiflung hingeben usw. Im Deutschen hat die Kasusunterscheidung nichts mit der Verwendung der Artikelwörter zutun. Im Polnischenkann dagegen mit der Unterscheidung zwischen Akkusativ und Genitiv Ähnliches ausgedrückt werden wie im Deutschen mit der Unterscheidung zwischen Definit- und Indefinitartikel. Ein Beispielpaar von Sadzihski ( 1995/ 1996, S. 48): <?page no="29"?> Literatur zum Artikelgebrauch 29 (16) Potrzebujç rower.1 [brauchen-lps-imp-präs Fahrrad-akk| [Ich brauche das Fahrrad.] (17) Potrzebujç rowent. [brauchen-lps-imp-präs Fahrrad-gen| IIch brauche ein Fahrrad.] In (16) steht das direkte Objekt des Verbs potrzebowac im Akkusativ. Die Bedeutung dieser Formulierung lässt sich im Deutschen am besten durch ein direktes Objekt mit Definitartikel wiedergeben. In (17) steht das direkte Objekt im Genitiv. Dem entspricht im Deutschen in etwa ein direktes Objekt mit Indefinitartikel (siehe dazu detaillierter unten Abschnitt 3.3.2). Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, dass die Regeln des Artikelgebrauchs zielgruppenspezifisch erklärt werden. In Abhängigkeit von Vorerwartungen, die sich z.B. aus der Muttersprache der Lemer ergeben können, sind ganz unterschiedliche Missverständnisse möglich, auf die gezielt Rücksicht genommen werden sollte. Die enorme Menge von Regeln, die bei Grimm zusammengestellt ist, ist für die Praxis nur von geringem Wert, da sie als kasuistische Liste nicht erlernbar ist. Der Darstellung fehlt der Blick für das Wesentliche und Systematische. Zusammengehörige Infonnationen stehen oft nicht zusammen, es wird nicht deutlich genug, welche Regeln wichtig und welche weniger wichtig sind, und das Buch ist voller Redundanzen. Grimms viel zu zahlreiche und nicht aufeinander abgestimmte „Grundregeln“ machen zu wenig deutlich, welche die wirklichen Gmndprinzipien des Artikclgebrauchs im Deutschen sind. Für die Zweifelsfalle des realen Sprachgebrauchs bieten sie dem Leser keine Lösungsstrategien. Ein Nicht-Muttersprachler steht in einer konkreten Kommunikationssituation vor der Frage, ob er einen Artikel verwenden soll oder nicht, und wenn ja, welchen. In dieser Situation muss er die Kriterien kennen, die für die einzelnen Entscheidungsmöglichkeiten sprechen, und sie gewichten. Kasuistiken helfen ihm hier nicht. Er braucht vielmehr einen Überblick über die semantisch-pragmatischen Grundfunktionen der Artikelwörter und die Fähigkeit, im Linzelfall zu entscheiden, auf welche dieser Funktionen es ankommt. Grimms Lexikon vollzieht in seinem Aufbau die Entscheidungswege eines Sprachbenutzers7 7 In den Glossen verwende ich die folgenden Abkürzungen: „lp s“ für 1. Person Singular; „präs“ für Präsens; „akk“ für Akkusativ; „gen“ für Genitiv. <?page no="30"?> 30 Artikelgebrauch im Deutschen nicht nach. JederLeserwird feststellen, dass seine Beherrschung des Artikelgebrauchs im Deutschen sich auch nach intensivem Studium dieses Buches nicht bessert. DenAnforderungen der Praxis kommt Bisle-Müller (1991) wesentlich näher, der die westliche Tradition der Artikelforschung im DaF-Bereich vertritt. Im Gegensatz zu Helbig/ Buscha und Grimm verzichtet er auf die kasuistische Auflistung von Einzelfällen und konzentriert sich auf das Systematische: Mein Verfahren ist also folgendes: Ich versuche von einzelnen Deutungen der Artikelverwendung in verschiedenen Situationen und Sprechakten zu einer Grundbedeutung, einer prototypischen Deutung zu kommen. (Bisle-Müller 1991, S. 7) Bisle-Müller sucht nach Verallgemeinerungen, die helfen, im Grundsatz zu verstehen, wozu Artikelwörter gut sind und was sie bedeuten. Ähnlich wie Vater unterscheidet er zwischen Referenzkoordinatoren (Definitartikel der, Dcmonstrativartikel dieser, Possessivartikel mein, Totalitätsartikel alle) und Quantoren (Kardinalia einschließlich Indefinitartikel ein, andere Zahl-Ausdrücke, Maß-Ausdrücke) (vgl. Bisle-Müller 1991, S. 2fi, 50). Den Referenzkoordinatoren schreibt er die gemeinsame semantisch-pragmatische Grundfunktion zu, in der Verständigung zwischen Sprecher und Hörer die Bezugnahme auf Referenten zu koordinieren (vgl. ebd., S. 3, 50). Dies leisten sie im Kontext gemeinsamen Wissens, das Sprecher und Hörer teilen und das die Grundlage ihrer Verständigung bildet. Um deutl ich zu machen, wie das im Detail vor sich geht, verwendet Bisle-Müller ein Modell, das das menschliche Wissen in Module mit unterschiedlichen Inhalten und unterschiedlichen Funktionen zerlegt (ebd., S. 67): Episodisches Dauerwissen Kontextuelles Laufwissen Spezifisches Dauerwissen Situatives Laufwissen Generisches Dauerwissen Abb. I : Module des menschlichen Wissens Bisle-Müller macht eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Laufwissen und Dauerwissen. Situatives Laufwissen ist „die Kommunikationssituation betreffendes Wahmehmungswissen, [...] nicht nur in Bezug auf die besprochenen Gegenstände, sondern in Bezug auf alle Gegenstände und Geschehnisse, die <?page no="31"?> Literatur rum Artikclgebrauch 31 wahrgenommen, d.h. gesehen, gehört, gerochen und gefühlt werden können“ (Bisle-Müller 1991, S. 46). Kontextiielles Laufwissen erfasst das unmittelbare textuelle Umfeld einer Äußerung. Episodisches Dauerwissen ist „konspiratives Wissen“, das nur Sprecher und 1Iörcr und gegebenenfalls weiteren Mitwissern gemeinsam ist (ebd., S. 44f.). Spezifisches Dauerwissen ist „spezielles Wissen über die Kommunikationspartner“ sowie die Referentenund Ereignisse, von denen in der Kommunikationssituation die Rede ist (ebd., S. 45). Zum generischen Wissen gehören „die Kenntnis der Lexembedeutungen, grammatisches Wissen, pragmatisches Wissen [...] und allgemeines Weltwissen“ (ebd.). Der Begriff Referenzkoordinator bezieht sich auf zwei Vorgänge, die für das Glücken der Kommunikation entscheidend sind: die Bestimmung der Referenten und die Konstitution von Sinn. Wenn es Sprecher und Hörer gelingt, Einvernehmen darüber zu erzielen, von welchen Personen und Gegenständen die Rede ist, ist eine wesentliche Vorbedingung dafür erfüllt, dass die Kommunikation ihnen gemeinsam Sinn vermittelt. Der Definitartikcl als Referenzkoordinator zeigt „En-passant-Referenz“ an, d.h. die Annahme des Sprechers, dass Einvernehmen mit dem Hörer über die Identität des Referenten problemlos vorausgesetzt werden kann. Die übrigen Referenzkoordinatoren (Demostrativum, Possessivum, Totalitätsartikel) deuten auf unterschiedliche Schwierigkeiten bei der Identifikation des Referenten hin (vgl. Bisle-Müller 1991, S. 50ff.). In Bezug auf das Modell der Wissensspeicher stellt sich heraus, dass auf Referenten, deren Identifizierung mit Hilfe von Laufwissen oder episodischem Dauerwissen möglich ist, mit anderen Referenzkoordinatoren verwiesen wird als auf Referenten, deren Identifizierung mit Hilfe von spezifischem oder generischem Dauerwissen erfolgt. Der Indefinitartikel als Quantifikator dagegen hat „mit Quantifizierung bzw. quantifizierender Referenz zu tun“ (Bisle-Müller 1991, S. 3). Seine Funktion besteht darin, die Zählbarkeit ins Spiel zu bringen, „indem er die Anzahlstufe 1 anzeigt“ (ebd., S. 116). Der Indefinitartikel zeigt nicht Unbestimmtheit an, sondern Bestimmtheit wird durch ihn nicht thematisiert. Das bedeutet, dass der Indefinitartikel nicht ausschließt, dass der Referent für Sprecher und/ oder Hörer bestimmt ist. Die Bestimmtheit des Referenten steht bei der Verwendung des Indefinitartikels nicht zur Debatte. Seine Funktion besteht vielmehr darin, Masse- und Mehrzahl-Lesarten auszuschließen und die Referenz auf ein Individuum festzulegen (ebd., S. IOOff.). In einem Exkurs geht Bisle-Müller zusätzlich aufArtikellosigkeit ein, die seiner Meinung nach keine Funktion in Bezug auf Referenzkoordination hat (vgl. <?page no="32"?> 32 Artikelgebrauch im Deutschen Bisle-Müller 1991, S. 116ff. ). Der so genannte Nullaitikel existiert für Bisle- Miiller nicht und kann deshalb auch keine Information kodieren. Dieses Verfahren wird auch in den weiteren Kapiteln der vorliegenden Arbeit angewandt. Das Modell von Bisle-Müller ist wissenschaftlich sehr erhellend und innovativ. Obgleich es sehr viel praxisnäher ist, als das Lexikon von Grimm, ist aber nicht immer ganz klar, wie es als Entscheidungshilfe für oder gegen den Artikelgebrauch in einem konkreten Zweifelsfall genutzt werden kann. Niemand kann ja mit seinem Bewusstsein auf seine unterschiedlichen Wissensspeicher zugreifen. Das Modell scheint deshalb in der vorliegenden Form eher dafür geeignet zu sein, in einem Text, in dem die Artikelauswahl schon getroffen wurde, zu erklären, warum dieser oder jener Artikel gewählt wurde. Für Lerner, die Auswahlentscheidungen zu treffen haben, müssen noch klarere Kriterien aus Bisle-Müllers Modell abgeleitet werden. Unbefriedigend ist bei Bisle-Müller auch das Fehlen einer empirischen Grundlage. Der Autor stützt sich auf kein Datenkorpus, sondern auf selbst konstruierte Einzelsätze und Mikrotexte. Deshalb ist kaum beurteilbar, ob seine Darstellung vollständig ist. Eine Art von Nominalphrasen, die er gar nicht behandelt, sind die nicht-referentiellen. Für den DaF-Untenicht bedeutet das, dass ein großer Teil aller Fälle von Artikelverwendung im Deutschen ausgeblendet wird. Meine Untersuchung (siehe unten Unterkapitel 2.3 und 2.4; vgl. auch Blühdom2009) zeigt deutlich, dass bei nicht-referentiellen und referentiellen Nominalphrasen die Funktionen der Artikel und die Regeln ihrer Verwendung recht unterschiedlich sind. 1.2.3 Darstellungen bei polnischen Autoren Viel spärlicher als in den deutschsprachigen Darstellungen für den DaF-Bereich ist die Behandlung des Artikelgebrauchs in Grammatiken des Deutschen, die in Polen verfügbar sind (vgl. Luszczyk/ Szulc/ Wawrzyniak 1990, S. 196ff; GoccVI 2001, S. 14ff.; Ptak 2001, S. 94ff; Tomiczek 2003, S. 23ff; Woznicka 2003, S. 5ff; Bçza 2004, S. 22ff.). Wenn polnische Autoren über den deutschen Artikel schreiben, muss man natürlich damit rechnen, dass nicht alle Subtilitäten des Artikelgebrauchs berücksichtigt werden, da ein Rückgriff auf muttersprachliche Intuitionen in diesem Fall nicht möglich und Aufschluss aus der Fachliteratur in vielen Fragen nicht zu erhalten ist. Die Grammatiken von Tomiczck (2003) und Bçza (2004) richten sich an Lernende aller Stufen. Im DaF-Unterricht in Polen werden sie sowohl kursbegleitend als auch zur häuslichen Vor- und Nachbereitung des Sprachunterrichts <?page no="33"?> Literatur zum Artikelgebrauch 33 verwendet. Deshalb sollten die Lemer von ihnen erwarten können, dass sic ihnen detaillierte Beschreibungen des Artikelgebrauchs mit klar formulierten Regeln und anschaulichen Beispielen liefern. Beide Autoren unterscheiden zwischen dem bestimmten Artikel, dem unbestimmten Artikel und artikellosen Nominalphrasen (Nullartikel), denen sic jeweils kurze Unterkapitel widmen. Tomiczek (2003, S. 24) nennt als Kriterium für den Gebrauch des bestimmten Artikels die Bckanntheitund Bestimmtheit der besprochenen Person oder Sache. Problematisch ist hier der Terminus Bestimmtheit (poln.: okreslonosc), denn auch der Dcfinitartikel heißt bei Tomiczek bestimmter Artikel, auf Polnisch rodzajnik okreslony. Für den Artikel und den Referenten wird also der gleiche Terminus verwendet: Die Erklärung ist zirkulär. Bei der Verwendung des unbestimmten Artikels spielen nach Tomiczek die Erst-Erwähnung und die Unbestimmtheit des Referenten (hier die gleiche terminologische Zirkularität) sowie sein Auftreten als Element aus einer Menge gleicher Gegenstände eine wichtige Rolle (vgl. Tomiczek 2003, S. 23). Artikel Iosigkeit kommt nach seiner Darstellung unter anderem bei Personennamen, bei Namen von Ländern und Städten, bei nicht näher bestimmten Kontinuativa, bei den Maß-Quantifikatoren (Tomiczek bezeichnet sie als Adverbien) viel, wenig und etwas, beim Gebrauch der Kardinalzahlen und in feststehenden Ausdrücken und Redewendungen vor (ebd., S. 24f.). Auch für Bçza (2004, S. 23) ist beim Gebrauch des bestimmten Artikels die Bestimmtheit des Referenten wichtig. Zusätzlich weist er auf die Verwendung des bestimmten Artikels bei Nomina hin, die durch ein Adjektiv im Superlativ oder durch eine Ordinalzahl erweitert sind, bei Länder- und Gebietsnamen im Maskulinum, Femininum und Plural, bei Namen von Personen, Städten und Himmelsrichtungen, wenn sie mit einem Attribut auftreten, bei Namen von Bergen, Flüssen und Meeren sowie bei der Bezugnahme auf unikale Referenten (ebd.). Der unbestimmte Artikel wird nach Bçza (ebd., S. 22f.) unter anderem bei Prädikatsnomina und nach dem unpersönlichen Verb es gibt verwendet. Auch bei Tomiczek und Bçza besteht das Hauptproblem darin, dass relativ ausführlich in Listenform auf Sonderfalle und Ausnahmen eingegangen wird, den Grundregeln des Artikelgebrauchs und ihrer Anwendung in konkreten Zweifelsfallen dagegen viel zu wenig Raum gewidmet wird. Viele Regeln, die sich in polnischen Grammatiken des Deutschen finden, nehmen auf Kriterien Bezug, die für den Artikelgebrauch nicht entscheidend sind, und führen dadurch den Benutzer in die Irre. So schreibt etwa Woznicka (2003, S. 5): <?page no="34"?> 34 Artikelgebrauch im D eutschen Rodzajnika okreslonego uzywamy [...] zawsze po przymiotniku w stopniu najwyzszym: 8* Duden ist das beste Wörterbuch des Deutschen. Tatsächlich können Adjektive im Superlativ im Deutschen mit dem Definitartikel, dem Indefinitartikel und ohne Artikel gebraucht werden (siehe Abschnitte 2.3.1 und 2.3.2). Das Kriterium ist irrelevant: (18) An dieser Prüfung nahmen vier Judokas teil. Natürlich haben alle die Prüfung bestanden. Hervorzuheben ist Joshua Dahlmanns, er hat d ie b e s t e P r ü f u n g abgelegt. http: / / www.budo-sport-club.de/ aktuelles/ aktuelles_ 2004.html (Stand: 27.07.2008) (19) Wie soll e in e b e s t e F r e u n d in sein ? [...] Viele Mädchen wünschen sich j e mand. der nur für sie da ist. | ... ] Doch leider ist niemand wirklich perfekt, nicht einmal die beste Freundin! Schon deshalb kann man von e i n e r b e s t e n F r e u n d in nicht erwarten, dass sie immer genau so ist. wie man sich seine beste Freundin erträumt. Auch b e s t e F r e u n d in n e n dürfen ein paar Macken und hin und wieder einen schlechten Tag haben. http: / / www.labbe.de/ mellvil/ (Stand: 24.06.2008) (20) „ Der Kult-Laufist b e s t e W e r b u n g f ü r u n s e r e n F r e i s t a a t und zeigt mit den Kinderläufen, wie man die Jugend an den Sport heranführen kann" lobte Ministerpräsident Dieter Althaus die Organisatoren. http: / / www.marathon4you.de/ meldungen/ gutsmuths-rennsteiglauf/ beste-werbung/ (Stand: 04.06.2008) Ein anderes Beispiel. Bçza (2004, S. 23f.) schreibt: Rodzajnika okreslonego uzywamy [...] przed rzeezownikami uwazanymi za jedyne na swiecie: die Sonne, die Welt, die Luft, der Mond: Gemeint sind hier unikale Referenten. Nomina, mit denen unter anderem auf Unika referiert werden kann, erlauben aber durchaus auch Verwendungen mit dem indefiniten Artikel wie in (22) und ohne Artikel wie in (23): (21) Es ist ein großes Gefühl der Erleichterung, dass d i e S o n n e sich wieder blicken lässt. Was noch mehr wärmt, ist die Gewissheit, dass sie jetzt jeden Tag ein bisschen länger scheint. http: / / www3.ndr.de/ ndrtv_ pages_std/ (Stand: 07.03.2008) 8 „ D e n b e s tim m t e n A r tik e l v e r w e n d e n w ir im m e r v o r e in e m A d j e k tiv i m S u p e rl a tiv [...].“ „ D e n b e s tim m t e n A r tik e l v e r w e n d e n w ir v o r N o m in a , d ie a ls e in z ig a u f d e r W e lt b e tr a c h t e t w e r d e n : die Sonne, die Welt, die Luft, der Mond." <?page no="35"?> Literatur zum Artikelaehraueh 35 (22) An die Wand hinter seinem Bett hat er e i n e S o n n e gemalt, und jedes seiner Bilder ist im Zeichen und zum Ruhme der Sonne. Die Bilder erreichen ihren höchsten Effekt, wenn Ploch sie in die Natur stellt und so ins Universum einordnet. http: / / www.bdw.de/ sixcms/ detaN.php (Stantl : 20 . 05.200S) (23) Primär werden Gezeiten durch S o n n e und M o n d verursacht, und die zugehörigen Wellen ( Wasserherge und -täler) haben eine Wellenlänge von einem halben Erdumfang (d .h.llh), j e nach Breitengrad, also einige IOOO Kilometer. http: / / www.io-warnemuende.de/ forum/ de_fragel2.html (Stand: 07.03.2008) Die Beispiele zeigen, dass Regeln, die praxistauglich sein sollen, genauer formuliert und in Bezug auf die Anwendung besser illustriert werden müssen, damit sie weniger Freiraum für falsche Auswahlentscheidungen des Lemers offen lassen. In didaktischer Hinsicht besonders problematisch sind Formuliemngen wie die folgende: W jçzyku niemieckim przed rzeezownikami wystçpuj^ rodzajniki [...], ktöre nie maj^odpowiednika wjçzyku polskim.10(Voit 2001, S. 9) Diese Formuliemng legt die Interpretation nahe, dass im Deutschenvorjedem Nomen ein Artikel stehen muss. Das ist empirisch falsch und vermittelt Sprechern einer artikellosen Muttersprache eine völlig falsche Vorstellung von Funktion und Vorkommenshäufigkeit der Artikel im Deutschen. Indem sie insinuiert, dass in Nominalphrasen des Polnischen keine Elemente Vorkommen, die mit den Artikeln des Deutschen vergleichbar sind, stellt sie das Deutsche außerdem als unnötig exotisch dar. Tatsächlich verfügt auch das Polnische über eine Vielzahl lexikalischer Referenzkoordinatoren und Quantifikatoren, die durchaus mit den Artikeln des Deutschen vergleichbar sind (siehe unten Unterkapitel 2.2 sowie die Einleitung zu Kapitel 3). Darüber hinaus gibt es im Polnischen weitere Sprachmittel, etwa den Verbalaspekt, die Kasus-Opposition Akkusativ vs. Genitiv und die Serialisierung der Satzglieder (vgl. Wierzbicka 1968, S. 2238; Feleszko 1980, S. 11,21; Grochowski/ Karolak/ Topolihska 1984, S. 3161'.; Gaca 1994, S. 141 ff.; Vater 1997, S. 224; Skibicki 2007, S. 33, 42Iff, 426), die sehr ähnliche semantisch-pragmatische Funktionen erfüllen wie die Artikelwörter des Deutschen. Eine Darstellung des Artikelgebrauchs für Sprecher artikelloser Muttersprachen sollte grundsätzlich nicht darauf zie- 10 „ I n d e r d e u t s c h e n S p r a c h e s t e h e n v o r N o m in a A r tik e l [...]. d ie k e in e E n t s p r e c h u n g im P o l n i s c h e n h a b e n ." <?page no="36"?> 36 Artikelgebrauch im Deutschen len, das Deutsche unnötig unverständlich zu machen und dadurch zu mystifizieren, sondern sollte im Gegenteil bei Punkten ansetzen, die den Nutzem aus ihrer Muttersprache schon bekannt sind und deshalb dazu beitragen können, ihnen die Funktion der Artikel verständlich zu machen. Eine wichtige Rolle in der polnischen Literatur zur deutschen Grammatik spielt die Deutsch-polnische kontrastive Grammatik (dpg) (Engel et al. 2000), die von deutschen und polnischen Wissenschaftlern gemeinsam erarbeitet wurde. Sie setzt sich das Ziel, „die grammatischen Strukturen beider Sprachen in vergleichender Gegenüberstellung [zu] beschreiben“ (ebd., S. 7). Die dpg ist stark von Engels Grammatik (Engel 1991) beeinflusst. Zielgmppe sind polnische Germanisten, deutsche Polonisten/ Slavisten, polnische Deutschlehrer, deutsche Polnischlehrer, Wissenschaftler, Lehrbuchautoren und Autoren von Lehrmaterialien (ebd.). Die Artikelwörter werden im zweiten Band der dpg behandelt und zwar im Kapitel „Das Determinativ“ (ebd., S. 800ff.). Ihre primäre Funktion besteht nach Meinung der Autoren darin, „[...] deutlich zu machen, ob die durch die Nominalphrase beschriebene Größe den am Kommunikationsakt Beteiligten bekannt oder neu oder aber nicht identifizierungsbedürftig ist“ (Engel et ah 2000, S. 800). In Bezug auf diese semantische Funktion unterscheiden die Autoren zwischen dem definiten und dem indefiniten Artikel. Auch hier steht also der referentielle Gebrauch der Artikelwörter im Vordergrund. Ihre Funktion in prädikativen Nominalphrasen sowie bei der Quantifizierung wird weniger eingehend behandelt. Die Autoren weisen darauf hin, dass es eine kleine, auflistbare Menge von Kontexten gibt, in denen in der Regel kein Artikel stehen kann, z.B. bei nichtattribuierten Personennamen : (24) Wo steckt F r itz .' (Engel et al. 2000, S. 827) Bei Artikellosigkeit sprechen sie vom Nullartikel (vgl. Engel et al. 2000, S. 801, 818). Mit diesem Terminus beziehen sie sich nicht nur auf das Nichtvorhandensein des Artikels, sondern auf das Nichtvorhandensein von Determinativen aller Art. Die Klasse der Artikel in der dpg umfasst also drei Elemente: den definiten Artikel, den indefiniten Artikel und den Nullartikel. DerArtikelgebrauch wird mit drei Gmppen von Kriterien erklärt: 1) semantischen Kriterien 2) morphosyntaktischen Kriterien 3) Idiomatik <?page no="37"?> Literatur rum Artikclacbraiirli 37 Zu den semantischen Kriterien (vgl. Kngcl et al. 2000, S. 818ff.) gehören Bekanntheit, Neuheit, Erst-Erwähnung, Gesamtheit und Indeterminiertheit. Der definite Artikel hat die Hauptfunktion, einen Referenten als bekannt bzw. eindeutig identifizierbar zu kennzeichnen. Identifizierbarkeit kann durch Weltwissen, durch Unikalität, durch Vörerwähntheit oder aufgrund der aktuellen Kommunikationssituation Zustandekommen. Daneben hat der Definitartikel generalisierende Funktion. Der Indefinitartikel hat die Hauptaufgabe, auf ein beliebiges Element einer Klasse zu verweisen. Dies ist vor allem der Fall bei Erst-Erwähnung. DerNuIIartikcI wird bei Nomina im Plural sowie bei Stoffnamen und Kollektiva verwendet. Als morphosyntaktische Kriterien erwähnen Engel et al. (ebd., S. 823ff.) unter anderem die Verwendung des Definitartikels vor Ordinalzahlwörtem, vor Nomina mit nachgestelltem Attribut sowie bei Nomina, die Jahreszeiten, Monate, Wochentage und Tageszeiten bezeichnen. Hierzu rechnen sic auch die Verwendung des Nullartikels bei Länder- und Städtenamen ohne Attribut und weitere Besonderheiten der Artikelverwendung bei Eigennamen. Die Regeln in diesem Abschnitt sind insgesamt sehr allgemein formuliert und empirisch nicht gut abgesichert. Idiomatische Artikelverwendung (vgl. ebd., S. 830f.) kommt in Funktionsverbgefugen, Zwillingsformen, Sprichwörtern und anderen feststehenden Ausdrücken vor. In der dpg werden die Vergleichssprachen Deutsch und Polnisch sehr stark parallel geführt, was unter anderem in der typographischen Gestaltung deutlich wird. Es wird aber nicht hinreichend klar gemacht, dass das Polnische für die Informationen, die im Deutschen mit den Artikelwörtern ausgedrückt werden, ganz andere grammatische Mittel hat. Im polnischen Sprachsystem gibt es zwar keine genauen lexikalischen Entsprechungen der deutschen Artikel, aber es sind funktionale Äquivalente wie Verbalaspekt, Kasus und Linearisierung der Satzglieder vorhanden (vgl. Cirko 1991, S. 291f.; Gaca 1994, S. 142ff.; Sadzihski 1995/ 1996, S. 48ff.; Engel et al. 2000, S. 818). Diese Sprachmittelwurdennoch zu wenig im Hinblick auf ihre funktionalen Überschneidungen mit den deutschen Artikeln untersucht und werden in der dpg kaum berücksichtigt. 1.2.4 Zusammenfassung Das Referat hat gezeigt, dass für polnische Lehrer und Lcrner des Deutschen als Fremdsprache noch zu wenig geeignete Literatur zur Verfügung steht, mit deren Hilfe es möglich ist, sich sachgerechtes Wissen und praktisches Können zum Artikelgebrauch anzueignen. <?page no="38"?> 38 ArtikeIgebrauch im Deutschen In den meisten Grammatiken finden sich nur unvollständige Darstellungen zum Artikelgebrauch, die keinesfalls ausreichen können, um einem Sprecher einer artikellosen Muttersprache klarzumachen, wozu die deutschen Artikel gut sind und wann welcher Artikel verwendet werden kann bzw. muss. In vielen Darstellungen stehen morphologische Regeln (Artikelflexion) im Vordergrund. Die semantisch-pragmatischen Gebrauchsregeln werden oft vernachlässigt. Wo sic berücksichtigt werden, wird meist der referentielle Artikelgebrauch stärker behandelt als der Gebrauch in prädikativen Nominalphrasen. Typischerweise werden die Grundregeln des Artikelgebrauchs viel zu kurz abgehandelt. Sonderfälle und Ausnahmen, die in der sprachlichen Realität eine geringere Rolle spielen, werden dagegen oft sehr viel ausführlicher behandelt. Dadurch nehmen die Artikelkapitel in den Grammatiken oft den Charaktervon Listen oder Kasuistiken an. Die Gebrauchsregeln werden nicht systematisch aufeinander bezogen. Häufig finden sich vorschnelle Verallgemeinerungen, die auf einer nicht ausreichenden Datengrundlage beruhen. Die gegebenen Regeln sind oft auf konkrete Zweifelsfalle von Sprachbenutzern nicht anwendbar, weil die Illustrationen durch Beispiele zu knapp sind. In vielen Darstellungen finden sich Redundanzen, Widersprüche und unklare Formulierungen. Insbesondere für den DaF-Unterricht fehlt es an expliziter und vollständiger Referenzliteratur, die die Vielfalt der Verwendungsweisen von Nominalphrasen berücksichtigt und trotzdem das Systematische des Artikelgebrauchs in den Vordergrund stellt. 1.3 Zielsetzung und Aufbau des Buches Meine Arbeit wendet sich in erster Linie an polnische Germanisten und Deutschlehrer, die einen systematischen Überblick über die Regeln des Artikelgebrauchs im Deutschen suchen. Sic setzt sich zum Ziel, semantisch-pragmatische Bedingungen für den Gebrauch des deutschen Definit- und Indefinitartikels sowie artikelloser Nominalphrasen zu formulieren und für die Vermittlung in der DaF-Didaktik vorzustrukturieren. Die Hauptaufmerksamkeit richtet sich darauf, das Systematische der Regeln herauszuarbeiten, wobei aber versucht wird, zu erreichen, dass die Darstellung konkret bleibt und nicht durch zu große Abstraktion unverständlich wird. Die Arbeit dürfte deshalb auch für Sprecher anderer Muttersprachen und für Sprachgermanisten im Allgemeinen von Interesse sein. Von anderen Darstellungen unterscheidet sich meine Arbeit in dem Streben, relative Vollständigkeit und Systematizität mit dem Ziel der didaktischen Vermittlung zu vereinen. Im Unterschied zum größten Teil der vorhandenen Arti- <?page no="39"?> Zielsetzung und Aufbau des Buches 39 kelliteratur werden prädikative und andere nicht-referentielle Nominalphrasen ebenso ausführlich behandelt wie referentielle. Durchweg wird versucht, die relevanten semantischen Oppositionen herauszuarbeiten, die durch den Definit- und den Indefinitartikel im Deutschen kodiert werden. Trotz des Strebens nach Vollständigkeit ist aber klar, dass auch diese Arbeit keine lückenlose Formulierung sämtlicher Verwendungsregeln für Artikelwörter im Deutschen liefern kann. Ich werde vor allem solche Verwendungsfälle behandeln, in denen Grundregeln zur Anwendung kommen. Sonderfälle wie Eigennamen, Funktionsverbgefüge oder Phraseologismen werden nur am Rande oder überhaupt nicht behandelt. Im Hintergrund steht bei dieser Entscheidung die Erfahrung, dass die Sonderregeln des Artikelgebrauchs nicht die Hauptschwierigkeit für Muttersprachler des Polnischen bilden. Sie können relativ leicht wie Vokabeln gelernt werden. Viel schwieriger ist es für Sprecher des Polnischen, im Grundsatz zu verstehen, wozu die Artikelwörter des Deutschen gut sind, welche Grundfunktionen sie erfüllen und wie sich das in konkreten Verwendungskontexten auswirkt. Dies darzustellen ist das Ziel der vorliegenden Arbeit. Als konkretes Werkzeug wird am Ende der Arbeit ein Entscheidungsbaum entwickelt, der die Kriterien und Oppositionen, die den Artikelgebrauch steuern, ordnet und systematisch aufeinander sowie auf die Mitteilungsbedürfnisse von Sprachbenutzern bezieht. Lerncr und Lehrer des Deutschen als Fremdsprache können dieses Werkzeug verwenden, um den Vorgang der Artikelwahl in Einzelschritte zu zerlegen und dadurch übersichtlich, kontrollierbar, vermittelbar und kritisierbar zu machen. Anhand des Entscheidungsbaums können Lemer sich im einzelnen Verwendungsfall schrittweise an die Auswahl eines Artikels heranarbeiten, können präzise Einzelschritte hinterfragen und mit ihren Lehrern diskutieren. Lehrer ihrerseits können mit Hilfe des gleichen WerkzeugsAuswahlentscheidungenvon Lerncrn nachvollziehen und Fehlentscheidungen begründet kritisieren und korrigieren. In allen Schritten werden Bezüge zur polnischen Sprache hergestellt, um den Gebrauch der deutschen Artikelwörter speziell für polnische Nutzer verständlich zu machen. Meine Untersuchung stützt sich nicht wie ein großer Teil der vorhandenen Artikelliteratur nur auf wenige selbst gebildete Beispielsätze, sondern berücksichtigt umfangreiches empirisches Datenmaterial. Zu erwähnen sind hier vor allem sieben literarische Erzähltexte, die in deutscher und polnischer Sprache vorhegen und besonders gründlich ausgewertet wurden. Es handelt sich um vier Kapitel aus der Erzählung Zuckererbsen von Bernhard Schlink (2001) und ihrer polnischen Übersetzung Groszek eukrowy (2003) sowie um die Er- <?page no="40"?> 40 Artikelgebrauch im Deutschen Zählungen Zero, Europejczyk, Metamorfoza, Wakacje, Dracala und Z notatnika kapitalisty von Slawomir Mrozek (1991-1995) mit ihren deutschen Übersetzungen Eine Null, Der Europäer, Die Verwandlung? , Ferien, Dracula und Aus dem Notizbuch eines Kapitalisten (1995). In den Originaltexten kommen insgesamt knapp 2 000 Nominalphrasen vor (1 030 in den deutschen, 832 in den polnischen Texten). Da es sich um literarische Übersetzungen handelt, entspricht nicht überall eine Nominalphrase im Ausgangstext einer Nominalphrase im Zieltext. An allen Stellen, an denen in beiden Texten Nominalphrasen vorhanden waren, wurden diese auf ihre formalen und semantischen Eigenschaften und ihre Einbettung in den Kontext hin untersucht. Während die Nominalphrasen in den polnischen Ausgangstexten sehr häufig kein Determinativ und keinen Quantifikator enthielten, tauchte in den deutschen Übersetzungen regelmäßig der definite und der indefinite Artikel, manchmal aber auch kein Artikel auf. Bei der Analyse stellte ich mir die Frage nach den Faktoren, die jeweils zur Setzung bzw. Nicht-Setzung der Artikel geführt hatten. Umgekehrt enthielten die Nominalphrasen in den deutschen Texten oftmals Artikel, die in den polnischen Übersetzungen fehlten, liier stellte ich mir die Frage, auf welche Weise die Informationen, die im Deutschen durch die Artikel kodiert wurden, in den polnischen Text eingehen konnten. Zunächst hatte ich die Absicht, diese Korpusanalyse auch quantitativ auszuwerten und zu dokumentieren. Da sich aber herausstellte, dass an relativ vielen Stellen die Übersetzer recht frei vorgegangen waren, sodass einer großen Zahl von Nominalphrascn in den Ausgangstexten keine Nominalphrasen in den Zieltexten direkt entsprachen, ciwics sich dieses Vorhaben als wenig sinnvoll. So habe ich mich darauf beschränkt, Beispiele aus den untersuchten Texten überall zur Illustration heranzuziehen, wo sich dies anbot. Darüber hinaus habe ich eine Vielzahl weiterer Belege in beiden Sprachen aus anderen Quellen aufgesucht, vor allem aus dem Internet mit Hilfe der Suchmaschine Google. Dadurch habe ich eine große Bandbreite unterschiedlicher Textsorten erfassen können. Erzählende Texte bilden aber eindeutig den Schwerpunkt meiner Datengrundlage. In einigen Fällen konnte ich dennoch nicht ganz darauf verzichten, auch selbst gebildete Beispiele zur Illustration zu verwenden oder polnische Originalbelege ins Deutsche zu übersetzen. Da das Deutsche nicht meine Muttersprache ist, habe ich alle derartigen Beispiele Muttersprachlern zur Begutachtung vorgelegt. Insbesondere wurden sämtliche deutschen Beispiele, die keine Korpusbelege sind, von meinem deutschen Betreuer Prof. Dr. Hardarik <?page no="41"?> Zielsetzung und Aufbau des Buches 41 Blühdom geprüft. Auch einige der diskutierten polnischen Beispiele sind selbst gebildet. Sie wurden durchweg von muttersprachlichen Informanten gegengelesen. Ich gehe nun in den folgenden Schritten vor: Im zweiten Kapitel der Arbeit geht es zunächst um die Regeln des Artikelgebrauchs im Deutschen. Ich werte eine große Zahl von Grammatiken der deutschen Gegenwartssprache sowie einen erheblichen Teil der deutschsprachigen Fachliteratur zu denArtikelwörtem aus. Auch ein Teil der angelsächsischen Fachliteratur sowie Literatur aus dem Fachgebiet Deutsch als Fremdsprache und etliche Darstellungen zur Grammatik des Polnischen werden in die Untersuchung einbezogen. In Unterkapitel 2.1 gebe ich einen ersten Überblick über Morphosyntax, Semantik und Pragmatik der Artikelwörter. InUnterkapitel 2.2 wird das Inventar der Artikelwörter des Deutschen vorgestellt. Dabei entwickle ich die Unterscheidung von drei Formtypen der Nominalphrase, die für die weitere Untersuchung grundlegend ist. In den Unterkapiteln 2.3 und 2.4 befasse ich mich im Detail zuerst mit prädikativen, dann mit referentiellen Verwendungen von Nominalphrasen der drei Formtypen. Am Ende dieser Unterkapitel steht jeweils eine tabellarische Übersicht, die deutlich macht, welche grundlegenden funktionalen Oppositionen den Artikelgebrauch in prädikativen und referentiellen Nominalphrasen steuern. Im dritten Kapitel werte ich die Ergebnisse der Untersuchung unter didaktischem Blickwinkel aus. Der schon erwähnte Entscheidungsbaum soll polnischen Deutschlemem und -Iehrem helfen, in Zweifelsfällen die richtige bzw. eine sinnvolle Artikelwahl zu treffen. <?page no="43"?> 2. Artikelgebrauch im Deutschen 2.1 Was sind Artikel? 2.1.1 Morphosyntaktischer Status Im Deutschen werden traditionell der definite und der indefinite Artikel unterschieden. Der definite Artikel lautet der, die, das. Der indefinite Artikel lautet ein, eine, ein. In der traditionellen Grammatik wurden beide zur selbständigen Wortart Artikel gezählt (vgl. Blatz 1895, S. 250; Eichler/ Bünting 1989, S. 60; Duden 1995, S. 303; Genzmer 1995, S. 190). In neueren linguistischen Studien werden sie als Subklasse unter den Determinativen aufgeführt (vgl. Zifonun et al. 1997, S. 1930; Engel et al. 2000, S. 802fi; Ballweg 2003, S. 96ff; Engel 2004, S. 313). Zu dieser Klasse werden, je nach Autor, neben den Artikeln auch eine oder mehrere der folgenden Unterklassen gezählt: 1) Demonstrativa: dies-,jen-, derjenig-, derselbusw. 2) Possessiva: mein-, dein-, sein-, ihr-, unserusw. 3) Interrogativa: was fü r ein-, welch-, welch einusw. 4) Indefinita: all-, irgendein-, irgendweich- , fedusw. 5) Negativa: kein- Über den Umfang der Determinative besteht in den Grammatiken des Deutschen noch keine Einigkeit (vgl. Eisenberg 1989, S. 160; Zifonun et al. 1997, S. 1939; Ballweg 2003, S. 13)." Die Artikel des Deutschen werden nach Kasus (Nominativ, Akkusativ, Genitiv, Dativ) und Numerus (Singular, Plural) sowie auch nach Genus (Maskulinum, Neutrum, Femininum) dekliniert. Anders als die Nomina haben sie kein festes Genus, sondern können in allen drei Genera Vorkommen. Welches Genus steht, entscheidet sich nach dem Nomen, dem sie zugeordnet sind (vgl. Duden 2005, S. 255): (la ) Mann <— der (Ih) Frau <— die (Ic ) K ind <— das 11 E in e n t a b e lla r is c h e n Ü b e r b lic k ü b e r d ie K l a s s ifiz i e r u n g d e r d e u t s c h e n D e t e r m in a tiv e b e i v e r s c h i e d e n e n A u t o r e n g ib t V a te r ( 1 9 8 6 . S. 2 4 ). <?page no="44"?> 44 A rtikelgebrauch im Deutschen In der traditionellen deutschen Grammatikterminologie wird der Artikel als Geschlechtswort bezeichnet (vgl. Heyse 1908, S. 256; van Dam 1940, S. 243; Schmidt 1977, S. 180; Heuer 1986, S. 83; Jung 1990, S. 253; Duden 1997, S. 192). Ihm wird die Funktion zugeordnet, das Genus des Nomens anzuzeigen. Bemerkenswert ist, dass das Genus im Deutschen und im Polnischen, obgleich beide Sprachen drei Genera unterscheiden, in vielen Fällen nicht übereinstimmt (vgl. Engel et al. 2000, S. 708): (2a) der Löffel (Maskulinum) lyzka (Femininum) (2b) die Gabel (Femininum) widelec (Maskulinum) (2c) das Messer (Neutrum) noz (Maskulinum) (2d) der Eimer (Maskulinum) wiadro (Neutrum) Daraus entsteht eine erste Lemschwierigkeit für polnische Deutschlemer, die den Artikel betrifft. Diese Lemschwierigkeit ist aber nicht spezifisch für Sprecher artikelloser Muttersprachen, sondern gilt für alle Lemer des Deutschen als Fremdsprache. Bei den Flexionsformen des definiten Artikels ist eine morphologische Trennung von Stamm und Endung im Prinzip möglich. Dementsprechend findet man in der Literatur Autoren, die zwischen dem Stamm d- und der Endung unterscheiden (vgl. Fleischer 1967, S. 133; Helbig/ Buscha 161994, S. 359; Schanen 1995, S. 139, 144; Götze/ Hess-Lüttich 2002, S. 248). Da aber die Basis nur aus einem nicht-silbischen Konsonanten besteht, wird oft auf die morphologische Trennung verzichtet (vgl. Erben 1980, S. 224; Nieder 1987, S. 90; Eichler/ Bünting 1989, S. 61; Genzmer 1995, S. 190; Duden 1997, S. 193; Duden 1998, S. 311; Eisenberg 2004, S. 141; Engel 2004, S. 314). Die traditionelle Reihenfolge der Kasus ist: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ. Im Plural wird im Deutschen keine morphologische Genusunterscheidung gemacht. Aus diesem Grund kann der Plural in einer Deklinationstabclle als zusätzliche Spalte neben die drei Genera gestellt werden, als ob er ein viertes Genus wäre (vgl. Heuer 1986, S. 81; Eisenberg 1989, S. 161; Götze/ Hess-Lüttich 2002, S. 248): Maskulinum Femininum Neutrum Plural Nominativ der die das die Genitiv des der des der Dativ dem der dem den Akkusativ den die das die Abb. 2: Traditionelle Deklinationstabelle für den Defmitartikel <?page no="45"?> Was s in d Artikel? 45 Man kann folgende Formgleichheilcn beobachten: der. Nominativ Maskulinum, Dativ/ Gcnitiv Femininum, Genitiv Plural die: Nominativ/ Akkusativ Femininum, Nominativ/ Akkusativ Plural das: Nominativ/ Akkusativ Neutram des: Genitiv Maskulinum, Genitiv Neutrum dem: Dativ Maskulinum, DativNeutram dem. Akkusativ Maskulinum, Dativ Plural In neueren Grammatiken hat man die Deklinationstabelle so umgeordnet, dass die Formsynkretismen als zusammenhängende Felder sichtbar werden (vgl. Wunderlich 1997, S. 47; Wiese 1999, S. 5ff.; Duden 2005, S. 266): Maskulinum Neutrum Femininum Plural Nominativ der das die Akkusativ den Genitiv des der Dativ dem den Abb. 3: U m g e o r d u e t e D e k lin a tio n s ta b e ll e f ü r d e n D e fin it a r tik e l Im Unterschied zum definiten Artikel flektiert der indefinite Artikel nur nach Kasus und Genus. Erhat keine Pluralformen. Beim indefiniten Artikel ist die morphologische Trennung von Stamm und Endung deutlicher. Aufgrund der Formgleichheiten ergeben sich wieder sechs Synkretismusfelder: Maskulinum Neutrum Femininum Nominativ Akkusativ ein-en ein-0 ein-e Genitiv ein-es Dativ ein -em ein-er A b b . 4: D e k lin a tio n s ta b e ll e f ü r d e n In d e fin ita rtik e l Seinen Kasus erhält der Artikel (bzw. die Nominalphrase, zu der er gehört) typischeiweise durch Rektion, liier sind einige Unterschiede zwischen dem Deutschen und dem Polnischen anzutreffen: <?page no="46"?> 46 Artikelgebrauch im D eutschen (3) D i e P o l e n (Akk) stört die Art und Weise, in der sich die Kirche als moralische Instanz präsentiert. (4) P o l a k o m (D a t)przeszkadza sposöb, w Jukiprezentuje sie kosciöljako instancja moralna. (5 ) Die niedergelassenen Arzte a u f der Insel Tahiti verzichten a u f d i e T e iln a h m e a n A u s b il d u n g s p r o g r a m m e n (auf+ Akk). (6) Lekarze osiadli na wyspie Tahiti rezygnujq z u d z i a lu w p r o g r a m a c h s z k o - I e n io n y c I t (z + Gen). (7) Ich interessiere mich f ü r d a s T h e m a „ F r a u e n b il d d e r S t e i n z e i t ' (für + Akk). (8 ) Interesuje sie t e m a t e m ..O b r a z k o b i e t e p o k i k a m i e n i a “ (Instr). Einige Verben haben im Deutschen eine andere Rektion als im Polnischen. Daraus entsteht eine zweite Schwierigkeit für polnische Deutschlemer, die den Artikel betrifft, denn die Kasusformen der Verbergänzungen werden im Deutschen vor allem an den Artikeln sichtbar. Diese Lemschwierigkeit ist aber ebenfalls nicht spezifisch für Sprecher artikelloser Muttersprachen, sondern gilt für alle Lerner des Deutschen als Fremdsprache. Der Artikel tritt zusammen mit einem Nomen auf (vgl. 2a, 2b, 2c, 2d). Er bildet zusammen mit dem Nomen eine nominale Einheit, die Nominalphrase (NP), wobei er mit dem Nomen in Kasus, Genus und Numerus übereinstimmt. Eine solche Übereinstimmung heißt grammatische Kongruenz (vgl. Eichler/ Bünting 1989, S. 60; Götze/ Hess-Lüttich 2002, S. 246; Kürschner 2003, S. 126; Duden 2005, S. 963). Die Beziehung zwischen Artikel und Nomen ist in der Fachliteratur oft diskutiert worden. Unter anderem wurde vorgeschlagen, dass das Nomen das Zentrum (Kem) der Nominalphrase ist, der Artikel dagegen sein Begleiter (vgl. Bütow et al. 1982, S. 20f.; Nieder 1987, S. 88; Duden 1997, S. 179; Engel et al. 2000, S. 917; Engel 2004, S. 287). Andere Grammatiken behandeln den Artikel als Kern und das Nomen als Satelliten. So verfahren z.B. die generativen Grammatiken (vgl. IIaider 1988, S. 32ff.; Bhatt 1990, S. 18ff.; Löbel 1990, S. 233ff; Olsen 1991, S. 36ff; Vater 1991a, S. 20ff.). Neben Nomen und Artikel können innerhalb einer Nominalphrase weitere Phrasen Vorkommen. Solche Teilphrasen nenne ich in Anlehnung an Duden (2005, S. 814) Attrihute. Ich unterscheide folgende Arten von Attributen: Adjektiv-Phrase (9), Adverb-Phrase (10), Nominalphrase im Genitiv (11) und Präpositional-Phrase (12): <?page no="47"?> IJbs sin d Artikel? 47 (9) Als Fürst Dracula nach Jahren der Verbannung in sein Schloss zurückkehrte, begrüßte ihn d i e h i e s i g e B e v ö l k e r u n g mit Brot und Sah, und die Glocken in den Kirchen läuteten zu seiner Ehre, obwohl der Fürst Kirchen und Glocken nicht mochte. (Mrozek 1995, S. 257, Dracula) (10) Dazu musste man zuerst eine der Hafenstädte erreichen. D e r W e g d o r th in führte über das zugefrorene HafJ der Ostsee. http: / / www.grin.com/ de/ preview/ 43331.html (Stand: 10.02.2007) (11) Unabhängig von der moralischen Unangemessenheit verursachte d e r B e s i t z d e s S c h w a n z e s viele praktische Schwierigkeiten. (Mrozek 1995. S. 55. Die Verwandlung? ) ( 1 2 ) D e r B li c k v o n d e r T e r r a s s e ging über Spree und Tiergarten zum Reichstag und Brandenburger Tor. (Schiink 2001, S. 152, Zuckererbsen) Außerdem können auch Nebensätze in eine Nominalphrase eingebettet sein. Man spricht dann von Attributsätzen bzw. von Relativsätzen (vgl. Duden 2005, S. 815): (13) Und d ie F r a u , d ie s ic h u m d e n H a u s h a l t u n d d ie K i n d e r k ü m m e r t e , war für zwei Wochen bei ihrer Familie in Polen. (Schiink 2001, S. 154. Zuckererbsen) Bei manchen Nomina können als Attribute auch Ergänzungssätze auftreten (vgl. Sommerfeldt/ Schreiber 1977, S. 23f., 148): (14) Zwn ersten M al hatte ich den Eindruck, dass er mich nicht n u r ansah, sondern mich wirklich sah. (Mrozek 1995, S. 134, Eine Null) Die deutsche Nominalphrase hat also folgende Linearstruktur: Artikel Attribute Nomen Attribute In dieser Abfolge nimmt der Artikel die Position am linken Rand ein. Einige wenige Elemente können noch vor den Artikel treten: Konnektoren und Fokuspartikeln wie auch, nur, selbst, sogar u.a. und der Totalisator all-\n (15) Früher noch galt das Verbot des Fleischessens für jeden Freitag. Und es war sogar eine Todsünde für denjenigen, der trotzdem Fleisch gegessen hat. Heutzutage isst auch! selbst! sogar der Papst am Freitag Fleisch. http: / / www.kreuz.net/ article.4629.html (Stand: 10.02.2007) 2 Bei Komiektoren und Fokuspartikeln ist umstritten, ob sie auch zur Nominalplirase gehören oder nicht. <?page no="48"?> 48 Artikelgebrauch im Deutschen (16) Mahc , PrasIin und La Digue sind die drei größten Inseln der Seychellen, aber daneben gibt es eine Vielzahl kleinerer Inseln, je d e fü r sich eine Perle im weiten Ozean. A l l d i e s e I n s e l n bieten Übernachtungsmöglichkeiten gehobenen Standards. h t tp : / / a ir s e y c h e lle s . d e / g u id e / s m a ll.h tm l ( S t a n d : 2 9 . 0 3 . 2 0 0 7 ) Der Artikel kann aber auch allein, ohne Nomen, auftreten. In solchen Fällen bezeichnet die traditionelle Grammatik ihn als Pronomen (vgl. Jung 1990, S. 332ff.; Helbig/ Buscha 161994, S. 255f.; Genzmer 1995, S. 213f.; Duden 1997, S. 2 IOff.; Duden 1998, S. 338ff.). Vater (2000, S. 196) hat mit Recht darauf hingewiesen, dass Artikel und Pronomen die gleiche Wortart sind („Pronominantien“). Das Pronomen ist eine strukturell vollständige Nominalphrase, in der das Nomen (der Satellit) weggelassen wurde, z.B.: (17) A: Wo ist der Hund? B : D e r ( IIund ) schläft a u f dem Sofa, Hs gibt allerdings einige wenige Pronomina, die nur ohne ergänzendes Nomen (intransitiv) gebraucht werden können: er, sie, es,jemand, wer u.a. (vgl. Vater 2000, S. 193f; 2001b, S .383) Artikel und Pronomina weisen im Prinzip die gleiche Deklination auf. Im Genitiv aller Genera im Singular und im Plural sowie im Dativ Plural sind beim Definitum die pronominalen Deklinationsformen allerdings länger als die Artikelformen (vgl. 2000, S. 193ff.): ( 1 8 ) D e r e n kann ich mich leider nicht erinnern. ( 1 9 ) D e n e n zeig ich 's noch! In manchen Grammatiken wird untersucht, welche Determinative in welcher Reihenfolge miteinander kombiniert werden können (vgl. Helbig/ Buscha 161994, S. 355f.; Duden 1998, S. 310; Götze/ Hess-Lüttich 2002, S. 246f.; Duden 2005, S. 257f.): ( 2 0 ) Was bedeuten a ll d i e I c o n s in der oberen Ecke eines Beitrags, unter dem Datum und der Zeit ? h ttp : / / w w w .n fh d a ta .d e / p r e m iu m / n e w s b o a r d 2 / d c b o a rd .p h p ( S t a n d : 1 1 . 0 2 . 2 0 0 7 ) (2 1) E in j e d e s P r o b l e m durchläuft bis zu seiner Anerkennung drei Stufen: in der ersten wird es lächerlich gemacht, in der zweiten bekämpft, in der dritten gilt es als selbstverständlich. (Arthur Schopenhauer, z i t . n . w w w .p ro m e d ia s h o p .c o m ( S t a n d : 1 1 . 0 2 . 2 0 0 7 ) ) <?page no="49"?> Was sin d A rtikel'' 49 (22) Wieso ist m anch ein A utofahrer so dumm um! meint es mit einer Straßenbahn aufnehmen zu können? http: / / de.answers.yahoo.com/ question/ (Stand: 11.02.2007) Demgegenüber ist Vater der Meinung, dass Determinative nicht miteinander kombiniert werden können, sondern in jeder Nominalphrase nur ein Determinativ Vorkommen kann. Aus dieser Annahme leitet er ab, dass Elemente wie die Kardinalia einschließlich ein sowie all-,jed-, manchusw. nicht zu den Determinativen gehören können. Diese Elemente nennt er Quantoren, d.h. „sprachliche Ausdrücke, die eine Quantität bezeichnen [...]“ (Vater 1984, S. 26; vgl. auch 1996, S. 194ff.; 2005, S. 106, I IOff.). Ich werde stattdessen von Quantifikatoren sprechen. Quantifikatoren können mit anderen Quantifikatoren kombiniert werden: (23) Einige wenige Fotos von M erylStreep kann man unter http: iiwww.stars.pl finden. (24a) A u f Grund der hohen Gesehwindigkeit ist diesjedoch nur für einige zehn, max. zwanzig Meter möglich. http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Sanfermines (Stand: 12.03.2007) (24b) Durch den Beschuss mit diesen Teilchen erodieren die Satuniringe geradezu, sie verdampfen fast. Einige zehn Millionen Jahre sind für uns Menschen viel fü r einen viereinhalb Milliarden Jahre alten Planeten wie den Saturn ist das eine sehr kurze Zeitspanne. http: / / www.swr.de/ -/ id=1637990/ (Stand: 21.03.2007) (25) Ich nehme immer etwas viel Zucker. Meine Freundin sagt, sie kommt mit der Hälfte aus. (26) Bei einer Tasse kommt ein bisschen wenig Kaffee heraus. Eine kleine Tasse ist gerade so gefüllt. http: / / www.kaufado.de/ p2877-severin-ka-5911-kaffeeautomat-cafe-2-anthrazit.html (Stand: 27.02.2007) In (23) besteht die Quantifikatoren-Folge einige wenige aus dem Haupt-Quantifikator einige und dem nachgestellten Ncben-Quantifikator wenige. Einige bezeichnet eine kleine Anzahl: mehr als zwei, aber nicht viele. Durch die Hinzufügung des Ncben-Quantifikators wird diese Anzahl zusätzlich eingegrenzt auf wenige. Kompositionen ergibt sich als Bedeutung: ‘nicht viel mehr als zwei’. In (24a) dagegen tritt einige als vorangestellter Neben-Quantifikator zum IIaupt-Quantifikator zehn auf. Einige bedeutet hier so viel wie ‘unge- <?page no="50"?> 50 A rtikelg eh n m ch im Deutschen fahr’, einige zehn also ‘ungefähr zehn’. In (24b) bedeutet einige ‘mehrere Gruppen von', einige zehn also ‘mehrere Gruppen von zehn'. In (25) und in (26) leisten viel und wenig als IIaupt-Quantifikatoren die entscheidende Quantifikation. Die Neben-Quantifikatoren etwas und ein bisschen haben modifizierende Funktion. Etwas viel in (25) bedeutet ‘ein bisschen zu viel'; ein bisschen wenig in (26) bedeutet ‘fast zu wenig’. Anders als die Quantifikatoren sindjed- und manch- (sowie solch-) nicht mit Dctcrminativen kombinierbar: (27) Martha ist seit einem Monat im Kinderheim. Die Heimleiterin hat Meerschweinchen angeschafft. D a s K i n d spielt gern mit Tieren. Wenn man die Nominalphrase das Kind in (27) rechts vom Determinativ um jed-, manch- oder solcherweitert, wird sie ungrammatisch: (28) ifD a s j e d e K i n d spielt gern mit Tieren. (29) 'D a s m a n c h e K i n d spielt gern mit Tieren. (30) * D a s s o l c h e K i n d spielt gern mit Tieren. Dasselbe gilt, wenn man links vom Determinativ je d -, manch- oder solchhinzufügt: (31) ifJe d das Kind spielt gern mit Tieren. (32 ) *M anch das Kind spielt gern mit Tieren. (33 ) t SoIch das K ind spielt gern mit Tieren. Wenn man dagegen in diesen Nominalphrasen das Determinativ das durch jed-, manchbzw. solchersetzt, werden die Nominalphrasen wiederum grammatisch korrekt: (34) Martha ist seit einem Monat im Kinderheim. Die Heimleiterin hat Meerschweinchen angeschafft. J e d e s K i n d spielt gern mit Tieren. (35) M anches Kind spielt gern mit Tieren. (36) Solche Kinder spielen gern mit Tieren. Diese Distribution spricht dafür, jed- und manchnicht wie Vater als Quantifikatoren, sondern als Determinative einzustufen. Auch solchverhält sich wie ein Determinativ (vgl. Ballweg 2003, S. 104ff.). Wie andere Determinative (vgl. Vater 1982, S. 71) sind jed-, manch- und solchmit dem Quantifikator einkombinierbar: <?page no="51"?> Was sin d Artikel? 51 ( 3 7 ) E i n j e d e s K i n d spielt gern mit Tieren. ( 3 8 ) M a n c h e in K i n d spielt gern mit Tieren. (39a) S o l c h e in K i n d spielt gern mit Tieren. (39b) E in s o l c h e s K i n d spielt gern mit Tieren. 2.1.2 Semantischer Status ln traditionellen Darstellungen wurde der Artikel teilweise fur bedeutungslos gehalten. Ihm wurde die hauptsächliche Funktion zugesprochen, das Genus des Nomens anzuzeigen (vgl. Ilcyse 1908, S. 256; Eichler/ Bünting 1989, S. 60f.; Jung 1990, S. 253; Sommerfeldt/ Starke 1992, S. 113; Duden 1997, S. 192; Götze/ 1less-Lüttich 2002, S. 250f.). Der Eindruck von der Bedeutungslosigkeit des Artikels kann auch aus der Perspektive eines Fremdsprachlers entstehen, dessen Muttersprache nicht über Artikel verfugt, wie z.B. das Polnische. In manchen linguistischen Darstellungen wird zwischen lexikalischer und grammatischer Bedeutung unterschieden. Lexikalische Bedeutung wird demnach hauptsächlich den großen Wortklassen Nomen, Adjektiv und Verb zugesprochen. Der Artikel als grammatische Wortart hat dagegen grammatische Bedeutung (vgl. Engel et al. 2000, S. 805; Eisenberg 2004, S. 144). Ilelbig/ Buscha (161994, S. 363 ) geben Bedeutungsbeschreibungen der meisten Artikel W ö rter, nehmen allerdings den definiten Artikel, den indefiniten Artikel und den so genannten Nullartikel davon aus. Die grammatische Bedeutung des definiten und des indefiniten Artikels wird in vielen Grammatiken nicht klar angegeben. Das darf aber nicht so verstanden werden, als ob diese Artikel keine Bedeutung hätten. Obgleich die traditionelle Grammatik keine expliziten Bedeutungsbeschreibungen für die Artikel gibt, steckt schon in der Terminologie eine Vorstellung von ihrer Semantik. Die traditionelle Grammatik unterscheidet zwischen unbestimmtem (40) und bestimmtem (41) Artikel, was ja eine eindeutig semantische Unterscheidung ist (vgl. Bcckcr 1870, S. 273; Blatz 1895, S. 263; Heysc 1908, S. 256f.; Jung 1990, S. 253; Sommerfeldt/ Starke 1992, S. 113; Duden 1997, S. 192): (40) Er brachte e in e n A p f e l und e in e B ir n e , und (41) schenkte mir d e n A p f e l, aber nicht d i e B ir n e . (Becker L870, S. 273) Allerdings sind die Bezeichnungen bestimmt und unbestimmt erklärungsbedürftig. Das Beispiel von Beckerzeigt, dass der unbestimmte Artikel einen im Kontext nicht bekannten Gegenstand anzeigt und der bestimmte Artikel einen <?page no="52"?> 52 A rtikelgebrauch im D eutschen Gegenstand, der dem Adressaten durch Vorerwähntheit schon bekannt ist. Um bestimmte Gegenstände im Sinne von spezifischen Individuen handelt es sich dagegen in beiden Fällen. Was die Termini unbestimmt und bestimmt bedeuten, ist von der traditionellen Grammatik nicht genau genug herausgearbeitet worden. Um den Gegensatz deutlicher zu machen, verweist die traditionelle Grammatik oft auf die Herkunft der beiden Aitikelfoimen: Der bestimmte Artikel der, die. das [...] ist aus dem abgeschwächten Demonstrativpronomen I...]. der unbestimmte Artikel ein. eine, ein \...] aus dem Indefinitpronomen entstanden [...]. (Jung 1990. S. 253) Der bestimmte Artikel hat sich [...] aus dem Demonstrativpronomen, der unbestimmte Artikel aus dem Zahladjektiv ein entwickelt. (Sommerfeldt Starke 1992. S. 112) Häufig wird dabei auf prosodische Eigenschaften verwiesen: Der bestimmte Artikel der, die. das ist das an BedeuUing und Betonung abgeschwächte Pronomen Demonstrativum. [...] Der unbestimmte Artikel ein. eine, ein [...] [ist] das an Bedeutung und Betonung abgeschwächte Numerate [...]. (Blatz 1896, S. 161) Letztlich wird damit die Semantik der Artikel aber nur ansatzweise aufgehellt. Man erkennt das auch bei der etymologischen Erklärung des unbestimmten Artikels, der einerseits aus dem Indefinitpronomen (vgl. Jung 1990, S. 253), andererseits aus dem Zahladjektiv (Numérale) ein hergeleitet wird (vgl. Sommerfeldt/ Starke 1992, S. 112). In logisch-philosophischen Ansätzen ist zuerst versucht worden, diese unklaren Bedeutungsbeschreibungen zu präzisieren bzw. zu korrigieren (vgl. Frege 1892, S. 40ff.; Russell 1905, S. 35ff.; Russell 1919a, S. 67ff.). Frege (1879, S. Vff.) hat eine formale symbolische Sprache, die so genannte Prädikatenlogik, entwickelt, mit deren Hilfe man „durch mechanische Manipulation der logischen Zeichen [...] eine eindeutige transparente Relation zwischen Form und Bedeutung eines [sprachlichen] Ausdrucks“ (Heusinger 1997, S. 25) beschreiben kann. Dementsprechend werden den Artikeln formale Bedeutungsbeschreibungen zugeordnet. Die traditionellen Begriffe bestimmt vs. unbestimmt warden durch die logischphilosophischen Begriffe definite Kennzeichnung vs. indefinite Kennzeichnung''' (definite vs. indefinite description) ersetzt, die sich seit Russell (1919a, S. 67) in Logikund Sprachphilosophie eingebürgert haben: 13 R iis s e lls T e r m in i definite b zw . indefinite description w e r d e n v o n m a n c h e n A iilo ie n a u c h d u r c h definite b z w . indefinite Beschreibung ü b e r s e t z t ( v g l. K iim ie 1 9 7 1 , S. 3 5 ; B r a u n m iU le r 19 7 7 , S. 5 7 ; O o m e n 1 9 7 7 , S. 3 6 ff.; H e r b e n n a n n 1 9 8 8 , S. 3 5 ; B i s l e - M ü ll e r 1 9 9 1 , S . 2 9 ). <?page no="53"?> Was sin d Artikel"? 53 A ‘description’ may be of two sorts, definite or indefinite (or ambiguous). An indefinite description is a phrase of the form ‘a so-and-so’, and a definite description is a phrase of the form ‘the so-and-so’ (in the singular). Eine definite Kennzeichnung ist ein sprachlicher Ausdruck, dessen Referenz mit Hilfe des bestimmten Artikels genau auf ein Objekt ausgerichtet wird und der diesem Objekt mittels eines Prädikatsausdrucks eine Beschreibung zuordnet. Solche definiten Kennzeichnungen werden in prädikatenlogischen Formeln durch den so genannten Jota-Operator wiedergegeben, der als formale Entsprechung des bestimmten Artikels gilt (vgl. Bußmann 2002, S. 341 ; auch Heusinger 1997, S. 42). Russell (1919b, S. 176, zitiert nach Heusinger 1997, S. 42) unterscheidet definite von indefiniten Kennzeichnungen durch die so genannte Einzigkeitsbedingung'. The only tiling that distinguishes ‘the so-and-so’ from ‘a so-and-so’ is the implication of uniqueness. Sie besagt, dass cs im relevanten Kontext nur genau ein Objekt geben darf, das unter die Beschreibung der Kennzeichnung fällt (vgl. auch Heusinger 2000, S. 18ff.). Diese Einzigkeit (‘uniqueness’) wird durch den bestimmten Artikel, falls er korrekt gebraucht wird, impliziert (vgl. Bisle-Müller 1991, S. 29ff.). Russell entwickelte keine explizite Theorie der indefiniten Kennzeichnung. Für eine indefinite Kennzeichnung in prädikatenlogischen Formeln wurde später von Reichenbach (1947, S. 265ff.) der so genannte Eta- Operator eingeführt, der als formale Entsprechung des unbestimmten Artikels gilt (vgl. Heusinger 1997, S. 42). Zusammenfassend: In der formalen Semantik werden beide Artikel als Existenz-Quantoren formalisiert, von denen aber nur der definite der Einzigkeitsbedingung unterliegt (vgl. Heusinger 2000, S. 7). Der Unterschied zwischen der, die, das und ein, eine, ein liegt also nach einer in der formalen Semantik verbreiteten Ansicht in der Einzigkeit (‘uniqueness’), und nicht in der Unterscheidung zwischen dem Bestimmten und dem Unbestimmten, wie die traditionelle Auffassung der Artikel angenommen hatte. Das ist besonders deshalb überraschend, weil der unbestimmte Artikel ein in seiner Form unmittelbar auf Einzigkeit veiweist, der bestimmte Artikel dagegen nicht. Sprachlich gesehen scheinen die Verhältnisse also genau umgekehrt zu den Annahmen der formalen Semantik zu liegen. Deshalb ist gegen die Einzigkeitsbedingung von linguistischer Seite Einspruch erhoben worden (vgl. Bisle-Müller 1991, S. 31ff.). <?page no="54"?> 54 Artikelgebrauch im Deutschen Während Frege (1892, S. 40ff.) und Russell (1905, S. 35ff.; 1919a, S. 67ff.) mit ihren formalen Kalkülen die Präzisierung der natürlichen Sprache zum Ziel hatten, versuchte Strawson (1950, S. 135ff.), die Schwächen der logischen Formelsprachen bei der Beschreibung natürlicher Sprache aufzuzeigen und zu eliminieren. Er geht über die logisch-formale Semantik hinaus, die sich nur mit logischen Foimeln zu kontextfreien Sätzen befasst und ergänzt die Theorie der Kennzeichnungen mit Beobachtungen zur natürlichen Sprache, indem er stark den jeweiligen Kontext in die Analyse der Kennzeichnungen einbezieht. Dabei stellt er fest, dass die Referenzrelation zwischen einem sprachlichen Ausdruck und einem Objekt keine zweistellige statische Verbindung ist, sondern eine dynamische I landlung, die auf einer vierstelligen Relation zwischen Situation, Objekt, sprachlichem Ausdruck und Sprachbenutzer (Sprecher und/ oder Hörer) beruht (vgl. Heusinger 1997, S. 45ff.). Definite Kennzeichnungen haben nach Strawson (1950, S. 135ff.) die Funktion, dass jemand, der sie verwendet (ein Sprecher), mit ihrer Hilfe auf ein Objekt Bezug nehmen (referieren) kann. Diese Bezugnahme glückt dann, wenn der Hörer weiß, dass die Verwendung eines sprachlichen Ausdrucks mit dem definiten Artikel nur auf das vom Sprecher intendierte Objekt zutreffen kann (vgl. Braunmüller 1977, S. 65). In neueren linguistischen Darstellungen zum Artikel werden den logischen Begriffen definite und indefinite Kennzeichnung die grammatischen Begriffe definite und indefinite Nominalphrase gegenübergestellt (vgl. Hawkins 1978, S. 86ff; Vater 1984, S. 34ff; Chur 1993, S. Vff.; Blühdom 2001, S. 2; Consten 2004, S. 51ff.). Eine definite Nominalphrase ist ein sprachliches Mittel, mit dem angezeigt werden kann, dass dem Hörer die Identifikation des vom Sprecher intendierten Objekts möglich sein sollte. Die Diskussion über die Bedeutung des Artikels hat sich im Laufe der Zeit von der Semantik im engeren Sinne immer mehr hin zur Pragmatik entwickelt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versuchte man, die Bedeutung des Artikels ausschließlich als logisch-semantischen Operator zu formalisieren. Seit Strawson (1950) betrachtet man den Artikel mehr und mehr als ein Mittel, mit dem bestimmte sprachliche Handlungen ausgeführt werden können. 2.1.3 PragmatischcrStatus Die formale Semantik betrachtet Sprache als ein Werkzeug, mit dem die außersprachliche Welt in Form von Zeichenketten abgebildet werden kann. Die Zeichen und Zeichenkombinationen werden dabei als sprachliche Objekte gc- <?page no="55"?> IJbs sin d Artikel"? 55 dacht, die auf außersprachliche Objekte referieren. Die Bezugnahme (Referenz) auf Gegenstände der Welt (die so genannten Referenten) wird aber nicht von Zeichen allein geleistet. Seit Strawson wird immer nachdrücklicher darauf hingewiesen, dass Referenz eine Handlung ist, für die Sprecher sprachliche Ausdrücke benutzen: ‘Mentioning’, or ‘referring’, is not something an expression does; it is something that someone can use an expression to do. Mentioning, or referring to, something is a characteristic of a use of an expression, just as ‘being about’ something [...]. (Strawson 1950. S. 142) Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts hatte schon Karl Bühler (1934) im Zusammenhang mit seinem Kommunikationsmodell und der Deixistheorie eine pragmatische Analyse der Referenz vorgelegt. In den sechziger und siebziger Jahren hatte Leonard Linsky großen Einfluss, der Referenz als kommunikative Handlung betrachtet und besonderen Weil darauf legt, dass es die Sprachbenutzer sind, die Referenz vollziehen (vgl. auch Bisle-MtUler 1991, S. 25): Of first importance here is the consideration that it is the users oflanguage who refer and make references and not. except in a derivative sense, the expressions w hich they use in so doing. (Linsky 1967, S. 116) Die Referenz wird als kooperative Handlung von Sprachbenutzern (Sprechern und IIörcrn) verstanden, die zur Verständigung über real oder fiktional in der Welt existierende Gegenstände ausgeführt wird. Der Sprecher hat das Ziel, dem Hörer klar zu machen, von welchem Gegenstand er gerade spricht bzw. über welchen Gegenstand er etwas mitteilen will. Er bemüht sich, beim Hörer mit Hilfe der Beschreibung, die er ihm liefert, eine Identifizierung des gemeinten Redegegenstandes zu erreichen. Der Sprecher muss sich in jedem Fall so ausdrücken, dass die Verständnisgrundlage gesichert ist, d.h. dass die von ihm verwendete Beschreibung dem Hörer die Identifikation des Redegegenstandes ermöglicht. Die Wahl der Beschreibungsmittel durch den Sprecher ist abhängig vom gemeinsamen Wissen der Kommunikationspartner. Wenn der Sprecher glaubt, dass der Hörer schon weiß, welcher Gegenstand in der gegebenen raum-zeitlich begrenzten kommunikativen Situation gemeint ist, und dass der Hörer diesen Gegenstand erkennen kann, dann kennzeichnet er seine Gegenstandsbeschreibung mit dem definiten Artikel als kommunikativem Signal für bereits Bekanntes. Wenn er dagegen glaubt, dass der Hörer noch nicht weiß, von welchem Gegenstand in der gegebenen raum-zeitlich begrenzten kommunikativen Situation die Rede ist, dann kennzeichnet er seine Gegenstandsbeschreibung mit dem indefiniten Artikel als kommunikati- <?page no="56"?> 56 Artikelgebrauch im Deutschen vem Signal für Nicht-Bekanntes (Neues). Der Sprecher gibt also mit dem definiten oder indefiniten Artikel dem Hörer einen Hinweis, ob er den von ihm gemeinten Referenzgegenstand als bereits Bekanntes oder Nicht-Bekanntes (Neues) interpretieren soll. Der 1lörer erwartet vom Sprecher, dass dieser sich nur auf Gegenstände bezieht, die real oder fiktional in der Welt existieren und die er anhand der Beschreibung identifizieren kann. Identifizieren stützt sich also auf die Möglichkeit des Hörers, die Identität des Referenten, von dem in der gegebenen raum-zeitlich begrenzten kommunikativen Situation gehandelt wird, zu erkennen. Bin Referenzakt kann glücken oder missglücken. Der Referenzakt gilt als geglückt, wenn es dem Sprecher gelingt, die Identifikation des von ihm gemeinten Gegenstandes durch den Hörer zu erreichen. Der Sprecher gibt dem 1lörer eine Beschreibung des Referenzgegenstandes, die detailliert genug ist, damit der Hörer ohne Schwierigkeiten diesen Gegenstand finden bzw. sich vorstellen kann. Wenn der Sprecher beispielsweise zum Hörer sagt: (42) Gib mir mal die Schere! , dann vollzieht er zwei sprachliche Ilandlungen: 1) Er beschreibt den gesuchten Gegenstand, d.h. er teilt dem Hörer mit, nach welcher Art von Gegenstand er suchen soll. Das geschieht mit Hilfe des Nomens Schere. 2) Er gibt dem Hörer eine Anweisung, wo er den gemeinten Gegenstand suchen soll. Das geschieht mit Hilfe des Determinativs die. Mit dem definiten Artikel die signalisiert der Sprecher dem Hörer, dass er den Referenten ohne Schwierigkeiten erkennen und identifizieren kann. Wenn der Sprecher dagegen in seiner Aussage als Determinativ das Demonstrativum diese verwendet: (43) Gib mir mal diese Schere! , dann signalisiert er dem Hörer, dass er zwar den Referenten finden und identifizieren kann, aber nur mit Schwierigkeiten. Diesen Schwierigkeiten begegnet der Sprecher dadurch, dass er mit dem Demonstrativum diese eine lokalisierende Information hinzufügt, die so viel bedeutet wie ‘in meiner Nähe’. Durch die Lokalisierung erleichtert der Sprecher dem Hörer das Finden und Identifizieren des gemeinten Referenten (vgl. Bisle- Müllcr 1991, S. 69ff, 79ff.). <?page no="57"?> IJbs sin d Artikel? 57 Der Sprecher kann auch daraufverzichten, dem Hörer zu signalisieren, wo er den gemeinten Gegenstand suchen soll bzw. finden kann. In diesem Fall verwendet er eine Nominalphrase ohne Determinativ: (44) Gib mir mal eine Schere! Durch das Fehlen eines Determinativs signalisiert der Sprecher dem Hörer, dass er sich einen zu dem Nomen Schere passenden Gegenstand selbst suchen soll. Der Referenzakt gilt als missglückt, wenn es dem Sprecher nicht gelingt, die Identifikation des gemeinten Gegenstandes durch den Hörer zu erreichen. Zwei Situationen sind möglich: 1) Wenn der Sprecher auf die Aufforderung: Gib mir mal dieleine Schere! vom Hörer einen Hefter bekommt, so ist anzunehmen, dass der Hörer die Beschreibung des Referenten durch das Nomen Schere nicht verstanden hat. 2) Wenn der Hörer auf die Aufforderung: Gib mir mal die Schere! antwortet: Welche Schere? , so ist anzunehmen, dass er zwar die Beschreibung des Referenten verstanden hat, dass er aber in der gegebenen raum-zeitlichen Situation keinen Referenten identifizieren konnte, auf den die Beschreibung passt. In beiden Fällen bleibt der Referenzakt erfolglos. Zusammenfassend: Die Referenz setzt die Kooperation von Sprecher und Hörer voraus. Um die Identifikation von Referenten zu sichern, werden die verwendeten Beschreibungen mit geeigneten Determinativen kombiniert. Die Beschreibung sagt dem Hörer, nach welcher Art von Gegenstand er suchen soll; das Determinativ sagt ihm, wo er danach suchen soll. Entscheidend für das Glücken der Referenz ist das gemeinsame Wissen der Kommunikationspartner. Der Sprecher muss wissen, dass der Hörer weiß, was man unter Gegenständen von der betreffenden Art versteht und in welchem Raum-Zeit- System gesucht werden soll. Der Hörer muss wissen, was für eine Art von Gegenstand gemeint ist und in welchem Raum-Zeit-System er suchen soll. Ferner muss er wissen, dass der Sprecher zu wissen glaubt, dass er das weiß. Die erfolgreiche Referenzkoordination ist für Lcrncr des Deutschen als Fremdsprache eine dritte Schwierigkeit, die denArtikel betrifft. Diese Schwierigkeit ist spezifisch für Sprecher artikelloser Muttersprachen, in denen die <?page no="58"?> 58 Arlikelgebnnich im Deutsehen Referenzkoordination nicht durch Determinative, sondern durch andere sprachliche Mittel vollzogen wird, wie z.B. durch Kasusmarkierungen, Aspekt, Serialisierung usw. 2.1.4 Zusammenfassung ln diesem Unterkapitel habe ich einen ersten Überblick über Morphosyntax, Semantik und Pragmatik der deutschen Artikelwörter gegeben. Dabei bin ich insbesondere auf Lemschwierigkeiten eingegangen, die den Artikel betreffen und im Bereich Deutsch als Fremdsprache (DaF) eine wichtige Rolle spielen: 1) die Genus-Schwierigkeit 2) die Kasus-Schwierigkeit 3) die Schwierigkeit mit der Referenzkoordination Die Genus-Schwierigkeit besteht darin, dass Lemer häufig das richtige Genus der Nomina nicht wissen. Die Kasus-Schwierigkeit kommt dadurch zustande, dass Lcrncr häufig die Rektion von Verben und Präpositionen nicht kennen. Diese beiden Schwierigkeiten betreffen alle Lerner des Deutschen als Fremdsprache. Die Schwierigkeit mit der Referenzkoordination besteht dagegen darin, dass Bedeutung und Gebrauchsweise der Artikelwörter von den Lemem nicht hinreichend verstanden werden. Diese Schwierigkeit betrifft vor allem Lemermit artikelloser Muttersprache. Vorläufig habe ich mich auf den Gebrauch der Artikelwörter für Zwecke der Referenz konzentriert. In den folgenden Unterkapiteln werden wir sehen, dass die Verwendung der deutschen Artikelwörter keineswegs auf referentielle Nominalphrasen beschränkt ist, sondern auch in nicht-referentiellen Nominalphrasen wichtige Funktionen erfüllt. 2.2 Inventar der Artikelwörter des Deutschen In der vorliegenden Arbeit untersuche ich drei Haupttypen von Nominalphrasen, auf die ich genauer eingehen will: 1) Nominalphrasen, die weder Determinative noch Quantifikatoren enthalten 2) Nominalphrasen, die Quantifikatoren, aber keine Determinative enthalten 3) Nominalphrasen, die Determinative enthalten <?page no="59"?> In ventai■ 1 1er Artikelw örter tles Deutschen 59 Nominalphrasen aller drei Typen kommen im Deutschen und im Polnischen vor. Nominalphrasen vom Typ 1 bestehen aus einem Nomen: (1) Seine Tächter hatte immer nach F i e b e r . ( Schlink 2001, S. 155, Zuckererbsen ) (2) Jego eorka nadal miala g o r q c z k ç . ( Sclilink 2003, S. 140, Groszek eukrowy) Sic können rechts und links vom Nomen durch Attribute erweitert werden: ( 3 ) Grieehenkmd ist empfehlenswert ! Es besitzt k o m f o r t a b l e H o t e l s d ir e k t a m M e e r . (4) Greeja jest godna polecenia! Posiada k o m f o r t o w e h o t e l e b e z p o s r e d n i o p r z y m o r z u Nominalphrasen vom Typ 1 haben also folgende Linearstruktur: ( A t t i i h u t ) Nomen (Attribut) Nominalphrasen vom Typ 2 enthalten neben dem Nomen auch Quantifikatoren: (5a) l b r dem Hotel steht e in A u t o . (5b) Przed hotelem stoi j e d e n s a m o c h o d . ( 6 a ) [...] sie werden in eine Trommel gegeben, die sieh mehrere Tage wie eine Waschmaschine dreht. Dazu kommt e t w a s S a n d . So schleifen sich die Bernsteine die Kanten ab und werden rundlich, ähnlich wie die Bernsteine, die vom Meer an den Strand gespült werden. h t t p : / / w w w .e d e ls te in e .d e / s h o p / in d e x .p h p ( S t a n d : 1 7 . 0 3 . 2 0 0 7 ) (6b) I ...] sq wkladane do bqbna, ktöry podobnieJak pralka Icrqci siqprzez w id e dni. Do tego dochodzi tr o e h q p i a s k u . Tak bursztyny oszlifowywujq swoje krawqdzie i stajq siq zaokrqglone, podobnie ja k bursztyny, ktöre sq wyrzucane przez morze na brzeg. (meine Übersetzung) (7a) Zu einem klassischen Brautkleidpassen v i e le B lu m e n , eigentlichjede Sorte. h ttp : / / w w w .h o c h z e its p la n u n g .d e / 2 -b lu m e n .h tm (Stand: 26.04.2007) (7b) Do klasycznej sukni slubnej pasuje w i e l e k w ia tö w , wlaseiwie kazdy gatunek. (meine Übersetzung) <?page no="60"?> 60 ArtikeIgehvauch im D eutschen In (5a) und (5b) haben wir es mit Nominalphrasen vom Typ 2 im Zähl-Singular, in (6a) und (6b) mit Nominalphrasen vom Typ 2 im Masse-Singular und in (7a) und (7b) mit Nominalphrasen vom Typ 2 im Plural zu tun (vgl. Eschenbach 1995, S. 146).14 Nominalphrasen vom Typ 2 können rechts und links vom Nomen durch Attribute erweitert werden: (8a) Vor dem Hotel stehen v i e l e s p o r t li c h e A u t o s v e r s c h i e d e n e r M a r k e n . (8b) Przed holdem stoi d a t o s p o r t o w y c h s a m o c h o d ö w r ö i n y c h m a r e k . (9a) Kolumbus brachte viele Kostbarkeiten und Kuriositäten aus der Neuen Welt mit, darunter auch e t w a s k a lif o r n i s c h e s G o ld v o n h o h e r Q u a litä t. (9b) Kolumb przywiözl : e sobq Miele ko sztow no sci i osobliwosci z Nowego Swiata, miqdzy innymi röw niez t r o c h ç k a li f o r n ij s k i e g o z l o t a o w y s o k i e j j a k o s e i . (meine Übersetzung) Sic haben also folgende Linearstruktur: Quantifikator (Attribut) Nomen (Attribut) Nominalphrasen vom Typ 2 kommen im Deutschen auch mit Kurzformen des Quantifikators bzw. des indefiniten Artikels ein vor: ( 1 0 ) Hol mir mal n e F l a s c h e B i e r! eine Flasche Bier D D Da hat so n T y p angerufen. so ein Typ ( 1 2 ) Agnes wohnt im H o c h h a u s . -» in einem Hoehhaus Nominalphrasen vom Typ 3 enthalten neben dem Nomen und gegebenenfalls einem Quantifikator ein Determinativ: (13a) D i e s e r M e n s c h muss ins Gefängnis, für immer! http: / / www.spiegel.de/ panorama/ justiz/ (Stand: 24.03.2007) ( 13b) T en e z l o w i e k musi isc do wiqzienia, na zawsze! (meine Übersetzung) (14a) Auch s e i n e F a m ili e hatte Verständnis dafür, dass er sieh zum Malen zurückzog und niemanden wissen ließ, wohin. (Schiink 2001, S. 156, Zuckererbsen ) (14b) TakzcjegO r o d z in a ze zrozumieniem odnosila siy do tego, ze eheae malowac, znikal z donut i nikt nie wiedzial, dokqd wyjezdzal. (Schiink 2003. S. 141, Groszek eukrowy) 14 E s c h e n b a c h ( e h d .) u n t e r s c h e id e t h e i d e n N o m in a lp h r a s e n d e s D e u t s c h e n z w i s c h e n d r e i N u m e ri: M a s s e - S in g u l a r , Z ä h l- S i n g u l a r u n d P lu r a l. <?page no="61"?> Inventar d er A rtikelw örter des Deutschen 61 (15a) Er hat am Heck eine interne Turbine, welche Luft durch einen Schacht nach außen befördert. Jene L u fi verhindert das Rotieren. h ttp : / / w w w .a irc ra ft-a rc h iv .d e / la n g / te m p la te s / b e ric h te / w is s e n / flie g e n (Stand: 17.06. 2007) (15b) Posiada na ogonie wewnçtrznq turbine, ktora transportée powietrze priez siyb na zewnqtrz. Owo powietrze zapobiega obracaniu siç. (meine Übersetzung) (16a) Wer kennt diese drei Ladies'! (16b) Kto zna te trzy p a n ie l ln (13a), (13b), (15a), (15b), (16a) und (16b) liegen als Determinative Demonstrativa vor. In (16a) und (16b) folgt ein Quantifikator. Das Determinativ in (14a) und (14b) ist ein Possessivum. Im Deutschen gehören die Possessiva zu den Determinativen. Sie sind aus vorangestellten pronominalen Genitiven entstanden, die mit dem definiten Artikel verschmolzen sind (vgl. Duden 2005, S. 283ff. ). Im Polnischen ist die Situation anders. Beim polnischen Possessivum handelt es sich um einen vorangestellten pronominalen Genitiv, der nicht mit einem definiten Artikel verschmolzen ist, da das Polnische keinen definiten Artikel besitzt. Der Unterschied ist an der Oberfläche nicht zu erkennen. Deshalb sieht es so aus, als ob die Posscssiva beider Sprachen strukturell äquivalent wären. Zu den Determinativen des Deutschen rechne ich in Anlehnung an Vater (1984, S. 25; 1986, S. 13ff.) folgende Elemente: 1) DefiniterArtikel: der, die, das 2) Demonstrativa: dieser, jener, derjenige, derselbe 3) Relativa: der, welcher 4) Possessiva: mein, dein, sein, ihr, unser usw. 5) Interrogativum: welcher 6) jeder, mancher und solcher15 II inzufügen kann man noch 7) die Personalpronomina: ich, du, wir, ihr s E n g e l e l a l. ( 2 0 0 0 , S. 843) u n d E n g e l (2004, S. 329) z ä h l e n a u c h lauter z u d e n D e t e r m in a ti v e n . Lauter isl u r s p r ü n g lic h e in A d je k tiv . E s k o m m t n u r in P lu r a lu n d M a s s e - N o m i n a l p h r a s e n v o r. G e g e n w a r t s s p r a c h lic h w i l d e s n i c h t d e k lin ie r t. D a d i e s e s E le m e n t n o c h z u w e n ig e rfo r s c h t is t, w e r d e i c h e s in d i e s e r Aerbeit a u ß e r B e tr a c h t la s s e n . <?page no="62"?> 62 Artikelgebrauch im Deutschen Auch sie können Nominalphrasen vom Typ 3 einleiten in Ausdrücken wie ich Esel, du Herzchen, wir Christen, ihr Polizisten usw. Dies gilt jedoch nicht für die Personalpronomina der dritten Person. Sie können nur intransitiv verwendet werden (vgl. Vater 2000, S. 193f.). Nominalphrasen mit Determinativ können ebenfalls rechts und links vom Nomen durch Attribute erweitert werden: (17a) Dieses schöne Hans mit Garten liegt südlich zwischen Wroclaw und Sohotka in einer schönen Umgebung. (17b) Tenpiçkny dom z ogrodem Iezy napoludniu miqdzy Wroclawicm a Sohotkq w piqknym otoczeniu. (18a) Sie zog sich aus und legte sich a u f ihre kleinere Seite des Betts. (18b) Rozchrala siq ipolozyla na swojej mniejszeipolowie lôÿka. Sie haben also folgende Linearstruktur: Determinativ (Quantifikator) (Attribut) Nomen (Attribut) Auch Determinative kommen im Deutschen als Kurzformen vor: (19) Hast du s Kind gesehen? > das Kind (20) Das Auto steht im Hof. — » in dem H o f Die Kurzformen finden besonders dann Verwendung, wenn die Referenz absolut unproblematisch ist, d.h. wenn der Sprecher glaubt, dass der Hörer den Referenten ohne Schwierigkeiten identifizieren kann (vgl. Ebeit 1971, S. 196ff; Haberland 1985, S. 104; Bisle-Müller 1991, S. 59ff.). Der wichtigste Unterschied zwischen dem Deutschen und dem Polnischen betrifft den Gebrauch von Nominalphrasen vom Typ 3. Sie kommen in beiden Sprachen vor, werden aber im Polnischen viel seltener als im Deutschen verwendet. Für die definite Referenz werden im Polnischen in vielen Fällen Nominalphrasen vom Typ 1 (ohne Determinativ) verwendet, was im Deutschen in der Regel nicht möglich ist: (21 ) Nakrylem wiçc glowq koldrq i przystqpüem do praey umyslowej. (Mrozek 1999, S. 391, Bd. 3, Europejczyk) (22) *Ich steckte also Kopf unter Decke und machte mich an geistige Arbeit. <?page no="63"?> Prädikative Verwendung von N ominalphrasen 63 Die Unterschiede betreffen ferner auch die Nominalphrasen vom Typ 2. Im Deutschen muss bei referentiellem Gebrauch von Zähl-Nomina im Singular in der Regel eine Nominalphrase vom Typ 2 verwendet werden. Im Polnischen sind stattdessen wiederum Nominalphrasen vom Typ 1 typisch: (23) Mein Nachbar hat e in A u t o und bezahlt für das Parkhaus monatlich 300 DM. http: / / www.murmurs.com/ forum/ archive/ index.php/ (Stand: 29.03.2007) (24) Moj sasiad rna samochod i placi miesiecznie za parking wielopoziomowy 300 DM. (meine Übersetzung) Schlussfolgerung: Nominalphrasen vom Typ 1 sind im Polnischen die dominante Klasse. Nominalphrasen vom Typ 2 und 3 sind demgegenüber Sonderfälle. Im Deutschen dagegen sind Nominalphrasen vom Typ 2 und 3 dominant. Nominalphrasen vom Typ 1 bilden einen Sonderfall. 2.3 Prädikative Verwendung von Nominalphrasen Hs ist generell zu unterscheiden zwischen referentieller und prädikativer Verwendung von Nominalphrasen. In beiden Verwendungsweisen kommen im DeutschenNominaIphrasen aller drei Typen vor. Zunächst wird im vorliegenden Unterkapitcl die prädikative Verwendung behandelt. 2.3.1 Nominalphrasen von Typ 1 und Typ 2 Prädikativ verwendete Nominalphrasen haben keinen eigenen Referenten. Oft sind sie aber direkt auf den Referenten einer anderen Nominalphrase im gleichen Satz bezogen. In Bezug auf diesen Referenten haben sie entweder klassifizierende oder qualifizierende (charakterisierende) Funktion (vgl. Schmidt 1977, S. 178). Klassifizierende Funktion bedeutet, dass der Referent in eine übergeordnete Kategorie eingeordnet wird: (1) Herr Müller ist Katholik. (2) Mein Ihtnd ist e in Dackel. Das Subjekt des Satzes referiert auf einen Menschen: Herrn Müller in (1), oder auf einen Nicht-Menschen: den Hund des Sprechers in (2). Nach dem <?page no="64"?> 64 Arlikclgebrauch im Deutschen Kopula-Verb (hier: sein) folgt eine prädikative Nominalphrase: Katholik in (1) bzw. ein Dackel in (2). Diese gibt die Kategorie an, in die der Referent des Subjekts eingeordnet wird. Qualifizierende bzw. charakterisierende Funktion bedeutet, dass einem Referenten eine Beschreibung zugeordnet wird: ( 3 ) Herr Meyer ist e in g u t e r S c h a u s p i e l e r . (4) Mein Auto ist e i n e a lt e K is te . Das Subjekt des Satzes referiert auf einen Menschen: Herrn Meyer in (3), oder auf einen Nicht-Menschen: das Auto des Sprechers in (4). Nach dem Kopula- Verb (hier: sein) folgt wiederum eine prädikative Nominalphrase: ein guter Schauspieler in (3) bzw. eine alte Kiste in (4). Diese gibt eine Beschreibung, die dem Referenten des Subjekts zugeordnet wird. Im Deutschen können alle drei Typen von Nominalphrasen prädikativ verwendet werden: (5) Mein Sohn ist T e rr o ris t. (Typ 1) ( 6 ) Herr Schmidt ist e in ü b e r z e u g e n d e r P o litik e r . ( T y p 2 ) ( 7 ) Ich bin d e r E h e m a n n d i e s e r F r a u . ( T y p 3 ) Prädikative Verwendung von Nominalphrasen ist ein Thema, das in den Grammatiken viel diskutiert worden ist und über das auch viele Spekulationen angestellt worden sind. Die Frage ist: Wie ist die Veiwendung des definiten und des indefiniten Artikels sowie artikelloser Nominalphrasen in prädikativer Funktion im Deutschen geregelt? Keine einzige Grammatik der deutschen Gegenwartssprache gibt darüber erschöpfende Auskunft. Erben (1968, S. 86) vermutet, dass der Unterschied zwischen der prädikativen Verwendung artikelloser und artikelhaltiger Nominalphrasen darin besteht, dass bei Artikellosigkeit kein unmittelbarer Situationsbezug hergestellt wird, während bei der Verwendung eines Artikels (des definiten oder des indefiniten) ein deutlicher Situationsbezug hergestellt wird. Anders gesagt: Wenn kein unmittelbarer Situationsbezug beabsichtigt ist, werden in prädikativer Funktion artikellose Nominalphrasen verwendet. 1st dagegen ein deutlicher Situationsbezug intendiert, so werden prädikative Nominalphrasen mit Artikel (definit oder indefinit) verwendet. Diese Erklärung ist empirisch unzutreffend, wie sich an folgenden Beispielen zeigen lässt: <?page no="65"?> Prädikative I'érwendung von Nominalphrasen 65 (S) A: Ach! Haben Sie aber einen netten Sohn! Der hat mir so viel geholfen, als ich krank war... B: Ja, mein Sohn ist K a th o lik . (9) Frédéric Chopin war e in b e d e u t e n d e r K o m p o n i s t . In einem Beispiel wie (8) wird erkennbar ein unmittelbarer Situationsbezug hergestellt. Dennochmuss die prädikative Nominalphrase artikellos sein. Dagegen ist die Aussage in (9) ganz unabhängig vom Situationsbezug. Dennoch muss hier der indefinite Artikel verwendet werden. Bei prädikativ verwendeten Nominalphrasen geht es gar nicht um den Situationsbezug, sondern die Funktion des Prädikativums liegt in der Klassifikation bzw. Charakterisierung (vgl. Schmidt 1977, S. 178). An anderer Stelle gibt Erben eine andere Regel für Prädikatsnomina mit dem indefiniten Artikel: Soll der (das) Besprochene als exemplarischer Vertreter einer bestimmten Gattung hingestellt werden, so erscheint das artbezeichnende Nennwort mit ein verbunden [...]. (Erben 1980. S. 142) Auch diese Regel ist empirisch unzutreffend. Mit einer Aussage wie: (10) Dieter ist e in s c h w e r e r A I k o h o lik e r . wird keineswegs impliziert, das der Besprochene ein exemplarischer Vertreter der Gattung ‘Alkoholiker’ sei, sondern er wird hinsichtlich seines eigenen Alkoholkonsums charakterisiert. Andererseits kann die Aussage: (11) Dieter ist durch und durch S o z ia li s t . sehr wohl so verstanden werden, dass der Besprochene als exemplarischer Vertreter der Gattung ‘Sozialist’ dargestellt wird. Pittner/ Berman (2006, S. 238f.) ziehen zur Unterscheidung zwischen prädikativen Nominalphrasen mit und ohne Artikel das Kriterium der so genannten Zeitstabilität heran. Sie meinen, „dass artikellose Prädikatsnomina Adjektiveigenschaften aufweisen [...], dass sie weniger ‘zeitstabilsind als Nomina mit Artikel“ (ebd., S. 238). Demnach drücken Prädikatsnomina ohne Artikel geringere Zeitstabilität der zugeordneten Eigenschaft aus, Prädikatsnomina mit Artikel dagegen höhere Zeitstabilität. Für Eigenschaften mit geringerer Zeitstabilität verwenden die Autorinnen den Terminus „temporäre Rolle des Subjektsreferenten“; bei höherer Zeitstabilität sprechen sie von „‘wirklichem Wesen’ des Subjektsreferenten“ (ebd., S. 239). <?page no="66"?> 66 Artikelgebrauch im Dciitsehcn Interessanterweise ist diese These Erbens Vorschlag von der Situationsbezogenheit (Erben 1968, S. 86) genau entgegengesetzt. Bei artikellosen prädikativen Noininalphrasen ist nach Erben kein unmittelbarer Situationsbezug gegeben, während nach Pittner/ Berman mit der geringeren Zeitstabilität, der „temporären Rolle“, hier Situationsbezug ins Spiel kommt. Umgekehrt sind nach Pittner/ Berman prädikative Nominalphrasen mit Artikel frei von Situationsbezug, während sic nach Erben gerade besonders deutlich auf die Situation Bezug nehmen. Die These von Pittner/ Berman ist empirisch ebenso unzutreffend wie die von Erben. Wer sagt: (12) Peter Nowak ist eigentlich Indianer wird sicherlich nicht ausdrücken wollen, dass Peter Nowak vorübergehend Indianer ist, sondern er kann sinnvollerweise nur meinen, dass er immer Indianer ist. Entsprechendes gilt für (13): (13) / / ,0 ist Wasser. Wer aber sagt: (14) Peter Nowak ist ein schneller Läufer bezieht sich nicht auf das zeitunabhängige „wirkliche Wesen“ des Subjektsreferenten, denn jeder weiß, dass man ein schneller Läufer nicht generell ist, sondern diese Eigenschaft durch Übung erwirbt und sic im Laufe der Zeit, etwa durch Alterung, auch wieder verliert. Einer der ersten neueren Grammatiker, die sich ausführlich mit prädikativen Nominalphrasen befasst haben, war llcnnig Brinkmann (1962, S. 56ff.). Er schreibt, dass mit prädikativen Nominalphrasen ohne Artikel einem Menschen eine soziale Rolle, eine Funktion zugeordnet wird. Der Mensch wird als „Funktionär“ betrachtet, d.h. als Träger einer bestimmten Lebensrolle (ebd„ S. 59). Demgegenüber haben Nominalphrasen mit dem indefiniten Artikel die Aufgabe, einen Menschen zu qualifizieren, zu beschreiben (ebd., S. 59f.; vgl. auch Schulz/ Griesbach 1972, S. 231 ). Solche Beschreibungen können durchAdjektivattribute zum Prädikatsnomen präzisiert werden. Brinkmann beschränkt sich in seiner Untersuchung auf Sätze mit menschlichem Subjekt. VieleAutoren (z.B. Grimm/ 1 leinrich 1976, S. 54) nehmen an, dass grundsätzlich ein Artikel verwendet werden muss, wenn das prädikative Nomen attribuiert ist. Schon Brinkmann (1962, S. 59) hatte gezeigt, dass diese Regel nicht zutrifft. Sein Beispielpaar war gewesen: <?page no="67"?> Prädikative IJzrwendung von Nominalphrascn 6 7 ( 1 5 ) Er ist o r d e n t li c h e r P r o f e s s o r . (16) Er ist e in o r d e n tli c h e r P r o f e s s o r . In (15) ist die prädikative Nominalphrase ordentlicher Professor eine Berufsbezeichnung. Das adjektivische Attribut ist Teil dieser Bezeichnung, die den Subjektsreferenten klassifiziert. Wenn ein Attribut zu einem klassifizierend verwendeten Kategoriennamen (z.B. zu einer Berufsbezeichnung) gehört, steht kein Artikel, sofern der Subjektsreferent ein Mensch ist. Bei der attribuierten prädikativen Nominalphrase in (16) muss dagegen der Artikel stehen, weil die prädikative Nominalphrase hier nicht klassifizierend, sondern qualifizierend (beschreibend) gebraucht ist. Auch Grimm (1987, S. 106f.) trifft die Unterscheidung zwischen klassifizierendem und beschreibendem Gebrauch prädikativer Nominalphrasen, aber er ist in der Anwendung dieser Unterscheidung nicht konsequent. Zum Beispiel ist die Nominalphrase ein Kind in: ( 1 7 ) Monika ist noch e in K in d . ( G r i m m 1 9 8 7 , S. 1 0 5 ) nicht klassifizierend, wie Grimm meint, sondern eindeutig beschreibend. Das wird vor allem durch das Adverb noch deutlich. Es zeigt an, dass der Subjektsreferentin für einen bestimmten Zeitraum eine Eigenschaft zugeschrieben wird. Der klassifizierende Gebrauch prädikativer Nominalphrasen besteht oft darin, dass einem Referenten eine Funktionsbezeichnung zugeordnet wird: (18) Mein Solm ist P r o f e s s o r . Als Funktionsbezeichnungen in diesem Sinne kommen u.a. Berufsbezeichnungen (Jurist, Lehrer, technischer Zeichner usw. ), Amtsbezeichnungen und Titel (Bürgermeister, Kanzler, Präsident, ordentlicher Professor usw.), Nationalitätsbezeichnungen (Deutscher, Italiener, Pole, französischer Schweizer usw.), Konfessionsbezeichnungen (Katholik, Moslem, orthodoxer Jude usw.), Weltanschauungsbezeichnungen (Rationalist, Freimaurer, Agnostiker, radikaler Sozialist usw.), Bezeichnungen für Angehörige von Interessen- oder Verhaltensgruppen (Hausbesitzer, Vermieter, absoluter Nichtraucher usw.), Bezeichnungen für institutionalisierte Verhältnisse zu Personen und Sachen ( Vater dieser Kinder, Jbrsitzender der Polnischen Gesellschaft für Touristik und Heimatkunde usw.) in Frage (vgl. Brinkmann 1962, S. 59). Engel ( 1991, S. 528 ) spricht in solchen Fällen auch von „allgemein eingeführten sozialen Klassen“. In der Duden-Grammatik (2005, S. 339) heißt es: <?page no="68"?> 68 Artikelgchraiicli im Deutschen Der indefinite Artikel wird beim prädikativen Nominativ oft weggelassen, wenn damit die Zugehörigkeit zu einer sozial etablierten und anerkannten Gmppe (Nationalität, Herkunft, Beruf, Funktion, Weltanschauung, Religion, gesellschaftlicher Status usw.) angegeben wird [...]. Es geht dabei allerdings nicht so sehr um die Eingeflihrtheit und Etabliertheit der sozialen Klasse oder Gruppe, als vielmehr um die Eingeflihrtheit und Etabliertheit der Gruppenbezeichnung. Darauf weisen auch Jung (1990, S. 258), Flämig (1991, S. 477) und Helbig/ Buscha ("’1994, S. 377) hin. In der letzten Auflage seiner Deutschen Grammatik schreibt auch Engel (2004, S. 316): Bemfsbezeichnungen sowie Bezeichnungen für anerkannte soziale Klassen haben den Nullartikel [...]. Ist aber die Oberklasse nicht allgemein eingeführt oder ist die Bezeichnung durch ein Attribut erweitert, so stellt meist der indefinite Artikel [...]. Das folgende Beispiel (Engel 1991, S. 529) macht den Unterschied deutlich: (19a) E r is t e in A u f s c h n e i d e r . ( 19b) IEr ist Aulselmeider. Die artikellose Verwendung von Aufschneider in ( 19b) ist unüblich, weil Aufschneider keine allgemein eingeführte Bezeichnung für eine soziale Gruppe ist. Wenn jemand das Nomen Aufschneider so verwendet, dann erzielt er einen unkonventionellen stilistischen Effekt. Er verwendet es, als ob es eine eingeführte Bezeichnung für eine soziale Gruppe wäre. Dagegen: (20a) Mein Sohn ist t e c h n i s c h e r Z e i c h n e r . (20b) ? Mein Sohn ist e in t e c h n i s c h e r Z e i c h n e r . (20c) Mein Sohn ist e in b r ill a n t e r Z e i c h n e r . Die Berufsbezeichnung lautet technischer Zeichner (vgl. Duden 2005, S. 339). Beschreibend wie in (20b) ist das Prädikatsnomen technischer Zeichner nicht gut interpretierbar. Brillanter Zeichner wie in (20c) kann demgegenüber ohne weiteres als Beschreibung, nicht aber als Funktionsbezeichnung interpretiert werden. Der klassifizierende Gebrauch einer prädikativen Nominalphrase besteht also darin, dass dem Subjektsreferenten eine Klassenbezeichnung zugeordnet und der Subjekts referent in die bezeichnete Klasse eingeordnet wird. Ist der Subjektsreferent ein Mensch und handelt es sich bei der Klassenbezeichnung um eine etablierte Bezeichnung für eine soziale Gruppe, so wird die prädikative Nominalphrase ohne Artikel verwendet. <?page no="69"?> Prädikative Venvendimg von Nominalphrasen 69 Die Unterscheidung zwischen klassifizierenden und beschreibenden Prädikatsnomina darf nicht so interpretiert werden, als ob die prädikativ verwendbaren Nomina in die Gruppe der Klassenbezeichnungen und die Gruppe der Beschreibungsbegriffe zerfielen. Es gibt Nomina, die üblicherweise als Beschreibungsbegriffe verwendet werden, z.B. Aufschneider, Macher, Querdenker, Frauenversteher u.a. Bei solchen Nomina ist prädikativer Gebrauch ohne Artikel in Sätzen mit Kopulaverben, wie sie hier untersucht werden, unüblich. Nomina, die als Bezeichnungen für soziale Gruppen eingeführt sind und eine klassifizierende prädikative Verwendung ohne Artikel erlauben, können in der Regel alternativ auch beschreibend verwendet werden. Um eine Interpretation als Beschreibungsbegriff zu erzwingen, werden sie typischerweise durch Attribute erweitert: ( 2 1a ) Er ist A g n o s ti k e r . ( 2 1 b ) Er ist e in ü b e r z e u g t e r A g n o s tik e r . ( 2 2 a ) ihr Mann ist B ü r g e r m e i s t e r . ( 2 2 b ) ihr Mann ist e in a u s g e z e i c h n e t e r B ü r g e r m e i s t e r . In den Beispielen (21a) und (22a) werden die Prädikatsnomina Agnostiker und Bürgermeister jeweils klassifizierend verwendet, in den Beispielen (21b) und (22b) dagegen beschreibend. Deutschlemer mit artikelloser Muttersprache müssen im Deutschen also lernen, welche Zähl-Nomina als Bezeichnungen für soziale Funktionen oder Gruppen konventionalisiert sind, weil bei diesen der prädikative Gebrauch ohne Artikel vorkommt. Diese Lemschwierigkeit kann man durch Regeln nicht erleichtern, weil die Konventionalisiemng solcher lexikalischen Inventare letztlich idiomatisch ist (vgl. Engel 2004, S. 316; Duden 2005, S. 339). Der klassifizierende Gebrauch prädikativer Nominalphrasen ohne Artikel kommt außer bei menschlichen Subjektsreferenten auch bei Orts- und Institutionsnamen vor. Hierzu einige Belege: (23) Warschau ist H a u p t s t a d t P o le n s . (24) Berlin ist neuerdings wieder H a u p t s t a d t . (25) Berlin ist H a u p t s t a d t d e r S c h w a r z a r b e it . (26) Italien ist Z e n tr u m d e s K a t h o li z i s m u s . ( 2 7 ) Forchheim ist Z e n tr u m d e s K a r t o f f e l a n b a u s . (28) Stuttgart ist d e u t s c h e r M e is t e r . <?page no="70"?> 70 Artikelgebrauch im Deutschen (29) Bosch ist Hersteller des Gesamt-Trafos. (30) Strategy > Considtants ist Kunde von PopNet In diesen Beispielen wird dem Subjektsreferenten eine Funktionsbezeichnung oder ein Titel zugeordnet. Diese Beispiele funktionieren analog zu Beispielen, in denen menschliche Subjektsreferenten klassifiziert werden. Alternativ ist bei solchen Subjektsreferenten auch der beschreibende Gebrauch prädikativer Nominalphrasen mit indefinitem Artikel möglich: (31) Warschau ist eine wunderschöne Stadt. (32) Italien ist ein gastfreundliches Land. (33) Stuttgart ist ein erfolgreicher Fußballverein. In den Grammatiken wird der klassifizierende Gebrauch prädikativer Nominalphrasen überwiegend für menschliche Subjektsreferenten behandelt. Neben menschlichen Referenten können aber auch beliebige nicht-menschliche Referenten klassifiziert werden: (34) Ein Pinguin ist ein Vogel. (35) Mein Auto ist ein Opel. Für die KlassifikationvonNicht-Menschcn werden prädikative Nominalphrasen in der Regel mit dem indefiniten Artikel verwendet: (36a) Ihr Fisch ist ein Goldfisch, mein Fisch ist ein Kampffisch. (36b) *Ihr Fisch ist Goldfisch, mein Fisch ist Kampffisch. (37a) Eine Katze ist ein Raubtier. (37b) 'fEiiic Katze ist Raubtier. Lediglich bei Masse-Nomina wie in (38), (39) und bei Plural-Nomina wie in (40) bleibt die prädikative Nominalphrase artikellos: ( 3 S) Dieses Buch ist Mist. (39) Diese Geschichte ist Unsinn. (40) Rosen sind Sonnenanbeter. Nicht-menschlichen Subjektsreferenten werden normalerweise keine Klassenbezeichnungen zugeordnet, die soziale Gruppen bezeichnen: (41) Mein Auto ist Pole. <?page no="71"?> Prädikative Venvendung von Nominalphrasen 71 Wo solche Formulierungen dennoch Vorkommen, handelt es sich um das Stilmittel der Personifizierung, also um eine metaphorische Sprechweise. Wird ein Nomen, das bei menschlichen Subjektsreferenten als Bezeichnung für eine soziale Gruppe zu deuten wäre, mit indefinitem Artikel einem nichtmenschlichen Subjektsreferenten zugeordnet, so wird es als Bezeichnung für eine Klasse von Nicht-Menschen oder als Beschreibungsbegriff gedeutet: (42) Mein Auto ist ein Pole. Hier würde man etwa verstehen: 'eine polnische Marke- oder ‘aus polnischer Produktion’. Auch eine solche Formulierung kann als Personifikation gedeutet werden. Bei nicht-menschlichen Subjektsreferenten, die sich für eine Personifizierung nicht eignen, sind solche Prädikatsnomina unpassend: (47 ) ? Meine Zahnpasta ist Polin. (44 ) ? Meine Zahnpasta ist eine Polin. Beide Beispiele sind wegen der fehlenden Eignung des Subjektsreferenten für die Personifikation schwer zu interpretieren. Bei prädikativen Nominalphrasen, die menschlichen Subjektsreferenten zugeordnet werden, unterscheidet die deutsche Grammatik, wie wir gesehen haben, deutlich zwischen Klassenbezeichnungen und Beschreibungsbegriffen. Klassenbezeichnungen werden ohne Artikel angeschlossen, Beschreibungsbegriffe werden mit dem indefiniten Artikel angeschlossen: (45) E r ist Physiker. (46) E r ist ein Aufschneider. Bei Klassenbezeichnungen sind attributive Adjektive oder andere Erweiterungen nur zulässig, wenn sic Bestandteil der Klassenbezeichnung sind: (47) E r ist theoretischer Physiker. Beschreibungsbegriffe können dagegen jederzeit durch Attribute erweitert werden: (48) E r ist ein unverbesserlicher Aufschneider. Personen können nicht nur durch Prädikatsnomina im Zähl-Singular, sondern auch durch Masse-Nomina wie in (49) oder durch Plural-Nomina wie in (50) beschrieben werden. In solchen Fällen wird kein Artikel verwendet. Trotzdem handelt es sich hier um beschreibende, nicht um klassifizierende Prädikativa: <?page no="72"?> 72 Artikelgebrauch im Deutschen ( 49 ) Der istfü r mich s o z i a l e r A b s c h a u m . (50) Meine Ehern sind n e tt e L e u te . Bei nicht-menschlichen Subjektsreferenten unterscheidet die deutsche Grammatik im Artikelgebrauch weniger deutlich zwischen klassifizierenden und beschreibenden Prädikatsnomina als bei menschlichen Subjektsreferenten. Semantisch wird die Unterscheidung aber auch hier gemacht: (51) Das Känguru ist e in B e u t e ltie r . (52) Au ist G o ld . (53) Kiefer und Tanne sind N a d e lb ä u m e . In solchen Sätzen werden mit den prädikativen Nominalphrasen Klassifikationen ausgedrückt. Beim beschreibenden Gebrauch werden Prädikatsnomina häufig durch Attribute erweitert: ( 54 ) Mein Hamster ist e in g u t m ü ti g e s Tier. (55) Gold ist e in s e lt e n e s M e ta ll. Bei nicht-menschlichen Subjektsreferenten kommt der klassifizierende Gebrauch prädikativer Nominalphrasen ohne Artikel mit bestimmten Prädikatsnomina wie Bestandteil, Teil, Folge, Haiiptgrumf Schwerpunkt, Sache, Ursache, Abschnitt, Wirkung, Ergebnis, Konsequenz u.a. vor: (56) Menthol ist B e s t a n d t e il d e r m e i s t e n Z a h n c r e m e s . (57) Auch der Kofferraum ist T e il d e s W a g e n s . (5S ) Die Auflösung des Wertesystems ist F o l g e d e s Ü b e r flu s s e s . (59) Gewalt an Schulen wird immer mehr zum Problem. H a u p t g r u n d ist die zunehmende Verunsicherung der Jugendlichen. (60) S c h w e r p u n k t d e r D i s k u s s io n waren Fragen der Sprachpflege. (Grimm 1987, S. 149) (61 ) Kompetente Rechtsberatung ist S a c h e d e r A n w a l t s c h a f t . ( 62 ) Der Mangel an Bewegung ist U r s a c h e z a h lr e i c h e r E r k r a n k u n g e n . ( 63 ) Die Heide ist A b s c h n i t t d e s R a d e b e r g e r L a n d e s . (64) Alles moralisch Gute in uns ist M ir k u n g d e s G e i s t e s G o tte s . (65) Das Scheitern des Gipfelgesprächs ist offensichtlich E r g e b n i s d e r S t r a t e g i e d e r U S A . ( 6 6 ) Rassismus ist K o n s e q u e n z d e s m o d e r n e n F e u d a lis m u s . <?page no="73"?> Prädikative Venvendimg von Nominalphrasen 73 Solche Nomina bezeichnen Relationsrollen, also Funktionen, die dem Subjektsreferenten in Bezug auf einen anderen Referenten, zu dem er in einer Relation steht, zugeschrieben werden, z.B. Grund-Folge, Zweck-Mittel, Teil- Ganzes, Ursache-Wirkung u.a. Der Relationspartner kann dabei als Genitiv- Attribut an das Prädikatsnomen angeschlossen werden (z.B. Folge des Überflusses). Dem Subjektsreferenten wird in solchen Sätzen keine soziale, sondern eine relationale Funktion zugeordnet. Dies wird im Deutschen ebenfalls durch prädikative Nominalphrasen ohne Artikel ausgedrückt. Die betreffenden Nomina können aber alle auch beschreibend verwendet werden. Für die Beschreibung werden prädikative Nominalphrasen mit indefinitem Artikel verwendet: (67) Menthol ist e in B e s t a n d t e il d e s P f e f f e r m in z ö l s . (68) Auch der Kofferraum ist e in T e il d e s W a g e n s . Beschreibende Prädikatsnomina werden häufig durch Adjektiv-Attribute erweitert: (69) Menthol ist e in w i c h ti g e r B e s t a n d t e il d e s P f e f f e r m in z ö l s . (70) Auch der KoJferruum ist e in u n e n t b e h r li c h e r T e il d e s W a g e n s . Zusammenfassung: Bei menschlichen Subjektsreferenten sowie bei Orts- und Institutionsnamen können prädikative Nominalphrasen im Zähl-Singular mit indefinitem Artikel oder ohne Artikel verwendet werden. Dabei erfüllen sie unterschiedliche Funktionen. Prädikatsnomina ohne Artikel klassifizieren, Prädikatsnomina mit indefinitem Artikel beschreiben. Bei nicht-menschlichen Subjektsreferenten zeigt die deutsche Grammatik diese Unterscheidung nicht explizit an. Bei ihnen werden Prädikatsnomina im Zähl-Singular sowohl beim klassifizierenden als auch beim beschreibenden Gebrauch mit indefinitem Artikel verwendet. Prädikatsnomina, die Relationsrollen bezeichnen, können sowohl bei menschlichen als auch bei nicht-menschlichen Subjektsreferenten artikellos verwendet werden. Der Ausdruck für den Relationspartner kann dann als Genitiv-Attribut an das Prädikatsnomen angeschlossen werden. Plural- und Masse-Nomina werden als Prädikatsnomina sowohl im klassifizierenden als auch im beschreibenden Gebrauch bei menschlichen und nichtmenschlichen Subjektsreferenten ohne Artikel verwendet. Zum Abschuss eine tabellarische Übersicht zum prädikativen Gebrauch von Nominalphrasen der Typen 1 und 2 beim Kopula-Verb sein: <?page no="74"?> 74 Artikelgebrauch im Deutschen p rädik ativ e NP Masse-NP Plural-N P Relationsro Ilen-N P Individuen- NP klassifizierend m enschlicher Referent nichtm enschlicher Referent T y p l beschreibend m enschlicher Referent Typ 2 nichtm enschlicher Referent Abb. 5: Prädikative Verwendung von Nominalphrasen vom Typ 1 und 2 beim Kopulaverb sein 2.3.2 Nominalphrasen vom Typ 3 Bei der Verwendung prädikativer Nominalphrasen mit definitem Artikel spielt das Kriterium der Einzigkeit die entscheidende Rolle. Einzigkeit bedeutet: Die durch die prädikative Nominalphrase gegebene Beschreibung passt im aktuellen Kontext nur auf einen einzigen Referenten. Es geht aber dabei nicht um eine Identifikation (vgl. Hermann 1951, S. 226; Brinkmann 1962, S. 56) dieses Referenten, da prädikative Nominalphrasen keine identifizierende Funktion haben. Wenn eine prädikative Nominalphrase den definiten Artikel bekommt, wird vielmehr angezeigt, dass sie im gegebenen Kontext nach Meinung des Sprechers auf nicht mehr als einen Referenten anwendbar ist. Das Prädikatsnomen sagt nichts darüber aus, ob ein passender Referent auch gefunden wird. Erst wenn das Prädikatsnomen einem Argumentausdruck (Subjekt oder Objekt) zugeordnet wird, wird dessen Referent als der gesuchte eingesetzt. Vergleichen wir zunächst prädikative Nominalphrasen vom Typ 3 mit solchen vom Typ 1: (71) Joseph Ratzinger muss es wissen. Er ist P a p s t (72) Joseph Ratzinger muss es wissen. Er ist der P a p s t. In (71) liegt klassifizierender Gebrauch der prädikativen Nominalphrase vor. Dem menschlichen Subjektsreferenten Joseph Ratzinger wird eine soziale Funktion zugeschrieben. In (72) dagegen liegt beschreibender Gebrauch der prädikativen Nominalphrase vor. Es wird eine Beschreibung <?page no="75"?> Prädikative Venvendimg von N ominalphrasen 75 gegeben, zu der durch den definiten Artikel angezeigt wird, dass sie nur auf einen einzigen Referenten passt. Der Subjektsreferent wird als dieser einzige Referent eingesetzt. Beim klassifizierenden Gebrauch des Prädikatsnomens in (71 ) stellt sich die Frage nicht, ob der Subjektsreferent der einzige ist, auf den die Funktionsbezeichnung passt. Er kann eine von mehreren Personen sein, die nacheinander oder gleichzeitig die Funktion Papst ausüben. In (72) dagegen zeigt der definite Artikel an, dass im relevanten Kontext nur ein Referent erwartet wird, auf den die Beschreibung passt. Analoges gilt bei Orts- und Institutionsnamen als Subjekt: (73 ) Warschau ist H a u p t s t a d t P o le n s . (74 ) Warschau ist d i e H a u p t s t a d t P o le n s . In (73) ist das Prädikatsnomen klassifizierend gebraucht. Dem Subjektsreferenten Warschau wird eine Funktion zugeordnet. In (74) dagegen liegt beschreibender Gebrauch vor. Durch den definiten Artikel wird angezeigt, dass im aktuellen Kontext nur mit einem Referenten gerechnet wird, auf den die Beschreibung passt. Als dieser wird der Referent des Subjekts Warschau eingesetzt. Beispiel (73) eignet sich gut für die Verwendung in Kontexten, in denen cs relevant ist, dass cs schon andere Hauptstädte Polens gegeben hat, wie z.B. Gnesen und Krakau. Für den aktuellen Zeitpunkt wird diese Funktion Warschau zugeordnet. Dementsprechend muss Warschau nicht der einzige Referent sein, auf den die Beschreibung passt. Beispiel (74) dagegen eignet sich fur die Veiwendung in Kontexten, in denen es relevant ist zu wissen, dass die Beschreibung Hauptstadt Polens zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur auf einen Referenten passen kann. Als dieser Referent wird Warschau eingesetzt. In vielen Fällen ist eine prädikative Nominalphrase mit definitem Artikel im Gegensatz zu einem artikellosen Prädikatsnomen schwer interpretierbar und deshalb unpassend: (75) Ich hin d e r K a th o lik . Die Beschreibung Katholik ist in den meisten Kontexten auf mehr als einen Referenten anwendbar. In solchen Kontexten wäre es irreführend, durch den definiten Artikel anzuzeigen, dass nur ein einziger Referent erwartet wird. Ist der relevante Kontext aber so beschaffen, dass die Beschreibung Katholik tatsächlich nur auf einen Referenten anwendbar ist, z.B. in einer Erzählung, die mit dem Satz beginnt: (76) Ein Katholik, ein Protestant und ein Jude machen zusammen eine Reise .... <?page no="76"?> 76 A rtikelgebrauch im Deulsehen so ist Satz (75) problemlos verwendbar. Wenn in einer Situation jemand sagt: (77) Ich hin hier der Fitzli-Putzli und man w eiß nicht, was das Wort Fitzli-PutzH bedeutet, dann kann man zumindest aus der Anwesenheit des definiten Artikels schließen, dass damit etwas gem eint ist, was in der betreffenden Situation nur einmal Vorkommen kann. Die Hinzigkcitsbedingung kommt auch bei prädikativen Nominalphrasen mit superlativischem Attribut zur Geltung: (7S) Mein Neffe ist der schnellste Läufer. In (78) wird durch das Prädikatsnomen mit Definitartikel angczcigt, dass die Beschreibung im gegebenen Kontextnur auf einen Referenten anwendbar ist. Betrachten wir nun das folgende Beispielpaar: ( 1 9 ) Diese Behauptung ist g r ö ß t e r U n s in n . (80 ) Diese Behauptung ist d e r g r ö ß t e U n s in n . In (79) wie auch in (80) sind die Prädikatsnomina beschreibend gebraucht. Unsinn ist ein Masse-Nomen und kann deshalb auch beschreibend artikellos verwendet werden. Hin Satz wie (79) eignet sich für die Verwendung in Kontexten, in denen die Beschreibung auf mehrere Referenten passt, womit aber nicht ausgeschlossen ist, dass sie aktuell nur auf einen Referenten angewandt wird. Hier handelt es sich um den so genannten E la tiv (vgl. Duden 1998, S. 303; Duden 2005, S. 380f.; Koller 2007, S. 83ff). In (80) wird dagegen durch den definiten Artikel explizit angezeigt, dass die Beschreibung im aktuellen Kontext nur auf einen einzigen Referenten passt. Dieser Gebrauch wird als Siiperliitiv im engeren S inn e bezeichnet (vgl. Duden 1998, S. 301ff.; Duden 2005, S. 302; Koller 2007, S. 83ffi). Vergleichen wir als nächstes prädikative Nominalphrasen vom Typ 3 mit solchen vom Typ 2: (81) Joseph Ratzinger ist e in g u t e r P a p s t. (82) Joseph Ratzinger ist d e r gegenwärtige P a p s t. In beiden Beispielen ist die prädikative Nominalphrase beschreibend verwendet. Beispiel (81 ) schließt nicht aus, dass die Beschreibung ein g u te r P ap st auf mehrere Referenten passt, z.B. auf mehrere Personen, die in der Geschichte nacheinander dieses Amt bekleidet haben, oder auch auf mehrere Personen, <?page no="77"?> Prädikative Verwendung von Nominalphrasen 77 die es gleichzeitig bekleiden. Die getroffene Feststellung kann Ergebnis eines Vergleichs zwischen Joseph Ratzinger und anderen Päpsten sein. In (82) dagegen wird der gegenwärtige Papst als eine Beschreibung behandelt, die im aktuellen Kontext nur auf einen einzigen Referenten passt. DieAussage dieses Satzes kann nicht Ergebnis eines Vergleichs sein. In manchen Kontexten sind sowohl prädikative Nominalphrasen ohne Artikel als auch solche mit indefinitem und solche mit definitem Artikel möglich, allerdings mit Konsequenzen für die Interpretation: (83a) Eva ist zur Zeit C h e fin . (83h ) Eva ist zur Zeit e i n e g u t e C h e fin . (83c) Eva ist zur Zeit d i e C h e fin . In (83a) liegt klassifizierender Gebrauch vor. Dem Subjektsreferenten Eva wird eine soziale Funktion zugeordnet. Das Adverb zur Zeit ermöglicht die Schlussfolgerung, dass die zugeschriebene Funktion zu anderen Zeiten anderen Referenten zugeordnet war und in Zukunft von anderen Referenten wahrgenommen werden kann. Femerkann man schlussfolgern, dass dem Subjektsreferenten früher andere soziale Funktionen zugeordnet waren und in Zukunft andere Funktionen zugeordnet werden können. In (83b) und (83c) sind die prädikativen Nominalphrasen beschreibend verwendet. In (83b) wird eine Beschreibung des Subjektsreferenten geliefert, die auf mehrere Referenten passen kann. Das Adverb zur Zeit erlaubt die Schlussfolgerung, dass diese Beschreibung auf den Subjektsreferenten zu anderen Zeiten möglicherweise nicht gepasst hat bzw. in Zukunft nicht passen könnte. In (83c) wird mit der prädikativen Nominalphrase eine Beschreibung des Subjektsreferenten gegeben, die für den relevanten Kontext nur auf einen einzigen Referenten anwendbar ist. Das Adverb zur Zeit bestimmt diesen Kontext näher. Zusammenfassung: Der definite Artikel zeigt bei prädikativen Nominalphrasen grundsätzlich Einzigkeit an, d.h. es wird eine Beschreibung gegeben, die im aktuellen Kontext nur auf einen einzigen Referenten anwendbar ist. 2.3.3 Prädikative Nominalphrasen in anderen Kontexten Außer bei dem Verb sein kommen prädikative Nominalphrasen auch in anderen Kontexten vor. Im Folgenden werden eine Reihe derartiger Kontexte betrachtet. Prädikative Nominalphrasen treten bei anderen kopulativen Verben auf, vor allem bei bleiben und werden: <?page no="78"?> 78 Artikelgebrauch im Deulsehen ( 8 4 ) Dariusz Tiger Michalczewski bleibt Box-Weltmeister! ( 8 5 ) Jula hat ihre Familie verlassen, um Filmschauspielerin zu werden. Und es gelingt ihr auch sie wird ein Star der Stummfilmzeit. h ttp : / / w w w .y o la n th e .d e / b u e c h e r/ m e y e r .h tm ( S t a n d : 2 4 . 0 7 . 2 0 0 7 ) (86) Mein neuer Roman wird ein Klassiker. ( 8 7 ) Diana bleibt die Königin der Herzen. Sie war charmant und elegant. http: / / www.abendblatt.de/ daten/ 2005/ 04/ 08/ 419087.html (Stand: 23.07.2007) Bei solchen Verben richtet sich die Artikelsclcktion nach den gleichen Regeln wie bei sein. Menschliche Subjektsreferenten wie in (84) und (85) können durch Prädikatsnomina entweder klassifiziert oder beschrieben werden. Prädikatsnomina ohne Artikel wie in (84) klassifizieren, Prädikatsnomina mit indefinitem Artikel wie in (85) beschreiben. Bei nicht-menschlichen Subjektsreferenten wie in (86) wird diese Unterscheidung grammatisch nicht angezeigt, d.h. sowohl für die Klassifikation als auch für die Beschreibung werden Prädikatsnomina mit indefinitem Artikel verwendet. In (87) wird mit dem definiten Artikel angezeigt, dass mit dem Prädikatsnomen eine Beschreibung gegeben wird, die im relevanten Kontextnur auf einen einzigen Referenten anwendbar ist. Zu einer zweiten Gruppe von Verben, die prädikative Nominalphrasen mit sich führen, gehören heißen, nennen, schelten und schimpfen. Bei ihnen bezieht sich die prädikative Nominalphrase auf den Objektsreferenten, dem sie einen Namen wie in (88), eine Funktionsbezeichnung wie in (89) und (90) oder eine Beschreibung wie in (91 ) zuordnen: (88 ) Seine Mutter nennt ihn Max. (89) Seine Kritiker schimpfen ihn P o p u li s t , bei vielen Franzosen ist er populär. http: / / www.tagesspiegel.de/ zeitung/ (Stand: 14.07.2007) (90) Seine Gegner warfen ihm Abgehobenheit vor, schimpften ih n e in e n O p p o r tu n i s t e n . Doch Serbiens Premier Zoran Djindjic bestach durch Charme und Pragmatismus. http: / / www.stern.de/ politik/ ausland/ 513117.html (Stand: 11.11.2007) (91) Der Rittmeister hätte jeden e in e n S c h u r k e n geheißen, der dieses heilige Geschöpf mit einem Mann auch nur im leisesten Verdacht gehabt hätte. (Hauff. Wilhelm: Der Mann im Mond) Der prädikative Gebrauch von Eigennamen wie in (88) ist für meine Untersuchung nicht relevant, da für den Artikelgebrauch bei Eigennamen im Deutschen ohnehin besondere Regeln gelten. DieArtikelselektionbeim klassifizie- <?page no="79"?> Prädikative Verwendung von N om inalphrasen 79 renden und beschreibenden Gebrauch richtet sich bei den Verben dieser Gruppe nach den gleichen Regeln wie bei sein. Klassenbezeichnungen für einen menschlichen Objektsreferenten werden ohne Artikel angeschlossen wie in (89). Beschreibungsbegriffe werden mit dem indefiniten Artikel angeschlossen wie in (90) und (91 ). Bei nicht-menschlichen Objektsreferenten wie in (92) wird diese Unterscheidung nicht explizit angezeigt, d.h. sowohl Klassenbezeichnungen als auch Beschreibungsbegriffe werden mit indefinitem Artikel angeschlossen. Soll angezeigt werden, dass nur ein einziger Referent in Frage kommt, so wird der definite Artikel gebraucht wie in (93): (92) Ich nenne meinen Ihtnd e in e n H ir t e n h u n d . Das ist er auch. Der Hund eines Hirten! http: / / forum.pro-herdenschutzhunde.de/ thread.php (Stand: 14.07.2007) (93) Ich weiß gar nicht, wie der wirklich heißt, aber wir nennen ihn d e n Z i g a r e tt e n r e n tn e r , weil an seinem Zaun der einzige Zigarettenautomat weit lind breit hängt und er bei jedem Zigarettenkunden aus dem Haus kommt, um ihn anzuquatschen. http: / / www.europa-host.de/ wordpress/ gut-informiert/ (Stand: 25.07.2007) Hin weiteres Verb, bei dem prädikative Nominalphrasen auftreten, ist bedeuten. Hier fungiert die prädikative Nominalphrase als Akkusativobjekt: (94) Fehlende regionale Konkurrenz bedeutet e in e n Q u a lit ä t s v e r lu s t . (95) *Joseph Ratzinger bedeutet e i n e n P a p s t. (96) Thomas bedeutet S o z ia lis t. (97) Eine mögliche Sperrung der Konten würde d i e Z a h l u n g s u n f ä h i g k e i t u n s e r e r F ir m a bedeuten. Die prädikative Nominalphrase im Akkusativ ordnet dem Subjektsreferenten eine Beschreibung zu, wobei nur nicht-menschliche Subjektsreferentenwie in (94) in Frage kommen. Menschliche Subjektsreferentenwie in (95) verlangen ein anderes Verb für die Verknüpfung mit dem Prädikatsnomen. Klassifizierender Gebrauch der prädikativen Nominalphrase ist bei bedeuten nicht möglich. Beispiele wie (96) werden als Bedeutungserklärungen (hier also Erklärung der Bedeutung des Eigennamens Thomas) interpretiert (hier eine unzutreffende Erklärung). Der Gebrauch des definiten Artikels, um anzuzeigen, dass die Beschreibungnuraufeinen einzigen Referenten anwendbar ist, scheint bei bedeuten ebenfalls nicht möglich zu sein. In Beispielen wie (97) wird die Nominalphrase im Akkusativ referentiell interpretiert. <?page no="80"?> 8 0 Artikelgebraiirh im Deutschen Auch das Verb spielen kann prädikative Nominalphrasen bei sich führen. Wiederum ist die prädikative NP das Akkusativobjekt: (OS) Paul spielt nur K o m m u n i s t . Er ist gar nicht wirklich K o m m u n i s t . (99) Paul spielt e i n e n I d io t e n . ( 100) Paid spielt d e n J o k e r . (101) Die Kinder spielten Fußball. Wiederum richtet sich die Aitikelselektion nach den gleichen Regeln wie bei sein. Prädikatsnomina ohne Artikel wie in (98) klassifizieren, Prädikatsnomina mit indefinitem Artikel wie in (99) beschreiben, soweit solche Nominalphrasennichtreferentiell interpretiert werden. Soll angezeigt werden, dass nur ein einziger Referent in Frage kommt, so wird der definite Artikel gebraucht wie in (100). Anders als beim Verb sein kann die prädikative Nominalphrase bei spielen auch denominativ verwendet werden, d.h. als Name eines Spiels wie in (101). Verben wie studieren, lernen, lehren, unterrichten, trainieren, üben, singen und tanzen scheinen auf den ersten Blick zur gleichen Gruppe wie spielen zu gehören. Diese Verben erlauben aber keinen echten prädikativen (klassifizierenden oder beschreibenden) Gebrauch von Nominalphrasen. Nomina, die bei ihnen auftreten, werden stets denominativ (als Namen) ohne Artikel verwendet: ( 102) Ich studiere A r c h it e k t u r , mein Bruder lernt A u t o m e c h a n i k e r . ( 103 ) Ihre Tante lehrtIunterrichtet C h e m ie . ( 104) Er trainiert seit über 30 Jahren K a r a te . ( 105) Vanessa May übt täglich mindestens sechs Stunden G e ig e . (106) Mein Vater singt B a r ito n . ( 107) Ich tanze gern C h a - C h a - C h a . Sobald ein Artikel auftritt, werden Objekts-Nominalphrasen bei diesen Verben referentiell interpretiert: (108) Ich studiere e in p ä d a g o g i s c h e s F a c h . ( 109) Gabi lernt e i n e n i n t e r e s s a n t e n B e r u f. (110) Sie unterrichtet e i n e p r ä z i s e T a n z t e c h n ik v e r b u n d e n m i t v i e l e n s c h ö n e n S c h r it t k o m b in a t i o n e n . http: / / www.alevseidenberg.de/ studiotermine_ dozenten.html (Stand: 05.08.2007) <?page no="81"?> Prädikative lenvendimg von Nominalphrasen 81 (111) E r trainiert seit über 30 Jahren e in e B u n d e s li g a - M a n n s c h a f t . (112) Vanessa May iibt d i e K u n s t d e s I m p r o v i s i e r e n s . (113) Mein Vater singt d e n B i e n e - M a j a - S o n g . Die Nominalphrase ein pädagogisches Fach in (108) referiert auf das Fach, das der Sprecher studiert. Fs könnte sich z.B. um das Fach Sonderschulpädagogik handeln. Ebenso referiert einen interessanten Berufm ( 109) auf denjenigen Beruf, den der Subjektsreferent Gabi lernt. Es könnte sich z.B. um den Beruf des Tiefseetauchers handeln. In ( 110) referiert die Nominalphrase einepräzise Tanztechnik verbunden mit vielen schönen Schrittkombinationen auf die Tanztechnik, die der Subjektsreferent unterrichtet. I n ( I ll) referiert die Nominalphrase eine Bundesliga-Mannschaft auf die Mannschaft, die der Subjektsreferent trainiert. In ( 112) referiert die Nominalphrase die Kunst des Improvisierens auf die Kunst, die Vanessa May übt. In (113) schließlich referiert die Nominalphrase den Biene-Maja-Song auf das Lied, das der Vater des Sprechers singt. In ( 108) bis ( 111) geht es um Objektsreferenten, die nach Meinung des Sprechers für den Adressaten noch nicht identifizierbar sind. In (112) und (113) geht cs um Objektsreferenten, die der Adressat nach Meinung des Sprechers identifizieren kann. Die Unterscheidung zwischen definitem und indefinitem Artikel betrifft hier also nicht allein (und nicht hauptsächlich) das Einzigkeitskriterium. Genaueres zum referentiellen Gebrauch von Nominalphrasen folgt in Unterkapitel 2.4. Weitere Kontexte, in denen Nominalphrasen prädikativ gebraucht werden können, sind feste verbale Gruppen und Wendungen wie Hochzeit feiern, Radio hören, Zeitung lesen, Ski laufen, Auto fahren u.a.: (114) Wir feiern dieses Jahr H o c h z e it . (115) Paula hört beim Friihstiick R a d i o und liest Z e itu n g . (116) Meine Oma läuft S k i und fährt ohne Führerschein A u t o . Auch in solchen Fällen sind die Nominalphrasen nur so lange prädikativ zu lesen, wie sie ohne Artikel auftreten. Tritt ein Artikel auf, so müssen sie referentiell interpretiert werden: (117) Wir feiern dieses Jahr e in e g r o ß e H o c h z e it. (118) Paula hört beim Frühstück d a s l o k a l e R a d i o und liest d ie Z e itu n g . (119) Ich fahreje tzt e in e n s u p e r m o d e r n e n S k i. Dementsprechend benutzt der Sprecher die Nominalphrase eine große Hochzeit in (117), um damit auf eine bestimmte Hochzeit zu referieren. Es könnte <?page no="82"?> 8 2 Artikelgebrauch im D eutschen sich z.B. um die Hochzeit seiner Tochter handeln. Die Nominalphrasen das lokale Radio und die Zeitung in (118) referieren auf dasjenige Radio bzw. diejenige Zeitung, das bzw. die die Subjektsreferentin beim Frühstück hört und liest. In (119) referiert die Nominalphrase einen supermodernen Ski auf eine bestimmte Marke bzw. Sorte von Skiern. In ( 117) und (119) geht es um Objektsreferenten, von denen der Sprecher annimmt, dass sie für den Adressaten noch nicht identifizierbar sind. In (118) geht cs um Referenten, die der Adressat nach Meinung des Sprechers identifizieren kann. Prädikative Nominalphrasen können auch mit dem Adjunktor als angeschlossen werden (zur Wortklassenbezeichnung vgl. Zifonun et al. 1997, S. 61fi, 990fi). BeiVerben wie gelten und erseheinen ordnen sic dem Subjektsreferenten eine Klassenbezeichnung wie in ( 1 2 0 ) oder eine Beschreibung wie in (121) zu. Die prädikative Nominalphrase steht hier im Nominativ: (120) E r gilt als Fußballfan. ( 1 2 1 ) Die Verteilungsverhältnisse erscheinen a ls N a tu r v e r h ä l t n i s s e . www.mxks.de/ files/ mxks/ apolit.kapital3.kp51.conspectus.html (Stand: 16.10.2007) (122) Zitronensäure gilt a l s L e b e n s m i t t e l und d a rf ohne mengenmäßige Begrenzung anderen Lebensmitteln zugesetzt werden. h ttp : / / d c 2 .u n i-b ie le fe ld .d e / d c 2 / c itr o n e / c _ t6 .h tm (Stand: 1 5 . 0 7 . 2 0 0 7 ) ( 1 2 5 ) Unser Bürgermeister erscheint a ls M a r i o n e tt e d e r u m g e b e n d e n P e r s o n e n . ( 1 2 4 ) Nipah- Virus gilt a ls p o t e n z i e ll e s b i o t e r r o r i s ti s c h e s A g e n s . 16 http: / / www.medizin.de/ gesundheit/ deutsch/ 1852.htm (Stand: 15.07.2007) ( 1 2 5 ) Er gilt als d e r M e s s ia s . Sowohl beim klassifizierenden als auch beim beschreibenden Gebrauch gelten für die Artikelselektion bei prädikativen Nominalphrasen mit als vereinfachte Regeln im Vergleich zu den Regeln beim Kopula-Verb sein. Bei der Klassifikation nicht-menschlicher Subjektsreferenten wie in (122) und bei ihrer Beschreibung wie in (124) kann die prädikative Nominalphrase artikellos sein. Auchbei der Beschreibung menschlicher Subjektsreferenten wie in (123) kann der Artikel entfallen. Dementsprechend muss hier keine Unterscheidung mehr zwischen klassifizierendem und beschreibendem Gebrauch gemacht werden. Soll dagegen angezeigt werden, dass nur ein einziger Referent in Frage kommt, so wird der definite Artikel gebraucht wie in (125). 16 D a s B e is p ie l is t e in e Ü b e rs c h rift a u s e in e m e le k tro n is c h e n M a g a zin . D a s Z ä h l-N o m e n Nipah-Virus k a n n n u r in e in e m so lc h e n e llip tis c h e n K o n te x t o h n e A rtik e l refe re n tie ll v e rw e n d e t w e rd e n . Im d u rc h la u fe n d e n T ext m ü s s te d e r D e fin ita rtik e l steh en: das N ip a h-M ru s. In B e is p ie l (1 24) g e h t e s alle rd in g s n ic h t u m d a s S u b je k t, s o n d e rn u m d a s P rädikativ. <?page no="83"?> Prädikative Venvendimg von N ominalphrasen 83 Bei Verben wie ansehen, betrachten oder empfinden steht eine prädikative Nominalphrase im Akkusativ. Sie wird dem Referenten des Akkusativobjekts zugeordnet. Diesen klassifiziert sie wie in ( 1 2 6 ) oder beschreibt ihn wie in ( 1 2 7 ) : ( 1 2 6 ) Ich betrachte ihn a ls C h ris t e n . ( 1 2 7 ) Wir sahen ihn a ls g e n i a l e n S tr a t e g e n an. (128) Ich betrachte Bier a ls K u l t u r g u t und würde es mit amerikanisierten Worten nicht verschandeln. h ttp : / / w w w .r a d s p o r ta k tiv .d e / fo ru m / fo ru m .p h p ( S t a n d : 1 4 . 0 7 . 2 0 0 7 ) ( 129) Sie betrachten ihr Haus a ls V o r z e ig e o b je k t. ( 1 3 0 ) Ich bin seit mehr als 35 Jahren Udo-Fan und empfinde seine Tourneen immer noch a ls d a s a b s o lu t e H i g h li g h t d e s J a h r e s . http: / / www.udojuergens.de/ phorum5/ read.php ( S t a n d : 0 2 . 1 0 . 2 0 0 7 ) Für die Artikelselektion gelten die gleichen vereinfachten Regeln. Bei der Klassifikation nicht-menschlicher Subjektsreferenten wie in (128), bei ihrer Beschreibung wie in (129) und bei der Beschreibung menschlicher Subjektsreferenten wie in (127) kann die prädikative Nominalphrase artikellos verwendet werden. Soll angezeigt werden, dass nur ein einziger Referent in Frage kommt, so wird der definite Artikel gebraucht wie in ( 130). Prädikative Nominalphrasen können auch ohne Vermittlung eines Verbs appositiv mit als an das Subjekt oder an ein Objekt angcschlosscn werden: ( 1 3 1 ) A l s B i s c h o f habe ich die Verpflichtung, dieses Gebot Gottes den Menschen darzulegen. http: / / www.die-tagespost.de/ Archiv/ (Stand: 21.06.2007) ( 1 3 2 ) Mir a ls j u n g e m M it a r b e it e r wurden aus Budgetgriinden vor einem knappen Jahr weiterführende Kurse gestrichen. http: / / www.kurier.at/ interaktiv/ meinungen/ 4550.php ( S t a n d : 2 1 . 0 6 . 2 0 0 7 ) ( 1 3 3 ) Trotz großer finanzieller Anstrengungen und vielen Verbesserungen, die diese Landesregierung realisiert hat, muss festgestellt werden, dass öffentliche Verkehrsmittel in den ländlichen Regionen nicht überall zur Verfügungstehen. Deshalb d a rfdas Auto a ls V e r k e h r s m itt e l bei der steuerlichen Anerkennung von Werbungskosten nicht diskriminiert werden. h t t p : / / w w w .g u e n te rn e u g e b a u e r.d e / h tm l/ ( S t a n d : 0 6 . 0 8 . 2 0 0 7 ) ( 1 3 4 ) ,JJer Helikopter a ls s c h n e ll e s T r a n s p o r t m i tt e l f ü r d e n N o t a r z t hat sich gerade in abgelegenen Regionen bestens bewährt ", urteilt DRF-Pilot Christoph Maier im VOX-Interview. h ttp : / / w w w .n ie b u e ll-o n lin e .d e / lu ftre ttu n g s z e n tru m -n ie b u e ll.h tm ( S ta n d : 0 6 . 0 8 . 2 0 0 7 ) <?page no="84"?> 84 Artikelgebrauch im Deutschen (135) Er a ls d e r Leiter soll über Berufserfahrungen im Bereich der Altcnpflcgc und in der A usbildung von Pflegefachkräften verfügen. Auch solche prädikativen Nominalphrasen mit als, die in den Grammatiken als appositiv bezeichnet werden (vgl. Jung 1990, S. U lf.; Helbig/ Buscha "’1994, S. 285; 1Icntschel/ Weydt 2003, S. 406f.; Engel 2004, S. 299), werden in der Regel artikellos gebraucht. Nur wenn Einzigkeit angezeigt werden soll, wird der definite Artikel gebraucht wie in (135). Prädikative Nominalphrasen können auch ohne als als adnominalc Appositionen direkt an das Subjekt oder an ein Objekt angeschlossen werden: (136) Jan Rogowski, P e r s o n a lc h e f , ist nach knapp 34 Jahren in den Diensten der Hochschule in den Ruhestand getreten. (137) Michal Szczepahski, e in j u n g e r P i a n i s t a u s P o l e n , bekommt in diesem Jahr den internationalen Ernst-von-Siemens-Musikpreis verliehen. (138) Mein kleiner Hund, e in s t ä n d i g s c h w a n z w e d e l n d e r D a c k e l, ist unerziehbar. (136) Der Rücktritt des Ministers, F o l g e d e s j ü n g s t e n K o r r u p ti o n s s k a n d a l s , führte zu einer Zunahme der Investitionstätigkeit in der ukrainischen Bergbauindustrie. ( 140) Ich richtete meine Kritik vor allem an M. Mikulski, d e n P r ä s i d e n t e n d e r G e s e ll s c h a f t f ü r N e u r o p s y c h o l o g i e . liier richtet sich die Aitikclsclcktion nach den gleichen Regeln wie bei sein. Prädikative Nominalphrasen ohne Artikel wie in (136) klassifizieren, solche mit indefinitem Artikel wie in (137) beschreiben. Bei nicht-menschlichen Referenten wie in (138) wird diese Unterscheidung nicht angezeigt, d.h. sowohl Klassenbezeichnungen als auch Beschreibungsbegriffe werden mit indefinitem Artikel angeschlossen. Relationsrollenbezeichnungen können auch ohne Indefinitartikel angeschlossen werden wie in (139). Soll dagegen angezeigt werden, dass nur ein einziger Referent in Frage kommt, so wird der definite Artikel gebraucht wie in ( 140). Schließlich können prädikative Nominalphrasen noch mit wie, fü r oder zu angeschlossen werden, und zwar bei Verben wie auftreten (wie), aussehen (wie), sich benehmen (wie), sprechen (wie), halten (für), verkaufen (für), sich aufschwingen (zu), ausbauen (zu), sich entwickeln (zu), ernennen (zu), heranwachsen (zu) u.a. Bei einigen von ihnen bezieht sich die prädikative Nominalphrase auf den Subjektsreferenten, bei anderen auf einen Objektsreferenten: <?page no="85"?> Prädikative Verwendung von N om inalphrasen 85 (141) Enya sieht wie ein Engel aus! (142) Ich halte dieses Problemfü r eine Kleinigkeit. (143) Putin benimmt sich wie der neue Zar und seine Ja-Sager huldigen ihm. http: / / www.focus.de/ politik/ ausland/ russland_aid_53602.html (Stand: 15.07.2007) Klassifizierender Gebrauch der prädikativen Nominalphrase ist bei solchen Verben ausgeschlossen. In der Standardsprache werden sie grundsätzlich beschreibend und dementsprechend mit Artikel (außer im Plural und bei Masse- Referenz) verwendet: (144) *Egon tritt wie Kommunist auf (145) *Das Volk machte ihn zu Präsident. Der definite Artikel zeigt wiederum an, dass nur ein einziger Kandidat in Frage kommt, auf den die Beschreibung passt. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die prädikative Verwendung von Nominalphrasenbei Verben der behandelten Gruppen (außerdem): 17 klassifizierend beschreibend denominativ Einzigkeit Mensch17 Nicht- Mensch feste verbale Gruppen und Wendungen Verben mit als Typl Apposition mit als - Typ 3 Apposition ohne als Typ 2 Verben mit wie. für. zu Verben ohne als wenn wenn wenn möglich, Typl wenn möglich, Typ 2 möglich, Typl möglich, Typ 3 A b b . 6: P rä d ik a tiv e V e rw e n d u n g v o n N o m in a lp h ra s e n b e i V erb en a u ß e r sein 17 E b e n s o b e i Z u o rd n u n g k la s s ifiz ie re n d e r P rä d ik a tiv e z u O rtsu n d In s titu tio n s n a m e n , b e i p r ä d ik a tiv e r Z u o rd n u n g v o n R e la tio n sro lle n b e z e iclm im g e n z u N ic h t-M e n s c h e n so w ie g e n e re ll b e i p rä d ik a tiv e n P lu ralu n d M a s s e -N o m in a . <?page no="86"?> 8 6 Artikelgebrauch im Deutschen 2.4 Referentielle Verwendung von Nominalphrasen Referentiell verwendete Nominalphrasen finden sich in folgendem Beispiel: ( I ) Geht e in V a m p ir in e i n e K n e i p e und sagt: „ I c h will ein Glas Blut bitte.“ Sagt d e r B a r k e e p e r : JIa h cn w ir n ic h t“ Sagt d e r V a m p ir: „Gib m ir ein Glas Blut oder ic h nehme d e i n e n g a n z e n L a d e n auseinander.“ Sagt d e r B a r k e e p e r : „Okay“, schlachtet e in H u h n und gibt ih m d a s G la s B lu t. \ ... \ h ttp : / / w w w .b o e a s c h .d e / w o r d p re s s / ( S t a n d : 0 3 . 1 0 . 2 0 0 7 ) Unter Referenz wird die Bezugnahme sprachlicher Ausdrücke auf außersprachliche (reale oder vorgestellte) Gegenstände, die so genannten Referenten, verstanden (vgl. Lyons 1977, S. 174ff., 452ff). Ich verwende den Terminus sprachlicher Ausdruck als eine zusammenfassende Bezeichnung für eine Sequenz von Wörtern, die im Mininialfall aus einer Phrase, im Maximalfall aus einem Satz besteht. In der Referenzforschung wurde früher die Ansicht vertreten, dass man nur Nominalphrasen zum Referieren benutzen kann (vgl. Wimmer 1979, S. 17; Thrane 1980, S. 39ff.). Heute wird angenommen, dass auch andere sprachliche Kategorien wie Verbalphrasen (VPs), Adjektivphrasen (APs), Präpositionalphrasen (PPs) und ganze Sätze referentiell verwendet werden können (zu einem Überblick über diese Möglichkeiten vgl. Vater 2001a, S. 88; auch Herbermann 1988, S. 32). In meiner Untersuchung konzentriere ich mich auf Nominalphrasen (NPs), da nur in Nominalphrasen die Unterscheidung zwischen Definitartikel, Indefinitartikel und Artikellosigkeit eine Rolle spielt. Zu den möglichen Referenten rechne ich außer Gegenständen (belebte oder unbelebte Gegenstände konkreter oder abstrakter Natur) auch Zustände, Ereignisse, Eigenschaften usw. Referenten können perzeptuell (sensorisch) in der von der Sprache unabhängigen Außenwelt wahrnehmbar sein (vgl. Braunmüller 1977, S. 57f.; Lyons 1977, S. 175; Grzegorczykowa 2001, S. 110), können aber auch in der „konzeptuellen Welt“ angesiedelt sein, d.h. nur vorgestellt oder aus dem Gedächtnis abgerufen werden (vgl. Bierwisch 1983b, S. 6 Iff.; Jackendoff 1983, S. 23ff.; Schwarz 1992, S. 174ff. ). Die Referenz auf Elemente der „internen Welt“, also der Gedanken-, Gefühls- und Vorstellungswelt, ist erst in jüngerer Zeit verstärkt in die Diskussion gekommen, (vgl. Clark/ Marshall 1981, S. IOff ; Bierwisch 1983a, S. 15ff.; Schwarz 2000, S. 23). Sprachliche Ausdrücke referieren nicht an sich, sondern werden von Kommunikationsteilnehmern, von Textproduzenten und Textrezipienten,1-benutzt, um18 18 Textproduzenl ist d e r z u s a m m e n f a s s e n d e T e r m in u s f ü r Sprecher u n d Schreiber. Textrezipient ist d e r z u s a m m e n f a s s e n d e T e r m in u s f ü r H örer u n d Leser. <?page no="87"?> R eferentielle Verwendung von N om inalphrasen 87 Referenz herzustellen. Im Anschluss an Bisle-MtUler (1991, S. 13) verstehe ich Referenz als gemeinsame Aufgabe von Kommunikationspartnem. Referenz ist eine kooperative Handlung, die gelingen oder fehlschlagen kann (vgl. Braunmüller 1975, S. 289ff). Dass der Bezug auf ein Objekt (den Referenten) gelingt, liegt an der Fähigkeit der Kommunikationspartner, Bedeutungen aus ihrem gemeinsamen mentalen Wissen abzurufen und Objektezuidentifizieren (vgl. Schwarz 2000, S. 22). Sowohl der Produzent als auch der Rezipient muss bei der Verarbeitung von Sprachzeichen immer das Wissen seines Partners mitreflektieren. Auf dieser Grundlage bauen die Kommunikationsteilnehmer ihre gemeinsame Kommunikationsgeschichte, ihr gemeinsames Wissen auf. Dieses gemeinsame Wissen betrachte ich in Anlehnung an Bisle-Müller als „das gegenseitige Auftürmen von Annahmen“ (vgl. 1Ieringer/ Öhlschläger/ Strecker/ Wimmer 1977, S. 100, zit. n. Bisle-Müller 1991, S. 43). Die Referenz von Nominalphrasen wird durch Determinative wie der, dieser, ich, wir, dein usw. (zum Inventar der Determinative siehe oben Unterkapitel 2.2) und/ oder durch Quantifikatoren wie ein-, viele, etwas usw. „organisiert“. Aus der Sicht des Sprechers zeigen sie an, welche Referenzart beabsichtigt ist. Für den Interpreten sind sie Anweisungen, die helfen sollen, den gemeinten Referenten zu finden (vgl. Weinrich 2005, S. 87fi, 368ffi; auch Lyons 1977, S. 174ffi, 452ff.; Vater 2005, S. 93ff.). In bestimmten Fällen können auch Nominalphrasen ohne Determinativ und Quantifikator (Typ 1) referentiell verwendet werden (vgl. Bliihdom 2006, S. 53ff. ). Es wird häufig angenommen, dass in solchen Fällen ein morphologisch leeres Determinativ oder ein morphologisch leerer Quantifikator (Nullartikel) vorhanden ist (vgl. Schmidt 1977, S. 175; Helbig/ Buscha 161994, S. 357; Hentschel/ Weydt 2003, S. 226; Engel 2004, S. 313). Nicht für die Referenz zuständig sind dagegen die Nomina (vgl. Zifonun ct al. 1997, S. 965ff; Blühdom 2009, S. 28). Sic sind rein beschreibende Ausdrücke, die Kategorien angeben. Als Bestandteil einer referentiell gebrauchten Nominalphrase ordnet ein Nomen dem Referenten eine Kategorie zu, d.h. cs ordnet ihn in eine bestimmte Klasse von Objekten ein (vgl. Blühdom 1994, S. 171). Die Information über die Referentenkategorie kann noch präzisiert werden, indem die Beschreibung des Referenten zusätzlich durch Attribute erweitert wird: (2) E in s c h o k o w e i ß b r a u n e r H u n d sucht dringend eine liebevolle Familie mit Garten. In (2) wird auf einen Referenten referiert, der zur Kategorie Hund gehört. Der Referent wird hier noch genauer beschrieben, indem er farblich als schoko- <?page no="88"?> 8 8 Artikelgebrauch im Deutschen weißbraun subkategorisiert wird. Nomina und Adjektive, die als Träger der Informationen über die Keferentenkategorie fungieren, nennt man auch Deskriptoren (vgl. Searle 1969, S. 127; Blühdom 1994, S. 171). Im Deutschen können alle drei Typen von Nominalphrasen referentiell verwendet werden. Nominalphrasen vom Typ 1: (3) Aus altem Vulkangestein spülte der Ur-Ozean Salz heraus ins Meerwasser. h t t p : / / w w w .tiv i.d e / fe rn s e h e n / lo e w e n z a h n / b ild e rg a le rie / ( S t a n d : 2 6 . 0 9 . 2 0 0 7 ) (4) Die Brandstifterin Katrin G. sei ein hübsches Mädchen mit einem Puppengesicht. Sie hatte jüngere Geschwister und musste ihre Mutter, die von zwei Männern verlassen worden war, unterstützen. h t tp : / / w w w .w in fu tu r e .d e / m o d u le s .p h p ( S t a n d : 1 8 . 1 0 . 2 0 0 7 ) Nominalphrasen vom Typ 2: (5) Ich beobachte eine S c h n e c k e , wie sie zwischen Mauer und Kressesamen hängt und verzweifelt versucht den Rückzug vom Beet anzutreten. h ttp : / / w w w .k a e s e k e s s e l.d e / fo r u m / ( S t a n d : 2 6 . 0 9 . 2 0 0 7 ) (6) Die US-Streitkrqfte haben bereits mehrere Frachtschiffe gechartert, um schweres Gerät in die Region des Persischen Golfs zu bringen. D r e i S c h iff e sind bereits unterwegs, sie dürften nach Informationen aus Schiffahrtskreisen Kampfpanzer und gepanzerte Fahrzeuge transportieren. http: / / mitglied.lycos.de/ LotharKrist6/ leader/ ( S t a n d : 1 9 . 1 0 . 2 0 0 7 ) (7) Wir haben, a u fden Rat eines erfahrenen Cora! Garden Reisenden hin (danke Thomas! ), r e ic h lic h V o d k a im Gepäck, und die Hotelbar bietet sehr leckeren Zitronensaft an eine hervorragende Mischung! h t tp : / / w w w .tu e m m le r .d e / in d e x .p h p ( S t a n d : 1 9 . 1 0 . 2 0 0 7 ) Nominalphrasen vom Typ 3: (8 ) D a s z e r s t ö r t e G e b ä u d e wankt, wiegt hin und her, als wolle es zum Abschied noch einmal winken und kracht dann komplett zusammen. h ttp : / / w w w .p c a c tio n .d e / ( S t a n d : 1 9 . 1 0 . 2 0 0 7 ) ( 9 ) Wein mit Orangensaft, Zucker und Gewürzen aufkochen. Birnen schälen, d i e S ti e l e nicht entfernen. Im Glühwein 20-25 Min. pochieren. h ttp : / / w w w .lid l-r e z e p tid e e n .d e / b ir n e n _ g lu e h w e in .p h p ( S t a n d : 1 9 . 1 0 . 2 0 0 7 ) ( 1 0 ) Wo steht denn wohl d e r Z u c k e r ? <?page no="89"?> R eferentielle Verwendung von Nnminalphrasen 89 Nominalphrasen aller drei Typen können referentiell in syntaktischen Argument-Positionen, also vor allem als Subjekte oder Objekte verwendet werden. In den folgenden Abschnitten werden die referentiellen Verwendungsweisen der drei NP-Typen im Einzelnen beschl ichen. 2.4.1 NominalphrasenvomTypl Mit Nominalphrasen vom Typ 1 kann auf ein Kontinuum wie in (11) oder auf eine Gruppe von Individuen wie in (12) referiert werden: (11) Wer mehrere Jahre hintereinander einen Ort an der Ostseekiiste besucht, wird bemerken, dass sich die Küste im Laufe der Zeit langsam verändert. Die Brandung trägt steilere Kiistenbereiehe ab, der Wind bläst S a n d fort, Bäche und Flüsse lagern feines Material an ihrer Mündung ab. http: / / www.geolinde.musin.de/ europa/ wattenmeer/ kueste_ostsee.htm (Stand: 27.09. 2007) (12) Vom Hotelzimmer aus haben wir P a lm e n gesehen, der Atlantik war tiefblau, die Sonne schien und nicht weit von uns fanden wir gleich am ersten Tag diese idyllische Finca wir waren dem Paradies ein Stück näher gekommen! http: / / www.lingutronic.de/ Privat/ Tenerife/ Anreise/ anreise.htm (Stand: 11.12.2007) In (11) referiert der Textproduzent mit der Nominalphrase vom Typ 1 in Objektsfunktion auf eine Masse, d.h. auf eine gleichmäßig aufgebaute ungeformtc Substanz, die in einem Raum-Zeit-System „keine klaren äußeren Grenzen haben muss“ (vgl. Langacker 1987, S. 63ff, zit. n. Bliihdorn 2006, S. 54). In (12) nimmt der Textproduzent mit der Plural-Nominalphrase vom Typ 1 Bezug auf eine Referentenmenge, die in gleichartige, gegeneinander im Raum- Zeit-System abgrenzbare Individuen untergliedert ist. Plural-Referenz ist eine Variante von Individuen-Referenz. Nomina wie Hund im Beispiel (2) oder Palme in (12) werden traditionell als Individuativa oder Ziilil-Noinina bezeichnet, im Gegensatz zu Kontinuativa oderMasse-NominawieSalz in (3)undSam/ in(11) (vgl. Helbig/ Buscha ltT 994, S. 23Of.; Kürschner 2003, S. 119; Engel 2004, S. 273; Duden 2005, S. 147). Zähl-Nomina im Plural und Masse-Nomina können ohne Determinativ und Quantifikatorreferentiell verwendet werden (vgl. Blühdorn 2006, S. 54ff.). Zu den Masse-Nomina rechne ich auch Nomina wie Neid, Vertrauen u.a., die traditionell als Abstrakta bezeichnet werden (vgl. Helbig/ Buscha 161994, S. 23Of.; Hentschel/ Weydt 2003, S. 147; Duden 2005, S. 147 ): <?page no="90"?> 90 A rlikclvch n m ch im D eutschen ( 1 3 a ) In Ankara kam Neid auf. Der Grund: Dort tagte eine Delegation des Wirt schaftssenats mit Ali Cofkun, dem türkischen Minister für Industrie und Handel. h ttp : / / tu e rk e i.b v m w o n lin e .d e / b v m w _ b u n d / la n d _ 2 7 / ( S t a n d : 1 4 . 1 1 . 2 0 0 7 ) (13b) Luisa, die Jüngste, fasste schnell Vertrauen [...]; ,Jch vermisse meine Mama immer noch sehr Aberjetzt, hier im SOS-Kinderdorf habe ich eine neue MutterH h ttp : / / w w w .s o s -k in d e rd o e rfe r.d e / s o s d e / s p o t0 7 / a m e n k a .h tm l (Stand: 14.11.2007) Ob ein Nomen ein Masse-Nomen ist, lässt sich in Testumgebungen wie (14) und (15) feststcllcn (vgl. Blühdom 2006, S. 56). Wenn es als Subjekt eines Situiemngsverbs bei einer spezifischen Ortsangabe ohne Determinativ und Quantifikator referentiell verwendet werden kann, dann ist es ein Masse- Nomen: (14) In ihrem Blick lag Vertrauen! Neid! Hoffnung. (15) A ifd e m Tisch stand Salz/ Wasser/ Gemiise. Masse-Nomina sind in Bezug auf das semantische Merkmal Individuierung neutral, im Gegensatz zu Zähl-Nomina, die dieses semantische Merkmal aufweisen: (16) A uf dem Tisch liegt Brot (17) Aufdem Tisch liegt ein Brot (IS) Aufdem Tisch liegt ein Messer. (19) *Aufdem Tisch liegt Messer. (20) A ufdem Tisch liegen Brote! Messer . (21) Aufdem Tisch liegen mehrere Brote! Messer. Beispiel (16) kann so verstanden werden, dass auf dem Tisch eine Brot-Masse oder Brot-Individuen (Brotlaibe) liegen. Als Masse-Nomen ist Brot in Bezug auf das semantische Merkmal Individuierung nicht fcstgclcgt. Trst wenn man einen Zähl-Quantifikator hinzufägt wie in (17), wird cine Individuen-Lesart erzwungen. Dann kann man sich den Referenten nicht mehr als Masse vorstel- Icn, sondern nur noch als Individuum. Bei singularischen Zähl-Nomina wie Messer in (18) ist die Verwendung eines Quantifikators obligatorisch. Ohne Quantifikatorwie in (19) können Zähl-Nomina im Singular nicht referentiell verwendet werden. Deshalb ist (19) ungrammatisch. Zähl-Nomina weisen das semantische Merkmal Individuierung auf, das verlangt, dass sic im Singular <?page no="91"?> Referentielle Venvemiung von Noniimilphrasen 91 bei der Referenz gezählt werden (vgl. Blühdom 2006, S. 53ff.). Im Plural können Zähl-Nomina dagegen auch ohne Quantifikatorreferentiell verwendet werden wie in (20). Optional kann ein Quantifikator hinzutreten wie in (21). Masse-Nomina sind als solche nicht pluralfähig. Manchmal werden sie dennoch im Plural verwendet. Solche Nominalphrasen werden dann wiederum so interpretiert, dass auf Individuen referiert wird, und zwar auf eine Menge gleichartiger Individuen. Durch die Pluralisierungwird die Masse-Eigenschaft der Nomina aufgehoben, oder genauer gesagt: Sie erhalten das zusätzliche semantische Merkmal Individuierung. Bei solchen Nominalphrasen sind vier Lesarten möglich (vgl. Duden 2005, S. 175; Blühdom 2006, S. 71ff.): 1) Portionslesart: (22) Die Bleistifte sind gespitzt, Papiere liegen bereit und die Köpfe sind voll von kreativen Ideen! Jetzt kann das Jugendkulturjahr 2007 starten! http: / / www.kultfaktor-ratingen.de/ content/ view/ (Stand: 01.12.2007) Papier ist ein Masse-Nomen: (23) A u f dem Tisch hegt P a p i e r . Beispiel (23) kann so verstanden werden, dass auf dem Tisch eine Papier- Masse oder Papi er-Individuen (Papierblätter) liegen. Wenn man das Masse-Nomen Papier aber im Plural verwendet wie in (22), wird eine Individuen-Lesart erzwungen. In (22) referiert die Plural-Nominalphrase Papiere auf eine Mehrzahl von Papier-Portionen (Papierblätter). Mit Materialien wird häufig in standardisierten Einheiten (Papierblätter, Brotlaibe, Kuchenstücke usw.) oder in Portionen, die durch ein standardisiertes Gefäß bestimmt sind (Glas, Flasche, Dose usw.), interagiert (vgl. Duden 2005, S. 174f.). Solche Standardportionen sind als Individuen zu interpretieren. 2) Sortenlesart: (24) Hier stehen W e in e , d i e v o n u n s v e r k o s t e t w u r d e n . Bewertungen sind [...] rein subjektiv und wir übernehmen keine Garantie. http: / / www.studium-und-lehre.de/ index.php (Stand: 14.1 1.2007) In (24) sind mit der Nominalphrase Weine, die von uns verkostet wurden verschiedene Weinsorten gemeint. Auch Sorten sind Individuen (vgl. Carlson 1980, S. 6Iff.). <?page no="92"?> 92 A rtikclvchraiich im D eulsehen 3) Metonymische Lesart: (25) R a s s i g e und blonde Schönheiten: Anrufen - Treffen - Spaß. Die Minute 1,62 EUR. In (25) wird mit der Nominalphrase rassige mul blonde Schönheiten auf Frauen referiert. Schönheit ist ein Masse-Nomen, das eine Eigenschaft bezeichnet. Diese Eigenschaft kann Individuen, z.B. Frauen, zugesprochen werden. Eine Metonymie liegt unter anderem dann vor, wenn die Bezeichnung einer Eigenschaft stellvertretend für die Bezeichnung ihres Trägers verwendet wird (siehe auch unten Abschnitt 2.4.3, (99) und ( 100); vgl. Jakobson 1956, S. 246f; Behrens 1995, S. 52ff; LakofftJohnson 1998, S. 46ff.). 4) Metaphorische Lesart: (26) Große Lichter in der Musikbranche wie Madonna und Barbara Streisand prophezeienj a schon seit längerem, dass die Musikindustrie vor neuen Herausforderungen steht. Licht ist von Haus aus ein Masse-Nomen. Als große Lichter bezeichnet man metaphorisch bedeutende Künstler oder Wissenschaftler. Ein seltener Sonderfall des Plurals, der keine Individuierung anzeigt, ist der so genannte Abundanz-Plural (vgl. Duden 2005, S. 175). Er führt nicht zur Reinterpretation von Masse-Nomina, sondern weist auf eine besonders große Menge hin: (27) Da gedachte Gott an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war, und ließ Wind a u fErden kommen, und die Wasser fielen. Und die Brunnen der Tiefe wurden verstopft samt den Fenstern des Himmels, und dem Regen vom Himmel wurde gewehrt. http: / / www.uni-protokolle.de/ foren/ viewt/ 82248,255.html (Stand: 20.10.2007) (28) Dann ergießt sich kochend heißes Walfett in Strömen die Abhänge herunter. Die Erde bebt, und Walknochen wirbeln durch d i e Liifte. http: / / www.nationalgeographic.de/ php/ magazin/ topstories/ 2001/ 08/ topstoryl.htm (Stand: 20.10.2007) DerAbundanz-Plural ist im Deutschen sehr selten. Er kommt nur in wenigen lexikalisierten Fällen vor, und zwar ausschließlich in Nominalphrasen vom Typ 3 mit Definitartikel. Bei gewöhnlichen Masse-Nomina, z.B. Bier oder Milch wie in (29a) und (30a) sowie bei Nominalphrasen ohne Definitartikel wie in (27a) und (28a) ist er ausgeschlossen: <?page no="93"?> Referentielle Verwendung von Nominalphrasen 93 (29) Ich habe mich schient gemacht und erfahren, dass die Schnecken das Bier liehen. Sie riechen es aus ziemlich weiter Entfernung und werden von dem verlockenden Duft angelockt. Sie hängen sich tie f in den Becher und fallen dann völlig beduselt in das Bier und ertrinken. http: / / www.allround-talk.de/ haus-garten/ (Stand: 19.12.2007) (29a) *Sie fallen völlig beduselt in die Biere und ertrinken. (30) Als d i e M il c h kochte und anfing hochzuschäumen, nahm ich den Topfvon der Herdplatte und schüttete das Pulver hinein. http: / / www.dao.de/ Mondamin_Winterzauber_GriesbreLAmarettini _ Test_8297355 (Stand: 19.12.2007) (30a) *Als d i e M il c h e kochten und anfingen hochzuschäumen, nahm ich den Topf von der Herdplatte und schüttete das Pulver hinein. (27a) *Da gedachte Gott an Noah und ließ Wind a u f Erden kommen, und W a s s e r fielen. (28a) *Die Erde bebt, und Walknochen wirbeln durch Lüfte. Die Unterscheidung zwischen Individuen- und Masse-Referenz wird in der deutschen Nominalphrase durch drei Sprachmittel kodiert, die eng Zu sam menwirken (vgl. Blühdorn 1994, S. 171; 2006, S. 58ff.; 2009, S. 33f.): 1) durch die Unterscheidung zwischen Zähl-Nomina wie Hund (vgl. Beispiel 2) oder Gebäude (vgl. Beispiel 8) und Masse-Nomina wie Jertrauen1 Neid oder S a t (für eine entsprechende Testumgebung siehe oben Beispiele 14 und 15); 2) durch den Numerus (Plural zeigt Individuen-Referenz an, Singular ist diesbezüglich neutral); 3) durch die Unterscheidung zwischen Zähl-Quantifikatoren wie ein, vier, wenige, mehrere usw. und Maß-Quantifikatoren wie etwas, massenhaft, viel usw. (Individuen werden gezählt, Massen werden gemessen). Bei der Masse- und Plural-Referenz sind Nominalphrasen vom Typ 1 in der Regel indefinit. Sie enthalten keinen Defmitartikel und keinen anderen Definitmarker. Bs gibt allerdings einige wenige Fälle, in denen Nominalphrasen vom Typ 1 dennoch als definit gelten müssen bzw. können, weil der Definitmarker aufgrund besonderer Regeln ausgefallen ist: (31a) Und noch ein Problem: Monika hat sich eine Blase gelaufen. Ziemlich groß an einem Zeh vom ständigen Runterlaufen. http: / / www.greywolfsreisen.de/ usa54.HTM (Stand: 16.11.2007) <?page no="94"?> 94 Arlikclgebraurh im Deutschen (3 1b) T u n e s ie n liegt in der Klimazone der Subtropen, die in einen feuchten Norden und einen trockenen Süden geteilt ist. http: / / g08.de/ tunesien/ (Stand: 16.11.2007) (32) In beiden Fahrzeugen sind verletzte Personen eingeklemmt, Flüssigkeit läuft ans, H a u s N r. 7 ist durch umherfliegende Teile in Brand geraten. Im Gebäude können sieh ebenfalls noch verletzte Personen befinden. h t t p : / / w w w .flo r ia n -z u s a .d e / b e r ic h te / b e r ic h t.p h p (Stand: 1 1 . 1 2 . 2 0 0 7 ) (33) R a d i e r g u m m i und B l e i s t if t liegen a u f dem Schreibtisch. Ebenso wie S c h e r e und L in e a l. In (31a) und (31 b) handelt cs sich um Eigennamen. Die Nominalphrasen Monika (Personenname) und Tunesien (geographischer Name) sind eindeutig definit. Hs kann angenommen werden, dass bei ihnen der Dcfinitailikel ausgefallen ist (vgl. Duden 2005, S. 307ff.; Pilarsky 2009, S. 108ff.). Bei Personennamen fehlt der Definitartikel gewöhnlich, wenn sie das Geschlecht des Referenten eindeutig festlegen wie in (31a). In Fällen, wo nicht deutlich ist, ob mit dem Personennamen ein männlicher oder ein weiblicher Referent gemeint ist, wird meist der Definitartikel gesetzt: (34a) Der K a i hat sich den Knöchel etwas verstaucht. Ich hoffe, er kommt dennoch am Samstag zu uns a u fBesuch. h t t p : / / w w w .fo r e n fu c h s .d e / a rc h iv / (Stand: 22.11.2007) (34b) D i e K a i ist wirklich eine Person, die man hassen sollte, aber hier und da äußerte sie auch mal einen klaren, logischen Gedankengang. h t t p : / / w w w .s c ifif o r u m . d e / s c ie n c e f ic t io n / s t a r t r e k s e r ie n f ilm e / d e e p s p a c e n in e / (Stand: 22.11.2007) Der definite Artikel wird häufig auch zur Anzeige des Kasus veiwendet, wenn im gleichen Satz Personennamen in verschiedenen Kasus auftreten (vgl. Grimm 1987, S. 57; Vater 1996, S. 2001): ( 3 5 ) D e m T h o m a s hat d e r M a r t in d i e N in a vorgestellt. Werden Personennamen mit. Attributen kombiniert, müssen sic den Definitartikel erhalten (vgl. Duden 2 0 0 5 , S. 306): (36) A u f der linken Fensterseite im unteren Bett lag d i e d i c k e K a r in . Ihr Gewicht drückte die Matratze bis fast a u f den Boden. h ttp : / / w w w .c h r is c e r r e d w in -k e y a .d e / n e u _ in h a lt.h tm (Stand: 2 2 .1 1 .2 0 0 7 ) <?page no="95"?> Referentielle Verwendung run N nininalplvasen 95 Tunesien in Beispiel (31b) ist ein Ländername. Hier wird im Deutschen der Definitartikel regelhaft weggelassen, wenn cs sich um Neutra handelt. Ist ein Ländername Maskulinum wie in (37a), Femininum wie in (37b) oder Plural wie in (37c), so muss der Definitartikel gesetzt werden (vgl. Duden 2005, S. 161 ff., 308ff.): (37a) D e r L i b a n o n ist seit Monaten innenpolitisch in einer schwierigen Lage. Weder über die Nachfolge von Staatspräsident Lahoud noch über die Zusammenseteung des Kabinetts konnten die Parteien bislang Einigung erzielen. http: / / www.auswaertiges-amt.de/ diplo/ de/ Aussenpolitik/ (Stand: 23.11.2007) (37b) D i e S c h w e i z ist eines der wenigen Länder, die die Beihilfe zum Freitod nicht bestrafen. (37c) D i e N i e d e r l a n d e tun sich schwer mit einer Entscheidung über die Verlängerung ihres Truppeneinsatzes in Afghanistan. http: / / www.n-tv.de/ 863690.html (Stand: 23.11.2007) Der Definitartikel muss auch stehen, wenn Ländernamen um ein Attribut erweitert sind: (38) Zum Schluss möchten wir uns noch bei unseren begleitenden Lehrern Frau Schild und Herrn Schäfer bedanken, die uns d a s s c h ö n e P o l e n näher gebracht haben. http: / / schule.inka.de/ eg-ettlingen/ Schule%20unterwegs/ austausch/ polen/ (Stand: 23.11.2007) Der bei Personen- und Ländernamen weggelassene Definitartikel wird in Grammatiken des Deutschen häufig als Nullartikel bezeichnet (vgl. Ilclbig/ Buscha 161994, S. 368, 383ff.; Duden 1998, S. 309, 320f.; Götze/ Hess-Lüttich 2002, S. 255ff.; Hentschel/ Weydt 2003, S. 235ff.; Pilarsky 2009). Die Nominalphrase H aus N r 7 in (32) ist ebenfalls definit. Die Nummer fungiert hier als eine Art von Eigenname. In solchen Fällen gelten ähnliche Sonderregeln wie bei Personen-Eigennamen und bei geographischen Eigennamen. Durch die Nummer wird der Referent im Kontext eindeutig identifiziert. In solchen Fällen wird der Definitartikel meist weggelassen. Er kann allerdings auch stehen: (32a) D a s H a u s N r. 7 ist durch umherfliegende Teile in Brand geraten. Wenn solche Nominalphrasen durch Attribute erweitert sind, muss der Definitartikel stehen: <?page no="96"?> 96 A rtikelgebrauch im Deulsehen (32b) D a s a lt e H a u s Nr. 7 ist durch umherfliegende Teile in Brand geraten. (32c) * A l t e s H a u s Nr. 7 ist durch umherfliegende Teile in Brand geraten. Nummern als Eigennamen kommen unter anderem bei Räumen, Buchseiten, Kapiteln, Paragraphen, bei Steuerzahlern, Sportlern oder Geheimdienstmitarbeitern (007) vor (vgl. Grimm 1987, S. 146; Duden 2005, S. 306). Schließlich können auch Nominalphrasen in Koordinationen wie in (33) als definit interpretiert werden. Sie lassen aber auch eine indefinite Lesart zu, d.h. bei ihnen können definite oder indefinite Artikel ausgefallen sein. Je nach Kontext kann der Beispielsatz in (33) im Sinne von (33a) oder von (33b) interpretiert werden: (33 a) D e r R a d i e r g u m m i und d e r B l e i s t if t liegen a u f dem Schreibtisch. Ebenso wie d i e S c h e r e und d a s L in e a l. (33b) E in R a d i e r g u m m i und e in B l e i s t i f t liegen a u f dem Schreibtisch. Ebenso wie e i n e S c h e r e und e in L in e a l. Auch in solchen Fällen wird in den Grammatiken des Deutschen vom Nullartikel gesprochen (vgl. Nieder 1987, S. 93; Engel 1991, S. 533), aber im Unterschied zu den Eigennamen ist in diesem Fall nicht klar, was für ein Nullaitikel gemeint ist. Hier könnte es sich sowohl um einen definiten als auch um einen indefiniten Nullartikel handeln (vgl. Bliihdorn 2009, S. 26f.). In der Artikelliteratur finden sich gelegentlich Hinweise darauf, dass nach manchen Präpositionen Nominalphrasen vom Typ 1 Vorkommen, die als definit interpretiert werden (vgl. Bisle-Miiller 1991, S. 12Iff; Duden 2005, S. 306): (39a) B e i E i n f a h r t d e s Z u g e s traten die Passagiere zurück. (39b) B e i d e r E i n f a h r t d e s Z u g e s traten die Passagiere zurück. Die These besagt, dass Sätze wie Beispiel (39a) so verstanden werden können, dass auf ein bestimmtes Ereignis, hier also eine bestimmte Zugeinfahrt, referiert wird. Bei einer solchen Interpretation sollten (39a) und (39b) synonym sein. DieseAnnahme ist allerdings problematisch. Artikellose Nominalphrasen nach Präpositionen werden in Abschnitt 2.4.2 gesondert untersucht. Indefinite referentielle Nominalphrasen zeigen in der Regel an, dass der Referent nach Meinung des Sprechers im Wissen des Adressaten nicht abgerufen und also nicht identifiziert werden kann. Sie sind Hinweise darauf, dass ein neuer Referent in den Diskurs eingeführt wird (vgl. Götze 1984, S. 16ff.; <?page no="97"?> R eferentielle Ierw endim g von N om inalphrasen 97 Wcinrich 2005, S. 406ff.). Dcfinithcitund Indefinitheit dürfen aber nicht verwechselt werden mit Identifizierbarkeit bzw. Bekanntheitund Nicht-Identifizierbarkeit bzw. Unbekanntheit (vgl. Lambrecht 1996, S. 79ff). Definitheit ist eine formale Eigenschaft der Nominalphrase, die daran erkannt wird, ob ein Definitmarker vorhanden ist oder nicht. IndefiniteNominaIphrasen enthalten keinen Definitmarker, auch keinen an der Oberfläche unsichtbaren definiten Nullartikel. Die Frage, ob ein Referent identifizierbar oder bekannt ist, wird nicht an der Form von Sprachzeichen abgelesen, sondern muss im Wissen der Kommunikationsteilnehmer überprüft werden. Vater (1984, S. 39) hat mit Recht darauf hingewiesen, dass auch mit indefiniten Nominalphrasen auf bekannte bzw. identifizierbare Referenten referiert werden kann, z.B. wenn der Sprecher sich gegenüber dem Adressaten unkooperativ verhält, wenn er nicht weiß, dass der Adressat den gemeinten Referenten kennt oder wenn die Anzeige der Bekanntheit oder Identifizierbarkeit des Referenten im Kontext nicht relevant ist. Mit indefiniten Nominalphrasen vom Typ 1 kann auf Kontinua oder Gruppen von Individuen referiert werden. Sie können sowohl spezifisch-referentiell als auch unspezifisch gebraucht werden. Spezifisch referieren bedeutet, auf einen Referenten Bezug zu nehmen, der als Diskursgegenstand etabliert ist oder als solcher etabliert werden soll. Unspezifisch gebraucht sind Nominalphrasen in Argument-Position (d.h. als Subjekt oder Objekt), für die ein Diskursreferent akürell nicht vorhanden ist. Solche Nominalphrasen geben Beschreibungen für Diskursreferenten, die möglicherweise später noch etabliert werden. Sie können auch als nicht-referentielle Nominalphrasen in Argument-Position bezeichnet werden (vgl. Blühdom 2009, S. 28ff.). In vielen Fällen ist die Referentialität einer Nominalphrase eine Frage der Interpretation. Wird eine indefinite Nominalphrase spezifisch-referentiell gedeutet, so wird sie als Hinweis darauf verstanden, dass der Referent für den Sprecher bekannt, aber für den Adressaten nach Meinung des Sprechers noch unbekannt ist. Die folgenden Beispiele stammen von Blühdom (2009, S. 30): (40) Im Keller steht W a s s e r. (41 ) A: Wo warst du? B: Ich habe B r ö t c h e n geholt. Wenn ein Sprecher (40) äußert, deutet das daraufhin, dass er den Referenten (eine bestimmte Menge Wasser) schon kennt, z.B. weil er ihn gesehen hat, dass er aber glaubt, dass der Adressat ihn noch nicht kennt. DerAdressat soll <?page no="98"?> 98 A rtikelgebraiirh im D rulsehen diesen Referenten in seiner Vorstellung neu etablieren. Entsprechendes gilt für Beispiel (41). Der Sprecher signalisiert, dass er den Referenten in seinem Wissen schon etabliert hat, dass er aber glaubt, dass der Adressat ihn noch etablieren muss. Wird eine indefinite Nominalphrase unspezifisch interpretiert, so wird sic als Hinweis darauf verstanden, dass weder für den Sprecher noch für den Adressaten aktuell ein passender Referent verfügbar ist. Es ist und wird also noch kein Diskursreferent etabliert, auf den die mit der NP gegebene Beschreibung passt. Dadurch, dass die NP in Argumentposition steht, wird aber die Möglichkeit offen gehalten, dass später noch ein passender Diskursreferent gefunden bzw. etabliert wird: (42) Ted und Douglas, zwei Freunde, wohnen in Kanada. [...] Wie alle jungen Leute wollen auch die beiden schnell reich werden. Sie suchen Gold. Es ist ein Abenteuer, ein hartes Stück Arbeit! http: / / www.zum.de/ Faecher/ D/ BW/ gym/ wolfsblut/ buecher/ gold.htm (Stand: 24.11. 2007) (43) Chicago 1929, Vehna Kelly (Catherine Zeta-Jones) ist die glamouröseste Tänzerin in Chicagos heißestem Nachtclub. M änner liegen ihr zu Füßen und viele Frauen beten sie an, weil sie auch so sein wollen wie sie. http: / / www.dneclub.de/ filmarchiv/ 2003/ chicago.html (Stand: 06.10.2007) In (42) ist kein bestimmter Diskursgegenstand vom Typ Gold gemeint, sondern es wird eine Beschreibung gegeben, und diese Beschreibung wird so im Diskurs platziert, dass dort eine Leerstelle entsteht, für die gegebenenfalls später ein passender Referent etabliert werden kann. Wenn sich z.B. herausstcllt, dass die besprochenen Personen etwas finden, was Gold ist, worauf also die gegebene Beschreibung passt, dann kann dies die schon geschaffene Leerstelle für den Diskursreferenten einnehmen. Beispiel (43) kann so verstanden werden, dass der Sprecher bestimmte Männer im Sinn hat, die der Tänzerin zu Füßen liegen. Mindestens ebenso naheliegend ist aber eine andere Interpretation, nach der der Tänzerin beliebige Männer zu Füßen liegen. In dieser Lesart kommt es nicht darauf an, dass Sprecher oder Adressat sich bestimmte Männer vorstellen. Die Rede ist lediglich von der Tänzerin, die die Eigenschaft hat, dass ihr Männer zu Füßen liegen. Wenn aber Figuren im Diskurs auftauchen, auf die die gegebene Beschreibung passt, die also Männer sind, so ist für sie schon eine Leerstelle als Diskursreferenten (zu Füßen der Tänzerin) vorbereitet. <?page no="99"?> Referentielle Verwendung ran Nominalphrasen 99 Unspezifisch gebrauchte Nominalphrasen vom Typ 1 kommen in Subjekts- und Objektsfunktion vor. In Subjektsfunktion treten sie in Kontexten wie (43), aber auch häufig in Fällen wie den folgenden auf: (44) Der Scnfcntwicfclt erst in Kontakt mit Hasser seine typische Schärfe, denn durch das Hasser wird das schar! schmeckende Senföl freigesetzt. Hitze stört diesen Prozess, und der S e n f schmeckt milde. http: / / www.wuerzkraut.de/ inhalt/ senf.htm (Stand: 21.10.2007) (45) Katzen fressen gerne Gras. Dadurch wird die Verdammg angeregt und die Haare, die durch das Putzen aufgenommen werden, besser ausgeschieden. http: / / www.ciao.de/ (Stand: 21.10.2007) In solchen Fällen wird in der Literatur häufig vom generischen Gebrauch indefiniter Nominalphrascn gesprochen (vgl. Grimm 1976, S. 19; Zhou 1985, S. 77ff.; Flärnig 1991, S. 478; Mendoza 2004, S. 88). Ich behandle solche Fälle im Anschluss an Blühdom (2001, S. 3ff.) nicht als generische Referenz, sondern als unspezifischen Gebrauch indefiniter Nominalphrasen. Generisch ist in Beispielen wie (44) und (45) die Prädikation, nicht aber die Referenz der Subjektsnominalphrasen (zur Unterscheidung zwischen generischer Referenz und generischer Prädikation vgl. Krifka et al. 1995, S. 2ffi; Näheres zu generischer Referenz in Abschnitt 2.4.5 dieser Arbeit). In Objektsfunktion kommen Nominalphrasen vom Typ 1 mit unspezifischer Referenz in modalen Kontexten vor: nach Modalverben wie müssen, sollen, wollen wie in (46) oder bei Vollverben wie suchen, brauchen, benötigen, bedürfen u.ä. wie in (47), die ebenfalls eine modale Bedeutungskomponente enthalten (vgl. Blühdom2001, S. 14ffi; 2009, S. 32): (46) Wirfahren wieder zum Camp und machen Feuer, wir müssen noch Wasser abkochen, da ich in Nata kein Mineralwasser bekam. http: / / www.anschuetz-web.de/ reisebericht/ (Stand: 06.10.2007) (47) „ Wir brauchen Zelte, denn 80 Prozent unserer Häuser sind zerstört", sagt der kleine, braungebrannte Mann. http: / / www.berlinonline.de/ berliner-zeitung/ archiv/ (Stand: 24.11.2007) ln (46) geht cs, zumindest in einer naheliegenden Lesart, nicht um bestimmtes Wasser, sondern um beliebiges Wasser: Wenn etwas gefunden wird, das Wasser ist, dann passt es in die Leerstelle für einen Diskursreferenten, von dem gesagt wird, dass er noch abgekocht werden muss. Es ist noch nicht klar, was für Wasser zum Abkochen genommen wird. Auch in (47) sind keine bestimm- <?page no="100"?> 100 Artikelgehrauch im D eutschen ten Zelte gemeint. Passende Referenten für die Beschreibung müssen noch etabliert werden. Wenn sich etwas findet, das ein Zelt ist, dann ist cs das, was der Sprecher braucht und kann als Diskursreferent eintreten. Unspezifisch gebrauchte Nominalphrasen vom Typ 1 können in Subjekts- und Objektsflinktion mit Konditionalsätzen paraphrasiert werden (vgl. Lyons 1977, S. 196f.; Blühdom 2001, S. 5, 14ff.): (44a) Wenn etwas Hitze ist, dann stört es diesen Prozess. (46a) Wenn etwas Wasser ist, dann ist es das, was wir noch abkochen müssen. Eine spezifisch referentielle Lesart kann bei NominalphrasenvomTyp 1durch das Adjektiv bestimmt erzwungen werden. Eine unspezifische Lesart kann durch die Adjektive irgendweich- oder beliebig erzwungen werden: (48) Zu meinem Geburtstag möchte ich Leute einladen und ein schönes Fest machen. (48a ) Zu meinem Geburtstag möchte ich bestimmte Leute einladen und ein schönes Fest machen. (48b) Zu meinem Geburtstag möchte ich ir g e n d w e l c h e ! b e li e b i g e L e u t e einladen und ein schönes Fest machen. Die Nominalphrase Leute in (48) lässt sowohl eine spezifisch-referentielle als auch eine unspezifische Lesart zu. Mit ihr kann man auf bestimmte Leute referieren, aber auch beliebige Leute meinen. Wenn man bestimmte Leute sagt wie in (48a), dann ist klar, dass diese Nominalphrase spezifisch-referentiell interpretiert werden soll. Wenn man dagegen irgendwelche! beliebige Leute sagt wie in (48b), dann kann die Nominalphrase nur unspezifisch verstanden werden. Ambiguitäten in Bezug auf spezifische vs. unspezifische Lesart sind bei Nominalphrasen vom Typ 1 durchaus häufig. Der Interpret kann sic nicht aufgrund der Form, sondern nur mit Hilfe des Kontexts auflösen. Ein weiteres Beispiel: (49 ) E r sucht G e ld s tü c k e . Mit der Nominalphrase Geldstücke in (49) können sowohl bestimmte als auch beliebige Münzen gemeint sein. Stellen wir uns folgenden Kontext vor: Im Supermarkt an der Kasse sind einem Mann gerade Geldstücke heruntergefallen. Ein Kunde bückt sich. Ein anderer Kunde fragt einen Dritten: Was macht er denn da? In diesem Kontext ist Geldstücke in der Antwort Er sucht Geldstücke spezifisch-referentiell zu interpretieren. Gemeint sind die Geldstücke, die <?page no="101"?> R eferentielle Venvemhm g von Noininalphrasen 101 gerade heruntergefallen sind. Der Sprecher nimmt an, dass diese Referenten für seinen Adressaten neu sind, dass dieser also das Hemnterfallen der Geldstücke nicht bemerkt hat. Stellen wir uns zum Vergleich folgenden Kontext vor: Tm Supermarkt an der Kasse steht ein Mann in der Schlange und langweilt sich. Er schaut auf den Boden. Dann bückt er sich. Ein anderer Kunde fragt einen Dritten: Was macht er denn da? In diesem Fall kann die Antwort Er sucht Geldstücke unspezifisch interpretiert werden, wenn nämlich nicht bekannt ist, ob überhaupt Geldstücke heruntergefallen sind. Die Nominalphrase Geldstücke wird dann nur als Beschreibung für mögliche Referenten interpretiert. 2.4.2 Artikellose Nominalphrasen nach Präpositionen In der Literatur wird gelegentlich behauptet, nach manchen Präpositionen könnten bzw. müssten Nominalphrasen vom Typ 1 referentiell interpretiert werden und zwar analog zu definiten Nominalphrasen, also als ob ein Definitartikel ausgefallen wäre (vgl. Bisle-Müller 1991, S. 121 ff.; Duden 2005, S. 306). Dabei geht es um Beispiele wie die folgenden: (50) Die Wagen der Linie 52 v o n B r e t z e n h e i m fahren in dieser Zeit a b H a u p t b a h n h o f als Linie 50 n a c h F i n t h e n / R ö m e r q u e ll e mul umgekehrt. http: / / www.mvg-mainz.de/ presse_details.html (Stand: 20.01.2008) (51) Am Tag zuvor mussten wir noch von der ABF bis zum Wohnheim in Lauhegast laufen, denn in f o l g e s t a r k e n N e b e l s war der gesamte innerstädtische l erkehr zusammengebrochen. http: / / www.tu-dresden. de/ absolventen/ magazin/ print.php (Stand: 20.01.2008) (52) N a c h D u r c h s i c h t d e r P r o f il e sind hei mir bereits von 1 0 0 M ä n n e r n 9 5 durchs Raster gefallen. http: / / www.brigitte.de/ foren/ showthread.html (Stand: 22.01.2008) (53 ) N a c h E r f ü llu n g a ll e r A u fla g e n können wir Ihnen die Genehmigung erteilen. (Bisle-Müller 1991, S. 121) ln der Tat können die hervorgehobenen Nominalphrasen in diesen Beispielen referentiell interpretiert werden. Die These, cs seien Definitartikel ausgefallen und dies habe mit der vorausgehenden Präposition zu tun, ist aber in dieser Form für keines der Beispiele haltbar. Bretzenheim und Finthen/ Römerquelle in (50) sind eindeutig Eigennamen. Sic bezeichnen die Haltestellen mit den Namen Bretzenheim und Finthen! Römerquelle. Dasselbe trifft auf Hauptbahnhofzu. Gemeint ist hier nicht der Hauptbahnhof, sondern eine Haltestelle namens Haupthahnhof. <?page no="102"?> 102 A rtikelgebrauch im Deutschen Wie wir bereits gesehen haben, werden Eigennamen bestimmter Klassen typischerweise ohne Artikel referentiell verwendet, und zwar in einer solchen Weise, dass es gerechtfertigt ist anzunehmen, dass ein Definitartikcl ausgefallen ist (siehe oben Abschnitt 2.4.1). Dies ist charakteristisch für Personen- und Ortsnamen. Zu Letzteren gehören auch Namen von Haltestellen und anderen Orientierungspunkten im Verkehrswesen. DcrAusfall des Definitartikels hat hier also mit der Präposition nichts zu tun. Der Definitartikel muss stehen, wenn Hauptbahnhof nicht als Eigenname, sondern als gewöhnliches Nomen verwendet wird: (54) Das Christophonisluiiis liegt im nördlichen Stadtbereich von Gottingen in der Theodor-Heuss-Straße 45. Zu Fuß erreichen Sie uns a b d e m H a u p t b a h n h o f in etwa 20 Minuten. http: / / www.dwchristophorus.de/ (Stand: 24.02.2008) (54a) IDas Christophorushaus liegt im nördlichen Stadtbereich von Gottingen in der Theodor-Heuss-Straße 45. Zu Fuß erreichen Sie uns a b H a u p t b a h n h o f in etwa 20 Minuten. Wird das Nomen Hauptbahnhof mit Attributen kombiniert wie in (55), so kann es nicht mehr als Haltestellenname verstanden werden. Auch in diesem Fall muss der Definitaitikel gesetzt werden: (55) Die Verbindungen nach und von Malmö werden durch den Umbau der Schienenwege allgemein zeitlich verkürzt. Die Verbindung zwischen Malmö und Kopenhagen wird schneller, am größten ist der Zeitgewinn bei Fahrten a b d e m n e u e n H a u p t b a h n h o f bei Triangeln. http: / / wikipedia.t-online.de/ wiki/ index.php (Stand: 24.02.2008) Die Präpositionen ab, von und nach zeigen ein Verhalten, das sie von anderen Präpositionen unterscheidet. Sie können nämlich nicht nur durch Nominalphrasen, sondern auch durch Adverbien ergänzt werden: ab hier, von da, nach dort. Man könnte eventuell auch argumentieren, dass in Beispielen wie (50) die IIaltcstcllennamen nicht als gewöhnliche Nominalphrasen, sondern adverbial verwendet sind. Ab, von und nach wären dann in solchen Beispielen nicht als Präpositionen, sondern als Präadverbien zu betrachten. Ähnliche Beobachtungen können wir zu seit und bis machen: (56) Die Werbung fü r die Oddset-Sportwettc wurde erheblich eingeschränkt. AufPlakat- und Rundfunkwerbung wird s e i t A p r il, a u f die Bandenwerbung in den Fußballstadien s e i t J u n i verzichtet. http: / / www.landtag-bw.de/ wpl4/ drucksachen/ 0000/ 14_0043_d.pdf (Stand: 25.02. 2008) <?page no="103"?> R eferentielle Venvemhm g von N om inalphrasen 103 (57) Damit der van de Lande-Gntppe kein Nachteil entsteht, wird dem Unternehmen die Möglichkeit gegeben, die noch fehlenden Unterlagen b is M o n t a g zu vervollständigen. http: / / www.brd.nrw.de/ BezRegDdorf/ hierarchie/ news/ newsarchiv/ (Stand: 25.02. 2008) Ab, von, nach und seit können als Präpositionen oder als Präadverbien gebraucht werden. Als Präpositionen werden sic durch Nominalphrasen ergänzt: ab dem Huuptbahnhof von der Endhaltestelle, nach dem letzten Wochenende, seit dem vorigen Oktober. In diesem Fall gelten die normalen Regeln für den Artikelgebrauch. Als Präadverbien werden sic durch Adverbien ergänzt: ab gestern, seit damals usw. Monatsnamen (seit April), Wochentagsnamen {ab Dienstag) und manche nominalen Zeitangaben (seit Weihnachten) können aber ebenfalls Präadverbien ergänzen. Sie sind dann adverbial gebraucht und nehmen kein Determinativ zu sich (vgl. Zifonun ct al. 1997, S. 2078f.). Wochentagsnamen und einige andere nominale Zeitangaben können auch auf Satzebene adverbial gebraucht werden: ( 5 8 ) D i e n s t a g habe ich meine erste Prüfung erfolgreich hinter mich gebracht. Jetzt heißt es lernen für die nächste. http: / / www.teadrinker.de/ daniinmexico/ (Stand: 25.02.2008) (59) W e ih n a c h t e n kam Post von der Mietverwaltung. Die wollen die Wohnungen in meinem IIaus und in 2 Nachbarhäusern privatisieren. leicht verändert nach: http: / / www.whudat.de/ (Stand: 25.02.2008) Dienstag in (58) bedeutet so viel wie ‘am Dienstag', Weihnachten in (59) so viel wie 'zu Weihnachten’. Monatsnamen sind auf Satzebene nicht allein adverbial verwendbar (vgl. (60)). Ausdrücke wie April letzten Jahres in (60a) können aber wiederum wie ‘im April letzten Jahres’ interpretiert werden. Dass adverbialer Gebrauch vorliegt, zeigt sich oft im Ausbleiben der Kasusflexion wie in (61 ) (letzte Woche statt letzter Woche)'. (60) * A p r i l habe ich meine erste Prüfung erfolgreich hinter mich gebracht. (60a) A p r i l l e t z t e n J a h r e s habe ich meine erste Prüfung erfolgreich hinter mich gebracht. (61) Ich kenne dieses Forum erst s e i t l e t z t e W o c h e und bin auch sehr bestürzt über die Berichte, die ich hier gelesen habe. http: / / www.sarkoidose.de/ apboard/ thread.php (Stand: 18.03.2008) Bis kann nicht als Präposition, sondern nur als Präadverb gebraucht werden. Es kann nicht durch Nominalphrasen, sondern nur durch Adverbien ergänzt <?page no="104"?> 104 A rtikelgebrauch im D eutschen werden: bis morgen, bis bald, bis Montag, bis Juni, *bis dem nächsten Montag, *bis dem letzten Juni. Wenn bis durch eine Nominalphrase ergänzt werden soll, muss die Präposition zu eingefügt werden: bis zum nächsten Montag, bis zum letzten Juni (vgl. Zifonun et al. 1997, S. 2078f). In solchen Fällen ist die Verwendung eines Determinativs obligatorisch: *bis zu nächstem Montag, *bis zu letztem Juni. Anders zu beurteilen ist Beispiel (51 ). Nebel in (51 ) ist ein typisches Masse- Nomen. Bei Masse-Nomina ist artikellose referentielle Verwendung, wie wir gesehen haben, normal, allerdings nur wenn sic als Indefinita auftreten, d.h. wenn keine Identifizierbarkeit des Referenten angenommen wird (siehe oben Abschnitt 2.4.1 ). Diese Regel ist vom Auftreten einer Präposition unabhängig. (51 ) ist also so zu verstehen, dass von bestimmtem Nebel die Rede ist, von dem der Sprecher aber annimmt, dass er für den Adressaten neu ist. Fügt man einen Definitartikel ein, so werden andere Sprecherannahmen angczcigt: ( 5 1 a ) I n f o l g e d e s s t a r k e n N e b e l s war der gesamte innerstädtische Verkehr zusammengebrochen. Der Definitartikel weist daraufhin, dass der erwähnte Nebel bereits als Diskursreferent etabliert ist und dass der Sprecher davon ausgeht, dass der Adressat über ausreichend Information verfügt, um ihn zu identifizieren. Dies gilt auch für Plural-Nomina als Ergänzungen von Präpositionen: ( 6 2 ) Das zum San Bernardino County gehörende Hole-in-the-Wall (Loch in der Mauer) ist eine Felsformation inmitten der Mojave-Wiiste und Teil des Mojave National Preserve (Naturschutzgebiet). Sie entstand vor etwa 19 Millionen Jahren in f o l g e l u f t i g e r V u lk a n a u s b r ü c h e . http: / / www.rattlesnakes.de/ Biotope/ NEUcalifornial7.htm (Stand: 26.02.2008) In (62) sind bestimmte Vulkanausbrüche gemeint, von denen der Sprecher aber annimmt, dass sie für den Adressaten neu sind. Setzt man einen Definitartikel ein, so wird die Annahme angezeigt, dass der Adressat die Vulkanausbrüche, von denen die Rede ist, schon kennt, z.B. weil sie aus dem Kontext erschließbar sind: ( 6 2 a ) Vor 19 Millionen Jahren erschütterten gewaltige geologische Verschiebungen den Kontinent. I n f o l g e d e r h e f tig e n l ü lk a n a u s b r ii c h e , d i e d a b e i a u f tr a t e n . entstand das Hole-in-the-Wall inmitten der Mojave-Wüste. Eine völlig andere Situation findet man in den Beispielen (52) und (53). Die Nomina Durchsieht und Erfüllung in diesen Beispielen sind deverbale Nomi- <?page no="105"?> R eferentielle Verwendung von Nominalphrasen 105 nalisierungen. Bisle-Müllcr (1991, S. 123) schreibt, es handele sich hierbei nicht um „typische gegenstandsbezogene Substantive“, sondern um Abstrakta, „die sich für die Zählbarkeit nicht besonders anbieten“. In der Tat kommen deverbale Nominalisierungen besonders häufig artikellos nach Präpositionen vor. Fehlende Zählbarkeit bietet sich als Erklärung hierfür aber nicht an. Der Schlüssel Iiegtvielmehr im Vorgang der Nominalisierung. Im Deutschenkannjeder Satz in eine Nominalphrase verwandelt werden (vgl. Hopper/ Thompson 1984, S. 737f., 744ff.; Eisenberg 2004, S. 252ff.; Blühdom 2008a, S. 64). Diesen Prozess nennt man Nominalisierung (vgl. Engel/ Tertel 1993, S. 276,285). Ein Beispiel: (63 ) Der Direktor wurde zur Betriehsversannnlung eingeladen. -N die Einladung des Direktors zur Betriebsversammlung Beispiel (63) ist ein Passivsatz. In der Nominalisierung wird das Patiens-Subjekt zum Genitivattribut. Wird ein Aktivsatz nominalisiert, so erscheint das Agens-Subjekt häufig in einer von- oder durch-Phrase (vgl. Engel/ Tertel 1993, S. 277): (64) Der Betriehsral hat den Direktor zur Betriebsversammlung eingeladen. -N die Einladung des Direktors zur Betriebsversammlung d u r c h d e n B e t r i e b s r a t Alternativ kann auch das Agens als Genitivattribut erscheinen: (65 ) Der Direktor hat zu einem Empfang eingeladen. -N die Einladung des Direktors zu einem Empfang In vielen Fällen wird das Agens bei der Nominalisierung auch weggelassen: (66 ) Der Direktor hat zu einem Empfang eingeladen. - N die Einladung zu einem Empfang Sätze und nominalisierte Nebensätze beschreiben Sachverhalte (Ereignisse und Zustände). Sachverhalte sind Objekte, die Zeitintervalle ausfüllen. Sie können so beschrieben werden, dass die von ihnen eingenommenen Zeitintervalle klar begrenzt sind: (67) Marlin hat von Mai bis August 2007 in Hamburg gewohnt. - N Martins Wohnen in Hamburg von Mai bis August 2007 Da Sachverhalte klar begrenzt sein können, ist Bisle-Müllers (1991, S. 123) Annahme, sie eigneten sich nicht für Zählbarkeit, unbegründet: <?page no="106"?> 106 Artikelgebrauch im Deutschen (68) Martin hat schon dreimal in seinem Leben in IIamburg gewohnt. > Martins dreimaliges Wohnen in Hamburg Nur wenn Sachverhalte so beschrieben werden, dass ihre zeitlichen Grenzen nicht in den Blick kommen, sind sie nicht-zählbar: (69) A Is ich ins Zimmer kam, spielte Anna gerade Klavier. *Als ich ins Zimmer kam. spielte Anna gerade dreimal Klavier. > ? Annas dreimaliges Klavierspiel bei meinem IIereinkommen Da Sachverhalte ebenso wie räumliche Objekte zählbar und nicht-zählbar sein können, muss die Verwendung oder Nicht-Verwendung des Definitartikels in Satznominalisierungen andere Gründe haben. Der Definitartikel in Satznominalisierungen zeigt genauso wie in allen anderen Fällen beim referentiellen Gebrauch die Identifizierbarkcit des Referenten für den Adressaten an (siehe unten Abschnitt 2.4.4). In den Beispielen (63) bis (66) wird also bei der Nominalisicrung der Definitartikel verwendet, wenn angenommen wird, dass der Adressat darüber informiert ist, dass die beschriebenen Sachverhalte stattgefunden haben. Es wird der Indefinitartikel vciwcndct, wenn angenommen wird, dass der Adressat noch nicht darüber informiert ist: (63a) Der Betriebsrat will den Direktor zur Betriebsversammlung einladen. —» eine Einladung des Direktors zur Betriebsversammlung durch den Betriebsrat {ist geplant) (65a) Der Direktor will zu einem Empfang einladen. —» eine Einladung {des Direktors) zu einem Empfang {ist geplant) Die Nominalisierungsmöglichkeit besteht nicht nur für 1lauptsätze wie in (63) bis (68), sondern auch für Nebensätze, und zwar sowohl für Ergänzungssätze wie in (70) als auch für Adverbialsätze wie in (71 ). Attributsätze wie in (72) werden in adnominale Partizipien verwandelt: (70) Dass Nostradamus fü r 2012 einen Weltuntergang vorhergesagt hat, ist mir neu. http: / / www.multimediaxis.de/ showthread.php (Stand: 24.03.2008) —» Die Vorhersage eines Weltuntergangs für 2012 durch Nostradamus ist mir neu. (71) A Is meine Freundin nach Deutschland zurückkehrte, war ich schon unterwegs a u f die grüne Insel. http: / / www.mega-rock.de/ contest/ (Stand: 24.03. 2008) —» Bei der Rückkehr meiner Freundin nach Deutschland war ich schon unterwegs a u f die grüne Insel. <?page no="107"?> R eferentielle Venvencliing von N oniinalphm sen 107 (72) Das Mädchen, das bei dir in der Nahe wohnt, würde ich a u fjeden Fall zur Rede stellen. http: / / www.onlinekunst.de/ p-forum/ showthread.php (Stand: 16.03.2008) —» Das bei dir in der Nähe wohnende Mädchen würde ich a u f jeden Fall zur Rede stellen. Werden adverbiale Nebensätze nominalisiert wie in (71), so treten Präpositionen an die Stelle der Subjunktoren. In (71) wird der Subjunktor als durch die Präposition bei ersetzt. Auch Ausdrücke wie nach Durchsicht der Profile in (52) und nach Erfüllung aller Auflagen in (53) sind Nominalisiemngen adverbialer Nebensätze. Sie können wieder in Nebensätze aufgelöst werden: (52a) N a c lt d e m l w e n n ic h d i e P r o f il e d u r c h g e s e h e n h a tt e ! h a b e , sind hei mir bereits von 100 Männern 95 durchs Raster gefallen. (53a) N a c h d e m l w e n n a ll e A u f l a g e n e r f ü ll t w u r d e n / s in d , können wir Ihnen die Genehmigung erteilen. In (52a) und (53a) wird die Präposition nach durch den Subjunktor nachdem bzw. wenn ersetzt. Ebenso tritt in (73) und (74) weil an die Stelle von wegen bzw. obwohl an die Stelle von trotz: (73) Die Drogeriekette Schlecker gerät w e g e n falscher Preisangaben ihrer Versandapotheke Vitalsana zunehmend unter Druck. http: / / openpr.de/ news/ 199088/ APOTHEKE-ADHOC-Schlecker-Versandapothekewegen-falscher-Preisempfehlungen-unter-Druck.html (Stand: 16.04.2008) —» Die Drogeriekelle Schlecker gerät zunehmend unter Druck, w e il ihre Versandapotheke Vitalsana fälsche Preise angibt! angegeben hat. (74) In 2050 erhöht sich durch den verstärkten Einsatz der zum virtuellen SII- Kraftwerk zusammengeschalteten Objekt-BHKWs und den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien die Eigenproduktion im Land wieder um 1.072 GWh a u f insgesamt 24.899 GWh trotz Abschaltung der Kohlekraftwerke. http: / / www.sh.gruene-fraktion.de/ cms/ files/ dokbin/ 195/ 195156.pdf (Stand: 27.03. 2008) —» ... o b w o h l d ie Kohlekraftwerke abgeschaltet wurden/ werden/ sind. Es gibt auch die Möglichkeit, dass bei der Nominalisierung das Verb nicht direkt in ein Nomen verwandelt wird, sondern in eine komplexe Wortbildung: <?page no="108"?> 1 0 8 Artikelgebrauch im D eutschen (75) Das Haus ist durch B li t z s c h l a g zerstört worden. (Grim m 1987. S. 168) -A Das Haus ist zerstört worden, a ls e in B li t z e in s c h lu g . Die Nominalisiemng kann ferner in einem adnominalen Attribut sichtbar sein: (76) Trotz g e b r o c h e n e r H and spielte er drei Stunden. (Bisle-M üller 1991. S. 121) -A O b w o h l e r s ic h d i e H a n d g e b r o c h e n h a tte , spielte er drei Stunden. Nominalisierungen sind im Deutschen typisch für einen bestimmten Stil, den so genannten Nominalstil, der in amtlichen und technischen Texten weit verbreitet ist (vgl. Jung 1990, S. 244f; Czochralski 1994, S. 342; Eisenberg 2004, S. 253). Der wichtigste Unterschied zwischen adverbialen Nebensätzen und den entsprechenden Nominalisierungen besteht darin, dass im Nebensatz durch das Tempus des Verbs festgelegt wird, in welcher zeitlichen Relation der im Nebensatz beschriebene Sachverhalt zum Sprechzeitpunkt und zu dem im IIauptsatz beschriebenen Sachverhalt steht. Ein Beispiel: (52b) N a c h d e m ic h d ie P r o f il e d u r c h g e s e h e n h a tt e , sind bei mir bereits von 1 0 0 Männern 95 durchs Raster gefallen. (52c) W e n n ic h d ie P r o f il e d u r c h g e s e h e n h a b e , sind hei mir bereits von WO Männern 95 durchs Raster gefallen. In beiden Fällen liegt das Durchsehen der Profile zeitlich vor dem Durchfallen. In (52b) liegt das Durchsehen der Profile zugleich auch vor dem Sprechzeitpunkt, während es in (52c) vom Sprechzeitpunkt aus wahrscheinlich noch in der Zukunft liegt. Die Beispiele (52b) und (52c) haben unterschiedliche Subjunktoren: nachdem und wenn. Nachdem kann unbeschränkt verwendet werden bei Ereignissen, die vom Sprechzeitpunkt aus in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegen, oder sich mit dem Sprechzeitpunkt überlappen. Wenn kann dagegen entweder konditional interpretiert werden oder bei einer temporalen Interpretation sich auf ein Ereignis beziehen, dass vom Sprechzeitpunkt aus in der Zukunft liegt. Wenn es sich auf ein zum Sprechzeitpunkt schon vergangenes Ereignis beziehen soll, dann zeigt es Iteratixitcit (im Sinne von ‘immer wenn') an. Diese Unterscheidungen können in einer Nominalisierung nicht gemacht werden, weil Nominalphrasen kein Tempus haben und weil nicht alle semantischen Unterscheidungen, die bei Subjunktoren möglich sind, auch mit Präpositionen kodiert werden können. <?page no="109"?> Referentielle Venvemhm g von Nominalphrasen 109 Entsprechendes gilt für Beispiel (53): (53b) N a c h d e m a ll e A u f l a g e n e r f ü ll t w u r d e n , können wir Ihnen die Genehmigung erteilen. (53c) W e n n a ll e A u f l a g e n e r f ü ll t s i n d , können wir Ihnen die Genehmigung erteilen. In beiden Fällen liegt die Erfüllung aller Auflagen zeitlich vor dem Erteilen der Genehmigung. In (53b) liegt die Erfüllung aller Auflagen zugleich auch vor dem Sprechzeitpunkt, während sie in (53c) vom Sprechzeitpunkt aus noch in der Zukunft liegt. Auch (53b) und (53c) haben unterschiedliche Subjunktoren. Das im nachdem- Satz in (53b) beschriebene Ereignis kann vom Sprechzeitpunkt aus in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegen oder sich mit dem Sprechzeitpunkt überlappen. Das im wenn-Satz in (53c) beschriebene Ereignis kann entweder konditional oder temporal verknüpft werden. Wird cs temporal verknüpft, so liegt es vom Sprechzeitpunkt aus in der Zukunft. Die Nominalisierungcn in (52) und (53) sind also mehrdeutig: (52) N a c h D u r c h s i c h t d e r P r o f il e sind hei mir bereits von 1 0 0 Männern 9 5 durchs Raster gefallen. (53) N a c h E r f ü llu n g a ll e r A u f l a g e n können wir Ihnen die Genehmigung erteilen. Die Durchsicht der Profile bzw. die Erfüllung der Auflagen kann vom Sprechzeitpunkt aus im Prinzip in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegen oder sich mit dem Sprechzeitpunkt überlappen. Da beide Sätze im Präsens stehen, wird durch das Tempus keine zeitliche Einschränkung gemacht. Die Präposition nach legt lediglich fest, dass die Durchsicht der Profile bzw. die Erfüllung der Auflagen vor dem durch das Prädikat des Satzes beschriebenen Ereignis liegen muss, nicht aber, in welchem zeitlichen Verhältnis sie zum Sprechzeitpunkt stehen muss. Gegenüber dem Sprechereignis kann sie entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegen oder sich zeitlich mit dem Sprechereignis überlappen. Nominalisierungen sind in dieser Hinsicht semantisch nicht festgelegt. Die geforderte Interpretation kann nur unter Berücksichtigung des jeweiligen Kontexts gefunden werden. Dafür kodieren Nominalisierungen andere Informationen, insbesondere die ldentifizierbarkeit des beschriebenen Sachverhalts. Satznominalisierungen können ebenso wie alle anderen Nominalphrasen in drei grammatischen Forno <?page no="110"?> A rtikelgebrauch im D eutschen men auftreten: ohne Definitmarker und Quantifikator (Typ 1), ohne Definitmarker, aber mit Indefinitartikel oder einem anderen Quantifikator (Typ 2) oder mit Dcfinitartikel oder einem anderen Definitmarker (Typ 3): ( 5 2 ü ) N a c h D u r c h s i c h t d e r P r o f il e sind bei mir bereits von 1 0 0 Männern 9 5 durchs Raster gefallen. ( 5 2 c ) N a c h e i n e r D u r c h s i c h t d e r P r o f il e sind bei mir bereits von I OO Männern 95 durchs Raster gefallen. (52f) N a c h d e r D u r c h s i c h t d e r P r o f il e sind bei mir bereits von 1 0 0 Männern 9 5 durchs Raster gefallen. Wo liegt der Unterschied zwischen diesen Varianten? Ereignisse können als Diskursreferenten interpretiert werden. Wenn der Sprecher annimmt, dass der Adressat das Ereignis im Kontext schon identifizieren kann, dann verwendet er den Definitartikel wie in (52f) (siehe unten Abschnitt 2.4.4). Beispiel (52f) ist also folgendermaßen zu interpretieren: (52g) Es hat ein Ereignis stattgefunden, bei dem jem and die Profile durchgesehen hat. Es wird angenommen, dass der Adressat dieses Ereignis im Kontext identifizieren kann. Der Sprecher teilt mit, dass nach diesem Ereignis bei ihm 95 von 100 Männern durchs Raster gefallen sind. Wenn der Sprecher annimmt, dass der Adressat nicht im Stande ist, das Ereignis im Kontext zu identifizieren, so veiwendet er den indefiniten Artikel wie in (52e). (52e) kann also folgendermaßen gelesen werden: (52h) Es hat ein Ereignis stattgefunden, bei dem jemand die Profile durchgesehen hat. Es wird angenommen, dass dieses Ereignis für den Adressaten im Kontext neu ist. Der Sprecher teilt mit, dass nach diesem Ereignis bei ihm 95 von 100 Männern durchs Raster gefallen sind. Ereignisse müssen aber nicht als Diskursreferenten interpretiert werden, z.B. wenn sie noch nicht stattgefunden haben. Der Sprecher hat die Möglichkeit, nur eine Ereignisbeschreibung zu geben und dadurch eine passende Diskursleerstelle zu eröffnen, in die ein Ereignis von der passenden An eingefügt werden kann, wenn ein solches später stattfinden sollte. Die Nominalphrase ist dann unspezifisch gebraucht. Die Beispiele (52d) und (52e) können so interpretiert werden. Eine geeignete Paraphrase wäre (52i): (52i) Der Sprecher teilt mit, dass nach einem beliebigen Ereignis, bei dem j e mand die Profile durchsieht, bei ihm 95 von 100 Männern durchs Raster gefallen sind bzw. sein werden. <?page no="111"?> Referentielle Icrw endim g von N om inalphrasen 111 Interpretation (52i) kann im Kontext durch Inferenzen angereichert werden. Es kann z.B. angenommen werden, dass der Sprecher derjenige ist, der die Profile durchsicht. Wird im Kontext verstanden, dass das Durchfallen der 95 Männer vom Sprechzeitpunkt aus bereits in der Vergangenheit liegt, so ist klar, dass der Sprecher die Profile zu einem noch früheren Zeitpunkt in der Vergangenheit durchgesehen haben muss. Es kann aber auch verstanden werden, dass zum Sprechzeitpunkt noch keine Durchsicht der Profile stattgefunden hat und deshalb auch noch niemand durchs Raster gefallen ist. In diesem Fall gibt der Sprecher eine Beschreibung von Ereignissen, die möglicherweise in Zukunft stattfinden können. Eine solche Lesart ist besonders naheliegend bei artikelloser Verwendung der Nominalisierung wie in (52d). Möglich ist sic auch bei der Verwendung mit Indefinitartikel wie in (52e). Weniger wahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, ist sie bei der Verwendung mit Definitartikel wie in (52f). Unter der rein beschreibenden Lesart können (52d) bis (52f) sich in der Bedeutung also sehr ähnlich sein. Der Definitartikel in (52f) ist dann allerdings als Anzeiger von Einzigkeit zu deuten, also in dem Sinne, dass maximal ein Ereignis vom beschriebenen Typ (Durchsicht der Profile) im Kontext erwartet wird. Umgekehrt kann für die artikellose Variante (52d) eine referentielle Lesart nicht ausgeschlossen werden, die entweder im Sinne von (52g) oder im Sinne von (52h), also entweder mit identifizierbarem oder mit nicht-identifizierbarem Referenten ausfallen kann. Da artikellose Satznominalisierungen diesbezüglich unterspezifiziert sind, werden sic bevorzugt beschreibend gelesen. Wenn referentieller Gebrauch intendiert ist, wird die Verwendung eines Artikels erwartet. Artikelhaltige Satznominalisicrungcn werden entsprechend bevorzugt referentiell gelesen. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei (53): (53) N a c h E r f ü ll u n g a ll e r A u f l a g e n können wir Ihnen die Genehmigung erteilen. (Bisle-Müller 1991, S. 121) (53d) N a c h e i n e r E r f ü llu n g a ll e r A u f l a g e n können wir Ihnen die Genehmigung erteilen. (53e) N a c h d e r E r f ü ll u n g a ll e r A u f l a g e n können wir Ihnen die Genehmigung erteilen. Für (53e) ist eine referentielle Lesart naheliegend, die anzcigt, dass der Sprecher auf einen bereits etablierten, für den Adressaten schon bekannten Ereignisreferenten Bezug nimmt. Für (53d) ist ebenfalls eine referentielle Lesart möglich, die anzeigt, dass der Sprecher auf einen Ereignisreferenten Bezug <?page no="112"?> 112 Artikelgebrauch im D eutschen nimmt, der dem Adressaten noch nicht bekannt ist. Für (53) ist eine nicht-referentielle, beschreibende Lesart naheliegender, die anzeigt, dass noch kein entsprechendes Ereignis als Diskursreferent verfügbar ist, dass aber in Zukunft ein solches Ereignis möglicherweise eintreten wird. Für (53d) und (53c) ist eine beschreibende Lesart nicht völlig auszuschließen, und für (53) muss zumindest mit der Möglichkeit einer referentiellen Lesart gerechnet werden, bei der der Referent bevorzugt nicht-identifizierbar ist, aber auch identifizierbar sein kann. Zusammenfassung: Wenn mit nominalisierten adverbialen Nebensätzen referiert werden soll, dann wird bevorzugt ein Artikel gesetzt, und zwar entweder der Definitartikel, wenn signalisiert werden soll, dass das Bezugsereignis finden Adressaten schon bekannt ist, oder der Indefinitartikel, wenn signalisiert werden soll, dass das Bezugsereignis für den Adressaten noch nicht identifizierbar ist. Soll dagegen mit nominalisierten adverbialen Nebensätzen nur eine Beschreibung eines möglichen Ereignisses gegeben werden, so wird bevorzugt kein Artikel gesetzt. In der Literatur werden gelegentlich weitere Fälle als Beispiele für einen Ausfall des Detmitartikels nach Präpositionen genannt, z.B. Ausdrücke mit den Präpositionen w/ Yund ohne (vgl. Duden 2005, S. 306): ( 7 7 ) Das 2-Sterne-Hotel FioveUa verfügt über Zimmer m i t B a d . Die Zimmer sind ausgestattet mit Klimaanlage, TV und Internetanschhiss. h ttp : / / w w w .in m a ila n d .d e / ( S t a n d : 2 2 . 0 1 . 2 0 0 8 ) ( 7 8 ) Der Karstadt hat oft sehr schönes Plastikgeschirr und je tzt im Frühjahr dürftest du auch große Auswahl haben. Eine tolle Tasse m i t H e n k e l hab ich in einem Billig! Restegeschäft für I EUR gekauft. h t t p : / / w w w .r h e u m a o n lin e .d e / p h o r u m / a r c h iv e / in d e x .p h p ( S t a n d : 0 3 . 0 3 . 2 0 0 8 ) ( 7 9 ) Da wir nur alte abgefuckte Plattenspieler o h n e N a d e l besitzen, haben wir uns für CD entschieden. Jetzt brauchen wir nur noch einen CD-Player! h t t p : / / w w w .h ip h o p . d e / ( S t a n d : 0 3 . 0 3 . 2 0 0 8 ) In den Beispielen (77) bis (79) werden die mit- und o/ z/ re-Phrasen als beschreibende Attribute verwendet. In (77) handelt es sich um eine bestimmte Sorte von Zimmern, nämlich um solche Zimmer, zu denen ein Bad gehört. Die mit- Phrase bedeutet so viel wie ‘badhaltig’. In (78) meint eine Tasse mit Henkel eine ‘behenkelte’Tasse. Plattenspieler ohne Nadel in (79) meint einen ‘nadellosen’ Plattenspieler. Mit den mit- und o/ z/ re-Phrasen wird nicht auf ein Bad, einen Henkel oder eine Nadel referiert, sondern sie haben in Bezug auf das IIauptnomen (Zimmer, Tasse, Plattenspieler) beschreibende Funktion. Sie verhalten sich semantisch wie Adjektive. <?page no="113"?> Referentielle V en veinlu n g vo nN o m in aIp h ntsen I 13 In allen diesen Beispielen ist keine Einsetzung des definiten Artikels möglich: (77a) 'fDas I-Sterne-Uotel Fiorella verfügt über Zimmer m i t (le n t B a d . (78a) ifEine tolle Tasse m i t d e m H e n k e l hob ich in einem Billig! Restegeschäft für 1 EUR gekauft. (79a ) 'fDa Mir nur alte abgefuckte Plattenspieler o h n e d i e N a d e l besitzen, haben Mir uns fü r CD entschieden. Wenn hier überhaupt ein Artikel in Betracht käme, dann kann es nur der Indéfinitartikel sein: (77b ) Das 2-Sterne-HoteI Fiorella verfügt über Zimmer m i t e in e m B a d . (78b) Eine tolle Tasse m i t e in e m H e n k e l hab ich in einem Billig! Restegeschäft für 1 EUR gekauft. (79b) Da wir nur alte abgefuckte Plattenspieler ohne e i n e N a d e l besitzen, haben wir uns für CD entschieden. In manchen Fällen kann man auf den Gedanken kommen, adnominale m i t - oder ohne-Phrasen auch referentiell zu interpretieren. Ein längeres Textbeispiel: (80) - Würde es Ihnen etwas ausmachen, sagt Ileinrieh V. und klopft dem Mann, der vor ihm sitzt, a u f die Schultet: I h r e n H u t abzunehmen? - Allerdings, sagt der Vordermann, ohne sieh umzudrehen. Ich bin Fassbinder-Imitator Ohne d i e s e n H u t kann ich den Film unmöglich genießen. A ttfder Leinwand erscheint das IOth-Century-Fox-Symbol. - In einem Jahr müssen die sieh auch einen anderen Namen ausdenken, spricht Heinrichs Gattin, die neben ihm sitzt. Sic sagt das jedesmal, wenn sie einen Fox-Film sieht. - Nein, erwidert Heinrich V., in zwei Jahren. Das neue Jahrhundert beginnt erst im Jahre 2001. Aber was im Moment M iehtiger ist: ich sehe nichts. Der Herr vor mir nimmt mir mit s e in e m H u t die Sieht a u f die Leinwand. - Lehn dich doch zu mir herüber, antwortet seine Gattin, dann siehst du was. - Um Gottes Willen, entgegnet Heinrich V., bloß nicht. Er schweigt, während der Vorspann abläuft, und starrt a u f d e n Hutscincs Vordermannes. - Verzeihung, sagt er dann und tippt dem Huthcsitzcr erneut a u f die Schulter. I h r H u t stört mich. Nehmen Sic ihn bitte ab. Und zwar sofort. - Ich habe es Ihnen doch schon gesagt, erwidert der Mann und dreht sich je tz t doch zu Heinrich V. um. D e r H u t bleibt. <?page no="114"?> 114 A ftikeIg ehra u di im D eutsehen - Aber ich sehe nichts, zischt Heinrich. - Na und, sagt der Mann, steht a u fund kniet sich verkehrt herum aufseinen Sitz, so dass erje tz t unmittelbar vor Heinrich V. aufragt. - Sie setzen sich jetzt sofort wieder hin! ruft Heinrich. - Sehen Sie. sagt der Mann, es ist zum Genuss dieses Films völlig unerheblich, ob man ihn sieht oder nicht. Hauptsache, man trägt einen Hut, wie Fassbinder ihn trug. Das gilt für alle Fasshinderfilme. Ich werde in dieser Position bleiben und statt dem Film Sie betrachten. - Hören Sie mal, das ist kein Fassbinderfilm, sagt Heinrich V, das ist A lien V. Sie sind im falschen Film. - Quatsch, erwidert derMann mit Hut, das ist Angst essen Seele auf. Wenn hier einer im falschen Film ist. dann Sie. h t t p : / / w w w .d ig it a b .d e / ta b le a u / a lb e r t/ a e 2 .h tm (Stand: 07.04.2008) ln diesem Beispieltext ist fortgesetzt von einem bestimmten 1lut die Rede, der sich auf dem Kopf eines bestimmten Mannes befindet. Hut und Mann sind Diskursreferenten, die im Text aufwendig etabliert werden. Wenn nun am Ende der Passage die Nominalphrase d er M ann m it H u t steht, so ist die Interpretation naheliegend, dass hier mit dem artikellosen Nomen H u t auf den Hut referiert wird, der im Kontext als Diskursreferent verfügbar ist. Eine solche Lesart kann allerdings nicht aufgrund der verwendeten sprachlichen Ausdrücke zustande kommen, sondern nur aufgrund kontextgestützter Inferenzen. Sprachlich betrachtet handelt es sich um eine rein beschreibende »/ / / -Phrase. D er M ann m it H u t ist ein Hut tragender Mann. M it H ut funktioniert wie ein Adjektiv. Eine referentielle Interpretation kann nur dadurch zustande kommen, dass der Interpret schlussfolgert, dass der Hut gemeint ist, von dem schon vorher im Text die Rede war, der als Diskursreferent schon eine Rolle gespielt hat. Beschreibende m it- und o/ ? z? e-Phrasen können nicht nur adnominal, sondern auch adverbial verwendet werden: (81) Ich komme m it Frau. (Bisle-Müller 1991, S. 121) Auch hier hat die / «/ / -Phrase ausschließlich die Funktion, das Kommen des Sprechers genauer zu charakterisieren. Dabei wird nicht auf eine bestimmte Frau referiert, sondern es wird lediglich ausgesagt, dass das Kommen in weiblicher Begleitung stattfindet. Trotzdem kann ein Interpret auf die naheliegende Vermutung kommen, dass der Sprecher sagen will, dass er in Begleitung seiner Ehefrau kommt. In diesem Fall interpretiert er das Nomen Frau refe- <?page no="115"?> Referent teile Verwendung von NoininaIphrasen 115 rentiell. Auch hier kommt es aber zu der referentiellen Interpretation nicht aufgrund der verwendeten sprachlichen Ausdrücke, sondern nur aufgrund einer kontextgestützten Inferenz. Es wäre falsch, zu behaupten, dass hier ein Definitartikcl ausgefallen sei, denn es wäre kein Definitartikel einsetzbar: (81a) *Ich komme m i t d e r F r a u . Der Indefinitartikel wäre nur bei einer Interpretation einsetzbar, in der nicht die Ehefrau des Sprechers gemeint ist bzw. bei der dies nicht deutlich werden soll: (81b) Ich komme m i t e i n e r F r a u . Die Referenz auf die Ehefrau des Sprechers kann nur mit dem Possessivum explizit gemacht werden: (81c) Ich komme m i t m e i n e r F r a u . Dies zeigt besonders deutlich, dass eine referentielle Interpretation von Beispiel (81 ) nur durch eine kontextgestützte Inferenz zustande kommen kann, hinter der kein grammatisch bedingter Ausfall eines Artikels steht. Mit der Präposition mit hat die Möglichkeit einer referentiellen Interpretation nichts zu tun. Eine weitere Präposition, nach der Nominalphrasen vom Typ 1 auftreten, ist pro: (82) Ein Auto verschlingt viel Geld für Reparaturen, Abschreibung. Zinsen, Versicherung und Steuern. Für einen vergleichsweise günstigen gebrauchten G olfsununieren sich die Kosten a u f20 Cent pro Kilometer. Bei einem neuen Dreier-BMW sind es gar 40 Cent und mehr. http: / / www.heise.de/ tr/ blog/ artikel/ 8847 (Stand: 22.01.2008) Pro distribuiert Werte über Einheiten. In (82) sind mit Kilometer beliebige Kilometer gemeint. Es geht nicht um einen oder mehrere bestimmte Kilometer, sondern es wird beschrieben, über was für Einheiten distribuiert wird. Entsprechend kann in (82) kein Artikel eingesetzt werden: (82a) *Für einen vergleichsweise günstigen gebrauchten G olf summieren sieh die Kosten a u f 2 0 Cent p r o d e n / d e m K ilo m e t e r . (82h) *Für einen vergleichsweise günstigen gebrauchten G olf summieren sieh die Kosten a u f 20 Cent p r o e in e n / e in e m K ilo m e t e r . <?page no="116"?> 1 1 6 Artikelgebrauch im D eutschen Bs ist nicht einmal klar, welchen Kasus die Präposition pro verlangt. Auf deutschsprachigen Intemetseiten findet die Suchmaschine Google etwa doppelt so häufig pro mit Akkusativ wie pro mit Dativ. Für beide Varianten gibt es insgesamt sehr zahlreiche Belege: (82c) pro gefahrenen Kilomeier (Akk) (82d) pro gefahrenem Kilometer (Dat) Schließlich sind noch Nominalphrasen vom Typ I in Iexikalisierten Verbindungen wie zu Hause oderper Luftpost za betrachten (vgl. Bisle-MtUler 1991, S. 121): (82) Der Arzt Johannes JViiller leitet in Aachen einen Verein, der Menschen, die bald sterben müssen, z u H a u s e betreut. http: / / www.lernzeit.de/ sendung.phtml (Stand: 16.04.2008) (84) Wir schicken den B rief p e r L u f tp o s t . (Grimm 1987, S. 154) Die Nomina Hause und Luftpost in (83) und (84) sind nicht referentiell, sondern beschreibend verwendet. Bs geht hier nicht um Referenten vom Typ ‘Haus’ oder ‘Luftpost’, auf die der Sprecher Bezug nimmt und für die er prüft, ob sie dem Adressaten bekannt sind, sondern der Sprecher beschreibt, wo die Betreuung bzw. auf welche Artund Weise die Beförderung erfolgt. Ausdrücke wie zu Hause oderper Luftpost verhalten sich wie lexikalische Adverbien. Sie müssen als Vokabeln auswendig gelernt werden (vgl. Bisle-Müller 1991, S. 121). Ein Artikel kann in solchen Ausdrücken nicht gesetzt werden: (83a) Der Arzt Johannes JViiller leitet in Aachen einen Verein, der Menschen, die bald sterben müssen, * zu d e m H a u s e H z u e in e m H a u s e betreut. (84a) Wir schicken den B rie f * p e r d e r L u f t p o s t H p e r e i n e r L u f tp o s t . Zusammenfassung: In allen Fällen, für die behauptet wurde, es seien wegen einer vorangestellten Präposition Definitartikel ausgefallen, konnte gezeigt werden, dass der Ausfall des Artikels von der Präposition unabhängige Gründe hat oder dass überhaupt kein Definitartikel ausgefallen ist. Im Binzelnen wurden sechs verschiedene Fälle untersucht: 1) Bei Präpositionalphrasen wie von Bretzenheim und ab Hauptbahnhofkmm angenommen werden, dass ein Definitartikel ausgefallen ist. Das liegt aber nicht an den Präpositionen, sondern daran, dass die nachfolgenden Nomina Eigennamen sind. <?page no="117"?> Referentielle Verwendung von N om inalphrasen 117 2) Bei Phrasen wie ab Montag oder seit April ist kein Artikel ausgefallen. Es handelt sich nicht um Präpositional-, sondern um Präadverbphrasen. Die auf das Präadverb folgende Nominalphrase ist adverbial gebraucht und deshalb artikellos. 3) Bei Präpositionalphrasen wie infolge starken Nebels fällt ein Indefinitartikel aus. Das liegt wiederum nicht an der Präposition, sondern daran, dass das nachfolgende Nomen ein Masse-Nomen ist. 4) Bei Präpositionalphrasen wie bei Durchsicht der Profile, nach Erfiilhmg aller Auflagen, durch Blitzschlag, trotz gebrochener Hand usw. ist in der Regel kein Artikel ausgefallen, wenn es sich um nominalisierte adverbiale Nebensätze in nie lit-referentieller Verwendung handelt. Wenn eine referentielle Verwendung intendiert ist, ist ein definiter oder indefiniter Artikel ausgefallen. Von der Präposition ist die Wahl einer referentiellen oder nicht-referentiellen Lesart unabhängig. 5) Bei Präpositionalphrasen wie mit Hut, ohne Henkel, pro Kilometer ist kein Artikel ausgefallen. Es handelt sich um rein beschreibende Ausdrücke, die adnominal oder adverbial verwendet werden können, die aber in keinem Fall referentiell sind. 6) Bei Präpositionalphrasen wie zu Hause und per Luftpost ist kein Artikel ausgefallen. Es handelt sich um Iexikalisierte Ausdrücke, die nicht referierend, sondern rein beschreibend verwendet werden. 2.4.3 Nominalphrasen vom Typ 2 Nominalphrasen vom Typ 2 enthalten neben dem Nomen auch Quantifikatoren (siehe oben Unterkapitel 2.2). Man kann zwei semantische Haupttypen von Quantifikatorenunterscheiden (vgl. Blühdorn 2006, S. 28): 1) Zähl-Quantifikatoremly a) singularische Quantifikatoren: Kardinalzahlwort/ lndcfinitartikcl einb) pluralische Quantifikatoren: übrige Kardinalia, alle, beide, ein paar, einige, etliche, mehrere, viele, wenige, zahlreiche u.a. 2) Maß-Quantifikatoren: alles, ein bisschen, einiges, etliches, etwas, massenhaft, reichlich, viel, wenig u.a.19 19 Ä h n lic h e s e m a n ti s c h e E ig e n s c h a f t e n w i e d ie Z ä h l- Q u a n tifik a t o r e n h a b e n a u c h d ie E le m e n te je d u n d manch-, d ie a b e r s y n t a k ti s c h z u d e n D e t e r m in a tiv e n g e h ö r e n ( s ie h e o b e n U n t e r k a p ite l 2 .2 ). <?page no="118"?> 1 1 8 A rtikelgebrauch im Deutschen Zähl-Quantifikatoren werden typischcrwcisc mit Zähl-Nomina kombiniert und stimmen mit diesen im Numerus überein: (85) Zwn ersten Mal hab ich für eine Person, die nicht ich bin, einen R ock genäht. h ttp : / / b lo g .e le k tro m ilc h .d e / c a te g o ry / s c h a u e n b a u e n / (Stand: 02.12. 2007) (86) Verkaufe günstig zwei Kinderwagen. Stcfani Meyer. h t t p : / / w f d a n . d e / (Stand: 01.12.2007) Maß-Quantifikatoren werden typischerwcisc mit Masse-Nomina kombiniert: (87) E r nahm eine Karajfe vom Tablett, in die andere IIand einen prunkvollen Becher und goss etwas Wein hinein. h ttp : / / fo ru m .w o r ld o fp la y e r s .d e / fo ru m / s h o w th r e a d .p h p ( S t a n d : 2 2 . 1 2 . 2 0 0 7 ) Aber auch andere Kombinationen zwischen den Quantifikator- und Nomenklassen sind möglich (vgl. Blühdom 2006, S. 58ff.). So können pluralische Zähl-Quantifikatoren mit nicht-pluralischen Zähl-Nomina verbunden werden. Zwei Beispiele von Blühdom (ebd., S. 58): (88) A u f dem Tisch lagen mehrere S tück Brot. (80) Martin hatte schon ein paar Glas getrunken. Solche Zähl-Nomina wie Stück in (88) oder Glas in (89) sind Bezeichnungen für Portionen bzw. Maß-Binheiten. Sie werden auch Auxtltar-Nomina genannt (vgl. Blühdom 2006, S. 55; ähnlich Eisenberg 2004, S. 258ff.; Duden 2005, S. 1 7 2ff.). Gewöhnliche Zähl-Nomina im Singular wie Auto, die keine Portions- oder Maß-Bezeichnungen sind, können in der Regel nicht mit pluralischen Zähl-Quantifikatoren verbunden werden: ( 9 0 ) ifA u f dein Parkplatz standen drei Auto. Bs gibt allerdings Fälle wie: ( 9 1 ) F ü n f M ann kamen an Bord und begannen gleich mit der Schiffsdurchsuchung. h t tp : / / w w w .s y e la .d e / lo g b u c h .h tm ( S t a n d : 0 6 . 0 2 . 2 0 0 8 ) Mann kann nicht nur als gewöhnliches Zähl-Nomen, sondern auch als Portionsbezeichnung für menschliche Manövrier-Masse (Hauspersonal, Schiffsbesatzung, militärische Mannschaft usw.) veiwendet werden. In solchen Fällen ist es im Singularmitpluralischen Zähl-Quantifikatoren kombinierbar. Dagegen wäre es ohne einen geeigneten Interpretationsrahmen nicht korrekt, zu sagen: <?page no="119"?> ReferentieUe Verwendung von Nominalphrasen 119 (92) *A u f der Strasse standen drei Mann und unterhielten sich. Wenn im gewöhnlichen Sinne von mehreren männlichen Individuen die Rede ist, muss das Nomen Mann im Plural verwendet werden. Singularische und pluralische Zähl-Quantifikatoren können mit Masse-Nomina verbunden werden: (93) Auch Oma hat einige Sachen verkaufen können, viel war es nicht. In ihrem Kiiehenschrank hatte sie ein paar Zlotys versteckt. Aus diesem Schrank habe ich einmal 20 Zlotys genommen und mir e in Brot gekauft. http: / / www.stolp.de/ Geschichte/ KlausKosbab-Erinnerungen.htm (Stand: 02.12.2007) (94) Mein ältester Sohn war krank. Er saß wie ein Häufchen Elend, in Decken gehüllt, a u f Flaeks Hägen. Bärbel weinte vor Kälte. Jetzt fuhren wir nochmals in die Bäckerei und bekamen dort drei Brote. http: / / www.namslau-schlesien.de/ flucht2.htm (Stand: 23.12.2007) Nominawie Brot in (93) sind Masse-Nomina, aber durch die Kombination mit Zähl-Quantifikatoren erhalten sie das Merkmal [+ individuiert] (vgl. Blühdorn 2006, S. 61). Ihre Referenten werden dann als Individuen (hier: Brotlaibe) reinterpretiert. Solche Nominalphrasen lassen die gleichen vier Lesarten zu, die schon weiter oben (siehe Abschnitt 2.4.1) behandelt wurden: 1) Portionslesart: (95) Thomas trank e in B i e r und danach fühlte er sich schon ein wenig mutiger. Er wagte es sogar, mit Sophia zu tanzen. http: / / www.kurzgeschichten-verlag.de/ kindergeschichten/ jugendgeschichte-016.html (Stand: 23.12.2007) (96 ) Papa hat f ü n f B i e r getrunken. Mitgezählt. http: / / home.vrweb.de/ ~armin.mehrl/ tagebuch.htm (Stand: 02.12.2007) In (95 ) stellt man sich bei der Nominalphrase ein Bier eine standardisierte Einheit vor. Das kann ein Glas oder eine Flasche Bier sein. Auffällig ist, dass bei der Portionslesart Masse-Nomina mit einem Mehrzahl-Quantifikator, aber ohne Pluralmorphologie auftreten können wie in (96). Die Mehrzahl-Interpretation entsteht in solchen Fällen nur durch den Quantifikator. Die Singularform des Nomens ist wahrscheinlich so zu erklären, dass ein Auxiliar-Nomen zur Bezeichnung einer standardisierten Portionsbzw. Maß-Einheit ausgefallen ist. <?page no="120"?> 1 2 0 A rtikelgebrauch im Deutschen 2) Sortenlesart: (97) E in Ö l, ideal für Babys Ikrnt! ( Weleda Calendula-Kinder-Pflegeöl 100 ml) http: / / www.dooyoo.de/ weleda/ calendula-kinder-pflegeoel-100-ml (Stand: 17.11. 2007) (98) Von der Finna Taoasis hatten wir z w e i Ö le im Test. Das Taoasis Bergamotte, das es in Apotheken gibt, war 100 % naturrein und „empfehlenswert“, das Alberto Verano Bergamotte aber enthielt Verfälschungen und kam mir a u f „weniger empfehlenswert“. http: / / www.oekotest.de/ cgi/ nw/ (Stand: 02.12.2007) ln (97) und (98) sind mit den Nominalphrasen ein Öl bzw. zwei Öle Öl- Sorten gemeint. 3) Metonymische Lesart: (99) Eiskalte Engel. 93 Minuten - Kinowelt Home EntertainmentiDVD. Einfach tolle Schauspieler. Wiesich der Playboy in e in e U n s c h u l d v o m L a n de verliebt. Herrlich, romantisch, aber leider ohne Happy End. http: / / datingcafe.hamburg.de/ mediensammlung/ (Stand: 16.12.2007) (100) Nach seinem fulminanten Wahlsieg 1998 hat Roland Koch e in p a a r D u m m h e it e n begangen wir helfen ihm heim Ausbügeln ! http: / / wer-soll.in-die-regierung.de/ meinung/ koch.html (Stand: 16.12.2007) InAbschnitt 2.4.1 hatten wir bereits ein Beispiel gesehen, in dem das Masse-Nomen Schönheit metonymisch für eine schöne Frau verwendet wurde. In Beispiel (99) wird das Masse-Nomen Unschuld, das ebenfalls eine Eigenschaft bezeichnet, metonymisch für die Trägerin der Eigenschaft, eine naive Frau, verwendet. In (100) wird mit der Nominalphrase ein paar Dummheiten metonymisch auf dumme Handlungen referiert. 4) Metaphorische Lesart: (101) Ach ja , wir haben noch vergessen, den stolzen Großeltern zu gratulieren, also herzlichen Gliickwninsch Marga und Werner, ihr habt jetzt auch e i n e n S o n n e n s c h e in zum Verwöhnen. http: / / www.baby-im-internet.de/ geburtsanzeigen/ (Stand: 16.12.2007 (102) Somit wird der Kader der Bayernliga Mannschaft durch diese Ausfälle stark geschwächt. Denn mit Gerhard GiIk (Pitcher und S S) und Markus Ledtermann (Coach und 2000 des öfteren 9.ter Spieler) gehen z w e i a lt e E i s e n d e r 8 9 e r s in den Baseball Bayernliga Ruhestand. http: / / www.rosenheim89ers.de/ history/ 2000/ 2000.htm (Stand: 03.12.2007) <?page no="121"?> R eferentielle Verwendung von Noiniinilphnisen 121 Sonnenschein in (101) ist ein Masse-Nomen, das metaphorisch als Bezeichnung fur eine Person (hier: ein Baby) verwendet wird. In (102) wird das Masse-Nomen Eisen ebenfalls auf Personen angewandt. Die metaphorische Übertragung ist hier wahrscheinlich durch eine Metonymie vermittelt. Eisen bezeichnet zunächst ein Werkzeug, das aus Hisen gemacht ist, z.B. ein Bügeleisen. Eisen ist ein haltbares, verlässliches Material, und Alter deutet auf Erfahrung hin. Auch ein verlässliches Werkzeug wird aber mit demAlter schließlich unbrauchbar. Die metaphorische Bezeichnung von Personen als alte Eisen spielt auf diese Kombination von Eigenschaften bzw. Umständen an. Metonymische und metaphorische Verwendungsweisen von Masse-Nomina für Individuen-Referenten sind im Deutschen nicht so häufig wie in manchen anderen Sprachen. Portions- und Sortenlesarten werden bei der Interpretation zähl-quantifizicrtcr Masse-Nomina im Deutschen bevorzugt. Es kann durchaus Vorkommen, dass die gleiche Nominalphraseje nach Kontext unterschied! ich zu interpretieren ist. Im Extremfall können alle vier Lesarten (Portionslesart, Sortenlesart, metonymische und metaphorische Lesart) in Lrage kommen. Die folgenden Beispiele stammen von Blühdom (2006, S. 73): (103a) E in stilles Wasser bitte, Herr Ober! (Portionslesart: ein Glas W asser ohne Kohlensäure) (103b) Im Kurhaus schenken sie ein stilles Wasser aus, das muss man einfach probiert haben. (Sortenlesart: eine W assersorte) (103c) Dann kamen wir an ein stilles Wasser und packten unser Picknick aus. (m etonymische Lesart: ein stilles Gewässer) ( 103d) Da saß so ein stilles Wasser in der ersten Reihe und schaute mich versonnen an. (m etaphorische Lesart: eine stille Person) Welche Lesart der Nominalphrase ein stilles Wasser zu wählen ist, „muss aufgrund kontextueller Plausibilität entschieden werden“ (Blühdorn 2006, S. 73). Nicht nur Zähl-Quantifikatoren können mit Masse-Nomina verbunden werden, sondern auch Maß-Quantifikatoren mit Zähl-Nomina: ( 104) Die Mode zeigt viel Bein. Die Röcke werden immer kürzer. h t t p : / / w w w .h a u s a rb e ite n .d e / fa e c h e r/ h a u s a rb e it/ g e w / (Stand: 03.12.2007) Viel Bein in (104) ist so zu interpretieren, dass nicht das ganze Bein sichtbar ist, aber ein relativ großer Ausschnitt. Ausschnittbildung ist der typische Interpretationseffekt bei Kombinationen von Maß-Quantifikatoren mit Zähl-Nomina. Das zeigen auch die folgenden Beispiele: <?page no="122"?> 122 ArtikeIgehvauch im D eutschen ( 1 0 5 ) Übermorgen feiert sie Geburtstag, hat e in b i s s c h e n F a m ili e zum Grillen eingeladen und fragte mich auch, was mein Mann und ich trinken wollen. h t t p : / / w w w .b r ig itte .d e / fo r e n / s h o w th re a d .h tm l ( S t a n d : 2 3 . 1 2 . 2 0 0 7 ) ( 1 0 6 ) Elmidra saß neben ihm, die Beine angewinkelt, an die Wand gelehnt. Sie hatte e t w a s D e c k e um sich geschlungen und fuhr abwesend mit einem Finger über die blutigen Striemen a u fseinem Rücken. h t t p : / / w w w .n ir n .d e / fo r u m s / o b liv io n / th re a d .p h p ( S t a n d : 1 7 . 1 2 . 2 0 0 7 ) In (105) ist mit der Nominalphrase ein bisschen Familie ein Ausschnitt aus der Familie gemeint. Die Nominalphrase etwas Decke in (106) referiert auf einen Ausschnitt, einen Teil der betreffenden Decke. Die maß-quantifizierte Verwendung von Zähl-Nomina unterliegt im Deutschen starken Gebrauchsrestriktionen. „Ohne erkennbare stilistische Absicht muss [sic] als ungrammatisch gelten.“ (Blühdom 2006, S. 59): ( 107) *Der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger hat sich heute einer Meldung der , f o s Angeles Daily News“ zufolge beim Skifahren e i n i g e s B e in gebrochen. Nominalphrasen vom Typ 2 sind indefinit, d.h. sic enthalten keinen Definitmarker. Anders als bei Nominalphrasen vom Typ 1 gibt cs bei ihnen keine Fälle, wo sie dennoch als definit gelten können, weil ein Definitmarker aufgrund besonderer Regeln ausgefallen ist. Nominalphrasen vom Typ 2 können allerdings mit einem Definitmarker (z.B. Definitartikel) kombiniert werden. Die resultierende Nominalphrase ist dann definit und gehört zum Typ 3 (siehe unten Abschnitt 2.4.4). NominalphrasenvomTyp 2 (insbesondere mit Indefinitartikel), die einen Eigennamen enthalten, werden so interpretiert, dass der Sprecher auf ein Individuum referiert, das diesen Namen trägt, und gleichzeitig annimmt, dass der Adressat den Referenten nicht identifizieren kann: (108) Ich kenne e in e n K e v in . Der ist über 20 und kommt aus einer stinknormalen. gutbürgerlichen Familie. h t t p : / / fo r u m .g o fe m in in .d e / ( S t a n d : 0 9 . 1 0 . 2 0 0 8 ) Die Verwendbarkeit von Eigennamen mit dem Indefinitartikel spricht gegen die öfters vertretene These, dass Eigennamen inhärent definit seien (vgl. Bloomfield 61961, S. 205; van Langendonck 1985, S. 129, zit. n. Koldc 1995, S. 404; Sturm 2005). In den weiteren Abschnitten dieser Arbeit wird auf Nominalphrasen mit Eigennamen nicht im Einzelnen eingegangen. <?page no="123"?> R eferentielle Venrenchmg von N om inalphrasen 123 Nominalphrasen vom Typ 2 können mit spezifisch-referentieller und unspezifischer Lesart verwendet werden: (109) Da klopfte es dreimal sehr leise. Als sich darauf nichts mehr rührte, wollte Tohi zur Tür, tim aufzumachen. Jetzt öffnete sich die Tür langsam und ein M ann kam herein. http: / / www.lsg.musin.de/ brasholz/ Deutsch/ roman/ text_teiLl.htm ( S t a n d : 0 4 . 1 2 . 2 0 0 7 ) (110) Kopftuch und weite Kleidung haben einen einzigen Zweck: Eine Frau soll für Männer nicht attraktiv sein. h t t p : / / w w w .d a s e r s te .d e / w e lts p ie g e l/ b e itra g .a s p ( S t a n d : 0 8 . 1 0 . 2 0 0 7 ) In (109) wird mit der Subjektsnominalphrase ein Mann auf einen bestimmten Referenten Bezug genommen. In (110) ist dagegen eine beliebige Frau gemeint. In (109) geht es um einen Referenten, der dem Sprecher bekannt, aber für den Adressaten neu ist. Erwird als neuer Diskursreferent etabliert. In (110) wird kein neuer Diskursreferent etabliert. Es wird aber eine Leerstelle für einen möglicherweise später zu etablierenden Diskursreferenten geschaffen. In Fällen wie (110) wird in der Literatur häufig vom generischen Gebrauch des indefiniten Artikels gesprochen (vgl. Grimm 1976, S. 19; Götze 1984, S. 20ff; Zhou 1985, S. 77ffi; Engel 1991, S. 528; Duden 2005, S. 303ff.). Ich behandle solche Fälle im Anschluss an BUihdom (2001, S. 3ff.) als unspezifischen Gebrauch indefiniter Nominalphrasen in Subjektsfunktion (Näheres zur generischen Referenz im Abschnitt 2.4.5). Nominalphrasen vom Typ 2 kommen auch in Objektsfunktion mit spezifischer und unspezifischer Lesart vor: (111) Mein Bruder war so nett und schenkte mir einen Bier-Adventskalender zum Geburtstag. Seit dem 1.12. freu e ich mich nun jeden Abend a u f eine neue Überraschung. h ttp : / / b lo g s .m a c b a y .d e / ta g e s p o s t/ ( S t a n d : 1 7 . 1 2 . 2 0 0 7 ) (112) Mein Freund und ich suchen ganz dringend eine neue Wohnung. Gerne hätten wir Angebote ohne Kaution. h ttp : / / w w w .a c h a th a u s v e r w a ltu n g .d e / im m o b ilie n / (Stand: 05.12.2007) In (111) geht es um einen bestimmten Adventskalender, der für den Sprecher schon identifizierbar, für den Adressaten dagegen noch neu ist. In (112) wird eine Leerstelle für einen noch zu etablierenden Diskursreferenten geschaffen. Nominalphrasen vom Typ 2 können in Bezug auf spezifische vs. unspezifische Lesart ambig sein: <?page no="124"?> 124 Artikelgchraiicli im Deulsehen (113) Im Urlaub will ich e i n i g e M u s e e n besuchen. Die Nominalphrase einige Museen in (113) kann spezifisch interpretiert werden, wenn der Sprecher schon weiß, welche Museen er besuchen will. Wenn er dagegen nur weiß, dass er mehrere Museen besuchen will, sich aber noch nicht für bestimmte Museen entschieden hat, dann ist die Nominalphrase unspezifisch zu interpretieren. In solchen Fällen kann der Interpret nicht an der Form der Nominalphrase erkennen, ob eine spezifische oder unspezifische Lesart intendiert ist, sondern muss sich aufgrund des Kontexts für eine der beiden Lesarten entscheiden. Ein weiteres ähnliches Beispiel von Chur ( 1993, S. 12): (114) Gitta will e in e n M illi o n ä r heiraten. Eine spezifisch-referentielle Lesart kann auch hei NominaIphrasenvomTyp 2 durch das Adjektiv bestimmt, eine unspezifische Lesart durch die Adjektive beliebig oder irgendwelche erzwungen werden: (114a) Gitta will e in e n b e s ti m m t e n M illi o n ä r heiraten. (114h) Gitta will e in e n b e li e b i g e n M illi o n ä r heiraten. (114a) ist so zu verstehen, dass Gitta ihren Bräutigam schon gefunden hat; (114b) dagegen zeigt an, dass sie bis jetzt nur weiß, nach welcher Art von Bräutigam sie sucht. 2.4.4 Nominalphrasen vom Typ 3 Nominalphrasen vom Typ 3 enthalten ein Determinativ. Als solches kommt ein Definitartikel in Frage wie in (115) oder ein anderer Definitmarker, etwa ein Demonstrativum wie in (116) oder ein Possessivum wie in (116)und (117) (zum Inventar der Definitmarker siehe oben Abschnitt 2.1.1 und Unterkapitel 2.2): ( 1 1 5 ) D a s B i e r steht kalt, d e r n e u e F e r n s e h e r ist aufgestellt: D i e F u ß b a ll- W e lt m e i s t e r s c h a f t kann beginnen. h ttp : / / w w w .ty p e m a n ia .d e / p re s s e / in d e x .p h p ( S t a n d : 1 7 . 1 1 . 2 0 0 7 ) ( 1 1 6 ) D i e s e s L e x i k o n beschäftigt sich mit einem zentralen Aspekt des umfangreichen Textilbereichs, und zwar mit dem Gewebesektor und s e in e n s p e z i e ll e n H a n d e l s u n d Q u a lit ä t s b e z e i c h n u n g e n . h ttp : / / w w w .d e u ts c h e s fa c h b u c h .d e / in fo / d e ta il.p h p ( S t a n d : 1 7 . 1 1 . 2 0 0 7 ) (117) Huhu, ich bin j a meist eher kritisch, doch d e i n e L a m p e finde ich restlos super! h ttp : / / w w w .c r e a d o o .d e / ( S t a n d : 1 7 . 1 1 . 2 0 0 7 ) <?page no="125"?> R eferentielle Venvemhm g von N om inalphrasen 125 Determinative sind mit Masse-Nomina wie Bier in (115), mit Zähl-Nomina im Singular wie Fernseher und Fußball-Weltmeisterschaft in (115), Lexikon in (116) und Lampe in ( 117) sowie mit Zähl-Nomina im Plural wie Handels- Itmi Qualitätsbezeichnungen in (116) oder Apfel in (118) kombinierbar: (118) Ich habe die Äpfel nicht entkernt, sondern wie in der Werbung zur Gänze in den Power Juicer gegeben. h t t p : / / w w w .c ia o . d e / ( S t a n d : 1 7 . 1 2 . 2 0 0 7 ) Nominalphrasen vom Typ 3 können zusätzlich zum Determinativ einen Quantifikator enthalten: ( 1 1 9 ) Das Ganze zusammen mit Brühe und Gemüse zum Kochen bringen. Jetzt erst bemerkte ich. dass der Topffü r das viele Gemüse zu klein war. h t t p : / / h e ifis c h .b lo g .d e / ( S t a n d : 2 6 . 1 2 . 2 0 0 7 ) ( 1 2 0 ) Ich bekam das Gefühl, dass sie nur ihre Bücher verkaufen wollte und ein bisschen Reklame brauchte. In das eine B uch schaute ich rein und entdeckte vieles, was ich kannte. h t t p : / / w w w .k r e b s -k o m p a s s .d e / e r fa h r u n g s b e r ic h tl9 .h tm l ( S t a n d : 2 6 . 1 2 . 2 0 0 7 ) (121) Im Sommer des Folgcjahres waren die drei B ücher mehr als 35 Millionen Mal verkauft worden. h ttp : / / h a r ry p o tte r.fa s s b a r.d e / ( S t a n d : 0 4 . 1 2 . 2 0 0 7 ) Wenn sie auf ein Determinativ folgen, werden Quantifikatoren, soweit sie flektierbar sind, wie Adjektive dekliniert, wie in den Beispielen (119) und ( 120) (vgl. Duden 2005, S. 969ff.). Nominalphrasen vom Typ 3 sind definit. Sie werden typischerweise zur Referenz verwendet, wenn der Sprecher annimmt, dass der Adressat auf einen passenden Diskursreferenten zugreifen oder einen solchen ohne Schwierigkeiten erzeugen kann. In solchen Fällen ist es oft nicht notwendig, den Referenten in aller Fxplizitheit zu beschreiben. Das führt dazu, dass weniger Bedarf an Deskriptoren und Quantifikatoren bestehen kann als in Nominalphrasen vom Typ 1 oder 2. „Deshalb sind definit-referentielle Nominalgruppen semantisch (und syntaktisch) oft [...] unvollständiger als indefinite.“ (Blühdorn 2006, S. 62). DerExtremfaII sind definite Wiederaufnahme-Pronomina: ( 1 2 2 ) Sie keimen doch meinen Bruder. Der hat bis vor zwei Jahren hier gewohnt. ( B l i i l i c l o m 2 0 0 6 , S. 6 2 ) Nominalphrasen wie der in (122) „geben überhaupt keine beschreibende Information über den Referenten, sondern signalisieren bloß, dass der Ad- <?page no="126"?> 1 2 6 A rtikelgebrauch im Deulsehen ressat schon wissen sollte, wer oder was gemeint ist“ (Blühdom 2006, S. 62). Da sie ein Determinativ enthalten, werden sic ebenfalls zu Typ 3 gezählt. Werden Nominalphrasen vom Typ 3 im Individuen-Singular referentiell verwendet, so wird damit typischerweise angczcigt, dass der Referent nach Meinung des Sprechers für den Adressaten identifizierbar ist. Identifizierbarkeit im strengen Sinne bedeutet: Der Adressat kennt den Referenten bzw. kann herausfinden, um welchen Referenten es im gegebenen Kontext geht. Er verfügt über genügend Information, um ihn im Diskurs zu verorten (vgl. Hawkins 1978, S. 107ff; Weinrich 2005, S. 410ff). Identifizierbarkeit im weiteren Sinne bedeutet aber auch: Der Kontext ist so beschaffen, dass der Adressat sich ohne Schwierigkeiten den Referenten so vorstellen kann, als sei er ihm schon bekannt. Dies ist etwa der Fall im Beispiel (120). Der Definitartikel kann hier ohne weiteres so interpretiert werden, dass in einem Kontext, in dem von Büchern die Rede ist, ein Buch spontan so behandelt wird, als ob es dem Adressaten schon bekannt wäre. Wenn der Adressat sich vorher noch keine Vorstellung von einem speziellen Buch gemacht hatte, so muss er es an dieser Stelle des Textes tun. Hawkins (1978, S. 106ff.) unterscheidet vier Haupttypen der Identifizierbarkeit des Referenten bei definiten Nominalphrasen: I ) Anaphorischer Gebrauch (Anaphoric Use): Nach der Einführung eines Referenten mit einer indefiniten Nominalphrase folgt eine referenzidentische definite Nominalphrase wie in (123) bis (128). Die Wiederaufnahme kann mit dem gleichen Nomen wie in (123) und (124), mit einem synonymen Nomen wie in (125), mit einer zusätzlichen (eventuell metaphorischen) Beschreibung wie in (126), mit einer Satznominalisiemng wie in (127) oder mit einem zusammenfassenden Nomen für mehrere vorerwähnte Referenten wie in (128) erfolgen (vgl. auch Vater 1984, S. 34f.; Bisle-Müller 1991, S. 51 fi): (123) Meine Frau hat e in K in d . D a s K i n d ist je tzt 18 Jahre und studiert in Bangkok. http: / / www.thailand-community.de/ Forum/ viewtopic.php (Stand: 23.04.2008) (124) Er war ein einfacher Bauer und besaß e in P f e r d . D i e s e s P f e r d war sehr wertvollfü r ihn. http: / / www.hekaya.de/ (Stand: 23.04.2008) <?page no="127"?> Referentielle Verwendung von N om inalphrasen 127 (125) In einem Pariser Vorort lebte einst ein Kind. Dieses Kind hatte zwei braune Zöpfe, e in e n P a p a und eine Mama. D e r V ater, ein Kapitän, war sehr streng. http: / / www.dradio.de/ dlf/ sendungen/ buechermarkt/ 276397/ (Stand: 23.04.2008) (126) Wir hatten e in f ü r c h t e r li c h e s H o t e l z i m m e r . Und d a s L o c h hatte uns unser Reisebüro als komfortabel beschrieben. (Bisle-Miiller 1991, S. 5 1) (127) Da es aus Deutschland keine direkte Verbindung nach Santiago de Chile gibt, s i n d e in F r e u n d u n d ic h m i t d e r A i r F r a n c e ü b e r P a r i s g e f lo g e n . D e r F l u g war gut und es gab keine Probleme mit der Air France. http: / / keskiner.de/ Kapitel3.htm (Stand: 23.04.2008) ( 1 2 8 ) A l b e r t erlangt am 16.10.190S das Bürgerrecht der Stadt Gunzenhausen. Am 24.12.1908 heiratet er S e l m a R o s e n f e l d , die am 03.08.1SS7 in Crailsheim geboren worden war D a s E h e p a a r hat zwei Kinder: Johanna und Julie. http: / / www.gunnet.de/ stephani/ step_p38.htm (Stand: 24.04.2008) 2) Unmittelbar-situativer Gebrauch (Immediate Situation Use): Die Identifikation des Referenten erfolgt in der Kommunikationssituation. Der Definitmarker wird deiktisch interpretiert: (129) mit Zeigegeste: D i e Taschetdiese Tasche gefällt mir besonders gut! Ilawkins (1978, S. 114f.) weist daraufhin, dass der Gebrauch mit Zeigegeste nur ein Sonderfall der unmittelbar-situativen Verwendung definiter Nominalphrasen ist. Sichtbarkeit des Referenten für den Sprecher und den Adressaten ist keine notwendige Bedingung für den unmittelbar-situativen Gebrauch (vgl. auch Vater 1984, S. 36; 2005, S. 108). Mit einer deiktisch gebrauchten definiten Nominalphrase kann auch auf einen Referenten Bezug genommen werden, der nicht sichtbar ist: (130) Schild an einem Tor: Warnung vor d e m H u n d e ! (vgl. Hawkins 1978. S. 112) Die Verwendung von Demonstrativa ist nach Hawkins (1978, S. 115) nur unter der Bedingung der Sichtbarkeit des betreffenden Referenten möglich. Vater (1984, S. 36f.) bestreitet dies jedoch. Erweist daraufhin, dass Beispiele wie (131) „ohne weiteres interpretierbar“ sind: (131) Schild am U-Bahn-Eingang: D i e s e U - B a h n - S t a ti o n ist vorübergehend geschlossen. (Vater 1984, S. 34) <?page no="128"?> 128 Artikelgebrauch im Deutschen 3) Abstrakt-situativer Gebrauch (Larger Situation Use): Die Identifikation des Referenten erfolgt aufgrund des Weltwissens der Kommunikationspartner (vgl. auch Vater 1984, S. 37fi; Bisle-Müllcr 1991, S. 56f; Vater 2005, S. 108): (132) Der Präsident hat vergeblich dafür plädiert, den bequemeren Smoking vorzuschreiben. Das letzte Wort hatte wie so oft seine Frau Laura. http: / / www.bild.de/ BTO/ leute/ 2007/ 05/ 07/ (Stand: 24.04.2008). In (132) setzt der Sprecher voraus, dass der Adressat im Kontext die Institution ermitteln kann, deren Präsident gemeint ist. Dieser Gebrauch ist besonders typisch für den Definitartikel wie in (132). Der Gebrauch von Demonstrativa ist nach Vater (1984, S. 38) hier ausgeschlossen: (133) *Dieser Präsident hat vergeblich dafür plädiert, den bequemeren Smoking vorzuschreiben. Allerdings sind Beispiele wie das folgende möglich: (133a) Der letzte Präsident war eine Katastrophe, aber dieser Präsident gefällt mir sehr gut. 1lier ist die Nominalphrase dieser Präsident im Sinne von ‘der zum Sprechzeitpunkt amtierende Präsident’ zu verstehen. Bin w e ite r e s B eispie l: ( 134) Wer hat in diesem Land die Moral gepachtet? Die Debatte um moralisch brisante Forschungen wird bei nächster Gelegenheit wieder aufflammen. Anmerkungen zur Novellierung des Stammzellimportgesetzes. (Spektrum der W issenschaft Digital. 21.05.2008) ln ( 134) bezieht sich der Autor mit der Nominalphrase diesem Land höchstwahrscheinlich auf das Land, in dem er lebt, in dem er sich zur Zeit der Äußerung aufhält und/ oder in dem die Zeitschrift erscheint, für die er schreibt. Dcmonstrativa können also auch abstrakt-siurativ gebraucht werden. 4) Assoziativ-anaphorischer Gebrauch (Associative Anaphoric Use): Die Identifikation des Referenten erfolgt aufgrund eines Antezedens, das zwar nicht referenzidentisch ist, das aber einen Referenten einführt, von dem aus geschlussfolgert werden kann, welcher neue Referent gemeint ist. Die Assoziation wird über metonymische Relationen wie Ganzes - Teil ( 135), Produkt - Urheber (136), Objekt - Besitzer (137) oder Objekt - Eigenschaft (138) vermittelt (vgl. Hawkins 1978, S. 1 2 3ff.; Vater 1984, S. 35f.): <?page no="129"?> Referentielle Venveinlung von Numiinilphnisen 129 (135) Heute habe ich von Europcar e in e n A u d i A 3 1 .6 bekommen. Ein Benziner. Man sitzt recht nett drin und er liegt gut a u f der Strasse, aber d e r M o t o r ist Mist. Viel zu schlaff und zu durstig. http: / / www.yetanotherblog.de/ paging-l-6-45.html (Stand: 24.04.2008) (136) Vor einigen Jahren habe ich e in e n L e s e r b r i e f in der "Rheinzeitungii gelesen. D e r A u t o r gab an, dass Latschenkieferöl sein Lippenherpes fast völlig kuriert hat. http: / / www.unperfekthaus.de/ projekte/ herpes (Stand: 14.06.2008) (137) Die jungen Leute beschließen, sieh zu trennen, um Hilfe zu holen. Bei ihrer Suche stoßen zwei von ihnen, Molly und Judd, u n f e i n h e r u n t e r g e k o m m e n e s H a u s . D e r B e s it z e r nimmt sie gefangen. http: / / www.horror-page.de/ Filme_normal/ F/ (Stand: 20.05.2008) (138) Ich habe mir im Internet bei Ebay e i n e n H e a d C y b e r X S O fiir EUR 227 + EUR 15 für Versand gekauft. D ie L ä n g e konnte ich mir aussuchen. http: / / www.carving-ski.de/ phpBB/ viewtopic.php (Stand: 20.05.2008) ln dieser Gebrauchsweise sind Demonstrativa tatsächlich untypisch (vgl. IIawkins 1978, S. 127): (139) ? Heute habe ich von Europcar e in e n A u d i A 3 1 .6 bekommen. Ein Benziner Man sitzt recht nett drin und er liegt gut a u f der Strasse, aber d i e s e r M o t o r ist Mist. Viel zu sehlaff und zu durstig. (140) *Die jungen Leute besehließen, sich zu trennen, um Hilfe zu holen. Bei ihrer Suche stoßen zwei von ihnen, Molly und Judd, a u f e in h e r u n t e r g e k o m m e n e s H a u s . D i e s e r B e s it z e r nimmt sie gefangen. Allerdings kommen in Kontrastkontexten auch bei assoziativ-anaphorischem Gebrauch für manche Sprecher Demonstrativa in Frage: (141) Hans ging neugierig von Haus zu Haus. Die meisten Häuser sahen ungepflegt aus. Er kam an einer völlig verwahrlosten Villa vorbei. Der Besitzer musste das Interesse an seinem Haus seil langem verloren haben. Aber dann sah Hans plötzlich einen entzückenden kleinen Bungalow, der gar nicht in die Gegend zu passen schien. D i e s e r B e s it z e r hatte alles liebevoll gepflegt. Eine andere Art von Identifizierbarkeit beruht auf der so genannten referentiellen Verankerung (vgl. Prince 1981, S. 235f.). Ein Referent wird im Kontext auf einen anderen Referenten bezogen. Er gilt selbst als identifizierbar, wenn der andere Referent identifizierbar ist. Dabei spielen weltwissensbasierte Inferenzen eine wichtige Rolle: <?page no="130"?> 130 A rtikelgebrauch im Deutschen (142) Gestern Mittag habe ich festgestellt, dass die K a t z e m e in e s N a c h b a r n mal wieder a u f meinem Auto gegessen hat. Die gesamte Motorhaube war mit Matschpfoten übersät. http: / / www.bmw-syndikat.de/ bmwsyndikatforum/ (Stand: 26.04. 2008) In ( 142) ist der Sprecher dem Adressaten bekannt. DerNachbar wird am Sprecher referentiell verankert, wobei auf das voraussetzbare Wissen zurückgegriffen wird, dass Menschen dort, wo sie wohnen, Nachbarn haben. Durch die Verankerung am Sprecher wird der Nachbar für den Adressaten identifizierbar, auch wenn er diesen Nachbarn nie gesehen hat. Die Katze wird wiederum am Nachbarn verankert. Hierbei wird auf das voraussetzbare Wissen zurückgegriffen, dass viele Menschen Katzen haben. Da der Nachbar durch die Verankerung am Sprecher identifizierbar ist, wird auch die Katze durch die Verankerung am Nachbarn identifizierbar. (142) enthält außerdem ein Beispiel für eine assoziative Anapher im Sinne von Hawkins (1978, S. 123ff.). Die Nominalphrase die gesamte Motorhaube knüpft assoziativ an das vorher erwähnte Auto an (Ganzes - Teil). Zur Erklärung des Artikelgebrauchs im Deutschen spielt in der Fachliteratur wie auch in den Grammatiken der Begriff der Bekanntheit bzw. Identifizierbarkeit eine wichtige Rolle. Vor allem in Grammatiken werden diese Begriffe aber oft nur unzureichend erklärt. Nicht selten werden Formulierungen verwendet, die zu Missverständnissen einladen. So schreibt etwa Engel (2004, S. 314): Ist eine Größe schon bekannt, so verlangt sie den d e fin it e n A r t ik e l oder ein anderes Determinativ mit dem Merkmal ‘bekannt’ (Possessiva oder Demonstrativa, auch sächs. Genitiv). Bekanntheit ergibt sich oft aus Erwähnung im Vortext oder aus direkter sinnlicher Wahrnehmung [...]. In dieser Passage wird die Frage ausgeblendet,für wen die Größe bekannt sein muss, damit der definite Artikel verlangt ist. Es kommt hier ausschließlich auf die vom Sprecher vermutete Bekanntheit für den Adressaten an, nicht aber auf die Bekanntheit für den Sprecher selbst. Ist die Größe nur dem Sprecher bekannt, so ist keineswegs der Definitartikel zu verwenden. Das wird von polnischen Lemem des Deutschen als Fremdsprache oft missverstanden: (143) A: Was hast du dir heute gekauft? B: Ich habe mir d e n R o c k gekauft. <?page no="131"?> R eferentielle Verwendung von Nnininalplvasen 131 Antworten wie die in (143) sind nur korrekt, wenn der Referent beispielsweise für den Adressaten in der Kommunikationssituation sichtbar oder durch Vorerwähntheit bekannt ist. Kennt dagegen zum Sprechzeitpunkt nur Sprecher B den Referenten, so muss die korrekte Antwort lauten: ( 143a) Ich habe mir e i n e n R o c k gekauft. OftwerdenBekanntheitbzw. Identifizierbarkeit auch wie bei Bngel auf Vorerwähntheit zurückgefiihrt. Vorerwähntheit ist, wie wir gesehen haben, aber nicht die einzige Bedingung fiir Identifizierbarkeit, und andererseits kommt sie nicht nur bei referentiellen, sondern auch bei prädikativen Nominalphrasen vor. Bei diesen fährt sie keineswegs dazu, dass der Definitartikel oder ein anderer Definitmarker verlangt ist: 0 4 4 ) Thomas P war Alkoholiker. Er war sogar e in e x t r e m e r A l k o h o li k e r . In diesem Beispiel ist das Nomen Alkoholiker vorerwähnt. Dennoch muss es bei der Wiederaufnahme mit dem Indefinitartikel stehen. Der Definitartikel wäre hier ungrammatisch: (145) i Thomas P. war Alkoholiker Er war sogar d e r e x t r e m e A l k o h o lik e r . Auch bei unspezifisch gebrauchten Nominalphrasen ist Vorerwähntheit keine hinreichende Bedingung für den Gebrauch des Definitartikels: (146) Wir suchen eine neue Wohnung. E in e W o h n u n g in d e r N ä h e d e s S t a d t z e n tr u m s wäre am besten. Identifizierbarkeit im strengen oder weiteren Sinne spielt nicht nur bei singu- Iarischen Zähl-Nominalphrasen, sondern auch bei Plural- und Masse-Nominalphrasen vom Typ 3 eine wichtige Rolle: (147) Als der Elefant nun von der Jagd heimkehrte, sagte er: „Schildkrötlein, wo ist mein Wasser? “ Die Schildkröte gab zur Antwort: „Die Tiere haben d a s W a s s e r getrunken.“ h ttp : / / w w w .h e k a y a .d e / a n z e ig e n .p h tm l (Stand: 2 8 . 0 1 . 2 0 0 8 ) (148) Wir haben d i e K i n d e r befragt, ob sie das Internet für die Schule nutzen. http: / / www.gew-bw.de/ Binaries/ Binaryl965/ (Stand: 15.06.2008) In (147) zeigt die Sprecherin (die Schildkröte) durch die Verwendung des Definitartikels an, dass sie annimmt, dass der Elefant weiß, von welchem Wasser die Rede ist, da er es selbst vorher erwähnt hat. In (148) zeigt die Sprecherin <?page no="132"?> 1 3 2 Artikelgebrauch im Deutschen an, dass sie annimmt, dass der Interpret über genügend Information verfügt, um herauszufinden, von welchen Kindern die Rede ist oderum spontan geeignete Referenten in seiner Vorstellung zu erzeugen. Bei der Verwendung definiter Masse- und Plural-Nominalphrasen wie in (147) und (148) kommt neben der Identifizierbarkeit des Referenten aber noch eine weitere semantische Eigenschaft der Determinative zum Tragen: die Anzeige von Gesamtheit (vgl. Vater 1963, S. 69fi, 113ff.; llawkins 1978, S. 157ff.; Lyons 1999, S. H f). Mit Gesamtheit ist gemeint, dass der Referent insgesamt von dem besprochenen Geschehen betroffen ist. In (147) wird durch die Verwendung des definiten Artikels angezeigt, dass man den Objektsreferenten als eine abgeschlossene Menge von Wasser verstehen soll, die insgesamt vom Getrunken-Sein betroffen ist, d.h. ausgetrunken wurde. Ebenso wird in (148) durch die Verwendung des definiten Artikels angezeigt, dass der Referent eine Gruppe von Kindern ist, die insgesamt mit der Befragung erfasst wurde, und zwar nicht unbedingt in dem Sinne, dass jedes einzelne Kind die Frage beantwortet hat, aber in dem Sinne, dass die Befragung die Gmppe insgesamt betroffen hat. Tritt das direkte Objekt ohne Definitartikel auf wie in (147a) und (148a), so versteht man den Objektsreferenten nicht als eine begrenzte Menge. Gesamtheit (ebenso wie Identifizierbarkeit) wird dann nicht angezeigt: ( 147a) Die Tiere haben W a s s e r getrunken. ( 148a) Wir haben K i n d e r befragt, ob sie das Internetfü r die Sehttle nutzen. Während die Anzeige von Gesamtheit bei direkten Objekten mit Masse- und Plural-Referenz wie in (147) und (148) eine wichtige Eigenschaft des Defmitartikels ist, ist sie bei Subjekten weniger deutlich: (144) Bei schönem Wetter gehe ich mit Pato und ein paar Chilenen aus der Naehharwohmmg zttm Baden. D a s W a s s e r ist hier immer noch gelblichtrübe und mir wenig salzig, obwohl die Amazonas-Mündung schon tausend Kilometer südlich liegt. http: / / www.wissenladen.de/ cayenne/ map.php (Stand: 03.01.2008) ( 149a) W a s s e r ist hier immer noch gelblich-trübe und mir wenig salzig. ( 150) Heute war eine kurze Muttertagsfeier bei tins im Kindergarten. D i e K i n d e r haben zwei Lieder gesungen, ein Gedieht aufgesagt und uns dann das selbst gebastelte Geschenk überreicht. http: / / www.main-family.de/ community/ (Stand: 03.01.2008) ( 150a) K i n d e r haben zwei Lieder gesungen, ein Gedieht aufgesagt und uns dann das selbst gebastelte Geschenk überreicht. <?page no="133"?> Referentielle Venvemhm g von N onnnalphrasen 133 In Beispiel (149) ist deutlich, dass der Sprecher annimmt, dass der Interpret über ausreichend Information verfügt, um zu wissen, von welchem Wasser die Rede ist (Identifizierbarkeit). Bs ist aber nicht klar, ob man den Subjektsreferenten als eine abgeschlossene Menge von Wasser verstehen soll, die insgesamt gelblich-trübe und wenig salzig ist. Lässt man den Definitartikel hier weg, wie in (149a), so verschwindet die Anzeige von Identifizierbarkeit und auch die Referentialität. Wasser ist hier nur noch unspezifisch interpretierbar. In Bezug aufAbgeschlossenheit der Menge und Gesamtheit ist dagegen keine klare Bedeutungsänderung feststellbar. Auch in Beispiel (150) ist deutlich, dass der Definitartikel die Identifizierbarkeit des Subjektsreferenten anzeigt. Ob der Subjektsreferent insgesamt von dem Lieder-Singen erfasst wird, bleibt offen. Es kann durchaus sein, dass nur einzelne Kinder stellvertretend für die anderen die Lieder gesungen haben. In Bezug auf das Aufsagen des Gedichtes und das Überreichen des Geschenks ist dies sogar die wahrscheinlichste Deutung. Lässt man den Definitartikel weg, wie in (150a), so entfällt vor allem die Anzeige von Identifizierbarkeit. Hinsichtlich der Gesamtheit ergibt sich keine veränderte Interpretation. Auchbei singularischen Zähl-Nominalphrasen in Objektsfunktion, die auf Individuen referieren, zeigt der Definitartikel Gesamtheit an (vgl. Vater 1963, S. 70 ff., 115). 1lier tritt aber die Anzeige von Gesamtheit gegenüber der Anzeige von Identifizierbarkeit in den Hintergrund: (151) AuJ einem Waldweg hab ich etwa 100 m entfernt einen kleinen IIttn d g e sehen, der einem Auto hinterher rannte. Ich war etwas verwirrt und habe (la s A u t o verfolgt. http: / / www.dogforum.de/ ftopic41461.html (Stand: 25.01.2008) (151a) *Ich war etwas verwirrt und habe A u t o verfolgt. (151b) Ich war etwas verwirrt und habe e in A u t o verfolgt. (152) Ich habe d i e K o m m o d e für 25,00 Euro erworben. http: / / www.ciao.de/ Ikea_Vestby_Kommode _ Test_3011015 (Stand: 16.06.2008) ( 152a) *Ich habe K o m m o d e für 25,00 Euro erworben. ( 152b) Ich habe e i n e K o m m o d e für 25,00 Euro erworben. In (151) wird zwar das Auto insgesamt von der Verfolgung erfasst, und in (152) bezieht sich das Erwerben auf die gesamte Kommode. Die Vorstellung der Gesamtheit ist in diesen Beispielen aber nicht vom Definitaitikel abhängig, denn einzelne Individuen-Referenten können sowieso nur als etwas Gesamtes vorgestellt werden. Wenn man bei Individuen-Referenten auf den <?page no="134"?> 134 A rlikclvch m iich im D eutschen Definitartikel verzichtet, werden die Nominalphrasen ungrammatisch (vgl. Beispiele 151a und 152a). Wenn man den Definitartikel durch den Indefinitartikel ersetzt wie in (151h) und (152h), dann entfällt nicht die Anzeige von Gesamtheit, sondern die von Identifizierbarkeit. Der definite Artikel hat in referentiellen Nominalphrasenvom Typ 3 noch eine dritte Funktion neben der Anzeige von Identifizierbarkeit und Gesamtheit. Er zeigt auch die so genannte Einzigkeit (‘uniqueness’) an (vgl. Russell 1919b, S. 176). Mit ‘Einzigkeit’ ist gemeint, dass im gegebenen Kontext nur ein Referent der beschriebenen Kategorie in Frage kommt. An dieser Stelle muss betont werden, dass mit ‘Einzigkeit’nicht unbedingt gemeint ist, dass cs überhaupt nur einen einzigen Referenten von der betreffenden Art gibt. Es geht vielmehr um Einzigkeit im aktuellen Bezugskontext. In diesem Sinne kann Einzigkeit als Bedingung für Identifizierbarkeit verstanden werden. 1st in einem Kontext nur ein einziger Referent von einer bestimmten Kategorie vorhanden, so kann dieser automatisch als für den Adressaten identifizierbar gelten. Sind dagegen mehrere Referenten von der gleichen Kategorie vorhanden, so besteht keine Identifizierbarkeit. Das Konzept der Einzigkeit ist in der Artikelliteratur allerdings umstritten (vgl. Heusinger 1997, S. 18ff.). Bisle-Miiller (1991, S. 30f.) ist im Anschluss an Grannis (1972) der Meinung, dass die Einzigkeitsbedingung sich „nur im Rahmen des gemeinsamen Wissens von Sprecher und Hörer“ sinnvoll vertreten lässt. Es kommt also nicht darauf an, ob objektiv nur ein möglicher Referent von der betreffenden Kategorie im Kontext verfügbar ist, sondern darauf, ob Sprecher und Hörer sich auf einen gemeinsamen Referenten einigen können, etwa auf einen Kandidaten, der für beide im Blickfeld liegt. Bisle-Miiller (1991, S. 3Iff.) schlägt auch vor, den Begriff Einzigkeit nicht nur auf singularische, sondern auch auf pluralische Referenten zu beziehen. Dann kommt cs darauf an, dass Sprecher und Hörer sich auf eine gemeinsame Menge von Referenten einigen. Bei Engel (2004, S. 314f.) wird Einzigkeit als Spezialfall von Bekanntheit verstanden: Größen erscheinen mit definitem Artikel, wenn sie aufgrund allgemeiner Erfahrung bekannt bzw. einordenbar oder aber Unikate sind [...]. IIeusinger (1997, S. 19) dagegen bestreitet das Konzept der Einzigkeit, indem er zeigt, dass es in bestimmten Fällen nicht möglich ist, „den relevanten Kontext so einzuschränken, dass immer nur ein einziges Individuum übrig bleibt“. Als Alternative schlägt er die so genannte Salienz vor (Heusinger 1997, <?page no="135"?> RcfcivntieUe Verwendung von Nominalphrasen 135 S. 18ff). Mit dem Dcfinitartikelwird dann „das salienteste Individuum einer Menge von gleichartigen Individuen“ ausgewählt, d.h. „das Individuum, das in einer bestimmten Weise ausgezeichnet oder aus der Menge herausgehoben wird“ (Heusinger 1997, S. 1). Das Kriterium der Einzigkeit wird in der Artikelliteratur typischerweise auf die Individuen-Referenz angewandt: (153) Gib mir mal d e n Bleistift! (Duden 2005, S. 303) In Beispielen wie ( 153), so wird argumentiert, zeigt der Definitartikel an, dass im relevanten Kontext nur ein einziger geeigneter Referent vorhanden bzw. salient ist. Strawson (1950, S. 147ff.) ist allerdings der Meinung, dass die Anzeige von Einzigkeit durch den Definitartikcl in Situationen, in denen es für Sprecher und Hörer offensichtlich ist, dass nur ein einziger Referent in Frage kommt, überflüssig wäre. Vater ( 1984, S. 210) hat andererseits daraufhingewiesen, dass der Definitartikel keineswegs immer Einzigkeit signalisiert: (154) Paul hui sich d e n A r m gebrochen. In Beispielen wie diesem kann der Definitartikel nicht Einzigkeit anzeigen, da ein Mensch in der Regel zwei Amie hat. Sofern es im Kontext relevant ist, welchen Arm sich die betreffende Person gebrochen hat, muss diese Information zwischen den Kommunikationspartnem noch explizit ausgetauscht werden. Wie wir in Abschnitt 2.3.2 gesehen haben, spielt das Kriterium der Einzigkeit bei nicht-referentiellen Nominalphrasen vom Typ 3 eine viel wichtigere Rolle, liier zeigt der Definitartikel nicht an, dass nur ein einziger Referent vorhanden ist, sondern dass für die gegebene Beschreibung nicht mehr als ein passender Kandidat erwartet wird: (155) D e r s c h n e ll s t e L ä u f e r bekommt den Preis. Die Nominalphrase der schnellste Läufer in (155) erlaubt eine spezifisch-referentielle und eine unspezifische (nicht-referentielle) Lesart. Bei der referentiellen Lesart ist sie so zu interpretieren, dass ein bestimmter Läufer schon als schnellster ermittelt wurde und für den Adressaten identifizierbar ist. Bei der nicht-referentiellen Lesart ist sie dagegen so zu lesen, dass noch nicht feststeht, wer das Rennen gewinnen wird, dass aber nicht mehr als ein schnellster Läufer erwartet wird. Ganz ähnlich ambig ist das klassische Beispiel von Donnellan (1966, S. 176f): <?page no="136"?> 136 Artikelgebrauch im Deutschen ( 1 5 6 ) D e r M ö r d e r v o n S c h m i d t ist ein Wahnsinniger. Dieses Beispiel kann so verstanden werden, dass der Mörder schon gefunden wurde und für den Adressaten identifizierbar ist. Das Beispiel kann aber auch so verstanden werden, dass der Mörder noch unbekannt ist. In diesem Fall ist die Nominalphrase nach Donncllan attributiv (unspezifisch, nicht-referentiell) gebraucht und zeigt an, dass nur ein Referent erwartet wird, auf den die Beschreibung passt. In der Literatur wird häufig angenommen, dass die Determinative für die Referenz verantwortlich sind (vgl. Lyons 1977, S. 452; Bisle-Müller 1991, S. 50ff; Blühdom 2006, S. 6 If.). Wie wir aber gesehen haben, kann man auch Nominalphrasen ohne Determinativ referentiell (siehe oben Abschnitte 2.4.1 und 2.4.3) und Nominalphrasen mit Determinativ nicht-referentiell, z.B. prädikativ (siehe oben Abschnitte 2.3.2 und 2.3.3) oder unspezifisch verwenden. Demnach kann die referentielle Funktion von Nominalphrasen nicht an das Determinativ gekoppelt sein. Die Bedeutung der Determinative kann zwar für die Referenzkoordination genutzt werden, kann aber auch andere pragmatische Funktionen erfüllen. Ob eine Nominalphrase im Kontext referentielle Funktion hat oder nicht, kann nicht am Vorhandensein oder Fehlen eines Determinativs erkannt werden. Ls muss aus dem gesamten Diskursverlauf erschlossen und zwischen den Kommunikationspartnern implizit ausgehandelt werden. Zusammenfassung: Der Definitartikel und die übrigen Determinative erfüllen drei semantische Funktionen, die sich in unterschiedlichem Maße auf die Referenzkoordination auswirken : 1) Die Anzeige von Identifizierbarkeit des Referenten: Der definite Artikel zeigt an, dass der Referent nach Meinung des Sprechers für den Adressaten als Diskurs-Referent schon bekannt ist oder bereits anerkannt wurde oder problemlos als solcher anerkannt werden kann. Diese Funktion ist besonders wichtig bei referentiellen Nominalphrasen im Zähl-Singular und allgemein bei referentiellen Subjekten. Vier Haupttypen der Identifizierbarkeit des Referenten können unterschieden werden: Identifizierbarkeit aufgrund von Vorerwähntheit, unmittelbar-situative Identifizierbarkeit, Idcntifizierbarkeit in einem größeren Situationsrahmen und Identifizierbarkeit aufgrund weltwissensbasierter Inferenzen (assoziative Anapher und referentielle Verankerung). <?page no="137"?> R eferentielle Verwendung von N om inalphrasen 137 2) Die Anzeige von Gesamtheit: Der definite Artikel zeigt an, dass der Referent insgesamt von dem besprochenen Geschehen erfasst wird. Die Anzeige von Gesamtheit ist vor allem bei direkten Objekten mit Masse- und Plural-Referenz wichtig. 3) Die Anzeige von Einzigkeit: Der definite Artikel zeigt an, dass die gegebene Beschreibung im Kontext nur auf einen Referenten passt. I inzigkeit spielt für die Referenzkoordination nur eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist sie bei der nicht-referentiellen Verwendung von Nominalphrasen. 2.4.5 Generische Referenz Mit Nominalphrasen vom Typ 3 kann man auf ein Exemplar von einer bestimmten Kategorie wie in (157) oder auf eine Kategorie bzw. Subkategorie als Ganze wie in (158) referieren (vgl. Heyer 1987, S. 22ff; Blühdorn 2001, S. 3ff): (157) D i e G u r k e ist im Kühlschrank, in der Schublade. (158) Im 2. Jahrtausend vor Christus gelangte d ie G u r k e nach Ägypten. Um 600 vor Christus finden sich erste Berichte, dass auch die Griechen die grüne Pflanze schätzten. http: / / www.weltderwunder.de/ wdw/ Mensch/ Gesundheit/ Gurke/ (Stand: 14.01.2008) In Beispiel (157) referiert der Sprecher mit der Nominalphrase die Gurke auf ein einzelnes Exemplar der Kategorie Gurke. In diesem Fall spricht man von partikulärer Referenz. In Beispiel ( 158) referiert der Sprecher dagegen auf die Kategorie Gurke. In diesem Fall spricht man von generischer Referenz. Besonders typisch für generische Referenz sind im Deutschen Nominalphrasen mit Definitartikel. Aber auch Nominalphrasen mit Demonstrativum wie in ( 159) oder mit Possessivum wie in (160) lassen generische Interpretationen zu (vgl. Oomen 1977, S. 59; Bisle-MtUler 1991, S. 145ff; Gerstner-Link 1995, S. 86): ( 1 5 9 ) D i e s e r D i n o s a u r i e r ist alles andere als ein Tyrannosaurus Rex, wie man an seinen treuherzigen Augen sehen kann. http: / / www.bureauartig.de/ kreislauf/ ablauf/ ablauf.pdf (Stand: 10.09.2008) (160) Ein Ratespiel: Jedes Kind denkt sich eine Hunderasse und nennt typische Eigenschaften. Die anderen Kinder müssen versuchen, die Hunderasse zu erraten. A: M e i n H u n d hat einen Stummelschwanz und hängende Ohren. B : M e i n H u n d hat kurze Beine und lange goldene Haare. <?page no="138"?> 138 Artikelgebrauch im D eutschen Diese/ - Dinosaurier in (159) kann so verstanden werden, dass der Sprecher damit auf eine Dinosaurierart referiert. Mit mein Hund in (160) bezieht sich der Sprecher auf die Hunderasse, die die anderen Kinder erraten sollen. Nominalphrasen mit generischer Referenz können gleichermaßen in Subjektsfunktion wie in (158) bis (160) und in Objektsfunktion Vorkommen (vgl. Gerstner-Link 1995, S. 81; Blühdom2009, S. 34ff): (161) Die Schutzgemeinschaft Deutsches Wild hat (len Wolf wegen seiner Gefährdung zum Wildtier des Jahres 2003 ausgerufen. h ttp : / / w w w .tie r u n d n a tu r .d e / s a r tw o l.h tm (Stand: 09.10.2009) Manche Sätze enthalten Nominalphrasen, die je nach Kontext partikulär oder generisch interpretiert werden können (vgl. Heyer 1987, S. 117ff; Chur 1993, S. 3f.; Blühdom 2001, S. 3f.). So kann die Nominalphrase die Gurke in einem Satz wie (162) sowohl auf ein Gurkenexemplar als auch auf die Kategorie Gurke bezogen werden: (162) D i e G u r k e enthält viel Wasser. In partikulärer Lesart ist das Beispiel so zu verstehen, dass der Sprecher eine Aussage über ein Gurkenexemplar macht und dieses von anderen Gurkenexemplaren unterscheidet, die weniger Wasser enthalten. In generischer Lesart dagegen versteht man den Satz so, dass der Sprecher sich auf Gurken im Allgemeinen bezieht und sie von anderen Gemüsesorten unterscheidet, die weniger Wasser enthalten. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Referenzarten kann manchmal mit Hilfe so genannter Gattungs-Prädikate wie abschaffen, aussterben, ausrotten oder erfinden getroffen werden (vgl. Heyer 1987, S. 123; Krifka et al. 1995, S. 10, zit. n. Blühdom 2001, S. 5), die in einer ihrer Argumentstellen eine generische Lesart nahelegen: ( 163 ) Hauptsächlich Pelzjäger sind für den Rückgang der Biberbestände in Europa verantwortlich. Ebenso Flussbegradigungen und Auwälderbeseitigungen. Bereits im 12. Jahrhundert wurde d e r B i b e r in England ausgerottet. im 16. Jahrhundert in Italien [...]. h ttp : / / w w w .d a s tie rle x ik o n .d e / b ib e r -7 1 p ic tu re s .h tm l (Stand: 1 5 . 0 1 . 2 0 0 8 ) ( 1 6 4 ) Karl Benz und Gottlieb Daimler haben d a s A u t o erfunden, die Nachfahren bauen das größte Automobilmuseum der Welt. Als einziges Museum der Welt kann es die 120-jährige Geschichte der Automobilindustrie vom ersten Tag an darstellen. h ttp : / / w w w .m e d ia -b w .d e / d e / th e m a / th e m a _ d e _ 9 7 3 0 8 .h tm l (Stand: 15.01.2008) <?page no="139"?> RcfcvciUicIIc Ierw endim g von N om inalphrasen 139 Andere Prädikate wie ein Kostüm in dezenter Farbe mit langem Ann und kniebedeckendem Rock tragen in (165) oder beflecken in (166) bevorzugen eine partikuläre Lesart ihrer Argumente (vgl. Heyer 1987, S. 123; Blühdorn 2009, S. 34ff.): (165) Die Frau trägt ein Kostüm in dezenter Farbe mit langem Arm und kniebedeckendem Rock. http: / / www.myself.de/ myself/ 2/ 2/ 01334/ index.php (Stand: 15.01.2008) (166) Das Hotelzimmer trägt die Spuren des Kampfes, die Spiegel sind zerschlagen, die Lampen zerbrochen, Bens Blut hat den Teppich befleckt. http: / / www.fairylynn.de/ Desaster.htm (Stand: 11.09.2008) Ob der Sprecher auf einen partikulären Referenten oder auf eine Kategorie Bezug nimmt, wird in den meisten Fällen jedoch nicht aus den verwendeten Deskriptoren oder Prädikaten, sondern aus dem Kontext klar (vgl. Blühdorn 2001, S .3f.). Generische Referenz kann nicht nur mit Nominalphrasen vom Typ 3, sondern auch mit Nominalphrasen der Typen 1 und 2 ausgefährt werden. Nach Carlson ( 1980, S. 61 ff.) ist generische Referenz eine Variante der Individuen-Referenz. Kategorien sind Individuen, die gezählt, nicht gemessen werden können: (167) Heute sind 2 900 Schlangen beschrieben. Mit Ausnahme der Arktis und Antarktis sind sie weltweit in allen Lebensräumen anzutreffen. (168) Ein Löwe {nämlich der Berberlöwe) ist ' ausgestorben. (Krifka 1988. S. 287. zit. n. Chur 1993, S. 27) 2900 Schlangen in (167) und ein Löwe in (168) sind Nominalphrasen vom Typ 2. In beiden Sätzen referiert der Sprecher auf Kategorien: auf 2 900 Schlangenarten bzw. auf eine Löwenart. Nach Chur (1993, S. 37) können Nominalphrasen mit generischer Referenz durch den Ausdruck N-Art(en) paraphrasiert werden, wobei N für das jeweilige Nomen steht. Krifka et al. (1995, S. 5, 74ff.) haben daraufhingewiesen, dass generisch referierende Nominalphrasen vom Typ 2 auf Subkategorien (subkinds) Bezug nehmen. BeiNominalphrasenvomTyp 1 sind generische Lesarten möglich, aber nicht typisch: (169) Inzwischen sind catch Säugetiere von der Ausrottung betroffen. (170) A u f der Forschungsreise haben die Biologen unbekannte Pilze entdeckt. <?page no="140"?> 140 Artikelgehrauch im D eutschen In (169) sind mit der hervorgehobenen Nominalphrase in Subjektsfunktion Säugetierarten gemeint. Die generische Lesart wird durch das deverbale Nomen Ausrottung nahegelegt. In (170) kann die hervorgehobene Nominalphrasc in Objektsfunktion so verstanden werden, dass auf unbekannte Pilzarten (Subkategorien) referiert wird. Die typischen Beispiele für generisch referierende Nominalphrasen, die in der Fachliteratur diskutiert werden, enthalten Zähl-Nomina. Aber auch Masse-Nomina können zur generischen Referenz verwendet werden, allerdings nur wenn sic nicht quantifiziert sind (vgl. Blühdom 2001, S. 8f.; 2008b, S. 3131'.): (171) Dieser S e k t schmeckt ganz anders als andere. Er ist nicht so süß. http: / / www.ciao.de/ (Stand: 18.01.2008) (172) Bier ist ein alkoholisches Getränk und kann abhängig machen. http: / / www.consumerblog.de/ (Stand: 12.09.2008) (173) Lieht hat eine immense Bedeutung in der Ennvickhmg der Menschheit gehabt. Das Beherrschen des Feuers war einer der wichtigsten Meilensteine zur „Menschwerdung“. leiditg e ä n d e rtn acli http: / / www.science-at-home.de/ astronomie/ lichtverschmutzung.php (Stand: 12.09.2008) Dieser Sekt in (171) ist eine Nominalphrase vom Typ 3 mit Masse-Nomen. Referiert wird auf eine bestimmte Sektsorte. Bier in (172) und Licht in (173) sind NominaIphrasenvomTyp 1 mit Masse-Nomina. Referiert wird auf Bier als eine Art von alkoholischem Getränk bzw. auf Licht als Phänomen im Allgemeinen, unabhängig von einzelnen konkreten Manifestationen. Quantifizierte Masse-Nominalphrascn wie in (174) und (175) enthalten Maß-Quantifikatoren. Solche Nominalphrasen sind inkompatibel mit generischen Lesarten, weil Kategorien nicht gemessen werden können, sondern wie Individuen gezählt werden müssen (vgl. Blühdom 2001, S. 9; 2008b, S. 313f.): (174) Falls die Sauce zu dick ist, einfach nach etwas Bier zufügen und nochmals abschmecken. http: / / www.bierundwir.de/ bierimleben/ kochen.htm (Stand: 14.09.2008) (175) Wir haben viel Lich t in der Wohnung. Allein im Wohnzimmer 12 x 5O-Watt-Halogen-Strabler. http: / / www.forumdeluxx.de/ forum/ archive/ (Stand: 14.09.2008) <?page no="141"?> Referentielle Venvemhm g von Nominalphrasen 141 ln der Literatur werden auch Beispiele wie die folgenden immer wieder als Varianten von generischer Referenz behandelt (vgl. Grimm 1976, S. 19; Oomen 1977, S. 14; Zhou 1985, S. 77ff.; Engel 1991, S. 528; Duden2005, S. 303ff): (176) K o a l a s sind Baumbewohner und überwiegend nachtaktiv. h t tp : / / d e .w ik ip e d ia .o r g / w ik i/ K o a la ( S t a n d : 1 2 . 0 9 . 2 0 0 8 ) ( 1 7 7 ) E i n H u n d braucht täglich seinen A uslauf. In (176) handelt cs sich um eine Nominalphrase vom Typ 1 mit einem Nomen im Plural, in ( 177) um eine Nominalphrase vom Typ 2 mit einem Zähl-Nomen im Singularund mit IndefinitartikeLjeweils in Subjektsfunktion. In beiden Sätzen werden allgemeingültige Aussagen gemacht. Die Subjekte solcher Sätze werden in der vorliegenden Arbeit nicht als generisch referentiell, sondern im Anschluss an Blühdom (2001, S. 3ff.) als unspezifisch (nicht-referentiell) eingestuft (siehe oben Abschnitte 2.4.1 und 2.4.3). In ( 176) wird nicht auf den Koala als Spezies referiert, sondern es wird die Eigenschaft genannt, ein Koala zu sein. Über Referenten, denen diese Eigenschaft zukommt, wird die allgemeine Aussage gemacht, dass sie Baumbewohner und überwiegend nachtaktiv sind. In (177) wird nicht auf die Spezies IIund referiert, sondern es wird die Eigenschaft genannt, ein Hund zu sein. Über einen typischen Referenten, dem diese Eigenschaft zukommt, wird ausgesagt, dass er täglich Auslauf braucht. Generisch sind in solchen Beispielen nicht die Subjekts-Nominalphrasen, sondern die zugeordneten Prädikationen ( s i n d BaumbewoImer u n d überwiegend nachtaktiv in (176) und braucht täglich seinen AusIa ufm 177). Blühdom (2008b, S. 31 Iff.) hat dargestellt, dass die Opposition partikuläre vs. generische Referenz mit der Opposition spezifischer vs. unspezifischer Gebrauch gekreuzt werden kann. Folgende Kombinationen sind möglich: 1) partikulär-spezifisch: ( 1 7 8 ) M e in F i s c h heißt Alan. Hier referiert der Sprecher auf ein bestimmtes Fischindividuum. 2) partikulär-unspezifisch: (179) D e r G e w in n e r nimmt alles! Hier referiert der Sprecher auf einen möglichen Gewinner. Man weiß noch nicht, wer gewinnt, aber es ist klar, dass es ein Exemplar und keine Kategorie sein wird. <?page no="142"?> 142 Artikelgebraiirli im D eutschen 3) generisch-spezifisch: ( I SO) Anna liebl Dinosaurier. Besomlers gern mag sie d e n B r o n t o s a u r u s . 1lier referiert der Sprecher auf eine Spezies, die zur Gattung der Dinosaurier gehört. 4) generisch-unspezifisch: ( I S l ) Kennen Sie e in S ä u g e ti e r , d a s S c h il d k r ö t e n f r i s s t ? ( B l i i h d o m 2 0 0 8 b , S. 3 1 5 ) 1lier referiert der Sprecher auf eine mögliche Säugetierart. Bs bleibt offen, ob eine Spezies gefunden wird, auf die die Beschreibung passt. Nominalphrasen können im gleichen Kontext referentiell mehrdeutig sein. Im Extremfall können sic sogar alle vier Lesarten erlauben. Bin anschauliches Beispiel für diesen Fall bietet Blühdorn (2001, S. 16): ( 1 8 2 ) Ich suche e in e n g e l b e n V o g e l, d e r w u n d e r s c h ö n s in g e n k a n n . Mögliche Lesarten dieses Satzes sind: 1) Partikulär-spezifisch: Der Sprecher referiert auf ein bestimmtes Exemplar, das ein gelber Vogel ist und wunderschön singen kann, z.B. seinen Kanarienvogel, der ihm entflogen ist. 2) Partikulär-unspezifisch: Der Sprecher gibt eine Beschreibung, zu der ein mögliches Exemplar gefunden werden soll, z.B. in einer Tierhandlung. Es bleibt offen, ob ein passendes Exemplar gefunden wird. 3) Generisch-spezifisch: Der Sprecher referiert auf eine bestimmte Vogelart, deren Namen er nicht nennt. Ihre typischen Vertreter sind gelb und können wunderschön singen. Die gesuchte Spezies könnte z.B. der Kanarienvogel sein. 4) Generisch-unspezifisch: Der Sprecher gibt eine Beschreibung, zu der eine mögliche Vogelart gefunden werden soll. Es bleibt offen, ob eine solche Spezies tatsächlich gefunden wird. Zusammenfassung: Generische Referenz ist ein Spezialfall von Individuen- Referenz. Ob eine Nominalphrase generisch gebraucht ist, kann im Deutschen nicht an ihrer morphosyntaktischen Struktur und insbesondere auch nicht am Artikelgebrauch erkannt werden (vgl. Gerstner-Link 1995, S. 80). Der Inter- <?page no="143"?> Referentielle Verwendung von Nominalphrasen 1 4 3 prêt muss aufgrund des Kontexts entscheiden, ob eine gegebene Nominalphrase partikulär oder generisch zu lesen ist. Nominalphrasen der Typen 1, 2 und 3 können gleichermaßen zur generischen Referenz verwendet werden. Lediglich quantifizierte Masse-Nominalphrasen sind auf partikuläre Referenz beschränkt. 2.4.6 Übersicht über die Referenzarten Im Unterkapitel 2.4 habe ich einen Überblick über die Möglichkeiten der referentiellen Verwendung von Nominalphrasen im Deutschen gegeben. Das Deutsche macht eine Grundunterscheidung zwischen Individuen- und Masse-Referenz. Bei der Individuen-Referenz ist der Referent ein einzelnes Individuum oder eine Gruppe von gleichartigen, gegeneinander im Raum- Zeit-System abgrenzbaren Individuen. Individuen-Nominalphrasen können Zähl-, aber keine Maß-Quantifikatoren enthalten. Sie können im Singular oder im Plural stehen. Bei der Masse-Referenz ist der Referent eine gleichmäßig aufgebaute, ungeformte Masse. Masse-Nominalphrasen können Maß-, aber keine Zäh I-Quantifikatoren enthalten. Sie können nur im Singular stehen. Individuen-Nominalphrasen sowie nicht-quantifizierte Masse-Nominalphrasen erlauben, je nach Kontext, generische Lesarten, bei denen nicht auf Exemplare oder Mengen, sondern auf Kategorien bzw. Subkategorien referiert wird. Ich habe drei morphosyntaktische Haupttypen von Nominalphrasen unterschieden: - Typ 1: Nominalphrasen ohne Determinativ und Quantifikatoren - Typ 2: Nominalphrasen ohne Determinativ, aber mit Quantifikatoren - Typ 3: Nominalphrasen mit Determinativ Nominalphrasen vom Typ 1und 2, die kein Determinativ enthalten, sind indefinit. Nominalphrasen vom Typ 3 sind definit. Der Indefinitartikel wird hierbei nicht als Determinativ, sondern als Quantifikatorbehandelt (vgl. Vater 1984). Nominalphrasen aller drei Typen können referentiell in Subjekts- und Objektsfunktion gebraucht werden. Typ 1 ist im Deutschen für Masse- und Plural-Nominalphrasen charakteristisch. Typ 2 kann, je nach Quantifikator, für die Referenz auf einzelne Individuen, auf Individuengruppen und auf Massequanten verwendet werden. Nominalphrasen vom Typ 3 zeigen Identifizierbarkeit, Gesamtheit und/ oder Einzigkeit eines Referenten an. <?page no="144"?> 144 Artikelgebrauch im Deutschen Die Anzeige von Identifizierbarkeit oder Einzigkeit ist bei einem Individuen-, Gruppen- oder Masse-Referenten in Subjekts- oder Objektsfunktion möglich. Bei fehlender Identifizierbarkeit oder Einzigkeit werden bei einem Individuen-Referenten Nominalphrasen vom Typ 2 verwendet. Bei Gruppen- und Masse-Referenten können Nominalphrasen vom Typ 2 oder vom Typ 1 verwendet werden. Die Anzeige von Gesamtheit durch Nominalphrasen vom Typ 3 ist vor allem bei Gruppen- und Masse-Referenten in Objektsfunktion relevant. NominalphrasenvomTyp 1 oder 2 zeigen keine Gesamtheit an. Bei NominaIphrasenvomTyp 1 sind generische Lesarten möglich, aber nicht typisch. Stehen sie im Plural, so wird auf Subkategorien referiert. Nominalphrasen vom Typ 2 können generisch gelesen werden, wenn sie Zähl-Quantifikatoren enthalten. Maß-Quantifikatoren schließen generische Lesarten aus. Nominalphrasen vom Typ 3 können immer generisch gelesen werden, wenn der Kontext es zulässt (außer wenn sie Maß-Quantifikatoren enthalten). Nominalphrasen aller Typen können, je nach Kontext, spezifisch-referentiell oder unspezifisch gedeutet werden. Wird eine Nominalphrase spezifisch-referentiell interpretiert, so wird ein Determinativ (NP-Typ 3) als Hinweis darauf verstanden, dass der Referent nach Meinung des Sprechers für den Adressaten im Kontext identifizierbar ist. Das Fehlen eines Determinativs (NP-Typcn 1 oder 2) wird als IIinwcis darauf verstanden, dass der Referent nur dem Sprecher bekannt, für den Adressaten dagegen neu ist. Wird eine Nominalphrase unspezifisch gelesen, so geht es nicht um die Identifizierbarkeit eines Referenten. In diesem Fall wird ein Determinativ (NP- Typ 3) als Hinweis darauf verstanden, dass der Sprecher im Kontext nur mit einem Kandidaten rechnet, auf den die gegebene Beschreibung passt. Das Fehlen eines Determinativs (NP-Typen 1 und 2) wird als Hinweis darauf verstanden, dass der Sprecher im Kontext mit mehreren geeigneten Kandidaten rechnet. Ob eine Nominalphrase spezifisch-referentiell oder unspezifisch zu lesen ist, kann im Deutschen nicht am Artikelgebrauch erkannt, sondern muss durch Interpretation im Kontext ermittelt werden. Bei Personen- und Ortsnamen (Städte- und Ländernamen) werden normalerweise Nominalphrasen vom Typ 1 verwendet. Es wird angenommen, dass der Träger des Namens identifizierbar ist. Falls die Identifizierbarkeit des Referenten nicht angenommen wird, können auch bei Eigennamen Nominalphrasen vom Typ 2 (insbesondere mit Indefinitartikel) gebraucht werden. Wenn <?page no="145"?> Zusam m enfassung 145 Genus oder Kasus besonders kenntlich gemacht werden sollen oder Adjektivattribute verwendet werden, müssen Nominalphrasen vom Typ 3 gebraucht werden. Bei koordinierten Nominalphrasen werden Artikel oft weggelassen. Im Ergebnis stehen dann Nominalphrasen vom Typ 1 anstelle von Nominalphrasen vom Typ 2 oder 3. Oft ist formal nicht entscheidbar, ob definite oder indefinite Artikel ausgefallen sind. Welche Interpretation gewählt wird, muss aufgrund des Kontexts entschieden werden. Bei Nominalphrasen nach Präpositionenen gelten, anders als es oft dargestellt wurde, keine besonderen Regeln des Artikelgebrauchs. Abbildung 7 gibt einen Überblick über die referentielle Verwendung von Nominalphrasen im Deutschen: I d e n t ifi z i e r b a r k e it / E in z i g k e it G e s a m t h e it + - + - Z ä h l- S i n g u la r - N P T y p 3 T yp 2 P lu r a lu n d M a s s e - N P S u b j e k t T y p 1 / 2 O b j e k t T yp 3 T yp 1/ 2 P e r s o n e n u n d O r t s n a m e n T y p 1/ 3 T y p 2 Abb. 7: Referentielle Verwendung von Nominalphrasen 2.5 Zusammenfassung Das vorliegende Kapitel hatte die Aufgabe, eine Übersicht über den Artikelgebrauch im Deutschen zu geben. Dabei wurden vor allem solche Gesichtspunkte berücksichtigt, die sich zu spezifischen Lemschwierigkeiten im Bereich des Deutschen als Fremdsprache in Beziehung setzen lassen. Flexionsmorphologie und Syntax wurden nur am Rande behandelt. Im Vordergrand standen Semantik und Pragmatik des Artikelgebrauchs. Mit Rückgriff auf Vaters (1984) Unterscheidung zwischen Determinantien und Quantoren habe ich zwischen den Formtypen 1, 2 und 3 unterschieden. Zu Typ 1 gehören alle artikellosen Nominalphrasen. Hierunter fallen auch solche Nominalphrasen, die den so genannten NaIIartikel enthalten. Zu Typ 2 gehören alle Nominalphrasen, die einen indefiniten Artikel oder einen ande- <?page no="146"?> 146 Artikelgebrauch im Deutschen ren Quantifikator, aber kein Definitelement enthalten. Zu Typ 3 gehören diejenigen, die einen definiten Artikel oder ein anderes Defmitelement enthalten. Optional kann zusätzlich ein Quantifikator vorhanden sein. Nominalphrasen der Typen 2 und 3 können als charakteristisch für das Deutsche als Artikelsprache angesehen werden. In pragmatischer Hinsicht habe ich zwischen prädikativem bzw. nicht-referentiellem und referentiellem Gebrauch von Nominalphrasen unterschieden. In beiden Verwendungsweisen kommen im Deutschen Nominalphrasen aller drei Typen vor. Manche Verben eröffnen syntaktische Leerstellen, die sich besonders für prädikative Nominalphrasen eignen. Dazu gehören vor allem die klassischen Kopula-Verben sein, werden und bleiben, die ihren Subjekten klassifizierende oder beschreibende Ausdrücke zuordnen. Ferner sind auch Verben wie nennen, schimpfen, betrachten u.a. zu erwähnen, die ihren Objekten solche Ausdrücke zuordnen. Prädikative Nominalphrasen des Typs 1 haben in der Regel klassifizierende Funktion. Bei Plural- und Masse-Nominalphrasen und bei Anschlüssen mit als kommen sie auch in beschreibender Verwendung vor. Prädikative Nominalphrasen vom Typ 2 haben gewöhnlich beschreibende Funktion. Bei nichtmenschlichen Individuen-Referenten kommen sie auch klassifizierend vor. Prädikative Nominalphrasen vom Typ 3 weisen daraufhin, dass nur mit einem einzigen Kandidaten gerechnet wird, auf den die gegebene Beschreibung passt. Bei referentiellen Nominalphrascn steht die Anzeige von Idcntifizierbarkeit und Gesamtheit als Funktion der Determinative (Typ 3) im Vordergrund. Sollen Identifizierbarkeit bzw. Gesamtheit nicht angczcigt werden, so werden Nominalphrasen vom Typ 2 verwendet. Nominalphrasen vom Typ 1 kommen für den referentiellen Gebrauch nur im Plural, bei Masse-Nomina und bei Eigennamen in Betracht. Der Einer-Quantifikator ein hat seine Hauptfunktion in der Anzeige von Individuen-Referenz. Diese übt er aber nur in Nominalphrasen vom Typ 2 in vollem Umfang aus. In singularischen Nominalphrasen vom Typ 3 ist er meist redundant und wird deshalb weggelassen. <?page no="147"?> 3. Schlussfolgerungen für die Didaktik des Deutschen als Fremdsprache in Polen Ausgangspunkt dieser Arbeit war die Beobachtung, dass die Verwendung der deutschen Artikelwörter polnischen Lemem große Schwierigkeiten bereitet (siehe oben Kap. 1; ferner Czochralski 1978, S. 5ff.; Grimm 1982, S. 93ff.; 1986, S. 7ff; Cirko 1991, S. 291ff; Gmcza 1995, 2000, S. 535ff; Witwicka 2005, S. 153ff.). Mit Korpusbelegen aus Lemerproduktion wurde in Unterkapitel 1.1 gezeigt, welche Arten von Artikelfehlem Vorkommen; Nicht-Setzung, wo ein Artikel stehen sollte, Setzung, wo kein Artikel stehen sollte, und Auswahl eines falschen Artikels. Nur ein geringer Teil solcher Fehler kann plausibel auf Interferenzen aus dem Polnischen zurückgeführt werden. Die meisten sind dadurch zu erklären, dass Regeln des Artikelgebrauchs im Deutschen nicht korrekt angewandt wurden. Solche Schwierigkeiten betreffen nicht nur polnische Lerner, sondern auch polnische Lehrer des Deutschen als Fremdsprache. Für die Lemer besteht die wichtigste Herausforderung darin, eine korrekte Artikelwahl zu treffen. Für den Lehrer besteht sie darin, in der Produktion der Lcrncr richtige von falschen Artikelverwendungen zu unterscheiden und gegebenenfalls passende Korrekturvorschläge zu machen. In der Praxis ist es nicht untypisch, dass polnische DaF-LehrerAngst davor haben, Artikelfehler zu übersehen, korrekte Artikelverwendungen als Fehler anzustreichen und ungeeignete Korrekturvorschläge zu machen. Ls kann z.B. relativ leicht Vorkommen, dass ein korrekt verwendeter Artikel vom Lehrer für falsch gehalten und durch einen ebenfalls korrekten anderen Artikel ersetzt wird, der die Bedeutung des Gesagten verändert. Die Sorge, beim Korrigieren neue Fehler in den Text einzubringen, führt im Extremfall dazu, dass der Artikelgebrauch bei der Korrektur gänzlich unberücksichtigt bleibt. Die Schwierigkeiten polnischer DaF-Lemer und -Lehrer beim Erwerb des deutschen Artikelgebrauchs erklären sich nicht nur daraus, dass im Polnischen Determinativlosigkeit häufiger vorkommt als im Deutschen, sondern zumindest teilweise auch aus der ungenügenden wissenschaftlichen und didaktischen Aufarbeitung dieses Themas. Die Durchsicht der einschlägigen Literatur in Unterkapitel 1.2 hat gezeigt, dass für diesen Bereich immer noch eine umfassende, systematische und verständliche Darstellung fehlt. Die vorliegende Arbeit hat das Ziel, in dieser Hinsicht einen Schritt nach vome zu tun. <?page no="148"?> 148 Artikelgebrauch im Deutschen Im dritten Kapitel werde ich versuchen, die Ergebnisse der Untersuchung aus Kapitel 2 unter didaktischem Blickwinkel auszuwerten. Dabei geht cs mir um die Frage, in welcher Hinsicht polnische Leservon den Erträgen meiner Arbeit profitieren können. In Unterkapitel 1.2 wurde gezeigt, dass der größte Teil der in Deutschland und Polen verfügbaren wissenschaftlichen und didaktischen Artikelliteratur sich auf den Artikelgebrauch in referentiellen Nominalphrasen und hier insbesondere auf die Frage der Identifizierbarkeit des Referenten konzentriert. Demgegenüber habe ich in Kapitel 2 herausgearbeitet, dass weitere Unterscheidungen einen ähnlich hohen Stellenwert für die Erklärung des Artikelgebrauchs im Deutschen haben, insbesondere die Unterscheidung zwischen referentiellen und nicht-referentiellen Nominalphrasen und die Unterscheidung zwischen zählbaren und nicht-zählbaren Nominalphrasen. Im Folgenden werde ich zeigen, dass die wesentlichen semantischen und grammatischen Unterscheidungen, die für den Artikelgebrauch im Deutschen relevant sind, auch im Polnischen gemacht werden können. Allerdings werden sie im Polnischen häufig nicht durch die Form der Nominalphrase angczcigt. Deshalb sind sie Sprechern des Polnischen als Muttersprache oft nicht bewusst. Das wiederum kann dazu führen, dass die Wichtigkeit dieser Unterscheidungen beim Erlernen des Deutschen nicht erkannt und die Funktion der deutschen Artikelwörter infolgedessen nicht verstanden wird. Am Ende des vorliegenden Kapitels (siehe unten Abschnitt 3.3.5) wird ein Entscheidungsbaum stehen, der polnischen Lernern helfen soll, in konkreten Verwendungssituationen auf Kriterien zurückzugreifen, die auch im Polnischen nachvollziehbar sind, und mit ihrer Hilfe im deutschen Text zu einer korrekten Artikelauswahl zu gelangen. Bei den Nominalphrasen des Deutschen habe ich in Unterkapitel 2.2 drei Formtypen unterschieden: - Typ 1: Nominalphrasen ohne Determinativ und Quantifikatorcn (z.B. Zucker, Experten) - Typ 2: Nominalphrasen ohne Determinativ, aber mit Quantifikatorcn (z.B. ein Hotel, etwas Zucker, mehrere Experten) - Typ 3: Nominalphrasen mit Determinativ (z.B. dieses Hotel, dieses bisschen Liebe, meine drei Brüder) <?page no="149"?> Schlussfolgerungen f ü r die D idaktik des D eutschen als Frem dsprache in Polen 14 9 Die gleichen Formtypen lassen sich auch im Polnischen unterscheiden (vgl. Engel ct al. 2000, S. 802f.): Typ 1: (1) W czasie spotkama z autorkq wysiadl mi dyktafon, a ona sama rozsypala eukier na stöl. http: / / bielskobiala.naszemiasto.pl/ kultura/ 778913.html (Stand: 25.05.2008) [W ährend des Treffens m it der A utorin ist mir das Diktiergerät kaputt g e gangen, und sie selbst hat Zucker a u f dem Tisch verschüttet.] (2) I wcale nie byIo mi przyjemnie, gdy w ogrodzie zoologicznym krokodyle patrzyfy na mnie porozumiewawezo. Co zrobic? Zrozumialem, ze o wlasnych silach ogona siq nie p o z b q d t / ' zwröcilem siq do ekspertöw. (Mrozek 1999, S. 394, Bd. 3, M etam orfoza) [Und es w ar m ir überhaupt nicht angenehm, wenn die Krokodile im Zoo m ich verständnisinnig ansahen. Was war zu tun? Ich begriff, dass ich aus eigenen K räften den Schwanz nicht loswürde und wandte mich an E x p e r ten. (M rozek 1995, S. 55, DieVerwandlung? )] Typ 2: (3) W Irzecim kwartale 2006 roku Orbis sprzedal jed en hotel Monopol we Wroclawin. h ttp : / / w w w .m o n e y . p l/ ( S t a n d : 1 7 . 0 3 . 2 0 0 9 ) [Im dritten Quartal 2 0 0 6 hat Orbis e in H o t e l verkauft das Monopol in Wroclaw. ] (4) Zmodyfikowalam nieco przepis mojego taty i do ciasta dodalam troche eukru. h t t p : / / w w w .k u c h n ia .o 2 .p l/ p r z e p is y / o b ie k t_ in t.p h p ( S t a n d : 1 7 . 0 3 . 2 0 0 9 ) IIch habe das Kochrezept meines Vaters ein wenig modifiziert und e tw a s Z u c k e r in den Teig gegeben. ] (5) Wielu ekspertöw ocenia, ze tylko wybory prezydenckie mogq zakonczyc kryzys polityczny. h t t p : / / w w w .k o n ty n e n t.w a w .p l/ ( S t a n d : 1 7 . 0 3 . 2 0 0 9 ) ! M e h r e r e E x p e r t e n sind der Meinung, dass nur eine Neuwahl des Präsidenten die politische Krise beenden kann.] Typ 3: (6) Spqdzam w tym hoteluprzynajmniej kilka dni kazdego miesiqca. http: / / www.wykop.pl/ link/ 108367/ hotel-alicja-w-lodzi (Stand: 17.03.2009) [Ich verbringe in d ie s e m H o t e l wenigstens einige Tagejeden Monat.] <?page no="150"?> 150 Artikelgebirm ch im Deutschen (7) Pan tak niewiele od nas dice tylko [...] zawierzenia Mit i t e j tr o c h q m il o s c i . ja k q mozemy Mn dac. http: / / www.sm.fki.pl/ Anna/ Anna.php (Stand: 25.03.2009) [Der HeiT will von uns so wenig nur [...] das Vertrauen zu ihm und d ie s e s b i s s c h e n L i e b e , das wir ihm gehen können.] (8 ) M o i tr z e j b r a d a wychowali sie w domu dziecka. http: / / www.tvn24.pl/ (Stand: 17.03.2009) [M e in e d r e i B r ü d e r wurden in einem Waisenhaus erzogen.] Allerdings sind die Fomitypen im Polnischen anders distribuiert. Typ 1 ist im Polnischen der Normalfall, Typ 2 und Typ 3 sind Sonderfalle, die nur unter bestimmten Bedingungen Vorkommen. Im Deutschen sind umgekehrt die Typen 2 und 3 der Normalfall. Typ 1 kommt vor allem bei referentieller Verwendung im Masse-Singular oder im Plural, bei Personen- und Ortsnamen sowie bei nicht-referentieller Verwendung vor. Polnische und deutsche Nominalphrasen vom Typ 2 im Masse-Singular und im Plural verhalten sich bei oberflächlicher Betrachtung ähnlich. Insbesondere werden in beiden Sprachen Maß- und Zähl-Quantitäten stets durch Quantifikatoren angegeben: (9) Swiece palq siqjasniej i wolniej siq stapiajq, je sli naokolo knotapodsypiemy tr o c h q s o li. http: / / kobieta.netbird.pl/ (Stand: 25.03.2009) (10) Kerzen brennen heller und schmelzen langsamer, wenn wir um den Docht herum e t w a s S a l z streuen. ( 11 ) K i l k u s t u d e n t o w podhieglo i obezwladnilo napastnika. http: / / www.ekumenizm.pl/ article.php (Stand: 19.03.2009) ( 1 2 ) E i n i g e S t u d e n t e n sind ein Stück gelaufen und haben den Angreifer überwältigt. ( 13 ) Do pomocy osobom niepelnosprawnym zglosi/ o sie p i q c i u s tu d e n to w . http: / / www.diakonia.org.pl/ index.php (Stand: 27.03.2009) (14) Zur Hilfe fü r behinderte Menschen haben sich f ü n f S t u d e n t e n angemeldet. Allerdings bestehen in Sätzen wie (9) bis (14) gewisse syntaktische Unterschiede zwischen dem Polnischenund dem Deutschen. Im Deutschen stehen die Nominalphrasen in dem ihrer syntaktischen Funktion entsprechenden Kasus (Subjekt im Nominativ, direktes Objekt im Akkusativ usw.). Quanti- <?page no="151"?> Schlussfolgerungen für die Didaktik des Deutschen als Fremdsprache in Polen 1 5 1 fikator und Nomen stimmen im Kasus überein. Im Polnischen steht der Masse- oder Mchrzahl-Quantifikator im syntaktisch geforderten Kasus, das Nomen dagegen im Genitiv (vgl. Kotyczka 1976, S. 74; Feleszko 1980, S. 34f.; Przepiorkowski 2000, S. 343ff.; Dickinson 2004; siehe dazu auch unten Unterkapitel 3.1 ). Nur bei den Kardinalia dwa [‘zwei'], trzy ['drei'] und czterv [‘vier’] stimmt das Nomen bei Feminina, Neutra und nicht-belebten Maskulina (Sachform) mit dem Quantifikator überein. Belebte Maskulina (Personalform) können auch bei dwa bis czteiy im Genitiv stehen (vgl. Kotyczka 1976, S. 74; Grzegorczykowa et al. 1984, S. 285; 1998, S. 343f.; Bartnicka/ Satkiewicz 2000, S. 81f.). Klar unterschiedlich verhalten sich Polnisch und Deutsch in Bezug auf den Einer-Quantifikator. Im Polnischen steht er nur, wenn besonders betont werden soll, dass genau ein Exemplar gemeint ist. Andernfalls wird er weggelassen. Im Deutschen muss er bei Nomina im Zähl-Singular aus grammatischen Gründen stehen, auch wenn im Kontext klar ist, dass nichts anderes gemeint sein kann als genau ein Exemplar. In den Abschnitten 3.2.3 und 3.3.2 wird genauer auf die grammatischen Faktoren eingegangen, die im Deutschen die Verwendung des Einer-Quantifikators (als Indefinitartikel) erforderlich machen. Ähnliches wie für den Einer-Quantifikator gilt für die Verwendung von DefInitmarkem (NP-Typ 3). Die Defmitmarker des Polnischen (insbesondere Demonstrativa und Possessiva) werden nur dann verwendet, wenn ein besonderer kommunikativerAufwand erforderlich ist, damit derAdressat den Referenten identifizieren kann. Bestehenkeine Referenzschwierigkeiten, so wird im Polnischen kein Defmitmarker verwendet. Im Deutschen sind für die Verwendung des Defmitartikels wiederum rein grammatische Faktoren ausschlaggebend. Er wird gerade dann eingesetzt, wenn die Referenz unproblematisch ist (vgl. Bisle-Müller 1991, S. 50ff), also dann, wenn im Polnischen kein Determinativ verwendet wird. Demonstrativa und Possessiva sind auch im Deutschen Kontexten Vorbehalten, in denen besondere Referenzschwierigkeiten zu überwinden sind (vgl. Bisle-Müller 1991, S. 69ff., 85ff.). In Abschnitt 3.2.1 gehe ich auf die Frage ein, woran Kontexte zu erkennen sind, in denen die Referenz unproblematisch ist, so dass im Deutschen der Definitartikel gefordert ist. InAbschnitt 3.3.1 wird die Funktion des Defmitartikels in nicht-referentiellen Nominalphrasen behandelt. Die Unterscheidung zwischen referentiellen und nicht-referentiellen Nominalphrasen hat im Deutschen besondere Relevanz für die semantische Interpretation des Definitartikels sowie teilweise auch des Indefinitartikels. Um die Regeln des Artikelgebrauchs im Deutschen zu verstehen, ist sie deshalb <?page no="152"?> 152 Artikclochraiirli im Deiitselieii unverzichtbar. Im Polnischen hat sic dagegen keine Auswirkungen auf die Interpretation von Definitmarkem und Quantifikatoren. Für Muttersprachler des Polnischen dürfte cs deshalb eine besondere Herausforderung darstellen, für eine Nominalphrase in einer gegebenen Verwendungssituation zu entscheiden, ob sie referentielle oder nicht-referentielle Funktion hat. Dieser Frage ist Unterkapitel 3.1 gewidmet, mit dem das Ziel verfolgt wird, für polnische Leser diesen Unterschied nachvollziehbar zu machen. 3.1 Unterscheidung zwischen referentiellen und nicht-referentiellen Nominalphrasen ln referentiellen und nicht-referentiellen Nominalphrasen des Deutschen hat vor allem der definite, aber auch der indefinite Artikel unterschiedliche Funktionen. Ls stellt sich daher die Frage, wie man lernen kann, zuverlässig zwischen referentiellen und nicht-referentiellen Nominalphrasen zu unterscheiden. Line erste Hilfe ist die syntaktische Unterscheidung zwischen Argumenten und Prädikativen. Nominalphrasen in Argument-Funktion sind typischerweise referentiell (vgl. Lambrecht 1996, S. 75), Nominalphrasen in Prädikativ-Funktion sind typischeiweise nicht-referentiell. Ob eine Nominalphrase Argument- oder Prädikativ-Funktion hat, ist in erster Linie am Verb zu erkennen. SyntaktischeArgumente sind zunächst einmal alle Subjekte. Subjekte erkennt man im Deutschen daran, dass sie im Nominativ stehen und mit dem finiten Verb in Person und Numerus kongruieren. Sie erhalten vom Hauptverb des Satzes eine thematische Rolle. Bei Handlungsverben ist dies die Agens- Rolle: (15) Ich (Nom, I. Pers Sg, Agens) lache ( I. Pers Sg) den ganzen Tag. (16) D e r S t u d e n t (Nom, 3. Pers Sg, Agens) geht (3. Pers Sg) nach Hause. (17) D i e P a ti e n t e n (Nom, 3. Pers Pk Agens) warten (3. Pers PI) ungeduldig. In (15) ordnet das Verb lachen seinem Subjekt die thematische Rolle ‘Lachender’ zu. Lntsprechend ordnen das Verb gehen in ( 16) seinem Subjekt die Rolle ‘Gehender’ sowie das Verb warten in ( 17) seinem Subjekt die Rolle ‘Wartender’ zu. Die Rollen ‘Lachender’, ‘Gehender’ und ‘Wartender’ können in der übergeordneten Kategorie ‘Agens’ zusammengefasst werden (vgl. Frawley 1992, S. 197ff.). Vorgangsverben wie in (18) und Zustandsverben wie in (19) ordnen ihrem Subjekt keine Agens-Rolle zu: <?page no="153"?> Unterscheidung zwischen referentiellen und nicht-referentiellen Nominalphrasen 153 (18) Die Fichten (Nom. 3. Pers PL Thema) wachsen (3. Pers PI) langsam. (19) Das Buch (Nom. 3. Pers Sg. Zustandsträger) liegt (3. Pers Sg) im Regal. Das Verb wachsen in ( 18 )bezeichnet einen Vorgang, der sich am Subjekt vollzieht. Das Subjekt hat hier die thematische Rolle ‘Thema’ oder ‘Betroffenes’. In (19) erhält das Subjekt die Rolle ‘Zustandsträger’. Das Subjekt ist in solchen Fällen immer noch sicher am Nominativ und an der Kongruenz mit dem finiten Verb erkennbar. Auch für das Polnische gilt im Prinzip, dass Subjekte im Nominativ stehen und mit dem finiten Verb in Person und Numerus kongruieren: (20) Ja (Nom, I . Pers Sg. Agens) biegam ( I . Pers Sg) / ztz odrokit! http: / / paszczaq.jogger.pl/ 2007/ 05/ 25/ biegam/ (Stand: 25.03.2009) [Ich jogge schon seit einem Jahr! ] (21 ) Moja mama (Nom. 3. Pers Sg. A gens)p ra c ije (3. Pcrs Sg) w dotmt dziecka w Konstancinie. h t t p : / / p y ta m y .p I/ q u e s tio n / d o m -d z ie c k a / l (Stand: 2 5 . 0 3 . 2 0 0 9 ) [ M e in e M u t e r arbeitet im W aisenhaus in Konstancin.] (22) Dzieci (Nom. 3. Pers PI, Agens) spiewajq (3. Pers PI) w szesciu jçzykach: pu lacinie, niemiecku, wloskit, angielsku, polskit i francitskit. http: / / www.extra-media.pl/ www/ arch/ 2006/ 10/ 19_mazowsze_96.pdf (Stand: 25.03. 2009) [Die Kinder singen in sechs Sprachen: a u f Latein, Deutsch, Italienisch, Englisch, Polnisch und Französisch.] Im Präteritum und im mehrteiligen Futur mit l-Partizip wie in (23) bis (27) besteht Kongruenz auch im Genus (vgl. Szober 1969, S. 321; Bqk 1984, S. 417; Bartnicka/ Satkiewicz 1990, S. 145; Engel et al. 2000, S. 1276; Bartnicka et al. 2004, S. 495f.; Skibicki 2007, S. 445): (23) Jan (Nom, 3. Pers Sg, mask, Agens) pracowal/ bedzie pracowal (3. Pers Sg, m ask) w riiedzielç. [Jan arbeitete am Sonntag/ wird am Sonntag arbeiten.] (24) M onika (Nom, 3. Pers Sg, fern, Agens) pracowala! hedzie pracowala (3. Pers Sg, fern) w niedzielç. [Monika arbeitete am Sonntag/ wird am Sonntag arbeiten. | (25) Dziecko (Nom, 3. Pers Sg, neut, Agens) pracoviaIolhcdziepracowala (3. Pers Sg, neut) vv niedzielq. [Das Kind arbeitete am Sonntag/ wird am Sonntag arbeiten.] <?page no="154"?> 154 Artikelgebrauch im Deutschen (26) Mqzczyztti (Nom, 3. Pcrs PL belebt-mask, Agens) pracowali/ bqdqpracowali (3. Pers PI. Personalform ) w niedzielq. [ D ie M ä n n e r arbeiteten am SonntagAverden am Sonntag arbeiten.] (27) Kobiety (Nom. 3. Pers PI, fern, A gens) pracowalylbqdqpracowaly (3. Pers PL Sachform) w niedzielq. [ D ie F r a u e n arbeiteten am SonntagAverden am Sonntag arbeiten.] Subjekte von Handlungsverben erhalten die thematische Rolle 'Agens' wie in (23) bis (27). Vorgangsverben wie in (28) und Zustandsverben wie in (29) ordnen ihrem Subjekt keine Agens-Rolle zu: (28) Kwiaty (Nom. 3. Pers PL unbelebt-m ask, Thema) przekwitfy (3. Pers PL Sachform). [ D ie B lu m e n verblühten.] (29) Jego ciocia (Nom. 3. Pers Sg. Zustandsträger) mieszka (3. Pers Sg) w Poznaniu. [ S e in e T a n t e w ohnt in Poznan.] In bestimmten Fällen steht das „Subjekt“ im Polnischen allerdings nicht im Nominativ und kongruiert nicht mit dem finiten Verb, und zwar wenn es durch einen Quantifikator quantifiziert ist (für die Kardinalia dwa [‘zwei’], trzy [‘drei’] und cztery [‘vier’] gelten besondere Regeln; siehe oben Einleitung zu Kap. 3): (30) W hali pracowalo szesc Iw hietlv Iin Halle arbeiten-3ps-neut-prät sechs-akk Frau-gen-pl] IIn der Halle arbeiteten sechs Frauen. | Solche Konstruktionen erinnern in gewisser Weise an Medialdiathesen. Das finite Verb steht in der 3. Person Singular Neutrum. Die Kasusverteilung an die Argumente unterscheidet sich vom gewöhnlichen Aktivsatz (vgl. Vater 2006, S. 257ff.). DerQuantifikator des „Subjekts“ steht bei intransitiven und transitiven Verben ebenso wie das Objekt transitiver Verben im Akkusativ. Das Nomen erscheint im Genitiv (vgl. Kotyczka 1976, S. 74; Feleszko 1980, S. 34f.; Grzegorczykowa et al. 1998, S. 343f.; Przepiörkowski 2000, S. 343ff.; Dickinson 2004). Ich bezeichne diese Konstruktion des Polnischen, die auf Sätze mit quantifizierten „Subjekten“ beschränkt ist, als „zweite Verbaldiathese“. Wir müssen hier nicht entscheiden, ob Sätze, die in dieser Diathese stehen, ein Subjekt im prototypischcn Sinne haben, oder ob es sich um subjektlose Konstruktionen handelt. Wichtig ist, dass das Hauptverb des Satzes auch20 20 InderGlosseverwendeichdie folgenden Abkürzungen: „3ps“ für 3. Person Singular; „pl“ für Plural; „neut“ für Neutrum; „prät“ flu Präteritum; „akk“ für Akkusativ; „gen" für Genitiv. <?page no="155"?> U nterscheidung zw ischen referentiellen u n d nicht-referentiellen N om inalphrasen 1 5 5 in dieser Konstruktion die Kasus seiner Argumente bestimmt, wenn auch teilweise anders als in gewöhnlichen Aktivsätzen. Quantifizierte Nominalphrasen, deren Quantifikator in der „zweiten Verbaldiathese“ des Polnischen im Akkusativ erscheint, sind also ebenfalls Argumente. Im Deutschen gibt es keine Konstruktionen, die genauso gebaut sind wie die „zweite Verbaldiathese“ des Polnischen. Am ehesten lassen sich subjektlose Passivkonstruktionen wie (31) und (32) anführen, in denen das finite Verb ebenfalls in der 3. Person Singular erscheint (vgl. Blühdom 1993, S. 129; Eisenberg 2004, S. 124ff; Vater 2006, S. 260): (31) Hier wurde getanzt. ( 3 2 ) Stundenlang wurde a u f den Bus gewartet. Zu den Argumenten gehören außer Subjekten auch alle Objekte nicht-kopulativer Verben. Im Deutschen können sic im Akkusativ wie in (33), im Dativ wie in (34), im Genitiv wie in (35 ) oder mit einer vom Verb sclcgierten Präposition wie in (36) stehen (vgl. Engel 1991, S. 187ff.): ( 3 3 ) Eigentlich benutze ic h meinen Pflegestift nur im Winter, damit meine Lippen nicht rissig werden. h t tp : / / w w w .s tim m t.d e / s in g e lv ie w . 609.0. h tm l (Stand: 20.03.2009) (34) Die Zukunft der regenerativen Energie gehört dem Meer. h ttp : / / w w w .v e r iv o x .d e / n a c h r ic h te n / (Stand: 20.03.2009) ( 3 5 ) Berlin gedenkt des Mauerfalls. h ttp : / / w w w .b e r lin o n lin e .d e / b e rlin e r z e itu n g / a rc h iv / (Stand: 3 0 . 0 3 . 2 0 0 9 ) ( 3 6 ) Wir verlassen uns auf das Handelsrecht. h ttp : / / w w w .v e r la g -w h .d e / d e rla d e n / A G B .h tm l (Stand: 2 1 . 0 3 . 2 0 0 9 ) Im Polnischen können Objekte im Akkusativ wie in (37), im Dativ wie in (38), im Genitiv wie in (39) sowie auch im Instrumental wie in (40) stehen. Ferner können vom Verb bestimmte Präpositionen gefordert werden wie in (41 ) (vgl. Bartnicka ct al. 2004, S. 517ff.; Nagörko 2006, S. 288ff.; Skibicki 2007, S. 424ff.): (37) A coz hardziej spolecznego i publieznego nizpolityka? Zalozylem wlasnq partiçpolitycznq (Akk) i steilem siqjejprzyw ödcq. (M rozek 1999, S. 395. Bd. 3, M etam orfoza ) IUnd was gäbe es G esellschaftlicheres und Öffentlicheres als die Politik? Ich gründete e in e e ig e n e p o lit i s c h e P a r t e i und w urde ihr Anführer. (M rozek 1995. S. 56. DieV erw andlung? )] <?page no="156"?> 156 A rtikelg eh n m ch im D eutschen (38) Plac zabaw przeszkadza sqsiadom (Dat). bo dzieci s q z a glosne. h t t p : / / w w w .e m e t r o . p l/ (Stand: 21.03.2009) [Dev Spielplatz stört d ie N a c h b a r n , w eil die Kinder zu laut sind.] (39) Brad Pitt wstydzi siç swojego wieku (Gen). http: / / www.gadulek.pl/ (Stand: 24.02.2009) IBrad Pitt schämt sich seines Alters.] (40) Muunmutr KadaJi ivatl/ i Urajem (Instr) od 1969 r. i wydaje siç, ze tak bçdzie du jego smierci. http: / / ekai.pl/ forum/ irak/ x2037/ (Stand: 25.03.2009) IM uham m ar G addafi regiert d a s L a n d seit dem Jahre 1969 und es scheint, dass es so bis zu seinem Tod bleiben wird. | ( 4 1) Przcchodzicnpytal o drogq (Präp). (Skibieki 2007, S. 428 ) I D er Passant fragte n a c h d em Weg.] In allen diesen Fällen ordnet das Hauptverb des Satzes seinen Objekten auch thematische Rollen zu, in (37) die Rolle ‘Gegründetes’, in (38) die Rolle 'Gestörter’, in (39) die Rolle ‘Thema’, in (40) die Rolle ‘Regiertes-und in (41 ) die Rolle ‘Erfragtes’. Bei den meisten Handlungsverben können die thematischen Rollen des direkten Objekts der übergeordneten Kategorie ‘Patiens’ zugerechnet werden. Die thematischen Rollen des indirekten Objekts lassen sich oft in die allgemeinere Kategorie ‘Benefiziens’ einordnen. Daneben kommen andere Verallgemeinerungen für Argument-Rollen in Frage (vgl. Polenz 1988, S. 167ffi; Frawley 1992, S. 197ff.). Nominalphrasen in Argumentfunktion kommen außer als Subjekte und Objekte von Verben auch als Ergänzungen von Präpositionen wie in (42) und (45), Adjektiven wie in (43) und (46) und Nomina wie in (44) und (47) vor (vgl. Eisenberg 2004, S. 33ff., 88, 191 ff., 246ff„ 252ff.): (42) Linz: Ein 33 Jahre alter Arbeiter hat m it einem Hammer seinen Abteilungsleiter attackiert. h t t p : / / w w w .s h o r tn e w s .d e / (Stand: 2 5 . 0 3 . 2 0 0 9 ) (43) Als nächstes wird der Erdmond beschrieben, er ist dem Merkur ähnlich. h ttp : / / w w w .s d tb .d e / file a d m in / u s e r _ u p lo a d / (Stand: 01.04.2009) (44) Die Interpretation des Textes nimmt rund 130 Seiten ein. h t tp : / / w w w .r o te r d o r n .d e / in h a lt.p h p (Stand: 2 1 . 0 3 . 2 0 0 9 ) (45) Na dwa tygodnie pozegnat siç z Berlinern, ci gdy minçly, mieszkanie w Hamburgu sta/ o siç dla niego domem. ( Schliuk 2003, S. 142, G roszek eukrowy) <?page no="157"?> Unterscheidung zwischen referentiellen und nicht-referentiellen Nominalphmscn \ 5 7 [Für zwei W ochen hatte er sich von Berlin verabschiedet, und als sie vorüber waren, w ar ihm die W ohnung in H a m b u rg zum Zuhause geworden. (Schiink 2001, S. 157, Zuekererbsen)] (46) Jestem znudzona iyciem. h ttp : / / w is ie n k a c h o rz o w .z n a jo m i.in te r ia .p l/ (Stand: 2 1 . 0 3 . 2 0 0 8 ) IIch bin des L ebens überdrüssig. | (47) N apraw a samochodu trwala pöltora miesiqca. h ttp : / / w w w .p o r a d a p r a w n a .p l/ in d e x _ p y ta n ia .p h p (Stand: 2 1 . 0 3 . 3 0 0 9 ) [Die Reparatur des A u to s dauerte anderthalb Monate.] In allen diesen Fällen werden die fettgedruckten Nominalphrasen hinsichtlich ihrer grammatischen Form (Kasus) von ihrem syntaktischen Regens (Verb, Präposition, Adjektiv, Nomen) bestimmt und erhalten von diesem eine thematische Rolle. Grundsätzlich anders verhalten sich prädikative Nominalphrasen. Sie erhalten keine thematische Rolle von einem syntaktischen Regens, und ihr Kasus wird nicht von einem regierenden Ausdruck, sondern durch Übereinstimmung mit einer Bezugsnominalphrase (vor allem im Deutschen) bzw. durch eine allgemeine Prädikativrcgcl (im Polnischen) festgelegt. Prädikativ gebrauchte Nominalphrasen ergänzen typischerweise kopulative Verben wie sein, bleiben und werden im Deutschen bzw. byc ['sein’], zostac [‘bleiben’] und stac siq [‘werden’] im Polnischen. Im Deutschen stehen sie im Nominativ, kongruieren aber nicht mit dem Finitum: (48) Die ganze Mcta-Pmridcr-Rahatt-Geschichte ist Unsinn. http: / / netnews letter.de/ letter/ archiv/ 0206.html (Stand: 01.04.2009) (49) Ich hin der Spaßmacher. h ttp : / / w w w .s a a r b ru e c k e rz e itu n g .d e / (Stand: 3 1 . 0 3 . 2 0 0 9 ) (50) Wir sind eine gewalttätige Nation. http: / / www.netzeitung.de/ entertainment/ movie/ 880651.html (Stand: 28.03.2009) In (48) stehen beide Nominalphrasen im gleichen Numerus. Beide sind 3. Person Singular. 1lier ist es schwer zu erkennen, welche von ihnen als Subjekt fungiert. Wenn man aber eine von ihnen in den Plural setzt, zeigt sich, ob sich die Form des Finitums ebenfalls ändern muss oder nicht: (48a) Die ganzen Meta-Provider-Rabatt-Geschichten sind Unsinn. (48b) t Die ganzen Meta-Provider-Rabatt-Geschichten ist Unsinn. (48c) t Die ganze Meta-Provider-Rahatt-Geschichte ist Gerüchte. (48d ) t Die ganze Meta-Provider-Rahatt-Geschichte sind Gerüchte. <?page no="158"?> 158 Artikelgebrauch im Deutschen Die erste Nominalphrase kann ohne weiteres in den Plural gesetzt werden, wie (48a) zeigt. Das Finitum muss dabei ebenfalls in den Plural gesetzt werden. Mit singularischem Finitum wäre der Satz ungrammatisch. Die zweite Nominalphrase kann in diesem Beispiel nicht im Plural erscheinen, wenn die erste im Singular steht, und zwar weder mit singularischem noch mit pluralischem Finitum, wie (48c) und (48d) zeigen. Demnach ist die erste Nominalphrase das Subjekt, die zweite das Prädikativ. In (49) steht das Verb in der 1. Person Singular. Fs kongruiert mit der Nominalphrase ich. Der Spaßmacher ist 3. Person Singular und demnach Prädikativ. In (50) kongruiert wir ( 1. Person Plural) mit dem Finitum, ist also Subjekt. Das Prädikativ eine gewalttätige Nation ist 3. Person Singular. In Bezug auf prädikative Nominalphrasen unterscheiden sich die Darstellungen in den Grammatiken. Mit Bliihdorn (2008b, S. 298) nehme ich an, dass diejenige Ergänzung eines kopulativen Verbs, die mit ihm in Person und Numerus übereinstimmt, immer das Subjekt ist. Diejenige Ergänzung, die nicht mit dem Finitum kongruiert, ist niemals Subjekt. Im Polnischen stehen die Ergänzungen kopulativer Verben, die nicht Subjekte sind, in der Regel im Instrumental (vgl. Falkenhahn/ Zielke 1964, S. 218; Szober 1969, S. 322; Hentschel 1993, S. 259; Bartnicka/ Satkiewicz2000, S. 151 f.; Bartnicka et al. 2004, S. 216, 228, 300f., 497ff; Nagörko 2006, S. 114; Skibicki 2007, S. 412ff.): (51) Polska je s t krajem europejskim (Instr). [Polen ist ein europäisches Land.] (52) Möj knzyn zostal dyrektorem (Instr) szkofy. [Mein Vetter wurde Schuldirektor.] In einigen Sonderfällen stehen subjektsbezogene prädikative Nominalphrasen im Polnischen im Nominativ (vgl. Falkenhahn/ Zielke 1964, S. 218; Szober 1969, S. 322; Bartnicka/ Satkiewicz 2000, S. 151f.; Bartnicka et al. 2004, S. 498f; Skibicki 2007, S. 413f.). Auf solche Fälle gehe ich hier nicht gesondert ein. Prädikativ gebrauchte Nominalphrasen haben typischeiweise beschreibende oder klassifizierende Funktion (siehe oben Abschnitt 2.3.1 ). In der Regel führen sie keinen neuen Referenten ein, sondern dienen zur weiterführenden Charakterisierung des Subjektsreferenten. So wird in (51 ) das Land, von dem die Rede ist, durch das Subjekt Polska identifiziert. Die prädikativ gebrauchte Nominalphrase krajem europejskim ordnet diesem Referenten eine Beschrei- <?page no="159"?> Unterscheidung zwischen referentiellen u nd nicht-referentiellen N ominalphrasen 159 bung zu. Ebenso wird in (52) die besprochene Person durch die Subjektsnominalphrase möj kuzyn identifiziert. Die prädikativ gebrauchte Nominalphrase dyrektorem szkofy ordnet ihr eine zusätzliche Beschreibung zu. Prädikative Nominalphrasen können im Deutschen und im Polnischen nicht nur auf ein Subjekt-, sondern auch auf ein Objekt-Argument bezogen werden, etwa bei Verben wie nennen oder heißen im Deutschen bzw. nazywac [‘nennen'] oder ochrzcic [‘taufen’] im Polnischen (vgl. Skibicki 2007, S. 412): (53) Durch die IP-Adresse konnte man den Täter ausfindig machen. Das Gericht nannte den Mann (Akk) einen Wiederholungstäter (Akk). http: / / www.shortnews.de/ (Stand: 25.03.2009) (54) Da hat der Alte in der Kirche ihn (Akk) einen Verleumder (Akk) geheißen und Gott im Tabernakel zum Zeugen angerufen. (A dolf Pichler, Ein Brautpaar) h ttp : / / g u te n b e r g .s p ie g e l.d e / (Stand: 14.04.2009) (55) W przeszlosci wszyscy nazyw ali jat (Akk) czarownicq (Instr). W zwiazku z Iym nie miedet zadnych kolegöw ani kolezanek. http: / / favanime.blog4u.pl/ (Stand: 13.03.2009) [In der Vergangenheit nannten alle sie e in e H e x e . Deshalb hatte sie w eder Freunde noch Freundinnen.] (56) Wpmwadzil niesamowity rezim treningowy, siatkarze ochrzcili go (Akk) katem (Instr). h t tp : / / lig a s w ia to w a .w p .p l/ (Stand: 2 5 . 0 3 . 2 0 0 9 ) IEr hat eine unheimliche Trainingsdisziplin eingeführt, die Volleyballer h a ben ihn Henker getauft.] Im Unterschied zum Deutschen, wo die prädikative Nominalphrase im gleichen Kasus wie die Bezugsnominalphrase steht, stehen auch objektsbezogene prädikative Nominalphrasen im Polnischen meist im Instrumental (vgl. Skibicki 2007, S. 412). Im Deutschen können prädikative Nominalphrasen auch mit als, im Polnischen mit jako [‘als’] angeschlossen werden. In diesem Fall stimmen sie in beiden Sprachen gewöhnlich in Kasus und Numerus mit der Argument-Nominalphrase überein, auf die sie bezogen sind (vgl. Laskowski 1972, S. 185; Engel etal. 2000, S. 1180; Skibicki 2007, S. 441f.): (57) Horst Seehofer (Nom) als Parteichef (Nom) hat in seiner Grundsatzrede deutlich gemacht, dass er die Entscheidtmg der oberfränkischen CSU sehr begrüßt. http: / / www.nordbayerischer-kurier.de/ nachrichten/ 1278121/ details_255.htm (Stand: 2 1 . 0 3 . 2 0 0 9 ) <?page no="160"?> 1 6 0 A rtikelg eb n nich im D eutschen (58) Der 77-jährige Mubarak baut seinen Sohn (Akk) als seinen Nachfolger (Akk) a u f http: / / www.sueddeutsche.de/ politik/ 190/ 359015/ text/ (Stand: 21.03.2009) (59) Ja (Norn) ja k o Uvoja byla przyjaciölka (Nom) mogç powiedziec, ze Cig znam. http: / / szalonaa-ja.bloog.pl/ (Stand: 25.03.2009) IIch als d e i n e E x - F r e u n d i n kann sagen, dass ich dich kenne. | (60) Ufam mu (Dat) ja k o Iekarzowi(Dat) w 100 %. http: / / www.znanylekarz.pl/ (Stand: 25.03.2009) I Ich vertraue ihm a l s A r z t hundertprozentig.] Die Unterscheidung zwischen Argument- und Prädikativ-Nominalphrasen kann im Polnischen wie auch im Deutschen aufgrund der Syntax und der Satzbedeutung relativ sicher getroffen werden. Im Normalfall wird von Argument- Nominalphrasen erwartet, dass sic referieren, von Prädikativ-Nominalphrasen, dass sie Argument-Referenten Beschreibungen zuordnen. Es gibt allerdings Sonderfälle, in denen Argument-NPs nicht referieren, sowie solche, in denen prädikative NPs referieren. Nicht-referentielle Argument-NPs sind Nominalphrasen in unspezifischer Verwendung (siehe oben Abschnitte 2.4.1 und 2.4.3). Sie finden sich vor allem in Objektsfunktion: (61) Potrzehuje kota do glaskania. http: / / www.photoblog.pl/ Violetmermaid/ 24285173/ sobota.html (Stand: 25.03.2009) [worth : ich brauche K a t z e für Streicheln] (62) Ich brauche eine Katze zum Streicheln. (63 ) Pilnie poszukujemy nauczycielajçzyka angielskiego! http: / / www.estra da.bydzia.pl/ forum/ watek.php (Stand: 25.03.2009) [worth: dringend wir suchen L e h r e r S p r a c h e e n g li s c h e r ] (64) Dringend suchen wir einen Lehrer der englischen Sprache ! In (61) bis (64) sind keine bestimmten Referenten gemeint, sondern es werden durch die Verben potrzebowac [‘brauchen’] und poszukiwac [‘suchen’] Leerstellen für mögliche Referenten eröffnet. Mit den hervorgehobenen Nominalphrasen werden Beschreibungen gegeben, zu denen passende Referenten gefunden werden sollen, um diese Leerstellen zu besetzen. Nicht-referentielle Argument-Nominalphrasen in Objektsfunktion wie in (61) bis (64) treten typischerweise in modalen Kontexten auf, etwa bei Modalverben wie wollen und sollen sowie bei Vollverben wie brauchen, benötigen, suchen u.a. <?page no="161"?> U nterscheidung zw ischen referentiellen u nd nicht-referentiellen N onünalphrasen 16 1 Auch als Subjekte kommen unspezifisch gebrauchte (nicht-referentielle) Nominalphrasen vor: ( 6 5 ) Niedzwiedz zywi sie jagodami, grzybami, owocami, cebtdkami i pçdami roslin. http: / / wwf.pl/ informaqe/ publikacje/ drapiezniki/ niedzwiedz.pdf (Stand: 27.03.2009) [wörtl.: B ä r ernährt sich Beeren. Pilzen. Früchten, Zwiebeln und Trieben Pflanzen] (66) Ein Bär ernährt sich von Beeren, Pilzen, Früchten, Zw iebeln mul Pflanzentrieben. (67) Brzoza wymaga gleb zyznych i wilgotnych. http: / / www.drzewapolski.pl/ (Stand: 27.03.2009) [wörtl.: Birke braucht Boden fruchtbaren und feuchten] ( 6 8 ) Eine Birke braucht fruchtbaren und feuchten Boden. In (65) bis (68) referieren die Subjekte nicht auf einen bestimmten Bären oder eine bestimmte Birke, sondern es wird die Eigenschaft genannt, ein Bär oder eine Birke zu sein. Über Referenten, denen die Eigenschaft zukommt, wird ausgesagt, dass sie sich von Beeren, Pilzen, Früchten, Zwiebeln und Pflanzentrieben ernähren bzw. dass sie fruchtbaren und feuchten Boden brauchen. Umgekehrt ist auch eine referentielle Verwendung von Prädikativ-Nominalphrasen möglich, und zwar in so genannten Äquativ- oder Gleichsetzungs- Konstruktionen (vgl. Lyons 1977, S. 185). Das folgende klassische Beispiel stammt von Frege (1892, S. 47): (69) Der Morgenstern ist der Abendstern. In (69) ist die hervorgehobene Nominalphrase in der Prädikativ-Position ebenso wie das Subjekt referentiell zu interpretieren. Beide beziehen sich auf ein und dasselbe Objekt (den Planeten Venus), das in unterschiedlichen Kontexten beobachtet und entsprechend unterschiedlich beschrieben wird. Für je manden, der nicht weiß, dass es sich in beiden Fällen um die Venus handelt, ist es informativ festzustellen, dass die Referenten der beiden Nominalphrasen identisch sind. In solchen Sätzen können Ergänzungen kopulativer Verben referentiell gebraucht werden. Das gleiche gilt für das Polnische: ( 7 0 ) Gwiazda Porannaje st Gwiazdq Wieczornq (Instr). h t t p : / / w w w .ifis p a n .w a w .p l/ s tu d ia lo g ic a / (Stand: 2 5 . 0 3 . 2 0 0 9 ) [Der Morgenstern ist d e r A b e n d s t e r n . ] <?page no="162"?> 162 Artikelgebrauch im Deutschen Ebenso wie nicht-referentielle Prädikativ-Nominalphrasen stehen auch referentielle im Polnischen in der Regel im Instrumental. Auch mit als bzw. jako angeschlossene Prädikativ-Nominalphrasen können referentiell verwendet bzw. interpretiert werden: ( 7 1 ) Znakomitaje st takze Julie Walters, ktöra gra nauczycielkq chlopca —paniq Wilkinson, oraz Gary Lewis wystgpujacy ja k o jeg o ojciec. http: / / film.onet.pl/ 7452,7237,recenzje.html (Stand: 05.04.2009) [Ausgezeichnet ist auch Julie Walters, die eine Lehrerin des Jungen spielt - Frau Wilkinson, sowie Gary Lewis, der als sein Vater auftritt.] (72) Zwei Jahre später konnte Ihnnpson [...] beim Salzburger Festival seine Nähe zu Mozart wieder als der Comte unter Beweis stellen. http: / / warnermusic.de/ thomashampson/ bio/ (Stand: 30.03.2009) In (71 ) referiert die mitjako [‘als’] angeschlossene Prädikativ-Nominalphrase auf eine bestimmte Figur. Das gleiche gilt für die mit als angeschlossene Prädikativ-Nominalphrase in (72). Ob eine Argument- oder Prädikativ-Nominalphrase referentiell oder nicht-refercnticll zu interpretieren ist, kann im Deutschen weder an ihrer morphologischen Form noch an ihrer syntaktischen Funktion eindeutig abgelesen werden (vgl. Blühdom2009, S. 30). Für die ArtikelVerwendung und Artikelbedeutung ist aber letztlich die Unterscheidung zwischen referentiellen und nicht-referentiellen Nominalphrasen entscheidend. Das Polnische unterscheidet formal zwischen referentiellen und nicht-referentiellen Nominalphrasen, aber nur bei direkten Objekten. Ilicrzcigt der Akkusativ Referentialität, der Genitiv Nicht-Referentialität an (siehe unten Abschnitte 3.2.2 und 3.3.2). Leider gilt das aber nicht bei Subjekten und sonstigen Satzgliedern, und bei direkten Objekten überlagert sich die Anzeige von Referentialität durch die Kasus-Opposition mit anderen semantischen Funktionen, vor allem mit Partitivität. So können polnische Lerncr diese grammatische Opposition ihrer Muttersprache zwar als Hinweis, nicht aber als sicheren Ausgangspunkt nutzen, um zwischen referentiellen und nicht-referentiellen Nominalphrasen zu unterscheiden. Wie kann man also lernen, die Unterscheidung zwischen referentiellen und nicht-referentiellen NPs in der Praxis sicher zu treffen? Meiner Meinung nach sollten Lemer sich hierzu Beispielsätze als Muster einprägen, mit denen sie neu vorkommende Sätze vergleichen können. Im Folgenden gebe ich sechs Mustersätze, die diesem Zweck dienen sollen: <?page no="163"?> U nterscheidung zw ischen referentiellen u n d nicht-referentiellen N om inalphnisen 163 ( 7 3 ) Keiner 71 achyIil sip konfidencjonalnie. (Mrozek 1999, S. 381, Bel. 3, Zero) IDer Kellner beugte sich vertraulich vor. (Mrozek 1995, S. 132, Eine N i i I D I (74) Usiadlcm przy o h n e i otworzylem ksiqzkç. (Mrozek 1999, S. 385, Bel. 3, Mizantrop) [Ich setzte mich ans Fenster und schlug ein Buch auf.] (Mrozek 1995, S. 27, DerMisanthrop)] ( 7 5 ) S z u k a m przyjaciötki, najlepiej z okolic Wroclawia. h t t p : / / f . k a fe te r ia .p l/ te m a t.p h p ( S t a n d : 2 7 . 0 3 . 2 0 0 9 ) IIch suche eine Freundin, am besten aus der Umgebung von Wroclaw.] ( 7 6 ) Swinka morska w a z y srednio okolo 1 ,3 kg. h t tp : / / s w in k im o rs k ie lO .b lo o g .p l/ ( S t a n d : 2 7 . 0 3 . 2 0 0 9 ) IEin Meerschweinchen wiegt durchschnittlich ungefähr 1,3 kg.] (77) Angelina Joliejest bardzo dobrq aktorkq. http: / / www.egoisci.pI/ 1107/ wojna_z_tabloidami/ l/ (Stand: 27.03.2009) [Angelina Jolie ist e i n e s e h r g u t e S c h a u s p i e l e r i n . ] (78) Gwiazda Poranna / es? Gwiazdq Wieczornq. [Der Morgenstern ist d e r A b e n d s t e r n . ] Die hervorgehobenen Nominalphrasen in (73) und (74) sind referentielle Argumente, in (73) als Subjekt, in (74) als Objekt. Hier wird über Entitäten gesprochen, die im Kontext zu anderen Entitäten in Beziehung gesetzt werden. Die hervorgehobenen Nominalphrasen in (75) und (76) sind nicht-referentielle Argumente (in unspezifischer Verwendung), in (75) als Objekt, in (76) als Subjekt, liier werden im Diskurs Leerstellen für mögliche Referenten geschaffen und Beschreibungen gegeben, zu denen Personen oder Gegenstände passen müssen, um diese Leerstellen besetzen zu können. Die hervorgehobene Nominalphrase in (77) ist prädikativ verwendet und nicht-referentiell. Sie ordnet dem Referenten einer anderen Nominalphrase im gleichen Satz (hier: des Subjekts) eine Beschreibung zu. Auch in (78) fungiert die hervorgehobene Nominalphrase als Prädikativ. Hier ist sie jedoch ebenso wie das Subjekt referentiell zu interpretieren. Beide beziehen sich auf einen und denselben Gegenstand. Die Mustersätze sind absichtlich in der Muttersprache der Lemer formuliert. Sic sollen den Lemem helfen, im Zweifelsfall zu erkennen, ob eine Nominalphrase in einem gegebenen Kontext referentiell oder nicht-referentiell ist. <?page no="164"?> 164 Artikelgebrauch im Deutschen Diese Frage muss immer zuerst beantwortet werden, wenn man entscheiden will, ob in einem bestimmten Fall im Deutschen ein Artikel zu verwenden ist, und wenn ja, welcher. Die folgende Grafik illustriert diese erste Entscheidung, die der Lemer treffen muss: ___ )[ ___ r e f e r e n ti e ll N P I---------------------------------- _____ ______ |~ n ic h tr e f e r e n ti e ll | A h h . 8: VerwendungsweisenvonNominalphrasen Auch der Lehrer, der prüfen möchte, ob ein Lemer in einem gegebenen Kontext den richtigen Artikel verwendet hat, muss zuerst klären, ob die fragliche Nominalphrase referentiell oder nicht-referentiell verstanden werden soll. Erst wenn er diese Frage beantwortet hat, kann er feststellen, ob konkrete Regeln des Artikelgebrauchs befolgt wurden oder nicht. 3.2 Referentielle Nominalphrasen Im Folgenden betrachten wir zunächst referentielle Nominalphrasen, die im größten Teil der vorhandenen Artikcllitcratur und in den meisten Lehrbuchdarstellungen im Mittelpunkt stehen. Referentielle Nominalphrasen sind Sprachmittel, mit denen Kommunikationspartner sich über die Personen und Gegenstände ihrer IIandlungswelt verständigen. Sprecher und Adressat müssen sich an jedem Punkt des Kommunikationsereignisses darüber einigen, von welchen Referenten gerade die Rede ist. Stehen an einer konkreten Diskursstcllc als Referenten für eine bestimmte Aussage mehrere mögliche Kandidaten zur Auswahl, so muss der Sprecher geeignete Mittel finden, um dem Adressaten die Identifikation des gemeinten Referenten zu ermöglichen. Zu diesem Zweck werden die Referenten zueinander und vor allem zu den Kommunikationspartnern in Beziehung gesetzt (vgl. Bisle-Müller 1991, S. 26f., 33, 35fi, 42f., 49). Wenn an einer bestimmten Stelle des Kommunikationsereignisses die Referenz geglückt ist, dann bedeutet das, dass Sprecherund Hörer darüber Einigkeit erzielt haben, welcher Referent gemeint ist. <?page no="165"?> Rcfcvciiliclle N ominalphrasen 165 3.2.1 Identifizierbarkeit für den Adressaten Bei referentiellen Nominalphrasen steht die Frage der Identifizierbarkeit des Referenten im Vordergrund. Damit ist die Frage gemeint, ob der Adressat über genügend Information verfügt, um den Referenten im Diskurs zu verorten. Diese Frage stellt sich sowohl im Polnischen als auch im Deutschen. Das Polnische folgt dem Prinzip, dass nur bei angenommenen Identifikationsschwierigkeiten besondere Sprachmittel eingesetzt werden, die es dem Adressaten erleichtern sollen, trotzdem herauszufinden, welcher Referent gemeint ist. Geht der Sprecher davon aus, dass der Adressat keine Schwierigkeiten hat, den Referenten zu identifizieren oder dass eine Identifikation auf keinen Fall möglich ist, so verwendet er keine besonderen Sprachmittel. In solchen Fällen kommt eine Nominalphrase ohne Determinativ zum Einsatz. Ein Beispiel: (79) Dom w dolinie zohaczylem, tynkowany na hialo, bardzo porzqdny tynk. pod czerwonq dachöwkq, okiennice zielone, pelargonie vr oknach. trawnik zielony, röwniutko przystrzyzony, sciezka odfurtki du domu zölciutka, czysciutkimpiaskiem wysypana. (Mrozek 1999, S. 508, Bd. 3. Zwerg) (80) Im Tal sah ich ein Haus, weiß verputzt, sehr ordentlicher Putz, unter dem roten Dach grüne Fensterläden. Geranien in den Fenstern. Der griine Rasen war gleichmäßig gemäht, ein hellgelber Pfad von der Pforte zum Haus, mit sauberem Sand bestreut. (Mrozek 1995. S. 35. Der Zwerg) ln (79) beschreibt der Sprecher ein Haus, das er aus der Feme sieht. Zunächst führt er es mit der Nominalphrase dom w dolinie ['Haus im Tal’] als neuen Referenten ein. Er kann voraussetzen, dass der Interpret aufgrund seines allgemeinen Weltwissens darüber informiert ist, was man sich unter einem Haus vorzustellen hat, wozu es dient und aus welchen Teilen es normalerweise besteht (vgl. Bisle-Müller 1991, S. 44f.). Mehrere dieser erwartbaren Teile werden im weiteren Verlauf des Textes als Referenten eingeführt: tynk [‘Putz’], dachöwka ['Dachziegel’], okiennice [‘Fensterläden’] und okna [‘Fenster’]. Weitere Referenten stammen aus stereotypen Bildemvon Häusern und ihrer unmittelbaren räumlichen Umgebung: pelargonie [‘Geranien’], trawnik [‘Rasen’], sciezka ['Pfad' \ furtka [‘Pforte’] undpiasek ['Sand’]. Bei allen diesen Referenten kann der Sprecher davon ausgehen, dass der Adressat sie identifizieren, d.h. zu anderen, schon eingeführten Referenten (hier: dem Haus) und zu sich selbst (hier: seinem generischen Weltwissen) in Beziehung setzen kann (vgl. Hawkins 1978, S. 106ff.; siehe auch oben Abschnitt 2.4.4). Erkann aber auch annehmen, dass die Referenten für den Adressaten neu sind. Für den polnischen Text macht es keinen Unterschied, für welche dieser Annah- <?page no="166"?> 166 A rtikelgebrauch im Deutschen men der Sprecher sich entscheidet. Sämtliche referentiellen Nominalphrasen in (79) enthalten weder Determinativ noch Quantifikator (NP-Typ 1) und lassen beide Lesarten zu. In einem entsprechenden deutschen Text kann der Sprecher nicht offenlassen, ob die Referenten für den Adressaten identifizierbar oder neu sind. Bei jedem Referenten muss er entscheiden, ob er annehmen möchte, dass der Adressat ihn aufgrund seines Weltwissens identifizieren kann oder dass er für den Adressaten neu in den Diskurs eingeführt werden muss. Die erste Annahme zeigt er durch die Verwendung eines Determinativs (NP-Typ 3), die zweite durch Nicht-Verwendung eines Determinativs (NP-Typ 2 oder 1) an. Hält der Sprecher die Identifikation des Referenten durch den Adressaten für unproblematisch, so verwendet er den Definitartikel. Der deutsche Definitartikel steht also in referentiellen Nominalphrasen an einer funktionalen Stelle, an der im Polnischen Determinativlosigkeit steht. Möchte der Sprecher den Referenten als neu einführen, so verwendet er typischerweise eine Nominalphrase mit Quantifikator (NP-Typ 2). Nominalphrasen ohne Quantifikator (NP-Typ 1) kommen nur bei Masse- und Gruppen-Referenten in Frage (siehe unten Abschnitt 3.2.3). Betrachtenwirnun die deutsche Übersetzung des Beispiels unter (80). In diesem Text erscheinen von den zehn zur Diskussion stehenden Nominalphrasen fünf mit Definitartikel, zwei mit Indefinitartikel und drei ohne Artikel. Bei fünf Referenten hat der Übersetzer sich also dafür entschieden, sie als identifizierbar zu behandeln. Zunächst führt er das Haus mit dem Indefinitartikel als neuen Referenten ein. Beim Dach und den Fenstern nimmt er daraufhin Identifizierbarkeit an. In der Tat kann man davon ausgehen, dass ordentlich verputzte Häuser ohne Dach und Fenster kaum zu finden sind. Fensterläden und Geranien entsprechen zwar einem Stereotyp, sind aber nicht sicher erwartbar. Bei diesen Referenten entscheidet sich der Übersetzer, sie als neu zu behandeln. Da es sich um Gruppen-Referenten handelt, kann auf einen Quantifikator verzichtet werden. Im weiteren Verlauf des Textes behandelt der Übersetzer den Rasen und die Pforte als identifizierbar. Dies kann als IIinweis darauf verstanden werden, dass diese beiden Zutaten als besonders typisch für ordentlich verputzte Häuser gesehen werden. Das Ilaus selbst wird ebenfalls mit dem Definitartikel wiederaufgenommen. Pfad und Sand werden dagegen als neue Referenten behandelt. Dadurch erscheinen sie als relativ weniger erwartbar. Der Pfad wird als Individuen-Referent mit dem Indefinitartikel eingcfiührt, der Sand als Masse-Referent ohne Artikel. <?page no="167"?> ReferentieUe N oininaIphrasen 167 Dieses Beispiel zeigt in aller Deutliclikeit den wichtigsten Unterschied zwischen referentiellen Nominalphrasen im Polnischen und im Deutschen. Im Polnischen wird in der Regel offengelassen, ob der Referent neu oder unproblematisch identifizierbar ist. Es wird vorausgesetzt, dass der Adressat diese Entscheidung aufgrund des verfügbaren Kontexts und seines Weltwissens selbst treffen kann. Im Deutschen muss der Sprecher diese Entscheidung vorwegnehmen, d.h. der Sprecher muss signalisieren, ob er glaubt, dass der Adressat über genügend Wissen verfügt, um den Referenten zu identifizieren. Die Übersetzung unter (80) ist auch insofern als typisch zu betrachten, als der Übersetzer sich nicht für alle Referenten gleich entschieden hat. Es ist deutlich erkennbar, dass er pro Informationseinheit einen Referenten ausgewählt hat, den er als identifizierbar behandelt, und einen, den er als neu behandelt. Diese Strategie der Referenzkoordination ist für das Deutsche charakteristisch, soweit der Sprecher Freiheit hat, die besprochenen Referenten entweder als identifizierbar oder als neu zu behandeln. Nimmt der Sprecher an, dass ein Referent für den Adressaten im Prinzip identifizierbar ist, dass die Identifikation aber Schwierigkeiten verursachen kann, so stehen ihm im Polnischen und im Deutschen die gleichen grammatischen Mittel zur Verfügung, um solchen Schwierigkeiten zu begegnen. Nach Bisle- Mtillcr (1991, S. 69ff., 79ff.) werden dafür Demonstrativa oder Possessiva verwendet. Ein Beispiel: (SI) Gdy p o Iatacli wygnania ksiqzq Draeula powröcil da swojego zamku, oko- Iiezna ludnosc powitala go chlehem i sola, dzwony w kosciolach bily dziekczynnie, choc ksiafq nie Iuhil kosciolöw i dzwonöw. Ten okrutny wladca, krwawy kaipacki wampir, znienawidzony hyl Idedys p rie z swoich poddanych, Iecz zatçsknili za nim, kiedy zastqpila go wladza komunistyczna. (Mrozek 1999, S. 465, Bel. 3, Dracula) (82 ) Als Fürst Dracula nach Jahren der Verhannuiig in sein Schloss zurückkehrte, begrüßte ihn die hiesige Bevölkerung mit Brot und Salz, und die Glocken in den Kirchen läuteten zu seiner Ehre, obwohl der Fürst Kirchen und Glocken nicht mochte. Dieser grausam e Herrscher, der blutige karpatische Vampir wurde einst von seinen Untergebenen gehasst, aber dann, als das kommunistische Regime ihn ersetzte, sehnten sie sich nach ihm. (Mrozek 1995, S. 257, Dracula) ln (81 ) wird der Referent Fürst Draculamit seinem Namen eingeführt. Es ist von seiner Rückkehr aus der Verbannung und von einer herzlichen Begrüßung die Rede. Bei der Wiederaufnahme des Referenten im zweiten Satz wird dieser als okrutny wladca [‘grausamer Herrscher’] beschrieben. Diese negative <?page no="168"?> 168 A rtikclvchrauch im D eutschen Beschreibung steht in gewissem Gegensatz zum Inhalt des ersten Satzes. Dadurch kann cs für den Interpreten unklar bleiben, ob beidemal derselbe Referent gemeint ist. Der Autor kündigt diese mögliche Schwierigkeit an, indem er das Demonstrativum ten [‘dieser’] verwendet, und erleichtert so dem Interpreten die Schlussfolgerung, dass trotz der unerwarteten Beschreibung wiederum Fürst Dracula gemeint ist. In der anschließenden Apposition krwawy karpacki wanipir [‘blutiger karpatischcr Vampir’] wird kein Determinativ mehr verwendet. Hier gilt die Referenz bereits als unproblematisch. In der deutschen Übersetzung (82) wird ebenfalls bei der ersten Wiederaufnahme ein Demonstrativum (dieser) zur Beseitigung der Referenzschwierigkeiten gewählt. In der Apposition, wo keine Referenzschwierigkeit mehr erwartet wird, steht der Definitartikel. Ein weiteres Beispiel: (83) Zohaczylain tez chlopca w wiekn 8-10 lat. Jasne wlosy, aie nie blondyn. Byla wojna. Jakis Niemiec wysmiewal siq z tego chlopca, chcial go kopnqc dla zahawy, chlopiec uciekl do swojego domu. Jednopiytrowy dom, niemurowany, dwa okna odfrontu i w srodkowej czesci donut wejscie. Przed domem kobieta, lat 30, i do niej uciekl chlopiec. O n aja ko s dziwnie tego Niemea siy nie bäht, nawet chybapogrozila mu, ho wiedziala, ze nieje j nie grozi. http: / / www.afterlife-knowledge.com.pl/ (Stand: 01.04.2009) [Ich sah auch einen Jungen im Alter von 8 his 10 Jahren. Helles Haar, aber nicht blond. Es war Krieg. I r g e n d s o e in D e u t s c h e r verspottete diesen Jungen, er wollte ihm aus Spaß einen Fußtritt geben, der Junge flüchtete nach Hause. Ein einstöckiges Haus, aus Holz, vorne zwei Fenster und in der Mitte der Eingang. Vor dem Haus eine Frau. 30 Jahre alt. und zu ihr flüchtete der Junge. Merkwürdigerweise hatte sie keine Angst vor d i e s e m D e u t s c h e n , sic drohte ihm wahrscheinlich sogar, weil sie wusste, dass ihr nichts passieren würde.] In diesem Textausschnitt sind die hervorgehobenen Nominalphrasen aufeinander bezogen. Mityafei Niemiec [‘irgend so ein Deutscher'] wird ein Referent neu eingefühlt. In den folgenden Sätzen ist zunächst von anderen Referenten die Rede: von einem Jungen, einem Haus und seinen Teilen, von einer Frau. Dann wird mit tego Niemca der Deutsche wiederaufgenommen. Das Demonstrativum löst hier zwei Referenzschwierigkeiten gleichzeitig. Zum einen sind an dieser Stelle des Diskurses mehrere Referenten eingefühlt. Zuletzt war von dem Jungen die Rede. Nun soll die Aufmerksamkeit des Lesers auf den Deutschen zurückorientiert werden. Aufinerksamkeitssteuerung zur Neufokussierung ist nach Ehlich (1979, S. 775; 1983, S. 85f.) eine der Hauptfunktionen <?page no="169"?> R eferentielle N om inalphrasen 1 6 9 von Demonstrativa. Zum anderen muss der Sprecher berücksichtigen, dass der Interpret möglicherweise über historisches Vorwissen über das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen verfügt. An der Textstelle, an der er den Deutschen wiederaufnimmt, kann sich vor dem Hintergrund eines solchen Vorwissens für den Leser die Frage aufdrängen, wie die besprochene Frau Deutschen im Allgemeinen gegenübersteht. Das Demonstrativum trägt dazu bei, dass das Gesagte nicht als Antwort auf eine solche allgemeine Frage verstanden werden kann, sondern nur als Auskunft darüber, wie sie dem erwähnten Deutschen als Individuum begegnet. Die neufokussierende Wirkung eines Demonstrativums kann auch in dem folgenden Beispiel beobachtet werden: (84 ) Przybyl krölewicz napolane wsrôd lasöw, gdzie mala chatka siq znajdowala, i znalazl w tej chatce krolewnq. (Mrozek 1999, S. 371, Bd. 3, Dziewica) (85) So kam der Königssohn a u f eine Lichtung im Walde, wo sich eine kleine Hütte befand, und in dieser Hütte fa n d er die Prinzessin. (M rozek 1995, S. 45, Die Jungfrau) In (84) ist von einer Hütte die Rede. Das Beispiel besteht aus zwei Sätzen. Im ersten Satz wird die Hütte mit der Nominalphrase mala chatka [‘kleine 1lütte’] neu eingeführt. Die Nominalphrase steht am Fnde des Satzes und bildet dessen Rhema. Im zweiten Satz wird die Hütte gleich zu Beginn als Thema wiederaufgenommen. Auch in solchen Fällen, wenn der informationsstrukturelle Status eines Referenten und/ oder die Stellung des referierenden Ausdrucks von einem Satz zum nächsten wechselt, kann der Sprecher ein Demonstrativum verwenden, um den Adressaten auf die erforderliche Fokusveränderung aufmerksam zu machen. Auch Possessiva können im Polnischen wie im Deutschen die Funktion erfüllen, Referenzschwierigkeiten aufzulösen. Possessiva können einen neuen Referenten an einem Referenten verankern, dessen Identifizierbarkeit im Kontext schon gesichert ist (vgl. Prince 1981, S. 235f.): (86) Tylko raz spotkalem sip z atakiem kola nap ta ka catkiem niedawno kot ntojej sqsiadki zlapatpapuzkç falistq, ktöra uciekla z klatki. h ttp : / / w w w .k o ty .p l/ fo ru m -d y s k u s y jn e / (Stand: 0 1 . 0 4 . 2 0 0 9 ) (87) Ich habe es nur einmal erlebt, dass eine Katze einen Vogel angegriffen hat. Ibr kurzem hat die Katze meiner Nachbarin einen Wellensittich gefangen, der aus dem Käfig entflogen war. (meine Übersetzung) ln (86) macht der Sprecher zunächst eine allgemeine Aussage über seine Erfahrungen mit Katzen. Im folgenden Satz geht er auf ein individuelles Erleb- <?page no="170"?> 170 A rtikelgebraiirh im Deutschen nis mit einer spezifischen Katze ein, das aus seiner allgemeinen Erfahrung heraussticht. Diese Katze ist ein neuer Referent. Im polnischen Text wird sie durch eine Nominalphrase ohne Determinativ eingeführt. Sic wird aber durch den Genitiv als zugehörig zur Nachbarin des Sprechers gekennzeichnet. Auch die Nachbarin ist an dieser Stelle nicht vorerwähnt, aber der Sprecher kann darauf hauen, dass das generische Wcltwisscn des Interpreten die Information erhält, dass Menschen dort, wo sie wohnen, in der Regel Nachbarn haben. So wird die Nachbarin dadurch identifizierbar, dass sic am Sprecher verankert wird. Die Katze ihrerseits wird durch die referentielle Verankerung an der Nachbarin ebenfalls identifizierbar. Dies wird in der deutschen Übersetzung der Tcxtstcllc durch die Wahl des Definitartikels vor Katze angezeigt (siehe auch oben Abschnitt 2.4.4). Ein weiteres Beispiel: (SS) Dzisiaj napolskim gosciu kazal nam napisac streszczenie fragmenta Pana Tadeusza. Bicrzc zeszyt mojego kolegi i czyta: "Tadeusz wszedl do pokojn i stwierdzil, ze to nie jest chlopiçcy p o k ô j...“ Po chwili zastanowieniapan krzyknqt: "4 co to je s t chlopiqcy pokôj? Taki pokôj z gofyrni Iaskami na scianach? " Klasa w smiech. http: / / m-forum.pl/ mega-odpaly-prawdziwe-p3924 30.html (Stand: 01.04.2009) (89) Heute in Polnisch ließ uns der Typ eine Zusammenfassung eines Ausschnitts von Pan Tadeusz schreiben. Er nimmt das Heft meines Freundes und liest vor: „Tadeusz ging in ein Zimmer und stellte fest, dass das kein Jungenzimmer war . . T Nach kurzem Nachdenken brüllte der Herr: „Und was ist das, ein Jungenzimmer? Ein Zimmer mit nackten Weibern an den Wänden7“ Die ganze Klasse lachte, (meine Übersetzung) In (88) geht cs um eine Situation in einem Klassenzimmer. Mit der hervorgehobenen Nominalphrase referiert der Sprecher auf ein Heft. In Klassenzimmern sind während des Unterrichts im Allgemeinen zahlreiche Ilcftc vorhanden. So wäre der gemeinte Referent an dieser Stelle für den Interpreten kaum identifizierbar. Dadurch, dass der Sprecher ihn aber referentiell an einer bestimmten Person verankert, erleichtert er die Identifikation. Er stützt sich dabei auf das voraussetzbare Wissen des Interpreten, dass jeder Schüler fürjedes Fach genau ein lieft hat. Der Besitzer des Heftes wird zusätzlich durch das Possessivum mojego referentiell am Sprecher verankert. Aufgrund der Identifizierbarkeit des Sprechers wird auch sein Freund identifizierbar, und durch dessen Identifizierbarkeit das Ileft. In der deutschen Übersetzung wird folgerichtig vor Heft wiederum der Definitartikel gewählt. <?page no="171"?> Referentielle Nominalphrasen 171 Die Regeln, die die Verwendung demonstrativer und possessiver Determinative steuern, sind im Polnischen und im Deutschen im Wesentlichen die gleichen. Derwichtigste Unterschied betrifft referentielle Nominalphrasen, deren Referent im Kontext problemlos identifiziert werden kann. Solche Nominalphrasen bleiben im Polnischen determinativlos, während im Deutschen der Definitartikel stehen muss. Im Deutschen ist Determinativlosigkeit in referentiellen Nominalphrasen ein Hinweis auf fehlende Identifizierbarkeit des Referenten. Nur in eng umschriebenen Sonderfällen kommt auch im Deutschen bei unproblematischer Referenz Determinativlosigkeit vor, so in Koordinationen (siehe oben Abschnitt 2.4.1) sowie bei Personen- und Ortsnamen ohne Attribut, wenn zwischen dem Sprecher und dem Referenten keine besondere Vertrautheit besteht (vgl. Genzmer 1995, S. 192; Duden 2005, S. 309). Die Grafik auf der folgenden Seite illustriert den zweiten, dritten und vierten Schritt im Entscheidungsbaum, die der Lerner vollziehen muss, um zu einer korrekten Entscheidung über die Artikelverwendung zu gelangen. Ist der Referent nach Meinung des Sprechers für den Adressaten identifizierbar, so muss ein Definitmarker gesetzt werden. Es entsteht also eine Nominalphrase vom Typ 3. 1st die Identifikation des Referenten unproblematisch, so steht der Definitartikel. Sieht der Sprecher Identifikationsschwierigkeiten voraus, so ist ein anderer Definitmarker (Demonstrativum oder Possessivum) zu wählen. Ist der Referent nach Meinung des Sprechers für den Adressaten nicht identifizierbar, so wird kein Definitmarker gesetzt. Dann entsteht eine Nominalphrase vom Typ 2 oder 1. Bei Personen- und Ortsnamen ohne Attribut sowie bei Personennamen, wenn keine besondere Vertrautheit zwischen dem Sprecher und dem Referenten besteht, entfällt der Definitmarker. Dann entsteht eine Nominalphrase vom Typ 1. Auch der DaF-Lehrer muss diese Schritte im Entscheidungsbaum nachvollziehen, um die Korrektheit bzw. sinnvolle Interpretierbarkeit einer gegebenen Artikelverwendung im Kontext prüfen zu können. <?page no="172"?> A b b . 9: R e fe re n tie lle N o m in a lp lira se n to Referenzschwierigkeiten [+ andere Definitmarker] Typ 3 Typ 2 T y pl Typ 3 Typ 2 T ypl bei Personen- und Ortsnamen ohne Attribut, Personennamen ohne Vertrautheit [- Definitmarker] Artikelgebrauch im Deutschen <?page no="173"?> Referentielle Nnminalphrasen 173 3.2.2 Unterscheidung zwischen Gesamtheit und Nicht-Gesamtheit Ein ergänzender Hinweis auf Fälle, in denen in referentiellen Nominalphrasen des Deutschen der Definitartikel zu verwenden ist, kann sich aus dem Konzept der Gesamtheit ergeben. In Abschnitt 2.4.4 haben wir gesehen, dass manche Autoren (z.B. Vater 1963, S. 69f, 113ff; IIawkins 1978, S. 157ff.; Lyons 1999, S. Hf.) dem Definitartikel die Eigenschaft zusprechen, Gesamtheit anzuzeigen. Diese Eigenschaft ist insbesondere hei Plural- und Masse-NPs relevant, die syntaktisch als Objekt fungieren. Ein Beispielpaar: (90) Kurz vor dem Ziel verlor Jörg das rechte Pedal. Wir fragten einen Burschen, oh er einen Orl wüsste, wo wir die Fahrräder verkaufen könnten. leicht geändert nach http: / / www.ling.upenn.edu/ ~tatjana/ china/ (Stand: 26.03. 2009) (91) Wir fragten einen Burschen, oh er einen Ort wüsste, wo Mir Fahrräder verkaufen könnten. In (90) ist von einer bestimmten Gruppe von Fahrrädern die Rede, die insgesamt verkauft werden soll. In (91 ) bleibt offen, ob eine bestimmte Gruppe von Fahrrädern gemeint ist und ob eine solche Gruppe insgesamt oder nur zum Teil verkauft werden soll. Die Anzeige von Gesamtheit durch den Definitartikel im Deutschen ähnelt in gewisser Weise einem semantischen Effekt des Verbalaspekts im Polnischen (vgl. auch Wierzbicka 1968, S. 2238 zum Polnischen und Englischen; Krifka 1989, S. 251 ff. zum Tschechischen und Deutschen; Filip 1999, S. 2ff. zum Tschechischen und Englischen; Abraham 1996, S. 35ff. zum Russischen und Deutschen; Leiss 2000, S. 12ff., 198ff., 239 zum Russischen und Deutschen). Die folgenden Beispielpaarc stammen von Sadzihski (1995/ 1996, S. 87): (92) Powazylem ziemniaki}1 [wiegen-lps-perf-prät Kartoffeln-akk] ( 93 ) Ich habe die Kartoffeln gewogen. (94) Wazylem ziemniaki. [wiegen-lps-imp-prät Kartoffeln-akk ] (95) Ich habe Kartoffeln gewogen. 2- I n d e n G lo s s e n v e r w e n d e ic h d ie fo lg e n d e n A b k ü r z u n g e n : „ 1p s " f ü r 1 . P e r s o n S in g u la r; „ p e rf" f ü r p e rf e k tiv e r A s p e k t: ,.im p " fü r im p e rf e k tiv e r A s p e k t; „ p r ä t" fü r P rä te ritu m ; „ a k k " fü r A k k u s a tiv . <?page no="174"?> 174 Artikelgebrauch im Deutschen Sadzinski ist der Meinung, (92) sei im Deutschen durch (93) und (94) durch (95) wiederzugeben. Wenn man die Beispielpaare miteinander vergleicht, sicht man, dass in (92) und (94) die Verben in einer Aspekt-Opposition stehen, während (93) und (95) eine Opposition bezüglich der Verwendung bzw. Nicht-Verwendung des Definitartikels bei den direkten Objekten aufweisen. In (92) versteht man implizit, dass eine bestimmte Menge von Kartoffeln in ihrer Gesamtheit gewogen wurde. Die Handlung des Kartoffeln-Wiegens wird durch den perfektiven Aspekt als abgeschlossen im Sinne von zu Ende geführt dargestellt. Im Gegensatz dazu wird die Handlung in (94) durch den imperfektiven Aspekt in ihrem Verlauf dargestellt, liier ergibt sich nicht die Interpretation einer bestimmten Menge von Kartoffeln, die in ihrer Gesamtheit gewogen wurde. Der perfektive Aspekt stellt ein Geschehen als Ganzes mit seinen zeitlichen Grenzen dar (vgl. Isacenko 1962, S. 347ff; Grzegorczykowa et al. 1984, S. 129f.; Engel et al. 2000, S. 587ff.; Klein 2000, S. 365). Demgegenüber nimmt der imperfektive Aspekt nur einen Ausschnitt des Geschehens in den Blick (vgl. Isacenko 1962, S. 348f; Grzegorczykowa ct al. 1984, S. 129f.; Klein 2000, S. 365). Für das besprochene Ereignis hat das zur Folge, dass cs im perfektiven Aspekt als abgeschlossene Gesamtheit, im imperfektiven Aspekt dagegen als Nicht-Gesamtheit erscheint. Die durch den Aspekt geforderte Interpretation des Ereignisses überträgt sich auf das von dem Ereignis betroffene Objekt. Beim perfektiven Aspekt erscheint auch das Objekt als abgegrenztes Ganzes, beim imperfektiven Aspekt wird das Objekt als Auschnitt aus einer unbestimmten größeren Menge interpretiert. Hier überschneiden sich die semantischen Oppositionen, die im Polnischen durch den Verbalaspekt und im Deutschen durch die Verwendung bzw. Nicht-Verwendung des Defmitartikels kodiert werden. InAbschnitt 2.4.4 wurde schon daraufhingewiesen, dass die Anzeige von Gesamtheit durch den deutschen Dcfinitartikel nur bei Plural- und Masse-NPs in syntaktischer Objektsfunktion deutlich beobachtet werden kann. Steht die betreffende Nominalphrase im Zähl-Singular und/ oder ist sic Subjekt des Satzes, so spielt Gesamtheit bei der Interpretation des Definitartikels keine Rolle. Das gleiche lässt sich für die von Sadzihski diskutierte Interpretation des Verbalaspekts im Polnischen zeigen. In dem folgenden Beispielpaar steht das direkte Objekt im Zähl-Singular: (96) Zwazylem r o w e r . [w ie g e n-lp s-p e rf-prät F a h rr a d a k k ] (97 ) Ich habe d a s / e in F a h r r a d gewogen. <?page no="175"?> RcJcrciilielle Nnminalphrasen 175 ( 7 8 ) Wazylem r o w e r . [wiegenlps-imp-prät Fahrrad-akk] (79) Ich habe das! ein Fahrrad gewogen. Nominalphrasen im Zähl-Singular verweisen auf Individuen-Refcrcnten. Solche Referenten müssen unabhängig vom Aspcktjederzeit als Ganzheiten vorgestellt werden, die insgesamt von dem beschriebenen Geschehen betroffen sind. In (96) wird das Geschehen als abgeschlossenes Ganzes präsentiert. In (98) wird es im Verlauf dargestellt. Unter dem Gesichtspunkt der Betroffenheit des Objektsreferenten ergibt sich hier aber kein Interpretationsunterschied. Das Fahrrad ist in beiden Fällen als Ganzes von dem Wiegen betroffen. In beiden Sätzen bleibt offen, ob ein bestimmtes oder ein beliebiges Fahrrad gewogen wurde. Deshalb kann hier in der deutschen Übersetzung beidemal der definite oder der indefinite Artikel stehen. Untersuchen wir zum Vergleich auch die Interpretation von Subjekten: (100) Kobiety zjadly d a s to. [Frauen-nom essen-3pp-perf-prät Kuchen-akk| (101) Die FranenHrgendwelche F r a u e n haben den Kuchen gegessen. (102) K o h i e t y jadly ciasto. [Frauen-nom essen-3pp-imp-prät Kuchen-akk] ( 103) D i e F r a u e n iir g e n d w e l c h e F r a u e n aßen Kuchen. Beispiel (100) steht im perfektiven Aspekt. Das Ereignis des Essens wird als abgeschlossenes Ganzes dargeboten. Beispiel (102) präsentiert das Ereignis im imperfektiven Aspekt, also im Verlauf. Für die Interpretation der Objekte {ciasto) ergibt sich auch hier der von Sadzinski beobachtete Effekt. Für die Interpretation der Subjekte bleibt die Aspekt-Opposition dagegen folgenlos. In beiden Fällen bleibt offen, ob cs sich um eine bestimmte oder eine unbestimmte Gruppe von Frauen handelt und ob die Frauen insgesamt oder nur zum Teil am Essen beteiligt sind. Als Orientierung für polnische Dcutschlcrncr können wir festhalten, dass bei Objekts-Nominalphrasen im Deutschen der Definitartikel zu setzen ist, wenn cs sich um eine Plural- oder Massc-NP handelt und im Polnischen ein perfektives Verb gewählt würde. Bei Nominalphrasen im Individuen-Singular, bei Subjekts-Nominalphrasen und generell in Sätzen, die man im Polnischen mit einem imperfektiven Verb formulieren würde, ergibt sich kein Ffinweis auf die Wahl des Artikels im Deutschen. <?page no="176"?> 176 AftikeIgehrauch im Deutsehen Die Lage wird für den polnischen Deutschlemer jedoch dadurch wieder unübersichtlicher, dass im Polnischen das direkte Objekt perfektiver Verben nicht nur im Akkusativ, sondern auch im Genitiv stehen kann. Durch den Genitiv wird im Gegensatz zum Akkusativ Nicht-Gesamtheit angezeigt (Partitiv) (vgl. Wierzbicka 1968, S. 2238; Kotyczka 1976, S. 127; Skibicki 2007, S. 33, 421ff, 426). Steht in einem Satz mit perfektivem Verb das direkte Objekt im Genitiv, so wird der Gesamtheits-Effekt wieder aufgehoben (vgl. Sadzihski 1995/ 1996, S. 49). In diesem Fall ist in der deutschen Entsprechung kein Definitartikel zu verwenden: (104) Kiedy siq sciemnialo, wypilem piwo. [als dunkel wurde trinkenlp s-p e rf-prät B ier-akk] (105) Als es dunkel wurde, habe ich das Bier getrunken. (106) Kiedy sie sciemnialo. wypilem piwa. Ials dunkel wurde trinken-lps-perf-prät Bier-gen| ( 107) Als es dunkel wurde, habe ich Bier getrunken. In Beispiel ( 104) steht das direkte Objekt piwo im Akkusativ. Hier ergibt sich die Interpretation, dass von einer bestimmten Menge Bier die Rede ist, die in ihrer Gesamtheit getrunken wurde. In (106) steht das direkte Objekt im Genitiv (piwa). Hier kommt die Gesamtheits-Interpretation nicht zustande. Dadurch entfällt auch die Schlussfolgerung, dass eine bestimmte Menge Bier gemeint ist. Deshalb darf in Fällen, in denen man auf Polnisch wie in (106) formulieren würde, im Deutschen kein Definitartikel stehen. Im imperfektiven Aspekt erlaubt das Polnische keine Kasus-Opposition bei referentiellen direkten Objekten. Nur (108) ist korrekt; (110) ist ungrammatisch: (108) Kiedy siq sciemnialo, pilem piwo. [als dunkel wurde trinken-lps-imp-prät Bier-akk] (109) Als es dunkel wurde, trank ich ( gerade ) Bier. (HO) 'fKiedy siq sciemnialo, pilem piwa. [als dunkel wurde trinken-lps-imp-prät B ier-g en | Die Nicht-Wohlgeformthcit von (110) kann möglicherweise damit erklärt werden, dass der Genitiv beim direkten Objekt hier redundant wäre, da der imperfektive Aspekt bereits Nicht-Gesamtheit anzeigt. <?page no="177"?> Referentielle Nominalphrasen 111 Distribution und Funktion von Verbalaspekt und Objektskasus bei der Anzeige von Gesamtheit im Polnischen lassen sich demnach zusammenfassen wie in Abbildung 10: A b b . 10: A n z e ig e v o n G e s a m th e it im P o ln i s c h e n Die Fälle, in denen das Ergebnis ungrammatisch ist oder den Wert [gesamt] erhält, sind für die Auswahl des deutschen Definitartikels nach dem Gesamtheits-Kriterium nicht relevant. Relevant ist lediglich der hervorgehobene Fall ganz rechts in Abbildung 10. Steht in einem solchen Satz als direktes Objekt eine Plural- oder Masse-Nominalphrase, so ist in der deutschen Entsprechung der Definitartikel zu verwenden. Das Konzept der Gesamtheit kann für polnische Deutschlemer meiner Meinung nach nur ergänzende Hinweise für die Auswahl des richtigen Artikels geben. Es betrifft nur referentielle Plural- und Masse-Nominalphrasen in Objektsfunktion, also eine relativ kleine Teilmenge aller Nominalphrasen. Die entscheidende Frage, die bei referentiellen Nominalphrasen den Ausschlag darüber gibt, ob der Definitartikel oder ein anderes Determinativ zu verwenden ist, ist stets die Frage der Identifizierbarkeit des Referenten. Ich nehme das Kriterium der Gesamtheit deshalb nicht in den Entscheidungsbaum am Ende dieses Kapitels auf. 3.2.3 Zählbarkeit Viel wichtiger als das Kriterium der Gesamtheit ist für die Artikelwahl das Kriterium der Zählbarkeit. <?page no="178"?> 178 ArtikeIgehrauch im D eutsehen Referenten, von denen der Sprecher glaubt, dass der Adressat sie aufgrund verfügbarer Informationen identifizieren kann, müssen im Allgemeinen nicht so genau beschrieben werden wie Referenten, von denen der Sprecher glaubt, dass der Adressat sie noch nicht identifizieren kann. Im Extremfall wird auf identifizierbare Referenten mit einfachen Pronomina wie er, der oder dieser verwiesen. In diesem Fall wird überhaupt keine beschreibende Information gegeben. Auch in Nominalphrasen mit Definitartikel wird häufig beschreibende Information weggelassen, die nicht weggclassen werden kann, wenn der Referent für den Adressaten noch nicht identifizierbar ist. Diese Regel betrifft vor allem Quantitäts-Information. Einige Beispiele: (111) Es war einmal e in M a n n . D e r M a n n hieß Samuel Langfinder. http: / / www.rossipotti.de/ ausgabe07/ (Stand: 03.04.2009) (112) Robert Scholl, geboren am 13. April 1891, heiratet 1916 die Krankenschwester Magdalena Müller, geboren am 5. Mai 1881. Zusammen haben sie s e c h s K in d e r . D i e K i n d e r wachsen in Ulm auf, wo Robert Scholl als Wirtschaftsjurist und Steuerberater arbeitet. http: / / www.hueber.de/ sixcms/ media.php/ 36/ fsd36_SophieScholl.pdf (Stand: 07.04. 2009) (113) Ziehe die Pfanne von der Platte, giejle e t w a s T e ig hinein, halte die Pfanne schräg, damit sich d e r T e ig a u f dem Boden verteilt. http: / / www.angebrannt.de/ (Stand: 03.04.2009) ln (111) bis (113) werden Referenten neu eingeführt und unmittelbar danach wiederaufgenommen. In (111) handelt es sich um einen Individuen-Referenten, in (112) um einen Gruppen-Referenten und in (113) um einen Masse- Referenten. Der Referent in (111 ) wird mit dem Einer-Quantifikator und dem Prädikatsausdruck Mann eingeführt. Bei der Wiederaufnahme wird der Prädikatsausdruck wiederholt, der Quantifikator dagegen wird weggelassen. Es wird vorausgesetzt, dass der Adressat an dieser Stelle verstanden hat, dass von genau einem Individuum die Rede ist. Diese Information muss nicht wiederholt werden, sobald der Referent als identifizierbar gilt: ( l i l a ) IE s war einmal e in M a n n . D e r e i n e M a n n hieß Satmtel Langfindet: Der Einer-Quantifikator wird bei der Wiederaufnahme nur dann zusätzlich zum Definitartikel verwendet, wenn der Referent im Kontext noch nicht vollständig identifizierbar ist, z.B. wenn zwischen mehreren eingeführten Referenten unterschieden werden muss: ( I l l h ) Es waren einmal z w e i M ä n n e r . D e r e i n e M a n n hieß Satmtel Langfinden <?page no="179"?> Referentielle Nominalphrasen 179 In (112) ist von mehreren Kindern die Rede. Sie werden mit dem Zahl-Quantifikator sechs cingeführt. Bei der Wiederaufnahme wird auch hier der Prädikatsausdruck Kinder wiederholt. Der Quantifikator dagegen wird weggelassen. Ebenso fehlt bei der Wiederaufnahme des Referenten in (113) der Maß-Quantifikator etwas. Nurwcnn besonderer Bedarf besteht, die Quantitäts-Information bei der Wiederaufnahme zu wiederholen, kommt es vor, dass nach einem Determinativ ein Quantifikator folgt. Nach Demonstrativa oder Possessiva, die ja Referenzschwierigkeiten anzeigen, ist dies generell eher zu erwarten, als nach einem Definitartikel: (114) Kleine Frau und ich, wir haben sechs Kinder. Diese sechs Kinder sind verheiratet, und mit Ausnahme eines Paares haben sie Kinder. http: / / www.br-online.de/ wissen-bildung/ collegeradio/ (Stand: 07.04.2009) Im Deutschen ist bei der Neueinfiihrung von Masse-Referenten der Maß- Quantifikator fakultativ. Es kann auch allein das betreffende Nomen im Singular stehen. Ebenso ist bei der Neueinfiihrung von Gruppen-Referenten der Plural des Nomens ohne Quantifikator ausreichend. Bei der Neueinführung von Individuen-Referenten muss dagegen der Einer-Quantifikator ein verwendet werden. Durch diese grammatische Regel wird im Deutschen sichergestellt, dass der Interpret bei jedem neu eingeführten Referenten erfahrt, ob es sich um ein Individuum, eine Gruppe oder einen Masse-Referenten handelt. Individuen-Referenten werden im Minimalfall mit einem Nomen im Singular plus Einer-Quantifikator eingeführt, Masse-Referenten mit einem einfachen Nomen im Singular, Gruppcn-Rcfcrcnten mit einem einfachen Nomen im Plural. Die Nomina des Deutschen wären allein nicht ausreichend, um diese Differenzierung auszudrücken. Das Deutsche besitzt zwei Klassen von Nomina. Zähl-Nomina wie Mann oder Kind bezeichnen im Normalfall Individuen. Bei referentiellem Gebrauch legen sie jederzeit die Vorstellung nahe, dass von einem Individuum die Rede ist. Es gibt aber zahlreiche Nomina, die offenlassen, ob ein Individuen- oder ein Masse-Referent gemeint ist. Bekannte Beispiele sind Brot und Fisch (vgl. Vater 1984, S. 29; 2005, S. IlOf., siehe auch oben Abschnitte 2.4.1 und 2.4.3). Sie legen nur im Plural, in Kombination mit dem Einer-Quantifikator oder in Kombination mit einem anderen Zähl-Quantifikator die Interpretation nahe, dass von Individuen die Rede ist: ( 115a) Ich habe ein Brot gebacken und werde es in Scheiben schneiden. http: / / www.wunderkessel.de/ forum/ (Stand: 04.04.2009) <?page no="180"?> 180 Artikelgebrauch im Deutschen (115b) Die Bäckerei Schwabe hat B r o t e zum Erntefest gebacken. http: / / www.ln-online.de/ regional/ 2436569 (Stand: 04.04.2009) (116a) Warte einen Moment! Lass den Motor noch nicht an. Ich habe einen Fisch am Haken rie f ich Michael zu. http: / / www.angelberichte.de/ (Stand: 04.04.2009) (116b) Der uns allen wohlbekannte \... \ Berliner Eisbär Knut hat F i s c h e gefressen. Das Publikum ist empört, der Zoo ist in Erklärungsnot. http: / / www.danisch.de/ blog/ (Stand: 04.04.2009) In (115a) wird auf ein Brot-Individuum (einen Brotlaib), in (115b) auf eine Gruppe von Brot-Individuen, in (116a) auf ein Fisch-Individuum und in (116b) auf eine Gruppe von Fisch-Individuen referiert. Daneben können solche Nomina auch im Singular ohne Quantifikator verwendet werden, um auf Masse-Referenten Bezug zu nehmen: (115c) Charly hat B rot gekauft. Wirfrühstücken wie immer an Bord. http: / / skippertips.de/ reiseberichte/ horst_ahlbrecht/ (Stand: 04.04.2009) (116c) Insgesamt 35 Banker hatten am Mittwoch in dem privat betriebenen Restaurant Commerzbank-Plaza F i s c h gegessen und waren danach mit Ausschlägen, Herzrasen und Bauchschmerzen in Krankenhäuser gebracht worden. http: / / www.spiegel.de/ wirtschaft/ (Stand: 07.04.2009) Bei Nomina wie B rot und F isch hat der Einer-Quantifikator also die Funktion, eine Individuen-Lesart sicherzustellen. Bei Zähl-Nomina wie M atm oder K in d ist diese Funktion im Prinzip redundant. Dennoch ist die Verwendung des Einer-Quantifikators auch bei diesen Nomina obligatorisch, wenn sic dazu verwendet werden, einen neuen Referenten einzufuhren. Bei solchen Nomina hat ein also keine echt quantifizierende Funktion mehr, sondern ist zu einem Indefinitartikel reduziert. Auch das Polnische unterscheidet zwischen Individuen-Nominalphrasen, Plural-Nominalphrasen und Masse-Nominalphrasen. Grzegorczykowa ct al. (1998, S. 204; vgl. auch Bartnicka ct al. 2004, S. 212f.; Nagörko 2006, S. lllf.) schreiben dazu: Kwantyfikacja numeryczna mozliwa jest jedynie dla pewnego (zresztqobszernego, stanowi^eego j ^dro klasy rzeezowniköw) semantyeznie defmiowalnego podzbiom rzeezowniköw: mianowieie dla rzeezowniköw oznaczajacych przedmioty fizycznc jednostkowe, wzajemnie rozröznialne. S; \ to przede wszystkim rzeezowniki oznaczajqce przedmioty morficzne [...], ograniezone <?page no="181"?> ReferentieUe Nominalphr ascii 181 przestrzennie, o okreslonym ksztalcie (np. stöl, zapalka, chlopiec, maszyna). Sq to röwniez rzeczowniki oznaczajqce jednostkowe akty ograniczone czasowo (dzwiqk, akord, okrzyk, blysk, skok, rzut). Rzeczowniki o takim znaczeniu nazwiemy policzalnymi. Rzeczowniki, w ktorych znaczenie nie jest wbudowana informacja o ksztalcie bqdz czasowej ograniczonosci, o jednostkowym charakterze faktu to rzeczowniki niepoliczalne. Rzeczowniki niepoliczalne, nie podlegajqce kwantyfikacji numerycznej, to rzeczowniki materialowe (glina, snieg, powietrze, metal) oraz rzeczowniki oznaczajqce pojçcia abstrakeyjne, takie jak wlasciwosci, procesy, stany (biel, zlosc, lakomstwo, bieganina, praca, rozmyslanie, guid e, smierc, strach, mröz).22 Ob ein N om en im Polnischen ein Zähl- oder ein Masse-Nomen ist, lässt sich in Testumgebungen wie (117) und (118) feststellen. Zähl-Nomina können nach ditzo [‘viel’/ ‘viele’] nur im Plural erscheinen wie in (117); M a s s e -N o m ina können nach duzo im Singularstehenwie in ( 118) (vgl. auch Skibicki 2007, S. 204; duzo ist Akkusativ, der Satz steht in der „z w e ite n Verbal-Diathese“, das N om en nach duzo steht unabhängig v o m Numerus im Genitiv): ( 1 1 7 ) N a stale I e z y d u z o g a z e t . [auf Tisch liegen-3ps-neut-präs v i e l a k k Z e i t u n g g e n p l ] IAuf dem Tisch liegen v i e l e Z e i t u n g e n . | (118) Na stole Iezy d u z o m iç s a . [auf Tisch liegen-3ps-neut-präs v i e l a k k F l e i s c h g e n s g ] [ A u f dem Tisch liegt v i e l F l e i s c h . ] Masse-Nomina können, ähnlich wie im Deutschen, nach einem geeigneten Quantifikator auch in Zähl-Nominalphrasen verwendet werden (siehe oben Abschnitt 2.4.3): 22 „ E in e n u m e r i s c h e Q u a n tifik a tio n is t n u r f ü r e in e ( a lle r d in g s u m f a n g r e ic h e u n d d e n K e r n d e r K la s s e b ild e n d e ) s e m a n ti s c h e T e ilm e n g e d e r N o m in a m ö g lic h , u n d z w a r f ü r N o m in a , d ie g e g e n e in a n d e r a b g r e n z b a r e p h y s i s c h e E in z e lg e g e n s tä n d e b e z e ic h n e n . E s h a n d e lt s ic h v o r a ll e m u m B e z e ic h n u n g e n f ü r m o r p h is c h e [...], r ä u m li c h b e g r e n z te u n d e in e b e s tim m te r ä u m lic h e G e s t a lt a u f w e i s e n d e G e g e n s t ä n d e (z .B . stöl [ ‘T i s c h ’] , zapalka [ ‘S t r e ic h h o l z ’] , chlopiec [ ‘J u n g e ’] , maszyna [ ‘M a s c h i n e ’]) . D a z u g e h ö r e n a u c h N o m in a , d ie e in z e ln e z e itlic h b e g r e n z t e A k t e b e z e ic h n e n (dzwiçk [ 'K l a n g '] , akord [ ‘A k k o r d ’], okrzyk \ 'R u f ' j. blysk | ‘B lit z ’ |, skok [ ‘ S p r u n g ’] , rzut [ ‘W u r f ’] ). N o m in a , d ie e in e s o lc h e B e d e u t u n g h a b e n , w e r d e n w i r a ls zählbar b e z e ic h n e n . N o m in a , in d e r e n B e d e u t u n g k e in e I n f o r m a tio n ü b e r G e s ta lt, z e itlic h e B e g r e n z th e it o d e r I n d iv id u i e r u n g e n th a lte n is t. s in d d a g e g e n nicht-zählbar. N ic h tz ä h lb a r e N o m in a w e r d e n n i c h t n u m e r i s c h q u a n tifiz ie r t. D a z u g e h ö r e n S to ff n o m in a ( glina [ ‘L e h m ’], snieg [ ‘S c h n e e ’] , powietrze [ ‘L u f t ’] , metal [ ‘M e t a ll ’]) s o w ie B e z e ic h n u n g e n f ü r a b s t r a k te B e g r iff e w i e E ig e n s c h a ft e n . V o r g ä n g e o d e r Z u s t ä n d e (biel [ ‘W e iß ’] , zlosc [ ‘Ä r g e r ’], IakomstM O [ ‘N a s c h e r e i ’] , bieganina \ ‘G e r e n n e ’ |, praca [ ‘A r b e i t ’], rozmyslanie [ 'N a c h d e n k e n ' ]. guide [ ‘F ä u l n i s ’] , smierc [ 'T o d '] , strach [ ‘A n g s t ’] , mroz [ ‘F r o s t ’] ).“ <?page no="182"?> 182 Artikelgebrauch im D eutschen ( 1 1 2 ) Kustek poszedl do luduwki iprzyniösl d w a p i w a . h tt p : / / w w w .p o r t a l lit e r a c k i.p l/ d r u k u j,a r ty k u l,4 3 2 6 .h tm l (Stand: 0 4 . 0 4 . 2 0 0 9 ) [Kostek gehen-3ps-mask-prät zu Kühlschrank und holen-3ps-mask-perfprät zwei-akk Bier-akk-pl | IKostek ist zum Kühlschrank gegangen und hat zwei Bier geholt. | ( 1 2 0 ) Jutro -Wyprawiam imieninki, wiqc upieklam p a r ç c ia s t. h ttp : / / d o g o ry n o g a m i.b lo g .o n e t.p l/ (Stand: 0 4 . 0 4 . 2 0 0 9 ) [morgen feiern-lps-präs Namenstag also backen-lps-fem-perf-prät ein paar-akk Kuehen gen pl | [Morgen feiere ich Namenstag, ich habe also ein paar Kuchen gebacken.] In (119) ist die Nominalphrase dwa piwa [‘zwei Bier’] im Sinne von ‘zwei Flaschen Bier’ oder ‘zwei Dosen Bier’zu interpretieren (Portionslesart). Auch in ( 120) sind mitparç ciast [‘ein paar Kuchen’] standardisierte Einheiten von Kuchen (die in eine Form oder auf ein Blech passen) gemeint (Portionslesart). Alternativ wäre auch eine Sortenlesart im Sinne von ‘ein paar Sorten Kuchen’ denkbar. Wird ein Masse-Nomen im Plural veiwendet, so ist ebenfalls eine Zähl-Interpretation zu wählen. In Beispiel (121 ) liegt wiederum eine Soilenlesail nahe (‘welche Weinsorten’), in (122) eine metonymische Lesart ('drei schöne Frauen-) (siehe oben Absclmitt 2.4.1): ( 1 2 1 ) J a k i e w i n a Iuhiq kobiety? h ttp : / / k a b a ty .p l/ in d e x .p h p ( S t a n d : 0 7 . 0 4 . 2 0 0 9 ) [welch-akk Wein-akk-pl lieben-3pp-imp-präs Frau-nom-pl] [Welche Weine lieben die Frauen? ] ( 1 2 2 ) Obok niego siedzi P a n s i | ... ] bacznie obserwuje t r z y p i ç k n o s c i . h ttp : / / w w w .b r y k . p l/ t e k s t y / g im n a z ju m / ( S t a n d : 0 7 . 0 4 . 2 0 0 9 ) [neben er-gen sitzen-3ps-präs Paris-nom und aufmerksam beobachten- 3ps-imp-präs d r e i a k k S c h ö n h e i t a k k p l ) [Neben ihm sitzt Paris und beobachtet aufmerksam d r e i S c h ö n h e i t e n . ] Im Polnischen ist es ebenso wie im Deutschen schwieriger, Zähl-Nomina mit Maß-Quantifikator in Masse-Nominalphrasen zu verwenden. Die maß-quantifizieile Verwendung von Zähl-Nomina unterliegt starken Gebrauchsrestriktionen (siehe auch oben Abschnitt 2.4.3). Ein Beispiel: <?page no="183"?> R eferentielle N ominalphrasen 1 8 3 (123) Na Swiqta Bozego Narodzenia zjechalo siq do nas ditto rodziny, w sumie hylo nas 25 osôb. h ttp : / / a lic ja -n a s z a k ru s z y n a .b lo g .o n e t.p l/ ( S t a n d : 0 4 . 0 4 . 2 0 0 9 ) Ian Weihnachten kommen-1ps-neut-perf-prät sich zu wir-gen viel-akk F amilie-gen insgesamt sein-3ps-neut-imp-prät wir-gen 25 Person-gen-pl] IZu Weihnachten ist viel Familie zu uns gekommen, insgesamt waren wir 25 Personen.] Referentiell gebrauchte Plural-Nominalphrasen zeigen im Polnischen wie auch im Deutschen an, dass der Referent eine Gruppe oder Mehrzahl von Individuen ist: ( 1 2 4 ) Nie bylo widac skqdpadty strzafy, czy z dachtt budynht, czy z ciqzaröwki. Na ulicy staly czolgi. Mozna bylo rozroznic trzy grupy zofnierzy. h t tp : / / a m n e s ty .o r g .p l/ ( S t a n d : 0 4 . 0 4 . 2 0 0 9 ) [Man sah nicht, woher die Schüsse fielen, vom Dach des Gebäudes, oder von dem Laster. Auf der Straße standen Panzer. Man konnte drei Gruppen von Soldaten unterscheiden. ] Die Nominalphrasc czolgi [‘Panzer’] in (124) referiert auf eine Mehrzahl von Panzern. Die zweite hervorgehobene Nominalphrase, trzy grupy zotnierzy [‘drei Gruppen von Soldaten’], verweist auf eine Mehrzahl von Gruppen bzw. zerlegt die Gesamtmenge der Soldaten in drei Teilmengen. Erscheint im Polnischen ein einfaches Nomen im Singular, so kann das bedeuten, dass entweder ein Individuen-Referent wie in (125 ) oder ein Masse-Referent wie in (126) gemeint ist. Der Interpret muss dann aufgrund seines Weltwissens entscheiden, welche Lesart am plausibelsten ist: (125) Z poczqtkiem roku szkolnego kitpilem sobie zeszyt. Zeszyt byl piqkny: Isniqca okladka i doskonalypapier. (Mrozek 1999. S. 463. Bd. 3, Zeszyt) IAm Anfang des Schuljahres kaufte ich mir ein Heft. Das Heft war wunderschön: ein glänzender Umschlag und ausgezeichnetes Papier. (Mrozek 1 9 9 5 , S . 1 6 1 , Das Heft)] (126) Zgaslo swiatlo. Awaria prqdu, zdarza sie. (Mrozek 1999, S. 493, Bd. 1, Sledztwo) I Das Licht ging aus. Stromausfall, das kommt vor. (Mrozek 1995, S. 190, Untersuchung)] ln (125) kann der Interpret aufgrund seines Wissens über Hefte und deren Umschläge kaum zu einer anderen als zu einer Individuen-Lesart gelangen. In <?page no="184"?> 184 Artikelgebrauch im Deutschen (126) ist aufgrund des Allgemeinwissens über Licht sowohl eine Masse-Lesart im Sinne von ‘Helligkeit’/ 4Lichtschein’ als auch eine Individuen-Lesart im Sinne von ‘Lampe’ möglich. In manchen Fällen bleibt im Polnischen bei der Neueinführung eines Referenten zunächst offen, ob es sich um einen Individuen- oder einen Masse-Referenten handelt: (127) Bylam na targu i kupiktm rybç. [sein-lps-fem-imp-prät auf Markt und kaufen-lps-fem-perf-prät Fischakk] [Ich war auf dem Markt und kaufte einen Fisch Fisch.] (127) mit perfektivem Verb und direktem Objekt im Akkusativ ist bevorzugt so zu verstehen, dass ein Fisch-Individuum gekauft wurde. Es ist aber auch die Interpretation möglich, dass der gekaufte Fisch nicht in Individuen, sondern als Masse (im Sinne von „Fischfleisch“) erworben wurde. Möchte der Sprecher, dass diese zweite Lesart bevorzugt wird, so hat er die Möglichkeit, das direkte Objekt in den Genitiv (Partitiv) zu setzen und eventuell zusätzlich einen Maß-Quantifikator wie trochq ['etwas’] zu verwenden: (127a) Bylam na targu i kupilam (troche) ryby. [sein-lps-fem-imp-prät auf Markt und kaufen-lps-fem-perf-prät (etwas) Fisch-gen/ akk-pl | [Ich war auf dem Markt und kaufte (etwas) Fisch Fische.] Steht das direkte Objekt ohne Maß-Quantifikator im Genitiv, so entsteht eine andere Mehrdeutigkeit. Die Form ryby kann nämlich als Genitiv Singular oder als Akkusativ Plural gelesen werden. Das bedeutet, dass die Objekts-NP in (127a) entweder mit Masse-Referenz oder mit Mehrzahl-Referenz interpretiert werden kann. Im Polnischen ist es demnach nicht obligatorisch, bei der ersten Einführung eines Referenten zu klären, ob dieser in Individuen oder als Masse vorliegt. Man kann diese Information zunächst offcnlasscn und sic erst im weiteren Textverlauf nachliefem, wenn dafür Bedarf besteht. Hier liegt ein wichtiger Unterschied zwischen dem Polnischen und dem Deutschen. Im Deutschen muss bei der Erst-Einführung eines Referenten durch grammatische Mittel angczcigt werden, ob eine Masse, ein Individuum oder eine Gruppe gemeint ist. Das bedeutet auch, dass ein Sprecher sich diesbezüglich entscheiden muss, wenn mehrere Möglichkeiten bestehen. Im Deutschen ist es grammatisch nicht zulässig, diese Information offenzulassen. Bei der <?page no="185"?> Referentielle N ominalphrasen 185 Einführung von Individuen-Referenten muss der Einer-Quantifikator bzw. Indefinitartikel gesetzt werden. Bei der Einführung von Gruppen- und Masse- Referenten darf er nicht stehen, liier sind fakultativ Mehrzahlbzw. Maß- Quantifikatoren zulässig, aber sic können auch fehlen. Im Polnischen kann, wenn Individuierung schon bei der Neueinführung eines Referenten relevant ist, fakultativ der Einer-Quantifikator jeden ['ein'] verwendet werden: (128a) Na scianie wisi j e d e n o b r a z ■Po prawej stronie od obrazu wiszq dwie pölki na ksiqzki. h t tp : / / w w w .e a n g .p l/ fo r u m / t,3 1 9 ,o p is p o k o ju .h tm l ( S t a n d : 0 5 . 0 4 . 2 0 0 9 ) [wörtl.: An Wand hängt e in B ild . Auf rechter Seite von Bild hängen zwei Borde für Bücher. ] ( 128b) Na sciante wisi o b r a z . Po prawej stronie od obrazu wiszq dwie pölki na ksiqzki. [worth: An Wand hängt B il d . Auf rechter Seite von Bild hängen zwei Borde für Bücher.] (129a) An der Wand hängt e in B ild . Rechts von dem Bild hängen zwei Bücherborde. (129b) *An der Wand hängt B ild . In (128a) wird der Einer-Quantifikator vciwcndct, etwa um deutlich zu machen, dass die Anzahl der Bilder von der Anzahl der Bücherborde verschieden ist. Ebenso gut kann in diesem Beispiel auf jeden verzichtet werden, wie (128b) zeigt. Dann ist immer noch zu verstehen, dass ein Bild-Individuum an der Wand hängt, aber der Aspekt der unterschiedlichen Anzahl ist dann weniger deutlich. Im Deutschen kann diese Unterscheidung nicht nachvollzogcn werden. Ein Individuen-Referent muss stets mit dem Einer-Quantifikator eingeführt werden. Deshalb ist nur (129a) korrekt; (129b) ist ungrammatisch. Für einen polnischen Deutschlemer bedeutet das, dass er sich stets fragen muss, wenn er einen neuen Referenten in den Diskurs einführt, ob es sich um einen Individuen-Referenten handelt oder nicht. 1st ein Individuen-Referent gemeint, so muss er den Einer-Quantifikator verwenden. Handelt es sich nicht um einen Individuen-Referenten, so wird der Einer-Quantifikator nicht verwendet. Für Gmppen-Referentenwird eine Nominalphrase im Plural verwendet, für Masse-Referenten eine einfache Nominalphrase im Singular. Dieser fünfte Entscheidungsschritt kann in unserem Schaubild wie folgt veranschaulicht werden: <?page no="186"?> A b b . 11: Iiid efiiiita rtik el ill re fe re n tie lle n N o m iiia lp lira se n OO o\ A rtikelgebrauch im D eutschen <?page no="187"?> Referentielle N ominalphrasen 187 Ist der neu einzuführende Referent ein Individuen-Referent, so muss der Indefinitaitikel gesetzt werden. Damit entsteht eine Nominalphrase vom Typ 2. Handelt es sich dagegen um einen Gruppen- oder Masse-Referenten, so ist kein Artikel zu verwenden. Dann entsteht eine Nominalphrase vom Typ 1. Auch der Lehrer muss diesen Entscheidungsschritt nachvollziehen, um prüfen zu können, ob der Lerner den Indefinitartikel bzw. eine artikellose Nominalphrase korrekt verwendet hat. Das Konzept der Zählbarkeit, das, wie wir gesehen haben, bei der Wahl des Indefinitartikels eine entscheidende Rolle spielt, wird in Grammatiken des Deutschen meist zu wenig berücksichtigt. Der Indefinitartikel wird oft nur als AnzeigerfiirUnbekannthcitdcs Referenten erklärt. Lin Beispiel: DerunbestimmteArtikeI signalisiert, dass der Empfänger über einen Gegenstand informiert wird, der sich bis dahin überhaupt nicht in seinem Gesichtskreis oder nicht in diesem Zusammenhang in seinem Gesichtskreis befunden hatte [...]. Der unbestimmte Artikel kann auch einen Gegenstand kennzeichnen, der nicht nur dem Hörer/ Leser, sondern auch dem Sprecher/ Schreiber als konkretes Individuum unbekannt ist. (Sommerfeldt/ Starke 1992, S. 114) Bei Sommerfeldt/ Starke wird in diesem Zusammenhang nicht deutlich genug auf den Unterschied zwischen Individuen-, Gruppen- und Masse-Referenten eingegangen. Das ist für Darstellungen in Grammatiken des Deutschen keineswegs untypisch. Der Referent wird explizit nur als Individuum ins Auge gefasst. Der Indefinitartikel wird als Anzeiger für die Neuheit des Referenten interpretiert. Diese Erklärung ist irreführend (vgl. Vater 1984, S. 38f.; 1996, S. 196; 2000, S. 195fi). Der deutsche Indefinitartikel ist de facto ein Liner- Quantifikator. Lrzcigt nicht Neuheit an, sondern dass der Referent ein Individuum ist. Bei Gruppen- und Masse-Referenten wird kein Liner-Quantifikator verwendet. Bei reinen Zähl-Nomina ist die Individuierungs-Information, wie wir gesehen haben, redundant. Trotzdem muss auch bei ihnen der Einer-Quantifikator aus formalen Gründen stehen, wenn der Referent neu eingefiihrt wird. Nur bei solchen Nomina ist es sachlich gerechtfertigt, vom Indefinitartikel zu sprechen. Generell wird Neuheit des Referenten im Deutschen nicht durch Indefinitmarker, sondern durch das Fehlen eines Definitmarkers angezeigt (vgl. Vater 1984, S. 38f. ). Die irreführende Erklärung des deutschen Indefinitartikels führt dazu, dass Deutschlemer ein falsches Bild von dessen Funktion erhalten. Der deutsche Indefinitartikel steht funktional nicht in Opposition zum Definitartikel (vgl. Vater 1984, S. 38f.; 2000, S. 196). In Opposition zum Definitartikel steht das <?page no="188"?> 188 Artikelgebrauch im Deutschen Fehlen eines Definitmarkers. Ebenso steht in Opposition zum Indefmitartikel das Fehlen eines Individuierungs-Markers. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über diese Oppositionen und ihr Verhältnis zueinander: [- Definitmarker] [+ Definitartikel] [- Individuierungs- Marker] Brot das Brot [+ Einer-Quantifikator/ Indefinitartikel] ein Brot das eine Brot Abb. 12: Anzeige von Definitheit und Individuierung Abbildung 12 zeigt die Distribution des Definitartikcls und des Liner-Quantifikators im Deutschen, wie sie auch von Vater (1984, S. 39; 1996, S. 201f.) beschrieben wurde. Das vollständige Paradigma lässt sich nur mit Nomina darstellen, die sowohl eine Zählals auch eine Masse-Lesart erlauben. Das linke Feld in der oberen Zeile verlangt eine Masse-Lesart. Das Fehlen eines Definitmarkers zeigt an, dass der Referent für den Adressaten nicht identifizierbar ist. Neue Referenten müssen vollständig quantifiziert werden. Vor diesem Hintergrund ist das Fehlen eines Individuierungs-Markers so zu lesen, dass der Referent kein Individuum ist. Das linke Feld in der unteren Zeile verlangt demgegenüber eine Individuen-Lesart (z.B. ‘ein Brotlaib’ oder ‘eine Brotsorte’). In der rechten Spalte zeigt der Definitartikel an, dass der Sprecher glaubt, dass der Adressat den Referenten identifizieren kann. In diesem Fall muss der Referent nicht vollständig quantifiziert werden. Das rechte Feld der oberen Zeile erlaubt eine Individuen- oder eine Masse-Lesart. Lin Interpret, der den Referenten bereits identifizieren kann, weiß schon, ob ein Individuum oder eine Masse gemeint ist. Im rechten Feld der unteren Zeile übernimmt der Einer- Quantifikatoruntcrschcidcnde Funktion zwischen mehreren identifizierbaren Referenten. 3.3 Nicht-referentielle Nominalphrasen Im Folgenden wende ich mich nun den nicht-referentiellen Nominalphrasen zu. Wir haben gesehen, dass sic syntaktisch typischciwcisc in Prädikativ- Funktion auftreten, aber cs gibt auch nicht-referentielle Argumente (unspezifischer Gebrauch). <?page no="189"?> 3.3.1 Einzigkeit Nicht-referentielle N om inalphrasen 189 Bei nicht-referentiellen Nominalphrasen kann der Definitartikel nicht die Funktion haben, Identifizierbarkeit des Referenten anzuzeigen, denn ein Referent ist hier nicht vorhanden. Stattdessen übernimmt er die Funktion anzuzeigen, dass der Sprecher im gegebenen Kontext nur mit einem einzigen Kandidaten rechnet, auf den die gegebene Beschreibung passt. InAbschnitt 2.3.2 habe ich diese Eigenschaft als Anzeige von Einzigkeit bezeichnet. Im Polnischen kann bzw. muss man diesen Unterschied nicht in der gleichen Weise wie im Deutschen ausdrücken. Ein Beispiel: (130) Frehvillige Feuenvehrleute werden immer gebraucht, und diese zu unterstützen ist d i e A u f g a b e d e s V e re in s . http: / / www.tina-fischer.de/ content/ view/ 400/ 142/ (Stand: 07.04.2009) ( 130a) Diese zu unterstützen ist e i n e A u f g a b e d e s V e re in s . ( 130b) Diese zu unterstützen ist A u f g a b e d e s V e re in s . In allen drei Varianten des Beispiels geht es um das Unterstützen der freiwilligen Feuerwehrleute, das dem besprochenen Verein als Aufgabe zugeordnet wird. In (130) wird durch den Definitartikel vor Aufgabe angezeigt, dass der Sprecher annimmt, dass der Verein nur eine einzige Aufgabe hat. In (130a) zeigt der Indefinitartikel an, dass mit mehreren Aufgaben des Vereins gerechnet wird, von denen das Unterstützen der Feuerwehrleute eine ist. In (130b) wird Aufgabe des Vereins als Relationsrollen-NP behandelt (siehe oben Abschnitte 2.3.1 und 2.3.3). Solche NPs enthalten besonders häufig ein Genitiv-Attribut und stehen ohne Artikel (siehe unten Abschnitt 3.3.4). Alle drei Varianten sind auf die gleiche Weise ins Polnische zu übersetzen: (131) Strazacy ochotnicy sq zawsze potrzebni, a wspieranie ichjest z a d a n i e m zwiqzku. [wörtl.: Feuerwehrleute freiwillige werden immer gebraucht und Unterstützen sie ist Aufgabe Vereins] Im Polnischen wird im Regelfall offengelassen, ob der Sprecher damit rechnet, dass sich für eine nicht-referentielle Nominalphrase im Kontext nur ein Kandidat findet, auf den die Beschreibung passt, oder ob mehrere geeignete Kandidaten gefunden werden können. Möchte der Sprecher ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Verein nur diese eine Aufgabe hat, so kann er formulieren: <?page no="190"?> 190 A rtikelgebraiirh im D rulsrhrn (131a) Wspicmuie ich je s t jedynym zadaniem zwiqzku. [wörtl.: Unterstützen sie ist einzige Aufgabe Vereins] Möchte er explizit daraufhinweisen, dass der Verein mehrere Aufgaben hat, so kann er formulieren: (131b) Wspicranie ich je s t jednym z zadan zwiqzku [wörtl.: Unterstützen sie ist eine von Aufgaben Vereins] Beide Möglichkeiten bestehen im Deutschen ebenfalls: die einzige Aufgahe vs. eine derAnfgahen des Vereins. Das heißt: Das Deutsche bietet zwei unterschiedlich explizite Möglichkeiten, die gleiche Unterscheidung auszudrücken, und keine Möglichkeit, sic unausgedrückt zu lassen. Das Polnische bietet eine maximal explizite Möglichkeit, die Unterscheidung auszudrücken, und eine Möglichkeit, sic unausgedrückt zu lassen. Die zweite Möglichkeit wird bevorzugt. Für nicht-referentielle Prädikativ-Nominalphrasen mit Indefinitartikel oder Definitartikel bietet das Polnische kein Äquivalent. Im Polnischen ist es auch nicht möglich, nicht-referentielle Relationsrollen-NPs besonders zu kennzeichnen. Im Deutschen bleiben sie typischciwcisc artikellos und werden dadurch von anderen Prädikativ-Nominalphrasen unterschieden. Im Polnischen stehen alle Prädikativ-Nominalphrasen im Normalfall ohne Determinativ und Quantifikator. Für polnische Lemer dürfte cs daher besonders schwierig sein, im Deutschen bei nicht-referentiellen Nominalphrasen korrekt zu entscheiden, ob der Definitartikel, der Indefinitartikel oder kein Artikel zu wählen ist. Die erste Entscheidung, die getroffen werden muss, bezieht sich auf die Frage, ob im Kontext nur ein passender Kandidat erwartet wird oder ob mehrere Kandidaten möglich sind. Diese Entscheidung muss ein Sprecher des Polnischen in seiner Muttersprache nicht treffen. Das Deutsche dagegen verlangt von ihm, dass er sich bei jeder nicht-referentiellen Nominalphrase diesbezüglich festlegt. Wird nur ein passender Kandidat erwartet, so ist der Definitartikel zu verwenden. Alternativ kommt auch ein Possessivum in Frage: ( 130c) Die freiwilligen Feuerwehrleute zu unterstützen ist meine Aufgabe. Demonstrativa sind in dieser Funktion nicht möglich: ( 130d) 'IDie freiwilligen Feuerwehrleute zu unterstützen ist diese Aufgabe. Kann die Beschreibung im Kontext auf mehrere Kandidaten passen, so ist kein Definitmarker zu verwenden. <?page no="191"?> Abb. 13: Nicht-referentielle Nominalplirasen S’ ctq Os* GO CU ga CU r + 3 CU W W a a GO GO 0 O & & (g & GO CT 1 CT 1 P CU 1 a CU CU H-»* tf P a CtQ Ai o rt 3 o lt ffQ 3 rt a D aD ZO 33 Si hST a£ V3 a -i O- SO Nicht-referentielle N ominalphrasen <?page no="192"?> 1 9 2 A rtikelgebrauch im D eutschen Wird im Kontext nur ein Kandidat erwartet, auf den die gegebene Beschreibung passt, so ist der Definitartikel oder ein Possessivum zu setzen. Dadurch entsteht eine Nominalphrase vom Typ 3. Sind im Kontext mehrere geeignete Kandidaten erwartbar, so ist kein Definitmarker zu setzen. In diesem Fall kann eine NP vom Typ 2 oder vom Typ 1 entstehen. Ob der Indefinitartikel gesetzt wird, ist von weiteren Entscheidungsschritten abhängig. Auch der Lehrer muss beim Korrigieren diese Unterscheidung nachvollziehen, um prüfen zu können, ob der Lerner eine sinnvolle Artikelwahl getroffen hat. 3.3.2 Zählbarkeit Nach Eschenbach (1995, S. 146) sind bei deutschen Nominalphrasen drei Numeri zu unterscheiden: der Masse-Singular (Brot), der Zähl-Singular (ein Brot) und der Plural (Brote) (siehe oben Unterkapitel 2.2). Hierbei handelt cs sich um eine rein formale Unterscheidung, die nicht auf referentielle Nominalphrasen beschränkt ist, sondern ebenso bei nicht-referentiellen vorkommt. Im Zähl-Singular können alle Nomina stehen, die überhaupt mit Individuen-Lesarten kompatibel sind. Da zu den Individuen-Lesarten auch Portionslesarten, Sortenlesarten, metonymische Lesarten und metaphorische Lesarten gehören, sind dies de facto alle Nomina außer echten Pluraliatantum. Im Masse-Singular können nur Masse-Nomina stehen, also Nomina, die in der Testumgebung Aufdem Tisch liegtx ohne Einer-Quantifikator Vorkommen (siehe oben Absclmitt 2.4.1 ). Bei nicht-referentieller Verwendung, soweit mehr als ein Kandidat erwartet wird, auf den die Beschreibung passt, stehen Nominalphrasen im Masse-Singular und im Plural immer ohne Einer-Quantifikator bzw. Indefinitartikel: ( 1 3 2 ) Wenn man sich ohne Worte versteht, dann ist das e c h t e F r e u n d s c h a f t . h ttp : / / w w w .la k e p a r ty .d e / (Stand: 0 7 . 0 4 . 2 0 0 9 ) ( 133) Meine Schwester (28) und ihr Mann (25) haben imgeplant ein Kind bekommen I... I und sind t o ll e E lt e r n ! h t t p : / / w w w .p la n e t-lie b e .d e / v b b / s h o w th r e a d .p h p ( S t a n d : 0 7 . 0 4 . 2 0 0 9 ) Nominalphrasen im Zähl-Singular stehen, soweit mit der Möglichkeit gerechnet wird, dass mehr als ein passender Kandidat gefunden wird, in der Regel mit Einer-Quantifikator bzw. Indefinitartikel: ( 1 3 4 ) Antisemitismus bleibt e in P r o b le m . h t t p : / / w w w .t a z . d e / l/ p o litik / d e u t s c h la n d / ( S t a n d : 0 7 . 0 4 . 2 0 0 9 ) <?page no="193"?> Nicht-referentielle Nominalphrasen 193 Hier sind aber noch weitere Entscheidungen zu treffen, die dazu führen können, dass der Einer-Quantifikator letztlich doch wcggclasscn wird (siehe unten Abschnitte 3.3.3 bis 3.3.5). Wird bei einer nicht-referentiellen Nominalphrase nur ein einziger Kandidat erwartet, auf den die Beschreibung passt, so wird die Unterscheidung zwischen Masse- und Zähl-Singular formal nicht angezeigt: (135) Faust muss kapitulieren, Mephistopheles hleiht d e r S ie g e r . geändert nach: http: / / www.theaternarr.de/ arch/ anmerk.html (Stand: 07.04.2009) (135a) IFaust muss kapitulieren, Mephistopheles hleiht d e r e in e S ie g e r . Ob in nicht-referentiellen Nominalphrasen mit Definitartikel zusätzlich ein Einer-Quantifikator stehen kann wie in (135a), ist höchst zweifelhaft. Man findet für Prädikativ-Nominalphrasen dieser Form nur sehr wenige Belege, bei denen meist eine referentielle Interpretation näherliegt. Diese Frage muss aber noch weiter untersucht werden. Ich gehe im Folgenden davon aus, dass die Unterscheidung zwischen Zähl-Singular und Masse-Singular bzw. Plural nur dann getroffen werden muss, wenn im Prinzip mit mehr als nur einem möglichen Kandidaten gerechnet wird. Im Polnischen wird die Unterscheidung zwischen Zähl-Singular und Masse- Singular in nicht-referentiellen Nominalphrasen formal nicht angezeigt. Die oben diskutierten Beispiele (132) und (134) wären auf Polnisch folgendermaßen wiederzugeben: (136) Jezeli mozna siç zrozumiec bez slow, to wôwczas je s t to p r a w d z i w a p r z y j a z n . [wörtl. : wenn kann sich verstehen ohne Worte, dann ist das e c h t e F r e u n d s c h a f t] (137) Antysemityzm pozostanie p r o b l e m e m . [wörtl.: Antisemitismus hleiht P r o b le m ] Inbeiden Fällen steht die Prädikativ-Nominalphrase ohne Quantifikator. Nur wenn als Bestandteil der Beschreibung, die mit der Prädikativ-Nominalphrase gegeben wird, besonders betont werden soll, dass es sich um eine Ganzheit handelt, kann der Quantifikatorjeden hinzugefügt werden: (137a) Antysemityzm pozostanie j e d n y m w i e l k i m p r o b l e m e m . [Antisemitismus hleiht e in ( e in z ig e s ) g r o ß e s P r o b le m .] <?page no="194"?> 194 A rtikelgebrauch im D eutschen Für diesen Gebrauch habe ich aber nur wenige Belege finden können. Viel typischer ist die Verwendung von jeden in referentiellen Prädikativen, wenn zwischen mehreren Referenten der gleichen Kategorie unterschieden wird: ( 137b) Antysemityzmpozostanie j e d n y m p r o b l e m e m , drugim jest alkoholizm. I A ntisemitism us bleibt d a s e in e P r o b l e m , das andere ist Alkoholismus. ] Ein polnischer Deutschlemermuss also wiederum eine Entscheidung treffen, zu der er in seiner Muttersprache nicht genötigt ist. Nur bei nicht-referentiellen Plural- und Masse-Nominalphrasen darf er sich so verhalten, wie er sich in seiner Muttersprache generell verhalten würde: auf einen Quantifikator verzichten. Bei nicht-referentiellen Nominalphrasen im Zähl-Singular ist im Zweifelsfall der Einer-Quantifikator bzw. Indefinitartikel zu verwenden. Diese zweite Entscheidung wird in Abbildung 14 in den Entscheidungsbaum eingetragen. Handelt es sich um eine Masse- oder Plural-NP, so wird kein Indcfmitaitikel gesetzt. Dann entsteht eine NP vom Typ 1. Handelt es sich um eine NP im Zähl-Singular, so müssen weitere Entscheidungsschritte vollzogen werden, bevor klar ist, ob der Indefinitartikel gesetzt werden kann oder muss. Auch der Lehrer muss die Entscheidungen nachvollziehen, um prüfen zu können, ob der Lerner eine sinnvolle Artikelwahl getroffen hat. Nur ergänzend möchte ich an dieser Stelle noch auf ein Beispiel von Sadzihski (1995/ 1996, S. 48) zurückkommen, das ich bereits in Abschnitt 1.2.2 erwähnt hatte: ( 1 3 8 ) Potrzebuje r o w e r . [brauchen-lps-imp-präs F a h r r a d a k k ] (139) Ich brauche d a s F a h r r a d . (140) Potrzebuje r o w e r u . [brauchen-lps-imp-präs F a h r r a d g e n ] ( 141 ) Ich brauche e in F a h r r a d . Sadzihski beobachtet in diesem Beispielpaar eine Entsprechung zwischen der Kasus-Opposition Akkusativ vs. Genitiv im Polnischen und der Opposition Definitartikel vs. Indefinitartikel im Deutschen. Auffällig ist zunächst, dass die Kasus-Opposition in (138) und (140) bei einem imperfektiven Verb (potrzebowac 'brauchen') steht, wo sic im Prinzip nicht Vorkommen sollte (siehe oben Abschnitt 3.2.2). Bei genauerem Hinsehen stellen wir fest, dass das direkte Objekt in (138) referentiell, das in (140) nicht-referentiell ist. In (138) geht es um ein bestimmtes FalrtTad, das der Sprecher benötigt. In (140) geht es dagegen um irgendein Fahrrad (unspezifischer Gebrauch). <?page no="195"?> A b b . 14: Z ä h lb a rk e it in n ic h t-re fe re n tie lle n N o m in a lp lira s e n Nicht-referentielle N ominalphrasen <?page no="196"?> 196 Avlikclgebrauch im Deulsehen Nicht-referentielle direkte Objekte stehen im Polnischen im Genitiv. Das zeigt sich auch unter Negation: (142) * Kiedy siq sciemnialo, pilern piwa. [als dunkel wurde trinken-lps-imp-prät Bier-gen| [Als es dunkel wurde, trank ich Bier.] (142a) Kiedy siq sciemnialo, nie chcialem pic piwa. [als dunkel wurde nicht wollen-lps-prät trinken-imp B ie r g e n ] [Als es dunkel wurde, wollte ich kein B i e r trinken.] (142h) * Kiedy siq sciemnialo, nie chcialem pic piwo. [als dunkel wurde nicht wollen-lps-prät trinken-imp B ie r a k k ] [Als es dunkel wurde, wollte ich kein B i e r trinken.] (143) Kobiety nie chciafy je s c ciasta. [Frauen-nom nicht wollen-3pp-prät essen-imp K u c h e n g e n ] [Die Frauen irgendwelche Frauen wollten keinen K u c h e n essen.] (143a) ifKobiety nie chciafy je sc ciasto. [Frauen-nom nicht wollen-3pp-prät essen-imp K u c h e n a k k ] [Die Frauen irgendwelche Frauen wollten keinen K u c h e n essen ] In (142) kann das direkte Objekt nur referentiell interpretiert werden, liier ist der Genitiv ungrammatisch, weil das Verb imperfektiv ist. In (142a) muss das direkte Objekt unter Negation nicht-referentiell interpretiert werden. Hier ist nur der Genitiv korrekt. Der Akkusativ wie in (142b) wäre ungrammatisch. (143) und (143a) illustrieren den gleichen Gegensatz. Auch Sadzihskis Fahrrad-Beispiel erlaubt unter Negation beim Objekt nur den Genitiv, weil das Objekt dann nicht mehr referentiell gelesen werden kann: (144) Niepotrzebujq roweru. [nicht brauchen-1ps-imp-präs Fahrrad-gen] [Ich brauche kein Fahrrad.] (145) *Nie potrzebujq rower. [nicht brauchen-1ps-imp-präs Fahrrad-akk] [Ich brauche kein Fahrrad.] Die Kasus-Opposition Akkusativ vs. Genitiv entspricht funktional also nicht, wie Sadzihski vermutet, der Opposition zwischen Definithcit und Indefinithcit im Deutschen. Bei referentiellen Plural- und Masse-Objekten perfektiver Ver- <?page no="197"?> Nicht-referentielle Nominalphrasen 197 hcn drückt sie, wie wir gesehen haben (siehe oben Abschnitt 3.2.2), den Unterschied zwischen Gesamtheit und Nicht-Gesamtheit aus, der im Deutschen durch die Verwendung bzw. Nicht-Verwendung des Definitartikels angezeigt wird. Ansonsten wird die Kasus-Opposition zur Unterscheidung zwischen referentiellen und nicht-referentiellen Lesarten verwendet. Der Akkusativ zeigt Referentialität, der Genitiv Nicht-Referentialität an (vgl. Feleszko 1980, S. 11, 21 ; Grochowski/ Karolak/ Topolinska 1984, S. 316fi; Wierzbicka 1988, S. 447ff). Im Deutschen können referentielle und nicht-referenticllc Nominalphrasen gleichermaßen den Definitartikel oder den lndefinitartikcl enthalten oder artikellos bleiben. Allerdings ist Sadzihski insofern Recht zu geben, als es bei nicht-referentiellen Argument-Nominalphrasen nur selten relevant ist, anzuzeigen, dass nur ein einziger Kandidat erwartet wird, auf den die Beschreibung passt. Deshalb sind direkte Genitiv-Objekte des Polnischen in der Tat auf Deutsch häufig durch Nominalphrasen ohne Determinativ wiederzugeben. Das bedeutet je doch nicht, dass in solchen Fällen immer der Indefinitartikel stehen müsste. Dieserwird nur bei Zähl-Nomina im Singular gebraucht; bei Plural- und Masse-Nomina steht kein Artikel. 3.3.3 Anschluss mit als Im Folgenden gehe ich noch auf einige weitere Entscheidungen ein, die nur bei nicht-referentiellen Nominalphrasen im Zähl-Singular getroffen werden müssen und die dazu führen können, dass der Indefinitartikel ausfällt. Die erste dieser Entscheidungen betrifft die Verwendung des Adjunktors als. Wir haben schon wiederholt beobachtet, dass dieser bevorzugt artikellose Nominalphrasen einleitet (siehe oben Abschnitt 2.3.3 und Unterkapitel 3.1). Ein Beispiel aus einem Pressetext: (146) Kurzarbeit a/ s Mittel gegen Entlassungen Fast zwei Drittel der Mittelständler sehen in der Kurzarbeit ein probates Mittel, um Entlassungen in der Krise zu vermeiden. http: / / www.marktundmittelstand.de/ nachrichten/ (Stand: 08.04.2009] In der Überschrift des Textes verknüpft der Adjunktor als die artikellose nichtreferentielle Nominalphrase Mittel gegen Entlassungen mit der generisch-referentiellen Nominalphrase Kurzarbeit. Kurzarbeit ist ein Masse-Nomen. Mittel aber ist ein Zähl-Nomen, das hier trotzdem ohne Indefinitartikel steht. <?page no="198"?> 198 A rtikelgebrauch im D eutschen Unmittelbar danach, im ersten Satz des Textes, wird die gleiche Verknüpfung ohne den Adjunktor wiederholt. Hier erhält die nicht-referentielle Nominalphrase den Indefinitartikel. In nicht-referentiellen Nominalphrasen mit Adjunktor ist die Weglassung des Indefinitartikels typisch, aber nicht obligatorisch. Möglich wäre auch: (146a) Kurzarbeit als ein M ittel gegen Entlassungen In Nominalphrasen ohne Adjunktor fährt die Weglassung des Artikels meist zu Ungrammatikalität: (146b) *Fast zwei Drittel der Mittelständler sehen in der Kurzarbeit probates Mittel, um Entlassungen in der Krise zu vermeiden. Die Adjunktor-Regel dürfte für polnische Deutschlemer nicht zu Lemschwierigkeiten führen. Sie brauchen sich nur zu merken, dass nach dem Adjunktor als die Weglassung des Indefinitartikels risikolos ist und sogar erwartet wird. Die Verwendung des Artikels führt an dieser Stelle aber nicht zu Ungrammatikalität, sondern schlimmstenfalls zu unidiomatischem Ausdmck. Abbildung 15 zeigt, wie die Adjunktor-Regel in den Entscheidungsbaum eingebaut wird. 3.3.4 Relationsrollen-NPs In den Abschnitten 2.3.1, 2.3.3 und 3.3.1 wurde daraufhingewiesen, dass nicht-referentielle Nominalphrasen, die dem Subjekts-Referenten eine Relationsrolle zuordnen, häufig ohne Artikel verwendet werden. Ein Beispiel: (147) Die Hauptperson ist Besitzer eines Plattenladens und hält sich für einen geschmackssicheren Musikkenner. h ttp : / / w w w .a m a z o n .d e / r e v ie w / ( S t a n d : 0 8 . 0 4 . 2 0 0 9 ) Dem Referenten der Subjekts-Nominalphrase die Hauptperson wird hier die Relationsrolle ‘Besitzer eines Plattenladens’zugeordnet. Das Genitiv-Attribut eines Plattenladens gibt die Entität an, zu der der Subjekts-Referent in der Besitzer-Relation steht. Relationsrollen-Bezeichnungen sind häufig deverbale Nomina wie Besitzer, Kenner, Liebhaber, Gewinner, Folge, Bedingung, Verdienst u.v.m. Aber auch einige Nomina, die nicht von Verben abgeleitet sind, wie Grund, Ursache, Ziel, Zweck u.a. kommen in Betracht. <?page no="199"?> A b b . 15: A iis c liliis s m ita A ' Nicht-referentielle N ominalphrasen <?page no="200"?> 2 0 0 AftikeIgehrauch im Deutschen Relationsrollen-NPs werden, ebenso wie adjunktor-eingeleitete NPs, typischerweise ohne Indefinitartikel gebraucht. Die Verwendung eines Indefinitartikels würde zwar nicht zu Ungrammatikalität, aber zu unidiomatischem Stil führen. (147a) ist grammatisch nicht falsch, klingt aber untypisch: (147a) Die Hauptperson ist ein Besitzer eines Plattenladens. Die Verwendung des Definitartikels im gleichen Beispiel würde wiederum anzeigen, dass nur mit einem einzigen passenden Kandidaten gerechnet wird, dass also der betreffende Plattenladen nur einen Besitzer hat: ( 147b) Die Hauptperson ist der Besitzer eines Plattenladens. Beispiel (147) enthält eine weitere nicht-referentielle Nominalphrase: einen geschmackssicheren Musikkenner. Auch diese kann als Relationsrollen-NP interpretiert werden (‘Kenner von Musik’), ist aber auf das Objekt (sich) bezogen und durch die Präposition für eingeleitet. In diesem Fall wird der Indefinitartikel nicht weggelassen. Seine Weglassung wäre ungrammatisch: ( 147c) t Dic Hauptperson heilt sieh für geschmackssicheren Musikkenner. Im Polnischen wird zwischen Relationsrollen-NPs und sonstigen nicht-referentiellen NPs kein grammatischer Unterschied gemacht. So wäre Beispiel (147) folgendermaßen ins Polnische zu übersetzen: (148) Glowna osobajest wlascicielem sklepu z plytami i uwaza sie za znawcç muzyki o wyrobionym guscie. [worth: Hauptperson ist B e s it z e r L a d e n s m it P la tt e n und hält sich für K e n n e r d e r IVIusik v o n s ic h e r e m G e s c h m a c k ] Beide nicht-referentiellen Nominalphrasen stehen hier ohne Determinativ und Quantifikator. Linpolnischer Deutschlerner steht also wiederum vor einer Unterscheidung, die in seiner Muttersprache nicht gemacht wird. Lr wird zwar im Deutschen nicht unbedingt grammatische Fehler produzieren, wenn er Relationsrollen- NPs mit Indefinitartikel verwendet, aber Fehler sind möglich, und aus stilistischen Gründen ist cs in jedem Fall wünschenswert, den Indefinitartikel wegzulassen, wenn dies dem üblichen Sprachgebrauch entspricht. Am typischsten ist die Weglassung des Indefinitailikels bei subjektsbezogenen Relationsrollen-NPs mit Genitiv-Attribut. Im DaF-Unterricht für polnische Lemer sollte auf diesen NP-Typ besonders eingegangen werden. Die <?page no="201"?> Nicht-referentielle Nominalphrasen 201 Lcrncr sollten darauf aufmerksam gemacht werden, dass Relationsro 11en-Nomina besonders häufig (wenngleich nicht ausnahmslos) deverbale Bildungen sind. Nominalphrasen wie Besitzer eines Autos, Kennerfranzösischer Weine, Opfer eines Überfalls, Ziel eines Angriffs, Zweck einer Übung usw. in nichtreferentieller Verwendung sollten systematisch geübt werden. Wichtig ist dabei, dass die Relationsrollen-NP auf das Subjekt des Satzes bezogen wird. Dann bleibt sie artikellos. In Relationsrollen-NPs, die nicht diesem Schema entsprechen, ist die Weglassung des Indefinitartikels weniger typisch. Man vergleiche das folgende Satzpaar: (149) Professor Ferditiatul Dudenhöjfer ist Kenner der Branche. http: / / www.unicum.de/ evo/ 15336_l_2 (Stand: 08.04.2009) ( 149a) Professor Ferdinand Dudenhöffer ist ein Branchenkenner. In Sätzen wie (149) wird der Indefinitartikel typischerwcisc weggelassen. Seine Verwendung wäre nicht ungrammatisch, aber weniger idiomatisch. In Fällen wie (149a), wo die Bezugsentität nicht als Genitiv-Attribut, sondern als Bestimmungswort eines Kompositums ausgedrückt ist, ist die Weglassung des Indefinitartikels weniger typisch. Auch wenn dem Relationsrollen-N omen ein Adjektiv vorangeht, wird der Artikel typischerweise gesetzt: (149b) Professor Ferdinand Dudenhöffer ist ein ausgezeichneter Kenner der Branche. (149c) Professor Ferdinand Dudenhöffer ist ein ausgezeichneter Branchenkenner. (149b) und (149c) wären ohne Indefinitartikel stilistisch zweifelhaft. Für die DaF-Didaktik bietet es sich also an, denNP-Typ „Relationsrollen-Nomen plus Genitiv-Attribut“ in nicht-referentieller Verwendung mit Subjektsbezug zum Gegenstand besonderer Übungen zu machen. Abbildung 16 zeigt, wie dieser Schritt in den Entscheidungsbaum eingefügt wird. Das Kürzel Relationstollen-NP steht hier für den NP-Typ „Relationsrollen- Nomen plus Genitiv-Attribut ohne Adjektiv-Attribut“ mit Subjektsbezug. In solchen NPs wird bevorzugt kein Indefinitartikel verwendet. Es entsteht also eine NP vom Typ 1. In allen anderen Fällen, für die in Abbildung 16 das Kürzel gewöhnlicher Pradikatsaiisdriick steht, muss aufgrund weiterer Kriterien entschieden werden, ob der Indefinitartikel gesetzt wird oder nicht. <?page no="202"?> A b b . 16: A n s c h lu s s o h n e als 202 A rtikelgebrauch im D eutschen <?page no="203"?> Nicht-referentielle Nominalphrasen 203 3.3.5 Beschreibender vs. klassifizierender Gebrauch ln den Abschnitten 2.3.1 und 2.3.3 bin ich ausführlich auf die Unterscheidung zwischen beschreibendem und klassifizierendem Gebrauch prädikativer Nominalphrasen eingegangen. Beschreibend gebrauchte Prädikativ-Nominalphrasen sprechen einem Referenten Eigenschaften oder Funktionen zu. Klassifizierend gebrauchte ordnen ihn in eine übergeordnete Kategorie ein. Zwei Beispiele: ( 150) Das Leben ist eine Baustelle. http: / / www.mdr.de/ mdr-figaro/ lebensart/ 6103612.html (Stand: 08.04.2009) (151) Internetsiichl ist eine Krankheit. h ttp : / / w w w .s ilic o n .d e / life s ty le / ( S t a n d : 0 8 . 0 4 . 2 0 0 9 ) In ( 150) wird die Prädikativ-NP eine Baustelle verwendet, um dem Subjekts- Referenten per Analogie Eigenschaften zuzusprechen, z.B. Unfertigkeit, Unordnung, Veränderlichkeit oder Orientiertheit auf ein Projektziel. Auch (151) kann so gelesen werden. In diesem Fall werden dem Subjekts-Referenten Eigenschaften wie Therapiebedürftigkeit, Ursache von Leiden oder Grund für Arbeitsunfähigkeit zugesprochen. (151) kann aber auch so interpretiert werden, dass der Subjekts-Referent (Intcrnctsucht) in eine übergeordnete Kategorie (Krankheit) eingeordnet wird. In diesem Sinne ist (150) nur schwer zu lesen. Die Prädikativ-NP in (151) hat also eine beschreibende und eine klassifizierende Lesart, während die in (150) nur eine beschreibende hat. Formal besteht kein Unterschied zwischen den Prädikativ-NPs in (150) und (151). Beide enthalten einen Indefinitartikel. Dessen Weglassung wäre in beiden Fällen ungrammatisch: ( 150a) *Das Lehen ist Baustelle. (151a) *Internetsucht ist Krankheit. Sobald aber von einem menschlichen Bezugs-Referenten die Rede ist, wird formal zwischen beschreibenden und klassifizierenden Prädikativ-NPs unterschieden: (152) Bootsführer Luis ist ein Spaßvogel. h ttp : / / w w w .b e r lin o n lin e .d e / b e rlin e r z e itu n g / ( S t a n d : 0 8 . 0 4 . 2 0 0 9 ) (153) DerAiitor ist Professor an der Fachhochschule in Frankfurt am Main. h ttp : / / w w w .n o m e n v e r la g .d e / (Stand: 0 8 . 0 4 . 2 0 0 9 ) <?page no="204"?> 204 A rlikd g ebra u ch im D eutschen Die Prädikativ-NP in (152) ist beschreibend zu lesen. Dem Subjekts-Referenten wird die Eigenschaft zugesprochen, witzig zu sein. In solchen Fällen muss der Indefinitartikel verwendet werden. Die Prädikativ-NP in (153) ist klassifizierend zu lesen. Der Subjekts-Referent wird in eine Berufsklasse eingeordnet. In solchen Fällen wird kein Artikel verwendet. Im Polnischen wird grammatisch nicht zwischen diesen beiden Gebrauchsweisen von Prädikativ-N Ps unterschieden. (150) bis (153) wären auf Polnisch folgendermaßen wiederzugeben: ( 1 5 4 ) Zycie je s t placent budowy. [wörtl.: Leben ist B: iustelle| (155) Uzaleznieiiic od internetuje s t chorobq. [wörtl.: Sucht von Internet ist K r a n k h e it] (156) Kapitan Iodki L uisje st iartownisiem. [wörtl.: Führer Bootes Luis ist Spaßvogel] (157) Autor jc si profesorem WyLszej Szkoly Zawodowej we Frankfurcie nad Menem. [wörtl.: A utor ist P r o f e s s o r h o h e r S c h u l e f a c h lic h in F r a n k f u r t an M a in ] In allen vier Fällen steht die Prädikativ-NP im Instrumental und ohne Determinativ und Quantifikator. Ein weiteres Mal stehen polnische DaF-Lemer vor einer grammatischen Unterscheidung, die ihre Muttersprache nicht macht. Der Gebrauch des Indefinitartikels in einer klassifizierenden Prädikativ-NP, die auf einen menschlichen Referenten bezogen ist, wäre im Deutschen ein Grammatikfehler: (153a) Der Autor ist ein Professor an der Faehhochschule in Frankfurt am Main. (153a) mit Indefinitartikel in der Prädikativ-NP muss beschreibend interpretiert werden. Eine klassifizierende Lesart ist hier nicht möglich. Polnischen Lemem ist dieser Unterschied wahrscheinlich nur schwer zu vermitteln. Die polnische Grammatik behandelt beschreibende und klassifizierende Prädikativ-NPs mit Bezug auf nicht-menschliche und menschliche Subjekts-Referenten gleich. Für einen Sprecher des Polnischen scheint also kein Anlass zu bestehen, eine solche Unterscheidung zu machen. Verhält sich ein polnischer DaF-Lemer im Deutschen so wie in seiner Muttersprache, so verwendet er alle Prädikativ-NPs ohne Artikel. In diesem Fall wird ein deut- <?page no="205"?> N k ',ht-referentielle Nominalphrasen 205 scher Interpret sie als klassifizierend lesen, wenn sie sich auf menschliche Subjekts-Referenten beziehen, auch wenn der Sprecher sie beschreibend gemeint hat. In allen übrigen Fällen wird der deutsche Interpret sie als ungrammatisch einstufen. Verhält ein polnischer DaF-Lemer sich konsistent anders als in seiner Muttersprache und verwendet alle Prädikativ-NPs mit Indefinitartikel, so wird ein deutscher Interpret sie stets als beschreibend lesen, auch wenn der Sprecher sic klassifizierend gemeint hat. Immerhin wird der deutsche Interpret in diesem Fall nicht notwendigerweise einen Grammatikfehler bemerken. Oft wird die Formuliemngaberunidiomatisch klingen. Im DaF-Unterricht für polnische Lcrncr sollten, um den Unterschied zwischen beschreibendem und klassifizierendem Gebrauch hei menschlichen Bezugs- Referenten deutlich zu machen, Minimalpaare wie das folgende als Merksätze verwendet werden (aus Brinkmann 1962, S. 59): (158) E r ist ein ordentlicher Professor. ( 1 5 9 ) E r ist ordentlicher Professor. (158) muss beschreibend, (159) muss klassifizierend gelesen werden. Die polnischen Entsprechungen für diese Beispiele sind unterschiedlich: ( 160) Onje s t schludnym profesorem. (161) On je st profesorem zwyczajnym. Anhand solcher Minimalpaare dürfte polnischen Lemern der Unterschied zwischen beschreibenden und klassifizierenden Prädikativ-NPs relativ gut zu erklären sein. Anschließend muss geübt werden, dass dieser Unterschied nur bei menschlichen Subjekts-Referenten zu einer Opposition im Artikelgebrauch führt und hier genutzt werden sollte. Bei nicht-menschlichen Subjekts- Referenten steht dagegen immer der Indefinitartikel. Für den Entscheidungsbaum ist zweckmäßigerweise zuerst zwischen beschreibendem und klassifizierendem Gebrauch zu unterscheiden. Beschreibende Prädikativ-Nominalphrasen stehen immer mit Indefinitartikel. Bei klassifizierendem Gebrauch wird weiter zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Subjekts-Referenten unterschieden, liier steht der Indefinitartikel nur, wenn der Subjekts-Referent nicht-menschlich ist. Den gesamten Entscheidungsbaum für die Artikelverwendung in referentiellen und nicht-referentiellen Nominalphrasen im DeutschenzeigtAbbildung 17: <?page no="206"?> A b b . 17: V o llstä n d ig e r E n tsclie id im g s b a u m 206 Artikelgebrauch im Deutschen <?page no="207"?> Nutzen fuidie D aF-Didaktik 207 3.4 Nutzen für die DaF-Didaktik Der Entscheidungsbaum simuliert, wie ein Lemer, der an einer bestimmten Textstelle wissen möchte, ob eine Nominalphrase mit Definitartikel, mit Indefinitartikel oder ohne Artikel zu verwenden ist, schrittweise Vorgehen kann, um sich diese Frage zuverlässig zu beantworten. Ein nicht-muttersprachiger Deutschlehrer kann die gleichen Entscheidungsschritte nachvollziehen, um zu prüfen, ob der Lerner an einer gegebenen Textstelle eine sinnvolle Entscheidung hinsichtlich des Artikelgebrauchs getroffen hat. Der Entscheidungsbaum stellt die Regeln des deutschen Artikelgebrauchs als geordnetes System dar, das auf vier grundlegenden Oppositionen beruht: 1) Referential ität vs. Nicht-Referentialität 2) Identifizierbarkeit vs. Nicht-Identifizierbarkeit 3) Individuierung vs. Nicht-Individuierung 4) Einzigkeit vs. Nicht-Einzigkeit Alle weiteren Begriffe und Unterscheidungen, die bei der Artikelwahl ins Spiel kommen, gelten nur für bestimmte Fälle bzw. betreffen eher stilistische Präferenzen als grammatische Regeln. Auch diese weiteren Unterscheidungen wurden zu einem erheblichen Teil in den Entscheidungsbaum aufgenommen. Dieser ersetzt somit eine unüberblickbare Liste von Einzelfallen, wie sie von Grimm (1987) vorgelegt wurde, und auch unvollständige Darstellungen, die etwa nur referentielle Nominalphrasen berücksichtigen, wie sie verschiedentlich in Grammatiken und Lehrwerken zu finden sind. Obgleich der Entscheidungsbaum weitaus mehr Typen von Nominalphrasen und Gebrauchskontexten abdeckt als die gängigen Sprachlehrwerke und wohl auch mehr als die meisten vorhandenen Grammatiken des Deutschen, ist er sicherlich noch nicht vollständig. In der Praxis wird ein Lemer wahrscheinlich Fällen begegnen, in denen der Entscheidungsbaum ihn nicht zu einer befriedigenden Artikelauswahl führt. Sprecher artikelloser Muttersprachen werden in ihm aber ein vollständigeres und weiter reichendes Hilfsmittel finden, als in der bisherigen Literatur zur Verfügung stand. Hervorzuheben ist insbesondere, dass der nicht-referentielle Gebrauch von Nominalphrasen, der insgesamt komplexer ist als der referentielle, im Entscheidungsbaum das ihm gebührende Gewicht erhält. <?page no="208"?> 208 A rtikelgebrauch im D eutschen Der Baum macht deutlich sichtbar, dass referentielle Nominalphrasen im Deutschen typischerweise ein Determinativ erhalten (NP-Typ 3). Sofern der Referent als nicht-identifizierbar behandelt wird, sind auch determinativlose Nominalphrasen bei referentiellem Gebrauch häufig, und zwar insbesondere solche mit Indefinitartikel oder einem anderen Quantifikator (NP-Typ 2). Artikellose Nominalphrasen (NP-Typ 1) sind bei referentiellem Gebrauch eher die Ausnahme. Bei nicht-referentiellem Gebrauch ist die Verteilung umgekehrt. Besonders typisch sind artikellose Nominalphrasen. Relativ häufig sind auch Nominalphrasen vom Typ 2. Nur unter besonderen Bedingungen kommen hier Nominalphrasen mit Determinativ (NP-Typ 3) vor. Im Gegensatz zum größten Teil der didaktischen DaF-Literatur habe ich im Anschluss an Bisle-Müller (1991) bewusst auf die Annahme eines so genannten Nullartikels verzichtet. Stattdesscn bin ich davon ausgegangen, dass Nominalphrasen, die keinen Artikel enthalten, artikellos sind. In bestimmten Fällen, z.B. bei Personen- und Ortsnamen, bei a/ .v-Prädikativen oder bei Relationsrollen-NPs, kann es sinnvoll sein, Artikellosigkeit als Ergebnis von Artikelwegfall zu erklären. Auch eine solche Erklärung nötigt aber nicht dazu, von einem Nullartikel zu sprechen. In anderen Fällen, insbesondere bei Masse- und Plural-NPs, gibt cs keinen Grund, Artikellosigkeit mit einem Wegfall zu erklären. Solche NPs enthalten schlicht keinen Artikel. Bei NPs im Individuen-Singular tritt der Einer-Quantifikator als Indefinitartikel hinzu. Ein zweiter wichtiger Unterschied zu traditionellen Darstellungen besteht darin, dass ich mit Vater (1984, S. 26, 38; 2005, S. 106) eine direkte Entgegensetzung von Defmitartikel und Indefinitartikel für das Deutsche ausschließe. Sowohl der Definitartikel als auch der Indefinitartikel kontrastieren mit ihrer Nicht-Setzung. Der Indefinitartikel ist im Normalfall als Einer-Quantifikator zu interpretieren und hat dann völlig andere semantische Aufgaben als der Definitartikel. Nur bei reinen Zähl-Nomina, wo er semantisch redundant ist und trotzdem nicht weggelassen werden darf, ist der Indefinitartikel ein Indefinitheitsmarker. Das bedeutet aber nicht, dass er in solchen Fällen in Kontrast zum Definitartikel steht. Auch hier erklärt sich seine Funktion aus der Markierung von Individuiertheit Diese grammatische Markierung darf im Deutschen auch dann nicht fehlen, wenn die Bedeutung des Nomens das Konzept der Individuierung bereits enthält. In allen Fällen, wo der Einer-Quantifikator semantisch zugclasscn ist, ist er mit dem Definitartikel kombinierbar (vgl. Vater 1984, S. 26, 39; 2005, S. 106). Dieses distributionelle Faktum kann nur so gedeutet werden, dass diese beiden Elemente nicht in Opposition zueinander stehen. <?page no="209"?> N utzen f ü r die DaF-Didaktik 209 Offensichtlich ist der Entscheidungsbaum nicht als ein Werkzeug zu verstehen, das online (z.B. in der mündlichen Konversation) genutzt werden kann. Wollte ein Nicht-Muttersprachler beim Sprechen für jede Nominalphrase schrittweise nach dem Entscheidungsbaum klären, welche Artikelwahl er treffen muss, so würde die Kommunikation unendlich verlangsamt und letztlich zum Scheitern gebracht. Es kann sich also nur um ein Werkzeug handeln, das in der Offline-Produktion, z.B. bei der schriftlichen Elaboration eines Aufsatzes, genutzt werden kann. Außerdem eignet sich der Entscheidungsbaum als Strukturgeber für die Lehrplan-Gestaltung. Alle im Entscheidungsbaum enthaltenen Schritte müssen zu irgendeinem Zeitpunkt zum Gegenstand des DaF-Unterrichts gemacht und systematisch geübt werden. Dabei sollte klar sein, dass nur fortgeschrittene Lcrncr als Zielgruppe in Frage kommen. Die meisten Entscheidungen, die für den Artikelgebrauch relevant sind, setzen ein entwickeltes Sprachbewusstsein (language awareness; vgl. Luchtenberg 1994; 2001, S. 862; Gnutzmann 2003) und eine fortgeschrittene Kompetenz in der Zielsprache voraus. So können bei den Beispielsätzen, die in Kapitel 3 diskutiert wurden, sicherlich nur Lerner, die bereits über einen relativ ausgebauten Wortschatz verfügen, sinnvoll darüber nachdenken, ob ein Referent individuiert oder nicht-individuiert ist oder ob für eine Prädikativ-Nominalphrase einer oder mehrere Kandidaten erwartet werden, auf die die Beschreibung passt. Die Artikelwahl ist nicht immer eine Frage von grammatischer Korrektheit oder Unkorrektheit, sondern sehr oft eine Frage subtiler Bedeutungsunterschiede. Deshalb ist es wichtig zu betonen, dass der Lehrer eine Artikelwahl, die ein Lemer getroffen hat, nicht einfach pauschal bewerten, sondern anhand des Entscheidungsbaums sensibel nachvollziehen muss, wenn er dem Lemer gerecht werden möchte. Nur der Lerner weiß, was er an einer fraglichen Textstelle sagen wollte. Er selbst kann überprüfen, ob er die korrekte Artikelentscheidung getroffen hat. Der Lehrer dagegen weiß nicht, was der Lerner sagen wollte. Er muss versuchen, die Mitteilungsabsichten des Lemers zu rekonstruieren, und muss dann beurteilen, ob die Nominalphrasen, die der Lemer produziert hat, im Kontext sinnvoll interpretierbar sind. Dabei ist es durchaus möglich, dass der Lemer etwas Sinnvolles gesagt bzw. geschrieben hat, das aber nicht dem entspricht, was er sagen bzw. schreiben wollte. Um ungerechte Bewertungen und unpassende Korrekturvorschläge zu vermeiden, sollte der Lehrer den Entscheidungsbaum mindestens ebenso intensiv nutzen wie der Lemer. <?page no="211"?> 4. Zusammenfassung der Arbeit und Schlusswort Das Ziel dieses Buches bestand darin, die semantisch-pragmatischen Funktionen der deutschen Artikelwörter darzustellen, die Grundregeln herauszuarbeiten, die ihren Gebrauch bestimmen, und Möglichkeiten zu erkunden, wie diese Regeln für den Unterricht des Deutschen als Fremdsprache didaktisiert werden können. Die Arbeit versteht sich als Forschungsbeitrag zur Germanistischen Linguistik. Darüber hinaus soll sie für Lehrer und Lcrner des Deutschen als Fremdsprache, insbesondere für Sprecher artikelloser Muttersprachen wie des Polnischen, praktischen Nutzen bringen. Auch für Lchrwerk-Autorenund Curriculum-Planer können sich aus ihr wertvolle Hinweise ergeben. Die Untersuchung ging von einer Zusammenstellung typischer Artikelfehler aus Prüfungsarbeiten fortgeschrittener polnischer Deutschlemer aus. Es wurden drei Fehlertypcn unterschieden: 1) Regelwidrige Nicht-Setzung eines Artikels; 2) Regelwidrige Setzung eines Artikels; 3) Auswahl eines falschen Artikels. Anschließend wurde ein Überblick über den Stand der Forschung zum Artikelgebrauch gegeben, der die deutsche und internationale Fachliteratur, insbesondere Grammatiken des Deutschen für Muttersprachler und für Nicht-Muttersprachler aus dem deutschsprachigen Raum sowie von polnischen Autoren berücksichtigt hat. Der Hauptteil der Arbeit wurde mit einem Überblick über die Morphosyntax, die Semantik und die Pragmatik der deutschen Artikelwörter eröffnet, wie sie sich beim gegenwärtigen Forschungsstand darstellen. Besonders wurde auf drei Arten von Lemschwierigkeiten hingewiesen, die den Artikel beim Erwerb des Deutschen als Fremdsprache betreffen: 1) Schwierigkeiten mit dem Genus; 2) Schwierigkeiten mit dem Kasus; 3) Schwierigkeiten mit der Referenzkoordination. Nur der dritte Schwierigkeitstyp gehört zum Thema der vorliegenden Arbeit. <?page no="212"?> 2 1 2 Artikelgebrauch im D eutschen Im folgenden Unterkapitel wurden drei Formtypen von Nominalphrasen unterschieden: 1) Nominalphrasen, die weder Determinative noch Quantifikatoren enthalten; 2) Nominalphrasen, die Quantifikatoren, aber keine Determinative enthalten; 3) Nominalphrasen, die Determinative enthalten. Alle drei Formtypen kommen als syntaktische Argumente und Prädikative vor und können referentielle oder nicht-referentielle Funktion übernehmen. Zuerst wurden prädikative Verwendungsweisen von Nominalphrasen behandelt. FIier kommen typischerweise NPs ohne Determinativ zum Einsatz. Als besonders schwierige Unterscheidung wurde die zwischen beschreibendem und klassifizierendem Gebrauch von Prädikativen herausgestellt. Klassifizierende Prädikative bei menschlichen Bezugs-Referenten stehen ohne Artikel; beschreibende Prädikative stehen mit Artikel. Prädikative Verwendung ohne Artikel ist ferner auch für Masse- und Plural-Nomina typisch. Der Indefinitartikel steht bei beschreibend gebrauchten Zähl-Nomina im Singular, soweit der Sprecher mit der Möglichkeit rechnet, dass die gegebene Beschreibung im relevanten Kontext auf mehr als einen Referenten passt. Der Definitartikel zeigt demgegenüber an, dass der Sprecher im relevanten Kontext nur mit einem Kandidaten rechnet, auf den die Beschreibung passt (Einzigkeit). Bei referentieller Veiwcndung ist Artikcllosigkeit auf Nominalphrasen mit Masse- und Gruppen-Rcfcrcnz sowie auf Personen- und Ortsnamen und wenige weitere Sonderfälle beschränkt. Der Indefinitartikel muss in Singular- Nominalphrasen mit Individuen-Referenz stehen, wenn der Referent nach Meinung des Sprechers für den Adressaten noch nicht identifizierbar ist. Der Definitartikel zeigt Identifizierbarkeit des Referenten an. In Plural- und Masse-Nominalphrasen in Objektsfunktion hat er ferner die Funktion, zu signalisieren, dass der Referent insgesamt von dem besprochenen Sachverhalt betroffen ist (Gesamtheit). Das Abschlusskapitel der Arbeit war der praktischen Anwendung der Untersuchungsergebnisse gewidmet. Es ging um die Frage, wie die Theorie des Artikelgebrauchs für polnische Deutschlehrer und -Iemer aufbereitet und didaktisiert werden kann. Als praktisches Werkzeug wurde ein Entscheidungsbaum entwickelt, mit dem Lernerund Lehrer selbständig ermitteln können, welcher Artikelgebrauch in einer konkreten Verwendungssituation korrekt bzw. sinnvoll ist. <?page no="213"?> Zusammenfassung der Arbeit und Seblusswor/ 213 Die in diesem Entscheidungsbaum als Einzelschritte systematisierten semantisch-pragmatischen Oppositionen sollten jede für sich im Sprachunterricht der Mittel- und Oberstufe durchgenommen und geübt werden. Auf diese Weise sollen die Lemer Begriffe erwerben, die es ihnen möglich machen, über den Artikelgebrauch strukturiert nachzudenken und zu diskutieren. Auch wenn damit in der spontanen Sprachproduktion kaum eine Fehlervermeidung möglich sein dürfte, kann zumindest für die bewusst geplante Produktion schriftlicher Texte die Sicherheit im Umgang mit den deutschen Artikelwörtem erhöht werden. Der nicht-muttersprachige Lehrer bekommt mit dem Entscheidungsbaum ein Mittel an die Hand, das ihm hilft, Artikelfehler sicherer zu erkennen und sachgerechte Korrekturvorschläge zu machen. Die vorliegende Arbeit tritt keineswegs mit dem Anspruch auf, alle Fragen zu den deutschen Artikelwörtem beantworten zu können, die polnische Deutschlcrncr sich stellen. Ein solches Vorhaben könnte nur als vermessen betrachtet werden. Es wäre schon als Erfolg zu werten, wenn die Grundfunktionen der deutschen Artikelwörter und ihre Systematik durch diese Arbeit verständlicher geworden wären. Zahllose weitere Fragen müssen durch zukünftige Forschungsarbeiten beantwortet werden. <?page no="215"?> 5. Streszczenie w jfzyku polskim (Zusammenfassung in polnischer Sprache) Niniejsza ksiazka ma na celu przedstawienie semantyczno-pragmatycznych funkcji przedimköw niemieckich (Artikelwörter), opracowanie podstawowych regul sterujacych ich uzyciem oraz zbadanie mozliwosci dydaktyzacji tych regul na potrzeby Iekcji jçzyka niemieckiego jako obcego. Praca ta stanowi przyczynek badawczy do jçzykoznawstwa niemieckiego. Ponadto jest ona zbiorem praktycznych wskazöwek dla nauczycieb i uczacych siç jçzyka niemieckiego jako obcego, w szczegölnosci dla tych uzytkowniköw jçzyka niemieckiego, ktörych jçzyk ojezysty jest jçzykiem bezrodzajnikowym, jak np. jçzyk polski. Praca ta moze byc röwniez przydatna autorom podrçcznikow do nauki jçzyka niemieckiego oraz twörcom programöw nauczania. Badanie rozpoczyna siç zestawieniem typowych blçdôw w zakresie uzycia rodzajniköw popelnianych przez Polaköw uczacych siç jçzyka niemieckiego na poziomie zaawansowanym. Analiza ta jest przeprowadzona na podstawie prac cgzaminacyjnych i wykazuje trzy typy blçdôw: 1) Nieprawidlowe nie wstawicnic rodzajnika; 2) Nieprawidlowe wstawicnic rodzajnika; 3) Wybor blçdnego rodzajnika. Dalsza czçsc wprowadzenia zawiera prezentaejç stanu badan nad uzyciem rodzajnika. Uwzglçdniona zostala niemiecka i miçdzynarodowa literatura przedmiotu, przede wszystkim gramatyki jçzyka niemieckiego dla rodowitych uzytkowniköw oraz dla obcokrajowcöw, obie opracowane przez autoröw z obszaru niemieckojçzycznego, jak röwniez gramatyki jçzyka niemieckiego opracowane przez polskich autoröw. Glöwna czçsc niniejszej pracy rozpoczyna siç przcgladem morfologii, skladni, semantyki i pragmatyki przedimköw niemieckich zgodnie z obeenym stanem badan nad nimi. W szczegölnosci zostala zwröcona uwaga na trzy klasy trudnosci w opanowaniu rodzajnika niemieckiego: 1) Trudnosci z kategori^ rodzaju; 2) Trudnosci z kategorhv przypadka; 3) Trudnosci z koordynaejq refereneji. <?page no="216"?> 216 Artikelgebraiirli im Deutschen Tylko trzeciaklasa trudnosci stanowi przedmiot niniejszego opracowania. W nastçpnym podrozdziale dokonujc siç podzialu fonn fraz nominalnych na trzy rodzaje, ktöre sa dalej szczegölowo omawianc pod wzglçdem ich dystrybucji: 1) Frazynominalncbezdeterminatywui bezkwantyfikatora; 2) Frazy nominalne z kwantyfikatorcm, alc bez determinatywu; 3) Frazynominalne z determinatywcm. Wszystkic trzy rodzaje fraz nominalnych mogawystçpowac zaröwno w funkcji skladniowej argumentujak i wykladnika predykacji. Wszystkie trzy rodzaje fraz nominalnych mog^ sprawowac funkcjç rcfercncyjnalub niereferencyjna. Na poczatku omawiane sa predykatywne sposoby zastosowania fraz nominalnych. Tutaj dominuj^c^grupç stanowi^ ffazy nominalne bez determinatywu. Jako szczcgölnic trudne uwaza siç przeprowadzenie rozröznienia pomiçdzy opisowym a klasyfikuj^cym uzycicm wykladniköw predykatywnych. Wykladniki predykatywne kIasyfikuj^ce, odnoszace siç do ludzkiego podmiotu, wystçpujg bez rodzajnika. Wykladniki predykatywne opisuj^ce wystçpujr\. z rodzajnikiem. Ponadto predykatywne zastosowanie bez rodzajnika jest röwniez typowe dla rzeczowniköw okreslajacych masç oraz dla rzeczowniköw w Iiczbie mnogiej. Rodzajnik nieokreslony wystçpuje przy rzeczownikach policzalnych w liezbie pojedynczej, ktöre zostaly uzyte opisowo, o ile rozmöwca Iiczy siç z mozliwosciq, iz podany opis pasuje w danym kontekscie do wiçcej niz jednego referenta. Z kolei rodzajnik okreslony sygnalizuje, iz rozmöwca w danym kontekscie uwzglçdnia tylko jednego kandydata, do ktörego podany opis pasuje (unikalnosc). Przy referencyjnym zastosowaniu bezrodzajnikowosc ogranicza siç do fraz nominalnych z referenejamasy, refereneja grupy jak röwnicz do nazw osöb, nazw miejscowosci oraz do niclicznych innych wyjrgköw. We frazach nominalnych w liczbic pojedynczej z refereneja jednostkow^ musi zostac uzyty rodzajnik nieokreslony, o ilc referent, wedlug möwey, jest dla adresata jeszcze nicidentyfikowalny. Rodzajnik okreslony informujc o mozliwosci identyfikacji referenta. We frazach nominalnych w liezbie mnogiej oraz we frazach nominalnych, okreslajacych masç, rodzajnik okreslony sygnalizuje, iz referent pojmowany jest przez omawiany stan rzeczy jako ealose (ealose). <?page no="217"?> Streszczenie w jç z y k u polskim 2 1 7 Rozdzial koncowy niniejszej ksiqzki poswiçcony jest praktycznemu zastosowaniu wynikow badan. Chodzi tutaj przede wszystkim o pytanie, w jaki sposöb teoria uzycia rodzajnika moze zostac przetworzona i zdydaktyzowana na potrzeby polskich nauczycieli oraz uczacych siç jçzyka niemieckiego. Jako praktyczne narzçdzic sluzyc ma temu schemat blokowy, za pomoca ktörego, zarowno uczcn jak i nauczycicl mogq ustalic, ktöre uzycie rodzajnika w konkretnej sytuacjijcst poprawnc i sensowne. <?page no="219"?> 6. Literaturverzeichnis Abraham, Werner ( 1996): Kasus, Aspekt und nominale Referenz: Komplexe kausale Zusammenhänge in der Diachronie des Deutschen und ihre formale Darstellung auf vergleichender typologischer Grundlage. In: Brandner, Ellen/ Ferraresi, Gisella (Hg.): Language change and generative grammar. Opladen, S. 22-70. Balcik, Ines/ Röhe, Klaus (2006): Pons. Deutsche Grammatik und Rechtschreibung. Alle wichtigen Regeln einfach und verständlich. I. Aufl. Barcelona/ Belgrad/ Stuttgart. Ballweg, Joachim (2003): Quantifikation und Nominaltypen im Deutschen. (= Studien zur Deutschen Sprache 28). Tübingen. Bartnicka, Barbara/ Satkiewicz. Halina (2000): Gramatykajezyka polskiego. Podrecznik dla cudzoziemcöw. 4. Aufl. Warszawa. Bartnicka, Barbara/ Hansen. Björn Klemm. 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W elchen genau en syn taktischen S tatus nicht hat. is t bis heute u m stritte n . Die N egation in te ra g ie rt auch en g m it der Inform a tio n sstru ktu r, die u n te r and ere m d urch In to n a tio n und A kze n tu ie ru n g a u s g e d rü c k t wird. Die In to n a tio n n e g ie rte r Äußerungen und ihre Auswirkungen a u f die B e deutung werden in diesem Buch beso nders gründlich beh andelt. S ch ließlich s in d zur B e deutung d e r Negation selbst noch w ichtige Fragen zu klären, unter anderem die, w elche sem a ntischen O bjekte üb e rh a u p t neg iert werden können und was genau durch ih re Negation bew irkt wird. Das Buch ve rsucht eine G esam tschau der G ram m atik der Negatio n im Deutschen, die fü r Fachwissenschaftler, fü r Studierende und fü r allgem ein Sprach in teressierte, etwa fü r Lehrende des D eutschen als M utter- und Frem dsprache, zugänglich sein soll. Die begrifflichen und m ethodischen Voraussetzungen a lle r Teile werden le serfreundlich eingeführt. Dadurch ist das Buch auch als Lehrw erk fü r die G ebiete der Syntax, In fo rm a tio n sstru ktu r und S a tz s e m a n tik d e s Deutschen im L inguistikstudium verwendbar. Narr F ra n c k e A t te m p to V e rla g GmbH+Co. KG • D is c h in g e rw e g S • D -7 2 0 7 0 Tübingen j e l + 4 9 (0 7 0 7 1 ) 9 7 9 7 -0 • Fax + 4 9 (0 7 0 7 1 ) 9 7 9 7 -1 1 • in fo@ narr.de • w w w .narr.de <?page no="232"?> Für Muttersprachler des Polnischen und anderer artikelloser Sprachen gehört der Gebrauch des Artikels zu den schwierigsten Kapiteln der deutschen Grammatik. Sie haben große Mühe zu verstehen, wann im Deutschen der Definitartikel, wann der Indefinitartikel und wann kein Artikel verwendet wird. Die vorliegende Arbeit setzt bei diesen Schwierigkeiten an. Sie versucht eine systematische Darstellung von Funktion und Gebrauch der Artikel, die den Vergleich mit dem Polnischen besonders berücksichtigt. Im Unterschied zum größten Teil der vorhandenen Literatur wird nicht nur der Artikelgebrauch in referentiellen Nominalphrasen, sondern auch der in prädikativen und anderen nicht-referentiellen Nominalphrasen ausführlich gewürdigt. Im Hinblick auf die Didaktisierung wird die Frage in den Mittelpunkt gestellt, welche Sprachmittel des Polnischen Funktionen erfüllen, die denen der deutschen Artikelwörter nahekommen. Das Buch wendet sich an Linguisten, aber auch an Lehrer und fortgeschrittene Lerner des Deutschen als Fremdsprache sowie an Lehrwerk- Autoren und Curriculum-Planer. I S B N 9 7 8 - 3 - 8 2 3 3 - 6 7 0 3 - 1 7 8 3 8 2 3 3 6 7 0 3 1
